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Title: Thibaut und Savigny - Zum 100jährigen Gedächtnis des Kampfes um ein einheitliches bürgerliches Recht für Deutschland
Author: Jacques Stern, - To be updated
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Thibaut und Savigny - Zum 100jährigen Gedächtnis des Kampfes um ein einheitliches bürgerliches Recht für Deutschland" ***


Anmerkungen zur Transkription:

      Mit ~ umschlossene Texte sind im Original in einer anderen
      Schriftart (Antiqua) als der Haupttext (Fraktur) gedruckt.
      Im Original sind auch die Abkürzung "Dr." und römische
      Zahlen in Antiqua gedruckt; dies wurde für die elektronische
      Fassung nicht übernommen.

      Umschließungen mit * zeigen "gesperrt" gedruckten Text an,
      Umschließungen mit _ kursiven Text.

      Griechischer Text wurde transliteriert und ist mit = umschlossen.

      Eine Liste mit Korrekturen finden Sie am Ende des Buchs.



THIBAUT UND SAVIGNY.

Zum 100jährigen Gedächtnis
des Kampfes um ein einheitliches bürgerliches Recht
für Deutschland.

1814. * 1914.

Die Originalschriften
in ursprünglicher Fassung mit Nachträgen,
Urteilen der Zeitgenossen und einer Einleitung
herausgegeben

von

~DR.~ JACQUES STERN,
Amtsrichter in Berlin.



Berlin, 1914.
Verlag von Franz Vahlen
~W~ 9, Linkstr. 16.


               Jedes Volk hat seinen Tag in der Geschichte,
               doch der Tag des Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit.

               *Schiller*

                                   (aus einem unvollendeten Gedicht von
                                   Deutscher Größe, 1801).



Vorrede.


Klassische Schriften der Wissenschaft haben zunächst geschichtliche
Bedeutung, indem sie uns die Auffassungen der Vergangenheit kennen
lehren und damit die Keime der Gegenwart aufdecken. Darüber hinaus aber
haben sie bleibenden Wert, soweit sie allgemeine, von Zeit und Ort
unabhängige Gedanken enthalten.

Die Streitschrift *Savignys*, des größten deutschen Juristen im
19. Jahrhundert, »Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und
Rechtswissenschaft«, veranlaßt durch *Thibauts* Schrift »Über
die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für
Deutschland«, gehört schon wegen ihrer programmatischen Bedeutung
für die »historische Schule« zu den klassischen Schriften der
Rechtswissenschaft. Die Kodifikation, die vor 100 Jahren Thibaut
erstrebt und Savigny bekämpft hat, und zwar nicht bloß für *seine*
Zeit, was im Gegensatze zur herrschenden Meinung über die alte und
bedeutsame Streitfrage *in diesem Buche bewiesen* werden soll, ist um
die Wende des 19. Jahrhunderts durch die Schaffung des Bürgerlichen
Gesetzbuchs für das Deutsche Reich zur Wirklichkeit geworden. Trotzdem
bleibt Savignys Gelegenheitsschrift mit ihrer »in der Geschichte
vielleicht einzig dastehenden Wirkung« (Jhering zum Gedächtnis
Savignys in den Jahrbüchern für Dogmatik V, 362) eben wegen der
in ihr enthaltenen allgemeinen Gedanken von dauerndem Werte. Aber
auch Thibauts Schrift ist mehr als ein interessantes Dokument der
Zeitgeschichte. Nicht bloß als unmittelbare Veranlassung der Arbeit
Savignys wird sie, untrennbar von dieser, fortleben, sondern als
das Beste und Nachhaltigste, was über den Nutzen einer Kodifikation
geschrieben worden ist.

In den Kämpfen der Gegenwart um die Grundfragen der Rechtswissenschaft
greift man mit Recht immer wieder auf Savignys Programmschrift zurück;
auch an Rückblicken auf Thibauts Abhandlung fehlt es hierbei nicht. Es
ist daher nicht bloß ein Akt der Pietät, durch den der Juristenstand
sich selber ehrt, wenn er die Erinnerung an seine Führer, insbesondere
an den denkwürdigen Streit zwischen Thibaut und Savigny durch die
Verbreitung ihrer eigenen Worte wach erhält, sondern von unmittelbarem
praktischen Werte, beide Schriften vollständig im Original zur Hand zu
haben.

Die Jünger der Rechtswissenschaft hören zwar auch heute schon in
den ersten Anfängen ihres Studiums die Namen Savigny und Thibaut
und die Titel ihrer beiden Schriften, zu Gesicht bekommen oder
gar gelesen haben sie aber nur verschwindend wenige unter unseren
heutigen deutschen Juristen. Es ist ein schlechter Trost, daß von
dem gleichen Schicksal die übrigen klassischen Werke der deutschen
Rechtswissenschaft nicht minder als die des Auslands betroffen werden.
Und doch liegt in ihnen ein Bildungsmittel ersten Ranges für die
juristische Jugend, dessen Wertschätzung unsere Zeit beinahe verlernt
hat. Der einstige Leiter des Reichsjustizamts und nachmalige preußische
Kultusminister Bosse schildert mit dem Gefühl der Dankbarkeit, wie ihn
im Jahre 1854 kurz nach seinem Eintritt in den praktischen Justizdienst
ein älterer Richter auf Savignys Schrift aufmerksam gemacht und welch
tiefen Eindruck nach Form und Inhalt er von ihr empfangen habe. (Vgl.
Bosse, Über Savignys Schrift »Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung
und Rechtswissenschaft.« Im Hinblick auf die Herstellung eines
deutschen bürgerlichen Gesetzbuches. Deutsche Revue, 25. Jahrgang
[1900] S. 7 ff.)

Wer dafür eintritt, daß der Sinn für das Große und Allgemeine nicht
im täglichen Getriebe juristischer Spezialarbeit untergehe, der wird
das beste Mittel zu diesem Ziele in den Schriften der *Klassiker der
Rechtswissenschaft* finden und schon die juristische Jugend auf sie
hinweisen. Aus dem Kreise dieser Werke eignen sich die beiden im
engsten Zusammenhange stehenden und darum hier vereinigten Schriften
Thibauts und Savignys im Kampfe um ein einheitliches bürgerliches
Recht für Deutschland wegen ihres Gegenstandes ganz besonders für den
Anfänger. Dieser durch die Klarheit der Darstellung und die Schönheit
der Sprache in einen ästhetisch würdigen Rahmen gestellte Gegenstand
gibt ihnen aber auch, was schon einige der ersten Kritiker Thibauts
hervorgehoben haben (Jenaische Allgem. Literatur-Zeitung 1814 Nr. 185;
Wiener Allgem. Literatur-Zeitung 1814 Nr. 98), ein Anrecht auf das
Interesse jedes gebildeten Deutschen. Klingt doch zudem durch diese
Schriften der Ton der echten Vaterlandsliebe, wie sie mit fortreißender
Gewalt in jener großen Zeit zum Durchbruch kam, da Deutschland sich aus
seiner tiefen Erniedrigung erhob.

Besonderer Beachtung wert sind auch die schönen Worte, die Thibaut
dem Verhältnis zwischen Fürst und Volk in Deutschland widmet --
noch unter dem frischen Eindruck des Heimgangs Carl Friedrichs,
des um die Entwicklung seines Landes hochverdienten Herrschers,
der »Zierde *Badens*«. Vornehmlich seiner Fürsorge verdankte die
alte Universität am Neckar nach ihrem Verfalle während der letzten
Pfälzer-Zeit die Epoche neuen Glanzes trotz einer Zeit des Krieges und
der Unruhe. Von *Heidelberg* ging Thibauts patriotischer Ruf durch
das befreite Deutschland und Heidelberg wurde der Mittelpunkt dieses
wissenschaftlich und kulturgeschichtlich bedeutungsvollen Streites;
hier ließ Savigny seine Gegenschrift erscheinen und hier legte Thibaut
in den Heidelbergischen Jahrbüchern seine weiteren Äußerungen in dieser
Frage nieder.

Um die Wirkung auf die Zeitgenossen möglichst rein zu vergegenwärtigen,
sind beide Schriften in erster Ausgabe wortgetreu zum Abdruck gebracht.
Dem gleichen Zwecke, dem besseren Verständnisse, aber auch zunutze
der juristischen Literaturgeschichte dient die *Wiedergabe wichtiger
Stimmen der Zeit, und zwar in einer bisher noch nicht erreichten
Vollständigkeit*. Die Zusätze der Streitschriften in späteren Ausgaben
sind besonders zusammengestellt.

Noch einem anderen, gerade von Savigny wiederholt und mit Nachdruck
als erstrebenswert bezeichneten Ziele (vgl. System des heutigen
Römischen Rechts, Vorrede S. XX ff.) bringt uns die Beschäftigung mit
den grundlegenden Werken der Rechtswissenschaft näher: der Herstellung
der ursprünglichen und natürlichen Einheit von Theorie und Praxis.
(Vgl. hierzu die Vorrede meiner »Einführung in die gerichtliche
Praxis«, Berlin 1914.) Auch heute noch, wie zu Savignys Zeiten, ja
sogar mehr noch als damals, krankt unser durch die Veränderung der
wirtschaftlichen Verhältnisse, die Fortschritte der Technik und des
Verkehrs, sowie mancherlei sonstige Einflüsse in neue Bahnen gelenktes
Rechtsleben an der unnatürlichen Kluft zwischen beiden Richtungen,
die nach seinen Worten die Gefahr in sich birgt, daß die Theorie zu
einem leeren Spiel, die Praxis zu einem bloßen Handwerk herabsinke.
Jetzt, wo wir im Bürgerlichen Gesetzbuch eine feste Grundlage unseres
Privatrechts haben, ist es an der Zeit, der Arbeit am Speziellen
zugunsten der Beschäftigung mit dem Grundlegenden, Allgemeinen
eine Schranke zu setzen. Die Zukunft der Rechtsentwicklung und des
Rechtsunterrichts in Deutschland liegt in einer die rechtsschöpferische
Kraft von Theorie und Praxis fördernden Verbindung dieser beiden Teile
eines Ganzen.

          Berlin, im Juni 1914.

                                   ~Dr.~ *Jacques Stern*.

  *Bemerkung*: Die in [Anmerkung Transkription: doppelte eckige]
     Klammern gesetzten Zahlen bei den Schriften Thibauts und Savignys
     bedeuten die Seiten der ersten Ausgaben. Die kleinen [Anmerkung
     Transkription: in einfache runde Klammern gesetzten] Zahlen im
     Text der Thibautschen Schrift verweisen auf die Nachträge (Abt.
     II Nr. 1). Die Noten unter dem Text sind nach den Seiten des
     vorliegenden Abdrucks nummeriert.



Inhaltsverzeichnis.


  *Einleitung.*

  1. Der wissenschaftliche Streit zwischen Thibaut und Savigny und
  seine weitere Entwicklung                                            8

  2. Biographisches                                                   26

  3. Bibliographisches                                                32

  *I. Abteilung.*

  1. *Thibaut*, Über die Notwendigkeit eines allgemeinen
     bürgerlichen Rechts für Deutschland. 1814                        35

  2. *Savigny*, Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und
     Rechtswissenschaft. 1814                                         69

  *II. Abteilung.*

  1. Thibauts Nachträge zu seiner Schrift. 2. Ausgabe. 1814          167

  2. Thibauts Besprechung (Antikritik) der Schrift Savignys. 1814    174

  3. Urteile der Zeitgenossen zu den Streitschriften Thibauts und
  Savignys. 1814-1818                                                185

  4. Anselm von Feuerbachs Urteil. 1816                              195

  5. Savignys Nachträge zu seiner Schrift. 2. Auflage. 1828          202

  6. Bemerkungen                                                     235



Einleitung.


1. Der wissenschaftliche Streit zwischen Thibaut und Savigny und seine
weitere Entwicklung.

Vor hundert Jahren, am 19. Juni 1814, acht Monate nach der Leipziger
Völkerschlacht, noch nicht drei Monate nach dem Einzuge der Verbündeten
in Paris, schrieb Anton Friedrich Justus *Thibaut*, Professor des
Rechts in Heidelberg, die Vorrede zu seiner Flugschrift Ȇber die
Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland«.
Diesen geschichtlichen Hintergrund und seinen inneren Zusammenhang
mit den Äußerungen deutschen Geisteslebens muß man von vornherein im
Auge behalten, will man Erfolg und Wirkung der Arbeit Thibauts recht
verstehen.

Der Gedanke eines gemeinsamen deutschen bürgerlichen Rechts war nicht
neu. Aus der großen Zahl seiner Vertreter seit der Mitte des 17.
Jahrhunderts ragen die Namen *Conrings*, des Begründers der deutschen
Rechtsgeschichte, *Leibniz'*, des großen Polyhistors, *Thomasius'*,
des Naturrechtslehrers, hervor. (Das Naturrecht strebte aber nach
einzelstaatlicher Kodifikation.) Das 18. Jahrhundert zeigt das gleiche
Bild. So handelt z. B. im Jahre 1781 der Leipziger Christian Gottlob
Biener in seinen »Bedenklichkeiten bei Verbannung der ursprünglich
fremden Rechte aus Deutschland und Einführung eines allgemeinen
deutschen National-Gesetzbuches« im § 6 »Von der Notwendigkeit eines
allgemeinen Gesetzbuches im heiligen römischen Reiche«. Zu Anfang des
19. Jahrhunderts hatte die Kodifikationsidee ihre Freunde unter den
verschiedenen Geistesrichtungen: Staatsmänner, Dichter, Gelehrte,
zumal Juristen der Theorie und Praxis traten für sie ein.[A] Aber den
rechten Wiederhall, das allgemeine Interesse erweckte erst Thibaut
mit seiner Schrift; er hatte den geeigneten Zeitpunkt erfaßt und die
richtige Form gefunden. Die Idee selber lag wieder einmal im Zuge
der Zeit, gewissermaßen in der Luft. Leicht faßlich, das Fachmäßige
möglichst meidend, getragen vom Schwunge nationaler Begeisterung, der
den Verfasser beim Schreiben, die Zeitgenossen beim Lesen mit sich
riß, hat Thibauts Schrift das Verdienst, die Gründe für die Einheit
der Gesetzgebung (ȟber ihre Notwendigkeit ist nach Thibauts Schrift
fast nichts mehr zu sagen« -- äußerte ein Kritiker in der Jenaischen
Allg. Lit. Ztg. 1814 Nr. 217) vollständig und fortwirkend bis auf
das Bürgerliche Gesetzbuch unserer Zeit zusammengefaßt zu haben. Ihr
weiteres Verdienst liegt in der -- wenn auch nur äußeren -- Anregung
zu Savignys Gegenschrift »Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung
und Rechtswissenschaft.« Im schweren Rüstzeug der Wissenschaft,
mit objektiver Ruhe und souveräner Beherrschung des Stoffes einem
Wunsche der Zeit mit schroffer Verneinung entgegentretend ist diese
Arbeit die erste programmatische Äußerung einer Richtung, die, unter
Verdrängung der bis dahin herrschenden nicht bloß der Wissenschaft,
sondern auch der Praxis verderblichen naturrechtlichen Anschauungen,
der Rechtswissenschaft neue zu glänzender Entwicklung führende Wege
gewiesen hat.

Veranlaßt zur Abfassung seiner Schrift »Über die Notwendigkeit eines
allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland« wurde *Thibaut*,
der bereits früher gelegentlich in seinen Schriften (so in der
»Juristischen Enzyklopädie und Methodologie«, Altona 1797, § 102)
für den gleichen Gedanken eingetreten war, durch das Erscheinen des
Buches »Über den Code Napoleon und dessen Einführung in Deutschland«
(Hannover, bei den Gebr. Hahn, 1814, XVI u. 319 S. 8^o) von dem
hannoverschen Staatsmann August Wilhelm Rehberg (Besprechungen in der
Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig, 1814 Nr. 1; Jenaische Allg. Lit.
Ztg. 1814 Nr. 79 bis 81). Thibaut schrieb in den Heidelbergischen
Jahrbüchern der Litteratur (1814 Nr. 1 und 2) eine ausführliche
Rezension[B] dieses gegen das französische Gesetzbuch weniger mit
juristischen, als mit politischen Waffen (den »sehr finstren Ideen«
Rehbergs) vorgehenden, die Rückkehr zu den alten Verhältnissen
predigenden und jede Kodifikation verwerfenden Buches. Im letzten
Punkte, wie auch z. B. Johann Georg Schlossers Vorschlag und Versuch
einer Verbesserung des deutschen bürgerlichen Rechts ohne Abschaffung
des römischen Gesetzbuchs, Leipzig 1777, und seine Briefe über die
Gesetzgebung, Frankfurt 1789, ein Vorläufer von Savignys Schrift!
Thibauts Rezension, die zunächst ohne Nennung seines Namens erschien,
von ihm aber bald als seine Arbeit anerkannt wurde, verteidigt gegen
Rehberg das französische Gesetzbuch an zahlreichen Beispielen, um an
anderen dessen große Schwächen nachzuweisen, und gelangt schließlich
in beredten Worten zur Forderung eines deutschen Nationalgesetzbuchs.
Diesen wichtigen Gegenstand entwickelte Thibaut dann in seiner Schrift
»Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für
Deutschland« und zwar, wie er in der Vorrede sagt, der Aufforderung
achtungswerter Männer folgend. Über die Entstehung der Schrift, von
der sich eine Selbstanzeige in Nr. 33 der Heidelbergischen Jahrbücher
der Litteratur 1814 befindet, berichtet Thibaut selbst (Über die
sogenannte historische und nicht-historische Rechtsschule, Archiv für
die civilistische Praxis, Bd. 21 [1838] S. 393 f.): »Im Jahre 1814,
als ich viele deutsche Soldaten, welche auf Paris marschiren wollten,
mit frohen Hoffnungen im Quartier hatte, war mein Geist sehr bewegt.
Viele Freunde meines Vaterlandes lebten und webten damals mit mir
in dem Gedanken an die Möglichkeit einer gründlichen Verbesserung
unsres rechtlichen Zustandes, und so schrieb ich, -- höchstens nur
in vierzehn Tagen, -- recht aus der vollen Wärme meines Herzens eine
kleine Schrift über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen
Rechts für Deutschland, worin ich zu zeigen suchte: unser positives
Recht, namentlich das Justinianeische, sey weder materiell noch formell
unsern jetzigen Völkern anpassend, und den Deutschen könne nichts
heilsamer seyn, als ein, durch Benutzung der Kräfte der gebildetsten
Rechtsgelehrten verfaßtes bürgerliches Recht für ganz Deutschland,
wobei aber doch jedes Land für das Wenige, was seine Localität
erfordre, seine Eigenheiten behalten möge.«

Der *Gedankengang* der Thibautschen Schrift ist folgender:

Ausgehend davon, daß Deutschland auch nach seiner jetzt errungenen
Befreiung die volle politische Einheit nicht finden werde, sieht
Thibaut in dieser dem Nationalcharakter angepaßten Zersplitterung
eine Quelle für den Reichtum des Mannigfaltigen und Eigentümlichen,
vorausgesetzt, daß sich die Landesfürsten in die kleineren Verhältnisse
ihrer Staaten zu schicken wissen. Alsbald wendet er sich von diesen
politischen Betrachtungen, die zum Teil auf berechtigten Widerstand
stießen (»Gott verhüte eine so wenig enge Verbindung der einzelnen
Staaten, als wir in den letzten Jahrhunderten hatten«, sagte ein
Kritiker in der Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig, 1814 Nr. 152),
unter Berufung auf seine langjährige Tätigkeit als Zivilist dem
Wunsche nach einer Neugestaltung des bürgerlichen Rechtes zu,
worunter er das Privat- und Kriminalrecht, sowie den Prozeß versteht.
Nirgends in Deutschland sei den an jede Gesetzgebung zu stellenden
zwei Anforderungen formeller und materieller Vollkommenheit
(gemeint sind klare und erschöpfende Bestimmungen, sowie eine
zweckmäßige Anordnung der Rechtsverhältnisse) genügt: unser ganzes
einheimisches Recht sei ein endloser Wust einander widerstreitender,
vernichtender, buntscheckiger Bestimmungen, ganz dazu geartet, die
Deutschen von einander zu trennen und den Richtern und Anwälten die
gründliche Kenntnis des Rechts unmöglich zu machen. Dazu komme seine
Unvollständigkeit, so daß meist auf das rezipierte römische und
kanonische Recht zurückgegriffen werden müsse. Im römischen Recht,
dessen Größe und Bedeutung für die juristische Schulung anzuerkennen
sei, hätten wir ein Gesetzbuch, dessen (authentischen) Text wir
nicht besäßen und dessen zahlreiche Lesarten zu einer Unsicherheit
des Rechtszustandes führten. Vor allem aber fehle uns wegen der
Verschiedenheit der römischen und deutschen Rechtsanschauungen der
Schlüssel zu der ganzen Kompilation. Ein deutsches Nationalgesetzbuch
werde in wissenschaftlicher Beziehung (damit beginnt Thibaut »den
Gelehrten zu gefallen«!) die Übersicht über das ganze Recht gewähren
und im akademischen Unterricht die Darstellung des praktischen Rechts
ermöglichen. Es werde aber auch das »Glück der Bürger« begründen,
für deren Verkehr die örtliche Kollision der Gesetze eine Plage sei
und die Einheit der Zivilgesetze eine Notwendigkeit bilde. Eine
gute Gesetzgebung sei freilich das schwerste unter allen Geschäften
und nicht von Einzelstaaten oder Einzelnen, vielmehr nur durch
das Zusammenwirken der namhaftesten Kräfte zu erreichen -- unter
feierlicher Garantie der auswärtigen großen alliierten Mächte. Diese
letzte Forderung ist Thibaut bereits von manchen Zeitgenossen mit
Recht verdacht worden. (Vgl. die Besprechungen in der Jenaischen Allg.
Lit. Ztg. 1814 Nr. 185, in der Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig,
1814 Stück 267 und in der Wiener Allg. Lit. Ztg. 1814 Nr. 98.) Den
möglichen Einwendungen gegen die Forderung eines Nationalgesetzbuches
-- heimlichen (Beschränkung der Landesfürsten, Furcht vor Neuerungen
und Umwälzungen) und öffentlichen (Berücksichtigung der örtlich
verschiedenen Verhältnisse, Heiligkeit des Herkömmlichen),
schließlich solchen wegen der Kosten und der langen Dauer eines
derartigen Gesetzgebungsunternehmens (die er auf zwei bis vier Jahre
veranschlagt!) -- sucht Thibaut im Schlußteile der Schrift von
vornherein zu begegnen.

Thibauts Schrift hat ihren Zweck nicht erreicht; sie konnte es wohl
auch nicht, wie die rechtlichen (wissenschaftlichen und praktischen)
Verhältnisse und die politischen Dinge in dem durch Kriege geschwächten
und innere Gegensätze zerrissenen Deutschland damals lagen, und
Savignys literarisch weit höher stehende, ihrem Verfasser in diesem
Betracht den Sieg sichernde Gegenschrift ist, darüber kann kein
Zweifel sein, ohne Einfluß auf Thibauts Mißerfolg gewesen. Bereits
im Jahre 1816 schrieb Savigny (Zeitschrift für geschichtliche
Rechtswissenschaft Bd. 3 S. 11): »Im Ernst wird Niemand behaupten, daß
ohne jene Stimmen ein allgemeines Gesetzbuch wahrscheinlich zu Stande
gekommen wäre.« Aber was Thibaut, wie vor ihm kein anderer erreicht
hat, war, wie gesagt, die Erweckung des allgemeinen Interesses für
die Frage eines einheitlichen deutschen Gesetzbuchs, dessen nationale
und praktische Bedeutung er richtig erkannt und hervorgehoben hat,
und die bis dahin nirgends so vollständig gegebene, auch in der
Entstehungsgeschichte unseres Bürgerlichen Gesetzbuchs durchweg und
im wesentlichen unverändert verwertete Zusammenstellung aller für
die zivilistische Rechtseinheit anzuführenden Gründe. (Vgl. hierzu
Brunner, Die Rechtseinheit, Akademische Festrede, Berlin 1877, und
Vierhaus, Die Entstehungsgeschichte des Entwurfs eines Bürgerlichen
Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, Berlin 1888.) Seine Irrtümer liegen
hauptsächlich in der Verkennung der damaligen Zeitverhältnisse, in der
Überschätzung der Bedeutung einer Kodifikation für Rechtswissenschaft
und Rechtsstudium und in der Unterschätzung der Schwierigkeiten
bei Ausarbeitung eines Gesetzbuchs, insbesondere hinsichtlich der
Zeitdauer, des Arbeitsplans und der Zusammensetzung der Kommission.

Angeregt durch Thibauts Schrift trat *Savigny* mit seinen längst
gefaßten und ausgereiften, die Lehre der historischen Schule bildenden
Gedanken anstatt in der üblichen wissenschaftlichen Form zuerst in
der einer Gelegenheitsschrift hervor, die aber eben wegen dieser
gekennzeichneten Eigenschaft der Gedanken keinen der sonst den
Schriften dieser Art zumeist anhaftenden Mängel aufweist. (Vgl. auch
Savignys Vorrede zur 2. Ausgabe der Schrift vom »Beruf«.)

Über die Entstehung der Savignyschen Arbeit schrieb Niebuhr, der
ausgezeichnete Staatsmann und Altertumsforscher, am 1. November 1814 an
seine Seelenfreundin Dora Hensler: »Savigny hat eine der Thibautschen
Schrift ganz entgegengesetzte geschrieben: er hat, nach meiner Meinung,
sehr zart und milde gegen Thibaut geschrieben und mit Wärme das
Verdienst seiner Opposition gegen die Einführung des Code Napoléon
anerkannt. Ich wollte, daß Jemand Thibaut zur Ruhe reden könnte. Mir
ist dieser Streit schmerzlich. Savigny ist äußerst tätig und in einer
Regsamkeit wie fast nie.« (Lebensnachrichten über Barthold Georg
Niebuhr, Hamburg 1838, 2. Bd. S. 125.)

Am gleichen Tage schrieb Jacob an Wilhelm Grimm: »Du wirst von Savigny
seine Schrift über Gesetzgebung erhalten haben, die mir gar wohl
gefallen hat, in unsere Meinungen stimmt und sie bestätigt.... Es ist
mir gar lieb, daß Savigny diese Abhandlung geschrieben hat, sie ist
auch ganz wie er.« (Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm Grimm,
Weimar 1881, S. 371, 372, 398, 470.)

Bevor wir auf den Inhalt der Schrift Savignys näher eingehen, sei
gleichsam als erster Wegweiser durch ihre vielfach verschlungenen
Gedankengänge der Worte Rudolf v. Jherings, seines größten Schülers
und späteren machtvollen Bekämpfers, gedacht: »Die dauernde Bedeutung
jener Schrift liegt in dem Apparat allgemeiner Ideen, den Savigny
gegen seine Gegner in Bewegung zu setzen für nötig hält: eine Theorie
über die geschichtliche Natur des Rechts, verbunden mit einer Skizze
der Hauptmomente in der Entwickelungsgeschichte des Rechts, und als
»geschichtliche« Auffassung gegenübergestellt der bisher herrschenden
rationalistischen Auffassung.« (Jahrbücher für Dogmatik V, 364.)

Der *Gedankengang* der Savignyschen in zwölf Kapitel gegliederten
Schrift läßt sich dahin zusammenfassen:

In der Einleitung sagt Savigny, daß er den Streit um ein
gemeinschaftliches Gesetzbuch für Deutschland als einen friedlichen
und nicht als feindlichen führen wolle. Die Bestrebungen auf
Vereinheitlichung des bürgerlichen Rechts seien auf zwei durch
das Natur- oder Vernunftrecht vermittelte irrige Auffassungen
zurückzuführen: einmal auf die ungeschichtliche Richtung der
Aufklärungsperiode, sodann auf jene Ansicht von der Entstehung alles
positiven Rechts, nach welcher im normalen Zustande *alles Recht aus
Gesetzen*, d. h. ausdrücklichen Vorschriften der höchsten Staatsgewalt
entsteht und die Rechtswissenschaft lediglich den Inhalt der Gesetze
zum Gegenstande hat.

So kommt er auf die Frage nach der Entstehung des positiven Rechts
(Kap. 2). Bereits zu Beginn urkundlicher Geschichte hat nach ihm
das Recht kein selbständiges Dasein für sich; es ist dem Volke
eigentümlich, so wie seine Sprache, Sitte, Verfassung. Zu einem Ganzen
verknüpft werden sie durch die gemeinsame Überzeugung des Volkes
(gleichbedeutend mit dem, von Savigny in seiner Schrift jedoch noch
nicht gebrauchten, Ausdruck »Volksgeist«), das gleiche Gefühl innerer
Notwendigkeit, welches den Gedanken einer zufälligen und willkürlichen
Entstehung des Rechts ausschließt. Ursprünglich verkörpern sich die
Regeln des Rechts in symbolischen Handlungen der Völker. Aber auch
für das Recht gibt es, hierin ebenfalls der Sprache vergleichbar,
keinen Augenblick absoluten Stillstandes. Es ist mit Notwendigkeit
derselben Bewegung und Entwickelung unterworfen, wie jede andere
Richtung des Volkes. Diese Sätze, in denen der Grundgedanken Savignys
und damit auch das Glaubensbekenntnis der historischen Schule liegt,
waren, wie Windscheid sagt, eine Offenbarung für ihre Zeit, sie sind
auch heute trotz mannigfacher Angriffe gegen die historische Schule
unerschüttert. Bei steigender Kultur, mit der Ausgestaltung rechtlicher
Einzelheiten und der Bildung eines besonderen Juristenstandes,
fällt, wie Savigny weiter lehrt, dies gemeinsame Bewußtsein, diese
gemeinsame Überzeugung des Volkes als Ganzen dem Bewußtsein der
Juristen anheim, von welchen das Volk nunmehr in dieser Funktion
repräsentiert wird. Auch jetzt bleibt aber das Recht noch ein Teil des
gesamten Volkslebens (»politisches Element des Rechts«) im Gegensatze
zum abgesonderten wissenschaftlichen Leben des Rechts (»technisches
Element des Rechts«). Nach Savigny, der als seine Vorläufer Gustav
Hugo ([+] 1844) und Justus Möser ([+] 1794) bezeichnet, entsteht das
Recht also erst durch Sitte und Volksglaube (»als Gewohnheitsrecht«),
dann durch Jurisprudenz, überall also durch innere, stillwirkende
Kräfte, nicht durch die Willkür eines Gesetzgebers. Freilich ist der
Einfluß der Gesetzgebung, fremden Rechts, örtlicher oder anderer
Verhältnisse nicht ausgeschlossen. Dieser Einfluß der *Gesetzgebung*
auf das bürgerliche Recht (Kap. 3) kann nach Savigny auf dreierlei
Gründen beruhen: erstens dem Willen des Gesetzgebers zur Erreichung
höherer politischer Zwecke; zweitens der Beseitigung vorhandener
rechtlicher Zweifel und Unklarheiten; drittens (von den beiden ersten
Gründen ganz verschieden) der *Kodifikation* des gesamten, auf seine
Brauchbarkeit zu untersuchenden Rechtsvorrats. Die Kodifikation kann
von Staats wegen oder von einzelnen Rechtsgelehrten vorgenommen werden;
sie bezweckt einmal höchste Rechtsgewißheit, sodann Besserung und
Berichtigung der äußeren Grenzen der Gültigkeit infolge der Ersetzung
der verschiedenen Lokalrechte durch ein allgemeines Nationalrecht.
Dieser zweite (äußere) Vorteil wird später in besonderer Anwendung auf
Deutschland näher betrachtet (Kap. 5). Der erste (innere) Vorteil der
größeren Rechtsgewißheit, den Savigny im Anschluß an die Meinung des
englischen Philosophen und Lordkanzlers Francis Bacon (von Verulam [+]
1626) näher betrachtet, hängt von der Vortrefflichkeit der Ausführung
ab. Was beibehalten werden soll, muß gründlich erkannt und richtig
ausgesprochen werden. Nach seiten des Stoffs sei Vollständigkeit des
Gesetzbuchs, aber nicht durch Kasuistik, sondern durch Erkenntnis
der leitenden Grundsätze (sie gebe der juristischen Arbeit den
wissenschaftlichen Charakter) zu erstreben; nach seiten der Form
(Darstellung, Sprache des Gesetzes) sei die Schwierigkeit nicht minder
groß. Hiernach werde nur in sehr wenigen Zeiten, die er in solche
jugendlicher Völker, mittlere und sinkende scheidet, die Fähigkeit zur
Schaffung eines vortrefflichen Gesetzbuchs vorhanden sein. »Also bleibt
nur eine mittlere Zeit übrig, diejenige, welche gerade für das Recht,
obgleich nicht notwendig auch in anderer Rücksicht, als Gipfel der
Bildung gelten kann. Allein eine solche Zeit hat für sich selbst nicht
das Bedürfnis eines Gesetzbuchs; sie würde es nur veranstalten können
für eine folgende schlechtere Zeit, gleichsam Wintervorräte sammlend.
Zu einer solchen Vorsorge aber für Kinder und Enkel ist selten ein
Zeitalter aufgelegt.«

Seine bisher entwickelten Theorien sucht Savigny nun durch Anwendung
auf das römische Recht (Kap. 4) und das »Bürgerliche Recht in
Deutschland« (Kap. 5) klarer und überzeugender zu machen. Der große
Kenner des römischen Rechts und seiner Geschichte hat in dem 4.
Kapitel einen Glanzpunkt seiner Schrift geschaffen. Im 5. Kapitel
werden zunächst die Klagen über den Rechtszustand in Deutschland als
unbegründet bezeichnet: An der übermäßig langen Dauer der Prozesse sei
nicht das bürgerliche Recht, sondern das schlechte Prozeßverfahren
schuld; die große Verschiedenheit der Landesrechte sei kein Mangel,
sondern ein die Individualisierung der Rechtsbildung fördernder
Vorzug. Den Mittelpunkt der Schrift bildet das 6. Kapitel »Unser Beruf
zur Gesetzgebung«. An der Ehe und dem Eigentum als Repräsentanten
des auch den Nichtjuristen interessierenden Familienrechts und des
der juristischen Technik allein überlassenen Vermögensrechts zeigt
Savigny, daß die Fähigkeit zu gesetzgeberischen Reformen von der
Ausbildung unserer juristischen Technik abhänge. Der für den Juristen
unentbehrliche zweifache, historische und systematische, Sinn sei
im 18. Jahrhundert selten; eine gute Darstellung des »Systems des
Römisch-Deutschen Rechts« in Buchform gebe es nicht; die deutsche
juristische Literatur habe mit der allgemeinen literarischen Bildung
nicht Schritt gehalten. Der Zeit, die zwar Spuren eines lebendigeren
Geistes in der Rechtswissenschaft erkennen lasse, sei hiernach die
Fähigkeit zur Schaffung eines guten Gesetzbuchs abzusprechen. Um so
mehr, als es wie an der Beherrschung des Stoffs, so auch an der der
Sprache des Gesetzes mangele. Die drei neuen Gesetzbücher, der ~Code
civil~, das Allgemeine Preußische Landrecht und das Österreichische
Gesetzbuch, werden zum Beweise seiner Theorie im 7. Kapitel (der
schwächsten Partie der Schrift) einer Kritik unterzogen, die ungünstig
ausfällt: noch am besten kommt das preußische Gesetzbuch davon, am
schlechtesten das französische. (Das Tribunal von Montpellier wird
wegen seines Ausspruchs über die Rechtsunsicherheit als Folge der
zweifelhaften Natur des subsidiären Rechts und seines Vorschlags
zur Abhilfe *ohne* ein Gesetzbuch gelobt.) So gelangt Savigny zu
nachstehenden Schlußfolgerungen, je nachdem in einem Lande keine
Gesetzbücher -- wie im Gebiet des gemeinen Rechts -- (Kap. 8)
oder bereits solche vorhanden sind (Kap. 9). Dort habe sich die
Gesetzgebung für das bürgerliche Recht auf die Entscheidung von
Kontroversen und die Verzeichnung alter Gewohnheiten zu beschränken,
hier seien die bestehenden Gesetzbücher (abgesehen vom ~Code civil~,
einer überstandenen politischen Krankheit) nicht abzuschaffen. Das
Rechtsstudium sei in beiden Fällen das gleiche. *Dort* werde der
Juristenstand, geschult an einer nach historischer Methode entwickelten
Rechtswissenschaft wieder »ein Subjekt für lebendiges Gewohnheitsrecht«
werden. »Der Zustand klarer, anschaulicher Besonnenheit, welcher dem
Recht jugendlicher Völker eigen zu sein pflegt, wird sich mit der Höhe
wissenschaftlicher Ausbildung vereinigen. Dann kann auch für zukünftige
schwächere Zeiten gesorgt werden, und ob dieses durch Gesetzbücher oder
in anderer Form besser geschehe, wird dann Zeit sein zu beraten. Daß
dieser Zustand jemals eintreten werde, sage ich nicht: dieses hangt von
der Vereinigung der seltensten und glücklichsten Umstände ab.« *Hier*
seien nach wie vor das alte Recht und seine Quellen geschichtlich zu
erforschen und zu lehren. Das einigende Band des deutschen Rechts
erblickt Savigny in den Universitäten (Kap. 10). »Thibauts Vorschlag«
ist das 11. Kapitel gewidmet. Mit Thibaut, der sich zu Recht als
Vaterlandsfreund bezeichne, erstrebe er als gleiches Ziel die Grundlage
eines sicheren Rechts, die Gemeinschaft der Nation und Konzentration
ihrer wissenschaftlichen Bestrebungen auf dasselbe Objekt -- aber
mit verschiedenen Mitteln: Nicht durch Schaffung eines Gesetzbuchs,
wie Thibaut wolle, sondern durch eine organisch fortschreitende
Rechtswissenschaft sei dem Übel, das nicht in den Rechtsquellen,
sondern in uns liege, zu steuern. Auch in der praktischen Ausführung
seines Gedankens seien Irrtümer Thibauts nachzuweisen: die von ihm
angenommene kurze Dauer der Abfassung, die Herstellung durch ein
Kollegium statt durch *einen* Mann, die zwar notwendige, aber mangels
einer geeigneten Gesetzessprache nicht zu erreichende Popularität des
Werkes. Der Schluß (Kap. 12) gibt eine kurze Zusammenfassung, die in
eine Lobpreisung der deutschen Rechtswissenschaft aus Melanchthons
Munde ausläuft.

Der *ewige Wert* der Schrift Savignys als programmatischer Äußerung
der historischen Rechtsschule und damit zugleich als Ausgangspunkt
für eine neue Grundlegung der Rechtswissenschaft mit Wirkung über
diese hinaus auf die Gesamtheit der Geisteswissenschaften ist bereits
hervorgehoben. Die wesentlichsten Irrtümer der Savignyschen Schrift
liegen gerade in der Behandlung der *Gesetzgebungsfrage*. Sie stehen
mit den eigentlichen Lehren der historischen Rechtsschule nur in loser
Verbindung (vom »Einfluß der Gesetzgebung auf das Fortschreiten des
Rechts« handelt Savigny selbst im System des heutigen Römischen Rechts
I § 13) und lassen sich zum Teil aus den Zeitverhältnissen erklären.
Daher sollen sie gleich jetzt betrachtet werden, ehe ein Blick auf
Ursprung und weitere Entwickelung der historischen Schule geworfen wird.

Der Zusammenhang der Ausführungen, in denen Savigny *seiner* Zeit --
wohl mit Recht -- den Beruf zur Gesetzgebung (womit die für unsere
Betrachtung allein wesentliche Kodifikation des bürgerlichen Rechts im
Gegensatze zur Einzelgesetzgebung[C] gemeint ist) abspricht (Kap. 3 und
6), zwingt zu dem Schlusse, daß er diese Fähigkeit -- sicherlich zu
Unrecht -- allgemein für *jedes* Volk und *jede* Zeit verneint: ihm ist
die Kodifikation ein Hemmnis organischer Rechtsentwickelung.

Wir stehen hier vor einer alten und bedeutsamen Streitfrage. Sie ist
nur in letzterem Sinne zu beantworten. Sie konnte nur entstehen, weil
Savigny mehrere zur Gesetzgebungsfrage gehörende und deshalb zwar
zusammenhängende, aber doch verschiedene Gegenstände in engem Rahmen
gemeinsam behandelt hat. (Vgl. hierzu L. Spiegel, Gesetz und Recht,
München u. Leipzig 1913, S. 77 ff.)

Die *herrschende* Meinung, wonach Savigny in der *Streitschrift*
lediglich *seiner* Zeit die Fähigkeit zur Gesetzgebung im Sinne einer
Kodifikation des gesamten Vorrats an bürgerlichem Recht abspreche,
stützt sich insbesondere auf den Titel seiner Schrift und auf
Wendungen, wie »unsre Zeit«, »unser Beruf« »wir« ... Damit ist aber von
Savigny nur gemeint, daß seiner Zeit ganz besonders diese Fähigkeit
mangele. Anders ist namentlich die oben wiedergegebene Stelle, die von
der Eignung einer Zeit zur Gesetzgebung handelt, nicht zu verstehen,
die einzige, die Wilhelm Grimm tadelnswert findet, weil sie die
Hoffnung hinter sich läßt (s. u. Abt. II, 3): »daß dieser Zustand
*jemals* eintreten werde, sage ich nicht« (S. 134, 25, 160 der ersten
Ausgabe). Die hier gegebene Auslegung, wonach Savigny ein Gegner jeder
Kodifikation ist und sie nur unter ganz ausnahmsweisen Bedingungen
für ausführbar erklärt, ist bereits von Gierke, Landsberg (bezüglich
der Einzelgesetzgebung abweichend) u. a. vertreten worden. (Vgl.
Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft III, 2 S. 202.)
Im folgenden soll ein *Beweis* für ihre Richtigkeit geführt werden:

Unter allen seinen Kritikern, mit denen sich Savigny in den »Stimmen
für und wider neue Gesetzbücher« (s. u. Abt. II, 5) auseinandersetzt,
spendet er *Schrader*, dem durch die Ausführungen Savignys über die
Trefflichkeit des Prätorischen Edikts angeregten Verfasser der Schrift
»Die Prätorischen Edikte der Römer auf unsere Verhältnisse übertragen,
ein Hauptmittel unser Recht allmählich gut und volksmäßig zu bilden«,
Weimar 1815, die höchste Anerkennung. Bei Schrader findet sich nun
nachstehende kurze Inhaltsangabe der Savignyschen Schrift: »~_Sie
zeigt hauptsächlich, wie der Rechtszustand bei den Völkern sich zu
entwickeln pflege; wie schwer es überall sei, ihn durch Gesetzgebung
löblichen Absichten gemäß zu ordnen; wie wenig dieses besonders bei
uns möchte erreicht werden können. Das Resultat geht dahin, daß den
dringenden Bedürfnissen in Beziehung auf den Prozeß durch Gesetze
abgeholfen; im Übrigen aber, da vom Mangel an genauer Rechtskenntnis,
an wahrer Beherrschung unseres mannigfachen rechtlichen Stoffes, die
meisten Fehler herrühren, das Rechtsstudium recht tüchtig getrieben
werde; und die gesetzgebende Behörde nur durch einzelne Entscheidungen
eingreife._~« Schrader, der, wie er von sich sagt, in den allgemeinen
Grundlagen »am Meisten mit Savigny übereinstimmt«, faßt seine eigenen
Ausführungen dahin zusammen, »~_daß Gesetzbücher zu erlassen, eine
sehr bedenkliche, kaum je zu empfehlende Unternehmung ist_~; daß
dieselbe außerdem auf keinen Fall die fortlaufende Leitung der
Selbstbildung des Rechts überflüssig macht. Diese ~_kann_~ durch stete
Tätigkeit der Gesetzgebung mittelst einzelner Verordnungen erfolgen;
aber zweckmäßiger möchte dazu eine ~_besondere Einrichtung_~ sein«
(womit er -- übrigens eine von Savigny zu Unrecht als praktisch
bezeichnete Idee -- die Einrichtung rechtsbildender Behörden nach Art
des römischen Prätors meint). *Es ist ausgeschlossen, daß Schrader in
der obigen, jeden Zweifel ausschließenden Inhaltsangabe bei dieser
grundlegenden Frage Savigny falsch verstanden hat, ohne daß dieser es
gerügt hätte.* Hinzu kommt jene Äußerung *Wilhelm Grimms* in seiner
durch Savigny, seinen Freund, selbst angeregten Rezension der Schrift
im Rheinischen Merkur. Weiter *Gönners* Worte in seiner Gegenschrift
»Über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in unsrer Zeit«, Erlangen
1815 S. 4: »Doch muß ich aufrichtig bekennen, daß die ganze Tendenz
seiner Schrift jenes harte Urteil über unsre Zeiten sehr mildert,
denn in seiner ganz eigentümlichen Ansicht von Gesetzgebung spricht
er *allen* Zeiten den Beruf dazu ab.« So also haben drei besonders
beachtliche Zeitgenossen Savigny verstanden. Und nun *Savignys* eigene
Worte zu dem Schraderschen Buche: »Der Verfasser geht von der richtigen
Bemerkung aus, daß die geschichtliche Bildung des Rechts, die auch von
ihm angenommen wird, keineswegs so mißverstanden werden dürfe, als
solle der Staat sich gar nicht um das Recht im allgemeinen bekümmern.
Nur die gewöhnliche Art, wie der Staat darauf einzuwirken pflege,
durch eigentliche Gesetzgebung nämlich, sei in den meisten Fällen
unzweckmäßig, selbst da, wo sich stehende Gesetzkommissionen finden.«
(S. u. Abt. II, 5. Vgl. auch die Kritik der Schraderschen Schrift in
den Heidelb. Jahrbüchern 1816 S. 1049.) Weiter sagt Savigny gegen
Gönner (Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft Bd. 1 S. 373
ff.): »Ich habe vielmehr schon in meiner früheren Schrift anerkannt,
daß unter gewissen Bedingungen die Abfassung eines Gesetzbuchs sehr
wohltätig sei und alle Billigung verdiene.... Ich glaube, daß die
unzeitige Abfassung eines Gesetzbuchs durch die Willkürlichkeit der
Entstehung und durch das Zerreißen der geschichtlichen Fäden dem
Despotismus in hohem Grade förderlich sein kann.« Hält man alle
diese Momente zusammen, so hat man geradezu eine *authentische
Interpretation* Savignys in dem von uns behaupteten Sinne zu seinen
Ausführungen in der Kampfschrift vor sich, die Veranlassung zu dieser
bedeutsamen Streitfrage gegeben haben. Noch deutlicher spricht sich
Savigny in der Zusammenfassung am Schlusse der »Stimmen« aus, doch soll
darauf nicht eingegangen werden, weil man in diesen Ausführungen auch
nur eine Modifikation oder Weiterbildung seiner Ansicht aus der Schrift
vom »Beruf« finden könnte.

Wir kommen nunmehr zu der Erörterung der einzelnen Irrtümer Savignys
in der Kodifikationsfrage. Savigny denkt offenbar an ein vollkommenes,
ideales Gesetzbuch, das es, von Menschen und für Menschen verfaßt, nie
und nirgends geben kann. Er verkennt die national-politische Bedeutung
der Rechtseinheit unter dem Gesichtspunkt der Rechtspflege als einer
der wesentlichsten Staatsaufgaben; er verkennt ferner die (von Thibaut
mit Recht betonte) praktische Seite der Rechtseinheit für Rechtsleben
und Verkehr; er verkennt endlich die Kraft der durch die historische
Richtung auf eine neue Grundlage gestellten Rechtswissenschaft, wenn
er von ihr die Herbeiführung eines einheitlichen Rechts erwartet, von
einer Kodifikation aber ihren Verfall befürchtet. Die geschichtliche
Entwickelung Deutschlands seit jenen Tagen, die uns den Norddeutschen
Bund, dann das neue Deutsche Reich gebracht hat, zeigt als Folge das
Bild einer fortschreitenden Rechtseinheit. Und schließlich erstand als
Erfüllung des seit Thibaut nicht mehr zur Ruhe gekommenen, auch vom
Deutschen Juristentage mit Eifer ausgesprochenen Wunsches -- auf der
Grundlage des Gesetzes vom 20. Dezember 1873 (Änderung des Art. 4 der
Reichsverfassung, wodurch die Zuständigkeit des Reichs auf das gesamte
bürgerliche Recht ausgedehnt wurde,) -- das Bürgerliche Gesetzbuch
vom 18. August 1896. Sein erfolgreiches Dasein, nicht minder wie die
gesetzgeberische Tätigkeit der anderen großen Kulturstaaten im 19.
Jahrhundert ist eine Widerlegung der Savignyschen Lehren, soweit sie
sich gegen eine Kodifikation überhaupt richten. --

Das Bild, das wir aus Savignys Schrift vom Wesen der historischen
Rechtsschule erhalten, bedarf noch der Ergänzung sowohl hinsichtlich
des Ursprungs, als auch der Fortentwickelung ihrer Lehre. Entsprechend
dem Zwecke dieser Einleitung kann jedoch hier nur eine kurze Skizze
gegeben werden.

Als die eigentlichen Gründungsschriften der historischen
Rechtsschule sind die durch Thibaut veranlaßte Streitschrift
und der Einführungsartikel der »Zeitschrift für geschichtliche
Rechtswissenschaft« (1815) anzusehen, die ergänzt werden durch die
erwähnte Erwiderung Savignys auf Gönners Streitschrift -- s. u.
Abt. II, 3 -- und den Aufsatz Savignys »Stimmen für und wider neue
Gesetzbücher« (Bd. 3 ebenda) -- s. u. Abt. II, 5.

Auch Savigny hatte, wie wohl jeder Schöpfer auf dem Gebiete der
Wissenschaft, Vorläufer und Anreger. Sein unmittelbarer Vorläufer in
der *historisch-empirischen*, das Naturrecht verwerfenden Methode
war der Göttinger Professor Gustav Hugo (1764-1844). Der Gedanke der
Entstehung des Rechts aus dem »Volksgeist« hat Anklänge besonders bei
Montesquieu (~Esprit des lois XIX~, 5, wo vom ~esprit de la nation~
die Rede ist) und dem englischen Philosophen Edmund Burke ([+] 1797),
sowie bei den deutschen *Romantikern*, die auf *Herder* fußend
Sprache und Recht in ihrer Entwickelung einander gleich setzten und
das Volkstümliche zu begreifen und zu erforschen suchten. Herder,
dieser großer Anreger und Bahnbrecher moderner Geisteskultur, ist,
das verdient besonders betont zu werden, auf die *beiden* Gegner in
der Kodifikationsfrage, Thibaut und Savigny, von Einfluß gewesen: in
den Schriften der Zeit (bei Karl Ernst Schmid und B. W. Pfeiffer)
wird er auch als Förderer des Gedankens eines Nationalgesetzbuchs
in Anspruch genommen. Der Streit, ob der für die historische Schule
charakteristische Ausdruck »*Volksgeist*« über Hegel (vgl. namentlich
dessen »Grundlinien der Philosophie des Rechts«) und Puchta (Das
Gewohnheitsrecht Bd. I) in die späteren Schriften Savignys (System
des heutigen römischen Rechts I, § 7) gekommen ist, oder ob ihn
Savigny einem anderen entnommen hat, ist müßig. (Thibaut gebraucht
ihn vor Savigny und zwar in der 1. Ausgabe »Geist des Volkes«, in
der 2. Ausgabe an einer anderen Stelle »Volksgeist«, ebenso in den
Heidelbergischen Jahrbüchern 1815 Nr. 42 -- vgl. hierzu, sowie über die
Geschichte des Begriffes »Volksgeist« v. Möller, Die Entstehung des
Dogmas von dem Ursprung des Rechts aus dem Volksgeist, Mitteilungen
des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 1909, S. 1 ff.
und Kantorowicz, Volksgeist und historische Rechtsschule, Historische
Zeitschrift, München und Berlin, Bd. 108 S. 295 ff.). Denn der
Ausdruck »Volksgeist« *lief damals allgemein um* und findet sich
vielfach in der Bedeutung von Volksbewußtsein, Volksstimmung gerade
in Schriften der Zeit, sogar in Zeitungen und Flugschriften (vgl. z.
B. Rheinischen Merkur von 1815 Nr. 225, 226, 245 und die Schrift von
F. W. Grävell, Drei Briefe über Preßfreiheit und Volksgeist, Berlin
1815, besprochen in der Jenaischen Allg. Lit. Ztg. 1815 Nr. 29);
sachlich ist er jedenfalls identisch mit der Savignyschen Wendung vom
»gemeinsamen Bewußtsein des Volkes«. Es zeigt sich auch hier wieder,
wie wichtig die Heranziehung der Zeitverhältnisse für die Aufhellung
wissenschaftlicher Zusammenhänge ist. Unter dem Einfluß der Romantik
bekamen alle Wissenschaften einen historischen Zug. Antiphilosophisch
war die historische Schule aber nicht. (Vgl. auch die Vorrede zur 2.
Ausgabe der Schrift vom »Beruf«.) Ihre Bekämpfung des Naturrechts
rechtfertigt diese Bezeichnung keineswegs. Sie steht vielmehr unter dem
direkten Einfluß *Schellings*, der nachhaltig auf Savigny gewirkt hat.
Ganz frei von naturrechtlichen Elementen ist übrigens Savignys Lehre
auch nicht: beginnend mit dem Volksgeist als Quelle des Rechts und der
hiermit sehr wohl zu vereinbarenden Annahme einer gemeinmenschlichen
Rechtsidee (Rechtsgedanke) und der Möglichkeit eines Widerspruchs
des geltenden Rechts mit ihren Postulaten bis zur Stabilisierung der
Wissenschaft und der Praxis als rechtserzeugender Potenzen. (Vgl. meine
Schrift »Rechtsphilosophie und Rechtswissenschaft«, Berlin 1904, S.
36 ff.) Den wissenschaftlichen Gegensatz zwischen der historischen
Rechtsschule und der naturrechtlichen, der Kodifikation günstigen
Richtung auf den politischen Gegensatz zwischen Konservatismus und
Liberalismus zurückzuführen, wie es zuweilen im Hinblick auf Savignys
streng konservative Gesinnung geschieht, ist innerlich unbegründet.
Außer auf der historisch-empirischen und der romantischen Auffassung
beruht die historische Schule weiter auf der *evolutionistischen*, d.
h. der Betrachtung der Dinge unter dem Gesichtspunkt der Entwickelung.
Gerade damals trat der französische Naturforscher Lamarck ([+] 1829),
der größte Vorläufer Darwins, mit seinen evolutionistischen Lehren
auf dem Gebiete der Naturwissenschaft hervor. Diese verschiedenen
Quellen, aus denen Savigny, wie es Landsberg a. a. O. S. 207 ff. in
verdienstvoller Weise darstellt, für die Bildung seiner Idee wohl
teils bewußt, teils unbewußt geschöpft hat, zeigen, daß seine, gleich
vielen anderen für die Wissenschaft bahnbrechenden Gedanken, wie wir
es oben auch bei Thibauts Idee gesehen haben, damals sozusagen in der
Luft lagen und nur des Mannes harrten, der die Fähigkeit hatte, sie in
feste Form zu bringen. In ihrem Kern haben sie sich, allen Angriffen
zum Trotz, von den wohl jeder Lehre auf geisteswissenschaftlichem
Gebiet in ihren Anfängen anhaftenden Unklarheiten und Einseitigkeiten
befreit, siegreich behauptet. Es waren vor allem -- von ganz
verschiedenen Standpunkten aus -- Hegel (Grundlinien der Philosophie
des Rechts; zur Gesetzgebungsfrage wichtig § 211 a. E.), Kirchmann (Die
Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft), Jhering (Der Zweck
im Recht), Stammler (Wirtschaft und Recht nach der materialistischen
Geschichtsauffassung), die als bedeutendste Bekämpfer der historischen
Rechtsschule auftraten.

Das praktische Moment, das Recht der Gegenwart, das lebende Recht,
der Einfluß von Wirtschaft und Kultur überhaupt haben in der neueren
historischen Richtung, deren Begründer Jhering wurde, ihre verdiente
Berücksichtigung gefunden. In jüngster Zeit sind dann von einem
Anhänger der an das Naturrecht anknüpfenden Freirechtsschule, die für
eine freiere Stellung des Richters gegenüber dem Gesetze eintritt,
maßlos-heftige Angriffe gegen Savigny, »den Vater des juristischen
Historismus und der Begriffsjurisprudenz, den Gegner der gegenwärtigen
deutschen Rechtswissenschaft und der Kultur überhaupt« und zwar unter
Verneinung des Wertes der Geschichte für die wissenschaftliche
Erkenntnis des Rechts erhoben worden. (Kantorowicz, Was ist uns
Savigny? in Recht und Wirtschaft, 1. Jahrgang S. 47 ff. und 76 ff.;
auch gesondert erschienen). Diese durch eine glänzende Sprache
bestechende Abhandlung wird aber den festgefügten, in hundertjährigem
Bestand erprobten Gedankenbau der historischen Schule um so weniger
erschüttern können, als sie allzu deutlich das Kennzeichen der
Einseitigkeit ihrer rationalistisch-teleologischen Rechtsbetrachtung an
sich trägt. (Entgegnungen insbesondere von Landsberg im Jurist. Lit.
Blatt 1912 S. 54 f. und von Manigk, Was ist uns Savigny? Recht und
Wirtschaft, 1. Jahrgang, S. 174 ff. und 199 ff., weiter ausgeführt in
seinem Buche Savigny und der Modernismus im Recht, Berlin 1914.)


2. Biographisches.

I. *Anton* Friedrich Justus *Thibaut* wurde am 4. Januar 1772 zu Hameln
als Sohn eines aus reformierter Réfugiéfamilie stammenden hannoverschen
Majors geboren. Seine Mutter Ulrike Antoinette Grupen war die Tochter
des Germanisten und Publizisten Christian Ulrich Grupen. Ursprünglich
galt Thibauts Neigung dem Forstfache; dann studierte er die Rechte
in Göttingen (1792), Königsberg (1793), wo er Kant hörte, und Kiel
(1794). An dieser Universität promovierte er im November 1795 (im Jahre
1796?) mit der Schrift ~De genuina iuris personarum et rerum indole
veroque huius divisionis pretio~ zum Doktor, habilitierte sich 1796,
wurde 1798 außerordentlicher, 1801 ordentlicher Professor und ging
1802 nach Jena. Hier trat er in Beziehungen zu Goethe und Schiller,
in dessen Gartenhaus Thibauts Hauptwerk »System des Pandektenrechts«
entstand. Verheiratet war Thibaut mit einer Tochter des Kieler
Philosophieprofessors Ehlers. Seit 1806 lehrte er in Heidelberg. Zur
neuen Blüte dieser Universität hat Thibaut wesentlich beigetragen; er
hat sie auch eine Zeitlang in der Badischen Kammer vertreten; 1834
wurde er Mitglied des Bundesschiedsgerichts. Er starb am 28. März 1840
in Heidelberg.

Thibaut, der zu den Begründern der neueren deutschen Rechtswissenschaft
zu rechnen ist, war ein geborener Zivilist mit praktischem Blick,
der die philosophischen Grundlagen des Rechts nicht preisgeben
wollte, und doch, wie er selbst betont, keineswegs ein Verächter
der Rechtsgeschichte. Als Universitätslehrer war er von bedeutender
Wirkung, wobei ihm sein vorzüglicher Vortrag und seine eindrucksvolle
Erscheinung zustatten kam. (Er soll entfernte Ähnlichkeit mit Savigny
gehabt haben -- Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm Grimm, Weimar
1881, S. 56). Er war ein vielseitig gebildeter Mann. Die schöne
Literatur kannte er nach allen Richtungen. Die Musik hat er, auch
wissenschaftlich, in beachtenswerter Weise, namentlich durch das Buch
»Über Reinheit der Tonkunst« gefördert. Seine musikgeschichtlich höchst
wertvolle Sammlung ist von der Königlich Bayrischen Staatsbibliothek
erworben worden. (Den »Katalog der Bibliothek von Anton Friedrich
Justus Thibaut, welche vom 16. November 1840 an in Heidelberg
öffentlich versteigert werden soll«, Heidelberg 1840, besitzt die
Berliner Königliche Bibliothek.)

Thibauts wichtigste juristische *Schriften* sind: Enzyklopädie und
Methodologie, Altona 1797; Versuche über einzelne Teile der Theorie
des Rechts, Jena 1798 u. 1801; Theorie der logischen Auslegung des
Römischen Rechts, Altona 1799; Beiträge zur Kritik der Feuerbachschen
Theorie über die Grundbegriffe des peinlichen Rechts, Hamburg 1802;
Über Besitz und Verjährung, Jena 1802; System des Pandektenrechts,
Jena 1803 (9 Auflagen), das erste von der Legalordnung absehende,
praktisch brauchbare Pandektensystem, welches die geltend gewordene
Systematik Heises (eines Kollegen Thibauts) unmittelbar vorbereitete;
Civilistische Abhandlungen, Heidelberg 1814, worin die Streitschrift
als 19. Abhdlg. enthalten ist; ferner zahlreiche Aufsätze in den
Heidelbergischen Jahrbüchern und im Archiv für die zivilistische
Praxis, in dessen Redaktion Thibaut mit dem 5. Bande eintrat. In
diesem Archiv ist seine für die Geschichte des Schulenstreits wichtige
Abhandlung Ȇber die sogenannte historische und nicht-historische
Rechtsschule« Bd. 21 (1838), S. 391 ff. und seine letzte Arbeit (aus
der Besitzlehre) Bd. 23 (1840), S. 167 ff. mit Nachruf von Mittermaier
enthalten.

*Literatur*: Allgemeine Deutsche Biographie, Leipzig, Bd. 37, 737 ff.;
Weechs Badische Biographieen, 2. Teil, Heidelberg 1875, S. 345 ff.;
Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, München und
Berlin 1910, Bd. III, 2 S. 69 ff.; an allen drei Stellen finden sich
weitere Literaturangaben.

II. *Friedrich* Karl von *Savigny* wurde am 21. Februar 1779 in
Frankfurt a. M. geboren. Er entstammte einer alt-adligen lothringischen
Réfugié-Familie. (Der Name Savigny ist auf der ersten Silbe zu betonen,
also Sávigny, nicht Savígny -- vgl. Brandenburgia, 19. Jahrgang S.
384.) Ein kurz gefaßtes, lateinisch geschriebenes von Savigny der
Marburger Juristen-Fakultät eingereichtes ~curriculum vitae~ ist
abgedruckt in v. Stintzing, Friedrich Karl von Savigny (Preußische
Jahrbücher Bd. 9 S. 121 ff., vgl. S. 134, auch gesondert erschienen).
Der Großvater Savignys war Pfalz-Zweibrückischer Kabinetsminister;
von der Großmutter stammte außer anderem Grundbesitz das Gut Trages
(Drachenhaus) bei Gelnhausen, wo Savigny sich vielfach aufhielt.
Savignys Vater Christian Karl Ludwig v. Savigny war Regierungsrat in
gleichen Diensten, später vertrat er mehrere oberrheinische Fürsten
in Frankfurt a. M. Savignys Mutter war die geistig hochstehende
Henriette Philippine Groos, Tochter des Pfalz-Zweibrückischen
Geheimen Rats Groos. Mit dreizehn Jahren verwaist, wurde Savigny im
Hause seines Vormundes, gleichzeitig eines Freundes und entfernten
Verwandten seines Vaters, von Neurath, der Rat am Reichskammergericht
in Wetzlar war, erzogen. Sechzehn Jahre alt, begann er (1795) die
juristischen Studien in Marburg. Dort war es der philologisch gebildete
Professor Ph. Friedrich Weis, ein Anhänger der eleganten (positiven)
Rechtsschule, der Savigny auf das römische Recht hinlenkte und die
Anregung zu Savignys späterem Meisterwerke »Geschichte des Römischen
Rechts im Mittelalter« gab, in dessen Vorrede der Verfasser dankbar
auf seinen früheren Lehrer hinweist. Im Winter 1796 studierte Savigny
in Göttingen; im Winter 1797 ging er wieder nach Marburg, wo er bis
zum Juli 1799 blieb. Es folgte dann eine einjährige Reise durch
verschiedene deutsche Staaten, von der die Reisebriefe erhalten sind
(Vgl. Stoll, Friedrich Karl von Savignys sächsische Studienreise
1799 bis 1800, Leipzig 1891). In Marburg vollendete Savigny seine
Studien und erhielt am 31. Oktober 1800 die juristische Doktorwürde.
Seine Dissertation und erste Schrift handelt ~de concursu delictorum
formali~ (Vermischte Schriften Bd. 4, S. 74 ff.). Kurz darauf begann er
mit einer Vorlesung über Strafrecht seine Lehrtätigkeit als Marburger
Privatdozent, schon im Anfang von Erfolg begleitet. Bald wandte er sich
dem Zivilrecht zu. Durch seine Vorlesung über die letzten zehn Bücher
der Pandekten kam er zu eingehender Beschäftigung mit der Besitzlehre:
Zu Beginn des Jahres 1803 erschien »Das Recht des Besitzes, eine
zivilistische Abhandlung.« Diese (32) + 495 Seiten umfassende
Schrift, die erste, die nach historisch-systematischer Methode die
römisch-rechtlichen Quellen von ihren Modifikationen durch Gesetzgebung
und Praxis schied, gleichzeitig auch das Gelehrte mit dem Praktischen
verband, dazu in klarer Darstellung und schöner Sprache abgefaßt war,
eröffnete eine neue Epoche der Rechtswissenschaft. Savigny trat damit
in die Reihe der ersten Zivilisten. So äußerte sich Thibaut in einer
begeisterten Besprechung des Savignyschen Buches (Allg. Lit. Ztg.,
Halle und Leipzig, 1804 Nr. 41 bis 43). Im Jahre 1803 wurde Savigny
außerordentlicher Professor in Marburg.

Durch seine Vermählung mit Kunigunde Brentano (17. April 1804; vgl.
das Zitat am Schlusse der Literaturangabe) trat Savigny in noch engere
Beziehungen zum Romantikerkreise, namentlich zum Geschwisterpaar
Clemens und Bettina Brentano, deren Schwager er jetzt wurde, und zu der
Dichterin Karoline von Günderode. Es fehlte nicht an Gegensätzen in
der Charakteranlage zwischen Savigny und den Brentanos. Dazu kam, daß
er Protestant, die Familie Brentano katholisch war; seine Kinder ließ
Savigny, der religiös positiv war, katholisch erziehen.

Wegen einer mehrjährigen Studienreise zur Beschaffung
rechtsgeschichtlichen Materials, die ihn Ende 1804 auch nach Paris
führte, wohin ihm Jacob Grimm folgte, lehnte er eine Berufung als
Ordinarius nach Heidelberg ab; doch hat er sich wohl darum bemüht,
daß Heise, der nachmalige Schöpfer der modernen Pandektensystematik,
und Thibaut dorthin kamen. Nach Beendigung seiner Reise wurde
Savigny (1808) von der bayrischen Regierung als Ordinarius an die
Universität Landshut berufen, wo auch der Kriminalist Feuerbach und
Gönner, Savignys späterer Gegner in der Gesetzgebungsfrage, wirkten.
Über seine anregende akademische Wirksamkeit aus der Zeit seines
zweijährigen Landshuter Aufenthalts finden sich interessante Zeugnisse
in Bettinas Briefen (Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, Bd. 2).

Die Gründung der Universität Berlin führte Savigny im Frühling 1810
auf den dortigen Lehrstuhl des römischen Rechts. Der Erfolg blieb ihm,
der schon, rein äußerlich betrachtet, eine bedeutende Erscheinung war,
auch in Berlin in einem Kreise auserlesener Männer treu. Bei der ersten
Rektorwahl standen sich der Philosoph Fichte, dessen »Reden an die
Deutsche Nation« (1808/09) den Befreiungskampf vorbereitet hatten, und
Savigny gegenüber: Fichte wurde mit einer geringen Mehrheit der erste
Rektor der Berliner Universität. Als ihn Meinungsverschiedenheiten über
die akademische Disziplin zum Rücktritt veranlaßten, berief der König
am 16. April 1812 aus besonderem Vertrauen Savigny zum Rektor. Das Jahr
1814 brachte dann die Streitschrift und gleichzeitige Programmschrift
der historischen Schule »Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und
Rechtswissenschaft«. 1815 folgte die Gründung der »Zeitschrift für
geschichtliche Rechtswissenschaft«, deren erste Herausgeber Savigny,
Eichhorn und Göschen waren. Im gleichen Jahre erschien der 1. Band
der »Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter«, dem bis 1831
noch weitere 5 Bände folgten (die 2. Auflage umfaßt 7 Bände). Dies
Hauptwerk Savignys behandelt in seinem ersten Teile das römische Recht
als Ergebnis geschichtlicher Entwicklung in den sechs Jahrhunderten
vor dem Glossator Irnerius ([+] 1140), während der zweite Teil mehr
eine Geschichte der Literatur des römischen Rechts in den vier
Jahrhunderten nach Irnerius gibt. Als Niebuhr im Jahre 1816 in Verona
die Handschrift der Institutionen des Gajus fand, erkannte man den
Zusammenhang dieses namentlich durch die Aufhellung der römischen
Rechtspflege wissenschaftlich hochbedeutenden Fundes mit dem durch das
Aufblühen der historischen Schule geweckten Sinn für die Erforschung
der Rechtsquellen. Ohne Savigny hätten wir den Gajus nicht, schrieb
Hugo im Jahre 1818. Erwähnt seien hier auch Savignys Abhandlung
»Der zehente Mai 1788«, durch die er seiner Verehrung zu Hugos
fünfzigjährigem Doktor-Jubiläum Ausdruck gab, sowie die Aufsätze über
»Niebuhr« und die »Rechtsgeschichte des Adels.« Zur Überraschung und
Freude der Juristenwelt erschienen dann im Jahre 1840 die ersten drei
Bände des »Systems des heutigen Römischen Rechts«, in dessen Vorrede
Savigny zu den Angriffen auf die historische Schule Stellung nahm und
für die Herstellung der Einheit zwischen Theorie und Praxis erneut
mit Wärme eintrat. 1841 folgten zwei weitere Bände dieses Werkes. Ein
entscheidendes, für die weitere wissenschaftliche Tätigkeit Savignys
aber verhängnisvolles Ereignis trat im Jahre 1842 ein: Savigny übernahm
das von König Friedrich Wilhelm IV., seinem Gönner und einstigen
Schüler, eigens für ihn gegründete Ministerium für die Revision der
Gesetzgebung. Daraus ergab sich die Niederlegung der Professur. Seine
sechsjährige Ministerzeit, die mit den Märzereignissen des Jahres 1848
ihr Ende erreichte, war eine Enttäuschung. In den Jahren 1847 bis 1853
erschienen der 6. bis 10. Band des Systems, das (auf die Allgemeinen
Lehren und Teile des Obligationenrechts beschränkt) ebenso wie die
Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter ein Bruchstück geblieben
ist.

Am 25. Oktober 1861 beendete Savigny sein von Anbeginn an im Zeichen
des Glücks stehendes, an Erfolgen ungewöhnlich reiches Leben, das in
mancherlei Hinsicht den von Jhering (a. a. O., S. 354 ff.) gezogenen
und durchgeführten Vergleich mit dem Leben Goethes, eines Sohnes der
gleichen Vaterstadt, gerechtfertigt erscheinen läßt. Wenige Wochen nach
Savignys Tode wurde bei der Gedächtnisfeier der Berliner Juristischen
Gesellschaft der Beschluß verkündet, das Andenken des großen
Rechtslehrers durch eine Stiftung zu ehren. Diese trat unter dem Namen
»Savigny-Stiftung« im Jahre 1863 ins Leben und verfolgt insbesondere
den Zweck, wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiete des Rechts der
verschiedenen Nationen zu fördern. Die hundertjährige Wiederkehr seines
Geburtstages am 21. Februar 1879 gab Gelegenheit, das Andenken Savignys
in großartiger Weise zu feiern.

*Literatur*: v. Stintzing, Friedrich Karl von Savigny (Preußische
Jahrbücher Bd. 9 (1862), S. 121 bis 168, auch gesondert erschienen);
Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 30, S. 425 ff. mit Literaturangaben;
Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, München und
Berlin 1910, Bd. III, 2 S. 186 ff.; Eduard Müller, Friedrich Karl von
Savigny, Leipzig 1906 (Heft 9 der Sammlung »Männer der Wissenschaft«),
beide gleichfalls mit Literaturangaben; O. Liebmann, Die juristische
Fakultät der Universität Berlin, Berlin 1910. Über die Nachkommen
Savignys vgl. Familiengeschichtliche Blätter, Leipzig, 9. Jahrgang
(1911), S. 145.


3. Bibliographisches.

Die erste Ausgabe von *Thibauts* Schrift Ȇber die Notwendigkeit
eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland«, 8^o, 67 S.,
deren Titelblatt unten wiedergegeben ist, erschien im Jahre 1814 in
Heidelberg bey Mohr und Zimmer. Noch in demselben Jahre veröffentlichte
Thibaut in seinen »Civilistischen Abhandlungen« (ebenda, 1814. Vorrede
»im August 1814«) als XIX. Abhandlung (S. 404 bis 466) eine durch
Zusätze vermehrte zweite Bearbeitung dieser Schrift; in den Heidelb.
Jahrbüchern 1814 Nr. 48 spricht Thibaut von einer »zweiten vermehrten
Ausgabe«. Im Jahre 1840 (kurz nach Thibauts Tode) erschien ebenda (J.
C. B. Mohr) eine dritte Ausgabe »Abgedruckt nach der in den *Civilist.
Abhandlungen* des Verf. als XIX. Abhandl. viel vermehrten *zweiten*
Bearbeitung dieser Schrift. Nebst Zugabe der darauf Bezug habenden
Rezensionen des Verf. aus den Heidelb. Jahrb. d. Liter. der Jahre 1814,
1815 u. 1816«. Es sind dies die Rezensionen des Rehbergschen Buches
»Über den Code Napoleon und dessen Einführung in Deutschland« (Heidelb.
Jahrb. 1814 Nr. 1 u. 2, S. 1 bis 32), der Savignyschen Schrift »Vom
Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft« (1814 Nr.
59, S. 929 ff., unten abgedruckt Abt. II, 2), des Pfeifferschen Buches
»Ideen zu einer neuen Civilgesetzgebung für deutsche Staaten« (1816
Nr. 13, S. 193 ff.), des Gönnerschen Buches »Über Gesetzgebung und
Rechtswissenschaft in unsrer Zeit« (1815 Nr. 40, S. 625 ff.) und des
Savignyschen Programmaufsatzes »Über den Zweck dieser Zeitschrift« --
Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, herausgegeben von
C. F. v. Savigny, C. F. Eichhorn und J. F. L. Göschen, Band I, Heft I
(ebenda 1815 Nr. 42, S. 657 bis 661).

Die erste Ausgabe von *Savignys* Schrift »Vom Beruf unsrer Zeit für
Gesetzgebung und Rechtswissenschaft«, gr. 8^o, (4) + 162 S., deren
Titelblatt ebenfalls unten abgedruckt ist, erschien im Jahre 1814 auch
in Heidelberg, bey Mohr und Zimmer. Im Jahre 1828 erschien die zweite,
vermehrte Auflage (Heidelberg bey J. C. B. Mohr). Sie enthält eine
Vorrede, den völlig unveränderten Abdruck der Schrift und zwei Beilagen
(Savignys Abhandlung »Stimmen für und wider neue Gesetzbücher«, aus der
Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft Bd. III, 1 bis 52 und
das Urteil des Tribunals von Montpellier über den Entwurf zum Code).
S. unten Abt. II, 5. Eine dritte unveränderte Auflage erfolgte im
Jahre 1840 (Heidelberg bei J. C. B. Mohr). Nach dieser dritten Auflage
veranstaltete die Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
(Paul Siebeck) Freiburg i. B. 1892 einen Neudruck.

Von Übersetzungen sind zu erwähnen: ~Of the vocation of our age for
legislation and jurisprudence, translated from the German of Frederick
Charles von Savigny by Abraham Hayward, London (1831), printed by
Littlewood u. Co., Old Bailey (not for sale).~ ~Savigny (De) Fed.
Carlo, La vocazione del nostro secolo per la legislazione e la
giurisprudenza, con introduzione e discorso sugli scritti di lui e
sulla scuola storica di Gius. Tedeschi, Verona (Antonelli) 1857.~ (Eine
französische Übersetzung scheint nicht vorhanden zu sein; bei ~Michaud,
Biographie universelle ancienne et moderne, Paris, Vol. 38~ ist keine
erwähnt, auch die Pariser National-Bibliothek besitzt keine.)

Savignys Schrift ist *nach* der 2. (erweiterten) Ausgabe von Thibaut
im Oktober 1814 erschienen. Dies ergibt sich aus einer Vergleichung
der Daten der Thibautschen Vorreden mit denen der Briefe Niebuhrs
und Grimms, ferner aus der eigenen Bemerkung Thibauts am Anfange
seiner Besprechung der Savignyschen Schrift in den Heidelbergischen
Jahrbüchern der Literatur 1814 Nr. 59. Savigny zitiert aber nur die 1.
Ausgabe von Thibaut.

Im folgenden ist der Text der Erstausgaben beider Streitschriften
wörtlich abgedruckt. Auch Orthographie und Interpunktion sind
beibehalten. Die in Klammern gesetzten Zahlen bedeuten die Seiten
der ersten Ausgaben, besonders zur Erleichterung des Nachschlagens
späterer Zitate. Offenbare Druckfehler -- so auf S. 33 bei Thibaut:
noch Hert, statt nach Hert, auf S. 14 bei Savigny: nach (statt noch)
einiger näheren Bestimmungen, S. 60 diesen (statt diese) allgemeinen
Lehren -- sind verbessert. Scheinbare Druckfehler, die auf Irrtümer
oder Ungenauigkeiten der Verfasser zurückzuführen sind, sind
beibehalten.



                                 Ueber
                           die Nothwendigkeit
                                 eines
                              allgemeinen
                          bürgerlichen Rechts
                                  für
                              Deutschland.

                                  Von

                           A. F. J. Thibaut,

     Hofrat und Professor des Rechts in Heidelberg; Correspondenten
          der Kaiserl. Gesetzgebungs-Commission in Petersburg.

                              Heidelberg,
                          bey Mohr und Zimmer.

                                 1814.


[[3]] Ich habe kürzlich in einer Recension (Heidelberg. Jahrb. 1814.
S. 1-32.) über die Nothwendigkeit allgemeiner Deutscher bürgerlicher
Gesetze beyläufig manches geäußert, was achtungswerthe Männer
veranlaßte, mich aufzufordern, in einer besondern Abhandlung diesen
wichtigen Gegenstand sorgfältiger zu entwickeln. So ungern ich nun
auch in dem leicht verrinnenden Strom der Flugschriften etwas von dem
Meinigen sehe, und so wenig ich auch Ursach habe, zu glauben, daß
man auf meine Stimme sonderlich achten werde: so schien mir doch der
jetzige wichtige Augenblick von der Art zu seyn, daß Schüchternheit
und Zurückgezogenheit nicht zu dem Drange der Umstände passen möchten,
daß vielmehr jeder nachdenkende Mann für das Gute und Große laut
zu[[4]] reden habe, insofern irgend gehofft werden kann, durch einen
ersten Anstoß viele Kräfte in das Leben hervor zu rufen. Nur durch
diese Rücksicht veranlaßt, entwarf ich die folgenden Zeilen. Sie
können leicht Staatsmännern und Gelehrten mißfallen, und dagegen werde
ich nichts einwenden. Aber den Ruhm lasse ich mir nicht rauben, daß
ich als warmer Freund meines Vaterlandes geredet habe; und in diesen
Gesinnungen werde ich nie einem Andern nachstehen.

Uebrigens ist keine Zeile der folgenden Blätter durch irgend eine
Empfindlichkeit veranlaßt. Nie hat mich ein Staatsmann beleidigt, und
in Beziehung auf meine Person sind mir verfehlte Wünsche so gut wie
fremd. Das Glück gab mir mehr als ich verdiene; nie strebte ich nach
Höherem; und meine Zufriedenheit wird ungetrübt bleiben, wenn auch
ferner Niemand zwischen mich und die Sonne in die Mitte tritt.(1)

          Heidelberg den 19. Junius 1814.

                                                            A. T.


[[5]] Deutschland hat jetzt durch Befreyung seines Bodens zwar seine
Ehre gerettet, und sich die Möglichkeit einer glücklichen Zukunft
errungen; allein es stehen der Erreichung eines auch nur mittelmäßigen
Glücks noch so viele mögliche Hindernisse entgegen, daß man mit einer
Art eigensinnigen Glaubens die Hoffnung festhalten muß, um nicht durch
bange Ahndungen getroffen zu werden. Denn wie man auch die Deutschen
im Gegensatz der Besiegten empor heben mag, immer bleibt es gewiß, daß
ein Theil unsres Volks, besonders in den Höheren und Mittelständen,
des Deutschen Namens unwürdig ist; daß unsre Beamten vielfach durch
das feine Gift des Französischen Beyspiels und Einflusses verdorben
wurden; daß Kleinlichkeit und beschränkter Eigennutz zum Theil
auch den Besseren nicht fremd sind, und daß so jetzt wieder sehr
leicht geschehen könnte, was in stürmischen Zeiten nur zu leicht
geschieht,[[6]] nämlich daß die rechtlichen Männer nach unten
gedrückt werden, oder sich mürrisch in eine schuldlose Unthätigkeit
zurückziehen, daß der Hefen der Nation sich nach oben drängt, und daß
unsre Fürsten, schlecht berathen und geleitet, auch mit dem besten
Willen nicht im Stande seyn werden, den Theil des Volks zu befriedigen,
wegen dessen das Regieren allein Werth hat. Diese Möglichkeiten werden
dadurch noch vermehrt, daß unter unsern kräftigen und rechtlichen
Männern da und dort immer mehr eine überspannte Gutmüthigkeit empor
kommt, welche das Unmögliche ungestüm fordert, sich in politischen
und ästhetischen Träumereyen erschöpft, über dem Seichten das
Tiefe vergißt, und so den beschränkten und verdorbenen Weltmännern
der niederen Art die beste Gelegenheit gibt, mit scheinbar weiser
Bedachtsamkeit alles Schlechte und Kleinliche vom Untergange zu retten.
Auch stehen wir jetzt mehr, wie jemals, auf dem Punkt, daß uns die
Schlauen, durch eine frische Erfahrung unterstützt, mit frohem Bedauren
auf den Unsegen des Wechsels und der Neuerungen verweisen können.

