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Title: Cuba
Author: Deckert, Emil
Language: German
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  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

    Der vorliegende Text wurde anhand der 1899 erschienenen Buchausgabe
    so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische
    Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Inkonsistente und heute
    ungebräuchliche Schreibweisen, insbesondere in Ortsnamen, sowie
    fremdsprachliche Zitate, bleiben gegenüber dem Original unverändert.

    Die Seitenüberschriften der gedruckten Ausgabe wurden in den
    elektronischen Versionen als Randnotizen beibehalten und sinngemäß
    dem entsprechenden Absatz jeweils vorangestellt. Fußnoten wurden an
    das Ende des jeweiligen Kapitels verschoben.

    Besondere Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit
    den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:

      fett:     =Gleichheitszeichen=
      gesperrt: +Pluszeichen+
      Antiqua:  ~Tilden~

  ####################################################################



                            Land und Leute

                       Monographien zur Erdkunde



                            Land und Leute

                       Monographien zur Erdkunde

            In Verbindung mit hervorragenden Fachgelehrten

                           herausgegeben von

                               A. Scobel

                                  II.

                                 Cuba

                       =Bielefeld= und =Leipzig=

                    +Verlag von Velhagen & Klasing+

                                 1899



                                 Cuba

                                  Von

                           ~Dr.~ E. Deckert

 Mit 96 Abbildungen nach photographischen Aufnahmen und Kartenskizzen,
                      sowie einer farbigen Karte.

                            [Illustration]

                       =Bielefeld= und =Leipzig=

                    +Verlag von Velhagen & Klasing+

                                 1899



                      +Alle Rechte vorbehalten.+

                Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.



Inhalt.


                                                                   Seite

       I. Die kolonialgeschichtliche Entwickelung bis Mitte des
          XIX. Jahrhunderts                                            3

      II. Die cubanische Krisis in ihrem Zusammenhange mit dem
          cubanischen Volkskörper                                     12

     III. Die cubanische Krisis in ihrem Zusammenhange mit den
          äußeren Beziehungen der Insel                               24

      IV. Das Baracoasche Gebirgsland                                 32

       V. Das Maestragebirgsland nebst der Cautoniederung             44

      VI. Das Hügelland von Camaguey                                  59

     VII. Das Las Villas-Bergland                                     69

    VIII. Habana und sein Isthmus                                     80

      IX. Das Hügel- und Flachland der Vuelta Arriba                  93

       X. Das Stufenland der Vuelta Abajo                            100

      XI. Die Insel Pinos                                            108


    Statistische Übersicht                                           116



[Illustration: Abb. 1. +Typische cubanische Landschaft+
(Yumuri-Thal).]



[Illustration]



Cuba.



I.


Die schönste Insel, welche Menschenaugen geschaut haben -- ~isla la
mas hermosa que ojos hayan visto~ -- nannte Christoph Kolumbus Cuba,
als er, von den landschaftlich unbedeutenden Bahamas heransegelnd, das
Nordostgestade der großen Antille in der Gegend des heutigen Puerto
Nipe am 28. Oktober des Jahres 1492 zum erstenmale betrat, und bei
seinem lebhaften Natursinne wird der berühmte Entdecker während des
ferneren Verlaufes seiner ersten Amerikafahrt nicht müde, die Reize der
Insel in seinem Tagebuche wieder und wieder im einzelnen zu preisen:
die prächtigen Buchten und tiefen Ströme, die dem Schiffer Zugang und
Schutz gewähren, die jäh aufstrebenden Küstenberge, die an die Berge
Siciliens erinnern, die in frischem Grün prangenden weiten Ebenen,
die stolzen Palmen, den Duft der Blüten und Gewürze, den Vogelgesang
(den er für Nachtigallenschlag hielt), und das sanft geartete blaue
Meer, welches das glücklich gefundene Wunderland umflutet -- ~siempre
mansa como el rio de Sevilla~. Und eine ähnlich hohe Bewunderung
wie ihrer Schönheit (Abb. 1 und 4) zollt er dem Reichtume und den
wirtschaftlichen Hilfsquellen der cubanischen Landschaft.

Schwerlich wird auch ein neuerer Reisender, der Cuba besucht und
näher kennen gelernt hat, es unternehmen wollen, die Lobpreisungen
des Kolumbus in irgend einem wesentlichen Stücke Lügen zu strafen.
Der von ihm gehegte Glaube, als ob Cuba Marco Polos vielberufenes
Cipangu (Japan) oder ein Teil des asiatischen Festlandes sei, war
allerdings gleich manchem anderen Glauben des Mittelalters ein irriger,
im großen Ganzen bleibt aber die kolumbische Charakteristik davon bis
auf den heutigen Tag zu Recht bestehen, und was an ihr zu ändern ist,
bezieht sich in jedem Falle nur auf Einzelheiten. Das durch natürliche
Wogenbrecher aus Korallenkalk gebändigte und für die Regel thatsächlich
flußartig ruhige Meer rings um Cuba herum hat nicht selten Momente der
furchtbarsten Aufregung, in denen es Hunderte von Fahrzeugen an den
Küstenklippen zerschellt -- was Kolumbus in der Folge durch eigene
schlimme Erfahrung noch wohl genug beurteilen lernte --, und während
der Goldreichtum der Insel sich bei genauerem Zusehen als ein sehr
beschränkter erwiesen hat, so finden sich Eisenerze, die Kolumbus
gänzlich vermißte, auf ihr in großer Menge und von hoher Güte.

[Sidenote: Cuba im XVI. Jahrhundert.]

Anderweit in der von Kolumbus entschleierten Neuen Welt (Abb. 2 und
3), und vor allen Dingen auch auf der Nachbarinsel Haiti, die nicht
ganz sechs Wochen später aufgefunden wurde, stießen die Spanier auf
ausgiebigere Lagerstätten des edlen Metalles, während die Pracht und
Zeugungskraft der tropischen Natur daselbst eine der cubanischen nahe
verwandte war; und dies war der hauptsächlichste Grund, warum jene
anderen Länder sich bald einer höheren Wertschätzung von ihrer Seite
erfreuten, indes Cuba -- oder wie Kolumbus es ursprünglich nannte:
Juana -- auf Jahrhunderte hinaus einer verhältnismäßigen Nichtachtung
und Vernachlässigung anheimfiel. Zwar wurde im Jahre 1508 Sebastian de
Ocampo entsandt, die Insel zu umsegeln und näher zu erforschen, und
zwar wurde 1511 durch den ehrgeizigen und rührigen Diego Velasquez
die spanische Herrschaft in aller Form darauf errichtet, die an ihren
Küsten begründeten Niederlassungen entwickelten sich aber nur langsam,
und zur Füllung des spanischen Staatssäckels trug Cuba im Gegensatze zu
Haiti sowie zu Mexico und Peru lange Zeit nur ein Geringes ein (an Geld
1515 bis 1534 260000 Pesos). Der Hauptsitz der spanischen Macht über
Westindien befand sich demgemäß auch von vornherein nicht auf Cuba,
sondern in Santo Domingo, auf Haiti, welch letzteres seinen Ehrennamen
Hispaniola -- Kleinspanien -- nicht umsonst führte.

[Illustration: Abb. 2. +Das Grabmal des Kolumbus in der Kathedrale von
Habana.+]

In einer Beziehung konnte Cuba freilich nicht verfehlen, seine
kulturgeographische Bedeutung schon in den ersten Jahrzehnten der
spanischen Herrschaft geltend zu machen: es diente sowohl den
welthistorischen Unternehmungen eines Ferdinand von Cordova und Juan
Grijalva (1518), sowie eines Ferdinand Cortez (1519) gegen Mexico und
Mittelamerika, als auch denjenigen eines Ferdinand de Soto (1539) und
eines Aviles de Menendez (1566) gegen Florida und das Mississippigebiet
als Basis und Ausgangspunkt, und als ein Hauptschlüssel zu der Neuen
Welt -- „~Llave del Nuevo Mundo~“ -- bewährte sich insbesondere die
Position von Habana schon sehr frühe. Der von spanischen Ansiedlern
betriebene Landbau beschränkte sich aber lange auf die Erzeugung der
zu ihrem eigenen Lebensunterhalt nötigen Nährgewächse, und auch die
Zucht der aus Europa eingeführten Nutztiere, die auf den tropischen
Savannen ohne weiteres wohl gedieh, gestattete nur eine vergleichsweise
unbeträchtliche Ausfuhr von Häuten und Fellen, sowie später von Honig
und Wachs. Für die Erzeugnisse, durch welche die Insel nachmals so
reich und berühmt geworden ist, gab es in den Zeiten, die unmittelbar
auf ihre Entdeckung folgten, noch keinen genügenden Markt, und als die
Nachfrage nach ihnen allgemach eine lebhaftere wurde, da hatten Haiti
und Mexico betreffs ihres Anbaues und Absatzes vor Cuba lange Zeit
einen weiten Vorsprung. Was insbesondere das cubanische Rauchkraut
anbetrifft, so lernten die spanischen Ansiedler und Seefahrer den Genuß
desselben allerdings von den Eingeborenen sehr rasch würdigen und von
diesen wieder -- entgegen allen Verboten, welche Könige, Kaiser und
Sultane zur Bekämpfung der bedenklichen Neuerung erließen -- die
christlichen und mohammedanischen Völker der Alten Welt; der Anbau des
Tabaks (Abb. 5) zu Handelszwecken begann aber auf Cuba erst gegen Ende
des XVI. Jahrhunderts, und einen bedeutenderen Umfang gewann derselbe
unter steten Kämpfen mit beengenden Monopolen und Regierungsmaßregeln
sogar erst im Laufe des XVIII. Jahrhunderts. Die Kulturen des
Zuckerrohres und des Kaffeebaumes aber, welche auf Haiti bereits in
den ersten Jahrzehnten der Besiedelung in hohen Schwung kamen, wurden
auf Cuba erst nach der Mitte des XVIII. Jahrhunderts nennenswert. Die
cubanische Tabakausfuhr betrug um das Jahr 1700 kaum mehr als 1000
Centner jährlich, um das Jahr 1750 aber ungefähr 20000 Centner.

[Sidenote: Urbevölkerung und Negersklaven.]

Daß die dem indianischen Arawakstamme zugehörige Urbevölkerung Cubas
gerade so wie diejenige Haitis weder willig noch fähig war, den
Spaniern bei ihrem Kultivationswerke die rücksichtslos geforderten
Frondienste zu leisten, ist bekannt, und bei ihrer Niedermetzelung im
Namen der europäischen Civilisation und des christlichen Glaubens ging
es sicherlich blutig genug zu, immerhin war ihre Ausrottung aber im
Zusammenhange mit den angegebenen Verhältnissen eine weniger rasche
und gründliche als auf Haiti, und im allgemeinen kann man sich dabei
eher an die Ausrottung der neuseeländischen Maori durch die Engländer
-- in den vierziger Jahren des XIX. Jahrhunderts -- oder an
die Seminolenkriege der Nordamerikaner -- 1835 bis 1842 -- erinnert
fühlen. Einige dürftige Reste der unvermischten Urbevölkerung, deren
Zahl die zeitgenössischen Berichterstatter des Kolumbus offenbar weit
überschätzten, fristeten ja in den östlichen Gebirgsgegenden Cubas ihr
Dasein bis auf unsere Tage, und in der cubanischen Landbevölkerung, den
sogenannten Guajiros, ist ein durch seinen Gesichtsschnitt und sein
straffes schwarzes Haar kenntliches halbindianisches Mischungselement
über die ganze Insel verbreitet, wie denn auch einer der Hauptanführer
in dem eben beendigten Kampfe gegen die Spanier -- General Rabi -- als
Sprosse einer alten indianischen Häuptlingsfamilie bezeichnet wird.

[Illustration: Abb. 3. +Der Kolumbus-Gedächtnistempel zu Habana.+]

Die Einführung von Negersklaven begann auf Cuba neunzehn Jahre später
als auf Haiti (1524), und bis gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts
fand dieselbe auch immer in einem viel geringeren Umfange statt als
dort -- ein Hauptgrund, warum Cuba nicht in dem gleichen Maße wie
die Nachbarinsel von dem schwarzen Bevölkerungselemente überflutet
worden ist. Die freiwillige weiße Einwanderung aus Spanien und von
den Kanarischen Inseln war aber in den ersten Jahrhunderten nach der
Entdeckung ebenfalls eine geringfügige, und nur als Jamaica an England
verloren ging (1655), Tortuga nebst dem westlichen Teile von Haiti aber
an Frankreich (1697), und als Spanien sich dadurch genötigt sah, seine
kolonisatorische Kraft in Westindien mehr zu konzentrieren, da erhielt
das weiße Element von jenen Nachbarinseln, sowie von dem Mutterlande
her eine wesentlichere Verstärkung. Alles in allem gab es daher am
Anfange des XVIII. Jahrhunderts erst ungefähr ein Dutzend Ortschaften
auf der Insel, und die Gesamtzahl ihrer Bewohner ist für diese Zeit auf
nicht mehr als 30000 zu veranschlagen.

[Sidenote: Anlage von Befestigungen.]

Was die Entwickelung der Niederlassungen auf Cuba im übrigen
zurückhielt, waren einesteils die dem ganzen westindischen Erdraume
eigentümlichen verheerenden Naturereignisse -- Erdbeben, Orkane,
Überschwemmungen und Sturmfluten --, anderenteils, und in einem viel
hervorragenderen Maßstabe, vielfach wiederholte Einfälle von Piraten
und Freibeutern -- der bekannten Vorhut der Engländer und Franzosen
bei ihren langjährigen Kämpfen mit den Spaniern um amerikanischen
Kolonialbesitz. Dies war aber auf Haiti und Jamaica auch nicht anders,
und gegenüber den Angriffen der Boucaniere ebenso wie der Engländer
bewährte sich Cuba in jedem Falle als ein festerer Hort der spanischen
Herrschaft als diese Inseln. Vor allen Dingen erwuchsen aus jenen
Kämpfen eine Anzahl der stattlichen Bollwerke, die heute Habana
umgeben: die die Hafenfront der Stadt beschützende alte Fuerza, welche
schon De Soto anlegte (1538), der weithin drohende Morro (Abb. 6) und
das demselben gegenüber gelegene Castello de la Printa, die den Eingang
in die Bai bewachen, und die unter Philipp II. aufgeführt wurden (seit
1589), und die ausgedehnte, nur in Bruchstücken erhalten gebliebene
Ringmauer der Stadt, deren Bau 1655 begonnen und 1738 beendigt wurde;
ebenso aber auch der malerische Morro, am Eingange in die Bucht von
Santiago, der in seiner ursprünglichen Gestalt aus dem Jahre 1643 und
in seiner erneuerten Gestalt, nach der Zerstörung durch die Engländer
(1661), aus dem Jahre 1663 stammt.

[Illustration: Abb. 4. +Cubanische Stromuferlandschaft.+]

[Illustration: Abb. 5. +Tabakfeld und Tabakernte.+]

[Sidenote: Cuba im XVIII. Jahrhundert.]

Der höhere wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung Cubas und die
allgemeine Würdigung der Insel als Perle und Königin der Antillen --
~Perla~ oder ~Reyna de las Antillas~ -- reicht nicht weiter zurück,
als in die zweite Hälfte des XVIII. Jahrhunderts, doch heißt es den
Engländern wohl zu viel Ehre anthun, wenn man behauptet, den Anstoß
dazu habe einzig und allein die Einnahme von Habana durch Lord
Albemarle und seine Riesenflotte, sowie die nicht ganz einjährige
Besetzung von Habana und Santiago durch britische Truppen (August
1762 bis März 1763) gegeben. Der zeitweilige Verlust der Insel mußte
allerdings dazu beitragen, sie den spanischen Herzen teurer zu machen,
für die Entwickelung ihrer Fähigkeiten und Reichtümer war es aber
zweifellos bedeutsamer, daß in der zweiten Hälfte des XVIII. und
bei dem Beginn des XIX. Jahrhunderts eine Veränderung der gesamten
Weltlage Platz griff. In erster Linie machte das Zeitalter der
Aufklärung unter Karl III. auch in Spanien seine Wirkung in kräftiger
Weise geltend, und außer der Beschränkung der Inquisition und der
Vertreibung der Jesuiten führte dasselbe sowohl in dem Mutterlande als
auch in den Kolonien mancherlei durchgreifende Reformen hinsichtlich
des Wirtschaftslebens herbei. Sodann befreite sich in den Jahren 1773
bis 1783 die Nordamerikanische Union von der englischen Bevormundung
und dem englischen Joche, und es öffnete sich dadurch den Erzeugnissen
Cubas in unmittelbarer Nachbarschaft ein weites und lohnendes
Absatzgebiet. Unter diesen Erzeugnissen hatte der Tabak um die Mitte
des XVIII. Jahrhunderts den Ruf unübertrefflicher Güte, den er bis
auf den heutigen Tag genießt, fest begründet, während sich für die
Kultur des Zuckerrohres und namentlich für die seit 1795 eingeführten
neuen Varietäten desselben (das Otaheitirohr), weitere und weitere
Roterdestrecken vorzüglich geeignet erwiesen, und auch der Kaffeebaum,
der erst 1748 von Haiti nach Cuba verpflanzt wurde, fand in dem
Hügellande südlich von Habana, sowie an den Gehängen der Sierra de los
Organos, der Sierra de Trinidad und der Sierra Maestra Anbaustätten,
die ihm wohl zusagten. Die Abtretung Floridas an England ferner (1763)
hatte eine weitere Verstärkung des Einwandererzuflusses, sowie einen
bedeutenden Aufschwung der Bienenzucht zur Folge, und in einem noch
größeren Maßstabe bewirkte eine Verstärkung kapitalkräftiger und
erfahrener Kolonisten, sowie ein höheres Aufblühen sämtlicher Zweige
der Pflanzungskultur die Negerrevolution Toussaint l’Ouvertures und die
damit Hand in Hand gehende Vertreibung und Ausrottung der Weißen auf
Haiti (seit 1791). Endlich aber wurde Cuba in den ersten Jahrzehnten
des XIX. Jahrhunderts durch den Abfall von Süd- und Mittelamerika
und Mexico die überseeische Hauptbesitzung Spaniens, und die
kolonisatorischen Fähigkeiten und Bestrebungen hatten sich ihm daher
in einem höheren Grade zuzuwenden als irgend einem anderen Lande. Der
militärische Hauptstützpunkt der Spanier in der Neuen Welt war Habana
schon seit lange gewesen, und nach seiner Zurückerlangung aus der Hand
der Engländer waren sie eifrig darauf bedacht, einem neuen Verluste
desselben durch eine weitere Verstärkung seiner Bollwerke vorzubeugen.
So entstand das Castillo del Principe auf dem die Stadt im Westen
überragenden Hügel, das Altaresfort im Hintergrunde der Bai und die
gewaltige Cabañafestung mit dem Fort San Diego an dem Baiausgange und
der Stadt gegenüber (Abb. 7).

[Illustration: Abb. 6. +Seeseitige Ansicht des Morro von Habana.+]

Freier Handel und Verkehr mit dem Mutterlande und seinen Kolonien
wurde Cuba 1778 zugestanden, freier Handel und Verkehr mit aller
Welt aber erst 1817, nachdem es sich in der Zeit der Napoleonischen
Kämpfe ebenso, wie in der Zeit der süd- und mittelamerikanischen
Befreiungskämpfe als das der spanischen Krone allezeit getreue --
„~siempre fidelissima~“ -- bewährt hatte und bereits in das Stadium
seiner höchsten Blüte eingetreten war.

Um das Jahr 1775 war Haiti in seiner Entwickelung Cuba noch ein gutes
Stück voraus -- mit einer doppelt so großen Bevölkerungszahl, mit
einer fünffach so bedeutenden Zuckerproduktion, mit einem zwanzig-
oder dreißigfach ansehnlicheren Bestande an Kaffee- und Kakaobäumen,
und mit einer ungleich gewaltigeren Ausdehnung seiner Indigo- und
Baumwollenfelder. Die weiße Bevölkerung war aber damals auf Cuba
schon reichlich dreimal so zahlreich als auf Haiti, Habana nennen die
Länderbeschreiber jener Zeit (A. F. Büsching) bereits „die wichtigste
Stadt, welche die Spanier in Amerika besitzen“, und während auf Haiti
die gesamte materielle und geistige Kultur durch die politische
Katastrophe der neunziger Jahre des XVIII. Jahrhunderts in den
furchtbarsten Niedergang geriet, ja gutenteils vollständig vernichtet
wurde, so machte sie auf Cuba von da ab Riesenfortschritte.

[Sidenote: Cubas Aufschwung im XIX. Jahrhundert.]

In den Jahren 1792-1817 erfolgte eine Verdoppelung der cubanischen
Volkszahl von 272000 auf 553000 und in den Jahren 1818-1845 eine
weitere Verdoppelung derselben auf 1112000, so daß der Aufschwung
in dieser Beziehung als ein höherer und rascherer erscheint, als
in den hervorragendsten Staaten der Nordamerikanischen Union, mit
alleiniger Ausnahme von New York. Und im Einklange damit erschienen
auch die wirtschaftlichen Leistungen der Kolonie mehr und mehr in
einem sehr glänzenden Lichte. Die Tabakausfuhr stieg in dem Zeitraume
von 1789-1850 von 56000 Centnern auf 360000 Centner und 94 Millionen
Stück Cigarren (abgesehen von dem in diesem Artikel jederzeit stark
betriebenen Schmuggelhandel), die Zuckerausfuhr wuchs von 1764 bis
1853 von 20000 auf 6,6 Millionen Centner, und die Kaffeeausfuhr war
in den zwanziger und dreißiger Jahren des laufenden Jahrhunderts
bedeutender als die von Java (1830-1835 500000 Centner jährlich). Die
Häfen der Insel, und vor allem derjenige von Habana, belebten sich
mit Tausenden von Fahrzeugen, die meisten älteren Städte gediehen
zu ansehnlicher Größe und Schönheit (Abb. 8, 9 u. 10), und zugleich
gesellten sich ihnen zahlreiche neue zu, und inmitten der sich
weiter und weiter ausdehnenden, mit den genannten Stapelerzeugnissen
bebauten Kulturgefilde erstanden allerwärts mächtige Wirtschafts-
und Fabrikgebäude (Abb. 11 u. 12) sowie freundliche Herrenhäuser und
Quintas. Die natürlichen Savannen nebst den durch das eingeführte
Guinea- und Paragras (~Panicum maximum~ und ~Panicum molle~)
verbesserten Kunstweiden nährten um das Jahr 1850 nahe an eine
Million Rinder, und die Mahagoni- und Cedrelenschlägereien sowie die
Kupfergruben der Provinz Santiago gewährten gleichfalls eine namhafte
Ausbeute. Nicht so bald war in Europa und Nordamerika das Zeitalter der
Eisenbahnen hereingebrochen, so machte sich Cuba auch diese bedeutsame
Neuerung zu nutze, und die Linie Habana-Guines war bereits 1838 im
Betriebe, während der Ausbau des heute auf der Insel vorhandenen
Schienenstraßennetzes in der Hauptsache bis Anfang der sechziger Jahre
bewirkt wurde. Der erste Seedampfer aus Nordamerika war aber schon im
Jahre 1818 in der Bucht von Habana erschienen.

[Illustration: Abb. 7. +Die Cabañafestung nebst der Bucht von Habana.+]

[Illustration: Abb. 8. +Die Indianerinbildsäule im Prado von Habana.+]

[Sidenote: Wirtschaftlicher Aufschwung Cubas.]

Furchtbare Naturereignisse, wie die mit großen Sturmfluten
einhergehenden Orkane von 1768, 1791, 1810, 1844 und 1846, die
starken Erdbeben von 1755, 1766, 1826 und 1852 und die anhaltende
Dürre von 1844 traten auch in dieser Zeit auf, sie vermochten aber
die wirtschaftliche Blüte ebensowenig dauernd zu beeinträchtigen wie
die den Küstenplätzen eigentümlichen Gelbfieberepidemien, und alles
in allem gab es um die Mitte des XIX. Jahrhunderts schwerlich ein
Kolonialland in der Welt, das in einem so hohen Grade wie Cuba ein
Bild rühriger Thätigkeit, allgemeinen Wohlstandes und verfeinerten
Lebensgenusses geboten hätte.

Die Zahl der Zuckerrohrpflanzungen belief sich im Jahre 1850 auf
1442, die Zahl der Kaffeegärten (Cafetales) auf 1618 und die Zahl der
Tabakfelder (Vegas) auf 9102, dabei waren aber um jene Zeit in der
Westhälfte der Insel (westlich von dem Isthmus von Moron) erst ungefähr
acht Prozent und in der Osthälfte sogar nur etwas über drei Prozent von
der Gesamtfläche wirkliches Kulturland, und der Weiterentwickelung des
Wirtschaftslebens schienen auf diese Weise allerwärts noch ungemessene
Räume offen zu stehen.

[Sidenote: Wissenschaftliche Erforschung Cubas.]

Anerkennenswert waren in der Zeit des geschilderten wirtschaftlichen
Aufschwunges auch die Fortschritte, welche die wissenschaftliche
Durchforschung und Kenntnis von der Insel machte. Die Aufnahmen,
welche das spanische hydrographische Amt damals an den Küsten von Cuba
vornahm, durften mit gutem Grunde als mustergültige gerühmt werden, und
im Verein mit den im Inneren bewirkten astronomischen Ortsbestimmungen
führten dieselben im Jahre 1835 zu der Veröffentlichung einer
grundlegenden topographischen Übersichtskarte von der Insel.

Vor allen Dingen aber bewährte sich an der Eingangsschwelle unseres
Jahrhunderts Alexander von Humboldt auch betreffs Cuba als eine Art
zweiter Kolumbus, indem er an der Hand seiner 1801 und 1804 bei Habana,
Guines, Batabano und Trinidad angestellten eigenen Beobachtungen seine
an der Hand der besten anderweit vorliegenden Materialien in seinem
~Essai politique sur l’île de Cuba~ (Paris 1821-1824) ein erstes
kritisches und umfassendes wirtschafts- und kulturgeographisches
Gemälde von der Insel entwarf.[1]

[Illustration: Abb. 9. +Vorstädtisches Matanzas+ (Quintas).]


    [1] In Humboldts Fußstapfen gingen dann andere einher: ein Ramon
        de la Sagra mit seiner ausführlichen ~Historia fisica,
        politica y natural~ (Madrid 1849), ein Felipe Poey mit seiner
        ~Historia natural~ (Madrid 1851), ein Estéban Pichardo mit
        seiner ~Geografia~ (Habana 1854), ein José Maria de la Torre
        mit seinem ~Elementos de Geografia~ (Habana 1856), ein José de
        Pezuela mit seinem ~Diccionario geografico~ (Madrid 1863) --
        nicht zu vergessen der mühevollen kartographischen Leistungen
        eines Estéban Pichardo (21 Blätter) und Francisco Coëllo. Eine
        von der spanischen Kolonialregierung geplante geologische
        Landesaufnahme (1844) scheiterte freilich an den unzureichenden
        Mitteln.



II.


[Sidenote: Tabakbau.]

Man darf behaupten, daß die hohe wirtschaftliche Blüte Cubas bis in
die siebziger Jahre des XIX. Jahrhunderts hinein angedauert habe, und
wenn gewisse statistische Ausweise für die Beurteilung dieser Blüte
maßgebend wären, so könnte man sogar geneigt sein zu glauben, daß es
auch in den achtziger und neunziger Jahren noch sehr glänzend damit
bestellt gewesen sei. Die Zuckerproduktion der Insel erreichte ja im
Jahre 1894 die vordem niemals dagewesene Höhe von 1030000 Tonnen, so
daß sie ein volles Dritteil von der Rohrzuckerproduktion der ganzen
Welt ausmachte, und daß Java, Mauritius u. s. w. darin weit hinter Cuba
zurückstanden. Die Tabakernte betrug bis 1895 im Jahresdurchschnitte
gegen 600000 Centner, und etwa 450000 davon wurde in Gestalt von
Blättern, der größere Teil des Restes aber in Gestalt von Cigarren
(1889 250 Millionen) und Cigaretten (1893 147 Millionen Pakete) in
das Ausland verführt. Die Einwohnerzahl der Insel war im Jahre 1890
auf 1660198 gestiegen, die Zahl ihrer Zuckerfabriken (Ingenios) auf
1119, die Zahl ihrer Tabakpflanzungen (Vegas) auf 8485, die Zahl ihrer
Viehzuchtgehöfte (Potreros) auf 4214, die Zahl ihrer Rinder auf 2,5
Millionen, die Zahl ihrer Pferde, Maultiere und Esel auf 965000 und
der Wert ihrer sämtlichen Landgüter auf 1260 Millionen Mark. In seinem
Ausfuhrhandel aber überragte Cuba (1892 384 Millionen Mark) sowohl
Algerien und Ägypten als auch das Kaisertum Japan, und in dem Hafen
von Habana allein verkehrten 1890 2179 Schiffe (mit 2,6 Millionen
Tonnen).

[Illustration: Abb. 10. +Die Königspalmenallee des Botanischen Gartens
zu Habana.+]

[Illustration: Abb. 11. +Ein Ingenio.+]

[Sidenote: Die Ursachen des Niederganges.]

Ungeachtet dieser Ziffern, die von der Bedeutung und dem Werte der
„Perle der Antillen“ kein weniger glänzendes Zeugnis ablegen als das
Tagebuch des Kolumbus, wurde die Lage in Cuba aber in wirtschaftlicher
ebenso wie in politischer und allgemein kultureller Beziehung während
der letzten Jahrzehnte allgemach eine überaus üble, und man durfte sich
seit geraumer Zeit mit Fug und Recht fragen, ob sie wohl in irgend
einem Lande der Erde eine traurigere sein könne. In Irland war sie
höchstens eine ähnlich traurige.

Der Ursachen, die diese Wendung zum Schlechteren herbeigeführt haben
und die es zugleich auch bewirkt haben, daß die Herrschaft über die
Insel vor unseren Augen den Händen der Spanier entglitten ist, --
dieser Ursachen gab es mancherlei, und mit dem bloßen Hinweise auf das
spanische Mißregiment sind dieselben in jedem Falle nicht erschöpft.

Die berührte starke Bevölkerungszunahme in dem letzten Viertel des
vergangenen und in der ersten Hälfte des gegenwärtigen Jahrhunderts
war, da es sich bei Cuba selbstverständlich immer in erster Linie um
eine tropische Pflanzungskolonie handelte, in ganz hervorragender
Weise durch die in jener Zeit sehr schwungreich betriebene
Negersklaveneinfuhr aus Afrika bedingt, und mehr und mehr gewann dabei
das schwarze Element in dem cubanischen Volkskörper das entschiedene
Übergewicht. So waren im Jahre 1774 nicht ganz 44 Prozent von der
Bevölkerung Neger und Mulatten, im Jahre 1841 aber mehr als 62 Prozent,
und erst als die Sklaveneinfuhr aufhörte -- die Schmuggeleinfuhr nicht
früher als in den fünfziger Jahren --, da trat in diesem Verhältnisse
wieder ein Umschwung zu Gunsten des weißen Elementes ein dergestalt,
daß das letztere bei der Volkszählung 1887 62 Prozent, das Element
der Neger und Mulatten aber nur 35 Prozent von der Gesamtbevölkerung
ausmachte.

[Sidenote: Volksverhältnisse.]

Von einer so hochgradigen Verschwarzung und Afrikanisierung wie
auf Haiti oder Jamaica war also auf Cuba zu keiner Zeit die Rede,
immerhin schritt der Prozeß aber vorübergehend ebensoweit fort wie
in den nordamerikanischen Südstaaten Südkarolina, Georgia, Alabama,
Mississippi und Louisiana, und gewisse schlimme Mißstände konnten
auch hierbei nicht ausbleiben. Die Behandlung der Schwarzen durch
die Weißen war unter der heißen Sonne Cubas im allgemeinen eine
viel mildere und menschenwürdigere oder doch eine viel lässigere
und weniger straffe als in Nordamerika, und im Zusammenhange damit
war die Zahl der Freigelassenen früh eine verhältnismäßig große
(1811: 114000 und 1867: 249000), sowie auch die sociale Scheidewand
zwischen den beiden Elementen nirgends eine sehr strenge und schroffe
und vielfache Vermischungen und Übergänge zwischen ihnen Platz
griffen. Dabei wurde die farbige Rasse natürlich nicht zu einem
unterwürfigen Sinne gegenüber der weißen erzogen, sondern viel eher
zu Unabhängigkeitsgefühl und zu hochfahrendem und unbändigem Wesen.
Zugleich gab es auch jederzeit eine beträchtliche Zahl Entlaufener --
sogenannter Cimarronneger, weil die hellfarbigen Mulatten unter ihnen
die Hauptrolle spielten --, und diese scharten sich in den schwer
zugänglichen Gebirgs- und Sumpfwildnissen allerwärts, namentlich aber
in dem östlichen Teile der Insel, zu mehr oder minder starken Banden
zusammen, teils nach afrikanischer Art ein harmloses und bedürfnisloses
Naturmenschenleben fristend, teils aber auch Weg und Steg bedrohend,
einsame Pflanzergehöfte überfallend, raubend, mordend und brennend,
und eine allgemeine Unsicherheit des Lebens und Eigentums schaffend.
Wiederholt, vor allem in den Jahren 1812, 1829 und 1844, wurden in
dieser freien Negerbevölkerung Cubas auch ähnliche politische Gelüste
und Bestrebungen wach, wie seiner Zeit auf Haiti, und mindestens ein
Aponte ging mit seinem Aufstande (1812) zweifellos darauf aus, nach dem
Vorbilde von Toussaint l’Ouverture und Dessalines eine Mulattenrepublik
oder ein Mulattenkaisertum in Ostcuba zu errichten.

[Illustration: Abb. 12. +Fabrikgebäude eines Ingenio.+]

[Sidenote: Neger und Weiße.]

Ein arbeitslustiges und aus eigenem Antriebe wirtschaftlich rühriges
oder geistig vorwärts strebendes Bevölkerungselement ist das farbige
auf Cuba so wenig gewesen wie anderweit, und ein schweres Hemmnis der
allgemeinen Kulturentwickelung der Insel hat darin immer gelegen,
ganz ähnlich wie in den nordamerikanischen Südstaaten. Daß das
Wirtschaftsleben Cubas ein so überaus einseitiges geblieben ist und
sich heute im wesentlichen nur auf zwei Stapelerzeugnisse erstreckt,
ist vor allen Dingen hieraus zu begreifen. Der Rohrzuckerbau würde
trotz der hohen Gunst des Klimas und der Bodenart schwerlich zu dem
angegebenen großartigen Umfange gediehen sein, wenn die Pflanzer in
den Zeiten, wo sie sich zu der schrittweisen Freigebung ihrer Sklaven
verstehen mußten, nicht darauf bedacht gewesen wären, die schwarzen
Arbeiter gutenteils durch eingeführte chinesische Kulis und durch
gemietete weiße Arbeiter sowie durch Maschinen zu ersetzen; und
die Tabakkultur erhielt sich auf der alten Höhe lediglich dadurch,
daß sie jederzeit ganz vorwiegend in den Händen von weißen und
halbindianischen Kleinbauern (Guajiros) gewesen ist. Zucker- und
Tabakdistrikte sind auf Cuba im allgemeinen keine Negerdistrikte. Die
bis zum Jahre 1840 auf das höchste blühende, von der Negerarbeit aber
schwer unabhängig zu haltende Kaffeekultur geriet in argen Verfall und
vermochte in den letzten Jahrzehnten nicht mehr den Eigenbedarf der
Inselbevölkerung zu decken, und der Kakaobau, der Baumwollenbau, der
Indigobau sowie zahlreiche andere tropische Landwirtschaftszweige,
die durch die Naturverhältnisse recht wohl möglich wären, gelangten
über ein schwaches Anfangsstadium ihrer Entwickelung niemals hinaus.
Desgleichen hielt sich auch der bereits bei der indianischen
Urbevölkerung betriebene Maisbau ebenso wie der Reisbau und der Anbau
anderer Nährfrüchte hauptsächlich der schwer entbehrlichen Negerarbeit
halber in sehr bescheidenem, für die Versorgung der Bevölkerung
unzureichendem Umfange, obgleich Mais, Reis, Bataten, Kartoffeln und
dergleichen auf Cuba alljährlich zwei bis drei Ernten von demselben
Boden gewähren.

[Illustration: Abb. 13. +Cubanische Negerin.+]

Daß Neger und Mulatten auf Cuba bei der ihnen eigenen Arbeitsscheu
nur ausnahmsweise zu wirklichem Wohlstande kamen, und daß sie nach
ihrer, mit gutem Grunde von der spanischen Regierung nur zögernd und
schrittweise vollzogenen Befreiung ein besitzloses städtisches und
ländliches Proletariat (Abb. 13) darstellen, kann hiernach nicht
befremden. Ebenso ist es aber auch nicht zu verwundern, daß die
farbige Bevölkerung allezeit ein ganz besonders williges und eifriges
Instrument jeder auf Unordnung und auf Umsturz der bestehenden
Verhältnisse abzielenden Bewegung gewesen ist, und daß sie auch in
den Revolutionskriegen der Jahre 1868 bis 1878 und 1895-1898 sowohl
eine verhältnismäßig große Zahl der Anführer -- einen Antonio und José
Maceo, einen Quintin Bandera, einen Clotilde Garcia, einen Villanueva,
einen Castillo -- als auch die entschiedene Mehrzahl der wirklichen
Kämpfer und des Trosses in dem Insurgentenheere gestellt hat. Der
große und erfolgreiche Brenn- und Sengzug durch die Zuckerrohr- und
Tabakfelder, den die Insurgenten im Winter 1895 zu 1896 in der ganzen
gewaltigen Längserstreckung der Insel ausführten -- von der äußersten
Ostspitze (Kap Maisi) bis zur Westspitze (Kap San Antonio) ist es
weiter als von der deutsch-russischen bis zu der deutsch-französischen
Grenze (gegen 1200 Kilometer) --, kommt beinahe ausschließlich auf die
Rechnung der Mulatten und Neger.

[Sidenote: Volksleben.]

