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Title: Körperpflege durch Gymnastik, Licht und Luft
Author: Jaerschky, Paul
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Körperpflege durch Gymnastik, Licht und Luft" ***


  Anmerkungen zur Transkription

  Kursiver Text im Originalwerke wird hier durch _Text_ dargestellt,
  Antiqua Text durch ^Text^, gesperrter Text durch ~Text~,
  unterstrichener Text durch #Text# und fett gedruckter Text durch
  =Text=.

  Weitere Anmerkungen befinden sich am Ende dieses Textes.



  Verlagsbuchhandlung

  Ernst Heinrich Moritz in Stuttgart.

  #Wie urteilt die medizinische Presse über die Bibliothek der
  Gesundheitspflege?#

  =Deutsche Ärztezeitung:= Es gibt wohl so manchen Arzt, der von seinen
  Klienten um Angabe eines derartigen gedruckten Ratgebers angegangen
  wird. Wir möchten unsere Leser in diesem Falle auf das vorliegende
  Unternehmen aufmerksam machen.

  Es sind prächtige Büchlein, die ihren Zweck, hygienische Lehren und
  hygienisches Leben ins Volk hineinzutragen in ganz ausgezeichneter
  Weise erfüllen. ~Die Klarheit und Uebersichtlichkeit der Anordnung des
  Stoffes, die Einfachheit und Verständlichkeit der Sprache, die
  vorzüglichen Abbildungen, der~ =geradezu lächerlich billige Preis= und
  =^last not least^ auch die Namen der Herren Autoren= ~bürgen dafür~.
  -- Diese Bücher sind unsere besten Adjutanten im Kampfe gegen
  Aberglauben und Kurpfuscherei aller Art!

  =Wiener medizinische Presse:= Autoren und Verleger der Bibliothek der
  Gesundheitspflege verdienen uneingeschränktes Lob!

  =Der ärztliche Mitarbeiter der „Zeit”=, Herr ^Dr.^ =Steiner-Wien=:
  „Ich halte es für eine Pflicht der Journalistik, das Publikum auf Ihr
  gediegenes Unternehmen hinzuweisen”.

  =Bayer. ärztl. Korrespondenzblatt:= ... Die Empfehlung derartig guter
  Bücher an weitere Kreise ist Pflicht des Arztes.

  =Württembergisches medizinisches Korrespondenzblatt:= Wir halten es
  für eine Pflicht der medizinischen Presse, auf das Unternehmen
  hinzuweisen, da gerade die Aerzte viel dazu beitragen können,
  diejenigen Personen, für die die Bücher bestimmt sind, auf diese
  Erscheinungen hinzuweisen.

  =Münchner medizinische Wochenschrift:= Die Bücher sind mit
  ~wissenschaftlichem Ernst, allgemein verständlich~ und sehr
  ansprechend geschrieben. Sie erfüllen ihren Zweck ganz vorzüglich,
  unserem Volke die wichtigen Lehren der persönlichen Hygiene zugängig
  zu machen und dasselbe dadurch vor Störungen der Gesundheit und des
  Erwerbes zu bewahren.


  Bibliothek der Gesundheitspflege

  herausgegeben von † Prof. Dr. =Hans Buchner=, Geheimrat Prof. Dr. =Max
  Rubner=, Obermedizinalrat Dr. =F. Gussmann=.

  [Abbildung]

  1. =Aufgaben, Zweck und Ziel der Gesundheitspflege= von =Geh.
  Medizinalrat Prof. Dr. Orth=. Brosch. 80 Pfg. Eleg. geb. M. 1.--.

  2. =Bakterien, Infektionskrankheiten und deren Bekämpfung= von =Hofrat
  Prof. Dr. Schottelius=. 237 Seiten, 33 Abb., darunter 24 teils farbige
  Kunstdrucke auf Tafeln. Brosch. M. 2.50. Eleg. geb. M. 3.--.

  3. =Gesundheitspflege im täglichen Leben= von =Prof. Dr. Grawitz=. 154
  Seiten. Brosch. 80 Pfg. Geb. M. 1.--.

  4. =Hygiene des Auges im gesunden und kranken Zustande= von =Dozent
  Dr. v. Sicherer=. 130 Seiten mit vielen Abbildungen. Brosch. M. 1.20.
  Geb. M. 1.50.

  5. =Hygiene des Ohres im gesunden und kranken Zustande= von =Prof. Dr.
  Haug=. 104 Seiten mit 3 Tafeln. Brosch. 80 Pfg. Eleg. geb. M. 1.--.

  6. =Hygiene der Nase, des Rachens und des Kehlkopfes im gesunden und
  kranken Zustande= von =Dozent Dr. Neumayer=. 160 Seiten mit 3 Tafeln.
  Brosch. M. 1.20. Geb. M. 1.50.

  7. =Hygiene der Zähne und des Mundes im gesunden und kranken Zustande=
  von =Prof. Dr. Port=. 94 Seiten mit 2 Tafeln und 6 Abbildungen.
  Brosch. 80 Pfg. Geb. M. 1.--.

  8. =Hygiene der Lunge im gesunden und kranken Zustande= von =Hofrat
  Prof. Dr. v. Schrötter=. 140 Seiten mit 17 Originalabbildungen.
  Brosch. M. 1.60. Geb. M. 2.--.

  9. =Hygiene der Nerven und des Geistes im gesunden und kranken
  Zustande= von =Prof. Dr. Forel=. 282 Seiten mit 6 Tafeln und 8
  Textabbild. Brosch. M. 2.50. Geb. M. 3.--.

  10. =Hygiene des Magens, des Darms, der Leber und der Niere im
  gesunden und kranken Zustande= von =Geh. Medizinalrat Prof. Dr.
  Ewald=. 136 Seiten mit 6 Illustrationen. Brosch. M. 1.20. Geb. M.
  1.50.

  10^a^. =Hygiene des Stoffwechsels im gesunden und kranken Zustande=
  von =Prof. Dr. Dennig=. 90 Seiten. Brosch. M. 1.20. Geb. M. 1.50. --
  Das Buch behandelt: ~Fettsucht~, ~Gicht~, ~Zuckerkrankheit~,
  ~Rachitis~, ~Knochenerweichung~ etc.

  10^b^. =Hygiene des Blutes und der Blutgefässe im gesunden und kranken
  Zustande= von =Medizinalrat Dr. Walz=. Erscheint 1905.

  11. =Hygiene des Herzens im gesunden und kranken Zustande= von =Prof.
  Dr. Eichhorst=. 94 Seiten mit Abbildungen. Brosch. M. 1.20. Geh. M.
  1.50.

  12. =Hygiene der Haut, Haare und Nägel im gesunden und kranken
  Zustande= von =Dozent Dr. Riecke=. 200 Seiten. Mit 17 Originalabbild.
  Brosch. M. 1.60. Geb. M. 2.--.

  13. =Hygiene des Geschlechtslebens= von =Hofrat Prof. Dr. Gruber=. Mit
  2 farbigen Tafeln. Brosch. M. 1.20. Geb. M. 1.50.

  14. =Entstehung und Verhütung der menschlichen Missgestalt= von =Prof.
  Dr. Lange= und =Dozent Dr. Trumpp=. 120 Seiten mit 125 Abbildungen.
  Brosch. M. 1.60. Geb. M. 2.--.

  15. =Säuglingspflege und allgem. Kinderpflege= v. =Dozent Dr. Trumpp=.
  119 S. mit 5 Abb. Brosch. 80 Pfg. Geb. M. 1.--.

  15^a^. =Körper- u. Geistespflege im schulpflichtigen Alter= von
  =Dozent Dr. Trumpp=. 149 S. Brosch. 80 Pfg. Geb. M. 1.--.

  16. =Entstehung u. Verhütung von Krankheiten vor, während u. nach dem
  Wochenbett= von =Dozent Dr. Schaeffer=. 122 S. mit 8 Abb. Brosch. 80
  Pfg. Geb. M. 1.--.

  16^a^. =Ursachen u. Verhütung von Frauenkrankheiten= von =Dozent Dr.
  Schaeffer=. 94 Seiten mit 21 Abbildungen. Brosch. M. 1.20. Eleg. geb.
  M. 1.50.

  17. =Körperpflege durch Gymnastik, Licht u. Luft= von =Dr. Jaerschky=.
  138 S. m. 42 Ill., darunt. 16 ganzseit. farb. Kunstdr. Brosch. M.
  1.60. El. geb. M. 2.--, mit Übungstaf. (80 Pf. apart).

  18. =Körperpflege durch Wasseranwendung= von =Prof. Dr. Rieder=. 202
  Seiten mit 8 Tafeln und 20 Textabbildungen. Brosch. M. 1.60. Eleg.
  geb. M. 2.--.

  19. =Hygiene der Kleidung= von =Generaloberarzt Prof. Dr. Jaeger=. Mit
  vielen Abbildungen. Erscheint 1905.

  20. =Unsere Nahrungsmittel und die Ernährung= von =Geh. Medizinalrat
  Prof. Dr. Rubner=. 116 Seiten mit vielen Tabellen. Brosch. M. 1.20.
  Eleg. geb. M. 1.50.



  Körperpflege
  durch
  Gymnastik, Licht und Luft

  von

  Dr. med. Paul Jaerschky
  Berlin.

  Mit 42 Abbildungen.

  [Abbildung]

  Stuttgart
  Ernst Heinrich Moritz.
  1905.


Alle Rechte, einschließlich des Uebersetzungsrechts vorbehalten.

Druck von Carl Schnabel in Ludwigsburg.


[Abbildung: IL DORIFORO DI POLICLESO

~Motto~: Als vollkommenster Mann der Schöpfung gilt mir einer, der mit
derselben Hand die Iphigenie schreibt und bei den olympischen Spielen
sich die Siegerkrone aufs Haupt setzt.

  ~Euripides~.]



Inhalts-Verzeichnis.


                                                                   Seite

  Einleitung.                                                          7


    I. Teil: Wert der Leibesübung für die einzelnen Körperorgane und
       für den gesamten Organismus:
       1. Wirkung der Leibesübung auf die ~Muskeln~                    9
       2. Wirkung der Leibesübung auf die ~Knochen~                   14
       3. Wirkung der Leibesübung auf ~Blut~- und ~Lymphgefäßsystem~  20
       4. Wirkung der Leibesübung auf die ~Atmungsorgane~             30
       5. Wirkung der Leibesübung auf das ~Nervensystem~              45
       6. Wirkung der Leibesübung auf den ~Verdauungsapparat~         52
       7. Wirkung der Leibesübung auf den den ~Geschlechtsapparat~    52
       8. Wirkung der Leibesübung auf den ~Stoffwechsel~ und die ~
          Wärmeregulation~                                            53
       9. Wirkung der Leibesübung auf die ~Sinnesorgane~              56

   II. Teil: Wert einiger besonderer Arten der Bewegung:
       (Passiv-, Aktiv-, Widerstands-, Selbsthemmungs- und
       Förderungs-Bewegung)                                           61

  III. Teil: Wert der Sportübungen, des Turnens, von Spiel und Tanz:
       1. ~Der Sport~                                                 66
          ^a^) Das ~Reiten~                                           68
          ^b^) Das ~Radfahren~                                        69
          ^c^) Das ~Rudern~ und ~Segeln~                              72
          ^d^) Das ~Schwimmen~                                        73
          ^e^) Das ~Gehen in der Ebene~ und das ~Bergsteigen~         73
          ^f^) Das ~Schlittschuh~- und ~Schneeschuh-Laufen~           74
          ^g^) Das ~Fechten~, ~Boxen~ und ~Ringen~                    75
       2. ~Turnen~ und ~Turnspiele~                                   76
       3. ~Der Tanz~                                                  80

   IV. Teil: Körperpflege in den verschiedenen Altersstufen           82

    V. Teil: Körperpflege durch Licht und Luft:
       1. ~Physikalische Eigenschaften des Lichtes~; ~Einfluß auf
           Pflanzen~, ~Bakterien~ und den ~tierischen Organismus~     84
       2. ~Einfluß des Lichtes auf den gesunden Menschen~             87
       3. ~Einfluß des Lichtes auf den kranken Menschen~              90
          ^a^) Das Sonnenbad                                          91
          ^b^) Das elektrische Lichtbad                               92
          ^c^) Das konzentrierte Sonnen- und elektrische Licht        98
          ^d^) Das farbige Licht                                     102
          ^e^) Röntgen- und Becquerelstrahlen                        102
          ^f^) Blondlot-Strahlen                                     104
       4. ~Die Luft in Beziehung zum menschlichen Körper~            105
       5. ~Die Arbeitsleistung der menschlichen Haut~                109
       6. ~Beeinträchtigung der Arbeitsleistung des Hautorgans
          durch die Kleidung~                                        111
       7. ~Welchen Nutzen hat der kranke Mensch vom Luftbade~?       116
       8. ~Das Licht-Luftbad, eine hygienische, soziale und
          ästhetische Forderung~                                     121
       9. ~Die Praxis des Nacktturnens~                              125
          ^a^) Die Notwendigkeit des Nacktturnens                    125
          ^b^) Die Hilfsmittel des Nacktturnens: Massage,
               Wasseranwendungen                                     126
          ^c^) Die hygienische Regelung des ganzen Lebenshaushaltes  127
          ^d^) Lichtluftbadregeln                                    129
          ^e^) Die Aufstellung eines individuellen Bewegungssystems  131

  Anhang:

       1 ~Uebungstafel und Ausführungsanweisung~

       3 ~Uebungstabellen~ für ~Kinder~, ~Frauen~ und ~Mädchen~,
         ~Jünglinge~ und ~Männer~.

  =Diese Uebungstafel mit 24 Figuren und dem dazu gehörigen Texte ist
  incl. der drei Uebungstabellen für Kinder, Mädchen und Frauen,
  Jünglinge und Männer= für 80 Pfg. zu beziehen. Dieselben sind vom
  Buchbinder aufzuziehen und an die Wand zu hängen.



Einleitung.


Körperpflege wird heutzutage in verschiedenster Weise betrieben, da man
zur Erkenntnis gekommen ist, daß in unserer schnell lebenden Zeit bei
dem gesteigerten Verbrauch an Körper- und Geisteskräften dieselbe
dringend benötigt wird. Als Hauptmittel wird dazu das ~Wasser~ in seinen
verschiedensten Formen gebraucht. Ohne den Nutzen des Wassermittels zu
verkennen und ohne seinen hohen Wert schmälern zu wollen, glaube ich
doch, daß man demselben häufig einen zu weiten Raum einräumt. Daß dies
so ist, kommt jedoch nur daher, daß man die ursprünglichen und
natürlichen Pflegemittel des Körpers zu wenig kennt und deshalb zu wenig
bewertet.

~Wir Menschen sind Geschöpfe, die nicht wie die Fische und andere
Wassertiere im Wasser, sondern vielmehr in ihrem natürlichen Element, in
dem Licht-Luftmeer schwimmen und sich bewegen sollen~. Wir haben jedoch
den richtigen Gebrauch des Lichtluftmittels verlernt. Durch unsere
Kultur sind wir mehr und mehr dazu gekommen, daß wir den ganzen Körper
und jeden Teil desselben noch im besonderen möglichst schützen vor der
Luft durch Kleidung, Schuhe, Schirme, Tücher u. s. w.

Ist es da zu verwundern, daß dasselbe Luftmittel, das unseren Körper so
unendlich viel Segen bei richtiger Ausnützung bringen könnte, uns
verderblich wird, sobald wir mit demselben unfreiwillig und überraschend
in Verbindung gebracht werden?

Es ist für den Menschen gut, daß er nicht nur die Vorteile, welche die
Kultur bringt, sondern auch deren Nachteile kennen und dadurch dieselben
vermeiden lernt.

Deshalb muß die heutige Menschheit, um nicht durch die Bekleidungskultur
zu sehr zu leiden, lernen, wie sie sich ~im Rahmen der heutigen Kultur~
den Nutzen der Bewegung im großen Licht-Luftmeer zu eigen machen kann.

Die natürlichsten Mittel zur Körperpflege sind erstens die ~Bewegung,
welche dem individuellen Kraftzustand des Menschen entspricht,
und zweitens das Licht und die Luft in den verschiedensten
Wetterkombinationen~.

Bewegung im nackten Zustand, oder mit dem Worte griechischen Ursprungs
„~Gymnastik~” (von γυμνος = nackt) bezeichnet, ist das beste Zuchtmittel
des Körpers.

Die alten Griechen haben ihren Körper und Geist nicht zufällig, sondern
ganz bewußt nackt geschult; nicht anders liegen die Verhältnisse bei
unseren germanischen Vorfahren.

Den Beweis zu erbringen, daß das ~Nacktturnen~ die ~beste Körperpflege~
ist, und das System des Nacktturnens so zu erläutern, daß es jeder
Mensch, ob Männlein ob Weiblein, ob Kind oder Erwachsener, richtig und
bequem zu gebrauchen weiß, ist der Zweck aller folgenden
Auseinandersetzungen.

Wenn mein Schriftlein dies erreicht und die Menschen zur persönlichen
Kultur anregt, so wird der Wunsch, den Se. Majestät der deutsche Kaiser
auf der Schulkonferenz 1890 aussprach: „~Wir wollen eine kräftige
Generation~”, erfüllt und das deutsche Volk durch vernünftige
Selbstzucht von einem Kultursieg zum anderen schreiten.



I. Teil.

Wert der Leibesübung für die einzelnen Körper-Organe und für den
gesamten Organismus.


Wer den Körper bewegen will, um denselben zu pflegen, muß den Wert
dieser Uebungsbewegungen kennen; nur dann wird er die Leibesübung
~individuell~ verstehen und gebrauchen.


1. Wirkung der Leibesübung auf die Muskeln.

Wir wissen, daß ein Muskel, den wir durch einen Verband bewegungslos
machen, an Muskelfleisch verliert; wir wissen ferner, daß, wenn wir eine
Muskelgruppe besonders stark gebrauchen, dieselbe an Muskelsubstanz
zunimmt z. B. die Wadenmuskulatur des Bergsteigers, die Oberarme der
Schmiede, die Vorderarmmuskulatur der Klavierspieler.

~Dieser Dickenzunahme entspricht die höchste Einzelleistung der
Muskeln~, die durch ~Uebung~ erreicht wird. Gleichzeitig wird aber durch
Uebung eine gewisse Unermüdlichkeit der Muskeln erzielt. Fixiert man z.
B. den Oberarm und läßt nun den Vorderarm Gewichte heben und notiert die
Hubhöhen auf einem rotierenden Zylinder, so findet man, daß die
Höchstleistung nur kurze Zeit geleistet werden kann; damit nun die
Hubhöhe gleich groß bleibt, muß die Belastung stetig vermindert werden,
bis schließlich die kleinste Belastung erreicht wird, bei welcher die
Muskeln stundenlang in demselben Tempo fortarbeiten können. Dieser
~Unermüdbarkeitswert~ wächst durch Uebung ebenso stark wie der Wert der
höchsten Einzelleistung. Und zwar steigt die Tagesleistung (in
Kilogrammeter[1]) ausgedrückt auf das 2½fache. Muskelreize bringen den
Muskel in Tätigkeit; sie wirken wie der Funke, der die im Schießpulver
enthaltenen Spannkräfte zur Explosion frei macht. Oder wie der
Lichtreiz, der unter Explosion, Chlor und Wasserstoff zu Chlorknallgas
vereinigt. Der ~normale physiologische Reiz~, der im täglichen Leben
unsere Bewegungen veranlaßt, ist der ~Willensreiz~. Auch dieser wird
durch Uebung größer, deshalb muß auch die Aeußerung des geübten Willens
eine mächtigere und ausdauerndere sein. In gleicher Weise erzeugen
mechanische, chemische, thermische, elektrische und physiologische Reize
aus den chemischen Spannkräften des Muskels ~Wärme und Arbeit~, d. h. er
verwandelt chemische in physikalische Kräfte. Dabei verändert der Muskel
seine Gestalt, er wird ~kürzer~ und ~dicker~ und zwar desto mehr, je
stärker der wirkende Reiz ist. Entsprechend dem lebhafteren Stoffwechsel
sind die ~Blutgefäße etwas erweitert~. Man darf sich das Festerwerden
des Muskels nicht etwa so vorstellen, als ob er durch Zusammenziehung
den Inhalt seiner Blutgefäße wie einen Schwamm auspreßt. Denn der Muskel
besteht ja zu ¾ aus Wasser, einer Flüssigkeit, die fast gar nicht
zusammengedrückt werden kann. ~Die Gestaltsveränderung der Muskeln ist
aber nicht nur eine augenblickliche, sondern zeigt sich bei dauernder
Uebung in der Muskelmodellierung~, d. h. in der dauernden Dickenzunahme
des Muskelfleisches und in dem Sichtbarwerden der einzelnen
Muskelabschnitte, ihrer Ursprungs- und Ansatzpunkte.

  [1] Kilogrammeter ist dasjenige Maß der Arbeit, welches angibt, daß
  ein Kilogramm ein Meter hoch gehoben wird.

Wichtig ist auch die ~Elastizitätseigenschaft~ der Muskeln; denn da
dieselben in etwas gedehntem Zustande am Skelett befestigt sind, so
suchen sie vermöge ihrer Elastizität zum natürlichen Zustande
zurückzukehren, pressen also die Gelenkenden mit einer gewissen Kraft
zusammen, ~verleihen demnach den Gelenken ihre Festigkeit~ und haben
dadurch die Fähigkeit einander entgegenzuwirken.

~Je stärker ein Muskel vor seiner Tätigkeit gedehnt wird, um so mehr
Kraft entwickelt er~.

Wollen wir demnach kräftige Bewegungen ausführen, so müssen wir zu
denselben ausholen. Wir dehnen zuvor den großen Brustmuskel, indem wir
den Arm etwas nach hinten nehmen, wenn wir den ~Wurf~ mächtig gestalten
wollen. Soll die Wurfbewegung zart und abgemessen sein, so brauchen wir
die der Zusammenziehung vorangehende Vorbereitung der Muskeldehnung
nicht.

Ein ~Springer~ kann, sofern er wirksam springen soll, nicht aus dem
Stande springen, denn der das Körpergewicht emporfedernde große
Streckmuskel des Oberschenkels ist bei gestreckter Haltung des
Standsprunges zusammengezogen. Um ihn zu dehnen, macht man zuvor die
Kniebeuge.

Je härter die Speise ist, die man zu ~beißen~ hat, desto weiter schiebt
man sie nach hinten zwischen die Backenzähne um die Kaumuskeln zu dehnen
und ihre Tätigkeit wirksamer zu gestalten. Um eine weiche Nahrung zu
bearbeiten braucht man die Schneidezähne, so daß man den Mund kaum
öffnen und die Kaumuskeln nur wenig zu dehnen braucht.

Daraus folgt, daß man bei vernünftiger Leibesschulung die Muskeln zur
Erzielung von Höchst-Leistungen so erziehen muß, daß sie mit
Leichtigkeit die volle Dehnungsweite ausnutzen können, man aber auch da,
wo es auf die größte Entfaltung von Kraft nicht ankommt, vielleicht zum
Zwecke einer Dauer- oder Schnelligkeitsleistung sich durch Einschränkung
der Dehnungsweite Reservekraft erhält. Auch das „Federn” des Körpers,
das er beim Sprung aus größerer Höhe gebraucht, ist nur bei einer
bestimmten Muskelelastizität denkbar.

Alle Bewegungen, die wir für gewöhnlich ausführen, sind ~anhaltende
Zusammenziehungen~.

Eine ununterbrochene Arbeit können die Muskeln indeß nicht leisten, weil
sie ~ermüden~. Diese Ermüdung äußert sich zunächst in einem Gefühl der
Schwäche, welches sich allmählig zum Schmerzgefühl steigert; das Gesicht
wird rot, Schweiß bricht aus und es treten Mitbewegungen auf, bis
schließlich trotz größter Willensanstrengung die Muskeln vollkommen
arbeitsunfähig werden und den Dienst versagen. Noch mehrere Tage nach
einer derartigen Muskelleistung kann der Muskel schmerzhafte
Nachempfindungen äußern, wie wir sie bei dem sogenannten „~Turnfieber~”
beobachten. Ein durchgeübter, d. h. trainierter Muskel dagegen zeigt
solche Uebermüdungserscheinungen nicht mehr.

Bekanntlich ist auch der ruhende Muskel im steten ~Stoffwechsel~
begriffen. Er entnimmt dem Nahrungssafte des zuströmenden Blutes, um dem
Körper die nötige Wärme und Kraft zu übermitteln, Nährsubstanzen und
Sauerstoff und gibt Kohlensäure ab. Und zwar nimmt er mehr Sauerstoff
auf, als er Kohlensäure abgibt; ~wir haben also im Muskel einen
Sauerstoffspeicher~. Aber dieser Sauerstoffumsatz ist beim ~tätigen~
Muskel ein wesentlich höherer; denn der Sauerstoffverbrauch und die
Kohlensäureabgabe sind bis zum fünffachen gesteigert. Dabei ist, wie
bekannte Forscher gezeigt haben, der Sauerstoffgehalt des Körperblutes
der Schlagadern noch größer und der Kohlensäuregehalt desselben noch
kleiner als beim ~untätigen~ Muskel.

Der Muskel hat also trotz des erhöhten Sauerstoffverbrauches durch
seine Tätigkeit noch mehr Sauerstoff aufgespeichert als im Ruhezustande.
Diese Vergrößerung des Sauerstoffspeichers erreicht der Muskel dadurch,
daß er durch Erweiterung seiner Blutgefäße das Blutreservoir so stark
vergrößert, daß eine 3-5mal so große Blutmenge den Muskel durchströmt,
ferner dadurch, daß mit zunehmender Muskeltätigkeit auch die Atmung
vertieft und beschleunigt wird, so daß durch die Lungen während der
Arbeit bis zum 4-5fachen mehr Sauerstoff aufgenommen wird als in der
Ruhe.

~Aber nicht nur die Aufnahme und Verarbeitung der wichtigsten
Lebensspeise, nämlich des Sauerstoffs werden durch die Muskeltätigkeit
erhöht, sondern auch alle übrigen Muskelbestandteile~.

So nimmt die Menge der im Wasser löslichen Muskelstoffe durch Tätigkeit
ab, während die Menge der im Alkohol löslichen zunimmt; ferner ändert
der Muskel durch Tätigkeit seine chemische Reaktion, denn die neutrale
Reaktion des ruhenden Muskels wird beim tätigen durch Bildung ~von
Fleischmilchsäure sauer~.

Durch Muskeltätigkeit wird nämlich der Körper- und Muskel-Süßstoff
verbraucht, indem derselbe erst in Zucker und dann in Milchsäure
verbrannt wird. Als stoffliche Ursachen der Ermüdung des Muskels haben
wir bisher folgende Endprodukte des chemischen Umsatzes kennen gelernt:

1. Die Vermehrung der Kohlensäure, von der wir wissen, daß sie, wenn sie
sich im Blute übermäßig anhäuft, zum giftigen Gase wird;

2. Die Fleischmilchsäure.

Es sprechen jedoch für den Akt der Ermüdung resp. Erschöpfung der
Muskeln noch andere Dinge mit, die Alex. Haig zuerst wissenschaftlich
nachgewiesen hat.

Dieser Forscher wies nach, daß, wenn die dem Körper mit der Nahrung
zugeführten Eiweißstoffe ungenügend im Körper verbrannt werden, das Blut
und Gewebe des Körpers mit Harnsäure belastet werden. Harnsäure ist aber
ebenso wie Xanthin, Kreatinin etc. ein nur teilweise verbrannter
Eiweißstoff.

Diese Harnsäure verstopft, wahrscheinlich wie ein Klebestoff, die
Blutgefäße kleinsten Kalibers, und verhindert dadurch erstens das
schnelle Heranbringen des im Blute zirkulierenden Eiweißes an die
Gewebe, zweitens die Auslaugung der Stoffwechselprodukte aus denselben.

Zur Erzeugung von Kraft und Ausdauer ist es daher notwendig, das Blut
freizuhalten von Harnsäure und den ihr physiologisch gleichwertigen
Xanthinkörpern. Denn ihre Anwesenheit bedingt, wie wir gesehen haben,
eine Behinderung des Blut-Kreislaufs und eine Anhäufung von
Stoffwechselprodukten in den Geweben.

Demnach sind als bisherige Ursachen mangelnder Leistungsfähigkeit
nachgewiesen:

1. Die Anhäufung von Kohlensäure,

2. die Anhäufung von Fleischmilchsäure,

3. die Anhäufung von Harnsäure und physiologisch gleichgearteten
Xanthinkörpern im Blute,

4. Mangel an Eiweiß im Blute.

Ein gesundheitlicher Training wird daher die genannten
Erschöpfungsstoffe möglichst schnell entfernen müssen. In welcher Weise
er dies am besten erreicht, werden wir später sehen.


2. Wirkung der Leibesübung auf die Knochen.

In der Jugend sind bekanntlich die Gelenkbänder weich, dehnbar und
elastisch, eine Eigenschaft, die sie mit zunehmendem Alter mehr und mehr
verlieren. Durch fortgesetzte Uebungen behalten sie jedoch in mehr oder
weniger hohem Grade ihre ~jugendlichen Eigenschaften~, ja ihre
Elastizität wächst, so daß sie eine große Widerstandskraft gegen Zug
erhalten. Die Produktionen der sogenannten ~Schlangenmenschen~ beweisen,
eine wie hohe Geschmeidigkeit und Dehnbarkeit die Bandmassen bei einem
frühzeitig begonnenen Training bekommen können. Ein unbewegtes Gelenk
dagegen wird steif, die Gelenkkapsel schrumpft.

Aber auch die ~Architektur des Knochens~ selbst wird nicht unwesentlich
beeinflußt.

~Julius Wolf~ hat durch seine Untersuchungen nachgewiesen, daß die
Knochen ein ~Anpassungsvermögen~ gegenüber den Zug- und Druckkräften der
Muskeln besitzen, welches dem Gesetz unterworfen ist, ~mit möglichst
wenig Knochenmaterial eine möglichst große Festigkeit gegenüber den
einwirkenden Kräften zu erreichen~.

Daher werden die Knochen muskelstarker Menschen nicht nur dicker und
fester, sondern werden besser entwickelt an den Befestigungsorten der
Muskeln. Man vergleiche nur die glatten Knochen der Kinder und Frauen
mit den starken Rauhigkeiten und Knochenleisten kräftiger Männer.

Sehr deutlich ist der Einfluß vernünftiger Leibesübung auf das
~Rumpfskelett~.

Ich erinnere an den sogenannten ~flachen Rücken~, (Fig. 1), wie wir ihn
bei kleinen Kindern finden, die zu früh sitzen, bevor noch die
Wirbelsäule die nötige Festigkeit erreicht hat, oder an die flachen
Rücken der Schneider, als Berufsschädlichkeit, oder an diejenigen
flachen Rücken, welche nach ~Hoffa~ dadurch entstehen, daß die
Muskelenergie zu minimal ist, so daß das Becken in aufrechter Stellung
nicht aufgerichtet werden kann. Wie augenscheinlich ist hierbei die
Wirkung eines vernünftigen Trainings in Form der Hang-, Gleichgewichts-,
Geh- und Laufübungen.

Wie zauberhaft wirken ferner beim sogenannten ~hohlrunden Rücken~ (Fig.
2), bei welchem der etwas vorgewölbte Bauch und die starke
Lendeneinsattlung sofort ins Auge springen, die tiefen Rumpfbeugen nach
vorn!

Betrachten wir ferner ~den runden Rücken~ (Fig. 3) ~der Jugend~, wie er
sich ausbildet, nicht nur infolge von Muskelschwäche der
Rückenmuskulatur, sondern noch vielmehr durch Willensschwäche, wie er
weiter ausgebildet wird durch vieles Sitzen über den kleingedruckten
Schulbüchern, namentlich bei Kurzsichtigen.

[Abbildung: Fig. 1. Flacher Rücken (schematisch).

Fig. 2. Hohlrunder Rücken (schematisch).

Fig. 3. Runder Rücken (schematisch).]

Auch hier sehen wir wiederum die wirksame Bekämpfung durch
~Gleichgewichtsübungen~, durch Uebungen auf der Schwebekante,
Balanzieren von Gegenständen auf dem Kopfe, durch Straffgang, durch den
langsamen Schritt in militärischer Haltung, durch Rumpfdrehen,
Rumpfstrecken, durch Hang- und Schwimmübungen. Nicht wenig trägt zur
Erreichung einer normalen Haltung die moralische Uebung der
Leibesübungen bei, denn mit steigendem Kraftgefühl wächst auch die
Freude an straffem Wesen und das Schönheitsgefühl, das nur eine gerade
Haltung als schicklich und schön anerkennt (Fig. 4).

[Abbildung: Tafel I.

Fig. 4. Balancieren auf dem Schwebebaum. (Gleichgewichtsübung)]

Nicht wesentlich anders liegen die Verhältnisse beim ~runden
Arbeitsrücken~, oder beim runden Rücken schnell fahrender Radler oder
beim runden Greisenrücken.

Und was ich von dem flachen und runden Rücken gesagt habe, gilt
ebenfalls für die ~seitlichen~ Verkrümmungen, auf deren mannigfache
Ursachen ich nicht weiter eingehen will (Fig. 5). Auch hier bewähren
sich die Leibesübungen, jedoch muß dabei bemerkt werden, daß beim
sportlichen Training leider allzusehr die gesundheitliche Forderung
einer guten Haltung, wie wir sie beim militärischen Training finden,
vernachlässigt wird.

[Abbildung: Fig. 5. Seitliche Verkrümmung der kindlichen Wirbelsäule
durch fehlerhaftes Tragen desselben.]

Nicht minder sichtbar ist der gesundheitliche Einfluß der Leibesübung
bei den verschiedenen krankhaften Brustkorbveränderungen. Die ~schmale~
Brust, der ~faßförmige~ Brustkorb, der gleichsam in der tiefen
Einatmungsstellung erstarrt ist, der ~lahme Brustkorb~ Schwindsüchtiger,
der in tiefster Ausatmungsstellung verharrt, weil die Muskulatur zu
schwach zur Rippenhebung ist, die rhachitische[2] Hühnerbrust, die
Trichter-, oder Schuster-, oder Töpferbrust und die Schnürbrust sind
sämtlich Abweichungen, die durch Leibesübungen zu bessern sind.

  [2] Rhachitische Verkrümmungen der Knochen sind die durch englische
  Krankheit (Rhachitis) entstandenen.

[Abbildung: Fig. 6. Faßförmiger Brustkorb (schematisch.)]

Vielfache Untersuchungen, die an Soldaten vorgenommen wurden, beweisen
übereinstimmend, daß durch die ~militärische Ausbildung~ der Brustumfang
von 2-5 ^cm^ zunahm. Der Brustspielraum hatte also bedeutend
zugenommen, ebenso seine Beweglichkeit, ein Beweis des gesundheitlichen
militärischen, gegenüber dem einseitigen und dadurch nicht
gesundheitlichen Training von Berufsathleten, bei welchen man mehrfach
einen durch die Pressung bei schwerer Gewichtsathletik hervorgerufene
Beeinträchtigung des Brustspielraums fand, z. B. bei dem berühmten ~Karl
Abs~ von 2,50 ^cm^, beim Athleten ~Sutz~ nur 1,75 ^cm^.

[Abbildung: Fig. 7. Der langausgezogene schmale Brustkorb
eines Schwindsüchtigen mit den tiefen Nischen der Ober- und
Unterschlüsselbeingrube und den eingezogenen Zwischenrippenräumen
(schematisch.)]

Daraus folgt die gesundheitliche Ueberlegenheit des militärischen und
turnerischen Training durch Dauer- und Schnelligkeitsübungen, wie
Marschieren, Laufen, Schwimmen gegenüber den forcierten Kraftübungen der
Berufsathleten.

