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Title: Die Italienische Plastik
Author: Bode, Wilhelm, 1845-1929
Language: German
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    Anmerkungen zur Transkription:

    Im Original steht hier "altitalischen" anstatt "altitalienisch".
    Im Original steht hier "italischer" anstatt "italienischer".
    Im Original steht hier "süditalischen" anstatt "süditalienischen".
    Im Original steht hier "Eine" anstatt "eine".
    Im Original steht hier "Forsetzung" anstatt "Fortsetzung".
    Im Original steht hier "Ein" anstatt "ein".
    Im Original steht hier "Aller" anstatt "aller".
    Im Original steht hier "norditalischen" anstatt "norditalienischen".
    Im Original steht hier "Jahrzente" anstatt "Jahrzehnte".
    Im Original steht hier "süditalische" anstatt "süditalienische".
    Im Original steht hier "oberitalischen" anstatt "oberitalienischen".
    Im Original steht hier "Querzia" anstatt "Quercia".
    Im Original steht hier "Einem" anstatt "einem".



HANDBÜCHER
DER KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN
MIT ABBILDUNGEN


DIE
ITALIENISCHE PLASTIK

VON

WILHELM BODE

MIT 86 ABBILDUNGEN IM TEXT


ZWEITE AUFLAGE

BERLIN
W. SPEMANN
1893



Altchristliche Plastik
(um 300 bis 600 n. Ch.).


[Abbildung: 1. Bronzestatuette des hl. Petrus]

Das Auftreten und der schließliche Sieg des Christentums, welches die
alte Welt zertrümmerte und eine neue Kultur an seine Stelle setzte, hat
zur Belebung der Kunst zunächst nicht beigetragen. Die künstlerische
Schöpfungskraft war im weströmischen Reiche zur Zeit Konstantin's schon
völlig erloschen; die Kunst, zumal die bildnerische, die recht
eigentlich die Kunst der Antike gewesen war, zehrte von Traditionen,
welche mehr und mehr verblaßten; und in den immer roheren und
empfindungsloseren, immer spärlicheren Nachbildungen verlor sich
allmählich auch die handwerksmäßige Fertigkeit. Für den Bronzeguß fehlte
es, von Werken der Kleinkunst abgesehen, an Ausdauer und technischem
Können, für die Ausführung von Freifiguren überhaupt an künstlerischem
Vermögen; die bildnerische Thätigkeit wurde daher bald auf das Relief
beschränkt, und auch dieses wurde vorwiegend im Kleinen ausgeführt.

Die christliche Religion war schon an sich für die plastische Gestaltung
ihrer Ideen und Personen wenig geeignet, sie war ihr auch durch ihren
Zusammenhang mit dem mosaischen Gesetz abgeneigt; in Folge dessen wurde
die Plastik von den großen monumentalen Werken, welche die Anerkennung
des Christentums als Staatsreligion notwendig machte, so gut wie ganz
ausgeschlossen. Aber auch der greisenhafte Zustand der Zeit, das Fehlen
jeder erfinderischen Kraft für die neuen künstlerischen Aufgaben, welche
durch das Christentum und die christliche Staatskirche erwuchsen, machte
ein Zurückgehen auf antike Vorbilder und teilweise selbst auf antike
Motive, ja eine knechtische Entlehnung derselben notwendig. Selbst die
Aufgaben blieben im Grunde die alten; man erfüllte sie nur mit neuem
Geist.

[Abbildung: 427. Elfenbeinpyxis]

In erster Linie steht, als Ausfluß des tiefgewurzelten altitalienisch
Totenkultus, der Schmuck der Sarkophage; daneben die kleine Plastik,
namentlich die Elfenbeinschnitzerei und der Schmuck der Lampen, die in
den Katakomben eine reiche Verwendung zu heiligen Zwecken fanden. Bei
der Ausführung dieser Bildwerke schlössen sich die Künstler den
heidnischen Vorbildern unmittelbar an; Stil und Technik blieben
dieselben, verloren aber schließlich auch den letzten Zusammenhang mit
der Natur. Zur Schöpfung heiliger Typen, wie sie der neue Glaube
erfordert hätte, war eine solche Plastik nicht mehr befähigt. Für
Christus und einige der vornehmsten Apostel, namentlich Petrus, hatte
die historische Tradition in der vorausgegangenen Zeit die Vorbilder
festgestellt; im Übrigen sind fast alle anderen Gestalten schemenhafte
Nachbildungen heidnischer Vorbilder. Die Einzelfigur trat zurück; das
erzählende Relief, von der Malerei abhängig und ein notdürftiger Ersatz
derselben, wurde fast ausschließlich, wie in den Anfängen der Kunst,
eine bildliche Erläuterung des neuen Glaubens.

Diese aus spätrömischer Tradition herausgewachsene und in römischer Form
und Auffassungsweise in die Erscheinung tretende Kunstübung, die als
altchristliche Kunst bezeichnet wird, starb langsam ab unter den Stürmen
der Völkerwanderung, in denen das weströmische Reich durch deutsche
Völkerschaften zertrümmert wurde, die nicht im Stande waren, dauerhafte
Zustände an die Stelle zu setzen.

[Abbildung: 429. Elfenbeintafel.]

Die Werke italienischer Plastik aus dieser Zeit, die überhaupt spärlich
sind, haben nur selten ihren Weg aus Italien herausgefunden; was sich im
Auslande findet, gehört fast ausnahmslos der Kleinkunst an; vorwiegend
sind es Werke der Elfenbeinplastik. Die Berliner Sammlung besitzt, als
große Seltenheit, die kleine Freifigur eines Petrus aus Bronze (No. 1);
eine Arbeit des IV. Jahrh., die durch ihren unmittelbaren Anschluß an
eine antike Rednerstatue, trotz der rohen Bildung der Extremitäten, noch
eine gewisse Lebendigkeit in der Haltung und im Ausdruck besitzt. Ebenso
rein antik erscheint die gleichzeitig entstandene Elfenbeinpyxis mit der
Darstellung Christi zwischen den Aposteln und dem Opfer Abrahams (No.
427), die, Dank der leichteren Bearbeitung des Materials, feiner in der
Durchbildung ist; sie ist eines der besten Beispiele altchristlicher
Elfenbeinplastik. Die Ausartung derselben in flüchtige Roheit zeigt das
Bruchstück einer anderen Pyxis (No. 430) mit einer Darstellung des
kleinen Joseph zwischen seinen Brüdern, die wohl erst dem VI. Jahrh.
angehört. Für den Einfluß, den die allmählich aus der Antike sich
eigenartig entwickelnde byzantinische Kunst schon damals von Ravenna aus
auf einzelne Teile von Italien ausübte, ist das große Diptychon mit dem
thronenden Christus zwischen Petrus und Paulus und mit Maria zwischen
zwei Engeln (No. 428 und 429) ein besonders charakteristisches,
vorzügliches Beispiel. Die Arbeit stimmt mit den Elfenbeinreliefs am
Throne des Maximian († 556) in Ravenna überein und darf daher als
gleichzeitige Arbeit eines Künstlers in Ravenna gelten.



Die romanische Epoche
(um 600 bis 1250).


[Abbildung: 4. Sarkophag aus Venedig.]

Nach den furchtbaren Verheerungen und Plagen, mit welchen Italien seit
der Zertrümmerung des weströmischen Reiches in verstärktem Maße
heimgesucht wurde, war die Begründung des Longobardenreiches eine erste,
wenn auch nur schwache und kurze Erholung für das verwüstete,
menschenleere Land. In solchen Nöten hatten die Künste keine Pflege
finden können, waren selbst die Keime erstickt, aus denen sich Neues
hätte entwickeln können. Aber auch nach der Aufrichtung des
Longobardenreiches verging fast ein halbes Jahrtausend unter
fortwährendem politischen Elend, bis in Italien der Boden für eine
nationale Kunstentwickelung wieder bestellt war. Freilich war das
Bedürfnis zu künstlerischer Ausgestaltung und Ausschmückung der
Umgebung, namentlich der Gotteshäuser, selbst in dieser kunstarmen,
unkünstlerischen Zeit nicht erloschen; und wo höhere Anforderungen
gestellt wurden, mußte man sich an das Ausland wenden. Schon die ersten
unter den Longobardenkönigen zogen daher byzantinische Künstler an ihren
Hof, und später sehen wir wiederholt in den verschiedensten Teilen von
Italien, namentlich in Venedig und Süditalien, byzantinische Künstler
eine hervorragende Thätigkeit entfalten. Regelmäßig wiederholt sich
dabei dieselbe Erscheinung: die Vorbilder, welche diese fremden
Künstler schufen, wurden barbarisch nachgeahmt, ohne daß sich daran eine
eigenartige lebensfähige Kunstthätigkeit anzuschließen im Stande war.

Besonders tief ist in diesem langen Zeitraume der Stand der
bildnerischen Kunst. Hier wirkte noch der Umstand sehr ungünstig ein,
daß die der figürlichen Plastik abholden Byzantiner fast nur nach der
ornamentalen Seite Vorbilder lieferten. Diese byzantinische und
byzantinisierende Dekorationsweise trägt den Charakter einer
teppichartigen Flächendekoration, welche Wandfüllungen, Ballustraden,
Kapitelle u. s. f. vollständig bedeckt. Gewinde von Weintrauben oder
Epheu, Akanthusblätter und Akanthusranken umgeben Krucifixe, Rosetten
oder Tiere mit symbolischer Beziehung, oder bilden den Grund, auf dem
sich dieselben abheben. Auch das aus dem Norden Europa's stammende
Bandgewinde, phantastisch und oft sehr zierlich verschlungen, hat sich
hier eingefunden. Wo diese Ornamente rein und gut gearbeitet sind,
dürfen wir, nach dem Vergleich mit erhaltenen Arbeiten im Gebiete des
alten byzantinischen Reiches, auf die Hand von byzantinischen Künstlern
schließen. Besonders reiche und gute Beispiele der Art bieten Rom,
Brescia und namentlich Venedig und Torcello. Von letzteren besitzt auch
die Berliner Sammlung, aus der 1841 erworbenen Sammlung Pajaro, eine
Anzahl interessanter Stücke, welche teils noch von dem alten Markusdom
(aus dem Jahre 829, so das Fenster No. 2 und die Muscheldekoration No.
6), teils von dem Umbau nach einem Brande im Jahre 976 herrühren; von
letzterem ein Paar Kapitelle (No. 8 und 9) u. a. m. Die Pfauen am Brunnen
(No. 7) aus frühester byzantinischer Zeit. Auch die seltenen feineren
Arbeiten der kleinen Plastik: Altarvorsätze in edlen Metallen,
Elfenbeinarbeiten, namentlich die Kästchen mit Einzelfiguren von
Kämpfern u. dergl., sind regelmäßig Arbeiten byzantinischer Künstler,
die im IX. und X. Jahrh. in Italien beschäftigt waren.

Weit zahlreicher und über ganz Italien zerstreut sind die italienischen
Nachbildungen solcher byzantinischer Vorbilder in Stein, die durch den
Mangel an Originalität der Erfindung und an dekorativem Sinn, wie durch
auffallende Roheit der Ausführung sich unschwer als Arbeiten
einheimischer Steinmetzen kennzeichnen. Neben Venedig und seinen
Nachbarorten sind Cividale, Ancona, Rom mit Bauten, an denen dekorative
Bildwerke dieser Art ursprünglich oder von älteren Monumenten angebracht
sind, besonders reich; sie finden sich aber auch bis nach Sicilien
hinein. Das Berliner Museum hat von solchen Arbeiten namentlich ein Paar
interessanter Sarkophage (No. 3 und 4) und einen Thürbogen (No. 5)
aufzuweisen, die dem VIII. und IX. Jahrh. anzugehören scheinen.

Erst im XI. Jahrh. beginnt langsam aber stetig und fast gleichzeitig in
verschiedenen Teilen Italiens eine nationale Kunst wieder einzusetzen;
zunächst in der Architektur, welche allmählich auch die Plastik zu ihrer
Beihülfe heranzieht. Dieselbe erstarkt während des XII. Jahrh. im
gesunden Anschluß an die Baukunst und gelangt um die Mitte des XIII.
Jahrh. zu einer selbständigen künstlerischen Entfaltung. Für den Verlauf
dieser Entwickelung in den einzelnen Teilen Italiens ist namentlich der
verschiedene Einfluß maßgebend, der von außen auf die bildnerische
Thätigkeit einwirkt. In Venedig und seiner Nachbarschaft bleiben für
lange Zeit noch die Vorbilder der byzantinischen Bildwerke der
Ausgangspunkt für die einheimische Plastik. In Süditalien und Sicilien
sind gleichfalls byzantinische Künstler noch bis in das XII. Jahrh.
thätig; neben ihnen macht sich aber auch arabischer Einfluß in
eigentümlicher Weise geltend. Unabhängiger von der östlichen Kunst zeigt
sich die Plastik in Mittel- und Oberitalien. In Mittelitalien, in Rom
wie in Toskana in eigener Weise, bilden die zahlreichen Überreste
spätrömischer und etrurischer Plastik den Anhalt für die ersten
unbeholfenen Versuche in der eigenen Kunstübung. Am selbständigsten und
bedeutsamsten entwickelt sich die plastische Kunst von vornherein in der
Lombardei, zuerst in Mailand und Verona, dann namentlich in Parma und
Modena; lombardische Steinmetzen und Bildhauer verbreiten sich weiter
über Ober- und Mittelitalien und tragen auch hier zu einer freieren,
selbständigen Entwickelung der Plastik wesentlich bei.

[Abbildung: 454. Elfenbeinrelief der Kreuzigung.]

Süditalien war als Bestandteil des oströmischen Kaiserreichs auch in
künstlerischer Beziehung von Byzanz abhängig geblieben und diese
Abhängigkeit bekundete sich auch noch, nachdem ganz Sicilien in die
Hände der Araber fiel und Ende des XI. Jahrh. Süditalien samt Sicilien
von den Normannen erobert wurde. Der bildnerische Schmuck der
kirchlichen Monumente hat entweder rein ornamentalen Charakter oder die
Bildwerke tragen auch im Großen den Stil der Kleinkunst. Dies gilt
namentlich für die Bronzethüren, welche aus einer Reihe kleiner Platten
mit winzigen figürlichen Darstellungen zusammengesetzt sind. Diese
wurden anfangs in einer Art Niellotechnik hergestellt, später, seit der
Mitte des XII. Jahrh. in einzelnen Platten mit Reliefs gegossen. Sie
erscheinen im Stil von den Elfenbeinreliefs abhängig; erstere sind
durchweg byzantinische Arbeiten, letztere wurden meist schon von
Italienern ausgeführt, bekunden aber noch stark byzantinischen Einfluß.
Unter diesem Einfluß entwickelte sich Ende des XI. und im XII. Jahrh.
eine regere und in ihrer Art recht tüchtige Kleinplastik mit lebendig
erzählendem, wenn auch kindlich naivem Charakter; zumeist in Elfenbein,
worin der bekannte Altarvorsatz im Dom von Salerno das Hauptstück ist;
vereinzelt auch in Stein, wie in den zierlich gearbeiteten Marmortafeln
im Dom zu Neapel, die durchaus im Stil der Elfenbeinreliefs behandelt
sind. Die Berliner Sammlung besitzt verschiedene Elfenbeinreliefs, die
denen in Salerno nahe verwandt sind (No. 436, 453 u. 454) und offenbar
den gleichen Ursprung haben; und für jene Marmorreliefs erscheinen die
Darstellungen aus der Schöpfung auf einer Elfenbeintafel der Sammlung
(No. 455) wie die unbeholfenen, altertümlichen Vorbilder.

[Abbildung: 28. Büste einer süditalienischen Fürstin.]

In der kurzen Zeit des Friedens und äußeren Gedeihens der
süditalienischen Provinzen unter der Herrschaft Friedrichs II. brachten
die Cosmaten aus Rom ein neues Element in die Dekoration. Aus
dergleichen Zeit oder wenig später sind aber auch einige Stücke großer
Plastik erhalten: verschiedene Porträtbüsten, die sich bisher schwer in
Zusammenhang mit der übrigen Entwickelung der Plastik in Süditalien
bringen ließen. Zwar scheinen die Büsten im Museum zu Capua vielmehr
Arbeiten aus der letzten Verfallzeit römischer Kunst zu sein; aber es
bleiben als zweifellose Arbeiten dieser Zeit ein paar Frauenbüsten, die
der Sigilgaïta Rufolo an der Kanzel im Dom zu Ravello und zwei
verwandte, aber flüchtiger behandelte Reliefköpfe an derselben Kanzel
(vom Jahre 1272), sowie die aus der unmittelbaren Nachbarschaft von
Ravello stammende Büste einer jungen Fürstin in Berlin (No. 28). Beide
Büsten, obgleich unter sich nicht unwesentlich verschieden, stimmen in
dem Streben nach möglichstem Anschluß an spätrömische Arbeiten, selbst
in der technischen Behandlung überein. Bei der Vereinzelung dieser
Bildwerke liegt es näher, dieselben auf Einflüsse der Kunst der Pisaner
Meister (s. S. 16) zurückzuführen, als umgekehrt daraus auf Süditalien
als die Heimat der Kunst des Niccolo Pisano zu schließen. Wie roh die
große Plastik in Süditalien damals noch war, dafür giebt die Statue
Karls von Anjou, die jetzt an der Treppe des Conservatorenpalastes zu
Rom steht, augenfälligen Beweis.

In Venedig und seiner Umgebung finden wir gleichzeitig eine der
süditalienischen verwandte Entwickelung der Plastik: auch hier
verhindert der byzantinische Einfluß eine freie eigenartige Gestaltung;
auch hier sind noch lange Zeit byzantinische Künstler hervorragend
thätig und liefern auch später durch ihre Arbeiten die Vorbilder für die
flüchtigen Nachbildungen der einheimischen Künstler. Mehr noch als in
Süditalien bleibt in Venedig der bildnerische Schmuck auf ornamentale
Verzierungen beschränkt, die mit Tierdarstellungen in phantastischer
Weise verquickt sind. Ein charakteristisches Zeichen für die Scheu vor
freier Skulptur ist der Umstand, daß noch um die Mitte des XIII. Jahrh.
für die Monumente der Dogen antike Sarkophage benutzt wurden. Wo uns an
den Bauten dieser Zeit plastischer Schmuck begegnet, ist er entweder aus
dem Orient herübergeholt oder orientalischen Vorbildern nachgeahmt.
Ausnahmen, wie die Säulen des Tabernakels in San Marco, (wenn nicht zum
Teil früh-christlich), bestätigen nur die Regel: sie sind ganz nach Art
der Elfenbeinschnitzwerke und der Goldschmiedearbeiten eingeteilt und
mit ganz kleinen Reliefdarstellungen wie übersponnen, Arbeiten, die in
ihrer sauberen, ängstlichen Ausführung jeden größeren bildnerischen Sinn
vermissen lassen. Das Berliner Museum besitzt eine ganze Sammlung
charakteristischer venezianischer Dekorationsstücke, wie sie noch heute
das Äußere und Innere der romanischen Kirchen und die Fassaden der
gleichzeitigen Paläste Venedigs und der Nachbarorte auf den Inseln in
reicher musivischer Anordnung bedecken. (No. 11ff.).

Noch ausschließlicher als in Süditalien und Venedig bleibt in Rom die
Thätigkeit der Bildhauer auf rein dekorative Arbeiten beschränkt; ja
diese verzichtet selbst auf eigentlich plastische Ornamentik und bildet
dafür ein zierliches und farbenreiches musivisches Schmucksystem aus,
welches mit Anlehnung an antike Vorbilder aus dem unerschöpflichen
Vorrat an römischen Baustücken in wertvollen Steinen aller Art sein
Material herbeiholt und gerade durch die Fülle und den Wert desselben
zur Ausbildung dieser Dekorationsweise angeregt wurde; als
Cosmatenarbeit benannt, weil namentlich der Marmorarius _Cosmas_ und
seine Familie dieselbe ausübte. Ein Beispiel dafür, doch schon aus
späterer Zeit, bietet die Aschenurne (No. 31).

[Abbildung: 28A. Marmorbüste aus Rom.]

Zwischen diesen Arbeiten steht das Bruchstück eines großen plastischen
Werkes, welches in Rom ausgegraben wurde und das sich jetzt im Berliner
Museum befindet, bisher vereinzelt und unerklärt da: der kolossale
Marmorkopf eines bärtigen Mannes, den der Reif im lockigen Haar wohl als
Fürsten charakterisiert (No. 28A). Neben den oben genannten, etwa
gleichzeitigen süditalienischen Büsten fällt in diesem Marmorwerke der
enge Anschluß an antike Büsten archaischen Stils, sowie die
außerordentlich saubere Ausführung und teilweise schon individuelle
Empfindung auf, wie sie sich z. B. in der Behandlung des Ohres bekundet.
Die eigentümlich stilisierte Behandlung des flach anliegenden lockigen
Barthaares findet sich ganz übereinstimmend im Haar der Bronzewölfin im
Kapitol, die auch sonst in ihrer Auffassung und Behandlung mehr
mittelalterlichen als antiken Charakter hat. Wir werden daher auch
dieses Werk der römischen Plastik des XIII. Jahrh. zuzuschreiben haben,
die uns in ihrer Entwickelung und im Zusammenhang mit der Plastik des
übrigen Italien noch manches zu raten giebt.

Eine klare und stetige Entwickelung und eine reichere Entfaltung zeigt
die Skulptur nur in Norditalien und Toskana. Von vornherein, seit dem
Anfang des XII. Jahrh., tritt sie hier in gesunder Verbindung mit der
Architektur zur Hebung und Belebung ihrer Glieder auf; auch geht sie
denselben Weg, den sich hier die selbständige Entwickelung der
Architektur bahnt: vom Mittelpunkt des alten Longobardenreiches, von
Mailand und seiner Umgebung, wird sie durch Marmorarbeiter dieser Orte
(namentlich aus Como) nach Mittelitalien übertragen und lange Zeit
vorwiegend durch diese »Comasken« ausgeübt. Die Lombardei selbst hat nur
dürftige Reste aufzuweisen; die großen Reliefs am Tabernakel über dem
Hochaltar in S. Ambrogio zu Mailand sind in ihrer starren
Regelmäßigkeit, wenn nicht von byzantinischer Herkunft, doch erst aus
dem XIII. Jahrh.; das beweisen die rohen Skulpturen der Porta Romana vom
Meister _Anselmus_, die aus den Jahren 1167 bis 1171 datieren. Sehr
bedeutend sind dagegen die Überreste, welche heute noch in Verona
erhalten sind: das Portal des Domes (1135) und namentlich die Fassade
von S. Zeno sind hier mit reichstem Skulpturenschmuck verziert. Beide
Arbeiten gehen wenigstens teilweise auf Meister _Nicolaus_ zurück, der
an S. Zeno mit dem Meister _Wilhelm_ zusammen arbeitet, dann am Dom von
Modena thätig ist und 1139 auch das Portal des Domes zu Ferrara mit
reichem plastischen Schmuck versieht. Neben diesen Steinarbeiten bieten
die aus vielen ehernen Platten bestehenden Thürflügel von San Zeno das
Bild einer äußersten Barbarei in allen körperlichen Bildungen dar. Die
einzelnen Tafeln könnten auch verschiedenen Ursprungs und Alters sein.
Mit einigen älteren deutschen Bronzearbeiten haben sie gemein, daß die
Figürchen in ihrem starken Hochrelief wie aufgenietet erscheinen.
Teppichartig bedecken die Marmorreliefs die Wände und zeigen eine
kindlich naive, unbeholfene und derbe, ja selbst rohe, aber eigenartige
Erzählungs- und Darstellungsweise. Das Relief springt hier durchweg
kräftig über den Rahmen hinaus, der ganz flach bleibt; doch sind die
Figuren, selbst die Extremitäten dabei gleichmäßig in der Fläche
gehalten. Die viel lebendigeren und besser verstandenen Figuren an dem
Taufbecken in S. Giovanni in Fonte zu Verona gehören schon einer
vorgeschritteneren Zeit an und verraten, wie die gleichzeitigen
venezianischen Bildwerke, die Schulung durch byzantinische Künstler und
Vorbilder.

Den Arbeiten in Verona und Ferrara sind die noch umfangreicheren
Skulpturen in Parma und dem benachbarten San Donino schon wesentlich
überlegen. An beiden Orten ist _Benedetto Antelami_, der sich in
bezeichneten Arbeiten zwischen den Jahren 1178 und 1196 nachweisen läßt,
der maßgebende Künstler. Hier wie an den vorgenannten Orten sind die
Portale Mittelpunkt des Reliefschmuckes, welcher das Bogenfeld, den
Bogen, Sturz und Pfosten, vielfach auch die Wandflächen zu den Seiten
und den Baldachin vor der Thür bedeckt, und dessen Motive Scenen aus dem
alten und neuen Testament, namentlich aus der Schöpfungsgeschichte und
der Passion, dann Folgen genreartiger Darstellungen der Monate, sowie
(an den Einrahmungen, als Säulenträger u. s. f.) phantastische Tierbilder
und gelegentlich Darstellungen lokaler Beziehung zeigen. Im Innern ist
der plastische Schmuck weit spärlicher; die Kapitelle der Säulen,
Kanzeln, Lettner, Taufbecken, Weihwasserbecken und einzelne
Architekturteile sind mit Reliefs geschmückt, die sich aber leider meist
nicht mehr an ihrem Platze befinden. Die Arbeiten Antelami's zeichnen
sich vor den älteren lombardischen Bildwerken aus durch glückliche
architektonische Verteilung, klare Anordnung, saubere und gleichmäßige
Ausführung, durch ausgebildete Reliefbehandlung, bessere
Naturbeobachtung und namentlich durch feinere innere Beziehungen ihres
Ideengehaltes. Dies gilt in höherem Maße noch von einigen jetzt aus
ihrem Zusammenhange gerissenen Skulpturen im Innern des Baptisteriums,
die schon dem XIII. Jahrh. angehören. Ungeschickter und flüchtiger in
der Arbeit, aber durch den reineren Reliefstil, der die Figuren schon
fast frei gerundet vor den Grund stellt, sind von Interesse die
Monatsdarstellungen am Dome von Ferrara und die von derselben Hand
herrührende Anbetung der Könige über der Thür von S. Mercuriale zu
Forlì; wahrscheinlich schon aus der Mitte des XIII. Jahrhunderts. --

Wenig später, aber unter anderen Bedingungen, entstand und entwickelte
sich die Skulptur in Toskana, wenn sie auch mit der lombardischen Kunst
Beziehungen hat und aus der Lombardei sogar eine Reihe ihrer Künstler
bezog. In höherem Maße als in der Lombardei war in Toskana die Plastik
abhängig von der Architektur, welche dort bald nach der Mitte des XI.
Jahrh. an den Formen der Antike in sehr eigenartiger Weise sich als
Basilikenbau entwickelt hatte. Die innere Gestaltung erhielt in der
Fassade einen reichen organischen Ausdruck; teils in einer Art farbiger
Steinmosaik, wie an San Miniato vor Florenz, teils in Säulenarkaden, wie
zuerst am Dom zu Pisa. Der feine architektonische Sinn ließ hier nur
eine beschränkte Mitwirkung der freien Plastik zu; auch machte sich
diese erst nach Verlauf eines vollen Jahrhunderts, nach der Mitte des
XII. Jahrh. geltend. Außen blieb sie im Wesentlichen auf den Thürsturz
und die Thürflügel beschränkt, im Innern wurde ihr der Schmuck der
Kapitelle, des Taufbeckens und namentlich der Kanzel überwiesen, welche
gerade damals durch die Predigerorden, die Dominikaner und Franziskaner,
eine besondere Bedeutung erhielt.

Die frühesten dieser Bildwerke besitzt Pistoja. Ein Meister _Gruamons_
fertigte 1162 am Thürsturz des Hauptportals von S. Giovanni Fuorcivitas
das Abendmahl und 1166 für San Andrea an derselben Stelle die Anbetung
der Könige. Als Verfertiger der Kapitelle dieser Thür nennt sich der
Meister _Enrigus_. Ein Jahr später entstand das Relief am
Architravbalken der Thür von S. Bartolommeo in Pantano. Den gleichen
Charakter tragen die jüngeren, aber trotzdem roheren Bildwerke an der
Kanzel in Groppoli vor Pistoja, sowie der Erzengel Michael ebenda (vom
Jahre 1194), letzterer interessant als Freifigur. Gleichzeitige Arbeiten
derselben Richtung sind (von zahlreichen, überall im nordwestlichen
Toskana zerstreuten skulptierten Kapitellen, Säulenbasen u. dergl.
abgesehen): in Pisa die Architravskulpturen an S. Casciano und das
Relief mit Christus zwischen den Apostelsymbolen von einem Meister
_Bonusamicus_ (jetzt im Campo Santo), in Lucca der Portalschmuck des
Meisters _Biduinus_ an S. Salvatore und die Reliefs des Taufbeckens vom
Meister _Robertus_ in S. Frediano, letztere wohl die tüchtigsten von
allen diesen Arbeiten. Zu den spätesten, aber trotzdem noch fast rohen
Arbeiten dieser Art zählen die Bildwerke am Dom zu Arezzo, der zweiten
Hälfte des XII. und dem Anfang des XIII. Jahrh. angehörend. Dasselbe
gilt auch noch von den Arbeiten des _Marchionne_ (vom Jahre 1216).

[Abbildung: 21D. Bemalte Madonnenstatue des Presbyter Martin.]

Alle diese Werke halten sich auf dem Niveau der Arbeiten von
Steinmetzen, welche die Ornamente an den Kirchenbauten auszuführen
gewohnt sind. Sie behandeln daher ihre Reliefs in der Komposition und in
der Wiedergabe der menschlichen Gestalt genau wie ihre Ornamente: die
Figuren sind ganz in der Fläche gehalten und möglichst zur Ausfüllung
des Raumes benutzt, so daß der Grund ringsum ausgehoben erscheint und
die Gestalten in der Regel mit den Füßen den unteren, mit den Köpfen den
oberen Rand berühren. In den Verhältnissen, in Bewegung und Ausdruck der
Figuren noch völlig kindlich und in der Ausführung mehr oder weniger
roh, konnten dennoch diese Arbeiten durch die Selbständigkeit und die
Naivetät der Empfindung und durch den Ernst des Strebens den Grund zu
einer wirklich künstlerischen Entwickelung der Plastik legen.

Wie weit damals diese einheimische Skulptur noch hinter der
byzantinischen zurückstand, beweist am deutlichsten eine Anzahl
Arbeiten, die gleichzeitig in Toskana unter byzantinischem Einfluß
ausgeführt worden sind; namentlich in Pisa, das durch seinen blühenden
Handel auf dem Mittelmeere zu dem halb byzantinischen Süden von Italien
und zu Byzanz selbst in nahe Beziehung gebracht war. Schon die
Bronzethür am Dom zu Pisa, wahrscheinlich die Arbeit des Pisaners
_Bonannus_ (1180), der einige Jahre später in Monreale die sehr
verwandte Thür goß, erscheint ganz unter dem Einfluß gleichzeitiger
byzantinischer Goldschmiedearbeiten. Noch stärker und vorteilhafter
macht sich diese Einwirkung in den Skulpturen an den Architraven von
zwei Thüren des Battistero geltend; an der östlichen Thür auch in den
Laibungen. Hier haben die Figuren die volle Schönheit, die schlanken
Körperformen, die zierlichen Falten der klassischen Gewänder, die
vornehme Ruhe und die feine Rundung echt byzantinischer Arbeiten dieser
Zeit. Diesen kommen sie ferner in der Sauberkeit der Arbeit gleich und
besitzen dabei auch die charakteristische Fülle, die einfach schlichte
Erzählungsart, die kräftige Ausarbeitung, den in seiner Gebundenheit
feinen Ausdruck solcher Arbeiten. Die Berliner Sammlung, die von älteren
romanischen Bildwerken aus Toskana nur ein mit Köpfen und Tieren
dekoriertes Kapitell aufzuweisen hat (No. 27, aus Lucca stammend, etwa
vom Jahre 1200), besitzt eine in ihrer Art hervorragende große
Madonnenstatue aus jener von byzantinischen Vorbildern beeinflußten
Richtung: die thronende Maria mit dem segnenden Christkind von der Hand
des _Presbyter Martin_ von Borgo San Sepolcro, aus d. J. 1199 (No. 21D):
lebensgroße Figuren aus Holz mit ihrer ursprünglichen, trefflich
erhaltenen Bemalung; herbe im Ausdruck, gebunden in Haltung und
regelmäßiger Faltenbildung, aber von einer eigentümlich strengen Größe
der Erscheinung.

Ihren eigenen plastischen Stil bilden sodann die Marmorarbeiter aus,
welche die wirkungsvollen zierlichen Inkrustationsarbeiten der
toskanischen Fassaden und der Innendekoration in weißem Marmor und
tiefgrünem Serpentin auszuführen hatten. Während gleichzeitig die
römischen Cosmaten nicht einmal den Versuch zu figürlicher Darstellung
machten, wurden diese toskanischen Marmorarbeiter durch die allgemeine
Richtung auf figurale Skulptur und den Wunsch, dieselbe als Erklärung
des Dogmas für die gläubige Gemeinde zu benutzen, bald zu einer
Einbeziehung figürlicher Darstellungen in ihre Steinmosaiken gebracht;
namentlich an den Kanzeln. Schon die Kanzel in San Miniato (wohl nicht
viel früher als der von 1207 datierte Fußboden der Kirche) zeigt an
passender Stelle wenigstens eine Figur. In der etwas jüngeren Kanzel in
San Lionardo vor Florenz sind die figürlichen Kompositionen schon die
Hauptsache. Während sie aber hier noch auf dem inkrustierten Grunde wie
aufgeleimt erscheinen, sind sie in der Kanzel des Domes zu Volterra wie
in Meister Guido's Kanzel in S. Bartolommeo in Pantano zu Pistoja (vom
Jahre 1250) und in der ähnlichen, noch jüngeren Kanzel in Barga frei aus
dem Grunde gearbeitet, so daß die Steinintarsia auf die Einrahmung
beschränkt oder ganz verdrängt ist. Man merkt diesen Bildwerken, selbst
noch denen des Meisters der Kanzel in Pistoja, _Guido Bigarelli_ aus
Como, die Hand des Ornamentisten an, der auch die menschliche Gestalt
mit schematischer Regelmäßigkeit und zierlicher Sauberkeit behandelt,
statt sie frisch nach dem Leben zu schaffen. Der Komposition kommt aber
diese Regelmäßigkeit und der Geschmack in der Anordnung und Ausfüllung
des Raumes entschieden zu gute, und ebenso ist die saubere Durchbildung
ein Vorzug gegenüber jenen älteren romanischen Bildwerken.

Auf Meister Guido geht in Pistoja noch die gedrungene Gestalt des
Erzengels Michael am Oratorio S. Giuseppe zurück; in Pisa hat er 1246
das prachtvolle, mit reicher Marmorintarsia geschmückte Taufbecken
vollendet, und in seiner Art sind auch schon die Skulpturen am
Hauptportal des Domes zu Lucca: Christus im Limbus und am Architrav die
Apostel und Maria, vom Meister _Guidetto_ (in dem man neuerdings den
jungen Guido Bigarelli hat erblicken wollen). Diese Arbeiten in Lucca
sind seit 1204 ausgeführt; die Fortsetzung derselben an der Fassade seit
dem Jahre 1233 fiel Kräften zu, die bei aller Verwandtschaft mehr
plastischen Sinn hatten als Meister Guido. Der Monatscyklus und die
Darstellungen aus der Geschichte des hl. Martin stehen dem Guido noch am
nächsten, die Skulpturen der Reguluspforte haben schon eine über ihn
hinausgehende Vornehmheit der Erscheinung, Freiheit der Bewegung und
Feinheit der Empfindung. Das große Reiterstandbild des hl. Martin, der
mit dem Bettler seinen Mantel teilt, ist die letzte und zugleich die
schwierigste Aufgabe, welche diese lombardisch-toskanische
Steinmetzen- und Bildnerschule in Lucca zu lösen hatte. Einer der ersten
Versuche, eine Freifigur zu geben, und seit dem Altertum das erste
Reiterbild, ist dieses Bildwerk ausgezeichnet durch die vornehme Ruhe
der schönen Gestalten, durch die feine Empfindung für Proportionen und
teilweise selbst durch naturalistische Wahrheit: aber zu freier
Bewegung, zu naturalistischer Durchbildung, zu einer Auffassung der
Figuren als Gruppe oder nur als richtige Freifiguren vermag sich der
Künstler noch nicht zu erheben. In der Anlehnung an die Kirchenwand, in
der Einhaltung der äußeren Fläche verrät sich vielmehr der an die
Reliefdarstellung gewöhnte Künstler.



Niccolo Pisano und die Protorenaissance
(um 1250 bis 1300).


Die Bildwerke, in denen der plastische Schmuck der Portale des Domes zu
Lucca seinen Abschluß erhielt: die Kreuzabnahme in der Lünette, die
Geburt Christi und die Anbetung der Könige am Architrav des linken
Seitenportals, verraten einen Künstler ganz anderer, ganz neuer Art.
Hier herrscht echt plastischer Sinn und große, ja in der Kreuzabnahme
eine fast gewaltige Auffassung; daneben erscheinen selbst die wenig
älteren Skulpturen des anderen Seitenportals nur als befangene
Leistungen fleißiger Steinmetzen. Vasari bezeichnet als Künstler dieser
Arbeiten den _Niccolo Pisano_ (um 1206 bis nach 1280); mit vollem Recht,
wie der Vergleich mit seinen beglaubigten Arbeiten, namentlich mit der
1260 vollendeten Kanzel im Baptisterium zu Pisa beweist.

[Abbildung: Kanzel des Niccolo Pisano im Baptisterium zu Pisa.]

Der Bildhauer Niccolo di Piero, der sich nach seinem Geburtsort Pisano
nennt, steht auf den Schultern jener älteren lombardisch-toskanischen
Bildnerschule: speziell hat er in den Arbeiten an der Domfassade zu
Lucca seine unmittelbaren Vorläufer. Dies gilt sowohl für die plastische
Gestaltung wie für den geistigen Inhalt seiner Kunstwerke, während die
dekorative, an byzantinischen Vorbildern großgezogene Plastik
Süditaliens, mit der man den Niccolo (wegen der fragwürdigen Herkunft
seines Vaters aus Apulien) hat in Verbindung bringen wollen, im vollen
Gegensatze zu Niccolo's Kunst steht. Aber auch gegenüber jener älteren
Plastik, aus der er hervorgeht, erscheint der Künstler recht eigentlich
als Reformator. Niccolo Pisano ist kein Naturalist wie die Meister des
Quattrocento; er steht den Künstlern des Cinquecento weit näher, denn
sein höchstes Streben ist klassische Schönheit, der er durch das Studium
und gelegentlich selbst durch unmittelbare Nachbildung der Antike nahe
zu kommen sucht. Freilich waren in Italien die antiken Reste schon
früher, ja regelmäßig im Mittelalter das Vorbild für die bildnerische
Thätigkeit gewesen; aber diese hatte aus eigenem Unvermögen in halb
unbewußter, sklavischer Weise die alten Vorbilder nachzuahmen gestrebt.
Bei Niccolo Pisano ist der Anschluß an die Antike, deren Schönheit er
zuerst wieder klar erfaßte, ein völlig bewußter; erwählt die Vorbilder
aus den antiken Monumenten und bildet ihre Gewandung, ihre Technik nach,
wie er sie für seine Zwecke verwenden zu können glaubt. Der Weg zum
Verständnis und zur Wiedergabe der Natur geht bei Niccolo durch die
Antike; die Abhängigkeit von derselben verhindert ihn, sich zu
wirklichem Naturverständnis durchzuarbeiten; daher die Erscheinung, daß
der Künstler im ersten Ergreifen seiner Aufgabe am größten und freiesten
erscheint, in seinen späteren Arbeiten zum Teil handwerksmäßiger und
manierierter wird. Verhängnisvoll war ihm in seinem Streben der Umstand,
daß seine klassischen Vorbilder, zumeist Sarkophagreliefs, die heute
noch im Campo Santo zu Pisa erhalten sind, schon der Zeit des tiefen
Verfalls der antiken Kunst angehören, daß sie handwerksmäßige
Nachbildungen aus dritter und vierter Hand nach schlecht verstandenen
Originalen sind. Die Eigentümlichkeiten dieser antiken Vorbilder finden
sich daher auch bei Niccolo: das starke Hochrelief, die Überfüllung der
Kompositionen, die ungleichen Verhältnisse der Figuren unter einander
wie die derbe, untersetzte Bildung derselben, die dicken gleichmäßigen
Stoffe der Gewänder mit antikem Schnitt und der einförmige brüchige
Faltenwurf, die starke Anwendung des Bohrers und die Vorliebe für das
Stehenlassen der Bohrlöcher, namentlich in den Haaren. Mit jenen
Vorbildern hat der Künstler dafür auch die Schönheit der Formen und die
Größe der Erscheinung gemein; seine Madonna ist eine thronende Juno,
seine Könige in der »Anbetung« erscheinen wie antike Göttergestalten,
sein Priester in der »Darstellung im Tempel« ist die Gestalt des
indischen Bacchus, und unter den Tugenden finden wir, als Stärke, einen
nackten Herkules. Je mehr sich der Künstler der Antike nähern kann, je
direkter er aus ihr seine Gestalten entnimmt, desto größer und tüchtiger
erscheint er; je mehr sich dagegen das Motiv von der Antike entfernt,
desto geringer sind regelmäßig seine Leistungen. Dies zeigt sich
namentlich in den Darstellungen der Passion Christi. In solchen
Kompositionen macht sich auch der Mangel an dramatischem Sinn und die
Leere in Ausdruck und Empfindung als Folge jenes engen Anschlusses an
die Antike am stärksten geltend.

Urkundlich begegnen wir Niccolo Pisano zuerst an der Kanzel im
Baptisterium zu Pisa, die er 1260 vollendete; nach dem Charakter der
Arbeit und dem Gange seiner späteren Beschäftigung ist es aber sehr
wahrscheinlich, daß die Skulpturen am Domportal in Lucca der Pisaner
Kanzel vorausgehen, also etwa um die Mitte des Jahrhunderts entstanden.
Am Architrav sind (leider sehr zerstört) die Verkündigung, die Anbetung
der Hirten und die Könige aus dem Morgenlande vereinigt; Kompositionen
so klar und ausdrucksvoll wie keines dieser Motive in seiner späteren
Zeit wiederkehrt. Die Abnahme vom Kreuz im Tympanon ist in der Anordnung
im Raum, in den Proportionen, in der großen, teilweise selbst fein
empfundenen Auffassung die bedeutendste Schöpfung des Niccolo.

In der Kanzel zu Pisa fällt diesen Arbeiten gegenüber der engere
Anschluß an die antiken Vorbilder in seinen Vorzügen und Nachteilen ins
Auge. Was über den Künstler im Allgemeinen gesagt ist, gilt für dieses
sein Hauptwerk im Besonderen. Wenn ihm Mangel an Innerlichkeit in den
einzelnen Darstellungen vorgeworfen werden muß und dadurch die
Auffassung als eine wenig kirchliche erscheint, so ist dafür die Kanzel
in dem Zusammenhang der Darstellungen, in dem Ideengehalt ihres
Bilderschmuckes um so mehr durchdacht, um so tiefer und gewaltiger. Das
Evangelium von der Erlösung ist der Grundgedanke, der in allen seinen
Teilen hier zum ersten Mal völlig klar durchgeführt ist, von den
Verheißungen durch die Propheten an, dann in den einzelnen
geschichtlichen Thatsachen bis zu den Wirkungen, die in den Gestalten
der christlichen Tugenden verkörpert sind und in den Tieren als Träger
der Säulen und Lesepulte ihren symbolischen Ausdruck erhalten. Der
Inhalt der Predigt, für welche die Kanzel geschaffen ist, ist wohl nie
wieder so eindringlich der gläubigen Gemeinde bildnerisch zur Anschauung
gebracht worden.

Der Kanzel in Pisa soll der Figurenschmuck am Marmorschrein des hl.
Dominicus in S. Domenico zu Bologna gefolgt sein; die Reliefs mit
Darstellungen aus dem Leben des Heiligen wurden bis 1267 fertig
gestellt. Auf die Besichtigung aus der Nähe berechnet, sind sie
gleichmäßiger, ja fast zu zierlich durchgeführt und glücklicher in den
Verhältnissen; sie bleiben auch einfacher in der Auffassung, was wohl
die Aufgabe von Darstellungen aus der Zeitgeschichte mit sich brachte.
Niccolo stand bei der Arbeit ein junger Schüler, Fra Guglielmo, zur
Seite; der abweichende Charakter der Bildwerke macht es sogar nicht
unwahrscheinlich, daß Guglielmo dieselben allein ausführte.

Noch vor Beendigung dieses Monuments übernahm Niccolo wieder die
Ausführung einer Kanzel: die für den Dom von Siena, welche er in der
außerordentlich kurzen Zeit zwischen dem März 1266 und dem November 1268
fertigstellte. Als Gehülfen Niccolo's werden Arnolfo, Lapo und Donato
schon im Kontrakt namhaft gemacht und die Beschäftigung seines noch
nicht erwachsenen Sohnes Giovanni wurde ihm freigestellt. Der
architektonische Aufbau wie der Ideengang in den Darstellungen (die hier
um zwei Relieftafeln bereichert sind, weil die Kanzel achteckig ist)
bleibt im Wesentlichen der gleiche wie in Pisa; doch macht sich in
diesen Kompositionen die Überfüllung mit Figuren, der Mangel an Klarheit
im Aufbau und eine ungleichmäßigere Durcharbeitung empfindlich geltend,
und es fehlt den Gestalten meist die klassische Größe der Erscheinung,
welche in jener ersten Kanzel so überraschend wirkt. Dafür sind die
Köpfe hier jedoch ausdrucksvoller, die Figuren richtiger in den
Verhältnissen und naturwahrer, die Scenen lebendiger und bewegter als in
Pisa.

Wenn hier schon der abweichende Charakter durch die verschiedenen
Mitarbeiter Niccolo's wesentlich mit bedingt sein wird, so läßt sich
dies um so mehr für die letzte beglaubigte Arbeit des bejahrten
Künstlers, für die Skulpturen am großen Brunnen in Perugia, annehmen,
welche um 1280 unter Beihülfe von Arnolfo und Giovanni Pisano vollendet
wurden: am unteren Becken fünfzig Tafeln mit Einzelgestalten und kleinen
Kompositionen in ziemlich flachem Relief, am oberen Becken
vierundzwanzig Statuetten der Sibyllen, Tugenden u. s. f.; zumeist
ausgezeichnet durch gute Verhältnisse und saubere Arbeit, einzelne auch
durch tiefere dramatische Auffassung. Diese besten Arbeiten lassen sich
leicht als Werke Giovanni's erkennen.

[Abbildung: 22. Relief eines Lesepultes von Niccolo Pisano.]

Die Berliner Sammlung besitzt ein aus Pistoja stammendes Marmorrelief,
das den Anspruch auf eine Arbeit des Niccolo erheben darf: zwei Engel,
welche das Brustbild des Bischofs Beato Buonacorso von Pistoja in einem
Tuche zwischen sich emporhalten (No. 22); ursprünglich wohl die
Unterseite eines Lesepultes, welches vielleicht während der Restauration
eines Altars in Pistoja, die Niccolo 1272 übernahm, entstanden ist. Die
vollen Gestalten, die Typen, die Faltenbildung, sogar so auffallende
Eigentümlichkeiten, wie die flatternden Zipfel des Tuches, stimmen mit
den beglaubigten Arbeiten des Künstlers, namentlich mit der Verkündigung
an der Kanzel zu Pisa so sehr überein, daß wohl nur auf Niccolo als
Urheber dieser Arbeit geschlossen werden kann.

       *       *       *       *       *

Der enge Anschluß des Niccolo Pisano an die Antike sollte eine weitere
Entwickelung der italienischen Plastik im Sinne der Renaissance erwarten
lassen. Gerade das Gegenteil ist der Fall: schon seine Schüler wenden
sich vom Studium der Antike ab, und sein eigener Sohn Giovanni schlägt
eine Richtung ein, welche von der des Vaters wesentlich verschieden ist.
Sie beherrscht die italienische Plastik ein volles Jahrhundert; offenbar
weil Niccolo's Nachahmung der Antike ohne tieferes Naturstudium eine
äußerliche blieb und einer tieferen Auffassung, wie sie die christlichen
Stoffe verlangten, entbehrte.

Unter den Schülern und Mitarbeitern des Niccolo sind uns zwei in eigenen
Werken bezeugt, welche ohne höhere Eigenart die Pfade ihres Meisters
wandern, Fra Guglielmo und Arnolfo di Cambio; beide namentlich dadurch
von Bedeutung, daß sie die Kunstweise ihres Lehrers über Italien
verbreiteten. Der Dominikaner _Fra Guglielmo d'Agnolo_ aus Pisa (um 1238
bis nach 1313) war Niccolo's Mitarbeiter an der Arca des hl. Dominicus
in Bologna gewesen, an deren Reliefs ihm außer der Ausführung vielleicht
sogar die Erfindung mit gebührt. Nach der Verwandtschaft dieser Arbeiten
mit den Reliefs an der von einem Meister Guglielmo ausgeführten Kanzel
in S. Giovanni fuorcivitas in Pistoja hat man diese mit Recht ebenfalls
als ein Werk des Dominikaners Fra Guglielmo in Anspruch genommen.
Einfacher und dadurch klarer in der Komposition wie Niccolo, zeigt er in
seinen Gestalten den ähnlichen klassischen Zug in den Typen, in der
Gewandung und Bewegung; freilich kaum aus direktem Studium der Antike,
sondern nach den Vorbildern seines Lehrers. Wenn er diesen in der
Eigenartigkeit wie in der Größe der Erscheinung lange nicht erreicht, so
hat er doch feinere Empfindung und eine gewisse Innigkeit im Ausdruck
vor ihm voraus, die sich gelegentlich (wie in der Beweinung Christi)
selbst auf die Bewegung und ganze Komposition ausdehnt.

Der Florentiner _Arnolfo di Cambio_ (1232 bis 1315), Niccolo's Gehülfe
an der Kanzel in Siena wie am Brunnen zu Perugia und, wie Guglielmo, in
seiner späteren Zeit namentlich als Architekt hervorragend thätig, steht
in den beiden von ihm bekannten plastischen Monumenten gleichfalls ganz
unter des Meisters Einfluß, ist aber noch weniger selbständig als Fra
Guglielmo. Die Statuetten und kleinen Reliefs am Grabmal des Kardinals
de Braye († 1280) in S. Domenico zu Orvieto sowie an dem gemeinsam mit
einem Künstler Paulus ausgeführten Tabernakel in S. Paolo fuori le mura
in Rom sind gut in den Verhältnissen, einfach und ernst in Ausdruck und
Haltung, in der Gewandung sogar geschmackvoller und naturwahrer als bei
Niccolo, aber sie erscheinen unbedeutend und werden durch den
architektonischen Aufbau unterdrückt. Sowohl in jenem Tabernakel wie
namentlich in dem Grabmal hat Arnolfo, soweit bisher bekannt, das
Vorbild für den Aufbau ähnlicher Monumente gegeben, welches für die
plastische Entwickelung im Trecento, namentlich in Siena, verhängnisvoll
wurde.



Giovanni Pisano und die Kunst des Trecento
(um 1300 bis 1400).


Der einzige völlig eigenartige Künstler, den Niccolo großgezogen hat,
ist sein Sohn _Giovanni Pisano_ (um 1250 bis nach 1320), dem Vater
mindestens ebenbürtig an Talent und auf die Entwickelung der
italienischen Kunst noch von bedeutenderem, nachhaltigerem Einfluß. Ja
obgleich Giovanni der Schüler und langjährige Gehülfe seines Vaters war,
erscheint seine Richtung als die unmittelbare, energische Reaktion gegen
die Kunstweise des Niccolo Pisano. Statt der klassischen Ruhe des
Niccolo sehen wir bei ihm hochgradige Erregung, statt Schönheit der Form
die Bethätigung des seelischen Lebens in Verbindung mit einem
entschieden naturalistischen Streben. Freilich reicht sein Können,
reicht seine Kenntnis der Natur nicht aus, um bei der Fülle großer und
neuer Gedanken, bei dem großartigen dramatischen Sinn wirklich volle
naturalistische Durchbildung zu erzielen; Giovanni begnügt sich damit,
die Natur in großen Zügen anzudeuten, um desto frischer und
überwältigender das innere Leben zum Ausdruck zu bringen. Daher sind die
Proportionen oft sehr vernachlässigt und selbst falsch, die Körper und
Gesichter nicht selten häßlich und verzerrt, die Ausführung meist
flüchtig und zuweilen sogar roh. Freilich kommt dies zum guten Teil auf
Rechnung der Gehülfen, deren sich der Künstler zur Ausführung der
zahlreichen und umfangreichen Arbeiten, zu denen er in seiner langen
Künstlerlaufbahn in ganz Italien berufen wurde, in großem Umfange
bedienen mußte.

Giovanni's Reliefstil ist der seines Vaters: das Hochrelief, welches der
Künstler noch weit malerischer behandelt als sein Vorgänger; freilich
unter Beeinträchtigung der architektonischen Wirkung. Auch im Inhalt
seiner Darstellungen folgt er im Wesentlichen dem Niccolo; nur in der
Auffassung und Wiedergabe ist er grundverschieden von ihm.

Giovanni muß ein sehr frühreifes Talent gewesen sein, da sein Vater den
etwa fünfzehnjährigen Jüngling 1265 im Kontrakt über die Kanzel für den
Dom von Siena schon als Gehülfen mit namhaft machen durfte; bei dem
jugendlichen Alter können wir hier aber die Bethätigung einer
eigenartigen Richtung bei der Arbeit nicht annehmen. Anders ist dies bei
der Ausführung des Brunnens in Perugia, bei welcher Giovanni 1278 neben
dem Vater beschäftigt war. Hier läßt sich eine Reihe der Bildwerke,
namentlich verschiedene weibliche Gestalten durch die Kühnheit der
Bewegung, den Ernst des Ausdrucks und die malerische Gewandbehandlung
unschwer als Arbeiten Giovanni's herauserkennen, der dieselben mit
besonderer Sorgfalt ausführte. Als Jugendarbeit Giovanni's darf wohl
auch das ihm in S. Giovanni fuorcivitas zu Pistoja zugeschriebene
Weihwasserbecken gelten, an dem die Gestalten der Tugenden noch ganz die
Großartigkeit der Formen und Haltung haben, die Niccolo eigentümlich
ist. Im Jahre 1278 wurde Giovanni zum Bau des Campo Santo nach Pisa
gerufen; damals entstanden wohl die groß empfundenen Madonnenstatuen,
von denen die eine über einem Portal des Baptisteriums; die andere, eine
Halbfigur, jetzt im Campo Santo steht. Wieder neue architektonische
Aufgaben zogen den Künstler von Pisa nach Siena, wo er als Dombaumeister
zwischen den Jahren 1290 bis 1295 erwähnt wird. Hier gehen die alten
Figuren an der Fassade teilweise noch auf Giovanni zurück, sind aber,
mit Ausnahme der großartigen Gestalt einer Sibylle an der Ecke des
Seitenschiffs, derbe und selbst rohe Arbeiten seiner Werkstatt.

