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Title: Psychologie und Logik - zur Einführung in die Philosophie
Author: Elsenhans, Theodor
Language: German
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    | Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen:              |
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    | S. 55 "Selbstberrschung" in "Selbstbeherrschung" geändert.   |
    | S. 110 "die einzelne Modi" in "die einzelnen Modi" geändert. |
    | S. 122 "demseben" in "demselben" geändert.                   |
    | S. 141 "184/95"  in "1894/95" geändert.                      |
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                             Sammlung Göschen


                          Psychologie und Logik
                             zur Einführung
                                 in die
                               Philosophie

          Für Oberklassen höherer Schulen und zum Selbststudium

                            dargestellt von
                           Dr. Th. Elsenhans

                           Mit 13 Textfiguren

                      _Vierte, verbesserte Auflage_

                            Zweiter Abdruck

                               _Leipzig_
                   G. J. Göschen'sche Verlagshandlung
                                  1904


        _Alle Rechte, insbesondere das Übersetzungsrecht, von
                  der Verlagshandlung vorbehalten._

                    Herrosé & Ziemsen, Wittenberg.



Inhaltsverzeichnis.


Einleitung.

                                                             Seite
  § 1. Aufgabe und Einteilung der Philosophie                    7
  § 2. Überblick über die Geschichte der Philosophie             9
  § 3. Die Bedeutung der Psychologie und der Logik              11


Psychologie.

  § 4. „Empirische” und „rationale” Psychologie                 14

  Abschnitt 1. Seele und Körper.

  § 5. Die verschiedenen Ansichten über das Verhältnis von
        Seele und Körper                                        15
  § 6. Die Eigentümlichkeit der körperlichen und der geistigen
        Erscheinungen                                           17
  § 7. Das Nervensystem                                         19

  Abschnitt 2. Die einzelnen Elemente des Seelenlebens.

  § 8. Die sogenannten „Seelenvermögen”                         20

  1. Das Erkennen.

  § 9. Die Empfindung                                           21
  § 10. Vorstellung und Wahrnehmung                             24
  § 11. Der Verlauf der Vorstellungen                           25
  § 12. Die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis                   30
  § 13. Die Arten der Vorstellung und das Denken                32
  § 14. Die Vorstellung eines zusammenhängenden Weltganzen      34

  2. Das Fühlen.

  § 15. Wesen und Arten des Gefühls                             39
  § 16. Die körperlichen Gefühle                                41
  § 17. Die geistigen Gefühle                                   42
  § 18. Unterschiede des Gefühls nach Stärke und Dauer          44
  § 19. Der Verlauf und die Verbindung der Gefühle              44
  § 20. Das Lebensgefühl und die Stimmung                       46
  § 21. Die Temperamente                                        48
  § 22. Selbstgefühl und Mitgefühl                              49
  § 23. Die Bedeutung der Gefühle                               50

  3. Das Wollen.

  § 24. Die unwillkürlichen Bewegungen                          52
  § 25. Der Trieb und das eigentliche Wollen                    55
  § 26. Die Freiheit des Willens                                57
  § 27. Die Ausdrucksbewegungen                                 59
  § 28. Übung, Gewohnheit, Charakter                            62

  Abschnitt 3. Die Abhängigkeit der einzelnen Elemente der
  Seele voneinander.

  § 29. Die Abhängigkeit der einzelnen Elemente
         voneinander                                            64


Logik.

  § 30. Die Aufgabe der Logik                                   67

  I. Teil: Elementarlehre.

  1. Die Begriffe.

  § 31. Der Begriff und seine Merkmale                          69
  § 32. Inhalt und Umfang des Begriffs                          71
  § 33. Klarheit und Deutlichkeit des Begriffs                  72
  § 34. Die Arten der Begriffe                                  72

  2. Die Urteile.

  § 35. Das Wesen des Urteils                                   74
  § 36. Die traditionelle Einteilung der Urteile                75
  § 37. Die zusammengesetzten Urteile                           79
  § 38. Übersicht der Urteilsarten                              81

  3. Die Schlüsse.

  § 39. Die Grundgesetze des Denkens                            85

  A. Der unmittelbare Schluß.

  § 40. Der Schluß aus einem Begriff                            88
  § 41. Die Konversion                                          90
  § 42. Die Kontraposition                                      92
  § 43. Die Umwandlung der Relation                             93
  § 44. Die Subalternation                                      93
  § 45. Die Äquipollenz                                         94
  § 46. Die Opposition                                          94
  § 47. Die modale Konsequenz                                   96
  § 48. Der Wert der unmittelbaren Schlüsse                     96

  B. Der mittelbare Schluß.

  § 49. Wesen und Formen des mittelbaren Schlusses              98

  § 50. Allgemeine Gesetze über die Erfordernisse der
         kategorischen Schlüsse                                100
  § 51. Die erste Figur                                        103
  § 52. Die zweite Figur                                       105
  § 53. Die dritte Figur                                       107
  § 54. Die vierte Figur                                       108
  § 55. Die logische Form des Schlußsatzes im Verhältnis zu
         den Prämissen                                         109
  § 56. Der wissenschaftliche Wert der Syllogismen             110
  § 57. Der hypothetische Schluß                               113
  § 58. Der disjunktive Schluß                                 115
  § 59. Die zusammengesetzten und die verkürzten Schlüsse      117
  § 60. Fehlschlüsse und Trugschlüsse                          118
  § 61. Der Induktionsschluß                                   121
  § 62. Der Analogieschluß                                     122

  II. Teil: Methodenlehre.

  § 63. Die Aufgabe der Methodenlehre                          123

  1. Die Begriffsbestimmung.

  § 64. Wesen und Arten der Begriffsbestimmung                 124
  § 65. Fehler der Begriffsbestimmung                          125

  2. Die Einteilung.

  § 66. Das Wesen der Einteilung                               126
  § 67. Arten und Fehler der Einteilung                        127

  3. Der Beweis.

  § 68. Der Beweis und seine Arten                             129
  § 69. Auffindung und Fehler des Beweises                     130

  4. Der Fortschritt der Wissenschaft.

  § 70. Die verschiedenen Methoden                             131
  § 71. Das induktive Verfahren                                132
  § 72. Das deduktive Verfahren                                136
  § 73. Die Verbindung von Induktion und Deduktion und die
         Hypothese                                             137
  § 74. Das System                                             138

  Literatur                                                    140

  Namen- und Sachregister                                      143



Einleitung.


§ 1. Aufgabe und Einteilung der Philosophie.

_Die Philosophie ist die allgemeine Wissenschaft, welche den Zweck hat,
Sicherheit, Einheit und Zusammenhang im Gesamtgebiet unseres Wissens
herzustellen._ Auch die einzelnen Wissenschaften entspringen diesem
Bedürfnis, aber ihr Gebiet ist ein beschränktes und sie gehen teils von
Voraussetzungen aus, die sie nicht näher prüfen, teils gelangen sie zu
Resultaten, die nicht miteinander übereinstimmen. Die Philosophie prüft
jene Voraussetzungen und sucht durch Verarbeitung der Resultate der
Einzelwissenschaften den Zusammenhang der gesamten Erfahrungswelt zu
erforschen.

Auf demselben Wege gelangt _der denkende Mensch_ zu philosophischer
Betrachtung. Er stößt auf Widersprüche in dem Wissensstoff, den er im
Glauben an fremde Autorität angenommen oder selbständig sich angeeignet
hat, und findet bei näherer Selbstbesinnung, daß sein Wissen auf
unbewiesene Voraussetzungen sich stützt und ungelöste Widersprüche in
sich schließt.

_Die Philosophie teilt sich_ nach den zwei großen Gebieten der
Erfahrungswelt: Natur und geistiges Leben, in eine _Philosophie der
Natur_ und in eine _Philosophie des Geistes_. Die letztere beschäftigt
sich als _Psychologie_ mit dem allgemeinen Wesen des Geistes, wie es an
jedem einzelnen Menschen beobachtet werden kann, als _Philosophie der
Geschichte_ (im weitesten Sinn) mit dem menschlichen Geistesleben, wie
es als Resultat gemeinschaftlicher Tätigkeit der Menschen in
Gesellschaft und Geschichte sich entwickelt.

Unter den geistigen Erscheinungen treten aber einige besonders hervor,
deren Wichtigkeit für Leben und Wissenschaft, wo sie zur _Aufstellung
von_ zu befolgenden _Regeln_ führen, eine gesonderte Behandlung
empfiehlt. So wird das richtige Denken in der _Logik_, der ästhetische
Geschmack in der _Ästhetik_, das sittliche Bewußtsein in der _Ethik_,
das religiöse Bewußtsein in der _Religionsphilosophie_ zu Gegenständen
einer besonderen Wissenschaft gemacht. Diese psychologischen Tatsachen
treten in der Geschichte _als geistige Mächte_, als Hauptelemente der
menschlichen Kultur auf: Wissenschaft, Kunst, Sitte, Recht und Staat,
Religion; oder, sofern sie durch ein verwirklicht gedachtes Ziel wirken,
als _Ideale_: Wahrheit, Schönheit, Sittlichkeit, Vereinigung mit der
Gottheit. Doch erfüllen Philosophie der Geschichte und Psychologie ihre
Aufgabe nur in beständiger gegenseitiger Ergänzung, und beide
Standpunkte der Betrachtung müssen deshalb auch in jeder
Geisteswissenschaft zusammenwirken.

Aber der Zweck der Philosophie gestattet nicht, bei der Trennung der
Gebiete stehen zu bleiben, er schließt vielmehr die Aufgabe in sich,
auch Natur und Geist, auch jene verschiedenen Richtungen des
Geisteslebens nach ihren letzten Zusammenhängen untereinander zu
untersuchen und auf einen einheitlichen Grund zurückzuführen, die
Aufgabe der _Metaphysik_. Diese alle andern abschließende Wissenschaft
beschäftigt sich daher mit der Frage nach der Anwendung der Denkgesetze
auf die wirkliche Welt und deren Bedingungen und Grenzen
(Erkenntnistheorie), nach der Gültigkeit der Allgemeinbegriffe, die wir
der Betrachtung der Dinge zu Grunde legen: Sein, Veränderung, Raum und
Zeit, Ursache und Zweck, und endlich mit der Gottesidee, soweit sie
nicht bereits auf Grund der Erkenntnistheorie als für das philosophische
Erkennen unerreichbar angesehen wird.


§ 2. Überblick über die Geschichte der Philosophie.

Die Geschichte der Philosophie ist eine Geschichte der Versuche, die § 1
bezeichneten Aufgaben zu lösen.

Die erste selbständige Philosophie findet sich bei den Griechen. Die
_ionischen Naturphilosophen_ (um 600 v. Chr.) fanden den einheitlichen
Urgrund der Dinge in einem Urstoff, z. B. _Thales_ im Wasser, die
_Pythagoreer_ in Maß und Zahl, die _Eleaten_ im reinen Sein im Gegensatz
zur scheinbaren Vielheit der Dinge, _Heraklit_ im endlos sich
verwandelnden Feuer, die _Atomisten_ in den gleichartigen, kleinsten,
unteilbaren Stoffteilchen mit ihrer verschiedenartigen Ordnung, Gestalt,
Lage und Bewegung. Erst für _Anaxagoras_ war das Ganze der Welt das Werk
eines vernünftigen Wesens, des Geistes. Die bisher einfach
vorausgesetzte Erkennbarkeit der Welt wurde aber von den alles
bezweifelnden _Sophisten_ bestritten und mußte von den großen
Philosophen der Folgezeit neu begründet werden.

Mit diesen, mit Sokrates, Plato und Aristoteles erreichte die
griechische Philosophie ihren Höhepunkt. Sie machten den Menschen selbst
und sein Denken zum Gegenstand der Untersuchung. _Sokrates_ († 399)
beschäftigte sich mit der Bildung fester Begriffe, besonders des Wahren
und Guten. _Plato_ († 347) gelangte auf diesem Wege zur Lehre von den
Ideen als den geistigen Urbildern der Dinge und erfaßte noch tiefer
Wesen und Aufgabe des Menschen. Sein großer Schüler _Aristoteles_
(† 322) wurde durch sorgfältige Untersuchung der Gesetze des Denkens
zum Begründer der Logik als Wissenschaft und übertraf seinen Vorgänger
durch die Weite des Blicks, mit der er den ganzen Wissensstoff der
damaligen Zeit, besonders auch der Naturwissenschaft, in das Gebiet der
Philosophie hereinzog.

Die nachfolgenden Philosophen, die _Stoiker_ und _Epikureer_ verlegten
den Schwerpunkt in die Ethik und fanden als höchste Regel des Lebens die
Befriedigung des Weisen in seinem inneren Leben. Die _Skeptiker_
forderten den Verzicht auf alles Wissen und die _Neuplatoniker_ machten
einen letzten Versuch, in der Einigung mit der Gottheit die Wahrheit
unmittelbar anzuschauen.

Das Christentum entwickelte im Mittelalter unter dem Einfluß des
Aristoteles eine eigene christliche Philosophie, die _Scholastik_, aber
erst durch die Reformation wurde freie Forschung möglich gemacht.

In der neueren Philosophie lassen sich zwei Hauptströmungen verfolgen,
eine _empiristische_ und eine _rationalistische_. Die erste,
hauptsächlich ein Erzeugnis der englischen Philosophie, beginnt mit dem
Engländer _Baco von Verulam_ († 1626), der auf Naturforschung und
Erfahrung die Philosophie gründet, und wird fortgesetzt durch _Locke_,
_Hume_ und in neuester Zeit durch _John Stuart Mill_ († 1873) und
_Herbert Spencer_. Die rationalistische Richtung wurde hauptsächlich von
den deutschen Philosophen gepflegt. Sie beginnt mit _Descartes_
(† 1650), der auf den gewissesten aller Sätze: ich denke also bin ich
(%cogito ergo sum%) alle Wahrheit gründete, und wird fortgeführt durch
_Spinoza und Leibniz_.

Ihren Höhepunkt erreichte die deutsche Philosophie in _Kant_
(1724-1804), der durch Untersuchung des Erkenntnisvermögens selbst und
seiner Grenzen (Kritik der reinen Vernunft 1781) eine neue Grundlage für
die Philosophie schuf. _Fichte_ ging in diesen Bahnen weiter, während
_Schelling_ und _Hegel_ durch den Grundsatz der Einheit von Denken und
Sein einer unbegrenzten Spekulation Tür und Tor öffneten. Dagegen sah
_Herbart_ mit eigenartiger Wiederanknüpfung an Kant die Aufgabe der
Philosophie in der begrifflichen Bearbeitung des Erfahrungsstoffes und
gewann besonders durch eine sorgfältige, auf Mathematik gegründete
Psychologie eine große Anhängerschaft. In der neuesten Zeit suchten
_Trendelenburg_ mit Rückgang auf Aristoteles und _Lotze_ (Mikrokosmus
1856-64) mit voller Berücksichtigung der Naturforschung den Idealismus
neu zu gestalten.

In den letzten Jahrzehnten fanden außerdem zwei philosophische
Richtungen große Verbreitung, besonders in der Tagesliteratur: der
_Materialismus_, der auch das geistige Leben auf die Materie
zurückführen will, vertreten durch Moleschott, Vogt, Büchner, und der
_Pessimismus_, begründet durch _Schopenhauer_ († 1860), in
selbständiger Weise fortgebildet durch Ed. v. Hartmann.

Als Hauptströmungen treten in der Gegenwart hervor der
_Neukantianismus_, der mit Abweisung aller Metaphysik das Hauptgewicht
auf die Ethik legt, und der _Positivismus_, der, von Frankreich und
England herübergekommen, nur das Tatsächliche der Erfahrungswelt gelten
lassen will. Gegen die letztere Auffassung, soweit sie zu einer rein
naturwissenschaftlichen Deutung des Geisteslebens geführt hat, macht
sich jedoch eine _idealistische_ Gegenströmung mehr und mehr geltend.


§ 3. Die Bedeutung der Psychologie und der Logik.

Neben einem Überblick über die Geschichte der Philosophie werden sich
zur Einführung in die Philosophie solche Zweige derselben besonders
eignen, welche teils der Ausgangspunkt und die Grundlage der andern
philosophischen Wissenschaften, teils eine Schule für das
philosophische Denken bilden. Beides trifft bei Psychologie und Logik
zu.

Verschiedene Beobachtungen im täglichen Leben und manche Resultate der
Naturwissenschaft weisen uns darauf hin, daß die einfache Betrachtung
der Außenwelt nicht der feste Punkt ist, von dem wir in der Philosophie
ausgehen dürften. Träume, Sinnestäuschungen, Hallucinationen beweisen,
daß dem von uns Wahrgenommenen nicht notwendig ein Gegenstand
entsprechen muß. Erscheinungen wie die der Farbenblindheit zeigen, daß
das Bild, das wir von den Gegenständen haben, nicht allein von diesen
selbst, sondern zum mindesten auch von unserer Organisation abhängig
ist. Die Naturwissenschaft erklärt das, was wir als Licht, Schall, Wärme
wahrnehmen, für eine Bewegung des Äthers, der Luft, der Moleküle. So
erhebt sich der _Zweifel an der Sicherheit unserer äußeren Wahrnehmung
überhaupt_. Um so sicherer aber bleibt dann _eine Tatsache_ stehen,
nämlich _das Bewußtsein, daß wir zweifeln_, oder _daß wir jene Eindrücke
haben_, auch wenn es keine -- oder wenigstens keine unserer Vorstellung
entsprechende -- Außenwelt gibt. _Daß_ wir etwas vorstellen, daß wir
etwas fühlen oder wollen, und daß wir als vorstellende, fühlende,
wollende Wesen wirklich existieren, das kartesianische: %cogito ergo sum%,
steht uns unumstößlich fest. Die Wissenschaft, welche diese geistigen
Vorgänge zu ihrem Gegenstande hat und verarbeitet, die _Psychologie_,
wird daher einen sicheren Ausgangspunkt für die andern Zweige der
Philosophie darbieten. Zugleich bildet sie eine geeignete _Vorschule des
philosophischen Denkens_, sofern dabei das abstrakte Denken durch die
Beobachtung des eigenen Seelenlebens beständig unterstützt werden kann.
Endlich ergibt sich die Wichtigkeit dieser Wissenschaft auch daraus, daß
die _wertvollsten Gegenstände der philosophischen Betrachtung_ auf dem
Gebiete des geistigen Lebens liegen, das Gegenstand der Psychologie ist.
Sie ist daher eine wichtige Grundlage für die Geisteswissenschaften
überhaupt: Philosophie der Geschichte, Logik, Ästhetik, Ethik,
Religionsphilosophie haben ihre Wurzel in der Psychologie und ihren
Abschluß in der Metaphysik.

Von anderer Seite her dient die _Logik_ zur Einführung in die
Philosophie. Schon die Tatsachen des Irrtums und des Streites zeigen die
Notwendigkeit, auch das Denken selbst auf seine Richtigkeit und
Brauchbarkeit hin zu untersuchen; dazu sieht sich aber die Philosophie
noch besonders gedrängt, weil sie nichts ungeprüft annehmen darf und
deshalb auch das Denken und seine Gesetze, ihr _Werkzeug_ zur
Erforschung der Wahrheit _einer Prüfung unterziehen muß_. Insofern
bildet die _Logik die Einleitung zu jeder Wissenschaft_. Die Logik ist
aber auch zur _formalen Schulung des philosophischen Denkens_ geeignet,
weil das Verständnis der logischen Gesetze selbst eine scharfe Fassung
der Begriffe und einen sorgfältigen Vollzug der Denkoperationen
erfordert und dadurch das abstraktere Denken und das Verständnis der
schwierigeren Zweige der Philosophie vorbereitet.

Doch ist leicht zu ersehen, daß die Psychologie der Logik am besten
vorangeht, da die Vorgänge beim Denken selbst zunächst Gegenstand der
Psychologie sind.



Psychologie.


§ 4. „Empirische” und „rationale” Psychologie.

Man unterscheidet herkömmlich zwischen der _empirischen_ Psychologie,
welche die Tätigkeitsäußerungen der menschlichen Seele mit ihren
Gesetzen darstellt, und der _rationalen_ Psychologie, welche das innere
Wesen der Seele zu ergründen und jene Tätigkeitsäußerungen daraus zu
erklären sucht.

Die letztere fällt in das Gebiet der _Metaphysik_, denn sie fragt nach
der Art der Existenz und der Veränderung der Seele, nach ihrem
Zusammenhang mit dem Körper, nach ihrem Verhältnis zur Zeit und zu
anderen Seelen.

Bei der Unsicherheit der Metaphysik ist es aber notwendig, _zunächst
rein empirisch_ auf Grund der Beobachtung die Tatsachen des Seelenlebens
und ihren gesetzmäßigen Zusammenhang zu erforschen und darzustellen. Nur
wenn die Psychologie auf diese Weise zuerst ihre nächste empirische
Aufgabe mit vorläufiger Abweisung aller metaphysischen Spekulation vom
festen Boden der inneren Erfahrung aus klar erfaßt und abgrenzt, kann
sie mit Aussicht auf Erfolg zu tieferer Erfassung ihrer Probleme
weiterschreiten und auch den Geisteswissenschaften für ihre Ideale
Anknüpfungspunkte darbieten. Durch diese scharfe Sonderung von Erfahrung
und Metaphysik unterscheidet sich gerade die _wissenschaftliche_
Behandlung von der _populären_ Auffassung, die beides vermischt und
z. B. die geistigen Vorgänge ohne weiteres metaphysisch als Tätigkeiten
und Zustände eines _Dings_ nach Analogie der Körperwelt erklärt.

Für unsere Zwecke genügt die empirische Psychologie.


Abschnitt I. Seele und Körper.


§ 5. Die verschiedenen Ansichten über das Verhältnis von Seele und
Körper.

Die Erfahrung zeigt uns die Erscheinungen des Seelenlebens eng verknüpft
mit _körperlichen Erscheinungen_. Die Psychologie wird deshalb häufig
die Hilfe derjenigen Wissenschaften in Anspruch nehmen müssen, die sich
mit dem menschlichen Körper beschäftigen, der _Anatomie_, d. h. der
Lehre vom Bau des Pflanzen- und Tierorganismus, und der _Physiologie_,
d. h. der Lehre von den Lebensvorgängen im Pflanzen- und Tierkörper. Die
neuerdings viel verhandelte physiologische Psychologie zieht die
unmittelbaren Folgerungen aus dieser Wissenschaft für das Verhältnis von
Seele und Körper.

Der _letzte Zusammenhang_ dieser beiden Erfahrungsgebiete läßt sich aber
von uns _weder beobachten noch innerlich erfahren_. Indem wir einen Ton
hören, haben wir kein Bewußtsein davon, welchen Weg er von der
Saitenschwingung bis zur Empfindung durchlaufen hat, und wir nehmen
keinen bestimmten Vorgang im Gehirn wahr, indem wir einen Entschluß
fassen; aber auch wenn wir den körperlichen Vorgang, der dem geistigen
entspricht, unmittelbar beobachten könnten, wüßten wir nicht, wie die
Nervenerregung durch die Schallwellen es macht, zur Tonempfindung zu
werden, oder wie der Entschluß es anfängt, die Glieder in Bewegung zu
setzen.

Es sind daher die verschiedensten Hypothesen über dieses _Verhältnis von
Seele und Körper_ aufgestellt worden. Es sind hauptsächlich _vier
Möglichkeiten_ denkbar: Entweder streicht man eines der Glieder, um
deren Zusammenhang es sich handelt, dann ergeben sich zwei mögliche
Ansichten: 1. die Seele ist nur eine Form oder ein Produkt des Körpers
(Materialismus), 2. der Körper ist nur eine Form oder ein Produkt eines
oder mehrerer seelischer Wesen (Spiritualismus, so Leibniz, Lotze); oder
man erkennt die Selbständigkeit beider an, dann sind zwei weitere Fälle
möglich: 3. Seele und Körper wirken aufeinander wie verschiedene Wesen
oder Substanzen (Wechselwirkungslehre, so Descartes, Herbart), 4. Seele
und Körper sind verschiedene Äußerungsformen eines und desselben Wesens,
stehen daher in keinerlei Verhältnis von Ursache und Wirkung
(Identitätshypothese, so Spinoza, Fechner, der moderne psychophysische
Parallelismus).

Die empirische Psychologie kann diese Frage von ihrem Standpunkt aus
nicht beantworten, sondern nur das Material dazu darbieten, die
endgültige Beantwortung derselben ist von gewissen metaphysischen
Anschauungen abhängig. Die empirische Psychologie kann nur die
tatsächliche Verschiedenheit von Körper und Seele feststellen und die
durch Gesetze bestimmten Beziehungen zwischen beiden Erfahrungsgebieten,
soweit sie beobachtet werden können, untersuchen. Die Lösung dieser
Aufgaben zieht sich durch das ganze Gebiet der Psychologie hindurch,
doch soll das Wesentliche über jene Verschiedenheit (§ 6) und über diese
Beziehungen, die vor allem im Nervensystem stattfinden (§ 7), im voraus
zusammengestellt werden.


§ 6. Die Eigentümlichkeit der körperlichen und der geistigen
Erscheinungen.

Die Hauptmerkmale, durch welche erfahrungsmäßig Körper und Seele sich
unterscheiden, sind folgende, zunächst für die _Körperwelt_:

1. Die _körperlichen Erscheinungen_ treten in der Form des _Raumes_ auf,
während keinerlei Vorgänge in der Seele, nicht einmal unsere
Vorstellungen vom Raume selbst, räumlicher Natur sind: die Vorstellung
eines Dreiecks z. B. ist nicht selbst dreieckig.

2. Die Naturwissenschaft läßt die Körperwelt bestimmt sein durch das
_Gesetz der Trägheit_: jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe
oder Bewegung, solange er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung
desselben gezwungen wird, und durch das Gesetz von der _Erhaltung der
Materie und Energie_: die Summe der Stoffteile bleibt unter aller
Veränderung ihrer Zusammensetzung, und die Summe der Energie unter allem
Wechsel von ruhender und tätiger Kraft dieselbe. Auch das organische
Leben und der menschliche Körper soll diesen Gesetzen unterworfen sein,
und das Leben also nicht auf eine unerklärliche Lebenskraft, sondern nur
auf eine außerordentlich verwickelte, noch nicht genügend erkannte
Wechselwirkung zwischen den verschiedenen, im menschlichen Körper
verbundenen Stoffen und Kräften zurückgeführt werden.

Für die _geistige Welt_ konnte die Gültigkeit dieser Gesetze bis jetzt
nicht ebenso nachgewiesen werden, dagegen zeigt diese eigentümliche
Merkmale anderer Art:

1. Das Bewußtsein der Seele ist bedingt durch _Veränderung_,
_Mannigfaltigkeit_ und _Gegensatz_. Bei gleichmäßig fortdauernder
Einwirkung eines einfachen Eindruckes nimmt das Bewußtsein ab und es
tritt, wenn alle mannigfaltigen störenden Eindrücke ferngehalten werden,
Schlaf- oder Bewußtlosigkeit ein. So wird der hypnotische Zustand durch
Konzentration der Aufmerksamkeit auf einen einzigen Punkt, z. B. für das
Gesicht durch Anstarren eines glänzenden Gegenstandes, für das Gehör
durch ein einförmiges Geräusch erzeugt. Ähnlich verhält sich der
religiöse Mystiker im Zustand der Ekstase, wenn er in die Gottheit als
absolute Einheit sich versenkt.

2. Diese mannigfaltigen Bewußtseinselemente _tauchen_ aber _nicht in der
Seele isoliert auf_, um wieder zu verschwinden, sondern sie treten in
Wechselwirkung miteinander, so daß neue Erscheinungen entstehen, und
werden in der _Einheit des Bewußtseins_ zusammengefaßt. Dies ist aber
nur dadurch möglich, daß die früheren Zustände der Seele _festgehalten_
oder, wenn sie verschwunden sind, _wieder erzeugt_ werden können. Doch
ist damit allein die Einheit des Bewußtseins noch nicht gegeben. Ein
solches Festhalten und Wiedererzeugen kommt auch in der unbewußten Natur
vor. Soll unter den zeitlich aufeinanderfolgenden Zuständen der Seele
ein innerer Zusammenhang bestehen, so müssen die früheren als solche
_wiedererkannt_ werden, um mit den folgenden in bewußte Beziehung
gesetzt zu werden; daher ist die _Erinnerung_ die wichtigste Fähigkeit
der Seele. Sie macht es erst möglich, die geistigen Vorgänge, die ohne
sie eine Anzahl von isolierten, einander vollkommen gleichgültigen
Erscheinungen darstellen würden, gleichzeitig zu machen und zu
verbinden.

Diese _innere Einheit des Bewußtseins, verbunden mit freier
Wechselwirkung seiner Elemente_, ist eine _Hauptbedingung der geistigen
Gesundheit_. Löst dieser Zusammenhang sich auf oder bilden sich fixe
Ideen, welche die freie Wechselwirkung der Elemente hindern, so ist es
ein Zeichen der beginnenden oder vorhandenen _Geisteskrankheit_.

An dieser eigentümlichen Verbindung von Einheit und Mannigfaltigkeit im
Geistesleben scheitert auch der _Materialismus_ (s. S. 11). Während aus
zwei Bewegungen körperlicher Atome eine neue Bewegung entsteht, welche
die andere ablöst, führt die Einheit des Bewußtseins zu einer Verbindung
früherer Vorstellungen mit späteren, ohne daß diese deshalb darin
aufgehen müssen. In der Einheit des Bewußtseins sind vielmehr die
einzelnen Vorstellungen zugleich mit ihrer Verbindung untereinander und
mit deren Resultat gegenwärtig.


§ 7. Das Nervensystem.

Die psychologische und physiologische Beobachtung zeigt, daß nicht alle
Bestandteile des Körpers in gleich enger Beziehung zur Seele stehen. In
unmittelbarer Beziehung zu ihr stehen nur die _Nerven_, die als weiße
Fäden den ganzen Organismus des Körpers durchziehen. Die unendlich
zahlreichen Nervenfasern vereinigen sich in Zentralorganen, und diese
stehen wieder mit dem _Gehirn_ als dem Hauptzentralorgan in Verbindung
(die Zahl der Nervenzellen des Großhirns wurde auf ungefähr eine
Milliarde berechnet), so daß das Ganze ein _System_ bildet, durch das
allein jede Wechselbeziehung zwischen Körper und Seele vermittelt wird.
Die _sensiblen_ Nerven führen die Eindrücke der Außenwelt und des
eigenen Leibes, der hier als ein Teil derselben anzusehen ist, dem
Gehirn zu, und die _motorischen_ dienen dazu, die Ausführung der
Bewegungen durch Überleitung des Befehls dazu auf die ausführenden
Glieder zu vermitteln.

Die Versuche, die einzelnen Tätigkeiten der Seele an bestimmte
Punkte dieses Nervensystems, besonders des Gehirns zu knüpfen
(_Lokalisationstheorie_), haben noch zu keinem feststehenden Resultat
geführt. Eine solche „Lokalisation” bestimmter Geistestätigkeiten bis
ins einzelne, wie sie Gall († 1828) in seiner Phrenologie oder
Schädellehre aufgestellt hat, ließ sich nicht durchführen, da weder der
Schluß von der Ausbauchung des Schädels auf die stärkere Vertretung der
darunter liegenden Gehirnpartieen noch die hierbei vorausgesetzte
populäre Abgrenzung psychologischer Begriffe haltbar ist. Doch konnte
der Sitz der wichtigsten Zentralorgane der Sprache und Rede in der
dritten Stirnwindung der linken Hemisphäre des Großhirns nachgewiesen
werden. Auch werden in der Regel die einzelnen Arten der
Sinnesempfindungen, besonders das Sehen und Hören, und die
Muskelbewegungen auf bestimmte Teile des Gehirns, auf ein Sehzentrum,
Hörzentrum, motorisches Zentrum bezogen. Dagegen ist ziemlich allgemein
anerkannt, daß die höheren Funktionen des Gehirns, Gedanken, Gefühle,
Willensentschlüsse, nicht an bestimmte Gegenden desselben gebunden sind.
(Näheres über das Nervensystem, insbesondere die Sinnesorgane vgl.
Sammlung Göschen Nr. 18: Anthropologie, u. Nr. 98: Lipps, Grundriß der
Psychophysik.)


Abschnitt II. Die einzelnen Elemente des Seelenlebens.


§ 8. Die sogenannten „Seelenvermögen”.

Die Erscheinungen des Seelenlebens werden gewöhnlich durch Annahme von
_drei Seelenvermögen_ erklärt, eines Erkenntnis-, eines Gefühls- und
eines Begehrungsvermögens. Die darin liegende Dreiteilung der geistigen
Vorgänge wird fast allgemein angenommen. -- Die Versuche, das eine auf
die andern oder alle auf eines zurückzuführen (so Herbart auf das
Vorstellen), tauchen immer wieder auf, haben aber noch zu keinem
befriedigenden Ergebnis geführt. Aber es dürfen dabei _zwei wichtige
Punkte_ nicht übersehen werden, teils was den Ausdruck „Vermögen”,
teils was die Dreiteilung betrifft:

1. Daß mit der Annahme von drei Seelenvermögen die Vorgänge der Seele
nicht _erklärt_, sondern nur _klassifiziert_ sind; denn es ist noch
keine Erklärung einer Erscheinung, wenn man ohne näheren Nachweis in dem
Gegenstand, an dem sie vorkommt, eine Fähigkeit sie zu erzeugen annimmt.
Was wir empirisch beobachten können, sind jedenfalls nur die geistigen
Vorgänge selbst und die Verschiedenheit, nach der wir dieselben in
Klassen einteilen.

