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Title: Deutsche Flagge, sei gegrüßt! - Friedens- und Kriegsfahrten der Hanse, Kriegs- und - Friedenstaten der deutschen Marine
Author: Satow, Hans
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Deutsche Flagge, sei gegrüßt! - Friedens- und Kriegsfahrten der Hanse, Kriegs- und - Friedenstaten der deutschen Marine" ***


  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

    Der vorliegende Text wurde anhand der 1905 erschienenen Buchausgabe
    so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische
    Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und
    altertümliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original
    unverändert; fremdsprachliche Zitate wurden nicht korrigiert.
    Gleiches gilt für regional gefärbte Ausdrücke und Zitate.

    Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter der Übersichtlichkeit
    halber an den Anfang des Buches verschoben.

    Besondere Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit
    den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:

      fett:      =Gleichheitszeichen=
      gesperrt:  +Pluszeichen+
      Antiqua:   ~Tilden~

  ####################################################################



[Illustration: Ein Fest im Hause der Schiffergesellschaft im 16.
Jahrhundert.]



                           Deutsche Flagge,
                             sei gegrüßt!

                      Friedens- und Kriegsfahrten
                 der Hanse, Kriegs- und Friedenstaten
                         der deutschen Marine.

                                  Von
                              Hans Satow.

              Mit zahlreichen Bildern nach alten Stichen
              und Originalaufnahmen, sowie nach Gemälden
             von Professor Hans Bohrdt, F. Müller-Münster
                     und Professor Hans Petersen.

                          7. bis 12. Tausend.

                            [Illustration]

                              Reutlingen.
                Enßlin & Laiblins Verlagsbuchhandlung.



                          Nachdruck verboten.
                       Alle Rechte vorbehalten.
                         ~Printed in Germany.~



Vorwort.


In allen Teilen unseres Vaterlandes begeistern sich Jugend und Volk für
die See, den Handel, die Schiffahrt und die Marine.

Das Verständnis hierfür zu fördern, betrachtete mein Buch: „+Von
der Wasserkante+“[1] als seine Aufgabe. Die vielseitige, freudige
Anerkennung, die ihm gezollt wurde, ist hoffentlich auch der
vorliegenden Arbeit beschieden.

Sie will unsere heutige raschlebende Zeit +erinnern+ an
vorwärtsstrebende Gemeinwesen und ihre tatkräftigen Führer, die +in
den Tagen der Hanse+ für die deutsche Seegeltung sich mühten.
Sie will ferner Jugend und Volk +erinnern+ an die +Kriegs-
und Friedenstaten der deutschen Marine+, die Zeugen sind für den
opferfreudigen Mannesmut der Führer und Mannschaften; damit in der
heranwachsenden Generation der Gedanke fortlebt, der jene zu den Taten
begeisterte:

+Die deutsche Flagge soll in Ehren wehen!+

    Lübeck.                                            +Hans Satow.+

[Illustration]



+Erster Teil+.

Deutsche Flagge.


        Deutsche Flagge,
    Sei jubelnd gegrüßt!
    Flatternd von tausend friedlichen Masten,
    Trägst du, ob Sturm oder Sonne dich küßt,
    Über die Meere die köstlichen Lasten.
    Und von dem eisengepanzerten Bord
    Sprichst du des Reiches donnerndes Wort,
    Deutsche Flagge!

        Deutsche Flagge --
    Unsägliche Schmach
    Haben wir, da du uns fehltest, erlitten!
    Deutsche Hoffnung und Ehre zerbrach,
    Da wir ohn’ Banner in Zwietracht gestritten.
    Neben den Fähnlein allen kein Raum,
    Wehtest den Deinen nur trauernd im Traum,
    Deutsche Flagge!

        Deutsche Flagge,
    Da kam der Tag,
    Flammenden Morgenröten entsprungen,
    Daß wir siegend im Wetterschlag
    Dich als herrlichen Preis uns errungen!
    Scheuchend der Nebel nächtlichen Flor,
    Stiegst du zum Lichte leuchtend empor,
    Deutsche Flagge!

        Deutsche Flagge
    Schwarz, weiß und rot,
    Öffne zu fernsten Welten die Tore,
    Schütze die Deinen in Glück und in Not,
    Birg in den Falten uns Sieg, Trikolore!
    Doch wenn im Kampf wir darniedergestreckt,
    Sei du’s, die einst noch im Tode uns deckt,
    Deutsche Flagge!

                                                 Ernst Scherenberg.



Einleitung.


Wenn zur heißen Sommerzeit die Steinmauern und die Straßenpflaster der
Großstädte glühen, dann ziehen viele der Stadtbewohner hinaus ans Meer.
Dampfroß oder Dampfschiff bringen die wanderfrohen Städter in schneller
Fahrt an das Ziel ihrer Wünsche, und gleich unseren germanischen
Vorfahren, die vor einem Jahrtausend und noch früher Besitz nahmen
von den Küsten der Ost- und Nordsee, bauen die Städteflüchtigen am
Strande des Meeres Burgen mit starken Wällen und wehenden Fahnen,
welche die Künder sind der Freude und des Frohsinns der Burgbesitzer.
Nur kurze Zeit währt der Jubel, nur zu schnell sind die Ferientage
vorübergerauscht, und die Herbststürme peitschen wieder die
Meereswogen, die hochaufrauschend alle Herrlichkeiten der Sandburgen
zerstören; in ihnen fällt alles der zertrümmernden Gier des Meeres zum
Opfer.

An solchen Sturmtagen werden die Geister unserer Vorfahren wieder
lebendig.

Heute braust und brandet das Meer wie ehedem, seine schaumgekrönten
Wogen rinnen über blanken Seesand, über glatte und rauhe Kiesel; hier
und da häuft sich am Strand der Seetang, den das Spiel der Wellen aus
seinem Lager riß, an anderen Plätzen liegen Reste von Schiffsplanken
und Balken, deren dunkle Massen zu erzählen wissen von schrecklichem
Sturm, namenlosem Unglück, von Not und Tod.

Wir aber stehen am Strande und freuen uns über das sonnenbeglänzte
Meer, dessen leuchtende Wogen in rastloser Folge heranrauschen, jubelnd
ringt sich auch von unseren Lippen der alte Gruß: „Thalatta, sei uns
gegrüßt, du ewiges Meer!“

[Illustration: Lübeck um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts.]

Unsere Augen folgen den Schiffen, die schwerbeladen ihren Weg
über das Meer suchen und nach den Hafenstädten eilen, deren rote
Ziegeldächer und schlanke Türme sich widerspiegeln im Wasser der
Küstenflüsse. Im Geiste sehen wir die Orte vor uns und hören auf
das, was sie zu erzählen wissen von der Tatkraft ihrer Bewohner und
vom Unternehmungsgeist der Vorfahren, die schon auf unbedeutenden
Fahrzeugen den Weg nach fremden Ländern fanden und die Produkte der
Heimat austauschten gegen die der Fremde. Die jahrhundertealten
Türme, die trutzigen Stadttore, die in ihrer Ruhe nicht mehr
hineinpassen in das Hasten unserer Tage, sind Zeugen der Tatkraft
und des Mutes ihrer Gründer, die sich und die Ihrigen zu schützen
wußten gegen räuberische und arglistige Feinde. Das reichgeschmückte
Innere der Bauten umfaßt herrliche Kunstschätze, Erinnerungszeichen
des Reichtums und der Freigebigkeit der Stifter. In Domen mit
mächtigen Kirchenschiffen, hohen Pfeilern, prächtigen Altären und
reichgeschnitzten Kirchenstühlen dankten die Zeitgenossen der Hanse
Gott, wenn er sie glücklich heimbrachte nach sturmreicher Fahrt. Jene
Tage der Hanse sahen ein stolzes Geschlecht. Fest verbündet hielt
es sich lange Zeit in Genossenschaften zusammen, immer bestrebt,
die Vorteile des Handels, die Quelle seines Reichtums, auszunützen.
Die Zeit der Hanse sah ein freiheitliebendes, mutiges Geschlecht.
Zahlreiche stattliche Schiffe sandten die Mitglieder des Bundes hinaus,
um fremde Staaten und fremde Fürsten zu bezwingen und botmäßig zu
machen, meerbeherrschend gebot lange Zeit die freie Reichsstadt Lübeck
als das Haupt der Hanse. An jene Glanzzeit erinnern Geibels Worte:

    „Wie steigst, o Lübeck, du herauf
    In alter Pracht vor meinen Sinnen
    An des beflaggten Stromes Lauf,
    Mit stolzen Türmen, schart’gen Zinnen.

    Dort war’s, wo deiner Erker Zahl
    Der Hanse Boten wartend zählten;
    Dort, wo die Väter hoch im Saal
    Ein Haupt für leere Kronen wählten.

    Denn eine Fürstin standest du,
    Der Markt war dein und dein die Wege;
    Du führtest reich dem Süden zu,
    Was nur gedieh in Nordens Pflege.

    Es bot dir Norweg seinen Zoll,
    Der Schwede bog sein Haupt, der Däne,
    Wenn deine Schiffe segelvoll
    Vorüberflohn, des Meeres Schwäne.“

Nur ein freies Geschlecht, geführt und geleitet von den tüchtigsten
unter seinen Einwohnern, konnte die herrlichen Bauwerke, die die
Jahrhunderte überdauerten, schaffen, nur jenes freie und stolze
Geschlecht fand nach Mißerfolgen, die auch ihm beschieden waren, den
Mut, neue Flotten hinauszuschicken zu neuen Ruhmestaten im Frieden und
im Kriege.

Von dieser Zeit der Pracht und der Macht des freien deutschen
Bürgertums, deren Zeugen die hochragenden Türme und die prächtigen
Rathäuser sind, sollen die folgenden Abschnitte erzählen.

[Illustration]



Geschichtlicher Rückblick auf die Zeit der Hanse.


Auf den Weltmeeren zeigt die deutsche Flagge ihre leuchtenden Farben,
freudig und stolz begrüßt von den Angehörigen der deutschen Nation,
respektvoll beachtet von den Konkurrenten Deutschlands im Welthandel.

Unsere an Ereignissen so reiche Gegenwart läßt die Tage der
Vergangenheit besonders lebendig werden, und die heutige Jugend hat die
Pflicht, sich mit der Geschichte der Hanse zu befassen, um an der Hand
der Erfahrungen einer ruhmreichen Vergangenheit zu erkennen, was die
Zeit von unserer Generation fordert.

Unsere Beziehungen zur See bedingen es, daß wir uns mehr mit der
glanzvollen Zeit der Hanse beschäftigen, damit unser Volksbewußtsein
sich stärkt und zu einer Quelle der Kraft wird für die Ereignisse der
Zukunft.

Wohl hat die Geschichte der Hanse etwas Eintöniges an sich, und doch
fehlt es jener Epoche der deutschen Geschichte nicht an Ereignissen und
Männern, die die tatenfrohe Jugend reizen, von ihnen zu hören und zu
lesen.

Die Germanen waren Anwohner der Meeresküste zu der Zeit, aus der die
älteste Kunde uns von ihnen berichtet. Die Gestade der Nordsee hatten
sie ganz besetzt, an der Ostsee reichte ihr Einfluß bis etwa ans
Kurische Haff. Geschichtliche Zeugnisse beweisen, daß sie seekundig
waren, und die Besitzergreifung der englischen Inseln spricht für
ihren unternehmungsfrohen Seefahrergeist. Jedoch in den Tagen der
Völkerwanderung verschwanden die Germanen von den baltischen Küsten,
und die Slawen traten an ihre Stelle.

Als dann im 9. und 10. Jahrhundert sich ein gesondertes deutsches Reich
nach dem Vertrage zu Verdun im Jahre 843 zu entwickeln begann, stießen
an der Kieler Bucht Dänen und Wenden als Grenznachbarn aufeinander.

Karl der Große (768 bis 814) und Heinrich I. (919 bis 936), zwei
bedeutende Männer unter den deutschen Herrschern, die den Grund zu
unserem deutschen Städtewesen legten, indem sie Niederlassungen
an wichtigen Punkten gründeten und diesen dann Vorrechte und
Selbständigkeit verliehen, versuchten auch die deutsche Oberherrschaft
in den Küstengebieten auszudehnen, weil ihnen die Bedeutung der
Seefahrt und des Handels bekannt war. Heinrich I. besonders schützte
durch einen siegreichen Kriegszug gegen die Dänen den deutschen Handel
vor deren Räubereien, ihren König Gorm machte er sich tributpflichtig.

Otto der Große setzte die Bemühungen seines Vaters fort und wirkte noch
mittelbar für das Seewesen durch seinen Heereszug in die Nordmark im
Jahre 965, durch den er König Harald zwang, sein Lehnsmann zu werden.
Von nun an blieben Könige und Kaiser dem Meere fern, die deutschen
Seefahrer waren auf sich allein angewiesen, und bis zum Ende des 11.
Jahrhunderts beherrschten die kühnen Normannen die Küsten Deutschlands.

Der deutsche Seehandel erreichte trotz der Seeräubereien der Normannen
im 9. Jahrhundert eine große Ausdehnung. Seine Wege führten nach
England, nach den nordischen Königreichen und nach Rußland. Deutschen
Kaufleuten sollen schon um das Jahr 1000 in London besondere Vorrechte
bewilligt worden sein, die später Wilhelm der Eroberer ergänzte. Von
Köln kamen reiche Mengen Rheinwein nach England. Etwa um 1070 wurde
der Stahlhof am Strande in London gegründet und damit der Mittelpunkt
geschaffen, der jahrhundertelang die deutschen Kaufleute in England
vereinigte und so einen wichtigen Stützpunkt des deutschen Handels in
England bildete.

Im 12. und 13. Jahrhundert begann die große Kolonisation im
Ostseegebiet, die eine Ausdehnung des Seeverkehrs mit sich brachte
und dadurch zu einem der wichtigsten Ereignisse in der Entwicklung
Deutschlands wurde. Bei Beginn der Regierung Kaiser Lothars im Jahre
1125 kannte die Ostseeküste keine deutschen Bewohner, und als im Jahre
1254 der letzte Hohenstaufenkönig starb, hatten Deutsche das ganze
Gebiet bis zum Finnischen Meerbusen inne. Blühende deutsche Gemeinwesen
reichten von Kiel bis nach Riga; sie bildeten den Boden, auf dem die
deutsche Hanse entstand.

Im Jahre 1158 begann das Werk. Das raschgewachsene, an Bedeutung
zunehmende Lübeck gründete in Wisby auf Gotland eine deutsche
Handelsgesellschaft. Die zentrale Lage von Wisby, das sich ungefähr
auf halbem Wege zwischen Newa und Trave, zwischen dem Sund und dem
Meerbusen von Riga, zwischen Weichsel und Mälarsee befand, wurde zu
einer bedeutsamen Station für die damalige Schiffahrt, die große Reisen
noch ängstlich vermied. Zu jener Zeit begann auch die Kolonisation
der Ostseeprovinzen, indem bremische Kaufleute am Meerbusen von Riga
Niederlassungen schufen, die erst mit dem Verfall der deutschen
Seemacht verloren gingen. Einige Jahrzehnte später kamen Mönche in
diese Gegenden, um das Christentum zu predigen, und ihnen folgten
niederdeutsche Kreuzfahrer, die diese Landstriche eroberten und die
Stadt Riga anlegten.

Die Städte, die auf dem Kolonialboden, der an Größe Deutschland
glich, entstanden, wurden Träger eines regen Warenaustausches,
einerlei, ob sie im Binnenlande oder an der See lagen; namentlich die
letzteren gaben die Mittelpunkte ab für die Verkehrswege nach den
nordeuropäischen Meeren. Die vielseitige und umfangreiche Tätigkeit der
Städte ließ die deutsche Hanse entstehen. Die Bildung der deutschen
Handelsgesellschaft in Wisby, von der oben die Rede war, weist auf die
Begründung der Hansen hin. Das Wort Hansen ist eine vlämisch-gotische
Zusammensetzung für den Ausdruck Genossenschaft und schließt die
Bedeutung „Verbindung zu gemeinsamem Zweck mit Zahlung von Beiträgen“
in sich. Um das Jahr 1200 bildete sich die erste Hanse in Brügge, die
sogenannte flandrische Hanse, die eine Genossenschaft von siebzehn
Städten umfaßte und regelmäßigen Großhandel mit England betrieb. Ihr
Vorort war Brügge, damals die erste Handelsstadt Nordeuropas.

[Illustration: Wisby zur Zeit der Hanse. Nach einem Stich von Merian.]

Im Jahre 1229 schlossen die deutschen Kaufleute von Wisby ein Abkommen
mit dem Fürsten von Smolensk, das für Lübeck, Bremen, Riga, Groningen,
Münster, Soest und Dortmund Gültigkeit hatte. Zum ersten Male traten
deutsche Kaufleute in der Ferne einig auf, um sich durchzusetzen,
und für ihre Verbindung prägten sie das Wort: ‚Der gemeine deutsche
Kaufmann‘. Die Bezeichnung ‚Hanse‘ brachte eine spätere Zeit auf. Die
Vorrechtstellung von Wisby, an dessen Größe und Herrlichkeit noch heute
die Ruinen der mächtigen Stadtmauer, die hohen Gewölbe der ehemals
prächtigen Kirchen und die alten Treppengiebelhäuser erinnern, gründete
sich insbesondere auch auf die Privilegien, die sich die ‚Kaufleute von
Gotland‘ im Jahre 1257 von Heinrich III. in England erwarben. Handels-
und Zollfreiheit wurden ihnen zugesichert; dies war nicht ein Vorrecht
der Gotländer oder der Bürger von Wisby, sondern der gotländischen
deutschen Genossenschaft, deren Mitglieder aus den verschiedensten
Städten vom Rhein bis zum Finnischen Meerbusen stammten und im Osten
wie im Westen Handel trieben. Den Angehörigen der Genossenschaften
sollte der Weg nach beiden Richtungen offen stehen.

[Illustration: Die Schlacht bei Bornhöved am 22. Juli 1227. Nach einer
alten Lithographie.]

Der Einfluß und die Bedeutung der Genossenschaft wuchs, als eine
der in der Vereinigung vertretenen Städte -- Lübeck -- die Führung
an sich brachte. Die günstige Lage am inneren Winkel der Ostsee,
die Nähe der Salzwerke Lüneburgs, der schiffbare Strom, dazu die
gesicherte Lage auf einem Hügel zwischen Trave und Wakenitz machten
es zu einer Niederlassung, in der die Fäden der Handelswege zwischen
Westdeutschland und den baltischen Plätzen zusammenliefen. Mächtig
förderte Herzog Heinrich der Löwe Lübeck, und die ihr verliehenen
Vorrechte blieben der Stadt erhalten zum Vorteil der deutschen Sache,
als Friedrich Barbarossa Lübeck im Jahre 1188 zur Reichsstadt erhob.

Die Jahre des Zerwürfnisses zwischen Hohenstaufen und Welfen brachten
den Aufstieg Dänemarks und eine Ausbreitung seines Gebietes. Im Jahre
1214 überließ Friedrich II. die Siedelungen bis nach Vorpommern dem
Dänenkönig Waldemar. Erst die glücklich verlaufene Schlacht bei
Bornhöved in Holstein im Jahre 1227 brachte den deutschen Ländern und
den Städten, darunter auch Lübeck, die ersehnte Befreiung. Jetzt begann
die Stadt sich emporzuarbeiten; die Anerkennung des Kaisers als freie
Reichsstadt erhielt Lübeck. Dänemark ließ nicht leichten Kaufes die
aufblühende Stadt fahren und schloß im Jahre 1234 Lübeck zur See und
zu Lande ein. Lübecks Kriegskoggen, schnell ausgerüstet, durchbrachen
die dänische Sperrflotte und vernichteten sie gänzlich, und damit
hefteten sie den ersten deutschen Seesieg über eine bedeutende
feindliche Übermacht an ihre Fahnen. Dieser erfolgreiche Kriegszug
begründete, gestützt auf die Tüchtigkeit der lübeckischen Flotte, die
Vormachtstellung dieser Stadt. Zum ersten Male waren die Deutschen
Herren der Ostsee. Im Jahre 1241 ging Lübeck ein Bündnis mit Hamburg
ein, um eine Flotte zu schaffen, deren Unterhaltung auf gemeinsame
Kosten geschah und deren Aufgabe Offenhaltung des Seeverkehrs war.

Lübecks Flotte verheerte wenige Jahre darauf in einem Kriege mit
Dänemark die dänische Küste. Sie zerstörte das Schloß von Kopenhagen
und zertrümmerte auch das den Dänen unterworfene Stralsund. Trotz
einiger Fehlschläge erbrachte der Friede vom Jahre 1254 nur Günstiges
für die Stadt.

In der deutschen Geschichte begann die Periode der kaiserlosen, der
schrecklichen Zeit, in der Zuchtlosigkeit und Raub herrschten. Die
deutschen Städte an den Seeküsten, die sich bis dahin immer noch
auf deutsche Fürsten stützen konnten, blieben mehr auf sich allein
angewiesen und mußten ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen. ‚Der
gemeine deutsche Kaufmann‘ hatte sich dank seiner Tüchtigkeit und
Rührigkeit im Auslande günstige Stellungen erworben. Weitgehende
Vorrechte kamen ihm sehr zustatten und brachten ihm Erfolge. In Brügge,
London, Bergen, Nowgorod, überall hatten die deutschen Kaufleute ihre
besonderen Kontore, denen die Landesherren jener Gebiete Vorrechte
überließen, und die damit zu wertvollen Stützpunkten des Handels
wurden. Von ihnen soll weiter unten noch die Rede sein.

In jener Zeit schloß Lübeck ohne besonderen Auftrag im Namen ‚des
gemeinen Kaufmannes römischen Reiches‘ Verträge, in denen es die
gleichen Vorteile für alle deutschen Städte forderte. Eine edle
Gesinnung, ein weitblickender staats- und kaufmännischer Geist
sprachen aus solchem Vorgehen, das außerdem das Gefühl nationaler
Zusammengehörigkeit offenbarte. Gerade die Berührung mit dem Auslande
brachte die Anschauung hervor, daß der Deutsche ohne Unterschied des
Standes oder Wohnortes als Angehöriger und Gleichberechtigter angesehen
wurde.

Wie im Binnenlande gegen das Raubrittertum ein rheinischer Städtebund
aus siebzig Städten, die von den Niederlanden bis hinauf nach Basel
lagen, sich bildete, um durch die Selbsthilfe der Bürger sich in
der Zeit der Gesetzlosigkeit zu schützen, so vereinigten sich auch
die Seestädte. Über etwaige Verhandlungen, die über den engeren
Zusammenschluß der späteren Hansestädte gepflogen worden sind, wird
nichts in den Chroniken berichtet. Um das Jahr 1260 trat der erste
Hansetag in Lübeck zusammen. Das Jahr kann nicht genau angegeben
werden; nur spärliche Nachrichten berichten über diesen wichtigen
geschichtlichen Vorgang. Schon die Zahl der Städte, die sich dem
Hansebund anschlossen, schwankt. Man darf als sicher betrachten, daß
manche der binnenländischen Städte die Verbindung mit der Hanse nur
wegen der damit verknüpften Handelsvorteile suchten; dem Geschick des
Bundes brachten sie nur geringe Anteilnahme entgegen.

Doch wenden wir uns nun den besonderen Merkmalen der Hanse zu. Die
Eigenart der Vereinigung wurde gekennzeichnet durch das Fehlen einer
festen Organisation. Eine zentrale Gewalt gab es nicht. Gemeinsame
Streitkräfte zu Wasser und zu Lande waren nicht vorhanden, und
darum erübrigte sich auch eine gemeinsame Finanzverwaltung. Die
Gleichberechtigung aller Mitglieder gestand dem Vororte Lübeck nur die
freiwillige Leitung zu, weil seine Bürgermeister und Ratsherren sich
durch politischen Blick und staatsmännisches Geschick auszeichneten.
Lübeck war weitsichtig und auch opferfreudig genug, die Lasten der
Unterhaltung einer Kriegsschiffsflotte zu übernehmen.

Die deutschen Fürsten wehrten sich oft gegen das Reich- und
Mächtigwerden der Städte. Wenn sie nicht zu bestimmten Zeiten des
Beistandes der freien Reichsstädte dringend bedurften, standen
sie ihnen feindlich gegenüber. Und doch umschlossen die Städte in
jenen Tagen die Mittelpunkte des religiösen, wissenschaftlichen und
künstlerischen Lebens.

[Illustration: Hamburg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.]

Nicht nur gegen ausländische Feinde mußten sich die Hansestädte wehren,
-- denn alle fremden seefahrenden Nationen waren ihre Konkurrenten,
die ihren Einfluß geltend machten, um die Handelswege der Hansen zu
stören, -- sondern oft hatten die Städte eine Frontstellung gegen
einheimische Fürsten inne. Aus dieser Schilderung erkennt man die
Schwierigkeiten des Bundes, die nur eine ebenso vorsichtige wie
kluge Leitung überwinden konnte. Auch an inneren Reibereien und
Feindseligkeiten fehlte es dem Bunde nicht. Die Wünsche der Seestädte
und der Binnenstädte gingen oft weit auseinander, und das einzige
Zwangsmittel, das den Bund in sich festigte, war das ‚Verhansen‘,
das heißt: Ausscheiden und in Verruf erklären. Mit dem in Verruf
erklärten Orte durfte kein Verkehr gepflogen werden. Eine Polizei, die
die Durchführung der Maßnahmen des Bundes überwachte, gab es nicht.
Beschwerden konnten nur auf den regelmäßig stattfindenden Hansetagen,
die von den Abgesandten der Bundesstädte besucht waren, vorgebracht
werden. Wie wirksam die Verhansung sein konnte, erfuhr Bremen, das im
Jahre 1355 in die Acht kam und nach drei Jahren, nachdem es schwere
Verluste erlitten hatte, um seine Wiederaufnahme ersuchte.

Die Städte, die das Gebiet der Hanse umfaßten, gliederten sich in drei
Gruppen. Zur wendischen Gruppe gehörten: Lübeck, Hamburg, Wismar,
Rostock, die pommerschen Städte Stralsund, Greifswald, Anklam, Stettin,
Kolberg usw. Sie hießen die Osterlinge. Zur friesisch-holländischen
Gruppe gehörten Köln, die westfälischen Städte Soest und Dortmund,
ferner Groningen usw. Sie wurden die Westerlinge genannt. Die letzte
Gruppe bestand aus Wisby und den Städten in den Ostseeprovinzen: Riga
usw.

Die Hanse wuchs aus den Verhältnissen ihrer Zeit heraus und war die
Form, welche der deutsche Kaufmann zu seiner Machtstellung im Auslande
sich schuf. Der hansische Kaufmann, namentlich der Lübecker, erkannte
den Wert der Seemacht und stellte deshalb die Mittel bereit, die zur
Unterhaltung see- und kampftüchtiger Schiffe dienten. Die Machthaber
der Hanse errangen mit Geschick günstige Stellungen im Handel der Nord-
und Ostseegebiete. Nicht unangebracht wäre es, das Wort Monopol dafür
zu setzen. Ihr Streben richtete sich darauf, in den fremden Staaten
große Vorrechte zu erhalten, wie freie Niederlassung, freien Betrieb
des Handels, geringen oder gar keinen Zoll für Waren, Freiheit von
Abgaben, Gründung von eigenen Häusern und Höfen und schließlich eine
eigene Gerichtsbarkeit. Die hansischen Handelsherren, namentlich die
von Lübeck, nutzten vortrefflich die Schwächen der Nachbarstaaten für
sich aus. In den umliegenden Ländern wußten sich die Hansen nach den
verschiedensten Seiten hin unentbehrlich zu machen, so daß dort die
Erkenntnis aufkam, der Verkehr mit den deutschen Seestädten schließe
einen Vorteil in sich. Um diese Vormachtstellung für die Hansen zu
erringen, war man in der Wahl der Mittel nicht immer ängstlich.
Verhalfen Geschenke und Bestechungen nicht zum gewünschten Erfolg, so
schufen der Angriff zur See und zu Lande, Gewalttaten allerlei Art
meistens eine zufriedenstellende Lösung. --

Im nun folgenden geschichtlichen Überblick können nur einige der
wichtigsten Abschnitte der Hanse gekennzeichnet werden, weil die
deutsche Geschichte des Mittelalters, wie auch die der nordischen
Reiche eine Mannigfaltigkeit von rasch wechselnden Ereignissen in sich
birgt, die nicht alle berücksichtigt werden können.

Es war im Jahre 1280. -- Lübeck und Wisby schützten gemeinsam
den Handel im Gebiete der Ostsee. Schon drei Jahre später nach
diesem Seepolizeidienst verband sich die Hanse mit den Herzögen
von Mecklenburg und Pommern gegen die Markgrafen von Brandenburg,
um den Frieden zu erhalten, und König Erich Glipping von Dänemark
trat dem Bündnis bei, da er in Verwicklungen mit Norwegen stand.
Der erste, der die Stärke des neuen Bundes fühlte, war König Erich
von Norwegen, genannt ‚der Priesterfeind‘. Die enge Verbindung der
Hansen mit Dänemark beantwortete der norwegische König mit allerlei
Gewaltmaßregeln, durch die er die Hansen ernstlich treffen wollte. Der
Norweger beschlagnahmte nicht nur in Bergen deutsche Handelsschiffe,
sondern eignete sich auch das dort lagernde deutsche Handelsgut an, um
den Handel der Hansen zu stören.

Unter der Oberleitung Lübecks rüsteten die wendischen Städte Wismar,
Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, ferner Riga und Wisby eine
Flotte aus, auch verboten sie die Getreide- und Bierausfuhr an die
arme Küste. Norwegische Häfen wurden eingeschlossen oder verwüstet,
die Schiffe fortgenommen, so daß dem bedrängten Fürsten nichts weiter
übrigblieb, als mit den Hansen den Frieden zu Kalmar im Jahre 1285
zu schließen. 6000 Mark Silber zahlte König Erich, dazu lieferte er
die beschlagnahmten Schiffe aus, ferner bestätigte und erweiterte
er die alten Vorrechte der Deutschen, dazu versprach er, in allen
künftigen Streitigkeiten mit Dänemark sich dem Schiedsspruche von drei
Hansestädten zu unterwerfen. Unerwartet hatte damit die Hanse eine
bedeutende Hebung errungen, sie wurde Schiedsrichterin in Streitfällen
zwischen den nordischen Reichen.

Die innere Ordnung der Verhältnisse in Dänemark unter Erich Menved
(1286 bis 1319) raubte der Hanse wieder die Vorrechtsstellung,
merkwürdigerweise wurde Lübeck diesem Dänenfürsten untertan. Im Jahre
1307 stellte es gegen Zahlung eines jährlichen Tributs sich wegen der
schweren Angriffe der holsteinischen Grafen auf zehn Jahre unter seinen
Schutz. König Erich umschloß Rostock mit Hilfe ‚aller deutschen und
slawischen Fürsten jener Gegend‘ zu Wasser und zu Land, und er bezwang
die Stadt trotz des Beistandes von Stralsund. Aus diesen Kriegen ging
die Hanse geschwächt hervor, ihr Waffenruhm war für eine Zeit dahin.

Die Gründe für das überraschende Ergebnis, dreißig Jahre nach
großen Kriegserfolgen, hat man in den Mängeln der politischen und
militärischen Ordnung des Bundes zu suchen. Außerdem haben die Fehden
mit ihren deutschen Nachbarn schwer auf die Städte gedrückt. Zwei Jahre
nach diesen Schlägen bot das Glück den Hansen wieder die Hand. König
Erich Menved starb, und damit hörte die Ruhe und Ordnung in seinen
Staaten auf. Die Dänen, die mit sich selbst genug zu tun hatten,
gaben ihre auswärtigen Errungenschaften auf, im Jahre 1320 kauften die
Lübecker die dänische Feste von Travemünde zurück, die Rostocker wurden
die Danskeburg vor dem Hafen los.

Als Christoph II., der Bruder und Nachfolger von König Erich, von den
Großen seines Reiches verjagt wurde, hielten sich die Lübecker zu ihm
und führten ihn in sein Land zurück. Aus Dankbarkeit gewährte er dem
deutschen Kaufmann wiederum große Handelsvorteile. Dies gleiche führte
auch Magnus von Norwegen im Jahre 1343 wieder durch, trotzdem er der
Hanse keineswegs günstig gesinnt war. In jenen Jahren verschwand der
Handel der nordischen Reiche und der russischen Gebietsteile aus der
Ostsee. Englands Handel spielte eine minder bedeutende Rolle, die Hanse
aber herrschte von der Newa bis an die Küste Hollands, ihr Einfluß über
die See und über den Handel war so groß wie nie zuvor. Auch in England
faßte die Hanse wieder festeren Fuß, weil der bedrängte König Eduard
IV. mit hansischer Unterstützung aus seiner Lage befreit wurde. Für
die ihm gewährten Geldunterstützungen verpfändete er die Zolleinnahme
auf Wolle, die Zinngruben in Cornwall und anderes mehr an die Hansen.
Die große Zeit der Hanse begann, ihre machtgebietende Stellung in
Nord- und Ostsee gab ihr eine Ruhezeit, in der sie sich kräftigte für
die kriegerischen Auseinandersetzungen mit König Waldemar IV. von
Dänemark. Von 1340 bis 1375 führte Waldemar das Regiment in Dänemark,
und ihm glückte es, nachdem er zwei Jahrzehnte an der Festigung und
an der Mehrung seiner Macht gearbeitet hatte, ohne mit den Hansen in
Streit zu geraten, Kräfte seines Landes für auswärtige Unternehmungen
freizubekommen.

Wohl erkannte der Hansebund, daß die Erstarkung Dänemarks eine Gefahr
für ihn bedeute, jedoch raffte sich die Hanse zu keinem Entschluß auf,
die Entwicklung Dänemarks mit Gewalt zu hindern, auch ließen innere
Streitigkeiten die Lösung dieser Aufgabe zurücktreten.

Die Hansen glaubten genug getan zu haben, wenn sie durch Anstiftung von
Unruhen in Dänemark die Kräftigung des dänischen Staates hinderten.
Ihre Bemühungen blieben ohne Erfolg. Im Jahre 1360 traf Waldemar
durch die Eroberung von Schonen zum ersten Male den Hansebund; noch
zauderten die Städte mit dem Losschlagen, da traf sie auch schon der
zweite Schlag. Waldemar landete im Jahre 1361 auf Gotland, nahm das
reiche Wisby und plünderte es gegen ein gegebenes Versprechen. Die Sage
berichtet:

    „Nach Zentnern wogen die Goten das Gold,
    Zum Spiel dienten die edelsten Steine;
    Die Frauen spannen mit Spindeln von Gold,
    Aus silbernen Trögen fraßen die Schweine --“

Eine Menge Kostbarkeiten, viele Wertsachen und Vorräte wurden eine
Beute König Waldemars. Wie die Sage weiter berichtet, gelang es ihm
nicht, die geraubten Schätze nach Dänemark zu bringen. Bei einem
mächtigen Sturm in der Nähe der Karlsinseln versanken sie in die
Fluten, und der König rettete mit genauer Not sein Leben.

Jetzt waren den Hansen die Augen geöffnet, und die Ratssendboten
der preußischen und wendischen Städte, die in Greifswald versammelt
waren, beschlossen am 1. August, vier Tage nach dem Einzuge Waldemars
in Wisby, ein Handelsverbot gegen Dänemark. Noch in demselben Monat
verbanden sich die wendischen Städte mit den Königen von Schweden und
Norwegen.

[Illustration: Brandschatzung der schwedischen Hansestadt Wisby durch
den dänischen König Waldemar IV.

Nach einem Gemälde von C. G. Hellquist.]

In großzügiger Weise trafen die Verbündeten die Vorbereitungen, um
gegen den dänischen Fürsten ihre Rechte zu verteidigen. Im Frühjahr
1362 begann der Feldzug. Die Eroberung der Insel Gotland samt Wisby,
die Plünderung des ‚deutschen Hofes‘ durch die Dänen erforderte Sühne.
Die hansische Flotte unter Admiral und Bürgermeister Wittenborg
erschien in rascher Fahrt im April vor Kopenhagen und im Sunde, die
Belagerung der Hauptstadt gab sie jedoch auf Wunsch der nordischen
Verbündeten auf und wandte ihre ganze Kraft gegen Helsingborg, das
damals noch allein den Eingang zum Sund beherrschte. Schweden und
Norwegen hielten ihr Versprechen nicht, die von ihnen zugesagten
zweitausend Mann trafen nicht ein. Zwölf Wochen belagerten die Hansen
die starke Feste; um auch am Lande stark zu sein, entblößten sie die
Schiffe zu sehr von Mannschaften. Dem König Waldemar entging diese
günstige Gelegenheit des Angriffes nicht. Es gelang der dänischen
Flotte, die sorglosen Hansen unter Admiral Wittenborg zu überraschen
und zu schlagen. Zwölf Koggen wurden in diesem Kampfe erobert oder
vernichtet, zahlreiche Gefangene und eine Anzahl Handelsschiffe fielen
in die Hände der Dänen. Unter großen Verlusten schifften sich die
hansischen Söldner ein und fuhren nach Lübeck zurück. Die Heimkehr
brachte dem besiegten Feldherrn kein Glück. Die Lübecker hielten
scharfen Gerichtstag, und mit dem Tode, den er auf dem Marktplatze
zu Lübeck durch Henkershand im Jahre 1363 erlitt, sühnte Admiral
Wittenborg seine Sorglosigkeit. Die gegenseitigen Anstrengungen
erforderten nach diesem harten Schlage eine mehrjährige Waffenruhe.

[Illustration: Hinrichtung des Bürgermeisters Joh. Wittenborg auf dem
Markt zu Lübeck.

Nach einer Federzeichnung in Rehbeins Chronik, etwa 1620.]

In dem Vertrage wurden den Hansen ihre Handelsvorteile gelassen, jedoch
Waldemar kümmerte sich wenig um die Vereinbarungen, und bald kamen aus
den Städten die heftigsten Klagen über allerlei Vergewaltigungen.

Im November des Jahres 1367 beschlossen auf dem Hansetag in Köln
siebenundsiebzig Städte einen neuen Krieg gegen Dänemark und Norwegen.
Eine machtvolle Flotte wurde ausgerüstet. Den ersten Angriff der
vereinigten Flotte hatte Norwegen auszuhalten. Im Frühjahr 1368
verheerten die Hansen die Küste Norwegens so nachdrücklich, daß König
Hakon um einen Waffenstillstand nachsuchte. Dann fuhren die verbündeten
Hansen nach dem Sunde, eroberten in kurzer Zeit Kopenhagen, das feste
Schloß Helsingör und verwüsteten Seeland. Gleichzeitig eroberte
Albrecht von Schweden, der mit den Hansen gemeinsame Sache machte,
Schonen und belagerte Helsingborg. König Waldemar weilte als Flüchtling
im Ausland. Am 24. Mai 1370 schloß der Hansebund den ruhmreichen
Frieden zu Stralsund, in dem ihm neben einer Kriegsentschädigung das
bedeutungsvolle Recht zugesprochen wurde, die Könige der nordischen
Reiche zu bestätigen. Damit stand die Hanse auf ihrem Gipfelpunkt, ein
Städtebund triumphierte über Könige und Fürsten.

Nach diesem großen Erfolge ließ die Hanse es an der nötigen Aufsicht
und an der notwendigen Einheit fehlen. Die Seekaperei und der Seeraub
begannen überhandzunehmen. Wismar und Rostock hielten es im Jahre
1390 für angezeigt, Kaperbriefe gegen Schiffe der drei nordischen
Reiche auszugeben. Statt daß die Verhältnisse sich besserten,
verursachte dieses Vorgehen nur eine Verschlimmerung. Eine feste
Seeräubergesellschaft mit dem Hauptstützpunkt in Wisby bildete sich;
ihre Anhänger nannten sich ‚Likendeeler‘, auch unter dem Namen
‚Vitalienbrüder‘ sind sie bekannt geworden. Alles, was nicht zu diesen
beiden Städten gehörte, sahen die Raubgeschwader als willkommene Beute
an. Nicht nur, daß sie die See unsicher machten; ihre Wege führten sie
auch nach Bergen, das sie plünderten und damit der Hanse großen Schaden
zufügten. Im Jahre 1394 schickte Lübeck eine Flotte von vierunddreißig
Koggen gegen sie aus, ohne jedoch einen bemerkenswerten Erfolg zu
erringen.

Erst als die Likendeeler im Jahre 1398 Wisby und Gotland durch
das Vordringen des deutschen Ordens verloren, suchten sie ihren
Hauptstützpunkt in der Nordsee, wo sie noch lange ihren Räubereien
oblagen.

Von einem ihrer verwegensten Anführer, Klaus Störtebeker und seinen
Genossen, soll in einem anderen Kapitel die Rede sein. Im Jahre 1401
wurde er durch die Hamburger gefangengenommen und hingerichtet.

Unter den Seehelden der Hanse, die in den nachfolgenden Jahren eine
Rolle spielten, müssen Kurt Bokelmann und Paul Beneke, die beiden
Danziger Anführer, genannt werden, da sie in der Mitte und gegen
Ausgang des 15. Jahrhunderts die Tüchtigkeit der hansischen Seehelden
durch bemerkenswerte Taten bewiesen; von ihnen wird noch die Rede sein.

Am Anfang des 15. Jahrhunderts begann der Hansebund sich zu lockern;
die mancherlei Eigenwege, die die im Hansebund zusammengeschlossenen
Städte einschlugen, zersetzten den Bund immer mehr und mehr.

So führten die holländischen Städte Handel auf eigene Faust, der sie
durch ihre günstige nähere Lage zum Ozean besonders fördern konnte.
In den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Hanse und
König Erich von Dänemark, die wegen der Erhebung eines Sundzolles
in den Jahren 1427 bis 1435 entbrannten, hielten die Holländer
strenge Neutralität und schufen sich dadurch Vorteile, der Hanse aber
Nachteile, die schließlich im großen und ganzen das festhielt, was sie
besaß.

Hin und her schwankte in jenen Jahren das Kriegsglück; unter sich
uneins, griffen die Hansestädte wieder zum Kaperkriege, bei dem ihnen
die Vitalienbrüder willkommene Bundesgenossen waren. Rostock und
Stralsund bröckelten im Jahre 1430 vom Bunde ab, indem die beiden
Städte durch einen Sonderfrieden, den sie mit Dänemark eingingen, die
Gesamtinteressen verletzten. Die übrigen Hansestädte schlossen im
Jahre 1435 mit dem Dänenfürsten den Frieden zu Vardingholm. Der König
bestand nicht mehr auf dem Sundzoll und zahlte sogar eine geringe
Entschädigung, nicht in Rücksicht auf die Kraft der Hansen, sondern
weil die Verhältnisse in seinen Reichen ihn zum Nachgeben zwangen.

Die größte Bedeutung in der Lockerung des Hansebundes hat die Tatsache,
daß vom Jahre 1425 an der große Zug der Heringe zur Ostsee ausblieb.
Die an der Südwestspitze Schonens bei Skanoer und Falsterbo im Sommer
und im Herbst errichteten umfangreichen Heringslager, unter dem Namen
‚Fitten‘ in der Geschichte bekannt, büßten an Bedeutung ein. Tausende
von Fischern, Schiffern und Kaufleuten aller Nationen hatten sich
viele Jahre hindurch hier zusammengefunden, und nun, da der Hering auf
seinem Zuge jetzt die südliche Nordsee aufsuchte, büßten die alten
Niederlassungen ihre Bedeutung ein. Die Niederlande aber nahmen an
Bedeutung zu, da sie jetzt der Welt die bedeutsamste Fastenspeise --
den Hering -- lieferten.

Ein Kaperkrieg, der zwischen der Hanse und Holland ausgefochten wurde,
brachte den Hansen Verluste und hatte als Endergebnis im Jahre 1441
die endgültige Trennung der holländischen Seestädte von der Hanse; das
kleine Holland begann zuversichtlich seinen Welthandel zu entwickeln.
Die Politik der Hansen war nicht mehr so sicher, so tatkräftig und so
umsichtig wie früher. Ein vorsichtiger Krämergeist verursachte, daß
nicht mehr wie sonst eine hinreichend starke Flotte unterhalten wurde,
und als dann die drei nordischen Reiche in einer Hand vereinigt waren,
bildeten sie eine Macht wie nie vorher. Die Hanse ließ es zu, mußte es
zulassen, weil sie untätig war und sich mit der papierenen Zusicherung
ihrer alten Vorrechte begnügte.

Inzwischen begannen die Verwicklungen mit England, die zu Kriegen
führten, da die Engländer in den hartnäckigen französisch-englischen
Auseinandersetzungen sich zeitweise mit Gewalt an den hansischen
Schiffen bereicherten; die Engländer taten dies, weil sie wußten,
daß hinter den einzelnen deutschen Städten keine Macht stand, und
an eine Einigkeit der Hansestädte glaubten sie nicht. König Eduard
IV. von England nahm im Jahre 1468 den Hansen ihre Vorrechte, setzte
den deutschen Kaufmann gefangen, schloß den Stahlhof zu London und
beschlagnahmte die deutschen Güter; nur die Kölner blieben verschont.
Jetzt einigten sich die Städte. Auf dem Hansetag im Mai 1469 wurde
auf Antrag von Lübeck beschlossen: 1. der Krieg gegen England, 2. das
Verbot des Verkaufs englischer Waren im Gebiete der Hanse, 3. die
Unterbindung des Verkehrs mit England.

Große Unternehmungen leiteten die Hansen nicht ein, sie versuchten es
vorwiegend mit einem Kaperkriege, in dem sich besonders der Danziger
Schiffsführer Paul Beneke hervortat.

Als eine starke Hanseflotte englische Küstengebiete viele Meilen
weit verheerte und eine Reihe Schiffe fortgenommen hatte, bequemte
sich Eduard IV. im Jahre 1474, Frieden zu schließen, der Hanse ihre
Vorrechte wieder zu bestätigen und eine Kriegsentschädigung zu zahlen.
Er tat dies, weil England die Absatzgebiete der Hanse noch brauchte.

Gegen Rußland konnte die Hanse bedeutsame Schritte nicht unternehmen,
da diesem Staate ein Küstengebiet fehlte. Als Iwan I. im Jahre 1494 den
deutschen Hof in Nowgorod ausplünderte, legte er die dort wohnenden
neunundvierzig Deutschen in Ketten und fügte dadurch der Hanse schweren
Schaden zu. Wohl rief sie den Kaiser um Hilfe an, der aber half nicht.

Wenige Jahre später erwirkte sich König Johann von Dänemark einen
Achtbrief gegen Schweden. Die Hanse wurde hierdurch in ihrem
Handelsverkehr gehindert. In diesen Zeiten erfuhr das feste Gefüge
des Bundes eine große Lockerung. Als Lübeck am Ende des Jahres 1509
Dänemark den Krieg erklärte, schlossen sich ihm nur noch Rostock,
Wismar und Stralsund an. Aber die Tatkraft der Hansestädte erfocht
noch einmal den Sieg. Am 9. August 1510 wurde bei Bornholm den Dänen
in einer Seeschlacht ein großer Verlust zugefügt; sie blieb aber
nur unentschieden, weil die Stralsunder Schiffe zu spät kamen. Die
dänischen Inseln waren schon vorher von den Hanseschiffen heimgesucht
worden. Wenige Tage nach dem 9. August griffen die Hansen vor Danzig
eine holländische Handelsflotte an und erbeuteten zahlreiche Schiffe.
Am 18. August des gleichen Jahres kam es erneut zu einem Treffen bei
Hela, in dem die dänische Flotte geschlagen wurde, dazu betrieben
Lübeck und Kolberg den Kaperkrieg mit Erfolg, so daß die Überlegenheit
der Hanse zur See bestehen blieb und der Friede zu Malmö im Jahre 1512
ihre Vorrechte bestätigte.

Wohl hatten die Hansen ihre Macht noch einmal gezeigt, aber die
politischen Verhältnisse hatten während der zweieinhalb Jahrhunderte
eine große Veränderung erfahren. Die Staaten, in denen die Hanse
so große Vorrechte besaß, waren zu einem Lehns- und Beamtenstaat
geworden; die Macht der Königswürde wuchs und damit auch das Bestreben
jener Größen, nicht mehr den Seehandel des eigenen Landes in fremden
Händen zu sehen. Dazu wollten die Fürsten sich des Rechtes, an ihrer
Landesgrenze Zölle zu erheben, nicht länger begeben, noch sich
Einschränkungen auferlegen lassen. Auch die günstigen Vorrechte, die
der Hanse zustanden, wurden als lästig und drückend empfunden. Kurzum,
die Zeit, in der sich Monopole des Seehandels aufrechterhalten ließen,
war mit dem Mittelalter vorbei.

Leider erkannten die sonst so weitsichtigen Staatsmänner der Hanse
diese Veränderungen der Zeitverhältnisse nicht. Sie hielten zu
stark und zu fest an alten überkommenen Zielen. Die Seegrenzen,
die die Haupthansestädte umfaßten, waren viel zu groß, dazu das
Einflußgebiet der einzelnen Hansestädte zu verschiedenartig. Als
notwendige Folge konnte die Abbröckelung des Bundes nicht ausbleiben.
Die großen Entdeckungen des Mittelalters, die Reformation mit ihren
durchgreifenden Erregungen der Gemüter führten auch zu einer Änderung
auf sozialem Gebiete, durch das Schwankungen in die Verhältnisse
hineinkamen.

In den Hansestädten wollten auch die minderbemittelten Kreise, die
Handwerker, Einfluß auf die Regierung der Stadt haben und nicht allein
alle Macht in den Händen der Kaufleute sehen. Die Gärung der Geister
ging nicht spurlos im Treiben der Zeit vorüber, allein zum Ausbruch kam
sie erst später.

[Illustration: Bürgermeister Jürgen Wullenweber (1492-1537).

Gemälde im Museum zu Lübeck.]

Noch einmal griff die Hanse in die Geschicke der nordischen Reiche
ein. Es war im Jahre 1520, als Karl V. Kaiser von Deutschland wurde
und bei den Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Ferdinand die
Niederlande, Westfriesland und Utrecht für sich behielt. Damit ging
das Gebiet des Reiches von der Ems bis nach Dünkirchen für Deutschland
verloren und kam in enge Beziehungen zu Spanien. Diese Trennung von
Deutschland kam dem niederländischen Handel zugute und erfuhr noch
eine bedeutende Steigerung, als Christian II. von Dänemark, ein
Schwager Karls V., die niederländischen Handelsbeziehungen besonders
begünstigte. Sein Plan ging dahin, ganz Schweden zu erobern; Schonen,
den südlichen Teil Schwedens, besaß er schon. Dazu erstrebte er,
Kopenhagen zum Mittelpunkte der Ostsee zu machen, um die alte
Vormachtsstellung des hansischen Handels vollständig zu untergraben.
Im Jahre 1519 floh Gustav Wasa, König von Schweden, vor Christian II.
nach Lübeck und erbat hier Hilfe und Beistand. In den kriegerischen
Auseinandersetzungen der nachfolgenden Jahre machte sich Christian II.
durch das Stockholmer Blutbad furchtbar verhaßt. Einen Aufstand, den
Gustav Wasa erregte, begünstigte die Hanse offen; sie unterstützte
Schweden durch die Entsendung einer Flotte, die Bornholm verwüstete,
Kopenhagen und Stockholm belagerte. Der dänische Kommandant von
Stockholm übergab im Jahre 1523 dem hansischen Admiral die Schlüssel
Stockholms, und Gustav Wasa zog als Gustav I. in seine Hauptstadt ein.
Eine Reihe von Vorrechten bildeten den Lohn für die Mühe der Hanse.
Christian II. mußte sein Land verlassen, da mit Hilfe der Hanse in
Jütland Friedrich I. von Holstein zum König ausgerufen wurde. Für den
neuen König eroberten die Hansen Seeland und belagerten Kopenhagen,
das am 24. April 1524 sich ergab. So kam der neue dänische König
durch die Hansen in den Besitz seines Reiches und seiner Hauptstadt.
König Christian II. entfloh vorher und versuchte nach einigen Jahren
mit Hollands Hilfe Norwegen für sich zurückzuerobern. Es gelang ihm,
für eine kurze Zeit an der Küste festen Fuß zu fassen, jedoch eine
Flotte der Hansen schlug ihn aufs Haupt. Christian begab sich in die
Gefangenschaft seines Oheims Friedrichs I., der ihn siebenundzwanzig
Jahre lang in harter Haft bis zu seinem Tode im Jahre 1559 im Schlosse
zu Sonderburg hielt.

Diese Leistungen: die Einführung Gustav Wasas in sein Reich, die
Erhebung Friedrichs I. zum König von Dänemark nach dem Sturze
Christians II., bedeuteten die letzten Äußerungen der Kraft der Hanse.
Das Ende nahte. --

Schon vor dem letzten Seezuge gegen Christian II. von Dänemark brachen
in Lübeck um das Jahr 1500 herum Unruhen aus, deren Endziel darin
bestand, die alte Verwaltung zu stürzen und an ihre Stelle eine neue zu
setzen. Jürgen Wullenweber, der gefeierte, in Romanen und Dichtungen
verherrlichte Bürgermeister der Zeit der Aufstandsbewegung, trat an die
Spitze Lübecks und damit auch in den Vordergrund des Hansebundes. Sein
Ziel war, die alte Stellung der Hanse unter der Vorherrschaft Lübecks
im Handelsverkehr des Ostseegebietes wiederherzustellen. Insbesondere
richtete sich seine Tätigkeit gegen Holland. Im Krieg gegen diesen
Staat schickte er Marx Meier mit einem Geschwader nach der Nordsee.
Er selbst fuhr mit einer Flotte nach dem Sunde und versuchte hier,
Dänemark und Schweden zum Kampfe gegen Holland zu gewinnen. Gustav I.
schlug diese Forderung nicht nur ab, sondern widerrief auch die früher
bewilligten Vorrechte.

In Dänemark starb gerade Friedrich I., und Wullenweber versuchte, die
dänische Krone Herzog Christian von Holstein zu geben. Dieser verband
sich mit Schweden, Dänemark und Holland gegen die Hansen, da er die
Krone aus den Händen der Hansen nicht annehmen wollte. Im Jahre 1534
begann Wullenweber den Feldzug mit Erfolg. Ein Teil der Truppen fiel
in Holstein verheerend ein. Wullenweber selbst fuhr mit einer starken
Flotte nach Kopenhagen, das er belagerte. Eine Reihe dänischer und
schwedischer Schiffe fielen ihm zur Beute. Die holländischen Schiffe
wurden ausgeplündert und im Sunde ein Sundzoll erhoben. Durch eine
angestiftete Verschwörung erreichte er, daß Malmö und die Häfen
auf Seeland sich ergaben, ebenso Kopenhagen; die dänische Flotte
vereinigte sich mit der seinigen; die kleineren dänischen Inseln und
Schonen schlossen sich ihm an. Allüberall begannen die Bauern in
Aufständen gegen die Vorherrschaft des Adels zu wüten. Christian von
Holstein ward in Jütland als König Christian III. ausgerufen. Graf von
Rantzau, der holsteinische Adelsmarschall, zog während dieser Zeit
vor Lübeck und belagerte es. Um der Bedrängnis der Stadt abzuhelfen,
kehrte Wullenweber zurück. Eine Aufhebung der Belagerung erreichte
er nicht. Vielmehr erkaufte er sich nur einen Waffenstillstand mit
Holstein. Anfangs des Jahres 1535 wurde Marx Meier von Christian III.
und Gustav I. nicht nur geschlagen, sondern auch bei Helsingborg
gefangengenommen. Die vereinigten Flotten dieser beiden Fürsten im
Bunde mit der preußischen schlugen sich mit den Hansen am 9. Juni in
einem unentschiedenen Gefecht bei Bornholm; am 11. Juni trafen sich
die Gegner bei Assens am Kleinen Belt, und die Verbündeten wurden
Sieger. Einige Tage später fielen durch den Überfall der Reede von
Svendborg neun hansische Schiffe ohne Gefecht in die Hände der Feinde.
Wullenweber sah binnen kurzer Zeit seine hochfahrenden Absichten
zertrümmert.

[Illustration: Der Sieg der Lübecker in der Seeschlacht bei Gotland.

Nach einem Gemälde von Professor Hans Bohrdt.]

Ein Hansetag, der jetzt einberufen wurde, sollte Hilfe bringen. Dieser
Tagung wurde die entscheidende Frage vorgelegt: „Soll ein König von
Dänemark ohne Zustimmung der Hanse herrschen?“ Inzwischen hatten die
durch Wullenweber vertriebenen lübeckischen Bürgermeister ein Urteil
des Kammergerichts herbeigeführt, in dem zum Ausdruck kam, daß die
demokratische Verfassung durch Wullenweber widerrechtlich in Lübeck
eingeführt sei und er mit der Reichsacht bedroht würde. Dies reichte
hin, um die Lübecker zur Absetzung Wullenwebers zu bewegen.

Wullenweber ging an die Weser, um dort Landsknechte zu sammeln,
er wurde jedoch vom Bischof von Bremen gefangengenommen und zu
Wolfenbüttel hingerichtet. Die Pläne Wullenwebers paßten sich nicht
den Zeitverhältnissen an, noch fügten sie sich in die Machtfaktoren
ein. Und da weder Bündnisse, noch Heer und Flotte vorbereitet waren,
mußte sein Unternehmen zugrunde gehen, und das zum Schaden des Vorortes
der Hanse, Lübeck. Die Hanse galt nichts mehr. Gustav I. von Schweden
hob kurzerhand die Vorrechte auf, Christian III. von Dänemark kümmerte
sich auch nicht mehr darum. Der Verfall schritt rasch weiter. Im Jahre
1560 gingen die Ostseeprovinzen für Deutschland verloren, indem im
Jahre 1558 Iwan II. von Rußland Narwa und Dorpat eroberte und der Hanse
die Schiffahrt nach Livland verbot; Esthland unterwarf sich Erich XIV.
von Schweden, und Kurland wurde im Jahre 1561 polnisches Lehen. --

[Illustration: Der ‚Adler‘.

Nach einem Gemälde im Haus der Schiffergesellschaft zu Lübeck.]

Gegen Schweden führte Lübeck im Bunde mit Dänemark von 1563 bis
1570 den letzten Seekrieg, Lübeck stand allein. Als die hansischen
Abgeordneten den Fehdebrief an König Erich XIV. überbrachten, verwies
er sie an den Rat der Stadt Stockholm. „Könige müßten Königen, Bürger
und Bauern aber ihresgleichen den Absagebrief senden.“

Lübecks Macht war noch nicht ganz zu verachten. Die Stadt gesellte der
einundvierzig Schiffe starken dänischen Flotte unter Peder Skramm noch
dreizehn lübische zu.

Der Krieg begann auch nicht ungünstig. Das Jahr 1564 brachte ein
unentschiedenes Gefecht bei Öland. Am 30. Mai 1565 errangen die
Verbündeten zwischen Öland und Gotland einen Sieg über die Schweden.
Drei Tage lang wurde gefochten und das schwedische Admiralschiff,
der Makeloes, das 173 Geschütze trug, erobert. Jakob Bagge, den
schwedischen Admiral, brachten die Lübecker als Gefangenen heim.

Von nun an neigte sich das Glück den Schweden zu. Im Jahre 1565 flog
das größte lübische Schiff, der ‚Engel‘, infolge einer Unvorsichtigkeit
der eigenen Besatzung in die Luft. Dann führten die Schweden
einen Handstreich gegen Travemünde aus, dem das neue hansische
Admiralsschiff, der ‚Morian‘, nur mit knapper Not entging. Im Juli
siegten die Schweden in einer Zweitageschlacht zwischen Rügen und
Bornholm. Die Verbündeten verloren diesmal den dänischen und deutschen
Admiral und fünfhundert Mann.

Nach einem unentschiedenen Treffen bei Gotland im Jahre 1566 wurde
die dänische und deutsche Flotte bei Wisby vom Sturm überrascht. Drei
lübische und zehn dänische Schiffe gingen zugrunde, darunter der
‚Morian‘ mit dem Admiral und dem Bürgermeister von Lübeck an Bord.

In den letzten Kriegsjahren gab’s keine Seeschlachten mehr; die
Schweden gingen nicht mehr in See. Die Stadt Lübeck ließ ein für die
damalige Zeit sehr großes Schiff, den ‚Adler‘, in diesen Jahren gegen
die Schweden kreuzen.

Lübeck bemühte sich, die übrigen Hauptstädte der Hanse zum Beitritt
zu bewegen, doch vergebens. Der alte Unternehmungsgeist war dahin,
von der Hanse war nichts mehr zu erwarten. Äußerlich hatten die alten
Städte noch den Anschein von Kraft und Wohlstand, aber der Geist der
alten Seefahrer war nicht mehr lebendig, die Hanse war fortan bis zur
Auflösung im Jahre 1630 nur noch ein Name, den die Ausländer nicht
achteten.

Es fehlte keineswegs an Bemühungen, die Hanse wieder zur Bedeutung
emporzuheben. So hieß es in der Botschaft Ferdinands II. an die
hansische Versammlung zu Lübeck im Jahre 1627:

„Der Kaiser Ferdinand II. wollte die Gelegenheit nicht versäumen, die
Hansestädte wieder zu altem Flor, Ansehen und Hoheit herzustellen,
da sie durch die Ausländer seit geraumer Zeit nicht allein merklich
unterdrückt, sondern ihnen auch von fremden Potentaten die freie
Schifffahrt gesperrt, ihre Schiffe überfallen, geplündert oder in
Grund geschossen und ihnen zum Hohn und Spott deutscher Nation von
ausländischen, monopolischen Gesellschaften das Brot gleichsam vor der
Faust abgeschnitten sei.“ --

Bei der Botschaft blieb es; die Ereignisse bewiesen, daß der
kriegerische Geist dahin war. Erst unsere Zeit konnte dem Deutschen
Reiche wieder zu einer Seegeltung verhelfen.

[Illustration]



Eine Septembernacht.

(1845.)

    -- Unde was der tidt tho Lübeck börgermester Jürgen Wullenweber; de
    hedde by sik geswaren, schot unde regiment van den Oeresundt an the
    hänsischen tho bringen, unde scholden de uth den steden myt eren
    schepen vortan nycht enes penniges wert an den Dänen betalen --

    +Lübische Chronik+.


    Zu Lübeck im Ratskeller saßen spät
    Wir Freunde noch beim Wein und tranken,
    Wo tief gebräunt die Eichentafel steht
    Aus unsres letzten Kriegsschiffs Planken.
    Doch galt es heute keinen Zecherspaß,
    Kein lustig Liedel, keine Becherfehde;
    Es schaute jeder ernst ins grüne Glas,
    Und ernst und sinnig floß die Rede.

    Wir sprachen von des alten Glanzes Zeit,
    Von jenen, die der Hansa Schlachten schlugen,
    Wir sprachen von der jüngsten Tage Leid
    Und von der Hoffnung, die wir trugen.
    Wohl spürten’s alle feierlich und leis,
    Wie sich aus Trümmern junges Leben zeuge,
    Und stille ward’s, als ob in unsern Kreis
    Der Schutzgeist unsrer Stadt sich beuge.

    Da schlug es Mitternacht. Sie brachen auf,
    Wir drückten herzlich uns die Hände;
    Mich aber trieb es noch den Gang hinauf,
    Die Fässer durch, entlang die schatt’gen Wände.
    Ich konnt’ an Schlaf nicht denken. Sonst und heut
    Zerfloß in meinen Sinnen lose;
    So trat ich ein, gedankenvoll zerstreut,
    Ins hallende Gewölb der ‚Rose‘.

    Wie kühl, wie stille! Nur mein Fußtritt scholl
    Verdreifacht von den Gurten wider;
    Ein Schauer wie vor Geisternähe quoll
    Geheimnisvoll durch meine Glieder,
    Und sieh, ein Lichtschein drang mir wunderbar
    Linksher entgegen aus der hohen Nische.
    Ich naht, und stand. Denn traun, ein seltnes Paar
    Erblickt’ ich zechend dort am Tische.

    Der eine saß geschmückt nach alter Art
    Mit Sammetschaube, Kraus’ und Kette,
    Umflossen Wang’ und Kinn vom blonden Bart,
    Die mächt’ge Stirn beschattet vom Barette.
    Das blaue Auge zuckt in scharfem Glühn,
    Als hing ein Weltgeschick an seinem Winken:
    So saß er da, gebeugt und dennoch kühn,
    Und starrt in seines Römers Blinken.

    Der andre stand, die Hand am Schwertesknauf,
    Riesig, vom Haupt zum Fuß in blankem Erze;
    Wie Blut an seinem Panzer spielt’ herauf
    Der rote Flackerschein der Kerze;
    Ein wild und rauh Gesicht. Ich spürt’ es bald,
    Hier war die Faust, dort das Ersinnen;
    Da, murmelnd, wie der Wind durch Herbstlaub wallt,
    Hört ich des ersten Worte rinnen:

    „O Meeresauge, dunkelblauer Sund,
    Du felsumstarrte Ostseepforte,
    Wie schaut’ ich oft hinab in deinen Grund
    Und zwang ins Herz zurück der Sehnsucht Worte!
    Dort unten, wo die Welle leiser schoß,
    Sah ich den goldnen Zauberschlüssel liegen,
    Der uns ein neues Reich erschloß
    Von Meeresherrschaft, Glanz und Siegen.

