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Title: Rubens
Author: Knackfuß, Herrmann
Language: German
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  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

    Der vorliegende Text wurde anhand der 1895 erschienenen Buchausgabe
    so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische
    Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und
    altertümliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original
    unverändert; fremdsprachliche Zitate wurden nicht korrigiert.

    Einige Abbildungen wurden zwischen die Absätze verschoben und zum
    Teil sinngemäß gruppiert, um den Textfluss nicht zu beeinträchtigen.

    Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt. Besondere
    Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit den
    folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:

        Fettdruck: =Gleichheitszeichen=
        gesperrt:  +Pluszeichen+
        Antiqua:   ~Tilden~

  ####################################################################



                          Liebhaber-Ausgaben

                            [Illustration]



                         Künstler-Monographien

                                  von

                              H. Knackfuß

              Professor an der K. Kunstakademie zu Kassel

                                  II

                                Rubens

                       =Bielefeld= und =Leipzig=

                     Verlag von Velhagen & Klasing

                                 1895



                                Rubens

                                  Von

                              H. Knackfuß

          Mit 99 Abbildungen von Gemälden und Handzeichnungen

                            [Illustration]

                       =Bielefeld= und =Leipzig=

                     Verlag von Velhagen & Klasing

                                 1895



                Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.



[Illustration: +Rubens’ Söhne Albert und Nikolas.+ In der fürstlich
Liechtensteinschen Bildergalerie zu Wien.

(Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl.,
in Dornach i. Els. und Paris).]



[Illustration]



Peter Paul Rubens.


An einem stattlichen alten Haus in der Sternengasse zu Köln verkündet
eine marmorne Inschrifttafel dem Vorübergehenden, daß hier Peter
Paul Rubens geboren sei. Aber weder Köln noch auch das mit dem
gleichen Anspruch auftretende Antwerpen hat das Anrecht auf die Ehre,
Geburtsstätte des belgischen Malerfürsten zu sein, behaupten können.
Als diese ist vielmehr das westfälische Städtchen Siegen mit nicht
anzutastenden Gründen nachgewiesen worden.

[Illustration: Abb. 1. +Die Apostel Petrus und Paulus.+ Handzeichnung
in der Albertina zu Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co.,
Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Die Vorfahren des Rubens waren seit Jahrhunderten als ehrsame Bürger
in Antwerpen ansässig. Sein Großvater war Inhaber einer Apotheke
und Spezereiwarenhandlung; dessen Sohn Johannes aber wurde zu einem
gelehrten Beruf erzogen. Johannes Rubens, geboren im Jahre 1530,
studierte die Rechte zu Löwen und zu Padua und bestand zu Rom im
Jahre 1554 mit Auszeichnung die Prüfung als Doktor des bürgerlichen
und kirchlichen Rechts. Darauf kehrte er in die Heimat zurück, wo er
sich am 29. November 1561 mit der Kaufmannstochter Maria Pypelinckx
vermählte. Er wurde 1562 zum Schöffen ernannt und bekleidete
dieses Amt fünf Jahre hindurch, in jener schwierigen Zeit, wo der
Aufstand der vereinigten Niederlande gegen die spanische Herrschaft
sich vorbereitete. Als die Geschicke des Landes in die Hände des
unerbittlichen Herzogs von Alba gelegt worden und als die Häupter
von Egmont und Hoorn auf dem Blutgerüst gefallen waren, hielt
Johannes Rubens, der der Hinneigung zum Protestantismus dringend
verdächtig war, es für geraten, die Heimat zu verlassen; ausgerüstet
mit einem Schreiben der Stadtobrigkeit von Antwerpen, welches seine
Ehrenhaftigkeit bezeugte, flüchtete er nach Köln, wo er gegen Ende 1568
ankam. Dort weilte damals die Gemahlin Wilhelms von Oranien, des großen
Führers der niederländischen Erhebung, Anna von Sachsen. Durch deren
Rechtsbeistand, den gleichfalls flüchtigen Rechtsgelehrten Johannes
Betz aus Mecheln, lernte Johannes Rubens die launische und krankhaft
erregte Fürstin kennen; er ward ihr Vertrauter und bald ihr Geliebter.
Das sträfliche Verhältnis ward offenkundig, und im März 1571 ließ der
Bruder des gekränkten Fürsten, der Graf Johann von Nassau, Rubens auf
dem Wege nach dem damals nassauischen Städtchen Siegen, wohin sich
Anna, die ihrer Niederkunft entgegensah, zurückgezogen hatte, verhaften
und nach Dillenburg ins Gefängnis bringen. Nach dem Landrecht hatte
Rubens das Leben verwirkt; da seine Schuld durch Geständnis erwiesen
und da die Verhaftung auf nassauischem Boden erfolgt war, so hätte
nichts den Grafen von Nassau daran hindern können, durch Vollziehung
des Todesurteils die Ehre seines Bruders zu rächen, wenn nicht die
beiden Fürsten der Erwägung Raum gaben, daß hierdurch das ganze
Vorkommnis in unliebsamer Weise an die Öffentlichkeit gezogen worden
wäre. Zudem fand der Schuldige eine beredte Fürsprache von einer Seite,
von welcher er es am wenigsten verdient hatte. Maria Pypelinckx, seine
beleidigte Gattin, bot alles auf, um seine Begnadigung zu erwirken.
Zwei Briefe, durch welche sie ihren gefangenen Mann zu trösten suchte,
sind auf die Nachwelt gekommen, rührende Zeugnisse des hochherzigsten
weiblichen Edelmuts. „Mit Freude ersehe ich,“ heißt es in dem einem,
„daß Euer Liebden, gerührt von meiner Vergebung, nun beruhigt sind. Ich
dachte nicht, daß Ihr glaubtet, ich würde dabei so große Schwierigkeit
machen, wie ich auch nicht gethan habe. Wie könnte ich so hart gewesen
sein, Euch in Eurer großen Bedrängnis und Bangigkeit noch mehr zu
beschweren, während ich Euch doch gern, wenn möglich mit meinem Blut
heraushelfen würde... Sollte ich sein, wie der schlechte Verwalter im
Evangelium, dem so viele große Schulden von seinem Herrn nachgelassen
worden waren und der seinen Bruder eine kleine Summe bis auf den
letzten Pfennig zu zahlen zwang? Seiet daher darüber beruhigt, ob
ich Euch gänzlich vergeben habe: gebe Gott, daß Eure Befreiung damit
zusammenhinge, wir würden bald wieder glücklich sein!.... Ich hoffe,
daß Gott mich erhören wird, daß sie uns schonen, daß sie Mitleid mit
uns haben mögen; sonst ist es gewiß, daß sie mich zugleich mit Euch
töten werden; ich werde sterben mit gebrochenem Herzen, denn ich könnte
die Nachricht von Eurem Tode nicht hören; nein, das Leben würde sofort
in mir stille stehen. Aber die Worte Ihrer Gnaden (wahrscheinlich
der Mutter der oranischen Prinzen), die ich in einem anderen Briefe
geschickt habe, geben mir noch Hoffnung.... Mein Herz kann es nicht
fassen, daß wir so gänzlich und so kläglich getrennt werden sollten...
O mein Gott, möge das nicht geschehen! Meine Seele ist solchermaßen
vereinigt und verbunden mit der Eurigen, daß Ihr keinen Schmerz
erleiden könnt, ohne daß ich ebensoviel davon leide wie Ihr. Ich
glaube, wenn diese guten Herren meine Thränen sähen, sie würden,
selbst wenn sie von Holz oder Stein wären, Erbarmen mit mir haben:
ich will auch, wenn mir kein anderes Mittel mehr bleibt, hierzu meine
Zuflucht nehmen, obgleich Ihr mir geschrieben habt, daß ich das nicht
thun solle. Ach, wir verlangen nicht Gerechtigkeit, wir bitten nur um
Gnade, Gnade, und wenn wir die nicht erlangen können, was bleibt uns
zu thun übrig? O himmlischer und barmherziger Vater, hilf du uns dann!
Du willst nicht den Tod des Sünders, du willst ja im Gegenteil, daß er
lebe und sich bekehre. Gieß in die Seele dieser guten Herren, die wir
so sehr gekränkt haben, deinen Geist der Milde, daß wir bald befreit
werden von diesen Schrecknissen und dieser Trostlosigkeit; sie dauern
nun schon so lange!...“ Der Schluß des Briefes lautet: „Jetzt empfehle
ich Euch dem Herrn, denn ich kann nicht weiter schreiben, und ich bitte
Euch so sehr, nicht das Schlimmste zu gewärtigen: das Schlimmste kommt
früh genug von selbst; immer an den Tod zu denken und ihn zu fürchten
ist härter als der Tod. Deshalb verbannet diese Gedanken aus Eurem
Herzen. Ich hoffe und vertraue auf Gott, daß er Euch gnädiger strafen
und uns noch zusammen für all diesen Kummer Freude verleihen wird, um
was ich ihn aus dem Grunde meines Herzens bitte. Und ich befehle Euch
dem allmächtigen Herrn, daß er Euch trösten und stärken möge mit seinem
heiligen Geist. Ich werde all mein Bestes thun, den Herrn für Euch zu
bitten; und desgleichen thun auch unsere Kinderchen, die Euch sehr
grüßen lassen und so sehr verlangen, Euch zu sehen, wie -- das weiß der
Herr -- ich selbst. Geschrieben den 1. April nachts zwischen 12 und 1.
-- Und schreibt doch nun nicht mehr ‚unwürdiger Mann,‘ da dies doch
vergeben

                      Euer Liebden getreue Gattin
                          Maria Ruebbens.“[*]

Der Seelenadel der Mutter spiegelt sich wieder in der vornehmen Größe
der Anschauung und Gesinnung, welche den berühmten Sohn ausgezeichnet
hat.

Nachdem die hochherzige Frau sich zwei Jahre lang vergeblich bemüht
hatte, durch persönliche und schriftliche Bitten den Grafen Johann zur
Freilassung ihres Mannes zu bewegen, erlangte sie es endlich gegen eine
Sicherstellung von 6000 Thalern, daß er aus dem Dillenburger Gefängnis
entlassen und ihm ein Aufenthalt mit beschränkter Freiheit in Siegen
gestattet wurde. Hier sahen die Gatten sich im Frühjahr 1573 zum
erstenmal nach so schweren Prüfungen wieder. Während des Aufenthalts
in Siegen schenkte Frau Maria ihrem Manne zwei Söhne, von denen der
ältere, Philipp -- das fünfte Kind der Ehe --, geboren im Jahre 1574,
sich später im städtischen Dienst von Antwerpen einen angesehenen Namen
machte; der andere, der das Licht der Welt am 29. Juni 1577 erblickte
und nach seinem Geburtstage, dem Fest der beiden Apostelfürsten, in der
Taufe die Namen Peter Paul erhielt, war bestimmt, dem Namen Rubens die
Unsterblichkeit zu verleihen.

Gegen Ende 1577 starb die Prinzessin Anna, die inzwischen von ihrem
Gemahl geschieden worden war. Johannes Rubens hielt den Zeitpunkt, da
seine Mitschuldige aus dem Leben geschieden war, während der Prinz von
Oranien einer neuen, glücklicheren Ehe sich erfreute, für geeignet
zu einem Versuche, volle Begnadigung zu erlangen. Ein im Anfang des
Jahres 1578 abgesandtes Gnadengesuch, welches unterstützt wurde durch
die Verzichtleistung auf einen ansehnlichen Teil der hinterlegten
Sicherheitsgelder -- von deren Zinsen die Rubenssche Familie bis dahin
bescheiden lebte --, hatte den Erfolg, daß der Bitte des Rubens, in
einer den Niederlanden näher gelegenen Stadt wohnen zu dürfen, damit
er in der Heimat Hilfsquellen zur anständigen Ernährung von Frau und
Kindern aussuchen könne, Gewährung zu teil wurde, unter der Bedingung,
daß er sich, so oft es verlangt wurde, den nassauischen Behörden
stellen mußte, daß er die persönlichen Besitzungen des Prinzen Wilhelm
von Oranien nicht betreten und daß er sich niemals vor diesem Prinzen
sehen lassen durfte.

[Illustration: Abb. 2. +Demokritos+, aus einer von Rubens gezeichneten
Folge antiker Charakterköpfe, Stich von L. Vorstermann.]

Die Familie Rubens kehrte nunmehr nach Köln zurück und bezog wieder das
Haus in der Sternengasse. Allmählich begannen ihre Verhältnisse sich
wieder zu bessern; da kam im Herbst 1582 eine jähe Störung durch den
Befehl, daß Johannes Rubens nach Siegen zurückkehren und sich wieder
ins Gefängnis begeben solle. Wieder verwendete sich Frau Maria in ihrer
rührenden und eindringlichen Weise für den Gatten, und wieder mußte
sie ihre Bitte durch ein Geldopfer unterstützen. Der Graf von Nassau
gebrauchte viel Geld, um seinem Bruder im Kampfe gegen die spanische
Herrschaft Beihilfe zu leihen; gegen Verzichtleistung auf den Rest des
Bürgschaftsgeldes -- bis auf 800 Thaler, die ihm verblieben -- erhielt
Rubens endlich im Januar 1583 seine volle Freiheit. Doch verließ er
Köln nicht mehr; er starb daselbst am 1. März 1587 und ward in der St.
Peterskirche begraben. Wenn man die traurigen Erlebnisse der Familie
kennt, so kann man nicht ohne Rührung die Lobesworte lesen, welche
seine Witwe ihm in der Aufschrift des hinter dem Altar der genannten
Kirche befindlichen Grabsteins gespendet hat. Des Aufenthalts in
Siegen geschieht in der Grabschrift keine Erwähnung. Es ist leicht zu
begreifen, daß die Familie es gern vermied, davon zu sprechen; gewiß
hat die liebende Mutter die düsteren Ereignisse und ihre schweren
Bekümmernisse nach Kräften vor den Kindern verborgen zu halten gesucht,
und so konnte Peter Paul Rubens später in gutem Glauben sagen, daß er
die ersten zehn Jahre seines Lebens in Köln zugebracht habe, und es ist
nicht zu verwundern, daß Jahrhunderte lang Köln als sein Geburtsort
gegolten hat. Von dem Knaben erfahren wir aus jener Zeit, daß er mit
großer Leichtigkeit lernte und in den Anfangsgründen der Wissenschaften
seine Altersgenossen schnell überholte; die bedeutsamste Grundlage für
die spätere Größe des Mannes war zweifelhaft dasjenige, was Herz und
Seele des Knaben von der hochherzigen und liebevollen, im Trauerspiel
zur Heldin gewordenen Mutter empfingen.

Im Juni 1587 erhielt die Witwe die Erlaubnis, mit ihren Kindern nach
Antwerpen zurückzukehren; im folgenden Jahre traf sie dort ein. Peter
Paul erhielt zunächst seine weitere wissenschaftliche Ausbildung in
der sogenannten Pfaffenschule. Er erwarb sich ausgedehnte Kenntnisse,
sieben Sprachen, das Vlämische, Deutsche, Lateinische, Spanische,
Französische, Italienische und Englische lernte er mit voller
Geläufigkeit sprechen. Daß er in der Schule ebenso sehr um seiner
Liebenswürdigkeit, wie um seiner geistigen Anlagen willen geschätzt
wurde, hat ein Schulgenosse von ihm, der berühmte Buchdrucker Balthasar
Moretus, bezeugt. Zur Ausbildung in der guten Lebensart wurde Peter
Paul auf einige Zeit von seiner Mutter als Page zu einer Frau
Margarete von Ligne, Witwe des Grafen Philipp von Lalaing, geschickt.
Bald trat seine Neigung zur Malerei ungestüm hervor. In Antwerpen
blühte damals die Malerei, obgleich die Stadt infolge der schweren
Belagerung durch den Prinzen von Parma (1584-1585) verarmt und verödet
war; es war, als ob die unglückliche Stadt für den Verlust der Freiheit
und den unaufhaltsamen Niedergang unter der spanischen Herrschaft --
in der Zeit von 1584 bis 1589 sank die Zahl der Bevölkerung von 85000
auf 55000, Gras wuchs auf den Straßen, man begegnete weder Reitern noch
Kutschen -- in der schönen Traumwelt der Kunst einen Ersatz gesucht
hätte. Peter Paul Rubens’ erster Lehrmeister war der Landschaftsmaler
Tobias Verhaeght, bei dem er indessen nur kurze Zeit blieb; vier Jahre
lang lernte er dann in der Werkstatt des Adam von Noort, eines von den
Zeitgenossen wegen seiner Geschicklichkeit gepriesenen Malers, über
dessen Können wir uns heute schwer ein Urteil bilden können, da kein
einziges Gemälde vorhanden ist, welches ihm mit unbedingter Sicherheit
zugeschrieben werden könnte; vier weitere Jahre lernte Rubens bei Otho
van Veen (Venius), dem „Fürsten der belgischen Malerei jener Zeit,“
einem sehr gelehrten und vornehmen Manne -- sein Geschlecht, das den
Titel der Herren von Hogeveen, Desplasse, Vuerse, Draakensteyn u. s.
w. führte, stammte von Herzog Johann III von Brabant und Isabella von
Veen ab, -- der als vollendeter Hofmann bei dem Prinzen von Parma,
dessen Hofmaler er war, in gutem Ansehen stand und der als Maler in
dem „manieristischen,“ die Italiener nachahmenden Stil der Zeit recht
achtbare Werke geschaffen hat. 1598 wurde Peter Paul Rubens als Meister
in die St. Lukasgilde aufgenommen.

[Illustration: Abb. 3. +Demosthenes+, aus einer von Rubens gezeichneten
Folge antiker Charakterköpfe, Stich von H. Withouc.]

Wir wissen nicht viel von den Erstlingsschöpfungen des jungen
Künstlers. Als eines seiner frühesten Gemälde gilt die Darstellung der
heiligen Dreieinigkeit im Museum zu Antwerpen: zwischen Engeln mit den
Marterwerkzeugen ruht der Leichnam Christi in den Armen Gott Vaters,
und darüber schwebt der heilige Geist. Das Bild leidet an unleugbaren
Unschönheiten; aber es bekundet schon in überraschender Weise die
selbständige Eigenart des Meisters: seine überschäumende Kraft,
welche alle Formen schwellen macht, sich in gewagten Verkürzungen
gefällt und den Raum mit üppigem Formenreichtum ausfüllt, sowie den
unvergleichlichen Sinn für malerische und farbige Wirkung und die
Vorliebe für hellleuchtendes, weiches Fleisch, in dessen Schatten das
Blut glühend durchzuschimmern scheint. -- Eine Verkündigung Marias in
überlebensgroßen Figuren, welche sich im kunsthistorischen Hofmuseum zu
Wien befindet, wird gleichfalls als ein frühes Jugendwerk von Rubens
betrachtet.

Als ein unerläßliches Haupterfordernis für die Ausbildung eines
Malers galt damals ein längerer Aufenthalt in Italien. Rubens trat am
9. Mai 1600 seine italienische Reise an. Zuerst wandte er sich nach
Venedig; die Werke der großen Meister der Farbe, die dort zu sehen
waren, mußten ihn besonders anziehen. Durch die Vermittelung eines
mantuanischen Edelmannes, den er in Venedig kennen lernte, wurde er
noch in demselben Jahre an den Hof zu Mantua berufen. Der Herzog zu
Mantua, Vincenzo Gonzaga, unter den vielen kunstliebenden Fürsten der
Zeit der eifrigste Gönner und Förderer der Künste, stellte den jungen
Niederländer mit einem Jahresgehalt von 400 Dukaten als Hofmaler
an. Wir erfahren, daß Rubens ihm zuerst außer verschiedenen anderen
Bildern eine Anzahl schöner Bildnisse malte. Zur Anfertigung von
Kopien berühmter älterer Meister wurde er dann im Jahre 1601 nach Rom
geschickt. Hier ward ihm auch von der Heimat aus ein Auftrag zu teil.
Erzherzog Albrecht von Österreich, den König Philipp II von Spanien
im Angesicht des Todes mit seiner Tochter Isabella vermählt hatte
und der seit 1598 die Regierung der spanischen Niederlande mit einer
gewissen Selbständigkeit führte, trug den Titel eines Kardinals der
Kirche Sta. Croce in Gerusalemme zu Rom. Er benutzte die Anwesenheit
seines kunstbegabten Unterthanen, der ihm sicherlich schon durch Otho
van Veen vorgestellt worden war, in der ewigen Stadt, um seiner Kirche
drei Altargemälde zu schenken. Die Dornenkrönung, die Kreuzigung und
die Auffindung des heiligen Kreuzes durch die Kaiserin Helena waren
die Gegenstände, welche Rubens im Auftrage seines Landesherrn für die
genannte Kirche malte. Die drei Gemälde, welche sehr bewundert wurden,
blieben bis 1811 an ihrem Platz; dann kamen sie nach England, wurden
im folgenden Jahre wieder verkauft und blieben seitdem verschollen;
vor einigen Jahren sollen sie irgendwo in Südfrankreich wiederentdeckt
worden sein.

[Illustration: Abb. 4. +Tiberius und Agrippina.+ In der fürstlich
Liechtensteinschen Bildergalerie zu Wien. (Nach einer Aufnahme von
Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und
Paris.)]

Die unbegreifliche Schnelligkeit des Schaffens, in welcher Rubens
ohnegleichen war, muß er damals schon besessen haben. Bereits am 20.
April 1602 war Rubens nach Erfüllung der vom Erzherzog Albrecht und vom
Herzog von Mantua ihm gestellten Aufgaben wieder am Hof des letzteren.
Es versteht sich von selbst, daß Rubens den Aufenthalt in Rom nicht
unbenutzt ließ, um die Werke des Altertums und der großen Meister
der italienischen Renaissance zu studieren; in der reichen Sammlung
von Gemälden und Bildwerken, welche Vincenzo Gonzaga besaß, hatte er
Gelegenheit vollauf, solche Studien fortzusetzen. Die Louvresammlung
zu Paris bewahrt treffliche Zeichnungen von Rubens nach den Propheten
Michelangelos in der sixtinischen Kapelle; von seinen Bemühungen,
in selbstgeschaffenen Gestalten der wuchtigen Größe des gewaltigen
Florentiners nahe zu kommen, legt eine Handzeichnung in der Albertina
zu Wien, welche die beiden Namensheiligen des Künstlers darstellt,
Zeugnis ab (Abb. 1). Anziehend ist die Betrachtung der Art und
Weise, wie Rubens italienische Gemälde kopierte. Das kunsthistorische
Hofmuseum in Wien besitzt von ihm die Kopie des Bildnisses der
Markgräfin Isabella d’Este nach Tizian, die Dresdener Galerie das Bild
einer jungen Venezianerin nach demselben Meister. Da sieht man, wie
sorgfältig Rubens den großen Meister der Farbe studiert hat, zugleich
aber auch, wie selbständig er demselben gegenüberstand; es sind nicht
sowohl Kopien im strengsten Sinne, als vielmehr getreue Übersetzungen
in die eigene Formen- und Farbensprache; namentlich bei dem Dresdener
Bild glaubt man unter der schönen Venezianerin das flandrische
Schönheitsideal des Niederländers durchleuchten zu sehen. In anderen
Fällen verfuhr Rubens noch viel freier mit seinen Vorbildern; seine
in der Londoner Nationalgalerie befindliche Nachbildung eines Teils
von Mantegnas Triumphzug Cäsars ist mehr als eine Übersetzung, es
ist eine freie Umdichtung. Unter den Bildwerken des klassischen
Altertums fesselten den jungen Meister besonders die charaktervollen
Bildnisköpfe; da sah er nicht den kalten Marmor, sondern sie beseelten
sich vor seinen Augen zu lebenden Menschen. Aus solcher Anregung
heraus schuf er auch frei erdachte Bildnisse von Persönlichkeiten des
Altertums, welche später (1638) von Kupferstechern der Rubensschen
Schule, L. Vorstermann, P. Pontius, H. Withouc und Schelte a Bolswert,
vervielfältigt und veröffentlicht wurden (daraus Abbild. 2 u. 3).
Mit welchem feinen Verständnis Rubens die klassische Schönheit der
antiken Bildwerke anzufassen wußte, bekundet am sprechendsten das in
der fürstlich Liechtensteinschen Sammlung zu Wien befindliche Bildnis
eines römischen Ehepaares (Abb. 4). Auf einem Studienblatte in der
Albertina (Abb. 5) erblicken wir einen nach der Antike gezeichneten
Frauenkopf neben einem prächtigen Männerkopf nach dem Leben und zwei
Studien gefalteter Hände. Neben diesen lebensvollen Zeichnungen mag der
in der Dresdener Galerie bewahrte schöne Kopf eines bärtigen Alten, der
wohl zu irgend einem heiligen Bischof als Modell gedient hat, die Art
und Weise veranschaulichen, wie der junge Rubens Studien nach dem Leben
malte (Abb. 6).

[Illustration: Abb. 5. +Studienzeichnungen.+ In der Sammlung der
Handzeichnungen der Albertina zu Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad.
Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und
Paris.)]

[Illustration: Abb. 6. +Ein Bischofskopf.+ In der kgl. Gemäldegalerie
zu Dresden. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Im Frühjahr 1603 unternahm Rubens im Auftrag des Herzogs von Mantua
eine Reise nach Spanien. Der Herzog hielt ihn für die geeignetste
Persönlichkeit zur Überreichung von Geschenken, die er dem König
Philipp III und dessen Minister, dem Herzog von Lerma, zugedacht
hatte. Die Reise war vom Wetter nicht begünstigt, zwanzig Tage lang
regnete es ununterbrochen. So brachte Rubens zwar die übrigen Geschenke
-- darunter als Hauptstück einen Wagen mit einem Gespann von sieben
neapolitanischen Pferden -- unversehrt an ihren Bestimmungsort, aber
die von ihm gemalten Bilder, welche einen Bestandteil der Sendung
ausmachten, waren durch die Nässe zu Grunde gerichtet. Den Vorschlag
des mantuanischen Gesandten, die Bilder mit Hilfe mehrerer spanischer
Maler schnell auszubessern, wies Rubens mit großer Entschiedenheit
zurück, weil er „sich mit niemand anders vermengen lassen“ wollte. Der
Umstand, daß das Zusammentreffen mit dem König sich verzögerte, kam
ihm zu statten, daß er nicht nur eigenhändig die Schäden ausbessern,
sondern auch noch zwei neue Bilder, Heraklit, den weinenden, und
Demokrit, den lachenden Philosophen (vergl. Abb. 2) hinzufügen konnte;
diese beiden Bilder befinden sich noch im Madrider Museum. Nachdem
Rubens seine Sendung beim König von Spanien erfüllt hatte, arbeitete
er noch bis in den Spätherbst für den Herzog von Lerma; er malte unter
anderem dessen Reiterbildnis, sowie 13 Einzelfiguren: Christus und
die Apostel. Die Apostelbilder befinden sich im Museum zu Madrid, das
Christusbild ist verschwunden. Eine spätere, von Schülern ausgeführte
Wiederholung dieser 13 Bilder befindet sich im Palazzo Rospigliosi zu
Rom, eine inhaltsgleiche Reihe von Zeichnungen in der Albertina zu Wien
(daraus Abb. 7).

Anfang 1604 kehrte Rubens nach Mantua zurück, wo seine Hauptarbeit
in diesem und dem folgenden Jahre die Anfertigung dreier großer
Altarbilder für die Jesuitenkirche war; das Mittelbild stellte die
Dreifaltigkeit, die Seitenbilder die Taufe und die Verklärung Christi
dar. Bei der Einnahme von Mantua durch die Franzosen im Jahre 1797
wurden die drei Gemälde entführt; das mittlere kam später, in zwei
Stücke zerschnitten, in die Stadt zurück, wo es gegenwärtig in der
Bibliothek aufbewahrt wird, die Verklärung ist in das Museum zu Nancy
gekommen, die Taufe Christi befindet sich seit 1876, leider stark
übermalt, im Museum zu Antwerpen. -- Von Kaiser Rudolf II erhielt
Rubens im Jahre 1605 den Auftrag, zwei Gemälde von Correggio zu
kopieren.

1609 verweilte Rubens wieder in Rom. Er malte dort ein Altarbild
für die eben fertig gewordene Kirche der Oratorianer, die heute noch
gewöhnlich als die „neue Kirche (~Chiesa nuova~)“ bezeichnet wird.
Ehe aber dieses Bild vollendet war, wurde er vom Herzog von Mantua
zurückberufen, mit dem er im folgenden Jahre Genua besuchte. Hier
schenkte er den Werken der Baukunst besondere Aufmerksamkeit und faßte
den Plan, durch eine Veröffentlichung der genuesischen Prachtbauten
in seiner Heimat den Baugeschmack zu heben; später verwirklichte er
diesen Gedanken durch sein von N. Rykemans gestochenes Kupferwerk
von 136 Tafeln: „~Palazzi di Genova~,“ welches 1622 zu Antwerpen
erschien. Bemerkenswert ist das Wahrzeichen, welches der unablässig
und unermüdlich arbeitende Künstler auf den Titel des Werkes setzte:
eine brütende Henne mit der Unterschrift: ~Noctu incubando diuque~ --
brütend bei Tag und Nacht. -- Für die Jesuitenkirche (St. Ambrogio)
zu Genua malte er -- es ist nicht bekannt, zu welcher Zeit -- zwei
Altarbilder: die Beschneidung Christi und St. Ignatius Besessene
heilend und Kinder erweckend -- das letztere ein großes Prachtwerk. In
Mailand, wo Rubens sich sowohl auf der Rückreise von Genua, als auch
früher auf der Reise nach Spanien aufhielt, fertigte er sorgfältige
Zeichnungen nach Leonardo da Vincis Schlacht bei Anghiari und nach
desselben Meisters weltberühmtem Abendmahl an; beide Zeichnungen sind
in der Louvresammlung aufbewahrt. Wahrscheinlich auch in Mailand malte
er, gleichsam um mit Leonardo zu wetteifern, das heilige Abendmahl,
welches sich in der dortigen Gemäldesammlung in der „Brera“ befindet.

[Illustration: Abb. 7. +Christus+, aus einer Folge von Zeichnungen:
Christus und die zwölf Apostel, in der Albertina zu Wien. (Nach einer
Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach
i. Els. und Paris.)]

Wie verbreitet der Ruhm des dreißigjährigen Künstlers war, geht daraus
hervor, daß Erzherzog Albrecht im Jahre 1607 die Bitte an den Herzog
von Mantua richtete, er möge ihm sein Landeskind Peter Paul Rubens
zurückschicken; Gonzaga aber antwortete, er wünsche denselben noch zu
behalten. Wenn er dabei als Nebengrund anführte, daß Rubens gleichfalls
wünsche noch länger in Italien zu bleiben, so mochte er hierin wohl
recht haben. Rubens gab sich mit immer neuer Lust den Eindrücken hin,
welche die Meisterwerke der italienischen Malerei auf ihn ausübten.
Zahlreiche Gemälde seiner Hand legen Zeugnis davon ab. So erinnert ein
in der Ermitage zu Petersburg befindliches Gemälde: Christus im Hause
des Simon, an Veronese, eine mehrmals wiederholte Darstellung von
Venus und Adonis (im Haag, in München, in Petersburg) an Tizian, eine
Grablegung in der Liechtensteinschen Sammlung in Wien an Caravaggio,
anderes an andere italienische Meister; besonders wird der Einfluß
des Giulio Romano, der ja in Mantua seine bedeutendsten Schöpfungen
hinterlassen hatte, in vielen Gemälden und Zeichnungen (Abb. 8)
sichtbar. All diese Eindrücke aber hat der niederländische Meister mit
unwandelbarer Selbständigkeit zu verarbeiten gewußt.

[Illustration: Abb. 8. +Abraham und Melchisedech.+ Handzeichnung in der
Albertina zu Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun,
Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Von den Gemälden, welche Rubens für den Herzog von Mantua malte,
besitzt die Dresdener Gemäldegalerie eins, welches allem Anschein nach
eine Verherrlichung dieses Fürsten darstellt; ein junger Held, der
Neid und Zwietracht niedertritt, empfängt von der Siegesgöttin den
Lorberkranz. Den nämlichen Gegenstand hat Rubens später noch oftmals
behandelt, ohne daß sich nachweisen ließe, ob er mit dem Helden eine
bestimmte Persönlichkeit gemeint hat und welche; wir finden derartige
Bilder, die sich durch mehr oder weniger unwesentliche Abweichungen
voneinander unterscheiden, in den Sammlungen zu Wien, Kassel, München
(Abb. 9). Wenn uns heute solche Allegorien ziemlich kalt lassen,
so waren sie doch in jener Zeit überaus beliebt. In das nämliche
Gebiet gehört das wirkungsvolle Prachtstück in der Pittigalerie zu
Florenz, welches den Kriegsgott darstellt, wie er aus den Armen der
Liebesgöttin sich losreißt, um stürmend dem Rufe der Furien zu folgen.

[Illustration: Abb. 9. +Die Siegesgöttin krönt einen Helden.+ In
der kgl. Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz
Hanfstängl in München.]

[Illustration: Abb. 10. +Der Flußgott Tiber (oder Tigris) mit der
Göttin des Überflusses.+ In der Ermitage zu St. Petersburg. (Nach einer
Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach
i. Els. und Paris.)]

Von in Deutschland befindlichen Gemälden aus Rubens’ italienischer
Zeit seien noch der schöne heil. Sebastian im Berliner Museum und die
übermütige Darstellung des trunkenen Herkules in der Galerie zu Kassel
(eine größere Wiederholung davon in der Dresdener Galerie) besonders
erwähnt.