[[7]] So viel ist auf allen Fall schon jetzt entschieden, daß
Deutschland nach wie vor den Vortheilen einer unbedingten Einheit zu
entsagen hat, und sich in eine Reihe bloß äußerlich verbundener kleiner
Staaten auflösen wird. Darüber zu klagen wäre wahrlich unüberlegt und
ungerecht. Denn wenn man nicht die überspannte Forderung machen will,
daß alle andern Völker, im unbedingten Vertrauen auf die Rechtlichkeit
unsrer Regierung, alle menschlichen Nebenrücksichten dem Abstracten
opfernd, bloß im Interesse der Deutschen handeln sollen, so erscheint
jene Vereinzelung und Zerstückelung als fast nothwendig; auch
verspricht sie auf den möglichen Fall so viele bedeutende Vortheile,
daß schwerlich ein Politiker im Stande seyn wird, zu beweisen, die
volle Einheit nutze den Deutschen mehr, als jene Vereinzelung. Der
Zustand großer Staaten ist immer eine Art unnatürlicher Spannung und
Erschöpfung. Ein warmes Leben nur an Einem Punkt; ein einförmiges
Streben nur zu Einem Ziele; ein stetes Unterdrücken des Individuellen,
Mannigfaltigen einer einzigen gemeinen Sache wegen; und im Grunde keine
ganz innige Verbindung[[8]] zwischen dem Regenten und Unterthanen!
In einem Bunde kleiner Staaten hat dagegen die Eigenthümlichkeit
des Einzelnen freyen Spielraum, das Mannigfaltige kann sich ins
Unendliche ausbilden, und die Verbindung zwischen dem Volk und
Regenten ist weit inniger und lebendiger. Auch lege man nicht zu viel
Gewicht darauf, daß große einfache Staaten den kriegerischen Muth
des Einzelnen besonders heben. Denn wenn ein kleines Volk sittlich
erzogen, weise regiert, und seiner Verfassung geneigt gemacht ward,
so hat es sich immer durch kriegerische Rüstigkeit und Kraft ganz
vorzüglich ausgezeichnet, und die überwiegende Macht großer Staaten
lag dann immer nur in der Ueberzahl ihrer Streitenden. Ohnehin dürfen
die Deutschen nicht vergessen, wie sehr jene Zersplitterung ihrem
Character anpaßt, wenigstens wie jetzt die Nation sich ausgebildet hat.
Ueberall widerstreitende Elemente, welche verbunden sich aufreiben
könnten, aber neben einander gestellt sich wetteifernd zu dem Höheren
treiben, und unendlich viel Mannigfaltiges, Eigenthümliches wecken
und nähren werden! Mit diesem Reichthum des Mannigfaltigen[[9]]
werden die Deutschen stets einen ausgezeichneten Platz unter den
Völkern behaupten, während leicht alles zur Plattheit und Stumpfheit
herabsinken könnte, wenn es der allmächtigen Hand eines Einzigen
gelänge, die Deutschen Völker zu einer vollen politischen Einheit zu
stimmen.

Allein wenn man auch im Ganzen über jene Vereinzelungen getröstet
ist,(2) so darf doch nicht vergessen werden, daß dieser Zustand
möglicher Weise die größten Gefahren droht, wenn unsre Regenten das
Eigenthümliche ihrer Lage übersehen sollten; wenn sie die nothwendigen
Uebel großer Staaten unbedachtsam nachahmten; wenn sie dem Volke
durch eine sinnlose Hofpracht Achtung einzuflößen suchten, Statt sich
dieselbe auf dem besseren Wege einer thätigen, milden, kräftigen
Regierung zu verschaffen, und nur allein darauf ausgingen, ohne
freundliche Verbindung mit den Nachbarstaaten die Erreichung großer
Zwecke kümmerlich durch die kleinen Mittel abgeschiedener eigner
Kräfte zu versuchen. Grade von dieser Seite drohen uns aber unendliche
Gefahren, und wenn unsre Fürsten den Einflüsterungen derer trauen,
welche jetzt ihrer Stimme[[10]] leicht das mehrste Gewicht geben
könnten, so werden die rechtlichen und kräftigen Männer der Nation
wenig Grund haben, mit heiterem Vertrauen der Zukunft entgegen zu sehen.

Es ist nicht meines Berufs, unsre künftigen politischen Verhältnisse
von dieser Seite zu beleuchten; aber dazu bin ich lange genug
thätiger Civilist gewesen, um ohne Unbescheidenheit in diesem großen,
verhängnisvollen Augenblick meine Wünsche über unsre künftigen
bürgerlichen Verhältnisse äußern zu dürfen. Und in der That ist dieß
auch die Seite, welche am mehrsten hervorgehoben zu werden verdient.
Denn in Beziehung auf politische Organisationen(3) ist schon so viel
vorgearbeitet, daß die Wahl des Zweckmäßigen mehr nur noch von dem
guten Willen, als der Anstrengung des Verstandes abhängt; aber in
bürgerlicher, privat-rechtlicher Hinsicht thut es Noth, daß über
die frostigen herrschenden Ansichten ein warmer Hauch gehe, um das
Erstarrte aufzulösen, und alles in das Leben hervorzurufen, was unter
den Händen gewöhnlicher Staatskünstler wie eine todte Masse auf den
heiligsten Verhältnissen des Bürgers lastet.

[[11]] Mehrere Zeichen der Zeit zwingen mich fast, die folgenden
Wünsche schnell zu äußern. Die Deutschen sind in dem letzten Jahre aus
einem langen Schlummer erwacht. Alle Stände haben der guten Sache mit
einer Kraft und Eintracht gedient, welche fast beyspiellos genannt
werden kann, und unsre Fürsten haben ein Uebermaß von Gründen erhalten,
um sich zu überzeugen, daß die Deutschen ein edles, kräftiges,
hochherziges Volk sind, welches nicht bloß auf die Gerechtigkeit,
sondern auch auf die Dankbarkeit seiner Regierungen lauten Anspruch
machen darf, also auch darauf, daß man diesen herrlichen Augenblick
benutze, um endlich alte Mißbräuche zu zerstören, und durch neue weise
bürgerliche Einrichtungen das Glück des Einzelnen fest zu begründen.
Aber grade in diesem Augenblick, und nachdem die zahllosen Gebrechen
unsrer früheren bürgerlichen Verfassung von vielen unsrer ersten
Rechtsgelehrten längst anerkannt waren, grade in diesem Augenblick
hat man an vielen Orten nichts eiliger zu thun gehabt, als das krause
Gemisch des alten Wirrwarrs gegen das eingeführte neueste Recht mit
einem schneidenden Machtwort[[12]] wieder herzustellen, jeden kleinen
Staat zu organisiren, als ob er mit der ganzen Welt durch keinen
Faden zusammen hänge, und den kleinen eignen Kräften unbesorgt das
Unglaubliche zuzutrauen. Die Theorie ist dabey denn auch nicht müßig
geblieben, und aus dem Munde eines geistvollen, edeln Schriftstellers
haben wir laut vernehmen müssen, daß es genüge, wenn man den Deutschen
zu seinen alten Gewohnheiten zurückführe, und sich allenfalls da und
dort eine Besserung im Einzelnen vorbehalte.

Ich bin dagegen der Meynung, daß unser bürgerliches Recht (worunter ich
hier stets das Privat- und Criminal-Recht, und den Proceß verstehen
werde) eine gänzliche schnelle Umänderung bedarf, und daß die Deutschen
nicht anders in ihren bürgerlichen Verhältnissen glücklich werden
können, als wenn alle Deutschen Regierungen mit vereinten Kräften die
Abfassung eines, der Willkühr der einzelnen Regierungen entzogenen, für
ganz Deutschland erlassenen Gesetzbuchs zu bewirken suchen.

Man kann und muß an jede Gesetzgebung zwey Forderungen machen: daß
sie formell und[[13]] materiell vollkommen sey; also daß sie ihre
Bestimmungen klar, unzweydeutig und erschöpfend aufstelle, und daß
sie die bürgerlichen Einrichtungen weise und zweckmäßig, ganz nach
den Bedürfnissen der Unterthanen, anordne. Leider gibt es aber kein
einziges Deutsches Reichsland, wo auch nur Eine dieser Forderungen
halb befriedigt ist. Unsre altdeutschen Gesetzbücher, deren es in
vielen Ländern noch wieder ein buntes Allerley gibt, sprechen wohl da
und dort den einfachen germanischen Sinn kräftig aus, und ließen sich
insofern für einzelne Rechtsfragen bey einer neuen Gesetzgebung sehr
gut benutzen. Allein daß sie häufig den Bedürfnissen unsrer Zeit nicht
entsprechen, überall die Spuren alter Rohheit und Kurzsichtigkeit an
sich tragen, und in keinem Fall als allgemeine, umfassende Gesetzbücher
gelten können, darüber war und ist unter den Kennern nur Eine Stimme.
Was sich sonst noch von einheimischen Particular-Gesetzen an sie
schließt -- die Landesherrlichen Verordnungen, -- hat zwar häufig
über diese oder jene einzelne Einrichtung etwas Gutes nachgetragen;
aber alles ist doch in der Regel ein furchtsames Bessern im[[14]]
Kleinen, und die ganze verwirrte Masse wird mehrentheils durch sich
selbst erdrückt. Von unsern alten durchsichtigen Reichsgesetzen läßt
sich höchstens nur behaupten, daß sie wenige zweckmäßige Anordnungen,
z. B. für Vormundschaften und den Proceß enthalten; aber eigentliche
Gesetzbücher sind sie nicht, die einzige Carolina abgerechnet, deren
Unzweckmäßigkeit für die jetzige Zeit so anerkannt ist, daß selbst
die Freunde des Unwandelbaren die unbedingte Nothwendigkeit neuer
Criminal-Gesetze zugeben mußten. So ist also unser ganzes einheimisches
Recht ein endloser Wust einander widerstreitender, vernichtender,
buntschäckiger Bestimmungen, ganz dazu geartet, die Deutschen von
einander zu trennen, und den Richtern und Anwälden die gründliche
Kenntniß des Rechts unmöglich zu machen. Aber auch eine vollendete
Kenntniß dieses chaotischen Allerley führt nicht weit. Denn unser
ganzes einheimisches Recht ist so unvollständig und leer, daß von
hundert Rechtsfragen immer wenigstens neunzig aus den recipirten
fremden Gesetzbüchern, dem Kanonischen und Römischen Recht, entschieden
werden müssen. Grade hier erreicht aber[[15]] das Ungemach den höchsten
Gipfel. Das Kanonische Recht, so weit es nicht auf die Katholische
Kirchenverfassung, sondern auf andre bürgerliche Einrichtungen geht,
ist nicht des Nennens werth; ein Haufen dunkler, verstümmelter,
unvollständiger Bestimmungen, zum Theil durch schlechte Ansichten
der alten Ausleger des Römischen Rechts veranlaßt, und so despotisch
in Ansehung des Einflusses der geistlichen Macht auf weltliche
Angelegenheiten, daß kein weiser Regent sich ganz demselben fügen
kann. Die letzte und hauptsächlichste Rechtsquelle bleibt daher für
uns das Römische Gesetzbuch, also das Werk einer uns sehr ungleichen
fremden Nation aus der Periode des tiefsten Verfalls derselben, die
Spuren dieses Verfalls auf jeder Seite an sich tragend! Man muß ganz in
leidenschaftlicher Einseitigkeit verfangen seyn, wenn man die Deutschen
wegen der Annahme dieses mißrathenen Werkes glücklich preist, und
dessen fernere Beybehaltung im Ernst anempfiehlt. Unendlich vollständig
ist es zwar, aber etwa in eben dem Sinne, wie man die Deutschen
unendlich reich nennen kann, weil ihnen alle Schätze unter ihrem Boden
bis zum[[16]] Mittelpunkt der Erde gehören. Wenn sich nur alles ohne
Kosten ausgraben ließe: da liegt die leidige Schwierigkeit! Und so
denn auch bey dem Römischen Recht! Es läßt sich nicht bezweifeln, daß
tief gelehrte, scharfsinnige, unermüdete Juristen über jede Theorie
etwas Erschöpfendes aus den zerrissenen Fragmenten dieses Gesetzbuchs
zusammentragen können, und daß wir vielleicht nach tausend Jahren so
glücklich sind, über jede der tausend wichtigen Lehren, welche noch
zur Zeit im Dunkeln liegen, ein classisches, erschöpfendes Werk zu
erhalten. Allein den Unterthanen liegt nichts daran, daß gute Ideen
sicher in gedruckten Werken aufbewahrt werden, sondern daß das Recht
lebendig in den Köpfen der Richter und Anwälde wohne, und daß es
diesen möglich sey, sich umfassende Rechtskenntnisse zu erwerben.
Dieß wird aber bey dem Römischen Recht stets unmöglich bleiben. Die
ganze Compilation ist zu dunkel, zu flüchtig gearbeitet, und der
wahre Schlüssel dazu wird uns ewig fehlen. Denn wir besitzen nicht
die Römischen Volks-Ideen, welche den Römern unendlich vieles leicht
verständlich machen mußten, was uns ein Räthsel[[17]] ist; etwa wie
neuerlich viele seichte Französische Juristen mit Leichtigkeit den
Code von der rechten Seite ansahen, wo die Deutsche Gründlichkeit
mit schwerfälliger Arbeit immer das Ziel verfehlte. Wir müssen
folglich überall auf einen tüchtigen gelehrten Apparat bedacht seyn,
und da werden denn, bey der Mannigfaltigkeit und Dürftigkeit der
historischen Quellen, die Erörterungen so weitschichtig, verwickelt,
und mehrentheils so gewagt, daß kein Practiker im Stande ist, sich
die entdeckten Schätze gehörig anzueignen. Gibt es doch sogar keinen
Professor der Pandekten in ganz Deutschland, welcher sich nachrühmen
könnte, daß es ihm möglich gewesen sey, alle einzelnen Lehren
seines beschränkten Fachs historisch-dogmatisch aus den Quellen zu
studieren, oder vollständig zu durchdenken. Aber laßt uns auch nur noch
offenherzig gestehen: das Römische Recht wird nie zur vollen Klarheit
und Gewißheit erhoben werden. Denn die Erklärungsquellen fehlen uns
bey jeder Gelegenheit, und der ganze Wust jämmerlich zerstückelter
Fragmente führt in ein solches Labyrinth gewagter, schwankender
Voraussetzungen, daß der Ausleger selten einen ganz festen[[18]] Boden
gewinnen kann, der nächste beste Ausleger also immer wieder angelockt
wird, neue Ideen zu versuchen, und die bisherigen umzuwerfen. Wir haben
ja darüber recht grüne Erfahrungen an einigen neueren trefflichen
Werken, welche schwerlich so bald wieder ihres Gleichen finden werden,
und doch auf der Stelle den lebhaftesten Angriffen ausgesetzt waren,
ohne sich in der gemeinen Meynung eines vollständigen Sieges erfreuen
zu können. Was aber vor allem dem Römischen Recht entgegensteht, ist
die innere Schlechtigkeit seiner mehrsten Bestimmungen, besonders
in Beziehung auf Deutschland. Zwar hat *Leibnitz* durch seine fast
leidenschaftlichen Aeußerungen über das Genie der Römischen Juristen
ein heiliges Staunen bey Vielen veranlaßt; allein jene Aeußerungen
gingen mehr nur auf das Formelle, und beziehen sich keineswegs auf das
ganze Gesetzbuch. In jener Hinsicht sind sie freylich wahr, treffen
aber auch insofern nicht das vorhin Gesagte. Denn alles, was man den
classischen Juristen zugestehen kann und muß, ist eine hohe Consequenz,
und eine ungemeine Leichtigkeit in der Anwendung allgemeiner[[19]]
positiver Rechtssätze auf die feinsten, verwickeltsten Einzelnheiten.
Allein zu leugnen ist es auch nicht, daß sie später immer mehr in eine
schwankende Billigkeit geriethen, und daß ihr Scharfsinn im Grunde der
wahren Rechtsweisheit eben so viel schadete, als nutzte. Denn überall
standen sie unter dem Zwange positiver Grundlagen aus der Periode
der Barbarey, und da ward dann durch folgerechte Auslegung das Uebel
nicht gemindert, sondern gemehrt. So kann man z. B. die Theorie
der Classiker über väterliche Gewalt und Erbrecht ein Meisterstück
juristischer Consequenz und Zergliederungskunst nennen; aber man muß
auch hinzusetzen: wehe der Nation, wo die Juristen dazu verurtheilt
sind, an solchen rohen, einseitigen Grundlagen ihren Scharfsinn zu
üben! Und was hilft uns auch alle Weisheit der Classiker, da ihre
Ideen nicht rein auf uns gekommen sind; da die späteren Kaiserlichen
Constitutionen fast jede einzelne Rechtslehre mißhandelt und verbildet
haben; und da nun das Ganze als ein wahrhaft gräßliches Gemisch
kluger und toller, consequenter und inconsequenter Bestimmungen vor
uns liegt! Dieß trifft nicht[[20]] bloß eine zahllose Menge kleiner
Rechtssätze, sondern große Rechtsmassen, welche als die Grundsteine
des ganzen bürgerlichen Rechts gelten können, namentlich die Lehre
von der elterlichen Gewalt, der Sicherheit des Eigenthums, dem
Hypotheken-Wesen, dem Erbrecht, und der Verjährung.(4)

Wären aber auch alle diese Vorwürfe ungegründet, so bleibt doch noch
immer der, alles denkbare Schlechte übertreffende Umstand übrig, daß
wir -- unglaublicher Weise -- in dem Römischen Recht ein Gesetzbuch
haben, dessen Text wir nicht besitzen, und dessen Inhalt insofern einem
Irrlicht zu vergleichen ist. Kein authentischer oder patentisirter Text
ist aufgenommen, sondern das ideale Recht, wie man es nennen möchte,
welches sich in den, ganz verschieden lautenden vorhandenen zahllosen
Handschriften vorfindet. Die Masse dieser Varianten ist nun aber
ungeheuer. Bloß in der Gebauerschen Ausgabe nimmt ihr Abdruck so viel
Raum ein, als ein Viertheil des Textes; und doch ist es bekannt genug,
daß bey dieser Ausgabe nicht der hundertste Theil der unentbehrlichen
Hülfsmittel[[21]] benutzt ist. Wie ein Gelehrter nur ein Paar Wochen
lang gute Handschriften oder Ausgaben vergleicht, entdecken sich immer
neue überraschende Varianten, und es läßt sich gar nicht bezweifeln,
daß ein guter Theil herkömmlicher Rechtsansichten über den Haufen
geworfen werden müßte, wenn unsre *Cramer* und *Savigny* so glücklich
wären, zehn Jahre zu Rom an der Stelle zu sitzen, wo *Brenkmann* nach
dem Maaß seiner Kräfte der guten Sache zu dienen suchte. Also hängt
das Glück unsrer Bürger davon ab, ob unsre Gelehrten in Rom und
Paris liberal behandelt werden, und fleißig sammeln, oder nicht!(5)
Und wenn wir denn endlich das ersehnte Ziel erreicht hätten, wenn
die Varianten aller Handschriften und Ausgaben zu Einem großen Berge
zusammengefahren wären, was würde dann der Erfolg seyn? Die geschickte
Auswahl aus verschiedenen Lesarten hängt in der Regel vom bloßen Gefühl
ab, und die Wahl läßt sich selten streng rechtfertigen. Da werden
also die critischen Zänkereyen bis ins Unendliche vervielfältigt
werden, zumal da wir guten Rechtsgelehrten nichts so sehr lieben,
als die Meynungen Andrer, eben weil sie von Andern herrühren,[[22]]
außerordentlich bedenklich zu finden, und zu der Eröffnung einer neuen
Instanz alle Kräfte aufzubieten. Die Praktiker müssen aber bey solchen
hochgelehrten Streitigkeiten, wie Buridans geduldiges Thier zwischen
seinen beyden Heubündeln, mit unbewegtem Kopf in der Mitte stehen
bleiben, oder sich entschließen, ihre Richter so in Bewegung zu setzen,
wie jener Franzose den lieben Gott, indem er für den Deutschen Gott in
Hannover ein Deutsches A B C kaufte, und es mit der Bitte gen Himmel
hielt: mach dir selbst ein Vater unser daraus! -- Wäre dieß alles
nicht, wie würde es dann auch möglich gewesen seyn, daß edle Deutsche
Rechtsgelehrte es über sich hätten erhalten können, in den Zeiten der
Schmach und Unterdrückung dennoch ihrem Vaterlande die Annahme des
Neu-Französischen Civil-Rechts in vollem Ernste zu empfehlen?

Freylich ist es nicht zu leugnen, daß die Einführung des Römischen
Rechts unserm gelehrten Treiben vielfach sehr förderlich war, besonders
dem Studio der Philologie und Geschichte, und daß die ganze große
räthselhafte Masse dem Scharfsinn und der Combinations-Gabe der
Juristen immer[[23]] viel Gelegenheit gab, und geben wird, sich zu üben
und zu verherrlichen. Allein der Bürger wird immer darauf bestehen
dürfen, daß er nun einmal nicht für den Juristen geschaffen ist, so
wenig als für die Lehrer der Chirurgie, um an sich lebendigen Leibes
anatomische Versuche anstellen zu lassen. Alle eure Gelehrsamkeit,
alle eure Varianten und Conjecturen, -- alles dieß hat die friedliche
Sicherheit des Bürgers tausendfältig gestört, und nur den Anwälden
die Taschen gefüllt. Das Bürgerglück frägt nicht nach gelehrten
Advocaten, und wir würden dem Himmel inbrünstig zu danken haben, wenn
es durch einfache Gesetze herausgebracht würde, daß unsre Anwälde ganz
der Gelehrsamkeit entrathen könnten, wie wir auch allen Grund hätten,
überselig zu seyn, wenn unsre Aerzte mit sechs Universal-Arzeneyen
alle Krankheiten mechanisch zu heilen vermöchten. Für wahre
wissenschaftliche Thätigkeit giebt es immer so viele Gegenstände, daß
man nie genöthigt seyn wird, Knoten zu schürzen, um sie nachher lösen
zu können. Aber ich behaupte noch mehr: eure beste Gelehrsamkeit hat
für das bürgerliche Wesen den wahren ächten juristischen Sinn von
jeher nicht[[24]] belebt, sondern getödtet. Die Masse des Positiven
und Historischen ist zu ungeheuer. Der gewöhnliche Jurist, dem doch
das Glück der Bürger in der Regel überlassen bleibt, kann diese Massen
nur nothdürftig mit dem Gedächtniß festhalten, aber nie geistvoll
verarbeiten. Daraus entsteht denn eine Hölzernheit und Aengstlichkeit,
welche Erbarmen erregt, und am Ende liegt immer ein alter Tröster
im Hintergrunde, woraus mechanisch der nöthige Rath geschöpft wird.
Man vergleiche nur die Anwälde in England, wo man durch Römische
Alterthümer und Varianten wenig geängstigt wird, mit unsern belobten
Rechtsfreunden. Dort ist alles Leben und frische Eigenthümlichkeit,
während bey uns in den mehrsten Ländern alles auf hölzerne Füße
gestellt ist, und so matt und pedantisch einherschleicht, daß man
am Ende kaum umhin kann, den Rabulisten, welche vom Positiven und
Gelehrten nichts kennen, aber lustig in das weite Meer hinaussteuren,
vorzugsweise geneigt zu werden.

Nehmen wir nun dieß alles zusammen, so muß jedem Vaterlandsfreunde der
Wunsch sich aufdrängen, daß ein einfaches Gesetzbuch, das[[25]] Werk
eigner Kraft und Thätigkeit, endlich unsern bürgerlichen Zustand, den
Bedürfnissen des Volks gemäß, gehörig begründen und befestigen möge,
und daß ein patriotischer Verein aller Deutschen Regierungen dem ganzen
Reich die Wohlthaten einer gleichen bürgerlichen Verfassung auf ewige
Zeiten angedeihen lasse. Ich will versuchen, zuerst die Vortheile
dieser großen Neuerung anschaulich zu machen, und dann dasjenige zu
beseitigen, was man etwa gegen ihre Ausführbarkeit einwenden könnte.

Zuerst, den Gelehrten zu gefallen, die Sache nur von der
wissenschaftlichen Seite betrachtet: welcher unendliche Gewinn für
die wahre, höhere Bildung der Diener des Rechts, der Lehrer und
Lernenden! Bisher war es unmöglich, daß irgend Jemand, und wäre er
auch der fleißigste Theoretiker gewesen, das ganze Recht übersehen,
und mit Geist gründlich durchdringen konnte. Jeder hatte höchstens
nur seine starken Seiten; an tausend Orten Nacht und Finsterniß! Von
den unschätzbaren Vortheilen des Uebersehens der Wechselwirkung aller
einzelnen Glieder der Rechtswissenschaft ist uns nichts zu Theil
geworden. Ein[[26]] einfaches National-Gesetzbuch, mit Deutscher
Kraft im Deutschen Geist gearbeitet, wird dagegen jedem auch nur
mittelmäßigen Kopfe in allen seinen Theilen zugänglich seyn, und
unsre Anwälde und Richter werden dadurch endlich in die Lage kommen,
daß ihnen für jeden Fall das Recht lebendig gegenwärtig ist. Auch
läßt sich nur bey einem solchen Gesetzbuch eine wahre Fortbildung der
Rechtsansichten als möglich denken. Mit unsern bisherigen gelehrten
Erörterungen haben wir uns zwar immer tiefer in Philologie und
Geschichte hineingewühlt, aber der kräftige Sinn für Recht und Unrecht,
für die Bedürfnisse des Volks, für ehrwürdige Einfalt und Strenge der
Gesetze, ist bey diesem mühseligen Treiben immer stumpfer geworden.
Was hätte sich auch für jene Fortbildung thun lassen, da die mehrsten
Theile unsres positiven Rechts durch und durch verdorben sind, da wir
ihre Gründe selten genau kennen, und da so auf der einen Seite keine
Hoffnung der Besserung, und auf der andern Seite wenig Gelegenheit zu
belebenden Erörterungen war! Wäre dagegen ein kräftiges einheimisches
Gesetzbuch das Gemeingut Aller, wäre es von anerkannt bedeutenden[[27]]
Staatsmännern und Gelehrten verfaßt, nach reifer Prüfung und voller
Benutzung des öffentlichen Urtheils, und wären dann auch dessen
Gründe mit unbedingter Offenheit zur allgemeinen Kenntniß gebracht,
so würde nun die wahre Rechtswissenschaft, d. h. die philosophirende,
sich leicht und frey bewegen können, und Jeder würde Gelegenheit und
Hoffnung haben, zur fernern Vervollkommnung dieses großen Nationalwerks
mitzuwirken. Auch wäre es unschätzbar, daß nun alle Deutschen
Rechtsgelehrten einen gleichen Gegenstand ihrer Untersuchungen
hätten, und durch stete Mittheilung ihrer Ideen über dasselbe Werk
sich wechselseitig heben und unterstützen könnten, daß also die
trostlosen Winkelpfuschereyen, unter denen bisher unsre zahllosen
Particular-Gesetze daniederlagen, im Wesentlichen ganz aufhörten.

Sieht man aber auf den academischen Unterricht, so ist der Gewinn
ebenfalls unermeßlich. Bisher war das, doch immer höchst wichtige
Particular-Recht nirgend der Gegenstand gründlicher Vorträge auf den
Academien, konnte es nicht seyn, und wird es nie werden. Denn unsre
Academien bleiben gewiß, wie es heiß zu wünschen ist, allgemeine[[28]]
Bildungsanstalten für ganz Deutschland, und werden nie zu bloßen
Landesanstalten herabsinken, wo alles unter der Abgeschiedenheit und
Kleinlichkeit verkümmern muß. Wie kann aber hier jemals ein wahrer
Eifer der Lehrer für das einheimische Landrecht entstehen, da sie immer
bey Vorträgen über allgemeineres Recht auf ein weit größeres Publicum
rechnen können, besonders insofern, als sie schriftstellerische
Arbeiten unternehmen? Auch wird sich jeder Lehrer besserer Art die
goldene Aussicht erhalten wollen, in andern Freyhäfen eine freundliche
Aufnahme zu finden, wenn seine bisherige Stelle ihm mißfällt,
also nicht zu viel aufladen, was die Freyzügigkeit beschwerlich
machen könnte. So hat denn bisher über dem Particular-Recht in
wissenschaftlicher Hinsicht eine schwarze Nacht gelegen, und der junge
Practiker mußte sich darin immer durch eigne Kraft zu orientiren
suchen; ein unglückliches Geschäft, welches selten gerieth, da die
Particular-Gesetze zu zerstreut und mannigfaltig sind, und da selten
in einem Lande auch nur zehn practische Juristen das Glück haben, eine
vollständige Sammlung jener Gesetze zusammenbringen[[29]] zu können. So
schloß sich denn in der Regel an die vornehme academische Bildung eine
ungeheure Lücke, welche nur nach mannigfaltigem Wagen und Umhertappen
einigermaßen ausgefüllt werden konnte. Mit einem allgemeinen Gesetzbuch
wären dagegen Theorie und Praxis in die unmittelbarste Verbindung
gebracht, und die gelehrten academischen Juristen würden unter den
Practikern ein Wort mitreden dürfen, während sie jetzt überall mit
ihrem gemeinen Recht in der Luft hängen.

Aber auch noch von einer andern Seite würde ein solches einfaches
National-Gesetzbuch dazu beytragen, daß der, so wichtige practische
Sinn unsrer Lernenden mehr geschärft werden könnte. Jetzt erschöpft
sich alles im Auswendiglernen zahlloser verwirrter Gesetze,
Definitionen, Distinctionen, und historischer Notizen. Für
Wohlredenheit, für Gewandtheit im Angreifen und Vertheidigen, für
Ausbildung des Talents, einer Rechtssache gleich vom Anfange an den
besten Wurf zu geben, für die Kunst, Geschäfte vorsichtig einzurichten,
für dialektische Schärfe und Schnellkraft, -- für das alles geschieht
mehrentheils nichts, und kann bey der gelehrten Ueberfüllung
nichts[[30]] Genügendes geschehen. So werden daher unsre Entlassenen in
die Welt hinaus gestoßen, um selbst durch Fallen das Gehen zu lernen;
und so muß man noch dem Himmel danken, wenn nur nachher in einer
langen Reihe von Jahren die Hälfte desjenigen, was ein geschickter
academischer Unterricht in kurzer Zeit leicht mittheilen könnte,
mühselig errungen wird. Wodurch sind auch die classischen Juristen
der Römer so groß geworden? Nicht durch endlose Ableitung dunkler
Rechtssätze aus Griechischen und Römischen Alterthümern; sondern
dadurch, daß einfache vaterländische Gesetze die Grundlage ihrer
Auslegungen waren, und daß so ungehindert für volle Gewandtheit des
Geistes alles Mögliche geschehen konnte. Auf jeder der Rechtsschulen zu
Rom, Berytus und Constantinopel gab es nur zwey ordentliche Professoren
des Rechts, aber eine Menge von Griechischen und Römischen Rhetoren und
Grammatikern; und wenn damals Staatswissenschaften und Naturrecht schon
so durchgearbeitet gewesen wären, wie jetzt, so würden wir gewiß, Statt
Eines Professors der Philosophie, weit mehrere den Juristen beygegeben
finden.(6)

[[31]] Mehr als Alles ist es aber in Beziehung auf die
wissenschaftliche Bildung, daß mit der Einführung eines neuen weisen
National-Gesetzbuchs der academische Rechtsunterricht in allen Theilen
geistvoll werden kann. Jetzt ist nur zu vieles todt und abschreckend.
Die schlechte Beschaffenheit unsrer bisherigen Gesetze hat die Folge
gehabt, daß Niemand im gemeinen Leben den gangbaren Rechtszustand
mit Gefallen betrachten, und sich dabey verweilen mag. Man läßt das
krause Unwesen fortlaufen, wie es Gott gefällt, und bekümmert sich
nicht darum. So betreten denn unsre Anfänger die Academien, ohne je
über Gegenstände ihres Fachs auch nur entfernt nachgedacht zu haben,
und die Lehrer des Rechts sind nie so glücklich, wie die Lehrer der
Theologie und Medizin, daß sie ihre Vorträge an eine warme natürliche
Vorstellungsart, und lebhafte gemeine Begriffe anknüpfen können. Unsre
Naturrechte sind nicht dazu geschaffen, den civilistischen Verstand
aufzuschließen und groß zu bereichern; und wären sie auch ganz, was sie
seyn sollten, so würden sie doch das Interesse für das Positive nicht
heben. Denn dieß schwarze, unübersehbare Allerley läßt sich[[32]] nur
in einzelnen kleinen Theilen aufhellen, und mit der Philosophie in
Eintracht bringen. Das Mehrste muß mit dem bloßen Gedächtniß aufgefaßt,
und knechtisch angenommen werden, weil es nun einmal so ist; und
daher führt hier die gespannteste Unverdrossenheit den Studierenden
nie zu dem regen Eifer, und der innigen Anhänglichkeit an sein Fach,
wodurch sich tüchtig gebildete Aerzte, Theologen und Physiker so
oft auszeichnen. Wären wir dagegen so glücklich, ein gut gerathenes
Gesetzbuch zu besitzen, welches wir mit gerechtem Stolz das Werk unsrer
eignen Kraft nennen könnten, und dessen Segen sich in der Erfahrung
klar erkennen ließe: so würde der Anfänger mit fruchtbaren Begriffen
des gemeinen Lebens die Academie betreten, und die philosophischen und
positiv-rechtlichen Vorträge würden, Statt sich einander zu zerstören,
in steter wohlthätiger Wechselwirkung erhalten werden können.(7)

Sehen wir nun ferner auf das Glück der Bürger, so kann es gar
keinen Zweifel leiden, daß ein solches einfaches Gesetzbuch für
ganz Deutschland die schönste Gabe des Himmels genannt zu werden
verdiente. Schon die bloße Einheit wäre[[33]] unschätzbar. Wenn auch
eine politische Trennung Statt finden muß und soll, so sind doch die
Deutschen hoch dabey interessirt, daß ein brüderlicher gleicher Sinn
sie ewig verbinde, und daß nie wieder eine fremde Macht den einen Theil
Deutschlands gegen den andern mißbrauche. Gleiche Gesetze erzeugen
aber gleiche Sitten und Gewohnheiten, und diese Gleichheit hat immer
zauberischen Einfluß auf Völkerliebe und Völkertreue gehabt. Außerdem
macht der bürgerliche Verkehr jene Einheit fast zu einer schreyenden
Nothwendigkeit. Unsre Deutschen Länder können allein durch einen
lebhaften, inneren, wechselseitigen Verkehr ihren Wohlstand erhalten,
und von dem schneidenden Volks-Egoismus, den der Französische Code
ausspricht, darf bey uns durchaus nichts gehört werden. Ist also
keine Gleichheit des Rechts, so entsteht das fürchterliche Unwesen
der Collision der Gesetze, wobey denn noch wieder der leidige Umstand
eintritt, daß es, nach *Hert*, wenigstens hundert und drey und dreyßig
Streitfragen über jene Collision gibt, die armen Unterthanen also bey
ihrem Verkehr in solche ewige Stockungen gerathen, und in ein solches
Labyrinth von Unsicherheit[[34]] und Schwanken verstrickt werden, daß
ihr ärgster Feind sie nicht übler berathen könnte. Die Einheit des
Rechts würde dagegen den Weg des Bürgers von dem einen Lande in das
andre eben und sicher machen, und schlechte Anwälde würden nicht mehr
Gelegenheit finden, bey dem Verkauf ihrer Rechtsgeheimnisse die armen
Ausländer schändlich auszusaugen und zu mißhandeln.

Betrachten wir nun aber noch das Recht in seinem innern Seyn und Wesen,
so muß sich dem Unpartheyischen von selbst die Ueberzeugung aufdringen,
daß ein weises, tief durchdachtes, einfaches und geistvolles Gesetzbuch
grade dasjenige ist, was der Deutsche Bürger zu seiner Stärkung und
Erhebung unentbehrlich bedarf, damit die politische Zersplitterung,
und die mit derselben unzertrennlich verknüpften Kleinlichkeiten ein
tüchtiges Gegengewicht erhalten; und daß in der Regel kein einzelner
Regent im Stande seyn wird, ein solches Gesetzbuch durch seine Diener
entwerfen zu lassen. Es ist wahr, wir haben in Deutschland viele
treffliche, geübte, erfahrene Beamte; aber fast immer nur für das,
was im weiteren Sinne *Verwaltung* zu nennen ist,[[35]] also für
Anwendung bestehender Gesetze. Männer, welche der Gesetzgebung, und
insbesondere der allgemeinen, abstracten Gesetzgebung gewachsen sind,
gibt es sehr wenige, selbst im gelehrten Stande. Dieß darf auch nicht
befremden, und ist kein Vorwurf, welcher irgend eine Bitterkeit mit
sich führt. Denn eine gute Gesetzgebung ist das schwerste unter allen
Geschäften. Es gehört dazu ein reiner, großer, männlicher, edler Sinn;
eine unbedingte Festigkeit, damit man sich nicht durch falsches
Erbarmen und kleinliche Nebenrücksichten überraschen lasse, und eine
unendliche Umsicht und Mannigfaltigkeit der Kenntnisse. Wo solche
Bedingungen gefordert werden, da darf ein Einzelner, da dürfen Wenige
Einzelne sich nicht anmaßen, daß sie die Weisheit für alle Andern
besitzen, sondern die Kräfte vieler der Ersten müssen vereinigt werden,
damit durch eine große Wechselwirkung etwas Gediegenes und Geründetes
vollbracht werde. Kein Deutsches Justiz-Ministerium wird, wenn es mit
bescheidener Wahrhaftigkeit reden will, behaupten mögen, daß ihm die
Fähigkeit beywohne, auch nur eine einzige der vielen Hauptlehren des
bürgerlichen[[36]] Rechts so untadelhaft zu bearbeiten, daß das Werk
kühn, nicht etwa den Advocaten und Richtern dieses Landes, sondern
öffentlich den besseren Deutschen Rechtsgelehrten zur Prüfung vorgelegt
werden dürfte. Auch der Geschickteste versuche, nur über Kleinigkeiten
ein Gesetz zu entwerfen. Die Umfrage bey Andern, wie die spätere
Erfahrung, wird immer seine Begriffe mannigfaltig berichtigen; und wer
hier allein, oder nur mit wenigen Gehülfen wirkt, den wird sein Werk
nach kurzer Zeit immer wieder zum Theil gereuen.

Aber es muß noch hinzugesetzt werden: die Begriffe über Gesetzgebung
sind bey vielen Deutschen Staatsbeamten allmählig, und besonders in
der letzter Zeit der Auflösung und Umkehrung, vielfach im höchsten
Grade schief und despotisch geworden; und dieses Uebel wird eher
zu- als abnehmen, wenn die Particular-Gesetzgebungen, welche als solche
von der öffentlichen Stimme wenig zu fürchten haben, auch fernerhin
an den unglücklichen Bürgern leichtsinnig ihre Versuche im Dunkeln
anstellen. Ich brauche nur das Beyspiel eines bedeutenden verstorbenen
Staatsmannes[[37]] anzuführen, welcher unlängst in einem Deutschen
Lande im Fach der Gesetzgebung kräftig wirkte. Er war ein Mann von
festem Sinn, vieler Rechtlichkeit, großem Scharfblick, arbeitsam über
alle Begriffe, und reich an Landeskenntnissen wie Wenige. In einem
großen Collegio, als thätiger Gehülfe Vieler, aber auch nur auf seine
Stimme beschränkt, würde er der Segen des Landes gewesen seyn. Allein
er überhob sich seiner Kräfte, wollte für Viele und über Viele hinüber
den rechten Verstand haben;(8) und da erfolgte denn ein Rechts-Jammer,
worunter das ganze Land tief gebeugt ward. Ewige Neuerungen und
Umwälzungen; reine Unwahrheiten in sogenannten authentischen
Auslegungen; Erklärungen, welche als Muster der Dunkelheit gelten
können; so wie, der ungehinderten Kühnheit wegen, eine Menge ganz
verkehrter Ansichten und Grundsätze! Als von der Möglichkeit der
Einführung des Code Napoleon die Rede war, stellte ich ihm einmal vor:
er möge einen bekannten schändlichen Artikel über uneheliche Kinder
nicht durchlassen; ferner den Art. 1649, wonach bey öffentlichen
Auctionen die heimlichen Mängel[[38]] ungestraft mit in den Kauf gehen,
als das Product eines groben Mißverstandes streichen; und endlich nicht
mit dem Art. 1139 verordnen, daß bey der Verabredung einer bestimmten
Zahlungszeit der Verzug doch nicht anders angenommen werden solle,
als wenn namentlich ausgemacht sey, das Nichtzahlen solle als Verzug
gelten, indem sich dieß ja von selbst verstehe, und der Bürger nie
durch willkührliche, unnütze Formen geplagt werden dürfe. Allein die
Antwort war: ~ad~ 1) Gottes Weltordnung sey auch unvollkommen; ~ad~ 2)
das werde zu viel Ueberlauf in den Gerichten machen; und ~ad~ 3) wenn
der Unterthan das neue Gesetzbuch gehörig einlerne, so wisse er ja,
was er zu thun und zu lassen habe. Man denke sich einen Gesetzgeber
nur mit diesen drey Grundsätzen: wir können ohne Noth zerstören, weil
dieß auch Blitze und Erdbeben unter Gottes Augen thun; wir können den
Betrogenen verderben lassen, wenn auf diese Art die Gerichte mehr Ruhe
haben; und wir können dem Bürger muthwillig Lasten aufladen, weil er
sie aus dem (mühseligen, und oft unmöglichen) Studio der Gesetze kennen
lernen kann: man denke sich einen[[39]] Gesetzgeber nur mit diesen
drey Grundsätzen thätig wirkend; welches Elend und Verderben an allen
Enden! Und solchen Jammer haben wir neuerlich viel erdulden müssen,
nicht durch den Willen unsrer guten Fürsten, welche außer Stande sind,
die Verwickelungen der bürgerlichen Verhältnisse ganz zu durchschauen,
sondern durch die Selbstsucht und die Halsstarrigkeit landesherrlicher
Diener; und dieß in einer Zeit, wo man Gottes Engel vom Himmel hätte
rufen mögen, um die Millionen Thränen zu trocknen, welche Noth und
Elend, Schmach und Schande den rechtlichen Deutschen, vom Höchsten bis
zum Niedrigsten, auspreßten!

Und wer wagt es zu sagen: es gibt unter uns nur *wenige* Staatsmänner
mit solchen verkehrten Grundsätzen, mit dieser Beschränktheit,
Eigenwilligkeit, diesem unglücklichen, verzehrenden Dünkel? Ihre
Zahl ist wahrlich nicht klein, und daneben gibt es noch so viele
Unwissenheit, so viele muthwillige Verstocktheit in alten Vorurtheilen,
so viele Lahmheit und Schlaffheit, daß es ein seltenes Glück seyn wird,
wenn ein Deutscher Fürst sich sagen darf: ich kann mich für das[[40]]
große Fach der Gesetzgebung meinen Räthen sicher anvertrauen; und dieß
um so mehr, da bey der Vereinigung der Diener eines einzigen Herrn gar
zu leicht das Ansehn des Einen die übrigen zur Nachgiebigkeit verführt,
und so in der Regel an keine volle Freyheit der Stimmen zu denken ist.
Diese Freyheit, und eine durchdringende Allseitigkeit der Ueberlegung
wird erst durch die Vereinigung Vieler aus allen Ländern erwirkt werden
können; und dann mag auch ein verkehrter Kopf, oder ein sittlich
Verdorbener mit unter laufen. Denn das ist grade der himmlische
Segen großer collegialischer Verhandlungen: die Schaam, diese große
Schutzwehr menschlicher Freyheit, wodurch auch der Hebel der Publicität
so allmächtig wirkt, bändigt hier immer die Schlechtigkeit des
Einzelnen. Alle werden durch die Kräfte Aller unglaublich ermuntert und
gehoben; und durch ein geduldiges Erwägen aller Bedenken und Einwürfe
schleifen sich am Ende die sämmtlichen Ecken so glatt herunter, daß das
vollendete Werk in der Regel und im Ganzen (und auf mehr als dieses:
im Ganzen darf man nie Anspruch machen!) den Beyfall jedes einzelnen
Stimmenden haben wird.(9)

[[41]] Uebrigens bedarf es kaum einer Erinnerung, daß ein solches
Gesetzbuch, wie es durch gemeinsames Wirken entstand, auch nur durch
eben ein solches nachher erforderlichen Falls gebessert werden
darf. Denn ohne dieß würde natürlich die beabsichtigte Einheit nur
kurze Zeit bestehen, und der böse Wille würde sich überall durch
schnelles Niederreißen zu rächen suchen. Die Sache müßte also wie
ein Völkervertrag unter feyerlicher Garantie der auswärtigen großen
alliirten Mächte behandelt werden. Man braucht auch nicht zu fürchten,
daß die künftige Bewirkung nothwendiger Aenderungen eben so viele
Weitläuftigkeiten veranlassen werde, als die jetzige Abfassung des
Gesetzbuchs. Denn die Haupttheile des Gesetzbuchs werden in der Regel
unangetastet bleiben, und die nöthigen Aenderungen im Zweifel immer aus
der Praxis, oder wissenschaftlichen Arbeiten so klar hervorgehen, daß
darüber nicht viel zu rechten seyn kann.(10)

Inzwischen ist mit Sicherheit darauf zu zählen, daß die bisher
entwickelten Gedanken da und dort großen Widerspruch finden werden.
Ich muß mich daher auf die möglichen Haupteinwürfe etwas[[42]] näher
einlassen,(11) wobey ich jedoch die schwierigen Seelen sich selbst
überlassen muß, welche gegen alles bloß deswegen zu warnen pflegen,
weil es Diesem oder Jenem mißfallen könnte. Denn dieses theilweise
Mißfallen ist nun einmal bey jedem Dinge unabwendlich, und würde nicht
zu vermeiden seyn, auch wenn ein Engel alles eingerichtet hätte.
Auf die Mehrzahl, und auf den besseren, gediegenen Theil der Nation
kommt es hier also an; und dieser wird gewiß nicht dadurch im Guten
wankend gemacht werden, weil nicht alles gleich idealisch werden,
oder nicht unbedingt einem Jeden gefallen will. Es geht hier, wie
mit den Beschlüssen der Majorität eines Collegii. In der Regel wird
dadurch gewiß das Bessere getroffen; und daher ist der Ueberstimmte ein
Verräther an der guten Sache, und wird dafür gehalten, wenn er sich
nicht fügen will, oder hinterrückisch durch heimliche Verbindungen
zu hintertreiben sucht, was er auf dem graden Wege der Rechtlichkeit
anzugreifen hat, oder auf sich beruhen lassen soll.

Jene Haupteinwendungen nun möchte ich in heimliche und öffentliche
eintheilen. Unter den letzten verstehe ich die, welche man als
rechtlicher[[43]] Mann ohne Erröthen vor aller Welt aussprechen darf;
unter den ersten aber diejenigen, deren man sich vielleicht hin und
wieder im Finstern bedienen möchte, um die Fürsten zu täuschen, und von
der Wahrheit abzulenken, welche aber, laut ausgesprochen, den Warnenden
der allgemeinen Verachtung aller Rechtlichen preiß geben.

Die heimlichen Einwendungen sind nun: ein solches Gesetzbuch lähme die
Macht, und hemme die Freyheit des einzelnen Landesfürsten; man müsse
sich jetzt in diesen schweren Zeiten aller Neuerungen enthalten; jede
Umwälzung der Rechtsverfassung rege das wilde Gemüth des Volks auf,
könne leicht Aufstand veranlassen, und am Ende Deutschland in eben den
Strudel hineinziehen, woraus sich Frankreich in diesem Augenblick kaum
gerettet habe.

Mit dem ersten Bedenken ist nun wohl ganz leicht fertig zu werden.
Denn edeln Deutschen Fürsten ist es nie darauf angekommen, daß die
Unterthanen von Woche zu Woche so recht weidlich herumregiert werden,
und immer Sporn und Zügel des schlechten Reiters fühlen; sondern daß
sie sich unter weisen, festen Gesetzen der verdienten[[44]] Ruhe
erfreuen, und wo möglich ungehindert und ungeschüttelt ihr Wesen
treu, ehrlich, und altherkömmlich für sich treiben. So werden denn
edle Fürsten dem Schöpfer danken, wenn ihrem Lande ein bürgerliches
Gesetzbuch zu Theil werden kann, welches daurende Ruhe und Sicherheit,
und gute Verhältnisse zu den Nachbarn verspricht. Auch bleibt ja für
die Regiersucht, wenn dieß Ungethüm wohl gepflegt fortleben soll, noch
genug Thätigkeit übrig, theils in Beziehung auf die ganze Verwaltung,
theils insofern nach den obigen Vorschlägen den Landesregenten, und
etwa mitregierenden Ständen, die ganze Gesetzgebung im Fach der
Finanzen, der Oekonomie, und der allgemeinen und besonderen Polizey
ungekränkt verbleibt. Und wäre es auch eine Art von Herabsetzung,
daß der Regent nach jenem Plan nicht grade alles kann, was ihm seine
Willkühr eingibt, so läßt sich diese Herabsetzung für gute Fürsten gar
nicht abwenden, und sie selbst werden dieselbe herbeywünschen. Denn der
rechtliche Fürst beugt sich gern unter die Gesetze der Zweckmäßigkeit,
und würde sich für den Glücklichsten halten, wenn in keinem Zweige
der Verwaltung etwas mehr zu[[45]] ändern übrig wäre. Der kleinlichen
Räthe, welche sich gar zu gern hervorthun, und ihre beschränkten
Ansichten recht oft ~in anima vili~ (an den Unterthanen) probiren
möchten, wird es zwar immer genug geben; aber gegen sie kann das Volk
den Fürsten selbst, wenn er seine wahre Hoheit erkennt, getrost zu
Hülfe rufen.

Die übrigen Einwendungen sind bedenklicher, weil sie tückisch sind, und
in diesen Zeiten überstandener, und doch zum Theil wieder drohender
wilder Stürme ein erschrecktes, unerfahrnes Gemüth leicht ergreifen
könnten, auch der Verläumder fast immer darauf rechnen kann, daß
dieß und jenes hängen bleibt. Tückisch sind aber jene Einwendungen
mit Rücksicht auf Deutschland im höchsten Grade. Kein Volk der Erde
gibt es, welches so geneigt ist, seiner althergebrachten Verfassung
willfährig anzuhängen, und seinen Fürsten getreu zu bleiben, als das
biedere Volk der Deutschen. Ein Deutscher Fürst braucht, man möchte
sagen, nur halb seine Pflicht zu thun, nur von Zeit zu Zeit dem
Volk redlich seine Theilnahme zu beweisen, nur im Ganzen Recht und
Gerechtigkeit gut zu handhaben, um der allgemeinen Liebe[[46]] und
Anhänglichkeit gewiß zu seyn. Der erhabene Fürst, dessen frisches
Grab Badens Einwohner als die Ruhestätte eines Heiligen verehren,
und dessen Andenken nie unter ihnen erlöschen wird, stand ruhig und
unbesorgt, von den wildesten Volksstürmen umgeben, als angebeteter
Freund unter seinen Unterthanen; und es hätte nicht einmal seiner
unübertrefflichen, weisen Regierung bedurft, um auf die Treue des
Volks bauen zu können. Der Deutsche weiß zu gut, was er von jeher
seinen Fürsten zu danken hatte, und kennt die Gründe, warum er ihnen
ferner vertrauen, und sie in Ehren halten soll. Unsre Fürsten werden
im freundlichen Wohlstande gebohren und erzogen; keine der Reibungen
verfinstert ihr Gemüth, wodurch der Unterthan, und besonders der
Staatsdiener, im Gedränge des mühvollen Lebens so tausendfältig
ergriffen, abgestumpft, verbittert, und in seinen Grundsätzen
wankend gemacht wird. Jeder von ihnen kann sich durch die erhebende
Rückerinnerung an die Thaten großer Ahnherrn im Guten bestärken,
und überall aus der Geschichte seines eignen Landes lernen, welchen
Segen ein guter Fürst durch Mäßigkeit, Kraft, Klugheit[[47]] und
Gerechtigkeit über sein Volk verbreitet. Daher ist denn auch bey uns
das Volk tief von dem lebendigen Glauben durchdrungen, daß wahrer
Adel, Lauterkeit der Denkart, und das, was Vornehmheit im edleren
Sinne genannt zu werden verdient, also Wohlwollen gegen Jedermann,
Verachtung alles Kleinlichen, Unbestechlichkeit und Parteylosigkeit das
Gemüth seiner Fürsten über alle Gemeinheit hinweghebe; und daher hat
das Volk immer mit freudigem Herzen Gut und Blut geopfert, um die Ehre
seiner Fürsten zu behaupten, und Schaden von ihnen abzuwenden.(12) Und
wo geschah dieß mehr, als grade in diesem Augenblick heldenmüthiger
Volksanstrengung, und allgemeiner Ergebung? Es gehört mehr als Bosheit
dazu, wenn man selbst noch in solchen Zeiten den Fürsten von seinem
Volke abwendig zu machen, ihn mit Mißtrauen und Besorgniß zu erfüllen
sucht. Aber grade dieß haben wir jetzt am mehrsten zu fürchten. Denn
-- es muß laut gesagt werden! -- die Verdorbenheit und Kleinlichkeit
eines Theils der Staatsdiener mancher Länder nimmt immer mehr überhand.
Nur zu gern möchte das lose Gesindel die zeitlichen Segnungen[[48]]
des Regierens an sich reißen, die Kraft des Fürsten lähmen, und so
wie der Sturmwind im Lande umherfahren; unbewacht an allen Enden
herrschen und quälen, und eigner Gemeinheit, Eitelkeit, und Habsucht
alle Zügel schießen lassen. Da muß denn die reine Seele des Fürsten
durch Mißtrauen vergiftet werden; da muß man alles aufbieten, daß
schlechte Umgebungen die Einwirkung der Edeln des Volks unmöglich
machen; und es muß künstlich darauf angelegt werden, daß sich der Herr
des Landes in Prunk und Tand, in Sinnlichkeit und Trägheit ersäufe,
damit nun andre im Stillen das Ruder des Staats ergreifen, und mit
ihrer Sippschaft von oben nach unten das Land durchfegen können, wie
es ihnen gefällt. Das ist es, was unsre Fürsten zu fürchten haben,
und mehr als je! Denn nicht so viel ist es zu beklagen, daß jüngst
ein eisernes Geschick uns Freunde, Väter und Kinder raubte, und die
Blüthe unsres Wohlstandes zerstörte, als vielmehr, daß uns bis auf
das Mark ein verzehrendes Gift eingeflößt ward, welches alles zu
vernichten drohet, wenn nicht kräftige Gegenmittel schnell angewandt
werden. Nicht haben sie es verstanden, die Schlechten[[49]] und Eiteln,
dem unbändigen Weltzerstörer seine guten Eigenschaften abzulernen,
seine Thatkraft, seine Besonnenheit, und seinen Ernst; aber das
gelang ihnen meisterhaft, durch die Betrachtung seiner Fehler, und
unverständige Nachahmungssucht, alles Verderbliche und Ehrlose in sich
aufzuregen, und zu befestigen. Daher diese herbe Menschenverachtung;
dieses pöbelhafte Reiben an den gebeugten höheren Ständen; diese
frostige, rücksichtlose Behandlung des(13) Unterthanen; diese Hudeleyen
verdienter Beamten; diese Schonung und Emporhebung der Schlechten, als
brauchbarer Werkzeuge zu beliebigen Zwecken; diese wechselseitige
Gönnerschaft unter allen denen, welche auf den möglichen Fall durch
ihre Bosheit einander möchten schaden können; und vor allen Dingen
dieses heillose Bestreben, alle Regierungsmaßregeln des Schrecklichen
nachzuahmen, welche nur insofern zu rechtfertigen waren, als ein Mensch
ohne sittliche Haltung, ohne wahre Größe, und ohne ererbten Namen das
Wagstück zu bestehen suchte, eine eitle, untreue, verwilderte Nation
zu bändigen, und zum sklavischen Werkzeuge seiner[[50]] tobenden Laune
zu machen. Unter diesen Menschen, und unter ihnen allein,(14) haben
unsre Fürsten ihre Feinde zu suchen. Nur daher jener vielfach nicht
zu verkennende Mißmuth, und jene Freudenlosigkeit vieler im Volke,
genährt durch die beklemmende Nebenbetrachtung, daß die Schamlosen,
welche bisher bey uns dem fremden Unwesen laut huldigten, sich nun
heuchlerisch in Unschuld waschen, ihr Brandmal verdeckend überall
wieder einschleichen, und dann den Treuen und Rechtlichen durch schnöde
Zurücksetzung und Mißhandlung den irdischen Lohn der Tugend reichlich
zutheilen werden. Aber Gottes Allmacht wird es geben, daß unsre Fürsten
bald ganz die Netze gewahren, welche man ihnen zu legen sucht. Auf die
Biederkeit des Volks können sie dann, wie auf einen Felsen, bauen, und
jede weise Neuerung wird nur noch dazu beytragen, die Unterthanen in
den Gesinnungen der Treue und inniger Fürstenliebe zu befestigen.

Unter den Einwendungen, welche sich von rechtlichen Männern erwarten
lassen, möchte vielleicht[[51]] die scheinbarste diese seyn: das Recht
müsse sich nach dem besondern Geist des Volks, nach Zeit, Ort und
Umständen richten, und insofern führe ein allgemeines bürgerliches
Gesetzbuch für alle Deutschen zu einem verderblichen, unnatürlichen
Zwange. Für diese Einwendung lassen sich freylich viele Gewährsmänner
nennen. Wie oft haben wir nicht seit *Montesquieu* davon reden
gehört, daß das Recht klüglich nach den Umständen, nach dem Boden,
dem Clima, dem Character der Nation, so wie nach tausend andern
Dingen zu modificiren sey? Ist man ja sogar mit diesen vorsichtigen
Berücksichtigungen wohl dahin gekommen, am Ende alles Denkbare für
so eben recht, oder nicht eben für Unrecht zu erklären, weil es
sich finden will, daß auch das Tolleste da und dort seine Anhänger
hatte. Allein, -- man verzeihe mir die Stärke des Ausdrucks! -- ich
kann in solchen Ansichten fast nur Verkehrtheit, und Mangel tiefer
rechtlicher Gefühle entdecken. Das Mehrste dabey ist nichts, als
reine Vermengung gewöhnlicher Folgen einer Erscheinung mit dem, was
nach[[52]] der Vernunft seyn kann, und seyn sollte. Folgt der Mensch
seinen Launen, seiner Beschränktheit, und jedem ersten leisen Anstoß,
wie es gewöhnlich ist, und erwachsen daraus am Ende Grundsätze und
Einrichtungen, so erklärt sich der Erfolg zwar recht leicht; aber
damit ist er nicht gerechtfertigt. Die vier Haupt-Temperamente, welche
man nach unsern Seelenlehren unterscheiden soll, führen, ungeleitet
und ungehemmt, auch zu ganz verschiedenen Handlungsweisen; aber
keine Sittenlehre wird sich dadurch in der ehrwürdigen Einfalt ihrer
Vorschriften stören lassen. Wenn auch dem Cholerischen die Vermeidung
des Zorns schwerer wird, als dem Phlegmatiker, so muß er doch seinen
Kopf brechen lernen, und der Phlegmatiker alle Kräfte aufbieten, um
die muntre Thätigkeit des Sanguinikers nachzuahmen. So soll auch das
äußere Recht darauf angelegt seyn, die Menschen zu vereinigen, und
sie nicht in ihren schlaffen Angewohnheiten zu befestigen, oder ihren
Schlechtigkeiten zu schmeicheln, sondern sie zur vollen Besonnenheit
zu bringen, und aus dem Pfuhl elender Selbstischkeit[[53]] und
Kleinlichkeit herauszureißen. Wenn daher auch in einer despotischen
Verfassung die Diener ebenfalls geneigt werden, den Unterthanen zu
mißhandeln, und deswegen bey einer solchen Verfassung selbst der
bürgerliche Proceß leicht in das Willkührliche geht; wenn kleinliche
Menschen gekräuselte Gesetze lieben, und die sittenlosen Männer einer
benachbarten Nation sich nicht anders beglückt fühlen, als wenn sie
einen gesetzlichen Freybrief zur Unzucht haben: so kann das ernste
Recht nur darüber trauren, daß es Hindernisse findet; aber es muß,
der Vernunft wegen, durchgreifen, und wird sich nicht in seinen
nothwendigen Einrichtungen stören lassen. Zwar können besondere
Umstände besondere Gesetze erheischen, wie es namentlich in Betreff
der ökonomischen, und der Polizey-Gesetze oft der Fall ist. Allein die
bürgerlichen Gesetze, im Ganzen nur auf das menschliche Herz, auf
Verstand und Vernunft gegründet, werden sehr selten in der Lage seyn,
daß sie sich nach den Umständen beugen müssen; und wenn auch da und
dort kleine Unbequemlichkeiten aus der Einheit entstehen sollten,[[54]]
so wiegen die zahllosen Vortheile dieser Einheit alle jene Beschwerden
überreichlich wieder auf. Man überdenke nur die einzelnen Theile des
bürgerlichen Rechts! Viele derselben sind so zu sagen nur eine Art
reiner juristischer Mathematik, worauf keine Localität irgend einen
entscheidenden Einfluß haben kann, wie die Lehre vom Eigenthum, dem
Erbrecht, den Hypotheken, den Verträgen, und was zum allgemeinen Theil
der Rechtswissenschaft gehört. Und selbst in den Lehren, worauf schon
mehr die menschliche Individualität einzuwirken scheint, wird man in
der Regel immer finden, daß Eine Ansicht die bessere ist, sofern man
nicht in kahlen formellen Demonstrationen, sondern, wie es seyn soll,
in einer weisen Abwägung aller Gründe des Zweckmäßigen und Zuträglichen
die gesetzgebende Thätigkeit zu erhalten sucht. So kann z. B. über die
Grenzen der Ehescheidungen und der väterlichen Gewalt viel hin und her
gestritten werden; aber Niemand wird doch am Ende behaupten mögen, daß
es darüber verschiedene Systeme geben müsse, wenn auch Dieser und Jener
hier in Zweifeln hängen bleiben, und es[[55]] nicht wagen mag, sich
grade unbedingt und um jeden Preis für die Eine Ansicht zu erklären.
Mit einem, bloß die Deutschen betreffenden Gesetzbuch hat es in dieser
Hinsicht ohnehin wenig Noth. Denn wenn auch politische Interessen
gewisse Scheidungen hervorgebracht haben, so ist doch der Stamm
überall derselbe; überall der gleiche treue Sinn; überall unter den
Besseren gleicher Abscheu gegen Verzerrung, Ziererey und Falschheit;
und die kräftigen, freundlichen Nord-Deutschen werden gewiß stets die
brüderliche Liebe zu rühmen wissen, womit sie überall das tüchtige,
heitere Volk der Süd-Deutschen in den letzten Zeiten an seinem Heerde
empfangen hat.

Es muß aber die Sache noch weiter getrieben werden. Die belobten
Rechtsverschiedenheiten, worauf die Bedenklichen so vieles Gewicht
legen, sind nicht einmal Folgen natürlicher Anlagen und örtlicher
Verhältnisse, sondern die Folgen unkluger Abgeschiedenheit und
unüberlegter Willkühr, wenigstens in unzähligen Fällen. Wie man den
Schritt in Deutschland etwas zu weit macht, so[[56]] steht man auf
anderem Rechtsboden; das ist wahr, und schon von *Voltaire* bemerkt.
Allein wo liegt der Grund? Doch wohl nicht darin, daß auf dieser Seite
eines Bachs die Sonne ganz anders scheint, als auf der andern; sondern
darin, daß kein Gesetzverfasser mit dem Nachbarn zu Rath gesessen, und
Jeder fein sittlich und bürgerlich seine eigne Wirthschaft für sich im
Stillen getrieben hat. Damit haben wir denn ein endloses Rechtsgewirr
bekommen, wie uns auch eben daher der Segen hundert verschiedener
Ellen und Wagengleise zu Theil geworden ist. So ist z. B. die Lehre
von der Intestaterbfolge die einfachste von der Welt, im Ganzen von
keinen Oertlichkeiten abhängig, sondern von dem einfachen Gedanken,
daß der Gesetzgeber an der Stelle des Verstorbenen so theilen soll,
wie dieser theilen durfte, und wahrscheinlich selbst würde getheilt
haben. Und dennoch haben wir darüber in unserm Vaterlande wenigstens
tausend verschiedene Local-Rechte. Bloß in den Herzogthümern Schleswig
und Holstein gibt es in dieser Hinsicht so viele abweichende Statute
und Gewohnheiten, daß in Kiel ein eignes bedeutendes[[57]] Collegium
darüber gelesen werden muß, während das Oesterreichische Gesetzbuch mit
seiner schönen Gediegenheit und Einfalt die ganze Sache für ein weites
Reich mit wenig klaren Artikeln ins Reine gebracht hat. Jeder Tag giebt
davon neue Beweise. Ueber die zweckmäßige Einrichtung eines Leihhauses
vereinigten sich die verständigen Männer der Nation wohl sehr leicht
Eines Beschlusses; aber man hat neuerlich auch darüber die wohlweisen
Stadträthe nur so in Gottes Namen für sich handeln lassen, und damit
sind denn gleich mehr als tausend, vielfach sehr schlechte Variationen
über dasselbe Thema erfolgt.

Freylich wird es nicht abzuwenden seyn, daß in den einzelnen Ländern
da und dort eine Besonderheit als solche beyzubehalten ist, z. B. in
Ansehung der Bauergüter, gewisser Grunddienstbarkeiten, u. dgl.; allein
daraus folgt nichts, als daß man sie beybehalten mag, keineswegs aber,
daß das große Werk dadurch in seinem Lauf gehemmt werden muß. Solche
Dinge lassen sich gar leicht ausscheiden, wenn man nur ehrlich und
männlich[[58]] zu Werke geht, und nicht, wie auf den alten hochseligen
Reichstagen, durch ewige Häckeleyen und engherzige Zweifelsucht alles
muthwillig zu trüben und zu verwirren bemüht ist.

Ein zweyter, von vielen Seiten zu erwartender Haupteinwand wird die
Heiligkeit des Herkömmlichen zur Grundlage nehmen. Man muß möglichst
alle Umwälzungen vermeiden; das Bestehende ehren, weil es dem Bürger
geläufig, und in sofern werth geworden ist; und selbst die anerkannten
Vorurtheile des Bürgers schonen, weil es einmal außer der menschlichen
Macht liegt, sie ganz zu überwältigen! So wird es von vielen Seiten
her lauten, und ich bin auch gar nicht gemeynt, im Allgemeinen solche
Ansichten zu bestreiten; aber ich behaupte, daß sie dermalen wenig
oder gar nicht passen, und daß sich unter jene patriarchalische
Rechtsweisheit mehrentheils viel Unlauteres und Unverständiges zu
verstecken pflegt.

Leichtsinnige Aenderungen sind immer verderblich, und der Character des
Volks gewinnt an Kraft und Gediegenheit über die Maaße, wenn[[59]] die
Nachkommen fest und ehrbar auf eben dem Wege einhergehen, worauf ihre
Ahnen Glück und Zufriedenheit fanden. Das ist wahr, und verdiente recht
oft wiederholt zu werden, wenn nicht in den neueren Zeiten schon ohne
alle wissenschaftlichen Ermahnungen so viele blutige Thränen darüber
geflossen wären, daß Niemand heute wußte, wem er morgen angehören,
und was ihm der Wirbelwind der Gesetzmachereyen am folgenden Tage
lassen, oder rauben werde. Allein grade jene Unwandelbarkeit, jene
segenvolle Stimmung des Volks zur Ehrfurcht gegen das Alterthum, kann
erst durch ein allgemeines Gesetzbuch erreicht werden, welches aus
der ganzen Nationalkraft hervorging, und ein Ehrenwerk genannt zu
werden verdient. Läßt man uns dagegen jetzt bey dem bisherigen Recht,
so bleibt uns das Schlechte, Unnatürliche, unsrer Eigenthümlichkeit
vielfach Widerstreitende; und die Flickereyen von Jahr zu Jahr werden
kein Ende nehmen. Gebt uns also ein solches gediegenes Ehrenwerk, und
vor Allem in dieser Zeit, wo die Gemüther für das Große mehr wie je
aufgeregt[[60]] sind; wo jeder rechtliche Bürger die Neigung hat, treu
zu dulden und zu handeln, um doch wenigstens den Nachkommen ein gutes
Erbe zu hinterlassen. Ein solches Werk, in solcher Zeit geschaffen,
wird unsern Kindern und Kindeskindern ein Heiligthum werden, und so,
aber auch nur so allein, wird es endlich gelingen, unserm Volke die
Stetigkeit und feste Haltung zu geben, welche ihm in jeder Hinsicht so
sehr anpaßt.

Man thue aber bey dem Verehren des Herkömmlichen der Sache nicht
zu viel! Die wuchernden Ortsgebräuche und Gewohnheiten sind nur zu
oft bloße Rechtsfaulheit, wobey es eines leisen Anstoßes bedarf,
damit der Schritt zu einem andern Ziel gelenkt werde, und wobey
der bessernde Gesetzgeber auf eben den Dank rechnen kann, der dem
Wundarzt zu Theil wird, wenn er den Furchtsamen nach langem Sträuben
durch einen leichten Schnitt von fressenden Qualen befreyte. Das
~sapere aude!~ gilt auch hier, und vielleicht mehr, als irgendwo. Der
gewöhnliche[[61]] Unterthan kann das Rechtsgewirr, dessen Gründe,
Vortheile und Nachtheile, nicht übersehen, oder mag sich zu dem
Ende nicht anstrengen. Er sucht daher in allen bedeutenden Fällen
die Hülfe eines Rechtsfreundes; und ein solcher muß es ja wohl so
recht eigentlich verstehen! Diesem wird dann blindlings gefolgt, wie
sauer es auch dem Berathenen ankommen mag; und in der Art schleppt
man sich von einem Tage zum andern. Was aber so wohl recht passen,
und den Bedürfnissen des Einzelnen am besten zusagen möchte, darauf
sieht die vorsehende Praxis nicht gern, sondern mehr auf schnelle
Abfertigung des Rathbedürftigen, und auf ein einfaches Formular für
Jedermann, damit der Rathende ja nicht genöthigt werde, viel von
seinen Verstandeskräften abzureiben, und nahrhafte Kunden über der
Vielheit fahren zu lassen. Man kann in dieser Hinsicht Cicero's
Spöttereyen in der Rede ~pro Murena~ als lautere Wahrheiten(15) gelten
lassen. Noch kürzlich ist mir ein Fall der Art vorgekommen, daß über
zweyhundert Ehepaare in Betreff ihrer, vertragsmäßig zu bestimmenden
Güterrechte[[62]] eintönig nach demselben Formular bedient wurden. Zwar
wollte es da und dort nicht recht einleuchten, daß z. B. eine reiche,
feine Frau mit einem rohen Verschwender in die engste Gütergemeinschaft
gebracht wurde; aber der bedachtsame Rechtshelfer hatte nun einmal
von nichts Anderm wissen wollen, und so mußte es ja doch wohl das
Beste seyn. So ging jedes Paar mit seinem, anständig eingelösten Bogen
davon, und konnte sich am Ende doch wenigstens damit trösten, daß alles
Getränk eine besondere Güte hat, wenn man recht etwas Ordentliches
dafür bezahlen mußte.

Freylich wird es nun auch wohl hier oder dort der Fall seyn, daß
einzelnen Gewohnheitssündern das herkömmliche Schlechte gar zu lieb
und bequem geworden ist, besonders insofern bedenkliche Rechtskenner
vom alten Schlage ihnen mit weisem Rath zur Seite stehen. Allein
darauf muß man nun einmal in unserm lieben Vaterlande rechnen, daß
einzelne Originale solcher Art niemals aussterben. Das Uebel hebt
sich[[63]] indeß leicht, wenn man den Ton des Amtmanns in Gellerts
Fabeln zu treffen weiß. Und dazu hat man jetzt ein doppeltes Recht.
Als man,(16) den Degen halb gezogen, die Deutschen liebreich
ermahnte, den Französischen Code anzunehmen, da wußten sich die
altdeutschen, ehrwürdigen, heilsamen Einrichtungen nicht schnell genug
zurückzuziehen, als ob sie nie da gewesen wären, und von Widerbellern
ward wenig gehört. Die Stimme einheimischer Vernunft kann also
jetzt wenigstens so viel Achtung und Folgsamkeit verlangen, als die
fremde Unverschämtheit, und es würde unserm Volke zur ewigen Schande
gereichen, wenn der verständige, wohlwollende Vaterlandsfreund nicht
durchsetzen könnte, was dem, bloß listigen, tückischen Ausländer ohne
große Mühe gelang.(17)

Noch könnte man vielleicht ferner einwenden: die Abfassung eines
solchen Gesetzbuchs über Privat-, Criminal- und Proceß-Recht durch eine
so große Versammlung, wozu jedes Land wenigstens einige Mitglieder
zu ernennen habe, müsse[[64]] höchst langwierig und kostbar werden.
Allein nur die Kleingeistigkeit kann einen solchen Einwand machen. Die
Summe der Kraft, welche auf ein solches Werk zu verwenden ist, beträgt
nicht ein Tausendtheil dessen, was man zusetzen muß, wenn ferner in
jedem Lande, wie bisher, ein neues Gesetz das andre verdrängt, und
damit sogar noch die bloße Rechtsanwendung grenzenlos schwierig und
kostbar gemacht wird. Auch läßt sich darauf rechnen, daß die Vollendung
des Werks in zwey, drey, vier Jahren geschehen kann, da wir in dem
Preussischen und Oesterreichischen Gesetzbuch, dem Französischen
Code, und in dem, was neuerlich in Sachsen und Bayern vollbracht ist,
so höchst lehrreiche Vorarbeiten haben, daß Vieles schon jetzt als
abgethan angesehen werden kann. Die Kosten sind aber wohl nicht des
Nennens werth, und werden für jedes Land schwerlich mehr betragen, als
der Unterhalt einiger berühmten Schauspieler und Schauspielerinnen.
Sollte indeß irgend ein Oberrechner darauf beharren, daß seine Casse
zu solchen Zwecken nichts hergeben könne, so werden die Richter[[65]]
und Anwälde des Landes, wenn sie ihren wahren Vortheil verstehen,
gern bereit seyn, die kleine Ausgabe aus dem Ihrigen zu bestreiten.
Denn wie unendlich war der geschickte practische Jurist bisher
dadurch beschränkt, daß er mit seinem Wissen in andern Ländern nichts
anfangen konnte, und daher oft lebenslänglich gebückt und gedrückt
auf der Erdscholle stehen bleiben mußte, wo ihn das Schicksal auf
die Welt geworfen hatte! Ein gleiches bürgerliches Deutsches Recht
würde auch diese Beschwerde heben, den Fürsten die Wahl brauchbarer
Diener erleichtern, und verdiente Männer gegen die Mißhandlungen des
Nepotismus und der Aristocratie in die gehörige Sicherheit setzen.

Eine sehr große Schwierigkeit bleibt indeß auf jeden Fall in der,
schon lange herkömmlichen Widerspenstigkeit der Beschränkten und
Selbstsüchtigen grade bey solchen Gelegenheiten, wo davon die Rede ist,
daß etwas Tüchtiges und Großes ins Werk gerichtet werden müsse. Wie
weit es Deutsche Schwäche in dieser Hinsicht getrieben[[66]] hat, und
treiben konnte, zeigen die alten Reichstagsverhandlungen, welche fast
nur an die Polnischen Reichstage erinnern. Inzwischen darf man nicht
vergessen, wie eigenthümlich grade der jetzige Augenblick ist, und wie
viele Gründe es gibt, wenigstens dießmal auf etwas Außerordentliches zu
rechnen. Alle Völker Deutscher Abkunft haben sich in diesen Zeiten mit
herzlicher Liebe vereinigt, und wo man hinblickt, da findet man unter
ihnen die Feinde versöhnt, und die Freunde inniger als je verbunden.
Durch ihren Muth und ihre Ausdauer ist glücklich gelungen, was noch
vor einem Jahr unglaublich schien, und Jeden beseelt der Wunsch, daß
dieser große Augenblick über alle Deutschen Brüder für viele Jahre
seinen Segen verbreite. Unsre Regenten können daher den letzten Act
nicht so kahl enden, daß sie dem Volk die Ehre lassen, alle alten
Schlechtigkeiten durch grenzenlose Opfer wieder erlangt zu haben.
Es muß, -- nicht mit tändelnder Ziererey, welche sich an der Schale
erschöpft, sondern mit Mannskraft, welche das Wesen zu durchdringen
vermag, -- etwas Großes, Edles, Erhebendes geschehen, damit[[67]] den
Kämpfern ein würdiger Lohn ihrer Arbeit zu Theil werde; damit sie
ferner ihren Fürsten als Männern vertrauen. Die Volksstimme wird sich
in dieser Hinsicht nicht beschwichtigen lassen, und die Gewalt der
Zeit wird unwiderstehlich von unten nach oben wirken, wenn es in den
Köpfen beschränkter Räthe nicht von selbst aufthauen will. Auch können
die edeln Deutschen Fürsten und Staatsmänner, denen ungebührliche
Schwierigkeiten gemacht werden, sicher auf den Schutz der großen
Monarchen rechnen, welche jetzt der Welt den Frieden gegeben haben,
und schon insofern, als sie für das Glück der Urheber alles Uebels mit
seltener Großmuth das Aeußerste thaten, gewiß nicht unterlassen werden,
unser edles Volk, dem sie einen wesentlichen Theil ihrer Fortschritte
verdanken, mit Rath und That kräftig zu unterstützen.(18)



                                  Vom
                           Beruf unsrer Zeit
                                  für
                              Gesetzgebung
                                  und
                          Rechtswissenschaft.

                                  Von

                    ~D.~ Friedrich Carl von Savigny,

  ordentl. Professor der Rechte an der Königl. Universität zu Berlin,
             und ordentl. Mitglied der Königl. Akademie der
                        Wissenschaften daselbst.

                              Heidelberg,
                          bey Mohr und Zimmer.

                                 1814.


Inhalt.

                                                                   Seite

  1) Einleitung                                                   (1) 72

  2) Entstehung des positiven Rechts                              (8) 75

  3) Gesetze und Rechtsbücher                                    (16) 80

  4) Römisches Recht                                             (27) 87

  5) Bürgerliches Recht in Deutschland                           (37) 92

  6) Unser Beruf zur Gesetzgebung                                (45) 97

  7) Die drey neuen Gesetzbücher                                (54) 102

  8) Was wir thun sollen wo keine Gesetzbücher sind            (111) 136

  9) Was bey vorhandenen Gesetzbüchern zu thun ist             (135) 150

  10) Das Gemeinsame                                           (151) 160

  11) Thibauts Vorschlag                                       (155) 162

  12) Schluß                                                   (161) 166


1.

Einleitung.

[[1]] In vielen deutschen Ländern hat jetzt ein äußeres Bedürfniß die
Frage nach der besten Einrichtung des bürgerlichen Rechts angeregt,
und so ist diese Frage, welche unsere Staaten lange Zeit auf sich
beruhen lassen konnten, zur gemeinsamen Berathung der Staatsmänner
und der Gelehrten gediehen. Aber noch ein edlerer Grund als das bloße
Bedürfniß hat zu dieser öffentlichen Berathung gewirkt: das Gefühl,
daß in der abgewendeten Unterdrückung der deutschen Nation eine
dringende Aufforderung an jede lebendige Kraft liegt, sich dieser
Zeit nicht unwerth zu zeigen. Darum ist es nicht Anmaaßung, sondern
recht und gut, wenn jeder, der ein Herz hat für seinen Beruf, und
eine klare Anschauung von demselben, diese Anschauung öffentlich
mittheilt, und[[2]] die Rechtsgelehrten dürfen darin am wenigsten
zurück bleiben. Denn gerade im bürgerlichen Rechte ist der Unterschied
der gegenwärtigen und der vergangenen Zeit recht augenscheinlich. Ohne
Zweifel kann auch hierin im einzelnen noch viel Verkehrtes geschehen
aus Unverstand oder bösem Willen. Aber die erste Frage darf doch wieder
seyn: was ist recht und gut? Die Sache trägt doch wieder ihren Zweck
und ihre Bestimmung in sich selbst, die Fürsten können wieder thun
nach ihrer Ueberzeugung, und ihre Ehre setzen in das gemeine Wohl.
Das wird von der vergangenen Zeit niemand behaupten. Als der Code in
Deutschland eindrang, und krebsartig immer weiter fraß, war von inneren
Gründen nicht die Rede, kaum hie und da in leeren Phrasen: ein äußerer
Zweck bestimmte alles, dem eigenen Werthe des Gesetzbuchs völlig fremd,
ein an sich selbst heilloses Verhältniß, selbst abgesehen davon,
daß es der verderblichste unter allen Zwecken war. Darum war es bis
jetzt fruchtlos darüber zu reden. Die in dieser Zeit geredet haben,
waren theils eigennützig der schlechten Sache hingegeben, theils in
unbegreiflicher Gutmüthigkeit von ihr bethört, die meisten blos zur
Ausführung mitwirkend als Geschäftsmänner, ohne sich in ein Urtheil
einzulassen: einzelne ehrenwerthe Stimmen ließen sich hören, strafend
und warnend, andere andeutend und winkend, an Erfolg aber konnte
keiner denken. Daß wieder eine Verschiedenheit der Meynungen[[3]]
wirksam werden, daß wieder Streit und Zweifel entstehen kann über die
Entscheidung, gehört zu den Wohlthaten, womit uns jetzt Gott gesegnet
hat, denn nur aus dieser Entzweyung kann eine lebendige und feste
Einheit hervorgehen, die Einheit der Ueberzeugung, nach welcher wir in
allen geistigen Dingen zu streben durch unsre Natur gedrungen sind.

Aber es giebt einen zweyfachen Streit, einen feindlichen und einen
friedlichen. Jenen führen wir, wo wir Ziel und Zweck verwerflich
finden, diesen wo wir Mittel suchen zu gemeinsamen löblichen Zwecken.
Jener wäre auch jetzt noch, da nicht mehr vom Code die Rede ist, an
seiner Stelle, denn Einer behaupten wollte, jetzt sey die rechte Zeit,
wo alle einzelne Staaten in Deutschland sich fest abschließen müßten:
dazu sey auch das Recht gut zu gebrauchen, und jede Regierung müsse
für ein recht eigenthümliches Gesetzbuch sorgen, um auch hierin alles
gemeinsame aufzuheben, was an den Zusammenhang der Nation erinnern
könnte. Diese Ansicht ist nichts weniger als willkührlich ersonnen,
vielmehr sind ihr manche Regierungen offenbar günstig: wohl aber
hindert eine gewisse Scheu, sie jetzt laut werden zu lassen, und ich
wüßte nicht, daß sie in Schriften für das bürgerliche Recht benutzt
worden wäre. Ganz anders ist es mit den Vorschlägen, die bis jetzt
für dieses kund geworden sind, denn mit ihnen ist, wo wir[[4]] nicht
übereinstimmen, ein friedlicher Streit möglich, und ein solcher führt,
wo nicht zur Vereinigung der Streitenden, doch zu besserer Einsicht im
Ganzen.

Von zwey Meynungen über die Einrichtung des bürgerlichen Rechts,
die mir bekannt geworden sind, geht die eine auf Herstellung des
alten Zustandes[1], die zweyte auf Annahme eines gemeinschaftlichen
Gesetzbuches für die Deutschen Staaten[2]. Zur Erläuterung dieser
zweyten Meynung sind gleich hier einige Bemerkungen nöthig, indem sie
in einem doppelten historischen Zusammenhang betrachtet werden muß.

