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Title: Jacobine von Baiern Gräfin von Hennegau, Holland, Friesland und Zeeland - Eine vaterländische Geschichte aus dem fünfzehenden Jahrhundert
Author: Heinse, Gottlob Heinrich
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Jacobine von Baiern Gräfin von Hennegau, Holland, Friesland und Zeeland - Eine vaterländische Geschichte aus dem fünfzehenden Jahrhundert" ***


images generously made available by Bayerische
Staatsbibliothek / Bavarian State Library.)



  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

    Der vorliegende Text wurde anhand der 1791 erschienenen Buchausgabe
    so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Dies gilt
    insbesondere für eine Vielzahl altertümlicher Ausdrücke in
    unterschiedlichen Schreibweisen, welche nur dann harmonisiert
    wurden, wenn eine Variante im Text mehrmals auftritt, die andere
    dagegen nicht mehr als einmal. So werden etwa Wörter, die die
    Buchstabenkombination ‚tz‘ enthalten, in mehreren Schreibweisen
    gleichberechtigt verwendet (z.B. ‚setzen‘, ‚sezen‘ oder ‚sezzen‘).
    Oftmals wird ‚wann‘ für ‚wenn‘ verwendet; auch dies wurde so
    belassen, soweit der Sinn erkennbar bleibt. Personen- und
    Ortsnamen wurden nicht in deren heute üblichen Schreibweisen
    übertragen.

    Wie in der damaligen Zeit üblich, folgt auf Kardinalzahlen oft ein
    Punkt, auf Ordinalzahlen aber nicht; umgekehrt wie in den heutigen
    Rechtschreibregeln festgelegt. Diese Regel wurde im Original zwar
    nicht konsequent eingehalten, eine Harmonisierung erfolgte im
    vorliegenden Text dennoch nicht.

    Korrekturen aus der Liste der ‚Druckfehler‘ am Ende des Buches
    wurden bereits in den Text eingearbeitet. Offensichtliche
    typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert.

    Die von der Normalschrift abweichenden Schriftschnitte wurden
    in der vorliegenden Fassung mit den nachfolgenden Sonderzeichen
    gekennzeichnet:

      kursiv:   _Unterstriche_
      gesperrt: +Pluszeichen+

    Kapitälchen wurden in GROSSBUCHSTABEN umgewandelt.

  ####################################################################



                               JACOBINE

                                  von

                               _BAIERN_

                         GRÄFIN VON HENNEGAU,
                    Holland, Friesland und Zeeland.

                Eine vaterländische Geschichte aus dem
                       fünfzehenden Jahrhundert.

                            [Illustration]

                               Frankfurt
                        bei Johann Daniel Knoop
                                 1791.



                        IHRO KÖNIGLICHEN HOHEIT

                                  DER

                            PREISWÜRDIGSTEN

                             STATTHALTERIN

                               BELGIENS

                     FRIEDERIKE SOPHIE WILHELMINEN

                        unterthänigst gewidmet.



    Da Tausende, die DEINER Huld sich freu’n,
    Von Dank durchglüht, DIR reichen Weihrauch streu’n,
    Leg ich auf den Altar
    Ein Blümchen hin. -- Nimms gnädig an,
    Erhabenste! ich gebe, was ich kann
    Und brings voll Ehrfurcht dar.

                                              _Jordan._



[Illustration]


Vorbericht.


Ob zwar die Begebenheiten einer Fürstin, die vor mehreren Jahrhunderten
gelebt hat, eben die Neuheit nicht haben, auch denen, die nur
einigermaßen in der Geschichte älterer Zeiten bewandert sind, bekannt
sein werden; so scheinen sie mir doch, besonders bei jezigen, in
den befragten Ländern herrschenden Unruhen, interessant genug, aus
verschiedenen Bruchstücken und einer französischen Handschrift einen
Auszug zu verfertigen und solchen zum Druck zu befördern. Wollte man
diese Geschichte ganz zum Roman bilden, so lies sie sich freilich viel
weiter ausdehnen; allein in solchem Fall müste nothwendiger Weise oft
von der Wahrheit der Sache selbst abgewichen werden. Auch hätte ich um
der Geschichte einen glänzendern Anstrich zu geben, sie mit Turniren,
Bällen und andern dergleichen galanten Lustbarkeiten ausschmücken
können; allein eine Fürstin, deren Leben durch so viele und anhaltende
Widerwärtigkeiten vergället war, konnte wenig an dergleichen
Ergözlichkeiten denken. Ausserdem glaub ich dem Leser einen Gefallen
zu thun, wenn ich diese Tändeleien, so wie den verliebten Stil ganz
weglasse und nur buchstäblich bei der Geschichte bleibe. Ueber die vier
Gemahle, die meine Heldin theils aus Gehorsam, theils aus Schwachheit,
genommen hat, wird sich freilich manche Spröde ärgern; indessen wenn
sie die unglükliche Verfassung, in der sie sich befand, genau erwegen,
werden sie gewis nicht so streng in ihrer Beurtheilung sein; dann
sie war von ihrer eigenen Mutter verlassen; auf Veranlassung der
Päbste muste sie Fehler begehen, die einigermaßen gegen den Wohlstand
stritten, und bei ihren stetigen Widerwärtigkeiten konnte sie sich bei
niemanden Raths erholen. Ob man ihr freilich manchen Vorwurf machen
kann, so ist sie doch nichts destoweniger auf der andern Seite so viel
mehr zu bedauern. Sie besas sehr viel gute Eigenschaften, und hatte die
gerechtesten Ansprüche auf ein glänzendes Glück. Diese Vortheile aber
vermochten nicht, sie für dem empfindlichsten Elend zu schüzen, und
ihre grossen und vielen Widerwärtigkeiten beweisen, welch vergängliche
Dinge, Ehre, Reichthum und Schönheit in der Welt sind.

    +Homburg vor der Höhe+
    im Heumonat 1790.

                                                      Der Verfasser



[Illustration]


Da öfters Menschen von reifern Jahren ihre Handlungen mit wenig
Vorsicht und Klugheit unternehmen und verrichten, so ist es nicht zu
verwundern, daß junge, von aller Erfahrung noch entblößte Menschen in
diese Fehler verfallen. Die täglichen Beispiele beweisen solches zur
gnüge; allein gewisse Fehler, die aus jugendlicher Unbedachtsamkeit
begangen werden, lassen sich um so viel mehr entschuldigen, weil das
Herz keinen Antheil daran hat, und man also der Tugend nicht ganz
entsaget.

Die Heldin, deren merkwürdige Begebenheiten hier vorgetragen werden,
war eine der, sowohl durch Verdienste als häufige Unglücksfälle
berühmten Prinzeßinnen jener Zeiten, in welchen tugendhafte Handlungen
noch unter dem Joch der Barbarei lagen. Ihre erhabene Geburt, ihre
ausserordentliche Schönheit, und über dieses alles, ihr erleuchteter
Geist, zeichnete sie vor allen andern ihres Geschlechts aus. Ihr
Betragen mit dem strengen Richterauge betrachtet, solte man urtheilen,
daß Liebe und Unbeständigkeit bei ihr Fehler des Temperaments waren,
allein untersucht man ihre Handlungen, so wird man finden, daß sie weit
mehr wegen ihres vielfältigen Unglücks zu bedauern als zu schelten war.

_Jacobine_, Prinzeßin von Baiern und Gräfin von Hennegau, war die
einzige Tochter und Erbin Wilhelms des IV. von Baiern, Grafen von
Hennegau, Holland, Friesland und Zeeland, und der _Margaretha_ Herzogs
Philipp des Kühnen von Burgunds Tochter, Uhrenkelin Kaiser Ludwig
des V. von welcher sie 1401. gebohren ward. Ihre erhabene Geburt und
der Glanz ihres Hausses, veranlaßten, daß die mächtigsten Fürsten,
sich schon in ihrer zarten Jugend um sie bewarben. Karl VI. König von
Frankreich, gab sich für seinen Sohn Johann, Dauphin von Vienois, um
ihren Besiz besonders viele Mühe, und die Verlobung erfolgte auch
wirklich im Jahr 1406. da Jacobine erst fünf und der Dauphin, der 1398.
gebohren, acht Jahr alt war. Ob nun gleich die förmliche Vermählung
weit hinaus gesezet wurde, so betrachtete man doch Jacobine von Stund
an, als Königin von Frankreich, und erwies ihr gleiche Ehrerbietung.
Der König von Frankreich stund mit dem Grafen von Hennegau in dem
besten Einverständnis, allein der Dauphin und seine Braut, kannten
sich nur daher, daß man öfters von dieser Verlobung in ihrer Gegenwart
sprach.

Da nun die Liebe an diesem Bündnis keinen Antheil hatte, so wollte sie
bis zur Vollziehung der Vermählung dennoch nicht unthätig bleiben,
sondern ihre gewöhnliche Streiche spielen. Johann von Burgund, Herzog
von Brabant, der wenig Geist aber desto mehr Ehrgeiz besaß, nahm auf
einige Zeit seinen Auffenthalt zu Bergen. Da Jacobine und er leibliche
Geschwisterkinder waren, berechtigte ihn dieses, den beständigen
Zutritt bei ihr zu haben. Die Gräfin von Hennegau liebte ihn als ihr
eigenes Kind, weil er der Sohn ihres Bruders war, und sie hätte daher
sehr gewünscht, daß die beträchtlichen Güter ihrer Tochter lieber ihm
als dem Dauphin zugefallen wären.

Der Herzog von Braband war eines ziemlich guten Ansehens, und dabei
sehr reich; allein sein Verstand war eingeschränkt, und er hatte einen
so wunderlichen Sinn, daß auch die Allernachgiebigsten mit ihm nicht
auskommen konnten.[A] Dem ohnerachtet verliebte er sich auf das
heftigste in Jacobinen; allein seine Leidenschaft hatte nicht jene
zärtliche Empfindungen, die vermögend sind, das Herz des Gegenstandes
zu rühren.

Um diese Zeit 1407 ereigneten sich in Frankreich Vorfälle von grosser
Wichtigkeit für das Haus Burgund. Ludwig, Herzog von Orleans, hatte
sich die Schwachheit seines Bruders, des Königs Karl, zu Nuze gemacht,
und durch einen Anhang von mehr als sechshundert Edelleuten sich fast
der gänzlichen Regierung bemächtiget. Dieses erwekte Eifersucht bei dem
Herzog Johann von Burgund, der gleichfalls Antheil an der Regierung
haben wollte. Ob nun gleich diese Zwistigkeiten durch Vermittelung
ihres Oheims, des Herzogs Johann von Beri, waren beigelegt und beide
Prinzen vereiniget worden; so lies doch Johann von Burgund den
Herzog von Orleans den 23ten Nov. bei der Pforte _Barbette_ in Paris
meuchelmörderischer Weise umbringen.[B]

Die hinterlassene Gemahlin und Kinder des Herzogs von Orleans suchten
diesen Mord zu rächen; der Herzog von Burgund der sich nach Flandern
geflüchtet hatte, vertheidigte sich schlecht, und die Gräfin von
Hennegau, seine Schwester, war natürlicher Weise auf seiner Seite. Da
aber der König von Frankreich die Anverwandten der Dauphine schonen
wollte, trieb er diese Sache nicht eifrig, sondern wünschte einen
Vergleich.

Der junge Herzog von Brabant und Jacobine, die noch keinen Antheil
an diesen Zwistigkeiten nehmen konnten, vertrieben sich die Zeit
während man am Hof Karls VI. von nichts als Blut und Mord sprach,
mit unschuldigen Spielen. Denn nachdem der Herzog von Burgund dem
Bischof zu Lüttig, Johann von Baiern, gegen seine aufrührerische
Unterthanen beigestanden, und diese vor Mastricht den 23ten Sept.
1408. geschlagen und vertrieben hatte, kam er mit gewafneter Hand nach
Paris, vertheidigte sein Verbrechen, zog während der Schwachheit
des Königs[C] die ganze Regierung an sich, verübte grosses Unheil im
Königreich, und entzündete dadurch den noch unter der Asche glimmenden
bürgerlichen Krieg an allen Enden des Königreichs.[D]

Ob nun gleich der junge Herzog von Brabant Jacobinen auf das heftigste
liebte, hatte sie doch nicht die geringste Gegenliebe noch Neigung zu
ihm. Alle seine Tritte misfielen ihr; denn in allen seinen Handlungen
herrschte ein so albernes Wesen, das ihn ihr unerträglich machte.
Jacobine wurde nicht anderst als mit dem Namen Dauphine benennt, daher
erwies man ihr auch, als der Gemahlin des zukünftigen Thronfolgers
eines mächtigen Königreichs die gebührende Ehrerbietung, und ihre guten
Eigenschaften verdienten auch dieses hochachtungsvolle Betragen.

Der Graf von Hennegau bemerkte durch seine Scharfsichtigkeit die
Leidenschaft des Herzogs von Brabant leicht. Er sagte daher eines
Tages zu seiner Gemahlin: Ich fürchte, diese jungen Leute, die nicht
für einander bestimmt sind, dürften am Ende zu vertraut miteinander
werden; ich ersuche Sie also, nöthige Maasregeln zu nehmen, damit
diese Vertraulichkeit nicht zu weit gehe. Sie wollen, antwortete die
Gräfin, Sachen sehen, die mir gar nicht bedenklich scheinen; und wie
können Sie begehren, daß Kinder, die Blutsfreunde sind, sich einander
gleichgültig begegnen sollen? Glauben Sie mir diese Art angenommener
Vertraulichkeit, führt öfters weiter als man glaubet. Ihre Tochter
gehöret weder Ihnen, mir, noch sich selbst mehr; ich verlasse mich auf
Ihre Klugheit und beschwöre Sie, alle Sorgfalt zu gebrauchen, ihre
Aufführung zu beleuchten, damit mir kein Verdruß daraus erwachse. Aber
Graf! was wollen Sie daß ich thun soll? antwortete sie, und was kann
ich desfalls zwei noch unschuldigen Kindern verständliches sagen? Sie
glauben sie unschuldiger als sie würklich sind, fuhr der Graf fort;
denn, obgleich der Herzog von Brabant keinen glänzenden Verstand hat,
ist er doch der Liebe fähig; meine Tochter hat schon zu viel Geist, und
ich würde verzweifeln, wenn ihr Jemand Empfindungen beibrächte, die
sie einzig und allein gegen den Dauphin haben soll. -- Ihre Vorsicht
scheinet mir ganz unzeitig zu sein, erwiederte die Gräfin; jedoch um
Sie zu befriedigen, will ich das Betragen meiner Tochter und meines
Neffen genau beobachten; allein, in Wahrheit! ich wünschte nicht, daß
man Ihr Mistrauen und Ihre unnüze Vorsicht gewahr würde. -- Thun Sie
nur was ich begehre, schloß der Graf, und sein Sie unbekümmert, was
andere seltsames in meinem Betragen finden mögen.

Nach dieser Unterredung gieng die Gräfin in der Dauphine Zimmer, die
man eben ankleidete. Sie sahe heute ausserordentlich schön aus, und der
Herzog von Brabant betrachtete sie mit solcher Aufmerksamkeit, daß er
die Ankunft der Gräfin von Hennegau kaum gewahr wurde. Sie scheinen mir
sehr tiefsinnig zu sein, Herr Herzog! redete sie ihn an; haben Ihnen
Ihre Lehrer eine so wichtige Lexion aufgegeben, oder Sie angewiesen,
Betrachtungen über die Frau Dauphine zu machen? Ich finde meinen
Vortheil besser ihre Reize zu bewundern, erwiederte er, als ein unnüzes
Thema auszuarbeiten, und hierinn ist mein Herz allezeit mit meinen
Augen übereinstimmend. Die Gräfin verwundert über diese Erklärung,
antwortete: Da Sie die Dauphine nicht ewig beschauen können, rathe ich
Ihnen sich in Zeiten und nach und nach an ihre Abwesenheit zu gewöhnen;
denn es ist nicht wahrscheinlich, daß Sie dieselbe nach Paris begleiten
werden. Gehet sie ohne mich dahin, äuserte der Herzog weiter, so muß
ich sterben; warum haben Sie sie dem Dauphin versprochen, der sie nicht
kennt und der sie nie so inbrünstig, wie ich lieben wird? -- Ihre
kleine Thorheit kann groß werden, erwiederte die Gräfin; Sie werden
nicht mit nach Frankreich gehen; denn Sie müssen notwendiger Weise in
Ihren Staaten zurück bleiben. -- Ha! ich werde sicher dahin gehen, rief
er aus, und sollte es nur sein um den Dauphin zu bekriegen. Mit diesen
Worten entfernte er sich, und die Gräfin sahe nur zu gut ein, daß ihres
Gemahls Furcht gegründet war. Sie redete hierauf die Dauphine folgender
Weise an: Gefällt Ihnen der Herzog so gut wie Sie ihm zu gefallen
scheinen, und würden Sie es gerne sehen, wann er die Waffen gegen Ihren
Gemahl ergriffe? Lachend antwortete die Prinzessinn ich schäzze den
Herzog als einen Blutsfreund von Ihnen, und weil Sie ihm besonders
gewogen sind; allein da ich dem Krieg feind bin, würde es jederzeit
gegen meinen Willen sein, er möge auch bekriegen wen es seie. Begegnen
Sie ihm nicht streng, sezte die Gräfin hinzu; allein lassen Sie sich
nicht zu vertraut mit ihm ein. Die Dauphine versicherte, daß sie diesem
ohne Zwang folgen werde, und daß sie bis jezt noch nichts empfunden
hätte, das ihrer Schuldigkeit entgegen wäre. Ohnerachtet nun die Gräfin
von Hennegau durch diese Unterredung von der Leidenschaft des Herzogs
überzeugt war, wollte sie doch ihrem Gemahl nicht eingestehen, daß er
recht geurtheilt habe.


Die Dauphine, die nunmehr heranwuchs, ward von Tag zu Tag reizender,
und desfalls allgemein bewundert. Die Leidenschaft des Herzogs von
Brabant nahm, wegen der beständigen Gegenwart eines so liebenswürdigen
Gegenstandes, immer mehr zu; allein sein von Natur widriges Betragen,
leistete ihm in seinen jugendlichen Begierden bei dieser zärtlichen,
doch lebhaften Prinzeßin, schlechte Dienste. Er sprach viel, allein die
Gaben des Ausdruks fehlten ihm. Mit ausserordenrlichem Vorurtheil von
sich war er eingenommen, und doch beobachtete man an ihm nichts, als
ein hochmüthiges und widerwärtiges Betragen.

Der Graf von Hennegau, den seine Gemahlin endlich die Leidenschaft des
Herzogs eingestanden hatte, fand für nöthig, da die Zeit sich nahete,
wo seine Tochter dem Dauphin zugeführt werden sollte, den Herzog von
Brabant zu entfernen. Er veranstaltete daher seine Zurückberufung. Bei
dieser Gelegenheit verübte dieser junge Liebhaber die ausschweifensten
Thorheiten. Er weinte, man muste ihn mit Gewalt fortbringen; ja! seine
Wuth brach sogar in Vorwürfe und Drohungen aus. Der Gräfin, die ihn
bedauerte, gieng es sehr zu Herzen; allein die Dauphine blieb ziemlich
gelassen, und man sahe wohl, daß sie keine Gegenneigung für ihren
Vetter hatte.

Die Zwistigkeiten zwischen dem Herzog von Burgund und dem Prinzen von
Orleans dauerten beständig fort; jenes Verbrechen erweckte Grausen und
Empfindungen des Mitleidens bei den Theilnehmenden. Der König, der zum
strafen zu schwach war, und sowohl den Beleidiger als die Beleidigten
schonen wollte, blieb saumselig, den Mord seines Bruders zu rächen und
hielte seine Neffen nur mit eitlen Vertröstungen auf.

Endlich nahete die Zeit, wo die Dauphine ihrem Gemahl zugeführt werden
sollte. Der Graf und die Gräfin von Hennegau, die grosse Neigung zur
Pracht hatten, verschaften ihr einen glänzenden Hofstaat; und Jacobine,
die nun an einem der glänzenden und artigsten Höfen Europens auftreten
sollte, verabsäumte keine Mittel, die ihre natürliche Schönheit noch
besser erheben konnten. Man hatte zu ihrem Gefolg verschiedene der
schönsten Fräuleins ernannt; unter solchen war eine mit Namen von
Degre ihre vertrauteste, und dieser waren die grösten Geheimnisse der
Prinzeßin nicht unbekannt. Also Madame! sagte sie einige Tage vor der
Abreise zu ihr, werden Sie in kurzem dem Dauphin zugehören, und der
arme Herzog von Brabant wird in Verzweiflung fallen. Sein Temperament
ist nicht so heftig, antwortete die Dauphine; sein Leichtsinn der mir
bekannt ist, wird seine erste Neigung durch neue Gegenstände leicht
unterdrücken und ihn heilen, und ich versichere dich, daß er mich jezt
schon vergißt. -- Dieser Meinung bin ich nicht, Madame! erwiederte
von Degre; allein das kann ich mit Zuverlässigkeit versichern, daß,
da ich so grossen Antheil an allem was Sie betrift nehme, mir auch
alle, die Sie lieben, nicht gleichgültig sein können. -- Um Dich
wegen dieser guten Empfindungen zu belohnen, erwiederte die Dauphine
scherzend, wünscht ich, daß Du die unumschränkteste Beherrscherin des
Herzog von Brabant wärest, und mit Vergnügen würde ich Dich Rang und
Glük mit ihm theilen sehen. Das Erröthen der von Degre überzeugte die
Dauphine, daß ihr dieser Wunsch nicht misfiel; allein jene stellte
sich ganz schamhaftig und antwortete der Dauphine: Sie spotten meiner
Madame! übertriebener Eifer ziehet mir diese Beschämung zu; ich weis
meine Hofnungen besser einzuschränken, und die von Degre haben keine
vornehme Ketten genug um Herzoge von Brabant zu fesseln. -- Nun gut
Thörin! fuhr die Dauphine fort, Du magst böse oder nicht böse sein,
nichts destoweniger war es mein völliger Ernst, wenn ich wünschte, daß
Du eine Fürstin und meine Anverwandtin würdest. Und ich Madame! sezte
von Degre Hinzu, wünsche, daß Sie im Besiz des Dauphins, zu einer der
glücklichsten, da Sie schon eine der vollkommensten in der Welt sind,
werden mögen.

Endlich trat die bestimmte Zeit (1417) ein, in welcher die Dauphine
ihrem Gemahl zugeführt werden sollte. Der Graf und die Gräfin von
Hennegau begleiteten sie nach Compiegne, wo ihrer der Dauphin
erwartete. Die Zusammenkunft dieses jungen Paars, war zwar nicht
ausserordentlich feurig; allein doch nicht ganz gleichgültig. Der
Dauphin war liebenswürdig und die Prinzeßin, seine Braut, besaß
unzählbare Reize. Die Königin von Frankreich, unter Begleitung des
Herzogs von Tourraine, ihres Sohnes, des Herzogs von Britanien, und
mehrerer Prinzen empfingen sie zu Senlis. Das beiderseitige Vergnügen
wurde durch vielfältige Veränderungen in Lustbarkeiten gefeiert, über
welche die Dauphine viel Zufriedenheit bezeugte. Die Königin und
die Gräfin erwiesen sich gegenseitige Freundschaft,[E] und nachdem
man verschiedene Tage in Fröhlichkeit zugebracht hatte, gieng die
Königin zurück nach Paris, der Dauphin mit seiner Gemahlin nebst der
Gräfin ihrer Mutter aber nach Compiegne. Der Graf von Hennegau, der,
wichtiger Angelegenheiten wegen, nach Paris gegangen war, entfernte
sich, auf gewisse Warnungen, die man ihm eines Verdachts wegen
beibrachte, gleich wieder. Da er nun durch die Heirath seiner Tochter
sich den Dauphin ganz eigen gemacht hatte, gieng er mit der Hoffnung,
ganz seine Absichten zu erreichen, zu ihm nach Compiegne; allein das
Verhängniß drohete Frankreich und dem Grafen von Hennegau mit grossen
Unglücksfällen. Bei seiner am 5ten April erfolgten Ankunft, fand er
den Dauphin an einem vorgeblichen Halsgeschwühr in den lezten Zügen
liegen, welcher gleich hernach seinen Geist aufgab, und durch diesen
unerwarteten Todtesfall verschwanden zugleich alle weitere grosse
Aussichten für den Grafen von Hennegau. Traurig und schmerzhaft für
beide Familien, war dieses Absterben, das ganz Europa in Verwunderung
sezte. Die Dauphine, deren Schmerz um so grösser war, da sie wirklich
anfieng ihren jungen Gemahl zu lieben, gieng, statt nach Paris, mit
ihrer Mutter zurück nach Bergen. Der Dauphin wurde ganz stille und
eiligst in der Abtei Cornelien zu Compiegne begraben, welches den
Verdacht seines schleunigen Todes um so mehr bestätigte; wie dann auch
niemand zweifelte, daß er durch geheime Cabale des Herzogs von Brabant
sei hingerichtet worden.