Der Training zeigt seine gesundheitliche Wirkung aber nicht nur auf die
direkt tätigen, sondern auch auf die übrigen Organe.


3. Wirkung der Leibesübung auf Blut- und Lymphgefäßsystem.

Von immenser Bedeutung ist die Beeinflussung des Blut- und
Lymphgefäßsystems durch das Training.

Das ~Herz~ zieht sich bekanntlich in einer Minute 72mal zusammen und
leistet damit eine Arbeit von 52½ ^kgm^. Beim ~ruhigen Gehen~ steigt
die Pulszahl auf 80, die Arbeitsleistung wird damit erhöht auf 58,3
^kgm^.

Beim ~schnellen Gehen~ ist die Pulszahl 100, was einer Arbeitsleistung
von ca. 73 ^kgm^ entspricht. Bei größten Muskelanstrengungen steigt die
Pulszahl auf 200 bis 240, beim angestrengten ~Radfahren~ auf
150-200-250; ähnlich liegen die Verhältnisse beim ~Rudern~.

Mit Aufhören der Muskeltätigkeit kehrt die Herztätigkeit noch nicht zur
Norm zurück; das Herz wird also länger angestrengt, und dieses Verhalten
des Herzens ist um so deutlicher, je länger die Muskeltätigkeit dauert.
Die Beschleunigung der Herztätigkeit ist noch 5-15 Minuten nach getaner
Arbeit deutlich, ja sie wurde von ~Mosso~ noch 2 Stunden nach einem
Bergaufstieg nachgewiesen. Dabei bleibt bei einem gesunden Menschen die
Herzarbeit eine regelmäßige. Nur das kranke Herz beginnt seine Tätigkeit
auszusetzen. Läßt man das erregte Herz zur Ruhe kommen und nach der
Erholung weitere Uebungen anstellen, so wird die gleiche
Pulsbeschleunigung wie beim ersten Arbeitspensum erreicht, jedoch
dauert die Nacherregung bedeutend länger. Doch nicht nur die Zahl der
Pulsschläge, sondern auch der ~Blutdruck~ wird beeinflußt, und zwar
steigert jede Muskeltätigkeit den Blutdruck, diese Steigerung wird
unterbrochen von geringen Blutdrucksenkungen, dauert im wesentlichen nur
während der Arbeitszeit, hängt im wesentlichen von dem ~Tempo~ der
Arbeit, von der ~Größe der Arbeit~ im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit
der arbeitenden Muskelmotoren, und von derem ~Trainiertsein~ ab. Das
Herz wird durch Muskelübungen in den Stand gesetzt, sich energischer und
kraftvoller zusammenzuziehen. Die Blutdruckschwankungen nach der Arbeit
sind stets wesentlich geringer als während der Arbeit. Die Herzarbeit
ist also in sehr hohem Maße von Muskeltätigkeit abhängig.

Aehnlich wie Muskelarbeit wirkt auch ~Trinken~. Durch Trinken wird
nämlich die Blutmenge größer, damit steigt der Blutdruck, der zwar bald
durch ein vermehrte Harnlassen und Schwitzen ausgeglichen wird, aber
doch vorübergehend die Herzarbeit vermehrt. Der Einfluß des Trinkens ist
jedoch weniger groß, als der der Muskelarbeit, weil das Blutgefäßsystem
sich der stärkeren Füllung durch Erweiterung und Verengerung anpaßt. Am
meisten wird Pulsfrequenz und Blutdruck durch beide Momente gleichzeitig
gesteigert. Daraus ergibt sich die praktische Regel, ~daß Trinken
während der Leibesübung unterbleiben muß~. Der Einfluß eines
vernünftigen Training auf das Herz geht aus der Tatsache hervor, daß
unter Beobachtung gewisser Regeln bei einem bestimmten Maß ~täglicher
Uebung~ in der Ruhezeit die Pulszahl unter die Norm fällt, also im
~Ganzen ruhiger, aber dabei energischer arbeiten lernt~. Wichtig wird
die Blutverteilung im Körper für die Auswahl der ~Zeit des Training~.

~Chauveau~ und ~Kaufmann~ wiesen nach, daß der Stoffverbrauch im maximal
arbeitenden Muskel 20mal und die durchströmende Blutmenge 7-10mal größer
ist als in der Ruhe. Dieser Vorgang ist nur dadurch möglich, daß die
kleinsten Zweige der Schlagadern sich erweitern. Und zwar geschieht die
Erweiterung unter dem Einfluß der Gefäßnerven, denen die Antriebe zur
Erweiterung gleichzeitig und beigeordnet mit den Bewegungsantrieben für
die Muskeln vom Zentrum aus zugehen und zweitens durch Reflexwirkung,
indem durch die Muskeltätigkeit eine örtliche Dyspnoe (Atemnot) und
damit eine Aufspeicherung von Stoffwechselprodukten erzeugt wird. Die
örtliche ~Erweiterung der Blutgefäße~ in den tätigen Muskeln wird aber
durch eine ~Verengerung in anderen Gefäßgebieten abgeglichen~, da ja die
Blutmenge im wesentlichen die gleiche (4-5 Liter) bleibt. In erster
Linie nehmen an der Verengerung die großen Bauchgefäße teil, welche für
gewöhnlich große Blutmengen beherbergen. „Die Bauchgefäße stellen eine
seenartige Erweiterung des Strombettes dar, dessen Blutvorrat durch
Kontraktion jederzeit disponibel wird,” sagt ~Zuntz~. Aus diesem Blutsee
schöpfen die Blutgefäße der Muskeln durch Vermittlung des rechten
Herzens, wenn sie durch höchste Arbeit sich und damit die ganze
Muskelbahn erweitern. Eine Verblutung in die Muskelgefäße, wie man sie
gelegentlich annahm, kann deshalb, solang dieser Blutsee vorhanden ist,
nicht statthaben. Während der Verdauung ist dieses Gefäßreservoir
~stark~ angefüllt, Muskel und Gehirn dagegen ~relativ~ blutleer; daher
bestehen in der Verdauungszeit Muskelmüdigkeit und Unlust zu geistiger
Tätigkeit. Wird trotzdem in der Verdauungszeit stärkere Muskelarbeit
geleistet, so wird naturgemäß die Verdauung verzögert, ~deshalb sind
Muskelübungen während der Verdauung unzuträglich~.

Wie das Herz wird auch das übrige ~Gefäßsystem~ durch Muskelarbeit
beeinflußt.

Die ~Arterien~wände sind normaler Weise elastisch und können dadurch
~Blutverteilung~ und ~Blutdruck~ regulieren. Büßen sie aus irgend einem
Grunde ihre Elastizität mehr oder weniger ein, wie dies bei alten Leuten
oder bei Arteriosklerotikern (Arteriosklerotiker ist derjenige Mensch,
dessen Gefäßwände mehr oder weniger verkalkt, deshalb starr und
unelastisch sind) der Fall ist, so verlieren sie auch ihre
Regulationsfähigkeit, sie können sich demnach auch nur ungenügend dem
durch Leibesübungen gesteigerten Drucke anpassen. Deshalb sind für Leute
mit starrem Arterienrohr die Leibesübungen gefährlich, denselben sind
Leibesübungen zu verbieten oder wenigstens erst sorgfältig
vorzubereiten.

Die Blutbewegung und der Blutdruck in den ~Harngefäßen~ hängen von der
Herzkraft, von der Weite und Regulationsfähigkeit der Schlag- und
~Blutadern~ (Arterien und Venen) ab. Ist der venöse Abfluß behindert, so
tritt eine Stauung in den Organen ein.

Wir wissen nun aber, daß jede ~Einatmung~ (Inspiration) das Venenblut
ansaugt, also auf den Blutumlauf ~begünstigend~ wirkt. ~Muskeltätigkeit~
vertieft erfahrungsgemäß die Atmung, ist also schon aus diesem Grunde
ein Förderungsmittel beschleunigten Blutumlaufs, andrerseits dehnt und
erschlafft der arbeitende Muskel die oberflächlichen Venengefäße. Dehnt
man aber einen elastischen Schlauch, so kann derselbe mehr Luft oder
Flüssigkeit aufnehmen als zuvor. Er ist dann wie eine Pumpe, bei welcher
man den Kolben herausgezogen hat, und der nun die Flüssigkeit aussaugt.
So saugen die Venen die Blutflüssigkeit an und pressen sie dann wieder
aus. Diese doppelte Vorwärtsbewegung der Blutsäule durch Ansaugen und
Auspressen geschieht in der Richtung zum Herzen, denn ein Rückfluß des
Blutes wird durch die Taschenventile der Venen verhindert. Bei
oberflächlicher Atmung und fehlender venöser Regulationstätigkeit durch
Muskelarbeit sahen wir daher Störungen im Organismus wie Stauungen im
Pfortadersystem, Krampfadern, Haemorrhoiden etc. entstehen. Es ist bei
der Entstehung genannter Leiden noch die ~Eigenschwere des Blutes~ zu
würdigen, welche durch Herz und Muskeltätigkeit überwunden werden muß,
um das Blut zum Herzen hinauf zu heben. Außer den genannten Hilfskräften
der Zirkulation, dem Tiefatmen und der Muskelbewegung kommt noch
diejenige Muskeltätigkeit in Frage, welche die großen ~Muskelbinden~
spannt und entspannt. Letztere wirken nach ~Braune~ als ~Druck- und
Saugapparat~ auf die in der Tiefe liegenden Venen. So die große
Halsfaszie und das Poupart’sche Schenkelband. Wird z. B. letzteres durch
starke Außendrehung und Ueberstreckung des Beines nach hinten stark
gespannt, darauf durch Innendrehung und Beugung entspannt, so werden die
daruntergelegenen großen Blutadern gepreßt, darauf stark erweitert, weil
ja die Faszie (Muskelbinde) mit der Gefäßwand verklebt ist.

~Bewegungen~, welche erfahrungsgemäß speziell ~den Blutumlauf
befördern~, sind: 1. die Tiefatmungen, 2. die Rumpfübungen, 3. die
sogenannten Zirkulationsübungen der Schweden, d. h. derjenigen Uebungen,
welche den zu übenden Körperteil durch Drehung um die eigene Axe
auswinden, wie man ein nasses Tuch durch Drehung trocken windet. (Siehe
Uebungstafel).

Vergleicht man die ~Arbeitskraft des Herzmuskels~ mit der Kraft anderer
Muskeln, so findet man nach ~Schmidt~, daß das Herz in einer Stunde etwa
ebensoviel leistet, wie die Beinmuskulatur, wenn sie während einer
Stunde den Körper auf eine Höhe von 500 Metern trägt. Eine gleiche
Leistungsgröße haben auch andere Muskeln des Körpers. Ein kräftiger
Bergsteiger kann nun diese Leistung im günstigsten Falle während 8
Stunden fortsetzen, dann versagen die Kräfte, das Herz aber arbeitet
ruhig, während der 24 Stunden des Tages weiter. ~Das Herz leistet also
das 3fache im Verhältnisse zur Muskelsubstanz, was die Muskeln bei
höchster Arbeit leisten können, sogar im gewohnten Zustande der Ruhe.
Bei ausgiebiger Muskelbewegung leistet das Herz jedoch das 6-8fache der
Ruhearbeit~.”

„~Das Herz kann also im Verhältnis zu seinem Gewicht~ (⅓ ^kgm^) das
~4-5fache an Arbeit leisten als die übrige Körpermuskulatur~.”

Worin ist nun diese hohe Arbeitsfähigkeit des Herzens begründet?

1. Der Herzmuskel hat bessere Blutzirkulationsverhältnisse als die
übrigen Muskeln; Blutzufuhr und Abfuhr sind besser, daher kann er die
sogenannten Ermüdungsstoffe leichter fortschwemmen.

2. Die Herzarbeit ist ~nicht dem Willen~ unterworfen, sondern wird
automatisch und rhytmisch geleistet. Und alle automatisch arbeitenden
Muskeln und Nervenzentren haben eine ganz minimale Ermüdung, wie wir
dies auch beim Atmungsorgan beobachten können. Der Herzmuskel ist der
besttrainierte Muskel, er arbeitet zeitlebens ohne zu ermüden.

Ein dauernd tätiger Muskel wie der Herzmuskel wird selbstverständlich
auch wesentlich mehr ~Nahrung~ als ein nur zeitweilig arbeitender
verbrauchen. Das haben auch die Berechnungen von ~Zuntz~ ergeben,
welcher fand, daß bei Muskelarbeit durchschnittlich 15% des gesamten
Stoffumsatzes nur für Unterhaltung der Herz- und Atemtätigkeit verwendet
wird. Aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ muß die
Nahrung für den Herzmuskel die beste sein, um eine dauernde Tätigkeit
leisten zu können.

Und zwar braucht der Herzmuskel mehr noch als jeder Muskel reichliche
~Sauerstoffnahrung~, denn er muß den arbeitenden Muskeln mehr Sauerstoff
zuführen und muß größere Arbeit liefern, um die Endprodukte der erhöhten
Verbrennungsprozesse zur Ausscheidung bringen zu helfen. Die
Eliminationstätigkeit unterstützen die Lungen wesentlich, denn sie
besorgen die Kohlensäureentladung und Entwässerung des Blutes in
hervorragendem Maße. Nun fand ~Zuntz~ bei einem Versuche am Pferde, daß
der Sauerstoffverbrauch bei mäßiger Muskeltätigkeit 6mal so groß war,
wie bei Muskelruhe. Andrerseits gilt als feststehend, daß in der Ruhe
nur etwa die Hälfte des Sauerstoffs verbraucht wird. Daraus folgt, daß
~mäßige Arbeit allein durch bessere Ausnutzung des Blutsauerstoffes~
geleistet werden kann, ohne daß der Herzmuskel mehr zu arbeiten braucht.
Erst nachdem durch vermehrte Muskeltätigkeit die zweite Hälfte des
Sauerstoffvorrats verbraucht ist, wird eine größere Herzarbeit nötig und
zwar „nahezu proportional dem Sauerstoffverbrauch”, der nach ~Zuntz~ um
das 15-18fache steigen kann.

Diese Mehrarbeit leistet der Herzmuskel durch ~Vermehrung der Zahl der
Zusammenziehungen~ und durch ~Vergrößerung des Schlagvolumens~.

Da nun aber die ~roten Blutkörperchen~ die ~Sauerstoff-Flotte~
vorstellen, d. h. der Sauerstoff an die roten Blutkörperchen gebunden
ist, so wird das Herz um so weniger zu leisten haben, also geschont,
wenn die Sauerstoff-Flotte recht groß ist. Das an roten Blutkörperchen
arme, also auch sauerstoffarme Blut Bleichsüchtiger, wird daher
vorzeitig bei starken Muskelanstrengungen Herzermüdung hervorrufen.
Ferner ist klar, daß bei einem dünnen wasserreichen Blut wenig rote
Blutkörperchen, also auch verhältnismäßig wenig Sauerstoff, zum Herzen
gelangt.

Ein ~gesundheitliches Training muß maximale Leistungen unter Schonung
der Herzkraft anstreben~.

Es muß also Blut und Gewebe spezifisch schwer zu machen suchen; dies
wird erreicht durch Genuß einer nicht zu eiweißhaltigen, aber
nährsalzreichen, dabei wasserarmen und reizlosen Nahrung unter
gleichzeitiger Trockenlegung der Gewebe durch Schwitzen, Abdampfen und
Harnlassen, ohne dabei zu übertreiben, denn eine Wasserverarmung des
Blutes kann durch maximale Arbeit, bei zu großer Hitze zum Hitzschlag
führen. ~Will man den Herzmuskel durch Leibesübung zu Höchstleistungen
erziehen, so muß man die Uebungsarbeit jedesmal so bemessen, daß der
Herzmuskel das allmählich und systematisch aber stetig größer werdende
Arbeitspensum ohne Ermüdung leisten kann~. Denn bei starker
Beschleunigung der Herztätigkeit kontrahieren sich die Herzkammern
bereits, bevor ihre Füllung erreicht ist, daher kann auch nicht alles
Blut in die Arterien eingetrieben werden, was sich an dem kleinen,
schwachen und beschleunigten Puls deutlich zeigt. Es kommt zur
~Rückstauungskongestion im Lungenkreislauf~, zur Lungenschwellung und
Lungenstarrheit, und zur Behinderung des Atems. Der Blutüberfüllung im
Lungenkreislauf aber entspricht eine ~Blutarmut im Körperkreislauf~.
Dadurch entsteht eine ungenügende Speisung aller Organe mit
sauerstoffreichem, arteriellem Blut insbesondere des Herzens, welches am
meisten zu leisten hat. Dasselbe versagt zuerst, Herz- und Pulsschlag
werden unregelmäßig, das Herz hat eine ~akute Funktionsstörung~
(~Insufficienz~) erlitten, welche sich meist nach Aufhören der
Anstrengung schnell zurückbildet. Jedoch kann sich aus der akuten
Insufficienz eine ~Herzerweiterung~ (Dilatation) entwickeln, indem die
Herzmuskeln dem gesteigerten Blutdruck nicht genügend Widerstand leisten
können, sie werden gedehnt. Derartige vorübergehende Ermüdungszustände
des Herzens betreffen mit Vorliebe die linke Herzkammer und finden sich
bei jeder ~Schnelligkeitsübung~, wie Schnellauf, schnellem Radfahren,
Schnellrudern, Schnellschwimmen etc. Sie können sich durch
Herzstillstand bis zum Tod steigern. Ich erinnere an das „klassische
Beispiel des Siegesläufers von ~Marathon~, der die Siegesnachricht
überbringt und dann tot auf dem Markte in Athen zusammenbricht.”

Jede Schnelligkeitsbewegung kann nun aber so eingerichtet werden, daß
Herz- und Lungentätigkeit mäßig ansteigen ohne jene Erschöpfungssymptome
zu zeigen und dauernd auf dieser mäßigen Höhe erhalten werden,
d. h. ~man macht die Schnelligkeitsübung zur Dauerübung~. Ihre Grenze
liegt in der Allgemeinermüdung, sie umfaßt also die Muskel- und
Nervenermüdung der Kraftübungen und die Herz- und Lungenermüdung der
Schnelligkeitsübungen. Die Ermüdungsstoffe sind im Blute übermäßig
angehäuft.

~Gebraucht man jedoch die Schnelligkeits- und Dauerübungen vernünftig,
d. h. steigert man sie nicht bis zur Atemlosigkeit und bis zum
Herzklopfen, so können sie die Leistungsfähigkeit des Herzens stetig
steigern und das normale Wachstum des kindlichen Herzens in einziger Art
fördern~. Unterbleibt die rechtzeitige Uebung des Herzens in der Jugend,
so ist ein mangelhaft entwickeltes, ein blutarmes, blasses und
unterernährtes Herz die Folge, welches wahrscheinlich eine der Ursachen
späterer Schwindsucht ist.

Ich erinnere auch an den Wert von Dauer- und Schnelligkeitsübungen in
dem ~Entfettungstraining~ beim fettumwachsenen Herzen und bei
allgemeiner Fettleibigkeit.

Anders wirken die kurzdauernden ~Kraftübungen~ auf das Herz. Hier ist es
die sogenannte ~Pressung~ oder ~Anstrengung~, welche gefährlich werden
kann. Wollen wir mit der Extremitätenmuskulatur eine Kraftleistung
vollbringen, so müssen wir den Rumpf zum Stützpunkt der Extremitäten
nehmen, d. h. ihn starr machen. Dies tun wir, wenn wir bei tiefer
Inspiration die Brustmuskeln zusammenziehen; dadurch pressen wir den
Inhalt des Brustkorbes und der Bauchhöhle fest zusammen, entleeren das
Blut der Herzkammern schnell, während wir gleichzeitig den Abfluß des
venösen Blutes in die Vorhöfe verhindern. Die übermäßige Füllung des
Venensystems und die Blutleere des ~mehr~ arbeitenden Herzens hören erst
auf, wenn die in den Lungen zusammen gepreßte Luft entweicht, der Rumpf
seine Starrheit verliert, die Kraftleistung zu Ende ist, und macht einem
plötzlichen vehementen Einschießen des venösen Blutes in das geschwächte
rechte Herz Platz. Eine vorübergehende Erweiterung des rechten Herzens
ist die Folge und kann zu einer mehrtägigen Reizbarkeit führen, die
wahrscheinlich durch eine Beleidigung des nervösen Apparates bedingt
ist. Abgesehen von dieser Reizbarkeit, die auch eine dauernde bleiben
kann, treten als Schädigung der Kraftübungen höhere Grade von
Erweiterung des rechten Herzens, Klappenfehler, ja rascher Tod
ein. In welcher Weise wir unsere Bewegungen in Rücksicht auf
Zentralnervensystem, auf die nervösen Zentren des Herzens und des
Gefäßsystems einzurichten haben, werden wir weiter unten sehen.
(Weiteres s. auch Eichhorst, Hygiene des Herzens).

Der fehlerhaft Uebende preßt nun häufig schon bei Uebungen, die einen
maximalen Kraftaufwand noch gar nicht erfordern. ~Da sich die Pressung
durch den Willen unterdrücken läßt, so ist es Pflicht des
Gymnastiklehrers auf die Atemführung bei Kraft- -- besonders auch bei
Gerätübungen zu achten~.

Leichtere Kraftübungen können erst bei längerer Dauer Schädigung
hervorrufen, schwere Kraftübungen jedoch, bei denen der
Anstrengungsvorgang notwendig ist, führen, wenn sie häufig betrieben
werden, zur dauernden Beeinträchtigung des Herzens, der Herzmuskel
entartet (degeneriert) und wird schwach.

~Schaltet man daher die Pressung bei Kraftübungen aus, unterläßt man bei
Dauerübungen plötzliche Steigerungen zu Kraftleistungen und macht die
Dauerübung nicht zu abnormen Schnelligkeits- und umgekehrt die
Schnelligkeitsübung nicht zur maximalen Dauerübung, so kann man
systematisch und vernünftig vorgehend den Herzmuskel vorzüglich
trainieren, d. h. den Eintritt seiner Ermüdung weit hinausschieben und
eine physiologische Zunahme der Muskelsubstanz erreichen~.

Nach ~Leitenstorfer~ ist „eine mäßige Herzhypertrophie
(Herzvergrößerung), solange sie der Gesamtmuskulatur entspricht, kein
krankhafter Zustand, kein Herzfehler, sondern ein auf naturgemäßem Wege
errungener Gewinn.”


4. Wirkung der Leibesübungen auf die Atmungsorgane.

Nicht minder groß sind die Wirkungen der Leibesübungen auf die ~Atmung~.

Dieselbe geht bekanntlich in den Lungen vor sich und zwar in der Weise,
daß durch den Muskelzug der Rippenheber und Zwischenrippenmuskeln die
Rippen gehoben werden, dadurch der Brustraum von vorn nach hinten und
von rechts nach links hin erweitert wird; durch die Tätigkeit des
Zwerchfells wird die Höhe des Brustraums vergrößert. Die Lungen, welche
den Brustwänden dicht anliegen, müssen dem erweiternden Zuge der
Brustwände folgen, dadurch wird Luft hineingesogen, und die Lungen
werden erweitert. Erschlaffen die Einatmungsmuskeln, so wirken die
Elastizität und Schwere des Brustkorbes auf die Elastizität der Lungen,
drücken die Lungen damit zusammen und bringen die in denselben
befindliche Luft zum Entweichen.

~Diese Atmungsmechanik können wir durch unseren Willen verflachen oder
vertiefen, verlangsamen oder beschleunigen~, jedoch nur innerhalb
gewisser Grenzen. Gewöhnlich vollzieht sich der Atmungsprozeß
unwillkürlich wie die Herzarbeit und reguliert sich ~automatisch~ nach
dem Atmungsbedürfnis des Körpers.

Bei der gewöhnlichen ruhigen Atmung erneuern wir nun bloß etwa ²/₆ bis
¹/₇ derjenigen Luftmenge, die wir bei tiefster Ein- und Ausatmung
umsetzen können, nämlich nur 500 ^ccm^ = ½ Liter.

Wir machen bei ruhiger Atmung etwa 15 Atemzüge, setzen also 7½ Liter
Luft um, bei tiefster Ein- und Ausatmung ist der Umsatz 7mal so groß,
also 52½ Liter. Wird nun aber, wie dies ja bei Leibesübungen stets der
Fall ist, die Zahl der Atemzüge vermehrt, sagen wir bis auf 45 in der
Minute, so erhalten wir einen Luftumsatz in den Lungen von 3 × 52½ =
157½ Liter. Dieser Luftumsatz in den Lungen besteht nun darin, daß das
Lungenblut Sauerstoff aus der Luft aufnimmt; ~die Lunge ist also ein
Magen, bestimmt zur Aufnahme der wichtigsten Lebensnahrung, des
Sauerstoffs~.

~Ferner erweist sich die Lunge als ein wichtiges Ausscheidungsorgan~,
denn sie gibt an die Atmosphäre Kohlensäure und Wasserdampf ab. Vermöge
ihrer Fähigkeit, das Verbrennungsgas der Kohlensäure abzugeben, ~wird
die Lunge eines der wichtigsten Organe zur Entgiftung des Körpers~, denn
die Kohlensäure ist ja einer der Ermüdungs- und Schlackenstoffe, der den
Körper in kurzer Zeit vergiftet.

Durch ihre Fähigkeit ~Wasserdampf~ zu verdunsten aber kann die Lunge die
Körpergewebe trocken legen, eine Eigenschaft, die von immenser Bedeutung
ist, wenn man bedenkt, daß damit der größte Bestandteil des Körpers, das
Körperwasser, welches ca. 65% des Körpergewichts ausmacht, wesentlich
angegriffen, reduziert werden kann.

~Die Lunge ist demnach ein bedeutender Drainageapparat des Körpers~.

Bedenkt man weiter, daß die Ausatmungsluft wärmer ist als die
Einatmungsluft, daß Körperwasser nur durch Erhöhung der Temperatur
verdampfen kann, daß also durch den Verdampfungsprozeß jedesmal eine
bestimmte ~Wärmemenge~ des Körpers ~verbraucht~ wird, so ist deutlich,
welchen Wert die ~Lungentätigkeit als Abkühlungsapparat des Körpers
hat~.

Nun denke man sich, daß die Lungenmaschine als
Herz-Kreislauf-Regulierapparat, als Sauerstoffmagen, als
Entgiftungsvorrichtung, als Drainageapparat und schließlich als
Kühlvorrichtung durch Leibesübung statt ihrer gewohnten Arbeit von 7½
Liter Luftumsatz in der Minute 157½ Liter stofflich umsetzt, dann kann
man sich ein ungefähres Bild von dem kolossalen Einfluß eines
vernünftigen Lungentrainings auf den Körper machen, und wird umsomehr
einsehen, daß dieser Einfluß durch ein vernünftiges Vorgehen reguliert
werden muß.

Weiter mache ich aufmerksam auf die Wirkung einer ausgiebigen
~Tiefatmung~.

Da die Lungen durch den Luftkanal des Nasenrachenraums und der Luftröhre
mit der Außenluft in Verbindung stehen, so ist der Druck der Binnenluft
der Lungen, gleich dem Atmosphärendruck, also = 760 ^mm^ ^Hg^ (^Hg^ =
Quecksilber, als Abkürzung des lateinischen Wortes Hydrargyrum). Wird
während der Einatmung der Brustraum durch Muskelarbeit weiter, so muß
die elastische Spannungskraft und die Schwere des Brustkorbes überwunden
werden. Je größer diese Widerstände sind, d. h. je tiefer eingeatmet
wird, desto mehr Arbeit wird geleistet, denn die elastische Kraft, die
bei der Einatmung zu überwinden ist, wächst durch tiefste Inspiration
von 7 auf 9-30 ^mm^ ^Hg^. Es wird durch Tiefatmung also eine immense
~Kraft~ ~auf~gespeichert, welche bei der Ausatmung zur Geltung kommt,
indem sie bei Erschlaffung der Einatmungsmuskeln die Lungen zurückzieht.

Je ~weiter~ die Lungenbläschen geöffnet werden, um so ~geringer~, und je
~enger~ diese Lufträume werden, desto ~größer~ wird der Druck sein, den
die Binnenluft ausübt. Die Lungen ziehen nun entsprechend dieser ihrer
elastischen Kraft an den Brustwandungen und an den im Brustraum
gelegenen Hohlorganen. ~Diese Kraft nennt man Saug- oder
Aspirationskraft der Lungen~. Der Gesamtinhalt des Brustraumes, d. i.
Rippen- und Mittelraum mit Herz- und großen Gefäßen steht demnach,
abgesehen von den Lungen selbst, unter einem Druck, welcher gleich ist
dem Atmosphärendruck vermindert um denjenigen Druck, welcher der
Saugkraft der Lungen entspricht; derselbe ist als der Binnenbrustdruck
bezeichnet worden. Derselbe wird also normaler Weise von der Saugkraft
resp. von den elastischen Kräften der Lunge reguliert. ~Je stärker
dieselbe zur Geltung kommt, wie bei tiefster Inspiration, desto
geringer ist der Binnenbrustdruck~.

Bei ruhiger Atmung ist der elastische Zug der Lungen bei Atmungsstellung
9 ^mm^ ^Hg.^, demnach der Binnenbrustdruck = 760 - 9 = 751 ^mm^ ^Hg.^

Bei ruhiger Ausatmung ist der elastische Zug = 7 ^mm^ ^Hg.^, der
Binnenbrustdruck = 760 - 7 = 753 ^mm^ ^Hg.^

Bei ruhiger Atmung ist daher der auf die im Brustraum gelegenen
Gefäße lastende Druck kleiner, als der auf die außerhalb desselben
gelegenen einwirkende. Nach ~Munk~ muß daher eine Aufsaugung des
Blutes aus den außerhalb des Brustraumes gelegenen Blutgefäßen
stattfinden und damit die ~Blutbewegung beschleunigt werden~. Und
diese Blutstrombeschleunigung muß um so ~größer~ sein, je geringer
der Binnenbrustdruck, d. h. je ~tiefer die Atmung~ ist.

Die Beschleunigung des Blutstroms macht sich zunächst im
~Pfortaderkreislauf~ bemerkbar. Aus den kleinsten Auflösungen der
Schlagadern, den sogenannten Haargefäßen (Kapillaren) des Magens, der
Milz und des Darmrohrs gehen Blutadern (Venen) hervor und sammeln sich
zum sogenannten Pfortaderstamm, der in der Leber von neuem ein
Kapillarsystem bildet, aus welchem die Lebervenen entstehen, die in die
untere Hohlvene einmünden. Letztere führt das verbrauchte Blut dem
Herzen zur Regeneration zu. Durch die kapillare Strombettbildung in der
Leber ist die Blutbewegung daselbst eine verlangsamte und erst durch die
geschilderte Saugkraft wird sie wieder beschleunigt. Dazu kommt die
unterstützende aktive Kraft der Bauchpresse bei der Tiefatmung, d. i.
der ~Herabstieg des wichtigsten Atmungsmuskels, des Zwerchfells~,
welches Brust- und Bauchhöhle voneinander scheidet und die
~Bauchmuskeltätigkeit~, welche beide zusammengenommen von oben und von
vorn ebenso wie den gesamten Bauchinhalt auch die Leber zusammenpressen.

~Die Tiefatmung wird also zu einem willkürlich zu gebrauchenden
Massageapparat der Leber, der Därme, der Nieren und aller übrigen
Baucheingeweide~.

Die Beförderung der Verdauung, der Harnabsonderung, des Stoffwechsels
etc. sind unmittelbare und notwendige Folgen.

Derselben Einwirkung aber unterliegt auch der Brustgang des
Lymphgefäßsystems (^ductus thoracicus^), so daß der ~Lymphstrom vom Darm
und den Extremitäten her beschleunigt wird~.

In gleicher Weise sucht der negative intrathoracische Druck die
Wandungen der Herzhöhlen voneinander zu entfernen; er fördert also
die Füllung derselben während ihrer Erschlaffung (diastolische
Füllung). Im Röntgenbilde kann man bei starker Herabsetzung des
Binnenraumbrustdruckes die Vergrößerung des Herzens beobachten.

Ferner begünstigt die Saugkraft der Lungen auch ~den kleinen oder
Lungen-Kreislauf~. In der lufthaltigen Lunge sind die Blutgefäße weiter
als in der luftleeren, und wird nun bei der Einatmung der
Binnenbrustdruck stärker negativ, so äußert er seinen gefäßerweiternden
Einfluß mehr auf die dünnwandigen Venen als auf die starren Arterien.
~Auf diese Weise erfährt der Lungenkreislauf eine inspiratorische
Beschleunigung~; dadurch wird während der Inspiration der linken
Herzkammer mehr sauerstoffreiches Blut zugeführt als bei der Expiration
und der ~Herzmuskel~ selbst ~besser ernährt~.

Durch die ~Tiefatmung aber werden alle genannten Wirkungen stärker als
bei ruhiger Atmung~ und durch systematische vernünftige Atemgymnastik
resp. Leibeszucht wachsen:

1. die elastischen Spannkräfte der Brustwände,

2. die elastischen Spannkräfte der Lunge,

3. die mechanische Erweiterungsfähigkeit des Brustraums, der
Brustspielraum wird größer und dadurch

4. die vitale Lungenkapazität (Fassungskraft der Lungen für Luft) und
werden zu Hilfskräften der Blut- und Lymphzirkulation und sorgen dadurch
für eine bessere Ernährung aller Organe.

Durch Vertiefung der Atmung kann man aber nicht nur den Blutumlauf
beschleunigen oder verlangsamen, sondern auch Einfluß auf den
~Blutdruck~ gewinnen.

Beschleunigt man die Tiefatmung, so ~steigt~ der Blutdruck in den
Schlagadern während der Ausatmung, ~verlangsamt~ man die vertiefte
Atmung, so steigt zwar auch der Blutdruck und erreicht seine größte Höhe
beim Beginn der Ausatmung, sinkt dann aber, bis er beim Beginn der
Einatmung die größte Tiefe erreicht hat.

Es gibt gewisse Zustände der Lungen, welche mit Lungenblähung und
Lungenstarrheit einhergehen. Bei diesen Zuständen kann tiefes ~Einatmen~
~Schaden~ anrichten, weil es in die bereits blutüberfüllten Lungen noch
mehr Blut ansaugt. Hier ist gerade die Entlastung des Blutkreislaufs
durch verstärkte und beschleunigte ~Ausatmung~ am Platz.

~Atmung und Pulszahl stehen stets in einem bestimmten Verhältnis~ und
zwar wie 1 zu 4. Haben wir z. B. 16 Atemzüge in der Minute, so wird die
Pulszahl gleich 4 × 16 = 64 sein.

Weil dieses Verhältnis nun ein konstantes ist, wir ferner die Atmung
willkürlich gestalten können, so werden wir durch Verlangsamung unserer
Atmung auch stets einen beschleunigten Puls verlangsamen und durch
Beschleunigung der Atmung auch einen verlangsamten Puls beschleunigen
können. ~Wir haben also in der Lunge ein vorzügliches Regulierorgan der
Herz- und Kreislauftätigkeit~. Dieses Verhältnis zwischen Puls- und
Atmungszahl hat zu mannigfachster praktischer ~Ausnutzung~ geführt.

So benutzen es ~Oertel~ und ~Herz~ beim ~stufenweisen~ Ein- und
besonders Ausatmen (sakkardiertes Atmen), indem sie jeden Atemstoß mit
einer Zusammenziehung des Herzmuskels zusammenfallen lassen, was man
leicht erreicht, wenn man sich selbst den Puls fühlt und bei jedem
Anstieg der Pulswelle einen Atemstoß vollführt. Dieses Stufenatmen
beansprucht gleichzeitig geistige Arbeit und wird damit zur sogenannten
~Aufmerksamkeitsübung~.