Erstens nämlich steht sie in Verbindung mit vielen ähnlichen
Vorschlägen und Versuchen seit der Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts. In dieser Zeit hatte sich durch ganz Europa ein völlig
unerleuchteter Bildungstrieb geregt. Sinn und Gefühl für die Größe
und Eigenthümlichkeit anderer Zeiten, so wie für die naturgemäße
Entwicklung der Völker und Verfassungen, also alles was die Geschichte
heilsam und fruchtbar machen muß, war verloren: an die Stelle
getreten war eine gränzenlose Erwartung von der[[5]] gegenwärtigen
Zeit, die man keinesweges zu etwas geringerem berufen glaubte, als
zur wirklichen Darstellung einer absoluten Vollkommenheit. Dieser
Trieb äußerte sich nach allen Richtungen: was er in Religion und
Staatsverfassung gewirkt hat, ist bekannt, und es ist unverkennbar, wie
er hier durch eine natürliche Gegenwirkung aller Orten einer neuen,
lebendigeren Liebe die Stäte bereiten mußte. Auch im bürgerlichen
Rechte war er thätig. Man verlangte neue Gesetzbücher, die durch ihre
Vollständigkeit der Rechtspflege eine mechanische Sicherheit gewähren
sollten, indem der Richter, alles eigenen Urtheils überhoben, blos
auf die buchstäbliche Anwendung beschränkt wäre: zugleich sollten sie
sich aller historischen Eigenthümlichkeit enthalten, und in reiner
Abstraction für alle Völker und alle Zeiten gleiche Brauchbarkeit
haben. Es würde sehr irrig seyn, jenen Trieb und diese Anwendungen
desselben einzelnen Irrlehrern zuzuschreiben: es war, nur mit sehr
achtungswerten Ausnahmen, die Meynung der Völker. Darum stand es nicht
in der Macht der Regierungen, allen Anwendungen auszuweichen, und
die bloße Milderung und Beschränkung derselben konnte oft schon als
sehr verdienstlich und als Beweis innerer Kraft gelten. Vergleichen
wir mit diesen vergangenen Zuständen die gegenwärtige Zeit, so dürfen
wir uns freuen. Geschichtlicher Sinn ist überall erwacht, und neben
diesem hat jener bodenlose Hochmuth[[6]] keinen Raum. Und wenn auch
angehende Schriftsteller oft noch einen ähnlichen Anlauf nehmen, so ist
es doch gar nicht mehr herrschender Geist. Auch in den oben genannten
Vorschlägen von Gesetzbüchern ist zum Theil diese erfreuliche
Vergleichung bewährt. Frey von jenen übertriebenen Ansprüchen gehen
sie auf ein bestimmtes praktisches Ziel, und auch ihre Motive stehen
auf festem Boden. Das Durchlaufen jener Periode aber gewährt uns den
großen Vortheil, daß wir ihre Erfahrungen zu Rathe ziehen können. Aus
den Ansichten derselben sind nach einander Gesetzbücher für drey große
Staaten hervor gegangen. Diese, und zum Theil ihre Wirkungen, liegen
vor uns, und es würde unverzeihlich seyn, die Lehre zu verschmähen, die
sie uns aufmunternd oder warnend geben können.

Zweytens stehen jene Vorschläge in Verbindung mit einer allgemeinen
Ansicht von der Entstehung alles positiven Rechts, die von jeher
bey der großen Mehrzahl der deutschen Juristen herrschend war.
Nach ihr entsteht im normalen Zustande alles Recht aus Gesetzen,
d. h. ausdrücklichen Vorschriften der höchsten Staatsgewalt. Die
Rechtswissenschaft hat lediglich den Inhalt der Gesetze zum Gegenstand.
Demnach ist die Gesetzgebung selbst, so wie die Rechtswissenschaft,
von ganz zufälligem, wechselndem Inhalt, und es ist sehr möglich,
daß das Recht von morgen dem von heute gar nicht ähnlich sieht.
Ein[[7]] vollständiges Gesetzbuch ist demnach das höchste Bedürfniß,
und nur bey einem lückenhaften Zustande desselben kann man in die
traurige Nothwendigkeit kommen, sich mit Gewohnheitsrecht, als einer
schwankenden Ergänzung, behelfen zu müssen. Diese Ansicht ist viel
älter als die oben dargestellte, beide haben sich auf manchen Punkten
feindlich berührt, weit öfter aber sehr gut vertragen. Als Vermittlung
diente häufig die Ueberzeugung, daß es ein praktisches Naturrecht oder
Vernunftrecht gebe, eine ideale Gesetzgebung für alle Zeiten und alle
Fälle gültig, die wir nur zu entdecken brauchten, um das positive Recht
für immer zu vollenden.

Ob diese Ansicht von der Entstehung des positiven Rechts Realität habe,
wird sich aus der folgenden Untersuchung ergeben.


2.

Entstehung des positiven Rechts.

[[8]] Wir befragen zuerst die Geschichte, wie sich bey Völkern edler
Stämme das Recht wirklich entwickelt hat: dem Urtheil, was hieran gut,
vielleicht nothwendig, oder aber tadelnswerth seyn möge, ist damit
keinesweges vorgegriffen.

Wo wir zuerst urkundliche Geschichte finden, hat das bürgerliche Recht
schon einen bestimmten Character, dem Volk eigenthümlich, so wie
seine Sprache, Sitte, Verfassung. Ja diese Erscheinungen haben kein
abgesondertes Daseyn, es sind nur einzelne Kräfte und Thätigkeiten
des einen Volkes, in der Natur untrennbar verbunden, und nur unsrer
Betrachtung als besondere Eigenschaften erscheinend. Was sie zu einem
Ganzen verknüpft, ist die gemeinsame Ueberzeugung des Volkes, das
gleiche Gefühl innerer Nothwendigkeit, welches allen Gedanken an
zufällige und willkührliche Entstehung ausschließt.

Wie diese eigenthümlichen Functionen der Völker, wodurch sie selbst
erst zu Individuen werden, entstanden sind, diese Frage ist auf
geschichtlichem Wege nicht zu beantworten. In neueren Zeiten ist
die Ansicht herrschend gewesen, daß alles zuerst in[[9]] einem
thierähnlichen Zustand gelebt habe, und von da durch allmähliche
Entwicklung zu einem leidlichen Daseyn, bis endlich zu der Höhe
gekommen sey, auf welcher wir jetzt stehen. Wir können diese Ansicht
unberührt lassen, und uns auf die Thatsache jenes ersten urkundlichen
Zustandes des bürgerlichen Rechts beschränken. Wir wollen versuchen,
einige allgemeine Züge dieser Periode darzustellen, in welcher das
Recht wie die Sprache im Bewußtseyn des Volkes lebt.

Diese Jugendzeit der Völker ist arm an Begriffen, aber sie genießt
ein klares Bewußtseyn ihrer Zustände und Verhältnisse, sie fühlt und
durchlebt diese ganz und vollständig, während wir, in unsrem künstlich
verwickelten Daseyn, von unserm eigenen Reichthum überwältigt sind,
anstatt ihn zu genießen und zu beherrschen. Jener klare, naturgemäße
Zustand bewährt sich vorzüglich auch im bürgerlichen Rechte, und so
wie für jeden einzelnen Menschen seine Familienverhältnisse und sein
Grundbesitz durch eigene Würdigung bedeutender werden, so ist aus
gleichem Grunde möglich, daß die Regeln des Privatrechts selbst zu
den Gegenständen des Volksglaubens gehören. Allein jene geistigen
Functionen bedürfen eines körperlichen Daseyns, um festgehalten
zu werden. Ein solcher Körper ist für die Sprache ihre stete,
ununterbrochene Uebung, für die Verfassung sind es die sichtbaren
öffentlichen Gewalten, was vertritt aber diese Stelle[[10]] bey
dem bürgerlichen Rechte? In unsren Zeiten sind es ausgesprochene
Grundsätze, durch Schrift und mündliche Rede mitgetheilt. Diese Art
der Festhaltung aber setzt eine bedeutende Abstraction voraus, und
ist darum in jener jugendlichen Zeit nicht möglich. Dagegen finden
wir hier überall symbolische Handlungen, wo Rechtsverhältnisse
entstehen oder untergehen sollen. Die sinnliche Anschaulichkeit dieser
Handlungen ist es, was äußerlich das Recht in bestimmter Gestalt
festhält, und ihr Ernst und ihre Würde entspricht der Bedeutsamkeit
der Rechtsverhältnisse selbst, welche schon als dieser Periode
eigenthümlich bemerkt worden ist. In dem ausgedehnten Gebrauch
solcher förmlichen Handlungen kommen z. B. die germanischen Stämme
mit den altitalischen überein, nur daß bey diesen letzten die Formen
selbst bestimmter und geregelter erscheinen, was mit den städtischen
Verfassungen zusammen hangen kann. Man kann diese förmlichen Handlungen
als die eigentliche Grammatik des Rechts in dieser Periode betrachten,
und es ist sehr bedeutend, daß das Hauptgeschäft der älteren
Römischen Juristen in der Erhaltung und genauen Anwendung derselben
bestand. Wir in neueren Zeiten haben sie häufig als Barbarey und
Aberglauben verachtet, und uns sehr groß damit gedünkt, daß wir sie
nicht haben, ohne zu bedenken, daß auch wir überall mit juristischen
Formen versorgt sind, denen nur gerade die Hauptvortheile der alten
Formen abgehen,[[11]] die Anschaulichkeit nämlich und der allgemeine
Volksglaube, während die unsrigen von jedem als etwas willkührliches
und darum als eine Last empfunden werden. In solchen einseitigen
Betrachtungen früher Zeiten sind wir den Reisenden ähnlich, die in
Frankreich mit großer Verwunderung bemerken, daß kleine Kinder, ja ganz
gemeine Leute, recht fertig französisch reden.

Aber dieser organische Zusammenhang des Rechts mit dem Wesen und
Character des Volkes bewährt sich auch im Fortgang der Zeiten, und auch
hierin ist es der Sprache zu vergleichen. So wie für diese, giebt es
auch für das Recht keinen Augenblick eines absoluten Stillstandes, es
ist derselben Bewegung und Entwicklung unterworfen, wie jede andere
Richtung des Volkes, und auch diese Entwicklung steht unter demselben
Gesetz innerer Nothwendigkeit, wie jene früheste Erscheinung. Das
Recht wächst also mit dem Volke fort, bildet sich aus mit diesem, und
stirbt endlich ab, so wie das Volk seine Eigenthümlichkeit verliert.
Allein diese innere Fortbildung auch in der Zeit der Cultur hat für die
Betrachtung eine große Schwierigkeit. Es ist nämlich oben behauptet
worden, daß der eigentliche Sitz des Rechts das gemeinsame Bewußtseyn
des Volkes sey. Dieses läßt sich z. B. im Römischen Rechte für die
Grundzüge desselben, die allgemeine Natur der Ehe, des Eigenthums u.
s. w. recht wohl denken, aber für das unermeßliche[[12]] Detail, wovon
wir in den Pandekten einen Auszug besitzen, muß es jeder für ganz
unmöglich erkennen. Diese Schwierigkeit führt uns auf eine neue Ansicht
der Entwicklung des Rechts. Bey steigender Cultur nämlich sondern sich
alle Thätigkeiten des Volkes immer mehr, und was sonst gemeinschaftlich
betrieben wurde, fällt jetzt einzelnen Ständen anheim. Als ein solcher
abgesonderter Stand erscheinen nunmehr auch die Juristen. Das Recht
bildet sich nunmehr in der Sprache aus, es nimmt eine wissenschaftlich
Richtung, und wie es vorher im Bewußtseyn des gesammten Volkes lebte,
so fällt es jetzt dem Bewußtseyn der Juristen anheim, von welchen
das Volk nunmehr in dieser Function repräsentirt wird. Das Daseyn
des Rechts ist von nun an künstlicher und verwickelter, indem es ein
doppeltes Leben hat, einmal als Theil des ganzen Volkslebens, was es
zu seyn nicht aufhört, dann als besondere Wissenschaft in den Händen
der Juristen. Aus dem Zusammenwirken dieses doppelten Lebensprincips
erklären sich alle spätere Erscheinungen, und es ist nunmehr
begreiflich, wie auch jenes ungeheure Detail ganz auf organische
Weise, ohne eigentliche Willkühr und Absicht, entstehen konnte. Der
Kürze wegen nennen wir künftig den Zusammenhang des Rechts mit dem
allgemeinen Volksleben das *politische* Element, das abgesonderte
wissenschaftliche Leben des Rechts aber das *technische* Element
desselben.

[[13]]In verschiedenen Zeiten also wird bey demselben Volke das Recht
natürliches Recht (in einem andern Sinn als unser Naturrecht) oder
gelehrtes Recht seyn, je nachdem das eine oder das andere Princip
überwiegt, wobey eine scharfe Gränzbestimmung von selbst als unmöglich
erscheint. Bey republikanischer Verfassung wird das politische Princip
länger als in monarchischen Staaten unmittelbaren Einfluß behalten
können, und besonders in der Römischen Republik wirkten viele Gründe
zusammen, diesen Einfluß noch bey steigender Cultur lebendig zu
erhalten. Aber in allen Zeiten und Verfassungen zeigt sich dieser
Einfluß noch in einzelnen Anwendungen, da wo in engeren Kreisen ein
oft wiederkehrendes gleiches Bedürfniß auch ein gemeinsames Bewußtseyn
des Volkes selbst möglich macht. So wird sich in den meisten Städten
für Dienstboten und Miethwohnungen ein besonderes Recht bilden und
erhalten, gleich unabhängig von ausdrücklichen Gesetzen und von
wissenschaftlicher Jurisprudenz: es sind dieses einzelne Ueberreste
der früheren allgemeinen Rechtsbildung. Vor der großen Umwälzung fast
aller Verfassungen, die wir erlebt haben, waren in kleineren Deutschen
Staaten diese Fälle weit häufiger als jetzt, indem sich Stücke
altgermanischer Verfassungen häufig durch alle Revolutionen hindurch
gerettet hatten.

Die Summe dieser Ansicht also ist, daß alles Recht auf die Weise
entsteht, welche der herrschende,[[14]] nicht ganz passende,
Sprachgebrauch als *Gewohnheitsrecht* bezeichnet, d. h. daß es
erst durch Sitte und Volksglaube, dann durch Jurisprudenz erzeugt
wird, überall also durch innere, stillwirkende Kräfte, nicht durch
die Willkühr eines Gesetzgebers. Dieser Zustand ist bis jetzt nur
historisch aufgestellt worden, ob er löblich und wünschenswerth ist,
wird die folgende Untersuchung zeigen. Aber auch als historische
Ansicht bedarf dieser Zustand noch einiger näheren Bestimmungen. Zuerst
ist dabey eine ganz ungestörte einheimische Entwicklung vorausgesetzt
worden; der Einfluß früher Berührung mit fremdem Rechte wird weiter
unten an dem Beyspiel von Deutschland klar werden. Eben so wird sich
zeigen, daß allerdings ein theilweiser Einfluß der Gesetzgebung auf
bürgerliches Recht, bald löblich, bald tadelnswerth, statt finden
kann. Endlich finden sich große Verschiedenheiten in den Gränzen der
Gültigkeit und Anwendung des Rechts. Wie nämlich dasselbe Volk sich in
viele Stämme verzweigt, Staaten sich vereinigen oder zerfallen, so muß
bald dasselbe Recht mehreren unabhängigen Staaten gemein seyn, bald in
verschiedenen Theilen desselben Staates, neben gleichen Grundzügen des
Rechts, eine große Mannichfaltigkeit einzelner Bestimmungen gelten.

Unter den Deutschen Juristen hat *Hugo* das große Verdienst, in den
meisten seiner Schriften die herrschenden Ansichten gründlich bekämpft
zu haben[3].[[15]] Hohe Ehre gebührt auch hierin dem Andenken *Mösers*,
der mit großartigem Sinn überall die Geschichte zu deuten suchte, oft
auch in Beziehung auf bürgerliches Recht; daß dieses Beyspiel den
Juristen größtentheils unbemerkt geblieben ist, war zu erwarten, da
er nicht zünftig war und weder Vorlesungen gehalten, noch Lehrbücher
geschrieben hat.


3.

Gesetze und Rechtsbücher.

[[16]] Der Einfluß eigentlicher Gesetzgebung auf bürgerliches Recht ist
in einzelnen Stücken desselben nicht selten, aber die Gründe dieses
Einflusses sind sehr verschiedener Art. Zunächst kann nämlich gerade
die Abänderung des bestehenden Rechts Absicht des Gesetzgebers seyn,
weil höhere politische Zwecke dieses fordern. Wenn in unsren Tagen
Nichtjuristen von dem Bedürfniß neuer Gesetzgebung sprechen, so ist
gewöhnlich blos dieses gemeynt, wovon die Bestimmung der gutsherrlichen
Rechte eines der wichtigsten Beispiele ist. Auch die Geschichte des
Römischen Rechts liefert Beyspiele dieser Art, wenige aus der freyen
Republik, unter August die wichtige ~Lex Iulia et Papia Poppaea~, seit
den christlichen Kaisern eine große Anzahl. Daß die Gesetze dieser Art
leicht eine fruchtlose Corruption des Rechts sind, und daß gerade in
ihnen die höchste Sparsamkeit nöthig ist, wird jedem einleuchten, der
die Geschichte zu Rathe zieht. Die technische Seite des Rechts wird
bey ihnen bloß für die Form, und für den Zusammenhang mit dem ganzen
übrigen Rechte in Anspruch genommen, welcher Zusammenhang diesen Theil
der[[17]] Gesetzgebung schwieriger macht, als er gewöhnlich gedacht
zu werden pflegt. Weit unbedenklicher ist ein zweyter Einfluß der
Gesetzgebung auf das bürgerliche Recht. Einzelne Rechtssätze nämlich
können zweifelhaft seyn, oder sie können ihrer Natur nach schwankende,
unbestimmte Gränzen haben, wie z. B. alle Verjährung, während die
Rechtspflege durchaus scharfe Gränzen fodert. Hier kann allerdings eine
Art von Gesetzgebung eintreten, welche der Gewohnheit zu Hülfe kommt,
jene Zweifel und diese Unbestimmtheiten entfernt, und so das wirkliche
Recht, den eigentlichen Willen des Volks, zu Tage fördert, und rein
erhält. Die Römische Verfassung hatte für diesen Zweck eine treffliche
Einrichtung in den Edicten der Prätoren, eine Einrichtung, welche auch
in monarchischen Staaten unter gewissen Bedingungen statt finden könnte.

Aber diese Arten eines theilweisen Einflusses sind gar nicht gemeynt,
wenn so wie in unsern Tagen von dem Bedürfniß allgemeiner Gesetzbücher
die Rede ist. Hier ist vielmehr folgendes gemeynt. Der Staat soll
seinen gesammten Rechtsvorrath untersuchen und schriftlich aufzeichnen
lassen, so daß dieses Buch nunmehr als einzige Rechtsquelle gelte,
alles andere aber, was bisher etwa gegolten hat, nicht mehr gelte.
Zuvörderst läßt sich fragen, woher diesem Gesetzbuch der Inhalt kommen
solle. Nach einer oben dargestellten Ansicht ist von vielen behauptet
worden, das allgemeine[[18]] Vernunftrecht, ohne Rücksicht auf etwas
bestehendes, solle diesen Inhalt bestimmen. Die aber mit der Ausführung
zu thun hatten, oder sonst das Recht praktisch kannten, haben sich
dieser großsprechenden, völlig hohlen Ansicht leicht enthalten, und
man ist darüber einig gewesen, das ohnehin bestehende Recht solle hier
aufgezeichnet werden, nur mit den Abänderungen und Verbesserungen,
welche aus politischen Gründen nöthig seyn möchten. Daß dieses gerade
bei den neueren Gesetzbüchern die herrschende Ansicht war, wird sich
unten zeigen. Demnach hätte das Gesetzbuch einen doppelten Inhalt:
theils das bisherige Recht, theils neue Gesetze. Was diese letzten
betrifft, so ist es offenbar zufällig, daß sie bey Gelegenheit des
Gesetzbuchs vorkommen, sie könnten auch zu jeder anderen Zeit einzeln
gegeben werden, und eben so könnte zur Zeit des Gesetzbuchs kein
Bedürfniß derselben vorhanden seyn. In Deutschland besonders würden
diese neuen Gesetze oft nur scheinbar vorkommen, da das, was einem
Lande neu wäre, in einem andern meist schon gegolten haben würde, so
daß nicht von neuem, sondern von schon bestehendem Rechte verwandter
Stämme die Rede wäre, nur mit veränderten Gränzen der Anwendung. Um
also unsere Untersuchung nicht zu verwirren, wollen wir die neuen
Gesetze ganz bey Seite setzen, und blos auf den wesentlichen und
Hauptinhalt des Gesetzbuchs sehen. Demnach müssen wir das Gesetzbuch
als Aufzeichnung[[19]] des gesammten bestehenden Rechts denken, mit
ausschließender Gültigkeit vom Staate selbst versehen.

Daß wir dieses letzte als wesentlich bey einer Unternehmung dieser Art
voraussetzen, ist in unsren schreibthätigen Zeiten natürlich, da bey
der Menge von Schriftstellern und dem schnellen Wechsel der Bücher und
ihres Ansehens, kein einzelnes Buch einen überwiegenden und dauernden
Einfluß anders als durch die Gewalt des Staates erhalten kann. An sich
aber läßt es sich gar wohl denken, daß diese Arbeit ohne Aufforderung
und ohne Bestätigung des Staates von einzelnen Rechtsgelehrten
vollbracht würde. Im altgermanischen Rechte war dieses häufig der
Fall, und wir würden viele Mühe gehabt haben, unsren Vorfahren den
Unterschied eines Rechtsbuchs als einer Privatarbeit von einem wahren
Gesetzbuche deutlich zu machen, den wir uns als so natürlich und
wesentlich denken. Wir bleiben aber jetzt bey dem Begriffe stehen,
welcher unsren Zeiten angemessen ist. Jedoch ist es klar, daß der
Unterschied lediglich in der Veranlassung und Bestätigung von Seiten
des Staates liegt, nicht in der Natur der Arbeit selbst, denn diese
ist auf jeden Fall ganz technisch und fällt als solche den Juristen
anheim, indem bey dem Inhalte des Gesetzbuchs, den wir voraussetzen,
das politische Element des Rechts längst ausgewirkt hat, und blos diese
Wirkung zu erkennen und auszusprechen[[20]] ist, welches Geschäft zur
juristischen Technik gehört.

Die Forderungen an ein solches Gesetzbuch und die Erwartungen von
demselben sind von zweyerley Art. Für den innern Zustand des Rechts
soll dadurch die höchste Rechtsgewißheit entstehen, und damit die
höchste Sicherheit gleichförmiger Anwendung. Die äußeren Gränzen der
Gültigkeit sollen dadurch gebessert und berichtigt werden, indem an die
Stelle verschiedener Localrechte ein allgemeines Nationalrecht treten
soll. Wir beschränken uns hier noch auf den ersten Vortheil, indem
von dem zweyten besser unten in besonderer Anwendung auf Deutschland
geredet werden wird.

Daß jener innere Vortheil von der Vortrefflichkeit der Ausführung
abhange, leuchtet jedem sogleich ein, und es ist also von dieser
Seite eben so viel zu verlieren als zu gewinnen möglich. Sehr
merkwürdig ist, was *Baco* aus der Fülle seines Geistes und seiner
Erfahrung über diese Arbeit sagt[4]. Er will, daß sie nicht ohne
dringendes Bedürfniß geschehe, dann aber mit besonderer Sorgfalt für
die bisher gültigen Rechtsquellen: zunächst durch wörtliche Aufnahme
alles anwendbaren aus ihnen, dann indem sie im Ganzen aufbewahrt und
fortwährend zu Rathe[[21]] gezogen werden. Vorzüglich aber soll diese
Arbeit nur in solchen Zeiten unternommen werden, die an Bildung und
Sachkenntniß höher stehen, als die vorhergehenden, denn es sey sehr
traurig, wenn durch die Unkunde der gegenwärtigen Zeit die Werke
der Vorzeit verstümmelt werden sollten[5]. Worauf es dabey ankommt,
ist nicht schwer zu sagen: das vorhandene, was nicht geändert,
sondern beybehalten werden soll, muß gründlich erkannt und richtig
ausgesprochen werden. Jenes betrifft den Stoff, dieses die Form.

In Ansehung des Stoffs ist die wichtigste und schwierigste Aufgabe die
Vollständigkeit des Gesetzbuchs, und es kommt nur darauf an, diese
Aufgabe, worin Alle einstimmen, recht zu verstehen. Das Gesetzbuch
nämlich soll, da es einzige Rechtsquelle zu seyn bestimmt ist, auch
in der That für jeden vorkommenden Fall im voraus die Entscheidung
enthalten. Dieses hat man häufig so gedacht, als ob es möglich und
gut wäre, die einzelnen Fälle als solche durch Erfahrung vollständig
kennen zu lernen, und dann jeden durch eine entsprechende Stelle
des Gesetzbuchs zu entscheiden. Allein wer mit Aufmerksamkeit[[22]]
Rechtsfälle beobachtet hat, wird leicht einsehen, daß dieses
Unternehmen deshalb fruchtlos bleiben muß, weil es für die Erzeugung
der Verschiedenheiten wirklicher Fälle schlechthin keine Gränze
giebt. Auch hat man gerade in den allerneuesten Gesetzbüchern allen
Schein eines Bestrebens nach dieser materiellen Vollständigkeit
völlig aufgegeben, ohne jedoch etwas anderes an die Stelle derselben
zu setzen. Allein es giebt allerdings eine solche Vollständigkeit in
anderer Art, wie sich durch einen Kunstausdruck der Geometrie klar
machen läßt. In jedem Dreyeck nämlich giebt es gewisse Bestimmungen,
aus deren Verbindung zugleich alle übrige mit Nothwendigkeit folgen:
durch diese, z. B. durch zwey Seiten und den zwischenliegenden Winkel,
ist das Dreyeck *gegeben*. Auf ähnliche Weise hat jeder Theil unsres
Rechts solche Stücke, wodurch die übrigen gegeben sind: wir können
sie die leitenden Grundsätze nennen. Diese heraus zu fühlen, und von
ihnen ausgehend den innern Zusammenhang und die Art der Verwandtschaft
aller juristischen Begriffe und Sätze zu erkennen, gehört eben zu
den schwersten Aufgaben unsrer Wissenschaft, ja es ist eigentlich
dasjenige, was unsrer Arbeit den wissenschaftlichen Character giebt.
Entsteht nun das Gesetzbuch in einer Zeit, welche dieser Kunst
nicht mächtig ist, so sind folgende Uebel ganz unvermeidlich. Die
Rechtspflege wird scheinbar durch das Gesetzbuch, in der That aber
durch etwas anderes,[[23]] was außer dem Gesetzbuch liegt, als der
wahrhaft regierenden Rechtsquelle, beherrscht werden. Dieser falsche
Schein aber ist höchst verderblich. Denn das Gesetzbuch wird unfehlbar
durch seine Neuheit, seine Verwandtschaft mit herrschenden Begriffen
der Zeit, und sein äußeres Gewicht alle Aufmerksamkeit auf sich
und von der wahren Rechtsquelle ablenken, so daß diese in dunklem,
unbemerktem Daseyn gerade der geistigen Kräfte der Nation entbehren
wird, wodurch sie allein in einen löblichen Zustand kommen könnte. Daß
diese Gefahr nicht grundlos ist, wird unten aus der Betrachtung der
neuen Gesetzbücher klar werden, und es wird sich zeigen, daß nicht
blos der einzelne Inhalt, sondern selbst der Begriff und die allgemeine
Natur dieser eigentlich regierenden Rechtsquelle verkannt wird, wie
sie denn unter den verschiedensten Namen, bald als Naturrecht, bald
als ~jurisprudence~, bald als Rechtsanalogie vorkommt. Kommt nun
zu dieser mangelnden Erkenntniß der leitenden Grundsätze das oben
beschriebene Bestreben nach materieller Vollständigkeit hinzu, so
werden sich sehr häufig die einzelnen Entscheidungen, den Verfassern
unbemerkt, durchkreuzen und widersprechen, was erst allmählich durch
die Anwendung, und bey gedankenlosem Zustand der Rechtspflege auch hier
nicht, offenbar werden wird[6]. Dieser Erfolg ist gleich[[24]] für die
Gegenwart unvermeidlich, wenn auf diese Weise ein Zeitalter ohne innern
Beruf seine Ansicht des Rechts durch das Ansehen der Gesetzgebung
fixiert; eben so nachtheilig aber ist die Wirkung auf die folgende
Zeit. Denn wenn in dieser günstigere Bedingungen für die Behandlung
des Rechts eintreten, so ist nichts förderlicher, als die vielseitige
Berührung mit früheren einsichtsvollen Zeiten: das Gesetzbuch aber
steht nun in der Mitte und hemmt und erschwert diese Berührung auf
allen Seiten. Ohnehin liegt in der einseitigen Beschäftigung mit einem
gegebenen positiven Rechte die Gefahr, von dem bloßen Buchstaben
überwältigt zu werden[7], und jedes Erfrischungsmittel muß dagegen
sehr willkommen seyn: das mittelmäßige Gesetzbuch aber muß mehr als
alles andere diese Herrschaft einer unlebendigen Ansicht des Rechts
befestigen.

Außer dem Stoff muß aber auch die Form des Gesetzbuchs in Erwägung
gezogen werden, denn der Verfasser des Gesetzbuchs kann das Recht,
welches er bearbeitet, völlig durchdrungen haben, und seine Arbeit
wird dennoch ihren Zweck verfehlen, wenn er nicht[[25]] zugleich die
Fähigkeit der Darstellung hat. Wie diese Darstellung beschaffen seyn
müsse, läßt sich leichter in gelungenen oder verfehlten Anwendungen
fühlen, als durch allgemeine Regeln aussprechen. Gewöhnlich fordert
man, daß sich die Sprache der Gesetze durch besondere Kürze auszeichne.
Allerdings kann Kürze große Wirkung thun, wie sich durch das Beyspiel
Römischer Volksschlüsse und des Römischen Edicts anschaulich machen
läßt. Allein es giebt auch eine trockene, nichtssagende Kürze, zu
welcher derjenige kommt, der die Sprache als Werkzeug nicht zu führen
versteht, und die durchaus ohne Wirkung bleibt; in den Gesetzen und
Urkunden des Mittelalters finden sich davon Beyspiele in Menge. Auf der
andern Seite kann Weitläufigkeit in Rechtsquellen völlig verwerflich,
ja ganz unerträglich seyn, wie in vielen Constitutionen von Justinian
und in den meisten Novellen des Theodosischen Codex: allein es giebt
auch eine geistvolle und sehr wirksame Weitläufigkeit, und in vielen
Stellen der Pandekten ist diese unverkennbar.

Fassen wir dasjenige, was hier über die Bedingungen eines
vortrefflichen Gesetzbuchs gesagt worden ist, zusammen, so ist es klar,
daß nur in sehr wenigen Zeiten die Fähigkeit dazu vorhanden seyn wird.
Bey jugendlichen Völkern findet sich zwar die bestimmteste Anschauung
ihres Rechts, aber den Gesetzbüchern fehlt es an Sprache und logischer
Kunst, und[[26]] das Beste können sie meist nicht sagen, so daß sie oft
kein individuelles Bild geben, während ihr Stoff höchst individuell
ist. Beyspiele sind die schon angeführten Gesetze des Mittelalters, und
wenn wir die zwölf Tafeln ganz vor uns hätten, würden wir vielleicht
nur in geringerem Grade etwas ähnliches empfinden. In sinkenden Zeiten
dagegen fehlt es meist an allem, an Kenntniß des Stoffs wie an Sprache.
Also bleibt nur eine mittlere Zeit übrig, diejenige, welche gerade
für das Recht, obgleich nicht nothwendig auch in anderer Rücksicht,
als Gipfel der Bildung gelten kann. Allein eine solche Zeit hat für
sich selbst nicht das Bedürfniß eines Gesetzbuchs; sie würde es nur
veranstalten können für eine folgende schlechtere Zeit, gleichsam
Wintervorräthe sammlend. Zu einer solchen Vorsorge aber für Kinder und
Enkel ist selten ein Zeitalter aufgelegt.


4.

Römisches Recht.

[[27]] Diese allgemeinen Ansichten von Entstehung des Rechts und von
Gesetzbüchern werden durch die Anwendung auf Römisches Recht und auf
das Recht in Deutschland klarer und überzeugender werden.

Die Vertheidiger des Römischen Rechts haben nicht selten den Werth
desselben darin gesetzt, daß es die ewigen Regeln der Gerechtigkeit
in vorzüglicher Reinheit enthalte, und so gleichsam selbst als ein
sanctionirtes Naturrecht zu betrachten sey. Erkundigt man sich
genauer, so wird freylich wieder der größte Theil als Beschränktheit
und Spitzfindigkeit aufgegeben, und die Bewunderung bleibt meist auf
der Theorie der Contracte haften: wenn man hier die Stipulationen und
einigen andern Aberglauben abrechne, so sey im übrigen die Billigkeit
dieses Rechts über die Maaßen groß, ja es sey zu nennen ~l'expression
des sentimens mis par Dieu même dans le coeur des hommes~[8]. Allein
gerade dieses übrig bleibende materielle des Römischen Rechts, was man
so für seine wahre Vortrefflichkeit ausgiebt, ist so allgemeiner Natur,
daß es meist schon[[28]] durch gesunden Verstand ohne alle juristische
Bildung gefunden werden könnte, und um einen so leichten Gewinn lohnt
es sich nicht, Gesetze und Juristen von zweytausend Jahren her zu
unsrer Hülfe zu bemühen. Wir wollen versuchen, das eigenthümliche
des Römischen Rechts etwas genauer ins Auge zu fassen. Daß es damit
eine andere als die hier angedeutete Bedeutung habe, läßt sich im
Voraus schon darum vermuthen, weil es das einzige Recht eines großen,
lange bestehenden Volkes ist, welches eine ganz nationale, ungestörte
Entwicklung gehabt hat, und zugleich in allen Perioden dieses Volkes
mit vorzüglicher Liebe gepflegt worden ist.

Betrachten wir zuerst die Justinianischen Rechtsbücher, also diejenige
Form, in welcher das Römische Recht zu den neueren Staaten in Europa
gekommen ist, so ist in ihnen eine Zeit des Verfalls nicht zu
verkennen. Der Mittelpunkt dieser Rechtsbücher ist eine Compilation
aus Schriften einer classischen Zeit, die als verloren und jetzt
unerreichbar dasteht, und *Justinian* selbst hat dessen kein Hehl.
Diese classische Zeit also, die des *Papinian* und *Ulpian* ist es,
worauf wir unsre Blicke zu richten haben, und wir wollen versuchen, von
der Art und Weise dieser Juristen ein Bild zu entwerfen.

Es ist oben (S. 22) gezeigt worden, daß in unsrer Wissenschaft aller
Erfolg auf dem Besitz der leitenden Grundsätze beruhe, und gerade
dieser Besitz[[29]] ist es, der die Größe der Römischen Juristen
begründet. Die Begriffe und Sätze ihrer Wissenschaft erscheinen ihnen
nicht wie durch ihre Willkühr hervorgebracht, es sind wirkliche Wesen,
deren Daseyn und deren Genealogie ihnen durch langen vertrauten
Umgang bekannt geworden ist. Darum eben hat ihr ganzes Verfahren eine
Sicherheit, wie sie sich sonst außer der Mathematik nicht findet, und
man kann ohne Uebertreibung sagen, daß sie mit ihren Begriffen rechnen.
Diese Methode aber ist keinesweges das ausschließende Eigenthum
eines oder weniger großen Schriftsteller, sie ist vielmehr Gemeingut
Aller, und obgleich unter sie ein sehr verschiedenes Maaß glücklicher
Anwendung vertheilt war, so ist doch die Methode überall dieselbe.
Selbst wenn wir ihre Schriften vollständig vor uns hätten, würden wir
darin weit weniger Individualität finden, als in irgend einer andern
Literatur, sie alle arbeiten gewissermaaßen an einem und demselben
großen Werke, und die Idee, welche der Compilation der Pandekten
zum Grunde liegt, ist darum nicht völlig zu verwerfen. Wie tief bey
den Römischen Juristen diese Gemeinschaft des wissenschaftlichen
Besitzes gegründet ist, zeigt sich auch darin, daß sie auf die äußeren
Mittel dieser Gemeinschaft geringen Werth legen; so z. B. sind ihre
Definitionen größtentheils sehr unvollkommen, ohne daß die Schärfe
und Sicherheit der Begriffe im geringsten darunter leidet. Dagegen
steht ihnen[[30]] ein viel wichtigeres, mehr unwillkührliches Mittel
zu Gebot, eine treffliche Kunstsprache, die mit der Wissenschaft so
zusammenfällt, daß beide ein unauflösliches Ganze zu bilden scheinen.
Mit diesen Vorzügen aber könnte sich eine schneidende Einseitigkeit
sehr wohl vertragen. Das Recht nämlich hat kein Daseyn für sich,
sein Wesen vielmehr ist das Leben der Menschen selbst, von einer
besondern Seite angesehen. Wenn sich nun die Wissenschaft des Rechts
von diesem ihrem Objecte ablöst, so wird die wissenschaftliche
Thätigkeit ihren einseitigen Weg fortgehen können, ohne von einer
entsprechenden Anschauung der Rechtsverhältnisse selbst begleitet
zu seyn; die Wissenschaft wird alsdann einen hohen Grad formeller
Ausbildung erlangen können, und doch alle eigentliche Realität
entbehren. Aber gerade von dieser Seite erscheint die Methode der
Römischen Juristen am vortrefflichsten. Haben sie einen Rechtsfall zu
beurtheilen, so gehen sie von der lebendigsten Anschauung desselben
aus, und wir sehen vor unsern Augen das ganze Verhältniß Schritt vor
Schritt entstehen und sich verändern. Es ist nun, als ob dieser Fall
der Anfangspunkt der ganzen Wissenschaft wäre, welche von hier aus
erfunden werden sollte. So ist ihnen Theorie und Praxis eigentlich gar
nicht verschieden, ihre Theorie ist bis zur unmittelbarsten Anwendung
durchgebildet, und ihre Praxis wird stets durch wissenschaftliche
Behandlung geadelt. In jedem[[31]] Grundsatz sehen sie zugleich
einen Fall der Anwendung, in jedem Rechtsfall zugleich die Regel,
wodurch er bestimmt wird, und in der Leichtigkeit, womit sie so vom
allgemeinen zum besondern und vom besondern zum allgemeinen übergehen,
ist ihre Meisterschaft unverkennbar. Und in dieser Methode, das Recht
zu finden und zu weisen, haben sie ihren eigenthümlichsten Werth,
darin den germanischen Schöffen unähnlich, daß ihre Kunst zugleich zu
wissenschaftlicher Erkenntniß und Mittheilung ausgebildet ist, doch
ohne die Anschaulichkeit und Lebendigkeit einzubüßen, welche früheren
Zeitaltern eigen zu seyn pflegen.

Diese hohe Bildung der Rechtswissenschaft bey den Römern im Anfang
des dritten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung ist etwas so
merkwürdiges, daß wir auch die Geschichte derselben in Betracht ziehen
müssen. Es würde sehr irrig seyn, wenn man dieselbe als die reine
Erfindung eines sehr begünstigten Zeitalters, ohne Zusammenhang mit
der Vorzeit, halten wollte. Vielmehr war der Stoff ihrer Wissenschaft
den Juristen dieser Zeit schon gegeben, größtentheils noch aus der
Zeit der freyen Republik. Aber nicht blos dieser Stoff, sondern
auch jene bewundernswürdige Methode selbst hatte ihre Wurzel in der
Zeit der Freyheit. Was nämlich Rom groß gemacht hat, war der rege,
lebendige, politische Sinn, womit dieses Volk die Formen seiner
Verfassung stets[[32]] auf solche Weise zu verjüngen bereit war,
daß das neue blos zur Entwicklung des alten diente, dieses richtige
Ebenmaaß der beharrlichen und der fortbewegenden Kräfte. Dieser Sinn
war in der Verfassung wie im bürgerlichen Rechte wirksam, aber dort
war er schon vor dem Ende der Republik erloschen, während er hier
noch Jahrhunderte lang fortwirken konnte, weil hier nicht dieselben
Gründe der Corruption statt fanden wie in der Verfassung. Also auch im
bürgerlichen Rechte war der allgemeine Römische Character sichtbar,
das Festhalten am Herkömmlichen, ohne sich durch dasselbe zu binden,
wenn es einer neuen, volksmäßig herrschenden Ansicht nicht mehr
entsprach. Darum zeigt die Geschichte des Römischen Rechts bis zur
classischen Zeit überall allmähliche, völlig organische Entwicklung.
Entsteht eine neue Rechtsform, so wird dieselbe unmittelbar an
eine alte, bestehende angeknüpft, und ihr so die Bestimmtheit und
Ausbildung derselben zugewendet. Dieses ist der Begriff der Fiction,
für die Entwicklung des Römischen Rechts höchst wichtig und von den
Neueren oft lächerlich verkannt: so die ~bonorum possessio~ neben der
~hereditas~, die ~publiciana actio~ neben der ~rei vindicatio~, die
~actiones utiles~ neben den ~directae~. Und indem auf diese Weise das
juristische Denken von der größten Einfachheit zur mannichfaltigsten
Ausbildung ganz stetig und ohne äußere Störung oder Unterbrechung
fortschritt, wurde[[33]] den Römischen Juristen auch in der späteren
Zeit die vollendete Herrschaft über ihren Stoff möglich, die wir
an ihnen bewundern. So wie nun oben bemerkt worden ist, daß die
Rechtswissenschaft in ihrer classischen Zeit Gemeingut der Juristen
war, so erkennen wir jetzt auch eine ähnliche Gemeinschaft zwischen den
verschiedensten Zeitaltern, und wir sind genöthigt, das juristische
Genie, wodurch die Trefflichkeit des Römischen Rechts bestimmt worden
ist, nicht einem einzelnen Zeitalter, sondern der Nation überhaupt
zuzuschreiben. Allein wenn wir auf die literarische Ausbildung sehen,
durch welche allein dem Römischen Recht eine bleibende Wirkung auf
andere Völker und Zeiten gesichert werden konnte, so müssen wir das
Zeitalter des *Papinian* und *Ulpian* als das vornehmste erkennen, und
wenn wir juristische Bücher aus der Zeit des *Cicero* oder des *August*
übrig hätten, so würden wir schwerlich die Unvollkommenheit derselben
neben jenem Zeitalter verkennen können, so wichtig sie auch für unsere
Kenntniß seyn müßten.

Aus dieser Darstellung ist von selbst klar, daß das Römische Recht
sich fast ganz von innen heraus, als Gewohnheitsrecht, gebildet hat,
und die genauere Geschichte desselben lehrt, wie gering im Ganzen
der Einfluß eigentlicher Gesetze geblieben ist, so lange das Recht
in einem lebendigen Zustande war. Auch für[[34]] dasjenige, was oben
über das Bedürfniß eines Gesetzbuchs gesagt wurde, ist die Geschichte
des Römischen Rechts sehr lehrreich. So lange das Recht in lebendigem
Fortschreiten war, wurde kein Gesetzbuch nöthig gefunden, selbst da
nicht, als die Umstände dafür am günstigsten waren. Nämlich zur Zeit
der classischen Juristen hätte es keine Schwierigkeit gemacht, ein
treffliches Gesetzbuch zu verfassen. Auch waren die drey berühmtesten
Juristen, *Papinian*, *Ulpian* und *Paulus* ~praefecti praetorio~;
diesen fehlte es sicher weder an Interesse für das Recht, noch an
Macht, ein Gesetzbuch zu veranlassen, wenn sie es gut oder nöthig
fanden: dennoch sehen wir keine Spur von einem solchen Versuche. Aber
als früher *Cäsar* im Gefühl seiner Kraft und der Schlechtigkeit des
Zeitalters nur seinen Willen in Rom gelten lassen wollte, soll er auch
auf ein Gesetzbuch in unserm Sinne bedacht gewesen seyn[9]. Und als im
sechsten Jahrhundert alles geistige Leben erstorben war, suchte man
Trümmer aus besseren Zeiten zusammen, um dem Bedürfniß des Augenblicks
abzuhelfen. So entstanden in einem kurzen Zeitraum verschiedene
Römische Gesetzbücher: das Edict des *Theoderich*, das Westgothische
Breviarium[[35]], der sogenannte *Papian*, und die Rechtsbücher von
*Justinian*. Schwerlich hätten sich Bücher über Römisches Recht
erhalten, wenn nicht diese Gesetzbücher gewesen wären, und schwerlich
hätte Römisches Recht im neueren Europa Eingang gefunden, wären nicht
unter diesen Gesetzbüchern die von *Justinian* gewesen, in welchen
unter jenen allein der Geist des Römischen Rechts erkennbar ist. Der
Gedanke zu diesen Gesetzbüchern aber ist augenscheinlich nur durch den
äußersten Verfall des Rechts herbeygeführt worden.

Ueber den materiellen Werth des Römischen Rechts können die Meynungen
sehr verschieden seyn, aber über die hier dargestellte Meisterschaft in
der juristischen Methode sind ohne Zweifel alle einig, welche hierin
eine Stimme haben. Eine solche Stimme aber kann offenbar nur denjenigen
zukommen, welche unbefangen und mit literarischem Sinn die Quellen des
Römischen Rechts lesen. Die es blos aus Compendien oder Vorlesungen
kennen, also von Hörensagen, selbst wenn sie einzelne Beweisstellen
nachgeschlagen haben mögen, haben keine Stimme: für sie ist jegliche
Ansicht möglich, unter andern die eines trefflichen Französischen
Redners. Dieser behauptet, das Römische Recht habe zur Zeit der alten
Juristen aus einer unzählbaren Menge einzelner Entscheidungen und
Regeln bestanden, die ein Menschenleben nicht habe erfassen können:
unter *Justinian*[[36]] aber »~la législation romaine sortit du
chaos~,« und sein Werk war das am wenigsten unvollkommene, bis in dem
Code Napoleon ein ganz vollkommenes erschien[10].


5.

Bürgerliches Recht in Deutschland.

[[37]] Bis auf sehr neue Zeiten war in ganz Deutschland ein
gleichförmiges bürgerliches Recht unter dem Namen des *gemeinen Rechts*
in Uebung, durch Landesrechte mehr oder weniger modificirt, aber
nirgends in allen seinen Theilen außer Kraft gesetzt. Die Hauptquelle
dieses gemeinen Rechts waren die Rechtsbücher von *Justinian*, deren
bloße Anwendung auf Deutschland indessen von selbst schon wichtige
Modificationen herbeigeführt hatte. Diesem gemeinen Rechte war
von jeher die wissenschaftliche Thätigkeit der deutschen Juristen
größtentheils zugewendet. Aber eben über dieses fremde Element unsers
Rechts sind auch schon längst bittere Klagen erhoben worden. Das
Römische Recht soll uns unsre Nationalität entzogen haben, und nur
die ausschließende Beschäftigung unsrer Juristen mit demselben soll
das einheimische Recht gehindert haben, eine eben so selbstständige
und wissenschaftliche Ausbildung zu erlangen. Beschwerden dieser Art
haben schon darin etwas leeres und grundloses, daß sie als zufällig und
willkührlich voraussetzen, was ohne innere Nothwendigkeit nimmermehr
geschehen oder doch nicht bleibend geworden wäre. Auch liegt überhaupt
eine abgeschlossene[[38]] nationale Entwicklung, wie die der Alten,
nicht auf dem Wege, welchen die Natur den neueren Völkern angewiesen
hat; wie ihre Religion nicht Eigenthum der Völker ist, ihre Literatur
eben so wenig frey von den mächtigsten äußeren Einflüssen, so scheint
ihnen auch ein fremdes und gemeinsames bürgerliches Recht nicht
unnatürlich. Ja sogar nicht blos fremd überhaupt war dieser Einfluß auf
Bildung und Literatur, sondern größtentheils Römisch, eben so Römisch
als jener Einfluß auf unser Recht. Allein in diesem Falle liegt noch
ein besonderer Irrthum bey jener Ansicht zum Grunde. Nämlich auch
ohne Einmischung des Römischen wäre eine ungestörte Ausbildung des
Deutschen Rechts dennoch unmöglich gewesen, indem alle die Bedingungen
fehlten, welche in Rom das bürgerliche Recht so sehr begünstigt
hatten. Dahin gehörte zuerst die unverrückte Localität, indem Rom,
ursprünglich der Staat selbst, bis zum Untergang des westlichen
Reichs der Mittelpunkt desselben blieb, während die Deutschen Stämme
auswanderten, unterjochten und unterjocht wurden, so daß das Recht
unter alle vertheilt war, aber nirgends eine unverrückte Stelle, noch
weniger einen einzelnen Mittelpunkt fand. Dann haben schon sehr frühe
die Deutschen Stämme Revolutionen erfahren von so durchgreifender Art,
wie sie die ganze Römische Geschichte nicht kennt. Denn selbst die
Aenderungen der Verfassung unter *August* und unter[[39]] *Constantin*
wirkten auf das bürgerliche Recht nicht unmittelbar und ließen selbst
Grundbegriffe des öffentlichen Rechts, wie z. B. den der Civität,
unberührt. In Deutschland dagegen, als das Lehenwesen ganz ausgebildet
war, blieb von der alten Nation eigentlich nichts mehr übrig, alles
bis auf Formen und Namen war von Grund aus verändert, und diese
gänzliche Umwälzung war schon entschieden, als das Römische Recht
Eingang fand.

Im vorigen Abschnitt ist gezeigt worden, wie wichtig das Römische
Recht als Muster juristischer Methode sey: für Deutschland ist es nun
auch historisch, durch sein Verhältniß zum gemeinen Recht, von großer
Wichtigkeit. Es ist ganz falsch, wenn man diese historische Wichtigkeit
des Römischen Rechts auf die Fälle einschränken wollte, welche
unmittelbar aus demselben entschieden werden. Nicht nur ist in den
Landesrechten selbst sehr vieles blos Römisches Recht und nur in seinem
ursprünglichen Römischen Zusammenhang verständlich, sondern auch da,
wo man absichtlich seine Bestimmungen verlassen hat, hat es häufig die
Richtung und Ansicht des neu eingeführten Rechts bestimmt, so daß die
Aufgabe, die durch dieses neue Recht gelöst werden soll, ohne Römisches
Recht gar nicht verstanden werden kann. Diese historische Wichtigkeit
aber theilt mit dem Römischen Recht das Deutsche, welches überall in
den Landesrechten erhalten ist, so daß diese ohne Zurückführung[[40]]
auf die gemeinsame Quelle unverständlich bleiben müssen.

Gegen diesen nicht wenig verwickelten Zustand der Rechtsquellen in
Deutschland, wie er aus der Verbindung des schon an sich sehr zusammen
gesetzten gemeinen Rechts mit den Landesrechten hervorgieng, sind
die größten Klagen geführt worden. Diejenigen, welche das Studium
betreffen, werden besser unten ihre Stelle finden: einige aber
betreffen die Rechtspflege selbst.

*Erstlich* soll dadurch die übermäßig lange Dauer der Prozesse in
vielen Deutschen Ländern bewirkt worden seyn. Dieses Uebel selbst wird
niemand abläugnen oder für unbedeutend erklären können, aber man thut
den Richtern in solchen Ländern in der That zu viel Ehre an, wenn man
glaubt, auf das ängstliche Grübeln über der schweren Theorie werde so
viele Zeit verwendet. Ueber diese Theorie hilft das erste Compendium
oder Handbuch hinweg, welches zur Hand ist: schlecht vielleicht,
aber gewiß mit nicht mehr Aufwand von Zeit als das vortrefflichste
Gesetzbuch. Jenes Uebel entspringt vorzüglich aus der heillosen
Prozeßform vieler Länder, und deren Reform gehört allerdings zu den
dringendsten Bedürfnissen: die Quellen des bürgerlichen Rechts sind
daran schuldlos. Daß dem so ist, wird jeder Unbefangene zugeben,
welcher Acten aufmerksam gelesen hat. Auch die Erfahrung einzelner
Länder spricht dafür, so z. B. war[[41]] schon längst in Hessen
die Rechtspflege gut und schnell, obgleich da gerade in demselben
Verhältniß gemeines Recht und Landesrecht galt, wie in den Ländern, in
welchen die Prozesse nicht zu Ende gehen.

*Zweytens* klagt man über die große Verschiedenheit der Landesrechte,
und diese Klage geht noch weiter als auf das Verhältniß verschiedener
Deutscher Länder, da häufig auch in demselben Lande Provinzen und
Städte wiederum besonderes Recht haben. Daß durch diese Verschiedenheit
die Rechtspflege selbst leide und der Verkehr erschwert werde, hat man
häufig gesagt, aber keine Erfahrung spricht dafür, und der wahre Grund
ist wohl meist ein anderer. Er besteht in der unbeschreiblichen Gewalt,
welche die bloße Idee der Gleichförmigkeit nach allen Richtungen nun
schon so lange in Europa ausübt: eine Gewalt, gegen deren Mißbrauch
schon *Montesquieu* warnt[11]. Es lohnt wohl der Mühe, diese
Gleichförmigkeit in dieser besondern Anwendung näher zu betrachten.
Das wichtigste, was man für die Gleichförmigkeit des Rechts sagt, ist
dieses: die Liebe zum gemeinsamen Vaterland werde durch sie erhöht,
durch die Mannichfaltigkeit der Particularrechte aber geschwächt. Ist
diese Voraussetzung[[42]] wahr, so wird jeder wohlgesinnte Deutsche
wünschen, daß Deutschland in allen seinen Theilen gleiches Recht
genießen möge. Aber eben diese Voraussetzung ist nun der Gegenstand
unsrer Prüfung.

In jedem organischen Wesen, also auch im Staate, beruht die Gesundheit
darauf, daß beides, das Ganze und jeder Theil, im Gleichgewicht
stehe, daß jedem sein Recht widerfahre. Daß ein Bürger, eine Stadt,
eine Provinz den Staat vergessen, dem sie angehören, ist eine
sehr gewöhnliche Erscheinung, und jeder wird diesen Zustand für
unnatürlich und krankhaft erkennen. Aber eben so kann die lebendige
Liebe zum Ganzen blos aus der lebendigen Theilnahme an allen einzelnen
Verhältnissen hervorgehen, und nur wer seinem Hause tüchtig vorsteht,
wird ein trefflicher Bürger seyn. Darum ist es ein Irrthum, zu glauben,
das Allgemeine werde an Leben gewinnen durch die Vernichtung aller
individuellen Verhältnisse. Könnte in jedem Stande, in jeder Stadt,
ja in jedem Dorfe ein eigenthümliches Selbstgefühl erzeugt werden, so
würde aus diesem erhöhten und vervielfältigten individuellen Leben
auch das Ganze neue Kraft gewinnen. Darum, wenn von dem Einfluß des
bürgerlichen Rechts auf das Vaterlandsgefühl die Rede ist, so darf
nicht geradezu das besondere Recht einzelner Provinzen und Städte für
nachtheilig gehalten werden. Lob in dieser Beziehung[[43]] verdient
das bürgerliche Recht, insoferne es das Gefühl und Bewußtseyn des
Volkes berührt oder zu berühren fähig ist: Tadel, wenn es als etwas
fremdartiges, aus Willkühr entstandenes, das Volk ohne Theilnahme läßt.
Jenes aber wird öfter und leichter bey besonderen Rechten einzelner
Landstriche der Fall seyn, obgleich gewiß nicht jedes Stadtrecht etwas
wahrhaft volksmäßiges seyn wird. Ja für diesen politischen Zweck
scheint kein Zustand des bürgerlichen Rechts günstiger, als der,
welcher vormals in Deutschland allgemein war: große Mannichfaltigkeit
und Eigenthümlichkeit im einzelnen, aber als Grundlage überall
das gemeine Recht, welches alle Deutschen Volksstämme stets an
ihre unauflösliche Einheit erinnerte. Das verderblichste aber von
diesem Standpuncte aus ist leichte und willkührliche Aenderung des
bürgerlichen Rechts, und selbst wenn durch dieselbe für Einfachheit
und Bequemlichkeit gut gesorgt wäre, so könnte dieser Gewinn gegen
jenen politischen Nachtheil nicht in Betracht kommen. Was so vor
unsern Augen von Menschenhänden gemacht ist, wird im Gefühl des Volkes
stets von demjenigen unterschieden werden, dessen Entstehung nicht
eben so sichtbar und greiflich ist, und wenn wir in unserm löblichen
Eifer diese Unterscheidung ein blindes Vorurtheil schelten, so sollten
wir nicht vergessen, daß aller Glaube und alles Gefühl für das was
nicht[[44]] unsres gleichen ist, sondern höher als wir, auf einer
ähnlichen Sinnesart beruht. Eine solche Verwandtschaft könnte uns über
die Verwerflichkeit jener Unterscheidung wohl zweifelhaft machen[12].


6.

Unser Beruf zur Gesetzgebung.

[[45]] Von den Gründen, auf welche das Bedürfniß eines Gesetzbuchs
für Deutschland gebaut zu werden pflegt, ist im vorigen Abschnitt
gesprochen worden: wir haben jetzt die Fähigkeit zu dieser Arbeit zu
untersuchen. Sollte es an dieser fehlen, so müßte durch ein Gesetzbuch
unser Zustand, den wir bessern wollen, nothwendig verschlimmert werden.

*Baco* forderte, daß die Zeit, in welcher ein Gesetzbuch gemacht werde,
an Einsicht die vorhergehenden Zeiten übertreffe, wovon die nothwendige
Folge ist, daß manchem Zeitalter, welches in anderer Rücksicht für
gebildet gelten mag, gerade diese Fähigkeit abgesprochen werden muß.
In den neuesten Zeiten haben sich besonders die Gegner des Römischen
Rechts über solche Ansichten nicht selten entrüstet: denn die Vernunft
sey allen Völkern und allen Zeiten gemein, und da wir überdem die
Erfahrung voriger Zeiten benutzen können, so müsse unfehlbar, was wir
verfertigen, besser als alles vorige werden. Aber eben diese Meynung,
daß jedes Zeitalter zu allem berufen sey, ist das verderblichste
Vorurtheil. In den schönen Künsten müssen wir wohl das Gegentheil
anerkennen,[[46]] warum wollen wir uns nicht dasselbe gefallen lassen,
wo von Bildung des Staates und des Rechts die Rede ist?

Sehen wir auf die Erwartungen der Nichtjuristen von einem Gesetzbuch,
so sind diese sehr verschieden nach den verschiedenen Gegenständen des
Rechts, und auch hierin zeigt sich das zweyfache Element alles Rechts,
welches ich oben das politische und das technische genannt habe. An
einigen Gegenständen nehmen sie unmittelbar lebhaften Antheil, andere
werden als gleichgültig der juristischen Technik allein überlassen:
jenes ist mehr im Familienrecht, dieses mehr im Vermögensrecht der
Fall, am meisten in den allgemeinen Grundlagen desselben[13]. Wir
wollen als Repräsentanten dieser verschiedenartigen Gegenstände die Ehe
und das Eigenthum wählen, was aber von ihnen gesagt werden wird, soll
zugleich für die ganze Classe gelten, wozu sie gehören.

Die Ehe gehört nur zur Hälfte dem Rechte an, zur Hälfte aber der
Sitte, und jedes Eherecht ist unverständlich, welches nicht in
Verbindung mit dieser seiner nothwendigen Ergänzung betrachtet wird.
Nun ist in neueren Zeiten aus[[47]] Gründen, die mit der Geschichte
der christlichen Kirche zusammenhangen, die nichtjuristische Ansicht
dieses Verhältnisses theils flach, theils im höchsten Grade schwankend
und unbestimmt geworden, und jene Flachheit, wie dieses Schwanken,
haben sich dem Recht der Ehe mitgetheilt. Wer die Gesetzgebung und
das practische Recht in Ehesachen aufmerksam betrachtet, wird darüber
keinen Zweifel haben. Diejenigen nun, welche glauben, daß jedes
Uebel nur auf ein abhelfendes Gesetz warte, um dann auf der Stelle
zu verschwinden, werden diesen traurigen Zustand gern anerkennen, um
dadurch das Bedürfniß einer kräftigen, durchgreifenden Gesetzgebung
in helles Licht zu setzen. Aber eben die Hoffnung, die sie hierin
auf Gesetze bauen, halte ich für ganz grundlos. Ist einmal in der
allgemeinen Ansicht eine bestimmte und löbliche Richtung sichtbar,
so kann diese durch Gesetzgebung kräftig unterstützt werden, aber
hervorgebracht wird sie durch diese nicht, und wo sie gänzlich fehlt,
wird jeder Versuch einer erschöpfenden Gesetzgebung den gegenwärtigen
Zustand nur noch schwankender machen und die Heilung erschweren.

Wir betrachten ferner diejenigen Gegenstände, welche (wie das
Eigenthum) im nichtjuristischen Publikum mit Gleichgültigkeit
betrachtet werden, und wovon selbst Juristen urtheilen, daß sie unter
allen Umständen dieselben seyn können[14], so daß sie lediglich[[48]]
der juristischen Technik anheim fallen. Daß wir diese Ansicht von
ihnen haben, ist eigentlich selbst schon Zeichen eines öffentlichen
Zustandes, welchem die rechtsbildende Kraft fehlt; denn wo diese
lebendig ist, werden alle diese Verhältnisse nichts weniger als
gleichgültig, sondern vielmehr ganz eigenthümlich und nothwendig
seyn, wie die Geschichte jedes ursprünglichen Rechts beweist. Jenen
Zustand aber als den unsrigen vorausgesetzt, wird unsre Fähigkeit zur
Gesetzgebung von dem Werthe und der Ausbildung unsrer juristischen
Technik abhangen, und auf diese muß demnach unsre Untersuchung zunächst
gerichtet seyn.

Unglücklicherweise nun ist das ganze achtzehente Jahrhundert in
Deutschland sehr arm an großen Juristen gewesen. Fleißige Männer
zwar fanden sich in Menge, von welchen sehr schätzbare Vorarbeiten
gethan wurden, aber weiter als zu Vorarbeiten kam es selten. Ein
zweyfacher Sinn ist dem Juristen unentbehrlich: der historische,
um das eigenthümliche jedes Zeitalters und jeder Rechtsform scharf
aufzufassen, und der systematische, um jeden Begriff und jeden Satz
in lebendiger Verbindung und Wechselwirkung mit dem Ganzen anzusehen,
d. h. in dem Verhältniß, welches das allein wahre und natürliche
ist. Dieser zweyfache wissenschaftliche Sinn findet sich ungemein
wenig in den Juristen des achtzehenten Jahrhunderts, und vorzüglich
ein vielfältiges flaches Bestreben in der Philosophie wirkte sehr
ungünstig. Ueber[[49]] die Zeit, in welcher man selbst lebt, ist ein
sicheres Urtheil sehr schwer: doch, wenn nicht alle Zeichen trügen,
ist ein lebendigerer Geist in unsre Wissenschaft gekommen, der sie
künftig wieder zu einer eigenthümlichen Bildung erheben kann. Nur
fertig geworden ist von dieser Bildung noch sehr wenig, und aus
diesem Grunde läugne ich unsre Fähigkeit, ein löbliches Gesetzbuch
hervorzubringen. Viele mögen dieses Urtheil für übertrieben halten,
aber diese fordere ich auf, mir unter der nicht geringen Zahl von
Systemen des Römisch-Deutschen Rechts eines zu zeigen, welches nicht
etwa blos zu diesem oder jenem besondern Zwecke nützlich dienen könne,
denn deren haben wir viele, sondern welches als Buch vortrefflich sey;
dieses Lob aber wird nur dann gelten können, wenn die Darstellung
eine eigene, selbstständige Form hat, und zugleich den Stoff zu
lebendiger Anschauung bringt. So z. B. im Römischen Rechte würde es
darauf ankommen, daß die Methode der alten Juristen, der Geist, der
in den Pandekten lebt, erkennbar wäre, und ich würde mich sehr freuen,
dasjenige unsrer Systeme kennen zu lernen, worin dieses der Fall seyn
möchte. Hat nun diese Arbeit bey vielem Fleiße und guten Talenten bis
jetzt nicht gelingen wollen, so behaupte ich, daß in unsrer Zeit ein
gutes Gesetzbuch noch nicht möglich ist, denn für dieses ist die Arbeit
nicht anders, nur schwerer. Es giebt noch eine andere Probe für unsre
Fähigkeit: vergleichen wir unsre[[50]] juristische Literatur mit der
literarischen Bildung der Deutschen überhaupt, und sehen wir zu, ob
jene mit dieser gleichen Schritt gehalten hat, das Urtheil wird nicht
günstig ausfallen, und wir werden ein ganz anderes Verhältniß finden,
als das der Römischen Juristen zur Literatur der Römer. In dieser
Ansicht liegt keine Herabsetzung, denn unsre Aufgabe ist in der That
sehr groß, ohne Vergleichung schwerer als die der Römischen Juristen
war. Aber eben die Größe dieser Aufgabe sollen wir nicht verkennen
aus Bequemlichkeit oder Eigendünkel, wir sollen nicht am Ziel zu seyn
glauben, wenn wir noch weit davon entfernt sind.

Haben wir nun in der That nicht was nöthig ist, damit ein gutes
Gesetzbuch entstehe, so dürfen wir nicht glauben, daß das wirkliche
Unternehmen eben nichts weiter seyn würde, als eine fehlgeschlagene
Hoffnung, die uns im schlimmsten Fall nur nicht weiter gebracht
hätte. Von der großen Gefahr, die unvermeidlich eintritt, wenn der
Zustand einer sehr mangelhaften unbegründeten Kenntniß durch äußere
Autorität fixiert wird, ist schon oben (S. 22) gesprochen worden,
und diese Gefahr würde hier um so größer seyn, je allgemeiner die
Unternehmung wäre und je mehr sie mit dem erwachenden Nationalinteresse
in Verbindung gebracht würde. Nahe liegende Beyspiele geben in
solchen Dingen oft ein weniger deutliches Bild: ich will also, um
anschaulich[[51]] zu machen, was auf solche Weise entstehen kann, an
die Zeit nach der Auflösung des weströmischen Reichs erinnern, wo eben
so ein unvollkommner Zustand der Rechtskenntniß fixirt worden ist (S.
34). Der einzige Fall, der hier eine Vergleichung darbietet, ist das
Edict des Ostgothischen Theoderich, weil hier allein das vorhandene
Recht in einer eigenen, neuen Form dargestellt werden sollte. Ich bin
weit entfernt zu glauben, daß, was wir hervorbringen könnten, diesem
Edict völlig gleich sehen würde, denn der Unterschied der Zeiten ist
in der That sehr groß: die Römer im Jahr 500 hatten Mühe zu sagen
was sie dachten, wir verstehen gewissermaaßen zu schreiben: ferner
gab es damals gar keine juristische Schriftsteller, wir haben daran
keinen Mangel. Allein darin ist die Aehnlichkeit unverkennbar, daß
dort ein historischer Stoff dargestellt werden sollte, den man nicht
übersah und nicht regieren konnte, und den wir Mühe haben in dieser
Darstellung wieder zu erkennen. Und darin ist der Nachteil entschieden
auf unsrer Seite, daß im Jahr 500 nichts zu verderben war. In unsrer
Zeit dagegen ist ein lebendiges Bestreben nicht abzuläugnen, und
niemand kann wissen, wie viel besseres wir der Zukunft entziehen, indem
wir gegenwärtige Mängel befestigen. Denn »~ut corpora lente augescunt,
cito extinguuntur; sic ingenia studiaque oppresseris facilius quam
revocaveris~.«[15]

[[52]] Ein wichtiger Punkt ist noch zu bedenken, die Sprache nämlich.
Ich frage jeden, der für würdigen, angemessenen Ausdruck Sinn hat,
und der die Sprache nicht als eine gemeine Geräthschaft, sondern als
Kunstmittel betrachtet, ob wir eine Sprache haben, in welcher ein
Gesetzbuch geschrieben werden könnte. Ich bin weit entfernt, die
Kraft der edlen Deutschen Sprache selbst in Zweifel zu ziehen; aber
eben daß sie jetzt nicht dazu taugt, ist mir ein Zeichen mehr, daß
wir in diesem Kreise des Denkens zurück sind. Kommt nur erst unsre
Wissenschaft weiter, so wird man sehen, wie unsre Sprache durch
frische, ursprüngliche Lebenskraft förderlich seyn wird. Noch mehr,
ich glaube wir sind in diesem Stücke noch in neueren Zeiten rückwärts
gegangen. Ich kenne aus dem achtzehenten Jahrhundert kein Deutsches
Gesetz, welches in Ernst und Kraft des Ausdrucks mit der peinlichen
Gerichtsordnung Karls des fünften verglichen werden könnte.

Ich weiß, was man auf diese Gründe antworten kann, selbst wenn man sie
alle zugiebt: die Kraft des menschlichen Geistes sey unendlich, und
bey redlichem Streben könne auch jetzt plötzlich ein Werk hervorgehen,
woran von allen diesen Mängeln keiner verspürt würde. Wohl: der
Versuch steht jedem frey, an Aufmerksamkeit fehlt es unsrer Zeit nicht,
und es hat keine Gefahr, daß das wirkliche Gelingen übersehen werde.

[[53]] Ich habe bis jetzt die Fähigkeit unsrer Zeit zu einer
allgemeinen Gesetzgebung untersucht, als ob dergleichen noch nicht
unternommen worden wäre. Ich wende mich jetzt zu den Gesetzbüchern,
welche die neueste Zeit wirklich hervorgebracht hat.


7.

Die drey neuen Gesetzbücher.

[[54]] Die vollständige Kritik eines Gesetzbuchs, die von größerem
Umfang seyn muß, als das Gesetzbuch selbst, kann eben deshalb in den
Gränzen einer kleinen Schrift nicht versucht werden. Auch kommt es hier
auf diese Gesetzbücher nicht sowohl in ihrem Werthe im einzelnen an,
als in der Wahrscheinlichkeit, die sie uns für oder wider das Gelingen
einer neuen Unternehmung dieser Art darbieten. Sie sind nämlich
sämtlich aus demjenigen Zustande juristischer Bildung hervorgegangen,
für welchen oben die Fähigkeit zur Verfertigung eines guten Gesetzbuchs
verneint worden ist, und sie werden folglich historisch zur Bestätigung
oder Widerlegung unsrer Behauptung dienen können. Ich stelle den Code
Napoleon zuerst, weil über ihn allein ausführliche Verhandlungen
bekannt gemacht sind, welche recht unmittelbar zu unsrem Zwecke führen
können.[16]

[[55]] Bey dem Code sind die politischen Elemente der Gesetzgebung
vor den technischen von Einfluß gewesen, und er hat deshalb in dem
bestehenden Rechte mehr als die deutschen Gesetzbücher geändert. Die
Gründe und die Natur dieses überwiegenden Einflusses sind neuerlich in
einer sehr geistreichen Schrift so gründlich dargestellt worden[17],
daß ich mich begnügen kann, ihre Ansichten hier kurz zusammen zu
fassen. Die Revolution nämlich hatte zugleich mit der alten Verfassung
auch einen großen Theil des bürgerlichen Rechts vernichtet, beides
mehr aus blindem Trieb gegen das bestehende und in ausschweifenden,
sinnlosen Erwartungen von einer unbestimmten Zukunft, als von dem
Wahn eines bestimmten, für trefflich gehaltenen Zustandes geleitet.
Als nun Bonaparte alles unter militärischen Despotismus zwang, hielt
er den Theil der Revolution, der ihm diente, und die Rückkehr der
alten Verfassung ausschloß, begierig fest, das übrige, was nun schon
Alle anekelte, und was ihm selbst entgegen gewesen wäre, sollte
verschwinden, nur war dies nicht überall möglich, da[[56]] die Wirkung
der vergangenen Jahre auf Bildung, Sitten und Gesinnungen nicht
auszulöschen war. Diese halbe Rückkehr zu den vorigen ruhigen Zuständen
war allerdings wohlthätig, und sie gab dem Gesetzbuch, das in dieser
Zeit entstand, seine Hauptrichtung. Aber diese Rückkehr war Ermüdung
und Ueberdruß, nicht der Sieg edlerer Kräfte und Gesinnungen, auch
wäre für diese in dem öffentlichen Zustand, der sich nun zur Plage
von Europa bildete, kein Raum gewesen. Diese innere Bodenlosigkeit
ist in den Discussionen des Staatsraths unverkennbar, und muß auf
jeden aufmerksamen Leser einen trostlosen Eindruck machen. Dazu kam
nun der unmittelbare Einfluß der Staatsverfassung. Diese war, als
der Code gemacht wurde, der Theorie nach republikanisch im Sinn der
Revolution, in der That aber neigte sich schon alles zu dem später
entwickelten Despotismus. Daher entstand in den Grundsätzen selbst
Schwanken und Veränderlichkeit, so z. B. erklärte Bonaparte selbst
1803 im Staatsrathe dieselben Familienfideicommisse für schädlich,
unsittlich und unvernünftig[18], welche 1806 wieder eingeführt und
1807 in den Code aufgenommen wurden. Weit gefährlicher aber für die
Gesinnung war es, daß durch diesen schnellen[[57]] Wechsel der letzte
so oft beschworene Gegenstand des Glaubens und der Verehrung wieder
vernichtet wurde, und daß Ausdrücke und Formen nunmehr beständig mit
den Begriffen in Widerspruch kamen, wodurch in den Meisten auch der
letzte Rest von Wahrheit und sittlicher Haltung verschwinden mußte. Es
würde schwer seyn, einen öffentlichen Zustand zu erfinden, welcher für
die Gesetzgebung nachtheiliger als dieser wirkliche wäre. Auch blickt
bey den Franzosen selbst nicht selten durch die stehenden Lobpreisungen
ein Gefühl dieses unseeligen Zustandes und der Unvollkommenheit der
auf denselben gegründeten Arbeit hervor[19]. Für Deutschland aber,
das der Fluch dieser Revolution nicht getroffen hatte, war der Code,
der Frankreich einen Theil des Weges zurück führte, vielmehr ein
Schritt vorwärts in den Zustand der Revolution hinein, folglich
verderblicher und heilloser als für Frankreich selbst[20]. -- Doch
alle diese Ansichten haben glücklicherweise für uns Deutsche nur noch
ein historisches Interesse. Napoleon zwar hatte es anders gemeynt.
Ihm diente der Code als ein Band mehr, die Völker zu umschlingen, und
darum[[58]] wäre er für uns verderblich und abscheulich gewesen, selbst
wenn er allen innern Werth gehabt hätte, der ihm fehlt. Von dieser
Schmach sind wir erlöst, und es wird bald wenig mehr davon übrig seyn,
als die Erinnerung, daß so manche Deutsche Juristen, selbst ohne allen
äußeren Beruf, recht vergnügt mit diesem Instrument gespielt, und uns
Heil verkündigt haben von dem was uns zu verderben bestimmt war. Jetzt
hat der Code eine andere Stellung gegen Europa angenommen, und wir
können ihn ruhig und unparteyisch als ein Gesetzbuch für Frankreich
beurtheilen.

Wir betrachten nunmehr den technischen Theil des Code, welcher gedacht
werden könnte ohne alle Revolution, indem er schon bestehendes Recht
enthält[21]. Dieses bestehende Recht aber ist theils Römisches, theils
Französisches (~coutumes~), so daß auch dieser Theil des Code in jedem
einzelnen Stücke von Frankreich zur Hälfte neues Recht einführte, und
nirgends willkommen war[22]; derselbe Erfolg würde bey einem ähnlichen
Versuche in Deutschland unvermeidlich seyn. Davon abgesehen, wenden
wir uns nun zur Arbeit selbst. Es ist selbst in Deutschland[[59]]
nicht selten der Ernst und die Gründlichkeit gerühmt worden, womit
man diese Arbeit betrieben habe[23]. Daß die vier Redactoren mit der
Grundlage des ganzen (dem ~projet de code civil~) in wenigen Monaten
zu Stande kamen, war freylich nicht zu läugnen: aber alles, was hier
mangeln mochte, sollte in der Discussion des Staatsraths, diesem
Stolze der Französischen Administration, vollendet worden seyn. Daß
in dieser Discussion öfters auch gute Gedanken vorkamen, ist wahr,
aber den allgemeinen Character derselben hat *Thibaut* sehr richtig in
oberflächliches Hin- und Herreden und Durcheinandertappen gesetzt[24].
Doch, was hier die Hauptsache ist, das eigentlich technische, wovon der
wahre Werth abhieng, ist so gut als gar nicht zur Sprache gekommen.
Und wie konnte es auch anders seyn! Einem sehr zahlreichen und sehr
gemischten Collegium konnten wohl Fragen begreiflich gemacht werden,
wie diese, ob der Vater seine Tochter ausstatten müsse, und ob der
Kauf wegen großer Läsion angefochten werden könne, aber die allgemeine
Theorie des Sachenrechts und der Obligationen ist nun einmal nicht
ohne wissenschaftliche Vorbereitung zu verstehen, ja sie[[60]]
konnte nicht einmal zur Sprache kommen bey einer Discussion, die
den Entwurf blos nach der Reihe der einzelnen Artikel prüfte, ohne
den Inhalt und die Behandlung ganzer Abschnitte zu untersuchen. So
ist es denn gekommen, daß z. B. die Discussion über die Anfechtung
des Kaufs wenigstens viermal so stark ist, als die über die zwey
ersten Kapitel der Verträge[25]. Und doch wird mir jeder Sachkundige
zugeben, daß für den Werth und die Brauchbarkeit des Gesetzbuchs
überhaupt jene isolirte Fragen gegen diese allgemeinen Lehren ganz
unbedeutend sind. Der Staatsrath also hat an dem Code, soweit er
technisch ist, keinen Theil, und der Code ist und bleibt die sehr
schnelle Arbeit der bekannten Redactoren, eigentlicher Juristen. Und
wie stand nun die Rechtswissenschaft in Frankreich, als diese Männer
sich bildeten? Es ist allgemein bekannt, daß für das Römische Recht
Pothier der Leitstern der neuern Französischen Juristen ist, und
daß seine Schriften den unmittelbarsten Einfluß auf den Code gehabt
haben. Ich bin weit entfernt, Pothier gering zu schätzen, vielmehr
wäre die Jurisprudenz eines Volkes, worin er einer von vielen wäre,
recht gut berathen. Aber eine juristische Literatur, in welcher er
allein steht,[[61]] und fast als Quelle verehrt und studiert wird,
muß doch Mitleid erregen. Betrachten wir ferner diese juristische
Gelehrsamkeit, wie sie in unläugbaren Thatsachen vor uns liegt, so
ist sie in der That merkwürdig. Sehr bedeutend sind schon solche
Erscheinungen wie *Desquiron*[26], der von einem Römischen Juristen
*Justus Lipsius* bald nach den zwölf Tafeln und von dem berühmten
*Sicardus* unter Theodosius II., Verfasser des Codex Theodosianus,
erzählt; selbst solche Monstrositäten verstatten einen Schluß auf
den mittleren Durchschnitt des wissenschaftlichen Zustandes. Allein
wir wollen uns unmittelbar an die Verfasser des Gesetzbuchs wenden,
an *Bigot-Preameneu*, *Portalis* und *Maleville*. Von den gelehrten
Ansichten des ersten ist bereits oben (35) eine Probe vorgekommen.
Von Portalis mag die folgende Probe genügen. Der ~art~ 6. enthält die
Regel: ~jus publicum privatorum pactis mutari non potest~. Man hatte
den Einwurf gemacht, ~jus publicum~ heiße nicht das Recht was den
Staat interessirt, sondern jedes Gesetz ohne Unterschied, jedes ~jus
publice stabilitum~. Darauf antwortet *Portalis*[27]: im allgemeinen
seyen[[62]] beide Bedeutungen des Worts zuzugeben, aber es frage sich,
was es eben in dieser Stelle des Römischen Rechts heiße. »~Or, voici
comment est conçu le sommaire de la loi 31^{me} au Digeste de pactis:
contra tenorem legis privatam utilitatem continentis pacisci licet....
Ainsi, le droit public est ce qui intéresse plus directement la société
que les particuliers.~« Ich will nicht davon reden, daß hier ~jus
publicum~ oberflächlich und schief verstanden ist, aber ich frage:
was lag bey dieser allgemeinen Regel daran, wie sich die Römer eine
ähnliche Regel dachten? und wenn daran etwas lag, wie war es möglich,
den Sprachgebrauch der Römer aus einer Stelle des *Bartolus* (denn von
diesem ist das ~summarium~) darzuthun, d. h. diesen mit den Römischen
Juristen für Eine Masse zu halten? Das heißt doch wohl ~tamquam e
vinculis sermocinari~! *Maleville* zeigt sich in seinem Buche durchaus
als ein ehrenwerther und verständiger Mann: aber einige Spuren seiner
juristischen Gelehrsamkeit sind um so entscheidender, da er gerade
unter die Repräsentanten des Römischen Rechts bey der Redaction des
Code gehörte. So z. B. giebt er eine kleine Uebersicht der Geschichte
der Usucapion und der ~res mancipi~, die einzig in ihrer Art ist[28]:
so[[63]] lange die Römer nur kleines und nahes Landeigenthum hatten,
sagt er, waren zwey Jahre zur Verjährung hinreichend, als sie aber
in den Provinzen, also in großer Entfernung von Rom, Land erwarben,
wurden zehen Jahre erfodert (die ~longi temporis praescriptio~). ~Res
mancipi~ hießen die Italischen Grundstücke und alle bewegliche Sachen,
bey beweglichen Sachen gieng durch bloße Tradition Eigenthum über und
Usucapion ging nur auf ~res mancipi~; bey ~res nec mancipi~ aber, d. h.
bey Provinzialgrundstücken, gab es eine ~longi temporis praescriptio~,
wozu kein Titel gehörte; der Inhaber derselben hieß ~dominus
bonitarius~. An einer andern Stelle ist von der *Justinianischen*
Usucapion die Rede: man müsse unterscheiden zwischen dem Diebe selbst
und dem dritten, welcher von dem Diebe kaufe, jener brauche 30 Jahre,
bey diesem komme die ~L. un. C. de usuc. transform.~ in Anwendung,
also dreyjährige Verjährung[29], ganz als ob von ~res furtiva~ bey den
Römern niemals die Rede gewesen wäre. Ein anderer sehr merkwürdiger
Fall betrifft *Portalis* und *Maleville* zugleich. Bey der Ehescheidung
nämlich wird beständig Römisches Recht mit zur Sprache gebracht,
aber *Portalis* und *Maleville* gehen aus von einer Geschichte der
Römischen Ehescheidung, welche nicht etwa blos falsch,[[64]] sondern
ganz unmöglich ist; so z. B. glauben beide, die Ehe habe nicht von
einem Ehegatten einseitig, sondern nur durch Uebereinkunft getrennt
werden können, wodurch in der That das ganze Recht der Pandekten,
ja selbst das von *Justinian* über diesen Gegenstand, vollkommen
sinnlos wird; selbst die Scheidung durch Uebereinkunft sey bey den
Römern blos eine Folge der irrigen Ansicht, daß die Ehe mit anderen
Contracten auf gleicher Linie stehe[30]! Und dieses betraf hier nicht
etwa eine geschichtliche Curiosität, sondern Grundsätze, welche auf
die Discussion unmittelbaren Einfluß hatten, wie denn z. B. gerade das
unverständigste in der ganzen Geschichte der Römischen Ehescheidung
zum allgemeinen Ekel in den Art. 230 aufgenommen ist. Dieser Zustand
juristischer Gelehrsamkeit aber ist nicht als Hochmuth oder Verstockung
auszulegen; bey den Debatten über die Rescission des Kaufs führte einem
Staatsrath der Zufall die Dissertation von *Thomasius* über die ~L.
2. C. de resc. vend.~ in die Hände, und es ist ordentlich rührend zu
sehen, mit welchem Erstaunen diese Schrift aufgenommen, excerpirt und
discutirt wird[31]. Mit ähnlicher und besserer Gelehrsamkeit[[65]]
könnten wir freilich noch in anderen Materien dienen! auch kann man
dieser literarischen Unschuld keine nationale Parteylichkeit vorwerfen,
denn bekanntlich lebten in Frankreich im 16ten Jahrhundert einige
Leute, von denen man noch jetzt Römisches Recht lernen kann. Aber ich
selbst habe einen juristischen Professor in Paris sagen hören, die
Werke des *Cujaz* dürften zwar in einer sehr vollständigen Bibliothek
nicht fehlen, gebraucht würden sie indessen nicht mehr, weil alles gute
aus ihnen bey *Pothier* stehe.