Des Glückesunbestand hatte Jacobine, zu einem denkwürdigen Bild des
Leidens bestimmt; auf diesen Verlust erfolgte gleich ein, für sie
noch weit schmerzhafter Schlag. Denn er legte den Grund zu allen
ihren künftigen Widerwärtigkeiten. Der Graf von Hennegau ihr Vater,
der durch den Tod des Dauphins schmerzlich gerührt war, wollte in
der Einsamkeit einige Linderung suchen. Er gieng desfalls nach
Bouchain; allein statt dessen, vermehrte sich vielmehr seine Betrübnis
dergestalt, daß er wenige Tage nach seiner Ankunft starb. Sein Leichnam
wurde in die Franziskaner-Kirche nach Valencienes gebracht. Durch
diesen Tod war nun seine Gemahlin eben so, wie seine Tochter zur
Wittwe geworden. Jacobine, die einzige und rechtmäßige Erbin aller
seiner Staaten, wollte solche daher, und vermöge ihrer Gerechtsame,
in Besiz nehmen; sie fand aber an Johann von Baiern, Bischoffen zu
Lüttig, ihrem Oheim, unter dem Vorwand einer ungleichen Theilung der
Verlassenschaft seines Vaters, des Herzog Albrechts von Baiern, einen
heftigen Widerstand und Verfolger. Dieser Johann von Baiern, der den
Bischofsstaab niedergelegt und sich mit der Wittwe, Anton Herzogs von
Brabant, Bruders des Herzogs von Burgund, verheurathet hatte, machte
nunmehr seine Ansprüche mit dem Schwerd gegen seine Nichte geldend.[F]
Die Verlegenheit, in welche diese beiden Wittwen hierdurch versezt
wurden, war nicht gering. Um aus derselben zu kommen war ein kräftiger
Vorstand nöthig; die Gräfin von Hennegau war daher bedacht, solchen
durch eine andere Verheirathung ihrer Tochter zu verschaffen. Sie hatte
den Herzog von Brabant immerfort auf das zärtlichste geliebt. Bewust
war es ihr, daß seine Liebe zu Jacobinen noch nicht erloschen war. Er
war ihr Anverwandter, und stand wegen seines grossen Reichthums in
gewissem Ansehen. Dieses alles, und da sie ausserdem noch glaubte,
sich ihm gefällig zu erzeigen, bewog sie, ihm ohnverzüglich den Antrag
zu thun. Entzückend nahm er ihn an; und da die Gräfin von dieser
Seite gesichert war, fehlte nichts weiter, als ihrer Tochter gleiche
Gesinnungen beizubringen; sie verabsäumte daher nicht, sie auf das
schmeichelhafteste zu bereden. Sie sehen, sagte sie zu Jacobinen, in
welchen Abgrund von Verlegenheiten und Unruhe der Bischoff von Lüttig
uns stürzet; sein Verfahren wird uns unglücklich machen, wo nicht gar,
ganz unterdrücken; durch des Dauphins Tod sind Sie frei; Sie können
daher einen andern Gemahl wählen, und sehr würden Sie mich verbinden,
wenn ihre Wahl auf den Herzog von Brabant fiel. Die Begierde, Ihnen
gefällig zu sein, ist meine Hauptbestrebung, erwiederte Jacobine;
allein Madame! welche Hülfe können Sie von einem jungen, unerfahrnen
Mann, wie der Herzog ist, erwarten. Seine Geistesgaben sind ausserdem
sehr eingeschränkt; aufrichtig gesteh’ ich und bin dessen überzeugt,
daß unsere Angelegenheiten unter einer dergleichen Leitung schief
gehen würden. Ausserdem sind wir zu nahe verwandt, als daß wir uns
ohne Erlaubnis und Einwilligung der Kirche ehelich verbinden könnten.
Ist es dann unumgänglich nöthig, daß ich mich verehliche? Der Dauphin
und mein Vater haben kaum die Augen geschlossen; unsere Thränen rinnen
noch, und Sie denken schon an ein Eheverlöbnis. Ich muß gestehen,
erwiederte die Gräfin, daß alle Ihre so eben gemachte Einwendungen
den Schein einiger Wahrheit haben; allein ob solche in unserer izigen
Lage der Staatsklugheit gemäß sind, ist eine andere Frage. Der Herzog
von Brabant muß einzig und allein nach unserm Rath und Willen handlen;
je weniger er aus selbst eigener Gewalt und Einsicht auszurichten
vermag, desto mehr bleibt er uns unterwürfig. Urtheilen Sie selbst
nach dem Betragen des Bischoffs von Lüttich, ob es rathsam sei,
sich mit ehrsüchtigen und unternehmenden Fürsten in solchen Fällen
einzulassen..... Aber Madame! unterbrach Jacobine, wann ich mich
mit Ihrer Erlaubnis freimüthig erklären darf, muß ich gestehen, daß
es ein trauriger Zustand ist mit einem fast blödsinnigen Menschen,
der nichts aus eigenem Verstand unternehmen kann und doch seinen
Leidenschaften ergeben ist, Zeitlebens verknüpft zu sein. Alle das
hieraus entstehende Ungemach und die Schande würde auf mich fallen; ich
beschwöre Sie daher, in dieser Sache meinem Gehorsam keinen weiteren
Zwang anzulegen. Sie werden beleidigend, Madame! erwiederte die Gräfin
weinend. Wie! weil Sie der Herzog von Brabant aufrichtig liebte, weil
er mehr zärtlich als lebhaft in der Liebe war, betrachten Sie ihn, --
mich dieses Ausdrucks zu bedienen -- wie ein unvernünftiges Thier, und
urtheilen das Schimpflichste von ihm. Mus man eben albern sein, Ihre
Verdienste schäzen zu können? Haben Sie etwas mehr Erkenntlichkeit
gegen seine ersten und reinen Triebe, und denken weniger an sonstige
gute Eigenschaften, die er Ihrem Vorgeben nach haben sollte. Die
Kirche wird keinen Anstand nehmen, und ohne grosse Schwierigkeiten kann
man sie zur Einwilligung bringen; -- Wir haben tausend Beispiele von
dergleichen Ehen. -- Hierauf umarmte sie ihre Tochter, die die Achseln
zuckte, und wohl einsahe, daß sie am Ende ihrer hartnäckigen Mutter den
Willen thun, und sich ihrem Eigensinn aufopfern müste.

Da die Gräfin von Hennegau ihre Tochter etwas nachgebender sahe,
verabsäumte sie nicht, die nöthigen Maasregeln auf Seiten des Herzogs
von Brabant zu nehmen. Da er Jacobinen noch heftig liebte, war ihm
die Nachricht, daß er noch zu ihrem Besiz gelangen könnte, auch sehr
willkommen. Man veranstaltete zu Bergen alles zu seinem Empfang;
und die junge Fürstin, die wohl einsahe, daß sie, ohne sich mit
ihrer Mutter ganz zu entzweien, nicht anderst konnte, bereitete sich
allmählig auch hierzu. Die von Degre, die den Herzog von Brabant so
bedauert hatte, da Jacobine dem Dauphin zugeführet wurde, schien, da
nun diese Heirath beschlossen war, dieser Fürstin nicht freudig genug
darüber zu sein. Wie! von Degre! sagte sie, Du läßt wenig Vergnügen
blicken, daß ich deinen guten Freund heirathe; denn nachdem Du mir
sonst so vieles zu seinem Vortheil gesagt hast, scheinest du mir jezo
eben so traurig als damals, wie ich mich mit dem Dauphin vermählte.
Ich nehme dennoch grossen Antheil an dem Glück, das ihm wiederfähret,
erwiederte von Degre; allein Madame! würden Sie es jezt gerne sehen,
daß ich den kleinsten Plaz seines Herzens einnehme? Ich muß gestehen,
antwortete die Fürstin, daß, da er mein Gemahl werden soll, sähe ich
nicht gerne, daß er zugleich eine andere liebte; und lächelnd sezte sie
hinzu, glaube ich nicht, daß sein Herz von so grossem Werth ist, daß
zwei sich darin theilen könnten. Sie verdienen es auch gewis allein zu
besizen, antwortete von Degre, und ich bin überzeugt, daß er keiner
andern Raum in demselben verstatten wird. Sie sehen jezt, Madame! wie
grosse Ursache ich hatte, für ihn zu sprechen, da ihn der Himmel für
Sie bestimmt hat. Er kann dir selbst für diese geneigte Gesinnungen
Dank abstatten, schloß die Fürstin, und ich werde mir angelegen sein
lassen, ihn von Deiner guten Meinung zu überzeugen.

Ob sich nun gleich der Bischoff von Lüttig, unter Begünstigung
Kaiser Sigismunds, dieser Heirath mit aller Gewalt widersezte, gab
demohnerachtet doch das Konsilium zu Costanz die Einwilligung und
Dispensation. Bei der Ankunft des Herzogs von Brabant in Bergen, sahe
man unmäßige Freude aus seinen Augen funkeln. Er war jung und wohl
gestaltet; Pracht herrschte in seinem ganzen Gefolg. Dieses und das
Vergnügen, das man ihm ansahe, unterdrückte, oder verbarg wenigstens in
etwas seine Verstandesfehler. Gleich nach seiner Ankunft veranstaltete
die Gräfin von Hennegau das Beilager, das sie so sehnlichst gewünscht
hatte. Viele Standspersonen und der ganze Adel des Landes wohnten der
Feierlichkeit bei; und obgleich Jacobine, mit Widerwillen und nur aus
Gefälligkeit für ihre Mutter, diesen Schritt gethan hatte, sahe sie
doch bei dieser Gelegenheit reizender als jemals aus. Der Herzog von
Brabant hatte daher Ursache, in ihrem Besiz alle Leiden, die er zu der
Zeit, da er ohne Hofnung liebte, erduldet hatte, zu vergessen.

Gleich nach den Feierlichkeiten wurde an einem Vergleich zwischen
Jacobinen und ihrem Oheim gearbeitet; und die, welche zu der
Unterhandlung gebraucht wurden, waren in ihren Bemühungen glücklich,
indem sie denselben zu Stande brachten. Diese wiederhergestellte
Einigkeit lies demnach heitere Tage vermuthen; allein die angenehmsten
und wahrscheinlichsten Hoffnungen werden nicht allezeit nach Wunsch
erfüllet.

Während der Zeit, die der Herzog von Brabant an seinem Hof zubrachte,
und von Jacobinen, seiner nunmehrigen Gemahlin, entfernet war,
schenkte er sein Vertrauen einem, Namens Beghe, den er zu den obersten
Ehrenstellen erhoben hatte. Dieser wuste sich dergestalt seiner zu
bemeistern, und ihn zu regieren, daß er auch nicht das mindeste ohne
seinen Rath unternahm. Da diesem Minister der erhabene Verstand der
Herzogin nicht verborgen sein konnte, befürchtete er den Verlust
dieses unumschränkten Zutrauens. Ob er nun gleich seine Furcht durch
die tiefste Ehrerbiethung, die er der Herzogin bei jeder Gelegenheit
erwies, zu verbergen suchte, gab er nichts destoweniger dem Herzog,
unter dem Schein der Treue und Redlichkeit, zu verstehen: daß es
gefährlich sei der Herzogin in allem nachzugeben, daß die klugen und
beherzten Frauenzimmer gemeiniglich sich übermäßige Freiheit nehmen,
und daß es schimpflich, ja schändlich für einen Fürsten, als er sei,
so ganz nachsichtig zu sein. Des Herzogs Geistesschwäche war nicht
frei von Stolz; dieses wuste Beghe wohl; sein Kunstgrif that daher
die erwünschte Wirkung. Der ersten Sache, die Jacobine ihrem Gemahl
vorschlug, widersezte er sich hartnäckig. Verwundert und verdrossen
über dies unerwartete, trozige Betragen, sagte sie zu ihm: Sie müssen
blind sein, da Sie die Nothwendigkeit einer Sache nicht einsehen,
welche die verdrüßlichsten Folgen für uns haben kann, wenn desfalls
etwas versäumet wird, und wenn Ihre Einsichten nicht stark genug
sind, müssen Sie sich nothwendiger Weise auf die, welche grössere
haben, verlassen. Ich glaube nicht, antwortete er trocken, daß es
mir an Klugheit fehlet, und mich dünkt, Madame! daß es Ihnen gar
nicht zukommt, mir Geseze vorzuschreiben. Erstaunt rief Jacobine aus:
Ha! Mein Herr! wer hat Sie diese Sprache gelehret? Dürfen unsere
Vortheile jezt getrennt sein, und müssen wir nicht eine einstimmige
Meinung haben? Begeht eine Frau Fehler, wenn sie ihrem Ehegatten
Widerwärtigkeiten ersparen will? Ja Madame! erwiederte er noch
bitterer; und Weiber haben sich in nichts zu mischen, das über ihre
Begriffe gehet. Mit Verachtung erwiederte sie: die Ihrigen sind so
gering, daß, wenn unglücklicher Weise, unsere Angelegenheiten Ihrer
Leitung überlassen werden sollten, sie ganz schief betrieben würden. --
Nach diesen Worten eilte Jacobine, von Schmerz durchdrungen, zu ihrer
Mutter, um ihr diesen Vorgang zu erzählen. Die Gräfin von Hennegau
aber, die übertriebene Nachsicht für einen Menschen hatte, den sie
selbst zu ihrem Eidam erkohr, suchte die Herzogin dadurch zu beruhigen,
daß der Herzog sein Betragen von selbst bereuen und zurückkehren würde.
Und kaum hatte sie ihn gesprochen, als er alles, was man von ihm
verlangte, wirklich that.

Dieses benahm aber der Herzogin den Verdruß nicht, den sie hatte, mit
einem so fehlerhaften Gemahl verbunden zu sein. In der Zuversicht, daß
die von Degre Theil an ihrem Kummer nehmen würde, öfnete sie derselben
ihr Herz; allein diese Treulose hatte schon seit geraumer Zeit ganz
andere Absichten. Sie glaubte reizend genug zu sein, einem Menschen,
der dem Anschein nach, eines Glücks, das jeder andere beneidet haben
würde, überdrüssig war, Liebe einzuflösen. Sie nuzte also das Vertrauen
ihrer Gebieterin, mit dem Vorsaz, eigenen Gebrauch davon zu machen,
und spielte daher bei der Herzogin die nämliche Rolle, die Beghe bei
dem Herzog spielte. Ich glaubte, daß man sich nicht genug beeifern
könnte, Ihnen gefällich zu sein, Madame! sagte sie zu Jacobinen,
innerlich erfreuet, daß die Uneinigkeit zu Bergen dem völligen
Ausbruch so nahe war. Sie sind nicht gebohren, dergleichen beleidigende
Widersprüche zu dulten. Wie? der Fürst, der sich in Ihrem Besiz über
alle Massen glücklich schäzen sollte, biethet Ihnen schon Troz, und
will Sie beherrschen? O Himmel Madame! welchen Wunsch äuserten Sie
mir, da Sie mir ehemals den Besiz seines Herzens wünschten; da Ihre
Herrschaft von so kurzer Dauer ist, wie lange würde die meinige
gedauert haben? Brauchen Sie bei einem so gefährlichen Anfang Ihre
ganze Herzhaftigkeit und Klugheit; jezt ist es noch Zeit, wenn Sie
nicht ganz unterdrückt sein wollen, Ihre Gewalt fest zu stellen; denn
Ihr Gemahl ist Ihnen Ehrerbiethung schuldig; er ist durch Ihren Besiz
genugsam dafür belohnet worden. -- Bei diesen Reden der von Degre,
seufzte die Herzogin ohne Unterlaß; allein jene war, während derselben,
auf Ausführung der gräulichsten Bosheit bedacht. Sie war auf das
heftigste in den Herzog verliebt; und da sie alle Gelegenheiten nuzte,
sein Thun und Lassen auszuspäen, war es ihr nicht schwehr zu entdecken,
daß Beghe diesen schwachen Fürsten ganz regierte. Sie sind, sagte sie
eines Tages zu diesem Liebling des Herzogs, da er ihr eben einige
verliebte Schmeicheleien vorsagte, ganz aus Ihrer Sphäre. Die Sorge,
dem Fürsten gefällig zu sein, sollte Sie ununterbrochen beschäftigen,
und Sie sollten die Zeit nicht mit Erhebung meiner vorgeblichen Reize
verderben. Opfern Sie dem Ehrgeiz dergleichen köstliche Augenblicke
nicht auf, und geben Sie mir keine Ursache, mir selbsten etwas auf
meine Schönheit einzubilden. -- Ich kan zugleich meinem Herrn dienen,
erwiederte Beghe, und einer Gebieterin Ehrfurcht bezeigen, wenn Sie
wollen die Meinige sein.... Ich! unterbrach sie? Wenn ich Ihnen auch
alles verspräche, würde ich doch vielleicht gar nichts halten können;
kennen Sie die Frauenzimmer nicht? Einige, erwiederte Beghe; allein
ich muß zugleich gestehen, daß deren verschiedene sind, die ich nicht
auszuklügeln vermag; zum Beispiel unsere Herzogin. Hat diese nicht
einen solchen Scharfsinn, durch welchen sie alle Unternehmungen
auszuführen weis; und kan sich wohl jemand rühmen ihre Gesinnungen zu
ergründen? Ja! erwiederte von Degre, dieser Kunst kan ich mich rühmen;
und ich sage Ihnen mit Zuverlässigkeit, daß sie den Herzog hasset,
verachtet, ja! verabscheuet. Halten Sie sich nicht mit Auskramung
verliebter Schmeicheleien auf, sezte sie hinzu, benuzen Sie den
Wink, den ich Ihnen gebe; aber schonen Sie meine Offenherzigkeit und
benehmen mir die gute Meinung, die ich auf ihr Vertrauen seze, nicht.
Nachdem Beghe dieser Lasterhaften vielen Dank gesagt hatte, eilte er
zu dem Herzog von Brabant, der weder Verstand noch Empfindung hatte,
und dessen Liebe mehr eine Wirkung des Eigensinns, als einer richtigen
Beurtheilungskraft war. Leicht machte er ihn daher glauben, was er
für gut fand; und dieser alberne Fürst glaubte, nach den Eingebungen
dieses gefährlichen Menschen: daß ihn die Herzogin nur verächtlich
mache, um allein zu herrschen; daß sie schon zu viel Gewalt habe; und
daß es aus diesen Ursachen nöthig sei, sich jemanden zu versichern, der
alle ihre Handlungen auf das genaueste zu beobachten vermögend wäre.
Hierauf schlug der Herzog, wie von ungefehr, zu diesem Geschäft die
von Degre vor. Er wuste schon, daß sie aus eigenem Triebe des Herzens
darzu geneigt war. Er rühmte, ganz übertriebener Weise, die Schönheit,
den Eifer und Verstand dieses Mädchens; und überlies die weitere
Einrichtung der Sache dem Beghe. Einige Augenblicke hernach begegnete
ihm die von Degre selbst. Er sahe sie jezt mit weit mehr Aufmerksamkeit
als vorher an. Sie war schön, jung, sanft und auf ihrer Stirne konnte
man die Begierde, ihm zu gefallen, deutlich lesen. Mit vieler Bewegung
redete er sie an: Wo wollen Sie hin, mein Fräulein? Was macht Ihre
Gebieterin? -- Sie ist bei der Gräfin von Hennegau, erwiederte von
Degre, und ich gehe, um ihr Bericht wegen eines Geschäfts, das sie
mir aufgetragen hat, abzustatten. -- Bleiben Sie einen Augenblick,
sagte der Herzog, und vergönnen Sie mir ein kurzes Gehör; ich bitte
inständigst. -- Da es jederzeit meine Schuldigkeit ist, Ihnen zu
gehorchen, antwortete sie, bin ich auch jezt bereit, die Befehle, die
Sie die Gnade haben werden mir zu geben, zu vollziehen. -- Nicht auf
diesen Ton nehmen Sie es, mein Fräulein! erwiederte der Herzog; denn
wer so reizend ist, wie Sie, der hat keinen andern Befehlen als denen
zu gehorchen, welche eigene Schönheit und Anmuth ertheilen. Sie sind
schmeichelhaft und werden gefährlich, gnädiger Herr! sagte von Degre
mit niedergeschlagenen Augen; ob ich gleich nicht zum Hochmuth geneigt
bin, würden Sie mich doch dazu verleiten. Aber weit entfernt, mich
durch dergleichen süsse Schmeicheleien blenden zu lassen, welche im
Ernst aufzunehmen nur Thorheit von mir sein würde, will ich solche
nicht anderst als mit schuldiger Ehrerbietung aufnehmen. -- Glauben
Sie, fuhr der Herzog fort, daß ich falsch oder heimtückisch sei? Man
glaubt, ich wäre unempfindsam; Ihre Gebieterin aber kann das Gegentheil
bezeugen und Ihnen Meinungen beibringen, die Ihnen alle Furcht benehmen
werden. Ich urtheile nicht nach dem Ausspruch anderer, erwiederte
von Degre; in dergleichen Fällen sind meine Augen die sichersten
Beobachter. -- Nun denn! unterbrach der Herzog, so müssen Sie in den
meinigen die Ueberzeugung lesen, daß ich Ihren Reizen Gerechtigkeit
wiederfahren lasse, und daß Sie an der Aufrichtigkeit meiner
unbegränzten Liebe nicht zu zweifeln haben. -- Dieses würde ein Wunder
und zugleich eine grosse Ungerechtigkeit sein, erwiederte von Degre,
Sie dürfen niemand anderst als die Herzogin lieben; und wenn deren
Reize, da es keine vollkommnere giebt, Sie nicht mehr fesseln können,
werden es gewis keine andere, noch weniger meine, als welche sehr
gering sind, vermögen. -- Besser empfinde ich, was in mir vorgehet, als
ichs mit Worten auszudrücken vermag, war des Herzogs Antwort; Genug,
mein bestes Fräulein! ich liebe Sie von Grund der Seele, und gestehe
es ohne weiter gekünstelte Ausdrücke; ersezen Sie durch Güte und ein
wenig Gegenliebe, die beleidigende Verachtung, die mir die Herzogin
erweiset.

Ob nun gleich die von Degre ihres Sieges gewis war, wollte sie ihre
Nachgiebigkeit doch nicht gerade zu den Herzog merken lassen. Sie
wollte ihm noch einige Zweifel entgegen sezzen, würde aber doch bei
dieser Unterredung ihr Schiksal bestimmt haben, wann nicht eben die
Herzogin dazu gekommen wäre. Da diese gar kein Mistrauen hegte, und die
Gräfin ihre Mutter sie noch kürzlich versichert hatte, der Herzog habe
keine böse Absichten, näherte sie sich mit Freundlichkeit, zu ihrem
Gemahl, und sagte: Ich bin recht erfreuet, daß Sie sich mit meiner
Gesellschafterin unterhalten; es giebt mir den sichersten Beweis, daß
Sie mich nicht hassen. Ohne Zweifel war die Rede von mir, billig ist
es also, daß auch ich zu ihrem Vortheil spreche, und Sie, mein Lieber!
versichere, daß sie schon bei Ihrem ersten hiesigen Aufenthalt sich
Ihrer Angelegenheiten bei mir mit dem wärmsten Eifer angenommen hat.
Die von Degre, sich bewust, daß sie eine Person, die so viel Güte und
Zutrauen hatte, auf das Schändlichste hintergieng, erröthete, und so
unverschämt sie auch war, konnte sie doch die Blike der Herzogin nicht
aushalten. Sie neigte ihre Augen, während der Herzog die seinigen
beständig auf die Undankbare gerichtet hatte. Da Sie es mir zur
Schuldigkeit machen; Madame! der Fräulein von Degre erkenntlich zu
sein, sagte er zur Herzogin, bitte ich auf das Angelegentlichste, sie
noch mehr zu schäzen, als Sie bisher schon gethan haben, damit durch
Ihre gütige Behandlung sie einigermassen für die Verbindlichkeit, die
ich ihr schuldig bin, belohnet werde. -- Mit freudigem Herzen nehme
ich den Befehl an, erwiederte die Herzogin, und das Bestreben, Ihnen
gefällig zu sein, verbunden mit der Neigung, die ich schon dazu habe,
versprechen der von Degre die glücklichsten und vergnügtesten Tage.