Von Siena scheint der Künstler sich nach Pistoja gewandt zu haben, wo er
1301 die Kanzel in S. Andrea vollendete. Sie bezeichnet den Höhepunkt
von Giovanni's Kunst; was zur Charakteristik derselben im Allgemeinen
gesagt ist, gilt daher ganz besonders von diesem Werke: die
Kompositionen sind von außerordentlich dramatischer Gewalt, die
Einzelfiguren, namentlich die Gestalten der Sibyllen, erscheinen in der
die innere Begeisterung aussprechenden Bewegung als Vorahnung der
Sibyllen Michelangelo's an der Decke der Sixtina. Gleich nach Vollendung
dieser Kanzel erhielt Giovanni den Auftrag auf eine ähnliche, noch
reichere Kanzel für seine Heimatstadt, deren einzelne Teile jetzt im Dom
und im Campo Santo zerstreut aufgestellt sind; sie wurde erst 1311
vollendet. Den Bildwerken der Kanzel in S. Andrea nahe verwandt, sind
hier die Reliefs und Freifiguren womöglich noch dramatischer und
bewegter, noch mannigfaltiger in den Motiven, stärker in den
Verkürzungen und reicher in genrehaften Nebenbeziehungen, aber auch noch
flüchtiger in der Ausführung und willkürlicher in den Proportionen. Der
architektonische Aufbau wird stark beeinträchtigt durch die großen
tragenden Figuren, deren Sockel zum Teil wieder mit Statuen geschmückt
sind.

[Abbildung: 23. Madonnenstatuette von Giovanni Pisano.]

Von dieser Kanzel in Pisa stammt ein kleines Lesepult im Berliner Museum
(No. 24), das an der Unterseite zwei Engel mit dem Brustbild Christi
zwischen sich trägt; eine charakteristische Arbeit in der Art der
übrigen Reliefs an der Pisaner Kanzel. Ein zweites Werk des Künstlers in
der Berliner Sammlung, die Marmorstatuette der Madonna (unter halber
Lebensgröße, No. 23), scheint zur Zeit, als er an der Kanzel in Pistoja
arbeitete, gemeißelt zu sein. Wenigstens zeigt sie die nächste
Verwandtschaft zu der Silberstatuette im Dom zu Prato, deren Entstehung
auf die Zeit seiner Thätigkeit hier als Architekt im Jahre 1300
zurückgeführt wird. Im Berliner Privatbesitz befinden sich außerdem (im
Besitz des Herrn A. von Beckerath) ein Paar ebenso wertvolle Bruchstücke
einer anscheinend für Florenz gearbeiteten Kanzel: zwei sitzende
Sibyllen, deren schlichtere Haltung und große Gewandbehandlung die
Entstehung jener Kanzel noch vor die Kanzel in Pistoja verweist.

In Norditalien war Giovanni anscheinend im Anfange des XIV. Jahrh.
thätig; die große Madonnenstatue in der Madonna dell' Arena zu Padua und
vielleicht auch die Statue des Stifters Enrico Scrovegno sind plastische
Zeugnisse dieses seines Aufenthalts in der Nähe Venedigs. Spuren seiner
Thätigkeit lassen sich auch sonst noch über Mittel- und Oberitalien
verfolgen: Teile einer Auferstehung im Museum zu Perugia, die Giganten
am Portal der Kirche von San Quirico (um 1298), die Bruchstücke vom
Grabmal der Gemahlin Kaiser Heinrichs VII. (nach 1313) im Pal. Bianchi
zu Genua und angeblich auch das Taufbecken in S. Pietro vor Pisa.
Dagegen sind mehrere große Grabmonumente, die auch jetzt noch auf seinen
Namen zu gehen pflegen, namentlich das Monument Papst Benedicts XI.
(† 1304) in S. Domenico zu Perugia und das Grabmal der hl. Margherita in
S. Margherita zu Cortona, sicher nicht von Giovanni, sondern schon aus
einer vorgerückteren Zeit des Trecento und erscheinen der sienischen
Kunst verwandt.

       *       *       *       *       *

Giovanni Pisano gilt mit vollem Recht als der einflußreichste Künstler
seiner Zeit: er ist der wahre Lehrer von Giotto; seine Stellung zur
plastischen Kunst des Trecento, zur italienischen Gotik, entspricht der
Stellung Donatello's zum Quattrocento und der Michelangelo's zum
Cinquecento und Barock. Mit beiden zählt er zu den bahnbrechenden
Meistern auf dem Gebiete der bildnerischen Kunst in Italien.

Trotz dieser außerordentlichen Wirkung der Kunst des Giovanni hat
derselbe keine treuen Nachfolger seiner eigenen Richtung gehabt; denn
die dekorativen Skulpturen an der Madonna della Spina in Pisa (seit
1321), am Dom zu Siena u. s. f., welche noch ganz den Charakter des
Künstlers tragen, sind in seiner Werkstatt ausgeführt. Die Kunst des
Giovanni war eine zu subjektive, um einen Nachfolger in derselben
Richtung zu gestatten; die Nachahmung hätte hier, wie manche Arbeiten
der Werkstatt beweisen, zur ärgsten Manier und Roheit führen müssen. Es
war daher von besonderem Glück für die Entwickelung der italienischen
Kunst, daß ein so verschieden und eigenartig veranlagtes Genie, wie das
des Malers Giotto, die Erbschaft des großen Pisaner Bildhauers antrat.
Giotto ist auch für die Plastik der Vermittler zwischen Giovanni Pisano
und der Frührenaissance. Von seinem allgemeinen Einfluß als Maler
abgesehen, hat er in seinen Entwürfen zu den Reliefs an dem von ihm
(1334) begonnenen Bau des Campanile in Florenz auch unmittelbar in die
bildnerische Kunst eingegriffen; ja angeblich hat er auch selbst bei der
Ausführung desselben mit Hand angelegt. Gegenüber der ungezügelten
Gewalt seines Vorgängers macht sich bei ihm ein mäßigender,
ausgleichender Einfluß, ein Streben nach abgeschlossener Komposition,
nach tiefer, aber gehaltener Empfindung in Ausdruck und Bewegung, nach
schlichter Wiedergabe der Natur recht deutlich geltend.

Der Bildhauer, dem die Ausführung dieser Kompositionen im Wesentlichen
zufiel, war _Andrea Pisano_ aus Pontedera (um 1273 bis 1319). In der
Werkstatt des Giovanni Pisano großgezogen, erscheint er doch weit mehr
durch Giotto beeinflußt. Durch ihn erhielt Florenz auch in der Plastik
die Stellung als Vorort Italiens, die bisher fast ein Jahrhundert lang
Pisa eingenommen hatte. Sein bekanntes Meisterwerk ist die Bronzethür
von S. Giovanni zu Florenz (1330 bis 1336 ausgeführt). Die kleinen
Felder von zierlicher gotischer Form enthalten unten acht Tugenden,
darüber Darstellungen aus dem Leben des Schutzheiligen von Florenz,
Johannes d. T. Mit Giotto hat hier der Künstler die knappe, klare Art
der Darstellung, den schlichten Ernst und die Wahrheit der Empfindung,
die Beschränkung auf wenige Hauptfiguren, die vornehme Ruhe in Haltung
und Bewegung gemein, während er im Verständnis der menschlichen Gestalt,
in der Richtigkeit der Verhältnisse, im Studium der Gewandung schon über
ihn hinausgeht. Neben den herben Figuren Giotto's erscheinen Andrea's
Gestalten schön und anmutig im Ausdruck; neben Giovanni's überfüllten
Kompositionen mit tieferregten Scenen sind diese Darstellungen des
Johanneslebens auf den ersten Blick fast nüchtern und unbelebt, bei
näherer Betrachtung erscheinen sie wahrhaft klassisch in ihrem einfachen
Hochrelief, dem knappen, ausdrucksvollen Stil der Komposition wie
Erzählung und in der Meisterschaft der Durchbildung. Durch die gleichen
Eigenschaften lassen sich auch mehrere Einzelfiguren auf Andrea
zurückführen: die Marmorstatuetten von Christus und der hl. Reparata im
Museum von Sa. Maria del Fiore zu Florenz, die große Madonna über dem
Hauptportal des Domes zu Orvieto (wo Andrea 1347 bis 1349 als
Dombaumeister beschäftigt war) und ein bemalter Krucifixus in der
Berliner Sammlung (No. 25); letzterer eine besonders edle, fein
empfundene Arbeit des Künstlers, deren Wirkung noch durch die gute
Erhaltung der alten Bemalung erhöht wird.

[Abbildung: 26. Madonnenstatuette von Nino Pisano.]

Andrea's Richtung auf das Schlichte und Anmutige erscheint in seinem
Sohne _Nino Pisano_ († 1368), der nach des Vaters Tode sich in Pisa
niederließ (das jetzt schon von Florenz seine Künstler empfangen mußte),
in das Genrehafte weiter entwickelt. Wie sich dies in besonders
vorteilhafter Weise in seinen Madonnen bekundet, zeigt eine
Marmorstatuette der Berliner Sammlung (No. 26), welche mit größeren
bezeichneten Statuen der Madonna (in S. Maria Novella zu Florenz, auf
dem Hochaltar der Madonna della Spina und am Grabmal Salterello in
S. Caterina zu Pisa) die engste Verwandtschaft hat. Die einzige
beglaubigte Arbeit seines Bruders _Tommaso_, ein Altar in Campo Santo zu
Pisa, zeigt dagegen einen sehr gering veranlagten Künstler.

Eine Weiterbildung in naturalistischer Richtung erhält die florentiner
Plastik wieder durch einen Maler, durch _Andrea Orcagna_ (Andrea di
Cione, genannt Orcagna, † 1368), der als Baumeister von Or San Michele
hier 1359 das Tabernakel vollendete. Als dekoratives Schmuckstück steht
dasselbe wohl unübertroffen in der italienischen Gotik da, und durch
seinen reichen Figuren- und Reliefschmuck kommt es in plastischer
Bedeutung der Bronzethür des Andrea Pisano nahe. Dem Giotto verwandt in
der Größe der Auffassung, in der Sauberkeit der Durchbildung dem Andrea
Pisano nahe, ist Orcagna beiden überlegen durch die feine
naturalistische Empfindung und Durchführung; ganz eigen ist ihm die
malerische Behandlung des Reliefs.

Die große Darstellung des Todes Mariä mit der Gürtelspende an der
Rückseite von Andrea's Tabernakel bleibt bis zum Ausgang des Trecento
die hervorragendste Leistung. Arbeiten, wie die Reliefs der Tugenden an
der Loggia de' Lanzi (1383 bis 1387), sind recht tüchtige Werke unter
dem Einfluß des Orcagna; im Großen und Ganzen verliert sich aber die
bildnerische Kunst dieser Zeit in Florenz in nüchterne und meist sogar
starre oder kleinliche Nachahmung der großen vorangegangenen Meister;
die Statuen am Campanile aus dieser Zeit, die verschiedenen Figuren an
den südlichen Portalen des Domes, der Altar des _Alberto di Arnoldo_ im
Bigallo (1364), der Taufstein in S. Giovanni (1371), verschiedene
Grabdenkmäler in S. Croce u. s. f. sind ebenso viele sprechende Beispiele
für diese Erstarrung der plastischen Kunst. Ein Werk dieser Art, ein
Madonnenrelief Alberto's am Campanile, ist in einer bemalten
Stucknachbildung (wohl der frühesten Arbeit dieser Art, die bisher
bekannt ist) im Berliner Museum vertreten (No. 32A).

       *       *       *       *       *

Für die florentiner Bildnerschule dieser Zeit ist es charakteristisch,
daß ihre Thätigkeit fast ausschließlich auf ihre Vaterstadt beschränkt
bleibt, wo sich große und kleine Aufgaben in reichem Maße für die
Künstler darboten. Anders die _Bildhauerschule Siena's_, welche sich an
die Thätigkeit von Niccolo und Giovanni Pisano in Siena anschließt und,
Dank dem politischen Aufschwunge der Stadt seit dem Ende des XIII.
Jahrh., eine ebenso reiche Entwickelung aufzuweisen hat, wie die
gleichzeitige florentiner Schule: in der Heimat fast gar nicht
beschäftigt, wenden sich die Sieneser Künstler nach außen und sind in
Mittel- und Süditalien in umfangreicher und mannigfaltiger Weise thätig
gewesen. Ihren Charakter behalten sie aber auch hier im Wesentlichen
bei.

Die sienische Plastik des Trecento hat die hervorragenden
Eigentümlichkeiten mit der sienischen Malerei gemein, zeigt aber gerade
die Schwächen der letzteren in besonders starkem Maße. Da den Bildwerken
die malerische Wirkung der Gemälde durch den glänzenden, zierlich
gearbeiteten Goldgrund, zumal bei ihrer jetzigen Farblosigkeit, abgeht,
so machen sich hier der Mangel an Größe der Auffassung wie an
Monumentalität in Aufbau und Anordnung, die eigentümliche Breite und
Redseligkeit in der Erzählung der Reliefs, die weiche, knochenlose
Wiedergabe der menschlichen Gestalt meist in störender Weise geltend und
lassen die gemütvolle, weiche Empfindung und die saubere Ausführung als
Gemeingut so vieler sienischen Kunstwerke nur selten oder doch nicht
voll zur Geltung kommen.

Unter den zahlreichen Bildhauern Siena's in dieser Zeit ist keiner --
und auch das ist ein charakteristisches Kennzeichen dieser Schule --,
der sich aus der Mittelmäßigkeit der anderen wesentlich heraushöbe.
Schon die unmittelbaren Nachfolger des Giovanni Pisano in Siena, soweit
wir beglaubigte Arbeiten von ihnen kennen: die Tino, Maestro Gano, Goro
di Gregorio, Agostino di Giovanni, Cellino u. a. m. haben den gleichen
Charakter. Meister _Gano_ verfertigt bereits im Anfange des XIV. Jahrh.
ein Paar Grabmonumente im Dom von Casale bei Volterra. _Goro di
Gregorio_ arbeitet 1323 die Reliefs und Statuetten an der Arca di S.
Cerbone im Dom zu Massa Maritima. _Tino di Camaino_ († 1339), hat als
Grabbildner eine ausgedehnte Thätigkeit enfaltet: von seiner Hand sind
in Pisa das Monument Kaiser Heinrichs VII. (1315), in Florenz das
Monument des Bischofs Ant. d'Orso im Dom, in Neapel (seit 1323)
verschiedene Grabmonumente in S. Maria Domna Regina und in Corpus
Domini. _Cellino di Nese_ errichtet das Grabmal des Cino de' Sinibaldi
im Dom zu Pistoja (1337); als das früheste Professorengrab von Bedeutung
für diese namentlich in der Universitätsstadt Bologna entwickelte
Gattung von Monumenten. Verschiedene, nach ihrem Urheber nicht zu
benennende Monumente in Cortona, Perugia, Assisi tragen ähnlichen
Charakter. Das reichste Monument unter allen sienischen Grabdenkmalen
dieser Zeit, das des Bischofs Tarlati im Dom zu Arezzo von _Agostino di
Giovanni_ und _Agnolo di Ventura_ (1330), zeigt die Schwächen der
Bildnerschule Siena's und den völlig unmonumentalen, kleinlichen Aufbau
in der Häufung von zahlreichen kleinen Reliefs und Statuetten, wie in
der puppenhaften Größe und übertriebenen Zierlichkeit der Figuren. Die
Reliefs mit Motiven aus der Zeitgeschichte besitzen dabei aber eine
gewisse einfache Anschaulichkeit und genrehafte Lebendigkeit, welche bei
näherer Betrachtung wenigstens teilweise für jene Mängel entschädigen.

Vorteilhafter noch zeigt sich die sienische Plastik an einem Monumente,
an dem sie sich am umfangreichsten und einheitlichsten bethätigt hat, am
Fassadenschmuck des Domes von Orvieto. Die vier breiten Pfeilerflächen
zwischen den Portalen sind hier nach einheitlichem Entwurf und unter
einheitlicher Leitung vollständig überzogen mit Bildwerken in mäßigem
Hochrelief, welche die Schöpfung und den Sündenfall, die Verheißung des
Alten Testaments, das Leben des Erlösers und das Jüngste Gericht
darstellen. Die alte Zuweisung derselben an Giovanni und Andrea Pisano
ist als unhaltbar aufgegeben. Diese Skulpturen zeigen vielmehr alle
charakteristischen Eigenschaften der sienischen Kunst und werden wohl
mit Recht, wenigstens in ihrem Entwurf, dem Baumeister der Fassade, dem
Sienesen _Lorenzo Maitani_, zugewiesen. Völlig unarchitektonisch in der
Anordnung der einzelnen Scenen, die nach Art der mittelalterlichen
Miniaturen nur durch mageres Geäst getrennt sind, ohne Größe oder
Energie der Auffassung, ohne besondere Mannigfaltigkeit, in der
Behandlung der Körper wie im Ausdruck wenig individuell und weichlich,
geben diese Skulpturen durch den glücklichen Reliefstil und die saubere
Durchführung, durch den ausgesprochenen Schönheitssinn, die Lieblichkeit
der Typen, das feine Naturgefühl, selbst in der Behandlung des Nackten,
durch die schlichte und klare, wenn auch etwas breite Erzählungsweise,
durch die gemütliche, genrehafte Auffassung die vorteilhafteste
Vorstellung von dem Können der sienischen Bildhauer dieser Zeit. Ihre
treffliche Erhaltung macht sie besonders wirkungsvoll.

       *       *       *       *       *

Über Toskana hinaus verbreitete sich mit dem Ruhm der Pisaner
Bildhauerschule auch alsbald das Bedürfnis, der Kunst derselben
teilhaftig zu werden. Schon die Schüler des Niccolo Pisano wandern nach
allen Teilen Italiens und legen fast überall den Grund zu reicher
plastischer Thätigkeit. Selbst in Rom und Süditalien erwacht die Freude
an figürlicher Plastik. In Rom verbindet sie sich mit der alten
Mosaikdekoration der Cosmaten (nach einem Meister Cosmas genannt, in
dessen Familie die künstlerische Laufbahn lange erblich blieb)
gelegentlich zu recht glücklicher Gesamtwirkung, wenn auch die
eigentlich plastischen Teile regelmäßig von geringer Bedeutung sind. Die
Grabmonumente haben hier in der Regel den Vorzug vor den Tabernakeln und
Altären. Auf Wandpilastern erhebt sich der spitzbogige Bau, dessen Bogen
ursprünglich ein Mosaikgemälde zu schmücken pflegte; darunter ruht auf
dem Paradebett der Tote, hinter dem von anmutigen Engeln ein Vorhang
gehalten wird; am Sockel sind die Wappen des Verstorbenen zwischen
zierlichen Mosaikornamenten angebracht. In der monumentalen Wirkung des
einfachen architektonischen Aufbaus, in der würdevollen Auffassung der
Gestalt des Verstorbenen und in der reichen harmonischen Farbenwirkung
sind diese Grabdenkmäler denen der toskanischen Meister überlegen. Dies
gilt namentlich für die Monumente des Cosmaten _Johannes_: das Grabmal
Gonsalvo in S. Maria Maggiore (vom Jahre 1299), das des Stephanus in
S. Balbina und das Monument Durante in der Minerva (1296); teilweise
auch für die zahlreichen ähnlichen Grabmäler in S. M. in Araceli, meist
der Familie Savelli angehörig. Wie wenig trotzdem die römische Kunst im
Stande war, aus sich heraus zu einer frischen, stetigen Entwickelung zu
gelangen, beweist der Umstand, daß mehr als ein Jahrhundert später die
Grabdenkmäler noch fast ganz in derselben Weise gestaltet wurden, nur
unter allmählicher Verdrängung des musivischen Schmuckes.

Reicher noch, namentlich auch an rein plastischem Schmuck, dagegen
künstlerisch weit geringwertiger sind die Monumente Süditaliens während
des Trecento. Insbesondere die Kirchen Neapels werden durch die
Prunksucht der Anjou und der großen Barone Süditaliens mit reichen
Grabmonumenten förmlich überladen, für welche die Monumente der nach
Neapel berufenen toskanischen Künstler, namentlich des Sienesen _Tino di
Camaino_, die Vorbilder wurden: unter einem Baldachin auf hohen
gewundenen Säulen steht der von drei oder vier Tugenden getragene und
mit Reliefs geschmückte Sarkophag, auf dem hinter einem von Engeln
zurückgezogenen Vorhange die ruhende Figur des Verstorbenen sichtbar
wird; über ihm ein Dach mit Statuetten. Die einförmige, gedankenlose
Wiederholung dieser Motive, die Überladung, die plumpen Formen und
Verhältnisse, der Mangel an koloristischem Sinn in der Bemalung, die
empfindungslose Auffassung und Behandlung der Figuren lassen auch bei
den besten dieser Grabdenkmäler, wie sie namentlich im Dom, in
S. Chiara, S. Domenico und S. M. Domna Regina besonders zahlreich sind,
den Beschauer zu keinem künstlerischen Genusse kommen.

Für den Einfluß französischer Gotik, der sich in diesen Monumenten
Süditaliens unter der Herrschaft der Anjou gelegentlich geltend macht,
sind ein Paar Marmorstatuetten der Berliner Sammlung, die aus Neapel
stammen (No. 29 und 30), charakteristische Beispiele. Von ungewöhnlich
feiner Empfindung, erscheinen sie den Leidtragenden an gleichzeitigen
französischen und burgundischen Sarkophagen in Ausdruck, Haltung und
selbst in der Tracht nahe verwandt. Wie lange sich hier im Süden,
namentlich in Sicilien und Calabrien, diese Mischung französischer und
Pisaner Gotik erhält, dafür ist die reich bemalte Alabasterfigur der
Madonna (No. 206) ein charakteristisches Beispiel; sie kann nach den
Ornamenten wie nach der Behandlung kaum vor 1500 entstanden sein.

       *       *       *       *       *

Auch Norditalien, selbst die Lombardei, welche mit ihren Steinmetzen und
Bildhauern noch bis zur Mitte des XIII. Jahrhunderts das übrige Italien
und namentlich gerade Toskana versorgt hatte, kommt seit dem Anfange des
Trecento völlig unter den Einfluß der Pisaner Schule und bezieht aus
dieser die Künstler für die wichtigen plastischen Aufgaben, die jetzt
allmählich in größerer Zahl gestellt wurden. Für Mailand wird die
Thätigkeit eines Pisaner Künstlers, _Giovanni di Balduccio_, bestimmend,
der in seiner Heimat ein Grabmal in Sarzana (1322) und eine Kanzel in
S. Casciano bei Florenz gearbeitet hatte. Sein berühmter Marmorsarkophag
des Petrus Martyr in S. Eustorgio zu Mailand ist zwar unbedeutend in der
Erzählung und teilweise linkisch in der Bewegung, aber von größter
Delikatesse der Durchführung und in den großen Statuen der Tugenden an
den Säulen von besonders glücklichen Verhältnissen, geschmackvoller
Gewandung und lieblichem Ausdruck. Die Reliefs des Hochaltars in
S. Eustorgio, verschiedene Grabmäler in S. Marco, S. Eustorgio, im Museo
Lapidario und andere Mailänder Arbeiten des Trecento sind offenbar unter
dem Einflusse dieser Monumente entstanden. Eine Arbeit Balduccio's ist
auch das Grabmal des Azzo Visconti im Palast Trivulzio zu Mailand.
Dagegen erscheint das Grabmal des Kardinals Luca Fieschi († 1336) im Dom
zu Genua unter allen Monumenten dieser Zeit am stärksten von Giovanni
Pisano beeinflußt. Die Komposition des Thomasreliefs am Sarkophag ist in
der Belebung der Figuren, in Bewegung und Gewandung wohl die
bedeutendste Arbeit der Lombardei.

Die reiche Arca di S. Agostino im Dom zu Pavia (begonnen seit 1362) und
andere einfachere Monumente in den lombardischen Städten zeigen den
unter der Einwirkung solcher Pisaner Vorbilder allmählich entwickelten
Stil der lombardischen Plastik der zweiten Hälfte des Trecento, der mehr
durch Sauberkeit der Arbeit und Schlichtheit der Auffassung als durch
Größe oder feine Belebung sich auszeichnet. Wie weit die französische
Kunst schon ein Jahrhundert früher dieser Kunst überlegen war, beweist
der berühmte Bronzeleuchter des Mailänder Domes, das Beutestück eines
Trivulzio in einem Kriege gegen Frankreich.

Noch auf einem anderen Wege kommt die toskanische Kunst nach der
Lombardei: durch die Lombarden, die in Venedig arbeiteten und Aufträge
für ihre Heimat bekamen. Solche Arbeiten sind namentlich die
verschiedenen Reitermonumente der Lombardei, in erster Linie die
berühmten Monumente der Tyrannen von Verona, die Scaligerdenkmäler auf
dem kleinen Platz neben S. Maria Antica. Im Figürlichen sämtlich mehr
oder weniger untergeordnet, sind sie von Bedeutung als die ersten
künstlerischen Äußerungen trotziger Ruhmessucht, die hier von vornherein
losgelöst von der Kirche erscheint. Dem reichsten dieser Monumente, dem
des Can Signorio von _Bonino da Campiglione_ (von 1375), ist das
früheste, dem Can Grande I. errichtete Grabdenkmal (1329) in seinem
einfach monumentalen Aufbau und der trefflich heraldisch stilisierten
Reiterfigur auf der Spitze wesentlich überlegen. Die Monumente des
Barnabo Visconti (1384) und der Regina della Scala (1385), in der Brera
zu Mailand, sind von diesen Arbeiten abhängig.

In Venedig nahm, wie die Baukunst, so auch die Plastik im Laufe des
Trecento eine ganz neue und eigenartige Entwickelung. Zur Erklärung
dieser Erscheinung läßt Vasari sowohl den Niccolo wie den Giovanni
Pisano in Venedig thätig sein. Für Niccolo ist dies mehr als
unwahrscheinlich; auch ein Aufenthalt Giovanni's ist uns in Venedig
selbst nicht bezeugt, wohl aber in dem benachbarten Padua, wo Giovanni
mit Giotto zusammen an der Ausschmückung der Madonna dell' Arena
beschäftigt war (vgl. S. 22). Daß also die bildnerische Kunst in Venedig
direkt und indirekt durch die Pisaner Meister beeinflußt und belebt
worden, erscheint zweifellos; aber gerade der Umstand, daß keiner der
Pisaner Künstler hier selbst thätig war, hat in Venedig einer
selbständigeren Entwickelung der Plastik im Trecento Vorschub geleistet,
welche der gleichzeitigen Malerei wesentlich überlegen ist.

[Abbildung: 162. Brunnenmündung aus Venedig, Anfang des XV. Jahrh.]

Anfangs (gelegentlich wohl bis in die Mitte des Jahrhunderts) schließt
sich die bildnerische Thätigkeit noch an jene ältere, auf byzantinischen
Vorbildern beruhende Dekorationsart an, welche in phantastischer Weise
figürliche Darstellungen mit Ornamenten und abenteuerlichen Tierbildern
verquickt. Die Fassade der Paläste und die Kirchen haben zahlreiche
Beispiele dafür aufzuweisen; die beste Gelegenheit für die Anbringung
derartigen Schmuckes bot aber der allmähliche Ausbau von San Marco, der
innen und außen zahlreiche dekorative Bildwerke aus der zweiten Hälfte
des XIII. und dem Anfange des XIV. Jahrh. aufzuweisen hat. Die
interessantesten darunter sind die Reliefs an den Bögen über den
Hauptportalen, namentlich über dem mittleren, an denen auch die Motive:
Darstellungen der Monate, Propheten, Sibyllen u. s. f., noch die alten
sind, während die guten Verhältnisse, die saubere Ausführung und die
tüchtige naturalistische Empfindung schon die vorgerückte Zeit verraten.
Diese Abhängigkeit von der Architektur und der gewollte Anschluß an
ältere Vorbilder hielt in Venedig lange Zeit eine freie, selbständige
Entfaltung der Plastik zurück. Die Künstler (zumeist zugewanderte
Comasken) scheinen daher Gelegenheiten, die sich ihnen dafür außerhalb
ihrer Vaterstadt boten, gern ergriffen zu haben. So finden wir in den
vierziger Jahren einen Venezianer _Jacopo Lanfrani_ in Bologna
beschäftigt; hier sind von seiner Hand das Professorengrab Calderini (†
1348) im Museo Civico und das stattliche Wandmonument des Taddeo Pepoli
(† 1347) in S. Domenico erhalten; letzteres originell im Aufbau, gut im
Reliefstil und tüchtig in den Figuren, wenn auch wenig belebt in der
Komposition und im Ausdruck. Einige Jahrzehnte später arbeitet ein
Meister _Antonio_ aus Venedig einen Marmoraltar für S. Lorenzo zu
Vicenza, und 1372 der Meister _Andriolo_ die fünf Statuen für die
Kapelle S. Felice im Santo zu Padua. Letztere sind den frühesten
Arbeiten der Gebrüder Massegne schon nahe verwandt, die gleichfalls ihr
Heil zuerst draußen hatten versuchen müssen: _Jacobello_ und _Pier Paolo
delle Massegne_ erhielten 1388 den Auftrag auf den großen Marmoraltar
von S. Francesco in Bologna. In den zahlreichen Statuetten von
verschiedener Größe zwar etwas flüchtig und lieblos, ist der Altar nicht
nur von stattlicher Erscheinung und klar im Aufbau, sondern in einzelnen
Teilen, namentlich in dem Relief der Krönung Mariä in der Mitte, schon
von dem eigentümlichen Schönheitssinn, der weichen Fülle der Gestalten
und dem Fluß der Gewandung, welche die späteren Arbeiten der Massegne in
Venedig auszeichnen. Beglaubigt sind hier die Statuen Mariä und der
Apostel vom Jahre 1394, welche auf den Schranken des Chors der
Markuskirche stehen; nach ihrer Übereinstimmung mit diesen Figuren
gehören ihnen auch die 1397 ausgeführten zehn Statuen der Seitennischen
des Chors, sowie die auf den Chorstühlen. Ein Altar im linken Querschiff
und die Figuren auf den Chorstühlen der Markuskirche, das Relief über
dem Eingang zur Kirche von S. Zaccaria, der Altar in der Taufkapelle der
Frari und ebenda die Grabmäler Simone Dandolo (vollendet 1396) und Paolo
Savello († 1405, mit dem trefflichen Reiter in Holz), in S. Giovanni e
Paolo, das Grabmal Ant. Venier († 1400), das Relief der Madonna zwischen
zwei Engeln über einer Seitenthür der Frari sind hervorragende Arbeiten
aus gleicher Zeit und von ähnlichem Charakter, deren Venedig noch eine
beträchtliche Zahl von geringerer Qualität aufzuweisen hat. Auch die
älteren Bildwerke am Dogenpalast und einzelne Skulpturen am Dache von
S. Marco sind wenigstens in dieser Zeit und unter dem Einflüsse dieser
Skulpturen begonnen worden; die Vollendung derselben, namentlich die
berühmten Gruppen der Schande Noahs und des Urteils Salomonis an den
Ecken des Dogenpalastes fallen bereits in eine Zeit, da in Florenz die
Renaissance schon ihre erste Blüte entfaltete. Gemeinsam ist diesen
Arbeiten, in größerem oder geringerem Maße, ein ausgesprochener
Schönheitssinn in den vollen Gestalten, in dem ernsten, anmutigen
Ausdruck, der ruhigen Haltung, der großen und einfachen Faltengebung;
und damit verbinden sich saubere Durcharbeitung und ein oft schon fein
entwickelter Natursinn, namentlich für die Einzelheiten. Die
Befangenheit im Ausdruck und eine nüchterne Ruhe, welche bei bewegten
Motiven besonders störend auffällt, verraten jedoch auch in den besten
dieser Arbeiten, daß auf diesem Wege allein zu völliger Freiheit nicht
zu gelangen war.

Unter der beträchtlichen Zahl meist dekorativer venezianischer
Bildwerke, welche die Berliner Sammlung besitzt, befinden sich auch
mehrere charakteristische, gute Arbeiten dieser Zeit: zwei weibliche
Halbfiguren, liebliche Lockenköpfe von vollen Formen (No. 35 und 36),
eine Brunnenmündung im Charakter der Kapitelle des Dogenpalastes (No.
162) und ein großes Holzkrucifix von herb naturalistischer Auffassung
(No. 37), sämtlich Arbeiten, die schon in den Anfang des XV. Jahrh.
fallen.



Die Frührenaissance
(Das Quattrocento, um 1400 bis 1500).


Die Kunst der »Renaissance«, die Wiedergeburt der antiken, der
klassischen Kunst -- wie schon die Künstler des XV. Jahrh. mit
Bewußtsein und Stolz ihre Kunst bezeichneten -- zeigt sich auf keinem
anderen Gebiete in so scharfem Gegensatze zu der vorausgehenden Zeit wie
in der Plastik. Die Rückkehr zu den antiken Formen in der Dekoration hat
sie mit der Architektur gemein; wie diese betrachtet sie die Antike, die
Überreste der römischen Kunst, als ihre unübertroffene Lehrmeisterin,
entlehnt sie derselben zahlreiche Motive und Gestalten. Aber während die
Architektur des Quattrocento in ihren Grundformen, in den Verhältnissen
und technischen Hülfsmitteln auf den großen Errungenschaften des
Trecento nur weiterbaut, tritt die gleichzeitige Plastik in einen viel
größeren Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, welche bei aller Lebendigkeit
noch der naturalistischen Durchbildung ermangelt hatte. Sie befolgt als
obersten Grundsatz die _Wirklichkeit_: volle Naturwahrheit und schärfste
Charakteristik im Motiv wie in der Durchbildung der einzelnen Gestalt
bis in die kleinsten Einzelheiten. Die menschliche Figur in der vollen
Wirklichkeit ihrer Erscheinung: individuell in Kopf und Gestalt,
eigenartig in Haltung und Bewegung, wie in der Tracht bleibt das
vornehmste Ziel der Bildhauer durch das ganze XV. Jahrh. Diese Aufgabe
verfolgen sie mit einer Begeisterung und Überzeugung, mit einem Ernst
und oft mit einer Einseitigkeit, die vor Übertreibung nicht
zurückschreckt; aber ein glücklicher Takt, Naivetät und angeborener
Schönheitssinn bilden die natürlichen Schranken, in denen sich jenes
Streben trotz seiner Kraft und Einseitigkeit in einer so mannigfaltigen,
so eigentümlich reizvollen Weise entfalten konnte, wie innerhalb der
Plastik zu keiner anderen Zeit nach der Blüte der attischen Kunst.

Das realistische Streben führte in erster Linie auf das _Studium des
Nackten_, welches das Trecento schon aus kirchlichen Gründen und
religiöser Scheu vernachlässigt hatte. Hier galt es die größten
Anstrengungen; nur langsam und mühsam hat selbst der bahnbrechende
Meister Donatello aus allgemeinen und befangenen Anschauungen sich zu
wirklicher Kenntnis des Körpers durchgearbeitet. Aber auch bei ihm und
im ganzen Quattrocento ist diese Kenntnis, ähnlich wie in der antiken
Kunst, ein aus steter Anschauung gewonnenes Resultat; erst Leonardo
erhebt die Anatomie zu einer Hilfswissenschaft der Kunst. Durch Piero
della Francesca hatte schon früher die Perspektive ihre
wissenschaftliche Begründung erhalten, während sie bis dahin, auch in
der Plastik, meist in naiver Ausübung richtiger Beobachtungen mehr oder
weniger glücklich angewandt worden war.

Mit dem Studium des nackten Körpers geht das _Gewand_studium Hand in
Hand. In Bewegung, in Faltengebung, selbst in der Wahl der Stoffe sind
die Künstler bestrebt, die Gewandung der Figur möglichst anzupassen, den
Körper darin erkennen zu lassen und zugleich die Gestalt dadurch zu
heben und zu charakterisieren. Um während der Übertragung des Modells in
Stein die künstlich gelegten Falten desselben dauernd zu erhalten,
wurden die über dem Manneken angeordneten Stoffe (in der Regel ein
starker Leinenstoff) von manchen Künstlern in Gips getränkt,
gelegentlich sogar in derselben Weise auf dem Original angebracht
(vergl. die Johannesbüste von Donatello No. 38a).

Das Moment, welches neben der Rückkehr zur Natur als gleichbedeutend für
die »Wiedergeburt« der italienischen Kunst bezeichnet zu werden pflegt,
das _Studium der Antike_, hat die plastische Detailbehandlung der
Bildhauer des Quattrocento fast gar nicht berührt: es läßt sich kaum ein
größerer Gegensatz in der Plastik denken, wie zwischen der florentiner
Kunst des XV. Jahrh. und der griechischen der Blütezeit, von der
römischen Kunst ganz zu schweigen. Dagegen galten die Überreste der
antiken Kunst, welche mit größtem Eifer aufgesucht und gesammelt wurden,
den Bildhauern des Quattrocento in solchem Maße als unübertreffliche
Vorbilder, daß sie ihnen nicht nur fast sämtliche Motive der Dekoration
entlehnten, sondern sogar, wo es irgend anging, auch ihre figürlichen
Kompositionen sich zum Vorbild nahmen. Die mythologischen und zum Teil
auch die allegorischen Gestalten und Motive in den Bildwerken des XV.
Jahrh. sind fast regelmäßig der Antike, namentlich den Sarkophagen,
geschnittenen Steinen und Münzen entlehnt. Gerade der Künstler, der
durch seinen rücksichtslosen Realismus die Richtung des Quattrocento am
schärfsten ausgeprägt und die ganze italienische Kunst der Folgezeit am
stärksten beeinflußt hat, dessen schöpferische Gestaltungskraft, dessen
eigenartige Phantasie von wenigen Künstlern erreicht worden ist: gerade
Donatello entlehnt, ja kopiert mit größter Vorliebe aus der Antike.
Seine Reliefs im Hof des Palazzo Riccardi sind als Nachbildungen antiker
Gemmen und Kameen bekannt; als solche lassen sich aber auch
verschiedene Plaketten nachweisen, und selbst seine zahlreichen
Puttendarstellungen an den Sockeln der Statuen, an den Kapitellen und
Einrahmungen, an den Rüstungen seiner Krieger und an den Friesen seiner
Kanzeln sind fast regelmäßig nichts anderes, als mehr oder weniger freie
Umbildungen antiker Amorettendarstellungen auf Sarkophagen oder
geschnittenen Steinen. Selbst in den biblischen Motiven Donatello's läßt
sich die Benutzung verwandter antiker Darstellungen verfolgen; so ist in
seinen großartigen Kompositionen der Beweinung Christi bald die eine,
bald die andere Figur antiken Sarkophagreliefs mit der Klage um den Tod
der Alceste oder ähnlichen Scenen frei entlehnt. Freilich ist es für
Donatello und für die ganze Richtung der Plastik des Quattrocento
bezeichnend, wie der Künstler auch diesen Nachbildungen der Antike
seinen Geist, seinen Stil aufprägt, so daß sie als eigenste Erfindungen
des Künstlers erscheinen.

Der _Ort der Bestimmung für die plastischen Kunstwerke_ bleibt im
Wesentlichen der gleiche wie in der vorausgegangenen Zeit: die Kirchen
vereinigen, nach wie vor, als Schmuck der Außenseite wie des Innern die
große Mehrzahl aller Skulpturen; vereinzelt kommt daneben, wie im
Trecento, der plastische Schmuck von Gemeindebauten und selbst von
Plätzen vor. Aber die Auftraggeber, wie die Gesinnung und Absicht der
Bestellung sind wesentlich andere geworden. Obgleich für die Kirche
bestimmt, sind diese Bildwerke doch keineswegs immer im kirchlichen oder
gar frommen Sinne gestiftet oder geschaffen; die Auffassung ist vielmehr
meist eine rein menschliche, auf treue Wiedergabe des Wirklichen
gerichtet. Der Kultus des Individuums, aus der Erkenntnis des eigenen
Wertes und der allseitigen Ausbildung der Individualität hervorgegangen,
hatte zur demokratischen Umbildung der italienischen Gemeinwesen oder
zur Unterwerfung derselben unter Tyrannen geführt; er erhielt einen
charakteristischen Ausdruck in der schrankenlosen Ruhmsucht, welche in
der Kunst, vor Allem in der Plastik, ein hervorragendes Mittel zu seiner
Bethätigung fand. Der Platz für die bildnerische Thätigkeit zur
Verherrlichung der einzelnen Persönlichkeit wurden aber nicht das
Privathaus, nicht der Palast, wie man erwarten sollte, auch nur in
beschränktem Maße die städtischen Bauten, die öffentlichen Plätze und
Straßen: dieser Platz war oder blieb recht eigentlich die Kirche. Denn
in der Umwälzung, welche die moderne Zeit heraufführte, hatte zwar
Selbstsucht und Selbstüberhebung den Glauben aufs tiefste erschüttert,
aber die Kirche hatte ihre Stellung zu behaupten gewußt. Die
Wiedergeburt des ganzen Lebens hatte nicht zu einer inneren Reform der
kirchlichen Institutionen geführt, sondern hatte dieselben mit in ihre
Kreise gezogen: die Päpste und die hohe Geistlichkeit wetteiferten in
der monumentalen Bethätigung ihres Ruhmes und beschäftigten zahlreiche
Künstler zu ihrer Verherrlichung; sie haben dadurch zur Kräftigung der
Kirche bei der großen Menge nicht wenig beigetragen. Die Geistlichen
nahmen nicht den geringsten Anstand, das Gotteshaus zum Tummelplatz der
Ruhmsucht des Einzelnen zu machen; wurde doch dadurch zugleich die
Kirche geschmückt und verherrlicht. Die Päpste und ihre Nepoten gingen
im Luxus der Monumente allen Anderen voran; Roms Kirchen übertrafen in
Pracht und Menge der Denkmäler selbst die Grabkirchen der reichsten
Tyrannen. Wenn die Kirchen von Venedig an Zahl und Pracht der
Grabmonumente sich mit den Kirchen Roms beinahe messen können, wenn
diese Denkmäler in Florenz durch ihre Schönheit allen anderen überlegen
sind, so haben dieselben doch an beiden Orten einen eigentümlichen
Charakter, der ihnen schon durch die Vornehmheit der Gesinnung vor den
römischen Monumenten den Vorzug giebt: in beiden Republiken dienten
diese Denkmäler in erster Reihe nicht der Verherrlichung des Einzelnen,
sondern dem Ruhme des Staats. In Venedig durfte nur dem Dogen, als dem
Repräsentanten der stolzen Republik, die Ehre eines Prachtmonuments in
der Kirche zu Teil werden in Florenz wurden den berühmten
Staatssekretären, den vornehmen Wohlthätern und Freunden der Stadt,
selbst den großen Künstlern prächtige Denkmäler gesetzt, während die
vornehmen Familien, die Mediceer nicht ausgenommen, sich in dieser Zeit
mit einfachen oder doch mit bildlosen Grabmälern begnügen.

Dadurch, daß der Mittelpunkt für die Thätigkeit der Bildhauer auch im
Quattrocento nach wie vor die Kirche ist, bleiben auch die _Aufgaben_
der Plastik im Wesentlichen dieselben wie vorher. Der Schmuck der
Fassaden, die monumentalen Ausstattungsstücke des Innern: Altar, Kanzel,
Sängertribüne, Tabernakel, Sakristeibrunnen, Kandelaber, Chorschranken
werden, wo es immer angeht, einem Bildhauer zur Ausführung übergeben.
Aber Auffassung und Formenbehandlung sind ganz neu; nicht nur durch die
Aufnahme antiker Dekorationsformen, vor Allem sind die Künstler ihren
Vorgängern durch ihr Stilgefühl und den monumentalen Sinn überlegen,
indem sie jene Gegenstände regelmäßig architektonisch gestalten und
figürliche Bildwerke nur zur Hebung der Form und als sinnige Erklärung
ihrer Bedeutung anbringen. Die Grabmonumente, die jetzt eine so
außerordentliche Bedeutung gewinnen und nicht selten fast die ganzen
Wände der Kirchen bedecken, waren allerdings auch schon im Trecento an
demselben Platze; aber an die Stelle des Heiligengrabes, das nur noch
ausnahmsweise einen Stifter findet, tritt das Privatgrab und das
Staatsdenkmal, und der von Säulen getragene, mit einem Baldachin
überdachte Sarkophag des Trecento wird durch das geschmackvolle, der
Architektur sich einfügende Nischengrab verdrängt. Über dem Sarkophag
ist auf dem Paradebett der Verstorbene in seiner Amtstracht feierlich
ausgestellt; den oberen Abschluß der meist sehr fein gegliederten und
zierlich dekorierten Nische pflegt ein Relief mit der Madonna zu bilden,
zu deren Seiten anbetende Engel.

Wenn derart das Innere der Kirchen zu einer Ruhmeshalle persönlichen und
nationalen Stolzes wird, so sind die Außenseiten nicht selten der Platz
für den Wetteifer individueller Meisterschaft unter den Bildhauern des
Quattrocento geworden: die Wände von Or San Michele und des Campanile
wie (freilich nie vollendet) die Fassade des Domes in Florenz sind die
klassischen Beispiele dafür; sie galten schon dem Cinquecento
gewissermaßen als Sammelplätze der Meisterschaft der vorausgegangenen
großen Zeit.

Wie die Plastik des Quattrocento ihre Vorwürfe dem Trecento oder der
Antike entlehnt, so ist es auch charakteristisch für dieselbe, daß sie
in ihren Motiven äußerst bescheiden und selbst beschränkt ist und jedes
Suchen nach neuen Motiven vermeidet: ihr Ziel liegt vielmehr gerade
darin, das Alte in neuer Form zu geben. In den heiligen Motiven ist
kaum eine wesentliche Änderung gegen die vorausgehende Zeit namhaft zu
machen. Die Gestalten Christi und der Maria, die Apostel und
Evangelisten, die einzelnen Heiligen werden in dem Charakter und den
Formen übernommen und festgehalten, in denen sie die Zeit der
absterbenden antiken Kunst für den neuen Glauben festgestellt und wie
sie das Trecento, namentlich Giotto, weiter entwickelt hatte. Wenn ein
Künstler, wenn insbesondere ein Bildhauer sich eine Abweichung erlaubt,
geschieht es regelmäßig aus rein künstlerischen Rücksichten. Wo, wie in
Florenz, das lokale Bewußtsein besonders stark ausgeprägt ist, werden
einzelne Heilige oder biblische Heroen mit Vorliebe dargestellt und
gewissermaßen als Verkörperung des Staates zu Nationalhelden
umgeschaffen; so in Florenz Johannes d. T., welcher den alten
Stadtheiligen S. Zenobius ganz verdrängt, der heilige Georg und David,
sowie die Freiheitsheldin Judith. Im Allgemeinen überwiegen das
Festhalten am Hergebrachten und religiöse Scheu so sehr den Naturalismus
der Zeit, daß die Darstellung des Nackten aus den heiligen Motiven fast
verbannt bleibt. Wo ausnahmsweise, wie beim Täufer oder der Magdalena,
der Gegenstand die Wiedergabe der nackten Figur nahe legte, zogen die
Künstler doch vor, eine herbe Charakterfigur zu schaffen, deren Blößen
von Tierfellen oder vom eigenen Haar verhüllt sind. Nur die
Jünglingsfigur des hl. Sebastian und, ganz vereinzelt, auch die
Gestalten von Adam und Eva sind von einigen Künstlern zur Schaustellung
jugendlich schöner Körper benutzt worden. Die einzige allgemeine
Ausnahme ist gerade der stärkste Beweis für die keusche Auffassungsweise
dieser realistischen Kunst: die nackte Bildung des Kindes. Das
Christkind pflegt regelmäßig unbekleidet dargestellt zu werden, ebenso
die Kinderengel. In der Darstellung des Kindes, in der sich die Kunst
der Zeit, und ganz besonders die Plastik, mit aller Naivetät und
Lebensfrische ergeht, hat das Quattrocento, unter eigentümlicher
Zusammenwirkung älterer christlicher und antiker Vorbilder,
ausnahmsweise einen eigenen Typus geschaffen, den _Putto_. Im Alter, wo
im Kinde sich zuerst das Bewußtsein der eigenen Kraft und
Persönlichkeit regt, ist der Putto ein eigentümliches Gemisch von
christlichem Engel und antikem Genius, ein gutherziger Kinderkobold, der
als Schutzengel den Menschen auf seinem Lebenswege begleitet und an
seinem Grabe Wache hält, der als guter Werkstattsgeist dem Künstler
überall helfend und schmückend zur Seite steht, der neckend und
scherzend sein harmloses Spiel treibt; selbst in den ernstesten Motiven
der Heiligengeschichte, in denen sie, wenn auch untergeordnet -- in der
Einrahmung -- gewissermaßen zur Aussöhnung mit dem tragischen Inhalt
dienen sollen.

Neben den religiösen und biblischen Motiven findet die _Allegorie_, die
in der kirchlichen Kunst des Mittelalters unter dem Einflüsse der
Scholastik einen bedeutenden Platz einnahm, in der Plastik des
Quattrocento beschränktere Anwendung und zugleich eine freiere
künstlerische Ausbildung. Diese verdankt sie neben der naturalistischen
Auffassung der Zeit vor Allem dem Anschluß an die Allegorie der Antike
und der Weiterbildung derselben. Zu den kirchlichen Tugenden: Glaube,
Liebe, Hoffnung, gesellen sich die weltlichen Tugenden: Stärke,
Vorsicht, Mäßigung, und mit diesen werden gelegentlich schon die
Wissenschaften in gleichen Rang gestellt. Wie diese, so werden auch die
der Antike entlehnten allegorischen Figuren, wie der Ruhm, das Glück,
der Frühling u. a. m., als schöne jugendliche Frauengestalten gebildet,
die nur an ihren Attributen kenntlich sind; die monströsen Bildungen,
welche die scholastische Deutelsucht des Trecento der Kunst aufdrängte,
waren dem gesunden und plastischen Sinne des Quattrocento zuwider.

Die Verehrung der Antike und das Studium derselben weckte auch in den
Bildhauern das Interesse an den Stoffen aus der _antiken Mythologie_ und
_Geschichte_. Da die große Kunst fast ausschließlich auf kirchliche
Aufgaben beschränkt blieb, so war es die für die Privaten beschäftigte
Kleinkunst, in welcher die Freude an solchen Stoffen volle Bethätigung
finden konnte; in der Plastik insbesondere der bildnerische Schmuck der
kleinen Hausgeräte, wie Tintefässer, Leuchter, Schwertgriffe, Agraffen,
Kästchen u. s. f., die uns heute meist nur in ihren einzelnen Teilen, den
sogenannten Plaketten, erhalten sind, ferner die Rückseiten der
Medaillen und die Kameen. Die Motive sind zumeist den bekanntesten
römischen Klassikern, namentlich Ovid und Livius entlehnt und je nach
der Bestimmung des Gegenstandes mit feiner Beziehung ausgewählt: an den
Schwertgriffen finden wir regelmäßig Thaten der mythischen römischen
Helden, die Herkulesarbeiten oder ähnliche Darstellungen, an den
Agraffen Venus und Amor, die Liebschaften der Götter u. dergl.

Die ausgeprägt naturalistische Auffassung des Quattrocento ließe von
vornherein auf die Ausbildung des _Genre_ auch in der Plastik schließen;
so naturwahr und selbst genrehaft manche Motive aber auch aufgefaßt
sind, so haben doch religiöse Scheu und monumentaler Sinn eine
Entwickelung der Plastik nach dieser Richtung fast ganz zurückgehalten.
Nur in der Darstellung des Kindes, im »Putto«, hat das XV. Jahrh. in
Italien eine wirkliche Genrefigur geschaffen, und gerade diese Ausnahme
ist ein Beweis für den Geschmack und das Stilgefühl dieser Zeit, worauf
oben (vergl. S. 39) schon hingewiesen ist. Ein dem Namen nach noch
unbekannter Nachfolger Donatello's modelliert sogar Gruppen von Kindern,
die in der derben Gestaltung und Auffassung dem Bauerngenre der späteren
Niederländer kaum etwas nachgeben. Nur ein Künstler Italiens, Guido
Mazzoni in Modena, abseits von den großen Kunststätten, geht in seinem
Realismus so weit, daß er regelmäßig seine biblischen Motive zu derben
Volksscenen aus seiner Umgebung umgestaltet; seine bekannten farbigen
Thongruppen der Anbetung des Kindes und der Beweinung Christi sind
offenbar Nachahmungen der religiösen Volksschauspiele der Zeit. Gerade
solche Ausnahmen lassen den Geschmack und den großen Sinn der
italienischen Kunst im Allgemeinen in um so schärferem Licht erscheinen.

So anspruchslos und konservativ die Plastik des Quattrocento in den
Motiven ist, so mannigfaltig und neu ist sie, dem Trecento gegenüber, im
_Material_, in dem sie ihre Bildwerke ausführt; jedes zugängliche und
brauchbare Material, in dem eine künstlerische Ausführung möglich war,
ist von den Bildhauern des XV. Jahrh. benutzt worden; die Wahl desselben
ist dabei aber vielfach nach der gestellten Aufgabe getroffen und die
Ausführung regelmäßig mit feinem Stilgefühl dem Charakter des Stoffes
entsprechend gemacht worden.

Das häufigste und für vornehmere Aufgaben bevorzugte Material ist nach
wie vor der Marmor. Die seit der Zeit des Niccolo Pisano stark
ausgebeuteten Brüche von Carrara lieferten eine Fülle des schönsten
Marmors, dessen kalter Färbung die italienischen Künstler
(wahrscheinlich durch Einlassen von heißem Wachs) einen warmen
gelblichen Ton zu geben verstanden. Der Marmor wurde als solcher zur
Erscheinung gebracht; nur einzelne Ornamente an den Gewändern, die
Heiligenscheine und Haare wurden noch vergoldet und der Hintergrund des
Reliefs, falls er nicht ein landschaftlicher oder architektonischer war,
erhielt regelmäßig eine graublaue Farbe; reichere Bemalung des Marmors
kommt nur ausnahmsweise und zu dekorativen Zwecken vor. Für die in
Verbindung mit der Architektur arbeitende Plastik wird der Marmor häufig
durch billigeren Stein ersetzt: im Venezianischen und im Herzogtum
Urbino durch den feinen italienischen Kalkstein (für Venedig meist aus
Istrien bezogen und danach als pietra d'Istria bezeichnet), in Florenz
durch den feinkörnigen grünlichgrauen Sandstein aus der Umgebung von
Florenz (unter dem Namen pietra serena bekannt).

