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Title: Der Untergang der Deutschen Juden - Eine Volkswirtschaftliche Studie
Author: Theilhaber, Felix A. (Felix Aaron)
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Der Untergang der Deutschen Juden - Eine Volkswirtschaftliche Studie" ***


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  | sich am Ende des Texts.                                          |
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                        $FELIX A. THEILHABER$

                          $DER UNTERGANG$
                                DER
                         $DEUTSCHEN JUDEN$

                  Eine volkswirtschaftliche Studie.


              _2. veränderte Auflage / 3. bis 4. Tausend_

                                1921

                     $JÜDISCHER VERLAG / BERLIN$


              _Copyright 1921 by Jüdischer Verlag, Berlin_
              _Druck von Zahn & Baendel, Kirchhain N.-L._
              _Einbandzeichnung von Menachem Birnbaum_



$INHALT.$


  VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE                                          5


  KAPITEL I. Einführung                                                7

      Ueberblick über die Sexualverhältnisse der alten Welt. Die
      Grundlagen und die Bedeutung der jüdischen
      Geschlechts-Ethik. Ehe, Frühehe und Kinderreichtum als
      religiöses Postulat. Ihre strikte Durchführung im
      Mittelalter. Fruchtbarkeit und Profetie. Der Gedanke der
      Auserwähltheit. Einwirkung auf unsere Zeit.
      Hoffnungsfreudigkeit der Offiziellen.
      Beschwichtigungs-Manöver der jüdischen Statistiker. Die
      Auflösungsprozesse in der Geschichte des Volkes Israel. Der
      Untergang der 10 Stämme. Die Vertreibung in Spanien. Die
      Zersetzung in Westeuropa. Die Sexualfrage bei den Juden --
      ein Indikator der allgemeinen Wissenschaft.


  KAPITEL II. Ueberblick über die Geschichte der
      Juden in Deutschland                                            37

      Die erste Assimilationsperiode im Mittelalter. Die
      Judenverfolgungen. Intensivierung des jüdischen Gedankens.
      Naturnotwendigkeit einer großen Fruchtbarkeit. Die
      Emanzipation und ihre Folgen. Versagen der religiösen
      Sexualgebote.


  KAPITEL III. Die Bevölkerungsentwicklung im Reich                   44

      Fruchtbarkeit und Judenfeindschaft. Auswanderungsfragen.
      Sinkender Anteil der deutschen Juden. Minderung in
      Süddeutschland. Stagnation in den Hansastädten. Zunahme in
      Sachsen. Die Volksvermehrung in Preußen und die Ostjuden.


  KAPITEL IV. Das Wanderungsproblem                                   56

      Das Versiegen des flachen Landes. Die verlorene Ostmark. Der
      Abgang in den Provinzen. Der Zug nach dem Westen. Die
      Dezimierung der Kleinstädte. Der Rückgang in den
      Großstädten. Großstadtfolgen.


  KAPITEL V. Das Sexualproblem                                        73

      Allgemeine Gesetze. Einwirkungen des Kapitals. Ehe und
      wirtschaftlicher Aufstieg. Spätehe. Unehelichkeit. Sexuelle
      Freiheit des Mannes. Die Gleichstellung der Frau.


  KAPITEL VI. Die Eheschliessung                                      82

      Liebe und Oekonomie. Die bürgerliche Liebe. Besonderheiten
      der jüdischen Ehe.


  KAPITEL VII. Die Geburten bei den Juden                             87

      Rekord der Geburtenbeschränkungen. Das Zweikinder-System.
      Ständig weitere Beschränkung. Abnahme der Juden auf dem
      Lande und in den Städten. Retardierende Momente im
      primitiveren Sexualismus der Eingewanderten. Moloch Berlin.
      Triebkräfte des Neomalthusianismus. Internationale
      Einflüsse. Ausblick in die Zukunft.


  KAPITEL VIII. Die Mortalität                                        98

      Glänzender Stand der Mortalität. Günstige
      Kindersterblichkeit. Ansteigen der Todesfälle. Der
      Wendepunkt.


  KAPITEL IX. Zum Problem des Geburtenüberschusses                   102

      Falsche Berechnungen. Das Stahlbad des Krieges. Der Rückgang
      der Jugendlichen. Die Unterbilanz. Beweise. Die
      Fruchtbarkeitsberechnungen.


  KAPITEL X. Die Austrittsbewegung                                   114

      Die Intelligenz und die Taufe. Der Adel und die Reichen. Die
      Akademiker. Die Taufe als soziale Erscheinung. Idealistische
      Kämpfer. Freidenkertum. Die Kirchensteuer. Das beschnittene
      Judentum.


  KAPITEL XI. Die Mischehe                                           124

      Historische und religiöse Voraussetzungen. Biologische und
      gesellschaftliche Einflüsse. Die Macht der Umgebung.
      Sexuelle Freiheit. Erschütterung der Inzucht. Statistische
      Entwicklung. Verschmelzungsprozesse im Ausland.


  KAPITEL XII. Wirtschaftsprobleme                                   138

      Die Berufsbewegung. Einströmen in die freien Berufe.
      Abströmen von der Landwirtschaft. Verschlechterung der
      Berufsverteilung. Verwachsung mit dem Kapital. Die
      Berufstätigkeit der Frau. Wohlstand und Geburtlichkeit.
      Psychische Einstellung. Die Ausstrahlungen des Kapitalismus.


  KAPITEL XIII. Das Entartungsproblem                                148

      Degenerative Vorgänge, Geisteskrankheiten. Potatorium.
      Geschlechtliche Verseuchung. Militäruntauglichkeit.
      Selbstmord.


  KAPITEL XIV. Uebersicht                                            153

      Mangelnde Geschlechts- und fehlende Geburtenpolitik.
      Evangelium des Rationalismus. Sinkendes Rassebewußtsein.
      Prognose quoad vitam.


  KAPITEL XV. Schluss                                                156

      Optimismus und Pessimismus. Die Bekämpfung des Uebels. Die
      historische Mission des Judentums. Das jüdische Volk.
      Auferstehung.



VORWORT ZUR 2. AUFLAGE.


Anatole France empfiehlt jedem Schriftsteller, seinen Leser beileibe
nicht zu überraschen oder gar zu erschrecken. Das Bestreben, ihn
aufzuklären, würde der brave Leser nur mit dem Geschrei beantworten, man
beschimpfe seinen Glauben. Und letztens versichert er, daß nur der
Schriftsteller, der die bestehenden Gesellschaftsformen preist, sich
allgemeiner Beliebtheit, in Sonderheit der besseren Kreise erfreuen
wird.

Trotz der früheren Vorhaltungen, mit meinen Untersuchungen dem Judentum
zu schaden, und unbeachtet der Vorstellungen, die Statistik und die
Nationalökonomie absolut nicht zu beherrschen, habe ich mich
entschlossen, dieses Buch in noch schärferer Fassung aufzulegen. Die
Erniedrigungen und Enttäuschungen, die ich Jahre lang vor dem ersten
Erscheinen mit Verlegern und jüdischen Organisationen erlebte, ließen
mich in dem Vorwort der ersten Auflage den Kampf erahnen, der sich an
das Erscheinen des Buches knüpfen würde. Leider hat dieser sich mehr an
meine Person als an die Sache selbst gewandt. John Ruskin sagte ja
bereits den Juden nach, daß sie alles, was sich gegen ihre Religion
wende, als Aergernis (die Griechen als Torheit) empfänden. Ich fürchte
nunmehr erst recht ein öffentliches Aergernis zu erregen. „Aber
Aergernis hin -- Aergernis her, es ärgere sich die ganze oder halbe
Welt” meinte der Wittenberger und tröstete sich vermutlich mit einem
Wort Eckhardts: „Wer diese Predigt verstanden hat, dem gönne ich es
wohl; wenn sie aber auch niemand verstanden hätte, dann würde ich sie
dem Opferstocke gehalten haben.” -- --

Mir ist beim Niederschreiben nicht nur die Feder heiß geworden, und ich
bin der Zeit dankbar, in der ich Problemen, die mich seit vielen Jahren
bewegten, wissenschaftlich nachgehen konnte.

$Wilmersdorf$, im Jahre 1920.

                                                  $Felix A. Theilhaber.$



KAPITEL I. EINFÜHRUNG.

                                    _„Wir haben es noch nicht erlebt:
                                    folglich ist es unmöglich -- ist
                                    kein logischer Schluss,” lehrt der
                                    Talmud._ --

                                            _Edijoth M. II., 2.
                                            Ordnung Neziqim_


Der Orient gilt als die Wiege der Zivilisation. Wir kennen seine
Geschichte, seine Religionen, seine schönen Künste und Wissenschaften.
Und nur der Verfall der alten Staaten ist in ein mystisches Halbdunkel
gehüllt. In dem Buche, „$das sterile Berlin$” glaubte ich den
Untergang des Imperium Romanum auf $bevölkerungspolitische Vorgänge$
zurückführen zu können. Die Erhaltung dagegen des einzigen Kulturvolkes
des Altertums -- nämlich der Juden -- erscheint uns ebenso mit ihren
sexualhygienischen Institutionen und Gewohnheiten verbunden zu sein.
Gewiß bei vielen alten Völkern zeigen sich bereits Ansätze, dem
Bevölkerungsproblem näher zu treten. Aber wie sahen diese auch aus!
Solon begann sein Werk mit der Errichtung eines großen Bordells, für
das im Auslande Sklavinnen gekauft wurden. Die neue Staatsanstalt,
deren Hausordnung amtlich publiziert wurde, unterstand einer eigenen
Gottheit, der Venus Pandemos. Und selbst Lykurg hat sein gepriesenes
System, das „$ein Volk von Kriegern$” heranzüchten sollte, mit der
Vernichtung aller anscheinend schwächlichen Kinder eingeleitet. Mit der
Austilgung von bereits geborenen, lebenden menschlichen Wesen! „Ihr
sollt mir sein $ein Volk von Priestern$”, betonte Moses dagegen.
Diese Forderung knüpft an moralische Prinzipien an. Selbst die alten
Geschichten, die in der Bibel vorkommen und in denen uralte sexuelle
Erlebnisse nachklingen, werden solange retouchiert und überzeichnet,
bis sie in das System der neuen $sittlichen Weltordnung$ hineinpassen
(Adam und Eva, Noah, Abraham usw.). Die Bibel hat nicht die reine
Fantasie des Gilgameschepos und weiß nichts von der Tendenzlosigkeit
farbenprächtiger homerischer Erzählungskunst. Das jüdische Schriftwerk
hat keinen Selbstzweck. Es ist nicht Kunst und auch nicht Wissenschaft
im eigentlichen Sinne. Alle Disziplinen sind Mittel geworden in der
großen Aufgabe, das moralische Handeln des Individuums und des Volkes
durch ethische Verankerungen zu lenken, klare sittliche Voraussetzungen
für alles Denken und Trachten zu schaffen.

Diese neue Einstellung des jüdischen Volkes verleugnet nicht manche
Abhängigkeit von früheren und gleichzeitigen Kulturwerten anderer
Völker. Solche Übergänge finden sich auch in der Sexualsphäre.

Mir erscheint sogar die Beschneidung die Ablösung der Opferung von
Kindern, wie sie die vorderasiatische Welt dem Moloch, dem Gott des
Sadistentums, zollte, darzustellen. Viele Gebräuche können den Einfluß
der Umwelt auf die Juden nicht verwischen. Nur natürlich. Bestand das
jüdische Volk doch aus jungen, kaum geeinten Stämmen, die sich in einem
kleinen Lande zwischen alten Kulturvölkern auf einem Terrain 1/100 so
groß wie Deutschland niederließen, und auf viele technische, ökonomische
und geistige Güter der Nachbarn angewiesen waren. Nach Dr. Fink schreibt
auch der Talmud Synhedr. 63 es der Sinnenlust der Juden zu, daß sie sich
den fremden Götzen zuwandten. Vor allem lockten die mystischen
Opferfeste, die erotischen Exzesse, der Phallusdienst, das breit
ausladende Hetärentum und die männlichen Hierodulen -- alles Kult, der
sich an den Dienst der Göttin Astarte knüpfte. Wankelmütige,
prunkliebende, lüsterne Fürsten beherrschten damals das kleine jüdische
Volk, das sich der immer wachsenden Bedrohung und Gefahren von außen und
innen kaum erwehren konnte.

Da stipulierte eine kleine Zahl von Volksfreunden -- die Propheten --
die gesunde Fortpflanzung als sittliche Tat, $als den kategorischen
Imperativ des Judentums$. Große neue Kulturbewegungen suchten die
eigenartige Entwicklung im Keime zu ersticken. Nach dem Abklingen der
vorderasiatischen und ägyptischen Kulturperiode ward im jüdischen Volk
die großhellenistisch-römische Weltanschauung propagiert, nicht nur von
den Reichen und Mächtigen der Welt, getragen nicht allein von den Waffen
der allbeherrschenden Siebenhügelstadt und von den Handelsherren Asiens
und Afrikas, sondern von jüdischen Priestern und von jüdischen Fürsten
selbst. Gleichwohl bauten hunderte von geistigen Führern des Volkes die
jüdische Sexualethik zu einem eigenen, festumrissenen, starren System
aus, das einem überaus klaren Zweck dienen sollte, nämlich das Höchstmaß
der menschlichen Fruchtbarkeit in den Dienst des Volkes zu stellen.
Dieses rabbinische System ist wie aus einem eisernen Guß und nicht voll
der Widersprüche wie z. B. das der alten Römer. Diese hatten neben der
rechtmäßigen Ehe ein privilegiertes Konkubinat, hatten die allgemeine
und religiöse Prostitution, die an die Luperkalien und Florealfeste zu
Ehren der Gottheit anknüpfte. In diese Sittenwelt paßte kein Gesetz wie
die berühmte „lex Julia et Poppaea” hinein, eine Verordnung, die
übrigens in sich widerspruchsvoll und schon deshalb zur
Wirkungslosigkeit verurteilt war. Die Juden hatten es gewissermaßen auch
leichter. Ihre sexualhygienischen Theorien, die vielleicht stärkere
Bande mit der „Staatsraison” verbinden als sich auf den ersten Blick
vermuten läßt, hängen direkt mit den religiösen Ideen zusammen. Und
diese Vorstellung von Gott und der Welt sind nun einmal viel
differenziertere als bei den anderen Völkern des Altertums. Der Kampf
um diese Weltanschauung erschüttert das Volk bereits, bevor ihr Staat
der Auflösung verfällt. Und der Extrakt der Gedankenwelt aller geistigen
Kräfte steht in Harmonie mit den Lehren der ersten babylonischen
Gefangenschaft und den übrigen Erlebnissen. Nur die Fülle der
Fruchtbarkeit wird das Volk erhalten. Und der gesunde Volksinstinkt
schafft daraus ein System, das zwei Jahrtausenden stand gehalten hat.
Seine Wurzeln fußen in unzähligen Ausführungs-Bestimmungen, in
vielfältigen Spekulationen praktischer Lebensklugheit und Realität
bejahender Vorkehrungen, die Sexos $in den Dienst Gottes und des Volkes
bis zur letzten Konsequenz$ stellen.

$Die Geschichte des jüdischen Volkes, die wunderbare Erhaltung ihrer
Existenz kann nicht ohne diese sexuellen Einrichtungen begriffen
werden.$ Diese billige Erkenntnis wurde noch nicht klar von den
Forschern ausgesprochen, wenn auch alle Wissenschaftler den einer
starken Zeugung dienenden Sexualismus als einen der hervorstechendsten
Züge des jüdischen Volkscharakters anerkannten.

„Mehr als allen anderen Völkern gilt den Juden männlicher Nachwuchs
als ehrenvoll und Unfruchtbarkeit als Fluch. Schaff mir Kinder, wo
nicht, so sterbe ich!” ruft die Allmutter Israels Rahel zu Jakob.
„Rahels Lehre war allen Jüdinnen heilig,” urteilt Dr. $Fritz Kahn$ (in
seinem „Versehen der Schwangeren im Volksglauben”). Der Altmeister der
Volkskunde $Andree$ spricht „von der Erfahrung, die mit dem Eintreten
des Juden in die Geschichte beginnt und eine größere Vermehrungskraft
als bei den meisten anderen Völkern darstellt. Schon in Aegypten
wuchsen die Kinder Israels, zeugten Kinder und mehrten sich und wurden
ihrer so viele, daß ihrer das Land voll ward.”

„$Seid fruchtbar und mehret Euch$” lautet der lapidare Satz, der die
Erotik in den Dienst der Allgemeinheit stellt und das Recht auf die
freie Liebesbetätigung und den Verkehr der Geschlechter dem Zweck der
generativen Politik unterordnet. Eros und Psyche, die das Liebesleben
der Griechen versinnbildlichen, Astarte und Moloch, Merkmale des
vorderasiatischen Sinnenkultes, haben in dem logisch aufgebauten
jüdischen Sexualkodex keinen Raum. Mit Recht knüpfte $Lothar Krupp$ an
die Besprechung der ersten Auflage dieses Buches die Betrachtung an:
„Die wenigen Buchstaben des „Peru-urebu” stellen ein Zauberwort von
unvergleichlicher Gewalt und Stärke dar, als erste Anrede und erstes
Gebot Gottes an das erste Menschenpaar unmittelbar nach dessen
Erschaffung, sogleich am Eingang der heiligen Schrift stehend, wo es mit
seiner Segenfülle Jahrtausende lang dem jüdischen Volke vorschwebte und
groß und stark gemacht, es in Gefahr und Bedrängnis aufrecht erhalten,
so daß man von ihm als dem ewigen Volke fast mit größerem Recht zu
sprechen schien als von der ewigen Stadt ...”.

Poetisch verklärt ist diese Lehre[1] in den Psalmen: „Siehe ein Erbe von
Gott sind Kinder, ein Lohn die Frucht des Leibes.” (Psalm 127), „Wie
Pfeile in der Hand des Helden, so sind der Jugend Söhne. Heil dem Manne,
der seinen Köcher mit ihnen angefüllt hat. Wenn Du deiner Hände Arbeit
genießest, heil Dir und wohl Dir. Dein Weib ist wie die Rebe, blühend im
Innersten Deines Hauses, Deine Kinder wie des Oelbaums Sprößlinge rings
um Deinen Tisch. Siehe also wird der Mann gesegnet, der den Herrn
fürchtet”. (Psalm 128).

Schammaj, der Zeitgenosse Jesus, eine Größe unter den Autoren des
Talmud, betrachtet das Ehegebot als das erste der -- 613 -- jüdischen
Gebote und findet es erst „erfüllt, wenn der Mensch zwei Knaben und zwei
Mädchen das Leben gegeben hat.” Die Voraussetzung der Fruchtbarkeit
scheint den Juden in der Ehe gegeben.

In der orientalischen Ausdrucksweise heißt es dementsprechend im Talmud
(Jebamoth 63) „wer nicht heiratet, ist kein Mensch” und „wird angesehen
wie einer, der einen Menschen umgebracht hat”, „der Ehelose verringert
die Gestalt (d. h. den Machtbereich) der Gottheit”. Die Sprüche Sirachs
geben -- unter den vielen Variationen dieses Gedankens -- das Thema
wieder mit den Worten: „wo kein Zaun ist, wird das Besitztum verwüstet,
$wer keine Frau hat$, irrt unstet umher. Wer wollte Vertrauen schenken
einem bewaffneten Kriegsmann, der von Stadt zu Stadt entspringt? Ebenso
geht es einem Menschen, der keine Heimat hat und einkehrt, wo er abends
hinkommt ...” oder wie es im Sefer Refuot heißt: „Jedermann, der ohne
Frau lebt, lebt ohne Freude, ohne Segen, ohne Glück. Unverheiratet zu
sein, ist ungesund und verderblich für das Denken, darin stimmen alle
Weisen überein” (s. auch Hilekhot deot III. 2, Issure Biach XXI, 112.)

Wer die Fülle dieser heiligen Erklärungen zu Gesicht bekommt, wird ihre
Bedeutung ermessen können für ein Volk, das den Talmud von Jugend auf
studierte, das in den Jahrhunderten der sie umgebenden Unbildung der
Massen in allen und den kleinsten Gemeinden der Lehre, ihrem Studium und
ihrer Auslegung Tag und Nacht ergeben war. Blieben sonst viele der
berühmten Gesetze alter Herrscher nur papierne Verordnungen oder stumpfe
Erlasse in Erz und Stein -- die Bestimmungen des jüdischen Gesetzes,
selbst der mündlichen Ueberlieferung, nahmen Leben an und griffen in das
Tun und Lassen der Volksgenossen ein.

Die größte Fruchtbarkeit ist in der $Frühehe$ nur möglich. Der Talmud
sagt selbst: (Jebamoth 62b) „Wer seine Söhne und Töchter nicht lange
nach der Reifezeit verheiratet, von dem heißt es: sei gewiß, daß Friede
Dein Zelt sein wird”. Das sind aber nicht nur allgemeine schöne
Redensarten. Die praktische Durchführung wird bis ins letzte durchdacht.
Ist kein Bewerber zur Stelle und „ist Deine Tochter reif, so erkläre
Deinen Sklaven für frei und gib sie ihm zur Frau” (Synhed 100b) denn so
heißt es: „Eine Tochter ist zweifelhaftes Gut für den Vater. Aus Sorge
um sie kann er nicht schlafen; wenn sie heranwächst, daß sie buhle; wenn
sie reif ist, daß sie nicht zu verheiraten sei; wenn sie verheiratet
ist, daß sie kinderlos bleibe”. Ketuboth 113 rechnet deshalb die
Ehelosen zu den 8 vor Gott gleichsam Verbannten (ferner Kiduschin 30.
Nedarim 48. Ber. 6. Kidd. 20b Kohel 9.)

Die prägnante Ausführung der Bibel: „$Es ist nicht gut, daß der Mensch
allein sei,$” blieb also bei den Juden nicht nur Literatenweisheit,
nicht nur ein frommer Wunsch der Theologen und Volksfreunde oder gar
eine utopistische Forderung eines regierenden Fürsten. Der eheliche
Umgang wird religiöse und nationale Pflicht, diese Weltanschauung zum
geistigen Besitz des Volkes, zur wirklich gelebten Ethik. Der Schulchan
Aruch,[2] der als der praktische Gesetzkodex der Juden in der neueren
Zeit gelten darf, konnte und mußte daher als praktische Forderung
aufstellen, daß jeder junge Jude spätestens mit 18 Jahren heiraten müsse
und vom 13. Lebensjahre an heiraten könne. Dementsprechend begann auch
sein Abschnitt Eben-ha-Eser, der diese Fragen behandelt, kurz und
bündig: „Jeder Mann ist verpflichtet, eine Frau zu heiraten”.

Aber dieses Gesetz hatte noch eine spezielle Auslegung. Es galt für
besonders rühmlich, die Kinder nicht erst zum spätesten, sondern $zum
frühesten Termin$ zu verheiraten!

Die Herren Geschichtsschreiber, die sich mit dem Wunder der Existenz
Israels abmühen, sind an diesem Problem vorbei gegangen. Sie haben nie
beobachtet, daß der -- wenn wir so sagen dürfen -- elektrisch geladene
Motor, dessen Energien immer neue Kraft und tausendfältiges Leben
weckten, geladen wurde an dieser Quelle. Die Memoiren der guten Mutter
Glückel von Hameln verraten uns, daß nur zwei Jahrhunderte zurück noch
die deutschen Juden im Glauben an das Verdienstvolle ihrer Fruchtbarkeit
ihre Sinnlichkeit und die ganze Kraft ihrer Triebe in den Dienst dieser
heiligen Sache, in die der Vermehrung ihres Volkes stellten. Und alle
Dokumente bezeugen die Tatsächlichkeit dieser Verhältnisse. Salomon
Maimon hat uns in seiner Lebensgeschichte dieselbe grenzenlose Naivität
des jüdischen Ehelebens, wie es von Posen angefangen bis weit nach dem
fernsten Osten gepflogen wurde, geschildert für eine Zeit, die heute um
150 Jahre entfernt liegt. Und noch heute hält sich der rechtgläubige
Ostjude daran.

    Gewiss auch der Talmud verschliesst sich nicht der Erkenntnis, dass
    Geburtenverhütung angezeigt sein könnte. In Hungerjahren darf eine
    Familie mit Kindern eine zeitweise Geburtenverhütung vornehmen. Und
    Jebam 126 sieht diese ferner vor:

      1. für Säugende, die ihr Kind stillten (da ja tatsächlich die
      Muttermilch bei neuer Conzeption leidet und versiegt),

      2. bei Mädchen (die mit 12 Jahren heiraten durften) bis zur Zeit
      ihrer Geschlechtsreife,

      3. für Schwangere, von denen man -- natürlich fälschlich -- eine
      nochmalige Schwängerung fürchtete.

    Diese Ausnahmen haben weder einen besonderen Nachhall gefunden, noch
    konnten sie die stark erregten Vorstellungen des Volkes über das für
    verbrecherisch gehaltene Vorgehen Onans rektifizieren. Die
    Geburteneinschränkung ist keine jüdische Erfindung,
    Neomalthusianismus keine jüdische Einrichtung gewesen.

Hjalmar J. Nordin findet gleichfalls in seiner ausführlichen „Ethik der
Juden zur Zeit Jesu” (Leipzig 1911): „Die Fortpflanzung hatte einen
religiösen Glorienschein.” Vom hohen Wert der Fortpflanzung in der
Meinung der Juden zeugen ungezählte Aussprüche. Im 15. Kap. des Buches
Henoch wird die Fortpflanzung gefordert, da die Menschen sterblich und
vergänglich sind, während die unsterblichen Engel sich nicht
fortzupflanzen brauchen. Tacitus bestätigt bereits damals in Hist. V. 5:
Augenda tamen multitudini consulitur ... hinc $generandi amor$ et
moriendi contemptus. Josephus, der zeitgenössische vertraute jüdische
Historiker, der selbst mindestens dreimal verheiratet war, erklärt
ausdrücklich in der Schrift gegen Apion: „Das Gesetz hat allen
anbefohlen, Kinder zu zeugen” (II. 202). Alle Aussprüche des R. Elieser,
R. Elasar b. Asarja, Ben Assaj, R. Abaji gehen von dem einen festen
Punkte aus: „Die Welt ist nur geschaffen zur Fruchtbarkeit und
Fortpflanzung. Deshalb ist es höchste Menschenpflicht, alles zu meiden,
was die Zeugungsfähigkeit herabsetzt.” Nach Gittin 70a verringern
8 Dinge den Samen: Salz, Hunger, Ausschlag, Weinen, Schlafen auf dem
Felde, Lotus, Cusenta zur Unzeit, Aderlaß unter dem Genitale (Aderlaß
darüber ist doppelt vorteilhaft).

In jener Zeit dürfte die Sitte des Kaddischsagens aufgekommen sein, jene
religiöse Ceremonie, die der älteste Sohn zu Ehren der verstorbenen
Eltern ein Jahr lang täglich verrichtet. Und die Vorstellung keinen
Kaddisch, d. h. keinen Sohn zu besitzen, der die Trauergebete verrichten
kann, hatte für jeden Juden noch bis in unsere Tage etwas ungemein
schmerzliches. Viele Gesetze gehen von derselben Voraussetzung aus, so
daß jede Ehe nach 10jähriger Kinderlosigkeit (auch von Seiten der Frau)
gelöst werden konnte. In der einschlägigen Literatur von Nossig
(Einführung in das Studium der sozialen Hygiene 1894), in der
Talmud-Archaeologie von Krauß, bei Nordin u. a. finden sich noch weitere
wertvolle Beiträge.

Ben Assaj, ein weißer Rabe unter den großen Lehrern in Israel, blieb
allerdings selbst unvermählt, empfahl aber gleichwohl die Fruchtbarkeit.
Warum Ben Assaj nicht heiratete, ist unbekannt. Es liegen sicher ganz
besondere Gründe vor. Gleichwohl war er der Gegenstand späterer
Diskussionen, in denen es heißt: „Ben Assaj lehrt wohl schön, aber er
handelt nicht gut.”

Und wie wäre es auch anders möglich gewesen in der Ideenwelt von
Menschen, die das ganze Sexualleben so genau festgelegt wissen wollten,
daß nicht nur Verlobung, Hochzeit, Scheidung in den feinsten
Einzelheiten gesetzlich geregelt waren, daß selbst für Form und
Häufigkeit der intimsten menschlichen Beziehungen Weisungen und Gebote
existierten. Wie weitgehend der Gedankengang fortgesponnen wird, beweist
die Erzählung Abbas ben Papa (Pappaj) (cfr. $Bacher$ Pat. ann. III.
S. 650), Josua sei mit Kinderlosigkeit bestraft worden, weil er Israel
eine Nacht lang an der Fortpflanzung gehindert habe.

Schriftliche und mündliche Lehre, Tradition und Volkssitte bemühten sich
in allem nicht nur, die normale Fruchtbarkeit des einzelnen Individuums
zu gewährleisten, sondern die Fortpflanzung auf das Höchstmaß des
Möglichen zu steigern. Die vielen Aderlässe, die blutigen und unblutigen
Opfer, die Abfall und Vermischung bedingten, konnte die Judenheit nur
deshalb glücklich überstehen, weil die Gedankengänge, die der Gesamtheit
ewiges Leben verhießen, jeder einzelnen Familie ihren sicheren Bestand
sicherte. $Das System war auf der richtigen Voraussetzung aufgebaut, daß
jedes Glied der Gemeinschaft an der Erhaltung der Art in der völkisch
zweckdienlichsten Weise gebunden und ohne Rücksicht auf seine eigenen
Interessen bis aufs äußerste beteiligt ist.$

$So war das ganze Liebesleben der Juden darauf abgestimmt, dem großen
nationalen Gedanken, dem überragenden Begriff vom immanenten Bestehen
der Nation die realen Grundlagen zu liefern.$ Die Fruchtbarkeit und
Sicherstellung der einzelnen Familie ist nur die Basis einer großzügigen
Volksidee.

Die Propheten sind in diesem Sinne die geschickten Redakteure eines $auf
das ganze Volk gerichteten Optimismus, des hoffnungsvollen
Zukunftsglaubens, der sich eng an alle anderen entwicklungsfreudigen
Ideen angliedert.$

„So spricht der Ewige, der bestellt hat die Sonne zum Licht bei Tage,
die Scheibe des Mondes zu leuchten in der Nacht, der das Meer aufwühlt,
daß seine Wellen brausen, Adonai Zebaoth ist sein Name. Eher werden
diese Gesetze aufhören, ehe daß der Same Israels aufhören wird ...”

So kündigt Jeremia und stempelt sein Volk zum Gewissen der Völker, zum
Zeugen für die Nationen. „Wie man des Himmels Heer nicht zählen, noch
den Sand am Meere messen kann, also will ich mehren den Samen Davids,
meines Knechts und die Leviten, die mir dienen.” (siehe Kapitel 31 bis
33). Auch im höchsten Zorne sehen die Propheten Israel nicht der
Vernichtung anheimfallen, immer wieder verheißen sie die Rettung und
Aufrichtung aus tiefem Fall. Und gleichsam ist die Geschichte dieses
hartnäckigen Volkes die Illustration zu den seherischen, den gequälten
Herzen entspringenden Ankündigungen u. a. zum ausklingenden Midrasch zu
Psalm 36: Völker stehen auf und verschwinden, aber Israel bleibt ewig.

Heute orientieren wir uns und formen unsere Ueberzeugung nicht nach
religiösen Prophezeiungen; aber die Wissenschaft hat ihnen bisher Recht
gegeben. Nossig, der Altmeister der jüdischen Statistik, erklärte noch
um die Zeit der Jahrhundertwende in dem Standard Werk der „jüdischen
Statistik” (eine Auffassung, die er schon in seinem glänzenden Werke
„Einführung in das Studium der sozialen Hygiene” vertreten hatte):

    „Der mosaische Gedanke eines ewigen Volkes scheint sich
    verwirklichen zu wollen.... Als ein frappantes, biologisches
    Ergebnis dieser Auswählungsidee tritt uns die Tatsache des Bestehens
    der noch immer ungewöhnlichen Lebens- und Reproduktionskraft der
    Juden entgegen”. Und an anderer Stelle: „Der jüdische Stamm vermehrt
    sich ausserordentlich rasch und vermehrt sich etwa 3,03 mal rascher
    als die nichtjüdischen Stämme und würde sich bei ungestörter
    Entwicklung in einer etwa 4,02 mal kürzeren Periode verdoppeln als
    jene.”

Also sprach die offizielle jüdische Statistik zu Beginn unseres
Jahrhunderts (über die weitere Haltung und Aeußerungen noch mehr und
später). Auch die anthropologische Wissenschaft sah in der Persistenz
der Juden ein förmliches Gesetz. $Andree$ behauptete sogar: „Bei den
Juden ist die Rasse stärker als die Religion. Es ist den Juden einfach
unmöglich, sich mit anderen Völkern zu vermischen.”

    $Leroy-Beaulieu$, ein kleiner statistischer Papst in der
    Wissenschaft, der insbesondere auf dem Gebiete jüdischer Fragen als
    Kenner galt, erfand folgende Theorie: „Die Juden setzen wenige
    Kinder in die Welt, aber sie bringen mehr zur Reife. So haben sie
    dies schwierige Bevölkerungsproblem in einer Weise gelöst, welche
    für sie selbst die vorteilhafteste und für die Nationalökonomie die
    befriedigendste ist.”

Aehnlich äußerten sich die führenden deutschen Statistiker u. a.
M. $Hoffmann$, $de Neuville$, $Fircks$. Der Rassenhygieniker von
$Gruber$ schrieb 1908 in den Veröffentlichungen des Deutschen Vereins
für Volkshygiene:

    „Noch eins lehrt uns das Beispiel der Juden. Sie hätten unmöglich
    diese Jahrhunderte beständigen Kampfes um ihre Existenz überdauern
    können, wenn sie nicht einen so $gesunden Instinkt$ und eine so
    bewunderungswürdige Aufopferungsfähigkeit für die Erhaltung ihres
    Volkes besessen hätten. Der junge Mann, kaum erwerbsfähig geworden,
    hält es für seine Pflicht, seinem Volke unter Entbehrungen und
    harter Arbeit zahlreichen Nachwuchs aufzuziehen:

        $SO WIRD EIN VOLK UNSTERBLICH$!”

Geschah dies am trockenen Holz der Wissenschaft -- und wenn wir deren
Bäume kräftig schütteln würden, flögen noch viele andere Früchte dieser
Art herab -- wer wird sich wundern, wenn die jüdischen Theologen erst
recht die alten Weissagungen (bestärkt durch die Ergebnisse der 2-1/2
Jahrtausend Geschichte) gesinnungstüchtig auslegen, wenn die politischen
Führer der jüdischen Organisationen die Daseinsmöglichkeit der Ihren als
eine alte historische Notwendigkeit hinnehmen. Umsomehr als selbst ein
so kluger Mann der Feder, der sich selbst einmal außerhalb des
jüdischen Volkes hatte stellen wollen, wie $Heinrich Heine$, Israel ins
Gedenkbuch schrieb: „Aegyptens Mumien sind ebenso unverwüstlich wie jene
Volksmumie, die über die Erde wandelt, eingewickelt in ihre alten
Buchstabenwindeln, ein verhärtetes Stück Weltgeschichte ...” Und ein
jüngerer, -- $Bernhard Münz$ -- münzte diesen Gedanken in die Worte um:
„Ein Volk schreitet mitten durch die ganze Geschichte der Menschheit,
spiegelt sich in dem größten Teil ihrer Entwicklung wieder und taucht
aus allen Prüfungen und Umwälzungen der Zeit immer wieder gestählt und
gekräftigt empor.”

Wohl gab es abwegige Urteile. Aber die breite Masse der Juden blieb von
der Ideenwelt der Pessimisten unberührt. Sie nahm keine Notiz von der
Broschüre eines anonymen Verfassers, die etwa 16 Seiten stark 1894 in
Zürich erschien und „Der Untergang Israels” hieß. Ich wurde auf sie
aufmerksam durch einen tiefer schürfenden Artikel Arthur Kahns, der sich
auf sie bezog. Der Aufsatz Kahns in den U. O. B. B. Logenblättern „Die
Wurzeln des Uebels” rührten an den tiefsten Gründen der Judenfrage.
Neben Kahn haben Zollschan in seinem Buch „Das Rassenproblem” und Dr.
Arthur Ruppin in den „Preußischen Jahrbüchern” die bedrohliche Situation
in ihrem Ausmaße erfaßt. Im Gegensatz zu dieser nicht gerade großen und
nicht eindrucksvoll genug wirkenden Literatur stand die unzählig oft in
Wort und Schrift dokumentierte öffentliche Meinung der Rabbiner, Lehrer,
Beamte, Vorstände der Gemeinden, Führer und Vorsitzenden der Verbände,
der Redakteure und Mitarbeiter der jüdischen Presse, die dem
Zukunftsglauben der Juden in Deutschland huldigten, und ihnen täglich
mit dem an Mitteln reichhaltigen Arsenal und mit der Emphase ihrer
Begeisterung und ihrer Liebe zum Judentum in warmherzigen Versicherungen
schmeichelten, die zwar an Schwung den biblischen nachstanden, den
Ansprüchen der braven Judenbürger aber genügten.

Meine eigensten Untersuchungen dieses Problems begannen vor 18 Jahren,
wobei ich als Schüler mich wohl eines nom de guerre (meines mütterlichen
Namens) bedienen mußte. Es war eine Untersuchung, deren Inhalt der Titel
verrät: „$Der Untergang der deutschen Landjuden$” (gezeichnet Felix
Th.-Cohen) publiziert im „Frankfurter Isr. Familienblatt”. Ich hatte die
Verhältnisse und die Entwicklung der jüdischen Dorfgemeinden
Hessen-Nassaus und Unterfrankens auf verschiedenen Ferienreisen
übersehen, ihr Schicksal gezeichnet. In den nächsten Jahren arbeitete
ich an einem statistischen Werdegang der deutschen Juden. Immer
deutlicher ergaben sich aus den Zahlenreihen der dumpfe Drang und die
unaufhaltsame Bewegung der Auflösung. Umgearbeitet nach diesen
Gesichtspunkten nahm Jahre lang kein Verleger von diesem Buch Notiz. Und
als es erschienen, konnte es in der dumpfen Atmosphäre und grauenhaften
Stagnation der deutschen Judenheit nicht einmal die nachhaltende
Aufmerksamkeit der jüdischen Führer bewirken.

Die unbeirrte Zukunftszuversicht, die Harmlosigkeit der jüdischen
öffentlichen Meinung über „$Sein oder Nichtsein$”, das mangelhafte
Vorstellungsvermögen der Situation erinnert an unzählige Parallelen in
der Geschichte, an die unbedingte Siegeszuversicht des Deutschen Volkes,
das noch 1918 über eine Welt von Feinden zu triumphieren glaubte, oder
aus den vergangenen Tagen des jüdischen Volkes an die Vorgänge im
belagerten Jerusalem, in dem die Juden mehr auf ihren guten Stern als
auf ihre lebendigen Kräfte bauten.

Ein Volk kann sich ebensowenig wie der Einzelne immer Reflexionen über
seine Existenz-Berechtigung und seine Existenzmöglichkeiten hingeben.
Das cogito ergo sum ist ein philosophischer Satz, belastet mit all den
Schwächen der Spekulation, und eine reale, wenn auch nur relative
Wahrheit. Aber in Zeiten, wo das Barometer auf Sturm zeigt, können
Steuermann und Kapitän nicht gemütlich die Vorkehrungen, die für
schönes Wetter getroffen sind, beibehalten. Ihr Schifflein dürfte sonst
leicht Schaden erleiden und ihre Schuld würde selbst ihr eigener Tod
nicht mildern.

Die deutsche Judenheit ist sich des tödlichen Keimes ihrer Erkrankung
nicht bewußt. Früher mochte Unkenntnis entschuldigen, daß ihre Führer
der kardinalen Existenz-Frage nicht näher traten. Nach dem Erscheinen
des „Untergang” haben sie die von mir geschilderte Entwicklung in ihrer
Tendenz als falsch abgelehnt und die Deduktion als irrtümlich
zurückgewiesen. Es besteht dabei sicher ein tiefgehender Spalt in den
Massen, zwischen denen, die Morgenluft wittern und ihre innere
Gebundenheit mit der jüdischen Gemeinschaft lösen, und jenen, die von
jüdischen Erinnerungen, Instinkten und jüdischem Wissen angefüllt ihren
persönlichen starken Gemeinschaftswillen als allgemeine psychische
Stimmung der ganzen Judenheit unterlegen.

Es lohnt sich nicht, Dokumente, in denen sich alle Unkenntnis in
Begriffsverwirrung auflöst, zu zitieren. Nur die Aussagen der Führer
seien zitiert. Denn sie sind der offizielle Ausdruck der jüdischen
Gemeinschaft. Sie bezeugen, daß man noch heute in Verkennung der Lage
sich kein Bild der Entwicklung geschaffen hat und mit offenen, aber
nicht rezeptierenden Augen dem Strudel des Untergangs entgegentreibt. Um
Selbstverständliches zu klären: In diesem Buch wird einzig das Schicksal
der $deutschen$ Juden der Untersuchung unterworfen -- nicht das
Schicksal des jüdischen Volkes in seiner $Totalität$. Ob auch dieses
ähnlichen Erschütterungen entgegengeht, wird hier nicht behandelt,
geschweige gelöst. Die Führer der jüdischen Oeffentlichkeit haben in der
leichtfertigen Behandlung der Frage sich die Widerlegung recht bequem
gemacht, indem sie nicht auf die Fragestellung, nämlich den Untergang
der $deutschen$ Juden, eingingen.

