Home
  By Author [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Title [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Language
all Classics books content using ISYS

Download this book: [ ASCII ]

Look for this book on Amazon


We have new books nearly every day.
If you would like a news letter once a week or once a month
fill out this form and we will give you a summary of the books for that week or month by email.

Title: Reisen durch die Inselwelt der Südsee
Author: Prager, Max
Language: German
As this book started as an ASCII text book there are no pictures available.


*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Reisen durch die Inselwelt der Südsee" ***

This book is indexed by ISYS Web Indexing system to allow the reader find any word or number within the document.

DER SÜDSEE ***

 +-------------------------------------------------------------------+
 |                                                                   |
 |                  Anmerkungen zur Transkription                    |
 |                                                                   |
 | Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden          |
 | übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden          |
 | korrigiert.                                                       |
 |                                                                   |
 | Die Markierung mit der Tilde (~) zeigt eine "gesperrte" Phrase    |
 | an, das Einfassen mit dem Sonderzeichen (") eine kleinere         |
 | Schriftgröße für biografische Einschübe im Original.              |
 | Mit dem Sonderzeichen (•) wird Fettdruck angezeigt.               |
 |                                                                   |
 +-------------------------------------------------------------------+



                                 Reisen

                        [Illustration: Rosette]

                               durch die

                         Inselwelt der Südsee.

                   Mit einer kartographischen Skizze.

                                  Von
                         •M. Prager•, Kapitän.

                      [Illustration: Trennstrich]

                                 Kiel.
                       Verlag von ~Carl Jansen~.
     Kommissions-Verlag für den Buchhandel: ~Robert Cordes~, Kiel.



Vorwort.


In nachfolgender Schilderung ist versucht worden, dem geneigten Leser
zwar ein beschränktes, aber doch möglichst anschauliches Bild über die
Eigenart, Sitten und Gebräuche ihm unbekannter oder wenig gekannter
Völker zu geben. Nicht minder ist die Entstehung der Koralleninseln,
die Beschaffenheit hoher vulkanischer Berge und Inselmassen, sowie
die in der Südsee entfaltete reiche Pflanzenwelt besprochen worden.
Heftige Ausbrüche thätiger Vulkane, Stromverhältnisse des Ozeans und
Wirbelstürme sind, soweit darüber persönliche Erfahrungen gesammelt
werden konnten, in die Aufzählung der eigenen Erlebnisse des Verfassers
mit hineingezogen.

Die so große, vielgestaltige und fruchtbare Inselwelt des Stillen
Ozeans zeigt dem Beobachter in allen Formen ein anmuthiges Bild,
zu dem er sich hingezogen fühlt, und das, soweit eigenes Können es
vermag, in einfacher Erzählung wiederzugeben versucht ist. Die Gefahren
mancher Art, wie solche auch dem Seemanne zwischen den gefährlichen
Koralleninseln auflauern, sind an gehöriger Stelle eingefügt.

Sollte es mir gelingen, den Blick für die Werthschätzung auswärtiger
Besitzungen zu schärfen, die Theilnahme für die kolonialen Bestrebungen
der Reichsregierung zu mehren, so würde ich darin schon eine
Anerkennung meiner Arbeit finden.

                                                    Der Verfasser.



I. Samoa. Land und Volk.


Tief im Süden des Indischen Ozeans, auf jenen Breiten, wo der weite
Weg nach Australien durch die Kugelform unserer Erde verkürzt wird
und meistens günstige, westliche Winde die Fahrt eines Schiffes
beschleunigen, zog im Jahre 1884 einsam ein deutsches Barkschiff seines
Weges dem fernen Ziele entgegen.

Monde waren hingegangen, ehe mit Hülfe wechselnder Winde der
Atlantische Ozean von Nord bis Süd durchzogen war; die Hälfte des
nahezu 14000 Seemeilen langen Weges, von der deutschen Küste bis
zu den Gestaden Australiens, war ungefähr zurückgelegt, als der
Längengrad vom Kap der guten Hoffnung 18° 29' Ost von Greenwich auf
etwa 44° Süd Breite passirt wurde und das schöne Passatwetter, das
bis zu der Insel Tristan d'Acunha vorherrschend gewesen, überging
zu kühlerem und unfreundlicherem. Der Winter war auf der südlichen
Halbkugel hereingebrochen; je tiefer südlich das Schiff vor umlaufenden
westlichen Winden lief, desto kälter, ungemüthlicher wurde das Wetter.

Hohe schaumgekrönte Wogen, die zischend längs den Borden des in
bewegter See schwer rollenden Schiffes aufliefen und im wilden
Wettlauf dieses überholten, fegten, vom Winde gepeitscht, ihren Gischt
über das Deck. Kurz waren die Tage und nur selten blickten aus dem
drohenden Gewölk, wenn es plötzlich zerrissen erschien, ein belebender
Sonnenstrahl; die tiefe Bläue des Himmelsgewölbes Tage und Tage lang
nicht gesehen, war dann für den einsam auf dem Weltmeer Hinziehenden
ein Hoffnungsschimmer.

Endlos scheint der Ozean, kein Schiff, kein Segel auf der weiten,
wildbewegten Wasserwüste ist zu entdecken, ebenso einsam scheint der
gewaltige Meerbewohner, der Walfisch, durch die Fluthen zu ziehen,
der von Zeit zu Zeit die warme Athemluft aus seinem einfachen oder
doppelten Spritzloch hervorstößt, um darauf, so lange es ihm an der
Oberfläche gefällt, wieder frische Luft in die Lungen einzuziehen.
In der kälteren Atmosphäre verdichtet sich die ausgestoßene feuchte
Athemluft und bleibt um so länger sichtbar, je kälter die Temperatur
auf der Oberfläche des Meeres ist. Mächtige Thiere sind es, in den sich
überstürzenden Wogen kaum sichtbar, ihre Größe läßt sich nur ungefähr
schätzen, wenn kurz nach dem Sichtbarwerden des Wasserdampfes das Thier
in die Tiefe schießt und über die Wogenkämme emporragend, der Schwanz
durch die Fluthen peitscht.

Die Habsucht des Menschen hat in wenigen Jahrzehnten ungezählte
Schaaren dieser nützlichen Thiergattung vernichtet, selten findet man
heute noch eine Anzahl der mächtigen Thiere beisammen, die einsam über
die gewaltige Meerestiefe hinziehen, welche einst von Abertausenden
belebt war, denen sie reiche Nahrung geboten.

Wind und Wogen sind in den Monaten Juli und August auf diesen südlichen
Breiten meistens immer im Aufruhr; so setzte diesmal auf der Höhe der
Krozet-Inseln ein äußerst schwerer, westlicher Sturm ein. Das Schiff,
von den Fittichen des Windes getrieben, floh vor der brüllenden, wilden
See; aber ob auch den Masten die denkbar größte Last aufgebürdet wurde,
mußten doch nach und nach mit der wachsenden Kraft des Sturmes die
Segel gekürzt werden und acht Tage lang lief das Schiff, während in
der Luft die schwarzen Wolkenmassen dahinjagten wie ein gehetztes Wild,
vor seinen dichtgerefften Sturmsegeln dahin, von den Wellen geschoben,
die Bergen gleich von hinten heranrollten und deren Schaumkronen sich
vernichtend über das in allen Fugen erzitternde Schiff ergossen.
Uebermächtig war die Gewalt der Elemente, und hätte es ohne große
Gefahr für Schiff und Mannschaft geschehen können, so würde der
wilde Lauf vor solcher gefährlichen See durch Beidrehen an den Wind
aufgegeben worden sein.

Jedoch ein guter Renner war die Bark, saß ihr auch die wilde See
drohend und verderbenbringend auf den Fersen, die sie, tief ins
Wogenthal getaucht, kaum abzuschütteln vermochte, so hob sie sich doch
immer wieder siegreich empor, hinjagend durch Nacht und Schrecken.

Weit über den 80. Längengrad hinaus führte der erlahmende Sturm
das wackere Schiff und mit von Norden bis Süd-Westen umspringenden
steifen Winden wurde nach monatelanger Fahrt wieder Land, die Südküste
Australiens, gesichtet.

Im sicheren Hafen von Melbourne, jener jungen, aufblühenden Stadt der
Paläste -- australischen Goldfeldern und dem Strome des Edelmetalls,
der hier sich staute, verdankt sie ihr schnelles Wachsthum -- wurde, um
die werthvolle Ladung zu entlöschen, wochenlang Rast gehalten.

Das Goldfieber, das schon viel Tausende zur Pflichtverletzung
trieb, übte auch auf die Mannschaft des deutschen Schiffes seinen
verderblichen Einfluß aus, und die Hälfte derselben folgte dem
lockenden Rufe nach goldenen Schätzen, den gewissenlose Agenten ertönen
ließen. Gleich vielen anderen folgten die Bethörten und vertauschten
den harten Seemannsberuf mit dem eines Diggers, um unter Entbehrungen,
in harter Arbeit, fern in den wegelosen Steppen des wasserarmen Innern
Australiens nach den begehrlichen Schätzen der Erde zu graben.

Bitter Enttäuschte, die viel ärmer als sie einst ausgezogen, zur Küste
zurückgekehrt waren und nur von Hunger, Durst und schlimmen Erfahrungen
zu erzählen wußten (kaum daß sie im Stande gewesen, das äußerst theure
Leben in der Wildniß zu fristen, so wenig hold war ihnen das Glück
gewesen, so spärlich nur hatten sie Gold gefunden), ersetzten zum Theil
die Flüchtigen. Froh noch konnte mancher Schiffsführer sein, wenn es
ihm gelang, mit Angehörigen anderer Nationen sein Schiff wieder zu
besetzen, da fast ohne Ausnahme jedem, wenn nicht die ganze, so doch
ein Theil der Schiffsbesatzung entlaufen war. So mußten denn ebenfalls
auf dem deutschen Schiffe Norweger, Schweden oder Engländer als Ersatz
mit landesüblicher hoher Löhnung angenommen werden und das Kommando,
sonst im biederen Plattdeutsch geführt, machte nothgedrungen dem
englischen Platz.

Das Schiff, auf welchem sich der Schreiber dieser Zeilen als Reisender
befand, war gleich vor Beginn der Fahrt nach den Samoa-Inseln im
Stillen Ozean bestimmt, und Ende Oktober des Jahres 1884 lichteten wir
die Anker, um von Melbourne weiter die Fahrt nach Apia fortzusetzen.
Widrige Winde in der Baßstraße, zwischen dem Festlande von Australien
und der Insel Tasmanien, unfreundliches Wetter mit kalten Regenschauern
erschwerten das Aufkreuzen in derselben, bis nach Tagen schließlich
raumer Wind das Passiren der in dem östlichen Theile dieser Straße
liegenden Inseln und Felsenrocks möglich machte.

Als wir dann den freien Ozean gewonnen hatten, war es nothwendig,
möglichst weit nach Osten aufzusegeln, und selbst als wir dicht
unter der Nordspitze von Neu-Seeland gekommen waren und die drei
König-Inseln sichteten, wurde noch immer der Kurs mehr östlich als
nördlich gehalten, damit, wenn wir die Region des Süd-Ost-Passatwindes
erreicht hätten, mit freiem Winde nordwärts gesteuert werden konnte.
Schon auf der Höhe der Kermadec-Inseln wurde das Schiff von Windstillen
befallen, die zeitweilig, von schweren Regenböen unterbrochen, nur
ein sprungweises Vorwärtskommen gestatteten, bis auch dieser Gürtel
unbeständiger Winde passirt war und auf etwa 25° S. Br. der Passatwind
kräftig einsetzte.

Jetzt hatte die langdauernde Stille, bei der die Segel in eintöniger
Weise an die Masten klappten, auf einmal ein Ende; die spiegelglatten
Fluthen des Ozeans durch aufspringende Böen zeitweilig aufgeregt,
sprangen übermüthig die Schaumkronen der Wellen an der Bordwand
des Schiffes empor, das unter voller Segelkraft mit schneller Fahrt
dahineilte.

Als wir östlich von den Tonga- (Freundschafts-) Inseln nordwärts
steuerten, war das erste Land, welches in Sicht kam, die Insel Niue,
aber zwei Tage später schon tauchte am Horizonte des tiefblauen
Tropenhimmels die gebirgige Inselmasse der Samoagruppe klar und
deutlich empor, immer höher aus den Fluthen des im Sonnenglanze
blinkenden Meeres aufsteigend, je näher sich beflügelten Laufes das
Schiff seinem endlichen Ziele näherte.

Zur Rechten die Insel Tutuila mit ihren zerrissenen Bergen, einst
thätigen Vulkanen, hebt sich zuerst, wenn man der Straße zwischen der
Insel Upolu und Tutuila zusteuert, die über 30 Seemeilen breit ist,
die mächtige Bergmasse aus den blauen Fluthen des Ozeans, während die
langgestreckte Insel Upolu, massiver und höher, aus der Ferne wie
in weißen Nebel getaucht erscheint, über der die blauen Bergkuppen
vereinzelt emporragen. Immer deutlicher jedoch tritt auch hier das
Unterland hervor, und die hochragenden Kronen der Kokospalmen, einen
Kranz um alles sichtbare Land bildend, erscheinen wie ein endloser
Wald, der sich längs dem Ufer hinstreckt. Sobald auch die Ufer ganz
sichtbar geworden, zieht sich weit von Land ein weißer Silbergürtel
hin, erzeugt durch die das Ufer umsäumenden Korallenriffe, an welchen
sich wilddonnernd die ziemlich bewegte See unablässig bricht.

Ein eigenartiges Bild blühender Tropenlandschaft bietet das Ganze,
man fühlt sich unwillkürlich versucht, anzunehmen, unter diesem blauen
Himmelsdome, unter den im Winde wogenden Palmenkronen müsse ein ewiger
Friede wohnen, müsse die Natur ein Paradies geschaffen haben.

Vorüber ziehen an der Ostseite der nach dem Innern immer höher
sich aufthürmenden Berge dieser Insel, die mächtigen abgesprengten
Rocks gleichenden Inseln Nuulua und Nuutele, und weiter, sobald
nach Nord-Westen das Auge wieder den freien Ozean erblickt, die
riffumkränzte Insel Fanuatapu. Wenn diese umsegelt ist, läuft das
Schiff vor dem Winde nahezu westwärts längs der von Korallenriffen
reinen Küste, und nur die reiche Tropenwelt vom Strande aufwärts bis
zu den sanften Höhen zeigt sich im ewig grünen Schmucke, kein kahles
Gestein wird sichtbar, dicht mit Busch und Wald scheint Thal und Hügel
bedeckt -- als ein gesegnetes Land hebt sich diese Insel aus der Tiefe
des mächtigen Ozeans. Hin und wieder treten zwischen den hohen Stämmen
der schlanken Palmen am Strande wie dunklere Punkte die Hütten der
Eingebornen, am steilen Ufer erbaut, von der grünschimmernden See ab,
ebenso gleitet zeitweilig über eine tiefere Bucht ein Kanoe eilend hin,
von kräftigen Armen vorwärts getrieben, obschon von den Insassen bei so
großem Abstande nichts Genaues zu sehen ist.

Ist man zwölf Seemeilen längs der Nord-Ostküste gesegelt, so öffnet
sich hinter der Nannivi-Spitze der Hafen von Falisa, von hier aber
läuft an der Küste weiter ein mächtiges Korallenriff, an dessen Kante
die See schäumt und brandet. Das Land erhebt sich im Innern der Insel
höher und höher, über die welligen Bergmassen ragt der Berg Fao spitz
empor; ein Bergrücken durchschneidet die ganze Insel von Ost bis
West, dessen einzelne Ausläufer nur hier und dort bis an die Küste
vordringen.

Ist die dem Lande vorgelagerte Riffmasse passirt, so öffnet sich der
von Korallenbänken und Riffen umgebene sichere Hafen von Saluafata,
der zu dieser Zeit schon von den deutschen Kriegsschiffen als bester
Depotplatz und Gesundheitsstation anerkannt und benutzt wurde. Alle
Riffe, von See aus gesehen, scheinen direkt mit dem Lande verbunden
zu sein, wenigstens läßt das grünschimmernde Wasser, sobald die
ausgedehnten Bänke damit bedeckt sind, solches anfänglich vermuthen,
in der That aber bilden diese häufig ein zwar vielfach geformtes,
doch getrenntes Ganze für sich, so daß selbst bei der Ebbe es für
ein Boot möglich ist, dicht unter Land oder in geringer Entfernung
davon innerhalb der Riffe im ruhigen Wasser zu fahren. Selbst die
Kriegskanoes der Eingeborenen, 40 und mehr Mann fassend, benutzen nur
diese Wasserstraßen, um von Ort zu Ort zu gelangen, obwohl diese sich
auch nicht scheuen, mit den leichtgebauten Fahrzeugen auf die offene
See hinauszurudern, wenn das Meer ruhig ist und eine Nothwendigkeit
dazu vorliegt.

Angebracht scheint es mir hier, gleich über die Entstehung,
Fortpflanzung und Bildung der Korallenbänke eine kurze Beschreibung
zu geben, weil im Laufe dieser Erzählung vielfach der gefährlichen
Korallenbänke wird Erwähnung gethan werden.

Die Koralle, eine Polypenart, siedelt sich am häufigsten in den
tropischen Gegenden an, an geschützten Küsten oder auf nicht tiefer als
50 Meter liegendem Meeresgrunde, sind die Bedingungen zur Fortpflanzung
günstig, d. h. reichliche Nahrung und eine nicht unter 18° C. sinkende
Wassertemperatur vorhanden, so breiten sie sich sehr schnell aus
und bilden durch das Absterben der Milliarden kalkhaltiger Thiere
allmählich eine feste steinige Masse.

Sie wächst bis zur Ebbegrenze, d. h. bis zum niedrigsten Stande des
Meeresspiegels, dann hört aus Mangel an genügender Nahrungszufuhr ihr
Wachsthum auf, dafür aber dehnen sie sich nach der offenen See mehr und
mehr aus, selbst die schweren, auf solchem Randriff brechenden Wogen
hindern die Thierchen nicht am Weiterbau. Lücken, durch sehr schwere
Brandung hervorgerufen, füllen sie schnell wieder. Meistens bildet der
äußere Rand eines Riffes eine steile Wand, was namentlich der Fall ist,
wenn an solchem die Wassertiefe schon beträchtlich ist.

Um es zu verstehen, daß selbst auf abschüssigem Grunde ein Korallenriff
an Ausdehnung gewinnen kann, muß man bedenken, wie die Korallenthiere
bis zu der Tiefe von 50 Meter immer weiter an gebildeten Bänken
fortbauen, so über großen Tiefen frei hängende Massen bilden, die
schließlich durch die Gewalt der See oder ihrer eigenen Schwere
abbrechen und versinken. Solche abgestürzten Massen aber, im Laufe
der Zeiten übereinander gethürmt, geben den Thieren immer neue
Ansiedelungspunkte und die Folge ist, daß an vielen Riffen eine steile,
senkrechte Wand gefunden wird, die aus einer Tiefe von mehreren hundert
Fuß bis zur Oberfläche des Meeres aufragt.

Eine eigenthümliche Erscheinung ist ferner, daß an der Mündung von
Bächen und Flüssen die Koralle sich nicht ausbreitet, es erklären
sich hierdurch die kleineren oder größeren Riffpassagen, die man
bei Wallriffen unter Inseln oder Festland immer findet. Der Grund
dafür ist, daß den Korallenthieren durch das Süßwasser die benöthigte
Nahrung entzogen wird und sie naturgemäß absterben, oder, wo durch
brandende See ihnen solche doch noch zugeführt wird, sich nur äußerst
langsam ausdehnen. Ebenso werden die Thierchen an der gedeihlichen
Fortpflanzung unter Land auch dadurch gehindert, daß, während schon an
und für sich das Meer ihnen geringere Nahrung zuführt, die Landwinde
vom Ufer vielen feinen Staub abwehen. Dadurch erklärt es sich, wie
häufig in der Nähe des Landes die Koralle das Weiterbauen eingestellt
hat und Durchfahrten für Boote und Kanoes freigeblieben sind. Orte,
wo die Koralle im Meere nicht gedeiht, sich vielleicht überhaupt nicht
angesiedelt hat, wie man solchen Vorgang an Inseln beobachten kann --
eine Seite derselben ist mit Riffen eingefaßt, die andere nicht -- ist
fast immer auf eine kältere Meeresströmung zurückzuführen, die unter
Küsten oder Inseln hinzieht.

Das ausgedehnte Gebiet des Großen Ozeans, dessen weitverzweigte
Inselwelt vielfach heute noch ein Vulkanheerd ist, bringt hin und
wieder plötzliche Veränderungen hervor, für Jahrtausende beständig
gebliebene Riffe versinken oder heben sich. Tritt solche Verschiebung
ein, sinkt z. B. ein Riff unter die Meeresoberfläche, so baut sich die
Koralle ungemein schnell auch auf schon erstorbenen Flächen wieder an
und führt das Riff zur Meeresoberfläche; hingegen heben sich unter
Wasser gebildete Bänke, was zur Folge hat, daß im größeren Umkreise
auch der Meeresboden gehoben wird, so nimmt die Koralle am Randriff
ihre Arbeit wieder auf, da sie auf einer Tiefenlinie von ungefähr
2000 Meter nicht weiter bauen kann, weil der in solcher Tiefe große
Kohlensäuregehalt des Meerwassers einen Weiterbau verhindert.

Was die Bildung der Korallen-Inseln anbetrifft, so entstehen solche
nur durch Anhäufung losgelöster Korallenblöcke, die durch schwere Seen
bei Stürmen oder Orkanen auf das Riff getragen werden. Ueberwiegt auch
am Riffrande das Wachsthum der Koralle den Verlust, welcher durch die
unablässig anbrandenden Wogen entsteht, die solche Theile und Theilchen
loslösen und auf dem Riffe ebenfalls ablagern, so tragen doch diese
dazu bei, schon etwa über Fluthhöhe angehäufte harte Korallenmassen
zu verbinden und heftige Winde thun das Ihre, zu Zeiten der Ebbe den
leichten Korallenmörtel immer höher aufzuhäufen. Dann fehlt nur noch
die Vegetation; angeschwemmte Kokosnuß und Pandanuß finden fruchtbaren
Boden; Samen, von Seevögeln oder den Wogen zugetragen, keimen auf der
kleinen Fläche, die hierdurch auch immer mehr an Ausdehnung gewinnt,
bis im Laufe der Zeiten Inseln von beträchtlichem Umfange entstehen.

Bei der Beschreibung des Marschall-Atolls und anderer werde ich auf
deren muthmaßliche Bildung zurückkommen, obgleich die Entstehung der
heutigen Inselgruppe auf ganz gleiche Vorgängen zurückzuführen ist.

Sieben Seemeilen weiter westlich von dem, dem Hafen von Saluafata
vorgelagerten Riffe -- die Küste zeigt auf dieser Strecke nur wenig
Korallenbildungen -- erhebt sich von der Vailele-Bai erst wieder das
massive, von hier die ganze Küste westwärts umfassende Korallenriff.
Die brandenden Wogen an denselben mahnen zur Vorsicht, man ist deshalb
gewohnt, einen größeren Abstand zu halten, als bei günstigem Winde
nöthig wäre, da die Wassertiefe fast überall bis dicht unter das Riff
beträchtlich ist.

Erschwert wird daher auch das Auffinden der Einfahrt, die zum Hafen
von Apia führt; namentlich für einen mit den Verhältnissen und den
Strömungen nicht vertrauten Schiffsführer hat die erste Ansegelung
etwas Schwieriges. Wohl geben der Apia-Berg, ferner auf diesem und
die an dessen Fuße auf dem kleineren Waea-Hügel errichtete Baken und
Feuer ein gutes Merkzeichen, doch diese sind nicht immer, wenn Dünste
und feuchte Nebel darüber lagern und tiefhängende schwere Regenwolken
das Innere der Insel verhüllen, aus größerer Entfernung sichtbar und
selbst der Hafenlootse kann sich bei bewegter See auch nicht immer
weit aus dem Schutze der Riffe herauswagen, um dem irrenden Schiffe als
Wegweiser zu dienen. Dazu kommt, daß der nach Westen setzende Strom ein
Schiff leicht über die Peilrichtung der gegebenen Zeichen hinaustreibt,
und manchem Führer geht es so wie es auch mir ergangen ist, daß er,
gegen schwachen Ostwind kreuzend, weit fortgetrieben wird und er Tage
braucht, ehe er die Höhe des Hafens wieder erreicht.

Man bezeichnet auch den durch den im Apia-Hafen mündenden
Vaisigano-Fluß gebildeten Wasserfall, der landeinwärts bei dem Dorfe
Maniani liegt, als gutes Merkzeichen, da er im Sonnenlichte hell
blinkend seine Wasser aus beträchtlicher Höhe abstürzt und auch
weit von See aus sichtbar ist; allein da solche Fälle bei günstiger
Beleuchtung an der Nordseite der Insel mehrere zu sehen sind, so ist
der Vaisigano-Wasserfall kein untrügliches Zeichen. In den Monaten Mai
bis November wird man indes hier meistens immer klares Wetter antreffen
und es dann nicht schwierig sein, die Einfahrt in den gut geschützten
Hafen zu finden.

Es war am 19. November 1884 als wir, schon nach hereingebrochener
Dunkelheit, den sicheren Hafen erreichten und ich nach einer Reise
von 175 Tagen (der Aufenthalt in Melbourne eingerechnet) das Land
betrat, wo für mich eine jahrelange Thätigkeit im Dienste der deutschen
Handels- und Plantagen-Gesellschaft vorgesehen war. Dem Fremdartigen,
das einem in fern entlegenen Ländern entgegentritt, wendet man
anfänglich seine ganze Aufmerksamkeit zu; so fühlte man sich auch hier,
wo schon die reiche Tropenwelt, die ganze Großartigkeit der Scenerie
die Sinne gefangen nahm, versucht, die gewonnenen Eindrücke auf sich
wirken zu lassen, und das Wohlgefälligste, was dem Beobachter hier in
diesem schönen Erdenparadiese entgegentritt, sind die Bewohner dieses
gesegneten Landes selbst.

Stolze, stattliche Gestalten sind die Männer, groß und schlank gebaut,
Klugheit und Kraft verrathend, soweit letztere aus dem stolzen Gang und
dem wohlgenährten Körper ersichtlich ist. Der Körper ist bis auf den
Lendenschurz, den Lava-Lava, den sie gefällig um die Hüften tragen,
nackt, die Beine fast bis zum Unterleib tätowirt, stechen die blauen
Streifen oder Ringe von der lichtbraunen Farbe des Körpers auffällig
ab. Die Frauen sind selten über Mittelgröße, haben hübsche, anmuthige
Gestalten, zeigen Sanftmuth und gefälliges Wesen, vor allem, wenn noch
Jugendreiz sie schmückt und sie ihre Schönheit durch die duftenden
Kinder der hier üppig blühenden Flora zu heben bemüht sind, die sie
kranzartig sich in das starke, mähnenartige, schwarze Haar einflechten.

Ein sorglos glücklich Volk, dem die Natur ihre reichen Schätze ohne
Arbeit und Müh in den Schooß wirft, scheinen diese Ureinwohner zu sein.
Wohin man den Blick wendet, Früchte beladene Kokospalmen, vereinzelt
oder in großen Gruppen, Apfelsinen und Brotfruchtbäume neben der
zuckersüßen Banane, der wohlschmeckenden, nahrhaften Yamswurzel,
dem Zuckerrohr und der Taroknolle, machen die Hauptbestandtheile
der Nahrung der Eingeborenen aus, nur die letzten Arten bedürfen
der Anpflanzung und sehr geringer Pflege. Der Palmenbaum, der Milch,
Oel und saftigen Kern giebt, Gewebe und wohlschmeckendes Getränk, um
Dörfer und Hütten gepflanzt, genügte allein schon den Eingebornen zu
sättigen und zu befriedigen. Nicht die Größe des Flächenraumes schätzt
dieser deshalb hoch, sondern die Zahl der Palmenbäume, die ihm zu eigen
gehören.

Der große Hafen von Apia, durch die vorspringende Matautuspitze und die
weitgestreckte schmale Landzunge Mulinun gebildet, durch die weit in
See sich erstreckenden Riffe eingeengt und eigentlich erst geschaffen,
bietet genügenden Raum und Wassertiefe für eine ganze Anzahl großer
Schiffe; der kleinere Hafen hingegen ist etwas beengt, bietet aber
für jedes Schiff, wenn solches wegen seines Tiefganges nicht im großen
verbleiben muß, eine noch gesichertere Lage. Uebrigens ist der kleine
Hafen eigentlich nur der Ankerplatz für die der Plantagen-Gesellschaft
zugehörenden Schiffe.

Auffällig und sofort ins Auge fallend sind die großen Bauten der
Deutschen Handels-Gesellschaft, vor allem das gefällige Hauptgebäude,
das in seiner Ausdehnung nicht bloß die Kontore, sondern auch die
Wohnung des derzeitigen Chefs, des Herrn Konsuls Weber, sowie aller im
Innern-Dienst Angestellten enthält.