Die Bearbeitung des Marmors, wie im Allgemeinen auch der als Ersatz
dafür eintretenden geringeren Steinarten geschah fast ausschließlich
durch verschiedenartige Meißel. Der Bohrer wurde zwar daneben
angewendet, aber man verstand noch nicht, wie im Altertum, denselben
auch lang zu führen; um z. B. eine tiefe Falte zu machen, setzte man ein
Bohrloch neben das andere und meißelte dann die kleinen Zwischenwände
fort (man vergleiche die Marmorstatue des Giovannino von Michelangelo
No. 209). Durch diese verschiedene Behandlungsweise lassen sich die
Arbeiten der Antike und des Quattrocento im Zweifelfalle meist unschwer
auseinander halten. Die Bearbeitung des feinen Kalksteins konnte, bei
der großen Dichtigkeit und Weichheit desselben, wenn er frisch gebrochen
war, in einem vorgeschrittenen Stadium der Arbeit mit Messern oder
messerartigen Instrumenten erfolgen, wodurch eine außerordentliche
Schärfe der Ausführung möglich wurde (vergl. die Büste der Urbiner
Prinzessin, No. 62A, sowie die Pilaster von der Scuola di San Giovanni
in Venedig, No. 169 u. 170). Die Politur, welche die Marmorbildwerke
regelmäßig erhielten, war lange nicht so stark wie im Trecento oder im
späten Altertum, sie wurde aber in der Wirkung verstärkt durch die
Tönung, welche der Marmor zum Schluß erhielt.

Neu, wenn auch nicht als Material, so doch im Umfange und in der Art
seiner Verwendung, ist die _Bronze_. Nach den Arbeiten der
byzantinischen Künstler war die Bronzethür des Andrea Pisano der erste
vereinzelte Versuch eines Bronzegusses im Großen gewesen; im XV. Jahrh.
gewann derselbe eine solche Bedeutung und damit allmählich auch eine
solche künstlerische Ausbildung, daß die Bronze offenbar als das
vornehmste Material für plastische Monumente jeder Art angesehen wurde.
Anfangs auf den Guß von Reliefs beschränkt, wurde die Bronzeplastik bald
auch auf Statuen, Büsten und Werke der Kleinkunst ausgedehnt; und
während in der ersten Hälfte des Jahrhunderts Statuetten noch voll
gegossen werden mußten und viele Güsse so ungenügend gelangen, daß die
Ciselierung einen hervorragenden Anteil an der Fertigstellung der
Bronzen hatte, sind die späteren Bronzen schon dünn und leicht und, bei
kleineren Bildwerken, häufig à cire perdue gegossen und ganz unciseliert
gelassen. Die Güsse scheinen meist über Wachsmodelle ausgeführt zu sein.
Die Patina wurde, da der Besteller nicht Jahre lang warten wollte, bis
der Einfluß der Luft Patina bildete, regelmäßig künstlich hergestellt,
indem die Bronzen mit einer schwärzlichen pechartigen Masse überzogen
wurden, die wahrscheinlich poliert worden ist. Mit der Zeit ging diese
durch Berührung von den Höhen ab; hier bildete sich dann eine natürliche
Patina, die in Verbindung mit jener künstlichen Patina in den Tiefen mit
ihrem schwärzlichen stumpfen Ton von feiner malerischer Wirkung ist.

Die Freude an der Plastik und das Bedürfnis, alle öffentlichen Bauten
mit Bildwerken auszustatten und selbst das Privathaus damit zu
schmücken, hatte die Ausbildung der kostspieligen Bronzeplastik
hervorgerufen; sie war aber zugleich die Veranlassung, daß die Künstler
sich nach billigen Materialien umschauen mußten, um den Anforderungen
auch der weniger Bemittelten nachkommen zu können. Daher sehen wir jetzt
eine außerordentlich große Zahl von Bildwerken in Holz und namentlich in
Thon ausführen, Schnitzaltäre und Einzelstatuen, ausnahmsweise auch
Büsten in _Holz_, reich bemalt und vergoldet, finden wir fast nur in
besonders holzreichen Gegenden, wie in den Apenninen und in Oberitalien,
namentlich an den Abhängen der Alpen und in der Nachbarschaft derselben.
Hier hat offenbar der Einfluß der benachbarten deutschen Kunst
bestimmend eingewirkt. Weit bedeutender, namentlich auch für die
künstlerische Entfaltung der italienischen Plastik, ist die Bildnerei in
_Thon_ geworden. Während im Trecento nur ganz ausnahmsweise der Thon für
plastische Zwecke verwendet wurde, gewinnt derselbe gleich im Anfange
des Quattrocento eine hervorragende Bedeutung als bildnerisches
Darstellungsmittel. Und zwar durchaus nicht allein in den steinarmen
Gegenden, wie in der Lombardei oder im Gebiet von Bologna und Ferrara:
gerade in Florenz leiten den Übergang aus dem Trecento in die neue Zeit
eine Reihe von Bildhauern ein, welche vorwiegend in Thon modellieren und
für kleinere Kirchen und Privatkapellen Altäre und Supraporten mit
Madonnenreliefs, gelegentlich auch den ganzen Wandschmuck der Kirchen
oder Grabmonumente, sowie die Tabernakel in den Straßen aus Thon
herstellen. War hier zweifellos die Billigkeit und Schnelligkeit der
Herstellung der Grund für die Wahl des Materials, so erkannten die
florentiner Bildhauer bald auch den Vorteil, welchen der Thon als das
einfachste Mittel zum unmittelbaren, unverfälschten Ausdruck der
künstlerischen Absicht bietet; sie benutzten denselben daher regelmäßig
zur Herstellung von kleinen Skizzen oder Modellen, welche an die Stelle
der ausgeführten Zeichnungen traten, nach denen das Trecento regelmäßig
gearbeitet hatte. Solche Entwürfe in der Berliner Sammlung sind z. B. das
Relief der Grablegung Christi von Verrocchio (No. 97A) und Maria im
Limbus von B. da Majano (No. 589D). Nach den Thonmodellen wurden in der
Werkstatt vielfach von Schülern oder Gehülfen, die Marmor- oder
Bronzebildwerke ausgeführt; eine Teilung der Arbeit, wie sie sich
namentlich in Florenz durch den Umfang mancher Monumente und die Häufung
der Aufträge an die berühmteren Künstler mit Notwendigkeit
herausbildete. Solche Modelle, deren Ausführungen in Marmor oder in
Bronze noch erhalten sind, sind in unserer Sammlung die Büste des
Filippo Strozzi von B. da Majano (No. 85, Marmorausführung im Louvre),
das Tondo mit der Anbetung von A. Rossellino (No. 64, Marmorausführung
im Bargello) und das Madonnenrelief von Bellano (No. 156A,
Bronzeausführung am Grabmal De Castro in S. Servi zu Padua).
Verschiedene andere Thonarbeiten der Sammlung sind zweifellos
gleichfalls als Modelle gearbeitet worden, wenn sich auch die Monumente,
für die sie bestimmt waren, nicht mehr nachweisen lassen oder überhaupt
nicht zur Ausführung kamen.

Alle diese Thonbildwerke wurden regelmäßig bemalt; selbst die meisten
Modelle und Skizzen, da dieselben wegen ihres künstlerischen Wertes in
den Ateliers aufbewahrt oder an andere Künstler vergeben wurden, die
Naturfarbe des gebrannten Thons aber dem Farbensinn der Zeit
widerstrebte. Ausgeführt wurde die Bemalung in Wasserfarben, und zwar
ganz naturalistisch, wie bei einem Gemälde. Die Farben wurden meist
nicht direkt auf den Thon aufgetragen, sondern man überzog denselben
vorher, wie die Tafel bei Gemälden, mit einer dünnen Kreideschicht, weil
auf dieser Farben und Vergoldung besser haften. Da manche dieser
Bildwerke, wie Straßentabernakel, Lünetten, Friese u. a., zur
Aufstellung in freier Luft bestimmt waren, so gab man den Farben zum
Widerstande gegen die Witterung einen Lacküberzug, wie er z. B. noch bei
dem Madonnenrelief (No. 112A) erhalten ist. Ein solcher Überzug konnte
jedoch nur kurze Zeit dem Einflüsse von Wasser und Sonne widerstehen;
daher kam Luca della Robbia auf den Gedanken, seine Thonskulpturen in
derselben Art wie die Thongefäße mit einer Glasur zu überziehen. Seine
Versuche hatten den besten Erfolg und fanden allgemeinsten Beifall, so
daß sich eine Industrie daran anknüpfte, welche ein Jahrhundert lang in
der Familie dieses Künstlers durch verschiedene Generationen ausgeübt
wurde. Florenz und der von Florenz abhängige Teil Mittelitaliens
verdankt derselben eine außerordentlich große Zahl von Altären,
Tabernakeln, Lünetten, Wappen, Friesen, ausnahmsweise auch Freifiguren,
Taufbecken u. s. f., die meist noch an Ort und Stelle erhalten sind. Das
Thonmodell wurde leicht gebrannt (bei größeren Monumenten in mehreren
Stücken), dann bemalt und nach Überzug mit einer Emailschicht zum
zweiten Mal ins Feuer gebracht. Die Bemalung war (und zwar von
vornherein schon bei Luca selbst) entweder ganz farbig; dann waren die
Farben auf weiß, blau, grün, gelb, violett und schwarz beschränkt; oder
die Figuren wurden, in Nachahmung des Marmors, weiß gelassen; dann
erhielt nur der Hintergrund bei Reliefs einen blauen Ton und die
Ornamente, Heiligenscheine und Muster wurden vielfach vergoldet. Die
Einrahmung besteht meist aus plastischen, farbig gehaltenen Frucht- oder
Blumenkränzen von stilvoller Anordnung, aber feinster naturalistischer
Durchführung.

Das Bedürfnis nach Kunstwerken für die häusliche Andacht und die
Popularität der Plastik, namentlich in Florenz, hat neben den
verschiedenartigen Thonbildwerken noch eine andere Gattung von
Skulpturen hervorgebracht, die _Stuckbildwerke_, vorwiegend
Stuckreliefs. Schon gegen den Ausgang des Trecento hatten florentiner
Künstler vereinzelt Abgüsse nach ihren Arbeiten in Marmor oder Stein
angefertigt und sie, nach vollständiger Bemalung, in den Handel
gebracht. Seit dem Anfange des Quattrocento bis gegen das Ende des
Jahrhunderts wurden solche Nachbildungen nach kleineren
Originalskulpturen in großer Menge angefertigt. Dadurch, daß an Stelle
des Madonnenbildes im Trecento jetzt das Madonnenrelief mehr und mehr
das häusliche Andachtsbild des florentiner Bürgers wurde, kamen manche
dieser Stuckreliefs in hunderten von Exemplaren in das Publikum. Wegen
der Unscheinbarkeit und Wertlosigkeit des Materials ist freilich nur ein
kleiner Teil derselben auf uns gekommen und unter den erhaltenen ist
weitaus die Mehrzahl durch Schmutz und Übermalungen in ihrer Wirkung
mehr oder weniger stark beeinträchtigt. Doch leisten auch diese noch die
besten Dienste zur Vervollständigung des Bildes der einzelnen
florentiner Künstler; denn zahlreiche Werke derselben, deren Originale
zerstört wurden oder verloren gingen, sind uns in solchen
Stucknachbildungen erhalten. Diese Stuckbildwerke wurden regelmäßig
durch Guß hergestellt, und zwar aus einer von unserem Gips wesentlich
verschiedenen Mischung von Marmorstaub und mehr oder weniger
grobkörnigem Sand; eine Mischung, welche diese Bildwerke bis zu einem
gewissen Grade wetterbeständig machte und eine künstlerische Bemalung
ermöglichte. Nur ausnahmsweise wurde der Stuck auch wie Thon modelliert
und mit Messern bearbeitet, wie die Stuckbüste eines jungen Mädchens von
Desiderio (No. 62 G) und das florentiner Madonnenrelief (No. 63)
beweisen. Jene Abgüsse wurden in der Regel über die Originale,
gelegentlich aber auch über die Modelle hergestellt, und zwar meist in
der Werkstatt der Künstler selbst. Auf diese Weise konnten die
kostspieligen Originale in Marmor oder Bronze in zahlreichen Kopien um
einen ganz geringen Preis in aller Hände kommen. Der selbständige
künstlerische Wert dieser Stuckbildwerke hängt von ihrer Bemalung ab.
Sehr häufig wurden dieselben freilich nur handwerksmäßig von
Anstreichern bemalt, oft aber wurde die Bemalung mit großer Feinheit
ausgeführt, sei es nun durch den Künstler, der das Original verfertigt
hatte, oder durch einen ihm befreundeten Maler. Regelmäßig war diese
Bemalung, wie bei den Thonbildwerken, eine vollständige und ganz
farbige; nur ausnahmsweise ahmt sie den Marmor (vergl. Rossellino's
Madonna No. 72) oder die Bronzefarbe nach (vergl. Luca's Madonnenrelief
No. 114).

Wie im Trecento, so spielt auch im Quattrocento die _Goldschmiedekunst_
eine wichtige Rolle in der Plastik; war doch eine Reihe der tüchtigsten
Bildhauer dieser Zeit bei Goldschmieden ausgebildet oder selbst als
Goldschmiede hervorragend thätig. Neben gelegentlichen Aufträgen der
Kirchen auf Vervollständigung jener großen Silberaltäre mit kleinen
getriebenen Reliefs und Einzelfiguren, wie sie in Florenz und Pistoja
noch erhalten sind, hatten die Goldschmiede namentlich die wachsenden
Ansprüche der Vornehmen an eine künstlerische Gestaltung des Schmuckes
und der kleinen häuslichen Geräte zu befriedigen. Kußtäfelchen für die
Andacht im Hause, Schmuckkästchen aller Art, Tintefässer, Leuchter und
Lampen, Hut-Agraffen, Schwertknäufe, Schließen u. dergl. wurden in Gold,
Silber oder edlen Steinarten, namentlich in Bergkrystall hergestellt und
bei dem monumentalen Sinne der Zeit in reichster Weise plastisch
ausgestattet. Wie nun das künstlerische Bedürfnis der Zeit in den
bemalten Stuckbildwerken ein Mittel zu weitester Verbreitung
hervorragender größerer Bildwerke gefunden hatte, so wußten die Künstler
diesem Bedürfnisse in ähnlicher Weise für jene kleinen Gebrauchsgegenstände
entgegenzukommen, indem sie die kostbaren Originale oder die Modelle
derselben abformten und in Bronze (ausnahmsweise auch in Blei[A])
nachgössen; die einzelnen Teile aber waren gesuchte Besitzstücke in den
Werkstätten der Bildhauer und Goldschmiede des XV. und XVI. Jahrh. Diese
Nachgüsse erhalten dadurch für die Skulptur eine ähnliche Bedeutung wie
der Kupferstich für die zeichnenden Künste. Während die Originale, ihres
edlen Materials halber bis auf eine kleine Zahl durch Einschmelzen
zerstört wurden, sind uns Bronzenachbildungen davon in ganzen oder nur
in einzelnen Teilen, namentlich in den kleinen Relieftafeln, den
_Plaketten_ (plachette, plaquettes, vergl. S. 39f.), zahlreich
erhalten. Die verschiedenartigen, bis jetzt bekannten Plaketten aus dem
Quattrocento und den ersten Jahrzehnten des Cinquecento übersteigen die
Ziffer von eintausend; die Berliner Sammlung besitzt davon allein nahezu
achthundert, die fast ausnahmslos erst in neuester Zeit erworben wurden,
während Goethe schon im Anfange dieses Jahrhunderts mit den
italienischen Medaillen auch eine nicht unbedeutende Sammlung solcher
Plaketten zusammenbrachte (jetzt im Goethe-Museum zu Weimar). Der Wert
dieser kleinen Bronzereliefs besteht namentlich in der Veranschaulichung
der Meisterschaft, welche die Plastik des Quattrocento in der Erfindung
und in der Ausgestaltung der mannigfaltigsten Motive, wie in der
stilvollen Durchführung der verschiedensten Arten des Reliefs besaß;
auch können wir, da die große Plastik fast ganz auf religiöse Motive
oder Porträtdarstellung beschränkt blieb, hier allein das Geschick der
Künstler in der plastischen Gestaltung mythologischer, historischer und
allegorischer Gegenstände genügend kennen lernen.

In der _Art der plastischen Darstellung_ bringt das Quattrocento die
völlige Befreiung und stilvolle Ausbildung der verschiedenen Gattungen,
welche das Trecento nur teilweise und vermischt gekannt hatte. Die
Freifigur in ihrer vollen naturalistischen Durchbildung wird schon im
ersten Jahrzehnt des XV. Jahrh., namentlich durch Donatello, eine der
wichtigsten Aufgaben der Plastik. Sie wird jetzt meist schon mit
Rücksicht auf den Platz ihrer Aufstellung gebildet, sowohl der
stilistischen Rücksicht auf das Bauwerk, wie nicht selten auch der
perspektiven Rücksicht auf den Standpunkt des Beschauers. Selbst vor der
Zusammenordnung verschiedener Figuren zur Gruppe scheut die Zeit nicht
zurück. Die vier Heiligen des Nanni di Banco in einer der Nischen von Or
San Michele in Florenz sind zwar noch zufällig neben einander gestellte
Freifiguren; aber Donatello's Bronzegruppe der Judith über den Leichnam
des Holofernes, die Gruppen der Begegnung Mariä mit Elisabeth von Andrea
della Robbia in Pistoja und die Begrüßung der Heiligen Franz und
Dominicus von demselben Künstler unter der Halle auf Piazza S. Maria
Novella, sowie Verrocchio's »Christus und Thomas« an Or San Michele in
Florenz entsprechen in Komposition, Bewegung und Ausdruck als Gruppe wie
in den Einzelfiguren den höchsten künstlerischen Anforderungen.

Die _plastische Darstellung des Porträts_, im XIV. Jahrh. fast ganz
zurückgedrängt, erhält im XV. Jahrh., in Folge der bis zum
rücksichtslosesten Egoismus ausgebildeten Individualität und der
Ruhmsucht der Zeit, eine hervorragende Bedeutung; jedoch fast
ausschließlich als Büste oder als Reliefporträt. Die Porträtstatue fehlt
fast ganz; einige Statuen auf Dogengräbern ausgenommen, begnügte man
sich damit, Heiligenfiguren die Züge berühmter Zeitgenossen zu geben
(wie dies z. B. bei mehreren Prophetenstatuen Donatello's am Campanile
der Fall ist). Eine Ausnahme machte man nur mit der _Reiterstatue_,
welche schon von einzelnen Tyrannen des Trecento als vornehmstes Denkmal
ihres Ruhmes bevorzugt war. Während der Reiter in der norditalienischen
Kunst, im Anschluß an jene älteren Denkmäler, eine mehr reliefartig
gedachte Figur innerhalb eines reichen Monumentes bleibt, haben die
Florentiner Donatello und Verrocchio im Gattamelata und Colleoni
selbständige Reitermonumente geschaffen, die in ihrem Aufbau und in der
gewaltigen individuellen Wirkung von Roß und Reiter zu den großartigsten
Monumenten aller Zeiten zählen.

Die bevorzugte Art der plastischen Porträtdarstellung ist die _Büste_,
die sonst im Quattrocento für die Wiedergabe von Heiligen oder
Idealfiguren nur ausnahmsweise gewählt wird. In Florenz, das auch hier
vorangeht und die glänzendste und mannigfaltigste Entwickelung zeigt,
wurde die Wiedergabe der hervorragenderen Mitglieder der vornehmen
Familien in Büsten aus Marmor oder bemaltem Thon mehr und mehr die
Regel. Um dieselben in weitere Kreise zu verbreiten, benutzen die
Künstler auch hier das Mittel der Stucknachbildungen, welche sie in
ihren Werkstätten anfertigen und bemalen ließen. Beispiele dafür sind in
der Berliner Sammlung u. a. die Büste des Lorenzo Magnifico (No. 148)
und des angeblichen Macchiavelli (No. 147, Marmor-Original im Bargello).

Charakteristisch für die Form der Porträtbüsten des XV. Jahrh. und für
ihre Bestimmung zur Aufstellung auf Kaminen und Thürstürzen, ist die
flache Endigung nach unten; diese verlangte eine Basis, welche entweder
aus einem Stück mit der Büste oder als besonderer Untersatz aus bemaltem
Holz gearbeitet ist. Die Persönlichkeit ist regelmäßig in größter
Anspruchslosigkeit und Einfachheit aufgefaßt; der Künstler beschränkt
sich darauf, dieselbe mit möglichster Treue in ihrer vollen
Eigentümlichkeit wiederzugeben. Nur ganz ausnahmsweise ist eine innere
Erregung oder eine lebendige Bewegung in der Büste angestrebt, wie in
Donatello's Büste des Niccolo Uzzano im Bargello.

Für die hohe Entwickelung des künstlerischen Empfindens und die Feinheit
des Stilgefühls im Quattrocento ist die Behandlung des _Reliefs_ ein
sprechendes Zeugnis. Wie im ganzen Mittelalter, so nimmt das Relief auch
jetzt noch den bedeutendsten Platz in der Plastik ein, tritt aber
gleichfalls weniger selbständig wie als Schmuck der verschiedensten
Monumente und Bauteile auf. Während nun das Relief im früheren
Mittelalter über eine überfüllte Anhäufung von beinahe freistehenden
Figuren, nach dem Vorbilde der spätrömischen und etruskischen Denkmäler,
nicht hinauskommt und das Trecento daraus zu einer ganz malerischen
Behandlung des Reliefs gelangt, ist die Auffassung des Reliefs im
Quattrocento, so verschieden und mannigfaltig sie ist, regelmäßig eine
durchaus plastische. Die Art des Reliefs -- ob Hochrelief, Halbrelief
oder Flachrelief -- ist daher zumeist nicht nach der Individualität der
einzelnen Künstler verschieden (wenn auch einzelne die eine oder andere
Art bevorzugen), sondern sie wird, wie in der klassischen Zeit der
griechischen Plastik, der Bestimmung des einzelnen Reliefs entsprechend
gewählt. Es finden sich daher an größeren Monumenten nicht selten alle
Arten des Reliefs nebeneinander, wie es die Gesamtwirkung und der Platz,
an dem die einzelnen Reliefs angebracht sind, erforderte. Die
perspektivische Behandlung des Reliefs, des Flachreliefs wie des
Hochreliefs ist dabei den Künstlern des Quattrocento fast ausnahmslos
zur anderen Natur geworden.

Die _Beteiligung der verschiedenen Provinzen Italiens_ an der
Entwickelung der Plastik im Quattrocento ist eine sehr verschiedene: wie
im XIV. Jahrh. ist auch im XV. Toskana für den Fortschritt und die Höhe
der Kunstentfaltung fast allein maßgebend. Insbesondere gewann
_Florenz_, das seit Giotto die Führerschaft in der Malerei übernommen
hatte, seit der Mitte des Trecento auch in der Plastik die fast
ausschließliche Herrschaft. Im Boden von Florenz keimt die junge
Pflanze, hier entfaltet sie sich rasch zur herrlichen Blüte und reift
zur Frucht, deren Samen in ganz Italien die bildnerische Thätigkeit
aufsprießen läßt. Toskanische und insbesondere Florentiner Künstler
verbreiten sich über ganz Italien und legen dadurch den Grund zu einer
provinzialen Entfaltung der Plastik, die sich in mehr oder weniger
selbständigen Bahnen entwickelt, ohne freilich Werke von dem allgemeinen
Kunstwerte zu schaffen, wie es die florentinischen Skulpturen dieser
Zeit sind.

       *       *       *       *       *

Die neue Zeit tritt nur langsam und vielfach schüchtern ins Leben;
selbst der Meister, der ihr recht eigentlich zu ihrem Rechte verholfen
hat, selbst Donatello macht sich doch nur sehr allmählich von den
Gewohnheiten los, in denen er groß gezogen war. Aber auch, als er schon
frei und rücksichtslos die neuen Wege ging, die er sich selbst gebahnt
hatte, wirkten die Traditionen des Trecento doch in anderen Künstlern,
selbst in Florenz, noch Jahrzehnte lang nach.

Am Ausgange des XIV. Jahrh. stellt sich die Plastik in ganz Italien in
sehr unvorteilhafter Weise als ein gedankenloses Ausleben der Richtung
der jüngeren Pisani dar, der jedes ernstere Naturstudium, jede naive
Anschauung fehlte. Erst um die Wende des Jahrhunderts macht sich in
Florenz ein frischer naturalistischer Zug in dekorativen Arbeiten,
namentlich an den Domthüren geltend. Tritt derselbe in den Laibungen des
Südportals, die zwischen den Jahren 1386 und 1402 von einem _Piero di
Giovanni Tedesco_ gearbeitet wurden, in den spielenden nackten Engeln
zwischen naturalistischem Rankenwerk, noch befangen und selbst
ungeschickt zu Tage, so ist in den Laibungen des Nordportals, welches
1408 von _Niccolo d'Arezzo_ begonnen und von _Antonio di Banco_ (unter
Beihülfe seines Sohnes _Giovanni_) beendet wurde, sowohl in der
Durchbildung der Ornamente wie der Figürchen darin eine Wiedergeburt
aufs Entschiedenste angestrebt, freilich auf Grundlage der gotischen
Formen und der Entwickelung des Trecento. Während daher die lebensgroßen
Figuren derselben Künstler (besonders im Dom zu Florenz) noch
altertümlich und befangen erscheinen, sind ihre kleinen Figuren durch
die geschmackvolle Anordnung, zarte Empfindung und zierliche
Durchführung schon fast modern im Sinne des Quattrocento.

Den Höhepunkt dieser in enger Beziehung zum Trecento stehenden und davon
abhängigen Richtung der florentiner Plastik des Quattrocento bezeichnet
_Lorenzo (di Cione) Ghiberti_ (1378-1455). Beurteilt man diesen
gefeierten Meister der Plastik vom einseitigen Standpunkt des
Naturalismus und mit Rücksicht auf die Bedeutung, die er für die
Entwickelung der Renaissancekunst gehabt hat, so wird man zu einer
einseitigen Verurteilung des Künstlers gelangen. Verglichen namentlich
mit seinem jüngeren Nebenbuhler Donatello erscheint Ghiberti leer und
oberflächlich in den Formen, gesucht und theatralisch in Komposition,
Bewegung und Ausdruck, unruhig und beinahe stillos in seiner
Reliefbehandlung, namentlich an der späteren Bronzethür. Aber dem Mangel
an Naivetät und an Ernst des Naturstudiums stehen doch hervorragende
künstlerische Eigenschaften gegenüber: Reichtum der Phantasie, hoher
Schönheitssinn, Großartigkeit der Auffassung, Schwung in der Bewegung
und Meisterschaft der Komposition, durch welche Ghiberti trotz jener
Schwächen als der größte unter den Bildnern dasteht, welche aus der
Kunst des Trecento in die des Quattrocento überleiten. Seine Fehler
treten am stärksten hervor in großen Einzelfiguren, wie in den drei
bronzenen Kolossalfiguren an Or San Michele (ausgeführt zwischen den
Jahren 1414 und 1428); und doch sind auch diese entweder durch die
Großartigkeit der Bewegung, wie der Matthäus, oder durch die Vornehmheit
der Empfindung, wie die Gestalt des Stephanus, ausgezeichnet. Am
glücklichsten zeigt sich das Talent des Künstlers in Kompositionen mit
kleinen Figuren, namentlich wenn er sich darin seine Vorgänger aus dem
Trecento zum Vorbilde nimmt. Der bei dem Auftrag auf seine erste Thür
(1403, vollendet 1424) geforderte Anschluß an die Bronzethür des Andrea
Pisano legte dem jungen Ghiberti in Form, Komposition und Reliefstil der
einzelnen Füllungen eine Beschränkung auf, innerhalb welcher seine Größe
in Auffassung und Anordnung, sein Pathos, die Schönheit und Vornehmheit
seiner Gestalten zu voller, ungestörter Entfaltung kommen konnten.
Ähnliche Vorzüge haben auch seine beiden Kompositionen am Taufbrunnen in
San Giovanni zu Siena (1417-1427) und selbst noch die Reliefs an der
1440 gegossenen Graburne des hl. Zenobius im Dom zu Florenz. In der
zweiten Bronzethür, welche Ghiberti zwischen den Jahren 1424 und 1452
für das Battistero in Florenz ausführte, in den berühmten »Pforten des
Paradieses«, ist schon der architektonische Aufbau nicht glücklich;
namentlich leiden aber die einzelnen Kompositionen an Überfüllung und an
einer malerischen Behandlung der Reliefs, welche von beinahe
freistehenden Figuren vorn bis zu ganz flach behandelten Scenen im
Hintergrunde mit reicher landschaftlicher Umgebung sich abstufen. Ein
Vergleich mit den Bronzethüren des Luca della Robbia im Dom und mit den
kleinen unscheinbaren Thüren Donatello's in der Sakristei von San
Lorenzo zu Florenz, die etwa gleichzeitig entstanden, läßt die Schwächen
dieser Arbeit Ghiberti's in monumentaler wie in plastischer Wirkung
doppelt stark empfinden. Doch sind auch hier in der Erfindung, in
manchen Gruppen, in den Einzelfiguren und Köpfen der Einrahmung
hervorragende Schönheiten.

Für Ghiberti's Stellung zwischen der Kunst des Trecento und des
Quattrocento, welche ihn mehr als den Abschluß des ersteren wie als
Vorläufer oder gar als Bahnbrecher der letzteren erscheinen läßt, ist es
charakteristisch, daß er fast gar keinen Einfluß auf die Entwickelung
der Kunst in Florenz gehabt, daß er trotz zahlreicher Mitarbeiter keine
Schule gemacht hat. Selbst sein Sohn Vittorio, bis zu des Vaters Tode
dessen Mitarbeiter, geht in den selbständigen Werken seine eigenen Wege.

Neben Ghiberti hat eine kleine Gruppe von gleichzeitigen florentiner
Bildhauern, die ihrem Namen nach meist noch unbekannt sind, in ihrer
Stellung zwischen der älteren und der neuen Zeit eine verwandte, eigene
Bedeutung. Während sie dem Ghiberti an Phantasie und schöpferischem
Talent weit nachstehen, in der naturalistischen Durchbildung oft noch
hinter ihm zurückbleiben und in ihrer Ornamentik an den überlieferten
gotischen Formen festhalten, die sie in barocker Weise ausbilden, zeigen
sie doch gerade in der Auffassung einen modernen naturalistischen Zug,
der Ghiberti noch abgeht. Ihre einfachen Kompositionen oder
Einzelfiguren sind durch Naivetät und Natürlichkeit der Empfindung
ausgezeichnet; namentlich in der Madonna, die außerordentlich häufig von
ihnen dargestellt ist, bringen sie das rein menschliche Verhältnis von
Mutter und Kind mit eben so viel Einfachheit wie Zartheit der Empfindung
zum Ausdruck. Mit ihrer Auffassungsweise sind sie offenbar der
Anschauung des Volkes entgegengekommen; dies beweist schon der Umstand,
daß sie regelmäßig den billigen Thon zur Ausführung ihrer Werke wählen,
und daß gerade durch ihre Arbeiten sich als häuslicher Andachtsgegenstand
der Florentiner das Madonnenrelief, an Stelle des Madonnenbildes im
Trecento, einbürgert. In diesen Madonnenreliefs, die, in bemaltem Thon
oder Stuck ausgeführt, auch dem wenig bemittelten Bürger zugänglich
waren, sind die häuslichen Bürgertugenden des Florentiners dieser Zeit:
Keuschheit und Liebe zwischen Eltern und Kindern, in der edelsten Weise
verklärt zum Ausdruck gebracht.

[Abbildung: 108A. Bemalter Thonaltar vom Meister der Pellegrinikapelle.]

Während die Berliner Sammlung von Ghiberti, der außerhalb Toskana
überhaupt fehlt, und von den vorher genannten Künstlern keine Werke
aufzuweisen hat, sind diese florentiner »Thonbildner« besonders reich
und gut vertreten, so daß sich die verschiedenen Künstler dieser Gruppe
nirgends besser als in Berlin in ihrer Eigenart unterscheiden lassen.

[Abbildung: 109D. Bemaltes Stuckrelief von einem florentiner
Thonbildner.]

Am altertümlichsten und zugleich am befangensten erscheint ein Künstler,
der besonders häufig vorkommt und in Norditalien, in Sta. Anastasia zu
Verona, im Dom zu Modena und in Venedig eine bedeutendere Thätigkeit
entwickelt hat. Schon in seiner architektonischen Umrahmung zeigt er
eine eigentümlich barocke Mischung plumper gotischer und schlecht
verstandener Renaissanceformen. Die unsichere, ausgeschwungene Haltung
seiner Figuren, die kleinen Köpfe, die langen Falten der schweren Stoffe
mit ihren Schnörkeln, wo sie auf den Boden aufstoßen, die mangelhafte
Durchbildung, namentlich die knochen- und gelenklose Bildung der Körper
verraten einen Bildner, der in den Traditionen des Trecento aufgewachsen
ist und nicht eigene Kraft genug hat, sich von ihnen los zu machen. Die
große vorspringende Stirn, die überstehende Oberlippe, das kleine
zurücktretende Kinn und der treuherzige Ausdruck der tiefliegenden
Augen sind die bezeichnenden Züge seiner Köpfe, die ihn ebenso leicht
erkennen lassen, wie seine Ornamente und seine Gewandgebung. Von seiner
Hand besitzt das Berliner Museum einen seiner charakteristischen Altäre
(No. 108), eine Madonnenstatuette (No. 107) und ein oder zwei kleine
Madonnenreliefs (No. 108A und B). In diesen Gruppen von schlichter
Zuständlichkeit entschädigt die Innigkeit der Empfindung für das Fehlen
naturalistischer Durchbildung. Weit geringer erscheint der Künstler aber
in größeren und bewegten Gruppen, wie in den Passionsscenen der
Pellegrinikapelle in Sa. Anastasia zu Verona, seiner umfangreichsten
Arbeit, nach der er als der _Meister der Pellegrinikapelle_ (von Einigen
mit _Rosso_ identificiert, von Andern als _Dello Delli_ bezeichnet)
benannt zu werden pflegt.

[Abbildung: 112A. Bemaltes Relief von einem florentiner Thonbildner.]

Die Richtung dieses Meisters hat mit der des Quercia in Siena manche
Verwandtschaft, weshalb dieser auch gewöhnlich als der Urheber der hier
in Frage kommenden Thonwerke gilt. Aber neben dem Meister der
Pellegrinikapelle sehen wir noch verschiedene florentiner Bildner
dieselbe Richtung verfolgen, und zwar meist freier und naturalistischer.
Von eigenartiger Größe in der Erfindung erscheint ein Künstler, dem die
Maria mit dem schlafenden Kinde (No. 112B) angehört. Ähnlich groß
empfunden ist die Maria, welche das nackte, vor ihr stehende Kind
kitzelt (No. 112A). Einem anderen Meister gehören ein Paar große
Madonnenkompositionen, denen besonders zarte Empfindung und reiche
Gewandung eigentümlich ist (No. 109C und D). Besonders häufig als
Stuckreliefs verbreitet sind verschiedene unter sich nahe verwandte
Madonnen, in denen sich das Kind zärtlich an die Mutter anschmiegt;
alle, wie das nebenstehend abgebildete Relief (No. 109), ausgezeichnet
durch die glückliche Gruppierung von Mutter und Kind, das innige, rein
menschliche Verhältnis zwischen beiden und die einfache, volle
Faltengebung; nur in der Ausführung der Extremitäen, namentlich der
Hände, verrät sich noch ein naturalistisch nicht zu voller Freiheit
durchgebildeter Künstler.

[Abbildung: 109. Bemaltes Stuckrelief von einem florentiner Thonbildner.]

Ein Künstler dieser Gruppe ist _Bicci di Lorenzo_, der 1424 das
Thonrelief der Krönung Mariä über der Thür von S. Egidio in Florenz
modellierte. Wie wenig diese Richtung monumentalen Aufgaben gewachsen
ist, beweist _Bernardo Ciuffagni_ (1385-1456), dessen Evangelist
Matthäus im Dome zu Florenz wie der Josua ebenda, der Jacobus an Or San
Michele und andere Arbeiten charakterlos und ohne naturalistischen Sinn
gebildet sind. Gegenüber diesen Bildnern, die aus der Kunst des Trecento
hervorgehen und mehr oder weniger noch mit ihr zusammenhängen,
kennzeichnen sich der große Bahnbrecher im Gebiete der Architektur
_Filippo Brunelleschi_ (1379 bis 1446) und _Nanni d'Antonio di Banco_ (†
1420, nach Vasari im Alter von 47 Jahren) als volle Künstler der
Renaissance: beide studieren mit größtem Eifer die Werke der Antike,
gehen aber zugleich unmittelbar auf die Natur zurück. In den einzigen
beiden beglaubigten Bildwerken des Brunellesco, dem kleinen Bronzerelief
mit dem Opfer Abrahams im Bargello, das er als Konkurrenzarbeit für die
Thür des Battistero ausführte, sowie (wenn auch weniger stark) in dem
Holzkrucifix in Sa. Ma. Novella, bekundet der Künstler bei fast
gotischer Formbehandlung und Faltengebung einen rücksichtslosen, beinahe
genrehaften Naturalismus, dem die religiöse Idee wie die Schönheit der
Komposition und der Figuren fast ganz geopfert sind. Nanni di Banco, der
in seinen Ornamenten nicht über eine naturalistische Durchbildung
spätgotischer Motive hinauskommt, bewahrt dagegen durch ein
ausgesprochenes, an der Antike großgezogenes Schönheitsgefühl in allen
seinen Bildwerken einen gehaltenen Ernst im Ausdruck, schlichte Würde in
der Haltung, einfache Schönheit in seinen stattlichen Gestalten und in
ihrer reichen Gewandung. Unter seinen Marmorstatuen an Or San Michele
giebt der hl. Eligius an vornehmer, gebieterischer Haltung und
Schönheit der Gewandung den besten Figuren Ghiberti's nichts nach; und
das große Relief mit der Gürtelspende Mariä am Nordportal des Domes
(seit 1414 in Arbeit) ist die erste im großen Maßstab gehaltene
Komposition, die im Sinne der Renaissance das Motiv in lebensfrischer
Weise auffaßt und jede Figur bis auf die kleinste Falte treu nach der
Natur durcharbeitet, dabei aber zugleich die Gestalten mit edler
Schönheit ausstattet und ganz mit der Empfindung des feierlichen Moments
erfüllt.

Bei seinen Einzelfiguren gelingt dem Nanni freilich die innere Belebung
nicht immer: der hl. Lucas im Dome und die Gruppe von vier in wenig
glücklicher Weise zusammengestellten Heiligen in einer der Nischen von
Or San Michele, für welche der Künstler antike Togastatuen als Vorbild
genommen hat, erscheinen mit ihren müden Augen und geschlossenen Lippen
etwas unbelebt und verraten auch in der Bildung der Körper, daß sie mehr
nach einer richtigen Empfindung als aus voller Kenntnis des menschlichen
Körpers gearbeitet wurden. In diesem Sinne: in der naturalistischen
Durchbildung, im Studium und der Erkenntnis des Organismus, andererseits
aber auch in der psychologischen Vertiefung und in der
Charakterschilderung ist der eigentliche Schöpfer der Renaissanceplastik
_Donatello_ (Donato di Niccolo di Betto Bardi 1386-1466). Was oben zur
Charakteristik der Plastik des Quattrocento gesagt ist, gilt daher im
vollsten Maße und in erster Linie für ihn. Von Donatello wird uns
erzählt, daß er als Jüngling in Rom mit seinem älteren Freunde
Brunellesco rastlos die antiken Überreste durchsucht und nach ihnen
studiert habe. Ein aufmerksames Studium seiner Werke bestätigt dies in
vollem Maße: kein anderer Künstler hat in seinen Motiven so nach antiken
Vorbildern gesucht und sich, soweit es irgend möglich war, so eng an
dieselben angeschlossen, wie Donatello; aber andererseits hat kein
anderer Künstler so eigenartig diese Studien verarbeitet, steht kaum ein
zweiter der Antike in seiner ganzen Auffassung so fern, wie gerade er.
Donatello ist als Bildhauer -- und er hat sich im Gegensatze zu vielen
seiner Zeitgenossen ausschließlich der Plastik gewidmet -- strenger und
rücksichtsloser Naturalist, ohne jedoch über der Vertiefung in die Natur
den geistigen Inhalt des Kunstwerkes zu vernachlässigen. Körper und
Geist sind ihm, wie in der Natur, unzertrennbar und durch einander
bedingt; der Körper ist ihm das Gefäß für den Geist, das er gerade
deshalb so naturtreu bildet, um den Geist darin um so lebendiger und
überzeugender zum Ausdruck zu bringen. Seine Kenntnis des menschlichen
Körpers geht auf gründliche Studien des Nackten zurück; er erhält sich
aber dabei, im Gegensatz zu Michelangelo, die Naivetät in der Anschauung
der Erscheinung, da er sich noch vom Sezieren fern hält. In dem Ernst
seiner naturalistischen Auffassung geht er so weit, daß ihm die
Gewandung, auf die er eine besondere Sorgfalt verlegt, weder Selbstzweck
(wie z. B. noch bei Nanni di Banco, wo sie den Körper verhüllt) noch
vorwiegend malerisches Ausdrucksmittel ist; vielmehr sucht er in erster
Linie den Körper darunter wiederzugeben und dadurch zu heben. Die
Wiedergabe des Körpers selbst ist aber bei ihm nicht mehr eine naive
Wiedergabe der Oberfläche, sondern sie beruht auf der sicheren
Handhabung des Knochengerüstes. Sie ist andererseits ganz beherrscht
durch die Idee des Kunstwerkes, durch den Charakter, welchen der
Künstler der Einzelfigur zu verleihen sucht, oder durch den Ausdruck des
Geschehens, welchen er in der Gruppe oder dem erzählenden Relief
wiederzugeben bestrebt ist. Die heiligen Motive, die er fast unverändert
von der älteren Kunst übernimmt, schafft er insofern neu, als er sie
durch seinen Naturalismus zu einfach menschlichen Charakteren und
Begebnissen umbildet; andererseits hebt er sie über das Alltägliche
hinaus durch die Größe seiner Auffassung, durch die gewaltige innere
Erregung, die sich in Statuen und Büsten als mühsam verhaltene Kraft
zeigt, in seinen Kompositionen in stärksten Ausbrüchen der Leidenschaft
äußert. Seinen Gestalten wohnt (nach Rumohr's Ausspruch, der sonst dem
Künstler sehr wenig gerecht wird), eine »zuckende Bewegung« inne, die
aber »eine gewisse unsichtbare Spirallinie umgiebt, vor welcher sein
Streben nach Ausladung instinktmäßig in den jedesmal gegebenen
Schwerpunkt zurückweicht«. In seinem Streben, den Charakter der
Persönlichkeit oder einen Typus im schärfsten Lichte zu zeigen, oder die
Situation eines historischen Motivs aufs Äußerste zuzuspitzen, scheut
der Künstler auch vor dem Häßlichen und vor dem Furchtbaren nicht
zurück, aber nur selten verfällt er dabei in Übertreibung. Gerade
dadurch ist sein Vorbild von so außerordentlichem Einflusse, ja
entscheidend für die Entwickelung der Renaissance geworden, die während
des ganzen Quattrocento unter seiner Einwirkung steht.

[Abbildung: Donatello's hl. Georg im Museo Nazionale zu Florenz.]

Donatello hatte das Glück, von vornherein zu monumentalen Aufgaben
herangezogen zu werden. Erst zwanzig Jahre alt, erhielt er im Jahre
1406 den Auftrag, zwei kleine Marmorstatuen jugendlicher Propheten für
das Nordportal des Domes zu fertigen; nachdem er die Probe mit Glück
bestanden hatte, wurde er zu den großen Aufgaben der Dombauhütte, und
bald darauf auch zu der ähnlichen Aufgabe der Ausschmückung von Or San
Michele herangezogen. Als er 1408 die Prophetenstatuetten ablieferte,
erhielt er den Auftrag zu der Marmorstatue des David (jetzt im
Bargello), und noch in demselben Jahre wurde die Kolossalstatue des
sitzenden Johannes für die Fassade bei ihm bestellt (jetzt im Chor). Die
Vollendung dieser Figur (1415) zog sich durch neue und bedeutende
Aufträge in die Länge: 1412 arbeitete der Künstler gleichfalls für den
Dom, die Statue des Josua (unter der irrtümlichen Bezeichnung des Poggio
Bracciolini jetzt im Dom); schon einige Jahre früher entstand der in
Holz geschnitzte Crucifixus in Sa. Croce, und bis zum Jahre 1416
vollendete der Künstler drei große Marmorstatuen für die Nischen von Or
San Michele: Petrus (?), Markus und zuletzt den berühmten Georg. Kaum
hatte Donatello diese Arbeiten abgeliefert, so erfolgte wieder von
Seiten der Dom-Opera ein neuer ähnlicher Auftrag: die Statuen für die
Nischen des Campanile. Im Jahre 1416 wurde die Johannesstatue in Auftrag
gegeben, dann (bis 1426) der Prophet Habakuk, der Jeremias und König
David; und gleichzeitig schuf der Künstler gemeinsam mit dem von ihm
abhängigen Giovanni Rosso den Abraham mit Isaak und den Josua (1421).
Daneben gehen Werke her, für welche die Besteller nicht mehr bekannt
sind: wie die Marmorstatuen des jugendlichen Johannes im Bargello und
die jüngere und vollendetere in Casa Martelli, und die Bronzestatue des
hl. Ludwig innen über dem Hauptportal von Sa. Croce.

[Abbildung: 39a. Marmorrelief der Stäupung Christi von Donatello.]

In dieser ansehnlichen Zahl meist kolossaler statuarischer Arbeiten,
die einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten ausfüllen, liegt eine reiche
Entwickelung des Künstlers beschlossen. In der frühesten Zeit, welche
die Kolossalfigur des Evangelisten Johannes und der hl. Georg am
glänzendsten vertreten, ist das Streben nach Formenschönheit vorwaltend:
schöne regelmäßige Züge, vornehme ruhige Haltung und einfache große
Motive der Faltengebung kennzeichnen alle diese Gestalten, deren inneres
Leben verhalten erscheint, wie unter der Asche glimmende Kohlen. Mit den
Statuen für den Campanile beginnt das Streben nach individueller
Belebung, die im »Zuccone« am weitesten getrieben ist; die Figuren
werden für den hohen Platz perspektivisch gearbeitet; die Köpfe sind
Bildnisse von Zeitgenossen, in ungeschminkter Wahrheit wiedergegeben;
die Gewandung zeigt tiefe Falten von malerischer Wirkung und für die
Haltung ist ein Heraustreten aus jener verhaltenen Ruhe der früheren
Zeit charakteristisch; für einzelne Figuren ist diese Bewegung sogar ein
ausgesprochenes Ausschreiten, wodurch der Künstler zur Freistellung der
Beine gelangt. Der allmähliche Fortschritt im Verständnis der Natur
zeigt sich in der feineren Belebung und individuelleren Durchbildung des
Körpers, in der Bekundung anatomischer Studien, in der Durchbildung der
Extremitäten und in der Betonung der Gelenke.

Die Berliner Sammlung besitzt eine Bronzefigur in halber Lebensgröße,
den Täufer im Mannesalter darstellend (No. 38), die in Haltung,
Gewandung und Durchbildung ein charakteristisches gutes Beispiel von
Donatello's Statuen dieser letzgenannten Gruppe ist. In der That läßt
sich ihre Entstehung mit Wahrscheinlichkeit in das Jahr 1423 setzen.

[Abbildung: 699. Stäupung Christi von Donatello.]

Donatello war durch die Anhäufung großer Aufträge seit dem Anfange der
zwanziger Jahre dazu gezwungen worden, Schüler und Gehülfen zur
Mitarbeit heranzuziehen, was ihm, bei steter Belastung mit neuen
Arbeiten, zur notwendigen Gewohnheit wurde. Doch wurde er dazu teilweise
auch durch die Natur der Aufträge veranlaßt, denn es fehlte ihm die
Erfahrung im Gießen und Ciselieren. Hatte er schon zur Ausführung
verschiedener Statuen am Campanile den Giovanni Rossi herangezogen, so
trat er bald darauf für verschiedene noch umfangreichere Aufgaben mit
dem Architekten und Bildhauer Michelozzo in Verbindung; eine
Gemeinschaft, welche nahezu durch ein Jahrzehnt hindurch für die meisten
Arbeiten des Künstlers bestimmend wurde und seinen architektonischen
Sinn wesentlich läutern half. Donatello's Anteil an diesen Monumenten
ist sehr wahrscheinlich nicht bedeutend und ihr Einfluß auf die
Entwickelung der Kunst des Quattrocento ist ein geringer gewesen. Soweit
wir noch ein Urteil darüber haben (das Monument Aragazzi in
Montepulciano ist nur noch den einzelnen Teilen nach, nicht in seinem
Aufbau bekannt), sind nämlich die drei aus dieser gemeinsamen Arbeit
hervorgegangenen Grabdenkmäler in ihrem Aufbau durch lokale Einflüsse
bestimmt worden: das Monument Papst Johanns XXIII. im Battistero zu
Florenz (um 1424 bis 1427 in Arbeit) durch die Anordnung zwischen zwei
der mächtigen Wandsäulen, und das Grabmal des Kardinals Brancacci in
S. Angelo a Nilo zu Neapel durch die Anlehnung an den vom Trecento
überlieferten Typus der neapolitanischen Grabmonumente (wie das Grabmal
Aragazzi im Dome zu Montepulciano um 1427 und 1428 gearbeitet).
Donatello mag wenigstens für die Denkmäler in Florenz und Neapel der
Entwurf des figürlichen Teils gebühren; an der Ausführung läßt sich nur
die großartige von Michelozzo in Bronze gegossene Grabfigur des Papstes,
sowie das kleine Relief der Himmelfahrt Mariä an dem Sarkophag des
Grabmals in Neapel mit Sicherheit für Donatello in Anspruch nehmen;
alles Andere ist hier, wie in dem 1428 bestellten, keineswegs besonders
originellen Marmorsarkophag des Giovanni de' Medici in der Sakristei zu
S. Lorenzo und bei der Thomasnische an Or San Michele, durch Michelozzo
und untergeordnete Gehülfen, wie Portigiani, ausgeführt.

[Abbildung: 39. Marmorrelief der Madonna von Donatello.]

[Abbildung: 42. Marmorrelief der Madonna von einem Schüler Donatello's.]

In jenem Himmelfahrtsrelief und gleichzeitig in dem berühmten
Bronzerelief mit dem Tanz der Salome an Quercia's Taufbrunnen in San
Giovanni zu Siena (1427; ähnliches Relief in Marmor im Museum zu Lille)
hatte Donatello zuerst sein außerordentliches Talent für die Komposition
figurenreicher Darstellungen in Anordnung, Perspektive, Reliefstil und
vor Allem in der dramatischen Belebung des Motivs zeigen können. Auch
sind diese Arbeiten (namentlich auch die Bronzestatuetten an demselben
Brunnen) wie verschiedene nach ihrer Verwandtschaft der gleichen Zeit
einzureihende Monumente (das große bemalte Steinrelief der Verkündigung
in Sa. Croce, die Engel mit dem Leichnam Christi und das kleine
Stuckrelief der Madonna mit Heiligen und spielenden Engeln im
S. Kensington Museum) ausgezeichnet durch ungewöhnlichen Schönheitssinn
in den Typen wie in der Haltung und Gewandung, der sich mit einem hohen
Ernste paart. Das Berliner Museum besitzt verschiedene Arbeiten, welche
die charakteristischen Merkmale dieser Zeit tragen, vorwiegend
Madonnenreliefs. Eigenhändig ist, nach der meisterhaften Behandlung, das
große Marmorrelief der Madonna aus Casa Pazzi (No. 39), wohl die
früheste dieser Arbeiten. Ein zweites Marmorrelief (No. 42), aus
Palazzo Orlandini, zeigt dagegen in der Ausführung die Hand eines
Schülers. Dasselbe gilt von einem Thonrelief (No. 43), der Nachbildung
eines Schülers nach einer verschollenen, auch in Plaketten (No. 700)
erhaltenen Komposition Donatello's aus dieser Zeit. Wichtiger noch ist
ein Marmorrelief der Stäupung Christi (39a), das in der Komposition eine
Vorahnung des bekannten Fresko von Sebastiano del Piombo ist und in der
Behandlung des Nackten schon Michelangelo nahekommt.

Im Jahre 1432 wurde Donatello aus einer untergeordneten Veranlassung
nach Rom gerufen. Der Aufenthalt hier, der sich bis in das folgende Jahr
ausdehnte, wurde von bestimmender Bedeutung für seine Entwicklung. Nach
diesem (allein beglaubigten) Aufenthalt in Rom läßt sich ein besonders
energisches Studium der Antike in seinen Werken verfolgen; freilich
äußert sich dasselbe weniger in der Form wie in den Motiven. So ist in
dem großen Tabernakel im St. Peter zu Rom, welches er an Ort und Stelle
neben einer Grabplatte in Araceli und einem Relief der Schlüsselübergabe
(jetzt im South Kensington Museum) ausführte, das Relief der Beweinung
Christi in engem Anschluß an römische Sarkophagdarstellungen komponiert.
Nach den antiken Genien bildet er seine Putten um, mit denen er jetzt
seine Kompositionen in reicher Fülle belebt. Zeigt sich dies schon an
jenem Tabernakel, so kommt die neue Auffassung noch stärker bei der
Vollendung der (seit 1428) wieder in Gemeinschaft mit Michelozzo und
Portigiani ausgeführten Reliefs mit tanzenden Engeln an der Außenkanzel
des Domes in Prato zur Geltung. Vor Allem kommt sie aber zur Geltung in
den ähnlichen Motiven an der berühmten Florentiner Domkanzel
(1433-1440), in der Bronzefigur des Amor, welche er in unmittelbarem
Anschluß und Wetteifer mit der Antike für Cosimo de' Medici modellierte,
und in den Steinmedaillons des Mediceerpalastes, die er nach Kameen in
Cosimo's Besitz ausführen ließ; sämtlich Arbeiten, die wahrscheinlich in
den ersten Jahren nach seiner Rückkehr aus Rom entstanden. Ein
charakteristisches Beispiel dafür, wie Donatello in dieser Zeit antike
Motive zu ganz eigenen lebensvollen Kompositionen gestaltete, hat das
Berliner Museum in einem kleinen Bronzerelief mit spielenden Putten (No.
698) aufzuweisen.

[Abbildung: 39A. Bemaltes Thonrelief der Madonna von Donatello.]