Während dieser Unterredung, die der von Degre so schmeichelhaft war,
saugte diese Untreue das ihr angenehme Gift in vollem Maße ein: Der
Herzog führte seine Gemahlin in ihr Zimmer zurück, woselbst er aber
nicht lange blieb, sondern den Beghe aufzusuchen eilte. Seine Anrede
war: Wissen Sie wohl, daß Sie mich eines der schönsten weiblichen
Geschöpfe, das bis jezt meinen Augen verborgen war, haben kennen
gelehrt? Begehe ich einen Fehler, wenn ich sie liebenswürdig finde, so
fällt er auf Sie selbst zurück. Beghe, der nichts sehnlicher wünschte,
als daß das Herz seines Fürsten mit einem andern Gegenstand, der die
Liebe zu seiner Gemahlin ganz unterdrücke, beschäftiget wäre, rühmte
die Schönheit und Annehmlichkeit der von Degre auf eine übertriebene
Weise. Dieses und ihr schmeichelndes Zuvorkommen, das sie so eben dem
Herzog gezeigt hatte, waren die sichersten Mittel, das noch übrige
Ansehen der Herzogin zu stürzen und das ihrige zu befestigen. Sie sind
es nicht allein, der die Fräulein von Degre schön findet, sagte Beghe
zum Herzog, ich selbst bewundere ihre Reize; es kommt mir daher nicht
übernatürlich vor, daß Sie gleichfalls Behagen daran finden: allein
ob Sie gleich mein Gebieter und Wohlthäter sind, kann ich mich doch
nicht enthalten, eifersüchtig zu sein. -- Verlieben Sie sich nur nicht
in sie, erwiederte der Herzog hastig, vielmehr, wenn Sie schon in sie
verliebt sein sollten, so schlagen Sie dieses ganz aus den Gedanken,
und lassen sich nur angelegen sein, mir als treuer Bottschafter in
meiner Liebe zu dienen. Allein, gnädiger Herr! sagte Beghe scherzend,
wie kann ich Ihre Aufträge in dieser kizlichen Sache besorgen? -- Wenn
Sie die von Degre ernstlich liebten, antwortete der Herzog, würden
Sie mich sehr unglücklich machen, und meine Angelegenheit und mein
Vertrauen stünden alsdann in gefährlichen Händen. -- Sein Sie desfalls
ausser Furcht, gnädigster Herr! erwiederte der Bösewicht; ich gehorche
Ihnen unter der Versicherung, daß Sie auch von Seiten der von Degre
nichts zu befürchten haben. Denn die Ehre, von einem solchen Fürsten
geliebt zu werden, kann ihr nicht anderst als sehr angenehm sein.[G]

In dieser Verfassung stunden die Sachen, und in dieser Lage befanden
sich die, welche dabei interessiret waren. Des Herzogs Leidenschaft
wuchs dergestalt, und war so sichtbar, daß die von Degre fast den
Verstand darüber verlohr, indem ihr nunmehriges Betragen den Schein der
Ehrbarkeit nicht hatte. Beghe behandelte diese Intrique mit solcher
Behuthsamkeit und List, daß die Klügsten nichts davon entdeckten, und
so einsichtsvoll die Herzogin war, dauerte es doch lange genug, bis
sie etwas davon merkte. Der Herzog machte der von Degre die kostbarsten
Geschenke; allein, auf Anrathen des Beghe, jederzeit durch die Hände
der Herzogin; hierdurch wurde, unter dem Schein, ihre Vertraute zu
belohnen, diese gute Fürstin hintergangen, und man konnte mit Wahrheit
sagen, daß sie mit Blindheit geschlagen sei. Wenn die von Degre durch
Jacobinen mit des Herzogs Geschenke überhäuft wurde, nahm sie solche
anderst nicht, als mit vielem Stolz und Geringschäzung an. Sie sagte
öfters: dieses alles rührt mich nicht, Madame! wenn er Ihnen nicht
Gerechtigkeit wiederfahren läßt, und sich als Ihren Sklaven betrachtet.
So übertrieben sind meine Wünsche nicht, erwiederte die Herzogin,
ich bin zufrieden, wenn wir nur gleiche Zärtlichkeit, Gewalt und
Nachgiebigkeit für einander haben; übrigens, wenn er Dir meinetwegen
Wohlthaten erweiset, so ist es ein sicherer Beweis, daß er die, welche
ich liebe, gleich schäzet, und daß er mich verbindlich machen will.

So hintergieng die Herzogin von Brabant sich selbst; und Beghe, der
seine Gewalt durch Hülfe der von Degre täglich zunehmen sahe, wollte
sein Ansehen immer weiter und auf den höchsten Gipfel bringen.
Dieses verursachte, daß endlich alles, was von angesehenen Personen
in Bergen war, anfieng zu murren. Sie erachteten sich verbunden
zu sein; dem Hochmuth eines Menschen, dem die Nachlässigkeit des
Herzogs volle Gewalt gab, Gränzen zu sezzen, und ihn zu demüthigen.
Eberhard, natürlicher Sohn des verstorbenen Grafen von Hennegau, war
der Aufgebrachteste unter allen. Geheime Kundschaften, die er hatte,
überzeugten ihn, daß Beghe trachte die zwei Fürstinnen unter eine
nachtheilige Bottmäsigkeit zu bringen, und da er dies frevelhafte,
und das Andenken des Grafen von Hennegau beleidigende Beginnen nicht
zugeben wollte, entschloß er sich solches zu verhindern, und den Beghe,
es sei auf welche Weise es wolle, von seiner Höhe zu stürzen, der
aber dergestallt von Herrschsucht eingenommen war, daß er seinen Weg
unbekümmert, was geschehen würde, fortwandelte.

Der Graf von Hennegau hatte Eberharden eine vortrefliche Erziehung
gegeben, und ihm beträchtliche Reichthümer hinterlassen; und da er
zugleich vielen Verstand und Muth besaß, konnte er sich um so mehr
furchtbar machen. Die Güte seines Herzens flößte ihm Abscheu gegen
alle Ungerechtigkeiten ein; er konnte daher den Uebermuth des Beghe
und die Schwachheit des Herzogs nicht länger ertragen. Leztern selbst
zur Rede zu stellen, würde ihm empfindlich gewesen sein, und die Sache
nur verschlimmert haben: sich an die Gräfin von Hennegau zu wenden,
wäre gleichfalls vergebliche Mühe gewesen. Das sicherste schien
ihm daher, sich grade zu an die Herzogin, die ihn sehr hochachtete
und viel Vertrauen in ihn sezte, zu wenden. Er redete sie also an:
Madame! es schmerzet mich, daß ich genöthiget bin, Ihnen eine kleine
Unruhe zu verursachen, um einer weit grössern vorzubeugen, die gewiß
verdrüßliche Folgen für Sie haben würde. Die Leichtgläubigkeit des
Herzogs, Ihres Gemahls hat die Unverschämtheit des Beghe so weit kommen
lassen, daß er sich das Ansehen giebt, als ob ihm jeder, wer er auch
sei, untergeben sein müsse. Beständig warnet man mich, daß er sich
erdreiste, die wichtigsten Angelegenheiten eigenmächtig auszuführen.
Bald wird er Ihnen selbst befehlen, und sich zum gänzlichen Ruin Ihrer
Unterthanen bereichern. Die Frau Gräfin von Hennegau widersezt sich
im geringsten nicht seinen Absichten, noch der Leichtgläubigkeit des
Herzogs, aus welchen beiden die schrecklichsten Folgen und Unordnungen
entstehen werden, und wenn Sie desfalls keine Vorkehrungen treffen,
wird uns dieser Elende Geseze geben und ganz unterjochen. -- Lieber
Bruder! erwiederte die Herzogin, ich sage Ihnen den wärmsten Dank für
diese aufrichtige Gesinnung, und gewis setze ich ein unbegränztes
Zutrauen in Ihre Freundschaft, um derselben meine Angelegenheiten zu
übertragen. Dächte mein Gemahl nur einigermassen billig, so würde
er solche allen andern Ergözlichkeiten vorziehen; zu meinem grösten
Unglück aber, hat mir der Himmel einen Mann gegeben, der weder eigenes
Gefühl, vielweniger das geringste für mich hat, da er mir doch wirklich
Erkentlichkeit schuldig ist. Ich gestehe Ihnen frei, daß mir der Beghe
sehr verhaßt ist. Seine Aufführung, seine Person, sein Stolz, ja!
selbst seine scheinbare Ehrerbietigkeit, und kurz, sein ganzes Betragen
mißfällt mir. Ich weis, daß er seines Herrn Ohrenbläser ist, und dieser
zu allen Niederträchtigkeiten fähige schwache Geist, glaubt seinen
Eingebungen, wie einem Orakel. Auf meine Warnungen wird nicht geachtet;
und es ist, als ob mein Gemahl verblendet wäre, da er mir sein ganzes
Zutrauen entziehet. Wir werden in diesem elenden Zustand schmachten
und zu der Zeit, da ich am meisten zu beklagen sein werde, wird es
Menschen geben, die grausam genug sind, die Schuld auf mich zu werfen,
und meine Aufführung zu tadeln. Meine Mutter ist von den eingebildeten
Vollkommenheiten ihres Neffen so eingenommen, daß sie selbst seine
Thorheiten vertheidiget. Was soll ich also anfangen, und bei wem Trost
und Hülfe suchen? -- Bei mir, Madame! erwiederte Eberhard, sollen
Sie beides finden. Schon lange mache ich mir Vorwürfe, Ihnen meinen
Diensteifer nicht bezeigt zu haben. Man muß sich zuvörderst des Beghe
entledigen. -- Ach! unterbrach die Herzogin, auf welche Art? -- Dieses
ist meine Sache, Madame! erwiederte Eberhard. Ach! liebster Bruder!
schrie die Herzogin, ich beschwöre Sie, keine Gewaltthätigkeit zu
brauchen. Ob ich gleich den Beghe auf das höchste hasse, verabscheue
ich doch weit mehr alle dergleichen Verbrechen. Denn ob wir gleich
seine gesezmässigen Richter sein können, dürfen wir doch seine Henker
nicht werden. -- Und wer erlaubt ihm, ein Meineidiger und Verräther zu
sein? erwiederte der aufgebrachte Eberhard. Nein, Madame! nein! Sie
sind gegen diesen ehrsüchtigen Bösewicht zu nachsichtlich; ungestraft
mißbraucht man Ihre allzugrosse Güte nicht. Hierauf, und aus Furcht
die sanftmüthige Fürstin möchte sich seinem Unternehmen zu heftig
widersezen, eilte er von ihr, um es ungesäumt auszuführen.

Der Herzog von Brabant war auf der Jagd. Seine Abwesenheit war dem
Eberhard all zu günstig, als daß er solche nicht gleich hätte nutzen
sollen. Er gieng zu dem Beghe, den er vermuthlich um eine neue
Treulosigkeit auszusinnen, nachläsig auf dem Faulbett ausgestrekt
antraf. In dieser Stellung sahe er ihn mit vieler Verachtung an.
Der Oberamtmann von Hennegau, ein kriechendes Geschöpf, des Beghe
Vertrauter, war eben bei ihm. Jenen redete er zuerst an: Sie spielen
eine saubere Rolle. Beghe ist der Abscheu aller redlich Denkenden,
und Sie verdienten wegen der Unterwürfigkeit, die Sie ihm bezeigen,
und durch welche Sie seinem unerträglichen Hochmuth steifen, ein
ähnliches Schiksal. Hierauf lies der von Rache geleitete Eberhard, den
Beghe durch fünf bis sechs Entschlossene, die er zu diesem Entzweck
mitgebracht hatte, vermittelst verschiedener Stiche durchbohren, die
ihm zugleich die Sprache und das Leben benahmen. Der Oberamtmann war so
erschrocken über diese behende That, daß er vor Angst, es möchte ihm
ein gleiches widerfahren, fast von Sinnen kam; also weit entfernt den
Verschwohrnen die Flucht zu erschweren, erleichterte er vielmehr solche
durch seine eigne.

Wie der Herzog von Brabant bei seiner Rückkunft erfuhr, was vorgegangen
war, gerieth er in die schrecklichste Wuth, und drohte, sich an
jedem, der ihm vorkäme, zu rächen. Die Gräfin von Hennegau, die ihren
Tochtermann bei allen Gelegenheiten begünstigte, zeigte ihren Unwillen
öffentlich über diese That, und die Herzogin von Brabant war dermassen
darüber betroffen, daß sie wie versteinert dastund. Sind Sie es,
Madame! sagte ihr Gemahl, die mich hat eines treuen Dieners berauben
lassen? und haben Sie mich etwa zu glücklich geschäzet, weil ich mich
auf seinen Diensteifer verlassen konnte? Sein Mörder wird nirgends
Schuz finden, und nichts wird ihn meiner gerechten Rache entziehen.
Was! mich so wenig achtungswerth zu halten: daß die, die ich schätze
und liebe, in meinem eignen Hause nicht vor Mord gesichert sind! Was
wird man erst mit mir selbst vornehmen? Ich bin mit Feinden umgeben,
und nur durch besondern Schuz des Himmels athme ich noch -- Ich habe
Sie reden lassen, antwortete die Herzogin, weil ihr Zorn ein Strohm
ist, dem sich zu widersetzen, vergebliche Mühe sein würde. Es ist wahr,
Ihr Liebling ist umgebracht, und ich bin nur in soweit misvergnügt
darüber, weil ich dergleichen Greuelthaten hasse; allein wollte der
Himmel, er hätte niemals gelebt, so würde sein vergifteter Geist sich
weniger in Hennegau ausgebreitet haben. Nicht durch mich, noch auf
meine Veranlassung ist er umgebracht worden. Denn vergossenes Blut habe
ich jederzeit verabscheuet. Allein bei diesem, Ihnen so nahe ans Herz
gehenden Unfall, werden Sie an der von Degre eine mitleidige Trösterin
finden. -- Unvorsichtiger Weise sprach die Herzogin das leztere; denn
man hatte sie von dem geheimen Verständnis des Herzogs mit der von
Degre glaubhaft belehret. Ganz wüthend erwiederte der Herzog: Ja! und
ich werde Ihre Mitschuldige zu verhindern wissen, daß ihr das nämliche
Schicksal des unschuldigen Beghe nicht widerfahre. -- Sie werden wohl
thun, erwiederte die Herzogin ganz gleichgültig; es ist das Geringste
das Sie für ein Mädchen thun können, das Ihnen Ehre, Gebieterin und
Reize aufgeopfert hat; denn eines gewissen Umstands wegen bemerke ich,
daß leztere ziemlich abnehmen. Hierauf kehrte sie ihm den Rücken; er
aber gieng zur von Degre, deren Gesichtszüge und Leibesgestalt sich
wirklich verändert hatten, ohne deswegen ihrem boshaften Sinn Gewalt
anzuthun, die dann den Beghe, als ihre verlohrne Stütze, mit der
heftigsten Gemüthsbewegung beweinte.

Die Gräfin von Hennegau, die den Eberhard nicht liebte, war zum
heftigsten gegen ihn aufgebracht. An ihr und ihren Nachstellungen hat
es nicht gelegen, daß er dem Volk in Bergen auf dem Blutgerüste wäre
zur Schau ausgesezet worden: Allein er war in Sicherheit; und dieses
war keine geringe Erleichterung für die bekümmerte Herzogin.

Die an die Stelle der von Degre zu der Herzogin kam, hatte viel
Verstand und war tugendhafter. Ohne aufdringlich zu sein, noch sich
verdächtig zu machen, hatte sie gleich zu Anfang des Umgangs Beghe
mit der von Degre geschlossen, daß ihr beiderseitiges Verständnis
böse Absichten zum Grund habe. Sie entdeckte alles, und sie war es
eigentlich, die mit einer lobenswürdigen Vorsicht ihrer Gebieterin die
Augen öfnete. Die Herzogin, die schon des Kummers gewohnt war, zeigte
eben keine grosse Empfindlichkeit bei dieser leztern Beschimpfung;
der Herzog war nicht liebenswürdig genug, um jene alle Gemüthsruhe
benehmende Eifersucht, die öfters mit dem Verlust des Verstandes
vergesellschaftet ist, zu erwecken, allein wenn sie zurük dachte, wie
sehr sie dieser Treulose geliebt hatte, kam sie aus aller Fassung; und,
da vollends ihre neue Gesellschafterin, die sich Climberge nennte, ihr
die Stärke des Leibes der von Degre bemerken lies, betrachtete sie
selbige nicht anderst als ein schändliches, undankbares Ungeheuer.

Indessen der Herzog von Brabant den Beghe beweinte, und nur allein
für die von Degre lebte, die ihn ganz bezaubert in ihrem Neze hielt,
machte die Herzogin ihre Mutter so aufmerksam auf Dinge, die diese ohne
nicht ganz von Eigensinn eingenommen zu sein, unmöglich gleichgültig
ansehen konnte. Kaum sahe der Herzog seine Gemahlin täglich einmal, da
er im Gegentheil seine Zeit ganz bei der von Degre zubrachte. Endlich
legte der Herzog alle Verstellung ab, und der von Degre Schande fieng
an allgemein bekannt zu werden. Nun Madame! sagte die Herzogin zu
ihrer Mutter, Sie haben mich genöthiget, ja gezwungen, dem Herzog von
Brabant meine Hand zu geben. Was sagen Sie jezt zu seiner Aufführung,
und in der Lage, in welche er mich versezet, wie soll die meinige sein?
-- Sie müssen sich nicht vorstellen, daß die Ehemänner, besonders
die Fürsten sich eben einer so grossen Treue gegen ihre Gemahlinnen
befleisigen. Wäre Ihr Vater unter der Zahl der allzugewissenhaften
gewesen, so würde der Beghe noch leben, sein Mörder nicht gebohren,
und wir in keiner so grossen Verwirrung sein. Verzeihen Sie ihm also
diese jugendliche Ausschweifung, die sich mit den Jahren legen wird.
-- Was! Madame, rief die Herzogin aus, sind es grade meines Vaters
Schwachheitsfehler, die er nachahmen soll? Gebe ich auch zu, daß ein
Jüngling, vermöge seiner noch wenigen Erfahrung, ausschweifen, und
sich, mit Hintansezung seiner Ehre, vergnügen kann, ist es darum unserm
Geschlecht, und besonders einem Mädchen, das Sie mir zugesellet haben,
das mit mir erzogen worden, das ich allen andern mit Achtung vorzog,
das mein ganzes Vertrauen besaß, und das nun der ganzen ehrbaren Welt
ein Aergernis ist, erlaubt. Genehmigen Sie auch noch sein jeziges
Betragen, oder muthen Sie mir vielleicht gar zu, um ihm gefällig zu
sein, die Vermittlerin seiner schändlichen Ausschweifungen zu werden?
-- Sie reizen meine Gedult auf das äuserste, erwiederte die Gräfin.
Ihren Reden nach hat es das Ansehen, als ob Sie sich Dinge in Kopf
setzen, die niemals entstehen werden. -- Ha! Madame, erwiederte
die Herzogin weinend, Sie sahen sie lange zuvor ein; denn die bösen
Eigenschaften des Herzogs waren Ihnen zur Gnüge bekannt, und doch
zwangen Sie mich, ein Opfer derselben zu werden. -- Sie legen mir
also die Schuld Ihres Misvergnügens allein bei, erwiederte diese
unnatürliche Mutter; Gut! ich werde mich daher von Ihnen entfernen,
und da Sie selbst so einsichtsvoll sind, wird es Ihnen ein leichtes
sein, dem drohenden Unglück vorzubeugen. -- Hierauf verlies sie das
Zimmer, und stürzte die Herzogin durch ihre, am folgenden Tag wirklich
unternommene Abreise nach Quesnoy, in unaussprechlichen Gram. Du
siehest, sagte sie zur Climberge, daß mich alles verläßt, und ich muß
fürchten, daß endlich auch Du, wie mein Gemahl, meine Mutter, meine
Dienerschaft, ja! öfters mein eigener Verstand, mich noch verlassen
wirst. Gerechter Himmel! was habe ich verbrochen, daß du mich mit so
viel Unglück heimsuchest? Mein Wandel ist schuldlos, kein Verbrechen
habe ich begangen, dennoch sind meine Leiden groß, und bald werde
ich, statt wie ich es gekönnt hätte, in gewissem Glanz zu leben, vom
Glück ganz verlassen, der Spott und die Verachtung der Menschen sein.
Ha! Climberge! wie gepreßt ist mein Herz, und wie schwach sind meine
Kräfte, dergleichen harten Prüfungen zu widerstehen! -- Ich gestehe
aufrichtig Madame! erwiederte die Gesellschafterin, daß Sie nichts
weniger, als ein so trauriges Schicksal verdienen; dieses, nebst dem
unschuldvollen Bewustsein muß Ihnen die Leiden erträglicher machen.
Unterliegt Ihr Muth ganz, so können Sie leicht urtheilen, wie es mit
dem meinigen beschaffen sein würde. Ohne ungerecht zu sein, dürfen Sie
an meiner aufrichtigen und ehrfurchtsvollen Ergebenheit nicht zweifeln.
Setzen Sie mich, theureste Fürstin! auf die Probe. Ich verabscheue die
von Degre, deren Betragen jedem Redlichen ein Greuel sein muß, und die
wegen ihrer schändlichen Undankbarkeit nicht hart genug bestraft werden
kann. Es wundert mich nicht, daß die Tugend eine Buhlerin verläßt,
noch daß ein schwacher Fürst sich so weit vergehet, die ehelichen
Pflichten hintan zu setzen; aber daß die Frau Gräfin von Hennegau, der
Sie leider! zu viel nachgegeben haben, sich unverantwortlicher Weise
entfernet, und Sie in einer so traurigen Lage verlassen hat, dieses
deucht mir entsezlich zu sein, und ich kann nicht ohne tiefe Wehmuth an
dieses Verfahren denken. -- Laß mich! rief die Herzogin schluchsend,
laß mich, grausames Schicksal! deine ganze Härte fühlen! Unter
allen Wegen, die Du mir zeigest, werde ich immer den unschuldigsten
einschlagen; bin ich bestimmt unglücklich zu sterben, werde ich doch
wenigstens den Trost haben, schuldlos mein Haupt niederlegen zu können.
Climberge weinte mit der Herzogin, und sie würden beide wahrscheinlich
noch lange in dieser traurigen Beschäftigung geblieben sein, wenn der
Herzog nicht dazu gekommen wäre und sie gestöhret hätte. Nun, Madame!
sagte er mit stolzem und verachtendem Ton, Ihr mürrischer Sinn hat
denn endlich die Frau Gräfin von Hennegau vertrieben; zum Lohn ihrer
zärtlichen Sorgfalt muß sie nun den bittersten Schmerz empfinden. Für
wen bewahren Sie Liebkosungen, wenn die, die das erste Recht drauf
haben, und die Ihnen am schäzbarsten sein sollten, solche entbehren
müssen? -- Wenn ich aufgelegt wäre mich zu ereifern, erwiederte die
Herzogin mit vieler Mässigung, so gäbe mir ihr Betragen Stoff genug.
Sie sind der Urheber alles dessen, was vorgeht, und die Quelle meiner
Leiden. Meine Mutter hat eigensinniger Weise drauf bestanden, daß ich
Sie heirathen sollte, ob ihr gleich Ihre Gemüthsbeschaffenheit nicht
unbekannt war. Wie belohnen Sie diesen meinen unglücklichen Gehorsam?
Sie beleidigen mich auf hundertfältige Weise; und, nicht zufrieden
mich die größte Verachtung empfinden zu lassen, füllen Sie noch mein
Haus mit Schimpf und Schande; da Sie unter meinen Augen eine meiner
Frauen, die ich am meisten schäzte, verführen. Hohnlachend unterbrach
der Herzog: ich rathe Ihnen, noch auf die Liste meiner Verbrechen
den Mord des Beghe zu sezen, ob ich gleich solchen Ihrer unmässigen
Begierde, allein herrschen zu wollen, zu verdanken habe. In Ansehung
der von Degre aber sollten Sie mir billig wegen der Achtung, die ich
für sie habe, verbindlich sein, da Sie mir ihre Verdienste öfters
angepriesen haben, und mein Herz also hier Ihre Empfehlungen erfüllet,
und Ihre Vorschriften befolget hat. -- Ha! Grausamer, welche Folgen
von Leiden bereiten Sie mir? Ueberflüssig wäre es, Sie an Vernunft,
Pflicht und Ehre zu erinnern, denn von allen diesen Dingen wissen Sie
nichts, noch weniger sind Sie fähig, solche auszuüben. Fahren Sie
in Ihrem feigen und gesezwidrigen Leben fort: triumphiren Sie über
meine Enthaltsamkeit, und verstatten mir, der von Degre einen Plaz
einzuräumen, den ich mit Widerwillen innen habe, und auf den ich von
Grund der Seele Verzicht thue.