[Illustration: Eroberung Kopenhagens durch die Hansa.

Von Professor Hans Petersen.]


    „Ich warb um ihn, wie um den Ring der Braut,
    Ich warb auf Leben und auf Sterben.
    O hätte mir das blöde Volk getraut!
    Den Sieg erzwingen mußte solch ein Werben,
    Den Sieg der Kampf, der sieben Jahre durch
    Im Rat, zur See, im Schlachtfeld grollte,
    Der Riesenkampf, der unsrer Hansa Burg
    Bis zu den Sternen türmen sollte.

    „Sie faßten’s nicht, es war für sie zu groß;
    Sie zitterten, die Käufer und Verkäufer;
    Da führten meine Feinde schlau den Stoß,
    Verräter hieß ich, Wiedertäufer.
    Sie rissen von den Stufen mich herab,
    Sie saßen trotzig zu Gerichte,
    Sie brachen über mich den weißen Stab,
    Und mehr! -- Sie schrieben die Geschichte.

    „Dreihundert Jahre sind’s, da sprang vom Schlag
    Des Beils mein Blut in Strömen vom Schafotte.
    Doch war ein Geist des Unheils seit dem Tag
    Mit meiner Heimat Heer und Flotte --
    Was Menschen bauten, wird des Windes Spiel,
    Nur Gottes Ratschluß bleibt beständig;
    Die Hansa sank, das alte Reich zerfiel,
    Doch Deutschland steigt empor lebendig.

    „Es geht ein heil’ger Sturm von Stadt zu Stadt,
    Sie spüren’s all, erwacht aus schwerem Traume:
    Deutschland ist eins, und jeder ist ein Blatt
    Am riesengroßen Wunderbaume.
    Schon grollt man jedem fremden Übermut,
    Schon zürnt der Süden, ist der Norden frönig;
    Hinweg denn mit dem knechtischen Tribut,
    Dem Schoß an jenen Inselkönig!

    „Frischauf, mein Volk, du großes Vaterland,
    Treueinig, wie ich’s nimmer durfte schauen!
    Vollführe du, was mir im Herzen stand,
    Zu Masten laß des Forstes Tannen hauen!
    Dein sei der Sund, der dich nach Westen weist,
    Der Weg des Meeres dein, ein glorreich Lehen,
    Mit Kugeln gib den Zoll! Es soll mein Geist
    Am Steuer deines Heerschiffs stehen!“

    Er fuhr empor: die beiden stießen an,
    Die Schwerter klirrten und die grünen Becher,
    Und hastig bis zur Neige stürzten dann
    Den Wein hinab die seltnen Zecher.
    Da dröhnt’ es eins von Sankt Marien Turm,
    Die Kerze flackert und erlosch im Schalle,
    Durch Pfort und Gitter braust’ es wie ein Sturm,
    Und einsam stand ich in der Halle.

    Mir graute nicht. Wohl hatt’ ich sie erkannt,
    Die Heimgekehrten aus dem Reich der Gräber,
    Die mächtigen Gestalten Hand in Hand,
    Marx Meier, Jürgen Wullenweber.
    Mein Herz schlug kühn, zur Hoffnung hoch erwacht,
    Und durch des Herbstes Wind und Blättertreiben
    Heimschritt ich froh, um noch in tiefer Nacht,
    Was ich vernommen, aufzuschreiben.

    Emanuel Geibel.

    (Aus: „Geibel, Gesammelte Werke“. I. G. Cottasche Buchhandlung
    Nachfolger, Stuttgart.)

[Illustration]



Schiffbau und Schiffahrt zur Hansezeit.


Die erste deutsche Seemacht, die Hanse, besaß eine Flotte, die für
jene Zeiten bedeutend war; im Frieden wie im Kriege hat sie eine Rolle
gespielt, an die wir mit Wehmut und Neid zurückdenken. Über den Umfang
und den Gesamtwert jener Flotte haben wir keine Nachrichten, keine,
auch nur für einen Zeitpunkt. Wohl werden uns bei Gelegenheit von
Rüstungen gegen gemeinsame Feinde einzelne Zahlen mitgeteilt, die für
die Größe der Bewertung nicht ganz wertlos sind. Über die Entstehung
der Kauffahrteiflotte, über den hansischen Schiffbau läßt uns das
reichliche Material der hansischen Geschichte im Stich, statistische
Angaben fehlen vollständig. Angaben über Verluste von Schiffen, über
Schiffsnamen, über Schiffsberaubungen, Strandungen und Ausrüstungen
kommen schon bedeutend häufiger vor.

[Illustration: Schiffbauwerkstätte im 17. Jahrhundert.]

Der Schiffbau war frühzeitig ein Gegenstand der polizeilich und
wirtschaftlich beschränkenden Fürsorge der Hansen. Jede an der
Schiffahrt beteiligte Stadt baute ihre Fahrzeuge selbst, und man hielt
strenge darauf, daß für Außenhansen keine Schiffe gebaut oder neue
Schiffe an sie verkauft wurden. Nicht immer beachtete man das Verbot
des Schiffbaues für Fremde; namentlich Danzig, das einen besonders
blühenden Schiffbau aufwies, kümmerte sich oftmals wenig darum.
Neben Danzig muß Lübeck genannt werden, in dessen Lastadienbüchern
-- Lastadien nannte man zur Hansezeit die Schiffbauwerkstätten --
seit 1560 eine genaue Aufstellung vorhanden ist. Andere bestimmte
Nachrichten über den Umfang der Reederei und des Schiffbaues in den
Hansestädten liegen nur in geringem Maße vor.

[Illustration: Schiffbauwerkstätte im 17. Jahrhundert.]

Die Schiffahrt hat in den Zeiten der Hanse mancherlei Gefahren und
Schwierigkeiten zu bestehen gehabt. Die Gestalt der Schiffe, die man
teils lang und schmal, teils kurz und tiefbauchig baute, war bis zum
12. Jahrhundert sogar so einfach, daß die Fahrzeuge ohne Deck mit nur
einem Mast fuhren, dessen einzige rechtwinklig sitzende Rahe ein Segel
trug, das erst nach der Abfahrt aufgerichtet wurde; als Steuer diente
ein bereits bewegliches Ruder, es konnte, je nachdem es erforderlich
war, links oder rechts eingesetzt werden. War der Wind ungünstig und
das Segeln unmöglich, so geschah die Fortbewegung des Schiffes durch
Ruder und lange Stangen. Ein Teil der Schiffsmannschaft mußte das
einströmende Wasser ausschöpfen. Nach dem 12. Jahrhundert erhielten die
Schiffe ein Verdeck, jedoch wurde es im Winter abgenommen. Auch stellte
man den Mast fester, verband das Steuerruder mit der Verlängerung
des Kielbalkens und legte beim Vorder- und Hintersteven Kastelle
an, das sind Aufbauten, die zur Verteidigung und beim Angriff als
Schutzwehr dienten. Das Verdeck zwischen den Steven wurde mit Planken
umsäumt, die in der Mitte einen Durchlaß hatten, der beim Ausladen und
Einladen gebraucht wurde. Der kurze Mastbaum trug einen Mastkorb aus
Weidenzweigen, die sogenannte Reibe, die erst in späterer Zeit aus
festem Holz hergestellt wurde. Über die Betakelung und die Segelführung
der Schiffe jener Zeit kann man sich schwer eine Vorstellung machen,
desgleichen über die Handhabung und die Fahrt. Da der Kompaß in
den nordischen Gewässern schwerlich in der zweiten Hälfte des 14.
Jahrhunderts angewendet wurde, hielt sich der Schiffer immer in der
Nähe der Küste auf. Chronometer und Log besaß er nicht, daher konnte er
nur abschätzen und nur bei gutem Wetter eine längere Fahrt übers Meer
unternehmen. Nicht zu unterschätzen ist die Geschwindigkeit, denn bei
günstigem Winde fuhr ein Segler damaliger Zeit mindestens so schnell
wie ein mittlerer Dampfer unserer Tage.

Am Abend, wenn die Dämmerung hereinbrach, wurde Anker geworfen, und
Teile der Mannschaft stiegen ans Land, um die Mahlzeit zu kochen. Die
erste Rolle spielte dabei die Grütze. An den Tagen, an denen nicht
gelandet wurde oder an denen man nicht landen konnte, gab es kaltes
Fleisch, Schinken, Brot, Butter, Räucherhering und dergleichen. Einen
besonderen Koch gab es nicht. Das Kochen ging die Reihe herum. Unter
dem Maste stand zugedeckt ein Gefäß Trinkwasser, aus dem man gemeinsam
trank, und Bier, das in einer Tonne aufbewahrt wurde. Wenn das Schiff
während der Nachtzeit am Ufer lag, verband eine Landungsbrücke Land
und Schiff. Wachtposten sorgten für die Sicherheit. Kam ein Sturm,
so suchte man, solange es möglich war, Schutz am Lande. Bei Fahrten
über das offene Meer, wenn die Sonne unter den Horizont gesunken war
und kein Küstenstrich sich mehr zeigte, richtete sich der Schiffsmann
nach dem Polarstern. Dieser war der Leitstern des Schiffers. Tage-, ja
wochenlang wartete man auf günstiges Wetter, auf einen klaren Himmel,
um sich nicht der Gefahr auszusetzen, ins Ungewisse hinauszusegeln.
Trat während der Fahrt schlechtes Wetter ein, so ließ der Schiffer wohl
Vögel auffliegen, die er mit an Bord genommen hatte und nach deren Flug
er sich richtete, da die fortfliegenden Vögel die Richtung nach dem
Lande angaben. Der Schiffbau der Hansen hat sich im Laufe der Zeit je
nach den Schwierigkeiten, die zu erfüllen waren, entwickelt. Die Größe
der Schiffe, ihre Seetüchtigkeit, ihre Stärke und Manövrierfähigkeit,
ihre Kriegsbrauchbarkeit, kurzum, Bau und Ausrüstung haben in den
Jahrhunderten ständig Veränderungen erfahren.

[Illustration: Lübeckische Kriegskogge aus dem fünfzehnten Jahrhundert.]

Aus der ältesten Zeit bis etwa in das 15. Jahrhundert hinein sind
keine Bilder erhalten, die über das Äußere Aufschluß geben. Wie auch
heute noch, so unterschied man damals nach Größe und Zweck vielfältige
Formen, für die mannigfache Namen erdacht wurden. Am verbreitetsten
war die Bezeichnung ‚Koggen‘. Aus festem Eichenholz erbaut, mit hohem
Borde, konnten sie dem wilden Sturme trotzen, und der bauchige Leib
bot großen Raum für Waren und Mannschaften. Hinter- und Vorderteil
waren abgerundet; die Segel befanden sich an zwei Masten. Die
Durchschnittsgröße der hansischen Schiffe betrug im 14. Jahrhundert
etwa hundert Tonnen und darunter, im 15. Jahrhundert mehr. An der
Grenze des Mittelalters nahm die Größe der Schiffe zu. Im nordischen
siebenjährigen Kriege (1563 bis 1570) bauten die Lübecker das
Kriegsschiff ‚Adler‘, das 1400 Tonnen faßte. Lübeck und Danzig besaßen
besonders große Schiffe.

Die Bezeichnung Tonne als Schiffsmaß stammt auch von den hansischen
Schiffen, die als Hauptartikel Bier und Wein beförderten. Es kam darauf
an, zu wissen, wieviel Tonnen, mit diesen Getränken gefüllt, ein Schiff
laden konnte.

[Illustration: Hamburgisches Kriegsschiff aus der Zeit der Hanse.]

Die Koggen dienten gleichmäßig für den Krieg und für den Frieden,
je nachdem es die Zeit erforderte. Jedoch waren die für den Krieg
bestimmten Schiffe noch besser ausgerüstet. Sie trugen am Vorder- und
Hinterdeck kastellartige Erhöhungen, von denen aus die Mannschaften
kämpften. In der Mitte des Schiffes befanden sich Wurfmaschinen; auch
aus den Mastkörben schleuderten die Schützen ihre Geschosse.

Im Kampfe drangen die Schiffe nahe aufeinander ein, die Enterbrücken
fielen; man zog unter Umständen das feindliche Schiff mit dem
Enterhaken heran, um so an Bord den Kampf zu Ende zu führen.

Die kleineren Schiffe jener Zeit, die sogenannten ‚Sniggen‘, waren
schmal, lang und offen gebaut, vergleichbar mit den heutzutage
gebräuchlichen Schuten; ein Mast trug die Segel zur Fortbewegung.

Nachdem das Pulver erfunden war und die Feuerwaffen sich ausbreiteten,
machten die Hansestädte in ihren Kriegen und bei der Ausrüstung ihrer
Schiffe sehr schnell Gebrauch davon. Als Kopenhagen im Jahre 1428
belagert wurde, feuerten zweihundert Büchsen gleichzeitig gegen die
Stadt.

Die Schiffahrt machte ständig Fortschritte, auch wurde man nach und
nach mit dem Meer vertrauter. Man hielt sich nicht mehr ängstlich an
den Küsten auf, sondern fuhr in freier Fahrt über das Meer; die Schiffe
wurden für diese langen Fahrten größer und reicher ausgestattet.
Auch die Kriegsschiffe, nach der damaligen holländischen Bezeichnung
‚Orlogschiffe‘ genannt, unterschieden sich jetzt viel mehr von den
Kauffahrteifahrzeugen. Bei den Kriegsschiffen baute man ein doppeltes
Deck ein, gab ihnen drei Masten und machte ihren Rumpf recht groß. So
faßte zum Beispiel das schwedische Admiralschiff in der Seeschlacht bei
Bornholm im Jahre 1564 siebenhundert Mann Besatzung.

Die Schiffe der Hanse besaßen kein gemeinsames Abzeichen, führten
auch keine einheitliche Flagge. Je nach den Städten war die Farbe
der Wimpel verschieden; bei den Hamburgern rot, bei den Lübeckern
weiß-rot, bei den Rigaern schwarz mit weißem Kreuz. In der Schlacht,
wo Erkennungszeichen notwendig waren, pflanzte man das Wappenschild
des Fürsten oder der Stadt auf den Schiffskastellen oder dem Mastkorbe
auf. An Bord der Schiffe herrschte strenge Ordnung. Auf der See war
alles dem Gebote des Kapitäns und der selbstgewählten Vertrauensmänner
untertan. Vor dem Auslauf in die See sprach man ein gemeinsames Gebet,
auch wurden die betreffenden Vorschriften eingeschärft. Vor dem
Einlaufen in den Hafen ermahnte man die Mannschaft, allen Groll über
erlittene Strafen und andere Vorfälle nicht mit ans Land zu nehmen. In
jener Zeit unterlag das Schiffswesen festen, geregelten Bestimmungen,
die fast bis ins kleinste eingriffen. Es stand nicht einmal frei, zu
jeder beliebigen Zeit in die See zu stoßen. Von Martini bis zum 22.
Februar sollte die Schiffahrt ruhen, so forderte ein im Jahre 1401
gefaßter und später mehrmals wiederholter Beschluß. Zu Kriegszeiten
durfte kein Schiff einzeln fahren und ferne Häfen aufsuchen. Aus allen
diesen Gebräuchen und Beschlüssen entstand allmählich das Seerecht.
Die am Mittelmeer liegenden Städte sind mit solchen Aufzeichnungen
vorangegangen. Auf diese Vorlage bauten sich das Wisbysche Seerecht
und das Hamburger Schiffsrecht auf, von denen gelehrte Bearbeitungen
aus den Jahren 1591 und 1641 bis in die neuere Zeit Geltung behalten
haben. Zur Orientierung auf dem Meere dienten auch damals dem Schiffer
Seebücher. Eines dieser Bücher, dessen Ursprung bis ins 14. Jahrhundert
zurückreicht, belehrte den hansischen Schiffsführer über Küsten
und Meere von der Gibraltarstraße bis an den Finnischen Meerbusen,
unterwies ihn über Gezeiten und Stromläufe, Häfen und Reeden, Klippen
und Bänke, und unterrichtete ihn über die Merkmale, die für eine
glückliche Landung zu beachten waren. Auch Angaben über Tiefe und
Beschaffenheit des Meeresgrundes waren nicht vergessen.

Seekarten, die der Mittelmeerfahrer seit dem 14. Jahrhundert besaß,
kamen für die nordischen Gewässer erst in der zweiten Hälfte des 16.
Jahrhunderts auf, und ihre Verwendung erleichterte dem Schiffsführer
sein schwieriges Amt.

[Illustration]



Der hansische Kaufmann.


Vor dem 12. und 13. Jahrhundert kann von einem hansischen Kaufmann
noch nicht gesprochen werden, denn erst in dieser Zeit trat er in die
Erscheinung. Es ist ein eigenartiges Merkmal des Mittelalters, daß
der einzelne Mensch unfreier, gebundener und der Gesamtheit weit mehr
untergeordnet war als heute. Ordnung und Zucht hielten das Ganze --
sei es Stadt oder Land -- viel schärfer zusammen. Der einzelne konnte
seiner Eigenart viel weniger nachgehen. Solchem Zwange unterlag auch
das Kaufmannsleben der Hansezeit. In Heimat und Fremde mußte er die
örtlichen Vorschriften beim Kauf und Verkauf der Waren beachten.
In den ausländischen Kontoren in Nowgorod, Bergen, London lebte er
in strenger, enger Tischgesellschaft mit seinen Genossen. Bei der
Meerfahrt unterstand der Kaufmann der Gerichtsbarkeit des Admirals,
und trotzdem war er in Heimat und Fremde ein freigeborener Mann.
Gerade die persönliche Freiheit bildete die eigentliche Vorbedingung
für das unbehelligte Wandern der Kaufleute. Mancher Kaufherr hatte im
Mittelalter aus kleinen Anfängen sein Handlungshaus zur Höhe gebracht.
Sein Wohlstand begründete den seines Geschlechtes, und in großartiger
Wohltätigkeit schuf der Kaufmann Stiftungen für die Heimat, die seinen
Namen bis in unsere Zeit rühmend nennen.

Wie war der Lebenslauf eines Kaufmanns in der hansischen Zeit?
Sein Eintritt in das Leben, die Taufe und die ersten Kinderjahre
verliefen kaum anders als bei sonstigen Sterblichen. Und wenn der
neue Erdenbürger seinen ersten Schrei tat, nahmen daran nicht nur die
Hausgenossen teil, sondern auch Verwandtschaft und Bekanntschaft. Die
freudige Nachricht brachte die mit einem Blumenstrauß geschmückte Magd
den Verwandten und befreundeten Nachbarn, und gern stellten sich die
Freundinnen ein, um Mutter und Kind zu sehen und sich selbst bei gutem
Mahle und gutem Trunk zum Wohle von Mutter und Kind zu stärken.

In jener Zeit hat vielfach die Obrigkeit durch Verordnungen
eingegriffen, um die Gelage zu bekämpfen, aber mit wenig Erfolg. Die
Taufe geschah nach den Vorschriften der Kirche bald nach der Geburt;
meistens erfolgte sie schon am zweiten oder dritten Tag. Vielfach war
auch die Taufe mit Festlichkeiten verbunden, die allerlei Aufwand
aufwiesen, daher hatten manche Stadtobrigkeiten durch Verordnungen die
Schmausereien und das Übermaß der Patengeschenke einschränken wollen.
Es half aber wenig. Lieber zahlte man die Buße, die auf der Übertretung
der Verordnung stand, und ließ alles beim alten. Nicht allemal
verliefen die Tauffestlichkeiten friedlich; oft genug trennten sich die
erhitzten Gemüter in Hader und Zwist.

[Illustration: Handelsbetrieb im fünfzehnten Jahrhundert.

Nach einer alten Miniatur.]

Über den Verlauf der ersten Kinderjahre berichten die hansischen
Geschichtsquellen wenig. Sie wissen wohl davon zu erzählen, daß die
Kindersterblichkeit eine hohe Ziffer aufwies, ebenso war aber auch der
Kinderreichtum der Familien groß. Die Sterblichkeit lag der Hauptsache
nach in dem damaligen Stande der ärztlichen Kunst begründet. Allerlei
Medizinen, viele Haus- und Geheimmittel begleiteten das neugeborene
Kind von der Wiege an durch alle Lebensabschnitte der Kindheit. Sie
sollten das Zahnen, das Gehen und Sprechenlernen unterstützen, und der
Aber- und Wunderglaube jener Tage, der den Wolfs- und Pferdezähnen und
ähnlichen Amuletten wunderbare Wirkungen zuschrieb, ist ja in unserer
Zeit noch nicht ausgestorben. Auch in jenen Tagen hat es nicht an
Beispielen gefehlt, daß der Kampf ums Dasein hart war, daß Vater und
Mutter sich nicht, wie es sein mußte, um ihr Kind kümmern konnten.

Mit dem Eintritt in die Schule begann ein neuer Zeitabschnitt in
dem Leben des jungen Menschenkindes; daß der Kaufmann jener Tage
eine Schule besuchte, war selbstverständlich. In den Archiven der
hansischen Städte finden wir neben den Aufzeichnungen, die in den
Kanzleien geschahen und von Ratmannen oder Beamten stammten, auch
Rechnungen einfacher Handwerker und Kaufleute. Und die Starrheit und
Ungelenkigkeit der Schriftzüge beweisen, daß die Feder nur widerwillig
der Führung der Hand gehorchte. Das Schulwesen jener Tage zeigte
keine einheitliche Gliederung, sondern die örtlichen Verhältnisse
und die recht verschiedenen Bedürfnisse und Rücksichten entschieden
alles. Die Schule bildete keine Angelegenheit des Staates oder der
Stadt, sondern der Kirche, und daher kam es oft zwischen beiden zu
Auseinandersetzungen. Die Zucht in den Schulen war strenge; Stock und
Rute spielten eine große Rolle, sie blieben die unentbehrlichsten
Hilfsmittel im Unterricht. Auf bildlichen Vorstellungen des
Mittelalters ist die Rute das Standessymbol des Lehrers. Als Unarten
der Schüler jener Zeit werden nur solche Vergehen berichtet, die auch
die heutige Jugend noch nicht abgelegt hat. Nach der Schulzeit kam die
Lehre und damit der Ernst des Lebens.

Über die Lehrzeit sagen die niederdeutschen Quellen wenig. Sie war
verschieden bemessen und schwankte zwischen zwei und zehn Jahren.
Alter, Bildungsstand, Lebensstellung des Lehrlings spielten eine
bestimmte Rolle. Lehrlingsordnungen überlieferte erst eine spätere
Zeit. Es darf jedoch als sicher gelten, daß manche von diesen schon
früher bestanden. In einigen dieser Bestimmungen fesselt besonders
die Verfügung, die dem jungen Kaufmannsgesellen einen zweijährigen
Aufenthalt in der Fremde vorschrieb. Hierin haben wir den Schlüssel
zu der Stellung des hansischen Kaufmanns. Jeder mußte hinaus, um
sich an anderen Orten, an fremden Plätzen, an fremden Märkten
Erfahrungen zu sammeln, die ihn später in den Stand setzten, nicht
nur für sich, sondern auch für das Wohl seiner Vaterstadt zu wirken.
Die Lehrzeit war gewiß recht hart, denn der junge Kaufmannslehrling
mußte auch im Haushalte tüchtig zugreifen; Einheizen, Feuerstechen,
Hauskehren, Wein-, Bier- und Wasserholen gehörten vielfach zu seinen
Dienstobliegenheiten. In den Bestimmungen wurde der Lehrherr darauf
hingewiesen, den Lehrling in Gottesfurcht zu erziehen und allseitig
auszubilden. Es darf nicht vergessen werden, daß der Lehrling oft sehr
jung in die Lehre kam und häufig genug erst jetzt seine Schulbildung
vervollständigte. Wenig hören wir von der Erlernung fremder Sprachen,
abgesehen von dem Latein. Man darf als sicher annehmen, daß der
Kaufmann der hansischen Zeit auch versucht hat, die Sprachen der
Völker, mit denen er Handel trieb, zu beherrschen. Lehrjungen und
Gesellen waren bei den Kaufleuten besonderen Aufnahmegebräuchen
unterworfen, die nach Ort und Zeit durchaus verschiedenartige waren. Am
bekanntesten sind die Spiele am Kontor zu Bergen geworden. Von ihnen
soll noch in einem anderen Kapitel die Rede sein.

Nach überstandener Lehrzeit wurde aus dem Lehrling ein Handlungsdiener,
er wurde Knecht oder Geselle. Die Bezeichnungen haben eben verschieden
gelautet. Jetzt begann für ihn die Zeit der Reise; entweder begleitete
er dabei seinen Herrn, oder dieser beauftragte den jungen Menschen,
in die Fremde zu gehen. Gleich dem Wandern der Handwerkergesellen
waren diese Handelsfahrten für den jungen Kaufmann von Wichtigkeit,
sie gaben ihm Weitblick und Unternehmungsgeist und verliehen seinem
Dasein Reiz. „Koplude, loplude“ sagt ein altes Wort, das die Seite
des kaufmännischen Lebens jener Tage dadurch scharf beleuchtet.
Heutzutage, der Zeit der Durchgangszüge mit Speisewagen, reist es
sich bequemer und schneller als in jener Vergangenheit, in der die
Land- und Heerstraßen nur schlecht im Stand gehalten wurden. Nur die
ärgsten Stellen und Löcher auf den großen Landesheerstraßen besserte
man notdürftig mit Reisig und Knüppeln aus. Langsam und mühsam bewegten
sich die hochbeladenen, mit einer großen Plane überspannten Frachtwagen
vorwärts. Staub und grundloser Schmutz belästigten die Begleiter.
Manches Rad und manche Achse gingen an Steinen und in Tiefen zuschanden.

Der wandernde Geselle schritt mit seinem Ränzel nebenher, der reiche
Kaufherr ritt nebenan. Es war notwendig, sich mit Lebensmitteln wohl
zu versorgen, denn die Wirtschaften an Straßen und in den Dörfern
hatten nur selten etwas Genießbares. Auf Heuböden, bei der Ofenbank,
auf den Tischen der Wirtsstuben wurde genächtigt. Oft blieb der
Reisende lieber unter freiem Himmel. Geiler von Kaisersberg ruft
mitleidig aus: „Was muß der Kaufmann alles leiden! Er muß elende
Herbergen aufsuchen, manch böses Mahl mit guten Zähnen essen und teuer
bezahlen.“

[Illustration: Schiffbruch eines Bergenfahrers.

Nach einem Altargemälde in der Marienkirche zu Lübeck.]

Die Schiffahrt, das wichtigste Hilfsmittel des hansischen Handels,
erfreute sich allseitiger Anteilnahme. Der norddeutsche Kaufmann
begleitete in der Regel seine Ware und wachte persönlich über sie.
Wie im Laufe der Zeit sich ständige und enge Beziehungen zwischen
den verschiedenen Häfen und Gebieten entwickelt hatten, dazu die
Handelsgesellschaften und Lieger sich mehrten, veranlaßten säumige
Schuldner oder andere Gründe einen großen Teil der Handelsherren,
sich oft den Gefahren einer Meeresfahrt auszusetzen. Die Seekrankheit
mit ihren unangenehmen Begleiterscheinungen focht nicht weiter an.
Dafür drohten Seeraub, Kaperei und Strandrecht, ferner konnten die
Naturgewalten durch Sturm und Unwetter Schiffbruch und Strandung
herbeiführen. An der Westwand der Briefkapelle in der Marienkirche zu
Lübeck hängt ein Gemälde, das den Untergang eines lübischen Dreimasters
an der norwegischen Küste im Jahre 1489 darstellt. Der Sturm hat
die Masten zersplittert, die Segel zerrissen; an Kisten und Planken
geklammert, sucht sich die Schiffsbesatzung zu retten, einige haben
glücklich die Felsenküste erreicht. Spruchbänder an der Tafel erzählen,
daß der Schiffer und dreiunddreißig Mann ertrunken seien.

Der unbekannte Stifter des Bildes, wahrscheinlich ein aus dem
Schiffbruch glücklich geretteter Bergenfahrer, schließt daran die
Ermahnung:

    Och, guden gesellen, holdet nicht to licht,
    Er gi to scepe gat, gat jo to der bicht.
    Et was so kort ene tyt,
    Dat wy unses levendes worden quid.
    En pater noster vor alle cristen seelen![2]

Aus diesen einfachen Versen spricht das religiöse Empfinden, das
jeden vor Beginn einer größeren, mit Gefahren verknüpften Reise
veranlaßt, für sein künftiges Seelenheil zu sorgen. Man darf jedoch die
Unsicherheit der Land- und Wasserstraßen nicht übertreiben. Es lauerten
weder an jeder Straßenecke oder in jedem Walde Räuber auf, noch
verbargen sich hinter jeder Klippe oder in jeder Bucht Vitalienbrüder.
Die Regel bildete das sichere Vollbringen der Fahrten. Von ihnen wird
nicht viel gesprochen. Ohne das glückliche Vollenden vieler Fahrten
wäre ein so reger und ständig wachsender Handelsverkehr nicht möglich
gewesen. Mehr sprach man von den Reisen, die durch Raub und Plackerei
betroffen wurden, und umfangreiche Schriftstücke in den Archiven
der Städte beweisen, daß man mit vieler Umständlichkeit Beschwerden
zu Papier gebracht hat. Der hansische Kaufmann reiste gern. In das
Einerlei des Tages brachte die Fahrt willkommene Abwechslung. Nach der
Heimkehr erwartete den jungen Kaufmann die Pflicht des Tages. Er mußte
mitwirken in der Schreibstube, in den Räumen des Hauses oder auf den
Kaufhöfen. Einerlei, ob er in das väterliche Geschäft eintrat oder sich
selbständig machte. Spärlich ist die Auskunft über diese Tätigkeit; und
in den Handelsbriefen und Handelsbüchern jener Epoche des deutschen
Handels wird wenig darüber berichtet. Bildliche Darstellungen von den
Meistern jener Zeit wissen uns mehr zu erzählen. Sorgen aller Art
haben auch damals den Kaufmann bedrückt. Der Durchschnittskaufmann
jedoch überarbeitete sich nicht. Das Hasten unserer Zeit, Telephon
und Telegraph kannte er nicht, und reiflich und langsam überlegte er
seine Geschäftsabschlüsse. Man erhob sich zwar früh aus den Federn,
um der Frühmesse beizuwohnen. Dann kam das gemächliche Verzehren der
Morgensuppe, dann die Arbeit oder die Ratssitzung, und wenn sich
zur Mittagszeit der Hunger wieder einstellte, so gab’s nach dem
Essen eine längere Ruhepause. Des Nachmittags ging man wieder den
Berufsgeschäften nach, um zwischen vier und fünf Uhr zu vespern; damit
war dem Arbeitstage sein Ziel gesetzt, und nur in eiligen Zeiten, wenn
die Arbeitsmenge sich häufte, so zum Beispiel bei der Ankunft oder vor
der Abfahrt von Flotten, wird sich mancher Kaufherr noch einmal des
Abends in seine Schreibstube verfügt haben, um die Geschäftspapiere zu
erledigen.

[Illustration: Der Artushof in Danzig.

Nach einer Aufnahme der Kgl. Meßbildanstalt in Berlin.]

[Illustration: Das Haus der Schiffergesellschaft zu Lübeck.]

Das Leben war im Mittelalter bis in das 15. Jahrhundert hinein arm und
hart, und erst in einer Zeit, da von Italien der Prunk und Anspruch
nach Deutschland vordrangen, wurde die Lebensart eine andere. Das
Haus und seine Einrichtung dienten bis dahin in erster Linie den
geschäftlichen Zwecken; für das Familienleben blieben nur enge und
unbehagliche Räume. Erst mit dem 15. Jahrhundert begann hier ein
Wechsel einzutreten, da zu dieser Zeit in norddeutschen Städten
die Verwendung der Glasscheiben ihren Eingang fand. Aus dem Grunde
ist es erklärlich, daß die Bewohner jener Zeit den Trieb nach
Geselligkeit außerhalb des Hauses befriedigten und in Klubhäusern und
Ratskellern ihre Zusammenkünfte pflegten. Die Artus- und Junkerhöfe,
Seglerhäuser und Schüttinge, Bursen und Säle, unter welchen Namen
diese Versammlungs- und Trinkhäuser ihren Zwecken dienstbar waren,
sahen namentlich in den Wintertagen und nach des Tages Last und Hitze
trinkfrohe Kreise in ihren Räumen versammelt.

Ein bemerkenswertes, eigenartiges und noch in unserer Zeit viel
aufgesuchtes Versammlungshaus aus den Tagen der Hanse bildet das Haus
der Schiffergesellschaft zu Lübeck.

Doch treten wir ein! Eine große Diele umfängt uns. Immer von neuem übt
dieser Raum auf den Besucher seine Wirkung. Wie wunderlich ist er, und
doch wie charaktervoll! Hier weht Seeluft. Wie der Seemann selbst in
alter Zeit war, so ist auch sein Vereinslokal, behäbig, derb und voller
Erinnerungen; und wie den Seemann erst ein längeres Verweilen und das
Eingehen auf seine Worte veranlaßt, sich dem Gaste zu erschließen und
sein ‚Garn zu spinnen‘, so lösen sich auch hier erst allmählich und
nach einigem Verweilen aus der Dämmerung des Raumes die ‚Erinnerungen‘,
jene sonderbaren Dekorationsstücke, die, in Jahrhunderten aus
aller Welt zusammengebracht, den Raum bis in die fernsten Winkel
füllen. Von der verräucherten Decke hängen die alten Schiffsmodelle
herab, dazwischen prangt der mächtige Messingkronleuchter. Alte
Heiligenstatuen bemerken wir an den Schränken, Bilder an den Wänden,
Kränze und Teller auf den Borden. Jedes Stück hat seine Geschichte.
Zwei große Bilder an einem Pfosten stellen den ‚Adler‘ dar, jenes
gigantische Lübecker Admiralsschiff vom Jahre 1567. Das Gestühl an der
südlichen Wand trägt als Wappen zwei gekrönte, gekreuzte Bootshaken.
Dies ist das eigentliche Wappen der Schiffergesellschaft. Auf den
Lehnen der übrigen ‚Gelage‘ in der Mitte des Raumes erblicken wir die
Wappen der Bergenfahrer: ‚Gekrönter Stockfisch‘ und ‚Halber Adler‘,
der Rigafahrer: ‚Burg mit gekreuzten Schlüsseln‘, und der Revalfahrer:
‚Drei Leoparden‘.

Hier fanden sich die Schiffer nach den Gesellschaften zusammen,
denen sie dienten, und hier trafen sie am ehesten gute Bekannte. Aus
dicken Eichenplatten ist das Gestühl gezimmert, derb wie der Seemann,
der einst darauf saß. Am Tische der Älterleute, dem sogenannten
Beichtstuhl, finden wir wieder das Wappen der Gesellschaft, die
gekreuzten Bootshaken. Die Hausordnung stammt aus dem Jahre 1580. Ohne
Umschweife ward hier verfügt:

    „Dit Nafolgende hebben de Hanße Bröderschop bewilliget: de disses
    Huses Gerechtigkeit nicht wil dohn ahne Kiwen den schall men up
    disse Taffel schriewen unde schall dar so lang up stahn dat he
    disses Huses Gerechtigkeit hefft gedahn. Beer tappen schall men ehm
    hir nicht, so lange dat he sine sake Hefft maket schlicht.[3]

                            Anno 1580.“

Ein strammes Regiment scheint hier geherrscht zu haben. Es mußte
wohl so sein, besonders bei den ‚großen Schaffen‘, den jährlichen
gemeinsamen Festmählern, die nach Schluß der Schiffahrt gefeiert
wurden. Dann erhellte der herrliche vielarmige Kronleuchter den Raum,
Wachslichter brannten überall, und über dem Ölleinenbezug der vier
großen Laternen huschten die Silhouetten von Schiffern, Reitern und
Fußsoldaten.

Versetzen wir uns im Geiste einmal in die vergangenen Tage zurück.
Es geht hoch her. Die ganze Diele sitzt gedrängt voll. Mancher, der
am Feste teilnehmen möchte, kehrt mißmutig wieder um. Die Musikanten
sitzen auf den Schränken und blasen mit anerkennenswerter Stärke gegen
die Unterhaltung an. Immerhin ist noch der Lärm erträglich. Eben ist
das Essen abgetragen, und die ersten Krüge schäumenden Bieres sind
aufmarschiert. Zufrieden sehen wir einen der Schiffer zwischen den
Bänken umherwandeln. Er und sein Genosse haben es nicht leicht. Auf
ihr eigenes Risiko geht die ganze Veranstaltung. An nichts haben die
beiden es fehlen lassen. Man sieht es aber auch den Gesichtern der
Brüder an: es hat geschmeckt. Vier Musikanten sind diesmal auch mehr
als beim Schaffen des vorigen Jahres. Auf ihre Kosten kommen die beiden
Schaffer diesmal wohl nicht. Aber man sieht’s dem gutmütigen Gesicht
der Veranstalter an, daß sie es nicht verdrießt, wenn nur alles ‚in
goden freden‘ verläuft und die Brüder sich amüsieren. Das Gelage nimmt
seinen feuchtfröhlichen Verlauf ohne Störung. Im Durcheinander von
Singen, Erzählen und Musizieren muß man selbst schon ziemlich laut
werden, um sich verständlich zu machen. Das ist etwas für Leute mit
Nerven! So fühlen sich unsere Seebären gerade wohl und sind angeregt
wie selten. Rauchwolken wie aus einem kleinen Schornstein steigen
in die Luft und lagern über der munteren Gesellschaft, die grause
Gefahren und Abenteuer des vergangenen Jahres mit Phantasie verbrämt
zum besten gibt. Und seßhaft sind sie! Der grauende Morgen findet noch
alles fidel beisammen. „Und sind lustig gewesen bis des Morgens halb
sieben,“ bemerkt schmunzelnd der Schaffer in seinem Buche und fügt
erleichterten Herzens hinzu: „und is wol thogan“.[4] Nicht immer kann
er das berichten. Im hohen Seegang der Bierbegeisterung wird wohl
mancher Zusammenstoß erfolgt sein. Schwerwiegende Vergehen gegen die
Ordnung des Hauses finden wir jedoch nur selten vermerkt. Die warnende
Tafel hat doch wohl ihre Bestimmung nicht verfehlt. Heutzutage schreckt
sie niemanden mehr. Wann hat wohl der letzte Name darangestanden? Lang,
lang ist’s her! Anders sind die Gäste, die im Schifferhause heute
verkehren, ruhiger vor allem und weniger ausdauernd. Und wenn’s auch
jetzt noch manche späten Zecher gibt, bis ‚des Morgens halb sieben‘ hat
das Haus der Schiffergesellschaft wohl lange keine Gäste mehr bei sich
gesehen.

    „Es ändert sich die Zeit und wir mit ihr!“

Auch das Kirchenjahr mit seinen vielen Feiertagen bot alt und jung,
hoch und niedrig Gelegenheit, sich an besonderen Festlichkeiten zu
vergnügen, dem Frohsinn und der Erheiterung gaben die Tage vor den
Fasten viele Gelegenheit. An sie reihten sich wiederum Mai-, Pfingst-
und Schützenfeste und die Jahrmärkte mit Gaukelspielern, Akrobaten,
Possenreißern und sonstigen Künstlern.

Mit der Zunahme des Wohlstandes wuchs das Bestreben, sich gegenseitig
zu überbieten, und nicht immer vergrößerte sich damit der innere Gehalt
der Vergnügungen. „Speise und Trank, Kleidung und Schmuck, Tanz und
Spiel blieben für lange Zeit die vornehmsten Vergnügungen“.

[Illustration]



Der hansische Kaufmann im Auslande.


1. Nowgorod.

Die Bedeutung der Hanse beruht darauf, daß sie die Handelsbeziehungen
des Ostens mit denen des Westens verband. Sie umfaßte damit ein
Handelsgebiet von großem Umfange, in dem die verschiedenartigsten
Verhältnisse herrschten, die aber trotzdem den Hansen dienstbar gemacht
wurden. An allen wichtigen Stapelplätzen der damaligen Handelsgebiete
hatten die Hansen Niederlassungen inne, die man mit dem Namen ‚Kontor‘,
dem die Bedeutung Schreibstube zugrunde liegt, bezeichnete. Am meisten
genannt wurden Nowgorod, Bergen, Brügge und London; sie bildeten die
vornehmsten Sammelplätze der hansischen Deutschen im Auslande. Diese
Sammelpunkte waren keine Kolonien, sondern glichen mehr Faktoreien, die
jedoch nicht einem einzelnen Handelshaus gehörten und nur bestimmte
Handelsgeschäfte betrieben, sondern Eigentum der Gesamtheit waren. Die
Kontore dienten den Kaufleuten während des Aufenthalts im Auslande
als Stützpunkt und Wohnung. Jeder, der in ihnen Wohnung nahm, ging
seinen eigenen Handelsbeziehungen nach; er war nur für die Dauer des
Aufenthaltes bestimmten Vorschriften unterworfen. Alle Kontore samt den
Niederlassungen standen trotz der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse
unter hansischer Aufsicht; sie konnten nur ihre inneren Angelegenheiten
selbständig regeln; alle wichtigen Maßnahmen und Handlungen hingen
seit der Mitte des 14. Jahrhunderts von der Genehmigung des
Gesamtverbandes ab. Häufig kamen Vertreter der Höfe auf die Hansetage
zur Berichterstattung, stimmberechtigt waren diese Abgesandten nicht.

Das Leben in den ausländischen Kontoren regelte eine bestimmte
Hausordnung, auch hatten die Besucher durch festgesetzte Abgaben zum
Unterhalt beizutragen. Der Trieb der Selbsterhaltung zwang die Hansen,
sich im Auslande mit solchen festen Formen zu umgeben.

[Illustration: Das Haus der Hanse in Antwerpen.

Nach einem Kupferstich von F. de Wit.]

Aus dem Jahre 1225 stammte die ‚Skra‘ des Hofes zu Nowgorod, die
später durch allerlei Zusätze noch ergänzt wurde. Sie zeigt uns ein
vollständig aufgebautes Kontor. An der Spitze der Niederlassung
stand der Ältermann als Richter. Er war zugleich der Vertreter nach
außen, und bei ihm lag die innere Verwaltung. Seine Tätigkeit wurde
unterstützt durch einen zweiten Ältermann, der mehr die Verwaltung im
einzelnen zu führen und die Abgaben und Strafgefälle einzuziehen hatte.
Unter den Kaufleuten bedeuteten die +Landfahrer+ am wenigsten. Sie
kamen mit Karren und Lastwagen und führten auf diesen ihre Waren durch
Preußen und Livland ein. Ihre Warenmenge war gering, ihr Aufenthalt auf
dem Hofe kurz. Größere Bedeutung besaßen schon die +Sommerfahrer+,
die nach der Eröffnung der Schiffahrt mit zahlreichen Fahrzeugen
die Newa herauf kamen, auch brachten sie mehr Waren mit und belebten
durch die Warenfülle den Markt, der das Volk an sich zog. Aber ehe die
Schiffahrt zu Ende ging, segelten sie schon wieder heim. Die Herren
des Hauses waren die +Winterfahrer+, die am Schlusse des Herbstes
flottenweise herankamen; sie blieben während der Winterzeit im Kontor
und richteten sich dort, so gut sie es vermochten, heimisch ein. Trotz
aller Gefahren besorgten sie ihre eigenen und die von den Sommerfahrern
hinterlassenen Geschäfte, um dann mit der Eröffnung der Schiffahrt
heimzukehren.

Eine jede Gruppe ernannte bei ihrer Ankunft den Ältermann. Der
Ältermann der Winterfahrer konnte sogleich nach seiner Ankunft auf dem
Hofe nach Belieben ein Haus wählen und in dieses aufnehmen, wen er
wollte. Ähnliche Rechte erlaubten ihm die Verfügung über die Nischen in
der gemeinsamen Winterstube; sie war der Gesellschafts- und Speiseraum,
der allen Kaufleuten offenstand. Eine besondere Ordnung regelte den
Aufenthalt und die Gebräuche in dieser Räumlichkeit. In dem Zimmer
durfte niemand sich zum Trinken setzen, wenn die Gesellschaft sich vom
Eßtisch erhoben hatte. Eine Mark in Silber oder eine Mark Strafgeld
sühnte dieses Vergehen. Gleicherweise war es niemand gestattet, das
Zimmer als Wohn- und Schlafstube zu benutzen.

In einem besonderen Raume lebten die Knappen, Gesellen und Lehrlinge
unter ihrem besonderen Ältermann. Sie konnten von ihrem Mietsherrn
nicht entlassen werden, solange die Fahrt dauerte. Zehn Mark Strafe
hatte dieser zu zahlen, falls er’s dennoch ausführte.

Zu dem Hofe gehörte ein umfangreicher Grundbesitz, der noch eine
Anzahl Wohngebäude und Lagerräume umfaßte, die sich um die St.
Peterkirche gruppierten. Da die Russen zu Überfällen geneigt waren,
wurde alles, sowohl bei Tage wie bei der Nacht, verschlossen gehalten
und bewacht. Den Hofwarten lag die strenge Pflicht ob, zu jeder Zeit
auf die äußere Ordnung im Hofe zu achten. Sie konnten nicht eher ihre
Schlafstelle aufsuchen, bevor nicht drei von den Kaufherren, den
Meistern, die auf eigene Kosten im Hofe wohnten, schliefen. Große Hunde
liefen während der Nachtzeit frei umher. Auch über diese hatte der
Hofwart die Aufsicht. Für jeden Schaden, den die Hunde anrichteten,
wurde er verantwortlich gemacht. Im 14. Jahrhundert kam eine neue
Skra mit mannigfachen Erläuterungen heraus, in denen deutlich die
Vorherrschaft Lübecks erkennbar war. Die neue Verordnung verbot dem
Kaufmann, von einem Russen Waren auf Kredit zu nehmen. Gleichzeitig
untersagte sie ihm, mit einem Fläminger oder Engländer oder Russen
eine Handelsgesellschaft einzugehen. Das Handelsgut, das auf den Hof
kam, mußte von den Älterleuten und den Beigeordneten beschaut werden;
schlechte und verfälschte Waren wurden mit einer Geldstrafe belegt.

[Illustration: Ansicht der alten Stadt Nowgorod im 15. Jahrhundert.

(Aus Schiemann, Rußland, Polen und Livland bis ins 17. Jahrhundert.)]

Als Meister auf dem Hofe galt damals der, welcher auf eigene Rechnung
wohnte. Hatte er Knappen mitgebracht, so mußte er diese bei einer
Strafe von fünf Mark wieder mit nach Hause nehmen. Es bestand für
ihn die Verpflichtung, sobald er seine Ware verkauft und seine
Angelegenheiten geordnet hatte, daß er abfuhr.

Der Petershof in Nowgorod bildete einen mit Planken umzäunten Raum,
in dem die Häuser standen, die man als Verkaufshallen, Wohnbuden,
Lagerhäuser usw. benutzte. Ein Hauptgebäude bildete die Kirche,
die hier den Hansen unter Andersgläubigen besonders lieb war. Die
Geistlichen warteten nicht nur ihres Amtes, sie halfen auch dem
Kaufmann bei seinem Schreibwerk. In der Kirche bewahrte man auch die
Kleinodien, die Schriften, die Kasse des Hofes, sowie das für alle
Streitfälle nötige Normalmaß und Gewicht.

Nach der Mitte des 14. Jahrhunderts erfuhr die Kontorordnung eine
Erweiterung. Von nun an konnte der einzelne bei seiner Ankunft wählen,
ob er seine Waren außerhalb oder innerhalb des Hofes niederlegen
wollte, denn die Warenhäuser auf den Höfen hatten nur beschränkten
Raum. Die drei größeren von ihnen, ‚Kleten‘ genannt, boten für je
vierundzwanzig Meistermänner Platz. Jede Haushaltung des Hofes hatte
wieder eine besondere Ordnung, einen selbstgewählten Vogt mit einem
Meister und einem Knappen als Gehilfen und Aufseher über jeden Zweig
der Haushaltung. Der Vogt war für die Ordnung des Hofes verantwortlich,
hatte jeden Sonnabend Gericht zu halten und durfte für alle Vergehen
gegen die Ordnung Geldstrafen erkennen. Jedes Spiel, wobei über einen
Vierding[5] verloren werden konnte, war bei zehn Mark Strafe verboten;
spielte aber jemand in einem russischen Hofe, so zahlte er fünfzehn
Mark und verlor das Hofrecht; wer den andern erstach, hatte sein Leben
verwirkt, wer ihn vorsätzlich verwundete, verlor die Hand, wer ihn
schlug und ohne Grund schimpfte, zahlte eine Geldstrafe. Diebe wurden
in gemeinen Versammlungen gerichtet und kamen an den Galgen.


2. Bergen.

Unter günstigeren Verhältnissen als in Rußland lebte der hansische
Kaufmann in Norwegen, nachdem er dort Herr des Handels geworden war.
Kleinere Kaufhöfe bestanden in Tönsberg und Oslo, die Rostock benutzte.
Eine größere Bedeutung erhielt das Kontor zu Bergen, das an einer
geschützten Meeresbucht liegt.

[Illustration: Die deutsche Brücke in Bergen.]

Schon seit dem 13. Jahrhundert zog es die deutschen Kaufleute und
Handwerker an; diese führten die Bezeichnung ‚Schuster‘, so genannt,
weil jene ihre stärkste Gilde bildeten. Sie hielten sich allezeit
im Glück und im Unglück zu den Hansen. Dadurch, daß eine Anzahl von
Kaufleuten während der langen Winterzeit in Bergen blieb und daselbst
für den Aufenthalt Häuser erwarb, wurde der Grund gelegt zu dem
hansischen Kontor, von dem um die Mitte des 14. Jahrhunderts zuerst
in der Geschichte berichtet wird; nach 1429 kam diese Niederlassung
erst zur vollen Blüte. Der Teil des Gestades, an dem die alten
Baulichkeiten standen, führte die Bezeichnung: ‚Die deutsche Brücke‘.
Sie lag am Ende der Meeresbucht Vaagen so günstig, daß die Schiffe
dicht an den Landungsbrücken anlegen konnten und hier mit Hilfe von
hohen beweglichen Kranen sehr leicht ihre Warenballen löschten. In
einer Reihe lagen dreißig Häuser; sie führten die Bezeichnung Garde
oder Garten; aus rohen Balken hergestellt, waren sie meist dreistöckig,
hatten zwar eine schmale Vorderseite, aber eine große Tiefe, außerdem
standen sie dicht nebeneinander. In ihnen lebten Kaufleute und
Kaufmannsgesellen, Bootsjungen und Dienstleute zu besonderen Familien
abgeteilt unter Aufsicht der ‚Hausbonden‘ in engen, niedrigen
Stuben. Im Hintergrunde der Gebäude lag der ‚Schütting‘, ein langer,
viereckiger Raum, ohne jeden Schmuck, mit nur wenigen kleinen
Fensteröffnungen. In ihm versammelten sich während der Winterzeit um
die lodernden Holzfeuer die Hausgenossenschaften. Eine Luke im Dach
ließ den Rauch von dem Feuer abziehen. An den Wänden herum standen
Bänke. Jeder Bewohner hatte seinen bestimmten Platz und über diesem
in einem Schränkchen sein Eß- und Tischgerät. Die Zubereitung der
Speisen geschah in einem besonderen Küchenraume, der ‚Elthaus‘ hieß,
dort befand sich auch der Brunnen. Die Speisen wurden durch ein
Schiebefenster von der Küche in den Schütting hineingereicht. Hinter
den Gebäuden lag ein kleiner Garten, der die nötigen Küchengewächse
lieferte. In jedem dieser Häuser wohnten etwa hundert Mann, insgesamt
also dreitausend; während der Zeit des Sommerverkehrs vergrößerte sich
die Zahl natürlich erheblich. In den Räumlichkeiten herrschte keine
gute Luft, weil die Bewohner dicht zusammengepfercht hier hausten
und die umliegenden Gebäude nur wenig Licht und Luft hereinließen.
Der Geruch der getrockneten Fische, der Qualm und der Dunst von den
Feuerstätten machten den Aufenthalt nicht angenehmer.

[Illustration: Bergen zur Zeit der Hanse (16. Jahrhundert).]

Im Kontor zu Bergen herrschte gleichfalls eine strenge Zucht; niemand
durfte verheiratet sein, dazu war den Frauen der Aufenthalt in der
‚deutschen Brücke‘ verboten. Man pflegte auch keinen freundschaftlichen
Verkehr mit den Norwegern; wer eine Norwegerin heiratete, verlor sein
deutsches Recht. Den Tag verbrachten alle in angestrengter Arbeit,
und der Abend bot bei einem fröhlichen Umtrunk die Entschädigung,
bis die festgesetzte frühe Stunde alle in die dumpfe Stube zwang.
Für Beratungen, als Sammelplatz für die Börse und auch als Amtshaus
benutzten die Hansen das nahegelegene Kaufmannshaus.

Auch in der Ferne wurde der Gottesdienst nicht vergessen, zwei
Pfarrkirchen boten die Gelegenheit dazu. In einer walteten deutsche
Priester ihres heiligen Amtes.


3. Spiele der Hansen zu Bergen.

Bei den Kaufleuten im Kontor zu Bergen gab es allerlei berühmte, oder
besser gesagt, berüchtigte Spiele, durch die insbesondere die neuen
Lehrburschen geplagt wurden. Sie sollten die Kurzweil bieten für die
Unbehaglichkeit des Kontors. Der Zweck der Veranstaltungen war, wie
die Geschichte berichtete, junge reiche Leute abzuschrecken, sich
nach Bergen aufs Kontor zu begeben, damit später aus ihnen keine
gefährlichen Konkurrenten erwüchsen. Besonders spielten die Prügel eine
große Rolle. Durch die eigentümliche Art der Erprobung verfolgte man
auch den Zweck, Muttersöhnchen den Aufenthalt zu erschweren, oder man
wollte sie im Ertragen von körperlichen Anstrengungen und Beschwerden,
deren ihrer genug im Kontor warteten, prüfen. Ähnliche Gebräuche, wie
wir sie im hansischen Kontor zu Bergen finden, hat man auch in anderen
Berufsständen während des Mittelalters geübt.

Der Neuling im Kontor mußte drei Proben bestehen, ehe er völlig in dem
Kreis der Hansen Aufnahme fand. Der Schmerz, den die jungen Burschen
bei diesen Proben empfanden, belustigte die älteren Hansen, die
Prinzipale und Gesellen, und gerade diese nannten die Spiele ergötzlich.

Die erste Probe wurde das Rauchspiel, auch ‚+Rookspill+‘, genannt;
es stellte eine Art Feuerprobe dar. Im feierlichen Zuge holte an einem
Feierabend um zehn Uhr unter Trommelschlag eine Prozession von Gesellen
den Neuling ab. Ein gar buntes Bild bot der Zug. Einige der Burschen
als Bauern, andere als alte Weiber und Narren verkleidet, trugen
allerlei Holzspäne, altes Gerümpel, Lederstücke und dergleichen Sachen
mehr. Im feierlichen Zuge ging’s in ihren Schütting. Der Lehrling,
dem die Veranstaltung galt, wurde in einen Sack gesteckt und durch
die Dachluken des Schüttings hinaufgewunden, unter ihm wurden das
Holzgerümpel, die Haare und das Leder verbrannt, den beißenden Qualm
und den erstickenden Rauch mußte der Neuling aushalten. Damit er auch
nicht zu wenig in seinen Hals bekam, hatte er auf alle ihm vorgelegten
Fragen laut und vernehmlich zu antworten, ja sogar Lieder zu singen.
Endlich war’s denn genug, der arme Bursche wurde heruntergehoben und
zur Abkühlung und Neuerweckung seiner Lebensgeister mit sechs Tonnen
Wasser übergossen.

[Illustration: Das Rauchspiel.]

Die zweite Probe bildete das ‚+Waterspill+‘; alljährlich am
zweiten Mittwoch nach dem Pfingstsonntag fand es statt. Die Neulinge
wurden zuvor gut bewirtet und am Nachmittage um drei Uhr in Kähnen aufs
Meer gefahren. Hier entkleideten sie sich, wurden ins Wasser geworfen
und dreimal untergetaucht, jedoch hielt man sie an den Armen fest.
Während sie noch im Wasser lagen, peitschten die Gesellen den bloßen
Rücken mit Ruten. Allzuhart ging es hierbei nicht her, denn jeder
Prüfling hatte einen Gesellen, der ihm Beistand leistete, indem dieser
mit Hilfe eines dichtbelaubten Maienbusches die Rutenstreiche auffing
und den Körper deckte. War diese Schaustellung vorüber, so kleidete man
die Burschen wieder an und führte sie zurück. Am Abend ging es in dem
Schütting hoch her, die Lehrburschen mußten beim Gelage ihre Prinzipale
und Gesellen bedienen.

Am Sonntage nach dem ‚Waterspill‘ kam die dritte Probe, das
‚+Stupenspill+‘ oder die ‚+Stupe+‘, zur Ausführung. Am Abend
vor dieser Schaustellung erwuchs den neuen Lehrburschen die Pflicht,
nach der nächsten Holzung zu rudern, um dort die neuen Maien- und
Birkenzweige zu holen, aus denen die Ruten gemacht wurden. Am nächsten
Morgen führte man die Lehrburschen unter Trommelschlag nach einem
Garten vor dem Tore; zwei Prinzipale, herrenmäßig gekleidet, waren
die Anführer. Andere der Kaufherren gingen als Rechenmeister mit, sie
besorgten auch die Bewirtung. Selbstverständlich fehlte auch nicht
der Hanswurst oder Narr; seine Kumpane waren ein als Bauertölpel
gekleideter Gesell und ein als Bauernweib maskierter Lehrling. Dieses
Kleeblatt foppte und neckte alle Welt, sprach in Reimen und trieb
allerlei Possen mit der Einwohnerschaft von Bergen, die diesem Aufzuge
gern zusah. Im Vorstadtgarten trieb die Schar sich eine Zeitlang herum
und kehrte alsdann mit Maienzweigen in den Händen auf den Hof zurück,
wo in der größten Schüttingstube um zwölf Uhr ein Mahl stattfand. Dann
begann der wichtige Augenblick für die armen Neulinge. Der Narr und
einige als Herren verkleidete Gesellen fingen zum Schein einen Streit
an; hierauf erhielten die neuen Lehrlinge den Befehl, ihn ins Paradies
zu bringen. Es war dies ein Alkoven oder ein Winkel im Schüttingsaale,
der zuvor heimlich in eine Marterkammer umgewandelt wurde. Gewöhnlich
hatte man die Lehrburschen bei dem Festmahl trunken gemacht, so daß sie
beim Eintritt in das sogenannte Paradies ihre vierundzwanzig als Bauern
vermummten Peiniger nicht erkannten. Einer der Gesellen redete die
Opferlämmer mit dem alten Spruch an:

    „Ehr sey gott, ehr sey gott,
    Daß reedt ich wahrlich sonder spott.
    Ey krupp ni dat hillige paradis,
    Dar skult du smecken barikenris,
    barikenris mit hupen,
    als 24 buren op din stert konnen stupen.“[6]

Ein ohrenbetäubender Lärm hub an; Pauken, Trommeln und Becken wirbelten
durcheinander, während die vierundzwanzig Gesellen über die Lehrlinge
herfielen, sie packten, über die Bank warfen und mit Birkenruten aus
Leibeskräften so lange bearbeiteten, bis das Jammergeschrei der Armen
die laute Musik übertönte. War auch diese letzte Probe überstanden,
dann galt der Lehrbursche als vollgültiges Mitglied der hansischen
Vereinigung in Bergen.

Ohne Frage waren es grobe, allzu derbe Spiele. Im Jahre 1671 bereitete
ihnen König Christian V. von Dänemark und Norwegen durch ein besonderes
Gesetz ein Ende; er verbot den Hansen bei schwerer Geldstrafe die
Veranstaltung dieser Spiele.


4. Der Stahlhof in London.

Oberhalb von der Londoner Brücke lag, von engen Straßen begrenzt,
festungsartig mit hohen Mauern umgeben, der +Stahlhof+, das
Kontor der Hansen in London. Die starken Mauern, die ihn umgaben,
waren nicht umsonst so dick, denn mehrmals boten gerade sie den
Insassen vor den Angriffen des Pöbels Schutz. Diese Niederlassung
erhielt in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ihre Bezeichnung von
der größten Halle der Anlage, in der die Tücher, die von Köln kamen,
‚gestalt‘, das heißt geprüft wurden. Im 16. Jahrhundert führten von dem
mehrstöckigen Gebäude drei Steintüren nach der Straße; zwei von diesen
waren vermauert, die mittelste aber stets streng bewacht. Lateinische
Inschriften zierten den Eingang. Sie hießen: „Fröhlich ist dieses Haus
und stets mit Gutem gefüllet, hier sind Friede, hier Ruhe und immer
ehrbare Freude“. Eine andere lautete: „Gold ist der Vater anmutigen
Glücks und der Sprößling des Schmerzes; es zu entbehren ist hart, es zu
besitzen bringt Furcht.“ Eine dritte besagte: „Wer sich weigert, dem
Guten zu gehorchen, vermeidet den Rauch, aber fällt in die Flammen!“
Die Versammlungen und die festlichen Veranstaltungen der Hansen fanden
in der Halle statt. Ein reiches Geschirr zierte die Tafeln, an den
Wänden prangten zwei Gemälde von Hans Holbein: ‚Triumph des Reichtums‘
und ‚Triumph der Armut‘. Von den übrigen zahlreichen Baulichkeiten,
den Wohnungen, Kaufräumen und den Warenhäusern wurde das rheinische
Weinhaus von der vornehmen Einwohnerschaft Londons gern und viel
besucht. Allerlei Leckerbissen, unter anderem Kaviar und geräucherte
Zunge, bildeten hier eine willkommene Zugabe zum Wein. Ein benachbarter
Garten, in dem Obstbäume und Weinreben sich fanden, gewährte im Sommer
angenehmen Aufenthalt und bot Platz für allerlei Spiele. Auch auf dem
Stahlhofe zu London herrschte strenge Zucht und Ordnung; dort verboten
die Statuten, die aus dem Jahre 1320 stammten, den Frauen den Zutritt.
Nach strenger Sitte hatte auch hier jeder seinen festen Platz inne.
Meister und Gesellen saßen stets gesondert voneinander bei Tisch.
Die Trunkenheit, das Würfelspiel und die Unsittlichkeit wurden nicht
geduldet; wer sich gegen die festgesetzten Sittenregeln verging, mußte
schwere Bußen erlegen. Pünktlich um neun Uhr schloß man das Tor. Alle
Bewohner des Stahlhofes mußten Wehr und Waffen tragen, nicht nur zum
eigenen Schutz, sondern auch zur Verteidigung der Stadtmauern, denn im
Falle eines Krieges lag den Insassen des Stahlhofes die Pflicht ob, ein
besonderes Tor zu verteidigen.

[Illustration: Der Stahlhof in London.

Nach einer alten Zeichnung.]

Alle Geschäfte erledigte jeder Insasse nach eigenem Ermessen. Nur
hieß es darauf zu achten, beim Handel die allgemeinen Bestimmungen
zu befolgen. Fröhliche Feste erfreuten und erfrischten auch hier den
hansischen Kaufmann.

[Illustration: London im siebzehnten Jahrhundert.]

Eine besondere festliche Feier hielt alljährlich am 4. Dezember die
Hansen und ihre englischen Gäste zusammen. Ein auserlesenes Festmahl
eröffnete den Reigen, an den dargereichten Leckerbissen erfreuten
sich auch die Gäste aus der Stadt. Bei den Festfeiern der Londoner
fehlten die Hansen ebenfalls nicht, sie erschienen im geschlossenen
Zuge und nahmen als Gesamtheit, als Körperschaft hinter den städtischen
Beamten ihren Platz ein. An solchen Festtagen erstrahlte in den
Abendstunden der Stahlhof im schönsten Glanze. Tausende von Kerzen
und viele brennende Pechtonnen tauchten ihn in ein Lichtmeer, das
dem Kleinbürgertum Londons ein willkommenes Schauspiel bot, und gern
labten sich die Bewohner an freigebig gespendetem Wein und Bier.
Selbst die vornehmeren Bürger nahmen die Ehrengaben, die in Kaviar
oder Hering, Lachs oder gar in barem Gelde bestanden, gern an. Ein
begehrtes Geschenk bildeten ein Paar gute Handschuhe. An der Spitze
der Niederlassung stand wie in den übrigen Kontoren ein Ältermann. In
seinem Regimente unterstützten ihn zwei Besitzer und neun Ratsleute.
Alle Streitigkeiten zwischen den Deutschen schlichtete der Ältermann,
hingegen die zwischen Deutschen und Engländern ein aus Vertretern
beider Nationen zusammengesetztes Gericht; Verbrechen, auf die
Todesstrafe stand, unterstanden dem Urteile königlicher Richter. Der
Stahlhof hatte ein besonderes Wappen seit 1434. Es war ein wagerecht
geteilter Schild, oben weiß, unten rot, der den schwarzen Doppeladler
mit goldenem Schwanz zeigte, um den Hals eine Krone, zwischen den
beiden Köpfen einen Reichsapfel.