Auf die erste Zeit nach der Rückkehr aus Rom geht wohl auch eine zweite
für Cosimo ausgeführte Bronzestatue des David im Bargello zurück, die
erste Statue der Renaissance, in der ein nackter jugendlicher Körper mit
ähnlicher Frische und in der vornehmen Ruhe, wie in der Blütezeit der
griechischen Kunst wiedergegeben ist. Durch denselben Gönner erhielt
Donatello um diese Zeit auch den Auftrag zur Ausschmückung der Sakristei
von San Lorenzo, die sein Freund Brunellesco eben vollendet hatte. Die
Büste des hl. Lorenz, vier große Medaillons mit reichen Kompositionen
an der Wölbung, die vier Evangelisten in den Zwickeln, zwei Reliefs mit
je zwei einzelnen Heiligen, sowie die beiden Bronzethüren sind hier von
Donatello's Hand und wurden wohl sämtlich noch vor seiner Abreise nach
Padua vollendet.

[Abbildung: 38A. Bemalte Thonbüste des Johannes von Donatello.]

Bei der Herstellung der Modelle für seine Bronzearbeiten, sowie bei den
Skizzen für die Werke, welche Gehülfen ausführten, hatte Donatello
Freude am Arbeiten in Thon bekommen, das ihm rasch von der Hand ging,
seine Gedanken in voller Frische zum Ausdruck brachte und reiche
Bemalung, wie er sie liebte, ermöglichte. In der Sakristei von San
Lorenzo führte er daher alle Dekorationen der Decken und Wände in Thon
aus. Gleichzeitig modellierte er in demselben Material eine Reihe von
größeren Madonnenreliefs und Büsten. Die Berliner Sammlung besitzt eines
dieser Madonnenreliefs, überlebensgroße Figuren, die durch ihre beinahe
tadellos erhaltene prachtvolle Bemalung und Vergoldung ausgezeichnet
sind (No. 39A). Auch hat das Museum in der bemalten Thonbüste des
jugendlichen Johannes (No. 38A) eine den berühmten Büsten des Uzzano im
Bargello und einer unbekannten Frau im South Kensington Museum in
Auffassung und Behandlung nahe verwandte Werk aufzuweisen. Das
Stuckrelief No. 46 (wohl eine verkleinerte Nachbildung der Zeit) bietet
eine andere der besonders groß empfundenen Madonnenkompositionen dieser
Epoche des Künstlers, von denen das Louvre und das Kensington Museum
gleichfalls einige treffliche Beispiele besitzen.

[Abbildung: 46. Stuckrelief der Madonna von Donatello.]

Alle diese etwa im Anfange der vierziger Jahre entstandenen Arbeiten,
denen wohl auch die merkwürdige Bronzegruppe der Judith in der Loggia
de' Lanzi zu Florenz zuzuzählen ist, zeigen Donatello auf der Höhe der
dramatischen Auffassung, in voller Beherrschung und freier
künstlerischer Ausgestaltung jener inneren Erregung, die auch in der
Einzelfigur so mächtig und doch so maßvoll sich ausdrückt; sie zeigen
ihn zugleich auch in der formalen Durchbildung der Gestalt als vollen
Meister, der sein Können mit feiner Mäßigung und vornehmem Geschmack zur
Geltung bringt. Die Arbeiten dieser Zeit und die der folgenden Jahre,
die ihnen eng verwandt sind, bezeichnen wohl den Höhepunkt der Kunst
Donatello's und der ganzen Frührenaissance.

[Abbildung: Reiterstatue des Gattamelata von Donatello in Padua.]

Im Jahre 1443 wurde Donatello zu einer Aufgabe berufen, die, wie für ihn
selbst, so auch für die Entwickelung der Renaissancekunst überhaupt ein
neuer großer Schritt wurde: das bronzene Reiterdenkmal des in Padua
verstorbenen venezianischen Condottiere Gattamelata, zu dessen
Ausführung der Künstler 1444 nach Padua übersiedelte. Nahezu ein
Jahrzehnt verging über dieser Arbeit, in deren Pausen Donatello u. a.
den reichen Bronzeschmuck für den Hochaltar des Santo anfertigte: das
Krucifix und fünf Statuen, die Evangelistensymbole, vier Reliefs mit
Wundern des hl. Antonius und zwölf Tafeln mit musizierenden Engeln,
endlich ein großes Grablegungsrelief in Thon. Die Reiterstatue ist nicht
nur als das erste Werk dieser Art seit dem Altertum von epochemachender
Bedeutung, sondern an sich durch die Lebenswahrheit in Roß und Reiter,
durch die Art, wie der Künstler in der ganz individuellen und vornehmen
Gestalt des Gattamelata den Heerführer, den Schlachtenlenker als solchen
dargestellt hat, eines der großartigsten Monumente aller Zeiten. Unter
den Bronzen des Hochaltars, welche meist durch die Mitarbeit von zum
Teil sehr untergeordneten Gehülfen mehr oder weniger stark
beeinträchtigt sind, gehören doch einzelne der Statuen, namentlich das
Krucifix, sowie die große Grablegung und die vier figurenreichen Reliefs
mit den Wundern des hl. Antonius, zu Donatello's besten Leistungen;
letztere ganz besonders durch die dramatische Gestaltung der schwierigen
Motive, die klare Gruppierung der zahlreichen Figuren, die geschickte
perspektivische Anordnung im Raum, die Mannigfaltigkeit der Gestalten
und ihre Durchbildung. Durch diese Thätigkeit in Padua hat Donatello
nicht nur die Plastik, sondern (durch seinen Einfluß auf Mantegna) auch
die Malerei in Norditalien in neue Bahnen gelenkt.

Die Berliner Sammlung besitzt aus dieser Zeit seines Aufenthalts in
Padua neben dem kleinen Bronzerelief der Stäupung Christi (No. 699) eine
größere Bronzearbeit Donatello's: die durch ihre ungeschminkte Wahrheit
überraschende Büste des kunstsinnigen Markgrafen Ludwig III. von Mantua
(No. 40), die wahrscheinlich, gleich einer ähnlichen Büste desselben
Mannes, im Besitz von M. E. André in Paris, als Vorarbeit für ein
Reiterdenkmal dieses Fürsten entstand, als Donatello im Jahre 1450/51
für ihn in Mantua beschäftigt war. Zu der Ausführung eines solchen
Denkmals (über das jedoch keine urkundliche Nachrichten erhalten sind)
ist es freilich ebenso wenig gekommen, wie zu dem Reitermonument des
Borso d'Este, welches dem Künstler gleichzeitig für Modena in Auftrag
gegeben war.

[Abbildung: Bronzerelief am Hochaltar im Santo zu Padua von Donatello.]

Nach Florenz zurückgekehrt, hat Donatello trotz seines Alters, noch eine
Reihe bedeutender Arbeiten geschaffen, wenn er auch deren Ausführung
jetzt meist Schülern überlassen mußte. Zunächst ging er (1457) an die
Ausführung einer Aufgabe, die ihm schon Jahrzehnte früher gestellt
worden war: die Bronzestatue des Täufers für die Taufkapelle des Domes
von Siena, wohl die großartigste, wenn auch die herbste unter den
zahlreichen Gestalten dieses Heiligen, welche wir seiner Hand verdanken.
Etwa gleichzeitig entstand die verwandte Holzstatue des hl. Hieronymus
in der Pinakothek zu Faenza. Die köstliche Thonskizze eines Altars mit
der Stäupung und der Kreuzigung Christi im Kensington Museum und eine
kleine verwandte Skizze der Kreuzigung, die nur durch eine schadhafte
Stucknachbildung in unserem Museum (No. 41) erhalten ist, erscheinen wie
Vorarbeiten zu der letzten großen That seines Lebens, zu den beiden
Bronzekanzeln, welche Donatello für Cosimo in San Lorenzo ausführte. Von
der Hand seiner Schüler Bertoldo und Bellano in wenig glücklicher Weise
vollendet und ciseliert, ungeschickt und mit rohen Einsätzen erst in
später Zeit zusammengestellt, sind doch die meisten dieser Kompositionen
aus der Passion Christi ausgezeichnet, sowohl durch die malerische
Wiedergabe der sehr figurreichen Scenen, wie durch die dramatische
Schilderung tief erregter Leidenschaften, mit denen die heiteren Motive
aus dem Kinderleben im Fries in glücklichster Weise kontrastieren.
Freilich verraten die unruhige Gewandung, die eckigen Falten, die wie
geknittertes Papier erscheinen, und die flache Reliefbehandlung (das
»gebackene« Relief) die bis zur Manier gesteigerte Gewohnheit, im Thon
mit dem Modellierholz zu arbeiten.

       *       *       *       *       *

[Abbildung: 40. Bronzebüste des Lodovico III. Gonzaga von Donatello.]

Als Donatello 1466 im Alter von 80 Jahren starb, hatte er die Plastik
Italiens völlig neu gestaltet und indirekt auch auf die Entwickelung der
Malerei Einfluß geübt. Der unbestechliche Ernst seines Naturstudiums,
seine treffende, ehrliche Charakteristik, sein Talent der dramatischen
Schilderung, seine Art der plastischen Behandlung hatten auf die meisten
Altersgenossen, hatten zumal auf alle jüngeren Künstler bestimmend
eingewirkt. Daß sie ihm fast alle in ihrer Weise folgten, daß Jeder
Neues und Großes schuf, ist nicht der geringste Triumph der
Kunstrichtung des Donatello.

[Abbildung: 49. Madonnenrelief von Donatello.]

Unter Donatello's Nachfolgern sind seine Mitarbeiter meist von
geringerer Begabung; sie ahmen ihr Vorbild nur zu oft in den
Äußerlichkeiten nach, die sie zur Karikatur übertreiben. Dies gilt
namentlich von einigen uns dem Namen nach noch nicht bekannten
Bildhauern, die anscheinend in den dreißiger und vierziger Jahren zu
Donatello in Beziehung standen, und die uns bisher namentlich durch eine
Reihe von Madonnenreliefs bekannt sind. Der älteste unter diesen
Künstlern, der regelmäßig in Marmor arbeitete (wie gleichzeitig sein
Lehrer), ist besonders stark karikierend und auffallend ungeschickt in
den Verhältnissen seiner Figuren, die abschreckend häßliche Typen
zeigen. Das große Madonnenrelief in der Mediceerkapelle von S. Croce
bietet ein besonders charakteristisches Werk, dem andere Madonnen im
Kensington Museum und in unserer Sammlung (No. 44, sowie das Stuckrelief
No. 45, dessen Marmor-Original bei M. E. André zu Paris) eng verwandt
sind. Vielleicht ist auch das große Madonnenrelief über einem
Seitenportal des Domes in Siena von seiner Hand. Interesse bietet dieser
Künstler nur dadurch, daß fast alle seine Arbeiten mehr oder weniger
treue Nachbildungen von Kompositionen Donatello's zu sein scheinen, die
uns meist nicht mehr erhalten sind. Wahrscheinlich ist dieser Unbekannte
der Gehülfe, der Donatello's mythologische Kompositionen im Hof des Pal.
Medici in Marmor ausführte. Ein jüngerer und begabterer Nachfolger
verwandter Richtung, dessen Madonnenreliefs charakteristischerweise in
Thon ausgeführt sind, ist der Künstler, der die Madonna in einem
Tabernakel in Via Pietra Piana zu Florenz modellierte. Von seiner Hand
ist in der Berliner Sammlung vielleicht das Thonrelief der Madonna mit
dem stehenden Kinde (No. 50); verwandt ist auch das kleinere
Madonnenrelief (No. 54) und namentlich die bedeutendere Anbetung des
Kindes (No. 47).

[Abbildung: 60A. Madonnenrelief von einem Nachfolger Donatello's.]

Selbständiger als diese sind die früheren Mitarbeiter Donatello's;
zunächst der seit 1421 an den Statuen des Campanile neben und mit
Donatello zusammen thätige _Giovanni di Bartolo_, gen. _Rosso_ (gest.
nach 1451). Während der Künstler sich in diesen Statuen unmittelbar an
gleichzeitige Arbeiten Donatello's anlehnt, ist er in seinem Grabmal
Brenzoni in Verona eigenartiger, aber in der Formgebung noch stärker vom
Trecento beeinflußt.

[Abbildung: 59. Stuckrelief der Madonna mit Engeln von Ag. di Duccio.]

_Michelozzo Michelozzi_ (1391-1472), in erster Linie Architekt, aber
wegen seiner hohen technischen Begabung von den florentiner Bildhauern
namentlich zur Ausführung ihrer Erzgüsse herangezogen, hat mit Donatello
gleichfalls seit dem Anfange der zwanziger Jahre bis zu seiner
langjährigen Entfernung von Florenz zusammen gearbeitet. Die drei großen
Marmorgrabmäler (vgl. S. 59) sind im Wesentlichen von seiner Hand
ausgeführt, wohl auch in ihrem Aufbau von ihm entworfen. Aus dem
Vergleich mit den reichen Bildwerken an diesen Monumenten lassen sich
dem Michelozzo auch vereinzelte kleinere Bildwerke zuweisen, wie die
Statue des Täufers in einem Hofe der Annunziata (der beglaubigten
Statuette am Silberaltar in der Opera del Duomo ganz entsprechend) und
verschiedene Madonnenreliefs, von denen sich das schönste, in Thon
modelliert und mit tadellos erhaltener wirkungsvoller Bemalung, in der
Berliner Sammlung befindet (No. 58). Auch ein bemaltes Stuckrelief im
Rund (No. 58A) giebt wohl eine ältere Komposition des Michelozzo wieder.
In reicheren, bewegten Kompositionen völlig ungenügend, ist der Künstler
in seinen Einzelgestalten, den Freifiguren wie Reliefs, von einer den
Architekten verratenden vornehmen Ruhe, von großem Wurf der Gewänder,
von ernster, gelegentlich selbst großer Auffassung, Freilich meist ohne
volle Belebung; daher erscheint er leicht nüchtern und einförmig.
Charakteristisch ist für den Künstler das starke Halbrelief.

Der Gehülfe Michelozzo's in jenen mit Donatello gemeinsam übernommenen
Monumenten, _Pagno di Lapo Portigiani_ (1406-1470) ist ein ebenso
handwerksmäßiger Bildhauer, wie ein anderer Gehülfe Donatello's, der den
Marmoraltar in der Sakristei von San Lorenzo ausführte. Auch _Buggiano_
(Andrea di Lazzaro Cavalcanti, 1412-1462), der Schüler und Adoptivsohn
Brunellesco's, ist in seinen Marmorarbeiten, namentlich in den beiden
Sakristeibrunnen im Dom, ein derber Nachfolger Donatello's. Ein etwas
jüngerer Künstler, _Agostino di Duccio_ (1418 bis nach 1481), hat durch
sein unstätes Leben in der Verbannung früh die Kunstweise seines
Meisters außerhalb Toscana's verbreitet. In Modena, in Rimini (der
reiche Innenschmuck von San Francesco), in Perugia hat er eine sehr
umfangreiche bildnerische Thätigkeit entfaltet. Ohne Sinn für feinere
naturalistische Durchbildung, in der Ausführung regelmäßig flüchtig, in
seinen überschlanken Gestalten mit den zahlreichen langen und zierlichen
Falten der Gewänder oft geradezu manieriert, besitzt der Künstler doch
einen eigentümlichen Reiz durch die reiche phantastische Erfindung, die
lebendige und zuweilen selbst packende Auffassungsweise, den pikanten
Wechsel zwischen kräftigem Hochrelief und malerischem Flachrelief. Das
in letzterer Weise behandelte Stuckrelief im Berliner Museum: die
Madonna mit dem Kinde, welches Engel bedienen (No. 59), ist ein ebenso
charakteristisches wie anziehendes Beispiel der Kunst des Agostino; es
ist nahe verwandt einem Marmorrelief mit dem gleichen Motiv im Museo
dell' Opera zu Florenz und einem zweiten Madonnenrelief in einer Kirche
in Frankreich.

Ein dem Namen nach bisher unbekannter Nachfolger Donatello's, der
selbständigste und weitaus bedeutendste unter ihnen, ist dadurch von
besonderem Interesse, daß er in seiner genrehaften Darstellung des
Kindes bis zur Ausführung wirklicher Genregruppen geht: meist streitende
Kinder von derben häßlichen Formen (No. 106D). In seinen
Madonnenstatuetten ist das Christkind ebenso bäurisch in Form und
Benehmen, die Mutter dagegen auffallend lieblich (No. 106B) oder selbst
großartig in Bewegung wie in Ausdruck und Gewandung (No. 106E). Größere
Werke dieses originellen Künstlers haben sich bisher nicht nachweisen
lassen.

       *       *       *       *       *

[Abbildung: 106B. Thonstatuette der Madonna von einem
Donatello-Nachfolger.]

Donatello's derber Naturalismus würde vielleicht, wie wir an den meisten
der genannten Schüler und Nachfolger sehen, die Entwickelung der
florentiner Plastik in eine allzu naturalistische, über dem Streben nach
Originalität und Wahrheit die Rücksicht auf Schönheit und Maß
vergessende Richtung gedrängt haben, wenn nicht ein jüngerer Künstler in
seiner außerordentlich langen und fruchtbaren Laufbahn gerade diese
Eigenschaften in seinen Bildwerken mit besonderem Glück und Energie
gepflegt hätte. _Luca della Robbia_ (1399-1482), der -- soviel wir
wissen -- nur in seinem Neffen Andrea einen Schüler groß zog, hat gerade
durch jene Eigenschaften auf die Weiterentwickelung der Florentiner
Plastik, insbesondere auf die jüngeren, von Donatello abhängigen
Künstler einen günstigen Einfluß geübt. Berühmt und schon in seiner Zeit
außerordentlich populär durch die Erfindung, bemalte Thonbildwerke mit
einer wetterbeständigen Glasur zu überziehen, ist er ebenso geschickt
und ebenso häufig in Marmor- wie in Bronzearbeiten beschäftigt gewesen.
Die berühmten Reliefs mit den singenden und spielenden Kindern an der
zweiten Sängertribüne des Domes, welche zwischen 1431 und 1440
entstanden, die im Jahre 1437 bestellten Reliefs an der Rückseite des
Campanile, ein Paar gleichzeitige (unfertig gebliebene) Reliefs für
einen Altar des Domes (jetzt im Bargello), sowie, in ihren wesentlichen
Teilen, das Tabernakel in Peretola (1442) und das Grabmal des Bischofs
Federighi in S. Francesco di Paola (bestellt 1456) sind Arbeiten des
Luca in Marmor; und in den Thüren der Domsakristei, welche ihm 1446 in
Auftrag gegeben wurden (erst 1467 vollendet), besitzen wir eine der
trefflichsten Bronzearbeiten des Quattrocento. Von den fast zahllosen
glasierten Thonbildwerken, die dem Luca in und außerhalb Italiens
zugeschrieben werden, sind die berühmten Thürlünetten über den
Sakristeien des Domes in Florenz (1443 und 1446), die Engel mit den
Kandelabern ebenda (1448), die Portallünette in San Domenico zu Urbino
(um 1450) urkundlich beglaubigte Arbeiten Luca's; auch die Reliefs in
der Pazzi-Kapelle bei Sa. Croce und in der Kapelle des Kardinals von
Portugal in San Miniato lassen sich, nach der Zeit ihrer Entstehung, nur
Luca zuschreiben. Die künstlerische Eigenart, die in allen diesen
Arbeiten scharf ausgesprochen ist, läßt durch den übereinstimmenden
Charakter außerdem noch eine beträchtliche Zahl von glasierten wie
unglasierten Thonbildwerken und Stuckreliefs in Florenz wie in den
Sammlungen außerhalb Italiens als Werke Luca's erkennen.

[Abbildung: 106E. Bemalte Thonstatuette der Madonna von einem
Nachfolger Donatello's]

In allen diesen Arbeiten steht Luca zwischen seinen älteren Zeitgenossen
Ghiberti und Donatello etwa in der Mitte: mit Ghiberti hat er den
Geschmack in der Anordnung, den hohen Schönheitssinn, den leichten Fluß
der vollen Gewandung gemeinsam; dem Donatello steht er im Ernst der
Naturbeobachtung, in der frischen und lebensvollen Charakteristik nahe,
welche er nicht am wenigsten dessen Vorbilde verdankt. Das feine
Maßhalten im Relief (in der Regel ein Halbrelief), die Schönheit seiner
Gestalten und der vornehme Ernst in Ausdruck und Haltung bringen den
Künstler der klassischen griechischen Kunst ganz nahe. Aber diese
Verwandtschaft beruht keineswegs auf einem intimen Studium oder gar auf
Nachahmung der Antike, der Luca unter seinen Zeitgenossen besonders fern
gestanden zu haben scheint: sie ist vielmehr der Ausfluß einer
verwandten künstlerischen Anschauungsweise und verbindet sich bei ihm
mit einem völlig eigenartigen und frischen Naturalismus. Seine
Kompositionen, seine einzelnen Gestalten erscheinen daher, so wenig
Abwechselung ihm auch die meisten Aufgaben boten, stets neu und
lebenswahr.

[Abbildung: 114. Stuckrelief der Madonna mit Heiligen von Luca della
Robbia.]

Den besten Beweis dafür bieten die Arbeiten des Künstlers in der
Berliner Sammlung; verschiedene Originalarbeiten in glasiertem oder
unglasiertem Thon, sowie eine größere Zahl von Stucknachbildungen, die
als Wiederholungen von verlorenen oder verschollenen Originalen einen
besonderen Wert haben. Die Mehrzahl dieser Bildwerke zeigt ein und
dasselbe Motiv: Maria mit dem Kinde, allein oder inmitten andächtiger
Engel oder verehrender Heiliger. Während die größeren Madonnenreliefs,
namentlich die meisten Lünetten Luca's, als Andachtsbilder gedacht sind
und daher Maria ernst und hehr als Gottesmutter und das Kind als das
seiner Mission bewußte Christkind aufgefaßt ist, kommt in diesen
Mariendarstellungen der Berliner Sammlung die rein menschliche
Auffassung zur Geltung. Das Verhältnis von Mutter und Kind ist in den
mannigfachsten, köstlichsten Situationen der Natur abgelauscht, und mit
einer Frische und Lebendigkeit, mit einer Innigkeit und einem
Schönheitssinn, gelegentlich auch mit einem Anflug von Humor zur
Darstellung gebracht, wie kein zweiter Künstler dasselbe wiedergegeben
hat. Selbst Raphaels gefeierte Madonnen zeigen daneben kaum Ein neues
Motiv und stehen in Frische und Naivetät entschieden hinter Luca's
Kompositionen zurück.

[Abbildung: 116A. Glasiertes Thonrelief der Madonna von Luca della
Robbia.]

Auffassung und Behandlung der frühesten dieser Reliefs, die noch den
zwanziger Jahren angehören, zeigen eine so auffallende Verwandtschaft
mit einzelnen Madonnenreliefs der frühen florentiner Thonbildner (vergl.
S. 53), daß wir daraus wohl auf eine engere Beziehung Luca's zu diesen
Künstlern schließen müssen; mutmaßlich war er der Schüler eines dieser
Meister. Um 1430, als Luca seine Reliefs der Orgelballustrade begann,
stand er bereits unter dem entschiedenen Einflusse Donatello's, mit
welchem er damals schon in die Schranken treten durfte; zwei der
Berliner Madonnenreliefs (No. 50A und 117) verraten in dem ernsten
Ausdrucke der Maria und in der Art, wie ihr Kopf ins Profil gestellt
ist, das Vorbild Donatello's ebenso sehr, wie in dem derben Typus und in
dem ausgelassenen Gebahren des Kindes. Ähnlich auch das Relief No. 116.
In verschiedenen anderen Reliefs sehen wir Mutter und Kind in zärtlicher
Liebe an einander geschmiegt (No. 115) oder die Mutter bemüht, durch
scherzhaftes Spiel ihrem Liebling ein Lächeln abzugewinnen, wie in No.
113 und 114. Hier wie in der Maria, welche das Kind stillt (No. 116),
ist die Komposition vergrößert durch Engel und Heilige, welche
verehrend, spielend und bedienend zu den Seiten der Maria stehen. Diese
Darstellungen sind ganz besonders geeignet, den Geschmack und das
Geschick des Künstlers im Aufbau und in der Anordnung, die Wahrheit und
Mannigfaltigkeit in der Charakteristik, die Feinheit der Empfindung,
namentlich in den Beziehungen der Figuren zu einander kennen zu lehren.
Ähnliche Vorzüge zeichnen auch eine abweichende Darstellung aus: den
Leichnam Christi, der von klagenden Engeln unterstützt wird (No. 157).
Nach der Verwandtschaft der jugendlichen Engelsgestalten ist dies Relief
wohl gleichzeitig mit den Marmorreliefs der Sängertribüne entstanden.
Auch die bemalte Thonfigur einer knieenden Maria (No. 112C), offenbar
von einer Gruppe der Verkündigung, ist ein edles Werk aus Luca's
mittlerer Zeit.

[Abbildung: 116L. Bemaltes Thonrelief der Madonna von Luca della
Robbia.]

[Abbildung: 113. Unbemaltes Thonrelief der Madonna mit Engeln von
Luca della Robbia.]

Luca della Robbia verdankte seine Popularität schon zu seiner Zeit den
glänzenden und einschmeichelnden glasierten Thonarbeiten, die zugleich
durch ihre Billigkeit und die Schnelligkeit der Herstellung die weiteste
Verbreitung fanden. Es ist daher begreiflich, daß sein Schüler und
Neffe, _Andrea della Robbia_ (1437-1528), welcher bis zum Tode Luca's
sein Gehülfe war und der allein das Geheimnis der Glasierung kannte,
seine Thätigkeit so gut wie ausschließlich auf diese Thonbildwerke
beschränkte, für welche ihn obenein sein schlichteres Talent und seine
Empfindungsweise besonders befähigten. Die Arbeiten dieser Art, welche
er während seines langen Lebens, in jungen Jahren mit dem Onkel
zusammen, in hohem Alter unter Beihülfe verschiedener Söhne ausführte,
bezeichnet schon Vasari als »zahllose«. In allen diesen, meist als
Altäre oder Tabernakel, über Florenz und ganz Toscana zerstreuten
Arbeiten bewundern wir einen Künstler, der in seinem Schönheitssinn,
seinem Geschmack der Anordnung und Färbung, in der Zartheit der
Empfindung und der Feinheit der Durchbildung sich als der treue und
glückliche Schüler seines Oheims Luca bewährt. Seine Arbeiten, die jene
Eigenschaften ganz besonders beliebt machen, werden regelmäßig als Werke
des Luca ausgegeben. Aber der bestechende Liebreiz seiner Köpfe und
seiner Gestalten ist ein mehr äußerlicher; wo es gilt, Charaktere zu
zeichnen oder lebendige Scenen zu schildern, reicht sein Talent nicht
aus. Er sucht sich daher möglichst auf einfache Darstellungen ruhiger
Existenz zu beschränken, auf den Ausdruck stiller Andacht und heiterer
Freude, wozu ihm seine Madonnen, einzeln oder umgeben von andächtigen
Heiligen, seine Anbetungen des Kindes, seine Putten- und
Kinderdarstellungen und ähnliche Motive die reichste und schönste
Gelegenheit bieten.

[Abbildung: 116. Stuckrelief der Madonna mit Engeln von Luca della
Robbia.]

Andrea's Mangel an origineller Gestaltungskraft, die seinen Figuren bei
aller bestrickenden Lieblichkeit eine gewisse Einförmigkeit und
Schwächlichkeit aufprägt, hat auch in seiner langen Thätigkeit nur eine
verhältnismäßig geringe künstlerische Wandlung hervorgerufen. Jahrzehnte
lang der Gehülfe seines Onkels Luca, dessen spätere Aufträge wohl im
Wesentlichen schon von seiner Hand ausgeführt wurden, ist er in seinen
frühesten eigenen Arbeiten: in den köstlichen Wickelkindern an der Halle
der Innocenti, in der Begegnung Mariä in San Domenico zu Pistoja, in
der Begegnung der Heiligen Franz und Dominicus unter der Halle auf
Piazza Sa. Maria Novella, in den Altären von La Vernia u. s. f. (meist
Ende der sechziger oder in den siebenziger Jahren entstanden) von einer
seinem Lehrer nahekommenden Schönheit der Gestalten, Feinheit der
Durchbildung und Vornehmheit der Erscheinung. Ein treffliches Werk
dieser Zeit ist der Hochaltar der Berliner Sammlung (No. 118), welcher
Maria zwischen zwei Heiligen zeigt. Gleichfalls in die frühere Zeit
gehört wohl die kleine Verkündigung (No. 119A), welche durch die reichen
Farben unter Andrea's Werken fast einzig dasteht. In seiner mittleren
Zeit erscheint der Künstler, anscheinend unter Verrocchio's Einfluß,
kräftiger in seinen Gestalten, reicher und unruhiger in der Gewandung;
so in der schönen Verkündigung in den Innocenti. Aus dieser Zeit sind in
der Berliner Sammlung u. A. die Lünette mit der Madonna zwischen
anbetenden Engeln (No. 119) und »der Knabe als Brunnenfigur« (No. 121).
Mehrere andere glasierte Thonbildwerke sind Werkstattarbeiten des
Andrea.

[Abbildung: Andrea della Robbia. Begegnung der Maria mit
Elisabeth in S. Domenico zu Pistoja.]

Wie bei den späteren Aufträgen an Luca della Robbia die Ausführung durch
seinen Neffen Andrea wahrscheinlich ist, so läßt sich das gleiche
Verhältnis zwischen Andrea und seinen Söhnen für die Bestellungen
annehmen, welche dieser Künstler in den letzten Jahrzehnten seines
langen Lebens erhielt. Unter diesen Söhnen des Andrea ist _Giovanni
della Robbia_ (geb. 1469, gest. angeblich 1529) diejenige
Persönlichkeit, welche die Kunst der della Robbia in der dritten
Generation bestimmt. Seine eigenen Arbeiten und die seiner Werkstatt
sind fast noch in größerer Zahl, wie die seines Vaters, über ganz
Mittelitalien verbreitet. In seinen Jugendarbeiten, wie in dem
köstlichen Sakristeibrunnen von Sa. Maria Novella (1497), erscheint der
Künstler unter dem Einflüsse seines Vaters diesem noch ganz nahe
verwandt und beinahe ebenbürtig; später werden seine Arbeiten nicht nur
technisch immer geringer: bunt in den Farben oder nüchtern farblos,
ungleichmäßig und flüchtig in der Glasur (die Fleischteile daher meist
überhaupt nur bemalt) und schwerfällig und selbst roh in den
Einrahmungen durch Fruchtkränze. Auch die Nüchternheit der Erfindung,
die ausdruckslose Regelmäßigkeit der Köpfe, die schwerfällige Bildung
der Falten fallen darin ebenso störend auf wie der Mangel an
Individualität und Naturstudium in der Durchbildung. Ein
charakteristisches Beispiel dafür ist das große Rund mit der Madonna
zwischen den Heiligen Johannes dem Täufer und Hieronymus (No. 129), das
in seiner Farblosigkeit ebenso nüchtern wirkt, wie der hl. Antonius (No.
135) durch die Buntheit seiner Farben unruhig und schwerfällig
erscheint. Besonders bezeichnend für das Bestreben des Künstlers, nach
den Lehren seines Freundes Savonarola die Kunst zu einem reinen
Andachtsmittel zu gestalten und daher an die Stelle der von der Andacht
abziehenden naturalistischen Durchbildung und der einfach menschlichen
Empfindung das Typische und Allgemeine zu setzen, ist die große Gruppe
der Beweinung Christi (No. 128A), ein frühes Hauptwerk dieser Art von
Giovanni's eigener Hand. --

Giovanni della Robbia ist bereits ein Künstler der beginnenden
Hochrenaissance, der hier vorweg besprochen ist, weil er durch die
Technik und den inneren Zusammenhang mit den älteren Gliedern seiner
Familie von diesen nicht getrennt werden kann. Wir kehren zu
Donatello's Nachfolgern und jüngeren Zeitgenossen zurück.

[Abbildung: 118. Glasierter Thonaltar von Andrea della Robbia.]

Als Schüler Donatello's gilt seit Vasari _Desiderio da Settignano_
(1428-1464). Obgleich jung verstorben, hat der Künstler doch auf die
Entwickelung der florentiner Plastik einen nachhaltigen Einfluß
ausgeübt. In der Natürlichkeit und Lebendigkeit der Auffassung, in dem
Momentanen der Darstellung dem Donatello nahe kommend, in der
malerischen Behandlung des Reliefs ihm gewachsen, hat er vor seinem
großen Meister einen besonders feinen Sinn für architektonischen Aufbau
und Dekoration wie die Freude an der Durchführung seiner Arbeiten
voraus. Daß dieselben fast alle in Marmor ausgeführt sind, ist kein
Zufall: war er doch recht eigentlich für die Behandlung des Marmors
begabt und hat denselben für die zweite Hälfte des Quattrocento zu dem
bevorzugten Material für plastische Kunstwerke gemacht. Der schalkhafte
Ausdruck seiner Kinder, der frische, fast übermütige Sinn seiner Jugend
und ein echt weiblicher Zug von Schönheit verbinden sich mit einer
Leichtigkeit der Erfindung, einer Fröhlichkeit des Schaffens, einer
Meisterschaft der naturalistischen Durchbildung und einer malerischen
Weichheit der Behandlung in allen seinen Werken zu einem stets
bezaubernden, stets überraschenden Gesamteindruck.

Die beiden Hauptwerke Desiderio's, das Grabmal des Staatssekretärs
Marzuppini († 1455) in Sa. Croce und das große Marmortabernakel in San
Lorenzo, gehören wohl beide der gleichen späteren Zeit des Künstlers an.
Aus dieser Zeit stammen auch verschiedene Madonnenreliefs in Marmor, für
welche eine ähnliche malerische Behandlung in ganz flachem Relief
charakteristisch ist: zwei davon im Privatbesitz in Paris, ein drittes
(als Tabernakel) in der Via Cavour zu Florenz, ein viertes in der
Galerie zu Turin. Letzteres kommt besonders häufig in farbigen
Stucknachbildungen vor; die feinste derselben besitzt die Berliner
Sammlung (No. 62 B). Als Arbeiten der früheren Zeit des Künstlers lassen
sich vielleicht das beinahe noch herbe Madonnenrelief unter Donatello's
Namen in der Via dei Martelli und der ähnlich behandelte köstliche Kamin
aus Sandstein mit den Reliefporträts eines jungen Ehepaares im South
Kensington Museum ansprechen. Die herrlichen dekorativen Arbeiten in der
Badia unter Fiesole, die Kanzel im Refektorium und eine Thür in der
Kirche, wurden offenbar nach seinen Entwürfen von Schülern ausgeführt.

[Abbildung: Grabmal Marzuppini von Desiderio in Sa. Croce zu Florenz.]

Die Feinheit der Beobachtung, der Geschmack in der Anordnung und die
Vollendung in der Durchführung sind Eigenschaften Desiderio's, die ihm
ganz besonders zum Porträtbildhauer befähigten, namentlich für die
Wiedergabe von Kindern und jungen Frauen. Nur eine solche Arbeit ist uns
gesichert und auch diese nur auf die Autorität Vasari's hin: die Büste
der Marietta Strozzi im Palazzo Strozzi zu Florenz; aber nach dieser wie
nach dem Charakter der Gestalten Desiderio's in seinen Monumenten lassen
sich dem Künstler noch verschiedene ähnliche Frauenbildnisse und
Büsten von Knaben und Jünglingen mit großer Wahrscheinlichkeit zuweisen.
Die Mehrzahl dieser Frauenbüsten ist jetzt in der Berliner Sammlung
vereinigt. Eine derselben ist eine Marmorbüste der jungen Marietta
Strozzi (No. 62), der verstümmelten Büste im Palazzo Strozzi sehr
ähnlich; in der schlanken Bildung, der kecken Haltung, dem offenen Blick
und dem schelmischen Zug um den leicht geöffneten Mund erscheint sie wie
ein Geschwisterkind der Jünglingsgestalten am Grabmal Murzuppini und am
Tabernakel in San Lorenzo. Eine jetzt farblose, teilweise modellierte
Stuckbüste (No. 62 C) ist dieser Marmorbüste aufs engste verwandt und
stellt vielleicht dieselbe junge Florentinerin in etwas vorgeschrittenem
Alter dar. Eine zweite ähnliche Stuckbüste (No. 62E), deren feine alte
Bemalung noch erhalten ist, stellt nach ihrer Herkunft wahrscheinlich
eine der vielen Töchter des Herzogs Federigo von Urbino dar. Eine andere
Tochter dieses Fürsten vermuten wir in der aus der Urbiner Erbschaft
stammenden, in Kalkstein ausgeführten Mädchenbüste (No. 62A) von sehr
verschiedenem Typus; in der treuen Wiedergabe der Individualität und in
der feinen naturalistischen Durchbildung ein unübertroffenes
Meisterwerk.

[Abbildung: 62B. Bemaltes Stuckrelief der Madonna von Desiderio.]

Von den verschiedenen Kinderbüsten, welche sich nach dem Vergleich mit
den beglaubigten Arbeiten auf Desiderio zurückführen lassen, ist keine
in der Berliner Sammlung vertreten; die Marmorbüste eines älteren Knaben
im Museo Nazionale zu Florenz und der lachende Knabe bei Herrn Benda in
Wien sind die Hauptwerke dieser Art; letztere als Jugendarbeit noch ganz
unter Donatello's Einfluß, welchem sie daher auch zugeschrieben wird.

[Abbildung: 62. Marmorbüste der Marietta Strozzi von Desiderio.]

Dem Desiderio steht der gleichaltrige Antonio Rossellino besonders nahe.
Bei der frühzeitigen und von vornherein ganz eigenartigen Entwickelung
Desiderio's dürfen wir die Verwandtschaft des Antonio wohl mit
Bestimmtheit auf den Einfluß des Ersteren zurückführen. Seine Schule hat
Antonio aber wohl unter seinem älteren Bruder, dem berühmten Baumeister
und Bildhauer _Bernardo Rossellino_ (eigentlich Bernardo di Matteo
Gamberelli gen. Rosselino, 1409-1464) durchgemacht, mit dessen späteren
Arbeiten Antonio's Jugendwerke die nächste Verwandtschaft zeigen. Der
eigenartige, schaffensfreudige und energische Charakter in Bernardo's
Bauten wohnt auch seinen Bildwerken inne. In der Durchbildung der
menschlichen Gestalt teilweise noch befangen, hat er durch den großen
architektonischen Aufbau seiner plastischen Monumente die florentiner
Skulptur des Quattrocento in vorteilhaftester Weise bestimmt; ihm
verdankt dieselbe wohl in erster Reihe die feine Empfindung für die
architektonischen Verhältnisse, welche sich in fast allen Denkmälern aus
der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts bekundet. Bernardo's großes
Marmorgrabmal des Leon Bruni († 1444) in Sa. Croce ist das erste und
zugleich das vornehmste Nischengrab in Florenz, das Vorbild für alle
anderen. Der figürliche Schmuck, dessen Verteilung zu der Wirkung des
großartigen Aufbaues wesentlich beiträgt, ist im Allgemeinen noch etwas
schwerfällig und in der Bewegung nicht immer frei; dagegen ist die Figur
des Toten so edel gedacht und so schön angeordnet, wie wohl an keinem
zweiten italienischen Grabmonument. In dem Grabmal Lazzari in
S. Domenico zu Pistoja, über dessen Ausführung der Künstler hinstarb,
hat er den von ihm verlangten Typus des Bologneser Professorengrabes mit
dem Auditorium als Mittelpunkt in freie künstlerische Form gebracht,
während er in dem Monument der Beata Villana in Sa. Maria Novella ein
einfaches gotisches Motiv sich aneignete: Engel ziehen den
baldachinartigen Vorhang vor der im Todesschlafe ruhenden Gestalt des
jungen Heiligen zurück. Auch das Marmortabernakel in der Kirche des
Hospitals von Sa. Maria Nuova (um 1450) hat in seinem architektonischen
Aufbau wie in der Gliederung ähnliche Vorzüge.

[Abbildung: 62A. Büste einer Urbiner Prinzessin von Desiderio.]

[Abbildung: 141. Bemalte Stuckbüste des Gio. Rucellai von einem
unbekannten Florentiner um 1460.]

Die figürlichen Darstellungen an diesen Monumenten wie seine rein
figürlichen Bildwerke; die große Lünette und die beiden Heiligenfiguren
an der Fassade der Misericordia zu Arezzo (von 1434 u. 1435) und die
Gruppe der Verkündigung in S. Francesco zu Empoli (vom Jahre 1447) haben
noch etwas Schwerfälliges in Form und Bewegung und eine gewisse stumme
Befangenheit im Ausdruck. Damit verbinden sie aber einen wirkungsvollen
Ernst, eine wie mühsam verhaltene Empfindung und inbrünstige
Begeisterung, weiche, wenn auch etwas motivlose Faltenbildung in den
vollen Gewändern und feine naturalistische Behandlung des Fleisches,
namentlich in den schönen Köpfen. Die einzige Arbeit in der Berliner
Sammlung, die sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auf diesen Künstler
zurückführen läßt, ist ein Stuckrelief, Maria, das Kind anbetend (No.
73A), das in den Typen und in der weichen unbestimmten Behandlung der
Gewandfalten die Merkmale Bernardo's aufweist; doch ist die Komposition
offenbar abhängig von der auf Donatello's Schule zurückgehenden Anbetung
des Kindes (No. 47).

[Abbildung: 65A. Marmorrelief der Madonna von Ant. Rossellino.]

Bernardo's jüngster Bruder _Antonio Rossellino_ (1427 bis 1478), an
seinem letzten Denkmal, dem Grabmal Lazzari in Pistoja, urkundlich sein
Mitarbeiter, erscheint auch nach dem Charakter seiner Bildwerke,
namentlich der Jugendarbeiten, als ein Schüler seines Bruders. Er sucht
zuerst außerhalb Florenz seine Sporen zu verdienen: 1457 arbeitet
Antonio am Sebastianaltar in Empoli und im folgenden Jahre vollendet er
den Marmorschrein des Beato Marcolini, jetzt im Museum zu Forlì. In
beiden Arbeiten ist er schon voller Meister und seinem Bruder überlegen
durch freiere Bewegung und feineres Naturverständnis, das sich
namentlich in der weichen, geschmackvollen Behandlung der Gewandung und
in der meisterhaften Wiedergabe des Fleisches bekundet. Die Statue des
Sebastian in Empoli ist eine der schönsten Freifiguren der
Frührenaissance.

Solche Arbeiten mußten dem Künstler auch in der Heimat, wo sie sehr
wahrscheinlich ausgeführt wurden, rasch Ansehen verschaffen und Aufträge
zuführen. Im Jahre 1461 wurde ihm in der That ein solcher in großartiger
Form zu Teil: der Bau der Grabkapelle für den 1459 jung verstorbenen
Kardinal von Portugal mit seinem Grabmal in San Miniato al Monte.
Antonio hat diese Aufgabe in einer Weise gelöst, daß die Kapelle,
obgleich seines Altarbildes von Piero Pallajuolo beraubt, noch heute mit
Recht als ein Schmuckkästchen Florentiner Quattrocentokunst berühmt ist,
und das Grabmal, wenn nicht als das großartigste, so doch als das
reizvollste Grabmonument der Renaissance gelten darf. Erscheint schon in
der Gestalt des auf dem Paradebett ausgestreckten Verstorbenen der Tod
nur als ein sanfter Schlaf, als ein Ausruhen zu neuem Leben, so ist die
überirdische Freude des zukünftigen Lebens auf köstliche Weise in der
Schar der Engel zum Ausdruck gebracht, von denen die einen die Madonna
mit dem Christkind in der Mandorla zu dem Verstorbenen herabtragen, die
anderen mit der Krone zu seiner Seite knien. Beide Motive: Tod und
Leben, kommen in sinniger, wirkungsvoller Weise auch im
architektonischen Aufbau und in der Dekoration zur Geltung.

Dieser Arbeit, welche den Meister wohl eine Reihe von Jahren fast
ausschließlich beschäftigte, folgten verschiedene größere und kleinere
Madonnenreliefs in Marmor, wie die große Madonna del latte in Sa. Croce,
das durch seine reiche Umrahmung ausgezeichnete Relief in Solarolo, ein
kleineres Relief im Museum zu Wien und ein zweites im Bargello, endlich
das Rundrelief der Anbetung ebenda und eine Umarbeitung dieser
Komposition zu einem reich gegliederten, höchst sauber durchgearbeiteten
Altar in der Kirche Montoliveto zu Neapel. Für seine Meisterschaft und
seinen Geschmack in der Wiedergabe der vollen Individualität geben zwei
gleichzeitig (1468) entstandene Marmorbüsten älterer Männer im Bargello
und im South Kensington Museum das glänzendste Zeugnis. Sein besonderes
Talent für die Darstellung des Kindes bekunden eine Anzahl Kinderbüsten
in der Chiesa de' Vanchettoni zu Florenz, im Bargello, im Pal. Martelli,
im Medaillenkabinet, bei G. Dreyfuß zu Paris und in der Sammlung
Hainauer in Berlin, samtlich in Marmor. Einige Thongruppen der Maria mit
dem Kinde, wahrscheinlich Modelle für größere Marmorarbeiten, erscheinen
durch die Auffassung des Kindes beinahe wie Genredarstellungen. Die
köstlichste dieser Gruppen ist die Madonna mit dem lachenden Kinde im
South Kensington Museum.

[Abbildung: 149A. Bemalte Thonbüste der hl. Elisabeth von Ant.
Rossellino.]

Wie Antonio in seiner früheren Zeit zur Fertigstellung eines Monuments
berufen wurde, über das sein Bruder hingestorben war (Grabmal Lazzari in
Pistoja, vollendet 1468), so hat er selbst einen großen Auftrag, den er
von Neapel aus erhielt, das Grabmal der 1470 verstorbenen Maria von
Arragonien für die Chiesa di Montoliveto, nur noch anfangen können. Die
Ausführung dieses Monuments, für welches das Grabmal des Kardinals von
Portugal ausdrücklich als Vorbild ausbedungen war, ist in allen
wesentlichen Teilen von der Hand des Benedetto da Majano.

[Abbildung: 67. Marmorbüste von Ant. Rossellino.]

Die Berliner Sammlung enthält eine reiche Auswahl verschiedenartiger
Arbeiten des A. Rossellino, die den Künstler in vorteilhafter Weise
kennen lehren; außer mehreren bemalten Stucknachbildungen von
Madonnenreliefs (No. 66 und 68 bis 70) auch verschiedene Originale. In
dem großen Marmorrelief der Madonna, welche das Kind auf dem Schoße hält
(No. 65A), besitzt die Sammlung eine ganz eigenhändige und zugleich wohl
die vollendetste Arbeit des Meisters in dieser Art. Die Modellierung,
namentlich im Kinderkörper und in den Händen der Maria, ist mit
unübertrefflicher Treue und Feinheit der Natur abgelauscht; die
Behandlung des Reliefs von den ganz flach gehaltenen Cherubim in den
oberen Ecken bis zu dem ganz in Hochrelief gearbeiteten Körper des
Christkindes ist von großer malerischer Wirkung, die Ausführung in
Marmor von höchster Delikatesse. Die zahlreichen Aufträge, wie die
Vorliebe für die Wahl des Marmors und die Ansprüche an die Durchführung
in diesem Material machte sonst in der zweiten Hälfte des XV. Jahrh.
eine starke Beteiligung von Schülern und Gehülfen an der Ausführung zur
Regel und hatte, neben kleinen Thonskizzen, die Anfertigung großer
Modelle in Thon als Vorlagen für die Schüler zur Folge. Gerade von Ant.
Rossellino sind uns solche Thonmodelle noch in größerer Zahl erhalten,
die sich alle durch die feine naturalistische Durchbildung und die
Frische der Arbeit auszeichnen. Dies gilt ganz besonders von einigen
hervorragenden Arbeiten dieser Art in der Berliner Sammlung, einer
Madonna mit dem Kinde auf reich dekoriertem Sessel (No. 65) und dem
großen Rundrelief mit der Anbetung der Hirten (No. 64), dessen
wesentlich veränderte Marmorausführung das Bargello besitzt (vgl. oben).
Auch ein Paar tüchtige Büsten der Sammlung lassen sich wenigstens mit
Wahrscheinlichkeit auf Antonio zurückführen; die Marmorbüste eines
Florentiners in mittleren Jahren (No. 67) und die farbige Thonbüste der
hl. Elisabeth (No. 149A), worin das Porträt einer vornehmen Nonne
wiedergegeben ist.

[Abbildung: 65. Thonrelief der Madonna von Ant. Rossellino.]

Ebenso reich und vorteilhaft wie A. Rossellino ist auch der jüngste
unter den großen Marmorbildnern des Quattrocento, _Benedetto da Majano_
(1442-1497), im Berliner Museum vertreten. Benedetto erscheint als
Nachfolger Rossellino's für die Vollendung des Grabmals der Maria von
Arragonien (nach 1481); diesen hat er sich aber auch schon in seinem
frühesten bekannten Werke zum Vorbild genommen, im Wandaltar des hl.
Savinus in der Kathedrale von Faenza (um 1470). Augenscheinlich hat
Antonio's Markolinusmonument in Forlì den Aufbau dieses Altares
bestimmt; aber auch Behandlung, Ausdruck und Empfindung sind dem
Rossellino so verwandt, daß daraus eine nähere Beziehung Benedetto's zu
diesem Künstler fast zweifellos wird. Auch in späteren Werken bleibt die
innere Verwandtschaft zwischen beiden Künstlern, so daß ihre Arbeiten
oft mit einander verwechselt werden. Gemeinsam ist ihnen der
Schönheitssinn und Geschmack, die Einfachheit und Natürlichkeit in
Auffassung und Darstellungsweise, die Lieblichkeit der Erscheinung und
die Holdseligkeit im Ausdruck ihrer Gestalten, die Weichheit in der
Behandlung, namentlich auch in der Gewandung, die Eleganz und
Zierlichkeit im architektonischen Aufbau und in den dekorativen Details.
Doch sind bei Benedetto alle diese Eigenschaften schärfer ausgeprägt und
werden, wenigstens in seiner letzten Zeit, schon teilweise zur Manier;
seine Gestalten sind schlanker, der Faltenwurf der in späterer Zeit wie
gebauscht erscheinenden Gewänder, ist voller und weicher; die Formen
seiner Figuren sind von einer mehr allgemeinen Schönheit, der Ausdruck
zuweilen schon von einer etwas leeren träumerischen Holdseligkeit, und
den figurenreicheren Kompositionen fehlt es an dramatischer Auffassung
und energischer Bewegung. Innerhalb seiner Befähigung hat aber
Benedetto doch eine so glückliche und mannigfaltige Thätigkeit
entfaltet, daß er unter den letzten Bildhauern des Quattrocento in
Florenz in erster Linie genannt zu werden verdient.

Der oben erwähnten Jugendarbeit des Savinusaltars in Faenza folgt in
Florenz im Auftrage des P. Meilini, dessen Büste als Greis aus dem Jahre
1474 jetzt das Bargello besitzt, die berühmte Kanzel in Sa. Croce. Sie
ist ganz besonders ausgezeichnet durch ihre glücklichen Verhältnisse und
die zierliche Dekoration. Ein Thonmodell zu einer der Reliefdarstellungen
aus dem Leben des hl. Franz besitzt die Berliner Sammlung: die (bei der
Ausführung verworfene) Vision des Papstes Innocenz III. (No. 87). Etwa
gleichzeitig (1475) scheint der Altar der hl. Fina in der Collegiata zu
San Gimignano entstanden zu sein, der im Aufbau durch Rossellino's
Grabmonument in San Miniato beeinflußt ist. Durch die Zartheit der
Empfindung, die Lieblichkeit der Gestalten und die Zierlichkeit der
Dekoration erscheint er für seine Bestimmung zur Verherrlichung einer
heiligen Jungfrau besonders geeignet. Wohl im Anschluß an diese Arbeit
fertigte Benedetto für San Domenico in Siena das große herrlich
aufgebaute Marmorciborium mit den Evangelisten am Sockel und den schönen
Figuren der leuchterhaltenden Engel, denen zur Seite des Finamonuments
ganz verwandt.

[Abbildung: 86. Bemalte Thonstatue der Madonna von Ben. da Majano.]

Von San Gimignano zurückgekehrt, war Benedetto für den Palazzo Vecchio
in Florenz thätig, wo er die Marmoreinrahmung der Thür des Audienzsaales
zwischen den Jahren 1475 und 1481 ausführte; dazu gehörten ursprünglich
auch die Johannesstatue und die beiden Gruppen von Kindern mit
Kandelabern, welche jetzt im Bargello aufgestellt sind. Aus dem Jahre
1480 datiert die jetzt unbemalte Thonstatue der Madonna im Dom zu
Prato, an deren Sockel ein Marmorrelief der Beweinung Christi sich
befindet. Ihr ebenbürtig und durch die Erhaltung der alten Bemalung noch
überlegen, erscheint eine ganz ähnliche große Madonnenstatue der
Berliner Sammlung (No. 86), die in der Verbindung von naiver Wiedergabe
der schlichten Lebenswahrheit mit vollendeter Anmut und feinem Geschmack
in der Anordnung als ein Meisterwerk des Benedetto gelten darf.
Genrehafter in der Auffassung und wohl etwas jünger ist eine
Madonnenstatuette unserer Sammlung (No. 89D), in welcher wir das Kind im
Einschlafen auf dem Schoße der Mutter sehen. Solche Statuetten, die wohl
zum Teil als Skizzen oder Modelle entstanden, sind aus der späteren Zeit
des Benedetto nicht selten.

[Abbildung: 85. Bemalte Thonbüste des Fil. Strozzi von Ben. da Majano.]

In der ersten Hälfte der achtziger Jahre vollendete Benedetto das
Grabmal der Maria von Arragonien in der Chiesa di Montoliveto zu Neapel,
über dessen Ausführung A. Rossellino hingestorben war. Im Aufbau und in
sämtlichen Figuren fast treu kopiert nach dem Monument des Kardinals von
Portugal, ist es in den Typen, in der Bewegung und Gewandung wie in der
Dekoration ein gleich bezeichnendes Werk des Benedetto, der auf die
Durchführung ganz besondere Sorgfalt verwendete. Diese Arbeit wurde die
Veranlassung zu einem zweiten großen Monumente für dieselbe Kirche, dem
Marmoraltar mit der Verkündigung, als Gegenstück von Rossellino's
Anbetungsaltar, der dem Meister wieder als Vorbild für den Aufbau
gegeben wurde. Es fehlt diesem 1489 vollendeten Monumente, bei aller
Schönheit im Einzelnen, schon vielfach an der Frische und Naivetät der
früheren Arbeiten; auch machen sich hier die langen Falten in den
bauschigen Gewändern teilweise schon recht störend geltend.

[Abbildung: 88. Fahnensockel in Marmor von Ben. da Majano.]

