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Title: Belgiens Volkscharakter, Belgiens Kunst
Author: Bredt, Ernst Wilhelm
Language: German
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    Buches.



    E. W. Bredt

    Belgiens Volkscharakter
    Belgiens Kunst

    Mit 54 Abbildungen

    [Illustration]

    Hugo Schmidt Verlag München



    ~Copyright 1915 by Hugo Schmidt, Munich~
    Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der
    Übersetzung

    +Hugo Schmidt+      +E. W. Bredt+



Inhaltsverzeichnis


                                               Seite

    Belgiens Volkscharakter -- Belgiens Kunst      9

    Von Belgischer Künstler großer Lust und
    Gabe, Grausamkeiten packend zu schildern      19

    Von der sinnlich-übersinnlichen Phantastik
    belgischer Maler                              45

    Vom belgischen Heimat-Realismus               59

    Von der unversiegbaren Lebensbejahung der
    Künstler und des Volkes der Belgier           73

    Anmerkungen zu den Abbildungen                97



+Diese Schrift will Verständnis wecken+ für das uns verwandte flämische
Volk, das eine furchtbar traurige Vergangenheit jähzornig, das Englands
neidisch-verräterische Politik verbohrt gegen uns gemacht hat, das sich
aber im Vollbewußtsein seiner unsterblichen Rasse so frei und stark und
zwingend in den Werken seiner genialen Künstler charakterisiert hat,
wie kaum ein anderes Volk der Welt. +Mit ihren Bildern möchte diese
erlebte Schrift+ warnend wirken vor belgischer Wut so lange das Volk
uns wie Feinde betrachtet. Dann aber möge sie auch führen zu einem
Volke, dem des Lebens ganze ungebundene Lust Lebensbedingung, dessen
Kunst des Lebens Qual und aller Menschen Leidenschaften malerisch
verklärt hat.

            E. W. Bredt

[Illustration: Der »Große Platz« in Brüssel.

Holzschnitt von Paillard.]



Belgiens Volkscharakter -- Belgiens Kunst


Bei Lüttich und Namur, in Charleroi und Löwen, bei Mecheln und
Antwerpen und überall sonst auf belgischem Boden haben unsere
unerschrockenen, unvergleichlich tapfer und offen vorgehenden Krieger
erlebt, wie unsagbar rasend und wild, wie teuflisch-grausam die
belgischen Massen, wie furchtbar fanatisch und erfinderisch sich der
einzelne gezeigt in allen unausdenkbaren Schlichen der Hinterlist. --

[Illustration: Abb. 1. +A. Coppens+, Der »Große Platz« in Brüssel nach
der Zerstörung durch die Franzosen i. J. 1695.]

Man kann sich gar nichts Schrecklicheres vorstellen als die
Straßenkämpfe in Charleroi und in und vor anderen Städten des heutigen
Belgiens. Das Schießen erbärmlichster Schufte aus Fensterritzen und
Kellerluken, aus Dächern und Kothaufen machten die Straßen zur Hölle,
in der das Blut deutscher Helden und belgischer Feiglinge tatsächlich
in Strömen floß, -- den Tapferen zum unsterblichen Ruhm, -- zur schwer
zu sühnenden Schande der Nachkommen jener, die Tacitus vor langer,
langer Zeit die tapfersten von allen germanischen Stämmen genannt hat.

[Illustration: Abb. 2. +Hoogenberg+, Der Brand des Rathauses in
Antwerpen i. J. 1576.]

Freilich, wer nur einigermaßen dieses Volkes, dieses Landes Geschichte
kennt -- war nicht überrascht über diese furchtbar wilde Raserei, die
wir lieber dem Pöbel als einem Volke zuschreiben möchten. Wurde doch
Belgien in allen Jahrhunderten zum Schauplatz gräßlichster Kämpfe. Bald
war es französisch, bald deutsch, bald spanisch, bald holländisch. Ein
Land aber, das durch Kriege und Freiheitskämpfe politischer, religiöser
und wirtschaftlicher Art so durchwühlt und vernichtet und nach Zeiten
blühenden, aufbauenden Reichtums wieder zerstört wurde, oft genug von
Teilen des eigenen Volkes, das mußte durch diese Kette furchtbarer
Erlebnisse, die noch in den flämischen Legenden, Liedern und Bildern
weiterleben, eine Hochschule jenes unsicheren und bedenklichen, weil
allzu unbedenklichen Patriotismus werden, der die einzelnen mehr zur
bewaffneten Selbsthilfe erzieht als zum einheitlich, stark und offen
vorgehenden Heere.

Diese Erinnerungen sind unerläßlich zur Erklärung jener Wutausbrüche
des belgischen Volkes, wie der gleichzeitig echt volksgemäßen und doch
durch und durch unabhängigen großen, starken und unvergleichlichen
flämischen Kunst, die zu allen Zeiten aus tiefsten, blutenden Wunden
des Volkes zu neuer Größe sich erhob.

[Illustration: Abb. 3. +D. Vinckboons+, Der alle ereilende Tod.]

Was de Coster in seinem unsterblichen »Ulenspiegel« von Todesängsten
und Todesqualen erzählt -- in Hoogenbergs dickem Atlas geschichtlicher
Begebenheiten (Abb. 2) in unzähligen anderen Stichen, in Coppens
»Gallischer Grausamkeit traurigem Zeugnis« (Abb. 1) bleiben genug
Erklärungen lebendig, für die immer und immer noch zum Auflodern
glimmende Glut des Volkes gegen vermeintliche Angreifer.

Aber wie das völkerverblendende England mit jenen Bildern und
Erinnerungen furchtbarster feindlicher Zerstörungswut das belgische
Volk gegen uns hetzte, als das grausamste von allen --, so zeigen wir
nun mit eben diesen Bildern, die auch de Costers Bibel des flämischen
Volkes illustrieren, wie ganz anders deutsche Heeresmassen siegreich
vorrücken als jene Zerstörer Antwerpens, als die französischen
Mordbrenner Brüssels und der herrlichen Pfalz am Rhein. -- -- Doch
genug von solchen Erinnerungen.

       *       *       *       *       *

Den letzten, wie allen früheren schaudererweckenden Katastrophen des
belgischen Volkes widersprechen in denkbar schroffster Weise unsere
+landläufigen+ Vorstellungen von alter niederländisch-belgischer Kunst.

[Illustration: Abb. 4. +Adriaen Brouwer+, Singender Bauer.]

Man braucht doch nur das Wort »niederländische Malerei« auszusprechen
und jeder Museumsbesucher, zumal der, der das Brouwer-Kabinett der
Münchener Pinakothek kennt, lacht auf und sieht vor sich eine lustige
übermütige Gesellschaft von Bauern, die fiedeln und singen in ihren
dunkeln Kneipen, die auf den Märkten tanzen und schreien. --

Unsere Museumsbummler machen freilich keinen Unterschied zwischen Franz
Hals, dem Holländer, oder Teniers, dem Antwerpener oder Ostade, oder
Jan Steen oder Adriaen Brouwer, der von Haarlem nach Antwerpen zog.

Wozu auch gleich?

Jedenfalls, die große Reihe bunter Bilder, die das ausmachen, was
wir kurzweg »niederländisch« nennen, die stellt uns das belgische
Volk so lebenslustig und behaglich genießend vor wie nur irgend
möglich. Wir sagen uns, wir sehen's in Brouwers und Teniers so gern
reproduzierten, in den Galerien meistbetrachteten Bildern, daß sich
die belgischen Künstler gut aufs Lachen verstanden haben und daß es
recht lustig zuging dazumal in Antwerpen und Brüssel und allerorten an
der Schelde und in Flandern und Brabant bei Braunbier und spanischem
Wein und Burgunder -- und daß sie sich sonst keine Sorgen gemacht und
Seelenqualen.

[Illustration: Abb. 5. +Adriaen Brouwer+, Das Gehör. K. Pinakothek in
München.]

Also gingen belgische Künstler ganz andere Wege als das von schweren
Schicksalen heimgesuchte belgische Volk?

Oder ist die lustige, verwegene Bauernmalerei doch vielleicht nur
holländischer Kunstimport?

Oder sind belgischer Volkscharakter und belgische Kunst Dinge, die sich
kaum berühren? --

Vielleicht -- und das liegt sehr nahe -- haben die belgischen
Künstler, aus lauter Überdruß an den qualvoll blutigen Ereignissen
des Landes, nur immer in idealen Welten gelebt, nicht in der der
tatsächlichen Ereignisse?

War die Kunst nur fröhlich, aber Volk und Zeit traurig?

Nein! Nein!

Die belgische Kunst, d. h. das, was die größten belgisch-flämischen
Künstler vorzugsweise geschaffen, und die Bilder, die das belgische
Volk vor anderen geliebt hat, sind weder das eine allein noch das
andere.

+Die Höhepunkte flämischer Kunst -- und jene Kunstwerke, die in Belgien
in Auftrag gegeben und geschaffen wurden, zeigen einen Geist, der
gleichzeitig humorvoll und voller Satire, grausam und melancholisch,
sinnlich und übersinnlich, angstvoll und lebensfreudig, phantastisch
und arbeitsam ist.+ Das sagen die Kunstwerke, das sagen die Dichter
Belgiens, das sagt doch auch des Landes Geschichte.

Trotz aller furchtbaren völkischen Katastrophen, ja aus ihnen heraus
nähren und erheben sich die Genies der flämischen Rasse zu herrlichen
Schöpfungen. Und kaum in irgend einem anderen Lande geben Kunst und
Kunstgeschmack treffender als anderes wieder den Volkscharakter.

Die belgische Kunst, das ist das Beste des belgischen Volkes.

In so klarer und scharfer und immer künstlerisch autochthoner Weise
offenbart sich dieses Volkes Kern, daß wir ihn schlechterdings als
etwas Festes, Unwandelbares und -- ich kann nicht anders -- als etwas
Hochgeniales ansprechen müssen.

Denn des Pöbels Verhalten gibt überall nur ein Zerrbild vorhandener
Schwächen.

Immer wieder setzte sich des flämisch-niederdeutschen Volkes Sinnesart
künstlerisch in einer Form durch, die nur das Kennzeichen tiefsten
Erfassens und Leidens und stärkster Lust und Gestaltungskraft sein kann.

Mögen die üppig-herrlichen Rathäuser und die festen Belfriede mehr
Zeugen von glücklicher Wirtschaft und politischer Wachsamkeit sein
-- die Werke des Bouts und des Bosch, des Breughel und Brouwer, der
Rubens, Jordaens und Teniers, und dann doch auch der Wiertz, Lambeaux,
Khnopff, Ensor und nicht zum wenigsten des Rops, sie sind alle und alle
vom selben merkwürdig zäh und stark sich erhaltenden Geiste dieses
Volkes.

Nichts trennt hier Kunstgeist und Volkscharakter.

Denn wenn auch Künstler wie Meunier, der übrigens nur schwer in seiner
Heimat Anklang finden konnte, wohl nur wie einer von den vielen
Armeleutmalern aller Länder erscheint, so gestaltete doch auch er
Hünen und Recken des Volkes wie Rubens. Und wenn Fernand Khnopff alles
mystisch erschaut, wie einst Bosch, wenn er die Dame von heute erschaut
wie eine bleiche, krankende, unheimliche, Sinnlichkeit ausstrahlende
Sphinx, wenn Antwerpens letzte große Historienmaler ganz gewiß auch
deshalb so starken Widerhall im Volk gefunden, weil sie die geköpften
Leichen des Egmont und Horn entseelter als andere gemalt, so sind
eben doch alle die Neueren bis auf Laermans und Minne nur Fortsetzer,
Neuschilderer der echt flämischen alten Themen von furchtbaren
Hinrichtungen und Greueln, von des Lebens tiefsten Melancholien und
höchster, unbändiger Lust am Dasein. Satiriker und Bekenner.

[Illustration: Abb. 6. +Const. Meunier+, Lastträger in Antwerpen.]

Die belgischen Künstler sind und waren Realisten, denen nichts
gräßlich, nichts häßlich ist. -- Das ist ihr Ruhm.

Nie -- von einer kurzen Zeit der Verirrung abgesehen -- haben sie
fremdem hohlen Formalismus gehuldigt -- die ganze Welt steht ihnen
offen und ihre Phantasien machten alle Träume, machten das Jenseits
selbst zu neuen wahrhaftigen Welten.

Von diesem +starken+, künstlerisch +schöpferischem Kerne+ der echten
Flamen gilt de Costers herrliche Überzeugung:

»Begräbt man Ulenspiegel, den Geist, und Nele, das Herz der Mutter
Flandern? -- Auch sie kann schlafen, aber sterben, nein!«

[Illustration: Abb. 7. +Rubens+, Sturz der Verdammten.

Nach einem Lichtdruck von Karl Kuhns Kunstanstalt, München.]



Von Belgischer Künstler großer Lust und Gabe, Grausamkeiten packend zu
schildern


»Die belgische Kunst -- das ist das belgische Volk.«

Ist der Satz richtig, dann müßte doch in den Werken größter belgischer
Künstler ein Zug von Grausamkeit zu finden sein, der stärker vortritt
als in der Kunst anderer Völker.

Denn Generationen unseres Volkes werden nicht vergessen, wie mörderisch
belgischer Pöbel gegen unsere Truppen nicht etwa vorging, nein, sich
feig heranschlich, um bestialisch zu martern und zu morden. Wer kennt
von +der+ Seite belgische Kunst?

[Illustration: Abb. 8. +Rubens+, Der h. Justus.]

Kommen in der besten belgischen Malerei -- also nicht nur in den
minderen Illustrationen internationaler Schauerromane -- mehr grausame
Schilderungen vor als etwa in der deutschen oder italienischen Kunst?

Belgische Künstler haben nie ihre Neigung verleugnet, grausame
Handlungen mit heidnischem Behagen zu genießen und zu schildern. Die
fürchterlichsten Martern Gerechter und Ungerechter haben sie mit so
überlegenen malerischen Mitteln dargestellt, daß Furcht und Abscheu vor
den Henkern, Mitleid mit den Opfern wie vor einem Erlebnis erregt wird.

Und die Maler Belgiens malten mehr Furchtbares als andere, weil
hier ein Volk von Bestellern lebte, das solches wollte -- gewiß oft
genug als drastisches Mittel zu religiöser Erziehung nach einer ganz
bestimmten Richtung. Kein anderer Maler der Welt hat grausamste
Hinrichtungen so festlich, hat das letzte Weltgericht so hinreißend
geschildert wie +Peter Paul Rubens+.

Andre haben vielleicht noch mehr Hinrichtungen dargestellt, aber sie
sind den Aufgaben künstlerisch unterlegen. Rubens schwelgt künstlerisch
auch in den gräßlichsten Vorgängen.

In der Brüsseler Galerie hängt ein großes Bild, das sich jedem fest in
die Erinnerung prägt durch den krassen Gegenstand, die unerschrocken
wahrhaftige Malerei. Es ist das der Märtyrertod des h. Livinus (Abb.
10).

[Illustration: Abb. 9. +Dierick Bouts+, Martertod des h. Hippolytus.]

Starke Kerle haben den alten Bischof auf den Rücken geworfen, einer
hält ihn halb aufrecht am Barte. Der Henker aber hat dem Heiligen
bereits mit einer Zange die Zunge aus dem Schlunde gerissen und wirft
das blutende Fleisch einem Hunde zu. -- »Die rote Zunge glüht zwischen
den sie fassenden Zangen wie ein wundervolles Geschmeide von Korallen
oder Rubinen.«

[Illustration: Abb. 10. +Rubens+, Der Martertod des h. Livinus.]

Das ganze Gemälde wirkt allerdings durch die Verherrlichung des Todes,
durch die Gestalten des Himmels, durch die wie von Leidenschaften
zerrissene Komposition, durch die Glut auch in Farben eher wie ein
prächtiges Fest. Es soll ja auch ein kirchliches Triumphbild sein,
wie so manche Schlacht voll Blut und Leichen ein Bild des Sieges.
-- Aber all diese reinkünstlerischen Steigerungen des großen Flamen
lassen nicht den Glauben zu, er habe den eigentlichen grausamen Vorgang
lindern wollen. -- Das tat Rubens allenfalls bei seinen Bildern des
Leidens Christi und bei dem früheren Gemälde »der Tod des Argus«.
Da ist alles Blutige verdeckt. Aber sonst hat Rubens ganz unleugbar
das Gräßlichste mit derselben Schaulust und Farbenfreude gemalt wie
irgendwelche Feste der Pracht, des Fleisches und des Genusses. Wie
häuft doch Rubens die Frauenleichen auf beim »Tod der h. Ursula« (in
Brüssel), wie echt gesehen ist die Brutalität der Henker, die den
h. Lorenz zurückstoßen auf den glühenden Rost über des Feuers Glut.
(München). -- Wie grauslich, wie noch wahrhaftig lebendig wirkt Rubens
»h. Justus«, der, noch stehend, sein eigenes abgeschlagenes Haupt in
Händen hält. (Abb. 8.) Und all die andern Schreckensszenen des Todes
der Märtyrer Andreas, Petrus, Thomas zeigen Rubens' Geist frei von
jeder Zartheit der Empfindung. Rubens ist brutal wie seine Landsleute,
die solche Themen in Auftrag gaben und gerade mit diesen Gemälden sehr
zufrieden waren. Rubens war, was für einen Zeitgenossen furchtbarster
Ketzerverfolgungen nicht befremdlich sein kann, gegen die Schauder von
raffinierten Hinrichtungsszenen und Foltern kalt wie nur irgend ein
mittelalterlicher Zuschauer. Aber gerade die Pracht und Herrlichkeit
solcher Rubensscher Szenen festigt unser Urteil über diesen brutalen
Betrachter.