2. Diese drei Klassen von geistigen Vorgängen, das Erkennen, das Fühlen,
das Wollen kommen in der Seele _nicht getrennt vor_. Es gibt wohl kaum
einen Zustand der Seele, in dem nicht alle drei Arten sich zusammen
vorfinden. Wir dürfen also nur von Seelenzuständen sprechen, in denen
das Erkennen oder das Fühlen oder das Wollen _vorwiegt_, und wenn wir im
folgenden diese einzelnen Elemente des Seelenlebens gesondert
betrachten, so müssen wir uns dabei immer bewußt bleiben, daß wir damit
in der Wissenschaft eine Trennung vollziehen, die es in Wirklichkeit
nicht gibt.


1. Das Erkennen.


§ 9. Die Empfindung.

Das einfachste Element des Erkennens, die einfachste Art, wie die Seele
zu einer Kenntnis der Außenwelt gelangt, ist die _Empfindung_. Sie ist
zu unterscheiden von den Gefühlen, den Zuständen der Lust und Unlust,
und schließt drei Hauptmomente in sich:

1. Den _äußeren Sinnesreiz_. Wenn die Sinnesorgane in Tätigkeit treten
sollen, so muß eine Wirkung auf sie ausgehen von irgend einem
Gegenstand, der entweder unmittelbar den Körper berührt oder durch
Bewegung eines dazwischen liegenden Stoffes auf den Körper einwirkt. Das
erste geschieht z. B. bei Tastempfindungen, das zweite beim Sehen, Hören
durch die Schwingungen des Äthers, der Luft.

2. _Die Erregung eines sensiblen Nerven_ im Körper, die durch den Reiz
veranlaßt wird und von den peripherischen Nervenenden bis in das Zentrum
des ganzen Nervensystems, in das Gehirn sich fortpflanzt. Wird der Nerv
durchschnitten, so kommt es nicht zur Empfindung.

3. Die _Empfindung in der Seele selbst_, das Sehen, Hören, Tasten,
Riechen, Schmecken.

Die Empfindungen selbst sind aber den Vorgängen 1. und 2., durch die sie
veranlaßt werden, _ganz ungleich_. Es läßt sich nicht nachweisen, warum
auf Schwingungen der Luft gerade die Empfindung des Hörens folgt; wir
können nur feststellen, daß es so ist. Auch die Abhängigkeit der
Empfindung vom äußeren Reiz dem Stärkegrade nach ließ sich nur auf
Umwegen ermitteln. Auf Grund der Empfindung allein können wir nie mit
Bestimmtheit sagen, daß etwa ein Licht a, dessen Leuchtkraft nach der
Kerzenstärke, also als äußerer Reiz, 1½ mal so groß als die von b
ist, 1½ mal so hell sei als das Licht b. Man ging daher von der Frage
aus, um wie viel ein Reiz verstärkt werden muß, damit eine Zunahme der
Stärke in der entsprechenden Empfindung _eben noch_ bemerkt werden kann.
Es zeigte sich, daß _der Zuwachs des Reizes, welcher eine eben noch
merkliche Änderung der Empfindung hervorbringt, zu der Reizgröße, zu
welcher er hinzukommt, immer in demselben Verhältnis steht (Webersches
Gesetz)_, oder, mathematisch ausgedrückt: daß die Stärke des Reizes in
geometrischer Progression wachsen muß, damit die Empfindung in
arithmetischer Progression zunehme. Muß man also zu einem Gewicht von
3 kg 1 kg zulegen, damit eine Zunahme des Druckes eben noch merklich
werde, so ist bei 9 kg eine Vermehrung um 3 kg nötig, während nur 1 kg
mehr zu keiner Verstärkung der Druckempfindung führen würde. _Für die
verschiedenen Sinne_ ist das Verhältnis der Reizstärke, das diese
sogenannte „Methode der eben merklichen Unterschiede” ergibt, ein
_verschiedenes_; doch ließ es sich nur für Reize von mittlerer Stärke
bestimmen, am meisten übereinstimmend noch für die Schallempfindungen:
nahezu == 3:4, für die Lichtempfindungen wurde 100:101, für Hebungen,
also Druckempfindungen, unterstützt durch das Muskelgefühl, 15:16
gefunden.

Übrigens gibt es auch _subjektive Empfindungen_, welche, obwohl nicht
durch die ihm entsprechenden Sinnesreize, sondern durch mechanische
Einwirkungen wie Schlag oder Druck oder innere Zustände _des Körpers_
erzeugt, doch den jedem Sinnesnerven allein eigentümlichen Charakter
tragen („spezifische Sinnesenergie”) und deshalb häufig in die
Außenwelt hinaus verlegt werden, z. B. das Klingen im Ohr, das
Leuchten vor den Augen, Frost und Hitze im Fieber. Diese Tatsache
führte auf die durch Johannes Müller (1826) begründete Annahme einer
_spezifischen Sinnesenergie_, d. h. einer besonderen Fähigkeit jedes
einzelnen Sinnesnerven, auch auf Reize verschiedener Art nur gerade
die ihm eigentümlichen Empfindungen zu vermitteln.

Auch dauern die Empfindungen oft noch fort, nachdem die Reize schon
aufgehört haben. Daher erzeugen besonders starke Lichtempfindungen sog.
„_Nachbilder_”.

Die Empfindungen sind entweder _einfache_, z. B. eine Farbe, ein Ton,
oder _zusammengesetzte_, z. B. ein Regenbogen, dessen verschiedene
Farben wir zugleich sehen, oder ein Musikinstrument, das wir zugleich
sehen und hören.


§ 10. Vorstellung und Wahrnehmung.

Die Empfindung geht dadurch, daß sie mit dem veranlassenden Reiz
aufhört, nicht für das Bewußtsein verloren. Sie kann vielmehr in der
Seele wiedererzeugt werden, als eine Art Erinnerungsbild, dem jedoch die
sinnliche Lebhaftigkeit des ersten Eindrucks fehlt, und heißt dann
_Vorstellung_. Diese Wiedererzeugung findet besonders dann statt, wenn
die betreffende Empfindung selbst wiederkehrt. Wenn ich z. B. eine
bestimmte Person durch zusammengesetzte Empfindungen: Sehen der Gestalt
und ihrer Bewegung, Hören der Stimme u. s. w. kennen gelernt habe, so
kann ich auch ohne Wiederkehr dieser sinnlichen Eindrücke eine
Vorstellung von derselben haben; immer aber tritt dieses Erinnerungsbild
des früheren Empfindungskomplexes hervor, wenn ich dieselben
Empfindungen wieder habe, und die neuen Empfindungen werden dann als
dieselben wieder erkannt, d. h. es findet eine _Wahrnehmung_ statt.
Dieser Unterschied zwischen Empfindung und Wahrnehmung tritt in manchen
Erscheinungen deutlich hervor, wo die Fähigkeit zu empfinden noch
vorhanden, aber die wahrzunehmen verloren ist, z. B. bei der
_Wortblindheit_, wo die Empfindung, das Hören des gesprochenen, das
Sehen des geschriebenen Wortes noch da ist, aber das Verständnis seiner
Bedeutung, d. h. die Fähigkeit zur Wiedererzeugung der dazu gehörigen
Vorstellung fehlt. Beim normalen Menschen wird der Sinneseindruck stets
zu dem übrigen Bewußtseinsinhalt in Beziehung gesetzt und so das in der
Empfindung sich darbietende Rohmaterial zur Wahrnehmung verarbeitet. Da
hiernach in der Regel die Empfindung sofort als Wahrnehmung auftritt,
sobald sie zum Bewußtsein kommt, so werden beide Begriffe häufig als
gleichbedeutend gebraucht.

Die Verschmelzung der wiedererzeugten Vorstellung mit der neuen
Empfindung ist aber nicht eine bewußte Arbeit des Wahrnehmenden, sondern
_geht unwillkürlich vor sich_. Die Vorstellung, die dabei mitwirkt,
kommt deshalb gar nicht als selbständiges Element zum Bewußtsein, sie
wird daher auch „_gebundene Vorstellung_” genannt. „_Freie
Vorstellungen_” sind dann diejenigen, die ohne Veranlassung durch die
Empfindung im Bewußtsein auftauchen. Im philosophischen Sprachgebrauch
wird aber das Wort „Vorstellung” vielfach auch im _allgemeineren Sinne_
verwendet zur Bezeichnung jeden Inhalts des Bewußtseins überhaupt, der
auf Gegenstände der Außenwelt, ihre Eigenschaften oder Zustände bezogen
wird. Es umfaßt dann sowohl die Wahrnehmungen als die Vorstellungen in
dem oben genannten Sinn und gewinnt seine Bedeutung besonders in dem
Satze der Erkenntnislehre: Die Welt ist meine Vorstellung. (Kant,
Schopenhauer.)


§ 11. Der Verlauf der Vorstellungen.

Durch die freien Vorstellungen, die von den Empfindungen sich losgelöst
haben, bekommt das Bewußtsein einen selbständigen Inhalt. In diese
Vorstellungswelt treten aber immer wieder neue Empfindungen und damit
neue Vorstellungen ein. Es sind _zwei nebeneinander hergehende Reihen
von Vorgängen_, die sich um den Vorrang in der Seele streiten.

Auf einem Spaziergang z. B. tritt vielleicht anfangs die Wahrnehmung der
Umgebung mit ihren wechselnden Empfindungen in den Vordergrund. Da führt
die Ähnlichkeit der wahrgenommenen Gegend mit einem früheren Aufenthalt
zur Erinnerung an die Erlebnisse desselben, und hinter diesen Gedanken,
die sich selbständig fortspinnen, treten die äußeren Empfindungen immer
mehr zurück, so daß der Spaziergänger, ganz in sich vertieft, kaum mehr
auf den Weg achtet, bis etwa eine auffallende Erscheinung wieder den
Strom der freien Vorstellungen unterbricht. Das Vorwiegen einer dieser
Reihen bezeichnet zugleich eine _Eigentümlichkeit unter den Menschen_.
Die einen neigen sich mehr dem Spiel der Empfindungen und der äußeren
Wahrnehmungswelt zu, so diejenigen, die eine Anlage für Musik oder
bildende Künste, oder für Naturwissenschaft haben, andere geben sich
lieber dem Laufe der freien Vorstellungen, dem Leben in der Erinnerung,
oder den Wissenschaften des Geistes hin. Geht aber das Interesse des
Menschen ganz in einer dieser Reihen auf, so leidet das Geistesleben
unter krankhafter Einseitigkeit.

Der Verlauf der Vorstellungen schließt zwei Fragen in sich: Wie
_entstehen_ die Vorstellungen im Bewußtsein? und: Wie _verschwinden_ sie
aus demselben? Sofern sie durch Empfindungen hervorgerufen werden, ist
die Frage schon beantwortet: mit dem Beginnen und Aufhören des äußeren
Reizes. Doch findet ein solches Auftauchen und Verschwinden nicht bloß
auf Veranlassung der Empfindungen, sondern auch im _Verlaufe der freien
Vorstellungen_ statt. Da jedoch hier nie eine unbedingt neue
Vorstellung auftritt, sondern höchstens die alten mit Hilfe der
Einbildungskraft eine neue Verbindung eingehen, so lautet die eine der
Fragen etwas anders: Wie geht es zu, daß die einmal verschwundenen
Vorstellungen _wiederkehren_?

Da dies als Tatsache feststeht, so wird angenommen, daß sie überhaupt
aus dem Umkreis der Seele nicht ganz verschwunden sind, sondern daß sie,
wenn auch nicht im Bewußtsein, so doch als _unbewußte Zustände_ noch
vorhanden waren. Wir haben auch sonst Anzeichen, die auf Vorgänge in der
Seele „unter der Schwelle des Bewußtseins” (Herbart) hinweisen, so die
unmittelbare Wahrnehmung von Verhältnissen, die eigentlich eine Reihe
von Mittelgliedern voraussetzt, z. B. der Entfernung eines Gegenstandes
(s. S. 36), oder die Welt der Gefühle, deren Ursprung uns oft dunkel
ist. Über diese Vorgänge unter der Schwelle des Bewußtseins können wir
aber nie etwas Bestimmtes aussagen, als das Negative, daß sie eben
unterhalb des Bewußtseins vor sich gehen; denn sie könnten nur
beobachtet werden, indem sie Gegenstände des Bewußtseins würden.

In der Mitte zwischen Bewußtem und Unbewußtem steht der _Traumzustand_.
Seine Eigentümlichkeit besteht wohl hauptsächlich in einer _Schwächung
des bewußten Willens_, der sonst den Verlauf der geistigen Vorgänge
beherrscht und zusammenhält. Die Aufeinanderfolge der Vorstellungen wird
nur sehr unbestimmt durch das Gefühl geleitet und hat deshalb freies
Spiel. So fügen sich besonders an einzelne Reize, sinnliche Eindrücke
von der Außenwelt her oder Zustände des eigenen Körpers, sofort
Vorstellungen, mit denen dieselben Gefühle im wachen Zustand verbunden
sind. Es wird z. B. schweres Atemholen als Alpdrücken, leichtes als
Flugbewegung, Stechen im Fuß als Biß einer Schlange, ein gehörter Schuß
durch die Geschichte eines Mordes gedeutet.

Beobachten wir nun die Vorstellungen, die im wachen Bewußtsein
auftauchen, ohne durch einen äußeren Reiz unmittelbar veranlaßt zu sein,
so zeigt sich, daß die _eine Vorstellung immer durch eine andere
hervorgerufen wird_, mit der sie in irgend einer Weise verbunden ist.
Diese Vorstellungsverbindung nennt man _Assoziation_ der Vorstellungen
oder auch _Ideenassoziation_. Sie hat hauptsächlich zweierlei Formen und
beruht:

1. Auf der _Ähnlichkeit_ der Vorstellungen. Die Vorstellung einer
Person, einer Landschaft ruft diejenige einer andern ihr ähnlichen
hervor.

2. Auf deren _äußerem Zusammenhang in Raum und Zeit_
(Berührungsassoziation). Was wir häufig zusammen wahrgenommen haben, das
strebt auch in der Vorstellung sich zu verbinden: die Vorstellung eines
Bekannten ruft die Vorstellung seiner Wohnung hervor. Durch diese
Assoziation zusammenhängender Vorstellungen bekommen wir überhaupt erst
die Vorstellung von einem einzelnen Gegenstande. Zur Vorstellung eines
Apfels gelange ich nur dadurch, daß ich häufig die dazu gehörigen
Empfindungen des Gesichts, des Geruchs, des Tastsinns und des Geschmacks
miteinander gehabt habe, und daß infolgedessen die eine dieser
Vorstellungen, z. B. die des Gesichts, die andern dazu gehörigen immer
zugleich wiedererzeugt. Die zeitliche Assoziation, durch
Gleichzeitigkeit oder zeitliche Aufeinanderfolge vermittelt, findet
z. B. statt, wenn mit einem bestimmten Tag des Jahres die Vorstellung
eines Geburtsfestes sich verknüpft hat, oder wenn das Anfangswort eines
auswendig gelernten Gedichtes die folgenden Wörter, der Anfang einer
bekannten Melodie die Vorstellung der folgenden Töne hervorruft. Je
häufiger diese Assoziationen zur Wiedererzeugung von Vorstellungen
dienen, desto leichter gehen sie von statten. Die _Übung_ spielt hier
eine große Rolle (s. § 28).

Von dem _Verschwinden der Vorstellungen_ glauben nun die einen, es sei
das natürlichere und bedürfe keiner besonderen Erklärung, die andern
verlangen umgekehrt eine Erklärung des Verschwindens, da nach dem Gesetz
der Beharrung das Festhalten das selbstverständliche sei. Will dieses
Gesetz in seiner allgemeineren Fassung sagen, daß kein Zustand sich
verändert, ohne daß ein Grund dazu da ist, so ergibt sich, daß
allerdings das Verschwinden einer Vorstellung, das einmal tatsächlich
vorliegt, erklärt werden muß. Diese Erklärung muß von der Voraussetzung
ausgehen, daß wegen der sogenannten _Enge des Bewußtseins_ immer nur
eine beschränkte Zahl von Vorstellungen zugleich im Bewußtsein sich
befinden kann, so daß also die einen durch die andern verdrängt werden.
Worauf die Macht der Vorstellungen zur Verdrängung anderer oder ihre
_Stärke_ beruht, das ergibt sich zum Teil aus den _Gesetzen ihrer
Wiedererzeugung_, zum Teil aus der _Bedeutung_, welche sie für das
vorstellende Subjekt haben. Je geläufiger die Verbindung einer
Vorstellung mit andern ist, desto sicherer wird sie vor konkurrierenden
Vorstellungen den Vorzug erhalten, z. B. in der Regel das h der
alphabetischen Reihenfolge e f g h vor dem a der musikalischen Tonleiter
e f g a. Andrerseits wird die Vorstellung mit um so mehr Stärke sich ins
Bewußtsein drängen, je wichtiger der durch sie bezeichnete Gegenstand
für uns selbst und je größer infolgedessen das auf _Gefühlen_ beruhende
_Interesse_ ist, das wir an ihm haben.


§. 12. Die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis.

Mit dem Festhalten und Wiedererzeugen der Vorstellungen hängen zwei
Fähigkeiten zusammen, die im Geistesleben eine große Rolle spielen, die
_Aufmerksamkeit_, d. h. die Fähigkeit, Vorstellungen und
Vorstellungsreihen zu möglichst klarer und deutlicher Auffassung
festzuhalten, und das _Gedächtnis_, d. h. die Fähigkeit, verschwundene
Vorstellungen mit Bewußtsein wiederzuerzeugen oder sich zu _erinnern_.

Man unterscheidet zwischen _unwillkürlicher_ und _willkürlicher_
Aufmerksamkeit. Die _unwillkürliche_ wird durch einen plötzlich an uns
herantretenden Reiz hervorgerufen, indem er uns veranlaßt, uns demselben
zuzuwenden, damit wir ihn möglichst deutlich wahrnehmen. So zieht z. B.
eine Lichterscheinung oder ein plötzliches Geräusch unsere
unwillkürliche Aufmerksamkeit auf sich. _Die willkürliche Aufmerksamkeit
entsteht durch das Interesse_ (s. § 11), das die Willenstätigkeit
veranlaßt, die geistige Kraft auf bestimmte Vorstellungen oder
Vorstellungsreihen hinzulenken. Da die Aufmerksamkeit darauf ausgeht,
gewisse Vorstellungen mit Verdrängung anderer festzuhalten, so ist sie
von der Stärke derselben abhängig und kann erzeugt werden teils dadurch,
daß das Interesse erregt wird, teils dadurch, daß der Zusammenhang der
Vorstellungen streng festgehalten wird. Geschieht das letztere nicht, so
entsteht das Gegenteil, _die Zerstreutheit_.

Das _Gedächtnis_ beruht auf den _Gesetzen der Reproduktion_. Wir
können eine Vorstellung wiedererzeugen, uns auf sie „_besinnen_”,
indem wir der Vorstellungsreihe nachgehen, in welcher sie enthalten
ist, und so mit Hilfe der Assoziationen auf dieselbe stoßen. Je
vielseitiger und deutlicher daher die Verbindung einer Vorstellung mit
andern ist, desto leichter können wir uns ihrer erinnern. Wir prägen
uns also etwas ein, indem wir es in den Zusammenhang mit andern
Vorstellungen hineinstellen und zwar entweder auf _mechanische Weise_
durch häufige Wiederholung aufeinanderfolgender Vorstellungen, die uns
durch Übung geläufig wird, wobei wir im allgemeinen an _die Richtung
gebunden sind, in welcher die Assoziationen eingeübt wurden_ (ein
auswendig gelerntes Gedicht, oder ein beliebiges Wort läßt sich nur
schwer rückwärts sagen, einseitig gelernte Vokabeln sind nur in
derselben Richtung, z. B. französisch-deutsch, geläufig); oder auf
_logische_ Weise durch Aufnahme der Vorstellung in einen klaren
inneren Zusammenhang, den wir wegen seiner Angemessenheit an unsere
Denkgesetze leicht wiedererzeugen können, z. B. einen Satz der
euklidischen Geometrie.

Die Tätigkeit des Gedächtnisses wird erleichtert durch häufige _Übung_
und durch das _Interesse_, das dem Verschwinden der Vorstellungen
entgegenwirkt. Mit dem Unterschied des Interesses hängt es auch
zusammen, daß das Gedächtnis bei verschiedenen Personen an verschiedene
Gegenstände gebunden sein kann, so daß von einem Gedächtnis für Worte,
Zahlen, Töne, Sachen, Örter oder für bestimmte Gebiete der
Wissenschaft die Rede ist. Außerdem aber kommen hierbei _angeborene
Eigentümlichkeiten_ des Gedächtnisses in Betracht, die sich besonders
als vorherrschende Empfänglichkeit für bestimmte Sinneseindrücke, z. B.
für bloß gehörte, oder für außerdem gesprochene, oder für bloß gelesene
Worte geltend machen. Man hat danach ein akustisches, motorisches und
visuelles Gedächtnis unterschieden.


§ 13. Die Arten der Vorstellung und das Denken.

Diejenige Vorstellung, die der einfachen Empfindung entspricht, z. B.
die einer Farbe, kann man _Einzelvorstellung_ nennen. Aus
Einzelvorstellungen setzt sich die Vorstellung von Gegenständen,
Personen, Verhältnissen, Begebenheiten zusammen, also die Vorstellung
eines individuellen Ganzen oder die _Individualvorstellung_. Diese
Individualvorstellung schließt gewöhnlich die Vorstellung eines _Dings_
in sich, das übrig bleiben soll, auch wenn man die angeblich daran
haftenden Eigenschaften, d. h. Einzelvorstellungen, wegdenkt. Die
Richtigkeit dieser Vorstellung, deren Vorhandensein die Psychologie nur
feststellt, hat die Metaphysik zu untersuchen.

Der menschliche Geist, der vor allem nach Einheit strebt, begnügt sich
jedoch nicht mit einer Menge von Individualvorstellungen, sondern er
sucht dieselben durch Bildung neuer Formen zusammenzufassen. Von einer
Reihe immer wiederkehrender ähnlicher Vorstellungen bleibt in der Seele
ein _gemeinsames Bild von unbestimmtem Charakter_ zurück, das nur die
allen gemeinsamen Merkmale, die individuellen dagegen nicht enthält: die
allgemeine oder _Gemeinvorstellung_. Wenn vom Menschen im allgemeinen
die Rede ist, schwebt uns dabei eine Gemeinvorstellung, ein ungefähres
Bild vor, das mit Vernachlässigung aller Unterschiede der Völker und
Individuen nur das Allgemeine, allen Menschen Gemeinsame darstellt.

Diese unbestimmten und leicht verwischbaren Gemeinvorstellungen könnten
aber nicht auseinandergehalten und weiter ausgebildet werden, wenn sie
nicht an ein bestimmtes Zeichen gebunden werden könnten. Diesem
Bedürfnis kommt die _Sprache_ entgegen. Jedes _Wort ist ein Zeichen
für eine Gemeinvorstellung_; nur wo die Unterscheidung der Individuen
einen besondern Wert hat, wie beim Menschen, da erhält auch die
Individualvorstellung ein besonderes Wortzeichen, das dann nur für _ein_
Individuum gilt. Solche Wortzeichen für Individualvorstellungen sind die
_Eigennamen_. Sonst bezeichnet ein Wort, z. B. Tisch, nur die
Gemeinvorstellung, der kein bestimmter Gegenstand, kein bestimmter Tisch
entspricht, und kann nur etwa durch ein hinweisendes Fürwort: „dieser
Tisch” auf einen bestimmten Gegenstand beschränkt werden.

Infolge der Verbindung mit dem Wortzeichen kann die Gemeinvorstellung
genauer umgrenzt werden und in _die bestimmtere_ Form _des Begriffes
übergehen,_ die Verbindungen der Vorstellungen untereinander können als
_Urteile_, die sich in Sätzen aussprechen lassen, mit größter
Genauigkeit vollzogen werden, und die Entstehung neuer Vorstellungen aus
der Verbindung anderer nimmt auf dieser höheren Stufe die Gestalt von
_Schlüssen_ an. Diese ganze höhere Stufe ist die des eigentlichen
_Denkens_. Der Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Verlaufe der
Vorstellungen und dem eigentlichen Denken ist also nur der, daß, was
dort unwillkürlich geschah, jetzt mit voller Klarheit und mit der
bestimmten _Absicht_ vollzogen wird, die Natur und die geistige Welt
oder ihren Zusammenhang zu _erkennen_, d. h. solche Vorstellungen und
Vorstellungsverbindungen herzustellen, die der Wirklichkeit entsprechen.
Dazu gehört dann, daß die beziehende Tätigkeit des Geistes mit Hilfe der
Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Gebiet sich richtet und nach
bestimmten Grundsätzen verfährt, die selbst wieder geprüft werden. So
bildet das Denken den _Begriff_ durch Ausscheidung der ungleichartigen
und Zusammenfassung der gemeinsamen Merkmale, z. B. den Begriff
Parallelogramm durch Weglassung der wechselnden Merkmale:
Größenverhältnis der nichtparallelen Seiten und Größe der Winkel, und
Zusammenstellung der allen gemeinsamen: Viereck und Parallelität der
Gegenseiten. Das _Urteil_ entsteht durch Verknüpfung der Begriffe, z. B.
das Rechteck ist ein Parallelogramm; und der _Schluß_ ist die Ableitung
eines Urteils aus einem oder mehreren andern. Es wird z. B. aus den
beiden Urteilen: „Dieses Viereck ist ein Parallelogramm” und: „Im
Parallelogramm halbieren sich die Diagonalen gegenseitig” das dritte als
Schlußfolgerung abgeleitet: „In diesem Viereck halbieren sich die
Diagonalen gegenseitig.” Eine genauere Untersuchung der Bedingungen,
unter denen bestimmte Begriffe, gültige Urteile und richtige Schlüsse
zustande kommen, ist Aufgabe der Logik.

Die verschiedenen Aufgaben des Denkens werden auch, besonders seit
Kant, an verschiedene Vermögen verteilt. Dem _Verstand_ als dem
„Vermögen der Begriffe” wird die begriffliche Verarbeitung der
Erfahrung zugeschrieben im Gegensatz zur _Vernunft_, die „als Vermögen
der Ideen” auf die Erkenntnis des über die Erfahrung Hinausgehenden,
des „Übersinnlichen” gerichtet sei.


§ 14. Die Vorstellung eines zusammenhängenden Weltganzen.

Wir haben das Erkennen bis jetzt betrachtet, wie es von der einfachen
Empfindung aus zu Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen und endlich
zum Denken fortschreitet. Damit ist aber der Stoff noch nicht erschöpft,
den wir mit Hilfe der psychologischen Beobachtung in unserem Vorstellen
finden. Wir treffen da nicht bloß einzelne Empfindungen, Vorstellungen,
Begriffe, Urteile, Schlüsse an, sondern auch eine _zusammenhängende
Vorstellung der wirklichen Welt_, in welche unsere einzelnen
Vorstellungen sich einordnen. Es erhebt sich daher die Frage: Wie kommt
diese umfassende Vorstellung zustande? Da kommen zuerst die beiden
Hauptformen in Betracht, durch die wir den ganzen Stoff unserer
Erfahrung ordnen: der _Raum_ und die _Zeit_, und dann die Grundform,
durch die wir ihren inneren Zusammenhang denken: die _Kausalität_.

Die geistige Welt fassen wir nur zeitlich auf, die körperliche Welt
zeitlich und räumlich. Eine Vorstellung von der _Zeit_ überhaupt haben
wir nur, indem wir wahrnehmen, daß das, was früher war, nun nicht mehr
ist, also unter der Voraussetzung, daß wir uns einer Veränderung von
irgend etwas bewußt sind, und daß wir frühere Zustände wiedererkennen;
denn nur so können wir einen zeitlichen Abstand von ihnen uns
vorstellen. Je mehr wir also nur bei einem einzigen Gedanken oder Gefühl
verweilen, ohne eine Veränderung zu erleben, desto mehr schwindet die
Vorstellung von der Zeit. Eine gesonderte Vorstellung von der Zeit,
losgelöst von dem, was in ihr geschieht, ist nur mit Hilfe der
räumlichen Anschauung, etwa unter dem Bilde einer geraden Linie mit
bestimmten Abschnitten möglich.

Wollen wir die _Zeitabschnitte_ ohne besondere Hilfsmittel bloß mit
Hilfe des Wechsels unserer inneren Zustände _schätzen_, so sind wir
dabei von zweierlei abhängig, von dem _Interesse_, das die einzelnen
Zustände des zu schätzenden Zeitraums für uns hatten, und von der
_Menge_ derselben. Der Gedanke, daß die Zeit Flügel habe, tritt
besonders dann hervor, wenn wir einen Zustand oder ein Ereignis unseres
Lebens mit dem Interesse, das sich für uns daran knüpft, uns lebhaft
vergegenwärtigen, so daß die dazwischenliegenden, weniger wichtigen
Vorgänge zurücktreten. Dagegen scheint uns die Zeit langsam verflossen
zu sein, wenn die Abschnitte, die wir ins Auge fassen, von einer großen
Anzahl wechselnder Ereignisse ohne hervorstechende Punkte ausgefüllt
sind. Diese subjektive Schätzung der Zeit ist also eine unsichere und
wechselnde. Man hat daher einen _objektiven Maßstab_ der Zeit
aufgestellt, indem man gleichmäßige Bewegungen in der Natur, Bewegungen
der Sonne, des Mondes, des Pendels dazu benutzt, deren Wiederholungen
gezählt werden.

Da wir in der wirklichen Welt eine Vorstellung in der Form des Raumes
haben, während unsere Vorstellung selbst nicht räumlicher Natur ist, so
erhebt sich die Frage, wie wir zu dieser _Vorstellung eines Raumes_
gelangen? Fassen wir einen Gegenstand ins Auge, z. B. ein Gebäude, so
enthält diese Wahrnehmung verschiedene räumliche Elemente. Wir erhalten
eine Vorstellung von dessen Entfernung von uns und machen uns außerdem
ein Bild von seiner Länge, Breite und Höhe, also von seinen drei
Dimensionen.

Um die _Entfernung_ zu messen, denken wir uns eine gerade Linie von dem
Gebäude bis zu unserem Standort. Von der Entfernung selbst aber haben
wir keine bestimmte unmittelbare Empfindung, sie ist vielmehr das
Resultat einer Vergleichung zwischen der _wirklichen und scheinbaren
Größe_ des Gegenstandes, die infolge häufiger Übung so schnell vor sich
geht, daß sie uns als unmittelbare Wahrnehmung erscheint. Je kleiner das
Wahrgenommene im Verhältnis zu seiner wirklichen Größe ist, desto größer
schätzen wir seine Entfernung, und je mehr dasselbe sich der wirklichen
Größe nähert, desto geringer erscheint sie uns. Zum Zweck genauerer
Schätzung wird die wirkliche Größe näher zu bestimmen gesucht etwa durch
daneben stehende Menschen, deren ungefähre Größe genauer bekannt ist,
oder es wird, besonders da, wo die wirkliche Größe nicht bekannt ist und
nicht ermittelt werden kann, die der Entfernung entsprechende Gerade in
mehrere Teile zerlegt, deren Entfernung durch andere dazwischenliegende
Gegenstände bestimmt werden kann. Daher ist die Entfernung auf dem Meer
oder auf einförmiger Ebene sehr schwer zu schätzen. Überhaupt läßt sich
von den drei Elementen: wirkliche Größe, scheinbare Größe und
Entfernung, wenn zwei gegeben sind, immer das dritte bestimmen. Außerdem
dient zur Bestimmung der Entfernung auch die durch die Dicke und
Beschaffenheit der dazwischenliegenden Luftschicht bedingte größere oder
geringere Deutlichkeit der Umrisse.

Ein Mittel zu genauerer Bestimmung der Entfernung ohne Messung der die
Entfernung darstellenden Geraden ist die _Parallaxe_; d. h. die Größe
der scheinbaren Verschiebung, welche ein Gegenstand im Verhältnis zu
einem feststehenden Hintergrund erfährt, wenn wir ihn von zwei
verschiedenen Punkten aus betrachten. Je weiter der Gegenstand entfernt
ist, desto kleiner erscheint die Verschiebung. So scheinen uns z. B. bei
einer Eisenbahnfahrt die nächsten Gegenstände schneller vorbeizueilen,
als die weiter zurückstehenden. Zu genauer Ermittelung der Entfernung
durch die Parallaxe wird der Winkel gemessen, den die von dem Gegenstand
zu den beiden Beobachtungspunkten gezogenen Linien einschließen. In
dieser Weise wird die Parallaxe besonders in der Astronomie vielfach
verwendet.

