Home
  By Author [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Title [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Language
all Classics books content using ISYS

Download this book: [ ASCII | HTML ]

Look for this book on Amazon


We have new books nearly every day.
If you would like a news letter once a week or once a month
fill out this form and we will give you a summary of the books for that week or month by email.

Title: Pater Filucius
Author: Busch, Wilhelm, 1832-1908
Language: German
As this book started as an ASCII text book there are no pictures available.


*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Pater Filucius" ***


PATER FILUCIUS

Allegorisches Zeitbild

Mit den Beigaben

«Von mir über mich», «Der Nöckergreis»

und Portrait

von

WILHELM BUSCH



Von mir über mich[A]


Kein Ding sieht so aus, wie es ist. Am wenigsten der Mensch, dieser
lederne Sack voller Kniffe und Pfiffe. Und auch abgesehen von den
Kapriolen und Masken der Eitelkeit. Immer, wenn man Was wissen will, muß
man sich auf die zweifelhafte Dienerschaft des Kopfes und der Köpfe
verlassen und erfährt nie recht, was passirt ist. Wer ist heutigen Tages
noch so harmlos, daß er Weltgeschichten und Biographien für richtig
hält? Sie gleichen den Sagen und Anekdoten, die Namen, Zeit und Ort
benennen, um sich glaubhaft zu machen. Sind sie unterhaltlich erzählt,
sind sie ermunternd und lehrreich, oder rührend und erbaulich, nun gut!
so wollen wir's gelten lassen. Ist man aber nicht grad ein Professor der
Beredsamkeit und sonst noch allerlei, was der heilige Augustinus
gewesen, und will doch partout über sich selbst was schreiben, dann wird
man wohl am Besten thun, man faßt sich kurz. Und so auch ich.

[Fußnote A: Diese Selbstbiographie liegt uns in zwei Fassungen von des
Verfassers Hand vor. Die erste (von 1893) fügten wir der
Jubiläums-Ausgabe der frommen Helene, die zweite (von 1894) der ersten
billigen Ausgabe des Pater Filucius bei. In der vorliegenden neuen
Auflage glaubten wir, der Fassung von 1894 einige Abschnitte der
früheren einverleiben zu sollen, weil sie uns charakteristisch und
wichtig erschienen. Die Verlagsbuchhandlung.]

Ich bin geboren im April 1832 zu Wiedensahl als der Erste von Sieben.

Mein Vater war Krämer; heiter und arbeitsfroh; meine Mutter, still und
fromm, schaffte fleissig in Haus und Garten. Liebe und Strenge sowohl,
die mir von ihnen zu Theil geworden, hat der "Schlafittig" der Zeit aus
meiner dankbaren Erinnerung nicht zu verwischen vermocht.

Was weiss ich denn noch aus meinem dritten Jahr? Knecht Heinrich macht
schöne Flöten für mich und spielt selber auf der Maultrommel, und im
Garten ist das Gras fast so hoch wie ich, und die Erbsen sind noch
höher, und hinter dem strohgedeckten Hause, neben dem Brunnen, stand ein
flacher Kübel mit Wasser, und ich sah mein Schwesterchen drin liegen,
wie ein Bild unter Glas und Rahmen, und als die Mutter kam, war's kaum
noch in's Leben zu bringen.

Mein gutes Großmütterlein war zuerst wach in der Früh. Sie schlug Funken
am P-förmigen Stahl, bis einer zündend in's "Usel" sprang, in die
halbverkohlte Leinwand im Deckelkästchen des Feuerzeugs; und bald
flackerte es lustig in der Küche auf dem offenen Heerde unter dem
Dreifuß und dem kupfernen Kessel; und nicht lange, so hatte auch das
Kanonenöfchen in der Stube ein rothglühendes Bäuchlein, worins bullerte.
Als ich sieben, acht Jahr alt war, durft ich zuweilen mit aufstehn; und
im Winter besonders kam es mir wonnig geheimnißvoll vor, so früh am Tag
schon selbstbewußt in dieser Welt zu sein, wenn ringsumher noch alles
still und tot und dunkel war. Dann saßen wir zwei, bis das Wasser
kochte, im engen Lichtbezirk der pompejanisch geformten zinnernen Lampe.
Sie spann. Ich las ein paar schöne Morgenlieder aus dem Gesangbuch vor.

Später beim Kaffee nahmen Herrschaft, Knecht und Mägde, wie es guten
Freunden geziemt, am nämlichen Tische Platz.

Um diese Zeit passirte eine kleine Geschichte, die recht schmerzhaft und
schimpflich für mich ablief. Beim Küster diente ein Kuhjunge, fünf,
sechs Jahre älter als ich. Er hatte in einen rostigen Kirchenschlüssel,
so groß wie dem Petrus seiner, ein Zündloch gefeilt, gehacktes
Fensterblei hatte er auch schon genug; blos das Pulver fehlte ihm noch
zu Blitz und Donner. Infolge seiner Beredsamkeit machte ich einen
stillen Besuch bei einer gewissen steinernen Kruke, die auf dem Speicher
stand. Nachmittags zogen wir mit den Kühen auf die einsame Waldwiese.
Großartig war der Widerhall des Geschützes. Und so beiläufig ging auch
ein altes Bäuerlein vorbei in der Richtung des Dorfes. Abends kehrte ich
fröhlich heim und freute mich so recht auf das Nachtessen. Mein Vater
empfing mich an der Thür und lud mich ein, ihm auf den Speicher zu
folgen. Hier ergriff er mich beim linken Arm und trieb mich vermittels
eines Rohrstockes im Kreise umher, immer um die Kruke herum, wo das
Pulver drin war. Wie peinlich mir das war, ließ ich weithin
verlautbaren. Und sonderbar! Ich bin weder Jäger noch Soldat geworden.