Hören wir die Vertreter der deutschen Juden selbst an. Bald nach dem
Erscheinen dieses Buches versammelte sich der „Verband der deutschen
Juden” zu einer Tagung. Bei dieser Veranlassung hielt der Vorstand der
jüdischen Gemeinde Berlins, Geheimrat Dr. Stern eine Rede, die außerdem
gedruckt im Amtsblatt der jüdischen Gemeinde Berlins allen
Gemeindemitgliedern zuging und folgenden Wortlaut hatte:

    „Einer unserer Rabbiner hat an einem letztverflossenen Feiertage auf
    der Kanzel die Frage aufgeworfen, ob irgend Gründe für die
    Befürchtung da seien, dass das deutsche Judentum, wie es ihm in
    neuerer Zeit prophezeit wird, seinem Untergang zusteure. Er hat
    darauf hingewiesen, dass manche Gelehrte auf Grund
    wissenschaftlicher Forschungen an Hand der Statistik und unter
    Zuhilfenahme anderweitiger symptomatischer Anzeichen und
    Erscheinungen, beispielsweise der stetigen Zunahme der Mischehen, zu
    dem Ergebnis gelangt sind, dass das deutsche Judentum seiner
    allmählichen, aber sicheren Auflösung entgegen gehe, einem
    unaufhaltsamem Untergange geweiht sei. Der Rabbiner hat vom
    theologischen Standpunkt aus diese Auffassung sich nicht zu eigen
    gemacht, hat vielmehr diese traurige und trübe Vorhersage auf das
    Entschiedenste bekämpft. Das auserwählte Volk, auserwählt, um seit
    Jahrtausenden Verfolgung, Hass und Unterdrückung zu erdulden, hatte
    immer wieder die Kraft und die Stärke gefunden, sein Martyrium allen
    Anfeindungen und Angriffen zum Trotz mannhaft zu überwinden. Es habe
    zu allen Zeiten über Propheten und führende Geister verfügt, die das
    Panier, auf dem in unauslöschlichen, flammenden Zeichen der
    Monotheismus und die schrankenlose Betätigung der Nächstenliebe hell
    erstrahlen, immer wieder siegreich aufpflanzten.

    Und wenn ich in dieser Stunde die gleiche Frage mir vorlege: wird
    das deutsche Judentum untergehen? so trage auch ich vom
    Laienstandpunkte aus keinen Augenblick Bedenken, diese Frage
    rückhaltslos zu verneinen. Ich setze dieser brennenden Frage ein
    dreimaliges kräftiges Nein entgegen, wenn ich meinen Blick über
    diese Tafelreihen schweifen lasse und mit Bewunderung, Freude, Stolz
    und Genugtuung feststelle, dass Hunderte von Männern aus den
    angesehensten und hervorragendsten Berufs- und Lebensstellungen,
    Leuchten der Wissenschaft, führende Künstler, Phönixe des Handels,
    Pfadfinder der Industrie, Bahnbrecher der Technik, hier vereinigt
    sind, als die berufenen Vertreter der deutschen Juden und ihrer
    Interessen. Unwillkürlich drängt sich mir angesichts dieses höchst
    erfreulichen Bildes des Psalmisten Wort auf die Lippen. Nimmer
    rastet noch schlummert der gute Genius Israels.”

Der „$Israelit$”, das führende Blatt der gesetzestreuen Juden
Deutschlands, anerkannte zwar den Ernst der Situation und maß dem
„Kassandrarufer der Statistik” mehr Bedeutung bei. Gleichwohl findet
sich auch hier (in der Besprechung des „Untergangs”) folgender Passus:

    „Derselbe Gott, der die Existenz seines Volkes an seine
    Gesetzestreue geknüpft und ihm die Alternative gestellt hat, für die
    Thora zu leben oder unterzugehen, hat uns auch die tröstliche
    Verheissung mit auf den Weg gegeben, dass Gott sein Volk nicht
    fahren lässt und sein Erbe nicht preisgibt ... Die Schrecknisse der
    Auflösungsliteratur schrecken uns nicht.”

Die Anschauungen gesetzestreuer Kreise fanden einen weiteren
literarischen Niederschlag in dem orthodoxen Blatte „$Die Laubhütte$”,
welche in der Nr. 52 des Jahres 1911, die Wichtigkeit der Frage zwar
anerkannte, aber doch folgenden Schluß ziehen zu müssen glaubte:

    „Theilhabers Buch weist mit Recht auf die Gefahren des modernen
    Judentums hin. Der Titel „Untergang --” ist für einen gläubigen
    Juden unannehmbar, weil er der göttlichen Verheissung widerspricht.
    So spricht der Ewige: Wenn mein Bund nicht mehr sein würde mit Tag
    und Nacht, wenn ich die Gesetze von Himmel und Erde nicht
    festgesetzt hätte ... dann würde ich auch die Nachkommenschaft
    Jakobs und meines Dieners verwerfen. (Jeremia.) Du fürchte Dich
    nicht, mein Knecht Jakob, spricht der Ewige, denn ich bin bei Dir.
    Sollte ich auch alle Völker zugrunde gehen lassen, unter welchen ich
    Dich hinweg geführt habe, Dich werde ich nicht zugrunde gehen
    lassen. Ich werde Dich wohl züchtigen zum Rechte, aufreiben werde
    ich Dich nicht (Jeremia). Wer an die Offenbarung Gottes glaubt, kann
    also das Wort „Untergang” nicht gutheissen.”

Die Presse der neologen deutschen Juden lehnte gleichfalls die
Richtigkeit meiner Behauptungen ab. Ihre Hauptzeitschrift, „$Die
allgemeine Zeitung des Judentums$”, brachte noch am 2. Januar 1920 einen
Artikel, der Jahre vorher das hebräische Leserpublikum im „Haschiloach”
aufgeklärt hatte und nunmehr der deutschen Leserschaft nicht
vorenthalten werden sollte. $Dr. Kaminka$ kämpft gegen Windmühlen wie
ein zweiter Don Quichote. In dem abgelegten Artikel findet sich ein
Passus, der immerhin beachtenswert ist und deshalb nicht totgeschwiegen
werden soll. Er lautet:

    „Die allerwichtigste Vorfrage ist die nach der dynamischen (nicht
    statistischen) Bedeutung der gezählten Individuen, nach den Quellen
    der Seelenkraft und der entsprechenden Daseinsmöglichkeit jener
    Einzelnen, wenn sie noch so gering an Zahl wäre, für welche ihre
    Zukunft etwas absolut Gesichertes ist, da ihr Daseinswille alles in
    ihrer Umgebung an Kraft und Bestandsfähigkeit übertrifft. Die
    numerische Stärke dürfte in solchem Falle mit der moralischen Stärke
    zu multiplizieren sein.

    Es ist ... ein Trugschluss und eine petitio principii, wenn der
    Massstab irgend eines Stammes oder einer Nationalität in das
    Judentum gelegt wird, was von jeher eine Gemeinschaft mit einer ganz
    bestimmten philosophischen Anschauung war, die sich auf die Ewigkeit
    eingerichtet und nach einem bestimmten Plan in die fernsten Länder
    hinausgezogen ist, um als Minorität unter allen Völkern durch ihre
    ethische Ueberlegenheit zu wirken.” --

Vernichtender urteilte die offizielle Besprechung, welche das
Centralorgan der zionistischen Bewegung „$Die Welt$” der
Untergangstheorie zu teil werden ließ. $S. H. Lieben$ aus Prag schrieb
in der Besprechung des „Untergangs”:

    „... Rückkehr zu jüdischen Gesetzen, wie auch Nationalisierung
    lassen sich nicht in kurzer Zeit erzielen und darum müsste man am
    Bestand der deutschen Judenheit schier verzweifeln, wären die von
    Theilhaber ermittelten Daten einwandfrei sicher gestellt. Aber
    Theilhaber ist aus Liebe zu seinem Volke zu einem Schwarzseher
    geworden, hat die Zahlen zu traurig gedeutet, wie der bekannte
    jüdische Statistiker Dr. Jacob Segall im Septemberheft der
    Zeitschrift „Im Deutschen Reich” eingehend darlegt. Nach Segalls
    Ansicht ist eine exakte Fruchtbarkeitsstatistik heute noch ein Ding
    der Unmöglichkeit, da die wissenschaftlichen Vorarbeiten fehlen. Er
    gesteht wohl zu, dass die Fruchtbarkeit der Deutschen Juden eine
    höhere hätte sein können, aber er findet, dass Theilhaber sie zu
    gering veranschlagt, wie er auch die Sterblichkeit der deutschen
    Juden zu günstig beurteilt. Die geringe Zunahme der jüdischen
    Bevölkerung findet nach Segall ihre Erklärung in grossen, aus
    politischen und wirtschaftlichen Ursachen entstandenen
    Abwanderungen der Juden, die zeitweilig sehr grosse Dimensionen
    angenommen haben.”

Eine rein sachliche Erwiderung wies die Redaktion der „Welt” zurück. Der
Redakteur gestand mir mündlich ausdrücklichst, daß die Untergangstheorie
ihm gefährlich erscheine und daß er meiner Entgegnung oder jeder
ähnlichen aus diesen politischen Erwägungen keinen Raum geben könne.

Der Vorsitzende des „Verbandes der Deutschen Juden”, einer
Zusammenfassung aller großen und der meisten kleinen Gemeinden, Prof.
Dr. $Kalischer$, glaubte gleichfalls die gefährliche Theorie einer
Nachrichtung im $Gemeindeblatt der jüdischen Gemeinde$ zu Berlin vom
9. Februar 1912 unterziehen zu müssen. Das Pronuntiamento verriet der
Titel „Die Zukunft der Juden”. Ich zitiere aus dem Anfang:

    „Man prophezeit uns, namentlich den Juden der westlichen Länder, den
    Untergang; man hört bereits den Flügelschlag des Todesengels und
    sieht ihn sein trauriges Werk schon in ungezählten Generationen
    vollenden. Die Grundlage der Zukunftsschau dieser neuen Seher bilden
    Zahlen der Statistik, die ein $anscheinend$ trostloses Bild der
    Zustände innerhalb der Judenheit entrollen, und es sind ohne Zweifel
    tiefernste Betrachtungen, die daran geknüpft werden und die nicht
    ungehört verhallen dürfen ... -- -- --

    Es erscheint uns willkürlich und als eine Verkennung und
    Ueberschätzung dessen, was die Statistik zu leisten vermag, in
    diesen Zahlen, die sich im besten Falle über drei Jahrzehnte
    erstrecken, einen Naturprozess zu erblicken, der mit der
    Notwendigkeit eines solchen unabänderlich in einem bestimmten Sinne
    abläuft ...”

An der Hand der Geschichte folgert nun $Kalischer$ die
Zukunftssicherheit des jüdischen Volkes:

    „Der Gottesgedanke bildete die Schwingen, mit dem sich die jüdische
    Volksseele aus der staatlichen Enge erhob, und das Palladium, das
    sie vor dem Schicksal der Zerstörer ihres staatlichen Daseins
    schützte und sie am Leben erhielt, war die Thora, auf die das Gott
    selbst geltende Wort angewandt wurde, sie ist „Dein Leben und deiner
    Tage Dauer, (5 B. M. 30, 20).” Kalischer gibt sodann eine
    glückliche Zusammenstellung der Grossen in Israel von Mose bis
    Maleachi, die der jüdischen Lebensbejahung das Wort sprachen. Und
    eine Welt von Hoffnungen erweckt in diesem Sinne derselbe Prophet
    Jesaia mit der Verheissung: „Er -- mein Knecht Israel -- wird nicht
    ermatten und nicht dahin gehen, ehe er das Recht auf Euch gegründet
    hat und auf dessen Lehre Eilande harrten.” Und der Artikel schliesst
    in dem Appell an die Lehre der Bibel. Im Hinblick auf sie könne
    Kalischer mehr Vertrauen zu der Lebenskraft des Judentums schöpfen.
    „Vertrauen auch zu dem Geist der Geschichte, dass -- wie schon
    oftmals im Leben der Juden -- eine Wendung sich zur rechten Zeit
    einstellen wird, Vertrauen zu der Macht der Idee, Vertrauen endlich
    auf das Prophetenwort Jeremias: Es bleibt Hoffnung für Deine
    Zukunft.”

Die Mehrzahl der Leser fühlte aus allen diesen und vielen ähnlichen
Artikeln, Reden und Predigten nur das „Nein” heraus, die absprechende
Beurteilung aller pessimistischer Deduktionen.

Wenn auch kühl abwägende Artikel, insbesondere im „Hamburger
Israelitischen Familien-Blatt”, in der „Jüdischen Rundschau” und in dem
„Frankfurter Israelitischen Familien-Blatt” (jetzt „Neue jüd. Presse”)
Raum fanden, als deren gewichtigste Autoren $Dr. Artur Kahn$, $Nachum
Goldmann$, $Dr. Hans Fischer$, $Dr. Hoppe$ zeichneten, so waren das doch
nur Stimmen einzelner Privatleute ohne Amt und Würde in der Judenheit,
deren Urteil keinerlei Autoritätsglaube beigemessen wurde. Nicht nur die
genannten zionistischen und orthodoxen offiziellen Publikationsorgane
sprachen sich gegen die Auflösungstheorie aus, nicht nur die Vertreter
der großen jüdischen Verbände und Gemeinden wußten durch allerlei
Maßregeln die absolut nicht beunruhigten Gemüter zu neuem Schlaf zu
verleiten ... das Hauptverdienst eines frisch-fröhlichen Auto-da-fés
verübten die Vertreter der jüdischen Statistik, die auf verschiedenen
literarischen Schauplätzen als die offiziellen Fachleute geharnischten
Protest gegen meine „unwissenschaftliche, falsche und leichtfertige
Schrift” einlegten.

Die stärkste Vernichtung erfolgte im Rahmen der Zeitschrift des
Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens „$Im deutschen
Reich$” vom Jahre 1911. Der Centralverein deutscher Staatsbürger ist
der größte jüdische Verein Deutschlands. Sein Blatt erscheint in einer
ungewöhnlich hohen Auflage und wird in allen jüdisch interessierten
Kreisen gelesen. Der Autor der Besprechung meines Buches, die sich zu
einem selbständigen 13 Seiten umfassenden Artikel auswuchs, nahm
überdies in der einzigen wissenschaftlichen jüdischen Zeitschrift, die
sich mit statistischen Fragen beschäftigte, in der Monatsschrift für
Statistik und Demographie der Juden, die Gelegenheit wahr, um
persönlich und mit Freunden meine gefährlichen Anschauungen mit Stumpf
und Stiel auszurotten. An vielen Beispielen behauptete Dr. $Jacob
Segall$ nachweisen zu können, daß ich „viel zu rasch aus den Zahlen
Schlüsse gezogen”, daß ich „nicht sorgfältig und reiflich das Material
angesehen hätte”, das mir für die „zuweilen recht kühnen
Schlußfolgerungen” diente. Dazu kämen weiter meine Manipulationen mit
vielen falschen Zahlen, Zahlen über deren Zustandekommen ich unfähig
wäre zu urteilen, Berechnungsmethoden, die von der Wissenschaft
vollständig abgelehnt seien und viele andere Mängel. Das vernichtende
Urteil des offiziellen Statistikers der deutschen Juden mußte bedeutsam
in die Wagschale fallen. Des langen und breiten glaubte Segall Fehler
über Fehler nachweisen zu können, Leichtfertigkeit, die an
Gewissenlosigkeit grenzte, Unkenntnis aller möglichen Dinge, Berufung
auf falsche Autoritäten, „die sich ihre Zahlen aus der Luft griffen”!
Die einschlägige Abhandlung Segalls erschien der langweiligen und
wichtigtuerischen Form nach als die berechtigte Abfertigung eines
Wissenschaftlers gegen einen dilettantischen Laien. Ich werde auf alle
wesenhaften Punkte der Segallschen Methodologie noch in meinen weiteren
Ausführungen eingehen. Obwohl dadurch diese Schrift einen polemischen
Charakter bekommt, der ihr besser erspart geblieben wäre. So aber muß
ich die Zeit und das Papier verschwenden, um darzulegen, wie Segall nur
einige Zahlen sieht, deren große Zusammenhänge er nicht versteht.
Kleine Druckfehler, die sich in jeder Arbeit finden und die einem
ebenso in Segallschen Arbeiten begegnen, sind für ihn die Gewähr
wissenschaftlichen Unvermögens. Im übrigen ist die Technik Segalls sehr
einfach. Er kommt überall, wo ihn eine Ziffer stört, mit Fragen,
Vermutungen, Theorien, für die er keine Unterlagen beibringt. Ich habe
in meiner Entgegnung in der Zeitschrift „Im deutschen Reich”
nachgewiesen, wie leichtfertig Segall mit Behauptungen umspringt und
habe ein Beispiel für die minderwertige wissenschaftliche Methodik
Segalls angegeben.

    Segall schrieb 1909:

    „Ein letzter Grund, dass die $Sterblichkeit der Juden niedrig$ ist,
    liegt in der Einwanderung. Man denkt beim Rückgang der Sterblichkeit
    zumeist an die Verbesserung der sanitären Verhältnisse und
    berücksichtigt nicht, dass bei den Juden wesentlich die Einwanderung
    von $Leuten im produktiven Alter$, wo die Sterbewahrscheinlichkeit
    eine geringe ist ...

    Die Einwanderung hat den Vorteil, dass sie durch die Masse der
    jugendlich kräftigen Personen, welche herbeiströmen, die
    Sterbeziffer im ganzen herabdrückt. Daher kommt es, dass die
    Sterblichkeit der deutschen Juden in Deutschland in den letzten
    Jahrfünften bei weitem nicht so abgenommen hat, als man hätte
    erwarten dürfen.”

    Und 1911:

    „Theilhaber übersieht, dass $die Einwanderer die Sterblichkeit
    erhöhen$.

    Denn nicht immer sind es bloss die im kräftigsten Alter stehenden
    Personen, welche einwandern, sondern zum Teil geht die Einwanderung
    familienweise vor sich, $sodass Kinder und alte Leute$, welche von
    der Sterblichkeit mehr bedroht sind, zur Masse der Einwanderer
    gehören.”

In meinen Studien zum „Untergang der Deutschen Juden” hatte ich die
Probleme der Erhöhung oder der Erniedrigung der Sterblichkeit durch
die Einwanderung sehr wohl beobachtet. Ich konnte aber daraus
keinerlei umwälzende Beeinflussung feststellen. Wenn Segall glaubte,
daß die Einwanderung einmal die Sterblichkeit erhöht, und einmal sie
niedriger werden läßt (wie es gerade in seinen Kram paßt) so hätte
Segall sofort sich Aufklärung schaffen können, hätte die Ziffern der
gestorbenen Ausländer in Deutschland nachsehen müssen, wie ich es tat
und u. a. darlegte in meiner Preisarbeit der Gesellschaft für
Rassenhygiene „Bringt das materielle und soziale Aufsteigen der
Familien Gefahren in rassehygienischer Beziehung? Dargelegt an der
Entwicklung der Judenheit von Berlin”. (Sonderabdruck aus Archiv für
Rassen- und Gesellschafts-Biologie, Heft 1/2, 1913, Leipzig). In
Wahrheit übte nämlich die Einwanderung $keinen$ wesentlichen Einfluß
auf die jüdische Sterblichkeit aus.

Segall konnte sich ebenso sehr über alle die Fragen, die ihm noch
unklar waren, Aufklärung verschaffen. Er, der hauptsächlich
statistisch arbeitete, dem ein Verband und ein Büro ganz andere
Möglichkeiten einräumte, wie mir, der ich als Arzt nur in wenigen
Mußestunden mich der Materie widmen konnte, war mir in allen
technischen Hilfsmitteln und Voraussetzungen überlegen. Wenn er
trotzdem die Sterblichkeit der ausländischen Juden, die
Fruchtbarkeitsziffer an den Berliner, Leipziger, Hessischen Juden und
vieles andere, was ich sofort z. T. zur Ueberprüfung meines Materials
bearbeitete, nicht selbst untersuchte, sondern stets behauptete, man
könne mangels Materials die Fragen noch nicht klären, so geht aus alle
dem nur die Unfähigkeit des offiziellen Vertreters der Statistik in
Deutschland hervor. Ich würde diese mangelnde Befähigung Segalls, das
zu geringe Talent, Entwicklungstendenzen zu überblicken, nicht
hervorheben, wenn ich mich nicht im Interesse der Sache dazu genötigt
sähe. Bei der Bedeutung des ganzen Problems hat Dr. Jacob Segall
durch seine absprechende Kritik die Auslösung einer wissenschaftlichen
weiteren Untersuchung der Frage unterbunden.

Wie sich die Journalisten das Ergebnis der wissenschaftlichen
Abfertigung ausdeuteten, mag ein Artikel der jüdischen Monatsschrift
„Ost und West”, (1917) anzeigen, der u. a. also anhebt: „$Dreierlei
Lügen$ gibt es, sagt ein englisches Witzwort: Weiße Lügen, schwarze
Lügen und Statistik: es könnte sein, daß die $Statistik des Sehers
Theilhaber zu der dritten Sorte gehört$ ...”

Um Segalls Anschauungen kurz zu resümieren, sei gesagt, daß er die
Geburtenreduktion bei den deutschen Juden auf die Auswanderung
zurückführte, daß er durch den Rückgang der Sterblichkeit einen weiteren
Geburtenüberschuß erhoffte, daß er so ziemlich alles, was die Existenz
der deutschen Juden bedroht, in Abrede stellte. So pflanzte ein Mann am
Grabe die Hoffnung auf, leugnete was war und suchte das graue Bild mit
hellen Farben zu übertünchen. Es ist vielleicht nicht ohne Reiz, daran
zu erinnern, daß der andere Redakteur der Zeitschrift für Statistik der
Juden, Dr. Blau, zuerst in einem Brief, den ich noch besitze, bald nach
Erscheinen der Arbeit zum Ausdruck brachte, er habe die von mir
vertretenen Dinge in Vorträgen ausgesprochen, allerdings sei es
„gefährlich”, wie er mir später mündlich hinzufügte, derartige
Anschauungen in Druck zu geben.[3]

Da die jüdischen Gesellschaften und die Oeffentlichkeit eine
wissenschaftliche Aussprache über die Probleme nicht zuließen, da bei
keiner Gemeinde ein Referat, auf keiner Tagung eine Darlegung der
Verhältnisse durchzusetzen war, so mußte ich mich begnügen, in ein paar
lokalen Vereinen und einigen loyalen Zeitschriften[4] auf die großen
Gesichtspunkte hinzuweisen. Im übrigen war es unmöglich, der offiziellen
absprechenden Kritik aller Organisationen und Institute, die dazu das
Wort genommen hatten, entgegen zu treten. Das gibt mir nicht nur ein
Recht, diese Schrift nochmals auflegen zu lassen, sondern es erscheint
mir als Pflicht, trotz aller weiteren Verunglimpfungen, die mir
bevorstehen, mit aller Schärfe, die alten Fragen wieder aufzuwerfen und
mit Hilfe einiger neuer Zahlen die Entwicklung von neuem zu belegen,
wobei ich betone, daß alle wichtigen Ziffern und Tabellen diesmal nur
gekürzt wiedergegeben werden können.

Der Gedanke, der in diesem Buch in seinen Konsequenzen wiederholt
soziologisch und statistisch eingehend ausgeführt wird, wird allerdings
allgemeine Gesetze für die Existenz der jüdischen Bevölkerung auch in
anderen Ländern abgeben; inwieweit aber deren Lage mit den Verhältnissen
der deutschen Juden übereinstimmen, bedarf erst der Feststellung. Die
deutsche Judenheit hat eine teilweise unterschiedliche soziale und
sexuelle Gestaltung erfahren, die sie von gewissen jüdischen Centren --
wenigstens vor dem Kriege abhob.

$Es ist somit nicht der Theorie eines Untergangs der Juden überhaupt das
Wort geredet. Wer dagegen die Persistenz aller Teile mit
religiösen,[5] historischen und gefühlsmäßigen allgemeinen Argumenten
belegt, der mag sich auf den Untergang der 10 Stämme Israels$ besinnen,
an die Auflösung der $jüdischen Reiche in Arabien$, an die starken
Verluste $jüdischer Siedelungen in Aegypten und Vorderasien$. Ich
verweise auf die Geschichte des $Chazaren-Reiches$ und das Ende der
$Juden in Spanien$, auf die Trümmer der jüdischen Wanderung nach Indien,
wo die Exilarchen im Jahre 490 zu Kranganor an der Küste Malabar durch
den brahmanischen Fürsten Airvi aufgenommen wurden, Land bekamen und
unter eigenen Häuptlingen leben durften. Diese Häuptlinge hatten alle
Rechte der indischen Fürsten, und ritten auf Elefanten, denen Musik
vorherging. Vorhandene Erztafeln kündeten noch in hebräischer Sprache
und in dem Idiom des Talmud von ihren Rechten. Die Kolonien wurden
längst zerstört. In den weißen Juden von Mattatscheri sollen Reste
erhalten sein. Von den $chinesischen$ Juden blieb niemand zurück. Sie
sind ausgestorben und nur die Tempel, wie der von Kai-Fong-Fu,
Handschriften, Briefe u. a. zeugen von der Vergangenheit. Ferner ist
wenig bekannt, daß $vorderasiatische Juden$ unter einem gewissen
Benjamin im Jahre 614 n. Chr. Geb. Jerusalem eroberten und sich in
$Palästina$ wieder ansiedelten, um bald vom Kaiser Heraklios
niedergemacht zu werden.

Die Geschichten der jüdischen Siedelungen sind ein Widerspiel von
gewaltsamer Auflösung und Zerstörung, von Zersetzung und Abwanderung.
Vor einigen Jahren erregte das Schicksal der zu Grunde gehenden
Falaschas Aufsehen, jener abessynischen Juden, die viele Jahrhunderte
lang ihre eigenen Fürsten besaßen, die zwei Jahrhunderte lang ganz
Abessynien beherrschten. Dr. S. $Weißenberg$ schrieb in der Zeitschrift
f. Stat. u. Dem. der Juden, 10. Jahrgang, über „$Die Karäer$ -- ein
verdorrender jüdischer Stamm”: „Die von Asran gegründete Sekte der
Karäer scheint anfangs großen Anhang gefunden zu haben. Dies ist daraus
zu schließen, daß im Mittelalter an fast allen jüdischen Sitzen (außer
Zentraleuropa) auch karäische Gemeinden in größerer oder geringerer
Stärke vorhanden waren ...” Er schließt seine eingehende Arbeit
wörtlich: „Wir stehen somit vor einem nicht ganz fernen Untergang der
Karäer, falls nicht Maßnahmen getroffen werden, die einem neuen
Aufblühen dieses Völkchens förderlich sein könnten.” Die bekannten
$Samaritaner$ stehen gleichfalls auf dem Aussterbeetat.

Interessant ist die Geschichte der $spanischen$ Juden in Westindien, die
blühende Kolonien anlegten, die heute vernichtet sind. Und wie steht es
mit den Familien der alteingesessenen Juden von $Frankreich$? Was ist
aus den blühenden Gemeinden von $Italien$ geworden, deren geistiges
Leben durch viele Jahrhunderte die jüdische Welt bereicherte? Von der
großen spanisch-jüdischen Bevölkerung $Hollands$ ist nur noch ein Rest
übrig.

So sehr es eine historische Weisheit ist, daß sich das jüdische Volk als
einziges in der Zerstreuung unter den Völkern erhielt, so tatsächlich
ist der Umstand, daß die Persistenz einer jüdischen Bevölkerung
allzumeist nur einige Zeit in einem Landstrich währte, daß Blüte,
Niedergang, freiwilliges und unfreiwilliges z. T. fluchtartiges
Verlassen abwechseln, daß ein Bestand der Judenheit und eine
Fortentwicklung in gerader Linie in einem Lande historisch zu den
Ausnahmen gehört.[6] Die Nachkommen der alten deutschen Juden sind
numerisch in der Hauptsache in Polen, Rußland, Rumänien und Amerika
verbreitet, der spanische Jude wohnt im ganzen Orient, in Nordafrika.
Spanien, das eine wundersame jüdische Kultur durch ein Jahrtausend
gesehen hat, hat sein Judentum mit Stumpf und Stil ausgerottet, so sehr,
daß kaum eine Erinnerung mehr an Ort und Stelle zurückgeblieben ist.

Wer also die Zukunft der Juden in Deutschland -- und nur darum handelt
es sich -- durch die Profetie für gesichert hält, kann nicht ernst
genommen werden. Er kennt die Geschichte nicht, übersieht die
Kleinigkeit, daß selbst das althebräische Schrifttum $von der Existenz
des jüdischen Volkes in der Allgemeinheit und nicht in einzelnen Teilen
spricht und die Schrift die Absplitterung von Partikeln ins Auge faßt$.

Natürlich gibt es eine Möglichkeit, den Zerfall des jüdischen Volkes in
Deutschland zu verhüten, wenn nämlich die Ursachen, die jetzt zur
völligen Auflösung führen, in Fortfall kämen. Ob es tunlich ist, die
Voraussetzungen zu bannen, ist eine überaus schwierige Frage.

Meine Untersuchung beleuchtet diese Probleme, lehrt die Zusammenhänge
zwischen der Entwicklung der Ziffern der Geburten, Taufen, Mischehen,
usw und den soziologischen Einflüssen, sie belegt die Bedeutung der
Zahlen, der Kurven, sie geht auf die Wanderung, auf die Berufstätigkeit,
auf das Heiratsalter, auf die Ausstrahlungen des Kapitalismus ein. Ich
schrieb s. Z. in der ersten Auflage:

    „Vorausgesetzt, der neue Gedanke dieses Buches erweist sich als
    richtig, so wird er wohl die deutsche Judenheit, die sich bisher als
    religiöse Gemeinschaft lediglich dazu berufen fühlt, die Erfüllung
    der Ritualien zu überwachen, veranlassen, eine grosszügige
    Volkspolitik zu treiben, um das zu retten, was zu erhalten ist (oder
    wenigstens zu versuchen, ob es zu retten ist). Und selbst, wenn
    viele jüdische Gemeinden so kurzsichtig sein werden, trotz aller
    Anzeichen von dem drohenden Zerfall lieber der Stimme
    unverbesserlicher Optimisten zu vertrauen und in bequemem Quietismus
    zu beruhen, als energischen Gegenmassregeln sich anzuschliessen, so
    wird doch die Idee, erst einmal durch die Blätterwelt und die
    mündliche Verkündigung zum geistigen Gemeingut des Volkes geworden,
    auf alle möglichen sozialen und politischen Aktionen befruchtend
    einwirken ...”

Auch die Nationalökonomen vom Fach haben die Bevölkerungsbewegung,
die sich unter den deutschen Juden vollzieht, mit Interesse verfolgt,
weil wohl kein Volk, keine Bevölkerungsklasse in demselben kurzen
Zeitraum eine so wechselvolle, zahlenmäßig genau zu belegende
Entwicklung durchmachte, weil wohl keine Rasse oder Gemeinschaft
Geburteneinschränkung, Sterblichkeit, Ehelosigkeit, auf eine Tiefe resp.
Höhe gebracht hat, die als das non plus ultra gelten muß.

Die Nationalökonomen haben an den Juden studiert. Ein Schriftsteller hat
sie einmal das „Barometer der Völker” genannt. Diese Hypothese gebietet
Aufmerksamkeit. A. $Grotjahn$, der Altmeister der Sozialhygiene, schrieb
in seinen Jahresberichten in einer Besprechung:

    „Mit den überaus pessimistischen Profezeiungen des Verfassers über
    die Zukunft des Judentums mögen sich auseinandersetzen, die es
    angeht. An dieser Stelle ist nur mit Nachdruck hervorzuheben, dass
    der hier geschilderte Verfall nicht eine spezifische
    Eigentümlichkeit der Juden ist, sondern nur bei ihnen reiner zur
    Beobachtung kommt, als bei den entsprechenden Schichten der
    nichtjüdischen Bevölkerung Mitteleuropas, die z. Z. noch aus dem,
    übrigens nicht unerschöpflichen Born des ländlichen und städtischen
    Proletariats Zufluss erhält. Tua res agitur Germania, agitur. Das
    vorliegende Buch ist die beste Arbeit der letzten Jahre auf dem
    Gebiete des Entwicklungsproblems, nicht nur dem sachlichen Inhalte
    nach, sondern vor allem wegen der hier geübten, geradezu
    vorbildlichen Methode, die den konkreten Fall auf Grund
    statistischen Materials empirisch untersucht und auf Anwendung
    darwinistischer Metaphysik, die bei den Erörterungen über die
    Völkergeneration bereits starke Verwirrung angerichtet hat,
    verzichtet”.

Das deutsche $statistische Centralblatt$ anerkannte in einer Besprechung
in der ersten Nummer des Jahres 1912 den Wert derartiger Untersuchungen
mit den Worten:

    „Die Bevölkerungs-Bewegung der Juden des letzten Menschenalters wird
    nicht zuletzt der Statistiker mit Interesse verfolgen.”

Die „$Deutsche Hochschule$” (Nr. 7 1912) lobte die Ausführlichkeit und
die Objektivität des „Untergangs” in der Sammlung und Verarbeitung des
reichhaltigen statistischen Materials.

Dr. $Mottek$ faßte im „Freien Wort” den Hauptteil meiner Untersuchungen
als den „Selbstmord des Kapitals” oder klar ausgedrückt „Die geringe
Vermehrung der besitzenden Klassen durch Zeugung von Kindern” zusammen,
und $Rüdin$ hat im „Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie” diese
Arbeit als den Spiegel für die christlichen Staatsbürger genannt,
„darinnen sie die Zukunft auch des Kulturchristen sehen, die ebenso
unvermeidlich trübe ist, wenn nicht ein sexual-hygienisches Fühlen und
Handeln aufkommt, wie es Theilhaber den Juden rät.”

Dem schließen sich die „$Münchener Neuesten Nachrichten$” an:

    „Ein Buch, dem es zu wünschen ist, dass es nicht nur in dem engeren
    Kreise, an den es sich wendet, wie ein Weckruf wirkt, sondern
    unserer ganzen heutigen Kultur als Spiegel vorgehalten wird ... Noch
    einen, wenn auch nur zeitlichen, doch nicht zu unterschätzenden
    Vorteil hat das Buch. Es zeigt, dass die Fragen der Rassen und ihrer
    Hygiene nicht unbedingt etwas mit dem Antisemitismus zu tun haben.
    Vielleicht werden manche Kreise diese Fragen, die für unser
    deutsches Volkstum bedeutungsvolle Zukunftsfragen darstellen,
    daraufhin zugänglicher sein, als es bisher der Fall war”.



KAPITEL II.

ÜBERBLICK ÜBER DIE GESCHICHTE DER JUDEN IN DEUTSCHLAND.

                                    _Ich war immer bestrebt, die Sitten
                                    der Juden, dieses klugen Volkes, zu
                                    bessern, ohne ihnen je etwas zu
                                    leide zu tun. Das wäre auch
                                    unchristlich gehandelt, denn das
                                    Judentum bildet die lebende
                                    Zeugenschaft des Christentums.
                                    Sollten die Juden aussterben, so bin
                                    ich überzeugt, dass dies für den
                                    Fortbestand des Christentums eine
                                    ungünstige Prognose wäre._

                                    _Bismarck im Gespräch mit
                                    Dr. Kepes._


Die Juden des frühen Mittelalters erfreuten sich im fränkischen und
burgundischen Reiche aller Freiheiten. Sie waren dort in jeder Beziehung
unbeschränkt, hatten ihre eigene Gerichtsbarkeit, besassen eigene
Schiffe auf den Flüssen Galliens und auf dem Meere, durften Grundbesitz
erwerben, wirkten als Aerzte und kämpften als Krieger; mit den Christen
lebten sie auf gutem Fuße, daß selbst Ehen zwischen beiden Parteien
vorkamen. Ihre eigentümlichen Speisevorschriften boten den ersten
äußeren Anlaß zu Differenzen, indem es christliche Geistliche für
unwürdig befanden, wenn Juden bei christlichen Gastmählern sich gewisser
Speisen enthielten, während Christen bei jüdischen Mählern dies nicht
taten. Mehrere Konzilien verboten daher (seit 465) den Geistlichen mit
Juden zu speisen: aber sie fanden keinen Gehorsam. Selbst als sich
Chlodwig zur römisch-katholischen Kirche bekannte, trat noch keine
Benachteiligung der Juden ein. Erst als der den germanischen Völkern
neue Glaube größere Fortschritte machte und die Geistlichkeit mächtig
wurde, setzte man Einschränkungen der Juden durch (507 Verbot des
Besuches der jüdischen Gastmähler, 533 der Eheschließung mit Juden usw.)
Von der Lage der Juden unter Karl dem Großen schreibt z. B. Otto Henne
v. Rhyn, ein gewiß unvoreingenommener Historiker:

    „Dieser von religiöser Beschränktheit freie und mit den grössten
    Verdiensten um die Kultur begabte grosse Herrscher sah in den Juden,
    welche bereits den Welthandel in der Hand hatten, nicht zu
    unterschätzende finanzielle Stützen seiner Macht. Er liess gebildete
    Juden aus Italien nach Deutschland kommen, die Kalonymos aus Lucca,
    um auf ihre roheren dort lebenden Glaubensgenossen günstig
    einzuwirken. Gewiss lebten damals schon seit langem Juden in
    Deutschland, wenn auch verschiedene Angaben über ihre vorchristliche
    Einwanderung zu dem Zwecke erfunden sind, um nachzuweisen, dass sie
    an der Hinrichtung Jesu unschuldig wären und um sie hierdurch gegen
    Verfolgungen zu schützen!”

Karl der Große, der einen jüdischen Leibarzt hatte, (Zedekias,) räumte
den Juden gleiche Rechte mit den Christen ein, ebenso wie sein Sohn
Ludwig, dessen Liebling, der Geistliche Bodo, zum Judentum übertrat (ein
Beweis, daß das Judentum nicht gering geschätzt wurde). Erst der
Uebertritt des Kaplans Wecelinus zum Judentum am Anfang des
XI. Jahrhunderts und dessen Angriff auf das Christentum brachten Kaiser
Heinrich II., der mehr Mönch als Monarch war, in das Lager der sich
mehrenden Judengegner und inhibierten das friedliche Zusammenleben von
Juden und Christen. Hatten diese nach der Historia Francorum noch im
Jahre 585 in Orleans dem König in hebräischer Sprache Huldigungslieder
gesungen, so treffen wir zum Ausgang dieser Periode jüdische Minnesänger
in deutscher Sprache, deren bekanntester Jud Süßkind von Trimberg
gewesen sein mochte, von dem uns die Münchener Staatsbibliothek Lieder
aufbewahrte. Der Regensburger Jude Liwa unternahm im 13. Jahrhundert
die Uebersetzung der Geschichte des König David.

Verschiedene erlassene Gesetze und Aufzeichnungen versuchen die
Vermischung mit der übrigen Bevölkerung aufzuhalten und beweisen diese
Epoche als Zeit der Assimilation, die durch die Kreuzzüge unterbrochen
wird. In ihrer Folge führen die absolute Abschließung der Juden in
eigene Stadtbezirke, (in die „Ghetti”), die besondere Bekleidung (der
Judenhut und der gelbe Judenfleck) und andere Maßregeln eine scharfe
Absonderung der Juden kulturell, beruflich und territorial herbei. Die
Hauptmasse der Juden aus Deutschland wurde nach Polen abgedrängt, wo sie
die deutsche Mundart, die sie aus dem Rheinland mit sich nahmen, zum
Jüdisch-Deutsch entwickelten. Bevölkerungspolitisch interessant ist die
Bemerkung eines Berichterstatters (zitiert bei J. $Elbogen$,
Bevölkerungspolitik im alten Judentum, Gemeindeblatt d. J. Gem. Berlin,
12. März 1920,) daß es damals in Polen keine armen unverheirateten
Mädchen unter 18 Jahren gab. In Deutschland wird es ähnlich gewesen
sein. Die von hier zurücksickernden Elemente verstärkten die in
Deutschland von Ort zu Ort vertriebenen Juden und gaben ihnen das
Jüdisch-Deutsch, das wir als die Sprache der deutschen Judengemeinden
von ca. 1400-1800 antreffen. Die Memoiren des Ascher Levy und der Glückel
von Hameln, die jüdischen Privatbriefe aus den Jahren 1619 u. a.
beleuchten die Verhältnisse jener Zeiten.

Die deutsche Judenheit wurde mit wenig Ausnahmen bis an das Ende des
18. Jahrhunderts von der jüdischen Kultur beherrscht. Sie ging auf im
Studium hebräischer Schriftwerke und nahm den stärksten Anteil an allen
Ideen und Vorgängen des Lebens des jüdischen Volkes. Die Hoffnung auf
den Messias, die insbesondere in den Zeiten nach dem Friedenschluß zu
Münster die Juden erschütterte, hat sie noch lange Zeit später (siehe
auch Jakob Wassermanns Juden von Zirndorf) aufs lebhafteste erregt.
Wirtschaftlich befaßten sich die Juden ausschließlich mit dem Handel. Im
eigenen Kreis richteten sie sich nach ihren eigenen Gesetzen. Der
Schulchan-Aruch, das bürgerliche Gesetzbuch der Juden, hatte über alle
seine Macht und wer Mitglied der Gemeinde sein wollte, mußte auch sein
privates Leben dem jüdischen Gesetz anpassen. Die Macht ihrer religiösen
Gemeinschaft und ihrer Organisation war eine so straffe, daß sich
Absplitternde nur schwer im Leben zurecht fanden. Der persönliche
Zusammenhang, der kleine Spielraum, den das Ghetto ließ, förderte den
Einfluß aller Vorstellungen, aller Volkssitten und Gebräuche. Es darf
uns daher nicht verwundern, daß alle religiösen Forderungen bei der
seelischen Primitivität, insbesondere des Sexuallebens ein überaus
ursprüngliches und naturwüchsiges Darin-Aufgehen fanden, so daß gleich
beim Eintritt der ersten Reife Knaben mit kindlichen Mädchen verheiratet
wurden. Dem Ablauf der Fruchtbarkeit fiel niemand in den Arm und diese
möglichst starke Vermehrung war gewissermaßen eine Notwendigkeit. Die
ständigen Massakers und die Volkstaufen, die Ghettoluft mit ihren
Miasmen, mit den häufigen Todesfällen an Typhus, Fleckfieber, an Pocken,
Pest, Cholera, an Influenza und an anderen Infektionskrankheiten
verlangten eine möglichst starke Vermehrung, da nur durch diese die
Erhaltung der Art gewährleistet werden konnte. Die Ziffern $Hanauer's$
über die Sterblichkeit der Frankfurter Juden, erschienen mir früher
unwahrscheinlich groß. Sie sind aber durch die unsäglich ungesunden,
unhygienischen Verhältnisse der mittelalterlichen Stadt erklärlich, von
denen unter anderem $Gottstein$ nachwies, daß die Bevölkerung der Städte
in wenigen Generationen ausstarb und daß die Existenz einer
Einwohnerschaft nur durch den Zuzug vom Lande gesichert wurde.
Dementsprechend ist es auch nicht verwunderlich, daß die Zahl der Juden
in der ganzen Welt zum Ausgang des Mittelalters mit nur einer halben
Million veranschlagt, während sie heute mit ungefähr 14 Millionen
gemessen wird.[7]

Das Ende des 18. Jahrhunderts stand wesentlich unter dem Einfluß der
französischen Philosophen und Staatsräte, unter den Maßnahmen der
aufgeklärten Fürsten, Friedrich II. und Joseph II., und der Gedankenwelt
eines Lessing und Schillers.