Der Atmungstraining ist aber auch vorzüglich zu gebrauchen zur
~Erziehung der Nerven~. Es ist dies die ~Methode des französischen
Schauspiellehrers François Delsarte~.

Wer hätte nicht am eignen Leibe die Wirkung der Gemütsbewegung bei
besonderen Gelegenheiten und Krisen im Leben kennen gelernt!

Ich erinnere nur an die Beispiele des Examenskandidaten, oder des
Soldaten beim Beginn der Schlacht, des Bräutigams, der seiner Erwählten
sich erklärt, des jungen Theologen, der seine erste Predigt hält etc.
Tief atmet der Geängstigte einmal, dann aber ist ihm der Atem wie
vergangen, und schließlich jagt die ganz verflachte Atmung, das Herz
pocht, der Puls ist beschleunigt, die Gedanken sind verwirrt, er
empfindet den Drang zum Harnen oder zur Kotentleerung.

Was ist geschehen? Durch die abnorme Erregung der Nerven ist die Atmung
gestört, damit wird aber gleichzeitig durch das bestehende Verhältnis
von Atmungs- und Pulszahl entsprechend die Kreislauftätigkeit abnorm.
Alle Reize, welche die sogenannte unwillkürliche oder glatte Muskulatur
des Gefäßsystems zur Zusammenziehung bringen, wird auch in der glatten
Muskulatur aller derjenigen Körperorgane wirksam, die demselben
Nerveneinfluß unterstehen. Deswegen zieht sich auch die Blase zusammen
und preßt gegen unseren Willen den Urin aus derselben, obwohl ihre
geringe Füllung gar keinen Grund zur Entleerung bietet. In gleicher
Weise ergeht es dem Darm, welcher durch Knurren und Plätschern und Drang
zum Kotlassen die Zusammenziehung seiner Muskelwände und die vermehrte
peristaltische Unruhe offenbart.

~Gelingt es dem Betroffenen aber, Herr über seine Atmung zu werden~,
seine Atmung wieder regelmäßig zu gestalten, zu vertiefen und den Atem
nach Belieben zu halten, ~so fallen auch alle genannten Folgezustände
der gestörten Atmung fort~.

~Das Herz in seiner Abhängigkeit von der Atmung, muß die Pulse wieder
regelmäßig gestalten und verlangsamen, im Leibe wird die Spannung
herabgesetzt, Blase und Darm wieder ausgedehnt~.

Nun wissen wir aber, daß nicht nur die Affekte körperliche Veränderungen
hervorrufen, sondern auch umgekehrt.

Zum Beweis dafür dient die tägliche Beobachtung. Wie viele Lehrer gibt
es nicht, die sich mehr und mehr in Wut reden! Wie viel Leidtragende
gibt es doch, die nichts von Trauer über den Hingang irgend einer
fremden Person empfinden, die aber ihr Gesicht in Trauerfalten legen und
schließlich bis zur wahren Empfindung tiefster Trauer durch die rein
äußere Mimik gelangen! So im Leben, so auf der Bühne. Man erinnere sich
nur der klassischen Beschreibung dieses psychologischen Vorganges, die
Lessing in der Hamburgischen Dramaturgie vom mittelmäßigen Schauspieler
gibt, der sich eine Anzahl mimischer Regeln von einem ursprünglich
Empfindenden abstrahiert, um seiner Seele das Gefühl des dargestellten
Affektes aufzuzwingen.

Haben wir es daher gelernt, unsere Atmung ~willkürlich zu gestalten, so
sind wir auch Herr unserer Affekte~.

Nicht zu unterschätzen ist ferner die von den Physiologen bewiesene
Tatsache, daß jede ausgiebige Einatmung eine vermehrte Blutansammlung im
Brustkorb und gleichzeitig eine ~relative Blutleere im Gehirn~ erzeugt.
Dadurch tritt eine Verminderung der geistigen Aktivität, eine Abnahme
des Bewußtseins, und damit ein ~psychischer Ruhestand~ ein. Eine Reihe
von forcierten tiefen Einatmungen können sogar, wofern sie ~sehr rasch
hintereinander~ ausgeführt werden, eine kurze Bewußtlosigkeit
hervorrufen, deren man sich zur Ausführung von kleinen chirurgischen
Operationen, sowie zur Hypnose bedienen kann. Diese Methode durch
beschleunigte Tiefatmung das Gehirn blutleer zu machen, erinnert an die
Methode der Javaner durch Fingerdruck auf die großen Halsschlagadern
eine ~künstliche Narkose~ hervorzurufen.

Um ein ~System einer guten Atemschule~ zu gewinnen, ist es notwendig,
die ~einzelnen Faktoren~, die die Mechanik des Atmens bedingen, genau zu
studieren und sich zu vergegenwärtigen.

Betrachten wir zunächst die ~Einatmung~ (Inspiration). Durch die
Zusammenziehung des ~Zwerchfells~ wird der Brustkorb dadurch erweitert,
daß die ~Rippen gehoben~ und zwar nach ~auswärts~ gehoben werden, jedoch
nur solange, als die Baucheingeweide den Bauch füllen. ~Fehlt der
Widerstand der Baucheingeweide, so werden die Rippen nach einwärts
gezogen~. Daraus folgt, daß bei der normalen Atmung der Widerstand der
Baucheingeweide überwunden werden muß, der um so größer ist, je stärker
die Därme mit Verdauungsmassen gefüllt sind. Die Baucheingeweide
versuchen nun diesem von oben her wirkenden Druck auszuweichen, werden
nach hinten aber durch die Wirbelsäule, nach unten durch den Knochenring
des Beckens verhindert; so bleibt ihnen nur das Entweichen nach den
Seiten und nach vorn, wo die Weichheit der ~Bauchdecken~ zur
Nachgiebigkeit disponiert. Sind nun die Bauchdecken schlaff und welk, so
werden sie durch den Druck mehr und mehr nachgiebig und gedehnt, und es
kommt zu der häßlichen Form des runden Dickbauches oder des
Spitzbauches, zum Verlust der sogenannten Taille, zur Wampenbildung
etc., der häufigsten Degenerationsform des Menschen; andererseits kommt
es zu der veränderten ~unvollkommenen~ Atmung, als ob die Eingeweide
herausgenommen wären, die Rippen werden nicht gehoben und der Rippenrand
nach einwärts gezogen. Es fehlt dem Zwerchfell eben der Stützpunkt der
Eingeweide, um die Rippen nach oben und auswärts zu heben. Sind dagegen
gekräftigte Bauchmuskeln vorhanden, so spannen sich dieselben an, ohne
sich zusammenzuziehen und geben für den Bauchhöhlenkasten auch von den
Seiten und von vorn her unnachgiebige und feste Wände ab. Können somit
die Baucheingeweide nicht entweichen, so müssen sie selbst den Druck
aushalten, werden etwas zusammengedrückt und bieten nun ihrerseits einen
festen ~Stützpunkt zur Hebung und Auswärtsrollung der Rippen~. Eine
dementsprechende Entfaltung des Lungengewebes und ihre ausgiebige
Lüftung sind die notwendigen Folgen.

Ebenso wie der Widerstand der Baucheingeweide, so wirken auch die
~Zwischenrippenmuskeln~ als Heber und Auswärtsdreher der unteren Rippen
des Brustkorbes. Bei der Verflachung der Atmung, wie wir sie heutzutage
bei der Mehrzahl der Menschen finden, werden sie bei sogenannter ruhiger
Atmung gar nicht gebraucht, sondern erst bei angestrengtem Atmen und
dienen nur dazu, den Brustkorb in mittlerer Weite in Spannung zu
erhalten, den Atmungskorb vor Erschlaffung, die Rippen durch
Auspolsterung vor gegenseitiger Reibung zu bewahren.

Schließlich gebrauchen wir noch eine Anzahl von sogenannten
~Hilfsmuskeln~, welche bei forcierter Einatmung, bei Atemnot etc. in
Aktion treten. Diese Reservemuskeln haben sämtlich die Eigentümlichkeit
sich mit dem Schultergürtel in Verbindung zu setzen, sei es, daß sie von
demselben entspringen oder an demselben endigen. Sie gehen hin oder
kommen her vom Halse, von den Armen, von der Brust oder vom Rücken. Sie
spielen aber auch für die ruhige, nicht forcierte Atmung eine nicht
unbedeutende Rolle, denn wir sehen bei denjenigen Menschen, bei welchen
durch Anlage oder Krankheit diese Muskeln verkümmern und schwinden,
nicht nur ein Einfallen des oberen Teiles des Brustkorbes und sonstige
Gestaltsveränderungen desselben, sondern auch Verkümmern der darunter
gelegenen Lungenabschnitte und mehr oder weniger deutliche Behinderung
der Atmung.

Als wichtige Faktoren der ~Einatmung~ haben wir demnach kennen gelernt:

1. Das Zwerchfell,

2. den Widerstand der Baucheingeweide,

3. die Spannung der Bauch- und Zwischenrippenmuskeln,

4. die inspiratorischen Hilfsmuskeln.

Bei der ~Ausatmung~ (Exspiration) sind im wesentlichen diejenigen
Spannkräfte wirksam, welche während der Einatmung aufgespeichert worden
sind. Erschlaffen die Einatmungsmuskeln, so wirken einerseits die
Elastizität und die Eigenschwere des Brustkorbes und die Elastizität
der Lungen, andererseits die aktive Zusammenziehung der
Luftröhrenmuskulatur, welche nach ~Duchenne~ allein imstande ist, die
sauerstoffverbrauchte Luft aus den Enden des Luftröhrenbaumes
herauszupressen. Vergegenwärtigt man sich ferner, daß der Leibinhalt
durch die Darmgase einerseits und durch den Druck des herabgestiegenen
zusammengezogenen Zwerchfells und der gespannten Bauchmuskeln
andrerseits komprimiert ist, dadurch elastische Spannkräfte während der
Einatmung auch in der Bauchhöhle aufgespeichert werden, so ist es klar,
daß diese Spannkräfte während der Ausatmung frei werden müssen, um die
Schwerkraft des Zwerchfells zu überwinden. Die Erschlaffung der
Einatmungsmuskeln ist aber ebenso wie ihre Inanspruchnahme nicht nur
eine automatische unwillkürliche, sondern auch eine willkürliche. Wir
können die Bewegung der Ein- und Ausatmung fördern und hemmen, wir
können mehr oder weniger Willens- und Nervenkräfte für sie aufwenden,
das Atmungstraining demnach sowohl als Schule für die Lungen, als auch
der Baucheingeweide, als auch für das Herz- und Gefäßsystem, als auch
schließlich für die Nerven gebrauchen.

Auch die Ausatmung hat wie die Einatmung Reservemuskeln zur Verfügung,
die sie bei lautem Sprechen, beim Singen oder bei Atemnot während der
Ausatmung gebraucht, und zwar sind dies wiederum die ~Bauchmuskeln~, die
bei ruhiger Atmung wenig zur Geltung kommen. Fehlen dieselben jedoch
oder sind dieselben verkümmert, so kann ein einziger Hustenstoß bereits
Gefahr bringen. Es ist also die Bauchpresse, welche sowohl bei der
Einatmung wie bei der Ausatmung die aktive Rolle der Hilfsaktion
übernimmt, und zwar nehmen ihre einzelnen Muskeln in der Weise teil, daß
der breite Muskelgurt des queren Bauchmuskels während der Einatmung nur
dann aktiv wird, wenn sämtliche inspiratorische Hilfsmuskeln in Arbeit
sind und das Zwerchfell aufs äußerste zusammengezogen ist, um den Ball
der Baucheingeweide gegen die an der Kuppe bereits abgeflachte Wölbung
des erstarrten Zwerchfells anzupressen und die Rippen gewaltsam nach
außen zu heben, während der Ausatmung dagegen nur, wenn das Zwerchfell
bereits völlig erschlafft ist. Während für die forcierte Einatmung die
übrigen Bauchmuskeln nicht in Frage kommen, helfen bei der angestrebten
Ausatmung noch der innere und äußere schräge Bauchmuskel mit, welche die
Rippen nach abwärts ziehen.

Die ~Armbewegungen~, soweit sie den Arm vom Rumpf entfernen, dienen im
wesentlichen der ~Inspiration~, doch muß man dabei Acht haben, daß das
Zwerchfell nicht durch Aktivität der Bauchpresse in seiner Tätigkeit
eingeschränkt wird.

Die ~Beinbewegungen~, sofern sie mit aktivem Eingreifen der Bauchpresse
geschehen, dienen der ~Expiration~.

Für die mechanische tiefste Erweiterung des ~oberen
Brustkorbabschnittes~ mit Hebung des Brustbeins, wie wir sie beim Wogen
des weiblichen Busens durch Unterdrückung der Atmung in den unteren
Abschnitten wegen Korsettgebrauches finden, ist es gut die ~Exkursionen
im unteren Abschnitt~ durch Aufpressen der Hände zu beschränken, durch
welche Stellung der Arme gleichzeitig der Schultergürtel gehoben wird.
Dies kann einseitig und doppelseitig geschehen. (Einseitiges und
doppelseitiges Tiefatmen siehe Uebungstafel). Empfindet Jemand beim
forcierten Tief-, Ein- und Ausatmen ~Schwindel~, so darf nicht zu stark
forciert werden.

~Passiverweiterungen~ der Brusthöhle erreicht man durch ~Heben des
Schultergürtels~ und durch ~kräftiges Rückwärtsführen der
horizontalgestreckten Arme~. Dies kann durch Beihülfe eines Gymnasten
oder aber durch Hängen in Ringen, am Reck, an der Leiter etc. oder durch
~Biegungen der Wirbelsäule~ resp. des Rumpfes nach ~hinten und nach den
Seiten~, schließlich auch nach vorn geschehen.

~Die Uebung der exspiratorischen Hilfsmuskeln~ muß während der Einatmung
geschehen. Denn eine energische Zusammenziehung der Ausatmungsmuskeln
ist unmöglich, wenn die Baucheingeweide nicht energischen Widerstand
leisten. Das Zwerchfell darf also nicht nachgeben, dies erreicht man
leicht durch ~Kehlkopfverschluß~. Dies gilt jedoch nur für die spezielle
Schulung der exspir. Hilfsmuskeln.

Bei anderen Uebungen jeder Art soll nur die unregelmäßige und
oberflächliche Atmung bekämpft werden.

Dies erreicht man am sichersten, wenn man die Atmung ~rhythmisch~ und
~tief gestaltet~, und man diesen Atemtypus durch ~Kommando~ einübt.

Läßt man Beugen und Strecken als ~Selbsthemmungsbewegung~ ausführen, so
läßt man während des ~Beugens~ sowohl tief ein-, als auch tief ausatmen,
ebenso während der Streckung.

Bei einer ~Widerstandsbewegung~ dagegen läßt man während der ~Beugung~
tief einatmen, während der ~Streckung ausatmen~.

Die Einatmung erfolgt im allgemeinen am besten dann, wenn der Muskel
positive Arbeit leistet.

Bei allen Bewegungen, welche mit ~Erweiterung des Brustkorbes~
einhergehen, läßt man gleichzeitig ~ein~- nicht ausatmen.

Will man allein und einseitig die Hilfsmuskeln der Ausatmung üben, so
muß man ebenfalls die ~Einatmungsphase~ benutzen.

So ergeben sich die Regeln für die Atemschule von selbst.

~Jeder einzelne Akt der Atmung muß für sich methodisch geübt werden~,
die Einatmung, das Atemhalten, das Ausatmen und das Stufenatmen.

Derjenige Teil der Atmung, der dem Uebenden am schwersten ausführbar
ist, muß am meisten geübt werden. Nur so kommt man zu einer
vollständigen Beherrschung der Atemmuskeln.

~Dieser Atemgymnastik müssen Muskelübungen folgen~, welche Hals-,
Brust-, Schulter-, Bauch- und Rückenmuskeln kräftigen und ausdauernd
machen und schließlich durch Kräftigung aller Muskeln das Atembedürfnis
steigern. Denn eine zeitlang je nach dem Grade der Herrschaft, die wir
über unsere Lungen erlangt haben, können wir zwar den Atmungsprozeß
durch unsern Willen regulieren, dann aber tritt die ~Selbstregulation~
durch das Sauerstoffbedürfnis in Kraft. Letzteres aber können wir durch
Muskeltätigkeit erhöhen. ~Empfehlenswertes Training der Atemgymnastik
sind die Dauer- und Schnelligkeitsübungen~.

Ball- und andere Bewegungsspiele, Gehen, Marschieren, Laufen,
Bergsteigen, mäßiges Radfahren, Schlittschuhlaufen, Schwimmen und
Rudern. Jedoch darf keine der genannten Uebungen zur Kraftübung werden,
die ja durch die notwendige Pressung das Atmungsgeschäft hemmt.


5. Wirkung der Leibesübung auf das Nervensystem.

Fragen wir uns weiter, ~wie wirken Leibesübungen auf das Nervensystem~?

Die Leibesübungen sind im Gegensatz zu den Reflexbewegungen (das sind
diejenigen Bewegungen, die selbsttätig durch Erregung von den
Empfindungsnerven hervorgerufen werden) gewollte, also dem Einfluß des
~Willens~ unterworfen. Der Willenreiz kommt im ~Gehirn~ zur Geltung.
Das Gehirn schickt den Reiz durch die ~periphere Nervenleitung~ zum
Endorgan, also zum Muskel, der durch Zusammenziehung seinen Gehorsam
beweist. Das ~Gehirn~ hat demnach bei Leibesübungen ~Arbeit~ zu leisten,
die mit der Zahl der Erregungen wächst. Alle Bewegungen, die wir
ausführen, sind ~(tetanische) anhaltende Bewegungen~, die eine Reihe von
Reizen in schneller Aufeinanderfolge und zwar, wie ~Helmholtz~ gezeigt
hat, ca. 20 in 1 Sekunde erfordern. Mit der Zahl der Reize steigert sich
auch die Kraft der Einzelkontraktion. Je stärker der Reiz, desto
schneller zieht sich der Muskel zusammen. Ein ermüdeter Muskel ist nur
durch starke Reize noch zur Arbeit zu bewegen.

„~Die vom Gehirn geleistete Arbeit ist daher um so größer, je länger die
Kontraktion dauert, je größer die Kraftleistung des Muskels ist und je
schneller die Bewegungen ausgeführt werden~.” Bei allen Bewegungen, die
wir ausführen, ist nicht ein Muskel, sondern sind ~Muskelgruppen~ zu
bewegen. Das Gehirn muß zu allen Muskeln nicht nur Bewegungsreize
schicken, sondern sie auch in ~richtiger Reihenfolge~ und in bestimmter
~Abstufung~ wirken lassen. Diese ordnende Tätigkeit des Gehirns
bezeichnet man als ~Koordination~. Man unterscheidet bei der
Koordination einer Bewegung dreierlei Arten von Muskeltätigkeit.

1. Die ~eigentliche kraftleistende~ Bewegung („Impulsive
Muskel-Association” Duchenne),

2. Die ~mäßigende~ Bewegung („Moderatorische Muskel-Association”
Duchenne),

3. die ~statische oder haltende~ Tätigkeit („Kollaterale Association”
Duchenne.)

Jede dieser Arten kann in den Vordergrund treten, z. B. bei den
~Gleichgewichtsübungen~ die haltende oder die mäßigende bei den
~Handfertigkeiten~, ebenso wie bei der Tätigkeit, der an der
Stimmbildung oder bei der Mimik beteiligten Muskeln, kurzum bei der
Tätigkeit aller nahe zusammengelegener und zusammengehörender Muskeln.

Müssen Muskeltätigkeiten koordiniert werden, welche größere Teile des
Skeletts bewegen, so daß ~große, weit entlegene Muskelbezirke
gleichzeitig in Anspruch~ genommen werden, so spricht man von
~Geschicklichkeitsübungen~, wie wir sie beim Frei- und besonders beim
deutschen Gerätturnen haben.

Je verwickelter eine Bewegung, desto schwieriger ist auch die
Koordination und desto größer die vom Gehirn zu leistende Arbeit.
Letztere kann jedoch durch Uebung auf ein Minimum herabgesetzt werden,
wenn die Bewegung „~mechanisiert~” worden ist, d. h. wenn im
Zentralorgan von der auszuführenden Bewegung ein ~deutliches
Erinnerungsbild~ entstanden ist. Bei der ~Erlernung~ einer jeden neuen
Bewegung wird nun unnötig viel ~Kraft verschwendet~. Steifheit der
Bewegung und Mitbewegungen offenbaren das Ungeübtsein. Ist dagegen die
Bewegung ~mechanisiert~, so geschieht sie leicht und zweckentsprechend,
damit wird sie aber ~kraftsparend und schön~.

Unser ~deutsches Turnen~ schult aber vorzugsweise die Geschicklichkeit,
ist also eine Schule der Koordination; es ist in der Hauptsache eine
~Nerven- und dann erst eine Muskelgymnastik~. Die Koordinationsaufgaben
müssen eine systematische Uebungsfolge haben, so daß jede des
Kraftaufwandes eine Steigerung erfährt, sobald die vorangehende erlernt
ist. Je größer im Zentralnervensystem die Zahl der Erinnerungsbilder
vielfacher Bewegungen ist, desto besser wird die Koordinationsfähigkeit
auch für bisher unbekannte Bewegungen, desto sicherer wird die
Beherrschung des Körpers in allen Lagen.

Unser deutsches Turnen genügt aber nicht für alle Seiten der
Nervengymnastik. Eine wohlkoordinierte Bewegung erfordert
Ueberlegungszeit wie jeder andere Denkakt. Die vorhergehende
Koordination wird bei den sogenannten ~Aufmerksamkeitsübungen~ geschult,
zu welchen wir die Ordnungsübungen und den Reigen rechnen. Ihr
Uebungswert für die Muskeln, für Stoffwechsel, Atmung und Kreislauf ist
ein minimaler, dagegen ein maximaler für das Gehirn. Deshalb soll man
Menschen, deren geistige Tätigkeit sowieso hohe Ansprüche an die
Aufmerksamkeit stellt, mit diesen Uebungen verschonen, um ihr Gehirn
nicht zu überlasten. Die Gerätübungen genügen zur Schulung der
Aufmerksamkeit allermeist.

Anders liegen die Verhältnisse für die Ausbildung der ~plötzlichen
Koordination~.

Im Leben geschehen oft genug Ereignisse, wo man auch schnellste
Bewegungen ausführen muß, bei denen man zuvor nicht überlegen kann. Es
kommt nicht darauf an, ~wie~ die Bewegung ausgeführt, ob ordentlich oder
unordentlich, sondern nur, daß ~aufs schnellste~ der tatsächliche Zweck
erreicht ist. Ich erinnere nur an die Wichtigkeit, welche das schnellste
und sicherste Ueberwinden von Hindernissen in der heutigen Kriegführung
hat. Die Schnelligkeit der Ausführung der Bewegung ist abhängig von der
Schnelligkeit der Innervation und ihre Uebung ein wesentlicher Teil der
Nervengymnastik, die in einer harmonischen Leibeserziehung nicht
vernachlässigt werden darf.

Diese Art der Nervenübung erzeugt Geistesgegenwart und Schlagfertigkeit
und heißt ~Schlagfertigkeitsübung~. Solche Schlagfertigkeitsübungen sind
die Lauf- und Ballspiele sowie Kampfspiele, das Fechten, Boxen und
besonders auch das Ringen. Die Schlagfertigkeitsübungen stellen hohe
Anforderungen an die Gehirntätigkeit und die übrige Nervenkraft, sie
dürfen daher nur von Nervenstarken, nicht von Neurasthenikern oder
sonstigen Nervenkranken ausgeübt werden. Für die letzteren sind die
~automatischen oder halbautomatisch~ ausgeführten Bewegungen ~Erholung~.

Von hohem Einfluß ist die ~Psyche~ bei der Nervengymnastik.

Nacktsein während der Uebung, freundliches Wetter, muntere Gesellschaft,
ein lustiges Lied etc. sind Unterstützungsmittel des Nerventraining.

Die Nerventätigkeit geht natürlich mit dem Stoffverbrauch Hand in Hand.
Da derselbe während der Tätigkeit nicht schnell genug gedeckt werden
kann, so erschöpft sich der Energievorrat. Das Nervensystem bedarf, um
Ersatz zu schaffen, Ruhe. ~Ist bei regelmäßiger Wiederkehr der
Ermüdungstätigkeit die Erholung stets eine vollkommene, so wächst die
Leistungsfähigkeit, es lernt, weniger schnell zu ermüden~.

Besteht jedoch ein ~Mißverhältnis von Nervenanspannung und Erholung~, so
entstehen vorzeitige Ermüdung, Nervosität, Neurasthenie und andere
Nervenkrankheiten. Daran wird auch nichts durch den Gebrauch von
künstlichen Anregungsmitteln des Arzneischatzes oder der Genußmittel
geändert. Vorübergehend wird zwar eine erhöhte Nerventätigkeit erzielt,
aber nur, damit nachher die Erschlaffung um so größer wird.

Daß ~Leibesübungen tatsächlich die Geistesermüdung beseitigen~, dafür
spricht die tägliche Erfahrung, ~von Ziemßen~ äußert sich darüber
folgendermaßen: „Die Erfrischung und Erholung des angestrengten
Nervensystems wird am besten durch körperliche Arbeit bewirkt; die
körperliche Arbeit muß an Stelle der geistigen treten, die Glieder
müssen sich rühren, während der Kopf ausruht.”[3] Leibesübungen
verlangen zwar von dem ermüdeten Gehirn eine neue Arbeitstätigkeit, aber
sie nehmen andre Gehirnteile in Anspruch, wofern es nicht
Aufmerksamkeitsübungen sind. Sie wirken trotzdem erholend, weil
Muskeltätigkeit, wie wir gesehen haben, die Blutzirkulation beschleunigt
und dadurch die Ermüdungsstoffe fortschwemmt und die ermüdeten Hirnteile
häufiger mit sauerstoffreichem Blute durchspült.

  [3] Siehe auch Forel, Prof. Dr. Hygiene der Nerven und des Geistes im
  gesunden und kranken Zustande. Brosch. 2.50. Verlag von Ernst Heinrich
  Moritz, Stuttgart.

Nun hat ~Mosso~ auf Grund seiner mit dem Ergographen gemessenen
Leistungsfähigkeit der Muskeln, welche er nach intensiver Geistesarbeit
erheblich herabgesetzt fand, behauptet, daß es physiologisch falsch
wäre, Geisteserholung durch körperliche Uebungen schaffen zu
wollen, weil die Muskelanstrengung nach Geistesanstrengung den
Erschöpfungszustand des Gehirns nur steigere. Aber ~Mossos~ eigene
Versuche widerlegen diese Behauptung. Denn nur ~nach mehrstündiger,
übermäßiger Geistesanstrengung~ war die körperliche Leistungsfähigkeit
~herabgesetzt~, dagegen nach ~mäßiger~ Geistestätigkeit ~erhöht~. Mäßige
körperliche Anstrengung erholt, übermäßige erschöpft das Gehirn.

Daß der ~Wechsel von körperlicher und geistiger Arbeit erholend~ wirkt,
wird leicht verständlich, wenn wir die Erfahrungen des täglichen Lebens
uns zu Nutze machen. Sehen wir nicht angestrengt geistig Tätige sich
Erholung verschaffen durch andere geistige Arbeit, z. B. Musik-,
Schach-, Karten- und andere Erholungsspiele? In jedem Fall wird der
psychische Apparat gebraucht, aber stets ein anderer Abschnitt
desselben, so daß der zuvor tätige sich erholt, wenn der nächstfolgende
arbeitet. Um wie viel größer muß die Erholung des Gehirns sein, wenn man
nicht nur einzelne Teile desselben, sondern deren Summe untätig sein
läßt durch körperliche Uebungen. ~Zuntz~ urteilt darüber: „~Die
Muskeltätigkeit richtig dosiert, liefert dem Zentralnervensystem durch
ihre Stoffwechselprodukte die wirksamsten Narkotika, die einzigen,
welchen man auch bei dauerndem Gebrauche eine schädliche Wirkung nicht
nachsagen kann~.”

Man kann sowohl für die Nerven, als auch für die Muskeln ~zwei Arten der
Ermüdung~ unterscheiden, die normale (physiologische) und die krankhafte
(pathologische). Erstere tritt nach ~mäßigen~ geistigen oder
körperlichen Anstrengungen auf und kann durch Willensenergie und starke
äußere Eindrücke überwunden werden, um noch eine erhebliche
Leistungsfähigkeit zu dokumentieren, dann aber folgt die zweite, für
welche eine weitere Kraftreserve nicht mehr vorhanden ist. Die
physiologische Ermüdung des Gehirns wird durch maßvolle
individualisierte Leibesübung am besten beseitigt. Die Ermüdungsstoffe,
die durch körperliche Tätigkeit erzeugt werden, wirken betäubend
(narkotisch), wie ~Mosso~ nachgewiesen hat, indem er das Blut eines
durch Arbeit erschöpften Hundes auf einen gesunden übertrug.

~Die physiologische Ermüdung muß nach dem Angeführten für das Training
benutzt werden. Je weiter man durch Uebung dieselbe hinausschieben
lernt, desto später wird die pathologische Ermüdung eintreten, d. h.
desto größer wird die absolute Leistungsfähigkeit~.


6. Wirkung der Leibesübung auf den Verdauungs-Apparat.

~Auch der Verdauungsapparat kann durch~ vernünftiges Training Vorteile
haben.

Die Wechselbeziehung von Verdauungs- und Muskelarbeit habe ich ja
bereits dargetan. Der gefüllte Verdauungsapparat setzt die
Leistungsfähigkeit der Muskeln herab, umgekehrt vermindert die durch
Muskelarbeit erzeugte starke Durchblutung des Bewegungsapparats die
Absonderung der Verdauungssäfte, und damit die Aufsaugung (Resorption).
Da die Bauchmuskeln bei den meisten körperlichen Uebungen aber mittätig
sind, werden dieselben andererseits mechanisch befördernd auf die
Darmtätigkeit einwirken. Wird also durch Leibesübung die absondernde
(sekretorische) Tätigkeit der Verdauungsorgane herabgesetzt, so wird die
Bewegungstätigkeit der Darmmuskeln (Peristaltik) verstärkt. Zwar findet
man nach plötzlichen sehr ausgiebigen Leibesübungen eine etwas
herabgesetzte Arbeit des Verdauungsapparates bei regelmäßigem Betrieb
desselben, aber als Endeffekt des Training schließlich eine wesentliche
Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit. Dieselbe erklärt sich aus der
Steigerung des Stoffverbrauchs, welchem sich der Verdauungsapparat
anpaßt (akkomodiert). Jedoch gibt es selbstverständlich eine Grenze der
Anpassung, die nicht überschritten werden darf. ~Vernünftig betriebene
Leibesübungen werden dieser Anpassungsgrenze unter allmählicher
Steigerung der Leibesübungen nahe zu kommen suchen~.


7. Wirkung der Leibesübung auf den Geschlechts-Apparat.

Ferner darf die Wirkung gesundheitlich betriebener Leibesübungen auf den
~Geschlechtsapparat~ nicht unerörtert bleiben.

Das durch Leibesübung betäubte (narkotisierte) Zentralnervensystem
beruhigt auch die Geschlechtssphäre. Dazu kommen die durch
Körpertätigkeit hervorgebrachten Veränderungen im Zirkulationsapparat.
Die häufigen und reichlichen Monatsblutungen (Menstruationen) der Frauen
werden meist am besten durch geeignete Leibesübungen reguliert, die
unfreiwilligen Samenergüsse (Pollutionen) eines abnorm reizbaren
Genitalapparates verlieren sich durch richtig dosierte Körperbewegungen.
Dem vorzeitigen Eintritt der Geschlechtsreife, dem geschlechtlichen
Ausschweifen der Phantasie in der Reifungszeit (Pubertätsperiode) wird
am besten durch systematisch betriebene Leibesübungen vorgebeugt.

So sehen wir denn, daß alle Teile des Körpers und des Geistes
wesentliche Vorteile von einer vernünftig und individuell betriebenen
Körperübung haben können.

Wichtig ist eine richtige Ernährung des Körpers, damit derselbe den
erhöhten körperlichen Anforderungen gewachsen bleibt. Zur Bewertung
derselben muß man den Einfluß der Leibesübung auf den Stoffwechsel und
die Wärmeregulation kennen.


8. Wirkung der Leibesübungen auf den Stoffwechsel und die
Wärmeregulation.

Daß der Gaswechsel von Sauerstoff und Kohlensäure (^CO^₂) durch
Muskeltätigkeit gesteigert wird, habe ich bereits besprochen. Nun haben
die Wärmemessungs- (kalorimetrischen) Versuche von ~Atwater~ und
~Benedict~ ergeben, daß die Wärmeerzeugung sowohl in der Ruhe, als
auch bei Muskeltätigkeit dem Gaswechsel und dem Verbrennungswerte,
der nach den Ausscheidungen bemessenen Verbrauchsnährstoffe entspricht.
Die zum Stoffwechsel verwendeten Nährstoffe werden also unter
normalen Verhältnissen ~vollständig~ zu Wasser, Kohlensäure und
Harnbestandteilen verbrannt. Nur bei Sauerstoffmangel in den
arbeitenden Muskeln steigt der respiratorische Quotient (Verhältnis von
Sauerstoff zu Kohlensäure = ^CO^₂). Man kann demnach aus der
Verbrauchsmenge der durch Harn und Schweiß ausgeschiedenen
Stickstoffsubstanzen und dem gleichzeitigen Gaswechsel die Höhe des
Nährstoffumsatzes während der Muskeltätigkeit berechnen. Da uns nun die
Verbrennungswärmen der Nährstoffe bekannt sind, so ergibt sich mit
Leichtigkeit die bei der Arbeit aufgewandte Energie. Die Arbeit ist nach
Meterkilogrammen meßbar. So fand man, daß für gewöhnlich bei
Muskeltätigkeit ⅓ (ca. 35%) der erzeugten Energie mechanische Arbeit, ⅔
Wärme werden. Bei starker Muskelermüdung, sowie bei Arbeiten, für welche
wir nicht trainiert sind, verringert sich der mechanische Nutzeffekt.
Uebung und guter Ernährungszustand setzen den Stoffverbrauch erheblich
herab. ~Der vernünftig Trainierte wird also den relativ geringsten
Stoffverbrauch haben~. Nun hat sich durch ~Zuntz’s~ Versuche
herausgestellt, daß Eiweiß, Fette und Kohlehydrate ~gleichwertig~[4] für
die Erzeugung der Muskelleistungen sind, jedoch kann nach ~Pflueger~ das
Eiweiß für sich allein zu hohen Muskelleistungen befähigen, während die
stickstoffreien Fette und Kohlehydrate gleichzeitig noch einen
bestimmten Eiweißumsatz nötig machen. Dagegen hat sich gezeigt, daß
durch körperliche Uebungen der Eiweißzerfall nicht entsprechend
(proportional) der geleisteten Arbeit gesteigert wird, wie dies beim
Umsatz der stickstoffreien Nährstoffe der Fall ist. Das stimmt auch
genau mit den Resultaten von ~Pettenkofer~ und ~Voit~ überein.

  [4] Chauveau und Seegen nahmen den Zucker als ~einzige~
  Muskelkraftquelle an und glaubten, daß Eiweiß und Fett nur insofern
  zur Bildung mechanischer Leistungen zu gebrauchen wären, als aus ihnen
  erst Zucker gebildet werden müßte. Diese Annahme ist aber deswegen
  eine irrige, als durch diese Umbildung ja große Wärmemengen für die
  Muskelarbeit verloren gehen müßten. Die aus Fett und Eiweiß gebildeten
  Kalorien müßten also einen geringeren Nutzeffekt haben. Das stimmt mit
  den physiologischen Tatsachen jedoch nicht überein.

~Der Stoffverbrauch während der Leibesübung betrifft also in erster
Linie die Kohlehydrate und Fette~.