Das Innere des großen Quadrats nimmt ein gefälliger Ziergarten ein,
dessen Bäume und Pflanzen viel dazu beitragen, die heiße Schwüle der
Abende zu mildern und erfrischende Kühle verbreiten. Alle Häuser der
Europäer, aus Holz erbaut, das nach Bedarf von amerikanischen Schiffen
eingeführt wird, stehen um einige Fuß über dem Erdboden erhöht meistens
auf gemauerten Korallenpfeilern. Es ist dies insofern eine zwingende
Nothwendigkeit, als, abgesehen davon, daß während der Regenzeit
vom November bis April, die Feuchtigkeit fern gehalten wird, dem
zahlreichen Ungeziefer nach Möglichkeit gewehrt werden muß.

Ratten in Unmenge, Ameisen zu Milliarden bürgern sich in den Häusern
gar zu gerne ein und namentlich gegen letztere, die durchaus nichts,
was eßbar ist, verschonen, kämpft hier der Mensch vergeblich an.
Um diese kleinen geschäftigen Thierchen, die unter Dielen, in den
Holzfüllungen ihre Heimstätte aufschlagen, nur einigermaßen vom
Genießbaren fernzuhalten, müssen Tischbeine, überhaupt alle Gefäße,
die Eßbares enthalten, in Wasserbehälter gestellt werden, das ist die
einzige Methode, mit einigem Erfolge Speisen, Früchte u. s. w. vor
Verderben durch Ameisen zu schützen.

Ein wahres Heer voll Ungeziefer aber beherbergen die Kopraschuppen,
jene Gebäude, welche aufgespeicherte Vorräthe an getrockneter Kokosnuß
enthalten. Kopra ist der in Stücke geschnittene und an der Sonne
getrocknete Kern der Nuß, jenes werthvolle Erzeugniß, das in Europa
die feinsten Oele, Seifen, Säuren u. s. w. giebt und jederzeit hoch
im Preise steht. In solchen Gebäuden wimmelt es von Ratten, Käfern,
Kakerlaken und Ameisen, die hier überreiche Nahrung finden, Tausendfuß
und anderes gefährlicheres Gewürm, selbst den Skorpion habe ich
zuweilen an anderen Orten bemerkt.

Eine langandauernde Lagerung des Kopras, dessen reicher Oelgehalt
bedeutende Wärme erzeugt, bringt durch Eintrocknen schon einen
Gewichtsverlust mit sich, mehr aber verliert die Güte desselben
durch die erwähnten Thierarten. Bei der Verschiffung des Kopras wird
natürlich solch lästiges Gewürm mit in das Schiff übergeführt und
monatelanges Lagern großer Mengen Kopra in einem Schiffsraume hat zur
Folge, daß namentlich Ameisen und Kakerlaken sich einbürgern, gegen
deren Vertilgung nordische Kälte nur das einzige durchgreifende Mittel
abgiebt.

Die ausgedehnten Bauten der deutschen Factorei und das dazu gehörige
Gelände trägt den Namen „Savala“, die langgestreckte Landzunge, auf
welcher sich mehrere kleinere Dörfer als „Songi“ und ganz am Ende die
Wohnung des derzeitigen Königs „Maliatoa“ befindet, heißt „Mulinuu“.
Gebüsch, Palmen und Brotfruchtbäume bedecken diese Landfläche, die im
Hintergrunde ein dichter Mangrovensumpf umsäumt, die Brutstätte der
lästigen Mosquitos und des zu Zeiten austretenden Malariafiebers.

Das Klima der meerumrauschten Insel ist im Allgemeinen als ein gesundes
zu bezeichnen; wie ich aus eigener Erfahrung weiß, hat der Europäer,
den tödtliches Fieber befällt, es meist immer selbst verschuldet und
zwar dadurch, daß er die in den Zimmern herrschende drückend heiße
Luft durch Oeffnen von Thür und Fenstern während des Schlafes in der
thaukalten Nacht zu mildern sucht, deren feuchte Luft zwar angenehm den
Körper kühlt, aber auch eine verderbliche Einwirkung auf die Gesundheit
ausübt. Wenige Monate nach meiner Ankunft (ein längerer Aufenthalt am
Lande war mir vorgeschrieben) hatte ich durch solche Unachtsamkeit mir
ein schlimmes Fieber zugezogen; zwischen Tod und Leben rang ich lange,
bis doch die Natur, unterstützt durch die Kunst der Aerzte, Sieger
blieb.

Man wandelt nicht ungestraft unter Palmen, das bestätigt sich auch
hier selbst bei den Eingebornen; unter anderen Krankheiten sei nur die
den Körper verunstaltende Elephantiasis angeführt. Häufig tritt diese
Krankheit auf, und wenn sie auch im ersten Stadium noch schmerzlos ist,
so schleppt doch der Betroffene ein meistens sehr dick angeschwollenes
Bein, das ihm äußerst lästig und am Gehen hinderlich ist, herum, selbst
langansässige Europäer befällt zuweilen dieses unangenehme Leiden.

Von der äußersten Spitze der Landzunge Mulinuu führt ein bequemer Weg
rings um die Bai nach Matautu, der als eine eigentliche Straße aber
erst von der deutschen Factorei an zu betrachten ist. Zur Rechten
liegen dort einige gefällige Cottages, im Styl englischer Landhäuser
erbaut, mit vorliegenden Gärten und dem freien Ausblick auf den
Hafen; die Straße selbst wird von hohen Apfelsinenbäumen beschattet,
deren kugelrunde noch unreife Früchte den jungen Samoanerknaben als
Spielbälle dienen, indem diese sich die fast nackende, lebhafte Schaar
mit Geschick zuwirft.

Weiterhin erst im eigentlichen Matafele, wie die Hauptansiedelung
der Europäer benannt wird, reihen sich Häuser zu beiden Seiten der
Straße, Hotels, Gastwirthschaften und Privatwohnungen, hinter diesen
das Samoanerdorf Matafele. Dem Durstigen winkt hier in den geräumigen
Wirthschaften ein kühler Trunk, durch künstliches Eis gekühlt; denn
Durst, durch die Sonnengluth erzeugt, hat Jedermann, auch stehen neben
Versandbier, das ausnahmslos deutsches Erzeugniß ist, Spirituosen, ja
die theuersten Sorten edlerer Getränke jedem zur Verfügung, sofern der
dafür geforderte hohe Preis nicht den Geldbeutel zu bedenklich leert,
da unter einem Sixhenie, d. h. 50 Pfennigen, nichts erhältlich ist,
eine Flasche Bier aber schon zwei Mark kostet und Weine noch bedeutend
höher im Preise stehen.

An Vergnügungen fehlt es auch nicht, die meisten Wirthe, dazumal
vornehmlich Deutsche, haben neben einem Tanzsaal, wo gelegentlich
zum Klavier oder Harmonika jeder mit den hübschen Samoanerinnen,
die leidenschaftlich dem Tanze und Spiel sich hingeben, tüchtig das
Tanzbein schwingen kann, auch für Liebhaber des Kegelsports gute
Bahnen eingerichtet, und diese werden von dem zahlreichen Personal der
Factorei und sonstigen Deutschen auch tüchtig benutzt.

Damit freilich sind die hauptsächlichsten Vergnügungen lokaler Art
erschöpft, Jagdliebhabern bietet sich solches in anderer Weise,
da zahlreiche wilde Tauben und Hühner, selbst verwilderte Schweine
in den Bergen zu finden sind; auch sonntägliche Reitausflüge nach
den Plantagen Vailele, Vaivase, Vaitele, selbst bis nach Molefenua
ausgedehnt, finden viele Theilnehmer, besonders aber sind Picknicks mit
Damen, den Kindern einiger langansässiger Europäer, und Samoanerinnen,
die ihre lichtbraunen Schwestern oftmals noch an Schönheit übertreffen,
für die Jüngeren ein beliebtes Vergnügen, zu deren Veranstaltung
Ausflüge in die schönsten Orte der Umgebung von Apia gemacht werden.

Hierbei fehlt, was ich gleich erwähnen will, gewöhnlich nicht der
bei den Samoanern so beliebte Schweinebraten, und wenn auch sonst der
stolze Eingeborne sich nicht herbei läßt, eine Handreichung zu thun, so
übernehmen bei solcher Gelegenheit die Aufgeforderten doch gerne das
Amt eines Mundschenks und bereiten eigenhändig nach ihrer Weise den
köstlich duftenden Braten.

Nach der Anzahl der Theilnehmer wird ein mittelgroßes Schwein vorher
geschlachtet, sehr sauber gereinigt und zerschnitten bereit gelegt. In
einer Grube, die rings mit Steinen ausgefüllt ist, werden diese durch
ein in derselben entzündetes Feuer glühend heiß gemacht, das Schwein in
große Bananenblätter fest eingewickelt, wird nach Verlöschen des Feuers
dasselbe dann in die Grube gebettet und auch mit ebenso heißen Steinen
zugedeckt, worüber dann Erde geschüttet werden muß, um zu verhindern,
daß die Hitze entweicht.

Von Kraft und Fettgehalt gar nichts verloren, wird nach Verlauf
mehrerer Stunden der äußerst zarte Braten behutsam herausgenommen und
auf frische Bananenblätter gelegt, dann reißt der Vertheiler mit den
Händen das Schwein auf. Allen im Kreise umhersitzenden Theilnehmern am
Mahle sind vorher Bananenblätter als Teller vorgelegt worden. Auf diese
wirft mit vielem Geschick der eine oder andere Gehülfe des Mundschenks
die von diesem mit den Händen in Stücke zerrissenen Fleischtheile,
dabei jedesmal den bezeichnend, dem sein Antheil zugeworfen werden
soll.

Nach unsern verfeinerten Begriffen ist solche Behandlung des Fleisches
sowohl, wie auch der ganze Vorgang etwas unappetitlich, indes stößt man
sich weniger daran, da vor den eigenen Augen alles mit peinlichster
Sauberkeit vorgenommen wird, auch liegt ein gewisser Reiz darin,
Unbekanntes und Eigenartiges kennen zu lernen. So viel ist gewiß,
ein jeder läßt sich das zarte Fleisch eines so bereiteten Schweines,
das nachträglich mit Salz gewürzt wird, vortrefflich schmecken, dazu
die zarten Yamswurzeln und Bananen, duftende Ananas und Orangen als
Nachtisch. So wird solches Essen ein lukullisches Mahl, das mit Bier,
Whisky und Sodawasser heruntergespült wird.

Gewöhnlich aber haben die theilnehmenden Samoanerinnen noch etwas
zur Ueberraschung vorbereitet: nämlich das beliebte, pikante
Palisami. In junge Bananenblätter mehrfach eingehüllt, liegt eine
weiche, weiße Masse, unsern Windbeuteln vergleichbar, die, von den
zartesten Blüthenblättern des Kokosbaumes umgeben, einen scharfen,
aber angenehmen Geschmack hat, erzeugt durch die feinen Blättchen,
die mit gegessen werden. Das Ganze besteht aus ganz fein geriebenen
Kokosnußkernen, durchsetzt mit der weißen Kokosmilch. Der eintretende
Säureprozeß trägt viel zum Wohlgeschmack bei.

Die Fröhlichkeit wird dann durch die ungemein wohlklingenden Gesänge
der blumengeschmückten Samoanerinnen eingeleitet. Einer Vorsängerin,
die Melodien und Text angiebt, folgt der ganze Chor mit einer
auffallenden Richtigkeit, die anmuthigen Bewegungen, das taktmäßige
Wiegen des Oberkörpers nach dem Rhythmus, das Klatschen der Hände auf
den Beinen, Armen, Schultern und Kopf geschieht mit solcher Präzision,
daß nur ein angeborenes Talent solche Fertigkeit hervorbringen kann.
Nicht minder interessant sind die Tänze; wie auf Kommando bewegen sich
die Füße und Gliedmaßen, das Aufreihen und Schließen einer Kette oder
Ringes geschieht mit unfehlbarer Sicherheit, dazu kommt der melodische
Gesang, kurz, es ist ein Genuß, den Bewegungen der graziösen Gestalten
zuzusehen.

Oft habe ich in den Hütten der Eingebornen, wo gerne Gastfreundschaft
geübt wird, bei kredenztem Kavatrunk Tanz und Spiel zusehen können
und über die Sorglosigkeit der Eingebornen Betrachtungen anzustellen
Gelegenheit gehabt, mit welcher die gütige Natur dieses glückliche
Volk ausgestattet hat, das durch schöne Gestalt und heiteren Sinn ganz
besonders bevorzugt ward.

Bei solchen Vergnügungen sowohl, wie bei einem Besuch in der
schmucklosen Hütte des Eingebornen, wird der Nationaltrunk
herumgereicht und ist dieser in folgender Weise zubereitet: die grüne
Kavawurzel, sonst giftig, wird vollständig an der Sonne getrocknet,
bis sie gelb und die Fasern spröde geworden sind, wodurch sie ihre
schädlichen Eigenschaften vollständig verliert. Die eigentliche und bei
den Samoanern beliebte Zubereitung nun ist: es kauen die jungen Mädchen
nach vorgenommener Reinigung des Mundes Theile dieser Wurzel mit ihrem
vorzüglichen Gebiß klein, rollen solche in Kügelchen und legen diese
in die Kavaschale, eine aus dem Holze des Brotfruchtbaumes künstlich
geschnitzte und auf kurzen Füßen ruhende Mulde. Dann werden die
Wasserbehälter, vollständige, möglichst große Kokosnüße, die so lange
in Seewasser gelegen haben oder mit solchem angefüllt gewesen sind,
bis der schmackhafte Kern in derselben sich aufgelöst hat und durch
die kleinen Keimlöcher entfernt ist, herbeigebracht, die nach Bedarf
vorräthig in oder außerhalb der Hütte hängen und nach vorgenommener
Reinigung der Hände wird von ihnen so viel Wasser in die Schale
gegossen, als erforderlich erscheint.

Die den Kavatrank bereitende Frau rührt nun mit einem bereitgehaltenen
Büschel feiner Fasern von der Banane das Ganze durcheinander, bis
das Gebräu eine schmutzig-bräunlich-gelbe Färbung angenommen hat,
dabei ist sie mit dem Büschel bemüht, auch das kleinste Fäserchen
der aufgelösten Kavawurzel zu entfernen. Ist der Trank bereitet, was
durch Händeklatschen den Anwesenden kundgethan wird, so bezeichnet
der Hausherr den vornehmsten Gast durch Aufruf und eines der jungen
Mädchen hält, sich erhebend, eine durch vielen Gebrauch schön polirte
Kokosnußschale über den Kavabehälter und läßt sich den ausgeschwenkten
und wieder eingetauchten Faserbüschel darin ausdrücken, oder richtiger,
das oft über einen halben Liter fassende Gefäß mit dem Getränke
volllaufen. In graziöser Bewegung schreitet das Mädchen dann auf den
Bezeichneten zu und kredenzt, vor dem Sitzenden sich neigend, das
Getränk.

Hierbei ist es Regel (soll in einer Nichtannahme keine Beleidigung
des Wirthes gefunden werden), daß die Schale geleert oder doch daraus
getrunken wird, den Rest kann man seitwärts oder über den Kopf hinweg
ausschütten und dann das leere Gefäß dem wartenden Mädchen zurückgeben.
So geht es in der Runde fort, oft wird auch die große Schale nach
Bedarf mehrmals aufs Neue gefüllt. Gesang, an welchem auch die Männer
sich betheiligen, hilft ein solches Trinkgelage verschönern.

Die Kavawurzel besitzt auch die Eigenschaft, einem kranken und
ermatteten Körper Ruhe zu geben, sowie eine schmerzstillende Wirkung
auszuüben, sie hat deshalb weite Verbreitung als Genußmittel auch bei
den übrigen Südseeinsulanern gefunden.

In größeren Mengen genossen, wirkt der Kavatrank aber doch berauschend,
und bei vollständig klarem Kopfe hat man das Gefühl, als weiche der
Erdboden unter den Füßen, eine Art Gefühllosigkeit macht sich in den
Beinen bemerkbar und kaum spürt man die Berührung mit dem Boden.
Bei einem Ausfluge zu einem landeinwärts lebenden Europäer, wo in
Ermangelung von Bier und anderen Getränken von den gefälligen Samoanern
reichlich Kava kredenzt wurde und ich als Neuling schließlich auch
Gefallen an dem eigenartigen Getränke fand, dessen Wirkung ich nicht
kannte, machte ich auf dem langen Heimwege in dunkler Nacht dann die
Erfahrung, daß ein neckischer Kobold sein Spiel mit mir zu treiben
versuche.

Das Kauen der Kavawurzel ist, wie erwähnt, im Allgemeinen gebräuchlich,
doch bürgert sich, wenigstens wo ein häufigerer Verkehr mit Europäern
stattfindet, mehr und mehr die Methode ein, diese Wurzel zwischen
Steine zu zerklopfen und das unappetitliche Zerkauen mit den Zähnen
unterbleibt. Die Zubereitung des Trankes bleibt sonst dieselbe.

Wie bei den meisten Naturvölkern, so herrscht auch bei den Samoanern
keine strenge Sittlichkeit, doch darf als Beweis die Veranstaltung des
Festes angesehen werden, welches zu Ehren der unbescholtenen Jungfrauen
gefeiert wird. Bei diesem folgt Alt und Jung dem Zuge, an dessen Spitze
die jungen Mädchen im reichsten Blumenschmuck einherschreiten. So
allgemein ist diese Sitte, daß das Fest in jedem großen Dorfe begangen
wird. Die Anwesenheit der Europäer ist bei solcher großen Festlichkeit
sehr erwünscht, sind sie vorhanden, so wird ihnen der Ehrensitz an der
Seite der Jungfrauen zutheil.

In gleicher Weise wie bei den geschilderten Picknicks wird auch
hierbei, nur im großartigeren Maßstab, ein opulentes Mahl im grünen
Grase unter den Wipfeln rauschender Palmen abgehalten, dem Gesang und
Tanz folgt ein Schauspiel in dieser herrlichen, pittoresken Gegend
und Umgebung, wie solches eindrucksvoller und natürlicher von den
frohsinnigen Kindern eines gesegneten Fleckchen Erde nicht vorgeführt
werden kann.

Reinlichkeit des Körpers ist eine Tugend des samoanischen Volkes,
hervorgerufen durch die Anschauung, daß dadurch allerlei Krankheiten
fern gehalten werden, zu jeder Tageszeit in den kühleren Stunden findet
man an den Ufern der aus den Bergen kommenden Flüße und Bäche badende
Mädchen und Frauen; ja dies ist so zu einem Bedürfnisse geworden, daß
selbst Kranke sich zu den erfrischenden Wassern schleppen.

Um Haut und Körper geschmeidig zu erhalten, reiben namentlich Frauen
und Mädchen sich mit Kokosnußöl ein, welches dem Braun der Hautfarbe
etwas Glänzendes giebt; gleichwohl geht auch ein scharfer Geruch von
ihnen aus, der ein empfindliches Riechorgan beleidigen kann; auch eine
aneinandergereihte haselnußgroße Frucht, mit Vorliebe neben Muscheln
und Blumenranken als Schmuck getragen, vermehrt den scharfen Geruch des
Oels, die Gegenwart eines weiblichen Wesens macht sich sofort dadurch
bemerkbar.

Bei beiden Geschlechtern ist das Kopfhaar auffallend stark, andere
Haare am Körper, selbst oft der sprießende spärliche Bart des Mannes,
werden durch Ausreißen entfernt und wo sie sich dennoch zeigen, solche
mit scharfen Glasscherben oder Muscheln abrasirt. Während die Männer
sich nach und nach den ganzen Unterkörper tätowiren, haben die Frauen
nur einzelne Punkte auf der Brust, und ich muß sagen, erstere müssen
bei dem schmerzhaften Verfahren recht starke, wenig empfindliche
Nerven besitzen, denn eine Anzahl dicht aneinandergereihter Nadeln, die
bis auf eine gewisse Länge in die Haut eindringen, werden, befestigt
an einem Holzstück, mit leichten Schlägen eines kleinen Holzhammers
eingetrieben und auf diese Weise die einfache Zeichnung ausgeführt.

Das Kopfhaar der Samoaner ist stark und schwarz; findet man bei den
Männern rothes, so ist dies künstlich erzeugt und beweist einen
gewissen Grad von Eitelkeit. Schlanke Jünglinge, selbst Männer,
erscheinen häufig am frühen Morgen mit einer eigenartig weißen
Perrücke geschmückt, bis über die Schläfe hinaus ist der ganze Kopf
in eine starre, weiße Kalkmasse eingehüllt, was den Trägern solcher
Kopfbedeckung ein eigenthümliches Aussehen giebt. Dabei sind sie auch
noch darauf bedacht, ihre Frisur vor Verletzungen und Unordnung zu
schützen.

Die Folge ist, daß unter beständiger Einwirkung von Kalk, der hier
leicht aus gebrannten Korallensteinen zu gewinnen ist, das Haar
allmählich bleicht und schließlich roth wird, neuer Nachwuchs muß
natürlich immer auf gleiche Weise behandelt werden und die Eitelkeit
legt dadurch dem sonst trägen und zur Arbeit wenig geneigten Samoaner
doch gewisse Beschränkungen auf. Uebrigens ist ein Unterschied in der
Sprache wie in der Bekleidung vorhanden. Während nämlich die Taimua, d.
h. die Vornehmen, sich einer besonderen Sprache bedienen, im Gegensatz
zu der der Faipule, d. h. des gemeinen Volkes, so ist es nur den
Häuptlingen und den Mitgliedern einer Königsfamilie gestattet, weiße
Lava-Lava, d. h. Lendenschurze zu tragen.

Als um das Jahr 1830 die ersten Europäer sich hier festgesetzt und
allmählich der Handel an Ausdehnung gewann, war die Ausfuhr nach Europa
vornehmlich Kokosnußöl, welches die Eingebornen in größerer Menge
bereiteten, davon ist man aber längst abgekommen und führt die viel
billigere Kopra unter Ausnutzung ihrer reichhaltigen Stoffe, die bei
der ursprünglichen Oelgewinnung vergeudet wurden, lieber in Mengen aus.

Die Oelbereitung geschah, wie früher so auch heute noch, auf folgende
Weise: die reife Kokosnuß wird aufgespalten und von der äußeren
fasrigen Hülle befreit, so daß der ölhaltige Kern nur noch von der
harten festen Schale umgeben bleibt, der Kern wird dann durch Hin- und
Herscheuern auf einem wie eine Säge ausgezackten Stück Bandeisen oder
hartem, schmalen Holz klein gerieben und die gewonnene Maße dann in
eine Mulde oder alten Kanoe geschüttet. Dann wird sie mit Seewasser
übergossen und dem Gährungsprozesse überlassen. Das Oel sammelt
sich überm Wasser und kann leicht abgeschöpft werden. Es ist sehr
säurehaltig, wird deshalb leicht ranzig und eignet sich schlecht zum
Gebrauch, der widrige Geruch hat auch etwas unangenehm Belästigendes an
sich.

Um zu dem schon erwähnten Palisami oder zu einer Reisspeise,
selbst Hühnersuppe, die benöthigte weiße Milch zu erhalten, braucht
die kleingeriebene Kernmasse nur in einem Stückchen Zeug oder in
Ermangelung dessen in einer weichen, feingewobenen Matte ausgedrückt
zu werden, der weiße, wohlschmeckende Saft fließt durch das Gewebe ab,
der Rest dient den Hühnern und Schweinen als Nahrung, die sehr gierig
nach solchem Futter sind; namentlich muß vor letzteren die auf Matten
ausgelegte Kopra geschützt werden, denn mit besonderer Vorliebe eignen
sich diese Thiere den wohlschmeckenden, ihnen so mundgerecht gelegten
Vorrath an.

Die Kokospalme ist überhaupt der von der gütigen Natur für viele
Volksstämme gespendete Universal-Baum; diese erhabene, majestätische
Bauart, die vielfältig dem Menschen Nahrung, Kleidung und Obdach
giebt, hat auch den zivilisirten Europäer nach Gegenden gezogen, die
ein einsam freudloses Dasein bieten, wo er oft mit wilden, selbst
kannibalischen Stämmen, schwere Kämpfe bestehen mußte, ehe ein
Tauschhandel um die werthvolle Kokosnuß eingeleitet werden konnte.

Die Kokospalme wächst überall in den Tropen, auf Korallen, wo sonst
kein Gras noch Strauch zu sehen ist, senkt sie ihre Wurzeln tief ins
Gestein und saugt das für sie nöthige Wasser auf, auch auf Hügeln und
Bergen, wo der Boden gut ist und genügend Feuchtigkeit halten kann,
findet man sie bis zu 500 Fuß überm Meeresspiegel. Auf verwittertem
Lavagrunde gedeiht der Baum am besten; ist genügend Raum zur Ausdehnung
vorhanden, so erreicht der astlose, schlanke Stamm oft eine Höhe von 90
Fuß, über dem sich die mächtige frucht- und blätterreiche Krone stolz
in den Lüften wiegt.

Auf den Plantagen geht man in einem Tempel, der scheinbar endlos
sein grünes Dach über viel Tausend Säulen wölbt; man ist wie in einem
hehren, mächtigen Dome, unter dessen Wölbung ein reiner, stiller Friede
waltet, ein Etwas, das jedem die Majestät der schaffenden Natur vor
Augen führt.

Die Blätter der Palme, bis zu 30 Fuß Länge reichend, dienen, ineinander
geflochten und schichtweise aufeinander gelegt, dem Eingebornen zur
Bedachung seiner Hütten, die meistens rund oder oval nur aus einer
Anzahl in den Boden gesetzter Palmenstämme bestehen, in der Mitte
ist ein höherer Stamm, der das schräge Dach zu unterstützen hat.
Die Wandbekleidung sind aufrollbare Matten, die Nachts, wenn der
mattenbelegte Raum als Schlafstätte benutzt wird, niedergelassen
werden, höchstens giebt es ein abgetrenntes Heiligthum in jeder Hütte,
das Schätze birgt und profanen Blicken nicht zugänglich ist, sonst ist
bei Tage das Innere einer Hütte meist immer sichtbar.

Große Geschicklichkeit zeigen die Samoaner im Flechten der Matten,
ihrer praktischen Fächer u. s. w. Auch hierfür giebt ihnen die
Palme wieder das Material. Die feinen Blätter werden aufgerollt,
eine zeitlang gut gewässert, und dann mit einem flachen Stein oder
Holz geklopft. Dann verliert sich die Sprödigkeit und jedes Blatt,
selbst zu feinen Streifchen leicht auftrennbar, giebt einen weichen,
handlichen Stoff. Körbe zum Heimschleppen etwaiger Feldfrüchte oder
Nüsse verfertigt sich der Samoaner erst an Ort und Stelle, ein Theil
des gewaltigen Palmenblattes genügt dazu, und zwar reißt er die starke
Mittelrippe des Blattes so auf, daß er zwei Theile erhält, flicht die
schmalen Blättchen in einander, so daß beide Theile nun ein Ganzes
bilden, biegt die geschmeidigen Rippen, befestigt sie und in wenig
Minuten ist ein starker, fester Korb hergestellt.

Die zähen, biegsamen Rippen der schmalen, langen Blattstreifen werden
auch nicht verworfen, sondern dienen, in Bündel gebunden, als Besen.
In Ermangelung besserer habe ich mir häufig solche zum Schiffsgebrauch
anfertigen lassen, die sich auch gut bewährten.

Die Blüthe der Palme tritt unterhalb der Blätterkrone in länglicher
blattähnlicher Form am Stamme hervor, in ihr sammelt sich der süße Saft
und zwar in solchen Massen, daß, wenn die Blüthe angeschnitten wird und
man die Wunde nicht vernarben läßt, weit über die Dauer der Wachszeit
hinaus der Saft fortwährend läuft. Solch ein Baum, dessen Blüthen zur
Gewinnung dieses Saftes einmal angeschnitten sind, bringt in Folge
davon keine Früchte, giebt aber den wohlschmeckenden, süßen Stoff
„Toddy“, den jeder gerne trinkt; frisch ist er ein angenehm kühles
Getränk, in Gährung übergegangen, was bald geschieht, wirkt er aber
stark berauschend.

Der Palmenbaum wird durch die Entziehung des Saftes natürlich
geschädigt, und wenn mit Nachlässigkeit verfahren wird, kann man sagen
verblutet sich derselbe und stirbt langsam ab. Meistens werden immer
dieselben Bäume zur Gewinnung des Toddy verwendet, da der Eingeborne
den Werth der Palme ebenso wie der Europäer wohl zu schätzen weiß, auch
ist das Toddystehlen, wozu der Samoaner große Neigung hat, arg verpönt
und wird ein Europäer dadurch geschädigt, steht auf Toddy-Raub eine
empfindliche Strafe.