Als dieser Marmoraltar fertig wurde, beschäftigten den Künstler schon
die Pläne für den Palast, mit dessen Bau ihn Filippo Strozzi betraut
hatte; und als bald darauf eine schwere Krankheit den Auftraggeber
befiel, gab dieser ihm auch sein Grabmal in Arbeit, welches jetzt die
Familienkapelle in Sa. Maria Novella schmückt. Auf dunkler Rückwand vier
Engel, die schwebend in schwärmerischem Anblick des Christkindes
versunken sind, das in den Armen der Mutter von einem Rosenkranz umgeben
ist. In der ersten Zeit seiner Beziehungen zu diesem kunstsinnigen
Gönner entstand die bemalte Thonbüste Fillippo's in der Berliner
Sammlung (No. 85), mit deren Benutzung einige Zeit später die
Marmorbüste im Louvre ausgeführt wurde. Die feinen Züge dieses großen
Mannes sind, namentlich in der Thonbüste, mit einer Frische und Treue,
mit einer Anspruchslosigkeit und einem Geschmack wiedergegeben, welche
diese Büste als ein Meisterwerk der Porträtplastik überhaupt erscheinen
lassen. Eine zweite Thonbüste, die gleichfalls noch ihre alte Bemalung
besitzt, die Büste der hl. Katharina von Siena (No. 149), darf wohl
ebenfalls auf Benedetto zurückgeführt werden, für den der halb
schwärmerische, halb träumerische Ausdruck des schönen Kopfes, die
weichen Falten und die Dekoration des Sockels charakteristisch sind. Die
kranztragenden Engel am Sockel kommen genau so als Dekoration eines
trefflichen kleinen Reliefs mit der Geburt des Johannes im South
Kensington Museum vor, welches Ende der siebziger Jahre entstanden zu
sein scheint.

Als charakteristisches Werk der letzten Zeit Benedetto's besitzt die
Berliner Sammlung ein kleines Stuckrelief mit der Kreuzigung Christi
(No. 92). Das Hauptwerk dieser Zeit ist der schön aufgebaute Altar des
hl. Bertoldus in S. Agostino zu San Gimignano (seit 1494). Die Büsten
Giotto's und des Squarcialupi im Dom zu Florenz (um 1490) sind weniger
bedeutend und verraten in der Ausführung die Hand von Schülern. Auch das
fein durchgeführte Krucifix ebenda ist zu weichlich in der Auffassung.
Die Statuen der Madonna und des (unvollendeten) Sebastian, die er in
seinem Testament der Misericordia hinterließ, sind besonders bezeichnend
für die etwas leere Allgemeinheit in den Formen und in dem
schwärmerischen Ausdruck, wie für die schwülstige Fülle der Gewandung in
seiner letzten Zeit. Das einzige Beispiel für Benedetto's Behandlung des
Marmors bietet in der Berliner Sammlung (No. 88) eine dekorative Arbeit:
der Sockel einer Kirchenfahne mit drei köstlichen Engelsköpfen am Fuß.

Mit Ant. Rossellino und Ben. da Majano wetteifert als beliebter
Marmorbildner in seiner Heimat wie außerhalb derselben ein dritter
florentiner Künstler, _Mino da Fiesole_ (1431-1484). Erst durch
Desiderio aus einem Steinmetzen zum Künstler ausgebildet, wie uns Vasari
berichtet, hat er in seiner künstlerischen Thätigkeit das Handwerkmäßige
nie völlig abgestreift. Seine außerordentliche Fertigkeit verführte ihn
zu flüchtiger und ungleichmäßiger Massenproduktion; als Unternehmer
unterzog er sich bald hier, bald dort großen Aufgaben und nahm keinen
Anstand, die Ausführung mit anderen, oft recht geringwertigen Künstlern
zu teilen. Nicht gewöhnt, auf die Natur als letzte und einzige Quelle
zurückzugehen, war er, wo er nicht (wie in den Porträts) zur
unmittelbaren Wiedergabe der Natur angehalten wurde, der Gefahr des
Manierismus besonders ausgesetzt. Der Liebreiz seiner Figuren ist mehr
äußerlich; Ausdruck und Bewegung derselben ermangeln des inneren Lebens
und haben daher leicht etwas Starres und Kleinliches, wie auch sein
Faltenwurf eckig und einförmig ist. Wie ihm wirkliches Formenverständnis
und freie schöpferische Phantasie abgehen, so fehlt ihm auch die Freude
des echten Künstlers an der Durchbildung seiner Werke. Andererseits
weisen alle Bildwerke des Mino große technische Fertigkeit und
Sicherheit in der Behandlung des Marmors auf; durch sie wird der
Künstler in den Stand gesetzt, ohne Skizzen und Modelle unmittelbar aus
dem Marmor heraus und daher ganz im Charakter des Materials zu schaffen.
Daneben besitzt er eine, ich möchte sagen, bäuerische Naivetät und
Frische der Auffassung, sobald er unmittelbar nach der Natur arbeitet,
also namentlich als Porträtbildner. In seinen zahlreichen Porträts,
Büsten wie Reliefporträts, deren er fast so viele hinterlassen hat wie
alle seine florentiner Zeitgenossen zusammen, zeigt er eine Breite und
Derbheit der Charakteristik, eine Frische der Wiedergabe, welche ihn dem
Frans Hals vergleichen, ihn aber gelegentlich auch, gerade wie Hals, bei
besonders frappanten Persönlichkeiten nahe an Karikatur streifen läßt.

Mino ist schon jung nach Rom gekommen: im Jahre 1454, also mit 23 Jahren
datiert er seine jetzt im Berliner Museum befindliche Büste des Niccolo
Strozzi »in urbe«; 1463 und 1464 ist er dort für die Kanzel im Peter,
sowie für das große Ciborium und den Hieronymusaltar in Sa. M. Maggiore
thätig; nach dem Tode Papst Pauls II. (1471) wurde er zur Anfertigung
von dessen Grabmal berufen, und um 1475-1480 finden wir ihn für Nepoten
und Kirchenfürsten unter Sixtus IV. beschäftigt. Wie Mino durch diese
seine außerordentlich umfangreiche Thätigkeit in Rom auf die gesamte
römische Plastik der Frührenaissance bestimmenden Einfluß ausübte, so
hat der Aufenthalt in Rom auch auf ihn zurückgewirkt; namentlich ist
sein eigentümlicher Faltenwurf mit den zierlichen Parallelfalten und
ihren scharfen Knicken augenscheinlich eine mißverstandene Auffassung
der Gewandbehandlung an archaistischen römischen Bildwerken.

Die Zahl und der Umfang der meisten Monumente, welche Mino in Rom wie in
Florenz und Umgebung geschaffen hat, ist nur erklärlich aus seiner
außerordentlichen handwerksmäßigen Sicherheit und Leichtigkeit des
Schaffens. Mino scheint jede Aufgabe übernommen zu haben, die sich ihm
darbot; daher sind die Bildwerke seiner Hand ebenso mannigfaltig wie
zahlreich. In der Erfindung meist von den Vorbildern seiner Florentiner
Zeitgenossen abhängig oder lokalen Bedingungen sich fügend, im Aufbau
wenig originell und ohne feines Ebenmaß der Verhältnisse, in der
Ornamentik und Profilierung ohne den Sinn für Natur und Stil, der
namentlich seinen Lehrer Desiderio auszeichnet, erzielt Mino doch in
einer Anzahl dieser Monumente durch Frische der Empfindung, glückliche
Verbindung der architektonischen und plastischen Teile, Zierlichkeit der
Arbeit, gelegentlich auch durch eigenartige Ideen eine reizvolle
Gesamtwirkung. Unter den Grabmonumenten, den zahlreichsten unter Mino's
Arbeiten, stehen die einfachsten obenan: das Grabmal des Bischofs Leon.
Salutati im Dom von Fiesole (vor 1466), in der Verbindung von Büste und
Sarkophag und im Aufbau an der Wand, wie in der Durchführung eines der
vollendetsten und eigenartigsten Monumente der Frührenaissance; sowie
das köstliche Monument des jungen Francesco Tornabuoni in der Minerva zu
Rom († 1480). Andere Grabdenkmäler sind stärker beeinflußt von fremden
Vorbildern, namentlich vom Marzuppini-Monument: so das des Giugni (†
1466) und des Grafen Hugo (vollendet 1481) in der Badia zu Florenz, das
des Kardinals Nie. Forteguerri († 1473) mit der trefflichen Gestalt des
Toten auf schöner Doppelbahre in Sa. Cecilia zu Rom, sowie die späteren
römischen Grabmäler des P. Riario († 1474) in Sti. Apostoli, des Chr.
della Rovere († 1479) in Sa. M. del Popolo, des Ferricci im Hof der
Minerva. Sie sind sämtlich unter mehr oder weniger starker Beteiligung
anderer in Rom arbeitender Künstler ausgeführt und von dem Typus der
römischen Gräber beeinflußt. Andere Monumente dieser Art in Rom, wie das
des Papstes Paul II. und des Kardinals Piccolomini († 1479), sind nur
noch in einzelnen Teilen vorhanden (in den Grotten des Vatikan und in
S. Agostino).

[Abbildung: 81. Marmorrelief der Madonna von Mino da Fiesole.]

Die Berliner Sammlung besitzt ein unfertiges Relief, das jedenfalls für
die Rückseite eines Grabmonuments berechnet war, die Gestalt des
Glaubens (No. 82); von besonderem Interesse durch den unfertigen
Zustand: der Kopf, bis auf die Politur schon ganz durchgeführt, andere
Teile der Figur dagegen eben erst aus dem Groben herausgehauen. Der
Umstand, daß jede Angabe von Punkten fehlt, läßt darauf schließen, daß
Mino diese Figur ganz eigenhändig und ohne Modell arbeitete. Wir dürfen
danach wohl annehmen, daß er überhaupt seine Arbeiten, soweit nicht
andere Künstler neben ihm thätig waren, im Wesentlichen allein
ausführte. Auch ein im Rund komponiertes, ziemlich flach gehaltenes
Marmorrelief der Madonna (No. 81) bildete wohl ursprünglich den Abschluß
eines Grabmonuments. In Zeichnung und Durchbildung eine der besten
Arbeiten des Künstlers, im Ausdruck so anmutig, wie kaum eine zweite
Madonna, läßt sich dieselbe nach ihrer Verwandtschaft mit den spätesten
Arbeiten Mino's, namentlich mit der Madonna am Grabmal Hugo, in die
letzten Jahre seiner Thätigkeit setzen. In diese Zeit gehört wohl auch
die eben genannte (vielleicht bei seinem Tode unvollendet gebliebene)
Figur des Glaubens, deren Kopf mit dem der Madonna die größte
Verwandtschaft hat.

[Abbildung: 79. Marmorbüste des N. Strozzi von Mino.]

Die Zahl der Kanzeln, Altäre, Tabernakel und Ciborien von Mino's Hand
ist fast ebenso groß, wie die der Grabdenkmäler; teilweise sind
dieselben auch von gleichem Umfange. In Florenz gehören die Altäre im
Dom von Fiesole (vor 1466) und der bald darauf entstandene ähnliche
Altar in der Badia, die Tabernakel in Sa. Croce und S. Ambrogio (1481)
zu seinen bekanntesten Arbeiten. Die Kanzel in Prato, die er 1473 mit
Ant. Rossellino zusammen ausführte, und das Ciborium in Volterra (1471)
stehen durch die Flüchtigkeit der Zeichnung und die oft kindlich
ungeschickte Komposition wesentlich hinter jenen Arbeiten zurück. In Rom
sind die meisten Werke dieser Art zerstückelt: so die große Kanzel des
Peter, an welcher vier Apostel von Mino's Hand sind, das kolossale
Ciborium in Sa. Ma. Maggiore (1463) und das gemeinsam mit Dalmata
ausgeführte Tabernakel in S. Marco (um 1463). Die Tabernakel in Sa. Ma.
in Trastvere und in S. Pietro in Perugia (1473, wohl gleichfalls in Rom
entstanden) befinden sich dagegen noch an ihrem ursprünglichen Platze.
Von den ziemlich zahlreichen Madonnenreliefs, die der Bargello, der
Louvre und Pariser Privatsammlungen aufzuweisen haben, war wohl die
Mehrzahl für Tabernakel bestimmt, wie heute noch eines mit dem besonders
tüchtigen, größeren Madonnenrelief als Straßentabernakel gegenüber
Palazzo Martelli in Florenz aufgestellt ist.

[Abbildung: 80. Marmorbüste eines jungen Mädchens von Mino.]

Die Meisterschaft des Mino als Porträtbildner ist nicht nur durch die
Grabstatuen seiner Monumente, sondern auch durch eine stattliche Reihe
von Büsten und Reliefs bezeugt, die fast ausschließlich Florentiner
darstellen. Die früheste beglaubigte Büste stellt den in Rom im Exil
lebenden Niccolo Strozzi (1454) dar; sie befindet sich jetzt im Berliner
Museum (No. 79). Die auffallende Persönlichkeit dieses bedeutenden
Mannes, der seit seiner Jugend an Fettsucht litt, ist mit einer Größe
und Breite zum Ausdruck gebracht, welche diese und ähnliche Büsten
Mino's unter die besten florentiner Arbeiten der Art einreihen läßt.
Bald darauf wurde der Künstler als Porträtbildner für die Medici
beschäftigt: die Büsten des Piero und seines Bruders Giovanni de'
Medici (im Bargello) entstanden etwa gleichzeitig mit der Büste eines
Unbekannten in der Sammlung Hainauer zu Berlin (1456), um die Mitte der
fünfziger Jahre. Die kleinere Büste des Rinaldo della Luna (Bargello)
datiert von 1461, und wenig später entstand wohl die großartige Büste
von Mino's Gönner Diotisalvi Neroni, welchen 1466 für seinen Verrat an
den Mediceern die Verbannung traf. Aus der gleichen Periode ist die
Büste am Grabe des Bischofs von Fiesole, wieder ein Meisterwerk in
feiner Charakteristik und geschmackvoller Aufstellung. In diese Zeit
gehört auch, nach Auffassung und Behandlung, die einzige bisher bekannte
fertige[B] Frauenbüste von Mino's Hand, im Berliner Museum (No. 80);
etwas eckig in Formgebung und Bewegung, aber von köstlicher Frische der
Auffassung und höchster Delikatesse der Durchführung. Die einzige von
ihm in Rom ausgeführte Büste, Papst Paul II. im Pal. Venezia, geht dort
von Alters her als ein Werk des Bellano. Eine Anzahl florentiner
Knaben- und Jünglingsbüsten, hergebrachter Weise in der Ausstaffierung
des Schutzheiligen von Florenz, Johannes d. T., sind fast ausnahmslos
jetzt außerhalb Italiens: im Louvre, im Museum zu Lyon, in Pariser
Privatsammlungen.

Wohin Mino's handwerksmäßige Ausübung der Marmorplastik ohne
künstlerische Begabung führen konnte, beweist ein dem Namen nach noch
unbekannter florentiner Bildhauer dieser Zeit, der regelmäßig mit Mino
verwechselt wird. Von diesem jetzt als »_Meister der Marmormadonnen_«
bezeichneten Anonymus besitzt die Berliner Sammlung zwei sehr
charakteristische und besonders gute Arbeiten: die Madonna im
Cherubimkranz (No. 77) und eine kleine sitzende Madonna in ganzer Figur
(No. 76). Eckig, unbelebt und gespreizt, wie Mino in seinen geringeren
Arbeiten, ist dieser Künstler in der Formbehandlung wie in der
Faltengebung dem Ant. Rossellino näher verwandt; seine maskenhaften
Gesichter, sein stereotypes, grinsendes Lächeln verraten ihn in allen
seinen Werken. -- Eine große Marmorbüste Christi als Eccehomo in der
Berliner Sammlung (No. 84), die manche Verwandtschaft mit diesem
Künstler zeigt, ist seinen Madonnen in dem herben Naturalismus doch so
sehr überlegen, daß sie wohl einem dritten, dem Mino nahestehenden
Bildhauer dieser Zeit zuzuschreiben ist.

Zur florentiner Schule muß auch der Lucchese _Matteo Civitale_
(1435-1501) gerechnet werden. Urkundlich steht er zwar nicht in
Beziehung zu Florenz; aber die Abhängigkeit Lucca's von Florenz seit dem
Anfange des Quattrocento und, als Folge davon, das Aufhören einer
lokalen künstlerischen Tradition, wie die völlige Abhängigkeit des
Künstlers von seinen Florentiner Zeitgenossen, namentlich von Desiderio,
lassen keinen Zweifel darüber, daß er in Florenz seine Lehrzeit
durchmachte und an die Florentiner Kunst sich anschloß. Ohne
hervorstechende Eigenart und ohne die lebensvolle Frische und den feinen
Natursinn der Florentiner, verdient Matteo doch durch sein
Schönheitsgefühl, durch die Innigkeit der Empfindung und seinen
Geschmack einen Platz neben den Florentiner Marmorbildnern seiner Zeit.
Besonders glücklich in seinen Dekorationsarbeiten, wie heute namentlich
noch das Tempietto (1481) und die Kanzel (1492) im Dom zu Lucca
bezeugen, befriedigt er in seinen figürlichen Darstellungen am meisten,
je einfacher sie sind und je mehr seine fromme, innige Empfindung darin
zum Ausdruck kommen kann. Sein Christus als Schmerzensmann, den er mit
Vorliebe zum Vorwurf wählt und am glücklichsten in der Büste des Museums
zu Lucca und in dem Hochrelief des Bargello wiedergegeben hat, wird im
Adel der Formen und des Ausdrucks durch keine ähnliche Florentiner
Arbeit übertroffen; seine betenden Engel vom (zerstörten)
Sakramentsaltar im Dom zu Lucca (1473) und sein Relief mit der
allegorischen Figur des Glaubens im Bargello gehören durch die
Vereinigung von begeistertem Ausdruck gläubiger Andacht mit Schönheit
der Form und Bewegung zu dem besten, was die toskanische Kunst dieser
Zeit hervorgebracht hat. Unter den großen Monumenten genügen die
einfacheren am meisten; so das Grabmal von Matteo's langjährigem Gönner
Dom. Bertini im Dom (1479), teilweise auch das Grabmal des hl. Romanus
in S. Romano (1490). Das Monument des Pietro a Noceto († 1472) im Dom
giebt sich dagegen zu sehr als Nachbildung des Marzuppini-Monuments von
Desiderio; und der Regulusaltar (1484) ist eine nur teilweise geglückte
Verbindung von Wandaltar und Grabmal. Gegen Ende des Jahrhunderts
erhielt Matteo eine größere Aufgabe außerhalb seiner Heimat: er wurde
nach Genua berufen, um das Innere der Johanneskapelle im Dom
auszuschmücken. Die Reliefs aus dem Leben des Täufers und sechs der
lebensgroßen Statuen sind von seiner Hand; in Florenz würden diese
Figuren zu weichlich und nicht frei genug in ihrer naturalistischen
Durchbildung erscheinen; in Genua sind sie die beste Leistung der
Renaissance, selbst neben den Statuen des A. Sansovino, welcher nach
Matteo's Tode den Schmuck der Kapelle zu vollenden hatte.

Die Berliner Sammlung besitzt keine Arbeit des Luccheser Künstlers, der
außerhalb seiner Heimat überhaupt nur sehr spärlich vertreten ist. Doch
befindet sich im Berliner Privatbesitz, in der Sammlung des Herrn A. von
Beckerath, das Profilporträt eines jungen Mädchens in reicher Tracht,
ein tüchtiges Werk aus Matteo's früherer Zeit.

       *       *       *       *       *

Die Marmorplastik in ihrer einseitigen Richtung mußte zu einer
dekorativen und dadurch zugleich oberflächlichen und selbst
handwerksmäßigen Ausübung führen, welche die Künstler von den großen
Zielen der Kunst abdrängte. In naturgemäßem Gegensatz gegen diese Art
der plastischen Kunst und zugleich zum Heil für die gedeihliche
Fortentwickelung der italienischen Plastik bildete sich neben ihr eine
auf Donatello's letzter Thätigkeit fußende Richtung der Skulptur in
Florenz aus, welche den Schwerpunkt ihres Strebens auf möglichst treue
naturalistische Durchbildung legte und damit zugleich eine Vertiefung
der Auffassung und Erweiterung und Vervollkommnung der Technik verband.
Die Künstler dieser Richtung gehen aber keineswegs, wie ihr großer
Lehrmeister Donatello, einseitig auf die Wiedergabe des
Charakteristischen und Momentanen aus, sondern verbinden damit ein
ausgesprochenes Streben nach Anmut und selbst nach Schönheit. An der
Spitze dieser Bewegung stehen Ant. Pollajuolo und Andrea del Verrocchio.
Ihrer Richtung entspricht es, daß sie sich in den verschiedensten
Künsten versuchen und diese sämtlich nicht nur mit großer
Geschicklichkeit ausüben, sondern auch technisch wesentlich vorwärts
bringen, und daß sie als Bildner sich mit Vorliebe der Bronze bedienen.

_Antonio Pollajuolo_ (1429-1498), der geschätzteste Goldschmied seiner
Zeit, als Maler durch seine Versuche in der Firnis- und Ölmalerei von
hervorragender Bedeutung, hatte auch als Bronzegießer mit Recht einen
Ruf in ganz Italien. In großem Stil konnte er sich als solcher erst in
seinem Alter an den Bronzemonumenten in der Peterskirche bekunden, die
ihm Papst Innocenz VIII. in Auftrag gab. Die Denkmäler von Papst Sixtus
IV, (vollendet 1493) und von Innocenz VIII. selbst beweisen aber, daß
Pollajuolo's Begabung nicht nach der monumentalen Seite lag: die Art,
wie das Sixtus-Denkmal gewissermaßen als Grabplatte etwas erhöht über
dem Fußboden angebracht ist und wie die Gestalten der Tugenden in eine
tiefe Hohlkehle hineingezwängt sind, ist entschieden verfehlt. Daneben
erscheint der Aufbau des Innocenzgrabes als Wandgrab glücklicher; die
Wirkung desselben wird noch durch die außerordentlich individuelle
Kolossalfigur des sitzenden Papstes gehoben; aber nach einer inneren
Beziehung der allegorischen Gestalten zu dem Verstorbenen, nach der
künstlerischen Berechtigung der Darstellung desselben in zwei fast
gleich großen Porträtgestalten wird man vergeblich suchen. Die Freude
des Künstlers und seine Kraft liegt in der Durchbildung im Einzelnen: in
der individuellen Gestaltung der Bildnisse, in der naturwahren Bildung
der schlanken, jugendlichen Frauengestalten, in der Charakteristik der
Stoffe und in der Durchbildung ihrer Falten, welche bis ins Kleinste
hinein das treueste Naturstudium beweisen. In der Sauberkeit von Guß,
Ciselierung und Politur, in der Zierlichkeit der Faltenbildung verrät
sich der als Goldschmied großgewordene Künstler. Die gleichen
Eigenschaften charakterisieren auch die wenigen erhaltenen kleineren
Bildwerke: sein Relief und mehr noch seine gravierten Darstellungen an
dem Silberaltar der Domopera zu Florenz (seit 1456), sein Thonmodell
eines keck dreinschauenden Jünglings im Panzer, die kleine Bronzegruppe
von Herkules und Kakus, die in ihrem Aufbau als Gruppe besonders
gelungen ist, sowie ein Paar Bronzestatuetten nach der Antike, sämtlich
im Bargello.

In dem gleichen Streben, bei ähnlicher künstlerischer Ausbildung und
ganz verwandter Veranlagung wie Pollajuolo, hat der wenige Jahre jüngere
_Andrea del Verrocchio_ (1435 bis 1488) sein Talent in glücklicherer
Weise entfaltet und einen viel bedeutenderen Einfluß auf seine
Zeitgenossen und die spätere Entwickelung der italienischen Kunst
gehabt. Schüler eines Goldschmieds, wie Pollajuolo, und wie dieser als
Goldschmied von Luca della Robbia zu der Ciselierung von dessen
Bronzethür im Dom herangezogen (1467), ist er auch als Maler ebensosehr
thätig gewesen und hat in allen Zweigen der Kunst eine Vertiefung im
Inhalt wie eine Vervollkommnung der Technik angestrebt und durchgeführt.
Verrocchio war es gegeben, den geistigen Gehalt voll zu erfassen und ihn
ganz in der Form zum Ausdruck zu bringen, die Form selbst aber mit
möglichster Naturtreue wiederzugeben und künstlerisch, dem jedesmaligen
Stoffe entsprechend, aufs Höchste durchzubilden. Dabei verstand er es,
im Einzelnen zu verallgemeinern und im Individuellen zugleich Typen
hinzustellen. In diesem Streben hat er in den verschiedensten
Kunstgattungen Großes geschaffen; ein ganz besonderer Reiz dieser seiner
Kunstwerke liegt aber in der Einfalt seiner Kunst, in dem Ernst seines
Strebens, in dem mühseligen Ringen nach einem vollen und doch stets
neuen Ausdruck seines künstlerischen Ideals.

[Abbildung: Bronzegruppe von Verrocchio an Or San Michele in Florenz.]

Verrocchio hatte das Glück, schon jung die Aufmerksamkeit der Mediceer
auf sich zu lenken, die ihm bis zu seinem Tode die mannigfachsten
Aufgaben stellten und ihn in den Stand setzten, sein Talent in der
vielseitigsten Weise zu entfalten. Zwei der frühesten uns bekannten
Arbeiten sind ein Paar große dekorative Bildwerke in der Sakristei von
S. Lorenzo, ein Marmorbrunnen und das Bronzegrabmal des Piero und
Giovanni de' Medici (vollendet 1472), beide in ihrer Art ganz
eigenartig, vollendet im Aufbau und meisterhaft in der Dekoration. Von
verschiedenen Büsten, die er damals und einige Jahre später von
Mitgliedern der Mediceerfamilie ausführte, sind noch die beiden, wohl
als Modelle für Bronzeguß entstandenen, Thonbüsten des Lorenzo und
Giuliano als Jünglinge erhalten (bei Mr. Shaw in Boston und M. Dreyfuß
in Paris); auch die aus dem Pal. Medici stammende Marmorbüste einer
jungen Frau im Bargello stellt wahrscheinlich gleichfalls ein Mitglied
der Familie dar. Diese Büsten sind neben ihrer meisterhaften Wiedergabe
der Individualität sämtlich ausgezeichnet durch die große, stilvolle
Auffassung, die den Charakter trefflich wiedergiebt und die
Dargestellten zugleich als wahre Typen vornehmer Florentiner jener Zeit
erscheinen läßt. Es ist nur eine Konsequenz dieser Richtung, daß
Verrocchio auch schon Charakterköpfe bildet, wie das schöne
Scipio-Relief der Rattier'schen Sammlung (jetzt im Louvre; ein ähnliches
Kriegerrelief in Robbia-Nachbildung findet sich in der Berliner Sammlung
No. 137A). Köstliche Bilder der Jugend sind die beiden Bronzen, die
Verrocchio für Lorenzo ausführte, der berühmte David im Bargello (1476)
und der als Fontaine gedachte Knabe mit dem Fisch, jetzt im Pal.
Vecchio: dort ein Jüngling mit noch nicht voll entwickelten Formen, von
graziösester Haltung und in dem holdseligen Lockenkopf mit einer kecken
Mischung von stolzer Siegesfreude und mädchenhafter Schüchterheit; hier
ein prächtiger nackter Bube im ausgelassenen Spiel. Für eine ähnliche
Figur, einen posaunenblasenden Putto, war das Modell in der Sammlung
Dreyfuß bestimmt. Verschiedene für die Medici gearbeitete
Madonnenreliefs in Marmor (eines jetzt im Bargello, ein zweites,
größeres bei Mr. Shaw in Boston) stehen mit diesen Arbeiten nicht ganz
auf derselben Höhe, weil bei der Marmorausführung durch Schülerhände die
Frische der Empfindung und die Feinheit der naturalistischen
Durchbildung verloren ging, welche das große Thonmodell einer Madonna im
Museum von Sa. Maria Nuova dagegen im vollsten Maße besitzt.

In etwas späterer Zeit, gegen Ausgang der siebziger Jahre, traten fast
gleichzeitig zwei neue Aufgaben gleichen Charakters an den Künstler
heran: die Denkmäler für die 1477 im Wochenbett verstorbene Francesca
Tornabuoni und für den Kardinal Niccolo Forteguerri († 1473) in Pistoja,
zu dem Verrocchio auf Lorenzo's Entscheidung 1477 den Auftrag erhielt.
Beide Monumente sind unvollständig auf uns gekommen und gehen in ihrer
Ausführung in Marmor auf Schüler zurück. Für das Tornabuoni-Monument
lassen die Überreste: das friesartige, höchst dramatisch empfundene
Relief mit dem Tode der Francesca im Bargello und die vier Statuetten
der Tugenden im Besitz von M. E. André in Paris, eine sehr eigenartige
Erfindung wenigstens vermuten; für das Forteguerri-Monument ist uns
dieselbe in dem kleinen Modell im South Kensington Museum bezeugt.
Verrocchio hat seine Aufgabe völlig neu erfaßt, indem er das Grabmal
als große Wandtafel gestaltet, auf welcher er die Darstellung als
einheitliche Komposition in ganz dramatischer und malerischer Weise
ausbildet. Dem auf dem Sarkophag knieenden Kardinal naht sich die
Gestalt des Glaubens und weist ihn nach oben, wo Christus segnend in
einer von vier Engeln getragenen Mandorla thront; zu ihm blickt flehend
die auf der anderen Seite des Kardinals heranschwebende Figur der
Hoffnung, während die Liebe hinter ihm zum Erlöser aufschwebt.

[Abbildung: Reitermonument des Colleoni von Verrocchio in Venedig.]

Ebenso eigenartig, ebenso groß komponiert und tief und dramatisch
empfunden ist die 1483 vollendete Bronzegruppe von Christus und Thomas
an Or San Michele zu Florenz; die großartigste Gruppe der
Frührenaissance durch den äußerst geschickten Aufbau, die Klarheit und
Feinheit in der Wiedergabe der Handlung (man beachte die sprechende
Bewegung der Hände!), den überwältigenden Ernst in der Auffassung und
die vollendete Durchbildung. Als Verrocchio diese Gruppe in der
Marmornische aufstellte, die einst Donatello gearbeitet hatte, war er
schon zu einer ebenso großen Aufgabe, zur Anfertigung eines bronzenen
Reiterdenkmals für Bartolommeo Colleoni in Venedig, berufen (1479). Dem
Künstler war es nicht vorbehalten, dieses gewaltige Werk zu vollenden:
er starb 1488 in Folge einer Erkältung beim Guß. Der Colleoni gilt heute
als das großartigste Reitermonument aller Zeiten: er verdient diesen
Ruhm in vollem Maße, da in keinem zweiten Monument Roß und Reiter so
einheitlich komponiert und empfunden sind und wohl kaum zum zweiten Mal
in einem Denkmal ein so gewaltiges Zeitbild gegeben ist, wie er es in
der für das Quattrocento besonders bezeichnenden, ja den Charakter der
Zeit vielfach bestimmenden Gestalt des Condottiere mit überraschender
Wucht und Lebensfülle geschaffen hat.

[Abbildung: 97A. Thonrelief der Grablegung von Verrocchio.]

Die Größe und Meisterschaft Verrocchio's in der Erfindung und
Komposition zeigen namentlich ein Paar kleinere Reliefs: die von
Federigo von Urbino gestiftete Bronzetafel der Kreuzabnahme in der
Carmine zu Venedig, sowie das nur als Stucknachbild (im South Kensington
Museum) erhaltene Relief der »Eifersucht«.

Unsere Berliner Sammlung besitzt keines der großen Meisterwerke
Verrocchio's, wohl aber eine ganze Reihe von kleineren Arbeiten der
verschiedensten Art, namentlich Modelle, welche für ihn besonders
charakteristisch sind und die künstlerische Absicht in größter Frische
zum Ausdruck bringen. Einzelne sind große Modelle, die als Vorlagen für
die Ausführung durch Schüler entstanden; so zwei nackte liegende Putten,
als Wappenhalter für ein Grabmal gedacht (No. 96 u. 97). Dasselbe gilt
wohl auch von einem flachen Relief der Grablegung (No. 97A), eine
besonders edel aufgefaßte, trefflich abgewogene und fein durchgebildete
Komposition aus der späteren Zeit, über deren Bestimmung bisher nichts
bekannt ist. Die mittelgroße Figur eines schlafenden Jünglings (No. 93)
scheint, wie der lesende Alte im South Kensington Museum, als Aktstudie
für eine größere Komposition entstanden zu sein. Sie ist als solche von
besonders feiner Durchbildung und läßt sich nach der Verwandtschaft des
schönen lockigen Kopfes mit dem David in die mittlere Zeit des Künstlers
setzen. Auch für den David besitzt die Berliner Sammlung ein kleines
flüchtiges Modell (No. 95). Ein größeres, feiner durchgeführtes und sehr
edel aufgefaßtes Modell der knieenden Maria von Egypten (No. 94) und ein
Paar im Pariser Besitz befindliche kleine Thonreliefs mit der in einer
Cherubimglorie gen Himmel fahrenden Heiligen scheinen auf Studien zu
einem uns unbekannten größeren Werke dieser Heiligen hinzuweisen.
Ähnliche Modelle zu bekannten Werken besitzt der Louvre in zwei
schwebenden Engeln (für das Forteguerri-Monument) und Baron Ad.
Rothschild in Paris in zwei Statuetten für die lebensvolle Komposition
der Enthauptung des Johannes am Silberaltar des florentiner Doms (1480).
Unter den Porträts der Berliner Sammlung trägt die Thonbüste eines
kraushaarigen Jünglings (No. 100) deutlich den Typus Verrocchio's;
ebenso scheinen mir die fein empfundenen Reliefporträts in Marmor von
Matthias Corvinus und seiner Gemahlin (No. 98 und 99) dem Künstler
selbst anzugehören, wie auch die lebensvollen Hochreliefs des alten
Cosimo (No. 104) und seines Enkels Giuliano (No. 104A) mit
Wahrscheinlichkeit auf ihn zurückzuführen sind.

Von einem anfangs ganz von Desiderio beeinflußten, später fast sklavisch
sich an Verrocchio anschließenden florentiner Künstler, von _Francesco
di Simone_ (1440-1493), der in Florenz und Bologna verschiedene
Grabmonumente und dekorative Skulpturen hinterlassen hat, besitzt die
Berliner Sammlung einen tüchtigen Kamin in pietra serena (No. 106). Auf
_Lorenzo di Credi_ (1459-1537), der auch als Bildhauer mit Verrocchio
thätig war, namentlich bei der Ausführung des Forteguerri-Monuments,
scheint das Thonrelief der sitzenden Madonna in ganzer Figur (No. 104D)
hinzuweisen, wenn ein Schluß aus dessen Gemälden auf Skulpturen, die wir
sonst nicht von ihm kennen, erlaubt ist.

Indem Verrocchio volle Beseelung der Form mit vollendeter
naturalistischer Wiedergabe derselben zu verbinden strebt, führt er das
Quattrocento zu seinem Abschluß. Es war eine Notwendigkeit, daß der
Schöpfer der Hochrenaissance, daß _Leonardo_ auf seinen Schultern stand
und aus seiner Werkstatt hervorging, in der er bis zu seinem 28. Jahre
Mitarbeiter seines Lehrers gewesen war.

       *       *       *       *       *

[Abbildung: 93. Thonfigur eines schlafenden Jünglings von Verrocchio.]

Unter den Künstlern, welche die Entstehung und Entwickelung der
Renaissance mit am meisten beeinflußt haben, hätte der Sienese _Jacopo
della Quercia_ (1371-1438) mit voran genannt werden müssen. Ohne
Vorgänger und ohne eigentlichen Nachfolger steht der Künstler völlig
eigenartig zwischen der Kunst des Trecento und der des Quattrocento,
erscheint aber zugleich wie ein Vorläufer Michelangelo's, dem er auch in
seiner einsamen Stellung unter den Künstlern Sienas verwandt ist. In
seiner Dekoration noch vollständig gotisch, in der ausgeschwungenen
Haltung seiner Figuren, in den weichen Falten der dicken Gewänder, in
der oberflächlichen, wenig naturwahren Durchbildung der Formen noch
abhängig von der Kunst des Trecento, ist Quercia durch seine großartige
Auffassung, wie durch die eigentümliche Belebung seiner Gestalten völlig
neu und ein echter Künstler der Renaissance. Seine Kompositionen sind
groß aufgebaut, seine Körper sind gewaltig gebildet und von einem
dämonischen Geist beseelt, der sie zu stürmischer Bethätigung drängt,
welche nur mühsam zurückgehalten erscheint. Wie bei Michelangelo ist in
Quercia's Bildwerken das Leben, ist die Handlung mehr im Körper als im
Gesicht ausgedrückt. Da dem Künstler zu einer naturalistischen
Durchbildung noch die Kenntnis abgeht, so stehen seine Einzelfiguren
hinter seinen Reliefdarstellungen zurück, die meist in einem
eigentümlich flachen, malerischen Stil gehalten sind.

[Abbildung: 94. Thonmodell der Maria von Egypten von Verrocchio.]

Quercia's Thätigkeit ist nicht auf seine Vaterstadt beschränkt; er war
auch für Lucca hervorragend thätig und verbrachte den Schluß seines
Lebens in Bologna, wo er den Schmuck des Hauptportals von S. Petronio
arbeitete. Quercia's Jugendarbeiten sind nicht mehr erhalten, und selbst
die früheste Arbeit, die auf uns gekommen ist, die 1409 begonnene
Marmoreinfassung des Wasserbeckens auf dem großen Platz in Siena, ist
nur noch in dürftigen Überresten (in der Domopera) vorhanden: lebhaft
bewegte Statuen und Relieffiguren der Tugenden sowie die großartigen
Kompositionen der Schöpfung Adams und der Austreibung aus dem Paradiese.
Während der Künstler an diesem umfangreichen Werke arbeitete, war er
auch für Lucca beschäftigt: 1413 entstand das Grabmal der Ilaria del
Caretto im Dom (die schöne Gestalt der jungen Toten auf einem Untersatz
ruhend, welchen nackte Putten mit Kränzen schmücken); 1416 fertigte
Quercia die Grabsteine des Ehepaares Trenta in S. Frediano, und für
dieselbe Familie führte er hier den 1422 vollendeten Marmoraltar aus.
Der manieriert gotische Charakter der Einzelfiguren dieses Altares
sticht auffallend ab gegen die groß empfundenen, lebensvollen
Darstellungen der Predella.

Im Jahre 1416 hatte Quercia den Auftrag zum Entwurf des Taufbrunnens in
S. Giovanni zu Siena erhalten, dessen Ausführung seiner Leitung
unterstellt wurde. Neben der Johannesstatuette auf der Spitze und
mehreren kleinen Prophetenfiguren in Relief ist eines der Bronzereliefs,
die Ausweisung des Zacharias aus dem Tempel (vollendet 1430), von seiner
Hand; unter allen Arbeiten am Taufbrunnen ist es allein dem daneben
angebrachten Relief Donatello's in Klarheit und Lebendigkeit der
Komposition und in Großartigkeit der Gestalten gewachsen.

Noch vor Vollendung dieser Arbeit wurde Quercia nach Bologna gerufen, wo
er zwischen 1425 und 1438 den reichen bildnerischen Schmuck des
Hauptportals von S. Petronio ausführte: in der Lünette die großen
Freifiguren der Heiligen Petronius und Ambrosius zur Seite der sitzenden
Madonna; am Architrav und an der Einrahmung der Thür flache Reliefs aus
dem Leben Christi und der Schöpfungsgeschichte; an den Laibungen und am
Thürbogen in etwas höherem Relief die kleinen Halbfiguren der Propheten.
Von allen Bildwerken des Künstlers sind diese wohl die vorzüglichsten
und, mit Einschluß der Freifiguren, auch die am besten durchgebildeten
Arbeiten. Alle Vorzüge Quercia's: Reichtum und Großartigkeit der
Erfindung, großer und malerischer Aufbau, mächtige Gestalten und
stürmische Bewegung sind hier in glücklichster Weise vereinigt. Neben
diesen Arbeiten entstanden ein Paar andere Monumente in Bologna, von
denen das eine in Bruchstücken im Museo civico, das zweite, ein
Grabdenkmal des Rechtsgelehrten Antonio Galeazzo Bentivoglio, sich noch
am Bestimmungsort, im Chorumgang von S. Giacomo Maggiore befindet. Die
Statuetten an diesem Monument sind den Holzfiguren von Heiligen im Chor
von S. Martino zu Siena nahe verwandt; das Flachrelief, welches den
Professor auf dem Katheder vor seinen Zuhörern darstellt, ist wieder von
großer Lebendigkeit und feiner malerischer Behandlung.

[Abbildung: 153A. Weibliche Marmorbüste von Ant. Federighi.]

Quercia's Richtung ist eine vom sienesischen Kunstcharakter im
Allgemeinen wesentlich verschiedene. Der allmähliche Verfall der Stadt,
die schon für Quercia selbst nicht ausreichende Beschäftigung darbot,
verhinderte auch die Ausbildung einer seinen Bahnen folgenden Schule.
Nur ein Künstler Sienas, _Antonio Federighi_ (um 1420-1490), obgleich
schwerlich ein Schüler Quercia's, zeigt sich doch noch wesentlich
beeinflußt von ihm und hat ein Stück seines großen Sinnes geerbt. Die
reckenhaften Gestalten Quercia's sind bei Federighi zu kräftiger Fülle
gemäßigt, seine stürmisch unruhige Bewegung zu kühner Haltung, der
stumme, halb befangene, halb mürrische Ausdruck zu frischem kecken Sinn,
die tiefen unruhigen Falten der dicken Gewänder zu rundem vollen
Faltenwurf; dazu bringt der Künstler einen offenen Sinn und fleißige
Beobachtung der Natur und andererseits ein dem Quercia unbekanntes
Studium der Antike hinzu. Federighi genügt daher gerade in seinen
Statuen und in seiner Dekoration am meisten: unter den drei tüchtigen
Figuren von seiner Hand am Casino de' Nobili ist der hl. Ansanus (seit
1456) die wirkungsvollste Statue der sienesischen Kunst; ebenso sind die
nackten Statuetten an den beiden Weihwasserbecken im Dom durch ihre
kräftige naturalistische Bildung als Arbeiten des Künstlers
gekennzeichnet. Der dekorative Teil dieser und ähnlicher Arbeiten ist in
gleicher Weise durch die glückliche Verbindung antiker Motive mit feinem
Naturstudium und energischer Behandlungsweise ausgezeichnet. Sein
Anschluß an die Antike geht gelegentlich so weit, daß man bei der Wahl
antiker Motive an antike Herkunft glauben konnte; so gelten der
reichverzierte Sockel der Taufkapelle im Dom und eine Bacchusstatuette
im Privatbesitz als römische Arbeiten. Die Reliefs am Taufbecken jener
Kapelle, die dem Quercia zugeschrieben werden, stehen zwar unter dem
Einfluß der gleichen Kompositionen dieses Künstlers, zeigen aber
Federighi's geringeres Talent in der Erfindung und im Aufbau. Diese
Eigenschaften kennzeichnen auch das Monument Bartoli im Dom.

[Abbildung: 151. 152. Holzstatuen der Verkündigung von einem
Quercia-Schüler.]

Von Quercia's Hand hat die Berliner Sammlung noch kein eigenhändiges
Werk aufzuweisen; doch kennzeichnen sich zwei (ursprünglich bemalte)
Holzstatuen der Verkündigung von schöner Haltung und edlem Ausdruck
(No. 151 und 152) als Arbeiten eines von Quercia beeinflußten, aber
schlichter empfindenden Künstlers. Eine ganz ähnliche, jedoch geringere
Verkündigungsgruppe in der Collegiata zu S. Gimignano ist nach der
Inschrift darauf 1426 vom sienesischen Maler Martino di Bartolommeo
ausgeführt. Als ein Werk Federighi's läßt sich wohl mit Sicherheit die
Marmorbüste einer jungen Frau bestimmen, welche sich früher im
Privatbesitz in Siena befand (No. 153A). Die kecke Wendung des Kopfes,
der energische, fast mürrische Ausdruck der individuellen Züge, und
andererseits der Anschluß an die Antike im Kostüm, in der Behandlung der
Haare, der Augensterne u. s. f. sind ebensoviele charakteristische
Merkmale für die Urheberschaft des Federighi. Auch das Reliefporträt
eines schielenden Mannes (No. 153), derber noch behandelt wie jene als
sienesische Porträtbüste fast alleinstehende Arbeit, ist nach dem
ähnlichen Charakter mit Wahrscheinlichkeit dem Federighi zuzuschreiben.

Unter den Bildhauern Sienas ist nur _Giovanni di Stefano_ dem Federighi
noch teilweise verwandt und wohl unter seinem Einfluß groß geworden. Das
altarartige Tabernakel in S. Domenico (1466) zeigt die kräftige Art der
Dekoration und die frischen Engelsgestalten wie in Federighi's Werken;
seine Marmorstatue des hl. Ansanus mit dem Krüppel zur Seite, in der
Johanneskapelle des Doms (vor 1487), hat noch die kräftigen Formen und
die vollen Falten wie die Figuren jenes Künstlers, wenn ihr auch die
energische Auffassung und kecke Haltung derselben fehlen. In seinen
spätesten Arbeiten, den leuchterhaltenden Bronzeengeln neben
Vecchietta's Tabernakel im Dom (seit 1489), schließt sich der Künstler
dagegen in den schlanken Verhältnissen, den schönen Köpfen und
zierlichen Falten mehr dem Vorbild Vecchietta's an. -- Ein Zeitgenosse
Federighi's, der neben ihm in Siena arbeitet, _Urbano da Cortona_, ist
ein geringer, nüchterner Geselle, obgleich er unter Donatello in Padua
gearbeitet hatte. (Reliefs im Dom und in der Loggia de' Nobili.)

[Abbildung: 154. Marmorrelief der Madonna von einem unbekannten
Sienesen.]

_Lorenzo Vecchietta_ (um 1412-1480) ist auch in seiner bildnerischen
Thätigkeit recht eigentlich der Vertreter der sienesischen Kunst des
vorgeschrittenen Quattrocento im Großen und Ganzen. Zu großen Aufgaben
nicht berufen und gezwungen, in den verschiedensten Kunstfächern sich zu
versuchen, sind die Künstler Sienas im kleinen Kreise und im Kleinen
thätig, und erscheinen daher auch klein im Charakter ihrer Kunst. Sind
schon die Arbeiten des Goldschmieds _Turino di Sano_ und seiner Söhne,
namentlich des talentvollen _Giovanni di Turino_ († um 1454), welche
einen wesentlichen Anteil an der Ausführung von Quercia's Taufbrunnen
nahmen, neben Quercia's und Donatello's Reliefs nüchtern und kleinlich,
so hat auch Vecchietta nichts von der großen Auffassung, von der reich
gestaltenden Phantasie dieser Künstler; sein Streben geht vielmehr, wie
in seinen Bildern so in seinen Skulpturen, auf treue und oft ängstliche
Wiedergabe der Natur in allen Details, auf sauberste Durchbildung, auf
Lieblichkeit der Erscheinung und Innigkeit des Ausdrucks. Galt es eine
Einzelgestalt von großem Charakter, eine Komposition von dramatischem
Inhalt, so erscheint der Künstler regelmäßig ungenügend und schwächlich;
wo aber die Aufgabe seiner Begabung entgegenkam, wo es galt, einen
Engelskopf oder eine jugendliche Frauengestalt zu schaffen, oder Scenen
frommer Andacht zu schildern, wo Fleiß und Ausdauer zum Erfolge
notwendig waren, wie bei der Bronzearbeit, da hat der Künstler Tüchtiges
und Reizvolles geleistet. Vecchietta's Statuen des Paulus (1458) und
Petrus (1460) an der Loggia de' Nobili erscheinen daher neben
Federighi's energischen Gestalten schwächlich und charakterlos; die
Bronzestatue Christi auf dem Altar der Spitalkirche und das Marmorrelief
mit dem Hieronymus am Eingang der Libreria wirken kleinlich durch die
übertriebene Betonung der Details. In der bronzenen Grabfigur des
Marino Soccino (jetzt im Bargello zu Florenz) und namentlich in dem
1465-1472 ausgeführten Bronzetabernakel auf dem Hochaltar des Doms zu
Siena kommen dagegen seine guten Eigenschaften voll zur Geltung: die
Schönheit und der Liebreiz seiner jugendlichen Gestalten, der Geschmack
im Aufbau und in der Dekoration, das tüchtige Naturstudium und die
Meisterschaft der Durchführung und der Technik in Guß, Ciselierung und
Patinierung.

Dem Vecchietta sind eine Reihe jüngerer Künstler, die gleichfalls meist
auch als Maler thätig waren, nahe verwandt. So _Francesco di Giorgio_
(1439-1502), dessen tüchtigste Arbeiten verschiedene der Bronzeengel
neben Vecchietta's Tabernakel sind (1497), holdselige Gestalten von
schöner Bewegung und ganz malerisch behandelter Gewandung. Auch
_Neroccio di Bartolommeo_ (1447-1500), in seiner Katharinenstatue der
Taufkapelle des Domes (1487) dem Federighi und Gio. di Stefano noch
nahe, erscheint regelmäßig nüchtern und selbst schwächlich in seinen
Gestalten, und in dem Piccolomini-Grabmal im Dom ist er abhängig von
Federighi's Monument Bartoli. Ähnliches gilt von _Giacomo Cozzarelli_
(1453-1515), dessen nicht seltene kleinere Thonfiguren von Heiligen in
Sto. Spirito, Sa. Caterina u. s. f. von weichen gefälligen Formen und
lieblichem Ausdruck sind. Die bildnerische Kunst Sienas, das inzwischen
seine politische Selbständigkeit schon an Florenz verloren hatte,
erschöpfte sich in solchen vereinzelten kleinen Bildwerken, denen Kraft
und Eigenartigkeit der Auffassung, wie Frische der Naturanschauung
abgehen. Zu neuem Leben hat sich seitdem die Plastik in Siena nicht
wieder erhoben.

       *       *       *       *       *

Der außerordentliche Aufschwung der Kunst in Toskana weckte schon früh
in allen Teilen Italiens das Bedürfnis nach toskanischen Kunstwerken.
Wir sahen, wie eine Reihe von Florentiner Bildhauern, darunter auch die
tüchtigsten, auf kürzere oder längere Zeit zu den verschiedensten
Aufgaben nach dem Norden wie nach dem Süden Italiens berufen wurden;
neben den Monumenten, die sie dort schufen, haben sie fast überall den
Keim zu einer eigenen lokalen Kunstentwickelung in den Bahnen der
Renaissance gelegt, in der sich der Einfluß der florentiner Kunst in
verschiedener Weise und mehr oder weniger nachhaltig geltend macht.

Donatello's Thätigkeit für Neapel und sein Aufenthalt in Rom waren zu
kurz und fanden den Boden noch zu wenig vorbereitet; Künstler wie
Filarete, der die Petersthüren goß, wie Rosso oder Piero di Niccolo, die
schon in den zwanziger Jahren in Verona und Venedig beschäftigt wurden,
waren zu unbedeutend, um hier eine nachhaltige Wirkung ausüben zu
können. Dies geschah erst durch den zehnjährigen Aufenthalt Donatello's
in Padua, der für die Entwickelung der Plastik in ganz Oberitalien
bestimmend wurde und dadurch (bei dem Wandertrieb der lombardischen
Bildhauer) auch auf die mittel- und süditalienische Kunst nicht ohne
Einfluß blieb. Seine damalige Richtung, seine Art der Thätigkeit hier
wurden grundlegend für seine Nachfolger. Die Aufgaben, die ihm in Padua
gestellt wurden, waren umfangreiche und schwierige Bronzearbeiten; sie
erforderten Künstler, die nach den Skizzen des Meisters die Modelle in
Thon herstellten, erforderten andere Künstler zum Guß und zur
Ciselierung. Donatello hatte dafür verschiedene junge Bildhauer, die uns
namhaft gemacht werden, aus Toskana mit sich gebracht, zog aber bei dem
Umfang und der langen Dauer seiner Arbeiten auch Künstler aus Padua und
der Nachbarschaft zu seiner Beihülfe heran. So bildete er hier in den
zehn Jahren seiner Anwesenheit eine so große Werkstatt aus, wie sie bis
dahin in Italien, selbst in Florenz kein Künstler gehabt hatte; eine
Werkstatt, welche nach Donatello's Rückkehr nach Florenz umfangreich und
selbständig genug war, um Padua selbst als Mittelpunkt bildnerischer
Thätigkeit für Oberitalien zu erhalten, und um von hier aus nach den
verschiedensten Seiten, namentlich über Oberitalien, durch die in dieser
Werkstatt gebildeten Künstler die Kunstrichtung Donatello's zu
verbreiten und der Renaissance dadurch dauernden Eingang zu verschaffen.
Daß dieses so rasch und gründlich geschah, dafür gebührt freilich das
Hauptverdienst nicht einem Bildhauer, sondern dem Maler Andrea Mantegna,
dessen Lehrzeit bei dem untergeordneten Squarcione und dessen erste
Thätigkeit in Padua gerade zusammenfällt mit der Zeit von Donatello's
Aufenthalt daselbst.

Der Paduaner Bildnerschule ist der Charakter der späteren Werke
Donatello's auf's schärfste aufgeprägt. Die einseitige Richtung auf das
Charakteristische und Natürliche, die struktive Bildung der Gestalten
ohne Rücksicht auf gefällige Erscheinung, ja selbst mit Vernachlässigung
derselben, die eng anliegende Gewandung, in welcher der Körper möglichst
stark zur Geltung kommt, und die malerische Behandlungsweise der kleinen
knitterigen Falten, die Vorliebe für die Ausführung in Bronze und die
dadurch bedingte Modellierung in Thon sind die hervorstechenden
Eigenschaften, welche den Paduaner Skulpturen des späteren Quattrocento
und teilweise der gesamten oberitalienischen Plastik eigentümlich sind.
Freilich, die Unmittelbarkeit der Naturanschauung und die dramatische
Gestaltung konnten diese Künstler dem großen Meister nicht absehen; die
Gefahr, die künstlerische Formensprache desselben zu übertreiben und zu
veräußerlichen, sie zur Karikatur zu machen, lag daher bei diesen
Nachfolgern Donatello's besonders nahe, und dieser Gefahr haben
keineswegs alle die Kraft eigener künstlerischer Empfindungsart mit
Erfolg entgegensetzen können.

Unter Donatello's Gehülfen am Hochaltar für den Santo war der tüchtigste
_Giovanni da Pisa_. Von ihm ist der Altar in der von Mantegna und
anderen Schülern Squarcione's ausgemalten Kapelle der Eremitani
erhalten: die Madonna thronend zwischen sechs Heiligen, in der Predella
die Anbetung der Könige, im Fries und Aufsatz spielende Putten; in Thon
im Relief gebildet, trotz des dicken modernen Anstrichs noch jetzt von
großem Reiz durch die Lebendigkeit der Komposition, die Frische und
Natürlichkeit der Gestalten.