Wie gelangen wir nun aber zur Vorstellung von _drei Dimensionen_ eines
Körpers? Was wir zunächst sehen, ist nur eine Fläche mit verschiedener
Schattierung. Die Wirklichkeit gleicht zunächst einem Gemälde, wo auch
drei Dimensionen durch zwei dargestellt sind; daher faßt ein
Blindgeborener, dem eine Operation zum Sehen verholfen hat, einen Würfel
als Quadrat, eine Kugel als Scheibe und eine Pyramide als Dreieck auf.
Die Vorstellung von einer _Ausdehnung nach der Richtung der Tiefe_
bekommen wir erst durch eine Verbindung der Gesichtsempfindungen mit den
Tast- und Bewegungsempfindungen. Indem wir uns um den Körper herum
bewegen, finden wir, daß die Flächenwahrnehmung von einer bestimmten
Seite aus noch kein Gesamtbild gegeben hat, sondern daß sich andere
Flächen an die zuerst gesehene anschließen, und der Tastsinn, der den
verschiedenartigen von den Körpern geleisteten Widerstand anzeigt und
damit eine genauere Deutung ihrer Schattierungen ermöglicht, ergänzt
dieses Bild zu einer deutlichen Gesamtvorstellung von Form und
Begrenzung der Körper.

Damit ist aber noch nicht erklärt, wie es überhaupt möglich ist, daß
_die unräumliche Seele räumliche Bilder auffassen kann_; sie hat ja wohl
die Vorstellung eines räumlich ausgedehnten Hauses, aber diese
Vorstellung ist nicht selbst ausgedehnt. Darauf beruht die Theorie von
den _Lokalzeichen_, die _Lotze_ († 1881) aufgestellt hat, d. h. die
Ansicht, daß je nach der Stelle der Netzhaut des Auges oder der
Hautoberfläche, die von dem äußeren Reize getroffen wird, dieser selbst
noch einen besonderen qualitativen Nebeneindruck mit sich führt, den
dann die Seele räumlich deutet. So würde derselbe Farbeneindruck R, je
nachdem er mit verschiedenen Lokalzeichen versehen ist, also als Ra, Rb,
Rc die Seele trifft, an verschiedene Orte des Raumes a, b oder c verlegt
werden. Jedenfalls aber muß in der Seele eine Fähigkeit angenommen
werden, diese Zeichen räumlich zu deuten und zu einer Gesamtvorstellung
des Raumes zu erweitern.

So sind uns die Formen des Raums und der Zeit dazu behilflich, ein
einheitliches Bild von der wirklichen Welt zu bekommen. Doch vollendet
sich diese Einheit erst dadurch, daß wir die Erscheinungen nach einem
_inneren Zusammenhang_ als ein _System von Ursachen und Wirkungen_
auffassen. Wir nehmen an, daß jede Erscheinung eine Ursache hat und daß
die gleiche Ursache immer die gleiche Wirkung hervorbringt. Dieses
Kausalitätsverhältnis nehmen wir aber nicht unmittelbar wahr; was wir
wahrnehmen, ist vielmehr nur, _daß die Erscheinung b regelmäßig
eingetreten ist, wenn die Erscheinung a eintrat_. Daß a die Ursache von
b ist, das ist eine Annahme, die wir selbst hinzubringen und die durch
die regelmäßige Aufeinanderfolge von a und b nur veranlaßt ist.
Inwieweit diese Annahme berechtigt ist, das hat die Metaphysik zu
untersuchen. Die Psychologie kann nur feststellen, daß der erkennende
Geist die Eigentümlichkeit hat, den Zusammenhang der Erscheinungen nach
diesem Kausalitätsgesetz zu deuten.


2. Das Fühlen.


§ 15. Wesen und Arten des Gefühls.

Die Gefühle sind _Zustände von Lust und Unlust_; sie unterscheiden
sich dadurch von den _Empfindungen_ und _Vorstellungen_, die für sich
allein uns _gleichgültig_ wären. Der Unterschied zwischen Gefühl und
Empfindung zeigt sich z. B. auch darin, daß bei demselben äußeren Reiz
die Tastempfindungen dem Schmerzgefühl vorangehen, so bei der
Berührung eines heißen Ofens. Auch entsteht das Gefühl langsamer als
die Vorstellung, der es entspricht. Wir können schneller von der
Vorstellung eines Glücks zu der eines Unglücks übergehen, als von dem
Gefühl eines Glückes zu dem eines Unglücks. Es ist daher anzunehmen,
daß das Gefühl die zentralen Nervenorgane mehr in Anspruch nimmt, als
Empfindung und Vorstellung. In Wirklichkeit aber sind die Empfindungen
und Vorstellungen immer mit Gefühlen der Lust oder Unlust verknüpft,
sie haben einen sogenannten „Gefühlston”, und darin besteht das
_Interesse_, das wir an ihnen nehmen, und der _Wert_ oder _Unwert_,
den wir ihnen beilegen.

Es gibt _unendlich viele verschiedene Arten der Lust und Unlust_. Die
Gefühle unterscheiden sich nicht bloß quantitativ durch ein Mehr oder
Weniger von Lust und Unlust; es sind z. B. qualitativ ganz verschiedene
Gefühle der Lust, die sich für uns an den Genuß einer schmackhaften
Speise, an die Vollführung einer guten Tat und an die Betrachtung eines
schönen Gemäldes knüpfen. Man kann deshalb nicht, wie v. Hartmann will,
sämtliche Lust- und Unlustgefühle der Menschen je zu einer Gesamtsumme
addieren, um durch die Vergleichung beider zu dem Schluß zu kommen, daß
die Unlustsumme in der Welt größer sei als die Lustsumme, und daß für
die Menschheit deshalb Nichtsein besser sei als Sein. (Pessimismus.)

Die Eigentümlichkeit der Gefühle läßt sich nur erleben, nicht näher
beschreiben; doch werden diejenigen einander ähnlich sein, die sich an
ähnliche Zustände oder Vorgänge knüpfen. So können wir die Gefühle nach
ihrer Herkunft einteilen in _körperliche Gefühle_, die von körperlichen
Zuständen, und _geistige Gefühle_, die von geistigen Zuständen
herrühren. Unter den letzteren lassen sich wieder die niederen geistigen
Gefühle, die auf unser _individuelles Wohl und Wehe_ sich beziehen --
Freude, Trauer, Stolz, Ehrgefühl, auch die geselligen Gefühle, Liebe und
Haß, solange sie nicht durch sittliche Anschauungen geläutert sind --
unterscheiden von den höheren geistigen Gefühlen, die an _allgemein
gültige geistige Güter der Menschheit_ sich knüpfen: die
intellektuellen, ästhetischen, sittlichen und religiösen Gefühle.


§ 16. Die körperlichen Gefühle.

Die körperlichen Gefühle schließen sich unmittelbar an die
_Empfindungen_ an und sind nach _Art_ und _Stärke_ von ihnen abhängig.
Jede Empfindung hat ihren eigentümlichen Gefühlston, der dieselbe zu
einer „angenehmen” oder „unangenehmen” Empfindung macht. Dies gilt
jedoch nur für mittlere Stärkegrade der Empfindung. Läßt man einen Ton
zu übergroßer Stärke anwachsen, nimmt die angenehme Wärme allzusehr zu,
wird das Spektrum direkt auf die Sonne eingestellt, so verbinden sich
mit dem ursprünglich angenehmen Eindruck Unlustgefühle. Andererseits
kann ein an sich unangenehmer Eindruck, z. B. ein bitterer oder sauerer
Geschmack, bei geringer Intensität als angenehm empfunden werden.

Vergleicht man die einzelnen Empfindungsgebiete, so ist das körperliche
Gefühl um _so stärker, je weniger Wert für die Erkenntnis_ die Reize
haben, von denen es ausgeht. Die stärksten körperlichen Unlustgefühle,
_die eigentlichen Schmerzen_, finden sich bei inneren Vorgängen im
Körper, wo eine Erkenntnis der veranlassenden Reize gar nicht oder nur
in geringem Maße stattfindet. _Geschmack und Geruch_ sind auch noch mit
deutlichen Gefühlen der Lust und Unlust verbunden, geben aber nur einen
unbestimmten Beitrag zur Erkenntnis der Gegenstände, durch die sie
vermittelt sind. _Gesichts- und Gehörempfindungen_ aber, welche für die
Erkenntnis der Außenwelt am wichtigsten sind, scheinen oft ganz ohne
begleitende Gefühle aufzutreten und lassen immer nur schwer eine
Bestimmung der besonderen mit ihnen verknüpften Gefühle zu. Die Frage,
was sie bedeuten, steht beim Hören von Tönen und noch mehr beim Sehen
von Farben so im Vordergrund, daß der „Gefühlston” nur bei besonderer
Aufmerksamkeit zum Bewußtsein kommt. Dieses Verhältnis von
Erkenntniswert und Gefühlsstärke ist wichtig, weil so die für das
Erkennen brauchbarste Sinneswahrnehmung den Störungen durch starke
Gefühle am wenigsten ausgesetzt ist.


§ 17. Die geistigen Gefühle.

Auch die geistigen Gefühle sind vielfach durch körperliche Zustände,
durch bestimmte sinnliche Reize vermittelt; aber sie sind von diesen
selbst nicht unmittelbar abhängig, sondern von den Vorstellungen, die
dadurch hervorgerufen werden. Wir unterscheiden sehr deutlich zwischen
dem körperlichen Schmerz, den eine Verletzung unseres Körpers
verursacht, und dem geistigen Unlustgefühl, das durch ein beleidigendes
Wort hervorgerufen wird.

_Intellektuelle_ Gefühle entstehen aus dem inneren Verhältnis der
Vorstellungen. Wenn der Verlauf des geistigen Lebens zur Herstellung von
Einheit und Zusammenhang unter den Vorstellungen führt, so entstehen
Gefühle der Lust, z. B. bei einer Entdeckung, die den Zusammenhang einer
Erscheinungsgruppe enthüllt. Andrerseits ist mit Zweifeln, Inkonsequenz,
Widerspruch auf dem Gebiete des Denkens Unlust verknüpft. Die
_ästhetischen_ Gefühle entstehen bei der Wahrnehmung des _Schönen_. Sie
sind vielleicht daraus zu erklären, daß ein ursprüngliches Bedürfnis des
menschlichen Geisteslebens, die „Einheit in der Mannigfaltigkeit”
(s. S. 18) durch die Harmonie der Form, in der beim Schönen irgend ein
Bruchstück der Welt und des Menschenlebens uns erscheint, in der
vollkommensten Weise befriedigt wird. Mit dem ästhetischen Gefühl hängt
zusammen der _Geschmack_, d. h. die Empfänglichkeit für ästhetische
Eindrücke, verbunden mit der Fähigkeit, sie richtig zu beurteilen, das
Schöne vom Häßlichen zu unterscheiden, und die _Phantasie_, d. h. die
Fähigkeit, schöne Formen hervorzubringen, im Unterschied von der
_Einbildungskraft_, dem Vermögen der Reproduktion und freien Kombination
schon vorhandener Vorstellungen überhaupt. Wir schreiben dem
Einbildungskraft zu, der imstande ist, von einer Landschaft, die ihm
geschildert wird, mit Hilfe seines eigenen Vorrats an Vorstellungen sich
ein anschauliches Bild zu machen, und Phantasie dem, dessen ästhetisches
Gefühl sogleich dabei rege wird und so den Worten der Schilderung
folgend dem Landschaftsbild eine schöne Form gibt, es gleichsam zum
Gemälde gestaltet. Die künstlerische Phantasie ist davon nur dem Grade
nach verschieden. Das _sittliche Gefühl_ ist an die Vorstellung gewisser
Handlungen geknüpft; je nachdem es ein Gefühl der Lust oder Unlust ist,
werden die Handlungen als gute oder böse beurteilt. Aus den Äußerungen
des sittlichen Gefühls bilden sich mit Hilfe des Denkens Grundsätze des
Handelns und die Gewohnheit, dieselben zu befolgen, d. h. der Charakter
(s. S. 63). Der Begriff des _Gewissens_ umfaßt ebenso die ersten
Regungen des sittlichen Gefühls (primäres Gewissen), wie die durch das
Denken vermittelte sittliche Beurteilung (sekundäres Gewissen). Das
_religiöse_ Gefühl ist mit der Vorstellung der Beziehung zu Gott oder zu
Göttern verbunden. Auf der höheren Stufe verbindet es sich stets mit dem
sittlichen Gefühl; die Mächte, von denen der Mensch sich abhängig fühlt,
werden zu Trägern sittlicher Ideale.


§ 18. Unterschiede des Gefühls nach Stärke und Dauer.

Aus irgend einem Anlaß kann das Gefühl plötzlich so stark auftreten, daß
es die Überlegung des Verstandes vollständig zurückdrängt und den Willen
beherrscht; dieser plötzliche Ausbruch des Gefühls ist der _Affekt_,
z. B. der Zorn. Wird dagegen ein starkes Gefühl längere Zeit in einer
bestimmten Richtung festgehalten, so wird es zur _Leidenschaft_,
beständig bereit, den Willen sich völlig zu unterwerfen. Zu
unterscheiden sind davon die _Gesinnungen_, z. B. Vaterlandsliebe,
Frömmigkeit. Hier hat sich ein bestimmtes Gefühl ein für allemal mit
gewissen Vorstellungen verbunden, ohne aber deshalb von Schwankungen
frei zu sein. Sie unterscheiden sich aber von der Leidenschaft durch
größere Dauer und eine gewisse Gleichmäßigkeit, mit welcher sie ihren
Einfluß auf den Willen geltend machen. Das Vermögen der Gesinnungen ist
das _Gemüt_.


§ 19. Der Verlauf und die Verbindung der Gefühle.

Die Gefühle knüpfen sich nicht selbständig aneinander, sondern schließen
sich in ihrem Verlaufe in der Regel an die Vorstellungen an, nur daß die
Gefühle langsamer wechseln, und deshalb oft das einmal erzeugte Gefühl
auch über eine Reihe neu auftauchender Vorstellungen hinaus fortdauert.
Auch die Erinnerung der Gefühle wird durch die entsprechende Vorstellung
vermittelt. Will ich etwa zum Verständnis der Gefühle anderer Menschen
in einer bestimmten Lage meine eigenen aus früherer Zeit in derselben
Lage zurückrufen, so kann ich es nur durch lebhafte Vorstellung der
betreffenden Umstände.

Doch zeigt die Aufeinanderfolge der Gefühle ein Gesetz, das auch für den
Vorstellungsverlauf gilt, in viel stärkerem Maße: das _Gesetz der
Beziehung_. Das Gefühl ist _etwas in hohem Grade Relatives_. Jedes
Gefühl ist davon abhängig, _was für ein anderes vorangegangen ist_.
Dieselbe Wahrnehmung, dieselbe Situation kann daher zu verschiedenen
Zeiten in uns ganz verschiedene Gefühle hervorrufen. Das Gefühl der Lust
ist stärker, wenn es auf den Schmerz folgt, als wenn es in einem Zustand
der Gleichgültigkeit entsteht; das Gefühl der Genesung ist mächtiger,
als das der Gesundheit. Treten die Gefühle im Übermaß auf, so können sie
in ihr Gegenteil umschlagen. Das menschliche Nervensystem erträgt nur
ein beschränktes Maß von Lust und Schmerz.

_Wiederholt_ sich das Gefühl, so wird es gewöhnlich _abgestumpft_. Der
häufige Genuß derselben schmackhaften Speise kann sogar zum Ekel werden.
Der oft wiederkehrende Schmerz hat nicht dieselbe Stärke, er erzeugt
Abhärtung. Doch gilt dies nur für solche Gefühle, die keine Vertiefung
in einen geistigen Inhalt, sondern bloß passive Hingabe an einen
Eindruck mit sich führen, dagegen trägt bei den höheren Gefühlen die
wiederholte Übung zur _Verstärkung_ bei. Das Anhören eines klassischen
Musikstücks kann bei jeder Wiederholung höheren Genuß gewähren, indem
die Phantasie jedesmal leichter arbeitet und tiefer in den Gehalt des
Tonstücks eindringt.

Gleichzeitige Gefühle ähnlicher Art _verschmelzen_ sich zu einem
_Totalgefühl_, in das sie als _Partialgefühle_ eingehen. Bei sämtlichen
höheren geistigen Gefühlen finden solche Verschmelzungen statt. So setzt
sich z. B. die ästhetische Gefühlswirkung eines historischen Gemäldes
aus Partialgefühlen zusammen, die aus der Farbenharmonie, aus der
Sympathie mit den dargestellten Personen, aus der Vorstellung der
Bedeutung des geschichtlichen Ereignisses stammen.

Bei einer Verbindung entgegengesetzter Gefühle, welche eine gewisse
Selbständigkeit bewahren, redet man dagegen von „_gemischten
Gefühlen_”. So entsteht das Gefühl der Wehmut aus einer Mischung von
Trauer über das Verlorene und Freude in der Erinnerung daran.


§ 20. Das Lebensgefühl und die Stimmung.

Ein für sich dastehendes Beispiel der Mischung der Gefühle ist das
sogenannte „_Lebens_”- oder „_Gemeingefühl_”. In jedem Augenblick
unsres Lebens zeigt sich unser körperliches Allgemeinbefinden durch ein
allgemeines Gefühl an, das aus den einzelnen an die sogenannten
„Gemeinempfindungen” (z. B. Hunger und Durst) geknüpften Gefühlen
entsteht und sich auch dadurch von den einzelnen körperlichen Gefühlen
unterscheidet, daß es sich nicht auf einen bestimmten Ort des Körpers
beziehen, nicht „lokalisieren” läßt.

Der Beitrag, den die körperlichen Zustände zu dem Lebensgefühl liefern,
setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen. Dazu gehören:

1. Eine große Anzahl von Gefühlen, z. B. bei Sinnesempfindungen, die zu
_unbedeutend_ sind, um als besondere zum Bewußtsein zu kommen.

2. Gefühle, die sich an _Zustände einzelner Körperteile_ knüpfen, aber
auch das Allgemeinbefinden beeinflussen, z. B. Zahnschmerz.

3. Gefühle, deren Veranlassungen wegen ihrer allseitigen Verteilung im
Körper und ihrer _allgemeinen Bedeutung_ für den Fortgang des Lebens
gewöhnlich überhaupt nicht lokalisiert werden. Diese Zustände, z. B.
Beschaffenheit und Kreislauf des Blutes, beschwerlicher oder freier
Gang des Atemholens, normaler oder abnormer Verlauf des
Verdauungsprozesses sind daher auch die wichtigsten Faktoren für das
Gemeingefühl. Das Lebensgefühl bildet einen Bestandteil der
„_Stimmung_”, die eine Art Gesamtdurchschnitt des augenblicklichen
Gefühlsstandes darstellt. Zu einer gehobenen Stimmung kann ebensowohl
die Erleichterung des Atmens durch gute Luft und das dadurch erhöhte
Lebensgefühl als der Genuß eines edlen Kunstwerks beitragen.

Noch weniger als die einzelnen Gefühle lassen die Lebensgefühle und die
Stimmungen eine Beschreibung zu. Es können nur einige allgemeine
Ausdrücke angeführt werden, die sich im Sprachgebrauch dafür ausgebildet
haben. Man spricht von einer _reizbaren_, _apathischen_, _gehobenen_
Stimmung. In den Gegensätzen der _Kraft_ und der _Mattigkeit_, der
_Freiheit_ und der _Beklommenheit_, der _Hoffnung_ und der _Furcht_
bewegen sich Stimmung und Lebensgefühl.

Von besonderer Bedeutung sind die wechselnden Schattierungen des
„Lebensgefühls” und der Stimmung _für die Erinnerung_, für die
Festhaltung von Vorstellungen, durch die es in besonderer Weise
verändert wurde. Wir erinnern uns einer früheren Situation dann mit
auffallender Deutlichkeit, wenn eine besondere Färbung unserer Stimmung
damit verbunden war, und zwar dadurch, daß wir uns in die damalige
Stimmung wieder hineinfühlen. Gelingt uns das letztere nicht mehr, so
sind meist auch die damit verbundenen Vorstellungen dem Gedächtnis
entschwunden, z. B. die Ereignisse vor einer schweren Krankheit wegen
des krankhaft veränderten Lebensgefühls. Umgekehrt sind wir geneigt,
ungleiche Situationen miteinander zu identifizieren, wenn sie in uns die
gleiche Stimmung erwecken, daher wohl auch die häufige Meinung, in
einer Situation, in der man zum erstenmal ist, früher schon einmal
gewesen zu sein.


§ 21. Die Temperamente.

Die _Temperamente_ sind eine Art angeborener Stimmung, vorwiegender
Empfänglichkeit für bestimmte Gefühle und dadurch bedingter
Eigenschaften des Willens, durch welche die Art und Weise bestimmt wird,
wie Eindrücke der Außenwelt aufgenommen, verarbeitet und erwidert
werden. Die Veränderungen der Stimmung und des Lebensgefühles bewegen
sich bei jedem Individuum innerhalb bestimmter Grenzen, die von der
körperlichen und geistigen Anlage abhängen. Solcher Temperamente gibt es
eigentlich _so viele, als es Individuen gibt_. Doch wurden mit Recht
schon im Altertum von Galenus vier Hauptformen der Temperamente
herausgehoben, innerhalb deren sich die feineren Unterschiede bewegen:
das sanguinische, cholerische, phlegmatische und melancholische
Temperament. Kant unterschied mit Verdeutschung dieser Ausdrücke
zwischen _Temperamenten des Gefühls_: dem leichtblütigen (sanguinischen)
und schwerblütigen (melancholischen), und _Temperamenten der Tätigkeit_:
dem warmblütigen (cholerischen) und kaltblütigen (phlegmatischen).

Jedenfalls beziehen sich die Temperamente auf die Bewegung der geistigen
Vorgänge, sofern sie vom Gefühlsleben abhängig ist. Nach der
gewöhnlichen Auffassung sind die Merkmale des _sanguinischen_
Temperaments: lebhafte Empfänglichkeit für alles, aber ohne nachhaltige
Verarbeitung der empfangenen Eindrücke und ohne kräftige Rückwirkung,
daher oft Mangel an Stetigkeit des Handelns und Beständigkeit der
Gesinnungen; des _phlegmatischen_: geringere Erregbarkeit für äußere
Reize, Neigung zu geduldiger Ausdauer, aber auch zu gewohnheitsmäßigem
Beharren, und oft Erstarrung des geistigen Lebens; des _cholerischen_:
starke Erregbarkeit in einer bestimmten Richtung und große Energie der
Rückwirkung, daher oft Konsequenz des Charakters; des _melancholischen_:
große Empfänglichkeit für Gefühle, besonders für die höheren, aber
Neigung zum Verweilen in diesem Gefühlsleben ohne praktische Tatkraft
zur Verfolgung der damit verbundenen Ziele.

_Wundt_ leitet die Vierteilung aus zwei Gegensätzen in der Art der
Gemütsbewegungen ab: Stärke und Schwäche, Schnelligkeit und Langsamkeit,
und gibt darnach folgende Tafel der Temperamente:

                  _Starke:_      _Schwache:_

    _Schnelle_    cholerisch     sanguinisch
    _Langsame_    melancholisch  phlegmatisch.

Jedenfalls finden sich aber diese Temperamente selten rein ausgeprägt,
und es ist die Aufgabe eines normalen Geisteslebens, ihre Einseitigkeit
zu vermeiden.

Man könnte auch von Temperamenten der einzelnen Rassen, Völker,
Familien, Geschlechter sprechen. Dagegen ist ein anderer Gegensatz in
jener Vierteilung nicht deutlich genug vertreten, der auch eine Art
angeborener Eigentümlichkeit des Gefühlslebens bezeichnet, der Gegensatz
zwischen _optimistischer_ und _pessimistischer_ Weltanschauung, zwischen
der vorwiegenden Empfänglichkeit für Lust und der für Unlust.


§ 22. Selbstgefühl und Mitgefühl.

Besondere Bedeutung hat das Gefühl für das Selbstbewußtsein. Wir
machen uns im Fortschritt unserer Erkenntnis ein Bild von uns selbst,
bei welchem zunächst der Körper im Vordergrund steht und später auch
der Geist in unbestimmter Verbindung mit ihm zusammengedacht wird.
Mit „Ich” bezeichnen wir die _beharrliche Einheit_ aller wechselnden
Zustände dieses Gesamtbildes; zugleich aber sprechen wir damit aus,
daß wir alle diese inneren Vorgänge und die Bewegungen des Körpers,
die von ihnen abhängen, als _unsere eigenen_ erkennen. Der tiefste
Grund für diese Unterscheidung unseres „Ich” von andern liegt im
„_Selbstgefühl_”. Die ganze Vorstellungswelt, die wir in der formalen
Einheit unseres Ich zusammenfassen und wahrnehmen, könnte uns auch
fremd sein, wenn wir nicht Lust und Unlust, die sich damit verbinden,
zweifellos und unmittelbar als Zustände unseres eigenen Selbst im
Unterschied von andern erleben würden. Erst allmählich entwickelt sich
auf Grund dieses Selbstgefühls, das von der Erkenntnis unabhängig ist,
das _Selbstbewußtsein_, indem das „Ich” lernt, sich denkend von seinen
Zuständen zu unterscheiden. Im _Mitgefühl_ erweitert sich dann wieder
dieses Ich zur inneren Teilnahme an dem, was andere fühlen.


§ 23. Die Bedeutung der Gefühle.

Es erhebt sich noch die Frage, welche Bedeutung die Gefühle für das
menschliche Dasein überhaupt haben. Eine naheliegende, aber vielfach
auch sich bestätigende Antwort auf diese Frage ist, daß _Lust eine
Förderung_ und _Unlust eine Hemmung_ des körperlichen oder geistigen
Lebens bedeutet. Die Größe des Schmerzes steigt im allgemeinen mit der
Größe der Störung, die im Organismus stattfindet. Der Geschmack zeigt
als Lust- oder Unlustgefühl an, ob fördernde oder hemmende Stoffe dem
Körper zur Nahrung zugeführt werden. Es gibt allerdings wohlschmeckende
Gifte, aber auch sie steigern zunächst die Lebensfunktion, indem sie mit
einem Teile ihrer Eigenschaften auf die Geschmacksnerven wirken; erst
bei ihrer weiteren Verbreitung im Körper treten die verderblichen
Eigenschaften hervor. Dasselbe gilt für die _geistigen Gefühle_. Auch
ein schädlicher geistiger Genuß zeigt richtig die Förderung des
geistigen Lebens an irgend einem Punkte an. Abzuwägen, inwieweit die
daraus folgende Hemmung die augenblickliche Förderung überwiegt, ist
nicht Sache des Gefühls, sondern des Denkens, zugleich die wichtigste
Aufgabe der Lebensklugheit.

Im ganzen aber führt diese Auffassung zu einem _Verständnis der
umfassenden Bedeutung des Gefühls_, deren nähere Darlegung in Beziehung
auf den Zusammenhang der Welt übrigens in die Metaphysik gehört. Auf dem
Gefühl beruht alle Erhaltung und aller Fortschritt des Lebens. Die
theoretische Einsicht in das, was nützlich und schädlich ist, reicht
nicht hin, die Menschen vor Selbstvernichtung zu bewahren. Keine noch so
vollendete Ausbildung des Verstandes könnte die Menschheit zum Erwerb
geistiger Güter bringen, wenn nicht ein Genuß höherer Art damit
verbunden wäre. In den meisten Fällen ist vielmehr jene Einsicht gar
nicht vorhanden. Der Mensch vermeidet z. B. den Genuß übelriechender
Speisen für gewöhnlich nicht wegen der Einsicht in ihre Schädlichkeit,
sondern wegen der starken Unlustgefühle, die schon der Gedanke daran ihm
verursacht. Wenn dem Mörder vor der Tat das Gewissen schlägt, so
geschieht es nicht, weil er die Gefahr solcher Grundsätze für die
Existenz der Gesellschaft sich überlegt hat, sondern er _fühlt
unmittelbar_ die Qual des Gewissens als ein mächtiges Unlustgefühl.

So wird also der Mensch durch die Lust, die er sucht, und die Unlust,
die er vermeidet, so geleitet, daß die Erhaltung und Vervollkommnung des
einzelnen, wie des Menschengeschlechtes gesichert ist. Vom Standpunkte
der Religion aus gesehen wäre das Gefühl das Hauptmittel in der Hand der
Vorsehung, die Entwickelung der Menschheit zu lenken. Gefühle wären es,
die eine Welt von Motiven für die Geschichte bilden, und Gefühle edler
Art würden jene Ideale der Menschheit (s. § 1) ihrer Verwirklichung
entgegenführen.


3. Das Wollen.


§ 24. Die unwillkürlichen Bewegungen.

Das Wollen ist wie das Fühlen ein _einfacher und ursprünglicher Akt des
Geisteslebens_, der sich nicht näher beschreiben, aber doch in seinen
Äußerungen verfolgen läßt. Der eigentliche Willensakt veranlaßt immer
eine Veränderung entweder in der Außenwelt oder in der Innenwelt des
Wollenden. Das Mittel, eine Veränderung der ersteren Art zustande zu
bringen, ist die Bewegung des eigenen Körpers. An dieser nächstliegenden
Veränderung, die durch den Willen hervorgebracht wird, lassen sich daher
auch die verschiedenen Stufen des Willens am besten beobachten. Zum
eigentlichen Wollen gehört die Vorstellung von einem Zweck, der erreicht
werden soll, und eine Wahl der Mittel, durch die er erreicht werden
soll. Dies ist aber erst das Resultat einer längeren Entwickelung.

Der Mensch würde nie zu Bewegungen gelangen, wenn er nicht zuerst
Bewegungen ausführen würde, die er _nicht gewollt_ hat. Schon die vom
Stoffwechsel ausgehenden Nervenerregungen müssen zu _unwillkürlichen
Bewegungen_ führen; denn die angesammelte Spannkraft muß einen Ausweg in
Bewegungen finden. Beispiele dafür gehen auch noch neben dem bewußten
Wollen her, wenn beim Schmerz die Zähne zusammengebissen werden, oder
eine hochgradige Aufregung in lebhafter, aber zweckloser Bewegung sich
kundgibt. So gelangt das Kind, indem es seine eigenen automatischen
Bewegungen, z. B. die seiner Stimmorgane oder seiner Hände, wahrnimmt,
allmählich zu der Erfahrung, daß sie von ihm selber beeinflußt werden
können.

Dazu sind aber noch andere Erscheinungen behilflich. Solche
_unwillkürliche Bewegungen_ geschehen auch _auf Veranlassung eines
Reizes hin_. Wenn dem Auge ein Stoß droht, so schließen sich die
Augenlider; wenn ein fremder Körper in die Luftröhre gerät, so tritt
Husten ein, ohne daß eine besondere Willenskraft zu dieser Bewegung
nötig ist. Die sensiblen Nerven leiten die Nachricht von der
eingetretenen Gefahr bis zu den Zentralorganen, hier wirkt der Reiz aber
ohne Zutun der Seele sogleich auf die motorischen Nerven und führt so zu
jener Bewegung, welche der drohenden Gefahr zweckmäßig begegnet. Daß
diese sogenannten _Reflexbewegungen_ ein von jeder Art der Überlegung
unabhängiger Mechanismus sind, zeigt sich z. B. darin, daß sie auch bei
Versuchen an Tieren ohne Gehirn gefunden werden. Ein enthaupteter Frosch
wischt den Tropfen Säure, den man auf seine Haut bringt, mit dem Fuße
ab. Dagegen bleibt er ohne solche Veranlassung regungslos, da er zwar
noch die Fähigkeit zur Reflexbewegung, aber nicht die zu selbständiger
Bewegung hat. Bei dem Menschen läßt sich der Unterschied zwischen
Reflex- und willkürlicher Bewegung mit Hilfe der Untersuchungen über die
sogenannte „_physiologische Zeit_” nachweisen, d. h. die Zeit, welche
zwischen dem Auffassen und Erwidern eines Reizes, z. B. zwischen einer
Gesichtsempfindung und der Reaktion auf dieselbe verfließt und
durchschnittlich etwa ⅕ Sekunde beträgt. Es zeigt sich nämlich, daß
diese Zeit kleiner ist bei der Reflexbewegung als bei der willkürlichen
Bewegung, daß also zwischen der Zuleitung des Reizes durch die sensiblen
Nerven und der Weiterleitung des Befehls zur Bewegung durch die
motorischen eine bestimmte, sogenannte „Willenszeit” zur
Willensentscheidung verbraucht wird. Zwischen der Reizung durch den
elektrischen Strom und der darauf reagierenden Muskelzuckung verläuft
weniger Zeit, als zwischen der Gesichtsempfindung, die den Beginn der
Bewegung eines Sekundenzeigers meldet, und dem Druck des Fingers, der
durch Schließung des elektrischen Stroms den Zeiger wieder zum Stehen
bringt.