Die weiße Bevölkerung Cubas entströmte im bemerkenswerten Gegensatze
zu derjenigen der Nordamerikanischen Union in dem gegenwärtigen
Jahrhunderte ebenso wie in allen voraufgegangenen in der Hauptsache
einem einzigen europäischen Lande -- Spanien --, und soweit sich der
Stammesgegensatz zwischen Castiliern, Catalanen, Basken, Andalusiern
u. s. w. von dem spanischen Boden auf den Boden der großen
Antilleninsel verpflanzte, so schwand er daselbst immer sehr rasch.
Es läßt sich demnach kaum eine vollkommenere Einheitlichkeit in
Sprache, Sitte und Lebensart, sowie zugleich im Religionsbekenntnisse
denken, als er unter den cubanischen Weißen herrscht, und ebensowenig
auch eine vollkommenere ethnologische Übereinstimmung zwischen der
Kolonie und ihrem Mutterlande. Man rühmt den Cubanern nach, daß
sie fast durchgängig ein sehr reines Castilisch sprechen. Ebenso
erfreuen sie sich an dem grausamen Spiele des Stiergefechtes mit
seinen buntgekleideten Toreros und Toreras, Banderilleros und
Banderilleras (Abb. 14 und 15), sowie an dem des Hahnenkampfes mit
den damit verbundenen Wetten, an den Glücksspielen des Monte und der
Lotterie, an der Musik der Guitarre, an den Volkstänzen des Fandango
und Zapateado (Abb. 16), und vielfach entfalten sie bei alledem
eine noch größere Leidenschaftlichkeit, als ihre daheim gebliebenen
Stammesbrüder, so daß man behaupten könnte, der heißblütige spanische
Nationalcharakter habe sich in ihnen nur noch weiter gesteigert. Die
Männer tragen breitrandige Sombreros wie in Spanien und die Frauen
schwarze Spitzenmantillas (Abb. 17). Die Häuser von Habana und Santiago
sind von derselben massigen und festungsartigen Bauart wie die von
Toledo und Sevilla, und besseren darunter fehlt nie der blumen- und
palmengeschmückte innere Hof (Patio) sowie die Söllerausstattung
der oberen Stockwerke, nur sind ihre Fenster weiter und statt mit
Glasscheiben mit schwerem Eisengitterwerk verschlossen (Abb. 18, 19
und 20), weil der Luftbedarf darin in dem Tropenklima naturgemäß
ein viel größerer ist. Die Getränke kühlt man in den wohlbekannten
spanischen Alcarrazas (porösen Thonkrügen), während sich im übrigen in
den Trinkgefäßen zum Teil der auch nach dem Mutterlande hinüberwirkende
indianische Einfluß geltend macht (Abb. 21). Die Herrschaft über
die Geister endlich führen in Cuba wie in Spanien Priester und
geistliche Orden, und nur unter den Männern herrscht hier wie dort
eine gewisse Neigung zu Gleichgültigkeit in religiösen Dingen oder zu
ausgesprochenem Freidenkertume.

[Illustration: Abb. 14. +Ein Stiergefecht.+]

Wie bei solcher Übereinstimmung und Einheitlichkeit eine tiefe Kluft
mitten durch die weiße Bevölkerung Cubas hindurchgehen kann, mag auf
den ersten Blick unbegreiflich erscheinen. Die Thatsache läßt sich
aber nicht leugnen und auch die andere Thatsache nicht, daß die Kluft
sich niemals hat überbrücken lassen und daß sie noch erheblich mehr
als die geschilderte Eigenart der farbigen Rasse dazu beigetragen hat,
die materielle und geistige Kulturentwickelung Cubas zum Stillstand
und die spanische Herrschaft über die Insel zum Zusammenbruche zu
bringen. Auch in anderen Kolonialländern, und nicht zum mindesten auch
in der Nordamerikanischen Union -- die in beträchtlichem Umfange bis
auf den heutigen Tag ein Kolonialland geblieben ist --, bildet sich
verhältnismäßig rasch ein Gegensatz zwischen den älteren und neueren
Ankömmlingen, bezugsweise zwischen den im Lande Geborenen und den
Einwanderern, und die letzteren werden von den ersteren vielfach als
„Grüne“ oder „Gringos“ mit mißgünstigen Augen betrachtet, weil sie den
wirtschaftlichen „Kampf ums Dasein“ zu einem härteren und schwierigeren
machen. In Cuba, wo sich dieser Gegensatz bereits in den Zeiten der
Velasquez und Cortez deutlich genug bemerkbar machte, ist er durch
verschiedene Umstände aber zu viel größerer Schärfe und Schroffheit
gediehen, als anderweit.

[Illustration: Abb. 15. +Stierfechter+ (Banderillero).]

[Sidenote: Das Klima Cubas.]

Das cubanische Klima weicht zwar in dem größeren Teile der Insel (im
ganzen Westen und Norden) nicht unwesentlich von dem Typus des normalen
Tropenklimas ab, insofern als die von Nordamerika hereinbrechenden
Nordwestwinde („Nortes“) öfters eine starke Abkühlung mit sich
bringen -- in den höher gelegenen Teilen des westlichen Binnenlandes
gelegentlich bis zur Rauchfrostbildung --, und eben dadurch hat es
die Akklimatisation der weißen Kulturmenschen in einem höheren Maße
begünstigt, als irgendwo sonst zwischen den Wendekreisen. Immerhin
wirkt das Klima außerordentlich erschlaffend auf die Nerven sowie auf
den ganzen Organismus. Das kann jeder, der Cuba besucht, an sich selbst
wohl genug erfahren, auch wenn er sich nur kurze Zeit daselbst aufhält.
Ist doch die Durchschnittstemperatur des Januar (22,2° ~C~) in Habana
immer noch 3,2° wärmer als die Temperatur des Juli in Berlin, die
Durchschnittstemperatur des Juli (28°) aber wenigstens noch 0,2° wärmer
als in New Orleans, und geht doch mit den hohen Hitzegraden an den
meisten Tagen des Jahres, vor allen Dingen aber in der Regenzeit (Mai
bis November), eine große relative Luftfeuchtigkeit und eine starke
elektrische Spannung Hand in Hand.

[Sidenote: Wirkungen des Klimas.]

Die in dem Lande geborenen Kaukasier -- die Kreolen oder die „Cubanos“
schlechthin -- erscheinen unter der Herrschaft dieses Klimas im
großen Ganzen als ein schwächlicher Menschenschlag, dem Thatkraft,
Arbeitslust, Unternehmungsgeist und offener Mut in einem hohen Grade
abgeht, während ihm nicht ohne Grund Arglist und Heimtücke, sowie
Hang zu privater und politischer Ränkespinnerei nachgesagt wird. Am
ehesten noch dürfte man vielleicht hinsichtlich der Frauen behaupten,
daß durch die veränderten geographischen Verhältnisse eine Veredelung
des spanischen Typus herbeigeführt worden sei. Von ihnen werden
aber auch andere Eigenschaften erwartet als von den Männern, und
in dem Schatten der Häuser und Söller vermögen sich dieselben den
klimatischen Einflüssen wenigstens teilweise besser zu entziehen als
jene. Und Trägheit sowie Mangel an geistigem Bildungstrieb macht man
den mit sanften Glutaugen, vollen Körperformen und üppigem Haarwuchs
ausgestatteten Kreolinnen ebenfalls zum Vorwurfe. Übrigens giebt es
natürlich unter den Männern ebenso wie unter den Frauen glänzende
Ausnahmen von der allgemeinen Regel, in den meisten Fällen handelt es
sich dabei aber um Persönlichkeiten, die in der glücklichen Lage waren,
zeitweise unter einem außertropischen Himmelsstriche -- in Spanien
oder in Nordamerika -- zu leben und daselbst ihre Spannkraft mehr oder
minder vollständig zurückzugewinnen.

[Illustration: Abb. 16. +Zapateado.+]

Die neuen Ankömmlinge aus Spanien, die in den letzten Jahrzehnten
namentlich aus den Baskenprovinzen, aus Asturien, aus Galicien und aus
Catalonien in beträchtlicher Zahl ins Land kamen, zeichnen sich, wie
es bei den Auswanderern über See ziemlich allgemein der Fall zu sein
pflegt, sowohl durch robuste Körperkraft als auch durch Willensstärke
aus, und zugleich sind sie außerordentlich erwerbslustig und
betriebsam, während sie betreffs ihrer geistigen Bildung und betreffs
ihrer ethischen Grundsätze in vielen Fällen keineswegs auf einer sehr
hohen Stufe stehen. Dem Klima zahlen sie ihren Tribut in den ersten
Jahren ihrer cubanischen Existenz vornehmlich damit, daß sie von den
bekannten Akklimatisationskrankheiten des Gelb- und Malariafiebers
betroffen und zum Teil dahingerafft werden: soweit sie dieselben
überstehen, bewähren sie sich aber in dem Wirtschaftsleben als ein
sehr rüstiges und tüchtiges, zugleich aber auch den Creolen gegenüber
als ein sehr aggressives und rücksichtsloses Bevölkerungselement.
Allmählich schwindet wohl der Vorrat von Energie, den sie mitgebracht
haben, auch bei ihnen, erst die Kinder aber werden in jeder Beziehung
den Creolen gleich, wie sich dieselben -- meist unter dem Einflusse
ihrer cubanischen Mütter sowie unter dem Einflusse der Bildungsarmut
ihrer spanischen Väter -- auch alsbald als solche fühlen.

[Sidenote: Wirtschaftliche Verhältnisse der Bevölkerung.]

Neben der einfachen geographischen Differenzierung, die in solcher
Weise zwischen den Spaniern und den Creolen -- den „Peninsulares“ und
den „Cubanos“ -- eintritt, geht aber noch eine volkswirtschaftliche
Differenzierung einher. In dieser Beziehung befinden sich die
Creolen im Zusammenhange mit ihrem Volkscharakter großenteils in
keiner günstigen Lebenslage, und die Mehrzahl von ihnen stellt ein
ähnliches Proletariat dar wie die große Masse der Farbigen, mit der
es in beständiger Verschmelzung begriffen ist -- nichts sein eigen
nennend als eine Machete (ein Haumesser zum Zuckerrohrschneiden und
Dickichtlichten) und eine Hängematte, und je nach der gebotenen
Arbeitsgelegenheit oder nach sonstigen Lockungen bald hier, bald da,
aus der Hand in den Mund lebend, nicht gerade selten auch von denselben
Desperado- und Banditenneigungen beseelt, wie ein Teil der Farbigen.
Die Besitzer von großen Pflanzungen unter ihnen sowie auch die Besitzer
von kleineren Landgütern irgend welcher Art sind aber vielfach tief in
Schulden und sehen ihre Liegenheiten infolgedessen oft genug in die
Hände neuer Ankömmlinge, seien dies Spanier oder seien es Amerikaner,
Engländer, Deutsche u. s. w., übergehen. Die eingewanderten Spanier
dagegen gelangen, auch wenn sie ohne eine Peseta (80 Pfennige Nennwert)
in Habana angekommen sind, für die Regel rasch zu einem kleineren oder
größeren Vermögen, und unlautere Mittel haben sie dabei durchaus nicht
unbedingt nötig, wenn sie auch nicht völlig ausgeschlossen sein mögen.
Da der bessere Landbesitz in Cuba seit lange in fester Hand war -- dank
vor allem den großen Schenkungen (~mercedes~) der spanischen Krone an
ihre Günstlinge --, so wandten sich die neuen Einwanderer übrigens
immer beinahe ausschließlich in die Städte, und es vollzog oder erhielt
sich in dieser Weise noch eine weitere Sonderung zwischen ihnen und
den Creolen, sowie zugleich auch eine weitere Vereinheitlichung der
beiden Elemente innerhalb ihrer selbst. In den Städten, und namentlich
in Habana, hatten die Spanier die Oberhand, das Land mit seinen
Estancias (Farmhäusern), Bohios (Palmstrohhütten) und seinen Petreros
(Viehzuchtgehöften) war aber rein creolisch (Abb. 22 und 23) -- ein
Umstand, in dem jederzeit die größte Stärke der Insurrektionsbewegungen
gelegen hat.

[Illustration: Abb. 17. +Cubanisches Mädchen im Patio.+]

[Sidenote: Spanische Politik.]

Daß sich Creolen und Spanier auf Cuba seit geraumer Zeit wie zwei
feindliche Lager gegenüber gestanden haben und gegeneinander von
bitterem Hasse erfüllt gewesen sind, und daß sich der Spruch „Blut
ist dicker als Wasser“ an ihnen schlecht genug bewährt hat, darf nach
diesen Ausführungen nicht wunder nehmen, und die Einheitlichkeit und
Geschlossenheit der beiden Elemente in sich mußte eher dazu beitragen,
die Schroffheit des Gegensatzes zu steigern, als sie zu mildern.
Mindestens wurde es der spanischen Regierung dadurch schwer gemacht,
den Creolen gegenüber den alten Herrschergrundsatz des „~Divide
et impera~“ in Anwendung zu bringen, und zweifellos würden sich
Nativisten und Einwanderer in der Nordamerikanischen Union auch in viel
bedenklicherer Weise gegenüber stehen, wenn sie statt aus einer bunten
Vielheit von Nationalitäten aus einer einzigen beständen.

[Illustration: Abb. 18. +Typisches spanisches Haus.+]

[Sidenote: Nationalcharakter und Aufstand.]

Die Gefährlichkeit des Zwiespaltes wurde aber auf Cuba noch sehr
bedeutend erhöht dadurch, daß die spanische Regierung sich bei ihrer
Politik immer rückhaltslos auf den Einwanderernachschub aus dem
Mutterlande gestützt und die höheren Verwaltungsämter vorwiegend mit
Spaniern von Geburt besetzt hat. Dabei mußte den Creolen wohl oder
übel viel schweres Unrecht geschehen, auch wenn die Beamten jederzeit
wirklich fähige und moralisch fleckenlose Männer gewesen wären, was
nicht behauptet werden kann. Das ganze Hispaniertum aber mußte den
Creolen als eine wohlorganisierte Macht erscheinen, die in erster
Linie darauf ausging, sie zu bedrücken, und das schöne Land, das sie
kraft ihrer Geburt als das ihrige ansahen, in jeder Weise auszusaugen.
Naturgemäß strebten sie also gleichfalls danach, sich zu organisieren,
und in den Geheimbünden der „Soles de Bolivar“ (1823) und der „Aguila
Negra“ (1829) zielte dieses Streben bereits auf die Beseitigung
der spanischen Herrschaft ab, während es in der von Narciso Lopez
geleiteten Erhebung von 1848-1851 für diese Herrschaft zum erstenmale
wirklich bedrohlich wurde. Die spanische Regierung hat demgegenüber
ihr Heil darin gesucht, daß sie den Generalstatthalter von Cuba mit
diktatorischer Gewalt bekleidete, daß sie das Versammlungs- und
Vereinsrecht, sowie das Recht der Presse in engen Schranken hielt,
daß sie eine starke militärische Besatzung auf die Insel warf (in
Friedenszeiten bis 30000 und in Kriegszeiten bis 200000 Mann), daß sie
die vorwiegend aus Einwanderern zusammengesetzte Truppe der sogenannten
Freiwilligen („Voluntarios“) schuf, daß sie zahlreiche Verschwörer
und politischer Umtriebe Verdächtige aus dem Lande verwies und daß
sie in den Zeiten des Aufruhrs unbedenklich zu Masseneinkerkerungen
und Massenhinrichtungen schritt. Wir erinnern in letzterer Hinsicht
namentlich an das Erschießen der acht Studenten von der Universität
Habana (1871) und der 53 Leute von dem amerikanischen Dampfer Virginius
(1873). Der Erfolg, den die Regierung mit diesen Maßregeln gehabt
hat, ist aber ein sehr schlechter gewesen, und zu Zeiten sind ihr die
Zügel dabei völlig aus der Hand geraten, um von dem „Casino Español“
(dem „Spanischen Vereine“), sowie von den „Voluntarios“, also von
den Einwanderern selbst, ergriffen zu werden. Wurde doch sowohl ein
General Dulce (1870) als auch ein Marschall Campos (1896) von ihnen
zum Rücktritt und zur Rückkehr nach Spanien gezwungen, als sie ihnen
nicht scharf und rücksichtslos genug gegen die Insurgenten vorzugehen
schienen, und feuerten doch die Voluntarios ohne jeden Befehl auf die
Besucher des Villanueva-Theaters. Als der große Aufstand von 1868-1878
durch den Vertrag von Zanjon beigelegt war, suchte die Regierung
zu Madrid den inneren Frieden und die Ordnung auf Cuba dadurch zu
befestigen, daß sie die Insel für eine spanische Provinz erklärte
und ihr als solcher „alle Freiheiten Spaniens“ zugestand, und seit
dieser Zeit haben 16 cubanische Senatoren und 30 Abgeordnete in den
spanischen Cortes Sitz und Stimme gehabt. Den Wünschen und Ansprüchen
der Creolen ist aber auch damit keine Genüge geschehen, denn trotz der
viel geringeren Zahl der Peninsulares, die zu derjenigen der Creolen
etwa wie 1 : 4 stehen dürfte, haben diese bei den Wahlen in der
Regel den Sieg davongetragen, und überdies haben die Vertreter Cubas
natürlich in den Cortes niemals etwas anderes darstellen können, als
eine kleine Minorität, die einen entscheidenden Einfluß betreffs
des Schicksals der Insel unmöglich geltend machen konnte. Es kam
daher im Februar des Jahres 1895 zu einer neuen großen Erhebung,
und der Katastrophe, die dadurch herbeigeführt worden ist, hat die
Bewilligung einer weitgehenden Autonomie -- nach Art der canadischen
--, zu der sich die spanische Regierung endlich entschloß, nicht mehr
begegnen können. Daß die hervorragendsten und energischsten Führer in
diesem letzten Kampfe meist keine cubanischen Creolen waren, sondern
Mulatten und Ausländer -- Maximo Gomez Dominganer, Suarez Mexicaner,
Roloff Pole, Vargasa Chilene, Castello Colombaner u. s. f. --, ist
bekannt. Das steht in vollkommenem Einklange mit dem geschilderten
Nationalcharakter und war in den vorausgegangenen Insurrektionskämpfen
auch nicht anders, denn Narciso Lopez war Venezuelaner, und Maximo
Gomez bewährte sich auch schon in den Jahren 1873 bis 1878 als der
scharf blickende, verwegene und rücksichtslose, mit seinen eigenen
Kampfmitteln, sowie mit der Gefechtsart seiner Gegner und mit der
tropischen Landesnatur wohlvertraute Obergeneral. Echte cubanische
Creolen waren dagegen die Häupter der republikanischen Regierung des
„Freien Cuba“ („Cuba Libre“) -- S. Cisneros und B. Masso --, die sich
während des Kampfes schattenhaft im Hintergrunde gehalten haben,
sowie die überaus rührigen Vertreter dieser Regierung in Washington
und New York -- Estra da Palma und Gonzalez de Quesada --, und die
große Masse der Creolen ließ den Aufständischen allenthalben, wo sie
konnte, gern jede geheime Förderung und Unterstützung zu teil werden,
dadurch der aufgebotenen Militärmacht der Spanier ohne Zweifel ungleich
gefährlicher, als wenn sie ihr im offenen Felde gegenüber gestanden
hätte.

[Illustration: Abb. 19. +Habanas Häuser und Höfe+ (Patios) +von oben+.]

[Sidenote: Chinesen, Amerikaner und Engländer.]

Die chinesischen Kulis, deren Zahl sich zur Zeit etwa auf 50000 (gegen
3 Prozent der Gesamtbevölkerung) beläuft, haben den Zweck, zu dem
sie seit 1847 eingeführt worden sind, im allgemeinen gut erfüllt und
sich in den Zuckerrohrpflanzungen und Zuckerfabriken als geschickte
und fleißige Arbeiter bewiesen, so daß das Fortblühen des wichtigsten
cubanischen Wirtschaftszweiges ihnen in sehr bemerkenswertem Maße mit
zu verdanken ist. Reichtümer haben sie aber unter den obwaltenden
Verhältnissen als Plantagenarbeiter ebensowenig gesammelt als in
anderen Geschäftsbetrieben, denen sie sich nach Ablauf ihres Kontraktes
etwa zuwandten -- als Handwerker, Gemüsegärtner, Straßenverkäufer
(Abb. 24) u. s. w. --, und zu dem cubanischen Proletariate stellen sie
eine auffällig große Anzahl der allerelendesten und beklagenswertesten
Bettlerfiguren. Loyalität dem spanischen Regiment gegenüber war
natürlich von ihnen noch weniger zu erwarten als von den Negern,
Mulatten und Creolen, und da sie in politischer Beziehung einfach
mit dem Strome schwimmen, so sind sie auch in dem Insurgentenheere
verhältnismäßig stark vertreten gewesen, zwar nicht unter den Kämpfern,
wohl aber unter den Köchen, Trägern und dergleichen.

[Illustration: Abb. 20. +Cubanisches Fenster.+]

Eine ungleich bedeutsamere Rolle haben aber in der neuesten Phase der
Kulturentwickelung Cubas die weißen Nichtspanier gespielt, die auf
der Insel ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben, wenn deren Zahl sich
insgesamt auch nur auf etwa 11000 beläuft. Dieselben haben sowohl
einen großen Teil der Kapitalkraft in dem cubanischen Wirtschaftsleben
vertreten, als auch zugleich einen großen Teil des darin wirksamen
Unternehmungsgeistes, und sie sind es deshalb in ganz hervorragender
Weise gewesen, die seinen eigentlichen Niedergang verhindert haben. Vor
allem gilt dies von den Amerikanern aus der Union, die bei den regen
Handels- und Verkehrsbeziehungen ihres Landes zu Cuba besonders stark
darunter vertreten sind und in deren Händen sich nicht bloß zahlreiche,
mit Maschinen auf das vorzüglichste ausgestattete Ingenios befinden,
sondern auch die schwungreich betriebenen Eisen- und Manganerzminen,
sowie verschiedene große Südfruchtpflanzungen. Nicht minder gilt es
aber auch von den Deutschen, deren Kolonie zu Habana die stattlichste
nichtspanische Kolonie der ganzen Insel ist, und die namentlich einen
beträchtlichen Teil der Tabakverarbeitung und Tabakausfuhr sowie der
Zuckerausfuhr bewirken. Engländer leben zwar nur wenige auf Cuba, ihr
Kapital ist aber bei dem Baue und Betriebe der cubanischen Eisenbahnen
in der hervorragendsten Weise beteiligt. In den Revolutionswirren
haben die weißen Nichtspanier sich der aktiven Parteinahme um so
leichter enthalten können, als sie vorwiegend in den Städten oder doch
außerhalb der Machtsphäre der Aufständischen lebten. Dies hat aber
nicht verhindert, daß sie an den Mißständen der Verwaltung gelegentlich
sehr herbe, zum Teil vielleicht ungerechte Kritik übten, und von dem
amerikanischen Elemente könnte man in dieser Beziehung sogar behaupten,
daß es dadurch ein Wesentliches mit dazu beigetragen habe, die letzte
große Katastrophe heraufzubeschwören. Die amerikanischen Konsuln
waren jedenfalls so gut wie ausnahmslos entschiedene Parteigänger der
Insurrektion.

[Illustration: Abb. 21. +Gebrauch des cubanischen Wasserkruges.+]



III.


[Sidenote: Rückgang der Zuckerpreise und der Tabaksindustrie.]

Weitere Schwierigkeiten für die Kulturentwickelung Cubas und für die
volle Geltendmachung der ihm inne wohnenden Fähigkeiten haben sich aus
der fortschreitenden Entwertung seiner beiden Hauptstapelerzeugnisse
ergeben. Dem Rohrzucker ist in dem Rübenzucker ein übermächtiger
Konkurrent erstanden, und die Zuckerpreise sind dadurch gegen früher
auf ihren vierten oder fünften Teil gesunken. Den Pflanzern blieb
dabei ein spärlicher oder unter Umständen wohl gar kein Gewinn, und
viele würden die Kultur sicherlich ganz aufgeben, wenn sie sich
nicht durch die beschriebenen Arbeiterverhältnisse und durch den
aufgebotenen kostspieligen Apparat der Maschinen und Baulichkeiten
gezwungen sähen, auf der einmal betretenen Bahn zu beharren. Hat doch
die Einrichtung mancher cubanischer Ingenios mehr als eine Million
Dollars gekostet. Wie ungünstig die Notlage der Pflanzer auf die
Lage der übrigen Volksklassen, und besonders auf die Lage des weißen
und farbigen Proletariats zurückwirkte, ist aber ohne weiteres zu
ermessen: die Löhne der Pflanzungsarbeiter wurden niedrigere, der
Luxus und der Geldaufgang in den Städten schwand, es bot sich in Land
und Stadt seltener Arbeitsgelegenheit, und die Zahl der Bettler und
Desperados mehrte sich in erschreckender Weise. Das war auf den anderen
westindischen Zuckerinseln, und vor allem auf denen, die der britischen
Krone unterstehen -- auf St. Christopher, Antigua, Barbados u. s. w.
-- genau ebenso. Dort betraf die allgemeine Verarmung aber viel
kleinere Volksmassen, deren Klagen leichter überhört wurden und denen
es zu bedrohlichen politischen Demonstrationen sowie zu bewaffneten
Aufständen gegen das vermeintliche oder wirkliche Mißregiment an der
Kraft fehlte. Auf Cuba war das anders, und dort hat die Zuckerkrise
zweifellos ganz wesentlich mit dazu beigetragen, daß der letzte
Aufstand die bekannte gewaltige und für Spanien verhängnisvolle
Ausdehnung angenommen hat.

Nicht viel besser als um die Zuckerindustrie war es übrigens in den
letzten Jahrzehnten um die cubanische Tabakindustrie bestellt, und an
diesem Erwerbszweige hing ebenfalls unmittelbar oder mittelbar das
Wohl und Wehe von einem starken Bruchteile der Inselbevölkerung. Das
Volumen der Ernte und die Güte des Erzeugnisses hielt sich zwar trotz
der Erschöpfung weiter Anbaustrecken im allgemeinen auf der alten
Höhe, die damit erzielten Preise wurden aber durch die Konkurrenz
anderer Tabakländer (Sumatras, Manilas, Mexicos) immer gedrückter,
und dem zu Cigarren und Cigaretten verarbeiteten Kraut wurden durch
die Schutzzollsätze der Absatzgebiete (der Vereinigten Staaten,
Deutschlands u. s. w.) in beträchtlichem Umfange der Eingang verwehrt,
so daß die Zahl der ausgeführten Cubacigarren von 250,5 Millionen
im Jahre 1889 auf 147,4 Millionen im Jahre 1893 sank. Dabei war die
Tabakbauerbevölkerung sowie auch die Cigarrenarbeiterbevölkerung von
jeher eine ganz besonders stark zur Illoyalität geneigte Volksklasse,
und Tabakunruhen sind bereits in den ersten Jahrzehnten des XVIII.
Jahrhunderts zu verzeichnen gewesen.

[Illustration: Abb. 22. +Eine Estancia.+]

[Sidenote: Wachsen der Schulden.]

Sehr schlimm war es sodann für Cuba und seine Bewohner und Herren,
daß durch die wiederholten Aufstände und namentlich durch den
langwierigen Bürgerkrieg der sechziger und siebziger Jahre eine
ungeheure öffentliche Schuldenlast (gegen 750 Millionen Mark)
auf die Insel gehäuft wurde und daß die Verzinsung dieser Schuld
zusammen mit dem Aufwande für das Verteidigungswesen (1894: 77,6
Millionen Mark) den weitaus größten Teil der öffentlichen Einnahmen
(1894: 80 Millionen Mark) verschlang. Für öffentliche Kulturarbeiten
und Verbesserungen jeder Art blieb auf diese Weise so gut wie gar
nichts übrig, und vor allen Dingen hatte man sowohl von der Anlage
eines guten Landstraßennetzes als auch von dem weiteren Ausbau des
Eisenbahnnetzes abzustehen -- von der sehr wünschenswerten und
technisch ohne erhebliche Schwierigkeit ausführbaren Kanaldurchstechung
an dem niedrigen Isthmus von Moron zu geschweigen. Und doch hätte
man hierin das allerbeste Mittel gewonnen, das danieder liegende
Wirtschaftsleben unmittelbar kräftig zu fördern, das Banditenwesen
auszurotten, aufständischen Bewegungen wirksam zu begegnen und den
inneren Frieden nach allen Richtungen hin zu befestigen. Gewisse
Landungserleichterungen hätten gleichfalls not gethan, obgleich
Cuba mit Naturhäfen so wohl ausgestattet ist, wie kaum ein anderes
Land der Erde, und desgleichen auch gewisse Stromkorrekturen und
Schutzdammbauten gegen die Überschwemmungen der Regenzeit, die
Entwässerung großer Sumpfstrecken, die systematische Sanierung der
Städte und dergleichen, und auch diese Ameliorationen hätten mancherlei
dazu beitragen können, eine mit ihrem Schicksal zufriedene und zum
Aufruhr weniger geneigte Bevölkerung zu schaffen. Dazu hatte die
öffentliche Schuld natürlich einen starken Steuerdruck zur Folge,
und wenn derselbe auch in der Gestalt direkter Abgaben nicht sehr
empfindlich war, so war er es doch in der Gestalt hoher Eingangszölle
auf die notwendigsten Lebensbedürfnisse. Beispielsweise hatte das
Weizenmehl dadurch in Cuba nahezu einen dreifach so hohen Preis als in
der Nordamerikanischen Union.

[Illustration: Abb. 23. +Ein Bohio und seine Bewohner.+]

[Sidenote: Schwächen der Verwaltung.]

Daß die üble Finanz- und Wirtschaftslage auch überaus nachteilig auf
den Charakter der Verwaltung einwirken mußte, ist selbstredend. Die
spanische Beamtenschaft auf Cuba wurde schlecht und unregelmäßig
bezahlt und war deswegen auch großenteils von zweifelhafter moralischer
und intellektueller Beschaffenheit -- ein wenig geeignetes Instrument
des Kolonialregiments bei der ihm obliegenden schweren Aufgabe. An
zahllosen Orten suchte persönliche Schurkerei im Trüben zu fischen, und
Bestechlichkeit der schlimmsten Art machte sich nicht bloß breit in den
Zollhäusern, sondern auch in dem Polizeiwesen und in den Gerichtssälen.
Eine wahre Pest des Landes waren vor allen Dingen die allenthalben
umherschleichenden Winkeladvokaten, die das Recht nach jeder beliebigen
Richtung beugten. Auch selbst an oberster Stelle -- auf dem Posten des
Generalstatthalters -- hielt man sich nicht immer frei von dem Vorwurfe
selbstsüchtiger Bereicherung, und außerdem waltete an dieser Stelle in
vielen Fällen offenkundige Unfähigkeit. Es spielte in dieser Beziehung
namentlich die Günstlingswirtschaft einer Isabella II. unheilvoll in
die cubanischen Verhältnisse hinein. Die Verbitterung der ohnedies
schon unzufriedenen Volksklassen gegenüber Spanien stieg hierdurch aber
auf das höchste, und die große Mehrzahl erblickte in dem korrupten
Beamtentum die Wurzel aller Übel.

Ganz undenkbar war endlich unter den obwaltenden Verhältnissen auch
ein rüstiges Fortschreiten der wissenschaftlichen Durchforschung der
Insel im Geiste der neuen Zeit, und was in dieser Richtung von seiten
der Verwaltung geschah, war im allgemeinen nur dazu angethan, zu
hemmen und zu hindern. Selbst eine genaue Arealvermessung und eine
einigermaßen zuverlässige topographische Kartierung unterblieb, und
ebenso unterblieb auch die Vervollständigung der in besseren Zeiten
rühmlich begonnenen Küstenaufnahme. In Bezug auf den geologischen
Bau stellten Pedro Salterain und F. de Castro Anfang der achtziger
Jahre verschiedene wichtige Thatsachen fest, die darauf begründete
geologische Karte hat aber nur den Wert einer vorläufigen flüchtigen
Skizze. Nicht hoch genug können ferner die sorgfältigen Beobachtungen
angeschlagen werden, welche der Jesuitenpater Benito Viñes von dem
Belen-Kolleg Habanas durch eine lange Jahresreihe betreffs der
meteorologischen Erscheinungen angestellt hat: außerhalb Habanas
geschah aber auch in dieser Richtung seit den vierziger Jahren nicht
das Geringste, und unsere Kenntnis von der Insel hatte daher in Bezug
auf das Klima im wesentlichen auf der Stufe zu verharren, auf der
es bereits in Zeiten des Humboldtschen „~Essai politique~“ (1824)
angelangt war.[2]

[Illustration: Abb. 24. +Chinesischer Straßenverkäufer.+]

[Sidenote: Verwaltungspolitik.]

[Sidenote: Militärische Unkenntnis.]

Auf die Handhabung der cubanischen Probleme ganz im allgemeinen --
der verwaltungspolitischen ebenso wie der militärischen -- mußte
der üble Stand der cubanischen Landeskunde gleichfalls überaus
nachteilig zurückwirken, und man darf in dieser Hinsicht das alte
gute Wort anwenden: „Wen der Herr verderben will, den schlägt er mit
Blindheit.“ Wie hätten die Regierenden im Mittelalter -- die Cortes
und die Ratgeber der spanischen Krone -- die zweckentsprechenden
Entschließungen in Bezug auf ihren kostbaren Kolonialbesitz fassen
sollen, da sie so schlecht über ihn unterrichtet waren! Und wie hätten
ihre Beauftragten in Habana und in den anderen Hauptstädten Cubas den
Bedürfnissen der Bevölkerung bei ihren Maßregeln genügend Rechnung
tragen sollen! Regierende sollen eben vor allen Dingen Wissende sein,
und wenn sie das nicht sind, so begehen sie, auch wenn sie von den
besten Absichten und der stärksten Willenskraft beseelt sind, Irrtum
auf Irrtum und Mißgriff auf Mißgriff, bis das ganze ihnen anvertraute
Räderwerk ins Stocken gerät oder zerbricht. Des Schandregimentes einer
Isabella II. und der Schwächen und Schwankungen aller nach ihrem Sturze
folgenden spanischen Regierungen -- die gegenwärtige eingeschlossen --
hätte es also gar nicht bedurft, um die cubanischen Angelegenheiten
in jeder Beziehung im argen zu lassen. Was die Verwaltungspolitik
anlangt, so wurzelte in der herrschenden Unkenntnis insbesondere auch
das zähe Festhalten an gewissen Grundsätzen des alten Kolonialsystems.
Man suchte dem Mutterlande das Handelsmonopol früherer Zeiten so viel
als möglich zu erhalten, indem man Schiffahrtsgesetze erließ, nach
denen die in den cubanischen Häfen verkehrenden spanischen Schiffe im
Gegensatze zu den Schiffen anderer Völker als Küstenfahrer galten, und
indem man zugleich ein überaus lästiges und den Handelsinteressen der
Cubaner zuwiderlaufendes Differential-Schutzzollsystem aufrichtete.
Und ein Teil der oben angegebenen gemeinnützigen Werke -- namentlich
ein Teil der Straßenbauten -- hätte wohl trotz der Finanznot ausgeführt
werden können, wenn betreffs derselben nicht zugleich ein hoher Betrag
von Gleichgültigkeit und Stumpfsinn, -- den unmittelbaren Äußerungen
jener Unkenntnis -- obgewaltet hätte. Was aber die militärischen
Probleme angeht, mit denen man es zu thun hatte, so befanden sich die
spanischen Heerführer bei dem Mangel an einer guten topographischen
Karte und an anderweiten eingehenden Informationen über Land und Leute
in einer sehr üblen Lage, und wenn ihre Operationen gegenüber den
über einen ausgezeichneten ortskundigen Ausspäherdienst verfügenden
Insurgenten den Eindruck eines vorsichtigen Tappens und Tastens im
Dunklen machten, so brauchte man sich darüber eigentlich nicht zu
wundern. Die wilde Zerklüftung und der Höhlenreichtum der cubanischen
Gebirge, der dichte Buschwuchs der sogenannten „Manigua“ und die
zahlreichen Waldsümpfe mit den sich darin bietenden Schlupfwinkeln
machten ein sorgfältiges militärgeographisches Studium doppelt
unentbehrlich. Und ebendasselbe wie von dem Inneren gilt auch von
der Küste. Durch die lange Ausgezogenheit derselben (auf 3500 ~km~
im allgemeinen Umriß) und durch das verwickelte System der sie
begleitenden Nebeninseln und Bänke und Riffe, sowie der sie umflutenden
Strömungen lagen auch dort die Verhältnisse ungemein schwierig.
Während die Aufständischen aber daselbst in der creolischen und
farbigen Fischerbevölkerung allenthalben dienstbereite und mit dem
Fahrwasser wohlvertraute Piloten fanden, so tasteten die Befehlshaber
der spanischen Kanonenboote auch dort vielerorten in einem unbekannten
und dunklen Labyrinthe umher, und die bekannten Flibustierexpeditionen
aus den Häfen der Vereinigten Staaten, sowie alle anderen Parteigänger
der Insurrektion hatten auf diese Weise in den allermeisten Fällen
völlig unbehinderten Aus- und Eingang. Alles in allem aber darf man
behaupten, daß bei besserer Landeskenntnis der spanischen Offiziere das
Aufgebot einer viel geringeren Truppenzahl ausgereicht haben würde,
die Aufstände niederzuwerfen, und daß also das Dahinsterben von vielen
Tausenden durch klimatische Krankheiten hätte vermieden werden können.
Zugleich hätte die Kriegsleitung es dann aber auch nicht nötig gehabt,
zu der harten Maßregel der sogenannten „Rekonzentration“ zu greifen,
wodurch ein großer Teil der Landbevölkerung dazu gezwungen wurde, sich
ohne genügende Subsistenzmittel in den von den spanischen Befestigungen
beherrschten Außenteilen der Städte anzusiedeln (Abb. 25), und wodurch
bei dem weiteren unglücklichen Verlaufe des Kampfes Tausende dem
Hungertode preisgegeben wurden.

[Illustration: Abb. 25. +Reconcentrados-Dörfchen am Montserrat von
Matanzas.+]

[Illustration: Abb. 26. +Königspalmen.+]

[Sidenote: Einfluß der Vereinigten Staaten.]

Und hätten die spanischen Staatslenker zu Madrid, wenn sie die
cubanischen Angelegenheiten besser verstanden und beurteilt
hätten, nicht auch den Zusammenstoß mit dem äußeren Feinde, der
sie auf Cuba bedrohte, vermeiden können? Oder ihm doch wirksamer
begegnen? Auch wie die Dinge hinsichtlich der cubanischen Rassen-
und Wirtschaftsverhältnisse, sowie hinsichtlich seiner Militär- und
Civilverwaltung thatsächlich lagen, hätte ja der Aufstand von 1895-1898
schwerlich zu einer vollkommenen Vernichtung der spanischen Herrschaft
über Cuba geführt, wenn die Insurgenten nicht in der Nordamerikanischen
Union einen Verbündeten gehabt hätten, und wenn die spanische Regierung
nicht auch der Union gegenüber alle ihre Schwächen und alle ihre
Blindheit an den Tag gelegt hätte.

Daß zwischen Cuba und den Vereinigten Staaten von Nordamerika enge
Verkehrs- und Kulturbeziehungen entstehen mußten, sobald die beiden
Länder auf einer höheren Stufe ihrer Entwickelung angelangt waren,
erhellt bei der flüchtigsten Betrachtung ihrer geographischen Lage
zu einander, und ebenso erhellt daraus auch, daß unter Umständen
eine gewisse Gefahr für die spanische Kolonialherrschaft von der
Union her drohen konnte. Den von verschiedenen Seiten gepredigten
Glaubenssatz, als ob es ein unabwendbares Verhängnis -- oder, um mit
dem amerikanischen Schlagworte zu reden: „~a manifest destiny~“ --
gewesen sei, wonach Cuba der politischen Machtsphäre der Vereinigten
Staaten verfallen mußte, können wir aber nicht gelten lassen. Freilich
ist wohl auch bei der Gebietsentwickelung der staatlichen Gemeinwesen
jederzeit eine Art Gesetz von der Anziehung der Massen wirksam gewesen,
aber so streng mathematisch und einfach wie bei den Himmelskörpern
ist es dabei nie und nirgends zugegangen, und in zahlreichen Fällen
hat im politischen Leben eine kräftige Fernewirkung eine nicht
minder kräftige Nähewirkung gänzlich aufgehoben. Würde sonst wohl
der Organismus des britischen Weltreiches Bestand haben können, und
sollte man es sonst nicht viel eher für ein „~manifest destiny~“
erklären, daß das durch das Geäder des Rheinstromes mit Deutschland
verbundene und auch sonst in jeder Weise verwachsene Holland dem
deutschen Reichsgebiete eingefügt werden müsse? Der Meeresraum,
welcher Cuba von der Nordamerikanischen Union trennt, ist immerhin
noch wesentlich breiter als der Ostseeraum zwischen Stralsund und den
südschwedischen Küstenplätzen, und wenn der letztere eine sogenannte
Naturgrenze zwischen verschiedenen Kulturkreisen und Staatsgebieten
bildet, so sollte man es wohl auch von dem ersteren erwarten dürfen.
Wenn Schweden die fragliche europäische Naturgrenze eben seinerzeit
außer Augen gesetzt und Stralsund nebst anderen Teilen Pommerns
unter seiner Herrschaft gehalten hat, so konnte dies nur durch einen
Gewaltakt geschehen, dem von Deutschland aus kein wohlorganisierter und
wohlgeleiteter begegnete; und daß dies in dem Falle von Cuba ebenso
war, ließe sich leicht im einzelnen nachweisen.