Der Unwille verhinderte die Herzogin ein mehreres zu sagen. Sie gieng
in den Garten, um in der Einsamkeit ihrem beklemmten Herzen durch
eine Thränenfluth Luft zu schaffen. Allein hier fand sie abermal neue
Gelegenheit zum Misvergnügen. Die von Degre, deren Schwangerschaft sich
nun allgemein offenbahrte, saß unter einem Baum. Mit frecher Stirne
trug sie ihre Schande, sie kam nicht mehr zur Herzogin; es war ihr
ausdrücklich verboten und ihr aller Zutritt versagt. Sie schauderte und
konnte ihren Zorn, bei dem Anblik dieser frechen und ganz unverschämten
Kreatur, nicht verbergen. Anfangs wollte sie ihr ausweichen, allein ihr
Unwille sezte sie über alle Betrachtungen weg. Schnell gieng sie auf
die von Degre los, die kaum eine geringe Bewegung zum Grüssen machte.
Ich stöhre sie vielleicht in Ihrem Nachdenken, sagte die Herzogin;
allein da Sie meine ganze Glückseligkeit zernichtet haben, würden Sie
ungerecht sein, wenn Sie mir diesen geringen Verdruß nicht zu gut
halten wollten, da Sie mir durch Ihr Betragen so unendlich grossen
verursachen. -- Wenn Sie Misvergnügen haben Madame! erwiederte die von
Degre ohne alle Ehrfurcht, ganz unbescheiden, müssen Sie sich die
Schuld selbst beimessen. -- Ich gestehe es, erwiederte die Herzogin.
Denn wenn ich nicht blinde Güte und thörigtes Nachsehen für Sie gehabt
hätte, würde ich vielen Verdruß überhoben sein. In was vor einem
verächtlichen Zustand befinden Sie sich jezt, und wie können Sie mir
in solchem unter die Augen treten? Habe ich Sie gelehret dergleichen
niederträchtige Handlungen zu begehen; und wer hat Sie sonst dazu
angeführet? Noch wenn Sie unvorsichtiger Weise, oder durch Verführung
zu Fall gekommen wären, würde man Sie wegen Ihrer Schwachheit bedauern,
wenigstens nicht verabscheuen so aber, da Sie selbst den Herzog zu
dieser schimpflichen Leidenschaft verführet, sich ihm freiwillig Preis
gegeben und ihn zu Bosheiten verleitet haben, deren er bisher unfähig
war, verdienen Sie kein Mitleiden. Was für Folgen werden aus diesem
strafbaren Verständnis entstehen? Sie werden ohne Zweifel elendiglich
umkommen, und Ihr verführter Liebhaber wird in den Abgrund des
Verderbens stürzen, den Sie ihm zubereitet haben. -- Die von Degre,
die sich nun zu Antworten genöthiget sahe, war verlegen, was sie zu
ihrer Vertheidigung vorbringen sollte. Glüklicher Weise zog sie der
Herzog, den sie von ferne kommen sahe, aus der Verlegenheit. Sie
können, Madame! sagte sie mit wenigen Worten, dem Herrn Herzog alles
was Ihnen gefällig ist, sagen, ich glaube daß er Sie sucht; und es wäre
unbescheiden von mir, Sie in der Unterredung durch mein Verweilen zu
stöhren, und Ihnen einen so verhaßten Gegenstand länger vor den Augen
zu lassen. Sie kehrte hierauf der Herzogin den Rücken, die einen andern
Weg gieng um ihrem Gemahl nicht zu begegnen.

Sobald die Herzogin auf ihrem Zimmer war, lies sie, in Gegenwart der
Climberge, ihren Thränen freien Lauf. Ich muß fliehen, sagte sie zu
ihr, und sollte mich gleich die ganze Welt tadeln, unmöglich kann ich
länger an einem Ort bleiben, wo ich nichts als Gift und Galle einnehme.
-- Wo wollen Sie aber hin, Madame! erwiederte Climberge, und welchen
Entschluß kann ein Frauenzimmer Ihres Rangs bei einer so kizlichen
Sache fassen? -- Ich weis es selbst nicht, antwortete die Herzogin;
allein ich hoffe, daß so bald ich nur aus Bergen bin, der Himmel mir
alsdann eingeben werde, was ich weiter thun soll. So hartherzig meine
Mutter ist, kann mich doch nichts von der Ehrerbietung, die ich ihr
schuldig bin, befreien. Ob sie mich gleich verlassen hat, muß ich sie
doch aufsuchen. Rufe den Descaillon. Dieser war der treuste Diener
meines Vaters, und noch der Einzige unter den meinigen allen, auf
dessen Treue und Redlichkeit ich mich verlassen kann. -- Climberge
befolgte diesen Befehl; und kaum hatte die Herzogin dem Descaillon ihr
Vorhaben eröfnet, traf dieser so geheime und schleunige Anstalten, daß
sie schon den andern Morgen mit Tagesanbruch aus Bergen war. Sie gieng
nach Quesnoy zu ihrer Mutter, die sich über ihre unvermuthete Ankunft
nicht wenig wunderte. Nachdem sie dieselbe mit kindlicher Ehrfurcht
umarmt hatte, sagte sie zu ihr: Madame! verdammen Sie meine Reise
nicht, und lassen Sie vielmehr meiner Gedult Gerechtigkeit widerfahren.
Der Herzog von Brabant behandelt mich mit tirannischer Unanständigkeit;
sein Sie billiger und häufen meine Leiden nicht durch harte
Gleichgültigkeit. Behält der Herzog volle Gewalt, so wird er mit unserm
Eigenthum nicht allein die von Degre, sondern die ganze Rotte seiner
nichtswürdigen und unverschämten Höflinge bereichern, wie er es schon
gethan hat. -- Meine liebe Tochter! unterbrach die Gräfin, Ihr Schmerz
rühret mich; ich bin nicht so unmenschlich als Sie es vielleicht von
mir glauben, und ich gebe ihnen die Versicherung meiner zärtlichsten
Liebe und Theilnehmung Ihrer Leiden. Schon lange sollte die Aufführung
Ihres Gemahls meine Langmuth erschöpft haben; allein zur Ehre unseres
Hauses müssen wir uns zuvörderst bemühen, ihn durch Gelindigkeit
und Güte zur Reue zu bringen. Wir wollen uns hierzu des Herzogs von
Burgund, dessen Ansehen etwas vermag, bedienen, und wenigstens die
Sache so einleiten, daß man nicht sagen kann, Sie hätten Ihren Gemahl
leichtfertiger Weise verlassen. Ich weis zwar, daß Sie gegründete
Ursachen dazu haben; allein es werden noch weit wichtigere erfordert,
um Sie vor der Welt dieses wichtigen Schritt wegen zu entschuldigen.
-- Nun gut, Madame! antwortete die Herzogin, handeln Sie nach eigenem
Gutdünken. Ihr Wille soll der Meinige sein, und ich will bei Ihnen,
als einem ruhigen und unverletzlichen Zufluchtsort, den Erfolg Ihrer
Bemühungen abwarten.

Hierauf schrieb die Gräfin von Hennegau an den Herzog von Burgund,
ihn von der ganzen Lage der Sache zu unterrichten. In ihrem Schreiben
schilderte sie mit vieler Klugheit und Wahrheit das Betragen des
Herzogs von Brabant; und Descaillon, der eigends damit abgeschickt war,
fügte noch mündlich alles bei, was zum Vortheil der Herzogin gereichen
konnte. Auch machte der Herzog von Burgund keine Schwierigkeiten,
sich des Zwists zweier Personen, die ihm so naheanverwandt waren,
anzunehmen, um sie wo möglich zu vereinigen.

Der Herzog von Brabant, der sich einzig und allein mit seiner
gesezwidrigen Liebe beschäftigte, bekümmerte sich wenig um die Abreise
seiner Gemahlin. Wie ihm die Vorschläge zur Aussöhnung gemacht wurden,
antwortete er schlechterdings: Die Herzogin könne zurückkommen, wann
sie wollte; allein seine Beischläferin würde er in kein Kloster
schicken, noch seine Lieblinge vom Hof entfernen, wie man es ihm
vorgeschlagen habe. -- Die Gräfin von Hennegau nahm diese schwürige
Antwort für befriedigend an, und verlangte, daß es ihre Tochter auf die
Willkühr des Herzogs ankommen und auf seine gegebene Zusicherung nach
Bergen zurückgehen sollte; denn man müste ihm die Schande ersparen,
als ob er gezwungener Weise hätte nachgeben müssen. Nun verlohr die
Herzogin völlig ihre bisher noch gehabte Mässigung. Nachdem sie ihren
vergangenen und künftig zu erwartenden jämmerlichen Lebenswandel lange
überdacht hatte, faßte sie den Entschluß, nach England überzu gehen.
Sie lies sich durch den vertrauten Descaillon nach Calais bringen, wo
sie sich einschifte, von dannen sie ohne weitere Hindernis in London
glücklich anlangte.

Ob gleich die Kriegsflamme an verschiedenen Orten Europens hell
leuchtete, und der Englische Hof, wegen dem Absterben seines Königs
Heinrich des V. in Trauer versezt war, herrschte dennoch Höflichkeit
und galante Lebensart an demselben.[H] Humphrei, Herzog von Glocester,
des verstorbenen Königs Bruder, war damals Regent in England.
Dieser Prinz hatte vortreffliche Eigenschaften, aber dabei einen
ausserordentlichen Hang zu Liebeshändeln; selten sahe er ein schönes
Frauenzimmer, ohne daß sein Herz nicht davon eingenommen ward: Die
Herzogin von Brabant traf es daher nicht frei an; ihre Reize aber
verdrängten bald alle anderen Gegenstände aus demselben. Verbunden
mit majestätischem Ansehen sprach sie mit Ueberzeugungskraft. Ihre
Sache war gerecht, und der Herzog, zum Innersten gerührt, gab ihr
die Versicherung, daß sie mit Englands ganzer Macht beschüzt und als
Königin verehret werden sollte. Diese Versicherungen begleitete er mit
noch einigen besondern Versprechungen; und die Herzogin von Brabant
konnte dem Himmel wegen dem glücklichen Erfolg ihrer Reise nicht
dankbar genug sein. Durch das edelmüthige Betragen und die gefällige
Sorgfalt des Herzogs sahe sie bald ein, daß er sich die Beförderung
ihres Glücks, wie seines eigenen, angelegen sein lies. Eins der
Königlichen Paläste wurde ihr zur Wohnung angewiesen, in welchem sie
mit außerordentlicher Pracht und Aufmerksamkeit bedienet ward, und
es wurden ihr solche Ehrerbietungen erwiesen, deren sich noch keine
Fremde zu rühmen gehabt hatte. Jedermann trachtete sich ihr gefällig zu
erzeigen, und ihr den Auffenthalt angenehm zu machen, und sie erkannte
bald den Unterschied, der zwischen einem großmüthigen Beschützer und
einem unwürdigen Gemahl ist.

Diesen Gegensatz empfand die Herzogin im innersten des Herzens, und
die Climberge, die es wohl einsahe, bezeugte ausserordentliche Freude,
daß ihre Reize dieses bewirkt hätten, weshalb sie der Herzogin Glück
wünschte. Aber liebe Climberge! erwiederte die Herzogin, ich begreife
nicht, daß Du wegen einer Sache, die mir neue Verdrüßlichkeiten
zuziehen könnte, vergnügt sein kannst. Sind meine Verdienste etwa hier
grösser, als sie zu Bergen waren, und glaubest Du, daß meine Flucht
mich in Achtung halte? Ausserdem bin ich deswegen von der ehelichen
Treue losgesprochen, weil ich mich in einem fremden Staate, den
nur eine schmale See von meiner Heimath absondert, befinde; und so
ungerecht der Herzog von Brabant auch immer ist, bin ich ihm deswegen
weniger Zeitlebens verknüpft? -- Nein Madame! antwortete die Climberge,
er hat Sie auf eine Weise behandelt, die von aller Schuldigkeit
befreiet. Die Kirche, die sie zusammen gegeben hat, ist keine
unbarmherzige Stiefmutter; sie kann eine üble Verbindung aufheben;
und unzählig gegründete Ursachen sprechen hier zu Ihrem Vortheil. --
Schweig! und verschone mich mit deinen Träumereien, erwiederte die
Herzogin; ich bin unter einem unglücklichen Gestirn zur Welt gekommen
mein Loos ist zu Widerwärtigkeiten bestimmt; und wenn es an dem wäre,
daß der Herzog von Glocester einige Liebe zu mir empfände, ich auch
gleich von meiner Verbindung mit dem Herzog von Brabant losgesprochen
wäre, würde ich mich doch in keine weitere eheliche Sclaverei begeben.
Von zwei Gemahlen, die ich in meinen jugendlichen Jahren hatte, starb
der eine unglücklicher Weise, kaum daß wir einander kennen lernten,
und der andere beschimpfet mich gleich nach unserer Verbindung ganz
niederträchtiger Weise. Glaubest Du, daß ich bei einem Dritten ein
besseres Schicksal zu erwarten hätte? und würde ich nicht in steter
Furcht sein, alle Unfälle, die ich schon erfahren habe, und vielleicht
noch stärkere zu erdulden? Nähre daher deine Einbildungskraft nicht
weiter damit; nur an mir bist Du mit den Trübsalen bekannt worden.
Denn wenn Du sie an Dir selbst erfahren hättest, würdest Du mit mir
eingestehen, daß, wenn der Mensch zum Leiden bestimmt ist, ihn nichts
in der Welt davor schützen kann. -- Also Madame! erwiederte Climberge,
Sie wollen vorsetzlich Ihre Leiden durch die Furcht vergrössern, daß
die eingebildeten künftigen den vorigen, wirklich schon erduldeten,
gleich kommen, wo nicht gar übersteigen würden? Ueberlegen Sie dagegen,
daß der Himmel gerecht ist, und Sie vor allem schützen, ja! Ihre
bisherigen Leiden auf einmal stillen kann, und wird. Uebrigens sind
Sie dem Herzog von Brabant, seiner schlechten Aufführung wegen, keine
Schonung mehr schuldig. -- Nein! Climberge, unterbrach die Herzogin,
wenn ich auch gleich keine Achtung für den Herzog mehr hätte, müste
ich doch jederzeit derjenigen eingedenk sein, die ich meiner eignen
Ehre schuldig bin. Das Vorgeben, daß ich ihn gegen meinen Willen
und gezwungener Weise zum Gemahl genommen habe, würde vor der Welt
nicht hinlänglich sein, mich eines solchen neuen Fehlers wegen zu
entschuldigen. Ich habe nun einmal diesen Schritt gethan, es wäre
aber viel verzeihlicher gewesen, damals meiner Mutter ungehorsam zu
sein, als jezt meinem Gemahl zu entsagen, so viel Verdruß er mir auch
macht. Ich habe mich auch nicht mit dem Vorsatz ganz los zu sein
entfernet, sondern nur um kein Augenzeuge seiner, gegen alle Ehrbarkeit
streitenden Aufführung mehr zu sein. Im strengsten Verstand aber hätte
ich alles dulden müssen, seine Unbeständigkeit, seine Verachtung,
ja sogar die Härte mit der er mich behandelt hat. Genug tugendhafte
Frauen haben mir Beispiele in ähnlichen Fällen gegeben; allein ich
war zu schwach, ihnen nachzuahmen. -- Setzen Sie noch hinzu Madame,
unterbrach Climberge, daß Sie auch schwach genug sein werden, sich ganz
aufzuopfern; und der eingebildeten Ehre wegen, von welcher heut zu
Tage die Tugendhaftesten das Joch abschütteln, wird Sie der Herzog von
Brabant nichts destoweniger mit eben der Wuth, mit der er Sie zu Bergen
verfolgt hat, ferner verfolgen, und die von Degre wird die Höllenfurie
sein, die Sie beständig und überall wo Sie sich aufhalten, quälen und
Ihnen alle Drangsale anthun wird.

Der Herzog von Glocester, dessen Bestreben von nun an war, sich
der Herzogin von Brabant gefällig zu erzeigen, unterbrach diese
Unterredung durch seine Zwischenkunft. Madame! sagte er, ich komme
vielleicht zur ungelegenen Zeit: allein wenn ich Sie oft aufsuche, so
schreiben Sie es einer heftigen Leidenschaft, der zärtlichsten Liebe
zu. All mein Streben gehet dahin, Ihnen überzeugende Beweise davon
zu geben; und wollten Sie mich unglücklicher Weise nicht erhöhren,
so würde ich der bedauernswürdigste Mensch auf dem ganzen Erdboden
sein. -- Wenn Sie gleich, Herr Herzog! erwiederte die Fürstin, die
wichtigen Staatsgeschäfte, die Ihnen obliegen, nicht dadurch versäumen
wollten, daß Sie mir Beweise Ihrer Achtung und gütigen Fürsorge,
die Sie für nöthig halten, das bittere meiner Leiden zu versüssen,
stetshin zu geben belieben, würde ich Ihnen doch gewis schon grosse
Erkenntlichkeit wegen Ihrer Aufmerksamkeit, und dem Zuvorkommen aller
meiner Bedürfnisse, schuldig sein. -- Die Staatsklugheit, erwiederte
der Herzog, ist nicht der Beweggrund meiner Handlungen, sondern
die Triebe meines zärtlichen Herzens sind es, die mich leiten. --
Unendlich leid würde mir es sein, unterbrach sie, wenn Sie würklich
die Empfindungen hätten, die Sie so eben gegen mich äussern. Mein
Lebenslauf ist Ihnen bekannt; ich bin zu elend Sie zu begünstigen;
denn ob ich Ihnen gleich unzählbare Verbindlichkeiten schuldig bin; so
habe ich doch solchen nichts als wahre Hochachtung und unvollkommene
Dankbarkeit entgegen zu setzen. -- Madame! erwiederte Humphrei, so
grosse Verbindlichkeiten, wie Sie glauben, sind Sie mir nicht schuldig:
denn nur meine aufrichtige und reine Liebe ist der Zoll, den jedes
empfindsame Herz Ihren Vollkommenheiten und Reitzen, zu entrichten
schuldig ist. -- Meine Reitze, antwortete die Herzogin, sind sehr
mittelmässig, und wenn sie ja jemanden zu rühren vermöchten, wünschte
ich, daß es einen anderen als einen Fürsten wäre, den ich unendlich
ehre und schätze, und dessen Gemüthsruhe mir so angelegen ist. Lassen
Sie mich die Last meiner Leiden in Gedult tragen, ohne solche durch
neue zu erschwehren, und überlegen dabei, daß Sie durch Stöhrung meiner
Ruhe, den Schutz, den Sie mir so großmüthig haben angedeihen lassen,
vereiteln und sich verdächtig machen würden. -- Sie könnten, Madame!
unterbrach der Herzog, ohne sich weiter unglücklich zu machen, meine
Glückseligkeit befördern. Der ganzen Welt ist bekannt, wie unwürdig
der Herzog von Brabant Ihrer ist. Ausserdem sind Sie in einem Grad
Blutsfreundschaft mit ihm verwandt, der eine Ehescheidung noch viel
gültiger macht. Ziehen wir desfalls den Pabst Benedickt zu Rath; er
ist in dergleichen Fällen nicht allein am besten bewandert, sondern er
wird sich auch gewis sehr billig finden lassen. Was haben Sie nachher,
Madame! weiter zu befürchten, da Sie von einem Prinzen, der Sie ewig
anbetet, beschützet werden, und der Englands ganze Macht aufbieten
wird, Ihren Verfolgern, Trotz zu bieten. -- Ganz mißfiel Jacobinen (die
wir in der Folge nicht anderst nennen werden) dieser Antrag nicht. Der
Herzog von Glocester war zärtlich und überaus einnehmend; es war ihr
daher nicht zu verdenken, daß sie selbst Verlangen trug, von einem
Gemal, den sie niemals geliebt hatte, und welchen sie vielmehr jezt zu
hassen berechtiget zu sein glaubte, vor immer geschieden zu werden.
Allein der Vorschlag geschahe durch einen Prinzen, den sie noch nicht
genug kannte, und der vielleicht mehr durch die Gewalt einer heftigen
Leidenschaft hingerissen, als durch Vernunftschlüsse, geleitet, nur die
Befriedigung seiner Begierden suche, und nach deren Genuß Treue und
Liebe, leicht wieder vergessen konnte. Kurz, unzähliche Betrachtungen
sezte sie dem schmeichelhaften Entwurf des Herzogs entgegen. Was!
sagte sie zu ihm, wenn der Pabst mich von der Verbindung mit dem
Herzog von Brabant lossprechen wollte, so würden Sie Entschlossenheit
genug haben, mir Ihre Hand darzubieten? Ja! Madame, unterbrach er
mit Heftigkeit, ja! ich würde dieses Glück als das größte meines
Lebens schätzen, wenn es mir zu Theil wird, und gewis nach keinem
andern mehr geizen. -- Sie irren sich, fuhr Jacobine fort, wenn die
Erlaubnis zur Ehescheidung hier in London zu haben wäre, würden Sie
vielleicht eine ganz andere Sprache führen. Ausserdem muß man auf
einem dornichten Pfad nicht so schnell zu laufen wagen; denn hier ist
die Rede von einer Sache, die das Gewissen, die Ehre und die Religion
betrift; welcher Richter ist dermalen befugt solche zu entscheiden?
Wir sehen eine ärgerliche Spaltung in der Kirche; wollen wir solche
noch dadurch vermehren, daß wir zur Befriedigung unserer Leidenschaften
Hülfe bei einem oder dem andern Theil suchen? Benedickt ist Pabst,
und Martin, von vielen unterstüzt, will es gleichfalls sein. Diese
geistliche Eifersucht trennt die ganze Christenheit, und welcher von
beiden wird wohl vom heiligen Geist genugsam erleuchtet sein, ein
gerechtes Urtheil zu fällen? Ruhet er aber auf beiden gleich stark,
so haben sie auch gleiche Gewalt, und der eine wird nicht verfehlen,
dem andern in allen Fällen, wie der meinige ist, zu widersprechen; die
Schande und der Nachtheil aber der für mich hieraus entstehen und auf
mich allein zurückfallen würde, wäre unauslöschlich. -- Ich glaubte
nicht, Madame! erwiederte ganz niedergeschlagen der Herzog, daß Sie
in Ihrer dermaligen Lage an dergleichen heilige Spitzfindigkeiten
zu denken Ursache hätten. Verzeihen Sie meinen wilden Ausdruck und
schreiben ihn meiner schmerzlichen Empfindung zu. Ist es erst von Heute
daß dieser Zwietracht in der Kirche entstehet, und haben nicht andere
Päbste schon vorher sich in dergleichen Fällen gezankt?[I] Wir haben
Beispiele genug. Haben Menschen, sobald sie als Päbste anerkannt sind,
die Macht, auf Erden zu binden und wieder zu lösen, warum sollten
wir uns bemühen, die Gültigkeit ihres Berufs zu untersuchen? Steht
mir Benedickt Ihren Besiz zu, so mag meinetwegen Martin mit seinen
Donnerkeilen gegen ihn losstürmen, mein Glück wird nichts destoweniger
befestigt sein. Uebrigens, Madame! werden Sie durch unsere Verbindung
dem Abgrund aller Leiden entgehen. Ueberlegen Sie, daß von allen
denen beträchtlichen Staaten, die Sie ruhig besitzen sollten, Ihnen
wenig überbleiben wird. Der Herzog von Brabant, der den größten Theil
durch sein unordentliches Leben schon durchgebracht hat, wird den
übrigen durch seine Nachlässigkeit, gegen den Herzog von Burgund, der
sich solche zuzueignen sucht, schlecht vertheidigen. Ein Mann wie
ich, wird sie aber leicht durch Bestrafung ihrer Undankbarkeit und
Ehrgeizes zurecht weissen, und niemals werden Sie Ursache haben, die
mir erwiesene Güte zu bereuen.