Damit ist bewiesen, daß der Muskel imstande ist, für die Arbeitsleistung
die benötigte Spannkraft aus Fett oder Kohlehydraten zu entnehmen, es
ist aber damit nicht gesagt, daß die Muskeln etwa gar kein Eiweiß
gebrauchen und verbrauchen können. Es wird im Gegenteil nach den
übereinstimmenden Resultaten aller Physiologen eine gewisse Menge der
Eiweißzufuhr gefordert zur Erhaltung der Kraft und zur Wärmebildung
besonders bei gesteigertem Stoffwechsel, wie er bei Leibesübungen
auftritt.

Da nun Eiweiß eine höhere Verdauungsarbeit als die stickstoffreien
Körper beansprucht, den arbeitenden Muskeln also mehr Blut entzieht, als
sie zu ausgiebiger Arbeit gebrauchen, da sie ferner die durch die
Leibesübung an sich gesteigerte Wärmebildung noch erhöhen, so ist es
nicht ratsam, während der Leibesübungen eine eiweißreiche Kost zu
genießen. ~Casparis~ Versuche haben ferner gelehrt, daß bei längere Zeit
betriebenem Training der Eiweißzerfall stetig geringer wird, ein Umstand
mehr, der dem Trainierenden zu gute kommt und ihn heißt, ~die
Eiweißzufuhr auf ein physiologisches Minimum herabzusetzen~.

Für die ~schnelle Beseitigung~ einer bereits eingetretenen ~Ermüdung~
während der Dauer einer Leibesübung eignet sich am besten der ~Zucker~,
wahrscheinlich deswegen, weil er am schnellsten verdaut wird.

Leibesübungen ~steigern~ in jedem Falle ~die Körpertemperatur~ und zwar
erheblich stärker in der Peripherie, als im Körperinnern. Die periphere
Erwärmung der Extremitätenmuskeln befördert den Stoffwechselumsatz und
damit die Arbeitsleistung. Die Muskeln leisten daher zu Anfang weniger,
als wenn sie 10-15 Minuten gearbeitet, und damit einen Kalorienzuwachs
von ca. 50 Kalorien erfahren haben.

Auf die näheren Wärmeverhältnisse während des Trainings komme ich später
erst zurück, hier sei nur die Tatsache der Erhöhung der Arbeitsleistung
durch Erhöhung der Wärmeproduktion bei den Uebungen festgelegt.

Bezüglich der Trainingdiät sei weiter gesagt, daß es nun nicht allein
auf den genügenden Stoffersatz ankommt, sondern auch darauf, ~daß
möglichst wenig Ermüdungstoffe entstehen~, und wofern sie entstanden
sind, ~leicht zum Export gelangen~. Nach den praktischen Erfahrungen hat
sich eine harnsäurefreie, reizlose und mehr feste Ernährung
herausgestellt als diejenige, die am wenigsten zur Ermüdung disponiert,
und bei der die Ermüdung am schnellsten überwunden wird. Die Nahrung
darf ~nicht heiß~ genossen werden, und nicht in größerer Menge, als vom
Körper ~mit Leichtigkeit~ vollständig verbrannt werden kann.


9. Wirkung der Leibesübungen auf die Sinnesorgane.

Durch die Sinne tritt der einzelne Mensch in Verbindung zur Außenwelt
und zu seinen Mitmenschen. Er empfängt die ersten Eindrücke durch
dieselben. Er riecht die Blumen vermöge des Geruchsinnes, er schmeckt
den Honig durch den Geschmacksinn, er sieht die Farben und Formen
mittels des Lichtsinnes, er hört Geräusche und Töne mittels des
Gehörsinnes, er tastet und orientiert sich im Raum mittels des
Hautsinnes. Das, was der einzelne Sinn beobachtet und erfahren hat, das
setzt er sich im Gehirn wieder zusammen und schafft sich vom Gesehenen,
Gehörten, Geschmeckten etc. geistige Bilder, die um so ausgeprägter im
Gedächtnis bleiben, je präziser und je feiner die Sinne beobachtet
haben. Hat das Gehirn einen gewissen Vorrat von Sinnesbildern
aufgespeichert, so kann es auch ohne Hilfe der Sinne sich Dinge
vorstellen, welche ihm nur geistig z. B. durch Erzählen vorgeführt
werden. Diese geistige Hervorbringung der Gedächtnisbilder ist aber nur
eine Reproduktion und Kombination der vorhandenen Sinnesbilder. ~Ohne
Sinnesbild kein geistiges Anschauungsbild~, kein Erinnerungsbild, kein
Urteilbild, kein Vergleichsfeld, kein Phantasiebild, kein Begriffsbild.
Umgekehrt, je feiner und sorgfältiger, je detaillierter und nüanzierter
das Sinnesbild, um so besser und ausgeprägter auch alle Arten der
geistigen Bilder. Zunächst muß man daher ~selbständig beobachten~
lernen, dann lernt man auch ~selbständig denken~ und wird ~geistig
stark~, im anderen Fall aber geistig schwach und nervös.

Außer dem Denkvermögen besitzt nun das Gehirn noch ein ~Gefühls~- und
ein ~Triebleben~. Denken, Fühlen und Wollen sind die drei
Haupteigenschaften desjenigen, was wir als Seele bezeichnen.

Die Gefühle benennen wir nach den Quellen, aus denen sie entspringen,
als Schönheits-, Wahrheits-, moralische und religiöse Gefühle.

Das ~Schönheitsgefühl~ entspringt der Wahrnehmung der Sinne. Die
feinsinnige Nase riecht Dinge, welche der stumpfsinnigen verborgen
bleiben; jene kann auch größere Geruchsmengen genauer beurteilen als
diese, kurzum, sie hat höhere Kraft und größere Leistungsfähigkeit, und
wird dementsprechend die Grenzen für Wohlgeruch und Ekel anders ziehen.
Ein gleiches Verhältnis hat für den Geschmacks-, den Haut-, den Gehör-,
den Augensinn statt.

Das ungebildete, stumpfe Ohr kann Unreinheit und Reinheit der Töne
weniger unterscheiden und beurteilen als das feinhörige, das stumpfe
Auge sieht weniger weit und detailliert inbezug auf Form und Farbe als
das feinsinnige, und kann weniger Licht verarbeiten.

~Je geübter die Sinnesorgane sind, desto mehr Kraft können sie in jeder
Beziehung entwickeln, und desto mehr wird das Schönheitsgefühl
vertieft~. Je vertiefter aber dasselbe ist, um so mehr schöne Handlungen
werden demselben entspringen. Ebenso wie die Sinne kann aber auch der
Geist das Schönheitsgefühl hervorrufen. Durch den Reichtum der
Darstellung und der Formen wird er uns für Schönheit begeistern.

~Die Kraft der Sinnesorgane und die Größe der Denkkraft bedingt demnach
die Vertiefung des Schönheitsgefühls~.

Dem Schönheitsgefühl ist das Gefühl für ~Wahrheit~ verwandt. Je genauer
eine malerische, architektonische, musikalische, rednerische etc.
Komposition die Haupt- und Nebenmomente trifft, um so lebenswahrer ist
sie, und desto lebhafter empfinden wir das Gefühl der Wahrheit. Dasselbe
kann aber auch rein geistiger Natur sein. Je eingehender wir einen
Gegenstand geistig durchdringen, je genauer wir Licht und Schattenseiten
erkennen, um so näher kommen wir der Wahrheit, um so mächtiger wird das
Lustgefühl für die Wahrheit in uns lebendig. ~Je größer also die
Denkkraft, um so intensiver das Gefühl für Wahrheit~. Je tiefer das
Wahrheitsgefühl ist, um so mehr wahre Handlungen entspringen demselben.

Aehnliches gilt auch für die sogenannten ~moralischen Gefühle~.

Betrachtet man das Aeußere des Tieres, der Pflanze oder schließlich des
Menschen, so kann im Menschen das ~Gefühl der Schönheit~ entstehen,
ergründet man die Lebensbedingungen der Wesen, so kann in uns das
~Gefühl der Wahrheit~ hervorgerufen werden, bringt man die
Lebensbedingungen der Wesen mit der Außenwelt der organischen und
unorganischen Natur in ordnende Verbindung, gibt man denselben
entsprechend ihrer erkannten Natur und Zweckmäßigkeit den richtigen
Platz, die gebührende Rücksicht und Pflege, so entsteht in uns das
~moralische Gefühl~; wir fühlen, daß wir unsere Pflicht tun möchten.
~Jede~ Tätigkeit unseres Organismus, jede beabsichtigte oder
unbeabsichtigte Handlung des Menschen steht aber entweder in Harmonie
oder Disharmonie mit den natürlichen Lebensbedingungen unserer selbst,
sowie aller anderen Organismen, ist also schon aus sich entweder
moralisch oder unmoralisch. Wir haben also die Pflicht, die Erkenntnis
dieser Lebensbedingungen in uns zu fördern, damit wir ihre
Zweckmäßigkeit erfahren. Diese Erkenntnis wird uns aber, wie wir gesehen
haben, in erster Linie durch unsere Sinne.

Die Schulung, resp. ~Veredelung der Sinne~ ist daher für die Erzeugung
einer gesunden Moral Voraussetzung. Pervers gerichtete Sinne bringen
auch eine perverse Moral hervor. Unser jetziges Kulturleben mit seinen
Perversitäten bezeugt dies.

In abnormer und übertriebener Weise wird das Sinnesleben der modernen
Menschen beansprucht, daher vorzeitig verbraucht und falsch gerichtet.
Was Wunder, daß Irrenhaus und Zuchthaus so bevölkerte Sammelplätze aller
derjenigen Personen geworden sind, deren Denk- und Handlungsweise so
sehr vom normalen abweicht, daß sie zur Gefahr für ihre Umgebung werden!
~Nur auf dem Wege der Gesundung und Gesunderhaltung der Sinne wird man
auch einen Gesundheitszustand der Moral erhalten~.

Dasselbe, was ich vom Schönheits-, Wahrheits- und moralischen Gefühl
gesagt habe, gilt von jeder Art des Gefühls, z. B. auch von dem
religiösen Gefühl, d. h. demjenigen Gefühl, welches uns in ein
bestimmtes ~persönliches~ Verhältnis zur Gottheit bringt.

Wie das Gefühl auch immer heißen mag, in jedem Fall wird dasselbe durch
die Kraft des Geistes vertieft.

~Nicht minder abhängig, als die Denk- und Fühlkraft der Seele von den
Sinnen ist, ist auch das Triebleben oder die Willenskraft von
denselben~.

Die geschulten Sinne melden früher und intensiver die Verunreinigung von
Wasser, Luft, Speisen etc. an als stumpfe Sinne, erzeugen demnach ein
viel lebhafteres ~Empfinden der energischen Abwehr~. Ebenso steigert
eine vertiefte Erkenntnis die Energie des Willens.

~Die Kraft der Sinnesorgane kann aber durch Leibesübungen erheblich
gesteigert werden~, wofern man nur jegliche ~einseitige~ Uebung eines
Sinnes ~vermeidet~, wofern man den richtigen ~Wechsel~ von Ruhe und
Arbeit der Sinnesorgane berücksichtigt und schließlich jegliche
~Uebermüdung~ der Organe ~ausschaltet~.

Die Sinnesorgane haben im wesentlichen ihren Sitz im Kopf und in der
Haut. ~Alle diejenigen Uebungen, welche eine Erholung des Kopfes und des
Hautorgans bewirken, werden auch die Sinnesorgane erfrischen~.

[Abbildung: Tafel II.

Fig. 8. Passive Kopfdrehung.

Fig. 9. Passives Auseinander- und Zusammenführen der Arme. (Künstliche
Atmung.)]

Ein wichtiges Moment, das bei der Uebung der Sinnesorgane beachtet
werden muß, ist, daß man den betreffenden Sinn nicht nur vielseitig
methodisch übt, sondern auch stets rechtzeitig ~ruhen~ läßt. Will man z.
B. das Fernsehen des Auges üben, so tut man gut, daß man den in der
Ferne zu schauenden Gegenstand zunächst nach Form, Farbe etc. ganz genau
aussieht, die Augen darauf schließt, und geistig sich das Gesehene
veranschaulicht. Hat man diese geistige Photographie in allen Nuancen
dem Gedächtnis einverleibt, so erweitert man die Entfernung.
Nachdem man durch Schließen der Augen denselben die nötige Ruhe
verschafft hat, besieht man mit dem erholten gekräftigten Sehorgan aus
weiterer Entfernung, sucht alle Details des Erinnerungsbildes unter
abwechselndem Schließen und Oeffnen der Augen wiederholt zu schauen. So
lernt das Auge methodisch das Fernsehen, auf ähnliche Weise trainiert
man dasselbe im Farben- und Perspektivsehen etc.

[Abbildung: Tafel III.

Fig. 10. Oeffnen und Schließen der Beine als Widerstandsbewegung.

Fig. 11. Armsenken als Selbsthemmungsübung.]

In gleicher Weise lernt das Ohr hören, die Haut tasten, die Nase
riechen, die Zunge schmecken.



II. Teil.

Wert einiger besonderer Arten der Bewegung.


Haben wir nun erfahren, wie Leibesübungen auf alle Teile des Körpers und
Geistes wirken, so müssen wir uns einige Sonderheiten derselben
vergegenwärtigen, um sie individuell und zu bestimmten Zwecken erweitern
zu können.

Denn Bewegungen dienen nicht allein dem Zwecke des Gesundwerdens und
Gesundbleibens, sondern können zur ~Selbstzucht~ benutzt werden, wie
dies in der sogenannten ~pädagogischen~ Gymnastik geschieht, wo man
bestrebt ist, den Körper dem eigenen Willen zu unterwerfen. Oder man
kann die Bewegungen benutzen, um einen fremden Willen unter den eigenen
zu beugen, wie dies z. B. beim Schießen, Fechten etc. in der
~militärischen Gymnastik~ statt hat. Schließlich kann man Bewegungen
~ästhetisch~ benutzen, um sein Denken und Fühlen körperlich zu
veranschaulichen.

Wir können nun unsere Bewegungen so einrichten, daß wir uns dabei ganz
gleichgültig (passiv) verhalten und unsere Glieder von einem zweiten
Menschen oder einer Maschine bewegen lassen. Dann spricht man von einer
~Passivbewegung~. (Fig. 8 und 9.)

Oder wir können unsere Glieder selbsttätig bewegen, dann spricht man von
einer ~Aktivbewegung~.

Diese Aktivbewegungen kann man sehr verschiedenartig gestalten. Man kann
z. B. einen Widerstand einschieben. Beugt man den Arm im
Ellenbogengelenk, während ein anderer Mensch diese Beugung zu verhindern
sucht, so muß man dessen Kraft beim Widerstand überwinden. Hält man den
Arm in der Beuge, ein zweiter Mensch streckt mit stärkerer Kraft
denselben, so daß man nun entsprechend der eigenen Kraft nachgeben muß,
so fügt man sich dem Widerstand. In dem ersten Falle spricht man von
einer aktiv duplizierten, im zweiten von einer passiv duplizierten
~Widerstandsbewegung~. (Fig. 10, 14, 14^a^, 15.)

Der Widerstand kann in der verschiedensten Weise gegeben sein,
z. B. durch menschliche Gegenkraft beim Ringen, durch maschinelle
in der Heilgymnastik, durch Gewichte beim Hanteln oder in der
Schwergewichtsathletik etc.

Wenn man den Widerstand aus dem eigenen Ich, dem eigenen Willen heraus
schafft, so spricht man von einer ~Selbsthemmungsbewegung~. (Fig. 11.)
Geht man z. B. denselben Weg, den man gewöhnt ist in fünf Minuten
zurückzulegen, ~absichtlich~ unter Beanspruchung der völligen
~Aufmerksamkeit~ in zwanzig Minuten, so ist man genötigt, den Schritt um
das vierfache zu verlangsamen. Man wird seine ganze Willenskraft und
Aufmerksamkeit darauf richten müssen, die Schritte so zu hemmen, daß man
nicht ungleichmäßig ausschreitet oder stehen bleibt oder schneller wird,
als man sich vorgesetzt hat.

Geht man diesen Weg bergan oder mit einem Menschen am Arm, welcher
gewohnheitsgemäß langsam ausschreitet, so wird einem die ~Bremsarbeit~
leichter fallen als unbelastet und ungehindert. Die langsamste und am
wenigst belastete Selbsthemmungsbewegung erfordert die höchste Arbeit.

[Abbildung: Fig. 13. Keulenschwingen, eine Förderungsbewegung.]

In gewissem Gegensatz zur Selbsthemmungsbewegung steht die sogenannte
~Förderungsbewegung~. (Fig. 12, 13, 14^a^.) Diese Bewegung hat keinen
Widerstand zu überwinden und geschieht ~rhythmisch~ und ~automatisch~
ohne jede Anstrengung körperlicher oder geistiger Art. Sitzt man z. B.
im Schaukelstuhl und wiegt sich in demselben hin und her, so bedarf es
nur des ersten Anstoßes, dann schwingt der Körper im Stuhle hin und her,
ohne daß man die Muskeln in Bewegung setzen oder das Gehirn durch den
Aufmerksamkeitsakt in Anspruch zu nehmen braucht. Eine derartige
Bewegung ist auch das ~Gehen in der Ebene~, denn das Körpergewicht
stellt hier die Schwungmasse vor, welche den Körper rhytmisch und
automatisch fortbewegt. Und gerade der ~Rhythmus der Bewegung~ ist dabei
das fördernde Moment, man denke nur, wie leicht man beim Marsche
ausschreitet, den man nach dem Rhythmus einer Musikkapelle etc.
ausführt, wie leicht man nach den Klängen der Musik tanzt.

[Abbildung: Fig. 14 ^a^. Widerstands- und Förderungsbewegung des
Holzsägens.]

Diese ~reine~ Förderungsbewegung kann man zu einer sogenannten
~belasteten~ Förderungsbewegung machen, wenn man ihr einen ~Widerstand~
entgegensetzt.

[Abbildung: Tafel IV.

Fig. 12. Vorderarm-Beugen und Strecken als Förderungsbewegung.

Fig. 14. Widerstandsübung mit Largiadère’s Bruststärker.]

Läßt man z. B. die rhythmische und automatische Bewegung des Gehens
statt in der Ebene als Bergsteigen ausführen, so stellt die Steigung
der Berge einen Widerstand, eine Belastung vor.

Die reine Förderungsbewegung wirkt auf die Nerven ~beruhigend~ und bahnt
dem Willensantrieb den Nervenweg vom Gehirn zum Muskel. Dann spricht man
von der sogenannten „~bahnenden~” Bewegung, einer Form der sogenannten
~Koordinationsübungen~.

Die Koordinationsübungen sind Uebungen, welche die ~Ordnung~ der
Bewegungen erzielen will. Sie reguliert diese Art der Bewegung durch den
Gesichts- und Muskelsinn, sowie den übrigen Empfindungsapparat.

Aus dem Charakter der geschilderten Bewegungen folgt von selbst die
verschiedene ~individuelle~ Ausnutzbarkeit. Je nach der körperlichen und
geistigen Anlage kann sich das Individuum die für ihn passende Bewegung
heraussuchen. Denn es ist durchaus nicht notwendig, daß z. B. der
kreislaufkranke Mensch wegen dieses seines körperlichen Fehlers auf jede
Bewegung verzichtet, ja in vielen Fällen begeht er eine
Unterlassungssünde. Wenn er Vorteil und Nachteil der Bewegungen kennt,
wird er jenen sich zu eigen machen, diesen zu vermeiden wissen.

~Muskelarbeit~ ist z. B. für ~Herzkranke~, welche einen sogenannten
kompensierten Herzfehler haben, ein sehr richtiges ~Diätikum~, damit
Stoffwechsel und Herzernährung nicht leiden. Aber diese Muskelarbeit muß
so bemessen sein, daß sie keinerlei Beschwerden verursacht.



III. Teil.

Wert der Sportübungen, des Turnens, von Spiel und Tanz.


1. Der Sport.

Alle ~Sportübungen~ haben ein ~gemeinsames Charakteristikum~, nämlich
das, daß sie ziemlich erhebliche ~Anforderungen an die Kraft und
Gewandtheit der Sinne und des Geistes stellen~. Dem Reiter, wie dem
Radfahrer, Schwimmer, Ruderer etc. begegnen bei der Ausübung des Sportes
ungezählte, unvorhergesehene Dinge, die, wenn sie seiner Aufmerksamkeit
entgehen, ihm Gefahr bringen können. Der Reiter muß nicht nur auf den
Reitweg, sondern auch auf die Individualität seines Pferdes acht haben;
für den Radfahrer, Segler etc. gilt ähnliches. Er muß, wenn er mit
Vorteil seinen Sport ausüben will, eine gewisse innere Ruhe besitzen und
in der Handhabung des Sportinstrumentes geübt sein.

~Der Sport setzt~ demnach, soll er mit Vorteil ausgeübt werden, ~eine
turnerische Ausbildung und geschulte Sinne voraus~. Meist wird der Sport
leider einseitig und unvernünftig betrieben, und übt häufig nur einzelne
Muskelgruppen und wird dadurch zum Schädigungsmittel des Körpers.
Betreibt man denselben jedoch mit genügender Rücksicht auf die Hygiene
und die Aesthetik, so kann dies angewandte Turnen nicht nur zu einer
vorzüglichen Schulung der Sinne und des Geistes, sondern auch der
Gelenkigkeit des Körpers werden.

Welche Uebungen wir auch immer treiben, wir müssen dieselben stets
sowohl zur Entwicklung unserer Körperkräfte, als auch der Gelenkigkeit
betreiben. Denn gerade ~Gewandtheit gebrauchen wir im gewöhnlichen Leben
mehr als Kraft~. Meistens gebrauchen wir in der Praxis des Lebens nur
leichte Gegenstände, diese aber im schnellen Wechsel und in schneller
Aufeinanderfolge. Genau so wie dem Muskelapparat ergeht es unseren
Sinnen und unserem Denkvermögen. Die Gewandtheit der Sinne, schnell die
Gegenstände wahrzunehmen, wird im praktischen Leben mehr Erfordernis,
als schwer wahrnehmbare durch die Kraft der Sinne zu eruieren, und die
Lösung schwieriger Probleme wird von uns für gewöhnlich nicht gefordert,
als vielmehr nur leichte Denkübungen zu treiben, um den schnellen
Wechsel einfacher Lebensverhältnisse auch schnell zu erfassen.

~Kraft und Gelenkigkeit stehen nun aber in einem gewissen gegenseitigen
Verhältnis~.

Treibt z. B. der berufs- und gewohnheitsmäßig viel Sitzende täglich
körperliche Uebungen um den hygienischen Ausgleich gegen die
aufgezwungene Ruhe und die Einseitigkeit der Denkarbeit zu schaffen, und
verwendet auf diese Uebungen seine volle Kraft, so wird er in Wochen,
Monaten und Jahren zu einer bestimmten Höhe der Kraftentwicklung
gelangen. Schränkt der Uebende nun im täglichen Uebungspensum die Zahl
der Kraftübungen ein und veranstaltet an deren Stelle eine Zahl
Gelenkigkeitsübungen, so wird er zu seiner Freude bemerken, daß der
Fortschritt in dieser Uebungsperiode mindestens der gleiche, wenn nicht
sogar ein größerer ist.

~Daraus folgt, daß die Kraftentfaltung eine schnellere und größere ist,
je mehr die Kraftübungen mit Gelenkigkeitsübungen abwechseln~.

Diejenige Uebung, welche ~gleichmäßig~ Kraft und Gelenkigkeit ausbildet,
ist deswegen auch als die naturgemäße zu bezeichnen und deswegen auch
die schöne und zweckmäßige.

Ein Körper, welcher ~nur~ Kraftübungen treibt, wird plump und
vierschrötig und bleibt frühzeitig in der Entwicklung stehen. Ein Körper
hingegen, welcher ~nur~ Gewandtheitsübungen macht, entbehrt bald der
schönheitlichen, kraftstrotzenden Abrundung. Ausdauer, Schnelligkeit und
Sicherheit der Gewandtheit wachsen rasch bei gleichzeitigen
Kraftübungen. Nur durch die innige Durchdringung beider Uebungsarten
wird die ~architektonische Schönheit~ und gleichzeitig die Schönheit der
Bewegung, die sog. ~Anmut~, erworben, und nur so wird die ~Würde~ der
Bewegung erreicht. Deswegen gebührt z. B. auch den bei uns so sehr
vernachläßigten und mißverstandenen Uebungen des ~Tanzens~ und ~Ringens~
eine hervorragende Stelle in der körperlichen Erziehung.

In der Schule der Kraft- und Gelenkigkeitsentfaltung unseres Körpers,
unserer Sinne und unseres Geistes steht aus denselben Gründen aber auch
ein vernünftig betriebener Sport obenan. Nur darf nicht eine Sportart
allein, sondern müssen mehrere Sportarten die sich gegenseitig ergänzen,
zur vernünftigen Leibeserziehung herangezogen und diese wiederum
hygienisch und ästhetisch betrieben werden.


^a^) ~Das Reiten~.

Das Reiten, soweit es nur der Fortbewegung dient, beansprucht relativ
geringe Kraft. Die Allgemeinermüdung ist eine relativ geringe, weil der
Reiter „sich nur in einer gewissen Haltung heben läßt”, also zunächst
mehr passiv tätig ist. Herz und Lunge werden nur wenig beansprucht.
Dagegen ist die örtliche Ermüdung der Adduktoren des Oberschenkels
(Anzieher des Oberschenkels) eine erhebliche. Günstig wirkt das dauernde
Erschüttern des Körpers auf die Verdauung und die stetige Aufmerksamkeit
auf den Weg und das Pferd vorzüglich geistig ableitend, besonders bei
denjenigen Menschen, welche sich gewohnheitsgemäß und krankhaft viel mit
sich selbst beschäftigen, also auf Hysterische, Hypochonder und
Neurastheniker. Anders liegen natürlich die Verhältnisse bei demjenigen
Reiter, welcher liebevoll die Individualität resp. die Rasse seines
Pferdes erfaßt, und nur so kann er das Reiten zu einer Reitkunst
erheben. Wer die Leistungfähigkeit seines Pferdes entwickeln will, muß
die Eigentümlichkeit seines Pferdes berücksichtigen, sonst wird er eben
aus demselben nichts zu machen wissen und dasselbe verderben,
andernfalls jedoch dasselbe voll und ganz beherrschen. Die
Kraftanstrengung ist dementsprechend eine höhere, namentlich beim
Dressieren oder Zureiten eines unbändigen Pferdes, wo der Reiter bald,
wie man sagt, bis aufs Hemd naß ist. Hierbei gebraucht der Reiter nicht
nur die Bein-, sondern vor allem auch die Armmuskulatur.


^b^) ~Das Radfahren~.

Billiger als das Reiten ist bekanntlich das Radfahren, das, wie das
Reiten eine Bewegung in frischer Luft ist. Die Reinheit der Luft läßt
allerdings häufig viel zu wünschen übrig, weil ja der Radfahrer die
staubigen Chausseen benutzen muß. Der Stoffverbrauch ist beim Radfahren
ein sehr bedeutender, während das Ermüdungsgefühl ein sehr geringes ist.
Der Körper verbrennt erhebliche Mengen Eiweiß und Fett und verliert
große Mengen Körperwassers; deshalb wirkt dieser Sport so vorzüglich bei
fettsüchtigen Menschen und durch die Erhöhung des Stoffwechsels bei
gleichzeitiger Erschütterung des Körpers auch befördernd auf schlechte
Verdauung. Der Radfahrer hat ein hohes Sauerstoffbedürfnis und vertieft
deswegen ausgiebig seine Atmung, während die Zahl der Atmungszüge bei
vernünftigem Training nicht vermehrt wird. Wer daher die ruhige
vertiefte Atmung beim Radfahren übt, der übt in hervorragender Weise
seine Lungen und kann aus seinem schwachen Atmungsapparat einen
äußerst kräftigen entwickeln. Trotzdem ist dem beginnenden
Lungenschwindsüchtigen wegen der Gefahr der Blutung und des vielen
Staubschluckens vom Radfahren abzuraten. Die Gefahr des Staubatmens wird
durch eine reine Nasenatmung vorgebeugt.

Ein großer Vorteil des Radfahrens ist auch das geringe Ermüdungsgefühl.
Deshalb wirkt dieser Sport so hervorragend gut bei leichteren Graden der
Nervenschwäche und sonstigen nervösen Zuständen. Abgesehen davon, daß
der Nervenschwache sich in frischer Luft bewegt und damit der
gleichzeitigen günstigen Einwirkung des Lichtes auf Körper und Geist
ausgesetzt ist, daß die Abwechselung in der Natur nie Langeweile oder
nervöse Verstimmungen aufkommen läßt, macht er sich die Vorteile der
sogenannten Förderungsbewegung zu nutze. Und das Radfahren ist eine noch
viel bessere Förderungsbewegung als das Gehen. Ein Radfahrer gebraucht,
wenn er einen Weg von 7 Kilometern noch einmal so schnell zurücklegt,
als ein gemütlich ausschreitender Wanderer, nur die Hälfte der von
diesem aufgewendeten Energie und diese Ersparnis wächst entsprechend dem
schnelleren Tempo beider für den Radfahrer. Dies Verhältnis besteht
natürlich nur so lange zu Recht, als das Radfahren eine ~automatische~
Bewegung ist. Das Radfahren ist nur für den Geübten eine
Förderungsbewegung; ~wer es erst erlernen muß, für den ist es eine
Anstrengung, der er in Krankheitsfällen~ eventuell nicht gewachsen ist,
und er muß auf das gesundmachende Mittel verzichten, weil er in gesunden
Tagen diese Kunst nicht erlernt hat.

Kann das geringe Ermüdungsgefühl des Radfahrens daher von großem Vorteil
sein, so kann es auch bedeutende ~Nachteile~ mit sich bringen. Denn der
Fahrer täuscht sich leicht über die Erschöpfung seines Herz- und
Gefäßapparates hinweg, wie die Erfahrung gezeigt hat, weil er sie nicht
rechtzeitig fühlt und erwirbt sich Zustände der akuten Herzerweiterung,
der Verletzung des Herznervenapparates und der Herzmuskelverdickung mit
ihren Folgezuständen. Deswegen ist dem Herzleidenden im Allgemeinen der
Radfahrsport gefährlich. Ganz verwerflich ist es ferner, wenn Radfahrer
Mittel gebrauchen, welche sie scheinbar erfrischen aber im Grunde nur
über das Ermüdungsgefühl hinwegtäuschen, wie dies durch den Kokagenuß
geschieht. Im Gegenteil, jeder Radfahrer muß sorgfältig auf den Beginn
der Herzermüdung achten. Gewisse Sportregeln sollte ferner der Fahrer
nie außer Acht lassen.

Die Fahrgeschwindigkeit auf ebenem Terrain soll die von 15 Kilometern in
der Stunde nicht übersteigen, sie soll eine geringere sein auf
gepflasterter Straße, bei Gegenwind und bei Steigungen. Diese
Sportregeln müssen um so mehr beachtet werden, je größer die
Uebersetzung des Rades ist, weil sich die Muskelarbeit auf weniger
Umdrehungen konzentriert.

Wichtig ist ferner Sitz und Haltung des Radfahrens für die Gesundheit.
Der Sattel, auf welchem der Fahrer sitzt, darf nicht nach vorn zu schmal
werden und keine nach oben gewendete Spitze haben, weil er sonst das
Dammfleisch und die benachbarten Organe beleidigt, sondern muß so
eingerichtet sein, daß der Fahrer bequem auf den beiden Sitzknorren
sitzt.

Damit die Lungen ausgiebig atmen und das Zwerchfell bequem nach abwärts
steigen kann, muß das Rad so gebaut sein, daß der Fahrer aufrecht sitzen
kann. Der Sattel muß so hoch über den Pedalen liegen, daß beim
Durchtreten der Fuß und das Knie nur mäßig nach abwärts gebeugt werden
brauchen. Unter den genannten Voraussetzungen ist das Fahrrad dann auch
für Kinder und Frauen zu empfehlen. Letztere dürfen natürlich nicht
durch den Panzer des Korsetts die vorteilhaften Wirkungen auf Atmung
und Herz illusorisch machen.


^c^) ~Das Rudern und Segeln~.

Im Gegensatz zu der Gelenkigkeitsübung des Radfahrens ist das Rudern
eine Kraftübung, welche in staubfreier und meist etwas kühlerer Luft auf
dem Wasser statt hat. Die Gefahren der Staubeinatmung und der
Ueberhitzung werden damit beseitigt. Vorwiegend werden beim Rudersport
die Muskeln des Rumpfes und der Arme geübt. Wenn die Arme die Ruder an
den Körper heranziehen, so werden dabei nicht nur die Armmuskeln
gebraucht, sondern auch die vom Brustkorb zu den Armen verlaufenden
Muskeln, die wir als Hilfsmuskeln der Atmung kennen gelernt haben; aber
auch die Brust-, Leib- und Rückenmuskeln werden gleichzeitig gebraucht,
um den Rumpf als Stützpunkt fest zu machen. Dazu kommt das Vorwärts- und
Rückwärtsneigen des Rumpfes, welches Bauch- und Rückenmuskulatur
kräftigt und die normale Bewegung der Verdauungsorgane steigert, und,
sofern der Ruderer das Tempo der Ruderführung nach der Atmung einstellt,
resp. auf ruhige Atemführung achtet, der Atemschulung förderlich wird.
Aber auch die Beine nehmen schließlich an der Körperarbeit teil,
wenigstens, wenn die Ruderschläge weit ausholen; denn gegen das
Stemmbrett gestützt, müssen sie durch Beugen und Strecken die
Körperbewegungen begleiten. In den Sportsbooten mit ihren Gleitsitzen
wird den Beinen die Hauptarbeit übertragen, dadurch aber der Oberkörper
weniger geschult. Diese Art der Sportsübung ist daher wie jede andere
Höchstleistung in der sportlichen Konkurrenz eine vorzügliche Schulung
des Willens, aber sie bringt körperliche Schädigungen mit sich, die nur
ein völlig gesunder und ausgewachsener Körper gelegentlich sich zumuten
darf.

Als körperliche Uebung kommt der ~Segelsport~ wenig in Frage. Abgesehen
davon, daß er dem Segler einen Einblick und Urteil in marinetechnischen
und Weltverkehrsfragen verschafft, erzieht er denselben zur
Kaltblütigkeit.


^d^) ~Das Schwimmen~.

Wichtiger für die Körperpflege ist der Schwimmsport. Derselbe bietet wie
der Rudersport die Staubfreiheit der Wasserfläche; die Abhärtung und
Reinlichkeitspflege der Körperoberfläche sind weitere Vorteile. Eine
Ueberhitzung durch forcierte Bewegung ist durch die gleichzeitige
Wasserabkühlung ausgeschlossen. Letztere setzt aber auch soviel Blut und
Wärme voraus, daß der Schwimmende sich durch die Bewegung die nötige
Reaktion verschaffen kann. Die Schwimmbewegung nimmt besonders die
Extremitätenmuskulatur in Anspruch, aber auch Herz- und Lungenkraft,
besonders beim Schwimmen gegen den Strom und beim Schnellschwimmen.
Schwimmt man jedoch in ruhigem Tempo, so kann man die Schwimmübung zur
Dauerübung erheben, der erst die je nach der Temperatur des Wassers mehr
oder weniger schnell eintretende starke Abkühlung, Einhalt gebietet.
Menschen mit Fehlern im Kreislaufsystem kann Schwimmen gefährlich
werden.


^e^) ~Das Gehen in der Ebene und das Bergsteigen~.