Gegen außen aggressiv und annexionslustig ist die Nordamerikanische
Union von ihren ersten Anfängen an gewesen -- nicht weniger als
die verschiedenen Monarchien Europas --, und hinsichtlich Cubas
hat vor allen Dingen schon Thomas Jefferson, der geistreichste und
schärfstblickende unter den amerikanischen Präsidenten, erklärt, daß
die Erwerbung der Insel seitens der Union der Abrundung und Sicherung
ihrer Grenzen, sowie ihrer ganzen zukünftigen Entwickelung halber
außerordentlich wünschenswert sei. Nach ihm aber ist der Wunsch,
des Nachbars Weinberg zu besitzen, in der Union ganz besonders
lebendig gewesen, als die südliche Sklavenhalterpartei darauf bedacht
sein mußte, sich ihren nördlichen Anfechtern gegenüber so viel als
immer möglich zu verstärken. Präsident Polk, der auch den bekannten
Eroberungskrieg gegen Mexico führte, machte damals Spanien das
Anerbieten, die Insel für 100 Millionen Dollars kaufen zu wollen,
und als dasselbe stolz zurückgewiesen worden war, da brauchte James
Buchanan in amtlicher Botschaft zum erstenmale das Wort von der
„~manifest destiny~“ Cubas, der Kongreß zu Washington aber faßte den
ausdrücklichen Beschluß, die Insel mit Waffengewalt zu erobern, falls
ihre gütliche Abtretung gegen eine Entschädigungssumme des weiteren
verweigert werde. Und dies alles geschah zu einer Zeit, wo Cuba unter
dem spanischen Regiment wirtschaftlich auf das höchste prosperierte,
und wo daselbst außer dem Rassenzwiespalt keinerlei erhebliche
Schwierigkeit für die spanische Verwaltung bestand.

In der Folge hat sich die Exekutive der Unionsregierung eine größere
Zurückhaltung in der cubanischen Frage auferlegt, und namentlich hat
sie während des ganzen zehnjährigen Aufstandes von 1868-1878, sowie
auch während der ersten Jahre des soeben beendeten Aufstandes die
Pflichten der Neutralität in gewisser Weise zu erfüllen gesucht. Da
die Fähigkeiten und Befugnisse des Präsidenten in dieser Beziehung
sehr beschränkte sind, so war damit aber für Spanien wenig gewonnen,
und in den gesetzgebenden Körperschaften, sowie in der Presse und
in den Volksversammlungen jeder Art war von der Einverleibung Cubas
in die Union oder doch von der Notwendigkeit, die Insel von der
spanischen Herrschaft zu befreien, nach wie vor sehr laut die Rede
-- unter stetem Hinweis auf die Monroedoktrin, nach der Amerika die
ausschließliche Domäne der „Amerikaner“ sein soll. Thatsächliche Hilfe
leisteten die Unionsbürger den Insurgenten nicht bloß in der Gestalt
von Geldsammlungen, sondern auch in Gestalt von wohlausgerüsteten
Flibustierexpeditionen, und wenn die letzteren, in denen die
Insurrektion ihren eigentlichen Lebensnerv hatte, gelegentlich von der
Regierung ergriffen wurden oder in spanische Hände gerieten, so wurde
amtlich immer dafür gesorgt, daß den Mitgliedern kein ernster Schaden
daraus erwuchs. Die cubanische Junta aber, der die oberste Leitung
der Aufstände oblag, erfreute sich in New York und Washington der
weitgehendsten Duldung und der sorgsamsten amtlichen und außeramtlichen
Pflege. Nur so war es möglich, daß der Aufstand von 1868 sich über die
ganze Insel verbreitete und zum Unheile für das Wirtschaftsleben und
die Finanzen Cubas zehn volle Jahre währte, und nur so nahm auch der
neueste Aufstand den für Spanien und für die cubanischen Reconcentrados
verhängnisvollen Charakter an. Spanien hatte dem ganzen Treiben
gegenüber, bei dem auch das ehrlichste Bemühen von seiner Seite nichts
fruchten konnte, nur schwachmütige Proteste und Vorstellungen, und
der letzte entscheidende Schlag, den seine Gegner nach der bekannten,
durch das amerikanische Gutachten in keiner Weise genügend aufgeklärten
Maineexplosion ausführte, traf es gänzlich unvorbereitet. Was wunder,
daß die Streitkräfte der Union bei Manila und Santiago ihre raschen
und leichten Siege errangen, und daß diese Siege hinreichten,
den Amerikanern ganz Cuba und dazu auch den übrigen spanischen
Kolonialbesitz auf Gnade und Ungnade zu überantworten!

[Sidenote: Cubas Verlust für Spanien.]

In welcher Weise die Cubanerkolonien zu New York und Key West, in
denen von Anfang an politische Flüchtlinge und Vertriebene (Creolen
ebenso wie Mulatten) den Hauptbestandteil ausmachten, mithalfen, die
„~manifest destiny~“ Cubas herbeizuführen, bedarf keiner weiteren
Ausführung. Dagegen ist es vielleicht nicht überflüssig, zu betonen,
daß auch die Mißgriffe der spanischen Zollgesetzgebung viel dazu
beigetragen haben, die spanische Position auf Cuba mehr und mehr
zu einer schwer haltbaren zu machen. Vor allen Dingen würdigten
die spanischen Staatsmänner in dieser Beziehung nicht die hohe
handelspolitische Bedeutung der sogenannten Rimessen, und während
sie die cubanische Einfuhr dem Mutterlande so viel als möglich zu
erhalten suchten, so lenkten sie die Ausfuhr des Zuckers, des Tabaks,
der Erze und der Früchte mit Rücksicht auf die unmittelbaren Vorteile
systematisch nach den Unionshäfen, dabei nicht bedenkend, daß sie ihre
Kolonie auf diese Weise mehr und mehr in wirtschaftliche Abhängigkeit
von der Union brachten. Es gingen so Anfang der neunziger Jahre 80
bis 90 Prozent des cubanischen Zuckers nach New York, Philadelphia,
Baltimore u. s. w., und dazu auch mehr als 60 Prozent des Blättertabaks
und gegen 50 Prozent der Cigarren. Einerseits gewannen dadurch aber
die amerikanischen Zucker- und Tabakspekulanten einen tiefgreifenden
Einfluß in den cubanischen Angelegenheiten, um gleich den gewissenlosen
spanischen Beamten „im Trüben zu fischen“, und andererseits erlangte
dadurch die Unionsregierung auch einen Schein des Rechtes für ihre
Einmischungspolitik. Präsident McKinley durfte so, als er infolge der
Mainekatastrophe dem amerikanischen Volkswillen hinsichtlich Cubas
die Zügel schießen lassen mußte, aller Welt verkünden, daß er nicht
bloß im Interesse der Humanität -- um den von seinem Lande her fünfzig
Jahre lang geschürten furchtbaren Brand auf Cuba zu dämpfen --, sondern
auch im Interesse des geschädigten Handels der Union die Waffen gegen
Spanien ergreife.

[Illustration: Abb. 27. +Königspalmenallee.+]

Wenn Cuba in der angedeuteten Weise durch eine Verkettung historischer
Verhältnisse und durch einen von langer Hand vorbereiteten Gewaltakt in
seine augenblickliche Lage gelangt und für Spanien verloren gegangen
ist, so versteht es sich von selbst, daß es einer weiteren Verkettung
historischer Verhältnisse und wahrscheinlich auch weiterer Gewaltakte
bedürfen wird, sein ferneres Schicksal zu gestalten. Die der Insel zu
stellende Prognose ist in dieser Hinsicht eine sehr schwierige. Zur
Zeit sind nicht die Creolen die Herren der Situation auf Cuba, sondern
die Amerikaner von der Union, und angesichts des Rassenzwiespaltes, der
auf der Insel vorhanden ist, muß man dies als ein Glück bezeichnen.
Eine Reihe weiterer blutiger Auseinandersetzungen und eine Fortdauer
der Verwüstungen würde sonst kaum zu vermeiden sein. Im übrigen wird es
aber sehr darauf ankommen, welches die Hauptfaktoren sein werden, die
nunmehr von der Union her gestaltend in das cubanische Wirtschafts- und
Kulturleben eingreifen; ob die großen Zucker- und Tabakspekulanten und
Professionspolitiker, denen Gewissen und Anstand in keinem geringeren
Maße abgeht als den schlechtesten spanischen Verwaltungsbeamten, und
denen es so wenig als diesen darauf ankommen würde, die in ihre Hände
geratene goldene Gans zu würgen und zu mißhandeln, um eins von ihren
goldenen Eiern zu erlangen; oder die Klasse der rechtschaffenen Leute
und Idealisten, die an eine höhere Kulturmission ihrer großen Republik
glauben, und denen es allen Ernstes darum zu thun ist, allerorten, wo
das Sternenbanner weht und wo der amerikanische Adler seine Fittiche
ausbreitet, so viel als auf Erden eben möglich, Gefilde der Glücklichen
zu schaffen und Freiheit, Recht und Menschenwürde zur Anerkennung zu
bringen.

Soweit die geographischen Verhältnisse die zukünftige Entwickelung
Cubas mitbestimmen werden, sparen wir uns die Schlüsse der
Wahrscheinlichkeitsrechnung auf für die nachfolgenden Abschnitte, in
denen wir an der Hand unserer eigenen Anschauungen, sowie an der Hand
der besten vorhandenen Informationsquellen im Geiste eine Umsegelung
der Insel, sowie eine Reihe von Streifzügen quer durch sie hindurch
unternehmen wollen.


    [2] Das meiste thaten in neuerer Zeit zur Förderung der
        wissenschaftlichen Landeskunde Ausländer, Deutsche und
        Amerikaner: J. Gundlach, der die Insel 54 Jahre lang in den
        verschiedensten Teilen und Richtungen durchstreifte, um vor
        allem ihre tiergeographischen Verhältnisse in umfassender
        Weise klar zu legen, A. Grisebach, der auf Grund der von dem
        Amerikaner C. Wright gemachten Sammlungen seinen „~Catalogus
        plantarum Cubensium~“ (1866) zusammenstellte, und Alexander
        Agassiz, R. T. Hill und J. W. Spencer, die die Grundzüge der
        geologischen Entwickelungsgeschichte der Insel und den Anteil
        der Korallentierchen an ihrem Aufbau festzustellen suchten.



IV.


[Sidenote: Dampferlinien nach Cuba.]

Unter den großen Weltverkehrsbahnen, die nach Cuba streben, waren bis
auf den heutigen Tag vor allen Dingen zwei bedeutsam: die, welche
von Cadiz ihren Ausgang nimmt -- nicht weit von der denkwürdigen
Bucht von Huelva, von der Kolumbus zu seiner ersten Entdeckerfahrt
aufbrach --, und die, welche ihren Anfangspunkt in New York hat.
Auf ihnen vollzog sich bislang der weitaus größte Teil der Güter-
und Personenbewegung, die zwischen der westindischen Hauptinsel
und den anderen Erdgegenden hin und her flutete. Die erstere,
gegen 3800 Seemeilen lange Bahn entspricht den althergebrachten
Beziehungen zwischen der Kolonie und ihrem Mutterlande, die durch
die geschichtliche Großthat des Kolumbus eingeleitet wurden und
durch sie wohl genug legitimiert waren. Diese Linie berührt bei San
Juan Puertorico, die kleinste der Großen Antillen, um sodann der
Küste von Haiti entlang und durch den Alten Bahamakanal nach Habana
oder durch die Monadurchfahrt (zwischen Puertorico und Haiti) oder
Windwarddurchfahrt (zwischen Haiti und Cuba) nach Santiago zu führen.
Die letztere Bahn aber, die nur etwa 1200 Meilen lang ist, erklärt sich
zur Genüge daraus, daß die Nordamerikanische Union unter den großen
wirtschaftlichen und politischen Gemeinwesen der Erde das Cuba am
nächsten benachbarte ist, und daß die beiden Länder sich hinsichtlich
ihrer Produktionsverhältnisse in gewisser Weise wechselseitig ergänzen;
und sie erscheint von Anfang als eine Doppelbahn, bezugsweise als ein
Doppelgeleis, indem der Schnellverkehr der Personen und Nachrichten
sich vorwiegend von New York über Land nach Tampa in Florida und
fernerweit über Key West nach Habana bewegt, der Güterverkehr aber
durch die Floridastraße nach Habana, Matanzas, Cardenas, Sagua und
Remedios oder durch die Durchfahrten des Bahamaarchipels (besonders
die Crookedpassage) nach den nordöstlichen und südlichen Häfen Cubas.
Alle anderen Verkehrsbahnen nach Cuba, und besonders auch die von
Hamburg, Bremen, Liverpool, Bordeaux und New Orleans, sowie von den
westindischen Nachbarinseln ausgehenden, können nur als Nebenbahnen
gelten. Die wichtigste und belebteste davon ist aber die von Hamburg
über St. Thomas nach Habana.

[Illustration: Abb. 28. +Kokospalmenallee.+]

[Sidenote: Umgebung von Baracoa.]

Dem Reisenden, der sich Cuba auf der zuerst bezeichneten Bahn nähert,
zeigt die Insel ein überaus eindrucksvolles und typisches erstes Bild.
Ein stattlicher Tafelberg taucht vor seinen Blicken aus den Fluten
auf -- der Yunque (Amboß) von Baracoa, der den Schiffern weithin als
unverkennbares Wahrzeichen dient. Und indem der Kurs sich auf den
kleinen Hafenplatz Baracoa zu lenkt, erscheinen dahinter in der Ferne
scharfgeschnittene andere Bergzacken -- die Cuchillas de Baracoa
--, die gegen die Ostspitze der Insel, das Kap Maisi, niedriger und
niedriger werden. Allmählich hebt sich dann auch das Vorland jener
Berge deutlicher heraus, und das Auge unterscheidet drei merkwürdig
regelmäßige Terrassenstufen, aus denen sich dasselbe aufbaut. Die ganze
Landschaft aber prangt in dem Schmucke einer reichen Tropenvegetation,
und vor allen Dingen winkt von allen Berghängen die ebenso anmutige als
majestätische Königspalme (~Oreodoxa regia~) herab -- der eigentliche
Charakterbaum Cubas, den der palmenkundige Alexander von Humboldt einen
der schönsten seines Geschlechtes nennt (Abb. 26 und 27). Brächten
die üppige Vegetation und der Stufenbau des Landes nicht fremdartige
Momente in das Bild, so könnte es wohl an die südeuropäischen
Küstenbilder gemahnen.

[Illustration: Abb. 29. +Ein Ananasfeld.+]

[Sidenote: Bucht von Baracoa.]

Die unterste Terrassenstufe erhebt sich im allgemeinen als eine gegen
10 ~m~ hohe, steile Klippenwand aus der See und erweist sich bei
näherer Betrachtung als ein reiner Korallenbau. Ungezählte Millionen
von Astraeen, Maeandrinen, Poriten, Madreporen, Colpophyllien,
Orbicellen u. s. w. von derselben Art, wie sie heute noch um die
Bahamainseln, um Südflorida und um Cuba herum ihr wunderbares Wesen
treiben, haben daran gearbeitet, ihn zustande zu bringen. Die von
dem herrschenden Nordostpassatwinde, noch mehr aber von dem öfters
einbrechenden starken Nordwestwinde („Norte“) gepeitschten Wogen
schäumen in wilder Brandung an der Klippenwand hoch auf. Das zierliche
Gefüge der Korallenzellen bewährt sich dabei aber als ein viel
festeres und widerstandsfähigeres, als man glauben sollte, und das
Zerstörungswerk, das die Brandung daran treibt, erscheint dem Auge
als geringfügig. Verwettert genug sieht die Seefront allerdings aus,
und eine einsame Felsenbank am Eingange in die Bucht von Baracoa, der
sogenannte Buren, bekundet, daß die Klippe einst weiter vorsprang und
daß ein Teil des natürlichen Wogenbrechers aus Korallenkalk, der die
Bucht vor dem Seegange schützte, zusammengebrochen und weggewaschen
ist. Heute ist die Öffnung der Bucht infolgedessen eine weitere, als
den Schiffern, die darin zu verkehren haben, lieb sein kann, und die
beiden angegebenen Hauptwinde der Gegend treiben häufig eine schwere
See in sie hinein. Das von den Wellen zerriebene Trümmermaterial nebst
den vom Lande herabgespülten Sedimentmassen aber ist an den Rändern
der Bucht in der Gestalt eines sandigen Strandes zur Ablagerung
gekommen, und der in sie mündende Macaguaniguafluß wird durch das so
entstandene, von Mangrovegebüsch (Manglar) bewachsene Schwemmland auf
einer beträchtlichen Strecke abgedämmt, so daß er in weitem Bogen hart
an ihr entlang fließt, ehe er in ihrem geschütztesten östlichen Winkel
seinen Ausgang findet. Vor der Flußmündung schwimmen gravitätisch
graue Pelikane hin und her, am Ufer stehen ihrer Beute harrend
kleine weiße und bläuliche Reiher (~Ardea occidentalis~ und ~Ardea
coerulea~), und aus dem Gebüsch heraus ertönt der Gesang des Canario de
Manglar (~Dendroica petechia~) und des westindisch-nordamerikanischen
Spottvogels (~Mimus polyglottus~), dessen Stimme Kolumbus für
Nachtigallengesang nahm.

[Illustration: Abb. 30. +Bananenstock.+]

An der Oberfläche ist die unterste Terrassenstufe mit einer dünnen
Schicht von Roterde (~tierra colorada~) bedeckt, zum Teil überstreuen
Korallenfelsbruchstücke nach Art deutscher Feldsteine den Boden, und
das hier und da zu Tage stehende Grundgestein erscheint allenthalben
bienenwabenähnlich zerlöchert und zerfressen -- unverkennbare Zeugnisse
davon, daß die mächtigen cubanischen Regengüsse so wenig ohne Wirkung
auf sie geblieben sind wie die Meeresbrandung.

Die höheren Stufen, die nur eine kleine Strecke weiter landein
liegen, bestehen aus weißem, gelbem und rötlichem Kalkstein jung- und
mitteltertiären Alters, in dem korallines Gefüge nur stellenweise
sichtbar wird, und ebenso ist es auch mit den darüber aufragenden
Bergstöcken und Bergketten, vor allem mit dem Yunque, den bisher nur
wenige Reisende erklommen haben. Zwar ist die Erhebung des letzteren
über den Meeresspiegel nur eine mäßige (556 ~m~), gleich zahlreichen
anderen cubanischen Bergen stürzt derselbe aber ringsum mit jähen,
teils von dichtem Waldwuchse bekleideten, teils völlig kahlen Wänden
und Hängen zur Tiefe, und sein flacher Gipfel ist nur auf einem
einzigen schwierigen Pfade erreichbar. Daß die Wettergeister der
Tropen auch an der Zerstörung des Yunque rastlos thätig sind, verraten
einesteils die weithin leuchtenden kahlen Wände, die ihren Ursprung
samt und sonders unlängst stattgehabten Bergstürzen verdanken,
anderenteils aber auch die mächtigen Trümmermassen, die den Fuß
umlagern, und man kann sich angesichts dieser Wände und Trümmer und
angesichts einer einzigen Regenflut, die auf sie niedergeht, des
Gedankens nicht erwehren, daß der schöne Bergstock nichts anderes ist,
als die zur Zeit noch stehen gebliebene Ruine einer viel ausgedehnteren
Kalksteintafel, bezugsweise der Überrest einer höchsten Terrassenstufe,
die die übrigen Stufen weit überragte. Die niedrigen Berge der Gegend,
wie der Monte de Santa Teresa (210 ~m~) und der Monte Majayara (160
~m~), östlich von Baracoa, ergeben sich dann als die Reste von
Zwischenstufen. Betreffs der Bildungsgeschichte von Cuba aber scheint
das ganze Landschaftsbild von Baracoa lehren zu wollen, daß die Insel
seit der mittleren Tertiärzeit ruckweise und mit langen Ruhepausen
höher und höher aus dem Meere emporgetaucht oder daß der Meeresspiegel
an ihrem Gestade in solcher Weise gesunken ist. Das letztere für das
Wahrscheinlichere zu halten, könnte man namentlich im Hinblick auf den
vollkommen horizontalen Verlauf der korallinen Küstenwand geneigt sein.

[Illustration: Abb. 31. +Ländliche Fuhrwerke.+]

[Sidenote: Kulturen bei Baracoa.]

In allen Einsenkungen und Thalungen auf den höheren Terrassen und
zwischen den Bergen lagert eine mehr oder minder mächtige Schicht
von Roterde, die als das schließliche Verwitterungsprodukt des
Kalksteins dahin geschwemmt worden ist, und vor allen Dingen: diese
Roterdestrecken tragen eine artenreiche und hochstämmige tropische
Vegetation. Insbesondere sind dieselben die Stätten, wo die
Hauptkulturen der Gegend gedeihen: die schattigen Kokospalmenhaine
(Abb. 28), die sonnigen Ananasfelder (Abb. 29), die üppigen
Bananenpflanzungen (Platanales, Abb. 30) und die Kakao-, Orangen- und
Mangogärten, aus denen hier und da eine leicht gebaute, von Negern oder
Creolen bewohnt, Palmpfahl- und Palmstrohhütte (Bohio) hervorblickt.

Die Stadt Baracoa (6000 Einw.), die am östlichen Winkel ihrer Bucht
auf der untersten Terrassenstufe steht, während der den Hafeneingang
bewachende alte Festungsbau die zweite Terrasse krönt, verdient als
die älteste Stadt Cubas und als eine der ältesten und ehrwürdigsten
Städte der gesamten Neuen Welt Beachtung. Schon Christoph Kolumbus,
der den Hafen Puerto Santo nannte, weilte hier länger als an anderen
Punkten der cubanischen Nordostküste, und er knüpfte hier seine ersten
engeren Beziehungen zu den Eingeborenen; Diego Velasquez aber gründete
hier die erste spanische Niederlassung im Jahre 1512. Wegen seiner
gegen die Bahamas und gegen Haiti, sowie gegen Europa vorgeschobenen
Lage und wegen seiner daraus sich ergebenden leichten Verbindung mit
dem Mutterlande und mit dem übrigen westindischen Kolonialbesitze
schien der Ort den Spaniern eben als Stützpunkt ihrer Herrschaft über
die Insel ganz besonders geeignet, und eine gewisse strategische
Bedeutung könnte man im Hinblick auf die Windwarddurchfahrt, auf die
Hauptdurchfahrten des Bahama-Archipels (die Caicos-, Mariguana- und
Crookedpassage) und auf den Alten Bahamakanal füglich auch heute noch
geltend machen. Als Eingangspforte in das Innere von Cuba konnte
Baracoa aber immer nur eine untergeordnete Rolle spielen, weil die
steilhängigen, wild zerklüfteten Gebirge wenige Meilen süd- und
westwärts nur unter großen Mühsalen übersteiglich und ihre Thäler
der Kultur in sehr beschränktem Umfange zu gewinnen sind. Velasquez
selbst wandte sich daher auch bald wieder von ihm weg und verlegte
den Regierungssitz nach Santiago, und die Rolle, welche Baracoa als
Handelsplatz gespielt hat, ist immer eine bescheidene geblieben.
Belangreich ist in der Gegenwart nur seine Ausfuhr von Ananas und
Bananen, sowie von Kokosnüssen und Kokosöl, und die kleinen Dampfer
und Schoner, die in dem Hafen Ladung nehmen, verkehren beinahe
ausschließlich nach der großen nordamerikanischen Welthandelsmetropole
New York. Um höheren Bedürfnissen zu genügen, würde der Hafen sehr
der künstlichen Verbesserung bedürfen, sowohl weil der in ihn
hineinwirkende Seegang den vor Anker liegenden Schiffen unmittelbar
verderblich werden kann, als auch, weil er durch das Spiel der Wellen
und den einmündenden Strom in fortschreitender Versandung begriffen ist.

[Sidenote: Baracoasche Küstenlandschaft.]

Von Baracoa westwärts geht die Seefahrt einer überaus malerischen
Küste entlang, und auch größere Schiffe können sich in naher Sicht
derselben halten, weil das Meer -- es handelt sich um den Eingang zu
dem Alten Bahamakanale -- bis auf eine oder zwei Seemeilen Abstand eine
beträchtliche Tiefe besitzt und gefahrdrohende Korallenriffe nur hier
und da unmittelbar am Lande liegen. Die aus fossilen Korallenbauten
zusammengesetzte Küstenwand ist auch hier allerwärts deutlich
erkennbar, und nicht minder der weiße Schaum der unter dem Einfluß des
Passatwindes dagegen donnernden Brandung. Die höheren Terrassenstufen
aber sucht das Auge im allgemeinen vergebens, und statt ihrer folgen
wieder in bunter Reihe bald höhere und bald niedrigere Tafelberge
(~mesas~ und ~yunques~), Sattelberge (~sillas~), zugespitzte oder
abgestumpfte Kegelberge (~picos~ und ~pans~) und abgerundete Kuppen
(~arcos~ und ~tetas~) -- Bergformen, für deren Benennung die spanische
Sprache einen so beneidenswert reichen Wortschatz zur Verfügung hat.
Man kann schon aus der Ferne wahrnehmen, daß die tropischen Regengüsse
und die von ihnen geschwellten Gebirgsbäche und Ströme hier in noch
rüstigerer Weise als bei Baracoa an der Zerfeilung und Ausgestaltung
der Landschaft gearbeitet haben. Und wem es gelingt, eine Strecke in
das Innere einzudringen -- im kleinen Ruderboot auf dem Rio de Tanamo
oder Rio de Mayari oder auf dem Rücken eines Maultieres an anderem
Orte --, dem wird dies besonders in den Monaten Mai bis November, wenn
hier an den meisten Tagen ein schwerer Gewitterschauer und Wolkenbruch
schnell auf den anderen folgt, noch nachdrücklicher zum Bewußtsein
gebracht. Der Erosionseffekt der fließenden Gewässer ist in dieser Zeit
allerwärts ein gewaltiger, es erfolgen Uferzerreißungen und größere und
kleinere Bergrutsche an tausend Orten, und die Schluchten, in denen
die Bäche und Ströme dahinrasen, werden sozusagen vor den Augen des
Beschauers und von einem Tage zum anderen tiefer und weiter zugleich.
Nicht bloß am Tageslichte thun aber die cubanischen Atmosphärilien
solchergestalt ihr physikalisch-geographisches Werk, sondern in sehr
bedeutendem Maßstabe geschieht dies auch unterirdisch, und die Gegend
ist infolgedessen voll von mehr oder minder ausgedehnten Höhlengängen
und Hohlräumen, von denen viele in einem prächtigen Stalaktiten- und
Stalagmitenschmuck prangen, manche auch interessante vorgeschichtliche
Reste bergen. Wir weisen besonders auf die Höhlen hin, aus denen der
Rio Moa, der Abfluß der Sierra de Moa, hervorbricht, um sich alsbald
in der Gestalt eines etwa 100 ~m~ hohen Wasserfalles in die Schlucht
hinabzustürzen, durch welche er dem Meere zueilt; sowie daneben auf
die Höhlen der Sierra de Frijol, etwas weiter südlich, und auf die
berühmten Yumurihöhlen in der Nähe von Baracoa.

[Sidenote: Baracoasche Berglandschaft.]

Die Berge in der unmittelbaren Nachbarschaft der Küste halten sich im
allgemeinen in der Höhe von 200-300 ~m~, die Silla de Jaragua, welche
nördlich von der Mündung des wilden Rio de Toar die Hauptlandmarke
für die Seefahrer bildet, ist aber auf 420 ~m~ bestimmt worden, und
die Bergketten tiefer im Binnenlande -- die Sierra de Toar, die
sich dem Nordufer des gleichbenannten Stromes entlang zieht und von
der die genannte Silla den östlichen Abbruch bezeichnet, die Sierra
de Moa, die ihren nordwestlichen Parallelzug bildet, die Sierra de
Cristal an der Nordseite des oberen Rio de Mayari und die Sierra de
Catalina und Sierra de Frijol am oberen Rio de Tanamo -- mögen gegen
600 ~m~ oder annähernd zu derselben Höhe wie der Yunque von Baracoa
emporragen. Wahrscheinlich waren alle diese Ketten einst mit dem Yunque
zu derselben großen Kalksteintafel verwachsen, und es ist einzig und
allein die ober- und unterirdische Erosion gewesen, die sie getrennt
und in sich zerklüftet hat.

[Illustration: Abb. 32. +Korbhändler.+]

Zur Zeit ist die fragliche Landschaft, die wir der Einfachheit wegen
als Baracoasche Berglandschaft bezeichnen, in den allermeisten Gegenden
noch eine pfadlose und ursprüngliche Wildnis, und weder die stattlichen
Kiefern- und Palmenbestände, die schon Kolumbus bewunderte und in ihrem
wirtschaftlichen Werte würdigte, noch die Bestände der Mahagoni-,
Cedrelen-, Tecoma-, Gayacum-, Sapota-, Catalpa-, Sideroxylon-,
Balata-, Chlorophora- und Lorbeerbäume, die in dem wechselvollen
Durcheinander ihrer Gestalt und Belaubung Höhen und Thäler bis dicht
an die Meeresküste bekleiden, sind irgendwo in bemerkenswerter Weise
gelichtet worden. Und wer die seltsame einheimische Tierwelt Cubas
kennen lernen will, durch die sich die Insel zusammen mit den übrigen
Großen Antillen als ein ähnlich selbständiger Erdraum bekundet, wie
Madagaskar und Neuseeland, der findet hier dazu die beste Gelegenheit.
Besonders sind die Hutias (Capromys) und Aires (Solenodon) in diesen
Wäldern sehr zahlreich, nicht minder aber auch die von den nord-
und südamerikanischen stark abweichenden Flatterer, die ungiftigen
Schlangen, die Iguanas u. s. w.

Hier und da öffnet sich in der korallinen Küstenwand der Eingang in
eine weite und zumeist auch tiefe Bucht, und manche dieser Buchten
würde fähig sein, Riesenflotten zu bergen. Alle ohne Ausnahme haben
aber die schlimme Schattenseite, daß sie in strenger Weise von dem
Passatwinde beherrscht werden und daß schon das Einsegeln in sie,
mehr aber noch das Aussegeln aus ihnen außerordentlich schwierig, ja
zu Zeiten vollkommen unmöglich ist. Nur an der Minderzahl, wie an
der Bucht von Juragua, an der von Tanamo und an der von Cabonico und
Levisa, sind daher kleine Niederlassungen entstanden, deren Palmhütten
von Bataten-, Yams- und Bananenpflanzungen und Kokoshainen umgeben
sind, und irgend welchen Kultureinfluß, der weit in das Innere reicht,
hat keine der Buchten auszuüben vermocht.

[Sidenote: Bucht von Nipe.]

Auch selbst die herrliche Bucht von Nipe sowie diejenige von Banes, die
zwischen der malerischen Sierra de Nipe (der westlichen Fortsetzung
der Sierra de Cristal) und der Kette des weithin sichtbaren Pan de
Sama tief in das Land hineingreifen und die unter einem anderen
Luftströmungsregime den vorzüglichsten Naturhäfen der Erde zuzählen
könnten, werden im Laufe des Jahres nur von wenigen Fahrzeugen
besucht, und sowohl das Uferland des auf einer kurzen Strecke (12
~km~) schiffbaren Rio Mayari als auch der Südabhang der Sierra de Sama
sind ungeachtet ihrer fruchtbaren Roterde nur in geringem Umfange
von Tabak- und Bananenpflanzungen bestanden, während die weite
Schwarzerdeniederung zwischen den genannten Bergzügen beinahe in ihrer
ganzen Ausdehnung noch eine ähnliche jungfräuliche Urwaldwildnis
bildet, wie das beschriebene Gebirgsland.

[Illustration: Abb. 33. +Eingang in die Bucht von Santiago+ (mit Morro
und Socapa-Batterie).]

[Illustration: Abb. 34. +Bai von Santiago.+]

[Illustration: Abb. 35. +Äußere Santiagobucht+ mit Lotsendorf.]

Von physikalisch-geographischem Gesichtspunkte aus ist an den Buchten
von Nipe und Banes sowie an dem Pan de Sama, der sie in einer Höhe
von 280 ~m~ überragt, bemerkenswert, daß die Terrassenstufen des
Küstenlandes daselbst wieder ebenso deutlich ausgeprägt erscheinen,
wie an der Bucht von Baracoa, ja daß stellenweise über der dritten
Kalksteinbank noch eine vierte sichtbar ist.

[Sidenote: Umgebung von Jibara.]

Westlich von dem leuchtturmgekrönten und weit gegen den Bahama-Archipel
vorspringenden Kap Lucrecia, das zusammen mit dem Kap Cruz die größte
Querausmessung des schmächtigen cubanischen Landkörpers bezeichnet
(280 ~km~), deutet eine Reihe von Tafelbergen, die der Sierra de Sama
angehören, darauf hin, daß auch hier einst höhere Terrassenstufen
vorhanden waren. Im allgemeinen ist das Küstengebirge hier aber
beinahe noch wunderlicher zerklüftet und zersägt, als zwischen Baracoa
und Banes -- ähnlich wie etwa das Kalksteingebirge der „Fränkischen
Schweiz“ oder gewisse Teile des Krainer Karstes, denen die cubanische
Landschaft geologisch nahe genug verwandt ist. Von den nierenförmigen
oder handförmigen Meeresbuchten, die hier in die Küstengegend
eingreifen, und darunter auch von der schönen und tiefen Bucht von
Naranjo, gilt aber dasselbe wie von den früher erwähnten, und nur die
weit geöffnete und gleich derjenigen von Baracoa gegen den Seegang
ungenügend geschützte Jibarabucht, über der sich ein hübscher Sattel-
und Zuckerhutberg nebeneinander erheben, hat in den letzten Jahrzehnten
eine höhere Bedeutung als Ausfuhrhafen gewonnen, so daß an ihren Ufern
eine Stadt entstanden ist, die trotz ihrer Jugend Baracoa an Volkszahl
und an Rührigkeit übertrifft.

[Illustration: Abb. 36. +Straßenbild von Santiago de Cuba.+]

[Sidenote: Holguin und Binnenlandschaft von Jibara.]

Südlich von Jibara (7500 Einwohner) nimmt nämlich das cubanische
Binnenland teilweise einen anderen Charakter an, und es erstrecken
sich daselbst nicht mehr ausschließlich Kalksteingebirge kultur-
und verkehrsfeindlich von Ost nach West, sondern das archäische
Grundgerüst der Insel tritt an vielen Orten zu Tage, und gerundete
Kuppen und Hügel aus Granit, Syenit, Diorit und Serpentin -- sogenannte
„Lomas“ (Brotlaib-Berge) und „Cerros“ (Rundhügel) -- reihen sich lose
aneinander, engere und breitere Thalmulden mit sandigem Lehmboden von
schokoladenbrauner oder roter Farbe umschließend. Namentlich dehnt sich
aber am oberen Rio Salado, der dem Rio Cauto zufließt, eine große und
fruchtbare Roterdeebene aus. Hier ist das Waldkleid Cubas an vielen
Stellen gelichtet, und der Anbau von Zuckerrohr und Mais, von Tabak und
Baumwolle und von anderen Feldfrüchten sowie daneben die Rinderzucht
hat statt seiner Platz gegriffen. Die Stadt Holguin (10000 Einwohner)
aber, die um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts in der fraglichen Ebene
begründet worden ist, erfreut sich einer verhältnismäßig hohen und
zunehmenden Blüte. Bis Ende der siebziger Jahre mußten ihrem Verkehre
die schwerfälligen cubanischen Ochsenkarren (Abb. 31) und Lasttiere
(Abb. 32) genügen, jetzt verbindet sie aber mit Jibara eine Eisenbahn,
und es wäre wohl möglich, daß diese Bahn demnächst in der Richtung
auf Santiago und Manzanillo eine Fortsetzung erhielte. Ein Teil des
entwickelungsfähigen Hinterlandes von Jibara ist übrigens durch den für
kleine Fahrzeuge schiffbaren Rio Jibara, der dem Berglande von Holguin
entströmt, zu erreichen.

[Illustration: Abb. 37. +Am Mercado von Santiago.+]

Von Jibara westwärts ändert sich mit der Physiognomie des Binnenlandes
auch die Physiognomie der Küstenlandschaft. Die Bergketten -- auch
hier noch aus tertiärem Kalkstein bestehend -- treten weiter und
weiter von dem Meere zurück, und das unmittelbare Gestade ist flach
und niedrig und von breiten Sandbänken begleitet, dergestalt, daß
die im allgemeinen nicht höher als 1 ~m~ steigenden Springfluten
öfters darüber hinwegschlagen. Ganz besonders ist dies der Fall an
den Buchten von Padre, von Malagueta, von Manati und von Nuevas
Grandes, durch die die Küste sich hier gliedert und in deren Umgebung
nur einige unbedeutende Hügel über die mit üppigem Mangrove- und
Palmenwuchs bedeckte Seestrandsniederung emporragen. Das Leben der
Rallen, Reiher, Pelikane, Papageien, Manglarsänger u. s. w. mag
hier noch bunter und reicher sein als bei Baracoa, und ebenso auch
das Leben der Schildkröten, Krokodile und Seekühe und das Leben der
zahllosen Insekten -- nicht zu vergessen den zur Nachtzeit prächtig
leuchtenden Cucujo (~Pyrophorus noctilucus~) und die bösen Landplagen
der Sandflöhe und Moskitos. Die Vorbedingungen für das Gedeihen
namhafter Siedelungen sind aber in dieser Gegend entschieden schlechte,
denn abgesehen davon, daß der Passatwind sich auch an den Einfahrten
der Padre- und Manati-Bucht in keiner Weise als ein guter Handelswind
-- ~trade wind~ -- bewährt, so fehlt es daselbst vor allem an gutem
Baugrund und an gesundem Trinkwasser.

[Sidenote: Isthmus von Tunas.]