Während dieser Unterredung, bei welcher die Climberge zugegen wer,
hatte Jacobine die Augen beständig zur Erde geheftet. Endlich sagte
sie zum Herzog: Ich habe Sie gelassen angehöret, lassen Sie mir nun
auch Zeit, Ihre Gründe zu untersuchen. Vorläufig aber muß ich Ihnen
gestehen, daß sie mir sehr seicht vorkommen; vielleicht aber finde ich
sie bei genauerer Erwägung triftiger. Sie würden mich gering schätzen,
wenn ich blinder Weise in Ihren Vorschlag einwilligte. Sie werden also
verzeihen, wenn ich mich nicht übereilt entschließe. Der Herzog war
einstweilen mit dieser Antwort zufrieden, und da er wohl einsahe, daß
Jacobinens Standhaftigkeit schon ziemlich erschüttert war, wollte er
vor diesmal nicht weiter in sie dringen, sondern entfernte sich, und
überlies der Climberge, das übrige für ihn zu bewerkstelligen.

Diese redete Jacobinen folgendergestalt an: Nun Madame! werden Sie doch
einsehen, daß Ihre Angelegenheiten eine günstige Wendung bekommen. Der
Herzog von Glocester bietet Ihnen sein Herz, seine Hand und die ganze
furchtbare Macht, über die er zu gebieten hat, dar. Er verspricht
noch über dieses die Hülfe des römischen Stuhls: wollten Sie nun noch
einen Augenblick anstehen, aus unzeitiger und furchtsamer Scham, der
ungerechten Gewalt des Herzogs von Brabant, der sich so verächtlich
gemacht hat, zu entsagen? -- Ich verabscheue ihn auch, erwiederte
Jacobine, allein die Rache, die ich vielleicht schon zu weit getrieben
habe, muß mich nicht selbst bei der Welt verächtlich machen. Wird
man mir nicht, wenn ich in das Begehren des Herzogs von Glocester
einwillige, vieles vorzuwerfen haben? kann man, unter welchem Vorwand
es sei, einem rechtmässigen Gemahl entsagen, ohne sich dem Tadel
auszusetzen? In Beurtheilung der menschlichen Handlungen wird selten
Rücksicht auf Unglücksfälle genommen, und ohnerachtet meiner Unschuld,
würde ich bald dem Tadel jener strengen Geister, die da wollen, daß
man alles dulden und sich nie beklagen soll, ausgesezt sein. -- Aber
Madame! erwiederte die Climberge, wenn Sie einen Pabst, der Ihr Vater,
Seelsorger und Gewissensrichter zugleich ist, zum Gewährsmann haben,
was können Sie noch befürchten? Oder hassen Sie etwa gar den Herzog von
Glocester? -- Ich kann fast nicht entscheiden, antwortete Jacobine,
ob ich Liebe oder Haß in meinem Herze habe, und es liegt so etwas
Seltenes in meinem Schicksal, daß der Wohlstand erfordert, es meinen
Empfindungen ganz unabhängig zu überlassen. Ich habe mich schon zu
viel über etwas gegen den Herzog von Glocester herausgelassen, das
mich jezt sehr beunruhiget. Ich verstehe hier, wegen der angetragenen
öffentlichen Ehescheidung, wovon der Schimpf auf mich zurück fallen
würde, denn die Kirche, unter zwei entgegengesezten Häuptern, kann
sicher in dieser mißlichen Sache nicht entscheiden. -- Also Madame!
unterbrach die Climberge, mit dergleichen Heldenträumereien, wollen Sie
lieber den tödtenden Gift geduldig einsaugen, als ihn durch heilsame
Gegenmittel vertreiben. Was! weil wir zwei Päbste haben, wollen Sie
sich keines derselben bedienen. Ha! Madame! denken Sie nicht so
schwach; wer weis ob es nicht der Himmel auch um Ihrer Angelegenheiten
wegen verfügt hat, daß dermalen zwei Päbste sein müssen. Beeifert, sich
gegeneinander alles streitig zu machen, werden sie nicht verfehlen,
hier ihre Gewalt zu beweisen. Fehlen Sie nun, wenn dieselbe Sie
begünstigen; so liegt ja die Verantwortung auf ihnen selbst, und Sie,
Madame! haben sich desfalls keine Vorwürfe zu machen. Denn sobald der
eine, oder der andere entschieden haben wird, können Sie in aller
Gewissensruhe dem Herzog von Brabant entsagen, den Herzog von Glocester
ehelichen, und den Genus Ihrer noch jugendlichen Jahre, in welchen Sie
schon so viel gelitten haben, befriedigen. -- Climberge! erwiederte
Jacobine, die Päbste sind Menschen, und oft Menschen, deren Herzen ganz
verdorben sind; wie können sie daher göttliche Gesetze, die schon viele
Jahrhunderte bestehen, und die jedem wahren Christen unverbrüchlich
sein müssen, zernichten? -- Die Päbste, antwortete Climberge, sitzen
auf ihrem Gerichtsstuhl, den Unterdrückten Gerechtigkeit und Hülfe zu
ertheilen. Sie sind nicht die erste tugendhafte Frau die ihre Zuflucht
dahin genommen hat, Sie würden aber sicher die Einzige sein, die es in
dergleichen Fall unterlies.

Climbergs Gründe waren Jacobinens Herzen sehr schmeichelhaft. Ausser
daß der Herzog von Glocester ein angesehener Fürst war, hatte er
zugleich fürtrefliche Eigenschaften. Bei näherer Untersuchung seiner
Verdienste verlohren sich alle, der Ehescheidung entgegengesezte
Schwürigkeiten. Jacobine schloß, daß, sobald die Ursachen ihrer Flucht
öffentlich bekannt würden, die Schande allein auf den Herzog von
Brabant zurückfallen werde.

Schlaflos brachte Jacobine die ganze Nacht mit Bestreitung ihrer
Zweifel zu. Und obgleich in derselben der Antrag des Herzogs von
Glocesters durch die Climberge nicht unterstüzt werden konnte, sprach
doch etwas weit vermögenderes zu seinem Vortheil, und die Liebe besigte
bald alle Schwürigkeiten. Climberge und Descaillon, die beide dem
Herzog von Glocester ganz ergeben waren, unterstüzten die günstigen
Gesinnungen Jacobinens, die nun, ob sie gleich noch einige innerliche
Zweifel beunruhigten, sich nicht mehr weigerte ihre Einwilligung zu
geben.

Sobald Jacobine die Erlaubnis gegeben hatte, den Pabst Benedickt
wegen ihrer Ehescheidung anzugehen, empfand der Herzog von Glocester
unaussprechliche Freude darüber. Er wollte, daß ganz England
theil daran nehmen sollte; deswegen unterlies er nicht, bei allen
Gelegenheiten seine großmüthige Freigebigkeit gegen jedermann zu
zeigen. Derweil man mit dem Pabst in Unterhandlung war, erfand er
täglich neues Vergnügen, Jacobinen die Zeit angenehm zu vertreiben,
und sobald der Scheide-Brief des günstigen Pabsts eintraf, wurde die
Vermählung zwischen dem Herzog von Glocester und Jacobine von Baiern
vollzogen. Um der Feierlichkeit ein majestätisches Ansehen zu geben,
berief der Herzog alles, was nur im Stande war, die Pracht und den
Glanz derselben zu erheben, nach London. Jacobine war noch in der Blüte
Ihrer Jahre, dabei sehr liebenswürdig und der Herzog so verliebt, daß
er das ihm widerfahrne Glück nicht genug zu schätzen vermochte. Beide
aber verlebten einige Monate ganz unbekümmert, ob sie noch andere
Leiden in der Welt zu erdulden hätten.

Jacobinens Verhängnis aber war zu grausam, sie lange in dem Genus
einer so süssen Ruhe zu lassen. Es bereitete ihr viel schmerzhaftere
Streiche, als die, welche sie schon empfunden hatte. Mitten im
Genus des Vergnügens zog ein fürchterliches Wetter über sie auf.
Das Concilium zu Costanz hatte Benedickt abgesezt, und hierdurch
alle Schlüsse dieses Pabsts vereitelt. Bei dieser Nachricht wollte
Jacobine fast verzweifeln. Der Herzog von Glocester gab sich alle nur
erdenkliche Mühe, sie zu trösten und verwünschte im Eifer die ganze
Kirchen-Versammlung. Allein was halfen hier tröstliche Worte und
Drohungen? Jacobine, die bessere Einsichten, als Klugheit hatte, fand
nichts darinn, das ihr die Furcht benehmen konnte. Sie zweifelte nicht,
der Herzog von Brabant würde sich, auf des von Degre Antrieb, an den
Pabst Martin wenden. Ich werde das Gelächter und der Abscheu der ganzen
Welt sein, sagte sie zum Herzog von Glocester. Man wird mich hinführo
nicht anderst, als wie ein schändliches Ungeheuer betrachten, und
meine Schwachheiten wird niemand entschuldigen. Zwei lebende Ehegemal!
Gerechter Himmel! wie abscheulig! Ha! Warum ist der bitterste Tod
meinen Ausschweifungen nicht zuvorgekommen? -- Sie bereuen also, daß
Sie mich geliebt haben, erwiederte der Herzog, und Sie wollen meine
Zärtlichkeit damit bestrafen, daß Sie sich Leiden vorstellen, die nur
in dem Gehirn der niedrigsten Klasse von Menschen Statt haben? Was
habe ich bis jezt anderst gethan, als Sie bis zur Anbetung geliebet,
und was kann ich mehr thun als Ihnen die theure Versicherung zu
geben, daß, entstehe auch was da wolle, diese Liebe nur mit meinem
Tode aufhören wird? Lassen Sie den Martin im Eifer schmählen, so
lang er will, er ist nichts anderst als ein wiederrechtlicher Regent
der Kirche, der nur einem der niedrigdenkensten Menschen Gehör geben
kann. Wir sind glüklich und in Sicherheit. Warum wollen Sie das Gemüth
mit schrekhafter Einbildungen martern, indessen Sie nur süsse Tage
verleben können? Ha! Herr Herzog! antwortete Jacobine, Sie sehen
nicht ein, was ich am meisten zu befürchten habe, und was mir den
tiefsten Schmerz verursachet. Sie lieben mich jezt, und ich gestehe
aufrichtig, daß ich es glaube: Wer kann mir aber die Versicherung
geben, daß Sie mich beständig lieben werden? Die armseligen Reize,
die Sie gerührt haben, waren zu schwach, die Unbeständigkeit des
Herzogs von Brabant zu hintertreiben. Die Zeit und der Genuß sind
die Klippen, an denen Zärtlichkeit und Treue oft scheitern; und
vielleicht werden Sie eines Tags der erste sein, der mein Betragen
mißbilligen wird, ob Sie mich gleich darzu verleitet haben. Lassen
Sie mich also meinen bejammernswürdigen Zustand beweinen. -- Sie
bürden mir viele Ungerechtigkeiten zugleich auf, Madame! erwiederte
der Herzog seufzend, und ich glaubte, Sie würden mehr Zutrauen in
meine Redlichkeit setzen, als mir ein so beleidigendes Mißtrauen
äusern. Was soll ich thun, und welche Beweise meiner ewigen Treue soll
ich Ihnen geben? Wollen sie, daß ich England und dessen Regierung,
die mich bindet, verlassen, und daß wir uns in einem verborgenen
Winkel der Erde niederlassen sollen, wo wir gegen den Ausbruch des
Wetters, das Sie ohne Zweifel zu arg fürchten, gesichert, nichts von
aufgeblasenen Kirchen-Vätern und treulosen Ehemännern mehr hören, und
wo wir uns einzig und allein mit unserer gegenseitigen Liebe ungestört
beschäftigen können? Ihre Ehre und Ruhm liegt mir all zu viel am
Herzen, und ich würde mich schlecht rechtfertigen, wenn ich zugäbe, daß
Sie solche meinetwegen in einer finstern Einöde vergraben würden. Dieß
ist der Weg nicht, den ich einzuschlagen wünsche. Wenn Sie in der Liebe
gegen mich beharren, schätze ich mich nicht ganz unglüklich; verlassen
Sie mich aber, so bleibt mir nichts als die äuserste Verzweiflung übrig.

Der Herzog umarmte hierauf Jacobinen auf das zärtlichste, und beide
vergassen auf einige Zeit dergleichen vergebliche Zweifel, die sie
beunruhiget hatten. Die dienstfertige Climberge, die den Herzog von
Brabant haßte, und die gegentheils dem Herzog von Glocester, der sie
mit Freigebigkeiten überhäuft hatte, ganz ergeben war, bemühte sich,
die Bekümmernisse ihrer Gebieterinn zu zerstreuen, worinn es ihr auch
oft geglückt haben würde, wann deren nicht täglich neue entstanden
wären.

Die Gräfin von Hennegau war über das Betragen ihrer Tochter
ausserordentlich aufgebracht. Sie erwog die Gründe nicht, die eine
junge beleidigte Fürstin zu ihrer Rechtfertigung haben konnte. Sie war
ganz auf des Herzogs Seite, verwarf öffentlich den Scheidebrief des
Benedikts, und behauptete gegen jeden, daß die Ehe, die er begünstigt
habe, unzulässig sei.

Ob sich nun gleich die von Degre, die noch bei dem Herzog von Brabant
in grosser Gunst stand, freuete, daß er seine Gemalinn loß war, wuste
sie doch, um so besser uneigennüzig zu scheinen, ihre Zufriedenheit
dergestalt zu verbergen, daß man nicht merken konnte, wie sie an
Jacobinens gänzlichem Verderben arbeite.

Ist es möglich, sagte sie zum Herzog, daß eine grosse Fürstin
ihre Würde so erniedrigende Handlungen begehet, und daß sie eines
unbedeutenden, Verdrusses wegen, der nur die Folge ihres Uebermuths
war, ihren Gemal verläßt, über See gehet, und sich den Umarmungen
eines Andern Preiß giebt? Ist es überdieß noch möglich, daß ein
Gegenpabst, ein Mensch, der weder Ehre noch Gottesfurcht besizet, sich
unterstehet, dergleichen freche Handlungen, den göttlichen Gesezen
schnur straks zuwieder, und die die Menschlichkeit empören, öffentlich
zu erlauben und zu begünstigen? Sollen dergleichen Mißbräuche nicht
bestrafet werden, und wollen Sie sich nicht durch Behauptung Ihrer
Gerechtsame desfals rächen?[J] Ganz bezaubert über diese Rede,
erwiederte der Herzog: Liebste von Degre! Der Fehler der Herzogin von
Glocester ist uns zu vortheilhaft, als daß wir darüber klagen sollten.
Sie hat mehr für uns gethan, als sie hätte thun sollen, wenn sie es
zuvor recht überlegt hätte; denn nun kann ich Ihnen ihren Plaz ohne
Wiederrede einräumen. Sie haben sie aus meinem Herzen verdrängt, und
freiwillig hat sie sich von mir entfernet. Benedikt ist mir mit seiner
Gefälligkeit zuvorgekommen, und hat mir die Mühe erspart, ihn selbst
darum anzugehen, welches ich sicher gethan haben würde. Das Koncilium
zu Costanz giebt mir ein neues Hülfsmittel, um Ihnen ehestens die Würde
meines Rangs ertheilen zu können. Nein! Herr Herzog! antwortete dieses
schändliche Mädchen, Nein! mein Erheben würde Ihrem Ruhm nachtheilig
sein, und ich bin genug befriediget, da ich das Glük habe, Ihnen nicht
zu mißfallen. Ich strebe nach keiner andern Ehre, sondern nur nach
Ihrer beständigen Liebe. Aber verfolgen Sie die Undankbare, die Sie
verachtet hat; und da der Päbste Aussprüche göttlich sein sollen, so
suchen Sie den Pabst Martin auf Ihre Seite zu bringen, damit diese
Männersüchtige, durch öffentliche Beschimpfung gewahr werde, daß sie
unter der Gewalt eines Menschen stehe, der im äusersten Fall genommen,
nur als ihr Buhler angesehen werden kann. Ihre Ehre erfordert es, und
ich beschwöre Sie darum, sezte sie hinzu (auf die Knie vor den Herzog
fallend), denn ich kann nicht zugeben, daß der Schimpf einer solchen
Schandthat auf Ihnen sitzen bleibe. -- Der Herzog, ganz von der Degre
geäuserten Ergebenheit eingenommen, glaubte leicht, daß sie ihm diesen
Anschlag aus aufrichtigem Herzen gäbe; und ohne weitere Untersuchung,
versprach er ganz nach ihrer Vorschrift zu verfahren; wie er dann
auch von Stund an bedacht war, die Wiederrufung der Bullen des Pabst
Benedikts vom Pabst Martin zu erhalten. Der mit Blindheit geschlagene
Herzog hatte bei diesem Unternehmen eine ihm verborgene Hülfe und
Unterstüzung. Philipp, Herzog von Burgund, der im äusersten Grad
ehrsüchtig war, sahe Jacobinens Besitzungen mit neidischen Augen an;
schon lange wünschte er, Gelegenheit zu finden, solche an sich bringen
zu können.

Diese Zwietracht war ihm also zu Erreichung seiner Absichten sehr
willkommen. Er stellte sich zwar dem äuserlichen Schein nach, als
ob er sich alle Mühe gäbe, die Partheien zu vergleichen; allein die
minder Klügsten konnten leicht einsehen, daß es ihm nicht Ernst war.
Jacobinens Aufführung machte ihm heimlich boshaftes Vergnügen, nicht
zweifelnd, er würde im Trüben fischen, und sich bald durch den Raub
ihrer Staaten bereichern können. Einverstanden mit dem Herzog von
Brabant, fiel es ihm nicht schwer, vom Pabst Martin ein donnerndes
Urtheil, das jenes vom Pabst Benedikt zerschmettern sollte, zu
erhalten. Die Ausdrücke desselben waren ausgesucht und der Kühnheit
des Päbstlichen Stuhls eigen. Wonnevoll, ganz entzückt war die von
Degre darüber. Der Herzog von Brabant glaubte, gerächt zu sein;
die Gräfin von Hennegau, die beständig über ihre Tochter loszog,
frohlokte über diesen schönen Erfolg; und der Herzog von Burgund freute
sich innerlich, daß ihm nunmehr die Unordnungen in seiner Famillie
Gelegenheit verschaften, gemächliche Entwürfe zu machen, den Besiz der
schon inne habenden Staaten sich zuzusichern, und solchen zu erweitern.
Nur der Graf von S. Paul, des Herzogs von Brabant Bruder, ärgerte sich
über diese Mißhelligkeiten und das unkluge Betragen seines Bruders;
allein mit dem besten Willen war er zu ohnmächtig, es zu hintertreiben.

Diese Nachricht blieb in England nicht lange unbekannt. Ob sie gleich
Jacobine erwartet hatte, war sie ihr nichts desto weniger empfindlich
zu vernehmen. Ihr heftiger Schmerz vermehrte sich; sie bezeigte solches
ihrem Gemal, der sich alle Mühe gab sie zu trösten und zu beruhigen.
Die Climberge brauchte gleichfalls ihre ganze Beredsamheit; allein
Jacobine warf ihr mit vieler Bitterkeit vor, daß sie es nur ihrem
dringenden Zureden zu verdanken hätte, daß sie nunmehr so unglüklich
wäre.

Indeß Jacobine allen Muth und fast den Verstand verlohr, schmeichelte
der Herzog von Burgund dem von Brabant ganz ausnehmend; der Herzog von
Bedford aber, damaliger Regent in Frankreich, nahm sich seines Bruders
an. Es wurden einige Versuche gemacht, die Partheien zu vereinigen;
wie man sich dann auch würklich zu Amiens versammlet hatte, allein der
Erfolg entsprach diesen Bemühungen nicht. Um die Thränen seiner Gemalin
zu stillen, gieng der Herzog von Glocester, nachdem er so viel Völker,
als er nöthig glaubte, Besiz von denen, dem Hause Hennegau zugehörenden
Ländereien nehmen zu können, aufgebracht hatte, mit ihr nach Calais
über.

Gerührt bei dem Anblik ihrer rechtmässigen Fürstin, empfiengen sie
die Einwohner der Provinz unter lautem Freudengeschrei, ob sie
gleich dem Herzog von Brabant das Gegentheil zugesagt und geschworen
hatten: Allein da eben damals Johann von Baiern Jacobinens Oheim in
dem Haag vergiftet wurde, und sie dadurch dieser noch einzig übrig
gebliebenen Stütze ihres Hausses beraubet ward, nuzte der Herzog von
Brabant dieses, und bemächtigte sich einiger der beträchtlichsten
Oerter. Hierdurch brach die Kriegsflamme in voller Wut aus. Der Herzog
von Glocester wollte seine Gemalin in Sicherheit nach England zurük
bringen; allein eigensinniger Weise blieb sie in Bergen, und wollte
lieber alles wagen, als, wie sie sich ausdrükte; schimpflich die Flucht
nehmen.

Hier hatte sie aber neuen Verdruß zu erdulten. Da die Gräfin von
Hennegau, die noch beständig für den Herzog von Brabant eingenommen und
gegen Jacobinen aufs äuserste aufgebracht war, sich an dem nehmlichen
Ort befand, erforderte es der Wohlstand, daß sie sich einander sahen.
Aeusserlich vermied die Gräfin von Hennegau alles, was den Schein eines
Unwillens haben konnte, und Jacobine beobachtete ihre Schuldigkeit
sehr sorgfältig und mit vieler Bescheidenheit. Allein bei der ersten
Unterredung redete die Gräfin Jacobine in stolzem Ton folgendergestalt
an: Jezt Madame! nachdem sie Ihren Gemal, ihre Mutter und ihre Staaten
verlassen, die gesittete Welt durch Ihre Aufführung geärgert und
die Päbste gegeneinander aufgebracht haben, kommen Sie mit fremden
Kriegsvölkern nach Bergen, uns heimzusuchen und vermuthlich auf
keine Weise unserer zu schonen. -- Madame! erwiederte Jacobine, es
wird genug zu meiner Rechtfertigung sein, wenn ich Ihre beleidigende
Vorwürfe, die ich nicht verdiene, gedultig und ehrerbietig anhöre. Die
Beleidigungen, die mir der Herzog von Brabant zugefügt hat, sind Ihnen
nicht unbekannt, und diese haben mich bewogen, ihn als einen Treulosen
und Undankbaren, der mich ins Elend gestürzt hat, zu verlassen, und
mit Erlaubnis der Kirche, einen Fürsten zu heirathen, der mir ganz
uneigennüzig gedienet und Schuz gegeben hat. Ich sehe daher nicht ein,
was in diesem Betragen tadelnswürdig ist. Allein Madame! leid ist es
mir, mich gezwungen zu sehen, Ihnen ohne Rükhalt zu sagen: Daß mir
Ihre Gleichgültigkeit, die Sie mir in meinen Leiden bewiesen haben,
alle Ueberlegungskraft benommen hat. Denn hätten Sie mir nur einige
theilnehmende Liebe gezeigt, so würde meine Erkenntlichkeit Ihre Güte
übertroffen haben. -- Mit verächtlichem Ton erwiederte die Gräfin:
Die Erlaubnis, auf die Sie sich so vest stüzen, ist eben von keiner
grossen Wichtigkeit, da sie nur aus dem Mond[K] ihre Entstehung
hat; und Sie sehen auch, wie wenig das Konzilium drauf achtet. Ich
glaubte, Sie würden vorsichtiger und klüger zu Werke gehen, als durch
Ihre Uebereilung zwei Fürstlichen Häussern einen solchen Schandfleken
anzuhängen, den sie Ihnen mit Recht noch nach vielen Jahrhunderten
vorwerfen werden. -- Ihnen zu gefallen Madame! antwortete Jacobine,
will ich die Schuld ganz auf mich nehmen, und Sie nicht anklagen;
allein hätten Sie mir die Freiheit gelassen, meine erste Verbindung im
Wittwenstand zu betrauren, so würden Sie mir alle diese Leiden und sich
selbst den Verdrus erspahret haben. War es nöthig, um Ihnen gefällig zu
sein, daß ich ewig unter der Abhängigkeit eines eigensinnigen Fürsten,
dem nicht einmal die Worte von Ehre und Tugend bekannt sind, leben
muste? Sollte ich der von Degre Schandthaten durch gefälliges Betragen
noch selbst begünstigen? Und muste ich endlich gelassen zusehen, daß
eine Handvoll Menschen aus der Hefe des Volks sich anmasse, mir Geseze
vorzuschreiben, da wo ich allein unumschränkt zu befehlen habe? --
Sie musten sich beklagen, fuhr die Gräfin fort, und dieß war alles,
was Ihnen die Klugheit zu thun erlauben konnte. Es ist jezt ein
schöner Anblik für mich, Ihnen, nachdem Sie unsinniger Weise das Meer
durchstrichen, unter Begleitung eines Wollüstlings, der Sie in sein Nez
gelokt hat, und der Ihnen, wenn er nur Ihr wahrer Liebhaber gewessen
wäre, besser geschonet haben würde, wieder hier zu sehen. Denn sein
Betragen zeiget deutlich, wie niedrig er Sie achtet, und daß er sich
nur Ihrer als einer ganz in Ehren verlornen Frau, zur Befriedigung
seiner Lüste bedienet. Diese grausame Mutter wollte hierauf weiter
nichts anhören noch sagen, sondern gieng in ein anderes Zimmer; und
Jacobine, vom tiefsten Schmerz gebeugt, begab sich in das ihrige.