Insbesondere wurde durch die Erschütterungen der französischen
Revolution in den Beziehungen der Menschen zu einander eine ungeahnte
Umwälzung hervorgebracht, die die starken Scheidewände zwischen der
jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung niederriß. Mendelssohn und
seine Nachfolger drängten die ausschließliche Beschäftigung der Juden
mit ihrer Nationalliteratur zurück, bekämpften die Erhaltung der eigenen
Mundart und sorgten für die Eingliederung der Juden in alle deutsche
Kulturkreise. Die Zeit der deutschen Erneuerung unter Stein und
Hardenberg, die französische Verwaltung in Westdeutschland wie die
Freiheitskriege, bedingten eine politische Befreiung des jüdischen
Elementes. Aber erst die Revolution von 1848 und letztmalig die Reformen
der 60er Jahre verhießen den Juden offiziell alle Rechte, wenn auch
viele nur auf dem Papier standen. Gleichwohl, der deutsche Jude fand
Wege zum Eintritt in die Oeffentlichkeit, in die Umgebung. Die
ausschließlich jüdischen Interessensphären wurden gesprengt. Politische,
wirtschaftliche und kulturelle Ideen der Umwelt lockten den Juden zur
Anteilnahme. Die jüdische Nationalität erfuhr mit ihrer ausgeprägten
völkischen Religionsverfassung eine Umänderung zu einer
Religionsgemeinschaft. An die Stelle bindender Gesetze traten
verstandesmäßig gehaltene, allgemeine ethische Prinzipien. Eine nie
gekannte Verwirrung über das Wesen der jüdischen Religion setzte ein.
Hundertfach schillerte die jüdische Religion. Sabbathheiligung,
Speisegesetze, viele der Feste und Feiern verloren an Glanz und Macht
über die Seelen des Volkes. Und auch die Richtlinien der Theologen,
Rabbiner und Vorkämpfer eines liberalen Judentums konnten den religiösen
Bau nicht neu verankern. Als $Gemeingut$ aller, als bindendes Band blieb
eine an fast keine Form gebundene Weltanschauung, eine theistische
Ueberzeugung, wie wir sie bei ganz liberalen Christen und in Kreisen der
ethischen Kultur finden. Gegen diese rationalistischen Juden traten die
gesetzestreuen immer mehr in den Hintergrund. Wohl erzeugte der in den
80er Jahren einsetzende Antisemitismus einen neuen Zusammenschluß vieler
freisinnigen Elemente. Er ist der Vater fast aller modernen jüdischen
Organisationen und verhalf letzten Endes der national-jüdischen Bewegung
zur Blüte. Außerdem belebten die Eigenheit der jüdischen Namen und die
religiöse Katasterbildung, wie sie der deutsche Staat bis vor kurzem
liebte, die Erinnerung an das Vaterhaus und die alten Sitten! Die
aktivierenden Kräfte, welche das Fortbestehen der jüdischen Eigenart
förderten, beruhen hauptsächlich in:

1. Der Tatsache eines unterschiedlichen Typus, welche das Aufgehen der
Juden rein körperlich in ihrer Umgebung erschwert.

2. Der Erziehung in der Ideenwelt der jüdischen Religion, die
Heranwachsende mit den Gefühlen der Beharrung ausfüllte.

3. In der Einwirkung des Elternhauses und der Literaturerzeugnisse,
welche eine gewisse historische Kenntnis und eine seelische Gebundenheit
ans Judentum verursacht; endlich des Einflusses der Organisationen,
welche die Individuen und die Vereine an die Gemeinschaft ketten.

4. In den Ausstrahlungen des familiären Zusammenhanges, der aus der
Inzucht entspringt, die es als selbstverständlich erscheinen läßt, daß
Ehen nur unter den Söhnen und Töchtern Israels geschlossen werden.

Die Entkleidung der jüdischen Religion von vielem ihrer Eigenart, die
Aufgabe der jüdischen Schulen, das Eindrängen in andere Kreise sind
unbewußte Empfindungen und Tendenzen, welche das Assimilationsbegehren
stärken. Anderseits führt Beharrungsgefühl, religiös und nationales
Empfinden zum Judentum zurück. Dieser Kampf um die Erhaltung der
Eigenart drückt der deutschen Judenheit den Stempel auf, er läßt sich in
nuce in vielen der Geschehnisse als die eigentliche Triebfeder erweisen;
oft nur erahnen.

Die Abkehr von dem naiven Typus des Judentums, vom religiös verankerten
Volkstum[8] zu einer losen Glaubensgemeinschaft, die ihre nationalen
Wünsche und Interessen nicht mehr in der eigenen Mitte zu finden und zu
lösen wünscht, hat die Judenheit Deutschlands in eine neue Situation
gebracht. Die deutschen Juden unterstehen in ihrer Majorität nicht mehr
den alten Sexual- und Lebensgesetzen des Judentums, sondern den
Einflüssen, welche die allgemeinen Verhältnisse Deutschlands bedingen,
vermehrt oder vermindert durch retardierende jüdische Momente. Unter
diesen Gesichtspunkten ist auch ihre Entwicklung zu betrachten. --



KAPITEL III.

DIE BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG IM REICH.


Preußen einverleibte sich bekanntlich polnische Gebietsteile zum Ausgang
des XVIII. Jahrhunderts und beschenkte sich dadurch selbst mit einer
großen Zahl jüdischer Untertanen. Die Stimmung der Regierung war seit
Jahrhunderten nicht gerade judenfreundlich[9]. Und einer der ersten
Erlasse an die Juden der neuen Gebiete war die Ausweisungsordre an die
unglücklichen jüdischen Bewohner des Netzedistriktes. Das Edikt wurde
nicht inhibiert wegen seiner Brutalität, wonach alte Gemeinden mit einem
Federstrich von den Usurpatoren einfach vernichtet und ihre Mitglieder
in die Fremde gestoßen wurden, sondern aus dem einfachen Grund, weil
sich aus ihrer Vertreibung zu starke wirtschaftliche Schädigungen
ergeben hätten. Die durch das Gesetz beengte Freizügigkeit drängte die
Juden im Osten sowohl wie in den kleinen Orten Süd- und
Mitteldeutschlands zusammen und veranlaßte einen Teil des Ueberschusses
zur Auswanderung. Die Angleichung der wohlhabenden Kreise an das
deutsche Kulturleben, der immer stärker werdende liberale und
demokratische Gedanke förderten schließlich ihre volle Emanzipation.
Mühselige Kämpfe, die in der friederizianischen und napoleonischen Zeit
begonnen, hatten sie in der Mitte der 60 er Jahre so weit gefördert, daß
alle negativen Bestimmungen, alle Ausnahmegesetze, alle Beschränkungen
fielen. Gewisse Vorteile, die mit dem Militärdienst, mit öffentlichen
Aemtern und Würden verknüpft waren, blieben den Juden, abgesehen von
Ausnahmefällen, vorenthalten. Neben der Emanzipation veranlaßte ein
inneres Moment die Umgruppierung der Juden. Im Zeitalter der Postkutsche
konnte der Handel in kleinen Orten fast ebenso florieren wie in den
damals auch nicht überragenden Hauptstädten. Die neuen Schienenwege
schufen Industrie- und Handelszentren, die nicht nur neue Möglichkeiten
erschlossen, sondern auch die alten Betriebe in den abseits von den
Verkehrspunkten gelegenen Orten zur Uebersiedelung in die aufblühenden
Großstädte zwangen, die die sich zusammenballenden Massen in den Dörfern
und Märkten und das von der starken Fruchtbarkeit gelieferte Heer
Jugendlicher die Städte überfluten ließ. Daher resultierte die
plötzliche Einwanderung in die Großstädte und stärkte die
judenfeindliche Stimmung. Der Antisemitismus der 80er Jahre ist wohl die
politische Reaktion auf die Herrschaft des Liberalismus, der auf die
Dauer mit dem Bismarckschen Junkertum nicht harmonieren konnte, auf die
soziale Not, die durch den mangelhaften Schutz des wirtschaftlich
Schwächeren, bei den nichtjüdischen Massen viel stärker in Erscheinung
trat und von den Juden, die sich des Kapitals zu bemächtigen schienen,
herzurühren gedeutet wurde. Der fleißige, auffassungsfähige Jude kam
wirtschaftlich empor. Trotz des starken Zuzuges nichtjüdischer Kreise in
die Hauptstädte, trotz der Abwanderung der Juden ins Ausland, nimmt bis
ans Ende des vorigen Jahrhunderts der städtische und großstädtische
Anteil der Juden gewaltig zu und führt zur „Verjudung” der Städte. Ihre
intensive Betätigung im Wirtschaftsleben besonders im Zwischenhandel,
ihre Beweglichkeit, ihr starker Individualismus, ihr Bildungsstreben und
ähnliche Eigenschaften ließen sie als noch mehr erscheinen, als sie
wirklich waren.

In jener Zeit trat die Verjudung einzelner Erwerbszweige hervor. Der
Viehhandel war eine alte jüdische Domäne, auch das Warengeschäft. Im
Getreidevertrieb dominierte lange schon die jüdische Note, ebenso im
Ledergeschäft. Es entstehen in jener Zeit industrielle Unternehmen, die
die Schuhfabrikation, die Konfektion, die chemische Industrie in
Deutschland groß machen. Juden beherrschen die Börse und das Bankwesen,
monopolisieren die Anwaltschaft, z. T. die Presse, die großstädtische
Aerzteschaft, die Theater, das Verlagswesen und vieles andere. Immer
neue Enklaven sucht die erfinderische Zeit aufzutun: jüdischer Einfluß
amerikanisiert das Kaufmannswesen (Warenhaus), merkantilisiert Zweige
der Industrie (A. E. G. -- Hapag) schafft die moderne Reklame (Mosse).
In einem demnächst erscheinenden Werke „$Die Juden im deutschen
Wirtschafts- und Kulturleben$” zeige ich die überragende Bedeutung
dieses einen Prozent der deutschen Bevölkerung.

Nebenbei geht bis in die 80er Jahre eine beträchtliche
Auswanderungsbewegung, die deutsche Juden in Frankreich, England und
Amerika zu hoher Bedeutung bringt. Die Haute finance der ganzen Welt ist
z. T. made in Germany. Die Rothschilds waren die Vorläufer, die Hirsch
in Paris, Beit auf Speyer, Speyer-Ellisen, Löb, Kuhn, Warburg, Schiff,
Strauß, Sachs, Guggenheim, Marschall in Wallstreet in New York haben
u. a. das Aufblühen Amerikas, wie auch $Sombart$ in seinem Werke „Die
Juden und das Wirtschaftsleben” anerkennt, mit bewirkt. Jüdische
Wissenschaftler und Künstler hat die ganze Welt aus Deutschland bezogen.
Weit über die Grenzen des deutschen Landes hinaus, machten sich die
Folgen der uneingeschränkten Fruchtbarkeit geltend.

Das ist nun anders geworden.

Der Geburtenrückgang der deutschen Juden hat die Auswanderung immer mehr
eingeschränkt. Segall hat die Auswanderung in der Zeitschrift f. Dem. u.
Stat. d. J. Bd. 5, S. 58, und Bd. 8, S. 164 der letzten Jahre beziffert.
$Dr. Wlad. W. Kaplun-Kogan$, der ein erster Kenner des jüdischen
Wanderungsproblems ist, spricht von „Wanderungen, die wirkungslos sind
unter den großen Gesichtspunkten. Daß im Laufe der letzten 34 Jahre
10000 Juden aus Deutschland nach Amerika eingewandert sind, hat auf die
Lage der deutschen Judenheit und der deutschen Volkswirtschaft gar
keinen wesentlichen Einfluß ausgeübt.”

Die Entwicklung der Judenheit im ganzen deutschen Reich kann erst von
1871 ab übersehen werden, da wir erst seit dieser Zeit eine
Reichsstatistik besitzen.

Es betrug die Zahl der Juden in Deutschland:

   1871     1880     1890     1900     1905     1910
  512153   561612   567884   586833   607802   615021

Bei den deutschen Juden war die Zunahme also:

  In den 70er Jahren  ca.  50000
  „   „  80er   „      „    6000
  „   „  90er   „      „   20000
      1900 bis 1910    „   30000

Jedem, der eine Statistik zu lesen vermag, fällt die geringe Zunahme in
den 80er Jahren und die plötzliche Zunahme in den 90er Jahren und gar
die noch stärkere von 1900 auf 1910 auf. Leider besitzen wir keine
umfassende Ermittlung der jüdischen Einwanderung in ganz Deutschland,
sondern nur einzelne Ziffern für die Gebiete Hamburg, Sachsen, Hessen,
Berlin usw. Danach geht ganz klar hervor, daß die Einwanderung 1900-1910
bestimmt über 30000 Juden betrug, nach allen Berechnungen ca.
40000-50000, so daß die Zunahme selbst unter Berücksichtigung der
Abwanderung keine eigentliche Volksvermehrung bedeutet, sondern einem
zufälligen äußeren Zuwachsgewinn aus dem Osten entspricht.
Proportionell sinkt der Anteil der Juden erheblich. Wenn wir die Juden
auf 1000 Deutsche berechnen, gab es ihrer (in 0/00):

  1871   1880   1890   1900   1905   1910   1920
   125    124    115    104    100     95   (92?)

Der Anteil der Juden ging somit unter der Gesamtbevölkerung in einem
Menschenalter um 30% zurück. Der jüdische Einschlag wurde um über ein
viertel zurückgedrängt (Judenfeinde müssen diese Ziffern mit
Befriedigung lesen). $Sombart$ und andere Wirtschaftspolitiker glaubten
letzthin auch ein deutliches Zurückweichen und eine sinkende Einwirkung
der Juden im Wirtschaftsleben angezeigt zu finden. Ihre prominierende
Stellung in einzelnen Wirtschaftsformen: im Bankwesen, im Textilfach, im
Produktenhandel hat nicht nur durch die Angleichung an das übrige
Wirtschaftsgetriebe zu einer Erschütterung geführt. Sie haben nicht mehr
die ausreichende Zahl von Individuen, um neuökonomische
Existenzmöglichkeiten zu erschließen und die alten Positionen sich zu
erhalten. So ergibt der relative Rückgang der Juden im Reich bedeutsame
Perspektiven. Ein deutliches Bild gewinnen wir durch Eingehen auf die
Entwicklung in den einzelnen Bundesstaaten.

In dem inzwischen abgetretenen $Elsaß-Lothringen$ gab es Juden
(detailliertere Ziffern gab ich in allen diesen Fragen in meiner ersten
Auflage dieses Buches):

  1881       39278 = 2,5%
  1911       30483 = 1,6%

Damit verlor Elsaß-Lothringen 8995 = 29% seiner Juden.

$Hessen$ hatte Juden:

   1858       1905       1910
  12630      24699      24063

Es wurden Ausländer 1910 ermittelt in Offenbach 1131, Darmstadt 512,
Mainz 360. Die (1905) ermittelten 1787 ausländischen Juden erfuhren bis
1910 eine Zunahme von 715, so daß ohne ihren Zuzug ein doppelt so großer
Verlust eingetreten wäre. Die ausländischen Juden, die 1905 noch 7,2%
der Judenheit bildeten, waren in 5 Jahren schon 10%. Dabei hat Hessen
viele kleine Landgemeinden, deren Fruchtbarkeit wir noch berühren
werden. $Knöpfel$ schloß seine Betrachtung in den „Mitteilungen der gr.
hess. Zentralstelle f. d. Landesstatistik”, Sondernr. 1910 mit den
vorsichtigen Worten:

    „Die jüdische Bevölkerung Hessens ist nicht wie die nichtjüdische im
    raschen Wachstum begriffen, liefert vielmehr das Bild der
    Stagnation. Ein Hauptzeichen besteht darin, dass sie kinderarm
    geworden sind.”

Das anschließende $Baden$, das 1890 noch 27278 Juden = 1,74% auf wies,
hatte

  1905   25893 Juden = 1,29%
  1910   25896   „   = 1,21%

Leider veröffentlicht Baden keine Ziffer über den Zuzug fremder Juden.
Stärker ist die Abnahme in $Württemberg$, wo die Juden in konstantem
Rückgang

      1880   13331 = 0,67%
  und 1910   11982 = 0,49% zählten,

und in $Mecklenburg-Schwerin$ mit

  1880   2580 = 0,53% Juden
  1910   1413 = 0,22%   „

Selbst für dieses kleine Land weist $Max Grünfeld$ nach, daß
ausländische Juden sich niederlassen und die Abnahme der Juden aufhalten
(Zeitschrift f. Stat. u. D. d. J. 8. J. Heft 1). Von den 12 Gemeinden,
die bis 1850 noch über 100 Juden aufwiesen, blieben nur zwei übrig, die
allerdings die Hälfte der Juden an sich rissen (Rostock und Bütow),
dafür wuchs die Zahl der Zwerggemeinden mit weniger als 26 Juden von 3
(1860) auf 31.

Seit 1880 verloren die Juden in einzelnen Kleinstaaten z. T. bis über
100 Prozent.

Es hatten Juden

                  1880       1910

  $Anhalt$        1752       1382
          in %       0,93       0,42

  $Sachsen-
    Meiningen$    1627       1137
          in %       0,86       0,41

  $Oldenburg$     1654       1525
          in %       0,47       0,32

  $Lippe$         1030        780
          in %       0,93       0,45

  $Braunschweig$  1824       1757
          in %       0,39       0,36

  $Lübeck$        670        626
          in %       0,69       0.54

$Bayern$ hatte 1840 bereits 59168 Juden, von denen viele durch die
bedrückenden Ausnahmegesetze zur Auswanderung verurteilt waren. Bis Anno
1870 hatte sich ihre Zahl auf 50000 gemindert. Bis in die 90er Jahre
steigt ihre Ziffer. In der neuesten Zeit (etwa seit dem Jahre 1900) geht
die Bevölkerung wie ehedem in der Zeit der großen Auswanderung wieder
zurück.

Ihre Ziffer betrug:

  1840    1852    1871    1880    1900    1905    1910
  59168   56168   50162   53526   54928   55341   55065

Ich habe überall Erkundigung über die Wanderung der bayrischen Juden
angestellt. Insbesondere die Münchener, Nürnberger, Fürther, Würzburger
Juden, die knapp die Hälfte der bayrischen ausmachen, sind recht
seßhaft. Allerdings besteht unter den Landjuden eine beträchtliche
Abwanderung, die aber hauptsächlich in nahe liegende Städte führt. Die
Zahl der Amerikafahrer ist jetzt im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten
zusammengeschrumpft. Dagegen ist das emporblühende Bayern eine
Wanderetappe der Ostjuden geworden. Frau Dr. $Weiner-Odenheimer$ gibt in
ihrem Buch „Die Berufe der Juden in Bayern” eine Auszählung der
erwerbstätigen Juden in München, von denen unter 100 geboren waren
(1907)

     in Bayern                44
  b) im übrigen Deutschland   26,5
  c) im Ausland               29,5

Von der erwerbstätigen Bevölkerung im ganzen sind nur 5% im Ausland
geboren gegenüber 29,5% bei den Juden! Die Tatsache der überragenden
Einwanderung geht aus der Weinerschen Arbeit klar hervor. Sie gibt sich
dann auch aus der eingehenden Statistik Bayerns zu erkennen. Es hatten
Juden

                      1895           1910

  Oberbayern          7411      11625 + 4214
  Niederbayern         240        339 +  139
  Mittelfranken      12291      14219 + 1928
  Unterfranken       14157      11925 - 2232
  Rheinpfalz         10423       8998 - 1425
  Schwaben            4286       3462 -  826
  Oberfranken         3516       2946 -  560
  Oberpfalz           1451       1395 -   86

Die Zunahme betrifft also nur München, da es außerhalb dieser Stadt
keine oberbayrischen Juden gibt und für Mittelfranken: Nürnberg. --

Während in Bayern das flache Land die umliegenden Städte mit reichlichem
Nachwuchs versorgt und kleine Orte wiederum an die größeren Städte ihre
Juden abgeben, ist $Hamburg$ ohne bedeutendes jüdisches Hinterland.
Schleswig-Holstein ist selbst judenarm, ebenso wie das Elbgebiet. Wir
treffen Juden in Hamburg:

  1871    1880    1890    1900    1905    1910
  13796   16024   17877   17945   19602   19472
  4,1%    3,5%    2,9%    2,3%    2,2%    1,9%

Die Ziffern für 1905 und 1910 schließen 804 resp. 540 jüdische
Auswanderer, die auf der „Veddel” (Hafen) lagen, ein. Diese müssen
abgerechnet werden, so daß wir es mit 19000 Juden zu tun haben, von
denen (1910) (siehe die Zusammenstellung von $Dora Weigert$ in der
Zeitschr. f. St. u. D. 15. Jahrg.) 21,6% aus nichtdeutschen Ländern
stammten (gegenüber 4,8% bei der übrigen Bevölkerung). Dora Weigert
schreibt: „Es war selbst in den 80er Jahren zur Zeit der grauenhaften
Judenbedrückungen von einer verstärkten russischen Einwanderung in
Hamburg nichts zu merken. Der Staat hatte Maßnahmen getroffen, um die
eintreffenden Flüchtlinge nach England und Amerika weiter zu befördern”.
Trotz der neuesten starken ostjüdischen Einwanderung, trotz eines nicht
unbeträchtlichen Zuzuges aus dem übrigen Deutschland erhält sich die
jüdische Bevölkerung Hamburgs auf ihrer absoluten Höhe; im Verhältnis
zum Wachstum der übrigen Bewohnerschaft ist sie aber um 100%
zurückgegangen.

Aber ein Staat in Deutschland hat eine Entwicklung seines jüdischen
Bevölkerungsmassivs erfahren: In Sachsen fand man Juden[10]

  1871    1880    1890    1900    1910
  3357    6518    9368   12416   17587
  0,1%    0,2%    0,3%    0,3%    0,4%

Im Jahre 1900 wurden 5637 ausländische Juden und 1910: 10378 ermittelt.
Ohne diesen Zuzug der Ostjuden gäbe es also auch keine eigene Zunahme.
Wie die sächsischen jüdischen Gemeinden aussehen, erkennen wir aus
Leipzig, das 1871: 731 Ostjuden und 1905: 4843 hatte, ferner Dresden
(anno 1905) 1715 Ostjuden neben 1799 in Deutschland geborenen, von denen
viele nur die Kinder der ersteren waren. Jetzt soll mehr als die Hälfte
der sächsischen Juden auf die Einwanderung aus dem Osten zurückzuführen
sein.

Die übrigen $Kleinstaaten$ haben eine nur unbeträchtliche jüdische
Bevölkerung (z. B. Reuß ä. L. mit 54 Juden (1900) und 44 (1910)). Nur
Bremen, das um 1900 in seiner jüdischen Bevölkerung stagnierte, bekam
neuerdings (1910) einen Zuwachs von 400 Köpfen, wohl ein
Wanderungsgewinn, der sich ähnlich wie in anderen Städten hauptsächlich
auf ausländische Einwanderung resp. sogar Durchwanderung zurückführen
lassen dürfte.

Trotz der Zuwanderung von Ostjuden, die für die süddeutschen Staaten auf
10-20% der einheimischen Bevölkerung und mehr betragen, entstand eine
deutliche Stagnation resp. ein auffallender Rückgang des jüdischen
Anteils.

Die süddeutschen Staaten, die zusammen 1880: 160159 zählten, wiesen 1910
nur noch 147489 auf.

In den mitteldeutschen Kleinstaaten sind analoge Verhältnisse.

Die Juden der Hansastädte, deren allgemeine Bevölkerung sich seit 1880
durchschnittlich verdoppelte, konnten sich nur durch den
Einwanderungsgewinn der Ostjuden minimal entwickeln.

Die Zunahme der Juden in Sachsen ist durch die russische und
österreichische Immigration erfolgt.

Somit ist abgesehen von Preußen ein Rückgang der jüdischen Bevölkerung
eingetreten resp. der Zuwachs durch die ausländische Wanderungsbewegung
bedingt.


$DIE JUDEN IN PREUSSEN.$

Vor hundert Jahren (1816) hatte Preussen 123938 = 11,9 0/00 Juden, die
sich trotz des starken Abströmens und keiner nennenswerten Einwanderung
bis 1861 verdoppelt hatten und 251145 = 13,6 0/00 ausmachten. Nach der
Einverleibung von Schleswig und der 1866 annektierten Gebiete treffen
wir 1867: 313156 Juden, die in 45 Jahren um ein schwaches Drittel
zunahmen, d. h. um 100000 Seelen, von denen 50000 in 13 Jahren bis 1880
gewonnen wurden und in den darauffolgenden 30 Jahren wiederum 50000. Es
gab ihrer

  1871:   325426 = 13,2 0/00
  1880:   363790 = 13,3 0/00
  1890:   372059 = 12,4 0/00
  1900:   392372 = 11,4 0/00
  1910:   415867 = 10,7 0/00

  In dem Jahrzehnt 1871/80  betrug die Zunahme 38400
  „   „      „     1881/90     „    „     „     8300
  „   „      „     1891/1900   „    „     „    20300
  „   „      „     1901/10     „    „     „    23500

Nach einem Rückgang in den 80er Jahren erfolgt wieder eine stärkere
Bevölkerungszunahme in den nächsten Jahrzehnten. Leider besitzen wir nur
eine unvollkommene Erfassung der Einwanderung. 1880 ermittelte die
amtliche Untersuchung 11390 und 1905 38844 nichtdeutsche Israeliten.
Berlin hat folgende drei Auszählungen veranstaltet:

Berlin ermittelte für seinen Stadtbezirk

  1890     5077 ausländische Juden
  1900    11651      „         „
  1905    18316      „         „
  1910    fehlt!

Mit Charlottenburg und den übrigen Vororten dürfte Groß-Berlin bereits
1905 ca. 23000 ausländische Juden beherbergt haben. Wenn nun Segall diese
Einwanderung für eine vorübergehende Erscheinung nimmt, so entspricht
das weder der ganzen Entwicklung, noch der Analogie in Sachsen etc.,
noch den inzwischen zur Geschichte gewordenen Tatsachen. Alle Kenner
haben die Zunahme der Ostjuden bestätigt. Nachdem 1905 knapp 40000
ermittelt waren, werden es 1910 50-60000 gewesen sein, so daß der
Zuwachs an preußischen Juden seit 1880 auf ihr Konto fällt; da von 1905
auf 1910 eine Zunahme von insgesamt nur 6366 jüdischen Seelen in Preußen
gezählt wurde, ist dieser Ueberschuß wohl fraglos allein von dem Zuzug
der Ostjuden getragen. Ohne den Andrang vom Ausland hätte die
Volkszählung von 1910 auch für Preußen eine Abnahme an Juden ergeben.

$Segall$ läßt die Ostjuden nur in dem Pogromjahre 1904 vorübergehend
nach Berlin flüchten. Das ist unrichtig. Die Industriebezirke in
Oberschlesien und Rheinland, die Grenzorte wie Königsberg, Großstädte
und zwar Frankfurt, Hannover, Breslau etc., haben seit 20 Jahren
ständigen ausländischen Zuzug bekommen. Ein Zuzug, der in der Million
Ausländer, im Deutschen Reich (anno 1910) an sich nicht gewaltig ist,
bei der mangelhaften Fruchtbarkeit der deutschen Juden doch für diese
ins Gewicht fällt.[11]

Der Centralverein der deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens gab eine
Schrift „Die Juden im Heere” von Dr. W. Leiser heraus, in der die
ausländischen Juden auf mindestens 70000 zu Beginn des Krieges geschätzt
wurden. Nach den preußischen Ermittlungen, die 1880 10000 ausländische
Juden in Preußen ergaben, können damals noch keine 20000 in Deutschland
gewesen sein. $Auch darnach ist der Zuwachs der deutschen Juden seit dem
Jahre 1880 auf die Ostjüdische Einwanderung zurückzuführen$.

Bereits W. Bambus hat in einem Artikel, der mir erst jetzt in die Hände
fiel (Nr. 5 jüd. Presse von 1902), berechnet, daß die Volkszählung mehr
Seelen ergab, als der Ueberschuß der Geborenen über die Ausscheidenden
betrug. Und er spricht in dem Artikel, den er bezeichnungsweise
„Warnende Zeichen” nannte:

    „Eine ernste Prüfung dieser Frage, bei der es sich um Sein oder
    Nichtsein handelt, wäre wahrhaftig des Schweisses der Edlen wert und
    verdienstlicher als manche Geistesarbeit unserer Gelehrten, auf
    welche Zeit und Mühe ohne Nutzen für die Gesamtheit verschwendet
    wird. Caveant consules!”



KAPITEL IV.

$DAS WANDERUNGSPROBLEM$.

                                    _„Es ist klar, dass in dem
                                    beständigen Wechsel, dem die
                                    Judenschaft ausgesetzt war, nicht
                                    die behaglich bodenständigen,
                                    sondern die rastlos nomadialen
                                    Elemente diejenigen waren, die sich
                                    am widerstandsfähigsten erhielten,
                                    und darum überlebten.”_

                                                      _Werner Sombart._


Die deutsche Judenheit saß vor einem Jahrhundert in einer Unzahl
kleiner, aber in sich geschlossener Judengemeinden des Elsaß, in
Unterfranken, im Schwabenländchen und am gesegneten Rhein. Wir trafen
Judendörfer in den drei Hessen; sporadisch finden wir jüdische
Siedelungen in Thüringen, Westfalen, im Hannoverschen und insbesondere
im Badischen. Die Stärke dieser Gemeinschaften trat zurück gegen die
Bedeutung der Kolonien in der Ostmark, aus der immer wieder neue Ströme
von jüdischen Menschen hervorbrachen, und seit Jahrhunderten die
westlichen Gemeinden mit frischen jüdischen Impulsen versahen. Berlin,
das zu Beginn des 19. Jahrhunderts 3000 Juden aufwies, maß sich mit
Kempen, Lissa u. a. jüdischen Gemeinden. Die Assimilation in Berlin war
solange von sekundärer Bedeutung, als es hundert andere große Gemeinden
gab, in denen man von der Assimilation kaum den Namen kannte. Die
Kleinstadt, in der die jüdische Bevölkerung dominierte, war für die
Juden von dreierlei Bedeutung:

1. Sie bot eine gleichmäßige soziale Verteilung auf verschiedene
Berufe.

2. Die Nähe der Natur und das einfache Leben brachten hygienisch bessere
Verhältnisse mit als das aufreibende Milieu der Großstadt.

3. Vom $jüdischen$ Gesichtspunkt. Hier entfaltete sich ein
ausgesprochenes jüdisches Leben. Hier wurden die Sabbathe gehalten, die
Feste bildeten den Kulminationspunkt des Jahres, die Lebenshaltung war
eine selbstverständlich rituelle. Taufen, Mischehen waren ebensolche
Unmöglichkeiten, als sie in der Großstadt Selbstverständlichkeiten
geworden sind.

Wie stark die Judenheit im Osten an kleinen Orten gewesen ist, läßt ein
Vergleich beobachten. Es waren

       in                    1817                    1905

                            insges.    in %               in %
                    Juden    Einw.     d. B.     Juden    d. B.

  1)  Fordon[12]     1290     1972     65,4       181      6,5
  2)  Kempen[13]     2406     4588     52,4       739     11,5
  3)  Schwersenz     1091     1974     55,5       208      6,6
  4)  Cchodziesen     906     1706     51,5       300      4,7
  5)  Zempelbg.      1160     2304     50,7       393     20,3
  6)  Wreschen       1210     2414     50,1       386      6,6
  7)  Märkisch
        Friedland    1151     2301     50         200      9,4
  8)  Hohensalza     1784     3804     46,9      1157      5
  9)  Grätz          1455     2983     48,8       250      4,4
  10) Lissa          3644     7934     46         196??    6,2
  11) Filehne        1231     2788     44,2       378
  12) Zülz           1050     2433     43,3         8      0,3
  13) Kurnick         774     1809     42,8       108      4,3

Erst die Ziffern des Jahres 1920 werden die volle Umgruppierung der
Juden ergeben, wie sie das Beispiel des Ortes Zülz angibt. Auch ohne die
Abtretung der Posenschen Provinzen an Polen wäre das ursprünglich
unerschöpfliche Reservoir der deutschen Juden zum Versiegen gekommen.
Noch im Jahre 1880 finden wir 100 000 Juden in den drei Ostprovinzen.
1910 gerade die Hälfte, sodaß ihr Anteil rasch verkümmert ist. Zwischen
1900 und 1910 verminderte sich z. B. die Judenheit in

  Kempen     um 320 Juden
  Lissa       „ 359   „
  Krotoschin  „ 200   „
  Samter      „  50   „

So rasch löste sich die preußische Ostjudenheit auf. Ihre ehemals
gesunde gewerbliche Struktur beschreibt N. M. $Gelber$ an den
westpreußischen Städten des XVIII. Jahrhunderts: „Durchschnittlich
finden wir in den (s. Zeitschr. f. St. d. J. 9. Jahrg. Nr. 4) genannten
Ortschaften 3-10 Brauereipächter, 2-6 Krämer, 1-10 Schneider,
1-3 Fleischer, 1-15 Kürschner, 1-4 Glaser, Barbiere usw. Es scheint, daß
das jüdische Proletariat sehr stark vertreten war.”

Die Posener Kammer erfaßte Gewerbetreibende im

  Jahre 1797                 jüdisch   christlich
  Schneider                    923        676
  Schlosser                    238        638
  Schankwirte und Brenner       81       1048
  Barbiere                      47        163
  Musikanten                    26        126
  Bäcker                        51        607

Ebenso stark waren die Juden unter den Goldschmieden, Buchbindern,
Posamentieren, Mützenmachern, Knopfmachern und in anderen Gewerben
vertreten. Der Einfluß der körperlichen Arbeit, das Leben in der kleinen
Stadt und auf dem Dorfe brachte sie in persönlichen Konnex mit der
Mutter Erde. Sowohl im Osten wie auch in Süddeutschland besaßen viele
dörfische Juden Land. Mit der Abwanderung vom Land geht proportional ein
Absinken der in der Landwirtschaft beschäftigten Juden vor sich. Die
Verknüpfung der Juden mit dem Grund und Boden wurde gerade zu Beginn des
XIX. Jahrhunderts stärker, als $ihnen$ der Ankauf gesetzlich gestattet
wurde. Häufig bestellten Handwerker und Händler, die mit Vieh, Pferden,
Getreide und mit Waren einen Teil ihres Lebensunterhaltes sich
erwarben, ihren Hof und ihr Feld und gewannen ihren Eigenbedarf, ihr
Brot und die Kartoffeln, Milch und Eier sich selbst. --

Berechnungen haben ergeben, daß der deutsche Osten 1/4 Million Juden
auswandern ließ, von denen wir ungefähr allein 100000 in Berlin
wiederfinden. Die Politik Deutschlands ist oft ohne Verstand gemacht
worden. Es wurde aber wenigstens Politik -- wenn auch schlechte --
gemacht. Die Judenpolitik fara da sé. Was kümmerte irgend einen Minister
das jüdische Ostmarkenproblem. Mochte das gesunde Volksleben der Juden
in der Ostmark ersterben, die deutschen Interessen dabei einen
empfindlichen Schlag erleiden: Haß macht blind. -- Für die
Oeffentlichkeit und für die Gesamtheit der Juden selbst existierte keine
jüdische Frage.

Vor vielen Jahren fand die Renegatin $Fanny Lewald$, die Vielgelesene,
in ihrer Lebensgeschichte die beherzten Worte:

    „In Frankreich und wohin die französische Herrschaft sich
    ausbreitete, waren die Juden emanzipiert. In Preussen lastete
    Unfreiheit und Verspottung auf ihnen. Es ist also natürlich, dass in
    jener Zeit sich in vielen Juden die Frage regte, ob Freiheit unter
    einem fremden Herrscher nicht der Knechtschaft unter einem
    heimischen Fürstenbauer vorzuziehen sei? Und es ist nach meiner
    Meinung nie genug gewürdigt worden, wie gross die Selbstverleugnung
    und die Vaterlandsliebe der Juden gewesen ist, welche sich im Jahre
    1813 als Freiwillige den Kämpfen gegen Frankreich angeschlossen
    haben, um einem Lande seine Freiheit wieder erobern zu helfen,
    welches ihnen keine Freiheit, wohl aber Kränkungen und
    Beschränkungen aller Art dafür zum Lohne bot.”

Trotzdem ergab die Zählung in der Provinz Posen

        Juden    mit deutscher   polnischer Muttersprache

  anno   1900        35011                176
         1905        30036                 70
         1910        26444                 22

Der Rückgang der Juden im Osten stellte somit einen Verlust für den
deutschen Volksteil dar. $Swart$, einer der besten Kenner dieser Frage
betont: „Die Juden haben in der Provinz Posen überall die deutsche
Muttersprache und gehören kulturell und politisch zu den Deutschen ...”
„Solange die Juden”, schrieb Leo $Wegener$, „einen großen Teil der
städtischen Bevölkerung ausmachten, waren sie nicht nur in den Zweigen
des Handels, sondern auch in denen des Handwerks zu finden und ließen
kein polnisches Handwerk aufkommen”. $Bernhard$ unterstrich die
Bedeutung des jüdischen Elements für die Loyalität der Ostprovinzen und
spricht den Auswanderern einen proletarischen Charakter zu, da sie meist
ein Handwerk erlernt hätten. An einer anderen Stelle nennt Bernhard die
in den letzten 20 Jahren emporgekommenen Organisationsformen der Polen,
die Banken, Einkaufs-, Verkaufsgenossenschaften, Berufsvereine die
Mittel, die ein polnisches Gemeinwesen schufen und zur Ertötung des
deutschen und jüdischen Einflusses führten. Sogar die amtliche
Denkschrift „20 Jahre deutsche Kulturarbeit” bringt den Rückgang des
Deutschtums ausschliesslich mit der Abwanderung der Juden zusammen und
in der im Auftrag des Vereins zur Sozialpolitik gefertigten Studie steht
der vom Bürgermeister Zitzlaff von Marienwerder formulierte Satz: „Man
kann über den nationalen Wert der Juden denken wie man will, jedenfalls
ist die Abwanderung als Verlust auf deutscher Seite zu buchen.”

Ein jüdischer Autor ($Kassel$) führt die Ursache weiter aus: „Wurden die
Juden heute verhöhnt, so wurden sie morgen abgestoßen. Bei dem Hin- und
Herstoßen wurden die Juden jedoch wirr- und planlos, was sich durch den
Mangel an jeder Organisation unter ihnen schließlich bis in die heutige
Zeit hinein fühlbar machte. Hinzu kam, daß die Juden den christlich
deutschen Kulturträgern eine billige Gelegenheit boten, den Aerger über
das Mißglücken aller anti-polnischen Maßregeln an einem geduldigen
Prügelknaben auszulassen ...” Lautete die Losung für die Ostjuden
„Auswandern und Aussterben”,[14] so ist jetzt die Frage gelöst. Die
letzten Reste der ostdeutschen Juden strömen im Jahre 1920 nach Berlin
und von einigen Nachzüglern abgesehen, existieren im Osten nur noch
Trümmer von kleinen Siedelungen. Mit der antisemitischen Politik hat
Preußen die Juden zwar aus dem Osten vertrieben, selbst aber dazu
beigetragen, das Polentum zu stärken und ihren Abfall begünstigt.[15]

Ebenso bedeutsam ist die Verstädtichung, die Ueberführung der Dorf- und
Kleinstadtjuden in die Großstädte. Viele Ziffern illustrieren diese
Umstellung. Es waren z. B. in Preußen in Orten mit weniger als 20000
Einwohnern Juden:

      1895     1900     1910     1920
     160106   141736   117881    80000??
  in % d. Juden
      42,2     36,1     28,4     18??

dagegen in Großstädten:

        164110   193204   247518   300000??
  in %   43,2     49,3     59,5     72,0??

Mindestens 3/4 der preußischen Juden dürften 1920 in den Großstädten
leben, wahrscheinlich 50% allein in Berlin, das 1910 schon über 1/3
beherbergte.

$Das Tempo, in dem sich dieser Umzug vollzieht, ist
Expreßzugsgeschwindigkeit$. Bei der nichtjüdischen Bevölkerung bleibt
die Masse der ländlichen Bevölkerung ungefähr konstant, die kleinen Orte
vermehren sich, wenn auch der größte Teil der Volksvermehrung den
Hauptstädten zugute kommt. Man kann aber nicht von einer Dezimierung
des flachen Landes und der Kleinstadt sprechen. Bei den Juden entstand
aber eine Auflösung der Dorfgemeinden und der Landstädte. Allein in der
kurzen Frist von 5 $Jahren$ änderte sich die Bevölkerungszahl der Juden
in

                                1900      1905
  (Westpreußen): Zempelburg      792       393
  (Posen): Schrimm               593       396
  (Brandenburg): Landsberg       568       479

In Bayern waren in unmittelbaren, d. h. größeren Städten Juden

         1875   1900   1905   1920
  in %   31,6    50     60     70?

auf dem Lande

            1840   1895   1905   1920
           51097  24065  15053  10000?

  in % d. J.
            86,2   41,8   27,2    18?