An dem Rio Naranjo, der in die Bucht von Manati mündet, sowie auch an
dem Rio Cabreras, der sich erst in zahlreiche Arme spaltet und dann zur
Bucht von Nuevas Grandes erweitert, streckt sich der Mangrovesumpf in
breiten Streifen weit in das Binnenland, und wir sind geneigt, hierin
eine Art Naturgrenze für den in vielfacher Beziehung eigenartigen
Ostteil Cubas zu erblicken. Von Süden greift ja annähernd unter dem
gleichen Meridian der große Golf von Guacanayabo (Manzanillo) gliedernd
in den Inselkörper ein, und wenn der letztere an der fraglichen
Stelle schon dadurch halsartig zusammengeschnürt erscheint, so ist
dies durch die Sümpfe, die sich von Norden und Süden her einander
entgegenerstrecken, mindestens verkehr- und kulturgeographisch in einem
noch viel höheren Maße der Fall. Mit gutem Grunde hat das spanische
Kolonialregiment also die Gegend östlich von der Zusammenschnürung
(die wir als Isthmus von Jobaba oder Tunas bezeichnen) als eine
besondere Provinz behandelt und zu Zwecken der Civilverwaltung nach
der Hauptstadt Santiago, zu Zwecken der Militärverwaltung aber
Departamento Oriental genannt, und der Geograph könnte den Ostteil
Cubas beim Hinblicke auf das an einen schmächtigen Eidechsen- oder
Fischkörper erinnernde Kartenbild der Insel recht wohl als ihren
Kopfteil gelten lassen. Um diesen Ostteil aber so viel als möglich
als ein zusammenhängendes Ganzes kennen zu lernen und seine Eigenart
einheitlich zu beurteilen, brechen wir unsere Fahrt bei Nuevas Grandes
bis auf weiteres ab -- wie dies Kolumbus seiner Zeit wenige Meilen
weiter westlich that --, und wir wenden uns nach Baracoa zurück, um
von dort aus das Kap Maisi zu umschiffen und von der Südseite her das
Eindringen zu versuchen.

[Illustration: Abb. 38. +Innere Santiagobucht.+]



V.


[Illustration: Abb. 39. +Innere Santiagobucht.+]

[Sidenote: Südliches Baracoasches Bergland.]

Das Kap Maisi, in dem sich Cuba seiner Nachbarinsel Haiti bis auf
90 ~km~ nähert, ist unter dem augenscheinlichen Einflusse der gegen
West gerichteten Meeresströmungen, die in der Windwarddurchfahrt
vorherrschen, sandig und flach, und neben ihm liegen ausgedehnte
Bänke, vor denen der Leuchtturm auf der Landspitze die Schiffer nicht
umsonst warnt. Eine kleine Strecke weiter südwestwärts, gegen die
Punta de Caleta hin, erhebt sich aber wieder dieselbe brandungbewegte
Klippenwand aus Korallenkalk (Seboruco), welche wir an der Nordostküste
kennen gelernt haben, und auch derselbe regelmäßige Stufenbau des
Küstenlandes wie dort kommt wieder zum Vorschein. Über den drei oder
vier Terrassenstufen und einige Kilometer weiter zurück erhebt sich
zugleich auch wieder höheres Gebirge, mit ähnlichen Gipfelformen und
Gipfelhöhen wie die Cuchillas de Baracoa, deren südliche Parallelkette
es bildet. An manchen Orten, und je weiter man gegen Westen gelangt,
desto allgemeiner, stürzt das Gebirge aber ohne die Vermittlung
von Terrassen zum Meere ab -- in der Gestalt senkrechter, dunkler
Felsenstirnen, wie es die Punta Negra und der Salto de Jojo (an der
Mündung des gleichbenannten Flüßchens) sind, oder in der Gestalt von
tafel-, sarg- und zuckerhutförmigen, von einfachen und doppelten
Spitzen und von abgerundeten, zum Teil von mächtigen losen Felsblöcken
gekrönten Kuppen, unter denen der Yunque de Seco (am Rio Seco), der
Piedra de Sabana-la-Mar (am Rio Ocambo), der Pan de Baitiquiri und
die Silla de Guantanamo besonders hervorstechen. Den genannten hohen
Steilwänden fehlt die Pflanzenbekleidung beinahe gänzlich, die sanfter
abgedachten Küstenberge aber sind durchgängig vom Fuße bis zum Gipfel
mit Tropenwald bewachsen -- mit rundblätterigen Seestrandswinden und
Seestrandstrauben (~Coccoloba uvifera~) neben Kokospalmen unten, und
mit fiederblätterigen Mimosen- und Campechesträuchern, sowie mit Rohr-,
Mucuja-, Kohl- und Königspalmen und mit Mahagoni-, Cedrelen-, Cassia-,
Guajacum- und Büchsenholzbäumen höher hinauf, und ähnlich verhält es
sich auch mit den Gebirgsketten, die in einer Gipfelhöhe von ungefähr
600 ~m~ 15-25 ~km~ landeinwärts der Küste parallel streichen -- in
der Sierra de Imias, der Sierra Mariana und der Sierra de Vela. Der
Höhlenreichtum, der das Kalksteingebirge auch hier auszeichnet, wird
an verschiedenen Orten schon von der See aus bemerkbar -- vor allem
in der gewaltigen Cueva de Pintado und in der Höhle der Punta Negra,
in die das Meer ähnlich mächtig hinein brandet wie in die schottische
Fingalshöhle. Man erkennt ohne weiteres, daß die ganze Gegend bis
gegen den Sattelberg von Guantanamo hin nichts ist, als ein Teil des
Baracoaschen Berglandes -- derselben von der Seite her treppenförmig
aufsteigenden Kalksteintafel durch die atmosphärischen Gewässer ober-
und unterirdisch zurecht gemeißelt, und unter der Wirkung der gleichen
Regengüsse und der gleichen Sonnenglut auch dieselbe üppige Vegetation
aus seinem Verwitterungsboden heraus treibend, die menschliche Kultur
aber in arger Weise hemmend.

[Illustration: Abb. 40. +Kokospalmenhain.+]

Auffällig und befremdlich muß man nach den Erfahrungen an der Nordküste
die schlechte Gliederung der Südküste finden. Die Mehrzahl der ins
Land einschneidenden Buchten ist klein und gegen Wind und Wellen
von der See her weit geöffnet, und nur diejenigen von Baitiqueri und
Escondido tragen einen ähnlichen Typus wie die Buchten von Baracoa,
Tanamo u. s. w., so daß sie den Schiffen wirkliche Sicherheit
gewähren. Leider lagern aber gerade vor ihren Eingängen eine Anzahl
gefährlicher Korallenriffe, während solche sonst zusammen mit der
korallenen Küstenwand und mit den darüber liegenden Terrassenstufen
westlich von der Punta Negra so gut wie gänzlich fehlen. Wir können
uns diese Abweichungen nicht anders erklären, als dadurch, daß an der
Südküste ein beträchtlicher Teil des in der Tertiärzeit aus den Fluten
aufgestiegenen Landes wieder hinabgebrochen ist in das angrenzende
tiefe Meer, das Cuba von Haiti und Jamaica trennt.

[Illustration: Abb. 41. +Mahagonibaum und Viehzuchtgehöft.+]

[Sidenote: Die Bucht von Guantanamo.]

Eine gewaltige Bucht, die ihresgleichen an der Nordküste nur in
der Bucht von Nipe hat, erstreckt sich aber hinter der Silla de
Guantanamo über 25 ~km~ weit landein, und dieselbe läßt hinsichtlich
der Bequemlichkeit und Sicherheit ihres Zuganges, sowie hinsichtlich
der Tiefenverhältnisse und des Ankergrundes kaum irgend etwas zu
wünschen übrig. Die Kraft des Passatwindes ist hier gebrochen, es wehen
abwechselnd Land- und Seewinde, und nur in den Sommermonaten wühlen die
heftigen westindischen Orkane das Meer außerhalb zeitweise furchtbar
auf, das Eindringen in das Innere wehren den Sturmwogen aber auch dann
die zahlreichen Landvorsprünge, die die Bucht auf das mannigfaltigste
gliedern und in eine Außen- und Innenbucht (Caimamera- und Joabucht)
scheiden. Zugleich tritt das höhere Gebirge daselbst weit in das
Binnenland zurück, und es bleibt Raum für breite Thalebenen mit reichem
Schwarzerdeboden, der durch die Vermischung des herbeigeschwemmten
Verwitterungslehmes mit verwesten Pflanzenstoffen entstanden ist, und
der von Natur einen beinahe undurchdringlichen tropischen Bruchwald
trägt -- Mangroven, Fächer- und Federpalmen und von Farnkräutern,
Orchideen und Melastomaceen überwucherte, sowie von Lianen umwundene
Bäume und Sträucher der verschiedensten anderen Arten. An diesem Orte
waren der tropischen Pflanzungskultur also wohl von vornherein noch
viel günstigere Vorbedingungen gegeben als bei Holguin, und wenn die
Besiedelung der Gegend bis zum Schlusse des vorigen Jahrhunderts über
wenige dürftige Anfänge nicht hinausgekommen ist, so begreift sich
dies nur daraus, daß es den Spaniern für die allseitige Nutzbarmachung
der ihrem Scepter unterstehenden weiten Gebiete an Kolonisationskraft
gemangelt hat. Als die Negerrevolution in Haiti ausbrach, da wandten
sich aber die französischen Flüchtlinge zu allermeist in die Umgebung
der Guantanamobucht, und durch ihren Fleiß und ihr Gärtnergeschick
zählten die Zuckerrohr- und Kaffeepflanzungen am Rio Yateras, der sich
östlich von der Bucht in das Meer ergießt, sowie auch am Rio Guaro
und Rio Jaibo, die in die Bucht selbst münden, bald zu den größten
und blühendsten der Insel, und die Stadt Guantanamo (6000 Einw.),
bezugsweise sein mit ihm durch eine Eisenbahn verbundener Hafen
Caimanera, gewann als Zuckerausfuhrplatz den Vorrang vor Santiago.

Im Westen von Guantanamo erhebt sich aus der Niederung ziemlich
unvermittelt und steil ein Gebirge, das an Höhe und Schönheit
alle bisher erwähnten weit übertrifft, wenn man seine Thal- und
Gipfelformen auch vielleicht als ruhigere bezeichnen kann. Die Loma
de la Canasta, der der Rio Jaibo entquillt, und die Loma del Indio
südlich davon steigen bereits gegen 1000 ~m~ auf, der majestätische
Blocksberg der Gran Piedra aber, weiter westlich, erreicht 1588
~m~. Tertiäre Kalksteine nehmen auch an der Zusammensetzung dieses
Gebirges teil, und in den lang gestreckten Mesas und Tafelbergen der
Gegend von Santiago lassen dieselben auch den mehrfach berührten
Stufenbau wieder erkennen, in hervorragenderer Weise bestimmen aber
kretaceische Thon- und Sandsteine und Konglomerate, sowie alte
Eruptivgesteine -- besonders Diorit -- das Gepräge der Landschaft,
und die letzteren umschließen südöstlich von der Gran Piedra mächtige
Eisen- und Manganerzablagerungen. Die Küste begleiten teils abgerundete
Brotlaibberge (Lomas), teils steilwandige Tafelberge, und gute
Ankerplätze gibt es an ihr nicht, zur Verschiffung der Eisenerze von
Juragua ist aber bei Baiquiri eine große Kunsthafenanlage geschaffen
worden. Im Juli 1898 benutzten die Amerikaner diese Anlage zur
Landung ihrer Truppen, und Baiquiri (Nueva Salamanca), sowie die
ganze westliche Fußhügelgegend der Gran Piedra bei Guasima und El
Caney erlangte so durch den blutigen Entscheidungskampf, der daselbst
ausgefochten wurde, historische Bedeutung.

[Illustration: Abb. 42. +Mangrove-Keys+ (Cayos) +und Küstensumpf+
(Cienaga).]

[Illustration: Abb. 43. +Palmstrohhütte und Ceibabaum.+]

[Sidenote: Santiago-Bucht.]

Die Bucht von Santiago ist als eine Art Hauptbresche in dem imposanten
südostcubanischen Gebirge schon aus weiter Ferne erkennbar, und
indem man sich derselben von Süd her nähert, entfaltet sich ihre
Uferumrandung zu einem Bilde von wunderbarer Harmonie und Schönheit.
Es erscheint die wohlbekannte niedrige Klippenwand, an der die
Meereswellen sich hier für gewöhnlich und in sanftem Spiele brechen,
darüber erhebt sich aber rechts von der Einfahrt mauergleich eine
höhere Terrassenstufe (gegen 70 ~m~), auf der im Vordergrunde der
Morro thront -- der altersgraue Wächter der Bucht, der länger als
ein Vierteljahrtausend seines Amtes gewaltet hat, und der sich zwar
schon den Boucanieren und Engländern gegenüber (1662 und 1762) nicht
als vollkommen uneinnehmbar bewiesen hat, der sich aber trotz seiner
mangelhaften Armierung im Verein mit seinen tiefer gelegenen Vorwerken
auch noch den Amerikanern gegenüber wohl genug bewährt hat (Abb. 33).
Zur Linken schiebt sich eine niedrigere Terrassenstufe vor, die neuere
Befestigungen (die sogenannte Socapabatterie) trägt, und dahinter
werden die gerundeten Hügel der Ziegeninsel und der Vorgebirge von
Estrella, Santa Catalina und Gorda sichtbar, alle gleichfalls mit
drohenden Bollwerken versehen, wenn auch nicht alle mit solchen, die
dem Geschützfeuer der Neuzeit gewachsen sind. Ringsum aber türmen sich
grüne Waldberge von der verschiedensten Gestalt und Höhe übereinander.
Ist man dann unmittelbar unter den Festungsmauern durch die enge und
tiefe Einfahrt, die die Amerikaner durch die Versenkung des „Merrimac“
vergeblich zu sperren suchten, in die Bai gelangt, so gesellen sich
den kriegerischen Zügen des Landschaftsgepräges auch friedliche zu --
Fischerkähne und leicht gebaute Fischerhütten, einzelne Landhäuser
und ein Lotsendörfchen (Abb. 35) --, und das Auge wird nicht müde,
sich an dem bunten Wechsel zu weiden. In ihrer ganzen Pracht zeigt
sich die Bai aber erst, wenn man jenseits der Punta Gorda ihren
weiten Binnenteil erreicht hat und der Blick über die herrliche blaue
Wasserfläche hinweg mehr in die Ferne schweifen kann -- hinüber zu den
hell leuchtenden Häusern und Türmen der großen Stadt, die in ihrem
innersten Nordostwinkel liegt, und zu den stattlichen Schiffen, die
davor ankern, empor zu der hohen Mesa, an der die Straßen von Santiago
hinaufstreben (Abb. 36 und 37), und höher empor zu den schön gezackten
Bergen der Piedra- und Cobregruppe (Abb. 37 und 38), von deren
Abhängen kleinere Ortschaften, sowie zerstreute Haciendas und Bohios
aus ihren Mango- und Brotfruchtgärten und aus ihren Königspalmen-
oder Kokospalmenhainen (Abb. 39) herabwinken. Man versteht an dieser
Stelle besser als an jeder anderen die Begeisterung, welche Kolumbus
betreffs der cubanischen Landschaft hegte, und man gesteht sich gern,
daß es wenigstens an den Gestaden des amerikanischen Mittelmeeres
keine Hafenbucht gibt, die dieser an stolzer Schönheit gleichkommt.
Darf man sich also darüber wundern, daß die Spanier hier „Hütten
bauten“, und daß Velasquez seinen Statthaltersitz nach kurzem Besinnen
von Baracoa hierher verlegte (1514), daß Santiago bis in das XVII.
Jahrhundert hinein (1607) die Regierungshauptstadt von ganz Cuba,
später aber wenigstens diejenige der Osthälfte der Insel gewesen ist,
daß die Stadt bereits seit 1522 eine stattliche Kathedrale besitzt, und
daß der oberste Seelenhirt Cubas (seit 1804 zum Erzbischof erhoben)
seine Residenz bis auf den heutigen Tag daselbst behalten hat? Viel
kleiner als die Bucht von Guantanamo und nur etwa 7 ~km~ weit ins Land
reichend, ist die Bucht von Santiago doch fähig, Flotten jeder Größe in
sich aufzunehmen, und im Zusammenhange mit der näheren Bergumgebung ist
sie nicht bloß landschaftlich viel großartiger, sondern zugleich auch
viel tiefer und dicht an ihrem Ufer sowohl mit besserem Trinkwasser als
auch mit besserem und gesünderem Baugrunde ausgestattet. Im übrigen
darf man sie ein getreues Abbild der Guantanamobucht nennen, sowohl
was die Richtung ihrer Hauptachse als auch was ihre Gliederung in eine
Innen- und Außenbucht und in eine Reihe von Nebenbuchten angeht. Ist
dies aber nicht ein Zeugnis dafür, daß an den beiden Buchten dieselben
erdgeschichtlichen Bildungsprozesse thätig gewesen sind?

[Illustration: Abb. 44. +Ein Ceibabaum.+]

[Sidenote: Lage von Santiago.]

Die Verbindungen von Santiago in das Binnenland sind keine leichten,
ganz besonders in der Regenzeit, wenn die Bäche und Ströme des Gebirges
hoch anschwellen und wenn der rote Boden sich in einen tiefen Morast
verwandelt, immerhin sind sie aber leichter, als von den anderen
Punkten der Südküste, Guantanamo nicht ausgenommen, und jedenfalls
haben sich schon früher einigermaßen brauchbare Straßen nach den
Kupfergruben im Westen, nach den Eisengruben im Osten und nach den
fruchtbaren Thal- und Hügelgegenden an den Quellströmen des Cauto im
Norden, sowie durch die letzteren nach Bayamo und Puerto Principe (als
sogenannter ~Camino central~) anlegen lassen. Zu Eisenbahnen haben
sich diese Verbindungen freilich nur in der näheren Nachbarschaft von
Santiago vervollkommnet (bis Cobre, Juragua, El Caney und Sabanilla),
und in dem Mangel einer Schienenstraße nach Holguin und Gibara sowie
nach Bayamo und Puerto Principe hat die Hauptschwäche der Stadt bei
ihrer Verteidigung gegen die Amerikaner gelegen. Die Stadt erlag ja dem
ersten Ansturm der Feinde nur, weil weder Proviant noch Verstärkungen
mit genügender Schnelligkeit herangezogen werden konnten.

Bei den Schwierigkeiten, die der Landverkehr in dem Ostteile von
Cuba ganz im allgemeinen findet -- dergestalt, daß sie auch von
den zukünftigen Herren der Insel niemals vollkommen zu überwinden
sein werden --, bei diesen Schwierigkeiten war der Seeverkehr für
die größeren Aufgaben der Verwaltung sowie für die in größere Ferne
reichenden Handelsbeziehungen immer die Hauptsache, und für diesen
bietet die Santiagobai nicht bloß den Vorteil einer genauen Mittellage
an der Südküste (von Kap Maisi sowie von Kap Cruz ungefähr 170 ~km~),
sondern auch den Vorteil einer annähernden Mittellage zwischen den
Häfen der Nordostküste und der Cautomündung oder Manzanillo. Die
eigentlichen Kulturdistrikte Ostcubas liegen beinahe sämtlich unfern
der Küste. Als selbstverständlich dürfen wir es endlich bezeichnen,
daß für die Anfänge der Entwickelung von Santiago auch die bequeme
Verbindung mit San Domingo sowie die verhältnismäßige Nähe des
Mutterlandes von Wichtigkeit war. Dauernd konnte es freilich den
Schwerpunkt des cubanischen Kulturlebens nicht bilden, und ebendeswegen
hätte sich auch das Schicksal von Cuba wohl schwerlich vor seinen
Mauern entschieden, wenn nicht die Herrschaft der Spanier auch in der
Westhälfte der Insel in der geschilderten Weise gründlich untergraben
gewesen wäre.

Was die Kehrseite des schönen Bildes von Santiago betrifft, so ist die
Stadt öfter und stärker als jede andere von den verwüstenden Erdbeben
betroffen worden, die der Gegend charakteristisch sind, und man kann
sagen, daß es geradezu den Hauptherd derselben bilde. Zahlreiche Häuser
und Teile der Kathedrale stürzten dadurch ein in den Jahren 1580, 1678
und 1755, und das letzte größere Beben, welches Schrecken verursachte,
fand 1895 statt. Ferner wüten vor der Bucht, und nicht gerade selten
auch über ihr, in den Monaten August bis Oktober dieselben schlimmen
Orkane wie bei Guantanamo. Und endlich ist das Klima durch die
Bergumschlossenheit der Bucht das heißeste und schwülste von ganz Cuba
(mit einer Minimaltemperatur von 20° und einer Maximaltemperatur von
34° ~C~), was die Akklimatisation der weißen Kulturmenschen an dem Orte
ganz besonders schwer macht und gutenteils auch ihre Thatkraft in einem
besonders hohen Grade lähmt, ganz abgesehen davon, daß der Stumpfsinn
und die Unwissenheit der Regierten sowie der Regierenden die sanitären
Verhältnisse auch sonst sehr im argen liegen gelassen haben. Von der
Bevölkerung, die sich 1895 auf 60000 belief, gehört demgemäß auch die
große Mehrzahl (etwa im Verhältnis von 2 : 1) der farbigen Rasse an.
Zur Zeit Herreras wurde die Zahl ihrer Bürger auf 200 geschätzt, um das
Ende des XVIII. Jahrhunderts betrug ihre Seelenzahl aber 10000, um die
Mitte des XIX. gegen 30000.

Die Kupfergruben des nahen Cobre (4000 Einwohner), die seit 1596 im
Betriebe waren, sind vollständig in Verfall geraten, und der genannte
Ort hat daher heute nicht mehr durch die auszuführenden Erze, sondern
nur noch durch sein weithin berühmtes wunderthätiges Marienbild
Bedeutung für Santiago. Die Ausfuhr der Eisenerze von Jaragua dagegen
findet vorwiegend über Nueva Salamanca statt. Einen hervorragenden
Rang als Handelsplatz wird Santiago aber durch den ungeheuren Reichtum
und die große Vielseitigkeit der pflanzlichen Produktion seines
Hinterlandes jederzeit haben, und es ist keinem Zweifel unterworfen,
daß sowohl die Kulturen des Zuckers, des Kaffees, des Kakaos, des
Tabaks und der tropischen Früchte jeder Art als auch die Viehzucht
und die Gewinnung von tropischen Nutzhölzern (Mahagoni-, Cedrelen-,
Tecoma-, Eisen-, Gelb-, Blauholz u. s. w.) daselbst einer sehr starken
weiteren Steigerung fähig ist. 1890 gab es in dem Distrikte 64
Kaffeepflanzungen (34 Prozent von der Gesamtzahl Cubas), 38 Tabakvegas
und 28 Ingenios.

Nachdrücklicher als angesichts jeder anderen cubanischen Landschaft
kommt es dem geographischen Reisenden angesichts des mächtigen
Gebirges westlich von der Santiagobai zum Bewußtsein, welch schwere
Unterlassungssünde die spanischen Herren der Insel dadurch auf sich
geladen haben, daß sie die gründliche wissenschaftliche Durchforschung
derselben versäumt haben, und wie sie ihren kostbaren Kolonialbesitz
im Grunde genommen vor allen Dingen dadurch vor der Richterin
Weltgeschichte verwirkten, daß sie die Entdeckerarbeit der Kolumbus und
Ocampo nicht im Geiste der fortschreitenden Zeiten weiter zu führen
verstanden. Und indem er dem jähen seeseitigen Südabsturze des Gebirges
entlang mit seinem Dampfer auf den Wellen dahingleitet, gewinnt er
zugleich auch Muße, darüber nachzudenken, wie die Unterlassungssünde
wohl zu erklären und vielleicht bis zu einem gewissen Grade zu
entschuldigen ist. Dem deutschen Bergsteiger, der mit seinen
Stahlnerven frisch von daheim kommt, erscheint das Erklimmen der Höhen,
die er von der Santiagobucht oder von der offenen See gegen das Kap
Cruz hin überschaut, sicherlich sehr verlockend; sobald er länger in
der Gegend weilt und Erfahrungen sammelt, verschließt er sich aber
schwerlich der Einsicht, daß es mit dem Durchwandern und Besteigen
tropischer Waldberge ein anderes Ding ist, als mit dem Durchwandern
und Besteigen deutscher Wald- und Alpenberge. Es sind eben andere,
und gutenteils viel unheimlichere Berggeister, die hier walten und
die vorhandenen Geheimnisse und Schätze bewachen, als in dem Harz und
Riesengebirge oder in dem Berner Oberlande.

[Illustration: Abb. 45. +Uferlandschaft des Rio San Juan.+]

[Illustration: Abb. 46. +Niederungsstrom mit Zuckerrohrfeld.+]

[Sidenote: Die Sierra Maestra.]

Die Sierra Maestra, um die es sich hier handelt, und der wir vom
physikalisch-geographischen Standpunkte aus auch die mehrfach genannte
Cobre- und Granpiedragruppe zuzurechnen haben, hat insgesamt eine
Längserstreckung von 240 ~km~, entspricht in dieser Beziehung also
ziemlich genau dem schweizerischen Alpenzuge zwischen Martigny und
Rheineck. Ihre Gipfel aber erreichen nach den spärlich vorliegenden
und unzuverlässigen Messungen in der Cobregruppe 1018 ~m~, in dem Pico
Turquino, ziemlich genau mittwegs zwischen Santiago und dem Kap Cruz,
2560 ~m~, und in dem Ojo del Toro, nahe dem Westende des Gebirges, 1582
~m~, und zahlreiche namenlose Spitzen nordöstlich und nordwestlich
von dem Pico Turquino kann man aus der Ferne auf reichlich 2000 ~m~,
verschiedene Berge zwischen dem Pico de Turquino und dem Ojo del Toro,
wie die Silla del Rosario und den Sibon, aber wenigstens auf 1500 ~m~
schätzen. Sind nun diese Höhen dem absoluten Ausmaße nach im Vergleiche
mit den Alpen keine sehr bedeutenden, so sind sie es doch dem relativen
nach, denn das Auge betrachtet sie unmittelbar vom Meeresspiegel aus,
und der Fuß hat so unmittelbar von dort aus zu steigen. Der Pico
Turquino ragt über das Karibische Meer ebenso hoch empor wie der Tödi
über das benachbarte Vorderrheinthal, und der Abstand des Gipfels von
der betreffenden Basis ist bei dem Pico Turquino geringer (7,5 ~km~),
so daß sein allgemeiner Anstieg steiler sein muß.

Der Südfuß der Sierra Maestra, den das Gebirge hineintaucht in das
herrliche Azurblau der tiefen Cubasee, offenbart sich bei näherer
Betrachtung westlich von Santiago als ein noch viel ungastlicheres
Gestade als östlich davon. Allerorten steigen steile Hänge und
Wände empor, die ersteren dicht bebuscht, die letzteren aber das
nackte weiße oder braune Gestein zeigend -- die offenbare Wirkung
neuerlicher Bergstürze, da das feuchtwarme Tropenklima dergleichen
Wände niemals lange duldet und sie rasch wieder mit Grün bekleidet. An
verschiedenen Orten verraten Höhlenöffnungen auch hier den Kalkstein,
ein ursprünglicher Terrassenbau des Gebirges ist aber im allgemeinen
nicht zu erkennen, und nur bei dem Kap Cruz können ein paar mauergleich
verlaufende Stufen unterschieden werden. Auch dort zeigen die Schichten
aber mehrfach starke Störung und zum Teil vollkommen senkrechte
Aufrichtung. Jungkorallene Bildungen treten ebenfalls nur stellenweise
auf -- namentlich um den Cayo Damas, südöstlich vom Turquinopik, und
in der Gegend des Kap Cruz. Die Buchten aber, die die Steilküste
gliedern, sind ausnahmslos dort gegen die See aufgerissen, und Schutz
gegen südliche Winde oder Orkane gewähren nur einige wenige durch
vorgelagerte Inselchen, so besonders der kleine Nothafen Portillo
unter dem Meridian von Manzanillo. Wir haben nach dem früher Gesagten
kaum nötig, hervorzuheben, daß uns alle diese Eigentümlichkeiten
des seeseitigen Absturzes der Sierra Maestra in merkwürdiger
Übereinstimmung zu bezeugen scheinen, wie auch hier weite Striche des
tertiären Kalksteinvorlandes sowie vielleicht in beträchtlichem Umfange
zugleich spätere Bildungen (namentlich koralline) von dem blauen Meere
verschlungen worden sind. Die orkanbewegten Wogen stürmen nun wütend
genug gegen den Gebirgsfuß an, und sie reißen dabei wohl manche Klippe
fort. Den ganzen Betrag der Zerstörung vermögen sie aber nicht zu
erklären, und man hat dabei vielmehr zurückzudenken an die heftigen
Erdbeben, die die Gegend so oft betreffen und deren Bedeutung für
die Bildungsgeschichte der Sierra Maestra erst voll gewürdigt werden
wird, wenn man in Südostcuba gelernt haben wird, genaue seismologische
Beobachtungen anzustellen. Auf die ungeheuren Tiefen der Cubasee, die
bis reichlich 5000 ~m~ hinabsinken und die unter dem Meridian des
Turquinopiks 7,5 ~km~ südlich von der Küste ungefähr dasselbe Ausmaß
haben wie der Pik ebenso weit nördlich davon, können nur durch einen
großen Dislokationsprozeß begriffen werden, der seit der späteren
Tertiärzeit vor sich gegangen und noch beständig im Fortschreiten
begriffen ist, wenn auch vielleicht gegen früher sehr verlangsamt.

Die Orkane und Gewitterböen, welche so überaus häufig gegen den Südfuß
der Sierra Maestra heran und über ihre Berge hinwegbrausen, machen
unserer Meinung nach daselbst eine gewisse Dauerwirkung namentlich
darin geltend, daß sie hochstämmigen Baumwuchs bloß in geschützten
Rillen und Thalungen dulden, während sie an den offen liegenden Hängen,
ebenso auf den Gipfeln im allgemeinen nur ein undurchdringliches
Gewirr von Sträuchern und Schlingpflanzen, sowie eine üppige
Epiphytenvegetation aufkommen lassen.

[Illustration: Abb. 47. +Rancho.+]

[Sidenote: Geologische Verhältnisse.]

Die zahllosen Ströme und Bäche, welche in engen Schluchten von dem
Kamme des Gebirges herabkommen, sind sämtlich kurzläufig, und ihre
Wasserführung schwankt nicht bloß mit der Jahreszeit, zwischen weit
auseinander liegenden Extremen, sondern in vielen Fällen von Tag zu Tag
oder von Stunde zu Stunde, je nach den Wolkenbrüchen und Regengüssen,
die in ihren Quellgebieten niedergehen. Einmal versagen sie in solcher
Weise dem Wanderer in der Sonnenglut den erfrischenden Trunk, und das
andere Mal wehren sie ihm gebieterisch jedes Vordringen, den Straßen-
und Eisenbahnbauern aber mag bei ihrem Anblick von vornherein der
Mut entfallen. Von der Höhe herab bringen sie gewaltige Massen roten
Schlammes, sowie zugleich auch groben Gerölles und Schuttes, und
aus dem letzteren läßt sich schließen, daß die Hochsierra zu einem
großen Teile aus Felsarten zusammengesetzt ist, die älter sind als
das Tertiär, was mit den Beobachtungen, welche an den Bergwerken des
Cobredistriktes gemacht worden sind, gut übereinstimmt. Namentlich
die Hauptkerne des Gebirges in der Gegend des Rico Turquino und
bei dem Ojo del Toro sind offenbar archäisch und im wesentlichen
aus Diabas, Diorit und Syenit zusammengesetzt. Auch an Porphyren,
Doleriten und Basalten scheint es aber nicht zu fehlen und ebensowenig
an kretaceischen Schichtgesteinen, so daß das Gebirge westlich von
Santiago genetisch in keiner Weise von der Granpiedragruppe getrennt
werden kann. Wahrscheinlich bildeten die Hauptteile der Sierra Maestra
zusammen mit anderen noch zu erwähnenden Teilen von Cuba und vereint
mit Jamaica, sowie mit Haiti und Puertorico nebst den Jungferninseln in
der mesozoischen Zeit einen größeren Landraum. Gegen das Ende dieser
Zeit und in dem größten Teile der Tertiärzeit wurde derselbe aber bis
auf eine Reihe kleiner Reste vom Meere überflutet, und erst im späten
Tertiär tauchte die Insel in der bereits berührten Weise wieder aus den
Wellen empor, im allgemeinen viel breiter als heute, und vorübergehend
nochmals mit den anderen Großen Antillen verbunden. Die Einzelheiten
darüber bedürfen aber noch der Feststellung, und bei der weiteren
Erforschung der Sierra wäre es recht wohl möglich, daß man daselbst
noch auf verschiedene Mineralschätze stieße.

An der Nordseite löst sich die Sierra in verhältnismäßig sanfter
allgemeiner Abdachung allmählich in einzelne Züge und Gruppen von
Brotlaib- und Tafelbergen auf, zwischen denen die tief eingeschnittenen
Thäler der Quell- und Zuflüsse des Rio Cauto liegen. Die namhaftesten
derselben sind die Lomas von Palma Soriano und Santa Rita am Cauto
selbst, die Lomas von La Guira und Las Piedras am Rio Contramaestre und
die Lomas von Horneros, Jiguë und Yagua am Rio Cautillo. Tertiärkalk
ist auch hier das verbreitetste Gestein, an vielen Orten, namentlich
aber im Quellgebiete des Cautillo, finden sich große Höhlen (die Cuevas
de Torrelado), und der allgemeine Charakter der Landschaftsformen ist
Schroffheit und wilde Zerklüftung -- die Wirkung einer gewaltigen
tropischen Erosion seit den jungtertiären Zeiten, die in der Regenzeit
von Tag zu Tag noch weitere große Fortschritte macht.

[Illustration: Abb. 48. +Cubanische Landleute.+]

Das Pflanzenkleid der Sierra Maestra ist nach seiner genaueren
Zusammensetzung und Verbreitung wissenschaftlich noch ebensowenig
bekannt wie das Gestein, man weiß aber, daß namentlich Kiefern und
Farnbäume stark in ihr vertreten sind, und daß ihre reichen Bestände
der mehrfach genannten tropischen Nutzhölzer an den meisten Orten noch
vollkommen unberührt geblieben sind. Die schwere Zugänglichkeit des
Gebirges sowie von dem Lande her macht wenigstens letzteres begreiflich.

[Illustration: Abb. 49. +Eine Volante.+]

[Sidenote: Menschenarmut des Gebirges.]

Von Menschen bewohnt war die Sierra zu keiner Zeit, und auch die
Indianer suchten in ihren Schluchten und Thälern, die ohne Aufhören
von Wolkenbrüchen, Überflutungen, Stürmen, Erdbeben und Bergrutschen
heimgesucht werden, immer nur ihre letzte Zuflucht. Die entlaufenen
Negersklaven späterer Tage, sowie auch die schwarzen und weißen
Räuberbanden, die die Sierragegend jederzeit unsicher gemacht
haben, und in den Zeiten des Aufruhrs die Insurgenten, fanden
inmitten der niedrigeren und wirtlicheren Lomas weiter nördlich
allerwärts Verstecke, die ihren Verfolgern zur Genüge unnahbar waren.
Pflanzungskultur, vor allem Tabak- und Kaffeekultur, ist in größerem
Maßstabe nur in die nördlichen Thalgegenden eingedrungen, und zu
einem beträchtlichen Teile ist ihr Aufschwung auch hier aus Haiti
vertriebenen Franzosen zu verdanken. An dem Südhange ist lediglich auf
einige zerstreute Hütten (Ranchos), von denen etwas Viehzucht betrieben
wird (Abb. 47), sowie auf eine Ochsenschlachtstätte (Asserardero) und
zwei oder drei Tabakvegas hinzuweisen. Als Verkehrsstraßen von einem
Hange zum anderen mußten aber bislang auch selbst in der Nähe von
Santiago und Kap Cruz beschwerliche Reit- und Fußwege genügen, und die
mittlere Hochsierra ist gänzlich pfadlos. Der weitaus vorwiegende Teil
der eigentlichen Gebirgsbevölkerung besteht aber selbstverständlich
aus Mulatten und Negern. Fremde durfte das Gebirge in solcher Weise
sicherlich von dem Eindringen abschrecken, und einheimische Cubaner
fühlten sich um so weniger dazu berufen, als ihre geistigen Führer --
die Priester -- sie zum Ersteigen von Bergen, die höher emporragen als
der Wallfahrtsberg von Cobre, in keiner Weise anspornen.

[Illustration: Abb. 50. +Trinidad und der Pico de Potrerillo.+]

[Sidenote: Das Cauto-Thal.]

Wenn die Sierra Maestra gegen Süden in das tiefste Meer hinabstürzt,
das Cuba bespült, so fällt sie gegen Norden mit ihren letzten
steilwandigen Lomas in die ausgedehnteste Stromniederung hinein,
die die Insel besitzt. Die ausgesprochensten Gegensätze berühren
sich also an beiden Seiten. Diese Niederung, die sich auch in ihren
innersten Teilen nur wenige Meter über den Meeresspiegel erhebt, und
die in ostwestlicher Richtung von dem größten cubanischen Strom --
dem mehrfach erwähnten Rio Cauto (mit 330 ~km~ Lauflänge und 11000
~qkm~ Gebiet) -- durchströmt wird, ist in der Hauptsache ein junges
Schwemmland, das seinen Ursprung vor allen Dingen den ungeheuren
Schlamm- und Schuttmassen verdankt, die die nördlichen Abflüsse der
Sierra Maestra in der Regenzeit fortwälzen und schwebend seewärts
führen. In einer nahen erdgeschichtlichen Vergangenheit griff
der große Golf von Guacanayabo viel tiefer in die Insel ein, den
Hals, der ihren Kopfteil an dem Rumpfe hält, zu einem längeren und
schmächtigeren machend, und die Schuttkegel und Deltas des Cauto sowie
auch des Rio Jicotea, Rio Yara und Rio Jibacoa schieben sich noch
beständig weiter vor, an der Vergrößerung der Schwemmlandniederung und
an der Auffüllung des seichten, von großen Sand- und Schlammbänken
erfüllten Meerbusens rüstig weiter arbeitend. An den Rändern, wie
bei Yara und Jiguani (2000 Einw.), ist der Boden beinahe durchgängig
fruchtbare Roterde, auf der ein vorzüglicher Tabak gedeiht, nach der
Mitte und nach der Küste zu, wie bei Bayamo und Manzanillo, breiten
sich weite Strecken von noch fruchtbarerer Schwarzerde aus, und auf
ihnen hat der Zucker- und Reisbau eine gute Stätte gefunden. Sehr
bedrohlich und oft verhängnisvoll sind für diese Kulturen aber die
großen Überschwemmungen, die die genannten Ströme sowie auch der von
dem Hügellande in Holguin herkommende Rio Salado in der Regenzeit
verursachen, und an diesen Überschwemmungen liegt auch der Hauptgrund
davon, daß die Niederung auf weiten Strecken dauernd versumpft ist
(besonders in der Ciénaga del Ruey), im übrigen aber noch immer zum
allergrößten Teile als Savanne und Bruchwald wild brach liegt. Der
Cauto ist auf einer Strecke von 120 ~km~ (bis zur Vereinigung mit dem
Cautillo) gut schiffbar, und ursprünglich konnten auch Seeschiffe
in seine Mündung gelangen, eine furchtbare Überschwemmung im Jahre
1616 schloß die Mündung aber durch die herbeigeführten Schuttmassen
dergestalt, daß die in dem Flusse befindlichen zahlreichen Fahrzeuge
denselben niemals wieder verlassen konnten. Die so geschaffene Barre
künstlich zu beseitigen, ist aber unter den obwaltenden Verhältnissen
nicht thunlich gewesen. Die gleiche Überschwemmung zerstörte übrigens
auch das bereits im Jahre 1513 von Santiago begründete Bayamo (9000
Einw.), so daß dasselbe größtenteils neu aufgebaut werden mußte.
Der Abzug der Produktion und der Verkehr nach außen wurde durch die
Sperrung der Cautomündung für die ganze Niederung schwer behindert,
und auch die Anlagen von Manzanillo (10000 Einw.), das in seinen Hafen
mittelgroße Seeschiffe zuläßt, hat nur für einen beschränkten Teil der
Gegend eine erhebliche Verbesserung mit sich gebracht. Die Landstraßen
sind ja in der Cautoebene während der Regenzeit noch grundloser als
im Berg- und Hügellande, und eine Eisenbahn von Manzanillo nach
Bayamo ist zwar seit langem geplant, zur Stunde aber noch nicht in
Angriff genommen worden. Infolge der angegebenen Eigenschaften hat
sich die Cautoniederung und besonders ihre Randgegend jederzeit als
der eigentliche Hauptherd der Insurrektion bewährt. Der Reichtum der
Ebene bot den Aufständischen die beste Gelegenheit, ihre Kräfte zu
konzentrieren, die Berge nahe dabei sowie die Sumpfwaldungen boten
ihnen vorzügliche Deckung, und die spanischen Heerkörper bewegten sich
bei den mangelnden Verkehrsvorrichtungen schwerfälliger als irgendwo
sonst. So nahm der zehnjährige Aufstand von 1868 bis 1878 seinen
Anfang in Yara, und die ersten wirklichen Kämpfe der Gomez und Maceo
im Jahre 1895 fanden dicht bei Bayamo statt, sowie bald danach in der
Gegend von Victoria de las Tauas (3000 Einw.), das in dem nördlich
an die Cautoniederung anstoßenden Hügellande von Holguin liegt und
noch dem Cautogebiet angehört -- als die Hauptausgangspforte aus dem
Kopfteile Cubas in den anstoßenden Rumpfteil, bezugsweise aus den
Gebirgslandschaften von Baracoa und Santiago nach der weiten Hügel-
und Flachlandschaft, die der cubanische Volksmund als das Camaguey zu
bezeichnen pflegt.