Als ich neun Jahre alt war, sollte ich zu dem Bruder meiner Mutter nach
Ebergötzen. Wie Kinder sind, halb froh halb wehmüthig, plätscherte ich
am Abend vor der Abreise mit der Hand in der Regentonne, über die ein
Strauch von weißen Rosen hing, und sang Christine! Christine! versimpelt
für mich hin.

Früh vor Tage wurde das dicke Pommerchen in die Scheerdeichsel des
Leiterwagens gedrängt. Das Gepäck ist aufgeladen; als ein Hauptstück der
wohlverwahrte Leib eines alten Zinkedings von Klavier, dessen lästig
gespreiztes Beingestell in der Heimath blieb; ein ahnungsvolles Symbol
meiner musikalischen Zukunft. Die Reisenden stiegen auf; Großmutter,
Mutter, vier Kinder und ein Kindermädchen; Knecht Heinrich zuletzt. Fort
rumpelt's durch den Schaumburger Wald. Ein Rudel Hirsche springt über
den Weg; oben ziehen die Sterne; im Klavierkasten tunkt es.

In Wirthshäusern einkehren thaten wir nicht; ein wenig seitwärts von der
Straße wurde still gehalten; der Deckel der Ernährungskiepe wurde
aufgethan und unter anderem ein ganzer geräucherter Schinken entblößt,
der sich bald merklich verminderte. Nach mehrmaligem Uebernachten bei
Verwandten, erreichten wir glücklich das Pfarrhaus zu Ebergötzen.

Gleich am Tage nach der Ankunft schloß ich Freundschaft mit dem Sohne
des Müllers. Wir gingen vors Dorf hinaus, um zu baden. Wir machten eine
Mudde aus Erde und Wasser, die wir "Peter und Paul" benannten,
überkleisterten uns damit von oben bis unten, legten uns in die Sonne,
bis wir inkrustirt waren wie Pasteten, und spültens im Bach wieder ab.

Auch der Wirth des Ortes, weil er ein Piano besaß, wurde bald mein guter
Bekannter. Er war rauh wie Esau. Ununterbrochen kroch das schwarze Haar
in die Kravatte und aus den Aermeln wieder heraus bis dicht an die
Fingernägel. Beim Rasiren mußte er weinen, denn das Jahr 48, welches
selbst den widerspänstigsten Bärten die Freiheit gab, war noch nicht
erschienen. Er trug lederne Klapppantoffeln und eine gelbgrüne Joppe,
die das hintere Mienenspiel der blaßblauen Hose nur selten zu bemänteln
suchte. Seine Philosophie war der Optimismus mit rückwirkender Kraft; er
sei zu gut für diese Welt, pflegte er gern und oft zu behaupten. Als er
einst einem Jagdhunde muthwillig auf die Zehen trat und ich meinte, das
stimme nicht recht mit seiner Behauptung, kriegt ich sofort eine
Ohrfeige. Unsere Freundschaft auch. Doch die Erschütterung währte nicht
lange. Er ist mir immer ein lieber und drolliger Mensch geblieben. Er
war ein geschmackvoller Blumenzüchter, ein starker Schnupfer und
kinderlos, obgleich er sich dreimal vermählt hat.

Bei ihm fand ich einen dicken Notenband, der durchgeklimpert, und
freireligiöse Schriften jener Zeit, die begierig verschlungen wurden.

Der Lehrer der Dorfjugend, weil nicht der meinige, hatte keine Gewalt
über mich--so lange er lebte. Aber er hing sich auf, fiel herunter,
schnitt sich den Hals ab und wurde auf dem Kirchhofe dicht vor meinem
Kammerfenster begraben. Und von nun an zwang er mich allnächtlich, auch
in der heißesten Sommerzeit, ganz unter der Decke zu liegen. Bei Tag ein
Freigeist, bei Nacht ein Geisterseher.

Mein Freund aus der Mühle, der meine gelehrten Unterrichtsstunden
theilte, theilte auch meine Studien in freier Natur. Dohnen und
Sprenkeln wurden eifrig verfertigt, und der Schlupfwinkel keiner Forelle
den ganzen Bach entlang, unter Steinen und Baumwurzeln blieb unbemerkt
von uns.

Zwischen all dem herum aber schwebte beständig das anmuthige Bildniss
eines blondlockigen Kindes. Natürlich sehnte ich oft die bekannte
Feuersbrunst herbei mit nachfolgendem Tode zu den Füßen der geretteten
Geliebten. Meist jedoch war ich nicht so rücksichtslos gegen mich
selbst, sondern begnügte mich mit dem Wunsch, daß ich zauberhaft fliegen
und hupfen könnte, hoch in der Luft, von einem Baum zum andern, und daß
sie es mit ansähe und wäre starr vor Bewunderung.

Von meinem Onkel, der äußerst milde war, erhielt ich nur ein einzig Mal
Hiebe, mit einem trockenen Georginenstängel, weil ich den Dorftroddel
geneckt hatte. Dem war die Pfeife voll Kuhhaare gestopft und
dienstbeflissen angezündet. Er rauchte sie aus, bis auf's letzte
Härchen, mit dem Ausdruck der seligsten Zufriedenheit. Also der Erfolg
war unerwünscht für mich in zwiefacher Hinsicht. Es macht nichts. Ein
Troddel bleibt immer eine schmeichelhafte Erinnerung.