So viel von dem Boden, worauf der Code gewachsen ist, nun von der
Frucht selbst. Materielle Vollständigkeit lag nicht im Plane, es kam
daher auf folgende drey Stücke an: Auswahl der Gegenstände, Auswahl der
Bestimmungen über jeden Gegenstand, und Verhältniß zu demjenigen, was
~in subsidium~ gelten sollte, wo der Code nicht zureichen würde. --
Die Auswahl der Gegenstände war für den praktisch gebildeten Juristen
das leichteste, aber gerade diese ist hier so ungeschickt ausgefallen,
daß für die Anwendung die fühlbarsten Lücken im großen entstehen.
Nicht Erfahrung und praktischer Sinn hat sie bestimmt, sondern der
Anstoß, welchen herkömmliche Lehrart gegeben hatte, und geht man
weiter zurück, so wird man häufig finden, daß wichtige Gegenstände
blos deswegen fehlen, weil sie auch gar nicht oder nur beyläufig in
*Justinians* Institutionen vorkommen, die ja so vielen neueren Systemen
oft unbemerkt[[66]] zum Grunde liegen[32]. Doch dieser Mangel kann uns
gleichgültiger seyn, da er in jedem künftigen Fall leicht zu vermeiden
wäre.

Weit wichtiger in dieser Rücksicht, und weit schwerer an sich, ist die
Auswahl der Bestimmungen über die wirklich abgehandelten Gegenstände,
also das Finden der Regel, wodurch künftig die Masse des einzelnen
regiert werden soll. Hier kam es darauf an, selbst im Besitz der
leitenden Grundsätze zu seyn, worauf alle Sicherheit und Wirksamkeit
im Geschäft des Juristen beruht (22), und worin die Römer so groß
als Muster vor uns stehen. Gerade von dieser Seite aber erscheint
die Arbeit der Franzosen am allertraurigsten, wie nunmehr in einigen
Beyspielen gezeigt werden soll.

Ein Hauptfehler, der überall fühlbar wird, ist dieser. Die Theorie des
Vermögensrechts ist im Ganzen die Römische. Bekanntlich beruht aber
das Römische Vermögensrecht auf zwey Grundbegriffen, der dinglichen
Rechte nämlich und der Obligationen, und jeder weiß, wie viel die Römer
mit der Schärfe und Bestimmtheit dieser Begriffe ausrichten. Diese
Grundbegriffe nun sind hier nicht etwa blos nirgends definirt, was ich
gar nicht tadeln wollte, sondern sie kennen sie gar nicht in dieser
Allgemeinheit, und diese[[67]] Unkunde verbreitet über das ganze Werk
mehr Dämmerung, als man glauben sollte. Allein dieser Punkt, so wichtig
er ist, bleibt doch zu sehr im allgemeinen stehen; die Lehre von der
Ungültigkeit juristischer Handlungen in Anwendung auf die Verträge, auf
die ~actes de l'etat civil~ und auf die Ehe, wird Gelegenheit geben,
mehr in das besondere einzugehen. Für die Ungültigkeit der Verträge
hat das Römische Recht den bekannten Unterschied von ~ipso jure~ und
~per exceptionem~, der im alten Recht mit der höchsten Bestimmtheit
ausgebildet war, und noch im *Justinianischen* Recht wohl mehr, als
man gewöhnlich annimmt, wirksam geblieben ist. Im Code kommt ein
Gegensatz von ~convention nulle de plein droit~ und ~action en nullité
ou en rescision~ vor (~a.~ 1117). Ob die Verfasser diesen Gegensatz
für einerley mit jenem Römischen gehalten haben, kann uns gleichgültig
seyn: aber sehr wichtig ist es, daß die Theorie dieser indirecten
Ungültigkeit (durch ~action en nullité~) ganz unbestimmt gelassen
ist. Es kommt fast nichts davon vor, als die Zeit der Verjährung
(~a.~ 1304), während sehr viele und sehr wichtige Verschiedenheiten
der Wirkung gerade so noch jetzt statt finden können, wie sie bey
den Römern statt fanden, also auf irgend eine Weise bestimmt werden
mußten, da die Sache einmal angeregt war. -- Für die ~actes de
l'état civil~ ist eine Menge von Förmlichkeiten vorgeschrieben, die
ihrer[[68]] Natur nach ganz willkührlich sind (~L. 1. T. 2. Ch. 1.~).
Aber eben deshalb war es doppelt nöthig zu bestimmen, was für Folgen
die Vernachlässigung dieser Formen haben sollte. Mehrere Gerichtshöfe
machten auf diese Nothwendigkeit aufmerksam[33], dennoch enthält der
Code davon gar nichts. Man sollte nun denken, in Paris sey man über die
Sache selbst so sicher und einig gewesen, daß man eine ausdrückliche
Bestimmung für überflüssig gehalten hätte; keinesweges. *Cambaceres*
nimmt an, die Nichtbeobachtung jeder Form erzeuge Nullität, d. h. sie
vernichte alle Beweiskraft der Urkunde. *Tronchet* dagegen meynt, bey
Geburt und Tod komme auf die Formen gar nichts an, und Falsum allein
könne entkräften: bey Ehe hingegen, lasse sich allerdings eine solche
Nullität wegen fehlender Form denken.[34] *Simeon* aber nimmt an, die
nichtbeobachtete Form entkräfte niemals den Beweis, also auch nicht
bey Ehe.[35] Ist nun diese Meynung richtig, so gehörten alle diese
Formen gar nicht in den Code, sondern in die bloße Instruction der
Beamten, die Fassung des Code also spricht eigentlich gegen diese
Meynung. Die Sache ist aber um so schlimmer, da diese Formen bey den
Todtenlisten wenigstens[[69]] in Paris ganz unausführbar sind, und
auch in den Provinzen ihre Aufrechthaltung nur gewünscht wird.[36] --
Noch weit wichtiger aber ist die Lehre von der Ungültigkeit der Ehe.
Das Römische Recht hatte hier einen sehr einfachen und sehr klaren Weg
eingeschlagen. Fehlte eine Bedingung gültiger Ehe, so hieß es: ~non
est matrimonium~, und auf dieses Nichtdaseyn konnte sich zu jeder Zeit
jeder berufen, der Lust dazu hatte; eine besondere Klage zur Aufhebung
war nicht nöthig, ja nicht denkbar, also gab es auch keine Verjährung
noch andere Beschränkung dieses Rechts. Diese Einfachheit genügte,
weil für jeden andern Fall die einseitige Ehescheidung aushalf; daß
man in unsern Zeiten damit nicht auskam, war natürlich, und man konnte
also außer den Fällen jener Nullität (welche ich die Römische Nullität
nennen will) noch ein besonderes Recht auf Anfechtung aufstellen, was
man (da es auf das Wort nicht ankommt) immerhin ~action en nullité~
nennen mochte. Wie verhält sich nun dazu der Code? er nimmt zweyerlei
Nullitäten an, absolute und relative (~L. 1. T. 5. Ch. 4.~). Dieses
möchte man wohl gerade für den hier beschriebenen Gegensatz halten,
so daß z. B. Vernachlässigung der Trauungsform eine Römische Nullität
wäre. Genau so versteht es auch *Portalis*[37], der eben für diesen
speciellen Fall[[70]] die wahre, ächte Nullität mit lebhaften Farben
ausmahlt. Allein *Maleville* nimmt die Römische Nullität (das ~non est
matrimonium~) außer allen diesen Anfechtungsrechten (~mariage qui peut
être cassé~) und verschieden von denselben an, so daß es dreyerley
gäbe: 1. ~non est matrimonium~; 2. absolute Nullität des Code; 3.
relative Nullität[38]. Auch bey ~N.~ 2 läßt sich wohl etwas denken,
nämlich es wäre ein Klagerecht auf Vernichtung, was jeder hätte, aber
doch ein bloßes Klagerecht, so daß ohne alle Klage, und wenn z. B. ein
Ehegatte gestorben wäre, die Ehe mit allen Folgen gültig bliebe; nur
wäre das freylich eine überflüssige Subtilität. Aber noch verwickelter
ist die Ansicht von *Maleville* in dem speciellen Fall, wenn die
Trauungsform fehlt. Diese Ehe, sagt der Art. 191. ~_peut_ être attaqué~
von jedermann; aber Art. 193. läßt merken, es werde Fälle dieser Art
geben, in welchen die Ehe nicht werde aufgehoben werden, doch ohne
diese Fälle zu nennen. Aus beiden Stellen zieht *Maleville* folgendes
Resultat[39]: die Ehe ~peut être attaqué~, d. h. man kann auf Aufhebung
klagen, das Gesetz verwehrt die Klage nicht, aber was der Richter
thun will, ist seine Sache, oder mit andern Worten, die Aufhebung der
Ehe hangt von der[[71]] Willkühr des Richters ab. Das wäre folglich
noch eine vierte Art der Ungültigkeit, verschieden von den drey oben
angegebenen. Schwerlich giebt es einen Fall, in welchem richterliche
Willkühr gefährlicher und unpassender ist als in diesem. Ob sie gilt,
steht freylich dahin, denn das Gesetz sagt davon eigentlich nichts,
und zwey Redactoren haben darüber, wie ich gezeigt habe, ganz entgegen
gesetzte Meynungen. Aus zwey Gründen aber wird diese Ungewißheit noch
besonders hart: erstlich, weil sich in Paris (und wahrscheinlich
nicht bloß da) die meisten Armen der Kosten wegen gar nicht trauen
lassen[40], zweytens weil die Form der Trauung selbst eine höchst
schwankende Bedingung in sich faßt. Nämlich die Trauung muß nothwendig
von dem ~officier du domicile~ eines der beyden Ehegatten geschehen, so
daß nicht einmal Delegation zulässig ist[41]. Aber das ~domicile~ ist
hier nicht das sonst gewöhnliche (Art. 102), sondern ein besonderes,
für die Trauung allein erfundenes, nämlich Aufenthalt von 6 Monaten
(Art. 74), so daß man nicht einmal zwischen beiden Arten von ~domicile~
zu diesem Zwecke die Wahl hat[42]. Wie oft nun muß es bey manchen
Gewerben zweifelhaft seyn, ob man auch bey dem besten[[72]] Willen
den rechten Beamten getroffen hat! In jedem Falle dieser Art aber ist
das ganze Schicksal einer Familie der völlig blinden Willkühr eines
Gerichts überlassen, welchem bey keiner möglichen Entscheidung ein
Vorwurf gemacht werden kann, da jede Entscheidung die angesehensten
Autoritäten für sich hat. Und der erste Grund dieses heillosen
Schwankens ist, daß man nicht von einem bestimmten, entscheidenden
Begriffe ausgegangen ist, sondern sich in steter Verwirrung zwischen
wahrer Nullität und Anfechtungsrecht hin und her bewegt hat, ohne
jemals aus der Unklarheit heraus kommen zu können[43], wodurch die
gänzliche Unnützlichkeit der Staatsrathsdiscussionen in technischen
Dingen recht anschaulich wird. Bey den Römern waren solche Dinge gar
nicht möglich, und es war diese Unmöglichkeit nicht etwa der Gipfel
ihrer Kunst, sondern der erste Anfang: das heißt, sie waren Männer vom
Fach, während diese Redactoren und Staatsräthe reden und schreiben
wie Dilettanten[[73]], oder mit anderen Worten, jene brauchten kein
Gesetzbuch, diese sollten keines machen wollen. Noch wird durch diesen
Fall recht anschaulich, was oben über die Gefährlichkeit unnöthiger
und unberufener Gesetzgebung gesagt worden ist. Eine Verwirrung
der Begriffe, wie die hier beschriebene, kann viele Jahre da seyn,
unbemerkt und unschädlich, weil sich durch Gebrauch das alles in ein
gewisses leidliches Gleichgewicht gesetzt hat. Aber jetzt wird sie
gesetzlich ausgesprochen, und wohl gar durch Discussionen ohne Erfolg
zur allgemeinen Kenntniß gebracht, und nun wird sie gefährlich, nun
wird sie in der Hand des Ungerechten ein Mittel, Andere zu bestricken
und zu übervortheilen. Dieses wäre eine politische Deutung der Regel:
~omnis definitio in jure civili periculosa est~.

Zuletzt ist noch bey dem Code über dasjenige zu sprechen, was ~in
subsidium~ gelten soll, wo er nicht zureicht. Ueber den Umfang und
die Wichtigkeit desselben haben sich die Franzosen nicht getäuscht,
sie haben eingesehen, daß eigentlich die allerwenigsten Rechtsfälle
unmittelbar durch eine Stelle des Code entschieden werden können, daß
also fast überall jenes unbekannte das wahrhaft entscheidende seyn
müsse[44]. Aber über die Natur desselben erklären[[74]] sie sich etwas
mannichfaltig, sie behandeln es wie eine unbestimmte Größe, welche
viele Werthe haben kann. Als solche Werthe nämlich kommen vor[45]: 1.
~équité naturelle~, ~loi naturelle~; 2. Römisches Recht; 3. die alten
~coutumes~; 4. ~usages~, ~exemples~, ~décisions~, ~jurisprudence~; 5.
~droit commun~[46]; 6. ~principes généraux~, ~maximes~, ~doctrine~,
~science~. Ueber das Verhältniß dieser sehr verschiedenen Werthe zu
einander wird gar nichts gesagt, außer einmal, daß das Naturrecht
nur ~in subsidium~ gelte, wenn selbst ~usage~ und ~doctrine~ nicht
ausreiche[47]. Wir wollen es versuchen, bestimmte Resultate hieraus zu
ziehen.

Zuvörderst ist es auffallend, daß Eine Art der Ergänzung gar nicht
vorkommt, die organische nämlich, welche von einem gegebenen Punkt
(also von einem Grundsatz des Gesetzbuchs) mit wissenschaftlicher
Sicherheit auf einen nicht gegebenen schließt. Unsere Juristen haben
davon unter den Namen Analogie[[75]] und ~argumentum legis~ etwas
beschränkte Begriffe, und auch bey den Franzosen findet sich einmal
beyläufig eine Ahnung davon[48]. Aber daß nicht eigentlich Gebrauch
davon gemacht wird, ist wohl nicht zufällig. Dieses Verfahren setzt
in dem Gesetzbuch selbst eine organische Einheit voraus. An eine
solche aber ist hier auch nicht entfernt zu denken, weder materiell,
noch formell. Nicht materiell, denn der Code enthält blos mechanisch
vermengt die Resultate der Revolution und das vorige Recht (S. 56), ja
auch das vorige Recht ist in ihm nichts in sich verbundenes, da er eine
~transaction~ zwischen Römischem Recht und ~coutumes~ seyn soll, wie
öfters von ihm gerühmt worden ist. Formelle Einheit würde er seyn, wenn
er von den Juristen, seinen Verfassern, durch die verarbeitende Kraft
des Gedankens zu einem logischen Ganzen geworden wäre, aber daß man
sich nicht so hoch verstiegen hat, wird durch die bisherige Darstellung
klar geworden seyn. Demnach blieb freylich nichts übrig, als eine
Ergänzung von außen zu suchen.

Die oben angegebenen Ergänzungsmittel, welche[[76]] bey den
französischen Schriftstellern selbst vorkommen, lassen sich noch sehr
reduciren. Das Naturrecht ist wohl mehr zum Staat als zu ernstlichem
Gebrauch mit aufgeführt; wo von besondern Anwendungen die Rede ist,
wird keine Notiz davon genommen, und nur in Deutschland hat man
den Zustand der Französischen Richter wegen des freyen Gebrauchs
dieser Rechtsquelle glücklich gepriesen[49]; ich wünschte aber wohl
gegenwärtig zu seyn, wenn ein Französisches Gericht nach dem Naturrecht
entscheidet, ob eine Ehe wegen unvollkommener Form der Trauung ungültig
ist. Die übrigen Stücke kommen zurück auf diese zwey: 1. bisheriges
Recht; 2. wissenschaftliche Theorie. Diese sind nun einzeln zu prüfen.

Das bisherige Recht ist bekanntlich nicht blos, wo es dem Code
widerspricht, sondern in allen Materien, die der Code berührt,
aufgehoben (Art. 4), also so gut als überall. Indessen sind die
Franzosen über die Bedeutung dieser Aufhebung mehr im klaren, als die
Deutschen Juristen, welche aus Haß oder Neigung gegen das Römische
Recht viel darüber gestritten haben. Jene nehmen an, das Römische
Recht sowohl als die ~coutumes~ zu befolgen, sey dem Richter erlaubt,
aber es sey ihm nicht geboten, und zwar habe das den Sinn, daß ein
richterliches[[77]] Urtheil nicht deswegen cassirt werden könne,
weil es diesen Rechtsquellen widerspreche[50]. Dasselbe gilt nun
auch vom vormaligen Gerichtsgebrauch[51], wie denn unzähligemal die
alte ~jurisprudence~ als Quelle angeführt wird. Ohne Zweifel denkt
man sich das nicht so, daß jeder Richter in einem Fall, den der Code
unentschieden läßt, zwischen Römischem Recht und irgend einer ~coutume~
wählen dürfe, denn sonst wäre die Willkühr zu ungeheuer, sondern jeder
soll das Recht befolgen, was in dieser Gegend vormals galt, d. h.
entweder Römisches Recht, durch den alten Gerichtsgebrauch modificirt,
oder eine specielle ~coutume~ mit derselben Modification. Die
nothwendige Folge davon wird wiederum eine große Rechtsverschiedenheit
in den Sprengeln der einzelnen Appellationsgerichte seyn, und diese
Verschiedenheit wird jetzt, wo sie in der Stille, gegen die Absicht des
Gesetzes, und mit Verwirrung der vorigen Gränzen statt finden muß, ein
wahres Uebel seyn, was sie vormals nicht war. Dabey wird aber schon der
günstige Fall vorausgesetzt, daß die Gerichte auf diese regelmäßige
Weise von der Erlaubniß jener entfernten Rechtsquellen Gebrauch machen
wollen. Aber wer bürgt dafür, da es ihnen nicht geboten ist? Wenn also
in einem[[78]] Rechtsfall ein Gericht vorzieht, irgend eine beliebige
~équité~ oder ~loi naturelle~ anzuwenden aus besonderer Ueberzeugung,
oder als Vorwand einer Ungerechtigkeit, so kann ihm durchaus kein
Vorwurf gemacht werden, denn das Gesetz läßt dieses alles gelten.
Man sage nicht, das Cassationsgericht werde die künftige Praxis in
Ordnung, ja sogar in Gleichförmigkeit erhalten: das Cassationsgericht
soll ja blos cassiren, wo gegen ein Gesetz des Code oder ein neueres
Gesetz gesprochen wird: der Spruch für oder wider ~loi naturelle~,
Römisches Recht, ~coutume~ oder ~jurisprudence~ liegt also ganz außer
der Wirksamkeit jenes Gerichtshofes. Endlich ist auch noch der wichtige
Umstand zu bemerken, daß in allen aus der Revolution hervorgegangenen
Stücken des Code das vorige Recht gar keinen Schutz gegen die blindeste
Willkühr gewährt. Auch dafür mag wiederum das oben gewählte Beyspiel
von Ungültigkeit der Ehe zur Erläuterung dienen. Das zweite, was als
Supplement des Code gelten kann, ist die wissenschaftliche Theorie.
*Portalis* beschreibt diese einmal sehr prächtig: sie sey wie das Meer,
die Gesetze seyen die Ufer[52]. In Frankreich hat es nun freylich mit
diesem Meere nicht viel zu bedeuten, denn eine Rechtswissenschaft,
die nicht auf dem Boden gründlich historischer Kenntniß ruht,[[79]]
versieht eigentlich nur Schreibersdienst bey dem Gerichtsgebrauch. So
ist es in Frankreich in der That, und eine von dem Gerichtsgebrauch
verschiedene Theorie existirt da eigentlich nicht, so daß alles, was
über die Unsicherheit des praktischen Rechts gesagt worden ist, auch
die Theorie trifft. Die Lehranstalten allein haben ihrer Natur nach
eine ganz theoretische Form: von diesen wird im folgenden Abschnitt
bequemer gesprochen werden können.

Allerdings können einige Umstände eintreten, wodurch der Zustand der
praktischen Rechtspflege günstiger ausfällt, als hier angedeutet worden
ist. Durch Unkenntniß und Geistesträgheit kann es dahin kommen, daß
einzelne Quellen und Schriftsteller in vielen Gerichten gleichförmig
befolgt werden, so z. B. kann man die ~coutume~ von Paris mit ihrem
Commentator *Ferriere* weit und breit bequem finden, auch wo sie
sonst nicht gegolten hat. Auch mögen in der alten ~jurisprudence~ gar
manche Sätze ziemlich allgemein angenommen gewesen seyn. Vielleicht
ist es etwas der Art, was man sich unter dem oben genannten ~droit
commun~ (S. 74) denkt. Ferner muß man nicht glauben, daß gerade alle
hier genannte Uebel als solche empfunden werden müssen; die Römer des
vierten und fünften Jahrhunderts nach Christus haben auch nicht daran
gedacht, daß wir sie wegen ihres tiefen Verfalls bedauern würden. Im
Ganzen aber ist doch nicht zu läugnen,[[80]] daß ein Zustand sehr
großer Rechtsungewißheit zu befürchten ist. Dieser Zustand nun ist
unerträglich; denn ob an verschiedenen Orten verschiedenes Recht
gilt, daran liegt wenig, aber wenn für einen gegebenen einzelnen Fall
das Recht dem Zufall und der Willkühr preis gegeben ist, so ist das
schlimmste eingetreten, was für die Rechtspflege gedacht werden kann,
und dieses Uebel wird gewiß von jedem empfunden.

Es verdient die rühmlichste Anerkennung, daß in Frankreich wenigstens
Eine wahre und gründliche Stimme über das, was man thun wollte, gehört
worden ist: aber diese Stimme ist verhallt ohne Spur einer Wirkung. Das
Tribunal von Montpellier spricht über den künftigen Gerichtsgebrauch,
wodurch der Code ergänzt werden soll, also[53]: »~Mais quelle
jurisprudence! n'ayant d'autre règle que l'arbitraire sur l'immensité
d'objets à co-ordonner au systême de la législation nouvelle, à quelle
unité, à quel concert faudrait-il s'attendre de la part d'une pareille
jurisprudence, ouvrage de tant de juges et de tant de tribunaux, dont
l'opinion ébranlée, par les secousses révolutionnaires, serait encore
si diversement modifiée! quelle serait enfin le régulateur de cette
jurisprudence disparate, qui devrait nécessairement se composer[[81]]
de jugemens non sujets à cassation, puisqu'ils ne reposeraient pas sur
la base fixe des lois, mais sur des principes indéterminés d'équité,
sur des usages vagues, sur des idées logiciennes, et, pour tout dire en
un mot, sur l'arbitraire! A un systême incomplet de législation, serait
donc joint pour supplément une jurisprudence défectueuse.~« Diesem
Uebel zu begegnen, heißt es weiter, könne man zwey Wege einschlagen.
Entweder den Code blos betrachten als Institutionen, und ihm ein
zweytes, ausführlicheres Werk beygeben, was den Zweck von Justinians
Pandekten und Codex hätte. Oder man könnte zweytens und besser als
Regel das bisherige, verschiedene Recht bestehen lassen, und blos in
einzelnen bestimmten Stücken neues und gleichförmiges Recht durch ganz
Frankreich einführen, das heißt also, kein Gesetzbuch machen. Dieses
ist der eigentliche Vorschlag, und die ganze Art, wie er ausgeführt und
begründet wird, ist so gediegen und ächt praktisch, daß man in dieser
Umgebung durch so frische Gedanken zwiefach erfreut wird.

Ich wende mich nun zum Preußischen Landrecht. Zur Geschichte desselben
dienen zunächst die officiellen Bekanntmachungen über diesen
Gegenstand[54], dann[[82]] einige Stellen aus *Kleins* Schriften[55],
der wichtigste Beytrag aber von *Simon* ist erst 1811 durch folgende
Veranlassung erschienen[56]. Die Materialien der gesammten neuen
Gesetzgebung nämlich sind noch größtentheils vorhanden; diese zu
ordnen und dadurch erst brauchbar zu machen, wurde dem eben genannten
Rechtsgelehrten übertragen, und dessen Bericht über dieses Geschäft
giebt eine so gründliche und vollständige Geschichte der ganzen
Unternehmung, daß dagegen die bisherigen Nachrichten fragmentarisch
und zum Theil unzuverlässig erscheinen. Es ist nicht möglich, in
dieser trefflichen Schrift zu sehen, wie durch vereinte und stets
wiederholte Arbeit der eigentlichen Redactoren, der Gesetzcommission,
der Landescollegien, der ständischen Deputirten, und vieler Gelehrten
und Geschäftsmänner aus allen Theilen von Deutschland das Landrecht
entstanden ist, ohne vor[[83]] dem Ernst und der Ausdauer, die darin
bewiesen worden sind, große Achtung zu empfinden; die Seele des
Ganzen aber war der geistreiche *Suarez*, durch welchen Einheit in
der Wirksamkeit so vieler und verschiedener Mitarbeiter erhalten
wurde. Gleich von dieser Seite wird kein Unbefangener den Code mit dem
Landrecht vergleichen wollen: nicht blos die Gewissenhaftigkeit und
Liebe zur Sache, die den besseren Deutschen natürlich ist, erklärt
diesen Unterschied, sondern auch die ganz verschiedene äußere Lage,
aus welcher beide Gesetzbücher hervorgiengen: der Code sollte schnell
fertig seyn, um manches drückende Uebel aus der Revolution zu mildern,
und um alles auf gleichen Fuß zu setzen, während das Landrecht blos
mit dem Zweck und dem Gefühl, etwas treffliches zu leisten, ohne
äußere Noth, die dazu drang, bearbeitet wurde. Was ich als einen
zweyten großen Vorzug des Landrechts betrachte, ist das Verhältniß
desselben zu den localen Quellen; es sollte blos als subsidiarisches
Recht an die Stelle des »Römischen, gemeinen Sachsen- und andrer
fremden subsidiarischen Rechte und Gesetze treten«[57], und alle
Provincialrechte sollten fort bestehen, aber auch binnen drey Jahren zu
besonderen Gesetzbüchern verarbeitet werden[58]. Andere[[84]] werden
dieses Verhältniß vielmehr als eine Unvollkommenheit des Landrechts
betrachten.

Sehen wir aber auf die innere Entstehung des Landrechts, so wird auch
dadurch unsre Ansicht bestätigt, nach welcher in dieser Zeit kein
Gesetzbuch unternommen werden sollte. Der Plan, nach welchem gearbeitet
wurde, liegt vor Aller Augen. Das Justinianische Recht sollte
dergestalt Grundlage des Ganzen seyn, daß davon nur aus besonderen
Gründen abgewichen werden sollte. Diese Gründe wurden darin gesetzt,
wenn ein Satz des Römischen Rechts aus der stoischen Philosophie,
oder der besondern Verfassung, z. B. der Politik der Kaiser, oder
aus den spitzfindigen Fictionen und Subtilitäten der alten Juristen
entstanden wäre[59]. Dadurch zerfällt das Römische Recht im Verhältniß
zum Landrecht in zwey Theile, einen anwendbaren als Regel, und einen
unanwendbaren als Ausnahme, und es entstand die doppelte Aufgabe, die
Ausnahme gehörig abzusondern, und die Regel gründlich zu verstehen.
Nämlich was in der That auf stoischer Philosophie oder[[85]] besonderer
Verfassung beruht, und was eine verwerfliche Subtilität ist, kann
offenbar nur von einer sehr gründlichen Rechtsgeschichte aus erkannt
werden; dieselbe geschichtliche Kenntniß und zugleich ein lebendiges
Quellenstudium ist nöthig, wenn das anwendbare recht verstanden und
zu wirklicher Anwendung ersprieslich verarbeitet werden soll. Ob nun
die Schulen von *Nettelbladt* und *Darjes*, in welchen gewiß die
Meisten gebildet worden sind, die auf das Landrecht großen Einfluß
gehabt haben, im Besitz dieser geschichtlichen Kenntnisse und dieses
Quellenstudiums waren, überlasse ich jedem aus den Schriften dieser
Schulen und ihrer Meister zu beurtheilen[60]. Der Anfang des Ganzen
sollte ein vollständiger Auszug der Justinianischen Rechtsbücher seyn.
Dazu war Anfangs an *Schlosser* der Antrag gemacht worden, mit welchem
man aber über die Bedingungen nicht einig werden konnte[61]. Der Auszug
selbst wurde nun von ~D.~ *Volkmar* nach einem systematischen Plane
von *Suarez* gemacht; zur Kontrolle der Vollständigkeit verfertigte
*Volkmar* ein Verzeichniß aller Stellen des ~Corpus juris~ nach Ordnung
der Quellen, so daß bey jeder Stelle bemerkt wurde, wo sie in jenem
Systeme vorkomme,[[86]] oder warum sie da fehle. Dieser systematische
Auszug wurde dann von *Volkmar* und *Pachaly* verarbeitet, welche
Verarbeitung als das erste Material der eigentlichen Redaktion
anzusehen ist[62]. Dieses Material ist allerdings unglaublich oft
geprüft und wieder bearbeitet worden, und gewiß ist im Landrecht davon
sehr wenig unmittelbar übrig geblieben. Aber nicht blos hangt in der
Richtung jedes Geschäfts von großem Umfang ungemein viel von dem
ersten Anstoß ab, sondern gerade hier konnte gar vieles beynahe nur in
dieser ersten Grundlage geschehen, und was von *Volkmar* gethan und
unterlassen worden ist, muß wohl für alle nachfolgende Arbeiten sehr
bestimmend gewesen seyn. Sollte dieser überwiegende Einfluß vermieden
werden, so hätte ein Anderer, unabhängig von *Volkmars* Arbeit, und
unmittelbar aus den Quellen selbst, das erste Material nochmals
aufstellen müssen, und darin allein hätte eine durchgreifende Probe
für *Volkmars* Arbeit, was die Kenntniß und den Gebrauch der Quellen
betrifft, bestehen können. Dieses ist nicht geschehen, alle folgende
Revisionen sind wahrscheinlich hierauf am wenigsten gerichtet gewesen,
und so steht *Volkmars* Arbeit sehr allein, obgleich man ihn blos als
Sammler betrachtet, auch nicht vorzüglich geschätzt[[87]] zu haben
scheint[63]. Gerade für diese Stelle wäre ein Mann von Geist und
Gelehrsamkeit sehr wünschenswerth gewesen, und es wäre interessant,
wenn man wenigstens nach einzelnen Proben vergleichen könnte, wie
*Schlosser* die Aufgabe gelöst haben würde. Vielleicht lag aber in dem
Mechanismus des ganzen Geschäfts ein Grund, warum dieser Auftrag für
einen Mann von Bedeutung und Selbstständigkeit nicht passend gewesen
wäre.

Sieht man auf das Resultat, wie es vor uns liegt, so ist ein bestimmtes
Urtheil schwerer als bey dem Code, weil die Verhandlungen, woraus
dieses Resultat hervorgegangen ist, nicht bekannt gemacht sind. Auch
scheint es, daß der Plan des Werks, so wie der ganzen Rechtspflege,
die darauf gegründet werden sollte, nicht immer derselbe gewesen
ist. Ursprünglich hatte unläugbar Friedrich II. die Absicht, daß das
Gesetzbuch höchst einfach, populär und zugleich materiell vollständig
seyn sollte, so daß das Geschäft des Richters in einer Art mechanischer
Anwendung[[88]] bestehen könnte[64]. Diesem gemäß verbot er schlechthin
alle Interpretation, und wollte, daß bey unzulänglichen oder
zweifelhaften Gesetzen, in jedem einzelnen Fall bey der gesetzgebenden
Gewalt angefragt würde[65]. Auch noch im Entwurf des Gesetzbuchs ist
die Interpretation dem Richter eigentlich ganz untersagt, und alles
an die Gesetzcommission auch für einzelne Fälle gewiesen[66]. Ganz
anders nach dem Landrechte; dieses will, daß der Richter auch auf
den Grund des Gesetzes sehe, vorzüglich aber, daß er jeden Fall, für
welchen er kein Gesetz findet, nach den allgemeinen Grundsätzen des
Gesetzbuchs und nach den Gesetzen ähnlicher Fälle entscheide[67]; die
Anfrage bey der Gesetzcommission war schon dadurch äußerst beschränkt
und selbst wo sie statt fand, war doch nur der anfragende Richter
an den Ausspruch gebunden, und es galten Rechtsmittel[[89]] gegen
das Urtheil[68]. In der neuesten Ausgabe des Landrechts aber ist
auch diese beschränkte Anfrage aufgehoben, und die Interpretation
des Richters für jede Art von Fällen gestattet[69]. Dadurch ist denn
allerdings die ganze Lage des Richters anders, als Friedrich II. sie
gedacht zu haben scheint, und dem ganzen Richteramte wird dadurch ein
mehr wissenschaftlicher und weniger mechanischer Character zuerkannt.
Dennoch ist dieses nur eine einzelne Abweichung von der Regel, es
soll offenbar nur von den als selten gedachten Ausnahmen gelten, in
welchen ein unmittelbar bestimmendes Gesetz fehlen würde, ja ein
Fall dieser Art soll, sobald er vorkommt, angezeigt und durch ein
neues Gesetz entschieden werden[70]. Die eigentliche Tendenz des
bestehenden Gesetzes selbst also geht auch jetzt noch darauf, daß
die einzelnen Rechtsfälle als solche vollständig aufgezählt, und
einzeln entschieden werden. Und gerade darin ist die Methode des
Landrechts der oben beschriebenen, welche wir in den übrig gebliebenen
Schriften der Römischen Juristen finden, entgegen gesetzt; nicht zum
Vortheil des Landrechts, wie es mir scheint.[[90]] Bey den Römern
beruht alles darauf, daß der Jurist durch den lebendigen Besitz des
Rechtssystems in den Stand gesetzt wird, für jeden gegebenen Fall das
Recht zu finden. Dazu führt die scharfe, individuelle Anschauung der
einzelnen Rechtsverhältnisse, so wie die sichere Kenntniß der leitenden
Grundsätze, ihres Zusammenhangs und ihrer Unterordnung, und wo wir
bey ihnen Rechtsfälle in der bedingtesten Anwendung finden, dienen
sie doch stets als verkörperter Ausdruck jenes allgemeinen. Diesen
Unterschied wird mir jeder zugeben, der das Landrecht unbefangen mit
den Pandekten vergleicht, und eine solche Vergleichung ist hier gewiß
zulässig, da ja nicht von eigenthümlicher Römischer Verfassung,
sondern von allgemeiner Methode die Rede ist. Was insbesondere die
scharfe, individuelle Auffassung der Begriffe betrifft, so ist der
nicht seltene Mangel derselben im Landrecht weniger auffallend und
fühlbar, weil eben die materielle Vollständigkeit des Details ihrer
Natur nach dahin strebt, diese Lücke auszufüllen. Was aber die
praktischen Regeln selbst, als den eigentlichen Zweck jedes Gesetzbuchs
anlangt, so ist die Folge des hier beschriebenen Characters, daß
die meisten Bestimmungen des Landrechts weder die Höhe allgemeiner,
leitender Grundsätze, noch die Anschaulichkeit des individuellen
erreichen, sondern zwischen beiden Endpunkten in der Mitte schweben,
während die Römer beide in ihrer naturgemäßen Verknüpfung[[91]]
besitzen. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß eine große,
vielleicht unübersteigliche Schwierigkeit in der gegenwärtigen Stufe
der deutschen Sprache lag, welche überhaupt nicht juristisch, und am
wenigsten für Gesetzgebung, ausgebildet ist; wie sehr dadurch die
lebendige Darstellung individueller Rechtsverhältnisse erschwert, ja
unmöglich gemacht wird, kann jeder finden, der irgend einen eigenen
Versuch der Art, z. B. eine Uebersetzung aus den Pandekten, unternehmen
will. Ja hierin hatten sogar die Franzosen in der größeren Bestimmtheit
der Formen und in der lateinischen Abstammung ihrer Sprache vor uns
einen großen Vorzug: daß sie ihn nicht besser benutzt haben, erklärt
sich aus dem oben dargestellten traurigen Zustand ihrer Sachkenntniß.
-- Man würde diese Bemerkungen sehr misverstehen, wenn man sie so
deuten wollte, als ob die Verfasser des Landrechts gegen das künftige
wissenschaftliche Studium desselben gleichgültig gewesen wären, was gar
nicht meine Meynung ist. Sehr merkwürdig ist in dieser Rücksicht die
bekannte Preisaufgabe von 1788[71], welche ein Lehrbuch in zwey Theilen
forderte, deren erster ein aus dem Gesetzbuch selbst abstrahirtes
Naturrecht, der zweite einen Auszug des positiven Rechts selbst
enthalten sollte. Man hat diese Ansicht des[[92]] Naturrechts mitunter
sehr vornehm angelassen und ihr damit Unrecht gethan; offenbar sollte
unter diesem Namen dasjenige dargestellt werden, was der Gesetzgeber
selbst in seinen Gesetzen für allgemein und nicht für positiv ansehe,
eine interessante historische Aufgabe, der des Römischen jus gentium
ganz ähnlich. Also gering geschätzt hatte man die wissenschaftliche
Kenntniß des praktischen Rechts keinesweges, vielmehr erkennt das
Landrecht in seiner neuesten Gestalt das dringende Bedürfniß dieser
wissenschaftlichen Kenntniß an: aber es ist unverkennbar, daß ein
innerer Widerstreit zwischen dieser Anerkennung und der Construction
des Werkes selbst obwaltet, indem diese Construction selbst nach der
ursprünglichen Idee von Friedrich II. hinneigt, woraus sie ja auch
hervorgegangen ist.

Jede Regierung ist zu tadeln, welche die Einsichten ihres Zeitalters
nicht kennt oder verschmäht. Von dieser Seite aber ist die Preussische
Gesetzgebung gewiß keinem Vorwurf ausgesetzt. Die Stimme nicht blos
der eigenen Geschäftsmänner, sondern aller Deutschen Gelehrten[72],
ist aufgerufen und gehört worden, und jeder unbefangene Beobachter
wird einräumen, daß, was gethan und unterlassen worden ist, dem Sinn
und der Einsicht des Zeitalters vollkommen[[93]] entsprach. Selbst die
bedeutendste Stimme, welche sich gleichzeitig dagegen erhoben hat[73],
beweist mehr für als wider diese Behauptung. Ich verkenne nicht, wie
viel treffliches in *Schlossers* Ansichten und Urtheilen enthalten
ist, allein das beste darin betrifft den allgemeinen politischen
Character unsrer Zeiten, und mit den eigenthümlichen Bedürfnissen des
bürgerlichen Rechts war er selbst keineswegs im reinen. Dieses erhellt
theils aus der von ihm entworfenen Einleitung eines Gesetzbuchs[74],
theils und noch weit mehr aus seinem Plan, das ~corpus juris~ auf ein
~caput mortuum~ eigentlicher Gesetze von weniger als zehn Bogen zu
reduciren[75]. Daß es ihm an Sinn für das rechte nicht fehlte, zeigt
sein geistreicher und durchaus vortrefflicher Aufsatz über das Studium
des reinen Römischen Rechts[76].

Ein vollständiges Urtheil über das technische des Landrechts würde erst
dann möglich seyn, wenn die oben erwähnten Materialien verarbeitet
und zur allgemeinen[[94]] Kenntniß gebracht würden. Alles, was für
Erhaltung und Verbreitung wichtiger geschichtlicher Quellen geschieht,
verdient ehrenvolle Anerkennung; so die Organisation jener Materialien,
welche von dem Chef der Preussischen Justiz, dem Herrn Justizminister
*von Kircheisen*, verfügt und dann aufs trefflichste ausgeführt worden
ist. Allein noch ist zu hoffen, daß dasselbe liberale Interesse an
der innern Geschichte des Landrechts auch die Bekanntmachung eines
zweckmäßigen Auszugs aus denselben veranlassen wird. Zu befürchten ist
dabey gewiß nichts, denn was mit solchem Ernst gethan worden ist, kann
sehr ruhig jedem Urtheil entgegen sehen. Daß auf diesem Wege, selbst
von dem zugegebenen Gesichtspunkte des Ganzen aus, manches einzelne als
unhaltbar erkannt werden könnte, ist wahr, aber dieses würde offenbar
ein sehr glücklicher Erfolg seyn, denn jeder Gesetzgebung ist ein
solches Mittel zu wünschen, wodurch sie von innen heraus gereinigt
werden kann. Diese Materialien müssen ungleich lehrreicher seyn als
die gedruckten über den Code, denn diese betreffen doch meist nur den
Uebergang vom ~projet~ zum Code, über die Entstehung des ~projet~
selbst, was bey weitem die Hauptsache ist, geben sie keine Aufschlüsse,
man müßte denn die leere Declamation der meisten Reden für solche
Aufschlüsse halten wollen; jene Materialien dagegen würden bis auf
die erste Entstehung der Gedanken zurück führen können. Ein[[95]]
besonderer Vortheil aber würde darin bestehen, daß das Landrecht
dadurch ein geschichtliches und literarisches Leben erhalten würde,
welches ihm bis jetzt ganz fehlt. Damit, daß es von einseitigen Gegnern
ungerecht leiden könnte, hat es keine Noth, denn unter den geistreichen
und gebildeten Männern, auf deren Anzahl die Preußische Justiz stolz
seyn darf, würden sich gewiß Mehrere finden, die ein solches Unrecht
abzuwehren vermöchten.

Die Geschichte des Oesterreichischen Gesetzbuchs[77] hat mit der des
Preussischen Landrechts die Aehnlichkeit, daß zu beiden der erste
Anstoß um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gegeben worden ist[78],
so daß eben derselbe Zustand der Deutschen juristischen Literatur
auf beyde einwirken konnte. Die Grundlage war eine handschriftliche
Arbeit von acht starken Folianten, größtentheils aus den Commentatoren
des Römischen Rechts gezogen, und schon im Jahre 1767 vollendet.
Hieraus machte *Horten* einen Auszug, welcher von *Martini* zu einem
Gesetzbuche verarbeitet wurde; diese Arbeit von *Martini* wurde dann
öffentlich bekannt gemacht, und von den[[96]] Oesterreichischen
Landescollegien und Universitäten geprüft und beurtheilt[79], aus
welcher Revision endlich das gegenwärtige Gesetzbuch entstanden ist.
Die Mitwirkung der Rechtsgelehrten des übrigen Deutschlands scheint
sehr unbedeutend gewesen zu seyn, ja man scheint sie nicht für sehr
wünschenswerth gehalten zu haben, theils wegen des schlechten Erfolgs
einer Preisaufgabe über den Wucher, theils weil das Preussische
Landrecht schon solche Beyträge erhalten hatte, die also in ihm
zugleich mit benutzt werden konnten, deshalb sind nicht so, wie im
Preussischen, für die Beurtheilung öffentlich Preise ausgesetzt
worden[80]. Daß man keine Preise aussetzte, konnte sehr gute Gründe
haben, aber auch ohne Preise waren Gutachten und Urtheile leicht zu
erlangen, nur war freylich bey dem sehr geringen literarischen Verkehr
des übrigen Deutschlands mit Oesterreich der bloße Abdruck des Entwurfs
nicht hinreichend; ein Circular an alle Deutsche Universitäten wäre
gewiß nicht ohne Erfolg geblieben. So ist diese Unternehmung, die ihrer
Natur nach nur auf den wissenschaftlichen Zustand der ganzen Nation
gegründet werden konnte, als ein gewöhnliches Geschäft des einzelnen
Landes[[97]] vollführt worden, und jede Absonderung dieser Art ist für
den Erfolg, wenn gleich nicht entscheidend, doch immer sehr gefährlich.

Was den Stoff betrifft, so könnte man nach den Vorschriften der
Kaiserin Maria Theresia eine größere Originalität als im Preussischen
Rechte erwarten, da die Verfasser sich nicht an das Römische Recht
binden, sondern überall die natürliche Billigkeit walten lassen
sollten[81]. Allein was über die Entstehung der ersten Grundlage
aus den Commentatoren gesagt worden ist, so wie die Betrachtung des
Gesetzbuchs selbst, zeigt, daß dennoch aus derselben Quelle, nur noch
weniger rein und unmittelbar, als bey dem Landrecht geschöpft worden
ist. In der Behandlung zeigt sich sogleich der Hauptunterschied, daß
man im Oesterreichischen Gesetzbuch nicht so, wie im Preussischen,
die Rechtsfälle selbst zu erschöpfen, sondern nur die Begriffe
der Rechtsverhältnisse und die allgemeinsten Regeln für dieselben
aufzustellen gesucht hat[82]. In der ganzen Form und Anlage ist das
Werk einem etwas ausführlichen Institutionencompendium sehr ähnlich.
Die Ausführung soll nun theils für die Begriffe (das formelle oder
theoretische), theils für die praktischen Regeln besonders geprüft
werden.

[[98]] Daß die Begriffe der Rechtsverhältnisse bey einem Werk von
diesem Plan und Umfang vorzugsweise wichtig seyn müssen, leuchtet von
selbst ein; im Preussischen Landrecht treten sie wegen des Reichthums
an praktischen Regeln mehr zurück, und ihre fehlerhafte Behandlung
ist weniger nachtheilig. Und gerade von dieser Seite ist gar vieles
gegen das Oesterreichische Gesetzbuch einzuwenden. Die Begriffe der
Rechte nämlich sind theils zu allgemein und unbestimmt, theils zu
sehr auf den bloßen Buchstaben des Römischen Rechts, oder auch auf
das Misverständniß neuerer Commentatoren desselben gegründet, was bey
gründlicher Quellenkenntniß nicht möglich gewesen wäre. Beiderley
Fehler hat das Gesetzbuch nicht blos mit dem Landrecht gemein (welchem
sie, wie schon bemerkt ist, weniger schaden), sondern noch vor
demselben voraus, wie nunmehr in einigen Beyspielen gezeigt werden
soll. Von der Construction der Begriffe selbst aber ist hier die Rede,
nicht von Definitionen, denen als bloßen Symptomen jener Construction
nur ein bedingter und untergeordneter Werth zugeschrieben werden muß,
und welche nur in dieser Beziehung und nicht um ihrer selbst willen,
Gegenstand der folgenden Beurtheilung seyn werden. -- Zuvörderst
ist schon oben (S. 66) bey dem Code bemerkt worden, wie wichtig
und überall eingreifend im Römischen Rechte die höchst bestimmten
Begriffe von dinglichen Rechten und Obligationen sind. Dasselbe[[99]]
gilt vom Begriff des ~Status~. Hier nun liegt die Unterscheidung von
Personenrechten und Sachenrechten zum Grunde (§. 14. 15), die aber
weder auf Römische, noch auf irgend eine andere Weise bestimmt gedacht
sind. Das Landrecht (I. 2. §. 122-130) ist darin genauer. -- Der
Begriff der Sache (§. 285 vgl. §. 303) wird in solcher Allgemeinheit
genommen, daß kaum etwas ist, was nicht Sache heißen könnte: Künste,
Wissenschaften, Fertigkeiten, Begriffe sind insgesammt Sachen in diesem
allgemeinen Sinne. Nun werden aber unmittelbar auf den Begriff der
Sache zwey der allerwichtigsten Rechtsbegriffe gegründet: Besitz (§.
309) und Eigenthum (§. 353. 354). Allein es ist einleuchtend, daß eben
dadurch diese Begriffe durchaus gestaltlos und unbrauchbar werden; so
müßten wir z. B. nach §. 309 einem Gelehrten den juristischen Besitz
seiner Wissenschaft zuschreiben, denn er hat sie in seiner Macht, und
er hat den Willen, sie zu behalten. Unvermerkt wird deshalb in der
Behandlung dieser Lehren ein engerer, nirgends bestimmter Begriff von
Sache untergelegt, allein auch dieser stillschweigend eingeführte
Begriff ist nicht zulänglich, denn nach ihm müßte es doch noch z.
B. an einer Forderung (~obligatio~) Besitz und Eigenthum geben, was
zwar uneigentlich gesagt werden kann, wozu aber die ganze Theorie von
Besitz und Eigenthum gar nicht paßt. Das Landrecht (I. 2. § 3) hilft
hier durch einen besonders[[100]] aufgestellten engeren Begriff der
Sachen, worauf sich nachher die Rechtsverhältnisse beziehen. Ein noch
allgemeinerer Nachtheil jenes unbrauchbaren Begriffs der Sache zeigt
sich schon bey der Eintheilung der Sachenrechte in dingliche und
persönliche (§. 307): zu den dinglichen werden die bekannten fünf Arten
gerechnet, Besitz, Eigenthum, Pfand, Dienstbarkeit und Erbrecht (§.
308), deren Zusammenstellung allein schon hinreicht, jeden bestimmten
Gattungsbegriff ganz unmöglich zu machen. -- Die Objecte der Ersitzung
werden so allgemein angegeben (§. 1455), daß man viele Rechte, z. B.
Forderungen, darunter rechnen müßte, auf welche doch diese Art des
Erwerbs nur auf sehr gezwungene und überflüssige Weise angewendet
werden könnte, eine Anwendung, die wahrscheinlich gar nicht einmal
gemeynt ist. Das Landrecht (I. 9) verhütet diesen Zweifel dadurch, daß
es die ganze Lehre unter den Erwerbungen des Eigenthums abhandelt. --
Unter den persönlichen Servituten werden das Recht des Gebrauchs und
das der Fruchtnießung dadurch unterschieden, daß jenes auf das bloße
Bedürfniß des Berechtigten beschränkt seyn soll, dieses aber nicht
(§. 504. 509). Der praktische Sinn davon ist dieser, daß Verträge und
Testamente, wenn sie von einem Recht des Gebrauchs reden, von einem
solchen auf das Bedürfniß beschränkten Nutzungsrecht ausgelegt werden
sollen. Allein diese Interpretation ist gewiß nicht natürlich,[[101]]
da es gar nicht gewöhnlich ist, gerade dieses mit dem Worte Gebrauch
zu bezeichnen. Wie dieser Begriff entstanden ist, kann nicht
zweifelhaft seyn; es ist der ~usus~, im Gegensatz des ~ususfructus~,
aber nicht der ~usus~ der Römischen Juristen selbst, sondern der,
welcher in unsern Compendien bis auf die neuesten Zeiten fälschlich
angenommen war. Die Römer verstehen unter ~usus~ den Gebrauch ohne
allen Fruchtgenuß, z. B. bey einem Pferde das Reiten und Fahren, aber
nicht die Füllen und das Miethgeld. Nur wenn aus Versehen ein ~usus~
an einer solchen Sache gegeben ist, an welcher ganz oder zum Theil
dieser reine Gebrauch unmöglich ist, interpretiren sie ausnahmsweise
den ~usus~ wie vollen oder theilweisen ~ususfructus~, indem sie
nothgedrungen annehmen, daß man sich schlecht ausgedrückt habe, weshalb
durch Interpretation nachgeholfen werden müsse. Das eigenthümliche
Daseyn dieses ~usus~ beruht auf Römischem Sprachgebrauch, und da
wir kein Wort von entsprechender Bestimmtheit haben, so schlägt das
Landrecht den richtigern Weg ein, den ~usus~ ganz zu ignoriren, und
außer dem Nießbrauch zuerst im allgemeinen zu bemerken, daß man auch
nach Belieben eingeschränkte Nutzungsrechte geben könne (I. 21. §.
227), dann aber solche Fälle dieser Art abzuhandeln, die noch bey uns
gewöhnlich sind. -- Den Unterschied des Vormundes vom Curator (§.
188) möchte man auf den ersten Blick darin[[102]] setzen, daß jener
auf Minderjährige, dieser auf alle übrige Hülfsbedürftige bezogen
würde. Diese Terminologie wäre zwar neu und dem Gesetzbuch eigen, doch
tadellos. So ist es aber nicht, denn auch Minderjährige erhalten sehr
oft einen Curator, und nicht einen Vormund (§. 270-272). Unverkennbar
ist dieses aus dem Römischen Rechte beybehalten, das ja auch häufig
dem Pupillen einen blosen Curator giebt: nur daß hier überhaupt an
die Stelle der Pupillen mit Recht alle Minderjährige getreten sind.
Allein das Römische Recht hat zu dieser scharfen Unterscheidung der
Tutel und Curatel einen besonderen Grund. Der Tutor nämlich ist ihm
diejenige Person, durch deren ~auctoritas~ der sonst zum Handeln
unfähige Pupill ergänzt werden kann, während jeder Curator nichts als
gemeiner Verwalter fremder Rechte ist. Das also ist das eigenthümliche
und wichtige des Römischen Tutors, daß mit seiner Hülfe für den
Pupillen Mancipationen, Stipulationen, Vindicationen u. s. w. möglich
sind, welche Handlungen durch freye Stellvertreter, also auch durch
Curatoren, gar nicht vorgenommen werden können. Der Schlüssel der
ganzen Tutel also, insofern sie etwas eigenthümliches, von der Curatel
verschiedenes war, lag in der Regel: ~per extraneam personam nihil
adquiri (neque alienari) potest~[83]; diese Regel wurde[[103]] zwar
später auf civile Handlungen beschränkt[84], aber bey diesen erhielt
sie sich noch in *Justinians* Zeit, wie die angeführten Stellen seiner
Rechtsbücher beweisen. Wir dagegen in unserm praktischen Rechte,
haben davon keine Spur mehr, also auch keinen Grund, zwischen Tutor
und Curator die Römische Gränze zu behalten, die für uns ihren Sinn
verloren hat. Das Gesetzbuch sucht nun gleich bey der ersten Einführung
des Vormundes (§. 188) die Fälle auszuschließen, in welchen der
Pfleger eines Minderjährigen blos Curator heißt; dieses geschieht
durch die Bestimmung: »Ein Vormund hat *vorzüglich für die Person* des
Minderjährigen zu sorgen, zugleich aber dessen Vermögen zu verwalten.«
In der vorzugsweisen Beziehung auf die Person also (obgleich nach §.
282 dieselbe Beziehung auch bey Curatoren statt finden kann) läge
das unterscheidende des Vormundes. Dieses ist nun unverkennbar die
Römische Regel: ~personae, non rei vel causae (tutor) datur~[85],
die in unsern neueren Compendien ganz auf dieselbe Weise wie in dem
Gesetzbuch modificirt worden ist, weil man sich doch nicht verbergen
konnte, daß der Tutor allerdings auch mit dem Vermögen einiges Geschäft
habe[86].[[104]] Ganz consequent wird daher dem Vormund das Recht
und die Verbindlichkeit der Erziehung »gleich dem Vater« übertragen
(§. 216), wobey er nur in wichtigen und bedenklichen Angelegenheiten
an die Genehmigung des Gerichts gebunden ist. Allein der Sinn jener
Römischen Regel ist ein ganz anderer: die ~persona~, von welcher darin
gesprochen wird, ist die juristische Persönlichkeit des Pupillen, die
Fähigkeit desselben zu förmlichen Handlungen. Diese Fähigkeit für alle
Anwendungen zu ergänzen (will die Stelle sagen) ist der Hauptberuf des
Tutors, darum muß sich sein Amt allgemein auf alle Theile des Vermögens
erstrecken, und kann nicht auf einzelne Rechtsverhältnisse des Pupillen
beschränkt werden. Darum hat denn auch der Römische Tutor mit der
Erziehung des Pupillen durchaus gar nichts zu schaffen, sondern über
diese verfügt der Prätor ganz frey nach den Umständen, wobei zufällig
seine Wahl auf den Tutor wie auf jeden Andern fallen kann[87]. Man wird
dagegen einwenden, eben diesen Satz des Römischen Rechts habe man aus
guten Gründen abändern wollen. Wohl: aber der übrige Zusammenhang macht
dabey eine nicht geringe Schwierigkeit. Denn das Gesetzbuch hat aus dem
Römischen Rechte das strenge Recht der nächsten Verwandten auf ~tutela
legitima~ angenommen (§.[[105]] 198), und diese allgemeine Gewalt des
künftigen Intestaterben[88] über die Person des Minderjährigen ist sehr
bedenklich. Man braucht nicht gerade den äußersten Fall anzunehmen,
daß der Vormund den Mündel umbringt, um ihn zu beerben: auch in vielen
anderen unbemerkteren Fällen wird in der persönlichen Leitung und
Erziehung das Interesse des Mündels von dem seines künftigen Erben
sehr verschieden seyn. Dagegen schützen weder die gesetzlichen Gründe
der Unfähigkeit zur Vormundschaft (§. 191. 193), die immer sehr selten
nachzuweisen seyn werden, noch die Genehmigung des Gerichts, die ja
nur in bedenklichen Angelegenheiten eingeholt zu werden braucht (§.
216), noch endlich die Anzeige, die hinterher von wirklichem Misbrauch
der Gewalt gemacht werden kann (§. 217). In diesem Fall ist der
organische Zusammenhang verschiedener Rechtssätze recht merkwürdig.
Das Römische Recht macht seine ~tutela legitima~ dadurch unschädlich,
daß es die Erziehung davon absondert: der Hauptberuf des Tutors
ist der, zu auctoriren, und gewiß ist von keinem Menschen weniger
als von dem künftigen Erben zu befürchten, daß er in leichtsinnige
Veräußerungen[[106]] oder Versprechungen einwilligen werde. Nach
dem Preussischen Landrecht bestimmt auf gleiche Weise, wie nach dem
Römischen Rechte, das Gericht unmittelbar den Erzieher, ohne an den
Vormund gebunden zu seyn (II. 18. §. 320); und überdem gilt gar kein
Recht bestimmter Verwandten auf ~tutela legitima~ (II. 18. §. 194), was
unsrer heutigen Ansicht der Vormundschaft gewiß angemessen ist. Auch in
Bestimmung des Begriffs der Vormundschaft geht das Landrecht freyer zu
Werke: Vormund heißt ihm derjenige, welcher alle, Curator der, welcher
nur gewisse Angelegenheiten zu besorgen hat (II. 18. §. 3. 4). Dabey
ist die Römische Terminologie mit Recht ganz verlassen, dafür aber
innerer Zusammenhang erlangt. So z. B. hat nun auch der Wahnsinnige
einen Vormund (II. 18. §. 12), der nach dem Oesterreichischen
Gesetzbuch nur einen Curator hat (§. 270). Dieses folgt darin dem
Römischen Rechte; aber der Grund des Römischen Rechts, den Schutz der
Pupillen von dem der Wahnsinnigen streng zu unterscheiden, lag darin,
daß bey Pupillen und nicht auch bey Wahnsinnigen eine ~auctoritas~
möglich war, und dieser Grund existirt nicht mehr. Daß Dinge solcher
Art geringfügig und unbedeutend seyen, wird niemand behaupten, der
aufmerksam den großen Einfluß dieser Verknüpfung und Bezeichnung der
Begriffe auf die Rechtssätze selbst beobachtet hat.

Bisher ist von der Construction der Begriffe im[[107]]
Oesterreichischen Gesetzbuch die Rede gewesen, und nur beyläufig
auch von praktischen Sätzen, insofern nämlich jene Construction
unmittelbaren Einfluß auf dieselben ausgeübt hat. Nun ist noch
besonders von den praktischen Sätzen zu sprechen. Es ist schon bemerkt
worden, daß die materielle Vollständigkeit, welche im Preussischen
Landrechte gesucht war, hier gar nicht zur Aufgabe gehörte: die
Entscheidung der einzelnen Rechtsfälle wird demnach meistens, so
wie bey dem Code (S. 73), nicht unmittelbar durch das Gesetzbuch
bestimmt werden können, und das außer ihm liegende, wodurch sie in
der That bestimmt werden wird, verdient auch hier die allergrößte
Aufmerksamkeit. Das Gesetzbuch selbst (§. 7) schreibt eine doppelte
Quelle dieser Ergänzung vor: zunächst die wirklich im Gesetzbuch
enthaltene Entscheidung ähnlicher Fälle, und, wo diese nicht ausreicht,
das Naturrecht. Allein die erste Quelle wird wenig sichere Hülfe geben:
denn materieller Reichthum des Gesetzbuchs war, wie schon bemerkt,
gar nicht gesucht, und von der formellen Unzulänglichkeit desselben
ist so eben ausführlich die Rede gewesen. Die zweyte Quelle aber
(das Naturrecht) ist selbst von den würdigen Männern, welche zuletzt
zur Entstehung des Gesetzbuchs mitgewirkt haben, als sehr gefährlich
für die Rechtspflege anerkannt[89]. Der Erfolg wird also auch[[108]]
hier, wie bey dem Code, ein ganz anderer seyn, als ihn das Gesetzbuch
anzunehmen scheint, indem unvermeidlich und ganz in der Stille die
wissenschaftliche Theorie den Einfluß auf die Rechtspflege behaupten
wird, den ihr das Gesetzbuch zu entziehen bestimmt war. Ob also die
wirklich verbreitete Theorie gut oder schlecht ist, davon wird in der
That das meiste abhangen, und der Zustand der Lehranstalten (wovon
der folgende Abschnitt reden soll) wird für die Rechtspflege noch in
ganz anderer Rücksicht, als wegen der bloßen Kenntniß des Gesetzbuches
selbst, entscheidend seyn.

Ist dieses Urtheil über die drey neuen Gesetzbücher gegründet, so
liegt darin eine Bestätigung meiner Ansicht, daß die gegenwärtige Zeit
keinen Beruf hat, ein Gesetzbuch zu unternehmen: und gewiß eine sehr
starke Bestätigung. Denn wie viel die Franzosen durch Gewandtheit
und Leichtigkeit im praktischen Leben auszurichten vermögen, ist uns
allen oft genug wiederholt worden: welche Zeiträume hindurch von
verdienten, einsichtsvollen Männern an den Deutschen Gesetzbüchern
mit ernstlichem Eifer gearbeitet worden ist, wissen wir. Ist also
durch so verschiedenartige Bemühungen das Ziel dennoch nicht erreicht
worden, so muß es in der juristischen Bildung eines ganzen[[109]]
Zeitalters Hindernisse geben können, welche nicht zu übersteigen sind.
Diese Ueberzeugung aber ist entscheidend, da ohne Zweifel die eifrigen
Freunde der Gesetzbücher die Bürgschaft eines glücklichen Erfolgs blos
in ihrem lebhaften Bestreben nach diesem Gegenstande finden, was doch
nach jenen Erfahrungen nicht hinreichend ist. Es würde also nur noch
darauf ankommen, die gegenwärtige Bildung der Rechtswissenschaft mit
derjenigen zu vergleichen, aus welcher die vorhandenen Gesetzbücher
hervorgegangen sind: und bey unbefangener Selbstprüfung müssen wir
bekennen, daß beide vielleicht wohl dem Grade nach, aber nicht
generisch verschieden sind.

Alle diese Erinnerungen übrigens betreffen nicht etwa einzelne Mängel,
durch deren Verbesserung dem Ganzen leicht ein wahrhaft treffliches
und genügendes Daseyn verschafft werden könnte: sie betreffen vielmehr
den Character des Ganzen selbst, und alles einzelne, was herausgehoben
worden ist, sollte blos dazu dienen, diesen allgemeinen Charakter
anschaulich zu machen, und ein Urtheil über denselben zu begründen.
Anderer Meynung ist ein neuerer Schriftsteller[90], welcher von dem
Code glaubt, die wenigen Flecken, welche denselben verunstalten,
könnten leicht abgewischt werden, worauf er allerdings zu einer
dankenswerthen Wohlthat werden würde. Allein[[110]] es sey uns diese
fremde Weisheit überflüssig, denn, sagt er, »wir haben kürzlich
ein bürgerliches Gesetzbuch in Oesterreich erhalten, welches dem
Französischen wenigstens an die Seite gesetzt werden kann und für uns
den Vorzug hat, ohne alle weitere Vorbereitung in ganz Deutschland
anwendbar zu seyn.« Sein Rath geht dahin, daß dieses Gesetzbuch
augenblicklich angenommen, und dann den Regierungen überlassen
werde, ihre Vorschläge einzelner Abänderungen einer Gesetzcommission
vorzulegen. Diese Ansicht scheint mir schon aus sich selbst und ohne
Prüfung des innern Werthes der Gesetzbücher widerlegt werden zu können:
denn wenn es wahr wäre, daß der Code vortrefflich und mit geringen
Modificationen eine Wohlthat, das sehr verschiedene Oesterreichische
Gesetzbuch aber auch vortrefflich, ja noch besser und völlig anwendbar
wäre, so müßte den Gesetzbüchern überhaupt eine völlig fabrikmäßige
Vortrefflichkeit zugeschrieben werden, und es wäre unmöglich, sie für
etwas großes und höchst wünschenswerthes zu halten.


8.

*Was wir thun sollen wo keine Gesetzbücher sind.*

[[111]]Bey der Untersuchung dessen, was geschehen soll, müssen vor
allem diejenigen Länder, in welchen bis jetzt gemeines Recht und
Landesrecht (nur etwa unterbrochen durch die kurze Herrschaft des Code)
galt, von denen getrennt werden, welche bereits unter einheimischen
Gesetzbüchern leben.

In den Ländern des gemeinen Rechts wird, so wie überall, ein löblicher
Zustand des bürgerlichen Rechts von drey Stücken abhängig seyn:
erstlich einer zureichenden Rechtsquelle, dann einem zuverlässigen
Personal, endlich einer zweckmäßigen Form des Prozesses. Ich werde in
der Folge auf diese drey Stücke zurückkommen, um die Zulänglichkeit
meines Plans darnach zu prüfen.

Was zuerst die Rechtsquelle anlangt, wozu eben das neu einzuführende
Gesetzbuch bestimmt seyn sollte, so würde nach meiner Ueberzeugung
wieder einzuführen seyn an die Stelle des Code, oder beyzubehalten, wo
der Code nicht galt, dieselbe Verbindung des gemeinen Rechts und der
Landesrechte, welche früher in ganz Deutschland herrschend war: diese
Rechtsquelle halte ich für hinreichend, ja für vortrefflich,[[112]]
sobald die Rechtswissenschaft thut, was ihres Amtes ist, und was nur
durch sie geschehen kann.

Betrachten wir nämlich unsern Zustand, wie er in der That ist, so
finden wir uns mitten in einer ungeheuern Masse juristischer Begriffe
und Ansichten, die sich von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt
und angehäuft haben[91]. Wie die Sache jetzt steht, besitzen und
beherrschen wir diesen Stoff nicht, sondern wir werden von ihm bestimmt
und getrieben nicht wie wir wollen. Darauf gründen sich alle Klagen
über unsern Rechtszustand, deren Gerechtigkeit ich nicht verkenne,
und daher ist alles Rufen nach Gesetzbüchern entstanden. Dieser
Stoff umgiebt und bestimmt uns auf allen Seiten, oft ohne daß wir
es wissen: man könnte darauf denken, ihn zu vernichten, indem man
alle historische Fäden zu durchschneiden und ein ganz neues Leben
zu beginnen versuchte, aber auch diese Unternehmung würde auf einer
Selbsttäuschung beruhen. Denn es ist unmöglich, die Ansicht und Bildung
der jetztlebenden Rechtsgelehrten zu vernichten: unmöglich, die Natur
der bestehenden Rechtsverhältnisse umzuwandeln; und auf diese doppelte
Unmöglichkeit gründet sich der unauflösliche organische Zusammenhang
der Geschlechter und Zeitalter, zwischen welchen nur Entwicklung
aber[[113]] nicht absolutes Ende und absoluter Anfang gedacht werden
kann. Insbesondere damit, daß einzelne, ja viele Rechtssätze abgeändert
werden, ist für diesen Zweck gar nichts gethan: denn, wie schon oben
bemerkt worden ist (S. 39), die Richtung der Gedanken, die Fragen
und Aufgaben werden auch da noch durch den vorhergehenden Zustand
bestimmt seyn, und die Herrschaft der Vergangenheit über die Gegenwart
wird sich auch da äußern können, wo sich die Gegenwart absichtlich
der Vergangenheit entgegen setzt. Dieser überwiegende Einfluß des
bestehenden Stoffs also ist auf keine Weise vermeidlich: aber er wird
uns verderblich seyn, solange wir ihm bewußtlos dienen, wohlthätig,
wenn wir ihm eine lebendig bildende Kraft entgegen setzen, durch
historische Ergründung ihn unterwerfen, und so den ganzen Reichthum
der vergangenen Geschlechter uns aneignen. Wir haben also nur die
Wahl, ob wir wollen, nach *Baco's* Ausdruck, ~sermocinari tamquam e
vinculis,~ oder ob eine gründliche Rechtswissenschaft uns lehren soll,
diesen historischen Stoff frey als unser Werkzeug zu gebrauchen: ein
drittes giebt es nicht. Bey dieser Wahl möchte die Wissenschaftlichkeit
schon von selbst, als der edlere Theil, für sich gewinnen: aber
es kommen noch besondere Gründe aus unsrer Lage hinzu. Zuerst die
allgemeine wissenschaftliche Richtung, die den Deutschen natürlich
ist, und wodurch sie es andern Nationen in vielen[[114]] Dingen
zuvor zu thun berufen sind: dann auch manches in unsren politischen
Verhältnissen. Darum wird nicht die Erfahrung anderer Nationen oder
Zeiten zur Widerlegung angeführt werden können, nicht der Zustand des
bürgerlichen Rechts in England, noch der bey unsren Vorfahren. Was
unsre Vorfahren betrifft, so hat *Möser* in einem trefflichen Aufsatz
den Unterschied zwischen dem, was er Willkühr, und was er Weisheit
nennt, entwickelt[92]: bey jener konnte Freiheit und Gerechtigkeit
bestehen, solange ebenbürtige genosse Richter urtheilten, wir können
Weisheit durchaus nicht entbehren. Als Surrogat derselben verdient in
dieser Rücksicht selbst das Hangen an mittelmäßigen Autoritäten (so
schlecht dieses in anderer Rücksicht ist) alle Achtung[93], und kann
als ein Schutzmittel gegen die verderbliche Verwechslung von Willkühr
und Weisheit dienen.

Erst wenn wir durch ernstliches Studium vollständigere Kenntniß
erworben, vorzüglich aber unsren geschichtlichen und politischen Sinn
mehr geschärft haben, wird ein wahres Urtheil über den überlieferten
Stoff möglich seyn. Bis dahin dürfte es gerathener seyn, etwas zu
zweifeln, ehe wir vorhandenes für schlaffe Angewohnheit, unkluge
Abgeschiedenheit[[115]] und blose Rechtsfaulheit halten[94]: vorzüglich
aber mit der Anwendung des wundärztlichen Messers[95] auf unsern
Rechtszustand zu zögern. Wir könnten dabey leicht auf gesundes Fleisch
treffen, das wir nicht kennen, und so gegen die Zukunft die schwerste
aller Verantwortungen auf uns laden. Auch ist der geschichtliche
Sinn der einzige Schutz gegen eine Art der Selbsttäuschung, die sich
in einzelnen Menschen, wie in ganzen Völkern und Zeitaltern, immer
wiederholt, indem wir nämlich dasjenige, was uns eigen ist, für
allgemein menschlich halten. So hatte man ehemals aus den Institutionen
mit Weglassung einiger hervorstehenden Eigenthümlichkeiten ein
Naturrecht gemacht, was man für unmittelbaren Ausspruch der Vernunft
hielt: jetzt ist niemand, der nicht über dieses Verfahren Mitleid
empfände, aber wir sehen noch täglich Leute, die ihre juristischen
Begriffe und Meynungen blos deshalb für rein vernünftig halten,
weil sie deren Abstammung nicht kennen. Sobald wir uns nicht unsres
individuellen Zusammenhangs mit dem großen Ganzen der Welt und ihrer
Geschichte bewußt werden, müssen wir nothwendig unsre Gedanken in einem
falschen Lichte von Allgemeinheit und Ursprünglichkeit erblicken.
Dagegen schützt nur der geschichtliche Sinn, welchen gegen uns selbst
zu kehren gerade die schwerste Anwendung ist.

[[116]] Man könnte versucht seyn, die Nothwendigkeit dieser
historischen Ergründung des Stoffs, in welchem wir unwillkührlich
befangen sind, zwar für unsre Lage zuzugeben, aber zugleich für ein
Uebel zu halten, indem dadurch Kräfte in Anspruch genommen werden,
die zu nützlicheren Zwecken verwendet werden könnten. Diese Ansicht
wäre traurig, weil sie das Gefühl eines unvermeidlichen Uebels
erregen würde, aber wir können uns damit trösten, daß sie falsch ist.
Vielmehr ist diese Nothwendigkeit auch an sich für ein großes Gut zu
achten. In der Geschichte aller bedeutenden Völker nämlich finden wir
einen Uebergang von beschränkter, aber frischer und lebensvoller,
Individualität zu unbestimmter Allgemeinheit. Auf diesem Wege
geht auch das bürgerliche Recht, und auch in ihm kann zuletzt das
Bewußtseyn der Volkseigentümlichkeit verloren gehen: so geschieht es,
wenn bejahrte Völker darüber nachdenken, wie viele Eigenheiten ihres
Rechts sich bereits abgeschliffen haben, daß sie leicht zu dem so
eben dargestellten Irrthum kommen, indem sie ihr ganzes noch übriges
Recht für ein ~jus quod naturalis ratio apud omnes homines constituit~
halten. Daß damit zugleich der eigenthümliche Vorzug verloren geht,
welchen das Recht in frühen Zeiten hat (S. 9), ist unverkennbar. Zu
diesem vergangenen Zustande zurück zu kehren, würde ein fruchtloser
und thörichter Rath seyn: aber etwas anderes[[117]] ist es, den
eigenen Werth desselben in frischer Anschauung gegenwärtig erhalten,
und sich so vor der Einseitigkeit der Gegenwart bewahren, welches
allerdings möglich und heilsam ist. Wenn überhaupt die Geschichte auch
im Jünglingsalter der Völker eine edle Lehrerin ist, so hat sie in
Zeitaltern, wie das unsrige, noch ein anderes und heiligeres Amt. Denn
nur durch sie kann der lebendige Zusammenhang mit den ursprünglichen
Zuständen der Völker erhalten werden, und der Verlust dieses
Zusammenhangs muß jedem Volk den besten Theil seines geistigen Lebens
entziehen.

Dasjenige also, wodurch nach dieser Ansicht das gemeine Recht und die
Landesrechte als Rechtsquellen wahrhaft brauchbar und tadellos werden
sollen, ist die strenge historische Methode der Rechtswissenschaft.
Der Charakter derselben besteht nicht, wie einige neuere Gegner
unbegreiflicherweise gesagt haben, in ausschließender Anpreisung
des Römischen Rechts: auch nicht darin, daß sie die unbedingte
Beybehaltung irgend eines gegebenen Stoffs verlangte, was sie vielmehr
gerade verhüten will, wie sich dieses oben bey der Beurtheilung des
Oesterreichischen Gesetzbuchs gezeigt hat. Ihr Bestreben geht vielmehr
dahin, jeden gegebenen Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen, und
so sein organisches Princip zu entdecken, wodurch sich von selbst
das, was noch Leben hat, von demjenigen absondern muß, was schon
abgestorben[[118]] ist, und nur noch der Geschichte angehört. Der Stoff
aber der Rechtswissenschaft, welcher auf diese Weise behandelt werden
soll, ist für das gemeine Recht dreyfach, woraus sich drey Haupttheile
unsrer Rechtswissenschaft ergeben: Römisches Recht, Germanisches Recht,
und neuere Modifikationen beider Rechte. Das Römische Recht hat, wie
schon oben bemerkt worden, außer seiner historischen Wichtigkeit noch
den Vorzug, durch seine hohe Bildung als Vorbild und Muster unsrer
wissenschaftlichen Arbeiten dienen zu können. Dieser Vorzug fehlt
dem Germanischen Rechte, aber es hat dafür einen andern, welcher
jenem nicht weicht. Es hangt nämlich unmittelbar und volksmäßig mit
uns zusammen, und dadurch, daß die meisten ursprünglichen Formen
wirklich verschwunden sind, dürfen wir uns hierin nicht irre machen
lassen. Denn der nationale Grund dieser Formen, die Richtung woraus
sie hervor giengen, überlebt die Formen selbst, und es ist nicht
vorher zu bestimmen, wie viel von altgermanischen Einrichtungen, wie
in Verfassung so im bürgerlichen Recht, wieder erweckt werden kann.
Freylich nicht dem Buchstaben, sondern dem Geiste nach, aber den
ursprünglichen Geist lernt man nur kennen aus dem alten Buchstaben.
Endlich die Modification beider ursprünglichen Rechte ist gleichfalls
nicht zu vernachlässigen. Auf dem langen Wege nämlich, welchen jene
ursprünglichen Rechte bis zu uns gehen mußten,[[119]] hat sich
natürlich vieles ganz anders gestaltet und entwickelt, theils nach
wirklich volksmäßigem Bedürfniß, theils auf mehr literarische Weise,
unter den Händen der Juristen. Dieses letzte ist hier überwiegend, und
die Grundlage davon ist eine Geschichte unsrer Rechtswissenschaft vom
Mittelalter herab. Ein vorzügliches Bestreben dieses dritten Theiles
unsrer Wissenschaft muß darauf gerichtet seyn, den gegenwärtigen
Zustand des Rechts allmählich von demjenigen zu reinigen, was durch
bloße Unkunde und Dumpfheit literarisch schlechter Zeiten, ohne alles
wahrhaft praktische Bedürfniß, hervorgebracht worden ist.

Es kann nicht meine Absicht seyn, diese historische Behandlung aller
Theile unsres Rechts hier in einer ausführlichen Methodik darzustellen;
allein über das Römische Recht muß noch einiges hinzugefügt werden,
da gerade dessen Behandlung neuerlich in Frage gekommen ist. Was ich
für den einzig möglichen Standpunkt dieses Studiums halte, wird aus
der oben gegebenen Darstellung des Römischen Rechts einleuchtend seyn:
es ist das Recht der Pandekten, von welchem aus dann die Uebergänge
zu den neueren Modificationen bis *Justinian* zu bestimmen sind.
Willkührlich wird diese Ansicht niemand finden, welcher bedenkt, daß
schon *Justinian* sie gehabt hat, und daß sie wenigstens dem Namen nach
dem Hauptunterricht auf Universitäten, und den ausführlichsten[[120]]
Werken über das Römische Recht seit Jahrhunderten zum Grunde liegt.
Wie nun die alten Juristen zu studieren sind, läßt sich leicht sagen,
obgleich schwer ohne wirkliche Probe anschaulich machen: sie sollen
nicht blos die Schule hüten, sondern wieder belebt werden: wir sollen
uns in sie hinein lesen und denken, wie in andere mit Sinn gelesene
Schriftsteller, sollen ihnen ihre Weise ablernen, und so dahin kommen,
in ihrer Art und von ihrem Standpunkt aus selbst zu erfinden und
so ihre unterbrochene Arbeit in gewissem Sinne fortzusetzen. Daß
dieses möglich ist, gehört zu meinen lebendigsten Ueberzeugungen. Die
erste Bedingung dazu ist freylich eine gründliche Rechtsgeschichte,
und, was aus dieser folgt, die völlige Gewöhnung, jeden Begriff
und jeden Satz sogleich von seinem geschichtlichen Standpunkte aus
anzusehen. Viel ist hierin noch zu leisten: aber wer bedenkt, was unsre
Rechtsgeschichte vor fünf und zwanzig Jahren war, und wie vieles nun
in Kenntniß und Behandlung, hauptsächlich durch *Hugos* Verdienst,
anders geworden ist, der kann auch für die Folge den besten Hoffnungen
Raum geben. Wer nun auf diese Weise in den Quellen des Römischen
Rechts wahrhaft einheimisch geworden ist, dem wird das Studium unsrer
neuern juristischen Literatur, vom Mittelalter bis auf uns herab,
zwar noch Arbeit und oft unerfreuliche Arbeit geben, aber er wird
dadurch nur noch seine Ansichten vervollständigen und auf[[121]] keine
Weise irre gemacht werden können, also keine innere Schwierigkeit
darin finden; wer dagegen das Römische Recht nicht so an der Wurzel
angreift, der wird fast unvermeidlich durch jene neuere Literatur
immer mehr in Schwanken und Unsicherheit gerathen, er müßte sie denn
im Ganzen ignoriren, und es dem Zufall überlassen, welches einzelne,
neue, vielleicht sehr flache Resultat dieser literarischen Entwicklung
auf ihn einwirken soll, und hierin ist allerdings in den neuesten
Zeiten viel geleistet worden. Die hier angedeutete literarische
Ausfüllung indessen gehört zur allmählichen Vollendung und nicht zum
nothwendigen Grund des Studiums. Der Grund aber muß allerdings in den
Vorträgen der Universitäten gelegt werden, und dazu dürften anderthalb
bis zwey Jahre (die man ja auch bis jetzt darauf zu verwenden
pflegte) hinreichend seyn. Nämlich hinreichend nicht zu vollendeter
Gelehrsamkeit, was ohnehin kein vernünftiger Mensch von irgend einem
Universitätsunterricht verlangen wird: wohl aber hinreichend, um in den
Quellen zu Hause zu seyn, um sie selbst lesen zu können, und um neuere
Schriftsteller unabhängig und mit eigenem Urtheil zu lesen, und ihnen
nicht mehr preis gegeben zu seyn. Es ist einleuchtend, daß dagegen die
Erfahrung eines wirklichen Unterrichts nicht angeführt werden kann,
sobald in diesem Unterricht die unmittelbare Einführung in die Quellen
gar nicht versucht worden ist.