Die Reflexbewegungen können auch _gehemmt_ werden, indem die sensiblen
Nerven gleichzeitig von anderer Seite her Einwirkungen erfahren oder der
bewußte Wille dazwischen tritt. Dies geschieht z. B., wenn bei großem
Schrecken durch die Nervenerregung die Reflexbewegung des Schluckens
oder durch die Willenskraft das „Zusammenfahren” verhindert wird. Die
Reflexbewegungen haben ihren Sitz hauptsächlich im _Rückenmark_. Sie
werden vom großen Gehirn aus, dem Organ der selbständigen Bewegung,
mit fortschreitender Bildung immer mehr eingeschränkt. Die
_Selbstbeherrschung_ besteht zum großen Teil aus solchen
_Reflexhemmungen_.

Von den einfachen Reflexbewegungen unterscheiden sich die des
_Instinkts_ dadurch, daß sie ein zusammengesetztes System von Mitteln
zur Erreichung eines entfernteren Zweckes darstellen. Aber auch sie
gehen ohne Kenntnis dieses Zweckes vor sich. Der Vogel hat keine
Vorstellung von dem Nest, das er bauen will, oder die Bienen von ihrer
Wachszelle, sondern sie werden von dunklen körperlichen Gefühlen dabei
geleitet, die als angeborene und sich vererbende Eigentümlichkeiten
ihrer Gattung angesehen werden müssen.

Hierher gehört noch eine Reihe von Bewegungen, die auch ohne
eigentlichen Willensakt zustande kommen, aber nicht auf Grund einer
zweckmäßigen Einrichtung der Natur, sondern nur durch die _Vorstellung_
der Bewegung selbst: die _Nachahmungsbewegung_. Eine Bewegung, deren
Bild sich aufdrängt, wird oft unwillkürlich nachgeahmt. Die Stöße eines
Fechters, die Leistungen eines Clowns werden von ungebildeten Zuschauern
unter Begleitung von leichten Bewegungen betrachtet, selbst die Lesung
einer lebhaften Schilderung kann zu schwacher Bewegung führen, ohne daß
der Wille mitwirkt. Noch häufiger, aber wenig in die Augen fallend zeigt
sich die Nachahmung in den kleinen Bewegungen, die zur Körperhaltung
gehören und die oft nachgeahmt werden, während die Aufmerksamkeit etwas
anderem zugewandt ist. Doch tritt dieselbe mit der zunehmenden Bildung
infolge der Gewohnheit der Selbstbeherrschung und der schnellen Ablösung
der Bewegungsvorstellungen durch andere mehr zurück.


§ 25. Der Trieb und das eigentliche Wollen.

Mit dem _Trieb_ kommen wir dem eigentlichen Wollen um einen Schritt
näher. Je weiter die Entwickelung des Geisteslebens fortschreitet, desto
enger wird die Verbindung zwischen seinen einzelnen Elementen. So
unterscheidet sich der Trieb vom Instinkt dadurch, daß dabei eine mehr
oder weniger _klare Vorstellung_ dessen _mitwirkt_, was als Quelle der
Lust erstrebt wird. Wird der Trieb so stark, daß er den Menschen ganz
erfüllt und Denken und Wollen beherrscht, so geht er in die _Begierde_
über. Es ist also ein zeitlicher Unterschied da zwischen dem
zukünftigen Gefühl der Lust, welche die Befriedigung des Triebes
gewähren wird, und den Bewegungen, die dadurch verursacht werden,
zwischen dem Zweck und den Mitteln zu seiner Erreichung. Der Instinkt
leitet nur durch die augenblicklichen Gefühle, welche die Bewegung
begleiten, der Trieb durch die _Vorstellung eines Zieles_, mit welchem
das Gefühl verbunden sein wird. So unterscheidet sich z. B. die
Kunstfertigkeit der Ameise und der Gestaltungstrieb des Künstlers. Das
Gefühl der Lust, das mit dem erreichten Zweck sich verbindet, ist also
der Grund zur Bewegung, der Beweggrund oder das _Motiv_.

Wird dieses Gefühl nicht sogleich zum Motiv, also auch nicht unmittelbar
zur Veranlassung einer Bewegung, so erscheint es als _Wunsch_. Treten
mehrere Objekte nebeneinander auf, so daß das Objekt des einzelnen
Triebes nicht unmittelbar erreicht wird, so kommt das Denken nicht mehr
bloß für die Wahl der richtigen Mittel in Betracht, sondern es
entscheidet je nach dem Gefühlswert der Motive, besonders mit Hilfe der
Erinnerung, welches der Motive den Ausschlag geben, was als Zweck
gesetzt werden soll: das Subjekt faßt den _Vorsatz_, ein bestimmtes Ziel
anzustreben. Der Vorsatz kann aus augenblicklicher Gemütsbewegung
entspringen, ohne daß das ganze Innere des Menschen, sein eigentümlicher
Charakter, alle seine Gefühle und Vorstellungen mitgewirkt haben. Die
Entscheidung ist deshalb zunächst eine _oberflächliche_ und kann, wenn
sich jene Faktoren nachher geltend machen, wieder umgestoßen werden:
„der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.” Erfolgt aber
die Entscheidung zwischen den Motiven auf Grund einer allseitigen
Überlegung, indem der Handelnde seine ganze Persönlichkeit dabei in die
Wagschale legt, so entsteht der _Entschluß_. Dieser ist die höchste Form
des Willens, der eigentliche Willensakt. Je mehr wir uns diesem nähern,
desto wichtiger muß jener Zeitunterschied zwischen dem Gedanken und der
Ausführung des Gedankens werden, den wir zuerst beim Trieb beobachtet
haben; denn je mehr andere Motive und die Erwägung ihres Wertes Zeit
haben, sich geltend zu machen, desto mehr wird die Entscheidung der
unmittelbaren Wirkung eines einzigen Motivs zu Gunsten der Überlegung
entrückt. Der Unterschied zwischen diesen verschiedenen Formen des
Willens ist freilich ein fließender und der Sprachgebrauch häufig
ungenau, aber er ist wichtig für die sittliche und für die
strafrechtliche Beurteilung.

_Was für ein geistiger Vorgang_ der Willensakt ist, wie es geschieht,
daß dasselbe, was vorher nur ein Wunsch, nur eine Möglichkeit war, nun
auf einmal als etwas angesehen wird, was in einem wirklichen Handeln
herbeizuführen ist, läßt sich nicht näher auseinandersetzen, sondern nur
erfahren. Auch haben wir kein Bewußtsein davon, wie nun der Willensakt
in Bewegung übergeht, wie der Wille durch Vermittelung der motorischen
Nerven die Muskeln in Bewegung setzt. Nur einen _inneren Zustand_ nehmen
wir wahr, eine Vorstellung und ein Gefühl von der Bewegung, die gemacht
werden soll, und den eigentümlichen Vorgang, der den Befehl enthält,
diese Bewegung ins Werk zu setzen. Das übrige entzieht sich unserer
inneren Erfahrung; aber die gewollte Bewegung tritt mit Sicherheit ein,
sie ist also in gesetzmäßiger Weise mit dem inneren Zustand verknüpft,
jedoch ohne daß die Zwischenglieder uns zum Bewußtsein kommen.


§ 26. Die Freiheit des Willens.

Daß der Wille des Menschen in dem Augenblick, wo er einen Entschluß
faßt, _frei_ sei, d. h. daß er in demselben Augenblick auch einen andern
Entschluß fassen könnte, wird überall im praktischen Leben
vorausgesetzt. Diesem _Indeterminismus_, der auch wissenschaftlich
vertreten wurde, steht der _Determinismus_ gegenüber, der die
Willensfreiheit in diesem Sinne leugnet. Die Psychologie kann diese
Frage für sich allein nicht entscheiden, die Ethik hat zu untersuchen,
ob die Willensfreiheit eine Forderung des sittlichen Bewußtseins ist,
die Metaphysik, ob sie im Zusammenhang der Welt denkbar ist. Ganz
außerhalb des Gebiets der Psychologie liegen Ansichten, wie die von der
Machtlosigkeit des menschlichen Willens (Fatalismus). Vom Standpunkt der
Psychologie ergibt sich als Für und Wider etwa Folgendes:

1. Der _Determinismus_ erklärt, durch die Behauptung der Freiheit des
Willens sei das _Gesetz der Kausalität_, daß alles eine Ursache haben
müsse, und damit der Zusammenhang des Bewußtseinslebens _aufgehoben_.
Der Indeterminismus macht dagegen geltend, die ausnahmslose Gültigkeit
des naturwissenschaftlichen Kausalgesetzes sei für die geistige Welt
weder erwiesen, noch willkürlich anzunehmen.

2. Der _Indeterminismus_ weist auf gewisse _psychologische Tatsachen_
hin: auf das Bewußtsein der Freiheit und Verantwortlichkeit, auf das
Gefühl der Reue, die nur erklärbar seien unter der Voraussetzung, daß
man wirklich in derselben Lage anders handeln könnte, als man gehandelt
hat. Der Determinismus erklärt diese Tatsachen daraus, daß das handelnde
Individuum seine eigene Charaktereigentümlichkeit nicht in Rechnung
bringt und so die, von äußerem Zwang allerdings unabhängige Wahl
zwischen den Motiven, die auf Grund derselben nur in einer einzigen
Richtung erfolgen kann, als absolut freie ansieht. In der Erinnerung an
eine böse Tat ergebe sich dann die Reue aus der Selbstverurteilung und
aus dem Wunsche, anders gehandelt zu haben.


§ 27. Die Ausdrucksbewegungen.

Es gibt Bewegungen, deren Eigentümlichkeit darin besteht, daß sie einen
innern Zustand _ausdrücken_, daß sie Zeichen eines bestimmten inneren
Zustandes sind. Sie sind keine besondere Art neben den unwillkürlichen
und willkürlichen Bewegungen, sondern immer eines von beiden, aber sie
verdienen eine besondere Beachtung, weil alle Entwickelung des geistigen
Lebens auf dem Verkehr der Menschen untereinander beruht, und dieser
Verkehr nur durch Ausdrucksbewegungen möglich ist. Soweit diese in
äußerlich sichtbaren Körperbewegungen bestehen, werden sie auch
_Gebärden_ genannt.

Man kann _dreierlei Arten von Ausdrucksbewegungen_ unterscheiden, die
aber häufig zusammenwirken:

1. Bewegungen, die nur die starke _Erregung des Gefühls unmittelbar zum
Ausdruck bringen_. Sie wurden schon oben bei den Reflexbewegungen
erwähnt als ein Mittel, die große innere Spannung nach außen zu leiten.
Hierher gehört das Erblassen und Erröten, Lähmung und Spannung der
Muskeln, das Lachen und Weinen. Das _Lachen_ ist der Ausdruck
körperlichen und geistigen Wohlbehagens, des letzteren besonders, sofern
es durch starke Gegensätze hervorgerufen wird, z. B. durch den Gegensatz
einer kurzen dicken und einer langen hageren Gestalt. Ähnlich beruht der
Witz auf der „plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in
Nichts” (Kant). Die Ursache dieser Vorgänge ist vielleicht die, daß ein
Grundbedürfnis des Geistes, die Bewegung durch Gegensätze hindurch hier
besonders rein und vollkommen befriedigt wird. Das Lachen besteht in
einem stoßweisen Ausatmen, das durch Einatmung unterbrochen ist. Das
_Weinen_ ist der Ausdruck geistigen oder körperlichen Schmerzes; sein
Hauptmerkmal ist die Aussonderung von Wasser durch die Tränendrüsen.
Doch sind beide Erscheinungen auch von Bewegungen der Gesichtsmuskeln
begleitet, die nach Form 2 zu erklären sind.

2. Bewegungen, welche die Gefühle mit Hilfe der _Assoziation ähnlicher
Empfindungen_ ausdrücken. So werden z. B. diejenigen Gefühle, welche
der Sprachgebrauch als bitter, herb, süß bezeichnet, durch Bewegungen
des Mundes ausgedrückt, welche sonst mit den betreffenden
Geschmacksempfindungen verbunden sind.

3. Bewegungen, die zum _Ausdruck von Vorstellungen_ und dadurch oft auch
mittelbar zum Ausdruck von Gefühlen dienen. Auf einfache Weise geschieht
dies, wenn wir auf Personen und Dinge, von denen die Rede ist, mit der
Hand _hinweisen_. Häufiger möglich ist die _Nachbildung_ des
betreffenden Gegenstandes oder seiner Merkmale durch malende Gebärden.
So sucht der Erzähler seine Schilderung anschaulich zu machen. Dadurch
kann auch mittelbar ein Gefühl ausgedrückt werden, z. B. wenn durch das
Ballen der Faust die Vorstellung eines Angriffs hervorgerufen und
dadurch der Zorn gegen den Beleidiger ausgedrückt wird.

Die wichtigste Form der Ausdrucksbewegungen überhaupt ist aber die
_Sprache_, wo Vorstellungen durch Bewegungen des Sprachorgans, durch den
gesprochenen und gehörten Laut, ihren Ausdruck finden. Doch werden in
ihr auch die erste und zweite Form der Ausdrucksbewegungen verwendet.
Ursprünglich war die Sprache wohl eine unwillkürliche, von Gebärden
begleitete Äußerung des Sprachorgans, _die als eine Art Reflexbewegung
den Eindruck wiedergab, den die Gegenstände machten_, und auf einer
unklaren Beziehung zwischen Laut und Bild beruhte. Die eigentliche
Schallnachahmung, auf die von den Vertretern der sogenannten
_onomatopoëtischen Theorie_ der Ursprung der Sprache zurückgeführt wird,
wäre nur ein unwesentlicher Teil der so entstandenen Laute. Die
erläuternde Begleitung der Gebärden und das Bewußtsein einer
Verwandtschaft zwischen Laut und Bild trat aber allmählich zurück, das
Wort wurde bloßes Zeichen und konnte auch für Gemeinvorstellungen und
abstrakte Begriffe, denen kein bestimmter Gegenstand entsprach,
gebraucht werden. Von andrer Seite her geschah dies in der _Schrift_:
zuerst Nachbildung der Form der Gegenstände in der Bilderschrift und
dann Verwandlung dieser Bilder in selbständige Schriftzeichen. So wurde
die Sprache das unerschöpfliche und unentbehrliche Mittel für die
Unterscheidung und den Austausch der Gedanken und damit für die
Ausbildung des Denkens überhaupt.

Die _Veranlassung_ der Ausdrucksbewegungen ist immer ein innerer
Zustand. Die _Schauspielkunst_ nimmt alle Ausdrucksbewegungen in ihren
Dienst und sucht dieselben allerdings künstlich, d. h. ohne daß die
natürlichen äußeren und inneren Anlässe dazu gegeben sind,
hervorzubringen; aber der Schauspieler kann eine der höchsten
Forderungen, die Lebenswahrheit, doch nur erreichen, indem er den
inneren Zustand selbst künstlich erzeugt, dem die Ausdrucksbewegungen
ungezwungen folgen. Hat er Sprache und Gebärden nur mechanisch erlernt,
so erscheint sein Spiel als ein „Gemachtes”, weil es eben nicht
„Ausdruck” eines Innern ist.


§ 28. Übung, Gewohnheit, Charakter.

Es war schon mehrmals davon die Rede, von wie großer Wichtigkeit für das
geistige Leben die _Wiederholung_ ist. Hat sie den Zweck, größere
Fertigkeit zu erreichen, so heißt sie _Übung_. Das Resultat der häufigen
Wiederholung ist die _Gewohnheit_. Werden Vorstellungsreihen, die durch
Assoziation verbunden sind, häufig wiederholt, so geht die
Wiedererzeugung jedesmal leichter vor sich, und die Zwischenglieder
kommen gar nicht mehr als selbständige zum Bewußtsein. Ein Beispiel
dafür ist die Wahrnehmung der _Entfernung_, die ursprünglich aus der
Wahrnehmung der scheinbaren Größe, deren Vergleichung mit der wirklichen
Größe und der Feststellung des Resultats besteht. Durch die Übung werden
wir diese Berechnung so gewöhnt, daß wir mit Überspringung der
Mittelglieder unmittelbar die Entfernung selbst wahrzunehmen glauben
(vgl. o. S. 36).

Dasselbe gilt auch von den Bewegungsvorstellungen und infolgedessen von
den Bewegungen selbst, die der Wille regiert. Die Leitung durch die
motorischen Nerven und die Ausführung der Bewegungen durch die Muskeln
geht mit jeder Wiederholung leichter und schneller vor sich. Eine solche
gewohnheitsmäßige Verbindung von Vorstellung und Bewegung stellt z. B.
die Sprache dar. _Vorstellung, Sprachlaut und Schriftzeichen_ sind für
unser Bewußtsein fast _zu einer_ Vorstellung _verschmolzen_, so daß das
eine ohne weiteres das andere hervorruft. Indem wir _schreiben_, fügt
sich an die Vorstellungen, die wir hervorbringen, das Bild der
betreffenden Schriftzeichen und der dazu nötigen Bewegungen, und durch
Vermittlung der motorischen Nerven wird die entsprechende Muskelgruppe
in Bewegung gesetzt, um die Schriftzeichen zu Papier zu bringen; daneben
geht aber immer in engster Assoziation eine Vorstellung von dem Klange
her, den die gesprochenen Worte hätten. Dieser komplizierte Vorgang ist
uns durch unzählige Wiederholungen so geläufig geworden, daß er uns als
ein einziger Akt erscheint. Ebenso sind andere komplizierte Bewegungen:
das Sprechen, das Klavierspielen, die Tätigkeit des Setzers, zu
erklären.

Je größer die Übung ist, je leichter und schneller deshalb die Bewegung
erfolgt, _desto weniger bedarf es für jede einzelne Bewegung einer
besonderen Willensanstrengung_, so daß die Reihe der einmal angefangenen
Bewegungen scheinbar ganz ohne Zutun des Willens abläuft. Ein Willensakt
scheint nur notwendig zu sein beim Anfang und Abschluß der Bewegung und
beim Eintreten von Hindernissen. Doch wird anzunehmen sein, daß überall
der Wille noch mitwirkt, nur in viel schwächerem Grade. Die Bewegung des
Gehens scheint wohl, einmal angefangen, von selber sich fortzusetzen,
und doch müssen wir annehmen, daß nicht bloß beim Aufstehen oder
Aufhören der Wille mitwirkt, sondern auch zur fortwährenden Spannung der
Muskeln zur Einhaltung einer bestimmten Richtung. So schwinden also auch
hier bei fortgesetzter Übung die Zwischenglieder für das Bewußtsein.

Diese _Macht der Gewohnheit_, die den Aufwand an Willenskraft wesentlich
einschränkt, beherrscht unser ganzes alltägliches Leben. Besonders aber
macht sie sich auch im eigentlichen Handeln geltend. Auf Grund seiner
eigentümlichen Anlage und Erziehung erwirbt sich der Mensch in der
Wechselwirkung mit andern eine gewohnheitsmäßige Form des Handelns,
einen _Charakter_. Das Zustandekommen bestimmter Grundsätze auf
sittlichem Gebiete ist deshalb wertvoll, weil dadurch die einzelnen
Handlungen dem Einfluß der Beweggründe des Augenblicks entzogen sind.
Nur wo neue, ungewohnte Aufgaben gestellt werden und wo verschiedene
Grundsätze in Widerstreit geraten, findet wieder eine allseitige
Überlegung der verschiedenen Motive und der eigenen Grundsätze, eine
besondere Entscheidung des freien Willens statt.


Abschnitt III. Die Abhängigkeit der einzelnen Elemente der Seele
voneinander.


§ 29. Die Abhängigkeit der einzelnen Elemente voneinander.

Die bisherige getrennte Behandlung der Seelenvermögen ist, wie schon
erwähnt, eine Abstraktion der Wissenschaft, die der Wirklichkeit nicht
entspricht. Es haben sich auch schon an verschiedenen Punkten
Beziehungen zwischen ihnen gezeigt: im folgenden wird sich noch genauer
ergeben, wie eng sie zusammengehören.

1. Das _Erkennen_ ist abhängig vom Fühlen und Wollen. Das _Gefühl_ ist
das Hauptmittel, Vorstellungen in der Erinnerung festzuhalten, denn es
verknüpft sie durch das _Interesse_ mit dem Individuum. Nur der Wert,
den die Erkenntnis durch die Verbindung mit Lust- und Unlustgefühlen für
uns hat, veranlaßt uns, mit Sorgfalt der Wahrheit nachzugehen, sonst
würden wir uns gleichgültig dem Strome der Vorstellungen überlassen. Und
diese Konzentration auf bestimmte Vorstellungen und Vorstellungsreihen,
die allein zur Erkenntnis führen kann, ist nur möglich mit Hilfe des
_Willens_, der die Aufmerksamkeit in der Richtung des Interesses lenkt.

2. Das _Gefühl_ kann sich nur entwickeln unter Mitwirkung von
Vorstellungen und Willensakten. Die Gefühle sind an sich zu unbestimmt,
um klar auseinandergehalten zu werden. Erst durch die Verknüpfung mit
den _Vorstellungen_, denen sie ihre Entstehung verdanken, lassen sie
sich klar unterscheiden und gegeneinander abwägen. Ebenso ist eine
deutliche _Erinnerung von Gefühlen_ nur möglich durch Wiedererzeugung
der Vorstellungen, an welche sie sich geknüpft haben. Und sollen _die
höheren Gefühle_, die intellektuellen, ästhetischen, sittlichen,
religiösen, vor Verirrungen bewahrt werden, so muß das Denken sich auf
sie richten und Grundsätze der Beurteilung daraus gewinnen, die dann
wieder auf das Fühlen selber zurückwirken und es vor Ausschreitungen
bewahren. Es muß aber auch der _Wille_ zu Hilfe kommen. Durch einen
Willensakt kann zwar nicht unmittelbar die Entstehung eines Gefühls
verhindert oder ein vorhandenes unterdrückt werden, aber dies kann
mittelbar geschehen, indem die Bewegungen, in denen sich die
Gefühlserregung äußert, gehemmt, oder die Vorstellungen, an denen es
sich nährt, ihm entzogen werden. So kann der Zornige den Affekt unter
Umständen unterdrücken, indem er den Zorn nicht zum Ausbruch kommen
läßt, d. h. indem er Selbstbeherrschung übt. Tatenlose Trauer wird
unterbrochen, indem der Trauernde in eine andere Welt von Vorstellungen,
in eine neue Umgebung versetzt wird, in der ihn nichts mehr an den
Gegenstand seines Gefühls erinnert. Das ganze Gefühlsleben aber kann nur
dann ein gesundes bleiben, wenn es von dem Willen in Zucht genommen
wird, der ebenso ein Aufgehen im Gefühl auf Kosten der Tatkraft, wie
eine Vernachlässigung des Gefühls zu Gunsten des bloß verstandesmäßigen
Strebens verhindert.

3. Der _Wille_ ist ohne Vorstellungen und Gefühle nicht denkbar. Er
bedarf eines Zieles, auf dessen Verwirklichung er gerichtet ist. Dieses
Ziel könnte dem Wollenden aber gleichgültig sein, wenn nicht die
Erreichung desselben durch Verknüpfung mit _Lustgefühlen_ einen gewissen
Wert für ihn hätte. Ferner wäre es nicht möglich, einen Zweck zu
erreichen, ohne eine _Erkenntnis_ der Mittel dazu, die vom Verstand
ausgehen muß. Soll endlich die Reihe der Willensakte nicht einen
planlosen Wechsel darstellen, sondern eine gewisse gleichmäßige
Folgerichtigkeit, so sind bestimmte Grundsätze nötig, die vom Denken zur
Leitung des Willens aufgestellt werden.

So verschlingen sich die drei Arten geistiger Vorgänge in der
verschiedensten Weise. Und wie an _einem_ Individuum zu verschiedenen
Zeiten das eine Mal das Gefühl, das andre Mal der Gedanke oder der Wille
vorwiegt, so erhalten die _verschiedenen Individuen_ ein eigentümliches
Gepräge, je nachdem das Denken, das Fühlen oder das Wollen bei ihnen
vorwiegt, so spricht man von _Verstandesmenschen_, _Gefühlsmenschen_ und
_Männern der Tat_. Die höchste Form ist aber immer das _ideale
Gleichgewicht_, die harmonische Ausbildung aller Seiten des menschlichen
Geistes.



Logik.


§ 30. Die Aufgabe der Logik.

Die Logik ist die _Wissenschaft von den Gesetzen des richtigen Denkens_.
Das Denken ist als Element des geistigen Lebens auch Gegenstand der
Psychologie, aber die Psychologie betrachtet es nur nach seiner
_tatsächlichen Wirklichkeit_ und sucht es wie alle andern geistigen
Vorgänge nach seinen allgemeinen Gesetzen zu erklären; das richtige, wie
das unrichtige Denken findet gleichmäßige Berücksichtigung. Die Logik
hebt aus diesem Stoff der Psychologie dasjenige Denken heraus, das
geeignet ist, dem _Zwecke der Erkenntnis der Wahrheit zu dienen_. Die
Tatsachen des Irrtums und des Streites lehren, daß das Denken in der
Verfolgung dieses Zweckes auf Abwege geraten kann; es fragt sich daher,
wie das richtige Denken beschaffen ist, das zum Ziele führt.

Wenn wir diese Frage beantworten sollen, müssen wir ein Mittel haben,
_das richtige Denken vom unrichtigen zu unterscheiden_. Das
nächstliegende wäre, als richtiges Denken dasjenige zu bezeichnen,
dessen Resultate _mit der Wirklichkeit übereinstimmen_. Dem steht aber
der Einwand gegenüber, der vom Standpunkte der Logik aus nicht widerlegt
werden kann, daß die ganze wirkliche Welt nur in der Vorstellung
vorhanden ist (vgl. § 3). Jedenfalls können wir einen Vergleich
zwischen dem Gedachten und der Wirklichkeit nur anstellen, indem wir
auch diese Wirklichkeit denkend erfassen; wir kommen also über den Kreis
des Gedachten nicht hinaus, um es mit einer davon unabhängigen
Wirklichkeit vergleichen zu können. Ebensowenig können wir die
Richtigkeit des Denkens von der _Anerkennung der andern denkenden Wesen_
abhängig machen; die Allgemeingültigkeit des Gedachten ist teils nicht
vorhanden, teils zu unsicher, um als Maßstab für seine Richtigkeit
gelten zu können.

Und doch haben wir ein _unmittelbares Bewußtsein davon_, was richtiges
Denken ist. Es ist einfache psychologische Tatsache, daß wir das
richtige Denken von dem unrichtigen ohne weiteres unterscheiden; wir
finden in uns eine innere Nötigung, gerade so und nicht anders zu
denken, und wir nehmen an, daß auch andere ebenso denken müssen. Die
Logik muß sich also darauf beschränken, die Bedingungen darzustellen,
unter denen dieses _notwendige_ und _allgemeingültige Denken_ zustande
kommt. Damit ist ihre Aufgabe nach zwei Seiten abgegrenzt. Sie sieht ab
_von dem einzelnen Wissensstoff selbst_ und zeigt nur, wie man von
gegebenen Voraussetzungen aus, deren Wahrheit sie nicht zu prüfen hat,
durch das Denken zu einer Erkenntnis gelangen kann, und sie
unterscheidet sich von der _Erkenntnistheorie_ dadurch, daß sie das
Denken nicht daraufhin betrachtet, ob es zur Erkenntnis einer von ihm
unabhängigen Welt führen kann, sondern für sich allein nach seinen
eigenen Gesetzen.

Aus der geschilderten Aufgabe der Logik geht auch hervor, daß die Logik
_nicht die Kunst des Denkens lehren kann_, so wenig als die Poetik die
Kunst des Dichtens lehrt. Aber es läßt sich doch nicht behaupten, daß
die Kunst des Denkens überhaupt unabhängig wäre von der Kenntnis der
logischen Gesetze. Die Fähigkeit richtig zu denken ist dem Menschen
angeboren, aber es gilt auch hier, daß es _besser ist, wenn er die
Grundsätze seines Verfahrens kennt, als wenn er sie nicht kennt_. Denn
wie nur der eine Sprache ganz beherrscht, der auch ihre Grammatik kennt,
so versteht nur der die Gesetze des Denkens mit voller Sicherheit zu
handhaben, der sich ihrer auch bewußt ist. Geradezu unentbehrlich ist
diese Kenntnis, wenn es sich darum handelt, Fehler nachzuweisen oder
besonders schwierige Fragen zu lösen, so besonders in der Philosophie
und überall, wo die Gewinnung eines Resultates von der Befolgung einer
klaren, sicheren Methode abhängig ist.

Die Logik beschäftigt sich teils mit den _Elementen_ des Denkens, den
_Begriffen, Urteilen und Schlüssen_, teils mit der Art, wie diese
Elemente in Beziehung zu einander gesetzt werden, um die _Wissenschaft
als ein zusammenhängendes Ganzes_ zu erzeugen. Die Form des
wissenschaftlichen Verfahrens heißt Methode. So kann man die Logik
einteilen in eine _Elementarlehre_ und eine _Methodenlehre_.


I. Teil. Elementarlehre.


1. Die Begriffe.


§ 31. Der Begriff und seine Merkmale.

_Der Begriff ist die durch ein Wort repräsentierte Einheit aller in
einer Gemeinvorstellung gedachten wesentlichen Merkmale_ (s. o. §
13). Er entsteht durch Abstraktion von den ungleichartigen Merkmalen
und Reflexion auf die gleichartigen. Was im Begriff gedacht wird,
gilt als das Wesen der Gegenstände, die unter ihn fallen, und so
nennt man diejenigen Merkmale, ohne welche der Begriff nicht gedacht
werden kann, _wesentliche_, und diejenigen, die auch fehlen können,
_außerwesentliche_ oder _zufällige_. So sind wesentliche Merkmale
des Begriffs Mensch: Vernunft, Sprache, aufrechter Gang;
außerwesentliche: Schönheit, Gelehrsamkeit, Bosheit. Es scheint wohl
gleichartige Merkmale zu geben, die nicht wesentlich sind, die in
keinem inneren Zusammenhang zum Wesen des betreffenden Gegenstandes
stehen. Dies ist aber nur auf einer unvollkommenen Stufe der
Erkenntnis möglich; der Fortschritt der Wissenschaft muß entweder
die Gleichartigkeit auf einen inneren Wesenszusammenhang
zurückführen oder als eine nur scheinbare nachweisen. In der
Mathematik gibt es kein gleichartiges Merkmal, das nicht zugleich
wesentlich ist; z. B. der Begriff des gleichseitigen Dreiecks
schließt die Gleichheit der Winkel nicht unmittelbar in sich, kann
aber doch nicht ohne dieses Merkmal gedacht werden.

Die _wesentlichen_ Merkmale eines Begriffs werden auch eingeteilt in
_eigentümliche_ (%notae propriae%), welche denselben _ausschließlich_
eigen sind, und _gemeinsame_ (%n. communes%), welche auch andern Begriffen
zukommen, ferner in _ursprüngliche_ und _abgeleitete_ Merkmale. Ein
ursprüngliches Merkmal des Parallelogramms ist die Parallelität der
Gegenseiten, von diesem abgeleitet: die Gleichheit derselben.

Die Reihe von Individualvorstellungen, aus welchen der Begriff gebildet
wird, muß nicht notwendig von verschiedenen Individuen herrühren,
sondern sie kann auch auf _dasselbe Individuum_ zu verschiedenen Zeiten
sich beziehen, und dann erhalten wir den _Individualbegriff_. So machen
wir uns besonders von menschlichen Individuen Individualbegriffen,
indem wir die verschiedenen Individualvorstellungen, die wir von ihnen
aus verschiedenen Zeiten haben, zu einem Begriff zusammenfassen.


§ 32. Inhalt und Umfang des Begriffs.

An jedem Begriff wird unterschieden: der _Inhalt_, d. h. die Gesamtheit
der darin gedachten Merkmale, und der _Umfang_, d. h. die Summe der
Gegenstände oder Vorstellungen, die in sein Gebiet fallen. So bilden den
Inhalt des Begriffs Parallelogramm: die Merkmale Viereck und
Parallelität der Gegenseiten, den Umfang desselben: die Quadrate,
Rechtecke, Rhomben und Rhomboide; den Inhalt des Begriffs Tier:
organisches Wesen, Empfindung, freie Bewegung, den Umfang: Säugetiere,
Vögel, Amphibien, Fische, Würmer u. s. w.

Werden in den Begriff neben den wesentlichen noch zufällige Merkmale
aufgenommen, so wird der Umfang desselben zu klein, der Begriff ist _zu
eng_. Wenn nicht alle wesentlichen Merkmale aufgenommen werden, so wird
der Umfang zu groß, d. h. der Begriff ist _zu weit_. Der Begriff
Parallelogramm wird zu eng, wenn er das Merkmal gleichseitig erhält,
denn aus seinem Gebiet werden dadurch das Rechteck und das Rhomboid
ausgeschlossen; er wird zu weit, wenn das wesentliche Merkmal:
Parallelität der Gegenseiten weggelassen wird, denn dann fällt er mit
dem Begriff des Vierecks zusammen.