[Illustration: Abb. 51. +Vorberge der Sierra de Trinidad.+]



VI.


Die Natur der cubanischen Küste und des Meeresraumes, der sie
begleitet, ändert sich, wenn man das Kap Cruz hinter sich hat, in
geradezu überraschender Weise. Niemand hat dies wohl lebhafter
empfunden, als Christoph Kolumbus, und weil derselbe ohne weiteres
erkannte, daß von hier ab gegen West ganz andere und weit schwierigere
Probleme seiner harrten, als zwischen Baracoa und Nuevitao und zwischen
Kap Maisi und Kap Cruz, so wendete er sich auf seiner zweiten Reise
alsbald von dem fraglichen Punkte weg gegen Süd und hinüber nach
Jamaica, um seine Fahrt entlang der Südküste von Cuba erst später
wieder aufzunehmen.

[Illustration: Abb. 52. +Die Bucht von Cienfuegos.+]

[Sidenote: Die Cayos.]

Mächtige Sandbänke, darunter vor allem der ungeheure Bajo de Buena
Esperanza, lagern sich dem Seefahrer in den Weg, und die meisten
derselben sind mit jungen, gutenteils noch von Leben erfüllten
Korallenbauten besetzt und umsäumt, die vielfach hart an die
Meeresoberfläche treffen und an denen die See mehr oder minder
stark brandet. Endlos folgen einander daneben niedere Inselchen aus
fossilem Korallenkalk und Sand, die in der Regel kaum meterhoch, oft
genug auch kaum zollhoch über den Flutenstand des Meeresspiegels
emporragen, und über die jede stärkere Sturmwoge hoch hinweg schlägt,
so daß eine andere Vegetation als Mangrovegebüsch und ein anderes
Tierleben als Vogelleben nicht auf ihnen denkbar ist. Es sind dies die
sogenannten Cayos oder Keys, die Cuba als eine Art kleiner Trabanten
rings umschwärmen, und deren Zahl allein auf der kaum 300 ~km~ langen
Strecke zwischen Kap Cruz und der Agabamamündung mehr als tausend
betragen mag. Jeder einzelne davon gewährt, vom Schiffe aus betrachtet,
ein überaus reizendes und freundliches, ja vielfach ein bezauberndes
Bild, aber einer gleicht in seinem Gepräge genau dem anderen, und nur
die Ausdehnung wechselt zwischen einem Hektar oder Ar und gegen 50
~qkm~ (Abb. 42). Der Schiffer sieht sich bei ihnen vergeblich nach
Merkzeichen um, die ihm den rechten Kurs einhalten helfen, und nur eine
kleine Zahl, die ein paar Meter höher emporsteigt und außer Mangroven
einige Fächerpalmen oder einem Ceibabaume (~Eriodendron anfractuosum~)
die erforderlichen Daseinsbedingungen bietet, macht in dieser Regel
eine Ausnahme. Besonders winzig sind die Inselchen auf dem ersten
Dritteile der Strecke, an der Bucht von Guacanayabo, sie sondern sich
daselbst aber gut in einzelnen Gruppen, zwischen denen verhältnismäßig
breite und tiefe Durchfahrten liegen -- der Balandraskanal,
östlich von der Buena-Esperanza-Bank, und der Barcoskanal sowie
der Quatro-Reales-Kanal, der Pitajayakanal und der Levizakanal,
westlich davon. In dem mittleren Teile der Strecke dagegen, dort, wo
die Landschaft des Camaguey sich weit gegen Südwest ausbaucht und ihre
bedeutendste Breite (110 ~km~) erreicht, sind die Keys etwas größer,
ihr regelloses Durcheinander ist aber hier ein völlig verwirrendes,
und die alten spanischen Seefahrer haben die Zusammenscharung an der
fraglichen Strecke mit sehr triftigem Grunde das Zwölfmeilenlabyrinth
-- ~Laberinto de Doce Leguas~ -- benannt. Weiter westlich folgen dann
die drei größten Keys der ganzen Flur (Cayo Caballones, C. Piedra und
C. Grande), an deren Seiten die Caballones- und Boca-Grande-Durchfahrt
den Fahrzeugen von der hohen See her offen stehen, und endlich streckt
sich die große Bank des Cayo Breton, auf der sich zahllose Schildkröten
und Fische zwischen den Riffen tummeln, 55 ~km~ weit gegen Nordwest bis
in die Nähe der Hauptinsel.

[Illustration: Abb. 53. +Vorstädtisches Cienfuegos nebst Bai und
Tafellandumgebung.+]

[Illustration: Abb. 54. +Uferlandschaft des Rio Damuji.+]

Südlich stößt an die beschriebene Korallen- und Inselflur, die wir nach
ihrer Hauptgruppe Laberintoflur nennen, ein ungeheuer tiefes Meer,
und 10 ~km~ von dem Cayo Grande werden bereits 2800 ~m~ gelotet, die
Verhältnisse liegen also nach dieser Richtung hin genau wie bei der
Sierra Maestra. Auf ihrer Nordseite hingegen schließt die Flur mit
ihren äußeren Gliedern ein seichtes cubanisches Randmeer ab, das man
füglich von dem weißen Korallenschlammgrunde, der auf weiten Strecken
seltsam durch das Wasser hindurch leuchtet, als cubanische Weißsee
oder besser vielleicht noch der Lage nach als Camagueysee von dem
offenen Karibenmeere unterscheiden könnte. Als Golf von Jucaro weit
gegen Nordost ausgreifend, schnürt dieses Randmeer den Körper Cubas
nochmals isthmusartig (auf 65 ~km~) zusammen, und die Landschaft des
Camaguey sowie der ganze cubanische „Oriente“ findet daselbst seine
natürliche Westbegrenzung in ganz ähnlicher Weise wie bei Jobabo seine
Ostbegrenzung.

Daß die Südküste des Camaguey außerordentlich schwer und nur unter
mannigfaltigen Fährlichkeiten zugänglich ist, ist aus dem Gesagten
klar genug, und wenn man erwägt, daß die Seekarten von der Gegend bis
auf den heutigen Tag äußerst ungenau geblieben sind, daß zahlreiche
Inselchen und Riffe darauf gänzlich fehlen, und daß man an eine
Ausstattung der Flur mit Leuchttürmen und Tonnen bisher nicht gedacht
hat, so steht man wohl schwerlich an, das Camaguey nach dieser Seite
hin als ein ziemlich streng verschlossenes Land zu bezeichnen. In
ihrer Längserstreckung bietet die Camagueysee den Schiffen in der
Küstennähe ein verhältnismäßig offenes und tiefes Fahrwasser, und bei
genügender Vorsicht in der Gegend des Laberinto de Doce Leguas können
Schiffe von mäßigem Tiefgange (5 ~m~) darin bequem zwischen Manzanillo
und Casilda hin und her fahren. Das betreffende Fahrwasser ist zugleich
auch durch den wirksamen Schutz, den die Koralleninseln und Riffe
gewähren, im allgemeinen ein außerordentlich ruhiges und glattes, und
gerade in der Camagueysee gedenkt man unwillkürlich des Kolumbischen
„allezeit sanft wie der Strom von Sevilla.“

[Illustration: Abb. 55. +Hafenstadtteil von Cienfuegos.+]

[Sidenote: Die Sumpfküste von Camaguey.]

[Sidenote: Die nördliche Korallenflur von Camaguey.]

Welcher Art ist aber die Küste des Camaguey, die es durch das
geschilderte Randmeer zu erreichen gilt? Ohne Unterbrechung und, wie es
einem bei der Küstenfahrt bedünken kann, ohne Aufhören dehnt sich von
der Gegend von Manzanillo bis in die Gegend von Tunas ein Mangrove-,
Binsen- und Waldsumpf (Manglar und Crenaga) aus, der im allgemeinen 10
bis 20 ~km~ binnenwärts reicht, der mit zahlreichen Lagunen besetzt und
von einem Gewirr von Wasserläufen -- den Mündungsarmen der gegen Süd
ablaufenden Ströme des Camaguey (Jobabo, Sevilla, Najasa, Sabanilla,
San Pedro, Altamira u. s. w.) -- durchzogen ist. Es ist dies wieder ein
Paradies der Manatis und Krokodile, sowie der Pelikane, Reiher, Enten,
Wasserhühner, Moskitos, Garragatos u. s. w., aber ein sehr schlecht
geeigneter Boden für irgend welche Ansiedelungen von Kulturmenschen.
Während der Regenzeit ist eine trockene Stelle in dieser Sumpfwildnis
kaum zu finden, in der Trockenzeit gibt es aber eine Anzahl kleiner
Inseln und Sumpfoasen, die genügend von Wasser frei werden, um den
Wuchs von Savannengräsern, Bataten, Cassawen und Bananen zuzulassen
und dadurch Nahrung für eine Rinderherde, sowie für eine Guajiro- oder
Mulattenfamilie darzubieten. Gegen die Fieberdünste der Gegend, sowie
gegen die Moskitostiche sind ja die Guajiros und Mulatten gefeit, und
an die Beschaffenheit des Trinkwassers stellen dieselben auch keine
großen Anforderungen. Die Verschlossenheit des Camaguey gegen das
Karibische Meer hin wird aber durch den breiten Gürtel amphibischen
Landes noch sehr bedeutend erhöht, und alles in allem kann man dieselbe
ohne Bedenken als eine noch viel vollkommenere nennen als bei dem
Berglande von Santiago. Zugleich darf man sich auch fragen, ob und
wann es wohl einer zukünftigen Verwaltung Cubas gelingen wird, den
vorliegenden Naturfehlern abzuhelfen. Ein einziger kleiner Hafenplatz,
Santa Cruz del Sur (1000 Einw.), der unfern der durch eine Barre
gesperrten Mündung des Rio San Juan de Najasa liegt, und der nur
sehr flach gehende Schiffe zuzulassen vermag, muß zur Zeit dem an der
Südseite der weiten Landschaft aus- und eingehenden Handel und Verkehre
genügen, und lediglich das hohe strategische Interesse, welches der
Isthmus von Moron in den Zeiten des Aufstandes in Anspruch nahm, hat
daneben an einer ähnlich seichten Reede weiter westlich noch den
Truppenlandungsplatz Jucaro ins Dasein gerufen.

[Illustration: Abb. 56. +Hauptstraße von Cienfuegos.+]

Das Eindringen in das innere Land, das von Santa Cruz aus nur auf
einer schlechten Landstraße bewirkt werden kann, versuchen wir von
der Seite des Karibenmeeres nicht, sondern wir wenden uns vielmehr zu
diesem Behufe zurück nach Nuevas Grandes, um daselbst unsere früher
abgebrochene Küstenfahrt und Küstenschau am Alten Bahamakanale wieder
aufzunehmen. Wir stoßen auch hier alsbald auf eine ausgedehnte Insel-
und Korallenflur. Eine beträchtliche Anzahl der Keys, die dieselbe
zusammensetzen, erscheint aber im Vergleiche zu denen, die wir an
der Südküste kennen gelernt haben, riesengroß; so vor allem der eng
an die Hauptinsel angeschmiegte und flache Cayo Sabinal (360 ~qkm~);
der hügelige Cayo Guayaba (120 ~qkm~); der langgestreckte größere und
kleinere Cayo Romano (480 bezw. 250 ~qkm~); der Cayo Cocos (180 ~qkm~)
und der Cayo Turiguano (150 ~qkm~), der letztere wieder dicht an der
Hauptinsel liegend, und die Kette der Riesenkeys an dem Isthmus von
Moron schließend. Im allgemeinen erheben sich die genannten Keys auch
zugleich höher über den Meeresspiegel als die im Süden, und die Hügel
des Cayo Guayaba erreichen 30, die „Silla“ des Cayo Romano aber sogar
70 ~m~. Außer Mangroven und Salzteichen, sowie Sanddünen enthalten sie
daher auch etwas Mimosen- und Guavengebüsch, kleine Kokospalmen- und
Fächerpalmenbestände und ziemlich ausgedehnte Savannen, und es sind
daher an verschiedenen Orten Fischerhütten und Viehzuchtgehöfte darauf
zu finden. Seewärts von ihnen liegen dann noch zahlreiche kleinere
Keys, wie der Cayo Confites, der Cayo Cruz, der Cayo Paredon Grande
mit seinem hohen Leuchtturme u. a., vor allem aber begleitet die Kette
auf dieser Seite ein ausgedehntes Saumriff von lebenden Korallen, das
steil in den ansehnlich tiefen Bahamakanal (auf der fraglichen Strecke
600-2000 ~m~) abstürzt. Die Durchfahrten, welche die genannten großen
Keys zwischen sich lassen (die Caravelasdurchfahrt, die Boca Guayaba
u. s. w.), sind durch dieses Riff um so gefährlicher, als an demselben
für gewöhnlich eine starke Brandung tost, als die Gegend ebenso
wie die früher beschriebene, weiter im Osten liegende der strengen
Herrschaft des Nordostpassates untersteht und als sehr verwickelte
Gezeitenströmungen durch die Kanäle hindurchgehen. Dazu ist der gegen
200 ~km~ lange und bis über 20 ~km~ breite Meeresraum, der in kleinen
Fahrzeugen durch die Kanäle erreicht werden kann und den man füglich
als Cayo-Romano-See bezeichnen darf, durchgängig außerordentlich seicht
(meist nicht mit 1 ~m~ Wasser) und mehrfach durch quer darin liegende
Gruppen von kleineren Keys, auch selbst für Küstenfahrer unpassierbar.

[Illustration: Abb. 57. +Zuckerrohr-Eisenbahnzug.+]

Ein schwer zugängliches, zugeschlossenes Land muß man das Camaguey also
auch an der Nordseite nennen, und ein breiter Gürtel von Mangrove-
und Binsensumpf, der sich auf dem Hauptlande dem Cayo-Romano-See
entlang zieht, vervollständigt und verstärkt auch hier das System
kulturgeographischer Absperrung.

[Sidenote: Nuevitas. Moron.]

Nur an der Ostseite des Cayo Sabinal steht dem Seeverkehr ein wirklich
guter Aus- und Eingang offen, durch den die größten Seeschiffe sich
dem Ufer des Hauptlandes bis auf einen geringen Abstand nähern und
kleinere unmittelbar daran landen können. Kolumbus stand nicht an,
denselben als „einen der besten der Erde“ („~de los mejores del
mundo~“) zu rühmen, und er nannte ihn Puerto de Mares, Velasquez aber
gründete an seinem Gestade 1516 die Stadt Santa Maria del Puerto
Principe, die sich zu dem heutigen Nuevitas (7000 Einw.) entwickelt
hat. Der Passatwind und die Gezeitenströmungen, sowie die Gewundenheit
und Enge des Fahrwassers sind Mängel des schönen Hafens, und die
beiden hohen Leuchttürme vor der Einfahrt warnen nicht umsonst vor den
daselbst drohenden Gefahren. Das nächste Hinterland hat aber einen
sehr fruchtbaren Dunkelboden, auf dem die Zuckerrohrkultur einen
beträchtlichen Umfang genommen hat, und außerdem enthält dasselbe auch
einen großen Reichtum an den bekannten westindischen Nutzhölzern. Das
fernere Hinterland ist aber die Camagueylandschaft nahezu in ihrer
Gesamtheit, und in dieses hinein führt von Nuevitas eine der wenigen
ostcubanischen Eisenbahnen, die Würde des Platzes als Haupthafen
gewissermaßen noch vollständiger besiegelnd. Moron (6000 Einw.), das
durch die Kanäle am westlichen Ende der angegebenen Keyreihe kleineren
Fahrzeugen nahbar ist, kann jedesfalls nur als eine Nebenpforte gelten,
und dasselbe hat seine Bedeutung vor allen Dingen darin gehabt, daß es
die spanische Heeresleitung in den Stand setzte, die stark befestigte
Verteidigungslinie gegenüber der Insurrektion auf dem Isthmus von Moron
auch von dieser Seite von der See her zu stützen.

[Illustration: Abb. 58. +Cubanische Feldbestellung.+]

[Sidenote: Das Hügelland als Schlupfwinkel.]

[Sidenote: Verkehr im Camaguey. Puerto Principe.]

Das Innere des Camaguey stellt sich dem Auge im großen Ganzen als
eine Landschaft dar, deren Formen stark von den Verwitterungsagentien
abgetragen worden sind. Weite und nahezu vollkommene Ebenen mit der
allgegenwärtigen cubanischen „Tierra Colorada“ wechseln mit Gruppen
niedriger, aber immerhin ziemlich steilwandigen Cerros und Lomas aus
Granit, Diorit, Serpentin u. dergl., sowie zum Teil auch aus tertiärem
Kalkstein. In der Osthälfte des Landes, und insbesondere in der Gegend
von Guaimaro und entlang dem Rio Najasa entwickeln sich diese Lomas
zu förmlichen kleinen Gebirgen -- den Lomas del Rompe, der Sierra de
Sibanica, der Sierra del Postillo, der Sierra de Najasa, der Sierra
de Guaicanamar --, die trotz ihrer geringfügigen Erhebung (200-300
~m~) wild genug sind, und durchgängig noch ein ziemlich ursprüngliches
Busch- und Waldkleid tragen: schöne Königspalmen, mächtige Ceibas (Abb.
43 und 44), Mahagonibäume, Cedrelen, Granadillas, Mameys, Rosenäpfel-
und Guavenbüsche u. s. w. Ein ansehnliches Kalksteingebirge,
das in der Steilheit seiner Wände und Gipfel, sowie in seinen
Höhenverhältnissen (gegen 500 ~m~) und in seiner Entstehungsgeschichte
an die Gebirge von Baracoa erinnert, ist aber vor allem die Sierra
de Cubitas, in Nordwest-Camaguey in unmittelbarer Nachbarschaft der
nördlichen Küstensümpfe, und dieselbe setzt sich gegen Moron hin,
jenseits einer breiten Thalsenke, in der niedrigen Sierra de Indas
gewissermaßen weiter fort. Sie enthält eine Reihe mächtiger Höhlen,
von denen die größte bezeichnenderweise Cueva de los Negros Cimarrones
(Cimarronnegerhöhle) heißt. In den Insurrektionskämpfen hat die Sierra
de Cubitas sich immer als ein Hauptfort der Aufständischen bewährt, und
in den letztvergangenen Jahren galt ein schwer nahbares Viehgehöft auf
einer ihrer Höhen längere Zeit als die Regierungshauptstadt der „Cuba
Libre“. Kaum minder bedeutsam sind aber in der Insurgentenstrategie
auch die genannten niedrigeren Bergzüge bei Guaimaro gewesen, da sie
es den Führern ermöglichten, in steter enger Berührung mit der Cauto-
und Maestragegend zu bleiben. Und die weiten Ebenen, zu denen sich
die Camagueylandschaft gegen die Mitte hin verflacht, und mit denen
sie sich beiderseits sanft zu den Küstensümpfen abdacht, sind füglich
ebenfalls viel besser dazu geschaffen, kleinen Banden die Bewegung
und Verproviantierung, sowie das Scharmützeln und Entschlüpfen zu
gestatten, als wirklichen Heerkörpern ihre geordneten Operationen. In
der Trockenzeit (Seca) herrscht daselbst größerer Wassermangel, als in
anderen Gegenden der Insel, denn das Klima des Camaguey ist bei der
entschiedenen Vorherrschaft abgeflachter Bodenformen verhältnismäßig
regenarm. Die schwach eingeschnittenen Ströme (Abb. 45 und 46) trocknen
dann vielfach gänzlich aus, und als Trinkstätten für Menschen und
Tiere dienen lediglich vereinzelte Wasserlöcher und Quellen (~ojos de
agua~), die nur der Ortskundige findet. In der Regenzeit (~estacion
de las aguas~) dagegen reichen die Gewittergüsse bald genug aus, die
Ströme übervoll und unpassierbar zu machen, die Ebenen aber auf weiten
Strecken in einen knietiefen Morast zu verwandeln. Im Zusammenhange
mit diesem Klima, sowie mit dem sandigen Boden herrschen in den
Ebenen des Camaguey auch lichte Baumbestände, mit Fächer- statt
Königspalmen, sowie ausgedehnte Savannen mit hohen Gräsern vor. Den
Hauptwirtschaftsbetrieb aber bildet die Viehzucht, die Hauptsiedelungen
sind weit auseinander liegende Ranchos und Hatos (Abb. 47), die
eigentlichen Charakterfiguren der Landschaft sind die berittenen Hirten
(Monteros) und Land- und Herdenbesitzer (Abb. 48), die natürlich
sämtlich echte Cubaner und treue Parteigänger der Insurrektion waren.
Wer das Cuba der Creolen kennen lernen will, der ist überhaupt in dem
Camaguey am richtigsten Orte. Die Straßen sind durchgängig schlecht,
und das einzige Verkehrsmittel, in dem auf denselben mit einiger
Sicherheit und vielleicht sogar mit einigem Behagen vorwärts zu kommen
ist, ist außer dem kleinen cubanischen Reitpferde die zweiräderige
Volante, mit ihrem breiten Achsengestell und ihrer langen elastischen
Deichsel, sowie mit ihrem seitwärts voraufjagenden Leitreiter -- ein
Fuhrwerk, das in den meisten anderen Gegenden Cubas im Aussterben
begriffen ist (Abb. 49). Auf solche Weise, und weil bislang ein
Anschluß an das westcubanische Eisenbahnnetz nicht vorhanden war,
werden aber auch die fremden Einflüsse von der Landseite her ziemlich
wirksam von dem Camaguey fern gehalten oder doch sehr eingeschränkt.

[Illustration: Abb. 59. +Grünfuttertransport.+]

[Illustration: Abb. 60. +Santo Domingo.+]

[Sidenote: Die Trocha.]

Die Hauptstadt Puerto Principe (42000 Einw.), ziemlich genau im
Mittelpunkte der Landschaft und am oberen Rio San Pedro gelegen,
bildet als eine Art camagueyanisches Paris in jeder Beziehung den
Vereinigungspunkt ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Interessen. An Stelle des alten Indianerdorfes Camaguey bereits im
Jahre 1516 erbaut, ist sie die einzige wirkliche Stadt der Landschaft
geblieben, und die Zahl ihrer Bewohner übertrifft diejenige des
dünnbevölkerten ländlichen Camaguey um das doppelte. Am Camino
Central von Santiago nach Habana, der den Rio San Pedro hier auf
hübscher Brücke überschreitet, bildete sie selbstverständlich zu allen
Zeiten eine Hauptstation, und von der nach ihr benannten politischen
Provinz, die nur im Westen über die bezeichnete Grenze der natürlichen
Landschaft herausgreift, war sie unter der spanischen Herrschaft
der Sitz des Statthalters und der obersten Verwaltungsbehörden, was
zur Erhöhung ihres Glanzes nicht unwesentlich beitrug. Die kleinen
Flecken El Zanjon und Guaimaro sind Stationen an der genannten
Hauptstraße gegen Santiago hin, das erstere historisch denkwürdig
durch den daselbst im Jahre 1878 geschlossenen Vertrag. An der aus
40 kleinen Blockhausfestungen bestehenden „Trocha de Moron“ aber,
die sich quer über den niedrigen und teilweise sumpfigen Isthmus von
Moron hinwegzieht, und die sich in spanischer Hand trotz der damit
verbundenen strategischen Eisenbahn nicht sehr glänzend bewährt
hat, liegt außerdem noch Ciego de Avila (2000 Einw.), und dieses
bildet durch den Camino Central, der hier die Trocha kreuzt, den
verkehrsgeographischen Hauptübergangspunkt aus dem Camaguey in die
westlich angrenzende Nachbarlandschaft der „Cinco Villas“.



VII.


[Illustration: Abb. 61. +Habana.+]

[Illustration: Abb. 62. +Die Hafeneinfahrt von Habana nebst Morro und
Punta.+]

[Illustration: Abb. 63. +Terrassen an der Bucht von Habana.+]

[Sidenote: Die Sierra de Sancti-Spiritus.]

[Sidenote: Die Sierra de Trinidad.]

[Sidenote: Die Thäler.]

Sobald wir uns mit unserem Kastendampfer dem westlichen Ausgange der
Camagueysee nähern und Jucaro sowie die Jatibonicomündung im Rücken
haben, sehen wir in der südcubanischen Küstenscenerie einen abermaligen
starken Wechsel eintreten. Der eintönige Mangrovesumpf wird schmaler,
es springen aus demselben mehrfach höhere Landrücken und Landspitzen
heraus, und im Hintergrunde tauchen in blauer Ferne hohe und malerische
Berge auf. Der Seemann ist von hier ab um Landmarken nicht mehr
verlegen, und befindet man sich erst auf der Höhe der Mündung des
Rio Sasa, so erscheint einem das Gebirge, das daselbst an das Meer
tritt, beinahe ebenso stolz und prächtig wie die Sierra Maestra.
Thatsächlich soll auch die Loma de Banao, die etwa 15 ~km~ von der
Küste entfernt ist, nach Esteban Pichardo an die 1700 ~m~ aufsteigen,
höher also als die Gran Piedra, und eine ganze Anzahl anderer Kuppen,
wie die scharf geschnittene Pan de Azucar (Zuckerhut), die Loma del
Infierno (Höllenberg) und die Lomas del Purial (Fegefeuerberg), mag
wenigstens nahe an 1500 ~m~ messen. Durch das tiefe Agabamathal und
die davor liegende Mangroveniederung erhält diese Gebirgsgruppe, die
man gemeinhin Sierra de Sancti-Spiritus nennt, eine Art Abschluß.
Unmittelbar westlich von dem genannten Thale erheben sich aber weitere
stattliche und schön geformte Berge bis gegen 1000 ~m~ -- so vor allen
Dingen der Pico de Potrerillo (Abb. 50), den Alexander von Humboldt
auf 944 ~m~ bestimmte, die Cabeza de San Juan (Johanneshaupt) und
andere -- und diesen Zug, der erst am Rio Arimao endigt, bezeichnet
man als Sierra de Trinidad. Der Absturz dieser Gebirge zum Meere ist
steil genug, wenn auch nicht so steil wie bei der Sierra Maestra,
und nicht ohne die Vermittelung von niedrigeren Vorbergen (Abb. 51),
die Gipfelformen sind aber beinahe durchgängig gerundete, und an die
Zacken und Spitzen der östlichen Sierren fühlt man sich höchstens bei
der Ostgruppe erinnert. Hier und da glänzen weiße Flecken von den
Höhen herab, die der Unkundige für Firnflecken nehmen kann, die aber
in Wirklichkeit nichts anderes sind als kahle Kalkstein-, Quarz- oder
Glimmerschieferwände, da Schnee in dieser Gegend auch in 1700 ~m~ Höhe
niemals fällt. In der Hauptsache aus archäischen und paläozoischen
Gesteinen zusammengesetzt, unter anderen auch Gneis, Glimmerschiefer,
Quarz und krystallinischem Kalkstein, bildet das Gebirge, das den
wenig volkstümlichen Gesamtnamen der Montes de Guamuhaya führt, aller
Wahrscheinlichkeit den ältesten Teil der ganzen Insel, der als eine Art
Horst ihre erdgeschichtlichen Schicksale seit Beginn der mesozoischen
Zeit überdauert hat und der in der Vorzeit zu viel gewaltigeren Höhen
emporgeragt haben muß als heute. Die südlichen Vorberge bestehen
bis zu einer Höhe von 300 ~m~ und vielleicht noch wesentlich höher
aus Tertiärkalk, und an ihrem Fuße sind dieselben zum Teil von der
niedrigen Klippenwand aus fossilen Korallen begleitet, die wir aus
dem Ostteile der Insel zur Genüge kennen. Dem Ostabhange der Sierra
de Sancti-Spiritus ist auch noch ein höherer tafelförmiger Unterbau
charakteristisch, der als eine der bekannten oberen Terrassenstufen
aufgefaßt werden kann, und das Gleiche ist auch gegen die Arimaomündung
hin und darüber hinaus zu bemerken. Es hat demnach den Anschein, als ob
das alte Gebirgsland auch den Ablagerungen der jüngeren Erdalter als
festere Stütze gedient habe, als das Küstenland weiter östlich. Die
Verwitterung und das Nagen der Abflußgewässer, die selbstredend auch
hier echt tropische und überaus energische sind -- man denke nur an
die hohe Lösungskraft des warmen, kohlensäuregeschwängerten Wassers,
-- scheint den größeren Teil des tertiären Stufenbaues freilich auch
hier wieder zerstört zu haben. Das sehr tief eingegrabene Agabamathal,
welches das Guamuhayagebirge in genau meridionaler Richtung auf einer
Strecke von 70 ~km~ quer zerschneidet, dürfte im wesentlichen ein sehr
altes Erosionsthal sein, und Ähnliches ist wohl auch der Fall mit den
Thälern der Sasa und des Arimao (im Oberlaufe Manicaragua genannt) die
das Gebirge umgrenzen und inselartig aus seiner Umgebung herausheben,
sowie mit den Seitenthälern des Agabamo und Arimao, die von der Sierra
de Trinidad gegen Norden hin die Montes de la Siguanea und die Montes
de Manicaragua als besondere ostwestlich verlaufende Ketten abgliedern.
Die letztgenannten, ungemein zerklüfteten, höhlenreichen und dicht
bewaldeten Gebirge waren jederzeit berühmte Horte der Insurgenten sowie
in früheren Zeiten Hauptschlupfwinkel der entlaufenen Negersklaven
und der Banditen. Wie die betreffenden Ströme an der Zerfeilung des
Guamuhayagebirges arbeiten, zeigen namentlich eine große Zahl schöner
Wasserfälle, unter denen wir diejenigen des Ay (rechtsseitiger
Nebenfluß des Agabama) und des Hanabanilla (linksseitiger Nebenfluß des
Arimao) hervorheben, sowie daneben auch verschiedene Flußschwinden
(z. B. die Jibacoaschwinde). Im übrigen tragen alle die genannten
Thäler, die leider sehr häufig von sehr verheerenden Überschwemmungen
heimgesucht werden, im Naturzustande eine herrliche Waldvegetation,
und soweit die Kultur an sie vorgedrungen ist, sind die einen (Sasa-,
Agabama- und Arimaothal) durch umfangreichen Zuckerbau, die anderen
aber (besonders das Manicaraguathal) durch namhaften Tabakbau
ausgezeichnet. An den Gehängen gab es dazu namentlich in der Nähe von
Trinidad seit langem zahlreiche „Cafetales“, und auf den Höhen blüht
allenthalben die Viehzucht. Seine düsterste und kulturärmste Seite
kehrt das Gebirge eigentlich dem Meere zu, denn dort schaut aus dem
Guaven- und Mimosengebüsch an vielen Orten das gelbbraune, verwetterte
und sonnenverbrannte Gestein heraus, und Palmenbestände erheitern den
Anblick nur hier und da, besonders gegen den Fluß hin.

[Sidenote: Trinidad. Die Berge der Cinco-Villas-Landschaft.]

[Sidenote: Cienfuegos.]

Das Meer hat südwestlich von dem beschriebenen Hauptgebirge der
Cinco-Villas-Landschaft eine bedeutende Tiefe (5 ~km~ von der Küste
der Potrerillogegend über 1000 ~m~), so tief als das Meer südwestlich
von der Laberinto-Key-Flur ist es aber bei weitem nicht, und nicht
sehr fern von der Küste tauchen daraus verschiedene Bänke (Pazbank,
Xaguabank) bis nahe an die Oberfläche -- in beachtenswerter Weise eine
unterseeische Fortsetzung des äußeren Keygürtels der Laberintoflur
andeutend, und eine gewisse Verbindung zwischen dieser Flur und der
weiter westlich gelegenen Flur, die wir noch zu betrachten haben
werden, herstellend oder aufrecht erhaltend. Vor der Lasa- und
Agabamamündung handelt es sich noch um die Camagueysee; dieselbe
ist auch hier seicht und von Korallenriffen und Keys sowie durch
die Anschwemmungswirkung der Ströme von Schlamm- und Sandbänken
erfüllt. Die beiden Ströme sind aber für kleine Fahrzeuge über ihre
Mündungsbarre hinweg schiffbar, und westlich von beiden liegen durch
Landvorsprünge und Keys gut geschützte Buchten, die wenigstens
mittelgroßen Schiffen (bis 3,5 ~m~ tiefen) verhältnismäßig leichten
Zugang gewähren: die Bucht von Tunas und die Doppelbucht von
Casilda-Masio. Die kulturgeographischen Verhältnisse liegen daselbst
jedenfalls ungleich günstiger als an der Südküste des Camaguey, und
schon in den allerersten Zeiten der spanischen Besiedelung wurde
daher von hier aus das Eindringen in die genannten reichen Thäler
mit gutem Erfolge versucht, so daß Sancti-Spiritus (18000 Einw.), in
einem rechten Seitenthale des Sasaflusses ebenso wie Trinidad (20000
Einw.), am Südwestabhange der nach ihm benannten Bergkette und am
für Kähne schiffbaren Rio Guarabo, den ältesten Städten der Insel
zuzählen und bereits 1514 gegründet worden sind. Die Entwickelung
dieser beiden ersten der „Cinco Villas“ („Fünf Städte“) ist nur durch
die Insurrektionskämpfe immer besonders schwer geschädigt worden,
und Trinidad hat außerdem in früheren Zeiten von Seeräuber- und
Boucaniereinfällen viel zu leiden gehabt. Die kleinen Hafenplätze Tunas
und Casilda sind heute vor allem durch Zucker- und Holzausfuhr namhaft
und sowohl durch Stromschifffahrt als auch durch Eisenbahnen ihrem
Hinterlande verbunden. Weiter westlich, wo die Tiefsee unmittelbar
am Gebirgsfuße liegt, greift aber eine viel schönere Meeresbucht in
die Cinco-Villas-Landschaft ein, ganz ähnlich, wenn auch mit anderer
nordwestlicher Hauptachsenrichtung, wie die Buchten von Santiago
und Guantanamo, und der letzteren auch durch ihre gewaltige Größe
sowie durch ihre Spätlingsrolle in der cubanischen Kulturgeschichte
vergleichbar: die Bucht von Xagua oder Cienfuegos. Die hohen Zinnen
des Siguanea- und Trinidadgebirges thronen über der Bai nur im fernen
westlichen Hintergrunde, gewissermaßen nur als der prächtigste Schmuck
ihres Bildes (Abb. 52), im übrigen umrahmen ihre weite Wasserfläche
die bewaldeten und hier und da mit Landhäusern und Bohios besetzten
Abhänge einer mäßig hohen (gegen 40 ~m~) Kalksteintafel (Abb. 53),
und an der rechten Seite des Arimao sowie zu beiden Seiten des
Rio Caunao und des Rio Damuji (Abb. 54) breiten sich flachwellige
oder völlig ebene Niederungen von hoher Fruchtbarkeit aus, und das
ganze Innere ist sowohl zu Lande als auch streckenweise in flachen
Booten auf den genannten Strömen bequem erreichbar. Die Bai ist
sehr tief (5 bis 10 ~m~) und sicher, ihr Eingang ist aber eng (180
~m~) und durch Gezeitenströmungen schwierig; der letztere Umstand
hat es wohl hauptsächlich verschuldet, daß sie in den Zeiten
ausschließlicher Segelschiffahrt nur als Nothafen aufgesucht wurde.
Seit den zwanziger Jahren des XIX. Jahrhunderts siedelten aber auch
hier zahlreiche französische Pflanzer an, und durch sie sowie durch
später hinzugekommene spanische und amerikanische Pflanzer hat sich das
Hinterland der Bai sozusagen in ein einziges ungeheures Zuckerrohrfeld
verwandelt, die Ingenios der Gegend aber sind hinsichtlich ihrer
Ausstattung mit Maschinen sowie hinsichtlich ihrer Förderung die
hervorragendsten von ganz Cuba geworden (Caracas von 1895 mit einer
Jahresförderung von 45,6 Millionen Centnern Zucker, Constancia mit
29,5 Millionen u. s. w.). In sehr bemerkenswerter Weise ist die
Gegend auch von den Verwüstungen der Revolutionskämpfe viel weniger
betroffen worden, als andere Gegenden. Die Stadt Cienfuegos (30000
Einw.) aber, die als die jüngste der cubanischen „Fünf Städte“ erst
im Jahre 1830 an der Ostseite der Bucht angelegt worden ist und die
sich durch ihre Physiognomie mehr als jede andere in Cuba als eine
Schöpfung der Neuzeit bekundet (Abb. 55 und 56), hat als Zucker- und
Melasseausfuhrhafen sowie durch ihre sonstige Handelsblüte ihre beiden
älteren Schwestern an der karibischen Seite der Cinco-Villas-Landschaft
beträchtlich überflügelt. Als helfende Sammelpunkte der
Erzeugnisse des Inneren sowie als Knotenpunkte von den wichtigsten
Zuckerrohreisenbahnen (Abb. 57), die für die Gegend charakteristisch
sind, und von denen manche Ingenios an die 50 ~km~ besitzen, seien
daneben erwähnt Rodas (2000 Einw.), zugleich an der Eisenbahn nach
Cardenas und Habana und am Endpunkte der Damujischiffahrt; Camarones
(2500 Einw.), am Caunao; und Palmira (2000 Einw.) sowie Cruces (1500
Einw.), an der Eisenbahn nach Santa Clara und Sagua la Grande.

[Illustration: Abb. 64. +Hafenansicht von Habana.+]

[Sidenote: Der Sabana-Archipel.]

[Sidenote: Die Nordküste der Cinco-Villas-Landschaft.]