Eine der vorzüglichsten ~Förderungs~bewegungen ist das ~Gehen in der
Ebene~, das automatisch wie die Atmungstätigkeit geschieht, weil es sich
ohne Aufmerksamkeit und rhytmisch vollzieht. Der Kraftverbrauch ist ein
relativ geringer. Die Muskelarbeit wird von den besttrainierten Muskeln
des Körpers, den Beinmuskeln geleistet, die 56% der Gesamtmuskulatur
ausmachen. Die Ermüdung tritt daher nicht durch die Beinmuskulatur,
sondern durch die Erschöpfung von Lungen und Herz ein, denn der Gehsport
regt ungemein stark die Atmungs- und Kreislauftätigkeit an. Da aber die
Steigerung der Ermüdung eine allmähliche ist, so kann nur durch starke
Uebertreibung der Organismus geschädigt werden. Aus demselben Grunde ist
der Gehsport der heranwachsenden Jugend und alten Leuten ohne Bedenken
zu empfehlen.

Das Gehen gegen einen gewissen Widerstand ist der ~Bergsport~. Er bietet
zunächst die Vorteile der Höhenluft, die im wesentlichen in einer
Anregung auf die Tätigkeit unserer Organe besteht und damit dieselben
zur körperlichen Uebung zwingt. Da heißt es Ausdauer beweisen, bald
bergauf bald bergab zu steigen. Beim Anstieg werden Herz- und
Lungenkraft stärker beansprucht, und kann man gerade deswegen, wenn man
systematisch vorgeht die Herzkraft steigern. Beim Absteigen hat der
Körper je nach dem Grade der Neigung eine verschieden große Bremsarbeit
zu leisten. Ist man zum Klettern gezwungen, so schafft der Vorteil der
Abwechslung Anregung, andererseits wird der Bergsteiger zur sachgemäßen
Handhabung des Bergstocks oder des Eispickels gezwungen, dazu kommt die
Anstrengung des Seilhaltens. Die Arme sind also nunmehr in ähnlicher
Weise wie die Beine zur Arbeit gezwungen. Je schwieriger die Bergpartien
werden, um so mehr wird das Nervensystem beansprucht. Denn Auge und Ohr
werden intensiv gebraucht, die äußerste Aufmerksamkeit, Kaltblütigkeit
und Schwindelfreiheit sind erforderlich, will man nicht einen Unfall
erleiden. Deshalb ist der Bergsport nur für den absolut gesunden
Menschen brauchbar und jede Uebertreibung desselben aufs sorgfältigste
zu meiden.


^f^) ~Das Schlittschuh- und Schneeschuh-Laufen~.

Zum Wintersport gehören das Schlittschuh- und das Schneeschuh-Laufen.
Beide sind in sofern sehr schätzenswert, als sie uns aus der durch
mangelnde Lüftung, durch Beleuchtung und Heizung verdorbenen
Stubenluft ins Freie locken. Die Kräfte, die wir beim Eislauf
gebrauchen, sind nicht erhebliche, wenigstens nicht für den geübten
Läufer, und solange das Laufen nicht zum Kunstlauf erhoben wird, ist der
Eislauf eine gute Förderungsbewegung. Einer Ueberhitzungsgefahr ist der
Läufer wegen der Kälte des Luftmediums nicht ausgesetzt. Gegen Erfrieren
einzelner Körperteile kann er sich durch verstärkte Eigenbewegung und
Bekleidung schützen. Der Kunstlauf ist abgesehen von der stärkeren
örtlichen Muskelermüdung eine vorzügliche Uebung der Geschicklichkeit.

[Abbildung: Tafel V.

Fig. 15. Die Meisterschaftsringer Jakob Koch und Saurer im Bodenkampf.

(Beispiel der Widerstandsbewegung.)]

Wesentlich größeren Kraftaufwand erfordert der Schneeschuhlauf, weil der
Schnee eine stärkere Reibung als das Eis und damit einen größeren
Widerstand bedingt. Dies gilt wenigstens für die Aufwärtsbewegung, die
bei schwierigem Terrain sogar zu Erschöpfungszuständen, besonders des
Herzens führen kann. Dagegen ist beim windschnellen Abflug die Arbeit
eine minimale und wird nur zum Balanzieren des Körpers und zum Bremsen
gebraucht.


^g^) ~Fechten, Boxen und Ringen~.

Hohe Anforderungen an die ~Sinnes- und Nervenkraft~ stellen die Uebungen
des Fechtens, Boxens und Ringens. Die Aufmerksamkeit ist aufs höchste
gespannt, um die Blöße des Gegners schnell zu erkennen und auszunutzen.
Die Muskelarbeit beim Fechten und Boxen ist eine geringere als beim
Ringen, bei welchem der Widerstand des Gegners gleichzeitig zu
überwinden ist. ~Das Ringen ist eine Widerstandsgymnastik ^par
excellence^, die ebenso Gewandtheit als Kraft und Ausdauer von allen
Teilen des Körpers, von den Sinnen, Organen und Muskeln~ erfordert.
(Fig. 15.) Voraussetzung ist eine allseitige Ausbildung des Körpers. Die
Kraftübung ist hier zur Dauerübung gemacht und stellt die höchsten
Anforderungen an Atmung und Herztätigkeit. Zustände von Herzdehnung und
Herzübung findet man bei Ringern sehr häufig und die meisten
Berufsringer sterben relativ frühzeitig an Herzleiden, zumal wenn sie
die Herzarbeit durch Flüssigkeitszufuhr noch erhöhen, wie dies durch
Trinken besonders alkoholischer Getränke geschieht. Die wenigsten
Berufsringer haben ihre Atmung gut geschult und glauben eine gute
Atemschule nicht notwendig zu haben, weil sie während des Ringens nur
sparsam und oberflächlich atmen. Hat der Ringer jedoch gelernt, die
Pressung während der größten Kraftanstrengung auf ein Mindestmaß zu
beschränken und die Atmung unabhängig von der Muskelarbeit zu gestalten,
so würde sein Herz langsamer ermüden, ebenso wie der ganze Körper und
müßte er gegen einen gleich starken und gleich gewandten Gegner
notwendig durch seine Ausdauer siegen.

~Der Ringkampf ist so recht eigentlich das Examen für die leibliche
Tüchtigkeit und die stetige Repetition des einmal Erlernten und müßte in
erster Linie zur Erziehung leiblicher Gesundheit auf unseren Schulen
gepflegt werden~. Er ist vor allem geeignet, echte ~Ritterlichkeit~ in
unserer Jugend heranzubilden, wofern die Ringenden angehalten würden,
ihre Ueberlegenheit dadurch zu beweisen, daß sie den Gegner nicht roh zu
Falle bringen, sondern gleitend und schonend.


2. Turnen und Turnspiele.

Das ~deutsche Turnen~ hat ~drei Arten~ der Körperausbildung, ~die
Gerät-, die Ordnungs- und die Freiübungen~.

[Abbildung: Fig. 16. Turnen am Barren.]

Beim ~Gerätturnen~ werden alle Muskeln ausgebildet und die Koordination
geschult. Bock, Pferd und Springschnur dienen der Ausbildung der Beine,
Reck, Ringe und Barren (Fig. 16 u. 16^a^) der der Arme. Die Ausbildung
der Beine durch die verschiedene Art des Sprunges (Fig. 17) sollte man
nicht durch Benutzung von Sprungbrettern gefährden, weil durch
ungeschickten Absprung von denselben leicht Verstauchungen der Füße
vorkommen. Verletzungen des Fersenbeins und Gehirnerschütterungen beim
Niedersprung können durch „Federn” in den Zehengelenken und durch
Weichheit der Niedersprungsstelle vermieden werden. Zur Stählung des
Mutes ist der Sprung über ~feste~ Sprunggeräte wie Pferd, Sprungkästen
geeigneter. Eine aufmerksame und geschulte Hilfe sollte nie fehlen. Bei
den Stütz-Uebungen am Barren, am Reck und an den Schaukelringen besteht
die Gefahr der Pressung, die sorgfältigst ausgeschaltet werden muß.

[Abbildung: Fig. 16 ^a^. Hochsprung.]

Der Vorwurf, der dem deutschen Gerätturnen öfters gemacht wird, daß er
die obere Extremität einseitig auf Kosten der unteren ausgebildet,
existiert für den ~vernünftigen~ Turner nicht. Auch hat man behauptet,
daß das Geräteturnen langweilig sei, weil nur einer jedesmal am Gerät
beschäftigt sei und die übrigen gelangweilt umherstehen. Dieser Nachteil
besteht jedoch nur da, wo die Anregung und das Vorbild des Lehrers oder
Vorturners fehlt. Der Nachturner nimmt sinnlich das Bild der ein- oder
mehrfach vorgeführten Uebung auf, schafft sich ein geistiges Bild von
derselben und wird so leichter die Uebung nachbilden können, er hat Muße
bis zur nächsten Uebung auszuruhen und Kräfte zu sammeln. Die
Koordinationstätigkeit ist dadurch eine wesentlich leichtere, weil sie
vorbereitet ist, und der richtige Wechsel von Anstrengung und Erholung,
von körperlicher und geistiger Arbeit gegeben.

[Abbildung: Tafel VI.

Fig. 17. Der Diskuswurf.]

Die ~Ordnungsübungen~ imponieren zwar dem Auge, sind aber zeitraubend
und belasten als Gedächtnisübung zu sehr das Gehirn, welches ohnehin bei
den heutigen Ansprüchen an unserem Schul- und Berufsleben schon stark
beansprucht wird. Die notwendige stärkere Ausarbeitung des Körpers aber
fällt bei den Ordnungsübungen fast ganz fort. Sie sind also nur für die
noch durch keine geistige Arbeit in Anspruch genommenen Kinder und den
Spielschulen zu empfehlen, oder da, wo ein sogenannter Drill
wünschenswert ist.

Bei den ~Freiübungen~ unterscheidet man solche mit und ohne Fortbewegung
des Körpers und solche, welche unbewaffnet oder bewaffnet mit Keulen,
Hanteln oder Stäben ausgeführt werden. Die Bewaffnung hat den Zweck, die
Uebung schwerer, schwungreicher und energischer zu machen, sie als eine
Widerstands- oder Förderungsbewegung zu charakterisieren. Die
Freiübungen sind für das Atmungs- und Herztraining, für die Schulung des
Willens, für den Ausgleich fehlerhafter Körperhaltungen, für den
individuellen und systematischen Aufbau von Körperkraft, für Erzielung
von Anmut und architektonischer Schönheit und in der Schulung der
Gelenkigkeit von ungeheurem Wert, zumal sie wenig Platz und wenig
Handhaben benötigen und deshalb für die Hausgymnastik unersetzbar. Eine
vorzügliche Schule für Lunge und Herz sind die Freiübungen mit
Ortsbewegung, das Gehen und Laufen. Der ~militärische Marsch~ kräftigt
die Muskeln der Beine und des Rückens, vergrößert die Schrittweite und
erhöht die Ausdauer namentlich wenn er im sogenannten ~Beugegang~
ausgeführt wird, d. h. wenn mit der ganzen Fußsohle aufgetreten, mit
gebeugten Knieen und mit nach vorn geneigtem Oberkörper marschiert
wird. Der ~Parademarsch~ hat weniger Wert für die Gesundheit, als für
den Drill. Der ~Kunstgang~ ist hygienisch wenig ausnutzbar.

Der ~Lauf~ bringt je nach der Art der Ausführung einen verschiedenen
Nutzen. Der ~Schnellauf~ stellt hohe Anforderungen an die Herzkraft und
sollte entsprechend dem großen Bewegungsbedürfnis der wachsenden Jugend
derselben überlassen bleiben. Bei dem noch im Wachstum begriffenen
Körper entwickelt sich das Herz relativ stärker als die übrigen Organe,
es gebraucht also auch einen größeren Wachstumsreiz durch die Bewegung,
das Gefäßrohr ist vermöge seiner Jugendlichkeit elastischer, kann sich
deshalb besser den gesteigerten Anforderungen anpassen. Für den
erwachsenen Körper hat der ~Dauerlauf~ größeren hygienischen Wert, zumal
wenn die Dauer der Leistung nur eine allmähliche und systematische
Steigerung erfährt und mit gebeugten Knieen gelaufen wird.

Die ~Turnspiele~ teilt man ein in ~Ball~- und ~Laufspiele~. Barlauf,
„Fürchtet euch nicht vor dem schwarzen Mann”, Dritten abschlagen,
Lawn-Tennis, Vierball, Schleuderball, Fußball, Cricket etc. sind solche
Spiele, welche mit den hygienischen Vorteilen des Laufens noch die
Uebung der Geschicklichkeit, der Dispositionsfähigkeit und des
Charakters verbinden und auch die Ausbildung der oberen Extremität
befördern. Alle Turnspiele sind besonders für die kalte Jahreszeit
geeignet und erfahrungsgemäß eine vorzügliche Erholung von geistiger
Ermattung. So hoch zu schätzen nun aber auch die Turnspiele sind, so
machen sie Freiübungen und Gerätturnen doch nicht unentbehrlich.

[Abbildung: Tafel VII.

Fig. 18. Der Gerwurf.]


3. Der Tanz.

Eine eigene Rolle könnte dem ~Tanz~ für die Körperpflege zukommen,
namentlich für das weibliche Geschlecht, wofern er nur vernünftig
ausgenützt würde. Der Tanz ist eine Schnelligkeitsbewegung, die nach
dem Rhytmus der Musik sich vollzieht, und dadurch zu einer
~Förderungsbewegung~ erhoben wird. Die Bewegung wird unter dem steten,
musikalischen Antriebe eine automatische, traumhafte. Nervenarbeit ist
nicht erforderlich, die Arbeit wird zur Lust. Aber gerade hierin besteht
auch die Gefahr, denn der Tänzer verliert die Kritik und macht die
Schnelligkeitsübung zur Dauerübung und schädigt dadurch Herz und Lunge,
zumal wenn in raucherfüllten, geschlossenen Räumen getanzt und
gleichzeitig dem Genuße alkoholischer Getränke gefrönt wird. Dazu kommt
für die Damen die Schädigung des Korsettpanzers, welcher für dieselben
dasselbe bedeutet, als wenn der Ringer mit festangezogenem Leibriemen
ringt, oder der Soldat mit festgegürteter Säbelkoppel marschiert. Durch
die Beeinträchtigung der Zwerchfellatmung, durch die Einschnürung kommt
es leicht zu hohen Graden der Herzerweiterung. Würden diese
Schädlichkeiten ausgeschaltet, so könnte der Tanz ein segensreiches
pädagogisches Bewegungsmittel sein.

Der heutige Tanz ist leider nicht mehr der Ausdruck überquellender
Lebensfreude, sondern ein Erregungsmittel ekler Lüsternheit, er dient
nicht mehr der Sittlichkeit, sondern der Unsittlichkeit. Und doch galt
ursprünglich ~der Tanz als ein souveränes Mittel zur systematischen
Ausbildung des Körpers, zu Kraft und Schönheit~! Eine vollkommene
architektonische Schönheit unseres Körpers zu erreichen, sind wir wegen
der Abhängigkeit von der ererbten Konstitution nicht immer in der Lage,
wohl aber kann jeder Mensch die ~Schönheit der Bewegung, die Anmut und
die Würde~, sich erwerben. Die Waffentänze unserer Vorfahren und anderer
Naturvölker erforderten und erzeugten Kraft, Geschicklichkeit, Anmut und
edle Selbstbeherrschung. Der Tanz der Frauen muß entsprechend ihrer
heiligen Mission als Mütter die weiblichen Körper gesund und schön
entwickeln. Denn aus ihrem Schoße verlangen wir gesunde und schöne
Nachkommenschaft. Ein edles Vorbild dieser Art der Tanzkunst ist die
Reformatorin derselben, Miß ~Isidora Duncan~. (Fig. 19, 20, 21.) Ihre
Schule könnte unserem Geschlechte wieder kraftvolle und schöne
Frauenindividualitäten, kräftigen und schönen Nachwuchs verschaffen.



IV. Teil.

Körperpflege in den verschiedenen Altersstufen.


Das Kind, ~vor dem Eintritt in die Schule~, bedarf der Schulung der
~Sinneskraft~. Dies geschieht am besten durch Uebung der
Naturbetrachtung. Es bedarf ferner der Erhaltung und Förderung seiner
mitgebrachten ~Gelenkigkeit~ durch möglichst geringe, lose und luftige
Bekleidung und durch möglichst große Freiheit der selbstgewollten
Bewegungen in gut ventilierten, warmen Zimmern und im Freien bei warmer,
sonniger Witterung. Vom vierten Lebensjahre können Ordnungsspiele
günstig einwirken. Atmung und Herztätigkeit, sowie ein stetiges Wachstum
werden gefördert, die erste Zahnung vollzieht sich ohne Gefahren.

[Abbildung: Tafel VIII.

  MISS JSADORA DUNCAN
  STATUETTE: Prof. W. SCHOTT

Fig. 19, 20, 21. Der hygienische und ästhetische Tanz.]

In den ~drei ersten Schuljahren~, in welchem der Zahnwechsel statthat
und auch sonst das Knochenskelett sich entwickelt, ist das Kind durch
die verminderte Bewegung und durch das Sitzen in der wenig guten Luft
der Schulräume gefährdet. Die Atmung ist eine oberflächliche, der
Stoffwechsel verlangsamt, der Wachstumreiz herabgesetzt.
~Systematische Marsch- und Schnelligkeitsübungen~ bringen den Ausgleich.
Letztere sind am besten in Form des Tanzes, der Bewegungsspiele im
Freien und Gleichgewichtsübungen vorzunehmen.

In den ~nächsten fünf Schuljahren~, in welchen das Längenwachstum
fortschreitet, die Knochen bereits fester und die Muskeln ausdauernder
werden, treten zu dem bisherigen Uebungsprogramm der Dauerlauf, das
Schlittschuhlaufen, der Hoch-, Weit- und Stabsprung, Klettern und
Schwingübungen, Freiübungen ohne stärkere Bewaffnung, schließlich
Gerätübungen, bei welchen eine Pressung ausgeschlossen ist. Vom 12.
Lebensjahre ab können auch Griffkunde, Reiten und mäßiges Schwimmen
Nutzen stiften. In der ~Zeit der geschlechtlichen Reifung~ und der
Vollendung des Längenwachstums, also etwa vom 13. bis 22. Lebensjahre
vollzieht sich auch das Hauptwachstum des Herzens und der Lungen. Um
diesen Organen die nötige Anregung zur Entwicklung zu geben, bedarf der
Körper starker Bewegungsreize. Der Schnellauf, der Bergsport,
Wettspiele, kurzdauernde Ringkämpfe, Wettschwimmen auf kurze Distanzen,
Gerätübungen aller Art, Fechten, Boxen, Radfahren, Rudern und Skilauf
sind vorzügliche Uebungen, die möglichst vielseitig betrieben werden
sollen. Vom 22. bis 30. ~Jahre~ vollzieht der Körper hauptsächlich sein
Breitenwachstum und festigt sich innerlich. Dies ist die Zeit des
Uebermutes und der Waghalsigkeit, aber leider auch der Ausschweifung.
Kraftübungen aller Art sollen hier mit Gewandtheitsübungen in stetem
Wechsel bleiben, Leichtgewichtsathletik systematisch die
Schwergewichtsathletik vorbereiten und durch letztere ergänzt werden.
Ringen soll die allseitige Ausbildung erhalten und fördern und Umsicht,
Schlagfertigkeit und Willensstärke fördern.

In der ~Vollkraft der Jahre~ vom 30. bis 40. Lebensjahre muß man sich
die bisher erworbene Schnelligkeit und Gewandtheit zu erhalten und die
höchste Ausbildung der Kraft und Ausdauer zu erwerben suchen. Kraft- und
Dauerübungen sind maximal zu steigern.

Schwergewichtsathletik vernünftig und mäßig betrieben, kann durch
Verarbeitung der Reservestoffe nützlich wirken.

Nach dem 40. Lebensjahre muß man sich die erworbene Kraft, Gelenkigkeit
und Ausdauer möglichst lange zu erhalten suchen; man gebraucht hiezu
Frei- und Dauerübungen, sowie Gerätübungen, die bereits in Fleisch und
Blut übergegangen sind. In vorgerückterem Alter soll man alle Uebungen
meiden, welche den Kopf längere Zeit nach unten bringen. Für jedes
Lebensalter aber gilt die goldene Regel zu ~individualisieren~. Die
schwachen Stellen des Körpers müssen aufgesucht und so lange geübt
werden, bis sie nach Aussehen und Leistungsfähigkeit in den gesamten
Körperrahmen hineinpassen.



V. Teil.

Die Körperpflege durch Licht und Luft.


Um die Einwirkung von Licht und Luft auf den Körper richtig zu schätzen,
muß man ihre ~physikalischen Eigenschaften~ kennen.


1. Physikalische Eigenschaften des Lichtes; Einfluß auf Pflanzen,
Bakterien und den tierischen Organismus.

Man nimmt an, daß das Licht aus transversalen Schwingungen des Äthers
besteht. Die durch die Erschütterung des Lichtäthers entstandenen Wellen
sind verschieden lang und von verschiedener Dauer. Unser Auge empfindet
diese Verschiedenheit als ~farbiges~ Licht. Das Sonnenlicht, das uns
gleichmäßig weiß erscheint, ist ein zusammengesetztes, farbiges Licht,
welches nur in seiner Gesamtheit auf unser Auge einen weißen Eindruck
macht. Wir können dasselbe in seine einzelnen Bestandteile zerlegen,
indem wir das Sonnenlicht durch einen feinen Spalt auf ein Glas- oder
Quarzprisma auffallen lassen und dann sehen wir die Regenbogenfarben
rot, orange, gelb, grün, hellblau, dunkelblau, violett. Schließlich gibt
es noch farbiges Licht, das wir mit unseren Augen nicht erkennen können,
welches aber wissenschaftlich nachgewiesen ist, das sogenannte
ultraviolette Licht. Das rote Licht hat vorwiegend wärmebringende, das
blaue, violette und ultraviolette Licht dagegen mehr chemisch wirksame
Strahlen, die gelben und grünen Strahlen sind mehr optischer Natur und
heißen kurzweg Lichtstrahlen. Das Sonnenlicht wechselt seinen Reichtum
an chemischen Strahlen, es ist reicher an denselben in höheren Regionen
und im Süden, ärmer in der Niederung und im Norden. Die verschiedenen
Körper lassen je nach ihrer Eigenart die eine oder andere Lichtart
oberflächlicher oder tiefer eindringen. Wohin auch immer in der
organischen Welt das Licht dringt, äußert es seinen Einfluß.

Die ~Pflanzen~ gebrauchen zur Blütenbildung, zum Wachstum, zur
Assimilation, zur Richtung ihrer Form, zur Entrichtung des Blattgrüns,
zur Entfaltung ihrer Farben und ihres Duftes nachgewiesenermaßen eine
bestimmte Stärke der Beleuchtung, und zwar ist für sie das elektrische
Bogenlicht nicht minder wertvoll als das Sonnenlicht. Ein Zuviel oder
ein Zuwenig der Lichtmenge bedroht ihre Existenz, ebenso die Permanenz
der Lichtwirkung. Licht- und Dunkelheitsbedürfnis stehen in einem
gewissen Verhältnis.

Interessant ist der Kampf des Lichtes gegen die ~Bakterien~, jener
kleinen Pilze, welche unter geeignete Lebensbedingungen gebracht, trotz
ihrer Kleinheit durch ihre außerordentlich schnelle und starke
Vermehrung und durch ihre Virulenz (Giftigkeit) eine fabelhafte
Wirksamkeit entfalten können. Dieselben sind imstande, durch ihre
Ansiedlung auf kranken Organen des menschlichen Körpers denselben völlig
zu zerstören. Eine große Reihe wissenschaftlicher Versuche haben
gezeigt, daß das Licht und zwar sowohl das Sonnen-, als auch das
elektrische Licht ~hemmend, ja vernichtend auf die Entwicklung der
Bakterienzellen wirkt, daß ihre Virulenz gemindert wird~. Diese
immunisierende, baktericide oder Desinfektionskraft ist weniger dem
Einfluß der Wärme, als der chemischen Wirksamkeit des Lichtes
zuzuschreiben. Selbst diejenigen Bakterien, welche der trockenen und
feuchten heißen Luft und den stärksten chemischen antiseptischen Mitteln
widerstehen, werden durch Lichtwirkung vernichtet. Dabei ergaben die
Experimente die wichtige Tatsache, daß nicht nur das direkte
Sonnenlicht, sondern auch das ~diffuse Tageslicht~ das Wachstum der
Bakterien hemmte und dieselben tötete, wenn auch die Wirkungszeit
desselben viermal länger war.

In der Wissenschaft liebt man es, physiologische Erkenntnisse, die für
den menschlichen Organismus nutzbar gemacht werden sollen, zuvor durch
Tierexperimente zu erhärten. Deshalb ist die Tatsache, daß auch der
~tierische Organismus bestimmte Beeinflussung durch Licht zeigt~, von
großer wissenschaftlicher Bedeutung.

Der Tierkörper zeigt zunächst eine deutliche Beeinflussung seines
~Nervensystems~, besonders durch die chemischen Strahlen des Lichtes.
Der normale, elektrische Strom der Nerven wird erhöht, die
Reflextätigkeit gesteigert. Der ~Stoffwechsel~ wird besonders durch die
stark brechenden Strahlen angeregt und gesteigert. Sauerstoffaufnahme
und Kohlensäure und Wasserdampfabgabe sind wesentlich vermehrt, der
Kohlenstoffumsatz erhöht. Die Stoffwechselerhöhung geschieht nicht nur
auf dem gewöhnlichen Wege, sondern hauptsächlich von der Haut aus,
indem das Licht auf die im Hautorgan gelegenen Nervenendigungen erregend
wirkt. Dieser Antrieb wird nach innen zu den großen Nervencentren im
Gehirn und Rückenmark fortgeleitet und von dort auf die Muskel- und
Drüsennerven weitergegeben, welche die erhöhte Zersetzung und Arbeit in
den zugehörigen Organen veranlassen. Licht erhöht ferner die
~Wachstumsvorgänge~. Denn läßt man Tiere gleicher Art und Gattung sich
vergleichsweise im Dunkeln und im Licht entwickeln, so sind die
belichteten an Länge und Gewicht überlegen. Bei Fischen und Amphibien
heilen verstümmelte Glieder im Lichte schneller als im Dunkeln. Gewisse
niedere Tierarten zeigen wie die Pflanzen die Erscheinung des
Heliotropismus, sich nach der Sonne hinzukehren, um den richtenden
Einfluß der Sonnenstrahlen sich nutzbar zu machen. Die direkte
Einwirkung des Lichts auf das ~tierische Eiweiß~ ist ebenfalls
nachgewiesen, indem durch plötzliche Beleuchtung sich dasselbe
zusammenzieht, also in Bewegung gebracht wird. Die ~roten
Blutkörperchen~ verändern unter Belichtung ihre Gestalt, ihre Bildung
wird durch Lichtmangel verlangsamt. Besonders stark wird unter
Lichtwirkung der ~Blutfarbstoffgehalt~ vermehrt und derselbe an die
Peripherie fortbewegt zum Schutz gegen die zu starke Belichtung. Bei zu
intensiver Belichtung kann Sonnenbrand der Haut entstehen. Nicht
unerwähnt darf schließlich das ~hohe Lichtbedürfnis~ vieler Tiere
bleiben und die ~umstimmende~ und lebenerweckende Kraft des Lichtes,
sowie endlich die Eigenschaft einiger Tierkörper, selbstleuchtend zu
werden.


2. Einfluß des Lichtes auf den gesunden Menschen.

So mannigfach wie das Licht in der unbelebten und belebten Welt sich
wirksam erweist, so vielfach ist auch sein Einfluß auf den Menschen.
Durch zwei Pforten tritt das Licht in den Körper ein, durch die Augen-
und durch die Hautpforte. In der Bahn des Sehnerven werden quantitativ
und qualitativ verschiedene Sinneseindrücke zum Gehirn geleitet und
durch Vermittlung der Psyche, der Stoffwechsel, die Atmung, das
Gefäßsystem beeinflußt, von den Hautnerven aus wird der Lichtreiz zu den
nervösen Zentralorganen geleitet und von dort den Muskeln und Drüsen
mitgeteilt. Da aber das Hautorgan für Licht durchgängig ist, so äußert
es auch direkte Tiefenwirkung. Das Licht ist also einerseits wie die
Kälte oder Hitze des Wassers ein ~Bewegungsreiz~, der bei dem
Abhängigkeitsverhältnis der inneren Organe von dem Hautorgan von der
Oberfläche aus reflektorisch das Innere des Körpers trifft und
beherrscht, andererseits ein direkter örtlicher Reiz für die getroffenen
in der Tiefe gelegenen Gewebe. Auf diesem Wege ruft das Licht bestimmte
Veränderungen in den Organen hervor, wird aber auch selbst verändert.

Die Haut ist bekanntlich mit einem ungemein großen Blutgefäßnetz begabt.
Dieses wird durch den Lichtreiz stark erweitert und die Haut so
chronisch gerötet. Mit der starken ~Durchblutung des Hautorgans~
erfahren nicht nur die inneren Organe eine erhebliche Entlastung,
sondern das Hautorgan tritt in den Zustand erhöhter Funktionstätigkeit,
es atmet stärker, scheidet stärker aus etc. Ist die Belichtung eine sehr
intensive auf längere Zeit, so entzündet sich die Haut leicht und zeigt
die Erscheinungen des ~Sonnenbrandes~. Die Haut ist stark gerötet,
schmerzt und zeigt schließlich Blasenbildung, nach drei bis vier Tagen
beginnt sie sich zu schälen, die rote Farbe wird bräunlich. Die neue
Haut ist nicht abnorm lichtempfindlich.

Wirkt das Licht allmählicher, so ~bräunt~ sich langsam die Haut entweder
umschrieben in der Form der Sommersprossen oder allgemein. Der Vorgang
der Bräunung beruht auf der Wirksamkeit der chemischen Lichtstrahlen und
ist eine Schutzvorrichtung gegen das Zuviel der Lichtnahrung, denn der
Hautfarbstoff (Pigment) verschluckt die chemischen Lichtstrahlen. Je
stärker der Mensch gebräunt ist, um so weniger hat er unter der
Lichtwirkung zu leiden. Daher finden wir auch die Menschen, je näher sie
am Aequator wohnen, stärker gebräunt, weil sie des Lichtschutzes
benötigen. Je länger und je intensiver das Licht auf die Haut wirkt, um
so dunkler wird das Braun derselben. Die Dunkelfärbung ist aber Ursache,
daß größere ~Wärmemengen~ in den Körper eintreten können. Die
Ueberhitzung wird durch stärkere Schweiße ausgeglichen. Die Kleidung
kann die Hautbräunung nicht ersetzen, denn helle Kleider bieten dem
~Lichte~ zu wenig Widerstand, dunkle Kleider saugen zu viel ~Wärme~ auf.

Wie das direkte Sonnenlicht, so wirkt auch das elektrische Bogenlicht
und ferner das reflektierte Licht, wie die Erscheinung des
Gletscherbrandes beweist.

Auf dem Wege ins Innere des Körpers begegnet das Licht einem Hindernis,
dem Blutorgan, welches die chemischen Strahlen zum Teil verschluckt.
Trotzdem dringt noch ein genügend großer Lichtvorrat in den
Organismus ein, um wirksam zu werden. Der ~Blutfarbstoff der roten
Blutscheiben~ vermehrt sich unter Lichtwirkung und der Zellen- und
~Gesamtstoffwechsel~ wird erhöht. Quinckes Versuche bewiesen, daß durch
Belichtung der Aufbau und der Abbau der Stoffe schneller und ausgiebiger
erfolgt, als im Dunkel. Ferner wurde nachgewiesen, daß beim nackten,
belichteten Körper der Stoffwechsel schneller ist, als beim bekleideten
und zwar um so rascher, je mehr direktes Sonnenlicht den Körper trifft.
Also auch in dieser Beziehung beweist sich die Bekleidung als ein
Hindernis für den natürlichen Ablauf der Körperfunktionen auf
Lichtwirkung.

Eine sehr augenfällige Wirkung des Lichts ist die ~Beeinflussung des
Wachstums~. Haare und Nägel wachsen im Lichte schneller als im Dunkeln.
Das Wachstum der Kinder bleibt in sommerarmen Monaten fast gänzlich
stehen, Bewohner von lichtarmen Kellerwohnungen und von lichtarmen,
tiefgelegenen Gebirgstälern bleiben in der Entwicklung zurück.

Nicht minder deutlich ist die ~Einwirkung des Lichts~ auf die ~Psyche~.
Wie gedrückt ist die Stimmung der meisten Menschen bei bewölktem Himmel,
wie reizvoll und belebt erscheint uns die Natur, und wie kraftvoll
fühlen wir uns selbst, sobald nur ein heller Sonnenstrahl durch die
Wolken bricht! Kein Wunder, daß die Mehrzahl der Selbstmorde in den
lichtarmen Monaten passieren! Nur kranke Menschen sind lichtscheu,
gesunde Menschen haben ein hohes Lichtbedürfnis.

Die Macht des Lichtes wird uns recht erkennbar, wenn wir die Kraft und
Schönheit derjenigen Völkerrassen vergleichen, welche unbekleidet dem
Lichte und der Luft ausgesetzt sind, wie Neger und Indianer, mit dem
kranken und unschönen Aussehen der Eskimos.

Rechnen wir zu allen angeführten Lichtwirkungen noch die Wärmewirkungen
des direkten und diffusen Sonnenlichtes, so müssen wir die Sonne als die
größte Wohltäterin der Menschheit erkennen.

Als solche erweist sich dieselbe nicht nur dem gesunden, sondern ganz
besonders auch dem ~kranken Menschen~ gegenüber.


3. Einfluß des Lichtes auf den kranken Menschen.

Die Geschichte der Medizin lehrt, daß man zu allen Zeiten das Licht zu
Heilzwecken ausgenutzt hat.

[Abbildung: Tafel IX.

Fig. 22. =Im Sonnenbad.=

1. Im Sitzbade. 2. In der Packung. 3. Leibmassage im Sonnenbad. 4.
Pulskurvenaufnahme. 5. Herzuntersuchung. 6. Brustspielraummaße
festgelegt.]

Und zwar verwendet man die ~Wärme des Lichts~, um im Körper eine
Wärmestauung mit nachfolgendem Schweißausbruch zu erzeugen und dadurch
den Organismus nicht nur vom überschüssigen Körperwasser, sondern
auch von den in ihm befindlichen Fremdstoffen und Selbstgiften zu
befreien. Durch dies künstliche Feuer gelingt es, die belastenden
Fettmassen des Körpers einzuschmelzen, rheumatische und Giftstoffe zu
verbrennen, den unverbrannten Körperzucker bei Zuckerkranken zu
oxydieren, bei allen Stoffwechselkranken mit Verlangsamung der
Lebensvorgänge fördernd zu wirken, die in Körperhöhlen und in den
Geweben nicht aufgesaugten, wässrigen Ausscheidungen zur Aufsaugung zu
bringen, Syphilis, Skrofulose, Haut- und Knochenleiden zu heilen,
Nerven- und andere Schmerzen zu lindern und Schwächezustände der
verschiedensten Art und manche andere Krankheit zu beseitigen.
Unterstützend wirkt überall da, wo man zunächst nur die Wärme
beansprucht, der spezielle Lichteinfluß mit.

[Abbildung: Tafel X.

Fig. 23. =Im Sonnenbad.=

1. Rumpfpackung. 2. Ganzpackung. 3. Im Sitzbade. 4.
Thure-Brandt-Gymnastik im Sonnenbade. 5. Knieguß. 7. Organuntersuchung
im Luftbade. 8. Vermessung der Körpermaße.]

Diese Art der Lichtanwendung geschieht in Form von Sonnen- und
elektrischen Lichtkastenbädern.


^a^) ~Das Sonnenbad~.