[Illustration: Abb. 11. +Die Kreuzerhöhung.+ Nach dem Stich von
Wildoec.]

Im Jahre 1608 finden wir Rubens wieder in Rom. Hier entstanden
verschiedene Werke, welche unmittelbar auf die ewige Stadt Bezug
nahmen: eine Wölfin mit den Zwillingskindern Romulus und Remus und
eine Darstellung des Flußgottes Tiber, zur Seite die Göttin des
Überflusses. Das erstere Bild befindet sich in der Gemäldesammlung
auf dem Kapitol, das letztere, welches für den Fürsten Chigi gemalt
wurde, stimmt der Beschreibung nach überein mit dem schönen Bild in
der Ermitage zu Petersburg, welches bald als Tiber, bald auch -- wegen
des seitwärts sichtbaren Tigers -- als Tigris bezeichnet wird; die
Gestalt der Abundantia zeigt hier eine gefällige Schönheit, wie sie
später bei Rubens’ Frauengestalten nicht oft mehr vorkommt (Abb. 10).
-- Seine Hauptarbeit in Rom galt der Oratorianerkirche. Als das vor
zwei Jahren angefangene Gemälde vollendet und auf dem Altar der Chiesa
nuova aufgestellt war, erwies sich die Beleuchtung als so ungünstig,
daß Rubens beschloß, es durch ein anderes Werk zu ersetzen. Er malte
nunmehr die heute noch dort befindlichen drei Gemälde, von denen das
mittlere, auf dem Hochaltar, die Himmelskönigin, die beiden seitlichen
je drei Heilige zeigen. Jenes erste Gemälde, auf dem er die beiden
Schutzheiligen der Kirche, Maria und Gregor nebst mehreren anderen
Heiligen dargestellt hatte, behielt er für sich; er nahm es mit in die
Heimat, um damit das Grab seiner Mutter zu schmücken.

[Illustration: Abb. 12. +Die Kreuzerhöhung.+ Zeichnung mit schwarzer
Kreide und Rötel auf grauem Papier, mit Wasserfarben angetuscht und mit
weißen Lichtern erhöht. Im Louvre zu Paris. (Nach einer Aufnahme von
Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und
Paris.)]

Im Herbst 1608 erhielt er bedenkliche Nachrichten über den
Gesundheitszustand seiner geliebten Mutter. Unverzüglich beurlaubte
er sich bei dem Herzog von Mantua und reiste auf dem kürzesten Wege
nach Antwerpen. Aber er traf seine Mutter nicht mehr lebend; sie hatte
bereits in der St. Michaelskirche ihre letzte Ruhestätte gefunden. Der
tieferschütterte Sohn soll sich mehrere Monate lang in der Abtei von
St. Michael ganz von der Welt abgeschlossen haben. Das römische Bild,
welches er über dem von ihm mit einer lateinischen Inschrift versehenen
Grabe aufstellte, befindet sich nicht mehr dort; es wurde in der
Franzosenzeit entführt und in das Museum zu Grenoble gebracht.

Rubens hatte die Absicht, alsbald nach Mantua zurückzukehren. Aber der
Erzherzog Albrecht und die Infantin Isabella wollten ihren berühmten
Unterthan nicht wieder davon lassen; sie bestellten ihm zunächst
ihre Bildnisse, und am 23. September 1609 ernannten sie ihn zu ihrem
Hofmaler mit allen Freiheiten und Vorrechten, welche mit diesem Titel
verbunden waren, und mit einem Jahresgehalt von 500 Pfund vlämisch. So
war Rubens an sein Vaterland gefesselt. Die Zeit seines Aufenthaltes
in Italien kann man, so bedeutende Werke er auch dort hervorbrachte,
immerhin noch als eine Art von Lehrzeit betrachten; in der Heimat
sammelte er sich, und es begann die Zeit seines unsterblichen Ruhmes.
Der Abschluß eines zwölfjährigen Waffenstillstandes im Jahre 1609 gab
den schwergeprüften Niederlanden Ruhe, die Kunst trat ungestört in ihre
Rechte, und der arbeitsfrohe Künstler fand Thätigkeit vollauf.

[Illustration: Abb. 13. +Rubens und seine Gemahlin Isabella Brant.+
In der kgl. Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz
Hanfstängl in München.]

Neben dem Willen des Fürstenpaares war es noch ein anderes Band,
welches Rubens festhielt. Sein Bruder Philipp, der einzige von vier
Brüdern des Malers, welcher noch lebte, war als Stadtsekretär in
Antwerpen angestellt. Sein Bild hat die Hand Peter Pauls uns zweimal
aufbewahrt; das eine dieser Bildnisse befindet sich in der Münchener
Pinakothek, das andere, welches die beiden Brüder zusammen, im Verein
mit den berühmten Gelehrten Justus Lipsius und Hugo Grotius zeigt, im
Pittipalast zu Florenz. Philipp Rubens war verschwägert mit Johannes
Brant, dem Stadtschreiber von Antwerpen. Mit dessen Tochter Isabella,
einer jugendlich zarten Schönheit, welche der artige Onkel mit dem
Weibe des Menelaos verglich, vermählte sich Peter Paul Rubens am
13. Oktober 1609; in der Michaelskirche fand die Trauung statt. In
einem köstlichen Gemälde, welches die Münchener Pinakothek besitzt,
hat Rubens sich selbst mit seiner jungen Frau abgebildet, wie sie
in stillem Glück unter einer Geisblattlaube sitzen (Abb. 13). Ein
vorzüglich schönes Bildnis der Isabella Brant, deren Züge uns in der
Folgezeit aus manchem Gemälde des Meisters entgegenblicken, finden wir
in der Uffiziengalerie zu Florenz.

[Illustration: Abb. 14. +Die Kreuzabnahme.+ Nach dem Stich von L. A.
Claeßens.]

Die erste große Bestellung empfing Rubens von der Stadt Antwerpen.
Für den Ratssaal der Stadt malte er eine Anbetung der drei Weisen
aus dem Morgenlande. Das umfangreiche, farbenprächtige Gemälde blieb
nicht lange an seinem Platze; die Stadtobrigkeit verehrte es im Jahre
1612 dem Grafen von Oliva, um dessen Gunst zu gewinnen; dieser nahm es
mit nach Spanien, und aus seinem Nachlaß ging es, als er 1621 auf dem
Blutgerüst geendet hatte, in den Besitz König Philipps IV über; jetzt
schmückt es das Museum zu Madrid.

Im Auftrage seines Landesherrn schuf Rubens fast um dieselbe Zeit
ein Altarwerk, in welchem er sich auf einer Höhe der Meisterschaft
zeigte, die er auch selbst niemals überboten hat. Erzherzog Albrecht
hatte in Brüssel eine adelige Bruderschaft zu Ehren des heil. Ildefons
gegründet, welcher er einen Altar in seiner Hofpfarrkirche St. Jakob
„auf dem Kaltenberg“ zuwies. Den Auftrag, diesen Altar zu schmücken,
erhielt Rubens, der ungeachtet seiner bürgerlichen Abkunft in die
Bruderschaft aufgenommen wurde und der aus Dankbarkeit hierfür das
Altarwerk ohne jede Entschädigung gemalt haben soll. Er gab demselben
die althergebrachte Gestalt eines Flügelaltars. Auf dem Mittelbild
stellte er das Wunder des heil. Ildefons dar, über welches die Legende
folgendes berichtet: Der heil. Ildefons, der im VII. Jahrhundert
Erzbischof von Toledo war, verteidigte mit großem Eifer die unbefleckte
Empfängnis Marias gegen einige Leugner dieses Geheimnisses; dafür ward
ihm die Gnade zu teil, daß die Himmelskönigin in sichtbarer Gestalt in
seine Kathedrale herniederstieg und ihm ein Meßgewand aus himmlischem
Stoff überreichte. Wir sehen den Erzbischof niedergesunken vor einem
die Mitte des Bildes einnehmenden Thron, von dem aus die heilige
Maria ihm mit milder Freundlichkeit das wunderbare Gewand darreicht;
heilige Jungfrauen stehen als himmlischer Hofstaat der Gottesmutter
zu beiden Seiten, und über dem Thron flattern in einem Meer von
Licht jubelnde Kinderengel. Auf den Flügelbildern sind die Stifter
dargestellt, der Erzherzog und seine Gemahlin; in reiche fürstliche
Gewänder gekleidet, knieen sie da und nehmen als andächtige Zuschauer
an dem Wunder teil; ihre Namensheiligen stehen ihnen zur Seite, bei
dem Erzherzog Albrecht der heil. Albertus in Kardinalstracht, bei der
Erzherzogin Klara Eugenia Isabella die heil. Klara. In dem ganzen
Werk hat Rubens eine Vereinigung von zauberhafter Helldunkelwirkung
mit glühender Farbenpracht erreicht, die vielleicht ohnegleichen ist.
Auf die Außenseiten der Flügel malte er zum Schmuck des geschlossenen
Altars eine heilige Familie in idyllischer Auffassung, bekannt
unter dem Namen „die Madonna unter dem Apfelbaum“. -- Das prächtige
Altarwerk mußte im Jahre 1641 seinen Platz auf dem Hochaltar einem
wunderthätigen Muttergottesbild abtreten; bei dieser Gelegenheit
wurden die Flügel gespalten und die „Madonna unter dem Apfelbaum“ als
selbständiges Bild zusammengefügt. 1657 ging die Ildefons-Bruderschaft
ein, und die Gemälde kamen in den Besitz der Mönche vom Kaltenberg;
im Jahre 1743 brannte die Kirche ab, und die Mönche beschlossen, die
geretteten Bilder zu veräußern, um aus dem Erlös den Neubau der Kirche
zu bestreiten; Kaiserin Maria Theresia ließ dieselben 1776 durch ihren
Gesandten Fürst Starhemberg für 40000 Gulden ankaufen; so kam das
herrliche Werk nach Wien, wo es in der im Jahre 1777 eingerichteten
Gemäldesammlung im Belvedere einen Ehrenplatz bekam.

Das Jahr 1610, in welchem der Überlieferung nach Rubens den
Ildefonsaltar vollendete, sah auch die Vollendung eines Altarwerks,
welches für die Walpurgiskirche zu Antwerpen bei ihm bestellt wurde.
Das ist die berühmte Kreuzerhöhung, welche sich jetzt im Querschiff
der Antwerpener Kathedrale befindet. Die Louvresammlung bewahrt
eine Handzeichnung des Meisters, welche den Gedanken der ganzen
Komposition, die bei der Ausführung in drei Abschnitte zerlegt wurde,
zusammenfaßt; in der Mitte die Aufrichtung des Kreuzes, rechts
davon die klagenden Frauen, links der römische Hauptmann (Abb. 12).
Das Mittelbild des Altarwerks ist durch zahllose ältere und neuere
Kupferstiche vervielfältigt worden (Abb. 11). Dichte Finsternis
verhüllt den Himmel, zu dem der am Marterholze ausgestreckte Heiland,
den ein letzter, verscheidender Lichtstrahl streift, das leidende
Antlitz emporwendet; die ganze Aufmerksamkeit des Beschauers wird auf
diese eine Gestalt hingelenkt; denn die übrigen Figuren des Bildes
sind gleichgiltige Menschen, die an nichts anderes denken als daran,
mit Anspannung ihrer kräftigen Muskeln die Last des Kreuzes mit dem
Gerichteten emporzuheben, ohne daß der Kreuzesstamm von der Stelle,
wo er eingepflanzt werden soll, ausgleitet. Auf dem einen Flügelbilde
sieht man den Hauptmann, der, von anderen Reitern umgeben, mit
vornehmem Römerstolz seine Befehle erteilt, und im Hintergrunde die
beiden Schächer; auf dem anderen die ergreifende Gruppe der klagenden
Frauen mit dem Jünger Johannes, der die vom Schmerz überwältigte Mutter
Maria unterstützt. Ursprünglich gehörte zu dem Altarwerk noch ein
Bogenfeld über der Mitteltafel, mit der Erscheinung Gott Vaters, so daß
der Gekreuzigte auf diese seine Blicke zu richten schien, sowie eine
Staffel mit drei kleinen Bildern. Diese Wesensbestandteile des Ganzen
wurden im XVIII. Jahrhundert vom Kirchenvorstand verkauft.

[Illustration: Abb. 15. +St. Christophorus.+ In der kgl. Pinakothek zu
München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

Eine noch mächtigere Wirkung als in dem für die Walpurgiskirche
geschaffenen Werke erreichte der Meister in dem zwei Jahre später
vollendeten Altarwerk, welches jetzt als Gegenstück zu der
Kreuzerhöhung gleichfalls im Querschiff der Kathedrale von Antwerpen
aufgestellt ist, der Kreuzabnahme. Das Bild wurde 1611 von der
Schützengilde für 400 Pfund Groschen (2400 Gulden) bestellt; die
Rechnungen sind erhalten geblieben; für den heutigen Leser ist
es unterhaltlich, daraus zu ersehen, daß bei drei verschiedenen
Besichtigungen des Bildes während der Arbeit 9 Gulden 10 Stüber für
den Ehrenwein, der den Schülern des Meisters geschenkt wurde, und
nach der Vollendung 8 Gulden 10 Stüber für ein Paar Handschuhe für
dessen Gattin ausgegeben wurden. -- Rubens’ Kreuzabnahme (Abb. 14),
mit dem auf einem weißen Leintuch sanft herabgleitenden schönen
Leichnam, mit den liebevoll sich abmühenden Jüngern und Freunden,
mit der schmerzdurchdrungenen Gestalt der Mutter Maria im dunklen
Schleier und den anmutigen Erscheinungen der beiden anderen Marien ist
weltbekannt. Das Bild war berühmt vom Tage seiner Vollendung an. Es
ist ein Markstein in der Kunstgeschichte wie kaum ein anderes Werk.
Seitdem dieses gemalt war, wußten die niederländischen Künstler, daß es
nicht mehr nötig sei, nach Italien zu gehen, um Meisterwerke höchsten
Ranges kennen zu lernen. -- Auf den Flügeln des Altares brachte
Rubens die Heimsuchung und die Darstellung im Tempel zur Anschauung,
auf die Außenseite der Flügel malte er den heiligen Christophorus
-- einen Gegenstand, den er in einem in der Münchener Pinakothek
befindlichen Gemälde (Abb. 15) wiederholt hat. Daß in allen vier
Darstellungen Christus getragen wird -- als Menschgewordener bei der
Heimsuchung, als zur Welt geborenes Kind bei der Darbringung im Tempel,
als Gestorbener bei der Kreuzabnahme und als Herr der Welt auf den
Schultern des Christophorus -- soll der verbindende Gedanke des ganzen
Altarwerks sein; die Sage weiß zu berichten, die Schützengilde hätte
nichts weiter bestellt als einen Christophorus -- Christusträger --
und Rubens habe aus eigenem Antrieb den Gedanken in solcher Gestalt
erweitert.

[Illustration: Abb. 16. +Kreuzabnahme.+ In der Ermitage zu St.
Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Ihren jetzigen Platz haben die beiden Werke, die Kreuzaufrichtung und
die Abnahme vom Kreuz, erst im Jahre 1816 erhalten, nachdem sie im
Jahre 1794 nach Paris entführt worden waren.

Eine Wiederholung der Kreuzabnahme in veränderter Gestalt, die, wenn
sie auch als Ganzes dem Antwerpener Bild an Schönheit nachsteht,
doch auch wieder ihre eigenen Vorzüge hat, befindet sich in der
Ermitage zu Petersburg (Abb. 16). Mit großer Vorliebe ist hier Maria
Magdalena behandelt, für welche der Künstler sich eine ganz bestimmt
ausgeprägte Form geschaffen hat. Diese eigentümlich anziehende
Mädchenerscheinung mit ganz heller, zarter Haut und glattem,
lichtblondem Haar, der wir auf dem Antwerpener Bilde der Kreuzabnahme
zuerst begegnen, kehrt in Rubens’ Bildern unzähligemal wieder,
und zwar nicht ausschließlich als Magdalena. Häufig hört man die
Behauptung, daß diese echt niederländische Schönheit das Abbild von
Rubens’ erster Frau sei; aber sie hat, wenn man von den allgemeinen
vlämischen Stammeseigentümlichkeiten absieht, mit den Bildnissen der
dunkelhaarigen Isabella Brant gar keine Ähnlichkeit. Es ist überhaupt
nicht anzunehmen, daß diese Lieblingsfigur des Meisters, ungeachtet der
festen Ausbildung ihrer nie zu verkennenden Persönlichkeit, das Abbild
eines bestimmten Modells sei, schon deswegen nicht, weil sie Jahrzehnte
lang in ganz unveränderter Gestalt auftritt; sie ist Rubens’ weibliches
Schönheitsideal, gleichgiltig, ob dasselbe eine freie Schöpfung seiner
Einbildungskraft sein mag oder ob der Gedanke an ein wirkliches, durch
die Erinnerung verklärtes Wesen zu Grunde liegt.

[Illustration: Abb. 17. +Bildnis eines Unbekannten.+ In der kgl.
Galerie zu Kassel. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

Während der ersten Jahre seiner Verheiratung wohnte Rubens bei seinem
Schwiegervater. 1611 bezog er eine eigene Wohnung, die er sich mit
großem Aufwand durch den Umbau eines 1610 erworbenen geräumigen
Hauses herstellte; er schuf sich im Stil der barocken italienischen
Spätrenaissance einen wahren Palast, den er mit fürstlicher Pracht
ausstattete; im Garten errichtete er einen reichgeschmückten Rundbau
zur Aufnahme seiner großartigen Sammlung von Kunstwerken und
Altertümern; überaus prächtig stellte er sich seinen Arbeitsraum
her. Heute zeigt das an der breiten, ~Place de Meir~ genannten
Straße liegende Haus nur noch einzelne Überbleibsel der ihm von Rubens
gegebenen Gestalt; das einzige Wohlerhaltene ist ein mit Bildwerken
geschmückter Gartenpavillon in Gestalt eines triumphbogenähnlichen
Thorbaues. An diesem Pavillon ließ Rubens zwei Inschriften anbringen,
welche für seine Lebensphilosophie bezeichnend sind; auf der einen
Seite las man die Verse des Juvenal:

    Überlaß es den Göttern, dafür zu sorgen, was unser
    Bestes sei und was uns ein gutes Gedeihen bereite;
    Lieber ist ihnen der Mensch als sich selbst.

Auf der anderen Seite (aus dem nämlichen Dichter):

    Daß ein gesunder Geist in gesundem Körper dir wohne,
    Darum bete; erflehe ein starkes Gemüt, das den Tod nicht
    Fürchtet, den Zorn nicht kennt und die Begierde vermeidet.

[Illustration: Abb. 18. +Perseus und Andromeda.+ In der Ermitage zu St.
Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Von Rubens’ Haus und Einrichtung haben zeitgenössische Künstler
Abbildungen überliefert. Van Dyck selbst hat es nicht verschmäht,
des Meisters Speisesaal abzumalen; das Bild befindet sich im Museum
zu Stockholm. -- Wenn Rubens die Absicht hegte, die italienische
Renaissance in seiner Vaterstadt einzubürgern, so blieb dieses
Bestreben nicht ohne Erfolg. Manche Antwerpener Bauten des XVII.
Jahrhunderts bekunden in ihren üppigen Formen die Wirkung der von ihm
gegebenen Anregungen. Seiner persönlichen Mitwirkung verdankt die
Jesuitenkirche zu Antwerpen (erbaut 1611-21) ihr prunkvolles Aussehen;
namentlich läßt die stolze Fassade die Erfindung des großen Malers
erkennen.

[Illustration: Abb. 19. +Perseus und Andromeda.+ Im kgl. Museum zu
Berlin.]

Daß dem Meister sofort nach seiner Niederlassung in Antwerpen
zahlreiche Schüler zuströmten, versteht sich von selbst. Im Jahre
1611 war der Andrang so groß, daß er die Lernbegierigen auf Jahre
hinaus an andere Maler verweisen mußte; er hatte schon, wie er einem
befreundeten Kupferstecher schrieb, Hunderte zurückgewiesen, darunter
gute Bekannte von ihm und seiner Frau.

[Illustration: Abb. 20. +Engelstudien+; Federzeichnung in der Albertina
zu Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 21. +Madonna mit den unschuldigen Kindlein.+ In der
Galerie des Louvre. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun,
Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 22. +Das Bild der Ceres.+ In der Ermitage zu St.
Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Über Rubens’ tägliche Lebensweise hat sein Neffe Philipp Nachrichten
hinterlassen. Im Sommer und Winter ging Rubens, der um 5 Uhr
aufzustehen pflegte, jeden Morgen in die Frühmesse; erst in späteren
Jahren wurde er bisweilen durch die Gicht hieran verhindert. Aus der
Kirche zurückgekehrt, begab er sich sofort an die Arbeit, wobei
ihm stets ein Vorleser zur Seite saß, der aus irgend einem Buche
-- Plutarch und Seneca werden besonders namhaft gemacht -- vorlas;
der Meister besaß die Gabe, zuhören zu können, ohne dadurch von
der Aufmerksamkeit auf seine Arbeit abgelenkt zu werden. Weiter
wird berichtet, daß er im Essen und Trinken sehr mäßig war und daß
seine regelmäßige Erholung nach Schluß der Tagesarbeit, die nur
ein kurzes, einfaches Mahl unterbrach, in Spazierritten bestand,
die er gegen Abend auf einem seiner schönen spanischen Rosse
unternahm. Die Abendstunden waren gastlicher Geselligkeit gewidmet;
er besaß zahlreiche ihm wirklich nahestehende Freunde, besonders in
Gelehrtenkreisen. In seinem Hause war, nach den Worten eines seiner
Lebensbeschreiber, alles geordnet wie in einem Kloster.

[Illustration: Abb. 23. +Der Früchtekranz.+ In der kgl. Pinakothek zu
München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

[Illustration: Abb. 24. +Die Beweinung Christi.+ Im kais. Hofmuseum zu
Wien. Nach einer Photographie von J. Löwy in Wien.]

[Illustration: Abb. 25. +Zwei Satyrn.+ In der kgl. Pinakothek zu
München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

Im Jahre 1612 malte Rubens im Auftrage seines Freundes Balthasar
Moretus für das Grabmal von dessen Vater in der Kathedrale zu Antwerpen
das noch auf seinem Platze befindliche Bild der Auferstehung Christi,
mit Figuren von Heiligen und Engeln auf den Flügeln. Die kirchliche
Malerei war zweifellos in jener Zeit der wichtigste Zweig von Rubens’
Thätigkeit. Nebenher aber fand er Zeit zu den mannigfaltigsten
Schöpfungen anderer Art. Daß er gelegentlich Bildnisse malte, versteht
sich von selbst (Abb. 17 das Bildnis eines Unbekannten aus der Zeit
von 1609-1610). Vor allem aber erging sich seine Phantasie mit Lust in
der antiken Mythologie. Rubens hätte nicht zu den Gebildeten seiner
Zeit gehört, wenn er in den griechisch-römischen Göttergeschichten
nicht ebenso bewandert gewesen wäre, wie in der biblischen Geschichte.
Zu den glücklichsten seiner mythologischen Schöpfungen gehören zwei
verschiedene, anscheinend in der Zeit von 1610 bis 1615 entstandene
Darstellungen der Befreiung der Andromeda durch Perseus. Das eine
dieser Bilder befindet sich in der Ermitage zu Petersburg. Auf dem
Hintergrund einer finstern Felsenwand schreitet der Held, dem eine
Siegesgöttin den Lorbeer auf das lockige Haupt setzt, auf die befreite
Jungfrau zu; schalkhafte Liebesgötter umgaukeln die jugendlich straffe
Gestalt, sie gesellen sich zu der schwebenden Viktoria, sie machen sich
mit dem Flügelroß, einem feurigen Schecken, und mit dem schreckhaften
Gorgonenschild zu schaffen; im Vordergrund sieht man ein Stück des
getöteten Ungeheuers hervorblicken, ein untergeordnetes Etwas, das
den festlichen Eindruck der liebesfreudigen Komposition nicht stört
(Abb. 18). Fast noch schöner ist das andere, im Berliner Museum
befindliche Bild. Zwar ist die Gestalt der Andromeda hier nicht ganz
so ansprechend wie dort; dafür aber sind die Liebesgöttter, namentlich
diejenigen, welche auf der breiten Kruppe des Rosses -- hier ist es
ein Apfelschimmel -- spielen, noch reizender als dort; dazu vertieft
sich hier die Landschaft, und man sieht an den Felsen vorbei auf die
dunkelfarbige Luft und das tiefblaue Meer, in dem sich zwischen Klippen
das Ungetüm in seinen letzten Zuckungen windet. Die großen Massen
der Landschaft, das stolze Roß, die blitzende Rüstung des Helden,
die leuchtende Mädchengestalt und die köstlichen Kinderfigürchen
bilden zusammen ein wunderbares Gedicht, das in unvergleichlichem
Farbenwohllaut zusammenklingt (Abb. 19). Rubens war von jeher ein
Meister in der Wiedergabe lieblicher Kindergestalten. Im Jahre 1611
schenkte ihm Isabella Brant ein Töchterchen. Der Anblick des eigenen,
sich in blühender Gesundheit entwickelnden Kindes mochte ihn besonders
anregen, den Reiz des Kinderkörperchens aufzufassen und wiederzugeben.
Ein Studienblatt in der Albertina ist ganz bedeckt mit schnell
gezeichneten Engelchen in den verschiedensten Bewegungen (Abb. 20). Das
sind vielleicht Studien zu dem um jene Zeit entstandenen entzückenden
Gemälde: Maria mit dem Jesusknaben, umgeben von den unschuldigen
Kindlein (Abb. 21), ursprünglich zweifellos ein Altarbild, jetzt in
der Sammlung des Louvre befindlich. Eine Reihe der köstlichsten
Kinderfiguren hat Rubens in dem Bilde vereinigt, welches mit dem Namen
„der Früchtekranz“ bezeichnet wird (in der Münchener Pinakothek) (Abb.
23). Die zu einem reichen Gehänge zusammengebundenen Früchte, welche
diese holdseligen Geschöpfchen schleppen, verdanken ihre feine und
sorgfältige Ausführung vielleicht dem Jan Breughel („Sammetbreughel“),
der mit Rubens durch die innigste Freundschaft verbunden war. Eine
gleichartige Zusammenstellung von Kindern und Früchten finden wir in
einer kostbaren Skizze, welche die Ermitage zu Petersburg bewahrt:
das Standbild der Ceres; da sind die prächtigen kleinen Liebesgötter
bemüht, die Nische, welche das Bild der nahrungspendenden Göttin
einschließt, mit dicken Fruchtschnüren zu schmücken (Abb. 22).
Möglicherweise ist diese schöne Skizze der Entwurf zu einem Titelblatt,
wie Rubens deren seit 1613 viele für die bei seinem Freunde Balthasar
Moretus erscheinenden Werke anfertigte. Tüchtige Kupferstecher, welche
die Rubensschen Entwürfe, mochten sie gemalt oder gezeichnet sein,
mit dem Stichel auf der Platte ausarbeiteten, waren in ansehnlicher
Zahl vorhanden. Auch die meisten seiner Gemälde wurden durch Stiche
vervielfältigt. Die Kupferstecherkunst, die in dieser Zeit in den
Niederlanden die augenfälligsten Fortschritte machte, lernte von der
Malerkunst des Meisters. Auch die niederländische Holzschneidekunst
schulte und vervollkommnete sich an der Wiedergabe seiner Werke.

[Illustration: Abb. 26. +Faunus und Diana (die Gaben des Herbstes).+ In
der kgl. Gemäldegalerie zu Dresden. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun
& Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 27. +Die Gefangennahme Simsons.+ In der kgl.
Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

Wenn wir uns nach Gemälden von Rubens mit Jahresangabe umsehen, so
finden wir von 1613 in der Gemäldegalerie zu Kassel ein mythologisches
Bild, Jupiter und Kallisto; von 1614 in derselben Sammlung ein
kostbares kleines Nachtstück, die Flucht nach Ägypten, das seine
Entstehung sichtlich der Erinnerung an ein Bildchen des Frankfurters
Adam Elsheimer, den Rubens in Rom gekannt hatte, verdankt. Die
Jahreszahl 1614 trägt auch ein mit äußerster Vollendung durchgeführtes
kleines Bild im Hofmuseum zu Wien: die Beweinung Christi; der in
starker Verkürzung gesehene Leichnam ruht mit den Schultern im Schoße
der Mutter, die mit sorglicher Hand die starren Augenlider des Toten
zudrückt; seinen rechten Arm hat Magdalena, des Malers schöner
Liebling, aufgenommen, ihr gegenüber knieen andere klagende Frauen,
und die empfindungsvolle Gestalt des Johannes steht in der Mitte neben
der Mutter Maria (Abb. 24). Das Museum zu Antwerpen besitzt eine
größere Wiederholung dieses Bildes mit landschaftlichem Hintergrund
vom Sammetbreughel. -- Übrigens sind die Jahreszahlen selten auf
Rubens’ Bildern; sie thun auch nicht viel zur Sache; die Kraft des
Meisters war, als er sich in Antwerpen niederließ, so reif entwickelt,
und er blieb sich selbst sein Lebenlang so gleich, daß es bei manchen
seiner Bilder gar schwierig, wenn nicht unmöglich ist, ihre
Entstehungszeit auch nur einigermaßen genau zu bestimmen.

[Illustration: Abb. 28. +Meleager und Atalanta.+ In der kgl. Pinakothek
zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

Die Mythologie lieferte ihm unerschöpflichen Stoff. Gern entnahm er
ihr wild bewegte Vorwürfe, wie die Entführung der Orithyia durch
den Sturmesgott Boreas (in der Kunstakademie zu Wien) oder den Raub
der Töchter des Leukippos durch die Dioskuren (in der Münchener
Pinakothek). Mit besonderer Vorliebe aber bewegte er sich in den
Kreisen, welche sich um Diana und Bacchus gruppieren. Die ungezügelten
Wald- und Feldgötter schilderte er mit Lust und Laune (Abb. 25),
ihr ausgelassenes Treiben, ihre schrankenlose Hingabe an Wein und
Liebe malte er mit wahrer Ausgelassenheit; bald gesellte er ihnen
üppige Bacchantinnen gleichen Schlages, bald stellte er ihnen halb
spröde, anmutige Nymphen gegenüber, häufig auch brachte er sie mit
der keuschen Jagdgöttin selbst in wirkungsvollen Gegensatz (Abb. 26).
Wiederholt behandelte Rubens die Sage von Meleager und Atalante,
die ihm gleichfalls die gern gesuchte Gelegenheit bot, durch die
Nebeneinanderstellung weiblichen Reizes und übervoller männlicher
Kraft zu wirken; die Kasseler Gemäldegalerie besitzt eine vorzüglich
schöne Darstellung -- in lebensgroßen Halbfiguren -- wie Meleager der
schönen Jägerin den borstigen Kopf des erlegten kalydonischen Ebers
überreicht, während in der Ferne die Furie der Mißgunst heranzieht;
in der Münchener Pinakothek befindet sich eine andere Bearbeitung des
nämlichen Gegenstandes, welcher die prächtigen Windhunde und die schöne
Landschaft noch besonderen Reiz verleihen (Abb. 28). -- Seltener als
zu mythologischen griff der Meister zu alttestamentlichen Stoffen,
um seinem Schaffensdrang Genüge zu thun. Von den Bildern dieser Art
seien die wirkungsvolle Skizze: Esther vor Ahasver -- Entwurf zu
einem Deckengemälde, in der Wiener Kunstakademie, und das prachtvoll
lebendige Bild: Simson und Delila, in der Pinakothek zu München (Abb.
27) erwähnt.

[Illustration: Abb. 29. +Eine Dame mit ihrem Kinde+, wahrscheinlich
Isabella Brant mit dem kleinen Albert Rubens. In der kgl.
Gemäldegalerie zu Dresden. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co.,
Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Im Jahre 1614 schenkte Isabella Brant ihrem Gatten den ersten Sohn.
Erzherzog Albrecht hob den Knaben aus der Taufe, der nach ihm den
Namen erhielt. In dem schönen Bild einer Dame mit einem reizenden,
etwa einjährigen Kind auf dem Schoß, welches die Dresdener Galerie
besitzt (Abb. 29), dürfen wir wohl die Bildnisse von Frau Isabella,
deren Gesicht um diese Zeit schon spitz zu werden begann, und von
dem kleinen Albert Rubens erblicken, ungeachtet der Schwierigkeit,
welche das im Hintergrund angebrachte Wappen der Deutung bereitet.
Ganz zweifellos aber sehen wir in einem allerliebsten Kinderköpfchen
in der Liechtensteinschen Sammlung in Wien das Bild von Rubens’ erstem
Töchterchen vor uns; mit den etwas schräg stehenden, hell blickenden
Augen und dem freundlichen Mund ist die Kleine der Mutter wie aus dem
Gesicht geschnitten (Abb. 30).