Gern gedenk ich auch des kleinen alten Bettelvogts, welcher derzeit _dat
baddelspeit_ trug, den kurzen Spiess, als Zeichen seines mächtigen
Amtes. Zu warmer Sommerzeit hielt er sein Mittagschläfchen im Grase. Er
konnte bemerkenswerth schnarchen. Zog er die Luft ein, so machte er den
Mund weit auf und es ging: Krah! Stiess er sie aus, so machte er den
Mund ganz spitz, und es ging: Püh! wie ein sanfter Flötenton. Einst
fanden wir ihn tot unter dem berühmtesten Birnbaume des Dorfes; Speer im
Arm; Mund offen; so daß man sah: Krah! war sein letzter Laut gewesen. Um
ihn her lagen die goldigsten Sommerbirnen; aber für diesmal mochten wir
keine.

Etwa ums Jahr 45 bezogen wir die Pfarre zu Lüethorst.

Unter meinem Fenster murmelte der Bach. Gegenüber stand ein Haus, eine
Schaubühne des ehelichen Zwistes. Das Stück fing an hinter der Scene,
spielte weiter auf dem Flur und schloß im Freien. Sie stand oben vor der
Thür und schwang triumphirend den Reiserbesen; er stand unten im Bach
und streckte die Zunge heraus; und so hatte er auch seinen Triumph.

In den Stundenplan schlich sich nun auch die Metrik ein. Dichter,
heimische und fremde, wurden gelesen. Zugleich fiel mir die "Kritik der
reinen Vernunft" in die Hände, die wenn auch damals nur spärlich
durchschaut, doch eine Neigung erweckte, in der Gehirnkammer Mäuse zu
fangen, wo es nur gar zu viel Schlupflöcher giebt.

Sechzehn Jahre alt, ausgerüstet mit einem Sonnett und einer ungefähren
Kenntniß der vier Grundrechnungsarten, erhielt ich Einlaß zur
polytechnischen Schule in Hannover.

Hier ging mit meinem Aeußern eine stolze Veränderung vor. Ich kriegte
die erste Uhr--alt, nach dem Kartoffelsystem--und den ersten
Paletot--neu, so schön ihn der Dorfschneider zu bauen vermochte. Mit
diesem Paletot, um ihn recht sehen zu lassen, stellt' ich mich gleich am
ersten Morgen dicht vor den Schulofen. Eine brenzlichte Wolke und die
freudige Theilnahme der Mitschüler ließen mich ahnen, was hinten vor
sich ging. Der umfangreiche Schaden wurde kurirt nach der
Schnirrmethode, beschämend zu sehn; und nur noch bei äußerster
Witterungsnoth ließ sich das einst so prächtige Kleidungsstück auf
offener Straße blicken.

In der reinen Mathematik schwang ich mich bis zu "Eins mit Auszeichnung"
empor, aber in der angewandten bewegte ich mich mit immer matterem
Flügelschlage.

Im Jahre 48 trug auch ich mein gewichtiges Kuhbein, welches nie scharf
geladen werden durfte, und erkämpfte mir in der Wachstube die bislang
noch nicht geschätzten Rechte des Rauchens und des Biertrinkens; zwei
Märzerrungenschaften, deren erste muthig bewahrt, deren zweite durch die
Reaktion des Alters jetzt merklich verkümmert ist.

Ein Maler wies mir den Weg nach Düsseldorf. Ich kam, so viel ich weiss,
grad zu einem jener Frühlingsfeste, für diesmal die Erstürmung einer
Burg, die weithin berühmt waren. Ich war sehr begeistert davon und von
dem Maiwein auch.

Nachdem ich mich schlecht und recht durch den Antikensaal hindurch
getüpfelt hatte, begab ich mich nach Antwerpen in die Malschule, wo man,
so hieß es, die alte Muttersprache der Kunst noch immer erlernen könnte.

In dieser kunstberühmten Stadt sah ich zum ersten Male die Werke alter
Meister: Rubens, Brouwer, Teniers, Frans Hals. Ihre göttliche
Leichtigkeit der Darstellung malerischer Einfälle, verbunden mit
stofflich juwelenhaftem Reiz; diese Unbefangenheit eines guten
Gewissens, welches nichts zu vertuschen braucht; diese Farbenmusik,
worin man alle Stimmen klar durchhört, vom Grundbaß herauf, haben für
immer meine Liebe und Bewunderung gewonnen.

Ich wohnte am Eck der Käsbrücke bei einem Bartscheerer. Er hieß Jan,
seine Frau hieß Mie. In gelinder Abendstunde saß ich mit ihnen vor der
Hausthür; im grünen Schlafrock; die Thonpfeife im Munde; und die
Nachbarn kamen auch herzu; die Töchter in schwarzlackirten Holzschuhen.
Jan und Mie balbirten mich abwechselnd, verpflegten mich während einer
Krankheit und schenkten mir beim Abschied in kalter Jahreszeit eine
rothe warme Jacke und drei Orangen.

Nach Antwerpen hielt ich mich in der Heimath auf.

Was damals die Leute _ut oler welt_ erzählten, sucht ich mir fleissig zu
merken, doch wusst ich leider zu wenig, um zu wissen, was
wissenschaftlich bemerkenswerth war. Das Vorspuken eines demnächstigen
Feuers hieß: _wabern_. Den Wirbelwind, der auf der Landstraße den Staub
auftrichtert, nannte man: _warwind_; es sitzt eine Hexe drin. Uebrigens
hörte ich, seit der "alte Fritz" das Hexen verboten hätte, müssten sich
die Hexen sehr in acht nehmen mit ihrer Kunst.