[Illustration: Abb. 11. +P. Breughel d. Ä.+, Der bethlehemitische
Kindermord.]

Hier tritt überdies doch Rubens in der rein künstlerischen Bewertung
bald hinter frühere, bald hinter Zeitgenossen zurück. Rubens braucht
zur Wirkung theatralisches Pathos. Wie ganz anders konnte Rembrandt
schaffen. Weil der jedem Theater fernsteht, weil er tiefer, innerlicher
ist, wirkt er bei ähnlichem noch viel stärker als Rubens.

Wer von Rembrandt kommt, empfindet das Pathos des Rubens als
schwülstig, als zu viel. Es bleibt nur die brutale Lust.

[Illustration: Abb. 12. +P. P. Rubens+, Der bethlehemitische
Kindermord.]

Aber auch ein Vorläufer des Rubens, der andere geniale Belgier Pieter
Breughel der Ältere, der noch vor Rubens Geburt in Brüssel starb, hat
gleich grausame Bilder gemalt und er packt uns oft genug gerade durch
ganz gegenteilige Mittel als Rubens. Der Kindermord des Breughel (Abb.
11) ist viel ruhiger, viel sachlicher gehalten als der des Späteren
(Abb. 12). Die beiden Bilder vergleichen heißt zwei verschiedene
Belgier charakterisieren. In Rubens' Münchener Bild ist alles höchste
Ekstase, lautes Schreien, alles leidenschaftlichste Bewegung. Bei
Breughel geht das Furchtbare vor sich in beängstigender Stille. Die
sachliche Geschäftigkeit und Unerbittlichkeit der hohen Polizei. Die
graue Luft über dem verschneiten flämischen Dorf wirkt schwül und
drückend. Die Ruhe der Befehlshaber zu Pferde ist unerbittlich. Und
erstarrend krampft sich das Herz der Mütter. Ohnmächtig sinken die
Mütter hin. Kein Laut durchzittert die Luft, während bei Rubens alles
schreit. Rubens malt den Vorgang fast unruhig wie eine Schlacht.
Die Mütter zerfleischen die Henker. Rubens ist hier ein schlechter
Schauspieler.

Wenn die einfachere Gestaltung die künstlerisch höhere ist, steht hier
sichtlich Breughel über Rubens. Aber beide Maler sind Flamen durch und
durch. Beide malen das Grausen mit derselben natürlichen unverhohlenen
Lust wie irgend etwas anderes. -- Nur zwei Zeitalter trennen sie.
Der eine ist barocker als Shakespeare. Der andere nüchtern wie sein
Zeitgenosse Rabelais.

[Illustration: Abb. 13. +P. Breughel d. Ä.+, »Gerechtigkeit«.]

Den alten Breughel nennen mit vollem Rechte die Belgier selbst
den echten, volkstümlichen flämischen Künstler. Er ist wie Rubens
Realist und Phantast -- aber Rubens ist nie Humorist, nie der milde,
verstehende Spötter wie der geistig festere Breughel. Von den vielen
grausamen Schildereien Breughels ist ein Stich nach ihm (Abb. 13)
bezeichnend für die furchtbare Zeit, bezeichnend für das Sehen dieses
bahnbrechenden Belgiers.

In dem Stiche »Gerechtigkeit« werden so ziemlich alle Arten der
Folterungen und Hinrichtungsweisen jener Zeiten so geschildert, daß
zweifellos viele Henker manch neue oder zeitweise vergessene Folterei
sich davon abgesehen haben werden. Aber Hinrichtungsarten haben schon
vor Breughel auch Deutsche dargestellt. Und der spätere Lothringer
Callot hat ja auch unbewußt ein illustriertes Lexikon für Folterer
geschaffen. Aber Breughels Darstellung hat tieferen Sinn. Es ist eine
Drohung des alten Künstlers gegen das Joch der spanischen Tyrannei.

Zurück zu Rubens.

Rubens als Schilderer des Jüngsten Gerichts!

Da steht er ohnegleichen.

Michelangelo hat ihm die Anregung gegeben wie so vielen anderen in
allen Jahrhunderten und aus allen Völkern.

Aber kein Schüler hat so den Meister übertroffen.

Nur ein Flame, nur ein Vollblutmaler konnte das, nur ein Belgier voll
unerschöpflicher Lust, konnte Qualen nackter Leiber in unübersehbaren
Maßen, unzählbaren Variationen schildern.

So sehr sonst gerade für Belgiens Kunst die Lust der Besteller und
das Vermögen der Maler eins ist -- Rubens' verschiedene Darstellungen
des Jüngsten Gerichts scheiden sich deutlich in zwei Gruppen. Die
schwächeren Bilder dieses Themas, das sind die bestellten. Da hat er
seine grausam schöpferische Phantasie bezähmen müssen, und unter diesem
Zwang ließ er die Bilder lieber von anderen ausführen.

Aber von ganzer, voller, sprudelnder, erfinderischer Lust sind die mit
eigener Hand, wie in einem Zuge des Rausches gemalten kleineren Bilder.
Die kleine Auferstehung der Gerechten, »das kleine Jüngste Gericht« und
»der Höllensturz der Verdammten« in München (Abb. 7).

[Illustration: Abb. 14. +Hans Memling+, Die Hölle.]

Der Höllensturz der Verdammten, das ist belgische Malerei, belgische
Komposition, belgischer Geist. Michelangelo hätte daran wohl keine
Freude gehabt, weil hier jeder Formalismus versagt. Aber unverständlich
bleibt, wie der Belgier Rooses dies Bild tadeln konnte, weil es ein
phantastischer Traum sei, zu unruhig und versplittert, um uns beim
ersten Anblick zu packen, zu derb von Malerei, und zu unedel von Form,
um uns »bei näherer Untersuchung zu befriedigen«.

Die Unruhe ist immer in Rubens und die episodenhafte Reihung, diese
unendliche Verknotung der Einzelbilder ist echt nordisch, ist vom
Geiste Boschs und Breughels und Lambeaux' und Rops'. Und wo anders als
hier wäre diese rassige, germanisch-flämische Komposition künstlerisch
angebrachter, geistreicher?

Dieser Höllensturz, für dessen Komposition auch der holländische
Komponist der »Nachtwache« allen Sinn gehabt haben muß, ist ein Signum
flämischer Stärke.

[Illustration: Abb. 15. +Bosch+, Die Hölle. Flügel eines Gemäldes im
Eskurial.]

Wie wirbeln und überstürzen sich diese Kaskaden verdammter prächtiger
Leiber. Welch vielmaschiges Netz mit unzähligen zappelnden Gestalten.
Welch unlösbare Verkettung von Richtungen und Knäueln. So viel
Richtung in Rubens' Milliarden von Scharen, in der Auferstehung der
Gerechten, so viel unglückseliges, chaotisches Hin und Her hier in
Licht und Schatten, in feurigen Gluten und rotem Rauch. Die Panik der
Weltenmassen gegeben in Farben und Richtungen. Und welches Auge fürs
Einzelne. Wie üppig die rosigen, prallen Leiber, wie fahl und gelb die
schwammigen Alten. Und wie die Teufel die Leiber packen und krallen und
werfen, würgen, zerren, stürzen, spießen und hängen.

Italien konnte anderes. Das konnte nur ein Flame.

Nicht überlegen ist italische Kunst der nordischen. Rubens und
Michelangelo -- jeder in anderer Schale -- halten die Wage im
Gleichgewicht.

Schon lange vor Rubens sind in Belgien Höllenbilder von großer
Vorstellung gemalt worden. Durch die Wirklichkeit nackter Körper ragt
hervor Memlings Jüngstes Gericht (Abb. 14) in Danzig, das für einen
Florentiner Kaufmann gemalt wurde. Das ist bezeichnend für den Ruhm der
damaligen belgischen Malerei. Ihre starke Realistik, ihre Phantastik
mußte auffallen. Höllenmalerei ist und bleibt tatsächlich in Belgien
für lange ein ganz besonders reich beschenktes Gebiet.

Mag immerhin der häufige Anblick grausamster Foltern und Hinrichtungen,
furchtbarster Kämpfe von Stadt zu Stadt, von Haus zu Haus auf die
Zahl dieser Themen mitgewirkt haben; für die Phantasie sind Tatsachen
der Außenwelt nicht ausschlaggebend. Waren doch in jener Zeit überall
öffentliche Hinrichtungen etwas Gewöhnliches. Haben doch die Maler
aller Länder, haben längst die kirchlichen Bildner des Mittelalters
überall gar zu gern dem armen Menschen das Gruseln vorm Jüngsten
Gericht und der irdischen Gerechtigkeit beizubringen versucht. Nur
haben die Maler Belgiens mehr als die anderer Länder schon früh Leiber
der Sterbenden und Toten als etwas den Augen Genußreiches anzusehen
gelernt.

+Zumal Memling.+ Der hat sich tüchtig in den malerischen Anblick
nackter magerer Leiber vertieft. Den Gram, die Qual, das Elend in
erstarrten Köpfen haben auch Spätere kaum besser wiedergegeben. Sein
scharfes Auge macht Memling zum Niederländer.

Das Auge entscheidet, nicht die Masse des vorhandenen
Beobachtungsmaterials. Ja das Ungewöhnliche wird sonst lieber
angeschaut, aufmerksamer, es lehrt besser sehen als das was dem Auge
gewöhnlich. -- Freilich wem hätten die schweren Heimsuchungen der
flämischen Lande nicht die Augen und das Herz öffnen müssen für die
höllischen Qualen ringsum?

Doch hoch über Memling, rein als Höllenmaler gewertet, ragt der kaum
zwanzig Jahre jüngere +Hieronymus Bosch+.

Man vergleiche nur die beiden Höllenbilder dieser Meister. Dann
schwindet die Phantastik des Memling, sein Realismus tritt als das
Entscheidende vor. Beide schöpfen wohl aus gleichen Quellen: dem
Bilderreichtum an den Kathedralen des Mittelalters, der Gemeingut der
nordischen Völker und Kultur. --

Memling macht nur die plastischen Bilder zu Malerei. Macht die
horizontalen Prozessionen der Fassaden zu aufsteigenden Scharen, die
zum Himmel wie zu einem Kirchenportal pilgern, macht die Verdammten zu
herabstürzenden Massen. Memling geht also nur +einen+ Schritt weiter
als die älteren Bildner, macht den bleichen Stein zum farbigen Bild, er
schiebt die regelmäßigen stillen Reihen hin und her, auf und ab, vor-
und rückwärts.

Memling erfaßt mit einem Schlage, wie die besten seiner Zeitgenossen,
wes' Geist die Plastik, wes' Geist die Malerei.

Aber woher hatte Bosch die unendlich reicheren Bilder? Wer erklärt das?
Wer erklärt das anders als aus einem Auge voll Wundern, einem Geist
voll stärkster schöpferischer Kraft?

Haben dem Memling nicht einmal die grotesken, derben Bilder der
Mysterienspiele starke Impulse gegeben -- so wäre ein Bosch von
vornherein als genialster Regisseur von Bühnen zu schätzen, der die
raffiniertesten malerischen und technischen Mittel des Theaters
Jahrhunderte vorausnimmt. Wahrhaftig hat Lafond, Boschs letzter
Biograph, recht: »Bosch ist kein Primitiver. Die Macht des Gedankens
steht im Gleichgewicht zur Fähigkeit, zu gestalten.« Er steht auf der
Höhe seiner Zeit, auf einer malerischen Höhe, die inkommensurabel
bleibt.

Boschs Höllen sind weder Malerei gewordene Domskulpturen, noch
malerische Erinnerungen aus kirchlichen Schauspielen.

So viel sich Dollmayer abgemüht, aus den Dichtungen, aus den Spielen,
aus allen möglichen Dingen der Wirklichkeit, Boschs Vorbilder
festzustellen -- die unerschöpfliche Phantasie, das starke malerische
Können dieses pessimistisch-lachenden Philosophen, alles macht ihn zu
einer gestaltenden Persönlichkeit, die kein Gelehrter von dem Wunder
künstlerischer Synthese jemals wird entschleiern können.

Eher kann das bei jenen Zeichnungen der Fall sein, die Bosch für die
Armen jener angstvoll apokalyptischen Zeiten entwarf -- wie unser Dürer
das tat mit den Holzschnitten zur Offenbarung Johannis.

Ganz wie Dürer wußte Bosch, was für die geistig ärmeren, was für die
reiferen Geister seiner Zeit taugte.

[Illustration: Abb. 16. +A. du Hameel+ nach +Bosch+, Das Jüngste
Gericht.]

Ja, der Stich Alaart du Hameels nach Boschs Zeichnung »Das Jüngste
Gericht« (Abb. 16) war für die damalige Menge zweifellos leichter
verständlich als Dürers apokalyptische Reiter, als Johannes, der das
Buch verschlingt, als das Bild vom Sonnenweib und von der »Eröffnung
des sechsten Siegels«.

So wild grotesk uns auch die Monstra alle auf diesem Weltgericht Boschs
anmuten, so vertraut waren sie dem Volke von damals aus den Skulpturen
und Mummereien. Und wenn jenes Volk solche neuen Bilder doch noch
lieber anschaute als die verwitterten Steinbilder -- so begegnete
sich hier die Bewunderung des flämischen Volkes für einen großen
Zusammenfasser mit dem genialen Verständnis des Künstlers für das
Verlangen der flämischen Rasse. Dieser Künstler wußte von seinem Volke,
daß es gern lachte. Und solche Bilder wollten und sollten auch lachen
machen.

Ein Ästhetizismus, der das vergißt, taugt nichts.

Nicht van Eyck, Bosch ist der erste volkstümliche Künstler Belgiens.
Das Wunderbare der belgischen Kunst ist, daß sie immer volkstümlich und
doch hoch künstlerisch bleibt.

So viel von Bosch als Höllengestalter.

Vom unsterblichen Bosch als Humorist, als Landschafter, als Realist muß
später die Rede sein. Ist doch Bosch ebenso ein Maler der irdischen
Lust. Ihn nur als Maler von Grausamkeiten betrachten, wäre erbärmlich.
Nicht nur das Grauslich-furchtmachende, seine ganze reiche, wunderbar
malerische, phantastische Welt machen ihn zum Genie einer Rasse am Ende
des Mittelalters, das nie so stark an Mitgefühl für Gemarterte war wie
in Bosch. -- Als Maler des Grausamen und seiner Allegorie ist Bosch
stärker und reicher, echter zumal als Botticelli, der Dantes Hölle doch
nur illustriert. Und alles was Qual ist -- spielender schafft es Bosch,
leichter als das Genie Lionardos. Wie mühte sich der Italiener ab um z.
B. Wollust und Schmerz in einer Figur zu versinnbildlichen. Bosch schuf
Tausende von Bildern der Qual und der Lust.

Vielleicht wäre Bosch auch ohne brennende Städte und Scheiterhaufen,
ohne all die hochnotpeinlichen Gerichte seiner Zeit der Maler solcher
Phantasien geworden. -- Er war dazu berufen. Sein Volkstum ist sein
Genie.

Sein Volk will solche Bilder. --

Denn wenn die +Künstler+ Belgiens gar nichts Furchtbares hätten malen
wollen, Vertreter des Volkstums haben sie oft genug dazu bestellt.

Nur drei interessante Beispiele hierfür. Interessant, weil sie
beweisen, daß auch Werke nichtflämischer Künstler als unanfechtbare
Zeugnisse des belgischen Volkscharakters Geltung bekommen.

Von Holland her kam Gerard David nach Brügge. Er malte tüchtig -- und
was wir sonst von ihm kennen, sind freundliche, liebliche, etwas kühle
Bilder. So wurde er in Brügge angesehen.

[Illustration: Abb. 17. +Gerard David+, Die Schindung des Sisamnes.

Phot. F. Bruckmann A.-G., München.]

Als nun die Brügger den Gerichtssaal der Schöffen mit einem recht
passenden, eindrucksfähigen Bilde schmücken wollten, beauftragten sie
David damit.

Die Wahl des Malers zu solchem Thema war merkwürdig.

Irgendein Gelehrter hatte in den Geschichten des Herodot diese
unglaubliche Erzählung gefunden: Kambyses läßt den Richter Sisamnes,
der durch Bestechung zu einem ungerechten Urteil sich hatte verleiten
lassen, bei lebendigem Leibe die Haut abziehen. Die Haut wurde dann als
Überzug des Richtersessels verwendet, auf dem der Sohn des Gerichteten
künftig Urteile zu fällen hatte.