[[122]] In neueren Zeiten sind über die Bedingungen unsres Studiums
zwey von dieser Ansicht abweichende, völlig entgegengesetzte Meynungen
gehört worden. *Thibaut* nämlich[96] stellt die Schwierigkeit desselben
fast schauderhaft dar, und so, daß allerdings jedem, der es unternehmen
wollte, der Muth entfallen müßte; so z. B. sollen wir vielleicht
erst nach tausend Jahren so glücklich seyn, über alle Lehren des
Römischen Rechts erschöpfende Werke zu erhalten. Das ist zu wenig
oder zu viel, je nachdem man es nimmt. Ganz erschöpfen und völlig
abthun, so daß kein Weiterkommen möglich wäre, läßt sich eine würdige
historische Aufgabe niemals, auch nicht in tausend Jahren; aber um zu
sicherer Anschauung und zur Möglichkeit unmittelbarer, verständiger
Anwendung des Römischen Rechts zu gelangen, brauchen wir so lange
Zeit nicht, dies ist größtentheils schon jetzt möglich, obgleich mit
stetem Fortschreiten nach innen, was ich unsrer Wissenschaft nicht
zum Tadel, sondern zu wahrer Ehre rechne. Es kommt alles auf die Art
an, wie das Studium behandelt wird. Vor hundert Jahren hat man in
Deutschland viel mehr Mühe und Zeit an das Römische Recht gesetzt als
jetzt, und es ist unläugbar, daß man in eigentlicher Kenntniß nicht
so weit kommen konnte, als es jetzt[[123]] bey guten Lehrern möglich
ist. Vollends mit den kritischen Schwierigkeiten, die *Thibaut*
für ganz unübersteiglich erklärt[97], hat es so große Noth nicht.
Wer es recht angreift, kann sich mit einer ganz schlechten Ausgabe
der Pandekten in die Methode der Römischen Juristen einstudieren:
es werden ihm zwar manche Irrthümer im einzelnen übrig bleiben,
aber auch diese wird er größtentheils bey etwas kritischem Sinn mit
Hülfe von drey, vier Ausgaben, wie sie jeder leicht finden kann,
mit Sicherheit zu berichtigen im Stande sey. Auch hierin sind zwey
Dinge gänzlich verwechselt: dasjenige nämlich, was zur allmählichen
und ganz erschöpfenden Entwicklung einer großen historischen Aufgabe
allerdings gehört, mit dem was nothwendige Bedingung eines unmittelbar
möglichen, in gewissem Sinne befriedigenden Grades sicherer Kenntniß
ist. Alles, was hier *Thibaut* über die Unsicherheit unsres Textes
sagt, gilt eben so von unsren heiligen Büchern; auch da wird die
Kritik niemals ein Ende finden, aber wer überhaupt Nahrung und Freude
in ihnen finden kann, wird dadurch gewiß nicht gestört werden. --
Eine gerade entgegen gesetzte und viel verbreitetere Ansicht geht
darauf, daß das Römische Recht viel leichter genommen werden könne und
müsse, und daß nur wenig Zeit darauf[[124]] zu wenden sey. Dieses ist
theils behauptet, theils (wie sich noch unten zeigen wird) praktisch
ausgeführt worden, besonders wo bey eingeführten neuen Gesetzbüchern
das Römische Recht bloßes Hülfsstudium werden sollte; desgleichen wenn
von der Bildung künftiger Gesetzgeber die Rede war. Zu diesen Zwecken,
glaubte man, sey das mühselige Detail entbehrlich, man könne sich mit
dem, was man den *Geist* dieses Rechts nannte, begnügen. Dieser Geist
nun besteht in dem, was sonst Institutionen heißt und was zum ersten
Orientiren ganz gute Dienste leisten kann: die allgemeinsten Begriffe
und Sätze ohne kritische Prüfung, ohne Anwendung und besonders ohne
Quellenanschauung, wodurch alles erst wahres Leben erhält. Dieses nun
ist ganz umsonst, und wenn man nicht mehr thun will, so ist selbst
diese wenige Zeit völlig verloren: der einzige Nutzen, den ein solches
Studium haben kann, ist die Erhaltung des Namens und der äußeren Form
unsrer Wissenschaft, wodurch vielleicht in einer künftigen, besseren
Zeit ihre Wiederbelebung erleichtert werden kann. Ganz heillos ist
besonders die Ansicht, als ob ein künftiger Gesetzgeber, für welchen
doch überhaupt dieser Stoff als wichtig und bildend anerkannt wird,
mit einer solchen leichten, vornehmen Kenntniß, wofür das französische
teinture die glücklichste Bezeichnung ist, auskommen könnte. Gerade
für diese Anwendung auf eigene, neue Production ist noch weit mehr
gründliche[[125]] Kenntniß nöthig, als für das gewöhnliche Geschäft
des Juristen; man muß über den Buchstaben des historischen Materials
sehr Herr geworden seyn, um dasselbe frey als Werkzeug zur Darstellung
neuer Formen gebrauchen zu können, sonst ist das ~sermocinari tamquam
e vinculis~ unvermeidlich. Jene verkehrte Ansicht ließe sich auf die
Sprache ungefähr so anwenden, als ob man zwar für den Umgang und das
gemeine Leben den Reichthum, die Kraft und die Fülle der Sprache
kennen müßte, für die Poesie aber mit oberflächlicher Kenntniß genug
haben könnte.

Was nun hier von dem Studium des Rechts verlangt worden ist, soll
nicht etwa in Büchern aufbewahrt, auch nicht einzelnen Gelehrten
anvertraut, sondern Gemeingut aller Juristen werden, die mit Ernst und
mit offenem Sinn für ihren Beruf arbeiten wollen. Es soll also eine
lebendige Schule entstehen, so wie sämmtliche Römische Juristen, nicht
blos die Sabinianer und eben so die Proculianer für sich, in der That
Eine große Schule gebildet haben. Auch können nur aus einer solchen
über die Gesammtheit der Juristen verbreiteten lebendigen Bearbeitung
selbst die Wenigen hervorgehen, die durch ihren Geist zu eigentlicher
Erfindung berufen sind, und es ist ein schädliches Vorurtheil, als
ob diese sich immer finden würden, der Zustand der Schule möchte
seyn welcher er wollte. Das Beyspiel von *Montesquieu* [[126]] ist
in diesem Stück sehr lehrreich; niemand kann die unabhängige Kraft
verkennen, womit er sich von der Beschränktheit seiner Zeit und
Nation frey zu erhalten gestrebt hat: nun war er Jurist vom Handwerk
und in einem ~pays de droit écrit~, auch haben die Römer keinen
eifrigern Verehrer als ihn gehabt, so daß es ihm an Veranlassung und
Neigung, Römisches Recht zu kennen, nicht fehlen konnte; dennoch waren
seine Kenntnisse hierin sehr mittelmäßig, und ganze Stücke seines
Werkes werden dadurch völlig bodenlos, wovon seine Geschichte des
Römischen Erbrechts[98] als Beyspiel dienen kann. Dies war die Folge
der gänzlichen Nullität der juristischen Schule seiner Zeit, welche
er nicht zu überwinden vermochte. Ueberhaupt wird sich Jeder durch
gründliches Studium der Literargeschichte überzeugen, wie weniges
in ihren Erscheinungen ganz den einzelnen Individuen, unabhängig
von den Kräften und Bestrebungen des Zeitalters und der Nation, mit
Wahrheit zugeschrieben werden kann. -- Aber diese Gemeinschaft unsrer
Wissenschaft soll nicht blos unter den Juristen von gelehrtem Beruf,
den Lehrern und Schriftstellern, statt finden, sondern auch unter den
praktischen Rechtsgelehrten. Und eben diese Annäherung der Theorie
und Praxis ist es, wovon die eigentliche Besserung der Rechtspflege
ausgehen muß, und worin wir vorzüglich[[127]] von den Römern zu
lernen haben: auch unsere Theorie muß praktischer und unsere Praxis
wissenschaftlicher werden, als sie bisher war. *Leibniz* urtheilte,
daß unter den juristischen Schriftstellern fast nur die Verfasser
von Consilien die Rechtswissenschaft wahrhaft erweiterten und durch
Beobachtung neuer Fälle bereicherten[99]: zugleich wünscht er, daß
eine Gesellschaft von etwa 30 Juristen neue Pandekten als Auszug alles
wahrhaft praktischen und eigenthümlichen in neueren Schriftstellern
verfassen möchte[100]. Unabhängig von *Leibniz,* aber in ähnlichem
Sinne, schlägt *Möser* vor, durch planmäßige Sammlung wirklicher
Rechtsfälle eines Landes neue Pandekten anzulegen[101]. Beides sehr
schön; nur ist eine nothwendige Bedingung nicht mit in Rechnung
gebracht, die Fähigkeit nämlich wahre Erfahrungen zu machen. Denn man
muß das klare, lebendige Bewußtseyn des Ganzen stets gegenwärtig haben,
um von dem individuellen Fall wirklich lernen zu können, und es ist
also wieder nur der theoretische, wissenschaftliche Sinn, wodurch auch
die Praxis erst fruchtbar und lehrreich erscheint. Allerdings ist in
dem Mannichfaltigen die Einheit enthalten, aber wir sehen sie darin
nicht, wenn wir nicht den ausgebildeten Sinn für dieselbe[[128]] mit
hinzu bringen: ja, wir werden ohne diesen Sinn die individuelle Gestalt
des Mannichfaltigen selbst nicht mit Sicherheit unterscheiden. Darum
hat in den Pandekten jeder Rechtsfall eine bestimmte Individualität:
dagegen, wenn man Urtheilssprüche des achten und neunten Jahrhunderts
liest, so lautet einer wie der andere, und es ist, als wenn sich
nur immer derselbe Rechtsfall wiederholt hätte. Nicht als ob in der
That die Verhältnisse selbst bis zu diesem Grad der Einförmigkeit
herabgesunken wären; aber die Fähigkeit der Unterscheidung war
verloren, und je mehr diese fehlt, desto unmöglicher ist sicheres und
gleiches Recht. Ein treffliches Mittel zu dieser Annäherung der Theorie
und Praxis würde ein zweckmäßiger Verkehr der Juristenfakultäten mit
den Gerichtshöfen seyn, welcher neuerlich vorgeschlagen ist[102]. Die
Juristenfakultäten als Spruchcollegien konnten dazu dienen, und thaten
es wohl ursprünglich nach ihrer Weise: aber nachdem sie zu allgemeinen
Urtheilsfabriken geworden, mußte ihre Arbeit meist handwerksmäßiger
ausfallen, als die der bessern Gerichte, ja es stand nun bey alten
Fakultäten nicht mehr in der Macht einsichtsvoller Mitglieder, dieses
Verhältniß zu reinigen; nicht zu gedenken, daß durch die nothwendige
Uebung dieses unersprieslichen Handwerks der gelehrten Jurisprudenz
die[[129]] besten Kräfte entzogen wurden und zum Theil noch entzogen
werden. Zugleich ist diese Verknüpfung der Praxis mit einer lebendigen,
sich stets fortbildenden Theorie das einzige Mittel, geistreiche
Menschen für den Richterberuf wahrhaft zu gewinnen. Zwar Ehre und
Rechtlichkeit kann der Richterstand auch ohne dieses haben, auch kann
er sich fortwährend bilden durch Beschäftigungen außer seinem Beruf,
wie sie jeden nach seiner Eigenthümlichkeit vorzugsweise ansprechen:
aber ganz anders wird es seyn, wenn der eigene Beruf selbst durch
seinen Zusammenhang mit dem Ganzen einen wissenschaftlichen Character
annimmt, und selbst zu einem Bildungsmittel wird. Ein solcher Zustand
allein wird alle Forderungen befriedigen können: der Einzelne wird
nicht als bloßes Werkzeug dienen, sondern in freyem, würdigem Berufe
leben, und die Rechtslehre wird wahre, kunstmäßige Vollendung erhalten.
Auch die Franzosen haben dieses Bedürfniß anerkannt, nur freylich auf
ihre eigene etwas unedle Weise.[103] Das nachtheiligste Verhältniß in
dieser Rücksicht ist unläugbar dasjenige, worin der Richter darauf
beschränkt seyn[[130]] soll, einen gegebenen Buchstaben, den er nicht
interpretiren darf, mechanisch anzuwenden: betrachtet man dieses
Verhältniß als den äußersten Punkt auf einer Seite, so würde das
entgegen gesetzte äußerste darin bestehen, daß für jeden Rechtsfall der
Richter das Recht zu finden hätte, wobey durch die Sicherheit einer
streng wissenschaftlichen Methode dennoch alle Willkühr ausgeschlossen
wäre. Zu diesem zweyten Endpunkte aber ist wenigstens eine Annäherung
möglich, und in ihm wäre die älteste Deutsche Gerichtsverfassung in
verjüngter Form wieder erweckt.

Ich bin oben von einem dreyfachen Bedürfniß ausgegangen: Rechtsquelle,
Personal, und Prozeßform, alle in löblichem Zustande. Wie die
Rechtsquelle auf gründlicher und verbreiteter Wissenschaft beruhen
solle, ist gezeigt worden: desgleichen wie eben dadurch das Personal
der Rechtspflege für diesen Beruf wahrhaft gewonnen werden könne.
Allein beides wird allerdings nicht zureichen, wenn die Form des
Prozesses schlecht ist. Von dieser Seite aber bedürfen manche Deutsche
Länder einer schnellen und gründlichen Hülfe. Die allgemeinsten
Gebrechen sind: Anarchie der Advokaten, Misbrauch der Fristen und ihrer
Verlängerungen, Vervielfältigung der Instanzen und vorzüglich der
Aktenversendung, die auf verständige Weise angewendet die trefflichsten
Dienste leisten würde. Dagegen muß allerdings durch Gesetzgebung
geholfen werden: auch ist gemeinsame Berathung[[131]] und Mittheilung
der Deutschen Länder hierüber sehr wünschenswerth. Nur ist nicht
nothwendig, daß gerade Eine allgemeine Form sogleich überall eingeführt
werde. Mögen doch verschiedene Erfahrungen gemacht werden, was sich als
das beste bewährt, wird dann wohl allgemeinen Eingang finden. Zwischen
dem Preussischen und dem bisherigen gemeinen Prozeß, deren Idee man als
entgegengesetzt betrachten kann, liegen noch manche Abstufungen in der
Mitte, über deren Werth wohl nur Erfahrung entscheiden kann.

Nach dieser Ansicht also würde in den Ländern des gemeinen Rechts zwar
kein Gesetzbuch gemacht werden: aber die bürgerliche Gesetzgebung
überhaupt ist damit keinesweges für entbehrlich erklärt. Außer den
Gesetzen von politischem Grunde (welche nicht hierher gehören), würde
sie ein doppeltes Object haben können: Entscheidung von Controversen,
und Verzeichnis alter Gewohnheiten. Mit der gesetzlichen Entscheidung
von Controversen wäre ein Haupteinwurf beseitigt, wodurch man bisher
die praktische Anwendbarkeit des Römischen Rechts ohne weitere
Untersuchung zu widerlegen geglaubt hat. Ueberdem ist es aber mit
diesen Controversen so schlimm in der That nicht. Man muß erstlich
nicht gerade alles für controvers halten, woran sich irgend einmal
Unwissenheit oder Geistlosigkeit versucht hat, ohne sonderlichen
Eingang zu finden. Zweytens braucht sich[[132]] die Gesetzgebung
auch mit solchen Controversen nicht zu bemühen, die zwar in unsern
Lehrbüchern stehen, aber in der Praxis sehr selten vorkommen.
Rechnet man beide Fälle ab, so bleibt allerdings noch manches zu
thun übrig, allein der Code Napoleon, so jung er ist, kann sich
darin schon recht gut neben dem Römischen Rechte sehen lassen. Diese
Controversen indessen wären vielleicht besser in Form provisorischer
Verfügungen oder Anweisungen an die Gerichte zu entscheiden, als
durch eigentliche Gesetze, indem durch jene der möglichen besseren
Ergründung durch Theorie weniger vorgegriffen würde. -- Das zweyte
Objekt der Gesetzgebung wäre die Verzeichnung des Gewohnheitsrechts,
über welches auf diese Weise eine ähnliche Aufsicht wie in Rom durch
das Edict ausgeübt würde. Man darf nicht glauben, daß so das bisher
bestrittene Gesetzbuch doch wieder zugelassen würde, nur unter anderem
Namen: der Unterschied betrifft vielmehr gerade das Wesen der Sache.
Nämlich in dieses Gewohnheitsrecht wird nur dasjenige aufgenommen, was
durch wirkliche Uebung entschieden ist, und dieses wird ohne Zweifel
jetzt, da man diese Entscheidung vor sich hat, völlig begriffen: das
Gesetzbuch dagegen ist genöthigt, über alles zu sprechen, auch wenn
kein Trieb dazu da ist, und keine specielle Anschauung dazu fähig
macht, blos in Erwartung künftiger möglicher Fälle. Daß über die Art
der Ausführung dieser übrig bleibenden[[133]] Zweige bürgerlicher
Gesetzgebung hier nicht gesprochen werden kann, wird jedem von selbst
einleuchten.

Ich habe bis jetzt für die Länder des gemeinen Rechts untersucht,
welcher Weg für das bürgerliche Recht zunächst zu betreten ist,
wenn dasselbe in einen löblichen Zustand kommen soll. Ich will noch
das höhere Ziel hinzufügen, dessen Möglichkeit auf demselben Wege
liegt. Ist einmal Rechtswissenschaft auf die hier beschriebene Weise
Gemeingut der Juristen geworden, so haben wir in dem Stand der Juristen
wiederum ein Subject für lebendiges Gewohnheitsrecht, also für
wahren Fortschritt, gewonnen; von diesem Gewohnheitsrecht war unser
Gerichtsgebrauch nur ein kümmerliches Surrogat, am kümmerlichsten der
Gerichtsgebrauch der Juristenfakultäten. Der historische Stoff des
Rechts, der uns jetzt überall hemmt, wird dann von uns durchdrungen
seyn und uns bereichern. Wir werden dann ein eigenes, nationales Recht
haben, und eine mächtig wirksame Sprache wird ihm nicht fehlen. Das
Römische Recht können wir dann der Geschichte übergeben, und wir werden
nicht blos eine schwache Nachahmung Römischer Bildung, sondern eine
ganz eigene und neue Bildung haben. Wir werden etwas höheres erreicht
haben, als blos sichere und schnelle Rechtspflege: der Zustand klarer,
anschaulicher Besonnenheit, welcher dem Recht jugendlicher Völker
eigen zu seyn pflegt, wird sich[[134]] mit der Höhe wissenschaftlicher
Ausbildung vereinigen. Dann kann auch für zukünftige schwächere Zeiten
gesorgt werden, und ob dieses durch Gesetzbücher oder in anderer
Form besser geschehe, wird dann Zeit seyn zu berathen. Daß dieser
Zustand jemals eintreten werde, sage ich nicht: dieses hangt von der
Vereinigung der seltensten und glücklichsten Umstände ab. Was wir
Juristen hinzu bringen können, ist offener Sinn, und treue tüchtige
Arbeit: haben wir diese gethan, so mögen wir den Erfolg ruhig abwarten,
vor allem aber uns hüten, dasjenige zu zerstören, was näher zu jenem
Ziele führen kann.

Als das Jüdische Volk am Berge Sinai das göttliche Gesetz nicht
erwarten konnte, machte es aus Ungeduld ein goldenes Kalb, und darüber
wurden die wahren Gesetztafeln zerschlagen.


9.

*Was bey vorhandenen Gesetzbüchern zu thun ist.*

[[135]] Ich komme nun zu den Deutschen Ländern, in welchen Gesetzbücher
schon vorhanden sind: es versteht sich, daß darunter nur das
Preussische Landrecht und das Oesterreichische Gesetzbuch gedacht
werden kann, nicht der Code, welcher als eine überstandene politische
Krankheit betrachtet werden muß, wovon wir freylich noch manche Uebel
nachempfinden werden.

Ueber jene Deutschen Gesetzbücher nun habe ich meine Meynung schon
geäußert; aber man würde mich misverstehen, wenn man diese Meynung
so deuten wollte, als ob damit die Abschaffung der Gesetzbücher für
etwas wünschenswerthes erklärt wäre. Diese sind vielmehr als eigene,
neue Thatsachen in der Geschichte des Rechts zu behandeln, und
ihre Aufhebung würde nicht nur unvermeidlich große Verwirrung zur
Folge haben, sondern es müßte auch nachtheilig auf den öffentlichen
Geist wirken, wenn dasjenige, was mit der besten Absicht und großer
Anstrengung kaum vollendet war, plötzlich zurückgenommen werden sollte.
Auch tritt ein großer Theil des Uebels, welches aus einem allgemeinen
Gesetzbuche folgen würde, bey ihnen nicht ein, so lange in[[136]]
andern Deutschen Ländern das gemeine Recht fortdauert. Also von
Aufhebung ist nicht die Rede, wohl aber ist ernstlich zu bedenken, wie
die Uebel vermieden werden können, die bey unrichtiger Behandlung der
Gesetzbücher eintreten dürften.

Wen nämlich dasjenige, was über die Natur und Entstehung unsrer
Gesetzbücher gesagt worden ist, überzeugt hat, der wird nicht
zweifeln, daß dasselbe historisch begründete Rechtsstudium, welches
vor ihrer Einführung nothwendig war, auch durch sie nicht im
geringsten entbehrlicher geworden ist, und daß insbesondere gar nichts
geleistet wird, wenn man glaubt, sich um ihretwillen nun mit einer
oberflächlichen Darstellung des bisherigen Rechts behelfen zu können.
Diese fortdauernde Nothwendigkeit ist für die unmittelbare Anwendung
dringender bey dem Oesterreichischen Gesetzbuch (S. 108): aber sie
ist aus anderen Gründen auch bey dem Preussischen Landrecht nicht
geringer. Die häufig gehegte Erwartung also, daß das Rechtsstudium
dadurch leichter und einfacher werden könne, ist irrig: soll es nicht
schlecht und für den gegebenen Rechtszustand unzureichend werden (denn
alsdann ist jeder Grad der Vereinfachung möglich), so bleibt alle
vorige Arbeit, und es kommt noch eine neue hinzu, die wegen Zerstörung
der ursprünglichen Form unerfreulicher ist, als die vorige. Aber
nicht blos für die gründliche Kenntniß und Anwendung der Gesetzbücher
ist das vorige[[137]] Studium unentbehrlich, sondern auch für ihre
Fortbildung und Vervollkommnung, die doch jeder für nothwendig erkennen
wird, er mag auch den Werth derselben noch so hoch anschlagen. Denn
die Gesetzbücher selbst sind auf theoretischem Wege entstanden, und
nur auf diesem Wege können sie mit Sicherheit geprüft, gereinigt und
vervollkommt werden. Für diese Arbeit scheint ein bloßes Collegium von
Geschäftsmännern, die durch ihren Beruf und die Menge übriger Arbeiten
ihren lebendigen Verkehr mit der Theorie zu beschränken genöthigt sind,
nicht hinreichend. Auch die fortgesetzte Prüfung des Gesetzbuchs durch
Achtsamkeit der Gerichte auf die Anwendung ist zwar vortrefflich, aber
nicht hinlänglich: viele Mängel werden auf diesem Wege entdeckt werden
können, dennoch bleibt der Weg selbst zufällig, und eben so viele
Mängel können von ihm unberührt bleiben. Die Theorie steht zur Praxis
nicht ganz in demselben Verhältniß, wie ein Rechnungsexempel zu seiner
Probe.

Es ist interessant, zu betrachten, wie man in den Staaten, worin
Gesetzbücher eingeführt sind, das Studium angesehen und geordnet
hat. Dabey mag denn auch wieder der Zustand der Dinge in Frankreich,
und zwar die gegenwärtige Einrichtung der Pariser Rechtsschule, in
Betracht kommen[104]. Zu dieser[[138]] Schule gehören drey Professoren
für den Code, einer für den Prozeß, einer für das Römische Recht, und
diese sollen sich in jeder Rechtsschule finden; aber Paris hat noch
außerdem zwey besondere Lehrstellen, für den ~code civil approfondi~
und für den ~code de commerce.~ Criminalrecht und Criminalprozeß,
Rechtsgeschichte und altfranzösisches Recht werden nicht gelesen. Jeder
Professor hält stets Einen Cursus, welcher einjährig ist (mit Abzug von
3 Monaten Ferien in Paris, an andern Orten aber nur von 2 Monaten), und
wöchentlich aus drey anderthalbstündigen Vorlesungen besteht: dieser
Umfang ist bey allen Vorlesungen derselbe. Der Code also wird in drey
solchen Cursen gelehrt, indem jeder Lehrer nur ein Drittheil des Ganzen
abhandelt. Jeder Professor hat einen suppléant, der für ihn eintritt,
wenn er zu lesen verhindert ist. Das Römische Recht las *Berthelot*
über die Institutionen des *Heineccius,* denen er eine französische
Uebersetzung beygegeben hatte, damit die Zuhörer sie verstehen
könnten; seit *Berthelots* Tode liest es dessen bisheriger suppléant
*Blondeau*, aber, was man nicht glauben sollte, über den Code, indem
er bey jedem Artikel die Abweichungen bemerkt. Der Baccalaureus muß
zwey Jahre, der Licentiat drey, der Doctor vier Jahre studiert haben;
dem ersten ist der Cursus des Römischen Rechts vorgeschrieben, für
den zweyten ist dessen Wiederholung eigenem Gutdünken überlassen,
dem[[139]] dritten ist diese Wiederholung wiederum vorgeschrieben: was
aber wohlgemerkt immer nur die Wiederholung derselben Institutionen
bey demselben Lehrer ist. Es wird nicht nöthig seyn, nach dem, was
bisher ausgeführt worden ist, noch besondere Grunde gegen diesen
Studienplan vorzubringen; aber besonders merkwürdig ist der greifliche
Zirkel, worin man sich befindet. Die Redactoren selbst haben oft
erklärt, daß der Code zur Anwendung nicht hinreiche, sondern für
diese die Ergänzung durch Wissenschaft nothwendig sey. Und doch dreht
sich der wissenschaftliche Unterricht wieder ganz um den Code, denn
das wenige Römische Recht ist gar nicht zu rechnen. Welches ist denn
also die factische Grundlage dieser Wissenschaft? ohne Zweifel der
Gerichtsgebrauch, derselbe Gerichtsgebrauch, dessen Verschiedenheit
aufzuheben das wichtigste Bestreben schien, und der durch Auflösung der
alten Gerichte und Vermischung ihrer Sprengel alle Haltung verloren
hat! Daß nun ein solcher Zustand nicht stehen bleibt, sondern immer
weiter rückwärts führt, ist handgreiflich. Es liegt in der Natur, daß
in jedem Zeitalter der Zustand der Rechtswissenschaft durch den Wert
desjenigen bestimmt wird, was dieses Zeitalter als nächstes Object
des Studiums in der That (wenn gleich nicht immer den Worten nach)
betrachtet und behandelt; stets wird die Rechtswissenschaft etwas und
vielleicht viel tiefer stehen, als dieses Object. So z. B. hatten die
ersten[[140]] Glossatoren den Vortheil, daß sie aus den Quellen selbst
zu schöpfen genöthigt waren, diese waren also ihr Object; Bartolus
dagegen hatte schon die Schriften der Glossatoren zum Object, die sich
nunmehr zwischen die gegenwärtigen Juristen und die Quellen gestellt
hatten, und dieses ist ein Hauptgrund, warum die Schule des Bartolus
so viel schlechter ist, als die der Glossatoren. Derselbe Rückschritt
wird überall statt finden, wo nicht der Grundsatz befolgt wird, jeden
Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen, welcher Grundsatz oben als der
Character der historischen Methode angegeben worden ist. So denn auch
bey dem Code; wenn z. B. einer der Redactoren auch die übertriebenste
Meynung vom Werthe des Code hegte, so würde er doch im Vertrauen
bekennen, daß er selbst höher stehe, als dieses sein Werk: er würde
einräumen, daß er selbst seine Bildung unabhängig von dem Code erhalten
habe, und daß die gegenwärtige Generation, die durch den Code erzogen
werden soll, nicht auf den Punkt kommen würde, worauf er selbst steht,
und worauf er fähig war, ein solches Werk hervorzubringen. Diese
einfache Ueberlegung wird dasselbe Resultat überall haben, wo man mit
Einführung des neuen Gesetzbuchs zugleich das vorige Studium zerstört,
gleichsam die Brücke hinter sich abwerfend, auf welcher man über den
Strom gekommen ist.

Die neue Oesterreichische Studienordnung (von[[141]] 1810) verbindet
das juridische und politische Studium zu einem Ganzen[105], welches in
vier Jahren dergestalt geendigt wird, daß diese ganze Zeit hindurch
täglich drey Stunden den Vorlesungen bestimmt sind[106]. Jeder
Lehrgegenstand wird nur einmal gehört. Deutsches Recht kommt nicht
vor, ohne Zweifel deshalb, weil es auch vor dem neuen Gesetzbuch
in Oesterreich wenig verbreitet war[107]. Dagegen wird allerdings
Römisches Recht gelehrt, und die Gründe, welche die Aufnahme desselben
in den Lehrplan bewirkt haben, sind die trefflichsten und liberalsten.
Der erste ist die Entstehung des neuen Gesetzbuchs aus dem Römischen
Recht: der zweyte, daß das bisherige gemeine Recht (und besonders
der Römische Theil desselben) zu jeder positiven Rechtswissenschaft
in einem ähnlichen Verhältniß stehe, wie die alten Sprachen zur
allgemeinen Bildung: nämlich als das eigentlich gelehrte Element,
wodurch unser Fach zur Wissenschaft werde, und zugleich als das[[142]]
Gemeinsame unter den Juristen verschiedener Völker[108]. Diese Ansicht,
die ohne Zweifel die der Studiencommission selbst ist[109], verdient
gewiß den größten Beyfall: allein ob die gewählten Mittel zu diesem
anerkannten Zweck hinreichen, muß ich bezweifeln. Zwar soll der Lehrer
des Römischen Rechts eine Geschichte desselben voraus schicken, und
dahin trachten, daß der Zuhörer »das System desselben in seinen
Grundzügen und aus seinen Quellen kennen lerne«[110]: allein bey der
vorgeschriebenen beschränkten Zeit ist es ganz unmöglich, mehr als
gewöhnliche Institutionen vorzutragen, da für das ganze Fach nur eine
halbjährige Vorlesung von zwey Stunden täglich (nach schriftlichen
Nachrichten eigentlich neun Stunden die Woche) bestimmt ist, also
genau dieselbe Zeit wie in Paris. Was in einer so kurzen Zeit möglich
ist, kann jeder leicht berechnen: auch ist bereits ein Lehrbuch für
die Vorlesungen nach diesem Plane erschienen[111], an welchem deutlich
zu sehen ist, wie unbefriedigend dieser Unterricht bleiben muß, und
gewiß ohne Schuld des Verfassers, dessen Fleiß und Kenntniß neuerer
Fortschritte der Rechtswissenschaft[[143]] vielmehr das beste Lob
verdient. Es käme nur darauf an, sich von der Unzulänglichkeit dieses
Planes zu überzeugen, und dabey die Erfahrung anderer Deutschen Länder
unbefangen zu Rathe zu ziehen: an Mitteln zu einer andern Einrichtung
würde es nicht fehlen, am wenigsten an Zeit. Der Plan ist darauf
berechnet, daß jeder Studierende täglich drey Stunden höre; nimmt man
anstatt dessen fünf Stunden an, so werden in vier Jahren 16 einfache
Collegien gewonnen, und es können dann nicht nur alle zum gelehrten
Studium unentbehrliche Fächer, sondern auch die Hauptvorlesungen
bey mehreren Lehrern gehört werden, wodurch erst rechtes Leben in
den Unterricht der Universitäten kommt. Zwar glaubte man, daß fünf
Stunden täglich nach der Localität zu viel sey, indem es z. B. zu viel
Anstrengung kosten würde, drey Stunden ununterbrochen zu hören[112]:
allein ich berufe mich auch hierüber auf die Erfahrung anderer
Deutschen Universitäten, wo dieses niemals die geringste Schwierigkeit
macht. Davon, daß es Universitäten giebt, wo manche Studenten 10-11
Stunden täglich hören, will ich nicht sprechen, denn dieses wird auch
dort für einen sehr schädlichen Misbrauch erkannt, dem man entgegen zu
arbeiten sucht.

[[144]] In den Preußischen Staaten ist auch seit Einführung des
Landrechts niemals eine Studienordnung vorgeschrieben worden, und diese
durch alte Erfahrung Deutscher Universitäten bewährte Freyheit ist
stets unversehrt geblieben. Auch die Anzahl der Lehrer, wie sie vorher
durch das gemeine Recht nöthig war, ist nicht vermindert worden, und
die Curatoren der Universitäten haben niemals in den Lehrern oder den
Studierenden die Meynung erregt, als wäre ein Theil der vorher nöthigen
Vorlesungen für entbehrlich zu achten. Ursprünglich hielt man es für
räthlich, daß auf jeder Universität wenigstens Eine Hauptstelle für das
Preußische Recht bestimmt würde, und es wurde ein ansehnlicher Preiß
für das beste Lehrbuch ausgesetzt[113]. Allein selbst dieses wurde in
der Folge nicht mehr befördert, wie denn die Universität zu Berlin das
Preußische Recht bis jetzt nicht gelehrt hat. Dieselbe Ansicht liegt
den eingeführten Prüfungen zum Grunde, indem die erste Prüfung, bey
dem Eintritt in wirkliche Geschäfte, blos auf gemeines Recht gerichtet
wird: die nächste Zeit ist nun für die unmittelbar praktische Bildung
des Rechtsgelehrten bestimmt[114], und erst die nun folgenden zwey
Prüfungen[[145]] haben auch das Landrecht zum Gegenstande, jedoch ohne
daß das gemeine Recht dabey ausgeschlossen wäre. Offenbar ist also
gegenwärtig die Bildung des Juristen, als aus zwey Hälften bestehend,
gedacht, so daß die erste Hälfte (die Universität) nur die gelehrte
Grundlage, die zweyte dagegen die Kenntniß des Landrechts, die des
Preußischen Prozesses, und die praktische Fertigkeit zur Aufgabe hat.
Dafür, daß die erste Hälfte nicht aus Bequemlichkeit verkürzt werde,
hat man nicht durch eine specielle Studienordnung gesorgt, wohl aber
erstlich durch das vorgeschriebene Triennium[115], so daß die Anwendung
dieser Zeit, wie billig, der eigenen Wahl und dem Rathe der Lehrer
überlassen blieb; zweytens durch die Vorschrift, bey der Zulassung
zum Staatsdienste auch auf das Zeugniß der Universitätslehrer, und
selbst auf das frühere Schulzeugniß, Rücksicht zu nehmen[116]. Man
muß bedenken, mit welchem Ernst und welcher Anstrengung das Landrecht
gemacht worden ist, um die ganze Achtung zu empfinden, welche diesem
Verfahren der Preußischen Regierung gebührt. Denn auch bey der
festen Ueberzeugung, daß das neu eingeführte ein unbedingter[[146]]
Fortschritt sey, hat sie dennoch mit edler Scheu sich enthalten, der
fest gewurzelten wissenschaftlichen Gewohnheit zu gebieten, die durch
das Bedürfniß und die Einsicht der Zeiten allmählich entstanden und
entwickelt war. Rühmliche Erwähnung verdient auch der gründliche
Sinn des Kammergerichts, auf dessen Veranlassung im Jahr 1801. den
juristischen Fakultäten der Gebrauch lateinischer Lehrbücher empfohlen
wurde, weil seit Einführung der Deutschen Lehrbücher die juristische
Kunstsprache den Juristen weniger geläufig war[117]; noch sicherer und
vollständiger als durch Lehrbücher dürfte freylich dieser Zweck durch
die Quellen selbst erreicht werden. -- Was insbesondere die Vorlesungen
über das Landrecht betrifft, so glaube ich allerdings, daß diese in der
gegenwärtigen Lage besser nicht gehalten werden, indem zum praktischen
Bedürfniß die spätere Einübung hinreicht, eine wissenschaftliche
Seite aber dem Gegenstande abzugewinnen, aus Mangel an speciellen
geschichtlichen Quellen, schwer seyn dürfte. Anders würde es vielleicht
seyn, wenn der oben (S. 94) ausgesprochene Wunsch öffentlicher
Mittheilung von Materialien des Landrechts in Erfüllung gehen sollte.

Betrachten wir nun nochmals die drey genannten Gesetzbücher im
Zusammenhang, und in besonderer Beziehung auf das Studium des Rechts,
so ist[[147]] einleuchtend, daß ein eigenthümliches wissenschaftliches
Leben aus ihnen nicht entspringen kann, und daß sich auch neben ihnen
wissenschaftlicher Geist nur in dem Maaße lebendig erhalten wird, als
die geschichtlichen Quellen dieser Gesetzbücher selbst fortwährend
Gegenstand aller juristischen Studien bleiben. Derselbe Fall aber
müßte unfehlbar eintreten, wenn wir ein Gesetzbuch für Deutschland
aufstellen wollten. *Thibaut*, welcher dieses anräth, will, wie
sich bey ihm von selbst versteht, nicht die Wissenschaftlichkeit
aufheben, vielmehr hofft er gerade für diese großen Gewinn. Welches
nun die Basis der künftigen Rechtsstudien seyn soll, ob (wie in
Preußen) die alten Quellen, oder (wie in Frankreich und Oesterreich)
das neue Gesetzbuch selbst, sagt er nicht deutlich, doch scheint
mehr das letzte seine Meynung[118]. Ist aber dieses der Fall, so
fordere ich jeden auf, bey sich zu erwägen, ob auf eines der drey
schon vorhandenen neuen Gesetzbücher, unabhängig von den Quellen
des bisherigen Rechts und dieser Gesetzbücher selbst, eine wirklich
lebendige Rechtswissenschaft möglicherweise gegründet werden könne.
Wer aber dieses nicht für möglich erkennt, der kann es auch nicht für
das vorgeschlagene Gesetzbuch behaupten. Denn ich halte es, aus den
oben entwickelten Gründen, für ganz unmöglich, daß dasselbe von den
bisherigen[[148]] Gesetzbüchern nicht blos durch Vermeidung einzelner
Mängel (was allerdings gedacht werden kann), sondern generisch
verschieden ausfalle; ohne eine solche generische Verschiedenheit
aber wird die Untauglichkeit zu Begründung einer selbstständigen
Rechtswissenschaft stets dieselbe seyn. Was alsdann eintreten wird,
läßt sich leicht vorhersehen. Wir werden entweder gar keine juristische
Literatur haben, oder (was wahrscheinlicher ist) eine so flache,
fabrikmäßige, unerträgliche, wie sie uns unter der Herrschaft des Code
zu überschütten angefangen hatte, und wir werden dann alle Nachtheile
eines cultivirten, verwickelten, auf literarisches Bedürfniß gebauten
Zustandes empfinden, ohne durch die eigenthümlichen Vortheile desselben
entschädigt zu werden. Ja, um alles mit Einem Worte zu sagen, es
könnte leicht kommen, daß der Zustand des bürgerlichen Rechts bey
uns schlechter würde, als er in Frankreich ist; denn das Streben
nach wissenschaftlicher Begründung gehört nicht zu den nationalen
Bedürfnissen der Franzosen, wohl aber zu den unsrigen, und ein so tief
wurzelndes Bedürfniß läßt sich nicht ungestraft hintansetzen.

Wollte man dagegegen die Rechtswissenschaft auch neben dem neuen
Gesetzbuch auf die alten Quellen gründen, so würden die oben[119]
angegebenen Schwierigkeiten eintreten, und man würde das Studium,
anstatt es zu vereinfachen, vielmehr verwickeln[[149]] und weniger
belohnend einrichten, also dem wahren Zwecke gerade entgegen arbeiten.
Man möchte etwa glauben, der Erfolg würde ganz derselbe seyn, wie er
bey einem ähnlichen Verfahren in den Preussischen Staaten wirklich vor
Augen liegt, wo gewiß das Personal der Rechtspflege trefflich ist und
allgemeine Achtung genießt und verdient; aber auch diese Erwartung
halte ich für eine leere Täuschung. Denn zwey Umstände dürfen dabey
nicht übersehen werden, die den Erfolg in anderen Deutschen Ländern
leicht ungünstiger bestimmen dürften: erstlich, daß der allgemeine
Character der Preußischen Einrichtungen auch dieser einzelnen
Einrichtung zusagt, und ihre Ausführung in gesundem Zustande erhält,
was sich in anderen Deutschen Ländern schwerlich so zeigen würde:
zweytens aber und weit mehr dieses, daß selbst in den Preussischen
Staaten die Lage des Rechts durch das vorgeschlagene Gesetzbuch der
übrigen Deutschen Länder anders werden würde. Denn die Bildung der
Preußischen Juristen wird begründet auf den Universitäten, also durch
die Quellen des gemeinen Rechts: das Studium auf den Universitäten also
macht mit dem der übrigen Deutschen Ein Ganzes aus. Es ist aber nicht
zu bestimmen, wie viel Lebenskraft dieses Studium noch dadurch zieht,
daß seine Quellen im übrigen Deutschland geltendes Recht sind, und wie
ihm allmählich Kraft und Leben schwinden würde, wenn diese Quellen
überall unmittelbar[[150]] zu gelten aufhören sollten. Dann also würde
durch das Deutsche Gesetzbuch selbst für die Preussischen Staaten das
Studium entkräftet seyn, und gegen dieses zu befürchtende Uebel kann
uns begreiflich die Erfahrung nicht sicher stellen, die bis jetzt der
Preussische Staat gemacht hat.


10.

Das Gemeinsame.

[[151]] Die Folge dieser Ansichten ist, daß das wissenschaftliche
Studium des Rechts, als welchem alle Erhaltung und Veredlung desselben
obliegt, in beiderley Ländern, denen die Gesetzbücher haben, und
die sie nicht haben, dasselbe seyn müsse. Ja nicht auf das gemeine
Recht allein beschränke ich diese Gemeinschaft, sie muß vielmehr auch
auf die Landesrechte erstreckt werden aus zwey Gründen. Erstlich
weil die Landesrechte großentheils nur durch Vergleichung und durch
Zurückführung auf alte nationale Wurzeln verstanden werden können:
zweytens weil schon an sich alles geschichtliche der einzelnen
Deutschen Länder für die ganze Nation ein natürliches Interesse hat.
Daß die Landesrechte bisher am wenigsten auf diese Weise behandelt
worden sind, wird niemand läugnen[120]; aber viele Gründe lassen für
die Zukunft allgemeinere Theilnahme an der vaterländischen Geschichte
hoffen, und davon wird auch das Studium der Landesrechte belebt werden,
die eben so wenig als das gemeine Recht dem blosen Handwerk anheim
fallen dürfen. Und so führt unsre Ansicht auf einem anderen[[152]] Wege
zu demselben Ziel, welchem die Freunde des allgemeinen Gesetzbuchs
nachstreben, aus dem bürgerlichen Recht nämlich eine gemeinsame
Angelegenheit der Nation, und damit zugleich eine neue Befestigung
ihrer Einheit zu machen; nur führt unsre Ansicht vollständiger dahin,
indem sie in der That alle Deutschen Lande umfaßt, während durch das
vorgeschlagene Gesetzbuch Deutschland in drey große Ländermassen
zerfallen würde, die durch das bürgerliche Recht sogar schärfer als
vorhin geschieden wären: Oesterreich nämlich, Preußen, und die Länder
des Gesetzbuchs[121].

Daß nun diese Gemeinschaft des bürgerlichen Rechts in allen wirklichen
Einrichtungen anerkannt und vorausgesetzt werde, halte ich eben
wegen jener durch sie mit zu begründenden Vereinigung für eine der
wichtigsten Angelegenheiten der Nation. Wie es keine Preussische
und Bairische Sprache oder Literatur giebt, sondern eine Deutsche,
so ist es auch mit den Urquellen unsres Rechts und mit deren
geschichtlicher[[153]] Erforschung; daß es so ist, hat kein Fürst mit
Willkühr gemacht, und keiner kann es hindern, nur kann es verkannt
werden: aber jeder Irrthum über das, was wahrhaft der Nation angehört,
und fälschlich als dem einzelnen Stamme eigen behandelt wird, bringt
Verderben.

Sehen wir nun um uns, und suchen ein Mittel, wodurch dieses gemeinsame
Studium äußerlich begründet und befördert werden könne, so finden wir
ein solches, nicht mit Willkühr ersonnen, sondern durch das Bedürfniß
der Nation seit Jahrhunderten bereitet, in den Universitäten. Die
tiefere Begründung unsres Rechts, und vorzüglich des vaterländischen,
für welches noch am meisten zu thun ist, ist von ihnen zu erwarten,
aber auch mit Ernst zu fordern. Allein damit sie diesem Beruf ganz
genügen könnten, müßte ein Wunsch erfüllt werden, in welchen gewiß
auch diejenigen herzlich einstimmen werden, welchen bis jetzt unsre
Ansicht entgegen gesetzt war. Oesterreich, Baiern und Würtemberg,
diese trefflichen, gediegenen Deutschen Stämme, stehen (theils von
jeher, theils gegenwärtig) mit dem übrigen Deutschland nicht in
dem vielseitigen Verkehr des Universitätsunterrichts, welcher den
übrigen Ländern so großen Vortheil bringt; theils Gewohnheit, theils
beschränkende Gesetze hemmen diesen Verkehr. Die Erfahrung dieser
letzten Zeit hat gezeigt, welches Zutrauen die Deutschen Völker zu
einander fassen dürfen,[[154]] und wie nur in der innigsten Vereinigung
ihr Heil ist. Darum scheint es an der Zeit, daß jener Verkehr nicht
nur völlig frey gestattet, sondern auf alle Weise begünstigt und
befördert werde: für gefährlich kann ihn jetzt niemand halten, und wie
er wohlthätig für die Verbrüderung der Völker wirken könne, muß jedem
einleuchten. Aber nicht blos politisch würde dieser unbeschränkte und
vielseitige Verkehr höchst wichtig seyn, sondern auch noch mehr für
den innern, wissenschaftlichen Werth der Lehranstalten selbst. Wie
sich bey dem allgemeinen Welthandel ein irriges Münzsystem einzelner
Staaten nicht halten kann, ohne bald in schlimmen Folgen empfunden und
entdeckt zu werden, so würde eine mangelhafte Einrichtung einzelner
Universitäten durch diesen erwünschten Verkehr bald erkannt und
verbessert werden können; alle Universitäten würden sich gegenseitig
halten und heben, und die Erfahrung einer jeden würde ein Gemeingut
aller werden.


11.

Thibauts Vorschlag.

[[155]] *Thibaut* versichert im Eingang seiner Schrift, daß er als
warmer Freund seines Vaterlandes rede, und gewiß, er hat ein Recht,
dieses zu sagen. Denn er hat zur Zeit des Code in einer Reihe von
Recensionen auf die Würde der Deutschen Jurisprudenz gehalten,
während Manche die neue Weisheit, Manche selbst die Herrschaft,
wozu diese führte, mit thörichtem Jubel begrüßten. Auch das Ziel
seines Vorschlags, die festere, innigere Vereinigung der Nation,
bestätigt diese gute Gesinnung, die ich mit Freuden anerkenne. Bis
auf diesen Punkt also sind wir einig, und darum ist unser Streit kein
feindseeliger, uns liegt derselbe Zweck ernsthaft am Herzen, und wir
berathen und besprechen uns über die Mittel. Aber freylich über diese
Mittel sind unsre Ansichten sehr entgegen gesetzt. Vieles davon ist
schon oben im Zusammenhang dieser Schrift abgehandelt worden, der
eigentliche Vorschlag selbst ist nun noch zu prüfen.

*Thibaut* nimmt an, das vorgeschlagene Gesetzbuch könne in zwey, drey,
vier Jahren gemacht werden[122], nicht als bloser Behelf, sondern
als ein[[156]] Ehrenwerk, welches als Heiligthum auf Kinder und
Kindeskinder vererbt werden möge[123], und woran auch in Zukunft nur
noch in einzelnen Stellen nachzubessern seyn würde[124]. Für leicht
hält er die Arbeit keinesweges, vielmehr für das schwerste unter
allen Geschäften[125]. Natürlicherweise ist die Hauptfrage die, wer
dieses Werk machen soll, und dabey ist es höchst wichtig, daß wir
uns nicht durch übertriebene Erwartungen von der Gegenwart täuschen
lassen, sondern ruhig und unparteyisch überschlagen, welche Kräfte uns
zu Gebote stehen. Dieses hat auch *Thibaut* gethan; auf zwey Classen
von Arbeitern müssen wir rechnen, Geschäftsmänner und Juristen von
gelehrtem Beruf, und beide verlangt, wie sich von selbst versteht, auch
er. Aber von den Geschäftsmännern im einzelnen ist seine Erwartung sehr
mäßig[126], und auch auf die Gelehrten setzt er nach einigen Äußerungen
keine übertriebene Hoffnung[127]. Eben deshalb fordert er eine
collegialische Verhandlung: nicht Einer, auch nicht Wenige, sondern
Viele und aus allen Ländern sollen das Gesetzbuch machen[128].

Allerdings giebt es Geschäfte im Leben, worin sechs Menschen genau
sechsmal so viel ausrichten als Einer, andere worin sie sogar mehr,
noch andere[[157]] dagegen worin sie weit weniger als dieses leisten.
Das Gesetzbuch nun ist eine solche Arbeit, worin die vereinigte Kraft
Vieler keinesweges eine nach Verhältniß erhöhte Kraft seyn würde. Noch
mehr: es wird als ein löbliches, treffliches Werk auf diesem Wege gar
nicht entstehen können, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es
nach seiner Natur weder eine einzelne Bestimmung, noch ein Aggregat
solcher einzelnen Bestimmungen ist, sondern ein organisches Ganze. Ein
Richtercollegium z. B. ist deshalb möglich, weil über Condemnation
oder Absolution in jedem einzelnen Fall die Stimmen abgegeben und
gezählt werden können. Daß damit die Verfertigung des Gesetzbuchs keine
Aehnlichkeit hat, leuchtet von selbst ein. Ich komme auf dasjenige
zurück, was oben erörtert worden ist. Unter den Römern zur Zeit des
*Papinian* war ein Gesetzbuch möglich, weil ihre gesammte juristische
Literatur selbst ein organisches Ganze war: man könnte (mit einem
Kunstausdruck der neueren Juristen) sagen, daß damals die einzelnen
Juristen fungible Personen waren. In einer solchen Lage gab es sogar
mehrere Wege, die zu einem guten Gesetzbuch führen konnten: entweder
Einer konnte es machen, und die Andern konnten hinterher einzelne
Mängel verbessern, was deswegen möglich war, weil in der That jeder
einzelne als Repräsentant ihrer juristischen Bildung überhaupt gelten
konnte: oder auch Mehrere konnten, unabhängig[[158]] von einander,
jeder das Ganze ausarbeiten, und durch Vergleichung und Verbindung
dieser Werke würde ein neues entstanden seyn, vollkommner als jedes
einzelne, aber mit jedem gleichartig.

Nun bitte ich jeden, mit diesem Zustand den unsrigen zu vergleichen,
der jenem gerade hierin völlig entgegen gesetzt ist. Um mit
dem geringeren anzufangen, wähle jeder in Gedanken eine Anzahl
der jetztlebenden Juristen aus, und frage sich, ob aus deren
gemeinschaftlicher Arbeit auch nur ein System des bestehenden Rechts
hervorgehen könne: er wird sich bald von der völligen Unmöglichkeit
überzeugen. Daß aber ein Gesetzbuch eine viel größere Arbeit ist, und
daß von ihm besondere ein höherer Grad organischer Einheit verlangt
werden muß, wird gewiß niemand läugnen. In der That also würde das
Gesetzbuch, wenn es nicht durch blos mechanische Zusammensetzung
unlebendig und darum völlig verwerflich seyn soll, doch nicht von jenem
Collegium gemacht werden können, sondern nur von einem Einzelnen; die
übrigen aber würden nur untergeordnete Dienste leisten können, indem
sie bey einzelnen Zweifeln Rath und Gutachten ertheilten, oder die
fertige Arbeit durch Entdeckung einzelner Mängel zu reinigen suchten.
Wer uns aber dieses zugiebt, der muß für die gegenwärtige Zeit an der
Möglichkeit überhaupt verzweifeln; denn eben jenen einzelnen, den
wahren Gesetzgeber, zu finden, ist ganz unmöglich,[[159]] weil wegen
der völligen Ungleichartigkeit der individuellen Bildung und Kenntniß
unsrer Juristen kein einzelner als Repräsentant der Gattung betrachtet
werden kann.

Wer auch nach dieser Betrachtung noch an die Möglichkeit einer wirklich
collegialischen Verfertigung des Gesetzbuchs glauben möchte, der wolle
doch die Discussionen des Französischen Staatsraths, die *Thibaut*
so treffend geschildert hat[129], auch nur in einem einzelnen
Abschnitt durchlesen. Ich zweifle nicht, daß unsre Discussionen in
manchen Stücken besser seyn würden; aber, auf die Gefahr hin, der
Parteylichkeit für die Franzosen beschuldigt zu werden, kann ich die
Ueberzeugung nicht verbergen, daß die unsrigen in anderer Rücksicht
hinter diesem Vorbild zurück bleiben dürften.

Es ist oft verlangt worden, daß ein Gesetzbuch populär seyn solle, und
auch *Thibaut* kommt einmal auf diese Forderung zurück[130]. Recht
verstanden, ist diese Forderung wohl zuzugeben. Die Sprache nämlich,
die das wirksamste Mittel ist, wodurch Ein Geist zum andern kommen
kann, hemmt und beschränkt auch diesen geistigen Verkehr vielfältig;
oft wird der beste Theil des Gedankens von diesem Medium absorbirt,
wegen der Ungeschicklichkeit entweder des Redenden, oder des Hörers.
Aber durch[[160]] Naturanlage oder Kunst kann dieses Medium so
unterworfen werden, daß beiderley Ungeschicklichkeit nicht mehr im Wege
steht. Der Gedanke schreitet dann weg über die verschiedene Art und
Bildung der hörenden Individuen, und ergreift sie in dem gemeinsamen
geistigen Mittelpunkt. Dann kommt es, daß die Hohen befriedigt werden,
während auch den Geringen alles klar ist: beide sehen den Gedanken über
sich als etwas höheres, bildendes, und beiden ist er erreichbar. So ist
irgendwo ein wunderthätiges Christusbild gewesen, das die Eigenschaft
hatte, eine Hand breit höher zu seyn, als der größte Mann, der sich
daran stellen mochte: kam aber ein Mann von mäßiger Größe, oder ein
kleiner, so war der Unterschied dennoch derselbe, nicht größer.
Diesen einfältigen, einzig populären Styl sehen wir (um nur von der
einheimischen Literatur zu reden) in unsren besseren Chroniken, aber er
kann auch in mancherley anderen Arten erscheinen. Wenn wir ihn einmal
wieder finden, dann wird manches treffliche möglich seyn, unter andern
eine gute Geschichtschreibung, und unter andern auch ein populäres
Gesetzbuch.


12.

Schluß.

[[161]] Ich fasse nochmals in kurzen Worten zusammen, worin meine
Ansicht mit der Ansicht der Freunde eines Gesetzbuchs übereinstimmt,
und worin sich beide unterscheiden.

In dem Zweck sind wir einig: wir wollen Grundlage eines sicheren
Rechts, sicher gegen Eingriff der Willkühr und ungerechter Gesinnung;
desgleichen Gemeinschaft der Nation und Concentration ihrer
wissenschaftlichen Bestrebungen auf dasselbe Object. Für diesen Zweck
verlangen sie ein Gesetzbuch, was aber die gewünschte Einheit nur für
die Hälfte von Deutschland hervorbringen, die andere Hälfte dagegen
schärfer als vorher absondern würde. Ich sehe das rechte Mittel in
einer organisch fortschreitenden Rechtswissenschaft, die der ganzen
Nation gemein seyn kann.

Auch in der Beurtheilung des gegenwärtigen Zustandes treffen wir
überein, denn wir erkennen ihn beide für mangelhaft. Sie aber sehen den
Grund des Uebels in den Rechtsquellen, und glauben durch ein Gesetzbuch
zu helfen: ich finde ihn vielmehr in uns, und glaube, daß wir eben
deshalb zu einem Gesetzbuch nicht berufen sind.

[[162]] Wie in unsrer Zeit gesprochen sind die Worte eines der edelsten
Deutschen des sechzehnten Jahrhunderts[131]:

    ~Nam nihi aspicienti legum libros, et cognita pericula Germaniae,
    saepe totum corpus cohorrescit, cum reputo quanta incommoda
    secutura sint, si Germania propter bella amitteret hanc eruditam
    doctrinam juris et hoc curiae ornamentum ... Non igitur deterreamur
    periculis, non frangamur animis,.... nec possessionem studii nostri
    deseramus. -- -- Itaque Deus flectat animos principum ac potentum
    ad hujus doctrinae conservationem, magnopere decet optare bonos et
    prudentes. Nam hac remota, ne dici potest quanta in aulis tyrannis,
    in judiciis barbaries, denique confusio in tota civili vita
    secutura esset, quam ut Deus prohibeat, ex animo petamus.~



II. Abteilung.


1. Thibauts Nachträge zu seiner Schrift. 2. Ausgabe. 1814.

Bald nach der 1. Ausgabe erschien Thibauts Streitschrift in seinen
»Civilistischen Abhandlungen« (Heidelberg bey Mohr und Zimmer, 1814,
Vorrede vom August 1814) S. 404 bis 466 als die 19. von 20 Abhandlungen
in erweiterter Fassung (2. Ausgabe).


Neunzehnte Abhandlung.

Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für
Deutschland.

Vor einiger Zeit gab ich eine kleine Flugschrift heraus, welche die
Rubrik dieser Abhandlung als Titel führt, und durch folgende Vorrede
begleitet ist:

(Es folgt dann die oben abgedruckte Vorrede zur 1. Fassung. Die
Nachträge -- »Zusätze« -- sind nachstehend wortgetreu abgedruckt;
Zusatz 1 bezieht sich auf die Vorrede, die übrigen auf die Schrift
selbst; es sind auch sonstige Änderungen mitaufgenommen.

Der 6. und 7. Zusatz findet sich bereits wörtlich in der erwähnten,
2½ Druckseiten umfassenden *Selbstanzeige* Thibauts, Heidelb. Jahrb.
1814 Nr. 33.)

       *       *       *       *       *

*1. Zusatz*: So viel ich von allen Seiten vernehme, hat die Schrift
vielen von denen gefallen, um deren Beyfall es mir besonders zu
thun war, d. h. Männern, welche warme Vaterlandsliebe zu schätzen
wissen, die Bedürfnisse der Nation kennen, und das kräftige, freye
Wort in Ehren halten, wenn es nicht leichtsinnig mit unerreichbaren
Idealen spielt. Da kleine Schriften dieser Art gewöhnlich in kurzer
Zeit verloren gehen, und ich doch die längere Erhaltung derselben zu
wünschen Ursach habe, so nehme ich sie hiemit in diese größere Schrift
auf, mit einer ziemlichen Reihe von Zusätzen vermehrt, welche in
mehrerer Hinsicht für meinen Hauptgedanken von Bedeutung sind. In der
Gesellschaft exegetischer Abhandlungen über das römische Recht wird
denn diese Abhandlung auch den Lesern, welche sonst nichts von meinen
Schriften kennen, zum Beweise dienen, daß ich dem Römischen Recht nicht
deswegen abhold bin, weil ich gelehrte Nachforschungen über dasselbe
gescheuet habe.

*2. Zusatz*: oder sein muß,

*3. Zusatz*: (z. B. die Nothwendigkeit ständischer Verfassung)

*4. Zusatz*: Was eigentlich für Deutschland vom Römischen Recht
unbedingten Werth hat, sind nur die, ich möchte sagen, exegetischen
Theile desselben; aber im Grunde auch nur insofern, als sie zum Muster
dienen können, keineswegs aber als Gesetze. Die große Masse seiner
Erörterungen nämlich, welche in Beziehung auf den Sinn und Umfang der
einzelnen Servituten, Legate, und Verträge in den Pandekten und dem
Codex vorkommt, enthält einen Schatz geistvoller und scharfsinniger
Erörterungen; aber im Ganzen doch nur in dem Sinn, daß gezeigt wird,
was unter einem *Römischen* Worte nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch
in allen möglichen Beziehungen zu verstehen sey. So lernen wir denn
wohl, was ~usus~, ~habitatio~ und ~supellex~ bey den Römern hieß;
aber was nun unsre Worte: Gebrauch, Wohnung und Hausrath bezeichnen,
darüber kann uns kein römischer Classiker Aufschluß geben; und es
hat daher unsrer juristischen Gewandtheit und Eigenthümlichkeit
unendlich geschadet, daß wir, unbekümmert um unsre Worte und die
feinen Schattirungen unsrer Wortbedeutungen, alles nach den Römischen
Entscheidungen maßen, grade als ob die juristischen Classiker der Römer
auf die Anfragen Deutscher Bürger geantwortet hätten. Der eigentlich
legislative Theil des Römischen Rechts paßt uns aber gar nicht an, auch
wo man ihn nicht grade schlecht und dem Römischen Volksgeist gemäß
nennen wollte. Der deutsche Sinn ist immer auf das Feste, Mäßige,
Einfache gegangen; auf billige, sittliche, häusliche Verhältnisse;
Gleichheit der Geschlechter; wohlwollende, achtungsvolle Behandlung der
Weiber, besonders der Mütter und Wittwen; weise und kräftige Einwirkung
der Obrigkeit in allen Verhältnissen, wo man ihrer bedarf; Einfachheit
der Verpflichtungsarten, aber auch dagegen Sicherheit des Eigenthums
und der Hypotheken durch wohlgeordnete, offenkundige Staatsanstalten.
Ganz anders war der Geist des Römers. Ganze Massen des ältern Rechts
lassen sich auf militairisch-republicanischen Mannstrotz, Stolz
und Egoismus, und eine Art militairischer Steifheit und Pedanterey
zurückführen. Daher diese unerhörte Despotie des Hausvaters; diese
Entfernung aller mütterlichen Gewalt; diese harte Zurücksetzung der
Weiber bey der Erbfolge; dieser fast gänzliche Mangel obrigkeitlicher
Aufsicht bey Vormundschaftsangelegenheiten; diese grenzenlose Neigung,
alle Geschäfte in strikte Formeln einzukleiden, und die Verträge von
allen Seiten einzuengen, während da, wo von der Sicherheit gegen
Dritte, und von der Sicherheit Dritter die Rede ist, nirgend eine
mitwirkende Staatsanstalt hülfreich erscheint. Unter den Kaisern ist
an allen diesen und ähnlichen Dingen nun zwar vielfach herumgefeilt;
aber eine wesentliche Umwandlung ist nie erfolgt, ja es ist später
sogar manches noch verschlimmert, wie das Hypotheken-System; und so
hat denn die Deutsche Praxis sich damit begnügen müssen, da und dort
noch ein Stückchen wegzustehlen, ohne je zu der Einfalt und Festigkeit
zu gelangen, welche unserm Charakter allein anpaßt, und ohne unsre
Eigenthümlichkeit frey ausbilden zu können. Unsre Hausväter haben
noch immer zu viel Rechte; unsre Wittwen sind häufig viel zu sehr
zurückgesetzt; unsre Sicherheits-Anstalten sind durch das Einwirken
Römischer Privilegien überall durchlöchert, und unsre Grundsätze
über die Heiligkeit der Verträge haben über viele feinere Folgesätze
des Römischen Contracten-Systems (z. B. in Beziehung auf die ~pacta
adjecta~) nie den Sieg davon getragen. Jeder denkende Germanist wird es
einräumen, daß die feinen Verfälschungen, welche Römische Begriffe in
die unsrigen gebracht haben, fast zahllos sind. Was uns würde anpassend
gewesen seyn, das ist zum Theil die alte Römische Strenge; das alte
Hypotheken-System, insofern es keine Privilegien kannte; und jene hohe
Achtung gegen die Person des Bürgers, welche sich in Beziehung auf
Criminal-Sachen, und in Ansehung der Freyheit der Emigration so laut
aussprach. Allein grade diese herrlichen hellen Punkte wurden unter
den Kaisern in Nacht und Finsterniß gehüllt; und so wird denn kein
Deutscher Mann, dem der Himmel in diesen Zeiten der Abspannung und
Demüthigung milde Deutsche Kraft und Einfalt erhalten hat, irgend eine
Hauptlehre des Römischen Rechts entdecken können, von der er behaupten
möchte, daß sie ächten Deutschen Sinn zu beleben und zu befestigen im
Stande sey.

*5. Zusatz*: nicht; und bey dem Allen ist ein fester Boden auch
nicht einmal mit voller Sicherheit zu gewinnen. Denn schon in den
Handschriften findet sich viel critische Willkühr, und noch mehr in den
Ausgaben, ohne daß ein strenger Beweis möglich ist, weil fast alle,
von den Herausgebern benutzten Handschriften unbekannt, oder verloren
gegangen sind. Für Kenner brauche ich in dieser Hinsicht nur an die
*Haloandrischen* Ausgaben der Institutionen, der Pandekten und des
Codex zu erinnern, worin im Ganzen eine gewisse critische Willkühr
klar am Tage liegt, ohne daß man sie je in dem einzelnen Fall streng
erweisen kann.

*6. Zusatz*: Daß jene, grade in der Periode des Verfalls der Römischen
Rechtswissenschaft emporgekommenen Rechtsschulen durch die große Menge
ihrer Lehrer der Rhetorik und Grammatik der Rechtsgelehrsamkeit nicht
aufgeholfen haben, ist freylich wahr. Allein was ließ sich in dieser
Periode der Entkräftung durchsetzen? So viel läßt sich indeß immer mit
Sicherheit behaupten, daß auch nicht einmal das geleistet seyn würde,
was *Justinianus* vollbrachte, wenn auf den damaligen Rechtsschulen
das Positive so ins Unendliche gegangen wäre, als bei uns, und daß
die Juristen vom gänzlichen Untergange gerettet wurden, weil ihr
einheimisches Recht dem Handwerk wenig zu thun gab, und die lebhafte
Mitwirkung vieler Rhetoren und Grammatiker immer ein mächtiger Damm
gegen volle Barbarey blieb.

*7. Zusatz*: Man fürchte auch nicht, daß das Studium der Philologie
und Rechtsgeschichte, dessen Unentbehrlichkeit ich gern zugebe, bey
einem einfachen National-Gesetzbuch irgend einige Gefahr laufe. Es
wird vielmehr bedeutend gewinnen, wenn man nur die Sache von der
rechten Seite ansieht, und gehörig behandelt. Belehrende und erhebende
Geschichts- und Alterthumsforschungen sind nicht das mikrologische
Zusammenscharren und Zergliedern jeder Kleinigkeit, sondern das
Bestreben, das Lehrreiche und Fruchtbare kräftig herauszuheben, und
für menschliche Zwecke in einen lichtvollen Zusammenhang zu bringen.
Wozu führt uns aber in dieser Hinsicht unser ganzes juridisches
Sprach- und Antiquitäten-Wesen? An ein mißrathenes, verwirrtes,
grenzenlos verwickeltes Gesetzbuch geschmiedet, müssen wir Riesenkräfte
zusetzen, um chaotische Details zu erklären, welche dem gesetzgebenden
Verstande wenig Nahrung geben; und bei dem allen ist doch der Blick nur
höchst beschränkt auf eine Kleinigkeit gerichtet. Ein recht thätiger
Gelehrter kann ein ganzes Jahr gebrauchen, um die Schicksale der
Römischen Intestat-Erbfolge und Concurslehre gehörig aus den Quellen

zu prüfen, und dreyßig Stunden, um darüber das wesentliche Resultat
seiner Forschungen in Vorlesungen mitzutheilen. Aber was ist am Ende
der Gewinn für den denkenden Rechtsforscher? Nichts, als auf der
einen Seite, daß man ein altes, für die Periode roher Mannskraft
passendes, sehr kurzsichtig gefaßtes Gesetz erst recht buchstäblich
handhabte, aber dann durch zahllose Beschränkungen am Ende ganz zum
Fallen brachte; und auf der andern Seite, daß die kräftige ältere
Ansicht über die Nothwendigkeit unbedingter Sicherheit erst da und
dort durch Politik und Schwäche beschränkt ward, daß eine Sünde zur
andern führte, und daß am Ende das ganze Hypotheken-System sich durch
sich selbst zerstörte. Ein geistvoller Lehrer könnte das, was von
dem allen zur Belebung des rechtlichen Verstandes gebraucht werden
kann, in wenig Stunden entwickeln; aber jetzt bedarf es zur Erklärung
des Positiven eines solchen Wustes zahlloser Details, daß man fast
vor den Bäumen den Wald nicht zu sehen bekommt. Dafür muß man denn
entbehren, was grade unentbehrlich ist. Denn das ist nicht die wahre
belebende Rechtsgeschichte, welche mit gefesseltem Blick auf der
Geschichte Eines Volkes ruhet, aus dieser alle Kleinigkeiten engherzig
herauspflückt, und mit ihrer Mikrologie der Dissertation eines großen
Praktikers über das: ~et cetera~ gleicht. Wie man den Europäischen
Reisenden, welche ihren Geist kräftig berührt, und ihr Innerstes
umgekehrt wissen wollen, den Rath geben sollte, nur außer Europa ihr
Heil zu versuchen: so sollten auch unsre Rechtsgeschichten, um wahrhaft
pragmatisch zu werden, groß und kräftig die Gesetzgebungen aller andern
alten und neuen Völker umfassen. Zehn geistvolle Vorlesungen über die
Rechtsverfassung der Perser und Chinesen würden in unsern Studirenden
mehr wahren juristischen Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen
Pfuschereyen, denen die Intestat-Erbfolge von *Augustus* bis
*Justinianus* unterlag. Hätten wir daher ein einfaches einheimisches
Gesetzbuch, so könnte die Zeit, welche jetzt auf tödtende, ermüdende
historische Erörterungen zu verwenden ist, grade der ächten, belebenden
Rechtsgeschichte gewidmet werden. Auch für die Philologie würde auf
diese Art mehr geschehen können. Alle jetzigen Philologen werden es
bezeugen können, daß ihnen unsre jungen Juristen nicht viel Freude
machen; und wir Rechtsgelehrten wissen den Grund am besten. Wo sollten
junge Gemüther noch ungeschwächte Kraft für das philologische Studium
her bekommen, wenn wir Rechtslehrer ihnen erst die Schwungfedern
in einer Sündfluth wunderlicher Gesetze gebadet haben? Man gebe
uns dagegen ein einfaches, unserm Volkssinn entsprechendes, in
vaterländischer, kräftiger Sprache entworfenes Gesetzbuch: dann werden
unsre Regierungen ohne Ungerechtigkeit verlangen können, daß jeder
junge Jurist, welcher sich zum Examen stellt, die Griechischen Redner
und seinen Cicero gründlich müsse studirt haben; und dann werden
unsre Juristen-Facultäten auch die Freude haben, daß ihre Candidaten,
nach dem neulichen Beispiel der trefflichen Studenten in Oxford,
durchreisenden hohen Häuptern mit Lateinischen und Griechischen Oden
andienen können.

*8. Zusatz*: haben, oder wagte wenigstens allein zu handeln, wo der
Einzelne sich allein nie alles zutrauen soll;

*9. Zusatz*: Erwägen wir aber noch genauer die Vortheile des
Zusammenwirkens gelehrter und geübter Rechtskenner aus allen Deutschen
Reichsländern, so wird es fast unwidersprechlich, daß nur eine solche
Versammlung im Stande ist, alles Gute zu vereinigen, und allem
Schlechten ein Ende zu machen. Wenn ein deutsches National-Gesetzbuch
das Resultat der National-Kraft seyn soll, so muß dabey durchaus
benutzt werden, was bisher in jedem Lande für Gesetzgebung geschah.
Kein Land kann zwar in dieser Hinsicht etwas Vollendetes aufweisen;
aber einzelne gute Ideen finden sich doch zerstreut überall; und
es gibt gewiß kein Particular-Recht, selbst so weit es durch
gelegentliche landesherrliche Verordnungen ausgebildet ist, worin
nicht sehr nutzbare, weise, originelle Ideen vorkommen. Dieß weiß
jeder Facultist, welcher nur zufällig bei Acten-Arbeiten etwas von den
Local-Rechten erfuhr. Einzelne gelehrte Germanisten können sich aber
diese Schätze nicht gründlich zu eigen machen. Die Masse des Ganzen
ist zu unermeßlich, und zum Theil unverständlich, sofern man nicht die
Praxis des Particular-Rechts beobachtet hat, und mit der Geschichte
des Landes aufs innigste vertraut ist. Stellen also unsre Regenten
aus jedem Lande einen erfahrenen Kenner des Rechtes dieses Landes zu
der großen Versammlung, so würde nun eine erschöpfende Austauschung
guter Ideen Statt finden, und eine reiche Erfahrung zum gemeinsamen
Zweck weise benutzt werden können. Vielleicht noch heilsamer würde es
aber seyn, daß nun auf diese Weise auch die Fehler sich an einander
abschleifen werden. Wir müssen es zugestehen: schon unter den Römischen
Kaisern, und eben so sehr in dem neueren Europa, ist der Sinn für
kräftige Einfalt des Rechts immer mehr abgestorben, und alles ist von
Tage zu Tage mehr und mehr durch furchtsame Ausnahmen, Beschränkungen
und Billigkeitssätze so herabgestimmt, daß die vielfache Kleinlichkeit
unsers National-Characters gewiß in mancher Hinsicht unsrer
bürgerlichen Rechtsverfassung zugeschrieben werden muß.[D] Laßt jetzt
einmal Deputirte aus allen Ländern ihre mitgebrachten Kleinlichkeiten
gegen einander legen: dieses Heer von Eigenthumsbeschränkungen; dieses
bunte Gewirr endloser Concurs-Privilegien, und diese Unermeßlichkeit
mannigfaltiger Verjährungsfristen, der kein Gedächtniß gewachsen
ist. Da werden alle nothwendig von Staunen und Widerwillen ergriffen
werden, und es ist mit höchster Wahrscheinlichkeit zu erwarten, daß das
Uebermaaß allen die Augen öffnen, und alle zu einer weisen, einfachen
Gesetzgebung zwingen wird, wobei Jeder seine Kleinlichkeiten aufgibt,
um von denen des Andern befreyt zu werden. Da wäre denn die Einfalt
errungen, deren wir mehr bedürfen, als viele andere Völker. Denn unsre
politische Trennung, und die Beschränktheit der Kraft der einzelnen
Regenten, muß mannigfaltige Kleinlichkeiten, und eine politische
Gedrücktheit zur Folge haben, wodurch wir leicht zu einer gewissen
Aengstlichkeit und Kleinherzigkeit gestimmt werden können. Gebt also
dem Bürger das unschätzbare Glück, daß er unter dem Schutz kräftiger,
ungekünstelter Gesetze in allen Beziehungen frey, sicher und trotzig
gegen seinen Mitbürger auftreten, und ohne alle Aengstlichkeit und
Nächstenfurcht sich des Seinigen als Familienvater, Eigenthümer und
Geschäftsmann erfreuen kann. Das wird den ächten germanischen Sinn
wieder aufregen, dem Staat rüstige Vertheidiger schaffen, und uns von
den zahlreichen Ausgeburten befreyen, welche bisher so recht eigentlich
darauf ausgingen, alle französische Zierereyen und Verzerrungen bey
unserm Volke einheimisch zu machen.

*10. Zusatz*: Mehr Unwandelbarkeit wird zwar unser Recht dadurch
bekommen, auch da, wo Aenderungen nöthig sind. Allein darüber braucht
man nicht zu erschrecken. Denn so werden wir auch umgekehrt von dem
weit größeren Uebel unausgesetzter leichtsinniger Aenderungen befreyt.
Eine gewisse Unbeweglichkeit der Gesetzgebung hat immer mehr genutzt,
als geschadet, und die Engländer haben gewiß eben daher einen Theil
ihrer Gediegenheit und Kraft, daß Aenderungen der Gesetze selten bey
ihnen sind, und daß das Parlament nicht gleich durch jeden ersten
Zweifel einzelner Richter sich zu Neuerungen verleiten läßt.

*11.* »Ich muß daher auf die möglichen Haupteinwürfe etwas näher
eingehen,« (*Aenderung*).

*12. Zusatz*: abzuwenden, selbst wo es durch bittre Erfahrungen in
seinen Hoffnungen getäuscht war.

*13.* »der« statt »des« (*Aenderung*).

*14. Zusatz*: und in den, von ihnen erlernten Gesinnungen,

*15.* »Wahrheit« statt »Wahrheiten« (*Aenderung*).

*16. Zusatz*: Als man, da und dort den Degen halb gezogen,

*17. Zusatz*: gelang, und bey daurendem Glück unfehlbar ganz gelungen
seyn würde.

*18. Zusatz*: Am wenigsten lasse man sich aber dadurch irre machen,
daß die gänzliche Umänderung unsers bürgerlichen Rechts unter den
eigentlich gelehrten Rechtskennern vielleicht die mehrsten Widersacher
finden wird. Das wird stets so bleiben; und jetzt ist es gar nicht
anders zu erwarten. Bittre Worte müssen darüber gesagt werden; aber
die Wahrheitsliebe macht diese Bitterkeit zur Pflicht. Was hat denn
in diesen dürren Jahren die Nation von den Gelehrten an Unterstützung
erhalten, von ihnen, denen die ganze Welt zum Broderwerb offen steht,
und denen die Freymüthigkeit um so mehr obgelegen hätte, da sie mehr,
wie Andre, die Fähigkeit besitzen, auf eine feine und geschickte Art
der Wahrheit gebührend zu huldigen? Fast nirgend entdecken wir, auf
unsre letzte Vergangenheit zurücksehend, gelehrte Catonen; aber leider
genug Feige, Eitle, niedrige Kriecher und Schmeichler, und eigennützige
Gelegenheitsmacher, zum Theil mit grenzenloser Schamlosigkeit, so daß
es zur ewigen Warnung wohl der Mühe werth wäre, alle Elendigkeiten,
wodurch unsre Gelehrten in diesen Zeiten ihr Vaterland schändeten,
in einer derben Chronik der Nachwelt zu überliefern. Lassen wir aber
auch diese Trostlosigkeiten auf sich beruhen: für kräftige Umwälzungen
wird die Mehrzahl der eleganten Juristen nie gestimmt seyn. Keiner von
ihnen übersieht in der Regel das ganze Recht; wenigen von ihnen werden
die Bedürfnisse des Volks durch Beobachtung klar, und die mächtige
Triebfeder des Eigennutzes wird keinen in Bewegung setzen, vielmehr
wird es immer vortheilhafter für sie seyn, die mühsam errungenen
critisch-historischen Schätze in gehöriger Sicherheit zu halten, und
gegen bessernde Einrichtungen zu kämpfen, damit ihnen nicht die Pflicht
werde, den neuen Menschen anzuziehen. Welche Erfahrungen haben wir in
dieser Hinsicht gehabt! *Luther* erkannte es, daß das kanonische Recht
den Protestanten durchaus nicht anpaßte. Nach wiederholtem Eifern
verbrannte er dasselbe öffentlich vor den Thoren von Wittenberg.
Aber grade die gelehrten protestantischen Juristen wurden seine
ärgsten Widersacher, und am Ende mußte er sich selbst noch wieder zu
Vorlesungen über das verhaßte Gesetzbuch verstehen, um doch wenigstens
gegen die gröbsten Mißbräuche kräftig warnen zu können. Auch edle
Triebfedern mögen hier zur Einseitigkeit führen; aber die Einseitigkeit
bleibt was sie ist. Ein geistvoller, tief gelehrter Rechtskenner,
welcher die schwersten Untersuchungen mit brennender Lust und Liebe
zur Sache, und einer glücklichen Gewandtheit anstellt, setzt nur zu
leicht voraus, daß sein Publicum durch ihn entzündet werde, und daß
am Ende vielleicht Jedermann sich auf die Höhe des Meisters schwinge.
Allein prüft nur nachher, was euren Zuhörern, auch den Besten, hängen
geblieben ist, und wie sich in der Folge der Lehrling macht, wenn
er sich eine Weile durch das schwerfällige und quälende bürgerliche
Leben hindurch gearbeitet hat. Da wird auf die rosenrothen Hoffnungen
des Meisters eine finstre Demuth folgen, und da wird die Ueberzeugung
unvermeidlich werden, daß nur die Rechtswissenschaft der Verbreitung
und voller Wirksamkeit fähig seyn kann, welche dem gemeinen Verstande
auf dem graden Wege zugänglich ist, und in dem gemeinen Verstande die
hauptsächlichsten Grundlagen für ihre Lehren hat. Das kann man freylich
zugeben, daß wir *vielleicht* künftig für Abfassung eines neuen
Gesetzbuchs noch fähiger werden, als wir jetzt sind; allein vielfach
gesunken, und gegen ferneres Sinken keineswegs gesichert, könnten
wir auch leicht das umgekehrte Schicksal haben; und so darf denn die
jetzige Generation verlangen, daß man sie nicht ungewissen Hoffnungen
opfere, und daß man zunächst für ihr Glück, als die sicherste Grundlage
des Glückes der Nachkommen, gebührende Sorge trage.


2. Thibauts Besprechung (Antikritik) der Schrift Savignys.

Aus den Heidelbergischen Jahrbüchern der Litteratur. 1814. No. 59.

  Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Von
      ~D.~ *Friedrich Carl von Savigny*, ordentl. Prof. des Rechts
      zu Berlin, und ordentl. Mitglied der Königl. Akademie der
      Wissenschaften daselbst. Heidelberg bey Mohr und Zimmer. 1814.
      162 S. gr. 8.