Die junge Kokospalme bedarf eines fünfjährigen Wachsthums, ehe sie
Früchte bringt, und auch dann muß der Boden gut sein; auf Korallengrund
gepflanzt, entwickelt sie sich langsamer und braucht etwa sieben Jahre.
Von dieser Zeit aber an trägt sie auch immerwährend Nüsse, obwohl man
eigentlich bei den zwei Mal im Jahr eintretenden Haupternten den Ertrag
des einzelnen Baumes auf durchschnittlich 100 Nüsse rechnen kann. Drei
Nüsse werden gemeinhin auf ein Pfund Kopra gerechnet.

Reife, abgefallene Nüsse treiben, wenn sie längere Zeit unbeachtet
bleiben, leicht Keime. Häufig sah ich Haufen Nüsse, die mit jungen
Schößlingen bedeckt waren, auf freier Erde liegen, es bedurfte nur
einer Auspflanzung und der Entwicklung der anspruchslosen Pflanze stand
nichts im Wege. Regel ist, daß jeder Baum 30 Fuß Spielraum erhält,
aufeinandergedrängt entwickeln die Palmen sich schwerer, wenigstens ist
der Ertrag kein guter. Jung und grün gepflückt ist die äußere Schale
der Nuß noch verhältnißmäßig weich und inwendig ganz mit farbloser,
wohlschmeckender Milch gefüllt.

Diese, wohlschmeckend, kühl und angenehm, stillt zwar den Durst, doch
darf man nicht zu viel und zu häufig davon trinken, da sich dann leicht
Unterleibsbeschwerden einstellen. Das innere, zarte Fleisch der Nuß,
der in der Bildung begriffene Kern, ist für Mensch und Thier nicht
minder angenehm.

Zur Zeit der Fruchtbildung, wenn die Faserhülle noch weich und
dünn ist, machen sich mit Vorliebe die Ratten daran, die die Bäume,
namentlich die etwas geneigten, selbst die höchsten, erklimmen und die
Nüsse anschneiden und der angerichtete Schaden ist ganz beträchtlich.
Gegen diese Nagethiere vermag der Pflanzer die Früchte nur dadurch
einigermassen zu schützen, daß er seine Bäume mit Blechstreifen, über
welche die Ratten schlecht hinwegkommen, benagelt, auch gefallene Nüsse
möglichst schnell aufsammelt, da die scharfen Zähne der Ratten selbst
die zähe Faserhülle und die äußerst harte Schale der Nuß durchzufressen
vermögen. Ein Laie, der in den Besitz einer beinahe reifen Nuß gelangt
ist, wird schwerlich solche leicht öffnen können, da das Durchschneiden
der zähen Faserhülle selbst mit einem scharfen Messer kaum möglich ist.

Der Eingeborne bedient sich dazu eines 2-3 Fuß langen Stockes, den
er an beiden Enden zugespitzt hat; dann stößt er das eine Ende in die
Erde, faßt die Nuß mit beiden Händen und schlägt damit gegen die Spitze
des Stockes, sodaß dieser tief in die äußere Hülle eindringt. Alsdann
bricht er, mit der linken Hand den Stock festhaltend, mit der anderen
die Schale auf indem er die Nuß kräftig zur Seite biegt; wenige Schläge
genügen, und die Nuß ist von der zähen Hülle befreit. Um nun auch die
harte innere Schale zu öffnen, schlägt man mit einem Stein oder Messer
oder einer anderen Nuß dagegen, dann springt an der getroffenen Stelle
die spröde Schale leicht auf, Kern und Milch wird frei.

Soll die fasrige Hülle zu Matten oder Tauwerk verwendet werden, so
wird solche für längere Zeit in einen Frischwassertümpel gelegt;
die Fasern lösen sich dann auf und lassen sich, gereinigt, leicht
auseinander ziehen. Gewöhnlich spinnen die Eingeborenen daraus den
Cajar, einen zweidrilligen Faden, aber auch starkes, zähes Tauwerk,
jener dient ihnen namentlich dazu, ihre Hütten zu befestigen, die mit
Cajar gebunden, selbst vom wirbelnden Orkan nicht leicht niedergefegt
werden können. Zuletzt sei noch die harte Kernschale erwähnt, diese,
an und für sich nicht weiter verwendbar, wird zur Feuerung benutzt. Sie
entwickelt, da sie leicht brennbar ist, eine ganz beträchtliche Hitze.

Lehrreich ist es, zu beobachten, wie gewandt der Samoaner selbst die
höchsten Palmen zu erklimmen vermag und die hochhängenden Früchte
dieses Baumes zu erlangen versteht. Ein Hinaufklettern ist es freilich
eigentlich nicht, eher ein Vorwärtsschieben des Körpers mit Händen
und Füßen. Dabei weiß der Eingeborne sich auf eine einfache Weise
zu helfen. Der Stamm der Palme, obgleich ziemlich glatt, hat doch
eine beträchtliche Zahl leicht vorstehender Ringe, die ehemaligen
Blätteransätze, diese geben dem Kletternden dann einen gewünschten
Halt, wenn er sich mit dem erwähnten Cajar die Knöchel der Füße
so verbindet, daß vielleicht sechs Zoll Abstand bleibt. Wird die
Fußsohle gegen den Stamm gedrückt, so findet dieses kurze Tau an
den vorspringenden Ringen Halt; mit den Händen immer höher greifend,
schiebt sich der Körper bis zur schwankenden Höhe hinauf.

Der hohe Werth der Kokospalme, den auch der Europäer sehr zu schätzen
weiß, läßt sich aus dem Gesagten entnehmen; kein größerer Schade kann
daher dem Eingebornen zugefügt werden, als wenn man seine Palmen
vernichtet, was leider die Samoaner unter sich bei ihren häufigen
Parteikämpfen nicht unterlassen. Der siegende Theil schlägt, wenn er
Zeit findet, die Anpflanzungen der Besiegten nieder und fügt dadurch
dem Unterliegenden einen unersetzlichen Verlust zu.

Auffallend schnell hat der Samoaner sich dem Christenthume
zugeneigt, da er sehr empfänglich für das Neue und mit schnellem
Auffassungsvermögen ausgestattet ist. Das evangelische und katholische
Bekenntniß zählt zahlreiche Anhänger, man kann sagen, dem Namen nach
sind die meisten Bewohner der Samoagruppe Christen.

Um so leichter hat der Eingeborne die göttliche Lehre angenommen, als
er in ein Labyrinth von Göttern und Götzen gerathen war, aus dem ihm
selbst seine reiche Phantasie durch Umstürzen alter und Aufstellung
neuer Götter schwer einen Ausweg schuf. Im Allgemeinen war die
Anschauung der Allbeseelung der Naturwelt und der Menschen in ihm
lebendig.

Etwas eigenartig liegen die politischen Verhältnisse auf Samoa.
Das tapfere Volk, in Stämme und Parteien getheilt, schwingt trotz
seiner monarchischen Staatsverfassung immer aufs Neue die Fackel des
Bruderkrieges, schnell ist es zum Kampf bereit, schnell auch wieder zur
Versöhnung, die es durch großartige Feste feiert. Den Frieden aber, der
eigentlich nur ein Waffenstillstand ist, können geringfügige Vorfälle
leicht wieder stören.

Die Kriege sind, als noch Lanzen, Keulen und Schlachtbeile mehr im
Gebrauch waren, wohl nie sehr blutig gewesen, da Mann gegen Mann
gefochten wurde und schon bei einem geringen Verluste die schwächere
Partei das Feld räumte, die erbeuteten Köpfe der gefallenen Krieger
nahm der Sieger als Trophäe mit und legte sie seinem Oberhäuptling oder
dem Könige zu Füßen.

Von dieser scheußlichen Gewohnheit, den Todten und Verwundeten die
Köpfe abzuschneiden, lassen die Samoaner auch heute noch nicht,
zum mindesten wird, wenn keine Zeit vorhanden ist, die Schändung
vorzunehmen, schnell ein Ohr abgeschnitten, dann hat nämlich der Kopf
für einen anderen keinen Werth mehr. Missionare und strenge Gesetze
sind machtlos dagegen; von der Gewohnheit ihrer Vorfahren, solche
Trophäen heimzubringen, wollen sie durchaus nicht lassen.

Besser wurde die Lage auf Samoa auch nicht nach der Ansiedelung
der Europäer, und haben die Deutschen als die ersten auch großen
Einfluß gewonnen, so hat doch die Nebenbuhlerschaft der Engländer und
Amerikaner das Parteiwesen nur verschlimmert. Die Einfuhr von Waffen,
namentlich des Winchester Gewehrs, haben den begabten Samoaner, der
Landbesitz und große Mengen Kopra für die Erlangung solcher Waffe
hergab, zu einem nicht zu verachtenden Gegner gemacht.

Ja der Haß der Fremden gegen die Deutschen, welche den werthvollsten
Theil der Insel Upolu in ihren Besitz gebracht hatten, ging so
weit, daß sie trotz ihrer geringen Anzahl offen Partei gegen unsere
Landsleute nahmen und die Samoaner gegen ihre einstigen Freunde
aufstachelten, wodurch deutsches Eigenthum schwere Schädigung erlitt.

Es ist genugsam bekannt, wie thatkräftig die Regierungen eingreifen
mußten, um die blutigen Fehden einzuschränken, die blinder Haß und
Neid entfacht hatte. Da der deutsche Reichstag im Jahre 1878 den Plan
des eisernen Kanzlers, die Samoa-Inseln an Deutschland zu bringen,
zunichte machte, als diese noch herrenlos und durch politische Wirren
geschwächt waren, hat uns später viel Blut und Leben gekostet; damals
war es eine geringe Summe, um welche es sich handelte, hätte man sie
bewilligt, die Perle des Großen Ozeans wäre deutsch gewesen!

Unsere aufblühenden Kolonien, die kaum ein Jahrzehnt in deutschem
Besitz sind, haben gezeigt, daß der Deutsche auch in seinem eigenen
außereuropäischen Besitzthum der rechte Mann der That sein kann, also
nicht bloß versteht, anderen Nationen die leicht erworbenen Länder zu
bebauen und zur Größe und zum Wohlstand zu verhelfen. Wahrlich genug
deutsche Kraft und Einsicht ist anderen Völkern zu gut gekommen, so daß
es fürwahr an der Zeit war, dem erstarkten deutschen Volksbewußtsein
weitere Kreise zu ziehen, wie es der Begründer des neuen Reiches als
ernste Nothwendigkeit erkannte; hemmen läßt sich der gewaltige Trieb
einer aufflammenden Volkskraft wohl, aber niederhalten, in andere
Bahnen lenken, niemals! Wie später die deutschen Pioniere in Afrika
alles daransetzten, für ihr deutsches Vaterland das zu schützen, was
das Schwert erkämpft hatte, so würde damals ein gut bebautes, reiches
Land schnell unter den Fittichen des deutschen Aars den Frieden und das
Volk die Ruhe nach langem Hader und blutigen Kämpfen gefunden haben.

Dagegen wurde den drei betheiligten Mächten Deutschland, England,
Amerika die Oberhoheit zugesprochen, dem kleinen Volke aber die
Selbständigkeit gelassen. Ohne Zweifel ging das Bestreben dahin, auf
diese Weise dem Volke den Frieden zu geben aber die Eifersucht der
Fremden vereitelte die gute Absicht. Vor allem gönnten die Engländer
und Amerikaner, so geringen Antheil sie auch an Samoa hatten, den
Deutschen nicht die Früchte ihrer Mühen, und was im hohen Rathe der
Mächte eine Möglichkeit schien, Land und Volk den Frieden zu geben,
vereitelte auf Samoa selbst die Eifersucht der Ansiedler. Willkommen
war jeder Anlaß, dem vorherrschenden deutschen Einflusse den Boden zu
entziehen und dessen Ansehen zu schädigen.

Fürsten und Volk der Samoaner lauschten den Einflüsterungen
übelgesinnter Eingewanderter, welche den Zwiespalt der Parteien schlau
benutzten und die Fackel des Aufruhrs und der Widersetzlichkeit
entflammten. Daß die Deutschen endlich dieses Treibens müde wurden
und 1885 auf Mulinuu, dem Gebiete des übel berathenen und feindlich
gesinnten Königs Maliatoa, die deutsche Reichsflagge hißten, war
ein Akt zwingender Nothwendigkeit. Standen auch 2000 Krieger um Apia
bereit, die Flagge niederzureißen und die erklärte Schutzherrschaft
aufzuheben, so wurden diese doch durch die Geschütze der deutschen
Kriegsschiffe und die beträchtliche Zahl der bewaffneten Deutschen von
einem Angriffe zurückgehalten.

Wie jubelten wir alle der stolzen Flagge zu! Ein großer Festtag war es,
als, geschützt durch Wall und Graben, durch die Waffen der deutschen
Matrosen das Reichspanier sich hoch am schlanken Maste entfaltete.
Jener 6. Januar 1885 schien endlich das Sehnen der Deutschen auf Samoa
erfüllt zu haben.

Es kam wirklich nach Hissung der Flagge ein kurzer Zeitabschnitt,
wo Ruhe und Friede auf der Insel Upolu einzukehren schien; das
thatkräftige Einschreiten der deutschen Beamten, der einheitliche
Wille, der den Verhältnissen voll gewachsen war, sowie die entfaltete
Macht, die den Eingebornen Achtung einflößte, schien bessere
Verhältnisse herbeizuführen. Aber anders war es im Völkerrathe
beschlossen. Kurz war die Freude aller Deutschen, kurz der Traum von
Ruhe und Frieden. Muthlosigkeit, bittere Enttäuschung erfüllte alle,
aussichtslos war der weitere Kampf, die Freudigkeit am Ringen um den
Preis so hohen Gutes war dahin, als die deutsche Flagge niederging.

Der Versuch, den deutschen Einfluß, der einst die ganze Inselwelt
der Südsee beherrschte, zu brechen, war gelungen, wohl niemals wieder
werden wir uns denselben in der ganzen Größe und dem ganzen Umfange wie
einst erringen können. Die feste Hand, der starke Wille, dem Fürst und
Volk Samoas allein sich unterordnen, fehlt hinfort und fehlt bis heute.
Welche Kämpfe gefolgt sind -- keinem System, als dem der unbeschränkten
Macht wird der Samoaner sich beugen -- hat die Folgezeit gezeigt.

Um der Todten, um des deutschen Blutes willen, das den Boden Samoas
getränkt, möge noch einmal die Zeit kommen, in welcher kräftig und
dauernd der deutsche Aar sein Kleinod festhält und es niemals wieder
fahren läßt.



II. Reisen durch die Samoa- und Tonga-Inseln.


Das im vorigen Kapitel Gesagte ist das Ergebniß solcher Beobachtungen,
die zu machen ein Aufenthalt am Lande, oder im Hafen von Apia mir
ermöglichte. Viele weitere Einzelheiten, deren Kenntniß der Verkehr
mit den Samoanern und langansässigen Europäern mit sich bringt,
verdienten zwar noch der Erwähnung, indes, da ich in großen Zügen nur
meine Erlebnisse in der Südsee schildern will, muß Unwesentlicheres
zurücktreten; darum sehe ich auch von der Beschreibung einzelner
Fahrten und Reisen durch dieses weite Gebiet ab.

Alle mit mir zugleich auf demselben Segelschiffe angekommenen
Passagiere, die, wie ich, sich auf 3 Jahre der Plantagen-Gesellschaft
verpflichtet hatten, wurden bald nach unser Ankunft ans Land beordert
und nahmen die ihnen zugewiesene Beschäftigung auf. Meine Bestimmung
dagegen lautete, sogleich an Bord des Schooners „Hapai“ zu gehen und
dort vorläufig den Dienst des ersten Steuermanns zu versehen.

Zwei Tage später schon lichteten wir Anker und segelten nach Matautu,
dem Haupthafen der Insel Savai, von dort sollten wir schnell das
daselbst lagernde Kopra, wie solches auf den verschiedensten Inseln von
den Händlern der Gesellschaft aufgekauft wird, abholen.

Auf Savai, das nur durch die Straße von Apolima von Upolu getrennt
ist, erhebt sich die dunkle Bergmasse, gleich der auf Upolu, hoch und
mächtig; ja, aus der Ferne gesehen, scheint ein gewaltiger Höhenrücken
die ganze Insel auszumachen. 4000 Fuß hoch, die höchsten Krater
auf Upolu, den Tofua, Maugalaila, Taitoelau und Sigaele um 1000 Fuß
überragend, erhebt sich diese Kraterregion gleich einer Scheidewand,
die zwar von reichem Pflanzenwuchse bedeckt, aber wenig bevölkert ist;
nur einzelne Pfade führen durch Urwälder und tropische Wildniß über
die von Lava starrenden wildzerklüfteten Berge. Jungfräulicher Boden,
der zu den schönsten Hoffnungen berechtigt und für Kaffee, Vanille,
Baumwolle geeignet ist, liegt brach und unbenutzt, denn es herrscht
vollständiger Mangel an gut geschützten Häfen.

Weniger als auf Upolu bildet das die Insel umgebende Korallenriff
gesicherte Einfahrten, auch die größte vor Matautu wird durch schwer
anrollende See gefährdet. Wohl vertraut mit der nicht so leicht
aufzufindenden Durchfahrt im Riffe, führte mit günstigem Winde der
Führer der „Hapai“ sein Schiff längs der schwer aufrollenden Grundsee
am langgestreckten Riffe hin; die wild schäumende Brandung brach sich
donnernd auf diesem, und die mächtigen Wogen schienen das Schiff dem
Verderben zutragen zu wollen. Ich selber hielt es für sehr gewagt, so
nahe dem gefährlichen Riffe zu laufen, jedoch als wir die Einfahrt nach
Matautu gewonnen hatten, ließen wir bald die wilde Brandung hinter uns.

Weit von Land ankernd, ist es Regel hier, da der Ankerplatz nur ein
tiefer liegendes Riff ist, auf welchem sich einrollende See brechen
kann, weit vom Lande zu ankern und muß man in der unbeständigen
Jahreszeit immer bereit zum Auslaufen sein, sobald westlicher oder
nordwestlicher Wind aufspringt, denn gefährlich würde jedem Schiffe die
direkt einlaufende See werden.

In Hast und Eile ging denn auch das Einschiffen der Ladung vor sich,
da Wind und Wetter wenig Beständigkeit versprach; wohl 70 Savaileute
brachten mit großen Brandungsbooten die oft von der am Strande
laufenden See durchnäßte Ladung an Bord. Längsseit des Schiffes
schöpften die Boote oft noch Wasser, so unruhig war selbst im Hafen
noch die See; wildes Halloh erhoben die Kerle, die höchstens mit einem
Grasschurze bekleidet waren, wenn sie der Länge nach niederstürzten
und es auch deshalb vorzogen, auf das vor seinen Ankern schwer
rollende Schiff zu springen. So kostete es mich viel Mühe, die braunen,
zügellosen Kerle, deren Sprache ich noch nicht verstand, zur Arbeit
anzuhalten.

Obgleich die Bewohner Savai's gleicher Abstammung wie die Upolu-Leute
sind, so herrscht doch zwischen der Bevölkerung beider Inseln
fast immer Hader und Streit. Die Savai-Leute, vielleicht kühner im
Angriffe, bemannen oft genug ihre großen Kriegskanoes und versuchen
einen Ueberfall auf Upolu, um sich gelegentlich für die Schimpfworte,
„Schweine von Savai“, bitter zu rächen.

Schnell nach Apia zurückgekehrt, erhielt das Schiff Weisung, schon am
24. November wieder in See zu gehen und zwar nach der einsamen Insel
Niue, von wo ebenfalls Kopra und ein größerer Segelkutter, der in der
schlechten Jahreszeit für den dortigen Händler nicht recht verwendbar
und an der steilen Küste gefährdet war, abgeholt werden sollte.
Aufkreuzend gegen wieder vorherrschenden Südost-Wind erreichten wir
die Insel erst nach zehn Tagen. Als wir in deren Nähe kamen, waren
die ersten Häuser, die wir sahen, das Missionshaus und die Kirche,
die zurückliegenden Hütten der Eingebornen ließen sich, weil sie durch
Busch und Palmen verdeckt waren, nicht unterscheiden. In einer kleinen
Einbuchtung, wo ein Spalt in der steilen Uferwand allenfalls das Landen
gestattete, 100 Fuß von Land dicht vor der Brandung -- ein Schwingen
des Schiffes vor seinen Ankern war nicht möglich -- ankerten wir am
steilen Korallenriff.

Von der auffallenden Erscheinung, daß durch vulkanische Kräfte
ganze Inseln gehoben werden, giebt die Insel Niue einen Beweis, mir
war sie um so bemerkenswerther, als es die erste war, an welcher
ich die unterseeische Korallenformation erkennen konnte. Wohl 30
Fuß hoch zeigen die Uferwände der Insel die gewaltige Arbeit der
Korallenpolypen, die von neuem, seit der vielleicht viele Jahrhunderte
schon zurückliegenden Hebung dieser Insel, am steilabfallenden
Meeresgrunde weitergebaut und an vielen Stellen wieder ein
zusammenhängendes Riff aufgeführt haben. Später, als ich selbst mit
eigenen Augen die ungeheure vulkanische Kraft, die zeitweise auf diesem
ausgedehnten Kratergebiet in Erscheinung tritt, gesehen, war es mir
klar, daß die schlummernde Naturkraft nicht bloß die Erdrinde und das
Meer zu erschüttern vermag, sondern spielend Inseln hebt.

Die wenigen Tage, die wir vor Niue zu Anker lagen, war eine Zeit
ängstlichen Hastens, weil wir so schnell als möglich mit der aus Kopra,
Fungos, einer Pilzart, und der aus Arrowroot-Wurzeln bestehenden
Ladung fertig werden mußten, denn mit Gefahr für Boot und Ladung war
eine jedesmalige Landung verbunden, da fast in der Brandung jedes Boot
beladen werden mußte. Für das Schiff war Gefahr insofern vorhanden,
als dieses durch auflandigen Wind trotz der Anker leicht aufs Riff
getrieben werden konnte, wir also immer bereit sein mußten, bei einem
Wechsel des Windes, wenn nöthig, schnell die Anker zu schlippen und
die offene See zu gewinnen. Drohende Anzeichen für schlechtes Wetter
gingen aber glücklicher Weise vorüber; übrigens war dieses die letzte
glücklich vollbrachte Reise des Schiffes überhaupt, wenige Monate
später schon lag es zerschellt auf einem Riffe der Neu-Hebriden.

Die Bewohner dieser Insel Niue, ein kräftiger, stattlich gebauter
Menschenschlag, der zwar der Samoa- und Tonga-Rasse an Gestalt und
hohem Wuchs nicht gleichkommt, jedoch mehr Temperament als diese zeigt,
auch Schlaffheit und Unlust zur Arbeit bemerkt man weniger an ihnen.
Als tüchtige Seefahrer, welchem Gewerbe sie mit Vorliebe zugethan
sind, werden sie in Apia, wo mit der Zeit eine Ansiedelung derselben
stattgefunden, gerne als Matrosen angenommen, wenigstens dem Samoaner
bei weitem vorgezogen.

Savages-Eiland, Insel der Wilden, ist die Insel Niue, ihre Heimath,
benannt worden, und soweit meine persönlichen Erfahrungen reichen,
verdienen sie beinahe diesen Namen, als ich bei einem Streite mit ihnen
beinahe das Leben hätte lassen müssen und nur ein Zufall mich aus den
Händen dieser leicht erregbaren Menschen befreite.

Da sie von hellerer Farbe als die Samoaner, stammen sie vermuthlich von
einer weit östlich liegenden Inselbevölkerung ab. Die ersten Ansiedler,
wahrscheinlich vor langer Zeit von ihrem Heimathlande verschlagen,
fanden das rettende Eiland und bevölkerten es allmählich. Der Trieb,
die unbekannte Welt kennen zu lernen, die im Schoße des mächtigen
Ozeans für die fernen Inselbewohner verborgen lag, läßt sie noch heute
oftmals das Wagniß unternehmen, sich mit ihren leichten Kanoes auf die
unendliche See hinauszuwagen. Die Gewalt des Windes und der Strömungen
unterschätzten sie und haben sie einmal Land aus Sicht verloren, sind
sie den Elementen hülflos preisgegeben, so zahlten sie ihre Kühnheit
mit einem qualvollen Sterben, wenn nicht ein gütiges Geschick nach
schrecklichen Leiden sie Land finden läßt.

Die Rettung von 16 solcher vertriebenen Menschenkinder, die ich in
den Karolinen-Inseln auffand und Hülfe brachte, werde ich später
eingehender erzählen.

Mit Vorliebe tragen die Niue-Leute reichen Goldschmuck und zwar als
Ohrgehänge; massive Goldstücke hämmern sie aus und befestigen solche
geschickt an den Ohrlappen; das verdiente Goldgeld wird häufig dazu
verwandt.

Der ganze Südseehandel beschränkt sich in der Hauptsache auf Tabak,
Seife und Zeug, namentlich für Volksstämme, die erst wenig mit dem
weißen Manne in Berührung gekommen sind. So boten auch hier für ein
Geringes die Eingebornen Speere, Muscheln und Nüsse feil, vor allem
war Tabak der begehrteste Artikel. Im Gegensatze zu den Booten der
Samoaner, die solche sich von ganz beträchtlicher Ausdehnung erbauen,
sind die Kanoes dieser Niue-Leute nur klein und behende, aber nett mit
Muscheln und anderem Zierrath ausgeschmückt, der vornehmlich rings
um die Bordwand befestigt ist; auch sind diese Fahrzeuge vorne und
hinten überdeckt, um das Einschlagen der See, wenn sie, zum Fischen
ausziehend, die Brandung passiren müssen, zu verhindern.

Sehr fischreich sind namentlich die Gestade aller Inseln, und wie ich
gelegentlich anführen werde, wissen ihre Bewohner sich mit besonderem
Geschick der wohlschmeckenden, fliegenden Fische zu bemächtigen. Auf
freier See aber herrscht sehr zahlreich der gefürchtete und gefährliche
Hai, ein Zeichen, daß derselbe auch im tiefen Wasser reichlich Nahrung
findet, und solche sich nicht nur in Buchten oder in der Nähe des
Landes zu suchen braucht.

Auf der Rückreise, die durch Windstillen verzögert ward, fanden
wir immer den Hai als treuen Begleiter, und war die See ruhig, die
Fahrt des Schiffes gering, so kamen langsam die Haie durch die klare
Fluth heran, das Schiff nach Beute umkreisend. Wenn wir einen dieser
gefährlichen Gesellen fangen wollten, so wurde die Lockspeise, ein
Stück Fleisch, an starker Leine ins Meer geführt, und war der Hai
hungrig, besann er sich nicht lange, sondern faßte, sich auf den Rücken
legend, gierig zu. War Fleisch und Haken verschluckt, so gab es keine
Möglichkeit mehr für ihn, sich zu befreien; von Schmerz gepeinigt,
peitschte der Hai mit dem kraftvollen Schwanze die Fluthen und es hatte
dann seine Schwierigkeit, das gefangene 8-10 Fuß lange Thier an Deck
zu bringen und nicht eher gelang es, bis es erschöpft war und auch
der Schwanz fest in einer Schlinge lag. An Deck geschafft, peitschte
der Hai die Planken, daß diese erzitterten, und rathsam war es nicht,
sich in seine gefährliche Nähe zu wagen. Erst ein Axthieb, der die
Schwanzflosse vom Rumpfe trennte, führte die Verblutung herbei und
allmählich entfloh das zähe Leben des Thieres.

Auch mit der Schlinge, auf deren Handhabung ich zurückkommen werde,
habe ich viele Haifische gefangen, namentlich wenn ich Samoaner als
Besatzung an Bord hatte, für die der Hai eine Leckerspeise ist, nahm
ich mir dazu die Zeit und fing zuweilen 2-4 Stück hintereinander.
Auffällig war mir dabei, daß die Leute immer erst die Leber eines
getödteten Haies untersuchten; war diese nach ihrer Ansicht zu groß
oder zeigte sie sonst besondere Eigenheiten, so wurde das Thier
nicht gegessen, sondern über Bord geworfen. Aber nicht bloß bei
den Samoanern, auch bei den benachbarten Insulanern fand ich solche
auffällige Untersuchung der Leber des Haifisches. Mitunter wurden
eingehende Betrachtungen über die Lage und Länge derselben vorgenommen;
entstanden Zweifel und Meinungsverschiedenheiten darüber, so war meist
immer der endgültige Beschluß, daß das Thier verworfen wurde.

Fast bin ich jetzt geneigt, da ich nicht dahinter kommen konnte,
was solche Untersuchung zu bedeuten habe, anzunehmen, daß ein
weitverbreiteter Aberglaube damit in Verbindung gebracht, oder daß
der Leber des Haies eine medizinische Eigenschaft zugesprochen wird.
Vielleicht auch erkennen die Eingebornen an bestimmten Zeichen, ob
das Thier gesund oder krank gewesen ist. In den Fällen, wo ich mir
Klarheit darüber zu verschaffen suchte, erreichte ich solche nicht,
möglicherweise aus dem Grunde, weil ich nicht der verschiedenen
Sprachen mächtig genug war, um die Auseinandersetzung zu verstehen.