Da der Herzog von Brabant damals zu Brüssel war, führte in seiner
Abwesenheit die Gräfin von Hennegau die Regierung in Bergen. Allein das
Blatt drehte sich bald anderst. Die Einwohner, die Jacobinen wirklich
so sehr liebten, als sie ihre Mutter und den Herzog von Brabant
hasseten, erklärten öffentlich, daß sie nur ihr gehorchen wollten,
indem der Herzog sich des Titels ihres Souverains unwürdig gemacht
hätte.

Seines eigenen Vortheils wegen, ließ sich der Herzog von Burgund sehr
angelegen sein und wandte seine ganze Aufmerksamkeit auf den Nuzen,
den er daraus zu ziehen gedachte; dieser zielte schlechterdings dahin,
Jacobine gänzlich zu unterdrücken. Er foderte den Herzog von Glocester
trozig auf, und zwischen beiden Theilen entstund ein Briefwechsel, der
keine andere Folgen als den Krieg nach sich zog. Humphrei, der damals
seine Gemalin zärtlich liebte, war über die ihr wiederfahrne Kränkung
äuserst gerührt. Die harte Unterredung, die ihre Mutter mit seiner
Gemalin gehabt hatte, sezte ihn vollends in Wuth; und da er alle Kräfte
anwenden wollte sie zu rächen, beschloß er, eine Reise nach England zu
machen, um von da desto leichter die erforderlichen Hülfs-Völker zu
beziehen.

Die Gräfin von Hennegau, die ihrer Tochter mit so grosser Strenge,
begegnet war, empfand, mehr aus Furcht, als aus anderm Triebe, einige
Reue, und wollte sich nun in etwas menschlicher bezeigen. Dem zufolge
gieng sie zu ihr, und bat sie, während der Abwesenheit des Herzogs von
Glocester, in Bergen zu bleiben. Die Einwohner, die ihr dem Anschein
nach ganz ergeben waren, erboten sich sie zu bewachen. Jacobine sahe
so viele Wiederwärtigkeiten in ihrem Schiksal, daß ihr alles, ja sogar
Humphreis Sorgfalt, dessen Eifer sich verdoppelte, verdächtig war. Da
der Tag seiner Abreise anbrach, wollte sie ihn einige Meilwegs ausser
Bergen begleiten. Beim Abschied schienen beide gleich gerührt, und
eben sagten sie sich das lezte Lebewohl, als ein Frauenzimmer, das
sich durch Schönheit und verbissene Wuth besonders auszeichnete, das
Volk das sie umgab, durchdrang, und den Herzog von Glocester in vollem
Eifer also ansprach: Verräther! feiger und treuloser Fürst! gieb mir
meine Ehre wieder, die du mir geraubet hast, oder tödte mich vor den
Augen derjenigen, die die Ursache deines Meineids ist. Madame! fuhr
sie fort, sich zu Jacobinen wendend, verzeihen Sie meine Ausschweifung
und entschuldigen solche in Rüksicht meiner Verzweiflung. So lange es
mir möglich war, habe ich im verborgenen gelitten; allein die Kräfte
eines zärtlichen und betrogenen Mädchens, die ohne Hülfe ist, sind
nicht unerschöpflich. Dieser heimtückische Fürst, der Ihnen seine
Hand gegeben hat, vergab ein Gut, das ihm nicht mehr eigen war. Er
mißbrauchte die Unschuld meiner Jugend, und verführte mich unter
Ausstosung der theuresten Schwüre, die ich unverbrüchlich zu sein
glaubte. Sie sehen meine Person, ausserdem aber bin ich aus einer guten
edlen Famillie entsprossen, daß er keine Ursache zum erröthen gehabt
haben würde, wenn er sein heilig beschwornes Versprechen gehalten hätte.

Dieser unvermuthete Auftritt verursachte Jacobinen eine wunderbare
Bestürzung. Mit vieler Aufmerksamkeit betrachtete sie die, die ihn
erregt hatte. Sie fand, daß sie viele Reize hatte; und konnte sich
nicht enthalten, sie zu bedauern. Der Herzog, ganz beschämt, war in
der grösten Verlegenheit, wie er sich aus diesem verdrüslichen Handel
wickeln sollte. Endlich, nachdem er sich lange besonnen hatte, sagte
er zu Jacobinen: Madame! Kehren Sie sich an den Reden einer Unsinnigen
nicht; nach ihrem Betragen können Sie auf ihre Unverschämtheit
urtheilen. Die wahre Tugend schreiet nicht so laut und vor so vielen
Zeugen. Ich versichere, daß ich Ihnen sehr treu bin, und daß ich jezt
von Ihnen verliebter scheide, als ich es jemals war. Hierauf und ohne
ihr weitere Zeit zur Erholung zu lassen, umarmte er sie, sezte sich
aufs Pferd, und jug mit solcher Geschwindigkeit davon, daß man ihn
augenbliklich aus den Augen verlohr. Die Bekümmerte aber, die ihn in
Verlegenheit gesezt hatte, lief ihm mit einer Schnelligkeit, die man
ihrer Schwäche nicht zugetrauet hätte, nach!

Der Lerm, den diese Begebenheit verursacht hatte, verbreitete sich
bald bis zur Gräfin von Hennegau; und Jacobine, die wieder zurük
nach Bergen gegangen war, hatte von ihrer Mutter die empfindlichste
Spötteleien auszuhalten. Wenn ich mich nicht irre, sagte sie zu ihr,
so schmeichelt sich die verzweiflungsvolle Schöne mit einem glüklichen
Erfolg ihres zärtlichen Ausfalls, und der eine merkwürdige Epoche
in Ihrem Roman machen wird. Die kleine Ausschweifung des Herzogs
von Brabant war Ihnen empfindlich, weil Sie ihn nicht liebten, und
die weit grössere des Herzogs von Glocester werden Ihnen noch viel
empfindlichere Schmerzen verursachen. Aus Mittleiden muß man Sie
bedauern und aus Vernunft tateln; denn überhaupt sind Sie nicht zu
entschuldigen. Die aller unschuldigsten meiner Handlungen, erwiederte
Jacobine, werden Ihnen allezeit wie unverzeihliche Fehler vorkommen;
denn nur gegen den Herzog von Brabant sind Sie leicht nachsichtlicht.
So groß aber dieses gefällige Betragen ist, weis ich dennoch nicht, ob
er es nicht einstens erschöpfen wird. Wenn der Herzog von Glocester
vor unserer Bekanntschaft einige flüchtige Liebes-Verständnisse gehabt
hat, folget daraus daß er mich verlassen wird? Wenn eine Verwegene
sich selbst anklaget, kann deswegen der Schimpf, auf mich zurükfallen?
Sie suchen mich nur zu beleidigen; denn Sie müssen den Schimpf den
mir der Herzog von Brabant, da er mich schändlicher Weise der von
Degre aufopferte, angethan hat, einem unbedeutenden Liebeshandel,
den der Herzog von Glocester vor unserer Verbindung gehabt hat,
nicht vergleichen. Betrügen Sie sich Madame! erwiederte die Gräfin
honlächelnd, und schmeicheln Sie wenigstens mit freiwilliger Blindheit
Ihren Verwirrungen. Sie bedürfen keines Raths; und da Sie den Weg nach
England allein gefunden haben, so können Sie leicht weit entlegenere
Betrüger finden. Unter Ausstosung dieser beleidigenden Worte verließ
sie Jacobinen, die ihrem beklemmten Herzen bei der Climberge, mit
einer Thränenfluth Luft zu machen suchte. Nun siehest du, sagte sie zu
ihr, in welche Kette von Leiden ich mich durch dein Zureden verwickelt
habe. Du siehest die Päbste, meine Anverwandte und alle vernünftig
denkende Menschen gegen mich aufgebracht. Du siehest ferner eine
Unbekannte aus der Erde empor kommen, der es vermuthlich der Himmel
eingegeben hat, mich durch ihren Vorgang auf das zu bereiten, was
mir unbezweifelt selbst wiederfahren wird. Ha! Climberge! ich bin an
meinem Unglük schuld! Die schnelle Abreise des Herzogs von Glocester
überzeuget mich, daß er nichts zu meiner Beruhigung zu sagen wuste.
Seine Liebste ist ihm nach, sie ist schön und entschlossen; vieleicht
sind sie schon vereiniget; denn ich sehe nur schrekhaften Auftritten
entgegen. Ich gebe zu Madame! antwortete die Climberge, daß Sie
einige Ursache haben verdrüslich zu sein; allein ist der Verdrus von
solcher Beschaffenheit, daß er Sie in einen so verzweiflungsvollen
Zustand sezen sollte? Seit dem der Herzog von Glocester Ihr Gemal
ist, was können Sie ihm vorwerfen? Seine ehrerbietige und sorgfältige
Aufmerksamkeit hat Ihrer Zärtlichkeit entsprochen; die seinige hat er
Ihnen durch stets gefälliges Betragen bewiesen, und Sie beunruhigen
sich dar über, weil es einer thörigten Creatur beliebt, ihre
Ausschweifung selbst öffentlich bekannt zu machen? Er hat Ihnen nicht
gesagt, daß er niemalen einige verliebte Abentheuer gehabt hätte. Wenn
diese Unverschämte noch einige Gewalt über das Herz Ihres Gemals hätte,
würde sie wohl mit solcher Wuth vor Ihnen ihr Recht zu behaupten
suchen? Beruhigen Sie sich Madame! mit diesen Betrachtungen, und lassen
Sie diese Ehrvergessene dem Herzog von Glocester immer nachlaufen; er
schien bei ihrem Anblik so gleichgültig, daß man unbezweifelt einsehen
konnte, er sei der Gunstbezeugungen, die sie ihm vermuthlich all zu
freigebig aufgedrungen hat, überdrüssig: Die Ihrigen aber, die ihm von
weit höherem Werth sind, wird er auch gewiß besser zu schätzen wissen.
Schmeichle! unterbrach Jacobine, schmeichle so viel du willst. Dir
allein, durch dein Zureden, habe ich meine jezige Leiden zu verdanken.
Hiemit endigte sich diese Unterredung; Jacobine aber blieb ganz
tiefsinnig.

Durch einige Engländer erfuhr Jacobine nach der Hand, daß die, die ihr
dermalen so empfindliche Kümmernis verursachte, ein junges Frauenzimmer
von guter Famille, Namens Eleonore, sei, die der Herzog von Glocester
ehedessen vorzüglich geliebt hatte, und man damals auch in London
geglaubt habe, daß er sich mit ihr vermälen würde. Durch einige
wahrscheinliche Betrachtungen, die Jacobine desfals machte, tröstete
sie sich einigermassen, da sie aber die Unbeständigkeit der Männer
schon erfahren hatte, wiedersezte sich stetes Mistrauen ihrer Ruhe.

Ganz ohne Freunde war Jacobine nicht; verschiedene derselben hatten
sich bemühet, den Pabst Martin für sie zu gewinnen; und da die
Hohenpriester der römischen Kirche gewöhnlich dergleichen Knoten
nicht so vest knüpfen, daß sie nicht auflösbar sein sollten; zog auch
dieser sein eigenes Urtheil wieder ein, und hob hierdurch Jacobinens
Beschämung zum Theil auf. Allein dieser gefällige Pabst gab damit neuen
Anlaß zum Krieg. Der Herzog von Brabant war nichts weniger als ein
Held; er zog das Vergnügen dem Geräusch der Waffen bis zur Feigheit
vor; und da der Herzog von Burgund, der nur Jacobinens gänzlichen
Sturz zum Augenmerk hatte, sahe, daß sie nur unter dem Schuz eines
unerfahrnen Volks war, lies er ohne alle Achtung für das weibliche
Geschlecht und der Würde einer Fürstin, die Provinz ihrer Zuflucht mit
Kriegsvölker überziehen und in derselben übel haussen. Die Gräfin von
Hennegau, die äusserlich sich stellte, als ob sie auf ihrer Tochter
Seite wäre, aber ganz auf der des Herzogs von Burgund war, brachte
durch ihre listige Unterhandlungen einen Vergleich zu stande, vermöge
welchem: dem Herzog von Brabant die Provinz Hennegau zum Eigenthum
verblieb, wo er züglich alle Beleidigungen, die ihm etwa in derselben
wiederfahren wären, zu vergessen und zu vergeben versprach, und daß
Jacobine, bis der Proces, den man wieder aufs neue beim römischen Hof
anhängig gemacht hatte, entschieden wäre, dem Herzog von Burgund zur
sicheren Verwahrung übergeben werden sollte.

Diese Uebereinkunft, die Jacobinen so ganz nachtheilig war, verursachte
ihr den tiefsten Schmerz. Nun sahe sie erst recht die Falschheit
ihrer Mutter; und die Untreue der Einwohner Bergens ganz ein. Ob ihr
gleich die Nachläßigkeit des Herzogs von Brabant bekannt war, glaubte
sie dennoch nicht, daß er dem Ehrgeiz des Herzogs von Burgund alles
so schlechterdings aufopfern würde. Man drohete ihr, daß, falls sie
diesen Vergleich nicht eingehen würde, sie dem Herzog von Brabant
zu überantworten. Ihre eigenen Bediente wurden gefangen gesezt. Sie
selbst aber wurde nicht nur als eine Staatsgefangene, sondern als eine
würkliche Mißethäterin behandelt. Da sie keine Nachricht vom Herzog
von Glocester hatte, und daher nicht wissen konnte, was in England
vorgieng, marterte dieses ihr Gemüth um so mehr. In dieser äusersten
Verlegenheit lies sie folgendes Schreiben an den Herzog ergehen:

    „Es würde überflüssig sein, Ihnen eine weitläuftige Erzählung
    meines bejammernswürdigen Zustands zu machen; denn das Gerücht
    trauriger Begebenheiten verbreitet sich nur all zu schnell und zu
    sorgfältig. Dieses finde ich aber nöthig, Ihnen in Erinnerung zu
    bringen, daß Sie mir mit Ihrer Hand zugleich Ihr Herz zugesichert
    haben. Mich von Ihnen nicht mehr geliebt und verlassen sehen, würde
    mein trauriges Herz unter allen Leiden, die auf mich losstürmen,
    das empfindlichste sein. Mein gröster Feind hier ist meine eigne
    Mutter. Ich bin meiner Länder beraubet, und meine noch wenige,
    getreu gebliebene Diener liegen in Fesseln. Mir selbst aber ist
    keine andere Wahl gelassen, als mich der Sclaverei des Herzogs
    von Burgund, oder der des Herzogs von Brabant, zu unterwerfen.
    Urtheilen Sie also was aus mir werden würde, wenn Sie mich
    verliessen. Nicht der Ehrgeiz, sondern meine gegen Sie tragende
    Liebe fordert Sie auf. Denn wären Sie mir weniger schäzbar
    gewessen, so würde ich jezt mehr Muth haben. Ziehen Sie bei dieser
    Gelegenheit die Reize der schönen Eleonore nicht zu Rath; sie
    dürften mir nachtheilig sein. Da ich nicht angestanden habe, Ihnen
    mein Herz zu schenken, gebe ich Ihnen jezt auch die Versicherung,
    daß ich mit unverbrüchlicher Treue Zeitlebens sein werde &c.
    Jacobine.“

Der Eilbote, den sie mit diesem Schreiben eigends abgefertigt hatte,
beschleunigte so viel ihm möglich war seine Reise; allein wiedrige
Winde vereitelten diese gute Meinung, und er kam erst in London an,
nachdem sich Jacobinens Wiedersacher ihrer schon ganz bemeistert
hatten. Unter dem Geleit des Prinzen von Oranien und einiger andern
Herren, die der Herzog von Burgund darzu gewählet hatte, wurde sie von
Bergen weg und nach Genf gebracht, alwo sie noch ziemlich ehrerbietig
bedient ward.

Den Herzog von Glocester rührte Jacobinens elender Zustand sehr. Er
säumte keinen Augenblik an seinen Bruder den Herzog von Bedford nach
Frankreich zu schreiben, der sich dann auch gleich bei Empfang des
Briefs, mit Achthundert Reuter und unter Begleitung vieler vom Adel,
Jacobinen beizustehen auf den Weg machte, und zu Corbie in der Picardie
anlangte. Die Herzogin von Bedford wollte ihren Gemal zu dieser
Unternehmung begleiten; allein es geschahe mehr um die ganze Sache
zu hintertreiben, da sie eine Schwester des Herzogs von Burgund war.
Dieser besuchte sie gleich bei der Ankunft, und unter dem Vorgeben,
sie besser bewirthen zu können, führte er sie auf einige Tage nach
Hedin, wo er durch verstellte Sanftmuth den Herzog von Bedford so
ein zu nehmen wuste, daß der bedrükten Jacobine gar nicht gedacht
wurde.[L] Ob gleich der Herzog von Bedford Regent in England war,
wollte ihm diese Nation dennoch nicht als ihrem Souverain gehorchen.
Sie versagten ihm ihren Beistand mit ziemlichem Ungestüm. Er fühlte
diese Beleidigung sehr empfindlich, er sahe aber keinen Ausweg sich zu
rächen. In dieser seiner Unvermögenheit war er auf eine besondere Rache
bedacht, und foderte zu dem Ende den Herzog von Burgund zum Zweikampf
auf. Beide Fürsten bereiteten sich auch hierzu; allein der Herzog von
Bedford, der es in Zeiten erfuhr, gab nicht zu, daß sie sich durch ein
so abentheuerliches Benehmen vor der ganzen Welt lächerlich machen
sollten.

Jacobine, die den Pallast der Grafen von Flandern in Gent zur Wohnung
hatte, ward gleichwohl in demselben ihrem Rang nach bedienet. Diese
glimpfliche Behandlung benahm ihr aber keineswegs das Andenken ihrer
gehabten, ihrer jezigen und die Vorstellung ihrer künftigen Leiden.
Welchen Namen man auch ihrem Auffenthalt geben mochte, war er doch im
Grunde eine wirkliche Gefangenschaft; sie konnte daher ihren dermaligen
Zustand nicht anderst als die Folgen einer unerträglichen Tiranei
ansehen, die sie unmöglich erdulten konnte. Außerdem marterten sie noch
gewiße Gemüthsunruhen. Die Briefe des Herzogs von Glocester wurden
ihr vorenthalten, und unter so vielem Verdrus strebte sie sehnlichst
nach der Freiheit. Man hatte ihr überdem gestekt, daß der Herzog von
Burgund vorhabe, sie auf immer in Lisle einzusperren. Die Furcht
einer ewigen Gefangenschaft flößte ihr, mit Beihülfe der Climberge,
und des Descaillon, die ihr beständig treu verblieben waren, neuen
Muth und Entschloßenheit ein. Sie schrieb an einige angesehene und
vermögende Holländer, und sprach sie um ihren edelmüthigen Beistand
an. Keiner unter ihnen versagte ihr denselben, zu welchem Ende sie auf
das schleunigste nach Gent giengen. Daselbst war sie nicht so genau
bewachet, daß man nicht, mit Beobachtung einiger Vorsicht, hätte zu
ihr kommen können. Sie hatte eine gerechte Sache, und unmöglich konnte
man sie, ohne von ihrer Schönheit und Anmuth gerührt zu sein, ansehen.
Ihre Befreier verabredeten sich und trafen so gute Vorkehrungen, daß
sie sie, nebst der Climberge, in Mannskleidern aus Gent und glüklich
nach Antwerpen brachten, daselbst zog sie wieder ihre gewöhnliche
Kleidung an, und langte über Breda in der Grafschaft Holland an. Hier
wurde sie als Gebieterinn empfangen, und die Angesehensten der Provinz
giengen wegen ihrer wichtigen Angelegenheit mit ihr zu Rath. Der Herzog
von Burgund, der über ihre Flucht in Wuth gerieth, versammlete ein so
fürchterliches Heer, als ob er wolle die ganze Welt bezwingen, und
drang damit in Holland ein, um die schon unter seine Bottmässigkeit
gebrachten Oerter im Gehorsam zu erhalten. Man sahe ihn auf die
gänzliche Unterdrükung einer liebenswürdigen Fürstin, die fast so viele
Unglüksfälle gehabt, als sie an Alter Jahre zählte, ganz erbittert.

Es dauerte nicht lang, so trafen die zwo Parteien auf einander, und
wurden handgemein. Obgleich Jacobinens Heer sehr gering war, erhielte
es doch verschiedene Vortheile, von welchen sie dem Herzog von
Glocester Nachricht gab, der denn auch entschloßen schien, ihr zu Hülfe
zu kommen. Silvatier, unter dem Karacter seines General-Leutenants,
an der Spitze von fünfhundert der tapfersten entnommener Engländer,
wurde hierzu ernannt; allein der Herzog von Burgund, deßen Macht all zu
beträchtlich war, behielt die Oberhand. Dieses zwar tapfere, aber all
zu schwache Heer wurde geschlagen, und fast ganz in die Pfanne gehauen.
Der Sieger aber gieng nach Flandern, um das seinige, welches gleichfals
viel gelitten hatte, wieder zu ergänzen.

Dieser unglükliche Ausschlag benahm Jacobinen den Muth dennoch nicht.
Der Schmerz, den sie darüber empfand, war heroisch; denn mit wahrem
Heldenmuth, der ihrem Geschlecht sonst nicht eigen ist, stellte sie
sich selbst vor die Spitze ihres kleinen Heers und belagerte Harlem.
Dies Unternehmen glükte ihr nicht. Denn die Vorkehrungen, die der
Herzog von Burgund zur Vertheidigung dieser Stadt getroffen hatte,
wurden zu genau befolget, und sie muste daher mit Kummer ihre lezte
Anstrengung vereitelt sehen. Der Herzog von Glocester verfuhr sehr
nachläßig. Die See schied sie von einander, und Jacobine zweifelte
nicht, daß sich die entschloßene Eleonore in London befinde, und diese
Nachläßigkeit verursache. Wenn der Herzog an sie schrieb, war es in so
verlegenen Ausdrücken, die leicht ihre Muthmaßung bestättigen konnten,
und indeßen sie ihre Völker in eigener Person anführte und sich allen
Gefahren aussezte, blieb er, unter dem Vorwand, die Engländer auf
seine Seite zu bringen, und die Hülfe seines Bruders, des Herzogs
von Bedfords abzuwarten, dem es auch kein Ernst war, ganz unthätig
in London. Alle diese traurigen Betrachtungen bekümmerten Jacobine
stets, und verursachten ihr manche Gemüthsunruhen. Jezt Climberge!
sagte sie zu dieser ihrer Vertrauten, siehest du die betrübten Folgen
der Falschheit des Herzogs von Glocester. Er überläßt mich ganz
meinem Schiksal und der Himmel straft mich wegen meiner thörigten
Leichtgläubigkeit. Die Rolle, die ich spielen muß, schikte sich weit
besser für ihn. Wie? indem ich ein Heer zur Vertheidigung unserer
Gerechtsame anführe, überläßt er sich ganz in träger Unthätigkeit
seiner verrätherischen Leidenschaft. Grausame Climberge! Warum
stimmte meine Schwachheit mit deinen unbedachtsamen Rathschlägen
so überein? Warum habe ich mich durch deine schmeichlerische Zunge
verführen lassen? Und endlich warum muste ich dir, zu meinem grösten
Nachtheil, folgen? Wilst du nun noch einen Menschen entschuldigen, der
mich im grösten Jammer ganz verläßt? und wirst du mich noch ferner
mit seigten Trostgründen beruhigen können? Betrachte mich von nun
an wie ein verstoßenes in der Welt herum irrendes Geschöpf, das von
Anverwandten gehaßt und von Feinden verfolgt ist, und siehe, ob du
im Stande bist, mir die verlohrne Unschuld wieder zu verschaffen.
-- Ich gestehe Madame! erwiederte die Climberge, daß mich mein
Diensteifer kann betrogen und zu weit getrieben haben; allein sind
Sie deswegen straffällig? haben Sie dem Herzog von Brabant Anlaß zu
seiner Ausschweifung mit der schändlichen von Degre gegeben? und
geben sie jezt dem Herzog von Glocester Ursache undankbar zu sein? In
beiden Fällen sind Sie unschuldig. -- Ich war zu leichtgläubig und
zu voreilig, erwiederte Jacobine, ich hätte die Wichtigkeit meiner
Handlungen beßer überlegen sollen und dieses habe ich mir mit Recht
vorzuwerfen.