[Abbildung: 163. Portallünette von Bellano (?).]

Ein jüngerer Schüler, der von Donatello auch in Florenz (und Perugia)
beschäftigte Paduaner _Bartolommeo Bellano_ (um 1430-1498), von Haus aus
weniger begabt, zeigt sich gelegentlich schon sehr manieriert. In dem
großen Marmorgrab des A. Rouzelli († 1466) im Santo folgt er mit
geringem architektonischen Sinn dem Vorbild des Marzuppini-Monuments.
Die gleichen Schwächen im Aufbau hat der Wandaltar in der Sakristei,
während hier das große Flachrelief in der Lünette mit der Darstellung
des Wunders vom gläubigen Esel eine lebendige freie Nachbildung der
gleichen Darstellung Donatello's am Hochaltar ist. Wie wenig das Talent
des Künstlers sonst für große dramatisch bewegte Kompositionen
ausreicht, beweisen die Bronzereliefs an den Chorschranken des Santo
(1484-1488) mit zahllosen ungeschickt gehäuften puppenartigen Figuren
von schlechten Verhältnissen und in verfehltem Hochrelief. In die letzte
Zeit seiner Thätigkeit fallen ein Paar große Grabmonumente, beide aus
umfangreichen Bronzetafeln zusammengesetzt: das des Paolo und Angelo de
Castro in den Servi (1492), und das des Pietro Roccabonella in
S. Francesco, über dessen Vollendung der Künstler hinstarb. Ersteres ist
lebendig in den beiden Reliefporträts, aber unglücklich im Aufbau und in
den Verhältnissen; letzteres lehnt sich in den beiden ganz bildartigen
Tafeln an venezianische Gemälde eines Bellini an; in den tüchtigen
Einzelfiguren ist es noch unter dem Einfluß von Donatello's Statuen am
Hochaltar.

[Abbildung: Bronzestücke von Riccio, Bellano u. A.]

Von der Madonna am Grabmal de Castro, die sich als genreartige
Umgestaltung von Donatello'schen Madonnenkompositionen seiner Paduaner
Zeit charakterisiert, besitzt die Berliner Sammlung das Thonmodell (No.
156A). Ein zweites Thonrelief der Madonna steht dem Donatello noch
besonders nahe (No. 156B). Von einer anderen größeren Madonnenkomposition
mit anmutigem genrehaften Charakter befindet sich in der Sammlung ein
alter Thonabdruck nach dem Marmororiginal in italienischem Privatbesitz
(bezeichnet und datiert 1461, No. 155A). Ein Paar ähnliche Madonnen des
Künstlers findet man in den Eremitani zu Padua, wo auch im Privatbesitz
verschiedene größere Darstellungen der Beweinung Christi in bemaltem
Thon erhalten sind, herbe, aber ausdrucksvolle Kompositionen. In Venedig
gehört dem Künstler augenscheinlich das dort besonders energisch
erscheinende Evangelistenrelief rechts vom Hauptportal von S. Zaccaria;
auch die Reliefs an den Chorschranken in den Frari verraten deutlich
seinen Charakter.

Dem Bellano ist _Giovanni Minello_ nahe verwandt, dem urkundlich ein
Paar Thonstatuen im Museo civico zu Padua angehören, nach deren
Verwandtschaft wohl auch die reichen, in ihrer alten Bemalung noch sehr
wirkungsvollen Wandaltäre an der inneren Eingangswand der Eremitani dem
Minello zuzuschreiben sind; Arbeiten aus dem letzten Viertel des
Quattrocento, deren Einzelfiguren voller und schöner erscheinen als die
Bellano's und deren reiche Ornamente schon den feinen Naturalismus und
die zierliche Bildung der gleichzeitigen venezianischen Monumente
zeigen. In besonders reicher, phantastischer Ausbildung kehrt dieselbe
Ornamentik an der berühmten von Minello begonnenen Marmorkapelle des
Santo wieder.

[Abbildung: Bronzestatuetten von Bellano, Sansovino (?) u. A.]

Diese Abschwächung Donatello'scher Traditionen durch den schlichten, auf
das Malerische gerichteten Naturalismus, wie er sich in Venedig in den
letzten Jahrzehnten des Quattrocento ausbildete, und durch einen engeren
Anschluß an die Antike, namentlich in der Gewandung und in den Motiven,
tritt noch stärker bei dem jüngsten Künstler dieser Richtung hervor, bei
_Andrea Briosco_ gen. _Riccio_ (der »Krauskopf«, 1470-1532). In ihm
erreicht die Paduaner Gießhütte ihre höchste und mannigfaltigste
Entwickelung. Riccio ist auch im Großen thätig gewesen. In S. Canziano
zu Padua befindet sich eine Pieta aus bemaltem Thon nebst verschiedenen
Statuetten, zu denen ursprünglich auch die edel empfundenen Halbfiguren
von Maria und Magdalena im Museo civico gehörten (1530). Der Dom von
Treviso besitzt von ihm die anmutige Marmorstatue eines hl. Sebastian
(1516). Das Wandgrab des Ant. Trombetta an der Eingangswand im Santo zu
Padua zeigt in einer Einrahmung von zierlichem Steinmosaik die
individuelle und meisterhaft durchgearbeitete Bronzebüste des
Verstorbenen (1522). Als freistehender Sarkophag mit zierlichen
Ornamenten ist das Grabmal Torriani in S. Fermo zu Verona gestaltet,
dessen Bronzen jetzt im Louvre sich befinden. In beiden Monumenten
verrät sich im Aufbau wie in der Dekoration der Kleinkünstler, der für
die Prachtmöbel der Kirchen wie der Paläste zu modellieren gewohnt war.
In der That liegt die Begabung und Bedeutung des Künstlers recht
eigentlich nach dieser Seite, und bei dem rasch wachsenden Wohlstand in
Venedig konnte sein Talent die reichste Bethätigung nach dieser Richtung
finden. Kleinere Kirchenmöbel wie Einrichtungsgegenstände des Hauses,
soweit sie für Bronzeausführung geeignet waren, sind in größter
Mannigfaltigkeit und reicher Zahl aus seiner Werkstatt hervorgegangen
und finden sich heute noch vereinzelt in den Kirchen und Sammlungen von
Padua (vor Allen der berühmte große Kandelaber im Santo, ausgeführt
zwischen 1507 und 1516) und Venedig, namentlich aber in den Sammlungen
des Auslandes. Kleine Altäre und Tabernakel, Kandelaber, Leuchter,
Lampen und Vasen, Mörser und Glocken, Kästchen und Tintefässer,
Kußtafeln für die Hausandacht, Hutagraffen, Schwertgriffe und ähnliche
Gegenstände sind noch jetzt in großer Zahl erhalten, teils vollständig,
teils in ihren einzelnen Täfelchen (Plaketten, vergl. S. 123). Frisch
und phantasievoll in der Erfindung, zeigen sie den feinsten Geschmack in
der Ausführung: zweckentsprechend und zierlich in der Form, elegant in
der Dekoration sind sie in ihrem figürlichen Schmuck, namentlich den
kleinen Reliefs, die mit großer Vorliebe daran angebracht sind, auf der
Höhe der großen Plastik, ja derselben in mancher Beziehung überlegen. In
der Unterordnung unter die Zwecke des Möbels, in der Wahl des
Reliefstils, in der Einordnung in den Raum sind diese Darstellungen
ihrer Mehrzahl nach ebenso ausgezeichnet, wie in der klaren Komposition,
in der lebendigen Erzählung, in der Meisterschaft der Durchführung und
in einer im Kleinen wahrhaft großen Auffassung. Ähnliche Vorzüge haben
auch die Statuetten und kleinen Gruppen des Künstlers, die gleichfalls
in größerer Zahl erhalten sind.

[Abbildung: Plaketten von Riccio, Ulocrino, Moderno, Caradosso (?) u. A.]

Der Anklang, den Riccio's Arbeiten fanden, führte eine Reihe anderer
Künstler, namentlich Goldschmiede und Medailleure, zur Nachfolge.
Zumeist waren auch sie in Padua thätig oder doch hier ausgebildet; ihre
zahlreichen Arbeiten sind leider der Mehrzahl nach namenlos oder mit
Beinamen und Monogrammen versehen, deren Entzifferung noch unsicher ist.
Hier seien nur einige der tüchtigsten namhaft gemacht. Stolz auf seine
Nachbildungen der Antike zeichnet der Eine sich _Antico_ (Pier Jacopo
Alari-Bonacolsi, 1460-1528); ein Anderer, Riccio nahe verwandt, giebt
sich im Bewußtsein seiner künstlerischen Selbständigkeit den Beinamen
_Moderno_; ein Dritter prunkt mit seiner Kenntnis der alten Sprachen in
dem Pseudonym _Ulocrino_ (»Krauskopf«, also gleichbedeutend mit »Riccio«,
der sich vielleicht hinter jenem Beinamen versteckt). Ein Künstler, den
man (wohl irrtümlich) für den am päpstlichen Hofe viel beschäftigten
Mailänder _Caradosso_ hält, ist durch kräftige Bildung seiner Gestalten
und dramatische Auffassung ausgezeichnet; der Jo. F. F. zeichnende
Künstler, in dem man bisher (wohl mit Unrecht) den Florentiner
Steinschneider _Giovanni delle Corneole_ vermutet hat, ist schlanker und
gefälliger in seinen Figuren, aber ein ebenso geschickter, echt Paduaner
Komponist und Erzähler. In dem Vicentiner Steinschneider _Valerio
Belli_, dessen überschlanke antikisierende Figuren und dessen nüchterne
Kompositionen schon den vollen Charakter der Hochrenaissance haben,
erreicht diese reizvolle Gattung der italienischen Kleinkunst ihren
Abschluß. In ähnlicher Richtung bewegt sich die Kunst des
Medaillengusses, die gleichzeitig und zum Teil von denselben Künstlern
ausgeübt wird und als eine der stilvollsten Bethätigungen der
Porträtdarstellung in der italienischen Kunst sich darstellt.

[Abbildung: Plaketten von Riccio, Ulocrino, Moderno, u. A.]

Wie das Berliner Museum im Münz- und Medaillenkabinet eine besonders
reiche und vollständige Sammlung der italienischen Medaillen von Vittor
Pisano bis auf die beiden Leoni besitzt, so hat die italienische
Abteilung der christlichen Plastik auch die reichhaltigste Sammlung von
Plaketten aufzuweisen, von denen einige besonders charakteristische
Stücke der tüchtigsten Meister nebenstehend in Abbildung wiedergegeben
sind. Einige vollständige Tintefässer, Lampen, Kußtafeln u. s. f.
erläutern die Art der Verwendung dieser kleinen Bronzetafeln. Auch von
kleinen Bronzestatuetten und Gruppen besitzt das Museum eine
reichhaltige wertvolle Sammlung, zu welcher der Grund erst kürzlich
durch den Ankauf der Falcke'schen Sammlung aus London gelegt wurde. Es
sind darin _Riccio_ (besonders zahlreich), _Bellano_, _Bertoldo_ und
unter den jüngeren _Cellini_ und _Gio. di Bologna_ gut vertreten sind
(vergl. die Abbildungen auf S. 123 und 125).

       *       *       *       *       *

Die Künstler der Padua benachbarten Städte erscheinen in unmittelbarster
Weise von Padua aus beeinflußt. In Mantua ist das geschmackvolle
Grabdenkmal des Andrea Mantegna in S. Andrea, mit der edlen Bronzebüste
vor einer Porphyrplatte, wahrscheinlich ein Werk des _Gianmarco Cavalli_
(geb. um 1450). Von dem als Gegenstück entstandenen Denkmal, dem
Monument des Karmelitergenerals und Dichters G. Spagnoli, besitzt die
Berliner Sammlung die ausdrucksvolle Bronzebüste (No. 160D), eine
treffliche Arbeit von herber Individualität. Als Modell für ein anderes
Denkmal desselben Mannes entstand gleichzeitig, vielleicht von der Hand
desselben Künstlers, die große Halbfigur in Holz in der Bibliothek zu
Mantua. Die Berliner Sammlung besitzt noch eine zweite große Bronzebüste
eines berühmten Mantuaners (No. 140), den Markgrafen Lodovico III.
Gonzaga als bejahrten Greis; nach der außerordentlich fleißigen und
vollendeten Durchführung, der künstlichen grünen Patina und den in
Silber eingesetzten Augen wohl die Arbeit eines Goldschmieds vom Ende
des Quattrocento.

[Abbildung: Plaketten von Riccio, Meister IO. F., V. Belli u. A.]

In Ferrara sind die wenigen erhaltenen plastischen Arbeiten dieser Zeit
von ausgesprochen Paduanischem Charakter. Als Altarschmuck des Domes
entstand das Krucifix zwischen den Figuren der Maria und des Johannes,
mit den Heiligen Mauritius und Georg zur Seite (1453-1466),
überlebensgroße Bronzefiguren, welche die beiden Florentiner
_Baroncelli_, Vater und Sohn, angefangen hatten und die der Paduaner
Donatello-Schüler _Domenico di Paris_ vollendete: ernste und tüchtige
Gestalten, nach dem Vorbilde der Donatello'schen Figuren auf dem
Hochaltar des Santo, aber etwas starr und im Charakter getriebener
Arbeiten. Breiter und freier behandelt sind (neben kleineren Arbeiten
des Künstlers, die in Ferrara zerstreut sind) Domenico's
Stuckdekorationen eines Saales im Palazzo Schiffanoja, die Gestalten der
Tugenden und Putten, die in ihren mageren, schlanken Körpern, ihren
kleinen Köpfen, den herben Zügen, den unruhigen Falten der am Körper
anklatschenden Gewänder die Abkunft von Donatello deutlich verraten und
die engste Verwandtschaft mit den ferraresischen Gemälden zeigen. Eine
sehr bezeichnende Arbeit dieser Art in der Berliner Sammlung ist die
fein empfundene Maria in Anbetung des schlafenden Kindes (No. 155),
welche sich in dem großen Altarbilde von Cosma Tura in unserer Galerie
fast treu wiederholt findet.

[Abbildung: 160D. Bronzebüste des G. Spagnoli von Gianmarco Cavalli (?).]

Auch nach Bologna erstreckt sich noch der Einfluß der Paduaner Kunst.
Quercia's langjährige Thätigkeit hatte hier keine unmittelbare Nachfolge
gefunden; das Grabmal Fava († 1439) im Chorumgang von S. Giacomo
Maggiore ist nur eine geistlose Nachahmung von Quercia's Grabmal
Bentivoglio, wohl von der Hand eines seiner Gesellen. Erst zwanzig Jahre
nach Quercia's Tode tritt wieder ein Künstler von ausgesprochener
Eigenart in Bologna auf, einer der tüchtigsten und originellsten
Bildhauer des Quattrocento, der Süditaliener _Niccolo dell' Arca_
(† 1494). Das erste datierte Werk, das Monument mit dem bemalten
Reiterrelief des Annibale Bentivoglio in S. Giacomo Maggiore (vom Jahre
1458), ist noch ziemlich nüchtern und unbedeutend. Erst der Aufsatz auf
der Arca des hl. Dominicus in S. Domenico, an dem der Künstler seit 1469
arbeitete, gab Niccolo Gelegenheit, seine Eigenart voll auszubilden und
aufs Vorteilhafteste zur Geltung zu bringen. Phantastisch in Marmor
aufgebaut, mit reichem Pflanzenschmuck von vollendet naturalistischer,
zierlichster Durchbildung, ist dieses Denkmal auch in seinen Statuetten
von Heiligen und Propheten, die ringsum angebracht sind, von so frischem
Naturalismus, die Figuren sind so keck und frei in Haltung und Ausdruck,
so malerisch in dem reichen Zeitkostüm mit den vollen Falten, daß hier
das Vorbild Quercia's unverkennbar ist. Der köstliche lockige Engel
links zur Seite des Marmorschreins ist lange als ein Meisterwerk
Michelangelo's bewundert worden, dessen eigene Arbeit unbeachtet diesem
Engel gegenüber stand.

Ein zwischen der Arbeit an diesem umfangreichen Werk ausgeführtes großes
Madonnenrelief aus Thon an der Fassade des Palazzo Apostolico (1478) ist
in der überreichen, ganz an Quercia gemahnenden Gewandung nicht von
gleichem Reiz wie der in ganz eigener Weise in Bronze und Marmor
gearbeitete Grabstein Garganelli († 1478) im Museo Civico zu Bologna.
Ein aus Bologna stammendes Thonrelief der Madonna, die von Cherubim
hochgetragen wird, Kolossalfiguren in Thon mit alter Bemalung im Besitze
der Berliner Sammlung (No. 191A), ist zwar nicht auf Niccolo selbst
zurückzuführen, zeigt aber in ihrer schlichten Naturbeobachtung,
namentlich im Kind, Verwandtschaft mit den frühesten Werken dieses
Künstlers.

Mit Niccolo tritt in Bologna ein Mantuaner Meister um die siebziger
Jahre in die Schranken, _Sperandio_ (um 1425-1500), über dessen groß
empfundenen und breit und derb behandelten Medaillen seine selteneren,
meist in Thon ausgeführten großen Bildwerke bisher vergessen waren. Von
seiner Hand ist der Unterbau des Grabmals Papst Alexanders V. in San
Francesco, die Flachreliefs mit den Gestalten der Tugenden und die
Statuetten der Madonna zwischen zwei Heiligen über der Grabfigur
(vollendet 1482); flüchtige Arbeiten, die in den mageren Figuren und den
knitterigen Falten ihre Herkunft aus der Paduaner Werkstatt Donatello's
nicht verleugnen. Ebenso stark, aber in vorteilhafterer Weise verrät
sich dieser Einfluß auch in dem reich dekorierten Portal der Chiesa la
Santa, mit kräftigen Puttengestalten zwischen ganz Donatello'schen
Ornamenten. Am günstigsten erscheint Sperandio in der Porträtdarstellung;
wie in den kleinen Reliefporträts seiner Medaillen, so auch in den
großen Thonbüsten vornehmer und gelehrter Bolognesen, die sich noch
vereinzelt im Privatbesitz erhalten haben; Arbeiten von einfacher, aber
überraschend lebensvoller Auffassung und breiter, derber Wiedergabe der
Persönlichkeit.

[Abbildung: 191A. Madonna in bemaltem Thon von einem Bologneser
Meister um 1460.]

In der jüngeren Generation der Bologneser Bildhauer, unter denen
_Vincenzo Onofri_ der namhafteste ist, schwächt sich die Frische und
Kraft des Naturalismus eines Niccolo dell' Arca und Sperandio mehr und
mehr zu einer mehr schüchternen, zuweilen selbst schwächlichen
Auffassung und sauberer und zierlicher Behandlungsweise ab. Ihre
Arbeiten sind den Werken der gleichzeitigen Maler: der Costa, Aspertini,
Francia u. s. f. aufs engste verwandt. Das Grabmal Nacci in S. Petronio,
ein Jugendwerk des Onofri, die Büste des Beroaldus in S. Martino
Maggiore (1504) und der farbige Altar mit dem Relief der Madonna
zwischen Heiligen und Engeln in den Servi (1503), beide gleichfalls von
Onofri, ein Professorengrab im Kreuzgang von S. Martino Maggiore (1503)
und ein dem _Francesco Francia_ zugeschriebenes Marmorporträt des Giov.
Bentivoglio II. in S. Giacomo Maggiore, in flachem Relief ausgeführt
(1497), sind charakteristische und gute Arbeiten dieser Richtung, aus
der auch das Berliner Museum ein Hauptwerk besitzt (No. 191): die in
ihrer feinen Bemalung erhaltene Büste eines vornehmen Bolognesen. Sie
gilt von Alters her als Arbeit des Fr. Francia, dessen gemalten
Bildnissen sie in der That nahe verwandt ist.

In dem Kirchlein Sa. Maria della Vita zu Bologna ist eine große Gruppe
der Beweinung Christi versteckt, als deren Urheber erst neuerdings
_Niccolo dell' Arca_ erkannt worden ist. Obgleich am falschen Platze und
in schlechter Beleuchtung, entstellt durch dicken braunen Anstrich und
schlechte Restaurationen, namentlich der Hände, ist diese Gruppe doch
noch von überraschender, freilich teilweise entschieden abschreckender
Wirkung. In verzweifeltem Schmerz umstehen die Verwandten den Leichnam
des Herrn, die Frauen laut schreiend und in Verzweiflung sich über den
Leichnam werfend oder ohnmächtig daneben zusammensinkend. Die zufällige
Zusammenstellung dieser großen Freifiguren zu einer Gruppe, die volle
naturalistische Durchbildung derselben, welche soweit geht, daß die
meisten Figuren sogar im Zeitkostüm auftreten, steigert den
übertriebenen Ausdruck des Schmerzes bis zu einem widerwärtigen Eindruck
der Natürlichkeit und des Augenblicklichen (vgl. S. 132f.). Aber gerade
durch diese Eigenschaften, in Verbindung mit der Bemalung und
Aufstellung in Nischen, scheinen diese und ähnliche regelmäßig in Thon
ausgeführte Gruppen einen außerordentlichen Anklang gefunden zu haben.
Wenigstens fand Niccolo in dem Modenesen _Guido Mazzoni_ (um 1450-1518)
einen Nachfolger, der seine Thätigkeit fast ausschließlich auf solche
Gruppen der Beweinung des Leichnams Christi, Krippen u. s. f.
beschränkte und damit in den verschiedensten Teilen Italiens den größten
Erfolg hatte und selbst in das Ausland berufen wurde. Einfacher und
weniger dramatisch in der Auffassung als Niccolo dell' Arca, wählt er
seine Modelle mitten aus dem Volk und geht in der naturalistischen
Wiedergabe derselben bis auf ihre Tracht und alles Beiwerk in der völlig
genreartigen Behandlung seiner biblischen Motive noch über sein Vorbild
hinaus, so daß nur seine biedere, ernste Auffassung eine lächerliche
oder abschreckende Wirkung dieser Gruppen verhindert. Die früheste
derselben, die große Gruppe der Beweinung in S. Giovanni decollato zu
Modena (1477-1480), ist wohl seine tüchtigste und sorgfältigste Arbeit;
sie wirkt weit weniger banal als die Anbetung des Kindes in der Krypta
des Domes oder wie die sehr ungünstig aufgestellte Gruppe der Beweinung
Christi in der Chiesa di Montoliveto zu Neapel. Nach Neapel wurde der
Künstler 1491 berufen und führte hier wahrscheinlich auch die einfache,
lebensvolle Bronzebüste des Königs Ferrante im Museo Nazionale aus. Die
Beweinungsgruppe in S. M. della Rosa zu Ferrara ist der Gruppe in
S. Giovanni zu Modena nahe verwandt, wenn auch nicht gewachsen. -- Das
Berliner Museum besitzt, als einziges Stück seiner Hand außerhalb
Italiens, das Bruchstück einer solchen Gruppe: den Kopf eines Stifters,
ernst und schlicht in der Auffassung, treffend lebensvoll auch in der
unberührten alten Bemalung.

Guido's Gruppen haben in Modena im Cinquecento eine klassische
Weiterbildung durch Begarelli erhalten (S. 167); sie haben aber noch zu
seiner Zeit Nachahmer gefunden, namentlich in der Lombardei, deren
Arbeiten in erster Linie auf unmittelbare Wirkung auf die Andacht
berechnet und daher regelmäßig an Wallfahrtsorten oder an wunderthätigen
Altären aufgestellt waren.

       *       *       *       *       *

Auch die bildnerische Kunst der Lombardei zeigt den Einfluß des
Quattrocento, in die Bahnen der Renaissance einlenkte. Freilich waren
schon vorher an verschiedenen Orten florentiner Künstler thätig gewesen.
Der Mitarbeiter Donatello's bei der Statue am Campanile in Florenz,
_Giovanni Bartolo_ gen. _Rosso_, errichtete in S. Fermo zu Verona schon
bald nach dem Jahre 1420 jenes imposante Wandgrab der Familie Brenzoni
mit dem Hochrelief der Auferstehung, dessen kräftige Gestalten einen
frischen Realismus zeigen, der aber von gotischen Traditionen noch nicht
frei ist. Den gleichen Charakter hat das Monument des Cortesia Sarego in
Sa. Anastasia (1432), mit der energischen Reiterfigur des Feldherrn
zwischen seinen Knappen; und in derselben Kirche besteht der Wandschmuck
der Capella Pellegrini aus einer Folge von Thonreliefs aus dem Leben
Christi, welche etwa gleichzeitig von einem florentiner Künstler im
ähnlichen Übergangsstile ausgeführt wurden (vgl. S. 51). Aber diese
Arbeiten fremder Künstler fanden keine Nachfolger unter den heimischen
Bildhauern. Ähnlich war es in Mailand. Donatello's Schüler und
Mitarbeiter _Michelozzo_ war hier seit 1456 thätig. Seine Bauten, die er
für die Vertreter des Bankhauses Medici, für die Portinari errichtete,
sind mit dekorativen Skulpturen verziert, welche in ihren Putten und
Fruchtkränzen den Charakter seiner von Donatello abhängigen, aber etwas
schwerfälligen und wenig belebten Plastik zeigen, dabei aber auch schon
dem lokalen Geschmack in Anordnung, Kostümen u. s. f. Rechnung tragen.
Dies gilt sowohl für das Portal der Mediceerbank (jetzt in der Brera)
wie für die Pilaster und die Kuppelverzierungen der Cappella Portinari
in S. Eustorgio (Engel mit Kränzen). Aber auch in Mailand setzt an diese
Arbeiten nicht unmittelbar und nicht direkt eine lokale Kunstthätigkeit
an; wie in Verona haben solche florentiner Bildwerke zweifellos später
anregend gewirkt, aber sie waren nur ein Moment bei der Belebung der
einheimischen Renaissanceplastik in der Lombardei und nicht das
entscheidende.

Der Charakter der lombardischen Skulptur, die bald nach der Mitte des
Jahrhunderts an verschiedenen Orten in sehr verwandter, scharf
ausgeprägter Weise gleich mit zahlreichen und umfassenden Werken
auftritt, weist vor Allem auf den Einfluß der Paduaner Schule
Donatello's, den die fahrenden comaskischen Steinmetzen und Bildhauer
aus Padua und Venedig in die Heimat zurückbrachten. Die den
lombardischen Bildwerken eigentümlichen hageren, sehnigen Gestalten, der
unruhige, knitterige Faltenwurf der am Körper anklatschenden Gewänder,
das Streben nach dramatischer Schilderung figurenreicher Darstellungen
und nach starkem Gefühlsausdruck entspricht ganz der Paduaner Kunst,
Aber eine ungenügende Kenntnis der Natur und eine meist oberflächliche
Durchführung lassen diese Arbeiten nur ausnahmsweise zu voller
künstlerischer Reife gelangen; im Ausdruck sind sie in der Regel
schwächlich oder verzerrt, in der Formenbildung übertrieben und
karikiert, in der Anordnung überhäuft. Die Freude an bilderischem
Schmuck, einmal belebt, ist alsbald wieder eine so große und allgemeine,
daß die Künstler das Innere und Äußere der Gebäude damit bedecken und,
da sie Architekten und Bildhauer zugleich sind, ihren höchsten Triumph
darin suchen, die architektonischen Formen in Bildwerke geradezu
aufzulösen. Dabei ist die Vorliebe für kleine Figuren, für die Häufung
zahlreicher Scenen und Figürchen, für die Ausführung in Holz, wo es der
Platz erlaubte, und für reiche Bemalung und Vergoldung offenbar durch
die Berührung mit der deutschen Kunst, wenn nicht angeregt, so doch
wesentlich gefördert; denn diese Eigenschaften sind in den der deutschen
Grenze benachbarten Orten am stärksten ausgeprägt. Keine andere Provinz
von Italien ist so reich an Skulpturen dieser Zeit; aber kaum an einem
anderen Platze sind dieselben so wenig unterschieden, drücken so wenig
die Individualität ihrer Meister aus, wie gerade in der Lombardei. Die
Künstler lassen sich an der dekorativen Wirkung ihrer Bildwerke genügen;
daher fehlt es denselben an absolutem künstlerischen Wert und an dem
Reiz der künstlerischen Eigenart. Andererseits hat aber gerade die neu
belebte Lust am Bauen und Meißeln, welche schon im XII. und XIII. Jahrh.
die Steinmetzen der Lombardei, namentlich aus Como und Umgebung, ihren
Weg durch ganz Italien finden ließ, auch jetzt wieder zahlreiche
Lombarden als fahrende Künstler über die Grenzen ihrer Heimat
hinausgetrieben, und sich in den meisten Provinzen Italiens, außerhalb
Toskanas, wie als Architekten so auch als Bildhauer bethätigen lassen.
Unter ihnen sind einzelne Künstler, dank der Berührung mit der fremden
Kunst, von einer Bedeutung, wie sie keiner der lombardischen Bildhauer
in der Heimat besitzt. Gerade hierin liegt auch in dieser Periode die
hervorragende Bedeutung der lombardischen Skulptur.

Der Baueifer einzelner Tyrannen, namentlich der Visconti und Sforza,
sowie des Condottiere Colleoni, der ihnen darin nacheiferte, bot den
Bildhauern der Lombardei Gelegenheit, sich in ihrer Kunst nach
Herzenslust in unerhörter Pracht zu zeigen. Die Certosa bei Pavia, deren
Bau und Ausstattung fast ganz in diese Zeit fallen, hat in zierlicher
Eleganz der Arbeit, in Pracht des wertvollen prunkenden Gesteins nicht
ihres Gleichen in Europa; der Mailänder Dom erhielt jetzt seine graziöse
Kuppel, die mit einem Wald von zierlichen Marmorpfeilern umkleidet
wurde, den Tausende von kleinen und großen Statuen schmücken; und
Bartolommeo Colleoni ließ für sein und seiner Tochter prunkendes Grabmal
neben S. M. Maggiore in Bergamo, deren Fassade er hatte erbauen lassen,
eine Kapelle aus farbigem Marmor herstellen, die ein wahrer
Schmuckkasten reichster und sauberster Renaissancearbeit ist. Die
hervorragendsten Künstler dieser Bildwerke, Baumeister zugleich, sind
anfangs _Cristoforo Mantegazza_ († 1482) und sein Bruder _Antonio
Mantegazza_ († 1493). _Gianantonio Amadeo_ (1447-1522), der für Bart.
Colleoni jene Grabkapelle arbeitete und die Monumente darin errichtete,
ist (seit 1477) ihr Nachfolger am Bau der Certosa und übernimmt 1499 die
Leitung des Dombaues in Mailand. An beiden Orten entstehen gleichzeitig
zahlreiche Statuen und Monumente in seiner Werkstatt, denen sämtlich
mehr oder weniger der herbe, oft karikierte Charakter der Figuren, der
unruhige Faltenwurf, die Überfüllung mit Motiven und kleinen Figuren
innewohnt, der auch die Arbeiten der beiden Mantegazza kennzeichnet.

Das früheste bisher nachweisbare Werk lombardischer Renaissance ist die
Fassade der Taufkapelle im Dom von Genua, von _Dom_. und _Elia Gagini_
und _Giovanni da Bissone_ seit 1448 ausgeführt. Später und weicher sind
die Arbeiten des _Ant. Tamagnini_ und _Pace Gagini_ im Pal. San Giorgio
ebenda; herber und eckiger die Bildwerke, mit denen namentlich _Tommaso
Rotari_ während seiner Leitung des Dombaues in Como (1487-1526) die
Kirche innen und außen geschmückt hat. Ein Altersgenosse, _Vincenzo
Foppa_ gen. _Caradosso_ (um 1445-1527), der als Goldschmied und
Stempelschneider später am Hofe der Päpste Jahrzehnte lang beschäftigt
war, hat in Mailand als Gehülfe Bramante's bei der Ausschmückung der
Sakristei von S. Satiro in den Thonreliefs mit spielenden Putten, welche
Medaillons mit Charakterköpfen umgeben, Werke von reinerem plastischen
Gefühl und lebensvollerer Durchbildung geschaffen, welche das Studium
Donatello'scher Arbeiten verraten (um 1488). In der wohl früher
entstandenen großen Freigruppe der Beweinung Christi in derselben Kirche
(wenn mit Recht ihm beigemessen?) verfolgt er die Richtung des G.
Mazzoni in stilvoller, größerer Weise. Von den jüngeren Künstlern haben
_Tommaso Cozzanigo_ und _Andrea Fusina_ in den Mailändischen Kirchen
eine Anzahl kleinerer Grabmonumente hinterlassen, die durch ihre
Beschränkung, durch feines Gefühl für Verhältnisse und zierliche
Dekoration vor jenen älteren Monumenten wie vor den weit berühmteren
Denkmälern ihrer Zeitgenossen _Cristoforo Solari_ und _Agostino Busti_
gen. _Bambaja_ (1480-1548) weitaus den Vorzug verdienen. Namentlich in
Bambaja artet die Zierlichkeit der Arbeit, selbst in seinem Hauptwerke,
dem Grabmal des Gaston de Foix (jetzt in einzelnen Teilen in den Museen
von Mailand, Turin, London u. s. f.) gar zu leicht in Zuckerbäckerwerk,
die Eleganz der schlanken Figürchen mit ihren Gewändern mit zahllosen
kleinen Parallelfalten in leere Manier, die Lieblichkeit der Köpfe in
süßliche Ziererei aus. Der Künstler, der jünger ist als die meisten
Bildhauer der Hochrenaissance und sie zum großen Teil überlebt, hat
daher auch nicht die Kraft gehabt, aus der manierierten Weiterbildung
der lombardischen Frührenaissance in die Bahnen der Hochrenaissance voll
einzulenken.

Das Berliner Museum besitzt verschiedene lombardische Bildwerke dieser
Zeit. Ein Marmorrelief der Caritas (No. 208A) ist ein bezeichnendes Werk
eines der Künstler der Fassade der Johanniskapelle im Dom zu Genua; ein
Profilporträt in Marmor ist eine charakteristische Arbeit des C. Solari
(No. 201); und unter mehreren Bruchstücken bemalter Holzaltäre ist
namentlich eine Scene aus dem Leben des hl. Bernhard (No. 199) eine
besonders gute Arbeit dieser Art.

       *       *       *       *       *

Die Plastik Venedigs erhält die entscheidende Anregung zu einer neuen
Entwickelung gleichfalls von Padua; namentlich durch den von der
Republik bevorzugten Bellano, von dessen Thätigkeit in Venedig wir
leider noch keine genügende Vorstellung haben (vgl. S. 122 f. Ein
Denkmal dieser seiner Thätigkeit besitzt die Berliner Sammlung
wahrscheinlich in der Portallünette der Scuola di S. Giovanni; Abbild.
S. 122). Sein Einfluß verrät sich noch in den frühesten Arbeiten jener
lombardischen Bildhauer, die in Venedig nicht nur eine hervorragende
Thätigkeit ausübten, sondern recht eigentlich die Plastik Venedigs für
ein halbes Jahrhundert bestimmten. Dieser neue Zuzug lombardischer
Bildhauer beginnt aber erst nach der Mitte des XV. Jahrh., nachdem sich
in Venedig schon längere Zeit eine bedeutende bildnerische Thätigkeit in
ausgesprochenem Charakter der Renaissance entfaltet hatte. Ein Paar
florentiner Bildhauer, _Piero di Niccolo_ und _Giovanni di Martino_,
hatten das Dogengrab des Tom. Mocenigo († 1423) errichtet, in dem sich
handwerksmäßige Künstler unter dem Einfluß der früheren Werke
Donatello's und Michelozzo's bekunden; ein anderer anonymer Florentiner,
der »_Meister der Pellegrinikapelle_«, ist der Künstler des Monuments
des Beato Pacifico Buon (1435, vgl. S. 51 f.); zwei dem Namen nach
unbekannte Florentiner (wohl identisch mit dem eben genannten Künstler
des Grabmals Tom. Mocenigo) sind etwa gleichzeitig Mitarbeiter an den
Kapitellen des Dogenpalastes, und _Donatello_ selbst hat um die Mitte
des Jahrhunderts von Padua aus für den Chor der Frari die Figur des
Täufers geschnitzt. Alle diese Künstler, die freilich einen
unmittelbaren Einfluß auf ihre venezianischen Mitarbeiter nicht
ausübten, schärften doch ihren Sinn für die Natur, förderten das
Verständnis derselben und führten dadurch in Venedig die Plastik
allmählich und fast unmerklich aus der Gotik in die Renaissance über.
Schon die Gruppen am Dogenpalast haben bis in die Durchführung im
Einzelnen einen ausgesprochenen Naturalismus, wenn ihnen auch die innere
Belebung mangelt. Die reichen Bildwerke am Portal des Dogenpalastes, der
sog. Porta della Carta, welche unter der Leitung des _Bartolommeo Buon_
seit dem Jahre 1439 ausgeführt wurden, zeigen bei ähnlichem Charakter in
Bewegung und Ausdruck bereits eine viel feinere Belebung, namentlich in
dem großartigen Kopf des Dogen Foscari (das Original im Museum des
Dogenpalastes) und in den nackten Putten. Der Künstler verleugnet sich
darin freilich nicht als Nachfolger der Massegne; die schönen vollen
Formen und der gehaltene Ernst sind ein Erbteil der älteren
venezianischen Schule.

Zum Schmuck der Rückseite dieses großen und tiefen Eingangsbaues
fertigte ein lombardischer Künstler, _Antonio di Gio. Rizo_ aus Verona,
im Jahre 1462, die Statuen von Adam und Eva. Hier kommt die neue Zeit
zum ersten Mal voll und in ganz eigenartiger Form zur Geltung. Diesen
beiden großen nackten Figuren wohnt ein so energischer, unverhohlener
Realismus inne, wie irgend einem Werke der bahnbrechenden Florentiner
Meister; aber er äußert sich in naiverer, derberer Weise, ähnlich wie
gleichzeitig in der nordischen Kunst, namentlich bei den Gebrüdern van
Eyck (man vergl. die Eva mit unserer Ältermutter vom Genter Altarbild).
Vor den nordischen Künstlern hat der Veronese jedoch voraus, daß er das
Motiv, den geistigen Gehalt auch in Ausdruck und Bewegung, wenigstens
beim Adam, voll und groß wiedergiebt. Die bekleideten Figuren des bis zu
seiner Flucht aus Venedig 1498 namentlich als Architekt hervorragend
thätigen Künstlers, wie der Schildhalter in antiker Rüstung im Hofe des
Dogenpalastes (zur Seite des Adam), die beiden Tugenden und die
Dogenstatue am Grabmal Tron († 1472), zeigen Rizo in der eng
anliegenden, knitterigen Gewandung, in den knochigen schlanken Gestalten
mit kleinen Köpfen als ausgesprochenen und hervorragenden Schüler der
Paduaner Schule, dem Maler Andrea Mantegna verwandt.

Obgleich Rizo ohne besondere Eigenart in dem Aufbau seiner Denkmäler
ist, obgleich er größeren Kompositionen, deren uns wenigstens keine von
seiner Hand bekannt ist, aus dem Wege geht, hat doch die freie Erfindung
und die breite naturalistische Durchbildung seiner Einzelfiguren auf die
weitere Entwickelung der venezianischen Plastik einen bestimmenden
Einfluß gehabt. Schon _Pietro Solari_ gen. _Lombardo_ († 1515), ein
jüngerer Landsmann und als solcher auch wieder Bildhauer und Architekt
zugleich, erscheint ebenso sehr von Rizo wie von Bellano beeinflußt.
Seine eigene umfangreiche Thätigkeit und die Werke seiner tüchtigen
Schüler, die er namentlich in seinen Söhnen Tullio und Antonio groß zog,
geben der Erscheinung Venedigs noch heute einen wesentlichen Teil ihres
Charakters. Die lombardische Lust an vielgegliedertem und dadurch oft zu
leicht motivlosem und kleinlichem Aufbau der Monumente ist bei Pietro
und seinen Söhnen durch das venezianische Formengefühl gemäßigt; die
dekorative Verwendung der Bildwerke wird durch die venezianische Freude
an der Durchbildung vor Ausartung in Flüchtigkeit bewahrt, und die herbe
Formenbildung, wie das unruhige, knitterige Faltenwerk der Lombarden
erscheinen hier durch den venezianischen Schönheitssinn und die Studien
nach der Antike, namentlich nach griechischen Bildwerken, auf ein
glückliches Maß eingeschränkt. Ist bei Pietro seine Herkunft von der
lombardischen Kunst immer noch deutlich erkennbar, so ist bei seinen
Söhnen die Umbildung in den venezianischen Charakter schon so stark
ausgeprägt, daß sie in manchen ihrer Bildwerke schon nüchtern und
weichlich erscheinen.

Pietro Lombardo hat seine größeren Arbeiten meist mit seinen Söhnen und
anderen Gehülfen zusammen ausgeführt; auch diesen Werkstattarbeiten ist
regelmäßig der Charakter des Meisters mehr oder weniger stark
aufgeprägt. Als eigenhändige und frühere Werke erscheinen die
bezeichneten Statuetten von Hieronymus und Paulus in Sto. Stefano, die
beiden Altäre mit einzelnen Heiligen in der Markuskirche und der Schmuck
des Chors von San Giobbe. Das früheste seiner größeren Monumente, das
des Dogen Nic. Marcello († 1474) in S. Giovanni e Paolo, schließt sich
dem A. Rizo noch so eng an, daß es eine Zeit lang für eine Arbeit
desselben galt. Im Aufbau wie in der Durchführung der Figuren ist dies
wohl das feinste unter Pietro's Monumenten, während das Dogengrab P.
Mocenigo († 1476) in derselben Kirche in dem reicheren Aufbau, in der
Fülle von Figuren in antikem Kostüm und den Reliefs mit antiken Motiven,
in den herberen Formen die Eigenart des Künstlers noch schärfer
ausspricht. Eine Reihe kleinerer Grabmäler in und außerhalb Venedigs,
namentlich in Ravenna und Treviso, der Schmuck einzelner Prachtfassaden
an öffentlichen Bauten und Palästen, verschiedene Madonnen in Altären
und Tabernakeln lassen sich nach dem gleichen Charakter gleichfalls dem
Pietro Lombardo zuschreiben.

[Abbildung: 164. Hl. Hieronymus von B. Buon (?).]

Pietro's Sohn, _Tullio Lombardo_, hat schon früh auch außerhalb der
Werkstatt seines Vaters selbständig gearbeitet: der Wandaltar in
S. Martino datiert schon von 1484, und das große Relief der Krönung
Mariä in S. Giovanni Crisostomo, die Gruppen der Beweinung Christi in
S. Lio (vielleicht noch von Pietro?) und in S. M. della Salute, sowie
die Reliefs an der Scuola di S. Marco gehören gleichfalls wohl seiner
früheren Zeit, während seine Beteiligung am Schmuck von Sta. M. de'
Miracoli und an den Reliefs der Antoniuskapelle in Padua (1501 und 1525)
erst in die ersten Jahrzehnte des Cinquecento fallen, ohne jedoch eine
wesentliche Änderung im Charakter aufzuweisen. In den meisten dieser
Arbeiten, namentlich in den späteren, steht Tullio im Figürlichen
entschieden hinter seinem Vater zurück; die Falten seiner Gewänder sind
in ihrer zierlichen parallelen Bildung fast ebenso behandelt, wie die
sauber gekämmten Haare; die Anordnung ist durch ihre Gleichmäßigkeit
nüchtern; und die ruhige Haltung der Gestalten des Pietro wird bei
Tullio zu starrer Leblosigkeit, welche die mit Vorliebe von ihm
gewählten bewegten Scenen karikiert und verzerrt erscheinen läßt.
Tullio's jüngerer Bruder _Antonio Lombardo_ († 1516) zeigt in den von
ihm allein ausgeführten Arbeiten, wie in einem der Reliefs in der
Antoniuskapelle zu Padua (1505), in den kleinen Reliefs am Grabmal
Mocenigo in S. Giovanni e Paolo, in einer Reihe ähnlicher Kompositionen
im Museum des Dogenpalastes, im Louvre und namentlich in der Sammlung
Spitzer zu Paris zwar gleichfalls eine gewisse Kälte und Nüchternheit
der Handlung: er ist Tullio aber überlegen durch sein an der Antike
gebildetes Schönheitsgefühl, das sich in der Bildung seiner Gestalten,
seiner Gewandung und Komposition aufs deutlichste bekundet.

[Abbildung: 166. Marmorstatue von A. Leopardi (?).]

Ähnliche Vorzüge zeichnen die Werke des _Alessandro Leopardi_ († 1522)
aus, der wohl mit den jüngeren Lombardi bei Pietro Lombardo ausgebildet
wurde. Er war vorwiegend als Architekt und Dekorator beschäftigt. Nach
Verrocchio's Tode zur Vollendung des Colleoni-Monuments berufen, hat er
den trefflichen Sockel mit dem Waffenfries entworfen und ausgeführt, der
so wesentlich zur großartigen Wirkung des Denkmals beiträgt. Von seiner
Hand ist die Dekoration und teilweise auch der bildnerische Schmuck des
umfangreichsten und schönsten aller Grabmäler Venedigs, des
Dogenmonuments A. Vendramin († 1478, vollendet 1494) in S. Giovanni e
Paolo; seine Arbeit sind die bronzenen Flaggenhalter auf dem Markusplatz
(1500-1505), sowie einzelne Teile am Monumente des Kardinals Zeno mit
dem reichen Bronzeschmuck des Altars seiner Grabkapelle in S. Marco
(1501-1515). Seine Monumente sind gleichmäßig ausgezeichnet durch den
feinen architektonischen Sinn, die graziöse Ornamentik, die schöne
Gliederung und Verteilung des bildnerischen Schmuckes, den
geschmackvollen Aufbau der Kompositionen, den feinen, der
architektonischen Wirkung entsprechenden Reliefstil, die vollen, schönen
Gestalten mit dem sinnigen, schwärmerischen Ausdruck, der vornehmen
Haltung, dem zierlichen Faltenwurf und der sauberen Durchführung. Auch
hier freilich erhebt sich die venezianische Plastik nicht zu der
künstlerischen Freiheit, Größe und Gestaltungskraft der florentiner
Skulptur oder der gleichzeitigen Malerei in Venedig; aber in ihrer
dekorativen Wirkung und im Zusammenklang mit der Architektur kommt sie
der florentiner Plastik nahe.

[Abbildung: 183. Profilporträt einer jungen Venezianerin, um 1500.]

Die Zahl der Monumente dieser Zeit in Venedig ist eine außerordentlich
große; auch in den Venedig unterworfenen Landstädten, bis Verona und
Brescia, bis in die Marken und nach Istrien und Dalmatien, haben die
Bildwerke dieser Zeit durchaus venezianischen Charakter. Die Zahl der
Künstler, welche neben und außerhalb der Werkstätten der genannten
großen Meister beschäftigt wurden, war zweifellos noch eine
beträchtliche; nur von Wenigen, wie _Antonio Dentone_, _Camelio_,
_Andrea Vicentino_, _Pyrgoteles_ u. a. sind uns beglaubigte Arbeiten
erhalten. Dieselben schließen sich fast alle mehr oder weniger der
Richtung des Pietro Lombardo und seiner Schüler an. Das Berliner Museum
ist reich an venezianischen Bildwerken dieser Zeit, von denen sich
jedoch nur wenige mit Sicherheit auf bestimmte Künstler zurückführen
lassen. Eine ernste, vornehme Figur, der hl. Hieronymus in Hochrelief,
gilt als ein Werk des Bart. Buon (No. 164), dem er wenigstens verwandt
und ebenbürtig ist. Von Leopardi's Grabmal Vendramin stammen die beiden
großen, bis auf einen Schurz nackten Wappenhalter (No. 165 und 166),
schöne Jünglingsgestalten mit klagendem Ausdruck. Für den eigentümlich
flachen Reliefstil, der sich an zahlreichen Monumenten Venedigs gegen
Ende des XV. Jahrh. findet und dessen Vorbilder wohl Donatello's Reliefs
am Hochaltar im Santo waren, ist ein marmornes Antependium mit Engeln,
welche spielen oder die Marterinstrumente Christi halten (No. 172),
besonders charakteristisch. Auch von den seltenen venezianischen
Bildnissen dieser Zeit besitzt die Sammlung verschiedene tüchtige
Beispiele: die einfache, sehr individuell gehaltene Thonbüste eines
älteren Mannes mit langem Haar (No. 167) und unter mehreren Flachreliefs
namentlich das feine Marmorrelief einer jungen Dame im Profil (No. 183),
in dem hohen Kopfputz, wie wir ihn in Carpaccio's Bildern finden.

       *       *       *       *       *

Die Plastik des Quattrocento in Rom hat mit der venezianischen manche
Züge gemeinsam. Angeregt von außen, wird sie im Wesentlichen durch
fremde Künstler geübt und geht mehr auf reiche dekorative Wirkung als
auf künstlerische Durchbildung aus. Doch wird in Rom mit der Tradition
viel gründlicher gebrochen als in Venedig; der Charakter der römischen
Kunst im Quattrocento ist auch weniger geschlossen und beruht in viel
geringerem Maße auf lokalen Bedingungen. Die Kunstübung ist daher
vielfach von den Launen der Besteller abhängig und hat, trotz aller
Pracht des Materials und dem Umfange der Monumente, einen stark
handwerksmäßigen Beigeschmack. Dieser zeigt sich auch in dem nur für Rom
charakteristischen häufigen, ja beinahe regelmäßigen Zusammenarbeiten
verschiedener Bildhauer an demselben Monumente, das an sich schon die
einheitliche künstlerische Wirkung beeinträchtigt; eine
Eigentümlichkeit, welche ihren Grund in der Ruhmsucht der Kirchenfürsten
hatte, die noch bei Lebzeiten ihre Denkmäler vollendet sehen wollten.

Die Monumente, welche in Rom Ende des XIV. und im Anfange des XV. Jahrh.
von Nachfolgern der Cosmaten ausgeführt wurden, hätten die Entwickelung
einer eigenartigen tüchtigen römischen Bildnerschule im Quattrocento
vermuten lassen: das Grabmal des Ph. d'Alençon († 1397) in S. M. in
Trastevere und die beiden Monumente von der Hand des _Meister Paulus_,
das Grabmal Caraffa im Priorato di Malta und namentlich das des
Kardinals Stefaneschi († 1417) in S. M. in Trastevere, sind so einfach
und doch so wirkungsvoll im Aufbau, so groß und lebendig in der Gestalt
des Toten, trotz der Befangenheit in der Durchbildung, daß man glauben
sollte, in der Werkstatt solcher Künstler hätten jüngere Kräfte
selbständig die römische Plastik zur Renaissance führen müssen. Gerade
das Gegenteil ist der Fall: in diesen Künstlern erlischt die ältere
eigenartige Bildnerschule Roms, und erst nach einem Zwischenraum von
mehreren Jahrzehnten, der fast gar keine Monumente aufzuweisen hat,
machen fremde Bildhauer die Renaissancekunst in Rom allmählich heimisch.
_Donatello's_ vorübergehende Thätigkeit im Jahre 1432 blieb ohne
Nachwirkung; die neue Richtung macht sich nur zögernd geltend, nachdem
gegen Ende der dreißiger Jahre ein Paar weit untergeordnetere Künstler,
die Florentiner _Antonio Filarete_ und _Simone Ghini_, zu längerer
Thätigkeit nach Rom berufen wurden und sich ihnen _Isaïa_ aus _Pisa_
kurz vor der Mitte des Jahrhunderts zugesellte. Filarete's Bronzethür
der Peterskirche (1439-1445) steht zwar weit hinter den gleichzeitigen
Florentiner Thüren zurück: die Verteilung und die Verhältnisse der
Reliefs unter einander, der flache Reliefstil, die schwerfällige
Einrahmung, in der sich antike Vorbilder mit gotischen Traditionen
mischen, sind unglücklich; die großen Hauptfiguren wie die Reliefs mit
den Darstellungen aus dem Leben der Päpste in zahlreichen kleinen
Figuren sind nüchtern und leblos; nur in den kleinen Kompositionen,
welche das Rankenwerk der Einrahmung einschließt, zeigt sich in
frischerer, naiverer Weise der Charakter der Renaissance schon in der
Wahl der antiken Motive. Nach der Verwandtschaft mit den Figuren an den
Thüren ist wohl auch das steife Relief mit der Figur des hl. Markus über
dem Eingange in S. Marco von Filarete's Hand. Simone's Bronzegrabplatte
Papst Martins V. ist diesen Arbeiten durch lebensvollere und größere
Naturauffassung entschieden überlegen.

Mit _Isaïa di Pisa_ beginnt die Reihe der eigentlich römischen Künstler;
römisch freilich nur nach dem Charakter ihrer Bildwerke, da auch sie
fast alle keine Römer von Geburt sind. Von Isaïa sind uns in Rom das
Grabmal des Papstes Eugen IV. († 1447) in S. Salvatore in Lauro, die
Reste des Grabmals der hl. Monica in einem Nebenraume von S. Agostino
und sein Anteil an dem Andreastabernakel in den Grotten des Vatikans
erhalten. Der nüchterne Aufbau seiner Monumente, die leblosen plumpen
Figuren mit ihren kleinlichen Parallelfalten, die phantasielose
Dekoration lassen uns heute unverständlich erscheinen, daß die Päpste
sich mit König Alphons diesen Bildhauer streitig machen konnten.
Künstlerisch ebenso unbedeutend sind ein Paar gleichzeitige Monumente,
wie das Grabmal Astorgio Agnense († 1451) im Hofe der Minerva, von
ähnlichem Aufbau wie das Eugensmonument, und das Tabernakel in
S. Francesca Romana. Regeres Leben und freiere Behandlung kam in die
Plastik Roms erst nach dem Jahre 1460, namentlich durch die Päpste Paul
II. und Sixtus IV., deren Kunstsinn zugleich den Wetteifer aller höheren
Geistlichen in der Ausschmückung ihrer Kirchen und der eigenen
Verherrlichung hervorrief. Diese bildnerische Thätigkeit, die in
gleicher Regsamkeit und Pracht bis zur Zeit von Papst Julius II.
anhielt, bewahrt in einem Zeitraum von mehr als einem halben
Jahrhundert fast den gleichen Charakter. Der Florentiner Mino, der Römer
Paolo Taccone, der Istrianer Giovanni Dalmata und die Lombarden Andrea
Bregno und Luigi Capponi, die etwa gleichzeitig und vielfach zusammen
arbeiteten, haben gemeinsam den Charakter dieser Kunst und die Typen der
Monumente bestimmt, die in den letzten Jahrzehnten des XV. und zum Teil
auch noch im Anfang des folgenden Jahrhunderts mit mehr oder weniger
Selbständigkeit, oft aber sehr geistlos wiederholt wurden. Große Altäre,
Tabernakel, Ciborien, Kanzeln, Sängertribünen, meist von bedeutendem
Umfange und regelmäßig in Marmor ausgeführt, vor Allem aber Grabmäler
sind die Aufgaben, welche den Künstlern gestellt werden. Letztere sind
Nischengräber in verschiedener Form: in der Nische die Gestalt des Toten
auf dem Sarkophag ruhend, bald flach abschließend, bald im Halbrund mit
Relief oder Gemälde darüber, zu den Seiten bald Pfeiler mit Statuetten
in Nischen, bald schlichte Pilaster, oder auch eine Büste in Nische mit
einfacher Inschrifttafel darunter. Vorliebe für allgemeine Allegorien,
Mangel an Individualität, Einförmigkeit und Mangel an Phantasie,
zierliche aber nüchterne Ausführung, in der Gewandung ein Anschluß an
klassische Vorbilder, namentlich aus archaistischer Zeit, sind fast
allen diesen Monumenten in größerem oder geringerem Maße eigen.