Die treuen Begleiter der Haie, die Lotsenfische, schön gezeichnete
Thierchen von der Größe eines Makrels, schwimmen gewöhnlich, 2-4 an
der Zahl, über dem Hai, sie suchen, wie angenommen wird, für diesen
Nahrung auf und kehren stets in dessen sichern Schutz zurück. Ein jeder
Hai soll solche Führer haben; indes so häufig ich auch solche gesehen
habe, ebenso oft fand ich, namentlich wenn mehrere Haie beisammen,
diese ohne ihre Begleiter. So viel ist gewiß, der Hai, mag er noch so
hungrig sein, wird sich doch nicht an seinen Wegweisern vergreifen;
zum schnellen Schwimmen selbst zu träge, überläßt er vermuthlich es
den flinken Fischen, für ihn Nahrung zu suchen. Wohl bekannt ist es
den Seeleuten, daß der Pilotenfisch sehr schmackhaft ist, indes nur
einmal war es mir möglich, einen solchen mit Mühe zu erlangen, obwohl
dieselben längere Zeit noch beim Schiffe verbleiben, nachdem der Hai,
den sie begleiteten, weggefangen worden. An Köder beißen die Piloten
nicht, höchstens gelingt es ihrer mit dem Elker, d. h. Wurfeisen,
habhaft zu werden.

Im Anfang des Jahres 1885 mit der Führung eines der kleineren der
Plantagen-Gesellschaft zugehörenden Schiffes betraut, wurde ich
beordert, eine Reise durch die gesammte Tonga-Gruppe, den sogenannten
Freundschafts-Inseln, zu unternehmen. Im Augenblick der Abreise wäre
mir aus Mangel an Raum im kleinen Hafen (Apia) bald die Riffspitze
Kap Horn, worunter vier Jahre später das deutsche Kriegsschiff „Eber“
mit seiner braven Besatzung versank, verhängnißvoll geworden. Durch
die Strömung wurde das Schiff aus seiner Richtung gedrängt, von der
einlaufenden See, gegen welche die Kraft der das Schiff bugsirenden
Mannschaft zu schwach war, nach dem Kap hingeworfen und nur ein schnell
Hülfe leistendes Boot verhinderte die Katastrophe. Da wir schon zu nahe
dem Riff waren, so hätte ein Aufstoß genügt, Ruder und Hintersteven
des Schiffes, schwerbeladen wie es war, auf den Korallensteinen zu
zertrümmern und aus der gurgelnden Tiefe des hier weit unterhöhlten
Riffes hätte es für Schiff und Mannschaft keine Rettung gegeben -- aber
zufällige Hülfe kam zur rechten Zeit.

Nachdem wir die offene See gewonnen hatten, verlor ich mit umlaufenden
Winden, wie sie in dieser Jahreszeit häufig sind, ostwärts steuernd,
bald die in dichten Wolkenschleier gehüllte Insel Upolu aus Sicht.
Bestrebt, westlich von der Tonga-Gruppe zu laufen und so Tonga-tabu zu
erreichen, da der vorherrschend westliche Wind eine schnelle Reise in
Aussicht stellte, hatte ich am dritten Tage bereits die Vulkan-Insel
Amargura gesichtet, eine namentlich an der Süd- und Südostseite steile
Insel mit dem 375 Meter hohen Krater, an dessen Abhängen leichte
Rauchwolken hervorquollen, ein Zeichen, daß er nicht ganz erloschen
ist. Da sprang mit schweren Gewittern und harten Windböen der Wind
südlicher und zwang mich, der zehn Seemeilen südöstlich liegenden 30-40
Meter hohen Insel Toku auszuweichen. Als der Wind immer härter wehte
und schließlich bis zum Sturm wuchs, hatte ich noch Zeit, Schutz unter
der hohen Insel Vavau zu suchen, ehe das Schiff von der wildlaufenden
See zum Beidrehen gezwungen wurde.

Unter dichtgerefften Segeln wurde eine schlimme Nacht verbracht, mit
dem neuen Morgen aber brach sich die Gewalt des Sturmes und eine starke
Nordwestbrise trieb das Schiff durch die wilde See nach Süden, östlich
der Hapai-Gruppe, an den langgestreckten Korallen-Inseln Haano, Foua,
Lefuka und Ouia entlang. Die vielen gefährlichen Riffe dieser Gruppe
meidend, kam am 7. Tage früh die hohe Vulkan-Insel Eoua in Sicht.
Nachdem wir darauf die gleichartige kleine Insel Enaigee erreicht
hatten, kreuzte ich die tiefe östliche Einfahrt, welche zwischen der
großen Insel Tonga-tabu und den vorgelagerten Korallenpatschen und
Inseln hindurchführt, auf und gelangte sicher zum Hafen von Nukualofa.

Im Schmucke immergrüner Palmen liegt die flache, wenige Erhebungen
aufweisende Insel langgestreckt vor den Augen des Beobachters. Kultur
und fortschreitende Gesittung haben auch hier festen Fuß gefaßt, hoch
über die Wipfel der Palmen ragt die Kirche empor; großartig ist der
Königspalast; freundlich aber und heimisch erscheinen die vom Strande
zurückliegenden europäischen Gebäude und bekunden, daß auch hier eine
Stätte regen Handels und Verkehrs geschaffen wurde.

Vor allem ist es die deutsche Factorei, geleitet vom deutschen Konsul
Herrn v. Treskow, die sofort ins Auge fällt; auf Pfeilern errichtet,
wie alle Tropengebäude hier, war derzeit dieses Haus mit seinem
freundlichen Wirth das besuchteste.

Sämmtliche Tonga-Inseln, mit Ausnahme der meist hohen Vulkan-Inseln,
sind Korallengebilde, einige sind von großer Ausdehnung, wie die
Tonga-tabu und die schon erwähnten Haano und Foua. Diese haben
eine fruchtbare Erdschicht und ein reiches Pflanzenleben hat sich
darauf entwickelt; neben der stolzen Palme sind Brotfruchtbäume,
Papiermaulbeerbäume, die den Bewohnern ihre Bekleidung, Tapa genannt,
liefern, Zuckerrohr, Bananen, selbst Baumwollen- und Feigenbäume zu
erwähnen.

Die Eingebornen, derselben Rasse wie die Samoaner zugehörig, zeigen
mehr Verständniß für Landbau und Fischfang, als diese, freilich können
diese Inseln auch nicht mit Samoa einen Vergleich bestehen.

Kein Naturvolk hat so schnell und leicht das Christenthum angenommen
wie diese Tonga-Insulaner, rasch gewannen die Missionare großen
Einfluß, Schulen und Bildungsanstalten förderten das Werk. Das Volk,
bildungsfähig und begabt, hatte bald eigene Lehrer aufzuweisen;
oft habe ich eingeborne Missionare von Insel zu Insel gebracht. Da
die Kirchen und Schulen immer gut besucht, so ist ein Fortschritt
in der Bildung dieses Volkes leicht erklärlich. Was aber leider
ernste Besorgniß erwecken kann, ist der Umstand, daß verschiedene
Religionssekten mit gleichem Eifer bestrebt sind, unter der nicht
zahlreichen Bevölkerung ihren Glauben zu verbreiten. Es ist zu
befürchten, daß auf diese Weise Spaltungen im Volke entstehen, die üble
Folgen haben können.

Der ehemalige englische Missionar Baker, langjähriger Premierminister
des Königs Georg I., entging zwar dem Angriffe einer fanatischen Horde
in Nukualofa, seine erwachsene Tochter aber, die die tödtliche Waffe
traf, ward ein Krüppel. Soweit ich unterrichtet, war dieser Anschlag
eine Ausgeburt wilden Hasses, gerichtet gegen den Vertreter einer
großen Kirchengemeinde, den gefürchteten und gehaßten Staatsmann.

Die ganze weitverzweigte Tonga-Gruppe bildet ein einheitliches Reich,
das damals von dem alten Könige Georg regirt wurde. Neben unserm
ehrwürdigen deutschen Kaiser Wilhelm der älteste Monarch, steht dem
Herrscher eine gesetzgebende Versammlung von angesehenen Häuptlingen
zur Seite, die auch als Statthalter die verschiedenen zum Reiche
gehörenden Inselgruppen verwalten. Sitz der Regierung und Residenz des
Königs ist Nukualofa.

Ein Freundschaftsvertrag ist mit dem deutschen Reiche am 1. November
1876 vom Könige Georg abgeschlossen. Trotz des englischen Einflusses
hätte wohl erwartet werden können, daß die so erworbenen Vorrechte
gewahrt bleiben würden, aber wie in Samoa, so ging auch hier der einst
mächtige deutsche Einfluß allmählich verloren, englische Politik wand
den Deutschen einen fast sicheren Besitz aus den Händen.

Stolz prangt im Königspalaste zu Nukualofa das Reiterstandbild unseres
großen Kaisers in natürlicher Größe, und nicht unbekannt sind diesem
Volke dessen Thaten geblieben; auf dieses Bild sah mit Bewunderung
jeder Insulaner und pries den großen, mächtigen Herrscher der
Deutschen.

Tags zuvor, ehe ich in Tonga-tabu eingelaufen, war der Sohn des Königs
Georg, der Thronfolger, gestorben und große, allgemeine Landestrauer
herrschte überall. Alle Vornehmen des Volkes, soviel ihrer nur die
königlichen Schiffe zu fassen vermochten, waren nach der Insel Ouia,
dem Begräbnißplatze der Königsfamilie, abgesegelt. Der deutsche
Konsul, dem kein eigenes Schiff zur Verfügung stand, unmöglich aber als
Europäer auf den überfüllten kleinen Segelfahrzeugen der Eingebornen
die lange Reise unternehmen konnte, beeilte sich sehr, als sich nun
doch noch Gelegenheit fand, mit meinem Schiffe die Reise zu machen, das
Schiff abzufertigen und nach eintägigem Aufenthalt verließ ich, mit der
Familie des Konsuls an Bord, nordwärts steuernd, Tonga-tabu.

Günstiger, frischer Wind konnte es allein möglich machen, am
Begräbnißtage Ouia noch zu erreichen. Aber obwohl ich den Weg zu
kürzen suchte und durch mir unbekannte Korallenbänke lief, so kam doch
erst am Abend des zweiten Tages Ouia in Sicht. Da ich inmitten von
Korallenriffen nirgends sicheren Ankerplatz fand, die Insel selbst aber
zu weit entfernt war, als daß ich solche gegen Ostwind aufkreuzend,
in der Nacht erreichen konnte, so wurde ich gezwungen, die freie See
wieder aufzusuchen. In dunkler Nacht die gewaltigen Krater-Inseln Kao
(5000 Fuß) und Tasoa (etwa 2500 Fuß), nur durch eine schmale Straße
von einander getrennt, als weit sichtbare Punkte im Auge haltend,
suchte ich das Schiff in der Nähe der Außenriffe zu halten, um mit
Tagesanbruch aufs Neue nach Ouia aufzukreuzen oder wenigstens die
südliche Einfahrt durch die Hapai-Gruppe zu gewinnen.

Während sonst die Tropennächte in der guten Jahreszeit einen
herrlichen Anblick bieten, wenn das Sternenheer magisches Licht
über die weiten bewegten Fluthen streut, drohten in dieser Nacht
gewitterschwere, unheilkündende Wolken und bald nach Mitternacht
umfing uns rabenschwarze Dunkelheit. Dann brach das Unwetter über
uns mit plötzlicher Gewalt herein, als wollte der furchtbare Wind
das kleine Schiff niederpressen. Die heftigsten Stöße fegten von den
hohen Vulkan-Inseln herab. Im Schiffe wurde alles, was nicht niet- und
nagelfest war, durcheinander geworfen und das Fahrzeug schwer auf die
Seite gedrückt; die schnell aufgewühlte See that das Ihre dazu, die
Lage, namentlich für die Familie des Konsuls, recht ungemüthlich zu
machen.

In Lee waren die gefährlichen Riffe, von denen freizukommen die
erste Sorge sein mußte, deshalb bot ich allmählich dem Winde wieder
so viel Leinewand, als das Schiff zu tragen vermochte. Sobald ich
frei von der Insel Kao war, hielt ich nördlicheren Kurs und obgleich
die See schwerer wurde, so konnte ich doch mit volleren Segeln durch
die Wogen pressen und größeren Abstand von den auch mehr ostwärts
abfallenden Riffen gewinnen. Der neue Morgen fand uns westlich von der
niedrigen Insel Otolonga, die, nördlich umsegelt, zur Nordeinfahrt der
Hapai-Gruppe führte.

Als ich nahe genug dieser Insel gekommen war, der einzuschlagende Kurs
bedingte dies, wurde eine ehemalige Niederlassung der Walfischfänger
sichtbar, die vor Zeiten in diesen Gewässern ertragreiche Beute
gefunden, aber auch bald genug die Schaar der gewaltigen Meerbewohner
so gelichtet hatten, daß ein Kreuzen auf Beute zwecklos war. Die
Station wurde deshalb aufgegeben, ihre Trümmer am öden Korallenstrand
sind jetzt werthlos und verkommen.

Der Kurs nach Lefuka führte uns zwischen Inseln und Korallenpatschen
hindurch. Erst am Nachmittage dieses Tages konnten wir die der Insel
Lefuka vorgelagerten Riffe passiren und vor der deutschen Station zu
Anker gehen.

Solch ungünstiger Wind und zum Theil schlechtes Wetter hatten natürlich
den Zweck der Reise vereitelt, noch nach Ouia zu laufen und an dem dort
stattfindenden großartigen Todtenfeste theilzunehmen, war zwecklos. So
entschied sich der deutsche Konsul, hier die Ankunft des Königs Georg
abzuwarten und mit diesem dann die Rückreise nach Nukualofa anzutreten.

Die Insel Lefuka, im Verhältniß zu ihrer Länge nur schmal, zeigt an der
Ostseite, gegen welche der freie Ozean seine gewaltigen Wogen donnernd
wirft, ein Riff übereinandergethürmter Korallenblöcke und Steine;
man sieht hier so recht, wie die Gewalt der Wasser einen Schutzwall
aufgeworfen, der das flachere Land selbst gegen die furchtbarste See
zu schützen vermag. Immer weiter aber baut die Koralle in die offene
See hinaus, immer breiter wird das Trümmerfeld, bis dieses auch durch
Zersetzung zu anbauungsfähigem Lande umgestaltet wird.

Die Erzeugnisse, die Tonga-tabu aufweist, sind hier auch vertreten,
namentlich ist der Ertrag an Kokosnüssen groß auf dieser Insel. Was
ich aber hier zuerst gesehen, war die Zubereitung des Tapa, jenes
Stoffes, welches den Eingebornen zur Bekleidung dient, der schön
gefärbt und gezeichnet ist. Selbst große Stücke, umfangreichen Decken
ähnlich, werden aus dem Papiermaulbeerbaum angefertigt, dessen Bast
dazu verwendet wird. Und zwar werden lappenförmige Streifen im feuchten
Zustand aufeinander angelegt und dann tüchtig geklopft, hierdurch
wird der Stoff geschmeidig und fest; ist dieser in gewünschter Größe
fertiggestellt, wird der Stoff im Schatten getrocknet und nachher mit
brauner oder schwarzer Naturfarbe reichlich bemalt.

Fernhin hört man die Tapa klopfenden Weiber, die mit wuchtigen Schlägen
den Bast bearbeiten; erklärlich ist dieses Geräusch, da sie meistens
auf dem Boden eines umgekehrten Kanoes diese Arbeit vornehmen, wodurch
die dumpf dröhnenden, lauten Schläge hervorgebracht werden.

Wie bei fast allen Naturvölkern, bei denen der Aberglaube weiteste
Verbreitung gefunden, so ist auch namentlich bei den Südsee-Insulanern
das Zauberwort „Tabu“ in allgemeine Anwendung gekommen. Dieses
Wort, eine Macht, ersetzt, möchte man sagen, die in zivilisirten
Ländern nothwendige Sicherheitspolizei. Wenn eine als „tabut“, d. h.
unverletzliche Person, z. B. ein König oder ein Häuptling, irgend etwas
als tabut erklärt, so wird kein Rassenangehöriger es wagen, Person oder
Sache anzurühren, oder eine Oertlichkeit, Haus oder Hütte, zu betreten.

Im Allgemeinen aber findet das Tabu Anwendung, wenn irgend ein
Gegenstand vor Berührung, Wegnahme u. s. w. geschützt werden soll, dann
wird unter bestimmten Zeremonien dieser mit einer Schnur, in der Knoten
mit oder ohne Zaubereien eingeknüpft sind, umgrenzt oder umwunden. Die
Ueberzeugung, daß jedem, der es wagen würde, dieses Schutzmittel zu
entfernen, alle Uebel unfehlbar zustoßen, welche der Knotenschürzer
hineingeknüpft, hält jede unbefugte Verletzung fern. Mehrfach, und
hauptsächlich auf dieser Insel Lefuko, wurden mir Gegenstände, Baum
oder Hütte gezeigt, die so durch das „Tabu“ geschützt waren.

Geschickte Fischer sind die Eingebornen. Sie brachten, ehe der Europäer
ihnen seine Angelhaken zugeführt, folgende Methode in Anwendung: Aus
einer dicken Perlmutterschale verfertigten sie sich durch festes
Verbinden einzelner zurechtgeschliffener Stücke starke Fanghaken,
die, mit einem Bastbüschelchen versehen, an langer Leine hinter
Kanoes geschleppt wurden. Die wie Silber im klaren Wasser schwimmende
Perlmutter lockt größere Fische an, die gierig, vermeinend eine Beute
zu haschen, den Haken verschlucken und so gefangen sind. Heute noch
sind diese Haken im Gebrauch, nur mit dem Unterschied, daß im Büschel
verborgen sich jetzt ein scharfer, eiserner Angelhaken befindet, der
dem Fische ein Losreißen nicht mehr gestattet.

In Mengen halten sich Fische unter den Riffen auf, wo sie Nahrung
suchen und finden, namentlich befinden sich unter diesen zahlreiche
fliegende. Um nun diese flinken Meerbewohner, welche die Natur so
ausgestattet hat, daß sie durch die Größe ihrer Seitenflossen im
Stande sind, eine beträchtliche Strecke über dem Wasser zu fliegen und
dadurch ihren Vorfolgern zu entgehen, auf leichtere Art und Weise, als
mit großen Netzen zu fangen, wendet der Eingeborne folgende Fangart
an: Nachdem die leichten, flinken Kanoes bemannt sind, ziehen die
Eingebornen in dunkler Abendstunde oft in beträchtlicher Zahl ins
tiefe Wasser zum Riffe hinaus. Bald flammen, hell leuchtend, die aus
den Blattrippen des Kokosbaumes verfertigten Fackeln auf; die Kanoes,
bald hier- bald dorthin eilend, schwirren, von kräftiger Hand durchs
Wasser getrieben, als sollte das Schauspiel eines Fackelreigens dort
aufgeführt werden, im Kreise oder durcheinander umher. Die Fische,
bekanntlich durch Feuerschein leicht angelockt, werden durch die grell
leuchtenden Fackeln verwirrt, springen oder fliegen nach diesen, und
sehr gewandt, mit nur kleinem Handnetze versehen, weiß der Fischer sich
die Beute zu sichern.

Meistens, wenn die Fackeln niedergebrannt sind, kehren die Kanoes
zurück, und war der Fang lohnend, bringt jedes reiche Beute heim.
Für wenig Tabak oder Geld bekam ich mitunter so viele von diesen
wohlschmeckenden Fischen, daß es zuweilen der Schiffsbesatzung nicht
gelang, alle aufzuzehren.

Der Ankerplatz vor der Insel Lefuka (die Rhede von Pangal) ist durch
die ringsum liegenden Riffe gut geschützt, aber schwer zugänglich für
größere Segelschiffe; das meistens gegen konträren Wind nothwendige
Einkreuzen in den schmalen, gewundenen Riffeinfahrten ist zudem nicht
ungefährlich und erfordert die ganze Thatkraft einer Schiffsbesatzung.
Die Tonga-Gruppe ist häufiger den verheerenden Orkanen und zeitweiligen
Erschütterungen durch plötzlich in Thätigkeit tretende Vulkane
ausgesetzt, erstere treten namentlich im Süden der Gruppe, um
Tonga-tabu, fast alljährlich einmal auf; zieht, was freilich selten
geschieht, das Zentrum solches furchtbaren Wirbelsturmes direkt über
die Inseln, so ist die ganze Kultur auf Jahre hinaus vernichtet. Nicht
Haus, nicht Hütte, weder Baum noch Strauch verschont der furchtbare
Wirbelsturm; den Weg, den er mit rasender Schnelle genommen, bezeichnen
unzählige Trümmer.

Nach Norden zu werden solche atmosphärischen Erscheinungen seltener.
Hat die Samoa-Gruppe ein Orkan heimgesucht, so herrscht bei den
Eingebornen die Annahme vor, daß erst nach Verlauf von sieben Jahren
ein neuer zu erwarten ist. Solche Voraussetzungen aber sind durchaus
nicht zutreffend; die Orkane treten viel häufiger auf, und je nachdem
sie in näherer oder weiterer Entfernung vorüberziehen, äußert sich ihre
Gewalt mehr oder weniger.

Da mein Aufenthalt in Lefuka nur von kurzer Dauer war, setzte ich,
nachdem Güter u. s. w. gelandet und neue Passagiere für Vavau und
Niuatobutabu an Bord gekommen waren, die Reise fort nach Neiafu, dem
Haupthandelsplatz in der Vavau-Gruppe, diese besteht aus vielen und zum
Theil hohen Inseln, die von Riffen umgeben und hierdurch untereinander
verbunden sind, auch zeigt sich hier auffällig die einstige Thätigkeit
der Vulkane. Steile hochaufstrebende Massen sind die meisten dieser
eng aneinander gelagerten Inseln; nur die Hauptinsel Vavau, nach
allen Seiten steil abfallend, ist eine Hochfläche, auf welcher auf
verwitterter Lava eine unglaublich reiche Pflanzenwelt Fuß gefaßt
und sich entwickelt hat. Dies ist das fruchtbarste Land, abgesehen
vielleicht von der Insel Niua-fu, im ganzen Königreiche Tonga.
Apfelsinenbäume, schwer beladen mit goldgelben Früchten, ausgedehnte
Palmenwälder u. s. w., überhaupt alle herrlichen Tropengewächse der
Südsee sind hier reich vertreten. Dazu giebt die im Sonnenglanze
ausgebreitet liegende Bai, umgeben von hohen Inseln, dem ganzen
Panorama so recht den Anblick einer echten Tropenlandschaft.

Die Einfahrt befindet sich an der westlichen Seite zwischen den Inseln
Hounga und Vavau. Die schmale aber tiefe Wasserstraße windet sich
zwischen den hohen Inseln hin, und dicht unter den steil anstrebenden,
mit Busch und Baum bedeckten Massen, kann man ungefährdet mit einem
Schiffe segeln. Inmitten der Einfahrt nur liegt ein mächtiger
Felsblock, der hunderte Fuß hoch ist und steil aus großer Tiefe
aufragt, auch bemerkt man an diesem, welche zerstörende Einwirkung
die Meereswogen selbst am harten Gestein ausüben können. Sie haben
den Felsen tief unterwaschen und große Spalten ausgehöhlt. In diesen
Höhlen und Riffen braust und zischt selbst die leicht wogende See.
Das Geräusch wächst aber zum Donnern an, wenn sie ihre ganze Wucht
gegen den starren Felsen anbranden läßt, der dann durch den gewaltigen
Anprall wohl in seinen Grundfesten erschüttert werden mag.

Ganz schmal, wenigstens für ein aufkreuzendes Schiff recht beengt, wird
die Straße, sobald die weite Bai vor dem Dorfe Neiafu sichtbar geworden
ist, die wie ein herrlicher, von allen Seiten geschützter Hafen,
geräumig daliegt. Indes nur wenig Raum hat die Koralle übrig gelassen,
die geschäftig fast die ganze Bai aufgefüllt hat und wo tiefes Wasser
vorhanden, ist der Ankergrund schlecht, so daß größere Schiffe es
vorziehen, wollen sie nicht auf 200 Fuß Wassertiefe vor Anker gehen,
inmitten der Fahrstraße vor der Station Tuanuku zu ankern.

Nach wenig Tagen schon verließ ich, da ich allen diesen Stationen in
der Tonga-Gruppe neue europäische Waaren und Proviant zu bringen hatte,
Ladung aber noch nicht einnehmen sollte -- die Hauptstationen, als
Vavau, Lefuka und Tonga-tabu verschiffen direkt Kopra, Baumwolle u.
s. w. nach Europa -- den Hafen von Neiafu, und segelte nordwärts nach
Niuatobutabu (Keppels Eiland), das 180 Seemeilen entfernt ist.

Begünstigt von Wind und Wetter, bekam ich am zweiten Tage bereits die
2000 Fuß hohe Insel Boskaven in Sicht, welcher südwärts davon und durch
eine Straße von etwa einer Seemeile Breite getrennt, die niedrige
Korallen-Insel Niuatobutabu vorgelagert ist. Diese langgestreckte
Insel umgiebt namentlich an der Nord- und Westseite ein mächtiges, 5-7
Kilometer breites Riff, auf derselben sind zwei Kraterkegel, etwa 200
Fuß hoch, die einzig nennenswerthen Erhöhungen.

Nur eine einzige, sehr gewundene und gefährliche Einfahrt, führte
von Norden durch das Riff, und zwar nur eine Strecke weit bis zu
einem tieferen Becken, in welchem aber ein kleineres Schiff geschützt
und sicher liegt. Da der Verkehr mit dem Lande allein zur Zeit des
Hochwassers möglich, der Ankerplatz vor dem Riffe nur in der guten
Jahreszeit einigermaßen sicher ist, suchte ich auf Anrathen des Lotsen,
eines Eingebornen, doch lieber den kleinen gesicherten Hafen auf,
obwohl das Durchbringen des Schiffes, das mehrfach auf Korallenblöcke
fest kam, keine leichte und gefahrlose Arbeit war.

Daß ich es gethan, war ein Glück, denn ein heftiger, plötzlich in
einer der ersten Nächte aufspringenden Nordwestwind hätte das Schiff
im Verein mit der hohen See sicher aufs Riff geworfen und zerschellt;
ein Versuch, in tiefdunkler Nacht die offene See zu gewinnen und gegen
den starken, auflandigen Wind von den Riffen freizukreuzen, wäre schier
unmöglich gewesen.

Nicht minder einsam wie diese Insel im weiten Ozean war das Leben,
welches hier zwei Europäer (ein Deutscher und ein Engländer) führten,
die nur mit der Außenwelt in Verbindung traten, wenn nach langer Zeit
ein Schiff vor der Insel zu Anker ging. Freilich ist an Verkehr mit
Menschen kein Mangel, nur kommt in Betracht, daß die Eingebornen für
einen Europäer doch kein rechter Umgang sind; so freundlich gesinnt,
friedfertig und zum Theil lernbegierig sie sich auch zeigen, so
stehen sie dennoch auf einer zu tiefen Bildungsstufe. Zwar paßt sich
ein einsam lebender Mensch schnell genug den Verhältnissen an, und
in der Folge habe ich ja so viele gefunden, die, obgleich sie noch
abgeschlossener von der Welt lebten, mit ihrem Loose ganz zufrieden
waren. Hier aber kommt dem Europäer das zu statten, daß er hier ein
bildungsfähiges, strebsames Volk um sich hat, dessen Häuptlinge und
Lehrer nach Aufklärung trachten und stundenlang dem weißen Manne
zuhören, wenn er ihnen von anderen Ländern und Völkern erzählt.

So oft ich auch nach dieser Insel beordert worden war, konnte ich
jedesmal die Beobachtung machen, mit wie großem Interesse alle
Neuigkeiten aufgenommen wurden; hatte ich eingeborne Passagiere mit
an Bord, so wurden diese sogleich nach der Landung von den Häuptlingen
begrüßt und ausgefragt. Sonst kamen die Häuptlinge entweder insgesammt
zum Hause der erwähnten Europäer oder luden uns zu sich ein, damit wir
ihnen Abends bei einer Schale Kava Auskunft über etwaige Vorgänge im
Tongareiche gaben.

In langer, vielleicht gänzlicher Unthätigkeit verharren die kleinen,
wohl für immer erloschenen Krater auf dieser Insel, sonst wären sie
eine gefährliche Nachbarschaft, denn eine erhebliche Erschütterung
würde genügen, die Insel in die Tiefe versinken zu lassen. Wo man auch
immer auf der gut bewachsenen Insel geht, klingt jeder Fußtritt hohl
und man gewinnt die Ueberzeugung, daß nur eine verhältnißmäßig dünne
Schicht über wahrscheinlich ausgedehnte Höhlen gelagert liegt.