[Illustration]



Die Handelswaren der Hansezeit.


In den Jahrhunderten, in denen die Hanse herrschte, haben sowohl die
Waren als auch die Art, in der der Kaufmann seine Waren vertrieb, eine
mannigfache Änderung erfahren. Der Aufstieg des hansischen Handels kam
langsam, der Abstieg schneller; auch der Anteil, den die einzelnen
Hansestädte am Umsatz hatten, war verschiedenartig. Der Handel der
Hansestädte beschäftigte sich sehr stark mit Rohstoffen und ihrer
Herbeischaffung durch die Seefahrt. Ein großer Teil der eingeführten
Rohstoffe wurde entweder im Süden Deutschlands verarbeitet, oder er
ging auf dem Seewege nach Brügge, nach England, ja sogar bis nach
Spanien. Die Tätigkeit des hansischen Kaufmanns bildete nicht etwa
der Frachtverkehr, sondern der Zwischenhandel, in dem er zwischen dem
Verkäufer und dem Abnehmer als selbständiger Kaufmann auftrat. So wie
der Hanse die Rohstoffe verhandelte, schaffte er den flandrischen und
englischen Industrieerzeugnissen und denen des Gewerbes und der Kunst
ein Absatzgebiet. Einen reichen Gewinn zogen die Seestädte aus dem
Frachtverkehr, indem sie ihre Schiffe an den binnenländischen Kaufmann
vermieteten, da dieser der Fahrzeuge zum Fortschaffen seiner Waren
benötigte.

Die Art des Handels war zunächst sehr einfach; im sogenannten
‚Proper-Handel‘, das heißt Eigenhandel, erstand der Kaufmann persönlich
seine Waren, führte sie fort und schloß am anderen Ort den Kaufvertrag
mit dem Käufer ab. Oft kam eine Art Tauschhandel zustande, Ware wurde
gegen Ware vertauscht, und ein hinzugerechneter Aufschlag schuf
den Gewinn. Allmählich kam dann die Entwicklung; sie brachte den
Kommissionshandel auf, die reinen Geldgeschäfte nahmen zu, und die
Zahlungsanweisung, der Wechsel, fand von Italien aus den Weg nach
Deutschland.

Mit dem Wachsen des Handels entstand auch der Großkaufmann. Er zog
Untergebene zur Abwicklung seiner Geschäfte heran. Sie hießen die
‚Lieger‘ und waren berechtigt, eigene Geschäfte abzuschließen, auch
Schulden konnten sie einziehen. Entweder wohnten die Lieger an einem
fremden Platz, oder sie begleiteten die Waren nach ihrem neuen
Bestimmungsort; dort verkauften sie die Sendung und erwarben andere
Handelsartikel. In den hansischen Kontoren des Auslandes galt auch für
sie das Kaufmannsrecht.

Die Verkaufsläden und die Speicher bedienten die Gesellen oder Knechte,
die Verpackung, die Verladung und dergleichen Arbeiten gehörten
ebenfalls zu ihren Aufgaben. Die Kaufmannssöhne aus den vornehmsten
Familien begannen ihre Laufbahn auf der untersten Staffel. Glänzende
und verlockende Kaufläden mit prächtig aufgebauten Waren, die heute die
Städte zieren, kannte das Kaufmannshaus der hansischen Zeit nicht. Die
Vorratsräume in den Speichern, die Bodenräume und die Diele des eigenen
Hauses genügten zur Stapelung der Waren; in einer engen, einfachen
Schreibstube wurden die Handelsgeschäfte abgeschlossen, die Buchführung
und der Schriftwechsel erledigt. An manchen Orten besaßen die Gilden
dafür besondere Häuser. Die Krämer, die Kleinkaufleute der damaligen
Zeit, benutzten Keller, Vorbauten oder Stuben, um von ihnen aus ihre
Handelsgeschäfte im Kleinverkauf zu betreiben.

Die Verpackung der Waren, wie Ballen, Säcke, Fässer usw., wurde
durch besondere Handelsmarken gekennzeichnet, die sich aus geraden
oder krummen Linien zusammensetzten und so zur Kennzeichnung des
Besitzers dienten. Eine solche Marke hatte damals rechtlichen Schutz
und bedeutete für jene Zeit das, was heute die Firma darstellt. Der
hansische Kaufmann brachte seine Marke in den Handelsbriefen an, er
trug sie in seinem Siegelring, den er stets bei sich führte in dem
breiten Gürtel, in dem er auch seine Geldbörse bewahrte.

Höchst mannigfaltig waren die Gegenstände, die der hansische Kaufmann
verhandelte. Alle Reiche der Natur spendeten ihre Gaben. Als
wertvollsten Handelsartikel brachten der Norden und der Osten Pelzwerk,
das in der damaligen Kulturwelt weithin, selbst bis in den Orient seine
Verbreitung gefunden hat. Kostbares Pelzwerk galt als ein Zeichen der
Vornehmheit und des Reichtums. Verordnungen verboten zeitweise den
unteren Volksständen, Pelze und Pelzverbrämungen zu tragen. Als ein
Zeichen der mittelalterlichen Hochschätzung des Pelzwerks sei daran
erinnert, daß der Hermelinmantel noch heute als das Zeichen fürstlicher
Würde gilt. In der Verarbeitung des Pelzwerkes, in der Zubereitung der
Felle, in der Gerberei und der Kürschnerei hatten die Russen eine große
Kunstfertigkeit erlangt. Der Kaufmann mußte streng darauf achten, daß
er nicht übervorteilt wurde; er kaufte aus dem Grunde gern ungegerbte
Ware. Der Hauptstapelplatz für diese wertvollen Handelsartikel war
+Nowgorod+. Unter den Pelzarten fanden den meisten Absatz:
Hermelin und Wiesel, Eichhorn, Bär, Biber, Bisam, Fuchs, Iltis, Luchs,
Marder, Otter, Zobel, kurzum alle die Tiergattungen, die auch heute
ihre Felle zu allerlei Kleidungsstücken und Gebrauchsgegenständen
hergeben müssen. Mit dem größeren Anbau und der Zunahme der Bevölkerung
traten andere Handelsartikel hinzu. Lebendes Vieh und frisches Fleisch,
Handelsgegenstände, die heute große Bedeutung haben, konnten damals
nur in benachbarten Landstrichen verhandelt werden, ein größeres
Absatzgebiet fanden jedoch gedörrtes und gepökeltes Fleisch. Pferde
brachte der Kaufmann von Preußen und Schweden bis nach England.
Andere Erzeugnisse der Tierzucht erfuhren eine vielfache Verwendung.
Rohe und gegerbte Häute, Leder aller Art, Talg, Speck, Butter, Käse
kamen aus Norwegen und Schweden, Dänemark, Rußland und Deutschland.
Ein größeres Absatzgebiet errang sich die Wolle, die vorwiegend in
Flandern und England verarbeitet wurde. Die Hauptreichtumsquelle des
hansischen Kaufmanns bildete aber der Hering. Seine Ausfuhr erstreckte
sich über ganz Europa, und nur wenig geringer war der Handel mit
getrocknetem Fleisch, dem Stockfisch. Hierfür bildete +Bergen+ den
Hauptstapelplatz.

Als große Bezugsquelle für Wachs galt Rußland, wo die ‚Wachsbäume‘,
das sind die Stöcke der Waldbiene, unendliche Mengen erbrachten.
Jene Zeit brauchte viel von diesem Stoff. Ein frommer Gebrauch
des Mittelalters bestand in der Stiftung von Kerzen. Auch in den
Kanzleien der Regierungen benutzte man das Wachs, da den Urkunden
des Mittelalters wächserne Siegel angehängt wurden. In dem Hause der
Reichen und Vermögenden brannte an hohen Festtagen die Wachskerze; für
gewöhnlich begnügte sich jene Zeit mit den Unschlittkerzen und die
ärmeren Volkskreise mit der Tranlampe, die qualmend an der Wand hing.
Das Wachs kam geschmolzen, aber ungereinigt in großen Blöcken in den
Handel. Auf den Kontoren prüften besondere Kenner die Qualität, um
Fälschungsversuchen vorzubeugen. Den Gefährten des Wachses, den Honig,
kaufte man sehr gern, denn er bedeutete für jene Zeit viel, weil der
Zucker noch teuer und sehr selten war.

In den Tagen der Hanse bildete das Getreide gleichfalls einen
willkommenen Handelsartikel. Norddeutschland gab Roggen und Weizen in
größerer Menge ab, Rußland lieferte damals noch nichts zur Ausfuhr.
Die nordischen Reiche und auch England waren im Mittelalter von der
Zufuhr des deutschen Brotgetreides durchaus abhängig. Die Preise der
Getreidearten schwankten viel mehr als heute, weil der verschiedene
Ausfall der Ernte dies verursachte. Der Hanse handelte ferner mit Malz,
Mehl, Zwiebeln, Thymian und Grütze, die letztere nahm den Weg bis nach
Spanien. Einen sehr gewinnbringenden Erwerb bot die Brauerei, in der
damals Deutschland nicht übertroffen wurde. Die Bedeutung des Biers
war größer als heute, weil Bier in jenen Tagen als ein Nahrungsmittel
galt und heute nur ein Genußmittel darstellt. Es gab unzählige Arten
dieses Getränkes; fast jede Stadt hatte ihre besonderen Biersorten.
Manche waren dünn und leicht, andere dickflüssig und schwerer. Erwähnt
sei hier eine früher gebräuchliche eigentümliche Bierprobe; nachdem das
Bier auf einen Schemel gegossen war, mußte sich ein Mann mit seiner
Lederhose daraufsetzen. Wenn er sich nach einiger Zeit von seinem
Sitze erhob, mußte der Schemel festkleben als Zeichen für die Güte des
Bieres. Schon damals besaß das deutsche Bier Weltruf, selbst in den
Zeiten von Handelssperren machte man mit diesem Stoff eine Ausnahme.
Unter den Artikeln des Nordens müssen der Flachs, der aus Rußland
und Skandinavien kam, ferner Hanf und Werg genannt werden, auch der
Holzhandel war sehr lebhaft. Alle Länder um die Ostsee gaben Holz in
reicher Menge ab, dazu lieferten sie den für den Holzschiffbau jener
Zeit unentbehrlichen Teer. Einen bedeutenden Reichtum erwarb sich
der deutsche Orden durch den Handel mit Bernstein, der sich einer
besonderen Wertschätzung erfreute und seinen Weg bis in das Morgenland
hinein nahm.

In der menschlichen Nahrung ist das Salz ein notwendiger und
unentbehrlicher Bestandteil; blutige Kriege um die Salzquellen wurden
in den ältesten germanischen Zeiten geführt. Gerade wegen ihres
geringen Salzgehaltes eignete die Ostsee sich nicht zur Gewinnung des
Salzes, und da der bergmännische Abbau von mineralischem Salz damals
noch nicht üblich war, blieb man auf das durch Quellen aus der Erde
kommende Salz angewiesen.

Unter den Salzstätten Deutschlands aus den Tagen der Hanse hatte
Lüneburg die bedeutsamste Stellung inne. Gerade der Vorort der Hanse,
Lübeck, stand mit Lüneburg seit der Mitte des 14. Jahrhunderts durch
einen bequemen Wasserweg, den Elbe und Trave verbindenden alten
Stecknitzkanal, in Verbindung. Dieses binnenländische Erzeugnis wurde
von Lübeck über See ausgeführt und hieß ‚Travesalz‘, im Gegensatz zu
dem ‚Baiensalz‘, das von einer kleinen Bucht südlich von der Loire
in größerer Menge durch zahlreiche Flotten, den ‚Baienflotten‘,
über die See geschafft wurde. Auch den Handel mit Erzen kannte man
in der hansischen Zeit. Schweden lieferte eine ganze Menge; schon
damals befanden sich viele Eisengruben in lübeckischem Besitz. Andere
Metallarten und Mineralien, die Gegenstand des hansischen Handels
waren, sind: Kupfer, Blei, Schwefel, Arsenik, Zinnober, Alaun, Borax;
auch ungemünztes Gold und Silber in Barren wurde ausgeführt. Als
Ballast führten die Schiffe gute, zum Bauen geeignete Steinarten mit,
Schweden lieferte Granit, Bornholm den hochwillkommenen Kalkstein.

An die Produkte des Nordens reihten sich die aus dem Westen und Süden
Europas als Gegenstände des umfangreichen Handels der Hanse. Den ersten
Platz nahmen die verschiedensten Weinarten ein; unter ihnen stand als
wertgeschätzteste Sorte der Rheinwein an der Spitze. Jene Zeit liebte
es auch, die Speisen kräftig zu würzen, weniger um den Geschmack zu
beeinflussen, als um damit zu prunken. Der Hauptmarktplatz für die
Gewürze war Brügge. Aus Italien, Südfrankreich und Spanien kam das
feine Olivenöl in länglich spitzen Fässern, den Pipen. Es würde ein
umfangreiches Verzeichnis geben, sollte alles aufgezählt werden, was
die Warenpäcke aus dem Süden und Westen enthielten: Kastanien, Feigen,
Datteln, Rosinen, Mandeln, Reis, Orangen, Granatäpfel, alles Dinge,
die noch heute unser Herz erfreuen; auch die damalige Zeit genoß sie
gern. Aus der Reihe der Gewürze und Heilmittel seien erwähnt: Zucker,
Senf, Pfeffer, Nelken, Muskat, Safran, Zimt, Anis, Kampfer, Rhabarber,
Wurmkraut, Kardamom, Mandelmilch. Zum Gottesdienste benötigte man des
Weihrauchs, zur Färberei des Indigos.

Kostbare Waren aus dem Orient und dem Süden überbrachte der Kaufmann
nach dem Norden: seidene Gewänder und seidene Stoffe, Perlen und
Edelsteine, mit Perlen und Edelsteinen verzierte Geschmeide, ferner
fanden auch Rohbaumwolle aus Syrien und Kattungewebe ihren Absatz im
Norden.

Nicht nur die Roherzeugnisse der Tier-, Pflanzen- und Mineralwelt des
eigenen Landes wie der fremden Zonen, sondern auch das, was die Kunst
und das Handwerk hervorbrachten, füllte den weiten Bauch der hansischen
Schiffe.

Am meisten lieferte die Weberei. Von ihr muß wieder die Tuchweberei
erwähnt werden, da gerade sie in verschiedenen Orten und Provinzen
besonders gute Stoffe hervorbrachte. Bis in das 16. Jahrhundert
hinein lieferten die Flamländer die besten Tuche, die sich durch
ihre Farbenfreudigkeit wie auch durch die Feinheit ihrer Gespinste
auszeichneten. Jede Stadt in Flandern und im nördlichen Frankreich
stellte ihre besonderen Arten her, die im Handel sorgfältig durch
mannigfache Bezeichnungen unterschieden wurden.

Am deutschen Niederrhein blühte die Tuchweberei in Köln und
seiner Umgebung; dort arbeitete man besonders schwarze Tuche für
Priestergewänder.

Als England begann, seine Wolle selbst zu verweben, kamen von dorther
englische Laken. Tuch war der Handelsgegenstand, der in allen
nordischen Ländern gleich unentbehrlich war und gleich willkommen
geheißen wurde. In den Handel kam es je nach dem Ursprungslande in
Stücken von verschiedener Länge. Die Tuchstücke trugen Bleisiegel,
die ihnen nach der Schau angeheftet wurden und ihre Güte und
Gleichmäßigkeit bewiesen. Aus Flandern kamen neben kostbaren
Teppichen, die man in vornehmen Häusern zum Verzieren der Wände
benutzte, Decken mit allerlei Schmuck.

Leinwand führten die hansischen Kaufleute wohl zeitweise ein, meistens
jedoch kam das in Deutschland erzeugte Leinen zur Ausfuhr. Nachdem
es Sitte geworden war, das weiße Linnen als Stolz der Hausfrau zu
betrachten, entstand die Kunstweberei. Fleißige Frauenhände schmückten
das Linnen mit allerlei bunten Stickereien, für die der Handel das Garn
feilbot.

Da Handwerk und Industrie in den nordischen Ländern und anfänglich auch
in England sehr wenig sich entwickelten, bildeten die Gegenstände des
täglichen Lebens einen umfangreichen Teil des Warenverkehrs zur Zeit
der Hanse. Daraus zogen die einheimische wie fremde Gewerbtätigkeit
ihren Vorteil. Was auch nur gefordert wurde, immer wußte der Kaufmann
Nutzen daraus zu ziehen und seinen Kunden darzubieten: Hosen, Hüte und
Mützen, Schuhe aus Leder und Kork, Stiefel, Gürtel und Beutel, Säcke,
Seife, allerlei Glassachen, Perlen, verschiedene Hausgeräte aus Eisen,
Messing und Zinn, wie z. B. Äxte, Türschlösser, Messer, Schlüssel,
Nägel, Draht, Nadeln, Spielwaren; nicht zu vergessen die Waffen und
die Panzer, die Schätze des vornehmen Hauses, der Kirchen und Klöster,
hergestellt aus kostbarem Edelmetall, Pergament und Papier, Rosenkränze
und Bilder, ganze Altäre, Glocken und geschriebene Gebetbücher.

Beim hansischen Kaufmann standen die Bedarfsgegenstände des täglichen
Lebens, die Genußmittel und der Schmuck für das Haus und für die
Kleidung zum Verkauf. Er vermittelte den Austausch der Waren zwischen
Nord und Süd, zwischen Ost und West, und sein geschäftskundiger Blick,
vereint mit der notwendigen politischen Einsicht und dem Willen, die
See zu beherrschen, schuf jenen vergangenen glänzenden Abschnitt in der
Geschichte des deutschen Handels -- die Zeit der Hanse.

[Illustration]



Der Hauptmann von Wismar.


Im Jahre 1394 im Winter kam die Nachricht an die Fürsten von
Mecklenburg, daß Stockholm hart von den Dänen belagert werde und die
Bürger allda großen Hunger litten; wenn sie nicht bald entsetzt würden,
müßten sie aus Not die Stadt übergeben. Um das zu verhindern, wurden
in dem Wismarschen Tief acht große Schiffe zugerüstet; diese wurden
mit Korn, Mehl und anderen Lebensmitteln beladen und mit kühnen Helden
besetzt, den Holm zu befreien. Es war aber mitten im Winter, da diese
Schiffe ausliefen; sie hatten einen Hauptmann mit Namen Meister Hugo.
Die Dänen hatten auch einen Haufen Schiffe in der See, um der Seeräuber
willen, die dem Reiche Schaden tun wollten.

Es begab sich nun, daß plötzlich ein gar starker Frost eintrat, daß
die Schiffe in der See einfroren und nirgends hinkommen konnten.
Als nun der Hauptmann der Wismarschen sah, daß der Frost so heftig
überhandnahm, sprach er zu den andern Schiffern und Kriegsleuten
also: „Liebe Gesellen, ihr seht, daß wir hier eingefroren liegen und
nicht hoffen dürfen, daß das Wetter so bald umschlagen wird; auch
wißt ihr, daß der Dänen Schiffe auch in der See sind. Darum weiß ich
gewiß, wenn dieser Frost bleibt, so werden sie uns anfallen und sich
mit uns versuchen; sie haben aber alsdann den großen Vorteil, daß sie
sich aus ihrem Lande verstärken können, so viel sie wollen. Deshalb
ist es besser, wir sehen uns vor. Wollt ihr nun meinen Rat hören, so
wollen wir unsere Schiffe so verwahren, daß wir sie vor den Dänen wohl
behalten, wiewohl es Arbeit kosten wird; dennoch, weil es so kalt ist,
so ist es besser, daß wir etwas zu tun haben, als daß wir zu Tode
frieren. Sehet da,“ sprach er, „am Lande steht viel Holz; da wollen wir
Leute hinsenden, die sollen lange und große Bäume hauen und auf dem
Eise mit geringer Arbeit an die Schiffe schaffen; die wollen wir auf
beiden Seiten der Schiffe hinlegen und mit Wasser begießen, das bald
zufrieren und unsern Schiffen einen Wall und ein Bollwerk geben wird.
Laßt dann die Dänen kommen, so wollen wir ihrer warten!“

Dieser Rat gefiel den andern allen wohl. Sie holten die Bäume,
schichteten sie bei den Schiffen auf und begossen sie mit Wasser, und
es ward also ein gläserner Wall. Diese Arbeit war kaum vollbracht, da
kamen die Dänen in Haufen übers Eis und vermeinten, die Schiffe zu
erobern; aber wiewohl der Dänen wohl vier waren auf einen Wismarschen,
mußten sie doch mit großem Schaden davonziehen und die Schiffe bleiben
lassen. Dies verdroß die Dänen über die Maßen, und sie dachten darüber
nach, wie man den Schiffen doch Schaden zufügen könnte. Weil sie
gesehen hatten, daß sie vor dem Bollwerk die Schiffe nicht beschießen
konnten, wollten sie ein Kriegsgerät herrichten, das man eine Katze
nennt, und liefen ins Holz, wo die Wismarschen die Bäume gehauen
hatten. Der Hauptmann von Wismar, Meister Hugo, erkannte bald ihre
Anschläge und ließ in der Nacht um die Schiffe große Waken hauen, und
die Eisschollen ließ er niederdrücken. Nicht lange danach kamen die
Dänen mit ihrem Volke und merkten nicht, daß die Wismarschen geeist
hatten, denn es war oben wieder zugefroren -- und kamen mit großem
Ungestüm und mit Hast und meinten nun, die Schiffe zu gewinnen, denn es
verdroß sie, daß sie vormals mit Schande hatten zurückweichen müssen.
Aber es ist ein altes Sprichwort: Große Hast gibt oft guten Spott. Also
ging es den Dänen diesmal auch, denn sie fielen haufenweise ins Wasser,
und der eine drängte dem andern nach, also daß viele Hunderte der Dänen
den Tag ertranken. Zu diesem Schaden mußten die armen Dänen noch großen
Spott dazu haben, denn als die Dänen so ertranken, riefen die auf den
Schiffen: „Kaiz, Kaiz, Kaiz!“ So pflegt man zu rufen, wenn man die
Katzen jagt.

So erhielten die Wismarschen ihre acht Schiffe, beides durch List und
Gewalt, bis Gott ein anderes Wetter gab, daß das Eis verging; da liefen
sie nach dem Holm und entsetzten die Stadt.

                                                 Reimar Kock,
                                          (altlübischer Lesemeister).

[Illustration]



Klaus Störtebeker und seine Raubgesellen.


Nach dem Tode des Königs Hakon von Norwegen regierte über Dänemark
und Norwegen die umsichtige Königin Margarete, die die Vormundschaft
für ihren Sohn Elaf bis zum Jahre 1387 innehatte und dann selbst
zur Regierung kam, da in diesem Jahre das Fürstenkind starb. Die
Herrschaft über Norwegen machte ihr König Albrecht von Schweden
streitig; in den sich zwischen den beiden entspinnenden kriegerischen
Auseinandersetzungen wurden am 24. Februar 1389 die schwedischen
Truppen besiegt, dazu fiel König Albrecht in die Hände seiner Gegnerin
und Besiegerin, die ihn im Gefängnis grausam foltern ließ. Um Schwedens
Hauptstadt lagerte sich das siegreiche Heer. Die Hanse beteiligte sich
als Verband nicht an den Kämpfen, nur die unter mecklenburgischer
Schutzherrschaft stehenden Ostseestädte Rostock und Wismar ergriffen
für den gefangenen Schwedenkönig Partei: für sie handelte es sich
darum, Stockholm mit Lebensmitteln zu versehen, zu befreien und der
mächtigen Königin Schaden zuzufügen, um die Freigabe des Gefangenen zu
erreichen.

Der Rat der beiden Städte gab zu dem Zwecke ‚Stehlbriefe‘[7] aus, durch
die die Freibeuter im Ost- und Nordseegebiet berechtigt wurden, auf
eigene Faust gegen die Schiffe der nordischen Reiche zu ‚abenteuern‘,
das heißt, sie konnten rauben und plündern nach Herzenslust, wo
sich ihnen Gelegenheit dazu bot. Rostock und Wismar öffneten ihnen
jederzeit ihre Häfen und gaben ihnen somit die Möglichkeit, die
erbeuteten Warenmengen zu lagern oder zu verkaufen. Die verwegenen
Raubgesellen unter der Führung deutscher, dänischer und schwedischer
Edelleute ließen sich diese günstige Gelegenheit nicht entgehen. In
großen Scharen strömten sie in den beiden Städten zusammen, so daß
selbst ein alter Chronist der damaligen Zeit schrieb: „Es steht nicht
zu beschreiben, was des losen und bösen Volks zu Hauf lief aus allen
Landen.“

Als Aufgabe der Plünderer und Seeräuber galt, das belagerte Stockholm
von der Seeseite aus mit allerlei Lebensmitteln zu versorgen; ferner
besaßen sie das Recht, die Länder der siegreichen Königin, Dänemark
und Norwegen, mit Raub und Plünderung zu überziehen, damit Margarete
durch die Bedrängnisse genötigt wurde, die eigenen Lande zu schützen
und Stockholm freizugeben.

Die Raubgesellen, die auch die Bezeichnung ‚Likendeeler‘ führten,
weil sie die Beute gleichmäßig unter sich verteilten, führten als
Losungswort: „Gottes Freund und aller Welt Feind.“ Mit Raub, Mord
und Brand erreichten sie dies Ziel. Die Kaperschiffe der Likendeeler
brachten viele Dänenschiffe auf. Gelegentlich versuchten sie ihre Kraft
an den neutralen Handelsschiffen der Hanse. Auch diese Beute gaben
jene Störenfriede der Seefahrt nicht wieder heraus. Andere unter den
Seeräubern richteten sich genau nach ihren Abmachungen. Die Geschichte
erzählt uns, daß zwei der Hauptleute der Likendeeler zum Seelenheil des
Königs Albrecht und auch des ihrigen der Kirche zu Stockholm eine Messe
stifteten. Der weitaus größte Teil der Räuber achtete jedoch weder
Recht noch Verträge. Bei ihnen galten Raub, Plünderung und der eigene
Vorteil. Von ihren Verstecken aus überfielen sie die Kauffahrer; wer
von den unglücklichen Besatzungen sich ihnen nicht anschloß, wurde zu
Tode gemartert und ertränkt.

Einen festen Stützpunkt schufen sich die Seeräuber in Wisby auf
Gotland, dort errichteten sie sich feste Türme und Schlösser, fanden
Lagerplätze und leichte Abnahme ihrer Beute in Wisby, und einen
ruhigen, unbehinderten Winteraufenthalt. Ihre Räubereien, die durch die
ständig wachsenden Scharen neuen großen Umfang annahmen und sie fast zu
unumschränkten Herren der Ostsee machten, hoben den Handelsverkehr fast
auf.

Die so bedeutende Schiffahrt nach Schonen, wie auch der Heringsfang
mußten drei Jahre lang unterbrochen werden, in den Städten herrschte
Teuerung und eine aufgeregte Stimmung der Bevölkerung. Der Rat von
Lübeck ordnete an, daß hinfort nur bewaffnete Kauffahrer in Gruppen von
mindestens zehn Schiffen die See befahren durften.

Auf die Piraten übte die Verordnung jedoch eine andere Wirkung. Die
wenigen Schiffe, die jetzt noch die Ostsee befuhren, versprachen nur
geringe Beute, sie warfen sich deshalb auf die Küsten von Dänemark und
Norwegen, eroberten, plünderten und verheerten die Insel Moen und die
reiche Stadt Bergen. Ein Teil fuhr nach Livland und Esthland, wo sie,
zweitausend Mann stark, die Bewohner schrecklich plagten.

Vergebens suchten die übrigen Hansen auf Rostock und Wismar
einzuwirken, den Streit mit Margarete, der so schwere Folgen nach sich
zog, zu beenden, und vergebens waren die Mahnungen des Hochmeisters
des Deutschen Ordens im Namen seiner Städte. Jene weigerten sich,
solange die Königin nicht Albrecht aus der Gefangenschaft entließ, und
ebensowenig trug diese den Vorschlägen Lübecks Rechnung.

Es blieb nichts anderes übrig, als die Schiffahrt einzustellen, sodann
mußte eine starke Flotte ausgerüstet werden, um die gefährlichen
Piraten auszurotten. Nach einigen vergeblichen Tagefahrten kam endlich
auch ein Beschluß der Hanse zustande.

Der mit Beginn der Schiffahrt ausgesandten Kriegsflotte der Hanse
gelang es, die Ostsee soweit zu ‚befrieden‘, daß für dies Jahr die
Seefahrt für den Hansen leidlich gesichert war.

Auf Margarete machten die wiederholten, drohenden Klagen der Hanse
endlich Eindruck, und sie hielt es für geraten, die offene Gegnerschaft
der Hanse nicht herauszufordern, um ihren Thron nicht aufs Spiel zu
setzen.

[Illustration: Bildnis Klaus Störtebekers.

Nach einem späteren Stich.]

Im Jahre 1395 erhielt Albrecht von Schweden nach schmachvoller
Gefangenschaft gegen ein Lösegeld von 6000 Mark lötigen Silbers[8] die
Freiheit.

Damit war der Wunsch von Rostock und Wismar erfüllt und die Kaperbriefe
hinfällig geworden. Die Likendeeler aber liebten die Räubereien und
stellten das einträgliche Geschäft durchaus nicht ein, sondern setzten
es auf eigene Faust fort.

Im Jahre 1396 statteten sie dem hansischen Kontor in Bergen einen
ungebetenen Besuch ab. Trotz kräftiger Verteidigung konnten die Hansen
ihre Niederlassung nicht halten. Das Kontor und seine Lagerhäuser
wurden ausgeplündert, hansische Krieger und Kaufleute erschlagen und
die erbeuteten Waren in Rostock und Wismar verkauft. Nach diesem großen
Raubzuge teilten sich die Horden. Eine Abteilung segelte an die Küste
Ostfrieslands, der zweite Teil fuhr an die Newa, und eine dritte Gruppe
hielt sich an den spanischen Küsten auf, und außerdem zeigten sich auch
in der Ostsee genug Kaperschiffe.

Die Hansestädte hatten endlich die Sorge satt und rüsteten zahlreiche
Kriegsschiffe zum Kampf gegen die Räuber aus. Mehrmals eroberten die
Schiffe der Hansen zahlreiche Piratenfahrzeuge und bereiteten ihren
Besatzungen auf dem Schafott der Heimatstädte ein Ende.

Unter den Raubgesellen, von denen in Sage und Geschichte viel berichtet
wird, war Klaus Störtebeker einer der bedeutendsten. Er gehörte zu
den Lieblingen des Volkes, die in Liedern und Geschichten fortleben.
Mit ihm werden in der Geschichte genannt: Gödeke Michaels, Wigbold
und Wichmann, alle berühmt durch ihre Grausamkeit und ihren Wagemut.
Im Volke erzählte man sich Wunderdinge von der großen Körperkraft
Störtebekers, durch die er sich unter seiner wilden Raubgesellenschar
den nötigen Respekt erhielt. Einzelne Chroniken berichten, daß
Störtebeker ein Edelmann gewesen sein soll, der in der Gegend von
Verden beheimatet war. Nach einem wilden, zügellosen Leben, in dem
er Hab und Gut vergeudet hatte, selbst sein Rittergewand und sein
Rüstzeug dahingab, trat er unter die Vitalienbrüder, die ihn gern bei
sich aufnahmen. Wieder andere schreiben, daß er in Pommern geboren
wurde, die Angaben neuerer Geschichtsforscher bringen ihn nach Wismar.
Fest steht jedenfalls, daß es unter den Vitalienbrüdern mehrere
dieses Namens gab, und es ist sicher, daß um 1400 herum in Wismar
eine Familie namens Störtebeker beheimatet war. Der Name weist auf
die Trinkfestigkeit seines Trägers hin. Er erhielt die Bezeichnung
deswegen, so berichtet die Sage, weil er einen großen Becher Weins,
der drei Flaschen faßte, in einem einzigen Zuge zu leeren verstand.
‚Becherstürzer‘, plattdeutsch ‚Störtebeker‘, nannte ihn sein Raubvolk,
seinen wahren Namen hielt er verschwiegen.

Die Geschichtsforschung nimmt an, daß die Vorfahren Störtebekers
Krugwirte waren, denn die Bezeichnung Sturzbecker war üblich für einen
Becher mit einem Deckel oder Sturz, und nach ihm hat wohl die Familie
ihren Namen erhalten.

Als das Raubgesindel die Ostsee räumte, hielt es sich in Ostfriesland
auf. Im Gebiete des kleinen Ostfriesland regierte eine ganze Zahl
kleiner Edelleute. Unter diesen riß Keno then Broke, ein gefürchteter,
kriegerischer Häuptling, die Vorherrschaft im Lande an sich. Als
die Vitalienbrüder, von den Hansen verfolgt, in Ostfriesland einen
Stützpunkt suchten, räumte Keno ihnen Marienhave ein. Die Einfahrt
des durch vier große Pforten und starke, dicke Mauern befestigten
Ortes lief durch einen Stichkanal, der noch jetzt ‚Störtebekers
Tiefe‘ benannt ist. Auf den Wohlstand der Räuber weist heute noch
der Marienhavener Turm hin, den sie aus ihren Mitteln erbauten.
Im Jahre 1398 schlossen Lübeck und Hamburg im Verein mit Margarete
einen Bund, um die nördlichen Meere von dem Raubgesindel zu befreien.
Um 1400 einigte sich die Hanse dahin, mit vereinter Kraft das
geplante Vorgehen zu unterstützen. Zwei Hamburger Ratsherren wurden
abgeordnet, um Keno then Broke zu verwarnen, den Raubgesellen fürderhin
keinen Aufenthalt mehr zu geben. Störtebeker war inzwischen Kenos
Schwiegersohn geworden, und in seiner Gegenwart verpflichtete sich Keno
then Broke, den Vitalienbrüdern in Zukunft keinen Schutz angedeihen
zu lassen; der damals aufgesetzte Vertrag „Keno then Broke und seine
Genossen geloben den Bürgermeistern und Ratmannen der Stadt Hamburg
und ihren Nachfolgern, als Mitgliedern der Hanse, alle Vitalienbrüder
von sich zu lassen und sie durchaus nicht weiter schützen zu wollen“
wird noch heute im Archiv der Stadt Hamburg aufbewahrt, und neben
der Unterschrift Keno then Brokes finden sich die einer ganzen Reihe
friesischer Hauptleute. Als die Sendboten der Hanse aus der Halle
traten, in der die Verhandlungen geführt waren, da eiferte Klaus
Störtebeker gegen seinen Schwiegervater, weil er solche Bedingungen
angenommen habe. Einer der Ratmannen, der seine Handschuhe vergessen
hatte, kehrte zurück, um sie zu holen, und vernahm dabei die Antwort
Keno then Brokes an Störtebeker, daß er durchaus nicht gewillt sei, den
Vertrag zu halten. Die zurückkehrenden Ratmänner Albert Schreie und
Johann Nanne berichteten getreulich und verschwiegen auch nicht das
Eingeständnis des Friesenhäuptlings. Hamburg rüstete eine starke Flotte
aus, die unter der Anführung der beiden oben genannten Ratsherren
stand. Mit ihnen vereinigten sich die Lübecker an der Elbe bei Stade.
Am 22. April segelte eine stattliche Flottenmacht nach dem Gebiet der
Ems, um hier den Kampf gegen die Piraten zu führen.

Der Kampf entwickelte sich sehr bald. Bord an Bord lagen die Schiffe
der Hansen mit denen der Räuber, und über die Enterbrücken hinweg
tobten todesmutige Streiter, um im Nahkampf mit kurzen Beilen,
Streitbolzen, Enterhaken, den Hauptwaffen der damaligen Zeit, den
Sieg auf ihre Seite zu bringen. Voller Todesverachtung wehrten sich
die Seeräuber, denn nur zu genau kannten sie ihr Schicksal, wenn sie
in die Gefangenschaft gerieten. Lange wogte der Streit hin und her.
Endlich konnten die Hansen den Sieg für sich in Anspruch nehmen.
Achtzig Freibeuter fanden dabei den Tod. Ihre Leichen warf man ins
Meer; sechsunddreißig fielen in die Gefangenschaft und der übrige Rest
rettete sich durch Schwimmen ans Land. Von den Schiffen der Piraten
fielen drei in die Hände der Sieger. Der heimgekehrten siegreichen
Flotte wurde ein fröhlicher Empfang, eine dichtgedrängte Menschenmenge
begrüßte die Heimkehrenden am Hafen. Im großen Zuge geleitete sie die
beiden Ratsmänner, die die Flotte geführt hatten, zum Rathause. Den
gefangenen Räubern bereitete der Büttel auf dem Grasbrook ein Ende. Wie
eine alte Stadtrechnung berichtet, erhielt der Scharfrichter pro Kopf
8 Reichsmark, so daß sein Lohn 288 Reichsmark ausmachte. Zur Warnung
wurden die Köpfe der Hingerichteten auf Pfähle gesteckt und am Ufer zur
Schau gestellt. --

Um das Jahr 1401 herum, zu Beginn des Frühjahres, hielt sich
Klaus Störtebeker mit seinem Hauptmann Wichmann wieder einmal mit
zahlreichen Raubschiffen vor der Elbmündung auf, um die Hamburger
Englandfahrer zu nehmen und sich bei ihnen reiche Beute zu holen. Sein
Kampfgenosse Gödeke Michaels besetzte während jener Zeit den Sund,
um die Schiffe der Hansen, die aus dem Gebiet der Ostsee kamen, mit
Krieg zu überziehen. Sobald die ersten Nachrichten von dem Aufenthalte
Störtebekers dem Hamburger Rate bekannt wurden, rüstete er zahlreiche
Schiffe aus, um den Kampf mit dem verwegenen Seeräuber zu wagen. Alte
Sagen und Berichte nennen den späteren Ratsherrn und Bürgermeister
Simon von Utrecht den Haupthelden als Anführer im Kampfe der Hamburger
Flotte gegen Störtebekers Schiffe. Nachdem die Hamburger ihre Schiffe
bemannt und ausgerüstet hatten, segelten sie unter Anführung der
Ratsherren hinaus. Sie trafen Klaus Störtebeker und seine Schar auf
frischer Tat, denn kurz zuvor war ein Bierschiff den Seeräubern in die
Hände gefallen, und an dem edlen Gerstensafte hatten sie sich gütlich
getan. Als die kleine, aber starke Flotte der Hamburger in die Nähe
kam, hielt Störtebeker sie für die erwarteten Englandfahrer, denn der
Nebel hinderte einen scharfen Ausblick. Jedoch sehr bald wurde der
Seeräuberhauptmann gewahr, daß es Hamburger Kriegsschiffe waren, die
mit günstigem Winde auf ihn zusegelten. Das führende Schiff, ‚die bunte
Kuh‘ rannte auf das von den Seeräubern erbeutete Bierschiff, so daß
dieses manövrierunfähig wurde.

    „De bunte Koh uut Flandern kam,
    Dat Roov-Schipp öp de Höörn nahm
    Un stött es wiß in Stücken.“[9]

[Illustration: Störtebekers Gefangennahme.]

Die Jubelgelage und die Trinkfestlichkeiten der Seeräuber fanden nun
ein schnelles Ende. Der Kampf begann, und ein starkes und großes
Fechten hielt, wie die Sage kündet, drei Tage und Nächte an. Mit
dumpfem Getöne segelten die Hamburger auf die Seeräuberfahrzeuge.
Das Krachen und Knirschen der gewaltigen Enterhaken zeigte, daß die
Schiffe Bord an Bord lagen und nun die Einzelmannschaften in einem
blutigen Nahkampf aufeinander losschlugen. Auf seiten der Hamburger
war zuversichtlicher Mut, der Sieg konnte nicht fehlen; auf seiten
der Seeräuber war der Mut der Verzweiflung, der Kampf um den Kopf.
Störtebeker, den schon seine Zeit mit dem Scheine des Heldentums
umgeben hatte, ein Mann von großer Kraft, von kühnem und verwegenem
Mute, der Ketten wie Zwirnfäden zerriß, kämpfte, wie nur ein Mensch
kämpfen kann. Und ihm zur Seite standen seine todesmutigen, seine
erprobten Seeräuber, alles wilde, trotzige Männer; sie alle verkauften
ihr Leben so teuer wie möglich. Und Schwertgeklirr und Schlachtgeschrei
durchhallte das Rauschen der Wogen, dazu die lauten Kommandorufe. Hier
und da ächzten die Verwundeten oder stöhnten die tödlich Getroffenen,
und auf den Wellen stießen die mit dem Tode Ringenden ihre letzten
Hilferufe aus. An den Mast seines Schiffes gelehnt, stand der
Hauptmann; so war sein Rücken gedeckt; unentwegt feuerte er die Seinen
zum Widerstande an. Tapfer hielt er sich, immer und immer wieder wußte
er den eindringenden Hamburgern Verluste beizufügen. Der Boden vor
ihm war mit Verwundeten und Toten bedeckt, die unter seinen Streichen
fielen. Endlich kam auch der Augenblick, der ihm die Streitaxt entriß.
Ein wohlgezielter Bolzenschuß traf seinen rechten Arm. Er griff zum
Schwerte, aber zu spät; schon hatte ein riesiger Schiffsmann der
Hamburger ihn umklammert und zu Boden gerissen, laut dröhnend schlug
sein Kopf auf das Verdeck, dann wurde er überwältigt und mit festen
Seilen zusammengebunden. Jubelgeschrei der Hansen! Der gefürchtete
Seeräuberhauptmann war endlich in ihrer Hand. Mit Störtebeker gerieten
nach langen Kämpfen noch siebzig Seeräuber in die Hände der Hansen. Der
Sieg der Hamburger war schwer erkauft, und manche hamburgische Familie
hatte einen ihrer Angehörigen in diesem Kampfe verloren.

[Illustration: Heimkehr der Hamburger Englandfahrer nach Bekämpfung der
Seeräuber.

Nach einem Gemälde von Professor Hans Bohrdt.]

[Illustration: Hinrichtung von Störtebeker und Michaels. Im
Hintergrunde links sieht man die Köpfe der Spießgesellen auf Stangen
gesteckt.

Nach einem Bilderbogen im Besitze der Stadt Hamburg.]

Und nun zum jubelnden Empfang der Sieger! Die Geschütze lösten
Freudenschüsse, als die Hamburger mit ihren Schiffen in den Hafen
einfuhren. Der Rat der Stadt, an der Spitze die Bürgermeister, und
die vornehmen Bürgerkreise standen am Landungsstege bereit, um die
heimkehrenden Sieger zu begrüßen. Fröhliche Weisen der Stadtpfeifer
und Pauker ertönten, und die weithin schallenden Kirchenglocken boten
freundlichen und dankerfüllten Willkommengruß. Unermeßlicher Jubel
durcheilte die Scharen der Bürger, als Störtebeker und die Seinen, mit
schweren eisernen Ketten belastet, den Gang ins Gefängnis antraten.
Das Gefängnis im Keller unter dem Rathause nahm sie auf. Dort blieben
sie drei Monate, bis ihre Wunden geheilt waren, und dann traten sie den
letzten Gang, den Weg zum Henker, an.

Nun erlebte Hamburg noch einen Festtag. Es war am 10. Juni 1401, da
führte ein Zug die gefangenen Seeräuber zum Grasbrook hinaus. Hier
unten am Elbstrande harrte ihrer das Schafott. Bewaffnete Bürger zu
Fuß und zu Pferde begleiteten die Gefangenen, in einem langen Zuge
folgten Frauen und Jungfrauen. Am Grasbrooke wartete der Scharfrichter
Rosenfeld, ein starker und gewaltiger Mann. Von ihm wird berichtet, daß
er ein Schwert führte, das ein gewöhnlicher Sterblicher kaum zu heben
vermochte. Störtebeker fiel als der erste durch den Henker, dann kam
Wichmann an die Reihe; nach ihnen die siebzig anderen. Das Volkslied
singt davon:

    „Der Büttel, der hieß Rosenfeld,
    Der hieb so manchen stolzen Held
    Zu Tod mit frischem Mute.
    Er stund wohl in geschnürten Schuhn
    Bis an die Enkel[10] im Blute.“

Die Sage erzählt aber weiter, daß auch Rosenfeld selbst unmittelbar
nach der Blutarbeit um einen Kopf kürzer gemacht worden sei. Denn
als der der Hinrichtung beiwohnende ehrbare Rat von Hamburg nach der
schweren Arbeit ihn teilnehmend fragte, ob er sehr ermüdet sei, lachte
der blutberauschte Scharfrichter grimmig, und höhnisch antwortete er,
es sei ihm nie wohler gewesen und er fühle noch genug Kraft, den ganzen
Rat zu köpfen. „Ob dieser verbrecherischen Antwort ist ein ehrbarer Rat
so empört und entsetzet gewesen, daß er den Kerl sofort abtun ließ.“

Die Heldentaten Störtebekers leben in Sage und Geschichte fort bis in
unsere Zeit. Vieles ist darüber berichtet worden. So soll der Mast
seines Schiffes hohl gewesen sein und eine Menge Gold und Edelsteine
enthalten haben. Mancherlei Andenken an die Zeit Störtebekers werden
in der Hansestadt Hamburg aufbewahrt. In der Sammlung hamburgischer
Altertümer finden sich eine Rüstung und ein Eisenhut, die angeblich
Störtebeker gehört haben sollen. Von einem eisernen runden Schild mit
einer Leuchte in der Mitte, der gleichfalls dort aufbewahrt wird,
behauptet man das gleiche. Im Schiffer-Armenhause findet sich im
Versammlungsraum der Schiffsalten ein 4 Kilogramm schwerer silberner
Becher, der aus dem Silber angefertigt sein soll, das man im Schiff
Störtebekers fand, und manche Hamburger glauben daran, daß die goldene
Krone des Katharinenkirchturms aus dem Golde Störtebekers angefertigt
sei.

In Sage und Geschichte und in allerlei Volksliedern wurden Störtebekers
Heldentaten besungen. Sie sind verloren gegangen, und nur weniges wurde
in unsere Zeit hinübergerettet.

[Illustration]



Der Tag von Stralsund.


Herzog Erich von Pommern kam auf den Thron der drei nordischen
Königreiche, als die Königin Margarete im Jahre 1412 gestorben war. Der
neue König, eine stattliche Erscheinung, anfangs bei seinen Untertanen
beliebt, trat in eine offene Gegnerschaft zur Hanse. Seine Feindschaft
brachte er durch die Einführung des Sundzolles zum Ausdruck, seinen
Zweck, den deutschen Handel durch die Sperrung des Sundes zu schädigen
erreichte er nicht; vielmehr wurde er gerade durch diese Maßnahme in
einen erbitterten Krieg mit der Hanse verwickelt, den er schließlich
sogar verlor.

Im Jahre 1426 rüsteten Lübeck, Hamburg, Rostock, Stralsund,
Wismar und Lüneburg zum Kampfe gegen ihn, mit ihnen der Herzog
von Schleswig-Holstein. In jenen bewegten Zeiten erregte die
Einwohnerschaft Stralsunds am 4. Mai 1429 allerlei Kriegsgeschrei;
der Schall der Kartaunen und Donnerbüchsen erweckte sie aus dem
Morgenschlafe. König Erichs Gemahlin hatte unbemerkt eine Flotte
von siebzig Fahrzeugen ausgerüstet und mit zwölfhundert Gewappneten
bemannt, um die Stadt Stralsund einzunehmen. Die Mannschaften landeten
unbemerkt und waren nun bereit, einen Überfall auf die Stadtmauern zur
Ausführung zu bringen.

Wilhelm Jensen, der treffliche Romanschriftsteller, der besonders
hansische Geschichte in seinen Werken behandelt, erzählt auch den
Überfall von Stralsund; seinen Ausführungen folge ich bei der
Wiedergabe der nachfolgenden Schilderung.

An den Hafenmauern staute sich die Menge, wildes Kampfgetöse erschallte
dort, und hastig eilten in Wehr und Waffen immer neue Bürger dorthin.
Sie trafen noch rechtzeitig ein, um der bedrängten kleinen Mauerwache
Hilfe zu bringen. Immer dichter drang der Feindesschwarm heran; auf
Sturmleitern suchten sie die Mauerhöhe zu erklimmen. Die Stralsunder
hatten genug zu tun, um die Vorwitzigen, die die obersten Sprossen der
Leitern erreicht hatten, in die Tiefe zu stürzen. An der Ladebrücke
lagen die feindlichen Schiffe Mast an Mast. Drohend sahen die Geschütze
von den Schiffskastellen nach der Stadt hinüber.

Unbemerkt, im Nebel der Nacht war die Flotte herangekommen, und
siegesgewiß hoffte sie diesmal die Hansestadt zu erobern. Jedoch die
Rechnung war ohne die Stralsunder gemacht. Bald standen genügend Bürger
an der Stadtmauer bereit, die Angriffe der Feinde abzuwehren, die trotz
ihrer Überzahl gegenüber der gewaltigen Mauerstärke nichts ausrichten
konnten. Von den Schiffskastellen wurde der Angriff unterstützt.
Die Bliden (Wurfmaschinen) der Schiffe schleuderten schwere Steine,
Fässer mit Brennstoff und Tonnen mit Stinkpulver auf die Stadt; um
diesen Einwirkungen zu entgehen, hielten die Verteidiger ihre Nasen
mit Tüchern zu. Doch wie sehr auch die Dänen sich anstrengten: die
Bürgerschaft unter der Anführung des Bürgermeisters Klaus von der
Lippe, der die Seinen mit Umsicht führte, schlug die dänischen
Gewappneten zurück. Als diese die Aussichtslosigkeit ihres Beginnens
einsahen, stürmten sie fort, und in sinnloser Wut zerhieben ihre Fäuste
alles, was in der Nähe der Ladebrücke erreichbar war. Das Kloster St.
Jürgen und andere Bauwerke, die gleichfalls außerhalb der Stadtmauer
lagen, wurden ausgeplündert und in Brand gesetzt. Den mutvollen Bürgern
riefen sie ein uraltes Schimpfwort zu: „Tüdske Garper;“ es heißt so
viel wie „Deutsche Läuse“. So tobten die Dänen vor den Stadtmauern mit
Mordgeschrei bis gegen Mittag umher, und da durch dies Beginnen die
Stadtmauern nicht fielen, blieb ihnen nichts andres übrig, als die
Segel zu setzen und zu verschwinden, sie fuhren durch den Strelasund
nach Südost davon.

Ingrimmig stand Klaus von der Lippe auf der Stadtmauer und schaute den
enteilenden Schiffen nach, wutentbrannt über die Zerstörung, die sie am
Hafen angerichtet hatten. „Wenn sie hier einer festhielte,“ so dachte
er, „dann würde ich ihnen den ‚Lausekerl‘ heimzahlen!“ Ein schöner
Maitag war’s, kühl und kräftig blies der Nordwind, der die Dänenflotte
von Norden her hereingebracht hatte; aber den Schiffern schien es, als
würde der Wind bald nach Osten umspringen.

Klaus von der Lippe, begleitet von den Ratsherren und einer
vielköpfigen Menge von Bürgern, stieg zur Ladebrücke am Hafen herunter,
um die Zerstörungen zu betrachten. Plötzlich rief irgend jemand aus
der Menge: „Seht dort die Segel, die Dänen kommen um Rügen zurück!“
In der Tat machte es den Eindruck, als sei es die Dänenflotte, die
dort mit einem Schwarm durch den Wind mächtig aufgebauschter Segel
zurückkehrte. Aber schon riefen die andern Stimmen: „Das sind Hansen,
sie führen die Danziger Flagge!“ Nach einiger Zeit des Wartens und
des Zweifelns bewahrheitete es sich, daß es Hansen waren, die sich
draußen auf der See getroffen hatten und, wie’s Schiffsgebrauch war,
zusammenhielten, um gemeinsam nach Stralsund hineinzufahren. Und da
ihnen bei der Einfahrt der Wind von Osten her entgegenstand, nahmen sie
ihren Kurs um Rügen und liefen jetzt segelgeschwellt auf Stralsund
zu, ohne zu ahnen, was hier sich am Morgen zugetragen hatte. Die
erste unter den Koggen mit der Danziger Flagge war ein neuerbautes
Fahrzeug des Altbürgermeisters. Auf dem Vorderkastell stand der Sohn
des gestrengen Herrn, der junge Jörg von der Lippe. Sobald der Alte des
Sohns ansichtig wurde, leuchtete sein faltenreiches Gesicht, und seine
mächtige Gestalt durchzuckte es. Mit großer Stimme rief er über die
Menge hin: „Wahrlich, euch schickt der Himmel, ihr Danziger; wollt ihr
uns helfen, die Dänen zu züchtigen? Seht hier, was sie verübt haben.
-- Dort sind sie hinaus!“ Er streckte die Hand gen Süden. „Weit können
sie noch nicht sein, denn der Wind greift um, und sie können nicht
aus der Enge hinaus!“ Ein ungeheures Stimmgetöse warf den Ruf zurück
und wälzte sich dann fort durch die Straßen der Stadt. Allüberall
ertönten die Rufe: „Auf die Dänen, auf die Dänen, alle Mann auf Deck!
Die Danziger stellen ihre Schiffe zur Verfügung, jetzt Kraut und Lot
und Bombarden[11] geholt!“ Die Stadt schien einem Ameisenhaufen zu
gleichen, alles rannte und schleppte irgend etwas herbei, und emsige
Scharen eilten zu den Hafentoren.

In den Hansestädten kannte man in dringlichen Fällen die schnelle
Ausrüstung der Frachtfahrzeuge zu Kriegsschiffen.

Kaum waren einige Stunden vergangen, da fuhren schon die sechs Koggen
als Orlogschiffe gerüstet hinaus zum Kampf. Auf jedem Schiffe standen
hundert bewaffnete Bürger, dazu schauten drohend die Geschütze aus
den Kastellen hervor; in den Mastkörben standen Knallbüchsen mit
Hakenschützen, und zu ihnen hatten sich noch die Armbruster gesellt.
Niemand von ihnen dachte an die zehnfache Übermacht der Dänen. Sie alle
waren geblendet von dem Gedanken: der Sieg muß uns werden.

Kaum hatten die hansischen Koggen die kleine Insel Hela passiert, die
nur eine Viertelmeile vom Hafen entfernt liegt, da schwärmte die ganze
dänische Flotte gegen sie heran. Der heftige, nach Osten umgeschlagene
Wind und die hochgehende See versperrten den Dänen den Ausweg in den
Greifswalder Bodden; sie wollten darum ihren Kurs an der Stadt vorüber
durch den Gellen[12] nehmen, ahnten jedoch die Gefahr, die sich ihnen
in den sechs deutschen Schiffen näherte, nicht.

Vom Gellen her kam noch der Wind. Er füllte die hansischen Segel, und
die Dänen, vom Ostwind getrieben, rauschten heran. Ein eigenartiges
Schauspiel! Im Augenblick hatten die Geschwader die zwischen ihnen
liegende Lücke durchfahren. Ein halbes Dutzend Hansen gegen siebzig
Schiffe der Dänen! Und die Berichte der Zeitgenossen sprechen davon,
es hätte ausgesehen „wie Kirchen neben Kapellen“. Zuschauer waren eine
Menge da. Auf der Stadtmauer drängte sich das Volk, Greise, Weiber und
Kinder, um das Schauspiel zu genießen, das sich ihnen darbot, denn seit
Jahrhunderten war so etwas nicht geschehen. Fast im Hafen entbrannte
die mörderische Seeschlacht. Doch einen deutlichen Ausblick konnten
sie nur für kurze Zeit genießen, bald war alles in dichten Pulverrauch
gehüllt. Nur von Zeit zu Zeit, wenn der Wind hindurchstrich, war ein
Durchblick möglich, dann zeigte sich die weiße Linie der Schiffe,
um bald wieder zu verschwinden. Hier und da zuckten Flammen auf und
erloschen wieder, dann wiederum rauschte das Meer, um ein sinkendes
Schiff aufzunehmen.

Des Bürgermeisters Kogge segelte auf das vorderste Dänenschiff los
und hatte dies bald mit seinem eisernen Sporn niedergerannt, ohne
daß eine Gegenwehr möglich war. Von den Schiffskastellen krachten
die Kartaunen, von den Mastkörben herunter schossen die Haken und
Arkebusen in die nächsten Feindesfahrzeuge hinein. Die Enterhaken
und fünfarmigen Anker an leichten Ketten flogen nach ihnen aus und
hielten die nächstfahrenden Schiffe gepackt, und wie ein wütender
Bergstrom stürzten die Stralsunder über die Schiffsbrüstungen,
schlugen und stießen auf die überraschten Dänen ein. Ehe die
nachfolgenden Dänenschiffe begriffen hatten, was vorn geschah, war
nahezu ein Dutzend der Dänenfahrzeuge zum Sinken gebracht, überrannt
oder durch Feuer zerstört. Dann erkannten sie vor sich eine neue
gewaltige Kogge als Verderbenbringerin; diese bot nun das neue Ziel
des Kampfes. Doch jetzt kamen die fünf anderen Hansen heran, fielen
den Angreifern in die Flanke, und das Getöse der Waffen, das Donnern
der Bombarden überhallten den Kriegsruf: „Dudesche Hanse!“[13] Immer
dichter wurde das Gedränge, und im Handgemenge entstand unter den
eng zusammengedrängten Schiffen der Dänen eine große Wirrnis. Sie
konnten die Zahl der Gegner nicht bemessen, und während die Dänen
noch abschätzten, wurden sie vom Enterhaken leicht gefaßt und von den
hochbordigen Hansenschiffen, die sie weit überragten, festgehalten.
Die Holzleiber der Schiffe krachten, und durch die zerstörten Planken
stürzten wild jauchzend die Hansen hinein. Schonungslos schleuderten
die mutigen Stralsunder brennende Pechkränze auf die ineinandergetürmte
Masse, und hellauf leuchteten die lodernden Flammen, die den
Dänenschiffen den sicheren Untergang brachten. „Das war eine Mandel,“
schrie irgend jemand, „lat uns dat Schock voll machen, dor krupen noch
veel to veel Garper up’t Water rüm!“[14] Wilde Scherze wurden laut
im Kampfe zwischen den hansischen Kaufleuten und den Dänen. Manch
einer der bewaffneten Stadtbürger mußte sein Leben lassen. Unter den
todesmutigen Scharen der Bürger räumten in der Schlacht Spieß und
Kugeln auf, aber für jeden Stralsunder fielen mindestens zehn Dänen,
versanken im nassen Wellengrabe oder deckten als Leichen die Trümmer
ihrer Schiffe, die durch das Spiel der Wellen auf die Sandbänke der
Insel Strela geworfen wurden. Schon nach der ersten verlustreichen
Stunde des Kampfes erkannten die Dänen, daß nur die Flucht ihnen
Rettung bringen konnte, denn auf zu engem Raum hatten die nordischen
Schiffe den Kampf zu führen; die Fahrzeuge, die nicht enteilen konnten,
blieben dem sicheren Untergange geweiht.

[Illustration: Klaus von der Lippe schlägt die dänische Flotte.

Von Professor Hans Petersen.]

In diesem Getümmel schuf sich Jörg von der Lippe mit seiner Kogge
freie Bahn. In geringer Entfernung entdeckte er eine feindliche
Kogge, die der seinen an Größe gleichkam. An ihrem Hauptmaste
flatterte ein mächtiges Wappen der drei skandinavischen Reiche, und
in der Mitte spreizte der pommersche Greif seine Fänge. Es war das
Admiralsschiff der Dänen. Im Augenblicke der Annäherung erkannten die
Stralsunder auch auf dem Vorderkastell den Befehlshaber; in blinkender
Panzerrüstung stand er hochaufgerichtet da, und ein auf der Rückseite
schwer befederter Helm deckte den Kopf. Tollkühn ließ er den Kampf
mit dem Schiff der Hansen aufnehmen. Die Schiffswände knatterten und
krachten aneinander, es rasselten die Ketten der bereitgehaltenen
Enterhaken und Wurfanker, dazu erschollen als Musik die gegenseitigen
Schlachtrufe „Dudesche Hanse!“ und von der Seite der Dänen „Tüdske
Garper!“ Unentwegt tobte der Kampf; als Jörg von der Lippe sich zum
Schwunge auf das feindliche Schiff bereit machte, traf ihn ein Bolzen
am Schulterblatt. Von der Wucht des Anschlages taumelte er für einen
Augenblick, wie gelähmt fiel sein Arm schlaff herunter. Bestürzt
hielten seine Leute im Kampfe inne, auf dem Schiff des Feindes ertönte
darob großes Freudengeschrei. Nur kurze Zeit währte die Ohnmacht des
jungen Schiffsmeisters, und schon rief seine hellschmetternde Stimme:
„Los auf den Feind!“ Zu rasch erkannte der feindliche Führer das
Schwierige seiner Lage und die Gefahr, der er sich ausgesetzt hatte. Er
benutzte den Augenblick der Verwirrung, ließ die feindlichen Enterhaken
kappen und seine Kogge mit Klüverstangen abdrängen; die Flucht allein
bot ihm Rettung. Mit ihm entkamen nur noch Reste der stolzen dänischen
Flotte, die Stralsund den sicheren Untergang bereiten sollte. Dies
war Stralsunds Ehrentag, einen schöneren und größeren hatte die Stadt
nie gesehen. Die Insel Strela verlor ihren Namen und hieß von nun an
Dänholm.

[Illustration]



Hauptmann Paul Beneke, ein Danziger Seeheld aus der Zeit der Hanse.


1. Vorgeschichte.

Nachdem die gewaltigen Störenfriede Störtebeker und Gödeke Michaels
von der See vertrieben waren und ihre Räubereien mit dem Leben gebüßt
hatten, tauchten nach einem halben Jahrhundert abermals Piraten im
Gebiete der Nordsee auf, die den Handelsschiffen der Osterlinge
nachstellten, weil England es verlangte.

[Illustration: Ansicht aus dem Hafen von Danzig.

Nach einem alten Kupferstich.]

Danzig, das bei diesen Räubereien verschiedene Handelsschiffe einbüßte,
war keineswegs gewillt, stillschweigend die Gewalttaten hinzunehmen,
sondern rüstete eine gewaltige Fredekogge[15], ‚Mariendrache‘
genannt, aus. Kurt Bokelmann, Danzigs tüchtiger Schiffshauptmann,
erhielt die Führung des Kriegsschiffes. Lange Zeit suchte er in den
Nordseegewässern vergebens; endlich, am Ausgange des Jahres 1442, traf
er die Seeräuber in den Gewässern Helgolands. Die Natur bewies ihm ihre
Gunst. Bokelmann hatte den Wind für sich, so daß seine Gegner, die
Seeräuber, nicht anders als in die offene See enteilen konnten; auch
wußten sie, was ihnen bevorstand, fielen sie in die Hände des Danziger
Schiffshauptmanns; deshalb rüsteten sie sich auf einen Nahkampf, weil
sie den Danzigern für einen solchen Nahkampf zwei starke, wohlbestückte
Schiffe entgegenstellen konnten. Doch Bokelmann vermied den Nahkampf
und hielt sich in einer größeren Entfernung, da seine Kanonen trotzdem
ihr Ziel sicher trafen. Bokelmanns Geschützmeister, Martin Stolle,
hatte den klugen Einfall, die Geschosse glühend zu machen, um sie
in diesem Zustande gegen den Feind zu schleudern. Der Plan gelang
vorzüglich. Bokelmanns Mißtrauen, das er dieser neuen Art des Kampfes
anfangs entgegensetzte, war bald überwunden.

In den Lauf der Kartaunen kam zunächst Pulver, dann eine tüchtige
Schicht Leinwand und darauf die glühende Kugel. Großes Entsetzen
erregten bei den Seeräubern die feurigen Eisenkugeln vom Danziger
‚Mariendrachen‘, die ihre Schiffe trafen. Noch verzagten sie nicht und
antworteten tapfer, ohne das Ziel zu erreichen, und ihre Geschosse
fielen ins Wasser. Nach und nach entstand große Verwirrung auf den
beiden Räuberschiffen, und die aufsteigenden Rauchwolken verkündeten,
daß der Plan des Danziger Geschützmeisters Stolle seine Wirkung tat.
Immer höher stiegen die Rauchwolken, immer schwächer wurde das Feuer
der Räuberschiffe, bis es endlich ganz aufhörte, da zur Rettung der
Schiffe alle Mannschaften beim Löschen sich betätigten; nur noch die
Flucht blieb als Ausweg der Rettung übrig. Darauf wartete Bokelmanns
Schar. Der ‚Mariendrache‘ fuhr näher an die Kaperschiffe heran und
feuerte unentwegt Ladung auf Ladung in die dem Untergang geweihten
Seeräuberschiffe. Gierig züngelten die Flammen an den geteerten Tauen
zu den Masten empor. Die Segel verbrannten, und der Wind trieb mit
Hast die feurige Lohe über das Schiff. Rahen und Masten standen in
hellen Flammen, gleich feurigen Fackeln leuchteten die Piratenschiffe.
Bokelmanns tapfere Schar blieb noch immer am Werke und vermehrte durch
fortdauerndes Geschützfeuer die Verwirrung auf den Piratenschiffen.