Von Märchen wußte das meiste ein alter, stiller, für gewöhnlich
wortkarger Mann. Für Spukgeschichten dagegen von bösen Toten, die
wiederkommen zum Verdrusse der Lebendigen, war der Schäfer Autorität.
Wenn er abends erzählte, lag er quer über dem Bett, und wenn es ihm
trocken und öd wurde im Mund, sprang er auf und ging vor den Tischkasten
und biß ein neues Endchen Kautaback ab zur Erfrischung. Sein Frauchen
sass daneben und spann.

In den Spinnstuben sangen die Mädchen, was ihre Mütter und Großmütter
gesungen. Während der Pause, abends um neun, wurde getanzt; auf der
weiten Haustenne; unter der Stalllaterne; nach dem Liede:

  maren will mi hawern meihn,
  wer schall den wol binnen?
  dat schall (meiers dortchen) don,
  de will eck wol finnen.

Von Wiedensahl aus besucht ich auf längere Zeit den Onkel in Lüethorst.
Ein Liebhabertheater im benachbarten Städtchen zog mich in den
angenehmen Kreis seiner Thätigkeit; aber mehr noch fesselte mich das
wundersame Leben des Bienenvolkes und der damals wogende Kampf um die
Partenogenesis, den mein Onkel als gewandter Schriftsteller und
Beobachter entscheidend mit durchfocht. Der Wunsch und Plan, nach
Brasilien auszuwandern, dem Eldorado der Imker, hat sich nicht
verwirklichen sollen. Die Annahme, daß ich praktischer Bienenzüchter
geworden sei, ist freundlicher Irrthum.

Auch zog mich es unwiderstehlich abseits in das Reich der
Naturwissenschaften. Ich las Darwin, ich las Schopenhauer damals mit
Leidenschaft. Doch so Was läßt nach mit der Zeit. Ihre Schlüssel passen
ja zu vielen Thüren in dem verwunschenen Schlosse dieser Welt; aber kein
"hiesiger" Schlüssel, so scheints, und wärs der Asketenschlüssel, paßt
jemals zur Ausgangsthür.

Von Lüethorst ging ich nach München. Indeß in der damaligen akademischen
Strömung kam mein flämisches Schifflein, das wohl auch schlecht
gesteuert war, nicht recht zum Schwimmen.

Um so angenehmer war es im Künstlerverein, wo man sang und trank und
sich nebenbei karikirend zu necken pflegte. Auch ich war solchen
persönlichen Späßen nicht abgeneigt. Man ist ein Mensch und erfrischt
und erbaut sich gerne an den kleinen Verdrießlichkeiten und Dummheiten
anderer Leute. Selbst über sich selber kann man lachen mitunter, und das
ist ein Extrapläsir, denn dann kommt man sich sogar noch klüger und
gedockener vor als man selbst.

Lachen ist ein Ausdruck relativer Behaglichkeit. Der Franzl hinterm Ofen
freut sich der Wärme um so mehr, wenn er sieht, wie sich draußen der
Hansel in die röthlichen Hände pustet. Zum Gebrauch in der
Oeffentlichkeit habe ich jedoch nur Phantasiehanseln genommen. Man kann
sie auch besser herrichten nach Bedarf und sie eher sagen und thun
lassen, was man will. Gut schien mir oft der Trochäus für biederes
Reden; stets praktisch der Holzschnittstrich für stilvoll heitere
Gestalten. So ein Contourwesen macht sich leicht frei von dem Gesetze
der Schwere und kann, besonders wenn es nicht schön ist, viel aushalten,
eh es uns weh thut. Man sieht die Sache an und schwebt derweil in
behaglichem Selbstgefühl über den Leiden der Welt, ja über dem Künstler,
der gar so naiv ist.

Auch das Gebirg, das noch nie gesehene, wurde für längere Zeit
aufgesucht. An einem Spätnachmittag kam ich zu Fuß vor dem Dörfchen an,
wo ich zu bleiben gedachte. Gleich das erste Häuschen mit dem
Plätscherbrunnen und dem Zaun von Kürbis durchflochten sah verlockend
idyllisch aus. Feldstuhl und Skizzenbuch wurden aufgeklappt. Auf der
Schwelle saß ein steinaltes Mütterlein und schlief, das Kätzchen
daneben. Plötzlich, aus dem Hintergrunde des Hauses, kam eine jüngere
Frau, faßte die Alte bei den Haaren und schleifte sie auf den
Kehrichthaufen. Dabei quäkte die Alte wie ein Huhn, das geschlachtet
werden soll. Feldstuhl und Skizzenbuch wurden zugeklappt. Mit diesem
Rippenstoße führte mich das neckische Schicksal zu den trefflichen
Bauersleuten und in die herrliche Gegend, von denen ich nur ungern
wieder Abschied nahm.

Es kann 59 gewesen sein, als zuerst in den "Fliegenden" eine Zeichnung
mit Text von mir gedruckt wurde; zwei Männer, die aufs Eis gehen, wobei
einer den Kopf verliert. Vielfach, wie's die Noth gebot, illustrirte ich
dann neben eigenen auch fremde Texte. Bald aber meint ich, ich müßte
alles halt selber machen. Die Situationen geriethen in Fluß und
gruppirten sich zu kleinen Bildergeschichten, denen größere gefolgt
sind. Fast alle habe ich, ohne Wem was zu sagen, in Wiedensahl
verfertigt. Dann hab ich sie laufen lassen auf den Markt, und da sind
sie herumgesprungen, wie Buben thun, ohne viel Rücksicht zu nehmen auf
gar zu empfindliche Hühneraugen, wohingegen man aber auch wohl annehmen
darf, daß sie nicht gar zu empfindlich sind, wenn sie mal Schelte
kriegen.