Nirgendwo sonst auf Korallen-Inseln, deren Fundamente naturgemäß stets
fest aufgebaut sind, habe ich solche Wahrnehmung wieder gemacht; würden
hier nicht die beiden Kraterhügel eine genügende Erklärung für solche
Erscheinung abgeben, ließe sich schwerlich die Ursache dafür ergründen.
Das Eine scheint sicher (wie ich in diesem selben Jahre als Augenzeuge
an einer anderen Stelle feststellen konnte), es sind am Rande eines
hier schon vorhandenen Korallenriffes plötzlich unterseeische Vulkane
in Thätigkeit getreten, die mit sich das Riff emporgehoben haben und
dann nach einiger Zeit erloschen sind.

Außerdem giebt eine vorhandene schmale, aber tiefe Frischwasserrinne,
die im festen Korallengrund eingebettet ist und tieferliegend als
der Meeresspiegel, einen neuen Beweis, daß die Insel hohl ist. Das
Süßwasser in dieser Rinne ist natürlich durch Korallen filtrirtes
Seewasser, aber der Zufluß erfolgt unterirdisch aus dem Innern der
Insel; derselbe soll zu Zeiten stärker, zu Zeiten schwächer sein.
Uebrigens beschleicht den Wanderer, namentlich in stiller Nachtzeit,
ein eigenthümliches Gefühl, wenn jeder Tritt so hohl und dumpf
wiedertönt und ihm zum Bewußtsein bringt, daß er auf einem Boden
wandelt, der über Höhlen oder gar über tiefe Wasserbecken gewölbt
liegt.

Insbesondere weicht die Insel Niuatobutabu in nichts von anderen gut
bewachsenen Koralleninseln ab, mit dem Unterschiede nur, daß auf
dem verwitterten Lavagrunde eine überaus reiche Pflanzenwelt sich
entwickelt hat. Salze und andere Chemikalien, die in der Lava enthalten
sind, scheinen für die Entwicklung des Pflanzenlebens ungemein viel
beizutragen, auch sonst, wo ich im weiten Inselmeer des Stillen Ozeans
vulkanischen Grund betreten, fand ich dies ausnahmslos bestätigt.

Das Thierreich auf allen Inseln ist sehr schwach vertreten, Schweine,
Hühner und Tauben sind fast die einzigen Arten, indes fand ich
auf Niuatobutabu außerdem noch eine große Fledermausgattung, den
fliegenden Fuchs. Da jeder von der Nützlichkeit und noch mehr von der
Harmlosigkeit dieser Thiere überzeugt war, belästigt dieselben niemand,
kein Eingeborner verscheucht sie. Vielleicht kommt auch noch der
Umstand hinzu, daß diesen lautlos erscheinenden Thieren ein gewisser
Aberglaube anhaftet, denn wer nicht mit ihrer Eigenart, unhörbar und
schnell durch die Dunkelheit zu fliegen, vertraut ist, dem wird ein
gewisses Unbehagen zuerst nicht erspart bleiben. Vornehmlich fand
ich diese Füchse in Sträuchern, wo sie sich, Schatten findend, an
dünnen Zweigen an den Hinterfüßen aufgehängt hatten. Den Kopf nach
unten gebogen, umschließen sie mit der großen Flughaut den Körper und
verblieben in dieser Stellung, bis die Dämmerung der nach ganz kurzer
Dauer die Nacht folgt, hereinbricht, dann erst werden sie munter und
suchen, die Luft gleich gespenstigen Schatten durchfliegend, sich ihre
Nahrung. Werden sie am Tage gestört oder berührt man mit der Hand ihr
sammetweiches Fell, schauen die schwarzen, erbsengroßen Augen den
Störenfried wohl an, scheinen aber geblendet zu sein, denn obwohl
unruhig geworden, wagt das Thier doch keinen Flug, verändert seine
Stellung auch nicht und wollte man die Hinterfüße lösen, müßte Gewalt
angewendet werden. Ein Weibchen, das seine beiden Jungen wohlgeborgen
an der Brust hängen hat, die diesen Platz nie verlassen, auch während
des Fluges nicht, wird, wenn es gestört worden, leichter erregt und
beißt wohl mit den kleinen, nadelspitzen Zähnen um sich. So sind
in Folge davon, weil diesen Thieren nie etwas zu Leide geschieht,
dieselben zutraulich und oft habe ich sie, selbst in der Nähe der
Hütten der Eingebornen und vor den Wohnungen der Weißen in Menge
vorgefunden.

Höchst lästig und oft zu einer großen Plage werden hier Schaaren von
Fliegen. In des Wortes vollster Bedeutung kann man sagen, es wimmelt
davon. Ist in Europa die Hausfliege dreist und störend, ist sie dort,
wo die Natur ihr den Tisch gedeckt, unglaublich lästig, und das vor
allem zu der Zeit, wenn die Früchte des Brotfruchtbaumes reif geworden
sind. Diese Früchte, an und für sich sehr schmackhaft, werden, sobald
sie überreif geworden sind, eine wahre Brutstätte für Fliegen. Sind sie
ausgeflogen, so ist jeder Ort, selbst Gras und Busch, dicht von ihnen
besetzt; schon ihr Schwirren und Surren ist höchst lästig.

Sind die Ameisen, vor denen nur mit Mühe Genießbares geschützt werden
kann, schon unangenehm, so treiben es die Fliegen noch zehnfach ärger,
in Wahrheit muß man diesen Plagegeistern jeden Bissen erst streitig
machen, der gegessen werden soll, vornehmlich von solchen Speisen,
die Zucker und andere leicht flüssige Stoffe enthalten, wie Reis,
Brotfrucht, Ananas u. s. w.

Geradezu eine Fliegenwolke schwebt über solchen aufgetragenen
Speisen, selbst fortwährendes Abwehren scheucht diese gierigen
Insekten nicht fort; machte es nicht die Gewohnheit und schließlich
die Gleichgültigkeit, müßte sich Ekel und Widerwillen einstellen,
Nahrung zu genießen, weil diese vom Unrath der Fliegen durchaus nicht
freizuhalten ist.

Die Insel Boskaven, ein mächtiger, unzugänglicher Bergkegel, ist aller
Wahrscheinlichkeit nach, gleich den anderen Inseln, wie Lette, Kao
u. a., ein erloschener Krater, der in der Neuzeit jedenfalls noch in
Thätigkeit gewesen ist. Menschen wohnen darauf nicht, auch hat wohl
noch keines Menschen Fuß den steilen Gipfel dieser Insel erklommen.
An der Südostseite soll im Schutze eines kleinen Riffes an einer
vorspingenden Felsenkante eine schwierige Landung möglich sein und
Fischer von Niuatobutabu wagen es, zu Zeiten sich dort aufzuhalten,
nachdem sie mit ihren leichten Kanoes den breiten Meeresarm, der beide
Inseln trennt, durchquert haben.

Basaltmassen, aus denen sie aufgebaut ist, steigen gleich steilen
Wänden aus dem Meere auf, unterspült zum Theil von den brandenden
Wogen, darüber aber, wo der das Pflanzenleben vernichtende Staubregen
des Salzwassers nicht mehr hinaufreicht, hat sich an den sehr schrägen
Flächen des Kegels ein starker Pflanzenwuchs entwickelt, welcher
die Form und Lagerung der Gesteinmassen verdeckt, ein Zeichen, daß
Eruptionen seit langer Zeit nicht mehr stattgefunden haben.

Mein Schiff war, wie erwähnt, inmitten des Riffes, in dem beschränkten
Wasserbecken, gut verankert worden und lag wohl geschützt gegen die
am Außenriff brüllende See. Aber da nach Verlauf von sieben Tagen der
starke, nordwestliche Wind erst nachließ, der die ganze Osterwoche
hindurch geweht hatte, durfte ich, obwohl längst segelfertig, es doch
nicht wagen, in See zu gehen. Erst als günstiger Wind einsetzte,
der stark genug war, das Schiff gegen die draußen anlaufende See
durchzubringen, mußte ich Anstalten treffen und versuchen, die freie
See zu gewinnen. Ohne Anstoßen am Korallenriff ging es in der engen
Durchfahrt freilich nicht ab; eine unberechenbare Strömung, durch die
einlaufenden Seen hervorgerufen, vereitelte alle Vorsicht. Dennoch
gewann ich ohne Beschädigung das offene Meer, habe aber den Versuch nie
wiederholt, sondern lieber vor dem Riffe mit zwei Ankern, diese klar
zum Schlippen, Wind und See ausgeritten, um das Schiff nicht an den
harten Kanten des Korallenriffes zu gefährden.

Von Niuatobutabu hatte ich weiter nach Niua-fu zu segeln, einer hohen
Vulkan-Insel, die in etwa West-Nord-West-Richtung 120 Seemeilen von
hier entfernt liegt. Es war mir schon in Apia mitgetheilt worden,
daß das Auffinden des Ankerplatzes und der Station vor Niua-fu seine
Schwierigkeit habe; auch soll man sofort absegeln, wenn nördlicher Wind
und Seegang einsetze, da dort auf hartem Lavagrund die Anker nicht
genügend Halt finden und ein Freikommen von der Küste sehr schwierig
sei.

Vollauf fand ich denn auch diese Angaben bestätigt, als ich wenige
Tage später unter der steilen, an Stellen mehrere hundert Fuß hohen
Küste entlang segelte und hinter der etwas vorspringenden Nordost-Ecke
nach der sehr hoch gelegenen Station nach einem Ankerplatz suchte. In
der guten Jahreszeit, d. h. wenn der Süd-Ost-Passat weht, hat es keine
besondere Gefahr, so nahe der Küste zu ankern; werden doch selbst große
Segelschiffe hierher beordert, ihre Ladung Kopra aufzufüllen, allein in
den Monaten Januar bis April machen häufig nördliche Winde ein Ankern
und Landen hier unmöglich.

Diese Insel ist etwa 550 Fuß hoch und in ihrer ganzen Ausdehnung ein
vollständiges Lavafeld; man sieht vom Meeresspiegel, wie sich Schicht
über Schicht die fließende Masse gelagert hat und wie steile Abhänge
gebildet wurden, indem die schon erkaltete Lava abgesprengt oder als
noch zähe Masse übereinander geschoben wurde. Unregelmäßig, bald hier,
bald dort, scheinen die Lavaströme sich aufgestaut oder über steile
Abhänge ergossen zu haben, denn nach Gestalt und Form der Abhänge und
Wände zu urtheilen, hat die glühende Masse sich nur langsam fortbewegt.
Auch scheint die Ausdehnung und Dicke der fließenden Lava nur eine
geringe gewesen, dafür aber desto häufiger vorgekommen zu sein. Der
ganzen Natur nach müssen, da der Hauptkrater meiner Schätzung nach
mit dem Meeresspiegel fast gleich liegt, die verschiedenen Ausflüsse
und die Anhäufung der Lava von einer Anzahl parasitischer Seitenkrater
herrühren, die von Zeit zu Zeit, da die ganze Insel als ein Vulkan zu
betrachten ist, hier oder dort die Lavakruste sprengten und flüßige
Massen ausströmten. Es muß dies als feststehend angenommen werden, denn
heute noch befürchten die Eingebornen, es könne sich überall der Boden
plötzlich öffnen; ich selbst habe Stellen gefunden und zwar nahe der
deutschen Station, wo die fließende Lava die starken Kokosbäume mehr
als sechs Fuß hoch umschlossen und vernichtet hatte.

Wie hier in der Nähe der deutschen Station, so habe ich auch an
der Westseite der Insel Stellen gesehen, wo ebenfalls die blühende
Pflanzenwelt zerstört wurde. Auch wird diese Insel sehr häufig von
starken Erschütterungen heimgesucht, so daß die Eingebornen in steter
Sorge leben müssen (die Alten erzählen von schrecklichen Zeiten,
die sie durchgemacht haben). Etwas Unheimlicheres giebt es kaum,
als zu fühlen, wie der Erdboden, auf dem man geht, durch heftige
Erschütterungen wankt, also auf einem thätigen Vulkan zu leben, der
mit furchtbarer Gewalt die Erdkruste zu spalten, Verderben und Tod
auszustreuen im Stande ist.

Der letzte große Ausbruch hatte um das Jahr 1870 stattgefunden,
wohlbebaute Flächen und Dörfer auf dieser etwa eine deutsche
Quadratmeile große Insel wurden zerstört; die Bevölkerung, auch hier
Tonga-Insulaner, ersuchte, von Furcht erfüllt, selbst vorüberfahrende
Schiffe, sie aufzunehmen. Es sind auf der Insel keine, höchstens ein
paar elende Kanoes vorhanden, mit denen auf der fast immer erregten See
kaum eine Fahrt unternommen werden kann. Bin ich recht unterrichtet,
so gab es sogar ein Verbot, das der Bevölkerung geradezu untersagte,
sich Kanoes zu halten, denn es war vorgekommen, daß bei einem Ausbruche
viele Bewohner sich aufs offene Meer hinauswagten, um dem Verderben
zu entfliehen und da sie mit ihren gebrechlichen Nußschalen kein Land
auffinden konnten, ausnahmslos ein Opfer ihrer Angst und Tollkühnheit
wurden. Den schwankenden, von heftigen Stößen erzitternden Boden ihrer
Insel verließen sie, um einen langsamen, qualvollen Tod auf dem Meere
zu finden.

Daß dennoch Niua-fu gut bevölkert ist (es sollen 1200 Tonganer hier
leben), muß der überaus reichen Vegetation zugeschrieben werden;
ist doch die Fruchtbarkeit der verwitterten Lava so ungeheuer, daß
überall, wo nicht jüngere Eruptionen weite Strecken zerstört haben, die
Pflanzenwelt im reichsten Maße sich entwickelt hat, besonders gedeiht
die Kokospalme hier in vorzüglicher Güte. Die größten Kokosnüße, die
ich je gesehen habe, wachsen hier, deshalb ist der Ertrag an Kopra auch
so bedeutend. Thatsache ist indes, daß die Furcht vor einem Ausbruche,
dessen Ausdehnung niemand wissen kann, die Insel zeitweilig entvölkert,
doch kehren die Einwohner immer wieder zurück, sobald die unheimliche
Naturkraft ausgetobt hat und wieder Ruhe eingetreten ist.

Meine Ordre lautete dahin, hier auf dieser Insel das Schiff mit Kopra
aufzufüllen und nach Samoa (Apia) zurückzukehren. Ich hatte demnach
also den Versuch zu machen, trotz der ziemlich unruhigen See, eine
Landung ins Werk zu setzen. Ein Eingeborner, der es gewagt hatte, mit
einem kleinen Kanoe abzukommen, aber kenterte, erreichte schwimmend das
Schiff und zeigte mir alsdann den sicheren Ankerplatz.

Der einzige Landungsplatz an dieser steilen, unzugänglichen Küste
ist ein tiefer Spalt in den massiven Lava-Felsen, den rechts und im
Hintergrunde hohe, senkrechte Wände umschließen, gegen welche die
einlaufende See wild aufschäumt, während zur Linken eine zwar steile,
aber niedrigere Wand mit einer Versenkung diesen einfaßt.

Da der Spalt nur so breit ist, daß ein Boot einfahren kann, so muß
dieses stets an einem sicheren Tau, welches vor der Mündung verankert
und hinten an der Lavawand um einen Felsblock befestigt wird, mit der
See eingeführt werden. Zwei Mann haben nur darauf zu achten, daß sie
das Boot stets recht auf der mit wilder Macht eindringenden Woge halten
und ebenso, daß das mit großem Getöse zurückfluthende Wasser das Boot
nicht herumreißt und zum Kentern bringt.

Ein vorspringender Lavablock an der linken Seite, längst von den ihn
immerwährend umspülenden Fluthen geglättet und abgeschliffen, dient als
Landungsplatz, auf den man aber ohne Hülfe nicht hinauf gelangen kann,
außer wenn man den Sprung wagt, sobald eine einlaufende See das Boot so
hoch gehoben hat, daß es mit dem Block in gleicher Höhe sich befindet.
Wenn das Boot am starken Tau festgehalten wird, ist es natürlich,
daß die See es mit Gewalt gegen den Block preßt und ein unablässiges
Aufpassen der Leute ist nöthig, um ein Kentern zu verhindern. Halb am
Felsen hängend, müßte sich sonst das Boot seitwärts umlegen, sobald die
Woge, welche es gehoben, wieder niedersinkt.

Ein wildes Donnern und Brausen (man kann mitunter sein eigenes Wort
nicht verstehen) erfüllte den Spalt und wie ein mächtiger Sprühregen
fällt der hochaufspritzende Gischt mancher Woge von der Felswand
zurück, an welcher sie ohnmächtig zerstäubt ist, um immer wieder das
Spiel zu erneuern.

Will man zu dem etwa 350 Fuß überm Meeresspiegel liegenden Hause des
deutschen Agenten gelangen, muß man auf Zickzackwegen die steile Höhe
erklimmen; oben angelangt, kann der Blick frei über das endlose Meer
schweifen, während zu Füßen die gewaltigen Formen erstarrter Lavamassen
aufgehäuft liegen, bedeckt mit Aschenstaub oder sprießendem Gras.
Große Erwartungen darf man an die Behausung eines so einsam lebenden
Europäers nicht stellen. Ein solches Gebäude, nur aus Holz hergestellt,
ist, dem Klima entsprechend, luftig und bequem, sonst aber baar aller
Bequemlichkeit. Die einzigen Möbel sind ein paar Stühle und ein Tisch,
alles andere hat sich der mehr oder weniger geschickte Bewohner aus
Kisten und Kasten zusammengezimmert.

Die gefüllten Koprasäcke von solcher Höhe herabzutragen wäre sehr
mühevoll, man pflegt sich aber damit zu helfen, daß über Einsenkungen
und Vorsprünge des Felsbodens hinweg eine Lattenbahn zur Tiefe geführt
wird, auf der, wegen ihrer Steilheit, die Säcke leicht niedergleiten
können.

Ein unverzügliches Angreifen der Arbeit nach Ankunft eines Schiffes
ist unter den obwaltenden Umständen hier eine Nothwendigkeit, man weiß
nicht, was die nächsten Stunden bringen; eine nur gering zunehmende
See macht oft der Arbeit ein Ende. Schwierig und namentlich für die
Besatzung des Bootes gefährlich ist das Einschiffen der Ladung. Sicher
sind die Leute erst, wenn die Oeffnung des Spaltes erreicht ist,
denn oft genug wird das Boot von den einlaufenden Seen überschwemmt,
und ist oft halb mit Wasser angefüllt, ehe es zum Schiffe gelangt.
Gewohnheit aber macht ein Unternehmen weniger gefahrvoll. Um so
mehr war ich erstaunt, daß anfangs meine Boote glücklich aus dem
zischenden, brausenden Schlund herauskamen, mancher Zentner Kopra war
bereits verschifft, da brachte mir unerwartet ein Bote die Nachricht,
Boot und Ladung seien verloren. Sofort von der Höhe herab eilend,
sah ich, wie frei von den Klippen die Mannschaft mit dem gekenterten
Boote umherschwamm und bemüht war, dasselbe so längsseit des Schiffes
zu bringen, was den Leuten auch nach langer Zeit gelang; in den
Felsenspalt selbst aber tauchten die Eingebornen auf und nieder, um die
gesunkene Bootsladung wieder heraufzuholen, indes gelang ihnen dies
nur halb, da die einlaufenden Seen die Säcke gegen die Felsenwände
warfen und diese sich öffneten oder zerrissen wurden. Veranlassung
zum Kentern gab eine schwere See; das Boot wurde gegen den Felsblock
gedrängt und schlug, während das Tau durch die Gewalt des Wassers den
Händen des Mannes entrissen wurde, quer und war im nächsten Moment mit
der Mannschaft und Ladung von der zischenden Wassermasse im brodelnden
Kessel überspült. Das Boot zu retten, ehe es an die Felsenwand
geschleudert und zerschellt wurde, war das Einzige, was die Leute thun
konnten.

Da die Bevölkerung der Insel Niua-fu aus lauter Christen besteht, so
ist die Heilighaltung der Sonn- und Festtage auch hier eingeführt und
die Arbeit ruht. So konnte ich ungehindert dem Wunsche, diese Insel
näher kennen zu lernen und namentlich den im Innern tiefliegenden
Krater zu besuchen, nachkommen. In früher Morgenstunde, die
erfrischende Kühle benutzend, stiegen mit mir der deutsche Agent und
einige Eingeborne bergaufwärts. Wir folgten den Windungen der breiten,
festen Wege, auf denen nur das Eine unangenehm war, der pulverisirte,
feine Aschenstaub, der überall dick lagert und bei jedem Schritte
aufwirbelte. Auf der Höhe fand ich die Kokosbäume nicht besonders
schlank gewachsen, vielmehr hatten viele Stämme eine mehr oder weniger
starke Neigung nach Westen, was auf den Einfluß des mitunter recht
stark wehenden Südostpassates zurückzuführen ist, sonst war der Anblick
der zahllosen Palmen, die Höhen und Abgründe bedeckten, großartig.

Der Weg führte uns bald am Rande eines senkrecht steilen Abgrundes
hin, der hunderte Fuß tief, aber so mit Buschwerk bewachsen war, daß
man nicht bis auf den Grund hinabsehen konnte. Nur eine Stelle gab es,
wo man mühsam, an Gestein und Strauch sich haltend, hinabzusteigen
vermochte, und als diese erreicht war, übernahmen die Eingebornen
die Führung, denen wir, rückwärts rutschend, zu folgen hatten. In der
Tiefe angelangt, zeigte sich ein großartiges Panorama, ringsum steile,
unzugängliche Felswände. Inmitten dieses Randgebirges, wenn ich so
die 4-500 Fuß steilen Wände bezeichnen darf, aber liegt ein weiter,
tiefer See, aus dem sich drei Bergkegel erheben, die leicht rauchenden,
zuweilen in Dampf gehüllten Krater.

Kann diese so ausgedehnte Senkung, in die wir hinabgestiegen waren,
auch als der eigentliche Kraterkessel bezeichnet werden und jene drei
Hügel als die thätigen Vulkane in demselben, so steht doch außer Frage,
daß größere Ausbrüche seit langer Zeit nicht mehr stattgefunden haben,
sondern höchstens starker Aschenregen ausgeworfen ist, der, wie wir
gefunden, überall vertheilt lag. Bei einem stattfindenden heftigen
Ausbruche würde die fließende Lava keinen Schaden thun können, diese
würde vielmehr in den den weiten Krater umgebenden See fließen.

Betrachtet man diesen großen Kraterkessel mit seinen steilen Wänden,
in welchem wir in aller Seelenruhe gemüthlich umherspazirten und uns
am breiten, flachliegenden Ufer des Sees tummelten, so kann man nicht
annähernd die gewaltige Kraft ermessen, die diese Wände aufgebaut hat,
die hier einst gewaltet und alles verändern und zerstören wird, sobald
sie sich hier im Centralpunkt äußern sollte.

Man muß wirklich die unheimliche Gewalt thätiger Krater gesehen, an
solchen mit Schwefeldünsten und mächtigen Rauchwolken gefüllten Kesseln
gestanden haben, um sich ein Bild davon machen zu können, mit welcher
Furchtbarkeit auch hier Feuersäulen, Rauch und Gase emporgeschleudert
worden sind. Was nun diesen salz- und schwefelhaltigen See anbelangt,
dessen Wasser bitter und von keinem organischen Wesen belebt ist --
so weit ich bei meiner flüchtigen Beobachtung das behaupten kann -- so
hat er einst bis an die steilen Lavawände herangereicht; ob aber allein
Verdunstungen oder andere Umstände den Rücktritt der Wasser verursacht
haben, mag dahin gestellt sein. Soviel ist erwiesen, daß die jetzt mit
Strauch und Buschwerk bewachsenen Flächen unter Wasser gestanden haben,
denn feines Geröll, abgestürzte Lavablöcke geben den Beweis dafür.

Es liegt eine wunderbare Kraft im Walten der Natur! Man glaubt todte,
starre Oede dort zu finden, wo giftige Gase fast ununterbrochen den
Schlünden thätiger Krater entströmen; hier aber blüht und wächst durch
der Sonne Gluth, durch periodisch stark fallenden Regen, erfrischt
durch nächtlichen, schweren Tau, selbst auf dem salzhaltigen,
freigelegten Seegrunde eine üppige Vegetation. Das ganze Panorama,
den See zu Füßen, dessen Wasser im Sonnenlicht wie flüssiges
Silber glänzen, durch die Palmen gekrönten Höhen, den steilen,
dichtbewachsenen Wänden, wird durch diese tropische Ueppigkeit ungemein
verschönt. Das sonst schauerliche Empfinden, welches den Menschen
befällt, wenn er sich hineinwagt in die Werkstätten der furchtbarsten
Naturkraft, deren Hauch Land und Wasser erzittern macht, schwindet hier
beim Anblick thätigen, blühenden Lebens.

Die Heilkraft des Wassers, von der die Eingebornen erzählten, wollte
ich auch nicht unversucht lassen; schnell folgten wir Europäer dem
Beispiele unserer nackten Begleiter und tummelten uns in dem warmen
Bade, bis eine wohlthuende Ermattung eintrat; daß den beiden Hunden,
die wir mit uns hatten, das Bad ebenso gut bekam, will ich nicht
behaupten; den Thieren, die mehrfach in das Wasser geschickt wurden, um
ein weit weggeworfenes Holzstück zurückzubringen, schien wenigstens der
bittere Geschmack desselben nicht besonders zu behagen.

Bei näherer Untersuchung habe ich gefunden, daß die Wassertiefe
dieses Sees überall schnell zunahm und nach der Schräge des Bodens zu
urtheilen bis zur Mitte eine ganz beträchtliche sein muß, auch die
Eingebornen bestätigten dies, sie gaben an, es sei in nicht großer
Entfernung vom Ufer in weiter Runde kein Grund mehr zu finden, demnach
wären also die drei Kraterhügel nur die über Wasser ragenden Kuppen
vielleicht gewaltiger Vulkane.

In tiefster Ruhe, im Sonnenglanz gebadet, liegt der weite See, in ihm
schlummern Gigantenkräfte! Wann werden diese wieder erwachen, Menschen
zittern und Felsen erbeben machen! Wir standen hier auf einem Vulkan,
wir wußten das, aber nicht, daß unter uns, rings in der Runde, die
unterirdischen Geister erwacht waren, die die Feuer schürten, um solche
wenige Monate später schon mit verheerender Gewalt über diese Insel
auszuspeien.

Nicht so friedfertigen Sinnes wie heute waren die Tonga-Insulaner,
als sie zuerst mit den weißen Männern in nähere Berührung kamen. Die
erste Entdeckung dieser Insel erfolgte im Jahre 1643, dann wurden sie
erst wieder 1773, also über ein Jahrhundert später, von dem berühmten
Entdecker Cook aufgefunden, in der Folge dann von mehreren kühnen
Forschern besucht, denen aber ihr langer Aufenthalt an einzelnen dieser
Inseln, wie Tongatabu, Lefuka u. a. verhängnißvoll wurde.

Im Vertrauen auf die freundliche Gesinnung dieser Insulaner wurden
die Europäer zu sorglos, dahingegen die Eingebornen aber, welche die
Schwächen der weißen Männer bald genug erkannten, planten Tod und
Verderben. Wohl entgingen viele Europäer dem geplanten Anschlag auf
ihr Leben und waren noch stark genug, ihre Schiffe zu schützen und zu
fliehen, manche aber haben ihre Achtlosigkeit mit Verlusten von Gut und
Leben büßen müssen. Heute hat Gesittung den verrätherischen Sinn der
Eingebornen geändert, sie kennen zur Genüge die Macht des weißen Mannes
und diese Erkenntniß ist der beste Schutz.



III. König Maliatoa. Olosinga. Der Ausbruch eines unterseeischen
Vulkans und die Entstehung einer neuen Insel.


Bei meiner Rückkehr nach Samoa waren die politischen Verhältnisse
auf Upolu noch verwickelter als früher und für die deutschen Beamten
eine stete, ernste Sorge, namentlich da die ansässigen Amerikaner
und Engländer ihre Wühlerei unvermindert fortsetzten. Mir, als einem
Uneingeweihten, fehlt die genaue Kenntniß, um ein anschauliches Bild
der politischen Wirren, der feindlichen Kundgebungen wahrheitsgetreu
wiedergeben zu können -- viel Gutes wäre, nebenbei gesagt, nicht zu
berichten gewesen -- nur so viel sei erwähnt, hätte gehandelt werden
dürfen, wie es uns Deutschen hier zu jener Zeit ums Herz war, mit der
kleinen Zahl jener Abenteurer, die desto lauter schrieen, je mehr sie
beachtet wurden, wäre bald genug aufgeräumt worden; es wäre ein Glück
für Land und Volk, eine wahre Wohlthat für uns Deutsche gewesen!