Durch das Abfluten der Dorfjuden sollte man meinen, würde sich die Zahl
der Juden in den Städten vermehren; dem ist aber nicht so. Es gab zu
Beginn unseres Jahrhunderts über 70 Städte in Preußen, die mehr als 500
Juden zählten. Von diesen verloren 1900-1910 an Juden:

   1. Hohensalza      440
   2. Gnesen          391
   3. Posen           382
   4. Lissa           359
   5. Stettin         371
   6. Gleiwitz        298
   7. Beuthen         204
   8. Krotoschin ca.  200
   9. Ratibor         187
  10. Oppeln          161
  11. Altona          182
  12. Glogau          147
  13. Schneidemühl    155
  14. Thorn           161
  15. Rogasen         150
  16. Breslau         144
  17. Danzig          170
  18. Bromberg        170
  19. Liegnitz        132
  20. Memel           114
                     ----
                     4518
  21. Frankfurt O.    121
  22. Tilsit          102
  23. Stolp            98
  24. Ostrowo          78
  25. Mülheim          41
  26. Görlitz          41
  27. Krefeld          67
  28. Trier            72
  29. Graudenz        113
  30. Magdeburg        82
  31. Kreuznach        54
  32. Samter           50
  33. Schönlanke       50
  34. Halberstadt      28
  35. Hanau            20
  36. Hildesheim       20
  37. Königshütte      24
  38. Aachen           17
  39. Bochum           10
  40. Eschwege         13
                     ----
                     1101

Außerdem schieden aus der Reihe der Großgemeinden mit über 500 jüdischen
Gemeindemitgliedern aus im Jahre 1905 resp. 1910: 41. Czarnikau,
42. Rawitsch, 43. Myslowitz, 44. Coblenz, 45. St. Johann, 46.
Zempelburg, 47. Krotoschin, 48. Landsberg a. W. Ueber 500 Juden hatten
neu 1900/10 nur vier Orte (also nur die Hälfte der Ausfallenden), Hagen,
Zabrze, Marburg, Kattowitz. Insgesamt nahmen in ihrer absoluten Zahl ca.
24 Großgemeinden Preußens in ihrer Bevölkerung zu und in 48 -- das ist
die doppelte Zahl -- ging die jüdische Einwohnerschaft zurück. Die
Zersetzung der kleinen Gemeinden hier anzuführen, ist leider zur Zeit
wegen Platzmangels unmöglich.

Es handelt sich um die Großgemeinden. Wir finden die niedergehenden
jüdischen Großgemeinden in Städten mit über 100000 Einwohnern, wie
Danzig, Stettin, Posen, Krefeld, Altona, sodann von bedeutenden
Industriezentren Beuthen, Bochum, Königshütte, Magdeburg, Görlitz,
Mülheim und Breslau, das Zentrum der schlesischen Juden. Insgesamt
verloren in nur 10 Jahren allein 40 der judenreichsten $Städte$ über
6000 ihrer Seelen.

Nun sollte man in den restlichen 24 Städten einen großen
Zuwanderungsgewinn vermuten, der die Juden über ihr Verhältnis stärkte;
das gerade Gegenteil $ist richtig$. Trotz des Zuzugs vom Lande, der
Kleinstadt, der zu erwartenden eigenen Vermehrung und der ausländischen
Einwanderung, ist auch hier $ein relativer Rückgang der Juden$ in der
Bevölkerung eingetreten.

Es waren Juden unter 100 der Bevölkerung in

                          1900         1910

   1. Frankfurt a. M.      7,6          6,3
   2. Köln                 2,6          2,4
   3. Königsberg           2,1          1,9
   4. Wiesbaden            3,5          2,5
   5. Kassel               2,3          1,8
   6. Essen                1,1          0,9
   7. Dortmund             1,4          1,2
   8. Bonn                 1,7          1,4
   9. Münster              0,8          0,7
  10. Duisburg             0,9          0,7
  11. Gelsenkirchen        2,2          0,7
  12. Bielefeld            1,3          1,1
  13. Emden                4,6          3,5
  14. Erfurt               0,8          0,7
  15. Kattowitz            7,1          6,9
  16. Hannover             1,9          1,7
  17. Hagen
  18. Zabrze
  19. Marburg              2,55         2,37
  20. Düsseldorf           1,14[16]     1,11

Bei einer Reihe von ihnen zeigt sich in 10 Jahren eine relative Abnahme
der jüdischen Bevölkerung von 20-40%. Handelt es sich auch stellenweise
um Orte, die durch Eingemeindung rasch anschwellen, die Tatsache bleibt
dieselbe. Die kolossale Abnahme der Landbevölkerung hat zu keiner
Vermehrung des jüdischen Anteils in den Städten geführt. Nur ein Ort in
Preußen konnte sich von 1900 bis 1910 den gleichen prozentualen Stand
der Juden wahren. Nämlich München-Gladbach 1900 und 1910 = 1,26%.

Eine relative Zunahme finden wir in zwei Orten, in Fulda und Elberfeld,
und selbst bei diesen beiden Orten ist der prozentuale Zuwachs minimal.

  Fulda       1900 : 1910   4,0 : 4,25 % der Bevölkerung
  Elberfeld     „  :   „   1,06 : 1,13 %  „     „

Wir haben bis jetzt der Entwicklung von Groß-Berlin noch nicht gedacht.
Die verschiedenen Vororte von Berlin bilden bekanntlich mit der alten
Hauptstadt längst ein organisches Ganze. Groß-Berlin insgesamt
zählte[17] im Jahre 1900 4,35% Juden und 1910 nur noch 4,05% oder um ca.
7,5% weniger.

Die jüdischen Gemeinden in Deutschland haben sich somit relativ überall
und selbst in den Großstädten und Industriecentren vermindert. Hier sank
durchschnittlich der jüdische Anteil um 25%. In der Hälfte der
Groß-Gemeinden trat auch eine absolute Abnahme der Bevölkerung ein, so
daß ein Teil von ihnen zur baldigen Bedeutungslosigkeit verurteilt ist.
Dieser Prozess ist keine auf Preußen beschränkte Erscheinung. Wir finden
analoge Verhältnisse in den übrigen deutschen Staaten:

  in Hessen: Mainz      3104 (1900)       2906 (1910)
  im Elsaß: Mülhausen   2466    „         2287    „
  in Braunschweig:
     Braunschweig:       861    „          720    „

In Bayern hatten eine Abnahme

  Fürth                 3017      auf     2826
  Würzburg              2567       „      2514
  Kaiserslautern         741       „       726
  Landau                 874       „       785
  Regensburg             571       „       493
  Speyer                 520       „       478

Bamberg blieb seit 1880 stationär.

Die Volksverschiebung und Konglomeration gibt die Entwicklung der
einzelnen Provinzen wieder: Es hatten Juden

                              1880        1910

  Ostpreußen                  18218       13027
  Westpreußen                 26547       13954
  Pommern                     13886        8862
  Posen                       56603       26512
  Schlesien                   52682       44985
  Schleswig-Holst.             3522        3343
  Sachsen                      6700        7833
  Hannover                    14790       15545
  Westfalen                   18810       21036
  Hessen-Nassau               41316       51781
  Rheinland                   43694       57287
  Berlin und Brandenburg      66245      151298

$Die Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern, Posen, Schlesien und
Schleswig verloren seit 1880 bis 1910 somit neben ihrem
Geburtenüberschuß an ihrer absoluten Ziffer den dritten Teil$ (= 60000
$Juden$). Auf der anderen Seite hatten die übrigen Provinzen einen
Gewinn von 113000, der sich in folgender Weise verteilte:

Berlin-Brandenburg gewann 85000 Juden,[18] die Rheinlande 14500,
Hessen-Nassau über 10000, Westfalen 2000, Sachsen und Hannover je 1000.

Damit beteiligten sich an der Volksvermehrung der deutschen Juden Berlin
mit 75%, die Rheinlande mit 13%, Westfalen, Sachsen und Hannover mit
etwas über 3%.

Wohnten von hundert preußischen Juden 1880 noch 46% im Osten, so waren
es 1910 25,8%. (Im Jahre 1817 wurden im damaligen Preußen 127345 Juden
angetroffen, von denen 41% = 52568 $allein$ in Posen ansässig waren,
gegenüber 6% im Jahre 1910).

Die Zunahme betrug

       in         1905 gegen 1900      1910 gegen 1905

  Hessen Nassau         1911                  1675
  Rheinland             3157                  1879

Davon gewann Köln (in den Rheinlanden) 1900 auf 1905 allein 1300 Juden,
Frankfurt in derselben Zeit 1500. Auch diese Provinzialstatistik zeigt,
daß die Zunahme der Juden nur die bekannten Immigrationspunkte der
Ostjuden berührt.

Von den 150000 Juden in Brandenburg und Berlin wohnten 144000 in
Groß-Berlin, $somit ebenso viele Juden in Berlin, als in folgenden
Provinzen zusammen: nämlich in Posen, Westpreußen, Ostpreußen, Pommern,
Schlesien, Schleswig-Holstein, Sachsen und Hannover$. Eine Volkszählung
um 1920 wird durch die erneute Umgruppierung und bei der Zunahme für
Berlin hierfür ebensoviel Juden ergeben, wie für das übrige ganze
Preußen. Nehmen wir die zehn größten Judengemeinden Preußens zu Berlin,
so umfassen die paar Gemeinden über 2/3 aller Juden Preußens! --

Auch für die Bevölkerung existiert das Großstadtproblem. Gleichwohl
verfügt Deutschland über eine bedeutende sich gleich bleibende
Landbevölkerung, die ihren Geburtenüberschuß auf kleine und Großstädte
verteilt. Immerhin nehmen im Reiche kleinere und größere Orte an
Bevölkerung zu. Das jüdische Problem kann aber in ihren Tendenzen
soziologisch in die Worte gekleidet werden, daß es sich um eine völlige
Entvölkerung des Landes und um eine Volkswanderung in wenige
Hauptstädte, insbesondere Berlin, handelt.

    „Der nivellierende und teilweise abstumpfende Einfluss,” schreibt
    Paul Drey am Schlüsse seiner „Juden in Stadt und Land,” Berlin 1906,
    „städtischen Lebens macht sich aber in der ganzen Lebenshaltung
    auch in religiösen Anschauungen geltend. Mit den bewegenden Ideen
    der modernen Kultur und durch die Besserung der wirtschaftlichen
    Lage schwinden manche mitgebrachten religiösen Vorstellungen,
    vollzieht sich langsam eine Entfremdung gegenüber dem ererbten
    Bekenntnis.”

Auch kein orthodoxer Jude kann bestreiten, daß das großstädtische
Wirtschaftsleben der stärkste Feind der Sabbathheiligung ist, daß die
breiten Massen in ihrer jüdischen Lebensweise durch die Einflüsse der
Großstädte einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt sind. Wir wollen
die allgemeinen Nachteile und die Schädigungen für das Judentum sondern
und auseinanderhalten. Die allgemeinen Großstadtprobleme sind in der
medizinischen und nationalökonomischen Literatur häufig behandelt.
O. $Amon$ und $Roese$ haben der Großstadtbevölkerung nachgesagt, daß sie
rasch ausstirbt. Roese hat den Beweis an Dresden erbracht, Stubenluft,
Alkoholismus, kalkarme Nahrung sind die Totengräber. Ich selbst konnte
in meinem „sterilen Berlin” die gewaltige Ehe- bezw. Kinderlosigkeit und
Kinderarmut der Großstadtbevölkerung in ihrer noch nicht abgeschlossenen
Entwicklung darlegen. $Woltman$ hat auf die Bedeutung der Reservekräfte
hingewiesen, die in gesunder Lebensanschauung und Lebensführung auf dem
Lande gelegen sind. $Dade$ hat den minder physiologischen Wert der
Berliner Bevölkerung aufgedeckt. Ferner sei an die $Westergaardschen$
Spezialuntersuchungen erinnert. Nur großzügiges Erfassen kann diese
volksgesundheitlichen Schädigungen feststellen und ihre Wurzeln
bloßlegen (Gesetz von Ursache und Wirkung); denn die Völker verfaulen,
wie $Dode$ meint, ohne daß sie es merken.

       *       *       *       *       *

$Napoleone Colajanni$ hat in seinem Werke Latini e Anglosassoni gezeigt,
daß der Verfall der Nationen begann, ehe er nach außen deutlich wurde.
Dem moralischen Rückgang soll der geistige und wissenschaftliche
folgen.

Die Generation, die heute in den Städten wohnt, ist größtenteils noch
auf dem Lande geboren, zum mindesten stammen die Eltern oder Großeltern
vom Dorfe. Der Jude des platten Landes war ein Muster an Einfachheit.
Sein Leben war ein natürliches, von keinerlei „Ueberkultur” beleckt.
Tätigkeit und Aufenthalt brachten die Ausübung rein physischer Arbeit
mit sich. Der einfache, religiöse, mäßige Jude stellte ein Kapitel
„Volksgesundheit” dar.

Daß ihre ersten Nachkommen noch von deren zähen Lebenskraft zehren,
erscheint selbstverständlich. Die Urwüchsigkeit kann sich aber
erschöpfen. Die Geschichte gibt Beweise des Niederganges tüchtiger
Rassen. An den Adelsgeschlechtern der ganzen Kulturwelt ist
nachgewiesen, daß nur das Einströmen bislang Namenloser die Kaste vor
dem Verfall bewahrt hat.

Die Schattenseiten der Großstädte gelangen bei der Mehrzahl der
preußischen Juden vorerst noch nicht voll zur Erscheinung. Erst in der
Descendenz der Zugewanderten machen sich die Einflüsse der
großstädtischen Sitten und Verhältnisse frei geltend. Ist nun der Zug
nach Berlin nur eine vorübergehende Erscheinung und ein durch
Zufälligkeiten bedingtes Ereignis, das morgen einem plötzlichen Abbruch
unterliegt? Es gehört ein großer Mangel an sozialem Verständnis dazu,
diese organische, zu einem Orkan anwachsende Volksbewegung für eine
Zufälligkeit zu halten. Diese Verschiebung in den Wohnsitzen der Juden
in Deutschland bedingen hauptsächlich folgende Ursachen:

    1. Im jüdischen Volkscharakter liegt das Streben nach Geselligkeit.
    Wie ein Schmetterling, der um das Licht herumflattert, so sucht der
    Jude mit seinem sensitiven nervösen Charakter die Reize der
    Großstadt. Ihn locken die Stätten der materiellen und geistigen
    Genüsse. Der geistige und ökonomische Aufstieg der ersten Emigranten
    wirkt anreizend auf die zurückbleibenden.

    2. Seit Jahrtausenden hat der Jude eine Vorliebe für geistige
    Beschäftigung. Bei keinem anderen Volk wurde das Studium so
    kultiviert und hochgehalten. Die Universität, hohe Schulen, die
    Akademien ziehen die Schüler und ebenfalls die um ihr Fortkommen
    besorgten Familien an.

    3. Der Kaufmann findet das vielfältigste Betätigungsfeld in der
    Großstadt. Mit Recht führt der stellungslose Kaufmann dorthin, wo er
    überhaupt leichter (und als Jude besonders) Arbeit findet.

    4. Da der Jude seltener Grund und Boden besitzt, und, wo es der Fall
    ist, mit ihm nicht sehr lange verwoben ist, so löst er sich von
    seiner Heimat leichter wie der bodenständige deutsche Bauer[19].
    Umsomehr als der Jude erst seit 100 Jahren Land erwerben durfte und
    gerade in dieser Zeit die ausländischen Agrar-Produkte die Arbeit
    der deutschen Landwirte unterboten. Die Zukunft der deutschen
    Landwirtschaft sah wenig rosig aus. Selbst die Nachkommen der alt
    eingesessenen Bauern, die nichts anderes gesehen und gelernt hatten,
    wandten sich anderen Berufen zu. Und nur aus Sport oder Liebhaberei
    steckten einige Reiche neues Geld in Grund und Boden. Trotz der
    kolossalen Volksvermehrung Deutschlands nahm die Landwirtschaft
    nicht zu. Und auch vom goldenen Boden des Handwerkerstandes war kein
    Schimmer. Die, welche die Berufsumschichtung der Juden mit zu
    geringen Mitteln ohne staatliches Verständnis und Hilfe betrieben,
    erlitten Schiffbruch. Nicht nur aus seelischen Einstellungen mußte
    der Jude sein Fortkommen im aufblühenden Handel suchen. Es wäre
    daher ein Wunder, wenn die Berufsstellung der Juden sich anders
    eingestellt hätte, als wir sie historisch erfassen.

    5. In der Großstadt verschwindet der Jude. Der antisemitische Geist
    der Kleinstadt kann ihm hier nichts anhaben, im Gegenteil, in Berlin
    z. B. gilt sogar der Jude etwas. Eine Zurücksetzung im öffentlichen
    Leben, insbesondere in den großen kaufmännischen
    Organisationsformen, ist hier weniger zu spüren als in der
    Kleinstadt, in der der Jude immer um seine Anerkennung ringen muß.
    Eine Reihe von ähnlichen und prädisponierenden Momenten, die
    Herrschaft des demokratischen und sozialistischen Gedankens in der
    Großstadt gegenüber der konservativ-klerikalen Cliquenherrschaft,
    gegenüber den fühlbaren Einflüssen des Junkertums auf dem Lande und
    vieles andere lassen den Prozeß, der einmal in Fluß gekommen ist,
    nicht so rasch mehr zum Stillstand kommen. Wo so viele
    psychologische, ökonomische und soziale Einflüsse am Werk sind,
    versagen Ermahnungen und Appelle, sowie Beschwörungen. Wir müssen
    den zurückgebliebenen Teil in der Provinz mit einer Gesellschaft
    vergleichen, die sich in Liquidation befindet.

So lange Berlin nur einen Teil der Juden und zwar einen kleinen
darstellte, hatte es schon eine über ihre Größe bedeutsame
Beeinflussung auf die Entwicklung der deutschen Juden ausgeübt. Sobald
es an Zahl die übrigen deutschen Juden überholt haben wird, werden die
Vorgänge in Berlin umsomehr bewußt und unbewußt die kleinstädtischen
Verhältnisse im Berliner Geist beeinflussen. Dieses Abfärben
großstädtischen Geistes und großstädtischer Sitten läßt sich schon heute
nachweisen.

Bei den bekannten Wechsel-Wirkungen zwischen Berlin und der Provinz, die
bei den Juden besonders erstarkt sind, bleibt es nicht nur bei der
Nachahmung der Mode, bei der Aufnahme großstädtischer Lektüre und bei
dem Anschluß an die Organisationsformen, welche hier das Licht der Welt
erblicken, sondern tausend Imponderabilien, die den äußeren
Erscheinungsformen anhaften, werden mit übernommen und bestimmen auch
das „dabei” der Kleinstadt und so wird der Provinzjude gewissermaßen nur
noch ein Vorposten der Gemeinde Groß-Berlin. Wenn wir mit der Geschichte
Berlins die Geschichte vorerst der Hälfte der preußischen Juden
schreiben, so ist das nur mathematisch richtig.



KAPITEL V.

$DAS SEXUALPROBLEM$.

                                    _Die vernunftmässige Ueberlegung
                                    erobert auch die Sexualsphäre. Die
                                    Zeit, wo die Rassen instinktmässig
                                    dahinlebten und neben der Stillung
                                    des Hungers keinen anderen
                                    intensiven Lebensgenuss als den
                                    ehelichen Verkehr kannten, ist
                                    vorbei._

                                                      _Dr. Mensinga._


$1. Die Ehelosigkeit.$

Mit der Umwälzung, welche die Judenheit durch die Lösung ihrer
religiösen Gebundenheit und durch Umstellung in Beruf und Wohnort
erfahren hat, traten Sexualverhältnisse auf, die wir zusammenfassend
folgendermaßen kennzeichnen können:

$Von 100 Juden, heiraten 25 überhaupt nicht. Ein weiteres Viertel bleibt
kinderlos, das dritte Viertel begnügt sich mit ein oder zwei Kindern und
nur beim letzten Viertel treffen wir drei und bei einem kleinen
Prozensatz mehr Geburten.$ Diese vorweggenommenen Resultate bedürfen der
näheren Untersuchung. Wir werden zuerst die Frage der Ehelosigkeit
berühren.

Die Ehelosigkeit ist aus verschiedenen Gründen bedingt. In den
Wirtschaftsverhältnissen ist ein Teil der Hindernisse gelegen. Die
Großstadt verfügt über tausende von jungen Beamten und kaufmännischen
Angestellten die nach ihrem Stand sich zur Schicht des Mittelstandes
rechnen, und ihrem Einkommen nach Proletarier sind. Während der
Arbeiter frühzeitig eine Lebensgefährtin nimmt, die mit ihrem Verdienst
-- wo es nötig ist -- die Einkünfte der Familie sicher stellt, hat der
Jude den Uebergang in das moderne Wirtschaftsleben noch nicht vollkommen
gefunden. Bei ihm soll die Frau nur im Heim ihre Fertigkeit entfalten
und da der jüdische Kastengeist eine gewisse Stufe, resp. Höhe der
Lebenshaltung zum ungeschriebenen Gesetz erhoben hat, ist es für den
niederen Angestellten eine Schwierigkeit, mit einer produktiv kaum
gewinnreich tätigen Frau und mit kostspieligem Nachwuchs das armselige
Budget zu belasten. Wie jeder Soldat angeblich den Marschallstab im
Tornister trägt, so glaubt mancher Kaufmann es noch zu einem kleinen
Rothschild zu bringen. Es ist daher in den Kreisen der jüdischen
Handlungsgehilfen Sitte, mit der Vermählung zu warten, bis der Herr
Kommis sich aus dem kümmerlichen Lohnverhältnis herausgearbeitet hat und
selbst Unternehmer geworden ist. Was vor wenigen Jahrzehnten
verhältnismäßig einfach war, ist in dem Zeitalter der Konglomeration des
Kapitals eine Schwierigkeit geworden. Und wenn der 30jährige noch immer
auf die passende Gelegenheit lauert, so hat der 40jährige schon die
Hoffnung aufgegeben, im Kampf ums Dasein den ökonomischen Aufstieg für
sich günstig zu entscheiden. Er bleibt das, was ihm als eine
vorübergehende Periode erschien, sein Lebtag ein Gehilfe. Zu spät hat er
seinen Beruf erfahren und damit zum Teil verfehlt. Und die meisten
können sich auch dann nicht in den Gedanken finden, Proletarier zu sein.
Die echten Proletarier haben manches vor ihnen voraus. Der einfache
Arbeiter baut sein Leben auf seine derzeitigen Existenzverhältnisse auf,
der jüdische kommerzielle Angestellte rechnet mit Größen aus dem Reiche
der Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit.

Der $Arbeiter$ heiratet im Durchschnitt recht früh. Er erlangt schon
Anfang der Zwanziger das Maximum seines Einkommens. Er vermietet seine
Arbeitsleistung, seine Kraft, seine Arme an den Unternehmer und gewinnt
damit durch $rein physische Leistung$ den Lebensunterhalt. Also erreicht
der Proletarier etwa mit der Volljährigkeit, in der Zeit der sexuellen
Vollreife die wirtschaftliche Höhe seines Einkommens, die die Unterlage
für Ehen seines Standes zu bilden pflegt.

$Der jugendliche Handlungsangestellte und der Beamte$ bekommt nicht wie
der Arbeiter den Lohn, den auch die älteren Berufsgenossen beziehen. Er
vermietet zwar seine volle Arbeitsleistung, sein Hauptkapital das er
besitzt, wird aber im jugendlichen Alter nur insoweit entlohnt, daß er
knapp allein sein Leben fristen kann. Je länger er ausgebildet ist,
Schulen besucht, Sprachen gelernt hat, das Ausland bereiste, in anderen
Unternehmungen sich betätigte, Erfahrungen und Zeugnisse sammelte, desto
größer wird die Chance seines Einkommens. Das schließt für diese
Berufsangehörige den Verzicht in sich, frühzeitig viel zu verdienen.
Seine ökonomischen Verhältnisse türmen der Familienbildung Widerstände
entgegen, die sich im Laufe der Jahre verringern, insbesondere, wenn der
niedere Angestellte eine gehobene Stellung erreicht oder den Traum
seines Lebens, den Weg zum Unternehmertum, gefunden hat.

Der $Unternehmer$ arbeitet nicht nur mit Kraft und Intelligenz,
sondern besonders mit seinem Kapital. Das Kapital gibt ihm die Ware,
die Unterlagen, Räume zu mieten, Kräfte einzustellen, Reklame zu
treiben, Kunden anzulocken. Der Besitz des Kapitals gibt ihm
Arbeitsmöglichkeiten. Der kapitalarme Unternehmer kann höchstens durch
besondere Intelligenz, durch glücklichen Kredit (was dem eigenen
Kapital nahekommt) den Kampf mit kapitalskräftigen Konkurrenten
aufnehmen. Es ist klar ersichtlich, daß jeder Händler, jeder Inhaber
eines Ladengeschäftes, jeder größere Agent das Geld nicht nur um des
Geldes willen, sondern als Arbeitskraft, als Vorausbedingung braucht.
Daher ist es erklärlich, daß der Jude als das nach Erfahrungen und
Statistiken am meisten zur Selbständigkeit und Unternehmertum
strebende Element im Tanze um das goldene Kalb sich verzehrt. Mit dem
immer schwieriger werdenden wirtschaftlichen Kampfe rückt das Alter
hinaus, in dem der Kaufmann sich eine selbständige Position errungen
hat. Und da er hinwiederum erst dann auf eine Mitgift rechnen kann,
wenn er schon selbst sich eine kleine Basis, eine Position geschaffen
hat, ist sein Heiratsalter um so später. In den Kreisen aber, in denen
die jungen Leute wissen, daß sie jahrelang nicht an eine Ehe denken
können, wird der Anreiz immer stark sein, mit Surrogaten der Liebe
vorlieb zu nehmen. Umsomehr als der jüdische Kaufmann auf den vielen
Reisen, bei der leichten Lebensauffassung seines Standes, bei der
großen Zahl der Mädchen, die ihn umgeben, die gleichfalls die
Möglichkeit einer Ehe für nicht allzu groß erachten, Auswahl und
Anreiz in Menge vor sich sieht. Deshalb ist die freie sexuelle
Betätigung des jüdischen Kaufmannes und Studierenden eine ökonomisch
besonders bedingte und bei aller Bewunderung, die wir denen zollen,
welche sich in Aufrufen an das Verantwortlichkeitsgefühl der jungen
Leute abmühen, ist es doch ausgeschlossen, daß dadurch der starke
sexuelle Trieb unterdrückt wird. Die Frühehe der alten Juden mochte
den Menschen Genüge tun. Sie verzichtete auf das törichte Verfangen,
naturam expellere furca. Wo die jüdische Lehre aber in zu starkem
Widerspruch mit den Voraussetzungen des Lebens geriet, erlitt auch sie
eine Niederlage. Ein Beispiel mag es bezeugen: Verpönt war die
Geldehe, (Eben Haezar 2, 1). Die gesetzestreuen Juden haben sich nicht
daran gekehrt. Die alten jüdischen Weisen rechneten wenigstens mit der
Gewalt des Geschlechtstriebes und gaben ihm Unterlagen. Die modernen
Prediger in der Wüste vertrösten erwachsene Menschen.

Die Aussicht auf die Spätehe muß die Verseuchung der großstädtischen
kaufmännischen Bevölkerung auslösen. Die Folge zahlreicher Infektionen
ist aber wiederum ein Anschwellen impotenter Ehemänner und
Dauerzölibatäre. Immer größer wird die Zahl der jüdischen Junggesellen.
In der Großstadt ist die Heirat keine Lebensnotwendigkeit. Die Gründe
für die Ehelosigkeit sind im Zunehmen begriffen. Niemand findet heute an
dem Junggesellentum einen sittlichen Mangel. (Selbst unter den Rabbinern
und orthodoxen Juden befinden sich ledige Juden.)

Für Hessen hat $Ruppin$ bereits für 1905 die geringere Heiratsneigung
der Juden nachgewiesen. (Zeitschr. f. St. der Juden, Band III.) Nach
meiner Preisarbeit der Gesellsch. f. Rassenhygiene waren von hundert
Berliner Juden verheiratet:

                    1895              1900                         1910
               männl.  weibl.   männl.  weibl.              männl.   weibl.

  Bis 25 J. alt  2,0    21,4      3,3    21,5      18-20 J.  0,1     10,0
   „  30    „   20,6    52,9     19,0    52,7      20-30    12,0     35,4
   „  35    „   47,0    65,5     43,7    66,0      30-40    57,9     69,6
   „  40    „   70,0    71,3     57,4    69,8      40-50    77,7     70,2
   „  45    „   78,0    73,0     78,3    68,1      50-60    81,5     56,8
   „  50    „   82,6    68,3     82,0    67,1
   „  55    „   83,7    62,7     68,6    54,6
   „  60    „   81,2    50,6     66,9    52,7

Danach waren bis zum dreißigsten Lebensjahr (1910) 12,4% der Männer
verheiratet gegen 20,6% im Jahre 1895, vom 35.-40. etwas über die
Hälfte. Die älteren Jahrgänge entstammen einer früheren Zeit, sodaß wir
heute wohl mit geringeren Ziffern zu rechnen haben. Gleichwohl ergab
sich, daß von $100 männlichen und weiblichen Juden in den Jahresklassen
der 40- bis 50-jährigen 22,3% resp. 29,8% unverheiratet$, ($darunter$
über 20% $ledige$) eine Zahl, die nach dem Stand von 1920 auch ohne
Berücksichtigung der schweren wirtschaftlichen Verhältnissen der neuen
Zeit zugenommen hätte.

Die Statistik zeigt, daß die Jahrgänge 25-40 der Berliner Juden
durchschnittlich mit 1700 bis 1800 Personen besetzt waren (1910),
während an jüdischen und nichtjüdischen Eheschließungen zwischen 1910
und 1913 ca. 1200 Eheleute jährlich beteiligt waren, von denen wir die
Witwen und Geschiedenen abziehen. Es heirateten also vor dem Krieg keine
2/3 der jüdischen Berliner Bevölkerung. Bei der allgemeinen Berliner
Bevölkerung gab es von den 40- bis 50jährigen nur 10,7% männliche und
14,7% weibliche ledige, gegenüber 22 und 27% bei den Juden. Wie wir aus
der vorliegenden Statistik ersehen, betrifft bei den Juden ein großer
Teil der geschlossenen Ehen, Spätehen. Von Frauen zwischen 20 und 30
Jahren war nur ein Drittel verheiratet. Die Folge muß eine geringe
Ziffer von Geburten sein. Auch ein Heiratsalter von über 45 Jahren von
Seiten des Mannes kann unmöglich zur Erzeugung einer großen Zahl von
Kindern führen: unbeachtet von der Frage, ob diese späte Eheschließung
noch physisch und geistig gutgeartete Kinder zuläßt. Die Erschwerung der
Eheschließung, welche durch den Krieg ausgelöst wurde, betrifft die
jüdischen Kreise stärker wie die nichtjüdischen, weil die Juden viel
rationeller alle Fragen des Familienlebens überdenken. Die Gründung
eines eigenen Heims wird auf Jahre hinaus eine schwere ökonomische Frage
für alle Heiratenden sein und während bei der nichtjüdischen Bevölkerung
viel eher Einschränkungen vollzogen werden, hält der Jude an dem
Auftreten, an dem Schein und Zeigen eines gewissen Wohlstandes fest.
Jugendliche Idealisten scheinen den Weg der Jugend zu beeinflussen.
Rücksichtslos wollen sie ihre Verbindungen anknüpfen, gegen den Stachel
der Gesellschaft löcken und ein Heim, wenn auch auf wirtschaftlichem
Nichts, begründen. Aber können sie zum Prototyp einer Zeit werden, in
der alle Nöte, Teuerung und späte Selbständigkeit ihrer Klasse so sehr
die Stunde regieren? Einen Gradmesser der sexuellen Nöte verraten allein
schon die jüdischen $unehelichen Geburten$.

In Preußen wurden uneheliche Geburten bei Juden betroffen:

                    in %                           in %
              d. jüd. Geburten                  d. Geburten

  1821/30    94      1,7         1891/95   237      3,0
  1831/40   127      2,0         1896/00   259      3,4
  1841/50   162      2,4         1901/05   261      3,6
  1861/65   250      3,6         1906/10   318      4,2
  1881/90   248      2,5         1910/14   318      5,0

In Berlin allein waren uneheliche Geburten:

  1875/81         518
  1882/91         789
  1892/01         847
  1902/11        1051

In den letzten Jahren vor dem Krieg bildeten die unehelichen Geburten 10
Prozent der ehelichen Geburten der Juden Berlins gegen 5% in den 70er
Jahren.

Weder Entrüstung noch der Ausdruck irgend welcher sonstiger krasser
moralischer Werturteile ist hier am Platze. Die in der Enge des
jüdischen Familienlebens erzogene Jüdin, ihre an alten Beispielen
verankerte Sittlichkeit und ihre im Kreise der Kleinstadt und der
Ihrigen behütete und bewachte sexuelle Auffassung hat eine völlige
Ummodelung in dem Augenblick erfahren, wo das junge Mädchen in das
Erwerbsleben eintritt. Eine neue Umgebung läßt neue Anschauungen
aufkommen. Die Emanzipation vom Elternhaus, die Möglichkeit sich selbst
den Unterhalt zu verdienen, gibt ihr die Kraft sich von aller
Konvention, von aller Abhängigkeit vom Hause freizumachen, ein eigenes
modernes Leben zu führen und nicht nach dem zu fragen, was einst für gut
und böse gehalten wurde. Die völlige Freiheit des jüdischen Mannes ist
seit langem geduldet. Vor hundert Jahren war es auch darin anders und es
ist keine Unwahrscheinlichkeit, daß sich auch die Frau dasselbe
laisser-faire, laisser-passer erringen wird. Ob wir es wünschen oder
nicht -- ist dabei gleichgültig. Der Einfluß der Civilisation, die
Neuzeit mit ihrer breit ausladenden Sinnlichkeit, das Großstadtmilieu,
die Einwirkungen des Kapitalismus, die unglückliche Verteilung der
wirtschaftlichen Güter und die ungerechte Bezahlung der
Arbeitsleistungen der einzelnen Stände und der Geschlechter u. a.
bringen Einflüsse mit sich, welche eine Umwälzung in der Psyche des
Weibes vornehmen. Die Ausschließung lebensfreudiger Elemente von der Ehe
muß eine natürliche Reaktion sinnlicher Individuen hervorrufen und die
Prediger der Enthaltsamkeit warnen so lange vergebens, als der
natürlichen Regung des Weibes, ihrem unbewußten Sehnen, ihrem
selbstverständlichen Trieb das eigentliche Objekt: Ehe und Mutterschaft
entzogen wird. Mit dem Steigen der Ehelosigkeit der Jüdinnen nimmt die
Zahl der unehelichen Geburten zu, soweit sie die Geburtenpraevention
nicht verhütet, was in noch stärkerem Maße der Fall ist. Trotz allem ist
ihre Ziffer nicht groß genug, um von Bedeutung für die Erhaltung der
Judenheit zu sein. Die 300 unehelichen Kinder in Preußen sind eigentlich
lächerlich wenig an und für sich, nur das Sinken der allgemeinen
Geburtenziffern und die frühere relative Seltenheit unehelicher Kinder
bei den Juden überhaupt lassen sie zu einer soziologischen Bedeutung
werden. Moralstatistisch ist sie hochbedeutsam; Bevölkerungstechnisch
ist ihr Wert zu übersehen.

Es ist sicher, daß die Ziffer der unehelichen Geburten absolut keinen
erschöpfenden Ueberblick über das sexuelle Leben der unehelichen
Jüdinnen gibt. Die Jüdin der Großstadt, insbesondere das Mädchen von
Berlin W, das den Weg zur Ehe nicht findet, hat keine große Vorliebe für
außereheliche Mutterfreuden, die sie zu hintertreiben weiß. Wer aber dem
berühmten Schrei nach dem Kinde Leben verleiht, den überläßt die
Oeffentlichkeit der Aechtung. Aber alle Schuld rächt sich auf Erden. Die
Entwicklung, die heute nur ein Fünftel der jüdischen Mädchen in dem
angemessenen Alter zum Altar führt und die Aussicht für eine Heirat
überhaupt immer unsicherer gestaltet, modelt die berühmte altjüdische
Sittlichkeit des Weibes um, nachdem die des Mannes längst zum Teufel
ging. Ist es Schicksalswende der Juden oder Entwicklung des Sexualismus:
Liebe, Ehe, Sexualbefriedigung finden ihre Umwälzung und der Prozeß, der
sich anbahnt, ist noch lange nicht zum Abschluß gekommen. Eine weibliche
Jugend mit eigenen starken Impulsen wächst heran, die ihr Leben sich
selbst einrichten will, ohne Rücksicht auf die Philistermoral. Und mit
einer Energie, die der Sexualtrieb verstärkt und die logische
Ueberlegung stützt, nimmt sich die Jüdin ihr Recht auf das Leben, das
nun einmal der Güter höchstes ist, das Recht auf ihr eigenes Leben.



KAPITEL VI.

$DIE EHESCHLIESSUNG$.

                                    _Die alte Ehe war der beste Hort des
                                    Konfliktes zwischen der
                                    individuellen und generativen
                                    Leistung. Eine neue Ehe muss die
                                    glückliche Harmonie bringen, die
                                    beide Geschlechter als Eltern und
                                    Menschen zur vollen Entfaltung
                                    bringt. Dann wird jede neue
                                    Generation das biologische und
                                    traditionelle Erbgut reicher an die
                                    Zukunft weiter geben._

                                                      _M. Vaerting._


Alle Untersuchungen ergeben, daß der Bevölkerungsaufbau der Juden eine
10-20% $stärkere$ Besetzung ihrer Bevölkerung im $heiratsfähigen Alter$
aufweist. Das hat seine Ursache in der herabgeminderten Säuglings- und
Kindersterblichkeit. Wir besitzen Untersuchungen von Großstädten
(Berlin, München, Leipzig), ferner eine Auszählung von Hessen, die uns
die falsche Auffassung zurückweisen läßt, als ob eine große Auswanderung
die Zahl der Heiratsfähigen geschwächt hätte. Trotzdem ergibt sich, daß
auch mit den Elementen, welche eine Mischehe eingehen, die Zahl der
Eheschließungen um durchschnittlich 20-50% geringer ist, als bei den
Nichtjuden. Die Ursachen, die in den vorigen Kapiteln bereits angedeutet
wurden, führen zu folgenden Erscheinungen:

    1. Die Eheschließung der Juden nimmt immer mehr ab. Dieser Rückgang
    dauert ständig an.

    2. Die eheschließenden Juden sind durchschnittlich höheren Alters
    als die Nichtjuden, insbesonders auch im Vergleich zum Heiratsalter
    ihrer eigenen Großeltern. Besonders wird das Heiratsalter der
    Jüdinnen immer mehr hinausgeschoben.

    3. Für die Forterhaltung des Judentums spielen fast nur die
    jüdischen Ehen eine Rolle. Die Zahl der außerehelichen Mütter ist
    numerisch fast belanglos. Aus den Mischehen werden ziffernmäßig nur
    wenige Kinder dem Judentum zugeführt.

Spät geschlossene Ehen sind weniger fruchtbar, als jung eingegangene
Ehen. Zwischen dem Alter der Eheschließenden und der Kinderzahl besteht
ein natürliches Verhältnis. Das urwüchsige sexuelle Bedürfnis wird im
fortgeschrittenen Alter eher allen Hemmungen, Ueberlegungen und
Vernunftsgründen unterworfen. Die Impotenz ist eine Begleiterscheinung
des höheren Alters, insbesondere wenn Jahre und Jahrzehnte vorehelichen
Sexuallebens vorausgegangen sind.

Liebe ist in jüdischen Kreisen ein Faktor, der stark von äußeren
Einwirkungen beeinflußt ist. Damit ist noch nicht gesagt, als ob wir
nicht ähnliche Einstellung auch bei gewissen Bevölkerungsschichten des
deutschen Volkes beobachten würden. Der Adlige legt sich gleichfalls
Beschränkungen in der Auswahl der Zukünftigen auf. Der mit dem Kapital
arbeitende Christ übersieht ebenso immer mehr den Nutzen, den ihm eine
materiell gut fundierte Heirat einbringt. Ein Sprichwort sagt, daß der
Jude bei der Eheschließung nicht nur an die Kinder, sondern schon an die
Enkel denke und dieses Verantwortlichkeitsgefühl ist wohl löblich, hat
aber für die Erhaltung der Art Nachteile. Die große nichtjüdische Masse
pflegt noch heute eine Eheschließung viel unbekümmerter um die Fragen
der Zukunft einzugehen. Sie ist weniger berechnend, weniger überlegend,
weniger besorgt. Dazu kommt noch die Belastung, welche dem jüdischen
Mittelstand dadurch erwächst, daß die verheiratete Jüdin nicht im
Erwerbsleben stehen soll, daß sie oft verwöhnt ist und in der Ehe eine
Verbesserung ihrer Stellung und ihrer Bedürfnisse sucht. Die frühere
allgemeine Verehelichung der Töchter stellte ihre Versorgung dar. Das
Einkommen des Heiratskandidaten spielte naturgemäß eine ausschlaggebende
Rolle über Schönheit und Gestalt. Wenn heute die Liebe, d. h. das
erotisch-psychische Empfinden bei der Eheschließung der Jüdin mitwirkt,
so kann dieses Gefühl doch nicht bei der Gebundenheit der Ehemöglichkeit
an Geld und Einkommen über alle traditionelle Gedankengänge und reale
Ueberlegungen sich hinwegsetzen. Vielmehr wirken auch diese Faktoren
mehr oder weniger stark mit ein. Die Jüdin von heute möchte einen Mann,
den sie liebt und eine wirtschaftliche Sicherstellung ihrer Person. Man
kann ihr beides nicht verübeln. Große nichtjüdische Massen folgen
dagegen stärker ihren erotischen Trieben und heiraten ohne Rücksichten
auf die ökonomischen Voraussetzungen und Folgen. (Im christlichen
Mittelstand hat sich die Rationalisierung zusehends und die Angleichung
an die Verhältnisse bei den Juden vollzogen).