Man hat den Autor für einen Bücherwurm und Absonderling gehalten. Das
erste mit Unrecht.

Zwar liest er unter anderm die Bibel, die großen Dramatiker, die
Bekenntnisse des Augustin, den Pickwick und Donquixote und hält die
Odyssee für das schönste der Märchenbücher, aber ein Bücherwurm ist doch
ein Thierchen mit ganz anderen Manierchen.

Ein Sonderling dürft er schon eher sein. Für die Gesellschaft, außer der
unter vier bis sechs Augen, schwärmt er nicht sehr.

Groß war auch seine Nachlässigkeit, oder Schüchternheit im schriftlichen
Verkehr mit Fremden. Der gewandte Stilist, der seine Korrespondenten mit
einem zierlichen Strohgeflechte beschenkt, macht sich umgehend beliebt,
während der Unbeholfene, der seine Halme aneinander knotet, wie der
Bauer, wenn er Seile bindet, mit Recht befürchten muß, daß er Anstoß
erregt. Er zögert und vergißt.

Verheirathet ist er auch nicht. Er denkt gelegentlich eine Steuer zu
beantragen auf alle Ehemänner, die nicht nachweisen können, daß sie sich
lediglich im Hinblick auf das Wohl des Vaterlandes vermählt haben. Wer
eine hübsche und gescheite Frau hat, die ihre Dienstboten gut behandelt,
zahlt das Doppelte. Den Ertrag kriegen die alten Junggesellen, damit sie
doch auch eine Freud haben.

Ich komme zum Schluß. Das Porträt, um rund zu erscheinen, hätte mehr
Reflexe gebraucht. Doch manche vorzügliche Menschen, die ich liebe und
verehre, für Selbstbeleuchtungszwecke zu verwenden, wollte mir nicht
passend erscheinen, und in Bezug auf andere, die mir weniger sympathisch
gewesen, halte ich ohnehin schon längst ein mildes, gemüthliches
Schweigen für gut.

So stehe ich denn tief unten an der Schattenseite des Berges. Aber ich
bin nicht grämlich geworden, sondern wohlgemuth, halb schmunzelnd, halb
gerührt, höre ich das fröhliche Lachen von anderseits her, wo die Jugend
im Sonnenschein nachrückt und hoffnungsfreudig nach oben strebt.

Wilhelm Busch

Mit Benutzung meines "Was mich betrifft" in der Frankf. Ztg. vom 10.
Oktober 86. Morgenblatt.



Der Nöckergreis


  Ich ging zum Wein und ließ mich nieder
  Am langen Stammtisch der Nöckerbrüder.
  Da bin ich bei Einem zu sitzen gekommen,
  Der hatte bereits das Wort genommen.

         *       *       *       *       *

  Kurzum--so sprach er--ich sage bloß,
  Wenn man den alten Erdenkloß,
  Der, täglich theilweis aufgewärmt,
  Langweilig präcis um die Sonne schwärmt,
  Genau besieht und wohl betrachtet,
  Und was darauf passirt, beachtet,
  So findet man, und zwar mit Recht,
  Daß nichts so ist, wie man wohl möcht.

  Da ist zuerst die Hauptgeschicht:
  Ein Bauer traut dem Andern nicht.
  Ein Jeder sucht sich einen Knittel,
  Ein Jeder polstert seinen Kittel,
  Um bei dem nächsten Tanzvergnügen
  Gewappnet zu sein und obzusiegen,
  Anstatt bei Geigen- und Flötenton,
  Ein Jeder mit seiner geliebten Person,
  Fein sittsam im Kreise herumzuschweben.
  Aber nein! Es muß halt Keile geben.

  Und außerdem und anderweitig
  Liebt man sich etwa gegenseitig?
  Warum ist Niemand weit und breit
  Im vollen Besitz der Behaglichkeit?
  Das kommt davon, es ist hienieden
  Zu Vieles viel zu viel verschieden.
  Der Eine fährt Mist, der Andre spazieren;
  Das kann ja zu nichts Gutem führen,
  Das führt, wie man sich sagen muß,
  Vielmehr zu mehr und mehr Verdruß.

  Und selbst, wer es auch redlich meint,
  Erwirbt sich selten einen Freund.
  Wer liebt, zum Beispiel, auf dieser Erde,
  Ich will mal sagen, die Steuerbehörde?
  Sagt sie, besteuern wir das Bier,
  So macht's den Christen kein Pläsir.
  Erwägt sie dagegen die Steuerkraft
  Der Börse, so trauert die Judenschaft.
  Und alle beide, so Jud wie Christ,
  Sind grämlich, daß die Welt so ist.

  Es war mal 'ne alte runde Madam,
  Deren Zustand wurde verwundersam.
  Bald saß sie grad, bald lag sie krumm,
  Heut war sie lustig und morgen frumm;
  Oft aß sie langsam, oft aber so flink,
  Wie Heinzmann, eh er zum Galgen ging.
  Oft hat sie sogar ein Bissel tief
  In's Gläschen geschaut, und dann ging's schief.
  Sodann zerschlug sie mit großem Geklirr
  Glassachen und alles Porzellangeschirr.
  Da sah denn Jeder mit Schrecken ein,
  Es muß wo Was nicht in Ordnung sein.

  Und als sich versammelt die Herren Doctoren,
  Da kratzten dieselben sich hinter den Ohren.