Der Herzog von Brabant, den die von Degre beständig anreizte,
verfolgte, während der Zeit, den so viel wiedersprochenen
Scheidungs-Proceß beim römischen Hof aufs schärfste. Zur gründlichen
Untersuchung dieser Sache ernannte der Pabst eine Congregazion von
verschiedenen Kardinälen; und da diese auf Seiten des Herzogs von
Brabant die Ursachen zur Ehescheidung nicht hinlänglich genug fanden,
erkannten sie ohne weiteres Jacobinens Ehe mit dem Herzog von Glocester
für ungültig, wenn auch gleich der Herzog von Brabant mit Tode abgehen
sollte. Diesem Urtheil nach, von welchem nicht zu appeliren war, wurde
beschloßen, daß das unschuldige Schlachtopfer, zur Befriedigung der
gegenseitigen, durch Eigennutz geleiteten Partei, auf ihre eigene
Kosten gefangen und dem Herzog von Savoien in sichere Verwahrung
gegeben werden sollte. Gleich nach dem dieses, für Jacobinen so
fatale, Urtheil bekannt wurde, erklärte sich der Herzog von Glocester
auf die unedelste Art, daß er mit Jacobinens Angelegenheiten nichts
mehr zu schaffen haben wollte; und wenige Tage drauf, heurathete er
die nehmliche Eleonore, die ihn bei der Abreise von Bergen mit ihren
Vorwürfen so überrascht hatte.

Ob nun gleich jezt Jacobinen die Größe ihres Unglücks ganz einsahe,
verlohr sie darum den Muth noch nicht. An der Spitze ihres kleinen
Heers führte sie den Krieg noch immer fort, und auch bei verschiedenen
Gelegenheiten mit günstigem Erfolg. Allein den eifersüchtigen Herzog
von Burgund, der einmahl ihre völlige Zernichtung geschworen hatte,
glükten wegen seiner großen Obermacht die Unternehmungen weit beßer.

Damals, nehmlich 1426. im April, starb der Herzog von Brabant, dem
sein Bruder, der Graf von St. Paul, in der Regierung seiner Länder
folgte. Da aber dieser ein sehr friedliebender Herr und unvermält
war, bekümmerte er sich weiter nicht um Jacobinens Angelegenheiten,
deren eigenthümliche Staaten sich nunmehr der Herzog von Burgund ganz
zueignete.

Jacobinen blieb noch ein wahrer Freund in ihrer ganz verlaßenen Lage
übrig. Es war der Graf von Brederode, dieser stellte sich an die
Spitze ihres übrig gebliebenen kleinen Heers, und erfochte wirklich
mit dieser geringen Anzahl Völker ziemlich beträchtliche Vortheile in
Nordholland. Allein endlich muste er doch der großen Obermacht des
Feindes unterliegen; nach einer tapfern Gegenwehr wurde er überwunden,
gefangen und muste zusehen, daß verschiedene Edelleute von seiner
Partei enthauptet wurden. Er würde auch das nehmliche Schiksal erfahren
haben, wenn man nicht befürchtet hätte, da er von dem ehemaligen Grafen
von Holland abstammte,[M] die ganze Provinz dadurch aufzubringen.

Nun wurde die unterdrükte Jacobine gezwungen, der unrechtmäßigen Gewalt
nachzugeben und einen Vergleich einzugehen, vermöge welchem sie sich
anheischig machen muste, ohne Einwilligung des Herzogs von Burgund,
ihres nunmehrigen Gesezgebers oder vielmehr Tirannen und nächsten
Blutsverwandten, nicht wieder zu heirathen. Dieser Vergleich wurde von
ihnen beiden, in Gegenwart des Adels und der Deputirten der Städte,
zu Delft eigenhändig unterschrieben. Da nun hierdurch der Herzog von
Burgund seine haabsüchtigen Absichten erreicht hatte, ernannte er einen
jungen Edelmann, Namens Franz von Borselle, der einer der tapfersten
und wohlgestaltesten Edelleute der damaligen Zeit war, zum Gouverneur
über die unrechtmäßig an sich gebrachten Länder. Um sich mehr Ehre
und größeres Ansehen zu geben, führte er Jacobinen, gleichsam wie im
Triumpf, mit sich nach Bergen.

Hier hatte sie nun volle Muße, Betrachtungen über die vielen
Wiederwärtigkeiten, die ihr begegnet waren, anzustellen. Sie
befand sich an einem Ort, wo ihr alles zu Befehl stehen sollte, wo
sie aber leider nichts mehr zu sagen hatte. Man erwies ihr zwar
einige Ehrenbezeigungen; allein mit weniger Achtung und mit vieler
Nachläßigheit. Stündlich beweinte sie die Härte ihrer Leiden, den
Tod des Dauphins und den ihres Vaters, des Grafen von Hennegau, und
verwünschte ihre unglüklichen Ehen mit den Herzogen von Brabant und von
Glocester. Vielfältige Betrachtungen machte sie über das schändliche
Verfahren der Päbste, und alle andern Ereigniße, die sie in den
Abgrund des Verderbens gestürzt hatten. Aller ihrer Vorrechte beraubt,
unvermögend die geringsten Bedürfniße befriedigen zu können, verachtet
in ihren eigenen Staaten, und unterdrükt von einem Fürsten, der ihr
Blutsfreund war -- was muste sie bei ihrer erhabenen Denkungsart nicht
alle dabei empfinden? Sie fühlte noch zärtliche Regungen für den
untreuen Herzog von Glocester, die zu tiefe Wurzeln gefaßt hatten, als
daß sie so leicht hätten können ausgerottet werden; und man konnte in
Wahrheit von ihr sagen; daß das schönste, geistigste und anmuthigste
Frauenzimmer, das aller elendste auf Erden war, worüber der Herzog
von Burgund frohlokte. Ihr elender Zustand rührte die Gräfin von
Hennegau, ihre Mutter, auf keine Weise; und die von Degre, die nicht
unterlies übertriebene und nachtheilige Erzählungen und Lügen von
ihr auszustreuen, spottete sie allerwegen aus. Dieses alles aber
verhinderte nicht, daß ihr die Liebe in ihrem Schicksal neue Prüfungen
zubereitete. Der von Borselle hatte sie verschiedenemalen angetroffen,
da sie ihrem kummervollen Herzen durch eine Tränenfluth Luft zu machen
gesucht hatte. Nichts erhebt die Schönheit eines Frauenzimmers mehr,
als traurige Blicke; und wer nur die geringste Anlage zu zärtlichen
Empfindungen hat, der kann unmöglich ein liebenswürdiges Frauenzimmer
im Kummer sehen ohne Mittleiden zu fühlen und ohne von ihren Reizen
gerührt zu werden. So gieng es auch dem von Borselle; und ob er gleich
dem Herzog von Burgund sein ganzes Glük zu verdanken hatte, so sahe er
doch denselben von Stund an wie seinen ärgsten Feind an, und lies sich
in seinen zärtlichen Regungen für Jacobinen nicht irre machen.

Anfangs betrachtete Jacobine Borsellens gefälliges Betragen als
Wirkungen der Großmuth und des Mittleidens; sie wurde aber bald
gewahr, daß er aus ganz andern Empfindungen handele. Selbst die
Climberge, die noch immer Jacobinens Vertraute war, bemerkte es
und unterredete sich ohne weitern Zwang darüber mit ihr. Wie?
antwortete ihr Jacobine, wirst du nach dem allem, was mir begegnet
ist, noch thörigt genug sein, mir von neuen Liebhabern zu sprechen?
Ist Borsellens Rang und Geburt nicht weit unter der meinigen? und
wenn er mich redlicher und treuer wie die vorigen liebte, würdest
du ihn würdig genug halten, drei angesehenen Fürsten in dem Ehebete
zu folgen. Ich weiß wohl, erwiederte die Climberge, daß er nicht
von so hoher Abkunft ist, demohnerachtet ist er doch aus edlem Blut
entsproßen, liebenswürdig wegen seiner angebohrnen Anmuth, über die
Maßen großmüthig, und eifrigst beflissen, Ihnen zu dienen. Können
Sie versichert sein, ob nicht ihm die Ehre, Sie zu befreien, und der
Ruhm, Sie glüklich zu machen, vorbehalten ist? -- He! Wer hat dir denn
gesagt, fuhr Jacobine fort, daß er mir so geneigt ist? Kanst du ihm
ins Herz sehen oder hat er dir sein Geheimnis offenbahret? Man darf
nur Augen haben, erwiederte die Climberge, um dergleichen Bemerkung
zu machen; denn entweder giebt es keine wahre Verliebte, oder Sie
haben dem von Borselle die heftigste Leidenschaft eingeflößt. In
diesem Fall, antwortete Jacobine, da eben Borselle zur Thür herein
tratt, würde er zu bedauern sein. Da er ziemlich schüchtern und
bleich aussahe, seine Blicke auch zärtlich und ehrerbietig waren, so
bestättigte dieses Climbergens Aussage vollkommen. Jacobine erröthete
bei seinem Anblik, und, um ihre Verwirrung zu verbergen, nahm sie ein
erkünsteltes Lächeln an. Sie werden schlechten Dank bei dem Herzog
von Burgund verdienen, sagte sie zu ihm, daß sie eine arme Gefangene,
die alle, welche einiges Mitleiden für sie blicken laßen, mit ins
Unglük stürzet, besuchen. Wenn Sie die Gewogenheit und des Zutrauens
eines mißtrauischen Gebieters fernerhin theilhaftig sein wollen, so
behandeln Sie mich nicht zu edelmüthig. Ich gebe Ihnen die aufrichtige
Versicherung, daß ich mit den, mir schon erzeigten Gefälligkeiten
vollkommen zufrieden bin, und Ihnen dafür ewig verbunden sein
werde. -- Madame! antwortete Borselle, Sie sind mir auf keine Weiße
Verbindlichkeit schuldig; und wenn gleich Ihre Gütigkeit meine gute
Meinung dahin rechnen wollte, so ist bei derselben mein Unvermögen
so groß, daß ich mich darüber schämen muß. Sie sind ganz ohne Fehler
und demohnerachtet sind Sie unglüklich. -- Sie sind zu ausschweifend
in Ihrer Höflichkeit, unterbrach ihn Jacobine; denn von strengern
Richtern würde ich nicht so vortheilhaft beurtheilet werden. Wißen
Sie nicht, welche ärgerliche Gerüchte man von mir ausgestreuet hat,
und auf welche, meiner Ehre nachtheilige Weiße man von mir spricht?
Dieses habe ich der christlichen Liebe der Päbste zu verdanken; diese
wollten mich vermuthlich durch dergleichen grausame Demüthigungen zur
strengeren Buße anhalten. Die Päbste, erwiederte Borselle, waren von
jeher die Geisseln rechtschaffener Menschen. Welche Lästerzunge darf
sich wohl erfrechen, Ihnen ein Vergehen anzudichten. Was? weil Männer
undankbar und unsinnig genug gewesen waren, Ihnen mit Verachtung zu
begegnen, will man Sie ihre Verbrechen entgelten laßen? Ich behaupte
vor der ganzen Welt, daß, wenn jemand unfehlbar ist, Sie es gewiß sind.
-- Ha! Borselle, erwiederte Jacobine, Ihre Nachsicht ist übertrieben;
ich laße mir selbst Gerechtigkeit wiederfahren und gestehe freimüthig,
daß ich zu unvorsichtig gehandelt habe. Um aber das Gespräch von
meinen Angelegenheiten abzubrechen, bitte ich Sie, mir die Ursache
Ihrer Traurigkeit und Verlegenheit zu sagen. Sollte ich etwa noch
unglüklich genug sein, Ihnen Verdruß zu verursachen, und sollte das
traurige Verhängniß, daß mich überall verfolget, auch Einfluß auf Sie
haben? -- Sie allein Madame! erwiederte er, verursachen unschuldiger
Weise die Gemüthsruhe, die sie an mir bemerken; denn meine Liebe ist
so gränzenlos, daß ich die Hochachtung, die ich Ihnen schuldig bin,
darüber auf die Seite setze. Ihre Reitze, durch Leiden erhöhet, sind
vermögend, die härtesten Seelen zu rühren; wie kann also die meinige,
die von ganz anderer Beschaffenheit ist, ohne Empfindung sein? Ich
sage dieses mit keiner unbedachtsamen Verlegenheit; denn ich weiß den
Unterschied, der zwischen uns ist, sowohl in Ansehung der Geburt als
des Standes, nur zu gut, dieserwegen ist dennoch meine Liebe nicht
weniger heftig. Erzürnen Sie sich nicht über einen Unglücklichen, den
die Stärke der Leidenschaft hinreißt, durch diese Erklärung seinem
beklemmten Herzen Luft zu schaffen. Obgleich dieser große Unterschied
zwischen uns ist, indem Sie des Glüks eines der ersten Königen
theilhaftig sein sollten, vermindert diese Betrachtung dennoch meine
empfindsame Leidenschaft nicht. -- Borselle! antwortete Jacobine, ich
habe Sie ungestört reden laßen, weil mit Ihre unvermuthete Erklärung
die Sprache benommen hat. Ohne Ihnen die Anmerkung, die Sie selbst
in Ansehung des Unterschieds unseres Standes gemacht haben, nochmals
zu wiederholen, wird es genug sein, Ihnen zur Betrachtung zu geben,
daß alle dergleichen Leidenschaften, die ich unglüklicher Weise schon
eingeflößt habe, gleich nach ihrer Entstehung verschwunden sind, daß
man mir, nur mich beßer betrügen zu können, geschmeichelt hat, und
daß, anstatt daß man mir hätte Treue und Versprechen halten sollen; es
vielmehr scheinet, als ob mein Herz und meine Hand vergiftet wären;
denn so bald ich deren Besiz eingeräumet habe, wurden solche gleich
verachtet und verschmähet, ohne zu gedenken, daß ich unglüklich genug
war, meinem ersten Gemal den Tod zum Brautschaz mit zu bringen. Wenn
es also wirklich an dem ist, daß meine geringen Reize, die niemand
mehr unglüklich machen sollen, Sie beunruhiget haben, so nützen Sie
diese Betrachtungen, Ihre aufkeimende Leidenschaft zu unterdrücken,
und vermehren Sie mein Elend nicht durch Ihr eigenes Leiden. -- Ich
würde, erwiederte Borselle, wenn es in meinem Vermögen stünde, Ihnen
gehorchen; allein eine Leidenschaft, die so heftig wie die meinige ist,
läßt sich nicht bezwingen Sein Sie vielmehr versichert, Madame! daß
sie von ewiger Dauer sein wird. Nur der Tod kann mir solche rauben,
und ich weiß nicht ob sie mir nicht noch jenseit des Grabes folgen
wird. Ah! welcher Unterschied ist in der Liebe, zwischen den hohen
Ungetreuen, die Sie verrathen haben und dem unglüklichen Borselle?
Warum kann die Geburt seine Leidenschaft nicht rechtfertigen, und warum
hat er keine Kronen zu Ihren Füßen zu legen? -- Sie haben, erwiederte
Jacobine, gute Eigenschaften genug, die zu Ihrem Vortheil sprechen;
aber um des Himmels willen dringen Sie weiter nicht in mich, und
überlegen Sie, daß ich schon unglüklich genug war. Hierauf lenkte sie
das Gespräch auf andere Gegenstände; und Borselle der nun einmal den
Schritt, der manchen Liebhaber in Verlegenheit setzet, gemacht hatte,
sezte vor jezt nicht weiter in sie.


Von diesem Tag an verdoppelte er seinen Fleiß und seine Sorgfalt,
Jacobinen gefällig zu sein. Der Herzog von Burgund, der sie so vest
gebunden hatte, war auf Borsellens Betragen wenig aufmerksam. Dies
günstige Uebersehen verknüpfte diesen Umgang bald sehr eng. Die
Climberge, der ihr gezwungener Aufenthalt in Bergen unerträglich
wurde, legte Borsellens unbedeutenste Handlungen großen Werth bei.
Ja! Madame, sagte sie zu ihrer Gebieterin, weil man Sie noch nicht
wirklich geliebt hat, wird es Ihnen um so viel süßer sein, nach
Ihren Verdiensten geliebt zu werden. Hat nicht schon der Himmel Ihre
treulosen Gemale bestraft? Der Herzog von Brabant ist in der Blüte
seiner Jahre gestorben, und der Herzog von Glocester hat sich durch
seine Verbindung mit einer entehrten Person, ganz Europas Verachtung
zugezogen, und Sie mit Aufopferung seiner eigenen Ehre gerächet.
Borsellens Beständigkeit in der Liebe wird diese Rache vermehren.
Wollten Sie lieber in den Feßeln, die Ihnen der Herzog von Burgund
angelegt hat, schmachten, als das Glük eines verdienstvollen Mannes
befördern? Man hat Ihnen unbillige Geseze vorgeschrieben, denen Sie
sich zu unterwerfen nicht verbunden sind. Wenn Sie durch Borsellens
Tapferkeit wieder in Ihre Gerechtsame werden eingesezt sein, haben Sie
alsdann nicht Würde und Hoheit, die ihn dem grösten Fürsten gleich
stellen, mit ihm zu theilen? Er ist von edler Geburt, und seine Thaten
machen ihn ehrwürdig. Sollten Ihnen dieses nicht Beweggründe genug
sein? -- Spreche! unterbrach sie Jacobine, spreche immerfort und
leite mich aus einem Irrweg in den andern: weil es deine und meine
Bestimmung ist. Ich sollte die Liebhaber und Ehemänner mehr als den Tod
fürchten, und doch höre ich dir gelaßen zu; ja! ich weiß nicht, ob du
mich nicht noch gar überreden wirst. Gefährliche Freundin! Warum hast
du mich in meinem Unglük allerwegen begleitet? Glaubst du, daß deine
Beharrlichkeit mir nachtheiliger als der andern Treulosigkeit ist? Wie
ich in London ankam, war ich wenig geneigt zu thun, was ich nachher
gethan habe; Du allein warst schuld an der Thorheit, die ich begieng,
jezt willst du mir eine weit größere zumuthen, und am Ende werde ich
mich mehr über dich, als über die von Degre zu beklagen haben.


Während Jacobine in einem Strom von Unruhen dahin schwamm, sahe
Borselle, der wirklich und aufrichtig liebte, wohl ein, daß er ihr
nicht verhaßt war; er sezte daher so anhaltend in sie, daß es ihm
glükte das lezte Geständnis von ihr zu erhalten. Er hatte Jacobinens
wegen außerordentlich große Ausgaben gemacht. Denn zu der Zeit,
da sie an allem Mangel litte, sezte er sie in Ueberfluß. Er trat
geheime Vorkehrungen, die des Herzogs von Burgund seine vereiteln
sollten, und heirathete Jacobinen mit der zu diesem Unternehmen
nöthigen Behutsamkeit und erforderlichem Geheimniß. Die Climberge,
der Descaillon und zwei vertraute Freunde des Borselle, waren die
einzigen, die dieser Handlung beigewohnt hatten; das neue Paar war aber
dieserwegen nicht wenig glüklich. Sicher ist es, daß Borsellens Liebe,
statt zu erkalten, täglich zunahm; denn es schien, als ob die Zeit ihr
neue Kräfte gäbe. Allein Borselle konnte nicht länger unthätig bleiben;
er hatte zu viel Muth, das Interesse einer Person, die alles für ihn
aufgeopfert hatte, zu vernachläßigen. Er muste sich daher von ihr
entfernen. Schreklich war für beide dieses nothwendige Scheiden, das
auf die beweglichste Weise, mit Versicherung ewiger Liebe, erfolgte.


Man wurde bald gewahr, daß Borselle Jacobinens Angelegenheiten wegen
in Bewegung war. Es dauerte nicht lang, so wurde der Herzog von
Burgund davon benachrichtiget; und ob gleich das Ehebündniß sehr
geheim gehalten war, erfuhr er es doch auch gar bald. Da er einer
der stolzesten rachsüchtigsten Fürsten war, geriet er bei dieser
Nachricht in die gröste Wuth. Hundert Eilboten wurden mit dem Befehl
abgefertiget, sich des Borsellens zu bemächtigen, der sich zu sehr auf
seinen Muth verlaßen, und sich mit seiner geringen Anzahl Leute zu
viel gewagt hatte, gefangen genommen und in die Hände seines Feindes
geliefert wurde.

Der Herzog von Burgund, der nun seiner Beute gesichert war, wollte
die strengste Rache ausüben. Er befahl zu dem Ende, Borsellens
Prozes zu beschleunigen. Bis zur Wuth gegen Jacobinen, die ihn so
hintergangen hatte, aufgebracht, wollte er ihr das Schiksal, das
ihrem Gemal bevorstand, selbst ankündigen. Sie können nun auf den
fünften Gemal bedacht sein, sagte er zu ihr; denn ich gebe Ihnen mein
Wort, daß ich Sie in einigen Tagen der Mühe überheben werde, den
Scheide-Brief Ihres vortreflichen Ehebündnißes mit dem Borselle, von
Rom aus kommen zu laßen. Ein Scharfrichter wird hier die Stelle des
Hohenpriesters vertreten, und Ihnen diese Erlaubniß verschaffen. Denn
ich glaube nicht, daß Sie mich feig genug halten werden, dergleichen
grobe Beleidigungen ungestraft zu laßen. Ganz unvergleichliche Ehre
haben Sie den Baierischen und Burgundischen Häusern erwießen, daß
Sie ihr Blut mit dem eines elenden Kriegers vermischt haben, der nur
meiner Gnade, das was er ist, zu verdanken hat, und der nun bald dem
Volk zum Schauspiel und den Raben zur Speise dienen wird. Schämen
Sie sich nicht, nach so erniedrigenden Ausschweifungen, noch das
Tageslicht anzuschauen? Der Herzog von Brabant that klug daran, daß er
die Gesellschaft einer Frau, wie Sie sind, mied; und der Herzog von
Glocester hat recht gehabt, Ihnen ein geschändetes Mädchen vorzuziehen.

Er würde ihr noch mehr Unangenehmes gesagt haben, wenn es sein Zorn
zugelaßen hätte. Jacobine hörte ihm schmerzlich bestürzt zu; aber da
er sie so erniedrigend behandelte, konnte sie nicht länger an sich
halten. Mit trotzigem Blik sagte sie zu ihm: Ob Sie mir gleich im
gebieterischen Ton sprechen, so sind Sie deßwegen noch lange nicht
befugt, mir Geseze vorzuschreiben; und es macht Ihnen eben keine große
Ehre, daß Sie sich mein Unvermögen und Unglük zu nutz machen. Welches
Recht haben Sie, mir meine Güter zu rauben und mich zur Sclavin zu
machen? Ja! ich habe den Borselle geheirathet, und wenn etwas vermögend
wäre, mich es bereuen zu laßen, so wären es die Leiden, die ich ihm
dadurch zugezogen habe. Schwärzen Sie sich immer damit, daß Sie ihn
Ihrem Ehrgeiz aufopfern. Es wird das Maaß Ihrer Ungerechtigkeiten voll,
und Sie vollends abscheuungswürdig machen. -- Ja! Ja! antwortete der
Herzog, ich werde der Nachkommenschaft ein Beispiel geben; denn man
soll nicht von mir sagen, daß ich einen Menschen, der die ersten Häuser
Europens beschimpfet hat, ungestraft laße. Hierauf entfernte er sich,
und verließ die erschrokene Jacobine im tiefsten Schmerz versenkt.