Wir haben schon betont, daß der Arbeiter, der Lohnempfänger und der
Bauer frühzeitig die volle Höhe seines Einkommens, das ihm die Arbeit
seiner Hände einbringt, erreicht. Der Jude, der zumeist Träger des
Kapitalismus ist, oder es werden will, unterwirft sein Liebesleben
diesem Idol. Er ist Herr und Sklave des goldenen Kalbes. Die
Bewegungsfreiheit ist auf diesem Altar geopfert und der Einzelne
machtlos gegen die überwältigenden Einflüsse dieses Götzen. Wenn er die
Schranken des Wirtschaftsgesetzes durchbrechen will, in dessen Schatten
er steht, so wird er nur persönliche Nachteile erfahren, die sein
aufopferndes Beispiel nicht als begehrenswertes Vorgehen vielen Jüngeren
erscheinen lassen wird ...

       *       *       *       *       *

Bedeutsam sind inbesonders diese und weitere Punkte, die wir kurz
andeuten wollen:

    1. Der deutsche Jude ist durchschnittlich bereits seit 15 Jahren
    geschlechtsreif und seit 10 Jahren geschlechtlich tätig, ehe er in
    die Ehe tritt. Durch sein Vorleben sind seine erotischen Instinkte
    ihrer Ursprünglichkeit beraubt, so daß uns die Erschütterung der
    inneren Gebundenheit vieler jüdischen Ehen nicht überraschen kann.

    2. Dem späten Eheschluß gehen venerische Krankheiten in erhöhtem
    Maße voraus, die proportional mit der Länge der Wartezeit ansetzbar
    sind. Aus ihr entspringt ein entsprechender Prozentsatz von
    Infektionen der Ehefrauen und eine Verseuchung des Nachwuchses.

    3. Je größer der Altersunterschied zwischen den Eltern und Kindern
    ist, desto stärker klafft die Weltanschauung zwischen ihnen. Jede
    Generation spricht eine andere Sprache, die das gegenseitige
    Verständnis zum mindesten erschwert und die die über das Maß der
    blutsverwandtschaftlichen Beziehungen hinausgehende Freundschaft
    zwischen beiden Teilen verkürzt. Jede Erweiterung des
    Altersabstandes erweitert die psychische Kluft.

    Die häusliche Erziehung der Kinder wird durch die Erschwerung des
    Wirtschaftslebens in der Großstadt auf eine neue Basis gestellt. Die
    Einwirkung der Eltern im jüdischen Sinne, wie sie in der Kleinstadt
    Usus war, erfährt in der Großstadt eine Minderung. Selbst in
    Kreisen, die der Religion großes Interesse entgegenbringen. Dadurch
    entsteht eine geistige Entjudaisierung, über welche sich
    insbesondere die Lehrer entsetzen und über die allgemein geklagt
    wird, die aber selbstverständlich ist. Ob den altjüdischen Einfluß
    des Elternhauses jüdische Schulen und eigene Schulgemeinden ganz
    ersetzen, ob bei der $Abnahme der Geschlossenheit der Ehe und dem
    Rückgang des Konnexes zwischen den Generationen, insbesondere im
    großstädtischen$ Milieu, $die neuen Edukationsformen den alten
    Geist übermitteln können, ist recht fraglich.$ --

Die Entwicklung der Eheschließungen verraten uns einige Ziffern.

Es fand statt eine Eheschließung von Juden

  ================================================================
   im Durchschnitte der Jahre | in Preußen | Bayern | Deutschland
  ----------------------------+------------+--------+-------------
           1875-84            |    2517    |   362  |
           1885-94            |    2577    |   360  |
           1895-00            |    3131    |   384  |
           1901-05            |    2534    |        |     3908
           1906-09            |    2672    |        |     3978
             1910             |    2667    |   367  |     3880
             1911             |    2581    |   390  |
             1912             |    2546    |   372  |
             1913             |    2482    |   389  |     3883

In $Deutschland$ betrug die Zahl der Eheschließungen 1901-1909
durchschnittlich bei der allgemeinen Bevölkerung 8,0% bei der jüdischen
Bevölkerung 7,2%.

In Berlin in den 10 Jahren vor dem Krieg (incl. Mischehen) trotz
Konstanz der heiratsfähigen Bevölkerung:

  1904   1504
  1905   1533
  1906   1524
  1907   1562
  1908   1451
  1909   1433
  1910   1429
  1911   1438
  1912   1356
  1913   1251



KAPITEL VII.

$DIE GEBURTEN BEI DEN JUDEN.$

                                    _Die Entwicklung geht dahin, die
                                    Zeugung von der Befriedigung des
                                    Geschlechtstriebes zu trennen._

                                                      _Forel._

                                    _Das Konstante ist nicht der
                                    Fortpflanzungstrieb, sondern der
                                    Begattungstrieb._

                                                      _Pothoff._


Vom Jahre 1875 bis zum Jahre 1914 hat die jüdische Bevölkerung in
Preußen um 75000 und damit um ca. ein Fünftel zugenommen (1910). Die
Zahl ihrer Geburten hat sich dagegen von über 11000 auf unter 6000
vermindert und ist absolut um fast 100%, relativ um fast 360% gesunken.

Es war

  ===============================================================
       im Jahr      |                   |              |
   durchschnittlich | die Zahl d. Juden | der Geburten | in Proz.
  ------------------+-------------------+--------------+---------
       1820-30      |       153688      |      5512    |   37,0
       1831-40      |       174000      |      6212    |   35,5
       1841-50      |       214000      |      7446    |   35,1
       1851-60      |       234000      |      7933    |   35,0
       1861-66      |       262000      |      8473    |   33,4
       1875-80      |       350000      |     11151    |   31,0
       1881-90      |       366000      |      9650    |   27,1
      1891-1900     |       380000      |      8250    |   21,4
       1901-05      |       400000      |      6995    |   17,5
       1906-10      |       412000      |      6790    |   16,5

  ===============================================================
       im Jahr.     | die Zahl d. Juden | der Geburten | in Proz.
   durchschnittlich |                   |              |
  ------------------+-------------------+--------------+---------
        1911        |                   |      6350    |  15,3
        1912        |                   |      6250    |  15,0
        1913        |      ? 416000     |      6100    |  14,75
        1914        |                   |      5800    |  14,0
        1915        |                   |      4800    |  11,4
        1916        |                   |      3500    |   8,3
        1917        |      ? 420000     |      2900    |   7,1

diese Ziffer umschließt

  1. die eh. jüd. Geborenen
  2. die unehelichen
  3. 25% der Kinder aus Mischehen.

Die deutschen Juden halten den Weltgeburtenrekord nach unten.
Frankreich, das in der Wissenschaft als das kinderärmste Volk gilt,
hatte 1905-1910 noch 19-21 0/00 (gegen 16,5 der preußischen Juden).
Für Frankreich ist längst erwiesen, daß bei dieser Ziffer eine
Volksvermehrung aufhört. Die jüdische Sterblichkeit war allerdings
niedriger als die französische, dagegen war die Geburtenziffer ebenso
viel geringer, ohne daß die Taufen und Austritte dabei berücksichtigt
sind. Wenn man trotzdem noch an eine Bevölkerungszunahme der Juden
„glaubt”, so gehört diese Anschauung in den Kreis der Vorstellungen,
die jenseits der Wissenschaft stehen.

Die jüdischen Eheschließungen in Preußen schwankten (siehe voriges
Kapitel) zwischen 2500 (Mitte der 70er Jahre) bis 3000 (Anfang des
Jahrhunderts), und stellten sich allmählich wieder auf 2500 (1912/13)
ein. Dementsprechend müßten wir logischerweise erwarten, daß die
Geburten, die in der Mitte der siebziger Jahre über 11000 betrugen, sich
bis zum Ende des Jahrhunderts gleichfalls um 1/5 vermehren würden (also
auf 13200), um dann wieder auf 11000 zu fallen.

Einen deutlichen Einblick in den Rückgang der Geburten bekommen wir bei
einer Gegenüberstellung der Geburten und der Eheschließungen. Der
Redakteur der Zeitschrift für Stat. u. Dem. d. Juden, Segall, spricht
zwar „Theilhabers Ergebnisse beruhen auf dieser Berechnungsweise, die
sich bei näherer Betrachtung als durchaus unzuverlässig darstellt und
von der Wissenschaft jetzt vollständig abgelehnt ist”.

Die Zeitschrift für die Statistik und Demographie der Juden benutzte
selbst diese „unzuverlässige” Methode und brachte im Heft 8, Jahrgang
1905 eine Untersuchung, wonach in Bayern auf eine jüd. Eheschließung
Geburten trafen:

  1876/80     4,75
  1881/85     4,15
  1886/90     3,5
  1891/95     3,0
  1896/1900   2,5
  1901/05     2,25[20]
  1906/10     2,15
  1912/13     1,9

Es wurden nämlich in Bayern ermittelt:

            jüd. Eheschließungen   jüd. Geburten

  1891/95            364                1093
  1896/00            392                 977
  1901/05            427                 934
  1906/10            388                 873
  1913/14            384                 738

Auf eine Eheschließung von Juden kamen jüdische Geburten dementsprechend
in Preußen:

  1820/30     5,2
  1841/50     5,0
  1875/84     4,3
  1885/90     3,5
  1895/1900   2,8
  1901/05     2,7
  1906/08     2,4
  1910/14     2,15

Rost hat in der „Sozialen Kultur” (August 1912) ganz richtig berechnet,
daß 1876/80 auf 1000 Eheschließungen 4640 Geburten und 1910 auf 1000
Eheschließungen nur noch 2160 Geburten kamen.

Man muß nicht jahrelang Statistiken geschrieben haben, um zu begreifen,
daß wenn in den ersten Jahrzehnten des XIX. Jahrh. 5,2 Geburten auf eine
jüdische Eheschließung kamen und von 1910-13 nur 2,15 -- durch diese
Gegenüberstellung ein anschauliches Bild gewonnen ist. Um das Werk nicht
zu sehr auszuspinnen, verzichte ich auf die Wiedergabe aller einzelnen
Zahlen, die ohnedies das Unglück der jüdischen Statistiker geworden
sind, weil diese vor lauter Ziffern die Dinge selbst nicht mehr zu
entziffern verstehen.

Es wurden in Preußen gezählt:

     jüdische             Geburten
  Eheschließungen      (aus jüd. Ehen)

    1910: 2667            1911: 5737
    1911: 2581            1912: 5541
    1912: 2546            1913: 5497
    1913: 2482            1914: 5279

Wir waren also auch vor und ohne den Krieg beim Zweikindersystem
angelangt und jedes Bestreiten dieser Tatsache beweist nur den Mangel
statistischen Wissens und loyalen Denkens.

Einen Ueberblick über die Entwicklung der Fruchtbarkeit in Stadt und
Land gibt die bayrische Statistik. Danach gab es Geburten:

  =======================================================
               |     in den     | im übrigen  |
       anno    |  größ. Städten |    Land     | zusammen
  -------------+----------------+-------------+----------
       1879    |       584      |     973     |   1557
     1881-85   |       563      |     892     |   1455
     1886-91   |       500      |     722     |   1222
     1891-95   |       488      |     595     |   1083
     1897-00   |       496      |     470     |    966
     1901-05   |       473      |     460     |    933
     1906-10   |       460      |     374     |    834
     1912-13   |       444      |     294     |    738
      (1917    |       216      |     118     |    334)

Seit dem Jahre 1879 haben sich die Juden in den bayrischen Städten mehr
als verdoppelt. Ihre Eheschließungsziffer ist entsprechend größer
geworden. Trotzdem hat ihre $Geburtenzahl$ keineswegs zugenommen,
sondern sich sogar absolut um 20% vermindert. Aber auch auf dem Lande
ist die Fruchtbarkeit, mehr als ihrer Eheziffer entsprach,
zurückgegangen und der Ausgleich fehlt, welcher der nichtjüdischen
Bevölkerung der Großstädte durch das flache Land erwächst. Im Jahre 1905
war die spezifische Geburtenhäufigkeit der Kleinstadt- und Dorfjuden
zwar um ca. 33% größer als die der Städte, gleichwohl um 100% geringer,
als die der Christen. Wir sehen ferner aus dem raschen Rückgange der
Fruchtbarkeit in den Kleinstädten und auf dem Lande: der minimale
Nachwuchs des Landes kommt fast garnicht mehr in Betracht und kann so
keine Kompensation der gesunkenen städtischen Fertilität herbeiführen.
Mit den jungen Landjuden, die in die Städte „strömen”, wird es bald aus
sein.

Ich habe eigene Untersuchungen in den Dörfern Unterfrankens angestellt,
die von Großstädten weit ab liegen und deren Juden den Boden bebauen und
auch hier eine überaus starke Reduktion der Kinderzahl nachweisen
können. Statistischen Institutionen der Juden ist es ein leichtes, sich
durch Enquêten eine Uebersicht zu verschaffen und es erscheint mir
mindestens ebenso wichtig, dieser Frage nachzugehen, als der endlos
beackerten Frage der jüdischen Berufstätigkeit Arbeiten folgen zu
lassen. Trotzdem sind in den letzten 10 Jahren auf dem Gebiet der
jüdischen Bevölkerungspolitik, abgesehen von meinen Untersuchungen, nur
kleine Zeitschriftenabhandlungen erschienen, die meist in abgeschwächter
Form meine Ergebnisse wieder brachten, zumeist allerdings ohne meine
eingehenderen Arbeiten zu berühren.

Um Lesern, die mit der Statistik nicht zu sehr vertraut sind, die Dinge
zu erleichtern, kann man diese Ziffern auch in folgender Aufmachung
verständlich zeigen.

Es wurden Jüdinnen gezählt in Preußen:

  ========================================================================
       | a)       | b)      |           |           |     zusammen
       | als Hei- | als Ge- | als Hei-  | als       | Hei-    | ehelich
       | ratende  | bärende | ratende   | Gebärende | ratende |
       | in jüd.  | in jüd. | in        | in        | über-   | Gebärende
       | Ehen     | Ehen    | Mischehen | Mischehen | haupt   | überhaupt
  -----+----------+---------+-----------+-----------+---------+-----------
  1910 |   2667   |   5864  |     316   |    371    |   2983  |   6235
  1911 |   2581   |   5835  |     301   |    375    |   2882  |   6216
  1912 |   2546   |   5779  |     334   |    354    |   2886  |   6133
  1913 |   2482   |   5497  |     327   |    355    |   2819  |   5852

Nach solchen Ziffern muß man sich fragen, was für eine Ausrede können
noch die Schönfärber erfinden, um die klare Lage der Dinge zu verleugnen
und zu verwischen?

Das Bild wäre noch eindeutiger, wenn nicht die Einwanderung
fortpflanzungsfreudiger Ostjuden die völlige Auflösung verhinderten.
Segall selbst hat für München vom Jahre 1894 bis 1905 nachgewiesen, daß
70% der Kinder von auswärts beheimateten Eltern stammten und er selbst
schloß auf einen höheren Anteil der Ausländer! Das Rabbinat und die
Aufzeichnungen des Münchener Mohels haben mir auch eine ungebührlich
hohe Nachwuchsziffer von ausländischen Müttern angegeben.

Für Groß-Berlin entnehme ich der Zeitschr. f. Statistik d. J.
(10. Jahrg. Heft 9/10) einer Zahlenkompilation Segalls eine brauchbare
Ziffer. Danach waren 6-15 Jahre alte jüdische Kinder:

  ==============================================
            in         | davon Ausländer | in %
  ---------------------+-----------------+------
  Berlin         11645 |      2718       | 23,3
  Charlottenbg.   2463 |       342       | 15,9
  Schöneberg      1248 |       195       | 15,6
  Wilmersdorf     1185 |       205       | 17,3
  Neukölln         321 |        81       | 25,2
  Lichtenberg      180 |        58       | 32,2
  ---------------------+-----------------+------
  insgesamt      16040 |       3649      | 22,8

Dagegen waren prozentual im Ausland gebürtig unter 100 Juden

            in Berlin           17,2
               Charlottenburg   13,3
               Schöneberg       10,8
               Wilmersdorf      13,2
               Neukölln         19,4
               Lichtenberg      20,0

Damit ist ihre stärkere Beteiligung an der jüdischen Volksvermehrung,
die von Segall bestritten wurde, von Segall selbst erwiesen. Die Zahl
der 0-6jährigen Kinder war bestimmt eine bei den Ausländern
verhältnismäßig noch größere, da ihre Einwanderung -- wie wir sahen --
erst im Anfang dieses Jahrhunderts stark eingesetzt hat, kann ihr
Nachwuchs erst allmählich in die Erscheinung treten. Die 6-15jährigen
müssen daher beträchtlich weniger als die 0-6jährigen sein.

Ich habe in der bereits citierten Arbeit über die Berliner Juden des
weiteren nachgewiesen, daß die Eltern, welche ein drittes, viertes,
fünftes und sechstes Kind bekamen, in immer stärkerem Maßstabe Ausländer
waren. So daß letzten Endes die Familien mit sehr großer Kinderzahl in
50% ausländischen Juden angehören. Die Juden aus dem Ausland sind somit
1) überhaupt ehefreudiger 2) gehen weniger Mischehen ein und 3)
beschränken sie ihre Kinderzahl nicht so stark. Ohne diese Einwanderung
wäre die Kinderziffer der deutschen Juden nicht einmal zwei pro Ehe.
Ohne die Einwanderung wäre die Frage keine Frage mehr.

Bei dem Geburtenproblem operiert Jacob Segall immer mit den
ausgewanderten deutschen Juden, das heißt eine klare Sache verwirren
wollen. Wir kennen die Ziffer der Eheschließungen und kennen die
Geburtenziffern. Wenn keine Auswanderung erfolgt wäre, wäre die Zahl der
Eheschließungen und die Zahl der Kinder etwas größer; aber ihre Relation
bliebe die gleiche. D. h. mit anderen Worten, die Auswanderung hat das
Zweikindersystem der deutschen Juden nicht verursacht oder begünstigt.
Für mich ist eine derartige Deduktion wissenschaftlicher Unsinn!

Bei der Bedeutung Berlins mag die Anführung ihrer Statistik gestattet
sein. Es gab in Berlin allein

          Jüd. Geburten   in Promille   Juden insgesamt

  1871-75      1141           27,5           40000
  1876-80      1455           26,0           50000
  1880-90      1550           22,0           65000
  1891-1900    1775           18,0           86000
  1901-05      1570           16,7           95000
  1906-10      1500           15,0           95000
  1911-14      1250           13,6           92000
  (1917         640)

Leider gibt es keine Zusammenstellung der Geburten in Groß-Berlin. Im
eigentlichen Berlin wohnt die ärmere jüdische und ausländische
Bevölkerung, während die zweite Generation, die wohlhabender geworden
ist, nach dem Westen verzieht. Einzelne Detailziffern ergeben für die
westlichen Vororte Geburtenziffern unter 10 0/00.

Eine reichliche Literatur hat sich bemüht, das Problem des
Geburtenrückgangs zu erklären. Es ist unmöglich, die Ursachen des
Geburtenrückgangs mit einer Formel zu erfassen. Eine Reihe von
Komponenten wirken am Werke. Mühen der Schwangerschaft, Gefahren der
Entbindung spielen im Unterbewußtsein der Frauen eine Rolle. Liebe zum
Kinde, Angst vor der Abtreibung, religiöse Vorstellungen und nationales
Denken würden gleichwohl der Natur freien Lauf lassen, wenn die Sorge
für den gepflegten Leib, für die Taille und die Unannehmlichkeit der
neun Monate der Empfängnis und des Stillens die einzigen Widerstände
wären. Am stärksten aber hemmen die Emanationen der wirtschaftlichen
Schädigungen. Wer wie der Jude mit seinen Kindern höher hinaus will, der
beschränkt leicht deren Schar, wenn er oder seine Frau nicht selbst auf
viele Annehmlichkeiten des Lebens verzichten will. Und mit dem Erwachen
der Lust für die Annehmlichkeiten des Lebens hört die restlose Opferung
der Eltern für die Kinder auf. Ich habe in dem Werke das „Sterile
Berlin” (Berlin 1912) nachgewiesen, wie sich die Ausgaben für die Kinder
deutlich bemerkbar machen. Eine große Familie bringt selbst begüterten
Eltern schwere Lebenssorgen, wenn den Kindern eine in ihren Kreisen
übliche Erziehung und Lebensstellung verschafft wird. Die Töchter haben
einen Anspruch auf eine Mitgift, die dem Stande der Eltern angepaßt sein
soll, da ihnen sonst leicht die ebenbürtige Heirat verwehrt bleiben
kann. Die Ausbildung der Söhne verlangt einen Aufwand, der schon vor dem
Kriege einem kleinen Vermögen gleich zu setzen war. Die gute alte Zeit
unsrer Großeltern kam der Kinder-Zeugung entgegen. Sie lebten
hauptsächlich in Dörfern oder Kleinstädten.

Auf dem Lande war die Aufzucht einer großen Kinderzahl leichter und eher
möglich, da die Wohnungs-, Bekleidungs- und Nahrungskosten auf dem Lande
bei starkem Familienzuwachs nicht so groß wie in der Stadt sind. Auch
die Städter hatten bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts noch keinen so
ausgeprägten Kapitalismus, der überragend das Erwerbsleben beherrschte.
Die Unternehmer arbeiten heute mit immer größeren Geldmitteln, sodaß der
geldarme Konkurrent ihnen gegenüber einen überaus schweren Stand hat und
nur mühselig emporkommt.

An und für sich ist die Reduktion der Geburten eine naturnotwendige
Erscheinung unseres Zeitalters. Deutschland hatte 1910 doppelt so viele
Einwohner wie ein Menschenalter vorher und es hätte bei ungehemmter
Fruchtbarkeit, welche der Geburtenquote der Jahre 1800-1840 entspricht,
im Jahre 1950 über 100 Millionen Einwohner.

Die glänzende Bekämpfung der Krankheiten und der Sterblichkeit
verlangt einen Einhalt der Geburtenerzeugung, wenn die alten
Aderlässe der Menschheit, die ihre Zahl stets einschränkten, Kriege,
Infektionskrankheiten und Hungersnöte in Fortfall kommen.

Die natürliche Fruchtbarkeit, die in wahnsinnigem Tempo sich vollziehen
könnte, läßt schwer Platz und Brot genug finden für zu großen Nachwuchs.
Die Beschaffung alles dessen, was wir besitzen und was uns das Leben
angenehm macht: wohnliche Häuser, Einrichtungsgegenstände, Schmuck jeder
Art, öffentliche Gebäude, Schulen, Badehäuser, Volksheime, ferner die
Verbindungsmöglichkeiten, Eisenbahnen, Dampfschiffe, alle die
Erfindungen des menschlichen Geistes, alle Vergnügungen, alle Werke, die
der Kultur und der Zivilisation dienen, können nicht so rasch vermehrt
werden, als eine stark wachsende Bevölkerung es verlangen würde.

Zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig gähnt eine Kluft. Aber die kurze
Zeit von 40 Jahren hat sie überbrückt.

Die Schattenseiten des Geburtenrückganges liegen nicht in dem Rückgang
der Geburten an sich, sondern sie treten erst dort auf, wo anormale
Sexualverhältnisse die Tendenz der Beschränkung bis aufs äußerste
treiben. Die durch das Wirtschaftsleben unserer Zeit bedingte unsinnige
Spätehe läßt Kinder zur Welt kommen, die körperlich und geistig
minderwertig sind. Was die Liebe der Eltern durch die Beschränkung der
Familie an den wenigen Kindern gutmacht und durch ihre aufopfernde
Pflege nützen möchte, das erfährt eine unangenehme Einschränkung durch
die zu späte Zeugung.

In meinem „sterilen Berlin” habe ich auf den internationalen Charakter
des Geburtenrückgangs hingewiesen. Für die vereinigten Staaten ist
selbst bei den akklimatisierten orthodoxen Juden eine überaus niedrige
Geburtenrate festgestellt worden. Für die Westjuden zeigte sich dieselbe
Erscheinung, z. B. in Kopenhagen, wo nicht einmal zwei jüdische Kinder
auf eine jüdische Ehe kommen. $Cordt Trap$, der Direktor des
statistischen Büros in Kopenhagen schloß:

    „In richtiger Uebereinstimmung ist es, dass die Todesfälle bei den
    Israeliten die Zahl der Geburten bei weitem übertreffen. 1891-1905
    wurden im ganzen 1.049 Todesfälle gegen nur 692 Geburten
    registriert.”

Auch $Weißenberg$ und $Fishberg$, dieser in einem Buche über die
Rassenmerkmale der Juden, jener im Archiv für Rassen und
Gesellschaftsbiologie haben selbst bei den russischen Juden sichtliche
Anzeichen einer Minderung der Empfängnis wahrgenommen. Wie weit im Osten
der Neumalthusianismus Fortschritte machen wird, ist hier nicht zu
erörtern. Wir können uns damit begnügen, die Geburtenentwicklung der
deutschen Juden zu übersehen: Eine weitere Geburtenbeschränkung wird bei
der Generation stattfinden, die heute im Gedanken und im Banne der
überhand nehmenden Verhältnisse heranwächst. Die Verschärfung der
kapitalistischen Zustände im Wirtschaftsleben des Mittelstandes und
insbesondere die Schäden, die die Familienbildung durch den Krieg
erfahren hat, wird sich in Ziffern kund tun, welche die numerische
Erschütterung der deutschen Juden unfehlbar bedeutet.



KAPITEL VIII.

$DIE MORTALITÄT$.

                                    „_Die Lebensfähigkeit im Leben des
                                    Volkes fand ihren entsprechenden
                                    Ausdruck in der Lebenszähigkeit der
                                    Individuen, aus denen sich dasselbe
                                    zusammensetzte._”

                                                                _Hoppe._


Die Mortalitätsstatistik der Juden ist eigentlich nicht ganz zureichend,
weil Personen, die als Juden geboren und als Freireligiöse, bezw.
Christen sterben, nicht in ihr gezählt werden. Diese Ungenauigkeit wird
gleichwohl von gewissen Statistikern geflissentlich bei
Geburtenüberschußberechnung nicht berücksichtigt. Wir werden bei der
Bilanz (Beim Kapitel Bevölkerungsüberschuß) darauf zurückkommen. -- Es
starben

  =======================================================
  in Preußen durchschnittlich |         in Bayern
  in den Jahren               |
  ----------------------------+--------------------------
             Juden   in 0/00  |           Juden   in 0/00
                              |
  1821/30     3318     21,6   | 1876       939      18,6
  1841/50     4332     20,7   | 1880       992      18,0
  1861/65     4337     16,0   | 1890       875      16,3
  1885/90     5935     16,5   | 1900       740      13,5
  1890/95     5779     15,3   | 1901/10    711      13,0
  1895/1900   5499     14,9   |
  1901/05     5663     14,4   |
  1906/10     5725     13,8   |
  1911        5877     14,3   |
  1912        5733     14,0   |
  1913        5741     14,0   |
  1914        6535            |

Die Sterblichkeit der Juden ist -- für den Fachmann sofort erkennbar --
bereits zu Beginn des vorigen Jahrhunderts eine überraschend günstige.
Von Jahr zu Jahr werden die Zahlen geringer, sie erreichten den
niedersten Stand im Jahre 1906-10 mit 13,8 Todesfällen auf 1000 Lebende.
(Mathematisch gesprochen entspricht diese Zahl einem Durchschnittsalter
von über 70 Jahren. Sie ist aber nur erklärlich entweder bei momentanen
Einsparungen oder bei mangelhafter Erfassung wie z. B. beim Fortfall der
sterbenden Juden, die infolge ihres Austritts nicht gezählt werden
u. s. w. Fragen, die ich u. a. in der 1. Auflage berührte.)

Die letzten 10 Jahre vor dem Krieg zeigten im allgemeinen eine
auffallend gleiche absolute und fast auch relative Sterblichkeitsziffer.
Sie betrug praeter propter 5700-5800 Seelen. Da die Säuglinge von Jahr
zu Jahr abnehmen, sinkt der Anteil der sterbenden Säuglinge. Bei der von
dem früheren Geburtenreichtum herrührenden zunehmenden Stärke der
erwachsenen Bevölkerung (auch durch die Einwanderung), nimmt dafür die
Zahl der gestorbenen Erwachsenen zu. Der Bevölkerungsaufbau der Berliner
und der hessischen Juden, der nach weiteren Teilstatistiken wirklich
typisch für die Verteilung der Juden auf Altersklassen ist, zeigt eine
immer stärker werdende Besetzung der Altersklassen über 40 Jahre. Da die
Sterblichkeit der alten Leute immer größer ist als z. B. der jüngeren
(mit Ausnahme der Säuglinge), so ist für die Zukunft mit einer Zunahme
der Sterblichkeit mit mathematischer Sicherheit zu rechnen. Es verteilte
sich die Berliner jüdische Bevölkerung unter 100 Personen

  =======================================
  auf die Jahrgänge | 1871 | 1905 | 1910
  ------------------+------+------+------
     0-20           | 40,9 | 30,5 | 29,3
    20-40           | 37,3 | 38,6 | 37,7
    40 und älter    | 21,8 | 30,9 | 33,0

Dieser Bevölkerungsaufbau ist auch in ihren Tendenzen in allen anderen
Auszählungen beobachtet worden, so daß man überhaupt von einer
Umgruppierung der Juden auch in der Altersbesetzung ihrer Bevölkerung
sprechen kann. Segall irrt sich auch in der Behandlung dieser Frage,
insofern er aus einer Einsparung der Sterbenden einem Geburtenüberschuß
das Wort redet.

Artur Kahn hat darauf hingewiesen, daß die Verschärfung des
Erwerbslebens in der Großstadt dazu beiträgt, die Menschen frühzeitig
aufzureiben. Wir können diese Schäden vor allem auf folgende
Einwirkungen zurückführen:

      1. Die Minderung der jüdischen Mäßigkeit, besonders hinsichtlich
      des Alkoholkonsums und die zunehmende sexuelle Verseuchung.

      2. Die Beschäftigung in Berufen, welche keine körperliche
      Anstrengung erfordern und auf Kosten der gesunden Bewegung die
      Disposition für Herz-, Nieren-, Gefäß- und Nervenkrankheiten
      schaffen. Die Verschärfung des Erwerbslebens steigert die soziale
      Krankheitsindikation.

      3. Der starke Arbeitseifer der Juden. Die Minderung der ländlichen
      Urwüchsigkeit in der zweiten Generation.

      4. Die Aufzucht Lebensschwacher, welche früher als kleine Kinder
      eingingen, jetzt aber aufgepäppelt werden und als Erwachsene
      vorzeitig sterben und so das Durchschnittsalter herabsetzen.

      Die Zunahme rasseschlechter Elemente überhaupt infolge der
      Spätehen, der Geschlechtskrankheiten usw.

Die Kindersterblichkeit der deutschen Juden ist heute ungefähr 12%; von
100 Kindern erreichen 88 das 16. Lebensjahr. Selbst wenn sich diese Zahl
noch um ein bis zwei Punkte günstiger stellen wird, so handelt es sich
um eine jährliche Ersparung von höchstens 50-100 Seelen; auf der anderen
Seite ist die Sterblichkeit der älteren Jahrgänge noch verhältnismäßig
niedrig. Es ist ein Irrtum und verrät eine direkte Denkarmut, wenn
Statistiker glauben, die Mortalität könnte ad infinitum verbessert
werden. Auf 1000 Einwohner kamen Todesfälle bei den Juden

  ===============================================================
           unter   |   über    | 0-15jähr. waren unter 100 Gest.
         15 Jahren | 15 Jahren |  bei den Juden  |    Christen
  -----------------+-----------+-----------------+---------------
  1877     2850    |   3473    |        45       |       54
    80     2696    |   3599    |        43       |       54
    85     2341    |   3822    |        38       |       54
    90     1955    |   4038    |        32       |       53
    95     1497    |   4086    |        27       |       53
  1900     1365    |   4563    |        23       |       51
    05     1089    |   4735    |        19       |       49
    10      743    |   4966    |        13       |       44
    11      823    |   5054    |        14       |       45
    12      634    |   5119    |        11       |       40
    13      678    |   5063    |        12       |       41
    14      648    |   5887    |                 |

Die stärkere Besetzung der älteren Jahresklassen bedingte eine
erheblichere Sterblichkeit der Erwachsenen. Der Rückgang der Mortalität
der Kinder von 2850 auf 648 schuf einen Ausgleich. Damit ist aber die
Kindersterblichkeit am Ende ihrer Verbesserungsmöglichkeit. Auch ohne
den Krieg und seine Folgen wäre bei der Verschiebung der Verteilung der
jüdischen Bevölkerung auf die älteren Altersklassen eine Zunahme der
Sterblichkeit erfolgt.

$Vor einiger Zeit noch ist ein Geburtenüberschuß durch das Absinken
der Sterblichkeit erfolgt. Wir stehen aber jetzt am Ende dieser
Entwicklung. Von hier wird dem sterbenden Simson keine Hilfe mehr
zuteil. Seien wir froh, wenn die Schäden des Krieges, die ungesunde
Bevölkerungsschichtung, die Aufzucht der lebensschwachen nicht zu einer
qualitativen und quantitativen Schädigung der Rasse von stärkstem
Ausmaß führt.$



KAPITEL IX.

$ZUM PROBLEM DES GEBURTENÜBERSCHUSSES$.

                                    _„Nun tausend Jahr schon leb ich Im
                                    Drucke, im Exil, Ein Knecht in
                                    Wüsteneien Dem Uhu ein Gespiel! Komm
                                    Daniels Engel tu Das Ende mir doch
                                    kund! Das Ende auch verhüllt ist
                                    Verstummt des Engels Mund..!”_

                                                  _Salomon ibn Gabirol._


Bevölkerungsbewegung der Juden

  =========================================================================
    In    |      Im      |          |         | Austritte || Bevölkerungs-
  Preußen | Durchschnitt | Geburten | Sterbe- |  [21] und ||    bilanz
          |  der Jahre   |          |  fälle  |    Taufen ||  (ungefähr)
  --------+--------------+----------+---------+-----------++---------------
          |   1881-90    |  9650    | 6075    |    350    ||   + 3225
          |   1890-00    |  8250    | 5639    |    500    ||   + 2100
          |   1900-05    |  6995    | 5665    |    600    ||   +  750
          |   1906-10    |  6790    | 5723    |    700    ||   +  350
          |    1911      |  6357    | 5877    |     „     ||   -  220
          |    1912      |  6288    | 5753    |     „     ||   -  175
          |    1913      |  6264    | 5741    |     „     ||   -  175
          |    1914      |  5987    | 5750[2] |     „     ||   -  400[22]

          Bevölkerungsbewegung der Juden

  ========================================================================
    In   |      Im      |          |         | Austritte || Bevölkerungs-
  Bayern | Durchschnitt | Geburten | Sterbe  |  [21] und ||    bilanz
         |  der Jahre   |          |  fälle  |    Taufen ||  (ungefähr)
  -------+--------------+----------+---------+-----------++---------------
         |    1876      |  1740    |  939    |     30    ||      770
         |    1880      |  1680    |  992    |     40    ||      648
         |    1890      |  1147    |  875    |     50    ||      222
         |    1900      |   932    |  740    |     60    ||      132
         |   1905-09    |   868    |  712    |     75    ||       81
         |    1910      |   793    |  644    |}          ||       79
         |    1911      |   773    |  745    |}          ||   -   42
         |    1912      |   740    |  713    |}          ||   -   43
         |    1913      |   695    |  686    |}    70    ||   -   69
         |    1914      |   740    |         |}          ||
         |    1917      |   325    |  878[24]|}          ||   -  553

In $Wien$

  =======================================================================
       |          | Uebertritt |             |            | Bevölkerungs
  Jahr | Geborene |  z. Juden  | Austritt[25] | Gestorbene | Zunahme resp.
       |          |            |             |            |   Abnahme
  -----+----------+------------+-------------+------------+--------------
  1910 |   2457   |     91     |     512     |    2163    |    - 127
  1911 |   2371   |    107     |     539     |    2332    |    - 393
  1912 |   2225   |    124     |     567     |    2259    |    - 477[26]
  1913 |   2237   |    117     |     498     |    2355    |    - 499
  1914 |   2548   |    107     |     532     |    2551    |    - 428

Für die Provinz und zwar gerade für die ursprünglich fruchtbarste
hat Friedrich Swart in Schmollers Jahrbüchern im Jahre 1912 S. 316
(Deutsche und Polen in der Provinz $Posen$) den Geburtenüberschuß
nachgeprüft und bezeichnenderweise auch für diese Gegenden das
unzulängliche Resultat festgestellt. So betrug der Geburtenüberschuß
auf je 10000 Köpfe in Posen:

  Jahr   Kath.   Juden      Jahr   Kath.   Juden

  1880    202     119       1895    248       25
  1885    178      89       1900    225      -24
  1890    197      41       1905    213      -36

Auf dem Lande bleiben verhältnismäßig viele alte Leute zurück, während
die Mehrzahl der zeugungsfähigen abwandert und der Rest bei geschmälter
Fruchtbarkeit immer geringeren Nachwuchs produziert.

Eine Ruppinsche Berechnung für die Jahre 1885-1900 habe ich fortgesetzt.
Danach waren in Preußen Juden:

  =======================================================================
                     | 1885  |  1890 |  1895  |  1900  |  1906  |  1911
                     |  bis  |   bis |   bis  |   bis  |   bis  |   bis
                     | 1890  |  1895 |  1900  |  1905  |  1910  |  1913
  -------------------+-------+-------+--------+--------+--------+--------
       Geboren:      | 45302 | 42442 |  39386 |  37343 |  33950 |  18909
      Gestorben:     | 29678 | 28896 |  27496 |  28314 |  28615 |  17371
  -------------------+-------+-------+--------+--------+--------+--------
  Geburtenüberschuß: | 15624 | 13546 |  11890 |   9029 |   5335 |   1538
  ===================+=======+=======+========+========+========+========
      Verluste       |       |       |        |        |        |
                     |       |       |        |        |        |
  a) durch Austritt  |  1250 |  2000 |   2500 |   3000 |   3200 |   2000
                     |       |       |        |        |        |
   b) durch Kinder   |       |       |        |        |        |
    aus Mischehen.   |   664 |   696 |    775 |   1000 |   1000 |   1000
  -------------------+-------+-------+--------+--------+--------+--------
    Zunahme resp.    |       |       |        |        |        |
       Abnahme       |+13716 |+10850 | + 8615 |   5029 |   1135 |  -1500
  -------------------+-------+-------+--------+--------+--------+--------

Leider sind die Ziffern, die den Verlust der Gemeinschaft durch die
Taufe, Austritt und Mischehe betreffen, nicht ganz genau zu erfassen
(siehe das betr. Kapitel). Es ist nun ganz gleichgültig, ob der Verlust
durch Austritt oder Mischehen um ein paar Seelen größer oder kleiner
ist. $Selbst bei günstigster Berechnung haben die preußischen Juden vor
dem Kriege keine Bevölkerungszunahme aus sich heraus erfahren.$ Der
Ausfall ist auf Grund sorgfältiger Berechnungen auf 1500 Seelen von
1911-1913 resp. 500 für das Jahr anzunehmen. Das ist aber nicht das
Wesentliche an dem Vorgang, die Bedeutung liegt in der fabelhaften
Tendenz, die sich in den wenigen harmlosen Ziffern widerspiegelt.

Auch Bayern weist z. B. für das Jahr 1913 695 Geburten und 686
Todesfälle auf. Wir können noch so sophistisch die Zahlen deuteln, die
Geburtenunterbilanz ist unleugbar, da den 686 gestorbenen Juden die
hinzuzuzählen sind, die bei ihrem Tod als Christen oder Freireligiöse
gezählt wurden. Selbst bei bescheidensten Ziffern der getauften resp.
ausgetretenen bayrischen Juden läßt sich nicht ein Plus erzielen.

Segall hat es, obwohl es von mir öfters im „Untergang” als ein
fundamentaler Fehler gekennzeichnet wurde, trotzdem unterlassen (siehe
z. B. die reptilienartige Berechnung eines Geburtenüberschusses der
preußischen Juden auf Seite 136 d. 9. Jahrg. der Zeitschr. f. St. d. J.)
die Zahl der Austritte bei seinen Geburtenüberschuß-Berechnungen zu
buchen; auf diese Weise täuscht er einen Geburtenüberschuß vor, der in
Wirklichkeit nicht existiert. Wenn die Austretenden nicht zu dem
Zeitpunkte, an dem sie die jüdische Gemeinde verlassen, als Abgang in
Rechnung gebracht werden, dann sind sie in ihrem Sterbejahr den
gestorbenen Juden zuzuzählen, da sie doch auf der anderen Seite auch in
die Statistik der geborenen Juden aufgenommen werden!

Im Jahre 1914 gab es in Preußen -- naturgemäß alle aus der Friedenszeit
stammend -- fast 6000 Geburten, die dem Judentum zuflossen. Demgegenüber
war die Sterblichkeit der letzten Jahre vor dem Krieg durchschnittlich
über 5700, mit der Zahl der Austretenden aber übertraf sie den Zuwachs.
Der aus Geburten stammende Zufluß genügt also im Jahre 1914 nicht, den
regelmäßigen Abgang zu ersetzen.

Mit Absicht bin ich nicht auf die Bevölkerungsbewegung der Kriegszeit
eingegangen. Die Kinderzahl jener Jahre sinkt noch um die Hälfte,
während die Sterblichkeit sich fast verdoppelte. Es ist anzunehmen, daß
während des Krieges der einheimischen jüdischen Bevölkerung eine Abnahme
von 25-30000 Seelen erwachsen ist, was ungefähr 4-5% ihrer Gesamtheit
ausmacht. Genaue Berechnungen werden sich erst aufstellen lassen, wenn
alles Material vorliegt.