  Der Erste sprach: Ich befürchte sehr,
  Es fehlt der innere Durchgangsverkehr;
  Die Gnädige hat sich übernommen;
  Man muß ihr purgänzlich zu Hilfe kommen.
  Der Zweite sprach: O nein, mit nichten!
  Es handelt sich hier um Nervengeschichten.
  Das ist's--sprach der Dritte--was ich auch ahne;
  Man liest zu viele schlechte Romane.
  Oder--sprach der Vierte--sagen wir lieber,
  Man hat das Schulden- und Wechselfieber.
  Ja--meinte der Fünfte--das ist es eben;
  Das kommt vom vielen Lieben und Leben.
  Oh weh!--rief der Sechste--der Fall ist curios;
  Am End ist die oberste Schraube los.
  Hah!--schrie der Letzte--das alte Weib
  Hat unbedingt den Teufel im Leib;
  Man hole sogleich den Pater her,
  Sonst kriegen wir noch Malör mit Der.

  Der Pater kam mit eiligen Schritten;
  Er thät den Teufel nicht lange bitten;
  Er spricht zu ihm ein kräftiges Wort:
    Raus raus und hebe dich fort,
    Du Lügengeist,
    Der frech und dreist
    Sich hier in diesen Leib gewagt!
  "I mag net!" hat der Teufel gesagt.
  Hierauf--

  Doch lassen wir die Späß,
  Denn so was ist nicht sachgemäß.
  Ich sage bloß, die Welt ist böse.
  Was soll, zum Beispiel, das Getöse,
  Was jetzt so manche Menschen machen
  Mit Knallbonbons und solchen Sachen?
  Man wird ja schließlich ganz vertattert,
  Wenn's immer überall so knattert.
  Das sollte man wirklich solchen Leuten
  Mal ernstlich verbieten und zwar bei Zeiten,
  Sonst sprengen uns diese Schwerenöther
  Noch kurz und klein bis hoch in den Aether,
  Und so als Pulver herum zu fliegen,
  Das ist grad auch kein Sonntagsvergnügen.
  Wie oft schon sagt ich: Man hüte sich.
  Was hilft's? Man hört ja nicht auf mich.
  Ein jeder Narr thut, was er will.
  Na, meinetwegen! Ich schweige still!

         *       *       *       *       *

  So räsonirte der Nöckergreis.
  Uns aber macht er so leicht nichts weiß;
  Und ging's auch drüber oder drunter,
  Wir bleiben unverzagt und munter.
  Es ist ja richtig: Heut pfeift der Spatz
  Und morgen vielleicht schon holt ihn die Katz;
  Der Floh, der abends krabbelt und prickt,
  Wird morgens, wenn's möglich, schon totgeknickt;
  Und dennoch lebt und webt das Alles
  Recht gern auf der Kruste des Erdenballes.

  Froh hupft der Floh.
  Vermuthlich bleibt es noch lange so.

_Wiedensahl_, Januar 1893.



Pater Filucius


Schlüssel zu Pater Filucius

Man versteht diese allegorische Darstellung der kirchlichen Bewegung,
welche sich im Anfang der 70er Jahre abspielte, wenn man für Gottlieb
Michael den deutschen Michel, für Tante Petrine die römische, Pauline
die evangelische Kirche setzt; die Base Angelika ist dann die freie
Staatskirche der Zukunft. Der Jesuit Filucius führt den Hund Schrupp,
die demokratische Presse, ein und sucht mit seinen Helfershelfern, der
Internationalen und den Franzosen, den Haushalt zu stören; dagegen ruft
Michel Hiebel den Wehr-, Fibel den Lehr- und Bullerstiebel den Nährstand
zu Hilfe, mit deren Unterstützung er auch die ganze unsaubere
Wirthschaft zum Fenster hinauswirft.


  Höchst erfreulich und belehrend
  Ist es doch für Jedermann,
  Wenn er allerlei Geschichten
  Lesen oder hören kann.

  So zum Beispiel die Geschichte
  Von dem Gottlieb Michael,

  [Illustration]

  Der bis dato sich beholfen
  So la la als Junggesell.

  Zwo bejahrte fromme Tanten
  Lenken seinen Hausbestand

  [Illustration]

  Und Petrine und Pauline
  Werden diese zwo benannt.

  [Illustration]

  Außerdem, muß ich bemerken,
  Ist noch eine Base da,
  Hübsch gestaltet, kluggelehrig,
  Nämlich die Angelika.

  Wo viel zarte Hände walten--
  Na, das ist so, wie es ist!

  [Illustration]

  Kellerschlüssel, Bodenschlüssel
  Führen leicht zu Zank und Zwist.

  Ebenso in Kochgeschichten
  Einigt man sich öfters schwer.
  Gottlieb könnte lange warten,
  Wenn Angelika nicht wär.

  [Illustration]

  Sie besorgt die Abendsuppe
  Still und sorgsam und geschwind;

  [Illustration]

  Gottlieb zwickt sie in die Backe:
  "Danke sehr, mein gutes Kind!"

  [Illustration]

  Grimmig schauen itzt die Tanten
  Dieses liebe Mädchen an:
  "Ei was muß man da bemerken?
  Das thut ja wie Frau und Mann!"

  Dennoch und trotz allediesem
  Geht die Wirthschaft doch so so.--
  Aber aber, aber aber

  [Illustration]

  Jetzt kommt der Filuzio.

  Nämlich dieser Jesuiter
  Merkt schon längst mit Geldbegier
  Auf den Gottlieb, sein Vermögen,
  Denkend: "Ach wo krieg ich Dir?"