[Illustration: Abb. 18. +Dierick Bouts+, Das Martyrium des h. Erasmus.]

Die furchtbare Schindung mußte also David malen, obwohl er die
besondere Fähigkeit dafür noch nicht gezeigt hatte.

Doch er löste die Aufgabe ganz entsprechend den Wünschen seiner
belgischen Auftraggeber (Abb. 17).

Ruhiger, erbarmungsloser, herzloser hätte keiner dies unheimliche Thema
malen können.

An handgreiflicher Wirkung läßt das Bild nichts übrig.

Und wenn auch unsere Mediziner sagen, das sei ganz unmöglich, einem
lebenden Menschen die Haut abzuziehen wie einem toten Hasen -- auf die
Zeitgenossen und auf uns Unbefangene wirkt der Vorgang so wahrhaftig,
daß wir beim Anblick des roten enthäuteten Fleisches schon fast den
üblen Geruch einer Anatomie zu atmen glauben. Was Schnaase von der
volkstümlichen Wirkung des, eine Zeitlang nach Paris entführten,
Bildes erzählt, ist für den im Bilde gewollten und von den Bestellern
anerkannten Realismus nur eine Bestätigung. Das Publikum umdrängte das
Bild wie eine leibhaftige Hinrichtung.

Der Realismus ist auch sonst stark -- war er's unbewußt auch in der
Darstellung der völlig teilnahmslosen Richter und Zuschauer und Henker?

Ich glaube es, abgesehen von der Gewöhnung des flandrischen Volkes
selbst an solche Hinrichtungen, weil ähnliche Bilder dieser Zeit, so
realistisch sie auch sonst sein mögen, kaum ein leises Entsetzen --
eher ein verstohlenes oder gar offenes Behagen an dem Anblick des
Gemarterten verraten.

Noch ein Holländer, in einer belgischen Stadt lebend, hat sich durch
zwei Bilder ungewöhnlich grausamer Hinrichtung beliebt gemacht bei den
Belgiern:

+Dierik Bouts.+

Dierik Bouts, der Stadtmaler Löwens, bekam diese echt belgischen
Aufträge. »Das Martyrium des heil. Hippolit« das neuerdings dem
»Meister von Brabant« zugeschrieben war, hängt in der Erlöserkirche
zu Brügge (Abb. 9). Das Martyrium des heil. Erasmus (Abb. 18) ist in
der Peterskirche zu Löwen. Das Zerreißen eines Lebenden in vier Teile
war häufig genug. Aus den belgischen Sagen braucht hier nur an die
Genovefasage und die Hinrichtung Golos erinnert zu werden.

In beiden Bildern keine Spur von Entsetzen. Nur einer der Zuschauer
nimmt die Körperzerreißung mit jener Spur von Mitleid auf, wie wir etwa
eine leichte Tierquälerei auf der Straße. Dem Schergen links macht die
Aufgabe entschieden Freude. »Das ist doch mal was anderes als Henken.«

Und den Henkern des Erasmus sehe ich, entgegen sentimentaleren
Kritikern nur die Mühe ihrer Arbeit an; nichts weiter. Beim Bärtigen
links ist das nicht zu bezweifeln. Der zusammengekniffene Mund des
andern könnte als leichte mitleidige Regung aufgefaßt werden, wenn nur
nicht die Augen in weite Ferne, an dem Gemarterten ganz vorbei schauen
würden.

Doch nun Vorsicht vor falschen Schlüssen auf den Volkscharakter und vor
Mißverständnissen.

Charakteristisch für den belgischen Volkscharakter sind hier nur die
Besteller: die Herren von Löwen und Brügge.

Die aber dürfen wir uns mindestens so teilnahmslos vorstellen bei
solchen Greueln, wie das Publikum, das der Realist Bouts in beiden
Bildern gezeichnet hat. Auf den Holländer Bouts trifft trotz dieser
Bilder nicht der Vorwurf besonderer Lust am Grausamen.

Und die sichtliche Teilnahmslosigkeit der Zuschauer beider
Hinrichtungen ist nicht mehr als Tatsache und ist nicht mehr als
allgemeine Erscheinung bei allen Völkern der Zeit.

Wären Bouts und David nicht +nur+ Realisten, sondern starke
sittenrichterliche Allegoristen gewesen -- wie Bosch und Breughel --
so hätten sie wenigstens den Richtern des Hippolit, des Erasmus, des
Sisamnes Fratzen aufsetzen müssen voll von teuflischer Lust an den
sich krampfenden, zähneknirschenden, armen Gemarterten. Das wäre die
richtige Anspielung auf die mehr als abgehärteten Besteller gewesen.

Die Gleichgültigkeit der doch ganz ohnmächtigen Zuschauer ist nicht
als kunsteigentümlich anzusehen. Auch Italiens Künstler zeigen
Italiens Volk genau so teilnahmslos. Nur freilich, wie wurde dort das
Schreckliche vermieden, das Blutige verdeckt.

Auffallend echt malen Bouts und David selbst +diese+ Henker. Fast
überall sonst -- zumal auf dem berühmten Johannisaltar des Massys in
Antwerpen -- wurden die Henker karikaturenhaft häßlich dargestellt und
in ihrer Arbeit so fanatisch wütend wie nur denkbar. Das war nicht der
Wirklichkeit entsprechend, war entweder Unfähigkeit oder nur Konzession
ans Publikum, billige Deutlichmachung von Repräsentanten des Auswurfs
der Menschheit ohne psychologische Konsequenz. Denn der Auswurf bleibt
regungslos beim Grausamen. Realismus ist und bleibt das Auszeichnende
dieser Bilder und dieser Künstler.

[Illustration: Abb. 19. +Brügger Meister+: Der Tod der h. Ursula.]

David und Bouts malten für ihre Zeit die Dinge wie sie waren. Sie
brauchten keine billige Übertreibung. Ihre Henker haben eben nur die
richtigen »konfiszierten Gesichter«. Nicht mehr. In der Geschichte
der künstlerischen Physiognomik wird der Verzicht auf pathetische
Übertreibung immer einen Höhepunkt bezeichnen.

Hoch, höher jedenfalls als Bouts steht in dieser Beziehung +Memling+.
Sein »Martyrium des h. Sebastian« im Louvre zeigt ihn als Meister
im Gesichtsausdruck. Hier ist an der teuflischen Lust des einen
Bogenschützen, am Mitleid des andern nicht zu zweifeln. -- Doch wie
ganz anders stellten Italiens Künstler diesen Heiligen dar. -- Als
Gegenstück zu Memlings berühmterem Ursulaschrein in Brügge mit der
Erschießung der elftausend Jungfrauen und der h. Ursula sei hier ein
anderer Ursulatod aus dem Kloster der schwarzen Schwestern in Brügge
gezeigt. (Abb. 19). Der Maler ist jetzt unbekannt, er wurde damals
aber besonders gut bezahlt von Florentinern. Als Charakterschilderer
keineswegs groß, sagt er uns doch viel von der Beliebtheit des
Bogenschießens in Flandern. Jedenfalls erklärt die in Brügge
aufbewahrte Reliquie nicht allein, erklärt auch die Volkssitte die Wahl
des gleichen Themas, erst durch diesen Meister, dann zehn oder zwanzig
Jahre später durch Memling.

[Illustration: Abb. 20. +Amb. Francken+, Die Hinrichtung der Heiligen:
Crispin und Crispinian.]

Etwa hundert Jahre nach David malte +Ambrosius Francken+ in Antwerpen
den Märtyrertod der h. Crispinus und Crispinianus. (Abb. 20). Wieder
bleibt die Wahl gerade einer so ausgesucht furchtbaren Hinrichtung
belgischen Bestellern und Malern vorbehalten. Diesmal ist die Ruhe
der Gemarterten auffallend, die Unruhe, das Entsetzen der Henker und
Zuschauer erscheint unmotiviert. Die physiognomischen Motive gibt die
Legende: die ausgeschnittenen Hautpfriemen springen wunderbarerweise
auf die Henker zurück. Sie erschrecken, fühlen sich gefoppt.

Es ist unmöglich, die Kette vortrefflich gemalter belgischer Bilder der
Grausamkeit zu verfolgen.

Natürlich blieb Rubens ungestümes, auf stärkste künstlerische und
seelische Wirkung berechnetes Schildern so vieler Schlachten und
Martyrien umso mehr von Einfluß auf die ganze folgende Zeit, als ja ein
Heer von Stechern und von Nachahmern der oft umgeänderten Stiche gerade
die pathetischsten Werke des großen Flamen in alle Welt verbreiteten.

Im letzten Jahrhundert suchte ein großer Schwärmer, aber schlechter
Maler in Brüssel als kongenialer Folger des Rubens zu gelten: +Anton
Wiertz+.

Sein Museum ist, zumal für Künstlerische, eine gemalte Folterkammer.
Er will entsetzen, will durch kaum auszudenkende Bilder verblüffen. Er
wollte +noch+ mehr grauenerregende Bilder schaffen als alle vor ihm. Er
malt Napoleon in der Hölle, das Grauen der Cholera, Hölle und Krieg,
Wahnsinn, Verbrechen und Tod.

Der Scheintote (Abb. 21), der den Deckel seines Sarges zu heben sucht,
dessen Rechte den Betrachter des Bildes zu erreichen sucht, das sind
Bilder, die wohl eher in ein Panoptikum gehören als in eine Galerie,
die aber doch unverkennbare +Epigonen+ sind Bosch's und Brueghels und
Rubens', der Unerreichbaren.

Denn wie diese, nur immer zu unkünstlerisch, absichtlich knüpft auch
Wiertz gern an Ereignisse seiner Zeit, an Dinge, die er erlebt.

»Die Ohrfeige einer belgischen Dame« (Abb. 22) ist ein Bild, geboren
aus der Erinnerung an die französischen Eroberer Belgiens, die
anders vorgingen als unsere Helden. So zeichnete ein Belgier die
Belgierinnen! --

Und doch liegt Wiertz' Schaffen fast jenseits der Kunst, jedenfalls
jenseits guter Malerei. Und seine Kunst ist nur Zerrbild flämischen
Geistes, wie jener Pöbel Belgiens, den unsere Krieger kennen gelernt.
-- Vor allen anderen Großen Belgiens fehlt ihm als Maler sehr
sinnlicher Themen die gesunde, kraftvolle, naive Sinnlichkeit, die ein
göttliches Vorrecht. Seine Sinnlichkeit ist krankhaft, altersschwach.
Die Belgier können nicht stolz auf ihn sein.

[Illustration: Abb. 21. +Antoine Wiertz+, Das Erwachen des Scheintoten.]

Ein anderer, echter Belgier aus Namur war +Felicien Rops+.

Ohne über die so entgegengesetzten, verdammenden und rühmenden Urteile,
die sein Werk erfahren, ein Wort zu verlieren, sage ich nur: Er ist
ganz das, was Bosch für seine Zeit war. Phantast seiner Zeit, Moralist
mit den Mitteln, mit den Bildern seiner Zeit.

So wenig wie Bosch schreckt er vor den gewagtesten Bildern zurück, um
das zu sagen, was er erlebt. Erlebt ist seine Wollust.

Hier eine Illustration zu Peladans »~Vice suprême~«: »Das erhabene
Laster«. (Abb. 23.) Der Tod ist's der verblendeten Leidenschaft.

Verblendung und Wahn bis über den Tod. Wie ein Triumphator steht der
vom Tod zerfressene Galan, den Schädel unterm Arm eingeklemmt, auf dem
Podium der gierigen Liebe. Er öffnet den Sarg einer Dirne mit falschem
Busen, dem Fächer und rauschenden Röcken.

»~Ecce homo -- ecce Eros.~«

[Illustration: Abb. 22. +Ant. Wiertz+, Die Ohrfeige einer belgischen
Dame.]

Ähnlich sein Bild vom »Syphilitischen Tod«. Grausam zupackend. Ganz wie
Bosch ist Rops ein Symbolist, der selbst alle Leidenschaften erlebt
haben muß, ein Symbolist vor allem auf der unendlichen, schrankenlosen,
erotischen Welt, die gebiert und vernichtet.

Solche Bilder des Rops sind flammende Menetekel an den Wänden
überfüllter Bordelle. Es sind Kapuzinaden voll scharfer, witziger
Schlager, die lachen machen und die Genießer aufrütteln und
beschäftigen, wenn die Dämmerung kommt und die verführerische Nacht. --
Wie Bosch, sein unsterblicher Ahne, denkt auch Rops, daß der Skandal
der Prüden wichtiger ist als die Lüge, daß es verflucht notwendig,
solche Dinge zu sagen und zu zeigen, wie sie sind.

Zumal gegen Wiertz ist auch die kraftstrotzende, üppige Erotik des Rops
gesund, wenn auch noch so weltstädtisch, so verführerisch durch alle
aufpeitschenden Mittel halbweltlerischen Luxus.

[Illustration: Abb. 23. +F. Rops+, »Das erhabene Laster«.]

Wiertz zeigt seine Nuditäten durch Schlüssellöcher. Rops zeigt das
Schamlose schamlos. Er hat immer die starke, spiegelnde Wahrheit -- das
freie, echte Künstlertum auf seiner Seite.

Und das gilt von der belgischen großen Kunst durchweg.

Es ist kein Zufall, ist Zeichen der Selbsttreue einer Rasse, daß Bosch
und Breughel, Rubens und Rops sich folgen wie die Glieder einer Kette.
In der Wiederholung der Themen und der Typen ist Charakter.

Und ob die Welt um 1900 gar so von Grund aus -- auf dem von diesen
Künstlern gleich stark geliebten und gleich hart gegeißelten Gebiete --
anders war, als die um 1500?



Von der sinnlich-übersinnlichen Phantastik belgischer Maler


»Ich bin ein melancholisches Geschöpf, dessen Lustigkeit Wahnsinn oder
Unsinn ist.«

Dies Bekenntnis de Costers, dessen bester Illustrator Rops war, hätte
auch Hieronymus +Bosch+ von sich aussprechen können.

[Illustration: Abb. 24. +Hieron. Bosch+, Der Heuwagen.]

Beide lachen mit dem einen und weinen mit dem andern Auge.

Die Bilder des Bosch sind fast alle bitterernst gemeint und doch fühle
ich, sie hat einer gemalt, der gar herzhaft über eigene und fremde
Torheiten lachen konnte, lachen hören und sehen wollte.

Wie in einem Kaleidoskop wechselt in Boschs unerklärlichen Bildern das
Nebeneinander von farbiger Freude und düstrem Schmerz.

»Der Heuwagen« im Eskurial (Abb. 24). Himmel und Erde! Hinter dem
Heuwagen unter Gott Vaters leuchtenden Wolken eine wundervolle echt
flandrische Landschaft. Weit und feucht. Und über das flandrische Land
fährt der Menschheit Wagen. Hoch auf dem schwankenden Polster von
Blumen und Gras ein Jüngling mit der Gitarre beim Liebchen. Und der
Teufel bläst auf seinem Rüssel die üble Begleitung: »Alles Fleisch ist
wie Heu und alle Herrlichkeit wie die Blume des Feldes.«

Die Todsünden -- alle unerklärlichen Laster in unerklärlichen Gestalten
ziehen den Wagen -- dem die ganze Welt, Kaiser und Könige, Kardinäle,
Papst und Geistliche, dem die Ärmsten und Elendesten voller Verlangen,
voll Zuversicht auf herrlichen, leichten Genuß und Vorteil folgen.

Und sie kommen noch alle aus lauter Eifer unter die Räder!

Eines der schönsten und wichtigsten Bilder des Bosch. Eine +Malerei+,
nicht etwa eine jener gelehrten Ausklügeleien, von elenden
Unkünstlerischen zur sogenannten moralischen Allegorie zusammengebaut.
Kein Katechismus. Kunst und Leben, die zwei, die immer vom Schleier des
Geheimnisses verhüllt bleiben.

Viel rätselhafter -- aber gleich stark als malerische Schöpfung ist das
andere große Bild des Bosch im Eskurial (Abb. 25).

Es hat die entgegengesetztesten Namen. »Die irdischen Freuden« nennen's
die einen. Die andern: »Die Völlerei«. Die beides sehen, nennen's:
»Die Strafe der Laster«, »Die Wollust und der Teufel«.

[Illustration: Abb. 25. +Hieron. Bosch+, Die Freuden der Welt.]

Doch hier sei's betont: wir sehen derartige groteske Höllenbilder meist
viel zu ernst an. Bosch zumal hat Freude an unserm Lachen. Wer so einen
Lasterzirkus erfunden hat, der fühlte, die Verrücktheiten der Menschen
sind unausrottbar. Es dreht sich alles im Kreise. -- Und im einzelnen
wie viel köstlicher Humor, wie viele mühen sich ordentlich ab, doch
endlich zu den Lustgefühlen zu kommen, die sie sich ersehnt. Von
solchen Bildern können Tausende von Phantasten, Symbolisten leben. Die
Bilder sind unerschöpflich. Die einen machen sich, die andern andern
was vor, aus Verlangen, aus Zeitvertreib. Manche spielen Versteck --
isolieren sich -- um doch Narren und Sünder zu bleiben wie die in der
großen Welt.