Als ich vor nicht langer Zeit einige Zusätze zu meiner kurz vorher
erschienenen Abhandlung: *Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen
bürgerlichen Rechts für Deutschland* herausgab, fügte ich die
Wahrsagung hinzu, daß mein Vorschlag unter den eigentlich gelehrten
Romanisten unfehlbar die mehrsten Widersacher finden werde.[E] Meine
innigste Ueberzeugung zwang mich, darüber auch bittere Worte fallen zu
lassen, wobey ich jedoch natürlich nicht an Herrn *von Savigny* dachte
und denken konnte, da das ganze Publikum mit mir seinen Namen nicht
ohne die höchste Achtung ausspricht, sowohl in Beziehung auf ächte
Gelehrsamkeit, Tiefe und Helle des Geistes, als auch mit Rücksicht
auf jene männliche Ruhe, Kraft und Unparteylichkeit, ohne welche in
keinem practischen Fach etwas Gediegenes vollendet werden kann. Allein
bey folgenden Worten hatte ich ihn, wie wenige Andre, doch ahndend im
Sinn: »Auch edle Triebfedern mögen hier zur Einseitigkeit führen; aber
die Einseitigkeit bleibt was sie ist. Ein geistvoller, tief gelehrter
Rechtskenner, welcher die schwersten Untersuchungen mit brennender Lust
und Liebe zur Sache, und einer glücklichen Gewandtheit anstellt, setzt
nur zu leicht voraus, daß sein Publikum durch ihn entzündet werde,
und daß am Ende vielleicht Jedermann sich auf die Höhe des Meisters
schwinge. Allein prüft nur nachher, was euren Zuhörern, auch den
besten, hängen geblieben ist, und wie sich in der Folge der Lehrling
macht, wenn er sich eine Weile durch das schwerfällige und quälende
bürgerliche Leben hindurch gearbeitet hat. Da wird auf die rosenrothen
Hoffnungen des Meisters eine finstre Demuth folgen, und da wird die
Ueberzeugung unvermeidlich werden, daß nur die Rechtswissenschaft der
Verbreitung und voller Wirksamkeit fähig seyn kann, welche dem gemeinen
Verstande auf dem graden Wege zugänglich ist, und in dem gemeinen
Verstande die hauptsächlichsten Grundlagen für ihre Lehren hat. Das
kann man freylich zugeben, daß wir *vielleicht* künftig für die
Abfassung eines neuen Gesetzbuchs noch fähiger werden, als wir jetzt
sind; allein vielfach gesunken, und gegen ferneres Sinken keineswegs
gesichert, könnten wir auch leicht das umgekehrte Schicksal haben;
und so darf denn die jetzige Generation verlangen, daß man sie nicht
ungewissen Hoffnungen opfere, und daß man zunächst für ihr Glück, als
die sicherste Grundlage des Glücks der Nachkommen, gebührende Sorge
trage.«

Diese Ahndung hat mich nun nicht betrogen, und es freut mich in
sofern aufs innigste, als jede vollendet dargestellte Ansicht eines
classischen Schriftstellers immer ihren hohen Werth hat. Herr v. S.
sucht nämlich in der vorliegenden Schrift auszuführen, daß das jetzige
Zeitalter sowohl formell, in Beziehung auf die Sprache, als materiell,
in Rücksicht des innern Zusammenhangs und der Vollständigkeit
der civilistischen Grundsätze, zu einer brauchbaren bürgerlichen
Gesetzgebung unfähig sey. Zum Zweck dieser Behauptung hat der Verf.
die Hauptmängel des Code Napoléon, des neuen Preußischen und des
Oesterreichischen Gesetzbuchs kurz hervorgehoben. Vor allen Dingen
hält er die, so unentbehrliche organische Einheit des Gesetzbuchs für
unmöglich, wenn das Werk, wie ich vorgeschlagen hatte, einer großen
Versammlung von Rechtsgelehrten aus allen Deutschen Reichsländern
übertragen werde. Sein Vorschlag geht demnach dahin: das Römische
Recht soll überall allgemeine, subsidiaire Rechtsquelle bleiben,
auch wo die neuen, beyzubehaltenden, Gesetzbücher eingeführt sind;
aber eine geistvolle historische Behandlung soll demselben das, bis
jetzt fehlende Leben geben; man soll allmählig dessen Controversen,
wenigstens durch vorläufige Verfügungen, entscheiden, und auf den
Deutschen Academien, von denen aller Zwang zu entfernen ist, auch die
Deutschen Statutargesetzgebungen zum Gegenstande academischer Vorträge
machen. -- Ein genauerer Auszug der Ideen des Verf. ist hier unnöthig,
und unmöglich. Denn wer die Arbeit eines solchen Schriftstellers über
einen solchen Gegenstand ungelesen lassen kann, dem ist doch nicht
zu helfen; und den großen Reichthum der Erörterungen, welche uns der
Verf. in einer gedrängten trefflichen Sprache gegeben hat, können bloße
Umrisse auf keine Weise anschaulich machen. Es muß hier also jenen
Andeutungen unmittelbar die Beurtheilung selbst folgen.

Diese Beurtheilung setzt mich nun aber in einige Verlegenheit. Hätte
mich der Verf. für seine Ansichten gewonnen, so würde es wohl als die
beste unparteyische Critik gelten können, wenn ich hiemit meine eignen
früheren Vorschläge zurücknähme. Allein ich bin in der Hauptsache
nicht durch ihn bekehrt, so gern ich auch die Zurechtweisung eines
solchen Schriftstellers benutzt hätte; und so bleibt mir denn nur die
Wahl, entweder aufs Neue für meine Ansicht zu sprechen, oder, als
Mit-Redacteur dieser Jahrbücher, Dritte zu Schiedsrichtern zwischen
dem Verf. und mir aufzurufen. Zu dem Letzten bin ich aber wieder außer
Stande. Denn unter unsern thätigen Mitarbeitern im juridischen Fach
kenne ich nur drey, denen ich in dieser Sache ein Urtheil zutrauen
möchte, und von allen dreyen weiß ich gewiß, daß sie in der Hauptsache
für meine Ansicht sprechen werden. Es ist aber wohl natürlich, daß ich
mein eigenes Lob in diesen Jahrbüchern nicht anders aufnehme, als wenn
es mir ein Recensent unerwartet aufdrängt. So bleibt mir denn nichts
übrig, als meine offene Replik die Stelle einer Beurtheilung vertreten
zu lassen. Der Verf., welcher mir das, aus seinem Munde doppelt
erfreuliche Lob gibt, daß ich auch in den Zeiten der Noth als warmer
Freund des Vaterlandes der Wahrheit öffentlich gehuldigt habe, wird
gewiß, von gleichen Gesinnungen beseelt, eine solche Replik auf allen
Fall lieber sehen, als gänzliches Schweigen in diesen Jahrbüchern.

Die Hauptfragen unter uns sind diese: ist ein neues einheimisches
gemeines bürgerliches Recht dringendes Bedürfniß der Deutschen? Läßt
sich darauf rechnen, daß wir fähig sind, ein neues Gesetzbuch zu
schaffen, welches unsern Rechtszustand gründlich bessert? und führen
die Vorschläge des Verf. vielleicht am leichtesten und sichersten zu
diesem Ziele? Ich muß die ersten beyden Fragen nach wie vor bejahen,
die letzte Frage aber verneinen. Folgendes mag und muß darüber an
diesem Orte genügen.

Ein neues einheimisches gemeines Recht scheint mir aus dem doppelten
Grunde dringendes Bedürfniß, theils weil ohne dies keine wahre
National-Einheit, und Einfachheit der Rechtsverfassung möglich ist,
theils weil unser bisheriges gemeines Reichsrecht, in sofern es
bedeutend ist, d. h. das Römische Recht, die Haupterfordernisse eines
guten Gesetzbuchs der Deutschen nicht hat.

Ueber den ersten Punct habe ich mich schon in meiner früheren
Abhandlung ausführlich erklärt, und ich finde mich nicht widerlegt,
wenn der Verf. S. 42. 43 dagegen dies erinnert: »In jedem organischen
Wesen, also auch im Staate, beruht die Gesundheit darauf, daß beydes,
das Ganze und jeder Theil, im Gleichgewicht stehe, daß jedem sein
Recht widerfahre. Daß ein Bürger, eine Stadt, eine Provinz den Staat
vergessen, dem sie angehören, ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung,
und jeder wird diesen Zustand für unnatürlich und krankhaft erkennen.
Aber eben so kann die lebendige Liebe zum Ganzen bloß aus der
lebendigen Theilnahme an allen einzelnen Verhältnissen hervorgehen,
und nur wer seinem Hause tüchtig vorsteht, wird ein trefflicher
Bürger seyn. Darum ist es ein Irrthum, zu glauben, das Allgemeine
werde an Leben gewinnen durch die Vernichtung aller individuellen
Verhältnisse. Könnte in jedem Stande, in jeder Stadt, ja in jedem Dorfe
ein eigenthümliches Selbstgefühl erzeugt werden, so würde aus diesem
erhöhten und vervielfältigten individuellen Leben auch das Ganze neue
Kraft gewinnen. Darum, wenn von dem Einfluß des bürgerlichen Rechts auf
das Vaterlandsgefühl die Rede ist, so darf nicht geradezu das besondere
Recht einzelner Provinzen und Städte für nachtheilig gehalten werden.
Lob in dieser Beziehung verdient das bürgerliche Recht, in soferne es
das Gefühl und Bewußtseyn des Volkes berührt oder zu berühren fähig
ist; Tadel, wenn es als etwas fremdartiges, aus Willkühr entstandenes,
das Volk ohne Theilnahme läßt. Jenes aber wird öfter und leichter bey
besonderen Rechten einzelner Landstriche der Fall seyn, obgleich gewiß
nicht jedes Stadtrecht etwas wahrhaft volksmäßiges seyn wird. Ja für
diesen politischen Zweck scheint kein Zustand des bürgerlichen Rechts
günstiger, als der, welcher vormals in Deutschland allgemein war: große
Mannigfaltigkeit und Eigenthümlichkeit im Einzelnen, aber als Grundlage
überall das gemeine Recht, welches alle Deutschen Volksstämme stets an
ihre unauflösliche Einheit erinnerte.«

Ich selbst habe im Anfange meiner Abhandlung erklärt, wie sehr
ich die Vortheile der Eigenthümlichkeit und Mannigfaltigkeit der
einzelnen Deutschen Länder zu erkennen weiß, und bin daher auch
wohl von dem unbedachtsamen Haufen unsrer Politiker, welche nur das
Sturmlaufen verstehen, recht grämlich beurtheilt worden, -- mir zur
Freude und Genugthuung. Auch habe ich es laut anerkannt, daß ich die
bürgerliche Einheit keineswegs wünsche, wo entschiedene Oertlichkeiten
derselben entgegenstehen. Allein eine solche Mannigfaltigkeit und
Einheit, wie sie unser Verf. nach dem Obigen wünscht, scheint mir
die Nation noch tiefer in ihre bisherige grenzenlose Ohnmacht und
Zersplitterung herabzustoßen. Wenn das, was grade die Menschen am
mehrsten zusammenhält, -- das lebendige Wesen des täglichen Thuns und
Treibens, so recht buntschäckig und launevoll werden soll: wo wird dann
der brüderliche, gleiche Volkssinn dadurch Nahrung finden, daß jeder
den Trost hat, im Nothfall werde auch noch wohl einmal die Definition
oder Entscheidung eines leidigen fremden Gesetzbuchs für einzelne Fälle
durchgreifend werden, wie z. B. ein feiner Satz über die ~petitio
hereditatis~, während nach den originellen Statutar-Rechten auf
dieser Seite eines Deutschen Berges die Frauen als Intestat-Erbinnen
ihres Mannes neben den Vettern nichts bekommen, und auf jener Seite
den Kindern vorgehen? Ich muß es wiederholen, und ich weiß, daß
viele Deutsche Männer von einfachem, kräftigem Sinn auf meiner Seite
stehen: es ziemt dem Deutschen, dem Nachbarn seine Launen, Moden und
Gefühle zu lassen, und es soll hoch und in Ehren gehalten werden,
was überall das unerklärbare Angebohrne Eigenthümliches geschaffen
hat: aber Bescheidenheit und Vaterlandsliebe sollen sich fügen und
schicken, wo die Ueberlegung zu richtigen *Begriffen* kommen kann;
wo leichter Verkehr den Segen der Einfachheit unwidersprechlich
macht; wo bey der Vielfachheit in der Regel ein Theil offenbar
irrt: und dies ist grade bey unsern bürgerlichen Einrichtungen der
Fall. Der Wunsch, ein sicheres Eigenthum zu haben; die häuslichen
Verhältnisse und Intestat-Erbrechte nach den, überall im Ganzen
gleichen verwandtschaftlichen und ehelichen Neigungen eingerichtet
zu sehen; sich auf den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
fester Rechte zu erfreuen; an allen Seiten Sicherheitsformen zu haben,
aber lästiger Formalien überhoben zu seyn, -- über diese und tausend
andre Dinge des bürgerlichen Rechts werden die Einwohner Deutschlands
nur Eine Stimme haben, wenn sie gehörig angeregt und belehrt werden;
und selbst ein Befehl könnte hier genügen, wie manche der Länder
zeigen, wo neuerlich ohne alle Schonung das Neu-Französische Recht
unbedingt eingeführt ward, und wo die juristische Einheit sich sehr
leicht machte, ohne daß dennoch im Uebrigen die Local-Originalitäten
irgend verwischt wurden. Aber das weiß ich freylich, daß man bey uns
mehr, als bey andern Nationen, die Nothwendigkeit des zufälligen Seyns
zu construiren versteht. Wie *Kant* einmal gegen die Philosophen
bemerkt, daß sie ~a priori~ nach dem hinzielen, was sie sich vorher ~a
posteriori~ aufgesteckt haben, so kann man auch mit allem Recht sagen,
daß unsre klügelnden Juristen und Politiker, besonders seit der, aus
den neueren Revolutionen erfolgten Abspannung und Kleinmüthigkeit,
alles zu rechtfertigen und zu beschönigen suchen, was sich nun einmal
zufällig so oder so gemacht hat. Allein das wird doch Niemand zeigen
können, daß es nicht unendlich wünschenswerth wäre, wenn das Volk
den Muth faßte, sich da, wo alle thätigen Verhältnisse durch, und in
einander greifen, der alles verwirrenden bisherigen Vielfältigkeiten
zu entschlagen; in Betreff des Rechten gleich zu denken und zu
handeln; und nur da den Eigenthümlichkeiten Raum zu geben, wo sie
den vernünftigen Nachbarn nicht stören, oder gar erfreuen können.
Die Behauptung der inneren Notwendigkeit der Buntschäckigkeit unsers
bisherigen Rechts wird schon durch die Unendlichkeit des Allerley von
selbst widerlegt. Denn es findet sich in den nächsten Berührungen,
unter völlig gleichen Umständen, auf allen Seiten, und bestätigt so,
was die tägliche Erfahrung über die Seelenlosigkeit des größten Theiles
unsres Rechts handgreiflich lehrt, nämlich, daß nicht Naturkräfte und
Ideen die steten Triebfedern dabey sind, sondern oft bloß zufällige
Entschlüsse, Mangel an Umsicht und Ueberlegung, und dann im Vollenden
die trockne, endlose grammatische Auslegung, welche verurtheilt ist,
aus den kümmerlichen Aehren die tauben Körner auszudreschen. Mit
voller Ueberlegung hat die Deutsche Nation nie geschaffen, was ihre
Glieder jetzt trennt und verwirrt; und so soll man denn mit aller Macht
Heilmittel herbeyschaffen, nicht aber den Kranken glauben machen, daß
seine Pein so recht das wahre Gutbefinden und Wohlbehagen sey.

Daß nun aber Justinians Sammlungen *als Gesetzbuch* ein gänzlich
mißrathenes Werk sind, bleibt unwidersprechlich, obgleich man dem Verf.
gern zugeben kann (und dies habe ich immer getan), daß die Römischen
Classiker große Anlagen für tiefe und umfassende Ansichten hatten.
Denn das Ganze ist nun einmal durch schlaffe Barbaren verkrüppelt
und verbildet; voll der ärgsten Widersprüche; fast nirgend auf
weise legislative Grundsätze gebauet; wegen der Vielfachheit bloßer
Einzelnheiten ohne deutliche Gründe unendlich lückenhaft; unserem
Volks-Charakter nicht zusagend; und dunkel und räthselhaft an allen
Enden. Meinem Vorwurf, daß wir nicht einmal einen festen Text besitzen,
und denselben aus zahllosen Varianten bilden müssen, begegnet zwar
der Verf. dadurch, daß er meint, drey bis vier Ausgaben könnten einen
Mann von kritischem Sinn schon ziemlich zum Ziele führen, und das
Ganze werde die fortschreitende Wissenschaft schon vollenden; wobey
er denn noch daran erinnert, daß ja die Unsicherheit des Textes
auch bey unsern heiligen Büchern Statt finde (S. 123). Allein mein
Vorwurf wird dadurch nicht entkräftet. Die Gesetze greifen mit allen
ihren feinsten Einzelnheiten in das wirkliche Leben, und da gibt es
kein Beruhigtseyn *im Ganzen*. Man muß alles Kleinere wissen. Wer
also auch die vier Ausgaben von *Contius*, *Russardus*, *Pacius* und
*Gothofredus* zur Hand hat (ein seltener Fall!), und dann doch erwarten
muß, daß die nächste beste andre Ausgabe, z. B. von *Baudoza*, wieder
ihre eignen Lesarten habe, der kann unmöglich beruhigt seyn. Von dem
Fortschreiten der Wissenschaft erwarte man aber nie eine Vollendung.
Was bisher seit acht Jahrhunderten, durch alle Zeiten der Kraft und
Arbeitsamkeit nicht geschehen ist, das wird ferner himmelfest auch
unterbleiben. Die Arbeit ist zu ungeheuer und die Richtung der neueren
Zeit wird sie den Gelehrten immer unerträglicher machen, wenn auch
wohl da und dort ein glänzendes Probestückchen erscheinen möchte. Die
Vergleichung mit der Bibel scheint aber weder passend, noch tröstend
zu seyn. Denn ihre Varianten lassen dem Glauben seine Freyheit, und
im Glauben kann das Vielfache unbeschadet neben einander bestehen. Im
Fach des äußern Rechts dagegen läßt sich nur Ein Gesetz denken, und da
beruhet immer das Glück des Bürgers darauf, ob man ihn nach dieser oder
jener Variante behandelt. Auch ist bey der Bibel der Nothstand, daß
eine neue Offenbarung nicht verlangt werden kann, während es bey einem
menschlichen Gesetzbuch eine Schande der Regierung genannt werden muß,
wenn sie einen verwilderten, der gesetzlichen Besserung fähigen Text
seinem eignen Schicksal überläßt. Zur Bestärkung meiner Klagen will
ich hier nur noch daran erinnern, daß *Jauch* einen ganzen Oktav-Band
über die, in den Pandekten zu setzenden oder zu streichenden Negationen
geschrieben hat, und daß man mit einigen hundert gesetzgebenden ~*non*~
mehr oder minder die ganze Welt umkehren kann.

Daß wir jetzt zur Abfassung eines neuen Gesetzbuchs unfähig sind,
scheint mir die Geschichte der bisherigen jüngsten Gesetzbücher eben
so wenig zu beweisen, als ich aus der Geschichte der Schlacht von
Jena beweisen möchte, es hätten den Preußen die Feldzüge von 1813 und
1814 mißlingen müssen. Der ~Code Napoléon~ kann hier gar nicht in
Betracht kommen. Denn wenn die Franzosen der jüngsten Zeit ihre eignen
classischen älteren Juristen kaum dem Namen nach kannten, so lag die
bürgerliche Gesetzgebung ganz außer ihrer Sphäre. Eben so wenig bietet
das neue Preußische und Oesterreichische Gesetzbuch entscheidende
Abschreckungsgründe dar. Beyde fanden ihre Veranlassung in der Periode
unsrer, auch in wissenschaftlicher Hinsicht größten Schlaffheit,
und bey beyden waren nur wenig bedeutende Männer thätig mitwirkend,
besonders bey dem Oesterreichischen Gesetzbuch, dessen Verfasser
nirgend in Deutschland nach Hülfe suchten. Dennoch ist nach meiner
innigsten Ueberzeugung eben dieses Gesetzbuch durch seine Bündigkeit,
und seine einfachen, kräftigen, eigenthümlichen Ansichten höchst
merkwürdig, und könnte, -- obgleich ich dessen unbedingte Annahme in
Deutschland nicht mit Andern wünschen möchte, -- als Grundlage der
Discussion bey einem neuen Gesetzbuch unvergleichliche Dienste leisten.
Zu tadeln ist daran gewiß noch viel, so wie auch das sorgfältigst
gearbeitete neue Gesetzbuch noch allerley zu erinnern übrig lassen
würde. Aber warum will man denn vorzugsweise alles herabsetzen, und
mißtrauisch gegen alles machen, was unsre eigne Kraft schaffte, und
schaffen kann? Es ist wahr: wir werden das neue Gesetzbuch nicht
durchaus so naiv und wundervoll klar und kräftig schreiben, wie
es *Luther* und *Logau* hätten schreiben können, und der Lücken,
Dunkelheiten und Inconsequenzen werden auch noch wohl da und dort
vorkommen. Allein wer darüber klagt, der sollte doch nicht vergessen,
daß die Sprache des Codex fast durchaus nichts, daß die Sprache der
Novellen gar nichts taugt, daß selbst die, überall räthselhaften
Pandekten keinen, einer Gesetzgebung würdigen Styl enthalten, und daß
das ganze Justinianeische Gesetzbuch mit Inconsequenzen, Lücken und
schlechten Rechtssätzen übersäet ist. Wenn also der Verfasser S. 115
gegen die chirurgische Behandlungsart, welche ich für nothwendig halte,
einwendet: »wir könnten dabey leicht auf gesundes Fleisch treffen,
das wir nicht kennen, und so gegen die Zukunft die schwerste aller
Verantwortungen auf uns laden«, so erwiedere ich: laßt uns dennoch
den alten Krebs ausschneiden; es wird schon junges besseres Fleisch
nachwachsen, und wir werden eher und sicherer ganz geheilt, als wenn
man durch die Wissenschaft die bösen Säfte künstlich zu vertheilen,
oder allmählig abzuleiten sucht.

Darauf, daß eine große Versammlung bedeutender Rechtsgelehrten aus
allen Deutschen Ländern das Werk vollende, muß ich aber noch immer
besonderes Gewicht legen, obgleich ich gern einräume (was ich auch
nie leugnete), daß erst Einzelne der Bedeutendsten die Grundlagen
auszuarbeiten haben. Aber die Vollendung ist das Werk keines Einzelnen,
und so wird denn, der Provocation des Verfassers ungeachtet, schwerlich
ein einzelner Privat-Mann den Entwurf eines Civil-Gesetzbuchs allein
wagen, oder jemals allein etwas damit ausrichten. Betrieben unsre
Deutschen Regenten die Sache wieder kümmerlich, wie früher so manche
andre wichtige Staatsangelegenheit, so würde ich gern der Erste seyn,
um das neue Werk mit einer rüstigen Strafrede anzufallen. Allein
benutzt nur diesen seltenen Augenblick des warmen Eifers und der
Verträglichkeit der Völker; wendet nur etwas Ehrenwerthes auf das
heilsame Werk; vereinigt die Kräfte der jetzigen besten Theoretiker,
und gebt ihnen aus jedem Lande zum Mitgehülfen einen erfahrnen Kenner
des Landrechts, nicht nach der mißlichen Wahl der Höfe, sondern
allein nach dem Urtheil der, auf ihre Eidespflicht angerufenen
höheren Landesgerichte; und behandelt das Ganze von oben als eine
der wichtigsten National-Angelegenheiten, mit Regsamkeit, Kraft und
Ehrerbietung: dann wird schon etwas Musterhaftes vollbracht werden,
und zum Tadeln wird nicht mehr Veranlassung seyn, als bey den besten
andern bisherigen menschlichen Werken. Hätten wir doch im Fach der
Rechtswissenschaft einen *Göthe*, welcher uns recht klar darlegen
könnte, wie wir, gleich seinem *Hermann*, von Haus aus ängstlich,
und uns selbst mißtrauend, unsre besten Kräfte verkennen, aber des
höheren Fluges nicht unfähig sind, wenn unsre Kraft geweckt, und
unser Selbstvertrauen belebt wird: dann würde schon die Ueberzeugung
herrschend werden, daß wir auch im Fach der Gesetzgebung nicht bey
fremden Völkern zu betteln brauchten, und ein Gesetzbuch vollenden
könnten, hinter dem auf allen Fall unser bisheriges Recht weit
zurückstehen müßte!

Für den eignen Plan des Verfassers habe ich alle Achtung, in sofern
er ein Ausdruck seines herrlichen wissenschaftlichen Eifers, und
seines wohlbegründeten Selbstgefühls ist; aber in Beziehung auf die
Außenwelt kann ich ihn durchaus nicht billigen. Die historische
Rechtswissenschaft als solche kann nur das Gute fördern und vollenden,
wenn sie in der Lage ist, von weisen Grundlagen auszugehen, und deren
Wirkungskreis zu erweitern. Allein in dieser Lage sind wir bey dem
Römischen Rechte nicht. Ueberall in den Hauptlehren unglückliche
positive Grundgedanken; überall verwirrte räthselhafte Details; überall
ein willkürliches, oft rasendes Hineinfahren gelegentlicher Eigenmacht,
und eine Masse von Folgesätzen des Kampfes der Billigkeit, und des
Edicts mit dem strengen Rechte, ohne daß Justinianus es verstanden hat,
das Ganze zu einer gleichartigen Masse zu bilden! Bey diesen zahllosen,
ungeheuren Gebrechen könnte die historische Rechtswissenschaft nur in
sofern wohlthätig werden, als sie, eine neue Gesetzgebung verlangend,
sich sorgfältig bemühte, alle jene Gebrechen als solche zur Lehre und
Warnung hinzustellen; aber ihre bloßen klaren Entwickelungen werden
das Volk nicht glücklicher machen, sondern ihm nur sein Unglück noch
anschaulicher darstellen.

Es bleibt daneben aber noch das zweyte trostlose Hauptübel, daß alle
Wissenschaft uns nicht zu der Gewißheit führen kann, welche einem guten
Rechtszustande nothwendig ist. Denn der Text des Justinianeischen
Rechts ist nun einmal durch und durch ungewiß und zweydeutig, und die
Zahl der räthselhaften Fragmente ist unendlich. Daß mit jedem Tage
immer mehr gute neue Ideen zum Vorschein kommen werden, läßt sich
freylich erwarten: aber ich muß nochmals wiederholen, was ich schon vor
sechszehn Jahren gesagt habe: der eigentliche Rechtszustand gewinnt
nicht dadurch, daß immer mehr Gutes in die Bücher hineinkommt, sondern
nur durch die allgemeine lebendige Verbreitung in den Köpfen; nicht
dadurch, daß Professoren ihre Lieblingslehren munter vortragen, sondern
dadurch, daß die Richter und Anwälde sich des Besten ganz bemächtigen,
und bemächtigen können. Von diesem Ziele werden wir aber immer weiter
abkommen. Je verfeinerter bey einem solchen chaotischen Gesetzzustande
die Wissenschaft wird, desto mehr bekommen die Zweifler und
Streitsüchtigen Gelegenheit, immer neue Ideen zu wagen, und alles zu
verwirren; auch wird die Masse des Wissenwürdigen immer unermeßlicher.
Freylich kann ein partieller Eifer auf eine sehr glänzende Weise
hervorgebracht werden; aber das Ganze wird damit nicht gefördert. So
ist z. B. das classische Werk des Verf. über den Besitz allgemein mit
dem größten Eifer studirt; aber dafür sind die unschätzbaren ~errores
pragmaticorum~ von *Faber* desto weniger gelesen; und so wird es mit
jedem Tage weiter gehen, ohne daß doch jemals die alte Litteratur durch
die neue entbehrlich werden wird.

Die Wissenschaft wird also die Zweifel und Controversen nicht genügend
heben können, und daher will auch der Verf. eine Mitwirkung der
Regierungen durch provisorische Verfügungen. Allein das wäre nach
meiner Ueberzeugung das größte Unglück. Denn zu solchen Verfügungen
gehören große theoretische Kenntnisse, welche sich in den einzelnen
Deutschen Justiz-Ministerien nur selten finden werden, und man kann
daher mit voller Sicherheit behaupten, daß das Römisch-Deutsche
Recht in den kläglichsten Zustand der Hölzernheit, Verwirrung und
Inconsequenz kommen würde, wenn alle einzelnen Regierungen nach dem
Maaß ihrer Kräfte und Einsichten daran herumarbeiteten; besonders
da die Verrückung Eines Satzes leicht auch die Aenderung eines
zweyten und dritten zur Folge haben muß, und da die gewöhnlichen
Gelegenheits-Gesetzgeber selten wahrnehmen, wie eingreifend einzelne
Sätze sind, wenn man sie folgerecht durchführte. Wenn also auch jetzt
die Freunde des Römischen Rechts zur vorläufigen Beruhigung der Gegner
auf die heilbringende Hülfe der Regierungen hindeuten, so werden sie
doch nachher selbst im Einzelnen immer bedenklich, und mit Recht, gegen
Aenderungen warnen, und sich das wissenschaftliche Steuerruder nicht
aus der Hand winden lassen; und so kommen wir denn mit den Vorschlägen
des Verfassers zu dem Dilemma: wirkt man von oben, so taugt es nichts;
wirkt man aber bloß durch die Wissenschaft, so ist das Volk dem
Verderben und der Ungewißheit preis gegeben.

Uebrigens kann niemand mehr, wie ich, den unschätzbaren Werth einer
geistvollen historischen Behandlung des Rechts erkennen, und die
Rechtsgelehrten verehren, welche in den neuesten Zeiten dieser
Behandlungsart wieder Eingang verschafft haben. Auch bin ich
überzeugt, daß von dieser Seite noch unendlich viel Gutes geschehen
kann. Allein an eine historische Wiedergeburt und Erlösung glaube ich
nicht; und nebenbey kann ich auch nicht die Besorgniß unterdrücken,
daß unsre Wissenschaft von dieser Seite sehr leicht verfälscht
werden könnte. Was die älteren Französischen Juristen bis auf *J.
Gothofredus*, was die besseren Holländer, was unsre *Heineccius* und
*Ritter* geleistet haben, wird im Ganzen nie übertroffen werden; und
doch blieb unsre Rechtswissenschaft schlecht, verwirrt und ungewiß.
Daß man mehr Geist und Haltung in unsre Rechtsgeschichten bringen
wird, kann keinen Zweifel leiden. Allein das alles wird nur das Ganze
im Allgemeinen betreffen, aber nicht das endlose feinere Detail,
welches dem Richter eben so nahe liegt, als das Allgemeine. Wir nehmen
zwar immer mehr die Wendung, daß wir eine Einheit der Gründe und des
Geistes herauszubringen, und alle Einzelnheiten darauf zurückzuführen
suchen. Aber wir werden vergebens mit dem Unmöglichen ringen. Noch nie
hat sich ein positives bürgerliches Recht aus einfachen, nothwendigen
Elementen consequent herausgebildet. Die zufällige Wortfassung eines
Gesetzes wird oft für Jahrhunderte entscheidend, wie schon die zwölf
Tafeln zeigen; und wenn alle Arten der guten und schlechten Köpfe
tausend Jahre an einer Rechtsverfassung herumgepfuscht haben, so
kann auch nicht entfernt an eine organische Einheit gedacht werden.
Selbst die Praxis ist nur zu oft ein blindes Werkzeug des Zufalls, so
schön es auch klingt, daß es mit dem Recht gut stehe, wenn es sich
nur von selbst mache; daher auch die classischen Juristen der Römer
sich mehrfach über schlechte Rechtssätze ihrer Praxis aufgehalten
haben (z. B. ~L. 6. §. 2 si servit. vindic. L. 9. de religiosis~).
Das Schlimmste ist aber: eine Rechtsverfassung, welche sich von Jahr
zu Jahr durch Einwirkung aller möglichen Zufälligkeiten ausbildet,
sinkt allmählig in Ansehung ihrer *Gründe* in den dicksten Nebel; und
wenn dann noch dazu, wie bey dem Römischen Recht, die Urkunden der
Geschichte unsicher, verdorben, oder ganz verloren sind, so müssen sich
die historischen Erörterungen, welche das Feine und Einzelne, also
recht das Practische betreffen, in schwankende Voraussetzungen und
Vermuthungen auflösen; wobey denn unser, leider nicht zu verkennender
Hang für das Hineinlegen unsrer Eigenthümlichkeit in das Alterthum,
und für künstliche Zusammenhäufung vornehmer Träumereyen, so recht
nach Lust und Gefallen alles unter das gelbe Glaß bringen kann. Je
eifriger dann herüber und hinüber gestrebt wird, desto größer muß für
das Practische die Ueberlast und die Verwirrung werden. Ich will den
Verf. nur an das unvergleichliche Werk unsres *Niebuhr* erinnern. Laßt
dieses Werk ganz vollendet werden, und sich auch über die Einzelnheiten
unsrer Rechtsgeschichte verbreiten: was wird der Erfolg seyn? Der große
Haufen wird es anstaunen und nicht verstehen; die Mittelköpfe werden
es loben, etwa wie der Furchtsame im Dunkeln singt, und wenig Nutzen
daraus ziehen; und wenn es möglich wäre, daß Männer mit solcher fast
unglaublicher Gelehrsamkeit, mit dieser Tiefe und Fülle des Geistes,
und dieser kritischen Kühnheit neben *Niebuhr* auftreten könnten,
so würde der ganze Stoff so in Schwanken, und die Untersuchung in
solche Tiefen gerathen, daß für die Praxis die ganze Masse eben so ein
todter Stoff werden würde, als manche der besten Streitschriften der
Alt-Italiänischen Philologen und Rechts-Historiker.

Ich denke daher: haltet die Rechtsgeschichte, und vor allen Dingen
die Geschichte des, doch immer vorzüglich bedeutenden Römischen
Rechts in den höchsten Ehren, damit philosophische Armuth uns niemals
verkleinliche, und damit wir mit den vielfachen Veranlassungen unsres
neu-europäischen Zustandes vertraut bleiben. Allein überschätzt die
Geschichte nicht, damit in Ansehung ihrer nicht auch Statt finde,
was gewöhnlich das wahre Glück des einzelnen Menschen zerstört,
nämlich, daß er in wehmüthigen Rückerinnerungen an Zeiten, welche
nicht besser waren, als die jetzigen, träumend lebt, und darüber das
Gute der Gegenwart übersieht und unbenutzt läßt. Der Rückblick auf
die Werke der vergangenen Zeit mag unsre Begriffe schärfen, unsre
Einbildungskraft beleben und veredeln; aber wir müssen Muth und Willen
behalten, durch unsre eigne Kraft die wesentlichen Grundlagen unsres
Glückes zu schaffen; und erst dann wird es recht mit uns werden, wenn
wir das Alterthum, so weit es gewiß ist, also im Großen und im Ganzen,
uns lebhaft vergewärtigen, aber im Uebrigen für die Einrichtung der
Wirklichkeit unsrer Kraft mit heiterer Zuversicht vertrauen. Und dazu
kann uns unsre eigne Geschichte alle Gründe der Aufmunterung geben,
namentlich für das Fach des äußeren Rechts. Denn wenn wir unparteyisch
erwägen wollen, welche Geisteskraft und Consequenz sich z. B. in
dem System des Katholicismus ausgedrückt hat, in dem Lehns-System,
in unserm Wechsel- und Bauern-Recht, und in einer Menge politischer
Einrichtungen: so bleibt auch dem neueren Europa sein großes,
eigenthümliches Verdienst, welches ohne Zweifel noch unendlich größer
gewesen seyn würde, wenn wir uns nicht von allen Seiten durch fremde
Begriffe hätten überraschen und unterjochen lassen; und es verdient
wahrlich nicht den Namen eines unüberlegten Wagstücks, wenn wir, mit
Deutscher Gediegenheit, einträchtig und eifrig, unsern Rechtszustand
nach unsern Anlagen und Bedürfnissen männlich zu bestimmen suchen.

Der Verf. hat auf der letzten Seite seiner Schrift einige Auszüge aus
*Melanchthons* Reden gegeben, welche den Wunsch, daß das Römische
Recht als Schutzwehr gegen Barbarey beybehalten werden möge, lebhaft
aussprechen. Für die wilde, ungebildete Zeit des 16ten Jahrhunderts
mag dies gern als lautere Wahrheit gelten; aber keineswegs für den
inneren Werth der Justinianeischen Compilation. Ich will darüber auch
zum Beschluß etwas Merkwürdiges anführen, nämlich eine Aeußerung
von *Muretus*, welcher, mit den Schriften der großen Italiänischen
und Französischen Juristen bekannt, und nachdem er selbst über die
Pandekten ausführliche Vorlesungen gehalten hatte, im Jahr 1580 von Rom
aus Folgendes (~opp. T. 4. p. 191 sqq.~) einem Freunde schrieb: ~»Ex
omnibus veterum scriptorum monumentis, Paule Sacrate, nulla pejus ab
hominibus imperitis ac temerariis flagitiosiusque tractata sunt, quam
ea, quibus jus civile populi Romani continebatur. Nam cum extitisset
antiquitus magna quaedam vis hominum eruditorum, qui leges, senatus
consulta, plebiscita, edicta magistratuum et urbana et provincialia
tum copiosis et uberibus tum mundissimo ac nitidissimo orationis
genere scriptis commentariis illustrassent; jamque immensi operis
videretur, eorum omnium scripta pervolvere; arduum etiam et difficile
in crebris, ut fit, eorum dissensionibus, quid optimum ac verissimum
esset, judicare: ei malo mederi cupiens imperator Justinianus negotium
Triboniano et aliquot aliis dedit, ut ex eorum scriptis ea tantum
excerperent, quae utilia essent quaeque in judiciis obtinerent: quae
cum in unum corpus, resectis ceteris, ordine digessissent, sola
tererentur studiosorum manibus eisque laborem minuerent ac levarent.
At illi, hac potestate accepta, non ut ille Horatianus agricola, qui
inutiles ramos falce amputans feliciores inserit, sed ut milites
accepte signo ad oppidum aliquod diripiendum ac depraedandum, per
medium jus civile grassantes et, ut quidque obvium erat, lacerantes,
mutilantes, trucidantes, brevi tempore exhibuerunt nobis veteres
jurisconsultos, instar Deiphobi,~

              ~*laceros crudeliter ora,*~
          ~*Ora manusque ambas;*~

~quamque disciplinam perpurgandam ac perpoliendam susceperant, eam
ita deformarunt, ut vix ulla amplius ejus imago superesset. Quam
enim hanc infelicitatem esse dicemus, quod, cum hoc jus ex legibus,
senatus consultis, plebiscitis, edictis magistratuum, constitutionibus
principum, responsis prudentum constare dicatur, hodie in libris
juris nulla lex extat, nullum senatus consultum, integrum saltem et
=holoklêron=, nullum plebiscitum; edicti perpetui paucae quaedam, ut
ex naufragio, tabulae; ipsae principum constitutiones multis locis
decurtatae et ha =êkrôtêriasmenai=; prudentum autem scripta ita
distracta, dilacerata, divulsa, ut in eis vetus illa Hippolyti fabula
renovata videatur. Itaque hodie non aliter jus civile discere cogimur,
quam si, sublatis et extinctis omnibus Aristotelis et Aristoteleorum
interpretum scriptis, fragmenta tantum quaedam reperirentur, e
variis Alexandri, Themistii, Simplicii, Philiponi et aliorum
decerpta commentariis, ex quibus utcunque in communes locos digestis
Aristoteleam philosophiam discere juberemur.~«


3. Urteile der Zeitgenossen zu den Streitschriften Thibauts und
Savignys.[F] 1814-1818.


  1. *Besprechungen von Thibauts Schrift (Originalausgabe und
     erweiterter Abdruck in Thibauts Civilistischen Abhandlungen,
     Heidelberg 1814, S. 404 bis 466).*

~a~) Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung, Jena und Leipzig, 1814 Nr.
185 mit der Unterschrift R. V. K.

Sowohl früher, als in der neuesten Zeit, haben auch andere Stimmen sich
schon über diesen Gegenstand vernehmen lassen; noch nie aber ist dies
auf eine so überzeugende, Geist und Herz so eindringlich in Anspruch
nehmende Weise geschehen, als in diesen wenigen, aber inhaltschweren
Bogen.... Eifrigen Widerspruch aber wird hin und wieder des Vfs. Urteil
über unsere hauptsächlichste Rechtsquelle, nämlich über das römische
Recht, finden.... Einen der größten Mängel, wenn gleich nur relativen,
unseres bisherigen Rechtes hat der Vf. viel zu wenig herausgehoben,
*den* nämlich, daß es ein *fremdes* Recht ist.... Sind wir denn aber so
ganz unfähig zu einer selbständigen Vereinigung, daß es selbst *hiezu*
der Hilfe und Garantie fremder Mächte bedürfen sollte?


~b~) Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1814 Stück 152,
153. Für Thibaut. Es handele sich um einen seit 50 bis 100 Jahren laut
gewordenen »Volkswunsch«.

Ebenda, Stück 267.

In einer sinnigen Abhandlung, kurz und kräftig, wie es sein muß,
wenn man einen großen allgemeinen Eindruck machen will, zeigt Herr
*Thibaut* die Notwendigkeit eines allgemeinen Rechts. Die unheilbaren
Gebrechen der römischen Gesetzbücher werden in ihrem ganzen Umfange
enthüllt; an dem französischen Gesetzbuch hätte auch wohl seine geheime
Grundlage: Conscription und Enregistrement entdeckt werden müssen....
Die Einwendungen gegen ein deutsches Gesetzbuch werden siegreich
beantwortet. Bei der Entwicklung seiner Vorteile hätten wir mehr Tiefe
erwartet. Die Vorteile für die Gelehrten und Akademieen sind zuerst
genannt, da es doch nur Nebenvorteile sind. Sein Nutzen für die Bürger
wird bloß darin gesetzt, daß es dem Unwesen der Collisionen steuere,
daß es der politischen Zersplitterung und dem Kleinigkeitsgeiste
das Gegengewicht halte und daß in den einzelnen Ländern nichts
Vollkommenes zu erwarten sei. Es hat uns endlich weh getan, in dieser
sonst schätzbaren Schrift die Meinung zu finden: Die Erlassung des
Gesetzbuches müsse wie ein Völkervertrag unter feierlicher Garantie der
auswärtigen alliirten Mächte behandelt werden.


~c~) Wiener Allgemeine Literatur-Zeitung, Wien, 1814 Nr. 98 (Xxxx).

Diese Vorfrage (die politische, s. o. S. 12) abgerechnet, müssen wir
gestehen, daß der Hr. Verf. seine Materie auf die gründlichste Art
abgehandelt hat. Seine gehaltvolle Schrift ist eine um so erfreulichere
Erscheinung, als es nach der Flut der Ideale, womit wir bisher
überschwemmt worden sind, gewaltig Not tut, wieder einmal Etwas zu
vernehmen, das uns in das Reich der Wirklichkeit zurücklenkt. Die
Abhandlung hat nicht bloß für den gegenwärtigen Zeitpunkt ein hohes
Interesse, sondern auch für die Folge einen bleibenden Wert, da sie
nebst dem eigentlichen Thema noch mehrere andere Gegenstände berührt,
die dem Freunde der Rechtswissenschaft von hoher Wichtigkeit sind. Wenn
wir auch voraussetzen können, daß ihre inhaltsschweren Worte bereits
die rege Teilnahme aller deutschen Biedermänner gefesselt haben, und
die kräftige Schrift in den Händen der Meisten unserer Leser sein
werde, so halten wir es doch nicht für überflüssig, bei der Analyse
derselben noch einige Zeit zu verweilen. Die in ihr ausgesprochenen
Wahrheiten können nicht oft genug wiederholt werden, und wenn es auch
nicht nötig ist, sie in den deutschen Erbländern des österreichischen
Kaiserstaates in Anregung zu bringen, da sich dieselben bereits eines
allgemeinen bürgerlichen und peinlichen Gesetzbuches erfreuen, das,
bis auf die noch nicht revidierte Prozeßordnung, allgemein als ein
Muster der Vortrefflichkeit anerkannt wird, -- so sind dieselben doch
für Deutschland im Allgemeinen von zu hohem Interesse, als daß sie
in dem mächtigsten Bestandteile dieses Reichs nicht einer besonderen
Beachtung würdig gehalten werden sollten.... Die Vorteile, welche
aus der Einführung eines Nationalgesetzbuches für den Gelehrten,
für den akademischen Unterricht, für die Schärfung des, bis jetzt
auf den deutschen Universitäten vernachlässigten praktischen Sinnes
in den Studirenden, für den ausübenden Juristen, und vorzüglich für
das Glück der Bürger entspringen müssen, können wohl nicht mehr
einleuchtender erwiesen werden, als es in dieser kleinen, aber sehr
gehaltvollen Abhandlung geschehen ist.... Rühmlich ist die Kühnheit,
mit welcher der Hr. Verf. gegen Vorurteile und Mißbräuche zu Felde
zieht, besonders da er nicht verkennt, wie sehr er den Widerspruch,
vorzüglich der eingewurzelten Selbstsucht auf sich ziehen wird. Er ist
auf die Vorwürfe der einseitigen Verehrer des Pandektenrechts, deren
Zorn er besonders durch seine Ausfälle auf ihr mit ausschließender
Liebe gepflegtes Schoßkind rege gemacht haben muß, so wie auf
die Bedenklichkeiten in Voraus gefaßt, welche von heimlichen und
öffentlichen Widersachern gegen die Abfassung eines deutschen
Gesetzbuches in Anregung gebracht werden könnten. Er begegnet ihren
Einwendungen durch eine Reihe sehr scharfsinniger Bemerkungen, die
in mehr als einer Hinsicht, allgemein beherzigt zu werden verdienen,
deren Anführung wir jedoch hier um so billiger übergehen können, als
wir erwarten, daß die schätzbare Abhandlung des Herrn Thibaut nicht
nur von jedem Freunde der positiven Rechtswissenschaft und Politik,
sondern auch von jedem deutschen Manne werde gelesen werden, für den
das künftige Schicksal des Vaterlandes Interesse hat.


~d~) Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1816 Stück 34, 35.

Für Thibaut. Rezensent vermißt zwei Betrachtungen bei Thibaut:
Die allgemeine Rechtsuniformirung würde auch für die *Herrscher*
Deutschlands ersprießlich sein, weil sie den Ländertausch (eine
politisch-militärische Notwendigkeit) erleichtere. Sodann: Mit welchem
Teile des Ganzen soll der Anfang gemacht werden? Rezensent schlägt vor:
Mit den Bestimmungen über Handel, Literatur und Kunst. Die schwierigste
Frage wird übrigens immer die sein: Ob in dem gegenwärtigen Zustande
Deutschlands die Niedersetzung einer solchen allgemeinen deutschen
Gesetzgebungscommission politisch möglich sei? Daß sie nicht politisch
wahrscheinlich ist, folgt aus der Möglichkeit obiger Frage.


~e~) Karl Albert von Kamptz, Jahrbücher für die Preußische
Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung, 3. Band, Berlin
1814, S. 395.

Eine kurze Inhaltsangabe der zusammen besprochenen Streitschriften von
Thibaut und Savigny. »Die Gründe beider Rechtsgelehrten sind aber so
wenig eines kurzen Auszugs fähig, als die lichtvollen Bemerkungen des
Herrn von Savigny über das Preußische allgemeine Landrecht.«


  2. *Besprechungen von Savignys Schrift.*

~a~) Heidelbergische Jahrbücher der Litteratur, Heidelberg, 1814 Nr. 59
(von *Thibaut*, oben abgedruckt Abt. II, 2).


~b~) Göttingische Gelehrte Anzeigen, Göttingen, 1814 Stück 194 (von
*Hugo*).

Hugo erinnert an seine zustimmende Kritik von Schlossers Briefen über
die Gesetzgebung, die sich im Jahre 1789 gegen die Schaffung eines
Preußischen Gesetzbuchs aussprachen.... Wie freute sich nun Rezensent,
als er von seinem Freunde *Savigny* erfuhr, daß dieser, trotz seiner
Beschäftigung mit den gelehrtesten Untersuchungen über die Geschichte
des Römischen Rechts im Mittelalter, doch in einer eigenen Schrift
die Wissenschaft gegen die Gesetzbücher retten wolle! Und wie freute
er sich, als er nun das Buch las und ganz *Savigny* darin fand! »*Den
sollt ihr hören*« möchte er Juristen und Nichtjuristen zurufen, und
für diejenigen, die sich etwa wundern möchten, wie Rez. das Herz habe,
ein Buch so zu loben, worin seiner so sehr in Ehren gedacht wird, will
er nur gleich hinzusetzen, daß ihm noch nie eine Anerkennung dessen,
was er nun schon ein Vierteljahrhundert für die Wissenschaft zu tun
gestrebt hat, so angenehm gewesen ist, als diese.


~c~) Wiener Allgemeine Literatur-Zeitung, Wien, 1814 Nr. 98. (Hß.)

Die Meinung (Thibauts) hat wohl die Stimme der Zeitgenossen für sich,
deren Mut, Hoffnung und Selbstvertrauen, durch die riesenhaften Erfolge
ihrer Anstrengungen belebt, nichts für unmöglich, wenig für bedenklich
hält; doch gebührt *Savignys* Schrift der Vorzug einer größern
Eigentümlichkeit der Gründe, und einer sorgfältigern Ausführung....
Rez. muß offenherzig gestehen, daß ihn *Savignys* Gründe nicht
überzeugt haben.... Daß unsere Zeit dazu nicht reif sei, könnte nur die
Tat beweisen. Wir rufen vielmehr im festen Vertrauen auf die Kraft der
Völker und den guten Willen der Herrscher: *Jetzt oder nie!*


~d~) Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1815 Stück 222
bis 223.

Daß über die Schrift des *Hn. von Savigny* als anstrebend gegen den
Zeitgeist und gegen die Überzeugung nicht bloß der Menge, sondern auch
aller ausübenden Rechtsgelehrten und aufgeklärten Staatsmänner nicht
vorteilhaft geurteilt wurde, war sehr natürlich, und Rezensent, der
Hn. v. S. aufrichtig hochachtet, hätte gewünscht, *daß die Schrift
ungedruckt geblieben wäre*.


~e~) Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1815 Stück 234. Vom Beruf
unserer Zeit für (?) Gesetzgebung und Rechtswissenschaft.

... Sieht man nun auf den *Titel* des Buches zurück, so muß man dem
Verf. die Billigkeit der sogenannten Halbscheidsurtheil nachrühmen:
denn von den beiden *Berufen*, welche dort erwähnt sind, spricht
er unserer Zeit nur den ersten ab, und läßt ihr den zweiten. Die
Schrift liest sich übrigens, das um die Bilder schwebende *Helldunkel*
abgerechnet, angenehm und ist fast splendid gedruckt.


~f~) Vgl. oben zu 1 ~e~.


~g~) Äußerungen von *Niebuhr* und *Jacob Grimm* s. o. S. 14. *Anselm v.
Feuerbachs* Urteil ist wegen der ihm zukommenden besonderen Bedeutung
unten Abt. II, 4 im Zusammenhange abgedruckt.


  3. *Nicolaus Thaddäus v. Gönner, Direktor des Appellationsgerichts
     und Mitglied der Gesetzkommission in München, Über Gesetzgebung
     und Rechtswissenschaft in unsrer Zeit (Beiträge zur neuen
     Gesetzgebung in den Staaten des teutschen Bundes), Erlangen 1815*,
     291 S. (Vgl. unten Abt. II, 5).

Das gegen Savigny gerichtete, teilweise in verletzendem Tone
geschriebene Buch enthält dieselben Abschnitte wie Savignys Schrift.
An die Stelle der bisherigen Rechtsquellen sollen nach Gönners
Vorschlag Gesetzbücher treten, aber jeder größere deutsche Staat soll
sein eigenes haben. (Vgl. Ludwig Spiegel, Savignys Beruf und Gönners
Gegenschrift, Vierte Abhandlung in Spiegels Gesetz und Recht, München
und Leipzig 1913).


Besprechungen hierzu:


~a~) Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (herausgegeben
von Savigny, Eichhorn und Göschen), Band 1, Berlin 1815, Nr. 17 (von
*Savigny*, wieder abgedruckt in dessen Vermischten Schriften 5. Band,
Berlin 1850, S. 115 ff.).

Die heillosesten Ansichten und Grundsätze, die unter Bonapartes
Herrschaft in Deutschland gedeihen konnten, und die allen Gutgesinnten
ein Greuel sind, werden hier ohne Scheu ausgelegt, und mit der
Verteidigung der Gesetzbücher gegen das geschichtliche Recht in
Verbindung gebracht.... Die Regierungen werden gewarnt gegen die
historische Methode, deren Bekenner ihnen das Recht der Gesetzgebung
entziehen, und es in die Hände des Volks und der Juristen als
Volksrepräsentanten spielen wollen (auf diesen Punkt von Bedeutung
geht Savigny ausführlich ein).... Nimmt man hinzu, daß nach unserm
Verf. das Gesetzbuch die eigentliche Grundlage alles wissenschaftlichen
Rechtsstudiums sein soll, so ist die unvermeidliche Folge seines
Vorschlags, und ohne Zweifel auch die deutlich gedachte Absicht
desselben, daß in dem Recht sowohl als in dem Rechtsstudium der
Deutschen alles Gemeinsame aufhöre. Ein solcher Vorschlag kann Jedem,
der das Deutsche Vaterland liebt, schon um dieser Vaterlandsliebe
willen nicht anders, als sehr schmerzlich sein: er ist aber auch an
sich, für das Recht jedes einzelnen Staates verderblich. (Diese
abgerissenen Sätze aus der umfangreichen und für die Grundlehren der
historischen Schule wichtigen Rezension Savignys müssen hier genügen).


~b~) Heidelbergische Jahrbücher der Litteratur, Heidelberg, 1815 Nr. 40
(von *Thibaut*).

... Als Mitherausgeber unserer Jahrbücher bin ich nun bei diesem Streit
abermals in eben der Verlegenheit, worüber ich früher (Heidelb. Jahrb.
1814 S. 931 -- gemeint ist die Rezension über Savignys »Beruf«) klagte,
und noch mehr als damals. Denn durch mich ist hauptsächlich der Streit
veranlaßt, und fast alles, was Hr. v. G. gegen meinen, mir sonst so
teuren Gegner gesagt hat, stimmt im Wesentlichen mit meinen innigsten
Überzeugungen überein. Vielfach von dem Verf. gelobt (und wahrlich weit
über mein Verdienst!) stehe ich hier demnach als parteiischer Richter
in der Mitte, und ich würde es nicht verantworten können, wenn ich
durch irgend ein Urteil die vorläufige Ansicht der Leser zu bestimmen
suchte. Ich muß mich daher auf eine bloße Inhaltsanzeige beschränken,
welche auch nur in kurzen Andeutungen zu bestehen braucht. Denn die,
welche im Stande sind, diesen großen Streit zu beurteilen, werden sich
doch nicht dazu verstehen, die Arbeit eines solchen Schriftstellers
blos nach den Auszügen eines andern zu benutzen; und für die Neugier
der übrigen Leser sind kurze Andeutungen mehr als hinreichend. Nur
über Einen Punkt will ich mich näher erklären, weil ich dabei der
Angegriffene bin, und insofern auf die Billigung aller Leser rechnen
kann, wenn ich mich selbst frei und offen meiner eigenen Sache annehme.
(Es folgt die Inhaltsangabe.) Der Eine Hauptpunkt, wogegen ich mich
aber, wie gesagt, erklären muß, ist die Behauptung des Verf. (S. 274,
275), daß ein allgemeines Deutsches bürgerliches Gesetzbuch sich nicht
denken lasse, weil Deutschland ein bloßer Bundesstaat sei, und die
Selbständigkeit der einzelnen Staaten es nicht vertrage, von einem
Gesetzbuch regiert zu werden, welches von dem Bunde als einer *obersten
Gewalt* ausging. Er begnügt sich also damit, die Hoffnung zu machen,
daß einige der größeren Staaten nach Österreich und Preußen mit gutem
Beispiel vorangehen, und die übrigen nicht lange zurückbleiben werden.
Auf solche Art werde sich nach und nach in den Hauptbestimmungen eine
materielle Gleichförmigkeit der Civilgesetzgebungen bilden, wobei dann
kleine Abweichungen der Nationalität nicht schaden würden.

Nach den in Deutschland so beliebten, immer mehr aufblühenden
Grundsätzen des Territorial-Egoismus läßt sich gegen jene Ideen
des Verf. freilich nichts einwenden. Allein die Nation, als Ganzes
betrachtet, und insofern sie die neumodische Souverainität in Ansehung
ihrer angeblichen Segnungen nicht anerkennen mag und kann, wird
schwerlich jene tröstenden Hoffnungen des Verf. beruhigend finden.
Durch zufälliges Zusammentreffen und Nachahmen machte sich ja bei uns
nie etwas bedeutend Gutes, und wenn jetzt die Theorie sich mehr als
jemals, für das Princip des Isolirens ausspricht, so wird die Praxis,
-- welche im Politischen stets noch despotischer und kleinlicher war,
als die Theorie, -- das Arge schnell zum Aergsten fortbilden. Der
Begriff eines bloßen Bundesstaates im schlaffen jetzigen Sinn kann
nichts weiter beweisen, als daß ein einzelnes Bundesland in Ansehung
der vielen Gegenstände, worüber die Bundesversammlung keine Gewalt
hat, sich nicht den Befehlen dieser Versammlung zu unterwerfen braucht.
Allein wer wollte es für eine Nichtigkeit und Unmöglichkeit erklären,
wenn alle deutschen Regierungen zusammenträten, und ihre gemeinsame
Kraft der Einführung eines gleichförmigen bürgerlichen Rechts widmeten?
Die unermeßlichen Vortheile einer solchen gleichförmigen Verfassung hat
Herr v. G. in seiner Schrift überall selbst anerkannt und mit lebhaften
Farben geschildert. Treffender wäre es also gewesen, wenn Er als ein,
für keinen einzelnen Bundesstaat besonders gestimmter Deutscher,
philosophirend die rechtliche Einheit dringend empfohlen, und höchstens
nur als Kenner der Vergangenheit und Gegenwart hinzugesetzt hätte:
unsere Vorschläge und Wünsche werden auch in dieser Hinsicht leere
Luftschlösser bleiben. Denn wenige einzelne deutsche Staaten meinen
es ehrlich mit einander, und es läßt sich die Zahl schwerer Opfer gar
nicht berechnen, welche noch zu bringen sind, um deutsche Gesinnungen
in der That und Wahrheit allgemeinherrschend zu machen.


~c~) Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1815 Stück 232
bis 235.

Die Besprechung nimmt zu den Schriften Thibauts und Savignys Stellung
in einem für Savigny günstigen Sinne.


~d~) Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1815 Stück 235.

Es ist Pflicht und Schmuck aller gelehrten Journale, sich
auszusprechen, und die Stimmen mehrer einzelner Gelehrten in sich
zu sammeln über die neue, zwischen Hrn. v. Savigny auf der einen,
Hrn. v. Gönner, Schmid und Thibaut auf der andern Seite entstandene
Streitfrage. -- Der Rezensent, der im römischen Recht die unerläßliche
Grundlage jedes Rechtsstudiums erblickt, tritt im Übrigen im
Wesentlichen Gönner gegen Savigny bei.


~e~) Göttingische Gelehrte Anzeigen, Göttingen, 1815 Stück 108 (von
*Hugo*).

Für die Leser unserer Anzeigen, welche sich etwa aus St. 194 im
vorigen Jahrgange der Schrift von *Savigny*: Vom Beruf unserer Zeit
für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft erinnern, bedarf es eigentlich
nur der ganz kurzen Angabe, daß hier die eilf Abschnitte jenes Buchs,
vom ersten bis zum letzten, widerlegt werden sollen, daß Herr v. G.
sich der »Deutschen« Gelehrten, welche ein Gesetzbuch forderten,
gegen diesen »romanistischen« annimmt, ihm alle Begriffe von Recht
und Gesetzgebung abspricht, ihm Schuld gibt S. 88, daß er auch die
Bildungsgeschichte des Römischen Rechts historisch unrichtig darstelle
usw. Die Meinung des Rez. hierüber werden sie wohl nicht erst zu wissen
verlangen. *Savigny*, den einen bloßen Romanisten nennen zu hören,
besonders seit der Erscheinung seines oben S. 85 angezeigten Buches
(gemeint ist die Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter),
erbaulich ist, gehört, wie ihm oft genug zu Gemüte geführt wird, zur
historischen Schule, und in welchem Verhältnisse Rez. zu dieser steht,
ist im Buche selbst S. 44 klar zu lesen, damit nicht etwa Jemand das
Verdienst von *Savigny* zu hoch anschlage und ihm in dieser Schule mehr
als eine höchst untergeordnete Stelle anweise....


~f~) Rheinischer Merkur, Koblenz, 1815 Nr. 245. G(rimm).
(Wiederabgedruckt in Wilhelm Grimm's Kleineren Schriften Bd. 1
(Berlin 1881) S. 549 ff. unter dem Titel Ȇber Gesetzgebung und
Rechtswissenschaft in unserer Zeit«). Vgl. auch Briefwechsel zwischen
Jacob und Wilhelm Grimm, Weimar 1881, S. 459: Wilhelm an Jacob Grimm,
2.6.1815, »Ich habe nur in dieser Zeit eine Rezension von Gönners
Schrift gegen Savigny für den Merkur geschrieben, wozu er mich
aufforderte.«

Für Savigny (dessen Schrift inhaltlich kurz wiedergegeben wird)
gegen Gönner. -- (Gönners Schrift) ist weder geistreich noch gewandt
geschrieben, vielmehr gemein und sich wiederholend; nur einige
Gifttropfen sind mit hineingeschlossen, welche die Reinheit der
Gesinnung am Gegner beflecken sollen, dagegen ist sie vollständig und
bietet überall eine freche Stirn.... (Das Recht geht nach Gönner)
*einzig vom Herrscher und dessen Einzelwillen aus*.... Dieser
Streit ist nicht bloß ein wissenschaftlicher, der sich überlassen
bleiben könnte, sondern er geht auf etwas allgemein Menschliches,
und insofern gehört er in dieses öffentliche, die freien Rechte der
Völker verteidigende Blatt.... *Ein teutsches* Vaterland kennt dieser
Geist nicht, nur selbständige und unabhängige Staaten, deren jeder
sein *besonderes* Gesetzbuch haben muß; und er rühmt selbst diesen
dauerhaften Zustand. (Vgl. oben S. 20.)


~g~) *Kamptz*, Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung,
Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung, 6. Band, Berlin 1815, S. 174.


  4. *Karl Ernst Schmid, Herzoglich Sächsischer Geheimer Rat und
     Vicepräsident der Landesregierung zu Hildburghausen, Deutschlands
     Wiedergeburt, Ein politischer Versuch, Jena 1814, 425 S.,
     Abschnitt VI: Einheit der bürgerlichen und peinlichen Gesetze.*
     (Vgl. oben S. 73 u. 135.)

Für Thibaut. 2 Besprechungen in der Jenaischen Allgemeinen
Literatur-Zeitung 1814 Nr. 220 bis 224 (die erste, ~PN~ gezeichnet,
gegen Thibaut), ferner Besprechungen in der Allgemeinen
Literatur-Zeitung, Halle und Leipzig, 1814 Stück 286, 287 und in der
Leipziger Literatur-Zeitung, Leipzig, 1814 Nr. 183.


  5. *B. W. Pfeiffer, Kurfürstl. Hessischer Regierungsrat zu Cassel,
     Ideen zu einer neuen Civilgesetzgebung für Teutsche Staaten,
     Göttingen 1815*, 221 S. (Vgl. unten Abt. II, 5).

Für Thibaut. *Pfeiffer* schlägt vor: Das Werk damit zu beginnen, daß
allen bisherigen Rechtsnormen, und ganz vorzüglich dem Corpus juris der
Römer, das gesetzliche Ansehen entzogen werde; alsdann aber aus dem
reichhaltigen Stoffe, welchen sie enthalten, ein einfaches und bündiges
neues Gesetzbuch zu bilden, das jedoch nur neu in Rücksicht der Form
ist, alt seinem Inhalte nach.

Besprechung in den Heidelbergischen Jahrbüchern, Heidelberg, 1816
Nr. 13 (von *Thibaut*).... Daß Rezensent in Ansehung der Gebrechen
unseres Rechtszustandes und der Notwendigkeit eines neuen allgemeinen
bürgerlichen Rechts ganz mit Hr. Pf. gleichdenkt, ist bekannt. Allein
in Ansehung der Art der Ausführung des Werks kann Rez. die Pläne des
Verf. unmöglich billigen. (Thibaut erklärt sich insbesondere gegen
den Verfasser insofern, als dieser alle naturrechtlichen Sätze aus
dem Gesetzbuch ausscheiden will, ferner unser bestehendes Recht als
im Ganzen unabänderlich ansieht, endlich die Redaktion des Ganzen nur
Einem Einzigen übertragen will.) ... Allein wir reden hier von einem
Werke, welches dem bürgerlichen Leben des Volks auf viele Jahrhunderte
zur Grundlage dienen soll ... Übrigens stimmt Rez. dem Verf. ganz
bei, wenn er es für höchst wahrscheinlich hält, daß die Regierungen
der Deutschen Länder sich zur Abfassung eines allgemeinen Gesetzbuchs
*nicht* verbinden werden, und daß so über kurz oder lang jedes einzelne
Land sein eigenes Particular-Recht bekommen wird. Damit ist denn
natürlich auch die Rechtswissenschaft zu Grunde gerichtet und man wird
dann den Freunden der Wissenschaft, welche jetzt für das Alte kämpfen,
auch wieder sagen können, was man so oft sagen muß: Gott bewahre uns
vor unseren Freunden! Indes wünscht Rezensent doch, daß man für den
Notfall noch einen Mittelgedanken im Leben erhalte, nämlich daß man
nahe bei einander liegende Länder zur Einführung eines gleichförmigen
bürgerlichen Rechts zu bewegen suche, z. B. Baiern, Würtemberg, Baden
und Darmstadt. Nicht allein der bürgerliche Verkehr macht dies im
höchsten Grade rätlich, sondern auch der Umstand, daß selten ein
einzelnes deutsches Land im Stande ist, ein vollendetes bürgerliches
Recht durch die Kräfte seiner eigenen Rechtsgelehrten zu schaffen.


  6. *Ludwig Harscher von Almendingen, Politische Ansichten über
     Deutschlands Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, 1. Abteilung,
     1814* (ohne Ort und Namen des Verfassers); *2. Abteilung,
     Wiesbaden 1814*, zusammen 448 S. (Der Verfasser war Prozessualist
     und Kriminalist, dann Richter und Staatsmann im Nassauischen.)
     (Vgl. unten Abt. II, 5.)

Gegen Thibauts Vorschlag S. 354 ff. Daß die Ausführung desselben,
welcher Gottlob nicht geringe Schwierigkeiten im Wege stehen, ein
ungeheures Nationalunglück sein würde, leuchtet dem schlichten
Menschenverstand des gewöhnlichen Geschäftsmannes ein. Die Bekämpfung
jenes Vorschlages wäre daher nicht nötig, wenn es nicht viele
Menschen gäbe, welche lieber dem Wort eines berühmten akademischen
Gelehrten, als ihren fünf Sinnen glauben. Für diese Menschen sind
folgende Bemerkungen niedergeschrieben. -- Der Verfasser wendet sich
namentlich gegen Thibauts Forderung, daß *alle* deutsche Staaten *ein
und dasselbe* Gesetzbuch erhalten müssen; es wäre nur eine von außen
aufgedrungene Form; öffentlich-rechtliche und örtliche Bedürfnisse
seien in den einzelnen Staaten von verschiedenem Einfluß auf das
bürgerliche Recht; besonders in der *Kriminalgesetzgebung* seien
die für ein Volk passenden Bestimmungen nicht auch für ein anderes
geeignet; mit dem eigenen *inneren* Leben der einzelnen föderalisierten
Staaten Deutschlands sei ein von *außen her* gegebenes einförmiges
unabänderliches bürgerliches Recht schlechterdings unvereinbar.

Besprechungen im Rheinischen Merkur 1814 No. 100 und in den Heidelb.
Jahrbüchern 1815 No. 28 bis 30.


  7. *Eduard Schrader, Professor des Civilrechts und Obertribunal-Rat
     in Tübingen, Die Prätorischen Edicte der Römer auf unsere
     Verhältnisse übertragen, ein Hauptmittel unser Recht allmälich
     gut und volksmäßig zu bilden, Weimar 1815, 144 S.* (Vgl. unten
     Abt. II, 5.) Für Savigny. (Vgl. oben S. 20.)

Besprechung in den Heidelbergischen Jahrbüchern, Heidelberg, 1816 Nr.
66 (für Thibaut).


  8. ~*Carol. Eduard. Morstadt, Dissertatio juridica, qua disquiritur
     num Germanorum jureconsulti novo legum civilium codici condendo
     idonei sint censendi, Heidelbergae 1815, 48 pag.*~

(Der Verfasser war später Professor in Heidelberg, bekannt durch seine
unselige Lebensführung.)

Für Thibaut.


  9. *Anselm Ritter von Feuerbach, Einige Worte über historische
     Rechtsgelehrsamkeit und einheimische deutsche Gesetzgebung. Eine
     Vorrede. (Aus Borst's Schrift: über die Beweislast besonders
     abgedruckt.) Bamberg und Leipzig 1816, 24 S.* (Vgl. unten Abt. II,
     5.)

Das Urteil des Kriminalisten *Feuerbach*, des nächst Savigny
bedeutendsten Juristen der Zeit, ist unten Abt. II, 4 im Zusammenhange
abgedruckt.

Besprechung in den Heidelbergischen Jahrbüchern, Heidelberg, 1816 Nr.
46 (von *Thibaut*).


  10. *Karl Schildener, ordentl. Professor der Rechte in Greifswald,
     Begünstigt die Haupteigenschaft im gesellschaftlichen Character
     der Deutschen die Abfassung eines allgemeinen Gesetzbuchs zu
     jetziger Zeit? Rede nach öffentlicher Übernahme des Rektorats der
     Universität am 11. Mai 1815, Greifswaldisches Academisches Archiv,
     1. Band, Greifswald 1817*, S. 1 bis 28.

Für Thibaut.


  11. *Gespräche über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in
     Teutschland. Veranlaßt durch den Streit zwischen A. F. J.
     Thibaut und F. C. v. Savigny und gehalten im Frühjahr 1815. Aus
     den Papieren eines vieljährigen practischen Rechtsgelehrten
     herausgegeben von ~Dr.~ N. Schlichtegroll, München 1818, 80 S.*

Die drei Gespräche sind betitelt: Thibaut, Savigny, Der Freyherr
(gemeint ist ein Staatsmann, der Vertreter aller vier Fakultäten zur
Aburteilung des Streites versammelt). Die Entscheidung fällt zu Gunsten
von Thibaut. Die den Gesprächen angehängte »Übersicht der wichtigsten
über die Streitfrage: ob ein allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für
Teutschland zu wünschen sei, in den letzten vier Jahren erschienenen
Schriften« ist bei der vorstehenden Zusammenstellung teilweise benutzt
(Siehe auch die kurze Übersicht bei *Schrader*, a. a. O., S. 3 Anm. und
namentlich *Savignys* »Stimmen« unten Abt. II, 5).


  12. *F. A. Freiherr von Ende, Kgl. Würtbg. Staatsminister, Vermischte
     Juristische Abhandlungen, Hannover 1816, Abhdlg. 24, S. 303
     ff: Ist die Einführung eines allgemeinen Gesetzbuchs für ganz
     Teutschland ausführbar und wünschenswert?*

Das *Dafür* ist so oft vorgetragen, daß eine Wiederholung desselben
überflüssig wäre.... Ich zweifle sehr, daß ein allgemeines Gesetzbuch
der Wunsch der teutschen Nation im Ganzen ist, und es je sein wird. --
Der Verfasser beruft sich zur Begründung der Nachteile auf Möser, der
vor dem Generalisieren warnte.


4. Anselm von Feuerbachs Urteil. 1816.

Aus der von dem Kriminalisten Feuerbach (1775 bis 1833) verfaßten
Vorrede zu der Schrift des Bamberger Stadtgerichtsassessors Nepomuk
Borst, Über die Beweislast im Civilprozeß, Bamberg und Leipzig 1816.
Die Vorrede ist auch gesondert erschienen unter dem Titel: Einige
Worte über historische Rechtsgelehrsamkeit und einheimische deutsche
Gesetzgebung, Bamberg und Leipzig 1816, 24 S. (Wiederabgedruckt in
Feuerbachs kleinen Schriften vermischten Inhalts, Nürnberg 1833, S.
133-151.) Vgl. unten Abt. II, 5.

       *       *       *       *       *

Diesen Zustand der Dinge (gemeint ist der Gegensatz zwischen dem
Theoretiker mit seiner Kenntnis nur des toten und dem Praktiker
mit seiner Kenntnis nur des lebenden Rechts) scheint man bey
Entscheidung des neulichen, vielfach merkwürdigen Streits über das
Bedürfniß und den Werth einheimisch deutscher Gesetzgebung[G], nicht
gehörig erwogen zu haben. Bekanntlich wurde unser Zeitalter, --
nachdem man demselben die Fähigkeit, sein geltendes Recht, gereinigt
von alterthümlichem Ueberfluß und neuen Mißbräuchen in einem mit
sich selbst übereinstimmenden Gesetzbuche darzustellen, geradezu
abgesprochen hatte, -- mit seinen Erwartungen und Wünschen von der
gesetzgebenden Gewalt hinweg an die Rechtsgelehrten gewiesen, welche
durch fortgesetzte Bildung des gelehrten Rechts, und zwar nach
reingeschichtlicher Methode, ausschließend berufen seyen, im Lauf einer
nicht zu bestimmenden Zeit allem Bedürfnisse abzuhelfen. Das Recht
werde überall (und dieß ist ganz unbestreitbar) aus dem Geiste des
Volks gebohren, falle aber, sobald es zu gewissen Jahren und Kräften
gekommen, den Rechtsgelehrten und der sich selbst überlassenen freyen
Wissenschaft ausschließend als Pflegkind anheim, wie denn das römische
Recht nicht durch Gesetzgebung, sondern durch Rechtsgelehrte zu seiner
Vollkommenheit gediehen sey. Ein deutsches Gesetzbuch (abgesehen, daß
dasselbe nur als Urkundenbuch unserer Unwissenheit und Geistesarmuth
dienen werde) könne daher nichts anderes wirken, als die Wissenschaft
in ihren Schritten aufzuhalten und die Nachkommenschaft wohlthätiger
Entdeckungen zu berauben.

Ob hinter dem eifrigen Bemühen, womit von einigen der
ausgezeichnetesten Gelehrten der römischen Schule, dem lauten Nothruf
nach einem einheimischen Rechtsbuche niederschlagend begegnet wurde,
nicht insgeheim, diesen würdigen Männern selbst unbewußt, ein
Argument versteckt liege, demjenigen ähnlich, womit wohl auch schon
von Kriegsgelehrten die Nothwendigkeit des Kriegs behauptet wurde,
weil nämlich sonst die Kriegswissenschaft untergehen werde[H]: mag
ununtersucht bleiben, weil die Entscheidung unerheblich ist. Wie
die Schlußfolge selbst offen ausgesprochen vorliegt, darf diese
nur zergliedert werden, und man sieht bald, daß ihre Stärke auf
einer Vermischung verschiedenartiger Begriffe, Voraussetzungen und
Bedingungen ruht, wodurch der Schein entsteht, als wenn was von dem
Einen in Wahrheit gilt, auch von dem Anderen gelte.

Als ein Hauptgrund für das Bedürfniß einer einheimisch deutschen
Gesetzgebung wurde geltend gemacht, daß die *gesetzliche Grundlage*
unseres Rechtszustandes aus den ungleichartigsten, mit sich selbst
streitenden Bestandtheilen zusammengesetzt sey; daß die Bücher, welche
für uns *Gesetzbücher* geworden, als Rechtsbücher fremder Völker, nach
fremden Gebräuchen und oft unbekannten oder nicht mehr vorhandenen
Einrichtungen und Zwecken, in fremden Begriffen wie mit fremden Worten
zu uns sprechen, und daß das Gebäude des Rechtssystems, welches wir
das unsrige nennen, zum größten Theil unter dem Schutt einer längst
untergegangenen Zeit begraben liegt, so daß es der mühseligsten
Zurüstungen und der fortgesetzten Bemühungen eines Menschenlebens
bedarf, um den Schutt aufzuräumen, die Trümmern hervorzugraben und
dann die Bruch-Enden zu errathen, bey denen sie wohl oder übel sich
wieder zusammenfügen lassen. Ist diese Anschuldigung gegründet (und
wer vermag sie zu läugnen?) so ist nicht zu verstehen, wie die
Rechtswissenschaft Gebrechen zu tilgen vermöge, welche die Gesetzgebung
belasten. Mag die ihrem freyen Gang überlassene Rechtswissenschaft
graben und wühlen, entdecken und aufklären, zur Wahrscheinlichkeit
oder Gewißheit bringen, so viel sie wolle, so darf sie den Bann-Kreis
jener Gesetzbücher nicht überschreiten und ist daher schlechterdings
unvermögend, einen Zustand, von dem sie selbst bedrückt wird und den
sie ohne Empörung gegen die eigne Gottheit nicht von sich abschütteln
kann, zu bessern oder nur um eine Linie breit von der Stelle zu rücken.
Daß unsere Rechtswissenschaft *Rechtsgelehrsamkeit* und ihrem Wesen
nach, wenigstens zum allergrößten Theil *historisch-antiquarisch*
ist, darf niemand verkennen, noch unsern Rechtsgelehrten zum Vorwurf
anrechnen. Auch wird die geschichtliche Erforschung des Rechts und
seiner Entwickelung (sogar in *weit mehr umfassender Beziehung*, als
in welcher dieselbe von unsern reingeschichtlichen Rechtsgelehrten
dermalen empfohlen und betrieben wird) unter jeder Voraussetzung ein
nicht nur für den Gesetzgeber unentbehrlicher, sondern für jeden zum
Höhern gebildeten Geist würdiger Gegenstand des Wissens seyn. Aber daß
unsre Rechtswissenschaft, *selbst in ihrer unmittelbaren Beziehung
auf das Leben*, historisch-antiquarisch ist, daß sie dieses nach
dermaliger Beschaffenheit der Rechtsquellen sein *muß*: das ist eben
das Uebel, dem nun einmal durch diese geschichtliche Rechtswissenschaft
selbst eben so wenig abzuhelfen ist, als eine Krankheit durch weitere
Vervollkommnung eben dieser Krankheit gleichsam aus sich selbst heraus
geheilt werden mag. Jeder seiner Zeit gemäße Rechtszustand und jede
denselben darstellende Gesetzgebung ist in so ferne nothwendiger
Weise geschichtlich, als die Gegenwart immer durch die Vergangenheit,
der jetzige Zustand durch eine Reihe vorhergehender bestimmt wird.
Allein das ist das ganz eigenthümliche unsres Rechtszustandes,
daß die Geschichte des Rechts, welches wir das *unsrige* nennen,
gleichwohl *nicht* bey *uns* und bis auf *unsre Zeit* herab, sondern
bey einem fremden untergegangenen Volke bereits vor weit mehr als
tausend Jahren *abgelaufen* ist; daß man von da nicht *vorwärts*[I],
sondern an dem dünnen, oft zerreissenden Faden der Geschichte,
Sprach- und Alterthumskunde wieder um mehr als Ein Jahrtausend forschend
*rückwärts* gehen muß, um, wenn man klar oder halbklar eingesehen
was in der ersten Hälfte des VI. Jahrhunderts bey den Römern als
Recht gegolten habe, nun erst zu wissen, wie unsere Richter im XIX.
Jahrhundert den Deutschen ihr Recht sprechen sollen.

Es ist nichts unbestrittener als eben dasjenige, worauf von den
Widersachern eines einheimisch deutschen Gesetzbuchs mit ganz
besonderem Nachdrucke gedrungen wird, gleichsam als wäre es je von
Verständigen bestritten worden, nämlich: daß alles auf Entwickelung
und Darstellung des *volksthümlichen, in das Leben der Nation*
übergegangenen Rechts ankomme. Das ist nur das Unbegreifliche, wie
gerade die historische Rechtswissenschaft, welche Alles in Allem
seyn soll, mit Entwickelung und Bildung dieses lebenden Rechts,
das unbekümmert um das Gelehrtenwesen und um Entdeckungen in dem
Alterthum früherer Jahrtausende, seines Weges geht und immer nur
seine gegenwärtigen Bedürfnisse befragt, -- in irgend einem nahen
ursächlichen Zusammenhang stehe? Was, wenn auch alle Geister der
alten Römerwelt aus ihren Gräbern heraufbeschworen würden, um über
alles klärliche Antwort zu geben und von der Mutter Carmenta bis zu
Justinian herab die ganze Rechtsgeschichte aufs wahrhafteste im
bündigsten Zusammenhange zu erzählen, -- was hiedurch so Großes für
die Verbesserung unseres gegenwärtigen Rechtszustandes gewonnen sey?
Die Geschichte erklärt, wie Etwas nach und nach *geworden*; *wie*
und *was* dieses Etwas *sey*, lehrt die Geschichte nicht. Was der
Geschichte angehört ist schon dem Leben abgestorben. Oder ist etwa
*das* Recht, welches die geschichtliche Rechtswissenschaft lehrt,
wirklich das volksthümliche, lebende? -- Was ist bey *uns* wirklich
Rechtens? was ist von dem Fremden einheimisch geworden? wie hat es
sich, vermischt mit deutschem Saft und Blute, umgestaltet? in welcher
Form steht es jetzt da, lebt und wirkt es? Hierüber vermag die
geschichtliche Rechtswissenschaft entweder keine oder nur abgebrochene
Antwort zu geben, und in jedem Fall liegt das Orakel, welches hierauf
antwortet, weit näher, als daß dasselbe erst auf einem Umweg, der durch
Jahrtausende hindurchgeht, gesucht werden müßte. Abgeschiedene Geister
kehren leibhaft nimmermehr zurück, und daher wird insbesondere die
Geschichte des Rechts, werde ihre Erforschung auch noch Jahrhunderte
fortgesetzt, mehr nicht seyn und bleiben, als eine Zusammenstellung
größerer oder kleinerer Bruchstücke, welche da und dort aus dem Dunkel
der Zeiten hervortreten und deren Bedeutung und Zusammenhang oft nicht
zu erkennen, sondern nur muthmaßlich zu errathen ist. Wenn also das
Heil unseres Rechtszustandes von der Wiederherstellung eines Gewebes
abhängt, welches zwar die Zeit gewoben, aber auch, wenigstens für
unsere Erkenntniß, wieder zerrissen und in alle Winde gestreut hat,
wehe! dann ist dessen Verbesserung auf die Ewigkeit verschoben.