Es lag mir viel daran, den Mann gelegentlich kennen zu lernen, in
dessen schwachen Händen das Geschick Samoas lag, um dessen Gunst so
viel Ausländer buhlten, dessen Macht ein Schein, dem nur sein Anhang --
die stolzen, selbstbewußten Häuptlinge -- die Königskrone sicherten.
Der Zufall fügte es, daß ich auf einem Spaziergange nach Mulinuu
einen langansässigen Deutschen traf, der mir behülflich sein wollte,
den König sprechen zu dürfen. Während kein Samoaner wagen darf, ohne
Erlaubniß den geheiligten Grund zu betreten, auf welchem sein König
wohnt und auch dann nur unter Beobachtung gewisser Zeremonien, fanden
wir dort ungehinderten Zutritt und, ohne nach unserm Begehr gefragt zu
sein, näherten wir uns dem im Schatten seines Hauses sitzenden Könige
Maliatoa.

Die Gastfreundschaft der Samoaner ist bekannt, und ihr König ist nicht
minder bestrebt, solche seinen Gästen gegenüber auszuüben. Seine braune
Majestät hieß uns willkommen und führte uns in den großen Vorraum
des mit vielem Kunstsinn aufgeführten Palastes und lud uns ein, auf
den mit Matten bedeckten Holzkisten Platz zu nehmen. Darauf rief der
König dienstbare Geister, wohlgenährte Samoanerinnen erschienen und
ließen sich geschäftig im Hintergrunde des Zimmers nieder. Schnell
waren Steine, Becken und Wasser herbeigeschafft, das Zerklopfen der
Kavawurzel begann und nach kurzer Zeit schon wurde durch Händeklatschen
das Zeichen gegeben, daß der Trank bereitet sei.

Mit vieler Grandezza sich auf ein Knie niederlassend, reichte eine junge
Maid dem Könige zuerst die Kokosschale, wurde aber bedeutet, diese
seinen Gästen erst zu reichen. Da nahm ich sie in die Hände und leerte
sie mit einem Zuge, obgleich sie wohl einen halben Liter faßte; das
Wort „_fafataii_“, d. h. danke, war ich kaum im Stande, vernehmbar
auszusprechen, so hatte das etwas starke Getränk mir den Athem
genommen. Während dessen setzte sich der König würdevoll nach samoaner
Art mit untergeschlagenen Beinen, auf weichen, feinen Matten vor uns
nieder und eröffnete erst die Unterhaltung, als auch er die Schale
geleert und seinen Gästen Bescheid gethan hatte.

Mit ausgesuchter Höflichkeit lenkte Maliatoa, nachdem er erfahren,
daß nur der Wunsch uns hergeführt hatte, ihn kennen zu lernen (was
besonders auf mich Bezug hatte), das Gespräch auf unsern großen Kaiser,
er stand auch auf und holte unter anderen Sachen ein wohlgelungenes
Bildniß des Kaiser Wilhelms herbei und fragte uns, ob der mächtige,
deutsche Kaiser mit diesem Bilde sprechende Aehnlichkeit habe, wie
ihm versichert worden sei. Unsere Bestätigung befriedigte ihn, und
für einen Augenblick im Anschauen des Bildes versunken, fragte er dann
plötzlich, wann ich eingelaufen sei und von welcher Insel ich gekommen
wäre. Als ich Niua-fu erwähnte, lobte er die dort wachsenden großen
Kokosnüsse; er wäre immer bestrebt, sagte er, solche zu bekommen und
benutze sie gewöhnlich zur Auspflanzung, wenn anders nicht seine Frauen
dieselben wegnähmen und zu Wasserbehältern oder Kavaschalen benutzten.
Schiffsführer, die Niua-fu anliefen, brächten ihm mitunter schöne,
große Nüsse mit, es wäre aber selten der Fall, weil dort wohl nur
wenige Schiffe zu Anker gingen.

Das Letzte war mehr eine Frage an mich, und die Höflichkeit gebot,
diese so zu verstehen, als sei es ein ausgesprochener Wunsch, darum
erbot ich mich sofort, diesen zu erfüllen, sobald mir Gelegenheit dazu
gegeben wäre; ich wüßte zwar nicht, wohin ich beordert werden würde,
aber solcher geringen Mühe wollte ich mich gerne unterziehen und
gelegentlich Nüsse mitbringen. Dankend nahm Maliatoa das Anerbieten an.
Dann wurde uns auf seinen Wink die zweite Schale Kava von schöner Hand
gereicht, worauf wir uns bald vom Könige verabschiedeten.

Während der kurzen Unterhaltung war es nicht uninteressant, zu
beobachten, wie der König in nichts von den Gewohnheiten seiner
Unterthanen abwich. Wie der Samoaner setzte er sich auf den mit Matten
belegten Erdboden, stützte gewohnheitsgemäß den Oberkörper auf einen
Arm oder gab bei nach vorne geneigter Haltung seinem Körper dadurch
einen festen Stützpunkt, indem er die Ellbogen auf die fast flach
am Boden liegenden Knie setzte. Bei solcher Haltung bleiben dann die
Hände zur Vornahme beliebiger Verrichtungen frei. Wiewohl nach unseren
Begriffen in der Haltung des Königs nicht allzuviel Majestätisches zu
finden war, so gestehe ich doch offen, daß die ganze Erscheinung den
Herrscher verrieth, dessen Blick Gehorsam zu heischen schien.

Einige Monate später, ich war über Niuatobutabu nach Niua-fu beordert
worden, löste ich meine Zusage ein, und kaufte dort die größten Nüsse,
welche ich mit Hülfe des deutschen Agenten auftreiben konnte, für den
König Maliatoa auf. Nach Apia zurückgekehrt, traf ich leider den König
nicht in seinem Palaste bei Mulinuu an, ich gab daher die Kokosnüsse an
anwesende Häuptlinge ab, die solche sogleich den aufwartenden Weibern
einhändigten, somit mag der König wohl Recht haben, daß ihm geschenkte
Nüsse meistens zu anderen Zwecken, als zur Auspflanzung Verwendung
finden.

Bei weiteren Reisen in der Südsee war ich insofern vom Glück
begünstigt, als mir Gelegenheit gegeben wurde, auch die entlegensten
Inseln der Samoa-Gruppe kennen zu lernen und dort Beobachtungen über
Land und Bewohner zu machen. Auf solchen Fahrten zeigte freilich oft
genug der gepriesene Stille Ozean ein recht unfreundliches Gesicht;
widrige, stürmische Winde, gefährliche See, straften solche Bezeichnung
Lügen. Ist man aber mit der wechselnden Eigenart der Witterung erst
vertraut geworden, namentlich mit der unbeständigen, sogenannten
schlechten Jahreszeit, so nimmt der Seemann alles ruhig mit in den
Kauf und sucht dem Unfreundlichsten noch eine gemüthliche Seite
abzugewinnen.

In freier See, wenn dem Schiffe keine Gefahren weiter drohten, als
durch Wind und Wetter, war ich immer zufrieden, hier war des Menschen
Können den Elementen gewachsen, wenn diese es nicht gar zu böse
meinten, hingegen vor gefährlichen Riffen auf schlechtem Ankergrunde,
wo das Schiff gefährdet lag, schlich sich recht oft die Sorge bei mir
ein.

Kräftig hatte der Südost-Passat wieder eingesetzt, vor dessen Hauch
das düstere Gewölk entfloh, das regenschwer oft genug über Land und
Ozean gebreitet lag; ein dauernd heiterer Himmel lachte auf die blaue
Fluth hernieder, deren schaumgekrönte Wellen sich im lustigen Spiele
endlos jagten. Aufkreuzend gegen solchen steifen Wind und einer in
Folge dessen recht bewegten See, brauchte ich, nach der Manua-Gruppe
bestimmt, acht Tage, um die 130 Seemeilen lange Strecke von Apia bis
zur Insel Ofu und Olosinga aufzusegeln; in Wirklichkeit aber hatte das
Schiff annähernd 800 Seemeilen im Zickzackkurse zurückgelegt, ehe das
Ziel erreicht war.

Durchzieht die langgestreckte Insel Tutuila ein mächtiger Höhenrücken,
der wegen seiner Form und Steilheit unübersteiglich ist, eine
Basaltformation von solcher Zerrissenheit darstellend, daß thatsächlich
zwischen der Nord- und Südküste keine Verbindung besteht, so bieten die
beiden kleinen Inseln Ofu und Olosinga fast noch ein verzerrteres Bild
vulkanischer Wildheit dar. Die Massen dieser Inseln, steil und hoch,
gleich senkrechten Wänden aus der Tiefe des Meeres aufragend, zeigen
nicht die stumpfe Kegelform vulkanischer Bildung, sondern die zackigen
Bergspitzen sind hier und dort durchbrochen und getrennt, als wären
diese durch Gigantenhände aufgethürmt worden, sie scheinen das Ergebniß
übergewaltiger Eruptionen zu sein. Diese unzugänglichen Spitzen
und Zacken, gesprengte Lavablöcke, ragen fast 3000 Fuß hoch über
dem Meeresspiegel empor, in Wirklichkeit starre Zeugen einer längst
entschwundenen Zeit, die auch hier einst die unterirdischen Gewalten
schaffen und zerstören sah.

An der Südseite der Insel Olosinga öffnet sich eine von Korallenriffen
eingeengte Bucht, die durch vielzackige sehr steile Basaltfelsen
abgeschlossen wird, namentlich sind drei spitze zusammenstehende Kegel
auffallend und geben ein gutes Merkzeichen. Die große Wassertiefe in
dieser Bucht bedingte es, daß ich sehr weit hineinlaufen mußte und
erst ganz in deren Nähe Ankergrund fand; fast blieb für das Schiff
kein genügender Raum frei von diesen zu schwingen, so nahe der Brandung
war ich zu ankern gezwungen. Zudem war die Verbindung zwischen Schiff
und Land nur zur Zeit des Hochwassers herzustellen, da das Riff ganz
trocken fällt und nur während weniger Stunden des Tages, ebenso wie der
Nacht, konnte Ladung an Bord geschafft werden.

Eine schmale Fläche Landes liegt nur zwischen Strand und steiler
Felswand, noch dazu bedeckt mit großen abgestürzten Lavablöcken,
zwischen denen die Hütten der wenigen Bewohner dieser Insel zerstreut
errichtet sind; aber wie drohend und kahl auch die gewaltigen
Felsmassen von der Höhe herabschauen, ihnen zu Füßen auf fruchtbarster
Erde, ja selbst aus jedem Felsspalt blüht und sprießt eine reiche
Vegetation. Vornehmlich gedeihen hier der Kokosbaum und die Bananen
vortrefflich, jener der genügsam ist, reckt am Felsengrat sowohl wie am
Strande seine stolze Krone in die Lüfte und das in solcher Zahl, daß es
sich verlohnt hatte hier eine kleine Handelsstation anzulegen.

Die Händler an solchen entlegenen Orten, meistens Mischlinge, tauschen
für geringe Waare den Ueberschuß an Nüssen von den Eingebornen ein
und erzielen durch die Verarbeitung derselben zu Kopra für sich einen
Gewinn, der ihnen sogar ermöglicht Ersparnisse zu machen, da ihre
Bedürfnisse sehr gering sind. Zwei höchstens drei mal im Jahre versieht
ein Schiff die Händler mit Tauschartikeln und holt die erhandelten
Erzeugnisse ab, daher ist denn auch das Einlaufen eines Fahrzeuges
immer ein Ereigniß von Bedeutung, sowohl für den Händler wie für die
Eingebornen. In der Station Olosinga, die seit Kurzem durch einen von
der Insel Tau hierher übergesiedelten Zwischenhändler errichtet war,
schien hier ein weißer Mann kaum je gesehen worden zu sein, denn sowohl
der älteste Greis wie der jüngste Sproß waren am Strande versammelt
als ich landete und Neugierde mit auffallender Scheu gepaart, ließ sie
die fremde Erscheinung anstarren; namentlich die Kinderschaar fürchtete
sich und anfänglich genügte eine rasche Bewegung meinerseits schon die
neugierige Menge auseinander zu treiben. Das kleine Haus des Händlers,
mit dem ich den geschäftlichen Theil abzuwickeln hatte, war schon, noch
ehe ich eintrat, voll von Menschen, so daß die Jüngeren herausgetrieben
werden mußten, um Raum zu schaffen.

Angenehm ist solches Anstarren und Umdrängtwerden nicht, und mancher
würde es höchst lästig finden; weiß man aber, daß barsche Worte wenig
nützen, zumal den Erwachsenen gegenüber nicht, so erduldet man schon
solche Unbequemlichkeit, bald kommt man auch zu der Ueberzeugung
wie vortheilhaft es ist, da bald die Neugierde dieser Naturvölker
gestillt ist, Vertrauen erweckt zu haben. Frauen und Kinder laufen
nicht ängstlich davon, Männer gehen nicht mit scheelen Blicken an einem
vorüber, das „_talofa, ali_,“ guten Tag, Herr, hat einen freundlicheren
Klang; ich muß sagen, natürliche oder sogar erzwungene Ruhe, die ein
Europäer zeigt, imponirt den Eingebornen am meisten.

In diesem Falle war es ein kurzer Sprung von auffälliger Scheu bis
zur Vertraulichkeit. Der Händler wurde von allen Seiten mit Fragen
bestürmt, seine Angaben schienen einigen Erwachsenen aber nicht zu
genügen; diese wollten durchaus wissen, ob ich auf der Brust ebenso
weiß sei wie im Gesicht und obwohl die Frage eigenthümlich genug klang,
so war sie doch ernst gemeint, denn sie öffneten mein weißes Hemde und
überzeugten sich selbst davon -- das war ihnen genügend, befriedigt
gingen sie fort. Nun war nach Verlauf einer halben Stunde die erst so
große Neugierde aller gestillt; ein Anstarren, geschweige denn eine
Belästigung kam nicht mehr vor, höchstens trat ein kleiner Bursche noch
heran und wagte mich um ein Stückchen Tabak anzusprechen.

Zu den Pflichten eines Schiffsführers gehört es, stets für den Empfang
einer Schiffsladung die Ladescheine zu zeichnen; so war es auch hier
(gleichwie an anderen Orten war ich der einzige Europäer), es war
meine Aufgabe, die zu empfangende Menge Kopra abzuwiegen. Schon um den
Aufenthalt hier unter den gefährlichen Riffen abzukürzen, wurde die
Verschiffung der Ladung auch während der Nacht bei lodernden Feuern,
die immer von Neuem mit trockenen Palmenrippen angefacht wurden,
ausgeführt. Dabei nun leisteten uns einige Kinder Gesellschaft, die
es vorzogen wach zu bleiben, um die Feuer zu unterhalten. Unter diesen
war ein etwa siebenjähriges Mädchen von auffallender Schönheit, wie ich
noch keins unter farbigen Völkern gesehen; es mag sein, daß die leicht
gebräunte Hautfarbe dies Kindergesicht so anziehend und interessant
machte, so viel wenigstens kann ich behaupten, dieses Naturkind konnte
mit seinen weißen Schwestern wetteifern und sich den Hübschesten seines
Geschlechts an die Seite stellen. Manches hübsche Mädchen habe ich
zwar unter den Samoanerinnen gesehen, ein solches aber, wie dieses in
dieser weltentlegenen Gegend aufgewachsen, nicht wieder. Unter anderem
erhielt ich noch Kenntniß von einem unterseeischen Vulkan, der sich an
der Ostseite der Insel Olosinga befindet. Ich zog darüber Erkundigungen
ein, erfuhr aber nur Folgendes: Die älteren Bewohner haben vor einer
Reihe von Jahren einen Ausbruch desselben beobachtet, dabei aber
nur leichte Erschütterungen des Bodens, sonst nichts Auffallendes
wahrgenommen, und seit jener Zeit sei an der bezeichneten Stelle im
Ozean weiter kein Ausbruch erfolgt. Immerhin ist das Vorhandensein
eines solchen Vulkans, auch wenn ihn die Fluthen des Meeres bedecken,
eine gefährliche Nachbarschaft und ein Zeichen, daß die Naturkraft
fortbesteht, die diese gewaltigen Basaltmassen aufgethürmt hat, wenn
auch längst die Krater dieser Inseln erloschen sind.

Die größte der Inseln in der Manua-Gruppe ist Tau, ebenfalls
vulkanischen Ursprungs, an Umfang aber viel bedeutender noch als Ofu
und Olosinga zusammen genommen; in der Mitte dieser Insel erheben
sich gegen 3000 Fuß hohe Krater, deren Umgebung indeß weniger wild
und zerrissen erscheint, da sie von der Hügel- zur Bergform übergeht
und ausgedehntes Vorland die ganze Erhebung umgiebt. Fraglos ist
es, daß auf gehobenem Korallengrunde im Laufe der Zeiten die flachen
Landstrecken gebildet wurden, die wiederum ein weites Riff umgiebt,
das stetig an Ausdehnung durch den Fortbau der Korallenpolype gewinnt.
Nimmt auch die Kratergegend den bei weitem größten Flächenraum
dieser 16 Seemeilen im Umfang großen Inseln ein, so hat sich doch auf
verwittertem Lavagrunde eine reiche Pflanzenwelt entfaltet und von
See aus gesehen erscheint dieselbe sich bis zu den hohen Bergkuppen
ausgedehnt zu haben; vor allem sind die Umgebungen der Dörfer Tau,
Siufanga, Faleasao an der West- und Nordwestseite von ausgedehnten
Kokospflanzungen umgeben. Bestimmt von Olosinga zunächst nach Tau zu
segeln, mußte ich hier, nachdem mit Schwierigkeit Waaren gelandet,
auch der Vertreter der deutschen Handelsgesellschaft abgeholt war,
nach Faleasao weiter fahren, wo in der guten Jahreszeit der sicherste
Ankerplatz sein sollte. Hier befand sich auch der Hauptstapelplatz
für Kopra. Als ich vor Faleasao ankam, schien mir dort der Ankerplatz
nahe dem Riffe einigermaßen sicher und ein Landen nicht zu schwierig
zu sein. Weht der Südostwind, so hat Faleasao wohl den Vorzug der
gesichertste Ort für ein Schiff zu sein, da sich hier ausgedehnte
Korallenflächen unter Wasser hinstrecken, wenn auch bei schnell
zunehmender Tiefe; weht derselbe aber östlicher, wie ich es fand, so
läuft die schwere See längs der kreisförmigen Insel auf und erzeugt
selbst hier noch eine gefährliche Brandung.

Von einem Schiffe aus gesehen scheint freilich eine Brandung nie so
schwer als sie in Wirklichkeit ist, befindet man sich aber mit einem
Boote in derselben, erkennt man erst die gewaltige Kraft der mit großer
Geschwindigkeit heranrollenden und sich überstürzenden Wogen.

Genöthigt zu warten bis Hochwasser eingetreten war, wodurch am
Riffe die Brandung vermindert wurde, machten wir doch beim ersten
Landungsversuch eine unliebsame Bekanntschaft mit derselben. Obgleich
die Bootsbesatzung tüchtig und geübt war, überlief uns dennoch die
See; in dem Augenblicke, wo es galt, mit aller Kraft zu rudern, um
die hinter uns brechende Woge nicht über das Boot stürzen zu lassen,
unterlief die Kraft der neben dem Boote aufrollenden Vorwelle den
Riemen (Ruder) eines Mannes, den dieser nicht schnell genug zu heben
vermocht hatte. Trotz der Anstrengung des Steuerers wirbelte im
Augenblick das Boot herum, die Welle brach über das breitseits liegende
Boot herein, überschlug dasselbe, und Menschen, Boot und dessen Inhalt
bildeten ein Chaos, daß die brüllende Woge strandaufwärts trug. Weil
ich selbst kein Schwimmer war, und keinen Grund unter den Füßen fand,
so wurde für mich die Lage bald bedenklich, zumal da ich nichts zu
sehen im Stande war, und nur donnerndes Brausen mir in den Ohren
gellte. Ein Spielball des Wassers, mußte ich das Schlimmste befürchten,
wenn die rücklaufende Welle mich mit sich riß; aber plötzlich fühlte
ich einen Halt, ein Eingeborner der Bootsbesatzung hatte mich gefaßt,
ehe es zu spät gewesen, ich fand auch gleich wieder Grund und tummelte
fort, nur beschleunigte die nächste Welle mein Bestreben, den Strand
zu gewinnen dermaßen, daß ich durch den heftigen Stoß ziemlich unsanft
auf die spitzen Korallen geworfen wurde; aber abgesehen von einigen
Verletzungen an den Händen kam ich noch glimpflich davon. Weitere
Verwundung erhielt keiner, nur der Mann, dessen Ungeschick alles
verschuldet hatte, hatte sich den Kopf verletzt. Zum Glück war auch das
große von Tau mitgenommene Brandungsboot unbeschädigt geblieben, die
Besatzung desselben, an solche Fahrten gewöhnt und aus guten Schwimmern
bestehend, wußte mit Geschick einen verderblichen Aufstoß des Bootes
auf den harten Korallengrund zu vermeiden. Schnell war das Mißgeschick
vergessen. Das Boot wurde ausgeschöpft und flott gemacht, dann mit dem
Verschiffen der Ladung begonnen. Freilich manchmal glaubten wir Boot
und Ladung nicht wieder zu sehen, wenn es in der Brandung verschwand
oder in Gefahr war, von einer steilen Woge überworfen zu werden.

Soweit die Leute Grund unter den Füßen hatten, schoben sie das Boot
stets hinaus, dann wurde gewartet, bis drei schwere Seen herangelaufen
waren, sofort aber hinter der dritten schwang sich die Besatzung in das
Boot und ruderte mit aller Kraft der vierten, gewöhnlich schwächsten
Woge entgegen, die passirt sein mußte, ehe sie sich brach; gelang dies
nicht, kam häufig das Boot fast sinkend längsseit des Schiffes und es
entstand dadurch eine Verzögerung.

Dem Manne, der mich flüchtig gestützt, als ich kraftlos ein Spiel
der Wogen gewesen, gab ich auf Anrathen des Händlers eine Hand voll
Stangentaback, kaum aber hatte derselbe begriffen, daß solcher sein
Eigenthum sein solle, als er wie besessen umhersprang, immer wieder
sein „_fafataii_“, danke, brüllend, bis sich seine Genossen um ihn
geschaart und er schnell die Hälfte seines Geschenkes los geworden war.

Das Rauchen ist unter den Eingebornen der Südsee stark verbreitet,
daher ist eigens für sie zubereiteter, kräftiger Taback ein bedeutender
Tauschgegenstand geworden. Selten nur findet man die Tabackpfeife in
Gebrauch, dagegen kommt allgemein die Cigarette in Anwendung, die mit
Vorliebe von beiden Geschlechtern geraucht wird. Sehr oft habe ich
mich ebenfalls derselben bedient und gefunden, daß der Europäer in
der Hütte des Eingebornen stets willkommen ist, der seinen Vorrath mit
ihnen theilt, wenigstens aber so viel abgiebt, um das augenblickliche
Bedürfniß zum Rauchen zu befriedigen. Einfach genug ist die Herstellung
einer Cigarette, als Umhüllung dient ein Streifen vom getrockneten
Bananenblatt; der Taback, aus zusammengepreßten Blättern bestehend
und meistens feucht, wird nach Bedarf auseinander gewickelt, über ein
entzündetes Streichholz oder eine kleine Flamme, auch über Kohlengluth
etwas angeröstet, eigentlich nur dadurch betrocknet und dann in den
bereitgehaltenen Streifen eingewickelt. Auf diese Weise ist eine
Cigarette schnell genug angefertigt; diese geht dann von Hand zu
Hand und hat Jeder durch einige Züge das augenblickliche Verlangen
befriedigt, so wird der Rest der Cigarette von einem der Anwesenden
hinter der Ohrmuschel so lange aufbewahrt, bis sich wieder das
Bedürfniß zum Rauchen einstellt.

Es erwies sich übrigens als leichter, mit einem schwerbeladenen Boote
gegen die starke Brandung zu rudern, als mit dem leeren vor derselben
zu laufen, im letzteren Falle meistens von dem Kamme einer Woge
riffaufwärts getragen, wird das Boot von ihr schließlich überlaufen und
die darauf folgende gefährdet es. Zweimal geschah es während der 60-70
Fahrten, welche das Boot zum Schiffe hin und zurück machen mußte, daß
dieses in der Brandung überworfen wurde, jedoch ohne weiter Schaden
zu nehmen. Ich habe manche Brandung an Korallenriffen mit weniger
tüchtiger Mannschaft und schwächeren Booten passirt, bin aber niemals
später genöthigt gewesen, wie hier, bei so hohem Seegange Ladung
abzunehmen. Diese See, eigentlich nur längs und auf das Riff laufende
Roller, war schon schwer genug; eine Möglichkeit hätte es aber nicht
mehr gegeben, durch die Brandung zu kommen, wenn auch nur ein leichter
Wind die Wogen verstärkt hätte; diese sind übrigens desto gefährlicher,
je weiter vom Strande entfernt abflachender Grund der Wassermasse
gestattet sich aufzurollen.

Des Ungeziefers, welches mit einer Kopraladung an Bord gebracht wird
und sich dort schnell einnistet, habe ich früher Erwähnung gethan,
namentlich der Ameisen und der Kakerlaken. Mich jener zu erwehren,
wenigstens sie möglichst aus der Kajüte zu vertreiben, wurden Fugen
und Ritzen im Holz mit Petroleum angefeuchtet oder gut verkittet;
solche Mittel lohnten zwar nicht viel, aber eine Zeit lang wenigstens
etwas; hingegen die Kakerlaken zu vertreiben, wollte nichts verfangen.
Unglaublich vermehren sich die bis zu 1½ Zoll und darüber wachsenden
Thiere; da sie an feuchten Stellen mit Vorliebe sich aufhalten, ist
ihnen zwischen den Rippen des Schiffes nicht beizukommen. Selbst wenn
ich zeitweilig eine Ausräucherung des ganzen Schiffes mit Kohlengas
vornahm, um die nicht minder lästigen Ratten zu vertilgen, gelang
es wohl, die schlimmen Nager zu tödten, die meistens in der Nähe
der erloschenen Kohlenbecken, wo sie wegen des hierher strömenden
Sauerstoffes am längsten zu leben vermochten, aufgefunden wurden; den
Kakerlaken hingegen schadete solche Ausräucherung nichts.

Bei Tage nicht sichtbar, kommen die Kakerlaken Abends aus ihren
Verstecken hervor, dann aber ist es in geschlossenen Räumen nicht
auszuhalten, so groß ist die Menge der Thiere. Sehr lebhaft aber werden
sie und die, welche fliegen können, schwirren umher, sobald sich eine
Aenderung im Wetter bemerkbar macht; ich beobachtete, daß jedesmal
Regen eintrat, wenn die Kakerlaken zu fliegen begannen.

Doch nicht nur sehr unangenehm und widerwärtig sind diese Thiere,
sondern sie sind auch im Stande, empfindlichen Schaden anzurichten;
man darf kein unreines Zeug oder Leibwäsche frei liegen lassen, soll
solche nicht angefressen werden. Anfänglich, ehe ich dahinter kam, maß
ich den Ratten die Schuld bei, wenn mir gute wollene Hemden verdorben
wurden. Glücklicherweise gab mir der Zufall ein Mittel an die Hand,
diese Kakerlaken nach Möglichkeit zu vernichten. Eine entleerte Flasche
Bier war unabsichtlich in eine leere Koje gesetzt worden und zwar so,
daß es den durch den Biergeruch angelockten Thieren möglich geworden
war, den Hals der Flasche zu erreichen und hinein zu kriechen. Einmal
hinein gab es kein Zurück mehr, und ich fand, einem widerlichen Geruch
nachspürend, diese Flasche ganz angefüllt mit todten Kakerlaken.

Später ließ ich denn auch frisch geleerte Bierflaschen aufstellen
und konnte bald, da oft Hunderte in einer Nacht gefangen wurden, eine
Abnahme bemerken. Auf längeren Reisen, wenn der geringe Vorrath an Bier
ausgetrunken war, setzte ich entweder eine Schüssel mit Seifenwasser
oder mit einem Zusatz von Syrup den Kakerlaken hin und richtete es
so ein, daß sie bequem hineinkommen konnten; war es auf solche Weise
auch nicht möglich, die Thiere auszurotten, weil sie sich zu stark
vermehrten, so wurde doch ihre Zahl sehr vermindert.

In späterer Zeit hatte ich leider nie wieder Gelegenheit, die
Manua-Gruppe anzusegeln und meine Beobachtungen zu vervollständigen,
dagegen wurde ich mit den Tonga-Inseln, ihrer Beschaffenheit und
Bevölkerung, vertrauter, da ich meistens längere Reisen durch diese
ausgedehnte Gruppe zu machen hatte.