Die ungeheure Sumpfniederung der sogenannten Ciénaga de Zapata,
die sich westlich von der Cienfuegosbucht ausbreitet, wurde von
dem spanischen Kolonialregimente derselben Provinz zugerechnet,
wie Cienfuegos -- der Provinz Santa Clara --, vom geographischen
Gesichtspunkte aus wird sie aber besser der Vuelta Arriba zugewiesen,
die westlich an Las Villas grenzt. Wir wenden uns von neuem der
Nordküste Cubas zu und betrachten die Cinco-Villas-Landschaft auch
von dieser Seite her. Wir gewahren da vor allen Dingen, wie die lange
Kette der Koralleninseln und Riffe, die bei Nuevitas beginnt, sich
westwärts von dem Isthmus von Moron weiter fortsetzt, zugleich aber
auch in viel kleinere Glieder auflöst und festonartig wieder und
wieder an die Hauptinsel angeknüpft erscheint. Die Seichtsee, die
durch die Keys von dem hier auch noch ziemlich tiefen Bahamakanale
(475 ~m~) geschieden wird, setzt sich auf diese Weise aus einer ganzen
Reihe von einzelnen Becken zusammen, die verschiedene Namen führen:
Buenavistabai hinter dem Cayo Frances und den Cayos de Santa Maria;
Caibarcenbai hinter dem verhältnismäßig großen, dreigliedrigen Cayo
Fragoso; Saguabai hinter der Gruppe des kleinen Cayo Cristo; Guinesbai
hinter dem Cayo Verde und Cayo Sotavento; Santa-Clara-Bai hinter dem
Cayo de Cadiz und Cayo de Cinco Leguas; Cardenasbai hinter dem Cayo
Cruz del Padre und der Hicacoshalbinsel, an der die ganze reichlich 400
~km~ lange Keykette von Nordcuba ihren Abschluß endlich findet. Auch
die hydrographische Aufnahme dieser Keyflur ist eine unvollständige
geblieben. Es ist aber sicher, daß ein tieferes Fahrwasser als 1-3
~m~ bis zur Küste des Hauptlandes nirgends vorhanden ist, wenn auch
einzelne Durchfahrten zwischen den äußeren Keys etwas tiefer sind.
Kein großer Dampfer kann sich also der Landschaft der Cinco Villas
hier nähern, und die Hauptströmungen des Weltverkehrs können sie von
der Bahamaseite nicht so stark und unmittelbar berühren, wie von der
caribischen Seite, so daß man sagen könnte, die Landschaft wende ihr
kulturgeographisches Antlitz von Nordamerika ab und Mittel- sowie
Südamerika zu. Ein ziemlich guter und durch einen Leuchtturm deutlich
markierter Zugang zur Küste ist indes beim Cayo Frances vorhanden, und
gewöhnliche Schoner sowie kleine Dampfer (von 2,7 ~m~ Tiefgang) können
durch ihn bis Caibarien gelangen. Nicht viel ungünstiger liegen die
Verhältnisse sodann auch westlich von dem Cayo Tragoso (bei der Boca
de Marcos) und zu beiden Seiten des kleinen, wieder einen Leuchtturm
tragenden Cristekay (bei der Canete-, Marillanes- und Serondurchfahrt),
wo die Mündungen des kleinen und großen Saguaflusses von flach
gehenden Fahrzeugen (bis gegen 2 ~m~) erreicht werden können und wo
dergleichen Fahrzeuge auf dem letzteren Flusse sogar ein beträchtliches
Stück (35 ~km~) ins Binnenland vordringen. Weiter westlich endlich
läßt die Cardenasbai zwischen dem Cruz del Padre- und Piedraskey noch
größere Schiffe (von 3,3 ~m~ Tiefgang) als die Caibarienbai zu; da wir
die westliche Grenzlinie der Cinco-Villas-Landschaft nicht anders zu
ziehen wissen, als quer über die isthmusartige Verschmälerung Cubas
zwischen der Cienfuegosbai und der Guinesbai, bezugsweise östlich
von dem Zapatasumpfe, so kommt die Cardenasbai an dieser Stelle noch
nicht in Betracht. Viel besser als bei dem Camaguey ist es übrigens
bei der Cinco-Villas-Landschaft um die Zugänglichkeit der Nordseite
in jedem Falle bestellt, und sowohl der Küstenverkehr als auch der
kleinere Hochseeverkehr hat sich daselbst in viel bedeutenderem Umfange
entwickeln können.

[Illustration: Abb. 65. +Habana und die Atares- oder Tallapiedrabucht.+]

[Illustration: Abb. 66. +In der Vorstadt von Habana.+]

Zudem ist die Hauptküste der Cinco-Villas zwar auch niedrig und
vorwiegend von Mangroven- und Binsensumpf eingenommen, sehr breit
und mit zahlreichen Lagunen übersät ist der Sumpfgürtel aber nur an
der großen Sagua, und anderweit ist er mehrfach von höherem Lande
unterbrochen, ja zum Teil treten wirkliche kleine Gebirge nahe genug
an das Meer, um von den Seefahrern gut gesehen und als Landmarken
benutzt werden zu können; so namentlich die Tetas de Buenavista,
östlich von Remedios, und die Sierra Morena, nordwestlich von Quemado
de Guines. Eine kleine Strecke landein liegt aber beinahe allenthalben
fruchtbare Schwarz- und Roterdeniederung, die ursprünglich teils von
Savannen, teils von lichtem Walde bestanden war -- auch hier öfter
von Fächerpalmen („~Guano blanco~“ = ~Thrinax argentea~, „~Palma
cana~“ = ~Sabal umbraculifera~ u. s. w.) als von Königspalmen, die
sich aber auch hier unter der Hand des Menschen und durch den rohen
cubanischen Ochsenpflug (Abb. 58) in bedeutendem Umfange in ergiebige
Zuckerrohrfelder verwandelt hat. Namentlich an der Buenavista- und
Caibarien- sowie an der Guinesbai sehen wir daher eine große Zahl der
erwähnten Zuckereisenbahnen und Zuckereisenbahnzüge quer durch die
Niederung zur Küste streben, um dort an kleinen Verladeplätzen ihre
Last an Lastenschiffe oder Küstenfahrer zur Weiterbeförderung nach
Caibarien oder nach der Saguamündung oder nach irgend einem anderen
weiteren Ziele abzugeben. An den Gehängen und an den Thälern der Tetas
de Buenavista bei Remedios, sowie auch in denjenigen der Lomas von
Quemado de Guines und der Sierra Morena ist dazu auch der Tabakbau
schon seit alten Zeiten belangreich, und wo die Savanne gegenwärtig
noch in dem Naturzustande verharrt, da weiden auch hier stattliche
Rinderherden.

[Sidenote: Remedios. Sagua la Grande.]

In solcher Weise waren in dem nördlichen Küstenstriche der
Cinco-Villas-Landschaft gute natürliche Vorbedingungen für das
Aufblühen von einer ganzen Reihe ansehnlicher Märkte und Ortschaften
gegeben. Der Ehrenplatz unter ihnen gebührt dem alten Juan de los
Remedios (7500 Einw.), der vierten der „Cinco Villas“, deren Begründung
an ursprünglicher Stelle (auf einem Key dicht an der Küste) ins Jahr
1545 zurückreicht, und die mit ihrem Hafen Caibarien (5500 Einw.) einer
der hervorragendsten Zucker- und Tabakausfuhrplätze der Insel ist. Als
Zuckerhafen noch bedeutender ist aber das junge, erst 1859 zur Stadt
erhobene Sagua la Grande (14000 Einw.) das mit beiden Plätzen sowie
auch mit Santa Clara und Habana und mit seinem Vorhafen Isabella durch
Eisenbahnen verbunden ist. Von kleineren Ortschaften des Küstengebietes
sind daneben noch bemerkenswert Yaguajay (1500 Einw.), südlich der
Buenavistabai, Camajuani (2000 Einw.) sowie Calabazas (2000 Einw.),
zwischen Remedios und Sagua, als der Mittelpunkt zahlreicher Ingenios;
und Las Vueltas (1500 Einw.) westlich von Remedios sowie Quemado de
Guines (1500 Einw.) westlich von Sagua, als wichtige Tabakmärkte.

[Illustration: Abb. 67. +Bucht von Regla mit Leichterboot.+]

[Sidenote: Die Ebenen von Santa Clara.]

Das Innere der Cinco-Villas-Landschaft ist auch in seinem nördlichen
Teile, den wir von Caibairien aus bis gegen den oberen Agabama hin und
von Sagua la Grande aus bis Santa Clara und bis an den oberen Damuji
vermittelst Eisenbahn erreichen, ein Bergland. Aus der Gegend von
Moron zieht die Sierra de Jatibonico, die Sierra Matahambre und die
Sierra de Bamburanao gegen Nordwest, bis gegen 550 ~m~ aufsteigend,
und in der Hauptsache Kalksteingebirge von ähnlicher Art, wie die
Sierra de Cubitas und andere, auch wie diese reich an Höhlen sowie an
Flußschwinden (des Rio San Agostin, des Rio Jiquibu u. s. w.) und
Riesenquellen, und wohlbewährte Zufluchtsstätten der Insurgenten. Die
Tetas de Buenavista, die Lomas de Sagua (Loma Malpais, Loma Mamey
u. s. w.) und die Sierra Morena bilden ihre niedrigen Fortsetzungen
entlang der Küstenniederung. In der Sierra de Agabama nördlich von
dem Oberlaufe des mehrfach erwähnten Stromes, sowie in der Sierra de
Escambrey, die die Wasserscheide zwischen dem Rio Agabama und den
beiden Saguas bildet, treten ältere Gesteine mit Erzlagerstätten,
Asphaltbetten u. s. w. in den Vordergrund, und es ist dadurch die
Verbindung mit dem südlichen Gebirgslande gegeben. Zwischen den
genannten Bergzügen und westlich davon liegen flachwellige Ebenen,
die sich in der Gegend von Santa Clara ungefähr 120 ~m~ über
den Meeresspiegel erheben, und die hier und da einen merkwürdig
zerfressenen und zerlöcherten Kalkfelsboden, meist aber einen normalen
rotbraunen oder graubraunen Verwitterungsboden zeigen. Die Stromthäler
der beiden Saguas sind in diese Ebene ziemlich tief eingeschnitten,
und mit ihren schönen Königspalmenhainen und Bambusbüschen bilden sie
die ästhetischen Glanzpunkte der Landschaft. Im übrigen neigen die
Ebenen auch hier stark zu Savannenbildung, und daneben bedeckt Guaven-,
Mimosen- und Palmettogebüsch weite Strecken. Von Wirtschaftszweigen
sind der Tabakbau und die Viehzucht weitaus am besten entwickelt und
nur nordwestlich von Santa Clara zugleich auch der Zuckerrohrbau.
Mit Verkehrswegen ist das Innere der Landschaft nur in seiner
Westhälfte besser ausgestattet als das Camaguey, in der Osthälfte
ist das Fortkommen ganz im allgemeinen ein sehr schweres, und selbst
der Camino Central dient besser zum Reiten und Lastentransport als
zum Fahren. Wandelnde Futtergrashaufen, aus denen vielfach kaum die
Ohren des darunter begrabenen Pferdes oder Maultieres herausschauen
(Abb. 59), mit Wasserkrügen oder mit Holzkohlenkörben schwer beladene
Esel u. dergl. begegnen dem Reisenden in den Ortschaften der
Cinco-Villas-Landschaft noch öfter als anderswo in Cuba.

[Illustration: Abb. 68. +Mangogarten und Landstraße bei Bejucal.+]

[Sidenote: Santa Clara. Santo Domingo.]

Santa Clara oder landesüblicher Villa Clara (20000 Einw.), ziemlich
genau mittwegs zwischen Cienfuegos, Caibarien und der Saguamündung
und in dem Quellengebiete der beiden Saguas gelegen, wurde als die
zweitjüngste der „Fünf Städte“ im Jahre 1683 begründet. Seinen
verhältnismäßig neuzeitlichen Charakter offenbart es namentlich durch
den Mangel schöner Kirchenbauten. Als Tabakmarkt (mit 315 Tabakvegas
in seiner Umgebung) sowie als östlicher Endpunkt des wohlentwickelten
cubanischen Eisenbahnnetzes hat es hervorragende Handelsbedeutung, und
im übrigen ist es Statthaltersitz der gleichnamigen Provinz, die sich
im allgemeinen mit der Cinco-Villas-Landschaft deckt. Als Mittelpunkte
zahlreicher Viehzuchtgeschäfte sind daneben erwähnenswert Placetas
(2000 Einw.), mit Eisenbahnverbindungen nach Caibarien und Sagua,
und Cartagena (1000 Einw.) am oberen Damujiflusse, als Mittelpunkte
des Tabakbaues San Diego del Valle nördlich und Manicaragua südlich
von der Hauptstadt; als Mittelpunkte des Zuckerbaues sowie als
Eisenbahnknotenpunkte Esperanza (1500 Einw.) und Santo Domingo (3500
Einw.). Die beiden letzten Orte (Abb. 60) sind zugleich auch durch ihre
Fruchtpräservenindustrie (Guavapräserven) berühmt, die auf Cuba leicht
noch eine wichtige Zukunft haben könnte. Für die Landschaft insgesamt
hat Santo Domingo zudem auch noch Bedeutung als ihr hauptsächlichster
Ausgangspunkt zu Lande gegen die Vuelta Arriba hin.

[Illustration: Abb. 69. +Straße in Alt-Habana.+]



VIII.


[Sidenote: Die Floridastraße.]

Um ein Urteil über das kulturgeographische Gepräge der westcubanischen
Landschaften zu gewinnen, nähern wir uns der Insel von derselben Seite,
von welcher der Hauptstrom der amerikanischen Reisenden und Nachrichten
in sie einzufließen pflegt, und von welcher im Gefolge derselben
schließlich die amerikanischen Kriegsschiffe herankamen, um die
„Perle der Antillen“ ihren vierhundertjährigen Besitzern zu entreißen
-- von Key West her. Das Meer, das wir dabei zu queren haben -- die
Floridastraße mit dem durch sie hindurchsetzenden Golfstrom -- ist für
die Regel nicht ganz so ruhig und sanft, als Kolumbus es zwischen den
Bahamainseln und der Nordostküste Cubas fand, aber es ist schmal, und
eine neunstündige Dampferfahrt bringt uns darüber hinweg.

Als ein ungeheuer weit gegen Ost und West ausgezogener, auch in der
winterlichen Trockenzeit für die Regel von starkem Cumulusgewölk
überlagerter Landstreifen, der uns von vornherein einen Begriff gibt
von der gewaltigen Längserstreckung der Insel, taucht Cuba da vor
unseren Blicken aus der bewegten blauen Flut auf. Und der Streifen ist
merkwürdig genug gegliedert, um unser Auge gefesselt zu halten und uns
zu seiner genaueren Prüfung herauszufordern. Indem wir gegen Südwest,
in der Richtung auf Mariel und Bahia Honda, gewendet stehen, erblicken
wir eine Stufenlandschaft von seltener Reinheit und Deutlichkeit. Eine
niedrige Wand, die völlig horizontal verläuft, erhebt sich 30 oder
40 ~m~ über den Meeresspiegel, rechts steigt aber mit steiler Rampe
eine höhere Wand über dieselbe, 120 oder 150 ~m~ hoch, und in ihrer
ganzen Ausdehnung ebenfalls horizontal, und über diese wieder ragt
noch weiter rechts, in ähnlichem Winkel aufsteigend und den ganzen Bau
krönend, eine höchste Wand, an Länge bedeutender und wohl gegen 400
~m~ hoch, oben aber auch ohne irgend welche sichtbare Störung ihres
ebenen, mauergleichen Verlaufes, bis sie plötzlich weit im Westen
ohne Vermittelung einer Zwischenstufe zur Niederstufe abstürzt. Wären
die Ausmaße des Ganzen nicht zu riesenhaft, so könnte man an das
kunstvolle, regelstrenge Gefüge eines menschlichen Baumeisters denken.
Ein grundverschiedenes Bild gewahren wir aber, wenn wir unseren Blick
gegen Südost, gegen Guanobacoa und Jaruco hin, schweifen lassen. Da
sehen wir die angegebene niedrige Wand sich sanft und allmählich gegen
Ost hin erheben, um welliger und welliger zu werden und endlich in
einer Hügellandschaft zu gipfeln, die nahezu die Höhe der Mittelstufe
des Terrassenbaues hat; dann folgt ein rascher, aber keineswegs
steiler Abfall zur Höhe der Niederstufe, dann ein allein stehender
Brotlaibberg, und endlich in beträchtlichem Abstand von diesem ein
Doppelgipfel von der Art der ostcubanischen Sillas (Sattelberge) und
etwas höher als die Mittelstufe der Terrasse.

[Illustration: Abb. 70. +Fruchtverkäufer in Habana.+]

[Sidenote: Das nordwestliche Cuba.]

Der ganze Grundplan, nach dem Cuba aufgebaut und in seiner
gegenwärtigen oroplastischen Gestalt zugerichtet worden ist, liegt
da gewissermaßen klar vor unseren Augen -- noch übersichtlicher
und verständlicher als bei Baracoa und Punta Caleta. Auch in ihrem
westlichen Teile ist die Insel offenbar nicht durch ein fortlaufendes,
sondern durch ein ruckweises, von längeren Ruhepausen unterbrochenes
Aufsteigen aus dem Meere -- bezugsweise durch ein Zurückweichen des
letzteren -- gebildet worden, und ihr ursprünglicher, in das Früh-
und Mitteltertiär zurück datierender Stufenbau scheint in seiner
Grundgestalt im äußersten Westen viel besser und allgemeiner erhalten
zu sein, als irgendwo sonst. In dem östlichen Teile des von uns
überschauten Bildes deuten ihn nur einzelne Erhebungen noch dunkel
an, und im allgemeinen ist er daselbst ähnlich wie in dem Camaguey
und in dem nördlichen Teile der Cinco-Villas-Landschaft von den
Atmosphärilien vielleicht unter der Beihilfe von Erdbeben von Grund
aus zerarbeitet, abgeschliffen und abgetragen. Wir haben da zugleich
auch den durchgreifenden Unterschied zwischen den beiden Landschaften
des cubanischen Occidentes, dem Terrassenlande der Vuelta Abajo und
dem Hügel- und Flachlande der Vuelta Arriba, die an dem schmalen
Isthmus von Batabano miteinander verwachsen sind. Würden wir übrigens
das nordwestcubanische Küstenbild weiter gegen Ost verfolgen und zur
See bis auf die Höhe von Jaruco oder Matanzas gelangen, so würde uns
die Vuelta Arriba nur noch eine Anzahl weiterer Brotlaib-, Tafel-,
Zuckerhut- und Sattelberge zeigen und zum Teil ganze Gruppen solcher
Berge, auch der höchste derselben -- der Pan de Matanzas, der als ein
hübsches Seitenstück des Yunque von Baracoa bezeichnet werden darf und
der eine ähnlich hervorstechende Landmarke für die Schiffer bildet
wie dieser -- erreicht aber nicht ganz 400 ~m~ (386 ~m~), und die
allgemeine Physiognomie der Landschaft bleibt dieselbe. Und würden wir
uns andererseits zu Schiff weiter westwärts, etwa bis auf die Höhe von
Bahia Honda, begeben, so würden wir an der Vuelta Abajo die gleiche
Beobachtung machen, nur würden wir den großen Treppenbau sich noch
höher türmen sehen -- im Pan de Guajabon 795 ~m~ --, und auf der Höhe
würden uns auf ausgedehnten Strecken Hunderte von wilden Zacken schon
aus der Ferne verraten, daß die cubanischen Luftgeister auch auf ihn
nicht ganz ohne Einfluß geblieben sind.

[Illustration: Abb. 71. +Geflügelhändler am Taconmarkte von Habana.+]

[Illustration: Abb. 72. +Maultierkarren auf der Plaza de San Francisco
von Habana.+]

[Sidenote: Ansegelung von Habana.]

[Sidenote: Der Hafen von Habana.]

Indem unser Dampfer seinen Kurs weiter verfolgt und ziemlich genau auf
die Stelle zusteuert, wo die Niederstufe der Vuelta-Abajo-Treppe sich
an das Hügelland von Guanabacoa anlehnt, unterscheiden wir allgemach
freundliche grüne Gelände, die den Eindruck einer wohlangebauten
Kulturlandschaft machen, die wir aber in keiner Weise großartig nennen
können und die füglich auch einer ganz anderen, außertropischen
Erdgegend angehören könnten. Da war das Bild von Santiago und seiner
Umgebung von der See aus zweifellos viel bedeutender. An dem Fuße des
Gehänges und dicht an dem Wasserrande, auf niedriger, brandungbespülter
Klippenwand, hebt sich aber eine stattliche Front von Häusern und
Türmen ab -- Habana nebst seinen Vorstädten Vedado und Carmelo, die
sich an die 5 ~km~ weit dem Meeresstrande entlang ausdehnen --, und
wir können dabei keinen Augenblick im Zweifel darüber sein, daß wir es
hier mit dem weitaus hervorragendsten städtischen Gemeinwesen zu thun
haben, das in Cuba sowie in dem gesamten Westindien erwachsen ist. Dann
tritt auf etwas höherer, wetter- und wogenzerfressener Korallenklippe,
die ziemlich weit gegen Nordwest herausspringt, und die auf diese Weise
zugleich einen wirksamen Schutz gegen den Seegang aus Nordost bietet,
ein ähnliches altertümliches, von einem hohen Leuchtturme überragtes
Festungswerk aus der Häusermasse hervor, wie an dem Eingange in die
Santiagobucht und ebenso wie dort Morro geheißen, und zwischen diesem
Morro und der ihm gegenüber liegenden Hilfsbefestigung der sogenannten
Punta, geht es durch eine enge (nur 340 ~m~ breite) und ziemlich
lange, aber verhältnismäßig gefahrenfreie und gerade Einfahrt (Abb.
62) in die gewaltige Habanabai (vgl. das Übersichtskärtchen, Abb. 61),
die Schiffe aller Größen in jeder denkbaren Zahl aufzunehmen vermag
und die unter den vielen guten Naturhäfen Cubas der beste genannt zu
werden verdient. In ihrer Gestalt und Gliederung den allgemeinen Typus
der handförmig in das Land eingreifenden nordcubanischen Buchten auf
das treueste darstellend, verzweigt sie sich in ihrem Innern in die
drei Teilbuchten von Marimelena oder Regla (im Osten), von Guasabacoa
(im Südosten) und von Atares oder Tallapiedra (im Südwesten), und es
wird dadurch sowohl für die Handels- und Verkehrs- und Wohnanlagen
als auch für die Verteidigungswerke eine große Mannigfaltigkeit
günstiger Positionen geschaffen. Abgesehen von einem kleinen Manglar
an der Guasabacoabucht, ist ja der Baugrund in der Umgebung der Bai
allerwärts ein guter, und während der durch die Marimelenabucht
ausgeschnittene halb halbinselartige Landvorsprung im Nordosten
eine ziemlich hohe (ungefähr 40 ~m~), gegen Regla hin stufenförmig
abfallende Kalksteinmesa (Abb. 62) darstellt, die als Trägerin der
stärksten Bollwerke „gegen inn- und äußeren Feind“ -- des Morro, der
Cabañacitadelle und des Sandiegoforts -- in vorzüglichster Weise
geeignet erscheint, so bildet die ihr gegenüber liegende Halbinsel,
nördlich von der Tallapiedrabucht, eine nur schwach (5-6 ~m~) über
den Wasserspiegel der Bai erhobene Seborucofläche, die für die Bauten
der Stadt sowie für die Entwickelung ihrer Hafenfront (Abb. 63 und
64), und ihrer Landungs- und Ladevorrichtungen hinlänglichen Raum und
jeden denkbaren Vorteil sowie jede mögliche Bequemlichkeit gewährte.
Südlich und westlich von dieser ebenen Fläche aber erheben sich 30-50
~m~ hoch eine Anzahl gerundete Hügel und Kuppen, die ebenso gut zur
Vervollständigung der kriegerischen Wehr der Stadt -- zur Errichtung
des Atares- und Principekastelles und der Santa-Clara-Batterie --
wie zum Aufbau freundlicher und gesunder Landhäuser und Vororte des
Cerro u. s. w. (Abb. 66) benutzt werden konnten. Die Frage, ob die Bai
in irgend einem Winkel vollkommen sturmsicher sei, ist freilich zu
verneinen, und die Orkane der Jahre 1768, 1810, 1844 und 1845 richteten
unter den im Hafen vor Anker liegenden Schiffen furchtbare Verheerungen
an. Das ist aber in anderen westindischen Häfen auch nicht anders, und
wer in denselben handelt und verkehrt, der hat mit solchen Katastrophen
allenthalben zu rechnen.

[Sidenote: Erste Eindrücke beim Anblick von Habana.]

In dem Anblicke, den Habana und seine Bai dem Beschauer auf dem
Schiffe gewährt, überwiegt das kulturhistorische, bezugsweise das
militär- und wirtschaftsgeographische Moment das naturästhetische
Moment bei weitem -- ganz anders als bei der Santiagobai. Die Hügel-
und Terrassenumrahmung der Bai nennt man freundlich und anziehend,
die hellblaue Wasserfläche wie jede andere große Wasserfläche schön
und herzerquickend, nach der von Cuba erwarteten üppigen tropischen
Pflanzenpracht sieht man sich aber vergebens um, und Königspalmen
erblickt man nur, wenn man sein Auge anstrengt, in weiter Ferne, so
daß man sie als Zierde des Bildes nicht zu würdigen vermag. Wieder
und wieder haftet das Auge aber an dem weit ausgedehnten grauen
Gemäuer, das von der Höhe im Osten herunterdroht und das dem, der seine
stumme Sprache versteht, so viel zu erzählen weiß -- von den alten
französischen Boucanieren, von dem englischen Korsaren Franz Drake
und von einer langen Reihe holländischer und englischer Admirale und
Flotten, die länger als anderthalb Jahrhunderte vergeblich bedrohten;
wie dann die Engländer sich 1762 von der Landseite her nach hartem
Kampfe mit starker Truppenmacht (14000 Mann) in ihm festsetzten, bis
ein großes Sterben über sie kam und sie wieder von dannen zogen; und
von zahllosen Gefangenen und standrechtlich erschossenen Insurgenten
endlich. Wie merkwürdig, daß diese gewaltigen Festungswerke, die
zu einem beträchtlichen Teile auch dem Strategen der Neuzeit als
starke und widerstandsfähige gelten müssen, den Spaniern ohne einen
Schwertstreich haben entwunden werden können, und daß sie nicht
einmal dazu benutzt worden sind, die Amerikaner zur Milderung ihrer
Friedensbedingungen zu veranlassen! Daß die strategische Bedeutung
von Habana in dem spanisch-amerikanischen Kriege überhaupt nicht in
Frage gekommen sei, wird derjenige, der den Zusammenhang der Dinge
überblickt, allerdings schwerlich behaupten, und im Grunde genommen
war es doch in viel hervorragenderer Weise die unblutige Blockade der
Habanabai und die dadurch verursachte Aushungerung des Hauptteiles
der Insel, welche die Entscheidung herbeiführte, als der blutige
Kampf am Westfuße der Gran Piedra. Wie eine Insel von der Ausdehnung
des süddeutschen Staatenkomplexes -- 118833 ~qkm~, die alljährlich
zwei oder drei Maisernten und ebensoviele Bataten-, Kartoffel- und
Bohnenernten von demselben Boden gewährt, ausgehungert werden konnte,
bleibt dabei freilich eine offene Frage.

Doch nicht weniger Aufmerksamkeit als der Cabañafestung und dem durch
gedeckte Gänge damit verbundenen Morro wenden wir dem Stadtbilde auf
der Westseite der Bai sowie dem bunten Wasserleben rund um uns herum
zu -- dem alten Zollhause, das ursprünglich eine Kirche war, das aber
nach seiner Entweihung durch die Engländer (1762) seiner gegenwärtigen
unheiligen Bestimmung übergeben wurde, dem Hafenhauptmannsgebäude,
dem Statthalterpalaste, den Türmen der Kathedrale, den weitläufigen
Zeughausbauten, den Landungs- und Lagerhallen, den Gast- und
Kaufhäusern, den Schiffen, die mit dem unsrigen im Hafen vor Anker
liegen und unter denen auch ein paar spanische Kriegsschiffe nicht
fehlen, und den Scharen der kleinen blauen, gegen Sonnenbrand und
Regenguß (Abb. 67) mit niedrigem Zeltdach versehenen Leichterbooten,
die uns und sie umspielen. Und auch angesichts dieses Bildes können wir
uns gewisse kulturgeographische Reflexionen nicht ersparen. Wie ist
es zugegangen, daß ein solches Zusammenstehen und Zusammenspielen der
Dinge gerade an dieser Stelle statt hat und sonst an keiner anderen in
Cuba oder Westindien? Warum hat Santiago seine Rolle als Hauptstadt
Cubas schließlich ebenso an Habana abtreten müssen, wie Baracoa die
seinige vorher an Santiago? Die alte Stadt San Cristobal de la Habana,
die der cubanische Städteerbauer Velasquez als die erste von Westcuba
im Jahre 1515 in der Gegend des heutigen Batabano, also an der Südküste
der Insel, anlegte, wollte ja in keiner Weise vorwärts kommen. Wie
glänzend ist aber ihr Aufschwung gewesen, nachdem man sie im Jahre 1519
an ihren heutigen Ort -- an das Ufer des Puerto de Carenas Ocampos --
verlegt hat!

[Illustration: Abb. 73. +Der Prado von Habana mit Ausblick auf das
Meer.+]

[Illustration: Abb. 74. +Die Plaza de Armas von Habana.+]

[Sidenote: Wichtigkeit der Lage Habanas.]

Die angegebene Beschaffenheit der Habanabucht ist für das Aufblühen
der Stadt selbstverständlich von höchster Wichtigkeit gewesen. Füglich
sind die Vorzüge, welche dieselbe vor der Santiagobucht und einigen
anderen voraus hat, aber keine so gewaltigen, und die Überlegenheit
der Befähigung Habanas, als Regierungssitz und Hauptstützpunkt der
spanischen Herrschaft zu dienen, sowie den Hauptvereinigungspunkt aller
inneren und äußeren Handels- und Verkehrsbeziehungen Cubas zu bilden,
kann damit in jedem Falle nicht vollkommen erklärt werden. Ist doch die
Lage der Bucht auf der Insel auch kaum weniger excentrisch, als bei der
Santiagobucht, und würde doch namentlich die Cienfuegosbucht in dieser
Hinsicht vor der einen wie vor der anderen vorzuziehen sein.

[Illustration: Abb. 75. +Ärmere Vorstadt-Straße.+]

[Sidenote: Strategische Lage Habanas.]

Sehr bedeutsam ist es aber für Habana gewesen, daß die Bucht gerade
dort in den Inselkörper einschneidet, wo die beiden verschiedenartig
gebildeten Landschaften der Vuelta Arriba und Vuelta Abajo, die sich
als die kulturfähigsten von ganz Cuba erwiesen haben und die auf einem
Vierteile der Inselfläche die größere Hälfte der Inselbevölkerung
beherbergen und ernähren, in der beschriebenen Weise aneinander
stoßen. Die Produktionskraft und der Reichtum beider Landschaften
hatte Habana solchergestalt einen gewissen Tribut zu zollen, und es
mußte dies in einem um so höheren Maße der Fall sein, als es sonst
um die seeseitigen Verkehrspforten im Westen Cubas nicht in jeder
Beziehung wohlbestellt war. Ein noch größerer Vorteil war es aber,
daß der schöne Naturhafen Habanas zugleich auch an der stärksten
Verschmälerung Cubas -- wo der Fisch- oder Eidechsenschweif der
Insel sich dem langgestreckten Rumpfe anfügt -- und daß es auf der
Südseite des betreffenden Isthmus bei Batabano eine brauchbare Reede
für größere Küstenfahrer sowie für kleinere Hochseeschiffe gibt. Der
Isthmus ist zwischen der Habanabai und der Küste von Batabano nur 42
~km~ breit, zwischen der Bucht von Mariel und der Bucht von Majana aber
sogar nur 27 ~km~, und derselbe entspricht ebenso wie der mehrfach
erwähnte Isthmus von Moron einer starken allgemeinen Verflachung und
Erniedrigung des Inselbodens, so daß seine höchste Höhe über dem
Meeresspiegel (bei Bejucal, Abb. 68) bloß 92 ~m~ beträgt. Schon am
Ende des vorigen Jahrhunderts konnte man auf diese Weise das Projekt
einer Kanaldurchstechung an den Isthmus knüpfen, und während es seiner
Zeit der Volante und dem Reit- oder Lasttiere nicht mehr als eine
kleine Tagereise nahm, auf der Landstraße von einem Meere zum anderen
zu gelangen, so ist dies heute dem Eisenbahnzuge in einer oder in ein
paar Stunden möglich. Standen die beiden Landschaften östlich und
westlich von der Habanabucht nun schon zu Lande in einem gewissen
Abhängigkeitsverhältnisse von der daselbst begründeten Stadt, so wurde
dieses Verhältnis ein noch viel strengeres dadurch, daß sie auch auf
ihrer ganzen Seeseite von deren Verkehrsfäden umsponnen wurden. Sehr
bezeichnend werden die beiden Landschaften daher auch einfach nach
ihrem Verhältnisse zu Habana benannt -- die Vuelta Arriba als die
Seite, von welcher der Wind (der Passat) für die Habanesen kommt, und
die Vuelta Abajo als die, nach welcher er von ihnen aus weht. Was
aber die ferner liegenden cubanischen Landschaften angeht, so gilt
das über Santiago Gesagte natürlich auch von Habana: bei dem gesamten
interprovinzialen Verkehr der Insel -- bei dem Verkehre der Verwaltung
und der Truppenkörper ebenso wie bei dem Verkehr der Handelsgüter
und Reisenden -- stand immer in erster Linie der Seeverkehr entlang
der Küste in Frage, und dadurch, daß Habana besser als Santiago und
besser als jede andere cubanische Stadt in der Lage war, die Nord-
und Südküste gleichzeitig mit seinen Beziehungen zu umspannen, war
es sozusagen die prädestinierte Hauptstadt der Insel in politischer
ebenso wie in wirtschaftlicher und allgemein kulturgeographischer
Hinsicht. Übrigens ist es hierbei sehr selbstverständlich, daß
von einer strengen Centralisation der cubanischen Angelegenheiten
in einem Punkte bei der weiten Auseinandergezogenheit der Insel
niemals die Rede sein konnte, und die Rolle einer Nebenhauptstadt
hat Santiago daher recht wohl weiter fortspielen können, wie es ja
bis zu einem gewissen Grade auch mit Puerto Principe und Santa Clara
der Fall war. Endlich liegt aber die Habanabai auch in der Gegend
der stärksten Annäherung Cubas an das Gebiet der Nordamerikanischen
Union und an deren Schnellverkehrsplätze Key West und Tampa, sowie
in der Konvergenz dreier wichtiger Meerstraßen -- die Floridastraße,
des Bahamakanales (hier Nicolaskanal genannt) und der Yucatanstraße
--, und hieraus hat sich die hohe Bedeutung ergeben, die Habana als
„Llave del Nuevo Mundo“ sowie als ein Hauptzielpunkt des europäischen
und nordamerikanischen Dampfschiffverkehrs gehabt hat. Darüber haben
wir uns aber bereits ausgesprochen, und wir betonen daher hier nur
noch, daß die strategische Wichtigkeit von Habana in dieser Beziehung
leicht überschätzt werden kann. In dem Sinne, in welchem Gibraltar den
Eingang in das Mittelländische Meer oder Aden-Perim den Eingang in das
Rote Meer beherrscht, kann Habana die bezeichneten Eingänge in den
Mexicanischen Golf und in das Karibische Meer unmöglich beherrschen.
Denn einmal sind dieselben ungleich weiter -- die Floridastraße
zwischen dem cubanischen Hicacoskap und dem floridanischen Kap Sable
195 ~km~, der Nicolaskanal zwischen dem Bahia-Cadiz-Key und dem Salt
Key der Bahamas 46 ~km~, und die Yucatanstraße zwischen Kap San Antonio
und Mugeres 185 ~km~ --, und sodann lassen sie sich in der Richtung auf
das Karibische Meer und den daselbst zu eröffnenden interoceanischen
Kanal auch leicht umgehen.

[Illustration: Abb. 76. +Im Botanischen Garten von Habana.+]

[Illustration: Abb. 77. +Im Botanischen Garten von Habana.+]

[Sidenote: Die Straßen Habanas.]

Doch wir können uns mit dem allgemeinen Übersichtsbilde, das uns
Habana vom Hafen aus darbietet, nicht begnügen, sondern wir haben
uns in einem der kleinen blauen Boote ans Land zu begeben und unsere
kulturgeographischen Betrachtungen bei unseren Streifzügen in der
Stadt und ihrer näheren und ferneren Umgebung weiter fortzusetzen
und auf allerlei Einzelheiten zu erstrecken. Dem Stadtteile in der
Nachbarschaft des Hafens sind durchgängig sehr enge Straßen mit kaum
anderthalb Fuß breiten Bürgersteigen eigentümlich (Abb. 69), und
es ist weder den Fuhrwerken noch den Fußgängern darin möglich, ohne
vielfache Zusammenstöße aneinander vorüber zu kommen, während sie im
übrigen die Luftzirkulation behindern, üble Dünste festhalten und
zum Teil dadurch wahre Pestherde bilden -- Brutstätten des Gelb- und
Malariafiebers sowie der Blattern- und Typhusepidemien. Eine gewisse
Annehmlichkeit bieten sie nur insofern, als sie ein Wesentliches
dazu beitragen, ihren Bewohnern lange Wanderungen in der Tropensonne
zu ersparen, als sie die in sie einfallende Strahlenmenge auf ein
Mindestmaß beschränken, und als sie es einem möglich machen, sie mit
ein paar Schritten oder Sprüngen zu queren, wenn sie sich durch die
Güsse der Regenzeit alltäglich zu wiederholtenmalen in fußtiefe Bäche
verwandeln. Alles in allem hat man sie aber als ein Erbe aus alten
Zeiten oder sozusagen als ein historisches Überlebsel zu betrachten,
das für andere Bedürfnisse als die heutigen berechnet war, und das
man nicht ohne weiteres beseitigen kann. Als diese Straßen und die
sie einrahmenden festungsartigen Häuser mit ihren eisenvergitterten
glaslosen Fenstern und ihren schwer beschlagenen starken Holzthüren
entstanden, drohten noch die Einfälle der Korsaren und Boucaniere sowie
der Holländer und Engländer, und es war nötig, das ganze Gemeinwesen
in eine Ringmauer einzuschließen. Dabei galt es aber Raum zu sparen,
und da in den Straßen beinahe ausschließlich Lasttiere und Reiter sowie
Fußgänger verkehrten und selbst Ochsenkarren Ausnahmserscheinungen
waren, während sich die Sanierung in der noch kleinen Stadt von
selbst bewirkte, -- wie in mancher europäischen Kleinstadt wohl auch
-- durfte man diese Rücksicht ohne weiteres walten lassen. Heute ist
der Verkehr der Wagen und Personen in einzelnen von diesen Straßen,
wie namentlich in der Calle Obispo und Calle O’Reilly, sowohl in den
Morgen- als auch in den späten Nachmittagsstunden ein sehr starker, und
der nicht an das Schauspiel Gewöhnte kann sich dabei nicht enthalten,
das Geschick zu bewundern, mit dem die Rosselenker ebenso wie die
Wanderer auf den Bürgersteigen die vorhandenen großen Schwierigkeiten
zu überwinden wissen. Übrigens begegnet man natürlich auch unter den
Formen des Verkehres manchem historischen Überlebsel, das vor zwei-
oder dreihundert Jahren von Spanien nach Cuba verpflanzt worden ist
und das heute in seiner ursprünglichen Heimat kaum noch zu erblicken
sein dürfte, das aber hier unter der Tropensonne noch kräftig weiter
blüht. Die alte Volante zwar sucht man heute vergebens in Habana, und
statt ihrer jagen Wagen von derselben Art wie in den europäischen
Hauptstädten hin und her, und dazu auch Omnibusse, Pferdebahnwagen
und Dampfstraßenbahnzüge. Ein guter Teil der Verkaufsgegenstände,
die für den täglichen Gebrauch der Stadtbevölkerung vom Lande her
nötig sind, wird aber immer noch auf den Rücken von Pferden, Eseln
und Maultieren herbei gebracht und in den Straßen oder auf dem großen
und wohleingerichteten Taconmarkte feilgeboten (Abb. 70 und 71).
Größere und schwerere Transporte vom Lande in die Stadt vollziehen
sich aber vorwiegend in roh gebauten, zelttuchüberspannten und nach
dem Tandemprincip von Maultieren gezogenen Karren (Abb. 72), denn die
Landstraßen sind auch in der Nähe der Hauptstadt der Mehrzahl nach
schlecht -- wenigstens in der Zeit der Regen --, und nicht weniger
schlecht ist auch das Steinpflaster in der Stadt selbst. Wird die
neue Ära, die über Cuba hereingebrochen ist, dies alles von Grund aus
ändern? Und werden die Amerikaner, die sich anschicken, die Führung
in dieser Ära zu übernehmen, den Stumpfsinn und den Schlendergeist zu
bannen verstehen, der bei diesen Zuständen zweifellos mit im Spiele
ist? Im eigenen Lande haben dieselben sich als Straßenbauer bisher
nicht sonderlich bewährt, und ihre Stadtverwaltungen erfreuen sich
ebenfalls beinahe durchgängig nicht eines sehr guten Rufes. Füglich
fegt aber mancher Besen in der Welt weitaus am besten und wirksamsten
vor der Thür des Nachbarn. Daß sowohl der Landstraßenbau als auch das
Imstandehalten des Straßenpflasters in dem Tropenklima Cubas noch
erheblich größere Anstrengungen erforderlich machen wird, als in dem
Klima Nordamerikas, ist wohl sicher.