Was in jener Ansicht am meisten auffällt, ist das Unpassende einer
Vergleichung zwischen dem alten römischen Recht und unserem heutigen
römisch-canonisch-deutschen Rechte, besonders die Fehlerhaftigkeit
des Schlusses von dem was der römische Rechtsgelehrte der Fortbildung
des römischen Rechtszustandes *war*, auf das was unsere deutschen
Rechtsgelehrten, wenn man diese nur nicht durch Gesetze in ihren
Forschungen hemme, dereinst dem deutschen Rechtszustande werden
*könnten*. Schon die große Verschiedenheit zwischen der römischen
aristokratisch-demokratischen Verfassung und unsern heutigen
Monarchien, die eigenthümliche Vollmacht der Magistrate und die
ausgedehnte Gewalt des Gerichtsbrauchs, der Einfluß auf das Edict
jener Magistrate und auf diesen Gerichtsbrauch, wodurch der
römische Rechtsgelehrte mittelbar und zwar unter der Form einer
höheren Autorität, mithin wirklich *gesetzgebend* (wiewohl nicht
auf den Comitien, noch in unserer Art Gesetze zu geben) auf den
Rechtszustand einwirkte: dieses und anderes dergleichen stumpft
schon gar sehr die Schärfe jener Vergleichung ab. Jedoch hievon
abgesehen ist einleuchtend, daß der römische Rechtsgelehrte und seine
Rechtswissenschaft äußerlich und innerlich etwas ganz *anderes*
war, als *unsre* Rechtsgelehrte und *unsre* Rechtswissenschaft, so
lange ihre jetzigen Quellen fortdauern, jemals werden können. Der
römische Rechtsgelehrte saß bekanntlich nicht als Geschichts- und
Alterthumsforscher hinter alten Denkmälern und Manuscripten, sondern
auf dem Marktplatz, oder zu Haus unter den Clienten, oder auf dem
Gerichtsstuhl oder in dessen Nähe; sein Wissen war Erkenntniß aus
dem Buche des bürgerlichen Lebens, und er hatte weit weniger zu
lesen und zu lernen als zu beobachten, zu denken, zu urtheilen und
zu schließen. Aus der Erforschung hetrurischer, altitalischer,
griechischer Alterthümer sog das römische Recht seine Lebenssäfte
nicht, obgleich diese Alterthümer dem Römer weit näher lagen als uns
die seinigen; Alterthumskunde war der Grammatik zugewiesen. Das konnte
auch wohl geschehen; denn der Römer hatte nicht erst den Rechtsleichnam
eines vor einem Jahrtausend untergegangenen Volks zu zergliedern, um
denselben bey sich von neuem künstlich zusammenzusetzen und wieder
zum Scheinleben aufzuwecken. Wo Er stand und ging war er bey sich zu
Hause; was Er umfaßte, was Ihn durchdrang, war *seine* Zeit und die
*Gegenwart* mit ihrem Haben und Bedürfen; was Er erkannte, bearbeitete,
gestaltete, war *sein* und *seines* Volkes Recht. Und so ward das
römische Recht nicht durch Geschichte, Alterthumskunde, Kritik und
Grammatik, als geschichtliche Rechtswissenschaft, sondern durch
Erfahrung, Philosophie und Logik zur Reife gebracht.

Können die Pfleger der deutschen Rechtsgelehrsamkeit uns die gründliche
Verheissung geben, eben das und eben so uns zu werden, was und wie es
der Römer seinem Volke war? Wohlan! dann wollen wir uns des Wunsches
nach einem einheimischen Gesetzbuche oder (weil man bey deutschen
Angelegenheiten in der Mehrzahl sprechen muß) nach einheimischen
*Gesetzbüchern* gern entschlagen. Allein umsonst! Um jenes zu
werden, müßte erst unsere Rechtswissenschaft aufgehört haben, zu
seyn was sie ist, -- eine historisch-antiquarische Wissenschaft; und
damit diese etwas anderes seyn könnte als sie ist, müßten wir erst
gerade eben dasjenige besitzen, dessen Besitz uns, wie gesagt wird,
durch fortgesetztes historisch-antiquarisches Forschen entbehrlich
gemacht werden soll: -- ein einheimisches, den Bedürfnissen der Zeit
anpassendes, in sich selbst übereinstimmendes, mit gesetzlicher Kraft
ausgestattetes Rechtsbuch. Ein solches hatte der Römer in seinen XII
Tafeln, späterhin in seinem Edict. Und eben weil er es hatte, weil sein
Recht auf einheimischem Boden aus Einer Herzwurzel hervorwuchs, darum
konnte dieses unter der Jahrhunderte lang fortgesetzten Pflege des
stets auf die Wirklichkeit hingewendeten philosophischen Geistes und
logischen Verstandes, zu jenem kräftigen Stamm mit reichen Aesten in
die Breite und Höhe wachsen.

Als man von einem deutschen Gesetzbuch für deutsche Völker sprach,
dachte man nicht an ein Werk despotischer Willkühr, welche aus sich
selbst das Recht erst mache, und dasselbe, wenn es nach Laune fertig
geworden, dem Volk als Joch über den Hals lege; auch dachte man nicht
an ein von der Vernunft mit Idealen erzeugtes, auf Wolken gebohrnes
Götterkind, welches, nachdem es die vergangenen Jahrhunderte aus
dem Buche der Zeit weggestrichen, kecken Geistes über die Gegenwart
hinweg in neue noch unerschaffene Jahrhunderte hinüberspringe[J]. Die
Foderungen waren weder so gemein, noch so überspannt. Man wollte nicht
mehr, als was die Römer gethan, da sie ihre XII Tafeln verfaßten, mit
dem einzigen Unterschied, daß nach dem Zustand unserer geselligen und
geistigen Bildung, und nach der großen Verschiedenheit der Elemente,
welche auf die Fortbildung unseres Rechtszustandes eingewirkt haben,
die deutschen Rechte nicht in dem Raum von zwölf römischen Tafeln Platz
genug finden. Mit einem bloßen *Aufschreiben* des vorhandenen Rechts
war es aber freylich selbst bey diesen kleinen XII Tafeln auch nicht
gethan. Waren die Römer, wie aus *Niebuhrs* Forschungen erhellet, durch
Kasten getrennt, lebten Patrizier und Plebejer nach verschiedenen
Rechten, vielleicht auch die Plebejer selbst, je nach Verschiedenheit
ihrer Volksabstammung wieder unter sich nach verschiedenen Volks- und
Stammsgewohnheiten (wie späterhin die Barbaren in den neugestifteten
germanischen Reichen); so mußten, nach dem Ausdrucke des *Livius*[K],
diese Verschiedenheiten gegen einander ausgeglichen, mit einander in
ein übereinstimmendes Ganze verschmolzen, mithin mußte auf der einen
Seite weggenommen, auf der andern zugelegt, dort etwas aufgehoben,
hier etwas beygefügt, dort das Widerstreitende durch ein Drittes
vermittelt, alles dem gegenwärtigen Zeitbedürfniß mit Weisheit angepaßt
werden. Daß die Zehnmänner das bürgerliche Recht ohne weiteres nur
so hingeschrieben haben, wie sie es eben fanden, widerstreitet aller
Geschichte[L]. Daß ihnen das Volk die gesetzgebende Weisheit zum
Verbrechen angerechnet, darüber schweigt die Geschichte. Ob die Römer,
ehe sie ihre Wünsche geltend machten, zuvor noch eine gründliche
Selbstprüfung über ihre Fähigkeit zu einer Gesetzgebung angestellt
haben? ob die Unbehülflichkeit ihrer Sprache und die Aussicht auf eine
erst künftige Veredlung derselben, als ein Zweifelsgrund gegen das
Unternehmen auch bey ihnen[M] angeführt worden ist? ob die verstockten
Patrizier das dringende Begehren des Volks unter anderem auch damit
abzulehnen versuchten, daß sie ihm vorgestellt: -- all ihr Klagen
und Verlangen beruhe auf einem Mißverstande, wenn sie von Gesetzen
foderten, was die Rechtswissenschaft allein nach Jahrhunderten ohnehin
schon leisten werde; man möge den Rechtsgelehrten in ihrer Mitte nur
Zeit lassen, die heiligen Rechtsbücher der Etrusker, die Alterthümer
der Lateiner, Oenotrer, Sabeller, Sikuler und, weil offenbar viel
Griechisches eingedrungen, die Rechtsgeschichte der Griechen durch
Großgriechenland hindurch nach Athen hinüber und von da, wo möglich,
bis in die Zeiten von Kekrops hinauf mit der Fackel der Kritik und
Geschichte beleuchtend zu verfolgen; dann werde alles von selbst sich
machen: -- ob dieses oder ähnliches gesagt worden? darüber schweigt
ebenfalls die Geschichte. Was aber, wenn es gesagt worden wäre, der
kerngesunde Römerverstand würde erwiedert haben, ist zu errathen nicht
schwer.


5. Savignys Nachträge zu seiner Schrift. 1828.


Vorrede der zweyten Ausgabe.

Die erste Ausgabe der gegenwärtigen Schrift erschien im J. 1814,
zu einer Zeit, welche jedem, der sie mit vollem Bewußtseyn erlebt
hat, unvergeßlich seyn muß. Jahre hindurch waren die Bande, welche
unser Deutsches Vaterland an fremde Willkühr knüpften, immer fester
angezogen worden, und es war deutlich einzusehen, daß unser Schicksal,
wenn die Absichten des Unterdrückers zur vollen Ausführung kamen,
mit der Vernichtung unsrer Nationalität enden mußte. Die großen
Schicksale, durch welche die fremde Herrschaft zertrümmert wurde,
wendeten dieses herbe Loos von unsrem Vaterland ab, und das Gefühl
dankbarer Freude, welches damals durch die Befreyung von der größten
aller Gefahren allgemein erregt wurde, sollte wohl bey Allen als
eine heilige Erinnerung bewahrt werden. Damals war es wieder möglich
geworden, über öffentliche Dinge nach freyer Überzeugung öffentlich
zu reden, und der durch die ganze durchlebte[[IV]] Zeit überall
aufgeregte Sinn machte dieses Geschäft anziehender und dankbarer,
als es in gewöhnlichen Zeiten zu seyn pflegt. So trat damals ein
ausgezeichneter Rechtsgelehrter mit dem Vorschlag auf, ein gemeinsames
bürgerliches Gesetzbuch für Deutschland abzufassen, und dadurch die
politisch so wichtige Einheit der Deutschen, zugleich aber auch
die Rechtspflege und die Rechtswissenschaft zu fördern. Von dem
Congreß, der eben damals in Wien zusammentrat, erwartete man, er
werde wohl auf solche patriotische Vorschläge einzugehen geneigt
seyn. Dieses waren die äußeren Umstände, welche mich bewogen, in
der gegenwärtigen Schrift auch meine Stimme über die wichtige Sache
abzugeben. Diese Veranlassung, so wie die lebhaft erregte Zeit worin
die Schrift erschien, sind darin unverkennbar, und hätte ich erst
jetzt über diese Frage zu reden gehabt, so würde es ohne Zweifel in
sehr verschiedener Weise geschehen seyn, obgleich in der Sache selbst
meine Überzeugungen nicht nur dieselben geblieben sind, sondern sich
auch durch fortgesetztes Nachdenken und manche nicht unbedeutende
Erfahrungen noch mehr begründet haben. Es konnte daher in Frage kommen,
diese Schrift durch Änderungen und Zusätze in eine solche Gestalt zu
bringen, worin sie etwa jetzt hätte erscheinen können. Allein bey
diesem Verfahren war keine Gränze zu finden, ja es hätte eigentlich auf
die gänzliche Vernichtung der früheren Schrift, und die Abfassung einer
neuen geführt. Deshalb habe ich einen völlig unveränderten Abdruck, wie
er gegenwärtig erfolgt, für zweckmäßiger gehalten. Über[[V]] einige
Stellen jedoch finde ich hier eine besondere Erklärung nöthig.

S. 48 ist die Rede von der nicht glücklichen Bearbeitung der
Rechtswissenschaft im achtzehnten Jahrhundert, und es wird dabey auch
die ungünstige Einwirkung eines vielfältigen flachen Bestrebens in der
Philosophie erwähnt. Diese Stelle haben Manche als ein absprechendes
Urtheil über philosophische Bestrebungen in der Rechtswissenschaft
überhaupt verstanden. Mir unbegreiflich; denn nach dem ganzen
Zusammenhang war lediglich die Rede theils von der unglücklichen
Anwendung Wolfischer Philosophie auf die Rechtswissenschaft, theils von
der Einwirkung der späteren Popularphilosophen. Diese Bestrebungen aber
dürften auch wohl gegenwärtig kaum Anhänger und Vertheidiger finden.

Im siebenten Abschnitt ist ein sehr ungünstiges Urtheil über die
Französischen Juristen der neuesten Zeiten niedergelegt. Nun sind zwar
die einzelnen dort zusammengestellten Thatsachen ganz richtig, und
auch an dem Tadel derselben läßt sich nicht füglich Etwas mindern:
dennoch ist das darauf gebaute Totalurtheil völlig einseitig und
ungerecht, indem Eine höchst achtbare Seite der juristischen Literatur
unsrer Nachbaren mit Stillschweigen übergangen wird. Die Ursache
dieser Einseitigkeit lag theils in der aufgeregten Stimmung gegen
diese Nachbaren, die in jenem Zeitpunkt so natürlich war, theils in
meiner unvollständigen Kenntniß ihrer Literatur, und ich benutze
gerne diese Gelegenheit, jenes zugefügte Unrecht durch ein offenes
Bekenntniß[[VI]] gut zu machen[132]. Die Sache ist nämlich die, daß
allerdings die gelehrte Seite der Rechtswissenschaft, und die mit ihr
zusammenhängenden Kenntnisse, seit langer Zeit in Frankreich sehr
vernachlässigt waren, obgleich auch hierin eine Anzahl jüngerer Männer
in den neuesten Zeiten rühmlichen Eifer an den Tag gelegt haben[133].
Dagegen hat bey ihnen die praktische Rechtswissenschaft einen hohen
Grad von Bildung erlangt und behauptet, und der darauf gegründete
Theil ihrer Literatur verdient die größte Achtung, und könnte mit
wesentlichem Vortheil von uns benutzt werden. So zum Beispiel
enthalten die Schriften von Merlin, sowohl das ~Répertoire~, als die
~Questions~ wahre Muster gründlicher, scharfsinniger, geschmackvoller
Behandlung von Rechtsfällen, und unsre praktisch-juristische Literatur
steht hierin der Französischen bey Weitem nach. Der Grund dieser
ihrer Trefflichkeit, neben den oben erwähnten Mängeln, liegt theils
in dem praktischen Geschick der Nation, theils in den Formen ihres
Prozesses, welche dem ausgezeichneten Talent Spielraum und Reiz in
hohem Grad gewähren, anstatt daß bey uns Richter und Sachwalter
ihr Geschäft in wenig anregender Unbemerktheit betreiben. Dagegen
bin ich weit entfernt, dem Code an diesen Vorzügen den geringsten
Antheil zuzuschreiben, und was sie Gutes haben,[[VII]] das haben sie
*ungeachtet* des Code, nicht *durch* denselben. Alles also, was gegen
diesen in meiner Schrift gesagt ist, muß ich noch jetzt für wahr
erklären. Und eben so das nachtheilige Urtheil über ihre Rechtsschulen,
deren Einrichtung gewiß jede freye Entwicklung der Rechtswissenschaft
in Frankreich hemmt. Ich sage dieses um so zuversichtlicher, als mir
dieses Urtheil durch die Stimme sehr achtbarer und einsichtsvoller
Franzosen bestätigt worden ist[134].

S. 138. Was hier von Blondeau's Darstellungsart des Römischen Rechts
erzählt wird, scheint, nach späteren Nachrichten, auf einem bloßen
Misverständniß zu beruhen. -- S. 144-146. Was hier über das juristische
Studium auf Preussischen Universitäten gesagt ist, hat sich seit jener
Zeit einigermaßen geändert. Über das Landrecht sind seit mehreren
Jahren Vorlesungen gehalten worden, auch von mir selbst, wobey ich die
handschriftlichen Materialien des Landrechts habe benutzen können.
Sogar ist neuerlich der Besuch solcher Vorlesungen, jedoch ohne Abbruch
der gelehrten Rechtsstudien, als nothwendig vorgeschrieben worden,
und schon das erste Examen wird jetzt mit darauf gerichtet. Dann hat
neuerlich der gegenwärtige Herr Justizminister die Benutzung der
Materialien zur öffentlichen Mittheilung gestattet[[VIII]], einige
ausgezeichnete Rechtsgelehrte sind jetzt damit beschäftigt, und so wird
der von mir S. 94 ausgesprochene lebhafte Wunsch auf die erfreulichste
Weise in Erfüllung gehen.

S. 153. Hier ist der Wunsch ausgesprochen, daß die Hemmungen des
Verkehrs zwischen den Universitäten verschiedener Deutscher Länder
weggeräumt werden möchten. Es ist bekannt, daß seitdem, und ganz
neuerlich von der Bairischen Regierung, sehr Vieles für diesen
wichtigen Zweck gethan worden ist.

In der gegenwärtigen Ausgabe hat meine Schrift zwey Beylagen erhalten.

Die erste Beylage ist eigentlich eine Fortsetzung der Schrift selbst,
und gehört also wesentlich an diese Stelle. Dasselbe zwar könnte man
auch noch von einer andern Abhandlung in der Zeitschrift sagen, von der
Recension über Gönner, B. 1. Nr. 17. Allein diese Abhandlung mußte,
nach der Art, wie sie veranlaßt wurde, großentheils den Charakter
einer persönlichen Polemik annehmen, und so wenig ich hiervon, auch
bey der ruhigsten Betrachtung, Etwas als ungerecht zurückzunehmen
Ursache finde, so fühle ich doch auch keine Neigung, diesen durch
zufällige Umstände herbeygeführten Streit nach Ablauf vieler Jahre,
und nach dem Tode des Gegners, durch neuen Abdruck aufzufrischen.
Allerdings betrifft Vieles auch in dieser Recension das Allgemeine des
damaligen Streits; demjenigen aber, welcher vollständige Akten liebt,
bleibt es ja unbenommen, sie in der Zeitschrift selbst aufzusuchen.
-- In dieser ersten Beylage ist nur Eine Stelle, worüber ich jetzt
Etwas hinzuzusetzen finde; es ist[[IX]] die Stelle S. 166, worin ich
gegen den oberflächlichen Gebrauch der Universalrechtsgeschichte
gewarnt habe. Diese Stelle ist mitunter so gedeutet worden, als ob
ich die Universalrechtsgeschichte überhaupt verwerfen wollte. Wer
sie jedoch mit unbefangener Wahrheitsliebe lesen will, der muß ein
solches Mißverständniß ganz unbegreiflich finden. Auch weiß ich in der
That kein neues Wort hinzuzusetzen, um mich gegen diese Misdeutung zu
verwahren.

Die zweyte Beylage enthält das Urtheil eines französischen Gerichtshofs
über den Entwurf zum Code, welches in meiner Schrift S. 80 angeführt
und gerühmt ist. Ich habe es jetzt abdrucken lassen, weil die
französische Sammlung worin es bekannt gemacht wurde, gewiß nur dem
kleineren Theil meiner Leser zugänglich ist.


Erste Beylage.

Stimmen für und wider neue Gesetzbücher.

Von *Savigny*.

  (Abgedruckt aus der Zeitschrift für geschichtliche
    Rechtswissenschaft, herausgegeben von *F. C. von Savigny*, *C. F.
    Eichhorn* und *J. F. L. Göschen*. B. 3. Heft 1. Berlin 1816. 8. S.
    1-52.)

[[163]] Wird ein wissenschaftlicher Streit lebhaft und mit
allgemeinerer Theilnahme geführt, so pflegt er neben großen Vortheilen
auch nicht geringe Gefahren mit sich zu führen. Daß jede Meynung im
Angesicht bestimmter Gegner vollständiger ausgebildet und fester
begründet wird, ist gewiß der Wahrheit förderlich, aber gar leicht
verliert der Streitende die Unbefangenheit, die allein der eigenen
und der fremden Meynung in allen Theilen und Wendungen Gerechtigkeit
wiederfahren lassen kann. So geschieht es, daß oft in demselben Maaße,
in welchem die Gegenstände selbst deutlicher werden, die Sehkraft
gerade derjenigen getrübt wird, von welchen die Meynung der übrigen
geleitet und bestimmt werden soll.

Diese guten und schlimmen Folgen mögen auch bey dem Streite eingetreten
seyn, der seit einigen Jahren über die Frage geführt worden ist,
wie unsere deutschen Staaten das bürgerliche Recht zweckmäßig zu
behandeln haben. Was ist dabey nun aber zu thun? Sollen wir schweigen,
damit die Leidenschaften sich legen, schweigen, bis wieder alles
gleichgültig über die Sache geworden ist? Mit nichten. Aber sorgfältig
bedenken sollen wir jene vorhin erwähnte Gefahr, und strenge seyn
gegen uns selbst und gegen andere. Denn in der eigenen, wie in der
entgegengesetzten Meynung, läßt sich wohl unterscheiden, was zu ihr
nach ihrer Natur gehört, von dem was Parteylichkeit hinzugefügt hat.
Überall, wo eine Schwäche der eigenen Meynung oder eine Stärke der
fremden umgangen oder verschwiegen wird, da ist es nicht mehr die
Meynung, welche redet oder verschweigt, sondern die Parteylichkeit,
und so bewußtlos wir auch seyn mögen bey dem Spiel, welches diese
Parteylichkeit mit uns treibt, so ist doch das Spiel selbst immer
verwerflich, und wir thun wohl, ihm überall nachzuspüren, in uns selbst
wie in unsern Gegnern.

[[164]] Dieses Vorwort sollte den Gesichtspunct angeben, von welchem
der folgende Aufsatz angesehen zu werden wünscht. Es soll in diesem
Aufsatz eine Übersicht gegeben werden über die verschiedenen Meynungen
und Äußerungen, die seit der Erscheinung meiner Schrift (1814) über
die Sache laut geworden sind, wobey ich mich aber weder zu absoluter
Vollständigkeit, noch zu strenger chronologischer Folge anheischig
mache.


~A.~ Stimmen *für* neue Gesetzbücher[135].


1. Thibaut.

  Über die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für
    Deutschland, zweyte Ausgabe, in: Civilistische Abhandlungen.
    Heidelberg 1814. 8. Seite 404 fg.

  Heidelbergische Jahrbücher

    1814 S. 929 fg.
    1815 S. 625 fg. S. 657 fg
    1816 S. 193 fg.

Daß die früheren Behauptungen des Vfs. von der wünschenswerthen
Einheit des Rechts durch ganz Deutschland, von der Nothwendigkeit
neuer Gesetzbücher u. s. w. hier wiederholt und bekräftigt werden,
versteht sich von selbst. Auch sollen hier nur diejenigen Äußerungen
herausgehoben werden, die entweder selbst neu sind, oder doch zu neuen
Entwicklungen Gelegenheit geben können.

So wird hier gegen die Meynung gestritten, nach welcher das Recht
eine unveränderliche, unbewegliche Natur haben solle: das Recht, wird
gesagt, sey vielmehr zu allen Zeiten veränderlich gewesen, und es
sey verderblich, dasselbe jetzt fest bannen zu wollen[136]. Allein
Unbeweglichkeit des Rechts ist in der That niemals behauptet worden.
Auch der menschliche Leib ist nicht unveränderlich, sondern wächst und
entwickelt sich unaufhörlich; und so betrachte ich das Recht jedes
Volkes, wie ein Glied an dem Leibe desselben, nur nicht wie ein Kleid,
das willkührlich gemacht worden ist, und eben so willkührlich abgelegt
und gegen ein anderes vertauscht werden kann.

Eine neue auffallende Aussicht eröffnet der Vf. der Rechtsgeschichte.
Sobald wir nur einmal von der Noth des gemeinen Rechts befreyt wären,
würde nach seiner Meynung die[[165]] Rechtsgeschichte, nicht mehr auf
ein einzelnes Volk beschränkt, alle Völker umfassen können. »Denn
das ist nicht die wahre belebende Rechtsgeschichte (sagt er), welche
mit gefesseltem Blick auf der Geschichte Eines Volkes ruht, aus
dieser alle Kleinigkeiten herauspflückt, und mit ihrer Mikrologie der
Dissertation eines großen Praktikers über das: ~et cetera~ gleicht.
Wie man den Europäischen Reisenden, welche ihren Geist kräftig
berührt, und ihr Innerstes umgekehrt wissen wollen, den Rath geben
sollte, nur außer Europa ihr Heil zu versuchen: so sollten auch unsre
Rechtsgeschichten, um wahrhaft pragmatisch zu werden, groß und kräftig
die Gesetzgebungen aller andern alten und neuen Völker umfassen.
Zehn geistvolle Vorlesungen über die Rechtsverfassung der Perser
und Chinesen würden in unsern Studierenden mehr wahren juristischen
Sinn wecken, als hundert über die jämmerlichen Pfuschereyen, denen
die Intestaterbfolge von Augustus bis Justinianus unterlag«[137].
Ausführlicher ist diese Forderung einer Universalrechtsgeschichte
schon früher von *Feuerbach* ausgesprochen worden[138]. Etwas Wahres
liegt in dieser Ansicht, aber so dargestellt, wie es von *Feuerbach*
und noch mehr von *Thibaut* geschehen ist, muß es zu argem Irrthum
verleiten. Zuvörderst ist keine Verwechslung verderblicher, als die
der Mikrologie mit specieller Detailkenntniß. Mikrologie nämlich muß
jeder vernünftige Mensch gering schätzen, aber genaue und strenge
Detailkenntniß ist in aller Geschichte so wenig entbehrlich, daß sie
vielmehr das einzige ist, was der Geschichte ihren Werth sichern kann.
Eine Rechtsgeschichte, die nicht auf dieser gründlichen Erforschung des
Einzelnen beruht, kann unter dem Namen großer und kräftiger Ansichten
nichts anderes geben, als ein allgemeines und flaches Räsonnement
über halbwahre Thatsachen, und ein solches Verfahren halte ich für
so leer und fruchtlos, daß ich daneben einer ganz rohen Empirie den
Vorzug einräume. Daraus folgt, daß wenigstens der Römischen und
Deutschen Rechtsgeschichte die Zeit und Kraft nicht würde abgespart
werden können, welche auf das Persische und Chinesische Recht zu
verwenden wäre. Außerdem aber ist wohl zu bedenken, daß es für das
Recht der allermeisten Völker und Zeiten an allem irgend brauchbaren
geschichtlichen Material fehlen muß. Wir können im allgemeinen gute
Nachrichten von dem Zustand eines Volkes haben, während wir über die
Verfassung und das bürgerliche Recht desselben wenig wahres wissen:
denn diese Gegenstände fordern einen geübten Blick, und wer sie[[166]]
ohne diesen darzustellen unternimmt, der wird meist das eigentlich
wahre und lehrreiche übersehen, wie wir dieses gar nicht blos an
Reisebeschreibern gewahr werden, sondern selbst an einheimischen
Geschichtschreibern, die aus Mangel an eigener Sachkenntnis den Leser
oft mehr verwirren als belehren. Endlich muß ich besonders gegen
die Unparteylichkeit protestiren, womit die Rechtsgeschichte aller
Völker als ungefähr gleich interessant und lehrreich dargestellt wird.
Abgesehen davon, daß hier eben so wie in andern Dingen die Virtuosität
mancher Völker einen nicht geringen Unterschied macht, wie denn z. B.
die Betrachtung Griechischer Kunstwerke den Kunstsinn mehr entwickeln
wird, als die der Chinesischen -- davon abgesehen, ist ein anderer
Unterschied ganz entscheidend. Auch hierin kommt nämlich alles auf
die Grundfrage an, ob (wie ich glaube) das Recht, welches mit einer
Nation geboren ist, und eben so das ursprünglich fremde, was aber
viele Jahrhunderte in ihr gelebt hat, ein Stück ihres eigenen Wesens
geworden ist, oder ob (nach der Lehre der Gegner) jeder Augenblick
fragen kann und darf, welches Recht im nächsten Augenblick gelten
solle, so daß bey dieser Überlegung die Gesetzbücher aller Zeiten und
Völker zu gleichmäßiger beliebiger Auswahl vor uns ausgebreitet liegen
sollen. Von meinem Standpunct aus würde demnach der Rechtsgeschichte
verschiedener Völker eine sehr ungleiche Wichtigkeit zugeschrieben
werden müssen. Das wichtigste nämlich ist und bleibt die Geschichte der
uns angehörigen Rechte, d. h. der Germanischen Rechte, des Römischen
und des Canonischen Rechts: wobey jedoch zu bedenken ist, daß das
Germanische Recht wissenschaftlich keinesweges auf das in Deutschland
geltende zu beschränken ist, sondern vielmehr alle Germanische Stämme
umfaßt. Die Rechte der ganz fremden Nationen aber haben wieder ein
sehr ungleichartiges Interesse für uns, je nachdem der Zustand
dieser Völker mit dem unsrigen mehr oder weniger Verwandtschaft hat,
so daß uns deshalb das Recht aller christlich Europäischen Nationen
von nicht Germanischem Stamme, dieser fremden Abstammung ungeachtet,
viel näher angeht, als die Rechte orientalischer Völker. *Es versteht
sich aber von selbst, daß hier blos von einem verschiedenen Grad des
Interesse die Rede ist, und daß schlechthin keine Kenntniß dieser
Art, wenn sie nur eine wirkliche Kenntniß ist, gering geachtet
werden soll.* Sind diese Ansichten richtig, so folgt daraus, daß in
unsrer Art, die Rechtsgeschichte zu behandeln, ein sehr fühlbarer
Mangel allerdings statt findet, indem das Recht der verschiedenen
Europäischen Nationen, besonders derjenigen, welche Germanischer
Abkunft sind, nicht vernachlässigt werden sollte. Denn erstens ist,
dieses zu lebendiger, fruchtbarer Kenntniß zu bringen, möglich, und
zweytens liegt es unserm eigenen[[167]] Rechtszustand so nahe, daß
dieser nur in Verbindung damit allseitig erkannt werden kann. Es wäre
zu wünschen, daß selbst auf unsern Universitäten die Gelegenheit zu
solchen Vorlesungen nicht fehlen möchte, und daß junge tüchtige Männer
von den Regierungen dazu ausersehen und unterstützt würden. Eine
unerläßliche Forderung aber müßte seyn, daß solche Männer nicht blos
durch gründliches Quellenstudium, sondern zugleich durch den Aufenthalt
in England, Dänemark, Schweden u. s. w. sich gebildet hätten, wodurch
allein ihre Kenntniß Leben und Anschaulichkeit gewinnen könnte. Wie
viel bey dieser Erweiterung der Rechtsgeschichte auch die allgemeine
Völkergeschichte gewinnen müßte, ist einleuchtend: aber auch Thibaut,
und wer sonst von der Gesetzgebung alles Heil erwartet, müßte in diesen
Wunsch einstimmen. Denn auch für die Gesetzgebung würde es gewiß ein
wesentlicher Vortheil seyn, wenn Männer daran arbeiteten, die ihren
Gesichtskreis durch so vielseitige Rechtsanschauung erweitert hätten.

Mehrmals hat Thibaut aufmerksam darauf gemacht, daß die Masse, die wir
zu bearbeiten haben, stets anwächst, und daß es also immer schwerer,
ja dem Einzelnen unmöglich werde, diese Masse, sowohl was die Quellen,
als was die Literatur betrifft, vollständig zu verarbeiten[139]. Diese
Klage ist gegründet, und jeder, der gewissenhaft arbeitet, wird sich
oft durch diesen Zustand gedrückt fühlen. Aber wie war es möglich, zu
übersehen, daß dieser Zustand gerade auch die gründliche Abfassung
neuer Gesetzbücher hemmt, also ein sehr wichtiger Grund gegen Thibauts
Aufforderung zu einem allgemeinen Gesetzbuche ist? Wir können uns doch
nicht anmaaßen, in einem Fache, das sich so ins Einzelne ausgebildet
hat, wie das bürgerliche Recht, alles durch gute Einfälle vortrefflich
entscheiden zu wollen, wir können des guten Rathes der Zeitgenossen
und der Vorfahren doch nicht entbehren, was auch Thibauts Meynung gar
nicht ist. Bey jenem Zustand der Quellen und der Literatur aber kann
es gar leicht kommen, daß uns in gar vielen Stücken die einzig rechte,
längst gefundene Ansicht (die gar nicht immer die herrschende oder
bekannteste ist) entgieng, nicht weil wir ihre Richtigkeit verkannten,
sondern lediglich weil sie uns der Zufall nicht vor die Augen führte.
Wollen wir aufrichtig seyn, so müssen wir gestehen, daß der oben
bemerkte Zustand keiner der beyden Meynungen ein neues Gewicht giebt,
weil er für beide gleich unbequem und hinderlich ist. Darum scheint
es räthlich, dabey unsern Streit zu vergessen, und uns brüderlich zu
berathen, wie dem Übel abzuhelfen seyn möchte, das wir nicht[[168]]
hervorgebracht und nicht zu verantworten haben. Ich werde am Schlusse
dieses Aufsatzes meine Gedanken hierüber mittheilen.

Manche neue Äußerungen Thibauts verdienen wieder ungetheilten Beyfall.
So diese Stelle: »Betrieben unsre Deutschen Regenten die Sache wieder
kümmerlich, wie früher so manche andre wichtige Staatsangelegenheit,
so würde ich gern der Erste seyn, um das neue Werk mit einer rüstigen
Strafrede anzufallen«[140]. Eben so der Wunsch, daß in Ermanglung eines
allgemeinen Deutschen Gesetzbuches doch lieber von mehrern Staaten
gemeinschaftlich, als von jedem einzeln, ein Gesetzbuch gemacht werden
möchte. »Nicht allein der bürgerliche Verkehr macht dies im höchsten
Grade räthlich, sondern auch der Umstand, daß selten ein einzelnes
Deutsches Land im Stande ist, ein vollendetes bürgerliches Recht durch
die Kräfte seiner eignen Rechtsgelehrten zu schaffen«[141].

Etwas deutlicher, als früher, erklärt sich jetzt Thibaut über die
Art, wie er sich die collegialische Mitwirkung bey Abfassung eines
Gesetzbuchs denkt: es soll nämlich über einzelne, vorgelegte Fragen
votirt werden[142]. Dieses ist allerdings sehr begreiflich, aber auf
diese Weise entsteht kein Buch. Die Hauptsache ist und bleibt die
Redaction des Ganzen, und diese würde doch immer einem Einzelnen anheim
fallen müssen, obgleich sie nachher von Andern geprüft und verbessert
werden könnte.

Thibaut vermuthet, es werde in Deutschland kein allgemeines
Gesetzbuch zu Stande kommen, vielmehr werde jedes Land sein eigenes
Particularrecht bekommen (welches freylich der traurigste Erfolg
seyn würde). »Damit ist denn« fügt er hinzu »natürlich auch die
Rechtswissenschaft zu Grunde gerichtet, und man wird dann den Freunden
der Wissenschaft, welche jetzt für das Alte kämpfen, auch wieder sagen
können, was man so oft sagen muß: Gott bewahre uns nur vor unsern
Freunden«[143]. Das klingt beynahe so, als ob die Stimmen, welche gegen
ein allgemeines Gesetzbuch sich erhoben haben, die Abfassung desselben
gehindert und dagegen eine Geneigtheit für besondere Gesetzbücher
hervorgebracht hätten. Doch mag dieses blos im Ausdruck liegen, denn
im Ernst wird niemand behaupten, daß ohne jene Stimmen ein allgemeines
Gesetzbuch wahrscheinlich zu Stande gekommen wäre. Das Streben mancher
Regierungen, alles gemeinsame von sich abzuhalten, ist schwerlich durch
jene Schriften erzeugt worden,[[169]] ja wenn diese Schriften wirklich
hätten zu ihrer Kenntniß kommen und ihren Beyfall erhalten können, was
sehr zu bezweifeln ist, so würde ihre Wirkung gerade darin bestanden
haben, das willkührliche Fixiren von Particularrechten der einzelnen
Staaten vor allem andern zu verhindern.


2. Feuerbach.

  Vorrede zu: *Nepomuk Borst*, die Beweislast im Civilprozeß. Bamberg
    und Leipzig. 1816. 8.

Die Entscheidung oder Vermittlung des Streits, sagt F., solle in
diesen wenigen Worten nicht versucht werden; allein er halte es für
recht und gut, daß in einer solchen Sache jeder seine Gesinnung
öffentlich ausspreche[144]: welcher Äußerung gewiß jeder Unbefangene
vollen Beyfall geben wird. Darin ist F. mit mir einverstanden, ja er
hält es für etwas nie bestrittenes, »daß alles auf Entwickelung und
Darstellung des volksthümlichen, in das Leben der Nation übergegangenen
Rechts ankomme« (S. XVI.). Nur findet er es unbegreiflich, was die
*Geschichte* mit der Erforschung dieses gegebenen, im Volk lebenden
Rechtes zu thun habe. »Die Geschichte erklärt, wie Etwas nach und nach
*geworden*; *wie* und *was* dieses Etwas *sey*, lehrt die Geschichte
nicht. Was der Geschichte angehört, ist schon dem Leben abgestorben«
u. s. w. (S. XVII.). Diese Ansicht der Geschichte ist sehr befremdend.
Ist es denn möglich, die Gegenwart eines organischen Zustandes anders
zu begreifen, als in Verbindung mit seiner Vergangenheit, d. h. anders,
als auf genetische Weise? Ein trefflicher Schriftsteller drückt dieses
also aus: »Aus demjenigen, was einst als Recht *gegolten hat*, ist
hervorgegangen das jetzt geltende Recht, und dieses ist nur darum das,
was es ist und wie es ist, weil das Alte, indem es *veraltete*, das
Neue geboren hat. In der Vergangenheit von Jahrtausenden liegt der Keim
zu der Gesetzgebung, der wir jetzo dienen. Der Keim mußte verwesen,
damit die Frucht entstände: kann ich aber das Daseyn der Frucht
begreifen, ohne von ihrem Seyn zu ihrem Werden und von ihrem Werden
zum letzten Grund ihres Werdens zurückzugehen? Nur der Geisterpöbel
steht gaffend vor dem, was ist, und sieht nichts weiter und will nichts
weiter sehen, als daß es ist: aber das *wie?* und das *warum?* hat
jeder Geist von besserer Art sich vorbehalten«[145].

Offenbar liegt jener neuesten Äußerung Feuerbachs dieselbe Verwechslung
zum Grunde, die auch schon bey andern Schriftstellern vorgekommen ist:
die Verwechslung nämlich der[[170]] geschichtlichen Ansicht des Rechts
mit einer besondern Vorliebe für das Alterthümliche vor der Gegenwart,
oder gar des Römischen vor dem Vaterländischen.

Zuletzt werden die Gegner der Gesetzbücher durch das Beyspiel der
Römer beschämt, die durch gesunden Verstand geleitet, ihre zwölf
Tafeln niedergeschrieben hätten, ohne sich durch die Bedenklichkeiten
stören zu lassen, die jetzt den neuen Gesetzbüchern entgegengestellt
würden (S. XXII-XXVI). Hält man damit zusammen, was vorher (S. VI-X)
über das unpraktische unsrer theoretischen Juristen gesagt wird, so
sollte man denken, der ganze Streit werde geführt zwischen Praktikern,
die Gesetzbücher verlangten, und Theoretikern, die aus unpraktischem
Sinn sie verweigerten. Aber das ist eben unser Unglück, daß uns die
wahren Praktiker fehlen, indem unsre Praktiker größtentheils doch
wieder nichts sind, als Theoretiker, die nur meist auf halbem Wege
stehen geblieben sind. Darin eben war es zur Zeit der zwölf Tafeln
ganz anders, indem damals niemand das Recht niederschrieb, als wer die
anschaulichste, lebendigste Kenntniß davon hatte, und indem nicht mehr
niedergeschrieben wurde, als was Gegenstand unmittelbarer Anschauung
und Erfahrung seyn konnte. Aber wie wir jetzt stehen, können wir kein
Gesetzbuch machen, das etwas anderes wäre, als eine wissenschaftliche
Arbeit, so daß unsere Gesetzbücher im günstigsten Fall von den
eigenthümlichen Gebrechen unsres in Abstractionen lebenden Zeitalters
nicht werden frey bleiben können. Darum scheint es denn in der That
nicht ganz passend, sich auf die zwölf Tafeln zu berufen, wenn die
Räthlichkeit neuer Gesetzbücher durch Beyspiele aus der Vergangenheit
ausgemittelt werden soll. Soll dieser Weg eingeschlagen werden, so ist
es offenbar passender, das Beyspiel aus einem dem unsrigen verwandten
Zustand herzunehmen. Ich wähle dazu das Bairische Criminalgesetzbuch
vom J. 1813[146].

Nachdem zu diesem Gesetzbuch eine große Menge von Materialien aller
Art gesammelt, auch ein erster Versuch mislungen war, wurde im J. 1804
*Feuerbach* mit dieser Arbeit beauftragt. Der von demselben abgefaßte
Entwurf wurde zuerst von einer eigenen Gesetzcommission, dann von einer
Commission des geheimen Raths, endlich von dem versammelten geheimen
Rathe geprüft und verbessert, und so nach neun Jahren das Resultat
dieser vielseitigen ernstlichen Bemühungen zum Gesetzbuch erhoben[147].
Es war also gewiß nichts[[171]] versäumt worden, was dem wichtigen
Werk die höchste Vollendung geben konnte, weder in der wiederholten
sorgfältigen Prüfung, noch in der Abfassung des Entwurfs, indem diese
dem Manne aufgetragen war, der in seinem Fache geradezu den ersten
Ruf genoß, einen Ruf, wie er im Civilrecht keinem einzelnen unter
den jetzt lebenden Gelehrten zu Theil geworden ist. Wir haben keine
genaue Nachricht von dem Verfahren bey Abfassung der zwölf Tafeln,
aber wir können mit Sicherheit annehmen, daß so viel Vorsicht dabey
nicht angewendet worden ist. Und was ist nun das spätere Schicksal
jenes Gesetzbuchs vom J. 1813 gewesen[148]? Es sind bis jetzt zu
demselben, theils im Regierungsblatt, theils in besonderen Abdrücken,
*Ein Hundert und Eilf* abändernde Novellen erschienen, deren eine
(vom 25. März 1816) die Lehre vom Diebstahl ganz neu bestimmt: die
gänzliche Umarbeitung der Lehre von Unterschlagung und Betrug war
noch nicht erschienen, circulirte aber unter den Mitgliedern der
Gesetzcommission. Daß eine so plötzliche Rechtsabwechslung kein
glücklicher Zustand ist, wird jeder zugeben. Und ferner, wie man
auch über Gesetzbücher denken möge, wird man einräumen müssen, daß
hier von zwey Dingen eines wahr seyn muß. Entweder nämlich ist Grund
zu dieser schnell durchgreifenden Änderung gewesen oder nicht. Im
ersten Fall hat denn also ein Gesetzbuch, ungeachtet der großen oben
bemerkten Vorsichtsmaaßregeln, in diesem Grade mislingen können. Im
zweyten Fall hat man ganz willkührlich ein gutes Gesetz gleich nach
seiner Einführung preis gegeben, ohne Rücksicht auf die Sicherheit
und Festigkeit des Rechts, die dadurch aufs äußerste gefährdet werden
mußte[149]. Welcher dieser beiden Fälle nun auch der wahre seyn mag
(worüber ich mich alles Urtheils enthalte), so scheint in der That
eine Zeit, in welcher einer derselben eintreten konnte, keinen Beruf
zur Abfassung eines Gesetzbuchs zu haben. Und was soll man dazu sagen,
wenn bey solchen Erfahrungen *Thibaut* die Hoffnung hegen kann,
das Gesetzbuch, welches er fordert, werde viele Jahrhunderte dem
bürgerlichen Leben zur Grundlage dienen[150]! Wird man etwa erwiedern,
bey dem künftigen Gesetzbuch müsse alles vortrefflich gemacht werden,
was bey jenem versehen worden, und die Regierungen, die bis jetzt
wohl willkührlichen Änderungen allzu leicht Raum gegeben hätten,
müßten von nun an die höchste Beharrlichkeit im Festhalten[[172]]
des Aufgestellten beweisen? Aber dann kann ich mich nicht enthalten,
an *Thibauts* eigene Worte zu denken: »In der That! es veranlaßt
sehr trübe Gedanken, wenn man täglich sehen muß, wie unsre mehrsten
politischen Ansichten auf Träumereyen hinausgehen. Man ersinnt sich
recht etwas Ideales, macht nur die einzige kleine Voraussetzung, daß
die Weisen und Gerechten die Vollstreckung besorgen, und dann geht
alles in Lust und Freude von Statten«[151].


3. Pfeiffer.

  Ideen zu einer neuen Civilgesetzgebung für Teutsche Staaten, von
    ~D.~ B. W. Pfeiffer, Kurf. Hessischem Regierungsrath zu Cassel.
    Göttingen 1815. 8.

Es ist ungemein erfreulich, daß in diesem Buche ein erfahrner
praktischer Jurist seine Stimme in dieser wichtigen Sache hat abgeben
wollen, indem die Vielseitigkeit der Ansichten dadurch sehr befördert
werden muß. Vor allem verdient es ehrenvolle Erwähnung, daß der
Verfasser die Unentbehrlichkeit der gelehrten Bildung selbst für
den praktischen Zweck anerkennt (S. 5 und 84 fg.), und daß er bey
Begründung des neuen Rechtszustandes hierauf besondere Rücksicht
genommen wissen will. Und gewiß, der Verfasser hatte darüber ein sehr
gültiges Urtheil, indem er selbst eine gründliche gelehrte Bildung in
seinem Fach durch geschätzte Schriften bewährt hat, und indem er zur
Westphälischen Zeit in der Lage gewesen ist, zu bemerken, wie traurig
der Zustand eines Rechts ist, welches auf blos mechanische Weise zum
Zweck der äußeren Nothdurft hinlänglich erlernt werden kann (S. 65. 66).

Das eigenthümliche seines Vorschlags, wodurch dieser Zweck mit dem
der Rechtseinheit u. s. w. verbunden werden soll, besteht darin: alle
bisher geltende Rechtsquellen, auch das Gewohnheitsrecht, sollen
abgeschafft und durch ein neues Gesetzbuch ersetzt werden; dieses
Gesetzbuch soll im Ganzen auf das jetzt geltende Recht gebaut seyn,
soll nur allgemeine und nur positive (nicht schon naturrechtliche)
Grundsätze enthalten, soll aber dennoch ganz vollständig seyn, um, wie
schon bemerkt, alle anderen Quellen entbehrlich machen zu können (S.
62-64, S. 78). Eigentlich heißt das also nur so viel: das Gesetzbuch
soll nicht ausführlich seyn, wie das Preußische Landrecht, sondern
kurz, wie das Österreichische Gesetzbuch: etwas neues in dem ganzen
Plane, wovon also auch ganz eigene Früchte zu hoffen wären, kann ich
nicht entdecken. Auch hier also bleiben die allgemeinen Gegengründe
bestehen: daß wir auf keine Weise ausgerüstet sind, ein solches
Gesetzbuch[[173]] zu machen[152], daß das wissenschaftliche Leben des
Rechts untergehen wird, und daß das Gesetzbuch zum Behuf der Anwendung
doch wieder eine unsichtbare Umgebung von Gerichtsgebrauch, Doctrin
oder wie man es sonst benennen will, erhalten muß, die dann das
eigentlich herrschende seyn wird, die sich aber auf eine zufällige,
willkührliche, bewußtlose Weise bilden wird, während sie jetzt in dem
Zusammenhang mit früheren Jahrhunderten eine herrliche Lebenswurzel
findet. Eine solche geistige, unsichtbare Umgebung ist überall, auch
bey dem reichhaltigsten und durchgreifendsten Gesetzbuch der wahre
Sitz des lebenden Rechts, und es ist unbegreiflich, wie der Vf. (S.
47. 50) Hugo's Behauptung, daß es so sey, für etwas ganz eigenes
und unerhörtes hat halten können. Das Preußische Landrecht z. B.
verbietet ausdrücklich alle dem Gesetz derogirende Gewohnheiten, und
insbesondere alle Rücksicht auf den Gerichtsgebrauch[153], und dennoch,
so neu dieses Gesetzbuch auch ist, hat sich durch die Anwendung in
den Gerichten so vieles modificirt, ergänzt, anders gestellt, daß das
geschriebene Landrecht mit dem in den Preussischen Gerichten lebenden
Recht keineswegs identisch ist. So ist es überall und so muß es
überall bleiben, nur wird darin ein großer Unterschied seyn, ob jene
unsichtbare Umgebung mehr im Gerichtsgebrauch, oder in der allgemeinen
Volkssitte, oder in der Lehre der Schulen, oder in der Lehre der
Schriftsteller, und hier wieder der gelehrten oder blos praktischen
besteht. Jede Einseitigkeit hierin ist nachtheilig, und das gehörige
Gleichgewicht und die Wechselwirkung dieser Kräfte (wozu aber auch
Berührung und Gemeinschaft gehört) ist allein ein gesunder Zustand. Das
schlimmste aber ist, sich über die Unvermeidlichkeit dieses Zustandes
zu täuschen, und von der vermeynten Vortrefflichkeit irgend eines neuen
Gesetzbuchs sich zu der Meynung verleiten zu lassen, daß dasselbe in
Wahrheit das Recht unmittelbar und ausschließend beherrschen werde.

[[174]] In einem zweyten Abschnitt (»Grundlinien einer neuen
Civilgesetzgebung«) giebt der Vf. Vorschläge zu neuen Gesetzen
über diejenigen Gegenstände, in welchen er neue Bestimmungen für
besonders nöthig hält. Dieser specielle Theil des Werks verdient
große Aufmerksamkeit: er macht nämlich recht anschaulich, wie wenig
wir, auch politisch betrachtet, in der Lage sind, die Abfassung
neuer Gesetzbücher wünschen zu können. Und wie könnte es auch anders
seyn! Mehr als ein halbes Jahrhundert hat eine trostlose Aufklärerey
den politischen wie den religiösen Glauben wankend gemacht. Nachdem
sie lange Zeit durch Milde und Freundlichkeit alle Herzen gewonnen
hatte, hat sie dann, in ihrem innern Wesen stets dieselbe, in der
Französischen Revolution und in Buonapartes Despotismus sich etwas
herb erwiesen: diese Revolution und die Folgen dieses Despotismus
hat Deutschland großentheils auch äußerlich, weit mehr aber auf
geistige Weise mit durchlebt. Und so stehen wir jetzt in allgemeiner
Ungewißheit: bürgerliche und kirchliche Verfassung sind aus allen Fugen
gewichen, und auch die ordnende Sitte der Privatverhältnisse hat dem
allgemeinen Schwanken nicht entgehen können. Viel guter Wille hat sich
im einzelnen dabey erhalten: alles fühlt das drückende dieses Zustandes
und die Sehnsucht nach einem besseren. Und einen solchen Zustand
des Übergangs wollten wir durch geschriebene Buchstaben fixiren auf
Jahrhunderte? Man wird sagen, gerade dieses Schwanken müsse gehoben
werden durch eine feste, vorgeschriebene Regel. Nichts ist eitler
als diese Hoffnung. Erstlich muß die vollkommenste Regel fruchtlos
bleiben, so lange ihr nicht eine entschiedene Richtung im Volk, eine
Empfänglichkeit dafür, entgegen kommt: der gute Wille, die unbestimmte
Sehnsucht nach einem bessern Zustand, ist dazu nicht hinreichend.
Zweytens wer soll diese Regel finden? jene Verwirrung der Begriffe und
Grundsätze, als Folge der durchlebten inneren und äußeren Revolutionen
findet sich keinesweges blos im Volk, sondern gerade auch bey denen,
welche das Gesetzbuch zu machen hätten. Man versuche es nur, ein
Collegium zu diesem Zweck zu bilden, und man wird fühlen, wie rathlos
gerade in den wichtigsten Dingen die Ansichten durch einander laufen
werden. Dagegen dann kein Stimmenzählen helfen!

Einige Beyspiele aus den Vorschlägen des Verfs. mögen das Gesagte
anschaulicher machen. Kirchenbücher läßt er sich S. 132. 133 höchstens
aus Noth gefallen: eigentlich aber sollen sie illiberal seyn, weil
nicht auch Juden, Türken und Heiden darin stehen können. Am besten
wäre es daher, wenn die Gerichtsschreiber der untern Justizbehörden
die Geburts- und Sterbelisten führten. -- Allerdings ist der abstracte
Begriff des Staates von dem der Kirche verschieden: aber soll uns
dieser Abstraction zu Gefallen nun auch noch das wenige[[175]] an
Würde, was sich hie und da in unsern öffentlichen Verhältnissen
erhalten hat, genommen werden? Nicht zu gedenken, daß jene Listen sehr
gewiß von den Schreibern der Untergerichte liederlich und schlecht
geführt werden würden, ohne Vergleich schlechter, als es jemals von den
Geistlichen zu befürchten ist.

Eben so wird es S. 135. 138 als Überrest von Barbarey verworfen,
zwischen Einheimischen und Fremden, noch mehr aber, zwischen Christen
und Juden einigen Unterschied machen zu wollen. -- Dieses hängt damit
zusammen, daß wir schon lange den Begriff des Bürgers eigentlich ganz
verloren haben, und nur noch von Menschen und Unterthanen wissen
wollen. Diese Ansicht hatte sich einestheils durch eine mißverstandene,
übel angewendete Humanität eingeschmeichelt: anderntheils war den
Regierungen der überall gleichförmige und passive Begriff des
Unterthans viel bequemer und angenehmer, als der des Bürgers. Aber wie
ohne eigentliche, wahre Bürger ein gesunder kräftiger Staat bestehen
könne, ist nicht wohl abzusehen, und wer dieses einräumt, wird auch
die Aufstellung sichtbarer Gränzen zwischen Bürgern und Fremden nicht
absolut verwerfen können. Härte und Unmenschlichkeit freylich soll in
keinem Fall geduldet werden. Auch in Rom durfte man die Peregrinen
bekanntlich nicht todt schlagen, ja sie hatten ziemlich frühe einen
eigenen Prätor. Von unmittelbarer Nachahmung kann hier freylich gar
nicht die Rede seyn, auch ist schon das Verhältniß der christlich
Europäischen Staaten zu einander ganz eigener Art. Aber auch hier ist
die Vernichtung aller Gränze ganz unnatürlich. Vollends die Juden sind
und bleiben uns ihrem innern Wesen nach Fremdlinge, und dieses zu
verkennen konnte uns nur die unglückseligste Verwirrung politischer
Begriffe verleiten; nicht zu gedenken, daß diese bürgerliche und
politische Gleichstellung, so menschenfreundlich sie gemeynt seyn mag,
dem Erfolg nach nichts weniger als wohlthätig ist, indem sie nur dazu
dienen kann, die unglückselige Nationalexistenz der Juden zu erhalten
und wo möglich noch auszubreiten.

Der Ehe soll nach S. 142. 143 die bürgerliche Form der Trauung
eigentlich allein natürlich seyn. Da die Ehe indessen auch noch eine
moralische Seite habe, und wegen unsrer Gewöhnung, wird nebenher auch
noch die kirchliche Form zugelassen, jedoch nur als durch kirchliche
Verordnungen vorgeschrieben, welche festsetzen: »daß zu der in dem
Gesetzbuch bestimmten bürgerlichen Form die hergebrachte kirchliche
als wesentlich hinzukomme«. Das bürgerliche Recht müßte also wohl
consequenterweise eine Ehe ohne kirchliche Trauung anerkennen, und nur
die Kirche könnte etwa in einem solchen Fall strafen oder auch ihre
Einwilligung versagen. Doch dem sey wie ihm wolle, und die Wirkung des
Grundsatzes[[176]] mag noch so sehr gemildert seyn, so ist es doch
immer ein merkwürdiges Beyspiel, wie weit sehr wackere Männer geführt
werden können, wenn sie die Bestimmung aller menschlichen Verhältnisse
von oben herab als das naturgemäße ansehen. Zwar in Ländern, welche
bisher unter dem Code gelebt haben, mag jener Vorschlag des Vfs.
weniger auffallen. Aber man denke sich nun ein Deutsches Land, worin
der Code nicht galt, dessen Einwohner also nie etwas anderes als
kirchliche Trauung gekannt haben, gewiß ohne jemals das Bedürfniß einer
Änderung hierin zu empfinden. In einem solchen Lande soll nun daneben
die bürgerliche Trauung eingeführt werden, und zwar als die Hauptsache,
vielleicht gar so, daß die Ehe durch sie allein schon rechtsbeständig
werden kann: und so soll ein solches Land, einer bloßen Abstraction
zu Gefallen, dieses Stück der Revolution noch hintennach zu genießen
bekommen! Daß dadurch das Wesen der Ehe, als eines (vor allem andern)
christlichen Verhältnisses verkannt und beeinträchtigt wird, ist
freylich die Hauptsache; aber selbst wer hierüber anders und neutraler
dächte, müßte doch solche Vorschläge schon aus allgemeinen Gründen
bedenklich finden. In unsrem Leben hat sich so wenig alte, unantastbare
Sitte und würdige Form erhalten, daß wir wahrlich nicht Ursache haben,
das wenige, was sich noch gerettet haben mag, hintanzusetzen.

Die Ehescheidung durch gemeinsamen Willen soll nach S. 151 frey gegeben
werden, noch freyer als im Preussischen Recht, und nur an erschwerende
Formen gebunden. Dabey liegt ohne Zweifel die sehr verbreitete Ansicht
zum Grunde, daß das Recht überhaupt für nichts anderes zu sorgen
habe, als für die höchste Freyheit der Einzelnen, gleich als ob die
Idee der Ehe nicht auch ihr Daseyn und ihr Recht haben müßte. Doch
dieses auseinander zu setzen, würde hier zu weit führen. Aber auch
rein praktisch genommen wird für die allermeisten Ehescheidungen
gerade durch diese Leichtigkeit erst das Bedürfniß entstehen. Sehr
selten ist eine wahre innere Nothwendigkeit vorhanden, fast überall
entsteht das Bedürfniß blos daher, daß einer der Ehegatten, oder auch
beide nicht den ernsten Willen haben, sich selbst etwas zuzumuthen:
und gerade diese Stimmung kann gewiß nicht sicherer befördert werden,
als durch ein Gesetz, welches die absolute Willkühr der Scheidung
festsetzt. Darüber hat Erfahrung entschieden, ja es ist Erfahrung, daß
da, wo freye Ehescheidung gilt, gar manche Ehe mit Rücksicht darauf
leichtsinniger geschlossen wird.

Der Familienrath des Code war bekanntlich das Stück desselben, worüber
sich viele Deutsche Juristen vor Bewunderung gar nicht zu lassen
wußten. Es ist daher sehr merkwürdig, daß hier S. 164 aus Erfahrung
die gänzliche Unbrauchbarkeit[[177]] dieses Instituts bezeugt wird.
Der eigene Vorschlag des Vfs. aber (S. 167) ist so künstlich und
zusammengesetzt, daß ich ihn für noch unausführbarer halte. Schwerlich
wird dem Vormundschaftswesen anders gründlich geholfen werden können,
als in Verbindung mit Entwicklungen unsrer Communalverfassungen,
die auch in jeder andern Rücksicht höchst wünschenswerth und nichts
weniger als Luftschlösser sind. Es kommt also auch hier darauf an, ob
wir, so lange uns die dazu nöthigen Einrichtungen fehlen, irgend eine
Regel fixiren wollen, die zu keinem rechten Ziel führen kann, und die
bey einer gründlichen Verbesserung unsres übrigen Zustandes als ganz
untauglich wird verworfen werden müssen.

Im Hypothekenrecht (S. 179) spricht der Vf., so wie alle, die in diesen
Zeiten der Sache erwähnt haben, für die unbeschränkte mechanische
Erleichterung des Realcredits, und es ist ihm nur um die Mittel zu
diesem Zweck zu thun. Ich verkenne gar nicht die Mängel des Römischen
Hypothekenwesens, besonders wie es durch neuere Constitutionen
ausgebildet worden ist: aber es ist mir unbegreiflich, und kein
sonderliches Zeichen für den praktisch-politischen Sinn, aus welchem
die Vorschläge zu neuen Gesetzgebungen hervorzugehen pflegen, daß man
so ganz mit sich im reinen zu seyn scheint, obgleich darüber sehr im
Großen bedenkliche Erfahrungen gemacht sind. Dennoch scheint man gar
keine Ahnung davon zu haben, wie wesentlich durch unser ausgebildetes
Hypothekenwesen das Grundeigenthum modificirt wird, und ob eine
solche Verwandlung des Grundeigenthums in bloßen Geldreichthum, eine
solche Ausmünzung des Bodens (denn das ist es bey großer Vollendung
der Anstalt) wünschenswerth seyn möchte. Man übersieht, daß dadurch
ähnliche Verhältnisse wie durch ein Papiergeld hervorgebracht werden,
welches letzte doch nun auch nicht mehr für die höchste Vollendung
eines glücklichen Zustandes gehalten werden wird. Diese Bemerkungen
sollen gar nicht der Beybehaltung des Justinianischen Hypothekenwesens
das Wort reden, auch nicht den Weg, den man in neueren Zeiten
eingeschlagen hat, unbedingt widerrathen, sondern nur darauf aufmerksam
machen, daß es bey der Einrichtung des Hypothekenwesens noch auf andere
Dinge ankomme, als welche von unsren Legislatoren berücksichtigt zu
werden pflegen. Wenn man die Vorschläge derselben liest, sollte man
denken, dasselbe Hypothekenrecht tauge für alle Zustände der Völker:
überall, in der Schweiz wie in China, in Rußland wie in Frankreich
komme es nur darauf an, die bekannten Grundsätze der Publicität und
Specialität anzuwenden, dann bleibe nichts mehr zu wünschen übrig.
Diese blos formelle Behandlung der Gesetzgebung ist es, die ich
durchaus für verderblich halte, und in diesem Sinne ist schon oben (S.
13. 14.)[[178]] darüber geklagt worden, daß unsre Praktiker viel zu
sehr Theoretiker sind.

Die Intestaterbfolge ist bekanntlich für unsre Rechtspolitiker eine
besonders beliebte Materie, und sie nimmt auch hier S. 186 und folg.
eine bedeutende Stelle ein. Der Vf. fordert, daß sie einfach und
gerecht eingerichtet werde, die Unbrauchbarkeit des Römischen Rechts
scheint er als ganz unzweifelhaft vorauszusetzen, und das Preussische
soll hierin um gar nichts besser seyn, dagegen das Österreichische
allein den Ansprüchen der Vernunft Genüge leisten. Ich habe nie
begreifen können, warum die Novelle 118 in diesen neuesten Zeiten
so schnöde angesehen worden ist. Leicht zu übersehen ist ihre
Erbfolgeordnung gewiß, und ein wirklicher Zweifel in der Anwendung
derselben gehört sicher zu den großen Seltenheiten, während z. B.
nach dem Französischen Recht, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, in
ganz einfachen, täglich vorkommenden Fällen, unauflösliche Zweifel
entstanden sind. Was die Gerechtigkeit betrifft, so müßte es freylich
jeder anstößig finden, wenn ein Gesetz die Kinder ausschließen und
entfernte Verwandte berufen wollte. Aber in der Novelle ist das
bekanntlich auch nicht der Fall: ihre Ungerechtigkeit soll besonders
darin bestehen, daß sie die Halbgeschwister den vollbürtigen
Geschwistern nachsetzt. Wie ist es aber möglich, dieses eine
Ungerechtigkeit zu nennen! hier, wo alles auf individuellen, höchst
verschiedenen Verhältnissen beruht! Vielleicht finden sich eben so
viele Fälle, worin der Verstorbene, wenn er befragt worden wäre, einen
Unterschied zwischen beiden Arten der Geschwister gemacht hätte, als
wo es nicht der Fall gewesen wäre, und keine von beiden Entscheidungen
läßt sich aus allgemeinen Gründen ableiten. Der große Beyfall, welchen
die Österreichische Erbfolgeordnung gefunden hat, gründet sich auf
nichts anderes, als auf die einfachere Formel, in welche sie gefaßt
werden kann, also auf ihre Symmetrie; und gesetzt selbst, daß dieses
in der That ein Vorzug genannt werden könnte, so sind gewiß die
Nachtheile einer gänzlichen Umänderung der bisher bestehenden Erbfolge
ein viel zu theurer Preiß für jenen Gewinn. Auch dieser Ansicht der
Intestaterbfolge liegt also die oben gerügte formelle Behandlung der
Gesetzgebung zum Grunde.

Diese Bemerkungen über die einzelnen Vorschläge des Vfs. sind übrigens
gar nicht als individuell gegen ihn gerichtet zu betrachten. Was hier
getadelt worden ist, gründet sich auf den Weg, den uns im allgemeinen
das Schicksal geführt hat. Nur verkennen sollen wir nicht, daß es
so ist, und sollen uns nicht zu Meistern der künftigen Jahrhunderte
aufwerfen, da uns die politische Einsicht und Bildung gebricht, um nur
unsren eigenen gegenwärtigen Zustand recht zu übersehen und zu regieren.


[[179]] 4. Almendingen.

  Politische Ansichten über Deutschlands Vergangenheit, Gegenwart und
    Zukunft, von Harscher von Almendingen. Erster Bd. Wiesbaden 1814.
    8. S. 354 fg.

Vortrefflich setzt der Verf. auseinander, daß der Rechtszustand
der Deutschen Länder des gemeinen Rechts nur in der Beschreibung
fürchterlich aussehe, und daß die eigentliche Noth in dem Mangel an
tüchtigen Justizbeamten bestehe (S. 366); eben so zeigt er auf die
überzeugendste Weise, wie wenig bey der großen Verschiedenheit der
Zustände und Bedürfnisse die Gleichförmigkeit des bürgerlichen sowohl
als des Criminalrechts wünschenswerth sey (S. 357 fg.). Das innere
Leben eines Volks, die Lebensweise eines Landes (S. 357) soll das Recht
bestimmen. Nach so schönen Worten erwartet man, daß in der That das
geschichtlich begründete Recht hier einen warmen Vertheidiger finden
müsse. Keinesweges! Nur die Abfassung eines allgemeinen Gesetzbuchs
für ganz Deutschland, welche von *Thibaut* und *Schmid* verlangt
wurde, soll hier bekämpft werden: für jeden einzelnen Deutschen Staat
dagegen ist »die Abfassung eines bürgerlichen Gesetzbuchs ein höchst
dringendes Bedürfniß« (S. 356), denn hier ist die Mannichfaltigkeit des
bürgerlichen Rechts in verschiedenen Theilen des Staats ein drückendes,
unerträgliches Übel, dem nicht schnell genug gesteuert werden kann. Als
Mittelglied für einen so ungeheuern Widerspruch dient die Verwechslung
des *Volks* mit dem *Staate*. »Vollendete Gesetze sind die schönen und
freien Formen des innern Lebens eines *Volks*: sie gehen aus ihm hervor
und bestehen mit dem sie zeugenden Princip. Von aussen aufgedrungene
Formen dagegen würken dem innern Leben entgegen. Was wäre aber ein
allgemeines Deutsches stereotypisches Gesetzbuch für die einzelnen
*föderalisirten Staaten* anders, als eine von aussen aufgedrungene
Form?« (S. 357). Also enthält jeder Bundesstaat ein eigenes Volk,
welches sich wie überhaupt, so auch in seinem Recht durch ein eigenes
Gesetzbuch, wie billig abschließt, und welchem die Rechtsgemeinschaft
mit den übrigen Staaten eine von aussen aufgedrungene Form seyn
würde, so gut als die mit Frankreich oder Rußland! Aber was haben die
Beschlüsse des Wiener Congresses, was die früheren Ländervereinigungen
durch Erbschaft, Säcularisation u. s. w. mit der Volkseinheit zu
schaffen? sind dadurch Völker gebildet und Völker begränzt worden? Noch
unbegreiflicher aber ist es, daß von der nothwendigen Mannichfaltigkeit
des Rechts in den einzelnen Staaten gar nicht die Rede ist, gleich
als ob Lage und Zustand des Volks hier überall gleich und nur
zwischen mehreren Staaten verschieden wäre. Alles was der Verf. über
diese Mannichfaltigkeit im Widerstreit gegen ein[[180]] allgemeines
Deutsches Gesetzbuch sagt, gilt ebensowohl gegen Bairische, Nassauische
Gesetzbücher u. s. w., besonders wenn sie nach der jetzt herrschenden
Ansicht keine Localrechte neben sich dulden wollen.

Das letzte Resultat also, worauf dieser Schriftsteller führt,
ist freylich viel bedauernswerther als das, worauf *Thibaut* und
*Schmid* hinarbeiteten. Was diese wollten, war zwar dem Rechtszustand
nachtheilig, aber die Idee einer Vereinigung aller Deutschen zu dem
gemeinsamen Werk war schon an sich trefflich, und auch die Ausführung
konnte von dieser Seite manche gute Folge haben. Was aus jenem
Plane hervorgeht, ist dem Recht nicht weniger nachtheilig, als ein
allgemeines Gesetzbuch, und zugleich politisch höchst verderblich, als
ein neues Trennungsmittel für die Deutschen, welche (großenteils sehr
zufällig und willkührlich) verschiedenen Bundesstaaten zugetheilt sind.


5. Einige Ungenannte.

Diesen verdankt man einige gar nicht unwichtige Entdeckungen. So ist
zuerst von einem Ungenannten die eigentliche Gefährlichkeit eines
gelehrten Juristenstandes an das Licht gezogen worden. »Daß deutsche
Fürsten (sagt er) ihre Völker blos der so gerühmten Gesetzgebung der
*repräsentirenden Juristen*, oder juristischen Braminen Preiß geben
sollten, welche ihre Sanskritsprache verewigen, ganz still und leise
überall im Stillen herrschen, das Mark des Volkes aussaugen, und sich
wie die Rabbiner der Juden zu Gesetz- und Sittenlehrern stempeln
möchten, läßt sich nicht erwarten«[154]. Wenn die gelehrte Jurisprudenz
ein Weg zum Mark des Volkes wäre, würde sie wahrscheinlich mehr
Anhänger finden als jetzt!

Ein anderer Ungenannter[155] hat Untersuchungen über die Eigenschaften
guter Gesetzgeber angestellt. Er geht, einstimmig mit mir, davon
aus, daß in einem neuen Gesetzbuch vorzugsweise das jetzt geltende
Recht berücksichtigt werden müsse. Da sich nun dieses »nicht an der
Hand der Geschichte« gebildet habe, sondern »gerade durch recht
unhistorische Juristen, so dürfte doch wohl nichts inconsequenter
seyn, als echt geschichtlich gebildete Juristen bei der Redaction des
Gesetzbuchs zu Rathe zu ziehen« (S. 206). (Nach dieser Ansicht scheint
das historische Studium keinen andern Gegenstand zu haben, als die
Thaten der -- *Historiker*, und eine Kriegsgeschichte[[181]] z. B.
müßte etwas ganz widersinniges seyn.) Daraus folgt denn, daß bei der
Abfassung eines Gesetzbuchs »gerade die historische Bildung ... nicht
nöthig, sogar nicht einmal nützlich, vielmehr schädlich seyn dürfte
... Gerade ein recht unhistorischer Jurist, der durch die Ausübung das
noch geltende von dem nicht mehr geltenden zu unterscheiden gelernt
hätte, würde hier an dem rechten Orte seyn.« Nach dieser Entdeckung
freylich dürfen wir um tüchtige Verfasser eines Gesetzbuchs nicht mehr
verlegen seyn, denn die hier beschriebene ächte Unabhängigkeit von
schädlichen historischen Kenntnissen ist in unsrer Zeit so häufig, daß
von dieser Seite her der Beruf derselben für die Gesetzgebung sich auf
das Glänzendste rechtfertiget. Man muß indessen nicht glauben, daß
es mit der Unwissenheit allein, so gut und nöthig diese ist, gethan
sey, denn sie liefert nur gleichsam die Materialien, die Form aber
giebt -- die Philosophie! Nämlich unser praktisches Recht ist ein
»unzusammenhängendes Gemisch.... welchem die leitenden Principien ...
blos durch die Philosophie gegeben werden können, d. h. dadurch« (was
nun folgt ist also unläugbar eine Definition der Philosophie) »daß ein
philosophischer Kopf das Gemisch zusammenstellt, das leitende Princip
zu der größern Masse des Gemisches findet, und die geringere Masse in
das Princip einzwängt, darnach beschneidet und umformt.« Höchst naiv
ist auch noch der Beweis, daß das gemeine Deutsche Recht gar nichts zu
unsrer juristischen Bildung beitragen könne. »Die römischen Juristen
(heißt es S. 209) studierten kein gemeines deutsches Recht, und waren
doch die gebildetsten. Die juristische Bildung kann also von daher
nicht kommen, wohl aber die Verbildung.«

Gerade das Gegentheil meynt ein anderer Recensent[156], welcher
für den Juristen durchaus nichts höheres anerkennt, als das reine
Römerrecht. Dieses soll man ihm nicht antasten, sonst hat man es mit
ihm zu thun! Läßt man es ihm aber als vornehmsten Gegenstand des
Universitätsunterrichts gelten, muß jeder Jurist es hören und wird
jeder daraus examinirt, so läßt er sich dann auch neue Gesetzbücher
sehr gerne gefallen: nur müssen die Gesetzgeber auch große Civilisten
seyn! Davon daß das Römische Recht gerade auch für uns etwas geworden
ist, und besonders davon, daß es auch noch ein Deutsches Recht giebt,
welches zu unsrem eigensten Wesen gehört, erscheint hier keine Ahnung.
Nur daß das unschuldige Spiel mit dem Römerrecht nicht gestört werde!
Man sieht,[[182]] wie verschieden die Anfangspuncte seyn können, von
welchen ausgehend man doch am Ende wieder in dem gemeinsamen Gefallen
an Gesetzbüchern zusammentrifft.


~B.~ Stimmen der *Gegner* neuer Gesetzbücher.


1. Hugo.

Dieser, der älteste und standhafteste Vertheidiger der geschichtlichen
Bildung des Rechts, hat auch neuerlich wieder in mehreren
Recensionen[157] diese Ansicht zu entwickeln und gegen ihre Widersacher
zu sichern versucht. Jede dieser neuen Darstellungen der längst
bekannten Ansicht liest man wieder mit einem eigenen Interesse, indem
die Frische des Ausdrucks, so wie die Heiterkeit und Unbefangenheit
der Gedanken erfreuliche Zeichen sind, daß die Ansicht selbst hier
nicht als ein todter Besitz aus früherer Zeit fortdauert, sondern recht
eigentlich die Seele der wissenschaftlichen Gedanken, Kenntnisse und
Erfahrungen des Vfs. ist.


2. Einige Ungenannte.

Höchst erfreulich sind die Stimmen zweier Recensenten, die, wie es
scheint, gar nicht der Schule angehören, auch gar nicht von dem
Interesse der Wissenschaft ausgehen, sondern von Lebenserfahrung und
praktischem Bedürfniß, und von diesem Standpunct aus der Abfassung von
Gesetzbüchern aufs bestimmteste widersprechen.

Der eine derselben[158] rügt die handgreifliche Uebertreibung, womit
die Folgen der mannichfaltigen Rechte in Deutschland geschildert
zu werden pflegen. Die wenigsten Menschen, wird hier richtig
bemerkt, erfahren etwas genaueres über den Inhalt ihres eigenen
bürgerlichen Rechts, sie werden sich also mit den Bewohnern anderer
Gegenden durch gemeinsames Recht eben so wenig verbrüdert, als durch
Rechtsverschiedenheit von ihnen getrennt fühlen. »Der Ärger, den der
Beisizzer einer Juristen-Facultät, die von allen Seiten her Acten
bekömmt, über die Mannichfaltigkeit des Rechts hat, und welchen
Rec. auch recht gut kennt, ist gewiß kein universeller Deutscher
National-Ärger.« Mit demselben praktischen Sinne werden dann die großen
Nachtheile einer Gesetzgebung bemerkt, welche das Recht aller Orten
gleich zu machen bestimmt seyn sollte, so wie die unübersteiglichen
Schwierigkeiten der Ausführung.

[[183]] Noch ausführlicher geht ein anderer[159] auf diese Ansicht
ein, indem er bemerkt, wie täuschend die Vorteile und wie reell
die Uebel seyen, die wir von einer durchgreifenden Änderung und
Gleichstellung des gesammten bürgerlichen Rechts zu erwarten haben. Die
Ruhe und Unbefangenheit, womit dieses entwickelt wird, ist besonders
bemerkenswerth, und die Uebereinstimmung in der Ansicht selbst ist mir
hier um so erfreulicher, da eben dieser Recensent gewiß nichts weniger
als parteyisch für mich und meine Schrift gestimmt erscheint.


3. Schrader.

  Die Prätorischen Edicte der Römer auf unsere Verhältnisse
    übertragen von ~D.~ Ed. Schrader, Professor des Civilrechts und
    Obertribunalrath in Tübingen. Weimar 1815. 8.

Ich stelle diese Schrift absichtlich zuletzt, abgesondert von
den übrigen, weil sie an eigenen und neuen Gedanken bey weitem
die reichhaltigste ist. Der Vf. geht von der richtigen Bemerkung
aus, daß die geschichtliche Bildung des Rechts, die auch von ihm
angenommen wird, keinesweges so misverstanden werden dürfe, als solle
der Staat sich gar nicht um das Recht im allgemeinen bekümmern.
Nur die gewöhnliche Art, wie der Staat darauf einzuwirken pflege,
durch eigentliche Gesetzgebung nämlich, sey in den meisten Fällen
unzweckmäßig, selbst da wo sich stehende Gesetzcommissionen finden.
Durch Gesetze nämlich geschehe für das bürgerliche Recht bald zu
viel, bald zu wenig (S. 73); zu viel, wenn man sich einmal zur
Abfassung eines Gesetzbuchs entschließe, welches auch der Vf. für
sehr nachtheilig hält; zu wenig, indem außer dem Fall einer solchen
außerordentlichen Anstrengung gewöhnlich gar nichts geschehe, und
gar keine fortgehende Aufsicht auf das Recht in allen seinen Theilen
ausgeübt wurde. Er erwägt das Beyspiel der Römer, welche (seit den
zwölf Tafeln) durch Volksschlüsse nur wenig am bürgerlichen Recht
änderten, dagegen in ihren Edicten eine fortlaufende, jährlich
revidierte, höchst wohlthätige Controlle ihres gesammten bürgerlichen
Rechts besaßen. Eine ähnliche Einrichtung, verschieden von der
eigentlichen Gesetzgebung, wird hier vorgeschlagen.

Jeder Deutsche Staat nämlich soll zu diesem Zweck alle zehen Jahre
ein Collegium bilden, welches nur Ein Jahr lang versammelt bleibt
(S. 111), und in dieser Zeit eine Art von Prätorischem Edict abfaßt.
Das Collegium erhält den Justizminister[[184]] zum Präsidenten, und
außerdem einen Deputierten der Landstände zum Mitglied, dann aber
noch fünf andere aus fünf verschiedenen Ständen gewählte Mitglieder
(S. 91 fg. S. 102 fg.). Einer nämlich repräsentirt die Richter,
ein zweyter die Advokaten der höheren Gerichte: ebenso einer die
Richter, ein anderer die Advocaten der Untergerichte: endlich ein
fünfter die juristischen Theoretiker. Jeder dieser Stände schlägt
drey Candidaten vor, woraus die Regierung einen wählt. In größeren
Staaten soll die Zahl der gewählten Mitglieder durch Verdoppelung oder
Verdreyfachung auf Zehen oder Funfzehen gebracht werden. Wird nach
einem Jahrzehend ein neues Collegium gebildet, so muß die kleinere
Hälfte des vorhergehenden darin sitzen (S. 92. 112. 130). Mehrere
kleinere Staaten können ein solches Collegium gemeinschaftlich bilden
(S. 122). (Vielleicht wäre doch ein etwas größerer Antheil der
Theoretiker wünschenswerth, die ja auch dann noch, wie billig, sehr in
der Minorität bleiben würden. Dieses scheint nöthig, nicht sowohl um
der Theorie mehr Gewicht gegen die Stimme der Praktiker zu geben, als
um der Einseitigkeit zu entgehen, die unvermeidlich eintreten wird,
wenn nur ein einziger Theoretiker zugezogen wird: die individuelle
wissenschaftliche Ansicht desselben würde ein sehr nachtheiliges
Übergewicht in der Versammlung haben, welches nur dadurch vermieden
werden kann, daß in der Versammlung selbst mehrere wissenschaftliche
Stimmen gehört werden).

In diesem Edict soll das jetzt bestehende Recht geändert werden können,
jedoch nur wenn zwey Drittheile der Stimmen die Änderung verlangen (S.
86. 89). Künftige, mit Einwilligung der Landstände gemachte Gesetze,
dürfen erst geändert werden, wenn sie 100 Jahre alt sind (S. 88).
Innerhalb der nächsten hundert Jahre darf überhaupt kein anderer
Rechtssatz neueingeführt werden, als welcher schon in irgendeinem
andern Deutschen Lande Gültigkeit gehabt hat (S. 89).

Durch eine solche Einrichtung, wie der Verf. sehr richtig bemerkt,
würde der große Vortheil erreicht werden, daß man nicht wie bei einem
Gesetzbuch zu einer äußern Vollständigkeit genöthigt wäre, sondern
nur über dasjenige sprechen würde, wozu gerade jetzt Bedürfniß und
Kenntniß vorhanden wäre (S. 58): dadurch würde diese Arbeit Leben und
Anschaulichkeit gewinnen, während unsre modernen Gesetzbücher mehr den
Charakter von Compendien haben. Allerdings wäre zu befürchten, daß das
Collegium, seinen wahren Beruf verkennend, doch wieder etwas machen
möchte, das einem Gesetzbuch ähnlich wäre; dieser Gefahr soll begegnet
werden, theils durch die oben erwähnten Einschränkungen, theils durch
ein besonderes Gewicht, welches (S. 107) dem Veto eingeräumt wird.

[[185]] Die größte Billigung verdient der Wunsch (S. 94), daß alle
Protokolle gedruckt werden möchten: sehr richtig bemerkt der Vf., daß
dadurch die Achtung gegen das so gegründete Recht vielmehr erhöht als
vermindert werden würde. Zugleich würde dieses das sicherste Mittel
seyn, in der Zwischenzeit von einem Collegium zum anderen brauchbare
Beyträge zu neuen Verbesserungen zu erhalten. Solche offen dargelegte
Gründe und Gegengründe müssen ungleich mehr wahren Antheil erwecken,
als eine allgemeine empfehlende Entwicklung, worin aller Zweifel und
Widerspruch gleisnerisch zugedeckt wird. Wie viel lehrreicher sind
nicht bey dem Französischen Gesetzbuch die Protokolle des Staatsraths,
als die aufgeblasenen, schmeichlerischen Reden, nach welchen man bey
einem Gesetz über das Eigenthum glauben könnte, den Franzosen würden
so eben alle Sachen geschenkt, über deren Eigenthum das Gesetz Regeln
aufstellt.

Über die Art, wie ein Referent bestellt werden soll, und über die
Geschäftsführung selbst, werden S. 103 u. fg. ausführliche Regeln
gegeben, die aber wohl nur dazu dienen sollen, die Ausführbarkeit
anschaulicher zu machen. Denn feste Regeln dieser Art für immer
vorzuschreiben, dürfte wohl nicht rathsam seyn, da nach der
Persönlichkeit der Mitglieder gar verschiedene Einrichtungen zweckmäßig
seyn können.

Um den Zusammenhang des Rechts zwischen den verschiedenen Deutschen
Staaten zu erhalten, wünscht der Vf. S. 123, daß abwechselnd mit
den schon erwähnten Collegien der einzelnen Staaten ein allgemeines
Collegium für ganz Deutschland zusammen treten möchte. Allein das
Verhältniß dieser Versammlung zu denen der einzelnen Staaten bestimmt
er so künstlich, daß die Ausführung wohl kaum für möglich gehalten
werden kann. Vielleicht wäre es zweckmäßiger, für einen recht
vielseitigen Verkehr zwischen den einzelnen Staaten in Ansehung ihrer
Rechtsbildung zu sorgen.