_Je größer der Inhalt eines Begriffes, desto kleiner der Umfang, und je
größer der Umfang, desto kleiner der Inhalt._ Begriffsumfang und
Begriffsinhalt stehen also ihrer Größe nach in umgekehrtem Verhältnis
zueinander. So ist der Umfang des Begriffs Geld größer als der Umfang
des Begriffs Silbergeld, denn er umfaßt auch das Kupfergeld, Goldgeld
und Papiergeld, dagegen sein Inhalt ist kleiner, nämlich um das Merkmal
Silber. Der Umfang eines Begriffs wird also durch Hinzufügung von
Merkmalen beschränkt (Determination), durch Weglassung von Merkmalen
erweitert (Abstraktion).


§ 33. Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe.

Von dem Grade der Einsicht in den Inhalt und Umfang des Begriffs hängt
die Klarheit und Deutlichkeit desselben ab. Ein Begriff ist _klar_, wenn
man das, was zu seinem Umfang gehört, genau von dem unterscheiden kann,
was in den Umfang anderer Begriffe fällt, so daß keine Verwechslung
möglich ist. So ist der Begriff Logik klar, wenn man ihn von
Psychologie, Erkenntnistheorie, Metaphysik genau unterscheiden kann. Ein
Begriff ist _deutlich_, wenn die Merkmale, die seinen Inhalt bilden, für
sich klar sind. So hat derjenige einen deutlichen Begriff der Logik, der
von der Wissenschaft überhaupt und von den Gesetzen des Denkens eine
klare Vorstellung hat.


§ 34. Die Arten der Begriffe.

Nach dem Inhalt unterscheidet man _einfache_ und _zusammengesetzte_
Begriffe, je nachdem dieselben nur ein einziges oder mehrere Merkmale
enthalten. Einfache Begriffe sind: Etwas, Sein, Punkt, Raum;
zusammengesetzte: Löwe, Sechseck, Urteil.

Nach dem Verhältnis des Umfangs der Begriffe unterscheidet man
_untergeordnete_ (subordinierte), _übergeordnete_ (superordinierte) und
_nebengeordnete_ (koordinierte) Begriffe. Denjenigen Begriff, der
unmittelbar aus Individualvorstellungen entstanden ist, nennt man
_Artbegriff_, z. B. den Begriff Nachtigall; denjenigen, der selbst wieder
aus Artbegriffen entstanden ist und deshalb die Individualvorstellungen
nur mittelbar in sich befaßt, den _Gattungsbegriff_, z. B. Singvogel. Der
Gattungsbegriff heißt auch der _höhere_ oder _weitere_ und der
Artbegriff der _niedere_ oder _engere_ Begriff. Aus Gattungsbegriffen
können wieder andere höhere Gattungsbegriffe gebildet werden, so fällt
der Begriff Singvogel unter die höheren Gattungsbegriffe: Vogel, Tier,
organisches Geschöpf, Körper, von denen jeder wieder einen weiteren
Umfang hat, als der vorhergehende, so daß ein Gattungsbegriff im
Verhältnis zum folgenden höheren immer wieder als Artbegriff betrachtet
werden könnte; doch wird diese Stufenleiter von Art- und
Gattungsbegriffen häufig durch besondere Ausdrücke bezeichnet, wo dann
auch Art und Gattung ihre ganz bestimmte Stelle haben. So konstruiert
besonders die Naturwissenschaft von oben nach unten folgendes Schema:
Reich, Kreis, Gruppe, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung, Art,
Individuum.

Begriffe, die demselben nächsthöheren Gattungsbegriff untergeordnet
sind, stehen im Verhältnis der _Beiordnung_ oder Koordination, z. B.
Frühling, Sommer, Herbst, Winter, innerhalb der Gattung Jahreszeiten. Da
die beigeordneten Begriffe sich ausschließen, so stehen sie in einem
gewissen _Gegensatz_ und zwar im _kontradiktorischen_ Gegensatz
(Widerspruch), wenn es _nur zwei Begriffe sind_, die miteinander den
Umfang des höheren Begriffs ausfüllen, so daß der eine geradezu die
Verneinung des anderen ist, z. B. Mensch und Nichtmensch, zeitlich und
ewig, Bewegung und Ruhe, schuldig und unschuldig; im _konträren_
Gegensatz (Widerstreit), wenn es _mehrere Begriffe_ sind, so daß sie
sich zwar auch gegenseitig ausschließen, aber mit anderen Begriffen
sich in den Umfang des höheren Begriffes teilen. Was sich nicht bewegt,
ruht; daraus aber, daß es nicht Frühling ist, folgt nicht, daß es Sommer
sein muß, es kann auch Herbst oder Winter sein, nur keines von beiden
zugleich.

Zwei Begriffe sind _identische_ oder _Wechselbegriffe_, wenn sie nach
Inhalt und Umfang sich decken, z. B. der Begriff eines gleichseitigen und
der eines gleichwinkligen Dreiecks, Aristoteles und der Begründer der
Logik. Der Unterschied besteht dann nur im sprachlichen Ausdruck, der
nur je nach dem Zusammenhang eine der Seiten des Begriffes besonders
hervorhebt. Zwei Begriffe _kreuzen sich_, wenn sie nur einen Teil ihres
Umfanges gemeinsam haben, z. B. Neger und Sklaven; sie sind _einstimmig_,
wenn sie an demselben Gegenstand vorkommen können, z. B. rechtwinklig und
gleichseitig an dem Begriff Quadrat. _Disparate_ Begriffe nennt man
diejenigen, welche überhaupt nicht im Umfang eines beiden gemeinsamen
höheren Begriffs untergebracht werden können, z. B. Dreieck und
Tapferkeit.


2. Die Urteile.


§ 35. Das Wesen des Urteils.

_Das Urteil ist der Akt der Ineinssetzung oder Trennung zweier Begriffe,
der mit dem Bewußtsein seiner Allgemeingültigkeit vollzogen wird._ Die
sprachliche Form des Urteils ist der _Aussagesatz_. In jedem Urteil wird
etwas von etwas ausgesagt. Das, wovon etwas ausgesagt wird, ist das
_Subjekt_ und das, was ausgesagt wird, das _Prädikat_. Die Ineinssetzung
beider wird durch die _Kopula_ vermittelt. Sprachlich wird die Kopula
ausgedrückt durch die Flexionsendung des Verbums. In dem Urteil: das
Eisen glüht, ist Eisen der Subjektsbegriff, glühen der Prädikatsbegriff
und die Flexionsendung t das Mittel, die Beziehung zwischen Subjekt und
Prädikat darzustellen. Auch wo das Verbum _sein als Kopula_ verwendet
wird, sagt es nicht zugleich die Existenz des Subjekts aus
(Existentialurteil), sondern dient nur als Träger der Flexionsendung,
die das Subjekt mit dem Prädikat verknüpfen soll, z. B. der Pegasus ist
geflügelt.


§ 36. Die traditionelle Einteilung der Urteile.

Die herkömmliche Einteilung der Urteile, die in ihren Grundzügen von
Kant aufgestellt wurde, ist die nach den 4 Gesichtspunkten, die bei
jedem Urteil in Betracht kommen sollen, nach der _Quantität_,
_Qualität_, _Relation_ und _Modalität_.


1. Die Quantität.

Nach der Quantität unterscheidet man 1. _allgemeine_ Urteile, wo das
Prädikat von dem ganzen Umfang des Subjekts gilt: alle S sind P; alle
Menschen sind sterblich; 2. _besondere oder partikuläre_ Urteile, wo das
Prädikat nur von einem Teil des Umfangs des Subjekts gilt: einige S sind
P; einige Könige waren Philosophen; und 3. _einzelne oder individuelle_
Urteile, wo das Prädikat von einem einzelnen Individuum gilt: S ist P;
Bismarck ist ein großer Mann.

Soll diese Einteilung festgehalten werden, so bedarf sie jedenfalls der
_Ergänzung_. Es wurde mit Recht angeführt, das _individuelle_ Urteil
könne auch als allgemeines betrachtet werden, da auch bei ihm das
Prädikat vom ganzen Umfang des Subjekts gelte. Doch ist dieser Fall,
daß das Prädikat, wenn auch vom ganzen Umfang des Subjekts, so doch nur
von einem Individuum gilt, eigenartig genug, um als solcher eine
besondere Art zu begründen. Das _partikuläre_ Urteil kann als
selbständiges nur festgehalten werden, wenn es näher bestimmt wird, so
daß es entweder lautet: _nur_ einige S sind P, oder: _mindestens_ einige
S sind P. Das ganz unbestimmte partikuläre Urteil: einige Menschen sind
sterblich, ist wertlos; nur wenn es entweder das entsprechende allgemein
vorbereitet, z. B.: (mindestens) einige Fixsterne haben eigene Bewegung,
oder ein allgemeines verneint, z. B.: (nur) einige Planeten haben Monde,
hat es selbständige Berechtigung. Beim _allgemeinen_ Urteil muß
unterschieden werden zwischen dem empirisch allgemeinen und dem
unbedingt allgemeinen. Beim _empirisch allgemeinen_ beruht die
Behauptung, daß das Prädikat in allen Subjekten vorkommt, auf Erfahrung
und Zählung, z. B. in dem Urteil: alle Geladenen sind gekommen, auf
einer Vergleichung der Zahl der Gekommenen mit der Zahl der Geladenen.
Beim _unbedingt allgemeinen_ Urteil wird das Prädikat auf Grund eines
Wesenszusammenhanges im voraus auch von denjenigen Subjekten ausgesagt,
an denen es noch nicht beobachtet wurde, z. B.: alle Rechtecke haben
gleiche Diagonalen.


2. Die Qualität.

Nach der Qualität werden die Urteile eingeteilt in 1. _bejahende_ oder
affirmative, wo Subjekt und Prädikat in eins gesetzt werden: S ist P; 2.
_verneinende_ oder negative, wo Subjekt und Prädikat getrennt werden; 3.
_unendliche_ oder limitierende, wo das Subjekt mit einem verneinten
Prädikat verknüpft wird: S ist Nicht P.

Diese letztere Form kann jedoch nicht als eine besondere gelten, sie
fällt vielmehr mit dem verneinenden Urteil zusammen. _Unendlich_ werden
diese _Urteile_ genannt, weil z. B. in dem Urteil: dieser Mensch ist
nichtschuldig, dem Subjekt die unendliche Anzahl aller möglichen
Prädikate, mit Ausnahme des einen: schuldig, beigelegt wird. Dieses
unendliche Prädikat ist aber nicht vorstellbar und wird auch tatsächlich
nie vorzustellen versucht. Man denkt sich unter dem Nichtschuldig nicht
alle möglichen Prädikate, z. B. blau, sechseckig, gasförmig, vielmehr
ist auch hier die Absicht immer nur, das entsprechende bejahende Urteil
zu verneinen.

Aus der Kombination der Einteilungen nach Quantität und Qualität ergeben
sich _vier Arten von Urteilen_, die in der Logik durch die 4 Buchstaben
a e i o bezeichnet werden: 1. das allgemein bejahende: alle S sind P
(a); 2. das allgemein verneinende: kein S ist P (e); 3. das partikulär
bejahende: einige S sind P (i); 4. das partikulär verneinende: einige S
sind nicht P (o). Die Buchstaben sind den Wörtern %affirmo% (ich bejahe)
und %nego% (ich verneine) entnommen.


3. Die Relation.

Nach der Relation, d. h. nach der Art der Beziehung zwischen Subjekt und
Prädikat unterscheidet man 1. _kategorische_ Urteile, die eine einfache
Aussage enthalten: S ist P; 2. _hypothetische_ Urteile, die nur bedingt
etwas aussagen: wenn X ist, so ist S P; wenn das Glas gerieben wird, so
entwickelt sich Elektrizität; 3. das _disjunktive_ Urteil, welches
aussagt, daß dem Subjekt von mehreren sich ausschließenden Prädikaten
jedenfalls eines zukomme: S ist entweder P oder Q oder R; Dreiecke sind
entweder spitzwinklig oder rechtwinklig oder stumpfwinklig; entweder
die Franzosen oder die Deutschen werden siegen.

Im _hypothetischen_ Urteil sind also an die Stelle des Subjekts und des
Prädikats zwei Sätze getreten, die in das Verhältnis von _Grund und
Folge_ zueinander gesetzt werden. Es wird in dem obigen Beispiel weder
behauptet, daß in einem bestimmten Augenblick das Glas gerieben wird,
noch daß sich Elektrizität entwickelt, sondern es sind zwei als
_Hypothesen_ aufgestellte Sätze, von denen nur behauptet wird, daß die
Gültigkeit des einen die notwendige Folge der Gültigkeit des anderen
sei. Die _Negation_ kann beim hypothetischen Urteil in vierfacher Weise
auftreten, je nachdem Vordersatz oder Nachsatz oder beide oder endlich
die notwendige Folge selbst verneint werden. Beispiele: 1. Wenn der
Himmel bewölkt ist, fällt kein Tau. 2. Wenn eine Linie nicht krumm ist,
so ist sie gerade. 3. Wenn ein Dreieck nicht gleichseitig ist, so ist es
auch nicht gleichwinklig. 4. Wenn ein Parallelogramm rechtwinklig ist,
so ist es darum nicht notwendig ein Quadrat.

Zum _disjunktiven_ Urteil gehört eigentlich eine _Reihe möglicher
Sätze_, die sich gegenseitig ausschließen, und die zusammen den Umfang
des Subjekts- oder Prädikatsbegriffs erschöpfen: S ist P, S ist Q, S ist
R, die also bei zwei Gliedern im _kontradiktorischen_, bei mehr Gliedern
im _konträren_ Gegensatze stehen.


4. Die Modalität.

Nach der Modalität werden die Urteile eingeteilt in 1. _problematische_,
wo die Verknüpfung oder Trennung von Subjekt und Prädikat nur als
Vermutung hingestellt wird: S kann P sein; 2. _assertorische_, deren
Gültigkeit schlechthin behauptet wird: S ist P; 3. _apodiktische_,
deren Gültigkeit als notwendig hingestellt wird: S muß P sein.

Das problematische Urteil leidet in dieser Form an einer gewissen
Zweideutigkeit. S kann P sein, drückt sowohl die _subjektive
Ungewißheit_ aus: der See ist vielleicht gefroren, die Erscheinung des
Lichtes beruht vielleicht auf Ätherschwingungen, als auch die _objektive
Möglichkeit_: Wasser kann gefrieren. Das letztere Urteil enthält nichts
Problematisches, denn es spricht dem Wasser mit Bestimmtheit eine
Eigenschaft zu, die unter _gewissen Bedingungen_ mit Sicherheit
eintritt. Dagegen ist das Urteil über die Erklärung der Erscheinung des
Lichtes ein wirklich problematisches, für das aber doch derjenige, der
es als Hypothese ausspricht, bei dem jeweiligen Stand der Wissenschaft
Allgemeingültigkeit beansprucht. Nur der _Unterschied zwischen
assertorischem und apodiktischem Urteil_ fällt dahin, da jedes Urteil,
also auch das assertorische, mit dem Bewußtsein seiner Notwendigkeit
vollzogen wird.


§ 37. Die „zusammengesetzten” Urteile.

Im Anschluß an den grammatikalischen Unterschied zwischen einfachen und
zusammengesetzten Sätzen wurde in der Logik zwischen _einfachen_
Urteilen, die nur aus Subjekt, Prädikat und Kopula bestehen, und
_zusammengesetzten_ Urteilen, die mehrere einfache in sich schließen,
unterschieden.

Zu den zusammengesetzten Urteilen werden dann neben den schon genannten
hypothetischen und disjunktiven Urteilen folgende gerechnet:

1. Die _konjunktiven_ Urteile. Von demselben Subjekt werden mehrere
Prädikate bejaht oder verneint.

        { sowohl }   { als  }     { als  }
  S ist {        } P {      } P^1 {      } P^2.
        { weder  }   { noch }     { noch }

2. Die _kopulativen_ Urteile. Von mehreren Subjekten wird dasselbe
Prädikat bejaht oder verneint.

  Sowohl }     { als  }     { als  }
         } S^1 {      } S^2 {      } S^3 ist P.
  Weder  }     { noch }     { noch }

3. Die _divisiven_ Urteile. Dem Gattungsbegriff werden die seinen ganzen
Umfang erschöpfenden Artbegriffe als Prädikate beigelegt. S ist teils P
teils P^1 teils P^2. Das divisive Urteil steht in naher _Beziehung zum
disjunktiven_. Viele disjunktive Urteile lassen sich auch divisiv
ausdrücken, z. B. das disjunktive Urteil: die Linien sind entweder
gerade oder krumm, lautet divisiv: die Linien sind teils gerade, teils
krumm. Doch scheiden sie sich schon bei genauerem sprachlichen Ausdruck
voneinander. Beim disjunktiven Urteil sind es einzelne Subjekte, von
denen die Disjunktion gilt, also genauer: _eine Linie_ ist entweder
gerade oder krumm; beim divisiven Urteil ist es der Subjektsbegriff nach
seinem ganzen Umfang, der in seine Teile zerlegt wird: _die_ Linien
(überhaupt) sind teils gerade, teils krumm. Andere disjunktive Urteile,
welche den Prädikatsbegriff in seine Unterschiede entwickeln, lassen
sich gar nicht in divisive verwandeln; z. B.: die Welt ist entweder von
Ewigkeit her oder geworden.

Die _hypothetischen_ und _disjunktiven_ Urteile werden jedoch nicht mit
dem gleichen Recht, wie die konjunktiven, kopulativen und disjunktiven,
zusammengesetzte Urteile genannt. Sie bestehen nicht aus selbständigen
Urteilen, sondern nur aus _hypothetischen Sätzen_, die für sich allein
keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen. Man sah deshalb mit Recht auch
bei der Annahme von zusammengesetzten Urteilen die hypothetischen als
einfache an und sprach von zusammengesetzten hypothetischen Urteilen,
wenn dieselben mehrere Vordersätze oder mehrere Nachsätze oder beides
besitzen.

Nach einer anderen Richtung erheben sich Bedenken, wenn man das
konjunktive, kopulative oder divisive Urteil als ein _zusammengesetztes
Urteil_ bezeichnen will; denn es sind eigentlich _verschiedene
selbständige_ Urteile, deren Beziehung nur durch die Partikeln einen
kurzen sprachlichen Ausdruck findet. Von einem zusammengesetzten Urteil
in diesem Sinn zu reden, wäre also ungefähr dasselbe, wie wenn man eine
Straße ein zusammengesetztes Haus nennen wollte (Mill). Es müßten dann
neben den genannten Urteilen noch die zusammengesetzten _Sätze mit wenn,
obgleich, aber_ u. s. w. als zusammengesetzte Urteile aufgeführt werden;
alle diese Satzverbindungen begründen jedoch keine neuen Arten der
Urteilsfunktion selbst gegenüber dem einfachen Urteil. Es empfiehlt sich
daher überhaupt nicht, von einem zusammengesetzten Urteil zu sprechen,
sondern nur von einer _Zusammensetzung von Urteilen_; denn die Urteile,
die so bezeichnet werden könnten, bestehen teils nicht aus wirklichen
Urteilen, wie die hypothetischen und disjunktiven, teils nur aus einer
sprachlichen Verbindung selbständiger Urteile.

Es wird sich demnach die alte Kategorie der Relation aufrecht erhalten
lassen; denn neben der einfachen Ineinssetzung oder Trennung bildet das
_Verhältnis von Grund und Folge und das der Disjunktion eine
eigentümliche Art der Beziehung_ zwischen den an Stelle des Subjekts und
Prädikats tretenden Sätzen.


§ 38. Übersicht der Urteilsarten.

Die Betrachtung der Urteile nach Quantität, Qualität, Relation und
Modalität hat ergeben, daß die traditionelle Einteilung im einzelnen
verschiedene Mängel hat, daß aber die damit aufgestellten
Einteilungsgründe in der Hauptsache festgehalten werden können. Der
allgemeine _Akt des Urteilens selbst_ ist allerdings überall derselbe
(Sigwart), überall wird ein Subjekt mit einem Prädikat in eins gesetzt
oder von ihm getrennt und für diesen Akt Allgemeingültigkeit in Anspruch
genommen, aber _die Urteile erleiden Modifikationen je nach der
Beschaffenheit der Subjekte, der Prädikate und der Kopula_. Die
verschiedenen Arten dieser Bestandteile des Urteils haben immer einen
wesentlichen Einfluß auf das Urteil selbst, und so bietet sich als
einfachste _Einteilung die nach den Subjekts-, den Prädikats- und den
Beziehungsformen_ (so Wundt, von dem jedoch die Auffassung und
Ausführung der folgenden Einteilung abweicht); danach würde sich
ungefähr folgende Einteilung der Urteile ergeben:


I. Nach den Subjektsformen.

1. In Beziehung auf die _Zeit der Gültigkeit_ der Urteile:

     a) _Erzählende_ Urteile. Dem Subjektsbegriff liegt eine
     Individualvorstellung zu Grunde, die als solche einer bestimmten
     Zeit angehört. Das Urteil selbst ist daher _nur für einen
     bestimmten Zeitabschnitt gültig_, z. B.: diese Blume ist schön.

     b) _Erklärende_ Urteile. Dem Subjektsbegriff liegt eine
     Gemeinvorstellung zu Grunde, die als solche an keinen bestimmten
     Zeitabschnitt gebunden ist. Das Urteil selbst _bezieht sich_
     deshalb _auf keinen einzelnen Zeitpunkt_, z. B.: das Gold ist gelb.

2. In Beziehung auf den _Umfang ihrer Gültigkeit_ (Quantität):

     a) _Urteile mit Impersonalien._ Das Subjekt ist ein unpersönliches
     Fürwort. Das Urteil gibt nur der unmittelbaren sinnlichen
     Wahrnehmung als solcher Ausdruck, das Fürwort ist nur der
     sprachliche Ersatz eines Subjektes, der als leere Form
     gewohnheitsmäßig hinzugefügt wird, z. B.: es blitzt, es regnet.
     Daher ist auch der _Umfang der Gültigkeit des Urteils unbestimmt_.

     b) _Individuelle Urteile._ Der Umfang der Gültigkeit des Urteils
     _beschränkt sich auf den Individualbegriff_, der das Subjekt
     bildet, z. B.: Cäsar hat gesiegt.

     c) _Partikuläre Urteile._ Das Subjekt steht in unbestimmter
     Mehrzahl. Das Urteil gilt zunächst nur _für einen Teil des Umfangs
     des Subjektsbegriffs_:

      mindestens }
                 } einige S sind P.
         nur     }

     d) _Allgemeine Urteile._ Das Subjekt umfaßt alle Individuen, die
     unter einen bestimmten Begriff fallen, und zwar entweder auf Grund
     der Erfahrung (_empirisch allgemein_) oder auf Grund eines
     Wesenszusammenhangs (_unbedingt allgemein_) (s. S. 76). Bei dem
     letzteren wird die Allgemeinheit statt durch: alle, jeder, keiner,
     auch durch den einfachen Singular des Gattungsbegriffs ausgedrückt,
     z. B.: das Tier hat Empfindung.


II. Nach den Prädikatsformen.

Je nach den Vorstellungen, die dem Prädikatsbegriff zu Grunde liegen,
wechselt die Art der Anknüpfung des Prädikats an das Subjekt, die bejaht
oder verneint wird. Es lassen sich _fünf Hauptarten von Vorstellungen_
unterscheiden, die auch von der Sprache durch verschiedene Wortformen
gekennzeichnet sind: die Vorstellungen von _Dingen_, von deren
_Tätigkeiten_ und _Eigenschaften_, von den _Modifikationen_ der
Tätigkeiten oder Eigenschaften und von den _Beziehungen_ zwischen den
Dingen. Diesen Vorstellungsarten entsprechen die Wortformen:
Substantiva, Verba, Adjektiva, Adverbia, Partikeln.

Danach ergeben sich _fünf Prädikatsformen_, welche die Urteilsfunktion
selbst modifizieren.

1. _Subsumtionsurteile._ Der Prädikatsbegriff ist ein Gattungsbegriff,
in dessen größeren Umfang der Subjektsbegriff fällt, z. B.: dies ist
Eisen, der Walfisch ist ein Säugetier.

2. _Tätigkeitsurteile._ Der Prädikatsbegriff spricht dem Subjekt eine
Tätigkeit zu: die Erde bewegt sich.

3. _Eigenschaftsurteile._ Das Prädikat wird als Eigenschaft dem Subjekt
beigelegt: Schnee ist weiß.

4. _Modifikationsurteile._ Die Tätigkeiten und Eigenschaften werden auf
einer höheren Stufe des Denkens _für sich betrachtet_ und zu _abstrakten
Substantiven_ gemacht. Sie können dann selbst verschiedene
_Modifikationen als Prädikate_ erhalten, z. B.: dieses Rot ist schön;
die Bewegung der Brieftaube ist schnell.

5. _Beziehungsurteile._ Das Prädikat sagt eine Beziehung zwischen
verschiedenen Gegenständen aus, z. B.: die Stadt liegt am Rhein. Hier
ist eine räumliche Beziehung zwischen der Stadt und dem Rhein
ausgesprochen.


III. Nach den Beziehungsformen.

Die Urteile unterscheiden sich durch die Art, wie das Prädikat auf das
Subjekt bezogen wird:

1. _Nach der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Beziehung überhaupt_
(Qualität):

     a) _Bejahende Urteile_: S ist P.

     b) _Verneinende Urteile_: S ist nicht P.

2. _Nach der Art der Beziehung_ (Relation):

     a) Kategorische: S ist P.

     b) Hypothetische: Wenn A gilt, so gilt B.

     c) Disjunktive: A ist entweder B oder C oder D.

3. _Nach der Art der Gültigkeit der Beziehung_ (Modalität):

     a) Bedingt gültige Urteile: die Vermutung und die Hypothese: A ist
     vielleicht P.

     b) Unbedingt gültige Urteile: S ist P oder muß P sein.

Jedes Urteil läßt sich nach diesen verschiedenen Gesichtspunkten
betrachten. So fallen z. B. die Urteile: alle Menschen sind sterblich,
nach I. unter 1. b), 2. d), nach II. unter 3., nach III. unter 1. a),
2. a), 3. b); Hannibal mußte entweder siegen oder untergehen, nach I.
unter 1. a), 2. b), nach II. unter 2., nach III. unter 1. a), 2. c),
3. b); zuweilen, wenn der Blitz einschlägt, zündet er, nach I. unter
1. b), 2. c), nach II. unter 2., nach III. unter 1. a), 2. b), 3. b).


3. Die Schlüsse.


§ 39. Die Grundgesetze des Denkens.

Bei dem Schlußverfahren werden gewisse einfache Regeln befolgt, die zwar
Grundgesetze des Denkens überhaupt sind, die aber besonders beim
Schließen hervortreten und deshalb am besten hier behandelt werden.

Es werden gewöhnlich _vier Grundgesetze des Denkens_ gezählt.

1. _Der Grundsatz der Identität_ (%principium identitatis%) lautet in
seiner ursprünglichen Form: A ist A, _jeder Begriff, jedes Urteil ist
sich selbst gleich_; als dazu gehörig wurde auch der Grundsatz der
_Einstimmigkeit_ aufgestellt: A, welches B ist, ist B, von einem
Begriff kann jedes Merkmal, das er hat, ausgesagt werden.

2. Der _Grundsatz des Widerspruchs_ (%principium contradictionis%)
lautet nach Aristoteles: „Es ist unmöglich, daß dasselbe demselben in
derselben Beziehung zugleich zukomme und nicht zukomme.”
_Kontradiktorisch einander entgegengesetzte Urteile: A ist B und A ist
nicht B, können nicht beide zugleich wahr sein._ Vielmehr folgt aus
der Wahrheit des einen die Falschheit des andern.

3. _Der Grundsatz des ausgeschlossen Dritten_ (%principium exclusi
tertii%) lautet: _Zwei kontradiktorisch einander entgegengesetzte
Urteile_: A ist B und A ist nicht B, _können nicht beide zugleich falsch
sein_, ein drittes Urteil über dieselbe Beziehung zwischen A und B ist
ausgeschlossen. Aus der Falschheit des einen folgt also die Wahrheit des
andern.

4. Der _Grundsatz des zureichenden Grundes_ (%principium rationis
sufficientis%) lautet: _Jedes Urteil muß einen zureichenden Grund haben._
Die Art, wie dieses Verhältnis von Grund und Folge zum Fortschritt im
Denken benützt wird, ist noch genauer formuliert in dem Grundgesetz des
logischen Zusammenhangs: _Mit dem Grund ist die Folge gesetzt und mit
der Folge der Grund aufgehoben._

Die wichtigsten dieser Sätze sind der Grundsatz des Widerspruchs und der
des zureichenden Grundes. Der _Grundsatz der Identität_ ist, für sich
betrachtet, gänzlich _inhaltslos_; er kommt für das Denken erst in
Betracht, wenn dem Satze: A ist A, der andere gegenübertritt: A ist
nicht A, wenn er also in den Satz des Widerspruchs übergeht. Eine
_psychologische Forderung_ ist allerdings im Satz der Identität
eingeschlossen, nämlich _die Forderung, dieselbe Vorstellung, denselben
Begriff, dasselbe Urteil immer wieder in demselben Sinn zu fassen_; dies
ist aber eine Voraussetzung für alles Denken, die nicht erst von der
Logik festzustellen ist. Der _Grundsatz des ausgeschlossenen Dritten_
beruht auf dem Satz des Widerspruchs in Verbindung mit dem Charakter der
Verneinung überhaupt und wird deshalb besser nicht als ein selbständiger
Satz festgehalten. Die beiden Urteile: A ist B und A ist nicht B, können
nicht beide falsch sein; denn nehmen wir an, beide wären falsch, also zu
verneinen, so würden sich die beiden Sätze: A ist nicht B und A ist B,
nebeneinander als wahr ergeben, was durch das Gesetz des Widerspruchs
ausgeschlossen ist.

Von dem _logischen Grund_ der Wahrheit eines Urteils ist zu
unterscheiden der -- ebenfalls jedesmal vorhandene -- _psychologische
Grund_ seiner Gewißheit, die subjektiven Gründe, die den Urteilenden
veranlassen, das Urteil als wahr auszusprechen. Dem logischen Grund oder
_Erkenntnisgrund_ steht ferner gegenüber der _Realgrund_ oder die
Ursache im Verhältnis zur Wirkung, die reale Kausalität. Z. B. das
Sinken der Temperatur kann von uns als Grund benützt werden, um eine
Folge, z. B. das Fallen der Quecksilbersäule des Thermometers, daran zu
knüpfen, und die Mehrzahl logischer Gründe beruht auf solcher realer
Kausalität; aber es gibt auch viele Erkenntnisgründe, welche nicht
zugleich Realgründe sind, z. B. alle, welche den Ausgangspunkt für
mathematische Folgerungen bilden.

So bleiben also als die beiden Grundgesetze des Denkens der _Satz des
Widerspruchs und der Satz des logischen Zusammenhangs von Grund und
Folge_ übrig. Durch sie bewegt sich das fortschreitende Denken, indem
es durch Vermeidung des Widerspruchs Einheit, durch allseitige
Begründung Zusammenhang herzustellen sucht (vgl. S. 7).


A. Der unmittelbare Schluß.


§ 40. Der Schluß aus einem Begriff.

_Der Schluß ist die Ableitung eines Urteils aus einem oder mehreren
anderen Urteilen_; die Ableitung eines Urteils aus einem andern heißt
_unmittelbarer Schluß_, die Ableitung aus mehreren andern _mittelbarer
Schluß_.

Der unmittelbare Schluß wird gewöhnlich durch Umformung eines Urteils
gewonnen, er soll aber auch auf analytischem Wege aus einem Begriff
abgeleitet werden können.

Dieser _Schluß aus einem Begriff_ berührt sich nahe mit dem
Unterschied zwischen _analytischen_ und _synthetischen_ Urteilen. Der
vieldeutige Unterschied wird von Kant folgendermaßen bestimmt: „In
allen Urteilen, worinnen das Verhältnis eines Subjekts zum Prädikat
gedacht wird, ist dieses Verhältnis auf zweierlei Art möglich.
Entweder das Prädikat B gehört zum Subjekt A als etwas, was in diesem
Begriffe A (versteckterweise) enthalten ist; oder B liegt ganz außer
dem Begriff A, ob es zwar mit demselben in Verknüpfung steht. Im
ersten Falle nenne ich das Urteil analytisch, in dem andern
synthetisch. Analytische Urteile (die bejahenden) sind also
diejenigen, in welchen die Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekte
durch Identität, diejenigen aber, in denen diese Verknüpfung ohne
Identität gedacht wird, sollen synthetische heißen. Die ersteren
könnte man auch Erläuterungs-, die andern Erweiterungsurteile heißen,
weil jene durch das Prädikat nichts zum Begriff des Subjekts
hinzutun, sondern diesen nur durch Zergliederung in seine Teilbegriffe
zerfällen, die in selbigem schon (obgleich verworren) gedacht waren;
dahingegen die letzteren zu dem Begriffe des Subjekts ein Prädikat
hinzutun, welches in jenem gar nicht gedacht war, und durch keine
Zergliederung desselben hätte können herausgezogen werden.” So ist
nach Kant das Urteil: alle Körper sind ausgedehnt, ein analytisches,
denn man dürfe den Begriff eines Körpers nur zergliedern, um das
Prädikat darin anzutreffen; das Urteil: alle Körper sind schwer, ein
synthetisches, denn es sei etwas ganz anderes als das, was in dem
bloßen Begriff eines Körpers überhaupt gedacht werde. Man könnte also
auf dem einfachen Wege der Analyse des Begriffs Körper das Urteil
gewinnen: alle Körper sind ausgedehnt.