In einem vor Wind geschützten, umzäunten, nach Süden gelegenen und oben
offenen Raume, liegen die Patienten auf Matratzen oder Decken, oder auf
sonnedurchglühtem Sande; der Kopf ruht etwas erhöht auf einem
Kopfpolster und ist durch ein verstellbares Schattendach geschützt, die
Augen werden durch einen Hut oder Augenschirm noch besonders bewahrt.
(Fig. 22, 23.) Der Sonnenbadler wendet den Körper von Zeit zu Zeit, so
daß alle Teile nacheinander besonnt werden, bis lebhafter
Schweißausbruch erfolgt. Den Schweißausbruch kann man beschleunigen,
indem man das Liegen in der Sonne durch Bewegung, wie Turnen (Fig. 24,
25) oder Turnspiele oder durch nutzbringende Beschäftigung und
ablenkende Gartenarbeit etc. unterbricht. Will man die Schweißwirkung
stark ausnutzen, so empfiehlt es sich, das Sonnenbad auf dem von der
Sonne erhitzten, weißen, feinen Sande zu nehmen, also das Sonnenbad mit
einem Sandbade zu verbinden, welche Kombination besonders
~Nierenkranken~ anzuraten ist, oder zum Zwecke des Nachschwitzens sich
in wollene Decken einpacken zu lassen. Diejenigen Patienten, welche noch
wenig an Luft und Sonne gewöhnt sind, tun gut, anfangs nicht gleich den
ganzen Körper, sondern nur Teile desselben der Sonne auszusetzen, also
zunächst mit Barfußgehen anzufangen (Fig. 25) und dann ein
Kleidungsstück nach dem andern abzulegen, den lichtempfindlichsten Teil
des Körpers, den Kopf, durch eine leichte Kopfbedeckung zu schützen und
öfters den Schatten der Bäume aufzusuchen.

[Abbildung: Tafel XI.

Fig. 24. An den Geräten.]

An den kühleren Tagen des Jahres wird das Sonnenbad mit Vorteil in
atelierartigen Räumen genommen, mit elektrischer Ventilation und bequem
zu öffnenden Fenstern. Das Glasdach muß wegen der Gefahr der
Ueberhitzung durch eine Berieselungsanlage leicht zu kühlen sein. Durch
rote, blaue und andersfarbige Gardinen muß es möglich gemacht werden,
Farbenzimmer herzustellen.

[Abbildung: Tafel XII.

Fig. 25. Barfußlaufen im Grase. (Teilluftbad. Beginn der Abhärtung.)]

Mit dem Sonnenbade werden nützlich häufig Massage- und Gymnastikkuren
verbunden. Den Beschluß des Bades bildet je nach der Krankheit eine
abkühlende Wasserprozedur, ein Halbbad, Vollbad, Rumpfbad, Kneipp’scher
Guß oder kühles Regenbad.

[Abbildung: Fig. 26. Geöffnetes Glühlicht-Vollbad zum Sitzen.]

[Abbildung: Fig. 27. Elektrisches Glühlicht-Vollbad mit 36 Glühlampen
zum Liegen.]


^b^) ~Das elektrische Lichtbad~.

Da man nicht immer das Sonnenlicht in genügender Intensität zur
Verfügung hat, so macht man sich das elektrische Licht zu nutze und baut
zu diesem Zwecke Lichtkästen, welche man inwendig mit elektrischen Glüh-
oder Bogenlampen bewaffnet. Diese Lichtkästen (Fig. 26, 27[5]) sind im
wesentlichen Kästen von verschiedenster Form und Größe, meist zum
Sitzen des Patienten, seltener zum Liegen eingerichtet. An den mit
Milchglas ausgelegten Innenwänden befinden sich meist 48 Lampen, in 8
Reihen gleichmäßig verteilt; jede Lampenreihe ist, zum Schutz gegen
Verbrennung des Patienten durch Berührung mit senkrecht stehenden
Metallstäbchen versehen. Oben wird der Kasten durch einen verschiebbaren
Deckel geschlossen, so daß der Kopf des Patienten außerhalb des Kastens
ist, vorn befindet sich die verschließbare Tür, durch welche der Patient
eintritt. In derselben befindet sich eine Oeffnung zur Pulskontrolle,
zur Darreichung von Herzkühlern und für irgend welche physiologischen
Experimente. Zur Beruhigung für ängstliche Patienten ist im Kasten
selbst eine elektrische Klingel angebracht und Tür- und Verschlußdeckel
so eingerichtet, daß sie mit Leichtigkeit vom Patienten selbst
geöffnet werden können. Ein im Deckel angebrachtes Thermometer gestattet
die Kontrolle der Temperatur. Die Lichtreihen sind einzeln oder
paarweise auszuschalten.

  [5] Die Abbildungen der Lichtheilapparate sind uns von der Firma
  Reiniger, Gebbert u. Schall in Erlangen, welche diese Apparate
  fabriziert, freundlichst zur Verfügung gestellt worden.

[Abbildung: Fig. 28. Elektrisches Rumpflichtbad.]

[Abbildung: Fig. 29. Elektrisches Armlichtbad.]

[Abbildung: Fig. 30. Elektrisches Fußlichtbad.]

Die ~Glühlichtkastenbäder~ sind saubere Schwitzbäder feinster Art,
welche mancherlei Vorzüge vor den Dampfkasten- und Heißtrockenluftbädern
haben und überall da angezeigt, wo Schwitzbäder überhaupt am Platze
sind. Sie werden als Voll- und Teilbäder verabreicht. (Fig. 28, 29, 30).
Gegenüber den anderen schweißerregenden Proceduren, welche den Körper
durch ~Leitung~ mit Wärme laden, wirkt beim Glühlichtbad die ~strahlende
Wärme~, welche tiefer in den Körper eindringt und meist angenehmer von
den Patienten empfunden wird. Schon bei relativ geringen Temperaturen
von 30 bis 35° ^C^ treten Schweiße auf, die reichlicher bei 40° ^C^ und
darüber werden. 60° ^C^ sollen möglichst nicht überschritten werden. Der
frühzeitige Schweißausbruch ermöglicht eine relativ kurze Dauer des
Bades (15-20 Minuten). Die Wärmezuführung kann durch Ein- und
Ausschalten gut abgestuft werden. Kongestionen zur Lunge sind nicht zu
fürchten, weil der Kopf außerhalb des Kastens ist und der Lunge auf
diese Weise gute, kühle Luft zugeführt werden kann. Das Herz wird bei
dem Schwitzen mittelst Glühlichts nur wenig angestrengt. Spezifische
~Lichtwirkung~ kommt den Glühlichtbädern nicht zu. Diese findet man
vielmehr in den ~Bogenlichtbädern~.

[Abbildung: Fig. 31. Kombiniertes Lichtbad.]

Das Bogenlicht in Kästen nach Art der Glühlichtkästen gebracht, ist
weniger eingeführt, weil die Kästen zu schnell zu heiß werden, örtliche
Hautentzündungen entstehen und Gefahr der Verbrennung der Haut durch
abspritzende, glühende Kohlenbestandteile besteht. Diese Gefahr und
Unbequemlichkeit sind in dem kombinierten Lichtkasten der Firma
Reiniger, Gebbert & Schall beseitigt, in welchem Achteckkasten die
Armatur wie in dem beschriebenen Glühlichtkasten vorgesehen ist,
außerdem 4 Bogenlampen, die durch blaue Scheiben das Spritzen der Funken
verhindern. (Fig. 31.) ~Finsen~ hat sich zur Vermeidung der Uebelstände
einen ~Lichtbaderaum~ eingerichtet, in welchem ein paar Meter über dem
Fußboden einige Bogenlampen von 80 bis 100 Ampères Stromstärke
aufgehängt sind. Die Temperatur des Baderaumes ist eine mäßige; in
demselben bewegen sich die Patienten wie im Sonnenlichtbade nackend, nur
mit gelben oder rauchgrauen Schutzgläsern bekleidet, zum Schutze der
Augen. Die Anwendung dieser Art von Bogenlichtbädern ist da geboten, wo
man spezifische Licht- nicht Wärmewirkung gebraucht.

[Abbildung: Fig. 32. Lichtsammelapparat von Prof. Dr. ~Finsen~.]


^c^) ~Das konzentrierte Sonnen- und elektrische Licht~.

Bereits im Altertum bemühte man sich die Wirkung des Sonnenlichtes
möglichst energisch auszunutzen. So wirkte ~Porta~ mittels eines
Glashutes bereits örtlich auf die Haut ein, so sammelten die Amerikaner,
Thayer und Barnes, in den sechziger Jahren das Sonnenlicht mittels
Brenngläsern, um Warzen, gutartige und bösartige Neubildungen zu
verbrennen, so benutzte der Laie Mehl den ~Lichtbrand~, um die fressende
Flechte und andere Hautkrankheiten zu beseitigen. Und ~Strebel~-München
gelang es, eine Hand- oder Stativlampe zu konstruieren, welche ein
Linsen- oder Spiegelsystem trägt, welches die Wärmestrahlen eines
Voltabogens konzentriert. Der Sonnenlichtbrand ist damit durch den
~jederzeit~ zu gebrauchenden ~elektrischen Lichtbrand~ ersetzt. In
gleicher Weise, wie die Sammlung der Wärmestrahlen durch Linsen erreicht
wurde, gelang auch die Sammlung der chemischen Strahlen der Sonne und
des elektrischen Lichts. Der Kopenhagener Professor ~Finsen~
konstruierte einen Lichtsammelapparat mit Bergkrystallinsen (Fig. 32),
die Wärmestrahlen schaltete er durch Abkühlung des Lichtes mittels einer
30 ^cm^ breiten Schicht destillierten Wassers aus. Um die
lichtaufsaugende Wirkung des Blutes auszuschalten und somit ein tieferes
Eindringen in die Haut zu ermöglichen, konstruierte er eine plankonvexe,
doppelumränderte Linse aus Bergkrystall, in deren Innerem stets kaltes
Wasser strömt. Diese wird auf den zu behandelnden Hautabschnitt
aufgedrückt. Dieses Druckglas (Kompressorium) macht den bedrückten
Hautabschnitt blutleer und gestattet so das Eindringen der gesammelten
chemischen Lichtstrahlen. Durch diese Art der Lichtbehandlung ist es
~Finsen~ gelungen, sein Vaterland von der Seuche der fressenden Flechte
zu befreien, und viele andere Hautkrankheiten bakteriellen und nicht
bakteriellen Ursprungs erfolgreich zu behandeln.

[Abbildung: Fig. 33.

  Schutz-Marke
  REINIGER GEBBERT & SCHMALL
  ERLANGEN.

Blaulichtsammelapparat und Blaulichtbestrahlungskörper.]

Will man größere Hautbezirke örtlich mit Bogenlicht behandeln, so eignet
sich am besten hierzu ein regulierbarer ~elektrischer Scheinwerfer~.
(Fig. 33 ^a^, ^b^, ^c^.) Derselbe besteht im wesentlichen aus einer
Bogenlampe von 20 bis 25 Ampères, deren Kohlenstifte horizontal gestellt
sind. Der Apparat ist mit einem Metallspiegel (Reflektor) und einer
Einrichtung zur Verschiebung des Voltabogens vom Spiegel versehen. Zur
Ausschaltung der Wärmestrahlen benutzt man Glaslinsen, welche mit
verdünnter, ammoniakalischer Kupfersulfatlösung gefüllt sind. Durch
diese läßt man das Licht gehen. Der Scheinwerfer hat schwächere Wirkung
als der Finsen’sche Apparat.


^d^) ~Das farbige Licht~.

Auch die einzelnen ~Farben~ des Lichtes hat man sich für die
Körperpflege nutzbar zu machen gesucht. Dieselben äußern ihre
Hauptwirkung auf ~Gemüt und Nerven~. Rotes Licht erregt die Nerven, ist
daher zur Anregung melancholisch und hypochondrisch Verstimmter
erfolgreich verwendet worden; grünes, blaues und violettes Licht
beruhigt die Nerven, deshalb eignet es sich zur Behandlung nervöser
Menschen, die sich in abnormer Erregung befinden. Bei ~Hautentzündungen~
der verschiedensten Art, bei der ~Rose~, dem ~Exzem~, bei ~Blattern~
etc. bedient man sich zur Behandlung des roten Lichtes, indem man die
chemischen Strahlen, welche ja die bereits entzündete Haut noch mehr
entzünden würden, abfiltriert. Die erfolgreiche Behandlung der Blattern
mittels roten Lichtes ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil sie
eventuell die Schutzpockenimpfung überflüssig macht.

[Abbildung: Fig. 34. Röntgenstrahlenapparat.]


^e^) ~Röntgen- und Becquerelstrahlen~.

Prof. ~Röntgen~ in Würzburg, jetzt München, machte die Entdeckung, als
er eine Hittorf’sche Röhre (= luftleergemachte Röhre, in welcher die
Entladung elektrischer Induktionsströme erfolgt) mit schwarzem und
undurchsichtigem Karton umhüllte, in die Nähe eines mit
fluoreszierendem Bariumplatincyanür bestrichenen Schirmes brachte, daß
derselbe aufleuchtete. Es mußte also etwas, obwohl für unser Auge
unsichtbar, von der Röhre ausstrahlen, welches ungehindert durch den
Karton hindurch wirkte. Diese Strahlen, die von der Kathode ausgehen,
aber keine Kathodenstrahlen sind, weil sie vom Magnet nicht abgelenkt
werden, nannte Röntgen ^X^-Strahlen. (Fig. 34.) Dieselben entladen
elektrische Körper, interferieren nicht, werden weder regelmäßig
reflektiert noch gebrochen, durchdringen dagegen fast alle Stoffe. Auf
die photographische Platte wirken sie ebenso wie die Lichtstrahlen. Sie
durchdringen die Weichteile des menschlichen Körpers leichter als die
Muskeln, am schwersten die Knochen, werden also nicht wie die chemischen
Lichtstrahlen vom Blute verschluckt, und können deshalb Tiefenwirkung
äußern.

Man verwendet das ~Röntgenlicht~ zur Erkennung der kranken Teile des
Körpers, aber auch zu deren Heilung. Leider verbrennt dasselbe ungemein
leicht die Haut und muß deshalb sehr vorsichtig angewendet werden. Bei
Hautkrankheiten, zur Enthaarung und einigen anderen Erkrankungen leistet
es gute Dienste, ja es wird immer häufiger von ~Krebsheilungen~ durch
Röntgenlicht berichtet.

Ob den sogenannten ~Becquerelstrahlen~ nützliche Einwirkungen auf den
menschlichen Körper zuzuschreiben sind, ist mit Sicherheit bisher noch
nicht festgestellt. Es sind dies diejenigen Strahlen, welche von dem
metallischen Uran ausgehen und leuchtfähige Körper zum Leuchten bringen.
Sie haben im menschlichen Körper keine Tiefenwirkung.[6]

  [6] Näheres über die Heilkraft der Röntgen- und Becquerelstrahlen s.
  ~Riecke~, Hygiene der Haut, Haare und Nägel, (Bibliothek der
  Gesundheitspflege Bd. 12.)


^f^) ~Blondlot-Strahlen (^N^-Strahlen)~.

Hochinteressant sind schließlich die von dem Nancyer Professor
~Blondlot~ entdeckten Strahlen, welche er zu Ehren der Stadt Nancy die
(^N^-) Nancy-Strahlen genannt hat. Er fand nämlich bei der Untersuchung
der von Röntgen-Röhren abgehenden Strahlen gewisse Strahlen, welche
einen schwachen elektrischen Funken verstärken. Wie die ^X^-Strahlen
durchdringen sie undurchsichtige Körper z. B. dünne Metallplatten, Holz,
Papier, werden aber andererseits durch eine 3 ^mm^ dicke
Steinsalzschicht oder durch Wasser und andere Substanzen aufgehalten.
Sie unterscheiden sich ferner von den ^X^-Strahlen dadurch, daß sie den
Gesetzen der Reflexion gehorchen, polarisierbar und refraktibel sind.
Diese merkwürdigen Strahlen werden von den meisten Lichtquellen so
besonders von der ~Sonne~ ausgesandt und von der Mehrzahl der Körper
aufgenommen. Sie können durch Kompression eines Körpers hervorgerufen
werden; sie werden von Pflanzen und vom Tierkörper ausgesandt. Der
menschliche Körper sendet die ^N^-Strahlen in verschiedener Intensität
aus je nachdem der Muskel ruht oder sich zusammenzieht, je nachdem ein
Nerv oder Nervenzentrum in stärkerer oder schwächerer Erregung ist.
Diese Strahlen sind bisher nur zu diagnostischen Zwecken verwendet
worden; wie weit sie hygienisch oder für Heilzwecke brauchbar sind ist
bisher noch nicht festgestellt.


4. Die Luft in Beziehung zum menschlichen Körper.

Hat sich das Licht in vieler Beziehung als ungemein wertvoll, ja
unersetzbar für den menschlichen Körper erwiesen, und haben wir das
Licht als diejenige ~Nahrung~ kennen gelernt, welche unser ~Blutorgan
fast~ völlig ~verschluckt~, um daraus ungeahnte Energiemengen im Körper
aufzuspeichern und daraus Kräfte der verschiedensten Mächtigkeit zu
bilden, so können wir dennoch, wenn auch nur als Sieche, unser Dasein
ohne dasselbe fristen. ~Ohne Luftnahrung aber können wir nur wenige
Minuten sein, ohne Luft müssen wir sterben~. Diese unterhält alle unsere
Lebensprozesse, sie ist also von noch größerer Bedeutung für uns als das
Licht.

Die Erde ist von einer Lufthülle umgeben, welche im wesentlichen aus
20,75% Sauerstoff, 78,38% Stickstoff, 0,03% Kohlensäure und 0,84%
Wasserdampf besteht, dazu kommen Spuren von salpetriger Säure, Ammoniak,
Grubengas und Sonnenstäubchen. Unter letzteren versteht man Kieselsäure,
Staub und die mit dem Staub aufgewirbelten Partikeliten der belebten und
unbelebten Natur. Wie alle auf der Erde befindlichen festen oder
flüssigen Körper wird auch die Luft von der ~Anziehungskraft~ der Erde
festgehalten. Die Luft übt demnach einen ~Druck~ auf die Oberfläche der
Erde und ihre Bewohner aus; dies ist der sogenannte Luftdruck, der mit
einem Gewicht von 5 Trillionen Kilogramm auf die Erde drückt.
Dieser Luftdruck zeigt infolge der hohen ~Beweglichkeit~ und
~Ausdehnungsfähigkeit der Luft unausgesetzt Schwankungen~. Ebenso ist
der ~Wassergehalt~ und der ~Wärmezustand~ der Luft in stetiger
Veränderung. Den Einfluß der Sonnenstrahlung haben wir ja bereits kennen
gelernt.

Aber wir leben ja nicht nur in durchsonnter, sondern auch in
durchfeuchteter, durchwindeter, heißer, warmer und kalter Luft in ihren
verschiedenen Kombinationen.

Ihr Verhältnis zum menschlichen Körper verstehen wir am besten, wenn wir
erstens die verschiedenen atmosphärischen Einflüsse und zweitens die
Funktionen desjenigen Organs kennen, welches uns von derselben
abschließt und wiederum mit ihr verbindet, nämlich des Hautorgans.

Die Luft äußert eine mehr oder weniger starke ~Wärme~- resp.
~Kälte~wirkung.

Diejenige Luft, welche höhere oder niedrigere Temperaturen, als die
augenblickliche Hauttemperatur hat, wirkt als ein Reiz von der
Oberfläche aus, ruft die sogenannte Reaktion hervor. Je größer die
Reizwirkung ist, d. h. je mehr die Lufttemperatur von der Hauttemperatur
sich entfernt, um so stärker ist auch die Reaktion von seiten des
Körpers.

Diese Reizwirkung ist für den Kältereiz eine etwas andere als für den
Wärmereiz. Beide reizen die Empfindungs- und die Gefäßnerven; leiten den
Reiz zu den nervösen Zentralorganen und wirken von dort aus umstimmend
und verändern daselbst den Blutumlauf, sie verändern reflektorisch die
Peristaltik im Verdauungsapparat und die Tätigkeit der Eingeweide, sie
beeinflussen die Herz- und Gefäßarbeit, sie verändern Atmung und
Körpertemperatur, kurzum sie wirken von der Oberfläche aus reflektorisch
in die Tiefe auf ~alle~ Organe. Ist diese Reizwirkung eine
vorübergehende und der Kraft des Körpers individuell angepaßte, so wird
die Anregung zu ~erhöhter~ Lebensbetätigung die Folge sein, ist der Reiz
ein mehr gleichbleibender, nicht wechselnder oder für die Reaktionskraft
zu starker in seiner Höhe oder seiner Dauer, so wirkt er ~ermüdend~,
abspannend, erschlaffend und lähmend. Bei ~fortdauernder~ Wärmewirkung
wird der Körper von der Oberfläche aus mehr und mehr mit ~Wärme geladen~
bis zur vollkommenen Wärmestauung, auf welche der Körper dann mit
erhöhter Verdunstung des Körperwassers und mit Schweißausbruch antwortet
und damit den Ausgleich zur Norm anstrebt.

Bei ~fortdauernder Kälteeinwirkung~ auf den Körper kommt es zur abnormen
Abkühlung von der Oberfläche aus, die mehr und mehr in die Tiefe
eindringt. Aber auch gegen die Gefahr der Durchkältung hat der
trainierte Körper Schutzvorrichtungen.

~Die Wärme~- und ~Kälteeinwirkung der Luft ist jedoch für denjenigen
Körper der abgehärtet ist, d. h. welcher sich an die verschiedenen
Temperaturen gewöhnt hat, niemals eine Gefahr und niemals eine
Verminderung der Lebensenergie, sondern stets eine Mehrung derselben~.
Denn die Lufttemperatur ist in jeder Sekunde eine etwas andere, stetig
stuft sie sich nach oben oder unten ab, und jede Veränderung derselben
bedeutet stets ~einen neuen Lebensreiz~. Denn die Luftkomponenten sind
vielfache und sich gegenseitig verändernde, so daß auch die von ihnen
ausgehende Wirkung auf den Körper eine wechselnde, vielseitige und
anregende sein muß. ~Und gerade in dem steten Wechsel und
Ineinandergreifen der Luftfaktoren liegt das Charakteristische des
sogenannten Luftbades~.

Die Wissenschaft hat bisher nur die ~einzelnen~ Faktoren der Luft
isoliert betrachtet und zu hygienischen und Heilzwecken benutzt, z. B.
die Sonnenwirkung in ihren Eigenschaften der Wärme und des Lichtes, die
Luftverdichtung und Luftverdünnung etc., nicht aber in ihrer
Gesamtwirkung und ist deshalb zu einer Kenntnis und Bewertung des
~Luftbades~ bisher noch nicht vorgedrungen. Würde dieselbe aber den
Luftfluß, die Luftelektrizität, die Luftfeuchtigkeit, die Luftgerüche u.
s. w. berücksichtigt haben, so würde sie zu der Erkenntnis gekommen
sein, daß die Luft für den menschlichen Körper der mannigfachste aller
Lebensreize ist, der durch seine Vielseitigkeit stetig die
Lebensenergien vermehrt. Man gehe nur aus der Sonne in den Schatten und
bemerke den Gegensatz der Temperaturen, man trete nur auf die
freiliegende Ebene aus dem Walde heraus, der Schutz vor dem Winde
bietet, um die bald mildere, bald gewaltigere ~Massagewirkung der
Luftbewegung~ am Körper zu fühlen, wie sie die heiße, warme oder kalte,
trockene oder feuchte Luft in den Körper zu pressen sucht, wie sie den
Körper austrocknet oder die Oberfläche spröde oder feucht oder warm oder
kalt macht; man bemerke, wie wir die Muskeln anspannen müssen um dem
mehr oder minder starken Luftdruck zu begegnen. Dieselbe Luftbewegung,
die wir als Druck der veränderten Temperatur an unserem Körper fühlen,
sehen wir sie nicht mit unseren Augen und hören dieselben nicht mit
unseren Ohren deutlich vor uns, wie der Wind heult, wie die Bäume
rauschen, das Meer braust und wogt, wie die Blumen die Köpfchen neigen,
wie die Wolken jagen! Riechen wir nicht die uns zugewehten Gerüche!
Allein dieser Anreiz unserer Sinnesnerven genügt, um schon mehr oder
minder starke Bewegungen unserer Seele hervorzurufen.

Aber noch vielseitiger ist der Luftreiz. Kombinieren wir die Sonnen-,
die Temperatur- und Luftflußwirkungen mit denen der ~Luftfeuchtigkeit~
in ihren verschiedenen Abstufungen. In der feuchten Luft können wir
sämtliche Bäder nehmen, die wir sonst nur in den Wasser-Badeanstalten zu
bekommen gewöhnt sind. Kalte und warme Wasser-Bäder von kurzer oder
langer Dauer, wechselnd in ihrer Temperatur mit stärkerer oder
schwächerer Wasser-Bewegung, gleichsam ein Wellenbad oder Regendouche
oder Strahlendouche, mit mehr oder weniger Elektrizität oder chemischer
Lichtkraft geladen.

Fügen wir schließlich noch den Faktor der ~Luftelektrizität~ zu allen
bisherigen, von der wir wissen, daß sie bei jeder Temperatur besteht,
daß sie mit ihrer Erhebung bei nebligem Wetter zunimmt, daß ihre
Niederschläge bald positiv, bald negativ elektrisch sind, daß sie in
ihrer Positivität und Negativität wechselt, daß sie eine tägliche
Periode hat. Da wir ferner wissen, daß auch der menschliche Körper
elektrische Ströme beherbergt und daß unser Hautorgan in wechselndem
Grade die Elektrizität zurückhält und aufnimmt, so sind wir auch
berechtigt anzunehmen, daß unser Körper von der Luftelektrizität
beeinflußt wird, auch wenn wir die speziellen gesundheitlichen Gesetze
noch nicht wissenschaftlich erforscht haben.

So sehen wir denn, daß sämtliche Reizarten, die wir zur Unterhaltung des
Lebens nötig haben, in der Luft enthalten sind, nämlich der thermische,
chemische, mechanische, elektrische und physiologische Reiz. Haben wir
den Körper mit sämtlichen gymnastiziert, so ist er an die dieselben
gewöhnt, d. h. gesund, hat er sich derselben entwöhnt, so ist die
Reaktion darauf eine quantitativ aber qualitativ veränderte und der
Körper krank. Wie die Entwöhnung dieser Lebensreize den Körper siech
macht, so läßt ihn die Gewöhnung an dieselben wieder gesunden.


5. Die Arbeitsleistung der menschlichen Haut.

Bekanntlich sondert die Haut, welche beim Erwachsenen eine Größe von
1½ ^qm^ hat, stetig feste, flüssige und gasförmige Stoffe ab. Die in
dauernder Abschilferung begriffenen Hornschichtsschüppchen, die
ausfallenden Haare, der von den Talgdrüsen abgesonderte Hautschmer,
welcher Haare und Haut einfettet und geschmeidig erhält, der von den ca.
2 Millionen Schweißdrüsen abgesonderte Schweiß sind solche
Absonderungsprodukte. Mit dem Schweiß verlassen Farb- und Riechstoffe,
sowie Selbstgifte den Körper. Die ~Hautatmung~ ist eine nicht
unerhebliche: Gasförmig entströmen der Hautpforte Kohlensäure und
Wasserstoff und wird Sauerstoff in geringer Menge vom Körper
aufgenommen. Die Kohlensäureausscheidung ist zwar für gewöhnlich nur
gering, nämlich nur ⅓-½% der gesamten Kohlensäure-Elimination; sie kann
jedoch mit zunehmender Außentemperatur und bei Körperbewegung bis zum
neunfachen wachsen. Die Wasserdampfabgabe durch die Haut ist dagegen
eine bedeutende. Während 24 Stunden beträgt sie im Ruhezustand des
Körpers 7-800 ^gr^, steigt jedoch bei Bewegung leicht auf 1500-2000 ^gr^
und darüber. Mit dem Körperwasser verlassen Kochsalz, Harnstoff, Fette,
flüchtige Fettsäuren, Cholesterien, Rodan und andere noch nicht
studierte, teils spezifisch riechende, teils giftige Stoffe den Körper.
Die hohe Giftigkeit des Schweißes steht unzweifelhaft fest und wird
durch Körperarbeit ebenso wesentlich erhöht wie sein Gehalt an
Bakterienkeimen. Die Haut vollzieht demnach die Funktion der ~Drainage~
(Trockenlegung) und der ~Entgiftung des Körpers~.

Nun entzieht aber jedes Liter Wasser, das bei 37° ^C^ verdampft wird,
dem Körper 580 Kalorien Wärme (unter Kalorie versteht man diejenige
Wärmemenge, welche nötig ist, um 1 Kilogramm Wasser von 0° auf 1°
Celsius zu erwärmen).

Die Haut wird also durch die Wasserabgabe zu einem vorzüglichen
~Kühlapparat~ des Körpers. Die Einrichtung zur Wärmeabgabe wird durch
die Fähigkeit der Haut, direkt Wärme auszustrahlen und auszuleiten
vervollkommnet. Andererseits ist die Haut die Vermittlerin der
Wärmezufuhr von außen, die unter Umständen eine größere sein kann als
die der Wärmeabgabe. Dadurch ferner, daß das Hautorgan ein großes
Blutgefäßnetz besitzt, das bei maximaler Erweiterung ein Drittel des
Gesamtblutes aufnehmen kann, und dieses Blutreservoir je nach Bedarf
weit und eng eingestellt werden kann, ist der Körper im stande an der
Oberfläche Wärme aufzunehmen oder abzugeben, Kälte, Wind und Nässe von
sich fern zu halten. Vermittels feinsinniger Nerven vermag der Körper
diese sogenannte physikalische Wärmeregulation aufs prompteste
einzustellen; denn sie zeigen feiner als die besten Barometer, Thermo-,
Anemo- oder Hygrometer, die geringsten Wetterkombinationen und
Wetternuanzen an, vorausgesetzt, daß man sie geübt hat. Unwillkürlich
richtet sich der Körper nach dieser Wetteranzeigevorrichtung, indem er
z. B. bei Kälte oder feuchter, windiger Luft einerseits die Wärmeabgabe
durch Zusammenziehung der Blutgefäße und der gesamten Haut verhindert
und andererseits die Muskeln durch Zittern, Frostschauer etc. in
Bewegung bringt und auch sonst das Gefühl erweckt, durch willkürliche
Bewegungen Wärme zu erzeugen.


6. Beeinträchtigung der Arbeitsleistung des Hautorgans durch die
Kleidung.

Bedenkt man alle diese wichtigen Lebensfunktionen des Hautorgans, die
der Atmung, der Trockenlegung der Gewebe, der Entgiftung, der Kühlung
und der Heizung, sowie schließlich der Wettereinstellung des Körpers, so
versteht man leicht, daß ein Aufhören ihrer Funktion gleichbedeutend mit
dem Aufhören des Lebens ist. Ja es braucht nicht einmal die
Gesamtoberfläche der Haut, sondern nur ein größerer Bezirk derselben
funktionsunfähig gemacht zu werden, wie dies so häufig bei
oberflächlichen Verbrennungen statt hat, und der Tod tritt ein.

Jede ~Behinderung der Hautfunktion führt zu Störungen der
Körperfunktionen~ in mehr oder weniger hohem Grade, so unter andern auch
durch unsere moderne Bekleidung.

Es ist experimentell von ~Schierbeck~ nachgewiesen worden, daß je mehr
der Körper bekleidet ist, um so mehr die Wasserdampfabgabe desselben
eingeschränkt wird. Damit ist aber bewiesen, daß durch die Kleidung die
Drainage- und Entgiftungsfunktion des Hautorgans, sowie die der
Wärmeregulation nicht unwesentlich beeinträchtigt wird. Es steht
wissenschaftlich ferner fest, daß der unbekleidete Körper, weil die Luft
ein schlechter Wärmeleiter ist, durch Leitung nur ganz geringe Mengen
Wärme verliert, dagegen durch Strahlung dreimal mehr. Dieser
Wärmeverlust durch Strahlung ist jedoch nicht so bedeutend, als man von
vornherein annehmen sollte, weil ja die Luft 20-25mal schlechter Wärme
leitet als das Wasser.

Erst ~die durchfeuchtete Luft~ leitet besser und steigert den
Wärmeverlust durch Strahlung, welcher aber nach Prof. ~Rubner~ durch
Bestrahlung der Sonne selbst bei geringem Hochstand derselben in
reichlichem Maße kompensiert wird.

~Die durchsonnte Luft~ kompensiert also den eventuellen Nachteil der
Luftdurchfeuchtung.

Bei feuchter Luft, selbst wenn dieselbe von stärkeren Niederschlägen
begleitet ist, hat der nackte Körper außer dem Schutz der
Sonnenbestrahlung noch den der Fettigkeit der Haut. Denn dieselbe sorgt
dafür, daß z. B. der Regen schnell an ihr abfließt, und der Körper so
vor zu großen Wärmeverlusten bewahrt bleibt.

~Durchwindete Luft~ schützt bei mittleren und höheren Temperaturen den
unbekleideten Körper vor zu großen Wasserverlusten und läßt
Temperaturen, die die Körpertemperatur übersteigen, leichter ertragen.

~Bei warmer aber windiger Luft~ beginnt der Körper frühzeitiger
unwillkürliche Muskelbewegungen wie Zittern, Zusammenschauern etc.
auszuüben und ist leichter aufgelegt, auch willkürlich die Muskeln zu
bewegen als bei windstiller, warmer Luft. Beide Arten der Bewegung
erzeugen Körperwärme, gleichen also den durch den Wind erzeugten
Wärmeverlust durch stärkere Wärmeproduktion aus.

Der Körper hat aber, wie wir gesehen haben, in dem großen Blutgefäßnetz
der Haut eine Kühl- oder Wärmevorrichtung je nach Bedarf.

~Bei windiger kalter, oder windiger nasser Luft~ zieht er die Blutgefäße
zusammen, drängt das Blut in das Körperinnere und verhindert so eine
abnorme Abkühlung, bei ~windiger warmer Luft~ läßt er die Blutgefäße
sich später erweitern als bei windstiller warmer Luft, weil er die
Blutwärme ja länger festhalten muß und läßt er frühzeitiger
unwillkürliche und willkürliche Bewegungen ausführen, als bei
windstiller warmer Luft, weil er ja früher auf die Erzeugung von
Körperwärme angewiesen ist.

Die Fähigkeit der Haut sich für jede mögliche Lufttemperatur
einzurichten, bedeutet demnach für den Körper einen Sonnen-, Nässe-,
Wind-, Kälte- und Wärmeschutz.

~Der unbekleidete Mensch ist, vorausgesetzt, daß er gesund und sein
Hautorgan ein durch die verschiedenen Wetterkombinationen geschultes
ist, stets dem Bekleideten gegenüber im Vorteil~. Gegen das etwaige
Zuviel des Lichtes der Sonne, hat er die Bräunung, gegen Regen die
Fettigkeit, gegen Wind, Kälte und Wärme die Erweiterung oder Verengerung
der Hautblutgefäße. So kann z. B. bei hohen Kältegraden der nackte
Mensch wärmer als der bekleidete sein, denn die Kleidung ist nur solange
ein Wärmeschutz, als sie selbst noch warm ist. Ist sie erst einmal kalt
geworden, so muß der Mensch durch Bewegung, Nahrung etc. eine größere
Wärmemenge erzeugen, einmal um den Körper selbst wieder auf die
gewünschte Temperaturhöhe zu bringen, zweitens um die kalt gewordene
Kleidung zu erwärmen. Kalte Kleidung entzieht dem Körper ziemlich
erheblich Wärme, zumal wenn dieselbe durchfeuchtet ist. Die Kleidung
tritt also nur da in ihr Recht, wo es gilt, dem Körper den produzierten
Wärmevorrat zu ~erhalten~.