Im einzelnen bleiben die Traumbilder des Bosch, die ihm erlebte
Wirklichkeit sind, unerklärlich. -- Die »kleine Hölle« (Abb. 15), in
der's zugeht wie in einer belagerten, erstürmten, brennenden Stadt,
in der die Eroberer plündern und die Menschen nackt wegführen und
foltern (in Hogenbergs Radierungen ist's die furchtbare Wirklichkeit
geworden) -- im »+Jüngsten Gericht+«, das nach Bosch Alaart du Hameel
gestochen hat (Abb. 16), sind Gestalten, sind Maschinen, Tiere und
Menschen und wieder Gestalten, die alles das in einer ungeheuerlich
karnevalistischen Form sind.

Wer erklärt sie?

Was sind's sonst als die geistigen, seelischen, körperlichen Qualen der
genarrten, nur aus Glücksucht verbrecherischen Menschheit?

Es fällt ein Schimmer von Sympathie auf den düsteren Tyrannen der
Niederlande Philipp II. von Spanien, daß er an keinen Bildern bis zum
Tode solche Freude empfand wie an diesen erlebten Menschheitbildern,
gesehen wie im Spiegel eines unergründlichen Märchensees, um den die
Pessimisten sich sammeln und die Träumer. -- Woher hat Bosch solche
Phantasien?

Aus seinem Genie, seinem Land, seiner Zeit und allem vor ihm.

Vergil und Talmud und Indien, Hellenisches und irische Sagen, Bibel
und Masken und Geräte wilder Völker erkennt der gelehrte Literat und
Ethnograph da und dort im kaum verwandelten Bilde.

In Bosch lebt der Geist der flämischen Rasse, der Geist des
Mittelalters, der sterbend Neues erschaut.

»Charakteristisch für den Geist des Bosch,« sagt Lafond, »ist sein
Verlangen nach lebendigem Ausdruck. Er ist der erste Maler seines
Landes, der umherging, um alles zu beobachten, was nur geschah, der
die Feste besuchte und das Volk bei seinen Vergnügungen, die nirgends
so häufig und derb wie in Flandern und Brabant.« Es war die Zeit, da
zwei Epochen mit aller Heftigkeit aufeinanderplatzten. Die Hirne
zermarterten sich in Sorgen und Aberglauben, in den Weissagungen der
Apokalypse vom nahenden Weltende.

Aber in Flandern und Brabant blieb trotz allem noch der Geist
überlegener Gelassenheit, der sich lustig macht und mit einer
derben Zote ins volle Leben zurückspringt, wenn's nicht anders mehr
auszuhalten. Der Spott des Genießers liegt in allem. Eine köstliche,
lachende, praktisch bewährte Philosophie des Durchhaltens.

Bosch hat viel gesehen. Daheim und in der Ferne. Ob er weit gereist
ist? Ein so Reicher hat das nicht nötig. Er hat viel gelesen und
viel gesehen in den Büchern von Mandevilles indischen Reisen,
vom Physiologus mit seinen Mißgeburten und Ausgeburten begabter
Reiselügner. Die erzählten von Menschen ohne Beine, oder von
Seeweibern, die fast Fische waren, von allen Unmöglichkeiten.

Bosch vertiefte sein suchendes Auge in die grotesken Wasserspeier der
Dome, die Teufeln, die unter den Konsolen der Heiligen hocken, die
aus den Fassaden herauslugen und sich krümmen müssen zu Armlehnen im
Gestühl für die lebenskundigen Chorherren.

Das war alles Art von seiner Art an den Kirchen von Brüssel und
Löwen, in Breda und im Rathaus von Damme. Das war immer und immer
noch die gleiche anthropomorphisierte Welt der Sonderlinge um ihn
herum auf den Jahrmärkten und in den Stuben. -- Er sah die Teppiche
Persiens mit Jagden und Prozessionen und rätselhaften Zeichen. --
Bosch aber verknüpft und verknotet und umschlingt diese Millionen von
Vorstellungen zu einer ewig von Fragen erfüllten, atmenden Welt.

Einem Flamen gelingt dieser Wurf!

Eine lebendige Welt. Äonen von Leiden und Freuden fern, fern von der
hellenischen Welt mit ihren schönen Menschen ohne Erlebnis.

Bosch geht noch weiter als alle Erfinder und Phantasten Er bildet
Menschen, die sind halb und halb Geräte, Maschinen, Mühlen mit Armen
statt Flügeln, Häuser mit glotzenden, phosphoreszierenden Augen statt
der Fenster. Seine Höllen sind voll von Belagerungsmaschinen, Flug- und
Schwimmaschinen, die Ingenieure verrückt machen, beschämen und anregen
könnten.

Das alles ist Boschs persönlichstes Eigentum -- geschöpft aus den
tiefsten Quellen der Menschheit, aus der Art seiner Rasse: »Die Belgier
haben«, sagt L. Maeterlinck, »von Anfang an stärkste Begabung gezeigt
für Satire und Phantasie.« Und V.[1] sagt: »In Flandern darf nichts
abstrakt sein, dort muß der Stein lebendig sein, in steter Bewegung, so
wie Pflanze, Bäume, das Feuer, die Vögel, das Tier und die Menschen,
selbst auf die Gefahr hin, einen strengen Geschmack mit dieser
Bewegungsfülle zu verletzen« (Was z. B. von Michelangelo gilt.)

    [1] Es widersteht mir, den Namen dieses Schriftstellers zu
    nennen, der das künstlerisch beste Buch über Rubens geschrieben
    hat. V. hat unsere deutschen Krieger in einer so unflätigen
    Weise, die nur grausamster Selbsterfindung zweifelhafte
    Ehre machen kann, beschimpft, daß sein Name alles Vergessen
    verdient. Nicht nur seitens der Deutschen, ebenso seitens
    der Flamen, deren Verräter und Abtrünniger er geworden. Haß
    aus politischen Gründen ist verzeihlich -- wer aber seine
    unsterbliche Rasse beschimpft, verdient Namenlosigkeit.
    -- Gleichzeitig bemerke ich, daß der hier öfter genannte
    =L.= Maeterlinck nicht mit dem uns gleichfalls verächtlich
    gewordenen Maurice M. identisch ist. Wie Französelei die
    modernen Städte Belgiens charakterlos gemacht hat, so ist das
    Verhalten V's. und M. M's. Mordversuch am allein schöpferischen
    Flamentum.

Wer heute sich in die Bilder des Bosch vertieft, sieht die tolle, bunte
Menschheit -- er sieht, wie nirgends sonst, die Seele Flanderns.

Das macht den Ruhm des Bosch bei seinen Zeitgenossen klar.

Bosch ist der Maler der Zauberei und der Hexenprozesse -- der Angst vor
Folterqualen, des Suchens nach Errettung durch Gottes Wort und Macht.
Seine Bilder von der Bühne des Lebens der flämischen Lande waren alle
warmblütigen Lebens voll.

Das Verhältnis König Philipps II. ist für die Seelencharakteristik
dieses melancholischen Tyrannen unerläßlich.

Seine öffentlichen Handlungen waren nichts als kalte berechnende Posen,
er spielte vor einem Publikum, das in stiller Angst erzitterte. Und
Bosch malte dies Volk und diesen Herrscher.

Diese Bilder paßten also nirgends besser als in den Beichtstuhl und
vor das Totenbett des kranken Tyrannen, der ein geniales Volk verbissen
und heimtückisch gemacht hat.

Verbohrtheit ist in diesem Maler, in diesem Volke, diesem Herrscher. --
Verbohrtheit bis zum Genialen.

[Illustration: Abb. 26. +James Ensor+, Der Krieg. (Verlag Ey,
Hannover.)]

Trotzdem, trotz Michelangelo ist Bosch ein vollkommener Künstler.

»Seine malerische Harmonie ist ebenso stark, seine Farbe ebenso warm
wie die Rembrandts. Er steht ihm gleich.« (Lafond.)

Der Einfluß des Bosch ist unermeßlich. Natürlich auch gefährlich
gewesen, wie der aller ganz Starken und Einzelnen.

Callots »Versuchung des h. Antonius« ist ohne Bosch kaum denkbar.

Ein letzter Verwandter in Belgien mag +James Ensor+ sein (Abb. 26).
Nur ist Ensor kein Reifer, kein Lachender wie Bosch. Er griffelt
die Ängstlichkeit in zitternden Linien von traumhafter Zartheit. --
Drohender Pöbel, Massenangst, das sind seine Themen.

Die Reihe der Bilder übersinnlicher belgischer Phantasten des Lebens
und des Todes schließe ich mit einem der gewaltigsten, dem »+Triumph
des Todes+« von +Pieter Brueghel+ (Abb. 27).

Muß der Ruhm Bosch' als Maler noch verteidigt werden, so steht Brueghel
als einer der größten Maler über allem Streit.

Auch in +dem+ Bilde ist er Maler und Landschafter hohen Ranges. Aber
die Wucht der Erfindung fesselt fest das Auge an die Darstellung.

Auch hier, wie bei Bosch, bei Rubens, bei Rembrandt eine Komposition
voll divergierender Richtungen und schneidender Zäsuren. Es ist ja auch
ein Bild des Hin und Her.

Die Schlacht, die nie aufhören wird. --

Wie im »Kindermord« hat der Schrecken etwas Erstickendes.

In geschlossenen, dichten Reihen schieben sich hinter Schildern wie
Sargdeckeln die Bataillone des Todes vor. Viel kleiner -- und ganz
zerrissen die Schar der Menschen. Die Karren des Todes sind schon voll
bleicher Schädel. -- Weiter hinten tobt in Schluchten eine andere
Schlacht. Nirgends Sicherheit vorm Tod.

Am Horizont rauchende Städte. Im Meer untergehende Schiffe. Auf
der großen Richtstätte gehen Henker ihrer Arbeit nach. Gugelmänner
bestatten die Toten. Alles kahl und kalt. Vorn aber liegt der Kaiser
gleichgültig auf seinem Purpur -- und noch spielt ein Liebhaber im
Schoße einer Buhlerin die Laute.

Spiel und Grausen. Tod und Karneval. Wahrheit und Gleichnis.

In Pisa und Palermo, deren »Todestriumphe« der niederdeutschen Kunst
näher stehen als ähnliche Bilder in Italien, sind die Allegorien
illustrative Paraphrasen alter enger literarischer Themen. Frisch
hat Breughel erfunden, nichts ist Illustration. Breughels Kampf
ist ohnegleichen. Und das Chaotische der Komposition ist auch vom
andern Flamen Rubens bewußt oder unbewußt im »Sturz der Verdammten«
aufgegriffen.

Wenn nach Breughel auch kein Rubens gekommen wäre, Bilder so starker
Art bestimmen die Charakterzeichnung der Rasse.

In Breughel feiert die germanisch-flämische Kunst Höchstes:

»Uns ist nichts häßlich. Verhaßt ist uns nur das Leblose.«

Die tiefere Bedeutung dieser germanischen Begabung wird in Breughels
Werk erschlossen.

Sein Vorgehen muß auch uns Beispiel und Schild bleiben.

Denn wieviel liegt in solchem Bekenntnis!

Der Reichtum aus solcher Anschauung erdrückt allen ästhetischen
Formalismus, er erschließt künstlerische Gebiete von nie geahntem, nie
auszuschöpfendem Erträgnis vom goldnen Überfluß der Welt.

[Illustration: Abb. 27. +Pieter Breughel+, Der Triumph des Todes.
Lichtdruck von Karl Kuhn, München.]



Vom belgischen Heimat-Realismus


Vom starken Realismus belgischer Maler mußte schon oft die Rede sein.
Er ist das Kennzeichen aller Großen dieses Landes.

[Illustration: Abb. 28. +P. Breughel+, Ein brabantisches Dorf.]

Er ist Voraussetzung für die große Zahl mächtiger Bilder, furchtbarster
Schrecknisse des Todes, der Schlachten, der Martern, der ganzen Fülle
von Bildern mit an sich häßlichen Erscheinungen.

Denn auch Phantasie setzt, wenn sie als höchste Kunst gewertet sein
will, Naturstudium voraus. Auch die wildeste Phantasie ist Tochter der
Erinnerung, die die nackten Tatsachen fest angeschaut.

Doch nun einiges von der Geburt, dem Entwicklungsgang, der Ergiebigkeit
des belgischen Realismus, der in den Künstlern lebt und im Volk, der
dieses glücklich und reich, jene begehrt macht.

Wie er anfängt, früher, großartiger, entschlossener als sonst wo, wie
er die Kunst Belgiens in ganz Europa berühmt macht, berühmter sogar als
die Kunst anderer Länder, wie er erobernd vorgeht, wie er mit dem einen
das andere Gebiet erschließt, deren Bedeutung befestigt und durch alle
Zeiten verteidigt.

Nur einmal sank der Ruhm belgischer Kunst dahin, als der realistische
Sinn verachtet wurde, als die Belgier, verblendet von Italiens
Schematismus formalen Aufbaus, das Land verließen und mit ihm die
feste, bodenständige Anschauung ihrer alten Künstler.

Doch die unglückliche Zeit des Abfalls der Künstler der
malererzeugenden Niederlande von ihrer Heimat, vom starken flämischen
Naturell, von der Form der germanischen Rasse währte nicht lange.

[Illustration: Abb. 29. +Pieter Breughel+, Das Hochzeitsmahl der
Bauern.]

Zur selben Zeit kam einer aus irgendeinem Neste Brabants, der rüttelte
sein Volk auf, schüttelte voll Zorn die Ausländerei der Maler ab: Das
war +Pieter Breughel+.

Breughel ist der Vater der belgischen Heimatsmalerei.

Er erschließt endgültig alle Probleme und Taten der belgischen Malerei.
Er ist der urwüchsige, ausschlaggebende Künstler der zähen, kraft-
und fruchtstrotzenden Opposition im belgischen Realismus gegen alle
Fremdtümelei -- unter der die deutsche Kunst ach so oft und schwer
gelitten.

Breughel war jung in Italien. In Rom, wie so viele. Nichts scheint
ihn dort interessiert zu haben. Kaum etwas blieb von seinen römischen
Studien. Die hatten keinen Wert für ihn.

Aber in den Alpen da geht ihm das Herz auf, das Auge des Zeichners, des
Malers, des Realisten.

Keiner hat zu jener Zeit so ganz das mächtige, große, unendliche Auf
und Ab der Felsen und Täler, der Hänge und der Flüsse zwischen den
Bergreihen in sich aufgenommen, wie dieser Maler des Tieflandes. Mit
und nach ihm wurden Belgier beste Alpenmaler.

[Illustration: Abb. 30. +P. Breughel+, Das Gleichnis von den Blinden.]

Aber dann vermißt er die Berge nicht mehr, deren feuchte Wände er
gemalt, wie erst ein Böcklin wieder im letzten Jahrhundert. Er
konstruiert nun nicht etwa, wie andere, unwirkliche Bergbilder. Nein
er sieht eine Welt von linearem Reiz in -- den schlichtesten Dörfern
Brabants. Er zeichnet die Hütten seiner Bauern mit unerhörter Treue --
mit derselben Treue, mit der der richtige Italienschwärmer von damals
nur Paläste Italiens gezeichnet, nur Statuen und schöne Posen und
vollkommene Akte.

Eine ganze Folge von solchen Stichen entsteht. Immer wieder mußten sie
verlegt werden, so sehr gefallen sie im ganzen Lande. Die Heimatkunst
wirkte wechselseitig. Eine solche Liebe zu solchen Bildern der Hütten,
die frei sind von jeder Art Verschönerung, die auch noch nicht einmal
das Volk in irgendwie fesselnd-deutlicher Weise zeigen war noch nicht
da. Es war etwas ganz neues. (Abb. 28.)

Breughel gab dem Volke das als +denkbar+ schön, was die +Kenner+ vorher
als minderwertig und häßlich verachtet hatten.

Er hebt also alte Schätze aus vorher ungesehenen Tiefen. Er gab nicht
nur anderes, er malte auch durchaus anders, als damals für schön galt.
Seine ganze Umgebung schwärmte nur für Rafael.

Alles an dem Maler ist Opposition gegen Schönheitsbegriffe der Zeit.
Alles ist Charakter. Alles Heimat-Realismus.

Die von Italien kamen, malten die Bilder im Hochformat. Er zieht das
Breitformat vor, das weitaus herrschend geblieben in der +echten+
nordischen Kunst. Was er malte war weit und breit gesehen.

Er malt bunter als andere. Nicht fein nüanciert. Er setzt die
Lokalfarben, setzt blau und gelb und rot unvermittelt nebeneinander.

Er malt die Dinge wie er sie sieht, nicht nach feinen Rezepten.