Man hat erwartet, daß Deutschland durch einen frisch-fröhlichen Krieg
bevölkerungsproblematisch „gebessert” würde. Auch die statistische
Wissenschaft der Juden ($Segall$) hat noch im Dez. Heft 1915 ihrer
Zeitschrift dem Gedanken Ausdruck verliehen: „Ob durch den Krieg eine
$andauernde Besserung$ bewirkt werden wird, wird die Zukunft lehren”
(S. 106) und auf das Stahlbad der ehernen Zeit gehofft, das insbesondere
auch auf dem Gebiet des Sexuallebens tief einschneidende Aenderungen
auslösen sollte. Da aber der Wille der Massen von den ökonomischen
Einflüssen abhängig ist, da die Erkenntnis vorteilhafteren Lebens und
die Bannung dogmatisch-religiöser Vorstellungen gerade durch den Krieg
eine starke Beeinflussung erfahren haben, wird die Hoffnung der
„Optimisten” Schiffbruch erleiden. Deutschland und insbesondere seine
Juden werden mehr denn je ihre Fruchtbarkeit beschränken, wenn auch die
Geburtenhöhe des Jahres 1920, des ersten Friedensjahres, durch ein
momentanes Anschwellen der Heiraten, besonders infolge der Zuwanderung
ansteigen wird. Aber die Erschwerung der Kinderhaltung wird durch die
bekannten neuen Verhältnisse erst recht potenziert. Allerdings ist die
absolute Zahl der Juden Deutschlands durch eine starke Einwanderung
gekräftigt. Das verzögert den Prozeß, gestaltet ihn aber nicht um. --

Wer Sinn und Verständnis für Statistik hat, der mag sich den
Bevölkerungsaufbau der Juden Berlins vom Jahre 1910 ansehen. Ich hätte
ihn gerne ausführlichst mit weiteren früheren Altersgliederungen
gegeben, muß aber aus Raummangel hier, wie so oft, mich bescheiden.

Von 100 Juden in Berlin[27] waren alt:

                 1871   1880   1900   1910

   0-20 Jahre    40,9   38,5   30,2    29
  20-50   „      47,0   48,4   52,3    50
  50 und älter   12,1   13,1   17,5    20

Nach einzelnen Altersklassen wurden ausgezählt Personen (1910):

  ===========================================
   davon betrafen die  |   0-5  Jahre    5859
   0-1  Jahre    1148  |   5-10          6238
   1-2           1136  |  10-15          6627
   2-3           1150  |  15-20          7791
   3-4           1204  |  20-25          8879
   4-5           1221  |  25-30          8588
  ---------------------+---------------------
  30-35 Jahre    8814  |  61-65 Jahre    3041
  35-40          7552  |  66-70          2202
  40-45          6869  |  71-75          1391
  45-50          5837  |  76-80           721
  50-55          5160  |  81-85           352
  55-60          3924  |  86 und älter

Hier wie auch anderorts sind die Juden des reifen Alters in größerer
Zahl vertreten als ihr Nachwuchs. Die aufrückenden jüngeren Jahrgänge
sind nicht imstande, numerisch gleich stark an die Stelle der älteren
Jahrgänge zu rücken. Die in den Jahren 1906-1910 in Berlin geborenen,
insgesamt nicht ganz 6000 jüdischen Kinder werden in 2-3 Jahrzehnten aus
sich heraus nur ca. 5000-5300 Erwachsene stellen, (bei günstiger
Sterblichkeit). Damit ersetzen sie, oder sollen sie die heute 8588 25-30
Jährigen ersetzen! Und selbst mit den Jahrgängen jenseits der
Fruchtbarkeitszeit, selbst mit diesen älteren Jahrgängen können sie sich
nicht messen. Man kann mit viel Kunst Ziffern anzweifeln und den Wert
der Statistik kritisieren. Hier zeigt sich schwarz auf weiß: die
Fruchtbarkeit der Berliner Juden ist schon heute um große Teile zu
gering. Exakte Berechnungen, die ich in der Preisschrift der
Gesellschaft für Rassenhygiene anstellte, ergaben einen Nachwuchs, der
weit mehr als 40% zu gering ist! Die Geburtenziffer von 1910-1914 ist
noch stärker zurückgegangen. Eine Unterbilanz von etwa 50% war ihre
Folge.

Der Altersaufbau gibt einen glänzenden Ueberblick über die Frage der
Quantität des Nachwuchses. In der jüdischen Statistik ist diese
treffliche Beobachtungsmethode leider unbeachtet geblieben. Einige
Beispiele lehren die Uebereinstimmung des Prozesses an anderen jüdischen
Centren.

Im Jahre 1905 gab es in $Hamburg$

             bei der allgemeinen             jüdischen Bevölkerung

  Kinder      (0-10 Jahre) 176341 = 19.7%       3027    5,15%
  Erwachsene (30-40   „  ) 140897 = 16%         3234   16,5%

Bei der $allgemeinen$ Bevölkerung kam auf jeden Kopf der 30-40jährigen
1,25 der jüngeren Generation. Danach hatte die Hamburger Bevölkerung
damals die Möglichkeit, sich aus den Kindern zu ergänzen. Bei den Juden
kamen auf 3234 Dreissigjährige nur 3027 Kinder von 0-10 Jahren. Damit
war die Altersklasse der Kinder um 7% schlechter besetzt.
Erfahrungsgemäß fallen noch 10-12% infolge der Säuglings- und
Kindersterblichkeit aus. Die jüdische Geburtenziffer war für Hamburg im
Jahre 1905 mit 20% zu gering zu veranschlagen. Selbst wenn die
ausländischen Juden daran schuld wären (Segall), so interessiert uns
dies für den Augenblick nicht. Wir stellen momentan lediglich die
Tatsache fest und können uns erst später den Einwänden nähern, die in
dieser Ziffer Zufälligkeiten erblicken wollen.

Segall hat einmal eine weitschweifige Arbeit über die Münchener Juden
herausgegeben, in der einige bedeutsame Ziffern in dem Wust der Tabellen
verborgen blühten und die unbeachtet geblieben sind. Diese Zahlen
betreffen den Bevölkerungsaufbau. Es waren in München:

  ===============================================
            |      Juden      | Gesamtbevölkerung
  Jahre alt |  1875  |  1905  |   1875  |  1905
  ----------+--------+--------+---------+--------
     1-15   |  1088  |  2225  |  43758  | 142810
    16-30   |  1085  |  3173  |  64766  | 158982
    31-50   |   817  |  3034  |  57774  | 159044
    51-70   |   400  |  1409  |  27660  |  65912
  über 70   |    77  |   215  |   4806  |  12235

Die eine Tatsache geht aus dieser Statistik klar hervor, daß (1905) die
Jahrgänge der 1-15jährigen Juden durchschnittlich 148 Kinder zählen und
die der 30-50jährigen 151 Personen. Wie sollen die 148 Kinder nach Abzug
der Verluste durch ihre Sterblichkeit die mit 151 Personen besetzten
Jahrgänge der Erwachsenen ersetzen?

Bei der $allgemeinen$ Bevölkerung ist eine ebenso große Einwanderung wie
bei der jüdischen. Trotzdem kommen auf die mit 9520 Kinder besetzten
Jahrgänge (0-15 Jahre) der Gesamtbevölkerung nur 7952 Erwachsene von
30-50 Jahren. Bei der christlichen Bevölkerung war der Nachwuchs fast
genügend, bei der jüdischen war er absolut ungenügend. Und Segall gibt
selbst den Beweis, daß die starke Einwanderung in die Städte nicht den
Grund für den anormalen Volksaufbau abgibt. Er gibt ja die Statistik des
Jahres 1875, da die Zuwanderung in München schon begonnen hatte. Damals
waren 1-15 Jahre alt durchschnittlich 72 Juden und 31-50 jährig nur 41
Personen.

Segalls Irrtum, daß die ausländischen Juden die Fruchtbarkeit
herabdrücken, erweist die Statistik der Leipziger Juden.

Hier, wo die verhältnismäßig stärkste Zuwanderung von Ostjuden besteht,
ist $einzig und allein eine stärkere Besetzung der jüngeren
Jahresklassen$ (der Kinder) $anzutreffen$. Es waren die Altersklassen
besetzt in Leipzig

              1900      1905

   1-10      19,6%     20,1%
  10-20      20,6      20,1
  20-30      19,7      20,7
  30-40      15,3      14,8
  40-50      12,4      12,8

In Leipzig ist sogar die Zahl der Kinder unter der Bevölkerung
proportionell gewachsen!

Segall gibt in seiner „$Andacht zum Unbedeutenden$” wie einmal A. W.
Schlegel sich ausdrückte, das von amtlicher Stelle gesammelte Material
in hundert Aufsätzen und Arbeiten, aber er verwirrt nur die Probleme mit
seinen Kommentaren. Er kompliziert die einfachsten Vorgänge.

Segall genügt nichts. Er sieht die Ziffern der Eheschließungen,
Ehelosen, der Geburten, ihr Verhältnis zu den Eheschließungen. Nichts
genügt ihm, der Geburtenrückgang erscheint ihm nicht wissenschaftlich
belegt. Nur die Fruchtbarkeitsziffer könne bezeugen, ob tatsächlich die
Kinder bei den Juden weniger wurden. Zum Unglück aber könne man diese
Ziffer nicht bekommen. Wie steht es nun wirklich mit diesem seltenen
Schlüssel, der allein uns das Rätsel lösen könnte. Diese
Fruchtbarkeitsberechnung geht von dem Gedanken aus, die Zahl der
Geburten an den Frauen zu messen, die gebärfähig sind, also an $allen$
Mädchen und Frauen vom 15. bis 50. Lebensjahre. Jacob Segall benutzte
eine Auszählung, die er $nur$ an den Münchener $Ehe$frauen anstellte.
Diese Arbeit ist natürlich nur eine halbe Sache. Die Fruchtbarkeit hängt
nicht nur von verheirateten Frauen ab, sondern von allen weiblichen
Wesen, also auch von ledigen ohne Kinder. Ist der Prozentsatz der
Ledigen gering, so kann eine mäßige $eheliche$ Fruchtbarkeit noch
genügenden Nachwuchs liefern, ist die Ziffer der Ledigen mit Kindern
groß, so könnte auch eine mäßige eheliche Geburtenziffer die Größe des
Nachwuchses nicht beeinträchtigen. Alle diese Zwischenfragen werden
überflüssig, wenn wir die Fruchtbarkeitsziffer an allen weiblichen
Individuen ermitteln.

Aber selbst die Entwicklung der ehelichen Fruchtbarkeit in München müßte
einem Statistiker zu denken geben, denn das ist ja eben das wesentliche
an dieser Untersuchungsmethode, daß sie sich frei macht von der
Besetzung der einzelnen Jahresklassen, daß sie die Einflüsse der
Abwanderung gebärfähiger Elemente paralysiert und ein wirkliches
$absolut einwandfreies Bild$ der Zeugungslust abgibt. Nach den
Segallschen Zahlen habe ich diese jüdische eheliche Fruchtbarkeit
zusammen gefaßt. Sie beträgt in München

  Im Durchschnitt d. Jahre      Geburten

           1875/76                222
           1877/82                170
           1883/80                122
           1891/99                112
           1900/05                107,5

Glaubt Segall wirklich, daß dieser rapide Geburtensturz der Münchener
Jüdinnen eine in Deutschland singuläre Erscheinung darstellt? Da er mir
vorwarf, daß ich die Fruchtbarkeitsberechnung nicht für andere Gegenden
aufstellte, kam ich seinen Vorhaltungen nach und habe eine einwandfreie
in der citierten Preisarbeit über die Berliner Juden niedergelegt.

Meine Berechnungen wenden sich nicht nur an die gebärfähigen Ehefrauen,
sondern berücksichtigen, wo es logisch ist, alle fruchtbarkeitsfähige
weibliche Wesen. Es wäre ein leichtes, auch wenn die offizielle
Statistik diesbezüglich versagt, diese Ziffern für andere jüdische
Gemeinden nachzuprüfen.

Es trafen auf 1000 verheiratete und ledige weibliche Personen im
Fruchtbarkeitsalter Geburten bei der

            preuß. Bev.   Berliner Bev.   bei d. Jüd. Berlins

  1880                        105                100,8
  1895                         96                 67,5
  1900                         84                 60,8
  1905      ca. 150-160        76                 56,8
  1910                                            48,6
  1911/14                                        40-45

Eingehendere Ziffern sind a. O. gegeben. Im Jahre 1910 fanden sich in
Berlin 25742 Jüdinnen im Alter von 15-50 Jahren. Ihre Geburtenziffer in
1100 ehelichen jüdischen und 100 unehelichen und ca. 50 jüdischen
Kindern aus Mischehen (die biologische Fruchtbarkeitsziffer der Jüdinnen
ohne Rücksicht auf die Kindererziehung war dementsprechend 50,5).

Die allgemeine Fruchtbarkeitsziffer für die gesamte Bevölkerung war
z. B. in Bayern

                                    1908-12   1913
  in den Großstädten                  87,1    74,9
  in den Bezirksämtern               145,5   124,0

Jeder Mathematiker kann nachrechnen, daß eine Bevölkerung ohne
jede Kindersterblichkeit 57,2 Geburten pro Jahr auf 1000 Frauen
(15-50 Jahren) gebraucht. Bei einer $idealen$ Säuglings- und
Kindersterblichkeit und Mortalität der Erwachsenen bis zum
50. Jahre aber 65 Geburten. In praxi dürften bei den heutigen
Mortalitätsverhältnissen 70 Geburten auf 1000 gebärfähigen Frauen
gerade die Bevölkerung erhalten. Darnach war die $Berliner jüdische
Fruchtbarkeit um über 40% zu gering$.

Segall verlangte nach einer Fruchtbarkeitsstatistik eines Landes. Die
großstädtische Ziffer genügte ihm mit Recht nicht. Er hätte sie sich
selbst bequem aus der Ruppinschen Arbeit (III. Jahrgang der Zeitschr. f.
Statistik) ausziehen können. Sie ergibt für das Jahr 1905 und für
$Hessen$ mit reichlich ländlichen Gemeinden einen Fruchtbarkeitswert von
65. Damit hinkt die jüdische Fruchtbarkeit Hessens der Berlins nicht
sehr nach. Auch Hessen teilte das Schicksal der deutschen Juden bereits
1905.

Genug der Methodik, der Tabellen, der Polemik.

Eine folgende schlichte Zusammenstellung ergibt dem, dem das Gewirr der
Tabellen nicht Klarheit bietet, den erwünschten Ueberblick.

Von 100 Mädchen, die vor 45 Jahren von jüdischen Eltern geboren wurden
(im Durchschnitt berechnet)

  =======================================================================
  sind getauft |           |        |           |             |
    als Kind   |  ledig u. | ledige |   heir.   | heir. Juden | Insgesamt
   und später  | kinderlos | Mütter | Nichtjud. |             |
  -------------+-----------+--------+-----------+-------------+----------
         2     |    22     |    3   |    18     |     55      |    100
  -------------+-----------+--------+-----------+-------------+----------
   davon       |           |        |           |             |
  jüdisch.   0 |     0     |    3   |     4     |    118      |    125
  Nachwuchs    |           |        |           |             |
  -----------------------------------------------------------------------

Auf jede dieser Frauen kommen momentan durchschnittlich 1,25 Kinder,
während zur Erhaltung der Art 2,4 Kinder auf den Schoß jedes Weibes
entfallen sollten. (Man verwechsle hiermit nicht unsere Berechnung,
wonach auf jede jüdische Ehe je 2,15 kommen. Hier handelt es sich nicht
nur um die Ehestatistik, die übrigens in Rubrik 5 enthalten ist, sondern
um die Fruchtbarkeit im allgemeinen). Selbst wer nachsichtig, noch so
liebevoll wissenschaftlich die Statistik des jüdischen Sexuallebens
bearbeitet, kann nie und nimmer zu anderen Resultaten gelangen.
(Dr. $Herlitz$ fand an einzelnen Familien ähnliche Resultate, die er in
dem Wiener Archiv für jüdische Genealogie publizierte). $Die den Juden
zufließende Fruchtbarkeit war nach dem statistischen Stand im Jahre 1913
um die Hälfte zu gering.$



KAPITEL X.

$DIE AUSTRITTSBEWEGUNG$.

                                    _Der Stolz des Mannes ist sein
                                    Volk._

                                                      _Beaconsfield._


Die Theologen und Moralisten haben in der Austrittsbewegung nur die
ethische Komponente beobachtet. Sie haben das verwerfliche Motiv
unterstrichen, wonach die Anerkennung dogmatischer Voraussetzungen und
religiöser Ideengänge von äußeren Vorteilen abhängig gemacht wird. Sie
bewerten den Charakter des Austritts als gesellschaftliche Erscheinung
ideell, aber nicht soziologisch. Man hat bisher wenig die Ursachen
dieser Bewegung aufgeklärt. Zeitlich seit der Emanzipation verliert die
Taufe den Charakter der Seltenheit. Bereits 1811 reichte David
Friedländer dem Staatskanzler von Hardenberg ein Verzeichnis ein, nach
dem in den vorhergehenden 8 Jahren 32 Familien und 18 ledige Männer in
Berlin die Taufe nahmen. 1830 klagte Sarah Levy, die Tochter Itzigs:
„Ich komme mir vor wie ein entlaubter Baum; alle die Meinigen um mich
her sind durch ihren Uebertritt zum Christentum mir doch in vieler
Hinsicht fremd geworden.” In einer demnächst erscheinenden Arbeit über
„$Die Juden in der deutschen Kultur- und Wirtschaftsgeschichte$” konnte
ich beobachten, daß gerade die bedeutendsten und bekanntesten deutschen
Juden in Handel und Verkehr, in der Literatur, Kunst und Wissenschaft
die Beziehungen zur jüdischen Gemeinschaft gelöst haben.

Der Mangel jüdischer Kenntnisse und die fehlende Ehrfurcht vor den
Geistesgrößen des Judentums allein kann nicht die Erklärung bieten, wenn
sogar die Familien der Vorkämpfer die Taufe nahmen. $Fishberg$ machte
bereits neben $Samter$ („Judentaufen”) darauf aufmerksam: „Die
bestbekanntesten jüdischen Familien aus dem Beginn des letzten
Jahrhunderts sind in der christlichen Majorität, in deren Mitte sie
lebten, aufgegangen.” Dazu sind zu rechnen: die Mendelsohns, die
Nachkommen des jüdischen Historikers Bresslau und Grätz, des
begeisterten Chowewe Zionisten Hirsch Kalischer, die Anverwandtschaft
des jüdischen Schriftstellers Bernstein bis in die Kreise des Berthold
Auerbach und Gabriel Rießer, Söhne gebildeter Rabbiner (Wedell,
Levy[28], Klemperer etc.), wie die Kinder von jüdischen Adeligen, welche
als Juden nobilitiert worden waren z. T. mit alttestamentarischen und
prononcierten Namen Cohn-Oppenheim, v. Hirsch. Von 100 geadelten
Familien rechnet sich der kleinste Teil noch zu den Juden. Die
v. Bleichröder, Beit auf Speyer, Friedländer-Fould, von Weinberg -- um
nur einige zu nennen -- sind convertiert. Aus den Kreisen der
Wissenschaft wären viele Hunderte aufzuzählen, die nur noch der Rasse
nach als Juden betrachtet werden können. Von vielen bekannten
Forscher-Familien[29] und vielen Häusern der Haute-Finance ist es kaum
mehr bekannt, daß ihr Aufstieg durch einen Juden eingeleitet wurde. In
einer Arbeit (Archiv f. Rassen und Ges. Biol. 1911) zur Geschichte der
Familie Samson habe ich Beispiele für den Uebergang der geadelten
deutschen Judenschaft in die christliche Gesellschaft angeführt. Für die
nobilitierten deutschen Juden bedeutete die Aufnahme in eine der Kreise
der alten Geschlechter den letzten möglichen Aufstieg, den Höhepunkt
ihres ehrgeizigen Strebens. ($Blau$ hat vor dem Krieg nachgewiesen, daß
in Berlin unter den Austretenden allein 12 Personen, die mehr als 1000
Mk. Steuern zahlten, sich befanden, also damals Millionäre waren.) Bei
der Sucht eine Rolle zu spielen, geachtet zu werden, ist die Taufe so
lange eine Notwendigkeit, als die jüdische Gemeinschaft nicht nur
fremdartig, sondern als $minderwertig$ den Deutschen und ihnen selbst
erscheint.

Ueber die numerische Bedeutung belehren einige Berechnungen von
$Hoffmann$, $Samter$ u. a. Danach gab es

  1822-1840 Uebertritte in Preußen      2200
  1841-1880                             7000
  1880-1912                             6513

Für Dresden liegen genaue Erfassungen vor. Dort waren (1886-1911) 277
Austritte und 30 Eintritte.

  In $Hamburg$ (nach Weigert)               in $Wien$

           Taufen                 Austritte        Eintritte

    1885-1890         281       1880        110          53
    1890-1895         370       1890        302          60
    1895-1900         381      1901/05     3104         500
    1900-1905         404      1906/10     3073         766
    1905-1910         363


      in $Berlin$

       Austritte

  1873-1880          51
  1881-1888         105
  1889-1896         509
  1897-1904         996
  1905-1913        1324
  1913-1919        1055

Für das Jahr 1903 hatte das Büro für Statistik d. J. eine Enquête für
ganz Deutschland veranstaltet. Es wurden 20 Eintritte und 259 Austritte
gemeldet, davon etwa 120 zum Protestantismus, während die „Mitteilungen”
der evangelischen Landeskirche von 500 Uebertritten sprachen. Da viele
Juden an Orten, wo man es sozusagen nicht wahrnimmt, aus dem Judentum
verschwinden, kann letztere Ziffer richtig sein. Samter hat auch in
Berlin höhere Taufziffern als Blau (Zeitschr. f. Statistik d. J.
III. Jahrg. S. 149). Sie sind durchweg um das 2-3 fache so hoch als die
Austrittsziffern, welche die jüdische Gemeinde gibt. Samter zitiert
hierfür das städt. Jahrbuch der Stadt Berlin und das Allg. Kirchenblatt
f. d. ev. Deutschland. Zusammen mit den Uebertritten zum Katholizismus
und den Anschluß an die dissidentische Bewegung ist der Abfall vom
Judentum (die Taufe etc. der Kinder jüdischer Ehen einbezogen) etwa um
die Jahrhundertwende auf mindestens 1000 pro Jahr für Deutschland zu
veranschlagen.

Die jüdischen Gemeindestatistiken ermitteln fast nur Täuflinge über 20
Jahre, 17-20 jährige betrafen nur wenige, kleine Kinder allein wurden
ohne die Taufe der Eltern nie gemeldet, so daß die der Kinder allein
statistisch nicht festgehalten wurde. $Artur Kahn$ hat in dem Blatt der
Großloge für Deutschland geschrieben, daß s. Z. ca. 15% aller jüdischen
Kinder am evangelischen Religionsunterricht teilnahmen. In einzelnen
Lehranstalten steigt der Prozentsatz bis über 30%. Natürlich ist die
Erteilung des Religionsunterrichts nicht nur eine rein platonische
Ehrenbezeugung vor dem Christentum. Die Konsequenzen aus dieser Vorliebe
für die Heilswahrheit des Evangelismus ziehen die Eltern bei passender
Gelegenheit, sonst hätte diese Uebung keinen Zweck. Ebenso bedeutsam ist
die Tatsache, daß in dem Jahr 1897 von 11668 jüdischen Kindern 1245 ohne
Religionsunterricht waren.

Die Absentierung vom jüdischen Unterricht bedeutet eine starke Abneigung
gegen die jüdische Religion, die leicht zur vollständigen Aufgabe
jeglicher Beziehungen zur Religionsgemeinschaft führt. Blau hat in
Gross-Berlin (Zeitschr. f. Stat. d. J. Bd. 11 S. 12) von 36671 Kindern
rein jüdischer Ehen 416 in nicht jüdischem Glauben ermittelt, darunter
nur 24 konfessionslos und 3 als katholisch, 389 evangelisch. Diese
Auszählung gibt einen gewissen Ueberblick über die Kindertaufe. $Dora
Weigert$ hat in einer eingehenden und trefflichen Arbeit für Hamburg
nachgewiesen, daß von 100 ehelich geborenen jüdischen Kindern vom Jahre
1880-1910 1,6-3,6% getauft wurden, bei den unehelichen schwankt der
Prozentsatz zwischen 10-18%, wir können also mit einer Taufe von Kindern
rechnen, die für ganz Deutschland zwischen 1 und 2% aller geborenen
liegt.

Nicht uninteressant ist es, der Berufstätigkeit der Täuflinge
nachzuspüren. 1911 waren in Berlin unter den 148 Männern 45 Akademiker,
also fast ein Drittel, was natürlich der Beteiligung dieser Berufe an
der Bevölkerung nicht entspricht.

$Gotthold Weil$ hat in der „Jüdischen Rundschau” einige der Motive
bloßgelegt. „Die Sorge der Eltern um ihre Kinder, die Furcht, daß diesen
später einmal durch die Zugehörigkeit zum Judentum viele Schwierigkeiten
im öffentlichen Leben erwachsen könnten, bestimmte die meisten nur nach
dem Erfolg strebenden Eltern durch einen rechtzeitigen Austritt aus dem
Judentum ihren Kindern wenigstens die äußeren Hindernisse aus dem Wege
zu räumen, die sie trotz großen Fleißes und starker Kämpfe für sich
nicht zu beseitigen vermochten.”

G. $Wolf$ bemerkte in seiner Abhandlung „Die Judentaufen in Oesterreich”
(Wien 1863) „Aller Sorge und Qual des unsäglichen Jammers und Elends
konnte man sich mit einem Schlage entledigen. Das Taufwasser wäscht jede
Schmach und jeden Makel weg; er, der noch gestern gramgebeugt
einherging, kann heute stolz das Haupt emporgehoben einhergehen, noch
mehr, er wird mit Amt und Würden ausgezeichnet.”

Neuerdings ist zum Austritt der Reichen und der Akademiker noch eine
Abfallbewegung der Proletarier gekommen. Eine genaue Untersuchung der
Wiener und Berliner Statistik hat diese auf den ersten Augenblick
befremdende Erscheinung sichergestellt.

Die Taufe der Wohlhabenden ist der Ausdruck ihres Strebens über das
Erreichte noch emporzukommen. Auf das Butterbrot der Konversion bekommt
man, wie Nordau einmal sagte, alles gestrichen, sie ist das Entreebillet
zur besten Gesellschaft, sie ist noch heute die conditio sine qua non,
für akademische Lehrstätten, kurz für Amt und Würde und Auszeichnung.
Ueber das Weihbecken geht der aussichtsvolle und bequeme Weg zu den
Quellen der Macht und dem sprudelnden Born der Wissenschaft. In Ländern,
wo die politische Gleichberechtigung und Gleichstellung der Juden
restlos auch im Unterbewußtsein des Volkes sich durchgesetzt hat, ist
die Taufe eine unbekannte Erscheinung. Im Lande D'Israelis und Ricardos
ist sie heute überflüssig geworden, in Vergessenheit geraten, ebenso wie
im Reich der Luzatti und Ottolenghi. Solange die Juden den Deutschen
minderwertig erscheinen, wird die Taufe anhalten, und viele, die nicht
die Kraft oder das Lustvermögen aufbringen, das Los der Mißachteten zu
teilen, aus ihrer Mitte entführen. Die Juden, die dem Judentum den Wert
absprachen, sind Produkte dieser Konstellation. $Rathenau$, $Samuel
Lublinski$, $Benedictus Levita$, $Weininger$, $Fromer$, $Trebitzsch$ und
andere handelten und schrieben unter dem Einfluß der politischen Lage.

    Bleichröder meinte zu Bismarck (Zukunft 17. Jahrg. No. 32): Etwas
    sujet mixte muss auch der beste deutsche Jude bleiben, wie es schon
    in den Worten deutscher Jude liegt. Und es gibt nur drei Auswege aus
    dieser Doppelmischung: „Rückkehr nach Jerusalem oder wie es die
    meisten meiner Glaubensgenossen jetzt so halten, völlig Eins werden
    und Untergehen in dem germanischen Volkskörper.” Ein Königsberger
    Jude verstieg sich sogar zur Forderung der Zwangsmischehen, deren
    Kinder zu taufen seien (Grätz II 5. 263).

    „Der moderne Jude ist in das Kulturleben der Wirtsvölker eingetreten
    (Fromer), nimmt an ihren Freuden und Leiden Anteil, und beansprucht
    gesellschaftliche und politische Gleichstellung. Er ist auf die
    Leiden nicht gefasst, hat keinen Trost, keine Linderung für diese
    Leiden und ist gegen die Auflösung, die er nicht will, durch nichts
    geschützt.”

    $Marcuse$ findet in seiner Apologetik der Mischehe (Sexualprobleme
    (1912)): „Die Auflösung ein Schicksal, das zugleich aufs innigste zu
    wünschen und wie jede auf ihren Gesetzen sich vollziehende
    Entwicklung unabwendbar. So kann die Mischehe nur, was zum Sterben
    reif ist, einem schnelleren und schöneren Tod zuführen und der
    jüdische Deutsche darf, wenn er klar erkennt, was ist und was werden
    muss, mit Friedrich $Biach$ die Bezeichnung der Mischehe als eines
    Selbstmordes getrost anerkennen, aber als eines freien und freudigen
    Selbstmordes: Denn ich will nicht mehr das Selbst sein, das ich war,
    ich will dem herrlichen Volke angehören, in dessen Mitte ich
    geboren; stirb zur rechten Zeit: also lehrte Zarathustra, allzu
    lange haben wir gezaudert.”

Der deutsche Jude entlehnt einen Teil seiner Methodologie
antisemitischer Lektüre. Chamberlain haben die meisten Juden gelesen.
Der scharfe, kritische Geist erkennt am besten die Schwäche seines
Volkes. Wie bei einem geschlagenen Heer, wenn die Kommando-Gewalt der
Offiziere versagt, die Soldaten zu entweichen suchen, so drückt sich die
Masse der Juden, die sich nur an ihren eigenen Interessen orientieren,
denen das jüdische Joch zu schwer wird. Aus der Not wird eine Tugend.
Die Aufgabe des eigenen Ichs zu einem kategorischen Imperativ -- der
Abschied vom Judentum zur befreienden Tat.

Letzten Endes ist dieser Vorgang nichts anderes als ein Versuch aus dem
sich entwurzelnden Judentum mit einem kühnen Sprung ins andere Lager zu
springen.

Kompliziert wird aber die Judenfrage durch neue Einflüsse. Die jüdische
Gemeinschaft des XIX. Jahrhunderts galt allgemein als religiöse
Korporation. Die vom Sozialismus erfassten Kreise des Proletariats und
ihres Umkreises haben aus politischen und kulturellen Erwägungen heraus
den Kampf gegen den Katholizismus als den Bundesgenossen des Centrums
und gegen die evangelische Kirche als die Beschützerin der bestehenden
Rechtsordnung und der konservativen Richtung angenommen. Die Feindschaft
ging somit gegen die Religionen als die Horte der Reaktion, als
Fundamente des Autoritätsglaubens, des Konservativismus, dem der
Fortschritt, die materielle und rein ökonomische Auffassung der
Lebensprobleme entgegenstanden. Aus diesem $politischen$ Gegensatz
resultiert die Verneinung der Existenzberechtigung der Konfessionen, die
erbitterte Feindschaft der radikalen Parteien gegen die Kirchen und die
Geistlichkeit. Die Abwehrstellung gegen die Religionen entspringt einer
politischen Einstellung, die durch kulturelle Interessen gefördert wird.
Auch im universellen Gedanken der Profeten stecken Ansätze, die
zum Bund der allmenschlichen ethischen Gemeinschaft führen zum
Ueber-Konfessionalismus, zu Formen der allgemeinen humanen Ethik, die in
seiner vollen Tiefe Spinoza geahnt hat.

Der Jude mit seinem scharfsinnigen Geist und seiner ethisch
prononcierten Ueberlegung hat am frühesten sich allen Bewegungen
angeschlossen, die das geistige Ghetto, das die Völker umgab,
durchbrechen sollten. Deshalb waren lange Zeit die Konfessionslosen
meist jüdischer Rasse.

Ist die Taufe in gewissem Sinne eine Folge des Antisemitismus und ist
die Taufe vor allem das Mittel des utilitaristisch denkenden Menschen,
so ist der Austritt der Freidenker, Atheisten, Ueberkonfessionellen
u. s. w. gerade das Stigma idealistisch gesinnter Personen, die in dem
Abstreifen einer engherzigen Religionsgemeinschaft eine kulturelle Tat
begangen zu haben glauben.

Solange das Judentum als rein religiöse Organisation fungiert, werden
sich welche von ihm absondern, die keine religiösen Interessen oder
nicht die jüdischen besitzen. Dabei wird die Erleichterung des Austritts
ihre Zahl um das Heer derer vermehren, die aus den simpelsten
finanziellen Erwägungen (die aber heute für jeden Haushalt von
weittragendster Bedeutung sind) heraus den Augenblick begrüßen, einer
der vielen Belastungen zu entgehen, mit denen man in Deutschland zur
Stunde recht gesegnet ist.

Das Bekenntnis zum Judentum ist eine freiwillige Willensäußerung. Sie
appelliert an die Ueberzeugung, an das Gefühl des einzelnen, aber es
steht ihr kein Machtmittel zur Verfügung, ihre Mitglieder festzuhalten.
Vorerst hat sie keine Möglichkeit, ihre Anhänger von ökonomischen,
kulturellen, politischen und anderen Interessengebieten unabhängig zu
machen. Wohl können sich einzelne persönlich in vielem freimachen, die
Mehrzahl, die in Deutschland lebt, wird wohl ihren Anteil an den
Lebensformen der Umwelt nehmen. Solange die Judengemeinschaft bestehen
bleibt, dauert dann der Anreiz an, der Zwitterstellung zwischen
Deutschen und Juden zu entsagen. Mögen in jüdischem Lager die
Philosophen und Literaten, die Theologen und Politiker die Unterschiede
in der Rassenpsyche und der letzten Mentalität der beiden Volksteile
bestreiten, die Konkruluz des Deutschtums und des Judentums beweisen,
das Unternehmen wird immer ein akademisches bleiben, so lange die
tatsächlichen Kontraste, die Randspannungsgefühle der beiden
Gemeinschaften nicht einen gewissen Ausgleich gefunden haben. Ob dieser
letzten Endes bei den Menschen überhaupt und gerade den Deutschen
möglich ist, ist nicht a priori abzusehen. Im Orient haben Jahrhunderte
lang fremde Rassen nebeneinander gelebt, das alte römische Reich war
vielerorts das Sammelbecken der verschiedensten Völker, in Indien sollen
verschiedene Nationen friedlich nebeneinander hausen.

Vorerst hat die deutsche Judenheit in den letzten hundert Jahren ihren
Zusammenhang mit dem nationalen Judentum gelöst und die religiösen
Absonderungsgesetze und Sitten gelockert. An die feste Vorstellung von
der Auserwähltheit des jüdischen Volkes, das in jedem Anhänger das
unbedingteste Vertrauen an die Zukunft der eigenen Nation, die Hoffnung
auf den Messias so fest verankerte, daß kein Zweifel möglich war, trat
eine rationalistische ethische Vorstellung von Gott und der Welt,
losgelöst von alter Form und ureigenstem Inhalt.

Der Nivellierung, Assimilierung und Entjudaisierung ist gerade dadurch,
daß nunmehr das Judentum die festen nationalen und religiösen Umrisse
verloren hat, die Arbeit der Auflösung leicht gemacht. Dass die
deutschen Juden die Rückkehr zum nationalen und religiösen Judentum
antreten werden, ist unwahrscheinlich. Wie wenig das neologe religiöse
Judentum die Erhaltung bewerkstelligen konnte, belegt die Geschichte des
ganzen XIX. Jahrhunderts. Ob dem $nationalen$ Judentum, also einer
Komponente des jüdischen Komplexes, die Kraft des ursprünglichen
nationalen und religiösen Judentums inne wohnt, ist fraglich.

Nicht der Sieg über die neologen und religiös interessierten Juden,
nicht die Erreichung neuer Gesetze wird ihre letzte Bedeutung belegen,
sondern die Fähigkeit des Nationalismus, alle Juden zu erfassen und das
Judentum zu binden, insbesondere das Sexualleben so zu regeln, dass Eros
sie nicht außerhalb der Gemeinschaft hinausführt, ein Unterfangen, dem
man nur mit größtem Skeptizismus gegenüber treten kann ...

Selig die, denen diese Gedankengänge überflüssig und zu schwarz
erscheinen!



KAPITEL XI.

$DIE MISCHEHE$.

                                    _Religion und Inzucht waren die
                                    beiden eisernen Reifen, die das
                                    jüdische Volk fest umschlossen und
                                    als eine einzige feste Masse durch
                                    die Jahrtausende erhalten haben. Und
                                    wenn sie sich lockern? Was wird dann
                                    die Wirkung sein?_

                                                      _Werner Sombart._


„Das genealogische Moment hat die Nationen nicht geschaffen, sondern sie
fixiert. Die Vererbung ist ein Zeichen und das Resultat der
Nationalität, aber nicht ihre Ursache. Nicht der Beginn, sondern die
weitere Existenz wird durch die Vererbung erklärt” ($Bluntschli$: Die
nationale Staatenbildung, gesammelte Schriften). Mit anderen Worten:
Nachdem eine gewisse Menschengruppe, die aus den verschiedensten
Rassenbestandteilen zusammengewürfelt sein kann, untereinander in engere
Verbindung getreten ist, wird nach D. $Pasmanik$ durch Wechselheiraten
und Vererbung ein bestimmter Menschentypus fixiert und konserviert. Der
ursprünglichen wahllosen Vermischung der Juden in der Zeit ihrer
Volkswerdung suchten einzelne weitsehende jüdische Politiker entgegen zu
treten. Die Vorkehrungen gegen die Mischehe und die sie verwerfende
Stellen deuten darauf hin. (Abraham und Isaak -- Jacobs Brautfahrt,
Deut. 23, 4, 8, 9, die Eheverbote mit den Amalikitern, Moabitern,
Edomitern und Egyptern. Es sei an Ex. 34, 15, 16, und Deut. 7, 3, 4,
erinnert).

Unter Esra und Nehemia wurde der Kampf um die Reinerhaltung der
jüdischen Art bewußt durchgeführt. Auch im Talmud befinden sich viele
dahin zielende Auslassungen. Maimonides und insbesondere der Schulchan
Aruch, der diese Entwicklungen abschliesst, kommt zu einer absoluten
Verwerfung der Mischehe. Praktisch hat (nach dem Schrifttum) Esra am
konsequentesten gehandelt, indem er die damals in Palästina
existierenden 113 Mischehen verwarf und ihre Auflösung durchsetzte. So
alt die Geschichte der Juden ist, so oft wiederholen sich aber Ansätze
und Ausbreitung der Mischehe. Moses heiratete die Tochter eines
midianitischen Götzenpriesters, die allerdings rassenmässig einem nicht
sehr fernestehenden Stamme angehörte. Die Sexualbeziehungen von Simson
und David, des Sohnes der Moabiterin Ruth, Salomons, des Nachkommens
einer hittitischen Mutter, Ahabs u. a. darf man als bekannt
voraussetzen. Ich verweise hierbei insbesondere auf die Arbeit von Dr.
$Fritz Kahn$, „Die Juden -- als Rasse und Kulturvolk,” Welt-Verlag 1920,
und Dr. Tänzers „Die Mischehe,” Berlin 1913.”

Eine Rolle in der jüdischen Religion und in den Festen dieses Volkes
spielen die Vorgänge am persischen Hofe zur Zeit der Königin Esther, und
man kann es den Kabbalisten nicht verdenken, daß sie deren Andenken
verwarfen. Unter den Hasmonäern in der Zeit des Hellenismus tritt die
Mischehe recht stark auf. Im Mittelalter gibt es sogar in Deutschland
(900-1100) erotische Wechselbeziehungen mit der christlichen Umgebung.

In der Geschichte der Rassenforschung ist die Frage nach der Vermischung
der Juden des häufigen aufgeworfen worden. Von der Parteien Haß und
Gunst verwirrt, schwankt das Urteil über die Beimischung fremden
Blutes.

Historisch wichtig ist, daß im XVI., XVII. und XVIII. Jahrhundert
Mischehen im gesamten Judentum der Welt zu den Ausnahmeerscheinungen
gehörten. Diese sexuelle Abgeschlossenheit, wird durch die Mischehe
durchbrochen in der Zeit der Emanzipation und in hoc signo. Napoleon
wollte jeden dritten Juden zwingen, einen christlichen Gemahl zu nehmen,
sein Staatsrat wies allerdings eine solche Maßnahme zurück. Sogar
Bismarck war für die Zucht des arischen Hengstes mit der semitischen
Stute, wie auch E. v. Hartmann und andere die providenzielle Beimischung
des jüdischen Blutstropfens als einen Segen für den deutschen Michel
hielten. Sogar im jüdischen Lager wurde für die Mischehe Propaganda
gemacht.

Natürlich fanden sich auch Gegner. So protestierte H. St. Chamberlain
gegen die Idee einer Infizierung der Indoeuropäer mit jüdischem Blut.
„Ginge das ein paar Jahrhunderte fort, es gäbe dann in Europa nur noch
ein einziges rassereines Volk, das der Juden; alles übrige wäre eine
Herde pseudo-hebräischer Mestizen und zwar ein unzweifelhaft physisch,
geistig und moralisch degeneriertes Volk.”

Die Kenntnis und Benutzung des Hebräischen als Kultursprache, des
jüdisch-deutschen als Umgangsdialekt, die absolute Befangenheit im
jüdischen Glauben verbanden sich als psychische Voraussetzungen für die
Inzucht. Das Einheiraten in die Gruppe derselben Menschen, hatte zur
Erhaltung eines körperlich von anderen unterschiedlichen Typus geführt,
der zwar nicht reinrassig in dem Sinne ist, als ob nur eine und dieselbe
Form von Menschen am Eingang der jüdischen Nation bestanden hätte.

Aber die stetige Verschwägerung der Juden führte zu einer körperlichen
Verwandtschaft, die sich im Aussehen allein schon anzeigt. $Fishberg$
hat ganz recht, wenn er von der Mischehe das völlige Aufgehen des
Judentums erwartet, weil die Kinder von Mischpaaren nicht mehr Träger
der jüdischen Rasse sein können und religiös zumeist aus dem Judentum
ausscheiden.