Zwei Wege gab’s nur noch: entweder sicheren Untergang mit den
brennenden Schiffen oder die Flucht ans Land in den Booten. Die Kaperer
wählten das letztere und versuchten, in kleinen Booten das nahe
Helgoland zu erreichen. Aber auch dies Wagnis gelang ihnen nicht.
Die Geschosse des hinterdreinfahrenden ‚Mariendrachen‘ erreichten die
Fliehenden und bereiteten ihnen den Untergang, den Tod in den Wellen
der Nordsee.

       *       *       *       *       *

Nach dem Treffen bei Helgoland segelte der ‚Mariendrache‘ heim, um dem
Rate der Stadt Danzig Kunde zu bringen von dem Erfolg der Ausfahrt.
In einer dunklen, stürmischen Herbstnacht übersegelte das Danziger
Kriegsschiff ein Fahrzeug. Nichts war zu sehen. Kein Licht leuchtete in
der Dunkelheit auf, und nur die Todesschreie der verunglückten Schiffer
kündeten den Danzigern, daß ein Unglück geschehen sei. Bokelmann ließ
die Boote herab, um den Überlebenden Rettung zu bringen. Aber auf der
weiten Wasserwüste war alles totenstill, Wellenberg und Wellental.
Wrackstücke schwammen auf dem Wasser. In einem Körbchen zwischen zwei
Segelstangen befestigt, so daß das Wasser nicht hineinschlug, lag ein
Säugling. Seine Mutter war versunken im Wellengrab; dem Kinde wurde
die Rettung. Bokelmann nahm den Säugling, dessen Herkunft und Name nie
ermittelt wurde, mit nach Danzig. Dort ließ der Danziger Schiffsmann
den Findling mit seinem Sohn Eler bei dem Ratsherrn Beneke erziehen.
Hier fand das Kind eine zweite Heimat, und der Kaufmann adoptierte den
Knaben, den man nach dem Auffindungstag auf den Namen Paul taufte.


2. Die Seeschlacht bei Bornholm 1455.

Ein Jahrzehnt war nach diesen Ereignissen im Strom der Zeiten
verschwunden. Aus dem kleinen Paul Beneke war ein stattlicher Junge
geworden, der mitsamt seinem Pflegebruder Eler Bokelmann auf dem
‚Mariendrachen‘ in Dienst stand. Die See, die Abenteuer zur See, Krieg
und Kriegsgeschrei erfüllten die Seele dieser beiden jungen Menschen.

Die erste Gelegenheit, im tatenfrohen Jugendmute an einem Kampf
teilzunehmen, sollte sehr bald kommen.

Im Jahre 1455 gingen die Dänen ein Bündnis mit den deutschen
Ordensrittern ein und fügten der Seehandelsflotte der Stadt Danzig
allerlei Schaden zu. Trotz der Schläge, die ihnen die Hansen in
früheren Jahren erteilt hatten, fuhren die Dänen mit sechzehn
Fahrzeugen unter ihrem Admiral Hans von Zinnenberg hinaus auf die
Ostsee, um den preußischen Ordensrittern, ihren Bundesgenossen,
Lebensmittel und Munition zuzuführen. Dem Rat der Stadt Danzig
blieb dieses Vorgehen nicht verborgen. Er rüstete schnellstens die
Fredekogge, den so oft bewährten ‚Mariendrachen‘, aus und gab Kurt
Bokelmann den Oberbefehl über das Schiff und die beiden Auslieger, die
unter Merten Bardewig und Simon Lüblaw standen. Die Fredekogge hatte
eine Besatzung von etwa 250 Mann, die beiden kleineren Schiffe führten
je 80 bis 100 Mann. Ein einkommender Bergenfahrer brachte Bokelmann die
Nachricht, daß die Dänenflotte wegen widrigen Windes unter der Insel
Bornholm vor Anker läge. „Jetzt ist jeder Augenblick teuer!“ sagte
Bokelmann. „Der Wind kann täglich umspringen, und nur allzurasch können
sie uns entkommen. Darum auf, die Segel gesetzt, was die Masten nur zu
halten vermögen; heran an den Feind! Das soll unsere Parole sein.“

Auf den drei Schiffen trafen die Besatzungen die letzten Vorkehrungen,
alles Segelzeug wurde gesetzt, und hinaus ging’s in die See; die
Schiffe flogen nur so durch die Wellen, die Masten bogen sich unter der
Wucht der Segel, die dem kleinen Geschwader eine große Geschwindigkeit
gaben. Für alle Fälle lagen Reservesegel und Rahen bereit, damit kein
Aufenthalt eintrat.

Am zweiten Tage kam Bornholm in Sicht und mit ihm das dänische
Geschwader, das sich zur Abfahrt rüstete, da der Wind nach Süden
umsprang. Bokelmanns Augen leuchteten, und froher Kampfesmut beseelte
Danzigs Schiffsleute. Zur rechten Zeit trafen sie noch ein, um den
Gegner an der Abfahrt zu hindern. War es nicht ein gar zu kühnes
Unternehmen der Danziger mit ihren drei Schiffen, die sechzehn
Fahrzeuge starke Flotte der Dänen anzugreifen? Nur zu! In langer
Kiellinie fuhren die Dänen von dannen; die schnellen Schiffe voraus, in
der zweiten Abteilung sechs schwerbeladene Schiffe, denen die Mitfahrt
Mühe machte, da ihre Segelkraft nicht an die der größeren Schiffe
heranreichte.

Bokelmann nutzte den günstigen Augenblick aus und fuhr mit seinen
Schiffen in die Lücke der Dänen. Die vollen Breitseiten des
‚Mariendrachen‘ räumten auf den Decken, im Segel- und Mastenwerk
der dänischen Fahrzeuge gewaltig auf. Große Verluste erlitten auch
die Mannschaftsbestände der Dänen unter dem wohlgezielten und wenig
behinderten Feuer der Danziger. Als ihre Kugelgrüße dem dänischen
Nachtrupp durch die Segel fuhren, erkannte der Admiral seinen Fehler
und schwenkte jetzt mit dem Hauptteil seiner Flotte ein, um die
Danziger zu umklammern und von zwei Seiten anzugreifen und unter Feuer
zu nehmen. Gefährliche Augenblicke kamen jetzt für die Danziger.

Bokelmann erkannte die Gefahr, die seinen Schiffen drohte, und wandte
sie durch ein geschicktes Segelmanöver ab. Dadurch gewann er den Dänen
die Luvseite ab, so daß er seinen Gegner besser mit seinen Geschützen
unter Feuer nehmen konnte. Gründlich besorgten dies die Osterlinge.
Zwei Dänenschiffe mußten aus dem Kampf ausscheiden, die Kettenkugeln
von Bokelmanns Fahrzeugen hatten zu arg gewüstet, die Stümpfe der
Masten, die Reste der Rahen und der Segel, die über die Bordwände
hingen, bewiesen die Treffsicherheit der kühnen Hanseaten.

[Illustration: Sieg Bokelmanns über sechzehn dänische Schiffe bei
Bornholm.

Von Professor Hans Petersen.]

Noch aber standen vierzehn Dänenschiffe gegen die drei Danziger, denen
der Mut nicht entfiel. Abermals wendeten die Danziger und fuhren
auf den Feind; diesmal bohrten ihre verderbenbringenden Geschosse
eine Dänenkogge in den Grund, und eine andere geriet durch die
geschleuderten glühenden Kugeln in Brand. Solche besorgniserregenden
Verluste machten die Dänen kampfunlustig. Ihr Admiral Hans von
Zinnenberg versuchte im Dunkel der hereinbrechenden Nacht mit dem Rest
seiner Flotte zu entkommen. Kurt Bokelmann gab acht und ließ seinen
Gegner nicht entweichen. Der ‚Mariendrache‘ folgte dem dänischen
Admiralsschiff, auch die beiden Danziger Auslieger nahmen sich je ein
Schiff aufs Korn, hinter denen sie herjagten.

Mit Tagesanbruch begann ein neuer Kampf. Ein Verzweiflungskampf der
Dänen, die voller Todesmut sich den Danziger Donnerbüchsen, die
eine gar gewichtige Sprache redeten, entgegenstellten. Simon Lüblaw
und Merten Bardewig zwangen ihre feindlichen Gegner bald nieder und
veranlaßten sie zum Streichen der Flagge. Ernster und schwerer war
der Kampf der beiden Admiralschiffe. Hans von Zinnenberg kämpfte wie
ein Löwe. Seine Geschütze richteten auf dem ‚Mariendrachen‘ allerlei
Unheil an. Ein Teil des mittleren Mastes wurde zerschossen und kam von
oben herunter, damit Unordnung in das Segelwerk des Hansen bringend.
Bokelmanns Schiff wurde in seinen Bewegungen gehemmt und mußte, sollte
es nicht in die Gewalt der Feinde fallen, einen Gewaltstreich wagen;
mitten im Kampfe fuhr der ‚Mariendrache‘ urplötzlich auf das dänische
Admiralschiff los, um dieses unter Anwendung seines eisenbeschlagenen
Buges in Grund zu bohren. Nur durch den festen Bau des Schiffes konnte
der ‚Mariendrache‘ den Anprall aushalten. Mit voller Kraft fuhr er dem
dänischen Gegner in den Bug, und eine weite, große Öffnung klaffte in
der Bordwand des Dänen, mächtig strömten die Wasserwogen in das so
schwer beschädigte Schiff, doch der Dänenadmiral verlor den Kopf nicht.

Auf seinem Schiffe drohte ihm und seiner Mannschaft der sichere
Untergang, weil unaufhaltsam das Wasser in den Schiffsraum
hineinstürzte, darum konnte er nur gewinnen, wenn er hinüberstürzte auf
die Danziger Kogge. „Folgt mir!“ lautete im Augenblick des Anpralles
sein Befehl. Damit stürzte er mit einem Teil seiner Schar auf den
‚Mariendrachen‘ hinüber. Glücklicherweise brach jetzt der Bugspriet des
Danziger Admiralschiffes ab, und damit kam es frei, und niemand von der
Besatzung des Dänenschiffes konnte dem Admiral noch folgen.

Während sein Schiff versank, stand er allein mit dreißig Mann im Kampfe
gegen Bokelmanns tapfere Schar. Die Enterung war nicht geglückt, aber
Zinnenberg und seine Schar verkauften ihr Leben so teuer wie möglich.

Mutig stürmte er den Seinen voran. Im Handgemenge bedrohte sein kühnes
Schwert Kurt Bokelmann, dem im Augenblick der höchsten Gefahr Paul
Beneke beisprang, der durch einen glücklichen Schwertstreich Hans von
Zinnenberg kampfunfähig machte. Nach diesem kühnen Anschlag, der den
Admiral in die Hände der Osterlinge lieferte, ergab sich auch die
übrige kleine Kämpferschar. Während des Nahkampfes auf dem Verdeck des
‚Mariendrachen‘ ging das dänische Admiralschiff im Meere völlig unter.

[Illustration:

    Paul Benekes Sieg über die englische Flotte.
                                            Von Professor Hans Petersen.
]

[Illustration: Danzig im siebzehnten Jahrhundert.]

Die herumschwimmenden letzten Überlebenden, die auf den Wellen mit dem
Tode rangen, wurden von den Danziger Booten aufgenommen und gerettet.
Der Erfolg der Hansen war ein großer. Dreihundert Dänen büßten in der
Schlacht und durch den Untergang des Schiffes ihr Leben ein, die Hansen
hingegen verzeichneten nur zwölf Tote und vierzig Verwundete. Unter
den Toten der Hanseaten war aber einer, der für hundert zählte, Simon
Lüblaw, der tapfere Schiffsführer des Ausliegers. Sein Tod dämpfte die
Siegesfreude der Hansen.

Nachdem auf den Schiffen notdürftig die äußere Ordnung
wiederhergestellt war, eilten sie den übrigen entflohenen Dänenschiffen
nach; auch hierbei blieb ihnen der Erfolg treu; noch vier Fahrzeuge
konnten sie beim Entern nehmen. Die Beschädigungen der Danziger Schiffe
wurden schnellstens ausgebessert, und schon am dritten Tage nach der
Schlacht fuhr Bokelmann unter großem Jubel mit seinen sechs Prisen in
den Danziger Hafen ein.

Glockengeläute begrüßte die heimkehrenden Sieger, die Kanonen auf den
Wällen donnerten einen Willkommengruß, und in öffentlicher Sitzung
erhielt Kurt Bokelmann eine goldene Ehrenkette, und Paul Beneke, der
mutvoll seinem Admiral durch Tapferkeit das Leben gerettet, ehrte eine
öffentliche Anerkennung durch den Mund des Bürgermeisters Niederhoff.


3. Der Tag von Anholt.

Man schrieb das Jahr 1466. Kurt Bokelmanns Sohn Eler und sein
Pflegebruder Paul Beneke führten als Schiffshauptleute den neuen
‚Mariendrachen‘ der Danziger, denn der alte war bei einem Sturm schwer
beschädigt worden und daher abgewrackt. Die Fredekogge hatte eine
Reihe von Handelsschiffen nach Holland geleitet und lag nun mit den
Schiffen im Hafen von Zween. Dort traf die Kunde ein, daß Dänemark den
versprochenen Frieden nicht gehalten habe, eine heimkehrende Flotte der
Danziger sei überfallen, dazu sei das Begleitschiff ‚Pomuchel‘ unter
Merten Bardewig in Grund gebohrt worden. Ein neuer schwerer Schlag für
die Osterlinge! Erfreulicherweise bewahrheitete sich das Gerücht nicht
ganz, denn nach einiger Zeit lief ein schwerbeschädigtes Schiff in
den Hafen ein, und zur Freude der beiden Brüder war es die Barse[16]
‚Pomuchel‘.

Am Bord des Schiffes erfuhren die beiden tapferen Seeleute von Merten
Bardewig, daß die Dänen in der Tat mit drei Kriegsschiffen bei Anholt
über die Flotte der Danziger hergefallen waren; der sich entspinnende
Kampf war für Merten Bardewig nicht ruhmlos verlaufen, denn der eine
Gegner wurde so arg zerschossen, daß er nur einem Wrack glich, und
sicher wäre es den beiden anderen nicht besser ergangen, wenn nicht
eine dänische Kettenkugel den großen Mast des ‚Pomuchel‘ zerstört
hätte. Nun konnte die Lösung nur die sein: entweder die Flucht oder ein
ruhmvoller Untergang.

Der tapfere Bardewig wählte die Flucht, um sein Schiff der Vaterstadt
zu erhalten. Ruhig ließen die Dänen das Schiff entkommen und machten
sich über die Kauffahrteiflotte her, denn um diese Beute war es ihnen
zu tun. Vier Danziger Schiffe brachten die Dänen auf und schleppten
sie als hochwillkommene Prise nach dem Hafen Anholt. Bardewig fuhr
auf kürzestem Wege nach Holland, um den ‚Mariendrachen‘ zu suchen.
Gemeinsam konnten die beiden Schiffe den Racheplan ausführen, der schon
im Kopf des findigen Alten fertig war.

In emsiger Tätigkeit gaben die Schiffsleute beiden Kriegsschiffen ein
anderes Aussehen. Sorgfältig wurden die Kanonenpforten versteckt, Segel
und Bordwände verändert, daß die Schiffe in ihrem Äußern harmlosen
Kauffahrern glichen. Nach drei Tagen schneller Fahrt erreichten sie
die Enge Lässö und bemerkten dort eine feindliche dänische Barse.
Die Hansen segelten ruhig weiter; als sie merkten, daß die Dänen sie
erkannten, ergriffen sie scheinbar die Flucht, um so dem Feinde eine
Falle zu legen. Der Plan gelang vortrefflich. Schnell kappte der
Däne die Ankertaue und segelte hinter den vermeintlichen Danziger
Kauffahrern einher. Der Plan der Danziger war, weit genug von der Küste
entfernt den Kampf mit dem Dänen zu wagen. Damit die dänische Barse
schneller herankam, mäßigten die Danziger ihre Fahrt durch Tonnen,
die an langen Tauen ausgelegt wurden und als Schleppzug dem Schiff
nachliefen. Hätten sie Segel beigesetzt, wäre ja der Plan zuschanden
geworden.

Endlich kam der Däne in Schußweite. Ein Kanonenschuß brachte den
beiden Schiffen die Aufforderung, beizudrehen; schnell kamen die
Danziger diesem Befehle nach, nahmen die Segel fort und fuhren dabei
auseinander, so daß zwischen ihnen eine Entfernung von mehreren
hundert Schritt lag. In den Raum fuhr das Dänenschiff hinein. Der
hochwillkommene Augenblick, den Überfall von Anholt zu rächen, war
jetzt da. Auf den hansischen Schiffen öffneten sich die Kanonenpforten,
das Kriegszeichen der Osterlinge, der Besen, ging hoch. Die
Schiffsleute stürzten aus dem Innern der Schiffe hervor.

Und ehe der Feind Zeit zur Überlegung hatte, faßten ihn schon die
Enterhaken der Danziger, und mit dem Schlachtruf „Hie gut Danzig
allewege!“ stürmten die Hansen auf das Dänenschiff. Der Widerstand
seiner Mannschaft wurde in kurzer Zeit niedergekämpft, die Gefangenen
kamen auf die beiden deutschen Schiffe, wo man sie einsperrte. Vom
feindlichen Kapitän ließ sich Merten Bardewig die verabredeten
Erkennungszeichen und den Aufenthalt der beiden anderen Barsen bekannt
geben. Durch ein geschicktes Verhör stellte der Danziger Schiffsführer
fest, daß die Danziger Prisen bei Anholt lägen.

Hundertfünfzig deutsche Seeleute besetzten unter Führung von Paul
Beneke das eroberte dänische Schiff. Ihm wurde die schwierige Aufgabe
gestellt, die feindlichen Schiffe zu erobern und die Danziger
Kauffahrer fortzuführen. Paul Beneke ging frisch ans Werk, das er
ruhmvoll fertigbrachte. Sein Fahrzeug trennte sich von seinen Gefährten
und traf am Abend vor Anholt ein. Die Dänen im Hafen ahnten nichts
Böses: unangefochten konnte Benekes Schiff Anker werfen, da ja die
Erkennungszeichen durchaus richtig gegeben wurden.

Mit Beginn der Nacht gab es bei den Hansen emsige Tätigkeit; die Boote
ließ man geräuschlos zu Wasser, und ebenso leise bewegten sie sich auf
das erste feindliche Schiff zu. Hier herrschte tiefe Ruhe. Die Wache
schlief, und schnellfüßig kletterten die Hansen an den Strickleitern
empor. Ehe noch die emporgeschreckte Wache einen Laut von sich gab, lag
sie geknebelt und festgebunden da. In aller Eile fügten die Zimmerleute
feste grobe Planken über die Luken und verrammelten die Kajütentüren.
Mochten nun die Dänen auch toben, ihr Schreien blieb ungehört. Eine
kleine Wache der Hansen führte die Aufsicht über die eroberte Barse.
Die anderen eilten, um die zweite dänische Barse durch die gleiche
List in Besitz zu bekommen. Ganz so leicht sollte es diesmal nicht
gelingen. Der aufmerksame Schiffsposten gab Warnungszeichen, aber
sie halfen nicht viel. Ehe noch die schlaftrunkenen Dänen tüchtigen
Widerstand leisteten, waren die Danziger schon oben und räumten unter
den Feinden mit der blanken Waffe auf. Jegliches Schießen hatte
Beneke seinen Leuten verboten, um durch das Feuer die Uferbewohner
nicht aufzuschrecken. Der Rest der Dänen, der im Kampf nicht fiel,
verbarg sich im Innern des Schiffes und kam, wie seine Genossen, in
eine unfreiwillige Haft. Auch das dritte Stück der Arbeit sollte
den Danzigern gut gelingen. Die am Lande aufgestellte feindliche
Geschützreihe kam sehr leicht in den Besitz der Hansen, da auch hier
die Wächter sorglos schliefen und sich auf die Kriegsschiffe verlassen
hatten, die die Einfahrt zum Hafen schützten. Einige Hammerschläge
und einige kräftige Nägel genügten: das Werk war vollbracht. Jetzt
eilten die Boote der Hansen in den Hafen hinein und schafften die
Danziger Kauffahrer schnell heraus. Alles verlief so gut, daß noch
sechs dänische Kauffahrer mit hinausgenommen wurden, ohne daß deren
Besatzungen nur das geringste davon merkten.

Als der Morgen graute, erstaunten die Dänen nicht wenig, die
Handelsschiffe draußen vor dem Hafen liegen zu sehen. Zornig ruderte
der Hafenmeister hinaus, um nach den Ursachen zu forschen; nur zu bald
gaben ihm die ihn umringenden Hansen die nötige Antwort, er war ihr
Gefangener. Beneke entließ ihn mit dem Auftrage, dem Bürgermeister
mitzuteilen, die gefangenen Hansen freizugeben, dazu binnen drei
Stunden über 100000 Mark als Entschädigung zu zahlen. Unterblieb bis
zum Ablauf dieser Frist die Zahlung, so würde die Stadt in Grund und
Boden geschossen.

Bei dieser Kunde erhob sich in der Stadt ein wüstes Geschrei, man
glaubte, den gestellten Ansprüchen nicht nachkommen zu müssen, aber die
drohenden Kanonenpforten unterstützten nachdrücklichst die Forderung.
Noch ehe die Frist verstrich, war Beneke im Besitze der verlangten
Summe und segelte dann mit der Flotte hinaus, seinen Gefährten entgegen.

‚Mariendrache‘ und ‚Pomuchel‘ erschienen frühzeitig genug vor dem
Hafen, um den Sieger mit seiner reichen Beute noch auslaufen zu sehen.
Draußen auf der See setzten die Hansen die gefangenen Dänen auf die
schlechteste Prise über, die sie dann ihrem Schicksal überließen.

Nach dreitägiger Fahrt erreichte die Flotte jubelnd die Heimatstadt,
in der Trübsal und Trauer herrschten, da man einen dänischen Überfall
befürchtete. Zu Ehren der Schiffshauptleute und der siegreichen
Kriegsfahrzeuge gab der Rat ein großes Fest. Wieder läuteten die
Glocken, und wieder ertönten Böllerschüsse, und wieder wurden
schmückende Ehrenketten den Siegern überreicht, dazu ward Paul Beneke
feierlichst zum Schiffshauptmann von Danzig ernannt. Unter den
erbeuteten Dänenschiffen suchte er sich die ‚Anholt‘ aus, die dann
lange Zeit unter seiner Führung im Dienste der Stadt Danzig stand.


4. Überlistet.

(+Danzig im Kampf mit England.+)

Unter den Hansen wußte man, daß König Eduard IV. von England auf einen
günstigen Augenblick wartete, den Hansen eine vernichtende Niederlage
zu bereiten, damit die Handelsvorteile, die ihnen gewährt waren,
hinfällig wurden. Ein Hansetag, der ausgeschrieben war, ließ leider
die gewohnte Einmütigkeit und Tatkraft der hansischen Glieder nicht
mehr erkennen, zu sehr machten sich schon die Einzelwege der Städte
breit.

So war Köln nicht bereit, wegen seiner Handelsbeziehungen mit England
den Forderungen des Hansebundes zu folgen. Danzig rüstete daher auf
eigene Faust, um dem Unheil, das sich drohend zusammenzog, rechtzeitig
begegnen zu können. Bardewig erhielt den Auftrag, vier Auslieger
fertigzustellen und mit ihnen die Fahrt an die flandrische Küste zu
unternehmen.

Im Jahre 1468 zogen Kaufleute von Lynn nach Island, erschlugen dort
den dänischen Vogt, verheerten die Insel und beraubten auch die
Steuerkasse. König Christian I. von Dänemark, darüber erbost, setzte
auf seine Kriegsfahrzeuge angeworbene hansische Kapitäne, denen er mehr
zutraute als seinen eigenen Schiffshauptleuten, und die Erfolge, die
sie erzielten, sollten ihm recht geben. Allerlei englische Fahrzeuge
wurden aufgebracht, und damit war für England der lange gesuchte Grund
für eine Auseinandersetzung mit der Hanse gegeben. Den hansischen
Kaufleuten auf dem Stahlhof zu London maß man die Schuld bei, Anstifter
dieses Unternehmens zu sein. Nicht nur wurde der Stahlhof geschlossen,
die dort beschäftigten deutschen Kaufleute ins Gefängnis geworfen,
ein Teil sogar ermordet, sondern auch noch die Forderung erhoben,
20000 Pfund Sterling Schadenersatz zu leisten für die von den Dänen
erbeuteten Kauffahrteifahrzeuge.

Gleichzeitig rüstete der kampffrohe König Eduard IV. vierzehn
Kriegskoggen aus, die dazu bestimmt waren, die hansischen
Seestreitkräfte zu vernichten.

Paul Beneke und Eler Bokelmann erhielten vom Kontor zu Bergen sehr
bald Nachricht von diesen Vorgängen, dazu die Warnung, den schützenden
Hafen von Zween nicht zu verlassen, weil fünf Schiffe der Engländer
ihnen auflauerten. Es befand sich unter den englischen Schiffen auch
der gefürchtete ‚St. John‘. So wohlgemeint die Warnungen auch waren,
Beneke beachtete sie nicht, sondern faßte den Entschluß, die Engländer
anzugreifen. Unter französischer Flagge verließen sie den Hafen von
Zween und ankerten am nächsten Morgen beim Städtchen Deal an der
englischen Küste in der Nähe von Dover. Eine große Menschenmenge war
am Ufer versammelt, um den Lord-Mayor von London, Thomas Cook, zu
empfangen, der mit zwei französischen Schiffen zurückgeleitet werden
sollte.

Der Bürgermeister begab sich an Bord zur Begrüßung des hohen Herrn.
Wie erschrak er, als er sich in der Gewalt der Osterlinge sah! Man
zwang ihn im Namen des Lord-Mayors, eine briefliche Nachricht an
Männer in bevorzugter Stellung zu geben und sie zu bitten, ihm an
Bord des Schiffes ihre Aufwartung zu machen, da er gleich die Themse
hinaufsegeln wolle. Bald erschienen die Herren, und auch ihnen erblühte
das Los der Gefangennahme. Beneke kam damit in den Besitz von dreißig
Geiseln; damit nicht genug, faßte er auch den kühnen Entschluß, den
Lord-Mayor selbst gefangenzunehmen. Bevor jedoch seine Schiffe zu dem
Zweck die Anker lichteten, stieg die Danziger Flagge am Maste empor.
Ein großer Schrecken bemächtigte sich der Anwohner. Beneke stand davon
ab, die Stadt in Grund und Boden zu schießen, aber in anderer Art traf
er die Engländer empfindlich: die Boote wurden zu Wasser gelassen und
eine Reihe englischer Handelsschiffe, die im Hafen lagen, angezündet.
Das war die hansische Antwort auf die Kriegserklärung Eduards. --

Nun fuhr Beneke hinaus, um den Lord-Mayor zu suchen; nach wenigen
Stunden traf er die ‚Madeleine‘, ein Schiff unter französischer Flagge,
das den Lord-Mayor hinüberfuhr. Dem hohen Herrn nützte das Schelten gar
nichts, er mußte mit seinen Schätzen auf die ‚Anholt‘ hinüber, und dort
traf er gute Gesellschaft.

Nachdem dieser Streich gelungen, fuhr Paul Beneke zurück nach Zween. Da
er schon in der Ferne die die Hafeneinfahrt abschließenden englischen
Schiffe erblickte, hielt er sich in genügender Entfernung und wartete
bis zum Dunkelwerden. Dann fuhr er vorsichtig in den Hafen hinein, ohne
daß seine Feinde es merkten. --

Gegen Mitternacht kam ein Fischerboot mit zwei halberfrorenen Männern
bei dem ‚St. John‘ an. Die beiden Fischer gaben an, verirrt zu sein.
Sie baten den wachthabenden Steuermann um Brot, Wasser und Holz.
Bereitwillig gab der mitleidige Engländer ihnen alles. Dann sah er, wie
die beiden sich auf einer Unterlage von Backsteinen Feuer anmachten
und den Topf aufsetzten. Die vermeintlichen Fischer waren Paul Beneke
und Eler Bokelmann, und was sie im Topfe kochten, war Blei. Sobald sie
merkten, daß niemand auf sie achtgab, fuhren sie mit dem Boot nach dem
Spiegel des englischen Schiffes und gossen das flüssige Metall in die
Ösen (Fingerlinge), in denen sich das Ruder bewegt.

„So, die werden an unserer Suppe genug zu kauen haben,“ murmelte der
eine und lachte halblaut. „Möge sie ihnen bekommen!“

Einige Zeit lauschten sie noch, ruderten dann wieder längsseit, riefen
dem Schiffsoffizier herzlichen Dank zu für die gewährte Erlaubnis und
verschwanden in der Dunkelheit. --

Beim Anbruch des Tages bedeckte ein dichter Nebel die Gewässer, ein
guter Bundesgenosse der Hansen, die sich zum Schlagen rüsteten. Gedeckt
durch die Nebel, fuhr Beneke dicht an den Feind hinan, und sowie sich
der Dunst verzog, stürzte er auf die überraschten Engländer los. Gleich
das erste feindliche Schiff wurde durch zwei erfolgreiche Breitseiten
vollständig kampfunfähig. Noch ehe die Schiffsleute ihre Hände rührten,
waren ihre Kanonen zerstört. Aber jetzt setzten die übrigen englischen
Schiffe Segel und der ‚St. John‘ kappte seine Ankertaue, um sich auf
den Hansen zu stürzen. Doch vergebens! Das Schiff gehorchte dem Steuer
nicht mehr, es trieb wie ein Wrack mit dem Winde in die See. Da faßte
die kleinen Schiffe die Besorgnis, sie ließen ihre Gefährten ohne Kampf
im Stich und flüchteten. Paul Beneke hielt auf den ‚St. John‘ zu.

„Ergebt euch!“ rief er hinüber. „Euer Ruder sitzt fest von der Suppe,
die ich euch über Nacht in die Fingerlinge goß!“ Die überlisteten
Engländer mußten die Flagge streichen und den ‚St. John‘ überliefern.
Was half aller Zorn. Sie waren von dem Danziger Schiffsführer
überlistet worden. -- Ohne Verlust kehrte der ‚Mariendrache‘ nach Zween
zurück, und der Ruhm des Paul Beneke erfüllte das Land. Gern ließen
sich die Schiffskinder[17] für seine Schiffe anwerben.


5. Die Gefangennahme von König Eduard IV.

In Danzig hatte der Erfolg Paul Benekes und Eler Bokelmanns große
Freude ausgelöst, der Rat beschloß, ihnen noch acht Schiffe unter
Merten Bardewig nachzusenden, denn es blieb nicht ausgeschlossen, daß
die Engländer von neuem den Kampf gegen die Hansen, insbesondere gegen
die Osterlinge, wieder aufnehmen würden. Die Londoner Kaufleute wollten
den Handel der Fremden auf jeden Fall aus dem Lande verdrängen, und
Eduard IV. mußte sich ihnen fügen, damit sein Thron nicht ins Wanken
geriet.

In aller Heimlichkeit hatten die englischen Kaufleute eine Reihe
Kaperschiffe ausgerüstet zu dem bestimmten Zwecke, den Feind zu Boden
zu werfen. Aber ehe es so weit kam, begann ein Aufstand gegen Eduard,
und die Kaufleute ließen ihn während seiner Kämpfe mit den Adeligen im
Stiche. Der verlassene Monarch rettete sich mit sechshundert Freunden
auf vier Schiffe, um in Flandern bei Karl dem Kühnen eine sichere
Unterkunft zu finden.

Paul Beneke, der mit einem Teil seines Geschwaders an der englischen
Küste kreuzte, erfuhr diese Nachricht durch einen englischen
Kaperkapitän, dessen Schiff er bei Norfolk genommen hatte. Sein Plan,
den König gefangenzunehmen und nur freizugeben, wenn er die Bedingungen
anerkannte, sollte glänzend durchgeführt werden.

Beneke mußte sich beeilen, denn die englischen Schiffe hatten einen
bedeutenden Vorsprung. Durch allerlei glückliche Umstände erreichten
die Danziger Schiffe die Engländer. Als Eduard IV. sah, daß seine
Schiffe verfolgt wurden, versuchte er zu entfliehen. Beneke eilte
mit dem schnellsten der Danziger Schiffe, dem ‚St. John‘, nach, eine
aufregende Jagd begann, Schüsse wurden nicht gewechselt. Im Angesichte
der flandrischen Küste nahte dem englischen König das Verhängnis.
Der Wind nahm sichtlich ab; während die Danziger weiter draußen noch
hinreichenden Wind fanden, um heranzukommen, zwang die Windstille die
Engländer, zu warten.

Als die Danziger herankamen, nahmen sie den König und seine Getreuen
gefangen. Inzwischen fuhr vom Lande her unter burgundischer Flagge ein
Boot heran, das den Grafen von Vere an Bord hatte, der auftragsgemäß
als Küstenadmiral den entflohenen König begrüßen sollte. Sein Erstaunen
wuchs, als er die Gefangennahme erfuhr. Durch Reden und Drohungen
ließ sich Beneke nicht einschüchtern; er blieb dabei, der König sei
auf der See gefangengenommen und die Hoheitsgrenze Flanderns nicht
verletzt. Dann lud er den Grafen ein, mit Eduard IV. an Bord des ‚St.
John‘ zu kommen und dort mit ihm als Vertreter der Hanse zu verhandeln,
gemeinsam wollten sie nach einem Auswege suchen. Der Graf tat’s.
Der flandrische Admiral kam mit dem bedrängten Könige auf Benekes
Schiff; dieser empfing sie höflich und schloß mit ihnen nach langen
Verhandlungen folgenden Vergleich: „Als Vertreter der Hanse führt der
Schiffshauptmann Paul Beneke König Eduard IV. mit vierzehn Schiffen
in sein Reich zurück, sobald die nötige Kriegsmacht beisammen ist.
Zwei Wochen nach der Landung bleibt die Flotte im Dienste des Königs,
Eduard IV., schützt hingegen die Vorrechte der Hansen und duldet keinen
Übergriff der englischen Kaufleute und wehrt außerdem dem drohenden
Kaperkrieg.“

Die Anwesenden unterschrieben diese gemeinsame Vereinbarung, dann
erhielt der König seine Freiheit und wurde unter königlichen Ehren ans
Land geleitet.


6. Der Kampf an der Maasmündung.

Während der Zeit, da Beneke Eduard IV. auf der Flucht nach der
flandrischen Küste verfolgte, versuchte Merten Bardewig mit seiner
Flotte von vier Fahrzeugen den Franzosen zu schaden, denn auch der
französische König Ludwig XI. kämpfte gegen die Hansen, weil sie seinem
Feind, Karl dem Kühnen von Burgund, halfen. Das Beginnen Bardewigs
war nicht ohne Erfolg. Vier Schiffe nahm er den Franzosen. Da es ihm
aber an Munition mangelte, ging er in Calais ans Land, ohne erst nach
Holland zurückzukehren. Es war dies ein gewagtes Unternehmen. Aber
dem alten kampferprobten Bardewig erschien nichts unmöglich. Er wurde
jedoch von den Franzosen erkannt und in einem Auflauf auf offener
Straße erschlagen.

Bei den Hansen entstand darob große Trauer, bei den Franzosen
Zuversicht. In aller Eile rüsteten sie siebzehn Schiffe aus und
schickten sie zum Kampf gegen die Hansen. Einer so großen Übermacht
erlagen die Danziger, sie verloren drei Schiffe, und nur eins
konnte sich retten und die Trauernachricht nach der flandrischen
Küste bringen, wo Eler Bokelmann mit seinem Schiffe kreuzte. Keinen
Augenblick zögerte er, den Tod von Merten Bardewig zu rächen.

Zwei Tage darnach traf Paul Beneke in Zween ein und erfuhr hier,
daß sein Pflegebruder Eler Bokelmann mit fünf Schiffen die starke
französische Flotte angreifen wollte. Sofort setzten Benekes Schiffe
wieder Segel und eilten Eler Bokelmann nach, um ihn vom Kampf
abzuhalten oder ihm doch eine wirksame Unterstützung zu bringen. Als
der neue Morgen graute, kündete weithin hallender Kanonendonner, daß
Eler Bokelmann doch das kühne Wagnis, die Franzosen vor der Maas
anzugreifen, begonnen. Der hinzueilende Beneke erkannte nur zu bald,
daß die Danziger sich in einer sehr schlimmen Lage befanden. Wohl
hatten sie tapfer gefochten, fünf feindliche Schiffe kampfunfähig
gemacht, aber auch von Bokelmanns Schiffen lagen zwei am Grunde
des Meeres. Das gewaltige Übergewicht von zwölf Franzosen gegen
drei Hanseaten ließ keinen Zweifel über den endgültigen Ausgang der
Seeschlacht. Beneke konnte, da der Wind abflaute, nicht so schnell
eingreifen. --

Sein Freund und Kampfgenosse schlug sich mit dem französischen
Admiralschiffe ‚Columba‘ herum. Wüst sah es auf dem Danziger
‚Mariendrachen‘ aus; an der Art des Kampfes sah man deutlich, daß die
Kampfkraft des Danziger Admiralschiffes zu Ende war. Doch auch die
‚Columba‘ wich zurück, und an die Stelle dieses furchtbar zugerichteten
Schiffes traten drei andere französische Schiffe, um von neuem den
Kampf mit dem ‚Mariendrachen‘ zu wagen. Jetzt nahm der Wind wieder
zu, und nun eilte Beneke auf dem schnellsegelnden ‚St. John‘ an den
Kampfplatz.

[Illustration: Sieg der Hanse über die französische Flotte vor der
Maasmündung.

Von Professor Hans Petersen.]

Dicht rauschte das mächtige Schiff mit den geschwellten Segeln
an die ‚Columba‘ heran, so daß sich die Rahenspitzen berührten.
Eine mächtige Breitseite donnerte vom ‚St. John‘ hinüber und fegte
vom Verdeck des feindlichen Admiralschiffes alles herunter. Für
einen Augenblick stutzten auch die drei anderen Angreifer, sie
ließen vom ‚Mariendrachen‘ ab, und schon glaubte Beneke seinen
Pflegebruder gerächt, da erscholl der Schreckensruf: „Feuer!“ Auf dem
‚Mariendrachen‘ züngelten Flammen empor, die Rauchwolken wurden dichter
und größer. Bald glichen Masten und Segel einem glühenden Feuermeer,
dessen Flammen gierig gen Himmel leckten. Freund und Feind stellten
über dem schaurigen Anblick das Feuern ein und folgten gespannt dem
Schauspiel. Auf einmal ein gewaltiger, mächtiger Donnerschlag! Die
Pulverkammer des ‚Mariendrachen‘ war vom Feuer verzehrt, und die
herumfliegenden Trümmer kündeten, daß das stolze Schiff samt dem Rest
seiner kampffähigen Mannschaft in die Luft geflogen sei.

Für eine Zeitlang herrschte Todesstille, die Kanonen schwiegen bei
Freund und Feind; die Wellen schlossen sich über den zuckenden Leibern
der Gefallenen. Als dann der Wind stärker rauschte und die Rauchwolken,
die sich über den Kampfplatz gelagert hatten, allmählich verschwanden,
da erhob sich lauter Jubel bei den Franzosen, und siegesfreudig
begannen sie von neuem zu kämpfen. Ihr starker Gegner ruhte zertrümmert
am Grunde des Meeres, siegeszuversichtlich stürzten sie sich in den
Kampf, dessen endlicher Sieg ihnen ja werden mußte. Beneke packte
sein alter furchtloser Kampfesmut. Hatte er den Bruder nicht retten
können, so sollte doch dessen Tod gerächt werden, und mächtig erscholl
wieder der Kampfesruf der Danziger „Hie Danzig!“ über den Kampfplatz.
Das dem ‚St. John‘ am nächsten liegende feindliche Schiff erhielt
eine so kräftige Breitseite, daß es sank. Diesen Augenblick benutzten
die beiden letzten Schiffe Eler Bokelmanns, um an den ‚St. John‘
heranzukommen, und vereint fielen die drei Danziger über einige abseits
fahrende französische Schiffe her, die sie nach kurzer Gegenwehr
bezwangen und kampfunfähig machten. Nur noch sieben feindliche Schiffe
standen den Resten der Danziger Flotte gegenüber, die durch die fünf
Schiffe vom Geschwader Benekes eine tüchtige Verstärkung erhielten.
Jetzt war die Siegeszuversicht der Franzosen dahin, sie suchten
ihr Heil in der Flucht. Während die einzelnen Hansenschiffe die
flüchtenden feindlichen Fahrzeuge verfolgten, eilte der ‚St. John‘ der
‚Columba‘ nach und erreichte das feindliche Schiff. Als die Schiffe
aneinanderprallten, sausten die Enterhaken herunter, rasch stürzte
Beneke mit seiner todesmutigen Schar auf das Verdeck der ‚Columba‘.

Ein wütender Nahkampf entstand hier. Der feindliche Anführer fiel unter
Benekes Streichen, aber auch Beneke erhielt einen Stich mit einem
Enterhaken und fiel nieder. Schon begannen die Danziger zu weichen,
da ihr Hauptmann niedersank; aber erneut stürmten sie vor, und der
flüchtende Rest der Franzosen floh unter das Verdeck und bat um Gnade.

Von den siebzehn stolzen Schiffen entkamen drei, die andern fielen in
die Hände der Deutschen oder lagen zerschossen am Grunde des Meeres.
Ein rechter Siegesjubel kam nicht auf, denn auch die Verluste der
Hansen waren große. Der eine Führer war tot, der andere lag todeswund
in seiner Kabine. Lange schwebte der tödlich getroffene Beneke in
Gefahr, aber er genas; den Vertrag mit Eduard IV. hieß der Hansebund
gut, und im März 1471 führte der wiedergenesene Beneke Eduard nach
England und half dem König vierzehn Tage lang gegen seine unbotmäßigen
Untertanen.


7. Das erfolgreiche Ende.

Lange Zeit konnte Paul Beneke sich der Ruhejahre nicht erfreuen. Schon
im Jahre 1473 mußte er wieder hinaus, um den Verhandlungen mit England,
die sich bedenklich in die Länge zogen, größeren Nachdruck zu geben.

[Illustration: Danziger Kriegsschiff ‚Peter von Danzig‘.]

Eduard IV. konnte seinem Versprechen nicht nachkommen, da die
englischen Kaufleute ihm nicht folgten; sie zum Gehorsam zu zwingen,
besaß der König nicht die Macht. Dadurch erlitten die hansischen
Handelsbeziehungen großen Schaden, die zahllosen Kapereien brachten
ungeheure Verluste. Diesen unglückseligen Zuständen sollte jetzt
endgültig ein Ende bereitet werden, und der für den Seekrieg
ausersehene erprobte Führer Paul Beneke ging mit einem seetüchtigen
Schiff, ‚Peter von Danzig‘, hinaus auf den Kaperfang. Das Glück war ihm
auch diesmal hold. Durch Zufall erhielt er die Nachricht, daß englische
Kaufleute zwei Schiffe in Holland befrachtet hätten. Um sie vor den
hansischen Kriegsfahrzeugen zu schützen, wurden sie zum Scheine an
einen der Räte Karls des Kühnen von Burgund verkauft, mit Italienern
bemannt, und außerdem segelten sie unter burgundischer Flagge. So
hatten sich die Engländer gesichert und glaubten ungehindert mit ihren
Fahrzeugen das Ziel zu erreichen.

Beneke ließ die Frachtschiffe bis an die englische Hoheitsgrenze
heranfahren; dort konnte er sie nach dem üblichen Kriegsrechte
angreifen, weil sie dem Feinde Waren zubrachten.

Die Mannschaft des ‚Peter von Danzig‘ war unter dem Vorgänger Bernd
Pawest sehr verwahrlost; es wurde Beneke schwer, strenge Ordnung und
Zucht unter diesen ‚Schiffskindern‘ zu halten. In dem Augenblicke,
da der entscheidende Angriff auf die feindlichen Schiffe bevorstand,
ließen sie ihren Hauptmann fast im Stich. Darüber erzählt der alte
Lübecker Lesemeister Reimar Kock in seiner Chronik:

„Paul Beneke näherte sich den beiden Galeeren, bot ihnen seinen Gruß
und fragte, woher sie kämen und wohin sie willens wären. Aber der
Hauptmann der großen Galeere gab ihm eine spöttische Antwort, was
er darnach zu fragen hätte, ob ihm nicht das Wappen sowohl in der
Flagge wie auf der Galeere bekannt sei. -- Denn der hochfahrende
Lombarde ließ sich bedünken, der Deutsche mit seinem kleinen Schiffe
müsse dem Welschen wohl weichen. Aber er fand einen rechtschaffenen
deutschen Mann vor sich. Deshalb sprach Paul zu dem Lombarden, er solle
die Flagge streichen und die Güter herausgeben, die den Engelschen
gehörten; wenn er es aber nicht mit Gutem wolle, solle er schon das
Streichen lernen. Aber diese Worte achtete der Welsche für Torheit, er
ließ vielmehr statt der Antwort eine Büchsenladung auf den Deutschen
abknallen. Alsbald aber war Paul Beneke und sein Volk fertig, setzte
bei und scharmutzierte eine Zeitlang mit dem Welschen. Weil aber das
Schiffsvolk sah, daß die Welschen an Geschütz und Mannschaft überlegen
waren, wurde es zaghaftig und fing an zu weichen. Da hub Paul Beneke
zornig und traurig zugleich an: „Ach, Gesellen, was macht ihr da? Was
soll daraus werden, und wie wollen wir das verantworten? Wollte ich
doch, ich hätte diesen Tag nie erlebt, da ich mit eigenen Augen sehen
muß, wie so mancher deutsche Kriegsmann und Seemann vor den Welschen
verzagt und die Flucht nimmt! Wäre es nicht ehrenvoller, daß wir alle
vor unseren Feinden um unseres Vaterlandes Freiheit stürben, als daß
wir unser Leben lang die Schande tragen, daß die Kinder mit Fingern
auf uns weisen und uns nachschreien: Das sind sie, die sich von den
Welschen jagen lassen?! --

„Das wird den Engelschen Mut machen, und sie werden alle Zeit gewinnen
und wir davon laufen. Wie manchen deutschen frommen und braven Seemann
und Kaufmann werden wir um Leib und Gut bringen! Ach, wären wir nur
nicht losgegangen, es wäre ja besser, daß uns die Welschen ihr Leben
lang nicht mit Augen gesehen!

„Habe ich euch nicht vorher gesagt: ‚Gesellen, das wäre wohl eine
gute Beute, aber sie wird Arbeit kosten! Wolltet ihr alle, wie ich,
mit Ehren drauf und dran, so sollte sie uns nicht entgehen, aber
unerschrockene Herzen und Fäuste gehören dazu. Die Galeere ist groß und
wie ein scheußliches Biest anzusehen, dessen ihr nicht gewohnt seid,
dazu viel größer als unser Schiff und mit vielem Volk und Geschütz
ausgerüstet, jedoch es sind Welsche und keine Deutsche. Wollen wir nach
unserer Väter Art mit Herzen und Fäusten Deutsche sein, so soll die
Beute uns nicht entgehen und uns unser Leben lang gut tun.‘

„Da riefet ihr alle, ich solle euch nicht anders befinden, als wie es
deutschen Männern wohl anstünde. O großer Gott, nun muß ich mit eigenen
Ohren anhören, daß uns die Welschen nachrufen, so müsse man deutsche
Hunde jagen. Sollte ein ehrlicher Deutscher nicht eher sterben, als das
anhören?“ --

Mit solchen und ähnlichen Worten machte Paul Beneke seinem Volk das
Blut wieder warm, daß es sprach: „Lieber Herr Hauptmann, hier ist noch
nicht Großes versehen. Denn wenn wir eine Wendung machen, kann es uns
viel, den Feinden keinen Nutzen bringen. Laßt uns jetzt nur alles auf
das beste einrichten. Wir sind doch Deutsche und wollen uns auch als
Deutsche finden lassen. Aber führe uns nochmals gegen den Feind. Die
Welschen sollen Hunde finden, die nicht laufen, sondern weidlich beißen
können.“

Als nun Paul Beneke merkte, daß der Kriegsleute Blut wieder warm und
hitzig geworden, wollte er sie nicht höher erbittern, sondern gab dem
Steuermann gute Worte, daß er das Schiff an die große Galeere steuere.

Da entfiel den Welschen der Mut, da begannen die Hansen sich als
Deutsche zu erweisen. Wie Löwen saßen sie dem Feinde im Nacken und
packten ihn, und ehe er sich’s versah, fielen die Enterhaken, und sie
waren in der Galeere und begunnten zu würgen, was ihnen in den Weg kam.

Da hätte man Wunder sehen mögen, wie der Hauptmann von der Galeere, der
vorher alle Deutschen allein fressen wollte, und die anderen Welschen
auf die Knie fielen, sich vor die Brust schlugen und die Deutschen wie
die Götter anflehten.

Und hier ließ Paul Beneke sich abermals wie ein Deutscher hören und
sehen, denn, wiewohl die Welschen mit ihrem Hohn an den Deutschen
kein Gutes verdient, konnte das edle deutsche Blut nicht anders, als
Barmherzigkeit erweisen über die, welche, überwunden, sich demütigten
und Gnade begehrten.

„Wollte Gott, daß solcher deutschen Hauptleuten viele wären!“ so
schließt der ehrsame Lesemeister seinen schlichten Bericht.

Im Verlaufe des Kampfes floh das kleinere Schiff; die Danziger waren
auch mit dem einen als Beute zufrieden, barg das Schiffsinnere doch
Waren im Werte von über 1 Million Mark, und den Hauptvorteil dieses
erfolgreichen Sieges bildete der Friede vom 28. Februar 1474. England
fügte sich der Hanse und erkaufte den Friedensschluß gegen eine Zahlung
von zehntausend Pfund Sterling.

       *       *       *       *       *

Paul Beneke trat nach dieser Tat nicht mehr hervor, bis zu seinem Tode
herrschte Friede. Leider starb der Danziger Seeheld schon im Jahre 1480
an einer Seuche, die damals Danzig heimsuchte.

[Illustration]

[Illustration: Ditmar Koels Einzug in Hamburg.]



Ditmar Koel nimmt den Seeräuber Kniphoff gefangen (1525).


Christian II., König von Dänemark, war ein Wüterich auf dem Throne.
Das Verhängnis ereilte ihn durch seinen Oheim, Herzog Friedrich I. von
Holstein, der ihn mit Hilfe der Hansen vom Throne verdrängte und zur
Flucht in das Ausland zwang.

Der vertriebene König Christian II. eilte an den Hof der Königin
Margarete von Holland, um von hier aus die Wiedereroberung seines
Thrones zu betreiben. Weder Karl V., noch England, noch Brandenburg
wollten ihm hierbei helfen. Und so blieb er auf sich allein angewiesen.
Im Jahre 1525 ließ er in Flandern vier Fahrzeuge ausrüsten und setzte
ihnen die Aufgabe, eine Stadt im Dänenlande zu erobern, damit diese
dem vertriebenen Fürsten bei seinen weiteren Kriegsunternehmungen als
Stützpunkt dienen könne, gleichzeitig sollten die Schiffe auch den
verhaßten Hansen Schaden zufügen, so viel sie nur konnten. Für das
Unternehmen fand der König in den Niederlanden tüchtige Mithilfe;
öffentlich sprach man allerdings nur von einem ehrlichen Kriegszuge
und nicht von der beabsichtigten Piraterei. Der Anführer der Schiffe
war Klaus Kniphoff. Er stammte aus einem vornehmen Dänenhause; eine
stattliche Gestalt und ein gewandter, starker Körper waren ihm zu
eigen, seinen aufgeweckten hellen Geist trieb der große Ehrgeiz, den
Hansestädten Schaden zuzufügen und Norwegen zu erobern.

Am 16. Februar 1525 erhielt Kniphoff einen förmlichen Kaperbrief,
und außerdem ernannte ihn der König im September des Jahres zum
Obersten zur See. Auf seinen Kriegszügen beachtete der Schiffsführer
den Unterschied zwischen ehrlicher Fehde und der Seeräuberei nicht
hinreichend, dazu vergaß er, den Hansestädten einen Fehdebrief zu
schicken. Gerade das Fehlen des Briefes sollte ihm später noch zum
großen Verhängnis werden.

Viel Volk strömte Kniphoff zu, als er die Werbetrommel rühren ließ.
Allerlei seekundiges Schiffsvolk und viele Landsknechte, wohl über
tausend Mann, kamen zu ihm, selbst Adelige fehlten in diesem bunten
Kreise nicht. Simon Gans von Putlitz, Jürgen von Sydow, Benedikt von
Ahlefeld, ein verkommener holsteinischer Ritter, der sein Vermögen
verpraßt hatte, waren die Raubgenossen Kniphoffs. Sie alle erhofften
eine reiche Kriegsbeute. Das größte unter den Schiffen Kniphoffs war
ein stattlicher Viermaster, die ‚Galion‘, der sich drei kleinere
Schiffe, der ‚Bartrum‘, der ‚fliegende Geist‘ und der ‚weiße Schwan‘,
zugesellten.

In den Fastentagen des Jahres 1525 begann der Raubzug. Bei der Insel
Vlieland gesellte sich ein übel berüchtigter Freibeuter Klaus Rode
zu dem Geschwader. Nun konnte die Jagd auf die hansischen Schiffe
beginnen. Besonders die Hamburger Kauffahrer hatten sie sich zum Ziel
ihrer Räubereien gesetzt. Manches stattliche Schiff, reich beladen
mit den Schätzen des Nordens oder des Südens, fiel in die Hände der
Seeräuber, die in den niederländischen Seestädten ungehindert die
geraubten Güter verkauften. Soviel die Hansestädte auch dagegen
schrieben, sie erreichten anfangs nichts, später nur, daß den Piraten
in Holland kein Schutzaufenthalt mehr gewährt wurde. Ein sicheres Feld
seiner Tätigkeit fand der Seeräuberhauptmann Kniphoff mit seiner Schar
in dem Fahrwasser zwischen Jütland und Norwegen und in der Nordsee.
Der erzielte reiche Erfolg brachte Kniphoff auf den Gedanken, den
Stützpunkt der Hansen im Norden, Bergen, die reichste Stadt Norwegens,
anzugreifen.

Nachdem er an verschiedenen Stellen der norwegischen Küste gelandet war
und dort Güter der hansischen Kaufleute geraubt, auch Hab und Gut den
Bürgern und Bauern abgenommen hatte, sollte der kühne Plan, die Stadt
Bergen zu erobern, durchgeführt werden. Die dort lagernden Schätze
sollten mithelfen, seine Herrschaft über ganz Norwegen auszubreiten.
Jedoch das Schicksal hatte es anders bestimmt; die Bürger Bergens,
dazu die hansischen Kaufleute in ihren Niederlassungen, bereiteten
den Seeräubern einen guten Empfang. Diese wirksame unvorhergesehene
Begrüßung hatte den Erfolg, daß Kniphoff mit seinen Schiffen
schleunigst dem Meere wieder zustrebte, da ihm hier eine sichere und
reiche Beute wurde.

Inzwischen hatte der Hamburger Rat vier Schiffe ausgerüstet, denen er
auftrug, einen Tanz mit den Seeräubern zu wagen. Es waren zweimastige
Kauffahrteischiffe, die man durch Geschütze zu Kriegsschiffen
ausstattete. Die Mastkörbe wurden so verstärkt, daß mehrere Schützen
sich darin aufstellen konnten; am Hinterdeck standen Kanonen, die
man durch kastellartige Aufbauten schützte. Als die Werbetrommel des
Rates sich rührte, meldeten sich Söldner, Schiffsmannschaften und
Geschützmeister in großer Zahl. Simon Parseval bekam die Führung der
Flotte, ihm zur Seite standen als Schiffsführer Ditmar Koel, Klaus
Hasse und Dirk von Minden, unter diesen standen die vier Hauptleute,
die das Kriegsvolk anführten.

Ein trefflicher Wind kam den Schiffen bei der Ausfahrt in den
Pfingsttagen des Jahres 1525 sehr zustatten. In rascher Fahrt
erreichten sie Helgoland, wo sie vorläufig Aufenthalt nahmen, um
sichere Kunde über den Aufenthalt der Seeräuber zu erhalten. Doch von
diesen war nichts zu erspähen. Die Kreuzfahrt durch die Nordsee verlief
ergebnislos, im Spätsommer des Jahres kehrten die Schiffe ohne irgend
einen Erfolg heim. Bald nach der Rückkehr kam die Nachricht, daß Klaus
Kniphoff in der Oster-Ems sich aufhielte, sofort beschloß der Rat eine
neue Ausfahrt des Geschwaders.

Schwere Herbststürme drohten, doch mutig verfolgte die am 3. Oktober
wieder ausfahrende Hamburger Flotte das Ziel, die Seeräuber zu fangen.
Zwei kleinere Schiffe verstärkten die Zahl der Kriegsfahrzeuge.
Die sichere Kunde, daß das Wattenmeer östlich vom Dollartbusen der
Aufenthaltsort der Seeräuber sei, wurde bestätigt. Kniphoff hielt sich
hier auf, um seine Mannschaft zu verstärken und seine Schiffsvorräte
zu ergänzen. Seinem alten Plane, Bergen zu erobern, blieb er treu. Das
Mißgeschick der Strandung der ‚Galion‘ war nicht von langer Dauer,
da die Wogen der Nordsee das Schiff bald wieder flottmachten. Eilig
und ungehindert konnten die Vorbereitungen zur großen Raubfahrt nach
Norwegen fortgesetzt werden. In diese Eile griffen die Hamburger
störend ein.

Großer Jubel herrschte auf den Schiffen des Admirals Parseval über die
Auffindung der Seeräuberschiffe, dicht fuhren die Schiffe Hamburgs an
die Piratenflotte heran, um ihr den Weg zu versperren. Unter freudigem
Geschrei stieg die Hamburger Flagge am Maste empor, und der erste
donnernde Gruß aus ehernem Munde bot den Seeräubern Willkommen.

Der Herbstabend kam und mit ihm die Nebel, die einer Fortsetzung des
Kampfes hinderlich waren. Noch in den Abendstunden hielt Parseval mit
seinen Schiffsführern und seinen Hauptleuten Kriegsrat, um mit ihnen
den Verlauf des Angriffs zu besprechen.

Jeder der Schiffsführer begehrte die Ehre, die ‚Galion‘ anzugreifen
und zu entern. Das Los entschied. Ditmar Koel war der Glückliche, dem
diese Aufgabe zufiel. Dirk von Minden sollte den ‚Bartrum‘, Klaus Hasse
den ‚fliegenden Geist‘ angreifen. Der Admiral und die beiden kleinen
Bojer[18] wollten Ditmar Koel bei der Lösung seiner Aufgabe helfen.
Auch in der Abendstunde waren die Freibeuter nicht müßig. Wohl führte
Klaus Rode wilde Reden, in denen er die Hamburger Krämerseelen und
Apfelschützen schalt. Großsprecherisch prahlte er, die Nußschalen der
Hanseaten in den Grund zu bohren.

Ganz anders verhielt sich Kniphoff. Mit Vorsicht und Sachkenntnis
waltete er seines Führeramtes. Seine hochbordigen Schiffe, die über
die seiner Gegner hinwegragten, sollten die größeren Fahrzeuge der
Hamburger unter Feuer nehmen und sich nicht um die kleinen Bojer
bekümmern, und gerade diese Anordnung sollte sein Verderben werden.

Die letzte Nacht kam. Durch die Dunkelheit der Herbstnacht glänzten
nur die Steuerlichter der feindlichen Schiffe, in fröhlicher
Ausgelassenheit gedachten die Kriegs- und Söldnerscharen des kommenden
Tages und des Sieges. Klaus Kniphoff wollte der Schlaf nicht kommen.
Seiner inneren Unruhe glaubte er dadurch am besten zu begegnen, daß
er noch in der Nacht durch einen zuverlässigen Schiffsschreiber
seine Besatzung durch Werbung unter den Küstenbewohnern um sechzig
Mann verstärkte. Die Geworbenen ahnten nicht, daß sie den glänzenden
Versprechungen zuliebe ihr Leben verspielt und ihre Freiheit verwirkt
hatten.

Ein schöner Herbstmorgen brach an. Als die Sonne aus dem Meeresnebel
hervorstieg, trafen die Gegner die letzten Vorbereitungen. Ein guter
Trunk sollte den Kampfesmut und die Stimmung unter den Mannschaften
heben. Den Gebräuchen der Zeit folgend, ließen die Hauptleute der
Hansen ihren Scharen Warmbier mit Schießpulver reichen, und wie ein
alter Chronist meldet, seien die Hamburger Kriegsleute in Wut geraten.
Noch einmal versammelten die Schiffshauptleute ihre Mannschaften um
sich, um sie durch die Ansprachen anzufeuern, allezeit im Kampfe
ihre Pflicht zu tun. Sie sagten: „Ihr Hamburger, gute Gesellen, heut
nehmt euch zusammen und habt der Feinde acht. Wenn ihr euch von
ihnen bezwingen lasset, so wisset ihr, daß es euch Leib und Leben
kostet; das vergeßt nicht, und schaffet, daß ihr es euren starken
Vorfahren gleichtut, die alle Freibeuter aus der See holten, gedenket
des tapferen Simon von Utrecht und seiner Mannen, wie sie einst den
Störtebeker bezwangen, und zeiget euch wert, ihre Nachkommen zu sein,
auf daß die ehrenreiche Stadt Hamburg bei ihrem alten Ruhm und Preis
bleibe! Daran gedenket ihr alle!“

Der Kampf begann. Die kleinen Bojer der Hamburger segelten dicht
an die ‚Galion‘ Kniphoffs heran. Mächtig ragten die drohenden
Geschütze über die kleinen Schiffe hinweg, und wacker hielten sich
die beiden. Tüchtig spickten sie den feindlichen Schiffsleib mit
verderbenbringenden Eisenkugeln. Bald blitzte es vom Bord des Hamburger
Admiralschiffes auf, die Schlangen und Kartaunen begannen ein ernstes
Wörtlein mitzusprechen. Um sich vor Verlusten tunlichst zu schützen,
hatte Admiral Parseval die Mannschaft unter Deck gesandt. Diese
Schutzmaßnahme sollte ihnen noch von Vorteil werden. Klaus Hasse eilte
an den ‚fliegenden Geist‘, dem es zunächst im Nahkampf zu Leibe ging.
Am Bord des Piratenschiffes, das von den Hamburgern geentert war,
begann ein grausamer Nahkampf. Der Tod hielt reiche Beute, und die
Hamburger bewiesen ihre Überlegenheit und ihren Mut. Die überbleibenden
Schiffsleute trieben sie unter Deck, sperrten sie ein und gaben ihnen
dort unten gern ein Freiquartier. Nicht ganz so glücklich war Dirk von
Minden; sein Schiff geriet in eine Untiefe, so blieb dem Schiffsführer
nichts weiter übrig, als seine Boote zu bemannen und seinen kämpfenden
Kameraden zu Hilfe zu eilen.

Während der Zeit hatten die kleinen Bojer dem Kampf mit der ‚Galion‘
-- dem Hauptschiff der Seeräuber -- standgehalten und dem feindlichen
Schiffskörper manche Wunde beigebracht. Endlich hielt Ditmar Koel
den letzten Kampf für aussichtsreich. Sichern Auges erspähte er die
Gunst des Angriffs, mit Umsicht und Ruhe erteilte er seine Befehle.
Die Schützen mußten die Büchsen laden, die Kartaunen erhielten ihre
verderbenbringenden Geschosse, und dann ging’s zum Angriff über.

In rascher Fahrt durchschnitt Ditmar Koels Schiff die Wogen, um das
feindliche Schiff zu entern. Die aufschäumenden Bugwellen bereiteten
den Freibeutern viele Freude, denn der Untergang des Hamburger schien
ihnen sicher. Kaum war Ditmar Koel mit seinem Schiff heran, so ertönte
eine Breitseite, deren Wirkung Entsetzen unter den Piraten verbreitete.
Ein dichtes Knäuel Toter und Verwundeter lag auf dem Verdeck des
Schiffes. Und noch ehe die Seeräuber Zeit fanden, die Eisengrüße der
Hamburger zu erwidern, enterten diese unter Ditmar Koels Anführung auf
die feindlichen Schiffe.