Der bereits geschehenen Erwähnung, daß in freier See sowohl, wie unter
den zahlreichen Inseln, eine große Zahl Haifische zu finden ist, wollte
ich noch näher darauf eingehen, in welcher Weise es mir gelang, eine
beträchtliche Anzahl dieser gefährlichen Meerbewohner zu fangen, die
zum Theil dann von meiner Schiffsbesatzung verzehrt wurde. Möglich
ist der Fang des Haifisches nur bei ruhiger See und bei Windstille;
er wird um so leichter, wenn der Hai hungrig ist und nach allem gierig
schnappt, was über Bord geworfen wird. War also Windstille eingetreten,
wiegte das Schiff sich steuerlos auf der blauen Fluth, so währte es
gewöhnlich nicht lange und die Rückenflosse eines oder mehrerer Haie
wurde sichtbar, die langsam näher kamen und entweder hinter dem Schiffe
verblieben, wenn dessen Fahrt vielleicht noch gering war, oder sonst um
dieses herumschwammen.

Kamen die Thiere nicht nahe genug heran, so wurde eine Lockspeise an
dünner Leine befestigt, jedoch so, daß diese der Hai wohl befühlen,
aber nicht erfassen konnte; die Leine wurde nämlich schnell eingeholt,
sobald der Hai sich auf den Rücken legte und zuschnappen wollte.
War der Hai erst gierig gemacht, so folgte er dem Köder schneller,
besonders, wenn es ihm doch gelungen war, ein Stückchen Fleisch zu
erfassen.

Auf diese Weise bis dicht unter das Heck des Schiffes gelockt, schwamm
der Hai achtlos auf die Gefahr, welche ihm drohte, in die weit in
das Wasser reichende Schlinge hinein, schnell diese fallen gelassen
und zusammengeholt, war solch großer Fisch immer gefangen, weil ein
Uebergleiten der Schlinge wegen der unbiegsamen Schwanzflosse nicht
mehr möglich war. Bot sich eine Gelegenheit in der Nähe der Insel Upolu
einige Haie zu fangen, und war das Schiff nicht allzufern dem Hafen von
Apia, gestattete ich der Besatzung meistens die Fische aufzubewahren,
die dann außenbords in den Rüsten oder unter dem Bugspriet aufgehängt
wurden, denn der Fischgeruch war nicht besonders angenehm. Verzögerte
sich die Ankunft aber und hatte die heiße Sonne schon zersetzend
eingewirkt, ließ ich die Haie losschneiden, was von den Samoanern immer
bedauert wurde; hingegen, wenn wirklich ein todter Hai mitgebracht
werden konnte, gab es einen Festschmaus bei den Anverwandten am Lande.

Anstoß an dem strengen, widerlichen Geruch des Fisches nahmen die
Samoaner nicht, vielmehr durch eingetretene Zersetzung ward das Fleisch
desselben mürbe, das sonst hart, zähe und trocken ist. Aus Noth habe
ich auch einmal versucht, das zubereitete Fleisch eines jungen, frisch
gefangenen Haies zu essen, aber es wollte selbst gebraten nicht munden,
obgleich sicher ein gewisser Widerwille das meiste dazu beitragen
mochte.

Das Gebiß eines großen Haifisches ist furchtbar, die vorderen festen
Zähne im Unter- und Oberkiefer sind an der Wurzel breit und flach
und scharf wie ein Messer, die Zähne fassen so ineinander, daß alles,
was der Hai erfaßt, von diesen durchschnitten wird. Hinter den festen
Vorderzähnen liegen noch sechs Reihen ebensolcher, jede kleiner als die
andere und in den Rachenmuskeln beweglich. Faßt der Hai eine Beute,
ist er nicht im Stande, solche wieder fahren zu lassen; die hinteren
Zahnreihen richten sich auf und geben einmal Gefaßtes schwerlich wieder
frei.

Einmal, in der nördlichen Einfahrt von Tongatabu (ich war zwischen den
Riffen von Windstille befallen worden) hielten sich schon längere Zeit
zwei mächtige Haie von seltener Größe beim Schiffe auf. Schließlich
machte ich mich daran, da diese Thiere ohne Scheu längsseit kamen,
einen mit der Schlinge zu fangen. Ohne daß Köder angewandt war,
hatte sich bald eines der Unthiere in der Schlinge festgelaufen; am
Schwanz gefangen, peitschte der Hai wüthend das Wasser und die Leute
hatten zu thun, das starke Thier zu halten, das erst jeden weiteren
Versuch sich zu befreien aufgab, als es ermattet an der Schiffsseite
hochgezogen war.

Der zweite Hai, der anfänglich gleich verschwunden, kam bald wieder zum
Vorschein und so nahe an seinen gefangenen Gefährten heran, daß auch
er nach einigen Versuchen demselben Schicksal verfallen war. Die Leute
sollten nun den zweiten nicht zu nahe dem schon hochgezogenen aufholen,
aber in ihrer Hast zogen sie das heftig um sich schlagende Thier doch
nahe an dem ersten Hai vorbei und dieser, ebenfalls unruhig gemacht,
wohl auch von dem Schwanze des zweiten getroffen, schwang seinen
Oberkörper im Wasser hin und her, dabei den mächtigen Rachen auf- und
zuschnappend.

Solange der Hai noch im Wasser war, sträubte er sich mit seiner ganzen
Kraft und folgte nur widerwillig der angewendeten Gewalt, er entriß
auch den Händen der Leute das Tau, ehe dasselbe befestigt werden konnte
und schoß seitwärts in die Tiefe. Indeß da das Tau, womit der Hai
gefangen worden war, zum Aufhissen eines der Vordersegel diente und an
diesem befestigt war, so vermochte er nicht zu entkommen. Als er wieder
herangeholt war, sollte gewartet werden, bis er sich müde gearbeitet
hätte; aber übereifrig geworden, zogen die Leute weiter und als sie
unachtsam wieder dem ersten Hai zu nahe gekommen waren, hielten sie
plötzlich das lose Tau in Händen. Der hängende Hai hatte nämlich nach
dem Schwanze des zweiten geschnappt, die halbe Flosse mitsammt dem
starken Tau durchbissen und so seinem Gefährten die Freiheit gegeben.
Ein kurzer, aber gewaltiger Schlag war es, den dieser Hai führte, als
er gebissen sich zur Wehr setzte, doch bald schoß er frei mit einer
Geschwindigkeit hinweg, wie man solche diesen sonst trägen Thieren
nicht zutrauen sollte.

Um nun den gefangenen Hai, dessen Körper noch halb im Wasser
niederhing, sicher an Deck zu bringen, mußte ihm eine zweite Schlinge
oberhalb der Rückenflosse umgelegt werden; an dieser wurde das Thier
dann hochgezogen, der Schwanzwirbel durchgeschlagen und erst, als es
sich verblutet hatte, an Deck genommen. Das Thier maß etwas über 13
Fuß und hatte ein furchtbares Gebiß. Dieses sollte später ein Tonganer
für mich präpariren und reinigen, nachdem der Kopf wochenlang in
Salz-Seewasser gelegen und alles Fleisch sich abgelöst hatte; ich sah
aber nie etwas davon wieder, es hieß, die Kiste mitsammt dem Kopfe des
Haies, die am Riffe versenkt worden war, sei verschwunden.

Auf meiner zweiten Reise, von Apia nach Tongatabu, lief ich, von
Vavau kommend, westlich von der ganzen Tongagruppe, und befand mich
eines Tages im Mai 1885, als voraus die Basaltkegel Hunga-hapei und
Hunga-tonga gut in Sicht gekommen waren, nicht allzufern von den in der
Karte angeführten Culebrasriffen. Mein Kurs, der südwärts gerichtet
war, mußte mich gerade darauf führen. Aber als ich die hohen Inseln
Kao und Tofua in Deckung gebracht hatte -- die Kreuzpeilung von der
Insel Namuka und Hunga-tonga ergab, ich müsse zwischen den Riffen mich
befinden -- wollte von den Riffen nichts sichtbar werden. Vergeblich
hielt ich selbst von den Masten aus Umschau, ich konnte weit in der
Runde kein Riff, noch flacheres Wasser sehen und ebensowenig die noch
schärferen Augen meiner Leute.

Fünf Monate später bekam ich auf ebensolcher Reise, die Hapai-Gruppe
anlaufend, in Lefuka einen Lootsen als Passagier an Bord, der sich
erbot, mir den Weg durch die Riffe der Kotu- und Namuka-Gruppe zu
zeigen. Ich nahm das Anerbieten an, schon weil der Weg kürzer war
und ich auch wußte, dieser Mann kenne die Durchfahrten ganz genau. Es
war am Nachmittage des 12. October 1885, die Insel Namuka in Sicht,
hielt ich den Kurs nach der freien See zu, um nicht während der Nacht
zwischen gefährlichen Riffen laviren zu müssen.

Westwärts mit freiem, leichtem Winde zog das Schiff, ich konnte hoffen,
ehe die Nacht hereinbrach, die freie See zu gewinnen, bevor, wie
ich fürchtete, westlicher Wind, der in der Ferne mächtige, drohende
Wolkenmassen aufballte, mein Vorhaben, Namuka zu umsegeln, vereitelte.
Keiner anderen Annahme konnte ich Raum geben, so ungewöhnlich in dieser
Jahreszeit mir auch eine Aenderung in der Witterung erscheinen wollte,
als der, es müsse ein schwerer Sturm heraufziehen. Das schönste Wetter
war um uns, der Himmel blau und klar, ich konnte nicht verstehen,
da auch das Barometer immer noch keine Aenderung zeigen wollte,
was im Westen das Anstürmen der Wolkenmassen, die dunkel wie die
heraufziehende Nacht waren, zu bedeuten habe.

Unverändert, den ganzen Horizont im Südwesten bedeckend, blieb diese
Erscheinung. Wider Erwarten entwickelte sich nicht ein heraufziehender
Sturm, auch nicht das Gewölk, welches ein solcher vor sich hertreibt.
Ein Räthsel war es, dessen Lösung ich nicht fand.

Die Nacht brach herein, herrlich glänzte über uns der Sternenhimmel
einer friedevollen Tropennacht. Nur von den Riffen, die die Insel
umgeben, schallten vereinzelte Stimmen über das stille Gewässer,
dort rüsteten sich die Bewohner zum Fischfange, und bald leuchteten
die Kokosfackeln in den zahlreichen Kanoes auf, eine Beleuchtung,
wie solche stimmungsvoller nicht der ganzen Umgebung angepaßt werden
konnte.

Aber auch die tiefdunkle Nacht in der Ferne wurde erleuchtet,
Feuergarben zuckten zum Himmel empor, momentan die dunkle Masse wie
mit magischem Lichte erhellend. Unerklärlich, wußte ich doch, daß
dorthin auf hunderte Seemeilen kein Land zu finden war; die kleinen
Felseninseln Hunga-tonga und Hunga-hapai lagen südlicher. Es war nicht
der Blitz, der durch die Wolken zuckte, aus der Tiefe des Meeres herauf
glühte es, sekundenlang immer wieder mit graufahlem Schimmer, mit
blitzendem Feuerschein, den Horizont durchleuchtend.

Nichts veränderte sich während dieser Nacht, das Phänomen blieb sich
gleich, auch trotz der größer werdenden Entfernung, bemerkte ich keine
wesentliche Veränderung; erst der neue Tag bleichte den Feuerschein,
der, was ich schließlich als positiv habe annehmen müssen, nur von
einem zum Ausbruch gelangten Vulkan herrühren konnte. In Nukualofa
eingelaufen, erfuhr ich, daß am 11. Oktober ein zeitweise heftiges
Erdbeben die Insel Tongatabu erschüttert habe, und die Feuergarben, die
ich gesehen hatte, waren auch hier beobachtet worden.

Natürlich war jedermann auf Tongatabu in Spannung versetzt, als nach
meinen Angaben, die ich zu machen im Stande gewesen, kein Zweifel
blieb, daß nördlich der Inseln Hunga-tonga und Hunga-hapai der Ausbruch
eines unterseeischen Vulkans stattgefunden habe; das Erdbeben also
hiermit in Verbindung zu bringen sei. Selbst begierig, den näheren
Zusammenhang zu erfahren, kam ich mit Herrn von Treskow überein, das
Schiff so schnell wie möglich abzufertigen, und ich nahm mir vor, so
eingehend als möglich zu erforschen, welche Bewandtniß es mit dieser
Erscheinung habe.

Am 14. Oktober früh, nach eintägigem Aufenthalt, segelte ich wieder
ab, und meinen Kurs direkt auf jene Gegend setzend, fand ich am
Nachmittage, sobald die Felseninsel Hunga-tonga querab lag, daß in
nordwestlicher Richtung eine neue Insel entstanden war, genau auf
derselben Stelle, wo ich vor 5 Monaten vergeblich das in der Karte
angegebene Culebrasriff gesucht hatte. Der frisch wehende Südost-Passat
trieb das Schiff schnell vor sich her und ehe der Abend hereinbrach,
war ich keine halbe deutsche Meile von dieser Insel und dem in
furchtbarer Thätigkeit befindlichen Vulkan entfernt. An der Ostseite
dieser neuentstandenen Erhebung, die etwa 300 Fuß hoch und ¾ deutsche
Meile im Umfang haben mochte, befand sich ziemlich in der Mitte dicht
am Strande der Krater. Am Südende der Insel stieg eine etwa 40 Fuß
hohe, weiße Dampfsäule ebenfalls unmittelbar am Strande auf, die wie
ein mächtiger Springbrunnen ununterbrochen emporschoß, und soweit ich
es unterscheiden konnte, war es heißes Wasser.

Hatte der Anblick dieser entfesselten Naturgewalt schon etwas
Furchtbares, so wurde das grollende Rauschen, der gewaltigsten
Brandung, dem dumpfen Rollen entfernter Donnerwogen vergleichbar, fast
unheimlich. Meine Leute, Eingeborne der Samoa-Gruppe und der Insel
Niue, erzitterten, und ich selbst konnte mich eines Schauders nicht
erwehren. Die Sprache, möcht' ich sagen, ist zu arm, um das Empfinden
bei solchem Anblicke wiedergeben zu können.

Jede Minute brachen fünf gewaltige Rauchmassen aus dem tiefen Schlunde
herauf, abwechselnd ein schwererer, dann ein etwas leichterer Ausbruch,
unter diesen war immer einer, der mit solcher Gewalt zum Himmel fuhr,
daß erst in gewaltiger Höhe die geballte Rauchmasse sich vertheilte;
kaum daß der starke Wind seinen Einfluß ausgeübt hatte, war schon die
nächste aus dem rauschenden, zischenden Schlunde emporgefahren.

Mit diesem günstigen Südost-Winde, der mich, das wußte ich wohl, nicht
im Stiche ließ, hätte ich es gewagt, so nahe als möglich heranzusegeln,
obgleich die See, durch den starken Wind erregt, um mich schäumte und
brüllte; es waren keine langgestreckten Wellen mehr, sondern ein Chaos
weißköpfiger, tummelnder Wogen. Aber wie wohl ich bis zum Strande
nirgends Brandung sah, fürchtete ich schließlich doch, daß mit der
Insel auch Untiefen, die dem tiefgehenden Schiffe verderblich werden
können, gehoben sein möchten.

Ich stand hoch oben im Vordermast und schaute scharf voraus, bis
plötzlich ein Blick unter mir auf die brausende See mich erschauern
machte; einer gewaltigen Stromkabelung nämlich gleich war die See,
durch welche mit schneller Fahrt das Schiff sich Bahn brach. Noch
wartete ich, obgleich ich nicht mehr als eine Seemeile vom Krater
entfernt war, da geschah ein furchtbarer Ausbruch, um den Krater,
der noch immer die schwarzen Massen scheinbar direkt aus der See
herausschleuderte, hoben sich die Wogen, was ich mit einem guten Glase
deutlich unterscheiden konnte, als wallten sie auf von einer gewaltigen
Kraft zurückgeschleudert, das Meer erzitterte, und ich fühlte das Beben
des Schiffskörpers. Nun war es genug, die Unruhe meiner Leute war zu
groß, ich mußte fürchten, ein plötzlicher Befehl würde ungeschickt
ausgeführt werden -- in so unheimlicher Nähe einer solchen Naturgewalt
hätten auch wohl andere Herzen gezittert -- und „hart an den Wind“
durch das Zischen der See, durch das Brausen der Eruption, rief ich
das Kommando. Da ich schwerlich von den Leuten verstanden wurde, war
eine Handbewegung bezeichnender, unter dem Druck seiner Segel fuhr das
Schiff herum und stampfte, seine Fahrt vermindernd, auf und nieder in
dieser wild durcheinander laufenden Wassermasse.

Als ich aber die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß keine Gefahr
vorhanden, die Erschütterung nur durch den heftigen Ausbruch verursacht
worden war, vergrößerte ich den Abstand nicht, und hielt, überall
frei Wasser auch vor mir sehend, wieder nach Norden ab, nur lief ich
nicht näher heran. Bald wurde um das Schiff die See wieder ruhiger,
lief wenigstens gleichmäßiger und als ich die Nordspitze bei gleichem
Abstande umsegelte, hatte ich große Lust, hier im ruhigen Wasser, an
der Westseite zu landen. Doch freiwillig wäre keiner meiner Leute
in das Boot gegangen und, da ich als einziger Europäer -- meinen
Steuermann hatte ich in Apia für ein anderes Schiff abgeben müssen
-- mein Schiff nicht verlassen durfte, hätte der Anbruch des nächsten
Tages abgewartet werden müssen, um eine genaue Ortsbestimmung vornehmen
zu können, für diesen Tag war es zu spät.

Mit dem Lothe die Tiefe zu sondiren und vorsichtig heranzulaufen hätte
uns solche Untersuchung, obgleich auf einer Seemeile Abstand noch
kein Grund gefunden wurde, viel Zeit weggenommen; auch lag eine tiefe
Dämmerung, verursacht durch die über die Insel getriebenen Rauchwolken,
an der Westseite. Einer tiefschwarzen Nacht fuhr ich entgegen, es war,
als läge in ihr das Verderben vor uns.

Diesen Plan gab ich auf, wendete und fuhr, beim Winde haltend, so
weit wieder ostwärts, daß der Krater in seiner unheimlichen Schönheit
vor Augen blieb. Bald kam der Abend, bald entzog die dunkle Nacht, da
ich nun den richtigen Kurs wieder aufgenommen hatte, die Insel unsern
Augen; nur der Krater spie fort und fort seine dunklen Massen empor,
aber nicht mehr wie am Tage, wo das unterseeische Feuer nur hellgrau
den Fuß der emporgeschleuderten Massen färbte, sondern jetzt glühte es,
als wenn ein undenkbar gewaltiger Schlot seine Feuergarben zum Himmel
sendete.

Wie schnell das Schiff auch vor dem Winde seines Weges zog, so
verminderte sich doch nicht diese gewaltige Erscheinung, und während
dieser langen Nacht wandte ich kein Auge von diesem grausig schönem
Schauspiele. Erst die im Osten aufsteigende Morgenröthe eines neuen
Tages, die, wer sie einmal in ihrer Pracht auf dem endlosen Meere
gesehen, nie vergißt, und immer wieder sehen möchte, bleichte den
Schimmer der Feuersäule und in der hier friedevollen Natur zogen wir
beflügelt unseres Weges dem fernen Ziele entgegen.

Andere Schiffe nach mir haben diese Insel in Sicht gelaufen, aber viel
größeren Abstand gehalten, nach den Berichten ist, soweit ich solche
verfolgen kann, die Landmasse noch weiter gehoben worden, und der
Krater noch lange in Thätigkeit gewesen; auch wird berichtet, daß am
Südende später drei Dampfsäulen gesehen worden sind. Sehr leid hat es
mir nachher gethan, daß ich nicht den nächsten Tag abgewartet und nach
einer Möglichkeit gesucht habe, an der Nordwestseite eine Landung zu
versuchen, nicht dem ersten Drange, die deutsche Flagge dort aufstecken
zu lassen, gefolgt bin.

Meinem Berichte über den Ausbruch dieses unterseeischen Vulkans und
die Entstehung dieser neuen Insel, scheint das deutsche Konsulat in
Apia keine Bedeutung beigemessen zu haben, bekannt geworden sind nur
Berichte von englischer Seite und der des deutschen Kriegsschiffes
„Albatros“, das wenige Monate nach mir, am 21. Januar 1886, die neu
entstandene Insel sichtete. Direkt von Tongatabu nach der Insel Niua-fu
bestimmt, fand ich dort die ganze Bevölkerung in großer Aufregung, denn
heftige Erdbeben hatten zur selben Zeit auch diese Insel erschüttert;
ein Ausbruch wurde erwartet. Der Hauptkrater, die drei Hügel im See,
rauchten heftiger, dennoch wurde hier kein Ausbruch vorausgesetzt,
vielmehr befürchtet, an irgend einer anderen Stelle würde ein solcher
erfolgen.

Eine Beruhigung für alle war die Kunde, die ich hierher gebracht, daß
im Süden ein gewaltiger Ausbruch stattgefunden habe, die Annahme,
ein Ausgleich der Naturkräfte hätte sich dadurch ergeben, wirkte
beruhigend auf die Gemüther, zumal da schon während der letzten Tage
die Erschütterungen auf Niua-fu immer schwächer geworden waren.

Aber mag auch der Ausbruch jenes unterseeischen Vulkans ein Ableiter
gewesen sein, am Ende des Jahres 1885 mehrten sich doch wieder die
Anzeichen einer drohenden Gefahr; die heftigen Erschütterungen mehrten
sich, bis plötzlich am Südende von Niua-fu ein sehr starker Ausbruch
erfolgte, und ob ich auch nie wieder diese Insel betreten habe, hörte
ich doch in den fernen Marschallinseln, daß die Verheerung durch
fließende Lava auf Niua-fu furchtbar gewesen sein soll.

Ein beschränktes Feld nur ist es, im Verhältniß zur ausgedehnten
Inselwelt des großen Ozeans, dessen ich hier Erwähnung gethan, und doch
im Gegensatz zu den einzelnen, erwähnten Inselgruppen, den niedrigen
Koralleninseln, muß die beträchtliche Anzahl erloschener, und zum
Theil noch thätiger Vulkane auffällig erscheinen. Sie alle aufzuzählen
scheint mir unnöthig, zumal jede hohe Insel vulkanischen Ursprungs ist,
fast ohne Ausnahme ließen sich auf allen erloschene Krater nachweisen.

Bedenkt man nun, daß schon dieses kleine Gebiet seit grauer Vorzeit
ein ausgedehnter Kraterheerd gewesen ist, worauf der Einfluß der stets
thätigen Naturkraft Veränderungen hervorgerufen haben mag, deren
Größe und Bedeutung wir heute kaum zu ermessen im Stande sind, so
tritt, wenn wir die ganze ausgedehnte Inselwelt in Bereich der Frage
ziehen, welchem Ursprung entstammen diese Ländermassen, unwillkürlich
beim Nachdenken die Möglichkeit heran, wir könnten es hier mit einem
ehemaligen, versunkenen Festlande zu thun haben. Und ganz erklärlich
muß dies erscheinen, sofern nur in Betracht gezogen wird, daß
bedeutende Umwälzungen und Veränderungen auf unserer Erdoberfläche
stattgefunden haben, ehe die heutige Lage und Gestaltung stetig
geworden ist. Wir wissen, daß die Festlande aus der Tiefe der Ozeane
gehoben wurden, die mächtigen Gebirge als vereinzelte Inseln oder
Inselmassen über die Oberfläche der Wasser hervorragten an denen sich
dieselben Vorgänge, während zehn Jahrtausenden vielleicht abspielten,
wie an den Vulkaninseln des heutigen stillen Ozeans.

Fußen wir auf diese Theorie, dann sind die vereinzelten und
zusammenhängenden Bergmassen im großen Ozean, die höchsten Punkte
eines versunkenen, gewaltigen Festlandes deren vulkanischer Charakter
im Laufe der Zeiten zur Erhöhung durch häufige, heftige Ausbrüche viel
beigetragen hat. Die Koralleninseln, ebenfalls unter der Meeresfläche
gesunkene Gebirgsrücken, auf denen es der Korallenpolype ermöglicht
wurde sich anzubauen, haben die Thierchen trotz des langsamen,
allmählichen Sinkens der Ländermassen immer höher und höher zur
Meeresoberfläche gebaut, bis auch hier Stetigkeit eingetreten ist und
ausgedehnte Inseln gebildet wurden.

Die Tiefenverhältnisse im großen Ozean ergeben ein Bild, wonach
mächtige Gebirgszüge diesen durchziehen, ausgedehnte Thäler
umschließend, und zum Theil sehr steil anstreben bis zu 18000 Fuß und
darüber; hohe Inseln im Ozean kämen demnach unsern höchsten Bergen
gleich.

Die Annahme nun, daß die ganze große Inselwelt ehemals eine
zusammenhängende Landmasse gewesen, führt dahin, daß diese auch von
verschiedenen Völkerstämmen bewohnt worden ist; streng geschiedene
Rassen, vielleicht getrennt durch natürliche Grenzen, haben hierauf
weite Strecken bewohnt. Im Westen die schwarze, die Papuarasse, ganz
Melanesien umfassend, östlich davon die kupferfarbene, die Polynesier,
und im Norden von beiden, Mikronesien, Mischarten der Malaien.
Kann angenommen werden, daß die heutige Bevölkerung Ueberreste der
Urbewohner sind, die durch Versinken der Landmassen isolirt wurden,
wäre die Erklärung dafür gefunden, wie allmählich selbst die niedrigen
Koralleninseln bevölkert worden sind. Denn der Drang nach Ausdehnung,
Aufsuchen neuer Wohnsitze, kann nach ostwärts nur im beschränkten Maaße
stattgefunden haben, die Strom- und Windverhältnisse im Ozean mußten
Versuche auf großen Wasserflächen vereiteln, hingegen nach Westen
begünstigen, zumal da bessere Verkehrsmittel als die heutigen Kanoes
schwerlich den einzelnen Stämmen zur Verfügung gestanden haben.

Der in früherer Zeit bei diesen Rassen und einzelnen Stämmen
gebräuchliche Kannibalismus hat alle Spuren vertilgt, die über die
Verbreitung derselben Aufschluß geben könnten, es bleibt also nur die
Gewißheit übrig, daß die einzelnen Rassen ihr ursprünglich bewohntes
Gebiet heute noch innehaben, was namentlich auf die Polynesier und
Melanesier Bezug hat.



IV. Die Marschall-Inseln.


Sowie im Bereich der deutschen Handelsgesellschaft die ausgedehnte
Tonga-Gruppe, früher auch die Vitji-Inseln, gezogen wurden, sind
nördlich und westlich von Samoa in der Phoenix, Ellis, Gilbert-Gruppe,
auf Una und Rotomah Handelsbeziehungen eröffnet worden und die Schiffe
der Gesellschaft hielten auf diesem weiten Gebiet den Verkehr aufrecht.
Verbindungen mit den Neu-Hebriden und Salomon-Inseln wurden ferner zu
dem Zwecke unterhalten, um dort die Anwerbungen der so sehr benöthigten
Plantagenarbeiter vorzunehmen, da der träge Samoaner sich zur dauernden
Arbeit nicht bereit finden läßt. Ein Gemisch verschiedener Stämme,
zu denen Rotumah- und Tapituwea-Leute (Gilbert-Inseln), sowie auch
Marschall-Insulaner sich gesellen, findet man auf den deutschen
Plantagen, und doch genügt oft die Arbeitskraft nicht, da nicht immer
für heimbeförderte Arbeiter, nach Ablauf ihres dreijährigen Vertrages
hinreichender Ersatz geschafft werden kann.

Die Marschall-Inseln und, im Zusammenhang mit diesen, die weite
Karolinen-Gruppe und die Gilbert-Inseln bildeten in den achtziger
Jahren getrennte Niederlagen für sich, gleichwie ein solches auch
in Matupi (Neu-Pommern) errichtet war, unter Leitung von Beamten
der deutschen Gesellschaft. Den Handelsverkehr hielten auf diesen
Stationen, ebenso wie in Apia, die daselbst stationirten Schiffe
aufrecht. Ablösungen der Schiffe erfolgten je nach Maßgabe der
Verhältnisse, oder sobald sie reparaturbedürftig geworden waren, dem
nur in Apia, der Hauptstation, abgeholfen werden konnte.

Aus dem Grunde schon, um meine Kenntniß über die Inselwelt des stillen
Ozeans zu bereichern, begrüßte ich freudig die Weisung, mit einem
anderen Schiffe auf den Marschall-Inseln stationirt zu werden, und
im Anfang Januar 1886 segelte ich von Apia nach Jaluit, um erst nach
Verlauf von zwei Jahren nach Samoa zurückzukehren.

Ziemlich nordwärts durch die Phönix-Gruppe ging mein Kurs, dem
zu Folge die Marschall-Inseln weit westlich bleiben mußten, wenn
keine oder nur schwache Aequatorialströmung vorhanden gewesen wäre;
auch war es nöthig, wegen des nördlich vom Aequator zu erwartenden
Nordost-Passatwindes, möglichst östlich von der Gilbert-Gruppe zu
bleiben, um, sobald dieser einsetzen würde, mit freiem Winde die Fahrt
des Schiffes zu beschleunigen; denn wenn diese Inseln in Lee blieben,
wäre es zwecklos gewesen, gegen den starken Strom und Wind nordwärts zu
kreuzen.