Will man diese Begriffsbestimmung Kants festhalten, so muß sie nach zwei
Seiten berichtigt werden.

1. Kant setzt voraus, daß es _Begriffe von allgemein anerkanntem Inhalt
mit gleicher Wortbezeichnung gebe_. In Wirklichkeit könnte dasselbe
Urteil: alle Körper sind schwer, für den einen ein analytisches, für den
andern ein synthetisches sein, je nachdem sie das Merkmal der Schwere
schon in ihren Begriff des Körpers aufgenommen oder noch nicht
aufgenommen hätten. Es hängt also _von dem Bildungsstande des
Urteilenden und von der Stufe der Wissenschaft ab_, ob ein Urteil ein
analytisches oder ein synthetisches ist. Das analytische Urteil ist dann
nur unter der Voraussetzung richtig, daß der Subjektsbegriff richtig
ist, oder mit andern Worten: daß die Prädikate, die aus ihm abgeleitet
werden, ihm schon durch wirkliche Urteile zugesprochen wurden; daher ist
wohl auch die Ableitung eines Urteils aus einem Begriffe nicht als eine
besondere Art des Schlusses anzusehen.

2. Kant redet beim analytischen Urteil nur _von Begriffen_, es wird aber
zugegeben werden müssen, daß es auch auf dem Gebiete der _Wahrnehmung_
ein analytisches Urteil gibt. Das Urteil: diese Rose ist gelb, gewinne
ich nur durch Analyse meiner unmittelbaren Anschauung der gelben Rose,
die ich vor mir habe. Nur für denjenigen wäre dieses Urteil ein
synthetisches, den ich durch meine Beschreibung der gelben Rose
veranlassen würde, zu seinem Begriff der Rose das Merkmal gelb, das für
ihn nicht unmittelbar darin enthalten war, hinzuzufügen.


§ 41. Die Konversion.

Die Ableitung eines Urteils aus einem andern erfolgt durch _Umformung
des gegebenen Urteils_. Es werden gewöhnlich 7 Arten solcher Umformungen
aufgeführt.

Die erste derselben ist die _Konversion_ (Umkehrung). Sie besteht darin,
daß die Glieder des Urteils ihre Stellung wechseln; es wird z. B. im
kategorischen Urteil das Subjekt zum Prädikat und das Prädikat zum
Subjekt, im hypothetischen Urteil der Vordersatz zum Nachsatz und der
Nachsatz zum Vordersatz. Diese Umkehrung geschieht mit oder ohne
Veränderung der Quantität; im ersten Fall heißt sie _unreine_ (%conversio
per accidens%), im zweiten Fall _rein_ (%conversio simplex%).

Für die einzelnen Formen der Kombination von Quantität und Qualität:
allgemein bejahende a, partikulär bejahende i, allgemein verneinende e
und partikulär verneinende o, ergibt sich folgendes:

1. _Aus a wird i_ (unreine Umkehrung). Z. B. der Satz: alle kongruenten
Dreiecke sind auch Dreiecke von gleichem Inhalt, läßt nur eine unreine
Umkehrung zu: einige Dreiecke von gleichem Inhalt sind auch kongruent.
_Reine Umkehrung_ ist nur als Ausnahme in dem Fall möglich, wenn der
Umfang des Subjekts- und des Prädikatsbegriffes sich decken; z. B.: alle
gleichseitigen Dreiecke sind auch gleichwinklig. Das Verhältnis der
Begriffe läßt sich am besten durch Kreise veranschaulichen. Es zeigt
sich, daß der dem Subjektsbegriff S entsprechende Kreis entweder ganz in
den Umfang des Kreises P fällt, wie bei 1., oder daß beide Kreise sich
decken, wie bei 2. Daraus ergibt sich, daß jedenfalls einige S, unter
Umständen alle in den Umfang des Kreises P fallen, so daß bei 1. nur
unreine, bei 2. reine Umkehrung möglich ist.

[Illustration: a.1.]

2. _Aus_ i _wird_ i (reine Umkehrung). Einige Parallelogramme sind
regelmäßige Figuren, einige regelmäßige Figuren sind Parallelogramme. In
dem für i natürlichen Falle 1. schneiden sich die Kreise, und der beiden
gemeinsame Raum versinnlicht die Möglichkeit der reinen Umkehrung. Der
Kreis P kann aber auch ganz in den Kreis S fallen, wie bei 2., dann ist
die Umkehrung unrein, z. B.: einige Parallelogramme sind Rechtecke, alle
Rechtecke sind Parallelogramme; oder S in sich schließen, wie bei 3. und
4., wo sich wieder i ergibt.

[Illustration: i.1. 2. 3. 4.]

[Illustration: e.]

3. _Aus_ e _wird_ e (reine Umkehrung). Kein Schuldloser ist unglücklich,
kein Unglücklicher schuldlos. Die beiden Kreise S und P sind
vollständig getrennt, kein S ist P und kein P S.

4. Aus o _folgt nichts_. Durch das Urteil: einige S sind nicht P, ist
das Verhältnis von S und P zu wenig bestimmt, als daß etwas daraus
gefolgert werden könnte. Die Fälle 1., 2. und 3. sind alle von o aus
möglich, es läßt sich aber kein allen gemeinsames Urteil mit P als
Subjekt daraus ableiten.

[Illustration: o.1. 2. 3.]


§ 42. Die Kontraposition.

Bei der _Kontraposition_ wechseln die Glieder des Urteils ihre Stellung,
das kontradiktorische Gegenteil des Prädikats wird zum Subjekt und die
Qualität des Urteils wird verändert.

1. _Aus_ a _wird_ e. Aus: jedes S ist P, folgt: alle NichtP sind nicht S
oder kein NichtP ist S; z. B.: jeder wirklich religiöse Mensch handelt
auch sittlich; wer nicht sittlich handelt, ist kein wirklich religiöser
Mensch. Nach den Figuren § 41 für a ist klar, daß, da S ganz in P liegt,
alles, was außerhalb des Kreises P liegt, also NichtP ist, auch
außerhalb des Kreises S liegen muß, also nicht S ist.

2. _Aus_ e _wird_ i. Wenn kein S P ist, so sind mindestens einige NichtP
S, vgl. die Fig. § 41 e; denn da S ganz von P getrennt ist, so fällt es
jedenfalls in den Raum außerhalb P, d. h. von NichtP; z. B.: nichts
Gutes ist unschön, einiges nicht Unschöne ist gut.

3. _Aus o wird i._ Wenn einige S nicht P sind, so sind mindestens einige
NichtP S. Nach den 3 Figuren § 41 o muß jedenfalls ein Teil von S
außerhalb P liegen, also mit einigen NichtP zusammenfallen; z. B.:
einiges Lebende ist nicht beseelt, einiges Unbeseelte ist lebendig.

4. _Aus i folgt nichts._ Durch Kontraposition würde sich ergeben: einige
NichtP sind nicht S, und dies würde für Figur § 41. i. 1. 3. 4.
zutreffen, aber bei Fig. 2 ist die Möglichkeit denkbar, daß S die
Gesamtheit alles Seienden umfaßt, dann wäre es nicht richtig, daß einige
NichtP nicht S sind, denn alle NichtP wären S.


§ 43. Die Umwandlung der Relation.

Eine dritte Art des unmittelbaren Schlusses beruht auf der _Veränderung
der Relation. Aus dem einfachen kategorischen_ Urteil: alle A sind B,
kann ein hypothetisches abgeleitet werden: wenn etwas A ist, so ist es
B, z. B.: jeder Feigling ist verächtlich; wenn einer ein Feigling ist,
so ist er verächtlich. Aus dem _disjunktiven_ Urteil können mehrere
hypothetische abgeleitet werden. Das disjunktive Urteil: A ist entweder
B oder C, schließt die beiden hypothetischen ein: wenn A nicht B ist, so
ist es C, und: wenn A nicht C ist, so ist es B, z. B.: die Menschen
stammen entweder von einem oder von mehreren Paaren ab. Ebenso lassen
sich zusammengehörige _hypothetische_ Urteile in _einem disjunktiven_
aussprechen.


§ 44. Die Subalternation.

Bei der Subalternation wird daraus, daß ein Urteil von dem _ganzen
Umfang_ des Subjektsbegriffes gilt, geschlossen, daß es auch _von einem
Teil_ desselben gilt. Dagegen folgt _aus der Verneinung des
partikulären auch die Verneinung des entsprechenden allgemeinen
Urteils_. Es folgt 1. aus der Wahrheit von a die von i, 2. aus der
Unwahrheit von i die von a.


§ 45. Die Äquipollenz.

Bei dem unmittelbaren Schluß durch Äquipollenz wird die Qualität des
Urteils selbst und die des Prädikats verändert und nach dem Grundsatz:
%Duplex negatio affirmat%, ein mit dem ersten übereinstimmendes Urteil
hergestellt. Aus: alle S sind P, wird: kein S ist ein NichtP, z. B.:
jede Lüge ist verwerflich; es gibt keine Lüge, die nicht verwerflich
wäre.


§ 46. Die Opposition.

Der unmittelbare Schluß durch Opposition besteht darin, daß _aus der
Wahrheit eines Urteils die Unwahrheit seines Gegenteils_ gefolgert wird
_und umgekehrt_. Wie die Begriffe, so können auch die Urteile in einem
kontradiktorischen und in einem konträren Gegensatz stehen. _Im
kontradiktorischen Gegensatz stehen zwei Urteile, von denen das eine
dasselbe bejaht, was das andere verneint_, also: das allgemein bejahende
und das partikulär verneinende, das allgemein verneinende und das
partikulär bejahende. Im _konträren_ Gegensatz stehen diejenigen
Urteile, von denen zwar nur eines wahr sein kann, die aber weitere
Möglichkeiten übrig lassen: das allgemein bejahende und das allgemein
verneinende; denn beide können falsch sein, und dann ist noch das
partikulär bejahende und das partikulär verneinende möglich, z. B.
falsch a und e, richtig i: einige Menschen erreichen ein Alter von
hundert Jahren. Daneben wird noch das _subkonträre_ Verhältnis
unterschieden, in welchem das partikulär bejahende und das partikulär
verneinende Urteil zueinander stehen, und das Verhältnis der
_Subalternation_ (vgl. § 44) oder Unterordnung, das von solchen Urteilen
gilt, die das von dem ganzen Umfang des Subjektsbegriffes Ausgesagte
auch auf einen Teil desselben beziehen.

Diese Verhältnisse der Urteile lassen sich in folgendem Schema
veranschaulichen:

          A  --     Konträrer Gegensatz     --   E

          |  \                                /  |
          |   \                              /   |

                K                          z
                 o                        t
                  n                      a
                   t                    s
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                K                          z

          |   /                              \   |
          |  /                                \  |

          I  --     Subkonträrer Gegensatz   --  O

Der unmittelbare Schluß durch Opposition erfolgt demgemäß nach folgenden
Regeln:

1. Aus der Wahrheit eines Urteils folgt die Unwahrheit seines
kontradiktorischen Gegenteils.

2. Aus der Unwahrheit eines Urteils die Wahrheit seines
kontradiktorischen Gegenteils.

3. Aus der Wahrheit eines Urteils die Unwahrheit des konträr
entgegengesetzten.

4. Aus der Unwahrheit eines Urteils die Wahrheit des entsprechenden
subkonträren.


§ 47. Die modale Konsequenz.

Die _modale Konsequenz_ besteht darin, daß die sogenannte Modalität der
Urteile verändert wird; dann folgt:

1. Aus der Gültigkeit des apodiktischen Urteils die des entsprechenden
assertorischen und des problematischen, und aus der Gültigkeit des
assertorischen die des problematischen Urteils. Z. B.: die Summe der
Winkel eines Dreiecks beträgt notwendig und deshalb immer auch
tatsächlich zwei Rechte.

2. Aus der Ungültigkeit des problematischen Urteils die des
assertorischen und apodiktischen, und aus der des assertorischen die des
apodiktischen Urteils. Ist die Vermutung unrichtig, daß A B ist, so ist
es auch tatsächlich nicht so und muß nicht so sein.


§ 48. Der Wert der unmittelbaren Schlüsse.

Die unmittelbaren Schlüsse sind von _ungleichem Werte_. Von geringerer
Bedeutung sind die Äquipollenz, die Subalternation, die modale
Konsequenz und die Veränderung der Relation, teils weil sie
Selbstverständliches aussagen, teils weil sie nur sprachliche
Umformungen darstellen. Doch können die letzteren, so z. B. durch
Umwandlung der Relation, dazu dienen, den Urteilen _diejenige
sprachliche Form zu geben_, die am meisten ihrem logischen Charakter
entspricht, und so überhaupt den Blick für die sprachliche Einkleidung
der logischen Formen schärfen.

Wichtiger sind: die Opposition, die Konversion und die Kontraposition.
Die _Opposition_ führt zur scharfen Fassung des gegenseitigen
Verhältnisses der Urteile. Die _unreine Konversion_ des allgemein
bejahenden Urteils gibt Aufschluß darüber: 1. daß Subjekt und Prädikat
nicht notwendig zusammengehören, 2. daß sie miteinander vereinbar sind.
Die _reine Konversion_ des allgemein verneinenden Urteils vermittelt die
wichtige Erkenntnis, daß zwei Begriffe A und B einander gegenseitig
ausschließen. Die _Kontraposition_ stellt die negative Seite der
Zusammengehörigkeit zweier Begriffe dar: wenn alle S P sind, so findet
sich überall, wo P sich nicht findet, auch S nicht.

Konversion und Kontraposition des kategorischen Urteils erleiden jedoch
dadurch eine _gewisse Einschränkung_, daß sie Urteile voraussetzen, in
denen das Prädikat auch wirklich Subjekt werden und als der höhere
Begriff gegenüber dem Subjektsbegriff angesehen werden kann, wie in dem
Beispiel: alle kongruenten Dreiecke sind auch Dreiecke von gleichem
Inhalt. Dagegen lassen sich alle diese unmittelbaren Schlüsse auch _vom
hypothetischen Urteil aus_ vollziehen, und hier gewinnen besonders die
genannten beiden Formen größere Bedeutung. Die unreine Konversion von a:
Wenn A gilt, so gilt B: zuweilen wenn B gilt, gilt A, drückt dann aus,
daß aus der Wahrheit der Folge nicht einfach auf die Wahrheit des
Grundes geschlossen werden kann; _die reine Konversion_ von e: Wenn A
nicht gilt, so gilt B nicht, wenn B nicht gilt, so gilt A nicht: daß,
wenn mit der Verneinung des Grundes die Verneinung der Folge verknüpft
ist, auch das Umgekehrte wahr ist. Die _Kontraposition_ aber: Wenn A
gilt, so gilt B, wenn B nicht gilt, so gilt A nicht, wird zum Ausdruck
des Gesetzes der logischen Notwendigkeit, daß mit der Folge der Grund
aufgehoben ist, z. B. das Urteil: Wenn einer durchs Herz geschossen
wird, so stirbt er, gestattet unmittelbar den Schluß aus der
Kontraposition: Wenn einer nicht stirbt, so wurde er nicht durchs Herz
geschossen, aber nicht den durch reine Konversion: Wenn einer stirbt, so
wurde er durchs Herz geschossen; denn die Folge, das Sterben, ist auch
noch an andere Gründe geknüpft.


B. Der mittelbare Schluß.


§ 49. Wesen und Formen des mittelbaren Schlusses.

Der mittelbare Schluß ist entweder ein Schluß _vom Allgemeinen auf das
Besondere_ oder ein Schluß _vom Besonderen auf das Allgemeine_. Im
ersteren Fall heißt er _Syllogismus_ im engeren Sinn, im zweiten
_Induktion_.

Der Syllogismus ist ein _einfacher_, wenn er aus zwei Urteilen, ein
_zusammengesetzter_, wenn er aus mehr als zwei Urteilen abgeleitet ist.
Die Urteile, aus denen das neue Urteil abgeleitet wird, heißen
_Prämissen_ (%propositiones praemissae%), das abgeleitete Urteil
_Schlußsatz_ (%conclusio%). Die Möglichkeit, den Schlußsatz aus den
Prämissen abzuleiten, beruht darauf, daß die Prämissen einen Begriff
gemeinsam haben, den sogenannten _Mittelbegriff_ (%terminus medius%), der
im Schlußsatz nicht mehr vorkommt. Diejenige Prämisse, welche das
Subjekt des Schlußsatzes, den _Unterbegriff_ (%terminus minor%), oder das
untergeordnete Satzglied, z. B. beim hypothetischen Urteil den
Vordersatz, enthält, wird _Untersatz_ (%propositio minor%), diejenige,
welche das Prädikat des Schlußsatzes, den _Oberbegriff_ (%terminus major%)
enthält, _Obersatz_ (%propositio major%) genannt. Alle zusammen bilden die
_Elemente_ des Schlusses (%syllogismi elementa%).

Die Syllogismen werden je nach der Stellung des Mittelbegriffes in
verschiedene _Schlußfiguren_ eingeteilt. Es sind _4 Fälle der Stellung
des Mittelbegriffs_ möglich. Er ist entweder in beiden Prämissen
Prädikat, oder in beiden Subjekt, oder in der einen Prämisse Subjekt, in
der andern Prädikat; der letztere Fall läßt wieder zwei Möglichkeiten
offen, da der Mittelbegriff entweder im Ober- oder im Untersatz Prädikat
und im andern Subjekt sein kann. Bezeichnet man den Subjektsbegriff mit
S, den Prädikatsbegriff mit P und den Mittelbegriff mit M, so lassen
sich die 4 Schlußfiguren in folgendem Schema darstellen:

    1. M P    2. P M    3. M P    4. P M
       S M       S M       M S       M S
       ---       ---       ---       ---
       S P       S P       S P       S P

Die drei ersten Figuren wurden schon von Aristoteles aufgestellt, die
vierte von dem Arzt und Philosophen Galenus († 200 n. Chr.); sie wird
daher die galenische genannt.

Innerhalb einer jeden Figur würden sich nun durch Kombination von
Quantität und Qualität der Prämissen nach den Buchstaben a e i o 16
Formen denken lassen, die folgende Tafel darstellt, wobei der erste
Buchstabe auf den Obersatz, der zweite auf den Untersatz sich bezieht.

        a a   e a    i a    o a
        a e  (e e)  (i e)  (o e)
        a i   e i   (i i)  (o i)
        a o  (e o)  (i o)  (o o)

Im ganzen würden sich also _64 Kombinationsformen der Prämissen oder
Modi_ denken lassen. Von diesen erweist sich aber eine größere Anzahl
als unbrauchbar, teils aus allgemeinen Gründen, die für alle 4 Figuren
gleichmäßig gelten, teils weil sie den besonderen Gesetzen der einzelnen
Figuren widersprechen.


§ 50. Allgemeine Gesetze über die Erfordernisse der kategorischen
Schlüsse.

1. _Aus rein verneinenden Prämissen folgt nichts_ (%ex mere negativis
nihil sequitur%). Es sind drei Fälle möglich.

a) _Beide Prämissen sind allgemein verneinend_: e e. Daraus folgt, daß
sowohl S als P von dem Mittelbegriff M vollständig getrennt sind; da
aber durch den Mittelbegriff das gegenseitige Verhältnis von S und P
bestimmt werden soll, so kann unter diesen Umständen über dieses
Verhältnis nichts erschlossen werden. Es ergibt sich eine Reihe von
Möglichkeiten, über die nicht entschieden werden kann, wie die folgende
Veranschaulichung durch Kreise zeigt:

[Illustration: 1. 2. 3. 4. 5.]

b) _Die eine Prämisse ist allgemein, die andere partikulär verneinend_:
e o. Über das Verhältnis von S und P läßt sich nichts aussagen, weil die
unbestimmte partikulär verneinende Prämisse neben andern Formen auch
die allgemein verneinende nicht ausschließt, so daß die Unsicherheit von
a) nur vermehrt ist.

c) _Beide Prämissen sind partikulär verneinend_: o o. Da das bei b)
Gesagte hier noch mehr gilt, so ist die Unsicherheit eine noch größere.

Durch diese Regel werden 4 Formen beseitigt: ee, eo, oe, oo.

2. _Aus rein partikulären Prämissen folgt nichts_ (%ex mere
particularibus nihil sequitur%).

a) _Beide Prämissen sind partikulär bejahend_: i i. Das Verhältnis der
Begriffe S und P zu M ist zu unbestimmt, als daß daraus über das
Verhältnis von S und P etwas erschlossen werden könnte; vgl. die
folgenden Figuren, die alle i i entsprechen.

[Illustration: 1. 2. 3. 4. 5.]

b) _Eine_ Prämisse ist _partikulär bejahend_, die _andere partikulär
verneinend_: io, oi. Auf Grund der Voraussetzung ergibt sich eine Reihe
von Möglichkeiten, zwischen denen nicht entschieden werden kann; vgl.
die Fig.

[Illustration: 1. 2. 3. 4.]

c) _Beide Prämissen sind partikulär verneinend_: oo. Dieser Fall deckt
sich mit 1. c).

Es fallen also außer oo noch weg: ii, io, oi in jeder Form, also 12
weitere Modi.

3. Aus einem _partikulären Obersatz_ und _einem verneinenden Untersatz_
ergibt sich kein logisch gültiger Schlußsatz.

a) Der Obersatz ist _partikulär bejahend_, der Untersatz _allgemein
verneinend_: i e: Einige M sind P. _Kein S ist M._ Aus den unter dieser
Voraussetzung möglichen Kreiskombinationen ergibt sich zwar der
Schlußsatz: Einige P sind nicht S; aber wenn der Oberbegriff P als
Subjekt verwendet wird, so sind die Voraussetzungen verändert, der
Schluß ist dann aus einem partikulären Untersatz und einem verneinenden
Obersatz gewonnen worden. Sonst aber ergibt sich kein bestimmtes
Resultat, vgl. Fig.

[Illustration: 1. 2. 3.]

b) Der _Obersatz_ ist _partikulär bejahend_: oe und

c) der _Untersatz_ ist _partikulär verneinend_, sind schon durch 1. und
2. ausgeschlossen.

Durch diese Regel fällt ein neuer Modus weg: i e, so daß von den 64 Modi
im ganzen 32 beseitigt wurden, die in der Tafel S. 99 durch Klammern
bezeichnet sind.

Außerdem wurden aber noch verschiedene Modi durch die besonderen Gesetze
der einzelnen Figuren ausgeschlossen. Der _Beweis_ für die
übrigbleibenden Modi wurde von Aristoteles und den Scholastikern durch
Zurückführung auf die Modi der ersten Figur geführt; deutlicher und
anschaulicher ist der Beweis durch Kreise.


§ 51. Die erste Figur.

Die erste Figur hat den _Mittelbegriff als Subjekt im Obersatz, als
Prädikat im Untersatz_. Aus ihren Modi sind noch diejenigen
auszuscheiden, 1. deren Obersatz partikulär und 2. deren Untersatz
verneinend ist. Es fallen also noch weg: ia, oa, ae, ao, und es bleiben
nur folgende 4 übrig: aa, ea, ai, ei. Von den Scholastikern, zuerst von
Petrus Hispanus († 1277 als Papst Johann XXI.), wurden den einzelnen
Modi Namen gegeben, deren drei Vokale nacheinander die logische Form des
Obersatzes, des Untersatzes und des Schlußsatzes bezeichnen. Der erste
Modus der ersten Figur, dessen Prämissen samt dem Schlußsatz allgemein
bejahenden Charakter haben, also aaa hieß daher %Barbara%. Sämtliche Modi
der 4 Figuren wurden in folgenden %Versus memoriales% zusammengefaßt:

    %Barbara, Celarent primae, Darii Ferioque.
    Cesare, Camestres, Festino, Baroco secundae.
    Tertia grande sonans recitat Darapti, Felapton,
    Disamis, Datisi, Bocardo, Ferison. Quartae
    Sunt Bamalip, Calemes, Dimatis, Fesapo, Fresison.%

1. Barbara

hat die Form

    M a P   Alle Menschen sind sterblich
    S a M   Alle Könige sind Menschen
    ------------------------------------
    S a P   Alle Könige sind sterblich.

[Illustrationen: 1. 2. 3. 4.]

Nach allen diesen 4 Figuren, die den Voraussetzungen dieses Modus
entsprechen, ergibt sich, daß der Kreis S innerhalb des Kreises P liegen
oder mit demselben sich decken muß, weil er in den Kreis M fällt, der
selbst von P umschlossen wird oder mit demselben sich deckt.

2. Celarent

    M e P   Kein Mensch ist frei von Irrtum
    S a M   Alle Logiker sind Menschen
    -----   --------------------------------
    S e P   Kein Logiker ist frei von Irrtum.

[Illustrationen: 1. 2.]

Da M ganz von P getrennt ist, so muß auch S, das ganz in M liegt, von P
getrennt sein.

3. Darii

    M a P   Alle Figuren mit gleichen Seiten und Winkeln sind
            regelmäßige Figuren
    S i M   Einige Dreiecke haben gleiche Seiten und Winkel
    -----   --------------------------------------------------
    S i P   Einige Dreiecke sind regelmäßige Figuren.

[Illustrationen: 1. 2.]

Kreis M muß ganz in Kreis P liegen; wenn also einige S M sind, so müssen
mindestens diese „einige S” auch in P liegen.

4. Ferio

    M e P   Nichts Vergängliches hat unbedingten Wert
    S i M   Einige Güter sind vergänglich
    -----   ------------------------------------------
    S o P   Einige Güter haben keinen unbedingten Wert.

[Illustration: 1. 2. 3.]

Da M ganz außerhalb P liegt, so müssen mindestens diejenigen S, die M
sind, ebenfalls außerhalb P liegen.


§ 52. Die zweite Figur.

Bei der zweiten Figur ist der _Mittelbegriff in beiden Prämissen
Prädikat_. Die beiden Regeln für diese Figur sind: 1. der Obersatz muß
allgemein und 2. eine der beiden Prämissen muß verneinend sein. Durch 1.
fallen noch ia und oa, durch 2. aa und ai aus, und es bleiben ebenfalls
4 übrig: ea, ae, ei, ao.

1. Cesare

    P e M   Die Affekte beruhen nicht auf Vorsatz
    S a M   Die Tugenden beruhen auf Vorsatz
    -----   --------------------------------------
    S e P   Also sind die Tugenden nicht Affekte.

[Illustration: 1. 2.]

Da P ganz von M getrennt ist, so muß auch S, das in M liegt, ganz von P
getrennt sein.

2. Camestres

    P a M   Die Gesamtzahl der zu unserem Sonnensystem
              gehörenden Weltkörper muß die Bahn des
              Uranus vollständig bestimmen
    S e M   Die bekannten Weltkörper unseres Sonnensystems
              aber bestimmen nicht die Bahn des Uranus
              vollständig
    -----   ------------------------------------------------
    S e P   Folglich bilden die bekannten Weltkörper unseres
              Sonnensystems nicht die Gesamtzahl aller vorhandenen.

Dieser Schluß des Astronomen Leverrier führte zur Entdeckung des Neptun
durch Galle (1846).

Camestres hat Ähnlichkeit mit %Cesare%, nur S und P haben ihre Rollen
vertauscht. Der Beweis ist daher mit veränderten Zeichen derselbe.

3. Festino

    P e M   Keine wahre Kunst ist bloß mechanische Tätigkeit
    S i M   Manche Virtuosität ist bloß mechanische Tätigkeit
    -----   -------------------------------------------------
    S o P   Manche Virtuosität ist keine wahre Kunst.

Da M von P getrennt ist, so müssen auch diejenigen S, die in den Kreis M
fallen, von P getrennt sein.

4. Baroco

    P a M   Alle wirklich sittlichen Menschen haben auch die
              rechte Gesinnung
    S o M   Manche, die legal handeln, haben nicht die rechte
              Gesinnung
    -----   ---------------------------------------------------------
    S o P   Manche, die legal handeln, sind keine wirklich sittlichen
              Menschen.

Da P ganz in Kreis M fällt, so können diejenigen S, die nicht in Kreis M
fallen, auch nicht in Kreis P fallen.


§ 53. Die dritte Figur.

Bei der dritten Figur ist der _Mittelbegriff in beiden Prämissen
Subjekt_. Als Regel für die dritte Figur gilt, daß der Untersatz
bejahend sein muß. Es fallen also ae und ao weg, so daß 6 Modi übrig
bleiben.

1. Darapti

    M a P   Alle Wale sind Säugetiere
    M a S   Alle Wale sind Wassertiere
    -----   ----------------------------------------
    S i P   Also sind einige Wassertiere Säugetiere.

Der Beweis ergibt sich für diesen und die noch folgenden Modi aus einer
Betrachtung der Kreisverhältnisse nach Analogie der vorangegangenen
Beweise.

2. Felapton

    M e P   Kein Mohammedaner ist ein Christ
    M a S   Alle Mohammedaner sind Monotheisten
    -----   ---------------------------------------
    S o P   Einige Monotheisten sind nicht Christen.

3. Disamis

    M i P   Einige Pronomina der französischen Sprache sind
              der Casusflexion fähig
    M a S   Alle französischen Pronomina sind Wörter der
              französischen Sprache
    -----   ------------------------------------------------
    S i P   Einige Wörter der französischen Sprache sind der
              Casusflexion fähig.

4. Datisi

    M a P   Alle strafrechtlich Verurteilten werden geschädigt
    M i S   Einige strafrechtlich Verurteilte sind unschuldig
    -----   ---------------------------------------------------
    S i P   Einige Unschuldige werden geschädigt.

5. Bocardo

    M o P   Einige Amphibien haben keine Füße
    M a S   Alle Amphibien sind Tiere
    -----   ----------------------------------
    S o P   Einige Tiere haben keine Füße.

6. Ferison

    M e P   Kein Mensch ist fehlerlos
    M i S   Einige Menschen sind bewundernswert
    -----   --------------------------------------------
    S o P   Einiges Bewundernswerte ist nicht fehlerlos.


§ 54. Die vierte Figur.

Der Mittelbegriff ist im Obersatz Prädikat, im Untersatz Subjekt. Als
Regeln für die vierte Figur gelten: 1. Keine Prämisse darf partikulär
verneinend sein. 2. Ein allgemein bejahender Obersatz darf nicht mit
einem partikulär bejahenden Untersatz zusammentreffen. Es fallen also
noch weg: oa, ao und ai und es bleiben fünf Modi übrig.

1. Bamalip

    P a M   Alle schlechten Wärmeleiter sind Mittel, die Wärme
            zu erhalten
    M a S   Alle wollenen Kleider sind schlechte Wärmeleiter
    -----   ---------------------------------------------------
    S i P   Einige von den Mitteln, Wärme zu erhalten, sind
            wollene Kleider.

Die Prämissen sind hier wie bei Calemes und Dimatis im Verhältnis zu
Barbara, Celarent und Darii nur umgestellt.

2. Calemes

    P a M   Alle Rhomboide sind Parallelogramme
    M e S   Kein Parallelogramm ist ein Trapez
    -----   ------------------------------------
    S e P   Kein Trapez ist ein Rhomboid.

3. Dimatis

    P i M   Einiges Angenehme ist verwerflich
    M a S   Alles Verwerfliche ist schädlich
    -----   ----------------------------------
    S i P   Einiges Schädliche ist angenehm.

4. Fesapo

    P e M   Kein bescheidener Mensch ist hochmütig
    M a S   Alle Hochmütigen sind beschränkt
    -----   --------------------------------------------------
    S o P   Einige beschränkte Menschen sind nicht bescheiden.

5. Fresison

    P e M   Kein demokratischer Staat hat erbliche Regenten
    M i S   Einige Staaten mit erblichen Regenten sind gut
            regiert
    -----   ----------------------------------------------------
    S o P   Einige gut regierte Staaten sind nicht demokratisch.


§ 55. Die logische Form des Schlußsatzes im Verhältnis zu den Prämissen.

Für die logische Form des Schlußsatzes aller vier Figuren wurde die
Regel aufgestellt: _Der Schluß folgt dem schwächeren Teil_ (%conclusio
sequitur partem debiliorem%). Ist also eine der Prämissen partikulär oder
verneinend, so muß auch der Schlußsatz partikulär oder verneinend sein.
Sind beide Prämissen allgemein, so kann der Schlußsatz allgemein oder
partikulär sein.

Demgemäß ergeben sich für die _erste Figur_ Schlußsätze von allen
Formen: a e i o, für die _zweite_ nur negative: e o, für die _dritte_
nur partikuläre: i o, für die _vierte_: partikulär bejahende, allgemein
verneinende und partikulär verneinende Schlußsätze: i e o.

Ebenso folgt in _Beziehung_ auf die _Modalität_ der Schlußsatz
derjenigen Prämisse, welche die _geringere Gewißheit hat_; er ist
apodiktisch, wenn beide Prämissen apodiktisch sind, assertorisch oder
problematisch, wenn eine der Prämissen assertorisch oder problematisch
ist.