An Bord der ‚Galion‘ erhob sich ein furchtbares Getümmel. Der
entscheidende Nahkampf begann, und auch dabei bewies Ditmar Koel seine
Umsicht. Sowie seine Leute an Bord des Seeräuberschiffes standen,
eilte ein Teil unters Verdeck, um die Mannschaften an den Geschützen
unschädlich zu machen. Mit verhaltenem Grimme tobte der Kampf hin und
her. Kampfgeschrei und Schlachtrufe ertönten. Blitzende Enterbeile
verrichteten ihr schauriges Werk. Mutig kämpften die Seeräuber;
todesmutig stellten sie sich den Hamburgern entgegen, angefeuert durch
den Gedanken: lieber den Tod als eine schmachvolle Gefangenschaft. Aber
trotz des Mutes der Verzweiflung blieb der Sieg den Hamburgern.

Ihre Schwerter, ihre sausenden Äxte, die schwirrenden Bolzen ihrer
Armbrüste, die Feuergarben ihrer Büchsen und Kartaunen verrichteten
ein blutig Werk. Über die Gefallenen hinweg wogte der Kampf.
Die Schmerzensschreie der Verwundeten wurden übertönt durch das
Kampfgetöse. Aber was half den Seeräubern alle Verzweiflung? Es war ein
vergebliches Ringen. Zu fest hatte sich der Kreis der Enterer gefügt;
sie konnten nicht bezwungen werden. Weiter raste der Kampf und forderte
immer neue Opfer. Allüberall, in Ecken und Winkeln, in den Mastkörben
und im Tauwerk suchten die Hamburger Bootsleute nach ihren Feinden; und
mancher von diesen konnte an seinem Leibe die Kraft und die Schärfe
ihres Kampfwerkzeuges spüren. Klaus Rode, der Schwätzer, fiel der
Streitaxt der Hamburger zum Opfer. Klaus Kniphoff begab sich in ihre
Gefangenschaft.

Endlich gebot die allgemeine Erschöpfung dem Kampfe Einhalt, die
‚Galion‘ verblieb den Hamburgern, und weithin schallte das jubelnde
Viktoria der Sieger. Auch die andern waren nicht müßig geblieben. Das
Piratenschiff ‚Bartrum‘ saß in einer Untiefe fest, und so viel sich die
Besatzung abmühte, das Fahrzeug wurde trotz der Erleichterung nicht
wieder flott. Der Hamburger Schiffsführer Dirk von Minden beobachtete
seine sichere Beute, und als auch ihm der Augenblick günstig schien,
eilten seine Leute in den Booten an das Piratenschiff heran. So
viel auch dessen Besatzung Steine und Kugeln vom Bord des Schiffes
herabschleuderte, es sollte ihnen nicht gelingen, sich der Angreifer zu
erwehren. Hamburgs Bootsmannschaften eroberten die ‚Bartrum‘ und bald
darauf auch das letzte Schiff, den ‚weißen Schwan‘, und damit war die
Piratenflotte zerstört, die Feinde der Hanse waren in den Händen ihrer
Gegner.

Der Herbsttag ging zur Rüste. Von sieben bis vier Uhr währte der
Kampf; die Opfer des erbitterten Streites wurden ins Meer gesenkt, sie
trieben dahin -- Seemannslos. Die Reinigung der Schiffe ging schnell
vonstatten, dergleichen die Bestattung der Toten.

Am nächsten Morgen trat Admiral Parseval mit seinen Schiffen die
Heimfahrt an. Es war ein stattlicher Zug, als der siegreiche Anführer
mit vier erbeuteten Schiffen in die Elbe einfuhr. Der Dank der freien
Stadt Hamburg blieb nicht aus.

Im Auftrag des Rats begrüßten zwei Ratsmänner, Dietrich Lange und
Otto Bremer, samt dem Stadtpfeifer die heimkehrenden Sieger. Ein Faß
feinen Weines brachten sie als Willkommengruß der Heimatstadt den
Heimkehrenden entgegen. Bei Blankenese fand die Begrüßung statt. Auf
dem Schiff des Admirals Parseval trafen sich die Schiffsführer und
die Hauptleute, und in ihrem Kreise begann ein festliches Gelage;
der Becher kreiste, auch Kniphoff, Hans von Putlitz und Sydow nahmen
daran teil und schmausten mit. Als die Flotte in Hamburg einlief,
hatte Hamburgs Bürgerschaft es sich nicht nehmen lassen, in den Waffen
ihrer Zeit zu erscheinen; geschmückt mit Harnisch und Eisenhaube,
bewaffnet mit Spießen und Schwertern und Hellebarden, so wurden die
Tapferen begrüßt. Als der Gefangene Kniphoff und seine Gesellen
ausgeschifft wurden, läuteten von den Kirchtürmen die Glocken, die
Geschütze auf den Wällen ertönten, und unter dem Jubel der ganzen
Stadt setzte sich der Zug in Bewegung. Die Stadtmusik, Trommler,
Pfeifer und Pauker, marschierte voran, ihr folgten die Ratsmänner;
dazwischen sah man den siegreichen Admiral und seinen Schiffshauptmann
Ditmar Koel; dann folgten die andern Sieger nebst den Landsknechten;
dann das Seeräuberkleeblatt Klaus Kniphoff, Hans Putlitz und Jürgen
von Sydow. Ihre Freiheit war dahin, in Ketten aneinandergeschlossen
marschierten sie vorbei. Den Beschluß bildeten die übrigen Gefangenen
und eine Abteilung Hamburger Landsknechte. Am Rathause wurden die
Sieger durch den Bürgermeister und die Ratsleute begrüßt. Noch einmal
sagte man ihnen namens der Stadt Dank. Die Gefangenen brachte man nach
dem Wilseder Turm am Tor; auf den höchsten Boden kam Klaus Kniphoff,
denn er war das Haupt der Freibeuter; ein Stockwerk tiefer nahmen die
beiden Edelleute und unten die gewöhnlichen Gefangenen Aufenthalt. Dem
Gebrauche der Zeit gemäß wurden die erbeuteten Fahnen im Dome an einem
Pfeiler in der Nähe der Kanzel als Andenken an den Sieg aufgehängt, im
Zeughaus erhielten die eroberten Geschütze ihren Platz. Die Beute ward
unter die Kriegs- und Bootsleute zu gleichen Teilen verteilt.

Schon bald, am 25. Oktober 1525, trat das Gericht zusammen unter dem
Vorsitze der Richterherren Jörgen Plate und Albert Westede. Kniphoffs
Schuldkonto war recht groß; die Wegnahme von 172 hansischen Schiffen,
Piraterei und Blutvergießen warf ihm die gegen ihn gerichtete Anklage
vor. Seine Verteidigung führte er selbst in geschickter Art, jedoch
seine Klugheit half ihm nichts. Was er für sich und seine Leute
verlangte, anständige Kriegsgefangenschaft bis zur Auslösung, wurde
ihm versagt. Er wurde des Seeraubes für schuldig erklärt und erhielt
damit die Strafe der Seeräuber, die Enthauptung, mit ihm noch sechzehn
seiner Genossen. Der Rat der Stadt Hamburg bestätigte das Urteil, und
trotzdem der Stiefvater Kniphoffs, der Bürgermeister von Malmö, ein
namhaftes Lösegeld bot, mußte Kniphoff mit sechzehn seiner Genossen den
Todesweg antreten.

„Am Montag den 30. Oktober wurde Kniphoff,“ so erzählt’s Otto Beneke in
seinen Hamburger Sagen, „hinausgeführt, er ganz allein, denn dies hatte
er sich als eine Gnade erbeten, damit es ihm nicht das Herz breche,
wenn er die Verwünschungen seiner Genossen vernehmen müsse. Es war
frühmorgens, da der Fron ihn abholte. Kniphoff war bereit, er streckte
ihm die Hände entgegen. Unverzagt und frisch schritt er zwischen den
Bütteln und Kriegsknechten durch die Straßen, und in seinem Angesicht
sah man kein Zeichen von Todesfurcht und Bangen. Und wer ihn dahingehen
sah, den jammerte es, und manch mitleidig Herz, absonderlich bei den
Frauen, konnte sich der Tränen nicht erwehren über das schreckliche
Ende des jungen, schönen Hauptmanns. Auf St. Katharinenkirchhof
stand schon Pater Stephan, der erteilte ihm hier vor allem Volk, das
betend niederfiel, die Absolution und reichte ihm das Sakrament der
Versöhnung. Und als Kniphoff sich vom Knien erhub und weiterschritt,
sprach er allen vernehmbar: ‚Herr Jesu Christe, der du dein Blut auch
für mich vergossen, erbarme dich meiner und sei mir gnädig!‘

„Dann ging’s zum Brooktor hinaus, und am Strande der Elbe, auf der
Stelle, wo hundertunddreiundzwanzig Jahre früher Klaus Störtebeker
und seine Gesellen denselben Tod erlitten, kniete Kniphoff nieder und
empfing mit gefalteten Händen den Schwertstreich, der sein Haupt vom
Rumpfe und seine Seele von der Erde schied.

„Eine Stunde später wurden sechzehn seiner Gefährten in derselben Weise
hingerichtet. Und am 10. November empfingen noch sechsundvierzig ihr
Urteil, das lautete auch auf den Hals; da wurden sie wild und zornig
und schalten überlaut auf den Rat und die Bürgerschaft; es half ihnen
aber nichts, denn am Montag nach Martini wurden sie enthauptet. Am
24. November wurden sechsundzwanzig, und am 4. Dezember noch zwanzig
Gefangene vom Gericht freigesprochen, die hatten bewiesen, daß Kniphoff
sie zum Dienste gezwungen. Am 13. Dezember aber wurden wieder acht
Freibeuter, darunter der Edelmann Simon Gans, und im Januar 1526 noch
ihrer vier zum Tode verurteilt und bald darauf hingerichtet.

„Endlich wurden noch zur ebengenannten Zeit die letzten drei
von Kniphoffs Gesellen freigesprochen, also daß, ihn selbst
eingeschlossen, im ganzen fünfundsiebzig enthauptet, die übrigen aber
frei erkannt und losgelassen worden sind. Mit selbigem Richtschwerte
aber, welches Kniphoff und seine Gesellen vom Leben zum Tode gebracht
hat, ist kein Mensch mehr hingerichtet worden. Es ist ins Zeughaus
gebracht und wurde dort bei den erbeuteten Seeräuberwaffen und Kanonen
aufbewahrt.“

[Illustration]



Die Seeschlacht bei Gotland -- eine letzte Ruhmestat.


Auch der Hansebund, der durch Jahrhunderte meergebietend dastand, hatte
seine Schicksalsstunde. Als sich nach und nach die einzelnen Städte
loslösten und eigene Wege verfolgten, konnte es nicht fehlen, daß die
Feinde des Hansebundes die günstige Gelegenheit benutzten, um die einst
so mächtigen Interessen des Bundes mehr und mehr zu zerstückeln. Mit
dem Ansehen der Hanse ging es schnell abwärts. Der Boden, auf dem der
Bund groß geworden war, geriet ins Wanken, weil es den Mitgliedern
an Einigkeit wie Selbstvertrauen und an der notwendigen politischen
Einsicht mangelte.

Trotzdem hat es auch in den Zeiten des Niederganges nicht an
Ruhmestaten gefehlt. Eine solche Begebenheit aus den Kriegsjahren 1563
bis 1570 soll hier erzählt werden. Im Jahre 1563 kündete Lübeck dem
König Erich von Schweden den Krieg an, doch der wies die Abgesandten
höhnend an den Rat von Stockholm mit den Worten: „Könige müssen
Königen, Bürger und Bauern ihresgleichen den Absagebrief senden!“ Mit
Lübeck verband sich in diesem Kampfe König Friedrich II. von Dänemark,
der durch das Anwachsen der schwedischen Macht sich bedroht sah und
sich deshalb mit seinem alten Widersacher Lübeck zur Verfechtung
gemeinsamer Interessen verband. Die Fehde begann. Beide Partien
kämpften mit wechselndem Erfolge. Bald triumphierten die Verbündeten,
bald sahen sich die Schweden wieder obenauf. Am meisten lag jedoch
der größere Vorteil bei den verbündeten Dänen und Lübeckern, da
deren Schiffe beweglicher waren und seegewohnte und schlagfertige
Mannschaften besaßen. Wie schon früher ausgeführt wurde, boten die
Kriegsschiffe der damaligen Zeit einen eigentümlichen Anblick durch
die kastellartigen, hohen Aufbauten auf dem Vorder- und Hinterteil des
Schiffes, die mit Kanonen besetzt waren. Um solche großen Lasten tragen
zu können, mußte der Schiffsrumpf überaus breit und massig sein, damit
das Gleichgewicht auf der Fahrt nicht verloren ging. Selbstverständlich
segelten solche Kriegsschiffe schwerfälliger und gehorchten dem Ruder
nicht so leicht, sie waren mehr auf den Nahkampf eingerichtet und
mit zahlreichen Seeleuten, den ‚Schiffskindern‘ besetzt, die in den
engen Räumen unter Deck kein rosiges Dasein fristeten. Die scharfen
Nocken[19] an den Rahen dienten dazu, bei der Vorüberfahrt am Gegner
dessen Tauwerk zu zerschleißen und die Segel zu zerreißen, auch hielten
sie beim Entern das feindliche Schiff mit fest.

Im Rathause zu Lübeck hängt in einem der schmucken Nebensäle ein
Kolossalgemälde von Professor Hans Bohrdt, das eine der wichtigsten
Episoden dieses Feldzuges verherrlicht. Es ist die Seeschlacht bei
Gotland, die im zweiten Jahre des nordischen siebenjährigen Seekrieges,
nachdem die Verbündeten sich bis dahin noch keines Vorteils rühmen
konnten, den ersten größeren Erfolg brachte.

Am 31. Mai 1564 trafen sich die gegnerischen Kriegsfahrzeuge bei der
Insel Gotland. Es war ein leuchtender Frühjahrstag; vom Winde bewegt,
kräuselten sich leicht die Wellen. Langsam segelten die feindlichen
Geschwader aufeinander los, und lange Zeit währte es, ehe sie zum
Angriffe übergingen, denn beide Flotten kreuzten unter seegewohnten
Führern. Jeder von ihnen suchte dem Gegner den Wind abzugewinnen, um
sich mit dessen Hilfe rascher auf die feindlichen Schiffe stürzen zu
können. Für die damalige Zeit galt dies Beginnen als ein besonderes
Stück der Kriegsführung. Hatte eine der Parteien ihr Ziel erreicht,
so durchfuhr sie die feindliche Linie und jagte dem Gegner durch ihre
Breitseiten möglichst viel Kugeln in den Bug oder ins Heck hinein; so
konnten die Geschosse auf ihrem verderbenbringenden Wege das Schiff der
Länge nach durchschlagen und viele Gegner kampfunfähig machen. Waren
die feindlichen Schiffe genügend zerschossen und durch die Schäden
in den Bewegungen gehemmt, so segelte die angreifende Flotte noch
dichter heran und enterte die Schiffe, um im Nahkampfe sich völlig
in den Besitz der feindlichen Fahrzeuge zu setzen. Auch bei Gotland
lauerten die Gegner lange Zeit einander auf, und es wäre nicht zum
Gefecht gekommen, wenn nicht der Wind urplötzlich sich gedreht hätte
und abgeflaut wäre. Den Verbündeten war der Augenblick günstig, und
zuversichtlich nahmen sie unter den schwedischen Schiffen das riesige
Fahrzeug, ‚Makeloes‘[20] genannt, das unter der Führung des Admirals
Bagge stand, aufs Korn. Es verteidigten siebenhundert Soldaten mit
hundertvierzig Kanonen -- für die damalige Zeit eine riesige Zahl
-- das Schiff. An diesen Riesen fuhren die beiden größten Lübecker
Koggen unter Admiral Knevel und Schiffsmeister Henning Krage heran.
Der Lübecker ‚Engel‘ hielt sich anfangs zurück, um nicht von den
Breitseiten des Schweden getroffen zu werden. Krage jedoch fuhr
mit seinem Schiff unter den Bug des schwedischen Riesenfahrzeuges,
das seinen Gegner samt den Kastellen bedeutend überragte. Mutig
schleuderten die Lübecker Geschützführer Geschoß auf Geschoß in den
Rumpf des Schweden. Anfangs wehrten sich diese mit ihren Bugkanonen;
sie verstummten jedoch bald, ebenso ließen auch die Breitseiten im
Feuern ständig nach. Im Innern des Schwedenschiffes sah es greulich
aus, die meisten Kanonen waren zerstört, die Hälfte der Besatzung lag
verwundet unter Deck, und dabei krachte es noch fortwährend, und noch
immer sausten die Geschosse der Lübecker Schiffe durch das Deck.

Jetzt kam für Admiral Knevel die Zeit des Angriffs, seine Geschütze
feuerten mehrere Breitseiten dem Schweden in die Rippen. Antwort vom
Gegner erhielten sie nicht mehr; entweder lag die Besatzung vollständig
verwundet am Boden, oder an Bord des feindlichen Admiralschiffes
herrschte große Verwirrung. Der Augenblick zum Entern war günstig. Die
Lübecker Schiffsführer lenkten ihre Schiffe dicht an den ‚Makeloes‘
heran, packten ihn von beiden Seiten mit Enterhaken, und mit dem Rufe
„Hie gut Lübeck und die Hanse allewege!“ stürzten sich von beiden
Schiffen die Mannschaften an Bord des Schweden. Wie ein entfesselter
Strom brauste es über den ‚Makeloes‘ dahin. Durch die Batteriepforten
an Stricken und Leitern, durch die Luken und über die hohen Bordwände
kamen die Lübecker. Der letzte, entscheidende und blutigste Teil
des Kampfes begann; wer sich wehrte, wurde niedergemacht, Schonung
gab’s nicht. Einer aus der Schar der Enterer kletterte in die Masten
und holte die schwedische Flagge herunter, an ihrer Stelle ging die
lübeckische Flagge hoch, und hierüber herrschte ein Jubel ohnegleichen.
Nun mußte sich der Rest der schwedischen Mannschaft ergeben.

Schnell begannen die Sieger die Spuren des Kampfes zu verwischen.
Mitten in diesem Beginnen ertönte der Schreckensruf „Feuer im Schiff!“
Die Lübecker Geschosse hatten gezündet, und in der Hitze des Nahkampfes
nahm dieses an Umfang zu; niemand achtete darauf, und jetzt, da der Ruf
erscholl, war es zur Rettung schon zu spät.

Zu mächtig loderten die Flammen aus dem Schiff, und ebenso schnell, wie
sie aufenterten, mußten die stolzen Sieger sich in Sicherheit bringen.
Kaum noch gelang es den Lübeckern, die Beute und die Gefangenen vom
feindlichen Schiff abzubringen, als ein gewaltiger Donnerschlag die
Luft erschütterte: das stolze schwedische Admiralschiff war nicht
mehr. Wrackstücke schwammen auf den Wellen und gaben Kunde, daß das
Fahrzeug in die Luft geflogen war. Der Rest der schwedischen Schiffe
entfloh mit dem auffrischenden Winde, um nicht das Schicksal des
Untergangs zu teilen. Den Admiral Bagge und andere vornehme schwedische
Herren, sowie die eroberten Flaggen brachten die Sieger nach Lübeck als
Erinnerungszeichen an die Seeschlacht bei Gotland.

[Illustration]



Admiral Karpfanger, seine Taten und sein Tod.


Wer schon einmal in Hamburg gewesen ist, dem wird in der Nähe
der Hamburger Seewarte eine Brücke aufgefallen sein, die die
hochgelegenen Teile der Hamburger Neustadt mit St. Pauli verbindet. Die
Pfeilervorlagen dieses Bauwerkes tragen je das Bildnis der bedeutenden
Männer, die in der hansischen Zeit während der Seekriege eine Rolle
spielten: Admiral Karpfanger † 1683, Ditmar Koel † 1563, Simon von
Utrecht † 1437 und Kersten Miles † 1420.

Berend Karpfanger war ein Zeitgenosse des Großen Kurfürsten. Er wurde
in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Sohn eines Hamburger
Reeders und Kaufmanns geboren. Seine Jugendtage sahen die Wirren des
Dreißigjährigen Krieges, Handel und Schiffahrt lagen darnieder, und
trotz alledem trieb es den jungen Karpfanger hinaus zur See. Der
Vater willfahrte seinem Wunsche und schickte ihn nach Holland zu dem
berühmten Admiral de Ruyter. Unter der Leitung dieses weitsichtigen und
tüchtigen Mannes wurde Berend Karpfanger ein geschickter Orlogsmann,
der, wo er auch stand, vollauf seinen Posten ausfüllte.

Als er ausgelernt hatte, kam Berend Karpfanger als erprobter Seemann
in seine Heimat zurück und errang hier wegen seiner guten Zeugnisse
die Stellung als Admiral des hamburgischen Staates. Seine Tüchtigkeit
und Umsicht sollten der alten Hansestadt noch oft von Nutzen sein. Von
seinen Taten soll nun erzählt werden.

In der Mitte des 17. Jahrhunderts brachte die sogenannte Türkengefahr
den Kaufleuten und Seeleuten allerlei Verdruß. Mit unglaublicher
Frechheit fielen die beutegierigen Korsaren, die in den Küstengebieten
Nordafrikas ihre Schlupfwinkel hatten, die Handelsschiffe an; sogar
eine aus mehreren Schiffen bestehende Handelsflotte der Hamburger
raubten diese Piraten aus und führten die Besatzung nach mannhafter
Gegenwehr in die Sklaverei. Um diesen Seeräubereien ein Ende zu
bereiten, faßten Rat und Bürgerschaft Hamburgs den Beschluß, zwei
mächtige Kriegsschiffe zu erbauen und auszurüsten, die den nach Spanien
fahrenden Kauffahrteischiffen durch die Mitfahrt Schutz gewähren
sollten.

Im Jahre 1668 lief das erste Schiff, ein riesiger Dreimaster, ‚Kaiser
Leopold‘, im nächsten Jahre das zweite Schiff, ‚das Wappen von
Hamburg‘, vom Stapel. Beide Kriegsschiffe führten je vierundfünfzig
Kanonen, meist Achtzehnpfünder, an Bord, dazu standen einige Geschütze
auf der Schanze. Das Galion und auch der hintere Teil des Schiffes
waren mit Schnitzwerk und Figuren reich verziert. Auf dem Hinterteil
befanden sich drei Signalscheiben und zwei große, kunstvoll eingefaßte
Laternen. Von den drei Masten trugen die beiden vorderen je drei
Rahsegel, der Besanmast führte ein Rutensegel und ein Rahsegel. Die
Besatzung der Schiffe, außer dem Kapitän und einer Anzahl Offiziere,
bestand aus hundertfünfzig Matrosen und achtzig Soldaten; ferner
gehörten zur Mannschaft ein Prediger, ein Profos und seine Leute,
Wundärzte, Köche und Bedienungspersonal.

An Bord herrschte strenge Mannszucht, ein unbedingter Gehorsam galt als
das oberste Gesetz. Unter Deck durfte ‚Tobak nicht getrunken‘ werden,
dazu war Karten- und Würfelspiel verpönt. Wer durch Zänkerei, Trunk
oder Fluchen auffiel, bekam Arrest, wer beim Wachtdienst einschlief,
wurde ‚gekielholt‘ oder durch Spießrutenlaufen bestraft. Wer gar
gewalttätig sein Messer gegen seinen Nächsten zückte, dem wurde die
linke Hand mit diesem Messer an einen Mast geheftet.

Diese Kriegsschiffe schlossen sich der Hamburger Handelsflotte an bei
ihren Fahrten nach den Häfen- und Handelsplätzen der nördlichen Meere,
der Westsee und denen des Mittelmeeres. Im Jahre 1674 ernannte der
Rat der Stadt Berend Jakobus Karpfanger zum Befehlshaber des ‚Kaiser
Leopold‘, in ehrender Weise umgürtete ihn der erste Bürgermeister
mit einem silbernen Degen, und bei der feierlichen Überreichung des
Admiralstabes leistete Karpfanger den nachstehenden Eid, den er
getreulich bis in den Tod gehalten hat: „Ich will bei der meiner
Admiralschaft anvertrauten Flotte mannhaft stehen und eher Gut und
Blut, Leib und Leben opfern, als sie oder mein Schiff verlassen.“
Ehrenvoll hat Karpfanger zehn Jahre seine Pflicht getan, und stolz
konnte er darauf verweisen, daß während seiner Admiralschaft kein
Schiff der Hamburger in die Hände der beutegierigen Korsaren fiel.

Besonderen Ruhm gewann der Admiral im Kampfe mit französischen
Kaperschiffen vor der Elbmündung. Fünfzig Walfischfänger, die aus
dem Nördlichen Eismeere kamen, hatte Karpfanger mit seiner Flotte
sicher in die Elbe zu geleiten. Plötzlich wurden sie von fünf
starken französischen Kaperschiffen angegriffen, die die Absicht
hatten, einige der schwerbeladenen Handelsschiffe zu erbeuten. Diese
Seeräuber trieben ihr Handwerk äußerst frech; weder Freund noch Feind
blieb von ihnen ungeschoren, denn sie standen unter dem Schutze
des ‚allerchristlichsten Königs‘, dem sie ein Zehntel aller Beute
abliefern mußten. Jedoch diesmal sollte ihnen der Raub nicht glücken,
Karpfanger hatte nicht vergebens in de Ruyters Schule die Regeln
des Kämpfens erlernt. Die Walfischfänger erhielten den Befehl, sich
zu sammeln und sich gut auf einem Haufen zu halten, das Schiff des
Admirals machte schnellstens klar zu Gefecht; alle Segel waren gesetzt,
und stolz wehte die Hamburger Flagge mit den drei weißen Türmen auf
rotem Grunde am Maste, drohend blickten die geöffneten Geschützpforten
die Seeräuberschiffe an. Karpfanger wagte mutig den ungleichen Kampf
gegen die fünf Kaperschiffe; er verließ sich auf seine Leute und auf
seine Kriegskunst. Jetzt standen die Hamburger dem ersten Kaperschiff
gegenüber, dies begann zu feuern, und die Kugeln sausten durch das
Tauwerk des Hamburger Orlogschiffes. Nur wenige Taue fielen ihnen zum
Opfer, und dieser Schaden war sehr schnell geheilt.

Doch nun galt’s den rechten Augenblick des Angriffs auszunutzen.
Fest und bestimmt lautete die Mahnung Karpfangers „Gut zielen!“ Ein
mächtiges Erschüttern ging durch den Schiffsrumpf, sechsundzwanzig
Geschütze feuerten ihren Eisenhagel auf den unvorsichtigen Franzosen.
Eine Zeitlang lag der weiße Pulverdampf über den kämpfenden Schiffen;
als er sich verzogen hatte, lagen die furchtbaren Wirkungen, die der
erste Kugelregen anrichtete, offenbar. Zersplitterte Masten hingen über
Bord, die Schanzkleidung war durchlöchert und die Boote durchschossen.
In Strömen drang das Wasser durch die an der Wasserlinie gefährlichen
Löcher in den Schiffsrumpf ein.

Dieser Gegner bedeutete für das Hamburger Kampfschiff nichts mehr.
Nun fuhr der Admiral auf das zweite französische Schiff zu; es sollte
seinen Untergang finden, ehe die Verstärkung herankam. Die Zeit war
kostbar, denn schon eilten die anderen drei ihm zu Hilfe. ‚Kaiser
Leopold‘ sandte eine Breitseite hinüber, doch dieser Eisenhagel riß
wohl Lücken und Löcher, aber das Kaperschiff blieb lenkfähig und konnte
noch rechtzeitig das Weite suchen.

Inzwischen steuerten die andern drei Kaper heran, und besonders der
größte unter diesen eröffnete ein verheerendes Feuer auf Karpfangers
‚Leopold‘. Die Schiffsleute mußten sich rühren, um die verhängnisvollen
Löcher in der Wasserlinie zu stopfen; Verwundete lagen in den
Deckskajüten, zerschossene Taue mußten zusammengespleißt werden.
Karpfangers Langmut war zu Ende. „Jetzt zeigt, daß ihr Hanseaten seid!“
lautete die begeisterte Aufforderung an das Schiffsvolk, und mit voller
Wucht schoß das Hamburger Orlogschiff auf den größten der Kaper zu.
Ein geschicktes Segelmanöver zeigte dem Franzmann die Breitseite des
Hamburges, und wieder ertönte der Knall der Geschütze. Nur zu gut
trafen die Kugeln der Hanseaten, der Rumpf des Kaperschiffes wurde
durchlöchert, und langsam begann das getroffene Schiff zu sinken. Damit
war die Macht der französischen Seeräuber gebrochen, sie suchten ihr
Heil in der Flucht und ließen die beiden sinkenden Schiffe mitsamt
ihren daraufbefindlichen Kameraden im Stich.

[Illustration: Kapitän Karpfangers Sieg über fünf französische Schiffe.

Von Professor Hans Petersen.]

Auch Karpfanger hatte verschiedene Schäden auszubessern, und dadurch
ging einige Zeit verloren, dann aber eilte er den eiligen Flüchtlingen
nach. Ihr Vorsprung war jedoch zu groß, und so mußte er sie, nachdem
noch die Buggeschütze ihnen einen Abschiedsgruß nachgefeuert hatten,
flüchten lassen.

An der Spitze der Walfischfängerflotte fuhr Karpfanger in den Hamburger
Hafen ein. Der Jubel und die Freude seiner Mitbürger begrüßten ihn,
der Rat der Stadt verehrte ihm zum Zeichen der Dankbarkeit für diese
Siegestat 300 Taler.

Noch eine andere Heldentat dieses wackeren Seemannes will ich erzählen.
Man schrieb das Jahr 1681. Karpfanger segelte an der Spitze der
Hamburger Baienflotte nach der spanischen Küste. Als die Schiffe in die
Nähe der spanischen Küste kamen, hörten sie in der Ferne Kanonendonner.
Afrikanische Seeräuber hatten die von Südamerika heimkehrende spanische
Silberflotte angefallen und eines ihrer Schiffe als eine willkommene
Prise genommen. Der heransegelnde Karpfanger erkannte schon aus der
Ferne die Sachlage und gab Befehl, schnell alle Segel zu setzen, um den
raschsegelnden Kaperschiffen ein Schnippchen zu schlagen.

In eilender Fahrt kam das Hamburger Schiff herangebraust; ein tüchtiger
Eisenhagel überschüttete die Piraten. In der Bestürzung ließen sie die
bereits gekaperte ‚Galion‘ fahren und fuhren mit ihren Schiffen etwas
abseits. Nachdem sie sich geordnet hatten, versuchten sie von neuem
mit vereinten Kräften auf den ‚Leopold‘ einzudringen, um die verlorene
Beute wiederzugewinnen; ja, sie glaubten auch den Hamburger als sichere
Beute zu erhaschen. Von zwei Seiten begannen sie den Kampf. Aber sie
kannten nicht die Seefahrtskunst des umsichtigen Karpfanger; noch ehe
die Piraten recht zum Feuern kamen, segelte Karpfanger an den einen
heran und sandte ihm eine volle Breitseite als Willkommengruß in den
Schiffsrumpf; die Wirkung war gut. Das Kriegsschiff legte sich auf die
Seite und begann zu sinken. Jetzt hielten die beiden anderen Schiffe
nicht mehr stand, sie erblickten vielmehr in einer schnellen Flucht ihr
größtes Heil. Karpfanger befreite dann die gefangene Mannschaft der
spanischen ‚Galion‘, und dabei fielen ihm sechzig Piraten in die Hände.
Das eroberte Schiff lieferte er samt seinen Silberschätzen an den König
von Spanien ab; die gefangenen Seeräuber tauschte er gegen gefangene
Hamburger Seeleute aus. Karl II. von Spanien ehrte den tapferen
Schiffshauptmann für diese ruhmvolle Tat durch die Verleihung einer
goldnen Ehrenkette.

Im Sommer des Jahres 1683 stand Karpfanger als Admiral an der Spitze
des zweiten Hamburger Kriegsschiffes ‚das Wappen von Hamburg‘, dessen
Kapitän wegen Streitigkeiten mit der Admiralität vom Dienste entfernt
worden war. Nach allerlei Widrigkeiten erreichte Karpfanger mit seinem
Schiff und den mitsegelnden Handelsschiffen glücklich den spanischen
Hafen Cadix. Hier ging er vor Anker, und hier sollte er auch sein Ende
finden. Es war am 10. Oktober des Jahres 1683.

Karpfanger saß gegen Abend mit seinem Sohne, einem Neffen, mit
Schiffsoffizieren und einigen befreundeten Männern aus Cadix in seiner
Kajüte frohgemut an der Tafel, als sich plötzlich im Schiff ein großer
Lärm erhob. Eiligen Laufes kam ein Schiffsjunge in die Kajüte gestürmt
und berichtete, daß im Vorderteil des Schiffes ein mächtiges Feuer
ausgebrochen sei. Alle waren bestürzt, und die Tafel wurde sogleich
aufgehoben. Karpfanger eilte so schnell er konnte an Deck, um sich
von der Größe des Schadens und der Gefahr zu überzeugen. Unter seiner
Leitung ging die Besatzung dem Feuer tüchtig zu Leibe. Aber trotz
der unendlichen Wassermengen, die durch Spritzen und Eimer in das
Schiff hineingeschleudert wurden, konnte man an den Herd des Feuers
nicht herankommen. Gerade in diesem tiefergelegenen Raum fand die
zehrende Glut in dem großen Haufen der geteerten Taue immer neue und
reichlichere Nahrung. Die Löschung des Brandes gelang nicht, soviel die
Schiffsleute sich auch bemühten. Von seinem Herde aus verbreitete es
sich mit rasender Schnelligkeit im Rumpfe des Schiffes.

Dichte Rauchwolken qualmten aus dem Schiff hervor, und binnen jeder
Minute erwartete man das Hindurchschlagen der leckenden Flammen.
Notschüsse riefen Hilfe von der Stadt Cadix und von den in der
Nähe ankernden Schiffen herbei, allein kein Schiff eilte zur Hilfe
herbei, denn alle Seefahrer fürchteten die Nähe des dem Untergang
geweihten Schiffes. Die Gefahr wuchs, Schrecken und Angst ergriffen
die Schiffsmannschaft, und in Scharen stürzten die sonst so mutigen
Matrosen in die Schaluppen, um abzurudern. Karpfanger gewahrte
rechtzeitig diesen Vorgang. In ernsten Worten erinnerte er die
Flüchtenden an ihren Eid, befahl ihnen, sofort zurückzukehren, da
die Rettung des Schiffes doch noch möglich sei. Des Admirals Worte
verfehlten den Eindruck nicht, noch einmal kehrte die Schiffsmannschaft
an Bord zurück und begann von neuem die Löschungsarbeiten. Mutig gingen
sie gegen die entfesselten Elemente vor. Immer von neuem drangen sie in
den Qualm und in die Glut und achteten nicht die furchtbare Gefahr, in
der sie sich befanden. Stundenlang hielten die wackeren Schiffsleute
dem entfesselten Element stand. Jedoch menschlicher Heldenmut war
vergebens. Die Kraft der Seeleute konnte gegen die Feuersgewalt nichts
ausrichten, die schließlich durch den ganzen Schiffsraum ihre lodernde
Glut wälzte. Nicht lange währte es mehr, dann fand das Feuer den Weg
zur Pulverkammer, und damit schlug die Schicksalsstunde des ‚Wappen von
Hamburg‘.

Karpfangers Sohn fiel dem Vater zu Füßen und bat ihn, mit fortzufahren,
da das Schiff nicht mehr zu retten sei; der aber blieb fest. „Hebe
dich weg von mir, mein Sohn, ich weiß besser, was mir anvertraut ist.
Der Pflicht und Ehre bleibe ich getreu!“ Hierauf befahl er einigen
Quartiermeistern, seinen Sohn und seinen Neffen in die große Schaluppe
zu bringen.

Zu rechter Zeit kamen diese von Bord. Bald brannte das Feuer bei den
Masten durch und leckte sich züngelnd an den Tauen in die Höhe. Im
Augenblick glichen Masten und Rahen und Segel lodernden Flammenzeichen,
die weithin leuchteten. Ein furchtbar prächtiges Schauspiel bot das
Schiff, dessen Mannschaft nun nicht mehr an Bord blieb. Mit großem
Geschrei und mit entsetzten Gesichtern eilten Matrosen und Soldaten
über Bord in die Schaluppen und Boote hinein. Immer mehr drängten
nach, stießen andere um, um für sich den Rettungsweg zu erkämpfen.
Verzweiflung und Ungestüm ließen viele ins Meer fallen, und dort
hielten sie sich, mit den Wellen ringend und nach Hilfe suchend, an
den Rand der Boote und der Schaluppen. Wohl entgingen zahlreiche
Seeleute dem Feuertode, aber die Wellen gruben ihnen ein sicheres
Grab. Im Widerschein des feurig leuchtenden Schiffsrumpfes fuhren die
Boote eiligst von dannen. Gegen Mitternacht lösten sich die Kanonen
an Bord des Schiffes; es waren die Abschiedsgrüße, die über das Meer
dahindonnerten. Eine Stunde nach Mitternacht hatte das Feuer die
wohlverwahrte Pulver- und Kugelkammer erreicht. Ein furchtbarer Knall,
und mit einer hochauflodernden Feuerflamme barst der Schiffsrumpf
auseinander.

Man glaubte allgemein, Karpfanger habe als der Letzte das Schiff
verlassen und sich gerettet. Es war nicht so. Am nächsten Morgen
trieb die Leiche des verdienstvollen Mannes auf dem Wasser. Berend
Karpfanger ging, getreu seinem Eide „Ich will bei der mir anvertrauten
Flotte mannhaft stehen und eher Gut und Blut, Leib und Leben opfern,
als sie oder mein Schiff verlassen!“ mit seinem Schiffe in die Tiefe,
-- ein Opfer seiner mannhaften Pflichttreue.

Unter besonderen Feierlichkeiten wurde der Leichnam in Cadix bestattet,
und König Karl II. errichtete dem ruhmreichen Seehelden auf dem Grabe
ein prächtiges Denkmal.

[Illustration]



Unter dem Adler des Großen Kurfürsten.


Unter den Herrschergestalten der Hohenzollern war der Große Kurfürst
dank seiner Umsicht und Tüchtigkeit, die gepaart waren mit Weitblick
und Energie, der Anerkennung aller Zeiten sicher. Trotz der Ungunst der
Verhältnisse in seinem Lande, trotz der Armut und Entvölkerung des von
Freund und Feind verwüsteten Landes brachte er es in die Höhe, weil er
Ackerbau und Handel stützte, weil er die Erfahrungen seiner Jugend zum
Wohle seines Kurfürstentums und dessen Bewohnern anwandte.

[Illustration: Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst.]

Der Aufenthalt in den Niederlanden zeigte ihm, wie ein kleiner Staat
durch Handel und Schiffahrt, die Quellen allgemeinen Wohlstandes,
sich zu Macht und Reichtum emporringen kann. Dem klaren Verstande
des Großen Kurfürsten mußte auch die Nutzanwendung dieser Erfahrung
gelingen, trotz des Neides und trotz der ungetreuen Bundesgenossen, die
jene verheißungsvolle und machtvolle Entwicklung des Kurfürstentums
Brandenburg mit scheelen Augen sahen.

    „Der gewisseste Reichthumb und das Aufnehmen eines Landes kommen
    von dem Commercium her; Seefahrt und Handlung sind die fürnehmsten
    Säulen eines Estats, wodurch die Unterthanen, beides zu Wasser, als
    auch durch die Manufakturen zu Lande ihre Nahrung und Unterhalt
    erlangen“

schrieb der Große Kurfürst in einem Erlaß. Diese Worte waren seine
Richtschnur bei der Verwaltung des Staates.

Schon während der letzten Kriegsjahre des Dreißigjährigen Krieges trug
sich der Kurfürst mit dem Gedanken, eine brandenburgisch-ostindische
Kompagnie zu gründen. Seine vielfachen Bemühungen um dies weitsichtige
Unternehmen scheiterten an der Verschlechterung der politischen Lage,
die ihm nicht die erhoffte Gebietserweiterung an der Ostsee brachte,
und an der Kurzsichtigkeit der damaligen Handelskreise in den alten
Seestädten Hamburg, Bremen, Lübeck, Königsberg, die sich nicht bereit
finden konnten, durch Geldbeiträge das notwendige Gründungskapital
zusammenzubringen.

Erst nach 1675, nach der Schlacht von Fehrbellin, konnte der Große
Kurfürst den Gedanken der Seegeltung Brandenburgs wieder aufnehmen. Der
siegreiche Verlauf des Krieges gegen Schweden ermutigte ihn trotz des
Mangels einer eigenen Marine, den er bitter empfand, das alte Ziel, die
Eroberung und Einverleibung Rügens und Pommerns, zu verwirklichen.

[Illustration: Benjamin Raule.

Nach seinem in Kiel befindlichen Standbild.]

Benjamin Raule, ein kühner, unternehmungsfroher niederländischer
Schiffsreeder, erbot sich damals, auf eigene Kosten eine Anzahl
Kriegsschiffe gegen die schwedischen Handelsschiffe auszuschicken,
wenn ihm der Kurfürst Schutz gewähre und ihm Kaperbriefe erteile.
Dem Kurfürsten kam der Vorschlag Raules sehr gelegen, dieser hatte
dann binnen kurzer Zeit die Ostsee vollständig von schwedischen
Schiffen gesäubert, und keines wagte mehr die heimischen Häfen zu
verlassen. Dadurch wurde den Schweden der empfindlichste Abbruch
getan. Fast schien es, als ob sich alles gegen den Kurfürsten und
seine Bestrebungen auf Seegeltung verschworen hätte. Raule ließ bei
seinem Vorgehen nicht die nötige Vorsicht walten; so brachte er
unter den zahlreichen Prisen auch holländische Güter auf, die unter
schwedischer Flagge fuhren. Die Fortnahme dieser Schiffe verursachte in
den Niederlanden nicht geringe Aufregung. Die Generalstaaten waren nur
bereit, die Feindseligkeiten gegen Schweden mit fortzusetzen, wenn ihr
eigener freier Handel zur See nicht gestört werde. Friedrich Wilhelm
der Große Kurfürst mußte deshalb aus politischen Rücksichten, um nicht
den Bundesgenossen zu verlieren, die eroberten Prisen herausgeben.

Nach der Schlacht bei Fehrbellin konnte Raule mit drei Fregatten,
‚Kurprinz‘, ‚Berlin‘ und ‚Potsdam‘, auslaufen. Zu diesen gehörten noch
zwei kleinere Schiffe, ‚Bielefeld‘ und ‚Buller‘, und zu ihnen stießen
noch drei Fregatten, die von der holländischen Admiralität gemietet
waren. Kurbrandenburgs Flagge wehte am Mast dieser Schiffe, und wenn
sie auch nur für drei Monate gemietet waren, entfaltete der rote Adler
im weißen Feld nicht minder stolz seine Schwingen am Mast der Schiffe
über den Wellen des Meeres, um zu zeigen, daß auch ihm ein Anteil am
Meere gehöre.

Glückverheißend waren die Anfangserfolge jedoch noch nicht. Die
schwedische Festung Karlsburg an der Weser eroberte die Flotte nicht.
Vielmehr kehrten die Brandenburger unter Verlusten heim, und der
hereinbrechende Winter machte den Feindseligkeiten ein vorläufiges Ende.

[Illustration: Seeschlacht bei Bornholm. Eroberung des ‚Leopard‘.

Von Professor Hans Petersen.]

Im Jahre 1676 erneuerte der Kurfürst seinen Vertrag mit Raule, dem
er die Aufgabe stellte, die Küsten Mecklenburgs und Pommerns zu
blockieren, auch sollte er mit Hilfe der verbündeten dänischen Flotte
Schweden angreifen.

Kurbrandenburgs junge Kriegsflagge wehte in Ehren. Eine Reihe Schiffe,
die Kriegskonterbande führten, brachte sie auf. Doch erhielt sie in der
Seeschlacht bei Bornholm am 5. Juni 1676 die Feuertaufe, denn die Dänen
unter Admiral Niels Juel schlugen die Schweden. Große Freude bereitete
in Kurbrandenburg die Kunde, daß die Brandenburger Flotte unter Raule
von den Schweden einen Brander von acht Geschützen und eine Fregatte
von zweiundzwanzig Kanonen erobert hatte.

Neidvoll sahen die übrigen Seestaaten die Kriegserfolge der jungen
Seemacht sich mehren. Dazu ergaben die erbeuteten Schiffe eine
willkommene Verstärkung der heimischen Flotte, und die eroberten Prisen
deckten die notwendigen Auslagen dieses Seezuges.

[Illustration: Kurfürstlich Brandenburgische Werft und Magazin in
Emden.]

Für das Jahr 1677 erneuerte der Kurfürst abermals seinen Vertrag
mit Raule, der für die Summe von 27000 Talern und die Hälfte des
Prisengewinnes auf vier Monate wiederum fünf Schiffe stellte,
die sechsundsiebzig Geschütze und dreihundertfünfzig Mann
Besatzung zählten. Ferner reihte Raule noch sechs Kaperschiffe mit
sechsunddreißig Kanonen und einer Besatzung von hundertvierundachtzig
Mann der Flotte ein, zu der außer den im Vorjahre eroberten beiden
schwedischen Schiffen der Kurfürst noch vier eigene Schiffe mit
siebenundfünfzig Kanonen und einer Schiffsbesatzung von über
dreihundert Mann entsandte. Diese Flotte bildete eine nicht zu
unterschätzende Macht.

Neben einer erfolgreichen Überwachung der pommerschen Küste führten
die Schiffe größere Streifzüge durch das ganze Gebiet der Ostsee aus.
Stettin wurde vom Meere abgeschnitten und die Schweden bei Rostock
und bei Falsterboe von der Dänenflotte mächtig aufs Haupt geschlagen,
so daß sie sich nicht länger auf der See hielt. Stettin fiel. Nun
blieb als die letzte und schwerste Aufgabe, um einen vollen Erfolg
zu erringen, die Vertreibung der Schweden von Rügen. Auch dies Werk
gelang. Unter der tätigen Mitwirkung von Raule und der Dänen unter
Führung des Admirals Niels Juel war im Herbst des Jahres 1678 die
Aufgabe gelöst worden. Allein die Früchte des Feldzuges sollten dem
energischen Kurfürsten nicht reifen. Trotz der Besitzergreifung der
Odermündung mußte Friedrich Wilhelm im Frieden zu St. Germain an
Schweden die eroberten Gebiete zurückgeben, weil deutsche Fürsten,
neidisch auf die Entwicklung des Kurfürstentums, dies zugaben. „Aus
meinen Gebeinen wird ein Rächer erstehen,“ rief prophetischen Auges der
Kurfürst, und er sollte recht behalten.

Trotz des Unglücks in politischer Beziehung verlor Friedrich Wilhelm
den Gedanken an die Entwicklung der Seegeltung seines Landes nicht
aus dem Auge. Zur Hebung der Schiffahrt schuf er ein Marinekollegium.
Mit den acht gemieteten und vier eigenen größeren Fahrzeugen zählte
die brandenburgische Marine nun zwölf Kriegsschiffe, die beständig
seebereit lagen. Sie standen unter Raule, der die brandenburgischen
Seekriegsartikel auch für seine Schiffe anerkannte und einführte. --

Im Seezuge gegen Spanien bewährte sich die Flotte zum ersten
Mal. Im Jahre 1674 verpflichtete sich Spanien, dem Kurfürsten
Unterhaltungsgelder für eine Truppenmacht zu zahlen, die er gegen
Frankreich im Felde hielt. Da Spanien sich später weigerte, dem
Vertrage nachzukommen, und alle Verhandlungen ohne Erfolg blieben,
sandte der Kurfürst am 14. August 1680 von Pillau seine Flotte gegen
Spanien aus.

Unter dem roten Adler im weißen Felde fuhren sieben Schiffe mit
hundertundfünfundsechzig Geschützen und fünfhundertzwanzig Seeleuten
aus, um die Schuld einzutreiben.

Wirklich fiel den Brandenburgern ein reichbeladenes Fahrzeug, der
‚Carolus II.‘, in die Hände, doch damit war des Kurfürsten Forderung
nicht gedeckt. Deswegen sandte er im nächsten Jahre abermals ein
Geschwader aus. Der Befehlshaber hieß Kapitän Aldersen. Zunächst
segelte dieses Geschwader nach Westindien, um die spanische
Silberflotte zu erwischen; leider entkam diese den Brandenburgern,
aber einige wertvolle Prisen fielen Aldersen doch in die Hände. Jetzt
fuhr er schnell nach der spanischen Küste, um die Silberflotte noch
einzuholen.

Spanien hatte bereits von seinem Plane Kenntnis und sandte ihm vierzehn
Kriegsschiffe entgegen. Am 30. September 1681 trafen sich beide
Geschwader bei Kap St. Vincent. Aldersen hielt die Spanier irrtümlich
für die Silberflotte und griff sie kühn an. Natürlich erkannte er bald
seinen Irrtum, floh aber nicht, sondern kämpfte mit größter Tapferkeit
zwei Stunden lang mit dem mächtigen Feinde. Dann brach er das Gefecht
ab und zog sich in voller Ordnung zurück. Die Spanier aber wagten nicht
zu folgen, sie hatten Furcht bekommen. Aldersens fünf Fahrzeuge waren
wohl mächtig zerschossen, aber sie blieben doch alle kampffähig, die
Spanier hingegen büßten zwei Schiffe ein.

Der einfache erste Bericht des Flottenführers an den Kurfürsten sei
hier wiedergegeben:

    „Ich berichte hiermit in aller Hast, daß wir vor drei Tagen ein
    scharfes Rencontre gehabt haben, als wir die spanische Armada,
    die aus Galicien[21] kam, angetroffen, und da wir meinten,
    daß es die Galionen wären, haben wir sie mit unseren vier
    Schiffen angegriffen. Die spanische Armada bestand aus 12 großen
    Kriegsschiffen und 2 Brandern, doch als ich ihre Übermacht gewahr
    wurde, suchte ich mich mit meinen vier Fregatten wegzumanövrieren,
    so daß wir nach einem zweistündigen Gefechte auseinanderkamen.
    Ich bin dann glücklich mit meinen Fregatten wieder in Lagos
    eingelaufen, um in wenigen Tagen wieder in See zu gehen. Ich habe
    in allem zehn Mann an Toten und dreißig Verwundete. Geschrieben auf
    dem Schiff ‚Friedrich Wilhelm‘ den 2. Oktober 1681.

    gez. Thomas Aldersen.“

Inzwischen langte die Silberflotte glücklich in Spanien an; wenn auch
dadurch der Zweck der brandenburgischen Flottenfahrt nicht erreicht
wurde, so mehrte doch das wiederholte Erscheinen gut ausgerüsteter
brandenburgischer Kriegsschiffe im Atlantischen Ozean das Ansehen des
Großen Kurfürsten. --

Nach dem Frieden von St. Germain trat Friedrich Wilhelm den von
Raule unterbreiteten Vorschlägen der Gründung einer Afrikanischen
Handelsgesellschaft näher.

Wiederum mußte der Fürst die Erfahrung machen, daß er bei den zaghaften
Kaufleuten seines Landes keine Unterstützung seiner auf das Wohl
des Handelsstandes und des Volkes bedachten Pläne fand. Einigen
unternehmenden holländischen Kaufleuten, die seine Untertanen wurden
und zwei Schiffe, den ‚Morian‘ und das ‚Wappen von Brandenburg‘,
nach der Küste von Guinea entsandten, gestattete er die Führung der
brandenburgischen Flagge, gab ihnen Geschütze mit kurfürstlichem Wappen
und zwanzig brandenburgische Soldaten.

Diese beiden Fahrzeuge machten im Herbst des Jahres 1680 unter dem
Befehle eines Kapitäns Blonck ihre Reise und gelangten am Ende des
Jahres glücklich am Orte ihrer Bestimmung, bei Axim in der Nähe des
Kaps der drei Spitzen, an der Guineaküste an.

[Illustration: Besitzergreifung der Guineaküste durch die Schiffe
Morian und Kurprinz.

Von Professor Hans Petersen.]

Der Handel ging gut, die Neger stellten sich freundlich, und Blonck
schloß mit drei Häuptlingen einen Vertrag, der bestimmte, für die
Zukunft nur mit brandenburgischen Schiffen zu handeln.

Im März des Jahres 1682 ging die Gründung der Gesellschaft vor sich.
Wiederum schickte der Kurfürst zwei Schiffe ‚Morian‘ und ‚Kurprinz‘
unter den Kapitänen Voß und Blonck hinaus; die Leitung des Unternehmens
lag in den Händen des Kammerherrn Major von der Gröben.

Der Gewandtheit des vielgereisten Herrn von der Gröben gelang es,
trotz des Widerstandes der Holländer, die die ganze Goldküste
beanspruchten, zum gewünschten Erfolg zu kommen. An den Küsten von
Guinea und Angola schloß er Verträge mit Negerfürsten ab und machte
Erwerbungen. Im Jahre 1683 erstand an dem Vorgebirge der drei Spitzen
die Feste ‚Groß-Friedrichsburg‘. Somit schien das Unternehmen zum
Ärger der Holländer einen guten Fortgang zu nehmen, da stellten sich
verschiedene Widerwärtigkeiten ein. Fast die ganze Besatzung des Forts
erkrankte am Klimafieber, und zugleich kam die Nachricht, daß mehrere
tausend Neger in feindseliger Absicht heranrückten. Aber Gröben verlor
den Mut nicht. Es wurden schnell fünfzig Matrosen ausgeschifft, und mit
dieser kleinen Streitmacht, sowie mit zweihundert getreuen Schwarzen
erwartete er den übermächtigen Feind in der halboffenen Festung.

Als die Negerbande den Berg hinanstürmte, ließ Gröben sie dicht
herankommen, dann schoß er mit Granaten dazwischen. Das half! Voller
Entsetzen stürzte die Masse davon; der Krieg war aus.

Die Entwicklung der Afrikanischen Gesellschaft ging nicht so vor sich,
wie der Kurfürst es erhoffte; die ausgesandten Schiffe brachten nur
wenige Erträge, und die Kolonien verlangten fortwährend Zuschüsse.
Dazu waren einzelne der Verwalter Betrüger, die nur ihren Vorteil
wahrnahmen. Und doch verfolgte Friedrich Wilhelm seinen Lieblingsplan
weiter, bis ihm der Tod ein Halt gebot. --

Unter seinem Nachfolger verlor Brandenburg seine Kolonien, deren
Untergang bedingt war durch den engherzigen Geist jener Zeit, die für
große nationale Aufgaben, wie sie dem Großen Kurfürsten bei seinen
Gründungen vorgeschwebt hatten, kein Verständnis mehr besaß; auch
fehlte der Wille, sie durch eine leistungsfähige Flotte zu unterstützen.

[Illustration]



Zweiter Teil.

Die Geschichte der deutschen Flotte -- ein kurzer Überblick.


Als in den Tagen der Hanse Lübecks Flagge meergebietend drei
Jahrhunderte in den nordischen Meeren wehte, da pulsierte in den
hansischen Städten der Geist der Seefahrer. Aber mit dem Verschwinden
der Hanse war auch der Gedanke an eine Flotte hinweggerauscht, bis der
umsichtige und tatkräftige Große Kurfürst Friedrich Wilhelm in seinen
Kriegen mit Schweden den Wert einer Flotte erkannte. Von seinen für
das Kurfürstentum so nützlichen Bestrebungen, auch zur See Geltung zu
bekommen, war in den vorhergehenden Abschnitten schon die Rede.

Die +Nachfolger des Großen Kurfürsten+ verwendeten alle Mittel
auf das Landheer, die kleine Flotte verfiel. Am 13. August 1720 wurde
unter Friedrich Wilhelm I. eine Abtretungsurkunde der Forts von
Groß-Friedrichsburg, Akkoda und Arguin unterzeichnet. 6000 Dukaten
zahlten die Holländer als Kaufpreis.

Der kriegstüchtige Alte Fritz hat mehrfach bei seinen Kriegsoperationen
den Mangel einer Flotte empfunden. Er half sich, so gut er konnte.
Einmal stellte die Stettiner Kaufmannschaft einige bewaffnete Schiffe
gegen die Schweden zur Verfügung. Es waren dies kleine Küstenschiffe,
die, schnell mit Kanonen ausgerüstet, zu Kriegsfahrzeugen wurden,
jedoch gegen die Schweden nichts ausrichteten. In der Zeit der
kriegerischen Wirrnisse am Beginn des 19. Jahrhunderts fehlte
jegliche Flottenrüstung in Deutschland; wohl versuchten einige
Generale, nach der Schlacht bei Jena einige Schiffe zu einer kleinen
Flotte zu vereinigen, auch arbeitete der nachmalige Kriegsminister
von Rauch in der Zeit von Preußens Wiedergeburt eine umfangreiche
Denkschrift aus, in der er die Notwendigkeit einer Flotte im
Frischen Haff nachwies und neunzehn Fahrzeuge mit viertausend Mann
Besatzung forderte. Leider stand dieser erste Flottenplan nur auf
dem Papier, er blieb unausgeführt. Nach dem Friedensschluß im Jahre
1815 erhielt Preußen Schwedisch-Vorpommern und damit auch sechs
kleine schwedische Kanonenschaluppen, welche die Anregung zum Bau
einer kleinen Kriegsflotte gaben. Man blieb bescheiden. Major Longé
arbeitete im Jahre 1820 einen neuen Flottengründungsplan aus, der
achtzig Fahrzeuge mit viertausenddreihundert Mann Besatzung vorsah.
Nur ein Kriegsfahrzeug wurde bewilligt. Im Jahre 1823 besaß Preußen
acht Fahrzeuge, von denen fünf mit Geschützen versehen waren. Jedoch
vermehrte sich der Widerstand gegen eine Flotte, und auch die im Jahre
1835 gepflogenen Unterhandlungen einer Küstenverteidigungskommission
führten zu keinem Erfolg. Das Ministerium lehnte die Gelder rundweg ab,
und jede Aussicht auf eine Rüstung zur See war erloschen. Kurzsichtig
und kleinlich war die Zeit.

[Illustration:

     Dampfschiffe     Fregatte     Korvette   Dampfschiff
    Lübeck  Bremen   Deutschland   Fanklin      Hamburg

Die erste deutsche Flottille auf der Elbe, August 1848.]

Das Jahr 1848 kam. „Schleswig-Holstein, meerumschlungen!“ brauste
es durch die Lande, und in jenen Tagen, in denen das Volk um seine
politische Freiheit rang, weitete sich auch der Gesichtskreis.
Dänemarks kleine Flotte brachte den Deutschen das Gefühl ihrer Ohnmacht
zur See bei. „Wir brauchen eine Flotte!“ war die Losung, und das
Frankfurter Nationalparlament beschloß nahezu einstimmig, für die
Schaffung einer Flotte 18 Millionen Mark zu bewilligen. Die Gelder
sollten die einzelnen Bundesregierungen aufbringen. Auch diesmal blieb
es bei dem Plane, wenn nicht das deutsche Volk eingriff. Die glühende
Begeisterung des Volkes suchte zu erreichen, was den staatlichen
Organen abging. Vereine und Komitees bildeten sich; bei festlichen
Veranstaltungen wurde Geld gesammelt für den Bau einer Flotte. An
verschiedenen Orten kam ein Anfang zustande. Am schnellsten war
Hamburg bereit, denn sein Handel wurde durch die dänischen Übergriffe
unmittelbar betroffen. Die Reeder des dortigen Flottenvereins sorgten
für die Armierung der Schiffe. Godefroy und Sloman übergaben dem Senat
drei große Segelschiffe, die zu Kriegsschiffen ausgerüstet wurden. So
hat sich das deutsche Volk die Anfänge seiner Flotte selbst geschaffen.
Prinz Adalbert von Preußen, der Vorsitzende der damaligen technischen
Marinekommission, arbeitete eine Denkschrift aus, die zwanzig
Linienschiffe, zehn Fregatten, dreißig Dampfer, vierzig Kanonenboote,
achtzig Kanonenschaluppen und eine Besatzung von achtzehntausend
Mann forderte. Der Hauptstützpunkt dieser Flottenmacht sollte Kiel
werden. Wieder wurde der scharfumrissene Plan nicht ausgeführt. Nur
2 Millionen Gulden konnte der Bund flüssig machen; endlich trugen
fünf Fahrzeuge die deutsche Flagge; daß es der kleinen Flotte an
Mannschaften nicht fehlte, war eine Folge der Begeisterung der
deutschen Jugend. Kriegsmutig zeigte sich die junge deutsche Flotte.
Als im Juli 1850 der Friede mit Dänemark kam, da versiegte auch die
Flottenbegeisterung. Im Jahre 1852 wurde von der Bundesversammlung die
Auflösung der Bundesflotte verfügt. Zwei Fahrzeuge erhielt Preußen
als Ersatz für die geleisteten Beiträge, den Rest versteigerte der
oldenburgische Staatsrat Hannibal Fischer öffentlich meistbietend.
Preußens Finanzminister hatte es abgelehnt, die Gelder für den Ankauf
dieser Schiffe flüssig zu machen, und so hatte damals die erste
deutsche Flotte, mit Begeisterung ins Leben gerufen, ein unrühmliches
Ende gefunden.

[Illustration: Gefecht zwischen deutschen und dänischen Schiffen bei
Helgoland.

Von Professor Hans Petersen.]

[Illustration: Prinz Adalbert von Preußen.]

„Das Band ist zerschnitten, war schwarz, rot und gold!“ so klang es
durch die Lande; wohl wurde an den Grenzen Deutschlands viel über
diesen unrühmlichen Ausgang gelacht, aber der Flottengedanke blieb
lebendig.

Mit der Auflösung der Bundesflotte hatte das preußische Marinewesen
eine größere Selbständigkeit erlangt. Zu den vom Reiche erworbenen
Schiffen kamen einige Neubauten. Im Jahre 1853 wurde eine eigene
Admiralität mit dem Prinzen Adalbert von Preußen an der Spitze
geschaffen. Die Entwicklung des Marinewesens war jetzt frei und
erfolgreich von Stufe zu Stufe; allerdings ging der Fortschritt nur
langsam. Im Jahre 1854 forderte Prinz Adalbert in einer Denkschrift
dreiundsechzig Kriegsfahrzeuge, er erhielt sie aber nicht. Dafür aber
ging man an den Bau von Werften; durch den Vertrag mit Oldenburg kam
Preußen in den Besitz von Wilhelmshaven. Freudig hat Prinz Adalbert für
den Marinegedanken gearbeitet, und vieles von dem, was er geschaffen
hatte, dient noch heute als Grundlage. Preußen fiel nach der Auflösung
der Bundesflotte die Aufgabe zu, die deutschen Interessen im Auslande
zu vertreten. An der Stelle der schwarz-rot-goldenen Fahne flog die
preußische Kriegsflagge über die Ozeane, überall mit Achtung begrüßt.
Die Berichte der preußischen Vertreter im Auslande weisen darauf hin,
daß die Sache der Landsleute durch die Zeigung der Flagge eine wirksame
Unterstützung erfahren habe. In den nachfolgenden Kapiteln wird noch
von namhaften Taten der jungen preußischen Kriegsmarine die Rede sein.
Im Jahre 1864, am Beginne des Krieges mit Dänemark, zählte Preußens
Kriegsflotte siebzig Fahrzeuge, die aber nur einen kleinen Tonnengehalt
hatten und dazu schwach armiert waren. Im Seegefecht von Jasmund, im
Treffen bei Helgoland, bei den Gefechten im Wattenmeer hat sich die
preußische Marine mit Tapferkeit geschlagen, einen entscheidenden
Einfluß auf den Gang der Kriegsereignisse jedoch noch nicht gehabt.
Die Erfahrungen im dänischen Kriege haben Moltkes Anschauungen von
der schwachen Flotte recht gegeben, und im Jahre 1865 forderte die
preußische Regierung 105 Millionen Mark sofort, sowie 15 Millionen Mark
jährlich, um eine Flotte von vierundvierzig leistungsfähigen Fahrzeugen
zu besitzen. An Leuten, die der Regierung die Mittel vorenthalten
wollten, fehlte es nicht. Jedoch Bismarck setzte ohne Einwilligung des
Landtages den Ausbau fort. Im Kriege von 1866 bot sich für die Flotte
keine Gelegenheit, sich hervorzutun.

[Illustration: Kampf brandenburgischer und spanischer Schiffe bei St.
Vincent.

    Von Professor Hans Petersen.
]

Nachdem der Norddeutsche Bund begründet war, ging die preußische
Flotte an diesen über. Am 1. Oktober 1867 wurde auf den Schiffen die
preußische Flagge niedergeholt und durch die schwarz-weiß-rote Flagge
ersetzt. Der neue Reichstag zeigte ein größeres Verständnis für die
Flotte und stimmte damit auch einem Projekte zu, das 30 Millionen
Mark erforderte. Sechzehn Panzerschiffe, zweiundzwanzig Kanonenboote,
dreißig Korvetten für das Ausland und eine Anzahl kleinerer Schiffe
sollte die Flotte umfassen. Beim Ausbruch des Krieges mit Frankreich
zählte sie fünf Panzerschiffe, neun Korvetten, zweiundzwanzig
Kanonenboote und einige kleinere Schiffe. Im Kriege selbst konnten
nur drei Schlachtschiffe verwendet werden. Die kleineren deutschen
Fahrzeuge legten dennoch gegenüber dem übermächtigen französischen
Gegner große Unerschrockenheit an den Tag. In bedeutende Entscheidungen
aber brauchte die Flotte nicht einzugreifen.