Die Mischehe ist dementsprechend eine weitere Form der Auflösung der
jüdischen Gemeinschaft. Die Wege zur Mischehe sind verschiedentliche.
$Sie liegen letzten Endes nicht wie die Taufbewegung auf politischem
Gebiet, sondern auf sozialem.$ Ist die Geburtseinschränkung ein
vornehmlich durch ökonomische Ursachen bedingter Vorgang, so führen
gesellschaftliche Momente zur Vermischung. Man kann ihre einzelnen
Vorausbedingungen einbeziehen in das Gebiet der:

  1.  Liebe,

  2.  Gewöhnung,

  3.  Rasseprobleme,

  4.  gesellschaftlichen Angleichung.

1. Die Wege der Liebe sind oft wunderbar. Aber erst die Neuzeit, welche
die Schranken zwischen den einzelnen Klassen und Kasten wegräumt, hat im
Erwerbsleben, im gesellschaftlichen Umgang auf Schritt und Tritt den
jüdischen und nichtjüdischen Mensch einander näher gebracht. Ob die
psychischen Differenzen durch die erotischen Beziehungen, die zwei so
verschiedene Charaktere aneinander knüpfen, auf die Dauer überbrückt
werden, diese Ueberlegung versagt, wo starke Erotik alle übrigen
Denkvorgänge zurückdrängt. Das Ideal der altjüdischen Ehe war die Heirat
durch den Segen der Eltern und nach deren Willen und Bestimmung. Das
Idol der heutigen und kommenden Bindungen ist die völlige Abkehr von
allen Konventionshindernissen.

2. Die Gewöhnung als Voraussetzung zur Mischehe besteht in der
Fortsetzung des Verhältnisses in der Legalisierung des Zusammenlebens.
Der Student, der Handlungsgehilfe, der sich in seinem Drang einen
Kameraden sucht, nimmt ihn häufiger aus dem christlichen Volke, da sich
die Jüdinnen weniger leicht hingeben. Mit der Zeit, durch äußere
Umstände, Schwangerschaft, Geburt eines Kindes, Infizierung und so
weiter findet die ursprünglich nur auf kurze Zeit gedachte Verbindung
ihren Dauerzustand in der Ehe.

3. Um gesellschaftlich emporzukommen, verheiraten sich reiche Jüdinnen
mit verarmten Adligen oder wohlhabende Juden mit Nichtjüdinnen aus
vornehmen Hause. Die Jüdin, die in ihrem Kreise keinen Mann findet,
insbesondere die arme, ist froh, wenn sie einem Nichtjuden gefällt. Denn
der innerste Beruf des Weibes ist ihr Streben nach der Hingabe. Und die
Vereinsamung um Volkes willen mag ein gutes nationales Ziel sein. Rein
menschlich betrachtet ist dieser Idealismus obsolet. Vielfach kann sich
auch das heterogene Geschlechts- und Schönheitsempfinden ausleben erst
in den Beziehungen zur Umwelt. Der dunkle Jude, auf den das blonde
schlichte Gretchen, die große schlanke Frauengestalt der Deutschen
wirkt: Les extrêmes se touchent. Die Juden fangen bereits an, bei der
Wahl des Ehegatten das Schönheitsideal des sie umgebenden Volkes
anzuerkennen, die jüdische Art und den jüdischen Typus zu meiden und den
sogenannten arischen zu bevorzugen. In jüdischen Heiratsannoncen wird
oft die blonde Haarfarbe hervorgehoben und sogar die geschmackvolle
Bemerkung „nicht jüdisch aussehend” ist nicht allzu selten (Ruppin).

Umgekehrt erotisiert die schwarze Jüdin, mit ihrem Reiz, ihrer Eigenart,
und ihrer geistigen Aufgewecktheit den Nichtjuden; selbst ausgeprägte
antisemitische Ueberlegungen treten oft zurück, wo schöne Judenmädchen
mit Feinden ihres Volkes in Berührung kommen.

Und schließlich wäre es sonderlich, wenn in einer Zeit, in der die
sexuellen Beziehungen so stark gelockert sind, in der eine vollkommene
Vermischung der Rassen, eine bunte Liebeslust die Menschheit ergriffen
hat, nicht auch nahe Beziehungen zwischen den Individuen der
germanisch-deutschen und der deutsch-semitischen Gemeinschaft
entstünden.

Die von Napoleon I. berufene jüdische Nationalversammlung -- als das
Sanhedrion bekannt -- hat erstmalig der Schließung einer Mischehe
zugestimmt. Allerdings in der stark gewundenen Form, diese stehe in
Uebereinstimmung mit dem bürgerlichen Gesetz, und dürfe, wenn auch gegen
den jüdischen Ritus vorgenommen, nicht den Vorwurf für den rabbinischen
Bann abgeben. Die Versammlung der jüdischen Theologen in Braunschweig
(1844) und die Synoden von Leipzig und Augsburg sanktionierten die
Mischehe, wenngleich mit dem Vorbehalt der jüdischen Erziehung der
Kinder. Die in den 70er Jahren eingeführte Zivilehe bot vollends jedem
die Möglichkeit der freiesten Eheschließung. Daß sich dabei die
Eheschließenden nicht an die Wünsche der Rabbiner kehrten und die Kinder
in Mischehen zum größten Teil im anderen Glauben erzogen, ist
selbstverständlich. Insbesonders ist es einer Jüdin nicht leicht, von
ihrem christlichen Ehemanne zu verlangen, daß er die Kinder in ihrer
Religionsgemeinschaft aufwachsen lasse, der er selbst fernsteht und die
in Deutschland als etwas minderwertiges erscheint. Die Mischehe ist ein
Bund zwischen zwei Partnern, von denen der jüdische einer in der
Oeffentlichkeit wenig beliebten Gemeinschaft angehört[30].

Die Freiheit der sexuellen Betätigung, die heute der Mann genießt,
erobert sich immer mehr und mehr das in der Großstadt selbständige, von
der Aufsicht der Familie losgelöste Mädchen. Durch die Erschwerung der
Eheschließung kann sie sich nicht mehr darauf verlassen durch die
Mitgift oder die Macht der Eltern an den Mann gebracht zu werden, so
wünscht sie sich selbst zu versorgen und ihren Anteil am Leben und
Genießen zu erhaschen. Dieser Prozeß ist noch lange nicht
abgeschlossen. Ich möchte fast glauben, daß er erst richtig
einsetzt. J. D. Meyer hat die Frankfurter Mischehen untersucht
(Zeitschr. f. St. d. J.) und eine auffallend hohe Verehelichungsziffer
armer Jüdinnen mit Christen gefunden, während die jüdischen Männer
besonders des Mittelstandes sich christliche Partnerinnen wählten.

Die Mischehe ist aus dem Stadium herausgetreten, in dem sie eine
Seltenheit war. Heute wo sie etwas alltägliches ist, findet sie keine
Verurteilung und so werden die Widerstände von allen Seiten geringer und
mit dem Sinken der Hemmungen wird sie nur selbstverständlicher.

Es gehört auch hier eine gesunde Naivität dazu, das plötzliche Aussetzen
eines überall wirkenden Vorganges zu erhoffen, das Versiegen einer
soziologischen Erscheinung zu erwarten. Die aus so vielen Ursachen
bedingte Mischehe ist letzten Endes dadurch kurz erklärt, daß unter 100
Nichtjuden ein Jude lebt, der nach Ableugnung des nationalen Bandes nur
noch mit einigen Vorstellungen über Gott und die Welt Beziehungen
besonderer Art zu anderen Juden unterhält, wobei aber auch hier krasse
Differenzen zwischen den Glaubensvorstellungen des konservativen und
liberalen Juden auftreten. Objektiv ist der Unterschied in der
Religionsauffassung zwischen gesetzestreuen und neologen Juden stärker
als zwischen neologen Juden und ebensolchen Evangelischen. (Der unbewußt
empfundene jüdische Nationalismus wird bewußt durch diese neologe
offizielle Judenheit geleugnet und bekämpft). Ohne nationalistische
Einstellung ist also die Mischehe bei diesem Standpunkt nicht zu
verwerfen. --

           $Mischehen in Preußen$

  1875-1879:  1195      1895-1899:  2318
  1880-1884:  1228      1900-1904:  2452
  1885-1889:  1466      1905-1909:  3435
  1890-1894:  1566      1910-1914:  4279
            ------                ------
  1875-1894:  5455                 12384

in % der rein jüd. Ehen waren Mischehen

  1876-1880:   9,6      1896-1900: 17,5
  1886-1890:  12,8      1906-1910: 26,5

Mischehen in Deutschland

                       in % d. jüd. Ehen

  1900-1902: 1952          17,0
  1912-1913: 2232          30,25

in Berlin (im Durchschnitt)

  jüdische              Mischehen

  1875-1880   284          146
  1881-1890   469          183
  1891-1900   574          181
  1901-1910   608          252
  1911-1914   502          291

Es wurden Mischehen -- $stehende$ -- 1910 in Preußen ermittelt: 3643 mit
1675 Kindern davon 782 jüdische, also auf fast 5 Mischehen ein jüdisches
Kind.

Stehende Mischehen in $Berlin$.

  Vater   Mutter   Zahl der Ehen   Kinder     davon jüdische

  ev.      jüd.         641          763           164
  kath.    jüd.          81           88            30
  sonst.   jüd.         105          154            56
  Jude     ev.         1124         1199           340
  Jude    kath.         117          119            37
  Jude   sonst.          79           95            64
                       ----         ----          ----
                       2147         2418           691

Von 1875-1914 wurden in Preußen 18000 Mischehen geschlossen, wobei die
Mischehen nicht ermittelt sind, die zwischen getauften Juden und
Nichtjuden eingegangen wurden. Insgesamt müssen es mehr denn 20000
gewesen sein. Gegenüber den jährlichen rein jüdischen Ehen in Preußen
von durchschnittlich 2500 bis 2700 handelt es sich um recht respektable
Ziffern. Die Großstadt liefert ein besonders reichliches Kontingent.
Hamburg, Berlin, Frankfurt und München bezeugen es. Einen Ueberblick
über die Mischehen im Reich ergibt die Tabelle, nach der auf 100
jüdische Ehen (1901) 17 Mischehen trafen, die sich bis (1909) auf 25,4
vermehrten. In letzter Zeit scheint die Mischehe 1/8 bis 1/7 der
Heiratenden ergriffen zu haben. Die Vermischung kann aber noch zunehmen.
Die Verhältnisse in Dänemark ergaben in den ersten Jahren unseres
Jahrhunderts auf 100 jüdische Ehen 96 Mischehen und für Schweden
(1901-1908) 135 gemischte auf 154 reine Ehen, so daß selbst in Ländern,
in denen eine russische Einwanderung vorherrschte, bei der starken
Assimilierungstendenz der Einheimischen eine rasche Vermischung eintrat.
Erhebungen aus Italien, Frankreich, Ungarn, Holland, der Schweiz und
Australien unterrichten uns über den internationalen Charakter dieser
Erscheinung.

Ich habe mich in der ersten Auflage des „Untergangs” mit den
Verhältnissen in anderen Ländern eingehend befaßt. $Wilhelm Müller$
spricht vom amerikanischen Judentum im 19. Jahrhundert (Nr. 34 der
Zukunft):

    „Von den Reformierten sagt der französische Schriftsteller Henry
    Barky, dass es die wahren Vertreter des Judentums in Amerika seien.
    Ihre Religion ist Deismus und ihr Ritus ein Ausdruck des
    Gefühlslebens, der die Gegenwart mit der Vergangenheit verbindet.
    Diese Hauptaufgabe erblickt er jedoch in tatkräftiger Verwirklichung
    sittlicher Ideen. Mit dieser Auffassung nähern sich die Juden den
    liberalen christlichen Kirchen. Mr. Copp meinte, die religiöse
    Entwicklung der Juden habe sie dem liberalen Christentum zugeführt.
    Damit geht Hand in Hand die Abschaffung des Sabbaths, den Rabbiner
    Dr. Isidor Singer einen alt semitischen Aberglauben nennt.”

Wie das Deutschtum im Amerikanertum aufgegangen ist, so sieht schon
jetzt eine Anzahl bekannter Juden die jüdische Zukunft in demselben
Licht. Zangwill bezeichnet in seinem Drama: „Der Schmelztiegel”:

    ..... ein Aufgehen der Juden im Amerikanertum durch Zwischenheirat
    als das voraussichtliche Los seines Stammes.

Damit fände wie so mancher wegmüde Wanderer auch Israel im großen
gastlichen Land der Freiheit Ruhe und Frieden.

In Sombarts „Judentaufen” verbreitet sich $Zangwill$ über die Bedeutung
der Zwischenheiraten.

    „Hätte uns der Christ stets christlich angefasst, kein einziger Jude
    lebte heute in Europa. Ganz abgesehen von den Ereignissen im
    Ausland, ist in Deutschland die Mischehe kein Produkt des Zufalls,
    sie ist eine heute weitverbreitete Erscheinung, die bei einigen
    Wechselverbindungen zwischen Volksteilen, die sich immer mehr
    ausgleichen, auftreten muss. Die jüdische Gesamtheit bietet wohl
    noch Differenziertheiten. Diese Eigenart kann von einzelnen
    Individuen übersehen oder mit in den Kauf genommen werden. Der Jude
    ist an und für sich keine besondere Erscheinung mehr. Sein Geld,
    seinen Beruf, seine Anschauungen besitzen auch Christen.”

    $Zollschan$ hat in einigen markanten Sätzen zusammengefasst, was zu
    sagen ist: „Völkerstämme, die untereinander wohnen, vermischen sich
    stets, wenn die Ehe nicht durch das Gesetz oder die Religion
    verboten ist. Die Juden wohnen vermischt mit den anderen Völkern.
    Das Zivilgesetz gestattet heute die Mischehe. Die sexuellen und
    materiellen Interessen sind mächtiger als jede konfessionelle
    Schranke, namentlich wenn an diese selbst nur mehr eine blosse
    Erinnerung besteht. Die statistisch konstatierten Erfahrungen
    stimmen mit diesem Syllogismus überein.”

    Professor $Dr. Eduard Steiner$, der Kenner des amerikanischen
    Judentums, befand: „Es ist zweifellos, dass das jüdische Volk in
    Amerika ernsterer Krisis entgegengeht als einst im babylonischen
    Exil. Das amerikanische Judentum geht einer Katastrophe entgegen.
    Der Auflösungsprozess wird nur durch den Zuzug von Juden aus
    Russland und Polen verzögert. Der Durchschnittsjude hat sich so
    weit amerikanisiert, dass er bereits vollständig seine Herkunft und
    Abstammung vergessen hat. Amerikanisierung und Assimilation sind nur
    zwei Seiten derselben Medaille, sind ein einheitlicher Prozess.”

    $Ruppin$ hat in klassischer Prägnanz die Inzucht der Juden gedeutet:
    „Ob die Juden von ihrem Eintritt in die Geschichte an eine
    einheitliche Rasse gebildet und diesen einheitlichen Charakter stets
    bewahrt haben, steht völlig dahin. Als sicher aber kann gelten, dass
    die Bekenner der mosaischen Religion gegen Ende des XVIII.
    Jahrhunderts nach vielen Jahrhunderten strengster Inzucht innerhalb
    eines relativ kleinen und räumlich beschränkten Kreises eine durch
    anthropologische Merkmale von ihrer christlichen Umgebung scharf
    unterschiedene Gemeinschaft bilden. Im XIX. Jahrhundert sind manche
    Angehörige dieser Rasse von der jüdischen Religion zur christlichen
    übergetreten, andere haben einen christlichen Ehegatten geheiratet
    und ihre Kinder dem Christentum zugewendet, sodass sich jetzt
    Angehörige der jüdischen Rasse auch unter den Anhängern der
    christlichen Religion befinden. Dem gegenüber sind die Fälle, in
    denen Christen (d. h. anthropologisch gesprochen Germanen, Slaven
    u. a.) durch Uebertritt zum Judentum oder auf dem Wege der
    geschlechtlichen Vermischung mit Juden zu Bekennern der mosaischen
    Religion geworden sind, so selten, dass man sie ohne erheblichen
    Fehler ganz vernachlässigen und auch heute noch $alle Anhänger der
    mosaischen$ Religion als Anhänger der jüdischen Rasse bezeichnen
    kann.”

$Die Inzucht gewährleistet das einzige objektiv jüdische Kennzeichen,
erhält die körperliche Eigenart des Juden, während das Bekenntnis der
jüdischen Religion oder zur Nationalität nur ein subjectives Merkmal,
die momentane geistige Willensrichtung, die Empfindung der Zugehörigkeit
darstellt.$

Die jüdische Inzucht ist die letzte Komponente, die die Eigenart erhält.
Daher sehen die Vorkämpfer der rein religiösen Gemeinschaft die
Mischehe, selbst wenn der Partner die jüdische Religion annimmt,
durchaus nicht gern. Die Aufhebung der Inzucht bedingt einen Verlust der
Eigenart und heißt sich selbst aufgeben.

Für die Umwelt hat die Mischehe keine große Bedeutung. Es hat sich
herausgestellt, das die Kinderzahl in jüdisch-christlichen Ehen das
Zweikindersystem schon längst verlassen hat und zum Einkind übergegangen
ist. (Ueber die Statistik u. dgl. siehe die verschiedenen Arbeiten
M. Marcuses u. a. in den Sexualproblemen, 1911, und die 1. Auflage
dieses Buches).

Die Entwicklung der Fruchtbarkeit in der Mischehe deutet darauf hin, daß
auch hier rationalistische Einflüsse die Geburtenzahlen herabdrücken und
wir es mit den allgemeinen Erscheinungen zu tun haben, denen wir
allgemein bei der Erörterung des Geburtenproblems näher kamen. Die
Anschauungen der Anthropologen, welche diese geringe Fruchtbarkeit auf
die Rassenverschiedenheiten zurückführen, wie Lapouge, erscheint mir
nicht mehr stichhaltig. Wohl aber mag ein seelischer Reiz oder vielmehr
eine psychische Hemmung vorliegen, welche die Ehegatten den Nachwuchs
noch weniger erwünscht sein läßt als bei rein jüdischen Ehen. Wegen der
Verschiedenheit der Religion bringt die Geburt eines Kindes die
unangenehme Frage und die Entscheidung mit sich, in welchem Glauben man
es aufziehen soll. Die beste Lösung aller bevorstehenden Differenzen ist
und bleibt die Geburtenverhinderung. Umsomehr, als insbesonders beim
jüdischen Partner der Wille, den Namen und die Familie zu erhalten, von
geringer Bedeutung ist. Vor allem aber sind die Ehegatten überaus
moderne Menschen, die in ihrem Liebesleben der Allgemeinheit und der
Umwelt keine Konzessionen zu machen wünschen und ihren Bund als die
einfache Beziehung zwischen zwei Menschen ohne Berücksichtigung der
Interessen der Verwandtschaft, der Rassen oder des Volkes, aufgefaßt
wissen wollen. Da die Mischehe gerade in den assimiliertesten Kreisen
stattfindet, ist die Unterfrüchtigkeit der Ausdruck der
Gebär-un-Freudigkeit (sit venia verbo!) dieser Schichten.

Ich habe in meiner Untersuchung der Entwicklung der Berliner Juden den
geringeren Anteil der ausländischen Juden an den Mischehen nachgewiesen.
Während im Jahre 1909 der Anteil der Ausländer an jüdischen
Eheschließungen 16,4% betrug, waren sie unter den Mischehen mit 10,8
vertreten. Ohne diese Einwanderung wäre der Mischehekoëffizient noch
größer.

Bei der Mischehe wird ein hoher Prozent (12 vom 100 nach Dr. A. $Kahn$)
wieder aufgelöst. Die Individualitäten, die in diesen Ehen praevalieren
-- im Gegensatz zu den Partnern der Konvenienzehe -- scheinen rascher
davon zurückzutreten, wenn sie ihren Zweck der Ehe d. i. ihr
persönliches Glück nicht finden.

    $Sombart$ schrieb in der „Zukunft der Juden”: „Die Kinder, die den
    Mischehen entspringen, so wunderbar schön und so hochbegabt sie oft
    genug sind, scheinen doch des seelischen Gleichgewichts zu
    entbehren, das rassenreine Blutmischung gewährleistet. Wir finden
    unter ihnen gar zu häufig intellektuelle oder moralisch
    disäquilibrierte Menschen, die entweder sittlich verkommen oder mit
    Selbstmord oder in geistiger Umnachtung endigen. (Obwohl sich
    darüber zuverlässige Aussagen, die auf mehr als der persönlichen
    Erfahrung beruhen, beim heutigen Stand unseres Wissens Schlüsse
    nicht machen lassen).”

Derartige Werturteile entbehren vorerst der eingehenden Beweisführung.
Einige bekannte Größen, wie $Ludwig Gurlitt$, $Heyse$, $v.
Hofmannsthal$, v. Bayer$, $Nobel$, $Dernburg$ entstammen jüdischen
Mischehen. Da die Zahl der in Mischehen Geborenen bis zum Jahre 1890
insgesamt nur 12-15000 betrug, so kann man auch nicht verlangen, daß bis
jetzt unheimlich viele Genies aus der Mischehe hervorkamen. $Kohler$
meinte zwar in dem Sammelheft über die Judentaufe:

    „Nicht reine, sondern Mischrassen haben von jeher die Welt
    beherrscht und eine der Hauptmischrassen, die Engländer, wären
    niemals das geworden, was sie sind, wenn nicht das keltische,
    sächsische und normannische Element in ihnen in so glücklicher Weise
    vereinigt worden wäre. Eines möchte ich noch bemerken.
    Eigenschaften, die den Juden zukommen, finden sich auch in der
    deutschen Nation und zwar in sehr bedeutender Weise vertreten. Auch
    hier gibt es abstraktdenkende Kinder, auch gibt es Finanzgenies und
    Menschen von gewaltiger Kombinationsgabe und Suggestivkraft, Allein
    wir Deutschen sind nun durch den dreissigjährigen Krieg so verödet
    worden, dass wir im praktischen Leben mit unseren eigenen Talenten
    allein nicht vollständig das leisten würden, was notwendig ist,
    damit wir anderen Völkern den Widerpart halten. Das ist der
    Hauptgrund, der uns die Assimilierung des Judentums wünschenswert
    macht.”

    Der anonyme Verfasser der Broschüre „Der Untergang Israels” wendet
    sich sehr energisch gegen die Mischehe. „Individuelle Heiraten
    zwischen Juden und Christen haben physiologisch genommen wenig
    Zweck. In moralisch, ethisch, historischer Hinsicht halte ich solche
    Heiraten für direkt verderblich. Verderblich für die Reinheit des
    Stammes, verderblich für die weitere Durchführung der jüdischen
    Gesetzgebung, verderblich mit einem Wort für den Geist des
    Judentums, der aller Stagnation abhold als Fortschrittsfaktor der
    Weltgeschichte.”

Die Mischehe führt aus dem Judentum heraus. Alle Ziffern ergeben, daß
20% bis höchstens 25% der Kinder im jüdischen Glauben erzogen werden.
Bei der an und für sich geringen Fruchtbarkeit der Mischehen bedeutet
diese Zahl fast nichts mehr. Beobachtet wird, daß getaufte Juden gern
ebensolche heiraten. Diese Erscheinung weist darauf hin, wie unbewusstes
Rassegefühl und historische Nachwirkung noch stark im Spiel sind und
sich wieder geltend machen (also eine Parallel resp. Contreaktion). Das
alles nimmt nicht der Mischehe ihre Aussicht, ihre eigentliche Bedeutung
und die Wirkung, die mit Nietzsche in sich sterben läßt und zur
Vernichtung auffordert, was reif zum Sterben ist: Geburten zu verhüten,
um künftigen Generationen das niederdrückende Gefühl des Elends zu
ersparen und somit noch schneller fallen zu lassen, was reif zum Sterben
ist; und das, was fällt, nicht zu halten, sondern sogar noch zu stoßen,
damit es noch schneller falle ...



KAPITEL XII.

$WIRTSCHAFTSPROBLEME$.

                                    _Heute gibt es keinen ernsten
                                    Beobachter des jüdischen Lebens, der
                                    nicht die Abnormität einsähe, die
                                    den ökonomischen Grundlagen der
                                    jüdischen Existenz anhaftet. Dies
                                    ist die historische Krankheit des
                                    jüdischen Wirtschaftslebens. Und
                                    alle die, die das jüdische Volk an
                                    die verdünnte Golusluft ketten
                                    wollen, es mit Golusgesängen und
                                    Golushoffnungen einlullen -- wollen
                                    diese Krankheitsverewiger._

                                                      _Ber Borochow._


In der ersten Auflage dieses Buches habe ich die bekannte
Berufsstatistik der deutschen Juden ausführlich wiedergegeben, wovon ich
nur das Wichtigste wiederhole. Von der gesamten preußischen Bevölkerung
waren 1907 29% in der Landwirtschaft tätig, gegenüber 1% bei den Juden.
Im Handel und Gewerbe waren es 55% aller Juden und 13% der Christen. Im
öffentlichen Dienst, in den freien Berufen und als Selbständige ohne
Beruf finden wir Juden in steigender Zahl (20,8% gegenüber 13,8%).
Zwischen den Jahren 1895 und 1907 waren folgende Veränderungen der
berufstätigen Juden: In den freien Berufen plus 15000, Industrie plus
13000, Handel 6000, Landwirtschaft plus 700, Dienende minus 1000. Mit
anderen Worten: $Der Jude drängt vor allem zu den freien Berufen, d. h.
zur Kopfarbeit.$

Die geringe Zunahme der preußischen Juden in der Landwirtschaft ist cum
grano salis zu verstehen. Von 2355 hier tätigen Juden waren 1406 Frauen,
zwischen den letzten zwei Zählungen wurden 162 jüdische Männer weniger
und 867 Jüdinnen mehr vorgefunden. Anscheinend wurde früher die Arbeit
der Jüdin in der Landwirtschaft statistisch schlecht erfaßt, während
heute die Frauen der Juden auf dem Lande, soweit sie im Stall und auf
dem Feld helfen, als landwirtschaftlich erwerbstätig gezählt werden. Die
Zahl von 949 Männern gegenüber 1406 Frauen gibt zu denken. In der
Hauptsache interessiert uns die Zahl der erwerbstätigen männlichen
Landwirte, von denen die selbständigen in der Zeit zwischen den letzten
Berufszählungen um 30% abgenommen hatten.

Die Landwirtschaft hat bei den deutschen Juden keinen goldenen Boden.
Der 12. Jahresbericht des Vereins zur Förderung der Bodenkultur unter
den Juden verkündet resigniert: „Die meisten der landwirtschaftlich
ausgebildeten Eleven haben den Wanderstab ergriffen und sind
größtenteils nach Amerika ausgewandert, während einige in Ungarn und
neuerdings auch in Palästina Beschäftigung gefunden haben”. Nach diesem
Jahresbericht verteilen sich die in der Landwirtschaft hauptsächlich
beschäftigten 3727 Juden (wohl in ganz Deutschland gezählt) in

  1.  930 Eigentümer und Miteigentümer,

  2.  126 Beamte, Aufseher, Büropersonal,

  3.  155 Knechte, Arbeiter,

  4.  2887 hauptberuflich mittätige Familienangehörige,

  5.  179 Gärtner und Tierzüchter.

Unter den 930 Eigentümern verstehen sich auch die Großgrundbesitzer und
Gutsherren, die sich ein Rittergut anschafften. Die Zahl der wirklichen
jüdischen Landwirte ist recht klein geworden und schrumpft immer mehr
zusammen. In Bayern gab es

  1882   2005 Landwirte = 9,7% aller erwerbstätigen
              Juden,
  1895    893 = 3,9%,
  1905    723 = 2,9%.

Ja, es gibt in Deutschland eine Judenheit, die so gut wie gar keine
landwirtschaftliche Bevölkerung unter sich hat, nämlich die sächsische,
die insgesamt sieben agrarisch berufstätige ermittelte. Einige Landwirte
mehr zählte Württemberg.

Nach Segall (7. Jahrgang d. Zeitschr. f. St. d. J.) war die Beteiligung
der Juden in der Landwirtschaft in Deutschland:

                    selbst.   Angest.     Mithelf.    Arbeiter   Insgesamt
                                        Fam.-Angeh.

  männliche { 1895   1616        76                      1679       3371
            { 1907   1011        70         2096          569       3746

  weibliche { 1895    419         3                       786       1108
            { 1907    324        14         1688          149       2175

Von 5772 in der Landwirtschaft (1907) nach Segall gezählten Juden (nach
der Addition wären es 5921!) üben 514 ihren Beruf in den Großstädten
über 100000 Einwohner aus, das sind 8,8% aller landwirtschaftlich
tätigen Juden. Segall interpretiert diese Erscheinung:

    „Dies dürfte vielleicht damit zusammenhängen, dass die Juden in der
    jüngsten Zeit auf dem Weg über den Kapitalismus zur Landwirtschaft
    gelangen; der Kapitalismus aber hat seinen Sitz in den
    Grossstädten.”

Vielleicht meint Segall mit diesem Kapitalismus der Großstädte die
reichen Grossgrundbesitzer, die in den Städten wohnen. Es handelt sich
allerdings um diese, und um Gärtnereibesitzer und Angestellte, Besitzer
von Molkereien und Milchwirtschaften. Der ausgesprochene enorme Rückgang
der männlichen Angestellten und Arbeiter in der Landwirtschaft zeugt
nicht davon, dass die Juden über den Kapitalismus auf dem Anmarsch zur
Landwirtschaft sind. Wenn auch vereinzelte die Landwirtschaft in den
Großstädten betreiben, so verschwinden sie und berühmten
Rittergutsbesitzer gegenüber den kleinen Landjuden, die ihre Wirtschaft
aufgaben.

Der Friedensschluss von Versailles nimmt den deutschen Juden zwei
wertvolle Gebiete, nämlich Elsass-Lothringen und die Ostmark. In beiden
fanden sich noch Reste jüdischer Landbevölkerung. --

Alle Untersuchungen ergeben das Einströmen der Juden in die freien
Berufe und in die Industrie. 1905 waren unter den preussischen Studenten
7% reichsinländischer Juden (Blau) bei 1% ihres Volksanteiles. Wenn auch
viele Akademiker in eine wirtschaftliche Notlage kommen, so entstehen
dadurch nicht echte Proletarier mit den Gewohnheiten dieser Klasse,
sondern Zwittermenschen, die mit ihren Ansprüchen in der Welt der oberen
Zehntausend sich befinden, mit ihren Einnahmen womöglich unter den
Arbeitern rangieren. Diese Klasse von Enterbten stellte das höchste
Prozent von Ledigen und neigt zur Taufe, weil sie von ihr Wunder
erwartet oder führt zu einer Mischehe, weil die jüdischen
Gesellschaftskreise den wirtschaftlich unsicheren Kantonisten ihre
Töchter nicht anvertrauen.

Die Verpflanzung der Juden in die Handels- und Industriecentren bringt
die Juden einander näher und reißt sie auch wieder wirtschaftlich
auseinander. Eigenart, Ueberlieferung und ökonomische Voraussetzungen
lassen sie gewisse Berufe bevorzugen. Antisemitische Beschränkungen, die
ihnen vielfach andere Berufsgelegenheiten nehmen, tun ein übriges und so
ist es ein Selbstverständliches, daß sich in der deutschen Judenheit
wieder gewisse Domänen und Typen (des jüdischen Konfektionärs, des
Agenten, des Anwaltes und des Arztes) herausbilden. Die jüdische Note
und Eigenart läßt sich auch in anderen Berufen nachweisen (Warenhäuser,
Pelzhandel, Tabakgeschäft, selbst in der Presse). Eines der jüdischen
Merkmale ist der Zug des Individualismus, die Sucht sich selbständig zu
machen, sowie der Drang, eine materiell möglichst günstige Lage zu
erreichen. Nach der statistischen Aufnahme in Berlin im Jahre 1871
(citiert bei Nossig, Materialien z. Stat. d. jüd. Stammes, Wien 1887)
ergaben sich schon

  unter               Adeligen   Juden   evang.   Kath.
  100 Arbeitgebern      90,2      71,9    38,1    36,9
  100 Arbeitnehmern      9,8      28,1    61,3    63,1

Die bayrische Statistik kommt zu denselben Ergebnissen. In dem
industriellen Sachsen dagegen fand sich ein geringerer Anteil
selbständiger Juden. Trotzdem waren sie unter den Selbständigen immer
noch dreimal so stark wie die Katholiken vertreten. In Preußen waren von
hundert Erwerbstätigen in der Industrie 5,6 Juden. Unter den
Selbständigen waren es jedoch 11,4%. Sombart hat berechnet, daß sie zu
13% die Direktorstellen der Industriegesellschaften besetzen und als 24%
der Aufsichtsräte erscheinen. Dieser Aufstieg hat neuerdings scheinbar
einen Stillstand erfahren. Entweder sind die Juden gesättigt oder
genügsamer geworden. An dem Einströmen in den Beamtenberufen, (1895 gab
es im Eisenbahn- und Trambahnbetrieb nur 117 Juden unter 231688
Angestellten) können wir diese Erscheinungen nicht genügend feststellen,
da äussere Widerstände ihr Aufgehen in diesen Beruf verhindern. Die
antisemitischen Einschränkungen verursachen daher die wiederkehrende
Zusammendrängung in einzelnen Berufen und begünstigen die Auswirkung
ihrer Eigenart.

Am stärksten aber wird die soziale Eigenart umgewälzt und erschüttert
durch das Auftreten der $erwerbstätigen$ jüdischen Frau.

Ursprünglich war ihre Arbeit auf Haus und Hof beschränkt. 1882 fanden
sich 16% aller jüdischen weiblichen Personen berufstätig, 13 Jahre
später 22%, gegenüber 26,4% der Christinnen, 1907 bereits 24%. Die Zahl
der erwerbstätigen jüdischen Frauen, d. h. der Mädchen und Ehegattinnen
nimmt von Jahr zu Jahr zu. Da wir in der Statistik nach Sundberg mit 50%
der Bevölkerung im reifen Alter rechnen, waren 1907 bereits die Hälfte
aller Jüdinnen im erwerbstätigen Alter berufstätig. Die Unterhaltkosten
der Familien werden immer kostspieliger, die Aussichten für die Ehe
geringer, so daß bei allem Wohlstand der Juden jede Familie, die nicht
unter ihr Niveau sinken will, einen gewissen Kampf mit den Verhältnissen
aufzunehmen hat. Viele jüdische Mädchen erlernen heute auch einen Beruf,
damit sie nicht mehr beim Staubabwischen der väterlichen Wohnung auf den
Freiersmann zu warten brauchen ...

    „Die Zeit,” schliesst Henriette Fürth eine Untersuchung über
    Erwerbstätigkeit und Berufswahl der jüdischen Frau „in der das
    Biederweib der Bibel als Königin und Herrin am heimischen Herd
    waltete, ist auf ewig dahin. Das Paradies, das besonders wir Juden
    in dieser Form besassen, ist und bleibt uns ewig verloren.”
    Henriette Fürth verspricht sich dafür Ersatz in neuen Lebensformen.

Die Berufstätigkeit der Frau bedingt eine vollkommene Umwälzung der
Denkungsweise der Jüdinnen. Auf keinen Fall wird das vorher berufstätige
Mädchen, das in der Großstadt eine glänzende Ausbildung genossen hat, im
Kreise aufgeweckter Kameradinnen verkehrte und durch die Anschauung des
großstädtischen Lebens gegangen ist, eine ungehemmte Fruchtbarkeit
entfalten. Sie, die die Unannehmlichkeiten gehäufter Schwangerschaften
vom pekuniären Standpunkt wie vom persönlichen übersieht, weiß sich
immer mehr in die Zeit zu schicken. Die Spätehe mit allen ihren Folgen
und Voraussetzungen ist kinderarm. Aber auch die Frühehen, die heute
geschlossen werden, bescheiden sich.

Es ist eine allgemein beobachtete Erscheinung, daß die
Geburteneinschränkung gerade bei den wohlhabenden Kreisen einsetzt und
später erst die Aufklärung zu den niederen Schichten der Bevölkerung
dringt. Es ist übrigens falsch, von den wohlhabenden Leuten eine größere
Geburtenfreudigkeit erwarten zu wollen. Da sie entsprechend größere
Bedürfnisse haben, mehr Luxus und Aufwand treiben und ihre Kinder am
liebsten noch wohlhabender werden lassen möchten, so besteht bei ihnen
die fortwährende Angst, durch zu reichen Kindersegen zu verarmen. Wer
erst einmal in die Kreise des Kapitalismus geriet, den erfaßt der auri
sacra fames und läßt ihn nicht mehr los. Für die Juden war die Erfassung
des Geldes als Machtfaktor und Lebensidol geboten.

Im Zeitalter des Rationalismus wurde ihr Losungswort „Business as
usual”. Die deutsche Judenheit wurde der Vorposten der neuen Zeit, das
Amerikanertum im alten Europa. Dies und vieles andere erklärt die
folgenden Statistiken.

Ueber den Volkswohlstand der Berliner Juden (ohne die westlichen
Vororte) brachte ich eingehendes Material in meiner Preisarbeit. Ich
wiederhole hier einige der Ziffern:

Es betrug das Steuersoll der Stadt Berlin in Mark

  ====================================================================
        1895        |       |          |       | pro Kopf versteuerten
       bei den      | in %  | 1904/05  | in %  |   1895  | 1905/06
  ------------------+-------+----------+-------+---------+------------
  Evang.   11456605 |  61,3 | 19005042 |  61,2 |  138,7  |  132,9
  Kath.      776970 |   4,2 |  1589473 |   5,0 |  110,6  |  111,9
  Juden     5924431 |  31,7 |  8554329 |  30,3 |  317,2  |  357,4
  ------------------+-------+----------+-------+---------+------------
           18676532 | 100,0 | 31568882 | 100,0 |  166,9  |  165,8

Eine bei Nossig zitierte Breslauer Statistik des Jahres 1874 läßt sich
in drei Steuerstufen zusammenfassen. Danach gab es unter 100 Breslauern

             Arme   mittlere   reiche
  Juden      36       48,8      15,2
  Christen   85,2     12,9       1,9

Nach Sombart war der prozentuale Anteil der Juden

                       an d.             am
     in             Einwohnerzahl   Steuerbetrag

  Aachen                 1,16            7,79
  Barmen                 0,37            1,75
  Beuthen                4,04           26,9
  Bielefeld              1,2             7,2
  Bochum                 0,9             5,3
  Bonn                   1,5             3,8
  Brandenburg            0,5             2,3
  Bromberg               2,8            13,7
  Crefeld                1,7             6,6
  Düsseldorf             1,1             3,6

Nach Sombart war der prozentuale Anteil der Juden

                       an d.             am
        in          Einwohnerzahl   Steuerbetrag

  Duisburg               0,5             2,1
  Elberfeld              1,1             3,8
  Essen                  1,0             4,7
  Frankfurt a. O.        1,2             6,9
  Gelsenkirchen          0,8             3,0
  Gleiwitz               3,2            23,9
  Kiel                   0,3             0,8
  Coblenz                1,2             0,4
  Königshütte            1,5            14,5
  Magdeburg              0,8             2,7
  Mülheim Rhein          0,5             2,2
  Mülheim Ruhr           0,8             2,7
  München-Gladb.         1,3             6,9
  Münster                0,6             2,6
  Oberhausen             0,6             1,6
  Osnabrück              0,8             2,7
  Posen                  4,2            24,0
  Wiesbaden              2,6             8,2

Eine ähnliche Entwicklung zunehmenden Wohlstands (Kapitalvermögen und
Einkommen) finden wir bei den Berliner und Badischen Juden (siehe erste
Auflage und meine Preisschrift).

Auch die Frankfurter Juden liefern einen wertvollen Beitrag zur
Beurteilung dieser Frage. Im Jahre 1902 waren

  Steuerpflichtige   in %   mit einem Steuerbetrag v. Mk.   in %

  Evang.    24870    61,0             3020000             = 49,0
  Kath.     10030    24,5              595000             =  9,7
  Juden      5950    14,5             2541000             = 41,3
            -----   -----             -------             ------
  Insges.   40850   100,0             6157000              100,0

in % aller Zensiten waren vertreten

                             Evang.   kath.   Jud.

  9500-12000 Mk. Einkommen    1,8      0,8     5,2
  über 12000                  4,9      1,9    16,5

Allerdings hatten die Frankfurter Juden schon vor Hunderten von Jahren
einen gewaltigen Reichtum. Sie versteuerten anno

                      1556   1630   1700   1800

     50-100     fl.      4       7    33 }
    150-950             28      98    27 }  314
   1000-5000            44     198   265 }
   5000-10000            9      22    20     60
  10000-15000            5       3     2     26
  darüber                       12    18     85
                      ----    ----  ----   ----
  Steuerzahler          90     340   365    485
  Seelenzahl           550    2400  2400   3000

Trotzdem hatten die Frankfurter Juden wie die reichen Spaniolen in
Amsterdam und die wohlhabenden Berliner Juden von 1737 eine große
Kinderzahl. Von den 120 jüdischen Familien, die es 1737 in Berlin gab,
hatten nur 10 weniger als 1000 Taler im Vermögen, alle übrigen 2-30000
Taler und mehr. Von 166 spanischen Juden in Amsterdam, die sich zwischen
1590 und 1650 dort aufhielten, konnte noch von 84 nach 250-300 Jahren
die Deszendenz nachgewiesen werden. $Kohlbrugge$ fiel die ziemlich
starke Vermehrung und der Erhaltungstrieb dieser durchschnittlich stets
reichen Juden auf, aber neuerdings ist die Zahl der Spaniolen in Holland
zusammengeschmolzen. Es gab 1910 in Holland

                    männl.   weibl.
   deutsche Juden    47746   52039
  spanische Juden     3079    3545

Ebenso hat $Dietz$ eine recht große Kinderzahl bei den früheren reichen
Frankfurter Juden beobachtet. Der Reichtum an sich bietet also nicht die
letzte Ursache zu der Destruktion der Familie, sondern der $Kapitalismus
+ Rationalismus$.

Die Juden als die Träger des Kapitalismus sind am meisten von den Launen
des Kapitals abhängig und von den Schäden der Geldwirtschaft getroffen.
Die religiösen Teile des jüdischen Volkes kämpfen um die Suprematie des
Geistes über die mächtigen wirtschaftlichen Einflüsse.