Er malt Volk, nicht Heilige, malt Genre, nicht Religionen, nicht Engel
im Himmel, sondern Bauern im Wirtshaus -- malt Straßen und Schützen,
Trunkenheit und Epilepsie.

Und das bleibt das Thema der belgischen Kunst, trotz van Dyck.

Er malt die Häßlichsten und Ärmsten und gibt solchen Bildern ohne alle
irgendwie pathetischen Mittelchen Wucht und Größe.

Oder nicht? -- -- Sind die »Blinden, die Blinde führen« nicht
herrlicher, bedeutsamer, packender und zwar auch rein als Kunstwerk als
all die schonen und verzückten und entzückenden Heiligenbilder dort
ringsum im Museum zu Neapel? (Abb. 30.)

Breughel schlug noch einmal Bresche für flämisch-niederdeutsche
Art. Für ihn war das schwerer als gut 100 Jahre früher für die van
Eyck. Denn damals galt auch in Italien das Niederländische. Jetzt
beeinflußten Rafael, Michelangelo, Tizian den Geschmack hier wie dort.
Dort mit Recht. Hier zu unrecht. Denn Breughel ist wie Bosch, wie van
Eyck vom Uradel seines Landes, wie jene von ihrem. Fremde Herren aber
können den Adel nicht verleihen.

Das sei nie vergessen.

So scheidet Breughel nicht nur endgültig Belgien von Italien -- er
ändert auch die Richtung der Anschauung im eigenen Lande.

Nur einiges von dem, was ihn unterscheidet von den alten belgischen
Künstlern; seine Auftraggeber, von denen des van Eyck.

Breughel sieht nicht mehr die Pracht der hohen Herren. Pomphafte
Aufzüge, wie wir sie so vielfach in den alten reichen Handschriften
der Herzöge von Burgund, im Turiner Gebetbuch (Abb. 31) mit
erstaunlichster Treue und Farbenfreude gemalt sehen, wie sie Jan van
Eyck in dem epocheeröffnenden Genter Altar geschildert -- interessieren
Breughel nicht. Er liebt die bunte Masse.

[Illustration: Abb. 31. Die Landung Wilhelms von Bayern in Holland.

Miniatur aus dem 1904 verbrannten Turiner Gebetbuch.]

Die Landschaft des Turiner Gebetbuches, die Küste mit dem Turm von
Vere, die Atmosphäre ist freilich holländisch. Und der dargestellte
Wilhelm IV. von Bayern war Herzog von Holland. Aber hier gilt uns
mit Recht das Bild als Beispiel für die Prunkliebe der damaligen
Höfe, für das große Interesse der Hofmaler für prachtvolle Stoffe.
Erst allmählich änderte sich dies mehr und mehr ins Bürgerliche
und Bäuerliche. Nur eines blieb stark in beiden Niederlanden, die
stoffliche Wahrmalerei. -- Diese war altes Erbteil der Niederlande.
-- Aber keiner war vor Breughel stark durch den ausgesprochen
belgisch-volkstümlichen Realismus.

[Illustration: Abb. 32. +Jan van Eyck+, Adam und Eva.]

Hundert Jahre vor Dürers »Fortuna« mit dem dicken Unterleib, der zuviel
daheim hockenden Hausfrau, malt Jan van Eyck die ersten Menschen um
kein Haar schöner als die ersten besten schlichten Landsleute, die sich
ausgezogen vor den Genter Maler hingestellt. (Abb. 32.)

Was sollte sich die Rasse schämen? Was sollte hier antikische
Körperpflege? Freilich in dem sonst so feierlich repräsentativem
Charakter des unerhört großen Altarbildes wirken die Figuren nicht
passend im Sinne des Stils. Nur die Akte sind »wie daheim«. Alles
andere bewegt sich, wie für feierliche Aufzüge.

Nichts wirkte damals aufs Volk so stark wie diese Akte. Diese gaben dem
Altar den Namen: »Spiegel, Spiegel sind es, keine Bilder« rief man aus.

Ist also Jan van Eyck teils noch dies -- nur im kleineren Teile schon
der nationale Maler, so gehören erst Breughels scharfe Augen ganz
allein der Heimat. Er will nichts von der alten Schaustellung. Akte hat
er nie gemalt. Und wenn er's getan hätte. -- Man kann sie sich leicht
bilden aus den festen vierschrötigen, gesunden Gestalten im prallen
Kittel.

Er malt Belgiens gesunde Rasse -- und alle Belgier nach ihm! Brouwer,
Teniers, Rubens, Lambeaux, Rops, Rassenfosse.

[Illustration: Abb. 33. +Meister von Flémalle+, Madonna.]

Ein anderes Werk mag unsere Überzeugung befestigen von dem gerade in
Belgien kräftig sich durchsetzenden Realismus. Der noch nicht mit Namen
bekannte »Meister von Flémalle«, der jedenfalls ein Schüler des echt
Brüsseler Malers Rogier van der Weyden gewesen ist, malte nicht lang
nach dem Tode des älteren van Eyck eine Madonna, die bezeichnend für
jenen kecken, derben Naturalismus, der Eigentum der flämischen Kunst
blieb bis heute. (Abb. 33.)

Die, wohl in Tournay gemalte, Gottesmutter ist von gleicher, gesunder,
ja kraftstrotzender Art wie eine Madonna des Rubens im Prado, in Berlin
oder im Louvre, sie ist eine unverkennbare Ahnin der »Fruchtbarkeit«
des Jordaens. »Die Auffassung ist derb und groß«, sagt Friedländer.
Vertieft im mütterlichen Glück, behäbig und breit thront die göttliche
Mutter im reichen Heim.

Und wenn hier auch vieles noch etwas gar fein und geziert, die Keckheit
der unsymmetrischen Komposition konnte nur einer haben, dessen Wille es
war, alles recht unmittelbar erscheinen zu lassen.

Freilich ist die Kunst dieser Zeit, in der der burgundische Hof
alle anderen an Pracht überbieten konnte, nicht frei vom höfischen
Einschlag. Um so mehr muß, gegen den Geschmack der Weltstadt Paris, die
derbere nationale Eigenart stark aufgefallen sein.

War die Kunst dieses Meisters noch nicht in jeder Beziehung
realistisch, ihr Ziel: Naturalismus, ihre Art: das kernige, flandrische
Naturell traten bahnbrechend hervor, wie in den Genter Akten.

Wie ganz anders die französische Malerei am Hofe von Paris, etwa zur
gleichen Zeit. Sie fürchtete vielleicht gar den niederländischen
Einschlag. Sie protestierte gegen deren Neuerungen, während die
flämische immer bewußter auftritt. Die Pariserischen blieben milder,
auch in den Farben zarter. Sie malten schöner, glatter. Lack und Gold
machten viel aus. Wo die von Paris oder in der Touraine auch mal
kecker auftreten wollten, da vergreifen sie sich eher ins Pikante, ins
gesellschaftlich Sensationelle.

Man braucht doch nur diese Madonna des Meisters von Flémalle mit
der uns heute befremdlicheren des Jean Foucquet zu vergleichen, die
jetzt im Antwerpener Museum hängt -- um den Unterschied belgischer
und französischer Kunst schon in jener Zeit zu fühlen. Foucquets
Madonna soll die Geliebte Karls VII.: Agnes Sorel darstellen. Sie
ist ganz modisch gekleidet -- nicht wie die des Flemallers etwas
patriarchalisch. Auch sie hat eine Brust entblößt. -- Und doch wirkt
das alles nicht frisch, nicht naiv. Alles ist schönheitlich berechnend,
trotz Realismus alles archaistisch. Die Komposition ist ganz
konventionell. Es ist höfische Kunst -- nicht die echte menschliche im
neuen Flandern.

Was vom figürlichen Bilde gilt, gilt auch vom Realismus in der
Landschaft.

[Illustration: Abb. 34. +Jan van Eyck+, Die Madonna des Kanzlers Rollin.

Ausschnitt: Die sogenannte Landschaft von Lüttich.]

Um die Bedeutung der Heimatlust eines Bosch und Breughel zu erkennen,
muß man deren Bilder mit den älteren vergleichen. Die prächtige
Küstenlandschaft mit Wilhelm von Bayern ist gemeinsamer Ausgangspunkt.
Dann wirkt die große Landschaft im Genter Altar wie eine Offenbarung.
Aber sie ist zusammengestellt, sie zeigt sogar noch die Palmen des
Südens. Schon vorher aber hat Jan van Eyck auf dem Bilde des Kanzlers
Rollin (Abb. 34) möglichst getreu seine Heimat gemalt: Felix Rosen
will in der Landschaft Lüttich und seine Umgebung erkennen. --
Jedenfalls ist das Maaßtal auch landschaftlich der klassische Boden der
flandrischen Kunst. -- Doch gab auch Jan van Eyck noch keine Landschaft
der Heimat ganz für sich. Auch Patinier malt ganz wundervolle Ideale
flandrischer Weiten zu dem Bilde des Quentin Massys: Versuchung des
h. Antonius (Abb. 36). Nicht lange nach ihm kamen Bosch und dann P.
Breughel, von dessen epochemachender Folge Brabanter Dörfer schon
die Rede war. Mit ihnen beginnt die eigentliche Heimatlandschaft der
belgischen Maler. (Abb. 28.)

[Illustration: Abb. 35. +D. Y. Cameron+, Die Maas bei Dinant.]

[Illustration: Abb. 36. +Quinten Massys+ und +J. Patinier+, Die
Versuchung des h. Antonius.

Phot. F. Bruckmann, München.

Die Figuren von Massys, die große ideale Landschaft des oberen
Maastales und der flandrischen Ebene von Patinier.]



Von der unversiegbaren Lebensbejahung der Künstler und des Volkes der
Belgier


Realismus und Heimatlust sind die starken Pfeiler der niederländischen
Kunst. Beide haben die belgische Malerei siegreich gemacht im
künstlerischen Wettstreit aller Völker der Erde.

[Illustration: Abb. 37. +Pieter Breughel+, Die Bauern tanzen unterm
Galgen.]

Aber der starke Erfolg der großen belgischen Maler daheim und draußen,
bei den schärfsten kritischen Beurteilern wie bei allen Schaulustigen
überhaupt, verlangt noch andere Erklärung. -- Und die gibt nichts
anderes als die unvergleichlich starke Lebenslust des flämischen
Volkes, das nichts weiß von Sentimentalität und Kopfhängerei, nichts
von Schwäche und Daseinsverzicht.

Was die Reihen der belgischen Bilder so genußreich macht -- auch für
die jenseits künstlerischen Gestaltens, das ist die derbe Freude, die
gute Laune, das Genießerische.

Weil der belgische Künstler, wie das Volk, schließlich überall mit
allen Augen, mit ganzem Herzen fühlt: das Leben ist doch lobenswert,
es ist doch zu bejahen -- ist die Kunst dieser Maler so ohne Grenzen.
Alles, alles ist ihnen bedeutend, genußreich.

So vollzieht sich in Belgien's Malerei häufiger und leichter als
sonstwo die ewig unbegreifliche Wandlung vom Häßlichen ins Schöne, vom
Grausigen ins Erschütternde, vom Wahren ins Wunderbare, von der ich in
einem anderen Werke ausführlich gesprochen habe.

Wäre wirklich die niederländische Bauernmalerei so sieghaft gewesen,
wenn nicht aus all diesen ärmlichen Kneipen, aus diesen derben
Gesichtern armer Teufel ein Rassenbewußtsein uns entgegenlachte, das
überzeugender wirkt als alle philosophischen und theologischen Traktate
über das Glück der Bescheidenheit?

So hängt aufs engste zusammen, flämischer Volkscharakter und flämische
Kunst. Kraft solcher naiver, volkstümlicher Doppelbejahung sind und
bleiben die größten belgischen Künstler die stärksten Repräsentanten
des belgischen Volkes.

Rubens ist der stärkste. Er steht für uns mitten zwischen den
Jahrhunderten.

Rubens erst hat die Bauern seiner Heimat verherrlicht. Er hat sie
vergöttlicht zu Panen und Satyren. Kein größerer Unterschied als Rubens
Bauern und Watteaus Bauern. Dieser bewußte Nachfolger des Rubens ist
nur durch Geburt Auch-Flandrer. Die belgischen Rassebauern gehen mit
ihm unter. Sie werden verächtliche »magots«. Rubens Kirmesbild im
Louvre (Abb. 38) ist Rausch an Rassegefühlen, ist die Hymne belgischer
Heimatlust und flämischen Genießens.

[Illustration: Abb. 38. +P. P. Rubens+, Die flämische Kirmes.]

»Alle Laster, die Freßsucht, die Trunkenheit, die Ausschweifung, sind
hier in einer so donnernden Hymne gefeiert, daß man gar nicht auf die
einzelnen Worte achtet. Eine ungeheuere Musik, keine Zurückhaltung,
keine Dämpfung, brutal bricht sie aus wie Zimbelschlagen, rauschende
Blechmusik und das Gröhlen der breiten Baßgeigen. Rubens vergötterte
seine Rasse, er liebte in ihr die Gutmütigkeit, ihre Sinnlichkeit,
ihre rohe, rote Glut. Von allen Genrebildern des Rubens ist dies
Kirmesbild das berühmteste und typischste«. (V.)

[Illustration: Abb. 39. +P. van der Heyden+, St. Georgskirmes.

Kupferstich nach P. Breughel.]

Wild und sinnlich sind auch die Kirmessen des Breughel, des Vinckboons,
des Jordaens. Aber nur Rubens prägt und stilisiert das Bild, das
hundert andere gemalt, zu einem Rassezeichen, zum Signum seines Volkes
voll künstlerischer Klarheit und Kraft.

In der Darmstädter Galerie hängt ein Bild Breughels, das vielleicht am
ehesten neben die Rubenssche Kirmes gehört. Wie die Bauern sogar noch
unterm Galgen tanzen. (Abb. 37.)

Bei Rubens meint man, das müßte so sein. Bei Breughel erlebt man erst
dies wundervolle »Und doch, und doch« der uralten flämischen Lebenslust
trotz aller Widerwärtigkeiten des Daseins.

Rubens Kirmes ist tatsächlich Signum -- Breughels Bild aber ist die
Allegorie eines Malerphilosophen sondergleichen.

Beide Künstler sind wahr und überzeugt vom Werte ihrer Art.

Rubens zumal ist selten so wahrhaftig, so mitfühlend, so ganz derselbe
wie die, die er malt. Der Hofmann konnte ganz Bauer sein.

Bei den Märtyrerszenen ist er lieblos -- hier wird seine Liebe auch
ohne »Theater« Leben! Ja die Übertragung ins »Stilvolle« kommt durch
Verzicht auf jeden szenischen Apparat.

[Illustration: Abb. 40. +Fel. Rops+, Der Frühling im Städtchen.]

Die +St. Georgskirchweih des Pieter Breughel+ (Abb. 39) will etwas
anderes sein. Eine recht getreue Erinnerung an übermütige Stunden. Alle
Belustigungen, alle sportlichen Veranstaltungen, alle Aufführungen
werden gezeigt. So ein Stich in der Bauernstube an die Wand genagelt,
hat jeden echten Flamen die Tage bis zur nächsten Kirchweih
herbeisehnen lassen. Wie's da zuging, das war Vorbild für den nächsten
Freudenrausch.

Rops, der Wallone, hat einmal »den Frühling« gezeichnet -- (Abb. 40),
nicht wie ein Ludwig Richter, nicht wie ein Schwind oder Thoma. Nein,
ganz wie ein echter alter, von niederländischer Volkstümlichkeit
strotzender Belgier.

Hier wird die Schilderung freilich witzig -- aber im einzelnen und
im ganzen ist's das alte lustige Getriebe, sind's die alten feisten
Breughelschen Gestalten, die sich necken, lieben, schlagen, drehen.

Rops Spott trifft nur die Nichtbauern, die Nichtvölkischen. --

[Illustration: Abb. 41. +Teniers d. J.+, Fest im Hofe eines
Wirtshauses.]

Und bei Teniers stört nur eines, mindert nur eines die Kraft
der Vorstellung: Die Anwesenheit städtischer Zuschauer. Auf
die Bildbetrachter geht von diesen Zuschauern doch immer etwas
reflektierendes aus. Es tritt zwischen die Bauern und uns ein
Störendes. Das Bild wird zur Bühne, die die Welt bedeutet, nicht ist.
Wir meinen sogar Teniers stelle die Bilder absichtlich wechselvoller
zusammen. Fürchtet er sonst zu einseitig zu sein? (Abb. 41.)

Mag diese Empfindung unnötiger arrangierender Nachhilfe berechtigt sein
oder nicht -- für die Beurteilung des Künstlers sind die Zuschauer, die
Brueghel und Brouwer nicht kennen, zutreffend: Der Maler hat nicht sich
eins gefühlt mit seinem Volke. Der Hofmaler Teniers, der von seinem
Schloß aus die Kirmessen sah, ist wohl der Geburt, aber gar nicht dem
Herzen nach Vollblutflame.

Doch für uns ist Teniers gerade als Hofmaler interessant.