§ 56. Der wissenschaftliche Wert der Syllogismen.

Der wissenschaftliche Wert der Syllogismen ist ein sehr verschiedener,
und es ist ein _Hauptmangel_ des traditionellen Systems, daß es im _rein
formalen Interesse_ der vollständigen Klassifikation _alle
gleichberechtigt nebeneinander_ stellt. Am wertvollsten ist die Form
%Barbara%; ihr folgt besonders die mathematische Beweisführung. Die
brauchbarsten sind überhaupt die allgemein bejahenden Schlußsätze. Die
allgemein verneinenden geben wenigstens über die gegenseitige
Ausschließung zweier Begriffe, die partikulären Schlußsätze über deren
Vereinbarkeit oder nicht notwendige Zusammengehörigkeit Auskunft. Die
unnatürlichsten Formen finden sich in der später hinzugefügten vierten
Figur.

_Die Voraussetzung der traditionellen Lehre_ ist ein schon vorhandenes
Begriffssystem, das mit der Wirklichkeit übereinstimmt, so daß es sich
nur um eine Über- oder Unterordnung der Begriffe und um eine Subsumtion
des einzelnen unter die Begriffe handeln kann. Mit Rücksicht darauf
lassen sich die einzelnen Modi auf _zwei Hauptformen zurückführen_. Wenn
das Urteil gilt: S ist P oder nicht P, so können offenbar auch die
einzelnen Merkmale, die P enthält, von dem Subjekt S bejaht oder
verneint werden, nach dem Grundsatz: %_Nota notae est nota rei ipsius,
repugnans notae repugnat rei._% (Das Merkmal des Merkmals ist ein Merkmal
des Gegenstandes selbst; was dem Merkmal widerspricht, widerspricht auch
dem Gegenstand.) Ebenso kann das P von allem, was in den Umfang des
Subjektes S fällt, bejaht oder verneint werden, nach dem sogenannten
%_dictum de omni et nullo_%: Was von allen gilt, gilt auch von einigen und
einzelnen; was von keinem gilt, gilt auch nicht von einigen oder
einzelnen. Es ist natürlich, daß die Schlüsse, solange sie nur dazu
dienen, die _schon vorhandenen Begriffsverhältnisse immer wieder
auszulegen_, zum Fortschritt des Wissens nichts beitragen. Dies
geschieht erst, wenn sie sich in den Dienst der _Neubildung von
Begriffen_ stellen.

Es wurden daher _Versuche verschiedener Art_ gemacht, dem Syllogismus
eine fruchtbarere und einheitlichere Form zu geben. _Beneke_ schließt
sich noch nahe an die traditionelle Lehre an, indem er die Substitution
eines Begriffes für einen andern als Prinzip des Syllogismus aufstellt.
_Lotze_ stellt das disjunktive Urteil in den Vordergrund, während
_Wundt_ vor dem Versuche warnt, irgend eine Schlußform zur
_allgemeingültigen_ zu machen.

_Sigwart_ sieht in dem _gemischten hypothetischen Schluß_ (s. u. § 57)
die allgemeinste Form alles Schließens und führt dementsprechend alle
Schlußformen auf den Satz der logischen Notwendigkeit zurück, daß mit
dem Grunde die Folge gesetzt und mit der Folge der Grund aufgehoben sei.
So ergibt sich z. B. für alle Modi der 1. und 2. Figur eine einzige
Formel:

Gemeinsamer Obersatz: Wenn etwas B ist, ist es A -- nicht X

  1. Figur: Untersatz C (alles, einiges, ein C) ist B
                      --------------------------------------------------
           Schlußsatz C (alles, einiges, ein C) ist A -- nicht X

  2. Figur: Untersatz C (alles, einiges, ein C) ist nicht A -- ist X
                      --------------------------------------------------
          Schlußsatz: C (alles, einiges, ein C) ist nicht B

Doch darf die Bedeutung des Syllogismus auch _nicht unterschätzt_
werden. Dies geschieht besonders auf Grund von zweierlei Einwänden gegen
seine Brauchbarkeit.

Es wurde darauf hingewiesen, in dem Schlusse: alle Menschen sind
sterblich, Sokrates ist ein Mensch, also ist Sokrates sterblich, müsse
der Schlußsatz im Obersatz schon vorausgesetzt werden: solange es noch
ungewiß wäre, ob Sokrates sterblich ist, könnte auch der allgemeine
Satz: alle Menschen sind sterblich, nicht ausgesprochen werden, der
Schlußsatz setze also _das schon voraus, was er beweisen wolle_. Diesen
Einwand gab J. St. Mill zu und wich ihm aus, indem er den allgemeinen
Satz überhaupt fallen ließ und an Stelle des Syllogismus den Schluß vom
Besonderen auf das Besondere setzte. Der Schluß auf die Sterblichkeit
des Sokrates würde also nicht von dem Grundsatz der allgemeinen
Sterblichkeit ausgehen, sondern nur von der Beobachtung, daß eine Anzahl
Menschen sterblich sind. Der Syllogismus selbst, mit seinem allgemeinen
Satz, dient nach Mill nur zur Sicherung des Verfahrens.

Vom Standpunkt der Psychologie aus ist allerdings nicht zu leugnen, daß
_tatsächlich das bewußte Schließen vielfach nur von Besonderem auf
Besonderes übergeht_, aber für die logische Betrachtung ist es außer
Zweifel, daß die Richtigkeit und Allgemeingültigkeit des Schlusses immer
von der richtigen Verwendung des allgemeinen Satzes abhängig ist. Jener
Widerspruch aber ist nur gültig, wenn von den tatsächlichen Bedingungen
des menschlichen Denkens abgesehen wird. Wer _den allgemeinen Satz mit
seiner Anwendung auf alle einzelnen Fälle beständig gegenwärtig hätte_,
der bedürfte keines Schlusses; wenn aber tatsächlich einmal der
_Versuch_ sich einstellt, _dem allgemeinen Satz gegenüber eine Ausnahme
gelten zu lassen_, wie z. B. gegen jenen allgemeinen Satz von der
Sterblichkeit in der Sage vom ewigen Juden, dann wird die Regel ins
Gedächtnis gerufen und auf den einzelnen Fall angewendet.

Damit hängt ein zweites Bedenken gegen die Brauchbarkeit des Syllogismus
zusammen: im wirklichen Leben werden die Schlüsse _nie mit dieser
Umständlichkeit vollzogen_, der Syllogismus könne also in keiner Weise
das richtige Denken unterstützen. Jedenfalls ist richtig, daß wir uns
beim Denken selten der einzelnen Bestandteile des Schlusses nach der
Tafel der Syllogismen bewußt sind. Nach den psychologischen Gesetzen der
Übung und Gewöhnung ist dies aber auch nicht zu erwarten. Vielmehr ist
im voraus anzunehmen, daß auch bei diesen unzähligemal verwendeten
Formen _die Mittelglieder dem Bewußtsein entfallen_ (vgl. § 28), so daß
ganze Reihen von Schlüssen mit mechanischer Schnelligkeit vollzogen
werden. _Nur bei Fehlern und Schwierigkeiten_ wird Glied für Glied
berücksichtigt; mancher Streit im täglichen Leben dreht sich um unklar
gedachte logische Gesetze. Die Wissenschaft geht diesen halbbewußten
Elementen nach und stellt sie heraus; und sie leistet damit auch dem
Denken einen wichtigen Dienst, denn nur auf Grund dieser Kenntnis kann
es seine Irrwege als solche erkennen und mit stetiger Sicherheit
fortschreiten.


§ 57. Der hypothetische Schluß.

Der hypothetische Schluß ist ein _Schluß, in welchem_ mindestens der
_Obersatz ein hypothetisches Urteil_ ist. Ein Schluß heißt _rein_, wenn
die Prämissen gleiche Relation haben, im andern Fall _gemischt_. So
versteht man unter _gemischtem hypothetischen Schluß_ gewöhnlich
denjenigen Schluß, dessen Obersatz ein hypothetisches, und dessen
Untersatz ein kategorisches Urteil ist, von der Form:

        Wenn A gilt,       so gilt X
             A gilt  oder  X gilt nicht
             ------------------------------------
        also gilt X        also gilt A nicht.

Der gemischte hypothetische Schluß ist also die einfache Anwendung des
Grundgesetzes, daß mit dem Grund die Folge gesetzt (%modus ponens%), mit
der Folge der Grund aufgehoben ist (%modus tollens%).

      Z. B.: Wenn es geregnet hat, so ist es naß.
             Nun hat es geregnet
             -------------------------
             Also ist es naß,

aber nicht umgekehrt:

            nun ist es naß
            ---------------------
            also hat es geregnet,

ebensowenig:

            nun hat es nicht geregnet
            --------------------------
            also ist es nicht naß,

dagegen richtig:

            nun ist es nicht naß
            ---------------------------
            also hat es nicht geregnet,

oder, bei verneinendem Nachsatz:

Wenn es einen Zufall gibt, so gibt es keine Vorsehung.

            Nun gibt es eine Vorsehung
            ---------------------------
            Also gibt es keinen Zufall,

oder, bei Verneinung der Bedingung und des Bedingten (%conditio sine qua
non%):

Wenn dieser Satz nicht richtig ist, so kann die ganze Beweisführung
nicht aufrecht erhalten werden.

    Nun ist dieser Satz nicht richtig.
    ----------------------------------------------------------
    Also kann die ganze Beweisführung nicht aufrecht erhalten werden.

Der _reine hypothetische Schluß_ hat zwei hypothetische Prämissen.
Daraus, daß etwas Folge des Grundes ist, wird geschlossen, daß es auch
Folge dessen sein muß, dessen Folge der Grund ist. Der _Schlußsatz_ ist
dann also selbst _hypothetisch_, nach dem Schema:

            Wenn A gilt, so gilt M
            Wenn M gilt, so gilt X
            -----------------------------
            Also wenn A gilt, so gilt X.

Das Gesetz dieses reinen hypothetischen Schlusses läßt sich auch kurz so
ausdrücken: _Die Folge der Folge ist auch Folge des Grundes_.

    Z. B.: Wenn sich die Temperatur erhöht, so verlängern sich die
    Pendel der Uhren.

    Wenn die Pendel der Uhren sich verlängern, so werden die
    Schwingungen verlangsamt.

    Wenn die Schwingungen verlangsamt werden, so gehen die Uhren nach.
    --------------------------------------------------------------------
    Also: Wenn die Temperatur sich erhöht, so gehen die Uhren nach.


§ 58. Der disjunktive Schluß.

Der disjunktive Schluß ist ein Schluß, _dessen Obersatz ein disjunktives
Urteil_ ist. Der Schluß beruht auf dem in der Disjunktion
ausgesprochenen Verhältnis der Glieder.

Es kann also

I. _von der Gültigkeit eines bestimmten Gliedes auf die Ungültigkeit der
übrigen geschlossen werden_ (%modus ponendo tollens%):

    A ist entweder B oder C oder D
    A ist B
    ----------------
    Also ist A weder C noch D;

II. _auf die Gültigkeit eines Gliedes von der Ungültigkeit aller
übrigen_ geschlossen werden (%modus tollendo ponens%):

    A ist entweder B oder C oder D
    A ist weder C noch D
    ----------------------------
    A ist B.

Z. B.: Dieses Dreieck ist entweder rechtwinklig oder spitzwinklig oder
stumpfwinklig.

    Nach I.  Nun ist es rechtwinklig
    --------------------------------------
             Also weder spitzwinklig noch stumpfwinklig.

    Nach II. Nun ist es weder spitzwinklig noch stumpfwinklig
             -----------------------------------------------
             Also ist es rechtwinklig.

Ist die Disjunktion eine _mehrgliedrige_, so ergibt sich für den Fall I.
ein konjunktiv verneinendes Urteil, für den Fall II. eine um ein Glied
verkleinerte Disjunktion. Bei einer _zweigliedrigen_ Disjunktion ergibt
sich im ersten Fall das einfach verneinende, im zweiten Fall das einfach
bejahende Urteil.

Eine besondere Art des disjunktiven Schlusses ist das _Dilemma_,
_Trilemma_, _Polylemma_ (%syllogismus cornutus%). Hier wird aus der
Verneinung aller Glieder der Disjunktion die Verneinung ihrer
gemeinschaftlichen Voraussetzung erschlossen.

    Wenn A gilt, so gilt entweder B oder C
    Nun gilt weder B noch C
    ----------------------------
    Also gilt auch A nicht;

oder kategorisch gefaßt:

    A ist entweder B oder C
    Nun ist S weder B noch C
    -----------------------------------
    Also ist S auch nicht A.

Ein Trilemma ist z. B. die folgende Beweisführung von Leibniz:

     Wäre die wirklich existierende Welt nicht die beste unter allen
     möglichen Welten, so hätte Gott die beste entweder nicht gekannt,
     oder nicht hervorbringen und erhalten können, oder nicht
     hervorbringen und erhalten wollen; nun aber ist (infolge der
     göttlichen Weisheit, Allmacht und Güte) weder das erste, noch das
     zweite, noch das dritte wahr,
     ------------------------------------------------------------------
     also ist die wirkliche Welt die beste unter allen möglichen Welten.


§ 59. Die zusammengesetzten und die verkürzten Schlüsse.

Im _zusammengesetzten Schluß_ sind mehrere Schlüsse durch gemeinsame
Glieder zu einem Ganzen vereinigt. Sind die einzelnen Schlüsse so
angeordnet, daß der Schlußsatz des ersten Schlusses zu einer Prämisse
des zweiten, und der Schlußsatz des zweiten zu einer Prämisse des
dritten wird, so entsteht die _Schlußkette_ (%syllogismus concatenatus%).
Derjenige Schluß, in welchem der gemeinsame Satz Schlußsatz ist, heißt
der _Vorschluß_ (Prosyllogismus) im Verhältnis zum folgenden, dem
_Nachschluß_ (Episyllogismus). Bewegt sich die Schlußkette in der
Richtung vom Vorschluß zum Nachschluß, so heißt sie _episyllogistisch_
oder _progressiv_, im andern Fall _prosyllogistisch_ oder _regressiv_.

    Z. B. 1. Der Tugendhafte ist anspruchslos
             Der Anspruchslose ist zufrieden
             ---------------------------------
             Der Tugendhafte ist zufrieden.

          2. Der Tugendhafte ist zufrieden
             Der Zufriedene ist glücklich
             ------------------------------
             Der Tugendhafte ist glücklich.

    progressiv in der Richtung: 1. 2.
    regressiv in der Richtung: 2. 1.

Ein Schluß, der durch Weglassung einer der beiden Prämissen verkürzt
ist, heißt ein _Enthymem_; z. B.: er muß gestraft werden, denn er hat
ein Verbrechen begangen.

Wird in einem einfachen Schluß zu einer der beiden Prämissen eine
Begründung hinzugefügt, so entsteht das _Epicherem_.

Wenn in einer progressiven Schlußkette alle Schlußsätze außer dem
letzten weggelassen werden, so entsteht eine einfachere Form, die
_Kettenschluß_ oder _Sorites_ genannt wird. Man unterscheidet nach dem
Verhältnis, in welchem die Begriffe aufeinander folgen, zwischen dem
_aristotelischen_ und dem _goklenischen Sorites_ (zuerst behandelt 1598
von dem Marburger Professor Goklenius). Bei dem _aristotelischen
Sorites_ fehlen diejenigen Schlußsätze, welche in dem folgenden
Syllogismus Untersätze werden, er schreitet also von den niederen
Begriffen zu den höheren fort und hat folgende Form:

    Untersatz   A ist B   der Tugendhafte ist anspruchslos
    Obersatz    B ist C   der Anspruchslose ist zufrieden
                -----------
    (Schlußsatz A ist C)
    (Untersatz  A ist C)
    Obersatz    C ist D   der Zufriedene ist glücklich
                ------------------------------------------
    Schlußsatz  A ist D   der Tugendhafte ist glücklich.

Bei dem _goklenischen Sorites_ fallen diejenigen Schlußsätze aus, welche
in dem folgenden Syllogismus Obersätze werden, es wird von den höheren
Begriffen zu den niederen weitergegangen, er hat also folgende Form:

    Obersatz     C ist D   der Zufriedene ist glücklich
    Untersatz    B ist C   der Anspruchslose ist zufrieden
                 -----------
    (Schlußsatz  B ist D)
    (Obersatz    B ist D)
    Untersatz    A ist B   der Tugendhafte ist anspruchslos
                 -------------------------------------------
    Schlußsatz   A ist D   der Tugendhafte ist glücklich.


§ 60. Fehlschlüsse und Trugschlüsse.

Ein unrichtiger Schluß wird _Fehlschluß_ (%paralogismus%) genannt, wenn er
auf Irrtum beruht, _Trugschluß_ (%sophisma%), wenn er aus der Absicht, zu
täuschen, hervorging.

Solche Schlußfehler beruhen teils auf einer _Mißachtung_ der _Gesetze
des Schließens_, insbesondere der für die Schlußfiguren geltenden
Regeln, teils auf der _Mehrdeutigkeit eines Begriffs, besonders des
Mittelbegriffs_. Es sind dann statt der drei Begriffe vier, aus denen
der Schluß gezogen wird (%quaternio terminorum%).

Von den folgenden Beispielen enthält 1. und 5. Fehler gegen die Gesetze
des Schließens, 2. 3. 4. eine %quaternio terminorum%, 6. und 7. eine
sophistische Verwendung des Dilemmas.

    1. Der Kaukasier hat Menschenrechte
       Der Neger ist kein Kaukasier
       --------------------------------------
       Folglich hat er keine Menschenrechte.

    2. Herodes war ein Fuchs
       Alle Füchse haben vier Füße
       ------------------------------
       Also hatte Herodes vier Füße.

3. Tertullians Schluß:

Es widerspricht den Bedingungen menschlicher Existenz, dauernd mit den
Füßen nach oben und mit dem Kopf nach unten zu leben.

       Die Antipoden müßten dies
       ------------------------------
       Also gibt es keine Antipoden.

    4. Aller Anfang ist schwer
       Müßiggang ist aller Laster Anfang
       -----------------------------------
       Also ist Müßiggang schwer.

5. Der „_Lügner_” der Alten. Epimenides der Kreter sagt: alle Kreter
sind Lügner; Epimenides ist aber selbst ein Kreter, also ist es nicht
wahr, daß die Kreter Lügner sind, also sagt auch Epimenides die
Wahrheit, also sind alle Kreter Lügner &c. &c.

6. _Der Krokodilschluß_: Eine Ägypterin sah, wie ihr am Nil spielendes
Kind von einem Krokodil ergriffen wurde. Die Mutter bat das Tier, ihr
das Kind wiederzugeben. Das Krokodil antwortete: Ich will es dir
zurückgeben, wenn du errätst, was ich tun werde. Die Mutter tat den
Ausspruch: Du wirst mir mein Kind nicht wiedergeben. Beide
argumentierten darauf in folgenden Dilemmen gegeneinander: _Das Krokodil
sagt_: Du magst wahr oder falsch gesprochen haben, _so habe ich das Kind
nicht zurückgegeben_; denn ist deine Rede wahr, so erhältst du es nicht
wieder nach deinem eigenen Ausspruch, ist sie aber falsch, so gebe ich
es nicht zurück laut unsrer Übereinkunft. _Die Mutter erwidert_: Ich mag
wahr oder falsch gesprochen haben, _so mußt du mir mein Kind
wiedergeben_. Denn ist meine Rede wahr, so mußt du es mir geben laut
unsrer Übereinkunft; ist sie aber falsch, so ist das Gegenteil wahr: Du
wirst mir mein Kind zurückgeben.

7. _Das Sophisma des Euathlus._ Euathlus nahm beim Sophisten Protagoras
Unterricht in der Sophistik mit dem Vertrag, der Schüler solle die
zweite Hälfte des Honorars erst dann bezahlen, wenn er seinen ersten
Prozeß gewonnen hätte. Als nun nach vollendetem Unterricht Euathlus
keinen Prozeß annahm und auch seinen Lehrer nicht bezahlte, verklagte
ihn dieser und brachte folgendes Dilemma vor: „Sowohl wenn du von den
Richtern zu meiner Bezahlung verurteilt, als wenn du nicht von ihnen
verurteilt werden wirst, mußt du mich bezahlen. Werden sie dich zur
Zahlung verurteilen, so mußt du zahlen kraft dieses Urteilsspruchs;
wirst du aber nicht verurteilt, so mußt du unsrem Vertrage gemäß
bezahlen, denn du hast den ersten Prozeß gewonnen.” Daraus antwortete
Euathlus, er sei auf keinen Fall zur Zahlung verpflichtet, denn dies
sei sein erster Prozeß; verliere er den, so brauche er gemäß dem
Vertrage nicht zu bezahlen, gewinne er ihn aber, so brauche er gemäß dem
Urteilsspruche der Richter nicht zu bezahlen. -- Die Richter sollen
durch diesen Streit so in Verlegenheit gesetzt worden sein, daß sie ihre
Entscheidung auf unbestimmte Zeit vertagten.


§ 61. Der Induktionsschluß.

Die Induktion ist der _Schluß vom Besonderen aufs Allgemeine_; sie
gewinnt aus einzelnen Wahrnehmungsurteilen allgemeine Sätze und hat
folgende Form:

        Sowohl M_1 als M_2 als M_3 ... ist P.
        Sowohl M_1 als M_2 als M_3 ... ist S.
        --------------------------------------
                   Jedes S ist P.

Der allgemeine Satz, zu welchem die Induktion führt, faßt entweder
_lauter gleiche begrifflich nicht unterscheidbare_, nur in Raum und
Zeit getrennte _Fälle_ zu einem _Spezialgesetz zusammen_, z. B. der
Satz, daß Sauerstoff und Wasserstoff sich in bestimmtem
Gewichtsverhältnis zu Wasser verbinden; oder er vereinigt
_verschiedene Arten in einem Gattungsbegriff_, z. B. der Satz:
Alle Elementarstoffe verbinden sich chemisch in bestimmten
Gewichtsverhältnissen. Im ersteren Fall, bei der „_Induktion von
Spezialgesetzen_” (Sigwart) wird geschlossen: Was in allen einzelnen
Fällen der gleichen Art gilt, gilt von der Art überhaupt. Im zweiten
Fall, bei der „_generalisierenden Induktion_” wird geschlossen: Was
von allen Arten einer Gattung gilt, gilt auch von der Gattung selbst.

Die Induktion ist eine _vollständige_, wenn M_1 M_2 M_3 im Untersatz den
ganzen Umfang des Begriffs S ausfüllen. Z. B.:

    Sowohl Merkur, als Venus, als Erde, als Mars, als
    Jupiter, als Saturn haben Achsendrehung.

    Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn sind
    die alten Planeten.
    -------------------------------------------
    Also haben die alten Planeten Achsendrehung.

_Unvollständig_ heißt die Induktion, wenn durch Aufzählung der M der
Umfang von S nicht erschöpft wird. So würde das letztgenannte Beispiel
eine unvollständige Induktion darstellen, wenn statt auf die alten
Planeten auf die Planeten überhaupt geschlossen würde.

Der Induktionsschluß hat _Ähnlichkeit mit dem Syllogismus der dritten
Figur_, es wäre nur an die Stelle des Mittelbegriffs die Gesamtheit der
Einteilungsglieder getreten. Der Unterschied ist nur der, daß der
Schlußsatz _nicht partikulären, sondern allgemeinen Charakter_ hat, und
die Eigentümlichkeit der Induktion besteht gerade darin, daß sie unter
der Voraussetzung einer gewissen Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit in
der Welt von einer Anzahl sorgfältig beobachteter einzelner Fälle aus
einen allgemeinen Satz aufstellt, der auch auf andere noch nicht
beobachtete Fälle zu schließen erlaubt.

Von den _Fehlern_, die bei der Induktion vorkommen, ist naturgemäß der
häufigste die _falsche Verallgemeinerung_, besonders Verwechslung der
bloßen zeitlichen Aufeinanderfolge mit dem ursächlichen Verhältnis des
%post hoc% mit dem %propter hoc%.


§ 62. Der Analogieschluß.

In naher Beziehung zu dem Induktionsschluß steht der _Schluß der
Analogie, als Schluß vom Besonderen oder Einzelnen auf ein demselben
nebengeordnetes Besonderes oder Einzelnes_. Daraus, daß zwei Arten oder
Individuen in einer Reihe von Merkmalen übereinstimmen, wird
geschlossen, daß sie auch andere gemeinsam haben; er hat also folgende
Form:

    M ist P.  Z. B.: Die Erde ist Trägerin organischen
                   Lebens.

    M ist A.  Die Erde ist ein unsere Sonne umkreisender
                   Planet mit Achsendrehung, mit Atmosphäre,
                   mit Wechsel der Jahreszeiten u. s. w.

    S ist A.  Der Mars ist ein unsere Sonne umkreisender
                   Planet mit Achsendrehung, mit Atmosphäre,
                   mit Wechsel der Jahreszeiten u. s. w.
                   -----------------------------------------
    S ist P.  Also ist auch der Mars Träger organischen
                   Lebens.


II. Teil. Methodenlehre.


§ 63. Die Aufgabe der Methodenlehre.

Die Methodenlehre hat zu zeigen, wie die einzelnen Elemente des Denkens,
Begriffe, Urteile, Schlüsse _zum Ganzen eines wissenschaftlichen Systems
verarbeitet werden_. Das Ziel der Wissenschaft überhaupt ist die
Erkenntnis der der Wahrnehmung zugänglichen Welt. Dazu gehört zuerst ein
_Weltbild_ in den Formen von Raum und Zeit, das wir durch die Anschauung
zu gewinnen suchen. Dieses bildet den Stoff, den die Wissenschaft erst
gestaltet und der deshalb nicht in das Gebiet der Logik fällt. Weiter
enthält das Ideal der Welterkenntnis ein _vollständiges Begriffssystem_,
in welchem die Begriffe sowohl ihrem Inhalt nach durch _Erklärungen_
vollkommen verdeutlicht, als auch ihrem Umfang nach durch _Einteilungen_
klar gegeneinander abgegrenzt sind. Endlich aber bedarf es vollkommener
Urteile, welche unser Wissen über den Zusammenhang der Welt aussprechen,
und einer erschöpfenden Begründung dieser Urteile durch ein sorgfältiges
_Beweisverfahren_. Da aber die Wissenschaft diesem Ideal der
Welterkenntnis sich immer nur annähern kann, so muß sie sich noch der
_Mittel ihres stetigen Fortschrittes_ bewußt werden, der Methoden, durch
welche eine neue Erkenntnis zustande kommt.

So ergeben sich vier Hauptpunkte, welche die Methodenlehre zu behandeln
hat: die _Begriffsbestimmung_, _die Einteilung_, _der Beweis_ und der
_Fortschritt der Wissenschaft_.


1. Die Begriffsbestimmung.


§ 64. Wesen und Arten der Begriffsbestimmung.

_Die Begriffsbestimmung oder Definition ist ein Urteil, in welchem die
Bedeutung eines einen Begriff bezeichnenden Wortes angegeben wird_,
entweder durch _vollständige_ Aufführung der Merkmale eines Begriffs
oder durch Angabe der _nächsthöheren Gattung_ (%genus proximum%) und _des
artbildenden Unterschieds_ (%differentia specifica%). Durch das erstere
wird der Begriff vollkommen deutlich gemacht, durch das letztere seine
Stellung im geordneten System der Begriffe angegeben.

Man unterscheidet gewöhnlich zwischen _Worterklärungen_
(Nominaldefinitionen), z. B. Division heißt Einteilung, und
_Sacherklärungen_ (Realdefinitionen), welche den Inhalt des Gedachten
darlegen. Für die Logik gibt es aber nur Worterklärungen, die zugleich
Sacherklärungen sind. Jede Definition gibt an, welcher Begriff mit
einem bestimmten Wort zu verbinden ist. Die Nominaldefinition in dem
genannten Sinn fällt rein in das sprachliche Gebiet.

Die vollständige Angabe der Merkmale eines Begriffs ist in den meisten
Fällen nicht möglich. Die _gebräuchliche Art der Begriffsbestimmung_ ist
daher diejenige, welche den übergeordneten Gattungsbegriff und den
artbildenden Unterschied angibt, z. B.: Das Parallelogramm ist ein
Viereck mit parallelen Gegenseiten: Viereck ist der Gattungsbegriff, die
Parallelität der Gegenseiten das Merkmal, welches das Parallelogramm von
anderen Arten des Vierecks unterscheidet.

Wird der Begriff im Anschluß an den bestehenden Sprachgebrauch bestimmt,
so heißt die Definition _analytisch_. _Synthetisch_ ist sie, wenn mit
einem Wort ein neuer Begriff ohne oder nur in teilweiser Übereinstimmung
mit dem Sprachgebrauch gebildet wird. Von einem Begriff, der _nur ein
Merkmal hat_, z. B. Sein, Etwas, kann eine eigentliche Definition nicht
gegeben werden.


§ 65. Fehler der Begriffsbestimmung.

Als Hauptfehler, die bei der Definition vorkommen, werden folgende
angeführt:

1. Die Definition ist zu _weit_, wenn ihr wesentliche Merkmale fehlen,
z. B. das Quadrat ist ein gleichseitiges Parallelogramm. Sie ist zu
_eng_, wenn sie zu viel Merkmale aufnimmt, z. B. das Dreieck ist eine
geradlinige Figur mit drei gleichen Seiten.

2. Die Definition darf _keine überflüssigen Merkmale_ aufnehmen, die in
anderen schon enthalten oder notwendig mit ihnen gegeben sind
(Abundanz); z. B. Parallele Linien sind solche Linien, die gleiche
Richtung und überall gleichen Abstand voneinander haben.

3. Die _Tautologie_ ist zu vermeiden. Der zu definierende Begriff darf
weder ausdrücklich noch versteckt in der Definition wiederkehren, z. B.
das Gedächtnis ist das Vermögen, des früher Bewußtgewordenen wieder zu
gedenken.

4. Ein _Zirkel_ entsteht, wo ein Begriff durch einen zweiten, dritten,
vierten und der zweite oder dritte oder vierte wieder durch den ersten
erklärt wird, z. B. Größe ist das der Vermehrung und der Verminderung
Fähige; da Vermehrung Zunahme der Größe und Verminderung Abnahme der
Größe ist, so ist der Begriff der Größe in der Definition derselben
schon vorausgesetzt.

5. In der Definition dürfen _keine bildlichen Ausdrücke_ gebraucht
werden, weil sie zu unbestimmt sind, und _negative Bestimmungen_ nur da,
wo die positiven nicht ausreichen, z. B. der Staat ist der Mensch im
großen; negativ und zu weit: der Kreis ist eine Figur, die keine Ecken
hat.

6. Die Definition _darf nicht mit der Aufzählung der Arten des Begriffs
verwechselt werden_, denn diese enthalten ihn ja selbst, so daß ein
Zirkel entstünde; z. B. Planeten sind Venus, Erde, Mars u. s. w.

Der Inhalt eines Begriffs kann auch durch _weniger strenge Formen_
angegeben werden, die von der Erklärung im logischen Sinn unterschieden
werden müssen; z. B. die Beschreibung, die Erörterung, die Entwickelung,
die Erläuterung.


2. Die Einteilung.


§ 66. Das Wesen der Einteilung.

_Die Einteilung ist die vollständige Angabe der Teile des Umfangs eines
Begriffs._ Der Gattungsbegriff wird in die Artbegriffe zerlegt, die im
Verhältnis der _Disjunktion_ zueinander stehen. Die sprachliche Form der
Einteilung ist das _divisive_ Urteil: Die Vögel sind teils Luftvögel,
teils Erdvögel, teils Wasservögel.

Die _Voraussetzung_ einer solchen Differenzierung eines Gattungsbegriffs
in seine Artbegriffe ist, daß er noch in einem oder mehreren seiner
Merkmale _unbestimmt sei_. Dasjenige Merkmal, in welchem die
Unterschiede hervortreten, auf welchem also die Einteilung beruht, heißt
_Einteilungsgrund_ (%fundamentum sive principium divisionis%).

Die Einteilung geschieht entweder durch _innere Entwickelung schon
vorhandener Merkmale_ oder _Hinzunahme neuer_. _Im ersten Fall_ liegt
der Einteilungsgrund in dem gegebenen Begriffe selbst; so ist mit dem
Begriff der Linie das Merkmal der Richtung schon gegeben, die als
Bewegung vorgestellt wird und entweder, wie bei der geraden Linie,
gleichbleiben kann, oder wie bei der krummen, sich stetig ändert. _Im
zweiten Fall_ geschieht die Determination durch ein neues Merkmal, das
im ursprünglichen Begriff nur als unbestimmte Möglichkeit gegeben war.
So kann der Begriff der Flüssigkeit nach Geschmacksunterschieden
eingeteilt werden, während das Merkmal des Geschmacks ihm gar nicht
notwendig zukommt. Daher kann auch das Fehlen eines Merkmals einen
Unterschied begründen.


§ 67. Arten und Fehler der Einteilung.