Und das ist eines der vielen tragischen Momente: es fiel noch keinem der
jüdischen Experten ein, wie viel wir auch über die psychische Infektion,
über Feminismus, gehobene Lebenshaltung, Individualismus, Freidenkertum
reden -- dass jenseits der Einflüsse von Kultur und Wohlstand,
Zivilisation und Sitte, Erotik und Ehe, eine Kraft aus dem Dunkeln
emporsteigt, die das Sexualleben von der Wurzel her verpestet, ihm den
Hauch der Ursprünglichkeit nimmt und die Freude am einfachen Leben
zerstört.[31]

Diese Infektion besitzt ihre organische Grundlage in dem Wirken des
Kapitalismus, jenes werbenden Geldes, das ohne Sinn und Verstand des
Besitzers ihm dauerndes äusseres Glück verspricht.



KAPITEL XIII.

$DAS ENTARTUNGSPROBLEM$.

                                    „_Meinet Ihr, die Welt wird es euch
                                    danken, wenn Ihr ein Volk von
                                    grossen Leistungen und seltenen
                                    hohen Kräften, wenn Ihr euer
                                    ruhmreiches Volk in den Tod
                                    hinzugeben bereit seid ...?!_”

                                                      _Dr. Max Joseph._


Degeneration oder Entartung eines Volkes ist ein täglich gebrauchtes
Wort. Die Degeneration, an der einst die alte Welt und heute indianische
Völkerstämme, die Neger Australiens und manche Rassen in Afrika zugrunde
gehen, bedeutet nicht die echte Degeneration. Geschenke Europas: Alkohol
und Syphilis, die Ansteckung mit der Tuberkulose sind äußere
Einwirkungen. Die echte Degeneration eines Volkes verlangt eine
$biologische Entartung$ seiner Individuen in allergrößtem Umfang. Erst
wenn die Qualität des Nachwuchses infolge sozialer und hygienischer
Mißstände immer mehr abnimmt, können wir von einer Entartung reden,
obwohl wir uns damit einer unsicheren Definition und eines
unwissenschaftlichen Schlagwortes bedienen.

Einzelne Rassenforscher haben versucht, Aeußerungen der Psyche gereizter
oder auch krankhafter Individuen als Kennzeichen der Entartung
anzusehen. $Gobineau$ findet alle Kennzeichen der Degeneration an dem
Beispiel von Frankreich: unverhohlene Freude am Läppischen, an der
Karrikatur, grausame Jagd auf wehrlose Tiere, abergläubischer Kult von
Amuletten, Talismen und Fetische in alljährlich wechselnder Modeform,
die Tatsache von Polygamie, rückhaltige Unterwerfung unter die Tyrannei
sexueller Sinnlichkeit. Als exakte Wissenschaft kann uns diese Methodik
nicht ansprechen, da sie die Zahl der objektiv minderwertigen und
krankhaften Subjekte nicht feststellt und einzelne feine psychische
Vorgänge zum Maßstabe der Dinge erhebt.

Wir sollten eigentlich von degenerativen Vorgängen sprechen, sobald ein
Volk oder eine Rasse statistisch gesprochen, in zunehmender Zahl
biologisch minderwertige Elemente aufweist, wenn die Masse der
Geisteskranken, sei es durch Vererbung oder durch beträchtliche
Kulturschädigungen zunimmt. Für all das wären entsprechende Statistiken
notwendig, über die wir nicht verfügen.

Es liegen für die Verbreitung der Geisteskrankheiten unter den Juden
Angaben nur bis zum Beginn dieses Jahrhunderts vor. Ich habe sie in der
ersten Auflage dieses Buches ausführlich reproduziert. Danach bildeten
die Juden in den Jahren 1892-1900 3,5% aller eingelieferten
Geisteskranken und somit 300% mehr, als ihrer Verteilung unter der
stehenden Bevölkerung entsprach. Die jüdischen Paralyse-
(Gehirnerweichung) Kranken waren 1/4 bis 1/8 aller Fälle und beim
jüdischen Mann zehnmal so häufig wie bei der jüdischen Frau. Die
Paralyse ist eine Folgeerscheinung der Syphilis, die also verheerend zu
wirken beginnt. Von den Paralytikern betraf 1/3 Individuen aus
belasteten Familien, während Epileptiker zur Hälfte prädisponiert waren.
Das letztere Verhältnis wurde auch bei den Idioten festgestellt; die
Säufer stammten zu 86% aus normalen Familien. $Dr. Max Sichel$ hat in
der Zeitschr. f. Sexualwissenschaft die Paralyse einer sexologischen
Beleuchtung unterzogen, im Verlauf deren er die in erschreckendem Maße
überhandnehmende Gehirnerweichung feststellt. Sichel hat allein in
Frankfurt 127 Fälle beobachtet. „Die Gehirnerweichung ist bei den Juden
eine Krankheit jüngeren Datums.” Das starke Anschwellen, auf das u. a.
auch $Zollschan$ und A. $Guttmann$ hingewiesen haben, läßt sich immer
mehr verfolgen. Es ist die Begleiterscheinung der syphilischen
Verseuchung der Westjuden.

Allein an Gehirnerweichung, also nur einem Folgezustand der sexuellen
Verseuchung, wurden 1892-1900 740 jüdische Paralytiker in preußischen
Irrenanstalten eingeliefert (bei einer Gesamtbevölkerung von 400000
Menschen). Ein beachtenswertes Factum!

Tacitus hat schon von den Juden behauptet, daß sie ein projectissime ad
libidinem gens seien. Die Lockerung der nationalen religiösen
Vorstellungen, verbunden mit der starken Einwirkung der Eigenart ihrer
sozialen Stellung, verstärkt durch das großstädtische Milieu, läßt die
Zahl der sexuellen Erkrankungen von Jahr zu Jahr steigen und alle Formen
pathologischer Erscheinungen, die hiermit in Zusammenhang stehen, immer
mehr in Erscheinung treten.

Der a. o. zitierte anonyme Physiologe meinte, der Jude von heute neige
zur Unmäßigkeit. Er sei ein Schlemmer und Prasser geworden und tue des
Guten zu viel, das heutige Geschlecht befinde sich im Zustand
konstitutioneller Entartung. $Hoppe$ bemerkte das Anwachsen des
Alkoholbrauchs bei den Juden; die Zahl der wegen delirium tremens in
preußischen Irrenanstalten eingelieferten Juden hat sich von 1878 zu
1900 verdoppelt.

Die Zahl der Blinden und Taubstummen ist hier nur wenig verwertbar.

1895 fand man bei den Christen und bei den Juden

  blind               6,5               10,5
  und taubstumm       1,8                1,0
  geisteskrank       25,3               29,2

$Fishberg$ folgerte: „So lautet das Ergebnis, daß der größeren
Taubstummenrate keine ethnischen Faktoren zu Grunde liegen, sondern
lediglich die Tatsache, daß mehr jüdische als nicht jüdische Kinder die
früher akuten Kinderkrankheiten überstehen und zwar unter Verlust des
Hör- und Sprachvermögens, und daß ihnen die Juden als Städtebewohner
mehr als die Masse der Landbewohner ausgesetzt sind.”

$Ruppin$ versuchte eine Berechnung der Militärtauglichkeit der Juden
aufzustellen, wobei die Juden ungünstiger abschnitten. Auf der anderen
Seite erschien unter den Einwirkungen der guten Ernährung, der modernen
Erziehung und der bekannten Sorge der jüdischen Eltern für die
Gesundheit der Kinder eine hermetische Erstarkung der jüngeren
Generation.

Vor Jahrzehnten glaubte ein Autor ($Dürckheim$) als ein Gesetz annehmen
zu dürfen, daß die Juden nicht zum Selbstmord neigen. Nach v. $Mayr$
kamen Suizide vor in Preußen

            bei den Kath.   Prot.   Juden
  1849-55        50          160      46
  1900-07       101          252     294

und in seinem Werke „Statistik und Gesellschaftslehre” schreibt
dieser bekannte Soziologe: „gewaltige Veränderungen zeigt die
Selbstmordlichkeit der Israeliten, ein schöner Nachweis dafür, daß hier
von natürlicher Gesetzlichkeit nicht die Rede ist, sondern von $sozialen
Gesetzmäßigkeiten$”. Dabei befällt der Selbstmord gerade Individuen mit
labilem Nervensystem. Wenn die Ziffer der Selbstmordkandidaten bei den
Juden auch an und für sich nicht so groß ist, daß sie die
Bevölkerungsmasse erschüttert, so läßt doch der Widerschein dieses
grellen Schlaglichtes den Ernst der Situation mitbeleuchten. $Näcke$
kommt mit seiner Definition der Wahrheit am nächsten.

    „Die Entartung ist im strengsten Sinne nur ein Krankheitszustand,
    aber noch nicht Krankheit an sich.” Das Keimplasma ist von einer
    ungeheuren Widerstandsfähigkeit und Beständigkeit und strebt mit
    einer bewundernswerten Zähigkeit einer harmonischen Entwicklung nach
    immanenten Gesetzen der eigenen Organisation zu. In der
    primitivsten Organisation liegt auch bereits das Streben und die
    Fähigkeit zur Regeneration, was ebenfalls vollständig ausser Acht
    gelassen wird, wenn man die Notwendigkeit der schärfsten Auslese
    predigt. Gewiss gibt es Störungen in der Organisation, Schädigungen
    des Keimplasmas, die nicht beseitigt werden können, unheilbar sind;
    aber die Erfahrung zeigt, dass sehr bedeutende Minderwertigkeit der
    Keimstoffe durch günstige äussere Umstände oder durch Vermischung
    mit gesünderem Keimplasma ausgeglichen werden kann (z. B. Erlöschen
    hereditärer Geistesstörung in einzelnen Stämmen).

    Die Häufung pathologischer Individuen,[32] die Anzeichen gereizter
    Psyche, kurz die Menge psychischer und physischer Minderwertigkeit
    ist kein echter biologischer Prozess, sondern die Folge einer
    unzureichenden Sozialhygiene.

    Die Dekadenz der deutschen Juden ist keine echte, geboren aus der
    Entartung der Rasse, sondern propagiert aus ungesunder beruflicher
    Verteilung, Lebensweise und Wohnart. $Fishberg$ urteilt hierzu: „Es
    sollte aber nicht übersehen werden, dass die Juden seit
    Jahrhunderten bis auf die Neuzeit in allen Teilen der Welt unter
    fast identischen sozialen und ökonomischen Verhältnissen gelebt und
    ungefähr denselben Berufen obgelegen haben, während sie überall
    denselben Beleidigungen, Zurücksetzungen, Verfolgungen ausgesetzt
    waren. So hat denn die nämliche Umgebung ein und dieselben
    pathologischen Resultate hervorgebracht. Die Juden sind somit ein
    Beispiel zur Illustrierung des Milieus auf die Pathologie.”

Aber im Effekt ändert es nicht die Tatsache. Die Tatsache: Eine
steigende Unsumme von physischem und geistigem Defizit.



KAPITEL XIV.

$UEBERSICHT$.

                                    _Du siehst das Unkraut nicht, wenn
                                    es wächst, aber Du wirst es schon
                                    sehen, wenn es gewachsen ist._

                                                                _Hebbel._


Der Untergang eines Volkes ist zumeist kein momentaner, zeitlich absolut
kurz begrenzter Vorgang, ist nicht einmal ein absoluter Prozess. Der
Untergang der römischen Kulturwelt, der griechischen Völker, der
spanischen Weltgeltung vollzog sich in Zeitläuften, die Jahrhunderte
umfassten. Der Untergang eines Volkes erfolgt dort am eindeutigsten, wo
eine Gemeinschaft durch Aussterben zum Verschwinden gelangt. Man kann
dies Ende bei einer Bevölkerung von 600000 Seelen nicht in einer
Generation erwarten. Aber alle Bedingungen, Voraussetzungen und
Prozesse, welche die Auflösung zum System machen, sind für die Juden
Deutschlands vorhanden. Die Juden haben sich in einem Netz verfangen,
das mit allen Maschen, mit allen Zusammenhängen an diese Entwicklung
verknüpft ist. Die Judenheit ist die großstädtische, kapitalistische,
rationalistische Bevölkerungsschicht in der höchsten Potenz geworden.
Ihre geistigen, ökonomischen, sozialen und biologischen Verhältnisse und
Eigenarten drängen darauf hin, den eisernen Reifen, der das jüdische
Volk fest umschlossen hielt, zu sprengen, Religion und Inzucht, die
Basis ihrer Existenz zu lockern und alle die Erscheinungen, welche am
Rande und im Kern die Zersetzung bedeuten, verstärken zu lassen. Gewiss
tritt auf die Ebbe wieder die Flut ein, und es mag Reaktionen geben,
welche die Verhältnisse einige Augenblicke aufzuhalten versuchen.
Darüber muß man sich aber klar sein, daß den am Werke wirkenden
Triebkräften nichts von ungefähr angeflogen ist, dass es sich nicht nur
um ein momentanes Gespinst handelt, welches heute die Gemüter ergriffen
hat und morgen durch andere Vorstellungen abgelöst werden kann, sondern
daß die Einwirkungen und Komponenten, die von Jahr zu Jahr an Macht
wachsen und noch zunehmen, ein Konglomerat von Wirtschaftsproblemen,
geistigen Vorstellungen, von politischer Konstellation und von
Weltbildern bilden, welche in ihren Ursachen kaum in der jüdischen
Gemeinschaft allein bekämpft werden können.

Es ist ganz gleichgültig, ob ein Statistiker in sträflichem Optimismus
irgend eine kleine Zahl in diesem Buch anders auffaßt, ob ihm irgend
eine der Erklärungen nicht zusagt. Es dreht sich hier um die große
Frage, ob die Juden an der Spitze der Bevölkerung, welche zur
Geburteneinschränkung übergeht, steht, resp. stehen muß, ob die jüdische
Bevölkerung zur sexuellen Vermischung sich drängt, ob irgend welche
Unterlagen vorhanden sind, die eine Aenderung des Sexualproblems in
nächster Zeit erwarten läßt.

Es ist ferner die Frage vorzulegen, ob bei der Näherung der jüdischen
und nicht jüdischen Massen eine chinesische Mauer zwischen den
Individuen auf sexuellem Gebiet aufgeschlossen werden kann, die auf
anderen Gebieten immer mehr niedergerissen wird, ob auf deutsch ein
körperliches Ghetto eingerichtet wird, während die geistigen
Unterschiede immer mehr zurücktreten. Ja, ob es überhaupt möglich wäre,
unter den heutigen Verhältnissen das sexuelle Leben der Menschen in der
Weise einzuzwängen, daß sie Ziel und Zweck, bedachte und unbedachte
Regungen, Gefühle, und Triebe völlig beherrschen und ihr Ausleben nur in
ihrer Eigenart suchen und finden. Mit der Erschütterung der Macht des
nationalen und religiösen Gedankens fällt jede Möglichkeit hinweg, die
Mitglieder der Gemeinschaft festzuhalten und ihnen bestimmende
Vorschriften zu machen. Der moderne Lebenskünstler ist der Pflichten
enthoben und keine Schranke hindert ihn, sich im Leben so zu bewegen,
wie es ihm der Augenblick eingibt und das Gesetz des Staates erlaubt.
Gerade die letzten Jahre vor dem Krieg bewiesen deutlich, daß die Juden
ein untergehendes Volk sind, das durch die Preisgabe der religiösen und
nationalen Momente die Emanzipation und die Aufnahme in den deutschen
Staatsbürgerverband teuer erkaufte.

Allerdings kann die östliche Einwanderung den Vorgang verwischen und
eine Entwicklung vortäuschen, die nicht da ist. Es ist zwar zu
überlegen, ob diese Zuwanderung beständig bleibt. Es deuten manche
Arbeiten (u. a. von $Weißenberg$) darauf hin, daß auch die Ostjuden
langsam aber sicher zu einer Geburteneinschränkung übergehen, und daß
sie vielleicht bald keinen Geburtenüberschuß und keine Auswanderung
aufzuweisen haben werden. Andererseits ist es nicht sicher, ob die
deutschen Grenzen noch lange ihnen geöffnet sind, oder ob nicht andere
Länder den Strom der Auswanderer mehr anziehen werden. So ist es leicht
möglich, daß die Juden des Ostens nach Rußland und Sibirien, nach
Canada, den Vereinigten Staaten, Südamerika oder Afrika insbes.
Palästina wandern werden. Das besiegte Deutschland bietet vielleicht
bald keine Chancen mehr für einen Zuzug, vielleicht bekommt es sogar
eine Abwanderung der eigenen Bevölkerung und auch seiner Juden, wodurch
der Abbröckelungsprozeß noch beschleunigt würde. Aber selbst bei einer
Immigration in Permanenz gibt sich die Zersetzung innerhalb der
deutschen Juden nicht weniger als bedeutsam und die Entwicklung der
deutschen Judenheit bleibt erschüttert.[33]



KAPITEL XV.

$SCHLUSS$.

                                    _Nicht Jeremias Klagereden, sondern
                                    Esras Taten haben das Judentum
                                    erhalten._

                                                                _Tänzer._


    $Nietzsche$ drückte sich einst drastisch aus: „Wenn die Statistik
    nichts anderes könne als zu beweisen, dass es Gesetze in der
    Geschichte gäbe, dann hole die Masse und die Statistik der Teufel.”
    Mit ihm will ich nicht rechten. Aber mit denen, die überall eine
    Moral angeklebt haben möchten oder gar mit denen, die immer von
    einer $glücklichen$ Zukunft träumen.

Von jedem Arzt, der am Krankenlager die Diagnose stellt, verlangt man
eine Therapie. Vom Tode gezeichnete Kranke wollen noch Genesungstropfen.
Die Natur hat deshalb die Euphorie vorgesehen, die den Absterbenden in
eine gehobene Stimmung versetzt, ihnen ein Traumbild von Gesundheit und
Genesung vorgaukelt.

So lange das Gesetz von Ursache und Wirkung unerbittliche Wahrheit
bleibt, hofft nur der Einfältige auf Zufälliges. Zufälligkeit ist das,
was wir nicht zu erklären verstehen. Aber der Weg von der Fülle der
Fruchtbarkeit zur Kinderarmut, von der Inzucht zur Vermischung, von dem
märtyrerfreudigen Sich-hingeben an die Gemeinschaft zum feigen
Verleugnen und willenlosesten Fahrenlassen sind Symptome und Stigmata
eines großen Prozesses, dessen Stationen wir überblickten, deren
Triebkräfte, Hebel und Gewalten wir befunden haben. Die Emanzipation
hat die Schleusen geöffnet und den Strom der neuen Ideale in das Ghetto
hineingelassen; das moderne Wirtschaftsleben, das Zeitalter des
werbenden Kapitals, der Fabriken und der Technik haben ökonomische
Umwälzungen bedingt. Sollen weitere Veränderungen, neue
Wirtschaftsprobleme, politische Einflüsse, geistige Vorstellungen und
soziale Umwallungen ein Nichts bedeuten?

Gewiß! Wenn sich aber auch von Grund auf das Bild der deutschen
Judenheit ändert. $Nehmt der ökonomischen Schwere den ganzen Druck$
($und nicht ein Gramm weniger$) $und kümmert euch$ ($nicht wie impotente
Moralisten$) $um den starken Trieb der Menschen.$

Gebt aber auch der Masse, die sich national und religiös entkleidet hat,
keine neuen Surrogate, harmlosen Ersatz, Kinkerlitzchen und Firlefanz.
Bringt ihr hebräische Sprache und Kultur, eigene Sitte und Gesetz und
$zwingt den letzten, dessen kollektives Interesse erlöschen könnte, mit
fester Hand, daß er sich nicht entwinden kann, in ein marschfähiges
Ganze.$ Genug der frommen Ermahnungen und des tatenlosen Hoffens. Das
Uebel (sit venia verbo) ist viel zu fest mit der ganzen Kultur
verankert, als daß man es mit Reden oder Schriften ändern könnte.

Der Appell an den Idealismus in Ehren: Hat nicht das offizielle Judentum
auch im vorigen Jahrhundert für die altjüdischen Ideale gekämpft? Gab es
nicht ein Heer von Vorständen, Rabbinern, Lehrern, Schriftstellern, die
für die Erhaltung und Erneuerung tagtäglich warben? Hat nicht die
Pogromgefahr Tausende aufgeschreckt, die ihr Sein längst vergessen
hatten? Hat aber das Leben nicht stärker gewirkt und selbst die
Orthodoxie von der Frühehe verjagt? Gut, weckt mit Posaunen die
Hunderttausende aus der Apathie und Lethargie, erfüllt sie mit neuem
religiösen und nationalen Willen. Vor allem $schafft ein gesundes
Volkstum$, $Möglichkeiten normalen Liebeslebens$, $ökonomische
Grundlagen$, kurz reformiert an Haupt und Gliedern, werdet Juden wie die
der früheren Zeiten, modelt eine neue Welt in die opponierende Umwelt,
macht ein neues Volk mit neuen oder alten Gesetzen -- wo ihr könnt!

Esten, Irländer, und Litauer sind zu neuem nationalen Bewußtsein erweckt
worden. Ihnen kam die Einheit und die Kraft des eigenen Grund und Bodens
zustatten, Sprache, Sitte und Kultur, politische und wirtschaftliche
Interessen, Einflüsse und Beengungen. Andere untergehende Völker fanden
nicht mehr den Weg zum Leben. So die Indianer, die aus ihren alten
Lebensbedingungen verdrängt, ihrer früheren Kultur entwurzelt, der
modernen Civilisation kein Paroli bieten können. Es ist nicht unsere
Aufgabe, die Analogie ihres Schicksals mit dem der Westjuden darzulegen,
aber eines gehört festgehalten. Die Indianer haben keine Kulturwerte
geschaffen, der Welt keine Bibel, keine Sabbathruhe, kein Recht des
Fremden und keinen Menschlichkeitsgedanken gegeben.

    „Ein Volk, das von Moses bis zu den Propheten, bis Hillel und Jesus
    von Nazareth, von Spinoza bis Mendelssohn und Heinrich Heine bis
    Karl Marx und Lombroso, mit soviel Wirklichkeit und Glanz dem
    menschlichen Geist und der Civilisation diente, hat seine letzten
    Worte noch nicht gesprochen,” glaubte bereits 1911 A. Valensis in
    den „Dokumente des Fortschrittes” profezeihen zu können. Und weiter
    heisst es dort: „Auf dem Boden seiner Väter physisch neugeboren und
    der Verwirklichung eines alten durch die soziale Gerechtigkeit
    verjüngten Ideals nachstrebend, wird es der Menschheit ohne Zweifel
    eines Tages um so schönere und eigenartigere Früchte bieten, als sie
    auf den gesegneten Feldern der Freiheit gereift werden.”

Heine meinte, Gott verläßt überhaupt kein Volk, und wenn ein Volk aus
Ermüdung oder Faulheit einschläft, so bestelle er ihm seine Wecker, die
verborgen in irgend einer Abgeschiedenheit ihre aufrüttelnde Stunde
erwarten.

Und wirklich, in den Jahren, in denen die Zersetzung das europäische
Judentum erfaßte, entstand eine nationale Bewegung, welche die Juden von
den Einwirkungen der europäischen Einflüsse befreien, die normale
soziale Struktur und die jüdische Kultur im Lande der Väter erneuern und
dort die sichernde Erhaltung der jüdischen Art bewerkstelligen will.

Und ein gesundes jüdisches Volk wird werden, allerdings abseits von den
Trümmern dieser Judenheit und diese Judenheit verachtend;

Diese Pseudojudenheit mit ihrer unjüdischen Politik, mit dem Bruderkrieg
aller gegen alle: der Unzahl der religiösen Richtungen, der Nationalen,
der Fremdgebürtigen. --

Diese absterbende Judenheit mit unverbesserlichem, fast verbrecherischem
Optimismus jener wie im Morphiumrausch Delirirenden oder der im
praktischen Pessimismus und im Zynismus Frohlockenden, die rasch das
sinkende Schiff verlassen. --

Diese demoralisierte Judenheit, deren Mitläufer im Indifferentismus nur
den Sinn auf das eigene Wohl, den Beruf und die Genüsse des Lebens
gerichtet haben.

Wie im Jahrmarktstrubel treiben unverständige Millionäre, schwerfälliger
Mittelstand, flatterhafte Juden in Ghettofurcht, Angst vor Pogromen, das
ganze Unglück einer anormalen Geschichte und eines unnatürlichen Lebens.

Und so bleibt das unglückliche Häuflein der deutschen Juden,
schaffenslustig und wissensdurstig, von Erfolgen gesegnet und von Neid
und Mißgunst verfolgt. Und ihrem Tun und Leben scheint die alte
verklärende Sonne, unbekümmert um die Frage: Ob ihre Gemeinschaft
erfolgreich dieses Jahrtausend durchsegeln wird zum sicheren Port, oder
ob es wie ein Wrack auf hohem Meer nach vielen glücklichen und schweren
Fahrten, von allen Wellen und Winden getrieben, zuletzt ziel- und
zwecklos umher gepeitscht, sich mühselig über Wasser hält bis die
Fluten über dem lecken Schiff zusammenschlagen.[34].....


Anmerkungen:

  [1] Deut. XXXII, 47. „Es ist kein leeres Wort für Euch, sondern es
  ist Euer Leben ...” und Deut. XXX., 19: „Siehe ich nehme heute den
  Himmel und Erde zu Zeugen, daß ich vor dich gestellt Leben und Tod,
  Segen und Fluch. So wähle denn das Leben, auf daß du lebst, du und
  deine Nachkommenschaft!”

  [2] Eine übersichtliche, kurze und systematische Zusammenstellung der
  praktischen Gebote des Talmud wurde unter diesem Namen von Joseph
  Karo im 16. Jahrhundert zusammengefaßt. „An diesen Codex hat sich die
  orthodoxe Judenschaft in den letzten Jahrhunderten gehalten.” (Nossig
  a. O.).

  [3] Trotzdem oder vielleicht eben deshalb, war es mir nicht möglich,
  die Segallschen Einzelheiten, soweit sie statistisch irreführend
  waren, in der Zeitschrift für Statistik einer Entgegnung zu
  unterziehen. Der Vorsitzende des Verbandes, Geheimrat Dr. Maretzki,
  hatte mir zwar die Aufnahme des Artikels zugesichert, die Redaktion
  verweigerte aber seine Aufnahme.

  [4] Vor allem erwiesen sich hier durchaus entgegenkommend: Das
  Hamburger Israel. Fam.-Blatt, die Frankfurter Jüd. Presse und die
  Jüd. Rundschau, sowie das Schweizer Israel. Wochenblatt.

  [5] Levit. XXVI: „Und wo Ihr mir entgegenwandelt -- sollt Ihr
  untergehen unter der Umwelt und deren Geist wird Euch aufsaugen. Und
  der Rest wird verdorren, infolge seiner Sünden und infolge der Sünden
  ihrer Väter ...”

  [6] Azulai, der große italienische Talmudgelehrte hat in seinem Schem
  ha Ketolim vor 100 Jahren die These aufgestellt, daß es das Los der
  Juden sei, in der Diaspora in einem Lande zu blühen und in einem
  anderen zu sterben, nur im Wechsel ruhe sozusagen das Gleichmaß.

  [7] Für Hessen findet sich die Zahl im Staatsarchiv zu Marburg.
  Im Jahre 1689 wurden 2566 Juden gezählt. Eine Feststellung für
  Deutschland ist m. E. noch nicht getroffen.

  [8] Die gesetzestreuen Kreise zählen nach Schätzungen, die (u.
  a. geben die Anmeldungen zum Bezug von rituellen Lebensmitteln
  einen Anhaltspunkt) etwa 1/5 der deutschen Juden, wobei man als
  gesetzestreu alle die bezeichnen kann, die den Sabbath heiligen und
  die Speisegesetze beobachten. Wer die als gesetzestreu anerkennen
  wollte, die die Sexualvorschriften befolgen, würde in Deutschland
  wenige finden, die sich an das Gesetz halten. Denn so peinlich
  stellenweise die Sabbathheiligung durchgeführt wird, so lax stehen
  dieselben Kreise den sexuellen Forderungen gegenüber. Die Zahl der
  orthodoxen Juden nimmt übrigens beständig trotz des östlichen Zuzuges
  ab. Ein Blick in die Verschiebung des Wohnaufenthaltes bezeugt diese
  Tatsache insofern, als die dörfischen und kleinstädtischen Juden zum
  kleinsten Teil neolog, die Großstädte in der Hauptsache freisinnig
  sind. Darüber kann uns nicht hinwegtäuschen, daß die Orthodoxie der
  Städte neuerdings besser organisiert ist und das sie infolge des
  starken Zuzuges an Zahl gewonnen hat. Wir können annehmen, daß 1870
  noch die Hälfte der deutschen Juden als gesetzestreu anzusprechen
  war, während die im letzten Krieg ermittelten Zahlen von 25% rituell
  lebenden Juden noch Teile bergen, die nur zu Hause die jüdische Küche
  beachten, im übrigen aber nicht mehr als Anhänger der Orthodoxie
  anzusprechen sind.

  [9] Noch im Jahre 1462 erließ Markgraf Albrecht von Brandenburg
  die Erklärung: „... denn so ein yeder Romische Konig oder Kayser
  gekrönet wird, mag er den Juden allenthalben im Rich alle jr güt
  nemen, dazu jr leben und sie töten bis auf ein anzal, der lutzel
  (klein) sein soll, zu einer Gedechtnis zu enthalten ...” zitiert
  nach der Schrift von Dr. $Ludwig Davidsohn$ „Beiträge zur Sozial-
  und Wirtschaftsgeschichte der Berliner Juden vor der Emanzipation”
  (Verlag L. Lamm Berlin 1920).

  [10] 1832: 874, 1849: 1022, 1867: 2103.

  [11] Wenn Segall trotz allem die Einwanderung als eine vorübergehende
  Erscheinung abtut, die das Bild der Entwicklung der deutschen Juden
  nicht aufs wesentlichste mitbestimmt, dann gehört diese Annahme zu
  den willkürlich getroffenen Konstruktionen, die zur Verdunkelung des
  Tatbestandes dienen sollen.

  Segall schrieb diese Behauptung im Jahre 1911 in seiner Abfertigung
  meiner Arbeit, als ihn jede großstädtische Synagogengemeinde an der
  Hand der Steuern, der Eheschließungen, der Todesfälle belehren hätte
  können, (was er übrigens von jedem Kinde in der Grenadierstraße auch
  so erfahren haben würde). Wissenschaftlich hätte er sich an Hand
  der Zählkarten der Stadt Berlin der Tatsachen überführen können.
  Leichtfertig, wie Segall mit seinen wissenschaftlichen Behauptungen
  auftritt, fiel es ihm garnicht ein, irgendwelche Unterlagen für seine
  Thesen zu suchen.

  [12] 1840: sogar 70%.

  [13] 1840: sogar 58%.

  [14] Nach Heinrich Löwe waren 1817 2/3 der preußischen Juden
  polnischer Abkunft, woraus die Bedeutung der Ostmark für die
  preußischen Juden klar hervorgeht.

  [15] In der Februarnummer 1920 der Neuen jüdischen Monatshefte habe
  ich in einem Aufsatz „Die Nemesis des deutschen Antisemitismus”
  weiteres Material zur Ostmarkenpolitik niedergelegt.

  [16] Rückgang erst seit 1905.

  [17]

    1885:  65611 = 4,45 %
    1895:  94391 = 4,48 %
    1900: 130487 = 4,3  %
    1910: 142289 = 4,05 %

  [18] Die Zunahme von Groß Berlin war

    1880/90 = 19000
    1891/00 = 26000
    1901/10 = 35000

  [19] Eine ähnliche Umschichtung nimmt in jeder gemischten Bevölkerung
  der geistig regsamere Teil vor. In Amerika und im Orient werden
  die schwerfälligeren und stumpferen Nationalitäten länger in den
  schlechter entlohnten Arbeitsformen festgehalten, während die
  agileren und sensibleren das großstädtische, kommerzielle und
  akademische Element stellen, (z. B. im Orient: Griechen, Juden,
  Armenier, Türken, in Amerika: Juden, Deutsche, Engländer, Iren,
  Italiener, Polen, Neger). Selbst in Deutschland zeigen sich ähnliche
  Differenzierungen zwischen der katholischen und evangelischen
  Bevölkerung, diese dringt in katholische Gegenden ein und besetzt die
  lohnenderen Berufsarten. Der ewige Jammer darüber, daß die Katholiken
  in Deutschland so wenig an der Spitze der Nation stehen, hatte neben
  der sicher unberechtigten Zurücksetzung auch seine Ursache in der
  tatsächlich geringeren Zahl von Akademikern, Großindustriellen und
  Großkaufleuten, wobei den Katholiken, die in den alten Kulturgebieten
  Deutschlands am Rhein und in Süddeutschland wohnen, alle
  Wirtschaftsvorteile und alle geistigen Vorbedingungen gegeben waren.

  [20] Von mir ergänzt.

  [21] Ueber die Zahl der Austritte siehe in dem betr. Kapitel.

  [22] Die schönfärbenden Statistiker belieben diese Ziffer zu
  unterschätzen.

  [23] Ohne die Kriegsverluste bei gedachter günstiger
  Friedenssterblichkeit.

  [24] Darunter 129 Militärpersonen.

  [25] Nur die über 14jährigen. Die Taufe der Kinder ist damit nicht
  erfaßt.

  [26] Die Bevölkerungsabnahme der Juden Wiens war somit vor dem
  Weltkrieg jährlich über 500, da die Austrittsziffer nur die amtlich
  registrierten ausscheidenden über 14 Jahre alten Personen erfaßt.

  [27] Es handelt sich um Berlin allein, Groß Berlin würde noch
  beweiskräftigere Zahlen liefern. Für den Westen liegt kein Material
  vor.

  [28] Der eine Sohn war der Bassist Lindeck, der andere, allerdings
  nicht getauft aber wohl Dissident, der bekannte Münchener
  Hofkapellmeister und Wagnerdirigent.

  [29] Emin Pascha, der als Jude geboren, später getauft wurde, trat
  zum Mohammedanismus über und wurde schließlich wieder Christ.
  Familien in denen die Kinder z. T. katholisch z. T. evangelisch
  getauft waren, sind keine Seltenheit.

  [30] Von den in Preußen ermittelten Mischehen befindlichen 3643
  Kinder waren 792 im jüd. Glauben erzogen. Also 22%, eine Ziffer, die
  fast in allen Auszählungen wiederkehrt, wonach jedes 4.-5. Kind aus
  Mischehen in der mosaischen Religion erzogen wird.

  [31] Das XIX. Jahrhundert erfüllte der Kampf um die politischen
  Rechte des Individuums und die nationale Selbstständigkeit
  der Völker. Dem neuen Zeitabschnitt scheinen grosse soziale
  Auseinandersetzungen vorbehalten zu sein. Ob es gelingt, das einzelne
  Individuum vom Druck der Wirtschaftsverhältnisse frei zu machen, kann
  nur die Zukunft lehren. Vorerst hängen die Juden wie keine zweite
  Klasse von allen Vibrationen des Wirtschaftsmarktes ab und reagieren
  wie ein feines Metall auf alle Stösse des ökonomischen Lebens.

  Im Mittelalter waren die Juden die Träger des Geldhandels, in der
  neuen Zeit sind sie die Träger des Kapitalismus, Begriffe, die man
  nicht ohne weiteres gleichsetzen darf. Es wäre lohnend auf alle diese
  Probleme einzugehen.

  [32] Hierher gehören auch die sich mehrenden Fälle anormalen
  Sexualempfindens oder minderer Potenz.

  [33] Denn es bleibt eine Tatsache, daß die Ostjuden sehr rasch die
  Sitten und Gewohnheiten der Westjuden annehmen, weil sie in denselben
  Kulturkreis unter denselben Voraussetzungen und Bedingungen eintreten.

  [34] Jenseits der deutschen Grenze vollzieht sich in umgekehrtem
  Maßstab der Neuaufbau eines jüdischen Palästina und löst so das Wort
  des Profeten $Jesaias$ ein: „Und wenn auch nur ein zehntel bliebe:
  -- wie eine Eiche oder eine Terebinthe, wenn sie das Laub abgeworfen
  doch den Schein behält: so wird auch der heilige Stamm Bestand haben,
  und Amos beschließt diese Profetie in dem letzten seiner Bücher:

  Alle Sünder in meinem Volk sollen durchs Schwert sterben, die da
  sagen: Es wird das Unglück nicht so nahe sein, noch uns begegnen. Zur
  selben Zeit will ich die zerfallene Hütte Davids wieder aufrichten
  und ihre Lücken verzäunen, und was abgebrochen ist wieder aufrichten
  und will sie bauen wie sie vorzeiten gewesen ist.

  Denn ich will das Verhängnis meines Volkes Israel wenden, daß sie
  sollen die wüsten Städte bauen und bewohnen, Wein, zu pflanzen und
  Wein davon trinken, Gärten machen und Früchte daraus essen.

  Denn ich will sie in ihr Land pflanzen, daß sie nicht mehr aus ihrem
  Lande ausgerottet werden, das ich ihnen gegeben habe, spricht der
  Herr, dein Gott.”

  Und in dem Sinne kann das Wort des Propheten Jeremias gelten:

          „$Es bleibt Hoffnung für Deine Zukunft$!”


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  | anscheinend auf die Fußnote auf der vorhergehenden Seite und     |
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  | Katholiken von 5950 auf 595000 und bei Evang. von 4,9 % auf      |
  | 49,0 %.                                                          |
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  | S. 18  "Andrée" in "Andree" geändert.                            |
  | S. 26  Anführungszeichen entfernt.                               |
  | S. 42  "Sabbatheiligung" in "Sabbathheiligung" geändert.         |
  | S. 44  Anführungszeichen ergänzt (Fußnote).                      |
  | S. 52  ")" eingefügt.                                            |
  | S. 53  "11,9%" in "11,9 0/00" geändert.                          |
  | S. 53  "13,6%" in "13,6 0/00" geändert.                          |
  | S. 56  Anführungszeichen ergänzt.                                |
  | S. 72  "deuschen" in "deutschen" geändert.                       |
  | S. 77  "enstammen" in "entstammen" geändert.                     |
  | S. 78  "löken" in "löcken" geändert.                             |
  | S. 85  "blutsverwandschaftlichen" in "blutsverwandtschaftlichen" |
  |        geändert.                                                 |
  | S. 90  "jahrlang" in "jahrelang" geändert.                       |
  | S. 96  "treibt" in "treiben" geändert.                           |
  | S. 97  "Neumaltusianismus" in "Neomalthusianismus" geändert.     |
  | S. 102 Anführungszeichen ergänzt.                                |
  | S. 105 "wiederspiegelt" in "widerspiegelt" geändert.             |
  | S. 105 "fundamenter" in "fundamentaler" geändert.                |
  | S. 108 "bei der allgemein" in "bei der allgemeinen" geändert.    |
  | S. 108 ")" ergänzt.                                              |
  | S. 108 "Kinder" und "Erwachsene" in der Tabelle vertauscht.      |
  | S. 116 ")" ergänzt.                                              |
  | S. 120 ")" ergänzt.                                              |
  | S. 123 "einem Komponenten" in "einer Komponente" geändert.       |
  | S. 125 "übeu" in "über" geändert.                                |
  | S. 129 "Sanhedrion -- bekannt" in "Sanhedrion bekannt --"        |
  |        geändert.                                                 |
  | S. 133 "Durchschnittssjude" in "Durchschnittsjude" geändert.     |
  | S. 134 "bei den Erörterung" in "bei der Erörterung" geändert.    |
  | S. 136 "Hoffmannsthal" in "Hofmannsthal" geändert.               |
  | S. 137 "stossen" in "stoßen" geändert.                           |
  | S. 148 Anführungszeichen ergänzt.                                |
  | S. 149 "alljhrlich" in "alljährlich" geändert.                   |
  | S. 149 "Vorgnge" in "Vorgänge" geändert.                         |
  | S. 149 "betrchtliche" in "beträchtliche" geändert.               |
  | S. 149 "Kulturschdigungen" in "Kulturschädigungen" geändert.     |
  | S. 149 "wren" in "wären" geändert.                               |
  | S. 150 "ethischen" in "ethnischen" geändert.                     |
  | S. 151 Anführungszeichen ergänzt.                                |
  | S. 151 "Wiederschein" in "Widerschein" geändert.                 |
  | S. 158 Anführungszeichen ergänzt.                                |
  | S. 160 "ungekehrtem" in "umgekehrtem" geändert (Fußnote 34).     |
  |                                                                  |
  | Folgende Inkonsistenzen wurden belassen, da beide Schreibweisen  |
  | üblich waren:                                                    |
  |                                                                  |
  | 50jährigen -- 50-jährigen                                        |
  | ausser -- außer                                                  |
  | äussere -- äußere                                                |
  | Descendenz -- Deszendenz                                         |
  | dreissig -- dreißig                                              |
  | Elementes -- Elements                                            |
  | Friedenschluß -- Friedensschluss                                 |
  | Geburtenüberschuß-Berechnungen -- Geburtenüberschußberechnung    |
  | gefasst -- gefaßt                                                |
  | gross -- groß                                                    |
  | Groß-Berlin -- Gross-Berlin                                      |
  | Preussen -- Preußen                                              |
  | proportional -- proportionell                                    |
  | schliesst -- schließt                                            |
  | selbständig -- selbstständig                                     |
  | Zufluss -- Zufluß                                                |
  |                                                                  |
  | Anmerkungen zu nicht vorgenommenen Korrekturen:                  |
  |                                                                  |
  | S.  61 Verstädtichung wurde nicht geändert.                      |
  | S. 122 Konkruluz ist vermutlich ein Setzfehler. Es könnte        |
  |        Kongruenz gemeint sein, wurde aber unverändert belassen.  |
  | S. 130 Die Summe der angegebenen Mischehen Preußens besträgt     |
  |        12484 statt der angegebenen 12384, das wurde unverändert  |
  |        belassen.                                                 |
  | S. 149 Die idiomatische Schreibweise "Karrikatur" wurde nicht    |
  |        geändert.                                                 |
  | "Profezeiungen" / "profezeihen" (in Zitataten) wurde nicht       |
  | geändert. "garnicht" wurde nicht geändert.                       |
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