[Illustration: Abb. 78. +Die Kathedrale von Habana.+]

Das neuzeitliche Habana liegt außerhalb der alten Ringmauern, und
hier bieten die breiten, von westindischen Lorbeerbäumen beschatteten
und von stattlichen Häusern und Bogengängen begleiteten Straßen (Abb.
73) zahlreiche Bilder vornehmen Glanzes, und in einem noch höheren
Grade die mit Palmen, Hibiscus und Rosen sowie mit Bildsäulen und
Springbrunnen schön geschmückten und von Kaffee-, Gast-, Schauspiel-
und Klubhäusern umrahmten Plazas (Abb. 74) -- die letzteren vor allem
am Abende, wenn sie von elektrischen Lichtern erhellt und von Scharen
von Lustwandelnden sowie von den Klängen von Musikbanden belebt
sind. Noch weiter draußen stoßen wir freilich zum Teil wieder auf
sehr ärmliche Straßen, in denen das Elend daheim ist (Abb. 75), und
die große Zahl zerlumpter Bettler bringt auch einen schlimmen Mißton
in das heitere Leben der Plazas. Übrigens sondern sich aber Arme und
Reiche, Schwarze, Weiße und Gelbe in Habana keineswegs nach derselben
strengen Regel wie in den Städten der Union in besonderen Stadtvierteln
voneinander ab, sondern es herrscht in dieser Beziehung ein ziemlich
buntes und regelloses Durcheinander, und unmittelbar neben dem Palaste
oder der Quinta eines Großkaufmanns oder Granden, an dem Marmorsäulen
und sonstiger Zierat nicht gespart worden sind, stoßen wir vielfach auf
recht bescheidene Häuschen oder Hütten.

[Illustration: Abb. 79. +Guanabacoa.+]

[Sidenote: Gesundheitsverhältnisse Habanas.]

Wer in Habana echte Tropenbilder schauen will, -- schöne Reihen und
Gruppen von Königs- und Kokospalmen, mächtige Bambusen, vollkronige
Mango- und Aguacatebäume, saftgrüne hohe Bananenstöcke und dergleichen
-- den müssen wir nach dem Parke bei der Quinta des Generalstatthalters
führen oder nach dem Botanischen Garten am Fuße des Castello del
Principe (Abb. 76 u. 77). Haben wir aber, um unsere Anschauungen
betreffs der Stadt zu thunlichst vollständigen zu machen, nicht unsere
Schritte schließlich auch noch über dieses Festungswerk hinaus nach
dem großen Kirchhofe zu lenken und dort die zahlreichen prunkvollen
Denkmäler in Augenschein zu nehmen, sowie daneben die zahlreichen
frisch und flüchtig zugescharrten Gräber von den Opfern der letzten
Blattern- und Gelbfieberepidemie? Der Tod arbeitet in Habana zu Zeiten
so rasch, daß der Totengräber nicht gleichen Schritt mit ihm halten
kann, und besonders ist dies in den Zeiten der letzten Insurrektion
der Fall gewesen. In normalen Jahren ist die Sterblichkeitsziffer von
Habana zwar eine hohe (34,1 auf das Tausend), bei weitem aber nicht die
höchste, welche von den größeren Städten zu verzeichnen ist (Madrid
41,6 und Mexico 45 auf das Tausend), und wenn das in mancher Beziehung
sehr im argen liegende Sanitätswesen der Stadt reformiert würde, so
würde dieselbe vielleicht den gesündesten Städten der Erde zuzuzählen
sein. Gegenwärtig ist außer den engen Straßen der Geschäftsstadt
namentlich das unzweckmäßig angelegte Abzugskanalsystem, das
unmittelbar an dem Hafeneingange in das Meer mündet, ein schreiender
Uebelstand. Von den Sterbefällen sind aber in gewöhnlichen Zeiten nicht
ganz 8 Prozent dem Gelben Fieber, 22 Prozent dagegen den Erkrankungen
der Atmungsorgane, und reichlich 12 Prozent Unterleibsentzündungen
zuzuschreiben.

Eine eigentliche Industriestadt hat Habana so wenig werden können
als irgend eine andere Koloniestadt in den Tropen. Kein Besucher der
Stadt sollte es aber versäumen, einen Einblick in eine von den vierzig
großen Cigarrenfabriken zu nehmen, die daselbst im Werke sind, die
Welt mit dem köstlichen Genußmittel zu versorgen, durch das Habana in
allererster Linie berühmt ist.

Ein kurzer besonderer Besuch gilt dann noch der im Jahre 1724 erbauten
Kathedrale (Abb. 78) nebst der darin angebrachten Gedächtnistafel
von Christoph Kolumbus (Abb. 2) sowie dem kleinen besonderen
Gedächtnistempel nahe dabei (Abb. 3), der dem großen Entdecker
errichtet worden ist. Ob die Asche desselben im Jahre 1795 thatsächlich
von Santo Domingo nach Habana übergeführt wurde und demgemäß im Jahre
1898 wieder von Habana zurück nach Spanien, muß freilich als sehr
fragwürdig gelten.

[Sidenote: Bevölkerung Habanas.]

Die Einwohnerzahl von Habana betrug im Jahre 1827: 94023, im Jahre
1877: 198721 und im Jahre 1887: 200448, und die beiden letzten Ziffern
lassen auf einen gewissen Stillstand der Entwickelung schließen, was
bei der beschriebenen allgemeinen Lage, in der sich die ganze Insel
in den letzten Jahrzehnten befunden hat, nicht zu verwundern ist. Das
Verhältnis der Männer zu den Frauen stand 1887 wie 112 : 88, ähnlich
wie in anderen Kolonialstädten, das Verhältnis der weißen Rasse zu der
farbigen aber wie 74 : 26, in bemerkenswertem Gegensatze zu Santiago,
und die Zahl der weißen Nichtspanier war im ganzen nur 6500.

[Illustration: Abb. 80. +Der Almendaresdurchbruch bei Puentes Grandes.+]



IX.


[Sidenote: Guanabacoa.]

Die Vuelta Arriba ist durch den bunten Wechsel ihrer Bodenformen und
die davon abhängige Pflanzenbekleidung eine der reizvollsten und
schönsten sowie auch zugleich der reichsten von ganz Cuba. Zu dem
kleinen Hügelgebirge von Guanabacoa, das sich bis 170 ~m~ über dem
Meeresspiegel erhebt, ist der Anstieg von Regla (10000 Einw.), dem
Fähr- und Eisenbahnvororte Habanas östlich der Bai, ziemlich steil.
Auf seinen Höhen -- dem Monte Blanco, dem Monte Villareal, der Sierra
de San Martin -- angekommen, darf sich der Bürger der Großstadt aber
im Vollgenusse aller Herrlichkeiten fühlen, die die „~isla la mas
hermosa~“ des Kolumbus dem Auge zu bieten vermag, des Rückblickes auf
die Häusermenge und das Festungsgemäuer Habanas sowie auf seine von
Schiffen und Booten belebte Bai, des Überblickes über die Palmenthäler
und Palmenhänge sowie über die bebuschten und begrasten Cerro- und
Lomagipfel mit ihren weidenden Rindern rings umher, und des Ausblickes
auf das weite Meer im Norden, zu dem das Gebirge jäh genug abstürzt.
Dazu umweht ihn die frische, kräftige Passatbrise, und er kann von
der niederdrückenden Schwüle und Enge und von den Anstrengungen und
Schweißtropfen der Geschäftsstraßen frei aufatmen. Mit gutem Grunde
ist Guanabacoa (12000 Einw.) daher seit langem ein beliebter Landhaus-
und Wohnvorort von Habana gewesen (Abb. 79), und der Personenverkehr
auf der Eisenbahn zwischen den beiden Städten ist ein sehr reger. Für
größere Kulturen lassen die engen Thäler und die steinschuttbedeckten
Hänge des kleinen Gebirges aber im allgemeinen keinen Raum, und so
blüht in der Gegend nur etwas Gartenbau zur Versorgung der Hauptstadt
sowie daneben die Viehzucht. Gegen Süd und Ost verflacht sich das
Guanabacoagebirge allmählich, und während die namhaft gemachten
höheren Teile aus Tertiärkalk bestehen, so tritt hier seine Diorit-
und Serpentinfelsgrundlage an den Tag, bei Las Minas mit eingebetteten
Eisen- und Kupfererzlagern. Der oberflächliche graue Boden ist von
zahlreichen großen Steinblöcken überstreut, die ausgewittert sind,
und die spärliche Vegetation der Espartillograsbüschel (~Kylingia
filiformis~), der gelben Heiligendisteln („~Cardio Santo~“) und der
Opuntien, die in ihm wurzelt, und die kaum für einige Esel und Ziegen
hinreichende Nahrung bietet, bekundet seine Unfruchtbarkeit. Den
Eisenbahnbau zwischen Habana und Matanzas hat diese flachwellige und
nur von einigen kleinen Flüßchen durchschnittene Thalgegend aber sehr
wesentlich erleichtert.

[Illustration: Abb. 81. +Cubanischer Orangenhain.+]

[Illustration: Abb. 82. +Ostrand des Yumurithales.+]

[Sidenote: Das Bergland östlich von Habana.]

Sowohl südlich als auch östlich von ihr steigt dann wieder wirkliches
Gebirgsland auf, und dem Auge erscheint dasselbe aus der Ferne, und
vielerorten kaum minder in der unmittelbaren Nähe, als geradezu
großartig. In seinen tieferen Lagen allenthalben in einen dichten
Mantel von üppigem Tropengrün gehüllt, und im Vordergrunde beinahe
immer herrliche Königspalmenhaine tragend, zeigt es uns doch höher
oben zugleich auch so zahlreiche kahle, weißleuchtende Felswände und
so vielgestaltige Zinnen, Zacken und Hörner, daß wir meinen, es müsse
sich um eine sehr ansehnliche Erhebung über den Meeresspiegel handeln.
Thatsächlich sind es aber auch nur Hügelgebirge, deren Gipfel kaum 300
~m~ Höhe erreichen, mit denen wir es zu thun haben -- im Süden eine
lose Aneinanderreihung kleiner Sierren und Tafelberg- und Lomagruppen,
zwischen denen sich ähnliche flachwellige Thalgegenden ausbreiten,
wie die erwähnte größere und tiefere, welche das Guanabacoabergland
begrenzt; und im Osten ein dichtes Gedränge solcher Ketten und
Gruppen, die teils durch tief eingerissene Thalschluchten mit wilden
Kalkfelspartien, teils durch mehr oder minder weite Roterdeebenen
(„Llanuras“) voneinander getrennt sind. Das erstere Bergland, das wir
als Bergland von Managua bezeichnen, begreift vor allem die weithin
sichtbaren Tetas de Managua (223 ~m~) und die Sierra de Camoa (272
~m~) in sich und dacht sich westwärts zum Isthmus von Batabano,
südwärts zur Niederung des Matamanogolfes und ostwärts zu den großen
Roterdeebenen von Guines und Aguacate ab, an den meisten Orten mit
stark abgeböschten, aber immerhin deutlich bemerkbaren Stufen. Es
bildet einerseits das Quellgebiet des westlich von Habana mündenden Rio
Almendares (im Unterlaufe Chorrera genannt) und andererseits dasjenige
des Rio de Guines (Mayabeque), der sich östlich von Batabano in den
Matamanogolf ergießt, und die den betreffenden Gewässern und den sie
schwellenden Regengüssen inne wohnende Energie ist es offenbar vor
allen Dingen gewesen, welche das Bergland zu dem gemacht hat, was
es heute ist. Der Almendares bezeugt diese Energie wenige Kilometer
oberhalb seiner Mündung noch nachdrücklich genug, und auch sein
Hochwasser steigt bisweilen auch dort noch gegen 12 ~m~ über sein
Niederwasser (Abb. 80). Bei der vorherrschenden Kalksteinnatur war
es übrigens auch hier in sehr bedeutendem Maßstabe die unterirdische
Erosion, welche die Wirkung hervorrief, und neben der großen Zahl
bekannter Höhlen, die das Gebirge durchsetzen, und die zum Teil erst
an seinem letzten Stufenabsatze ans Tageslicht ausgehen, ist dabei
wahrscheinlich eine noch beträchtlichere Zahl unbekannter sowie
zusammengebrochener vorzeitlicher in Anschlag zu bringen. Hier weisen
wir nur auf die großen Höhlen von Las Comas (Tapaste) hin, die im
letzten Aufstande ein wichtiges Insurgentenversteck bildeten, sowie auf
die Höhlen von Cotilla und Toribacoa. Wirtschaftsgeographisch ist das
Managuabergland gleich dem Guanabacoaberglande vorwiegend eine Stätte
der Viehzucht, und der Zuckerrohrbau sowie daneben die Fruchtkultur
(Abb. 81) und der Tabakbau sind nur in der Randgegend bedeutend, vor
allem bei Santiago de las Vegas (6000 Einw.), bei Bejucal (8000 Einw.),
bei San Antonio des las Vegas (1200 Einw.), bei Melena del Sur (1000
Einw.), und bei Guines (7000 Einw.). Diese Orte sind gleichzeitig
Hauptstationen der das Bergland im weiten Bogen umkreisenden Eisenbahn,
und Guines dankt seine Bedeutung vor allen Dingen dem Netze von
Bewässerungskanälen, das seine Ebene durchzieht. Das nahe bei Habana
gelegene Santa Maria del Rosario ist durch seine Heilquellen namhaft.

Das andere Bergland, das wir Bergland von Jaruco nennen, und das in den
Montes de Don Martin (300 ~m~) und in der Sierra de Sibarima gipfelt,
fällt gleich dem Guanabacoaberglande steil zum Meere ab, während es
sich im Südwesten eng an das Managuabergland anlehnt und auch im Osten
nur unvollständig gegen das benachbarte Bergland von Canasi abgegrenzt
werden kann. Die Stromthäler des Rio Jaruco und des Rio Santa Auz,
die es in südöstlicher Richtung durchschneiden, sind außerordentlich
malerisch, und die Roterdeebenen von Jaruco (2500 Einw.), Bainoa
Aguacate (2000 Einw.) und Jibacoa enthalten eine beträchtliche Zahl
großer Ingenios.

[Illustration: Abb. 83. +Yumuridurchbruch.+]

[Sidenote: Yumurithal.]

Ähnliches gilt auch von dem prächtig bewaldeten Berglande von Madruga,
jenseits der reichen Ebenen von Guines und Aguacate, dem besonders die
Montes de la Esperanza und die Lomas de Jiquima (341 ~m~) zugehören,
und desgleichen von dem gegen Nordost hin damit verwachsenen
Berglande von Canasi, in dem sich das schöne Bergpaar des Palenque und
des Pan de Matanzas (386 ~m~) als der letzte Rest einer ehemaligen
Hochstufe des ursprünglichen Terrassenbaues auffällig über die Sierra
de Camarones (193 ~m~) erhebt, und in dessen nordöstliche Kalksteinmesa
(die Cumbremesa etwa 70 ~m~ hoch) das berühmte Yumurithal (Abb. 82)
eingegraben ist. Das letztere große Kesselthal, dessen ebene Sohle
sich nur schwach über den Meeresspiegel erhebt, dürfte schwerlich wohl
anders gebildet worden sein, als durch unterirdische Erosion und durch
nachfolgenden Höhleneinsturz, und eine ähnliche Entstehungsgeschichte
glauben wir überhaupt vielen der berührten, von steilen Berghängen
umwandeten Roterdeebenen zuschreiben zu müssen. Kleinere Kesselthäler
von der Art der Karstdolinen -- die natürliche Begleiterscheinung der
Höhlen -- sind in keinem der angegebenen Gebirge selten, und ganz im
allgemeinen darf man füglich die cubanische Kalksteinlandschaft als
eine durch das Tropenklima modifizierte Karstlandschaft bezeichnen.
Die Schichtung des Kalksteins ist in den genannten Gebirgen vielfach
stark gestört, und ganz besonders ist dies auch der Fall an dem
Yumuridurchbruche (Abb. 83) durch die Cumbremesa, meist scheinen diese
Störungen aber die Folge von Höhleneinstürzen zu sein.

Denselben Familiencharakter und dieselben hohen natürlichen Reize
besitzt schließlich auch noch das Hügelgebirge von Limonar, zwischen
Matanzas und Cardenas, dem die Tetas de Camarioca (340 ~m~) und
die Lomas Grandes sowie die bekannten schönen Tropfsteinhöhlen von
Bellamar an dem hohen Ostgestade der Matanzasbai (Abb. 84) zuzurechnen
sind. Der Eisenbahnbau stieß in den zuletzt genannten Hügelgebirgen
auf erhebliche Schwierigkeiten, da sowohl zahlreiche Strom- und
Schluchtüberbrückungen als auch verschiedene Felsdurchstiche nötig
waren.

[Sidenote: Zuckerrohrfelder.]

Östlich und südlich von dem Limonargebirge sowie östlich und
südlich von dem Madrugagebirge tritt aber eine allgemeine
Verebnung der Landschaft ein, und es tauchen daselbst nur hier
und da noch unbedeutende Lomazüge auf. Der stark kalkhaltige rote
Verwitterungsboden dieser weiten Ebene, die ostwärts ohne irgend welche
Grenzscheide in die Ebenen der Las-Villas-Landschaft übergeht und die
an der Hauptsache von dem Rio Camarones, dem Rio de Palmas, dem Rio
Hanabana und dem Rio Negro entwässert wird, besitzt im allgemeinen eine
große Fruchtbarkeit, und auf ihm hat die cubanische Zuckerrohrkultur
ihre hervoragendste Heimstätte gefunden. Fast könnte man sagen, daß
die ganze Gegend ein einziges, wogendes Zuckerrohrfeld sei (Abb. 85),
und die aneinander stoßenden Distrikte von Colon und Alfonso XII,
die den Hauptteil der Ebene umfassen, enthalten nicht weniger als
25 Prozent von der Gesamtzahl der cubanischen Ingenios (Abb. 86).
Als die Hauptmittelpunkte der betreffenden Industrie und der Zucker-
und Melasseverfertigung haben wir aber neben Colon (6000 Einw.) und
Alfonso XII (2500 Einw.) namentlich die Eisenbahnknotenpunkte La Union
(2000 Einw.) und Jovellanos (5000 Einw.) sowie Sabanilla del Eda (2000
Einw.), Bolondron (1200 Einw.), Corral Falso (2500 Einw.), Jaguey
Grande (1000 Einw.), Cuevitas (1500 Einw.), Guamutas (2000 Einw.)
Cimarrones (1800 Einw.) und Lagumillas (2500 Einw.) zu verzeichnen.

[Sidenote: Zapata.]

Südlich von diesem ungeheuren Garten, in dem ein guter Teil von
wirtschaftsgeographischen Fähigkeiten Cubas beruht, breitet sich dann,
von zahlreichen großen Lagunen durchsetzt und von dem schleichenden
Rio Gonzalo und Rio Negro durchzogen, die ungeheure Sumpfwildnis der
Cienaga de Zapata aus, die sich durch die Cochinosbucht in eine Ost-
und Westhälfte gliedert, und diese bietet zur Zeit auch ein reiches
Feld für den Naturforscher -- den Botaniker so gut wie den Zoologen
-- aber noch in viel höherem Grade als die Sumpfgürtel des Camaguey
einen trostlosen Boden für die Kultur. An ihrem Südrande erhebt sich
ein trockenerer Landgürtel schwach aus dem Sumpfe heraus, der Boden
ist aber dort im allgemeinen kahle Seborucofläche und ermöglicht
lediglich die Existenz einiger armseliger Ranchos und Rinderherden.
An der Seeseite begleiten die große Cienaga Untiefen und Sandbänke,
sowie weiter westlich Korallenriffe und Keys, und im allgemeinen kann
ihre Küste als vollkommen unnahbar gelten. Auch die weit gegen Süd
geöffnete Cochinosbai und die Cazonesbai machen von dieser Regel keine
Ausnahme. Übrigens setzt sich die Cienaga in einem schmaleren Streifen
entlang dem Golfe von Matamano weiter fort, und Batabano (2500 Einw.)
bleibt auf diese Weise der einzige Landungsplatz, den die Vuelta Arriba
an der Seite des Karibischen Meeres für Schiffe bis 3 ~m~ Tiefgang
besitzt. Sie ist in einem noch höheren Maße als selbst das Camaguey an
dieser Seite ein geschlossenes Land.

[Sidenote: Cardenas.]

Damit die reiche Produktion der Landschaft nicht Habana allein zu
gute komme, ist aber ihre Nordküste wesentlich anders beschaffen.
Auf die große Bucht von Cardenas, die noch dem Bereiche der großen
nördlichen Korallenkeyflur angehört, ist bereits hingewiesen worden. Da
dieselbe Fahrzeuge von hinreichendem Tiefgange aufzunehmen vermag und
mit der Habanabucht den Vorteil der gegen Nordamerika vorgeschobenen
Lage teilt, so nimmt die Ausfuhr der großen Zuckerdistrikte von
Colon und Jorellanos, mit dem sie durch zwei Eisenbahnen verbunden
ist, größtenteils über sie ihren Weg. An ihren Ufern aber nahm die
erst im Jahre 1828 an dem niedrigen Mangroveufer begründete Stadt
Cardenas (25000 Einw.) einen raschen und hohen Aufschwung, als
Zuckerausfuhrhafen mit Cienfuegos wetteifernd, und auch ein ähnliches
unhistorisches, hervorragende Bauten entbehrendes, aber sauberes
Gepräge zur Schau tragend. Mit Habana ebensowie mit Sagua la Grande
und Caibarien steht Cardenas im regelmäßigen Küstendampferverkehr.
Ein kleinerer Hafenplatz an derselben Bucht, der ebenfalls von
amerikanischen Zuckerschonern besucht wird, ist Siguapa.

[Sidenote: Matanzas.]

Westlich von der schmalen und niedrigen, mit Salzteichen besetzten
Hicacoshalbinsel ist die Küste entlang dem Nordabfalle des Berglandes
von Limonar ziemlich hoch und den größten Fahrzeugen bequem nahbar, und
bei gutem Wetter bieten die kleinen Buchten von Veradero und Comacho
brauchbare Ankerplätze. Höheren Verkehrsansprüchen genügt aber die
mächtige und tiefe Matanzasbucht (Abb. 87 und 88), die durch von Osten
her (von der Punta Maya) vorspringende Korallenriffe besser gegen den
Seegang geschützt ist, als ihre weite Öffnung erwarten läßt, und die
in ihren inneren Teilen zauberhaft schöne Landschaftsbilder bietet --
in dieser Beziehung die Habanabucht wesentlich übertreffend. In dem
in die Bucht mündenden Rio San Juan, der aus dem Madrugagebirge kommt
(Abb. 89), können auch ziemlich große Boote, die Ladung nehmen wollen,
unmittelbar vor den Lagerhäusern ankern. Die Stadt Matanzas (56000
Einw.), die wir bereits auf der Karte von Ortelius (1587) verzeichnet
finden und die ursprünglich, wie ihr Name sagt, nichts war als eine
Rinderschlachtstätte, hat sich solchergestalt ebenfalls eines großen
Teiles der Zuckerausfuhr der Vuelta Arriba bemächtigen können, und
sie steht in dieser Beziehung Cardenas sowie Cienfuegos noch sehr
beträchtlich voran. Durch ihre allgemeine Physiognomie, besonders
durch ihre prächtige Plaza (Abb. 90 u. 91), durch mehrere schöne
Kirchenbauten und durch zahlreiche freundliche Quintas und Gärten in
ihren Vororten ein Bild hoher Blüte darbietend, hat sie durch die
letzte Insurrektion schwerer gelitten als jede andere.

[Illustration: Abb. 84. +Die Höhle von Bellamar.+]

Westlich von der Matanzasbucht sind an der sehr geradlinig verlaufenden
Steilküste des Berglandes von Canasi, Jaruco und Guanabacoa zwar so
gut wie gar keine Gefahren für die Schiffahrt vorhanden, ebensowenig
aber auch gute Zugänge in das Innere, und auf diese Weise hat Habana
außer von Matanzas und Cardenas keinen weiteren Wettbewerb in seiner
Eigenschaft als Haupthafen der Vuelta Arriba zu bestehen.

[Illustration: Abb. 85. +Zuckerrohrfeld in der Vuelta Arriba.+]



X.


[Sidenote: Landschaftseinteilung im westlichen Cuba.]

[Sidenote: Unterirdische Flußläufe und Höhlengänge.]

Die cubanische Tabakkammer läßt als wirkliche Vuelta Abajo nur die
Gegend zwischen dem Rio Hondo und dem Rio Cuyaguateje gelten und
als „halbe Vuelta“ -- „Semi-Vuelta“ -- die von Artemisa westwärts,
während sie den Landstrich unmittelbar südwestlich von Habana als
die „Partidos“ (etwa mit „Übergangsland“ zu übersetzen) bezeichnet,
und es läßt sich nicht verkennen, daß diese Einteilung der
westlichsten cubanischen Landschaft eine gewisse Begründung in den
physikalisch-geographischen Verhältnissen hat. Die Partidosgegend
kann man ebenso gut Batabanoisthmusgegend nennen, und dieselbe ist
in der That ein Mittelding zwischen der regelmäßig gegliederten
Stufenlandschaft der Vuelta Abajo und dem wirren Durcheinander von
Berg- und Thalformen der Vuelta Arriba, wie sie auch zugleich die
Stelle bezeichnet, an der das Endglied des cubanischen Inselkörpers
allmählich in seine von der allgemeinen abweichende südwestliche
Längsachseneinrichtung einlenkt. Wer sich von der Chorreramündung bei
Habana in gerader Linie auf Guanajay zu bewegt, dem wird der Stufenbau
allerdings ziemlich klar, denn von der 10-12 ~m~ hohen Seborucofläche
am Meeresrande geht es da rasch empor auf eine ausgedehnte höhere
Fläche von ungefähr 50 ~m~ Erhebung und von dieser wieder auf die 200
~m~ hohe Mauer der Sierra de Anafe, die wir vor Mariel vom Meere aus
gesehen haben. Die kleinen Lomas um den Ariguanabosee und in dem Rio
San Antonio (Abb. 92) sind aber denjenigen der Vuelta Arriba durchaus
ähnlich, und eine Überraschung bereitet uns eigentlich nur die See
selbst sowie sein ebengenannter Abfluß. Bis 10 ~m~ tief, nahe an 10
~km~ lang, 2,5 ~km~ breit und von etwa 15 ~qkm~ Flächengehalt, hat
derselbe in dem Innern von Cuba nirgends ein ebenbürtiges Seitenstück,
und höchstens könnte man von einer Anzahl viel kleinerer Wasserkörper
in dem Hügellande der Vuelta Arriba und in der Cinco-Villas-Landschaft
behaupten, daß sie denselben Familiencharakter tragen; so etwa von der
Laguna de Coabillas, südwestlich von Colon. Dagegen liegen ähnlich
ausgedehnte Lagunen allerdings hier und da in der Küstennähe, vor allem
in der Cienaga de Zapata (die große Laguna de Tesoro, nördlich von
der Cochinosbai), und in dem äußersten Südwesten von der Vuelta Abajo
(die Laguna Siguanea, Laguna Jovero und andere). Ebenso merkwürdig als
naturästhetisch reizvoll ist an dem Ariguanabosee seine Gliederung
durch von Nord und Süd vorspringende Halbinseln und Landspitzen sowie
durch kleine Hügelinseln dergestalt, daß er aus mehreren ostwestlich
aneinander gereihten Einzelbecken zusammengesetzt zu sein scheint.
Noch merkwürdiger und interessanter ist es aber, daß er mit einem
Systeme unterirdischer Flußläufe und Höhlengänge in Verbindung steht.
Die Größe sowie die Schwankungen seines Wasservolumens lassen sich aus
den oberflächlich einströmenden kleinen Bächen nicht begreifen und
ebenso wenig auch das Wasservolumen des Rio San Antonio, der ihm an der
Ostseite entströmt und der eine kleine Strecke unterhalb der Stadt San
Antonio de los Baños plötzlich unter einem großen Ceibabaume spurlos
verschwindet. Übrigens steht dieser Fluß mit seiner Schwinde in der
Gegend keineswegs allein, sondern ähnlich wie er verliert sich auch
der Rio de Guanajay, der seine Quellen in der höhlenreichen Sierra de
Anafe hat, und der den Ariguanabosee im Westen umfließt. Andererseits
aber stoßen wir 14-18 ~km~ südlich von dem See auf zahlreiche große
Höhlen, die teilweise mit Wasser gefüllt sind, wie die Cueva de Agua
bei Guira de Melena, und an einfachen Wiesenquellen („~ojos de agua~“
Wasseraugen) und Naturbrunnen („Pozos“) fehlt es in der Gegend so wenig
als anderweit in Cuba. Die Anzeichen, daß der Ariguanabosee gleichwie
sein kleinerer Nachbarsee im Norden (die Laguna de la Pastora, die
ihm ihren Abfluß zusendet) durch eine Folge von Höhleneinstürzen
entstanden sei, sind hiernach sehr starke, wenn nicht geradezu
zwingende. Gegenwärtig ist die kleine Doppellagune De la Pastora durch
die Sinkstoffe, welche ihre Zuflüsse in der Regenzeit von der Sierra de
Anafe herabbringen, in rascher Ausfüllung begriffen, und in einer nahen
Zukunft wird dadurch der großen Zahl der cubanischen Roterdeebenen eine
neue hinzugefügt worden sein; und ähnlich, obzwar langsamer, schreitet
der Ausfüllungsprozeß auch bei dem Ariguanabosee fort, so daß man ihm
das gleiche Schicksal voraussagen muß. Bieten die beiden Seen damit
aber nicht einen ganz guten Schlüssel zur Lösung des Rätsels, das sich
an die fruchtbaren cubanischen Roterdeebenen überhaupt knüpft? Die
große Mehrzahl dieser Ebenen, deren tischplattengleiche Oberfläche oft
so seltsam mit der unvermittelt daraus auftauchenden Umrandung von
Steilhängen und Felswänden kontrastiert, dürfte unserer Meinung nach
ebenfalls nicht anders entstanden sein, als durch den Zusammenbruch
von Höhlengewölben und durch das Durchgangsstadium einer längeren
Wasserbedeckung, in der die ruhige Ablagerung der „~terra rossa~“
bewirkt wurde. Nicht weniger als an die Roterdeebenen des cubanischen
Binnenlandes haben wir aber beim Hinblicke auf den Ariguanabosee an die
nierenförmigen Hafenbuchten zurückzudenken, die eine andere gesellige
Erscheinung bilden, welche der Insel Cuba in einem hohen Grade
charakteristisch ist. Denken wir uns den Ariguanabosee zusammen mit
der Laguna de la Pastora nur 8-10 ~km~ nordwärts gerückt, dergestalt
daß sie dicht am Meere liegen, und lassen wir dann die trennende
Schranke aus Korallenkalk, die sie noch von letzterem trennt, durch
die dagegen donnernde Brandung oder durch ein Erdbeben oder durch
einen allmählichen Senkungsprozeß des ganzen Küstenstriches fallen, so
erhalten wir eine weitere nierenförmige Hafenbucht, so schön, als wir
sie wünschen können, und an der betreffenden Stelle gleichzeitig eine
bedenkliche kulturgeographische Rivalin der Habanabucht.

[Illustration: Abb. 86. +Außenhof eines Ingenio.+]

Eine der berührten Roterdeebenen, die die angegebene
Entstehungsgeschichte gehabt haben dürfte, breitet sich südwestlich
von der Sierra de Anafe um Guanajay aus. Südlich von dem Ariguanabosee
aber verflacht sich die Partidosgegend ganz ähnlich, wie das anstoßende
Hügelland von Managua, und bei Guira de Melena und Guanimar ist auch
derselbe letzte Stufenabsatz zur sumpfigen Küstenniederung bemerkbar
(mit den bereits erwähnten Höhlenöffnungen) wie dort.

[Sidenote: San Antonio.]

Als das berühmteste Tabakland der Welt kann die Vuelta Abajo
dem Reisenden, der nicht in alle Geheimnisse des fraglichen
Wirtschaftszweiges eingeweiht ist, recht wohl schon hier erscheinen,
denn die Zahl der Tabakvegas (Abb. 5 und 93) ist eine sehr große. Zur
Erzeugung des feinsten Krautes ist der Boden aber nicht geeignet, und
ebenso bedeutend als der Tabak- ist in der Gegend der Zuckerrohrbau,
ja an ihrem Südrande stehen sogar noch eine beträchtliche Zahl von
Kaffeepflanzungen in Blüte. Für den Hauptort der Gegend, San Antonio
de los Baños (8000 Einw., Abb. 94), spielen außer ihren berühmten
Heilquellen die beiden letzteren Kulturen die Hauptrolle, für die
Stadt Guanajay (6000 Einw., Abb. 95) dagegen neben dem Zuckerrohr- in
sehr hervorragender Weise der Tabakbau. Die schönsten Kaffeegärten
aber finden sich von alters her bei Alquizar und Guira de Melena, und
alle diese Orte sowie auch der beliebte Sommerfrischen- und Seebadeort
Marianao (10000 Einw.) sind mit Habana durch Eisenbahnen sowie durch
verhältnismäßig gute Landstraßen verbunden.

[Sidenote: Sierra de los Organos.]

Westlich von Guanajay und Artemisa stoßen wir dann auf die höchsten
Stufen des großen Treppenbaues, den die Vuelta-Abajo-Landschaft
darstellt -- auf die durch die Züge des Insurgentenführers Maceo
berühmt gewordenen Rubihügel (etwa 200 ~m~), die Lomas de Cuzco (450
~m~), den Monte Pelado (406 ~m~), die Sierra del Rosario, die Sierra
de Cacarajicara (etwa 600 ~m~) und die mächtige Tafelbergmasse des Pan
de Guajabon (795 ~m~), in der das Ganze gipfelt, und mit der es gegen
West wieder zu Stufen von geringerer Erhebung abfällt. Hier breiten
sich unersteigliche Wände, wilde Klüfte, schöne Wasserfälle (der
Rosariofall) und große Höhlen (von Seiba, Sumidero u. s. w.) in großer
Zahl, und man sieht dabei ein, daß auch hier die meteorodynamischen
Agentien, oder wenn man will, die tropischen Berg- und Luftgeister,
gar viel von der ursprünglichen Gestalt der Landschaft zerstört und
beseitigt haben. Der ganze Bau überschaut sich infolgedessen auch
von innen heraus bei weitem nicht so bequem, als von dem Dampfer auf
hoher See aus. Gegen Norden fällt das Gebirge, das wir mit dem in
Deutschland üblich gewordenen Gesamtnamen der Sierra de los Organos
(Orgelgebirge) bezeichnen, in der Gestalt steilhängiger Lomas ziemlich
rasch zu einer schmalen Küstenniederung und mit dieser zur tiefen See
(20 ~km~ nördlich vom Pan de Guajabon, 1000 ~m~) ab. Eine breitere
Zone von Lomas und ein sanfteres allgemeines Gehänge begleitet die
hohen Sierras dagegen im Süden, und erst südlich von der großen
Heerstraße, die von Artemisa noch San Cristobal (als „Fahrstraße
erster Ordnung“ -- „Carretera de primer orden“) führt und von da als
bloßer „Camino Central“ weiter nach Pinar del Rio und Guanes, tritt
eine vollständige Verflachung zum schwachwelligen Tieflande und zur
sumpfigen Küstenniederung ein. Das höhere Bergland (Abb. 96) trägt in
dieser Gegend noch sehr allgemein sein ursprüngliches Weltkleid, und
vor allen Dingen besteht dasselbe aus Pinal oder Pinar (Kiefernwald),
von dem die politische Westprovinz Cubas ihren Namen führt, daneben
hat aber der Palmar (Königspalmenwald) seine hervorragende Stelle
so gut wie in den anderen Landschaften, und ebensowenig fehlt es an
Coabas (Mahagonibäumen), Cedros (Cedrelen), Ceibas (Baumwollbäumen),
Ebanos (Sideroxylon), Guavengesträuch u. s. w. Bei der Unzugänglichkeit
des höheren Gebirges und der Reproduktionskraft der Tropennatur ist
vielleicht auch nicht sehr zu fürchten, daß die etwa in einer nahen
Zukunft vordringenden amerikanischen Terpentinsammler und Holzschläger
dieselben furchtbaren Verwüstungen in diesen schönen Wäldern anrichten
werden wie in ihrem eigenen Lande. Der Tabakbau hat sich an den
Hängen und in den Thälern der südlichen Lomas eine wichtige Stelle
erobert, und zu gewissen Zwecken wird das daselbst erzeugte Blatt hoch
geschätzt, einen großartigen Umfang hat die Kultur aber seit alten
Zeiten auf dem sandigen Lehmboden der Niederung zwischen Artemisa und
Paso Real, behufs Gewinnung des schwersten und kräftigsten cubanischen
Krautes. Der Zuckerrohrbau ist nur in der nördlichen Niederung zwischen
Cabañas und Bahia Honda sehr namhaft, der Kaffeebau aber in der
südlichen Niederung bei Candelaria. Die Viehzucht ist sowohl im Gebirge
als auch im Tieflande schwach entwickelt, und nur in der Savannengegend
südlich von Artemisa ist die Pferdezucht beträchtlich.