Je nach der Zahl der Einteilungsglieder heißt die Einteilung
_Dichotomie_, _Trichotomie_, _Tetrachotomie_, _Polytomie_. Oft verlieren
sich die Arten in eine unendliche Reihe, z. B. der Begriff des Vielecks
schließt in sich die Arten des Vierecks, des Fünfecks, des Sechsecks
u. s. w. Man unterscheidet auch zwischen _natürlicher_ Einteilung, die
sich auf alle wesentlichen Merkmale eines Begriffes stützt, und
_künstlicher Einteilung_, bei welcher ein einzelnes Merkmal als
Einteilungsgrund benützt wird, doch womöglich so, daß die Modifikationen
dieses Merkmals in ursächlichem Zusammenhang mit den Modifikationen der
anderen Merkmale stehen. Im Gegensatz zur natürlichen Einteilung steht
z. B. Linnés Einteilung des Pflanzenreiches nach der Zahl und Stellung
der Staubgefäße in 24 Klassen.

Es macht ferner einen Unterschied, ob bei der Einteilung von dem
_logischen Umfang_ eines Begriffes oder von dem _empirischen Umfang_
desselben ausgegangen wird. Es müßten z. B. bei der logischen Einteilung
der Menschen nach Farben sämtliche Farben vertreten sein, auch blau oder
grün, während die empirische nur nach den tatsächlich vorhandenen Farben
klassifiziert. Aber auch wenn der ganze empirische Umfang eines Begriffs
erschöpft wird, ist damit noch keine Garantie für logische
Vollständigkeit gegeben.

Die hauptsächlichen _Fehler_ der Einteilung sind folgende:

1. Die Einteilung ist zu _weit_, wenn sie zu viel, zu _eng_, wenn sie zu
wenig Einteilungsglieder enthält. Zu weit ist z. B. die Einteilung der
Dreiecke in rechtwinklige, schiefwinklige und gleichwinklige.

2. Die Glieder der Einteilung müssen _einander ausschließen_, dürfen
sich nicht kreuzen, z. B. die Einteilung der Neigungen in Selbstliebe,
Neigung zu andern und gegenseitige Neigung.

3. Es dürfen nicht verschiedene _Einteilungsgründe vermischt werden_,
sonst wird die Einteilung _verworren_, z. B. die der Menschen in
Europäer und Schwarze.


3. Der Beweis.


§ 68. Der Beweis und seine Arten.

In einem System der Wissenschaft müssen die Begriffe durch Erklärungen
und Einteilungen ihrem Inhalt und Umfang nach genau bestimmt sein. Diese
Begriffe kommen aber nur zustande durch Urteile, welche ihnen gewisse
Prädikate zu- oder absprechen, und diese Urteile selbst bedürfen der
Begründung, um gültig zu sein. Dies geschieht, indem einzelne Schlüsse
_zum Beweis verbunden werden_ und so jedes einzelne Urteil durch seinen
_Zusammenhang mit andern bereits feststehenden_ in das System der
Wissenschaft aufgenommen wird.

Der Beweis ist also die _syllogistische Ableitung eines Urteils aus
anderen Urteilen, die als gewiß und notwendig erkannt sind_. Doch
bedürfen auch diese eigentlich wieder des Beweises und so führt genau
genommen jeder Beweis zu gewissen Sätzen zurück, die einer Begründung
weder fähig, noch bedürftig sind, zu den _Grundsätzen_ oder _Axiomen_.
_Vom einzelnen Schluß unterscheidet sich der Beweis_ dadurch, daß das zu
beweisende Urteil im voraus bekannt ist und die Veranlassung zum Beweis
bildet, und daß auch auf die materiale Wahrheit der Prämissen Rücksicht
genommen wird. Außerdem stellt der Beweis gewöhnlich eine ganze
Schlußkette dar.

Der Beweis ist ein _direkter_, wenn er die Wahrheit eines Satzes einfach
durch kategorischen oder hypothetischen Schluß aus feststehenden
Prämissen ableitet, ein _indirekter_ oder _apagogischer_, wenn der zu
beweisende Satz aus einem disjunktiven Urteil durch Aufhebung der
übrigen Disjunktionsglieder gewonnen wird. Ein direkter Beweis ist es
z. B., wenn daraus, daß die Summe zweier Winkel eines Dreiecks gleich
einem Rechten ist, bewiesen wird, daß der dritte Winkel ein Rechter sein
muß; ein indirekter Beweis wäre es, wenn von der Disjunktion ausgegangen
würde: Entweder ist er ein stumpfer oder ein spitzer oder ein rechter
Winkel, und aus der Ungültigkeit der beiden ersten Glieder die
Gültigkeit des letzten gefolgert würde.

_Die Widerlegung_ (%refutatio%) ist _der Beweis der Unrichtigkeit eines
Satzes oder eines Beweises_. Die Unrichtigkeit eines Satzes folgt
daraus, daß er selbst oder eine seiner Konsequenzen (%deductio ad
absurdum%) einem wahren Satze widerstreitet. Die Unrichtigkeit wird also
bewiesen durch den Beweis des kontradiktorischen Gegenteils. Die
_Widerlegung eines Beweises_ geschieht durch Entkräftung der
Beweisgründe. Zur _gründlichen_ Widerlegung einer entgegenstehenden
Ansicht gehört aber sowohl der Beweis der eigenen Ansicht, als die
Widerlegung des gegnerischen Beweises.


§ 69. Auffindung und Fehler des Beweises.

Es erhebt sich noch die Frage, _wie der Beweis gefunden wird_. Da der
Beweis durch Schlüsse sich bewegt, so muß er das zu gewinnen suchen, was
die Schlüsse möglich macht, einen _Mittelbegriff_. Wäre der Satz zu
beweisen, daß Tugend lehrbar ist, so müßte ein Mittelbegriff gefunden
werden, der einerseits der Tugend als Prädikat zugesprochen werden und
andrerseits das Subjekt zu lehrbar bilden könnte. Ein solcher
Mittelbegriff ist Wissen, daraus ergibt sich der Schluß: Wissen ist
lehrbar, die Tugend ist Wissen, also ist die Tugend lehrbar. Doch wird
nur selten ein einziger Mittelbegriff genügen. In den meisten Fällen
müssen die Vermittlungen auf umständlichere Weise gesucht werden.

Die _hauptsächlichsten Beweisfehler_ sind, neben den schon genannten
Verstößen gegen die Regeln des Schlusses überhaupt, folgende:

1. Die unvollständige Disjunktion beim indirekten Beweis.

2. Eine unrichtige Prämisse, durch welche die ganze folgende
Beweisführung in Frage gestellt wird (%proton pseudos%).

3. Das zu Beweisende darf nicht vorausgesetzt werden, so daß etwa in
einer der Prämissen der Schlußsatz schon enthalten wäre (Zirkelbeweis).

4. Das, was aus den Prämissen erschlossen wird, darf nicht von dem zu
Beweisenden abweichen (%heterozetesis%), weder qualitativ (%metabasis eis
allo genos%), noch quantitativ, indem zu viel oder zu wenig bewiesen
wird.

Werden diese Fehler mit der Absicht zu täuschen gemacht, so spricht man
von _Erschleichung_ (%subreptio%).


4. Der Fortschritt der Wissenschaft.


§ 70. Die verschiedenen Methoden.

Durch Erklärungen und Einteilungen wird das Verhältnis der Begriffe
zueinander geordnet, durch den Beweis der logische Zusammenhang zwischen
den Urteilen hergestellt; damit ist gezeigt, _wie gegebene Elemente
wissenschaftlich verarbeitet werden_.

Die Wissenschaft begnügt sich aber nicht mit dem Gewonnenen, sondern
_sie schreitet fort_; es erhebt sich also noch die Frage, welche
Methoden sie anwendet, um zu _neuen Erkenntnissen_ zu gelangen. Hier
sind folgende Wege möglich:

1. Man geht aus _vom einzelnen tatsächlich Gegebenen_, das man
beobachten kann, und sucht _daraus allgemeine Sätze_ zu gewinnen. Dies
ist das _induktive_ Verfahren.

2. Man geht aus _von den allgemeinen Sätzen_, die man schon gewonnen
hat, und sucht durch logische Verarbeitung derselben neue _Aufschlüsse
über das Besondere und Einzelne_ zu gewinnen. Dies ist das _deduktive_
Verfahren.

3. Der eigentliche Fortschritt der Wissenschaft findet aber nur _in der
Verbindung beider Methoden_, der Induktion und Deduktion, statt, wie sie
besonders die _Hypothese darstellt_.

4. Die Art endlich, wie die _Wissenschaft als Ganzes_ fortschreitet, ist
bestimmt durch _das logische Ideal des Systems_.


§ 71. Das induktive Verfahren.

Die Induktion als einfacher Schluß wurde schon in der Elementarlehre
behandelt (§ 61). Die _wichtigsten Leistungen der induktiven Methode_
sind folgende:

1. Die Induktion führt zur _Bildung realgültiger Begriffe_. Unsere
Begriffe sind zunächst nur _subjektive Gebilde_ und bedürfen der
fortwährenden Verbesserung durch neue Wahrnehmungen. Wenn wir einen
Gegenstand wahrnehmen, der zwar unter einen von uns schon gebildeten
Begriff fällt, aber ein Merkmal zeigt, das wir in diesen Begriff noch
nicht aufgenommen haben, so tritt die Frage an uns heran, ob dieses
Merkmal mit dem Begriff _notwendig zusammengehört oder nicht_. Wir
werden zu diesem Zweck darauf achten, ob sich an allen Gegenständen,
die unter diesen Begriff fallen, das neue Merkmal findet, und je
häufiger dies der Fall ist, mit um so größerer Wahrscheinlichkeit werden
wir die Frage der Zusammengehörigkeit bejahen können. Auf diesem Wege
können unsere subjektiven Begriffe allmählich zu Wesensbegriffen werden,
die der Wirklichkeit entsprechen. In der beschriebenen Weise wird z. B.
derjenige verfahren, der zum Begriff der Schlange das ihm neue Merkmal
der gespaltenen Zunge hinzufügen muß.

Nun zeigt aber die _Tatsache der Veränderung_, daß die Notwendigkeit,
welche die Merkmale der Dinge zusammenhält, doch keine unbedingte ist,
es müßte denn _die Veränderung selbst nach notwendigen Gesetzen_ vor
sich gehen, und zwar entweder als eine Entwickelung aus dem Wesen der
Dinge selbst heraus, wie bei den organischen Wesen, oder _durch äußere
Ursachen_ veranlaßt. Die logische Behandlung der letzteren ist eine
weitere Hauptaufgabe der Induktion.

2. Wir gewinnen durch Induktion _allgemeine Sätze über das Wirken von
Ursachen_. Besonders diese Seite der Induktion hat durch _J. St. Mill_
eine grundlegende Bearbeitung erfahren.

Es ist die _gewöhnliche Vorstellung_, daß wir das Wirken von Ursachen
ebenso wie irgend etwas anderes unmittelbar wahrnehmen. In Wirklichkeit
beobachten wir nur, daß eine Veränderung auf eine andere folgt.
Explodiert eine Granate in dem Augenblick, in welchem jemand sie
berührt, um sie wegzuwerfen, so ist die Wahrnehmung dieses Vorgangs ganz
dieselbe, ob die Berührung die Ursache der Explosion, oder ob es nur ein
zufälliges Zusammentreffen war. Eine genauere Betrachtung zeigt, daß wir
da ein kausales Verhältnis annehmen, _wo eine Veränderung regelmäßig auf
eine andere folgt_. Es gilt also der Satz: Die _Ursache_ ist das
_regelmäßige %Antecedens%_, die _Wirkung das regelmäßige %Consequens%_.
Wenn jene Explosion unter denselben Umständen regelmäßig erfolgen würde,
so würden wir schließlich die Berührung als Ursache annehmen. Damit aber
nicht auch die Nacht als Ursache des Tages angesehen werde, fügt Mill
hinzu, das Consequens müsse dem %Antecedens% _unbedingt_, d. h. unabhängig
von irgend welchen andern bedingenden Umständen, z. B. von dem Aufgang
der Sonne, folgen.

Um von dieser Grundlage aus auf wissenschaftlichem Wege sichere Gesetze
über das Wirken von Ursachen zu gewinnen, stellt Mill _zwei
Hauptmethoden_ auf, die Methode der Übereinstimmung und die Methode der
Differenz.

Die _Methode der Übereinstimmung_ wird von ihm in folgendem „Kanon”
zusammengefaßt: „Wenn zwei oder mehr Instanzen des zu erforschenden
Phänomens nur einen Umstand gemein haben, so ist der Umstand, in dem
allein alle Instanzen übereinstimmen, die Ursache (oder Wirkung) des
gegebenen Phänomens.”

Bezeichnen wir das Antecedens mit großen und das entsprechende
Consequens mit kleinen Buchstaben, so ergibt sich folgendes Schema:

                              A B C  a b c
                              A D E  a d e
                              A F G  a f g

Da B C D E F G nicht jedesmal dabei sind, wenn a auf A folgt, so können
sie jedenfalls nicht die Ursachen sein, also muß es A sein. Die Wirkung
a sei z. B. Kristallisation. Wir vergleichen Fälle, in denen Körper
kristallinisches Gefüge annehmen, aber sonst in nichts übereinstimmen;
zeigt sich, daß sie nur _ein_ Antecedens gemeinsam haben, nämlich:
Ablagerung eines festen Stoffes aus einem flüssigen Zustand, so
schließen wir, daß das Festwerden einer Substanz aus einem flüssigen
Zustand ein unabänderlich vorangehender Umstand seiner Kristallisation
ist.

Die _Methode der Differenz_ wird von Mill folgendermaßen gefaßt:

„Wenn eine Instanz, in der das zu erforschende Phänomen eintritt, und
eine Instanz, in der es nicht eintritt, jeden Umstand bis auf einen
gemein haben, indem dieser eine nur in der ersteren vorhanden ist: so
ist der Umstand, in dem die beiden Instanzen voneinander abweichen, die
Wirkung oder die Ursache oder ein unentbehrlicher Teil der Ursache des
Phänomens.”

Hier werden also zwei Fälle verglichen, die sich durch nichts anderes
unterscheiden, als dadurch, daß in dem einen A und a gegenwärtig ist und
in dem andern fehlt, nach dem Schema:

                                B C   b c
                              A B C a b c

Wenn jemand durchs Herz geschossen wird, so wissen wir, daß es der Schuß
war, der ihn tötete, weil er unmittelbar vorher noch in der Vollkraft
des Lebens war und als neues %Antecedens% A nur die Wunde hinzukam. Die
Wirkung a, der Tod, die ebenfalls neu hinzukam, muß deshalb durch A
bewirkt sein.

Dieses Hinzutreten eines neuen Elements mit darauffolgender Wirkung kann
leicht auch künstlich zustande gebracht werden. Die Differenzmethode ist
daher vorzugsweise die Methode des _Experiments_.

Mill unterscheidet dann noch eine vereinigte Übereinstimmungs- und
Unterschiedsmethode, eine Methode der Rückstände und eine Methode der
Begleitveränderungen.

3. Die Induktion führt auch zu _bloß empirischen Gesetzen_, die keinen
ursächlichen Zusammenhang, sondern nur ein tatsächliches Geschehen oder
regelmäßige Zusammenhänge verschiedener Vorgänge aussagen, z. B., daß
ein frei fallender Körper Räume beschreibt, die den Quadraten der Zeit
proportional sind, oder daß Ebbe und Flut in regelmäßigen
Zeitabschnitten wechseln. Es ist freilich die _Aufgabe der
Wissenschaft_, auch diese zunächst empirischen Gesetze auf kausale
Zusammenhänge zurückzuführen.

4. Durch die _generalisierende Induktion_ gelangt man _von spezielleren
Gesetzen zu allgemeineren_. Wenn A B C übereinstimmend das Prädikat P
haben, so wird geschlossen, daß dies seinen Grund in gewissen
gemeinsamen Merkmalen E und F habe; aus diesen Merkmalen E und F wird
dann der höhere Gattungsbegriff gebildet und angenommen, daß alle
Gegenstände, die unter denselben fallen, das Prädikat P haben müssen. So
gelangt man z. B. zu dem allgemeinen Gesetz, daß alle Körper, die
schwerer sind als Wasser, im Wasser untersinken. Dabei wird allerdings
eine über die Erfahrung hinausgehende Voraussetzung gemacht, nämlich
die, daß aus übereinstimmenden Gründen auch übereinstimmende Folgen
fließen.


§ 72. Das deduktive Verfahren.

_Die Deduktion steigt vom Allgemeinen zum Besonderen und Einzelnen
herab_: teils setzt sie die gewonnenen allgemeinen Begriffe und
Wahrheiten in Beziehung zueinander und gewinnt daraus _neue allgemeine
Erkenntnisse_, wie dies in ausgedehntem Maße die Mathematik tut; teils
leitet sie aus den erkannten allgemeinen Gesetzen die _einzelnen
tatsächlichen Erscheinungen_ ab. Es ist daher hauptsächlich die Aufgabe
der Deduktion, _die gegebene wirkliche Welt aus Gesetzen zu erklären_.
Dies geschieht durch einfache Syllogismen, welche den gegebenen Fall als
Folge eines oder mehrerer bekannter Gesetze darstellen. So erklärt sie
z. B. die Tatsache, daß eine Flasche, in der Wasser gefriert,
zerspringt, aus dem Gesetz, daß Wasser beim Gefrieren sich ausdehnt, und
aus dem andern, daß das Glas wegen seiner Sprödigkeit sich nicht
ausdehnen kann. Auf demselben deduktiven Wege, durch Ableitung aus einer
Reihe von bereits feststehenden physikalischen Gesetzen wäre z. B. die
mechanische Leistung einer Lokomotive zu erklären.


§ 73. Die Verbindung von Induktion und Deduktion und die Hypothese.

Aus einer Betrachtung der Induktion und der Deduktion folgt unmittelbar,
daß _sie einander nicht entbehren können_. Die Deduktion geht aus von
allgemeinen Sätzen und bedarf deshalb der Induktion, die allgemeine
Sätze findet. Die Induktion führt nur zu einem höheren Grade von
Wahrscheinlichkeit und bedarf einer fortwährenden Prüfung ihrer
Resultate. Dies geschieht am besten dadurch, daß man aus den allgemeinen
Sätzen, die durch Induktion gewonnen sind, nun zur Probe für ihre
Richtigkeit versucht, deduktiv das Einzelne daraus zu erklären.

Das Hauptmittel, diese Verbindung beider Methoden für die Wissenschaft
fruchtbar zu machen, ist die _Hypothese_. Die Hypothese _ist die
vorläufige Annahme der Wahrheit eines Satzes zum Zweck ihrer Prüfung an
den daraus abgeleiteten Folgen_. Jede einzelne Folgerung aus der
Hypothese, die formell richtig abgeleitet ist, aber mit den Tatsachen
oder anderen wahren Sätzen in Widerspruch steht, beweist die
_Unwahrheit der Hypothese_. Jede Folge, die materiale Wahrheit hat,
führt aber nur zu _größerer Wahrscheinlichkeit_, die sich allerdings der
vollen Gewißheit nähern kann. Die Hypothese ist ferner um so
wahrscheinlicher, je einfacher sie ist und je weniger sie
_Hilfshypothesen_ braucht. Die Hypothese erlangt Gewißheit und wird zur
_Theorie_, wenn es gelingt, sie als das einzig mögliche Mittel zur
Erklärung aller in Betracht kommenden Tatsachen nachzuweisen oder sie
von bereits anerkannten Sätzen abzuleiten.

Die _Entwickelung der Wissenschaft_ geht _immer durch Hypothesen
hindurch_. Dies zeigt z. B. die ganze Geschichte der Astronomie;
Hypothesen sind ferner die philologischen Konjekturen, die Versuche zur
Erklärung des Lichtes, die Entwicklungslehre Darwins, die Diagnose des
Arztes.


§ 74. Das System.

_Das System ist die Verbindung zusammengehöriger Erkenntnisse zu einem
logisch geordneten Ganzen._ Die _Wissenschaft_ ist die Zusammenfassung
der in irgend einem Zeitpunkt erreichten gleichartigen Erkenntnisse in
der Form dieser Verbindung. Wäre die Wissenschaft als System vollendet,
so müßte einerseits eine _vollkommene Klassifikation_, anderseits eine
_vollkommene Deduktion_ erreicht sein. Die _Gesamtheit der Begriffe_
müßte eine _Pyramide_ darstellen, deren Spitze der höchste Begriff,
deren Grundlage die untersten Arten bilden würden, die selbst die
gesamte wirkliche Welt umfaßten. Die Deduktion aber würde alle _wahren
Urteile_ durch _ein System von Schlüssen_, durch eine Kette von Beweisen
verbinden, die in ununterbrochener Reihenfolge zu den letzten
Prämissen, zu den Axiomen zurückführen würden.

Die Wissenschaften sind noch weit von diesem _logischen Ideal_ entfernt,
aber sie werden dasselbe _nicht entbehren können_, wenn sie nicht in
Einseitigkeit verfallen wollen, ob es nun als erreichbar gilt oder
nicht, ob es nur als regulatives Prinzip, oder als wirkliches Ziel
angesehen wird. Der Geist der Zeit, die Hegemonie der Naturwissenschaft
hat _die von unten aufbauende Methode in den Vordergrund gestellt_, und
mit Recht wenden sich die besten Kräfte der genauen Erforschung der
Erfahrungswelt zu, aber die wissenschaftliche Arbeitsteilung droht das
Ganze der Wissenschaft und der Wissenschaften in lauter kleine und
kleinste Teile zu zersplittern: es ist die _Aufgabe der Philosophie_, das
Bewußtsein wach zu erhalten, _daß die Wissenschaft nur als Ganzes ihren
Zweck erfüllt_, und daß sie das nur kann, solange sie den Gedanken
festhält, wenn auch nur als leitenden Grundsatz, daß die
wissenschaftliche Arbeit _von unten_ und die _von oben her_ einmal
_zusammenkommen_ müssen.



Literatur.


A. Einleitung in die Philosophie:

_Külpe_, O., Einleitung in die Philosophie. 2. Aufl. 1898.

_Paulsen_, F., Einleitung in die Philosophie. 6. Aufl. 1900.

_Volkelt_, I., Vorträge zur Einführung in die Philosophie der Gegenwart.
1892.

_Windelband_, W., Präludien, Aufsätze und Reden zur Einleitung in die
Philosophie. 2. Aufl. 1903.

_Wundt_, W., Einleitung in die Philosophie. 1901.


B. Geschichte der Philosophie.[A]


I. Geschichte der Philosophie überhaupt:

_Bergmann_, J., Geschichte der Philosophie. 2 Bände. 1892/93.

_Erdmann_, J., Grundriß der Geschichte der Philosophie. 2 Bde. 4. Aufl.
1895/96.

_Eucken_, R., Die Lebensanschauungen der großen Denker. 3. Aufl. 1899.

_Rehmke_, J., Grundriß der Geschichte der Philosophie. 1896.

_Überweg-Heinze_, Grundriß der Geschichte der Philosophie. 4 Bde. 8.
Aufl. 1894-97.

_Windelband_, W., Geschichte der Philosophie. 2. Aufl. 1900.

  [A] Die Titel derjenigen Bücher von B bis D, welche neben dem
  beginnenden Studium der Originalwerke der klassischen Philosophen zur
  weiteren Einführung und zur Vorbereitung auf die großen systematischen
  Werke wegen ihrer größeren Verständlichkeit sich eignen, sind
  _gesperrt gedruckt_.


II. Alte Philosophie:

_Deussen_, Allgemeine Geschichte der Philosophie. Bd. I und II 1894/99
(Indische Philosophie).

_Gomperz_, Th., Griechische Denker. Geschichte der antiken Philosophie.
Bd. I und II. 1901.

_Zeller_, E., Die Philosophie der Griechen. 5 Bde. 3.-5. Aufl. 1879-92.

    „     „   _Grundriß der Geschichte der griechischen Philosophie_.
5. Aufl. 1898.


III. Neuere Philosophie:

_Falckenberg_, R., _Geschichte der neueren Philosophie von Nikolaus von
Kues bis zur Gegenwart_. 3. Aufl. 1898.

_Fischer_, K., _Geschichte der neueren Philosophie_. 9 Bde. 4. Aufl.
1897-1901.

_Höffding_, G., Geschichte der neueren Philosophie. 1895/96.

_Windelband_, W., _Die Geschichte der neueren Philosophie_. 2 Bde. 2.
Aufl. 1899.


C. Psychologie:

_Ebbinghaus_, H., Grundzüge der Psychologie. Bd. I. 1901.

_Höffding_, H., _Psychologie in Umrissen_. 3. deutsche Ausgabe. 1901.

_Höfler_, A., Psychologie. 1897.

_Jodl_, F., Lehrbuch der Psychologie. 2. Aufl. 1903.

_Külpe_, O., Grundriß der Psychologie. 1893.

_Lipps_, Th., Grundtatsachen des Seelenlebens. 1883.

_Lotze_, H., _Grundzüge der Psychologie_. 4. Aufl. 1889.

   „     „   Mikrokosmus. 3. Aufl. 1876 ff. Bd. II.

_Volkmann_, A. W., Lehrbuch der Psychologie. 2 Bde. 4. Aufl. 1894/95.

_Wundt_, W., _Vorlesungen über die Menschen- und Tierseele_. 3. Aufl.
1897.

   „     „  Grundriß der Psychologie. 4. Aufl. 1901.

   „     „  Grundzüge der physiologischen Psychologie. 5. Aufl. 1902.
Bd. I und II.

   „     „  Völkerpsychologie. 1900. Bd. I u. II (die Sprache).

_Ziehen_, Th., Leitfaden der physiologischen Psychologie. 5. Aufl. 1900.


D. Logik:

_Erdmann_, B., Logik. Bd. I. 1892.

_Lipps_, Th., _Grundzüge der Logik._ 1893.

_Lotze_, H., Logik. 2. Aufl. 1880.

_Mill_, J. St., System der deduktiven und induktiven Logik. Deutsch von
Schiel. 3 Bde. 4. Aufl. 1877.

_Sigwart_, Ch., _Logik_. 2 Bde. 2. Aufl. 1889/93.

_Überweg_, F., System der Logik und Geschichte der logischen Lehren. 5.
Aufl. 1882.

_Wundt_, W., Logik. 3 Bde. 2. Aufl. 1893/95.

       *       *       *       *       *

Weitere Werke des Verfassers vorliegender Psychologie und Logik:

_Elsenhans_, Th., Wesen und Entstehung des Gewissens. 1894.

      „       „   Selbstbeobachtung und Experiment in der Psychologie.
1897.

      „       „   Das Kant-Friesische Problem. 1902.



Namen- und Sachregister.


Affekt 44.

Alpdrücken 27.

Analogieschluß 122 f.

Anaxagoras 9.

Äquipollenz 94.

Aristoteles 9. 103.

Assoziation 28. 31. 66.

Ästhetik 8.

Ästhetische Gefühle 42 f.

Atomisten 9.

Aufmerksamkeit 30. 68.

Ausdrucksbewegungen 59.

Axiome 129.


Baco 10.

Begierde 55.

Begriff 33. 69 f.;
  Merkmale des B. 70;
  Arten der B. 72 ff.;
  Umfang des B. 71 f. 128.

Begriffsbestimmung 124 ff.

Beneke 111.

Bergmann 140.

Bewegungen 66;
  unwillkürliche B. 53 f.

Beweis 129 ff.


Charakter 63. 67.


Deduktion 136 ff.

Definition 124 ff.

Denken 33.

Descartes 10. 16.

Determination 127.

Determinismus 58.

Deussen 141.

Deutlichkeit 72.


Ebbinghaus 141.

Eigennamen 33.

Einheit des Bewußtseins 18 f.

Einteilung 126 ff.

Eleaten 9.

Elsenhans 142.

Empfindung 21 ff.

Empirismus 10.

Enge des Bewußtseins 29.

Entfernung 36 f. 62. 66.

Enthymem 117.

Entschluß 56.

Epicherem 117.

Epikureer 10.

Erdmann, B. 142.

 „   „   J. 140.

Erkennen 33. 64. 68.

Erkenntnistheorie 68.

Ethik 8.

Euathlus, Sophisma des E. 120.

Eucken 140.


Falckenberg 141.

Fehlschlüsse 118 ff.

Fichte 10.

Fischer, K. 141.


Galenus 99.

Gall 20.

Gebärden 59.

Gedächtnis 30 f.

Gefühl 39 f. 64 f.;
  Verlauf der G. 44;
  Abstumpfung der G. 45;
  Verstärkung der G. 45.;
  gemischte G. 46;
  Bedeutung der G. 50 ff.

Gefühlston 40.

Gehen 63.

Geisteskrankheit 19.

Gemeinvorstellung 32.

Gemüt 44.

Geruch 39.

Geschmack 39.

Gesinnung 44.

Gewohnheit 62 f.

Gomperz 141.

Grundgesetze des Denkens 85 ff.


Hegel 11.

Heinze 140.

Heraklit 9.

Herbart 11. 16. 27.

Höffding 141.

Höfler 141.

Hörzentrum 20.

Hume 10.

Hypothese 137 f.

Hypothetisches Urteil 77 ff. 85-93. 97.


Idealismus 11.

Ideenassoziation 28 f.

Indeterminismus 58.

Individualbegriff 32.

Individualvorstellung 32.

Induktion 98. 132 ff.

Induktionsschluß 121 f.

Instinkt 54.

Intellektuelle Gefühle 42.

Jodl 141.


Kant 10. 25.

Kausalität 39.

Kettenschluß 118.

Klarheit 72.

Kontradiktorischer Gegensatz 73.

Kontraposition 92 f. 97.

Konträrer Gegensatz 73 f.

Konversion 90 ff. 97.

Külpe 140. 141.


Lachen 59.

Lebensgefühl 46 f.

Leibniz 10. 16.

Leidenschaft 44.

Lipps, Th. 141. 142.

Locke 10.

Logik 8. 13. 66 ff.

Lokalisationstheorie 20.

Lokalzeichen 38.

Lotze 11. 16. 38. 111. 141. 142.


Materialismus 11. 16. 19.

Metaphysik 8.

Mill, J. St. 10. 112. 133 ff. 142.

Mitgefühl 49 f.

Mittelbegriff 98.

Modale Konsequenz 96.

Motiv 56.

Motorisches Zentrum 20.

Müller, Joh. 23.


Nachahmungsbewegung 55.

Nachbilder 24.

Nervensystem 19 f.

Neukantianismus 11.

Neuplatoniker 10.


Oberbegriff 98.

Opposition 94 ff.


Parallaxe 37.

Partialgefühle 45.

Paulsen 140.

Pessimismus 11. 40.

Petrus Hispanus 103.

Physiologische Psychologie 15.

Physiologische Zeit 53.

Plato 9.

Positivismus 11.

Prämissen 98.

Psychologie 12. 14 f.

Phytagoreer 9.


Rationalismus 10.

Raumvorstellung 36 f.

Reflexbewegungen 53.

Reflexhemmungen 54.

Rehmke 140.

Religion 8 f.

Religiöse Gefühle 43.

Reproduktion 30.


Schauspielkunst 61.

Schelling 11.

Schluß 33 f. 85 ff.

Schlußfiguren 103 ff.

Schmerz 41.

Scholastiker 103.

Schopenhauer 11. 25.

Schrift 61.

Seelenvermögen 20 f.

Seele und Körper 16 f.

Sehzentrum 20.

Selbstgefühl 49 f.

Sigwart 111. 142.

Sinnesenergie, spezifische 23.

Sinnestäuschungen 12.

Sittliche Gefühle 43.

Sokrates 9.

Sophisten 9.

Sorites 118.

Spencer 10.

Spinoza 10.

Spiritualismus 16.

Sprache 32 f. 60 f.

Stimmung 47.

Stoiker 10.

Subalternation 93 f.

Syllogismus 98 ff. 110 ff.

System 138 f.


Temperamente 48.

Thales 9.

Tiefenvorstellung 38.

Totalgefühle 45.

Trauer 69.

Traumzustand 27.

Trendelenburg 11.

Trieb 55 f.

Trugschlüsse 118 ff.


Überweg 140. 142.

Übung 29. 31. 62.

Umwandlung der Relation 93.

Unbewußte Zustände 27.

Unterbegriff 98.

Urteil 33 f. 74 ff.;
  Einteilung der U. 75 ff.;
  analytische u. synthetische 88 ff.

Urteilsarten 81 ff.


Vernunft 34.

Verstand 34.

Volkelt 140.

Volkmann 141.

Vorsatz 56.

Vorstellung 24 f. 32.

Vorstellungsverlauf 25 ff.


Wahrnehmung 24 f.

Webersches Gesetz 23.

Widerlegung 130.

Wiederholung 66.

Wille 52 ff.; 65 f.

Willenszeit 54.

Windelband 140. 141.

Witz 59.

Wortblindheit 24.

Wundt 49. 111. 140. 142.

Wunsch 56.


Zeitvorstellung 35 f.

Zeller, E. 141.

Zerstreutheit 30.

Ziehen 142.

Zirkel 126.

Zorn 65.





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