Ein ähnliches Verhältnis ist bei hoher Lufttemperatur der Fall; auch
hier muß der Körper eine ~doppelte Leistung~ vollbringen, nicht blos
sich selbst, sondern auch die Kleidung abkühlen.

~So schnell als der Witterungswechsel in jeder Minute es erfordert, kann
man die Temperatur und den Feuchtigkeitsgehalt nicht abändern; eine gut
trainierte daher wetterfeste und regulationsfähige Haut vermag diese
Leistung aber blitzschnell für jede Wetterkombination zu vollbringen~.

~Dem Bekleideten kommt der produzierte Schweiß für die Abkühlung nicht
völlig zu gute~. Denn wie gelegentlich anstrengender Uebungen
nachgewiesen worden ist, enthält die Kleidung häufig 6-8000 ^gr^ Wasser,
welches bis in die äußeren Kleiderschichten eindringt. Daselbst erfolgt
die Verdampfung nur zum Teil auf Kosten des Körpers, vielmehr auf Kosten
der umgebenden Luft. Diese vom Körper aufgebrachten Schweißverluste
sind für den bekleideten Körper also ~nutzlos~ und sind bei
wasserdampfreicher Luft sogar zu fürchten, weil dann die Verdampfung in
der den Körper direkt umspielenden Luftschicht gehindert ist.

~Die mit Schweiß imprägnierte Kleidung ist wegen ihres Reichtums an
Toxinen und Bakterien eine Infektionsgefahr~, sowohl für den Träger
selbst, als auch für seine Mitmenschen, eine Brutstätte aller möglichen
Krankheitskeime.

~Die durchschweißte oder auch von außen durchnäßte Kleidung bietet die
Gefahr der Erkältung für einen in Bewegung Gewesenen~, wofern dieselbe
nicht rechtzeitig durch trockene ersetzt wird, sobald der Körper in Ruhe
kommt. Denn die nachträgliche Verdampfung entzieht dem Körper, der
während der Ruhe pro Stunde höchstens 80 Kalorien produziert, viele
hundert Kalorien, führt also zur abnormen Abkühlung des Körpers. Die
Durchblutung des Hautorgans während der Bewegung macht einer plötzlichen
Blutleere in der Ruhe Platz, bedingt also eine plötzliche
Blutüberfüllung der Eingeweide und stellt plötzlich und abnorm hohe
Anforderungen an die Regulierfähigkeit des Hautorgans.

Und so sehen wir denn tatsächlich, daß bei kühler Witterung unsere
unbekleideten Teile häufig wärmer sind als die bekleideten, so wird uns
der Regen und Schnee auf den unbekleideten Körperstellen weniger lästig
als in unserer Kleidung, die wir möglichst bald abzulegen suchen, so
sehnen wir uns bei heißer, sonniger Witterung darnach, den Körper zu
entblößen und alle die Vorteile, ~die Licht und Wärme der Sonne~
bringen, an unseren Körper heranzulassen. Denn die ~chemische,
bakterientötende, stoffwechselanregende~, die Wärme und lebenerwirkende
~Kraft des Lichtes~ ist ja nicht nur in der Heilwissenschaft, sondern
auch in weiten Laienkreisen bekannt.

Andrerseits bietet die Kleidung dem Menschen selbstverständlich auch
viele Vorteile, die für unsere heutige Kultur nicht zu unterschätzen
sind. In der Rauhkeit unseres Klimas sind wir auf dieselbe angewiesen.
Denn nur in der warmen Jahreszeit könnten wir dieselbe bei beruflicher
Tätigkeit zur Not auf längere Zeit entbehren. Wir können aber z. B. eine
sitzende Beschäftigung während der kühlen Jahreszeit nicht ohne Schaden
für unseren Körper unbekleidet ausüben. Die Kleidung tritt überall da in
ihr Recht, wo dem Körper durch unsere Lebensgewohnheiten, durch die Art
der Beschäftigung die Gelegenheit genommen wird, genügend Wärme zu
produzieren, wo sie uns hilft, mit dem produzierten Wärmevorrat Haus zu
halten.

Nun könnte man den Einwurf machen, daß die zeitweilige Lüftung des
nackten Körpers im Luftbade zwar für das sonnige Griechenland, nicht
aber für unsere rauhen klimatischen Verhältnisse geeignet sei. Dieser
Einwurf besteht jedoch nicht zu recht. Denn leben nicht noch heute die
Feuerländer in ihrem bekanntlich sehr rauhen Klima (Jahresmittel der
Temperatur ist 6,2°) dauernd fast nackt? Und hat nicht das
Massenexperiment unserer deutschen Luftbadler den Gegenbeweis bereits
erbracht?


7. Welchen Nutzen hat der kranke Mensch vom Luftbade?

Um die Frage, ob der kranke Mensch Nutzen vom Luftbade hat, korrekt zu
beantworten, müßte ich eigentlich ein Buch für sich schreiben. Der
Rahmen dieser Blätter gestattet nur eine mehr summarische Beantwortung.

Nur wenige ~Hautkranke~ gibt es, welche bei ~richtiger~ Ausnutzung des
Luftbades von demselben keinen Vorteil haben. Alle diejenigen Patienten,
denen die Haut brennt, schmerzt, juckt und sonstige abnorme Empfindungen
verursacht, finden sehr schnelle Linderung und schließlich Heilung, wenn
sie Schattentemperaturen und die kühleren Temperaturen der Frühjahrs-,
Herbst- und milderen Winterszeit benutzen. Je nach dem Kräftezustand des
Körpers und nach dem Kältegrad und Luftfluß der Atmosphäre sollen sich
die stärkere oder schwächere allgemeine Körperbewegung machen. Das
Hautorgan wird durch den Wetterreiz einerseits und durch die
Muskelbewegung andererseits in Bewegung gebracht, gymnastiziert. Durch
diese direkte und indirekte Hautgymnastik, die gleichzeitig die Vorteile
der Körpergymnastik und der Abhärtung mit sich bringt, wird die Ursache
der abnormen Hautempfindungen beseitigt. Die kühlen Lufttemperaturen
wirken bei denjenigen Kranken, die infolge einer akuten Hautentzündung
ein ausgesprochenes Gefühl der Hitze und der Spannung haben, ebenfalls
ungemein angenehm und heilend. Diese entspannende und kühlende
Luftwirkung kann man durch zuvoriges Einölen mit irgend einem
gereinigten Oel erheblich unterstützen. Auch da wo die Haut rauh und
rissig geworden ist, soll man zuvor tüchtig und wiederholt einölen,
sonst würde sie namentlich bei etwas stärker bewegter Luft noch rissiger
und eventuell blutend. Diese Behandlung empfiehlt sich besonders bei
~Rotlaufkranken~, die jede Temperatur und jede Lichtstärke der Luft
benutzen können, nur die Oelung der Haut vorausgesetzt. Einen auffallend
schnellen und unkomplizierten Verlauf beobachtet man bei allen
denjenigen ~Fieberkranken~, welche gleichzeitig einen ~Ausschlag~ am
Körper zeigen, der im ursächlichen Zusammenhang mit der Fiebererkrankung
steht, z. B. bei Masern-, Scharlach-, Pocken-, Typhuskranken, die
vorwiegend einer Sonnenbehandlung unterworfen werden. Umhüllt man diese
Kranken mit dünnen porösen roten Schleiern, schützt ihre Augen durch
farbige Gläser, läßt sie selbstverständlich in absoluter Ruhelage und
wechselt je nach der Intensität der Körperreaktionen mit
Schattentemperaturen und leichteren Wasserapplikationen, so ist ihre
Genesung eine schnellfortschreitende und vollständige.

Die Kranken, deren Haut das Symptomenbild des sog. ~Exzems mit oder ohne
bakterielle Komplikation~ zeigt, bedienen sich in allen Stadien der
Erkrankung mit Vorteil des Lichtbrandes, dem sie sich in möglichst
ausgiebiger Weise viele Stunden aussetzen. Nässung, Schuppung etc.
verschwinden, die kranke Haut wird auf dem Wege der Entzündung durch
eine neue gesunde Haut ersetzt. In ähnlicher Weise gesunden Kranke, bei
welchen in das geschwächte Hautorgan von außen Bakterien eingedrungen
sind und dort ihr Parasitenleben auf Kosten des Organismus führen.
Besonders deutlich sichtbar ist die Genesung der Kranken mit
~Schuppenflechte~. Auch bei denjenigen Menschen, deren Haut
wassersüchtige Schwellung zeigt, erweist sich die ausgiebige Belichtung
und die windige heiße trockene Luft als unschätzbares Heilmittel. Die
vorteilhafte Behandlung ~Lupuskranker~ und Patienten mit ~Hautkrebs~ mit
dem Sonnenbrand ist wohl allgemein bekannt.[7] Auch ~Hautwunden~ und
selbst tiefere Wunden, die von der Oberfläche aus zugänglich sind,
heilen unter Besonnung und Eintrocknung ungemein schnell und ergeben
ebenso wie bei Lupus und Hautkrebskranken schöne glatte Narben. Auch die
Wintersonne genügt in ihrer Intensität, wofern man nur ausgiebig die
wenigen Sonnenscheinstunden ausnutzt.

  [7] Vergl. Rieder, Prof. Dr. H., Die bisherigen Erfolge der
  Lichttherapie. Verlag von Ernst Heinrich Moritz, Stuttgart. Preis 75
  Pfg.

Von auffallend günstiger Wirkung ist die Luftbadbehandlung bei allen
~Stoffwechselkranken~; sie ist am stärksten an ~lichtvollen, windigen
Tagen~, zumal wenn sie mit ~individueller Körpergymnastik~ und
~individuell angepaßten Wassermaßnahmen~ vereinigt wird. Zuckerkranke,
Fettsüchtige, Rheumatiker, Gichtiker, Blutarme, Bleichsüchtige,
Rhachitische, Skrofulöse etc. verlieren relativ schnell die fehlerhafte
Verarbeitung der Körperstoffe.

Bei denjenigen Menschen, bei welchen der Stoffwechsel derart
darniederliegt, daß sie schlecht ernährt und siech sind, empfiehlt sich
eine häufige leichte ~Massage~ in der ~Sonne~.

Bei ~Nervenkranken~ ist vorzüglich das ~farbige~ Licht je nach dem
Erregungszustand der Nerven zu wählen. Diejenigen Centren, welche den
Sitz der Erkrankung darstellen, sind besonders vor den chemisch
wirksamen Strahlen zu schützen und erst allmählich an dieselben zu
gewöhnen. Kühlere Temperaturen, besonders der frühen Morgenstunden
werden von Nervösen im Luftbade im Allgemeinen angenehmer empfunden und
wirken schneller erholend. ~Fernhalten aller Luft- und Licht-Kontraste~,
verbunden mit ~absoluter Ruhe~ und öfteren ~einförmigen~ Reizen im
Anfange, sodann bei fortschreitender Erholung ~Gymnastik der Sinne~
durch ~Naturbeobachtung~, verbunden mit ~Atemgymnastik~ im ~Liegen~,
sodann mit leichter Streichmassage und Passiv- und Förderungsbewegungen,
sodann Aktiv-Bewegung durch ~Nacktbeschäftigungsbehandlung~ der
Gartenarbeit, dazu milde Wasserbehandlung und schließlich systematisch
aufsteigende aktive Freiluftgymnastik, bis Gewöhnung an sämtliche
Luftfaktoren, so besonders auch an ausgiebige ~Lichtfülle~ und starke
Licht-Luftkontraste eingetreten ist und eine energische Körperbetätigung
spielend geleistet wird, garantieren die Heilung. Neben dieser
Behandlung ist eine seelisch individuell angepaßte Suggestionstherapie
mit eventueller Benutzung der Hypnose anzuraten. ~Lungenschwache~ sollen
vorsichtige Lungengymnastik zunächst unter teilweiser Entblößung treiben
und ~scharfe~ Luftkontraste vermeiden, allmählich dreister werden, bis
das Hautorgan als Hülfslunge genügend erzogen ist. Besonders
~Schwindsüchtige~ mit und ohne Tuberkelbazillencomplikation sollen so
vorsichtig beginnen und anfangs ~warme~, ~trockene~, staubfreie,
womöglich ozonreiche und ~lichtstarke~ Luft bevorzugen.

Von ~längeren Freiluft-Liege-Kuren~ habe ich weniger Vorteil gesehen.
Ist die Neigung zu reichlichen Schweißen und zu Blutungen vorüber, dann
sollen sie dreist jede Lufttemperatur und jeden Luftwechsel
selbstverständlich staubfreie Luft und stärkere Atemgymnastik und
schließlich Allgemeingymnastik und Dauerlauf zur Genesung benutzen.
Eine vorsichtige örtliche und später allgemeine Wasserbehandlung
begünstigen die Genesung. Patienten mit Lungenerweiterung sollen bei
erschwertem spärlichem Abhusten feuchte Luft bevorzugen und
hauptsächlich forcierte ~Ausatmungsgymnastik~ betreiben im Gegensatz zum
Einatmungs- und Atemhalten-Training Schwindsüchtiger. Die erfolgreiche
Freiluftbehandlung Keuchhustenkranker ist wohl bekannt genug, um hier
noch weiter erörtert zu werden.

Von geradezu verblüffendem Erfolg ist die Freiluftbehandlung
~Herzkranker~, bei welchen man das Herz durch ~blaue Herzkühler~
schützt. Auch bei ihnen beginne man mit milderen Temperaturreizen,
obwohl man die Wärme- und Lichtstauung des Körpers nicht sonderlich zu
fürchten braucht. Hat der Herzkranke Gelenkerscheinungen, rheumatische
Schmerzen, Blausucht, Eiweißharnen, wassersüchtige Symptome, so schalte
man ebenso wie bei ~Nierenkranken~ ~feuchte~ und ~kalte Luft~ in der
Behandlung aus, man denke jedoch daran, daß der Kranke nicht eher als
gesundet betrachtet werden kann, als bis er auch an diese Luftfaktoren
wieder gewöhnt ist. Massagebehandlung, individuelle Wasserbehandlung,
Diät, passive und Förderungsgymnastik, später Aktivgymnastik, besonders
der Rotationsbewegungen der ~Extremitäten~ (keine Rumpfgymnastik),
Atmungstraining sind unterstützende Heilfaktoren.

~Infektions~-, ~Vergiftungs~- und ~Verdauungs-Kranke~ der
verschiedensten Art sind nicht minder erfolgreich bei richtiger
Ausnutzung der Lichtluftfaktoren als ~unterleibskranke Frauen~; bei
jenen sind die örtlichen hydrotherapeutischen und insbesondere die
diätetischen Maßnahmen, bei diesen neben örtlicher Hydrotherapie
(Wasserbehandlung) vor allem die ~Thure Brandt~-Massage und Gymnastik
unterstützende Hilfsmittel.

Selbstverständlich ist es wohl, daß diejenigen Menschen, deren
Krankheitserscheinungen wir mit dem Namen der ~Erkältungskrankheiten~
bezeichnen, gerade durch Anwendung der Luftfaktoren am schnellsten
genesen und durch Gewöhnung an die Luftfaktoren einer Wiederkehr der
krankhaften Reaktionen ihres Körpers vorbeugen.

Nicht unwichtig ist der Umstand, daß diejenigen Menschen, die unter der
Behandlung der Luftfaktoren ihre Gesundheit wiedergewonnen haben, mit
denselben umgehen und ihrer individuellen Körperveranlagung anpassen
lernen, also den guten Zustand ihres Körpers zu erhalten wissen und
diese ~Gesundheitsarbeit spielend~ und frohsinnig in ~bester seelischer
Verfassung~ geleistet wird.


8. Das Licht-Luftbad eine soziale Forderung.

In Rücksicht auf die gesundheitlichen Schädigungen, die die Beschränkung
des Licht-Luftgenusses für das Einzelindividuum und für die Gesamtheit
hat, muß man auf Abhilfe sinnen. Diese Uebelstände zu mildern resp. zu
beseitigen, ist Aufgabe der Licht-Luftsportbäder.

Die Erfahrung in unseren modernen Sanatorien und in dem einzigen
Krankenhaus des deutschen Reiches, welches vorurteilsfrei das
Lichtluftbad als Heilfaktor benutzt, (es ist dies das Kreiskrankenhaus
Groß-Lichterfelde bei Berlin unter Leitung des Geheimen Medizinalrat
Professor Dr. E. Schweninger) hat gezeigt, daß eine große Zahl kranker
Menschen allein durch den richtigen Gebrauch der Luft in den Luftbädern
gesunden, daß sie aber in vielen Fällen wegen des Mangels bestehender
Luftbäder ihrem Bedürfnis nach Lüftung später nicht mehr genügen können
und von neuem erkranken. Es fehlt ihnen also das ~gesunderhaltende~
Mittel.

Für die ~Lösung vieler Gesundheitsfragen~, z. B. der Tuberkulose- oder
der Carcinomfrage, sowie für die Menschen dichtbewohnter Großstädte, ist
die Schaffung derartiger Licht-Luftsportplätze ein dringendes
Erfordernis.

Die hygienische Forderung der Luftbäder besteht für ~jeden Beruf~ zu
Recht, für Reich und Arm, für Mann und Weib, für Kind, Jüngling und
Greis, für Turner, Soldaten und für alle, welche irgend einem Sport
huldigen.

So ergeben sich die ~sozialen Vorteile~ von selbst.

Ein abgehärtetes, seuchenfestes Volk, das seine Freude in natürlichen
Genüssen sucht, den Luft- und Naturgenuß eintauscht gegen die so
zweischneidigen Freuden des Alkohols, Nikotins, der geschlechtlichen
Exzesse und anderer Genüsse, ist der Gefahr der ~Rasseentartung~
erheblich weniger ausgesetzt als eine immer mehr und mehr
verweichlichende, genußsüchtige Bevölkerung.

Die ~Wehrfähigkeit des deutschen Volkes~ würde nicht unerheblich durch
die Einrichtung von Luftbädern erhöht werden.

Die ~praktische Reformierung des Gasthauswesens~ würde durch
Luftbäderanlagen wesentlich gefördert und erleichtert.

Das ~deutsche Turnwesen, alle Arten des Sports, das Schul-, Sport- und
militärische Training würden gesundheitlich und ästhetisch gestaltet~.

Die ~sozialen Gegensätze würden gemildert~. Denn dem nackten Körper
fehlen die Insignien von Reich und Arm, und das gemeinsame Ziel, den
Körper im gemeinsamen, wagemütigen Spiel gesund und schön zu gestalten,
wozu der Luftgenuß den unbekleideten Körper einladet, erhöht das Gefühl
der Zusammengehörigkeit aller Volksgenossen.

Die wenigen Luftbadeanstalten, die bisher im Reiche bestehen, haben
praktisch bewiesen, daß dieselben stark besucht werden, daß die
Besucher, je länger sie den Luftgenuß hatten, desto gesunder wurden, daß
sie mehr und mehr im steigenden Kraftgefühl den frischen Wagemut fanden,
den nur das Vertrauen auf die eigene Kraft und Gesundheit schaffen, daß
sie an Stelle der Genußsucht die Mäßigkeit setzten.

Die Luftbadeanstalten sind schließlich nicht nur eine hygienische und
soziale Forderung, sondern auch eine ~Forderung der Aesthetik~.

Der nur an den Hüften bekleidete Mensch, bei welchem etwaige
Unebenheiten des Körpers nicht durch die Kleidung verdeckt werden, der
andere nackte, schönheitliche Körper vorbildlich im Luftbade sieht,
sucht alsbald seiner Eitelkeit folgend seinen Körper schönheitlich zu
gestalten. Er benutzt die körperliche Uebung zur ~Modellierung~ seines
Körpers und übt im Gegensatz zum Gipfelturner oder Radfahrer oder
Berufsathleten nicht nur ~einzelne~ Muskeln, sondern sämtliche
Muskelgruppen in harmonischer Weise. Die Einseitigkeit jener, die sich
in übermäßiger Dicke der Arme bei gleichzeitiger Dünne der Beine oder
umgekehrt, oder in irgend welchem Mißverhältnis der Körperproportionen
zeigt, imponiert dem Nacktübenden nicht, er erkennt das ~Unschöne~ mehr
und mehr und ruht nicht eher, bis er die Schwäche und das Häßliche
seiner Körperformen beseitigt hat. So wird er allmählich, je schöner
seine Körperformen sich modellieren, selbst ein schöner Vorwurf für den
Künstler (s. Titelbild).

Dabei lernt das Auge des Beschauers, der zuvor das Nackte als anstößig
und unsittlich betrachtete, dieses wieder als sittlich, rein und schön
auffassen.

Der griechische Künstler, der in den Palaestren den in der Nacktheit
schön gebildeten Körper in Ruhe und Bewegung dauernd vor Augen hatte und
darum vorbildlich Schönes schaffen konnte, hat vor dem deutschen
Künstler dann nichts mehr voraus. Das Auge des Künstlers, sowie jedes
Beschauers, wird schönheitlich erzogen, die Sinne werden veredelt, die
Kunst wird mehr und mehr Allgemeingut.

Die Einrichtung von Luftbädern ist nun aber tatsächlich ein ~Bedürfnis
weiter Volksschichten~ geworden.

Das geht vor allem daraus hervor, daß sich zahlreiche Vereine mit
derartigen Bestrebungen in fast allen größeren Städten des deutschen
Reiches gebildet haben, die unter dem Namen des „~Deutschen Vereins für
vernünftige Leibeszucht~” ~bekannt~ sind, daß Privatleute aus eigenen
Mitteln im Kleinen derartige Luftbäder an vielen Orten schufen, daß
Zeitschriften entstanden, welche ähnliche Forderungen aufstellten. Die
beste und bekannteste Zeitschrift dieser Art ist „~Kraft und
Schönheit~”.

Endlich ist darauf hinzuweisen, daß die Einrichtung von Luftbädern ~dem
Staate keine wesentlichen Kosten verursachen würden~. Turnplätze,
Kasernenhöfe, Spielplätze inmitten und an der Peripherie der Städte sind
zur Genüge vorhanden; eine etwaige Umzäunung der Plätze, Angliederung an
Badeanstalten und Armierung mit Turn- und Sportgeräten erfordern nur
ganz geringe Mittel. Turn- und Schullehrer, welche mit den für den
Licht-Luftgebrauch nötigen Vorsichtsmaßregeln bekannt gemacht werden
müßten, sind in genügender Zahl vorhanden. Eine höhere Belastung des
Etats wäre also unnötig, Ersparnisse an anderen hygienischen Instituten
sehr wahrscheinlich. Als Beispiel und Vorbild ist das städtische
Freilicht-Luftbad Münchens anzuführen, welches diese Stadt an eine
Volksbadeanstalt angliederte. Das Luftbad war bei einem Eintrittspreis
von 10 Pfennig trotz des regnerischen Sommers von einer täglichen
Mindestzahl von 500 Besuchern frequentiert. An den Sonntagen stieg die
Besucherzahl bis auf 900. Das Terrain erwies sich für das ungeheure
Bedürfnis, obwohl es eine Größe von 400 Quadrat-Ruten hatte, als viel zu
klein und soll deswegen um das vierfache vergrößert werden.


9. Praxis des Nacktturnens.

Nachdem wir die Gesetze der Bewegung, des Lichtes und der Luft und ihre
Einwirkung auf den menschlichen Körper kennen gelernt haben, steht es
außer Frage, daß Leibesübungen jeder Art logischer Weise ~nackend~
betrieben werden müssen.


^a^) ~Die Notwendigkeit des Nacktturnens~.

Durch die Gymnastik wird schneller als durch die Bewegungen des
täglichen Lebens Aufbau und Abbau der Stoffe des Körpers erzielt;
trotzdem lernt derselbe, sich den Uebungen anzupassen, und produziert
weniger Ermüdungsstoffe, je ausdauernder er trainiert wird. Diese sind,
wie Erfahrung und Experiment bewiesen haben, ~Giftstoffe~. Je schneller
dieselben entfernt werden, um so schneller ist die ~Erholung~. Der
menschliche Körper ist vergleichbar dem Ofen. Beschickt man denselben
mit Heizmaterial und schließt frühzeitig die Ofenklappe, so wird das
Feuer nur langsam glimmen und allmählich ausgehen und viel unverbrannte
Schlacken zurücklassen; öffnet man dagegen die Ofenklappe, gewährt also
der Luft ausgiebigsten Zutritt in den Ofen, so wird das Feuer lustig und
hell aufflackern und das Heizmaterial vollkommen und ohne Bildung von
Schlacken verbrennen. Wenn im menschlichen Körper die Millionen
Oeffnungen der Haut zum Eintritt für Licht und Luft offenstehen, so wird
auch das Lebensfeuer hell brennen und alle, auch die schwerverbrennbaren
Heizstoffe des Körpers vollkommen verbrannt werden. ~So wird die Bildung
von Belastungs- und Ermüdungsstoffen hintangehalten, so aber auch für
eine schnelle und ausgiebige Erholung gesorgt~. Denn die Giftstoffe
treten ungehindert an die Oberfläche des Körpers und werden hier durch
die Desinfektionskraft des Lichtes unschädlich gemacht, von der
Feuchtigkeit der Luft, dem Regen etc. abgewaschen, von dem Winde
verweht. Gleichzeitig erfolgt von denselben Naturkräften der ~stete
Antrieb zu erneuter Bewegung~. So sehen wir denn auch in der Praxis die
Nacktgymnastik sich als eine charakteristisch unbelastete vollziehen.
~Geist und Seele sind freudig animiert, der Körper arbeitet spielend~.
(Fig. 35, 36, 37, 38.) Die Krafterzeugung, der schönheitliche Aufbau und
die Erziehung des Körpers zur Ausdauer, geschehen ungehindert und
vollkommener.


^b^) ~Die Hilfsmittel des Nacktturnens~.

Der Nacktturner hat nun zur Erlangung einer gesundheitlichen Entwicklung
seines Körpers zu Kraft und Schönheit mehrfache ~Hilfsmittel~. Sobald er
in irgend einem Teile des Körpers die Ermüdung fühlt, tut er gut, sich
denselben zu streichen und zu reiben, d. h. sich selbst zu ~massieren~.
Er bringt durch die Selbstmassage die Ermüdungsstoffe zur schnellen
Aufsaugung und wird wieder schnell übungsfähig.

Ein weiteres Hilfsmittel ist die ~richtige Anwendung des Wassers~. Wenn
der Körper durch die Bewegung und unter dem Einfluß des Lichtes und der
Luft in den Zustand ~erhöhter Reaktionsfähigkeit~ gekommen ist,
unterstützt man die Abhärtung, d. h. die Anpassung des Körpers an
sämtliche Licht-Luftfaktoren, die durch das Luftbad an sich schon in
hohem Maße erzielt wird, durch den ~systematischen Gebrauch~ des
Wassers. Man beginne ~nicht gleich mit schroffen~ Temperaturgegensätzen,
sondern mit Temperaturen, welche der Körpertemperatur ziemlich nahe
kommen und gehe erst allmählich entsprechend der Individualität des
Körpers zu extremen Temperaturen über, bis man ~jede beliebige~
Temperatur ertragen gelernt hat. Man wähle auch nur ~kurzdauernde~
Wasserprozeduren z. B. milde Douchen auf Brust und Rücken in Dauer von
10-15 Sekunden, Halbbäder in Dauer von 6-8 Sekunden etc. und ähnliche
Prozeduren. Die mit der Wasseranwendung verbundene ~Reinlichkeit~ des
Körpers ist ein weiterer Gewinn desselben. Sehr wichtig ist für die
Benutzung des Wassers, namentlich wenn man dasselbe kalt gewählt hat,
die Sorge für ~schnelle Wiedererwärmung~ des Körpers in der einen oder
anderen Weise, durch Bewegung, Umhüllung, Besonnung etc.[8]

  [8] Siehe Rieder, Prof. Dr., Körperpflege durch Wasseranwendung. Mit
  vielen Abbildungen. Eleg. geb. 2 M. -- Verlag von E. H. Moritz,
  Stuttgart.


^c^) ~Die hygienische Regelung des ganzen Lebenshaushaltes~.

Schließlich ist die hygienische ~Regelung des gesamten Lebenshaushaltes~
von ungemeiner Wichtigkeit. Eine ~nüchterne, reizlose und mäßige
Ernährung~, welche der Individualität des Menschen und der Kraft seiner
Verdauungsorgane angepaßt ist, wird einen Kraftaufbau am meisten
begünstigen. ~Alkohol~ in jeder Form, ~Gewürze~, ~Nikotin~, ~Kaffee~,
~schwarzer Tee~ und sonstige empfohlene Anregungsmittel sind
~Genußmittel~, welche zwar im Augenblick der Ermüdung das trügerische
~Gefühl~ der Frische und Anregung geben. Man bedenke aber bei ihrem
Genusse stets, daß sie keine ~Krafterzeuger~ sind, sondern daß sie nur
die Reservekräfte des Körpers anregen und verbrauchen, die ~letzte
Kraftquelle ausschöpfen~ und die Ermüdung, die nach ihrem Gebrauche
nachfolgt, eine ~krankhafte Erschöpfung~ des Organismus bedeutet. Das
~Zuviel~ der Nahrung schafft Faulheit und Ungelenkheit der Glieder und
erzeugt Belastungsstoffe, welche den Körper namentlich bezüglich der
Ausdauer behindern. Die ~Temperatur~ der ~Nahrung~ komme der
Körpertemperatur möglichst nahe; die sehr ~heiße~ oder kalte Nahrung
wirkt wie die gewürzige Nahrung als innerer Reiz, welcher erschöpft. Das
~gute Zerkauen~ der Nahrung schafft eine höhere Ausnutzbarkeit
derselben. ~Gewohntgemäßiger Gebrauch~ von reichlichen ~Flüssigkeiten~,
wie Suppen, Getränken (auch Wasser und Limonaden) sind überflüssig und
eventuell schädlich. Sie verdünnen und spülen die Verdauungssäfte aus,
schwemmen den Körper auf, machen ihn weich und nachgiebig, nutzen die
Nieren, Blutgefäße und das Pumpwerk des Herzens vorzeitig ab, und machen
den Körper wenig ausdauernd. ~Man trinke nie ohne Durst~. Derjenige
Durst, welcher sich durch Gurgeln mit klarem Wasser oder durch den Genuß
fester Nahrung überwinden läßt, ist kein Durst, sondern nur etwas
Angewöhntes.

Die ~Mäßigkeit im geschlechtlichen Verkehr~ ist für die Erzeugung von
Kraft und Ausdauer ebenfalls von immenser Wichtigkeit. Man bedenke, daß
jeder Beischlaf eine bestimmte Menge Lebenskraft des Körpers verausgabt,
und daß jede Vergeudung dieses Kraftkapitals zu einem frühzeitigen
Bankerott führen muß. Nur der ~Ueberschuß~ an Lebenskraft, die
Kraftzinsen, dürfen ohne Schädigung verbraucht werden.

Da wir unter den heutigen Kulturverhältnissen nur wenig Gelegenheit zur
ausgiebigen Lüftung des Körpers haben, so müssen wir durch richtige
Bekleidung und Schlafen in ~gut ventilierten Räumen~ einen möglichst
guten Ausgleich zu schaffen suchen.

[Abbildung: Tafel XII.

Fig. 35. =Von kleinster zur grössten Arbeit.=

1. Rückenmärkler machen Gehübungen. 2. Patient die Blumen beschneidend.
3. Bei den Hantelübungen. 4. Ringer (Genickfallgriff).]

[Abbildung: Tafel XIII.

Fig. 36. =Vergnügen und Arbeit im Luftbad.=

1. Der Blumengießer. 2.2. Die Schachspieler. 3.3. Die Luftbadkapelle.
4.4. Ein Spielchen „66”. 5. Massage. 6. Holzsägen. 7. Holzhacken. 8.
Rückenmarkskranker seine Gehübungen verrichtend. 9. Patient „tritt
Wasser” im großen Bassin.]

Unsere ~Kleidung~ darf deswegen nicht beengend, sondern muß locker,
luftig, und dabei porös sein, so daß wir am Körper stets eine
Luftventilationsschicht behalten. Imprägnierte und gestärkte Bekleidung
hindert den Luftzutritt. Im übrigen müssen wir Farbe und Gewebsart nach
der Individualität unseres Körpers, nach der Jahreszeit und dem Grade
unserer Abhärtung einrichten. Beengendes Schuhzeug verändert
nicht nur die Form unserer Füße zum Nachteil, sondern behindert auch
Gelenkigkeit und Kraftentwicklung derselben. Was aber ein festes Stehen
bedeutet, wenn die Zehen und die Sohle im stande sind, sich gleichsam am
Erdboden festzukrallen, weiß der Ringer besonders hoch zu schätzen.

[Abbildung: Tafel XIV.

Fig. 37. Turnen und Spielen der Frauen und Kinder.]

[Abbildung: Tafel XV.

Fig. 38. =Gesundheitsarbeit der Frauen und Kinder.=

1. Einseitiges Tiefatmen. 2. Gleichgewichtsübungen am Schwebebaum. 3. Am
Reck.]

Der ~Schlafraum~ muß stets gut ventiliert und der Luftzutritt am besten
durch ein geringes Offenstehen der Fenster gewährleistet sein. Es kommt
nicht auf ein Schlafen in ~kalten~ Räumen an; dieses kalte Schlafen kann
gelegentlich sogar von Nachteil sein; sondern die ~Lufterneuerung~ ist
das Wesentliche. Denn der Luftvorrat eines Raumes wird in bestimmter
Zeit je nach seiner Größe und nach der Zahl der Atmenden mehr oder
weniger rasch verbraucht. Eine einmal verdaute Speise pflegen wir wegen
der Unappetitlichkeit und Schädlichkeit nicht zum zweitenmale zu
genießen; dies gilt auch für den Genuß der Luftspeise. Auch der Luftkot
sollte nicht wiederum als Atmungsspeise gebraucht werden.


^d^) ~Licht-Luftbadregeln~.

Um mit Vorteil in ~Licht~ und ~Luft~ zu ~baden~, muß der Anfänger
~gewisse Regeln~ beobachten. Am besten ist es für denselben in der
~warmen~ Jahreszeit bei sonniger Witterung mit dem Licht-Luftbaden zu
beginnen und zwar den Körper zunächst nur ~teilweise~ den
Witterungsfaktoren auszusetzen, allmählich ein Kleidungsstück nach dem
anderen abzulegen und die ~Zeit~ des Badens anfangs nur ~kurz~ zu
bemessen, bis eine völlige Gewöhnung an die Luftfaktoren eingetreten
ist. So wird der Badende stärkere Reaktionen des Körpers vermeiden. Bei
grellem Sonnenlicht ist es gut, den Aufenthalt in der Sonne mit dem im
Schatten häufig zu wechseln, sowie beim Liegen oder Stillstehen in der
Sonne die Lage des Körpers öfters zu wechseln, damit nicht ein Teil des
Körpers einseitig besonnt wird. Sonst entsteht bei den zartbehäuteten
Menschen sicherlich eine Hautentzündung, welche durch lästiges
Hautjucken, ja schmerzhaftes Brennen, während mehrerer Tage dem Badenden
den Licht-Luftgenuß verleidet. Ist der Sonnenbrand jedoch eingetreten,
so fette man, um die Spannung der Haut zu vermindern, dieselbe mit einem
reinen Pflanzenfett ein, und lege darüber kühlende Wasserkompressen und
setze den entzündeten Teil nur mäßig und nur mit Hemd oder einem anderen
kühlen Leinentuch bedeckt, der Luft in den nächsten Tagen aus; hüte sich
aber kühles Wasser aufzugießen und den benetzten Körper abermals
ungeschützt der Sonne anzusetzen; eine stärkere Entzündung wäre die
Folge. Kaltes Wasser soll selbst der Abgehärtete nicht unmittelbar auf
die sonnendurchglühte Haut einwirken lassen, sondern der Wasserabkühlung
stets erst eine gewisse Luftabkühlung vorangehen lassen. Die Haut wird
sonst zu spröde und die Nerven von der Peripherie aus zu stark gereizt.
Der Kopf sollte anfangs durch eine helle Bedeckung geschützt werden.
Scharlach- und masernähnliche Ausschläge, wie sie häufig im Luftbade
beobachtet werden, sind als Selbstreinigung des Körpers aufzufassen und
dürfen nicht zum Aussetzen des Luftbadens veranlassen. Die licht- und
luftgewöhnte Haut des Europäers tauscht ihre weiße Farbe gegen eine
bronzegefärbte ein. Bei kalter Luft soll man für ausgiebige Bewegung bis
zur Schweißerzeugung sorgen. Der ausgebrochene Schweiß ist abzuwaschen.
Tritt Frösteln oder Gänsehaut auf, so reibe man den Körper trocken bis
zum Ausgleich. Bei Regen soll man das Luftbad nicht unterbrechen,
sondern durch stärkere Bewegung ein etwaiges Kaltwerden des Körpers
ausgleichen. Diese Regeln gelten für den gesunden Menschen, der Kranke
hole sich vor dem Luftbade vom Arzte das Lichtluftrezept. Nierenkranke
müssen besonders naßkalte Luft scheuen, nur sonnendurchglühten,
trockenen, warmen Erdboden mit bloßen Füßen betreten, sonst stets die
Füße mit warmer Fußbekleidung bewaffnen.