[Illustration: Abb. 42. +Adriaen Brouwer+, Das Gefühl.]

Die fremden Herrscher protegierten ihn. Der deutsche leidenschaftliche,
in Spanien erzogene, Don Juan d'Austria, aus bayerischem Blut, war's,
der ihn unterstützte. Er wollte mit ihm zeigen, daß er für das
flämische Volk fühle. Er wollte es gewinnen.

Ob ein Hofmaler dafür gerade der geeignetste war, läßt sich bezweifeln,
zumal Teniers das künstlerisch sehr zweideutige Ziel erreichte, die
flämische Bauernmalerei salonfähig zu machen.

Da war doch Brouwer ein ganz anderer Kerl. (Abb. 42 und 43.)

Der lebte nicht auf hohem Schloß -- lebte nur in den Kneipen.

Der war nicht Hofmaler und Galeriedirektor -- sondern ein Lump und
Sumpfgenie, der von den Manieren der guterzogenen Leute nichts wissen
wollte. Rubens Mühe versagte bei ihm.

Ein genialer Mensch war +Brouwer+ und ein genialer Künstler.

Nicht Besteller, nicht Vorteile, Charakter allein machte Brouwer zum
echten flämischen Bauernmaler, reich an Geist und Witz.

»Jeder Zoll ein Künstler, ein malerisches Genie, das neben den größten
genannt zu werden verdient.« »Ein Adonis in Lumpen, ein Philosoph unter
der Narrenkappe, ein Epikuräer mit zynischen Formen« sagt Wilhelm von
Bode.

[Illustration: Abb. 43. +Adr. Brouwer+, Raufende Kartenspieler.]

Sein Atelier -- das waren die Weinspelunken Antwerpens.

Dort waren seine Freunde. Nur dort seine Modelle. -- Wo er her kam,
wissen wir nicht. Daß er ein Flandrer war ist gewiß.

In dem Element, in dem er allein leben konnte und wollte, ging's
polizeiwidrig, ging's animalisch zu, in Spiel und Genuß.

Das Künstlerische und das Volkseigene lassen sich bei Brouwers
Bildern nicht trennen, nicht mit allen Pinzetten und Goldwagen der
Gelehrtentüftelei.

Ob Maler, ob Volk, der Flame liebt die Farben als Farben, ob Kittel,
ob Haar, ob Wein, ob Rauch. Er liebt die Formen des Lebens, also nicht
die hergerichteten, ausgeglichenen, aus Konvention schon genannten.
Konvention und Künstlertum hassen sich.

Wie sehr in Brouwers Kunst auch höchster Volkssinn lebt, zeigt der fast
beispiellose Erfolg des Malers Niemals war ein Erfolg künstlerisch
verdienter. Niemals so frei von allen anderen Einflüssen. Denn
liebenswürdig war Brouwer nicht. Seine kleinen, -- zunächst sehr bunten
-- lokalfarbigen Bilder werden bald so hoch bezahlt, wie die großen des
Rubens. Mit 24 Jahren ist Brouwer berühmt.

[Illustration: Abb. 44. +Hemessen+, Lockere Gesellschaft.

Phot. F. Bruckmann A.-G., München.]

Doch Besitz galt ihm nichts. Der floß in die Kehle.

Als er mit 33 Jahren stirbt, hinterläßt er an Wäsche nur einen Kragen,
fünf Manschetten und -- kein Hemd.

Wer Belgiens Geschichte und Belgiens Kunstgeschichte nur in den
Höhepunkten vergleicht, wird finden, daß die Kurve dieser meist hoch
steht, wenn die Höhe jener sich senkte oder noch kaum wieder sich zu
heben anfing.

So wird Brouwers Schicksal zur Allegorie: Die Kunst Belgiens ist häufig
genug ein Phönix aus der Asche.

Man hat in Brouwers Malerei viel Holländisches festgestellt.

Aber vergleicht den größten Holländer neben ihm: den Franz Hals, der
vielleicht sein Lehrer war. -- Das, was flämisch ist, hat nur Brouwer.
Hals aus Antwerpen ist auch Maler des Lachens und Genießens. Aber er
ist doch mehr, er ist am größten, unvergleichlich im +feinen+ Lächeln.
Die lachenden Genießer des Holländers sind zudem meist gesittete,
wohlgekleidete Leute. --

[Illustration: Abb. 45. +Joos van Craesbeeck+, Die Kurtisane.]

Die ganze Schule geht von Brouwer aus. Von Antwerpen nach Haarlem,
Delft, Amsterdam, Leiden.

Brouwers tüchtigster Schüler war +Joos van Craesbeeck+. Im bürgerlichen
Leben kein ganz sauberer Mensch. -- Auch er ein Kneipenmaler mit Zank
und Rauferei. Lehrer und Schüler lebten in der Kneipe und nahmen's mit
dem weiblichen Mein oder Dein nicht genau.

Craesbeecks Bilder spielen bezeichnenderweise nicht nur in Kneipen
und -- was bei Brouwer nie der Fall, eine zweifelhafte Weiblichkeit
gibt den Mittelpunkt. (Abb. 45.) Er malt schon recht gern Soldaten und
Herren bei Dirnen in Freudenhäusern.

Das Thema war keine neue Erfindung. Es konnte in der genußsüchtigen,
lebenslustigen Welt Antwerpens nicht fehlen. Doch erst Craesbeeck
hatte Erfolg. Aertsen und Hemessen, die hundert Jahre früher Ähnliches
malten, fanden für diese Psychologie noch wenig Verständnis. Das
ist begreiflich. Beide sind nicht fest. Ihr Leben wechselt zwischen
Belgien und Holland, wie ihre künstlerische Anschauung, die, weil sie
schwächlich, nicht kurz zu charakterisieren ist.

In Aertsens ruhigen Bildern aus öffentlichen Häusern lebt nicht die
starke, zugreifende, rasch handelnde Begierde. In seinen zarten,
oft bleichen Gestalten fühlt man das Zittern verhaltenen sinnlichen
Verlangens. Das widerspricht flämischer Rasse. --

Denn allen Flämischen sind »~naturalia non turpia~«.

Hemessens »Lockere Gesellschaft« (Abb. 44) ist nur negativ vielsagend.
In den Bildern der wahrhaft großen Belgier, ist die starke,
lebensbejahende Physiognomie des belgischen Volkes ganz anders und ohne
alle Zweideutigkeit gezeichnet.

So ein ganz unverblümter Schilderer der rassigen, flämischen
gutgestellten Familie ist +Jakob Jordaens+.

Auch ein echter Sohn seiner Rasse, der nicht nach Italien ging. Der
die Götter Griechenlands -- wie Rubens -- ganz so malt wie die Kinder,
die Männer und Frauen seiner gesegneten Heimat. Kräftige Körper,
schwellende, milchstrotzende Brüste und leuchtende Augen, rotes Haar
und rosiges Fleisch, runde Gesichter mit feuchten Lippen, die gern
essen und schlürfen, die tüchtig singen und breit lachen können und
wollen. (Abb. 46 und 47.)

Die Familien Jordaens' sind immer bei voller Tafel versammelt
-- irgendein Fest gab's immer zu feiern. Die Bohnenfeste, die
Martinsfeste, den Dreikönigstag, wie oft hat sie Jordaens gemalt in
gesunden Farben beim fast blendenden Licht. So strahlt das grelle
Fleisch fast hart wie die Pokale der vollen Tafel.

Es muß sehr laut zugegangen sein bei solchen Festen. Das hört man
aus allen Bildern dieses Malers familiären Genusses. Es lacht alles.
Alles singt und fiedelt durcheinander. Rommelpot und Dudelsack und
Kinderschreien und lauter Schabernack, Gläserklirren und Hochs ohne
Anlaß und ohne Ende geben die dissonante Musik dieser unvergleichlich
ausgelassenen Familienfeste.

Ein Bild dieser Art hat Jordaens unzählige Male wiederholt. »Wie die
Alten sungen, so zwitschern die Jungen.«

Alt und jung singt lustige Lieder. Der Bub auf Großvaters Schoß flötet,
und das Muttersöhnchen tut desgleichen.

»Wie die Alten -- so die Jungen.«

Das Sprichwort ist echt belgisch. Und immer hat's den gleichen Sinn
behalten, ohne Moralität das Leben stark bejahend.

Gut essen und gut trinken, zumal bei Festen, ist flandrische Tradition.

Ist's Zufall, daß das Thema in der belgischen Kunst so beliebt und daß
es immer üppig schmausende, singende, lachende, lärmende Menschen zeigt
aus allen Altersstufen vom Säugling bis zum Greis?

Jedenfalls läßt sich die malerische Ergiebigkeit aus solcher Anschauung
nicht begrenzen.

Dieser, durch alle guten und schlechten Zeiten, ganz besonders
gepflegte Sinn trug der Kunst Belgiens reifste Früchte.

Die Stillebenmalerei hat, schon immer durch die lebhafte Freude
aller Niederländer am Stofflichen genährt, die Maler Burgunds und
Belgiens besser und früher als andere Maler erzogen zur möglichst
treuen, malerisch-täuschenden Wiedergabe aller Dinge, aller Stoffe und
Erscheinungen, aller Tiere und Speisen. --

In den großen Stilleben Franz Snyders äußert sich des Volkes starker
Materialismus geradezu monumental.

Auch hierzu gaben schon sehr früh belgische Maler den Weg.

Pieter Aertsen, der Maler der Köchinnen und der Küchen, darf nicht
vergessen werden. Und Rubens selbst, seine ganze Schule hat wieder auf
unzählige Maler weiter gewirkt. Auch auf die Kunst der Kupferstecher.
Unsere Abb. 48 ist nach dem unerreicht schönen Schabkunstblatt Earloms
gefertigt, der das Glänzende und Schlüpfrige, das Glatte der Aale und
Schüsseln, das Harte der Krebse und Hummern, das Blanke des Messers,
diese ganze wunderbare tote Natur, schwarz-weiß greifbar wiedergegeben
hat.

[Illustration: Abb. 46. +Jak. Jordaens+, Der König trinkt.]

Wie die Sitten des Volkes sind die Themen der Künstler bezeichnend für
Rasse und Art, Ideale und Wirklichkeit.

Mag die große griechische plastische Kunst nur die Sehnsucht nach
vollkommener Menschheit verbildlichen -- die Belgier fühlen sich
vollkommen, vollkommen in ihrer Art. Ihre Kunst ist vollkommen, wie
alles Autochthone -- sie bleibt groß und wird stark bleiben, solange
sie wie Antäus aus der Heimat ewiger Erde neue Kraft gewinnt.

Nur der Tod flämischen Geistes würde das Ende bedeuten belgischer Kunst.

Den Bahnbrechern echter Rassekunst blieben, mit der erwähnten kurzen
Unterbrechung durch eine landfremde Renaissance, Belgiens fernere
Künstler treu durch die Jahrhunderte.

Und wenn auch in der neueren belgischen Kunst -- ganz wie in der
deutschen -- manche Malerei gerade wegen ihrer Heimatlosigkeit den
einen mißliebig auffällt, den andern schmeichelt, -- man denke auch an
den charakterlosen pariserischen Belgier Alfred Stevens, -- es sind
doch in Belgien bis auf heute kräftige Stammhalter genug der echten
flämischen Rasse am Werk.

[Illustration: Abb. 47. +Jak. Jordaens+, Wie die Alten sungen, so
piepen die Jungen.]

Ein solcher Stammhalter ist Jef Lambeaux, den wir weniger kennen als
andere, die viel, viel schwächer, aber sensationeller.

Wie wundervoll verkörpert Lambeaux in seinen prächtigen, üppiggesunden,
starken Göttern und Menschen (Abb. 49) alles das, was Belgiens Kunst
groß gemacht, alles das, woraus Belgiens Künstler das Beste ihrer
Schöpferkraft gezogen und genährt.

Die belgische Kunst nahm, wie Rooses gesagt, aus dem Leben das
Fröhliche, Lachende, Genießbare. Sie ist eine menschliche Kunst.
Lambeaux »Freude« braucht keine Benennung. Es ist die starke Freude
aller Gesunden.

Auch hier ein Vergleich mit einem französischen Werk, das kaum älter:
mit Carpeaux' echt +französischer+ Gruppe »Der Tanz«, an der Schauseite
der Großen Oper zu Paris.

Nicht der Taumel bacchischer Lust macht Lambeaux Gruppe zum belgisch
bedeutenden Werke. Auch Carpeaux Gestalten tanzen in solchem Rausch.
Diese Gestalten, dieser Tanz sind echt französisch.

Aber wie diese nur echt französisch, geschmeidig und elegant wie die
Figuren schon des Primaticcio oder Goujon -- so sind Lambeaux Götter
und Menschen gestaltet wie die Bauernweiber Breughels, wie die Götter
des Rubens, die Gattinen des Jordaens.

Sie sind so echt flämisch -- wie echt deutsch sind die Engel und Bengel
des Altdorfer und Richter, wie die derben Frauen des Baldung, wie
Schongauers eckige, geistdurchwühlte Jünger, wie Schwindsche Märchen,
wie alle Menschen des Mathias Grünewald auf dem Isenheimer Altar, wie
so viele markige, ganz vom Gedanken beherrschte, unscheinbare Gestalten
Rembrandts, wie Dürers monumentale Apostel, seine ewig-deutsche
Melancholie.

       *       *       *       *       *

»Wie die Alten -- so die Jungen« (Abb. 47). Das war das Leitmotiv
belgischer Kunst. Das war ihr Segen.

Das sang man in Flandern.

Weshalb nur blieb deutsche Kunst nicht immer deutsche Kunst?

Werde sie endlich frei vom Wahne des alleinselig-, alleinschönmachenden
antikisch-italischen Formalismus.

Der bleibt unserer Rasse fremd. Dieses Fremde werde uns unerträglich,
wie die Lobpreisung französischer Maltradition!

Der Niederlande, des Rubens und noch mehr Rembrandts unsterbliche Kunst
unterstreicht dies Verlangen -- zeigt Künstlern deutscher Rasse den Weg.

Denn trotz so vieler großer Meister, trotz des tieferen, gemütvolleren,
trotz des nur künstlerisch immer gefahrvollen sentimentalen Gehalts
deutscher Art -- hat die Geschichte deutscher Kunst bisher nicht die
Festigkeit der Physiognomie, nicht die zähe Treue der belgischen Kunst
gezeigt.

[Illustration: Abb. 48. +Richard Earlom+ nach Frans Snyders:
Fischmarkt.]

Die belgischen Maler waren treu ihrer Rasse, treu dem Lichte und
der Luft ihrer Heimat, treu ihren Farben, treu ihren Gestalten, ihren
Menschen, ihrem Allzumenschlichen.

[Illustration: Abb. 49. +Jef Lambeaux+, Die Freude.]

Nie und nie haben sich die +großen+ Maler dieses Landes einer noch so
viel geltenden rassefremden Kunstform unterworfen, nie unterwarfen sie
sich der verführerischen italienischen »Schönheit« -- die auch uns
gefährlicher als irgend eine andere. Sie lebt nicht uns.

[Illustration: Abb. 50. +Frank Brankwyn+, St. Nikolauskirche in
Dixmuiden.]

+Es gibt keinen edleren Realismus als den, geboren aus der Luft, der
Erde, dem Fleische, der inneren und äußeren Heimat des Künstlers.+

Solches Schöpfen aus unveränderlichen Tatsachen eroberte der Kunst der
Niederlande einen Thron, der um keine Stufe niederer steht als der
jener anderen Rasse und jener anderen Welt.

Nur Heimattreue und Rassezähigkeit macht populär. Volkstümlich,
national war immer die Kunst der großen Belgier.

[Illustration: Abb 51. +D. Y. Cameron+, Der Belfried von Brügge.]

Nur Blick und Geist, nur Herz, in denen sich alles was landeseigen ist,
kristallisiert, schafft Werte von Rasse, von Weltdauer.

Belgiens Künstler wissen sehr gewiß von sich: sie bleiben und wollen so
bleiben und schaffen, wie sie waren und schufen.

Die Belgier wollen sich gar nicht ändern. Nicht im Schlechten, nicht im
Guten. Sie können nicht anders.

Rechnen wir mit dem bleibenden Charakter des Volkes. -- Lernt, deutsche
Künstler, von der sieghaften Treue der belgischen Kunst.

[Illustration: Abb. 52. +Jer. Duquesnoy+, Das Manneken pis in Brüssel.]



Anmerkungen zu den Abbildungen.


    =Abb. 1. Aug. Coppens, Der große Platz in Brüssel= nach seiner
      fast vollständigen Zerstörung durch die Franzosen 1695. Das
      Blatt (182×150 ~mm~) ist von R. van Orley nach A. C. radiert.
      Es gehört zu dem Werke: »~Perspectives des Ruines de la
      Ville de Bruxelles~«. Der Generalstatthalter Max Emmanuel,
      Kurfürst von Bayern, stellte damals seine eigenen Mittel
      zur Verfügung, um die Schönheit der alten Stadt bald wieder
      erstehen zu lassen.