Deutschlands beispiellose Entwicklung setzte ein. Wirtschaftlich dehnte
und reckte sich das Land. Mit den Erfolgen der deutschen Industrie
wuchs auch die Notwendigkeit des Ausbaues der deutschen Flotte. Die
schwarz-weiß-rote Handelsflagge zeigte sich allüberall und mehr und
mehr in den Welthäfen. Die Tätigkeit des Kaufmanns, die Rührigkeit
der Industriellen bedingte, daß nicht nur ein starkes Heer, sondern
auch eine ausreichende Flotte zur Wacht und zum Schutze der deutschen
überseeischen Handelsinteressen bereit sei.

Die Lehre des Krieges von 1870 blieb nicht ungenutzt: man begriff,
trotz der enormen Erfolge des Landheeres, welchen Einfluß die
unbehinderte Freiheit des französischen Seeverkehrs auf die Entwicklung
der Ereignisse ausgeübt hatte.

Als für den Prinzen Adalbert die Zeit der Erfüllung seiner
langersehnten Wünsche nahte, da setzte am 6. Juni 1873 ein
Lungenschlag seinem für die Marine so tätigen Leben ein plötzliches
Ende. General von Stosch wurde zum Chef der Admiralität ernannt. Er
stand bis zum 20. März 1884 an der Spitze der Marineverwaltung. Mit
aufrichtiger Bewunderung haben seine Untergebenen zu ihm aufgeschaut,
denn er war eine in sich gefestigte Persönlichkeit, die mit eisernem
Fleiß und unbeugsamen Willen für die Entwicklung der Marine sich
betätigte. Sein Name ist verknüpft mit dem ersten auch wirklich
durchgeführten Flottengründungsplan vom 21. April 1873 und mit der am
1. Juli 1883 erschienenen Denkschrift über die Durchführung dieses
Planes. Der erste systematische Ausbau der deutschen Flotte begann:
sie sollte dem Schutze des Handels, der Verteidigung der Küste
und der Entwicklung des Offensivvermögens dienen. In der späteren
Behandlung legte General von Stosch den Schwerpunkt mehr auf die
Küstenverteidigung, weil das angriffsweise Vorgehen sich auf kleinere
Seemächte beschränke, die Entscheidung im Kriege immer beim Landheere
liege, und eine gewonnene Seeschlacht höchstens den Ausgangspunkt für
weitere Unternehmungen bilde. Diesen Voraussetzungen entsprach der
Schiffbau der Periode Stosch.

Neben den Schiffen umfaßte der Plan die personelle Entwicklung, den
Ausbau der Werften, Häfen und sonstigen Landanlagen.

Bei der kurzen Erörterung dieses Flottenplanes im Reichstag faßte
dieser aus seiner Mitte eine Entschließung, daß die vorhandene
Voraussicht des Baues einer größeren Anzahl von Kriegsschiffen die
deutsche Schiffbauindustrie stärke, um Deutschlands Wehrmacht zur
See vom Ausland unabhängig zu machen. Der Reichstag wünschte diese
‚eigentlich selbstverständliche‘ Entschließung, damit die deutschen
Werften sich auf ihre Aufgabe vorbereiteten. Stosch erblickte in
seinem Plan nur die allgemeinen Richtungslinien für seine Tätigkeit an
der Spitze der Marineverwaltung. Von der Festlegung der technischen
Einzelheiten sah er ausdrücklich ab.

Mit dem Schiffbau ging die Entwicklung der Werften Hand in Hand.
Die kleineren Werke in Stralsund und Geestemünde wurden aufgegeben,
der Ausbau von Wilhelmshaven kräftig gefördert, und schon unter
Stosch wurde mit dem Bau einer zweiten Einfahrt daselbst der Anfang
gemacht. Die Werft in Kiel wurde erweitert. Kasernen und Lazarette,
Depots, sowie andere Bauten verschiedener Art schlossen sich an. Die
Ausbildung der Offiziere wurde verbessert, den Mannschaften durch
die Vierjährig-Freiwilligen aus der Landbevölkerung ein neuer Ersatz
zugeführt, und für einen guten Unteroffizierersatz durch Förderung
des Schiffsjungeninstituts vorgesorgt. Noch einem anderen wichtigen
Institut, der deutschen Seewarte in Hamburg, an deren Spitze der Chef
der Admiralität in der Person Neumayers einen überaus verdienten
Gelehrten stellte, hat Stosch während seiner ganzen Amtsführung eine
weitgehende Förderung zuteil werden lassen. Als Stosch nach zehn
Jahren aus seinem Amte schied, konnte er mit Befriedigung auf die
getane Arbeit zurückblicken. Als Beweis dafür sei eine Stelle aus dem
Hamburgischen Exporthandbuch hier wiedergegeben: „Als die deutsche
Reichsflagge stolz an der Gaffel deutscher Kriegsschiffe wehte, die
junge Reichsflotte mehr und mehr sich vergrößerte, da schlug man im
Auslande den Deutschen gegenüber einen anderen Ton an, man hatte
Respekt vor Deutschland bekommen.“ Die Marine war bereit für die
militärischen Anforderungen, die im Kriegsfall nach den damaligen
Voraussetzungen an sie herangetreten wären. Auch dem Verlangen des
Reichstages war die Marineverwaltung gefolgt, denn abgesehen von dem
Aviso ‚Zieten‘ waren alle Schiffe auf deutschen Werften gebaut worden.
Auch das Panzerplattenmaterial bezog man von deutschen Werken, die
Geschütze lieferte Krupp. Im Jahre 1883 kam zur geringen Freude des
Seeoffizierkorps wieder ein General von der Armee, der General von
Caprivi, der spätere Reichskanzler, als Nachfolger von Stosch an die
Spitze der Marine. Bei Stoschs Eintritt konnte noch kein Seeoffizier
auf den hohen Posten Anspruch machen; als Caprivi kam, durfte dieser
Grundsatz nicht mehr gelten. Während der Amtsführung Caprivis
wurde besonders der Bau der Torpedoboote bevorzugt. In die Ziele
des Kriegsschiffsbaues kam dadurch eine tiefgreifende Unsicherheit
hinein; selbst England sah damals für einige Zeit davon ab, große
Schlachtschiffe auf Stapel zu legen.

Der Bau der Torpedoboote wurde kräftig gefördert. Nur einige
Musterboote kamen aus England. Der deutsche Schiffbau bemächtigte sich
bald dieser Spezialität, und seine guten Leistungen erwirkten, daß
die fremden Marinen zahlreiche Bestellungen der Werft von Schichau
in Elbing beziehungsweise dem Stettiner ‚Vulkan‘ zukommen ließen.
Die Herstellung der Torpedos nahm Caprivi in eigene Verwaltung. Die
Torpedowerkstatt in Friedrichsort, deren Entwicklung in dieser Zeit
geschah, gelangte bald dahin, Torpedos in allen ihren Teilen zu erbauen
und technisch immer weiter zu vervollkommnen, ohne dabei in irgendeiner
Weise von der Privatindustrie abhängig zu sein. Die Küstenverteidigung
durch Minen und Festungen wurde nicht vergessen. Das Kriegsministerium
übergab die Befestigungen an der Elbe- und Wesermündung der Marine, die
nun von der Mitwirkung der Armeebehörden nicht mehr abhängig war.

Linienschiffe wurden in der Zeit Caprivis nicht gebaut. An dem
planmäßigen Ersatzbau von Kreuzern und Kanonenbooten wurde nichts
geändert. Auch in anderer Richtung nahm die Marine unter Caprivi eine
gute Entwicklung. Durch die Schaffung der Reservedivisionen wurde
dafür gesorgt, daß auf einem ständig im Dienst gehaltenen Panzerschiff
ein Stamm von Offizieren und Unteroffizieren derart in der Handhabung
dieser schwierigen Kriegsmaschinen in Übung blieb, daß selbst auf
unvorhergesehenen Befehl die Panzerdivision unbedenklich in See gehen
konnte. Seemannschaft und kühne Entschlußfähigkeit lernten Offiziere
und Mannschaften auf den Torpedobooten.

[Illustration: Admiral Friedrich von Hollmann.]

Als Kaiser Wilhelm II., der schon als jugendlicher Prinz tiefes
Verständnis und warmherziges Interesse der Marine entgegenbrachte,
den Thron bestieg, war Caprivis Amtsführung zu Ende. Der neue, dem
Seeoffizierkorps entnommene Chef der Admiralität holte eine lang
versäumte Maßnahme, den Bau von Linienschiffen, nach.

Man macht oft Caprivi zum Vorwurf, daß er fünf Jahre lang keine
Panzerschiffe baute. Ihren militärischen Wert schätzte er, wie die aus
seiner Zeit herrührenden Denkschriften beweisen, vollkommen richtig
ein. Dieser Vorwurf ist daher unbegründet. Die Flottenlisten der
fremden Nationen England und Frankreich weisen in der Zeitperiode des
Auftretens der Torpedowaffe fast gar keine Linienschiffbauten auf. Die
anderen unter den heutigen Seemächten kamen für jene Zeit überhaupt
noch nicht in Betracht. Der Bau der neuen Linienschiffe wurde energisch
gefördert. Im Jahre 1893 und 1894 traten sie in das aktive Geschwader
ein.

Eine andere bedeutungsvolle Maßnahme hob die geschaffene einheitliche
Admiralität auf. Neben ein rein militärisch gegliedertes
Oberkommando kam das Reichsmarineamt, dessen Chef als Vertreter
des Reichskanzlers den Etat der Marine vor dem Reichstag und die
Verwaltungsangelegenheiten als Chef der Verwaltung den militärischen
Marinebehörden gegenüber vertreten mußte. Im Jahre 1890 kam an die
Spitze dieser Behörde der Admiral Hollmann.

Der erste Gegenstand, der in seiner Amtstätigkeit in der Öffentlichkeit
viel erörtert wurde und die Flotte vorübergehend in den Hintergrund
treten ließ, war die Erwerbung und militärische Befestigung der Insel
Helgoland und die Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals.

Die bedeutsame Entwicklung unseres deutschen Vaterlandes nahm ihren
Fortgang. Die starke Bevölkerungszunahme nötigte dazu, den Schwerpunkt
deutschen Erwerbslebens von der Landwirtschaft in die Industrie
zu verlegen. In immer erweitertem Maße steigerte sich die Einfuhr
überseeischer Rohstoffe, die eine ungeahnte Ausdehnung unseres
Seehandels bedingten. Wir wurden Mitbewerber, wo man uns bisher kaum
beachtet hatte. Allgemeine Zustimmung fanden die Kaiserworte: „Unsere
Zukunft liegt auf dem Wasser,“ und „Bitter not ist uns eine starke
Flotte!“

Eine schwere Aufgabe, im deutschen Volke breiten Schichten diese
Wahrheiten begreiflich zu machen! Wir waren berechtigt, auf dem
Weltmarkt mit gleichen Ansprüchen wie die übrigen Völker aufzutreten,
wir mußten mit ihnen Weltpolitik treiben.

Die Aufgabe wurde gelöst; heute erkennt das deutsche Volk, daß eine
starke Flotte ihm Freiheit und eine ungehinderte Entfaltung im
Welthandel gewährleistet. Seit 1897 ist Staatssekretär Tirpitz der
umsichtige Leiter des Marineamtes. Seine Maßnahmen, einen einheitlichen
militärischen Organisationsplan über Ausbau und Indiensthaltung zu
schaffen, welche trotz Änderungen, die durch den Wandel der Zeit
bedingt sind, ein festes Grundgepräge aufweisen, fanden die Zustimmung
der gesetzgebenden Faktoren.

Ende März 1898 kam nach mühseligen Verhandlungen der Grundplan, das
erste große Flottengesetz, zur Annahme. Die notwendigen erforderlichen
Erweiterungen des Grundplanes brachten die Flottennovellen von 1900,
1906 und 1911.

Das deutsche Volk hat jetzt die Gewähr, daß seine Marine den
Anforderungen, die an sie herantreten können, gewachsen ist. Ein großer
Fehler wäre es, das Gesetz aufzuheben, das eine weitblickende Regierung
schuf. Schwere Lasten brachten die Flottengesetze dem Volke, jedoch muß
unsere Generation sie tragen, um der künftigen die Ellbogenfreiheit
auf der See und damit im Welthandel und Weltverkehr zu sichern:
„Deutschlands Zukunft liegt auf dem Wasser!“ und Deutschlands Flagge
soll in Ehren wehen!



Der Tag von Eckernförde.

(5. April 1849.)


Als die Schleswig-Holsteiner für ihre Freiheit im Kampfe gegen Dänemark
standen, schickte ihnen der Deutsche Bund Truppenunterstützungen,
die im Jahre 1849 unter dem Oberbefehl des Herzogs von Koburg-Gotha
standen. --

Es war am Abend des 4. April. Der Tischler Kalissen hatte von einem
schwankenden Gerüst oben an der Spitze des Gettorfer Kirchturms
Ausschau gehalten und die Ankunft eines starken dänischen Geschwaders
angezeigt, das einen Angriff auf Eckernförde zu planen schien. Sofort
rüsteten die vorhandenen Streitkräfte sich zur Gegenwehr; die geringe
Infanterie mußte den Strand besetzen, und die Küstenartillerie zwei
kleine Schanzen, die schon im Jahre 1848 zum Schutz des Hafens
errichtet worden waren. Die Nordbatterie führte sechs Geschütze und
ihr gegenüber die Südbatterie nur vier eiserne Kanonen. Für beide
standen zur Bedienung unter Hauptmann Jungmann vier Unteroffiziere
und zweiundsiebzig Artilleristen, durchweg Rekruten, bereit.
Eine nassauische Feldbatterie wurde aufgefahren, um einen etwa
beabsichtigten Landungsversuch der Dänen mit zu verhindern. Daß diese
kleine Schar vor den nahenden Kriegsschiffen mit ihrer viel größeren
Geschützstärke nicht einen Augenblick zitterte, war das Verdienst des
heldenmütigen Jungmann, der erst kurz vorher aus der Türkei, wo er die
starke Artillerie am Bosporus befehligte, zurückgekehrt war.

Die Mannschaften der Nordschanze standen unter Hauptmann Jungmann, den
Befehl in der Südschanze hatte bei dem Mangel an Offizieren ein junger
Holsteiner, der Freiwillige, Unteroffizier von Preußer, inne.

In der Frühe des Gründonnerstags fuhr das dänische Geschwader, das
während der Nacht draußen gekreuzt hatte, unter allen Segeln in den
Eckernförder Hafen ein. Das stolze Linienschiff ‚Christian VIII.‘
führte zweiundneunzig Kanonen und stand unter dem Befehl von Kapitän
Paludan, die Fregatte ‚Gefion‘ hatte vierundfünfzig Kanonen, die
Dampfschiffe ‚Hekla‘ sieben und ‚Geyser‘ sechs Geschütze.

Die einlaufende Flotte wollte die beiden Strandbatterien zerstören,
durch eine Truppenlandung sich der Stadt bemächtigen, alle gefundenen
Vorräte vernichten und dann schleunigst den Rückzug antreten. Wohl
stand der Wind dem Geschwader nicht günstig, trotzdem glaubten
die Schiffsführer im Vertrauen auf ihre starke Geschützzahl von
hundertneunundfünfzig Kanonen die kleinen Batterien am Strande
zum Schweigen zu bringen. Gegen acht Uhr kamen die Dänen in den
Schußbereich der Nordschanze. Sofort wurden sie von dort durch eine
gutgezielte Ladung begrüßt, die das heransteuernde Linienschiff nur mit
seinen Buggeschützen beantwortete.

[Illustration: Situationsplan der Zerstörung der dänischen Schiffe
‚Christian VIII.‘ und ‚Gefion‘ bei Eckernförde.]

Als beim Beginne des Geschützfeuers die ersten Kugeln in die kleine
deutsche Batterie einschlugen, entfiel den noch nicht kampfgewohnter
Soldaten der Mut. Plötzlich stand ihr Hauptmann Jungmann auf den
Brustwehr und begrüßte die rings um ihn in die Erde einschlagenden
Kugeln mit gezogenem Degen. Das wirkte Wunder. Jetzt erkannten die
jungen Kämpfer, daß nicht alle Kugeln trafen, und mutig standen sie
ihren Mann bei der Bedienung der Geschütze, obwohl die feindlichen
Schiffe ein furchtbares Feuer eröffneten. Dreißig bis vierzig Kugeln
sausten oft auf einmal heran, wenn das Linienschiff eine volle
Breitseite abgab. So wurden in kurzer Zeit Tausende von Geschossen
verschwendet, ohne großen Schaden anzurichten.

Der Hauptangriff des Linienschiffes galt zunächst der Nordschanze,
während der Zeit beschoß die Fregatte die Südbatterie. Die dänischen
Artilleristen zielten schlecht, die meisten Geschosse flogen hoch über
die deutsche Batterien hinweg auf den Strand, oder sie zerstörten
die Brustwehr und die etwas höher gelegenen Deckungsschanzen für die
Infanterie.

Damit wuchs der Mut der Verteidiger mehr und mehr. Als in der
Nordbatterie eine Bombe auf die Pulverkammer fiel, stürzte sich ein
alter Feldwebel auf den gefährlichen Gast und machte ihn unschädlich.
Wenige Augenblicke später warf eine große Vollkugel ein Geschütz um;
nur wenige Minuten, und der Schaden war wiederhergestellt. Mit großer
Ruhe ward gezielt und geschossen! Jede Kugel traf mit Sicherheit ihr
Ziel. Eine spätere Untersuchung der ‚Gefion‘ ergab, daß nur sechs
Geschosse fehlgingen, alle übrigen saßen sämtlich im Schiffsrumpf dicht
über dem Wasserspiegel.

Auch das Segelwerk der Schiffe litt; als auf dem Linienschiff dichter
Qualm aufstieg, gab er Kunde, daß eine deutsche Bombe gezündet hatte
und das Feuer das Schiff bedrohte. Noch schlimmer stand es um die
Fregatte. Sie war durch einen Schuß in das Steuer beinahe zu jedem
Manöver unfähig. Durch Notzeichen rief sie die Dampfboote herbei,
aber keines vermochte die Schußlinie der beiden Strandbatterien zu
durchfahren. Schwer beschädigt mußten die beiden auf ihre eigene
Rettung bedacht sein und die Kriegsschiffe ihrem Schicksal überlassen.

Nach den Berichten der Augenzeugen sahen viele Zuschauer von der
Anhöhe am Hafen in fieberhafter Aufregung dem Kampf zu. Schwieg die
Nordschanze eine Weile, dann bemächtigte sich Kummer und Verzweiflung
der harrenden Menge; sowie sie aber die Kanonenschüsse der Dänen
auch nur mit einem Schuß erwiderte, drückten die Zuschauer sich
freudetrunken die Hände und riefen einander zu: „Sie hält sich, die
Schanze hält sich! Gott schütze Schleswig-Holstein!“ Mehrere Stunden
hielten die wackeren Batterien dem furchtbaren Angriff stand, aber sie
wären schließlich doch unterlegen, wenn die Elemente sich nicht als
gute Verbündete erwiesen hätten.

Eine schwache östliche Brise wurde allmählich immer stärker und
trieb die Dänenflotte tief in den Hafen hinein, so daß sie auch von
den Feldgeschützen der nassauischen Batterie mit Kartätschenfeuer
bestrichen werden konnte; das hinderte die Mannschaften an einem
Aufenthalt auf Deck und in den Wanten. Die Not der ‚Gefion‘ stieg aufs
höchste, sie bat noch einmal dringend um Hilfe, der Dampfer ‚Geyser‘
eilte heran, schon lag das Bugsiertau an der Fregatte, da zerschnitt
eine Kugel das Seil -- das Schicksal der ‚Gefion‘ war besiegelt; sie
war verloren. Dem Kapitän blieb nichts weiter übrig, als die Flagge zu
streichen.

Das Linienschiff ‚Christian VIII.‘ litt nicht weniger unter dem Feuer
der Strandbatterien, dazu brannte das Schiff, aber der Herd des Feuers
war nicht zu entdecken. Immerzu schlugen glühende Kugeln krachend
in den Rumpf des Schiffes ein. Sie mußten aufgesucht und über Bord
geworfen werden, wenn nicht an hundert Stellen zugleich der Brand
auflodern sollte. Nach siebenstündigem Kampf stieg in der Mittagsstunde
am Mast die weiße Parlamentärflagge auf, das Feuer schwieg auf beiden
Seiten, und ein dänisches Boot nahte mit einer Botschaft des Kapitäns
Paludan.

[Illustration: Niederlage der dänischen Schiffe ‚Christian VIII.‘ und
‚Gefion‘ in der Eckernförder Bucht.]

In einem Schreiben, das an die ‚Oberste Zivil- und Militärbehörde in
Eckernförde‘ gerichtet war, verlangte der dänische Befehlshaber freien
und unbehinderten Abzug der Schiffe; sollte das verweigert werden, so
würde er die Stadt in Brand schießen.

Der Magistrat der Stadt überließ Hauptmann Jungmann die Entscheidung,
der in Verbindung mit Hauptmann von Irminger, dem Kommandeur
des dritten schleswig-holsteinischen Reservebataillons, und dem
Etappenkommandeur Wigand das Schreiben folgendermaßen beantwortete:

    „Wir sehen uns nicht veranlaßt, Ihre Schiffe zu schonen. Sollten
    Sie Ihre Drohung, eine offene Stadt zu beschießen, verwirklichen,
    so würde ein solcher Vandalismus der Fluch Dänemarks werden, dessen
    Vertreter Sie hier sind.“

Diese Antwort war von der Bevölkerung in der ernsten Stunde mit Jubel
aufgenommen worden. Zweifellos hätte jede feindliche Kugel ein Haus der
nahen Stadt zerstört, aber trotzdem riefen die Bürger entschlossen:
„Wir wären ehrlos und verdienten den Fluch ganz Deutschlands, wenn
wir die Schiffe entkommen ließen; darum bestehen wir darauf, daß der
Vorschlag der Dänen abgelehnt werde.“

Gegen fünf Uhr nachmittags begann der Entscheidungskampf. Er sollte
nicht lange dauern. Ein großartiges Schauspiel bot sich für die
Zuschauer; sie beobachteten, wie fast jede Kugel der Batterien traf und
nach jeder abgefeuerten Breitseite der Schiffe Dampf- und Staubwolken
die ausdauernden Kanoniere einhüllten. Diese wurden mit Jubel begrüßt,
wenn die Wolken sich verzogen hatten und die schwarz-rot-goldene
Flagge, wohl vielfach durchlöchert, immer noch auf den Batterieständen
wehte.

Die sonst so vortreffliche dänische Artillerie hat in dem Kampf bei
Eckernförde sich schlecht bewährt. Wie später bekannt geworden ist,
flüchteten die Kanoniere vor dem Feuer der Deutschen von den Kanonen,
und an ihre Stellen traten Seekadetten. Aber auch deren Aufopferung
konnte die stolzen Schiffe nicht retten.

Als die Abendsonne am Himmel verschwand, sank auf den Dänenschiffen der
stolze Danebrog. Zwei schöne Fahrzeuge bildeten die Beute einer kleinen
Schar umsichtig geleiteter, tapferer Kanoniere. Ein tausendfaches Hurra
der Zuschauer begrüßte das Ende des Kampfes. Das Feuer schwieg, und
dann war alles still. -- --

Im Erfolg erst erwies sich die wahre Heldengröße der Sieger. Nirgends
hörte man lauten, übermütigen Jubel, in tiefer Bewegung reichten
die Braven sich still die Hände und blickten dankbar zum Himmel
auf. Unteroffizier von Preußer bemerkte, daß die Dänen alle Boote
herabließen und in eiliger Flucht von dem brennenden Schiffe zu
entkommen suchten. Preußers Entschluß war rasch gefaßt. Mit einigen
seiner Leute sprang er in ein Boot, ermahnte die Fischer, ihm mit ihren
Kähnen zu folgen, und steuerte dem Kriegsschiff zu, aus dessen Luken
schwarze Rauchwolken emporwirbelten. Nach wenigen Minuten war er an
Bord des von Blut und Leichen bedeckten Schiffes. Mit übermenschlicher
Anstrengung bemühte er sich um die Rettung der Verstümmelten und
Entkräfteten. Unterdessen griff das Feuer rasend um sich, bedrohte die
Pulverkammer und das Leben der heldenmütigen Retter.

Vergebens beschwor von Preußer seine Freunde, nach dem Land
zurückzukehren, vergebens trieben die dänischen Matrosen zur Eile.
Plötzlich ertönte eine furchtbare Explosion, ‚Christian VIII.‘ war in
die Luft geflogen. Ein Augenzeuge schrieb darüber:

„Die Dunkelheit wich plötzlich größester Tageshelle. Eine Feuergarbe,
groß und breit wie das Linienschiff, stieg empor. Der Hafen glich einem
Feuermeer. Eine ungeheure schwarze Rauchwolke schwebte über dem Ganzen.
Brennende Balken und Masten bildeten riesige Sterne darin, und die in
der Luft platzenden Bomben durchzuckten wie Blitze, denen der Donner
unmittelbar folgte, diese Wolkenmasse. Es war ein unbeschreiblich
großartiger, furchtbar schöner Anblick.“ -- Der heldenmütige Retter von
Preußer fand mit zweiundneunzig Mann beim Untergang des Schiffes seinen
Tod.

[Illustration]



Das Preußendenkmal auf dem Friedhofe zu Gibraltar -- ein
Erinnerungszeichen an das Gefecht bei Tres Forcas.


Auf dem Friedhofe der Felsenfestung Gibraltar erhebt sich ein einfaches
Denkmal, das an der Spitze als Zierat einen preußischen Adler trägt.
Unter dem Gedenkstein schlummern ein Offizier und vier Mann der
ehemaligen preußischen Marine; sie haben im Jahre 1856 unter Prinz
Adalbert im Kampfe gegen die Riffpiraten den Heldentod gefunden.

Im August des Jahres 1856 ankerte Prinzadmiral Adalbert mit der
Raddampfkorvette ‚Danzig‘ im Hafen zu Gibraltar, um dort Kohlen und
Proviant einzunehmen. Die Weiterreise, an der afrikanischen Küste
entlang gehend, verfolgte das Ziel, über die Kabylenstämme an der Küste
Erkundigungen einzuziehen; insbesondere forschte man nach dem Stamme,
der einige Jahre früher eine preußische Brigg ‚Flora‘ geplündert hatte.

In der Frühe des 7. August kam die ‚Danzig‘ in die Nähe von Tres
Forcas. Um die Küste noch genauer zu erkunden, wurden die leichten
vier Schiffsboote bemannt und auch mit Seesoldaten besetzt. Gegen
die Bevölkerung sollte keine feindliche Haltung eingenommen werden.
Doch es kam anders. Während die Boote an der steilen Küste entlang
fuhren, sammelten sich auf den Anhöhen bewaffnete Araber. Als die
Landungsabteilung um eine schroffe Felswand herum in eine kleine
Bucht einbog, fielen von den Höhen Schüsse, deren Kugeln dicht neben
den Booten ins Wasser schlugen. Die preußische Flagge stieg am Mast
empor, und mehrere Musketensalven antworteten den Angreifern. Auch
die ‚Danzig‘ ging näher an die Küste und warf einige Granaten nach
den Anhöhen, sodann zogen sich die Boote nach dem Schiffe zurück. An
Bord wurde Generalmarsch geschlagen und das Schiff klar zum Gefecht
gemacht. Der Prinzadmiral hielt mit seinen Offizieren Kriegsrat. Der
Angriff auf die preußische Flagge mußte gerächt werden. Alle Boote
wurden voll bemannt und mit dem nötigen Schießbedarf ausgerüstet; der
Prinz übernahm selbst die Führung. Um die frechen Kabylen zu strafen,
verfolgte er die Absicht, mit den Mannschaften zu landen und die
Riffbewohner anzugreifen. Das Kriegsschiff begleitete seine Boote
an die Küste und säuberte auch durch einige Kartätschenschüsse die
vorderen Hügel vom Feinde. An einem Sandstrande sollte gelandet werden.
Aber ehe noch die Boote anlegten, füllten sich die Höhen ringsum wieder
mit bewaffneten Kabylen, die die Preußen mit heftigem Gewehrfeuer
empfingen. Diese sprangen rasch auf den Strand; in Schützenlinien
ging’s mit Hurra den steilen Abhang empor.

[Illustration: Prinz Adalbert bei Tres Forcas.

Von Professor Hans Petersen.]

Dieser unerwartete Vorgang überraschte die Eingeborenen und trieb sie
zurück, aber bald sammelten sie sich wieder, dazu verstärkte neuer
Zuzug, herbeigerufen durch das Gewehrfeuer, ihre Reihen. Auf dem
Rücken des Küstenabhanges empfing die mutigen Seeleute ein heftiges
Feuer. Auf Anhöhen zur Linken hinter hohen Felsen saßen die Araber in
einer vorzüglich gedeckten Stellung, heftiger Kugelregen bestrich die
Linien der Preußen. Niedriges Gestrüpp, Baumwurzeln und Steingeröll
hinderten ihren Vormarsch. Wohl hatte der rechte Flügel im Vordringen
einen Vorsprung, der ihn bereits bis in die Nähe der Steinhäuser der
Riffbewohner führte, aber der linke Flügel blieb auf seinem schwierigen
Wege weit zurück, so daß sich die Schützenlinie der Angreifer an den
Bergabhängen schräg emporzog. Dadurch wurde die Kraft der kleinen
Schar erheblich geschwächt, während die Zahl der Feinde stetig zunahm.
„Vorwärts! Vorwärts!“ hieß die Parole; der Prinzadmiral ließ sich beim
Angriff nicht aufhalten; an der Spitze der Seinigen stürmte er voran.
Sein Adjutant, Leutnant Niesemann, erhielt einen tödlichen Schuß in
die Brust, aber unaufhaltsam drangen die Angreifer vor. Die Ruhe und
Besonnenheit der Matrosen und Seesoldaten brachten auch den Riffpiraten
große Verluste. Jedoch die Gefahr wuchs. Von drei Seiten erhielt die
kleine Landungsabteilung Feuer. Den linken Flügel überraschten die
Kabylen mit einem Steinhagel. Immer ernster gestaltete sich die Lage,
auch im Rücken der Preußen zeigten sich Feinde, die Miene machten,
die Landungsboote fortzunehmen, um so eine Rückkehr der Preußen nach
dem Schiff zu vereiteln. Trotz aller Tapferkeit der Seeleute mußte
der Rückzug angetreten werden. Über fünfhundert Feinde umringten die
todesmutigen Streiter, in deren Reihen der Tod beim Rückzugsgefechte
sich reiche Beute holte. Der Prinz erhielt einen Schuß durchs Bein.
Zwölf Mann wurden schwer und sechs Mann leicht verwundet, sechs
Matrosen von der Besatzung der ‚Danzig‘ fanden den Heldentod. Trotz
der Ermüdung und der Erschöpfung durch die brennende Hitze gelang es,
die Verwundeten und drei Tote wieder mit an Bord zu nehmen. Über vier
Stunden dauerte das Gefecht. Die ‚Danzig‘ fuhr nach Gibraltar zurück;
dort gab man die Verwundeten am Land in Pflege und bestattete die
Toten. --

Die Anerkennung der Heldentat blieb nicht aus. Ein französischer
Admiral, der den Gefechtsort besichtigte, soll erklärt haben: „Ich
würde dort eine Landung für unmöglich gehalten haben, wenn ich
nicht bestimmt wüßte, daß die Preußen dort gelandet sind!“ Das
Selbstbewußtsein der jungen preußischen Marine wuchs nach jener Tat,
und mit einer gewissen Verlegenheit betrachteten die Diplomaten der
alten Seemächte diesen Vorgang. Im In- und Auslande versagte man der
Tapferkeit der kleinen Schar und der Kaltblütigkeit und der Umsicht des
wackeren Führers die Anerkennung nicht. Prinz Friedrich Karl schrieb
damals dem Prinzen Adalbert: „Der Schmerz der leichten Wunde vergeht
bald, die Ehre derselben und der Ruhm der kühnen Tat bleiben ewig!“

[Illustration]



Die bedeutendsten Ereignisse zur See im Kriege 1864.


1. Das Seegefecht bei Jasmund.

Der Krieg mit Dänemark tobte; als die preußischen und österreichischen
Truppen vorrückten und die Preußen schon vor den Düppeler Schanzen
standen, wurden die Dänen besorgt um ihre Rückzugslinie, die sie
durch die preußischen Kanonenboote bedroht sahen. Um sicher zu gehen,
schickte Dänemark eine Gruppe seiner Flotte aus, die preußischen
Schiffe, die in Swinemünde lagen, zu blockieren, denn daß es
Preußens kleine Seemacht wagen würde, die dänische Flotte zur See
anzugreifen, glaubte in Dänemark niemand. Jedoch konnten die Dänen
es bald merken, daß die kleine preußische Flotte auf dem Posten
war; wo sich ihr Gelegenheit bot, erprobte sie ihre Kräfte. Man
schrieb den 17. März 1864. Im Hafen von Swinemünde hielten sich zwei
Kriegsschiffe, die ‚Arkona‘ und die ‚Nymphe‘, auf, die ausgerüstet
und zur Abfahrt bereit waren. Die letzte rastlose Tätigkeit vor der
Abfahrt machte sich bemerkbar, die Ankertaue wurden eingeholt, aus den
Schornsteinen wirbelte der Rauch auf. Unter den Mannschaften der beiden
preußischen Schiffe herrschte Siegeszuversicht; sie wollten hinaus,
um den dänischen Gegner zu suchen und anzugreifen, um auch in einer
Seeschlacht Lorbeeren zu holen.

Kapitän Jachmann, der Führer des kleinen preußischen Geschwaders,
hatte den Feind festgestellt und wollte ihm einen Besuch abstatten; es
sollte ein Ehrentag der preußischen Marine werden. Selbstverständlich
blieben die notwendigen Vorbereitungen den Einwohnern des Städtchens
nicht unbekannt, und gar bald sammelten sich zahlreiche Leute, die dem
Beginnen auf den Schiffen zusahen. Die schwatzende Menge erörterte das
waghalsige Unternehmen, den seetüchtigen Gegner anzugreifen, und manche
ängstlichen Stimmen wurden über das Vorgehen laut.

Schon aber flog auf der ‘Arkona‘ das Signal zur Abfahrt in die Höhe,
die blaue Antwortflagge stieg auf der ‘Nymphe‘ empor, die letzten
Haltetaue wurden eingeholt, die Schiffsmaschinen setzten sich in
Tätigkeit, die Schiffsschrauben wirbelten das Wasser auf, und von den
guten Wünschen der zurückbleibenden Zuschauer begleitet fuhr die
kleine Flotte unter der preußischen Kriegsflagge stolz in die offene
See hinaus. Es war ein schöner, klarer Märzmorgen, keine Wolke stand
am Himmel. Das Ziel der kleinen Flotte bildete die Höhe von Jasmund.
Kapitän Kuhn hatte die Dänenflotte bereits durch eine Beobachtungsfahrt
mit der ‘Loreley‘ festgestellt. Sechs dänische Schiffe, darunter fünf
größere Fahrzeuge, lagen vor Jasmund vereinigt vor Anker.

[Illustration: Das Seegefecht bei Jasmund.

Von Professor Hans Petersen.]

[Illustration: „Meteor“ und „Bouvet“ vor der Reede von Havanna.

Von Professor Hans Petersen.]

Trotz der großen Übermacht gedachte Kapitän Jachmann seine drei
Schiffe, ‚Arkona‘, ‚Nymphe‘ und ‚Loreley‘, an den Feind zu bringen.
Mit der ‚Loreley‘, die mit zwei Geschützen besetzt war, zählte die
kleine Flotte insgesamt nur zweiundvierzig Kanonen. Zwischen Thiessow
und der Küste von Jasmund nahmen die kleinen Kanonenboote Aufstellung.
Ihre Aufgabe sollte sein, dem Feinde Verderben zu bringen, wenn er in
die Nähe des Landes kam. Gerade auf die Mitwirkung der Kanonenboote
gründete Jachmann seinen Angriffsplan; denn mußten die größeren
Schiffe die Rückfahrt antreten, verfolgt vom Feinde, so konnten die
Kanonenboote mit ihren guten gezogenen Geschützen erfolgreich
eingreifen. Das Mittagsmahl ging rasch vorüber, alle standen zu sehr
unter dem Ernst des Augenblicks. Nach der Mittagspause wurde unter
Volldampf die offene See erreicht, aber soviel die Matrosen auch
spähten und die Fernrohre den Horizont absuchten, vom Feinde war
nichts zu entdecken. Endlich, gegen 1½ Uhr, kam die Dänenflotte in
Sicht; sie hielt sich zwei Meilen vom Lande unweit von Stubbenkammer.
Eilig kletterten die preußischen Matrosen an den Strickleitern empor,
um den Feind zu erspähen, der mit einer stattlichen Zahl von sechs
Schiffen fast unbeweglich am Platze blieb. Sie hielten das Erscheinen
der Preußen für eine Erkundigungsfahrt; erst als sie einsahen, daß
die preußischen Schiffe einen Angriff planten, bildeten die Dänen
mit ihren Schiffen eine doppelte Kiellinie. Vom Führerschiff kam der
Befehl, den Feind in offener Ordnung anzugreifen. ‚Arkona‚ fuhr auf
dem rechten Flügel, ‚Nymphe‚ auf dem linken und die ‚Loreley‚ in der
Mitte. Näher und näher kamen die schweren Schiffsrümpfe des Gegners,
der sich in seiner Ruhe nicht stören ließ. Als der Generalmarsch auf
den preußischen Schiffen ertönte, eilte jeder, so schnell er konnte,
an seinen Posten; die Geschütze wurden ordnungsmäßig besetzt, dazu
die Reihen zur Beförderung der Geschosse gebildet. Auf den Verdecken
wurde in reichlicher Menge Sand gestreut, auch die Spritzen und Pumpen
mußten für den Notfall klar sein, und bald wich das Durcheinander
einer zielbewußten Ordnung. Ein jeder stand an seinem Platze und
erwartete den Beginn des Kampfes. Jetzt bemerkten auch die Dänen, daß
es Ernst wurde, und trafen ihre Vorkehrungen. Als das kleine preußische
Geschwader auf etwa fünftausend Schritt an den Feind heran war, sandte
ihm die ‚Arkona‘ den ersten Gruß aus dem Buggeschütz, doch die zu
große Entfernung ließ das Geschoß das Ziel nicht erreichen; einige
Male berührte es den Wasserspiegel und versank dann in die Tiefe.
Die Entfernung verringerte sich. Als der Pulverdampf sich verzogen
hatte, blitzte es von neuem auf der ‚Arkona‘ auf. Diesmal tat die
Kugel ihre Arbeit. Ein mächtiges Loch im Rumpf des dänischen Schiffes
‚Själland‘ zeigte die Wirkung der Dreißigpfündergranate und belebte die
Siegeszuversicht der preußischen Schiffe. Jetzt kam aber auch Leben
in den Feind. Die mächtigen Breitseiten der dänischen Führerschiffe
‚Själland‘ und ‚Skjold‘ überschütteten namentlich das preußische
Flaggschiff ‚Arkona‘ unter ohrenbetäubendem Lärm mit ihrem Geschoßhagel.

[Illustration: Das Seegefecht bei Jasmund. Angriff.]

[Illustration: S. M. S. ‚Nymphe‘.]

Kapitän Jachmann hatte rechtzeitig durch eine geschickte Wendung die
Breitseite der ‚Arkona‘ den Dänen zugewandt und brachte damit seine
Breitseitgeschütze zur Wirkung. Der erste Geschoßhagel der Dänen
richtete nur geringen Schaden an. Außer einzelnen Löchern im Bug wurden
nur Taue in der Takelage zerschossen. Inzwischen kamen ‚Nymphe‘ und
‚Loreley‘ näher an die Dänen heran und unterstützten die ‚Arkona‘ nach
besten Kräften. Aber im Getriebe des Kampfes näherten sich die Schiffe,
namentlich die ‚Nymphe‘, bedenklich dem Feinde, der sich jedoch
vorwiegend mit der ‚Arkona‘ befaßte. Das Glück war ihm nicht hold.
Wohl sauste Geschoßhagel auf Geschoßhagel über die ‚Arkona‘ dahin, die
meisten Geschosse blieben aber wirkungslos, weil sie zu hoch flogen und
jenseits des Schiffes ins Wasser fielen.

[Illustration: Das Seegefecht bei Jasmund. Rückzug.]

Auf den preußischen Schiffen herrschte trotz des starken Kampfgetöses
keine Überstürzung. Mit Ruhe beobachtete man die Wirkung der eigenen
Geschosse. Bald aber sollte es anders kommen. Eine dänische Granate
fuhr krachend durch ein Beiboot der ‚Arkona‘, platzte über der
Kommandobrücke und verbreitete um sich Tod und Verderben. Tödlich
traf sie den Steuermann, der verwundete erste Offizier fiel von der
Kommandobrücke, einzelne Granatsplitter schlugen dann durchs Deck,
töteten in der Batterie einen Matrosen und verwundeten zwei andere sehr
schwer. Es war der erste blutige Gruß, der dem Arzte im Schiffslazarett
Arbeit brachte. Die Fröhlichkeit und der Humor verschwanden im
Angesichte des Todes, aber ruhig und sicher blieb jeder auf seinem
Posten. Der dänische Führer erkannte, daß er so nicht zum Ziel kam;
noch feuerten alle Geschütze der ‚Arkona‘ unentwegt weiter, dazu
erwiesen sich ‚Nymphe‘ und ‚Loreley‘ als nicht zu verachtende Gegner.
Plötzlich wandte sich der Feind gegen die ‚Nymphe‘. Als die erste
Breitseite des dänischen Schiffes gegen die ‚Nymphe‘ herandonnerte,
glaubte die Besatzung, ihr letztes Stündlein sei gekommen, denn die
meisten Geschosse erreichten ihr Ziel. Entweder trafen sie den Rumpf,
oder durchlöcherten den Schornstein, oder zerschlugen die Takelage.
Fünf Mann erhielten leichte Verletzungen. Der größte Schaden aber war
die Zerfetzung des Schornsteins; die Feuerung fing an zu versagen,
der Dampfdruck ließ nach, und damit büßte das Schiff in seiner
Geschwindigkeit und seiner Lenkfähigkeit ein. Den Dänen entging der
errungene Vorteil nicht. Die Salven krachten von neuem. Auf der
‚Nymphe‘ ward das Boot am Hinterdeck zertrümmert, in der Takelage
zerplatzten die Geschosse und setzten Segel in Brand, dreimal trafen
die feindlichen Kugeln die Kommandobrücke, die Verwirrung wurde ständig
größer. Der Führer des mutigen Schiffes, Kapitänleutnant Werner,
wußte sich zu helfen. In aller Eile dichteten die Matrosen durch
Kupferplatten die Löcher am Schornstein, die durch Teer und Pech zu
größerer Glut angefachten Kesselfeuer erhöhten die Dampfkraft, und
damit wuchs die Möglichkeit, das verwundete Schiff aus dem Bereiche der
feindlichen Schiffsgeschütze zu bringen. Endlich konnte die Besatzung
aufatmen. ‚Arkona‘ und ‚Loreley‘ fügten während dieser aufregenden
Kampfesszene dem Dänenschiffe beträchtlichen Schaden zu, und die
‚Nymphe‘, nachdem sie leidlich wieder im Stand war, fuhr von neuem
in die Kampfeslinie hinein, und durch gutgezielte Schüsse aus dem
Buggeschütz brachte sie dem ‚Själland‘ schwere Beschädigungen bei. Eine
Granate durchschlug den ganzen Rumpf; nur noch eine letzte Salve aus
der Breitseite des Schiffes, dann schwiegen die Geschütze der Dänen.
Auf Seite der Dänen übernahm ‚Skjold‘ die Führung. Langsam vergrößerte
sich die Entfernung, und das Gefecht zog sich mehr und mehr in die Nähe
des Landes. Ein Eingreifen der preußischen Kanonenboote erfolgte nicht,
da die Dänen sich in zu großer Entfernung hielten.

In der späten Nachmittagsstunde fiel der letzte Schuß im nahezu
dreistündigen Kampf. Es war ein Ehrentag für die junge preußische
Flotte, die das erste Blatt ihrer Geschichte beschrieb. Brausender
Jubel umfing die heimkehrenden Schiffe, denn das eine war erreicht: die
feindliche Flotte hielt sich von nun ab in respektvoller Entfernung.
Am 20. März fand das Begräbnis der fünf Gefallenen unter allgemeiner
Teilnahme statt. Ein Denkmal erhebt sich über den Gebeinen der
Tapferen, die in dem ersten Seekampf für die Ehre der preußischen
Flagge fielen.


2. Das Seegefecht bei Helgoland.

Mit dem Beginn des Dänischen Krieges im Jahre 1864 fuhren einige
Schiffe der preußischen Flotte im Mittelmeer. Sobald sie die Nachricht
des Ausbruches der Feindseligkeiten ereilte, segelten sie auftragsgemäß
nach den heimischen Häfen zurück, um an den Seekämpfen mitzuwirken. In
die Ostsee kamen sie nicht mehr hinein, da der Sund durch die Dänen
gesperrt war. Das österreichische Geschwader unter dem Oberbefehl
Wilhelm von Tegetthoffs bestand aus den Schiffen ‚Schwarzenberg‘ und
‚Radetzky‘; es sollte mit den sich anschließenden preußischen Schiffen
Aviso ‚Adler‘ und den Kanonenbooten ‚Basilisk‘ und ‚Blitz‘ das dänische
Geschwader von der Elbmündung vertreiben. Am 1. Mai kam die Kunde, daß
die Dänen bei Helgoland seien, um die Elbmündung zu blockieren; sofort
nach Einlauf der Nachricht eilte das Geschwader den Dänen entgegen. In
der Mittagsstunde des 9. Mai trafen sich die feindlichen Flotten etwa
zehn Meilen von Helgoland. Die dänische Flottenabteilung setzte sich
zusammen aus drei Fregatten: ‚Niels-Juel‘, ‚Jylland‘ und ‚Heimdal‘,
mit zusammen hundertvier Geschützen; die vereinigte preußische und
österreichische Schiffsgruppe führte sechsundneunzig Kanonen an Bord;
die Kampfverhältnisse lagen also ziemlich gleich.

[Illustration: Vizeadmiral W. von Tegetthoff.]

In der Frühnachmittagsstunde des herrlichen Maitages begannen die
Kanonen zu sprechen. Wie verlief nun das Seetreffen? Es war gegen
ein Uhr, als das preußisch-österreichische Geschwader das letzte
Feuerschiff auf der Elbmündung passierte; sobald sie die dänischen
Schiffe, die unter Helgoland lagen, zu Gesicht bekam, fuhr die
Flotte der Verbündeten in Schlachtordnung auf. Voran fuhren die
österreichischen Schiffe ‚Schwarzenberg‘ und ‚Radetzky‘, alsdann
kamen die drei Preußen, und in langer Reihe steuerten den Verbündeten
die Dänen entgegen. Sowie die beiden Schlachtlinien sich begegneten,
donnerte der erste Schuß vom ‚Schwarzenberg‘ den Dänen die Begrüßung.
Diese erwiderten sofort das Feuer, und der sich jetzt lebhaft
entspinnende Geschützkampf erfüllte die Luft mit einem starken
Pulverqualm, der eine ganze Zeit den freien Ausblick hinderte. Nur
das Platzen der Granaten erhellte von Zeit zu Zeit das Dunkel. In
dem eine Stunde dauernden Kampf schlugen die heransausenden Granaten
ihre Eisensplitter in das Holzwerk oder fielen ins Wasser, so daß
es hoch aufspritzte, dann schwenkten die Dänen erst westlich, dann
nördlich ab, während die verbündeten Österreicher und Preußen in
südlicher Richtung fortdampften. Jetzt lagen sich die feindlichen
Linien in umgekehrter Ordnung gegenüber. Von neuem begann der Kampf.
Die beiden österreichischen Schiffe fuhren dichter an den Feind
heran, um im Nahkampf ihm größeren Schaden zuzufügen, als plötzlich
der Fockmast des ‚Schwarzenberg‘ in Flammen aufloderte, die gierig
um sich fraßen. Es dauerte nicht allzulange, da brannte die gesamte
Takelung des Schiffes, denn das geteerte Tauwerk gab leichte Nahrung.
Beißender Rauch lagerte sich über das Schiff, und eine sengende Glut
umgab die Schiffsmannschaft. Wenngleich der Kommandant das Schiff so
steuern ließ, daß der Rauch nach vorn getrieben wurde, befand sich
das Schiff doch in einer schlimmen Lage. Das ganze Takelwerk erfüllte
ein riesiges Feuermeer, und durch den dunklen Qualm konnte die Sonne
nur mit Mühe einige Lichtstrahlen hindurchsenden. Unentwegt tobte
das Geschützfeuer, ja, es wurde noch stärker, denn die Dänen nutzten
den sich ihnen bietenden Vorteil tatkräftig aus, hingegen lähmte das
schreckliche Schauspiel die Stoßkraft der Österreicher. Gegen vier Uhr,
nach zweistündigem Gefechte, fiel der letzte Schuß. Tegetthoff gab den
Befehl zur Rückfahrt. Rundumher herrschte Totenstille. Nur das Knistern
auf dem ‚Schwarzenberg‘ wollte nicht aufhören und die heimlich lodernde
Glut nicht erlöschen. Plötzlich stürzte der ganze Vortopp zusammen
und richtete unter der emsig arbeitenden Schiffsmannschaft ein großes
Unglück an. Der Höhepunkt der Gefahr war damit überwunden; sowie die
Flotte unter Helgoland vor Anker ging, kamen von allen Schiffen Boote
herbei, um Ärzte und Hilfe nach dem ‚Schwarzenberg‘ hinüberzubringen.
Ein Offizier und dreißig Mann fielen auf dem Unglücksschiffe dem Feuer
zum Opfer, und dreiundsiebzig Seeleute wurden verwundet. Bis zum späten
Abend mußte der ‚Schwarzenberg‘ mit seinem brennenden Maststumpf
umherfahren, da das züngelnde Feuer in der Höhe nicht zu löschen war,
dann endlich konnte der Mast gekappt werden.

[Illustration: Das Seegefecht bei Helgoland.

Von Professor Hans Petersen.]

Am nächsten Morgen fuhr die Flotte wieder der Elbe zu. Das
österreichische Schiff sah sehr schlimm aus, denn der Rumpf zählte
nicht weniger als hundertneunzig Kugellöcher, und in seinem Äußern
glich das stattliche Fahrzeug einer Ruine. Die preußischen Kanonenboote
befanden sich in gutem Zustande, hatten über keinen Verlust zu
klagen, und auch die preußischen gezogenen Geschütze hatten sich
bewährt und den Dänen manchen Schaden zugefügt. Von den preußischen
Kriegsbooten litt das Kanonenboot ‚Basilisk‘ besonders unter dem Feuer
der Dänen, da die vordringenden dänischen Schiffe bei der Rückkehr
des ‚Schwarzenberg‘ aus der Feuerlinie das Kanonenboot abschneiden
wollten. Beim Rückzugsgefecht kam die führende dänische Fregatte ‚Niels
Juel‘ dem kleinen preußischen Schiff auf etwa tausend Schritt nahe.
Schon glaubten die Matrosen, daß das Kanonenboot verloren sei, jedoch
unentwegt und sicher feuerten die Vierundzwanzigpfündergeschütze mit
so vortrefflicher Wirksamkeit auf den Dänen ein, daß die feindliche
Fregatte im Schlepptau eines anderen Schiffes entfloh: die preußischen
Eisenpillen hatten das Ruder des ‚Niels Juel‘ zerschlagen.

Wenn auch England das Gefecht bei Helgoland als einen Sieg der Dänen
feierte, gehört dennoch den Verbündeten der Ruhm des Erfolges.
Augenzeugen berichteten, daß der ‚Niels Juel‘ bei seiner Ankunft in
Kopenhagen einem Wrack geglichen hätte, so furchtbar zerschossen
waren sein Rumpf und seine Takelage. Im Schiffsbug befand sich ein
mannhohes Loch, zahlreiche Tote brachte man an Land, und von der
Schiffsbesatzung blieben nicht zehn unverwundet. Eine Flaschenpost,
die ein holsteinischer Matrose, der auf der Fregatte sich befand, dem
Meere übergab und die in Cuxhaven an die Küste trieb, meldete: „Wir
haben englische Matrosen an Bord, achtzig Tote, hundert Verwundete und
Schaden an der Maschine.“


3. Die Gefangennahme einer kleinen Dänenflotte im Wattenmeer.

An der Westseite Schleswig-Holsteins machte im Dänischen Kriege eine
kleine Küstenflotte unter dem Kapitänleutnant Hammer viel von sich
reden, weil sie die Herrschaft der Dänen auf den Inseln immer noch
aufrechterhielt, obgleich das Festland von den Truppen der Verbündeten
besetzt war.

Sylt, Föhr und Amrum hielten die dänischen Truppen besetzt, auch
wurden die Inseln nach der Seeseite geschützt durch eine Flotte;
die aus sechs Ruderkanonenbooten, zwei kleineren Dampfern und
mehreren Zollkuttern bestand. Durch mancherlei Brandschatzungen
und allerlei Gewalttaten erwarb Hammer sich einen zweifelhaften
Ruhm. Kurz vor dem Waffenstillstande, der den Feindseligkeiten ein
vorläufiges Ende bereiten sollte, erstrebten die Verbündeten die
Besitzergreifung auch dieser Inseln. Die Vertreibung der Dänen
konnten nur Schiffe mit geringem Tiefgange unter Unterstützung
von Landtruppen bewerkstelligen. Um das Entweichen der Dänen zu
verhindern, schlossen die österreichischen Kanonenboote ‚Wall‘ und
‚Seehund‘, sowie die preußischen Boote ‚Basilisk‘ und ‚Blitz‘ an der
Nordspitze der Insel Sylt das Fahrwasser bis zur Reede von List ab.
Unter großen Schwierigkeiten erreichten zwei Kompagnien Österreicher
in kleinen Booten Sylt, das von den Dänen verlassen war. Hammer hatte
seine kleine Kriegsflotte zwischen der Insel Föhr und dem Festlande
zusammengezogen, weil das flache Wasser nördlich von Wyk auf Föhr
dies Beginnen erlaubte und die tiefergehenden Schiffe der Verbündeten
an jener Stelle keinen Angriff wagen konnten. Schon glaubte Hammer
sich seines Erfolges sicher, denn sein Bestreben ging dahin, sich
bis zum Beginn des Waffenstillstandes zu halten. Darum lehnte er
auch die ersten Aufforderungen zur Übergabe kurzweg ab; den späteren
Aufforderungen wollte er nachkommen, wenn ihm die Erlaubnis würde,
seine Kanonenboote in die Luft zu sprengen; im übrigen forderte er
für seine Besatzung freien Abzug auf zwei erbeuteten Dampfern. Die
Verbündeten lehnten diese Forderungen ab und versuchten nun an die
dänischen Fahrzeuge näher heranzukommen. ‚Basilisk‘ verlegte nach wie
vor im Lister Tief den Dänen den Weg. Die drei übrigen Kanonenboote
gingen an der Küste von Sylt entlang, um zwischen Amrum und Sylt das
Fahrwasser aufzusuchen, durch das sie nach Wyk auf Föhr den Weg fanden.
Ihre Bemühungen wurden von Erfolg gekrönt, bis auf eine Meile kamen sie
an Wyk heran.

Von dänischer Seite überbrachte einer der kleinen Dampfer die
Nachricht, daß der dänische Schiffsführer um Einstellung der
Feindseligkeiten bäte, da die Nachricht von dem Waffenstillstande bei
ihm schon eingelaufen sei. Den Verbündeten war von dem Abschlusse
des Waffenstillstandes noch nichts bekannt, daher erhielt das
preußische Kanonenboot ‚Blitz‘, das den geringsten Tiefgang besaß,
mit Jägertruppen und Marinesoldaten besetzt, den Auftrag, sich
während der Nachtzeit der Küste soweit zu nähern, daß den Truppen
eine glückliche Landung möglich sei. Dies geschah. In der frühen
Morgenstunde marschierte das Landungskorps in Wyk ein. Kapitänleutnant
Hammer erhielt die Nachricht, daß die Feindseligkeiten am 18. Juli
morgens um sechs Uhr eröffnet würden, wenn bis dahin eine Bestätigung
des Waffenstillstandes nicht vorläge. Ein glücklicher Umstand brachte
es mit sich, daß ein wegkundiger Lotse das Kanonenboot ‚Blitz‘ noch
näher an den Feind heranbrachte. Von den Verbündeten wurden im Laufe
des Tages einige Zollkutter, eine Brigg und ein Schoner genommen, die
übrigen Schiffe des dänischen Führers zogen sich in nördlicher Richtung
zurück. Am 19. erhielt Hammer eine erneute Aufforderung zur Übergabe.
Auch diesmal lehnte er ab mit der Begründung, sich so lange zu halten,
als es ihm die Vorräte an Lebensmitteln gestatteten. Die Verbündeten
beschlossen nun, auf kleineren Schiffen, die mit Landungsgeschützen
ausgerüstet wurden, einen direkten Angriff zu wagen; zur Ausführung kam
der Plan nicht, da sich der Dänenführer dem preußischen Kanonenboot
‚Blitz‘ ergab. Das preußische Schiff hatte sich in der Nacht noch
dichter an den Feind herangearbeitet und eine günstige Stelle inne, die
es ihm ermöglichte, die leichten Schiffe der Dänen mit seinen gezogenen
Geschützen in Grund zu schießen; dem beugte Hammer vor und ergab sich.
Hundertfünfundachtzig Mann fielen in die Gefangenschaft der Sieger.
Mit ihnen auch die Inseln; die letzten Teile Schleswig-Holsteins waren
damit den Dänen durch diese letzte Waffentat der Verbündeten entrissen.
Am 20. Juli trat der ersehnte Waffenstillstand in Kraft.

[Illustration]



Die deutsche Kriegsflotte im Seekriege 1870/71.


1. Allgemeiner Überblick.

Als im Freiheitskampfe der Schleswig-Holsteiner gegen Dänemark der
kleine Staat mit seinen Seekräften die deutsche Küste blockieren
konnte, da begann der Flottengedanke zuerst Raum einzunehmen im
deutschen Gemüte. Allüberall wurde die Notwendigkeit einer deutschen
Bundesflotte erkannt. Jedoch man kam über den Gründungsgedanken
nicht hinaus. Die Zerrissenheit in den Anschauungen der einzelnen
Bundesregierungen bedingte, daß die schnellerworbenen Kriegsschiffe
wieder unter den Hammer kamen und verkauft wurden. Preußen allein
nahm den Gedanken auf, eine Marine zu gründen, und hielt den Gedanken
eines Ausbaus der Flotte aufrecht. Das Einigungswerk schritt rüstig
vorwärts, und als der Schlußstein im Völkerringen von 1870/71 gelegt
werden sollte, da hielten sich die Vaterlandsfreunde die Frage vor:
„Ist unser Küstenschutz in diesen schweren Tagen zur Beschirmung
unseres Seehandels so auf der Höhe, daß wir uns der berühmten
französischen Flotte erwehren können?“ Erfreulicherweise bewies die
Marine ihre Tüchtigkeit. Preußens Minister hatten in den vorhergehenden
Jahren wirksam gearbeitet. Die Ausstattung der Kriegsfahrzeuge mit
Panzerplatten, mit schweren gezogenen Geschützen, die Ausbildung
einer seetüchtigen geschulten Mannschaft war nicht vergessen worden.
Leider wies der Küstenschutz in den Küstenbefestigungen und in den
Kriegshäfen bei Beginn des Krieges einige Mängel auf; es fehlten noch
moderne Befestigungsanlagen, die durch ihre Bewaffnung den fremden
Panzerschiffen gewachsen blieben. Wohl gab es eine Reihe von Neuanlagen
dieser Art, da sie sich jedoch noch im Ausbau befanden, konnten sie
nicht in Betracht kommen. Brauchbare Seeminen und gute Torpedos besaßen
wir noch nicht, Kiel und Wilhelmshaven machten beide einen unfertigen
Eindruck. Und von den vielen der staatlichen Werftgebäude, die sich
heute in unseren Reichskriegshäfen finden, zeigten sich 1870/71 nur
die Anfänge. Alle diese unliebsamen Erscheinungen bildeten nur eine
Folge des Zeitmangels. Frankreichs Kriegsflotte bestand bei Beginn
des Krieges 1870/71 aus vierunddreißig gepanzerten Fregatten und
Korvetten, fünfundzwanzig schwimmenden Batterien, vierundzwanzig
Schraubenlinienschiffen, hundertzweiunddreißig Fregatten, Korvetten
oder Avisos mit Rädern oder Schrauben, achtundsiebzig Kanonenbooten
und sechzig Transportschiffen. Ein Teil dieser gewaltigen Macht kam
natürlich für einen Angriff auf die deutsche Küste in Frage; weil
Frankreich lange Jahre sich auf diesen Krieg rüstete, galt es nicht als
unwahrscheinlich, daß ein Angriff der Seestreitkräfte auf die deutsche
Küste Erfolg verhieß. Preußens Flotte hatte somit einen sechsfach
stärkeren Feind gegen sich. In Frankreich hatte man, wie spätere
Veröffentlichungen beweisen, den Gedanken gefaßt, auch friedliche
Hafenplätze zu nehmen, um Deutschlands Handelsbeziehungen wirksam zu
schädigen. Das Privateigentum der Kaufleute sollte nicht geschont
werden, um dadurch dem Wirtschaftsleben Deutschlands Schaden zuzufügen.

Die französischen Schiffsgeschütze zeigten sich denen der deutschen
Schiffe bedeutend überlegen. Während der zweiten Hälfte des Krieges
konnten sie im Entscheidungskampf um Paris ein bedeutungsvolles Wort
noch mitsprechen.

Wo befanden sich nun die Seestreitkräfte der beiden Nationen beim
Beginn des Krieges?

In den Frühjahrsmonaten des Jahres 1870 sollten die drei deutschen
Panzerfregatten ‚König Wilhelm‘, ‚Kronprinz‘ und ‚Prinz Friedrich
Karl‘ mit dem Panzerfahrzeuge ‚Prinz Adalbert‘ ein gemeinsames
Geschwader bilden, das zur Einübung der Mannschaft, zur Erprobung
der neuen Geschütze, sowie zu allerlei taktischen Manövern eine
größere Übungsreise zu unternehmen hatte, die sich bis nach den
Azoren ausdehnen sollte. Leider war der Beginn dieser Übungsfahrt
nicht von Erfolg begleitet. Dem ‚Prinz Friedrich Karl‘ wurden infolge
einer falschen Lotsenanweisung im Großen Belt mehrere Schraubenflügel
abgerissen. Die im Hafen von Plymouth vorgenommene Ausbesserung
durch Einsetzen der Ersatzflügel gab dem Schiffe nur wenige Knoten
Fahrtgeschwindigkeit. Durch Platzen eines Dampfzylinders erlitt
die Maschine des Panzers ‚König Wilhelm‘ einen größeren Schaden,
so daß auch dessen Fahrtgeschwindigkeit sich auf zehn Knoten
herabminderte. Und um das Unglück vollzumachen, verminderte sich
auch die Leistungsfähigkeit der Fregatte ‚Kronprinz‘ durch einen
Maschinenschaden; auch das letzte der Schiffe, das Panzerfahrzeug
‚Prinz Adalbert‘, zeigte gleichfalls keine besonderen Vorzüge.

In den heimischen Gewässern befanden sich für den Krieg nur wenige
Schiffe in Dienst: vier Kanonenboote und einige Schulschiffe, die für
einen Seekampf nicht in Frage kamen. Auf den auswärtigen Stationen
fuhren im Hinblick auf die noch geringen deutschen Seestreitkräfte
nur wenige Schiffe: ‚Herta‘ und ‚Medusa‘ in Ostindien, ‚Arkona‘ im
Atlantischen Ozean und ‚Meteor‘ in Westindien.

Die Stellung der französischen Kriegsflotte zu Beginn des Feldzuges war
eine weit günstigere, da Frankreich ohne vorangehende Rüstung in seinen
Küstengewässern zwei Übungsgeschwader besaß. Eine Flottenabteilung, die
sich aus sechs Panzerfahrzeugen und den dazu gehörigen Begleitschiffen
zusammensetzte, stand unter dem Befehl des Vizeadmirals Fourichon und
befand sich im Mittelmeere. Drei Panzerschiffe unterstanden dem Admiral
Dieudonné; dieses Geschwader zeigte sich im Kanal, ferner konnte eine
größere Anzahl von Kriegsschiffen innerhalb zweier Tage in den fünf
Kriegshäfen des Landes in Dienst gestellt werden. Bei der Größe der
französischen Kriegsflotte ist es selbstverständlich, daß auf den
verschiedenen Stationen in der Levante, in Ostasien, im Indischen
und Stillen Ozean, in Westindien, in Südamerika, sowie auch an der
Westküste von Afrika einzelne Fahrzeuge wie ganze Flottenabteilungen
die französische Flagge zeigten, und somit waren die Befürchtungen, daß
die französische Flotte urplötzlich in die deutschen Seehäfen einfallen
könnte, durchaus berechtigt.