^e^) ~Die Aufstellung eines individuellen Bewegungssystems~.

Ebenso wie die Kenntnis und die richtige individuelle Anwendung der
Lichtluftbadregeln ist auch die richtige individuelle Ausnutzung der
Bewegungsgesetze notwendig. Deshalb muß derjenige, der seinen Körper in
das richtige Kraft- und Schönheitsverhältnis bringen will, sich ein
~System der Bewegung~ schaffen, das seiner ~Individualität~ Rechnung
trägt.

Dazu ist es notwendig, daß er zunächst die ~schwachen Punkte~ seines
Körpers ausfindig macht und dieselben solange übt, bis sie in die Kraft-
und Schönheitsproportionen des Körpers völlig hineinpassen.

Dies erreicht er auf mehrfache Weise. Die einfachste Methode ist die,
daß er im Zimmerluftbade den nackten Körper ~vor dem Spiegel
durchmustert~. Entdeckt er dabei, daß er z. B. dünne Waden und dicken
Bauch besitzt, so wird er die Waden- und die Bauchmuskulatur solange
üben, bis der Ausgleich erfolgt ist. Ist der Vorderarm im Verhältnis zum
Oberarm dünn, so wird er die Vorderarmmuskeln besonders anstrengen. Eine
zweite Art, die schwachen Körperteile aufzufinden, ist die durch
~Messung~. Dieselbe muß eine doppelte sein, nämlich erstens in Rücksicht
auf die Dicke der Gliedmassen. Und zwar muß das Dickenverhältnis von Arm
und Bein und Hals etc. der einen Körperhälfte und dann das gegenseitige
Verhältnis beider Körperhälften festgestellt werden. Zweitens müssen die
Längenproportionen des Körpers gemessen werden. Nur so wird man die
Disharmonie im Körperaufbau erkennen und ein System des harmonischen
Ausgleichs aufstellen können.

Zur Anleitung, die ~Dickenverhältnisse~ des Körpers zu messen, diene
nebenstehende Maßfigur und folgende Erläuterungen.

Wade, Hals und der gespannte Oberarm sollen gleich dick sein; der Umfang
der Faust ergibt die Größe des Herzens.

[Abbildung: Fig. 39. Die Dickenverhältnisse des Körpers.]

Der Brustumfang, gemessen in der Höhe der Brustwarzen, soll mindestens
die Hälfte der Körperlänge betragen. Der Unterschied der Brustmaße bei
tiefster Ein- und Ausatmung soll mindestens 8 ^cm^ groß sein.

Bei ausgewachsenen Männern beträgt der Tiefendurchmesser oben 16,5
^cm^, unten 19,2 ^cm^; der Breitendurchmesser 26 ^cm^. Beide
Brusthälften sollen gleich groß und gleichmäßig erweiterungsfähig sein.

Zahl der Atmungen in der Minute 16-20; Zahl der Pulsschläge bei Kindern
100-140, bei Erwachsenen 60-80, bei Greisen 70-90. Die Pulsschläge
müssen regelmäßig sein.

Zur Bestimmung der ~Längenverhältnisse~ des Körpers diene der
~Proportionsschlüssel~ nach ~C. Schmidt~ und ~G. Fritsch~.

Bereits im Altertum hat man Proportionslehren aufgestellt. Auf
naturwissenschaftlicher Grundlage entwickelte in neuerer Zeit ~C. Carus~
eine solche, indem er die „freie” Wirbelsäule (= Hals- + Brust- +
Lendenwirbelsäule) zum Ausgangspunkt der Vergleichung nahm. Der Maler
~X. Schmidt~ nahm die Beckenwirbelsäule als vierten Abschnitt hinzu und
Prof. ~G. Fritsch~ verbesserte diese Methode. Dieselbe hat die Vorzüge
der Einfachheit der Konstruktion, Exaktheit der Messung und leichten
Berechnung. Mit Hilfe dieses Proportionsschlüssels kann man leicht an
der Photographie eines lebenden Körpers die Proportionsfehler ablesen.

Das bestimmende Grundmaß (= ^modulus^) ist die Länge der Wirbelsäule,
gemessen vom unteren Rand des Nasenstachels bis zum unteren Rande der
Schamfuge beim Mann, bis zum oberen Rande derselben beim Weibe. Dieses
Grundmaß ^WW^₁ wird in vier gleiche Teile ^WB^, ^BM^, ^MN^, ^NW^₁
geteilt; setzen wir eine ¼ Maßeinheit (Untermodulus) ^KW^ nach oben
hin an, so erhalten wir die Oberhöhe des Körpers ^KW^₁ vom Scheitel bis
zur Schambeinfuge, haben also nun 5 gleiche Maßeinheiten. Errichten wir
auf der Grenze der 2. und 3. Maßeinheit, in ^B^ auf der Oberhöhe ^KW^₁
nach beiden Seiten eine Senkrechte von der Länge einer Teil-Maßeinheit,
so erhalten wir links den Drehpunkt des linken Schultergelenks ^Sch.l^,
rechts den entsprechenden Drehpunkt ^Sch.r^. Konstruieren wir in
gleicher Weise in ^W^₁ nach links und rechts Senkrechte von der Länge
einer halben Teilmaßeinheit, so bekommen wir links den Drehpunkt des
linken und rechts den Drehpunkt des rechten Hüftgelenks. Verbinden wir
nun die Hüftgelenk- und Schultergelenkpunkte der entgegengesetzten
Seiten, so schneiden sich diese im Nabelpunkte ^N^. Ziehen wir weiter
von den Schulterdrehpunkten Linien durch den Nasenstachelpunkt ^W^ und
von ^K^ aus Parallelen zu diesen, so erhalten wir das Kopfquadrat ^K^,
^Gl^, ^W^, ^Gr^, dessen quere Diagonale der Gesichts- resp. Kopfbreite
entspricht. Konstruieren wir schließlich in der Höhe des oberen
Brustbeinrandes, im Grenzpunkt der 2. und 3. Teilmaßeinheit, in ^B^,
Parallele zu ^Sch.l W^ und ^Sch.r W^, so schneiden diese die
Schulterhüftlinien und wir erhalten den linken und rechten
Brustwarzenpunkt, ^Br Wl^ und ^Br Wr^.

Für die Länge der Gliedmassen bekommen wir folgende Proportionen:

  ~Obere Extremität~:

  ^Sch.l-BrWr^, linkes Schultergelenk bis rechte Brustwarze = ^Sch E^ =
  Oberarmlänge,

  ^Sch.r-N^, rechtes Schultergelenk bis Nabel = ^UE^ = Unterarm,

  ^N-H^, Nabel bis Hüftgelenk = ^UP^ = Hand.

  ~Untere Extremität~:

  ^Br Wl-Hr^, linke Brustwarze bis rechte Hüfte = ^HKn^ = Oberschenkel,

  ^Br Wl-Hl^, Brustwarze bis Hüfte derselben Seite = ^KnF^ =
  Unterschenkel.

Die Fußhöhe ist annähernd gleich einem halben Untermodulus, die Fußlänge
gleich einer reichlichen Unterarmlänge. Die gesamte Körperlänge ^KL^ =
10⅓ Untermoduli. Der Brustwarzenabstand ist gleich einer Kopflänge. Das
Verhältnis von Kopflänge zu Untermodulus ist wie 3 : 4.

Hiernach ist es leicht, durch Vergleich mit der „normal-idealen”
Gestalt die Abweichungen des eigenen Körpers festzustellen.

[Abbildung: Fig. 40. Proportionsschlüssel.]

Die ~dritte Methode~, die schwachen Punkte des Körpers aufzufinden, ist
die ~Durchmusterung des Körpers während der praktischen Uebungen~. Man
muß dieselben nur recht vielseitig gestalten, um zu einem richtigen
Resultat zu kommen. Der Ermüdungsschmerz, die mangelnde Geschicklichkeit
und Ausdauer werden bei einiger Selbstbeobachtung von selbst deutlich.

In der heutigen Kultur wird durch das Geistestraining während der
Schulzeit und durch die hochgesteigerten Anforderungen des Beruflebens
abnorm viel Zeit verbraucht. Es bleibt uns zur Uebung unserer
Sinnesorgane und unseres Körper keine Zeit übrig. Anregungen zur
körperlichen Betätigung und Oertlichkeiten, die bequem und leicht zu
erreichen und kostenlos zu benutzen sind, mangeln. Ein ein- oder
zweimaliges Ueben in der Woche ist zur Erlangung starker, schöner und
gesunder Körper, zu wenig. Die systematische körperliche Verkrüppelung
durch die Schule wird solange bestehen, als nicht mindestens 1-2 Stunden
~täglicher~ systematischer und individueller Körperpflege getrieben
wird, die genau so streng wie jede geistige Leistung zensiert wird. Das
gesamte Lernpensum der Körperübungen müßte in einzelne Klassenpensen
entsprechend Anlagen und Altersstufen eingeteilt werden, eine Versetzung
in die nächst höhere Turnklasse dürfte nicht früher stattfinden, als das
Pensum der früheren Klasse spielend beherrscht wird, und nicht eher
dürfte der Gymnasiast oder Realschüler das Reifezeugnis erhalten, ehe er
nicht das Pensum der Turn-Prima absolviert und darüber sein Staatsexamen
abgelegt hat.

Solange nun aber die Einseitigkeit unserer Ausbildung und die
angeführten Kulturmängel weiterbestehen, müssen wir uns mit ~privaten
häuslichen Uebungen~ behelfen. Große Turnapparate im Hause aufzustellen,
verbieten Platz- und Geldmangel. Der Nacktturner wird deshalb für seine
körperliche Ausbildung ein System wählen müssen, das er ohne Apparate
mit Leichtigkeit im eignen Heim gebrauchen kann.

Vielerlei Systeme und Anweisungen sind für die Zimmergymnastik empfohlen
worden, sie entbehren jedoch in der Mehrzahl trotz vieler Vorzüge nicht
der Nachteile. Am besten erscheint mir noch das sogenannte
Sandow-Hantelsystem. Aber auch dieses ist nicht fehlerfrei,
hauptsächlich aus dem Grunde, weil es nicht genügend die ~Atemschulung~,
das ~Geschmeidigmachen~ des Körpers und seine ~Kraftproportionen~
berücksichtigt. Das Leben fordert aber gerade von uns ~Geschicklichkeit~
und ~Ausdauer~ und erst in zweiter Linie Kraft.

Was die Kraftproportionen des Körpers betrifft, so verweise ich auf die
hervorragenden, wissenschaftlichen Aufschlüsse, die uns Dr. ~Herz~ in
Wien durch seine Untersuchungen brachte. Er bestimmte experimentell die
mittleren Zugkräfte der einzelnen Muskelgruppen und das ~Verhältnis der
Kräfte der verschiedenen Muskelgruppen untereinander~. Dieses
wissenschaftliche Ergebnis habe ich für die Aufstellung des von mir
empfohlenen Systems benutzt. ~Sämtliche Muskeln beider Körperhälften
werden nacheinander in bestimmtem systematischen Aufstieg und bestimmtem
Wechsel geübt. Geschicklichkeits- und Atemübungen wechseln mit
Kraftübungen~. Die Uebungen sind ~regelmäßig~ und ~täglich~ vorzunehmen
und mit Energie, d. h. mit sog. doppelter Muskelspannung zu Ende zu
führen. Für die Zeit der Uebungen ist festzuhalten, daß sie nicht
unmittelbar nach einer größeren Mahlzeit auszuführen sind, sondern erst,
nachdem mindestens 2 Stunden nach derselben vergangen sind. Auf die
Uebungen folgt am besten Ruhe oder eine Mahlzeit, oder beides. Der
siebente Tag ist ein ~Ruhetag~, an dem man ohne Hanteln mehrmals jede
bringt. Diese Energiebetätigung des Gehirns wirkt ~krafterhaltend~. Das
Prinzip der Muskelspannung betätige man auch an allen unfreiwilligen
Ruhetagen z. B. auch auf Reisen.

Ein- bis zweimal wöchentlich oder noch öfter suche man in Kräfte- und
Gewandtheitskonkurrenz mit anderen zu treten gelegentlich gemeinsamen
Turnens am besten durch ~Ringen~. Was für die Männer die ~Griffkunde~
ist, bedeutet für die Damen die ~Tanzkunst~. Auch jede sonstige
körperliche Betätigung, die der Beruf oder eine andere Gelegenheit
schaffen, benutze man freudig. Die Uebungen führe man möglichst unter
Kontrolle des Gesichts, d. h. vor dem Spiegel aus. Die stete Beobachtung
der Fortschritte im Kraftaufbau und schönheitlicher Modellierung des
Körpers schaffen Freude am Erreichten und regen zu neuem Streben an. Man
arbeite bei ~gleichzeitiger Kritik des Verstandes unter Beobachtung
aller aufgeführten Gesundheitsregeln und unter Berücksichtigung der als
schwach im Körper erkannten Punkte~. Man steigere Zahl und Schwierigkeit
nicht früher als bis man das alte Pensum wirklich beherrscht. Man bleibe
sich bewußt, ~daß jedes System stets eine Verallgemeinerung ist, das
nicht für alle Verhältnisse paßt, das man stets zum eignen Nutzen
individuell gestalten muß~. Nur so wird das, was man durch systematische
und individuelle Nacktgymnastik erreicht, eine ~Kulturarbeit für die
eigene Person und für die Allgemeinheit~.



  #Verlag von Ernst Heinrich Moritz, Stuttgart.#


  Zur Betätigung einer =guten, körperlichen Gesundheitspflege, die auch
  in gewissen krankhaften Zuständen in Frage tritt=, hat ^Dr.^ ~Paul
  Jaerschky~ ein

  #System der Gymnastik#

  herausgegeben, welches er in einer

  =Uebungs-Wandtafel mit 24 Uebungs-Abbildungen und entsprechendem Text
  -- nebst einer Uebungstabelle für Kinder -- einer Uebungstabelle für
  Frauen und Mädchen über 15 Jahre -- einer Uebungstabelle für Jünglinge
  und Männer= (die auch Schwergewichtsübungen enthält)

  niedergelegt hat.

  Diese sehr schön ausgestattete Uebungstafel nebst Text, sowie die dazu
  gehörigen Uebungstabellen sind apart käuflich für

  =#nur 80 Pfg.#=

  =Für ein gesundheitliches Training sind diese Tafeln
  für jedermann von größtem Nutzen.=

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  =Preis des Einzelheftes 35 Pfg.=

  [Abbildung:

  Kraft und
  Schönheit

  „Wir wollen eine kräftige Generation!”
  Kaiser Wilhelm II.
  Schulkonferenz 1890

  Januar 1904.

  4. Jahrgang = No. 1.

  Zeitschrift für vernünftige
  Leibeszucht]

  =Erste Deutsche Monatsschrift=
  für
  =Körper-Kultur,=

  Künstlerischer Umschlag und
  Bildschmuck von Fidus   · ·

  Behandelt fesselnd die erfolgbewährten Grundsätze
  der ~vernünftigen Leibeszucht~, nach
  denen die Ausbildung zu =Körperkraft, Formenschönheit,
  kernfester Gesundheit und
  steter Geistesfrische= allein möglich ist.

  Dieses einzelartiges Blatt lehrt allen Gebildeten
  =weise Lebenskunst= und zeigt den naturgemäßen
  Weg zum Ideale des =Vollmenschentums=.

  =Vereinigung Höchster Körper-
  und Geisteskraft
  bei seelicher Gesundheit.=

  =Glänzende Auffäße . Wunderbare Bilder=

  =Probenummern
  vom Verlag Berlin ^W^ 9, Linkestr. 13.=

       *       *       *       *       *

  #Verlag von Ernst Heinrich Moritz, Stuttgart.#

  =Körperpflege durch Wasseranwendung=

  von =Prof. ^Dr.^ H. Rieder= in München.

  202 Seiten mit 8 Tafeln und 20 Text-Abbildungen.
  Brosch. =1.60 Mark=. Eleg. geb. =2 Mark=.

  ~Inhalt~: I. Teil: Geschichtliches. II. Teil: Physikalische
  Eigenschaften des Wassers. III. Teil: Aeußerliche Wasseranwendung:
  Wirkungen des Wassers auf die einzelnen Körperteile. Regeln und
  Vorschriften für den äußerlichen Gebrauch des Wassers. Reaktion und
  Wiedererwärmung der Haut -- ~Kalte Abwaschungen~ und ~Abreibungen~ der
  Haut -- ~Umschläge~, ~Wickelungen~ und ~feuchte Einpackung~ --
  ~Vollbad~ -- ~Halbbad~ -- ~Teilbad~ -- ~Uebergießungen~ und ~Duschen~
  -- ~Schwitz~- und ~Dampfbäder~ -- ~Wasseranwendungen bei Kindern~. IV.
  Teil: Innerliche Wasseranwendung.

  Das interessante Buch hat die Deutsche Gesellschaft für Volksbäder mit
  besonderem Dank empfangen und die lehrreiche Schrift unter ihren
  Mitgliedern kursieren lassen. Wir werden nicht verfehlen, in unseren
  Veröffentlichungen davon gebührend Notiz zu nehmen, und sagen für die
  Beachtung unserer Bestrebungen verbindlichsten Dank.

  „Die Deutsche Gesellschaft für Volksbäder, Univ.-Prof. ^Dr.^
  =Lassar=.”

  Das Buch von Prof. Rieder ist bestens willkommen zu heißen.... Es
  sollte in keinem Hause fehlen, auch Volks- und Schulbibliotheken darf
  es zur Anschaffung warm empfohlen werden.

  „=Ueber Land und Meer.=”

       *       *       *       *       *

  Hanteln · Sandowapparate
  Arm- und Bruststärker · Keulen
  Turngeräte aller Art · Discus.

  Sämtliche Artikel
  zur Körper- und Gesundheitspflege

  sowie zur

  Schönheitspflege für Damen

  Gesundheitsmieder
  Reformunterkleidung · Luftbadhemden
  Luftbadeanzüge

  für Kinder und Erwachsene

  Poröse Ober- und Unterkleidungsstoffe
  Alkoholfreie Getränke aller Art.
  Gesundheits-Nährmittel.

  =Reform-, Kauf- und Versandhaus
  Carl Braun
  Berlin 64 S., #Kottbuserdamm 5.#=

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  =Schafft Luft, viel Luft auf die Haut!=

  [Abbildung]

  Im Sommer kühl, im Winter warm!
  Geknotete Netz-Unterkleider
  Wolle, Seide, Baumwolle!
  von =Carl Mez & Söhne, Freiburg= (Baden)

  werden von ärztlichen Autoritäten begutachtigt wie folgt:

  -- sie sind die passendste unmittelbare Bekleidung der Haut. (Prof.
  Dr. med. =Hecker=, Freiburg), -- sie verhüten Erkältungskrankheiten
  und sind die reinlichsten Unterkleider (Prof. Dr. med. =Eichstadt=,
  Greifswald), -- sie sind besonders jehnen zu empfehlen, die Neigung zu
  Erkältungen haben (Prof. Dr. med. =Bamberger=, Wien) -- sie sind dem
  Flanellunterhemd oder einem sonstigen aus Wollstoff gefertigten
  Unterleibchen vorzuziehen (Prof. Dr. med. =G. Jäger=, Stuttgart).

  Personen mit reizbarer Haut empfehlen wir das Tragen unserer
  =knotenlosen Zellenstoff-Unterkleider=. Prospekte und Zeugnisse
  gratis.

  Als =Neuheit= empfehlen wir:

  =Dr. med. Walser’s 2schichtige Rippenkrep Wäsche.=

  [Abbildung]

  Sie schützt besser vor Erkältung als Woll-Tricot. Die Rippen aus
  Seide, Wolle, Baumwolle oder Chinagras halten die =poröse= Hemdfläche
  vom Körper ab, so dass das Hemd, wenn von Schweiss durchtränkt, nie
  lästig fällt. Ein Versuch wird lehren, dass das Rippenkrepp-Hemd das
  ~billigste~, zweckmässigste und dauerhafteste ist, was es gibt.

  Prospekte versenden die alleinigen Fabrikanten:

  =Carl Mez & Söhne=
  ~=Freiburg=~ (Baden).

       *       *       *       *       *

  #=Verlag von Ernst Heinrich Moritz, Stuttgart.=#

  [Abbildung: Gesundheit ist Reichtum!

  Neu!

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  Gesunderhaltung u. die Vermeidung
  von Krankheiten ihres Geschlechts
  findet jede Frau in dem von berufener
  Seite herausgegebenen Buche:_

  =Ursachen und Verhütung=
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  =Frauenkrankheiten=

  =von Univ.-Dozent Dr. Schäffer.=

  Mit 21 Abbild. Eleg. Geb. nur =M. 1.50.=

  _Manches Frauenleben kann erhalten
  bleiben bei rechtzeitiger Kenntnis
  der Krankheitsursachen, selbst
  der gefürchtete Krebs ist sodann
  heilbar! Bei Einsendung von M. 1.70
  franco in geschlossenem Couvert
  durch die Verlagsbuchhandlung:_
  =Ernst Heinrich Moritz, Stuttgart.=]

  Auf der Ausstellung für =Wohlfahrts- und Gesundheitspflege= in
  =Berlin= unter dem Protektorate Ihrer Majestät der Kaiserin wurde die

  =Bibliothek der
  Gesundheitspflege=

  mit der

  == goldenen Medaille ==

  =prämiert.=

  =Kataloge der Bibliothek der Gesundheitspflege
  gratis und franko.=

       *       *       *       *       *

  =Wormser
  Weinmost=

  unvergoren, (alkoholfreier), daher vollwertiger Traubensaft, hochedel,
  trinkfein, naturrein, unverdünnt, ohne Zusatz von Zucker oder
  Conservierungsmittel, unbegrenzt haltbar, wird von ärztlichen
  Autoritäten, unter anderem

  #=von Dr. med. Paul Jaerschky=#

  seit Jahren mit grossem Erfolge bei Stärkungskuren verordnet und für
  die Tafel verwendet. Näheres durch die

  =Deutsche Weinmost-Kelterei H. Lampe & Co.=, G.m.b.H.,
  =Worms a. Rh. u. Nierstein-Oppenheim a. Rh.=
  Grösste Deutsche Traubensaft-Kelterei.

       *       *       *       *       *

  [Abbildung: Gesundheid ist Reichtum!

  Neu!

  =#Die anerkannt besten Schriften ihrer Art!
  v. Sicherer, Dozent Dr., München.#=

  =Hygiene des gesunden und
  kranken Auges.=

  130 Seiten mit 3 col. Taf. u. 12 Textabb.
  Brosch. ℳ 1.20, #eleg. geb. =nur ℳ 1.50.=#

  =#Haug, Prof. Dr., München.#=

  =Hygiene des gesunden und
  kranken Ohres.=

  == 104 Seiten mit 3 Tafeln. ==

  Brosch. 80 ₰, #eleg. geb. =nur ℳ 1.--.=#

  =#Neumayer, Dozent Dr., München.#=

  =Hygiene der Nase, des
  Rachens, des Kehlkopfes
  im gesunden und kranken Zustande.=

  == 160 Seiten mit 3 Tafeln. ==

  Brosch. ℳ 1.20, #eleg. geb. =nur ℳ 1.50.=#

  =#Port, Prof. Dr., Heidelberg.#=

  =Hygiene der Zähne und
  des Mundes
  im gesunden und kranken Zustande.=

  94 Seiten mit 2 Tafeln u. 6 Textabb.

  Brosch. 80 ₰, #eleg. geb. =nur ℳ 1.--.=#

  == Vom k.k. Ministerium des Innern
  in Wien amtlich empfohlen. ==

  Verlag von
  =Ernst Heinrich Moritz, Stuttgart.=]

       *       *       *       *       *

  _Die Bände der =Bibliothek der
  Gesundheitspflege= sind auf der
  Ausstellung für Wohlfahrts- und
  Gesundheitspflege in Berlin 1904
  unter dem Protektorate Ihrer Majestät
  der Kaiserin mit der =goldenen
  Medaille= prämiiert worden._

  == _Prospekte gratis und franco._ ==

       *       *       *       *       *

  [Abbildung: Der Hygiene gehört
  die Zukunft!

  Broschirt
  ℳ 1.20.

  Eleg. geb.
  ℳ 1.50.

  =Hygiene=
  des
  =Magens, Darms=
  der =Leber= und =Niere=
  im ges. u. kranken Zustande

  von
  =Prof. Dr. A. Ewald=
  Geh. Med. Rat
  =Berlin.=

  Wichtig
  für
  Jedermann.

  136 Seit.
  mit vielen
  Abbildungen.

  Verlag von
  =Ernst Heinrich Moritz, Stuttgart.=]

  [Abbildung]

  [Abbildung: Der Hygiene gehört
  die Zukunft!

  =Hygiene des Herzens=
  im gesunden u. kranken Zustande

  von

  =Prof. Dr. H. Eichhorst
  Direktor der Univ.-Klinik Zürich.
  Wichtig für jeden Herzkranken!=

  _94 Seiten mit 10 Original-
  Illustrat. auf 6 Tafeln._

  Verlag von Ernst
  Heinr. Moritz,
  Stuttgart.

  =Neu!=
  Brosch.
  M. =1.20.=

  =Neu!=
  Eleg. geb.
  M. =1.50.=]

       *       *       *       *       *

  =Verlag von Ernst Heinrich Moritz, Stuttgart.=

  II. Serie:

  Bibliothek der Rechts- u. Staatskunde.

  Bd. 1. =Poellath, Regierungsrat, Arbeiterschutz.= 166 S. in 8º Brosch.
  80 Pfg. auf holzfreiem Papier in Ganzleinwandband 1 Mark.

  Herr Prof. ~E. Franke~ schreibt: Die Schrift Poellaths möge in Staat
  und Gemeinde, bei Unternehmern und Arbeitern, bei Politikern aller
  Parteien ein ~echtes Hausbuch~ werden, aus dem man sich beständig
  Belehrung und Aufmunterung holt.

  Bd. 2. =Sinzheimer, Dozent, Dr., Arbeiterwohnungsfrage.= 190 Seiten in
  8º Brosch. 1.60 Mark auf holzfreiem Papier in Ganzleinwandband 2 Mark.

  Die „Soziale Praxis” schreibt u. A.: #Zur Einführung in die
  Arbeiterwohnungsfrage wüßten wir keinen besseren Wegweiser# als diese
  vortreffliche Schrift, die alles Wissenswerte erörtert und andeutet.

  Bd. 3. =Harmann, Geheimrat, Prof. Konrad, Unfallverhütung in Technik
  u. Landwirtschaft.= 204 S. mit 80 Abbild. In Ganzleinwandband geb.
  2.50 Mark.

  Bd. 4. =Matthiass, Prof. Dr., Die deutsche Rechtsentwickelung= von der
  alten Zeit durch das Mittelalter bis auf das B. G. B. und die
  Grundprinzipien des B. G. B. Erscheint anfangs 1905.

  Bd. 5/10. =Bernhöft, Prof. Dr., Das neue bürgerl. Recht in
  gemeinverständl. Darstellung.=

  I. Teil: =Einleitung und Allgemeiner Teil.= 12½ Bogen in 8º auf
  holzfreiem Papier in Ganzleinwandband 1 Mk. 50 Pfg.

  II. Teil: =Recht der Schuldverhältnisse.= 18½ Bogen in 8º auf
  holzfreiem Papier in Ganzleinwand 2 Mark.

  III. Teil: =Sachenrecht. 1. Abt.: Rechte an Grundstücken insbes.
  Hypothekenrecht.= 11 Bogen in 8º auf holzfreiem Papier in
  Ganzleinwandband 1 Mark 50 Pfg.

  III. Teil: =Sachenrecht. 2. Abt.: Rechte an beweglichen Sachen.= 8
  Bogen in 8º auf holzfr. Papier in Ganzlwdb. M. 1.50.

  =Familienrecht und Erbrecht= erscheinen 1905.

  Das Werk ist empfohlen worden von den kgl. bayerischen Ministerien der
  Justiz, des Innern und der Finanzen, dem herzogl. Ministerium in
  Braunschweig und dem herzogl. sächs. Ministerium in Coburg, ferner vom
  Reichspostamt an die Oberpostdirektionen und vielen anderen Behörden.

  III. Serie:

  Bibliothek der Naturkunde u. Technik.

  ^a^) Naturkunde.

  Bd. 1. =Hartwig, Prof., Einführung in die praktische Physik=: ~Physik
  der Materie~: Lehre von den Bewegungen (Mechanik) v. Schall (Akustik)
  u. v. d. Wärme. Ersch. 1905.

  Bd. 2. =Hartwig, Prof., Einführung in die praktische Physik=: ~Physik
  des Äthers~: Lehre von der Elektrizität, des Magnetismus und dem
  Lichte.

  Bd. 3. =Ahrens, Prof. Dr., Einführung in die praktische Chemie:
  Unorganischer Teil.= 160 Seiten mit 24 Abbildungen. In
  Ganzleinwandband geb. 1 Mark.

  Bd. 4. =Ahrens, Prof. Dr., Einführung in die praktische Chemie:
  Organischer Teil.= 144 Seiten mit 22 Abbildungen. In Ganzleinwandband
  geb. 1 Mark.

  In Vorbereitung befindet sich:

  =Jaekel, Prof. Dr., Entstehung und Entwickelungsgeschichte der Erde.=
  Mit vielen Abbildungen. Erscheint anfangs 1905.

  ^b^) Technik.

  Bd. 2. =Kleinstüber, Reg.- u. Schulrat Prof., Die Entwickelung der
  Eisenindustrie und des Maschinenbaues im 19. Jahrhundert.= 180 Seiten
  in 8º auf holzfreiem Papier. Brosch. 80 Pfg., geb. in Ganzleinwandband
  1 Mark.

  Die Sammlung wird cirka 15 Bändchen enthalten, welche in
  systematischem Aufbau die Naturwissenschaft und Technik zur
  Darstellung bringen wird.

  Keine Arbeiter-, Schüler- und Volksbibliothek sollte die Anschaffung
  dieser anerkannt guten Bücher versäumen; dieselben eignen sich auch in
  vortrefflicher Weise zu Schulprämien.

  IV. Serie:

  Illustr. deutsche Handwerkerbibliothek

  Bd. 1. =Güttinger, G., Der praktische Bäcker.= Ein Hilfsbuch und
  Leitfaden zur Ausübung des Bäckerhandwerkes. 150 Seiten in 8º mit 15
  Illustrationen. Geb. 1 Mark.

  Bd. 2. =Wenger, G., Der praktische Fleischer.= Ein Hilfsbuch und
  Leitfaden zur Ausübung des Fleischergewerbes. 165 Seiten 8º mit 23
  Illustrationen. Geb. 1 Mark.

  Bd. 3/5. =Michel, K., Der praktische Bierbrauer.= Ein Hilfsbuch und
  Leitfaden zur Ausübung der Malz- und Bierbereitung. 495 Seiten in 8º
  mit 129 Illustr. Geb. 3 Mark.

  Bd. 6/7. =Kallenberg, O., Der praktische Klempner.= Ein Hilfsbuch und
  Leitfaden für jeden Blecharbeiter, als Klempner, Flaschner, Spengler,
  Blechner, Blechschmied, Schlosser, Kupferschmied u. s. w. 228 Seiten
  in 8º mit 108 Illustr. Geb. 2 Mark.

  Bd. 8/9. =Pape, R., Der praktische Schuh- u. Schäftemacher.= Ein
  Hilfsbuch und Leitfaden zur Ausübung des Schuhmacherhandwerks. Mit
  vielen Illustr. Geb. 2 Mk.

  Die „~Ostpreußische Handwerkszeitung~” schreibt: Leider ist die
  Auswahl wirklich guter Lehrbücher im Handwerk bisher recht mangelhaft
  gewesen. Es ist daher mit Freuden zu begrüßen, daß hier gute und
  billige Werke geboten werden, die für Lehrlinge, Gesellen u. Meister
  bei Ausübg. ihres Gewerbes unentbehrlich werden.

  Für jeden Gewerbetreibenden sei empfohlen:

  =Zwiesele, Dr., Buchführung, Wechselkunde und Kalkulation des
  Handwerkers in Frage und Antw.= gr. 8º. Leinwand geb. 1 Mark 20 Pfg.

  Desgleichen =für Schneider=. gr. 8º. In Leinwand geb. 1 Mk. 50 Pfg.

  Desgleichen =für Schuhmacher=. gr. 8º. In Leinwand geb. 1 Mk. 50 Pfg.

  =Die Bände eignen sich auch zu Prämien für Schüler der Gewerbe- und
  Fortbildungsschulen.=

  =Die Sammlung wird fortgesetzt.=



Anmerkungen zur Transkription


  Inkonsistenzen in Rechtschreibung usw. und ungewöhnliche Ausdrücke
  sind beibehalten worden, außer wie unten erwähnt.

  S. 6: die Übungstafel und die Übungstabellen fehlen.

  S. 91, Fig. 23: die Nummer 6 (drei Mädchen im Hintergrund) fehlt im
  Beischrift.

  Änderungen:

  Fußnoten wurden direkt unter den entsprechenden Absatz verschoben.

  Einige offensichtliche Rechtschreibungs-, Druck- und
  Interpunktionsfehler sind stillschweigend korrigiert worden.

  Bibliothek der Gesundheitspflege, 10^a^: Knochenerweichung -->
  ~Knochenerweichung~

  S. 14: Xantinkörpern --> Xanthinkörpern

  S. 25: Das Herz leistet also ... --> „Das Herz leistet also ...

  S. 30: ... ist eine mäßige Herzhypertrophie ... --> ... ist „eine
  mäßige Herzhypertrophie ...

  S. 37: Francois Delsarte --> François Delsarte

  S. 44: so muß ebenfalls --> so muß man ebenfalls

  S. 46: Mederatorische --> Moderatorische

  S. 47: so daß jede die Geschicklichkeit, ist also eine Schule der
  Koordination; es des Kraftaufwandes --> so daß jede des Kraftaufwandes
  (wiederholte Zeile); es fehlt eine Zeile zwischen ... so daß jede ...
  und ... des Kraftaufwandes

  S. 56: ” eingefügt nach ... nicht nachsagen kann.

  S. 137: Malzeit --> Mahlzeit; wiederholte Zeile gelöscht (Ruhe oder
  ... siebente Tag); zwischen ... mehrmals jede ... und ... bringt fehlt
  eine Zeile





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