[Illustration: Abb. 30. +Kinderkopf+ (Rubens’ erstes Töchterchen). In
der fürstlich Liechtensteinschen Bildergalerie zu Wien. (Nach einer
Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach
i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 31. +Die Löwenjagd.+ In der kgl. Pinakothek in
München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

Die sich immer steigernde Menge der Bestellungen zwang den Meister,
die Hilfe seiner Schüler bei der Ausführung, namentlich der größeren
Gemälde und der oft bestellten Wiederholungen, in reichlichem Maße
in Anspruch zu nehmen; er selbst überarbeitete dann die Werke in
mehr oder weniger eingehender Weise und drückte ihnen so den Stempel
seines Geistes auf. Die Schüler arbeiteten sich, so gut es eben die
Begabung eines jeden zuließ, in die Art und Weise des Meisters ein.
Sein mächtiger Einfluß wirkte aber nicht bloß auf die jungen Leute, die
zu ihm kamen, um von ihm zu lernen, sondern auch auf fertige Maler,
seine Altersgenossen und selbst auf seine ehemaligen Lehrer. Mit den
ihm befreundeten Malern verband er sich häufig zu gemeinschaftlichen
Werken. Namentlich arbeitete er, außer mit dem schon erwähnten
Johann Breughel, gern mit dem ihm im Alter nahestehenden Franz
Snyders (geboren 1579 zu Antwerpen), dem unübertrefflichen Tiermaler,
zusammen. In den Gemäldesammlungen von Dresden und München z. B. finden
wir lebensprühende Eberjagden, die das gemeinschaftliche Werk von
Rubens und Snyders sind. Indessen war es dem Meister keineswegs eine
Notwendigkeit, sondern nur eine Arbeitsentlastung, ein Zeitgewinn, wenn
er bei Tierdarstellungen den Freund zur Hilfe heranzog. Er selbst war
ein Tiermaler allerersten Ranges. Keiner hat so wie er das Pferd in
den wildesten Bewegungen aufzufassen verstanden; er schwelgte förmlich
in der Schönheit des edlen andalusischen Rosses, das damals für den
Kriegs- und Jagdgebrauch vorzugsweise beliebt war; gelegentlich aber
verschmähte er es auch nicht, nach dem plumpen vlämischem Pferde eine
Studie zu zeichnen (Abb. 32). Ebenso meisterhaft malte er die Hunde;
besonders sagten die schönen gefleckten Wolfswindhunde seinem Geschmack
zu, welche die großen Herren sich für ihre Hetzjagden hielten. Einen
mächtigen Reiz übten auch die königlichen Raubtiere auf ihn aus, die
er in Tiergärten und in den Buden der Tierbändiger zu sehen gerade
in Antwerpen reichliche Gelegenheit hatte; die Farbenschönheit
des bengalischen Tigers hat er in manchem Gemälde verwertet, und
den Löwen machte er häufig zur Hauptfigur seiner Darstellungen.
Studienzeichnungen nach Löwen sind in Menge von ihm vorhanden. Es
wird erzählt, daß er einmal durch einen herumziehenden Tierbändiger
einen prächtigen Löwen in seine Werkstatt bringen ließ und den Mann
durch eine reiche Belohnung veranlaßte, das Tier durch Kitzeln an
den Kinnladen zum Gähnen zu bringen, damit er den geöffneten Rachen
studieren konnte; indessen ließ der Löwe sich dieses Spiel nicht lange
gefallen, sondern mußte weggeführt werden, weil er gefährliche Mienen
machte; es wird hinzugefügt, daß derselbe kurze Zeit nachher seinen
Wärter zerrissen habe. -- Das schönste Löwenbild besitzt die Münchener
Pinakothek; Rubens malte dasselbe um 1616 für den Herzog von Bayern.
Sieben Männer, vier zu Roß und drei zu Fuß, haben einen Löwen und eine
Löwin angegriffen, einer der Männer liegt schon tot am Boden, ein
anderer kämpft verzweifelt mit der Löwin, die ihn niedergeworfen hat;
hoch auf bäumt sich der Schimmel eines weiß gekleideten Mauren, an
der Schulter von der Pranke des Löwen verwundet, der den verzweifelt
aufschreienden Reiter im Sprunge herabgerissen hat; die Männer hauen
und stechen, die Rosse steigen und schlagen, -- es ist ein prachtvolles
Bild des wildesten Lebens (Abb. 31).

[Illustration: Abb. 32 +Pferdestudie.+ Handzeichnung in der Albertina
zu Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 33. +Die Beweinung Christi.+ Entwurf zu dem im
Antwerpener Museum befindlichen Altargemälde, in der Sammlung der
Albertina zu Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun,
Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. u. Paris.)]

Um 1616 erhielt Rubens von dem Pfalzgrafen von Neuburg den Auftrag,
für die Kirche zu Neuburg ein Jüngstes Gericht zu malen. Diesen
großartigsten aller Vorwürfe hat Rubens einmal in zwei getrennten
Darstellungen behandelt, die sich beide in der Münchener Pinakothek
befinden. Der Künstler läßt das Richterwort, welches die Begnadigten
von den Verworfenen scheidet, schon gesprochen sein; auf dem einen
Bilde steigt die Schar der Seligen gleich einer dichten Rauchwolke zum
Himmel empor, wo in ferner Höhe der Weltenrichter auf dem Regenbogen
thront; in widerstrebenden Massen zusammengeballt, die wie Feuergarben
durcheinander wogen, stürzen auf dem anderen die Verdammten in
Flammenglut und Finsternis. Das Wunderbare, das Außerordentliche
dieser Schöpfungen liegt weniger in dem unerschöpflichen Reichtum der
Einzelheiten, welche Rubens in den steigenden und stürzenden Leibern
zur Anschauung bringt, als vielmehr in der in solcher Weise von keinem
anderen jemals versuchten Massenwirkung; die Zahl der Seelen ist
unendlich, zu Tausenden und aber Tausenden ballen sie sich zusammen,
und beide Bilder erwecken mit Notwendigkeit die Vorstellung, daß hier
wie dort noch weitere Tausende folgen werden (Abb. 34 und 35). Das für
den Pfalzgrafen ausgeführte Altarbild ist einfacher in der Komposition,
schon weil es beides, das Emporschweben zum Himmel und das Hinabstürzen
zur Verdammnis, in +einem+ Rahmen vereinigt. Die Pinakothek zu München
besitzt sowohl die herrliche eigenhändige Skizze des Meisters zu diesem
Bilde („das kleine Jüngste Gericht“) als auch die wiederum ganz anders
komponierte Ausführung im großen („das große Jüngste Gericht“), welche
im Jahre 1617 auf dem Neuburger Altare aufgestellt, später in die
Gemäldesammlung der pfalzgräflichen Residenz zu Düsseldorf gebracht
und von dort im Jahre 1805 mit zahlreichen anderen Rubensbildern nach
München übergeführt wurde.

Bei dem großen Münchener Bilde des Jüngsten Gerichtes ist die
reichliche Mitwirkung von Schülerhänden unverkennbar. Dasselbe ist bei
den einige Jahre später für den Pfalzgrafen von Neuburg ausgeführten
Altargemälden: Christi Geburt und Herabkunft des heiligen Geistes
(beide jetzt gleichfalls in der Münchener Pinakothek) der Fall.

Es ist eine alte Überlieferung, Rubens habe die Preise seiner Arbeiten
nach der darauf verwendeten Arbeitszeit bemessen, in der Weise,
daß er für jeden Tag eigenhändiger Arbeit 100 Gulden berechnete,
was nach unserem Gelde, wenn man den Wertunterschied des Geldes
zwischen damals und jetzt mit in Betracht zieht, ungefähr 380 Mark
ausmacht. Das erscheint durchaus glaubwürdig, da Rubens eben in sehr
kurzer Zeit die größten Bilder malte; auch wird es durch einen im
Museum Plantin-Moretus zu Antwerpen aufbewahrten Brief des Balthasar
Moretus bestätigt, worin dieser schreibt, daß Rubens die Entwürfe
für Titelblätter nur in seinen Mußestunden anfertige; wolle man an
einem Werktage ein solches Blatt von ihm haben, so müsse man 100
Gulden dafür bezahlen. Die unter Beihilfe von Schülern gemalten Bilder
waren entsprechend billiger. Das erfahren wir von Rubens selbst durch
seinen in vieler Hinsicht bemerkenswerten Briefwechsel mit Sir Dudley
Carleton, dem englischen Gesandten im Haag, aus dem Jahre 1618. Rubens’
Briefe, die in neuerer Zeit in großer Zahl veröffentlicht worden
sind, enthalten überhaupt einen unschätzbaren Beitrag zur Kenntnis
seines Wesens; sie lehren uns die Vielseitigkeit und Gründlichkeit
seiner Bildung, die Klarheit und treffende Sicherheit seines Urteils
bewundern. Die Veranlassung zu dem Briefwechsel mit Carleton gab
dessen Sammlung von antiken Marmorwerken. Rubens wünschte diese zu
erwerben, obgleich er sie noch nicht einmal selbst gesehen hatte; denn
er war, nach seinem eignen Ausdruck, vernarrt in Antiken. Carleton
schlug einen Tauschhandel vor: seine Antiken gegen Gemälde von Rubens.
Hierauf ging dieser bereitwillig ein, und nachdem er von Carleton
ein Verzeichnis der Marmorbilder mit Angabe der Preise, welche jener
dafür gezahlt hatte, erhalten, schickte er ihm das Verzeichnis der in
seinem Hause vorhandenen Gemälde, mit Angabe der Größe, des Preises
und der etwaigen Mitwirkung von Freunden und Schülern. Da war ein
„gefesselter Prometheus“, 8 Fuß breit und 9 Fuß hoch, „eigenhändig, der
Adler von Snyders gemalt“, für 500 Gulden; „ein Daniel zwischen vielen
Löwen nach dem Leben -- ganz eigenhändiges Original“, 8 Fuß hoch und
12 Fuß breit, für 600 Gulden; „Leoparden nach dem Leben, mit Satyren
und Nymphen, eigenhändiges Original mit Ausnahme der sehr schönen
Landschaft, welche ein auf diesem Gebiet geschickter Meister gemacht
hat“, 9 zu 11 Fuß, für 600 Gulden. Mit ebenso genauen Angaben werden
die übrigen Bilder bezeichnet: eine Leda mit Schwan und Liebesgott; ein
lebensgroßes Bild des Gekreuzigten, von welchem Rubens selbst glaubte,
daß es vielleicht das Beste sei, was er überhaupt gemalt habe; eine
verkleinerte Wiederholung des für den Pfalz-Neuburger gemalten Jüngsten
Gerichts, das Werk eines Schülers, das aber, wenn der Meister es ganz
würde überarbeitet haben, für ein Original sollte gelten können; ein
heiliger Petrus, der den Zinsgroschen aus dem Maule des Fisches nimmt,
mit anderen Fischern „nach dem Leben“; eine Wiederholung der für den
Herzog von Bayern gemalten Löwenjagd, von einem Schüler angefangen,
aber ganz vom Meister übergangen, und in derselben Weise ausgeführte
Wiederholungen der Christus- und Apostelfiguren, welche der Herzog von
Lerma besaß; ein Achilles in Weiberkleidern, „ein sehr wirkungsvolles
Bild mit vielen schönen jungen Mädchen“; ein heiliger Sebastian und
eine Susanna. Carleton schrieb darauf an Rubens, daß er sich sechs von
den Bildern ausgewählt habe; er bat den Maler, ihn in seiner Wohnung im
Haag zu besuchen und sich die Marmorwerke anzusehen, die eine Sammlung
ausmachten, wie kein Fürst und kein Privatmann diesseit der Alpen eine
besäße. „Aber“, fährt er fort, „für Leute, die immer in Bewegung sind,
wie meine Stellung es mit sich bringt, eignet eine Sache von so viel
Gewicht sich nicht, und dann -- ehrlich gestanden -- Menschen haben
menschliche Schwächen: man wechselt manchmal seine Gesinnungen, und
so ist meine Liebhaberei plötzlich von den Bildhauern zu den Malern
übergegangen, und ganz insbesondere zu Herrn Rubens.“ Da Carleton wegen
der niedrigen Bauart sowohl seiner holländischen als seiner englischen
Wohnung nur die kleineren von den Rubensschen Bildern nehmen konnte,
so blieb nach den beiderseitigen Abschätzungen ein Preisunterschied
bestehen; es wurde eine Einigung dahin erzielt, daß Rubens für die
Antiken Bilder im Werte von 4000 Gulden und außerdem noch 2000 Gulden
gab; für den letzteren Betrag bat Carleton ihn, Brüsseler Wandteppiche
mit Figurendarstellungen besorgen zu wollen. Rubens erwähnte in dem
Schreiben, worin er sein Einverständnis mit diesem Vorschlag erklärte,
den Umstand, daß er in diesem Jahre mehrere tausend Gulden für seinen
Hausbau verausgabt habe und daß er infolgedessen am liebsten mit
Bildern bezahle, „da jeder mit im eignen Garten gezogenen Früchten
freigebiger ist, als mit solchen, die man auf dem Markte gekauft hat“,
und gebrauchte im Anschluß hieran die Redensart: „ich bin ja kein
Fürst, sondern einer, der von seiner Hände Arbeit lebt.“ Auf diesen
Satz kam der gewandte Hofmann in seinem Antwortschreiben zurück, indem
er dasselbe mit den artigen Worten schloß. „Eure Behauptung, daß Ihr
kein Fürst wäret, kann ich nicht unterschreiben; denn ich halte Euch
für den Fürsten der Maler und der Leute von vornehmer Gesinnung, und
in diesem Sinne küsse ich Euch die Hand.“ -- Einem Manne wie Rubens
gegenüber war das keineswegs nur eine leere Schmeichelei.

[Illustration: Abb. 34. +Die Auferstehung der Gerechten.+ In der kgl.
Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

[Illustration: Abb. 35. +Der Höllensturz der Verdammten.+ In der kgl.
Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

Erwähnenswert ist auch aus dem Briefwechsel mit Carleton, weil für den
vielseitigen Künstler bezeichnend, der Umstand, daß Rubens die Hoffnung
ausspricht, mit der Mannigfaltigkeit der Gegenstände dem Geschmack des
Abnehmers Genüge gethan zu haben. Schließlich war der eine wie der
andere von dem Handel höchlich befriedigt; Carleton war entzückt von
den Bildern und Rubens glücklich über die Antiken.

[Illustration: Abb. 36. +Vernichtung von König Sennacheribs Heer.+
In der kgl. Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz
Hanfstängl in München.]

[Illustration: Abb. 37. +Der Tod des Konsuls Decius Mus+;
Teppich-Entwurf. In der fürstlich Liechtensteinschen Bildergalerie zu
Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Clément & Cie. Nchfl.,
in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 38. +Der Engel des Herrn schlägt Sennacheribs
Heer.+ Federzeichnung in der Albertina zu Wien. (Nach einer Aufnahme
von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els.
und Paris.)]

Während der Meister, wie aus dem angeführten Verzeichnis hervorgeht,
seinem Schaffensdrange nachgebend, Bilder des verschiedensten
Inhalts nach freier Wahl entstehen ließ und zugleich seine Schüler
anwies, frühere Werke von ihm zu kopieren, überzeugt, daß die Käufer
sich schon einstellen würden, war er zu derselben Zeit unablässig
beschäftigt, bestellte Kirchengemälde auszuführen. Zu den um diese
Zeit entstandenen Kirchenbildern gehört das durch den Vorzug ganz
eigenhändiger Ausführung ausgezeichnete Altargemälde, welches, jetzt
im Museum zu Antwerpen befindlich, unter dem Namen „~Le Christ sur
la paille~“ weltberühmt ist. Die Mitteltafel stellt eine sogenannte
Pietà vor: der Leichnam des Heilandes ist auf eine Bank niedergelassen
worden, welche mit Stroh belegt ist (daher die übliche Bezeichnung des
Bildes); Joseph von Arimathia hält den Oberkörper des Toten aufrecht,
Maria Magdalena blickt ihn, die Hände faltend, tieferschüttert an, und
die Mutter Maria schickt sich, das schöne Antlitz mit ergreifendem
Ausdruck zum Himmel erhebend, an, das Haupt des geliebten Sohnes
mit dem Bahrtuche zu verhüllen. Auf den Flügeln sind in überaus
liebenswürdiger Auffassung einerseits die Jungfrau mit dem Kinde,
andererseits der von göttlicher Liebe erfüllte, begeistert aufwärts
schauende Evangelist Johannes dargestellt. Eine schöne Zeichnung zu
der Mitteltafel bewahrt die Handzeichnungensammlung der Albertina zu
Wien (Abb. 33). Auch das für die Barfüßerkirche gemalte, jetzt im
Museum zu Brüssel befindliche Bild der Himmelfahrt Marias, gleichfalls
eine eigenhändige Arbeit des Meisters, dürfte dieser, wenn nicht
schon einer früheren Zeit angehören. Im Jahre 1617 entstand das in
der St. Paulskirche, der ehemaligen Dominikanerkirche zu Antwerpen
befindliche Gemälde: die Geißelung Christi, das um der Schönheit
des Christuskörpers willen zu allen Zeiten gerühmt und bewundert
worden ist. -- Zwei Hauptwerke schuf Rubens für verschiedene Kirchen
von Mecheln. Für die dortige Johanniskirche wurde ihm Ende 1616 ein
Altarbild mit der Anbetung der heiligen drei Könige bestellt. Dieser
von Rubens früher schon einmal in großem Maßstabe und später noch öfter
behandelte Gegenstand war ein Vorwurf nach seinem Herzen; er fand hier
Gelegenheit zu reichster malerischer Prachtentfaltung, indem er die
Weisen mit allem Prunke morgenländischer Herrscher und mit glänzendem
Gefolge auftreten ließ. Unerschöpflich an Erfindungskraft, wußte der
Meister in der Bearbeitung dieses Stoffes immer neue und immer mächtig
anziehende Wirkungen zu erzielen. Von allen seinen Dreikönigsbildern
aber ist dasjenige in Mecheln vielleicht das schönste, zugleich das am
liebevollsten ausgeführte; es wird berichtet, daß der Meister selbst
stets mit Befriedigung von diesem seinem Werke gesprochen habe. Die
Stimmung des Ganzen ist eine freudig-festliche; in froher Erregung
huldigen die Fürsten dem Kindlein im Stalle, und das Gemälde wirkt
auf das Auge des Beschauers als ein wahres Farbenfest. Den Grundton
gibt der prächtigrote Mantel des mittleren Königs an, ihm entgegen
wirkt das blaue Gewand Marias; von dem Jesuskinde geht Licht aus und
überstrahlt den knieenden ältesten König, den aufrecht stehenden im
roten Mantel und den neugierig blickenden Negerfürsten, dem zwei
übermütige Pagen die Schleppe tragen, und eine ganze Menge von
Gesichtern sich drängender, von Verlangen, das gesuchte Kind erblicken
zu dürfen, erfüllter Leute. Die Flügel des Altars enthalten Bilder aus
der Geschichte des Täufers Johannes und aus derjenigen des Evangelisten
Johannes. Dieses Altargemälde befindet sich noch an seinem Platz; die
Gemeinde hatte den Stolz, dem Kardinal Richelieu, der 10000 Gulden für
die Flügel bot, mit einem entschiedenen Nein zu antworten. -- Ein Bild
ganz anderer Art aber, nicht minder bewunderungswürdig, ist dasjenige,
welches die Liebfrauenkirche zu Mecheln besitzt. Dasselbe wurde 1618
im Auftrage der Bruderschaft der Fischer gemalt, und zwar in der Zeit
von zehn Tagen. Es stellt den wunderbaren Fischzug des Petrus da. Hier
ist nichts von Pracht; wir sehen vielmehr derbe Fischergestalten, die
in ihrem Gewerbe sich abmühen, und einen bleigrauem Himmel, wie er so
häufig über der Nordsee lagert. Es ist ein packendes Wirklichkeitsbild,
und wir begreifen, warum Rubens bei jenem anderen Fischergemälde,
welches er in dem für Carleton angefertigten Verzeichnis aufführt,
besonders erwähnt, daß es nach dem Leben gemalt sei. Der Gegenstand
eben dieses Gemäldes, das Finden des Zinsgroschens im Maule des
Fisches, kommt auch unter den Flügelbildern des Altarwerks zu Mecheln
vor; das Gegenstück dazu ist die Darstellung, wie Tobias auf Geheiß des
Engels den heilkräftigen Fisch ans Land zieht. -- Wiederum ein ganz
anderes Gepräge trägt ein anscheinend der nämlichen Zeit angehöriges
Bild, welches Rubens für die Jesuitenkirche in Gent malte, jetzt im
Museum zu Brüssel: die Marter des heiligen Lävinus. Der Gegenstand
ist grausig, aber der Eindruck des Grausigen wird unterdrückt durch
die, man möchte sagen leidenschaftliche Wucht, mit welcher Engel
des Himmels herniederfahren, die strafende Blitze unter die Henker
schleudern und wildes Entsetzen verbreiten. -- So leidenschaftlich ist
auch die Gestalt des zornerfüllten Christus auf einem in dem nämlichen
Museum befindlichen Bilde, welches Rubens für die Franziskaner zu
Gent malte: die heilige Maria und der heilige Franziskus legen ihre
Fürbitte ein, daß der Herr die Welt noch mit seinem Strafgericht
verschone; so mächtig wie der Zorn der Gottheit, so eindringlich ist
das mitleidsvolle Bitten der Heiligen zum Ausdruck gebracht.

[Illustration: Abb. 39. +Sauls Bekehrung.+ In der kgl. Pinakothek zu
München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

[Illustration: Abb. 40. +Die Amazonenschlacht.+ In der kgl. Pinakothek
zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

Als Rubens mit dem englischen Gesandten im Haag wegen des Umtausches
von dessen Antiken gegen seine Gemälde verhandelte, erwähnte er im
Anschluß an den von Carleton geäußerten Wunsch, daß der Wertunterschied
durch den Ankauf von Brüsseler Wandteppichen ausgeglichen werden
möchte, beiläufig auch den Umstand, daß er selbst im Auftrage einiger
Edelleute aus Genua sehr reiche Entwürfe für Teppiche angefertigt
habe, die gerade in Brüssel gewirkt würden; in einem vierzehn Tage
später an Carleton geschriebenen Briefe kommt Rubens nochmals auf
diese Entwürfe zurück, und da erfahren wir, daß dieselben die
Geschichte des Decius Mus, des römischen Konsuls, der sich selbst
für den Sieg seines Volkes opferte, behandelten. Die hier erwähnten,
Anfang Mai 1618 bereits an die Weberei abgelieferten Entwürfe zu
Wandteppichen haben sich erhalten; sie befinden sich in der fürstlich
Liechtensteinschen Gemäldesammlung zu Wien. Wenn Rubens den Ausdruck
Entwürfe oder Vorzeichnungen -- Kartons -- gebraucht, so ist dies
in so fern ungenau, als es vielmehr ganz prachtvoll ausgeführte
Ölgemälde sind. Dem Teppichwirker hat der Meister die Arbeit dadurch
erleichtert, daß er die Bilder von vornherein links gemalt hat, d.
h. so, daß die Personen zum Beispiel die Waffen mit der linken Hand
führen, den Schild am rechten Arm tragen. Denn derjenige, der einen
Teppich wirkt, steht hinter dem Rahmen, über den er die Fäden spannt,
also auf der Rückseite des Teppichs, und wie sein Werk wird, sieht er
nicht unmittelbar unter seinen Händen, welche die Fäden durchziehen
und verknüpfen, sondern in einem gegenüberstehenden Spiegel. Ist nun
das Vorbild, wie es meistens geschieht, in richtigem Sinne gezeichnet
oder gemalt, so muß der Wirker dasselbe umkehren, d. h. was links ist,
rechts, und was rechts ist, links machen -- also ebenso verfahren wie
der Kupferstecher; zu diesem Behufe stellt er gewöhnlich das Vorbild
hinter sich, so daß er nicht unmittelbar nach demselben, sondern nach
dem Spiegelbild, welches der vor ihm stehende große Spiegel ihm zeigt,
arbeitet. Wer einmal aus dem Spiegel gezeichnet oder gemalt hat,
weiß, wie unbequem und wie anstrengend für die Augen dies ist. Rubens
verschaffte daher den Teppichwirkern eine sehr große Erleichterung,
indem er seine Vorbilder gleich umgekehrt -- „im Gegensinne“, wie
der Kunstausdruck lautet -- malte. Der Meister verteilte den aus der
bekannten Erzählung des Livius geschöpften Stoff in sechs gewaltige
Kompositionen von vielen lebensgroßen Figuren. Im ersten Bilde sehen
wir, wie der Konsul Decius von einem erhöhten Standpunkte aus dem
Heere, das durch die versammelten Feldzeichenträger vertreten ist,
die ihm im Traume zu teil gewordene Schicksalsoffenbarung erzählt,
daß von den beiden einander gegenüberstehenden Heeren dasjenige die
Schlacht gewinnen sollte, das seinen Anführer verlöre. Das zweite Bild
zeigt uns, wie die Priester in feierlicher Handlung die Opferzeichen
erforschen und erkennen, daß die Sache der Römer schlecht stehe.
Daraufhin beschließt Decius, sich den Todesgöttern zu opfern; das
dritte Bild, vielleicht das machtvollste und ergreifendste der ganzen
Reihe, führt den Helden vor, wie er im Schatten prächtiger Buchen vom
Priester die Todesweihe empfängt. Der vierte Akt des Dramas zeigt den
Geweihten, wie er, des jetzt überflüssig gewordenen Schildes entledigt,
sein stolzes Streitroß besteigt; mit einer vornehmen Bewegung der
Hand und einem Blick heiliger Entschlossenheit verabschiedet er seine
Liktoren, daß sie sich zu seinem Amtsbruder begeben, da er, als ein
Toter, ihrer nicht mehr bedarf; eine wundervolle Abendsonnenstimmung
läßt uns fühlen, daß der heiße Tag sich zu Ende neigt. Das nächste Bild
bringt die Entscheidung: über einem Hügel von Leichen sinkt Decius
unter den Hieben und Stichen latinischer Reiter vom Roß, sein zum
Himmel gewendeter Blick zeigt, daß er mit Freuden stirbt, da er den
Willen der Gottheit erfüllt und sein Volk gerettet hat; -- in demselben
Augenblick wird das Kampfesringen der Römer von Erfolg gekrönt, und
die Latiner wenden sich zur Flucht (Abb. 37). Damit ist das von Rubens
so großartig und wirkungsvoll ausgearbeitete Trauerspiel zu Ende. Das
sechste Bild giebt sozusagen nur noch ein glänzendes Schlußschaustück:
man sieht die aufgerichteten Siegestrophäen, die Aufhäufung der Beute
und das Herbeischleppen der Gefangenen, und im Vordergrunde liegt auf
prächtiger Bahre, mit dem Purpurmantel und dem Lorbeerkranz geschmückt,
der tote Sieger.

[Illustration: Abb. 41. +Die Kommunion des h. Franziskus.+ Im Museum zu
Antwerpen.]

[Illustration: Abb. 42. +Kinderköpfchen+ (der kleine Nikolaus Rubens).
Handzeichnung in der Albertina zu Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad.
Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und
Paris.)]

[Illustration: Abb. 43. +Maria, die Zuflucht der Sünder.+ In der kgl.
Galerie zu Kassel. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

[Illustration: Abb. 44. +Christus und die Sünder.+ In der kgl.
Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

Rubens verschmähte es, ungeachtet des unerschöpflichen Reichtums seiner
Erfindungsgabe, nicht, sich gelegentlich selbst zu wiederholen, indem
er bei dieser oder jener Darstellung eine frühere Komposition benutzte,
um daraus mit den durch den veränderten Gegenstand gebotenen Änderungen
ein neues Werk zu schaffen; und das Merkwürdige dabei war, daß dieses
neue Werk dann doch wieder eine in sich so einheitliche Schöpfung
wurde, als ob es ganz und gar nur aus dem gegebenen Gegenstande hätte
hervorwachsen können. So kann es nichts Abgerundeteres geben, als
die ihren Inhalt so kurz und treffend erzählende Komposition in der
Folge der Deciusbilder, welche den Tod des Helden schildert. Und doch
ist dieses Bild gewissermaßen ein Auszug aus einer figurenreicheren
Komposition, welche einen ganz anderen Stoff behandelt, aus dem
prachtvollen, in kleinerem Maßstab ausgeführten Gemälde der Münchener
Pinakothek: die Niederlage des Königs Sennacherib. Wie die Engel des
Herrn aus nächtlichen Wolken hervorbrechen und Tod und Verwirrung
unter die Reiterscharen des Assyrerkönigs schleudern, ist da mit
einer unvergleichlichen Großartigkeit geschildert (Abb. 36). Hier ein
göttliches Strafgericht, dort der Opfertod eines Helden, das eine wie
das andere mit der höchsten Meisterschaft packend und erschöpfend zur
Anschauung gebracht -- und doch als Komposition das eine von beiden
aus der Grundlage des anderen entstanden! Eine andere Bearbeitung des
dankbaren Stoffes vom Untergang des Assyrerheeres vor Jerusalem zeigt
eine reizvolle, flüchtig entworfene Federzeichnung in der Sammlung der
Albertina (Abb. 38). Die Münchener Pinakothek besitzt als Gegenstück zu
der Niederlage Sennacheribs ein augenscheinlich zu der nämlichen Zeit
-- also wohl kurz vor 1618 -- entstandenes Bild: die Bekehrung des
Saulus. Mit einer unbeschreiblichen Lebendigkeit, einer unmittelbaren
Glaubhaftigkeit ist auch hier das plötzliche Hereinbrechen eines
Ereignisses, gegen das es keinen Widerstand giebt, geschildert; das
jäh aufleuchtende Himmelslicht wirft die Pferde in wildem Schrecken
durcheinander, den Menschen raubt die überirdische Erscheinung die
Fassung, und wie vom Blitz getroffen ist Saulus zu Boden gestürzt,
zum Entsetzen der wenigen sorglichen Begleiter, die sich noch um ihn
bekümmern (Abb. 39). Neben dem ausgeführten Bild befindet sich in der
Münchener Pinakothek auch die erste Skizze zu demselben; sie zeigt,
wie klar der Meister seinen Gedanken von vornherein feststellte. --
Die Wiedergabe wildbewegten Getümmels von Menschen und Rossen war
für Rubens gerade in dieser Zeit eine Herzenslust. Sein berühmtestes
derartiges Werk ist die gleichfalls in der Pinakothek zu München
befindliche Amazonenschlacht; die Entstehungszeit desselben ist
festgestellt durch den Umstand, daß der Meister im Jahre 1622 an einen
Bekannten schrieb, daß der Kupferstecher Lukas Vorstermann den Stich
des Bildes seit drei Jahren unter den Händen habe. Wie die beiden
letzterwähnten, ist auch dieses Gemälde in verhältnismäßig kleinem
Maßstabe mit der größten Liebe ausgeführt. Es erinnert im allgemeinen
einigermaßen an Leonardo da Vincis Anghiarischlacht, die Rubens ja in
Mailand abgezeichnet hatte, und zugleich an Rafaels Konstantinschlacht;
dennoch ist das Ganze das echte Kind Rubensschen Geistes. Auf einer
schmalen Brücke versuchen die kriegerischen Jungfrauen mit letzter
Anstrengung dem Anprall der von Theseus geführten Reiter standzuhalten;
da wird noch mit heißer Leidenschaft gekämpft, den Pferden selbst
scheint sich der Kampfeszorn der Menschen mitgeteilt zu haben. Aber
schon ist die Niederlage der Amazonen entschieden. Vergeblich sucht
die Bannerträgerin die Fahne zu retten, die ein Griechenjüngling ihr
zu entreißen strebt; sie wird mitsamt dem Feldzeichen, das sie mit
schwindenden Kräften umklammert, vom bäumenden Pferde gezogen. Rosse
und Reiterinnen stürzen hinab in den Fluß, in schwerem Aufschlag die
Wogen emportreibend; herrenlos gewordene Pferde jagen davon. Neben der
Brücke sprengen wilde Reiterinnen, am Widerstand verzagend, über die
Leichen ihrer Genossinnen hinweg ins Wasser, wo andere sich schon durch
Schwimmen zu retten suchen. In der Ferne leuchtet Feuerschein, und die
Glut des Brandes rötet den lichten Himmel (Abb. 40).

Im Auftrage eines Herrn Kaspar Charles malte Rubens im Jahre 1619 ein
großes Altarbild für die Minoritenkirche zu Antwerpen: der h. Franz
von Assisi empfängt sterbend das Abendmahl. Es war für den Maler der
Üppigkeit, der auch die Heiligen in die blühende Schönheit voller
Formen und die farbenfrohe Pracht glänzender Seidengewänder zu kleiden
liebte, keine leichte Aufgabe, sich in die Wiedergabe weltfremden
abgetöteten Mönchtums zu versenken. Doch wußte der alles beherrschende
Künstler auch diese Aufgabe zu lösen. Im allgemeinen Ausbau der
Komposition schloß er sich an ein berühmtes Vorbild verwandten Inhalts,
an Domenichinos im Vatikan befindliche Kommunion des h. Hieronymus, an.
Der Herrscher im Reich der Farben übte sich gleichsam selbst in der
Entsagung, indem er auf alle Farbenpracht verzichtete und das Gemälde
aus einem düster braunen Ton heraus schuf. Der im Formenreichtum zu
schwelgen gewöhnte Meister legte hier das ganze Gewicht der Darstellung
in den seelischen Ausdruck; von diesem Standpunkt aus will das
Gemälde betrachtet sein, und von diesem Gesichtspunkt aus ist der
nackte Heilige, der nicht mehr Herr seiner Glieder ist, der durch die
Unterstützung zweier Mitbrüder mühsam in knieender Stellung gehalten
wird, der „nur noch lebt, um die Kommunion zu empfangen“, in der That
ein hohes Meisterwerk, wohl würdig des großen Ruhmes, den das Gemälde,
welches sich jetzt im Museum zu Antwerpen befindet, immer genossen hat
(Abb. 41).