So leicht als er es wollte glauben machen, war es doch dem Herzog
von Burgund nicht, den Borselle seiner Rache aufzuopfern. Dieser
Edelmann war durchgehends geachtet und beliebt, auch war Jacobine in
den Jahren, in welchen sie von ihrem Thun und Laßen keine Rechenschaft
mehr zu geben hatte. Es war leicht einzusehen, daß nur die Furcht
Jacobine möchte Leibeserben bekommen, den Herzog zu diesem blutgierigen
Entschluß reizte. Da nun Jacobine dieß alles wohl überlegte, war sie
minder in Verlegenheit.[N]

Sie bediente sich der Vermittelung des Grafen von Meurs, durch diesen
versprach der Herzog von Burgund, daß wenn Jacobine auf alle ihre
Gerechtsame Verzicht thun würde, so wollte er sie und den Borselle in
Friede laßen.[O] Die dringenden und traurigen Umstände, darinn sich
Jacobine befand, und einen Gemal, den sie zärtlich liebte, zu retten,
nöthigten sie, dieße harte Bedingniß einzugehen. Sie entsagte also zu
Gunsten des Herzogs von Burgund allen ihren Staaten,[P] und man sahe
dieße große Fürstin, und rechtmäßige Erbin so beträchtlicher Länder, in
die äuserste Dürftigkeit versezt.

Borselle wurde hierauf seiner Gefangenschaft entlaßen. Jacobine
empfieng ihn mit der nehmlichen Zärtlichkeit, als ob sie gar nichts
zu seiner Befreiung aufgeopfert hätte. Beim ersten Anblik sagten sie
sich einander die rührensten Sachen. Borsellens Herz strömte aus
Erkänntlichkeit über; und Jacobine, die sich nun für die glüklichste
Person auf der Welt schäzte, beeiferte sich, ihm ihre zärtliche
Liebe noch mehr zu zeigen. Durch die Bemühungen ihrer beiderseitigen
Freunde wurde der Herzog von Burgund nach und nach besänftiget. Er
warf seiner Nichte einen Gehalt aus, der aber in Betracht deßen,
was er ihr entrissen hatte, gering war. Der Borselle erhielt, wegen
seines Bündnisses mit verschiedenen hohen Fürstenhäuser, den Orden des
goldenen Vliesses. Dieser liebte, oder vielmehr verehrte seine Gemalin
von Tag zu Tag mehr, und Jacobine schäzte ihn eben so. Allein da ihr
Leben mit so vielen und anhaltenden Verdrißlichkeiten verwebt war; so
konnte es nicht anderst sein, als daß ihr Körper sehr geschwächt wurde,
und dieses verursachte ihren frühzeitigen Tod, der dann 1436, sechs
Jahre nach der Zeit, als sie den lezten Vergleich mit dem Herzog von
Burgund eingegangen war, der nun in dem ruhigen Besiz aller der Länder,
die er ihr entrissen hatte, blieb, erfolgte.



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Fußnoten:


[A] Seine merkwürdigste Handlung war, daß er 1425 die Universität zu
Löwen stiftete.

[B] Zu dieser abscheulichen That bediente er sich eines Normänischen
Edelmanns, Namens Raoul d’Ocquetonville, der dem Herzog aufgelauert
hatte, und ihn überfiel, da er eben zu Pferd und nur von zwei Bedienten
begleitet von einem Besuch von der Königin, die in den Wochen lag,
zurük kam.

[C] Diese Schwachheit, oder vielmehr Wahnsinn des König Karls, rührte
von folgenden Ursachen her: da ihm im Aug. 1392. als er unter Wegs
nach Britannien war, entstandene Unruhen daselbst zu stillen, die
Sonne sehr heiß auf das Haupt schien, bekam er den ersten Anfall von
Unsinn; das Uebel vermehrte sich durch den Schrecken, dem ihm ein
unbekannter, hagerer und elend verstellter Mensch verursachte, der
sich ihm näherte, sein Pferd in den Zaum griff, und ihn mit den Worten
anredete: _Bleib zurück König, wo willst Du hin? Du bist verrathen_,
und gleich verschwand. Und da endlich zum Unglück ein auf dem Pferd
eingeschlafener Edelknabe seine Lanze auf einen vor ihm hergetragenen
Helm fallen lies, glaubte der König man wollte ihn seinen Feinden
überliefern und bekam eine so heftige Wuth, daß er in eine Ohnmacht
fiel und in derselben drei Tage lang liegen blieb. Hierauf hatte er
sich wieder ziemlich erholet, allein, da man, um ihn zu zerstreuen, das
folgende Jahr, den 29ten Jenner, einen vermumten Ball veranstaltete und
ein mit Pech bestrichenes Gewand sich auf demselben entzündete, wodurch
er in Gefahr zu verbrennen gesezt wurde, verfiel er auf das neue in
Raserei. Hieran war die Unvorsichtigkeit des Herzogs von Orleans
schuld, der mit einer brennenden Fackel einigen Personen, die als wilde
Männer verkleidet waren, um sie zu erkennen, zu nahe kam.

[D] 1412. Bemächtigte er sich der Person des Königs, führte ihn vor
Bourges, wo eine Anzahl Grossen des Reichs eingeschlossen waren, die
zu einem Vergleich gezwungen wurden. Nach diesem verbündete sich der
Herzog näher mit der Königin, und vermehrte dadurch die Zerrüttung im
Reich. Denn unter dem Vorwand der königlichen Gewalt und Befehle lies
er den 18ten Juni 1418. den Kanzler und mehrere Grossen des Reichs,
die ihm entgegen waren, umbringen, und verübte überhaupt unerhörte und
die Natur empörende Grausamkeiten in Paris. Allein das folgende Jahr
erhielt er den verdienten Lohn dafür; denn Sontags den 10ten Sept.
wurde er zu einer Unterredung von dem Dauphin auf die Brücke Monterrau
gelockt, und daselbst durch einen alten Diener des ermordeten Herzogs
von Orleans, Namens Tanegui du Chastel umgebracht.

[E] Da die Neigungen dieser beiden Frauen in vielem gleich war, so ist
an deren gegenseitigen Freundschafts-Bezeugungen nicht zu zweifeln.
Isabella, Karls Gemahlin, war die Tochter Herzog Stephans II. von
Baiern, und diese Fürstin, die mit ihrem Bruder Ludwig dem Bärtigen,
Grafen von Mottagne beständige Unruhen in Frankreich erregte, konnte
man eine wahre Geissel des Staats nennen. In wie weit ihr die Gräfin
von Hennegau mit ihren Intriguen gleich kam, wird der Verfolg lehren.

[F] Dieser Johann von Baiern war überhaupt ein sehr haabsüchtiger
und unbarmherziger Fürst. Ob er gleich als Bischoff zu Lüttig lange
Zeit regieret hatte, war er doch nie Priester. Die Lüttiger, die
gerechte Beschwerden gegen ihn hatten, empörten sich, und hielten ihn
in Mastricht eingeschlossen, von wo er, durch Hülfe des Herzogs von
Burgund (wie schon gesagt worden) befreiet wurde. In dem 1409. mit
seinen Unterthanen gehaltenen Treffen, wurden 36000 derselben getödtet,
die übrigen beredete er, unter dem Versprechen einer gänzlichen
Verzeihung, zum Vergleich; allein kaum hatte er die Stadt Lüttig wieder
in Besiz, so lies er eine grosse Anzahl Einwohner, unter dem Vorwand,
daß sie die Rädelsführer, und daher nicht unter diejenigen, die er
begnadigt habe, begriffen sein, ganz unbarmherziger Weise ertränken und
sonst hinrichten.

[G] Welche Ränke braucht ein verlarvter Bösewicht zu einem
erniedrigendem Geschäft nicht! Zu unsern Zeiten, brauchen die, zu
Ausschweifungen der Art geneigte Fürsten dergleichen Hülfe nicht:
sie wissen sich selbst zu rathen; wäre es aber nöthig, so würden sie
bereitwillige Höflinge zu Unterhändlern genug finden.

[H] Obgleich der Friede zwischen Heinrich von England und Karl VI. von
Frankreich den 20ten Junii, 1420. zu Troyes geschlossen war; vermöge
welchem Heinrich, nach Absterben König Karls, zum Nachfolger des
französischen Reichs erkannt wurde, und nach der Einnahme verschiedener
Oerter, die es mit dem Dauphin gehalten hatten, die beiden Könige
den ersten Advents-Sonntag ihren Einzug in Paris hielten, wurde doch
der Krieg nicht beendiget. Der Dauphin, unzufrieden mit dem für ihn
so nachtheilig geschlossenen Frieden, der ihn von der Nachfolge im
Reich ausschloß, verstärkte seinen Anhang. Hierdurch wurde Frankreich
in zwei Partheien getheilet, und man sahe damals in demselben zwei
Könige, zwei Königinnen, zwei Kronregenten, doppelte Kronbediente,
doppelte Parlementer, kurz alles war wegen der Spaltung in diesem
Reich zweifach. Die Unruhen auf einmal zu beendigen gieng Heinrich
nach England, um neue Völker zu sammlen. Mit beträchtlicher Macht kam
er zurück, mit dem Vorsaz dem Dauphin ein entscheidendes Treffen zu
liefern; allein dieser wich ihm überall aus. Er belagerte und eroberte
Dreux, während welcher Belagerung ihm ein Einsiedler soll prophezeiet
haben, daß er wegen seiner Ehrsucht das Königreich Frankreich
unrechtmässiger Weise an sich zu bringen, mit einer abscheulichen
Krankheit, vom Himmel würde heimgesucht und bestraft werden. Er
verlachte diese Weissagung. Dem sei wie ihm wolle, so wurde er doch
einige Monate drauf zu Senlis krank. Sein Uebel waren Feigwarzen. (Mal
de St. Fiacre) Ohne sich vor den Folgen dieser Krankheit zu fürchten,
lies er sich in einer Sänfte nach Vincennes bringen, woselbst er aber
am 31. Aug. des 1422. Jahrs seinen Geist im 36ten Jahr seines Alters
aufgab. Kurz vor seinem Ende verordnete er seinem unmündigen Sohn
Heinrich, der erst neun Monat alt war, die Herzoge Johann von Bedford
und Humphrei von Glocester, (der Held in dieser Geschichte) seine beide
Brüder zu Vormündern; und befahl, daß der erste in Frankreich und der
andere in England Regent sein sollte.

[I] Da hier die Rede von zwei Päbsten ist, die in der damaligen grossen
Kirchenspaltung zugleich gelebt und um gleiche Vorrechte gebuhlet
haben; so wird es wohl hier der schicklichste Platz sein, den kurzen
Lebenslauf derselben anzuführen. Der Leser wird hiernach von selbsten
urtheilen, welcher von beiden den gültigsten Beruf gehabt haben mag?
ein Fall der zu unsern Zeiten schwerlich mehr entstehen wird, jedoch
zur Sache: Peter de la Lune, ein Spanier aus dem Königreich Aragonien,
erhielt vom Pabst Gregor XI. im Jahr 1375. den Kardinalshuth; nach
1378. erfolgtem Tod dieses Pabsts, trug er nicht wenig bei, daß Clemens
VII. zum Nachtheil Urbans V. der schon in Rom auf dem päbstlichen
Stuhl saß, erwählet ward, wodurch die schon in der Kirche herrschende
Zwietracht vermehret wurde. Oefters sprach er dennach mit verstelltem
Eifer von dieser Spaltung, verwünschte alle Zwietracht und versicherte,
daß wenn er an einer der Päbste Stelle wäre, würde er sich alle Mühe
geben und allem entsagen, um die Gläubigen wieder unter ein Haupt zu
vereinigen. Allein der Erfolg zeigte bald, daß er nur unter diesem
heuchlerischen Friedenseifer hochmüthige und ehrsüchtige Absichten
verbarg. Denn als Clemens 1394. zu Avignon starb, stellten die
damals zur Wahl anwesenden Kardinäle, unter deren Zahl er war, eine
schriftliche Versicherung aus, daß derjenige unter ihnen, den die
Wahl treffen würde, wenn es das ganze Collegium für gut finden würde,
der Spaltung dadurch ein Ende zu machen, dem päbstlichen Stuhl wieder
freiwillig entsagen sollte. Es konnte daher nicht fehlen, daß die Wahl
einstimmig auf ihn fiel, bei welcher er den Nahmen Benedickt XIII
annahm. Da er aber nun seinen Entzweck erreichet hatte, wollte er von
allem was er zuvor versprochen und sich anheischig gemacht hatte,
nichts wissen. Der König von Frankreich, verschiedene Häupter Europens,
der französische Klerus und andere mehr, gaben sich alle erdenkliche
Mühe, ihn zur Erfüllung seines Versprechens, damit die Einigkeit in
der Kirche dadurch wieder hergestellet würde, zu bewegen. Allein es
war tauben Ohren gepredigt; sein Ehrgeiz lies es nicht zu; gab er auch
einmal einige Hoffnung, so war es nur um Zeit zu gewinnen, und um desto
wiedrigere Maasregeln nehmen zu können, nach welchen er endlich die nur
auslachte die ihm von freiwilliger Abtretung ferner sprachen. Anfangs
hielt man ihn in Avignon gefangen, er fand aber Gelegenheit 1402.
von da verkleidet zu entweichen, und auf das Schloß Reinard in der
Provence zu flüchten, wo er eine geringe Anzahl Völker antraf, die ihm
zur Leibwache dienten. Auf dem Konzilium zu Pisa wurde er 1409. nebst
Gregor XII. als Schismatiker und Eidbrüchiger, des Päbstlichen Stuhls
verlustig erklärt, worauf den 26ten Juni die Kardinäle ins Conclave
giengen, und Alexander V. an deren Stelle erwählten. Allein Benedickt
kehrte sich hieran nicht, sondern seine Würde zu behaupten und sich
neue Anhänger zu verschaffen, da die Kardinäle alle, die ihn erwählt
hatten, von ihm gewichen waren, ernannte er verschiedene neue. Ob er
nun gleich 1417. von der Kirchenversammlung zu Costanz in den Bann,
gethan und abgesezt wurde, so gaben sich dennoch Europens Monarchen
die Mühe, ihn zum freiwilligen Verzicht unter den vortheilhaftesten
Bedingnissen zu bereden; allein ihre Bemühungen waren auch fruchtlos.
Da er sich endlich von jedermann verlassen und verabscheuet sahe, begab
er sich, nebst zwei ihm treu gebliebenen Kardinälen nach Paniscola,
einer geringen Stadt im Königreich Valenzia, wo er 1424. starb. Dreisig
Jahr hatte er in der Kirchenspaltung verlebt, die er auf seinem
Sterbebette, so wie die Zwietracht boshafter Weise nach seinem Tode,
dadurch noch weiter nähren wollte, daß er die zwei zugegen gewessenen
Kardinäle zwang, an seine Stelle einen Kanonicus zu Barcellona unter
dem Namen Klemens VIII. zu erwählen.

Sein Gegner Martin III. aus dem Hausse Colonna, wurde, nachdem Gregor
XII. dem Päbstlichen Stuhl freiwillig entsagt hatte, und die Mitpäbste
Johann XXIII. und Benedickt XIII. von der Kirchenversammlung zu
Costanz abhgesezt waren: auf eben dieser Versammlung 1417. zum Pabst
erwählet und daselbst gekrönet. Die versammelten Kirchenväter wollten
hierdurch der ärgerlichen Spaltung, die nun schon vierzig Jahre in der
Kirche gedauert hatte, ein Ende machen. Sie beschlossen daher diese
Wahl nur durch die anwesenden Kardinäle, mit Zuziehung dreisig theils
Prälaten theils andern Geistlichen, die aus verschiedenen Staaten auf
der Versammlung waren, vorzunehmen. Sie erfolgte auf dem Rathhauß zu
Costanz. In der 42ten Sitzung, so wie bei allen folgenden, hatte der
neue Pabst den Vorsitz, worinnen er sich durch seine Beredsamkeit
alle Mühe gab die Eintracht in der Kirche wieder herzustellen. Ein
Beweiß, daß sein Vorsatz aufrichtig war, ist dieser: daß er, nach
Absterben Gregors, den abgesezten Pabst Johann sehr liebreich aufnahm,
und ihn zum Dechant des Kardinalkollegiums ernannte, ihm auch in
solchem einen erhabenern Sitz, als der andern Kardinäle ihrer war, zum
Unterscheidungszeichen anwies. Seine Bemühungen aber, Benedickt zu
gewinnen, waren eben so fruchtlos, wie die der andern Mächte, wovon
schon gesagt worden? nur von Alphonsus König von Aragonien war er noch
unterstüzet. In der 44 Sitzung zu Constanz wurde beschlossen, eine
anderweitige Versammlung für das Jahr 1423. nach Pavia zu berufen,
die aber wegen der daselbst herrschenden Pest das folgende Jahr zu
Sienna gehalten wurde. Dahin sandte Alphonsus einen Bevollmächtigten
mit ansehnlichen Geschenken und grossen Versprechungen, um der
Sache Benedikts eine andre Wendung zu verschaffen, und Martin vom
päbstlichen Stuhl zu vertreiben: Allein der gleich darauf erfolgte
Tod Benedikts machte diesem Zwist ein Ende; denn auf die Wahl, die
Benedikt bei seinem Tode, auf Veranlassung Alphonsus, angestellt hatte,
wurde keine Rüksicht genommen; auch entsagte der dabei ganz ungültig
erwählte Clemens dem päbstlichen Stuhl freiwillig. Dieses bewog den
Pabst Martin, daß er demselben das beträchtliche Bisthum von Majorqua
übertrug. Und hierdurch hörte die während 51. Jahre in der römischen
Kirche gedauerte Spaltung ganz auf, welches man den klugen Bemühungen
Martins zu verdanken hatte.

[J] Was vermag eine rachsüchtige Buhlschwester nicht! und welch Unglük
entstehet nicht oft in einem ganzen Lande durch das teufelische
Einblasen einer Beischläferin? Doch Dank sei es unsern aufgeklärtern
Zeiten! Kein Blutbad, wie damals wird mehr darauf erfolgen. Denn so
kleine Geister, wie der Herzog von Brabant war, der, ausser seinem
schwachen Verstand, doch gutmüthig genug gewesen sein würde, seine
Gemalinn nicht weiter zu verfolgen, giebt es unter den Grossen nicht
mehr. Thut ja eine Beischläferin noch einigen Schaden, so ist es nur
an Einzeln und an denen, die nicht niederträchtig genug sind, zu ihrer
Fahne zu schwören; der ganze Staat wird aber deswegen nicht zerrüttet.

[K] Dieser Ausdruk ist ein Wortspiel, das auf den Familien Name (de la
Lune) des Pabsts Benedikts, bezug hat.

[L] Natürlicher Weise konnte sich Jacobine wenig von dieser Hülfe
versprechen; denn ausserdem wie schon gesagt worden ist, der Herzog
von Bedford ein leiblicher Schwager des von Burgunds war, muste jener
diesen besonders schonen. Da er um seines Vaters Mord zu rächen,
zur Englischen Partie getreten und die Waffen gegen sein Vaterland
ergriffen hatte, war zu befürchten, daß wenn der Herzog von Bedford
eifrig in ihn sezen wollte, er diese Partei verlassen, und sich zum
Nachtheil Englands mit dem König von Frankreich vergleichen dürfte,
wie er denn auch schon oft solches gedrohet hatte. Wäre aber dieses
erfolgt, so hätte sich die Englische Partei unmöglich in Frankreich
erhalten können. Da sich in der Folge mehrere Gelegenheit finden wird,
von dem Herzog von Burgund zu reden, so wird es nicht undienlich
sein, hier einen Biographischen Auszug von ihm zu geben. Philipp III.
Herzog von Burgund &c. war ein Sohn des zu Paris ermordeten Herzogs
Johann von Burgund, wie anderwärts schon gesagt worden. Er ward 1396.
Zu Dijon gebohren. Seines Vaters Tod zu rächen ergrif er 1420. die
Waffen gegen sein Vaterland, und schlug sich zur Englischen Partei.
Hierdurch wurde er sehr mächtig; und da er nirgends Wiederstand fand,
verbreitete er zu Ende der Regierung Carls VI. und Anfangs der von
Carl VII. in Frankreich überall Furcht, Schreken und Verwüstung. 1421.
lieferte er die berühmte Schlacht bei Mons in der Picardie, in welcher
er den Dauphin aufs Haupt schlug, und dadurch das Elend im Vaterland
vermehrte. Endlich verlies er 1435. die Englische Partei, und gieng mit
dem König von Frankreich einen Vergleich ein, welches er auch mit dem
Herzog von Orleans that. Dem ohnerachtet behielt er gegen Carl VII.
beständig heimlichen Haß, welchen er dadurch bewies, daß er seinem Sohn
dem Dauphin, nachmalig König Ludwig XI. Zuflucht in seinen Staaten
verstattete. Er war es der den 19. Jenner 1430. den Orden des güldenen
Vließes stiftete, der verschiedene andere milde Stiftungen errichtet,
und fast die siebenzehen Provinzen der Niederlande vereiniget hatte. Er
starb zu Brügge den 15. Julii 1467. und hinterlies von drei Gemalinnen,
die er gehabt hatte, nur einen Prinzen, Carl den Verwegenen, der ihm in
der Regierung seiner Staaten folgte, dagegen aber fünfzehen natürliche
Kinder, die er von verschiedenen Beischläferinnen erzeugt hatte.

[M] In der Familie der Grafen von Brederode hat es von jeher nicht
an berühmten Männern gefehlet, unter welchen aber folgende die
merkwürdigsten sind. Heinrich von Brederode war ein Haupt der
Protestantischen Verschwöhrung in den Niederlanden. 1567. überreichte
er der damaligen Gouvernantin Margaretha von Parma verschiedene Denk-
und Bittschriften, in welchen er, als aus dem Hauße der Grafen von
Brabant entsproßen, sein Recht gegen das Hauß Burgund, das diese
Grafschaft in Besiz hatte, suchte geltend zu machen. Da sich aber bald
hernach die Umstände änderten, gieng er mit seiner ganzen Famille, und
allem was er nur fortbringen konnte, zu Wasser nach Embden, und von da
aus nach Deutschland, wo er bald darauf vor Verdruß starb. Seine Wittwe
die eine Gräfin von Meurs, und eine der herzhaftesten Frauen damaliger
Zeit war, vermählte sich nachher mit dem Churfürsten von der Pfalz.
Lancelot von Brederode aber, gleichfals ein Haupt der Verschwornen,
wurde 1573 nach der Einnahme von Harlem, davon er Kommandant war,
und sich muthig vertheidigt hatte, nebst den öbersten Offiziers der
Besazung, auf Befehl des Herzogs von Alba enthauptet.

[N] Nicht allein diese Furcht, sondern noch ein ganz anderer Beweggrund
veranlaßten den Herzog von Burgund, seine Rache aufzuschieben. Der
Englander Angelegenheiten in Frankreich, mit denen er in Bündniß
stand, fiengen an für ihn nachtheilig zu werden. Es war 1429 da
die berüchtigte Jeanne d’Arc, oder das Mädchen von Orleans, deren
Geschichte, ob gleich schon viel darüber geschrieben worden, jezt noch
ziemlich problematisch ist, zu Frankreichs Rettung auf den Schauplaz
trat. Die Engländer fiengen an, Mißtrauen in den Herzog von Burgund
zu sezen. Trennten sich nun die Engländer ganz von ihm, so muste er
befürchten, daß Jacobine als Gräfin von Holland und Zeeland Hülfe
von ihnen erhalten dürfte. Merkwürdig ist es indeßen, daß Jacobine
die Befreiung ihres Gemals gewißer maßen obiger französischen Heldin
verdanken konnte.

[O] Es war dem Herzog von Burgund um so viel mehr an Vollziehung des
Vergleichs gelegen, weil eben der lezte Herzog von Brabant, Philipp
Graf von S. Paul, Jacobinens Schwager ohne rechtmäßige Leibeserben
mit Tode abgegangen war, und er sich also auch den gewißen Besiz des
Herzogthums Brabant zusichern wollte.

[P] Der Herzog von Burgund hatte nun seinen Endzwek erreichet, und
durch Jacobinens Verzicht, die dem Hauße Baiern in den Niederlanden
noch zugehörigen Länder, an sich gebracht. Da er bei seinem Tod nur
einen Sohn, -- wie schon gesagt worden ist -- Carl den verwegenen
hinterließ, und dieser, der 1477. vor Nanzig blieb, keine männliche
Erben, sondern nur eine Prinzeßin Maria, die an den Erzherzog von
Oestreich, nachherigen Kaiser Maximilian, vermälet war, hinterlaßen
hatte, brachte diese die reiche Erbschaft ihres Vaters dem Hauße
Oestreich zu, das denn würklich noch gegenwärtig einen beträchtlichen
Theil davon, wie bekannt ist, besizt.





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