Was tat die deutsche Flottenleitung? Sie nahm darauf Bedacht, das
in der Nähe der französischen Küste schwimmende Panzergeschwader
heimzubeordern. In den Tagen der Verwicklungen trug Prinzadmiral
Adalbert, der Führer der deutschen Panzerflotte, den politischen
Verhältnissen durchaus Rechnung. Als er am 10. Juli aus Plymouth fuhr,
führte er die Segelorder nach den Azoren wohl weiter aus, aber das
Panzerfahrzeug ‚Prinz Adalbert‘ schickte er nach Dartmouth, um von hier
aus die Nachrichten der deutschen Botschaft in London in Empfang zu
nehmen. Nicht lange sollten diese ausbleiben. Schon am 13. Juli stieß
das Panzerfahrzeug an einem vorher verabredeten Sammelplatz im Ozean
zum Geschwader. Die Mitteilungen lauteten sehr ernst und veranlaßten
den Admiral, nach Plymouth zurückzukehren und nach einem Aufenthalte
von nur wenigen Stunden die Heimfahrt anzutreten. Die gefechtsbereiten
Schiffe kamen glücklich am Abend des 16. Juli bei Wilhelmshaven an.
Am 17. Juli wurde das überflüssige Segelwerk an Land geschafft und
die Schiffe vollständig gefechtsbereit gemacht, dazu mit scharfer
Munition Schießübungen abgehalten. Die schnelle Rückkehr des deutschen
Geschwaders blieb der französischen Heeresleitung unbekannt, wie aus
den Berichten des französischen Admirals hervorging, der noch am 25.
Juli nach den deutschen Schiffen suchte und erstaunt war, sie nicht zu
finden.

An den Ufern der Elbe, der Weser und der Ems, wie auch an den Gestaden
der Nord- und Ostseeküste wurden Befestigungen geschaffen und in aller
Eile bei Kiel, Wilhelmshaven, Cuxhaven schnell Werke angelegt und mit
Geschützen besetzt, und die Flußhäfen sämtlicher gefährdeten Fahrwasser
wurden durch Sperren eingeengt. Zu dem Zwecke benutzte man Seeminen,
Ketten, Taue, Balken. Zahlreiche Beobachtungsstationen an der ganzen
Seeküste von Borkum bis Memel standen mit dem Telegraphennetze des
Landes in Verbindung. Diese gewiß nicht kleine Aufgabe der Verteidigung
kam rasch zur Ausführung und bot trotz der Schnelle eine sichere
Vorkehrung gegen etwaige Angriffe des Feindes. Vizeadmiral Jachmann
mußte bei der Mobilmachung eine Verteilung der Seestreitkräfte an
der Seeküste vornehmen. Drei Panzerfregatten, sowie die königliche
Jacht ‚Grille‘ und fünf Kanonenboote wurden auf die Außenjade gelegt,
um dieses Fahrwasser und Wilhelmshaven zu schützen. Für die Weser,
die damals noch keine hinreichende Wassertiefe besaß, um größere
Seeschiffe passieren zu lassen, genügten als Schutz vier Kanonenboote.
Das Elbwasser wurde geschützt durch Küstenbatterien, die sich noch im
Ausbau befanden, und durch drei Kanonenboote. Zur Bewachung der Ems
und zur Beunruhigung der feindlichen Verbindungslinien dienten zwei
Fahrzeuge. Ungeschützt blieb die Mündung der Eider. In der Ostsee
besaß Kiel zwei Avisos zur Auskundschaftung, und zur Verteidigung vier
Kanonenboote, eine Hafensperre, sowie die Küstenbatterien. Bei Rügen
und Stralsund lagen zwei Schiffe, die ‚Danzig‘ und die kleine ‚Nymphe‘.
Der sorgsam erwogene Verteidigungsplan konnte selbstverständlich
sich nur auf eine Verteidigung beschränken. Denn die Stärke der
französischen Kriegsflotte schloß ein Vorgehen der deutschen Flotte
aus. Zur Verteidigung der Seeküste stellten die Landtruppen das
Seebataillon, eine Seeartillerieabteilung und die vier mobilisierten
Armeekorps der Küstenprovinzen. Vom 28. Juli an verblieben nur die
17. Division in Schleswig-Holstein, drei Landwehrdivisionen und etwa
neunzigtausend Mann zur Verfügung des Generals Vogel von Falkenstein,
der das Küstenkommando innehatte.


2. Auf der Wacht an der Seeküste.

An der deutschen Seeküste.

Tausend fleißige Hände arbeiteten in den kritischen Tagen tagaus,
tagein, um die Häfen und Strommündungen in einen wirksamen
Verteidigungszustand zu setzen. Das deutsche Geschwader erwartete
stündlich den Angriff der anrückenden französischen Flotte; dies
geschah jedoch nicht. Die feindliche Flotte nahm ihren Weg um Skagen
nach der Ostsee und versperrte damit diese Fahrstraße für deutsche
Schiffe.

An der deutschen Nordseeküste ließ sich wochenlang kein feindliches
Schiff sehen. Im Süden von Skagen liegt die Aalbeck-Bucht. Hier warf
das französische Geschwader Anker, wartete eine Reihe von Tagen, und
an dieser unerklärlichen Wartezeit zeigte sich, daß eine zielbewußte
Kriegführung zur See von seiten der Franzosen ausbleiben würde. Viel
eher kann von einer Ratlosigkeit gesprochen werden. In späterer Zeit
kam die Kunde hiervon auch nach Deutschland.

[Illustration: S. M. S. ‚Arminius‘.]

Unter den deutschen Schiffen, die sich in der Ostsee befanden, hatten
noch ‚Arminius‘ und ‚Elisabeth‘, sowie eine Anzahl Kanonenboote ihren
Weg um Skagen zu nehmen. Es erschien fraglich, ob diese Schiffe noch
vor der Ankunft der wiederholt gemeldeten französischen Flotte die
Nordsee erreichten. Der Befehl zum Auslaufen war gegeben und wieder
zurückgenommen worden; allein für den ‚Arminius‘ war es schon zu spät,
dieser fuhr bereits in der See.

Am 28. Juli kam ihm die feindliche Flotte zu Gesicht. Es konnte
durchaus als sicher gelten, daß die dänischen Lotsen die feindlichen
Fahrzeuge auf das deutsche Schiff aufmerksam machten. Der Führer
des ‚Arminius‘ schlug allen ein Schnippchen, indem er scheinbar den
Rückzug einschlug, dann, als er aus der Gesichtsweite der feindlichen
Flotte war, nach der schwedischen Küste hinübersteuerte und unter dem
Schutze der Küste in weitem Bogen am 29. Juli um Kap Skagen fuhr.
Der französische Admiral sandte dem deutschen Kriegsschiff drei
Panzerfahrzeuge und einen Kreuzer nach, doch diese verloren die Spur
des deutschen Schiffes. Der verdienstvolle Kapitän des ‚Arminius‘,
Korvettenkapitän Livonius, entging durch seine geschickten Manöver der
ernsten Gefahr und erreichte ohne Überfall die Nordsee.

Um der zweiten feindlichen Flotte nicht zu begegnen, die ja sicher
unter dem Schutze von Helgoland die Blockade der deutschen Nordseeküste
ausführen würde, fuhr das Schiff zur Nachtzeit in die Elbe ein. Einige
Tage vor dieser Fahrt hatten auch einige Kanonenboote gleichfalls
ihr Bestimmungsziel, die Jade, erreicht. Die größeren Kanonenboote,
die noch im Ostseegebiete vorhanden waren, erreichten trotzdem ihren
Bestimmungshafen an der Nordseeküste, indem man den Eiderkanal, dessen
Schleusenanlagen durch rasch vorgenommene Arbeiten erweitert wurden,
für diese Kriegsschiffe fahrbar machte. -- --

Bis zum 17. August blieb das französische Geschwader völlig untätig;
weder zerstörte es die errichteten Verteidigungswerke, noch wurden von
ihm die Küsten beunruhigt, nur Kauffahrer jagte es und beeinträchtigte
damit für kurze Zeit den Handel.

Ernsten Gefechten mit den Schiffen der deutschen Flotte ging der
Admiral Villamuez-Bouët aus dem Wege. Nur einige Male kam es zu
Zusammenstößen, die durchaus keinen ruhmvollen Ausgang für die
Franzosen nahmen.

Am 17. August unternahm Korvettenkapitän von Waldersee eine
Erkundigungsfahrt nach dem Sunde. Unweit der Insel Moen stieß sein
Schiff, die ‚Grille‘, auf einen französischen Aviso, den sie einige
Stunden feuernd verfolgte. Als säße der Böse hinter ihm, so eilte das
fremde Fahrzeug davon, immer auf das Gjedser Reff los. Der Besatzung
der ‚Grille‘ war so etwas noch nicht vorgekommen. Leider kam die
‚Grille‘ nicht in Schußweite, der Aviso hatte es gar zu eilig. Waren
die Vorbereitungen zum Kampfe ganz umsonst gemacht worden? O nein. In
der Ferne stieg Rauch auf. Dem Aviso kam Hilfe von dem Hauptteil der
feindlichen Flotte.

Es war gegen elf Uhr. Fünf große feindliche Schiffe hatten die Not
ihres Gefährten bemerkt und erwiderten seine Signale. Die ‚Grille‘
stoppte und beobachtete.

Jetzt kamen die Franzosen heran. Voran dampfte eine mächtige
Panzerfregatte, dann folgte eine große Korvette. Unter diesem Schutze
fühlte der Aviso Mut und griff an, um Lorbeeren zu ernten. Waldersee
ließ sie genügend herankommen und schickte ihnen dann einen donnernden
Gruß zu. Der Aviso, dem dieser Schuß galt, wendete wieder und floh
hinter die Panzer. Nun begannen die Franzosen zu bombardieren. Leider
fielen ihre Granaten zu kurz oder gingen über das deutsche Schiff
hinweg. Die ‚Grille‘ blieb die Antwort nicht schuldig. Sie erhielt
Verstärkung durch Kanonenboote unter Führung des Kapitäns Rodenacker.
Sie griffen, obwohl nur für den Küstendienst bestimmt, sogleich
lebhaft in den Kampf ein. Nach einer Stunde hatten die Franzosen noch
keinen Vorteil errungen. Sie riefen durch Signale die noch in Reserve
liegenden Schiffe heran. Vier Panzer, eine Korvette und ein Aviso
stürmten brausend heran.

Kommandant Waldersee zog sich langsam mit den Kanonenbooten in das
flachere Wasser bei der Insel Rügen zurück. Um fünfeinhalb Uhr lagen
die Deutschen wieder auf ihrem alten Ankerplatze. Die Erkundigungsfahrt
verlief glänzend. --

Eine zweite schöne Ruhmestat der jungen Marine bildete die Nachtfahrt
der ‚Nymphe‘, die sich nach dem Berichte des Kommandanten,
Korvettenkapitän Weickhmann, folgendermaßen zutrug:

„Am 21. August mittags kam das Danziger Schiff ‚Präsident von
Blumental‘ in den Hafen von Neufahrwasser mit der Nachricht, daß es
am 20. ein französisches Geschwader bei Rixhoeft passiert hätte, ohne
angehalten worden zu sein. Die Nachricht, daß drei Panzer und ein Aviso
dort seien, war schon telegraphisch bei der hiesigen Kommandantur
den Abend vorher eingegangen; am 22. morgens dieselbe Nachricht von
Rixhoeft und von Hela.

[Illustration: Die Erstürmung des Lagers von Buschiri.]

„Um elf Uhr wurde zuerst Rauch bei Hela gesehen; um zwei Uhr steuerten
drei Panzer, ein großer (Vollschiff) und zwei etwas kleinere (Barken),
sowie ein Aviso langsam zwischen Hela und der Westerplatte in die
Putziger Bucht, wo sie gegen Abend sechs Uhr etwa fünfzehn Meilen von
S. M. Schiff ‚Nymphe‘ ankerten und liegen blieben. Die Schiffe lagen in
Querlinie von Westen nach Osten. Infolgedessen beschloß ich, während
der Nacht eine Rekognoszierungsfahrt zu machen. Um elfeinhalb Uhr,
nachdem die Hafensperre beseitigt, ging ich mit der ‚Nymphe‘ unter
Dampf nach See, um zwölf Uhr aus dem Hafen, Kurs Nord zu Ost Volldampf
voraus. Um ein Uhr fünfzehn Minuten kamen die feindlichen Schiffe
genau in Querlinie und dicht nebeneinanderliegend in Sicht. Östlich
von den Schiffen oder zwischen ihnen durch konnte ich nicht gehen,
da der Mond inzwischen aufgegangen war, weshalb ich an der Landseite
soweit ging, bis sich die drei ersten Schiffe (bei einer Entfernung
von etwa dreitausend Fuß) zu decken anfingen, dann Ruder hart
Backbord, bis die Schiffe querab waren und die ‚Nymphe‘ sich in etwa
zweitausendfünfhundert Fuß Abstand befand. Darauf gab ich bei Ruder
mitschiffs und halb Dampf voraus eine konzentrierte Breitseite auf den
ersten Panzer ab, und es erschien infolgedessen auf allen Schiffen
sofort Licht, das bis dahin nicht vorhanden gewesen war. Dann wurde mit
Steuerbord-Ruder hinter den Schiffen gewendet und die andere Breitseite
abgegeben, die sofort von verschiedenen Schiffen mit etwa vier Schuß
beantwortet wurde. Als der Rauch verzogen, war deutlich zu sehen, daß
alle Schiffe schon Kohlen aufschütteten, obgleich seit der ersten
Breitseite kaum fünf bis sechs Minuten verflossen waren. Da hieraus
zu ersehen, daß die französischen Schiffe zum Kampfe vollständig
vorbereitet waren, so hielt ich sofort mit Volldampf nach dem Hafen
zurück. In etwa sechs bis acht Minuten drehte der große Panzer nach
uns zur Verfolgung um und feuerte in Zwischenräumen von drei bis fünf
Minuten etwa noch sechs Schuß, sich an unserer Backbordseite anfangs
scheinbar nähernd. Gleichzeitig fielen etwa vier Schüsse etwas an
Steuerbord hinter dem Schiffe von den beiden andern Panzern, die auch
sofort die Verfolgung angefangen hatten, der Dunkelheit halber aber
nicht unterschieden werden konnten. Nachdem wir zwei Meilen gelaufen,
sahen wir die Schiffe nicht mehr, kamen etwa um drei Uhr gegen den
Hafen und gingen hinein.“

[Illustration: Angriff der ‚Nymphe‘ auf das französische
Blockadegeschwader.

Von Professor Hans Petersen.]

Nicht lange darnach zog sich die französische Flotte an die heimische
Küste zurück, die Schiffahrt in der Ost- und Nordsee war nicht mehr
behindert.


3. Die Kreuzfahrten der ‚Augusta‘.

Nachdem die französische Flotte im Kriege 1870 das Ostseegebiet
geräumt hatte, bestand die Möglichkeit, die schnellfahrenden deutschen
Kreuzer in das Gebiet des Atlantischen Ozeans hinüberzuführen, um hier
Kreuzfahrten zu unternehmen, die sich gegen die Zufuhr von allerlei
Kriegsmaterial richteten. Gambetta hatte zur Wehrhaftmachung seines
Volkes größere Lieferungsaufträge an das Ausland aufgegeben, und von
amerikanischen und englischen Seeplätzen liefen dauernd Sendungen von
Ausrüstungsgegenständen ein. Zahlreiche Dampfer brachten Geschütze
und Gewehre nebst Munition. Gelang es Deutschland, diesen Handel zu
unterbinden, so lag damit die Möglichkeit vor, das Ende des Krieges
noch schneller herbeizuführen.

Admiral Jachmann setzte in richtiger Weise die Richtlinien hierfür
fest, konnte sie aber nicht so schnell zur Durchführung bringen, da
sich mancherlei Störungen in dem jungen Marinebetriebe zeigten. Für
die Kreuzfahrten im Atlantischen Ozean konnte nur ein schnellfahrender
Kreuzer in Frage kommen, und die Oberleitung der Marine gab der Werft
in Danzig den Befehl zur Ausrüstung der ‚Augusta‘, da sie sich für
diese Zwecke besonders eignete. Am 26. Oktober konnte das Schiff
in Dienst gestellt werden. Die Vorbereitungen, das Einfahren des
Maschinenpersonals, die Ausrüstung erforderten einen vollen Monat, so
daß das Kreuzerschiff erst Ende November nach Kiel in See ging.

Kommandant des Kreuzers war Korvettenkapitän Weickhmann, dem ein
Offizierkorps von zwölf Köpfen zur Seite stand. Die Mannschaft
umfaßte zweihundertein Mann, dazu trug das Schiff an Geschützen sechs
gezogene Vierundzwanzigpfünder und vier Zwölfpfünder; die Kohlenbunker
faßten vierhundert Tonnen. Die großen Kohlenvorräte erlaubten dem
Schiff, vierzehn Tage mit voller Kraft fortzudampfen; da auch die
Segelausrüstung des Schiffes vortrefflich war, ermöglichte sie
eine noch größere Zeitdauer der Kreuzfahrt. Auf einen Nahkampf mit
französischen Panzerschiffen sich einzulassen, schien nicht geboten.
In der Mitte des Monats Dezember dampfte die ‚Augusta‘ um Skagen
herum in die Nordsee. Es mußte scharf Obacht gegeben werden -- bei dem
herrschenden Unwetter keine leichte Aufgabe.

In einem schottischen Hafen fand während der Weihnachtstage
Kohlenübernahme statt. Am zweiten Weihnachtstag ging die ‚Augusta‘
wiederum in See, um eine Kreuzfahrt an der französischen Küste zu
unternehmen. Als erste Aufgabe hieß es, besonders vor Brest zu kreuzen.
Während der Kreuzfahrt vor dem französischen Hafen mußte scharf Ausguck
gehalten werden nach den von Amerika eintreffenden Dampfern. Das Wetter
und die Kürze der Tage erschwerten das Beginnen außerordentlich. Das
Wetter gestaltete sich immer schlechter, und die fortgesetzt wehenden
stürmischen Nordwestwinde erschwerten die Untersuchung bedeutend. Bei
den am zweiten Weihnachtstag untersuchten Schiffen zeigte sich alles
in Ordnung. Am Ende des Monats Dezember herrschten leichtere Winde,
trotzdem war aber die Wellenbewegung so stark, daß die Boote nur mit
größter Vorsicht zu Wasser gelassen und wieder gehißt werden konnten.
Bis zum 2. Januar hielt sich die Korvette in den Gewässern vor Brest
auf, ohne daß ein verdächtiger Dampfer in ihren Gesichtskreis kam.

[Illustration: Die ‚Augusta‘ nimmt vor der Girondemündung
zwei französische Schiffe und verbrennt einen französischen
Regierungsdampfer.

Von Professor Hans Petersen.]

Der Führer der ‚Augusta‘ faßte den Entschluß, nach den südlichen
französischen Gewässern vor die Gironde zu fahren, da dort sicherlich
eher französische Handelsschiffe anzutreffen seien. In großer Fahrt
eilte das deutsche Schiff seinem neuen Ziele zu, und schon in der
Nacht zwischen dem 3. und 4. Januar lag die ‚Augusta‘ vor Bordeaux.
Als eben das Dämmerlicht begann, wurde ein Segelschiff, eine Brigg
‚Sainte Marie‘, angehalten. Sie führte Mehl und Hartbrot nach
Bordeaux, das für die neu zu bildende französische Südarmee bestimmt
war. Wegen seiner Ladung wurde das Schiff als Prise erklärt. Der
Kapitän und fünf Matrosen blieben an Bord, und als Befehlshaber
erhielt es den Seekadetten Reimann, mit dem fünf deutsche Matrosen,
die sich freiwillig meldeten, an Bord der ‚Sainte Marie‘ übergingen.
Die Ausrüstung der Brigg wurde ergänzt, namentlich noch Süßwasser
herübergebracht. Der junge Schiffsführer erhielt Befehl, um Schottland
herum einen deutschen Hafen aufzusuchen. Als alles bereit war und die
Brigg unter eigenem Segelbeistand dahinfuhr, bildeten drei Hurrarufe
einen wirkungsvollen Abschiedsgruß. -- Während dieser Zeit waren schon
verschiedene Segelschiffe in die Gironde eingefahren. Wieder rauschte
eine stolze Bark, ‘Pierre Adolphe‘, heran. Der deutsche Kreuzer hielt
auf sie zu und feuerte einen blinden Schuß ab zum Zeichen, daß sie die
Segel einziehe und anhalte. Die Untersuchung ergab, daß die Ladung
der Bark, Weizen und Proviant, für die Südarmee bestimmt war. Auch
diese Prise sollte die Seereise nach Deutschland antreten. Kapitän,
Lotse und neun Mann waren an Bord dieses Schiffes. Drei Matrosen
kamen an Bord der ‚Augusta‘ herüber. Nachdem man auch diesem Schiff
die Wasservorräte ergänzt hatte, schickte man es unter Führung des
Seekadetten Dühring, dem sich fünf deutsche Matrosen anschlossen, nach
einem deutschen Hafen. Die üblichen Abschiedsrufe boten auch diesem
Schiff den letzten Gruß, ehe die Fahrt begann. Inzwischen ließ der
Kapitän Weickhmann die ‚Augusta‘ klar zum Gefecht machen, denn es
war nicht unwahrscheinlich, daß französische Kreuzer ausliefen, um
auf das deutsche Schiff Jagd zu machen, das nun schon während acht
Stunden seine Tätigkeit ausübte. In der späten Nachmittagsstunde kam
ein Dampfer in Sicht, der die französische Flagge führte. Ein scharfer
Schuß, der vor dem Bug des Schiffes ins Wasser ging, ließ den Führer
sofort die Lage erkennen, Flagge und Wimpel wurden niedergeholt
und die Maschinen gestoppt. Der angehaltene Dampfer erwies sich
als ein französisches Transportschiff, das keine Geschütze führte.
Der die Untersuchung leitende deutsche Offizier konnte melden:
‚Transportdampfer Mars‘ von Rochefort nach Bordeaux mit Uniformen,
Lager- und Lazarettgerät für die dort zu bildende Südarmee bestimmt.
Kapitän Pierre Boudet, Besatzung siebenundzwanzig Matrosen und Heizer
der französischen Marine, keine Geschütze, nur Handwaffen an Bord.
Kohlenvorrat reicht für einen Tag.“ -- Der Versuch, die Prise an den
deutschen Kreuzer heranzubringen, um die kostbare Ladung zu bergen,
glückte nicht. Daher wurden die Boote zu Wasser gelassen und die
französische Besatzung nebst Kleidersäcken herübergebracht. Mehrere
Ballen und Kisten, deren Inhalt meistens aus Uniformen bestand und
an Deck lagerten, kamen gleichfalls noch an Bord der ‚Augusta‘.
Nach einer kurzen Beratung mit den übrigen Offizieren bestimmte der
Kommandant, daß das Schiff zu zerstören sei. Die Ventile der Maschine
wurden geöffnet, das Schiff in Brand gesetzt, der Kreuzer feuerte zehn
Granaten auf den Dampfer. Mit Einbruch der Dunkelheit verließ dann
die ‚Augusta‘ den Schauplatz ihrer Taten. Wenn sie bis dahin auch
vom Glücke begünstigt war, so galt es als nicht unwahrscheinlich,
daß französische Kriegsschiffe aus den benachbarten Häfen gegen sie
ausliefen. Der deutsche Kommandant fuhr deswegen mit seinem Schiff
nach dem spanischen Hafen Vigo, der am 7. Januar, nachdem noch während
der Fahrt verschiedene Fahrzeuge untersucht worden waren, glücklich
erreicht wurde. In Vigo blieb das Schiff vorläufig liegen. Der Hafen
zeichnet sich durch eine günstige Lage aus und hat drei Ausgänge.

Am 13. Januar lief eine französische Panzerfregatte ‚Heroine‘ in den
Hafen ein, zwei andere Panzerschiffe folgten, um die Abfahrt des
deutschen Schiffes zu verhindern. Dieses versuchte in der Nacht vom 27.
zum 28. Januar zu entwischen; allein, es gelang nicht. Am 7. Februar,
als der Waffenstillstand abgeschlossen war, trat die ‚Augusta‘ von Vigo
die Heimreise an und beendete damit die erfolgreiche Kreuzfahrt.


4. Das Seegefecht bei Havanna.

Seit Ende des Jahres 1869 war das kleine deutsche Kanonenboot
‚Meteor‘ unter dem Kommando des Kapitänleutnants Knorr in
Westindien stationiert. Das Schiff hatte eine Größe von
dreihundertsiebenundvierzig Tonnen, eine schwache Maschine von
dreihundertzwanzig Pferdestärken. Seine größte Geschwindigkeit betrug
nicht mehr als sieben Knoten, das ist kaum fünfzehn Kilometer in der
Stunde. Die Bewaffnung war eine recht starke. Außer einer mittschiffs
aufgestellten Fünfzehnzentimeterkanone, die nach beiden Seiten feuern
konnte, trug das kleine Schiff noch zwei Zwölfzentimetergeschütze,
die am Bug und am Heck standen. Die Besatzung zählte im ganzen
zweiundsechzig Mann. Am 7. November 1870 morgens fuhr der ‚Meteor‘ in
den Hafen von Havanna auf Kuba ein. Die notwendigen Arbeiten waren
kaum beendet, da ankerte auch der französische Kriegsaviso ‚Bouvet‘,
der bedeutend stärker war, im Hafen. Durch eine Maschine von 620
Pferdekräften erzielte das Schiff eine Fahrt von 20,4 Kilometer in
der Stunde. Außer einer Besatzung von fünfundachtzig Mann gaben dem
französischen Kriegsdampfer ein Sechzehnzentimetergeschütz auf dem
Achterdeck, zwei Zwölfzentimetergeschütze an den Breitseiten und
vier Drehbassen auf der Verschanzung eine größere Kampfkraft. Die
Neutralität des Hafens erforderte, daß in seiner Nähe kein Gefecht
stattfinden durfte. Trotz der vorzüglichen Verfassung des feindlichen
Schiffes wollte das Kanonenboot unter Knorr einen Kampf erzwingen.
‚Meteor‘ dampfte deshalb des Mittags wieder hinaus und lud dadurch
den ‚Bouvet‘ zum Kampfe ein. ‚Bouvet‘ kam nicht, er ließ sich nicht
hinauslocken. Am Abend fuhr das deutsche Kanonenboot wieder in den
Hafen ein. Kaum hatte das deutsche Schiff festgemacht, da erschien ein
spanischer Offizier und eröffnete dem Kapitänleutnant Knorr, daß es
der Neutralität entspräche, erst vierundzwanzig Stunden nach Abfahrt
des französischen Schiffes den Hafen zu verlassen. Am 8. November
mittags lichtete das französische Kriegsschiff seine Anker und fuhr
hinaus. Genau vierundzwanzig Stunden später, am 9. November um ein Uhr
mittags, folgte nach ungeduldigem Warten das kühne deutsche Schiff.
Stolz wehte von der Gaffel die Flagge des Norddeutschen Bundes, und
mutvoll beseelte das Kampfgefühl die deutschen Marinesoldaten. Nur
ein Gedanke war in ihnen: im Kampfe zu siegen oder unterzugehen. Die
Kunde von dem zu erwartenden Seegefecht verbreitete sich blitzschnell
in der Stadt, und viele tausend Zuschauer begaben sich in die Nähe der
Hafenausfahrt auf die Festungswerke und die hohen Ufer. Die vielen
Deutschen, die in der Stadt wohnten, beherrschte die bange Sorge, ob
das kleine deutsche Kriegsschiff auch dem stärkeren französischen
Gegner gewachsen sei. Stolz zog das deutsche Schiff seine Bahn. Vor
dem Hafen wurde ‚Klar Schiff‘ gemacht; alles war zum Gefecht bereit
und jedem Geschütz ein bestimmter Teil des feindlichen Schiffes
als Zielpunkt angewiesen. Besonders sollten die Maschine und die
Wasserlinie beachtet werden. Die Absicht des kühnen Kommandanten ging
dahin, den Gegner so zu treffen, daß er sich nicht bewegen konnte,
und dann wollte er ihn durch Enterung nehmen. Etwa drei Seemeilen
vom Lande entdeckten sie das französische Schiff. Der Kommandant
Knorr, der nachmalige Admiral der deutschen Flotte, richtete an die
Mannschaft kernige und herzliche Worte und legte ihnen vor allen
Dingen die Pflicht auf, im Kampfe auf die Kommandos zu achten und nicht
eher zu feuern, als bis der Befehl dazu gegeben sei. Während dieser
Zeit schon grüßten die ersten Schüsse, die ihr Ziel verfehlten und
ins Wasser schlugen, in einer Entfernung von zweitausend Meter vom
französischen Schiff herüber. Ein lautes Hurra der deutschen Matrosen
war die Antwort. Nachmittags halb drei Uhr war der ‚Meteor‘ auf etwa
tausend Meter an den feindlichen Aviso herangekommen; jetzt eröffnete
er das Feuer. Der Tanz hatte begonnen. Für kurze Zeit wurde nun von
beiden Seiten ein lebhaftes Geschützfeuer unterhalten, ohne jedoch
irgendeine ersichtliche Wirkung zu erzielen. Eine leichte nordöstliche
Brise bewegte das Schiff, das durch sein Schlingern die Bedienung
der Geschütze erschwerte. Das Kanonenboot stand südlich vom Feinde
und steuerte, immer Feuer gebend, in nordöstlicher Richtung auf ihn
zu. Da, als die Entfernung nur noch sechshundert Meter betrug, ging
der ‚Bouvet‘ mit voller Dampfkraft auf den ‚Meteor‘ los, um ihm in
die Seite zu rennen und ihn so dem sicheren Untergange zu weihen.
Mächtig schnitt das Schiff durch die aufschäumenden Wogen. Rechtzeitig
erkannte der umsichtige Kapitänleutnant Knorr die Gefahr, und keinen
Augenblick verlor er die Ruhe. Ein klarer Befehl, eine entsprechende
Ruderbewegung, und der Plan des Gegners war vereitelt! Gleichzeitig
wurde der Befehl zum Entern gegeben; nur einige Mann, die bei den
Geschützen standen, blieben zurück, die übrigen griffen zu den
Handwaffen, um in den wenigen Sekunden, da das stattliche, hochbordige
französische Schiff vorbeistrich, dieses unter Feuer zu nehmen. Als
der ‚Bouvet‘ heranbrauste, war die ernsteste Gefahr vorüber. Beide
Schiffskörper stießen in einem schwachen Winkel zusammen und jagten
unter entgegengesetztem Kurse aneinander vorbei. Im Vorbeifahren
fiel auf deutscher Seite ein Steuermann, der neben dem Kommandanten
auf der Kommandobrücke stand; ein Matrose wurde an Deck getötet. Die
deutsche Mannschaft hatte sich im Augenblick der Gefahr glatt auf
die Erde gelegt, um nicht von den Bordwänden des ‚Bouvet‘ aus unter
Feuer genommen zu werden, da diese einundeinhalb Meter höher waren.
Während dieser Zeit hatte die Artillerie mit einigem Mißgeschick zu
kämpfen. Im Augenblick des Vorbeistreichens riß dem Buggeschütz die
Abzugsleine, und als dann endlich der Schuß losging, wurde nur noch
das Hinterteil des ‚Bouvet‘ getroffen. Der ‚Bouvet‘ hatte sämtliche
Backbordwanten und die beiden an Backbord hängenden Boote abgerissen
und zerschlagen. Dazu zertrümmerte die Fockrahe des Franzosen diejenige
des ‚Meteor‘ und knickte den Großmast über Deck ein, der wiederum
den hinteren Mast abbrach. Dabei fiel der letztere sofort über die
Steuerbordseite und zertrümmerte mit seinem unteren Ende auch die
Kommandobrücke. Freischwebend hing er an dem zugehörigen Tauwerk an
der Bordwand über Wasser. Eine angsterregende Szene; das Kanonenboot
schien in große Bedrängnis geraten zu sein. Der Wellenschlag kam vom
Steuerbord und holte bei den heftigeren Schlingerbewegungen stärker
nach Backbord über. Der Großmast schwankte hin und her und drohte jeden
Augenblick nach der Backbordseite hinüberzufallen und die Geschütze
gefechtsunfähig zu machen. Die Gefahr war aufs höchste gestiegen. In
diesen Augenblicken hing alles von der Tüchtigkeit der Geschützführung
ab. Durch ein geschicktes Manövrieren wollte der Schiffsleiter das
Schiff so führen, daß der gebrochene Mast nach Steuerbord hinüberfiel,
damit die Geschütze wieder ungestört Feuer geben konnten. Vorzüglich
glückte das Manöver. Während dieser Drehbewegung war der ‚Bouvet‘
in die Visierrichtung des Hintergeschützes gekommen, und der
Geschützführer, der beste Schütze an Bord, Bootsmannsmaat Wage, der
die Gunst der Lage erkannte, wartete keinen Befehl ab, sondern feuerte
mit größter Kaltblütigkeit. Sausend schlug die vierundzwanzigpfündige
Granate in den Rumpf des ‚Bouvet‘ ein. Sie hatte gut getroffen. Die
weißen Dampfwolken, die gleich darauf aufstiegen, bewiesen, daß der
verwundbarste Teil des Schiffes, die Maschine, getroffen war. Das
fremde Schiff war kampfunfähig. Ob dieses erfolgreichen Schusses brach
unter den deutschen Matrosen ein heller Jubel aus. Jetzt hieß es,
sich so schnell wie möglich von den hängenden gestürzten Masten zu
befreien und die verbindenden Taue zu kappen, um dem Gegner auf den
Leib zu rücken. Ein letzter Kampf, Mann gegen Mann, sollte über das
Schicksal der Schiffe entscheiden. Leider ging das nicht so schnell,
wie man auf dem deutschen Schiffe erwartet hatte. Durch Tauwerk der
herunterhängenden Takelage war die Schraube unklar geworden. Als
endlich Schraube und Ruder wieder arbeiteten, war eine kostbare halbe
Stunde vergangen. Während dieser Zeit hatte der ‚Bouvet‘ Segel gesetzt,
um in schleuniger Flucht den schützenden Hafen zu erreichen. Der
‚Meteor‘ näherte sich, da er mit voller Kraft fuhr, zwar wieder dem
feindlichen Schiffe und nahm das Geschützfeuer auf, jedoch schon nach
dem vierten Schusse erreichte der Franzose die schützende spanische
Hoheitsgrenze, und die spanische Korvette ‚Hernan Cortez‘ zeigte
dies durch einen Schuß an. Jetzt mußte der ‚Meteor‘ die Verfolgung
aufgeben. Unbeholfen und schwer bewegte sich das französische Schiff in
den Hafen; die Zuschauer an der Hafeneinfahrt grüßten es mit eisigem
Schweigen. Bald darauf lief schnell und behende der ‚Meteor‘ ein.
Sein Äußeres wies deutlich darauf hin, daß er durch den Kampf schwer
mitgenommen war; die Masten und ein Teil der Kommandobrücke fehlten,
aber dennoch: stolz als Sieger zog das kleine deutsche Schiff dicht an
den Ufern vorbei, und mächtiger Beifallssturm brauste vom Land herüber.
Er galt der kleinen, tapferen Streiterschar, die mutvoll für die Ehre
der deutschen Flagge einem stärkeren Gegner entgegengetreten war.

Am nächsten Tage wurden die beiden an Bord fürs Vaterland Gefallenen
auf dem Gottesacker von Havanna bestattet; es war eine selten schöne
Begräbnisfeierlichkeit. Den Gefallenen des ‚Bouvet‘ wurde ein
Seemannsgrab auf offener See zuteil.

Der ‚Meteor‘ blieb noch lange im Hafen von Havanna, um gründlich seine
Schäden auszubessern; den glücklichen Schützen und den umsichtigen
Kommandanten schmückte von dem Tage an das Eiserne Kreuz.

       *       *       *       *       *

Michel, horch, der Seewind pfeift!

    Michel, horch, der Seewind pfeift,
    Auf, und spitz die Ohren!
    Wer jetzt nicht ins Ruder greift,
    Hat das Spiel verloren.
    Wer nicht jetzt sein Teil gewinnt,
    Wird es ewig missen.
    Michel, horch, es pfeift der Wind,
    Segel gilt’s zu hissen!

    Denk’ des Ruhms vergangner Zeit
    Und der alten Lehre:
    Volkes Wohl und Herrlichkeit
    Blüht auf freiem Meere.
    Schläfst du wieder, altes Kind?
    Hurtig aus den Kissen!
    Hurtig auf, ins Boot geschwind,
    Segel gilt’s zu hissen!

    Droben überm Nordseestrand
    Schimmern Meeresweiten:
    Deutsches Meer war’s einst genannt --
    Hei, das waren Zeiten!
    Heldenzeiten, hochgesinnt,
    Kühner Tat beflissen --
    Michel, horch, es pfeift der Wind,
    Segel gilt’s zu hissen!

    Und wie alter Helden Ruf
    Tönt’s aus fernen Tagen:
    Was die Kraft der Ahnen schuf,
    Du auch sollst es wagen!
    Michel, eh’ die Zeit verrinnt,
    Schlag an dein Gewissen --
    Michel, horch, es pfeift der Wind,
    Segel gilt’s zu hissen!

    Sieh die Nachbarn! Meer um Meer
    Sperren sie mit Ketten,
    Michel, schärf’ die alte Wehr,
    Rette, was zu retten!
    Michel, bist du taub und blind?
    Hurtig aus den Kissen!
    Hurtig auf, ins Boot geschwind,
    Segel gilt’s zu hissen!

    Gottfried Schwab.

    (Aus: „Wolkenschatten und Höhenglanz“. Augsburg, Theodor Lampart.)

[Illustration]



Die deutsche Flotte im Kampf um den Kolonialbesitz.


1. Ostafrika.

In den achtziger Jahren ließen sich an verschiedenen Stellen der
afrikanischen Küste deutsche Kaufleute nieder, die von den dort
ansässigen Häuptlingen der Eingeborenen Gebietsteile erwarben. Eine
festere Gestalt nahmen diese Landstriche für das Vaterland an, als
sich im Jahre 1884 auf Anregung Doktor Peters’ in Berlin ein Kreis von
Herren zusammentat, um eine Gesellschaft für deutsche Kolonisation zu
gründen. Sie erachteten als ihr Arbeitsgebiet, in außereuropäischen
Ländern Ackerbau- und Handelskolonien zu schaffen. Die zur Ausführung
solcher weitgreifenden Pläne nötigen Gelder wurden in verhältnismäßig
kurzer Zeit beschafft. Man begann sofort mit der Ausführung des
Planes, indem man die Herren Doktor Peters, Graf Pfeil und Jühlke nach
Ostafrika hinaussandte.

Diesen kühnen Männern gelang es, eine Reihe Verträge mit den
Häuptlingen der Eingeborenen abzuschließen, so daß ein Gesamtgebiet von
über zweitausend Quadratmeilen von ihnen erworben wurde. Diese Bezirke
konnten dann im Jahre 1885 unter den Schutz des Deutschen Reiches
gestellt werden.

Gegen das Auftreten der Deutschen im Küstengebiete Ostafrikas wandte
sich der Sultan von Sansibar, und ihm mußten erst die in die dortigen
Gewässer gesandten Schiffe ‘Prinz Adalbert‘, ‘Stosch‘, ‘Elisabeth‘ und
‘Gneisenau‘ Achtung vor der deutschen Macht einflößen. Als die deutsche
Flottenmacht gegenüber dem Sultanspalaste vor Sansibar lag, willigte
er in die von deutscher Seite aufgestellten Forderungen und erkannte
Deutschlands Oberhoheit über die Küstenbezirke an.

Die junge Kolonie sollte sich nicht ungetrübt entwickeln. Das
Eindringen der deutschen Kaufleute als Kulturpioniere paßte den im
Küstenstriche ansässigen arabischen Händlern durchaus nicht, ihre Macht
schwand, und da die herrschende Gewalt auf das Deutschtum überging,
sahen sie sich in ihren Einkünften geschmälert, zumal auch jetzt Ernst
gemacht wurde in der Bekämpfung des Sklavenhandels, der bis dahin ein
gutes Geschäft für die farbigen Händler bildete. Der offene Aufstand
begann. Die noch nicht hinreichend befestigten Stationen fielen den
Aufständischen im ersten Ansturm in die Hände. Gewalt und grauenhafte
Taten wurden von den aufständischen Eingeborenen und Arabern verübt,
das Hinterland der Kolonie befand sich im hellen Aufstande. Wenn nicht
alles verloren gehen sollte, mußte kraftvoll eingegriffen werden.
Im Küstengewässer waren zu Beginn des Aufstandes nur die Korvetten
‚Leipzig‘ und ‚Sophie‘, sowie der Kreuzer ‚Möwe‘ anwesend; die von
diesen Schiffen gelandeten Marinemannschaften hatten die Ehre der
deutschen Flagge zu wahren, sie mußten den ersten Ansturm aushalten,
bis neue Verstärkungen aus dem Heimatlande herankamen.

Im August des Jahres 1888 begann der Aufstand im Norden des
Schutzgebietes, in Pangani; dort weigerte sich der Wali des Ortes,
den von der Ostafrikagesellschaft eingesetzten Bezirkshauptmann
anzuerkennen. Das Erscheinen des Kreuzers ‚Möwe‘, dem bald die ‚Carola‘
folgte, genügte, um den Widerstand des Walis zu brechen. Von seiten
der Schiffsleitungen sah man davon ab, die Schwarzen zu bestrafen,
und dadurch schwoll diesen der Mut. In Tanga, Bagamoyo und anderen
Küstenplätzen begann die offene Empörung.

Am 6. September 1888 lag der Kreuzer ‚Möwe‘ vor Tanga. Ein Marineboot,
das ans Land fuhr, um Lebensmittel aufzukaufen, wurde vom Lande her mit
Schüssen empfangen. Die Mannschaft sah sich gezwungen, zurückzukehren.
In verstärkter Zahl kam eine Landungsabteilung von vierzig Matrosen
zurück, die Schiffsgeschütze der ‚Möwe‘ feuerten in die arabischen
Linien hinüber, dazu drang die in Schützenlinie aufgelöste Abteilung
unter lebhaftem Gewehrfeuer vor. Die Araber mußten den erstürmten
Ort räumen. Glücklicherweise gab es auf deutscher Seite nur zwei
Verwundete, die zur Pflege in ein Lazarett nach Sansibar kamen. Große
militärische Erfolge zu erreichen, war sehr schwer, überall gelang
es dem Feind, zu entwischen, wenn die Landungsabteilungen in die
Küstenortschaften einmarschierten. In Berlin glaubte man nicht an eine
ernste Gefahr; das Kreuzergeschwader erhielt Befehl, nach Südafrika
zu fahren. Erst durch einen gegen den Geschwaderführer Konteradmiral
Deinhardt geplanten Anschlag sah man, daß man einer planmäßig
vorbereiteten Empörung gegenüberstand.

Das Zentrum des feindlichen Aufstandes bewegte sich um die wichtigen
Niederlassungen Bagamoyo und Daressalam. In Bagamoyo führten die
aufständischen arabischen Rebellen Greuel der verschiedensten Art aus.
Die von der Korvette ‚Leipzig‘, die vor Bagamoyo ankerte, gesandte
Matrosenabteilung konnte gleichfalls, unterstützt von den Kanonen des
Kriegsschiffes, den Ort stürmen und besetzen. Unter Zurücklassung
zahlreicher Toter und Verwundeter entfloh der Feind wieder ins Innere
des Schutzgebietes. Dreißig Matrosen blieben zum Schutze der Station
zurück. Jetzt begannen die Wogen des Aufstandes höher zu schlagen.

Buschiri, der Halbblut-Araberhäuptling, stellte sich an die Spitze der
ganzen Bewegung und entwickelte sich mit der Zeit zu einem gefährlichen
Gegner. Die Flotte begann zunächst eine Blockade der Küste, um dadurch
den Handel der Araber lahmzulegen, ferner wurde ihnen dadurch die
Zufuhr von Waffen aller Art abgeschnitten, und insbesondere wurde der
Sklavenhandel gehindert. Am 6. Dezember begann die Blockade durch sechs
Schiffe der deutschen Marine mit einer Besatzung von 1337 Mann; ihnen
schlossen sich englische und italienische Schiffe an. Energisch haben
die deutschen Kriegsschiffe das Werk angegriffen.

Um die flachgehenden arabischen Sklavenfahrzeuge abzufangen, wurde
ein ausgedehnter Bootsdienst bei Tag und Nacht eingerichtet, der
außerordentlich beschwerlich war und die Mannschaften sehr anstrengte.
Oft kamen sie nicht aus den Booten und mußten aus den Negerdörfern
Nahrungsmittel holen, um keine Zeit mit der Rückkehr zu den weit
draußen liegenden Schiffen zu verlieren. Sie hatten alle Unbilden der
Witterung, brennende Hitze, schweren Regen, Sturm und See in ihren
offenen Booten auszuhalten. Trotzdem erlahmten sie nicht und taten in
treuester Pflichterfüllung ihre volle Schuldigkeit. Manche Heldentat
wurde dabei von den braven deutschen Seeleuten ausgeführt. Dazu ein
Beispiel:

Der Leutnant zur See von Bredow erspähte des Nachts einmal eine große
arabische Dhau, die er mit seinem Boote, das mit fünf Matrosen besetzt
war, zur Untersuchung anhielt. Als das Marineboot anlegte, traten
den Deutschen plötzlich achtundzwanzig Araber schußfertig entgegen,
doch der Ernst der Lage erschreckte von Bredow nicht. Sein sicheres
und besonnenes Auftreten schüchterte die Araber so sehr ein, daß die
anderen, auf die gegebenen Signale herbeieilenden Boote der Marine,
ohne weiteren Widerstand zu finden, die Araber gefangennehmen konnten.

Diese Zeiten des Kampfes in den Jahren 1888/89 brachten für die
Mannschaften unserer Marine schwere Gefahren mit sich, und wer die
Geschichte unserer Kolonien verfolgt, wird dankbar auf die Taten der
deutschen Seeleute stoßen. Der beschwerliche Wachtdienst in den Booten
wurde unterbrochen, wenn es zu Kämpfen auf dem Festlande kam, denn
auch dort dauerten die Kämpfe unentwegt fort. Buschiri, der kühne
Araberhäuptling, schuf sich zwischen Bagamoyo und Pangani einen festen
Stützpunkt, um von hier aus seine Räuberbanden nach allen Seiten
bequem aussenden zu können. Er glaubte sich um so sicherer an diesem
Platze, als die deutschen Schiffsbesatzungen vorläufig nur Bagamoyo und
Daressalam hielten; er spottete der ‚feigen Weißen‘. In Deutschland
war man jedoch zur Erkenntnis gekommen, daß nur eine durchgreifende
Änderung erzielt werden würde, wenn man kraftvoller gegen diesen
Häuptling vorginge. Zur Lösung dieser Aufgabe war Major Wißmann
ausersehen.

Unentwegt hatte inzwischen Buschiri bald Bagamoyo, bald Daressalam
gestürmt, aber immer wieder mußten seine Scharen mit blutigen Köpfen
heimkehren. Am 25. Januar und am 3. März 1889 fanden besonders heftige
Angriffe statt. Mit dem 4. März desselben Jahres verhängte Admiral
Deinhardt, der den Oberbefehl über die deutschen Schiffe innehatte,
die Blockade auch über Sansibar, und acht Tage später das Standrecht
über den ganzen Küstenstrich von Bagamoyo bis Daressalam. Im April
traf Wißmann ein, und im Mai 1889 ging er zum Angriff über, als seine
Truppen zur Stelle waren und die notwendigsten Vorbereitungen dies
erlaubten.

[Illustration: Admiral August Deinhardt.]

Der Bericht des Reichskommissars über die Erstürmung des feindlichen
Lagers lautet:

„Nach Verständigung mit dem Chef des Kreuzergeschwaders, Herrn
Konteradmiral Deinhardt, beschloß ich, sofort in Aktion zu treten.
Den eingegangenen Berichten zufolge hatte Buschiri seine Streitkräfte
in der Stärke von sechshundert bis achthundert Mann in einem etwa
eineinhalb Stunden von Bagamoyo gelegenen, nach afrikanischen Begriffen
außerordentlich starken Lager versammelt.

„Die Durchführung unseres Angriffes wurde auf den 8. Mai festgesetzt.
Wir brachen um sieben Uhr morgens auf. Der Weg führte uns anfangs auf
den Kamm des an der Küste entlanglaufenden Höhenzuges. Ungefähr um acht
Uhr wurde dieser schöne, mit Palmen und Fruchtbäumen dichtbewachsene
Höhenzug verlassen, und ein ungefähr neunhundert Meter breites,
schattenloses, sumpfiges, mit fast mannshohem Grase bewachsenes Tal
lag vor uns. Glühend heiß brannte die Sonne auf dasselbe herab,
kein Luftzug machte sich fühlbar, ein übler Geruch entströmte den
morastigen Stellen, welche den Marsch außerordentlich erschwerten.

„Nach dem Überschreiten des Tales wurde wieder auf dem Höhenzuge
entlangmarschiert. Auf diesem lag in einem Palmenhain Buschiris Lager.
Dasselbe war weithin sichtbar und bot den Anblick einer hohen, aus
dicht aufgestellten Baumstämmen bestehenden Verschanzung. Nachdem wir
bis auf sechshundert Meter an das feindliche Lager herangekommen waren,
schwärmte der Vortrupp sofort aus, während die Artillerie -- drei
Geschütze -- Aufstellung in der Schützenlinie nahm. Die Marineabteilung
unter Korvettenkapitän Hirschberg von S. M. S. ‚Schwalbe‘ stand dicht
hinter dem Vortrupp beziehungsweise der Artillerie. In dieser Formation
wurde bis auf zweihundertfünfzig Meter an das Lager herangegangen. Beim
ersten Sprung auf zweihundert Meter begann das Feuern aus dem Lager,
das unsererseits nicht erwidert wurde. Als jedoch bald darauf der weiße
Reitesel Buschiris vor dem Lager erschien, beschoß ich und verwundete
scheinbar das dem wohlbeleibten Buschiri notwendige Mittel zur Flucht,
auch war dieser Schuß das Zeichen zum Beginn des Feuers auf der ganzen
Linie. Das Feuergefecht wurde auf beiden Seiten ein sehr heftiges.
Zugleich trat im Lager ein Geschütz, mit Eisenstücken geladen, in
Tätigkeit. Wir schossen uns sprungweise bis auf hundert Meter an das
Lager hinan. Nachdem das Schnellfeuer etwa eine Minute gedauert hatte,
gab ich auf Verabredung mit Korvettenkapitän Hirschberg den Befehl, das
Seitengewehr aufzupflanzen und zur Attacke vorzugehen. Die Sudanesen
des Freiherrn von Gravenreuth waren zuerst an den Palisaden und
Leutnant Sulzer der erste am Lager. In der Front brachen gleichzeitig
die Matrosen unter Korvettenkapitän Hirschberg und die Askaris unter
Freiherr von Eberstein ein. Den Matrosen voraus, nicht wartend, bis
Bresche gerissen war, überklomm Leutnant zur See Schelle die Palisaden
und wurde im Lager tödlich getroffen. Während jetzt die Matrosen die
Palisaden soweit niedergerissen hatten, daß Mann hinter Mann eindringen
konnte, war Freiherr von Eberstein mit den Askaris durch eine
eingerannte Tür gedrungen. Nun wurde alles, was sich im Lager befand,
niedergemacht. Die Flüchtlinge ließ ich noch eine Strecke verfolgen,
bis das hohe Gras den Nachstürmenden ein Ziel setzte. Buschiri selbst
soll nur mit Mühe entkommen sein. Erbeutet wurden zwei arabische, mit
Koransprüchen beschriebene Geschütze und eine Menge anderer Waffen.
Ferner fielen den Soldaten drei Kisten mit 6000 Rupien in die Hände.
Nach zuverlässigen Nachrichten soll sich der Verlust des Gegners auf
hundertsechs Mann belaufen.“ --

Die günstigen Folgen des Sieges blieben nicht aus. Viele Orte
unterwarfen sich der deutschen Oberhoheit, und wo sich Eingeborene und
Araber nicht freiwillig unterwarfen und sich noch aufsässig zeigten,
gingen die Land- und Seetruppen gegen die Aufsässigen vor. Ungeheure
Strapazen haben die deutschen Seeleute damals zu ertragen gehabt. Das
feuchtheiße afrikanische Klima, vereint mit den Anstrengungen mußte
naturgemäß zeitweise zu Krankheitserscheinungen führen. Die Erfolge
der deutschen Waffen mehrten sich; nachdem der Küstenstrich in Besitz
genommen war, folgte das Innere. Im Dezember des Jahres 1889 konnte
die Blockade aufgehoben werden. Der Handel kam wieder zur Geltung;
selbstverständlich blieb der Sklavenhandel für immer verboten.


2. Die Opfer der Samoainseln.

Schon in den siebziger Jahren bildeten die Samoa- oder Schifferinseln
eine wichtige Station für die deutschen Handelsbeziehungen in der
Südsee. Die Natur hat gerade über diese Inselwelt ihre Schätze in
verschwenderischer Pracht ausgeschüttet und ihnen ein Klima gegeben,
das sie mit Recht den Namen ‚Paradies der Südsee‘ führen läßt. Doch
nicht ungetrübt können wir diese Inselwelt nennen, ohne der schweren
Opfer zu gedenken, die hier zur Ehre des deutschen Namens fielen oder
umkamen im Wüten der aufgeregten Elemente. Die für das Deutsche Reich
so schicksalsschweren Jahre 1888/89 brachten hier der deutschen Marine
große Verluste.

Bereits seit dem Jahre 1872 tobten auf diesen Inseln Kämpfe zwischen
zwei Parteien, in die oft genug unsere dort anwesenden Kriegsschiffe
eingreifen mußten.

Im Jahre 1876 wurden von beiden Gruppen die dortigen deutschen
Niederlassungen als neutraler Boden anerkannt; dieser Vertrag erfuhr
1877 eine Erweiterung, die bestimmte, daß die Insulaner versprachen,
die deutschen Rechte auch gegen eine Benachteiligung von anderer Seite
zu sichern.

England und Nordamerika versuchten im Laufe der Zeit zum Schaden
der deutschen Handelsbeziehungen ihren Einfluß geltend zu machen.
Daneben nahmen die Parteikämpfe weiter ihren Fortgang. Entgegen den
abgeschlossenen Verträgen wurden im Jahre 1879 auf neutralem Boden
sogar Befestigungen angelegt. Unter der geschickten Leitung des
Kapitäns zur See Deinhardt, der die damalige Kreuzerfregatte ‚Bismarck‘
führte, die zum Schutze der deutschen Faktoreien herbeigerufen war,
gelang es, die Beseitigung der Befestigungen zu erreichen, desgleichen
auch Frieden zu stiften und die Anerkennung Malietoas als König über
sämtliche Samoainseln durchzusetzen.

[Illustration: Der Untergang des „Iltis“.

Von Professor Hans Petersen.]

England und Nordamerika zogen in geschickter Art den neuen König auf
ihre Seite und hetzten ihn gegen Deutschland auf, und fortdauernde
Parteikämpfe blieben nicht aus. Sie wären vermieden worden, hätte der
deutsche Reichstag die überreichte Regierungsvorlage, die eine Garantie
des Reiches für eine neu zu gründende Seehandelsgesellschaft auf Samoa
und anderen Südseeinseln forderte, angenommen. Der nächste Reichstag
zeigte sich den kolonialen Bestrebungen günstiger, und damit entschied
sich auch die Zukunft Samoas.

Malietoas, der Feind der deutschen Regierung, war in die Verbannung
geschickt und an seine Stelle Tamasese zum König ernannt worden. Den
geschickten Wühlereien der Fremden gelang es, auch ihm Feinde zu
erwecken. Die Folge davon war ein neuer Bürgerkrieg, der besonders von
Mataafa, einem Unterhäuptling, geschürt wurde. Die vor Apia anwesenden
deutschen und fremden Kriegsschiffe griffen in die Streitigkeiten der
kriegslustigen Eingeborenen nicht ein. Tamasese flüchtete im Laufe
des Streites in die deutsche Plantagengebietszone, und nur durch eine
energische, starke Bewachung konnte diese vor Beschädigungen bewahrt
werden.

Auf Verfügung des Konsuls erhielten die deutschen Kriegsschiffe ‚Olga‘,
‚Adler‘ und ‚Eber‘ Befehl, vor Apia sich einzufinden, um den Schutz der
deutschen Kaufleute und Farmer zu übernehmen. Einer Verabredung gemäß
sollten am 18. Dezember die Rebellen ihre Waffen niederlegen; auch
Tamasese erhielt diese Aufforderung.

In den frühen Morgenstunden verließen neunzig Mann der Besatzung
der ‚Olga‘ auf einem Prahm das Kriegsschiff, ferner in zwei Booten
noch weitere fünfzig Mann, die Führung der Landungsabteilung
hatte Kapitänleutnant Jäckel, gelandet sollte werden bei der
deutschen Pflanzung Hufnagel in Vailele. Von den geheim betriebenen
Vorbereitungen erhielten die Samoaner Kenntnis. Am Abend des 17.
Dezember lief in der Stadt das Gerücht um, daß bei der ‚Olga‘ Anhänger
Tamaseses versteckt seien, die in der Nacht landen wollten, um Mataafa
zu überfallen. Als die Boote der ‚Olga‘ abfuhren, erging von allen
Seiten der Ruf an die Bewaffneten, die sich am Strande aufhielten, sich
bereit zu machen. Binnen kurzer Frist hatten sich fünfhundert Anhänger
Mataafas am Strande versammelt unter Anführung des Deutsch-Amerikaners
Klein. Die am Strande gedeckt durch Buschwerk vorlaufenden Samoaner
hielten sich in gleicher Höhe mit den deutschen Landungsbooten. Der
Prahm entfernte sich von den beiden anderen Booten, da diese bei ihrem
größeren Tiefgang in der Nähe des Landes nicht so schnell fortkamen.
Als der Prahm in die Nähe des Ufers kam, sprangen die Matrosen auf den
flachen Strand, und dabei erhielten sie plötzlich ein überraschendes
Salvenfeuer. Der Angriff auf die deutschen Seeleute durch eine
zehnfache Übermacht gestaltete sich trotz der wiederholten Vorstöße
immer gefährlicher. Auch die Besatzungen der beiden Boote, die nach
Vailele ruderten, wurden angegriffen. Die deutschen Matrosen wären
verloren gewesen, hätten nicht durch das Eingreifen des ‚Adler‘ und
‚Eber‘ die Granaten die Aufrührer zurückgedrängt und in die Flucht
geschlagen. Schwere Verluste erlitt die Landungsabteilung: zwei
Offiziere und dreizehn Mann tot und sechsunddreißig Verwundete. Es
waren schwere Opfer eines frevelhaft heraufbeschworenen Kampfes, die
Sühne durfte nicht ausbleiben. Die Dörfer der Aufständischen wurden
am nächsten Tage in Brand geschossen; leider konnte man des Anführers
Klein nicht habhaft werden. Für friedliche Verhandlungen war die Bahn
wohl frei, aber die verwickelte Lage dauerte fort. Weil die Fortsetzung
der Verhandlungen sich so lange hinzog, blieben die deutschen Schiffe
noch weiterhin vor Apia.

Am 15. März 1889 brach ein furchtbarer Orkan los, dessen Verheerungen
in Apia und auf den davorliegenden Koralleninseln ein unsägliches
Unglück anrichtete. Wohl ruhten von der deutschen Marine schon damals
zwölf Schiffe mit Mann und Maus auf dem Grunde des Meeres, aber ein so
großes Unglück, wie es der Märztag vor Apia brachte: zwei Schiffe auf
einmal zu verlieren, hatte die deutsche Flotte bis dahin noch nicht
betroffen. Die Augenzeugen jener denkwürdigen schrecklichen Sturmtage
wissen davon zu berichten. Noch niemals wütete auf den Samoainseln
ein so furchtbarer Sturm. Kurze Zeit vor dem 15. März ward das Wetter
immer trübe, dazu fiel ständig das Barometer, aber niemand vermutete
den Ausbruch eines derartig verheerenden Orkans, wie er tatsächlich
in den Nachmittagsstunden am 15. März losbrach. Nachts arbeiteten
die Maschinen, um den ungeheuren Druck zu mindern, den der Orkan
auf die Ankerketten ausübte. Die Besatzungen der im Hafen liegenden
Segelschiffe ließen meist Reserveanker fallen und gingen dann an
Land. Um Mitternacht begann es zu regnen. Noch immer wuchs der Orkan.
Vom Meere her drangen mächtige Seen in den Hafen, und die Gewalt der
Wasserwogen trieb die Kriegsschiffe wie Nußschalen hin und her. Gegen
Mitternacht verloren die Anker des ‚Eber‘ den Halt; unter Ausnutzung
der vollen Dampfkraft hielt sich das Schiff noch von den gefährlichen
Korallenriffen und den übrigen ankernden Fahrzeugen fern.

Unaufhaltsam stieg die Wucht des Sturmes, immer stärker rauschte
der Regen herab. In der frühen Morgenstunde war das Wetter einfach
grausig. Die sämtlichen Anker der Kriegs- und Handelsschiffe
verloren ihren Halt, und jetzt bestand die Gefahr, daß die wild
durcheinandergeworfenen Schiffe zusammenstießen. Auf einzelnen
amerikanischen Kriegsschiffen brach eine Panik aus, und nur mit Mühe
konnten die Offiziere Ordnung und Ruhe erhalten.

Die Bewohner der Stadt waren an den Meeresstrand geeilt. Die
Eingeborenen schienen die Gefahr und die Lage der Schiffe zu kennen,
denn ihre volle Aufmerksamkeit galt besonders den draußen hin und her
geworfenen Kriegsfahrzeugen. Wohl sah man die Lichter der Kriegsschiffe
glänzen, aber da diese fortwährend hin und her geschleudert wurden,
erwarteten die Eingeborenen jeden Augenblick, daß zwei Schiffe
aneinanderrennen und in der Tiefe versinken würden.

In der fünften Morgenstunde begann es leicht zu tagen, und ein
schauriges Schauspiel offenbarte sich den ängstlich harrenden
Zuschauern. Der tobende Nordoststurm hatte sämtliche Fahrzeuge von
ihren Ankerplätzen losgerissen und trieb sie alle dem Riff zu. Mächtige
Rauchwolken schossen aus den Schornsteinen auf; sie bewiesen, daß man
auf den Schiffen alle Anstrengungen machte, der gefährlichen Lage Herr
zu werden, und mit voller Maschinenkraft gegen den Ozean ankämpfte, so
gut es ging. Auf den Schiffsdecken standen die Mannschaften und hielten
sich am Maste oder im Takelwerk, oder suchten einen Halt. Die Schiffe
glichen einem Spielball der Wellen, die sie hin und her schleuderten;
alle Kraftanstrengungen waren vergebens. Die deutschen Schiffe
‚Adler‘, ‚Eber‘ und das amerikanische Kriegsschiff ‚Nipsic‘ lagen dicht
beieinander. Unaufhaltsam trieben sie dem Riff zu. Noch wenige Meter
vom Riff entfernt versuchte der ‚Eber‘ seinem Schicksal zu entgehen.
Vergebens!

Die starke See trieb das Kanonenboot etwas ab, so daß es mit dem
Vorderteil die Breitseite der ‚Nipsic‘ traf, die durch den Zusammenstoß
ein Boot und einen Teil der Schanzkleidung verlor. Der von den Wellen
zurückgeworfene ‚Eber‘ stieß dann mit der Korvette ‚Olga‘ zusammen,
ohne daß sie beide beschädigt wurden. Langsam drehte sich der ‚Eber‘
und trieb nun seinem unentrinnbaren Schicksal, der Strandung auf dem
Riff, entgegen. Die Kraft des kleinen Kanonenbootes war verbraucht,
und da es mit der Breitseite dem Winde zu lag, brachen gewaltige
Sturzwellen über das Kriegsfahrzeug herein; sie trieben es immer
rascher dem verderbenbringenden Korallenriff zu. Noch eine riesige
Woge stürmte heran, hob das Schiff wie ein Holzschifflein in die Höhe
und schleuderte es dann mit der Breitseite auf das Riff. Es gab einen
entsetzlichen Stoß, Wellen auf Wellen stürmten heran, und in wenigen
Augenblicken war das stolze Schiff spurlos verschwunden. Mit dem Kiel
hatte das Schiff zuerst das Riff getroffen, rollte dann völlig über die
Seite und verschwand im tiefen Wasser. Jeder Balken des Kanonenbootes
mußte zersplittert worden sein, und die meisten Leute der unglücklichen
Besatzung wurden jedenfalls zermalmt, ohne zu fühlen, daß die See über
ihnen zusammenschlug.