[Illustration: Abb. 45. +Die Töchter des Kekrops und das Kind
Erechthonios.+ In der fürstlich Liechtensteinschen Bildergalerie zu
Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie.
Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 46. +Die vier Weltteile.+ In der kaiserl.
Gemäldegalerie zu Wien. Photographie von J. Löwy in Wien.]

Unter den zahlreichen Madonnenbildern des Meisters, welche
Maria mit dem Jesuskinde bald allein, bald in mehr oder weniger
zahlreicher Umgebung von Heiligen zeigen, befindet sich ein besonders
ansprechendes, das im Jahr 1619 entstanden sein muß. Man erkennt in
der Ausführung desselben die Mitwirkung von Rubens’ bestem Schüler,
Anton van Dyck, der von 1618 bis 1620 in der Werkstatt des Meisters
arbeitete und fast schon anfing, mit diesem an Berühmtheit zu
wetteifern. Das Bild befindet sich in der Gemäldegalerie zu Kassel
(ein anderes, nur wenig davon verschiedenes Exemplar in der Ermitage
zu Petersburg) und stellt die Mutter-Gottes als Zuflucht der Sünder
dar. Vor dem Thron der Jungfrau, die mit der Rechten den auf ihrem
Schoße stehenden Jesusknaben hält, die Linke leicht auf die Schulter
des seitwärts stehenden kleinen Johannes lehnt, hat der verlorene Sohn
sich niedergeworfen, neben ihm kniet Magdalena, die mit glühender
Innigkeit zu dem Christuskind aufblickt und mit ihren schönen Händen
den entblößten Busen bedeckt, und an diese reiht sich -- nicht minder
vortrefflich im Ausdruck -- der König David; hinter diesen biblischen
Gestalten nahen Vertreter der Büßerorden, der h. Dominicus und der
h. Franziskus, dem Thron, neben König David steht ein Bischof, der
h. Augustinus, und weiter zurück der heilige Ritter Georg mit der
Fahne (Abb. 43). In dem Kopf der dunkelhaarigen Maria mag man eine
entfernte, vom Künstler wohl schwerlich beabsichtigte Ähnlichkeit
mit Isabella Brant erkennen; zweifellos aber ist das Jesuskind das
getreue Abbild von Rubens’ zweitem Söhnchen, das im März 1618 zur Welt
kam. Dieser Knabe, der von seinem Paten, dem Marchese Pallavicini in
Genua, den Namen Nikolaus erhielt, scheint der besondere Liebling des
Vaters gewesen zu sein; ein köstlich skizziertes Bildnisköpfchen des
etwa Zweijährigen besitzt das Museum zu Berlin; nicht minder reizend
tritt uns das hübsche Gesichtchen in noch zarterem Alter entgegen in
einer Zeichnung der Albertina, die augenscheinlich als Studie zu dem
Jesuskind des Kasseler Bildes gedient hat (Abb. 42). -- Dem genannten
Gemälde inhaltlich verwandt und sicher auch um dieselbe Zeit entstanden
ist ein schönes Bild in Halbfiguren, welches sich in der Pinakothek zu
München befindet: der Heiland vergiebt den reuigen Sündern. Wunderbar
ist hier der Ausdruck der Köpfe, sowohl bei dem Christus, der die Milde
und Barmherzigkeit selbst ist, als auch bei den Bußfertigen -- es sind
Maria Magdalena, der gute Schächer, Petrus und David (Abb. 44).

Die eigentümlich ansprechende, in Haut und Haar gleichsam von eignem
Licht erfüllte, weiche und volle Frauengestalt, welche Rubens immer
und immer wieder als Magdalena malte, erscheint in ganz anderer
Auffassung, als mythologisches Wesen, in dem reizvollen Gemälde in
der fürstlich Liechtensteinschen Sammlung, welches die Töchter des
Kekrops mit dem Kinde Erechthonios vorstellt. Hier zeigt sie uns als
eins der beiden neugierigen Mädchen, welche entgegen dem Gebot der
Pallas Athene das Körbchen, in dem der Knabe mit einer Schlange liegt,
öffnen, die unverhüllte Formenfülle ihres weißen Rückens. Die bei der
Gebotsübertretung unbeteiligte Schwester, die seitwärts unter einem
Baume steht, ist mit ihrem straffen Körper eine der mädchenhaftesten
und darum ansprechendsten weiblichen Gestalten, welche Rubens
geschaffen hat (Abb. 45). Diese unbekleidete Gestalt, deren Kopf und
Schultern ein sonnig durchleuchteter Schatten einhüllt, erinnert
auffallend an die weibliche Hauptfigur auf dem vielumstrittenen
großen Gemälde im Berliner Museum: Neptun und Amphitrite (oder Neptun
und Libye). Auch auf diesem Gemälde, das übrigens dem Bilde der
Kekropstöchter an künstlerischem Reiz sehr weit nachsteht, wird der
blonde Magdalenenkopf sichtbar; er gehört einer mit dem Körper im
Wasser verborgenen Nymphe an und ist wohl der anziehendste Punkt auf
der ganzen umfangreichen Leinwand. Das Berliner Bild, bei dem vor
einigen Jahren die Frage nach der Echtheit, die von den einen ebenso
leidenschaftlich bestritten, wie von den anderen verteidigt wurde, die
Gemüter der Kunstverständigen mehr als nötig erhitzt hat, erinnert
zugleich in manchen Zügen an das prächtige Gemälde im kunsthistorischen
Hofmuseum zu Wien, welches die vier Weltteile durch die Verkörperung
der Hauptströme von Europa, Asien, Afrika und Amerika darstellt. Jedem
der vier Flußgötter ist eine Nymphe beigesellt; im Vordergrunde ruht
der alte Nil, dessen Nymphe eine Negerin ist, und dem zur weiteren
Kennzeichnung ein von Putten umspieltes Krokodil -- nach antikem
Vorbild -- beigegeben ist; ihm gegenüber lagert der Ganges, durch eine
bengalische Tigerin, die das Krokodil grimmig anfaucht, gekennzeichnet;
die beiden anderen Flußgötter, Donau und Marañon -- der letztere, weil
damals noch wenig erforscht, in Schilf und Schatten halb verborgen --
erscheinen jugendlicher als ihre Genossen aus den uralten Kulturländern
(Abb. 46).

Das Jahr 1620 sah wieder ein hervorragendes Altargemälde entstehen,
nämlich das jetzt im Museum zu Antwerpen befindliche Bild des
gekreuzigten Heilands zwischen den beiden Schächern. Es ist Abend,
der Gottessohn hat ausgelitten; davon überzeugt sich der römische
Hauptmann durch den Speerstoß in die Seite des Leichnams, während
ein Kriegsknecht sich anschickt, die Beine der beiden anderen
Gerichteten mit einem eisernen Stab zu zerbrechen; jammernd haben
sich die Mutter Maria, Maria Kleophas und der Jünger Johannes von dem
entsetzlichen Schauspiel abgewendet, Maria Magdalena aber verläßt den
Kreuzesstamm nicht, an den sie mit Kopf und Körper sich anschmiegt,
und mit einer Gebärde flehender Abwehr erheben sich ihre weißen Arme
gegen den Römer und seine unbarmherzige Waffe (Abb. 47). Auffallend
ist bei diesem Bilde, das unter dem Namen „~le coup de lance~“
weltberühmt ist, die merkwürdige Nichtachtung der Perspektive und
des natürlichen Größenverhältnisses der Figuren zu einander; aber es
würde ein vollständiger Mangel an Kunstsinn dazu gehören, bei einem
solchen Gemälde, wie dieses ist, daran Anstoß zu nehmen. Rubens
malte das ergreifend gedachte und wunderbar ausgeführte Bild für
die Franziskanerkirche in Antwerpen, im Auftrage des Bürgermeisters
Nikolaus Rockox. Das Bildnis dieses ihm sehr innig befreundeten Mannes
hat er zugleich mit demjenigen von dessen Gattin in sprechender
Lebendigkeit der Nachwelt überliefert auf den Flügeln eines gleichfalls
von demselben bestellten Altarwerks, dessen Mittelbild die Bekehrung
des ungläubigen Thomas darstellt, und das sich jetzt ebenfalls im
Antwerpener Museum befindet. -- Das eigentlich Ergreifende des
Kreuzigungsbildes, das Geheimnis sozusagen seiner mächtigen Wirkung,
liegt in der friedlichen Ruhe des Todes, mit welcher der am Kreuz
Erhöhte über Schmerz und Leidenschaft der Lebenden hinausragt. Ein
anderes Mal hat Rubens die Darstellung des Kreuzestodes auf wenige
Figuren beschränkt: nur Maria, Johannes und Magdalena sind am Fuß
des in einsamer Höhe von der dunklen Luft sich abhebenden Kreuzes
versammelt (im Louvre). Fast noch ergreifendere Wirkung aber hat er
in einem im Antwerpener Museum befindlichen Bilde erreicht, welches
das Vorbild für ungezählte Kopien und Nachahmungen geworden ist; ganz
einsam und verlassen hängt der Heiland an dem hohen Kreuze, die Natur
hat sich in Todesschweigen gehüllt, und vor dem schwarzen Nachthimmel
leuchtet der helle Leichnam als das Licht in der Finsternis (Abb. 48).

[Illustration: Abb. 47. +Christus am Kreuz.+ Im Museum zu Antwerpen.]

[Illustration: Abb. 48. +Es ist vollbracht.+ In der kgl. Pinakothek zu
München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

[Illustration: Abb. 49. +Entwurf zur Ausschmückung des Mittelgewölbes
der Jesuitenkirche zu Antwerpen.+ Handzeichnung in der Albertina zu
Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie.
Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 50. +Graf Thomas Arundel und seine Gemahlin.+ In
der kgl. Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz
Hanfstängl in München.]

[Illustration: Abb. 51. +Charles de Longueval, Graf von Boucquoy.+
Gemalt als Vorlage für einen von Vorstermann ausgeführten Kupferstich.
In der Ermitage zu St. Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun &
Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Die bevorstehende Vollendung der Jesuitenkirche zu Antwerpen brachte
Rubens im Jahre 1620 einen Auftrag von außergewöhnlichem Umfang.
Am 20. März dieses Jahres unterschrieb er einen mit Pater Jacobus
Tirinus, dem Oberen des Antwerpener Jesuitenkollegiums, geschlossenen
Vertrag, durch welchen er die malerische Ausschmückung der Kirche
übernahm. Mit der Herstellung von Altargemälden für dieselbe war er
schon vorher beauftragt worden. Jetzt handelte es sich hauptsächlich
um die Deckengemälde; zu diesen, 39 an der Zahl, sollte Rubens die
Skizzen vor Schluß des Jahres liefern, van Dyck und einige andere
seiner Schüler sollten sie dann ausführen und er selbst schließlich die
letzte Hand anlegen. Es ist wohl nur selten einem Künstler vergönnt
gewesen, einen selbstgeschaffenen Bau mit selbstgeschaffenen Gemälden
zu schmücken und so die denkbar vollkommenste Zusammenwirkung der
Künste zu erzielen. Wenn es gestattet ist, von einem Jesuitenstil
in der Malerei zu sprechen, so war Rubens der größte Meister dieses
Stils; er verstand sich darauf, den höchsten Aufwand von Glanz und
Pracht zu entfalten, aber die Größe seiner Meisterschaft ließ dabei
niemals den Eindruck betäubender Überladung aufkommen. Wie glänzend
das Innere der Jesuitenkirche zu Antwerpen ausgesehen hat, deren
Architektur mit Marmor und Vergoldung die prächtige Umrahmung der
farbenreichen Gemälde bildete, davon können wir uns nach mehreren
Abbildungen eine wenn auch nur unvollkommene Vorstellung machen;
das Belvedere zu Wien besitzt zwei dieser Abbildungen, die eine von
Sebastian Vrancx, der gleich Rubens ein Schüler des Adam van Noort
war, die andere, gemalt im Jahre 1665, von Anton Gheringh; eine zwei
Jahre früher von diesem gewandten Architekturmaler aufgenommene
Innenansicht der Kirche befindet sich in der Münchener Pinakothek.
Im Jahre 1718 wurde die Jesuitenkirche zu Antwerpen infolge eines
Blitzschlages ein Raub der Flammen. Das Gebäude selbst konnte in
der früheren Gestalt wiederhergestellt werden -- es wurde freilich
nicht unerheblich vereinfacht --, die Deckenmalereien aber blieben
verloren. Von den 36 Gemälden, welche die Decken der Seitenschiffe
und der über diesen befindlichen Emporen schmückten, sind Zeichnungen
von Jacob de Wit (im Museum Plantin-Moretus zu Antwerpen) und
Kupferstichnachbildungen vorhanden; von den drei übrigen, die sich
in der Eingangshalle befanden, ist nur eins durch einen Kupferstich
bekannt. Das vergoldete Tonnengewölbe des Mittelschiffes war durch
Stuckleisten in verschiedengestaltige Felder geteilt, welche durch
Einzelfiguren ausgefüllt wurden; in dem mittelsten Felde umschwebten
Kinderengel den in einem Strahlenkranze leuchtenden Namenszug Marias.
Von dieser Einteilung und Ausschmückung des Mittelgewölbes ist der
gezeichnete Entwurf erhalten geblieben; derselbe befindet sich, wie
die Mehrzahl der Rubensschen Handzeichnungen, zu Wien in der Albertina
(Abb. 49). Glücklicherweise gelang es bei dem Brande, die drei großen
Altargemälde zu retten, welche Rubens fast ganz eigenhändig gemalt
hatte. Dieselben wurden von der Kaiserin Maria Theresia angekauft und
befinden sich im Hofmuseum zu Wien. Die beiden Hauptaltarbilder sind
von gewaltigem Umfang; sie behandeln in zahlreichen überlebensgroßen
Figuren Gegenstände aus der modernen Heiligengeschichte. Das eine
zeigt den Stifter des Jesuitenordens, Ignatius von Loyola, wie er,
in Meßgewändern am Altar stehend -- ihm zur Seite eine ernste Reihe
schwarzgekleideter Brüder der Gesellschaft Jesu, zu seinen Häupten im
Lichtglanz eine Schar von Kinderengeln --, durch sein Gebet eine Anzahl
von Besessenen, die man an die Stufen des Altars gebracht hat, von
den bösen Geistern befreit. Das andere stellt des Ignatius Studien-
und Gesinnungsgenossen, den der Orden mit zu seinen Begründern zählen
durfte, Franziskus Xaverius dar, wie er, in Indien das Christentum
predigend, zum Beweise von der Macht des Christengottes vor dem
staunenden Volk Tote zum Leben erweckt; in der Höhe erscheint auf
Wolken die Gestalt des katholischen Glaubens, Engel tragen vor ihr
das Kreuz des Heilands, und vor den himmlischen Lichtstrahlen, die
von dieser Gruppe ausgehen, stürzt in der Vorhalle des Tempels das
Götzenbild zusammen. Rubens’ gewaltige Phantasie hat aus den gegebenen
Stoffen, die einem anderen vielleicht nur wenig künstlerische Anregung
geboten hätten, großartige Meisterwerke geschaffen, die im Aufbau
des Ganzen und im Ausdruck des Einzelnen, in der Farbe und in der
Lichtwirkung zweifellos zu dem Allervorzüglichsten gehören, was er
überhaupt hervorgebracht hat. Franziskus Xaverius wurde im Jahre
1619, Ignatius von Loyola 1622 heilig gesprochen; hiernach kann man
annehmen, daß Rubens das Franziskusbild sofort nach dem Bekanntwerden
jenes ersteren Ereignisses für den Hochaltar der Jesuitenkirche
malte, und daß erst drei Jahre später das Ignatiusbild, welches auf
den erwähnten Abbildungen der Kirche über dem Hochaltar zu sehen
ist, statt dessen an diese Stelle trat. Das dritte der im Belvedere
befindlichen Gemälde aus der Antwerpener Jesuitenkirche stammt von
einem Seitenaltar derselben und stellt die Himmelfahrt Marias vor. Von
Licht umflutet und von einem Kranz von Engeln umgeben, schwebt die
Jungfrau voll freudigen Verlangens auf den Wolken empor, während unten
die versammelten Apostel und heiligen Frauen zum Teil ihre Blicke in
das leere Grab versenken, zum Teil andächtig und begeistert aufwärts
schauen. Von einer ganzen Anzahl von Darstellungen der Himmelfahrt
Marias, welche Rubens früher, zu derselben Zeit und später malte, hat
er selbst diejenige, welche er für die Antwerpener Jesuiten ausführte,
für die bestgelungene erklärt. Die Liechtensteinsche Sammlung zu Wien
besitzt ein großes Gemälde dieses Inhalts, dessen Herkunft unbekannt
ist. Ein vorzüglich schönes, nach welchem Paul Pontius einen im
Jahre 1624 vollendeten Kupferstich anfertigte, befindet sich in der
Akademie zu Düsseldorf. Als im Jahre 1805 die von den pfälzischen
Kurfürsten angelegte berühmte Düsseldorfer Gemäldesammlung vor den
Franzosen nach München geflüchtet wurde, blieb dieses Bild zurück,
da die gewaltige Eichenholztafel, auf welche es gemalt war, bei
den damaligen Verkehrsmitteln nicht mit der durch die Verhältnisse
gebotenen Schnelligkeit fortgeschafft werden konnte; es wurde, damit
kein weiterer Zeitverlust die Rettung der übrigen Kunstwerke gefährde,
unverpackt auf offenem Markt zurückgelassen; doch entging es eben
wegen seiner Schwere auch dem Geschick, nach Paris entführt zu werden,
-- glücklicher als das Himmelfahrtsbild der kaiserlichen Sammlung zu
Wien, welches der französische Kommissar Denon in drei Stücke zersägen
ließ, um es fortschaffen zu können. Nächst diesem Gemälde im Hofmuseum
-- das 1815 nach sechsjähriger Abwesenheit nach Wien zurückgebracht
wurde -- ist von den inhaltsgleichen Schöpfungen des Meisters diejenige
die berühmteste, welche den Hochaltar der Kathedrale von Antwerpen
schmückt. Mit der Anfertigung dieses Altarbildes wurde Rubens im Jahre
1619 beauftragt; doch verzögerte sich die Ausführung, so daß es erst im
Mai 1626 zur Aufstellung kam. Es wird berichtet, daß das gleichfalls
sehr große Bild in sechzehn Tagen gemalt worden sei; doch ist damit
wohl nur die Zeit gemeint, welche der Meister selbst darauf verwendete,
-- die Mitwirkung von Schülern, deren Arbeitstage schwerlich gezählt
wurden, ist unverkennbar.

[Illustration: Abb. 52. +Bildnis eines Feldherrn+, Vorlage für
Kupferstich. Handzeichnung in der Galerie zu Weimar. (Nach einer
Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach
i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 53. +Turnier vor einem Schloß.+ In der Galerie des
Louvre. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie.
Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 54. +Bildnis des Barons Heinrich von Wicq.+ Im
Louvre zu Paris. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun,
Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Durch Sir Dudley Carleton vermutlich wurde Rubens mit einem Manne
bekannt, der als „der große Mäcenas aller schönen Künste und der
schrankenlose Sammler von Altertümern“ bei Mit- und Nachwelt berühmt
war. Thomas Howard, Graf von Arundel und Surrey. Diesen Kunstfreund
nebst seiner Gemahlin porträtierte der Meister im Jahre 1620 in einem
reichen Gemälde, welches sich jetzt in der Münchener Pinakothek
befindet. Eigentlich möchte man dieses Gruppenbild als das Bildnis
der Gräfin Arundel mit ihrer Umgebung bezeichnen. In einer offenen
Halle von gewundenen Marmorsäulen, deren Boden ein farbenprächtiger
Teppich bedeckt und wo an einem schweren Vorhang das Wappen des
Hauses in reicher Stickerei prangt, sitzt die Gräfin, in schwarze
Seide gekleidet; sie streichelt mit der Rechten einen mächtig großen
Hatzhund, der schmeichelnd seinen Kopf auf ihren Schoß legt, und zu
ihrer Linken steht ein kleiner Page in roter, goldgestickter Kleidung,
mit einem Falken auf der Faust; daß die Dame eine große Jagdfreundin
war, ist hiermit wohl deutlich genug gesagt; auch die fürstliche
Liebhaberei eines Hofnarren konnte sie sich gestatten: neben dem Hunde
steht der Zwerg und Spaßmacher in grün und gelber Tracht; hinter dem
Stuhl der Herrin aber steht der Graf Arundel selbst (Abb. 50).

[Illustration: Abb. 55. +Maria von Medici.+ Im Museum des Prado zu
Madrid.]

Mit dem Jahre 1620 lief der Waffenstillstand ab, während dessen die
Niederlande die Segnungen des Friedens ungestört genossen hatten;
in Deutschland war der Religionskrieg schon entbrannt, und die
erste Schlacht ward zu Gunsten des Kaisers und der Katholischen
entschieden. Die Welt verlangte das Bild des Siegers vom Weißen
Berge kennen zu lernen, und Rubens war es, der dasselbe für die
Kupferstichvervielfältigung malte. Wir sehen den Grafen Boucquoy im
Harnisch, mit Schärpe und Feldherrnstab, in einem Kranz von Lorbeer und
Eichenlaub, um den eine Fülle von allegorischen Gestalten den weiteren
Rahmen bildet; da liegen Städte und Flüsse gefesselt und niedergeworfen
neben dem Siegesaltar, ruhend steht die geflügelte Siegesgöttin mit
der Trophäe, Herkules mit seiner Keule -- das Sinnbild der Kraft --
tritt die Hydra und die Meduse nieder, Engel, welche den Meßkelch und
das päpstliche Doppelkreuz als Wahrzeichen des katholischen Glaubens
halten, bekränzen den kaiserlichen Adler, dem Genien des Krieges
und des Sieges die Palme und die Weltkugel darreichen (Abb. 51).
Während Rubens diese Kupferstichvorlage, die sich in der Ermitage zu
Petersburg befindet, sehr sorgfältig grau in grau gemalt hat, genügte
ihm in anderen Fällen für solchen Zweck eine Zeichnung, allenfalls
etwas mit Tusche angelegt; ein Beispiel ist das geistreich ausgeführte
Blatt in der Sammlung zu Weimar, welches einen Kriegsmann darstellt,
dessen Namen wir wohl gleichfalls unter denjenigen der Helden des
dreißigjährigen Krieges zu suchen haben (Abb. 52).

Im Jahre 1621 starb Erzherzog Albrecht. Unter den Bildnissen, welche
Rubens’ Meisterhand von diesem seinem Landesherrn hinterlassen hat,
sei das stolze Reiterbild in der Sammlung der Königin von England zu
Windsor -- eine Zeichnung dazu in der Louvresammlung -- noch besonders
erwähnt. Es scheint, daß Rubens damit beschäftigt war, eine Folge von
Ahnenbildern für seinen Fürsten zu malen, als dessen Tod diese Arbeit
unterbrach. Wenigstens erklärt sich so am leichtesten das Vorhandensein
der in Rubens’ Nachlaß gefundenen, jetzt im Hofmuseum zu Wien
befindlichen überlebensgroßen Bildnisse Karls des Kühnen und Kaiser
Maximilians I. Der Beschäftigung mit der Geschichte der Vorfahren
des Erzherzogs verdankte auch ein Gemälde (im Museum zu Madrid) sein
Entstehen, welches die mittelalterliche Erzählung von Rudolf von
Habsburg und dem Priester behandelt, die durch Schillers Ballade
unsterblich gemacht worden ist. Nicht ohne einen Anflug von Laune hat
Rubens den Vorgang aufgefaßt, wie der des Reitens unkundige Priester
auf dem mutigen Jagdroß des Grafen den Wildbach durchschreitet. Dieses
Bild ist wegen seines Gegenstandes merkwürdig; denn im allgemeinen
lag jener Zeit die Beschäftigung mit dem Mittelalter sehr fern. Aber
Rubens, der auf allen Gebieten zu Hause war, hat auch einmal ein großes
Turnier gemalt; das Museum des Louvre besitzt dieses durch den hohen
Reiz der Landschaft, in welcher das mittelalterliche Schloß mit seinem
Wartturm sich erhebt, ausgezeichnete Werk (Abb. 53). Die kaiserliche
Sammlung in Wien besitzt zwei überaus sorgfältig ausgeführte Gemälde,
welche ihre Vorwürfe aus Ariostos Rasendem Roland und aus Boccaccios
Decamerone schöpfen. Rubens’ Vielseitigkeit war eben unbeschränkt.
Zu dem Überraschendsten gehört in dieser Hinsicht eine Skizze in der
fürstlich Liechtensteinschen Sammlung, welche den Maler der ungestümen
Kraft und der Üppigkeit von einer fast sentimentalen Seite zeigt:
eine mit verhülltem Antlitz auf einem Schlachtfeld sitzende trauernde
Frauengestalt.

Rubens selbst hat sich darüber ausgesprochen, daß ein Auftrag ihm um
so mehr Freude mache, je abwechselungsreicher er sei; vor allem aber
legte er jetzt Wert darauf, sich in möglichst großem Maßstabe bewegen
zu können. Es handelte sich um Bilder, welche der Prinz von Wales von
ihm zu haben wünschte. In einem Brief, welchen der Meister hierüber an
den englischen Geschäftsträger in Brüssel, William Trumbull, am 13.
September 1621 schrieb, sagt er: „Ich wünschte, daß jene Malerei für
die Galerie Sr. K. H. des Prinzen von Wales von größeren Verhältnissen
wäre, da der Umfang des Bildes uns viel mehr Mut giebt, um gut und der
Wahrscheinlichkeit gemäß unseren Gedanken auszudrücken... Ich gestehe,
durch natürliche Anlage mehr geeignet zu sein, sehr große Werke zu
machen, als kleine Merkwürdigkeiten. Ein jeder hat seine Gabe; meine
Begabung ist die, daß niemals eine Aufgabe, möchte sie auch noch so
maßlos in Bezug auf Menge und Verschiedenartigkeit der Darstellungen
sein, meine Unternehmungslust überstiegen hat.“

[Illustration: Abb. 56. +Maria von Medici wird durch Prokuration
getraut.+ Skizze zu dem Gemälde der Medici-Galerie im Louvre, in
der kgl. Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz
Hanfstängl zu München.]

Eben im Jahre 1621 wurde ihm ein Auftrag geboten, der an Menge und
Verschiedenartigkeit der Darstellungen, wie auch hinsichtlich der Größe
der Verhältnisse nichts zu wünschen übrig ließ. Maria von Medici, die
Witwe König Heinrichs IV von Frankreich, war, nachdem sie sich mit
ihrem Sohne Ludwig XIII versöhnt hatte, nach Paris zurückgekehrt;
sie bezog das neuerbaute Palais des Luxembourg und beabsichtigte hier
eine große Galerie mit Gemälden zu schmücken, welche ihr eignes Leben
schildern sollten. Für diese Aufgabe ward Rubens ausersehen. Vermittler
waren der belgische Gesandte in Paris, Baron von Wicq, von welchem
Rubens ein treffliches Bildnis hinterlassen hat (im Louvre, Abb. 54)
und der Abbé Claude Magis von St. Ambroise. Für diesen letzteren Herrn
hat Rubens vielleicht das prächtige Gemälde angefertigt, welches den
h. Ambrosius darstellt, wie er zu Mailand dem Kaiser Theodosius den
Eintritt in die Kirche verweigert; die Herkunft dieses Bildes, welches
jetzt im Rubenssaal des kunsthistorischen Hofmuseums zu Wien neben den
großen Altargemälden aus Antwerpen prangt, ist gänzlich unbekannt;
aber es ist zweifellos um 1621 entstanden, und die Wahl jenes Heiligen
scheint auf den genannten Abbé hinzudeuten, dem Rubens sicherlich
sehr dankbar war für die Verschaffung eines so großen Auftrages nach
seinem Herzen. Dem Baron von Wicq bezeigte er seinen Dank durch das
Geschenk eines Madonnenbildes. Anfang 1622 befand sich Rubens in
Paris, um die Sache mit der Königin zu besprechen. Wahrscheinlich
malte er bei dieser Gelegenheit das schöne Bildnis derselben, welches
sich jetzt im Museum zu Madrid befindet (Abb. 55). Drei Jahre später
wurden die Bilder aus ihrem Leben, welche der Meister bis auf zwei
in Antwerpen unter Mitwirkung von Schülern malte, an ihrem Platze
aufgestellt; die beiden letzten führte er ganz eigenhändig an Ort und
Stelle aus, fast in beständiger Gesellschaft der Königin, welche
Gefallen daran fand, dem berühmten Mann bei der Arbeit zuzusehen und
sich mit ihm zu unterhalten. Der Inhalt der Gemälde ist folgender:
1) die Schicksalsgöttinnen bestimmen den Lebenslauf der toskanischen
Fürstentochter; 2) die Geburt der Maria von Medici; 3) ihre Erziehung;
4) Heinrich IV erblickt ihr Bild und beschließt, sich mit ihr zu
vermählen; 5) die Trauung durch Prokuration (Abb. 56); 6) die Landung
in Frankreich; 7) die Hochzeit; 8) die Geburt Ludwigs XIII; 9) der
Aufbruch Heinrichs IV in den deutschen Krieg; 10) Maria empfängt die
Königskrone; 11) Apotheose des ermordeten Königs; 12) die Regierung der
Königin; 13) ihre kriegerische Reise nach Pont de Cé (Abb. 57); 14) der
Austausch der zwei Bräute (der spanischen Infantin Anna von Österreich
und der französischen Prinzessin Elisabeth); 15) die Segnungen der
Regentschaft Marias; 16) sie übergiebt die Regierung ihrem Sohne Ludwig
XIII; 17) sie zieht sich nach Blois zurück; 18) sie entschließt sich,
dem Zwist mit ihrem Sohne auf friedlichem Wege ein Ende zu machen; 19)
der Friedensschluß (Abb. 58); 20) die Versöhnung zwischen Maria und
Ludwig XIII; 21) die Zeit enthüllt die Wahrheit. -- Als die Bilderreihe
vollendet war -- im Sommer 1625 --, fand die Bewunderung keine Grenzen.
Heute befinden die Gemälde sich nicht mehr im Luxembourg-Palast,
sondern im Museum des Louvre; die Skizzen zu denselben, mit Ausnahme
von dreien, besitzt die Münchener Pinakothek. Wenn heutzutage häufig
ein tadelndes Urteil über dieses große Hauptwerk des Meisters
ausgesprochen wird, weil in demselben Wirkliches und Unwirkliches,
Geschichtliches, Mythologisches und Sinnbildliches, Christliches und
Heidnisches bunt durcheinander gemengt erscheint, so ist das ein
großes Unrecht. In jener Zeit wäre es gar nicht denkbar gewesen, daß
das Leben einer Königin anders, als mit allegorischer Umkleidung und
mit dem Aufgebot aller Götter und Göttinnen des Olymps künstlerisch
verherrlicht würde. Eine realistische Auffassung, wie sie unserer Zeit
vielleicht als die einzig berechtigte erscheint, würde von jener Zeit
bedingungslos als kalt, langweilig, abgeschmackt verworfen worden sein.
Auch hätten die nüchternen Thatsachen aus dem Leben der Maria von
Medici bis zu dem Tage, wo sie sich mit ihrem Sohne wieder versöhnte,
selbst einem Rubens wohl schwerlich hinreichende Anregung gegeben, um
eine ganze lange Galerie mit lebensgroßen Gemälden in einigermaßen
erträglicher Abwechselung zu beleben.