  Allererst pürscht er sich leise
  Hinter die Angelika,

  [Illustration]

  Die er Aepfelmus bereitend
  An dem Herde stehen sah.

  Und er spricht mit Vaterstimme:
  "Meine Tochter, Gott zum Gruß!"

  [Illustration]

  Schlapp! da hat er im Gesichte
  Einen Schleef von Appelmus.

  Dieses plötzliche Ereigniß
  Thut ihm in der Seele leid.--

  [Illustration]

  Ach man will auch hier schon wieder
  Nicht so wie die Geistlichkeit!!

  Doch die gute Tante Trine
  Sehnt sich ja so lange schon
  Nach dem Troste einer frommen
  Klerikalen Mannsperson.--

  Da ist eher was zu machen.--

  [Illustration]

  Luzi macht sich lieb und werth,
  Weil er ihr als Angebinde

  [Illustration]

  Schrupp, den kleinen Hund, bescheert.

  Schrupp ist wirklich auch possirlich.
  Er gehorchet auf das Wort,
  Holt herbei, was ihm befohlen,

  [Illustration]

  Wenn es heißet: "Schrupp, apport!"

  Heißt es: "Liebes Schrupperl, singe!"

  [Illustration]

  Fängt er schön zu singen an;

  [Illustration]

  Spielt man etwas auf der Flöte,
  Hupft er, was er hupfen kann.

  Wenn es heißet: "Wo ist's Ketzerl?"
  Wird er wie ein Borstenthier;

  [Illustration]

  Und vor seinem Knurren eilet
  Tante Line aus der Thür.

  Spricht man aber diese Worte:
  "Schrupp, was thun die schönen Herrn?"

  [Illustration]

  Gleich küßt er die Tante Trine,
  Und sie lacht und hat es gern.

  [Illustration]

  Eines nur erzeugt Bedenken.
  Schrupp entwickelt letzterzeit

  [Illustration]

  Mit dem Hinterfuße eine
  Merkliche Geschäftigkeit.

  Mancher hat in diesen Dingen
  Eine glückliche Natur.
  Tante Trine, zum Exempel,
  Fühlt von allem keine Spur.

  Wohingegen Tante Line

  [Illustration]

  Keine rechte Ruh genießt,

  [Illustration]

  Wenn sie Abends, wie gewöhnlich,

  [Illustration]

  In der Hauspostille liest.

  Und auch Gottlieb muß verspüren,
  Ganz besonders in der Nacht,

  [Illustration]

  Daß es hier

  [Illustration]

    und da

  [Illustration]

      und dorten
  Immer kribbelkrabbel macht.

  Prickeln ist zwar auch zuwider,
  Doch zumeist die Jagderei;
  Und mit Recht soll man bedenken,
  Wie dies zu verhindern sei.

  Mancher liebt das Exmittiren;

  [Illustration]

  Und die Sache geht ja auch.
  Aber sicher und am besten--

  [Illustration]

  Knacks!--ist doch der alte Brauch.

  Freilich ist hier gar kein Ende.
  Man gelanget nicht zum Ziel.
  Jeder ruft: "Wie ist es möglich?"
  Bis man auf den Schrupp verfiel.

  Zwar die Tante und Filuzi
  Rufen beide tiefgekränkt:

  [Illustration]

  "Engelrein ist sein Gefieder!"
  Aber Schrupp wird eingezwängt.

  In ein Faß voll Tabakslauge

  [Illustration]

  Tunkt man ihn mit Haut und Haar,
  Ob er gleich sich heftig sträubte

  [Illustration]

  Und durchaus dagegen war.

  Drauf so wird in einem Stalle
  Er mit Vorsicht internirt,

  [Illustration]

  Bis, was man zu tadeln findet,
  So allmählig sich verliert.

  Anderseits bemerkt man dieses
  Unter großem Herzeleid.

  [Illustration]

  Ach, man will auch hier schon wieder
  Nicht so wie die Geistlichkeit!!

  Jetzt wär alles gut gewesen,
  Wäre Schrupp kein Bösewicht.--
  Er gewöhnt sich an das Kauen,
  Und das läßt und läßt er nicht.

  Hat er Gottlieb seine Stiefel

  [Illustration]

  Nicht zur Hälfte aufgezehrt?
  Tante Linens Hauspostille,

  [Illustration]

  Hat er die nicht auch zerstört?

  Zwar die Tante und Filuzi
  Blicken mitleidsvoll empor:

  [Illustration]

  "Armes gutes Schruppuppupperl!
  Immer haben sie was vor!!"
  Ia, es ließe sich ertragen,
  Thäte Schrupp nur dieses blos;

  [Illustration]

  Würde Schrupp nicht augenscheinlich
  Scham- und ruch- und rücksichtslos.

  Und so muß er denn empfinden,
  Daß zuletzt die böse That

  [Illustration]

  Für den Uebelthäter selber
  Unbequeme Folgen hat.

  Anderseits bemerkt man dieses
  Nur mit tiefem Herzeleid.
  Ach man will auch hier schon wieder
  Nicht so wie die Geistlichkeit!

  Leichter schmiegt sich Seel an Seele
  In der schmerzensreichen Stund,

  [Illustration]

  Und man schwört in der Bergère
  Sich den ewgen Freundschaftsbund.

  Aber wie sie da so sitzen,
  Oeffnet plötzlich sich die Thür.

  [Illustration]

  Gottlieb ruft mit rauher Stimme:
  "Ei, ei, ei! was macht man hier?"

  Freilich hüllen sich die beiden
  Schnell in fromme Lieder ein;

  [Illustration]

  Doch nur kurze Zeit erschallen
  Diese schönen Melodein.