_Paolo Taccone_ gen. _Romano_ († wahrscheinlich 1470) arbeitet zuerst
mit Isaïa zusammen am Andreastabernakel (jetzt in den Grotten des
Vatikans); später finden wir ihn mit Mino u. A. gemeinsam beschäftigt.
Verschiedene Kolossalstatuen: der Paulus auf Ponte S. Angelo, der
Andreas in S. Andrea, Petrus und Paulus im Peter (alle zwischen 1461 und
1464), haben den gleichen nüchternen, mehr von der Antike als von der
Natur bestimmten Charakter. -- Der wenig jüngere _Giovanni Dalmata_
(thätig in Rom um 1460-1480) ist derber und lebendiger; durch sein
unruhiges knitteriges Faltenwerk, sein starkes Hochrelief ist er unter
den übrigen Römern leicht herauszuerkennen. Am Paulsgrabe und am Grabmal
Eroli († 1479) in den Grotten, am Tabernakel in S. Marco arbeitet er
neben Mino, am Grabmal Roverella († 1476) in S. Clemente und am Grabmal
Tebaldi in der Minerva neben Andrea Bregno. -- Am häufigsten begegnet
uns in den Denkmälern Roms, neben Mino, der Lombarde _Andrea Bregno_
(1421-1506), namentlich in Arbeiten seiner Werkstatt. Seine lombardische
Herkunft verrät sich in den schlanken Figuren und den zierlichen
Parallelfalten: die edlen Köpfe und die vornehme Haltung seiner Figuren
verdankt er aber dem Studium der Antike in Rom, mit der er freilich auch
den Mangel an feinerer Belebung und Individualität gemein hat. Zwei
Altäre in S. M. del Popolo, die Grabmäler Roverella und Tebaldi (vergl.
oben) in Rom und der kolossale Altar Piccolomini im Dom zu Siena (1485)
sind seine Hauptarbeiten. -- Dem Andrea ist ein um 1480-1500 in Rom
thätiger Lombarde, _Luigi Capponi_ aus Mailand, nahe verwandt. Von ihm
ist u. A. das Monument Brusati in S. Clemente (1485) ein
Kreuzigungsrelief und ein zierlicher Altar im Ospedale della
Consolazione, der Gregorsaltar in San Gregorio, das Monument der Brüder
Bonsi ebenda, das Grabmal des Lor. Colonna in der Vorhalle zu Sti.
Apostoli. Letztere originell durch die Anordnung der Büsten der
Verstorbenen, und sämtlich durch die zierliche goldschmiedartige
Dekoration ausgezeichnet.

Neben diesen Künstlern, sind uns einige wenige andere Bildhauer in
vereinzelten Monumenten bezeugt. So ein zweiter Meister _Andrea_ in
einem kleinen Madonnenrelief im Hospital S. Giacomo, eine treffliche
Arbeit in feinem Flachrelief; ein _Pasquino da Montepulciano_ soll der
Meister des großen Grabmals Pius' II. in S. Andrea della Valle sein; ein
zierlicher Altar in S. M. della Pace soll den Namen eines _Pasquale da
Caravaggio_ tragen; _Michele Maini_ aus Fiesole (geb. 1459) fertigte die
Sebastiansstatue in der Minerva, wohl die tüchtigste Freifigur dieser
Zeit in Rom. Für die Mehrzahl der Monumente fehlt aber bisher der Anhalt
zur Bestimmung ihrer Meister; darunter sind einige der besten Werke
Roms, meist aus früherer Zeit, wie das Grabmal Coca mit dem Fresko
Melozzo's, das Petrusrelief mit dem Kardinal Cusa in S. Pietro in
Vincoli (1465), und das Grabmal Lebretto in Araceli aus demselben Jahre.

[Abbildung: 204. Engel neben dem Rovere-Wappen, in der Art des A.
Bregno.]

Die Berliner Sammlung besitzt einige charakteristische, gute Arbeiten
dieser römischen Schule. Ein leider verstümmelter Engel in Hochrelief
(No. 202) giebt sich in seinen knitterigen Falten unverkennbar als ein
Werk des Dalmata zu erkennen; ein Marmortabernakel mit vier anbetenden
Engeln (No. 203) ist eine gute Arbeit der Werkstatt des Andrea Bregno,
und ein diesem verwandter, aber feinerer Künstler hat die beiden
Engelsgestalten gemeißelt, die zur Seite eines Baumes (das Wappen der
Rovere) gelagert sind (No. 204). Das merkwürdigste Stück der Sammlung,
einzig in seiner Art unter den römischen Bildwerken, ist die
Kolossalbüste des Papstes Alexander VI. (No. 205), schlicht und selbst
etwas nüchtern aufgefaßt, jedoch von bedeutender, lebensvoller Wirkung.

       *       *       *       *       *

[Abbildung: 61. Marmorbüste einer neapolitanischen Prinzessin von
Franc. Laurana.]

Süditalien hat im Quattrocento nur in _Neapel_ eine reichere
bildnerische Thätigkeit aufzuweisen, die aber, angeregt und ausgeübt
durch fremde Künstler, keine nennenswerte lokale Schule groß zieht.
_Donatello_ und _Michelozzo_ hatten sich in dem Grabmal Brancacci an den
alten neapolitanischen Gräbertypus angeschlossen; die Erbauer des
Triumphbogens König Alphons' I., meist von Rom bezogene Künstler: _Isaïa
di Pisa_, _Paolo Romano_, _Guglielmo Monaco_ aus Perugia, _Silvestro
d'Aquila_ u. a., aber auch _Desiderio da Settignano_ müssen ihre
Bildwerke einem mittelalterlichen Festungsbau anpassen. Erst die jüngere
Generation: _Ant. Rossellino_, _Ben. da Majano_, _G. Mazzoni_ durften
freier nach künstlerischem Ermessen schaffen; doch haben sie wohl, mit
Ausnahme des letzteren, ihre Altäre und Grabmonumente in ihrer Heimat
ausgeführt. Die Reliefs und Statuen am Triumphbogen haben mehr oder
weniger den Charakter der gleichzeitigen römischen Arbeiten, mit
Ausnahme von zwei ganz Donatelloartigen Putten, die auf Desiderio
zurückzugehen scheinen. Am Portal des Kirchleins Sta. Barbara tritt,
neben _Giuliano da Majano_ (von dem die kleinen Architravreliefs im
Charakter seines Bruders Benedetto herrühren), in der Madonnenstatue
(1474) ein Künstler auf, der ein Wanderleben an den Höfen Italiens
führte, der Dalmatiner _Francesco Laurana_ (oder Lavrana). Der Künstler
war damals von Palermo gekommen, und hier in Sicilien hat er auch, in
Verbindung mit einer Künstlerfamilie lombardischer Herkunft, den Gagini,
eine nicht unbedeutende plastische Thätigkeit angeregt, die sich,
namentlich in Palermo, nahezu ein halbes Jahrhundert lang stetig
entfaltet.

Laurana hat in Palermo verschiedene Madonnenstatuen, ähnlich der in
Neapel, und den Reliefschmuck einer Kapelle in S. Francesco gefertigt.
Außerdem enthält das Museum zu Palermo mehrere dekorative Arbeiten mit
feinen Renaissanceornamenten, sowie ein Paar Reliefporträts und Büsten,
die mit großer Wahrscheinlichkeit auf Laurana zurückgehen. Diese Büsten
gehören nach ihrer ganz eigenartigen Auffassung und Formgebung zu einer
Gruppe von Marmorbüsten junger Frauen, von denen das köstliche
Hauptwerk, die früher sogenannte Marietta aus Pal. Strozzi in Florenz,
sich jetzt im Berliner Museum befindet (No. 61). Die schüchterne, echt
mädchenhafte Haltung, gelegentlich so stark betont, daß sie etwas
linkisch wirkt, die halb geschlossenen, etwas schräg gestellten Augen,
der fest geschlossene Mund, die delikate Durchführung, die starke
Politur des Fleisches sind allen diesen Büsten gemeinsam, die sich im
Bargello, im Louvre, im Museum zu Wien, bei M. G. Dreifuß und M. E. André
in Paris befinden. Durchaus den gleichen Charakter hat auch eine Anzahl
von Marmormasken junger Mädchen, die sämtlich aus Südfrankreich stammen,
wo Laurana in seinen letzten Jahren thätig war; eine derselben besitzt
jetzt das Berliner Museum (No. 208). Der Umstand, daß alle diese Büsten
und Masken nachweislich oder wahrscheinlich aus den Orten stammen, an
denen Francesco Laurana nach einander thätig war, und die Verwandtschaft
derselben mit den Frauenköpfen seiner Statuen und Reliefs lassen
dieselben mit großer Wahrscheinlichkeit gleichfalls auf ihn
zurückführen.

Dem Laurana nahe verwandt und wohl von ihm beeinflußt ist der Lombarde
_Domenico Gagini_, der 1463 aus Genua nach Palermo kam. Er und
namentlich sein Sohn _Antonio Gagini_ (1478-1536) haben mit ihrer großen
Werkstatt hier und in anderen Städten Siciliens eine Reihe von
Bildwerken verschiedenster Art hinterlassen. Das Museum zu Palermo ist
reich an solchen Arbeiten; der Dom besitzt in Antonio's Madonnenstatue
vom Jahre 1503 das lieblichste Werk des Künstlers und in dem
Weihwasserbecken mit dem reichen Baldachinaufsatz und den nett erzählten
Reliefs ein noch stark lombardisches späteres Werk seines Vaters.
Schönheit der Gestalten, Lieblichkeit des Ausdrucks und saubere
Bearbeitung des Marmors zeichnen diese Arbeiten gleichmäßig aus, während
ihnen feinere seelische Belebung meist abgeht.



Die Hochrenaissance
(Das Cinquecento, um 1500 bis 1630).


Im letzten Jahrzehnt des XV. Jahrh. bereitet sich in Florenz, das auch
jetzt wieder die Schicksale der italienischen Kunst entscheidet, eine
Wendung vor, welche hier mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts als
vollzogen bezeichnet werden darf; eine Wendung, die eine neue, von der
vorausgehenden Entwickelung grundverschiedene Epoche der italienischen
Kunst heraufführt. Kaum in einem anderen Zweige der Kunst kommt dieselbe
so scharf zum Ausdruck wie in der Plastik, in keinem anderen Zweige aber
auch im Allgemeinen so wenig günstig wie gerade in der Plastik.

Die Skulptur des XV. Jahrh. strebte nach Natürlichkeit und Wirklichkeit;
die neue Zeit setzte dagegen an die Stelle der Individualität die
Verallgemeinerung. Sie will nicht das Modell mit allen seinen
Eigenheiten und Zufälligkeiten geben, sondern einen daraus abstrahierten
Typus. Diese Verallgemeinerung und Idealisierung der Formen erstreckt
sich nicht nur auf die Köpfe und den Körper, auch die Stoffe und das
Nebenwerk werden vereinfacht und nach einem Schema behandelt, das sich
die Künstler nach selbstgeschaffenen Schönheitsgesetzen gebildet haben.
Dicke Stoffe, die volle Falten bilden, werden das Vorbild, und jede
Verzierung derselben wird verschmäht.

Diese Schönheitsgesetze wurden aber nicht aus der Natur, sondern aus der
antiken Kunst abstrahiert. Die Antike wird daher jetzt mit erneutem
Eifer studiert; nicht mehr um Anregung für Motive und Begeisterung für
eigene Erfindungen daraus zu schöpfen, sondern um daraus allgemeine
Grundgesetze der statuarischen Kunst abzuleiten und auf Grund derselben
Neues zu schaffen. Dadurch, daß die Künstler die Gesetze aus den Antiken
abstrahierten, wie sie ihnen vorlagen, also aus mehr oder weniger
geringwertigen römischen Kopien, meist außer Zusammenhang mit den
zugehörigen Skulpturen und der Architektur, für die sie erfunden waren,
mußten sie vielfach zu Trugschlüssen kommen, die für ihre eigene Kunst
verhängnisvoll wurden.

Die Skulptur wurde allerdings jetzt selbständiger gestellt, sie wurde
noch freier als sie es selbst im Quattrocento gewesen war. Denn die
Dekoration, mit der sie bis dahin im Zusammenhang gedacht war, wurde
beseitigt oder doch sehr eingeschränkt; die Malerei, welche man bisher
zu ihrer Vollendung für erforderlich gehalten hatte, wurde völlig
getrennt von der Skulptur, und selbst mit der Architektur ist dieselbe
meist nur lose verbunden oder drückt diese sogar in ein untergeordnetes,
dienendes Verhältnis herab.

Auch auf den Inhalt sucht die Hochrenaissance ihre Nachahmung der Antike
auszudehnen. Die religiösen Vorwürfe und Gestalten hatten schon lange
ihre feste Form bekommen; jetzt wurde im Anschluß an die Antike aufs
eifrigste die Mythologie und Allegorie gepflegt. Die antiken Götter
entstanden, trotz der Reaktion in der Kirche, zu neuem Leben; freilich
nicht als Andachtsbilder, sondern als allegorisches Beiwerk. Daher wurde
ihnen unbeanstandet selbst in die Kirchen und in kirchlichen
Darstellungen der Eintritt gestattet.

Die Überzeugung von der Größe und Selbständigkeit der Plastik verleitete
Künstler wie Auftraggeber zu dem Streben, die Skulpturen, wenn möglich,
kolossal zu gestalten. Während die Frührenaissance ihre Figuren
regelmäßig etwas unter Lebensgröße bildete, ist in der Hochrenaissance
der kolossale Maßstab beinahe Regel; was die Skulptur an Interesse durch
den Mangel an individuellen Gestalten eingebüßt hatte, sollte durch die
überwältigende Wirkung des Kolossalen wieder eingebracht werden. Ein
anderes Mittel zum gleichen Zweck, das Aufsuchen und Herausheben von
Gegensätzen, wird geradezu zu einem der leitenden Grundsätze für die
Plastik der Hochrenaissance; nicht nur die Gegensätze in Geschlecht und
Alter, deren typische Gestaltung die Künstler anstreben, sondern bei der
einzelnen Figur der Gegensatz zwischen Körper und Kopf, sowie namentlich
zwischen den beiden Seiten des Körpers. Der »contra-posto«: das
Hervortreten der einen Körperseite gegen die andere, die scharfe
Betonung zwischen Spielbein und Standbein und ein entsprechender
Gegensatz in der Bewegung der beiden Arme, ist den meisten Bildhauern
der Hochrenaissance ein viel wichtigeres Gesetz als das Studium der
Natur.

Die Richtung auf das Große und Schöne in der Kunst des Cinquecento
entstand als natürliche Gegenwirkung gegen die einseitige Betonung des
Wirklichen und Gefälligen in der Kunst des Quattrocento; sie wurde
außerdem, ganz besonders in der Skulptur, gefördert durch das erneute,
völlig veränderte Studium der Antike; der innerste Antrieb, aus dem sie
hervorging, liegt jedoch in der geistigen Strömung der Zeit, die schon
Ende des XV. Jahrh. in Florenz die reformatorische Bestrebung
Savonarola's hervorrief und später, in andere Kanäle geleitet, durch
die Päpste selbst zur Gegenreformation gestaltet wurde. Das Wirkliche,
das rein Menschliche verdammte sie im Leben wie in der Kunst, die sie
nur als Mittel zur Förderung religiöser und kirchlicher Zwecke, im
weitesten Sinne, gelten lassen wollte; daher die bewußte Abkehr von der
Natur.

Im Gebiete der Malerei und teilweise auch der Architektur sehen wir ein
verwandtes Streben die köstlichsten Früchte zeitigen, wenn auch nur
während eines kurzen Zeitraums und bei einer kleinen Zahl besonders
begnadigter Künstler: in der gleichzeitigen Plastik ist dies, den Einen
Michelangelo ausgenommen, keineswegs der Fall; die Bildwerke der
Hochrenaissance befriedigen nur ganz ausnahmsweise in dem Maße wie die
der vorausgegangenen Epoche oder halten doch bei näherer und
wiederholter Betrachtung keineswegs, was sie auf den ersten Blick
versprechen. Die Plastik war aber auch von vornherein in einer weit
weniger günstigen Lage als ihre Schwesterkünste. Abgesehen davon, daß
die Aufgaben der Kirche an sich für die plastische Darstellung weit
weniger geeignet sind wie die griechische Mythologie, konnten auch die
allegorischen Gestalten und die der Antike entlehnten Motive, da sie
nicht aus dem Volksbewußtsein hervorgegangen waren, sich nicht typisch
ausbilden und erscheinen daher als etwas Künstliches und Fremdartiges.
Auch mußte in der Plastik die Absichtlichkeit, die bewußte Abwendung von
dem Individuellen und das Zurschautragen stilistischer Gesetze, welche
zum Teil ohne wirkliche Grundlage waren, von besonders ungünstiger
Wirkung sein, sobald nicht ein Genie, wie das Michelangelo's, die
Aufgabe erfaßte. Daher leiden die Bildwerke der Hochrenaissance vielfach
an nüchterner Einförmigkeit, gesuchter Ziererei und leerer
Empfindungslosigkeit, die sich doppelt fühlbar machen durch den
kolossalen Maßstab. Dies ganz besonders bei der Darstellung des Nackten,
das ja am wenigsten eine Behandlung nach der Schablone verträgt.

Bei dieser Richtung ist es begreiflich, daß in der Plastik der
Hochrenaissance das Porträt in den Hintergrund tritt und, wo es
ausnahmsweise gefordert wird, der Mangel an naiver Naturanschauung der
vollen Wiedergabe der Persönlichkeit meist hinderlich ist. Ebenso
schlimm, obgleich aus anderen Gründen, ergeht es dem Relief, auf das die
Künstler zwar keineswegs Verzicht leisten, das aber mit Übertreibung
römischer Vorbilder regelmäßig als Hochrelief derart behandelt wird, daß
es mehr einer Gruppe von Freifiguren gleicht, worin die Leere und
Unwahrheit der Formen und die Einförmigkeit in der Bildung derselben
durch die Zahl der Figuren besonders ungünstig zur Geltung kommen.

Der Mangel an Individualität in dieser Kunst führt zu einer immer
stärkeren Verwischung der lokalen Verschiedenheiten, auch an den
besonders kunstthätigen Orten; und dieser Prozeß der Uniformierung der
ganzen italienischen Skulptur wird noch beschleunigt durch den
überwältigenden Einfluß, welchen Michelangelo allmählich auf fast alle
italienische Bildhauer ausübt. Es kann daher in dieser Zeit auch nicht
mehr von örtlichen Schulen in der italienischen Plastik die Rede sein,
sondern nur von einzelnen Künstlern und den Schulen, welche sich an ihre
Werkstätten anschließen. Nur an kleineren Orten, fern vom großen
Verkehr, erhalten sich gelegentlich einzelne Künstler mehr in ihrer
Eigenart; und hier bleibt zugleich der Einfluß der älteren Kunst noch
mehr oder weniger lebendig. Daher sind die Leistungen verschiedener
solcher Künstler (wie besonders Begarelli) lebenswahrer und erfreulicher
als die der meisten gefeierten Bildhauer, die von einem Hof zum andern
gezogen wurden. Dieses Wandern der Künstler, welches den für eine
gesunde Kunstentwickelung unentbehrlichen Zusammenhang mit der Heimat
noch mehr lockert, ist ein besonders charakteristisches Merkmal für die
Skulptur der Hochrenaissance. Ein förmliches Reislaufen beginnt unter
den italienischen Bildhauern; in Scharen ziehen sie selbst über die
Grenzen Italiens hinaus: nach Frankreich, Spanien, Portugal, England,
Deutschland, Ungarn und bis nach Polen und Rußland. Andererseits kommen
jetzt, durch wechselseitige politische oder Handelsbeziehungen, mehr und
mehr auch fremde Künstler nach Italien, insbesondere Bildhauer, von
denen einzelne dauernd hier Beschäftigung fanden und einen nicht
unwesentlichen Anteil an der Entwickelung der italienischen Skulptur
genommen haben. Beide Umstände trugen dazu bei, den nationalen Charakter
derselben zu beeinträchtigen oder abzuschwächen.

       *       *       *       *       *

An die Spitze der neuen Zeit wird herkömmlich eine Gruppe toskanischer
Bildhauer gestellt, deren Jugendentwickelung noch ganz im Quattrocento
liegt, bei denen sich aber die charakteristischen Merkmale der
Hochrenaissance schon von ihren ersten Arbeiten an geltend machen. In
Florenz ausgebildet, ist auch ihre erste beglaubigte Thätigkeit an
Florenz geknüpft. Aber alle diese Künstler, selbst der älteste und
gefeiertste unter ihnen, Andrea Sansovino, treten erst im letzten
Jahrzehnt des XV. Jahrh. mit größeren Arbeiten an die Öffentlichkeit, zu
einer Zeit, als ihr jüngerer Landsmann _Michelangelo Buonarroti_ (1475
bis 1564) bereits durch seine ersten Jugendwerke ein künstlerisches
Genie verraten hatte, das schon seine Zeitgenossen in seiner
Eigenartigkeit und Überlegenheit allen mitlebenden Künstlern gegenüber
richtig erkannten. Michelangelo prägt, von seinen ersten Arbeiten an, so
stark und rein den Charakter der Hochrenaissance in sich aus, er hat so
wesentlich zur Entfaltung und Entwickelung derselben beigetragen, er
erscheint von frühester Jugend so eigenartig und selbständig und von
einer so magischen Einwirkung auf seine Zeitgenossen, die er, trotz
seiner persönlichen Vereinsamung, allein durch seine Werke in seinen
Kreis bannte, daß jede Besprechung dieser Zeit mit ihm beginnen soll.

Michelangelo ist in allen bildenden Künsten gleich heimisch: der
Petersdom und die Deckenbilder der Sixtina sind zwei der großartigsten
Kunstschöpfungen aller Zeiten; als Bildhauer hat er zwar nichts
vollendet, was sich dem ebenbürtig an die Seite setzen ließe, aber doch
war die Plastik sein eigenstes Feld. Er selbst betrachtete sich in
erster Linie als Bildhauer und fühlte sich am wohlsten, wenn er den
Meißel in der Hand führte. Neben allen anderen großen Aufgaben ist er
daher auch fast ununterbrochen als Bildhauer thätig gewesen.

Als Bildhauer tritt er uns zuerst entgegen und ist sogar in den ersten
zehn Jahren selbständiger künstlerischer Beschäftigung fast
ausschließlich als solcher thätig. Zwei bezeugte Jugendarbeiten, die er
mit etwa 17 Jahren ausführte: das Flachrelief der Madonna an der Treppe
und das unfertige Hochrelief mit dem Kentaurenkampf im Museum Buonarroti
in Florenz, zeigen schon in auffallender Weise die wesentlichsten Züge
seiner Eigenart; das Madonnenrelief in den individualitätslosen Typen
von Mutter und Kind; in der mächtigen Bildung und den malerischen
Wendungen der Körper, den kleinen Köpfen, der meisterhaften Behandlung
der Extremitäten, der eigentümlich tastenden Bewegung der Finger, die
wie ein unwillkürlicher Ausdruck des verschlossenen Lebens erscheint.
Die Kampfesscene, obgleich überfüllt, ist ausgezeichnet durch die große
vielseitige Gestaltung der Motive und die Art, wie die schönen nackten
Körper in der mannigfaltigsten Weise zur Geltung gebracht sind. Während
Michelangelo's Aufenthalt in Bologna, wohin er im Juli 1494 geflohen
war, entstanden drei Statuetten für die Arca in S. Domenico, von denen
noch der knieende Engel mit dem Leuchter und der hl. Petronius erhalten
sind. Der unruhige, motivlose Faltenwurf der dicken Gewänder, beim
Petronius sogar die Haltung und der Typus erscheinen hier deutlich
beeinflußt durch den geistesverwandten Quercia, dessen großartige
Bildwerke am Portal von S. Petronio auf den jungen Künstler einen tiefen
Eindruck machten.

[Abbildung: 209. Marmorstatue des Giovannino von Michelangelo.]

Im Sommer 1495 war Michelangelo wieder in Florenz; die Arbeiten, die er
hier in Jahresfrist bis zu seiner Abreise nach Rom ausführte: ein
schlafender Amor, der so sehr im Anschluß an die Antike gebildet war,
daß er als antik in den Handel kam, und eine Statue des jugendlichen
Johannes des Täufers schienen verloren, bis die letztere vor zwei
Jahrzehnten in Pisa wieder auftauchte; sie befindet sich heute im
Berliner Museum (No. 209). Die schlanken Verhältnisse, die leichte, fast
tänzelnde Bewegung, teilweise auch das ungewöhnliche Motiv werden auf
den ersten Blick die Benennung dieser Marmorstatue befremdlich
erscheinen lassen; eine nähere Betrachtung ergiebt aber die
charakteristischen Merkmale von Michelangelo's Kunst im Großen wie im
Einzelnen, und speziell die Eigenart der frühen Zeit, in der die Figur
entstanden sein muß. Das Motiv: der junge Prophet ist im Begriff, ein
mit Honig gefülltes Horn (dessen Spitze abgebrochen ist) zum Munde zu
führen, den er aus den Waben in der Linken auslaufen ließ, ist gerade,
weil es so unbedeutend und selbst banal ist, für die realistische
Auffassungsweise Michelangelo's bezeichnend. Dasselbe gilt für den
Übergang aus einer Thätigkeit in die andere, durch welche die Figur eine
zwar unruhige, aber von verschiedenen Standpunkten sehr mannigfache und
wirkungsvolle Erscheinung bekommt. Auch gewisse Eigentümlichkeiten im
Einzelnen sind für Michelangelo, und zwar gerade für diese frühe Zeit
charakteristisch: die Behandlung der Haare (wie beim Bacchus), die
Stellung der Finger und Zehen und ihre Bildung, das Band über Brust und
Schulter, die Falten im Fell und die Behandlung desselben, der felsige
Fußboden und der Baumstamm bis zu den technischen Eigentümlichkeiten in
der Anwendung des Bohrers, in der Handhabung von Meißel und Zahneisen,
wie sie namentlich an den mehr skizzenhaft behandelten Teilen (im
Baumstamm, am Fell und am Boden) zu Tage treten. Wenn einzelne andere
kleine Eigenarten des jungen Künstlers hier nicht zu finden sind, wenn
z. B. die Augensterne und die Ränder der Lippen nicht so unbestimmt sind,
wie in den Bologneser Statuetten, und andererseits weit weniger scharf
als in den ersten römischen Arbeiten, so kann der Grund dafür darin
liegen, daß diese Figur gerade zwischen jenen beiden Gruppen von Werken
liegt; in einer Zeit, aus der uns kein zweites Werk erhalten ist: vor
Allem sind solche kleine Abweichungen aber in der eigentümlichen
Aufgabe, einen halbwachsenen Jüngling darzustellen, und in individuellen
Besonderheiten begründet, wie sie in jedem Werke eines großen Meisters
sich ergeben. Sie kommen aber auch in ihrer Gesamtheit gar nicht in
Betracht neben der Erscheinung der Statue, die durch die Schönheit der
Konturen, die meisterhafte Wiedergabe der Formen und die vollendet feine
und ungewöhnlich originelle Wiedergabe der Oberfläche überzeugend auf
Michelangelo hinweist, und zwar auf seine früheste, in der Wiedergabe
der Natur noch beinahe schlichte, vielfach von dem Studium der Antike
bedingte Zeit.

Die beiden erhaltenen Arbeiten Michelangelo's, welche während seines
ersten Aufenthalts in Rom (1496-1500) entstanden: der Bacchus im
Bargello und die Pieta im Peter zu Rom, haben unter sich große
Verwandtschaft und gehören zu den glücklichsten plastischen Schöpfungen
des Künstlers. Beim Bacchus hat der Künstler zwar wieder, wie beim
Giovannino, ein unangenehm naturalistisches Motiv gewählt: im Rausch
unsicher stehend, lächelt er mit stierem Blick den Weinbecher an. Auch
über die vollen, feisten Formen muß sich der Beschauer hinwegsetzen, um
zum reinen Genuß des in der meisterhaften Wiedergabe der Natur
unübertrefflichen Körpers zu gelangen. Eine Vorstudie zu dieser Figur,
der kleinere Bacchus mit dem Satyr im Gange der Uffizien, als
Restauration eines antiken Torso entstanden (freilich durch keinerlei
Überlieferung bezeugt), ist im Motiv weit glücklicher, wohl in Folge des
notwendigen Anschlusses an die Antike. Die Pieta (1498/99) im St. Peter
zu Rom ist, wenn auch nicht die freieste, so doch die edelste plastische
Schöpfung Michelangelo's. Die Anordnung kann nicht schöner gedacht
werden, der Gegensatz zwischen dem vollendet schönen nackten Körper
Christi und der in dichte faltenreiche Gewänder gehüllten Maria,
zwischen dem Leichnam und der lebendigen Gestalt ist ebenso
wirkungsreich wie maßvoll; und die Art, wie der stumme Schmerz der
Mutter in der Bewegung der linken Hand zum Ausdruck gebracht ist, zeugt
von feinster psychologischer Beobachtung. Mit dem weichen Fluß in der
Behandlung der Glieder und der Gewandung steht hier, wie in den
gleichzeitigen und wenig späteren Arbeiten, die bronzeartige Schärfe in
der Behandlung des Mundes, der Augen, der Nasenflügel in eigentümlichem
Gegensatze. Darin wie in der gehaltenen Stimmung, der ruhigen Haltung
und dem stummen, ernsten Ausdruck von Mutter und Kind steht der Pieta
die kleine Madonnenstatue in Notredame zu Brügge noch sehr nahe,
obgleich sie erst mehrere Jahre später, nach der Rückkehr nach Florenz
(Sommer 1501) entstand und daher in der Gewandung und Fleischbehandlung
noch vollendeter ist. In die gleiche Zeit fallen vier Marmorstatuetten
für den Altar Piccolomini im Dom zu Siena; der Maßstab und das
Zusammenarbeiten mit einem Künstler wie Andrea Bregno wirkten ungünstig
auf Michelangelo. Er läßt den Beschauer in keinem anderen Werke so
gleichgültig, wie in diesen Figuren.

Die Arbeit, welche damals sein ganzes Interesse in Anspruch nahm, war
die Kolossalfigur des David (jetzt in der Akademie zu Florenz): sie
wurde ihm im August 1501 in Auftrag gegeben und konnte im Frühjahr 1504
schon zur Aufstellung vor dem Palazzo Vecchio kommen. Der David ist der
reinste und glücklichste Ausdruck von dem, was Michelangelo in dieser
früheren Zeit in einer Einzelfigur zu geben bestrebt war. Daß diese
Gestalt eines jugendlichen Herkules seit ihrer Aufstellung eine ganz
außerordentliche Bewunderung gefunden hat, verdankt sie nicht nur ihrer
imposanten Wirkung durch den kolossalen Maßstab, auch nicht allein der
wohl niemals übertroffenen Naturwahrheit, durch welche sie selbst für
den Anatomen eine Quelle zum Studium der Natur ist: ihre Wirkung, die
ungewöhnlich plastische Erscheinung dieser Schöpfung Michelangelo's
liegt namentlich auch in der Wahl eines glücklichen Motivs und in dem
vollen Aufgehen von Körper und Geist in diesem Motiv: der jugendliche
Kämpe (keineswegs ein kolossaler Knabe, wie man ihn irrtümlich genannt
hat) faßt seinen Feind scharf ins Auge, um den Moment zum Schleudern des
Steines zu erspähen; sein ganzer Körper ist in gehaltener Anspannung zur
Vorbereitung dieses Momentes, der sein Sinnen ausfüllt. Ähnliche Vorzüge
zeigen auch die zwei von der Statue noch wesentlich verschiedenen
Modelle im Museo Buonarroti.

Neben dem David arbeitete Michelangelo gleichzeitig in Florenz ein Paar
Madonnenreliefs in Marmor, die beide leider unvollendet blieben; das
eine jetzt im Bargello, das andere in der Akademie zu London. Beide Male
die Madonna sitzend, das Kind an der einen, den kleinen Johannes an der
anderen Seite; in ein Rund komponiert und in mäßigem Relief in fast
lebensgroßen Figuren ausgeführt. Das erstere ernst und traulich, das
zweite eine so anmutig naive Scene mit so neckischem Motiv, wie
Michelangelo kein zweites erfunden hat; dabei beide so hehr und schön in
der Bildung der Maria, so groß und weich in der Anlage der Falten, so
meisterhaft in der Komposition im Rund (namentlich das Londoner Relief),
daß diese Arbeiten als Relief der Gruppe, der Pieta und der Davidstatue
an die Seite gestellt werden dürfen.

In die gleiche Zeit gehört wohl auch die nicht ganz vollendete
Marmorfigur des knieenden »Kupido« (vielleicht Apollo?) im South
Kensington Museum, während der tote Adonis im Bargello, wenn überhaupt
von Michelangelo, doch wohl erst zur Zeit seiner Arbeit am Juliusdenkmal
entstand.

Ehe der Künstler, im März 1505, von Papst Julius II. zur Ausführung
seines Grabmonumentes nach Rom gezogen wurde, entstand die Anlage zu
einer der Kolossalgestalten der zwölf Apostel, mit denen der Künstler
den Dom seiner Vaterstadt schmücken sollte. Der Marmorblock, aus dem
diese Hünengestalt wie ein versteinertes Gebilde dem Blicke sich mühsam
enträtselt, ist heute in der Akademie zu Florenz untergebracht. Diese
Figur ist das erste Zeugnis, daß sich in Michelangelo die Wandlung zu
der Richtung bereits vollzogen hatte, in der er uns fortan entgegentritt
und in der er, namentlich durch seine Riesenschöpfungen: die
Deckenbilder der Sixtina, das Juliusmonument und die Mediceergräber, uns
vor Augen steht, wenn sein Name genannt wird. Hatte der Künstler bis
dahin, angeregt durch das Studium nach der Antike, die menschliche
Gestalt als Einzelfigur oder als Gruppe um ihrer Schönheit willen treu
nach der Natur zu bilden gestrebt und dadurch plastisch abgeschlossene
und vollendete Werke geschaffen, welche in ihrer Art noch den Vergleich
mit den antiken Bildwerken gestatten, so ist Michelangelo in diesem
Matthäus und in allen späteren Werken ganz er selbst, schafft er ein
eigenes Geschlecht, das unter ganz eigentümlichen Bedingungen ein Leben
für sich zu führen scheint; ein Geschlecht von gewaltiger Körperbildung,
gewaltsam bewegt wie zum Ausdruck der schmerzvollen mürrischen Stimmung,
welche den Geist dieser Titanen befangen hält. Unbekümmert um einander
und in sich versunken, erscheinen sie doch von einander abhängig. In der
Einzelfigur genügt sich der Künstler nicht mehr: eine ganze Schar dieser
Giganten bevölkert die Monumente von kolossalem Umfang, wie er sie
fortan nur noch plante. Was er mit dem Pinsel zu leisten im Stande war,
das traute er jetzt auch dem Meißel zu: leider sind deshalb alle seine
späteren plastischen Monumente sehr unvollständig und unfertig auf uns
gekommen. Ohne Rücksicht auf den Gegenstand, den er darzustellen hat,
bringt er seine biblischen oder allegorischen Gestalten in die
schwierigsten, gewagtesten Stellungen, um immer neue Schönheiten in der
menschlichen Figur veranschaulichen zu können. So gesucht und oft
gewaltsam wie diese Bewegungen sind, so wenig naiv ist jetzt auch seine
Wiedergabe des menschlichen Körpers. Freilich beruht sie nach wie vor
auf einer so gründlichen Kenntnis der Natur, wie sie wohl kein anderer
Künstler irgend einer Zeit besessen hat. Aber gerade diese
wissenschaftliche Gründlichkeit, namentlich seine anatomischen Studien
verleiteten den Künstler, nicht die einfache Erscheinung, sondern
gewissermaßen die Ursächlichkeit derselben zu geben: den Knochenbau, die
Muskeln und Sehnen dem Beschauer unter der Haut nur wie durch »einen
Schleier« sehen zu lassen.

Michelangelo wurde im März 1505 nach Rom berufen, um ein Grabmal für
Papst Julius zu entwerfen. Ehe er an die Ausführung des ersten Planes,
der ein Freigrab in Aussicht nahm, gehen konnte, erkaltete das Interesse
des Papstes über seinen Plänen für den Neubau der Peterskirche. Auch
fiel dazwischen ein Aufenthalt Michelangelo's in Florenz und in Bologna
(zur Ausführung der Bronzestatue des Papstes, die bald darauf vernichtet
wurde), und später die Ausmalung der Decke der Sixtina: erst 1513 kam es
zu einem neuen Plane (Original-Zeichnung in der Sammlung A. von
Beckerath in Berlin). Der hohe, an drei Seiten freie Aufbau sollte
danach unten Victorien und gefesselte Sklaven (als Allegorien der
eroberten Provinzen), oben auf dem Sarkophag die knieende Figur des
Papstes zwischen zwei Engeln mit der Madonna darüber und sitzende
Kolossalfiguren an den Seiten (worunter der Moses) enthalten. Der
Künstler ging mit dem Feuereifer, der ihn besonders für dieses Monument
erfüllte, an die Arbeit; aber schon 1516 wurde die Ausdehnung desselben
durch einen neuen Vertrag mit Papst Leo X. eingeschränkt und bald darauf
auch die Arbeit durch Aufträge für Florenz unterbrochen. Das Monument,
welches 1545 in S. Pietro in Vincoli zur Aufstellung kam, ist zum
größten Teil von Schülern ausgeführt, und erscheint fast wie eine
Karikatur des ersten großartigen Planes. Abgesehen von den beiden erst
spät in Aussicht genommenen, wenig bedeutenden Figuren von Lea und Rahel
ist hier nur der kolossale Moses von des Meisters Hand. Ohne die für ihn
geplanten Nachbarfiguren und in ungünstiger Aufstellung übt diese Figur
doch eine ganz außerordentliche Wirkung durch die mächtige Bildung der
Glieder, die energische Wendung und die nur mühsam verhaltene innere
Erregung. Die herrlichen beiden »Sklaven« im Louvre, die vier, erst aus
dem Rohen gehauenen Kolosse in einer Grotte des Giardino Boboli zu
Florenz und die Gruppe mit dem Sieg im Bargello sind weitere Zeugnisse
dessen, was Michelangelo in diesem Monument der Welt hatte bieten
wollen.

Auch das zweite große Monument, die Mediceergräber in S. Lorenzo zu
Florenz, seit 1519 geplant, aber erst 1524 nach der Wahl des zweiten
Mediceerpapstes Clemens VII. in Angriff genommen, ist nur in einem Teile
seines Planes zur Ausführung gekommen, und auch dieser Teil wurde nicht
ganz vollendet, da Michelangelo, seitdem er Florenz 1534 für immer
verließ, auch die Arbeit an diesen Monumenten liegen ließ. Die
Grabkapelle der Mediceer enthält nur die beiden Denkmäler des jüngeren
Lorenzo und seines Onkels, des jüngeren Giuliano de' Medici; beide in
Nischen sitzend, unter ihnen, auf den Sarkophagen die nackten Gestalten
des Tages und der Nacht, des Abends und des Morgens; an einer dritten
Wand die Statue der Madonna zwischen den, von Montorsoli und Montelupo
ausgeführten, Statuen der Schutzheiligen der Mediceerfamilie, Cosmus und
Damianus. Auch hier sind die Stellungen und Bewegungen meist gesucht und
teilweise geradezu gewaltsam, und in den Porträtstatuen ist auf das
Porträtartige so gut wie ganz verzichtet. Aber so wenig ihrer Idee
Entsprechendes, so wenig Persönliches diese Gestalten haben, so stark
spricht die Persönlichkeit des Künstlers aus ihnen: der eigene
leidenschaftliche Geist, der rastlos und unbefriedigt nach dem Großen
und Gewaltigen strebt, wohnt auch diesen seinen Schöpfungen inne und
zieht uns, trotzdem sie auf den ersten Blick abstoßen, mit magischer
Gewalt immer wieder zu ihm hin. Dieser leidenschaftliche Sinn, der
mühsam und widerwillig zurückgehalten scheint, äußert sich in den wie in
schwerer Ruhe versunkenen Riesenleibern nur in vereinzelten, aber
heftigen Bewegungen einzelner Teile, wie das Wetterleuchten eines fernen
Ungewitters.

[Abbildung: Michelangelo's Grabmal des Lor. de' Medici in S. Lorenzo
zu Florenz.]

Was Michelangelo zwischen und nach diesen Monumenten an Bildwerken noch
geschaffen hat, ist meist nicht über die Anlage hinaus gekommen. Die
einzige Ausnahme, die Christusstatue in der Minerva zu Rom (vollendet
1521), in der ruhigen Haltung, in der ungesuchten Schönheit der nackten
Männergestalt den früheren Werken noch verwandt, ist in einzelnen
Extremitäten durch die Hand eines Gehülfen beeinträchtigt. Nur im Rohen
zugehauen sind der »Apollo« im Bargello und eine kauernde Gestalt in der
Leuchtenberg-Sammlung zu St. Petersburg; die unter dem Namen des Brutus
bekannte Büste im Bargello, groß in der Bewegung und edel in der
Gewandung, macht schon einen fertigeren Eindruck. Von zwei Gruppen der
Kreuzabnahme, die seiner späteren römischen Zeit angehören, ist
diejenige im Pal. Rondanini zu Rom nur ein kleines Bruchstück;
wundervoll in einzelnen ausgeführten Teilen des Leichnams und merkwürdig
als Beweis, wie der Künstler sich bei seiner Art nach kleinen Modellen
die Figuren direkt und ohne Punktierung aus dem Marmor herauszuhauen,
gelegentlich verhauen konnte. Die zweite, größere Gruppe, die unfertig
jetzt im Dom zu Florenz steht, ist edel und auffallend maßvoll für diese
späte Zeit.

       *       *       *       *       *

Neben Michelangelo treten die gleichzeitigen Bildhauer auch in Florenz
vollständig in den Hintergrund. Ohne ausgeprägte Eigenart, und ohne
tiefere Kenntnis der Natur unterscheiden sie sich hauptsächlich durch
das größere oder geringere Maß ihrer Abhängigkeit von der antiken Kunst,
von Michelangelo oder von der Kunst des Quattrocento. In ihrem Streben
nach Schönheit gelingt ihnen gelegentlich eine einzelne Figur oder eine
Gruppe; auch ist die Dekoration einzelner Monumente dieser Künstler,
namentlich aus ihrer früheren, noch mit der Kunst ihrer Vorgänger
zusammenhängenden Zeit durch Geschmack, Fluß der Linien und malerischen
Reiz ausgezeichnet: in der großen Mehrzahl erscheinen aber ihre
Bildwerke nur gar zu häufig leer und oberflächlich, vielfach auch schon
schwülstig und manieriert, namentlich die Reliefs. Dies gilt für
_Giovanni della Robbia_ (geb. 1469, vergl. oben S. 79) trotz seiner
starken Abhängigkeit von der Kunst seiner Vorfahren; dies gilt auch von
_Andrea Sansovino_ (eigentlich Andrea Contucci dal Monte Sansavino,
1460-1529), dem gefeiertesten Bildhauer der Hochrenaissance nächst
Michelangelo. In einem großen Thonaltar seiner Heimatstadt Monte
Sansavino sieht der Künstler etwa einem guten Giovanni della Robbia
ähnlich. Die Dekoration der Durchgangshalle zur Sakristei und die
Sakramentsnische in Sto. Spirito, die ersten Arbeiten Sansovino's in
Florenz, seine Arbeiten in Portugal, wohin der Künstler 1491 auf acht
Jahre berufen wurde, sowie das nach seiner Rückkehr ausgeführte
Taufbecken im Battistero von Volterra (1502) sind meist verfehlt im
Aufbau, unglücklich in der Dekoration und im Reliefstil, und flüchtig
und vielfach selbst kleinlich in den figürlichen Darstellungen, denen
feinere Belebung völlig abgeht. Von diesen Arbeiten sticht ein Werk, das
der Künstler unmittelbar darauf begann, die Gruppe der Taufe Christi in
kolossalen Marmorfiguren über dem Hauptportal des Battistero zu Florenz
(begonnen 1502, erst weit später durch Vincenzo Danti vollendet), durch
Größe der Empfindung und Schönheit der Gestalten vorteilhaft ab. Doch
auch hier stört eine gewisse Absichtlichkeit und fehlt die volle
Feinheit der naturalistischen Durchbildung; Schwächen, die noch im
höheren Maße an seinen fast gleichzeitig ausgeführten (1503) Statuen der
Madonna und des Täufers in der Taufkapelle des Domes zu Genua auffallen.
Im folgenden Jahre wechselt Sansovino schon wieder seinen Aufenthalt: er
siedelt nach Rom über, wo, nach einem kleineren Grabmal im Durchgang zu
Araceli (Monument des Pietro da Vincenza von 1504), seine beiden
berühmten Monumente im Chor von Sa. Maria del Popolo im Auftrage Papst
Julius' II. entstanden, die Denkmäler der Kardinäle Ascanio Maria Sforza
(1505) und Girolamo Basso (1507). Im Aufbau den besten der älteren
römischen Vorbilder, an die sich diese Monumente anlehnen, durch die
anspruchsvolle Betonung der Architektur nicht gewachsen, steht auch der
figürliche Schmuck durch die zu allgemeine Schönheit der Figuren und ihr
wenig glückliches Verhältnis zur Architektur, wie durch die
unvorteilhafte Anordnung der Grabfiguren hinter den besseren
Grabmonumenten des Quattrocento entschieden zurück. Selbst die mit
höchster Delikatesse durchgeführte, im Einzelnen sehr reizvolle
malerische Dekoration hat mit der Architektur eine gewisse Unruhe der
Gesamtwirkung gemein und läßt in ihrer örtlichen Verwendung die feine
Berechnung, in ihrer Erfindung und Durchbildung die Naturwahrheit der
großen Meister des XV. Jahrh. vermissen. In dem Marmorgehäuse der Santa
Casa zu Loreto, an dem Sansovino (nach Bramante's Entwurf) den
plastischen Schmuck, unter Teilnahme zahlreicher anderer Bildhauer, von
1513 bis zu seinem Tode 1529 ausführte, ist die Dekoration ganz
zurückgedrängt, die Freifiguren sind den Deckenbildern Michelangelo's
entlehnt, und in den Reliefs stört das übertriebene Herausarbeiten der
einzelnen Figuren. Doch ist Sansovino hier in Abwägung der Kompositionen
wie in der Durchführung immerhin noch glücklicher als in der unmittelbar
vor seiner Übersiedelung nach Loreto ausgeführten Gruppe der Maria
Selbdritt in S. Agostino zu Rom (1512), die in der Anordnung, obgleich
von Leonardo entlehnt, verfehlt, in der Ausführung oberflächlich und
karikiert erscheint. Das Berliner Museum besitzt in dem großen
Marmorrelief mit dem Sturz des Phaeton (No. 227) eine charakteristische
Arbeit Andrea's in der Art der Hochreliefs in Loreto; das Reliefporträt
des Kardinals Ant. del Monte (No. 226) ist dagegen ein tüchtiges,
einfach aufgefaßtes Bildnis, das durch den warmen Ton des Marmors noch
besonders anziehend wirkt.

Wie Sansovino's Arbeiten der späteren Zeit durch die Berührung mit
Michelangelo und namentlich mit dem ihm nahe verwandten Raphael in Rom
von diesen Künstlern wesentlich beeinflußt erscheinen, so hat ein
florentiner Bildhauer, _Lorenzetto_ (Lorenzo di Lodovico gen.
Lorenzetto, 1489-1541), wenig später in Rom direkt nach Entwürfen
Raphaels den plastischen Schmuck der Cap. Chigi in Sa. Maria del Popolo
ausgeführt. Die Statue des Propheten Jonas und die ganz im antiken Sinne
erfundene Komposition des Bronzereliefs mit Christus und der Samariterin
(jetzt am Altar) gehören zu den edelsten Arbeiten der Hochrenaissance,
denen A. Sansovino nur die Gruppe der Taufe in Florenz an die Seite zu
setzen hat. Wie wenig Verdienst dabei dem Lorenzetto selbst gebührt,
beweisen dessen spätere Arbeiten, wie die Madonnenstatue am Grabe
Raphaels im Pantheon, die Figur der Caritas am Monument Forteguerri in
Pistoja (1514) und die nüchterne Petrusstatue auf der Engelsbrücke.

Ein Paar florentiner Künstler, deren Thätigkeit im Wesentlichen auf ihre
Heimat beschränkt bleibt, behalten von ihren Vorgängern und Lehrern die
Freude an reicher Dekoration. _Andrea Ferrucci_ (1465-1526) erscheint
in seinem großen Tabernakel im Dom zu Fiesole und im Taufbrunnen des
Doms zu Pistoja herzlich unbedeutend in den kleinen Figuren, aber
tüchtig im Aufbau und in der malerischen Behandlung der Dekoration. Im
höheren Maße gilt dies noch von _Benedetto da Rovezzano_ (1476-1556),
dessen Altar in Sa. Trinita, dessen Kamin und Marmornischen im Bargello
mit ihrem zierlichen malerisch behandelten Ornament wohl als die
feinsten dekorativen Arbeiten der florentiner Hochrenaissance gelten
dürfen, während die kleinen Figuren an diesen Arbeiten, die Reliefs aus
dem Leben des hl. Giovanni Gualberto (Bargello) und seine Statuen (wie
der Evangelist Johannes im Dom) unbelebt und befangen erscheinen.
Ferrucci's Andreasstatue im Dom (1512) leidet an denselben Mängeln;
dagegen zeichnen sich seine Büste des Marsilio Ficino im Dom (1521) und
eine ähnliche Büste in S. Francesco al Monte durch einfache
Naturbeobachtung und geschmackvolle Anordnung vor den meisten
gleichzeitigen Büsten vorteilhaft aus.

Benedetto wurde in seiner späteren Zeit durch Kardinal Wolsey nach
England gezogen, um dort das Grabmal dieses Kirchenfürsten auszuführen.
Schon vor ihm war ein ähnlich veranlagter Landsmann, _Piero Torrigiano_
(geb. 1472), durch den König selbst an den englischen Hof gezogen und
arbeitete hier das edle Grabmonument Heinrichs VII. in Westminster
Abbey, wo auch das einfache Grab der Mutter des Königs von seiner Hand
ist. Später ging der Künstler nach Spanien; unter den dort ausgeführten
Bildwerken ist die bemalte Thonfigur des hl. Hieronymus im Museum zu
Sevilla die tüchtigste. Weit manierierter ist als Bildhauer der bekannte
Architekt _Francesco di Sangallo_ (1493 bis 1570), wie seine
Marmorgruppe der Madonna mit Anna in Or San Michele (1526) und das
Monument des Bischofs Angelo Medici in der Annunziata zu Florenz
beweisen. Schlichter und naturwahrer ist seine Grabplatte des Bischofs
Bonafede in der Certosa bei Florenz.

Zwei andere Florentiner dieser Zeit sind uns namentlich durch ein Paar
stattliche Bronzearbeiten bekannt. Die Gruppe der Predigt des Täufers am
Battistero (1511), von der Hand des _Gio. Francesco Rustici_
(1474-1554), schon stark beeinflußt durch Michelangelo, ist durch die
Einfachheit und den Ernst der Auffassung und Anordnung, durch die Kraft
der Gestalten eine der besten Arbeiten der Hochrenaissance überhaupt.
Die Bronzestatue des Evangelisten Johannes an Or San Michele von _Baccio
da Montelupo_ (1469-1533?) erscheint daneben nüchtern und gesucht.

[Abbildung: 225. Marmorbüste der Teodorina Cibò von G. Cr. Romano (?).]

Die Arbeiten der genannten florentiner Künstler charakterisieren sich
regelmäßig durch eine gewisse Schwerfälligkeit und Nüchternheit, sowohl
in der Dekoration wie in den Figuren, welche neben der eleganten
Leichtigkeit und frischen Natürlichkeit ihrer Vorgänger besonders stark
auffallen. Ein gleichzeitiger römischer Bildhauer und Goldschmied, der
Sohn des Isaïa, _Gian Cristoforo Romano_ (um 1465-1512), bewahrt weit
mehr von der einfachen Natürlichkeit und Grazie des Quattrocento.
Freilich haben seine Arbeiten, auch die umfangreichsten, mehr den
Charakter der Kleinkunst, welche während der Hochrenaissance durch ihren
engeren Anschluß an die vorausgegangene Epoche und an die Bedingungen
des Materials vielfach den Vorzug vor der monumentalen Plastik besitzt.
Cristoforo's Mausoleum des Gian Galeazzo Visconto in der Certosa zu
Pavia (um 1491-1497) erscheint wie ein Schmuckkästchen im Kolossalen;
die Reliefs von seiner Hand haben noch viel Verwandtschaft mit besseren
Arbeiten des späteren Quattrocento in Rom. Ein jüngeres Grabmonument
seiner Hand, das des Pier Francesco Trecchi in S. Vincenzo zu Cremona
(um 1502-1505), ist ohne feineren Sinn für den Aufbau, aber sehr
reizvoll in der zierlichen Dekoration. Als ein Jugendwerk des Künstlers
ist die treffliche Marmorbüste der jungen Beatrice d'Este im Louvre (um
1491) wohl mit Recht für Cristoforo in Anspruch genommen. Nach dem
Vergleich mit dieser Büste und verschiedenen beglaubigten Medaillen
berühmter italienischer Frauen seiner Zeit darf auch die große
Marmorbüste der Teodorina Cibò in der Berliner Sammlung (No. 225) mit
Wahrscheinlichkeit auf Gian Cristoforo zurückgeführt werden. In Rom im
Anfang des XVI. Jahrh. entstanden, zeigt dieses Werk in der
anspruchslosen Haltung, in der klassischen Gewandung die Richtung der
Hochrenaissance in einer schlichten Größe wie wenige Büsten der Zeit.