Wenn irgendwo, so war es bei der Schaffung der Medici-Galerie dem
Meister gestattet und geboten, dem Reichtum seiner Einbildungskraft
freies Spiel zu lassen und an und für sich reizlosen Begebnissen
aus der Gegenwart dadurch ein Recht auf monumentale künstlerische
Festhaltung zu verleihen, daß er sie in olympische Höhen entrückte.
Man darf ja vielleicht zugeben, daß die ausgeklügelten Allegorien sich
hier und da allzu deutlich als das Erzeugnis kalter Verstandesarbeit
erkennen lassen: der Mehrzahl nach sind sie doch von dem warmen
Leben, das des Künstlers Schöpferkraft auch den spröderen Stoffen
einzuhauchen wußte, beseelt; wenn die Götter und Göttinnen bisweilen
kaum eine andere Rolle spielen mögen, als die von ungewöhnlich leicht
gekleideten Theaterstatisten, so entschädigen sie den Beschauer
dafür durch den malerischen Reiz ihrer gesunden, blühenden Leiber.
Als prächtige Verkörperungen des Rubensschen Frauenideals erscheinen
die Schicksalsgöttinnen, welche den Lebensfaden der Prinzessin Maria
spinnen, oder die Seejungfrauen, welche das Schiff begleiten, auf
dem die königliche Braut nach Frankreich fährt. Das Bild der Landung
in Frankreich ist übrigens, wenn wir von der allerdings viel Raum
in Anspruch nehmenden Beigabe des Meergottes und seines Gefolges
absehen, fast als eine wahrheitsgetreue Darstellung zu bezeichnen,
denn so prunkvoll war das Schiff in Wirklichkeit ausgestattet. Noch
vollständiger zeigt sich die Darstellung, wie Maria durch Prokuration
getraut wird -- der alte Erzherzog Ferdinand trat als Stellvertreter
des Königs mit ihr vor den Altar -- als ein Wirklichkeitsbild, in dem
sich ein sprechendes Bildnis an das andere reiht; hier hätte es Rubens
vom künstlerischen Standpunkt aus sicherlich nichts verschlagen, wenn
er als Schleppträger der Braut einen jungen Pagen hingemalt hätte, aber
dem Sinne der Zeit entsprach es besser, daß ein nackter Liebesgott
dieses Amt übernimmt (Abb. 56). Meistens verschwinden die wirklichen
Hauptpersonen fast hinter den mythologischen und sinnbildlichen
Gestalten, oder sie treten auch wohl selbst in der Rolle -- oder man
könnte besser sagen in der Verkleidung -- von Göttern auf, wie in dem
Bilde, welches die Hochzeit darstellt, und welches das Königspaar als
Jupiter und Juno im Olymp thronend zeigt, während eine Stadtgöttin
auf einem mit Löwen bespannten Wagen den irdischen Schauplatz des
Vorgangs, die Stadt Lyon, andeutet. Wenn wir sehen, wie der Tod
Heinrichs IV dadurch verbildlicht wird, daß der König auf einem Adler
zu den olympischen Höhen reitet, so brauchen wir uns nicht darüber zu
verwundern, daß Maria von Medici in dem Gemälde, welches ihre Reise
nach Pont de Cé darstellt, als eine Art von Minerva zu Rosse sitzt
(Abb. 57). Zu dem Helm der Göttin paßt auf dem letztgenannten Bilde
das idealisierte Gesicht. Sonst aber erscheint die Königin überall
durchaus bildnismäßig, vom schmeichelnden Reiz der Jugend umkleidet
in den Darstellungen aus ihrer früheren Lebenszeit, und als gereifte
Frau in denjenigen aus den letztvergangenen Jahren. Mitunter verleiht
gerade diese realistische Erscheinung des einen Kopfes demselben ein
Übergewicht über die umgebenden Idealgestalten, welches keinen Zweifel
darüber läßt, daß dieses die Hauptperson ist, mögen jene anderen auch
noch so viel Raum beanspruchen; so bei dem Bilde des Friedensschlusses,
wo die Königin, von Gottheiten, gegen welche die Unholde des Neides,
des Hasses und der Zwietracht vergeblich anstürmen, geleitet, den
Friedenstempel betritt (Abb. 58). Vieles ist, wie es bei Allegorien
stets nahe liegt, recht äußerlich aufgefaßt; andererseits aber fehlt
es auch nicht an Zügen, welche von tiefer Beobachtung des Seelenlebens
eingegeben sind; wie der König zum erstenmal das Bild seiner Braut
betrachtet, wie die Königin mit Mutterlust sich in den Anblick ihres
Neugeborenen vertieft, und wie sie bei der Aussöhnung mit ihrem Sohne
mit verweinten Augen lächelt, das sind solche Züge feiner Beobachtung
und wirklicher Empfindung. Das ganze Werk ist ein Gedanke so recht aus
dem Geiste jener Zeit und eine Schöpfung, in welcher die Kunst des
Malerfürsten jener Zeit sich aufs glänzendste bethätigt hat. Welches
Maß von Befriedigung Maria von Medici über Rubens’ Schöpfung empfand,
mag man daraus entnehmen, daß sie bei ihm nach Schluß der Arbeit zur
weiteren Ausschmückung der Galerie noch vier Bildnisse bestellte,
von denen das eine sie selbst im Gewande einer Minerva, zwei ihre
Eltern, den Großherzog und die Großherzogin von Toskana, das vierte
aber den Künstler vorstellen sollte. -- Beiläufig mag noch die hübsche
Anekdote Erwähnung finden, daß die Königin einmal im Beisein Rubens’
ihren ganzen weiblichen Hofstaat um sich versammelte, lediglich zu dem
Zweck, von dem Maler später ein Urteil über die Schönheit ihrer Damen
zu hören; es wird auch der Name der Frau überliefert, welche in den
Augen des großen Kenners den Preis der Schönheit davon trug; es war die
Herzogin von Guéménée. -- Die Königin hätte den gefeierten Künstler
gern an Paris gefesselt. Aber Rubens war, wie er im Mai 1625 an einen
Freund schrieb, „dieses Hofes müde“; zudem verstimmte es ihn, daß die
Königin mit der Bezahlung für das große Unternehmen zögerte und daß sie
keine Miene machte, ihn für die wiederholten Reisen nach Paris und für
den kostspieligen Aufenthalt daselbst zu entschädigen. So kehrte er
denn bald nach Vollendung der Galerie nach Antwerpen zurück.

Es ist ein nach Paris gerichteter Brief von Rubens vorhanden -- ohne
Datum, und man weiß daher nicht, ob er sich auf die erste Reise nach
Paris bezieht oder auf diejenige, welche der Meister zur Vollendung
der Bilder unternahm, oder aber auf einen zwischendurch im Sommer 1623
dort genommenen Aufenthalt --, worin er bittet, man möge im voraus
die Schwestern Capaio und deren Nichte Louise für ihn in Bereitschaft
halten, damit er nach ihnen lebensgroße Studien zu den Seejungfrauen
malen könne, welche das Schiff der Königin bei dem Bilde der Landung
in Frankreich begleiten. Er fände nicht leicht irgendwo anders so
prächtiges schwarzes Haar, fügt er hinzu; bei der Ausführung indessen
hat er doch wieder sein geliebtes Blond jenem prächtigen Schwarz
vorgezogen. Es berührt uns beinah befremdlich, daß ein Meister, der mit
einer so umfassenden Kenntnis die Welt der Formen beherrschte und der
sicherlich fast alles aus dem Kopfe malte, es überhaupt noch für nötig
erachtete, sich um Modelle zu bemühen. Aber unter den Handzeichnungen,
welche die verschiedenen Sammlungen, namentlich die Albertina, von ihm
aufbewahren, befindet sich manches hübsche Blatt, welches beweist,
daß er die Formen der Wirklichkeit gelegentlich durch fleißiges und
sorgfältiges Nachzeichnen studierte (Abb. 59); am zahlreichsten sind
unter den Studienblättern die Köpfe (Abb. 61 u. 62). Auch eine Anzahl
von Bildnisköpfen befindet sich unter den aufbewahrten Handzeichnungen
des Meisters; dieselben sind zum Teil wohl Vorzeichnungen für
Bildnisse, die er zu malen beabsichtigte, ohne von der betreffenden
Persönlichkeit eine lange Sitzung zu verlangen; zum Teil mag er sie
auch wohl nur für sich selbst zur Erinnerung an jene Personen in sein
Skizzenbuch eingetragen haben. Als Beispiele mögen der Kopf einer
jungen Hofdame der Erzherzogin Isabella, aus Rubens’ früherer Zeit, und
der Kopf eines französischen Marquis -- der beigeschriebene Name ist
unleserlich --, aus der Zeit des längeren Aufenthaltes in Paris, dienen
(Abb. 63 und 64). Das Gemälde, zu welchem die erstere dieser beiden
Zeichnungen gedient hat, befindet sich in der Ermitage zu Petersburg;
es bekundet, obgleich es unfertig als Untermalung stehen geblieben
ist, auf das sprechendste, welche Steigerung an Reiz und Leben der
große Meister der Farbe erreichte, sobald er den Stift mit dem Pinsel
vertauschte (Abb. 65).

[Illustration: Abb. 57. +Der Ritt nach Pont de Cé.+ Skizze zu dem
Gemälde der Medici-Galerie im Louvre, in der kgl. Pinakothek zu
München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

[Illustration: Abb. 58. +Der Friedensschluß.+ Skizze zu dem Gemälde der
Medici-Galerie im Louvre, in der kgl. Pinakothek zu München. Nach einer
Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

Die Bildnismalerei war für Rubens zu allen Zeiten das vorzüglichste
Mittel, sich an der ungetrübten Quelle der Natur zu erfrischen.
Bei anspruchsloseren Aufgaben dieser Art legte er sozusagen sein
überschäumendes Genie beiseite, und mit derselben künstlerischen
Lust, mit welcher er sonst seiner schrankenlosen Einbildungskraft die
Zügel schießen ließ, gab er sich einem einfachen und aufrichtigen
Realismus hin. Aus allen Zeiten seiner Künstlerlaufbahn sind Bildnisse
von Persönlichkeiten vorhanden, deren Namen vergessen sind, die
eben nur als Bildnisse noch leben; und gerade in diesen Werken
hat Rubens uns bewiesen, wie treu und ehrlich er, wenn er wollte,
die Wirklichkeit, wie sie sich ihm bot, ohne jeden Nebengedanken
nachzubilden vermochte (Abb. 66-69, 72). Einige Frauenbildnisse, bei
denen die Namen der Urbilder bekannt sind, besitzen von jeher einen
besonderen Ruhm. Da ist im Museum zu Brüssel Jakelyne de Caestre, die
bleiche Gattin eines derben Landedelmannes (gemalt im Jahre 1618);
im Museum des Louvre eine junge Dame aus der Familie Boonen, die mit
ihren unergründlichen dunklen Augen den Beschauer festhält (Abb. 60);
in der Londoner National-Galerie zeigt das hochgefeierte Bildnis aus
des Meisters späterer Zeit, welches unter dem Namen „~le chapeau de
paille~“ -- mißverstanden aus ~chapeau de poil~ -- bekannt ist, unter
dem Schatten eines breitkrämpigen schwarzen Filzhuts die feinen Züge
und die glühenden Augen eines Fräulein Lunden aus Antwerpen, welches
die geschäftige Sage zu einer Geliebten des Meisters stempeln will.
-- Von sehr kunstverständiger Seite ist die Behauptung ausgesprochen
worden, die Bildnismalerei sei die schwächste Seite von Rubens’ Kunst;
es wird dem Meister zum Vorwurf gemacht, daß er nur das Äußere der
von ihm abgemalten Personen aufgefaßt habe, daß seine Bildnisse
-- gleichwie die Photographie -- nur das Zufällige der gerade im
Augenblick des Sitzens sich darbietenden Erscheinung wiedergeben,
ohne in das innere Wesen des Menschen einzudringen, daß ihnen somit
dasjenige fehle, wodurch ein Bildnis erst zum Kunstwerk wird. Das mag
bei manchen Rubensschen Porträts zutreffen, in allgemeiner Fassung
aber ist ein solches Urteil sicherlich unbegründet. Man braucht nur
-- um unter vielen Beispielen eins herauszugreifen -- das etwa um das
Jahr 1624 entstandene Bildnis von Rubens’ gelehrtem Freund ~Dr.~ van
Thulden, in der Münchener Pinakothek, anzusehen, um sich zu überzeugen,
daß der Meister es sehr wohl verstand, einen ganzen Menschen mit
Leib und Seele im Bilde der Nachwelt zu überliefern (Abb. 73). Unter
den Bildnissen geschichtlicher Persönlichkeiten ist aus der Zeit von
1621-1625 dasjenige des großen spanischen Feldherrn Ambrosius Spinola
zu nennen. Spinola war mit Rubens persönlich befreundet, obgleich er,
wie der letztere einmal einem Bekannten schrieb, in Kunstsachen „nicht
mehr Geschmack und Verständnis als ein gewöhnlicher Bedienter“ zeigte.
Das Bild des Marquis Spinola befindet sich in der Gemäldesammlung zu
Braunschweig, die außerdem von der Hand des Meisters das treffliche
Bild eines Unbekannten und eine aus seiner Jugendzeit stammende Judith
mit dem Haupt des Holofernes besitzt.

Die Gemäldegalerie zu Kassel enthält ein sehr auffallendes prächtiges
Bildnis in ganzer Figur, gegen das Jahr 1624 ganz eigenhändig von
Rubens gemalt. Es ist ein breitbeinig dastehender, beleibter Mann mit
gewöhnlichen Zügen und groben Händen, in reicher morgenländischer
Kleidung (Abb. 74); sicherlich kein Türke, sondern vielmehr ein in der
Levante ansässiger christlicher Handelsmann, der das Bild für seine
Angehörigen in der Heimat malen lassen mochte. Woher der Mann kam,
darüber enthält das Gemälde selbst eine Andeutung, indem an dem Griff
eines im Hintergrunde lehnenden Palmenwedels das aus der Zeit der
sogenannten lateinischen Herrschaft stammende christliche Stadtwappen
von Konstantinopel (auf der kleinen Abbildung nicht mehr sichtbar)
angebracht ist.

[Illustration: Abb. 59. +Aktstudie.+ Handzeichnung in der Albertina zu
Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie.
Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 60. +Bildnis einer Dame aus der Familie Boonen.+
Im Louvre zu Paris. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun,
Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Rubens hat die stattliche fremdartige Erscheinung dieses Mannes
verwertet, indem er dieselbe zu der Gestalt des Mohrenkönigs
benutzte in einem für die Abtei St. Michael gemalten Altarbild, welches
die Anbetung der drei Weisen darstellt. Dieses jetzt im Museum zu
Antwerpen befindliche Gemälde, welches der Meister im Jahre 1624 in
dreizehn Tagen gemalt haben soll -- bei einer Breite von ungefähr 3
und einer Höhe von 5 Meter -- mag hinter manchen unter den zahlreichen
Darstellungen des nämlichen Gegenstandes, welche Rubens geschaffen
hat, in Bezug auf die Gesamtanordnung sowie auf Schönheit und Ausdruck
des Einzelnen zurücktreten: unübertroffen bleibt es hinsichtlich des
fesselnden Reizes eines geheimnisvollen Farbenzaubers.

[Illustration: Abb. 61. +Studienkopf.+ Handzeichnug in der Albertina zu
Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie.
Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Die Zeit von 1620 bis 1625 ist vielleicht der glänzendste und
fruchtbarste Abschnitt in Rubens’ thatenreicher Künstlerlaufbahn.
Neben der Fülle von Arbeit, welche die beiden großen Unternehmungen,
die Ausmalung der Jesuitenkirche zu Antwerpen und die Anfertigung
der Medici-Galerie, ihm boten, und neben den sonstigen größeren und
kleineren Aufträgen, blieb dem unermüdlichen Meister immer noch Zeit,
Bilder nach freier Wahl zu malen. Von den Gemälden mythologischen
Inhaltes -- den Parisurteilen, Entführungen, Venus- und Grazienbildern,
Dianen und Satyrn und was sonst noch ihr Gegenstand sein mag --
scheint eine ganze Menge dieser Zeit anzugehören. Daß Rubens, wenn er
sozusagen zu seiner Erholung malte, mit Vorliebe Stoffe aus der antiken
Göttersage wählte, ist leicht erklärlich, indem er hier am meisten
Gelegenheit fand, Fleisch zu malen. Doch gab ihm gelegentlich auch
die Geschichte des Altertums Stoffe, die ihn anregten. So finden wir
in Paris eine Darstellung der Scythenkönigin Tomyris, die das Haupt
des Cyrus in Blut tauchen läßt, ein farbenprächtiges Gemälde, das an
seinem Ehrenplatz im Salon ~carré~ des Louvre mit dem daneben hängenden
Meisterwerk des Paul Veronese, die Hochzeit zu Kana, erfolgreich
wetteifert; in München einen Tod des Seneca, ein dem Gegenstand
entsprechend düster gestimmtes Bild; in der Sammlung der Königin von
England im Buckingham-Palast einen im Kreise seiner Schüler lehrenden
Pythagoras. -- Ein Gebiet, auf dem er sich in jüngeren Jahren nicht
versucht zu haben scheint, betrat Rubens, indem er Bilder malte, bei
denen die Landschaft die Hauptsache, die Figuren nur Staffage waren.
In einem Verzeichnis aus dem Jahre 1625 finden sich zum erstenmal
derartige Werke erwähnt, darunter zwei, welche gegenwärtig die
königliche Sammlung zu Windsor besitzt. Das eine derselben stellt den
Winter vor; die weite Flur ist mit Schnee bedeckt, im Vordergrunde
haben sich arme Leute unter einem Schutzdach um ein Feuer versammelt;
das dunkle Holz der Hütte und der weiße Schnee, der rote Feuerschein
und das kalte Licht des Wintertages bilden die wirkungsvollen
Gegensätze, aus denen der Meister ein sprechendes Stimmungsbild gewirkt
hat. Das andere führt uns einen sonnigen Sommertag vor Augen; die in
eine weite Ferne hinein sich vertiefende Landschaft ist im Vordergrunde
von vielen Figuren belebt, Bauersleuten, die mit Reittieren und
Karren zu Markte ziehen. Die beiden meisterlichen Gemälde gehören
zu einer Folge der vier Jahreszeiten; das gleich vortreffliche Bild
des Herbstes, eine groß gedachte Morgenstimmung, befindet sich in
der Nationalgalerie zu London, dasjenige des Frühlings wird in einer
Londoner Privatsammlung bewahrt.

[Illustration: Abb. 62. +Studienköpfe.+ Handzeichnung in der Albertina
zu Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Mit der Jahreszahl 1625 bezeichnet ist ein kostbares Gemälde im
Louvre, welches den Auszug Loths aus Sodom darstellt. Von dem
Hintergrunde dunkelgrauer, gelb durchleuchteter Wolken, von denen
aus Dämonen das Feuer in die Stadt schleudern, hebt sich in echt
Rubensscher Farbenfülle der Zug der Flüchtlinge ab, die eben das
Stadtthor verlassen; voran, von einem Engel, der zur Eile aufzufordern
scheint, geleitet, der mit schwerem Entschlusse vorwärtsschreitende
Patriarch, hinter ihm seine jammernde Frau, halb geschoben von einem
braun-lockigen Engel, dessen jugendliche Anmut zu den furchigen Zügen
der Alten in wirkungsvollem Gegensatze steht, zuletzt die beiden
Töchter, von denen die eine einen beladenen Esel am Zügel führt,
während die andere, eine blühend schöne Gestalt, einen Korb mit
Früchten auf dem Kopfe trägt. Ein mit gleicher Sorgfalt ausgeführtes
Gemälde in der Ermitage zu Petersburg, die Verstoßung Hagars durch
Abraham, wird als das Gegenstück zu diesem Bilde angesehen. -- Um
dieselbe Zeit scheint das schöne, wirkungsvolle Gemälde des Berliner
Museums: die Auferweckung des Lazarus, entstanden zu sein. -- Auch das
noch an seinem ursprünglichen Platz in einer Kapelle der Kathedrale St.
Bavo zu Gent befindliche Altargemälde gehört wahrscheinlich der Zeit
kurz vor oder nach der Vollendung der Medici-Galerie an. Es besteht
aus zwei Bildern übereinander. In dem oberen Abschnitt sehen wir den
heiligen Bavo, der aus dem Kriegerstand zum Mönchsleben überging, wie
er in voller Rüstung an der Kirchenpforte knieend von einem Priester
empfangen wird. In der Hauptdarstellung unten ist geschildert, wie der
Heilige all seine reiche Habe unter die Armen verteilt; schöne Frauen,
die zur Seite stehen, schicken sich an, seinem Beispiel zu folgen. Wenn
von dem Bilde gesagt wird, daß es seiner ganzen Stimmung nach mehr
geeignet sei, die Liebe zum Aufwand zu erwecken, als dem heiligen Bavo
Nachfolger zu verschaffen, so ist das bei einer Rubensschen Schöpfung
nicht zu verwundern. Wir dürfen dabei aber auch nicht vergessen, daß
die ganze vom Jesuitenorden ausgehende kirchliche Richtung jener Zeit
der Entfaltung von Prunk und glanzvoller Äußerlichkeit zugethan war.

[Illustration: Abb. 63. +Bildnis eines Marquis+ (Namen unleserlich)
+aus der Umgebung der Maria von Medici.+ Handzeichnung in der Albertina
zu Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Mit eben dem Jahre 1625, in welchem wir den Meister eine so reiche
Thätigkeit entfalten sehen, schloß für ihn die Zeit, in welcher es ihm
vergönnt war, ungestört seiner Kunst zu leben; es begann der Abschnitt
seines Lebens, in dem er, nach seinem eigenen Ausdruck, im Dienst der
Fürsten beständig den Fuß im Steigbügel hatte.

Anscheinend hatte sich Rubens im Jahre 1623 zum erstenmal auf das
Gebiet der Politik begeben. Wenigstens verhandelte er damals mit
einem Verwandten, der in Holland eine angesehene Stellung bekleidete,
über die Möglichkeit, die nördlichen Niederlande zur Erneuerung des
abgelaufenen Waffenstillstandes mit Spanien zu bewegen. In einem
Briefe des englischen Geschäftsträgers in Brüssel, William Trumbull,
vom 13. Oktober 1624 kommt eine Stelle vor, welche bekundet, daß die
maßgebenden Persönlichkeiten diesen Bemühungen des vielbegabten Mannes
volles Gewicht beimaßen: „Zuerst will ich von einer geheimen Friedens-
und Waffenstillstandsunterhandlung sprechen; geleitet durch Peter Paul
Rubens, den berühmten Maler; zwischen den vereinigten Provinzen und
denen, die jetzt unter des Königs von Spanien Botmäßigkeit stehen.
Ein Beweis, nach meiner bescheidenen Ansicht, daß, obgleich sie (die
Spanier) sich um Breda (die von den Holländern mit großer Zähigkeit
verteidigte Festung) bewerben und es schon so gut wie gewonnen ansehen,
sie des Krieges müde sind und zufrieden wären die Waffen abzulegen...
Darum ist der Marquis Spinola fest entschlossen, entweder Breda zu
gewinnen oder in den Laufgräben davor seinen Leichnam und seine Ehre
zu begraben.“ -- Selbstredend muß man annehmen, daß Rubens derartige
Verhandlungen nicht auf eigene Faust leitete, sondern daß er im
Auftrage der Infantin handelte. Es erscheint befremdlich, daß die
Fürstin den Maler mit solchen Geschäften betraute. Aber Rubens war
nicht nur als Künstler, sondern auch in vielen anderen Beziehungen
eine ungewöhnlich begabte Natur; er besaß eine ausgezeichnete Bildung,
war redegewandt und klug, aufrichtig und liebenswürdig und bei allem
gerechten Selbstbewußtsein bescheiden; er sah die Dinge von einem
großen Standpunkte aus an, und mit der ruhigen Sicherheit des Blickes
verband er eine unerschütterliche Festigkeit des Willens. So weit
sein Künstlerruhm drang, so weit stand auch seine Persönlichkeit in
Ansehen. Dieser Thatsache gab Philipp IV von Spanien Ausdruck, indem
er am 5. Juni 1624 eine Urkunde ausstellte, durch welche er Rubens --
anscheinend auf dessen Ansuchen -- für sich und seine rechtmäßigen
Nachkommen in den Adelstand erhob, „in Anbetracht des großen Ruhms,
welchen er verdient und erlangt hat durch die Vortrefflichkeit der
Malerkunst und seltene Erfahrung in derselben, wie auch durch die
Kenntnis, welche er in der Geschichte und in Sprachen hat, und andere
schöne Eigenschaften und Begabungen, welche er besitzt und welche
ihn der königlichen Gunst würdig machen“ --; das Wappen, welches
Rubens fortan sollte führen dürfen, wird in der Urkunde folgendermaßen
festgesetzt: „Quergeteilter Schild, oben Gold mit einem schwarzen
Jagdhorn und zwei fünfblätterigen Rosen mit heraustretenden goldenen
Ecken, unten blau mit einer goldenen Lilie; offener gegitterter Helm,
mit Gold und Silber verziert, und als Helmschmuck ebenfalls eine
goldene Lilie.“

[Illustration: Abb. 64. +Bildnis einer jungen Dame vom Hofe der
Infantin Isabella zu Brüssel.+ Handzeichnung in der Albertina zu Wien.
(Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl.,
in Dornach i. Els. und Paris.)]

Die Anregung, sich mehr als bloß gelegentlich und nebenbei mit den
verschlungenen Fäden der damaligen Staatskunst zu befassen, empfing
Rubens am Hofe der Maria von Medici, durch die Bekanntschaft, welche
er dort mit dem Herzog von Buckingham machte. Dieser ränkesüchtige
Günstling des jungen Königs Karl I von England, den er ebenso wie
zuvor dessen Vater Jakob I vollständig beherrschte, kam im April 1625
nach Paris, um wegen der bevorstehenden Hochzeit seines königlichen
Herrn mit der Prinzessin Marie Henriette von Frankreich die näheren
Vereinbarungen zu treffen. In seinem Gefolge befand sich ein gewisser
Gerbier, der sein Vertrauensmann war; von Beruf ursprünglich Maler,
hatte derselbe sich im Dienste des Herzogs zu einem gewandten
Vermittler diplomatischer Geschäfte ausgebildet.

[Illustration: Abb. 65. +Bildnis einer jungen Dame vom Hofe der
Infantin Isabella.+ Unfertiges Bildnis in der Ermitage zu St.
Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Alsbald nachdem Buckingham den gefeierten belgischen Maler kennen
gelernt hatte, gegen den er dauernd eine große Zuvorkommenheit
und Gefälligkeit an den Tag legte, ließ er sich von demselben
porträtieren. Rubens schuf ein stolzes Reiterbildnis; für dieses, das
sich jetzt im Palast Pitti zu Florenz befindet, und wahrscheinlich noch
ein zweites Bildnis des Herzogs empfing der Meister von diesem ein
Geschenk von Silbergeschirr im Werte von 2000 Kronen. Für sich selbst
bewahrte Rubens die Züge des Herzogs, der als schöner Mann bewundert
wurde und sich dessen sehr bewußt war, in einer lebensvoll sprechenden
Zeichnung auf, welche sich zu Wien in der Handzeichnungensammlung der
Albertina befindet (Abb. 75).

[Illustration: Abb. 66. +Männliches Bildnis.+ In der kgl.
Gemäldegalerie zu Dresden. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co.,
Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Während Rubens damit beschäftigt war, den Herzog von Buckingham zu
malen, trat er in Unterhandlungen mit Gerbier und machte demselben
Vorschläge, welche auf die Erhaltung des Friedens für seine Heimat
hinzielten. Eine Stelle aus dem erhaltenen Bericht über diese
Besprechungen mag dazu dienen, Rubens’ Standpunkt zu kennzeichnen. „Der
Herr Rubens,“ sagt der Verfasser des Berichtes, anscheinend Gerbier
selbst, „hatte in der Unterhaltung mit dem Herzog einen löblichen
Eifer für die Sache des Christentums (d. h. für die katholische
Sache) wahrgenommen. Nach seiner Abreise von Frankreich und dem Bruch
zwischen Spanien und England schrieb er häufig an Gerbier, wobei er
den gegenwärtigen Stand der Dinge höchlich bedauerte, das goldene
Zeitalter wieder herzustellen wünschte und Gerbier beschwor, er möge
den Herzog von Buckingham von dem großen Bedauern der Infantin über den
gegenwärtigen Stand der Dinge in Kenntnis setzen. Er legte dar, daß
Ihre Hoheit nicht darunter leiden dürfe, da sie doch nichts anderes
wünsche als ein gutes Einvernehmen, was sie für ganz vernunftgemäß
halte, da sie weder Partei für einen der Streitenden genommen noch
auch zu deren Zerwürfnis beigetragen habe. Daß, wenn der König von
Groß-Britannien eine Absicht habe, die Wiedereinsetzung des Pfalzgrafen
(Friedrich V, des flüchtigen Böhmenkönigs, dessen Gemahlin eine
Schwester Karls I war) zu verlangen, er sich an den Kaiser halten müsse
und an den König von Spanien, der voraussetzlich die Macht dazu besäße;
daß aber mindestens das gute Einvernehmen, welches bisher zwischen
England und der Infantin bestanden habe, aufrecht erhalten und auf eine
eigene Grundlage gestellt werden solle, denn zwischen ihnen gäbe es
keine streitigen Punkte.“

[Illustration: Abb. 67. +Weibliches Bildnis.+ In der kgl.
Gemäldegalerie zu Dresden. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co.,
Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

In den nächsten Jahren finden wir Rubens ganz im Dienste der Politik;
im Auftrage der Infantin und des Marquis Spinola tauscht er mit
Gerbier und gelegentlich auch mit Buckingham selbst einen lebhaften
Schriftenwechsel aus, um auf eine allgemeine Waffenruhe zwischen
dem König von Spanien, den Königen von England und von Dänemark und
den niederländischen Generalstaaten hinzuwirken. Auf die Dauer ließ
sich nicht alles schriftlich erledigen, und Rubens mußte zum Zwecke
mündlicher Besprechungen sich bald nach diesem, bald nach jenem Orte
begeben. Das unruhige Leben des Staatsmannes mochte ihm willkommen
sein; denn es war inzwischen ein Ereignis eingetreten, welches ihm
das zeitweilige Verlassen von Haus und Werkstatt erwünscht machte, da
beides ihm verödet vorkam.

Im Sommer 1626 starb Rubens’ Gattin. Was sie dem Meister war, geht am
besten aus seinen eigenen Worten hervor, die er am 15. Juli jenes
Jahres in einem Briefe niederschrieb. „Wahrlich,“ sagt er, „ich habe
eine ausgezeichnete Gefährtin verloren; man konnte, was sage ich,
man mußte sie mit Recht lieben, denn sie hatte keinen der Fehler
ihres Geschlechts; keine verdrießliche Laune, keine jener weiblichen
Schwächen, sondern nichts als Güte und Schicklichkeitsgefühl; ihre
Tugenden machten sie bei ihren Lebzeiten jedermann lieb, nach ihrem
Tode verursachten sie allgemeine Betrübnis. Ein solcher Verlust
erscheint mir gar empfindlich, und da das einzige Mittel für alle
Übel das Vergessen ist, welches die Zeit mit sich bringt, so muß
ich zweifellos davon meine einzige Hilfe erhoffen. Aber wie schwer
wird es mir werden, den Schmerz, den ihr Verlust mir verursacht, von
dem Andenken zu trennen, das ich mein Lebenlang dieser geliebten
und verehrten Frau bewahren muß. Eine Reise würde mir vielleicht
gelegen sein, um mich von so vielen Gegenständen zu entfernen, welche
unablässig meinen Schmerz erneuern, ‚wie jene (Dido in Vergils Äneis)
einsam klagt im verlassenen Haus und an Dinge sich brütend hängt, die
ringsum als Erinnerungszeichen geblieben.‘ Die wechselnden Bilder,
welche sich den Augen auf einer Reise darbieten, beschäftigen die
Einbildungskraft und besänftigen das Weh des Herzens. Freilich ist es
wahr, ‚daß ich in meines Ich Gesellschaft wandern und mich selbst mit
mir herumtragen werde‘“....

[Illustration: Abb. 68. +Männliches Bildnis.+ In der Ermitage zu St.
Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Die kaiserliche Ermitage zu Petersburg bewahrt ein herrliches großes
Bild von Isabella Brant aus ihren letzten Lebensjahren. Sie sitzt
in vornehmer reicher Kleidung, in Brokatmieder und golddurchwirktem
roten Rock, auf einem roten Sessel; in der einen Hand hält sie eine
weiße Rose, in der anderen einen Fächer von Pfauenfedern. Ihre Züge
sind etwas welk geworden, aber ihre frische Farbe läßt noch keine
Spur von Kränklichkeit ahnen; die Augen leuchten so lebhaft, wie auf
ihren frühen Jugendbildern, und die Lippen scheinen allezeit zu einem
freundlichen Lächeln bereit. Im Hintergrund des Bildnisses hat Rubens
ein Stück von den Bauten abgemalt, womit er seinen Garten geschmückt
hatte (Abb. 76).

Rubens ließ seine Gattin in der St. Michaeliskirche in der nämlichen
Gruft bestatten, welche die Asche seiner Mutter barg.

Von allen Erinnerungszeichen, welche Frau Isabella in dem verödeten
Hause zurückließ, waren die besten ihre beiden prächtigen Knaben, --
das Töchterchen war früh gestorben. Eine der schönsten Schöpfungen
des Meisters ist das Doppelbildnis, in welchem er seine beiden Söhne
in ganzer Gestalt abgemalt hat; nach dem Alter der Dargestellten muß
das Werk ganz kurze Zeit nach dem Tode Isabellas entstanden sein. Wenn
sonst gerade jetzt die Zeit des vielbeschäftigten Meisters dermaßen in
Anspruch genommen war, daß er bei der Ausführung seiner Schöpfungen,
mehr aus Notwendigkeit als aus freiem Willen, seine eigenhändige Arbeit
auf das Allerunentbehrlichste -- und manchmal selbst auf weniger
als dies -- beschränkte, so hat er sich bei diesem Bilde, ebenso
wie bei demjenigen seiner Frau, die Zeit genommen und hat dasselbe
vom ersten bis zum letzten Strich mit all der künstlerischen Liebe,
deren er fähig war, gemalt, und die Liebe zu den Seinigen hat er mit
hineingemalt. Es hat sogar den Anschein, als ob er das Doppelbildnis
seiner Söhne zweimal mit eigener Hand ausgeführt habe; das Gemälde
ist in zwei Exemplaren vorhanden, und wenn auch dasjenige, welches
sich in der Liechtensteinschen Sammlung befindet, einen größeren
Reiz der Vollendung aufweist, so ist doch auch jenes, welches die
Dresdener Galerie besitzt, so vollkommen, daß es schwer wird, an dessen
eigenhändiger Ausführung durch Rubens zu zweifeln. Albert, der ältere
Knabe, ganz schwarz gekleidet, lehnt an einem Pfeiler, im rechten Arm
hält er ein Buch, das Zeichen seiner Lernbegierde, durch welche er sich
frühzeitig solche Kenntnisse erwarb, daß er schon im Alter von sechzehn
Jahren vom König von Spanien zu einem hohen Amte vorausbestimmt wurde;
die Linke, welche den ausgezogenen Handschuh lose gefaßt hält, legt er
leicht um die Schulter des Bruders; dieser, der hellfarbige Kleider
trägt, ist noch ganz ein sorgloses Kind; all seine Aufmerksamkeit gilt
seinem Spielzeug, einem gefesselten Distelfinken. Das Bild gehört
zu den höchsten Meisterwerken der Bildnismalerei, die es giebt; die
beiden Knaben leben vor uns, und der künstlerische Reiz der Licht- und
Farbenwirkung findet nicht in manchem Werke seinesgleichen (Titelbild
und Abb. 77).