  Ach, die weltlichen Gewalten!--
  Durch des Armes Muskelkraft

  [Illustration]

  Wird der fromme Pater Luzi
  Wirbelartig fortgeschafft.

  Dieses plötzliche Ereigniß
  Thut ihm in der Seele leid,

  [Illustration]

  Ach man will auch hier schon wieder
  Nicht so wie die Geistlichkeit!!

  Schlimm ist's Schrupp dabei ergangen,
  Weil er sich hineingemengt;

  [Illustration]

  Mit dem Fuße unvermuthet
  Fühlt er sich zurückgedrängt.

  Pater Luzi aber schleichet
  Heimlich lauschend um das Haus,

  [Illustration]

  Ein pechschwarzes Ei der Rache
  Brütet seine Seele aus.

  Gottlieb seine Abendsuppe
  Stehet am gewohnten Ort.

  [Illustration]

  Husch! da steigt Wer durch das Fenster;
  Husch! Jetzt ist er wieder fort.

  Gottlieb, der im Nebenzimmer
  Eben seine Hände wusch,
  Sieht's zum Glück und daß der Thäter

  [Illustration]

  Lauschend sitzt im Fliederbusch.

  Jetzt hebt Gottlieb, friedlich lächelnd,

  [Illustration]

  Von dem Tisch den Suppentopf.

  [Illustration]

  Bratsch!--die Brühe sammt der Schale
  Kommt Filuzi auf den Kopf.

  Diese eklige Geschichte
  Thut ihm in der Seele leid.

  [Illustration]

  Ach, man will auch hier schon wieder
  Nicht so wie die Geistlichkeit!

  Schrupp, der nur ein wenig leckte,
  Zieht es alle Glieder krumm,

  [Illustration]

  Denn ein namenloser Jammer
  Wühlt in seinem Leib herum.

  Pater Luzi, finster blickend,
  Heimlich schleichend um das Haus,

  [Illustration]

  Wählt zu neuem Rachezwecke
  Zwo verwegne Lumpen aus.--

  Einer heißt der Inter-Nazi
  Und der zweite Jean Lecaq,

  [Illustration]

  Alle beide wohl zu brauchen,
  Denn es mangelt Geld im Sack.

  Eben wandelt in der stillen
  Abendkühle der Natur
  Base Gelika im Garten--

  [Illustration]

  Horch! da tönt der Racheschwur!

  Tieferschrocken, angstbeflügelt,
  Eilet sie in's Haus geschwind.

  [Illustration]

  Gottlieb küßt sie auf die Backe:
  "Danke sehr, mein gutes Kind!"

  Schleunig sucht er seine Freunde,
  Glücklich trifft er sie zu Haus.
  Wächter Hiebel ist der erste,

  [Illustration]

  Freudig ruft er: "Sabel raus!"

  Meister Fibel, als der zweite,
  Vielerprobt im Amt der Lehr,
  Greift in die bekannte Ecke

  [Illustration]

  Mit den Worten: "Knüppel her!"

  [Illustration]

  Bullerstiebel ist der Dritte.--
  Kaum vernimmt er so und so,
  Faßt er auch schon nach der Gabel
  Mit dem Rufe: "Nu man to!"

  [Illustration]

  Nun hat Schrupp, dieweil er leidend,
  Sich in Gottliebs Bett gelegt,

  [Illustration]

  Wie er, wenn man nicht zugegen,
  Auch wohl sonst zu thuen pflegt.

  Zwölfe dröhnt es auf dem Thurme.--
  Leise macht man: Pistpistpist!

  [Illustration]

  Drei Gestalten huschen näher
  An das Bett voll Hinterlist.

  Weh, jetzt trifft der Dolch, der spitze,
  Und der Knüppel, dick und rauh,

  [Illustration]

  Und die Taschenmitraljöse--
  Aber Schrupp macht: "Auwauwau!"
  In demselbigen Momente
  Donnert es von hinten: "Drauf!!"

  [Illustration]

  Und ein blasser Todesschrecken
  Hindert jeden Weiterlauf.

  Pater Luzi ganz besonders
  Macht sich ahnungsvoll bereit.

  [Illustration]

  Ach, man will auch hier schon wieder
  Nicht so wie die Geistlichkeit!

  [Illustration]

  Hei! Wie Fibels Waffe sauset!

  [Illustration]

  Heißa! Wie der Sabel blitzt!--

  Zwiefach ist der Stich der Gabel

  [Illustration]

  Weil er zwiefach zugespitzt,--

  Motten fliegen, Haare sausen!

  [Illustration]

  Das giebt Leben in das Haus.

  [Illustration]

  Hulterpulter! Durch das Fenster
  Springt man in die Nacht hinaus.

  [Illustration]

  Klacks! da stecken sie im Drecke.
  Aengstlich zappelt noch der Fuß.--
  Eine Stimme hört man klagen:
  "Oh, Filu--Filucius!!"--

  "Kinder, das hat gut gegangen!"
  Rufet Gottlieb hocherfreut;
  "Wein herbei! Denn zu vermelden
  "Hab ich eine Neuigkeit.

  "Länger will ich nicht mehr hausen
  "Wie seither als Junggesell.

  [Illustration]

  "Hier Angelika, die gute,
  "Werde Madam Michael."

  Drauf ergreift das Wort Herr Fibel
  Und er spricht: "Eiei! Sieh da!
  Ich erlaube mir zu singen:

  [Illustration]

  Vivat hoch! Halleluja!"

  [Illustration]





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Pater Filucius" ***

Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.



Home