[Illustration: Abb. 87. +Matanzasbucht und Yumurifluß.+]

An dem Westabsturze des Pan de Guajabon verändert sich der Charakter
der Gebirgslandschaft nicht unwesentlich. Die eigentlichen Hochstufen
sind hier nicht mehr vorhanden, und die Hauptgipfel ragen kaum 300-400
~m~ empor (der Pan de Azucar bei Viñales nur 330 ~m~). Dagegen nimmt
das Bergland einen breiteren Raum ein, und die Zerissenheit und
Wildheit der Ketten und Lomagruppen, die kreuz und quer nebeneinander
liegen, ist eher eine größere als geringere. Namen der Hauptteile,
wie Sierra del Infierno (Höllengebirge) und Los Organos (die Orgeln),
deuten dies verständlich genug an, und an Höhlen ist dieser Teil Cubas
wohl reicher als jeder andere und nicht minder auch an Naturbänken,
die als die stehen gebliebenen Ruinen eingestürzter Höhlengewölbe
aufzufassen sind. Bekannt sind vor allem die Höhlen von Ancon („Del
Indio“) von Isabel Maria, von Mantua und von Resolladero, sowie die
Naturbrücken des Rio de los Portales, der oberhalb Guanes in den
Rio Cuyaguateje mündet. Auch dem westlichen Hauptteile, der Sierra
de Acosta, sind noch eine Reihe jener scharfen, zusammenhängenden
Kämme eigen, die als „Cuchillas“ („Messer“) bezeichnet werden. Die
Thalbildung ist aber in der ganzen Gegend eine vorgeschrittenere
und ausgedehntere, so daß der Verkehr quer über das Gebirge
leichter bewerkstelligt werden kann und daß auch die sonstigen
Kulturmöglichkeiten bessere sind. Die Niederungen, zu denen das
Bergland sich gegen das Karibische Meer und den Mexicanischen Golf hin
abdacht, sind an den meisten Orten stärker wellig, vor allem ist aber
der Lehmboden noch mehr mit Sand gemischt, als weiter östlich. Die
Befruchtung der tiefer gelegenen Thal- und Niederungsböden vollzieht
sich aber durch die Überschwemmungen der Regenzeit, die alljährlich
eine neue kalkhaltige Sedimentschicht herbeiführen, ähnlich wie man es
von dem ägyptischen Nil her kennt.

[Sidenote: Kulturen und Bergketten der Vuelta Abajo.]

[Sidenote: Der Tabakbau und die geologischen Verhältnisse der Vuelta
Abajo.]

In ihrem Urzustande in ausgesprochenerer Weise mit „Pinal“
bestanden als die „Halbvuelta,“ ist diese wirkliche Vuelta Abajo
nur durch die angegebenen natürlichen Vorbedingungen unter der Hand
der eingedrungenen kleinen Pflanzer die Stätte des berühmtesten
Tabakbaues der Erde geworden, die die wahre Wonne der Raucher
erzeugt. Zur künstlichen Zubereitung seiner Vega mit Phosphaten und
anderen Düngmitteln wird der Bauer, der es mit dem feinen Dufte
und dem hohen Rufe seines Blattes ernst und gewissenhaft nimmt,
nicht greifen, sondern er wird die Strecken, die sich erschöpfen,
lieber eine Reihe von Jahren zur Erholung brach liegen lassen und
statt ihrer jungfräulichen Boden aufsuchen, auf dem das bloße
Säen und Pflanzensetzen von seiner Seite genügt, und der Himmel der
Vuelta Abajo die gesamte sonstige Fürsorge für die Ernte übernimmt.
Natürlich wechselt der Ertrag und die Qualität des Erzeugnisses auf
diese Weise sehr beträchtlich von Jahr zu Jahr, das ist aber bei dem
Vuelta-Abajo-Tabak gerade so unvermeidlich wie bei dem Rheinweine.
Die Hügelgehänge sind auch in der hier in Frage stehenden Gegend in
ziemlich umfassender Weise mit in den Bereich der Kultur gezogen, im
allgemeinen hat aber das „Lomablatt“ nicht den Gehalt und das Aroma des
in der Thalniederung gezogenen, und nur in besonders feuchten Jahren,
wenn das letztere mißrät, kann es unter Umständen so wohl gedeihen, daß
es die Stelle desselben einzunehmen vermag. Übrigens erschöpfen sich
die Gehängevegas durch die Wasch- und Auslaugewirkung der warmen Regen
selbstverständlich viel rascher als die Stromufervegas.

[Illustration: Abb. 88. +Innerster Teil der Matanzasbucht nebst
Ausblick auf das Hügelland von Limonar.+]

Daß die cubanische Tabakernte in der Vuelta Abajo so gut wie in den
Bergländern von Santiago und Baracoa eine Winterernte ist und daß die
verhältnismäßig strenge und anhaltende Trockenzeit der „wirklichen
Vuelta“ für die Tugenden ihres Krautes ebenso bedeutsam ist wie die
Eigenart des Bodens und der Naturdüngung, dürfen wir als bekannt
voraussetzen.

Auf der Halbinsel Guanahacabibes, dem merkwürdigen südwestlichen
Anhängsel der Landschaft, sind die klimatischen Vorbedingungen des
Tabakbaues annähernd die gleichen wie in der „wirklichen Vuelta“, die
Boden- und Bewässerungsverhältnisse sind aber andere, und nur die von
zahlreichen Lagunen bedeckte Gegend, an der die Halbinsel mit dem
Hauptlande verwachsen ist, enthält eine beträchtliche Zahl von Vegas,
welche die den Lomatabaken verwandten Rematestabake (von dem Hauptorte)
hervorbringen. Der größere Teil der Halbinsel ist von Mangrovesumpf und
von vorwiegend kahler, oberflächlich arg zerrissener Korallenkalkfläche
-- sogenanntem Pedregal oder Seborucal -- eingenommen, und außer
dem Leuchtturm des sanddünenbesetzten niedrigen Kap San Antonio
ermöglicht die letztere durch den spärlichen Weidewuchs, den sie
neben Heiligendisteln, Opuntien, niedrigen Fächerpalmen und anderem
Gestrüpp trägt, nur einigen kleinen Hatos ihr Dasein. In den großen
Savannen, welche in der eigentlichen Vuelta den Übergang von den
Tabakdistrikten zu dem Mangrovesumpfgürtel der Küste bilden, ist
die Viehzucht dagegen ebenso hoch im Schwunge, wie in der Camaguey-
und Cinco-Villas-Landschaft, und Ähnliches ist auch der Fall in dem
westlichen Berg- und Hügellande.

Unter den geologischen Formationen, welche an dem Aufbau der
Vuelta-Abajo-Landschaft beteiligt sind, steht natürlich immer wieder
der tertiäre Kalkstein im Vordergrunde. In der ganzen Randgegend des
Berglandes treten aber außer Diorit und Serpentin auch Bildungen
der Kreidezeit, sowie vielleicht älterer mesozoischer Zeiten auf,
und ganz im Westen, nördlich von Mantua liegt sogar ein ähnliches
paläozoisches Gebiet wie bei Trinidad und Sancti-Spiritus. Sobald
die Lagerungsverhältnisse dieser Formationen genauer untersucht sein
werden, wird sich auch die Frage besser beantworten lassen, warum
der tertiäre Stufenbau Cubas in der Vuelta Abajo so wohl erhalten
geblieben ist, während er in der Vuelta Arriba sowie in den Las Villas
und in dem Camaguey größtenteils zerstört wurde. Einstweilen wagen
wir in dieser Beziehung nur daraus hinzuweisen, daß die betreffende
Thatsache aller Wahrscheinlichkeit nach sowohl mit der veränderten
Längsachseneinrichtung der Insel im Zusammenhange steht, als auch mit
den vergleichsweise geringeren Niederschlagsmengen, die die Landschaft
seit der Zeit ihres Emportauchens aus dem Meere empfangen hat. Als der
ganze Stufenbau in der Vuelta Arriba noch erhalten war, bezugsweise
als sich daselbst viel höhere Gebirge emportürmten, als heute, da lag
die Vuelta Abajo natürlich in einem sehr bedeutenden Grade „in dem
Regenschatten“ derselben.

[Sidenote: Die Mittelpunkte des Tabakbaues.]

Einer starken Verdichtung der Bevölkerung und dem Gedeihen größerer
Städte ist der dem Kleinbetriebe anheimgegebene Tabakbau beinahe
ebensowenig günstig gewesen wie die Viehzucht, der Abbau der Kupfer-,
Eisen- und Manganerzlagerstätten, die die erwähnten älteren Formationen
enthalten, ist aber durch die politischen Wirren und die allgemeine
Unsicherheit auf der Insel niemals in hohen Schwung gekommen. Als
die hauptsächlichsten Ortschaften des Inneren haben wir daher nur
zu verzeichnen: Artemisa (5000 Einw.), das den Mittelpunkt einer
wichtigen Zuckerrohrbau- und Viehzuchtgegend bildet und das als der
stärkste Punkt der während der letzten Insurrektion von der spanischen
Heeresleitung gezogenen „Trocha“ von Mariel-Majana viel genannt und
umkämpft wurde; Candelaria (1200 Einw.), das außer durch seinen
vorzüglichen Kaffee auch durch seine Heilquellen namhaft ist; San
Cristobal (3500 Einw.), den Hauptmarkt für den „Semi-Vuelta-Tabak“;
San Diego de los Baños (1200 Einw.), durch heiße Schwefelquellen
berühmt und gleich Viñales (1000 Einw.) ein Hauptübergangspunkte über
das höhere Gebirge; und Consolacion del Sur (3000 Einw.), an einem
Zuflusse des Rio Hondo, Pinar del Rio (5500 Einw.), San Luis (1000
Einw.) und Guane (1000 Einw.), am Cuyaguateje, die Hauptmittelpunkte
und Märkte des Vuelta-Abajo-Tabakbaues. Pinar del Rio ist gleichzeitig
die Regierungshauptstadt der nach ihm benannten politischen Provinz,
die den größten Teil der Vuelta-Abajo-Landschaft umfaßt, sowie auch der
Endpunkt der Eisenbahn, welche die Osthälfte der Landschaft mit Habana
in bequeme Verkehrsverbindung setzt.

[Illustration: Abb. 89. +Der Rio San Juan in Matanzas.+]

[Sidenote: Die Küstengebiete der Vuelta Abajo.]

Um die Zugänglichkeit der Vuelta Abajo von der Seeseite her ist es nur
im Nordosten wohl bestellt. Dort sind die tiefen und weiten Buchten
von Mariel, von Cabañas und von Bahia Honda der Habanabucht in einem
hohen Grade ähnlich, und bei der zuerst- und der zuletztgenannten
ist nur die Einfahrt viel enger und schwieriger. Die Verbindung mit
ihrem ferneren Hinterlande und namentlich mit den Haupttabakdistrikten
sperren diesen Buchten aber die beschriebenen hohen Gebirgsstufen,
über die, abgesehen von der Fahrstraße zwischen Mariel und Guanajay,
nur schlechte Reitwege führen. Der Ausfuhrhandel der betreffenden Orte
Mariel (2000 Einw.), Cabañas (1200 Einw.) und Bahia Honda (2000 Einw.),
beschränkt sich also auf die der Zucker- und Tabakproduktion der
unmittelbar anstoßenden Küstengegend. Von der Cabañasbucht an begleitet
die Küste dann ein Korallenriff -- das sogenannte Coloradoriff --,
und von der Bahiabucht an gesellen sich diesem Riff in der von ihm
begrenzten Flachsee eine beträchtliche Zahl von Korallenkeys zu --
der Cayo Ines de Sato, der Cayo Rapado, der Cayo de Buenavista und
andere. Die betreffende Flachsee ist zwar im allgemeinen genügend tief
für die Schiffahrt (2-20 ~m~), und das Riff sowie die Keys lassen eine
Reihe von Durchfahrten offen, im allgemeinen liegen die Verhältnisse
aber bei dieser Colorados-Key-Flur ebenso wie bei den anderen Fluren,
und die Küstenstrecke gilt durch ihr Barriereriff mit gutem Grunde für
die gefährlichste von ganz Cuba. Es sind also auch an ihr nur einige
sehr unbedeutende Landungsplätze für den Küstenverkehr entstanden --
Coyetano für die Kupfererzverladung des Bergbaurevieres bei Viñales,
Arroyos für die Tabak- und Rinderverschiffung von Mantua und Puerto
Guadiana für die ähnlich beschaffene Ausfuhr von Guanes. An der
Südseite der Vuelta Abajo liegt dann die gewaltigste der cubanischen
Riff- und Keyfluren, die man Jardinillos- oder Pinosflur nennen kann.
Dieselbe erstreckt sich aber ostwärts weit über das Küstengebiet der
Vuelta Abajo hinaus, und wir widmen ihr daher eine kurze Besprechung
erst in dem nachfolgenden Abschnitte. Hier betonen wir nur, daß
die ganze Südküste der Vuelta Abajo durch diese Flur und die damit
verbundene Seichtsee bloß für kleine Küstenfahrzeuge nahbar ist. Der
einzige Punkt, der an ihr einen nennenswerten Seeverkehr -- besonders
nach Batabano und Pinos -- unterhält, ist demgemäß Coloma, das
Hafendorf von Pinar del Rio, mit dem es durch eine verhältnismäßig gute
Landstraße verbunden ist.

[Illustration: Abb. 90. +Straßenbild aus Matanzas.+]

Der Außenverkehr der Vuelta Abajo ist nach diesen Ausführungen in noch
viel zwingenderer Weise auf die Habanabai hingewiesen, als derjenige
der Vuelta Arriba, und mit vollem Rechte benennt die Welt das kostbare
Erzeugnis derselben also auch mit dem Namen „Habana“.



XI.


[Sidenote: Ansegelung von Pinos.]

Wer die Insel Pinos, die größte unter den zahllosen Nebeninseln Cubas
(2100 ~qkm~), von dem Karibischen Meere her erblickt -- etwa auf
einer Fahrt von Veracruz oder Progreso nach Cienfuegos --, dem stellt
sich dieselbe anfangs nur in der Gestalt von drei Bergmassen dar, von
denen jede für sich allein von den Wogen umspült zu sein scheint.
Die am weitesten links stehende ist ein gewöhnlicher Brotlaibberg,
bezugsweise ein an den Kanten abgeschliffener und abgestumpfter
Tafelberg, der am weitesten rechts stehende ein schwach eingekerbter
Sattelberg, und der mittlere, höchste, ein gekrümmter Rücken mit
einer aufgesetzten scharfen Spitze -- ein regelrechter „~Pico~“ --,
Bergformen, die uns aus Cuba zur Genüge vertraut sind, alle drei
übrigens mit einem etwas steileren Abfalle gegen West. Man kann sich
bei dem seltsamen Anblicke des Gedankens nicht erwehren, daß um diese
Höhen herum ein ausgedehntes Land ertrunken sein müsse.

Kommt man näher, so gesellt sich der Dreizahl der Berge eine Mehrzahl
anderer, teils ferner liegender, teils niedrigerer, zu. Der Eindruck,
als ob man nur die Gipfelteile eines im Meere versunkenen Berglandes
vor sich habe, ändert sich aber auch dann nicht, und ebenso bleibt er
in voller Stärke bestehen, wenn man endlich das niedrige und ebene
koralline Vorland der Berge gewahr wird. Abgesehen von ein paar
Zufluchtsstätten für sturmbedrohte Fischerboote und andere kleine
Fahrzeuge, sowie von einem Nothafen für größere Schiffe unmittelbar
an der Westspitze (Puerto Frances), ist ein Landen an der dem offenen
Meere zugekehrten Südküste aber nicht möglich, denn obwohl man 5 ~km~
von derselben über 1000 ~m~ lotet, so zieht sich ein gefährliches
Korallenriff ihr entlang, und die ganze Südhälfte der Insel ist von
ähnlicher Naturbeschaffenheit wie die Halbinsel Guanahacabibes,
teils niedrige Sanddüne, teils Mangrovesumpf, teils bienenwabenartig
zerfressene und zerrissene, kahle Korallenkalksteinfläche Eine
vom Westen her eindringende lagunenartige Verlängerung der weiten
Siguaneabucht, in der sich große Scharen von Krokodilen und
Schildkröten ziemlich ungestört ihres Daseins freuen, trennt den
Südteil überdies beinahe vollständig von dem Nordteile ab, und ein
Sinken der verbindenden Landenge um weniger als 1 m würde hinreichen,
zwei selbständige Inseln aus ihnen zu machen -- einen großen südlichen
Key von der Art des Cayo Romano und eine nördliche Berginsel. Wir
können hierbei nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß ein sehr
geringfügiges Sinken der lagunenübersäten Niederung zwischen der
Guadiana- und Cortezbai ebenso die Guanahacabibeshalbinsel als
einen Key von der Vuelta Abajo abtrennen würde, wenn auch als einen
verhältnismäßig hohen Key.

[Illustration: Abb. 91. +Die Plaza von Matanzas.+]

[Illustration: Abb. 92. +Der Rio de San Antonio.+]

[Sidenote: Das Korallenmeer.]

[Sidenote: Schiffsverbindungen mit Pinos.]

Wollten wir es versuchen, in einem flach gehenden Küstenfahrzeuge von
Cienfuegos aus thunlichst gerade gegen Pinos vorzudringen, so würden
wir uns von neuem in den Bahnen von Christoph Kolumbus befinden. Sehr
wahrscheinlich würden wir aber in dem Meeresraume, der die Insel in
dieser Richtung umgibt, auch ähnliche Erfahrungen sammeln, wie sie
der Entdecker der Neuen Welt mit seinen kleinen Karavelen vierhundert
Jahre vor uns (1494) sammelte. Das offene Fahrwasser mit seiner
tiefblauen Farbe und seinen zu weißen Schaumköpfchen emporgetriebenen,
bewegten Wellen, wäre rasch durchmessen. Hiernach würden wir uns
aber allenthalben jenem Heere von zierlichen Astraeen, Maeandrinen,
Poriten und Madreporen gegenüber sehen, das die Tausende von kleinen
Nebeninseln Cubas sowie auch einen guten Teil von Pinos und Cuba selbst
aufgebaut hat und das an dieser wie anderen Stellen noch rastlos am
Werke ist. Und hätten wir glücklich eine Durchfahrt zwischen den
Korallenriffen gefunden, so würden wir uns abermals in einem Meere
befinden, das für gewöhnlich so ruhig und sanft ist, „wie der Strom
von Sevilla“, und wir würden angesichts des Mangrovenwuchses der
darin liegenden Keys, in den sich hier und da Kohl- und Fächerpalmen
(~Oreodoxa oleracea~ und ~Thrinax argentea~), sowie Opuntien und
anderes Gebüsch beimischt, wohl mannigfaltige Veranlassung finden,
uns geradeso wie Kolumbus schwärmerischer Naturbetrachtung hinzugeben
und zu würdigen, wie treffend und feinsinnig derselbe die Korallen-
und Key-Flur der großen Isabella zu Ehren Jardinillo de la Reyna --
Gärtchen der Königin -- nannte. An vielen Orten würde sich das Meer
aber wunderlich entfärben -- weiß, gelb, grün, braun, grau --, und
auch das kleinste Schiffchen würde es nicht vermeiden können, wieder
und wieder den Schlammgrund aufzuwühlen und wieder und wieder auf
diesem Grunde festzusitzen. Bräche sodann, wie es in den Sommermonaten
beinahe täglich der Fall ist, eine schlimme Gewitterböe oder wohl
gar ein Orkan los, so wäre die Gefahr für das Fahrzeug innerhalb der
angegebenen natürlichen Wogenbrecher sicherlich eine viel größere als
außerhalb derselben. In jedem Falle hätten die Schiffsführer und die
Schiffsmannschaft unsägliche Mühe und Anstrengung in dem Gewässer.
Kolumbus und seine Begleiter hatten davon ein volles Maß zu genießen,
ganz besonders auch von den Gewitterstürmen, da sie die Gegend im
Frühsommer erreichten, sie arbeiteten sich aber bis Pinos, dessen
Bergspitzen ihnen aus weiter Ferne entgegenwinkten, tapfer hindurch,
und der Admiral nannte sie zum Dank gegenüber den Mächten, die ihn bis
dahin hatten gelangen lassen, Evangelista. Als die See im Norden und
Westen von Pinos aber weit und breit den gleichen Charakter bekundete
wie im Osten und als das so ungeheuer in die Länge erstreckte Cuba
auch dort noch kein Ende nahm -- kaum eine gute Tagesfahrt vom Kap San
Antonio, wenn das Meer ein offenes gewesen wäre --, da stand er von dem
Bemühen ab, und er ließ nur noch von seinen Genossen urkundlich und
unter hochnotpeinlichem Eide feststellen und bestätigen, daß Cuba keine
Insel, sondern ein Teil von dem festländischen Asien sei. Man weiß,
daß Kolumbus in diesem guten mittelalterlichen Glauben gestorben ist,
niemand, der die Pinos-Key-Flur und die Pinosseichtsee in ihrer Tücke
kennen gelernt hat, wird ihn aber feige oder kleinmütig dafür schelten,
daß er die Fahrt in derselben nicht weiter fortsetzte. Ferdinand Cortez
erlitt in derselben See westlich von Pinos traurigen Schiffbruch, und
er rettete sein Leben dabei nur durch sein besonderes Glück.

[Illustration: Abb. 93. +Vega am Ariguanabosee.+]

Dank den genannten und anderen großen Bahnbrechern in der Neuen Welt,
die die Spanier entsandt haben, und um deren Willen dieselben wohl ein
besseres Geschick mit ihrem daselbst aufgerichteten Reiche verdient
hätten, als es ihnen thatsächlich zu teil geworden ist, steht uns
heute ein bequemerer und gefahrenfreierer Weg nach Pinos offen. Um
auf ihm einher zu dampfen, müssen wir uns aber erst zurückbegeben
nach Batabano oder nach Coloma, und weil die große Nebeninsel Cubas
für den allgemeinen Verkehr nur von diesen Punkten aus erreichbar
ist, so wundert es uns nicht, daß auch sie Habana in strenger Weise
tributpflichtig ist, sowie sie politisch zu der Provinz Habana
gerechnet wird. Ein Auffurchen des Schlammgrundes kann der kleine
Dampfer (von kaum 1,5 ~m~ Tiefgang) an verschiedenen Stellen auch auf
diesen betretenen Pfaden nicht vermeiden, und es bedarf der ganzen
Behutsamkeit und Vorsicht des ortskundigen Piloten, ihn langsam und
sicher an den drohenden Gefahren vorüber zu führen.

[Sidenote: Die Keys nördlich von Pinos.]

Den Eindruck, als ob es aus einer Anzahl einzelner Inselberge bestände
und als ob der zusammenhängende Sockel dieser Berge unter den Wellen
gesucht werden müsse, macht Pinos auch von Norden aus. Von vornherein
wird dieser Eindruck hier aber dadurch etwas verdunkelt und maskiert,
daß die vorgelagerten Keys das Auge fesseln und abziehen, und später
bemerkt man zu deutlich, daß ein gemeinsamer Unterbau der Berge
allerdings auch über dem Meeresspiegel vorhanden ist. Als eine eng
geschlossene Keygruppe liegen an diesem Wege besonders die Islas de
Mangles (die „Mangroveinseln“ schlechthin), die nur eine einzige
Durchfahrt von mehr als 0,5 ~m~ Tiefe zwischen sich lassen und die
zusammen mit der Cayos de Dios und der Cayos de los Indios einen
eigentümlichen Inselgürtel um die ganze Nordhälfte von Pinos herum
bilden, der von physikalisch-geographischem Standpunkte aus Beachtung
verdient. Eine Hebung von weniger als 2 ~m~ würde die Mangle- und
Dioskeys in landfeste Verbindung mit Pinos bringen, und dasselbe
würde dadurch im Nordosten ein ähnliches halbinselartiges Anhängsel
erhalten, wie es im Südwesten thatsächlich besitzt -- eine interessante
geographische Homologie. Die Insel würde gewissermaßen zwei lange Arme
in der Richtung auf die Vuelta Abajo ausstrecken. Fände aber eine
weitere Hebung um 4 oder 5 ~m~ statt und nähme die ganze Pinos-Key-Flur
an der betreffenden Bewegung teil, so würden sich die beiden Arme
nicht bloß zusammenschließen, sondern es würden in ihrer Verlängerung
auch zwei andere, längere wachsen, und es würden durch diese neuen
Arme in der Richtung auf das Kap Frances der Guanahacabibeshalbinsel
und auf die Batabanolandenge landfeste Verbindungen zwischen Pinos
und der Vuelta Abajo hergestellt werden. Überdies würde der gegen
Norden gerichtete Arm einen Nebenarm bis zur Halbinsel der Cienaga de
Zapata von sich abzweigen, und im Osten würde sich die Jardinillosbank
einerseits an Pinos und andererseits (über die Cazones- oder
Canarreosbank) an die Zapatahalbinsel anfügen. Pinos wäre also dann
auch mit der Vuelta Arriba fest verwachsen, und was von der ganzen
Pinossee übrigbliebe, wäre nichts als eine Anzahl seichter Lagunen --
ein paar größere namentlich an der Stelle der heutigen Broabucht und
nördlich von den Cayos de San Felipe, d. i. in der Verlängerung des
flachen Längsthales, in dem der Rio Gonsalo dem Matamanogolfe zufließt.

[Illustration: Abb. 94. +Hauptstraße von San Antonio de los Baños.+]

[Sidenote: Kulturen auf Pinos.]

Den kleinen Schiffchen, welche die Pinossee durchfahren haben, bereitet
das Einlaufen in die breiten und verhältnismäßig tiefen Mündungen des
Rio de Casas, des Rio de Malpais und des Rio de Santafé keinerlei
Schwierigkeiten, und die Hauptorte von Pinos -- Nueva Gerona (900
Einw.), Santa Rosalia und Santafé können auf die Weise bequem zu Wasser
erreicht werden. Zur Entfaltung eines stärkeren Verkehrslebens haben
diese Zugänge aber weder an den genannten Örtchen noch anderweit auf
der Insel beigetragen, und die Landesprodukte, welche von ihnen aus
verschifft werden, bestehen im wesentlichen nur aus geringfügigen
Mengen von Vieh, Holz, Früchten und Marmor. Beherbergt doch die Insel
insgesamt nur etwa 2000 Einwohner, während Guadeloupe auf einer
annähernd ebenso großen Landfläche deren 165000 enthält. Man erkennt
hieraus wohl ohne weiteres, daß man es auf Pinos mit dem hintersten
Hinterlande Habanas zu thun hat, und daß die kolonisatorische Kraft
Spaniens bei der Nutzbarmachung seiner Hilfsquellen in einem noch
viel höheren Maße unzureichend gewesen ist, als an gewissen Stellen
Cubas. Erfreute sich nicht die Heilkraft der heißen Alkaliquellen von
Santafé eines hohen Rufes bei der cubanischen Bevölkerung und hätte
die spanische Kolonialregierung Pinos nicht als Deportationsort --
als eine Art cubanisches Sibirien, wenn auch mit sehr unsibirischem
Klima -- benutzt, so wäre seine Volkszahl wahrscheinlich eine noch
geringere. Dabei ist die Fruchtbarkeit seiner Ebenen und Thäler ebenso
groß als auf Cuba, und sowohl dem Tabak- und Zuckerbaue als auch der
Fruchtkultur wären daselbst wohl ansehnliche Strecken zu gewinnen. Wird
die neue Ära in dieser Beziehung einen günstigeren Einfluß auf das
Wirtschaftsleben der Nebeninsel Cubas geltend machen als die alte? Und
wird sie die schönen Kiefernbestände, von welchen die Insel ihren Namen
hat, weise benutzen, ohne sie zu verwüsten? Daß die letzteren trotz
allem, was wir über die Pinossee gesagt haben, leichter zugänglich
sind, als in den Gebirgen der Vuelta Abajo, kann man nicht bestreiten.

[Illustration: Abb. 95. +Guanajay.+]

[Sidenote: Physisch-geographischer Rückblick.]

In einem höheren Grade als die wirtschaftsgeographischen Fähigkeiten
von Pinos beanspruchen aber seine physikalisch-geographischen
Eigentümlichkeiten unsere Aufmerksamkeit. In dieser Beziehung
erhellt aus der oberflächlichsten Betrachtung ihrer palmen- und
kiefernbestandenen Rot- und Schwarzerdeebenen und ihrer ostwestlich
streichenden Bergzüge eine sehr vollkommene Übereinstimmung mit Cuba.
Die Bergzüge -- die Sierra de Caballos (300 ~m~) über Nueva Gerona, die
Gruppe des Pico de la Daguila (413 ~m~) über Santafé und die Sierra
de la Cañada (464 ~m~), gegen die Siguaneabucht hin -- zeigen ganz
ähnliche Gipfel- und Thalformen wie in der Vuelta Arriba und in der
westlichen Vuelta Abajo, nur sind sie zum Teil beträchtlich höher,
steilwandiger und malerischer, und durch ihre Gesteinszusammensetzung
erinnern sie füglich am allermeisten an die Bergzüge von Trinidad und
Sancti-Spiritus. Wie bei diesen so sind auch bei ihnen die älteren
geologischen Formationen verhältnismäßig vollständig vertreten und man
darf füglich schon bei der dermaligen lückenhaften Durchforschung von
Pinos annehmen, daß dasselbe in seinem Nordteile ein außer Verband
geratenes Stück von Alt-Cuba, d. i. von dem vortertiären Cuba sei. Daß
es aber zugleich auch ein außer Verband geratenes Stück von Neu-Cuba
-- von dem spät-tertiären und nachtertiären Cuba -- sei, und daß seine
Trennung von der Hauptinsel, geologisch gesprochen, erst neuerdings
erfolgt sein kann, bezeugt seine gesamte Organismenwelt, die sich in
keinem wesentlichen Punkte von derjenigen der benachbarten cubanischen
Landschaften unterscheidet. Nicht bloß das bunte Gemisch hochstämmiger
Königspalmen, Kiefern, Mahagoni-, Cedrelen-, Ebenholz- und Kerbsbäume
ist dasselbe wie dort, sondern auch das Gewirr der Lianen, der Wuchs
der Farne und Orchideen u. s. w., und nicht minder sind es dieselben
Hutias, Iguanas, Schlangen, Krokodile, Insekten und Mollusken wie dort,
die in den schönen Wäldern ihr Wesen treiben.

Eröffnet sich damit aber nicht für uns auf Pinos eine Art
physisch-geographischer Rückblick auf Cuba und seine kleineren
und größeren Nebeninseln? Wenn Pinos noch vor kurzem fest mit der
Hauptinsel verbunden war, so versteht es sich von selbst, daß dies
auch der Fall war mit den sämtlichen Hauptkeys der Pinossee. Wenn
es aber die Keys der Pinossee waren, wie sollte es anders gewesen
sein mit den Keys der Laberintoflur, mit denen der Romanoflur
und mit denen der Coloradosflur, bei denen die morphologischen
und geologischen Verhältnisse durchaus ähnlich lagen? Derselbe
Korallenkalkstein jungen (tertiären und quartären) Alters setzt die
Inselchen zusammen, die größeren ragen zum Teil zu ansehnlichen Höhen
auf, und daß der Schichtenbau ihres Untergrundes mit demjenigen der
Hauptinsel zusammenhängt, läßt sich aus den darauf zu Tage tretenden
Süßwasserquellen schließen.

Ganz so lazertenhaft schmächtig und graziös, wie er heute auf der Karte
erscheint, war also der Inselkörper Cubas bei seinem Auftauchen auf
dem Tertiärmeere aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, und sowohl seine
allgemeine Gliederung durch die beschriebenen Randmeere und Golfe, als
auch seinen großartigen Reichtum an Naturhäfen und seine Umgürtung mit
dem vielgliederigen Kranze von Nebeninseln erhielt derselbe erst durch
nachfolgende Einbrüche und Senkungen.

Der ungeheure Grabeneinbruch der Bartletttiefe, der sich von der
Windwarddurchfahrt zum innersten Winkel der Hondurasbai zieht,
und der sich unter häufigen Erd- und Seebodenerschütterungen noch
beständig erweitert und vertieft, zog die ganze Südostküste in starke
Mitleidenschaft. Ähnliches bewirkt in etwas abgeschwächtem Maße auch
der Einbruch der Yucatantiefe betreffs der Südküste in der Gegend von
Cienfuegos und Trinidad, derjenige des Mexicanischen Golfes betreffs
der Nordwestküste und derjenige des Alten Bahamakanales betreffs der
Nordostküste. In der Gegend der vier großen Korallenkeyfluren war die
Senkung dagegen in der unmittelbaren Nachbarschaft der Hauptinsel nur
eine geringfügige. Weitaus am besten zugänglich für den Verkehr von
außen sind aber die Küstenstrecken von der zuerst angegebenen Art.

Daß alle die angegebenen tiefen Grabeneinbrüche in ihrer ganzen
Ausdehnung jungen geologischen Alters sind und daß Cuba sowohl in
der mesozoischen Zeit als auch in der späteren Tertiärzeit in fester
Verbindung mit Jamaica, Haiti, Puertorico und den Jungferninseln
gestanden hat, ist wahrscheinlich. Ebenso spricht auch mancherlei
dafür, daß die Bahamainseln und Südflorida sowie Yukatan und Honduras
seiner Zeit damit verwachsen gewesen sind. Mit Sicherheit läßt sich
in dieser Beziehung aber nichts behaupten, und ein haltbares Gebäude
von Schlußfolgerungen hinsichtlich der Entstehungsgeschichte der Insel
sowie hinsichtlich ihrer natürlichen Beziehungen zu den Nachbarinseln
und zu den Nachbarerdteilen wird sich erst aufbauen lassen, wenn ihre
Durchforschung sowie die Durchforschung von Haiti und Puertorico
weitere Fortschritte gemacht haben wird. Von der neuen Ära, welche über
Cuba hereingebrochen ist, wird man vielleicht in dieser Hinsicht am
ehesten eine wirkliche Wendung zum Besseren erwarten dürfen.

[Illustration: Abb. 96. +In der Sierra de los Organos.+]

[Sidenote: Die Zukunft Cubas.]

Erwägen wir die Aussichten für die Zukunft der schönen Insel Cuba,
so müssen wir die politischen Verhältnisse und die Verwaltung erst
gefestigt wissen, da erst dann eine wirksame Wiedergeburt auf
wirtschaftlichem Gebiete erfolgen kann. Cuba ist ein altbesiedeltes
Land, wo der größte Teil des Bodens in festen Händen ruht, so daß
eine Zuwanderung im großen ausgeschlossen ist, wenn auch zugegeben
werden muß, daß das Land eine um vieles zahlreichere Bevölkerung zu
ernähren vermöchte, als dies heute der Fall ist. Hierzu kommen auch
noch die oben erwähnten ungünstigen Einwirkungen des Klimas. Aber die
Erweiterung des Landbaues könnte gefördert werden einerseits durch
weitere Trennung von Anbau und Fabrikation, anderseits durch Anlage von
kleineren Farmen; diese hätten gewissermaßen einen Übergang zu bilden
von den jetzigen Riesenfarmen zu den elenden halbverfallenen Ranchos.
Vieles würde auch gebessert werden durch eine allmähliche Umwandelung
des Pächters zum selbständigen Grundbesitzer, was die Schaffung
eines thätigen Mittelstandes bedeuten würde. Dazu würde noch eine
genaue Aufnahme des Bodens und im Zusammenhange eine richtigere und
gerechtere Festlegung der Besteuerungsverhältnisse kommen. Zur weiteren
Erschließung gehört aber auch das Einströmen von Kapital zur Errichtung
großer öffentlicher Unternehmungen, zum Ausbau der Eisenbahnen und der
Straßen, zur Verbesserung bestehender Landkulturen und Fabrikbetriebe.
Mit der thätigeren Anteilnahme der Vereinigten Staaten am Geschicke
Cubas werden die zuletzt genannten Punkte hoffentlich in allernächster
Zeit ihre Verwirklichung finden.



Statistische Übersicht.


+Übersicht der politischen Provinzen Cubas nach Flächeninhalt,
Volkszahl und Wirtschaftsverhältnissen.+

 ============+=======+===========+=========+=========+=========+========
             |       | Einwohner-|  Einw.  | Ingenios| Tabak-  | Kaffee-
                         zahl        auf             | vegas   | gärten
             | ~qkm~ |   1887    | 1 ~qkm~ |   1890  | 1890    |  1890
 ------------+-------+-----------+---------+---------+---------+--------
 1. Pinar    |       |           |         |         |         |
    del Rio  | 14510 |   225891  |   15,6  |     71  |  5411   |    33
 2. Habana   |  8345 |   451928  |   54,1  |    156  |     2   |    22
 3. Matanzas |  8225 |   259578  |   31,7  |    467  |   --    |     3
 4. Santa
    Clara    | 22380 |   354122  |   15,8  |    332  |   816   |    46
 ------------+-------+-----------+---------+---------+---------+--------
 Westcuba    | 53460 | 1,291519  |   24,1  |   1026  |  6229   |   104
 insgesamt   |       |           |         |         |         |
             |       |           |         |         |         |
 5. Puerto   |       |           |         |         |         |
    Principe | 31345 |    67789  |    2,2  |      5  |   --    |    --
 6. Santiago | 34028 |   272379  |      8  |     88  |  2256   |    84
 ------------+-------+-----------+---------+---------+---------+--------
 Ostcuba     |       |           |         |         |         |
 insgesamt   | 65373 |   340168  |    5,2  |     93  |  2256   |    84
 ------------+-------+-----------+---------+---------+---------+--------
 Die ganze   |       |           |         |         |         |
 Insel       |118833 | 1,631687  |   13,7  |   1119  |  8485   |   188

[Illustration: Kulturkarte von Cuba

    Geogr. Anstalt von Velhagen & Klasing in Leipzig.
           Karte zu Deckert, Cuba.
                  Verlag von Velhagen & Klasing in Bielefeld u. Leipzig.
]


FOOTNOTES:

[1] In Humboldts Fußstapfen gingen dann andere einher: ein Ramon de la
Sagra mit seiner ausführlichen ~Historia fisica, politica y natural~
(Madrid 1849), ein Felipe Poey mit seiner ~Historia natural~ (Madrid
1851), ein Estéban Pichardo mit seiner ~Geografia~ (Habana 1854), ein
José Maria de la Torre mit seinem ~Elementos de Geografia~ (Habana
1856), ein José de Pezuela mit seinem ~Diccionario geografico~ (Madrid
1863) -- nicht zu vergessen der mühevollen kartographischen Leistungen
eines Estéban Pichardo (21 Blätter) und Francisco Coëllo. Eine von der
spanischen Kolonialregierung geplante geologische Landesaufnahme (1844)
scheiterte freilich an den unzureichenden Mitteln.

[2] Das meiste thaten in neuerer Zeit zur Förderung der
wissenschaftlichen Landeskunde Ausländer, Deutsche und Amerikaner: J.
Gundlach, der die Insel 54 Jahre lang in den verschiedensten Teilen
und Richtungen durchstreifte, um vor allem ihre tiergeographischen
Verhältnisse in umfassender Weise klar zu legen, A. Grisebach, der
auf Grund der von dem Amerikaner C. Wright gemachten Sammlungen
seinen „~Catalogus plantarum Cubensium~“ (1866) zusammenstellte, und
Alexander Agassiz, R. T. Hill und J. W. Spencer, die die Grundzüge
der geologischen Entwickelungsgeschichte der Insel und den Anteil der
Korallentierchen an ihrem Aufbau festzustellen suchten.





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