[Illustration: Abb. 69. +Bildnis einer jungen Frau.+ In der Ermitage
zu St. Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun,
Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 70. +Philipp IV, König von Spanien.+ In der
Ermitage zu St. Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co.,
Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 71. +Elisabeth von Frankreich, Königin von
Spanien.+ In der Ermitage zu St. Petersburg. (Nach einer Aufnahme von
Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und
Paris.)]

Im Herbst 1625 hatte Buckingham, als er im Auftrage Karls I wegen
Unterhandlungen mit den Vereinigten Provinzen nach den Niederlanden
reiste, in Antwerpen Rubens’ prächtige Kunstsammlung gesehen und hatte
sein lebhaftes Verlangen ausgesprochen, dieselbe zu erwerben.
Damals weigerte sich Rubens, sich von seinen Schätzen zu trennen.
Jetzt aber, da sein Haus doch des besten Reizes beraubt war, gab er
dem Drängen des Herzogs nach und gestattete dem Abgesandten desselben,
einem gewissen Le Blond, unter den marmornen, alabasternen, bronzenen
und elfenbeinernen Bildwerken, welche teils der Kunst des Altertums,
teils derjenigen der italienischen Renaissance angehörten, unter den
geschnittenen Edelsteinen und unter den Gemälden von Lionardo, Raffael,
Tizian, Palma Vecchio, Tintoretto, Bassano, Paul Veronese und von
Rubens selbst, Gegenstände im Wert von 100000 Gulden auszusuchen, unter
der Bedingung, daß von den plastischen Sachen auf Kosten des Käufers
Gipsabgüsse angefertigt würden, um die leeren Plätze zu füllen. So
kam im Herbst 1627 der größte Teil der Rubensschen Kunstsammlung nach
England. Die Kunstwerke wurden wieder zerstreut, als im Jahre 1649
Buckinghams Vermögen eingezogen wurde; von den Gemälden kam ein großer
Teil nach Antwerpen zum Verkauf, wo sie vom Erzherzog Leopold von
Österreich erworben wurden; diese bilden jetzt einen Bestandteil des
kaiserlichen Hofmuseums in Wien.

[Illustration: Abb. 72. +Bildnis einer alten Dame.+ In der Ermitage
zu St. Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun,
Clément & Cie., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 73. +Bildnis des Doktors van Thulden.+ In der kgl.
Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

Buckinghams Kunstliebhaberei gab Rubens einen Vorwand, um ohne Aufsehen
eine Reise nach Holland zu unternehmen, deren eigentlicher Zweck ein
rein politischer war. Die Vollendung des „schönen Meisterwerks,“ wie
er in einem Schreiben an den Herzog von Buckingham die Aussöhnung
zwischen Spanien und England nannte, lag ihm aufrichtig am Herzen.
Nach einer Zusammenkunft in Brüssel mit dem Abbate della Scaglia,
dem Gesandten des Herzogs von Savoyen, schrieb er im Mai 1627 an
Gerbier einen langen Brief, in welchem er die Eigennamen durch
Ziffern gab, und den er niemand anders als dem Herzog von Buckingham
mitzuteilen, dann aber sofort zu verbrennen bat, des Inhalts, daß
er von einer mündlichen Besprechung mit Gerbier, Scaglia und Lord
Carleton, der eben zum außerordentlichen Gesandten Englands in den
Vereinigten Provinzen bestimmt worden war, das Beste erhoffe; darum
bat er, ihm einen Paß nach Holland zu verschaffen. In der That kam
Gerbier mit Carleton zugleich nach dem Haag; und Rubens erhielt noch
vor Ende Mai einen Paß, wonach er mit Dienerschaft und Gepäckwagen
unbehindert nach Holland kommen durfte zu dem Zwecke, mit Gerbier über
Ankäufe von Bildern und sonstigen Kunstwerken für dessen Herrn, den
Herzog zu verhandeln. Aus Gründen, welche Rubens in seinen Briefen
nicht mitteilt, wünschte die Infantin, daß er zunächst nicht über
Zevenberghen in Nordbrabant hinausgehe. Carleton aber fürchtete,
daß eine Zusammenkunft zwischen Gerbier und Rubens in der kleinen
Grenzstadt zu großes Aufsehen erregen würde, und daß der politische
Zweck derselben nicht verborgen bleiben könnte. Darum reiste Rubens
zunächst nach Brüssel zurück, um sich von der Erzherzogin die Erlaubnis
zu weiterer Ausdehnung der Reise zu holen. Doch vermied er es auch
dann, nach dem Haag zu gehen. Der savoyische Gesandte suchte ihn
in Delft auf, der englische Gesandte dagegen fürchtete das Gerede,
welches daraus entstehen würde, wenn er gleichfalls einen solchen
Ausflug unternähme. Aber Gerbier reiste jetzt längere Zeit mit Rubens
von einer holländischen Stadt zur anderen; hinter Atelierbesuchen und
Bilderankäufen verbargen die beiden Malerdiplomaten den Zweck ihres
Beisammenseins. Dem vorsichtigen Carleton machte diese Reise große
Sorge; denn er fürchtete, die Täuschung werde nur wenige Tage aufrecht
gehalten werden können; wenn dieselbe aber durchschaut würde, dann
würde bei dem herrschenden Mißtrauen Rubens unfehlbar als spanischer
„Emissär“ mit Schimpf aus dem Lande gejagt werden; darum warnte er
Rubens, „er möge sich hüten, daß ihm kein Unglimpf widerführe, der
andere in einiger Beziehung mittreffen könnte.“ Indessen wahrte
Rubens das Geheimnis der Reise so gut, daß der deutsche Maler und
Kunstschriftsteller Joachim von Sandrart, dem es gestattet wurde, sich
Rubens anzuschließen, nicht das geringste davon ahnte; derselbe wußte
später aus den Tagen, die er in der Gesellschaft des großen Meisters
verbringen durfte, nur allerlei Ateliergeschichten zu erzählen. Die
Vorsicht ging auch später noch so weit, daß Rubens, als er nach
Antwerpen zurückgekehrt war, sich die staatsgeschäftlichen Briefe aus
Holland nur unter angenommenen Adressen schicken ließ. -- Erreicht
wurde indessen vorläufig sehr wenig. Denn dem englischen Gesandten
genügten die von Rubens bloß nach mündlichem Auftrag der Infantin
und des Marquis Spinola gegebenen Versicherungen nicht als Grundlage
zu weittragenden Abmachungen; er verlangte es schwarz auf weiß zu
sehen, daß Rubens mit Vollmacht von seiten des Königs von Spanien
handelte. Der spanische Abgeordnete aber, Don Diego de Mexia, „auf den
man in Brüssel wie auf einen Messias hoffte,“ ließ auf sich warten;
angeblich lag er krank in Paris infolge eines Unfalls mit dem Wagen.
Als derselbe endlich am 29. August in Brüssel eintraf, zeigte es
sich, daß er keineswegs geneigt war, sich den Friedensbestrebungen
anzuschließen, welche dort herrschten und denen auch der Gesandte von
Savoyen beipflichtete. Er hatte im Gegenteil in Paris wegen eines
engeren Bündnisses zwischen den Herrschern von Spanien und Frankreich,
„zur Verteidigung ihrer Königreiche“ verhandelt. Allerdings durfte
Rubens seiner Mitteilung hierüber wohl mit Recht hinzufügen: „Wir
glauben, daß dieses Bündnis sein wird wie Donner ohne Blitz, der ein
Geräusch in der Luft macht, ohne Wirkung hervorzubringen, denn es ist
eine Verbindung von verschiedenen Temperamenten, die in einem einzigen
Körper gegen ihre Natur und Beschaffenheit zusammengebracht sind,
mehr aus Leidenschaft als aus Vernunft.“ Trotz der Bemühungen von
seiten des Brüsseler Hofes, die Friedensunterhandlungen fortzusetzen,
kam die Sache jetzt zum Stillstehen, und Gerbier wurde nach England
zurückberufen; Rubens selbst konnte nur zu einem kriegerischen
Unternehmen zur See raten, welches auf Spanien einen Druck ausüben
sollte. Indessen trat er bald wieder in diplomatische Thätigkeit,
nachdem der Marquis Spinola sich im Anfange des Jahres 1628 nach Madrid
begeben hatte. Im März dieses Jahres schrieb Rubens, auf Grund eines
Briefes, den er von Spinola aus Madrid erhalten hatte, an Buckingham,
daß Philipp IV, der doch kein rechtes Vertrauen zu Frankreich hatte,
„sehr geneigt sei Frieden zu machen mit denen, mit welchen er im Krieg
liegt.“ Im Mai wurde Rubens von dem außerordentlichen englischen
Gesandten im Haag, Graf von Carlisle, der sich auf der Durchreise nach
Italien befand, in Antwerpen aufgesucht, und auch diesem teilte er im
Verlauf der Gespräche, die sie an mehreren Tagen miteinander pflogen,
mit, daß Spanien lebhaft nach dem Frieden mit England verlange; auch
vermittelte er eine Audienz Carlisles bei der Erzherzogin.

[Illustration: Abb. 74. +Bildnis eines Levantiners.+ In der kgl.
Galerie zu Kassel. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

[Illustration: Abb. 75. +Der Herzog von Buckingham.+ In der Sammlung
der Handzeichnungen der Albertina zu Wien. (Nach einer Aufnahme von
Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und
Paris.)]

Den Verdiensten Rubens’ um das Friedenswerk fehlte die Anerkennung
nicht. Die Erzherzogin Isabella ernannte ihn im Jahre 1628 zu ihrem
Kammerherrn, und König Philipp IV berief ihn im Sommer desselben
Jahres nach Madrid, zum Zwecke persönlicher Berichterstattung
über die bisherige Leitung der so langwierigen Verhandlungen. Der
verdiente Staatsmann und berühmte Künstler wurde in der spanischen
Hauptstadt mit der größten Auszeichnung empfangen. Er bekam eine
Wohnung im königlichen Schloß angewiesen, und der König besuchte ihn
fast täglich. Zu den Personen seines näheren Umganges gehörte auch
der bei Hofe angestellte Velazquez, der größte Bildnismaler aller
Zeiten, der sich, damals ein Neunundzwanzigjähriger, anschickte mit
Riesenschritten den Gipfel des Ruhmes zu ersteigen. Acht Monate lang
blieb Rubens in Madrid. Hier fand er wieder Zeit und Gelegenheit,
seine Kunst auszuüben. Philipp IV beauftragte ihn mit der Anfertigung
von Bildnissen der gesamten königlichen Familie, die zu Geschenken
für die Infantin Isabella bestimmt waren. Außerdem malte Rubens noch
mehrmals den König und die Königin. Ein Paar dieser Bildnisse ist
später in die Ermitage zu Petersburg gekommen; sowohl Philipp IV als
seine Gemahlin Elisabeth von Frankreich sind nach spanischer Sitte in
Schwarz gekleidet, und über den ganzen Bildern liegt etwas Düsteres
wie von spanischer Strenge; Philipp, mit der starken habsburgischen
Unterlippe, sieht nicht gerade bedeutend aus; die Züge der noch von
großem jugendlichen Reiz umkleideten Königin haben etwas eigentümlich
Anziehendes und einen leise durchschimmernden Zug, als ob sie sich
nicht allzu glücklich fühlte als Königin beider Indien (Abb. 70 und
71). In einem anderen Bilde, welches Elisabeth wahrscheinlich für
ihren Bruder Ludwig XIII malen ließ, und welches sich jetzt in der
Louvresammlung befindet, hat Rubens die französische Königstochter
in reicher französischer Modetracht dargestellt. Auch hier liegt ein
Hauch von Schwermut auf dem übrigens kälter aufgefaßten Gesicht; in
der Wiedergabe der zarten, hellen Haut, des durchsichtigen Weißzeuges
der Krause, des blitzenden Geschmeides und des prächtigen Goldstoffes,
in der Lichtfülle, welche das Haupt umflutet, und in den malerischen
Reizen, welche der steifen Tracht abgewonnen sind, glänzt die
Meisterschaft des Malers (Abb. 78). Der König hatte noch mancherlei
Aufträge für Rubens. Unter anderem ließ er ihn ein großes Reiterbild
des vor dreißig Jahren verstorbenen Philipp II -- in idealer Auffassung
-- malen, welches jetzt eine Zierde des Pradomuseums zu Madrid bildet.
Er ließ Gemälde Tizians kopieren und Entwürfe für Wandteppiche zum
Schmucke seines Palastes anfertigen, teils mythologischen, teils
christlich-allegorischen Inhalts. Von den letzteren Entwürfen befindet
sich einer, der in größerem Maßstab ausgeführt ist als die im Madrider
Museum bewahrten Skizzen, im Louvre; es ist eine übervolle Komposition,
welche den Triumph des katholischen Glaubens darstellt, ein zur Zeit
hochberühmtes Werk, das nicht nur durch Kupferstich, sondern auch durch
zahlreiche Kopien, von denen sich noch manche in belgischen Kirchen
befinden, vervielfältigt wurde.

[Illustration: Abb. 76. +Bildnis der Isabella Brant.+ In der Ermitage
zu St. Petersburg.

(Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl.,
in Dornach i. Els. und Paris.)]

Die Sorge für seine Kinder daheim hatte Rubens bewährten Freunden
anvertraut. Über den Ältesten insbesondere wachte Johann Kaspar
Gevaerts (Gevartius), Stadtschreiber von Antwerpen und Staatsrat
und Historiograph Kaiser Ferdinands III, ein besonders um seiner
Geschichtskenntnisse willen gepriesener Gelehrter, von dessen äußerer
Erscheinung ein im Antwerpener Museum befindliches treffliches Bildnis
von Rubens’ Hand uns Kunde gibt. An diesen schrieb der Meister aus
Madrid am 29. Dezember 1628: „Mein Albertchen bitte ich Dich, wie mein
Bild, nicht in Deiner Betstube oder dem Hausgötterheiligtum, sondern
in Deinem Wissenschaftstempel zu halten. Ich liebe den Jungen, und
ernstlich empfehle ich Dir, Fürst meiner Freunde und Führer der Musen,
daß Du die Sorge für ihn, bei meinen Lebzeiten und nach meinem Tode,
gemeinschaftlich mit meinem Schwiegervater und meinem Schwager Brant
übernehmest.“ -- Im brieflichen Verkehr mit dem gelehrten Freunde
bediente sich Rubens der lateinischen Sprache; sonst schrieb er
meistens italienisch oder französisch -- besonders das Italienische,
das damals überhaupt die eigentliche Weltsprache war, bevorzugte er --,
nur in ganz vertraulichen Briefen bediente er sich des Vlämischen.

[Illustration: Abb. 77. +Rubens’ Söhne.+ Ausschnitt aus dem Bilde in
der kgl. Gemäldegalerie zu Dresden. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun
& Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Rubens’ diplomatische Thätigkeit ruhte nicht während des Aufenthalts
in Madrid, wenn er auch in erster Linie als der berühmte Künstler, auf
den sein König stolz war, geehrt wurde. Im Beginn des Jahres 1629
finden wir ihn wieder in schriftlichem Verkehr mit Carlisle und in
persönlichem mit Scaglia, der von Brüssel nach Madrid gereist war; --
den Verhandlungen mit Buckingham hatte dessen Ermordung (am 23. August
1628) ein Ende gesetzt. Es ist keine Kunde davon auf uns gekommen, was
Rubens mit Philipps IV allmächtigem Minister, dem Grafen Olivares,
dessen Heißblütigkeit („~fougue~“ ist Rubens’ Ausdruck), im Verein mit
persönlichem Groll gegen Buckingham, bis dahin den Friedensbestrebungen
entgegengewirkt hatte, besprach, während er sein Bildnis malte. Sicher
ist nur, daß Olivares im Frühjahr 1629 sich entschlossen hatte, nun
endlich auch seinerseits mit Friedensvorschlägen dem englischen Hofe
entgegenzukommen und Rubens mit dem entsprechenden Aufträgen nach
London zu schicken. Dies schrieb Scaglia am 28. April an den Grafen von
Carlisle. Tags darauf reiste der Meister ab. Um ihn mit einem größeren
Ansehen zu bekleiden, hatte der König ihn vorher zum Sekretär seines
geheimen Rats ernannt; als Zeichen seiner persönlichen Gunst schenkte
er dem Maler bei der Abreise einen kostbaren Diamantring. Indessen
sollte Rubens nicht öffentlich als der Gesandte Spaniens in London
auftreten, -- dieser Posten wurde an Don Carlos Coloma übertragen,
-- sondern unter dem Titel eines Gesandten der Erzherzogin Isabella.
Darum reiste er über Brüssel. Am 12. Mai befand er sich in Paris.
Aus dieser Zeit muß die lebensvolle Zeichnung (in der Sammlung des
Louvre) stammen, in welcher der große Meister ein so ganz ungeschminkt
naturwahres Abbild der alternden Maria von Medici der Nachwelt
hinterlassen hat (Abb. 79). Die Königin hatte einen neuen Auftrag für
ihn: als Gegenstück zu den Bildern aus ihrem eigenen Leben sollte er
das Leben Heinrichs IV in einer großen Gemäldereihe schildern. Lange
konnte sich Rubens nicht in Paris aufhalten; auch die Besprechungen mit
der Infantin und eine kurze Rast in der Heimat durften nicht viel Zeit
in Anspruch nehmen. Schon vor Ende Mai befand er sich in Dünkirchen, wo
er einige Tage warten mußte, um ein englisches Schiff zur Überfahrt zu
bekommen, -- denn vor den Holländern fürchtete er sich, -- und am 5.
Juni landete er in London.

[Illustration: Abb. 78. +Elisabeth von Frankreich.+ Im Louvre zu Paris.
(Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl.,
in Dornach i. Els. und Paris.)]

Der Freund von Buckingham und Carlisle war dem englischen Hofe ein
willkommener Gesandter, der der warmen Empfehlungen, welche Coloma
und Scaglia ihm auf den Weg gegeben, kaum bedurfte. Zudem war der
unglückliche Karl Stuart nicht weniger kunstliebend als Philipp IV,
und mit Freuden begrüßte er in dem Gesandten den berühmten Künstler.
Rubens war während der ganzen Zeit seines Aufenthalts in London der
persönliche Gast des Königs.

Als ein sinniges Geschenk überreichte der mit den Friedensabmachungen
beauftragte Maler dem Könige bald nach seiner Ankunft ein Gemälde,
welches die Wohlthaten des Friedens allegorisch veranschaulichte.
Gegenwärtig befindet sich dieses Bild, welches nach der Enthauptung
Karls I nach Italien verkauft, 1827 aber für England zurückerworben
wurde, in der National-Galerie zu London. Die Friedensunterhandlungen
nahmen übrigens auch jetzt keinen so schnellen Fortgang, wie man hätte
erwarten dürfen; denn nun war es Frankreich, mit Richelieu an der
Spitze, welches mißgünstig auf die Aussöhnung zwischen England und
Spanien sah und dieselbe zu hintertreiben suchte. Erst im November
1630 wurde der Frieden, für den Rubens so lange und so eifrig gewirkt,
endgültig abgeschlossen.

Unter dem Gefolge, welches Rubens aus Brüssel mitgebracht hatte,
befand sich auch ein Kaplan, der ihm als Hausgeistlicher diente.
Dieser kam bald nach der Ankunft in England durch ein Unglück ums
Leben; er nahm an einer von Barozzi, dem Sekretär der piemontesischen
Gesandtschaft, veranstalteten Wasserfahrt nach Greenwich teil, der
Kahn schlug beim Durchfahren der Londoner Brücke um, und er ertrank.
Bisweilen wird diese Begebenheit so dargestellt, als ob Rubens selbst
dabei mit knapper Not dem Tode des Ertrinkens entgangen sei. Indessen
sagt die Quelle, ein Brief des Lord Dorchester an einen anderen
englischen Diplomaten, nichts davon, daß Rubens sich bei der Partie
befunden hätte. Wohl aber hatte dieser früher mehrmals in Lebensgefahr
geschwebt, was hier beiläufig erzählt werden mag. Im Jahre 1622
suchte ein Mensch, der von einigen für irrsinnig gehalten wurde, ihn
zu ermorden, so daß die Freunde des Meisters es für nötig hielten,
sich mit der Bitte um besondere Schutzmaßregeln an die Infantin zu
wenden. Drei Jahre später, als er sich in Paris aufhielt, sah er in
Gesellschaft mehrerer zur englischen Gesandtschaft gehöriger Personen
von einem Balkon aus den festlichen Veranstaltungen zu, welche zur
Feier der Vermählung der Prinzessin Marie Henriette stattfanden;
plötzlich brach der mit Zuschauern überladene Balkon zusammen, und es
gelang Rubens eben noch, sich auf das stehen bleibende Stück zu retten.

[Illustration: Abb. 79. +Maria de Medici.+ Handzeichnung in der
Sammlung des Louvre in Paris. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co.,
Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

In London fehlte Rubens die künstlerische Thätigkeit nicht. Der
belgische Meister bekam bald verschiedene Aufträge von Karl I. Er
malte für denselben einen Ritter Georg, wobei er dem Heiligen die
Züge des Königs gab; und als Vorbild für eine Prunkschüssel, welche
in Silber angefertigt werden sollte, entwarf er in sorgfältiger
malerischer Ausführung eine Geburt der Venus. Auch diese beiden Gemälde
wurden nach dem Tode des Königs veräußert und sind erst in neuerer
Zeit nach London zurückgekommen; der St. Georg befindet sich in der
Sammlung der Königin im Buckingham-Palast, die Geburt der Venus in
der National-Galerie. Ferner fertigte der Meister acht Skizzen an,
welche die Geschichte des Achilles behandelten und als Vorlagen für
Wandteppiche zum Schmucke eines der königlichen Gemächer bestimmt
waren; dieselben sind jetzt in verschiedenen englischen Sammlungen
zerstreut. Der Hauptauftrag aber, mit dem Rubens von König Karl
bedacht wurde, war die Ausschmückung des Festsaales von Whitehall mit
Deckengemälden, welche eine Verherrlichung des Königs Jakob I enthalten
sollten. Schon vor acht Jahren, als das neue Schloß von Whitehall
noch gar nicht fertig war, hatte Karl Stuart, damals noch Prinz von
Wales, den Antwerpener Meister für diese Arbeit in Aussicht genommen.
Rubens füllte die in neun Felder geteilte Decke mit allegorischen
Darstellungen in kühn verkürzten, perspektivisch von unten gesehenen
Figuren und mit köstlichen Kinderfriesen; daß die Allegorien die
schwülstige Sprache der Zeit reden, darf man dem Künstler nicht zum
Vorwurf machen. An Ort und Stelle malte Rubens zunächst nur die Skizzen
zu diesem umfangreichen Werk; die Ausführung im großen beschäftigte ihn
daheim während mehrerer Jahre; erst im Herbst 1635 kamen die Bilder an
ihren Bestimmungsort.

[Illustration: Abb. 80. +Selbstbildnis des Meisters+; Studie zu dem
in der Münchener Pinakothek befindlichen Gemälde: Rubens und Helene
Fourment im Garten. Handzeichnung in der Albertina zu Wien. (Nach einer
Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach
i. Els. und Paris.)]

Am 23. September 1629 verlieh die Universität Cambridge Rubens den
Ehrentitel eines ~Magister in artibus~. Dies war eine der Gelehrsamkeit
des Meisters gezollte Anerkennung; zur Belohnung für seine
staatsmännischen Verdienste wartete seiner eine andere Auszeichnung,
welche aus der persönlichen Entschließung des Königs hervorging. Am
21. Februar 1630 erteilte Karl I dem erzherzoglichen Gesandten Peter
Paul Rubens die Ritterwürde. Die Verleihung fand in Whitehall mit aller
bei solchen Gelegenheiten herkömmlichen Feierlichkeit statt. Nach
vollzogenem Ritterschlag empfing Rubens noch als besonderen Gunstbeweis
einen Diamantring und eine mit Diamanten besetzte Hutschnur aus den
Händen des Königs. Nach einer Überlieferung soll Karl ihm auch das
beim Ritterschlage gebrauchte Schwert verehrt haben. Das Rubenssche
Wappen erhielt eine Bereicherung, indem in dasselbe ein oberes rechtes
Eckfeld, welches in Rot einen springenden goldenen Löwen zeigt,
eingefügt wurde.

[Illustration: Abb. 81. +Helene Fourment als Braut.+ In der Pinakothek
zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

Bevor Rubens England verließ, Anfang März 1630, machte er dem
holländischen Gesandten Joachimi einen Besuch, um mit diesem wegen der
Möglichkeit eines Sonderfriedens mit den Generalstaaten zu sprechen;
als er dabei den Ausdruck gebrauchte, daß allen 17 Provinzen, -- den
vereinigten sowohl wie den spanischen, -- die Ruhe wiedergebracht
werden möchte, gab Joachimi die bezeichnende Antwort, dahin führe
nur ein Weg: die Vertreibung der Spanier. Dies erzählt Carleton,
der inzwischen Graf von Dorchester und Staatssekretär geworden war,
in einem Briefe an einen anderen englischen Staatsmann, und er fügt
die Worte hinzu: „Rubens hat den Ruf hier unter uns gewonnen, daß er
ein zu ehrenhafter Mann ist, um gegen sein Wissen eine Unwahrheit zu
sagen.“ -- Rubens’ Geschicklichkeit in der Behandlung staatsmännischer
Geschäfte und seine Verdienste um das Zustandekommen des von ihm
so sehnlich herbeigewünschten Friedens fanden von allen Seiten nur
Anerkennung. Als es sich darum handelte, für Don Coloma, den spanischen
Gesandten in England, einen Nachfolger zu ernennen, wurde Rubens für
diesen Posten in Vorschlag gebracht; doch unterblieb die Ernennung, da
die spanischen Granden gegen die Bemerkung eines Grafen von Oñate, es
gezieme sich nicht, daß ein Mann, der von seiner Hände Arbeit lebe,
der Vertreter des Königs von Spanien sei, keine Einwendung machen
konnten. Philipp IV aber bezeugte dem Meister noch auf mehrfache Weise
seine Dankbarkeit. Im Juni 1630 ernannte er den jungen Albert Rubens
zum dereinstigen Nachfolger seines Vaters in der Würde eines Sekretärs
des geheimen Rats. Im August des nämlichen Jahres erteilte er Rubens,
dem Vorgange des Königs von England folgend, die Ritterwürde: derselbe
sollte, heißt es in der betreffenden Urkunde, die mit diesem Titel
verknüpften Vorrechte in allen spanischen Landen, ganz ebenso und in
derselben Form genießen, wie wenn er, der König von Spanien, ihn zum
Ritter geschlagen hätte.

Anfang April 1630 war Rubens wieder in Antwerpen, doch nur für kurze
Zeit, da er zur Erzherzogin nach Brüssel berufen wurde. Gegen Ende Juni
erst konnte er wieder anfangen, sich mit ganzer Kraft seiner Arbeit zu
widmen. Es gab genug zu thun. Mit der Ausführung der großen Aufträge,
welche er vom König von England und von der Königin von Frankreich
erhalten hatte, mußte ein Anfang gemacht werden. Außerdem drängten sich
die Kunstfreunde um den Besitz von Werken von des Meisters Hand, und
dieser, der in seiner Jugend manchen Besteller abgewiesen hatte, weil
ihm derselbe nicht kunstverständig genug erschien, war mit der Zeit
ein so kühler Geschäftsmann geworden, daß er niemanden mehr abschlägig
beschied; aus Briefen seines Freundes Balthasar Moretus wissen wir, daß
er ganz nüchtern und praktisch die Bildgröße und die Figurenzahl nach
dem Betrage bemaß, den der Besteller anlegen wollte.

Während seiner Abwesenheit von der Heimat, unter den wechselreichen
Eindrücken fremder Länder, in der Unruhe der diplomatischen Thätigkeit
und unter den vielfachen Anregungen des Hoflebens in so sehr
voneinander verschiedenen Staaten hatte Rubens in der That wohl das
Vergessen gefunden, das er nach dem Tode seiner Gattin kaum zu erhoffen
wagte. Heimgekehrt in sein Haus und seine Werkstatt, empfand er die
Vereinsamung, und noch vor Ablauf des Jahres schritt er zu einer
zweiten Vermählung. Am 6. Dezember 1630 wurde in der St. Jakobskirche
zu Antwerpen die Ehe zwischen Peter Paul Rubens und Helene Fourment
geschlossen. Helene Fourment, die Tochter einer Kaufmannsfamilie,
welche mit der Familie von Rubens’ erster Frau verschwägert war,
zählte sechzehn Jahre, als sie dem Dreiundfünfzigjährigen die Hand
reichte; von der mädchenhaften Anmut ihrer lieblichen Erscheinung
gibt ein wundervolles Bildnis von der Hand des glücklichen Bräutigams
uns Kunde, das sich in der Pinakothek zu München befindet (Abb. 81).
Nachdem der Meister sie heimgeführt hatte, wurde er nicht müde, sie
immer von neuem zu malen; man möchte fast sagen, daß die Bildnisse
seiner jungen Frau jetzt der Hauptgegenstand seiner Kunst wurden. Die
Münchener Pinakothek besitzt auch ein köstliches Familienbild, in
welchem Rubens im Frühling 1631 sein neues Glück niedergeschrieben
hat. Wir befinden uns in dem Garten des Rubensschen Hauses; der Flieder
und die Tulpen blühen, vom blauen Himmel strahlt ein mildes Sonnenlicht
herab. Rubens, wie gewöhnlich ganz in Schwarz nach spanischer Sitte
gekleidet, führt seine Frau am Arm, die mit einem schwarzen Mieder,
einem mattgelben oberen und einem grauen unteren Rock und einer großen
weißen Schürze bekleidet ist; ein breitrandiger Strohhut schützt ihr
frisches Gesicht vor der Sonne, und in der Hand hält sie einen Fächer
von Straußenfedern. So schreitet das Paar, dem der junge Nikolas,
ganz in Rot gekleidet, sich anschließt, auf den Gartenpavillon -- das
heute noch vorhandene Erzeugnis von des Meisters baukünstlerischer
Phantasie -- zu, wo Erfrischungen aufgetragen sind. In der Tiefe des
Gartens plätschert ein Springbrunnen, im Vordergrunde füttert eine alte
Dienerin die Pfauen, ein von Küchlein umgebenes Truthühnerpaar läßt
sich behaglich von der Sonne bescheinen, und ein schön gefleckter Hund
springt mit großen Sätzen umher. -- Die aus dem Spiegel gezeichnete
Studie, nach welcher Rubens seinen Kopf in diesem Bilde gemalt hat,
wird in der Sammlung der Albertina aufbewahrt (Abb. 80).

Gleich nach seiner Rückkehr aus England hatte Rubens zwei von den
Bildern aus dem Leben Heinrichs IV zu malen angefangen. Das Leben des
Königs bot für die Darstellung mehr wirkliche Handlung dar, als es bei
den Begebnissen aus dem Leben der Maria von Medici der Fall war; mit
sichtlicher Lust und mit einer Vollkraft, wie sie ihm nur jemals zu
Gebote stand, hat der Meister die zuerst aus der beabsichtigten Reihe
gewählten Gegenstände behandelt: die Schlacht bei Ivry und Heinrichs
IV Triumph. Dort blicken wir in ein wildes Schlachtgetümmel, in dessen
Mitte der König hoch zu Rosse hält, vom Kriegsgott beschirmt und vom
Geiste des Sieges begleitet. Hier zieht in feierlicher Gemessenheit
ein Triumphzug, wie die römischen Kaiser sie hielten, an uns vorüber;
die Siegestrompeten erschallen, Frauen und Kinder jubeln dem Könige
zu, der nicht nur ein Sieger, sondern auch ein Befreier ist, und in
der Luft schwebt eine ganze Schar von weißgekleideten Genien mit
Palmenzweigen und Lorbeerkränzen dem groß und ernst blickenden König
entgegen. Die beiden Bilder befinden sich in der Uffiziengalerie zu
Florenz, im sogenannten Saal der Niobe. Es sind keine ausgeführten
Gemälde, sondern nur Untermalungen; oder nicht einmal das, sondern nur
Skizzen in ungeheurem Maßstabe, die in der Leidenschaft des ersten
künstlerischen Erfassens gleich im großen festgestellten Grundgedanken
der Schöpfungen; vielleicht ist gerade darum ihre Wirkung eine so
bedeutende. Der Meister hat augenscheinlich nur wenige Tage daran
gearbeitet. Das Geschick der Bestellerin gestaltete sich ja sehr bald
derart, daß aus dem ganzen schönen Auftrag nichts werden konnte.
Landflüchtig kam Maria von Medici im Sommer 1630 nach den Niederlanden;
Richelieu hatte mehr Macht über ihren Sohn gewonnen als sie. Sie
sah den Maler, der die Geschicke ihrer früheren Jahre durch seine
Kunst verherrlicht hatte; sie besuchte ihn auch, im Herbst 1631, in
seiner Werkstatt. Aber Maria von Medici war jetzt nicht in der Lage,
als Gönnerin der Kunst aufzutreten; der heimatlosen Königin fehlte
es an Mitteln für ihren eigenen Unterhalt; Rubens lieh ihr Geld,
und sie verpfändete ihm dafür einen Teil ihrer Juwelen. Es ist eine
eigentümliche Fügung des Zufalls, daß Maria von Medici, nachdem sie
noch elf Jahre lang in der Verbannung umhergeirrt war, zu Köln in dem
nämlichen Hause ihr Leben beschloß, in welchem der Maler, durch den sie
sich in der Zeit ihres höchsten Glanzes hatte verherrlichen lassen, die
ersten zehn Jahre seiner Kindheit verbracht hatte.