    =Abb. 2. Franz Hoogenbergh, Der Brand des Rathauses= von
      Antwerpen 1576. Radierung (208×276 ~mm~) aus dem Werk: Mich.
      Aitsingers: »~De leone belgico Topographia~«. Cöln 1583. --
      Der Plünderung durch die Spanier fielen an 7000 Menschen
      zum Opfer. Das Rathaus war nur 10 Jahre früher durch Corn.
      de Vriendt vollendet worden. 5 Jahre später wurde es wieder
      hergestellt.

    =Abb. 3. David Vinckboons, Der alle ereilende Tod.= 1610.
      Kupferstich von B. A. Bolswerd. Ausschnitt im Original
      202×375 ~mm~. (Le Blanc 27~a~).

    =Abb. 4. Adriaen Brouwer, geb. 1605/6 in +Flandern+, gest. 1638
      in Antwerpen, Das Gehör.= Original in der K. ält. Pinakothek
      zu München. Ölgemälde auf Holz. (23×20 ~cm~.) Die Abbildung
      nach der Lithographie mit Tonplatte von R. Strixner. --
      Die größte Zahl (18) von Brouwerschen Gemälden besitzt die
      Münchener ältere Pinakothek. Über Brouwer schrieb das Beste:
      W. von Bode in »Rembrandt und s. Zeitgenossen«. Leipzig 1907.
      (E. A. Seemann.)

    =Abb. 5. Constantin Meunier (1831--1904), Hafenarbeiter.=
      (Bronze-Original vorm Museum in Antwerpen.) Die Abb. nach der
      Heliogravüre in C. Lemonnier, Constantin Meunier. Paris 1904.
      Constantin Meunier fand viel eher in Deutschland als daheim
      Erfolg. Bezeichnend ist's für seine Kunstauffassung, daß er
      nichts vom Rompreis wissen wollte.

    =Abb. 6. Adriaen Brouwer, Der singende Bauer.=
      Originalradierung. (W. 3.) (116×88 ~mm~.)

    =Abb. 7. Dierick Bouts, Martertod des heil. Hippolytus.=
      Originalgemälde in der Erlöserkirche zu Brügge. Mittelbild
      eines dreiteiligen Altars. 91×90 ~cm~. Das Bild gehörte
      ursprünglich der Zunft der Kalkbrenner. Es galt früher als
      ein Werk des Memling, wird jetzt von einigen, wie Reylaender,
      (1911) dem »Meister der Perle von Brabant«, also einem
      Schüler des Bouts zugeschrieben. -- Als Landschafter folgt
      Bouts der holländischen Anschauung. »Er wird in Löwen zum
      Gründer der Landschaftsmalerei.« (Johanna de Jongh). -- Bouts
      war ein Holländer (geb. in Haarlem, vor 1410). Vor 1450 läßt
      er sich in Löwen nieder. Wird dort Stadtmaler. Starb 1475.
      -- »Bouts scheint durch den Tod an der Vollendung des Altars
      verhindert worden zu sein.« (Friedländer).

    Die Stifter des Altars sind Hippolyte de Berthoz und sein
      Weib Elisabeth de Keverwyck. -- Nach Detzel wurde 1551 eine
      frühchristliche Statue des Heiligen in Rom aufgefunden.
      In der Kunst sein Bild meist nur als stehende Figur. Ein
      Martyriumbild (um 1200) soll sich in Breuweiler befinden.
      -- Der Artikel »Bouts« im Künstlerlexikon Thieme-Becker
      sagt: B. suche durch Schönes und Mildes das Gruseliche zu
      paralysieren!?

    =Abb. 8. P. P. Rubens, Der Martertod des heil. Livinus.= Nach
      dem Kupferstich des Corn. van Caukercken 1657. (575×435 ~mm~)
      (B. S. 106, 108 I) Gemalt um 1635. Jetzt im K. Museum zu
      Brüssel. Gemalt für die Jesuitenkirche in Gent. Auch Jak.
      Burckhardt nennt Rubens einen der allergrößten Meister des
      Dämonischen im Menschenleben. Das Gemälde mißt 4,50×3,35 ~m~.
      Der Stich zeigt das Bild im Gegensinn.

    =Abb. 9. P. P. Rubens, Der enthauptete heil. Justus hält seinen
      Kopf.= Holzschnitt Josef Middeleers in Jules du Jardin's
      »~L'art Flamand~« Brüssel 1897. Das Bild (1,89×1,32),
      jetzt im Museum zu Bordeaux, wurde für die Antwerpener
      Klosterkirche der Annunziaten gemalt, weil dort der Kopf des
      Heiligen bewahrt wird. Von Rubens Hand nur diese furchtbar
      wirkende Figur des jungen Heiligen. Eine ähnliche Darstellung
      auf einem Glasgemälde des 16. Jhds. im Chor der Kathedrale
      von Beauvais.

    =Abb. 10. Pieter Breughel, Der Kindermord zu Bethlehem.=
      Originalgemälde im K. K. Hofmuseum in Wien. Vom Künstler
      signiert. (Holz, 116×160 ~cm~) Mehr als 150 kaum 15 ~cm~
      große Figuren. Aus dem Besitz des Kaisers Rudolf II. Kopien
      in den Museen zu Brüssel, Hermannstadt i/S., Würzburg u. a.

    =Abb. 11. Rubens, Der Kindermord zu Bethlehem.= Nach dem
      Stiche des Car. Dupuis von 1709. (319×465 ~mm~) Das Original
      (1,98×3,02 ~m~) in der K. ält. Pinakothek in München,
      fast ganz von Rubens Hand (um 1635). Zum Vergleich mit
      Breughel noch: B. gibt alles in flämischem Dorf. Rubens
      in großer antiker Welt. Die Engel in der Luft bei Rubens
      bezeichnend für ein gewisses Schwächegefühl, das Breughel
      nicht kannte. Vergl. hiermit Callots Stich, der das ganze in
      eine Kulissenstraße verlegt. Der stärkste von allen bleibt
      Breughel.

    =Abb. 12. Ph. Galle (?) nach Pieter Breughel d. Ä.
      »Gerechtigkeit«.= Kupferstich aus der Stichfolge der 7
      Tugenden (225×290 ~mm~). Wohl aus Breughels letzter Zeit.
      Den großen kulturhistorischen Wert des Blattes erhärtet die
      Feststellung Romdahls, daß z. B. die Foltermethode mit dem
      Trichter in dem 1553 erschienenen Werke »~Praxis Criminalium
      Rerum~« des niederländischen Rechtsgelehrten Josse van
      Damhouder als die wirksamste und üblichste empfohlen wird.
      Anregungen zu diesem Bild fand Breughel auch in der deutschen
      Kunst, z. B. in dem Augsburger Laienspiegel von 1512 u. a.
      Doch macht er erst aus einer Illustration eine überlegene
      Schöpfung tieferer Bedeutung. Von B. führt mehr als ein Weg
      zu Goya.

    =Abb. 13. Rubens, Sturz der Verdammten= nach dem Stich von
      Richard van Orley nach Zeichnung Jan van Orleys. (Lichtdruck
      von Karl Kuhn in München in Bredt: »Häßliche Kunst?«) Das
      Original (2,86×2,24) in der K. alten Pinakothek in München.
      Um 1615 ganz von Rubens Hand gemalt! -- Ursprünglich in Gent.
      1677 an den Herzog von Richelieu verkauft, dann kurfürstl.
      bayer. Besitz.

    Zu der Zeit, als Rubens dies Bild malte, war, nach dem Bericht
      des Lord Dudley Carleton, Antwerpen eine verödete Stadt. In
      den Straßen wuchs vielfach Gras »und das ganze Land gleicht
      dieser Stadt: eine glänzende Armut, schön aber elend.«
      Antwerpen bekam durch den Frieden von Münster den Todesstoß.
      Übrigens war Rubens der Hofmaler des Bezwingers Belgiens,
      des Al. Farnese von Parma, dann des Statthalters Erzherzogs
      Albert.

    =Abb. 14. Hans Memling=, Ausschnitt aus der Hölle von M's
      »Jüngstem Gericht« in der Marienkirche zu Danzig (80 ~cm~
      breit). Der Besteller des Altars war ein Vertreter der Medici
      in Brügge! Bezeichnend für den Handelsruf der Stadt, den
      Kunstruhm Flanderns. Das Schiff mit dem Bild wurde auf dem
      Weg nach Italien von einem Danziger Schiff gekapert. Das
      Bild, um 1471 gemalt, wurde 1807 nach Paris entführt. Ist
      seit 1816 wieder in Danzig. Lafenestre sagt von Memling, der
      vom Mittelrhein stammt, »in Flandern und unter dem Einfluß
      flandrischer Maler hat sich Memlings Genie entwickelt.«
      Über den großen Ruhm der belgischen Malerei jener Zeit und
      Art, zumal in Italien, vergl. Kraus, Gesch. v. Chr. Kunst
      II, 2. S. 189. Burckhardt, Cicerone III, 716. ~Fétis, Les
      artistes belges à l'étranger~ 1857. Bode, Holl. Malerei.
      Floerke, Kunsthandel u. a. Niederländische Gemälde an den
      Höfen Italiens damals italienischen weit vorgezogen. Gründe:
      Technik, Realismus, Phantasie. Lies dagegen Michelangelos
      Gespräche und gegen diesen wieder Schopenhauer, Welt als
      Wille I, 3, 48. -- Das erwähnte Brüsseler Bild »Marter des h.
      Sebastian« wird von anderen dem Memling jetzt abgesprochen.
      Vgl. Frz. Bock, Memling-Studien, Düsseldorf 1900.

    =Abb. 15. Hieronymus Bosch, Die Hölle.= Rechter Flügel des
      dreiteiligen Bildes: »Der Heuwagen« im Eskurial. Nach 1500
      gemalt. Original 1,62 h. -- Nach der Photogravüre in: P.
      Lafond »Hieronymus Bosch«. Bruxelles u. Paris. G. van Oest &
      Co. Hierzu noch Abb. 24.

    =Abb. 16. Alaart du Hameel, »Das Jüngste Gericht«= nach Hieron.
      Bosch. Kupferstich. Originalgröße 240×350 ~mm~. Die Laster
      als Tiere ist uralte Allegorie. In der deutschen Kunst der
      Zeit wirkte kein Blatt auch auf den jungen Michelangelo
      mehr als Schongauers: Versuchung des h. Antonius. Flämische
      und rein germanische Phantastik sind noch nicht getrennt.
      Lionardos »Wollust und Schmerz«, abgeb. in Bredt, »Sittliche
      oder unsittliche Kunst?«

    =Abb. 17. Gerard David, Die Schindung des ungerechten
      Richters Sisamnes.= Original im Städt. Museum in Brügge.
      (182×159). Hierüber orientiert gründlichst Eberhard Freih.
      von Bodenhausen: Gerard David u. s. Schule. München 1905.
      F. Bruckmann. Davids Bild charakterisiert durch seine
      Auftraggeber den belgischen Charakter. Ähnliche Aufträge
      noch an Rogiers für Brüssel und Bouts für Löwen. David kam
      wie fast alle großen in Flandern tätigen Maler aus Holland.
      Über die Kunstgeographie der Niederlande orientiert sehr
      übersichtlich Friedländer in »Kunst und Künstler« XIII,
      2. Heft. Die Individualitäten als Stammesrepräsentanten
      aufzufassen -- wie das Heidrich nicht gerade geschickt
      versucht hat -- geht nicht an. Aber die Aufträge
      unterscheiden sich gar sehr da und dort. David wurde 1484
      Meister in Brügge und starb dort 1525. -- Schindungen malten
      auch andere -- aber die Bilder des Ribera sogar haben nicht
      diese furchtbare Kälte. Anders wirkt auch Riberas Radierung:
      Schindung des h. Bartholomäus, durch den fanatischen wilden
      Henker, durch die sich abwendenden Zuschauer. Auch dies
      Bild ist Zeugnis +französ.+ Kunsträuberei. 1794 nach Paris
      entführt, 1815 erst zurückgegeben. -- Unsere Abbildung nach
      der Photogr. von F. Bruckmann A. G. München.

    =Abb. 18. Dierick Bouts, Martertod des heil. Erasmus.=
      Originalgemälde in der St. Peterskirche in Löwen.
      Mittelbild eines Flügelaltars. (82×80 ~cm~) »Das Bild ist
      nicht urkundlich als Schöpfung des Bouts beglaubigt. Die
      Durchbildung aller Einzelheiten, namentlich der Köpfe und
      Stoffe von einer frommen Gewissenhaftigkeit sondergleichen.
      Die peinliche und mit krasser Deutlichkeit geschilderte
      Marterszene steht in eigentümlichem Widerspruch zu der
      stillen Würde, die Bouts über diese, wie über alle
      Gestalten breitet.« (Friedländer). -- Vergleiche hiermit
      den Kupferstich des unbekannten »Meisters des Erasmus«, den
      Lehrs im Katalog der Kupferstiche des German. Museums (Nr. 8)
      zuerst veröffentlichte.

    Die Reliquien des h. Erasmus, eines der 14 Nothelfer, ruhen in
      Gaeta. Das Bild, durch den Dachstuhlbrand der Peterskirche
      gefährdet, wurde durch deutsches Militär in das Löwener
      Rathaus übertragen und steht noch heute unter der Aufsicht
      des Bürgermeisters von Löwen.

    =Abb. 19. »Brügger Meister der Ursulalegende«. Tod der heil.
      Ursula.= (Ein Bild von 8 Szenen). Original in Brügge (48×30
      ~cm~) im Kloster der schwarzen Schwestern. Der Meister war
      um 1470--90 viel für florentinische Kaufleute tätig. Das
      Bild ist vor dem Ursula-Schrein Memlings gemalt. -- Über die
      sehr kriegerischen Volksübungen berichtet Mokes: ~Moeurs et
      usages, Fêtes et solennités des Belges~. (Brüssel.)

    =Abb. 20. Ambros. Francken, Martertod der heiligen Crispinus
      und Crispinianus.= -- Original im Museum zu Antwerpen
      (2,69×2,17). Ursprünglich für den Altar der Schuhmacher
      (deren Schutzpatrone die Heiligen sind) in Antwerpen gemalt.
      Francken -- kein großer Maler, starb 1618.

    =Abb. 21. Antoine Wiertz, Das Erwachen des Scheintoten.=

    =Abb. 22. Ders., Die Ohrfeige einer belgischen Dame.= Beide
      Bilder im Wiertz-Museum zu Brüssel. Wiertz starb, wahnsinnig,
      1865.

    =Abb. 23. Felicien Rops=, Titelbild zu Péladans »~Vice
      suprême~« Paris 1884. P. schildert den Tod der lateinischen
      Rasse; Barbey d'Aurevilly sagte über Peladan: Er trage in
      sich die Dinge, die von allen am meisten gehaßt werden, den
      Aristokratismus, die Originalität.

    =Abb. 24. Hieronymus Bosch, Der Heuwagen.= Hauptbild des
      Triptychons im Eskurial. (1,62×1,05.) Hierzu: Lafond,
      Hieronymus Bosch, und Dollmayer, Bosch und die Darstellung
      der vier letzten Dinge. Jahrbuch der K. K. Sammlungen des ah.
      Kaiserhauses XIX. (Wien.)

    =Abb. 25. Hieronymus Bosch, »Die Freuden der Welt«.= Mittelteil
      eines Triptychons. Originalgemälde im Eskurial (2,20×1,95).
      Wohl aus Bosch's letzten Jahren. Varianten des Bildes in der
      Sammlung Cardon in Brüssel und in der Sammlung Moreno, Paris.

    =Abb. 26. James Ensor, Der Krieg.= E. geb. 1800 in Ostende.
      Sein Vater Engländer, seine Mutter eine Belgierin. Wie
      Schongauer und Bosch, sind Ensor und Kubin Rasse- und
      Zeitverwandte. E. ist auch als Kolorist höchst interessant.
      P. Buschmann nennt ihn in jeder Hinsicht eine der
      differenziertesten und originellsten Persönlichkeiten der
      heutigen belgischen Schule. Die Abb. nach dem Werke: Herbert
      von Garvens-Garvensburg: James Ensor. Hannover 1913. Ludwig
      Ey.

    =Abb. 27. P. Breughel d. Ä., Der Triumph des Todes.= Original
      im Pradomuseum, Madrid. (Holz: 117×162 ~cm~.) Gemalt um
      1565/66. Maeterlinck: »~attristé par les malheurs de la
      patrie il sentait déja sa fin prochaine~«. Kopien des Bildes
      in der Galerie Fürst Liechtenstein in Wien und beim Baron
      de Fierlant in Brüssel (? von Vinckboons). Nach Karl Kuhns
      Lichtdruck (München 1912.)

    =Abb. 28. P. Breughel d. Ä., Ein Dorf in Brabant.= Kupferstich
      im Verlage H. Cocks. Blatt 11 aus der Folge: »~Praediorum
      villarum~«. (Bastelaer, ~Les estampes de B.~ Brüssel 1908.
      44.) Den flandrischen Charakter in den Landschaften Boschs,
      des Vorläufers Breughels, rühmt Lafond.