In Gian Cristoforo Romano ist der Einfluß der Frührenaissance, in
welcher der Künstler groß geworden war, ein maßgebender geblieben,
obgleich er in Rom in Beziehung zu den großen Meistern der
Hochrenaissance, namentlich auch zu Michelangelo stand. In höherem Maße
ist dies noch der Fall bei mehreren gleichzeitigen oder selbst jüngeren
Bildhauern, welche fern von den großen Kunststätten aufgewachsen waren
und in ihrer Thätigkeit auf ihre Heimat beschränkt blieben. In einer
Reihe von Bildwerken in den Marken, wie im Monument des Ritters
Guidarelli im Museum zu Ravenna, oder in den beiden Marmoraltären im Dom
von Cesena, teilweise auch noch in den Grabmonumenten des _Pietro
Bariloto_ in Faenza (thätig um 1520-1545), sind die Vorbilder der
venezianischen Künstlerfamilie Lombardi nur in verallgemeinerten, etwas
verflauten Formen wiedergegeben. Ähnlich ist es nördlich von Bologna, wo
in Parma _Gian Francesco da Grado_ in mehreren seiner Feldherrnmonumente
in der Steccata (am Ende der zwanziger Jahre) Einfachheit im Aufbau mit
geschmackvoller Dekoration und feiner Farbenwirkung zu verbinden weiß.
Wie in der Plastik der Lombardei noch bis tief in das XVI. Jahrh. hinein
die Traditionen des Quattrocento nachwirkten und selbst ein Künstler wie
_Ag. Busti_, dessen Thätigkeit die erste Hälfte des Cinquecento
ausfüllt († 1548), noch auf der Grenze beider Epochen steht, ist früher
schon ausgeführt worden (S. 138).

In Busti und anderen Bildhauern der Lombardei bringt der Einfluß der
neuen Zeit auf die herbe alte Kunstweise oft eine eigentümlich
unerfreuliche Mischung hervor, die als Karikatur oder Manier wirkt. In
dem benachbarten Modena tritt uns dagegen ein etwas jüngerer Bildhauer,
_Antonio Begarelli_ (um 1498-1565), wenn er auch seinem Vorgänger im
Quattrocento Guido Mazzoni die Anregung zu seiner eigentümlichen
Kunstthätigkeit verdankt, doch als völlig freier Künstler der
Hochrenaissance entgegen. Seine Ausbildung und Beschäftigung abseits von
den großen Kunstcentren hatte bei ihm nur die günstige Wirkung, daß er
seine Richtung besonders eigenartig entwickelte und von fremden,
barocken Einflüssen freihielt. Die hervorstechende Eigentümlichkeit
seiner Kunstwerke: die Anordnung seiner Kompositionen als Gruppen von
großen Freifiguren in Thon, ist freilich stilistisch ein Unding, da sie
als plastische Nachbildung lebender Bilder erscheint und nur durch die
Aufstellung in Kapellen und Nischen einen Abschluß bekommt. Aber in der
Auffassung, in der Bildung der einzelnen Gestalten, in der Gewandung und
Haltung derselben kommen ein Ernst und Schönheitssinn zum Ausdruck, wie
ihn selbst Andrea Sansovino nicht aufzuweisen hat, der auch an
Lebenswahrheit die Gestalten Begarelli's selten erreicht. Freilich sind
dieselben so sehr auf die Zusammenstellung in Gruppen berechnet, daß
seine Einzelfiguren regelmäßig unruhig und unsicher in der Haltung
erscheinen. Die Kirchen Modenas sind reich an Werken seiner Hand: die
Beweinung Christi in S. Pietro, und derselbe Gegenstand in Sa. Maria
Pomposa, die Kreuzabnahme in S. Francesco, Christus bei Martha in
S. Domenico sind seine bekanntesten Gruppen; Einzelstatuen an mehreren
Stellen; auch außerhalb Modenas (in S. Benedetto bei Mantea und
S. Giovanni zu Parma). Die Berliner Sammlung besitzt eine kleinere
Gruppe Begarelli's: Christus am Kreuz mit schwebenden und knieenden
Engeln zur Seite (No. 259); eine Arbeit, die wohl geeignet ist, die
eigentümlichen Schönheiten der Kunst des Meisters zu kennzeichnen,
daneben aber auch, als allgemeines Erbteil der Hochrenaissance, eine
gewisse Allgemeinheit in Ausdruck und Formengebung, Absichtlichkeit in
der Anordnung und Kälte der Wirkung durch die Farblosigkeit nicht
verleugnet.

In Bologna vertritt _Alfonso Lombardi_ (1497-1537) eine dem Begarelli
verwandte Richtung. Auch von ihm sind ähnliche Thongruppen erhalten: die
farbige Gruppe der Beweinung Christi im Dom und die farblose des Todes
Mariä im Sta. Maria della Vita (1519); letztere in der Häufung der
Figuren, in der anspruchsvollen Haltung derselben und der barocken
Auffassung eine eigentümliche Verirrung dieser Kunstgattung. Seine
kleineren Gruppen und Reliefs außen und innen an der Fassade von
S. Petronio sind durch Geschmack und malerische Wirkung ausgezeichnet;
dasselbe gilt auch von den kleinen Marmorreliefs am Untersatz der Arca
in S. Domenico.

Mit Alfonso war der Florentiner _Tribolo_ (Niccolo Pericoli gen,
Tribolo, 1485-1550) am Schmuck der Fassade von S. Petronio thätig. Im
Anschluss und unter der Einwirkung von Quercia's Arbeiten an der Fassade
sind namentlich die kleinen Reliefs an den Thüren weit stilvoller in der
Reliefbehandlung, einfacher in der Anordnung und lebendiger in der
Schilderung als die gleichzeitigen Arbeiten an der Santa Casa des Andrea
Sansovino, an der auch Tribolo später thätig war, oder als die Reliefs
der Capella del Santo in S. Antonio zu Padua.

Tribolo war in Florenz Schüler des _Jacopo Sansovino_ (eigentlich Jacopo
Tatti, 1486-1570). Groß geworden in Florenz in der Werkstatt des Andrea
Sansovino, dem er seinen Namen verdankt, dann in Florenz und später in
Rom thätig, hat Jacopo seine Eigenart doch erst nach seiner
Übersiedelung nach Venedig (1527) voll ausgebildet. Für diese Stadt ist
der Künstler zugleich von hervorragender Bedeutung geworden durch die
dort von ihm ausgebildete Schule, die, im Anschluß an die gleichzeitige
Architektur, in Verbindung mit der Malerei und unter dem entschiedenen
Einflusse derselben nahezu ein Jahrhundert lang eine reiche Thätigkeit
entfaltete. Sansovino's Arbeiten in Florenz: der hl. Jacobus im Dom
(1511-1513) und der jugendliche Bacchus im Bargello, und die römischen
Bildwerke: die Madonnenstatue in S. Agostino, die kleine Wachsgruppe
einer Kreuzabnahme (jetzt im South Kensington Museum) u. a. m., stehen
noch ganz unter dem Einflusse seines Lehrers Andrea, sind aber frischer,
lebendiger und individueller als dessen Werke; dies gilt namentlich von
der köstlichen Jünglingsgestalt des Bacchus. Als eine Arbeit seines
römischen Aufenthalts (um 1511-1515) bezeichnet Vasari, freilich nur
als wahrscheinlich, ein Brustbild des Kardinals Ant. del Monte in
Hochrelief, welches jetzt das Berliner Museum besitzt (No. 226). Die
Formenbehandlung dieses energisch aufgefaßten Kopfes scheint jedoch eher
auf Andrea Sansovino selbst wie auf seinen Schüler zu deuten (vergl.
S. 163). Für den Einfluß Michelangelo's auf Jacopo in der späteren Zeit
seines Aufenthalts in Rom ist das große Thonrelief der Madonna in
unserer Sammlung (No. 232) besonders bezeichnend, ein Werk von großer
Wirkung.

[Abbildung: 230. Bemaltes Stuckrelief der Madonna von Jac. Sansovino.]

In Venedig wurde Sansovino's bildnerischer Stil wesentlich bestimmt
durch seine umfangreiche Thätigkeit als Architekt und durch das
Zusammenleben mit den ihm überlegenen Malern, namentlich mit Tizian und
Tintoretto. Nicht, daß er im Stande gewesen wäre, die plastische Kunst
Venedigs ebenbürtig auf einen Platz neben die venezianische Malerei zu
heben: seine Bildwerke und die der zahlreichen Schüler, welche er in
Venedig um sich versammelte, sind kaum weniger allgemein und
oberflächlich und sind gelegentlich ebenso manieriert, als die seiner
Zeitgenossen außerhalb Venedigs. Aber sie haben den großen Vorzug einer
glücklichen Verbindung mit der Architektur und einer malerischen Wirkung
durch Auffassung, Behandlung und Material (vielfach Bronze). Sie fügen
sich geschickt in ihre Umgebung, sind in ihrer Art meist lebensvoll und
ohne besondere Ansprüche, und haben nicht selten gerade dadurch zugleich
eine vornehme und selbst große Erscheinung; ähnlich etwa wie die Werke
des Tintoretto, dessen Porträts auch die Büsten dieser Künstler nahe
kommen.

Sansovino's Werke in Venedig sind sehr zahlreich und mannigfaltig. Sehr
nüchtern erscheint er in den beiden späten Kolossen an der Treppe des
Dogenpalastes. Besonders malerisch und elegant sind dagegen die
Bronzestatuen und Reliefs an der Loggietta (um 1540); ähnlichen Reiz
besitzen die verschiedenen kleineren Bronzearbeiten im Chor von
S. Marco, namentlich die sitzenden Apostel. Unter mehreren Grabmälern
sind das Monument Venier († 1556) in S. Salvatore und das des Thomas von
Ravenna mit der sitzenden Bronzestatue über der Thür von S. Giuliano die
ansprechendsten. Für seine Behandlung der Madonnenreliefs bieten
verschiedene Arbeiten der Berliner Sammlung besonders charakteristische
Beispiele. Das bemalte Hochrelief der Madonna zwischen Heiligen (No.
231), das noch in Anlehnung an Altarbilder des Quattrocento aufgebaut
ist, zeigt im Reliefstil wie in den Figuren die Einflüsse seines Lehrers
Andrea mit denen Michelangelo's gemischt. Ein Paar große Stuckreliefs in
flachem Relief (No. 230 und 230A), mit alter Bemalung, sind durch ihre
malerische Wirkung und eine gewisse Größe der Auffassung ausgezeichnet.
Von besonderem Interesse sind sie durch den Anschluß des Künstlers an
Vorbilder des Quattrocento, namentlich an Donatello.

[Abbildung: 247. Marmorbüste des Ott. Grimani von Al. Vittoria.]

Sansovino's Schüler, die er aus allen Gegenden um sich versammelte,
haben unter der starken Einwirkung ihres Meisters einen diesem nahe
verwandten gemeinsamen Charakter, soweit nicht Einflüsse anderer Meister
in ihnen schon übermächtig geworden waren, wie bei dem Florentiner Bart.
Ammanati und Danese Cattaneo aus Carrara (1509-1573). Von _Alessandro
Vittoria_ aus Trient (1525-1608) sind Einzelfiguren in beträchtlicher
Zahl in den Kirchen Venedigs zerstreut; so ein Sebastian in
S. Salvatore, ein Hieronymus in S. Giovanni e Paolo u. s. w. In ihrer
gestreckten Form und oberflächlichen Charakteristik sind sie doch von
wirkungsvoller, malerischer Erscheinung, den Gestalten Tintoretto's
vergleichbar. Charakteristische Beispiele dafür bieten vier kleine
Bronzestatuetten der Evangelisten (No. 639H bis L.) und eine größere
Bronzefigur in der Berliner Sammlung. In dem gut aufgebauten Grabmal,
das Vittoria sich selbst in Sa. Zaccaria errichtete, zeigt die Büste die
eigentliche Kraft des Künstlers, die Porträtdarstellung. Auch die
Berliner Sammlung hat verschiedene Beispiele derselben aufzuweisen:
außer dem Selbstbildnis (No. 246), das durch seine Aufstellung im Freien
beschädigt ist, das Thonmodell zu einer Büste des Admirals Contarini
(No. 249), sowie die großen Marmorbüsten des Pietro Zeno (No. 248) und
des Ottavio Grimani (No. 247); letztere in ihrer vornehmen individuellen
Erscheinung, die durch die warme naturalistische Färbung des Marmors
noch erhöht wird, wohl die bedeutendste unter den zahlreichen derartigen
Arbeiten des Vittoria.

Ein anderer Schüler Sansovino's, _Girolamo Campagna_ aus Verona, ist
Vittoria in der Schönheit wie im Ausdruck seiner Gestalten und in der
Durchbildung derselben überlegen. So in der Verkündigung am Pal. del
Consiglio in seiner Vaterstadt Verona, dann zu Venedig in den Gruppen
der Hochaltäre von S. Giorgio Maggiore, Redentore, Sto. Stefane und
S. Tommaso, in verschiedenen Einzelfiguren in Sto. Stefano, in der
Scuola di S. Rocco u. s. f. Auch der Doge Loredan am Grabmal desselben
in S. Giovanni e Paolo ist eine edle Porträtfigur. In der malerischen
Reliefbehandlung besonders ausgezeichnet sind die Darstellungen des
Bronzedeckels vom Taufbrunnen in S. Marco, die gemeinsame Arbeit des
_Tiziano Minio_ von Padua (1517-1552) und des _Desiderio_ von Florenz.
Andere Schüler, wie _Pietro de' Sali_ († 1563), _Jacopo Colonna_,
_Tommaso da Lugano_ waren, neben den Genannten, Sansovino's Gehülfen bei
den Dekorationen der Bibliothek, des Dogenpalastes und der Capella del
Santo in S. Antonio zu Padua. Diese großen gemeinsamen Arbeiten sind um
so glücklicher, je mehr sie auf architektonische Wirkung berechnet sind;
wo sie, wie im Santo, rein plastisch sein wollen und hochdramatische
Motive darzustellen haben, sind Meister und Schüler ebenso schwach wie
die Nachfolger Michelangelo's und Andrea Sansovino's in Rom und Florenz.
Die letzten Ausläufer dieser Schule Sansovino's am Ende des XVI. und im
Anfange des XVII. Jahrh. sind _Tiziano Aspetti_ († 1607) und _Giulio dal
Moro_, deren Richtung in der Berliner Sammlung durch zwei malerisch
wirkungsvolle, lebendig bewegte Marmorstatuetten, »Die Ehre« und »Der
Reichtum« (No. 266 und 267), vorteilhaft vertreten ist. Mit diesen
Künstlern erlischt in Venedig nahezu für ein Jahrhundert fast jede
größere plastische Thätigkeit; aber auch nach ihrer Wiederbelebung durch
die Berninische Kunstrichtung hat sie nicht mehr die Kraft zu einer
freieren, reicheren Entfaltung.

Die ganze hier betrachtete Gruppe von Künstlern seit Andrea Sansovino
erscheint mehr oder weniger beeinflußt von Michelangelo. Auch die
unabhängigsten unter ihnen, wie Andrea Sansovino selbst und sein Schüler
Jacopo, gehen gelegentlich bis zur direkten Nachahmung des weit
überlegenen Meisters (wie in Andrea's Propheten an der Santa Casa und in
den Evangelisten Jacopo's im Chor der Markuskirche); aber sie verlieren
darüber doch nicht ihre Eigenart und besitzen, bald in höherem bald in
geringerem Grade, eine gewisse Lebensfülle und malerische Erscheinung.
Den eigentlichen Schülern und Nachfolgern Michelangelo's fehlen in der
Regel auch diese Vorzüge. Wo dieselben nicht gerade Modelle ihres
Meisters ausführen, erscheinen sie meist manieriert oder selbst plump
und unkünstlerisch. _Raffaello da Montelupo_ (1505-1567), der den hl.
Damian in der Mediceerkapelle und verschiedene Figuren am Juliusgrabmal
ausführte und vorher an der Ausschmückung der Santa Casa in Loreto Teil
nahm, ist in seinem Grabmal Rossi in Sa. Felicità in Florenz noch
verhältnismäßig einfach und würdig. _Fra Gio. Angiolo Montorsoli_ (1507
bis 1563), ein anderer Mitarbeiter an Michelangelo's Grabmälern (Statue
des hl. Cosmas), fand später in Genua ein ausgiebiges Feld der
Thätigkeit, als Bildhauer wie als Architekt. Hier ist die prachtvolle
Ausschmückung von S. Matteo von besonderem Interesse, weil der Künstler
sie ganz einheitlich und mit den reichsten Mitteln ausführen konnte. Der
Hochaltar in den Servi zu Bologna ist eine spätere Arbeit des Künstlers,
der in Messina verschiedene große Brunnen von geringem dekorativen Werte
ausführte. Beiden überlegen ist der Lombarde _Guglielmo della Porta_ (†
1577), Sohn und Schüler des _Gio. Giac. della Porta_. Vater und Sohn
haben eine beträchtliche Zahl von Marmorarbeiten in Genua (im Dom,
S. Tommaso u. s. f.) hinterlassen, die meist leere, anspruchsvolle
Schaustücke sind. Nach seiner Übersiedelung nach Rom trat Guglielmo in
enge Beziehung zu Michelangelo. Sein bekanntestes Werk hier, das große
Grabmal Papst Pauls III. im Chor des Peter ist wohl das hervorragendste
plastische Werk, das unter dem unmittelbaren Einflüsse Michelangelo's
entstanden ist. Groß durch den einfachen Aufbau und die kolossalen
Gestalten, ist dasselbe namentlich ausgezeichnet durch die Lebensfülle
und Kraft der Papstfigur, der nur wenige Bildnisfiguren dieser Zeit
gewachsen sind.

Besonders befangen in der Nachahmung Michelangelo's erscheinen die
florentiner Künstler dieser Zeit; auch die, welche, wie _Baccio
Bandinelli_ (1493-1560), sich persönlich feindlich dem alten Meister
gegenüberstellten. Was ihnen an Michelangelo am meisten Eindruck machte,
war das Kolossale; aber bei dem Mangel an feiner Naturkenntnis, an
Geschmack und Phantasie erscheinen sie leer und roh in ihren Kolossen,
die langweilig und nicht einmal dekorativ wirken. Dies gilt sowohl von
Baccio's kolossalem Herkules und Kakus vor dem Pal. Vecchio, wie von den
Statuen von Adam und Eva im Bargello und von verschiedenen Gruppen der
Beweinung Christi und Einzelfiguren in florentiner Kirchen. In seiner
Marmorstatue des Giovanni de' Medici vor S. Lorenzo steht die
kriegerische Derbheit im Einklänge mit der Erscheinung und dem Charakter
des Mannes. Am glücklichsten ist Baccio in den Propheten und Aposteln an
den Chorschranken des Domes, die in ihrem malerischen Flachrelief von
feiner Wirkung und meist geschickt im Raum erfunden und gut in der
Bewegung sind. Ein Relief von ähnlichem Charakter ist das in Thon
modellierte Selbstporträt in halber Figur im Berliner Museum (No. 218),
welches dem danach ausgeführten Marmorrelief in der Domopera zu Florenz
entschieden überlegen ist.

Enger noch und mit mehr Glück schließt sich _Pierino da Vinci_ an
Michelangelo (jung verstorben, thätig um 1540-1553). Von ihm sind nur
wenige kleinere Flachreliefs im Bargello, im Privatbesitz in Florenz und
im Auslande erhalten. Ein charakteristisches Beispiel seiner Richtung
giebt das kleine Stuckrelief der hl. Familie in der Berliner Sammlung
(No. 217).

Der Architekt _Bartolommeo Ammanati_ (1511-1592) ist im figürlichen
Teil seiner Grabmonumente (in S. Pietro und S. Mercurio in Rom, im Campo
Santo zu Pisa und in den Eremitani zu Padua) wie in seinem Brunnen auf
dem Piazza del Granduca zu Florenz äußerst nüchtern und unbelebt.
_Giovanni dall' Opera_, der Schüler Bandinelli's, ist wesentlich von
diesem abhängig. Der jüngere _Vincenzo Danti_ (1530-1576) hat in dem
Bronzerelief mit der Anbetung der Schlange im Bargello ein im Geiste
Michelangelo's gehaltenes Werk geschaffen, während seine große
Bronzegruppe der Enthauptung des Täufers am Battistero in Florenz und
seine sitzende Papstfigur Julius' III. in Perugia manieriert erscheinen.

[Abbildung: 216. Bronzebüste des Papstes Gregor XIII.]

In anderer Weise abhängig von Michelangelo zeigt sich der berühmteste
Goldschmied seiner Zeit, _Benvenuto Cellini_ (1500-1572). Als Goldschmied
weit über Gebühr gefeiert, da die wenigen beglaubigten Arbeiten sowohl
echt dekorativen Sinn wie feinere Empfindung für die Bedingungen des
Materials vermissen lassen, hat Benvenuto in seinen eigentlichen
Bildwerken einen Ernst im Naturstudium und in der Durchbildung und
gelegentlich eine leichte Grazie, die allen anderen florentiner
Zeitgenossen abgeht. Freilich verraten Büsten, wie der Bindo Altoviti im
Privatbesitz zu Florenz und die Kolossalbüste Cosimo's I. im Bargello,
in ihrer übertrieben sauberen Ciselierung, namentlich in der scharfen
Umränderung der Augen und des Mundes, die Gewöhnung des Goldarbeiters;
aber die treue Wiedergabe der Persönlichkeit in diesen Büsten wie die
Behandlung des Nackten in den Figuren, sowohl an dem schön aufgebauten
Perseusmonument in der Loggia de' Lanzi zu Florenz wie im Bronzekrucifix
im Escurial, erscheinen für diese Zeit sehr beachtenswert. Die Modelle
des Perseus im Bargello (eines in Wachs, das andere in Bronze) sind der
großen Statue noch durch Schönheit der Formen und glücklichere Bewegung
überlegen. Die Berliner Sammlung besitzt verschiedene kleine Bronzen,
die mit Wahrscheinlichkeit auf Cellini zurückzuführen sind: so eine
Gruppe mit dem Sieg der Tugend, mehrere Figürchen von badenden Frauen
und eine besonders reizende schlafende Nymphe (No. 639B, Abb. S. 178).

Die Berliner Sammlung besitzt auch eine große Bronzebüste des Papstes
Gregor XIII. (No. 216), welche deutlich den Einfluß Michelangelo's
verrät. Der Meister hat bisher (so wenig wie für ein Paar ganz ähnliche
Bronzebüsten der Päpste Sixtus V. in Sanssouci und Gregor XIV. im Besitz
der Kaiserin Friedrich) noch nicht bestimmt werden können. Schlicht und
doch groß in der Auffassung, malerisch in der Anordnung und in der
Behandlung, ist sie von einer für diese Zeit ganz ungewöhnlich
meisterhaften Individualisierung und von bewunderungswerter Breite und
Sicherheit in der Ausführung.

Als Bronzegießer, im Großen wie im Kleinen, haben neben Cellini ein Paar
oberitalienische Bildhauer, der Paduaner _Leone Leoni_ (1509-1590) und
sein Sohn _Pompeo Leoni_ († 1610), eine ausgedehnte Thätigkeit
entwickelt, freilich vorwiegend außerhalb Italiens, für Karl V. und
Philipp II. Ihre Bronzestatuen und Büsten dieser Fürsten und ihrer
Anverwandten (jetzt im Museo del Prado in Madrid, in Toledo und in
Windsor Castle), sind ernst und lebenswahr in Haltung und Auffassung und
zeigen eine ähnliche Freude der Künstler an reichem Beiwerk und an der
Durchführung, wie Cellini's Bronzen; doch haben sie weniger dessen
goldschmiedeartige Schärfe und Härte. In Italien lernt man am
Marmormonument des Gio. Giac. de Medici im Dom zu Mailand und an der
imposanten sitzenden Bronzefigur des Vincenzo Gonzaga über seinem
Grabmal im Palast zu Sabionetta Leoni's Thätigkeit im Großen kennen.

Wie Cellini, so sind auch beide Leoni, namentlich der ältere, als
_Medailleure_ thätig gewesen. Überhaupt erfuhr diese eigenartige
Kunstthätigkeit insbesondere in Oberitalien eine ununterbrochene reiche
Pflege; durch den Anschluss an die Vorbilder des Quattrocento und die
Beobachtung der plastischen Gesetze für die Komposition im engen Raum
sind diese kleinen Bildwerke den gleichzeitigen großen Schöpfungen der
Plastik in der Regel in stilvoller Komposition, wie in malerischer
Behandlung und individueller Charakteristik entschieden überlegen. Aus
der großen Zahl tüchtiger Medailleure sind außer den letztgenannten
Bildhauern durch Zahl und Meisterschaft ihrer Arbeiten besonders
hervorzuheben: der Goldschmied _Franc. Francia_ aus Bologna, der
Veronese _G. M. Pomedello_, der Paduaner _Gio. Cavino_ († 1570), die dem
L. Leoni sehr verwandten Mailänder _Jac. da Trezzo_ († 1589), _Gianant.
Rossi_ und _Ant. Abondio_ (1538-1591), die namentlich am päpstlichen
Hofe beschäftigten _Gian Fed. Bonzagna_ und _Lor. Fragni_, beide aus
Padua, _Dom. Poggini_ aus Florenz, der Römer _P. P. Galeotti_ († 1584),
der Sienese _Pastorino_ († 1592); letzterer von ganz besonderem
malerischen Geschick und außerordentlich fruchtbar (es sind mehr als 150
Medaillen von ihm bekannt).

Die Pflege des Bronzegusses, der seit der Mitte des XVI. Jahrh. sehr in
Aufnahme kam namentlich in Florenz und Venedig, eine Zeitlang auch in
Mailand, Bologna u. s. f. zu glänzender Entfaltung gelangte, hat darin im
Großen wie im Kleinen, in der großen Plastik wie im Kunsthandwerk, zu
einer außerordentlichen technischen Vollendung geführt und auf die
Entwickelung der gesamten Plastik in Italien noch im Laufe des XVI.
Jahrh. einen bestimmenden Einfluß ausgeübt. Die Schwierigkeit der Arbeit
und die Sorgfalt, die auf die Ausführung verwendet werden mußte, führte
die Künstler auch auf ein gründlicheres Studium der Natur zurück. In
ähnlicher Weise mußten auch die Bedingungen für eine günstige Wirkung
der Bronzebildwerke: geschlossene Komposition, Mäßigung in der Bewegung
und in den Ausladungen u. a. m., auf eine maßvollere, weniger manierierte
Behandlung der Marmor- und Thonbildwerke zurückwirken, während
andererseits die malerische Wirkung der Bronze auch auf die Behandlung
des Marmors allmählich Einfluß ausübte.

Ein anderes wesentliches Element für den Umschwung, der sich Ende des
XVI. Jahrh. in der italienischen Plastik vorbereitet und allmählich den
Barockstil heraufführt, ist das Eindringen fremder Kunst, insbesondere
durch niederländische und später durch französische Bildhauer, die sich
vorübergehend oder dauernd in Italien niederließen und hier teilweise
eine sehr umfangreiche Thätigkeit ausübten. Der erste und
einflußreichste unter ihnen ist der Vlame _Giovanni da Bologna_
(eigentlich Jean Boulogne aus Douay, 1524-1608), welcher in den letzten
Jahrzehnten des XVI. Jahrh. als Dekorator der öffentlichen Plätze, der
Gärten und Paläste der Mediceer eine ganz außerordentliche Thätigkeit
entwickelte. Der Einfluß derselben wurde noch verstärkt durch die
zahlreichen kleineren Wiederholungen, die er nach seinen Kompositionen
in Bronze selbst anfertigte oder in seiner Werkstatt von Susini u. A.
fertigen ließ; Arbeiten, welche von der Zeit des Künstlers an bis auf
unsere Zeit zu den gesuchtesten Kunstgegenständen gehörten.

In Antwerpen zum Bildhauer ausgebildet, kam Giovanni mit etwa 25 Jahren
nach Italien und ließ sich 1553 dauernd in Florenz nieder. Seine
Reiterstatue Cosimo's I. neben dem Palazzo Vecchio (aufgestellt 1594)
ist edel und einfach in der Haltung; spätere Standbilder von ihm in
Florenz und Pisa sind aber nicht besser als ähnliche Werke seiner
Zeitgenossen. Dasselbe gilt von seinen Reliefs, namentlich denen im Chor
der Annunziata zu Florenz und an den drei Bronzethüren des Doms zu Pisa,
die meist manieriert in den Formen und wenig glücklich im Reliefstil
erscheinen. In seiner bekannten Gruppe: der »Fiorenza« im Bargello
(seit 1565 ausgeführt), im Raub der Sabinerinnen (1581-1583) und im
Herkules und Nessus in der Loggia de' Lanzi ist zwar die Durchführung
der Formen meist gleichgültig oder willkürlich, aber der Aufbau ist
regelmäßig kühn und schön bewegt. Ähnliches gilt von den Einzelfiguren
(die Bronzestatuen des Lucas an Or San Michele vom Jahre 1602, die
Figuren in der Cap. Salviati in S. Marco, im Chor des Domes zu Lucca u.
s. f.), vor Allen von dem berühmten Merkur im Bargello. Am glücklichsten
ist er in seinen Brunnen: in dem Neptunsbrunnen in Bologna (1563-1567),
in den beiden Fontänen des Giardino Boboli (der mit dem Okeanos und drei
Stromgöttern, vollendet 1576, und der kleinere mit der Badenden, die von
Faunen belauscht wird, 1585), in der Bronzefigur der badenden Venus in
der Villa Petraja u. s. f. Jeder dieser Brunnen ist ein Meisterwerk für
sich: völlig plastisch und doch zugleich von großer dekorativer Wirkung,
glücklich und groß im Aufbau, elegant in den Einzelfiguren, die sich in
schönen, fein bewegten Linien von der Luft abheben, meisterhaft in der
Dekoration, namentlich in den Fratzen, Masken und Ungetümen, die der
Künstler in phantastischer Weise bildet und als Wasserspeier in
geschicktester Weise verwendet. Die Berliner Sammlung besitzt
verschiedene seiner kleinen Bronzen, darunter eine schöne größere Gruppe
eines Frauenraubes.

Eine kleine Bronzefigur des Merkur in derselben Sammlung, ist
wahrscheinlich auf die Hand eines anderen Niederländers zurückzuführen,
der gleichzeitig in Florenz thätig war, _Elia Candido_; wie Bologna
hauptsächlich Bronzebildner. Durch Inschriften als seine Arbeiten
bezeugt sind verschiedene etwa halblebensgroße Götterstatuetten im
Bargello, die bisher gleichfalls seinem berühmteren Landsmann
zugeschrieben wurden. In diesen Arbeiten ist Elia noch bewegter als
Giovanni, die Formen sind voller und stärker ausladend, zuweilen bis zur
Manier. Sein Sohn _Peter Candid_, der Holländer _A. de Vries_ u. A.
sind vorübergehend in Italien thätig gewesen. Ein anderer Niederländer,
_Pietro Francavilla_ (aus Cambray 1548-1618), ist Schüler Giovanni's,
dessen Entwürfe er in der späteren Zeit mehrfach ausführte, jedoch mit
wenig Glück (zuerst in Florenz, später in Genua beschäftigt). Unter den
Italienern, die mit diesen Niederländern gleichzeitig in Florenz thätig
sind, ist nur ein anderer Schüler des Gio. di Bologna, _Pietro Tacca_
(† um 1650) in seinen dekorativen Bronzen (Brunnen auf der Piazza dell'
Anunziata, Bronzedekorationen im Giardino Boboli u. s. f.), von wirklicher
Originalität, glücklicher Phantasie und Lebenswahrheit.

Die reiche Sammlung kleiner Bronzefiguren im Berliner Museum enthält
eine beträchtliche Anzahl Arbeiten von Künstlern dieser Richtung.

[Abbildung: 639B. Schlafende Nymphe, Bronzefigürchen von Benv.
Cellini (?).]



Der Barock
(um 1630 bis 1780).


Die Bildwerke des Gio. da Bologna sowie verschiedener seiner
Zeitgenossen und Nachfolger entsprechen in höherem Grade den Gesetzen
der Plastik, als die der meisten übrigen Bildhauer der vorgeschrittenen
Hochrenaissance. Die Schönheit der einzelnen Figur oder Gruppe an sich,
durch den Reiz ihrer Konturen, glückliche Bewegung, schöne Körperbildung
und vollendete Durchbildung war das vornehmste Streben dieser Künstler;
freilich eine Schönheit, die weniger auf treue Wiedergabe der Natur als
auf das Wohlgefällige, sinnlich Reizende der Erscheinung ausging. Alle
diese Bildwerke, selbst die Reliefs (die schwächste Seite dieser
Künstler), wirken daher für sich allein, auch ohne Rücksicht auf die
Architektur, mit der sie zum Teil verbunden waren. In dieser Richtung
entwickelte sich aber die italienische Plastik nicht weiter. Vielmehr
wurde derselbe Geist, der die Architektur Italiens schon seit dem
Anfange des XVII. Jahrh. beherrschte, nun auch in der Plastik lebendig
und kam durch einen auf diesem Gebiete hochbegabten Künstler, durch
Bernini, rasch zu unumschränkter Herrschaft. Das malerische Prinzip ist
das bestimmende Gesetz des Barocks, auch für die Plastik. Nicht mehr die
abgeschlossene Wirkung des Bildwerks an sich, sondern die malerische
Zusammenwirkung desselben mit der Architektur und gelegentlich auch mit
der Landschaft wird von den Künstlern in so rücksichtsloser Weise
angestrebt, daß das einzelne Bildwerk, aus seinem Zusammenhange
herausgelöst, meist als Karikatur erscheint. Diese unplastische
Auffassung der Skulptur ist aber nicht etwa die Folge und bewirkt auch
keineswegs ein Zurücktreten der plastischen Thätigkeit in Italien:
vielmehr ist die Zahl der Bildhauer, unter denen hochbegabte, eine sehr
große, und der Umfang ihrer Werke wie die Pracht des Materials sind so
außerordentlich, daß keine andere Zeit darin mit dem Barock wetteifern
kann.

In bewußtem Gegensatze zur Hochrenaissance und seiner manieristischen
Ausartung erstrebt die Barockplastik wieder eine treue Wiedergabe der
Natur; aber dieser Naturalismus ist ganz eigener Art, völlig
verschieden von dem, was das Quattrocento darunter verstand. Der Barock
will die Wirklichkeit in der Form wie in der Empfindung, und diese hat
für ihn eine künstlerische Berechtigung nur in der Bewegung, im Affekt.
Das Wirkliche hat für die Künstler des Seicento seine volle Bedeutung,
ohne Rücksicht auf Schönheit, ohne die Regeln des klassischen Altertums.
In der Plastik, der die Mittel der Farbe, des Helldunkels, der
Darstellung in der Fläche abgehen, erscheint dieses Wirkliche aber gar
zu leicht als platte Gemeinheit, sowohl in den Formen wie in der
Auffassung.

Das dramatische Prinzip der Zeit, das unplastische Bestreben, selbst die
Einzelfigur im Moment der Handlung in ihrer Bethätigung der inneren
Erregung darzustellen, mußte von vornherein zu einer starken
Übertreibung der Formen führen, welche bei der Gewöhnlichkeit derselben
doppelt unangenehm auffällt. Die Männlichkeit wird zu karikierter
Schaustellung der Muskeln, die weibliche Schönheit wird in üppiger
Fleischesfülle gesucht und die Kenntnis der Formen in anatomischen
Bravourstücken zur Schau getragen. Die Gewandung wird nach rein
malerischen Prinzipien belebt und in ihren tiefen, oft wie vom Winde
aufgebauschten Falten wird auf den Körper darunter keine Rücksicht mehr
genommen. Dafür thut sich der Realismus etwas darauf zu Gute, die
Stofflichkeit der Gewänder mit größter Bravour wiederzugeben, sowohl in
Stärke und Fältelung wie in Glanz und Musterung, gelegentlich auch in
der Färbung, für die dann verschiedene Materiale gewählt werden.

Der geistige Inhalt der Bildwerke, dem zu Liebe alle Rücksichten auf
plastische Wiedergabe der Form geopfert werden, ist genau so nichtig und
äußerlich, wie die Erscheinung der Bildwerke. Die innere Erregung dieser
Gestalten ist in der Regel nur eine gemachte, und bei Einzelfiguren ist
das Motiv dafür oft so bei den Haaren herbeigezogen, daß sie geradezu
lächerlich wirken. Die Heiligen müssen mit ihren Gewändern, ihren
Attributen und Marterinstrumenten spielen und kokettieren, nur um bewegt
zu erscheinen; statt fest aufzustehen, verrenken sie sich in halb
tänzelnder, halb schwebender Bewegung.

Geeigneter für eine solche Auffassung mußte die Gruppe sein. In der That
füllt der Barock die Altäre und Wände der Kirchen, gelegentlich auch
ihre Fassaden, die Plätze und Gärten mit großen pomphaften Gruppen von
Martyrien, von schwülstigen Allegorien und üppigen mythologischen
Scenen. Aber auch hier wird der Affekt meist zur Affektation oder zu
widerwärtigem Pathos. Die Grabmonumente werden zu prunkvollen
Aufführungen, bei denen unverständliche allegorische Gestalten den
Jammer über den Tod, den Triumpf über die irdische Vergänglichkeit oder
die Verherrlichung des Verstorbenen zum Ausdruck bringen sollen. Diese
großen Grabmäler, die Wandaltäre u. s. f. erscheinen in der Gesamtwirkung
ihrer Gruppen und Einzelfiguren wie riesige, malerische Hochreliefs, das
Relief selbst aber ist in dieser Epoche eigentlich nicht viel mehr als
eine auf einem Hintergründe aufgeklebte Gruppe. Nur als malerische
Wirkung hat dasselbe hier und da noch einige Bedeutung.

Neben so großen Schwächen und Fehlern, die sich in der Masse der Werke
und in ihrem außerordentlichen Umfange um so stärker aufdrängen,
übersieht man leicht die eigentümlichen Vorzüge, die auch dieser Stil
für gewisse Zwecke und in gewissen Zweigen der plastischen Kunst
aufzuweisen hat. Am augenfälligsten ist der dekorative Wert der
Barockskulptur; sie bildet gewissermaßen einen integrierenden Teil der
Architektur dieser Zeit, die ohne sie gar nicht zu denken ist und ihre
Wirkung hauptsächlich mit durch den plastischen Schmuck erhält. Den
großen Altargruppen, den riesigen Wanddekorationen, den Einzelfiguren in
den Nischen und auf den Gesimsen können wir erst dann einigermaßen
gerecht werden, wenn wir sie in ihrer Gesamtwirkung mit der Architektur
betrachten, mit der und für die sie erdacht und ausgeführt wurden. Ganz
besonders glücklich sind die Barockbildhauer, wenn ihre Figuren und
Gruppen mit den reichen Formen der Natur zusammenwirken können oder von
der freien Luft sich abheben: in den Figuren zwischen den Hecken der
Gärten, in den Gruppen auf den Fontänen und Brunnen mit ihren barocken
Felsen und den stürzenden Wassermassen. Mit großem Erfolge pflegen die
Künstler dieser Zeit auch die Porträtdarstellung: die Porträtbüsten,
gelegentlich auch die Statuen verbinden treffende Lebenswahrheit mit
malerischer Breite der Anordnung und vornehmer Grandezza der Auffassung.
Endlich kommt der Gefühlsausdruck in dieser Zeit wenigstens in Einer
Gestalt vorteilhaft zur Geltung, in der Darstellung des Kindes. Freilich
ist die Auffassung nicht mehr die naive, schlichte wie im Putto des
Quattrocento; vielmehr sucht die Zeit auch in ihren Kindergestalten den
Eindruck des Gefühlvollen, des reich bewegten Lebens hervorzurufen. Aber
die Einfältigkeit der Kindernatur verhindert hier doch in der Regel
Übertreibungen, und die naturalistische Behandlung der Zeit war zudem
einer glücklichen Behandlung der Motive aus dem Kinderleben entschieden
günstig.

Der große, seine Zeit völlig beherrschende Künstler der Barockskulptur
ist der Neapolitaner _Lorenzo Bernini_ (1598 bis 1680). Der Hauptort
seiner Thätigkeit und seitdem der eigentliche Mittelpunkt des Barocks
ist Rom. Aber die Barockkunst ist keineswegs der einen oder anderen
Stadt oder Provinz Italiens mehr oder weniger eigentümlich; sie ist über
ganz Italien verbreitet und erzeugt überall zahlreiche Monumente, deren
Charakter im Wesentlichen derselbe ist. Ja dieser ist auch nicht einmal
mehr ein spezifisch italienischer; denn er wird wesentlich mit bestimmt
durch die zahlreichen niederländischen und französischen Bildhauer, die
namentlich in Rom vorübergehend oder dauernd thätig waren: die
_Duquesnoy_ (in Italien unter den Namen Fiammingo bekannt), _Puget,
Houdon, Legros_ u. s. f. Die meisten dieser Künstler erscheinen neben den
gleichzeitigen Italienern maßvoller, in ihrem Naturalismus naiver und
gesunder, und sind daher in ihren Einzelstatuen, ihren Büsten und
Kinderdarstellungen den Italienern mehr oder weniger überlegen.

[Abbildung: 273. Marmorbüste des Malers Carlo Maratti von Franc.
Maratti (?).]

Die Berliner Sammlung hat nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von
Bildwerken dieser Epochen aufzuweisen. Die besten darunter sind ein Paar
Marmorbüsten: die große malerisch angeordnete Büste des Malers Carlo
Maratti (No. 273), angeblich von _Francesco Maratti_ gefertigt, und die
kleine sehr individuell gehaltene einfache Büste des Papstes Benedict
XIV. (No, 272. um 1750). Die Marmorfigur eines bogenschnitzenden Amors
von _Franz Duquesnoy_ (No. 420) ist eine charakteristische Arbeit dieses
für seine Kinderdarstellungen vor Allem berühmten vlämischen Meisters,
der etwas von dem Geiste seines älteren Freundes Rubens in sich hatte.
Auf _Lorenzo Bernini_ selbst geht das geistreiche Thonmodell einer
Fontäne zurück (No. 271A), ein Paar Seemenschen, die einen gewaltigen
Fisch in die Höhe halten; als Modell wie durch das Motiv ganz besonders
geeignet, den Künstler von der vorteilhaftesten Seite kennen zu lernen.

       *       *       *       *       *

Nach der Mitte des XVIII. Jahrh. nimmt sich die italienische Kunst noch
einmal zu einer letzten großen Leistung zusammen, freilich nur an einem
Ort und in sehr beschränktem Kreise. Aber die letzte kurze Blüte der
venezianischen Malerei, die in einem Tiepolo, Canale, Bellotto, Guardi
Künstler aufzuweisen hat, deren malerischer Sinn und technische
Meisterschaft die höchste Bewunderung verdienen, hat die Entwickelung
der Plastik völlig unberührt gelassen. Gerade in Venedig wurde, noch
unter den Augen jener trefflichen Maler, der Künstler groß, dessen Namen
vor Allen mit der Wiedergeburt der Kunst verbunden zu werden pflegt, der
insbesondere den Grundstein zur modernen Plastik gelegt hat: _Antonio
Canova_ (geb. 1757). In der schroffen Reaktion gegen die völlig
unplastische Empfindung des Barocks fällt Canova zwar in eine nüchterne
und phrasenhafte Nachahmung der Antike, die noch inhaltloser und
unwahrer ist als die phrasenhaftesten Skulpturen des Barocks; aber er
hat doch das Verdienst gehabt, die plastische Kunst wieder in ihre
eigentliche Bahn einzulenken.



Verzeichnis der Künstlernamen.
(Die Zahlen hinter den Namen bedeuten die Seiten.)


Abondio, Antonio, 176.

Agnolo s. Guglielmo d'Agnolo.

Agnolo di Ventura, 27.

Agostino di Duccio, 73.

Agostino di Giovanni, 27.

Alari-Bonacolsi s. Antico.

Alberto di Arnoldo, 26.

Amadeo, Gianantonio, 137.

Ammanati, Bartolommeo, 173.

Andrea, 146.

Andriolo, 31.

Anselmus, 9.

Antelami, Benedetto, 10.

Antico, 126.

Antonio, 31.

Antonio di Banco, 49.

Aquila s. Silvestro d'Aquila.

Arca s. Niccolo dell' Arca.

Arezzo s. Niccolo d'Arezzo.

Arnoldo s. Alberto di Arnoldo.

Arnolfo di Cambio, 20.

Aspetti, Tiziano, 172.


Baccio da Montelupo, 165.

Balduccio s. Giovanni di Balduccio.

Bambaja s. Busti, Agostino, gen. Bambaja.

Banco s. Antonio und Nanni d'Antonio di Banco.

Bandinelli, Baccio, 173.

Bariloto, Pietro, 166.

Baroncelli, Niccolo und Giovanni, 131.

Bartolommeo s. Martino und Neroccio di Bartolommeo.

Begarelli, Antonio, 167.

Bellano, Bartolommeo, 122--124, 129.

Belli, Valerio, 129.

Benedetto da Majano, 94--99, 148.

Benedetto da Rovezzano, 164.

Bernini, Lorenzo, 181, 183.

Bertoldo di Giovanni, 129.

Bicci di Lorenzo, 54.

Biduinus, 11.

Bigarelli, Guido, 14.

Bologna s. Giovanni da Bologna.

Bonannus, 13.

Bonino da Campiglione, 30.

Bonusamicus, 11.

Bonzagna, Gian Federigo, 176.

Bregno, Andrea, 146.

Briosco Andrea s. Riccio.

Brunellesco, Filippo, 54.

Buggiano, 73.

Buon, Bartolommeo, 139.

Buonarroti, Michelangelo, 153--162.

Busti, Agostino, gen. Bambaja, 138, 166--167.


Camaino s. Tino di Camaino.

Cambio s. Arnolfo di Cambio.

Camelio, 143.

Campagna, Girolamo, 171.

Campiglione s. Bonino da Campiglione.

Candid, Peter, 177.

Candido, Elia, 177.

Canova, Antonio, 183.

Capponi, Luigi, 146.

Caradosso, Vincenzo Foppa, 127, 138.

Caravaggio s. Pasquale da Caravaggio.

Cattaneo, Danese, 171.

Cavalli, Gian Marco, 129--130.

Cavino, Giovanni, 176.

Cecco s. Piero di Cecco.

Cellini, Benvenuto, 129, 174--175.

Cellino di Nese, 27.

Cione, Andrea di, s. Orcagna.

Ciuffagni Bernardo 54.

Civitale, Matteo, 104--106.

Colonna, Jacopo, 171.

Corneole, Giovanni delle, 129.

Cosmas, 8.

Cosmatus, Johannes, 28.

Cozzanigo, Tommaso, 138.

Cozzarelli, Giacomo, 120.

Credi s. Lorenzo di Credi.


Dalmata, Giovanni, 146.

Danti, Vincenzo, 173--174.

Dello Delli, 53.

Dentone, Antonio, 143.

Desiderio da Firenze, 171.

Desiderio da Settignano, 83--87, 148.

Domenico di Paris, 131.

Donatello, 55--69.

Donato, 18.

Duccio s. Agostino di Duccio.

Duquesnoy, Frans, 182, 183.


Enrigus, 11.


Federighi, Antonio, 115--117.

Ferrucci, Andrea, 164.

Fiesole s. Mino da Fiesole.

Filarete, Antonio, 144--145.

Fragni, Lorenzo, 176.

Francavilla, Pietro, 178.

Francesco di Giorgio, 120.

Francesco di Sangallo, 164.

Francesco di Simone, 112.

Francia, Francesco, 134, 176.

Fusina, Andrea, 138.


Gagini, Antonio, 137, 149.

Gagini, Domenico, 137, 149.

Gagini, Pace, 137.

Galeotti, Pietro Paolo, 176.

Gano, 27.

Ghiberti, Lorenzo, 49--51.

Ghiberti, Vittorio, 50.

Ghini, Simone, 144--145.

Gian Francesco da Grado, 166.

Giorgio s. Francesco di Giorgio.

Giotto, 24.

Giovanni s. Agostino und Bertoldo di Giovanni.

Giovanni da Bissone, 137.

Giovanni da Bologna, 129, 176--177.

Giovanni dall' Opera, 173.

Giovanni da Pisa, 122.

Giovanni di Balduccio, 29--30.

Giovanni di Banco, 49.

Giovanni di Bartolo gen. Rosso, 53, 71, 135.

Giovanni di Martino, 139.

Giovanni di Stefano, 118.

Giovanni di Turino, 118.

Giovanni Giacomo della Porta, 172--173.

Giuliano da Majano, 148.

Giulio dal Moro, 172.

Goro di Gregorio, 27.

Grado s. Gian Francesco da Grado.

Gregorio s. Goro di Gregorio.

Gruamons, 11.

Guglielmo d'Agnolo, Fra, 20.

Guglielmo della Porta, 172--173.

Guidetto, 14.

Guido s. Bigarelli.


Houdon, 182.


Isaïa di Pisa, 144--145, 148.


Jacopo da Trezzo, 176.

Johannes s. Cosmatus, Johannes.


Lanfrani, Jacopo, 31.

Lapo, 18.

Laurana, Francesco, 149.

Legros, 182.

Leonardo da Vinci, 113.

Leoni, Leone, 175.

Leoni, Pompeo, 175.

Leopardi, Alessandro, 142.

Lombardi, Alfonso, 167--168.

Lombardo, Antonio, 141--142.

Lombardo, Pietro, 140--141.

Lombardo, Tullio, 141.

Lorenzetto, 163--164.

Lorenzo di Credi, 112.

Lugano s. Tommaso da Lugano.

Maini, Michele, 147.


Maitani, Lorenzo, 27--28.

Majano, s. Benedetto und Giuliano da Majano.

Mantegazza, Antonio, 137.

Mantegazza, Cristoforo, 137.

Mantegna, Andrea, 121.

Maratti, Francesco, 183.

Marchionne, 12.

Martino di Bartolommeo, 118.

Martino s. Giovanni di Martino.

Martinus, Presbyter, 13.

Massegne, Jacobello delle, 31--32.

Massegne, Pier Paolo delle, 31--32.

Mazzoni, Guido, 134--135, 148.

Meister Andrea, Meister Anselmus etc. s. Andrea, Anselmus etc.

Meister der Marmormadonnen, 104.

Meister der Pellegrinikapelle, 52--53, 139.

Michelangelo s. Buonarroti, Michelangelo.

Michelozzo Michelozzi, 71--72, 135--136.

Minello, Giovanni, 124.

Minio, Tiziano, 171.

Mino da Fiesole, 99--104.

Moderno, 126.

Monaco, Guglielmo, 148.

Monogrammist »Jo. F. F.«, 127.

Montelupo s. Baccio und Raffaello da Montelupo.

Montepulciano s. Pasquino da Montepulciano.

Montorsoli, Giovanni Angiolo, 172.

Moro s. Giulio dal Moro.


Nanni d'Antonio di Banco, 54--55.

Neroccio di Bartolommeo, 120.

Nese s. Cellino di Nese.

Niccolo s. Piero di Niccolo.

Niccolo d'Arezzo, 49.

Niccolo dell' Arca, 132, 134.

Nicolaus, 10.


Onofri, Vincenzo, 133.

Opera s. Giovanni dall' Opera.

Orcagna, Andrea, 25--26.


Pagno di Lapo Portigiani, 73.

Paris s. Domenico di Paris.

Pasquale da Caravaggio, 147.

Pasquino da Montepulciano, 146.

Pastorino, 176.

Paulus (XIII. Jahrh.), 20.

Paulus (XV. Jahrh.), 144.

Pericoli, Niccolo s. Tribolo.

Pierino da Vinci, 173.

Piero di Giovanni Tedesco, 48.

Piero di Niccolo, 139.

Pietro de' Sali, 171.

Pisa s. Giovanni und Isaïa di Pisa.

Pisano, Andrea, 24--25.

Pisano, Giovanni, 21--24.

Pisano, Niccolo, 15--19.

Pisano, Nino, 25.

Pisano, Tommaso, 25.

Pisano, Vittore, 129.

Poggini, Domenico, 176.

Pollajuolo, Antonio, 106--107.

Pomedello, Giovanni Maria, 176.

Porta s. Giovanni Giacomo und Guglielmo della Porta.

Portigiani s. Pagno di Lapo Portigiani.

Puget, Pierre, 182.

Pyrgoteles, 143.


Quercia, Jacopo della, 113--115, 117--118.


Raffaello da Montelupo, 172.

Riccio, Andrea, 124--126, 129.

Rizo, Antonio di Giovanni, 139--140.

Robertus, 11.

Robbia, Andrea della, 79--82.

Robbia, Giovanni della, 82, 162.

Robbia, Luca della, 74--79.

Romano s. Taccone, Paolo.

Romano, Gian Cristoforo, 165.

Rossellino, Antonio, 91--94.

Rossellino, Bernardo, 87--90, 148.

Rossi, Gianantonio, 176.

Rosso s. Giovanni di Bartolo gen. Rosso.

Rotari, Tommaso, 137--138.

Rovezzano s. Benedetto da Rovezzano.

Rustici, Giovanni Francesco, 164--165.


Sali s. Pietro de' Sali.

Sangallo s. Francesco di Sangallo.

Sano s. Turino di Sano.

Sansovino, Andrea, 162--163.

Sansovino, Jacopo, 168--171.

Settignano s. Desiderio da Settignano.

Silvestro d'Aquila, 148.

Simone s. Francesco di Simone.

Solari, Cristoforo, 138.

Solari, Pietro s. Lombardo.

Sperandio, 132--133.

Stefano s. Giovanni di Stefano.


Tacca, Pietro, 178.

Taccone, Paolo, gen. Romano, 146, 148.

Tamagnini, Antonio 137.

Tedesco, s. Piero di Giovanni.

Tino di Camaino, 27, 29.

Tommaso da Lugano, 171.

Torrigiano, Piero, 164.

Tribolo, 168.

Trezzo s. Jacopo da Trezzo.

Turino s. Giovanni di Turino.

Turino di Sano, 118.


Ulocrino, 127.

Urbano da Cortona, 118.


Vecchietta, Lorenzo, 118--120.

Ventura s. Agnolo di Ventura.

Verrocchio, Andrea del, 107--112.

Vicentino, Andrea, 143.

Vinci s. Leonardo und Pierino da Vinci.

Vittoria, Alessandro, 171.

Vries, Adriaan de, 177.


Wilhelm, 10.



Berlin. Gedruckt in der Reichsdruckerei.



[Fußnote A: Die häufigen Bleigüsse nach den kleinen Reliefs von Moderno,
Valerio Belli u. a. sind zumeist spätere Nachgüsse, welche von deutschen
Goldschmieden über die Bronze-Originale als Vorlagen für ihre
Werkstätten angefertigt wurden.]

[Fußnote B: Eine ähnliche, aber unvollendete Büste einer jungen Frau
befindet sich im französischen Privatbesitz.]





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