[Illustration: Bug des „Eber“ „Adler“ „Trenton“

Die bei Apia gestrandeten Schiffe nach dem Orkan.]

Das schreckliche Unglück geschah im Angesichte der vielen Zuschauer
am Strande. Ein angstvoller Augenblick lähmte die Entschlußkraft
der Eingeborenen, dann aber brach ein Schrei des Entsetzens los,
und tollkühn stürmten die Samoaner mit ihren Booten in die Brandung
hinein, um Ausschau zu halten, ob nicht irgendeiner der unglücklichen
Schiffbrüchigen wieder auftauchte aus dem wütenden Meer. Die Fehde mit
Deutschland, der Gedanke an den Feind war vergessen, man wollte retten,
soweit man konnte. Fast schien es, als ob alles Leben mit dem Schiffe
seinen Untergang gefunden hätte, aber bald sah man, wie einige der
Unglücklichen gegen die Wellen ankämpften. An einem kleinen Inselchen
klammerte sich ein Mann fest: man holte ihn heraus, es war der Leutnant
zur See Gaedeke, der einzige gerettete Offizier vom ‚Eber‘. Fast
betäubt vom Kampf gegen die Meereswellen, konnte der Offizier sich
nicht zurechtfinden, er brach beinahe zusammen, als er die Schwere
des Unglücks erfuhr. Im Augenblick des Zusammenstoßes stand Leutnant
Gaedeke auf der Kommandobrücke. Als er an die Oberfläche des Wassers
kam, fühlte der Gerettete, wie er dem Strande zutrieb, an dem er denn
auch glücklich Rettung fand. Ferner erreichten von der Besatzung des
‚Eber‘ noch der Steuermann und vier Matrosen, die in der Brandung mit
dem Tode rangen, glücklich das Land.

[Illustration: „Trenton“ „Vandalia“ „Olga“ „Nipsic“

Die bei Apia gestrandeten Schiffe nach dem Orkan.]

‚Eber‘ ging in der sechsten Morgenstunde unter. Während der durch die
Katastrophe hervorgerufenen allgemeinen Verwirrung und Aufregung verlor
jedermann für einen Augenblick die Lage der anderen Fahrzeuge aus den
Augen. Aber schon bald zeigte sich, daß auch diese sehr kritisch war.
Der ‚Adler‘, durch die ganze Bucht hindurchgeschleift, stieß mit der
‚Olga‘ zusammen, dann befand sich der ‚Adler‘ in allernächster Nähe
des gefährlichen Riffs, auf dem das gescheiterte Kanonenboot lag,
dessen Schicksal auch ihm beschieden war. Eine ungeheure See warf ihn
hoch auf das Riff, wo er aufgekantet liegen blieb. Seine Mannschaft
wurde ins Meer geschleudert. Doch ein Glück im Unglück bestand darin,
daß das Schiff sich vollständig auf die Seite legte und aus dem
Wasser herausragte. Das Schiffsdeck stand senkrecht zum Korallenriff,
und diese Seite des Schiffes lag der sturmfreien Himmelsrichtung
zugekehrt. Hundertdreißig Offiziere und Mann befanden sich an Bord des
Kriegsschiffes; trotzdem sie ins Wasser fielen, konnten hundertzehn
von ihnen gerettet werden. Zwanzig Mann ertranken, außerdem erhielt
eine Reihe schwere Verletzungen. Zu den Verletzten gehörte auch der
Befehlshaber des deutschen Geschwaders, Korvettenkapitän Fritze.

Durch Umsicht und Tatkraft gelang es den Eingeborenen, Taue an dem
Wrack zu befestigen, die das Deck mit dem Ufer verbanden. Mit Hilfe
dieser Verbindungsstraße wurden zahlreiche Seeleute gerettet. Lange
hielt sich jedoch dieser Rettungssteg nicht, und so mußte der nicht
gerettete Teil der Besatzung sich am Deck des Wracks festklammern und
noch den Tag und die ganze Nacht dort aushalten, ehe der Sturm soweit
an Gewalt nachließ, daß es gelang, mit Booten vom Ufer aus an das
Schiff zu kommen. Die ungeheuren Anstrengungen hatten diesen Teil der
Mannschaft völlig erschöpft.

Das amerikanische Kriegsschiff ‚Nipsic‘ hatte sich unter Volldampf
gegen den Wind gehalten, stieß dabei zweimal mit der ‚Olga‘ zusammen
und bohrte den Schoner Lily in den Grund, von dessen Besatzung nur
ein Mann gerettet wurde. Beim zweiten Zusammenstoß traf die ‚Olga‘
den ‚Nipsic‘ so schwer, daß der Schornstein brach und umfiel, auch
die Maschine wurde gebrauchsunfähig. Dem stark betroffenen Amerikaner
schien das Schicksal des Kanonenboots ‚Eber‘ gewiß zu sein. Dem
beschloß der Kapitän zuvorzukommen und das Schiff auf die Sandbank
zu setzen. Eine geringe Dampfkraft der Maschine, dazu die Ruderkraft
reichten aus, um das Schiff von der gefährlichen Riffstelle forttreiben
zu lassen; auf einer weiter nördlich gelegenen Sandbank lief das Schiff
auf. Als die Boote ausgesetzt wurden, schlug eines um, und sieben Mann
der Besatzung ertranken.

Schwierig gestaltete sich der Abstieg von dem von Sturzwellen
überschütteten Wrack, und wieder halfen die Samoaner nach besten
Kräften. Mit Hilfe von Tauenden, die sie an Bord geworfen hatten,
ließ sich die Mannschaft nach und nach hinab; unten fingen die
bereitstehenden Eingeborenen sie auf. Die beiden kleinsten Schiffe
der im Hafen vereinigten Flotte, ‚Eber‘ und ‚Nipsic‘, hatten ihren
Untergang gefunden, die größeren, darunter auch die ‚Olga‘, blieben
noch flott.

Unentwegt tobte der Sturm weiter. Englische und amerikanische Schiffe
kollidierten. Besonders das amerikanische Schiff ‚Trenton‘, das sich
bis in die Morgenstunden gut hielt, hatte seit zehn Uhr morgens keinen
Dampf; dazu war die Ruderstange gebrochen, und das hereinströmende
Wasser löschte die Kesselfeuer. Der Versuch, das Hereinströmen des
Wassers durch die Ankerklüsen zu hindern, gelang nicht mehr. Im Schiffe
verließen die Heizer erst ihre gefährlichen Posten, als sie bis an die
Hüften im Wasser standen. Das zur Beruhigung der Wellen in reichem Maße
ausgegossene Öl richtete in dem wütenden, tobenden Elemente nichts
aus. Hilflos trieb das amerikanische Kriegsschiff auf die ‚Olga‘
zu, deren Kommandant Kapitän von Ehrhardt die Gefahr erkannte. Er
ließ die Anker fallen, dazu die Maschinen mit voller Kraft arbeiten.
Es half jedoch nichts. Der unvermeidliche Zusammenstoß kam, beim
‚Trenton‘ zersplitterten schwere Balken am Heck des Schiffes, auf der
‚Olga‘ barst der Bugspriet. Nach dem Zusammenstoß kamen beide Schiffe
wieder frei, und Kapitän von Ehrhardt ließ die ‚Olga‚ nach der an der
Ostseite des Hafens gelegenen Schlammbank steuern und hier auf den
Strand setzen. Nur mit äußerster Kraft erreichte das deutsche Schiff
die Schlammbrücke, in die es sich sicher einbettete. Wohl gingen in
der Nacht die Sturzwellen fortwährend über das Schiff hinweg, sie
raubten ihm jedoch keine Menschenleben. Der ‚Trenton‚ trieb nach dem
Zusammenstoß mit der ‚Olga‚ weiter. Kurz vor seinem Auflaufen spielte
die Musikkapelle am Bord des Schiffes, um die Furchtlosigkeit zu
beweisen, die amerikanische Nationalhymne: ‚das sternenbesäte Banner‘.
Das gestrandete Schiff füllte sich sehr rasch mit Wasser, es blieb
aber noch so viel Raum oberhalb der Wasserlinie über, um der bedrohten
Mannschaft Schutz zu bieten; von ihr ging niemand verloren.

Als dann am 17. März die Gewalt des Sturmes nachließ, übersah man den
Schauplatz der schauerlichen Tragödie, die sich hier abgespielt hatte,
und die der deutschen Marine einen schweren Verlust brachte, aber auch
bewies, daß deutsche Seeleute im Unglück eine unerschrockene Haltung zu
bewahren und mannhaft zu sterben wissen.

„Nicht ertrunken sind unsere Kameraden,“ so rief der Kaiser, „sondern
gefallen, ihre Pflicht bis zum letzten Augenblick erfüllend. Nachdem
sie siegreich gegen Menschenhand gefochten, fanden sie im mutigen
Kampfe gegen die entfesselten Elemente ihren rühmlichen Tod! Gott hat
es so gewollt! Auch so starben sie den Tod für Kaiser und Reich!“


3. Die Helden des Kanonenboots ‚Iltis‘.

Admiral Tirpitz hatte im Juli 1896 die Kreuzerdivision, die aus den
Schiffen ‚Kaiser‘, ‚Prinzeß Wilhelm‘, ‚Irene‘, ‚Arkona‘, ‚Kormoran‘,
sowie dem Kanonenboot ‚Iltis‘ bestand, vor der Reede von Tschifu
zusammengezogen, um eine angekündigte Mannschaftsablösung zu
erwarten. Wiederholte Landungsmanöver wurden hier ausgeführt, da die
Küsten- und Bodenverhältnisse eine günstige Gelegenheit dazu boten.
Besondere Umstände, die auf sanitärem Gebiete lagen, verursachten,
daß die Kreuzerdivision nach dem Norden Japans ging, während das
Kanonenboot ‚Iltis‘, das vom Kapitänleutnant Braun kommandiert wurde,
als Stationsschiff an der langgestreckten chinesischen Küste die
deutsche Flagge zeigen sollte. Dieses Sommerkommando war keineswegs
beneidenswert, weil Hitze und Moskitos die Seeleute sehr plagten. Am
23. Juli lief der ‚Iltis‘ aus Tschifu aus. Das Wetter war drückend
heiß. Von den Philippinen her war ein gewaltiger Taifun im Anzuge.
Nebel und Regen erschwerten die Ortsbestimmung. Dazu tobte der Orkan
an der felsenreichen Küste Schantungs mit der Windstärke elf bis
zwölf. Arge Besorgnisse herrschten über das Schicksal des ‚Iltis‘ bei
der Kreuzerdivision, da dem kleinen Kanonenboot nur eine schwache
Maschine zur Verfügung stand. Man nahm aber an, daß der ‚Iltis‘ den
Hafen Wei-hai-wei als Nothafen anlaufen werde; um so mehr vertröstete
man sich mit dieser Annahme, als ein chinesischer Bote die Mitteilung
brachte, mehrere Schiffe seien in den Hafen eingelaufen. Erst am
28. Juli traf beim Flottenflaggschiff die Nachricht ein, daß der
‚Iltis‘ am 23. Juli 1896 zwischen zehn und elf Uhr nachts gestrandet
und ganz verloren sei. Alle die Besorgnisse, die beim Herannahen
des Taifuns gehegt wurden, hatten sich erfüllt. Das Schiff und die
tüchtige Mannschaft waren verloren, die prächtigen Menschen lagen
am Meeresgrunde oder als verstümmelte Leichen auf den Felsenriffen
Schantungs. Ein Schreiben des Schiffsschreibers vom ‚Iltis‘ traf durch
einen chinesischen Boten ein; hierdurch erst wurde die ganze Schwere
des Unglücks offenbar. Die Schiffe ‚Arkona‘ und ‚Kormoran‘ dampften
sofort nach der Unglücksstätte ab, um zu retten, was zu retten war.
Während die ‚Arkona‘ bei der Strandungsstelle blieb, brachte der
‚Kormoran‘ die elf Geretteten zum Flottenflaggschiff; hier mußten sie
neu eingekleidet werden, da sie alles verloren hatten. Am anderen
Tage begab sich das Flaggschiff nach dem Felsenriff, das bei Flut und
Sturm ganz unter Wasser liegt, bei Ebbe etwa einen Meter aus diesem
hervorragt als zackige Felsenkante, scharf wie ein Messer. Wer auf
dieses Riff geworfen wird, den zerschneiden die Felskanten, daher
erklärt es sich auch, daß so wenig Leichen gerettet wurden, und die,
die man rettend barg, zerfetzt waren.

Wie geschah das folgenschwere Unglück? Folgen wir den Ereignissen an
Bord des Kanonenbootes. Am Mittag des Unglückstages dampfte der ‚Iltis‘
bei dem Hafen Wei-hai-wei, die Gefahr nicht ahnend, vorbei, trotzdem
schon ein widriger Wind wehte. Der Weg ging nach Süden. Gegen Abend
wurde der Wind unregelmäßiger, das Stoßen und Stampfen des Schiffes
immer stärker, dazu nahm das Kanonenboot viel Wasser über Bord. Die
Seen liefen hohler und höher, der Wind nahm ständig zu, die stärksten
Sturmsegel mußten gesetzt werden, um vorwärtszukommen. An Deck war
wegen der überkommenden Wasser der Aufenthalt kaum noch möglich. Noch
mehr wuchs der Sturm. Das Pfeifen in der Takelage wurde schriller, die
Segelflächen standen gespannt in der Wucht des einfallenden Windes.
Eine Gaffel zerriß, eine neue wurde gesetzt. Mit voller Kraft arbeitete
die Maschine. Nebel und Regen verhinderten jeglichen Ausblick. Schon
fingen die Heizer an, matt zu werden; neue Kräfte aus den Reihen der
Matrosen traten an ihre Stelle, um der Maschine den nötigen Dampfdruck
zu erhalten. Tapfer arbeitete das kleine Schiff gegen Wind und Wellen
an. Ein Wenden des Schiffes, um von der vermuteten Küste freizukommen,
war nicht mehr möglich. Die dienstfreie Mannschaft lag angekleidet
in den Hängematten. Gegen zehn Uhr abends überschlug der Kommandant
noch einmal die Lage des Schiffes und die Richtung. Der gute Gang
der Maschine bürgte für eine glückliche Rettung des arg bedrohten
Schiffes. Beruhigt konnte eine Hälfte der ermatteten Mannschaft sich
in die Hängematten legen, der Kommandant blieb auf der Brücke. Eine
grausige Nacht! Kaum eine halbe Stunde darnach stieß das Schiff mit
mächtigem Stoß auf. „Alle Mann aus dem Zwischendeck!“ tönte als Befehl
durch die Finsternis und den heulenden Sturm. Das Schiff saß fest, der
Schiffsboden war durchstoßen, und machtvoll drangen die Wassermassen in
den Schiffsraum; gierig zischend strömten sie hinein in den Heizraum;
die Feuer löschten, die Lampen stürzten, und mitten im Schiffe
herrschte dunkle Nacht und brausendes Wogengetümmel. „Die Kranken an
Deck und mit Rettungsgürteln versehen!“ lautete der nächste Befehl. Die
Lage des Schiffes war jedem klar. Kommandant Braun, der das Ende vor
sich sah, ließ als letztes Abschieds- und Treuezeichen ein dreifaches
Hurra auf den Kaiser ausbringen. Nacht und Grausen ringsumher! Der
Sturm nahm noch immer zu, hochauf bäumten sich die Wogen. Aus den
dunklen Fluten tauchten gespenstisch weiße, zackige Felsspitzen auf,
die mit ihren gräßlichen Armen nach den Unglücklichen zu greifen
schienen, die am Schiff sich festgeklammert hielten. Mitten in der
Brandung saß der ‚Iltis‘, er wurde hin und her geworfen. Ein Ächzen und
Tosen erfüllte die Luft, gerade als ob die Geister der Hölle sich auf
das unglückliche Schiff stürzten.

Unentwegt prasselten Regen und Hagel hernieder; das Gebrüll der Wogen
erstickte jeden Befehl. Nieten und Haken zerbrachen und zerrissen;
das Deck zersplitterte und fiel auseinander. „Ein ergreifendes
Vorkommnis,“ so schreibt I. Langenberg, einer der Geretteten, „werde
ich nie vergessen. Die Schiffsglocke, die an der Vorkante der Kambüse
aufgehängt war, schlug durch das Hin- und Herstoßen des Schiffes
von selbst an; es klang wie Totengeläut. Plötzlich hörte es auf.“
Der Augenblick des Untergangs war gekommen, denn jetzt machten die
Wogen ganze Arbeit und rissen den Schiffskörper auseinander. In zwei
getrennten Stücken, Vorschiff und Achterschiff, lag das Wrack da.
Mächtiger rollte die See heran. Sie erfaßte das Hinterschiff und warf
es mit donnerndem Getöse neben dem Vorschiff nieder. Menschliche
Kraft war zu Ende, die entfesselten Elemente hatten den Untergang
des Schiffes und seiner braven Besatzung beschlossen. Der Kommandant
überschaute von der zusammengebrochenen Brücke aus noch einmal die
Lage, ein letzter Gruß dem Kaiser, ein letztes Gedenken an Weib und
Kind, und dann rief der Tod zur letzten Fahrt, der grausigen Todesfahrt
fern von den Lieben.

Das Vorschiff lag eingekeilt und konnte sich nicht so viel bewegen wie
das Achterschiff. Leuchtkugeln erhellten diese Stätte des Grausens,
jedoch vergebens, keine Rettung kam den von der wilden Brandung
umtosten Schiffbrüchigen; wer von ihnen noch nicht den gierigen
Meereswogen zum Opfer fiel, dem schlug jetzt die Todesstunde.

Vom Hinterschiff erhob sich die mächtige Stimme des Feuerwerksmaaten
Raehm. In heiteren Stunden hatten sein froher Sinn und seine Sangeslust
oft genug die Mannschaft unterhalten, und im Augenblick des Sterbens
halfen sie auch über das Bitterste hinweg. Die ersten Strophen des
deutschen Flaggenliedes wurden angestimmt. Mannhaft klangen in das
Gebrüll der Wogen die Worte hinein: ‚Stolz weht die Flagge schwarz-
weiß-rot!‘

Und die Treue, von der die Braven sangen, haben sie dem Vaterlande
gehalten bis zum letzten Atemzuge. Ein letzter Ton, und verstummt
war der Mund für immer! Der wütende Orkan hatte das Hinterschiff
hinabgezogen in die Tiefe und mit ihm den größten Teil der Mannschaft.
Vierundsechzig brave deutsche Seeleute waren nicht mehr. Nur zwei Mann
wurden besinnungslos an die eine Seemeile entfernte Küste geschwemmt,
wo sie am nächsten Morgen von Chinesen aufgefunden und erquickt wurden.

Die auf dem Vorschiff zurückgebliebenen Schiffbrüchigen kamen auch in
eine schlechte Lage, da die wilde See ungestümer heranrollte und sich
ihnen auf dem Vorschiff kein Schutz mehr bot. An eine Rettung dachten
die meisten nicht mehr, sie hatten abgeschlossen mit dem Leben; immer
noch rollte die Brandung so stark über die kleine Schar hinweg, daß
sie kaum atmen konnte. Gegen drei Uhr morgens brach noch der Fockmast,
und von den zehn Seeleuten, die hier auf Rettung hofften, verschwand
noch einer in den Wellen. Die übrigen krochen gegen Morgen in das
Zwischendecksluk. So hatten sie leidlich Schutz vor der Brandung. Essen
und Trinken gab’s nicht. Zwei Flaschen Mixed-Pickles fanden sie, zwei
Tage erquickten sie sich an dem Essig. Im Innern hatten die Wellen
alles zertrümmert. Die hin und her geschleuderten eisernen Wassertanke
gestalteten die Lage im Innern noch gefährlicher. Am Mittag nach
der Unglücksnacht versuchten die Schiffbrüchigen, aus Planken und
Holztrümmern ein Floß zu zimmern, jedoch vergebens. Ein Matrose wurde
durch die hohe Brandung über Bord gespült, er konnte sich als guter
Schwimmer glücklicherweise noch ans Land retten. Als er nach einem
in der Nähe gelegenen Dorfe kam, führten ihn die Dorfinsassen zu den
beiden vom Achterschiff Verschlagenen. Es war eine herzliche Freude
des Wiedersehens, die um so größer wurde, als sie vernahmen, daß noch
mehr Kameraden vom Wrack zu retten seien. Sie scheuten keine Mühe, um
in die Nähe des wildumbrandeten Felsenriffs zu kommen. Endlich gelang
das Wagnis. Ein Chinese schwamm von einem verankerten Boot aus an
einem Tau zur Unglücksstätte, und mit unsäglicher Mühe und größter
Lebensgefahr rettete er die ermatteten Kameraden. Mit Hilfe eines noch
an Bord vorhandenen Schwimmgürtels kamen die Unglücklichen trotz der
scharfen Felskanten zum Boot, das sie ans Land brachte. Hier wartete
der einarmige Leuchtturmwärter Schwilp auf die Geretteten. Halb
verhungert und ganz zerschunden, wurden sie auf Esel gesetzt und nach
dem Leuchtturm transportiert, wo er sie pflegte, bis der ‚Kormoran‘ die
Überlebenden zu dem Flaggschiff ‚Kaiser‘ nach Tschifu brachte.

Die ‚Arkona‘ erhielt den Auftrag, nach den Leichen der Verunglückten
zu suchen und sie auf einem dicht bei dem Leuchtturm angekauften
Acker zu beerdigen. Wochenlang dauerte diese traurige Arbeit. Weit
und breit lagen die angeschwemmten Leichen und Leichenteile an den
Küstenländereien. Um sie zu rekognoszieren, blieben zwei Leute vom
‚Iltis‘ beim Leuchtturm zurück. Der Steuermann und der an seiner
Kleidung kenntliche Zahlmeisterapplikant wurden wiedererkannt. Die
übrigen konnten nicht ermittelt werden, da die Leichen von den
scharfen Felskanten zerrissen waren. Nach wochenlangem Suchen konnten
achtundzwanzig Leichen geborgen werden. Dreiundvierzig kamen nicht
mehr zum Vorschein, trotz der hohen Prämien, die für die Auffindung
ausgesetzt waren. Am 15. August hielt der Divisionspfarrer auf dem
sauber hergerichteten Friedhof Gottesdienst und weihte ihn ein.
Ein sieben Meter hoher weißer Marmorobelisk auf hohem Postament
wurde in Tschifu aufgestellt, die Namen der Braven zum ewigen
Gedenken eingegraben und auf die vierte Seite die Schlußstrophe des
Flaggenliedes gesetzt:

    „Und treibt des wilden Sturms Gewalt
    Uns an ein Felsenriff,
    Gleichviel, in welcherlei Gestalt
    Gefahr droht unserm Schiff,
    Wir wanken und wir weichen nicht,
    Wir tun, wie Seemannsbrauch,
    Den Tod nicht scheuend, unsre Pflicht
    Noch bis zum letzten Hauch!
    Ja, mit den Wogen kämpfend noch,
    Der sterbende Pilot,
    In seiner Rechten hält er hoch
    Die Flagge schwarz-weiß-rot!“

Eine hohe Mauer umgibt dies einsame Stückchen deutscher Erde im fernen
Osten. Hübsche Anlagen schmücken den Platz. Alljährlich kommt ein
Schiff des Kreuzergeschwaders und bekränzt von neuem die Ruhestätten
dieser braven Seeleute. Erst nach und nach hat sich eine wetterharte,
dem Klima angepaßte Vegetation entwickelt, die die Ruhestätten dieser
Braven, für die Ehre des Vaterlandes Verstorbenen ziert.

Die Deutschen in Ostasien ehrten ihre gefallenen Landsleute durch
die Errichtung eines Denkmals, das im Parke zu Schanghai aufgestellt
worden ist. Ein terrassenförmiger Unterbau trägt einen Mast, von dessen
abgebrochener Spitze Tauwerk herabhängt, am Fuße des Mastes ruht die
lorbeerumwundene deutsche Kriegsflagge.

       *       *       *       *       *


Die Helden vom ‚Iltis‘.

    Wild rast der Sturm an Chinas Küste
    Aus grauer Nebel Hinterhalt;
    Er hat die gelbe Wasserwüste
    Zu flüchtigem Gebirg geballt.
    Es dampft das Schiff: in allen Bohlen
    Ächzt’s wie ein Tier in Todesqual,
    Und bei des Sturmes Atemholen
    Schießt es vom Berg zum Wellental.

    Vor sich den Fels, den Sturm im Rücken...
    Er legt das Fernrohr aus der Hand
    Und steigt von der Kommandobrücken --
    Zum letzten Male Kommandant!
    Auf jenen glatten Felsenkanten
    Läßt sinnend er das Auge ruhn,
    Er kennt sein Schicksal: er wird stranden
    Und untergehen im Taifun.

    „Schart euch um mich!... Wir sind verloren,
    Hier hilft nicht Anker, Segel, Tau;
    Den wir so oft heraufbeschworen,
    Der Tod, hält seine letzte Schau!
    Kein Seufzer grüßt, kein banger, leiser,
    Zum letztenmal die schöne Welt:
    Ein donnernd Hoch dem Deutschen Kaiser,
    Und, Kinder, dann -- wie’s Gott gefällt!“

    Und mitten durch der Stürme Tosen
    Und durch der Wogen weißes Heer
    Tönt aus den Kehlen der Matrosen
    Ein letztes Grüßen übers Meer,
    So kräftig, wie in frohen Tagen
    Es einst daheim beim Becherklang...
    Ein Ruck -- ein Sturz -- die Wellen schlagen
    Zusammen über Schiff und Sang -- --

    Wir sahn euch nicht für immer scheiden,
    Wir senkten euch nicht still hinab.
    Der Schatten deutscher Trauerweiden
    Fällt nicht auf euer Heldengrab.
    Das Meer, dem ihr die Kraft ergeben,
    Gab tief im Grund euch nun die Ruh’,
    Und über eure Leichen schweben
    Die Schiffe eurer Heimat zu.

    Kann Liebe nicht zum Grabe wallen,
    Als letzten Gruß den Kranz zu weihn,
    So soll ein Held, im Kampf gefallen,
    Im Herzen uns unsterblich sein.
    Des Ruhm erlischt nicht auf den Lippen,
    Der als ein Stolz der Mutter schied,
    Dem an der Fremde öden Klippen
    Die Woge singt das Sterbelied.

    Und preisen sollen frohe Töne,
    -- Ob auch die tiefe Wunde brennt, --
    Daß noch die Jugend solcher Söhne
    Germania ihr eigen nennt.
    Wir fürchten keines Feindes Tücken
    Und bieten Trotz der Stürme Wehn,
    Solang auf den Kommandobrücken
    Noch Helden euresgleichen stehn!

    Rudolf Presber.

    (Aus: „~Media in vita~“, 5. Aufl., J. G. Cottasche Buchhandlung
    Nachfolger, Stuttgart.)

[Illustration]



Der neue ‚Iltis‘ vor Taku.

(17. Juni 1900.)

    Glorreich und süß ist sterben fürs Vaterland.

    Horaz.


Der neue ‚Iltis‘ verließ unter dem Befehl des Korvettenkapitäns Lans
am 6. Februar 1899 den Kieler Kriegshafen. Das neue Schiff führte
vier Stück 8,8 Zentimeter-Schnellfeuergeschütze und einige 3,7
Zentimeter-Revolverkanonen und hatte stärkere Maschinen als der alte
‚Iltis‘, dazu zählte die Besatzung vierzig Mann mehr.

China galt auch für den neuen ‚Iltis‘ als Reiseziel.

Der Chinese liebt den Europäer nicht, die Bezeichnung ‚roter Barbar‘
weist schon darauf hin. Kaufleute, Priester, Missionare haben zunächst
am meisten zu leiden unter den Aufständen, die die Geheimbünde, an
denen China so reich ist, anzetteln.

Im Jahre 1898 begann die Gesellschaft der Boxer den Kampf gegen die
Europäer, die Gesandten in Peking wurden belästigt und verlangten
daher Schutzwachen, zahlreiche Missionare erlagen, meuchlerisch
hingeschlachtet, den Boxerbanden, die im Jahre 1900 einen großen
Aufstand begannen. Wohl hatten alle Seemächte Truppen und Schiffe
nach China entsandt, aber dennoch überraschte sie der Ausbruch
der Unruhen, bei deren Beginn der deutsche Gesandte Freiherr von
Ketteler ermordet wurde. Peking, von Boxern besetzt, die das
Gesandtschaftsviertel belagerten, schwebte in großer Gefahr. Während
des Anmarsches der Entsatztruppen unter Admiral Seymour hatten Teile
der Landungstruppen den starken Hafen von Peking, die Takuforts, zu
erobern. Die Befestigungen lagen an der Mündung des Peiho in das Meer,
die meilenweiten Versandungen hinderten das Herankommen größerer
Kriegsschiffe, und so konnten die vereinigten Seemächte in den Peiho
nur flachgehende Kanonenboote entsenden und ihnen die Aufgabe stellen,
diesen Zugang nach Peking und Tientsin offen zu halten.

Die Boote, denen die Lösung dieser Aufgabe zufiel, hießen: ‚Iltis‘
(deutsch), ‚Algerine‘ (englisch), ‚Lion‘ (französisch), ‚Bobo‘,
‚Borejets‘, ‚Hillate‘ (russisch) und ‚Atage‘ (japanisch).

Eine letzte Benachrichtigung schrieb den Chinesen vor, am 17. Juni
früh die Befestigungen zu räumen, andernfalls der Angriff von beiden
Seiten beginne. Dieser Mitteilung kamen die Chinesen zuvor: um
Mitternacht eröffneten sie bei hellem Mondschein gegen die Kanonenboote
das Feuer ihrer gutbesetzten Befestigungen. Die Schiffe, anfangs
durch die Ebbe in ihrer Bewegung gehindert, fuhren um zwei Uhr in die
verabredeten Gefechtsstellungen und erwiderten von jetzt an das Feuer.

[Illustration: S. M. S. ‚Iltis‘.]

Als es heller wurde, vermochten sich die Gegner besser aufs Korn zu
nehmen. Immer wirkungsvoller schossen die Forts. Kurz hintereinander
trafen sechs Geschosse die Schornsteine vom ‚Iltis‘ und durchschlugen
sie. Die ersten Schwerverwundeten lagen an Bord des Schiffes:
Berichterstatter Herrings und Obermaat Homann. Immer heftiger wurde
der kleine ‚Iltis‘ getroffen. Seine hohen Aufbauten boten ein
gutes Ziel. Schüsse in die Takelage nahmen Wanten und Stage weg.
Als dann in der Morgendämmerung die Landungstruppen vorrückten und
die Wälle des Nordwestforts stürmten, war es die höchste Zeit, den
Ankerplatz zu wechseln, so gut hatten sich die Chinesen mit den
Südfortgeschützen eingeschossen. Vorwärts, langsam vorwärts ging es
dann. Brausend begrüßte sich die Iltisbesatzung durch Hurrarufe mit den
Landungstruppen, die das Nordwestfort, auf dem bald alle Flaggen der
am Kampfe beteiligten Nationen wehten, besetzt hielten. Nur kurze Zeit
feuerte der ‚Iltis‘ auf das Nordfort. Als es schwieg, richteten sich
alle Geschütze, soweit sie nach Steuerbord feuern konnten, gegen die
Kanonen der Südforts und bewarfen diese mit Schnellfeuer. Mit lautem
Knall flog dort ein Munitionslager in die Luft. Wieder trafen sehr
schwere Schüsse den ‚Iltis‘.

Ein anderer Treffer zündete die 3,7
Zentimeter-Maschinenkanonen-Munition an, so daß sie knisternd
abbrannte. Binnen kurzer Zeit hatte Oberleutnant Nerger mit den
Feuerlöschmannschaften das Feuer gelöscht. Ein Geschoß traf die untere
Brücke und tötete den im Gang stehenden Artillerieoffizier Oberleutnant
Hellmann und den neben ihm stehenden Hornisten. Kurz, Schlag auf Schlag
folgten die schmerzlichen Verluste.

Eine Granate schlug unter dem Kommandoturm ein und richtete hier große
Verheerungen an. „Ruder zerschossen!“ meldete der Signalmatrose;
der Telegraphenposten rief: „Maschinentelegraphen und Sprachrohr
zerschossen!“ -- „Befehlsübermittelung an die Maschinen über Deck!“
lautete der Befehl des Kommandanten, und kaum war es gesprochen,
da zuckte ein Feuerstrahl, ein Knall -- und die Sprengstücke der
Granate durchlöcherten den anderen Schornstein, zerschmetterten dem
Kommandanten das Bein und rissen ihn zu Boden. Der Schreckensruf: „Der
Kommandant ist gefallen!“ eilte durch die Räume des Schiffes.

[Illustration: Vizeadmiral von Lans.]

Als der Pulverrauch sich verzogen hatte, stand der Führer, gestützt auf
das Geländer, wieder aufgerichtet da und rief dem Steuermann zu: „Das
linke Bein ist zerschossen; hier ist mein Taschentuch, schnüren Sie es
über die Wunde fest um das Bein!“

Oberleutnant Hoffmann übernahm das Kommando; in einem Berichte, den
er veröffentlichte und dem auch wir folgen, schreibt er: „Nun stand
ich neben dem Verwundeten, der sich beim Passieren der ‚Algerine‘ noch
einmal zusammenraffte und um ärztliche Hilfe hinüberrief, da unser
Arzt und unsere Krankenträger durch die schweren Verwundungen alle
Hände voll zu tun hatten, -- dann brach der Kapitän Lans zusammen. Er
wurde von mir und dem Steuermann Schmidt auf einen an Deck stehenden
Munitionskasten gesetzt, bis auf den Ruf: ‚Krankenträger!‘ sich unter
persönlicher Leitung des Stabsarztes diese zum Transport des Kapitäns
nach dem Verbandplatz anschickten.

„Ich sah noch, wie die Krankenträger den schwerverwundeten Kapitän
Lans hoch nahmen und an die Backbordtreppe brachten. Da traf uns
wieder ein Schuß, der die Bereitschaftsmunition der Maschinenkanonen
zum zweitenmal in Brand setzte, die im Gang liegenden zwei Leichen
noch mehr verstümmelte und bei seiner Explosion die Treppe wegriß, auf
der einer der Krankenträger schon stand, den verwundeten Kommandanten
im Arm. Alle wurden weggerissen, durch den Luftdruck beiseite
geschleudert. Ein Wunder war’s, daß sie nicht alle den Tod fanden. Um
sie konnte ich mich leider nicht mehr bekümmern.“ --

Wie durch ein Wunder blieben der Arzt und seine Leute unverletzt. Den
ohnmächtigen Kommandanten hatte einer seiner Matrosen in die an der
Längsseite haltende Pinasse von der ‚Herta‘ getragen; hier bemühte sich
der wieder zur Besinnung gekommene Stabsarzt um den Schwerverwundeten.
Nach Anlage eines Notverbandes bettete man ihn sorgfältig im Boot und
labte ihn durch Moselwein und Wasser.

Vor und hinter dem ‚Iltis‘ schlugen fortgesetzt Geschosse ein. Heftig
erwiderte der ‚Iltis‘ das Feuer. Da -- plötzlich ein Knall, der allen
Schlachtenlärm übertönte: eine leuchtende Feuersäule im Südfort bewies,
daß wieder ein Pulvermagazin des Feindes in die Luft geflogen war.
Donnernde Hurrarufe an Deck schreckten den Feind, der denn endlich,
nach langen, opferfordernden Minuten, in regelloser Flucht, im wilden
Durcheinander das Fort verließ.

Mit zwei intakten Maschinenkanonen und den vorderen
Schnellfeuergeschützen sandte der ‚Iltis‘ ihm noch eine Unmenge
Abschiedsgrüße nach. Mit lauten, weithin schallenden Hurrarufen wurden
die Forts besetzt. Der ‚Iltis‘ hatte nach beinahe sechsstündigem hartem
Kampf die Feuertaufe erhalten!

Wie sah aber das gestern noch so schmucke Schiffchen aus! Überall wüste
Zerstörung an den Aufbauten und Schornsteinen, Feuerspuren, Blut und
Leichenteile am Deck. Etwa siebzehn Volltreffer im Schiff und viele
andere durch Granaten, Schrapnelle, Vorderladerkugeln und Sprengstücke
verursachte Schäden! Die Leute zum großen Teil schwarz vom Pulverqualm
und Kohlenteer, zum Teil blutbespritzt, in der als Totenkammer
eingerichteten Abteilung sieben Tote, im Lazarett fünf Schwerverwundete
und fünfundzwanzig Leichtverwundete!

Als dann der ‚Iltis‘ hinausfuhr zur Reede, glich die Fahrt einem
Triumphzug. Beim Passieren der internationalen Flotte wurde das
deutsche Kanonenboot von den in Parade angetretenen Besatzungen unter
Spielen der Nationalhymne mit donnernden Hochrufen begrüßt. Stolz
winkte das Signal vom deutschen Flaggschiff:

    „Iltis nachzueifern sei unser Stolz,
    Ihm gleich zu werden, unser Ziel!“ -- -- --

Dann fiel der Anker -- und der ‚Iltis‘ schlingerte wie sonst, als ob
gar nichts passiert sei, in der bewegten See, und dabei war ein Tag
dahingegangen, der wohl einzig in der Geschichte der deutschen Marine
dasteht. Lebenslänglich wird er für alle Teilnehmer unvergeßlich sein,
da er ein Ruhmesblatt einflocht in den Kranz unserer jungen Marine.
Viel war durch dies an Opfern reiche, siegbringende Gefecht erreicht.

Ein letzter Liebesdienst mußte nun noch den Gefallenen erwiesen werden,
die Bestattung im Seemannsgrabe.

Am nächsten Vormittag wurden die Särge, nachdem sie vielfach angebohrt
und, um schneller untersinken zu können, mit Roststäben beschwert
waren, auf dem Deck aufgebahrt. Die deutsche Flagge deckte die Särge,
und darüber lagen Orden und Ehrenzeichen, Säbel und Seitengewehr. Alle
deutschen Schiffe sandten Abordnungen, dazu kam die Geschwaderkapelle
an Bord, zuletzt alle dienstfreien Offiziere und der Pfarrer.

Dann lichtete der ‚Iltis‘ den Anker zur letzten Fahrt für die
Gefallenen, alle Flaggen wehten auf Halbstock. Fünf Seemeilen weit
ging’s hinaus in die See; hier stoppte das Schiff. Nach einer
ergreifenden Ansprache des Marinepfarrers spielte die Musik, und
gesenkten Hauptes, nassen Auges brachten Matrosen die Särge ans
Fallreep, der Trauersalut knallte als letzter Scheidegruß über die
Meereswogen.

Während der Bootsmann ‚Fallreep‘ pfiff, salutierten die Offiziere,
und die Mannschaft stand still. Bald verschwanden die sieben Särge
auf Nimmerwiedersehen in den Fluten des Gelben Meeres. -- -- „Flaggen
vor! Äußerste Kraft! voraus!“ So nahmen sie Abschied für immer von den
braven Helden, die so ehrenvoll und ruhmreich fürs Vaterland starben! --

Am 27. Juni traf das ehrende Telegramm des Kaisers ein: „Voller Freude
über die Bravour des ‚Iltis‘ und seiner Besatzung bei Taku spreche
ich dem Kommandanten und der Besatzung Meine Anerkennung und Meinen
Kaiserlichen Dank aus. Ich sehe, die Tapfern des alten ‚Iltis‘ sind
neu erstanden, es wird Meiner Marine nie daran fehlen, dessen bin
Ich sicher. Dem Kommandanten, Korvettenkapitän Lans, verleihe ich
Meinen Orden ~pour le mérite~. Für alle Offiziere und Mannschaften sind
Ordensvorschläge telegraphisch einzureichen.

Ehre den Gefallenen!

    gez. Wilhelm I. R.“

       *       *       *       *       *


Deutsches Flottenlied.

    Hurra! Ihr blauen Jungen,
    Wohlauf an Bug und Heck!
    Aus kräft’gen Seemannslungen
    Laßt’s dröhnen übers Deck;
    Laßt brausen durch die Meere
    Den Spruch, dem keiner gleich:
    Mit Gott für Deutschlands Ehre --
        Hurra!
    Für Kaiser und für Reich!

    Hurra! Wir blauen Jungen,
    Wir schirmen jeden Strand,
    Wo deutscher Fleiß errungen
    Ein neues Vaterland;
    In eisigen Nordwinds Schauern,
    Im Südhauch lind und weich
    Stehn wir wie Wall und Mauern --
        Hurra!
    Für Kaiser und für Reich!

    Hurra! Wir blauen Jungen
    Sind Brüder allzumal,
    Uns hält ein Band umschlungen,
    Das fester als von Stahl;
    Denn wo wir auch geboren,
    An Düne, Strom und Deich,
    Wir haben Treu’ geschworen --
        Hurra!
    Für Kaiser und für Reich!

    Hurra! Wir blauen Jungen,
    Wir führen gute Wehr;
    Und wird dereinst gerungen
    Zur See um Sieg und Ehr’,
    Dann stehn wir jedem Rede
    Und zahlen Streich mit Streich;
    Wir scheuen keine Fehde --
        Hurra!
    Für Kaiser und für Reich!

    Hurra! Wir blauen Jungen,
    Wir lachen der Gefahr;
    Zu Häupten, unbezwungen,
    Fliegt uns des Reiches Aar;
    Und sehn den Tod wir winken,
    Wird keiner schwach und bleich,
    Wir rufen noch im Sinken:
        Hurra!
    Für Kaiser und für Reich!

    Reinhold Fuchs.

    (Aus: „Strandgut“. Stephan Geibel, Altenburg.)

[Illustration: I. Geschwader im Sturm.]



Der Pflicht getreu bis in den Tod.


Wenn zur Sommerzeit die Reisenden aus dem Binnenlande die
Reichskriegshäfen aufsuchen, um einen Einblick zu gewinnen in
Deutschlands Flotte, dann beachten sie auf ihren Rundfahrten durch die
Häfen besonders die Torpedoboote, die Blitzboote, die zu Dutzenden an
einer verborgenen Stelle des Hafens zusammenliegen. Ruhig und friedlich
liegen sie beieinander; aber wehe, wenn sie losgelassen werden und in
schneller Fahrt das Wasser durchfurchen! Dann glühen die Feuer, und
der dicke, schwarze Rauch fliegt aus den Schornsteinen, die Sirenen
gellen, und dahin fahren die Boote wie wildgewordene Tiere. Wehe
dem Feinde, dem sie auf kurze Entfernung nahekommen, um auf ihn den
verderbenbringenden Torpedoschuß abzugeben!

Die Torpedoboote bilden eine der jüngsten Waffen der Marine, sie sind
unheimlich und furchtbar. Eine ungemein starke Maschine verleiht
den schlanken und rasch lenkbaren, leicht gebauten Booten eine
große Geschwindigkeit; die Schnelligkeit ist ihre einzige Waffe im
Kampfe gegen Panzerriesen, die die Torpedoboote mit Schnellfeuer und
Maschinengewehren gar leicht in den Grund bohren können.

Wenn die Boote irgendwo im Hafen liegen, steigen die Landratten gern
bewundernd in ihnen hin und her. Die wagemutige Jugend klimmt vergnügt
aus den Innenräumen des Schiffes durch die schmalen Aufgänge, die
nur die Breite eines Mannes haben, ohne zu ahnen, einen wie schweren
und verantwortungsvollen Dienst diejenigen haben, die während der
Friedenszeit ihrer Dienstpflicht auf den Torpedoschiffen genügen
müssen. Nur dadurch, daß immer und immer wieder Offiziere und
Mannschaften im Kampfe mit der See für ihre schwierige Aufgabe --
schneller Angriff auf eine feindliche Flotte im Ernstfall -- geschult
werden, wird diese Waffe das, was sie sein soll: ein wirksamer
Verteidiger unserer bedeutenden Seehäfen.

Die Aufgaben, die unsere Marine den Torpedomannschaften und ihren
Offizieren stellt, sind gewiß keine leichten. Besonders, wenn der
Nordweststurm über die Nordsee fegt und die heranwälzenden Wasserberge
den Schiffen den Garaus bereiten wollen. Bei solchem Wetter brausen
Sturm und See um die Wette. Oft genug fährt bei einer schweren See der
Bug des Torpedobootes steil in die Höhe, um sofort wieder in ein tiefes
Wellental niederzustoßen.

Angstgefühl durchzittert die Rekruten, die zum ersten Male eine solche
Fahrt mitmachen; aber die, welche schon länger dienen, kennen diese
Gefahren. Sie haben sich vertraut gemacht mit dem Gedanken, daß ein
unglücklicher Umstand in solchen Augenblicken, wenn der Wind schaurig
um die Schornsteine und die Signalmasten weht, leicht das Ende
bedeutet. Nur diese fortdauernden mannigfachen Friedensübungen bei
schwierigem Wetter, die Fahrt über die See und die Angriffsübungen auf
die heimische Kriegsflotte ermöglichen es, Großes von der Torpedowaffe
im Ernstfalle zu erwarten. Vom Geist, der die Mannschaften beseelt,
haben Vorkommnisse der letzten Jahre den besten Beweis geliefert. Wir
müssen dieser todesmutigen Männer gedenken, weil auch sie starben für
die Ehre der deutschen Flagge.

[Illustration: Angriff eines Torpedobootes.]

Es war im September des Jahres 1912. Die deutsche Hochseeflotte hatte
Torpedoangriffe abzuwehren. Bei diesen Übungen erhielt das Torpedoboot
G 171 von dem Panzer ‚Zähringen‘ einen so unglücklichen Kammstoß, daß
das hintere Viertel des Torpedoschiffes vom übrigen Teil abgeschnitten
wurde und früher sank, als der größere Teil des Wracks. Im Augenblick
des Zusammenstoßes empfanden die Mannschaften des Torpedobootes, daß
das Schiff seinen Todesstoß erhielt, aber alle blieben während der
unheilschwangeren Minuten in musterhafter Ordnung an ihren Posten.
Die Befehle der Offiziere wurden so ruhig gegeben, als handle es sich
um eine Gefechtsübung, und die Mannschaft führte sie genau und schnell
aus. Nichts von Panik, obgleich die Sendboten des Todes das Schiff
umlauerten. Als in den gefahrdrohenden Augenblicken die Klappen und
Ventile, die Düsen und Sicherheitstüren sich schlossen, zuckte wohl
durch manches Hirn der Gedanke an den Tod, aber zum Ausdruck kam er
nicht.

Gerade dieser peinlichen, getreuen Pflichterfüllung bis zum letzten
Augenblick, die auch die übten, die unten in den Schiffsräumen bei den
Maschinen ihren Dienst versahen, ist es zu verdanken, daß das Wrack
eine Viertelstunde sich über Wasser hielt und fast die ganze Mannschaft
gerettet wurde. Als die gierigen Wellen das Wrack umfaßten, stand die
Mannschaft unter Kapitänleutnant Hoppenstedt am Vorderdeck. Schwimmer
und Nichtschwimmer waren geschieden. Die an der Schiffswand befestigten
Schwimmwesten, soweit sie nicht schon den erregten Meereswogen
zur Beute fielen, wurden verteilt. Die Nichtschwimmer erhielten
die vorhandenen Westen. Und dann ging’s auf Befehl des leitenden
Offiziers Mann für Mann über Bord. Schon eilten die Rettungsboote
der Panzerschiffe heran, um die im Wasser Schwimmenden aufzunehmen.
Hier auf brandendem Meere übten sie Mannszucht; in dem Augenblick, da
das Hinterteil des Schiffes immer tiefer sank und von den gierigen
Meereswogen überspült ward, übten sie noch treue Kameradschaft.

Die kurze Mittagspause, die die Mannschaften in Ruhe genießen sollten,
brachte den unheilvollen Zusammenstoß. Einer der Matrosen, der in
diesem Augenblick aus einem der schachtartigen Niedergänge herauskam,
wurde schwer verletzt. Hilflos lag er auf dem von Meereswogen
überspülten Verdeck. Selbst konnte er sich nicht mehr helfen. Sein
Kamerad, der schon sprungbereit an der Schiffswand stand, um zum
Rettungsboote hinüberzuschwimmen, sah ihn liegen. „Hein! Du kannst ja
mit deinem gebrochenen Arm nicht schwimmen; komm, ich nehme dich mit!“
Ein Mann, ein Wort. Er hat dies gehalten bis zum letzten Augenblick.
Mit seinem Schützling im Arm kämpfte er gegen die Meereswogen, um sich
einen Weg zu bahnen, dem helfenden Boote entgegen. Allein vergebens!
Den Verletzten im Arm, sank er vor den entsetzten und machtlosen
Helfern in die Tiefe, seinen Kameraden getreu bis in den Tod.

       *       *       *       *       *

In den Märztagen des Jahres 1913 ereignete sich ein ähnliches Unglück,
das durch die Größe des Verlustes an Mannschaften das schwerste
Unglück darstellt, das bis dahin die deutsche Torpedoflotte erlitt.
Über siebzig brave Seeleute fanden dabei den Tod, alles junge,
pflichtbewußte Menschen, die im Friedensdienste für das Vaterland ihr
Ende in den Nordseewellen fanden.

[Illustration: Torpedoboot S 178.]

Zur mitternächtigen Stunde erhielt das Torpedoboot S 178 durch
den Panzerkreuzer ‚York‘ einen schweren Stoß, der das Wasser mit
Mächtigkeit und Schnelligkeit in das verletzte Boot hereinströmen ließ.
Einer der Mitfahrenden und wenigen Geretteten schrieb darüber in einem
Zeitungsbericht:

„Das Unglück geschah elf Uhr vierzig Minuten. Ich lag in der Koje und
verspürte den Stoß selbst nicht. Auch als ich Wasser hereinrauschen
hörte, dachte ich schlaftrunken: ‚Das ist wie gewöhnlich bei schwerem
Wetter.‘ Da legte sich das Boot schief nach Backbordseite. Jetzt war
ich bei klaren Gedanken: ‚Reiß dich zusammen!‘ Ich sprang aus der
Koje, tastete nach rechts -- niemand mehr da, ging nach vorn an den
Niedergang und griff dabei links -- niemand mehr da. Ich war also
meiner Meinung nach der Letzte. Das Wasser stieg und stürzte mit
Macht durch den Niedergang. Ich arbeitete mich mit Riesenkräften dem
Wasserdruck entgegen, Stiege für Stiege. Auf der obersten Stufe stand
ich dann bis zum Leib im Wasser und holte tief, tief Atem, wie ein
Schwimmer vor langer Tauchstrecke. Da sank das Hinterteil des Bootes.
Ich wurde in den Wirbel gezogen -- tiefer und tiefer. Da fühlte ich,
daß sich eine Leine um meine beiden Füße gewickelt hatte. Blitzschnell
kam mir der Gedanke: Sollst du hier elend ertrinken? Nein! Mit
verzweifelter Kraft riß ich die Unterhose vom Leibe, wobei die Leine
mit abging, und arbeitete mich hoch. Es dauerte lange, sehr lange,
und als all meine Luft verbraucht war, kam ich an die Oberfläche.
Nicht weit von mir schwamm jemand auf irgendeinem Wrackteile. Ich
schwamm hin und schwang mich mit hinauf. Wir verteilten uns, damit
das Gleichgewicht blieb. Und nun das Drama! Das Vorderteil des
Bootes war noch nicht gesunken, sondern stand schräg aus dem Wasser.
Sämtliche übrigen Menschen standen darauf und schrien durcheinander.
Alles dauerte drei bis vier Minuten. Wir auf unseren Planken krallten
uns im Holze fest. Die See ging über uns und erstarrte uns. Der
Ingenieur gesellte sich zu uns. Und das Boot sank. Wir trieben etwa
dreiviertel Stunden, riefen die naheliegenden Schiffe an -- keine
Rettung. Trotzdem blieben wir vollständig klar bei Sinnen. Des sehr
schweren Wetters wegen konnte von den Linienschiffen kaum ein Kutter
ausgesetzt werden. Ich sagte zu meinem Gefährten: ‚Noch zehn Minuten
tragen uns die Bretter -- dann ist Schluß.‘ Da kam ein Kutter; dreimal
zurückgeworfen, kam er endlich doch heran, und wir flogen hinein.
Jetzt waren wir geborgen, und das Frieren fing an. Der Obermaat hatte
Unterhose und Hemd, der Ingenieur Lederzeug, und ich nur das Hemd an.
Nach halbstündiger Fahrt kamen wir an Bord. Der Unterkörper war wie
abgestorben.“ -- -- --

Nur elf Mann wurden gerettet, die andern fanden den Tod in den Wellen;
alle waren der Pflicht getreu bis in den Tod!

Ehre ihrem Andenken!

[Illustration: Unterseeboot U 11.]



Wichtige Daten zur Geschichte der deutschen Marine.

Die mit Stern (*) bezeichneten Ereignisse sind in dem vorliegenden Buch
in besonderen Abschnitten behandelt.


        1676.              Seegefecht bei Bornholm.

        1683.              Gründung von Groß-Friedrichsburg.

   8. Juni 1848.           Beschluß der National-Versammlung in
                           Frankfurt am Main wegen Gründung einer
                           deutschen Flotte.

   5. September 1848.      Errichtung eines vorläufigen
                           Marinier-Bataillons und Einsetzung einer
                           Marinekommission.

   9. November 1848.       Erste Flottenübung im Jasmunder Bodden.

   5. April 1849.*         Gefecht bei Eckernförde. Wegnahme der
                           ‚Gefion‘.

   4. Juni 1849.*          Seegefecht bei Helgoland.

   2. April 1852.          Beschluß der Bundesversammlung, die Flotte
                           aufzulösen.

  11. November 1852.       Ausgehen des ersten Geschwaders nach Afrika
                           und Südamerika.

  20. Juli 1853.           Vertrag wegen Abtretung des Jadegebietes
                           (Wilhelmshaven).

  25. September 1853.      S. M. S. ‚Danzig‘ im Goldenen Horn.

   7. August 1856.*        Gefecht von Tres Forcas.

  1859 bis 1862.           Ostasiatische Expedition.

  17. März 1864.*          Seegefecht bei Jasmund.

   1. Oktober 1867.        Die Schiffe hissen die Flagge des
                           Norddeutschen Bundes.

  17. Juni 1869.           Einweihung von Wilhelmshaven.

   9. November 1870.*      Gefecht zwischen ‚Meteor‘ und ‚Bouvet‘.

  21. Dezember 1884.       Gefecht im Kamerungebiet.

  13. November 1886.       Eröffnung der zweiten Hafeneinfahrt in
                           Wilhelmshaven.

   3. Juni 1887.           Flottenparade bei der Grundsteinlegung des
                           Nord-Ostsee-Kanals.

  18. Dezember 1888.*      Gefecht von Vailele.

  1888 und 1899.*          Buschiri-Aufstand.

  16. März 1889.*          Strandung von ‚Adler‘, ‚Eber‘ und ‚Olga‘ im
                           Hafen von Apia.

  10. August 1890.         Übernahme von Helgoland.

  28. August 1891.         Eingreifen des Kreuzergeschwaders zum Schutz
                           der deutschen Interessen in Valparaiso.

  20. Juni 1895.           Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals.

  15. Juni 1897.           Tirpitz wird Staatssekretär des
                           Reichs-Marineamts.

  15. November 1897.       Besetzung des Kiautschou-Gebietes.

  17. Juni 1900.*          Eroberung der Taku-Forts.

  22. Juni 1900.           Kämpfe beim Hsiku-Arsenal.

  Dezember 1902     }      Blockade der venezolanischen Küste.
  bis Februar 1903  }

  Januar 1904.             Eingreifen des ‚Habicht‘ im Herero-Aufstand.

[Illustration]



Inhaltsverzeichnis.


Erster Teil.


                                                                   Seite

    Deutsche Flagge. Gedicht von Ernst Scherenberg                     5

    Einleitung                                                         6

    Geschichtlicher Rückblick auf die Zeit der Hanse                   9

    Eine Septembernacht (1845). Gedicht von Emanuel Geibel            31

    Schiffbau und Schiffahrt zur Hansezeit                            35

    Der hansische Kaufmann                                            42

    Der hansische Kaufmann im Auslande                                53
      1. Nowgorod                                                     53
      2. Bergen                                                       57
      3. Spiele der Hansen zu Bergen                                  60
      4. Der Stahlhof in London                                       63

    Die Handelswaren der Hansezeit                                    67

    Der Hauptmann von Wismar                                          73

    Klaus Störtebeker und seine Raubgesellen                          75

    Der Tag von Stralsund                                             85

    Hauptmann Paul Beneke, ein Danziger Seeheld aus der Zeit
        der Hanse                                                     91
      1. Vorgeschichte                                                91
      2. Die Seeschlacht bei Bornholm 1455                            93
      3. Der Tag von Anholt                                           98
      4. Überlistet                                                  101
      5. Die Gefangennahme König Eduards IV.                         104
      6. Der Kampf an der Maasmündung                                106
      7. Das erfolgreiche Ende                                       109

    Ditmar Koel nimmt den Seeräuber Kniphoff gefangen (1525)         113

    Die Seeschlacht bei Gotland -- eine letzte Ruhmestat             122

    Admiral Karpfanger, seine Taten und sein Tod                     126

    Unter dem Adler des Großen Kurfürsten                            133


Zweiter Teil.

                                                                   Seite

    Die Geschichte der deutschen Flotte -- ein kurzer Überblick      141

    Der Tag von Eckernförde (5. April 1849)                          150

    Das Preußendenkmal auf dem Friedhofe zu Gibraltar -- ein
        Erinnerungszeichen an das Gefecht bei Tres Forcas            156

    Die bedeutendsten Ereignisse zur See im Kriege 1864              159
      1. Das Seegefecht bei Jasmund                                  159
      2. Das Seegefecht bei Helgoland                                164
      3. Die Gefangennahme einer kleinen Dänenflotte im Wattenmeer   167

    Die deutsche Kriegsflotte im Seekriege 1870/71                   170
      1. Allgemeiner Überblick                                       170
      2. Auf der Wacht an der Seeküste                               173
      3. Die Kreuzfahrten der ‚Augusta‘                              178
      4. Das Seegefecht bei Havanna                                  181

    Michel, horch, der Seewind pfeift! Gedicht von Gottfried Schwab  185

    Die deutsche Flotte im Kampf um den Kolonialbesitz               187
      1. Ostafrika                                                   187
      2. Die Opfer der Samoainseln                                   192
      3. Die Helden des Kanonenboots ‚Iltis‘                         199

    Die Helden vom ‚Iltis‘. Gedicht von Rudolf Presber               204

    Der neue ‚Iltis‘ vor Taku (17. Juni 1900)                        207

    Deutsches Flottenlied. Gedicht von Reinhold Fuchs                212

    Der Pflicht getreu bis in den Tod                                214

    Wichtige Daten zur Geschichte der deutschen Marine               219



Aus Deutschlands Sagenwelt.


Wode Brausebart.

Nach den alten Volkssagen erzählt von =Wilhelm Kotzde=.

Herausgegeben unter Mitwirkung der Freien Lehrervereinigung für
Kunstpflege in Berlin.

Buchschmuck (12 mehrfarbige Vollbilder, 24 Doppeltonbilder und 28
Vignetten), Vorsatzpapier und Einbandzeichnung von Professor +Ernst
Liebermann+.

Preis in elegantem Ganzleinenband Mk. 3.--.

    =Der getreue Eckart=: „Eines der besten Jugend- und
    Volksbücher, die in neuerer Zeit erschienen sind. Von Liebermann
    ist das Buch mit prächtigem Bildschmuck versehen und vom Verlag
    geradezu musterhaft ausgestattet worden. In dieser Hinsicht gehört
    es wohl zu den schönsten Erscheinungen auf dem Büchermarkte der
    letzten Jahre!“


Herzog Wittekind.

Nach den alten Volkssagen erzählt von =Wilhelm Kotzde=.

Buchschmuck (55 Vollbilder und Zeichnungen, teils ein-, teils
mehrfarbig) von Professor +Ernst Liebermann+.

Preis in elegantem Ganzleinenband Mk. 3.--.

    =Mitteilungen über Jugendschriften=: „Ein Buch, nach Inhalt,
    Stil und Schmuck gleich vortrefflich. Es liegt viel Volksgemüt und
    Volksglaube in diesen Geschichten, deren angemessen schlichte und
    herzerfrischende Darstellung tiefe Kenntnis des Volkslebens verrät.“


Die deutschen Volksbücher.

Gesammelt von =Gustav Schwab=.

Mit zahlreichen Text- u. farbigen Vollbildern von =F.
Müller-Münster=.

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Die Bücher sind durch alle Buchhandlungen erhältlich.


Verlag von Enßlin & Laiblin, Reutlingen.



Vornehme Geschenkwerke für Jungfrauen und Jünglinge.


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Romantische Sage aus der württembergischen Geschichte.

Von =Wilhelm Hauff=.

Mit zahlreichen Text- und Vollbildern von +R. Trache+. Buchschmuck
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    =Volkslesehalle=: „An verschiedenen Ausgaben dieses Werkes ist
    kein Mangel. Die vorliegende zählt wegen des angenehmen Drucks und
    der gelungenen Bilder zu den schönsten.“


Weggefährten.

Ältere und neuere Gedichte, gesammelt von =Wilhelm F. Burr=.

Mit Bildschmuck von +Hans Schroedter+.

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    =Schulwart=: „Diese Anthologie ist mit feinem Verständnis
    zusammengetragen und eignet sich besonders als ein sinniges
    Geschenk für die heranwachsende reifere Jugend. Der künstlerische
    Bildschmuck und die vornehme übrige Ausstattung erheben das Buch zu
    einem Geschenk ersten Ranges.“


Der Frühlingsgarten.

Ältere und neuere Gedichte, gesammelt von =Albert Sergel=.

Mit 26 Tondruck-Vollbildern von Professor +Ernst Liebermann+.

In elegantem Ganzleinenband Mk. 3.--.

    =Kunst und Jugend=: „Diese prächtige Gedichtsammlung zeugt
    von feinem literarischen und pädagogischen Verständnis des
    Herausgebers. Die Zeichnungen Liebermanns sind wieder Meisterwerke
    der Schwarzweißkunst.“


Die Bücher sind durch alle Buchhandlungen zu beziehen.


Verlag von Enßlin & Laiblin, Reutlingen.



Fußnoten:


[1] Verlag von Enßlin & Laiblin, Reutlingen.

[2] In freier Übertragung bedeuten diese Verszeilen: „Gute Gesellen,
haltet es nicht für zu wenig, zu beichten, ehe ihr aufs Schiff geht.
Es war nur kurze Zeit, da verloren wir unser Leben. Ein Vaterunser für
alle Christenseelen.“

[3] Das Nachfolgende hat die Hanse-Brüderschaft beschlossen: wer dieses
Hauses Gerechtsame nicht will tun ohne Widerrede, den soll man auf
diese Tafel schreiben, und soll darauf so lange stehen, bis er dieses
Hauses Gerechtsame getan hat. Bier soll man ihm hier nicht zapfen, so
lange, bis er seine Sache geschlichtet hat.

[4] Es ist gut zugegangen.

[5] Pfennig.

[6]

    Ehre sei Gott, Ehre sei Gott!
    Das sag ich wahrlich ohne Spott.
    Ei, nun kriech in das heilige Paradies,
    Da sollst du schmecken das Birkenreis,
    Ja, Birkenreis haufenweis,
    Soviel, daß 24 Bauern dein Hinterteil können stäupen.

[7] Kaperbriefe.

[8] Nach unserer heutigen Rechnung würde es fast einen Betrag von
300000 Mark ausmachen.

[9]

    Die bunte Kuh aus Flandern kam,
    Das Raubschiff auf die Hörner nahm
    Und stieß es schnell in Stücke.

[10] Knöchel.

[11] Bombarden sind Geschütze des 14. und 15. Jahrhunderts; sie
bestanden aus einem kurzen Rohr, dessen Seele sich nach der Mündung
trichterförmig erweiterte.

[12] Meeresstraße westlich von Rügen.

[13] Deutsche Hanse.

[14] Laßt uns das Schock voll machen, dort kriechen noch viel zu viel
Lausekerle auf dem Wasser herum.

[15] ‚Fredekogge‘ wurde ein Schiff benannt, weil es bestimmt war,
den Frieden auf dem Meere herzustellen oder zu bewahren. Die Koggen
hatten drei Masten und nahezu dreihundert Mann Besatzung. Sie bestand
aus ‚Schiffskindern‘, d. s. Seeleute, die die Segel bedienten und
anknüpften, und ‚Ruters‘, d. s. Söldner, die nur für den Kampf bestimmt
waren.

[16] Die ‚Barsen‘ waren schlanke, schnellgehende Schiffe mit zwei
Masten, halb so groß wie Koggen, ihre Besatzung bestand nur aus
Seeleuten.

[17] Siehe Fußnote auf Seite 91.

[18] Kleine einmastige Fahrzeuge.

[19] Enden.

[20] Ohnegleichen.

[21] Spanische Küstenprovinz.





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