    =Abb. 29. Pieter Breughel d. Ä., Das Hochzeitsmahl der Bauern.=
      Originalgemälde im K. K. Hofmuseum in Wien. (114×163
      ~cm~.) Mehr als 40 Figuren von etwa ⅓ ~m~ Größe. Das Bild
      befand sich schon 1659 in der Galerie des Großherzog
      Leopold Wilhelm. Es geht hier bei aller nicht gefühlten
      Unbequemlichkeit kulinarisch so üppig zu, daß die Schüsseln
      gleich auf ausgehängten Türen herbeigetragen werden.
      Obwohl doch das Derbe zu betonen nahegelegen hätte, zeigt
      sich Breughel gerade hier als ein Maler frei von jeder
      Übertreibung. Er ist hier nur Tatsachenschilderer. Seine
      Bauernmalerei -- also auch die der Kirmessen -- ist frei von
      jeder Karikatur, von jeder sozialen Tendenz, frei von jeder
      Sentimentalität. Man darf nicht vergessen, wie groß der
      Abstand des jüngeren Teniers vom älteren Breughel. Vgl. R.
      van Bastelaer und de Loo, P. Bruegel d. Ä.

    =Abb. 30. Pieter Breughel d. Ä., Blinde, Blinde führend.=
      Das Gleichnis nach Matth. XV, V. 14. Originalgemälde im
      Nationalmuseum zu Neapel. Signiert Bruegel ~M. D. LXVIII.~
      -- (86×154 ~cm~.) Das gleiche Thema malten schon Massys und
      Bosch vor Breughel. Aber mit Recht nennt Bastelaer dies
      Bild das höchste Kunstwerk B.'s; Romdahl stellt es neben
      Lionardos Abendmahl. Der Sinn dieser monumentalen Schöpfung
      hat doppelte Tiefe: Es ist eine Allegorie auf die verworrene
      Zeit -- es verbildlicht den ewigen Wahn in uns nicht sehenden
      Menschen, die doch wähnen Ziele zu sehen und führen zu können.

    =Abb. 31. Miniatur aus dem Turiner Gebetbuch.= (Die Landung
      Wilhelms VI. von Bayern-Straubing-Holland. 1416.) Über die
      Landschaft am besten: Dr. Johanna de Jongh, Die holländische
      Landschaftsmalerei. Deutsch von Dr. Jeltes bei B. Cassirer,
      Berlin 1905.

    =Abb. 32. Jan van Eyck, Adam und Eva.= 2 Flügelbilder vom
      Genter Altar. Die Originale im K. Museum in Brüssel
      (168×38 ~cm~). Diese Bilder gaben dem ganzen Altar den
      volkstümlichen Namen. Das Bild wurde von Anfang an als
      Wunderwerk angestaunt. Es wurde nur hohen Herren enthüllt
      oder gegen schweres Trinkgeld gezeigt. -- Die Inschrift,
      die Hubert größer nennt als Jan, ist aber doch eines der
      häufigen Beispiele aus der Kunstgeschichte, die die Größe der
      eigentlichen, starken Neuerer selten voll gewürdigt findet.
      -- Vom Genter Altar in Gent jetzt nur die Mittelbilder von
      Huberts Hand. Die anderen Originale in Berlin und Brüssel.
      Die Bilderstürmer hätten das Werk beinahe zerstört. Kaiser
      Josef II. war entrüstet über die zwei nackten Gestalten. Sie
      wurden nun verschlossen gehalten. Die Mitteltafeln wurden --
      wie so vieles -- 1794 von den Parisern entführt. 1816 erwarb
      das »barbarische« Berliner Museum die 6 Flügel rechtmäßig für
      410000 Frcs. von einem Privatmann. -- Das erste Lobgedicht
      nennt den Altar treffend: »eine Himmelsgabe für das teure
      Flandern«. -- Um das naturalistisch-oppositionelle für die
      Zeit zu empfinden, vergleiche man diese Akte mit denen der
      Brüder Limburg in den »~Très riches heures du duc de Berry~«.
      Auch dort wohl der modische dicke weibliche Bauch. Aber die
      Bewegungen sind geziert, die Glieder zierlich. Alles ist
      dort gerade im Akt auf den höfischen, verfeinerten Geschmack
      berechnet.

    =Abb. 33. Meister von Flémalle, Madonna.= Original in der
      Sammlung de Somzée in Brüssel. (62×49 ~cm~.) (Flémalle in
      der Provinz Lüttich.) Der Meister war um 1432 in Arras und
      Brügge tätig. Vgl. Friedländer, Die Ausstellung in Brügge
      1902 (München 1913). -- Eine Abb. der Madonna Foucquet's in
      Woermann, Geschichte der Kunst II.

    =Abb. 34. Ausschnitt aus dem Altar »des Bürgermeister Rollin«
      von Jan van Eyck.= Die Landschaft ähnelt der bei Lüttich (F.
      Rosen, Die Natur in der Kunst, Leipzig 1903.) Original im
      Louvre, Paris. -- Rosen findet in den Landschaften des Bouts
      (München) die Felsen von Marche aux Dames an der Maas.

    =Abb. 35. Die Maas bei Dinant.= Radierung von D. Y. Cameron
      (1907). (R. 390.) (Originalgröße 165×377 ~mm~.) »Das Maastal
      ist der klassische Boden der flandrischen Kunst« (Crowe und
      Cavalcaselle). Die englischen modernen Radierer, Whistler,
      Cameron, Brangwyn haben sich sehr viel Motive aus Belgien
      geholt. Von neueren deutschen und holländischen Künstlern
      sind mir belgische Landschaften in Erinnerung von Achener,
      Anderson, von Bartels, Bertlings, Beyer, Eder, Gaisser,
      Großmann, von Hayek, Heesch, von Leuxden, M. Liebermann,
      Lynch von Town, Mackowsky, Oppler, Orlik, Paulsen, Schrag,
      Schülein, Schumacher, Seyler, Storm vans Gravesande,
      Westendorf. -- Die Mappen der belgischen Radiervereine
      geben eine Fülle gerade jener so feuchten Landschaften
      zwischen Schelde und Meer wieder, die der Schauplatz unserer
      Schlachten. Der moderne belgische Maler-Radierer Lüttichs ist
      Maréchal.

    =Abb. 36. Quinten Massys und Joachim Patinier, Die Versuchung
      des h. Antonius.= Original im Prado, Madrid. Patinier ist
      in Dinant geboren. Massys kam von Löwen nach Antwerpen.
      -- Photographie von F. Bruckmann A.-G., München. -- Eine
      Porträtlandschaft: Das Schloß Walzin an der Lesse 7 ~km~ von
      Dinant auf dem Bild in der Liller Galerie: Predigt Johannes
      des Täufers von Pieter Coecke.

    =Abb. 37. P. P. Rubens, die flämische Kirmes.= Original im
      Louvre, Paris. Um 1636 ganz von Rubens eigener Hand gemalt.
      (149×261 ~cm~.) --

    =Abb. 38. Pieter Breughel d. Ältere, Der Tanz unterm Galgen.=
      Originalgemälde im Großherzogl. Museum in Darmstadt. (45×50
      ~cm~.) Gemalt i. J. 1568, im Alter von etwa 43 Jahren, ein
      Jahr bevor der Unsterbliche starb. Van Mander erzählt, der
      Künstler habe dies Bild seiner Frau vermacht mit dem Hinweis
      auf die schwatzhafte Elster auf dem Galgen, die all die
      bösen Zungen bedeutet, die er zum Teufel wünscht. -- Die
      wundervolle Landschaft, ausnahmsweise nicht so breit, nimmt
      wieder alte alpine Erinnerungen auf, sie gab dem Sohne den
      stärksten Einfluß für dessen ganz andere landschaftliche
      Gabe. -- Freier ist Rubens flandrische Landschaft beim
      Schlosse Steen, zwischen Mecheln und Vilvorde, in der
      Nationalgalerie London.

    =Abb. 39. Pieter van der Heyden, Die St. Georgs-Kirchweih
      nach Pieter Breughel d. Älteren.= Kupferstich (340×530
      ~mm~.) Nach dem Original in der K. Graphischen Sammlung,
      München. (Bastelaer 207 I.) Sehr instruktiv für die Art
      der Kirchweihbelustigungen und die volkstümlichen Übungen
      und Spiele in Flandern. Abgesehen von den hier nur etwas
      derberen Vergnügungen, die dem Volk überall angehören, sind
      bezeichnend für flämische Kirmessen: der Schwerterreigen
      und das Bogenschießen nach einem auf dem aufrechten
      Windmühlflügel befestigten Ziele (auf dem Hügel, ganz
      hinten links). Eine Erklärung aber zu den grotesken, teils
      maschinell wirkenden Figuren des Bosch und des Breughel,
      (auch noch des Callot), geben die etwas karnevalistischen
      Aufführungen »Wie St. Georg den Drachen tötet« in der Mitte
      des Bildes vor der Kirche. -- Die primitive Bühne, auf Tonnen
      aufgebaut, läßt die großartige, theatralisch-wirkliche Welt
      in den Höllen des Bosch, mit ihren brennenden Burgen, ihrem
      illusorisch plastischen Kulissenwerk besonders stark fühlen.
      Der Künstler steht als Realist auf dem Boden seiner Zeit,
      als Phantast eilt er ihr weit voraus -- in die Zeit des
      Illusions-Theaters, das überwunden werden soll. -- Wie St.
      Martin seinen Mantel teilt, wie David den Goliath besiegt u.
      v. a. wurde auf den Kirmessen drastisch gezeigt.

    =Abb. 40. Felic. Rops, Frühling.= Lithographie. (Mascha 176)
      (412×588 ~mm~).

    =Abb. 41. David Teniers d. J., Das Fest im Hofe des
      Wirtshauses.= Originalradierung. (195×233 ~mm~).

    =Abb. 42. Adr. Brouwer, Das Gefühl. (Der Dorfbader.)= Original
      in der K. ält. Pinakothek, München. (Holz 23×20 ~cm~.)
      Nach der Tonlithographie des Rep. Strixner im »K. bayer.
      Gemäldesaal zu München und Schleißheim«. -- Hofsteede de
      Groot, der Brouwer unter die holländischen Maler aufgenommen,
      sagt doch, daß Holland um 1623 eine eigentliche Bauernmalerei
      noch nicht gekannt habe, während in Flandern der alte
      Breughel bahnbrechend wirkte. Brouwer war in Antwerpen seit
      1631.

    =Abb. 43. Adriaen Brouwer, Streitende Bauern beim Kartenspiel.=
      Holzschnitt von Middeleer nach dem Originalgemälde in der
      K. Galerie in Dresden (26,5×34,5). -- Die Kirche sagte:
      »Häßlich ist das Böse«. Der Genius der germanisch-nordischen
      Kunst antwortet darauf: Das Übel aller Kunst fängt an
      mit der Herrschaft des konventionell Schönen. Über den
      beständigen Kampf der Künstler gegen diese Herrschaft habe
      ich ausführlich in m. Buche »Häßliche Kunst?« berichtet.

    =Abb. 44. Jan Sanders van Hemessen. Lockere Gesellschaft.=
      Original im Gh. Museum zu Karlsruhe (81×110). Hemessen bei
      Antwerpen geboren (um 1504) zog später nach Haarlem († 1566).
      Das Lob seiner Zeitgenossen als »holländischer Raffael«
      trifft die üble Zwiespältigkeit seiner Kunst. Es gibt kein
      schlechteres »Lob« für einen Nordischen.

    =Abb. 45. Joos van Craesbeeck= († 1654 in Brüssel). =Die
      Kurtisane.= Original im Museum zu Lille. (Holzschnitt von
      Middeleer.)

    =Abb. 46. Jakob Jordaens= († 1678). =Der König trinkt.= Nach
      dem Stich des P. Pontius »Der Bohnenkönig«.

    =Abb. 47. Derselbe: Wie die Alten sungen so zwitschern die
      Jungen.= Original im Museum Antwerpen (120×192).

    =Abb. 48. Richard Earlom, Schabkunstblatt nach Franz Snyders'
      »Fischmarkt«= (Earlom 1822 †.) »Keine Schule, auch die
      holländische nicht, hat das animalische Leben so künstlerisch
      verherrlicht, wie die flämische. Deren große Kämpfe, Jagden
      und Stilleben sind unvergleichliche Triumphe malerischer
      Kühnheit und Lebendigkeit.« (~Wauters, La peinture
      flamande, Paris 1883.~) -- Neben Rubens' Schlachten ist die
      Anghiari-Schlacht ruhig.

    =Abb. 49. Josef Lambeaux, Die Freude.= (Marmor.) Lambeaux
      geb. 1852 in Antwerpen, ist bekannt als Schöpfer des
      »Brabo«-Brunnens auf dem Rathausplatz in Antwerpen.

    =Abb. 50. Frank Brangwyn, Die St. Nikolauskirche in Dixmuiden.=
      Radierung. Nach dem Original in der K. Graphischen Sammlung,
      München.

    =Abb. 51. D. Y. Cameron, Der Belfried von Brügge.= (1907.)
      Radierung und Kaltnadel (380×134 ~mm~.) (N. 392.)

    =Abb. 52. Jerome Duquesnoy d. Ä. Das Manneken pis in Brüssel=
      (1619). -- Jerome D. ist der Vater des berühmten Franz D.,
      dessen Arbeiten in St. Peter in Rom, dessen Putti in aller
      Welt bekannt waren. -- Diese Brunnenfigur wäre nach ihrem
      uralten Motiv gewiß kein besonderes Charakteristikum für
      irgendein Volk. Auch die prüdeste Stadtgemeinde würde keinen
      Anstoß dran nehmen, jede sie gern aufstellen. Was aber
      doch dies Buberl von Duquesnoy gerade zu einer Idealfigur
      flämischen Volkscharakters macht, das ist die Art, wie sie
      von allen Ständen des Volks als Wahrzeichen durch alle
      Jahrhunderte in guten und bösen Tagen verehrt und geschmückt
      wurde. Sie ist mit Recht von J. W. Wolf (Niederländische
      Sagen. 1843) die populärste Statue von Europa genannt worden.
      An Festtagen mit Blumen und Kränzen geschmückt, von allen
      fürstlichen Besuchern Brüssels mit Kleidern beschenkt, hat
      sie sogar Testatoren gefunden, die Summen zur Erhaltung,
      Summen für die Anstellung eines besonderen Pflegers
      gestiftet. -- Alle politischen Wandlungen hat das Buberl zur
      Schau tragen müssen. Ja Kurfürst Maximilian schenkte ihm 1698
      das Ritterband seiner Orden und Ludwig XV. schmückte es mit
      dem Ordenskreuze des h. Ludwig. 1831 bekam es die Uniform der
      Brüsseler Bürgergarde. -- Öfters geraubt von fremden Truppen
      hat man es immer wieder zu finden gewußt. -- Kann eine
      harmlose Statue nur wegen eines guten alten echt menschlichen
      Motivs des Wasserspendens mehr verehrt werden? Das Manneken
      pis ist ein Charakteristikum des lebensfrohen belgischen
      Volkes, dem kein anderes sich vergleichen läßt. -- Auch wir
      wollen ihm als köstlichen flämischen Volks-Genius nie Respekt
      versagen.

    =Abb. 53.= (Auf Seite 8.) =H. Paillard, Der große Platz in
      Brüssel.= Holzschnitt.

    =Abb. 54.= (Auf dem Umschlag.) =Chr. Jegher nach Rubens=,
      Holzschnitt (605×360). Herkules tötet Neid und Zwietracht.
      (Nach dem Deckengemälde in Whitehall in London.)



Anmerkungen zu den Abbildungen:


Durch ein Versehen blieben nach notwendigem Umstellen von Bildern im
Text in den Anmerkungen falsche Numerierungen stehen:

    Abb. 4 im Text ist in den Anmerk.    Abb. 6
     "   5 "   "    "  "   "    "         "   4
     "   6 "   "    "  "   "    "         "   5
     "   7 "   "    "  "   "    "         "  13
     "   8 "   "    "  "   "    "         "   9
     "   9 "   "    "  "   "    "         "   7
     "  10 "   "    "  "   "    "         "   8
     "  11 "   "    "  "   "    "         "  10
     "  12 "   "    "  "   "    "         "  11
     "  13 "   "    "  "   "    "         "  12
     "  37 "   "    "  "   "    "         "  38
     "  38 "   "    "  "   "    "         "  37



    Weitere Anmerkungen zur Transkription.


    Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
    Unterschiedliche Schreibweisen wurden beibehalten. Der Schmutztitel
    wurde entfernt.

    Die Abb. 54 (Umschlag) fehlt.

    Korrekturen:

    S. 9: Kapitelüberschrift ergänzt
      Belgiens Volkscharakter -- Belgiens Kunst

    S. 36: Einsetzen → Entsetzen
      sie auch sonst sein mögen, kaum ein leises {Entsetzen}





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