Neben den Bildern aus dem Leben Heinrichs IV kann man das gleichfalls
in der ersten Anlage stehen gelassene Gemälde des Berliner Museums
nennen, welches die Eroberung von Tunis durch Kaiser Karl V darstellt,
auch dieses eine bezeichnende Probe von der Art und Weise, wie Rubens
bei der Wiedergabe von kriegerischen Vorgängen aus der neueren
Geschichte den gebotenen Stoff durch Einkleidung in eine heldenmäßige
Großartigkeit seinem persönlichen Stil anpaßte.

Im Jahre 1631 wurde Rubens von der St. Lukasgilde zu Antwerpen zu ihrem
Vorsteher erwählt. Er schenkte der Gilde bei dieser Gelegenheit das
jetzt im Museum zu Antwerpen befindliche Bild der heiligen Familie,
welches unter dem Namen „Madonna mit dem Papagei“ bekannt ist, --
ein Werk seiner Jugend, ein Versuch, im Stil der großen Italiener zu
komponieren, und dennoch ein bedeutendes Werk, besonders ausgezeichnet
durch den köstlichen, echt Rubensschen blonden Jesusknaben. -- Das
nämliche Museum besitzt ein anderes Marienbild, welches um die in
Rede stehende Zeit, also vielleicht dreißig Jahre später als jenes,
entstanden sein dürfte. Dasselbe schmückte ursprünglich die Kirche der
Barfüßermönche zu Antwerpen; es ist nicht groß, aber sehr bemerkenswert
wegen einer bei Rubens seltenen Vertiefung nach der gemütvollen Seite
hin. Die heilige Jungfrau ist hier noch als halbes Kind dargestellt;
mit einem Buche in der Hand steht sie vor der Mutter Anna, die, auf
einer Steinbank sitzend, sie mit liebevoller Freundlichkeit unterweist;
hinter der Bank steht der Vater Joachim, auf das Geländer gelehnt,
und betrachtet zärtlich die Gruppe; vor der von silberigen Wölkchen
durchzogenen blauen Luft, von der eine Laube und ein hochgezogener
Rosenstrauch sich abheben, flattern blonde Kinderengel und halten einen
Kranz von Rosen über das Haupt der Jungfrau.

Ein großes Altarbild aus dem Jahre 1631 -- wenigstens gibt die
Überlieferung diese Jahreszahl an -- finden wir in der St.
Martinskirche der kleinen Stadt Aalst (Alost). Hier hatte die Pest
gewütet, und zum Andenken an das Erlöschen der Krankheit hatte die
Pfarrgemeinde das dem heiligen Rochus, der als Fürbitter gegen die Pest
verehrt wird, gewidmete Gemälde bestellt. Das Bild zerfällt in zwei
Teile, einen oberen überirdischen und einen unteren irdischen. Oben
erscheint Christus, von einem Engel begleitet, der Heilige hat sich vor
ihm auf die Kniee geworfen und bittet mit einer Bewegung voll Würde
und Demut für die von der schweren Plage heimgesuchten Sterblichen.
Unten erblicken wir die Schrecken der fürchterlichen Krankheit: ein
Toter liegt am Boden, in ein Leichentuch gehüllt steht eine dem
Tode verfallene hagere Gestalt -- ein Bild der Hoffnungslosigkeit
-- daneben; aber wir sehen auch das Gebet und die Hilfe: ein Greis
streckt in leidenschaftlichem Flehen seine Arme zum Himmel empor, und
wir glauben zu gewahren, wie das Leben plötzlich wieder aufleuchtet
in den Augen eines sterbenden jungen Weibes. So kommt Hoffnung in den
Schrecken, und wir erkennen die unmittelbare Wirkung dessen, was der
Heiland dem Fürbitter in gnädiger Gewährung verleiht. Dem Gemälde wird
in Bezug auf ergreifenden Ausdruck der erste Rang unter Rubens’ Werken
zuerkannt.

Während sich der Meister hier mit seiner ganzen Kraft in einen Stoff
von gewaltigem Ernst vertiefte, schuf er in anderen Werken, die er
in den ersten Jahren nach seiner zweiten Vermählung ausführte, den
glühendsten Ausdruck des Lebensgenusses und der Liebeslust. In mehreren
Exemplaren ist ein hochberühmtes Bild vorhanden, welches gewöhnlich
der „Liebesgarten“ genannt wird; bezeichnender ist der Titel, welchen
es in einer gleichzeitigen Kupferstichnachbildung führt: „Venus’
Lusthof“; Rubens selbst nannte es „~Conversatie à la mode~“. Von den
verschiedenen Ausführungen dieses Bildes, welche in der Farbe und in
Kleinigkeiten der Komposition voneinander abweichen und von denen
in Deutschland diejenige, welche die Dresdener Galerie besitzt, die
bekannteste ist, gilt das im Museum zu Madrid befindliche Exemplar als
das vorzüglichste; dasselbe zeigt Figuren von halber Lebensgröße, das
Dresdener Bild hat kleineren Maßstab bei feinster Ausführung. Auch für
den Holzschnitt hat Rubens dieses Bild einmal gezeichnet; Christoph
Jegher, der des Meisters Zeichnungen mit malerischer Breite trefflich
zu schneiden wußte, hat das Blatt ausgeführt, und Rubens selbst nahm
dasselbe in Verlag. Der Gegenstand ist eine freie Phantasie. Eine
Anzahl von vornehmen Herren und Damen in der reichen und malerischen
Modetracht jener Zeit hat sich in fröhlicher Stimmung in einem Garten
vereinigt. Es ist ein sonniger Sommertag; einladend öffnet sich hinter
einem mit lächelnden Satyrhermen geschmückten Thorbau das schattige
Dunkel einer Grotte, sprudelnde Wasserwerke kühlen die Luft. Neben
der Grotte erhebt sich ein mit dem Marmorbilde der Venus geschmückter
Springbrunnen, und zu den Füßen der Göttin, die hier Alleinherrscherin
ist, hat der größte Teil der Gesellschaft sich auf dem Marmorboden
niedergelassen. Auf dem Rande des Brunnenbeckens aber gaukeln
lebendige Liebesgötter, sie steigen in die Luft, um ihre gefährlichen
Waffen zu gebrauchen, sie huschen durch die Rosenbüsche und flattern
auf den Boden herab, um zu helfen, daß die Paare sich finden, hier
eine Zaghafte drängend, dort einer Nachdenklichen süße Worte ins Ohr
raunend. Über dem ganzen Bilde liegt ein unbeschreiblicher Zauber von
übermütiger Daseinsfreude. Unschwer erkennen wir im Mittelpunkte des
Bildes die in frischester Jugendanmut strahlenden Züge von Helene
Fourment. Frau Helene ist auch das Urbild einer in der Louvre-Sammlung
aufbewahrten Zeichnung (Abb. 82), welche als Studie zu einer der
Besucherinnen des Liebesgartens gedient hat, die in halb knieender
Stellung sich an ihren Kavalier schmiegend, mit neckisch zur Seite
gewendetem Kopfe den Worten lauscht, die er ihr zuflüstert.

[Illustration: Abb. 82. +Studie+ zu dem Bilde „Der Liebesgarten“.
Handzeichnung in der Sammlung des Louvre zu Paris. (Nach einer Aufnahme
von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els.
und Paris.)]

In einem ausgelasseneren Tone hat Rubens das Lied von der bezwingenden
Macht der Liebe gesungen in einem im kunsthistorischen Hofmuseum zu
Wien befindlichen Gemälde, welches man das Venusopfer zu nennen pflegt.
Hier sind es nicht bei aller Zwanglosigkeit wohlgesittete Herren
und Damen, sondern Nymphen und Satyre voll ungezügelter Naturkraft,
welche der Göttin huldigen, um deren Bild dichtgedrängte Scharen
kleiner Liebesgötter wie in taumelndem Rausche kreisen. Aber auch
diese Venus äußert ihre Macht doch nicht bloß in Ausgelassenheit;
eine würdige Frau streut mit Andacht Weihrauch in die Opferflamme,
und zwei wohlgekleidete junge Damen kommen von der Seite herzu, um
ihre Opfergaben darzubringen. Von diesen Damen zeigt die eine uns
den wohlbekannten Magdalenenkopf, während seltsamerweise eine der
allerlustigsten Nymphen die Züge Helenens trägt.

[Illustration: Abb. 83. +Bildnis der Helene Fourment.+ Sammlung van der
Hoop im Reichsmuseum zu Amsterdam. Nach einer Photographie von Franz
Hanfstängl in München.]

Das Jahr 1632 führte Rubens wieder zu einer lebhafteren Thätigkeit in
dem Getriebe der Politik. Schon im Sommer des vorhergehenden Jahres
war er von der Erzherzogin Isabella beauftragt worden, von neuem
Friedensunterhandlungen mit den nördlichen Niederlanden anzuknüpfen.
Wir erfahren, daß er sich im Juli 1631 mit dem Marquis d’Aytona,
der als Gesandter des Königs von Spanien bei der Erzherzogin die
auswärtigen Angelegenheiten der spanischen Niederlande leitete, über
die zu thuenden Schritte besprach, daß er im Dezember im Haag eine
heimliche Audienz bei dem Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien,
dem Führer der Holländer, hatte und daß er im Februar abermals nach
Holland ging. -- In Belgien fing es an unruhig zu werden; mehr und
mehr waren seit dem Tode des Erzherzogs Albrecht die Einheimischen von
den einflußreichen Ämtern zurückgedrängt und durch Spanier ersetzt
worden, und jetzt suchte der Unmut hierüber sich Luft zu machen.
Belgische Edelleute, die ihre Stellungen verloren hatten, schlossen
insgeheim Verbindungen mit den Holländern; der Prinz von Oranien
machte einen Einfall in die belgischen Lande und reizte zum Aufstand
gegen Spanien; die Vereinigten Provinzen verlangten als Bedingung
des Friedens mit den südlichen Niederlanden die Abberufung der
spanischen Truppen aus diesen. Unter so schwierigen Umständen hatte
Rubens die Aufgabe zu lösen, mit dem Prinzen von Oranien, mit dem er
nochmals in Maastricht und in Lüttich zusammenkam, den Entwurf eines
Waffenstillstandsschlusses festzusetzen. Die größten Unannehmlichkeiten
erwuchsen ihm indessen von seiten seiner Landsleute. Im Dezember
1632 schickten die Stände der spanischen Niederlande Abgeordnete aus
ihrer Mitte nach dem Haag. Aber die Infantin scheint nicht frei von
Mißtrauen gegen ihre Edelleute gewesen zu sein; sie erteilte Rubens
besondere Anweisungen und beabsichtigte, denselben den ständischen
Abgeordneten beizugesellen. Gegen diese Sendung des Malers erhoben
die Abgeordneten Widerspruch; aus welchen Gründen, das faßt ein
englischer Staatsmann, William Boswell, in einem Schreiben vom 3.
Februar 1633 in zweifellos sehr zutreffender Weise folgendermaßen
zusammen: „Die Abgeordneten stellen sich Rubens entgegen, weil er
nicht zu ihrer Körperschaft gehört, wenn nicht vielmehr deswegen,
weil er ein unmittelbarer Geschäftsträger ihres Königs ist, und da
er mehr Geist hat als irgend eines ihrer Mitglieder, so hat er um
so mehr Eifersucht unter ihnen erweckt.“ Am heftigsten trat der
Herzog von Aerschot gegen den Vertrauensmann der Erzherzogin auf;
Standesvorurteil und Leidenschaftlichkeit ließen ihn einen Brief von
unentschuldbarer Grobheit an Rubens schreiben. Die Kränkung war so
herb, daß Rubens, obgleich die Infantin seine Sendung den Ständen
gegenüber dadurch rechtfertigen wollte, daß er den Abgeordneten gewisse
Papiere zu überbringen und über seine Verhandlungen mit dem Prinzen
von Oranien Aufklärung zu geben hätte, sich „auf Grund der Abneigung
und des Mißverständnisses zwischen ihm und dem Herzog von Aerschot“
weigerte, nach dem Haag zu gehen. Es wurden von gegnerischer Seite
die unwürdigsten Mittel nicht verschmäht, um Rubens zu verdächtigen,
obgleich dieser nach Gerbiers Worten „ein ungeeigneter Gegenstand, um
Lügen darüber auszudenken“, war; so erzählte man, er hätte für den
Prinzen von Oranien Entwürfe zu Wandteppichen gemalt, in welchen der
König von Spanien und dessen Unterthanen in der gehässigsten Weise
dargestellt wären. -- Unter solchen Umständen mochte dem Meister die
staatsmännische Thätigkeit wohl verleidet werden. Zwar fuhr er fort,
seiner Landesherrin seine Dienste zu widmen; so verhandelte er im März
1633 mit einem geheimen Abgesandten des Königs von Dänemark, der im
Einverständnis mit der Infantin und dem Marquis von Aytona eigens zu
diesem Zwecke aus Holland nach Antwerpen kam. Aber noch vor Ablauf
des Jahres löste das Geschick die Bande der Anhänglichkeit, durch
welche Rubens sich verpflichtet fühlte, in seiner diplomatischen
Stellung auszuharren. Die Erzherzogin-Infantin Isabella starb am 1.
Dezember 1633, und nach dem Tode der Fürstin, welcher Rubens fast
ein Vierteljahrhundert lang gedient hatte, zog dieser sich von der
politischen Thätigkeit zurück. Er lehnte es ab, als im folgenden
Jahre ihm der König von England ein Jahresgehalt anbot, wenn er als
Geschäftsträger Englands nach Brüssel übersiedeln wollte. Jetzt gehörte
er wieder ganz seiner Familie und seiner Kunst.

Seine geistige Arbeitskraft gestattete dem Meister, mitten zwischen
so vielen und ihn so sehr in Anspruch nehmenden Beschäftigungen auch
noch mit der Beurteilung litterarischer Werke sich zu befassen. Es ist
vom 1. August 1631 ein bemerkenswerter Brief von ihm vorhanden -- die
Urschrift wird im Britischen Museum zu London aufbewahrt --, worin er
dem Bibliothekar des Grafen von Arundel, Franz Junius, einem geborenen
Heidelberger, der ein Werk „Über die Malerei der Alten“ geschrieben
und ihm zur Begutachtung zugeschickt hatte, sein Urteil über dieses
Buch mitteilt. Rubens hat den Brief in vlämischer Sprache angefangen,
da er aber auf den Inhalt der gelehrten Abhandlung zu sprechen
kommt, fällt er von selbst in die lateinische Sprache, und erst die
freundschaftlichen Worte am Schluß werden wieder vlämisch; seiner
Hochachtung vor den Alten gibt er den beredtesten Ausdruck: „Ich folge
ihnen,“ sagt er, „mit der höchsten Verehrung, und ich gestehe frei, daß
ich vielmehr ihre Fußstapfen anbete, als daß ich auch nur in Gedanken
sie erreichen könnte.“ Daneben aber bezeichnet er es als wünschenswert,
daß die Malerei der Italiener, die ja durch ihre Werke unmittelbarer
zur Gegenwart spräche als diejenige des Altertums, von welcher nur
gelehrte Forschung eine, immerhin noch dunkle Vorstellung zu gewähren
vermöchte, gleichfalls einen so gewandten Geschichtschreiber fände.

[Illustration: Abb. 84. +Helene Fourment unter einem Portikus auf dem
Lehnstuhl sitzend.+ In der kgl. Pinakothek zu München. Nach einer
Photographie von Franz Hanfstängl in München.]

Im Jahre 1633 war Rubens für seinen alten Freund, den Buchdrucker
Balthasar Moretus beschäftigt, für den er schon 1612 gemalt hatte;
er lieferte demselben Reihen von Bildnissen, welche teils Angehörige
der Familie, teils berühmte Gelehrte der Gegenwart und der Vorzeit
darstellten. Das Moretussche Haus, das jetzt als Museum Plantin-Moretus
der Stadt Antwerpen gehört, enthält noch vierzehn von Rubens zu
verschiedenen Zeiten gemalte Bildnisse. -- Auch Titelblätter zeichnete
Rubens wieder für die im Verlage seines Freundes erscheinenden
Werke, wie er es schon früh gethan hatte und bis zu seinen letzten
Lebensjahren that.

[Illustration: Abb. 85. +Helene Fourment.+ In der Ermitage zu St.
Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Der Vervielfältigung seiner Werke durch Kupferstich wandte er große
Aufmerksamkeit zu. Daß er eigenhändig die Platten der Kupferstecher
zu überarbeiten pflegte, wo ihm dies nötig schien, erfahren wir aus
einem Briefe, den er im Mai 1635 an seinen französischen Freund
Nicolas Claude Fabri de Peirese, den gelehrten Kenner der Kunst und
des Altertums, richtete. Den Bemühungen von Peirese, mit welchem der
Meister einen lebhaften Briefwechsel unterhielt, verdankte er es, daß
die Kupferstiche nach seinen Werken in Frankreich gesetzlichen Schutz
gegen Nachbildung genossen. Seltsamerweise führte dieses Privilegium
einmal zu einem Rechtsstreit, den die französischen Nachstecher
anhängig machten; dieselben machten zu ihren Gunsten geltend, daß
durch den Schutz des Urheberrechts, welches die Nachbildung der
Originalkupferstiche untersagte, bei der bestehenden Kauflust für
Rubensstiche große Summen Geldes aus dem Lande gebracht würden.

[Illustration: Abb. 86. +Entwurf zu einem Schaugerüst+, welches zur
Feier des Einzugs des Kardinal-Infanten Ferdinand von Österreich in
Antwerpen auf dem alten Kornmarkt errichtet wurde; in der Mitte die
Darstellung, wie der sieggekrönte Kardinal-Infant dem bekümmerten
Belgien Mut zuspricht. Farbenskizze in der Ermitage zu St. Petersburg.
(Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl.,
in Dornach i. Els. und Paris.)]

Mit nie ermüdender Lust malte Rubens immer wieder das Bild seiner
schönen jungen Frau, und er schuf in diesen Bildnissen Meisterwerke,
von denen eins das andere überbot. In den Museen fast aller Länder
Europas finden wir Bilder von Helene Fourment, und es würde schwer
sein, einem vor den anderen den Preis zuzuerkennen. Mit der
anmutvollsten Freundlichkeit blickt sie uns in einem Gemälde entgegen,
welches sich, zur Sammlung van der Hoop gehörig, im Reichsmuseum zu
Amsterdam befindet (Abb. 83). In ganz der nämlichen Ansicht und der
gleichen Kleidung sehen wir sie in ganzer Figur in einem der vielen
Bildnisse, welche die Münchener Pinakothek von ihr besitzt (Abb. 84).
Die Sammlung des Barons Alphons von Rothschild zu Paris enthält ein
berühmtes Bild, welches Frau Helene vor dem Eingang ihres Hauses, im
Begriff, in den Wagen zu steigen, zeigt. Ebenda befindet sich ein
köstliches Familienbild, das gegen Ende 1632 entstanden sein mag.
Im Januar dieses Jahres hatte Helene ihrem Gatten ein Töchterchen
geschenkt, das in der Taufe die Namen Klara Johanna erhielt. Als
das Kind seine ersten Gehversuche am Gängelband machte, sah sich
Rubens veranlaßt, das kleine Ding in seiner lieblichen Unbeholfenheit
abzuzeichnen; das kostbare Blatt befindet sich in der Louvre-Sammlung.
Die kleine Klara Johanna am Gängelbande wurde dann die Hauptperson des
erwähnten Familienbildes: wir sehen sie unter einem Laubengang, von
der Hand der glücklich lächelnden Mutter geleitet, zu der sie lallend
sich umwendet; und Rubens schreitet daneben, blickt die Gattin an
und stützt ihre Hand, welche das Kind führt. Dieses Gemälde und das
vorerwähnte kamen nach Rubens’ Tode in den Besitz der Stadt Brüssel;
die Stadt schenkte beide im Anfange des 18. Jahrhunderts dem Befreier
der Niederlande von den Franzosen, dem Herzog von Marlborough; die
Nachkommen des Siegers von Blenheim bewahrten dieselben in der reichen
Sammlung des Blenheim-Palastes, bis im Jahre 1885 diese Sammlung
versteigert wurde. Neben diesen beiden gilt das in der kaiserlichen
Ermitage zu Petersburg befindliche Gemälde als das vorzüglichste unter
den Bildnissen von des Meisters zweiter Gattin; das Prachtbild zeigt
uns die junge Frau stehend in ganzer Figur; sie ist in schwarze Seide
gekleidet, an Ärmeln und Hut mit lilafarbenen Bändern geschmückt;
vor ihren Füßen blühen Veilchen, und ein wolkiger Himmel bildet den
Hintergrund (Abb. 85).

Im Sommer 1634 vollendete Rubens die zum Schmucke des Festsaals
von König Karls I Schloß zu Whitehall bestimmten Gemälde. Spanier,
Franzosen und Angehörige anderer Völker suchten die Werkstatt des
Meisters auf, um das große Werk zu bewundern. Die Versendung nach
England aber zog sich noch mehr als ein Jahr lang hin -- böse Zungen
sagten, dem König von England fehle es an Geld --, so daß die Bilder
durch das lange Liegen in Rollen Schaden litten und von Rubens noch
einmal überarbeitet werden mußten, als endlich ihre Überführung an
den Bestimmungsort veranlaßt wurde. Rubens wäre gern mit nach England
gegangen, um beim Anbringen der Bilder an ihrem Platze zugegen zu
sein; aber die Gicht, die ihn jetzt bisweilen wochenlang an das Bett
fesselte, zwang ihn, auf die Reise zu verzichten.

Der Winter von 1634 auf 1635 brachte eine Arbeit, die kaum weniger
umfangreich war als jenes Werk, die aber nicht zu einem bleibenden
Denkmal bestimmt war, sondern zur Verherrlichung eines jener Feste, die
Antwerpen wie keine andere Stadt herzurichten verstand. Zum Nachfolger
der Erzherzogin Isabella hatte der König von Spanien seinen einzigen
Bruder, den Infanten Ferdinand, Kardinal und Erzbischof von Toledo,
bestimmt. Am 17. April 1635 hielt der neue Statthalter seinen Einzug
in Antwerpen, und die stolze Stadt, die dem Kardinal-Infanten viele
Hoffnungen und Wünsche entgegenbrachte, feierte mit unerhörtem Glanz
und mit einem Kostenaufwande von 78000 Gulden (ungefähr 300000 Mark
nach heutigem Werte) seinen Empfang, den weltgeschichtlichen „freudigen
Einzug“. Die besten künstlerischen Kräfte, über welche die erste
Kunststadt der Niederlande verfügte, wurden aufgeboten, um zahlreiche
Schmuckbauten zu errichten und mit Werken der Bildnerei und Malerei zu
umkleiden. Rubens erhielt die Oberleitung über das Ganze. Mit einer
staunenswürdigen Frische und mit einer unermüdlichen Erfindungsgabe
schuf der Meister die zahlreichen Entwürfe, obgleich er zeitweilig
durch die Gicht an einen Rollstuhl gefesselt war. Es waren elf
gewaltige Schaustücke, die hergestellt wurden: fünf Triumphbogen, vier
Schaugerüste, ein Prunkwagen und eine Galerie mit zwölf Standbildern
habsburgischer Kaiser. Die bildlichen Darstellungen an den Bauwerken
galten zum Teil der Verherrlichung des Erzherzogenpaares Albrecht und
Isabella; zum Teil huldigten sie dem neuen Fürsten, dem ruhmreichen
Sieger, der im Verein mit dem Könige Ferdinand von Ungarn die
Schweden bei Nördlingen geschlagen und der bei Calloo den Holländern
eine schwere Niederlage beigebracht hatte; sie beklagten auch den
Niedergang des Antwerpener Handels durch die Sperrung der Schelde
und sprachen die Hoffnung aus, daß der neue Herr hierin Besserung
bringen werde. Selbstverständlich waren die Darstellungen entweder
ganz als mythologische Allegorien gehalten oder aus geschichtlichen
und mythologisch-allegorischen Bestandteilen gemischt; Gevaerts hatte
lateinische Verse zu ihrer Erläuterung gedichtet. Die Architekturen
zeigten den üppigen Barockstil, den die italienische Renaissance unter
Rubens’ Händen anzunehmen pflegte.

Beim Einzuge selbst konnte Rubens wegen seines Leidens nicht zugegen
sein. Gleich am folgenden Tage aber besuchte der Kardinal-Infant ihn in
seiner Wohnung, um ihm persönlich Dank zu sagen und der Befriedigung
über das große und wohlgelungene Werk Ausdruck zu geben; derselbe
erfreute sich längere Zeit an seiner Unterhaltung und bewunderte seine
Kunstsammlungen.

[Illustration: Abb. 87. +Zwei Gefangene.+ Handzeichnung in der
Albertina zu Wien. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun,
Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 88. +Bildnis eines Gelehrten.+ In der kgl.
Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

Die Schmuckbauten blieben nur einige Wochen stehen. Nach ihrer
Niederlegung wurden die bedeutendsten von den Malereien ausgebessert
und nebst den steinernen Kaiserbildern als Geschenk der Stadt Antwerpen
an den Kardinal-Infanten nach Brüssel geschickt. Der Rest sollte
versteigert werden; da aber die ersten versteigerten Bilder einen zu
geringen Ertrag brachten, beschloß die Stadtobrigkeit, dieselben für
eine spätere Gelegenheit aufzubewahren. Das weitere Schicksal der
Malereien ist unbekannt; bei weitem die größte Mehrzahl derselben ist
verloren gegangen. Von den großen Bildern ist eins erhalten geblieben,
und zwar gerade eins von denjenigen, bei denen Rubens nicht nur den
Entwurf, sondern auch die Ausführung persönlich übernommen hatte.
Dasselbe befindet sich in der Dresdener Gemäldegalerie; es stammt von
einem an der St. Georgskirche errichteten Schaugerüst her und stellt
den Neptun dar, der während der Seefahrt des Kardinal-Infanten die
Wogen beruhigt; es wird gewöhnlich nach dem bekannten Vergilschen
Worte mit dem Titel „~Quos ego!~“ bezeichnet. Von dem nämlichen
Schaugerüst rühren die im Wiener Hofmuseum befindlichen Bildnisse des
Königs Ferdinand und des Infanten Ferdinand her, die zwar nicht von
Rubens selbst gemalt sind, aber in ihrer wirkungsvollen Erfindung
seine Meisterschaft bekunden, sowie das große Bild der Begegnung der
beiden Ferdinande vor der Schlacht bei Nördlingen, gleichfalls eine
Schülerarbeit. Eigenhändig von Rubens gemalt sind die für einen der
Triumphbogen angefertigten prächtig dekorativen Bildnisse von Albrecht
und Isabella, welche das Museum zu Brüssel bewahrt. -- Von den Skizzen
des Meisters ist mehr erhalten, wenn auch das Erhaltene nur einen
verhältnismäßig geringen Teil des einst Vorhandenen bildet. So besitzt
die Sammlung zu Windsor den Entwurf zu dem Bilde der Schlacht bei
Nördlingen; drei Skizzen zu Schmuckbauten sind im Museum zu Antwerpen
und sechs in der Ermitage zu Petersburg. Unter den letzteren befindet
sich der Entwurf des Schaugerüstes mit dem Neptun und derjenige eines
anderen, das an der St. Johannisbrücke aufgebaut war und dessen
großes Gemälde durch einen davoneilenden Merkur die traurige Lage des
Handels verbildlichte, sowie die Skizze eines auf dem alten Kornmarkt
errichteten Aufbaues mit der Darstellung des Kardinal-Infanten,
der, von der Siegesgöttin begleitet, einer vor ihm niederknieenden
Frauengestalt, der Verbildlichung des belgischen Landes, mit tröstendem
Zuspruch naht (Abb. 86); außer den Entwürfen von Schaugerüsten und
Triumphbogen besitzt die Petersburger Sammlung noch diejenigen zu
fünf von den in Stein ausgeführten Kaiserstandbildern. Anderes ist an
anderen Orten zerstreut. Die in Abbildung 87 wiedergegebene schöne
Zeichnung gefesselter und niedergeworfener Krieger, welche sich in der
Albertina befindet, bildete wohl auch einen Teil von einer zu dieser
Gelegenheit entworfenen Schöpfung.

[Illustration: Abb. 89. +Selbstbildnis des Meisters.+ In der kaiserl.
Gemäldegalerie zu Wien. Nach einer Photographie von J. Löwy in Wien.]

Das ganze große Werk, welches Rubens zum Einzuge des Kardinal-Infanten
geschaffen, wurde von seinem Lieblingsschüler Theodor van Thulden
in Kupfer geätzt. Die Stadt Antwerpen bestellte dieses Kupferwerk
bald nach dem Einzuge; dasselbe erschien in 40 Bildern mit einem
weitschweifigen Text von Gevaerts in den Jahren 1641 und 1642. Ein
einzelnes Blatt, welches in dieser Veröffentlichung fehlt, wurde von
Schelte a Bolswert gestochen.

[Illustration: Abb. 90. +Die Eberjagd.+ In der kgl. Gemäldegalerie zu
Dresden. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

[Illustration: Abb. 91. +Landschaft mit dem Regenbogen.+ In der kgl.
Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

Während Rubens in den Arbeiten für den Einzug des Kardinal-Infanten mit
vollen Händen aus dem nie versagenden Reichtum seiner schrankenlosen
Einbildungskraft schöpfte und seine unvergleichliche Begabung im
Erdenken von prunkenden Schmuckwirkungen im hellsten Lichte erglänzen
ließ, bekundete er in anderen Werken dieser Zeit eine zunehmende
Vorliebe für schlichte Nachbildung der Natur. An erster Stelle ist
in dieser Hinsicht das Porträt eines alten Gelehrten zu nennen,
welches sich in der Pinakothek zu München befindet, eines der
vorzüglichsten Bildnisse, welche Rubens je gemalt hat (Abb. 88).
Auch das prächtige, vornehme Selbstbildnis des Meisters, welches
die Belvedere-Galerie zu Wien bewahrt, dürfte um das Jahr 1635
entstanden sein (Abb. 89). Den Bildnissen reiht sich eine Anzahl
realistisch gedachter Landschaftsbilder an, skizzenhaft gemalt, aber
von überraschender Wirkung. Eines dieser Bilder ist geradezu ein
Porträt. Dasselbe befindet sich in der Londoner National-Galerie
und zeigt ein ansehnliches altes Schloß, das von einem Wassergraben
umgeben ist und an welches sich nach allen Seiten hin schattige
Baumanlagen anschließen. Das ist der Landsitz, welchen Rubens seit
1635 besaß. Am 12. Mai dieses Jahres kaufte Rubens für den Betrag
von 93000 Gulden die Herrschaft Steen bei Eppeghem in der Nähe von
Mecheln. Daselbst war, wie der Kaufbrief sagt, „eine Hofstatt mit
großem steinernen Haus und anderen schönen Baulichkeiten in Form
eines Schlosses mit Hof, Baumgarten, Fruchtbäumen, Aufziehbrücke mit
einer großen Erdaufschüttung und einem großen viereckigen Turm in
der Mitte derselben; ringsherum zieht sich ein Teich, an welchen sich
der Ökonomiehof mit seinen besonderen Pächterwohnungen, Scheunen,
verschiedenen Stallungen und allem Dazugehörigen anschließt. Alles
zusammen 4 Tagwerk und 50 Ruten innerhalb seines Wassergrabens.
Ferner Pflanzungen, verschiedene Alleen und Parke, wohlbesetzt
sowohl mit schönen, großen jungen Eichen als anderem.“ Dazu
gehörte noch ein ausgedehnter Grundbesitz an Ackerland, Wiesen und
Wald; auch Gerechtsame von Zins und Lehen waren damit verbunden.
Rubens verwandelte den alten Herrensitz, den er durch Ankauf der
angrenzenden kleinen Herrschaft Attenvoorde noch vergrößerte, mit nicht
unerheblichem Aufwand in einen behaglichen Sommeraufenthalt. Das Schloß
steht noch, gewährt aber nur noch eine unvollkommene Vorstellung von
seinem damaligen Zustande.

Eine Abbildung des Schlosses Steen und seiner Umgebung, allerdings in
etwas freier Auffassung, zeigt uns auch das schöne Gemälde im Wiener
Hofmuseum, welches nach der Staffage, die den Vordergrund belebt --
eine Anzahl junger Herren und Damen in reicher vornehmer Kleidung
unterhalten sich mit einem munteren Gesellschaftsspiel -- den Namen
„das ländliche Fest“ führt. Rubens verbrachte nunmehr regelmäßig die
schöne Jahreszeit auf dieser Besitzung. Gute Nachbarschaft konnte
er pflegen mit einem Kunstgenossen; denn kaum eine Stunde von Steen
entfernt lag der Hof Dry Toren (Drei Türme), welchen David Teniers
der Jüngere im Sommer bewohnte. Daß in der That freundschaftliche
Beziehungen zwischen dem Meister und seinem früh zu Ruhm und Ansehen
gelangten Nachbar bestanden, wird durch den Umstand bestätigt, daß
Teniers im Jahre 1637 Rubens’ Mündel, Anna Breughel, die Tochter von
dessen Jugendfreund Jan Breughel, heiratete.