Wie das allgemeine Deutsche Collegium, so halte ich auch die oben
erwähnten Zeitbestimmungen von 100 Jahren für unpassend. Solche
Bestimmungen gehören kaum in Zeiten wie die waren, worin unsre alten
Kirchen von vielen Geschlechtern nacheinander und stets nach demselben
Plan fortgebaut wurden: unsere ephemere Zeit scheint dafür am wenigsten
geeignet.

In der ganzen Schrift herrscht ein so gesunder praktischer Sinn, die
Vorschläge des Verfassers sind so gut begründet, seine Erwartungen
von dem Erfolg sind so besonnen und so frey von Übertreibung, daß ihm
selbst Andersdenkende ihre Theilnahme nicht werden versagen können. Es
ist sehr merkwürdig, daß diese Schrift gerade aus Würtemberg kommt,
aus einem Lande, dessen Einwohner sich vorzugsweise entwickelter
politischer Einsichten und Erfahrungen rühmen können. Man[[186]]
sage nicht, ein akademischer Lehrer wie der Vf. sey blos Bürger der
Gelehrtenrepublik und der Staat um ihn her wirke wenig auf ihn ein.
Dieses ist überall falsch, und bei dieser Schrift würde es doppelt
unrichtig seyn, da dieselbe durch handschriftliche Mittheilung an
erfahrne und einsichtsvolle Geschäftsmänner geprüft und geläutert
worden ist.

       *       *       *       *       *

Vielleicht ist es nicht überflüssig, am Schluß dieser literarischen
Übersicht einige Resultate kurz zusammen zu stellen, wie sie gerade in
diesem Zusammenhang recht klar hervortreten.

1. Die Besserung unsres Rechtszustandes, die man von einem Gesetzbuch
erwartet, soll theils eine materiale seyn, theils eine formale.

Die materiale Besserung soll diejenigen Theile unsres Zustandes
betreffen, worin wir uns (theils in der That, theils wie man behauptet)
nicht sonderlich wohl befinden. Dagegen ist schon früher bemerkt
worden, es fehle uns theils an der nöthigen Einsicht, um das rechte
mit Sicherheit zu treffen, theils an den nothwendigen Bedingungen
in der Sitte des Volks und in den Verfassungen, ohne welche keine
Empfänglichkeit für einen gründlich guten Zustand vorhanden ist.
In welchem Sinne dieser Einwurf gemeynt ist, habe ich oben bey der
Beurtheilung des Pfeifferschen Werks deutlich zu machen gesucht. Ist
der Einwurf gegründet, so folgt daraus, daß wir jetzt zwar im einzelnen
nachhelfen, aber nichts durchgreifendes und bleibendes gründen können.

Die formale Besserung soll uns anstatt eines undeutlichen, verwirrten,
an allen Enden zerstreuten Rechts, wofür man das unsrige ausgiebt, ein
klares, übersehbares und zusammenhängendes Recht geben. Dagegen ist
erinnert worden, daß wir gar nicht die Fähigkeit haben, eine solche
Aufgabe zu lösen, und daß wir einem äußeren, oberflächlichen Schein
von Vollkommenheit nachjagend das innere Wesen unsres Rechts verderben
würden.

Dieses ganze Bestreben aber unsren Rechtszustand so durch einen
großen Schlag von oben herab zu verbessern, was ist es anders als
Eine Äußerung mehr von der unglücklichen Richtung, die nun schon so
lange das öffentliche Leben durchzogen hat, von der Richtung *alles zu
regieren, und immer mehr regieren zu wollen*? Diese Regierungssucht
hat fast jeder unter uns, da wo er gerade regiert wird, schon recht
schmerzlich empfunden, und selbst diejenigen, welche am lebhaftesten
für Gesetzbücher kämpfen, sind gewiß schon oft, wo ihnen diese Sucht
in der Administration, der Polizey, den Finanzen u. s. w. entgegen
trat, recht ernstlich darüber entrüstet[[187]] gewesen. Hier aber,
wo sie in ihrem Fach die Regierungen berathen wollen, wo sie sich
selbst in Gedanken an die Stelle derselben setzen, hier ist das alles
vergessen, und sie glauben, daß mit Verordnen und Regieren der Welt
von Grund aus geholfen werden könne. Daß sie dabey die edelste Absicht
haben, versteht sich: aber gewiß auch die meisten, die uns in andern
Fächern mit übermäßigem Regieren das Leben verbittern, meynen es recht
gut mit uns, und rechnen ehrlich auf unsren Dank.

2. Wichtiger als alle Vorschriften seyn können, ist der Geist und die
Bildung des Juristenstandes. Gewiß hat die unglückliche, verwirrende
Zeit, die wir durchlebt haben, sehr traurig auf den öffentlichen
Geist gewirkt, und nichts ist verderblicher, als sich hierüber zu
täuschen. Auch verdient gerade *Thibaut* das Lob, daß er, ferne
von der Gleisnerey mancher anderen Schriftsteller, diese Übel der
Zeit mit edlem Ernst gerügt hat. Was haben nun wir Juristen, woran
wir uns im Ganzen halten und empor heben können? was in England
hilft und in den alten Freystaaten half, sind eingewohnte freye
Staatsformen, nebst einem Erbgut von Volkssitte, die gerade aus ihrer
Abgeschlossenheit frische Lebenskraft zieht; diese Mittel haben wir
nicht. Was uns im Großen und Ganzen am meisten helfen kann, ist
allein ein *wissenschaftlicher Geist*, der das Geschäft des Juristen,
auch das gewöhnliche praktische Geschäft, zu veredeln im Stande
ist. Weit entfernt also, daß die Gegner der Gesetzbücher dem Volk
anmuthen sollten, für die Probestücke der Professoren und Advocaten zu
leben,[160] fordern sie vielmehr einen wissenschaftlichen Character
des Rechts als das erste und wichtigste, gerade weil dieses allein der
Ausübung des Rechts eine edle und haltbare Grundlage geben kann.

Freylich wollen auch die Freunde der Gesetzbücher die Wissenschaft
gerne befördern, ja sie soll erst recht in Blüthe kommen, wenn wir nur
erst Gesetzbücher haben! Wenn uns aber, wie billig, die Sache mehr am
Herzen liegt, als unsere Einbildungen, so laßt uns doch unbefangen
dahin sehen, wo der Versuch mit neuen Gesetzbüchern wirklich gemacht
ist, und wir werden uns überzeugen müssen, daß da das Recht an
wissenschaftlichem Leben verloren, und daß es sich dem bloßen Handwerk
genähert hat. Wollen wir aber ungeachtet dieser Erfahrungen behaupten,
bei einem neuen Versuch werde gerade das Gegentheil erfolgen,
heißt denn das nicht Luftschlösser bauen, und die Lehre muthwillig
verschmähen, die uns große Erfahrungen darbieten?

[[188]] Schlimmer aber und ganz unbegreiflich ist der Weg, den das
neueste Bairische Criminalrecht eingeschlagen hat. Hier ist nämlich
in einer eigenen Verordnung ausdrücklich verboten, einen Commentar
über das Gesetzbuch zu schreiben, und mündliche Vorlesungen anders
als über das Gesetzbuch selbst zu halten[161], wie denn bekanntlich
schon Kaiser Justinianus ähnliches verordnet hatte. Ich weiß, was
man dafür sagen kann: die Gesetze sollen weder durch Tadel um ihre
Autorität, noch durch verschiedene Auslegung um ihre Gewißheit gebracht
werden. Aber welche Geistlosigkeit der Juristen daraus hervorgehen
muß, liegt am Tage. In Justinians Reich konnte ein solches Gesetz mit
Erfolg ausgeführt werden, aber in einem einzelnen Deutschen Lande,
bey dem allgemeinen Verkehr der Gedanken und der Literatur ist der
Zweck nicht einmahl erreichbar, den man sich dabey als wünschenswerth
vorsetzen möchte. Auch in eine Zeit geistiger Erstarrung mag ein
solches Gesetz noch wohl passen, aber völlig fremdartig steht es da in
einer überbeweglichen Zeit wie die unsrige, deren Beweglichkeit sich
gerade an demselben Gesetzbuch[162] auf die merkwürdigste Weise bereits
offenbart hat.

3. Ich bin weit entfernt zu wünschen, daß der Staat bei der
Rechtsbildung ein unthätiger Zuschauer seyn soll. Es giebt sogar mehr
als eine Art, wie er dabey auf die wohlthätigste Weise thätig seyn kann.

Vor allem ist es die Sache des Staats, dafür zu sorgen, daß es der
inneren rechtsbildenden Kraft nicht an zweckmäßig eingerichteten
Organen fehle. Diesen Dienst leistete den Römern ihre Prätur: eben
dahin gehört der oben dargestellte Vorschlag von Schrader für unsre
Zeit. Soll aber dieser Vorschlag wahre Früchte tragen, so gehört dazu,
daß überhaupt die öffentliche Meynung, über Personen sowohl als über
Einrichtungen, fester und gründlicher werde, was wie bey jeder Kraft
nur durch Übung bewirkt werden kann; dazu kann eine Entwicklung der
Verfassung besonders förderlich seyn.

Aber es giebt noch andere Arten, wie der Staat auch unmittelbar auf
den Zustand des Rechts einwirken kann, ohne das Recht selbst in seinem
Gang zu stören. Wenn sich nämlich in einer langen Reihe von Jahren eine
Masse einzelner Verordnungen gesammelt hat, so sind darunter gewiß
viele,[[189]] die eine blos vorübergehende Gültigkeit haben sollten:
viele andere werden zufällig in Vergessenheit gerathen, andere durch
Gebrauch abgeschafft oder modificirt seyn; noch andere, wirklich
geltende, werden vor der Masse des veralteten leicht übersehen werden.
So wird es oft vom Zufall abhängen, ob eine ältere Verordnung entdeckt
und angewendet wird oder nicht. Diese Art der Rechtsungewißheit, die
gewiß niemand loben wird, kann auf einem sehr sicheren Wege gehoben
werden. Sämmtliche Gerichte und administrirende Behörden des Landes
nämlich können aufgefordert werden, darüber zu berichten, welche
Verordnungen nach ihrer Geschäftserfahrung noch geltend geblieben
sind. Aus diesen Berichten wird es nicht schwer seyn, einen Auszug des
noch geltenden zu machen, welcher dann mit ausschließender Gültigkeit
von neuem als Gesetz vorgeschrieben werden kann. Einem solchen ~Codex
Constitutionum~ stehen die Gründe nicht im Wege, die der Abfassung
von Gesetzbüchern im gewöhnlichen Sinn entgegen gesetzt worden sind:
denn was so auf dem Wege der Gesetzgebung entstanden ist, kann ganz
unbedenklich auf demselben Wege reformirt werden. Der seltene Fall, in
welchem eine ältere Verordnung in einzelnen Gegenden zur Bildung eines
eigenthümlichen Gewohnheitsrechts Veranlassung gegeben hätte, könnte
noch eine abweichende Behandlung bewirken.

Wenn z. B. auf diese Weise das ~Corpus Constitutionum Marchicarum~ von
Mylius mit seinen sämmtlichen Continuationen umgearbeitet würde, so
würde dieses jeder Preussische Geschäftsmann höchst wohlthätig finden,
und auch der strengste Vertheidiger des geschichtlichen Rechts würde
dagegen nichts einwenden können.

4. Es ist oben (S. 8 u. 9), einstimmend mit *Thibaut*, die große
Schwierigkeit bemerkt worden, die für uns aus der immer wachsenden
Masse des historischen und literarischen Materials unsres Rechts
entsteht; eine Schwierigkeit, gleich groß für die Gesetzgebung, wie
für das Studium, für den Lehrer und den Schriftsteller, wie für den
gründlichen, gewissenhaften Richter. Der Hauptgrund dieses Übels liegt
aber darin, daß die Arbeiten der juristischen Schriftsteller zu wenig
auf ein bestimmtes, großes Ziel planmäßig hingerichtet waren. Wir haben
eine ungeheure Menge Compendien, Observationen, einzelne Abhandlungen
u. s. w., aber eigentliche Bücher, die als integrirende Theile eines
wissenschaftlichen Abschlusses (nach den Einsichten eines gegebenen
Zeitalters) betrachtet werden könnten, haben wir verhältnißmäßig sehr
wenige, und wie vieles hätte dafür geschehen können, wenn das, was
in jenen einzeln versplitterten Kräften gut und fruchtbar war, auf
einfache und wesentliche Zwecke concentrirt worden wäre. Vor mehreren
Jahren sollte in einem großen Deutschen Staate ein neues Gesetzbuch
gemacht werden, und man hatte dabey[[190]] den Plan, das Römische
Recht als Subsidiarrecht gelten zu lassen. Vergebens sah man sich nach
einem ausführlichen Handbuch des Römischen Rechts um, welches den
praktischen Juristen zu ihrer Belehrung hätte empfohlen werden können.
Deshalb sollte damals ein solches Handbuch veranlaßt werden, welches
jedoch so wie die ganze damals unternommene Abfassung des Gesetzbuchs,
unterblieb. Ein solches Handbuch nun ist es, was wir in allen Theilen
unsres Rechts, am meisten im Römischen Recht, bedürfen und vermissen.
Soll es gründlich gemacht werden, so übersteigt es die Kräfte eines
Einzelnen, aber durch gemeinsame Arbeit aller, die inneren Beruf dazu
haben, könnte es in einigen Jahren wohl zu Stande kommen. Der Weg zur
Ausführung wäre dieser. Nach einem einfachen, leicht übersehbaren
Plan würde eine tabellarische Übersicht aller Gegenstände entworfen.
Hieraus wählte sich jeder Theilnehmer diejenigen aus, wofür er am
meisten vorgearbeitet hätte. Jede einzelne Arbeit müßte enthalten:
1. Rechtsgeschichte ganz im Detail, und besonders mit vollständiger
Zusammenstellung der Quellen. 2. Dogmatik, gleichfalls durch Quellen
vollständig begründet, und verbunden mit Erklärung dieser Quellen, so
viel dazu nöthig. 3. Literatur, und zwar mit Angabe des Inhalts und
mit Beurtheilung, sowohl was die zusammenhängenden Schriften über das
Ganze, als was einzelne zerstreute Bemerkungen betrifft. 4. Endlich
wären auch politische Ansichten, Wünsche und Vorschläge, obgleich
nicht so dringendes Bedürfniß, dennoch keinesweges ausgeschlossen.
Die Reihe von Werken verschiedener Verfasser, die auf diese Weise
entstehen würde, wäre durch die gemeinschaftliche zusammenhängende
Aufgabe zugleich als Ein großes Werk zu betrachten, welches Verhältniß
schon durch die ähnliche äußere Einrichtung bezeichnet werden könnte.
Man wende nicht ein, daß wegen der verschiedenen Ansicht und Richtung
der Verfasser nur ein täuschender Schein von Einheit in jenen Werken
entstehen, und daß die Erreichung des Zwecks bey jedem einzelnen
Werk sehr zufällig und zweifelhaft seyn würde. Wenn jeder nicht nur
mit Ernst, sondern auch mit einiger Selbstverläugnung arbeitet, wird
dieses keinesweges der Fall seyn. Es müßte nämlich ausdrücklich
zur Aufgabe gemacht werden, daß das rein factische, ausgemachte,
allgemeingültige auf eine sichtbare Weise von dem getrennt würde, was
jeder als neue, individuelle Ansicht, als bloße Hypothese, zuzugeben
gut fände, eine Bemühung, die selbst dem Gelingen jeder Arbeit an sich
und ohne Rücksicht auf jenen gemeinsamen Zweck förderlich seyn könnte.
Freylich wird es auch bey dieser Vorsicht nicht fehlen, daß uns manche
Arbeiten großenteils mislungen und ungenügend erscheinen werden:
dennoch wird im schlimmsten Fall durch die bloße Zusammenstellung
der Quellen und der Literatur unglaublich viel[[191]] gewonnen, und
für jede künftige, bessere Arbeit vorbereitet seyn. Gerade das, was
jetzt das abschreckendste ist, die Masse des factischen, wird dadurch
bezwingbar geworden seyn. Auch versteht es sich, daß jeder Mitarbeiter
die einzelnen Bemerkungen und Ausführungen, die er für die Werke der
übrigen vorräthig hätte, diesen überlassen würde, besonders aber
die Literarnotizen, die in ihre Materien gehörten. Damit für die
Literatur die möglichste Vollständigkeit erreicht würde, müßte jeder
das Verzeichniß der Schriften, die ihm für sein Werk bekannt sind, zur
Kenntniß der übrigen bringen, so daß es durch diese vervollständigt
werden könnte. -- Ein solches Unternehmen müßte unfehlbar gelingen,
wenn es nur ohne Selbstsucht und persönliche Anmaßung, mit reiner
Liebe zur Sache angegriffen würde. Es wäre ein schönes Beispiel
von Gemeingeist, wenn tüchtige Juristen der verschiedensten
Ansichten, Freunde und Gegner neuer Gesetzbücher, zu diesem Zwecke
zusammentreten wollten, und *Thibauts* vorzügliche Theilnahme würde,
wie in jeder Rücksicht, so besonders auch aus diesem Grund, von
großer Wichtigkeit seyn. Man hat oft mit Recht geklagt, daß sich die
Deutschen, auseinander gehalten durch leere, gehässige Einbildungen,
zu nichts gemeinschaftlichem entschließen wollten: hier ist etwas
gemeinschaftliches, daß recht eigentlich unsres Berufs ist, und wozu
wir der Mitwirkung der Regierungen gar nicht oder nur sehr beyläufig
bedürfen. Der Gesetzgebung wird dadurch eben so gut vorgearbeitet, als
der Wissenschaft, und auch diejenigen, welche von Gesetzbüchern das
Heil erwarten, müssen ihr Ziel dadurch gefördert sehen.


Zweyte Beylage.

    ~Analyse des observations des tribunaux d'appel et du tribunal de
    cassation sur le projet de code civil~ (von ~Crussaire~). ~Paris
    1802. 4. p. 5-9.~

~[[192]] MONTPELLIER. Il faut au Code un caractère de simplicité que
n'offre pas le projet: jamais la France ne fut dans une situation plus
heureuse pour recevoir une législation simple.~

~Dans l'état où la législation projettée se présente, les formes y
semblent quelquefois un peu trop compliquées. Il est à craindre qu'en
trompant le voeu exprimé dans le Discours préliminaire, le fisc n'ait
autant à gagner que le justiciable à perdre.~

~Quant aux choses, les circonstances et les localités sont et doivent
être la règle nécessaire et le motif déterminant de la loi; telles
sont, par exemple, les lois agraires, toutes celles qui ont trait à
l'agriculture, aux servitudes réelles, services fonciers, etc. Ces
lois sont tellement modifiées par les localités, que celles qui sont
appropriées à une contrée, pays plat, ne conviennent pas souvent à la
contrée voisine, pays montagneux.~

~D'après ces principes, comment concevoir un systême de législation
uniforme sur l'usage des eaux pour l'irrigation des terres, et
l'exploitation des usines, sans nulle distinction, entre les propriétés
et contre l'usage des lieux, qui ne se règle pas toujours d'après
l'utilité (ainsi que l'établit le projet); mais bien d'après la
propriété qui en est acquise exclusivement, à ceux qui sont en droit de
s'en servir.~

~Le même inconvenient se présente à l'égard de l'exploitation, et la
durée des baux à ferme et à cheptel qui, dans certains pays, comportent
*équitablement* des stipulations que le projet de code proscrit.~

~Il en est de même des servitudes rurales dont l'usage, non moins
fréquent que varié, ne peut pas sans doute s'arranger,[[193]] comme
dans le projet de code, dans le cadre d'un *systême uniforme*.
Les exceptions doivent être à côté de la règle, et dictées par la
connaissance exacte des localités.~

~Dire que la disposition générale du projet de code pourvoit à ces
inconvéniens, en laissant les anciens usages derrière les nouvelles
lois, ce n'est pas se pénétrer assez de la difficulté à l'égard de
tous les cas. Il y a aussi d'autres usages généraux qui ont divisés la
France en deux grandes parties, en pays de droit écrit, et en pays de
coutume; ces usages se confondent, par le projet de code, dans l'unité
du même systême; c'est, dit-on, une *transaction* entre *le droit écrit
et les coutumes*.~

~Pour apprécier cette *transaction* et les avantages qui doivent en
résulter pour l'un et l'autre pays, il faut faire quelques remarques:~

~1. Ce qui s'est trouvé réformé par la force des choses, et par la
constitution même, n'a pu faire l'objet de cette transaction.~

~D'un autre côté, dans les lois romaines, comme dans les coutumes,
il faut distinguer celles qui ont pour fondement le droit naturel et
l'équité, de celles qui tiennent à la fois à l'ordre naturel et civil,
ainsi qu'à l'ordre politique; aux simples rapports des individus entre
eux, et à ces mêmes rapports compliqués, avec ceux de la société; les
premières, d'une équité évidente, ne peuvent pas être maniées au gré du
législateur; les autres se prêtent à l'esprit de systême qui crée les
différentes combinaisons, parmi lesquelles le législateur peut choisir
celui qui lui paraît le plus convenable.~

~C'est ainsi que les rédacteurs du projet de code ont eu à choisir
entre les dispositions du *droit écrit* et les dispositions du *droit
coutumier*, principalement sur les points systématiques *de la
puissance paternelle, des tutelles, minorités et interdictions, des
successions, des donations entre-vifs ou à cause de mort, des droits
des époux dans le contrat de mariage, des prescriptions etc.*; c'est là
où l'on met le droit romain plus aux prises et en oppositions avec les
coutumes, et où l'on a pu le faire *transiger*.~

~Mais qu'a-t-il été accordé ou soustrait au *droit écrit*? Qu'a-t-il
été accordé ou soustrait au *droit coutumier*?~

~Quant à la *puissance paternelle*, la coutume obtient de l'affaiblir
en plaçant à côté d'elle la communauté de biens entre époux; ce qui met
en opposition, dans un ménage, le *crédit* d'un époux avec l'autorité
de l'autre; autorité qui perd presque toute la force qu'elle tient du
droit écrit, par l'avantage accordé à la coutume d'ôter aux pères la
faculté d'exhéréder leurs enfans, de disposer librement de leurs biens,
et d'ôter aux enfans le droit d'exiger des pères un établissement
convenable.~

~[[194]] Si, dans les *tutelles*, le *droit écrit* l'a emporté dans
sa disposition peu convenable à nos usages concernant la division de
la tutelle en quatre espèces, la coutume a triomphé dans les points
bien plus essentiels où elle ne laisse pas distinguer entre tuteur et
curateur, ni entre pupille, et mineur ou adulte, elle a triomphé encore
en mettant, à la place de l'interdiction pour cause de prodigalité, la
disposition officieuse si peu propre à la remplacer.~

~Dans les *successions* on ne trouve plus ces grands traits de la
législation romaine, qui ne déférait l'hérédité qu'à un seul titre
universel par la volonté de l'homme, et à défaut par la disposition
de la loi; principe simple dont les avantages étaient sentis dans la
pratique.~

~En écartant ce principe, la coutume fait concourir à la fois la
succession légitime avec la succession testamentaire; et il y a tout
autant de titres universels qu'il y a de dispositions sur des portions
de biens par quelques actes que ce soit. Le partage en deux lignes pour
les ascendans et les collatéraux, contrarie, dans la plupart des cas,
l'équitable disposition du droit écrit, en faisant passer les diens
dans les familles étrangères; systême qui, par la prolongation des deux
lignes à l'infini, priva les époux de tous les avantages que le droit
écrit leur ménageait sur leur succession réciproque.~

~Il est vrai que ce droit paraît avoir été adopté pour les
*prescriptions*; mais ces règles qui ne font que compliquer mal à
propos les dispositions, n'auraient pas dû être maintenues.~

~Ce serait donc ainsi qu'on aurait fait transiger les deux droits en
laissant, à l'empire de la coutume, la presque totalité des points
sur lesquels elle pourrait être en concurrence avec le droit romain,
et en abandonnant au droit écrit les autres points qui sont de peu
d'importance droit d'ailleurs qui était modifié par les coutumes
particulières qui y dérogeaient, ou y ajoutaient selon les convenances
ou les localités.~

~Ainsi, tel pourra être le sort de ces pays que, par le nouveau systême
de législation, ils seront frustrés à la fois et des dispositions
du droit écrit, et de celles de leur coutume particulière, qui leur
étaient convenables; et qu'ils recevront, à la place de ces lois qu'ils
avaient choisies, des dispositions coutumières qui ne leur conviennent
pas, et des dispositions du droit écrit déjà par eux rejettées ou
modifiées.~

~Mais, quelles que soient les nouvelles lois qui seront données à la
France, le législateur ne doit pas moins se tenir en garde contre les
effets de la rétroactivité, et contre les inconvéniens du point de
rencontre des nouvelles lois[[195]] avec les lois anciennes, pour le
prévenir, autant qu'il est possible, ou les corriger sans blesser la
justice et l'équité.~

~Le projet de Code qui établit en principe *que la loi ne dispose que
pour l'avenir, et qu'elle n'a point d'effet rétroactif*, manquera
le but au moins sur divers cas: par exemple, à l'égard du cours
d'eau, dont l'ancien droit ne permettait pas l'usage an propriétaire
riverain, sur le seul fondement de son utilité particulière, lorsque
l'usage exclusif en était légitimement acquis à d'autres propriétaires
ou possesseurs d'usine; c'est ainsi que l'ancien propriétaire se
trouverait dépouillé, en vertu de la loi nouvelle, d'un droit acquis
depuis des siècles, et après avoir fait, sous la foi de l'ancienne loi,
des constructions qui lui deviendraient inutiles après la perte de son
droit.~

~Le tribunal de Montpellier desire aussi que le législateur s'explique
enfin sur le vrai sens et sur l'effet que doit avoir le décret du.....
septembre 1791, qui déclare non écrites toutes clauses insérées aux
actes, et qui seraient contraires aux moeurs, ou aux lois nouvelles, à
la liberté religieuse, naturelle et civile, et à celle de se marier ou
remarier; et la loi des 24. octobre et 14. novembre 1792, qui prohibe
les substitutions pour l'avenir, abolit celles qui se trouvaient alors
établies, et maintient l'effet de celles seulement qui étaient ouvertes
à cette époque.~

~Les tribunaux ont pensé que le législateur n'avait pas vu d'effets
rétroactifs dans ces deux lois; cependant le tribunal de cassation
croit y voir ce vice. Le projet de Code ne règle rien à cet égard: or,
il serait à désirer que le législateur s'expliquât pour faire cesser ce
conflit, et les incertitudes qui en résultent.~

~Ici, les lacunes qui résulteront de l'abrogation des lois anciennes,
générales ou particulières, et locales, présenteront une foule de
difficultés à la sagacité du législateur.~

~Ainsi, régler les rapports, combler les lacunes, régulariser les
effets compliqués des anciennes et nouvelles lois; suppléer à leur
silence, pénétrer leur obscurité, telle est la tâche immense qu'imposé
le perfectionnement du grand ouvrage de la législation nouvelle.~

~C'est cette tâche que les rédacteurs du projet semblent renvoyer
à l'arbitrage des juges pour la remplir, à mesure qu'ils feront
l'application des lois aux cas particuliers; et telle serait la
jurisprudence qu'on entend placer à côté du sanctuaire des lois!~

~Mais quelle jurisprudence! n'ayant d'autre règle que l'arbitraire
sur l'immensité d'objets à co-ordonner au systême de législation
nouvelle, à quelle unité, à quel concert faudrait-il s'attendre de
la part d'une pareille jurisprudence, ouvrage de tant de juges et de
tant de tribunaux, dont[[196]] l'opinion ébranlée, par les secousses
révolutionnaires, serait encore si diversement modifiée! quel serait
enfin le régulateur de cette jurisprudence disparate, qui devrait
nécessairement se composer de jugemens non sujets à cassation,
puisqu'ils ne reposeraient pas sur la base fixe des lois, mais sur des
principes indéterminés d'équité, sur des usages vagues, sur des idées
logiciennes, et, pour tout dire en un mot, sur l'arbitraire!~

~A un systême incomplet de législation, serait donc joint pour
supplément une jurisprudence défectueuse.~

~Pour l'éviter, le législateur pourrait tourner ses vues sur son propre
ouvrage, le compléter lui-même autant que possible, et ne considérer
le projet de Code que comme *les Institutes du droit français*, à
l'instar des institutes de JUSTINIEN à l'égard du droit romain. Comme
ces dernières, le projet de Code contiendrait les principes généraux
du droit, et, pour ainsi dire, le texte des lois. Le commentaire, le
développement et les détails sur chaque matière devraient être l'objet
de tout autant de traités séparés, comme ils le sont à-peu-près dans le
Code et dans le Digeste du droit romain.~

~Une autre méthode pourrait peut-être conduire le législateur à un
résultat non moins heureux, quoiqu'avec moins d'effort, de travail et
de secousses; si l'unité, dans le systême législatif, est d'une utilité
si évidente qu'elle doit être envisagée comme un dogme politique dont
il ne peut pas être permis de s'écarter, il est certain aussi que la
France, telle qu'elle est aujourd'hui, est un état trop étendu pour que
la différence des climats n'en nécessite une dans certaines lois, que
la nature des choses et celle du sol modifient nécessairement.~

~Ainsi, *laisser subsister les différences locales* en tout ce qu'elles
ne choquent pas l'esprit général et *ramener le reste à l'uniformité*,
telle paraît être la tâche du législateur.~

~Pour atteindre ce but, faut-il tout détruire, abroger toutes les lois
anciennes pour tout récréer? Il paraît plus simple et plus naturel de
maintenir l'ancien systême, en y dérogeant sur les points qui doivent
être ramenés à l'unité et à l'uniformité, et surtout ceux dont notre
nouvelle situation politique demande la modification ou la réforme.~

~Quant à ces derniers points, l'ouvrage paraît déjà porté à sa
perfection dans le livre premier du projet du Code, sur l'état des
personnes, et dans les différentes lois rendues par nos assemblées
nationales.~

~A l'égard des autres points, sur lesquels doivent tomber le changement
et la réforme nécessités par l'unité du systême, il semble qu'on ne
peut pas s'y méprendre, et qu'ils ne se présentent pas en si grand
nombre. En effet, en laissant de[[197]] côté toutes les dispositions ou
principes du droit naturel, appelés *la raison écrite*, dont l'équité
évidente s'allie avec tous les systêmes législatifs, il ne resterait
précisement que les points de droit ou les matières que nous avons
appelées plus haut *systématiques*, parce que leur règle est moins dans
l'invariable nature que dans la variable combinaison des convenances
particulières et générales.~

~D'après ce plan, qui paraît si simple, les matières à traiter dans le
nouveau Code se réduiraient à-peu-près à *la puissance paternelle, et
aux obligations des pères envers leurs enfans; aux tutelles, minorités,
et interdictions, aux successions et aux donations entre-vifs, ou à
cause de mort, aux droits des époux dans les contrats de mariage, aux
hypothèques, aux ventes forcées, et aux prescriptions*.~

~Toutes les autres matières pourraient ainsi rester à leur place,
et avec leur force dans le dépôt des anciennes lois; et ces lois,
soit générales, soit particulières ou locales, continueraient d'être
exécutées comme auparavant dans tout ce qui n'y aurait pas été dérogé
par la loi nouvelle du Code.~

~Cette méthode pourrait réunir les deux objets d'importance majeure que
le législateur doit avoir principalement en vue, l'utilité générale de
l'unité du systême avec les convenances particulières des localités.
Ainsi, le contact des lois anciennes et nouvelles dans un nombre de
points infiniment moindres, faciliterait davantage leur cohérence et
leur liaison. Avec beaucoup moins d'efforts, la législation serait plus
complète et la jurisprudence plus certaine. La règle ne manquerait pas
au juge, et la contravention aux lois aurait un correctif. Au lieu de
détruire, on ne ferait, pour ainsi dire, que réparer, et le changement
paraîtrait moins une innovation qu'une conservation de ce qu'il n'est
pas nécessaire de détruire, et une amélioration de ce qu'il est utile
de réformer ou de modifier.~

~Tel paraît être le modèle du Code que réclame la situation actuelle
de la France. On le croit tracé en entier dans la maxime rappelée dans
le discours préliminaire du projet, où il est dit: *Qu'il est utile de
conserver tout ce qu'il n'est pas nécessaire de détruire.* En effet,
les changemens dans les lois ne sauraient être trop réfléchis, et ils
ne peuvent être justifiés que par une utilité évidente: *in rebus novis
constituendis*, dit la loi romaine, puisée dans les écrits de Platon,
*evidens debet esse utilitas ut recedatur ab eo jure quod diu aequum
visum est*.~


6. Bemerkungen.

S. 14. *Savigny* hat auch in späterer Zeit trotz zahlreicher
Widersacher an den Grundauffassungen seiner Streitschrift
*festgehalten*. (Vgl. die Vorrede zur 2. Ausgabe vom Jahre 1828.)
So war es auch weiterhin. In der Bibliothek des Preußischen
Justizministeriums befindet sich ein Exemplar von Savignys
Streitschrift (3. Aufl. 1840), auf dessen erster freier Seite mit Tinte
geschrieben, nach der Schrift zu schließen, von der Hand Savignys (über
seine Ministertätigkeit s. o. S. 31) folgende Worte stehen: =hames de
g'eimes; ai de lês, augasdeo=. ~Plut. instit. Lacon. c. 15.~ -- 24.
Dez. 47.« -- Sinngemäß übersetzt bedeutet diese Stelle: »*Wir sind noch
rüstig; wenn Du willst, versuch' es!*« Sie ist in dorischem Dialekt
abgefaßt und der Abhandlung »Die alten Gebräuche der Lacedämonier«
(~Instituta Laconica~) aus Plutarchs Moralisch-philosophischen Werken
(~Moralia~) entnommen. Der Zusammenhang ist dort folgender: »An
gewissen Festen wurden (in Sparta) nach dem dreifachen Alter drei Chöre
errichtet. Das Chor der Greise sang zuerst: »»Wir waren einst rüstige
Jünglinge.«« Darauf antwortete das Chor der jungen Männer: »»Wir sind
es noch, wenn Du willst, versuch' es.«« Zuletzt sang das Chor der
Knaben: »»Wir werden einst noch viel besser sein.«« (Übersetzung von J.
F. S. Kaltwasser, Wien und Prag 1797, 2. Bd. S. 202.)

S. 19. Wegen der Einzelgesetzgebung siehe S. 148, 149.

S. 20. Für unsere Ansicht sprechen auch *Hugos* Worte S. 187. Wegen
weiterer Literatur zu der Streitfrage vgl. Brinz, Die Savignyfeier
am 21. Februar 1879, in der Kritischen Vierteljahresschrift für
Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Bd. 21, München 1879, S. 485 ff.,
auch Bd. 22, S. 161 ff.

S. 22. Zur »Geschichte der privatrechtlichen Kodifikationsbestrebungen
in Deutschland« vgl. auch die Abhandlung von E. *Schwartz*, Archiv für
Bürgerliches Recht, Berlin, Bd. 1 (1889), S. 1 ff. mit Bemerkungen
über die Streitschriften Thibauts und Savignys. Erwähnt sei noch die
Bemerkung Gierkes (unten S. 237, N. 38 u. 80) zu Anton *Christs*
Schrift Über deutsche Nationalgesetzgebung, Karlsruhe 1842, daß
hier zuerst die Kodifikation aus geschichtlichen und organischen
Gesichtspunkten begründet werde.

S. 23. Über den Einführungsartikel der Zeitschrift *Savignys* hat
*Thibaut* in den Heidelbergischen Jahrbüchern 1815 Nr. 42 eine
beachtenswerte Rezension geschrieben, in der er »den anzüglichen
Namen ungeschichtliche Schule verbittet«. *Savigny* sagt dort: »Die
geschichtliche Schule nimmt an, der Stoff des Rechts sei durch die
gesamte Vergangenheit der Nation gegeben, doch nicht durch Willkür, so
daß er zufällig dieser oder ein anderer sein könnte, sondern aus dem
innersten Wesen der Nation selbst und ihrer Geschichte hervorgegangen.«


S. 23. Vgl. *Herders* Gedicht »An den Kaiser« (Joseph II.). 1780. »Gib
uns,.... Ein Deutsches Vaterland, Und *Ein* Gesetz....«

S. 24. Zu dem Ausdruck »Volksgeist« vgl. auch die Wendung *Feuerbachs*
S. 195.

S. 24. Wegen der Stellung der historischen Schule zur Philosophie s. S.
99 und 202.

S. 25. Ein alter Vorwurf gegen *Savigny* ist seine Überschätzung des
Gewohnheitsrechts.

S. 31. Über Beziehungen *Savignys* zu Goethe vgl. z. B. Eckermanns
Gespräche mit Goethe, 6. April 1829 (»unser trefflicher Savigny«).

S. 32. Aus der Bibliothek *Savignys* befinden sich viele alte und
seltene Werke romanistischen Inhalts auf Grund seines Vermächtnisses
in der Berliner Königlichen Bibliothek. Vgl. Verzeichnis der der
Königlichen Bibliothek vermachten Werke Savignys.

S. 33. Aus den Vorräten der 3. Auflage *Savignys* wurde 1878 eine
zweite (Titel-)Ausgabe veranstaltet.

S. 33, 34. Um wirkliche Druckfehler aus dem Texte der Schrift
*Savignys* möglichst auszumerzen, sind alle drei zu seinen Lebzeiten
erschienenen Ausgaben verglichen worden. Da die 2. und 3. Ausgabe einen
völlig unveränderten Abdruck der Schrift enthalten soll (s. Vorrede der
2. Ausgabe), ist von einer Zusammenstellung der Textabweichungen, die
nur auf Druckfehlern beruhen können, abgesehen.

S. 41. *Thibaut* meint mit den Worten »aus dem Munde eines geistvollen,
edeln Schriftstellers« offenbar August Wilhelm *Rehberg*, dessen Werk
über den Code Napoleon die Veranlassung zu der Rezension Thibauts
in den Heidelbergischen Jahrbüchern 1814 Nr. 1 u. 2 und weiter zu
Thibauts Flugschrift wurde. Vgl. Landsberg, Geschichte der Deutschen
Rechtswissenschaft, III, 2, Noten, S. 32 Nr. 20 und brieflich.
Eine Stütze dieser Ansicht finde ich darin, daß Thibaut in dieser
Rezension sich ganz ähnlicher Wendungen bedient, wie an unserer Stelle
(»geistvolle Arbeiten des Verfassers; er macht Gewohnheit und Herkommen
zur Grundlage aller bürgerlichen Einrichtungen; er tadelt, daß der Code
es nicht bei dem chaotischen Allerlei der verschiedenen Ortsgebräuche
bewenden ließ«), daß Thibaut es ferner absichtlich vermeidet (vgl.
seine Vorrede), den Namen Rehberg zu nennen. Eine weitere oben S.
10 nicht erwähnte Besprechung des Rehbergschen Buches befindet sich
übrigens in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen 1814 S. 33.

S. 46. Gegen »Trivialitäten« und »Übertreibungen« in *Thibauts* Schrift
(S. 23, 25, 28, 12, 64, 34 der 1. Ausgabe) wendet sich Immanuel
*Bekker*, Über den Streit der historischen und der filosofischen
Rechtsschule, Heidelberg 1886; später milder in »Vier Pandektisten«,
Heidelberg 1903. Siehe auch *Savignys* Schrift S. 122 (1. Ausgabe).

S. 53. Wer unter dem »bedeutenden verstorbenen Staatsmann« zu verstehen
ist, ist nicht sicher festzustellen. Vielleicht ist damit nach einer
(brieflich geäußerten) Vermutung des Herrn Professors ~Dr.~ Ernst
Landsberg der am 17. November 1813 gestorbene Geheime Rat Johann
Nikolaus Friedrich *Brauer* gemeint, ein altbewährter Ratgeber Carl
Friedrichs von Baden. Brauer wurde außer anderen gesetzgeberischen
Arbeiten die Bearbeitung und Einführung des Code Napoleon in Baden
übertragen.

S. 55. Die Stelle vom Völkervertrag beurteilt *Meinecke*, Weltbürgertum
und Nationalstaat, München und Berlin 1908, S. 195 wegen des damaligen
Nationalgefühls milder, als es oben geschehen ist.

S. 58. Carl Friedrich von Baden, seit 1738 Markgraf, seit 1803
Kurfürst, seit 1806 Großherzog, ist am 11. Juni 1811 gestorben.

S. 63. Die Beibehaltung der Besonderheiten erinnert an die im
Einführungsgesetz des Bürgerlichen Gesetzbuchs Art. 55-152 enthaltene
Verlustliste der Deutschen Rechtseinheit.

S. 88. Die Stelle »weit weniger Individualität« bezeichnet *Bekker*, a.
a. O., S. 9 als »fast unbegreiflich«. Vgl. auch die Wendung »fungible
Personen« S. 163.

S. 91, 92 (163). Hiergegen wendet sich *M. A. von Bethmann-Hollweg*,
Über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft als Aufgabe unserer Zeit,
Bonn 1876, S. 7 ff.: *Savigny* bedenke nicht, daß die Römer ihr
gesamtes Recht schon in frühester Zeit in den Zwölf Tafeln als Gesetz
verzeichnet haben und daß dieses bis auf Justinian den festen Kern des
Rechtssystems bildete. Diese Schrift verdient auch sonst wegen ihrer
mehrfachen Rückblicke auf den Streit zwischen *Thibaut* und *Savigny*
unsere Beachtung.

S. 105. Vgl. S. 229.

S. 118. Das Zitat aus dem Ausspruch des Tribunals von Montpellier ist
nicht ganz genau. Siehe S. 229, ferner S. 203 (ungünstiges Urteil über
die französischen Juristen).

S. 119. *Savigny* schreibt Suarez statt Svarez. Der Verfasser des
Preußischen Landrechts lebte von 1746 bis 1798 (Biographie von *Adolf
Stölzel*, Berlin 1885).

S. 132. J. A. Hellfeld (Jena), ~Jurisprudentia forensis secundum
Pandectarum ordinem~.

S. 140, 141. Diese Reinigung richtete sich tatsächlich gegen den
»germanischen Einschlag«, den das römische Recht im Laufe seiner
Entwicklung -- teilweise durch das Verdienst der Naturrechtler --
erfahren hatte. *Gierke* (Die historische Rechtsschule und die
Germanisten, Berlin 1903, S. 10 ff.) erblickt hierin die »wirkliche
Sünde der historischen Rechtsschule«, die »ihrem eignen Prinzip untreu«
wurde. Damit hängt auch die Verschärfung des Gegensatzes zwischen
Romanisten und Germanisten zusammen.

S. 153. Vgl. S. 204.

S. 156, 157. Vgl. S. 204.

S. 161. Vgl. S. 204.

S. 166. Zwischen ~Itaque~ und ~Deus~ ist ~ut~ ausgefallen. ~Ph.
Melanthonis opera, Halis Saxonum 1843, XI, 350.~

S. 170. Vgl. Savignys Gegenäußerung über die Bedeutung der
Rechtsgeschichte S. 206, 207.

S. 170. Die Sätze *Thibauts* von der Rechtsgeschichte bis zu den »zehn
geistvollen Vorlesungen« dienten dem Hegelianer und erbitterten Gegner
Savignys *Eduard Gans*, Professor der Rechte in Berlin, als Motto zu
seinem »Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung«, 4 Bde., Berlin,
Stuttgart und Tübingen 1824 bis 1835.

S. 185. Von den damals erschienenen anonymen Schriften sei noch erwähnt
»Blicke auf die juristische Praxis in Beziehung auf das künftige
Gesetzbuch für Deutschland«, 1817 (für Thibaut). Hingewiesen sei
auch noch auf *Unterholzners* Vorrede zu seinem »Entwurf zu einem
Lehrgebäude des bei den Römern geltenden bürgerlichen Rechts«, Breslau
1817 (gegen die Kodifikation für Savigny).

S. 195. *Feuerbach* schreibt *Thiebaut* statt Thibaut. In seinen
Kleinen Schriften vermischten Inhalts bemerkt er, daß das Thema seines
Aufsatzes später am vollständigsten erörtert wurde von ~Meijer de la
Codification en général, et de celle de l'Angleterre en particulier.
Amsterdam 1830~.

S. 198. Mutter Carmenta, die Weissagegöttin, bei Dichtern Künderin von
Roms Größe.

S. 202. Unter dem »ausgezeichneten Rechtsgelehrten« ist natürlich
*Thibaut* zu verstehen.

S. 206. Wegen *Thibauts* Abhandlungen in den Heidelbergischen
Jahrbüchern s. S. 32.

S. 221. Mit dem Zitat aus der Jenaischen Literatur-Zeitung 1814 ist
die S. 191 erwähnte Rezension des *Schmid*'schen Buches Deutschlands
Wiedergeburt gemeint.



Nachwort.


In den Tagen, da die Schlußzeilen dieses mit der Erinnerung an die
große Zeit der Freiheitskriege verknüpften Buches geschrieben sind,
steht Deutschland im Kampfe gegen eine Welt von Feinden. Was unsere
Vorfahren in den Jahren 1813/15 erkämpft und vorbereitet, was unsere
Väter 1870/71 errungen und verwirklicht haben, das neue Deutsche
Reich, es muß 1914 verteidigt werden gegen die Neider seiner Macht und
seines Ansehens auf allen Gebieten menschlicher Entwicklung, gegen
Kulturfeinde, denen Mißgunst, Rache und Profitgier über alles gehen. In
wunderbarer Einigkeit steht ganz Deutschland geschart um seinen Kaiser.
Der Geist von 1914, dies einmütige Aufwallen der Volksseele, dies
Bestreben jedes einzelnen, sofern er nicht dem Vaterlande unmittelbar
mit der Waffe dient, als Glied *eines* Organismus seine Kräfte zum
Wohle des Ganzen möglichst nutzbringend zu betätigen, so daß sich wie
von selbst neue zweckbewußte Organisationen unseres Gemeinschaftslebens
gestalten, wird in der Geschichte fortleben als eine noch nie gesehene
gewaltige Erscheinung, als eigentümliches Kennzeichen unserer Zeit:
*Mehr als die Waffen schlägt der Geist die Schlachten. Deutschlands
Wille zum Siege ist die Gewähr seines Sieges.*

          *Berlin*, im August 1914.

                                   ~Dr. Jacques Stern~.



Im gleichen Verlage sind erschienen:


  Einführung in die gerichtliche Praxis.

  Ein Buch für Referendare und Studierende.

  Von

  ~Dr.~ Jacques Stern,

  Amtsrichter am Amtsgericht Berlin-Mitte.

  1914. Geheftet 9 M., gebunden 10 M.

*Prof. ~Dr.~ Heilfron* schreibt über dies Buch im »Recht«, Jahrgang
1914, Nr. 11:

    Der Verfasser hat sich um die juristische Jugend ein zweifelloses
  Verdienst erworben. Es kann nicht nur den Referendaren empfohlen
  werden, vor jeder Station den betreffenden Abschnitt durchzuarbeiten,
  sondern auch die Studenten werden an der Hand des Werkes die ihnen
  leider so häufig mangelnde Verbindung mit der Praxis herzustellen
  vermögen.


  Arrest und einstweilige Verfügungen

  nach der Deutschen Zivilprozeßordnung.

  Von

  ~Dr.~ Jacques Stern,

  Amtsrichter am Amtsgericht Berlin-Mitte.

  1912. Geheftet 3 M.

*Warneyer* schreibt über dies Buch in der »Deutschen Juristen-Zeitung«,
Jahrgang 1912, Nr. 22:

    Die Arbeit erreicht ihren Zweck im vollsten Maße. Übersichtlich
  gegliedert, behandelt sie zunächst das materielle und formelle
  Arrestrecht, sodann Voraussetzungen und Inhalt der einstweiligen
  Verfügungen, sowie das Verfahren bei diesen, endlich die Rückgabe der
  Sicherheiten und die Schadensersatzpflicht wegen ungerechtfertigter
  Anordnungen. Auch wo man dem Verfasser nicht folgen kann, weiß er
  seine Meinung geschickt zu begründen.

  Druck von Gebhardt, Jahn & Landt G. m. b. H., Berlin-Schöneberg.



Mit Buchstaben indizierte Fußnoten:

[A] Als einer von »Teutschlands Ansprüchen«, als Forderung der
»künftigen teutschen Verfassung«, als Verlangen der »Volksstimmung«
kommt eine »gleiche Gerechtigkeitspflege«, ein »gleiches Recht« z. B.
im Rheinischen Merkur wiederholt zum Ausdruck (Nr. 76 vom 23. Juni
1814, Nr. 105 vom 20. August 1814, Nr. 219 vom 7. April 1815). Groß
war auch die Zahl der ohne Nennung des Verfassers erschienenen, außer
anderen Reformen auch ein einheitliches bürgerliches Recht erstrebenden
Flugschriften und Bücher. Genannt seien: Was war Deutschland? Was ist
es jetzt? Was darf es von der Zukunft hoffen? Germanien 1813, 48 S.
(Vgl. z. B. Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig, 1814 Nr. 102 u. 103,
Wiener Allg. Lit. Ztg., Wien, 1814 Nr. 46 u. Heidelb. Jahrb. 1814 Nr.
38). Geburt, Taten und Ende des Rheinbundes, kein Roman, sondern eine
wahre Geschichte, mit einigen bloß in schwachen Umrissen hingeworfenen
Ideen zur künftigen Regeneration einer deutschen Staatsverfassung an
das Licht gestellt von einem deutschen Patrioten in der Wüste des
unterjochten Deutschlands, Germanien 1813, 80 S. (Vgl. Allg. Lit.
Ztg. u. Wiener Allg. Lit. Ztg., ebenda, sowie Jenaische Allg. Lit.
Ztg. 1814 Nr. 78). Was hat Deutschland von seinen erhabenen Rettern
zu erwarten, was hat es zu wünschen? 1814 (ohne Druckort), 27 (nicht
72) S. (Vgl. Jenaische Allg. Lit. Ztg. 1814 Nr. 190.) Ideen über die
Bildung eines freyen germanischen Staatenbundes nebst einem Anhang über
einen ähnlichen italischen Bund -- Von dem Verfasser der Ideen über das
Gleichgewicht von Europa, 1814 (ohne Druckort), 272 S. (Vgl. ebenda
Nr. 217). Was können die verschiedenen Völkerstämme Teutschlands in
Rücksicht ihrer inneren Verhältnisse von ihren Regenten verlangen und
begehren? Germanien 1814. (Vgl. B. W. Pfeiffers Ideen zu einer neuen
Civil-Gesetzgebung, S. 7; unten Abt. II, 3 u. 5.)

[B] Vgl. auch das zeitlich nach Thibauts Schrift erschienene Buch
von H. R. Brinkmann, Über den Wert des bürgerlichen Gesetzbuchs der
Franzosen, mit besonderer Rücksicht auf die Schrift des Herrn geheimen
Kabinetsraths Rehberg über dasselbe, sowie auf unsere jetzigen
Bedürfnisse in der Gesetzgebung, Göttingen 1814 (Besprechungen in der
Allg. Lit. Ztg., Halle und Leipzig 1814, Stück 226 bis 228; Jenaische
Allg. Lit. Ztg. 1815 Nr. 144; Leipziger Lit. Ztg. 1816 Nr. 26,
Göttingische Gelehrte Anzeigen 1814 Stück 154).

[C] Savignys Stellung zur bürgerlich-rechtlichen *Einzelgesetzgebung*
ist diese: er ist nicht etwa ein Anhänger der Einzelgesetzgebung
schlechtweg im Gegensatze zur Kodifikation. Vielmehr ist er, wenn wir
seine Gruppierung der Einzelgesetzgebung zugrunde legen, Gegner auch
der Einzelgesetzgebung, soweit sie der organischen Rechtsentwickelung
entgegentritt: Gesetze von politischem Grunde betrachtet er als
Ausnahme und notwendiges Übel; die Entscheidung von Kontroversen
und die Verzeichnung alter Gewohnheiten ist nach ihm ein Objekt
der Gesetzgebung, doch ist ihm sogar hier ein anderer Weg als die
eigentliche Gesetzgebung lieber.

[D] Beyspiele habe ich schon oben (civilist. Abhdlgn.) S. 305 bis 311
gegeben.

[E] Meine civilist. Abhandl. S. 463-466.

[F] Obige Zusammenstellung macht natürlich keinen Anspruch auf absolute
Vollständigkeit. Immerhin sind hier *in einem bisher nicht erreichten
Umfange* wissenschaftliche Stimmen zum Streite zwischen Thibaut und
Savigny vereinigt.

[G] Zwischen Hrn. v. *Savigny* und *Thiebaut*. Was später geschehen,
hat wenig zur Schlichtung, desto mehr zur Erhitzung des Streits
beigetragen. Auf der Seite des zuletzt genannten Gelehrten stehen
übrigens nicht blos diejenigen, welche in der Rechtswissenschaft mehr
als das Geschichtliche suchen, sondern auch ausgezeichnete Männer
der reingeschichtlichen Methode. Mein ehrwürdiger Freund, Etatsrath
Ritter *Cramer* zu Kiel, wird mir verzeihen, wenn ich hier seinen
Namen nenne und dem Publikum verrathe, daß Er es vorzüglich war, der
mich gegen die Behauptungen des von uns gemeinschaftlich verehrten
*v. Savigny* in Harnisch zu bringen und zu freundschaftlichem Kampf
hinauszuführen gesucht hat. Vieles was den Freuden des geistigen
Wirkens wenig zusagt, hinderte mich seither, an dieser Angelegenheit
Theil zu nehmen. Und auch jetzt will ich nicht so angesehen seyn, als
traute ich mir zu, durch die wenigen Worte, die ich hier zu sagen habe,
den Streit zu schlichten oder zu vermitteln. *Solons* weises Gesetz,
wonach jeder gute Bürger verpflichtet war, bey entstandener Partheiung
seine Gesinnungen öffentlich auszusprechen, sollte vorzüglich in dem
gelehrten Freistaat und geistigen Tugendbund (oder wie man sonst den
heiligen Verein für Recht und Wahrheit nennen mag, in welchem ohne
Heimlichkeit und ohne Schwur Tausende sich Brüder nennen) als eines der
ersten Grundgesetze gelten. Ich ergreife die gegenwärtige Gelegenheit
nur dazu, um dieses Gesetz zu erfüllen, und die Parthey bestimmt
zu bezeichnen, auf deren Seite ich zu finden bin. -- Einige sagen
vielleicht hierauf spottend: »das haben wir längst gewußt!« Indessen
hat auch dieses mir nichts zu bedeuten.

[H] Hierin löst sich das meiste von demjenigen auf, was Hr. Prof.
*Meister* zu Breslau für das römische Recht und dessen Beibehaltung
einige Zeit vor jenem Streit zwischen *Thiebaut* und *v. Savigny*
geschrieben hat.

[I] Denn die Geschichte der *Aufnahme* des römischen Rechts, zuerst im
Einzelnen blos der Materie nach, dann der Form nach im Ganzen, wird
wohl nicht gegen das oben stehende geltend gemacht werden wollen.
Ueberdieß läßt sich bestimmt voraussagen, daß diese Geschichte immer
nur über Manches im Allgemeinen, allein nur über Weniges im Einzelnen
werde Licht verbreiten können.

[J] Und doch wurde von den Gegnern über Gesetze und Gesetzgebung gerade
so gesprochen, als hätte man jenes oder dieses gedacht. An ein von dem
Feuerlande bis nach Kamtschatka allgemeingültiges *gesetzgebendes*
Naturrecht glaubt man schon lange nicht mehr. Daß aber das Gesetzgeben
mit dem Despotismus so nahe verwandt sey, daß man *Cäsars* bekanntes
Vorhaben, ohne weiteres unter den Beweisen seines Strebens nach
Gewaltherrschaft anführen dürfe, hat man früher noch nie geglaubt, und
glauben sehr viele noch nicht, wiewohl es seitdem behauptet worden ist.

[K] ~Jura aequare.~ -- Ich schreibe diese Vorrede entfernt von meinen
Papieren und habe *Livius* so eben nicht bey der Hand, um die Stelle
näher zu bezeichnen.

[L] Jedes Volk, sobald dasselbe so weit gekommen, seine Rechte in einem
Gesetzbuche schriftlich darzustellen, änderte und besserte zugleich
sein Recht. War das Volk aus mehreren kleineren Stämmen mit eignen
Rechtsgewohnheiten zusammengeflossen, so galt es auch bey Abfassung
des Rechtsbuchs, vor allem diese Verschiedenheiten in Einstimmung zu
bringen und aus dem vorhandenen Stoff ein Gemeinsames zu schaffen.
Abgesehen von den späteren Zusätzen der Könige und des Clerus, enthielt
schwerlich irgend eines der sogenannten Gesetze der Barbaren, selbst
in der ursprünglichen Gestalt, ganz reines Gewohnheitsrecht ohne allen
Einfluß der gesetzgebenden Weisheit dieser Zeit. Was der große König
*Alfred* in der Einleitung zu seinem Rechtsbuche sagt: ~Ego Alfredus
Rex in unum colligi et litteris consignari jussi, *multa eorum quae
parentes nostri observabant, quae mihi placebant, et multa eorum
quae mihi non placebant rejeci* cum meo sapienti Concilio, et alio
modo jussi observari~: dieses thaten und dachten, in größerem oder
geringerem Umfang, besser oder schlechter, gewiß alle, die berufen
waren, ihres Volkes Rechte in Gesetzen zu verfassen. Das: ~quae mihi
placebant~, bedeutet aber freylich nicht so viel als: ~car tel est
notre plaisir~, sondern hat ungefähr denselben Sinn, in welchem König
*Egica* durch Betrachtungen über Geist und Zweck aller Gesetze das
westgothische Gesetzbuch einleitet, wenn er sagt: ~Lex erit secundum
naturam, secundum consuetudinem civitatis, loco temporique conveniens,
justa et aequabilia praescribens, congruens, honesta et digna, utilis,
necessaria.~ (~*Canciani* Vol. IV. p. 63. et 247.~)

[M] Wie bey uns, denen ins Angesicht behauptet wurde, keines der
neueren Gesetzbücher sey an Würde und Kraft des Gesetz-Styls auch nur
mit der *Halsgerichtsordnung* Kaisers *Karl V.* zu vergleichen. Wenn
einmal unsere Gesetzbücher ein paar Jahrhunderte alt geworden sind,
so werden sie unsern Nachkommen wahrscheinlich eben so ehrwürdig und
gravitätisch klingen, wie uns jetzt die Karolina.



Mit Zahlen indizierte Fußnoten:

[1] *Rehberg* über den Code Napoleon. Hannover 1814.

[2] *K. E. Schmid* Deutschlands Wiedergeburt. Jena 1814. S. 135 &c.
*Thibaut* über die Nothwendigkeit eines allg. bürgerlichen Rechts für
Deutschland. Heidelberg 1814. Jener wünscht für den Augenblick Annahme
des Oesterreichischen Gesetzbuchs, dieser sogleich ein neues.

[3] Vorzüglich in der Encyclopädie ~ed.~ 4. §. 21. 22. Naturrecht ~ed.~
3. §. 130. Civilist. Magazin B. 4. ~Num.~ 4.

[4] ~*Baco* de fontibus juris, aphor. 59-64 (de augmentis scient. L. 8
C. 3).~

[5] ~l. c. aph. 64. »Optandum esset, ut hujusmodi legum instauratio
illis temporibus suscipiatur, quae antiquioribus, quorum acta et opera
tractant, literis et rerum cognitione praestiterint ... Infelix res
namque est, cum ex judicio et delectu aetatis minus prudentis et e
ditae antiquorum opera mutilantur et recomponuntur.«~

[6] *Hugo* Naturrecht §. 130 N. 7. »Wenn alle Rechtsfragen von oben
herab entschieden werden sollten, so würde es solcher Entscheidungen so
viele geben, daß es kaum möglich wäre, sie alle zu kennen, und für die
unentschiedenen Fälle, deren doch immer noch genug übrig blieben, gäbe
es nur um so mehr widersprechende Analogien.«

[7] ~*Baco* de augm. scient. L. 8. C. 3. »Jurisconsulti autem....
tanquam e vinculis sermocinantur.«~

[8] ~Motifs de la loi du 3. Sept. 1807~ vor dem ~Code Nap. ed. Paris
1807. 8. p. IX.~ (*von Bigot-Preameneu*).

[9] ~_Sueton._ Caesar. C. 44. Jus civile ad certum modum redigere,
atque ex immensa diffusaque legum copia, optima quaeque et necessaria
in paucissimos conferre libros.~

[10] ~Motifs de la loi du 3. Sept. 1807~ vor den Ausgaben des Code seit
1807, von *Bigot-Preameneu*.

[11] ~*_Montesquieu_* XXIX. 18.~

[12] Man vergleiche was über die Gleichförmigkeit des Rechts *Rehberg*
über den Code Nap. S. 33 und f., so wie über die wichtigen Folgen der
gänzlichen Umwandlung des Rechts derselbe S. 57 u. f. sagt.

[13] Die Discussionen des französischen Staatsraths über den Code geben
eine bequeme Uebersicht über das Verhältniß dieser Theile: bey jenen
konnten die Nichtjuristen kein Ende finden, von diesen war oft gar
nicht die Rede.

[14] *Thibaut* a. a. O. ~p.~ 54.

[15] ~*Tacitus*, Agricola C. 3.~

[16] Ich werde dabey auf folgende Schriften verweisen: ~Conférence du
code civil avec la discussion ... du conseil d'état et du tribunat.
Paris Didot 1805. 8. vol. in 12.~ -- ~Code civil suivi de l'exposé des
motifs~ (die Reden im ~corps legislatif~). ~Paris Didot 1804. 8. vol.
in 12.~ -- (~*Crussaire*~) ~Analyse des observations des[55] tribunaux
d'appel et du tribunal de cassation sur le projet de code civil. Paris
1802. 4.~ -- ~*Maleville* analyse raisonnée de la discussion du code
civil, ed. 2. Paris 1807. 4. vol. in 8.~ Der ~Code~ und das ~Projet de
code civil~ sind ohnehin bekannt.]

[17] *Rehberg* über den Code Napoleon. Hannover 1814. 8.

[18] ~Conférence T. 4. p. 126.~ »~Ces substitutions étaient contraires
à l'intérêt de l'agriculture, aux bonnes moeurs, à la raison; personne
ne pense à les rétablir.~«

[19] Einige Stellen s. bey *Rehberg* S. 141. 163. 177. 187.

[20] Dieses sind im wesentlichen die Ansichten von *Rehberg*, und ich
sehe nicht, wie man diesen ungerechte Bitterkeit vorwerfen kann: die
Anwendung auf manche einzelne Stellen läßt sich freylich bestreiten.

[21] Die Beurtheilung des Code von dieser Seite lag außer *Rehbergs*
Zweck. Viel treffliches hierüber enthält *Thibauts* Rec. von *Rehbergs*
Schrift in den Heidelb. Jahrb. 1814. Jan. S. 1 u. f.

[22] Vgl. hierüber die ungemein vortrefflichen Bemerkungen des
Appellationsgerichts von Montpellier bey ~*Crussaire* p. 5-9~.

[23] Z. B. von *Seidensticker* Einleitung in den Codex Napoleon S.
221-224.

[24] Heidelb. Jahrb. 1814. Jan. S. 12.

[25] Jene, über ~art.~ 1674-1685, steht ~conférence T. 6. p. 43-94~,
diese über ~a.~ 1101-1133, ~T. 5. p. 1-21~, und davon nimmt der Text
wenigstens die Hälfte ein.

[26] ~*Desquiron* esprit des Institutes de Justinien conféré avec le
code Nap. Paris Renaudière, 1807. 2 vol. 4.~, in der historischen
Einleitung.

[27] ~Moniteur an X. N. 86. p. 339.~ Die Rede gehört zu den nachher
unterdrückten Verhandlungen.

[28] ~*Maleville* analyse T. 4. p. 358. 359.~

[29] ~l. c. p. 407.~

[30] ~Conférence T. 2 p. 123. 124. 136.~ Der Irrthum von *Emmery* ~p.~
139 ist um einige Grade geringer.

[31] ~Conférence T. 6 p. 44.~

[32] Beyspiele wichtiger Materien, die im Code ganz oder größtentheils
fehlen, stehen in den *Heidelb. Jahrb.* 1814 Januar S. 13.

[33] Lyon und Rouen, bey ~*_Crussaire_* p. 43. 52.~

[34] ~Conférence T. 1. p. 204. 267.~

[35] ~Motifs T. 2. p. 115.~

[36] ~*_Maleville_* T. 1. p. 104.~

[37] ~Motifs T. 2. p. 255.~

[38] ~*_Maleville_* T. 1. p. 165.~

[39] ~*_Maleville_* T. 1. p. 206.~

[40] ~*_Maleville_* T. 1. p. 327.~

[41] ~*_Maleville_* T. 1. p. 96.~

[42] ~*_Maleville_* T. 1. p. 182.~

[43] Die vergeblichen Bemühungen stehen ~conférence T. 2. p. 79-90~.
Der Gipfel der Verwirrung ist in der Bemerkung von *Tronchet* ~p. 84~
~que jamais le mariage n'est nul de plein droit; il y a toujours un
titre et une apparence qu'il faut détruire~. Wenn jemand mein Haus
besitzt, so giebt es auch ~une apparence à détruire~, (etwas blos
factisches), dazu dient die Vindication; aber sein angebliches *Recht*
des Eigenthums ist dennoch ~nul de plein droit~, d. h. es ist gar nicht
da, und dieses aufzuheben brauche ich keine Klage. Bey Testamenten läßt
es sich durch den Gegensatz der alten Nullität wegen eines präterirten
Sohnes, und der ~querela inofficiosi~, recht deutlich machen.

[44] *Portalis* in ~conférence T. 1. p. 29.~; *Boulay* im ~Moniteur an
X. N. 86. p. 343~. »~On sait que jamais, ou presque[[74]
jamais, dans aucun procès, on ne peut citer un texte bien clair et bien
précis de loi, en sorte que ce n'est jamais que par le bon sens et par
l'équité que l'on peut décider.~«]

[45] ~Conférence T. 1. p. 27. 29.~ ~Motifs T. 2. p. 17. 18.~
~*_Maleville_* T. 1. p. 13.~ ~Projet, discours préliminaire p. XI. XII.
XIII.~

[46] *Bonaparte* in ~conférence T. 2. p. 327~. ~Avis du conseil d'état~
im ~Bulletin des lois~ und bey ~*_Locré_* T. 3. p. 104~, »~les divers
cas que la loi ... a laissés à la disposition des principes généraux et
du droit commun.~«

[47] ~Projet l. c.~

[48] ~Projet, discours préliminaire, p. XIX.~ »~Dans cette immensité
d'objets divers, qui composent les matières civiles, et dont le
jugement, dans le plus grand nombre des cas, est moins l'application
d'un texte précis que la combinaison de plusieurs textes qui conduisent
à la décision bien plus qu'ils ne la renferment, on ne peut pas plus se
passer de jurisprudence que de lois.~«

[49] *Schmid* Einleitung in das bürgerl. Recht des Franz. Reichs B. 1.
S. 21-23. 373. 374.

[50] ~*_Maleville_* T. 4. p. 414-417.~

[51] ~*_Locré_* T. 3. p. 443 ed. Paris 1805. 8.~

[52] ~Moniteur an X. p. 337.~

[53] ~*_Crussaire_* p. 8.~

[54] Cabinetsordre von 1780 vor dem ~Corpus juris Fridericianum~ B. 1.
Berlin 1781. 8. -- Die Vorerinnerungen vor dem Entwurf des Gesetzbuchs
Th. 1. Abth. 1. und Th. 2. Abth. 1. und 3. -- Cabinetsordre von 1786 in
*Kleins* Annalen Th. I. S. XLIX. -- Publicationspatente von 1791 und
1794 vor dem Gesetzbuch (1791) und dem Landrecht (1794).

[55] *Kleins* Annalen B. 1. und B. 8., gleich im Anfang beider Bände.
-- *Kleins* Selbstbiographie. Berlin 1806. 8. S. 47.

[56] Bericht des Justizcommissarius *Simon* üb. Redaktion der
Materialien der preuss. Gesetzgebung, in *Mathis* jur. Monatsschrift
B. 11 Heft 3. S. 191 bis 286 nebst einem Konspektus der Materialien.
-- Die Materialien zum Landrecht allein (ohne die Gerichtsordnung)
betragen 1500-2000 einzelne Stücke in 88 Folianten.

[57] Publicationspatent §. 1.

[58] Dieses ist indessen für Ostpreussen etwas später geschehen
(Ostpreussisches Provinzialrecht. Berlin 1801. 8), für die übrigen
Provinzen gar nicht. Es gilt also da das besondere Recht in seiner
alten Form.

[59] Entwurf des Gesetzbuchs Th. 1. Abth. 1. S. 5. 6. *Kleins* Annalen
B. 8. S. XXVI-XXIX. *Simon* S. 197-199. Mehrere der wichtigsten
Neuerungen wurden noch in der allerletzten Revision des Landrechts
weggelassen. *Simon* S. 235.

[60] *Hugo* über Daniel *Nettelbladt*, civilist. Magazin B. 2 ~N.~ 1.

[61] *Simon* S. 198.

[62] *Simon* S. 200-202.

[63] *Simon* S. 202. -- Von *Volkmar* existiren folgende Schriften:
1) ~De condictionum indole. Hal. 1777.~ (*Simon* S. 200). 2) ~De
intestatorum Atheniensium hereditatibus. Traj. ad Viad. 1778.~
(*Schott* Critik. B. 10. S. 79). 3) Erörterung der Begriffe Erbschaft
~ex asse~ &c. Breslau 1780. (~ib.~ S. 82). 4) ~Varia quae ad leges
Romuleas et magistratus pertinent. Vratislav. 1779. 8.~ 5) Ueber
ursprüngliche Menschenrechte. Breslau 1793. 8. (*Ersch* Literatur der
Jurisprud. S. 272). Ich kenne davon nur die vierte, und diese ist
allerdings wenig bedeutend.

[64] Cabinetsordre von 1780 S. XII. XIII. »Wenn Ich ... Meinen
Endzweck .. erlange, so werden freylich viele Rechtsgelehrten bey der
Simplifikation dieser Sache ihr geheimnißvolles Ansehen verlieren,
um ihren ganzen Subtilitäten-Kram gebracht, und das ganze Corps der
bisherigen Advokaten unnütz werden. Allein ich werde dagegen.... desto
mehr geschickte Kaufleute, Fabrikanten und Künstler gewärtigen können,
von welchen sich der Staat mehr Nutzen zu versprechen hat.«

[65] a. a. O. S. XIII.

[66] Entwurf Einl. §. 34-36.

[67] Landrecht Einl. §. 46. 49.

[68] Landrecht Einl. §. 47. 48.

[69] Erster Anhang zum Landrecht. Berlin 1803. §. 2.

[70] Landrecht Einl. §. 50.

[71] Entwurf Th. 2 Abth. 3. Vorerinnerung.

[72] Bey *Simon* S. 213. 220 stehen die Namen derer, welche Bemerkungen
eingesandt, und welche Preise erhalten haben.

[73] *Schlossers* Briefe über die Gesetzgebung &c. Frankfurt 1789, und:
Fünfter Brief &c. Frankfurt 1790. 8.

[74] Briefe S. 246.

[75] *Schlossers* Vorschlag und Versuch einer Verbesserung des
Deutschen bürgerlichen Rechts &c. Leipzig 1777. 8. -- *Schlossers*
Briefe S. 46. 342. in welcher letzten Stelle er sogar Westphals
Schriften als sehr brauchbar für diesen Zweck rühmt.

[76] In *Hugos* civilist. Magazin B. 1. ~N.~ 6. (1790).

[77] Die Nachrichten darüber sind genommen aus *Zeillers* Vorbereitung
zur neuesten Oesterreichischen Gesetzkunde. Wien und Triest 1810. Bd.
1. S. 19-30.

[78] Nämlich 1746 zur Preussischen, 1753 zur Oesterreichischen
Gesetzgebung. *Simon* S. 194. *Zeiller* S. 19.

[79] *Zeiller* S. 23. 26-30.

[80] *Zeiller* S. 27. 28.

[81] *Zeiller* S. 24.

[82] Die drey Theile des Gesetzbuchs enthalten zusammen 561 Seiten,
sehr weitläufig gedruckt.

[83] ~§. 5 I. per quas pers.~

[84] ~§. I. cit., L. 53 D. de adqu. rer. dom.~

[85] ~_L._ 14 D. de testam. tut.~

[86] ~*_Hellfeld_* §. 1298~ »~Ipsa vero tutela consistit in defensione
personae pupilli principaliter, et secundario in defensione bonorum
pupillarium.~«

[87] ~*_Digest._* lib. 27 tit. 2.~

[88] Nämlich nach Römischem Rechte war allgemein und absichtlich der
Intestaterbe zur Tutel berufen; im Oesterreichischen Gesetzbuch kann
es wegen der Linealerbfolge kommen, daß der Intestaterbe und der zur
Vormundschaft berufene nächste Verwandte verschiedene Personen sind, in
den meisten Fällen aber wird es auch hier dieselbe Person seyn.

[89] *Zeiller* a. a. O., S. 38. »Da nun aber auf dem philosophischen
Gebiete jedermann nach seiner Ueberzeugung urtheilet; so ist leicht
zu erachten, daß die Urtheile oft nach einer eingebildeten Billigkeit
(~aequitas cerebrina~) und im Grunde nach Willkühr gefället werden.«

[90] *K. E. Schmid* Deutschlands Wiedergeburt, S. 131. 134. 135.

[91] Vergl. *Rehberg* über den Code Napoleon S. 8-10.

[92] Ueber die Art und Weise, wie unsre Vorfahren die Processe
abgekürzet haben; patriotische Phantasien Th. 1. ~N.~ 51.

[93] *Mösers* Schreiben eines alten Rechtsgelehrten über das sogenannte
Allegiren, a. a. O. Th. 1. ~N.~ 22.

[94] *Thibaut* a. a. O., S. 52. 55. 60.

[95] *Thibaut* S. 60.

[96] a. a. O., S. 15-22.

[97] a. a. O., S. 20. 21.

[98] ~Esprit des lois liv. 27.~

[99] ~Nova methodus. P. 2. §. 82.~

[100] ~l. c. §. 85-90.~

[101] *Mösers* Vorschlag zu einer Sammlung einheimischer Rechtsfälle;
patriot. Phantasien Th. 2. ~N.~ 53. (3te Ausgabe ~N.~ 44).

[102] *Schmid* Deutschlands Wiedergeburt, S. 278. 279.

[103] ~Projet de code civil p. XIII. »Dans l'état de nos sociétés, il
est trop heureux que la jurisprudence forme une science qui puisse
fixer le talent, flatter l'amour propre et réveiller l'émulation.« --
P. XIV. »On ne saurait comprendre combien cette habitude de science et
de raison adoucit et règle le pouvoir.«~

[104] Ich benutze die handschriftliche und mündliche Mittheilung eines
Doctors dieser Rechtsschule.

[105] Als Quellen sind hierüber benutzt worden: Instruction zur
Ausführung des Lehrplanes &c. im 35ten Bande von K. *Franz* I.
Gesetzsammlung. -- A. *von Heß* encycl. methodol. Einleitung in das
juridisch-politische Studium. Wien u. Triest 1813. 8. Dem Vf. sind
laut S. 9. die Acten über den Studienplan mitgetheilt worden, so daß
seine Darstellung der Gründe desselben gewissermaaßen als officiell zu
betrachten ist.

[106] *Heß* §. 39.

[107] *Heß* §. 13.

[108] *Heß* §. 16.

[109] s. v. S. 141. Note 1.

[110] *Heß* §. 40. 41.

[111] *Kaufmann* Anfangsgründe des Römischen Privatrechts. Erste
Abtheilung. Wien u. Triest 1814. 8.

[112] *Eggers* Anhang zu *Heß* S. 93.

[113] Vorerinnerung zum Entwurf des Gesetzbuchs Th. 2. Abth. 3.

[114] Ein sehr lehrreicher Aufsatz hierüber von dem Hrn. Justizminister
*von Kircheisen* steht in *Mathis* jurist. Monatsschrift B. 4. S. 65.

[115] Die Rescripte hierüber von 1804. 1809 und 1812 sind an folgenden
Orten zu finden: *Mathis* Monatsschrift Bd. 1 S. 56. 61.; B. 8. S. 352.
462. *Kamptz* Monatsschrift Heft 1 S. 18.

[116] *Rescript* von 1813. in *Kamptz* Monatsschrift Heft 3. S. 14.

[117] *Stengels* Beyträge B. 13. S. 214. 218.

[118] *Thibaut* a. a. O., S. 29-32.

[119] Abschn. 8.

[120] *Thibaut* a. a. O., S. 27. 28.

[121] Nämlich die gegenwärtigen Vorschläge eines neu einzuführenden
Gesetzbuchs sind lediglich veranlaßt durch den Zustand der Länder,
worin bis jetzt das gemeine Recht oder der Code galt, und ich habe
stillschweigend angenommen, daß der Vorschlag selbst nicht weiter gehe
als diese seine Veranlassung. Sollte aber auch Oesterreich und Preussen
darin mitbegriffen seyn, so wäre allerdings von der politischen Seite
diese Vollständigkeit sehr zu loben, aber für diese Länder selbst wäre
wohl zu bedenken, was oben (Abschn. 8.) in anderer Rücksicht gegen die
Abschaffung ihrer Gesetzbücher gesagt worden ist.

[122] A. a. O. S. 64.

[123] S. 59. 60.

[124] S. 41.

[125] S. 35.

[126] S. 36-39.

[127] S. 17. 29.

[128] S. 35. 36. 40.

[129] s. o. S. 59.

[130] A. a. O. S. 23.

[131] ~*_Melanchthon_*, oratio de dignitate legum; in select. declamat.
T. 1. Servestae 1587. p. 247~ und ~Or. de vita *_Irnerii_* et
*_Bartoli_*. T. 2. p. 411.~

[132] Zum Theil war dieses schon bey einer andern Gelegenheit von mir
geschehen. Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft B. 4. S.
488-490.

[133] Vgl. Zeitschrift &c. a. a. O. S. 482 fg.

[134] Was ich hier zur Erklärung meines einseitigen Urtheils über
die französische Jurisprudenz aus den Umständen, unter welchen meine
Schrift zuerst erschien, gesagt habe, ist auf sehr billige Weise
anerkannt in einer französischen Recension, welche überhaupt jenen
wissenschaftlichen Streit sehr treffend darstellt. (~Le Globe T. V. N.
59. 1827. 18. Août~).

[135] Die ausführlichste Schrift, welche hierher gehört (von *Gönner*),
ist schon früher in dieser Zeitschrift angezeigt worden (B. 1. S. 373
u. fg.).

[136] Heidelb. Jahrb. 1815. S. 659.

[137] Civilist. Abhandl. S. 433.

[138] Vorrede zu *Unterholzners* juristischen Abhandlungen. München
1810. S. XII-XVII.

[139] Civilist. Abhandl. S. 416. Heidelb. Jb. 1814. S. 940.

[140] Heidelb. Jahrb. 1814. S. 938.

[141] Heidelb. Jahrb. 1816. S. 200.

[142] a. a. O. S. 198-200.

[143] Heidelb. Jahrb. 1816. S. 200.

[144] Vorrede S. XI.

[145] *Feuerbach* über Philosophie und Empirie. Landshut 1804. 8. S. 43.

[146] Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern. München 1813.
(das Promulgationspatent ist vom 16. Mai 1813). Anmerkungen zum
Strafgesetzbuche für das Königreich Baiern. B. 1. 2. München 1813. B.
3. 1814. 8.

[147] Anmerkungen B. 1. S. 12-19.

[148] Ich nehme diese Nachricht aus dem Brief eines Bairischen
Advocaten vom 22. Mai 1816.

[149] Durch diese Erfahrung wäre denn also buchstäblich in Erfüllung
gegangen, was ich in dieser Zeitschrift (B. 1. S. 421, 422), ohne
diesen Fall zu kennen, ganz im allgemeinen vorhergesagt habe.

[150] Heidelb. Jahrb. 1816. S. 199.

[151] Heidelb. Jahrb. 1816. S. 199.

[152] Der Vrf. sucht durch angeführte Stellen aus verschiedenen
Jahrhunderten S. 43. 44 darzuthun, die Klage über Unfähigkeit sey
ungegründet, denn sie sey zu allen Zeiten dieselbe gewesen: daraus
scheint denn hervorzugehen, es sey zu allen Zeiten ein gleiches und
zwar sehr großes Maas von Gelehrsamkeit da gewesen, und immer habe
es einige hypochondrische Leute gegeben, die geklagt hätten. Ob dem
so ist, mag jeder entscheiden, der die Literargeschichte kennt;
aber unter jenen Stellen ist gerade die entscheidendste, die des
*Donellus* nämlich, sehr übel gewählt, denn *Donellus* klagt daselbst
gar nicht über seine Zeitgenossen, sondern über die vorhergehende
Schule der Bartolisten, denen er mit Recht den Mangel humanistischer
Kenntnisse vorwirft. Offenbar will er also das vergangene Jahrhundert
in Vergleichung mit dem seinigen herabsetzen, also gerade sein eigenes
Zeitalter rühmen.

[153] Publicationspatent § 7: Einleitung § 6.

[154] Gründe für und wider die mündliche öffentliche Rechtspflege.
Mainz 1816. 8. S. 32 (Anmerkung des Herausgebers).

[155] Der Recensent meiner Schrift vom Beruf &c. Hallische Lit. Zeit.
1815. October S. 201-211.

[156] Leipz. Lit. Zeit. 1815. September, Nr. 235. (Recension von
Gönners Schrift.)

[157] Besonders Gött. Anzeigen 1814. St. 194 u. 1815 St. 108.

[158] Jenaische Lit. Zeit. 1814. B. 4. S. 327. 328.

[159] Leipziger Lit. Zeit. 1815. Septemb. St. 234.

[160] Heidelb. Jahrb. 1815. S. 661.

[161] Bairische Verordnung vom 19. Okt. 1813 vor dem erstem Band
der Anmerkungen zum Strafgesetzbuche S. III. »Hierbei ist es auch
Unser ausdrücklicher Befehl, daß außer dieser von Uns selbst
angeordneten Darstellung durchaus von keinem andern Staatsdiener oder
Privatgelehrten ein Kommentar über das Strafgesetzbuch in Druck gegeben
werde« u. s. w.

[162] s. o. S. 14-16.



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Anmerkungen zur Transkription:

Offensichtliche Druckfehler wurden berichtigt. Im Übrigen wurden
Inkonsistenzen in der Interpunktion und Schreibweise einzelner Wörter
belassen, da solche auch schon im Original absichtlich belassen wurden
(siehe Einleitung).

Bei der Transkription vorgenommene Änderungen:

- "ausdrucklichen" in "ausdrücklichen";
- "Stabilierung" in "Stabilisierung";
- "Halbscheidsurthel" in "Halbscheidsurtheil";
- "ursachlichen" in "ursächlichen";
- "Plane" (im Kontext von "die Plane des Verf.") in Pläne.





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