Der Aufenthalt auf dem Landsitze mochte wohl dazu beitragen, daß
Rubens sich jetzt mit besonderer Vorliebe mit der Landschaftsmalerei
beschäftigte. Von etwa fünfzig Landschaften, welche er gemalt
hat, scheint die bei weitem größere Mehrzahl auf die Zeit von
1635 an zu entfallen. Jedes Rubenssche Landschaftsbild ist ein
Meisterwerk in Anordnung und Farbe. Häufig hat die gewaltige Kraft
seiner Erfindungsgabe in den Formen der landschaftlichen Natur ein
beredtes Ausdrucksmittel gesucht und gefunden; häufiger noch -- und
besonders in den Landschaften seiner letzten Zeit -- läßt er in
diesen Schöpfungen eine Stimmung friedlicher Ruhe walten. Zu Rubens’
prächtigsten landschaftlichen Erfindungen gehört das großartige
Waldesdickicht, in dem eine wildbewegte Eberjagd ihr Ende erreicht, in
der Dresdener Galerie (Abb. 90). Eine mythologische Jagd, diejenige
des Meleager, bildet die Staffage eines Urwaldbildes im Museum zu
Madrid. Unübertroffen in der Wiedergabe wilden Lebens in der Natur
ist ein Bild im Wiener Hofmuseum, welches den Hereinbruch der großen
Flut darstellt, die Jupiter als Strafe über die ungastliche Erde
verhängt hat. Das Abziehen des Sturmes an felsiger Meeresküste
schildert ein kostbares Bild im Pitti-Palast zu Florenz: Odysseus auf
der Phäakeninsel. Das letztgenannte Gemälde wird der früheren Zeit
des Meisters zugeschrieben. Ein nicht minder hervorragendes Gemälde
in der nämlichen Florentiner Sammlung muß man dagegen wohl in seine
letzten Jahre verlegen; es zeigt Bauersleute, die von der Erntearbeit
heimkehren, die Stimmung ist die eines milden Sommerabends, die
Landschaft ist echt niederländisch und eine in der Ferne sichtbare
Stadt ist unverkennbar Mecheln. Die ebene Flur von Laeken ist der
Gegenstand eines berühmten Gemäldes in der Sammlung der Königin von
England im Buckingham-Palast. Unter den verschiedenen Stimmungen der
Natur hat vielleicht keine Rubens so häufig zu Nachbildungen angeregt,
wie diejenige, wenn das Licht über die Wetterwolken die Oberhand
gewinnt und der Regenbogen sich am Himmel ausspannt. Die Münchener
Pinakothek besitzt ein herrliches Werk dieser Art. Wir blicken in
eine weite Ebene, in der goldene Saaten mit grünen Wiesen wechseln;
der Saum eines Waldes und einzelne Baumgruppen fangen mit den Wipfeln
die glühenden Strahlen der Sonne auf, daß sie in scharfem Licht sich
von den abziehenden Wetterwolken abheben; Landleute mit Kühen und
Karren beleben den Weg, der sich an einem Bache entlang zieht, wo
schnatternde Enten sich tummeln; die ganze Natur zeigt die üppige
Vollkraft des Hochsommers, die warme Sommersonne durchleuchtet die
feuchte Luft, und fast in der ganzen Breite des Bildes wölbt sich
der Regenbogen (Abb. 91). Mächtiger noch in der Wirkung ist eine im
Louvre befindliche Regenbogenlandschaft. Hier ist das Unwetter in
der Ferne vorübergezogen; in blendender Lichtfülle durchbrechen die
Sonnenstrahlen das Gewölk und ergießen sich über das hügelige Gelände
in lebhaftem Wechselspiel mit tiefen Schattenmassen; im Vordergrunde
dehnt sich eine mit Bäumen bestandene Hute aus, auf welcher Hirten und
Hirtinnen in friedlichem Behagen bei den ruhenden Schafen verweilen,
unbekümmert um das ferne Gewitter (Abb. 92).

[Illustration: Abb. 92. +Landschaft mit Hirten.+ Im Louvre zu Paris.
(Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément & Cie. Nchfl.,
in Dornach i. Els. und Paris.)]

Auch das zwanglose Leben der vlämischen Landleute, ihre Ausgelassenheit
bei den seltenen Festen, die ihr arbeitsames Leben unterbrechen,
reizten den großen Maler zur Wiedergabe. Das Wiener Hofmuseum besitzt
eine Skizze, welche tanzende Bauern darstellt. Das Hauptwerk dieser
Richtung aber ist die große „Kirmeß“ im Louvre. Es ist überraschend
zu sehen, mit welcher Entschiedenheit der Maler der Vornehmheit
und der üppigen Pracht sich in die Wiedergabe des niedrigen Volkes
vertieft hat, das, von Bier und wüstem Tanz berauscht, bis zur Roheit
ausgelassen sich auf dem Wiesenplatz vor der Schenke herumtreibt.
Freilich ist das keine thatsächlich wirklichkeitsgetreue Wiedergabe des
Volkslebens, wie Teniers und Brouwer sie hinterlassen haben. Vielmehr
kommt die Größe von Rubens’ Anschauungsweise auch hier zur Geltung:
der wilde Taumel des Tanzes, das Überschäumen der Sinnlichkeit gehen
über das Maß des in der Wirklichkeit, besonders bei einem nordischen
Volke Denkbaren weit hinaus, alles wächst ins riesenmäßig Gewaltige,
daß selbst die Derbheit in dieser Auffassung eine gewisse Großartigkeit
bekommt.

Landschafts- und Bauernbilder waren ein Zeitvertreib, mit dem Rubens
seine Mußestunden ausfüllte. Daneben ging die ernste Arbeit ihren Weg.
Zwischen den Jahren 1634 und 1637 -- wahrscheinlich näher dem letzteren
als dem ersteren Jahr -- malte Rubens für die Abtei Afflighem ein
großes Altarbild, dessen Gegenstand die Kreuztragung war. Dieses Bild,
das sich jetzt im Museum zu Brüssel befindet, ist eine eigentümliche
und gewaltige Schöpfung. Eine Menge Volkes, das in langem Zuge nach
der Richtstätte hindrängt, füllt den Rahmen, Fahnen flattern, die
Rüstungen der Reiter blitzen, alles ist Leben und Bewegung; aber der
ganze Aufwand von lärmenden Volksmassen, von ungestümer Lebensfülle
dient nur dazu, den einen hervorzuheben, der schweigend unter der
Kreuzeslast zusammenbricht, der hierdurch eine Stockung in den Zug
bringt; Simon von Cyrene strengt sich mit Hilfe eines Sklaven an, das
Kreuz emporzuheben, und Veronika benutzt den Augenblick, um die Stirn
des Heilandes zu trocknen, während Maria, die sich neben ihren Sohn
hinwerfen möchte, von Johannes fest und sorglich zurückgehalten wird.

Ein erschütterndes Bild hilflosen, leidenschaftlichen Schmerzes
malte Rubens um diese Zeit in der Darstellung des Bethlehemitischen
Kindermordes, welche sich in der Münchener Pinakothek befindet. Wir
sehen aus einer Säulenhalle, vor welcher an einem Pfeiler der Befehl
des Herodes angeschlagen ist, eine Schar von Kriegern hervorstürmen,
um mit henkersmäßiger Gefühllosigkeit oder mit grausamer Lust den
unmenschlichen Befehl auszuführen. Das Schreckliche trifft alle
Mütter ohne Unterschied von Rang und Stand, sucht hoch und niedrig
mit gleicher Schonungslosigkeit heim; die Frauen, denen ihr Liebstes
so jäh entrissen wird, sind zum Teil reich gekleidet, zum Teil nur
mit dürftigen Gewändern bedeckt, zum Teil auch in unfertigem Anzug.
Verschieden wie ihre Erscheinung ist die Äußerung ihrer Verzweiflung;
sie stürzen wie Wütende auf die Schergen, suchen die Mordwaffen
aufzufangen, flehen um Erbarmen, werfen sich jammernd über die
kleinen Leichen und tragen sie liebkosend von dannen oder strecken
in ohnmächtigem Jammer und mit wildem Aufschrei die Hände zum Himmel
empor, wo in lichter Höhe Engel die Kränze der Seligen für die
gemordeten Unschuldigen bereit halten (Abb. 93).

Für den Hauptaltar der Kapuzinerkirche zu Köln malte Rubens, etwa um
das Jahr 1638, ein Bild, welches den heiligen Franziskus darstellt, wie
er von dem in Seraphsgestalt ihm erscheinenden Heiland die Wundmale
empfängt (jetzt im Museum Wallraf-Richartz zu Köln; Abb. 94). Er
wiederholte dabei mit unwesentlichen Abänderungen ein Altargemälde,
welches er im Jahre 1632 für die Barfüßerkirche zu Gent ausgeführt
hatte und welches sich jetzt im Museum zu Gent befindet. Der Gegenstand
schloß hier jeden Farbenprunk aus; aber der Meister hat es verstanden,
aus Braun und Grau und goldigem Licht eine wunderbare Wirkung
hervorzuzaubern. Die kaiserliche Ermitage zu Petersburg besitzt den
sorgfältig ausgeführten Studienkopf eines Franziskanermönches zu dem
begeistert aufwärts schauenden Haupt des heil. Franziskus (Abb. 95).

[Illustration: Abb. 93. +Der Kindermord zu Bethlehem.+ In der kgl.
Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl in
München.]

Des Meisters größte Freude war es, seine Angehörigen zu malen. Frau
Helene hatte ihm im Sommer 1633 ein Söhnchen geschenkt, welches den
Namen Franz erhielt; im Frühjahr 1635 folgte ein Töchterchen, welches
nach Rubens’ beiden Frauen Isabella Helena genannt wurde, und im
Frühjahr 1637 ein zweiter Knabe, der des Meisters Namen Petrus Paulus
bekam; das fünfte Kind dieser Ehe, Konstantia Albertina, kam erst
acht Monate nach dem Tode des Vaters, Ende Januar 1641, zur Welt. Als
der kleine Franz etwa drei Jahre alt war, malte Rubens das anmutige
Doppelbildnis von Mutter und Kind, welches sich in der Münchener
Pinakothek befindet: Frau Helene sitzt in einfachem, aber aus kostbarem
Stoffe hergestelltem Kleide, den Kopf von einem breitrandigen Hut
bedeckt, auf dem Vorplatz vor der Hausthür, den ein um die Säulen des
Vordachs geschlungener Vorhang schattiger macht, und hält mit beiden
Händen den Knaben umschlungen, der mit einem Federbarett auf den
goldfarbigen Locken, sonst aber ganz unbekleidet, auf ihrem Schoße
sitzt; beide wenden die fröhlich leuchtenden Augen dem Beschauer zu
(Abb. 96). Ein etwa zwei Jahre später entstandenes Bild im Louvre
führt uns wieder auf die nämliche Terrasse an der Freitreppe des
Hauses, die wohl ein Lieblingsplatz Helenens war; auch hier hat die
junge Frau die beiden Hände um den lieblich heranwachsenden Knaben
geschlungen, den sie mit Lust und mütterlichem Stolz betrachtet,
während er mit hellen Kinderaugen aus dem Bilde herausschaut; das
dickwangige Schwesterchen kommt von der Seite heran, anscheinend etwas
eifersüchtig auf die Liebkosung, die dem kleinen Bruder zu teil wird.
Dieses Bild ist unfertig stehen geblieben; es fesselt den Beschauer mit
dem ganzen unbestimmbaren Reiz eines glücklichen ersten Entwurfs, und
sein sonniger Ton scheint der naturgemäße künstlerische Ausdruck des
dargestellten Familienglücks zu sein (Abb. 97).

Helenens Züge trägt unverkennbar die schöne, mit wunderbarem Ausdruck
emporblickende heilige Cäcilia im Berliner Museum. Auch die ebenda
befindliche prächtige Andromeda, welche vor einigen Jahren aus
der Blenheim-Sammlung erworben wurde, zeigt eine vielleicht kaum
beabsichtigte Ähnlichkeit mit des Meisters Gattin.

Eine andere Andromeda aus Rubens’ letzter Zeit besitzt das Museum zu
Madrid; die dunkle Eisenrüstung des Perseus, der ihre Fesseln löst,
hebt hier das leuchtende Fleisch zu blendender Wirkung hervor. Weitere
mythologische Darstellungen aus des Meisters letzten Jahren sind die
Jagd der Diana -- mit Tieren von Snyders -- im Berliner Museum und das
als Entwurf zu einem Deckenschmuck gemalte kleine Bild in der Sammlung
der Wiener Kunstakademie, welches in den Gestalten des Apollo und der
Diana auf ihren Wagen das Sinken der Nacht und das Aufsteigen des Tages
verbildlicht.

Rubens’ letzte Schöpfungen waren wieder große Altargemälde. Die
Augustiner in Prag bestellten bei ihm im Jahre 1637 zwei Bilder von
gewaltigen Verhältnissen, welche übereinandergestellt den Hochaltar der
ihnen gehörigen Kirche St. Thomas schmücken sollten. Der Gegenstand
des Hauptbildes war der Martertod des Apostels Thomas auf der Insel
Ceylon, diejenige des anderen der heilige Augustin mit dem Knaben, der
das Meer ausschöpfen will. Die Bilder wurden mit Hilfe von Schülern
ausgeführt und im Jahre 1639 nach Prag geschickt, wo sie sich noch an
ihrem ursprünglichen Platze befinden.

Eigenhändig malte Rubens dagegen ein Altarbild, welches für Köln
bestimmt war. Auftraggeber war der Kölner Bankier und Kunstfreund
Jabach. Doch richtete dieser seine Bestellung nicht geradeswegs an
Rubens, sondern bediente sich der Vermittelung eines in London lebenden
Malers mit Namen Geldorp. An den letzteren schrieb der Meister im Jahre
1637, nachdem er die Mitteilung empfangen hatte, daß das Bild nicht,
wie er nach dem ersten Briefe Geldorps geglaubt hatte, nach London,
sondern nach Köln bestimmt sei:

„Mein Herr! Ich habe Euren geehrten Brief vom letzten Juni erhalten,
der alle meine Zweifel beseitigt; ich konnte mir nämlich nicht denken,
zu welcher Veranlassung man in London ein Altargemälde gebrauchen
sollte. Was die Zeit betrifft, so werde ich anderthalb Jahr dazu
gebrauchen, um Euren Freund ungehindert und in Bequemlichkeit bedienen
zu können. Was den Gegenstand betrifft, so würde es zweckmäßig sein,
denselben nach der Größe des Bildes zu wählen; denn manche Stoffe
lassen sich besser auf einem großen Raum behandeln, und andere
erfordern einen mittleren oder kleineren Maßstab. Wenn ich indessen
nach meinem Geschmack einen Stoff wählen oder wünschen dürfte, der
sich auf den heiligen Petrus bezieht, so würde ich seine Kreuzigung
nehmen, wo man ihn mit den Füßen nach oben anschlug. Mir deucht, das
wird Gelegenheit geben, etwas Außergewöhnliches zu machen. Übrigens
überlasse ich die Wahl demjenigen, der die Bezahlung zu leisten hat,
und bis wir werden gesehen haben, wie groß das Bild werden soll. Ich
habe eine große Zuneigung zu der Stadt Köln, wo ich bis zum Alter von
zehn Jahren aufgewachsen bin, und manchesmal, seit so vielen Jahren,
habe ich das Verlangen gehabt, sie wiederzusehen. Indessen fürchte ich,
daß die schwierigen Verhältnisse unserer Zeit und meine Beschäftigung
mich verhindern werden, diesen Wunsch zu befriedigen und so viele
andere. Ich bitte herzlich um Euer Wohlwollen u. s. w.“

[Illustration: Abb. 94. +Der heil. Franziskus Seraphicus.+ Im
Wallraf-Richartz-Museum zu Köln.]

Der von Rubens vorgeschlagene Gegenstand wurde gewählt. Im Frühjahr
1638 war der Meister mit dem Bilde der Kreuzigung des Apostels Petrus
beschäftigt. Am 2. April dieses Jahres schrieb er an Geldorp: „Ich
beeile mich Euch mitzuteilen, daß dasselbe schon vorgeschritten ist,
und ich hoffe sogar, daß es eine der besten Arbeiten sein wird, die
unter meinen Händen hervorgegangen. Das könnt Ihr kühnlich Eurem Freund
schreiben. Indessen würde ich es nicht gern sehen, daß man mich mit
der Vollendung drängte; ich bitte vielmehr darum, daß man das meiner
Verfügung und Bequemlichkeit überlasse, damit ich es nach meinem
Behagen fertig machen kann, da der Gegenstand dieses Bildes mich mehr
reizt als alle, mit denen ich beschäftigt bin, obgleich ich überhäuft
bin mit Arbeit.“ -- In der That wurde das Kölner Altarbild noch eine
von des Meisters gewaltigsten Schöpfungen. So wenig ansprechend der
Gegenstand dem heutigen Gefühl erscheinen mag, dem großartigen Eindruck
wird sich niemand verschließen können, den die in so qualvoller Lage
hängende kraftvolle Greisengestalt des Märtyrers ausübt, dessen
gespannte Muskeln unwillkürlichen Widerstand gegen die Arbeit der
wilden Henker leisten. Mit voller Rubensscher Kraft spricht die
künstlerische Wirkung der Farbe und des Lichtes, das sich blendend auf
der Brust des Heiligen sammelt und in weicheren Tönen das geöffnete
Gewölk durchschimmert, wo ein köstlicher blonder Engelknabe mit
Siegeskranz und Palme herabschwebt (Abb. 98).

Rubens vollendete das Gemälde, welches für die Stadt seiner
Kindheit bestimmt und dem einen seiner Namensheiligen gewidmet war,
eigenhändig bis zum letzten Strich. Ehe er es abliefern konnte,
ereilte ihn der Tod. -- Im Beginn des Jahres 1640 war er noch voll
von Unternehmungslust. Der König von England wollte das Schlafzimmer
seiner Gemahlin, Marie Henriette von Frankreich, im Schloß zu Greenwich
ausmalen lassen. Jakob Jordaens, Rubens’ begabter Kunstgenosse,
wurde für diese Aufgabe in Aussicht genommen, und Gerbier, der als
Geschäftsträger Englands in Brüssel angestellt worden war, erhielt die
nötigen Anweisungen, um durch Vermittelung des Abbate della Scaglia das
Geschäft abzuschließen. Gerbier aber schrieb nach England, er bäte,
es dem König vorzustellen, daß Rubens doch der geeignetere Künstler
für eine solche Aufgabe sei. Er knüpfte bald auch Unterhandlungen mit
Rubens über diese Sache an, und im Mai 1640 machte dieser dem Abbate
della Scaglia seine Vorschläge. Er wollte in der Mitte der getäfelten
Decke das Mahl der Götter darstellen, daneben einerseits, wie Amor sich
in Psyche verliebt, und andererseits, wie Psyche die Unsterblichkeit
verliehen wird. Mehr als diese drei Bilder wollte er nicht übernehmen;
da die zu schmückende Decke aber neun Felder hatte, so schlug er vor,
daß in die übrigen sechs Felder von der Hand eines Anderen Grotesken
oder sonstige Erfindungen gemalt würden, nur nichts Figürliches, damit
nicht die Verschiedenheit des Stils bei gleichartiger Malerei das Auge
des Beschauers störe. -- Wenige Wochen später schrieb Gerbier nach
England, jetzt sei Jordaens der beste Maler in Antwerpen; der ihn
übertraf, war tot.

[Illustration: Abb. 95. +Ein Franziskaner+; Studienkopf. In der
Ermitage zu St. Petersburg. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co.,
Braun, Clément & Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

In einem liebenswürdigen Brief, den Rubens am 17. April 1640 an den
Bildhauer Franz Duquesnoy in Rom richtete, um demselben für einige
übersandte Abgüsse zu danken, sprach er schon den Gedanken aus,
daß der Tod ihm bald die Augen für immer schließen werde. Aber er
glaubte sein Ende doch noch nicht so nahe, wie es wirklich war. Am
27. Mai trat ein Gichtanfall, mit Fieber verbunden, so heftig auf,
daß Rubens sich bewogen sah, seinen letzten Willen aufzusetzen. Das
Vermögen, welches er unter die Seinigen verteilte, war fast ein
fürstliches zu nennen; nicht ohne Grund hatte er in jüngeren Jahren
einmal einem englischen Alchymisten namens Brendel, der sich erbot
ihn die Kunst des Goldmachens zu lehren, geantwortet, diese Kunst
habe er mit seinen Pinseln schon lange entdeckt. Als besonderes
Vermächtnis übertrug Rubens seinem Sohn Albrecht seine Bücher, seinem
Sohn Nikolaus die Sammlung geschnittener Steine und Denkmünzen, Helene
Fourment die Hälfte der Besitzung Steen und deren Kindern die andere
Hälfte. Hinsichtlich seines künstlerischen Nachlasses bestimmte der
Meister, daß derselbe verkauft werden solle, mit Ausnahme eines
Bildes, genannt „das Pelzchen“, und seiner sämtlichen Zeichnungen.
Das „Pelzchen“ verblieb als persönliches Eigentum der Gattin des
Meisters; es stellte diese selbst in ganzer Figur, nur mit einem um
Schulter und Hüfte gezogenen schwarzen Pelzmäntelchen bedeckt, im
Alter von etwa achtzehn Jahren vor; jetzt besitzt die kaiserliche
Sammlung zu Wien dieses unbeschreiblich meisterhafte, freilich
nicht für die Öffentlichkeit gedachte Bild. Die Zeichnungen sollte
derjenige von Rubens’ Söhnen bekommen, der sich der Malerei widmen,
oder diejenige von seinen Töchtern, die einen hervorragenden Maler
heiraten würde. Hinsichtlich seiner Bestattung bestimmte Rubens, daß
ihm eine Grabkapelle eingerichtet werde, deren Altar ein Bild seiner
Hand, Maria mit dem Jesusknaben und verschiedenen Heiligen darstellend,
und eine Marmorfigur der Madonna von seinem Schüler Lukas Fayd’herbe
schmücken sollten. Nach der Landessitte sollte am Tage des Begräbnisses
ein großes Trauermahl die Anverwandten im Sterbehause vereinigen;
außerdem sollte der Stadtobrigkeit eine Trauermahlzeit im Stadthause
hergerichtet, eine dritte der Gesellschaft der „Romanisten“ (der
Künstler und Gelehrten, welche zeitweilig in Rom gelebt hatten), deren
Mitglied er seit dem Jahre 1609 gewesen war, und eine vierte der St.
Lukasgilde gegeben werden.

[Illustration: Abb. 96. +Helene Fourment mit ihrem ersten Söhnchen.+
In der kgl. Pinakothek zu München. Nach einer Photographie von Franz
Hanfstängl in München.]

[Illustration: Abb. 97. +Helene Fourment mit zwei Kindern.+ Im Louvre
zu Paris. (Nach einer Aufnahme von Ad. Braun & Co., Braun, Clément &
Cie. Nchfl., in Dornach i. Els. und Paris.)]

Am 30. Mai 1640, um die Mittagszeit, machte eine Herzlähmung dem Leben
des großen Meisters ein Ende. Ganz Antwerpen beklagte Rubens’ Tod.
Bezeichnende Äußerungen von Zeitgenossen sind in Beileidsbriefen
erhalten, welche des Meisters alter Freund Balthasar Moretus empfing
und welche im Museum Plantin-Moretus aufbewahrt werden. „Er war der
gelehrteste Maler der Welt,“ schrieb der Abt Philipp Chifflet; das
hübscheste Wort aber über den Hingang des großen Malers, dessen
ruhmreichstes Feld während seines ganzen Lebens doch die kirchliche
Kunst gewesen war, fand der Abt von St. Germain, indem er schrieb,
derselbe sei gegangen, „im Himmel die lebenden Modelle seiner Malereien
zu schauen.“

Das Leichenbegängnis fand am 2. Juni mit großer Prunkentfaltung statt.
Die gesamte Geistlichkeit der Stiftskirche St. Jakob und diejenige
der Bettelorden begleitete den Leichenzug, an jeder Seite der Bahre
schritten sechzig Waisenkinder mit brennenden Fackeln, die städtischen
Beamten, die Mitglieder der St. Lukasgilde und zahlreiche Freunde
und Verehrer des Verstorbenen aus allen Ständen folgten dem Sarge.
Die Jakobskirche war schwarz ausgeschlagen und an mehreren Stellen
mit den Rubensschen Wappen geschmückt. Die Leiche wurde vorläufig in
der Fourmentschen Familiengruft beigesetzt. Später wurde sie in die
eigene Grabkapelle übertragen, welche die Witwe im Chorumgang der
Jakobskirche erbauen ließ. Gemäß dem Wunsche des Verstorbenen fand auf
dem Altar ein marmornes Standbild der heiligen Jungfrau Aufstellung,
welches Fayd’herbe gemeißelt hatte; von der Hand desselben Bildhauers
rührt wahrscheinlich der ganze obere Teil des Altars und zwei
Engelfiguren, welche denselben schmücken, her. Auf dem Altar prangt
das von Rubens für diesen Zweck bestimmte Gemälde. Das Jesuskind sitzt
auf dem Schoß der Jungfrau unter einer Laube; vorn kniet anbetend
der heilige Bonaventura, hinter Maria steht der heilige Hieronymus
mit der aufgeschlagenen Bibel, von der anderen Seite nahen der heil.
Georg und drei heilige Frauen, in der Luft schweben vier Engel mit
Kränzen und Palmzweigen. Das Ganze ist ein Bild, welches sich in Bezug
auf Farbenzauber den besten Meisterwerken des Meisters anreiht. Die
Überlieferung erzählt, Rubens habe in diesem Gemälde seine Familie
abgebildet: in Hieronymus sei sein Vater, in Georg er selbst, in den
drei Frauen seine beiden Gattinnen nebst Fräulein Lunden dargestellt;
die Ähnlichkeiten mag man finden -- sie kehren überall in Rubens’
Gemälden wieder --, sicherlich aber hat die Überlieferung vollständig
unrecht, wenn sie annimmt, daß der Meister gerade bei diesem Bilde,
über dessen Entstehungszeit übrigens die Meinungen geteilt sind, mit
besonderer Absicht die Bildnisse angebracht habe. -- Die Grabschrift
wurde von des Meisters Freund Gevaerts verfaßt, aber erst im vorigen
Jahrhundert in Stein gemeißelt; sie preist unter Rubens’ wunderbaren
Begabungen insbesondere die Kunde der alten Geschichte und die
Trefflichkeit in allen guten und schönen Künsten, sie nennt ihn den
Apelles nicht nur seines Jahrhunderts, sondern aller Zeiten, hebt
hervor, daß er die Freundschaft von Königen und Fürsten genoß, erwähnt
die Würden, durch welche er von Philipp IV ausgezeichnet wurde, und
rühmt die Verdienste, die er als Gesandter sich um das Zustandekommen
des Friedens erwarb.

Rubens’ wertvollstes Vermächtnis war seine Kunstsammlung, die ein
vollständiges Museum war. Das Verzeichnis derselben zum Zwecke des
Verkaufs wurde in englischer und französischer Sprache gedruckt.
Dasselbe führt außer sonstigen Kunstgegenständen 319 Gemälde auf,
zuerst italienische Bilder, darunter 9 von Tizian, 5 von Paul Veronese,
6 von Tintoretto, einzelne von Pietro Perugino, Palma Vecchio, Ribeira,
Elzheimer; dann 43 Kopien nach Tizian und anderen Meistern, welche
Rubens in Italien und Spanien gemalt hatte; darauf 94 Originalgemälde
von Rubens; ferner einige fünfzig Bilder älterer Meister, darunter eins
von Dürer und mehrere von Johann van Eyck, Lukas van Leyden, Holbein;
zum Schluß eine Anzahl neuerer Bilder, darunter 8 von van Dyck, 17 von
Adrian Brouwer, mehrere, welche Breughel und Saftleven gemeinschaftlich
mit Rubens gemalt haben, und auch noch einige Skizzen von der Hand des
Meisters. -- Der Verkauf der Sammlung brachte einen Ertrag von 280000
Gulden, ungefähr 1000000 Mark heutigen Wertes. Der König von Spanien
kaufte am meisten, 32 Stück, darunter 10 Bilder von Rubens, welche
teilweise zu den vorzüglichsten Schätzen des Madrider Museums gehören.
Weitere Hauptkäufer waren der Deutsche Kaiser, der König von Polen, der
Kurfürst von der Pfalz und der Kardinal Richelieu.

[Illustration: Abb. 98. +Kreuzigung Petri.+ In der Peterskirche zu
Köln.]

Die Handzeichnungen des Meisters wurden ebenfalls verkauft, nachdem der
jüngste seiner Söhne achtzehn Jahr alt geworden war, ohne daß einer
derselben die Malerei als Beruf gewählt oder eine von den Töchtern
einen Maler geheiratet hatte. Rubens’ ältester Sohn Albert, des Vaters
Nachfolger im Amte des Sekretärs des königlichen geheimen Rats,
zeichnete sich durch Gelehrsamkeit in der Altertumskunde aus. Von
Nikolaus erfahren wir nur, daß er im Alter von 37 Jahren starb; Franz
wurde Ratsherr des Hofes von Brabant, und Peter Paul wurde Geistlicher.
Von den Töchtern hat nur eine, Klara Johanna, geheiratet; sie vermählte
sich mit Philipp von Parys, und in den Sprossen dieses Geschlechts lebt
heute allein noch die Nachkommenschaft des Meisters. Isabella Helene
starb im Alter von 17 Jahren, und die nachgeborene Konstantia Albertina
ging ins Kloster.

Helene Fourment, die junge Witwe, vermählte sich 1645 zum zweitenmale;
sie reichte ihre Hand einem Schöffen von Antwerpen, Johann Baptist van
Broeckhoven, der nachmals zum Grafen von Bergeyck ernannt wurde. Sie
lebte bis 1673.

Das Haus in Antwerpen, welches Rubens mit so großem künstlerischen
Aufwand erbaut hatte, wurde schon 1669 von seinem Enkel Philipp
verkauft. Es behielt sein stolzes Ansehen bis zum Jahre 1763, wo es
in dem damaligen Geschmack umgebaut wurde; die größte Mehrzahl der
zum Teil von Fayd’herbe ausgeführten Standbilder, womit die Bauten im
Garten geschmückt waren, wurde damals beseitigt. Später, in unserem
Jahrhundert, verlor das Bauwerk noch mehr; aus dem einen Haus wurden
zwei gemacht, und bei dieser Gelegenheit wurde dessen schönster
baulicher Bestandteil, der Kuppelbau, welcher die Kunstsammlung des
Meisters beherbergt hatte, niedergerissen.

In der belgischen Kunst war Rubens’ Einfluß auf Jahrhunderte hinaus
mächtig. Man darf unbedenklich behaupten, daß nie und nirgends ein
einzelner Künstler so fruchtbringend und nachhaltig auf die Kunst
seines Landes gewirkt hat, wie dies bei Rubens der Fall war. Andere
große Meister sind der Kunst der Jüngeren verderblich gewesen, weil
sie nachgeahmt wurden, und Nachahmung ist der Tod der Kunst. Rubens
aber wurde nicht nachgeahmt, er war unnachahmlich; aber sein Vorbild
wirkte schöpferisch belebend auf allen Gebieten. Wie Rubens der
fruchtbarste Maler war, den es je gegeben hat -- 1300 Gemälde, von
denen mindestens zwei Drittel mehr oder weniger von seiner eigenen
Hand ausgeführt sind, legen Zeugnis davon ab --, so war er auch
der vielseitigste, und darum wirkte er nach so vielen Seiten hin,
ohne die Selbständigkeit der einzelnen zu beeinträchtigen. Was ein
Bildnismaler wie van Dyck, was Schilderer des Volkslebens wie die
Teniers schufen, was die Landschafter und selbst die Stillebenmaler
Belgiens malten, in allem hat Rubens’ anregendes Beispiel
durchgewirkt, so gut wie bei den Werken der Geschichtsmalerei von
jeglicher Gattung. Bildhauer und Baukünstler gingen bei Rubens in die
Lehre; durch das Wiedergeben seiner formensicheren wirkungsvollen
Zeichnungen gelangte die Holzschneidekunst damals in Belgien zu
einer mustergültigen Vollkommenheit, zu einer Zeit, wo es überall
anders gar keinen künstlerischen Holzschnitt mehr gab; an den Werken
des großen Malers schulte sich die Kupferstecherkunst, daß sie jene
breite malerische Wirkung erzielte, die wir an den vlämischen Stichen
des 17. Jahrhunderts bewundern. Die gesamte glanzvolle belgische
Kunst des Barockzeitalters war in der einen Person ihres Begründers
zusammengefaßt.

[Illustration]


Fußnote:

  [*] So schrieb die Familie Rubens ihren Namen während des
      Aufenthalts in Deutschland, um die heimische Aussprache mit
      der deutschen Schreibweise in Übereinstimmung zu bringen.





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