Wider Erwarten fand ich schon nördlich der Phönix-Gruppe einen starken
Strom, der in 24 Stunden das Schiff 70-80 Seemeilen nach Westen
versetzte, dessen Gürtel so schnell als möglich passirt werden mußte,
wollte ich nicht in absehbarer Zeit gezwungen werden, mir durch die
Gilbert-Gruppe hindurch einen Weg zu suchen. Zum Glück aber trat
keine Windstille ein, der östliche Wind blieb beständig, wenn auch
leicht, bis ich aus dem stärksten Strom heraus mit immer nördlichem
Kurs die Insel Milli sichtete; ich hatte also in Wirklichkeit durch
die Stromversetzung einen nordwestlichen Kurs gesegelt. Gerade drei
Wochen waren vergangen, als ich den Bestimmungsort Jaluit erreichte,
und begünstigt von anhaltend schönem Wetter die 1800 Seemeilen lange
Entfernung in dieser Zeit zurückgelegt hatte.

Zum allgemeinen bessern Verständniß und, ehe ich zu einzelnen
bemerkenswerthen Reisen durch die Marschall-Gruppe übergehe, scheint
es mir angebrachter, vorher schon eine kurz gefaßte Uebersicht von
diesen Inseln und deren Bevölkerung zu geben, um so mehr als besondere
Eigenthümlichkeiten in der Bildung und Entstehung dieser Inseln zu
erwähnen sind. Eine Gruppe verschieden geformter Atolls, oft von
beträchtlicher Ausdehnung, umfassen, vom 4-12° nördlicher Breite und
166-172° östlicher Länge, die Marschall-Inseln ein weites Gebiet. Ihrer
Bauart nach, sind es Randriffe der verschiedensten Bildung, die ein
mehr oder weniger tiefes Korallenbett umschließen. Und wenn ich auf
ihre Entstehung hinweisen soll, so haben wir die viel tausendjährige
Arbeit der Korallenpolypen vor uns, die aus großer Tiefe Schicht auf
Schicht bis zur Meeresfläche aufgebaut haben, und schwere See, Wind und
Witterungseinfluß haben mit der Zeit zwar schmale, aber langgestreckte
Inseln in beträchtlicher Zahl auf den Randriffen gebildet.

Die eigentliche Bezeichnung dieser Randriffe wäre Korallenwälle, da
diese sehr steil bis zu einer großen Tiefe abfallen, und jeder Atoll
erscheint wie ein langgestreckter, steiler Bergrücken, in einzelnen
Fällen auch wie eine Bergkuppe, sofern man sich die thatsächliche
Bildung des Meeresbodens vergegenwärtigt. Da nun die Koralle nicht
tiefer als etwa 200 Fuß zu bauen beginnt, müssen in der That diese
Erhebungen gleich Bergkuppen aus der Tiefe des Meeres aufragen, worauf
als Grundlage die Polypen ihre Werke aufgebaut haben. Aber erwiesen
ist es, daß die Korallenwälle viel hundert Fuß tief sich unter der
Meeresfläche erstrecken, mithin kann der schichtweise Aufbau aus so
bedeutender Tiefe nicht begonnen worden sein.

Es bleibt also nur die Annahme übrig, fast die Gewißheit, daß auch
hier versunkene Höhen, besser gesagt Gebirgskuppen, das Fundament
abgegeben haben, auf welchem die Koralle sich ansiedelte. Hätte nun
nach erfolgtem Verschwinden der höchsten Bergspitzen ein Tiefersinken
der Landmassen nicht stattgefunden, würden feste Riffflächen
entstanden sein, auf denen sich im Laufe der Zeiten niedrige Inseln
gebildet hätten, eine Bildung der heutigen Atolle würde naturgemäß
dann nicht möglich gewesen sein. Einen anderen Anschein hingegen
gewinnt es, sofern man der Vermuthung Folge giebt, daß, worauf ich
schon hingewiesen, die ganze ausgedehnte Inselwelt des stillen Ozeans
einst aus verschiedenen mächtigen Gebirgszügen, mit sehr zahlreichen
thätigen Vulkanen bestanden hat, deren Kratersenkungen oft einen sehr
bedeutenden Umfang gehabt haben müssen.

Wird dieses als erwiesen betrachtet, dann sind sämmtliche Atolls einst
für lange Zeit noch über die Meeresfläche ragende Krater gewesen,
Inseln, an deren Rändern die Koralle fortgebaut hat. Je tiefer die
Kraterinseln langsam versanken und ein gänzliches Erlöschen der
Vulkane die Folge war, ebenso schnell baute die Koralle fort und
füllte schließlich die weiten Oeffnungen aus. Die Randriffe schon weit
im Vorsprung konnten diese durch die bessere Ernährung der Polypen
auch schneller anwachsen, aber der innere Aufbau und die allmähliche
Auffüllung blieb zurück, was natürlich war, sobald das allmähliche
Sinken der Landmassen aufgehört hatte, denn jetzt gestatteten die
zusammenhängenden Randriffe den bauenden Polypen nicht mehr oder
doch zum Theil nur, durch die von der Strömung offen gehaltenen
Durchfahrten, die Zufuhr frischen Meerwassers und mit diesem frische
Nahrung.

Die eine Gewißheit aber liegt bestimmt vor, ehe die heutige
Beschaffenheit der Atolle herbeigeführt worden ist, sind große
Zeiträume hingegangen, die alle Spuren der Entstehung verwischt haben.

Geht man von der Annahme aus, daß auffallende Veränderungen nicht mehr
stattfinden, vor allem ein weiteres Sinken seit vielen Jahrhunderten
unterblieben ist, dann müssen, da kein Stillstand im Schaffen
der Natur eintreten kann, der einst sämmtliche Atolls durch die
theils an der Innenseite, theils an den Außenriffen weiter bauenden
Korallen geschlossen werden, wie es bei zwei kleineren Atolls in der
Marschall-Gruppe bereits geschehen ist. Es werden, wenn dadurch auch
der innere Aufbau der Korallen zum Stillstand gekommen ist, mehr oder
weniger tiefe Wasserbecken zurückbleiben, die naturgemäß versumpfen
müssen, sobald der vordringende Pflanzenwuchs festen Fuß faßt. Es ist
erwiesen, daß starke Strömungen, wie solche durch den gleichmäßigen
Wechsel von Ebbe und Fluth hervorgerufen werden, der Koralle am
Weiterbau hinderlich sind, wenigstens nur langsame Fortschritte
gestatten, dagegen findet man bei solchen Atolls, wo nur noch durch
enge Zufahrten ein Zugang möglich, daß die Koralle diese von innen
zu verbauen sucht. Begünstigt durch die immerwährend frische Zufuhr
an reichhaltigen Nährstoffen, führen die Polypen in der Nähe der
Durchfahrten allmählich kleinere Bänke auf, und bauen so weiter, bis
jede Oeffnung im Randriff schließlich verschlossen wird, was bei den
südlich liegenden Atolls zunächst zu erwarten ist.

Die Marschall-Gruppe bildet zwei nahezu parallel laufende Ketten
von Insel-Atolls in Nord-Nord-West- und Süd-Süd-Ost-Richtung, die
östliche die Ratock-, die westliche die Ralik-Gruppe; die Bezeichnung
beider Ketten ist der Sprache der Marschall-Insulaner entlehnt. Die
Ralik-Kette zählt 15, die Ratock- 14 Korallengruppen, unter denen sich
einige kleinere Inseln befinden, die keine Atolle sind.

Soweit die geschichtliche Kunde reicht, soll bereits im Jahre 1529
der spanische Kommandant Alvaro de Saavedra einige Atolls gesehen und
besucht haben; nähere Nachrichten liegen aber erst seit 1788 vor und
zwar von den englischen Befehlshabern Marschall und Gilbert, nach denen
auch die beiden großen Inselgruppen benannt worden sind. Trotzdem nun
in den folgenden Jahrzehnten der stille Ozean mehr und mehr von Kriegs-
und Kauffahrteischiffen befahren und erforscht wurde, sind doch nur
spärliche Nachrichten von jener fernen Inselwelt zu uns gekommen;
bisweilen meldeten sie auch von dort verschollenen oder ermordeten
Schiffsbesatzungen.

So befand sich im Jahre 1824 der amerikanische Walfischfänger „Globe“
in der Nähe der Insel Milli, wo der größte Theil der Besatzung
dieses Schiffes meuterte und landete. Es gelang zwar einigen von der
zahlreichen Mannschaft, die gezwungen den Meuterern hatten folgen
müssen, ihr Schiff wieder zu erreichen und die offene See zu gewinnen,
auch waren diese, obschon es ihnen an Offizieren fehlte im Stande
die Sandwich-Inseln zu erreichen; auf ihren Bericht hin wurde dann
im folgenden Jahre der Schooner „Delphin“ ausgesandt, um wenn möglich
die Meuterer zu ergreifen. Aber nur zwei ganz junge Leute, die keinen
Antheil an der Meuterei gehabt, wurden noch lebend vorgefunden, alle
übrigen waren von den Eingebornen erschlagen worden, weil diese die
ihnen überlassenen Frauen roh behandelt hatten, sie verfielen der Rache
der Eingebornen und ernteten so den Lohn ihrer Thaten.

1834 landete Kapitän Dowsett auf den Marschall-Inseln. Dieser
unterhielt freundlichen Verkehr mit den Eingebornen und nichts
befürchtend, landete er eines Tages, und ging allein in ein Dorf, nicht
ahnend, daß inzwischen seine Mannschaft am Strande ermordet worden war.
Die an Bord zurückgebliebenen, die den Vorgang mit ansahen, waren der
Meinung, ihr Führer sei auch erschlagen worden. Sie lichteten sofort
die Anker und entflohen. Als das Schiff nach Honolulu zurückgekehrt
war, wurde sogleich die „Waverley“ ausgerüstet, um nach Kapitän
Dowsett oder dessen Schicksal zu forschen. Es wurde aber nichts weiter
gefunden, als einige dem verschollenen Kapitän gehörende Sachen, und
sein, in die Rinde verschiedener Bäume eingeschnittener Name. Die
Eingebornen, mit denen wohl schwer eine Verständigung erzielt werden
konnte, erzählten, der Kapitän sei mit seinem Boote in See gegangen;
jedoch der Führer des „Waverley“ glaubte ihnen nicht und ließ eine
ganze Anzahl niederschießen. Darauf segelte das Schiff weiter nach
Ponape, der größten Insel der Karolinengruppe, und lief auch die
östlichste dieser Inseln, „Kusai“ an, hier aber ereilte alle das
Schicksal, das Schiff wurde von den Eingebornen genommen und die ganze
Besatzung getödtet. Späteren Nachrichten zu Folge hat Kapitän Dowsett
noch im Jahre 1843 auf einer Insel in der Ralikkette, die er mit
seinem Boote erreichte, gelebt, wahrscheinlich aber hat er von hier die
Karolinen erreicht und ist auf einer dieser Inseln getödtet worden.

Ich könnte noch mehrere solcher Fälle anführen, wo an verschiedenen
Inseln Schiffe genommen, oder der Versuch dazu gemacht wurde, selbst
schiffbrüchige Seeleute wurden nicht verschont; noch im Jahre 1852
wurde vor der Insel Ebon ein Schiff erobert, dessen Besatzung der Rache
der Eingebornen verfiel, weil Jahre vorher dort von Weißen ein großer
Häuptling getödtet worden war.

Selbst auf Jaluit, der heutigen Hauptinsel, wurde, wie ich aus
sicherster Quelle erfahren, wenige Jahre später ein amerikanisches
Handelsschiff die „See-Nymphe“ genommen. Es ankerte in der Lagune unter
der Insel „Medjado“, und, hier mit den Bewohnern Tauschhandel treibend,
ließ sich der Führer hinreißen, einen Häuptling thätlich zu beleidigen.
Die Folge war, daß dieser mit seinen Verwandten und seinem Anhang
einen Ueberfall plante, der, sobald die Mannschaft des Schiffes wieder
landete, ins Werk gesetzt wurde. Es heißt, der damals noch junge Kabua,
der jetzige König in der Ralik-Kette, habe selbst den nichtsahnenden
Schiffsführer auf seinen Schultern über das Riff getragen, andere
Eingeborne trugen auf gleiche Weise die Besatzung zum Lande. Weit
genug vom Schiffe entfernt, wehrlos in die Gewalt der Eingebornen
gegeben, wurden die Ahnungslosen auf ein gegebenes Zeichen hinterrücks
niedergeschlagen. Das Schiff wurde darauf ausgeraubt und es entging
keiner dem Tode.

Die Ursache dieser Metzeleien, der so viele Unschuldige zum Opfer
gefallen sind, ist in der Roheit zu suchen, welche die Führer
amerikanischer Walfischfänger, die in diesem Gebiete reiche Beute
erjagten, an Eingebornen verübt haben. Sie litten es, daß oft mit
Gewalt den Eingebornen die Weiber entrissen wurden, auch verhängten sie
ungerechte Strafen. Mehr aber noch haben die zügellosen Mannschaften
solcher Schiffe, deren brutales Auftreten die Führer nicht zu hindern
vermochten, verschuldet, und bitteren Haß gegen den weißen Mann in die
Herzen der Inselbewohner gesät.

Schlimmer noch, sie hinterließen scheußliche Krankheiten, die sich
von Geschlecht zu Geschlecht vererbten, tausende hinwegrafften und ein
gesundes Volk zur Verzweiflung brachten. Erst nachdem die Meerbewohner
vernichtet, die Walfischjagden nicht mehr lohnend genug geworden
waren, wurden die Marschall-Insulaner seltener belästigt. Als dann die
Missionare kamen, (zuerst 1857 auf der Insel Ebon) predigten diese das
Evangelium und fanden willige Hörer bei denen, die so oft ihre Hände
in das Blut des weißen Mannes getaucht hatten; eifrig befolgten die
Eingebornen die göttliche Lehre und vergaßen ihre Rachsucht.

Heute, unter deutschen Schutz gestellt, mögen diese Insulaner, die so
manche gute Eigenschaft besitzen, aufathmen, und sich in Sicherheit,
ihres Daseins freuen; aber leider ward mit der Zivilisation auch der
Todeskeim ausgestreut, langsam, aber sicher geht diese Menschenrasse
dem endlichen Verfall entgegen.

Sowie geographisch der Marschall-Archipel in zwei Gruppen getheilt
wird, so kann dies auch in Bezug auf Bevölkerung und politische
Verhältnisse geschehen, denn sowohl die Ralik- als auch die Ratak-Kette
ist in dieser Beziehung jede für sich als ein getrenntes Ganzes zu
betrachten. Schon die Sprache beider Gruppen ist verschieden, nicht in
ihrem Bau, vielmehr im Dialekt, und gleiche Unterschiede zeigen sich in
den politischen Verhältnissen der Bewohner. Während auf der Ratak-Kette
fast jeder Atoll von einem, oder mehreren Häuptlingen beherrscht
wird, die oft in gegenseitiger Fehde leben und sich der Herrschaft zu
bemächtigen trachten, selbst zur Eroberung anderer Gruppen (Atolls)
lang vorbereitete Kriegszüge unternehmen, liegt die ganze Macht auf der
Ralik-Kette in den Händen eines Königs, jenes schon erwähnten Kabua,
besser gesagt, in den Händen seiner Familie.

Die Macht richtet sich hier nach Besitz und Anhang, und obgleich Kabua
nicht der reichste der Häuptlinge, ist er doch als der älteste als
König anerkannt worden, zumal da die Besitzungen seiner Stiefsöhne
und deren Einfluß sein Ansehn erhöhte. Sein Stiefsohn Nelu (Lojab),
dessen Bruder Lagajime, Litokua und neben diesen Launa sind die
einflußreichsten Häuptlinge auf der Ralik-Kette; namentlich Nelu, seine
Brüder und seinen Anhang habe ich häufig an Bord gehabt und mit diesen
Reisen von Atoll zu Atoll gemacht.

Bei den meisten ungebildeten, sogenannten wilden Völkern findet man,
daß das Weib nicht als gleichberechtigt angesehen wird, vielmehr
die Sklavin des Mannes ist, auf deren Schulter alle Lasten und Mühen
abgewälzt werden. Doch die Polynesier zeichnen sich darin aus, daß
sie das Weib höher stellen, mehr noch ist dieses bei den Mikronesiern
der Fall; vor allem bei den Marschall-Insulanern, bei welchen es volle
Gleichberechtigung hat, d. h. keine Beschränkung im Handeln, in Haus
und Hütte, und soweit des Weibes Einfluß reicht, der, da Rang und Würde
nur vom weiblichen Geschlechte abgeleitet wird, häufig groß ist.

Die Bevölkerung ist zum großen Theil besitzlos, aller Landbesitz
liegt in den Händen der Häuptlinge, deshalb ist es den Bewohnern nur
gestattet, eine Frau zu haben, wo hingegen die Häuptlinge mehrere
haben dürfen, doch bleibt die erste Frau, sofern sie Kinder hat, die
rechtmäßige; sie ist bei den Vornehmen gewöhnlich die Tochter eines
Besitzenden. Steht die Frau im Range höher als der Mann, so erhält
dieser auch eine höhere Würde, nur über das Eigenthum der Frau hat
er kein Verfügungsrecht, das verbleibt als mütterliches Erbtheil den
Kindern. Die Tochter eines Häuptlings kann einen gewöhnlichen Mann
heirathen, durch diese Verbindung wird derselbe ebenfalls in den
Häuptlingsrang erhoben, auch auf die Kinder geht diese Würde über.
Dem Häuptlinge steht es frei, sich die Frau eines seiner Untergebenen
anzueignen, nie aber kann ein Besitzloser sich wiederum eine
Häuptlingsfrau (also Wittwe) zum Weibe nehmen.

Etwas auffallend will es mir scheinen, daß nach meiner eigenen
Wahrnehmung selbst im Innern Afrikas, bei den Völkern am Nyassa-See
und oberen Schire, die ganz gleiche Einrichtung der weiblichen
Erbfolge besteht, nur daß dort nicht direkt der Sohn als Nachfolger
bestimmt wird, sondern der Neffe, und trotz des dem Weibe zugestandenen
Vorrechtes, dieses doch nur sehr gering geachtet und mehr als Sklavin
betrachtet wird.

Die Ehe bei den Marschall-Insulanern ist nur ein lockeres Band,
leicht geschlossen und leicht gelöst. Der Eingeborne nimmt sich das
Mädchen zur Frau, die ihm gefällt, sofern die Eltern desselben damit
einverstanden sind, gefällt sie ihm aber nicht mehr, so schickt er
sie einfach fort und sucht sich eine andere. Zwar hat wie in anderen
Gewohnheiten auch hierin der Einfluß der Missionare Wandel geschaffen,
namentlich auf den südlicheren Atolls, wo das Christenthum große
Verbreitung gefunden hat, doch hat auf Gesittung die neue Lehre wenig
Einfluß gehabt; Keuschheit ist keine Tugend der Insulaner, schon sehr
jung verkehren, ohne daran gehindert zu werden, die Geschlechter mit
einander und üble Folgen bleiben nicht aus, ebenso ist selbst die
nächste Verwandtschaft kein Hinderungsgrund für solchen Umgang.

Als Beweis recht lockerer Sitten gilt der Umstand, daß es keiner Frau
verargt wird, wenn sie sich einen anderen Verkehr sucht, sobald der
Mann auf längere Zeit abwesend ist oder sich auf Reisen befindet;
indeß schwinden solche Gewohnheiten immer mehr und mehr, häufiger
trifft man sie nur noch auf den nördlicheren Atolls an. Von Erziehung
kann eigentlich keine Rede sein, den Kindern wird in jeder Hinsicht
volle Freiheit gelassen, Arbeit lernen die Kinder nicht kennen, das
einzige was ihnen vielleicht von Seiten der Eltern beigebracht wird,
ist die Einübung der Tänze und Gesänge. Auffallend ist auch die große
Sterblichkeit unter den Kindern, wohl eine Folge zu geringer Aufsicht
und schon früh entwickelter Krankheitskeime; die stetige Abnahme der
Bevölkerung ist darauf zurückzuführen.

Der Körperbau der Männer überschreitet selten das Mittelmaß; die Weiber
sind durchweg von kleinerem Wuchse. Diese verlieren auch schnell ihre
Reize, schon im Alter von zwanzig Jahren ist alle Schönheit vergangen,
wenn überhaupt von solcher die Rede sein kann, obgleich im jugendlichen
Alter vielen der Reiz der Anmuth eigen ist, aber im Alter werden sie
recht häßlich.

Daß auf den nördlichen Atolls sich ein kräftiger Menschenschlag
erhalten hat, liegt wohl daran, daß dieser mit einer etwas rauheren
Natur zu kämpfen, auch weniger durch die von Weißen eingeführten
Krankheiten zu leiden gehabt hat. Auch zeichnen sich hier die Könige
und Häuptlinge meistens von ihren Untergebenen durch eine stattlichere
Gestalt aus, weil sie bemüht sind, möglichst reines Blut in ihrem
Kreise zu erhalten, wovon freilich der bereits erwähnte große Häuptling
Nelu eine Ausnahme macht, denn fast klein und schwächlich gebaut, hat
er durchaus nichts Achtunggebietendes an sich.

Um Sitten und Gewohnheiten dieser Insulaner zu erforschen, muß man
sich zu solchen Inseln und Atolls wenden, wo noch nicht der Einfluß
der Zivilisation bemerkbar geworden ist, was besonders in Bezug auf
Trachten der Fall. So tragen auch heute noch sowohl Männer als Frauen
langes Haar, das stark und schwarz, von jenen am Hinterkopfe in einem
Büschel oder Knoten zusammengebunden wird, die Frauen tragen es dagegen
lose. Als besonderen Schmuck bei feierlichen Gelegenheiten, Tänzen
und auch Kriegszügen, bedienen sich die Männer der Hühnerfedern; die
tätowirten Gestalten mit aufrechtstehenden Federn in den Haaren, und
oft unnatürlich erweiterten Ohrlappen geben sich dadurch ein wildes,
Furcht erweckendes Aussehen.

Die Tätowirung ist allgemein und wurde früher mit Festlichkeiten
verbunden, heute, wer die Kosten erschwingen kann, läßt solche ohne
weiteres vornehmen, und entspricht eine solche dem Stande, welchem
der Mann angehört. Dieses schmerzhafte Verfahren -- ich habe oft,
wenn hunderte Nadelstiche in die Haut getrieben wurden, die Nerven
der Eingebornen bewundert -- wird nach und nach auf dem ganzen Körper
vorgenommen, sodaß die eigentlich helle Kupferfarbe der Haut unter den
blauen Streifen verschwindet, sogar die Ohren, Augenlider, selbst
die Finger werden tätowirt. Die Zeichnung ist immer streifenförmig,
die Striche sind auf einem bestimmten Körpertheil stets gleichmäßig,
entweder wagrecht oder senkrecht; auf Brust und Rücken laufen die
Streifen meistens unter einem Winkel zusammen.

Wie bei den Samoanern, so benutzt man auch hier ein Instrument, das aus
vielen Nadeln zusammengesetzt ist und die Breite der Streifen hat. Die
Häuptlinge sind auch im Gesicht tätowirt und haben auf den Schultern
undeutliche verschwommene Zeichnungen. Die Frauen sind weniger
gezeichnet, in gleicher Weise höchstens an den Beinen, die Arme und die
Brust werden seltener tätowirt.

Nicht zufrieden mit solcher langwierigen, schmerzhaften Operation,
setzten diese Insulaner einen gewissen Stolz darin, unnatürlich
erweiterte Ohrlappen auf künstlichem Wege herzustellen. Schon von
früher Jugend an wird in beide Ohrlappen ein Loch geschnitten
und dieses durch Einzwängen von einem Streifen des dehnbaren
Pandanusblattes allmählich erweitert. Auf diese Weise wird das Loch im
Ohrlappen bis vier Zentimeter und darüber lang, genügt dies nicht, wird
der Fleischring dicht an der Backe abgeschnitten und mit einem Schnitt
im Backenfleisch weiter unterhalb des Ohres verwachsen gelassen.
Ist die Heilung erfolgt, so wird nun im Backenfleische selbst weiter
geschnitten, bis ein Ring entstanden ist, durch den man bequem die Hand
hindurchstecken könnte. Wird solches Loch nun mit einem aufgerollten
Pandanusblatte ausgedehnt, so gewinnt es den Anschein, als hingen zwei
hohle Röhren an den Backen herunter, was freilich etwas besonderes
vorstellen soll, aber gewiß nichts zur Schönheit, vor allem nicht beim
weiblichen Geschlechte beiträgt, bei alten Frauen und auch Männern
sogar recht widerlich aussieht.

Uebrigens habe ich solche Erweiterung der Ohrlappen nur bei ganz alten
Leuten gefunden, ein Zeichen, daß die Operation seit vielen Jahren
fortgesetzt wurde; gewöhnlich aber ist das Loch nur einige Zentimeter
groß und dient als Aufbewahrungsort für Schmuckgegenstände, als
Muscheln, Blätter und Blumen, namentlich einer lilienartigen Blüthe,
auch für Tabak, Pfeifen u. a.

Die Willkürherrschaft der Häuptlinge, unter denen der reichste auch
der mächtigste ist, hat dahin geführt, daß, wie schon erwähnt, die
Bevölkerung nur in zwei Klassen, die Besitzenden und Besitzlosen,
zerfällt und der großen Masse eigentlich nichts gehört, diese vielmehr
vollständig von den Landbesitzern abhängig ist. Ein solcher giebt dem
Besitzlosen ein Stück seines Landes, auf welchem jener seine Hütte
erbauen, sowie die Erzeugnisse, als Pandanus, Brotfrucht und Taro
verwerthen kann, nur die Kokospalmen gehören ihm nicht.

Für Land, Schutz und Obdach ist der Besitzlose verpflichtet, gemeinhin
sechs Monate zu arbeiten und zwar während dieser Zeit die Kokosnüsse
für den Besitzer einzuernten, den Ertrag der Palmen in der anderen
Jahreshälfte kann er für sich selbst verwenden, aber, da die Kokosnuß
so gut wie baar Geld im Tauschhandel ist, muß er häufig noch seinen
Antheil abgeben und ihm verbleibt nur wenig.

Dennoch kennt der Eingeborne keine Nahrungssorgen, und will er nur
verwenden, was die Natur so reichlich ihm zugedacht hat, so kann er
mit geringer Müh' und Arbeit sich ein sorgenloses Dasein schaffen,
Bequemlichkeit, oft Gleichgültigkeit jedoch verhindern ihn daran,
er ißt, was er gerade hat und sobald er das Bedürfniß fühlt, sich zu
sättigen, ihm genügen schon die Milch und der Kern einer Kokosnuß, oder
die süße Pandanus.

Letztere Frucht, die ich überall auf den Marschall-Inseln gefunden
habe, dient namentlich zur Zeit der Reife als ein Hauptnahrungsmittel.
Sehr zuckerhaltig, wird der süße Saft aus der fasrigen, prismatisch
geformten Frucht, aufgesogen und da dieser nahrhaft genug ist, genügt
er schon zur Sättigung. Mehr aber noch eignet sich der darin enthaltene
Zuckerstoff zur dauernden Erhaltung einer Art Speise Pyru genannt.
Dieselbe wird aus der Arrowroot-Wurzel, Brotfrucht und Kokosnuß
hergestellt; auf heißen Steinen gebacken, durch den reichlichen Zusatz
von Pandanussaft äußerst dauerhaft gemacht, hat sie einen der Feige
ähnlichen Geschmack. Die Masse wird in etwa Zolldicke auf Blättern
zubereitet, fertiggestellt wird sie dann aufgerollt und sehr dicht in
trockenen Pandanusblättern eingepackt und mit dem schon beschriebenen
Cajar kunstvoll verschnürt. So erhält man eine angenehme Dauerspeise,
die jahrelang sich hält, selbst im Wasser nicht verdirbt.

Die so verfertigten Rollen, von gewöhnlich einem Meter Länge und
fünfzehn Zentimeter Durchmesser, haben ein beträchtliches Gewicht,
sie werden im Haushalte nur verbraucht, wenn Mangel an anderen
Nahrungsmitteln eintritt; gewöhnlich aber dient diese Speise dazu, um
auf weiten Seereisen oder an entlegenen Orten, wo nichts Genießbares
erhältlich ist, die benöthigte Nahrung zu ersetzen.

Der Pandanusbaum, ein schlanker, fester Stamm, der zuweilen die Höhe
einer mittelhohen Palme erreicht, trägt eine Blätterkrone, deren
Zweige ähnlich den einzelnen Blattstreifen einer Kokospalme, tief
herabhängen; die Frucht, ein bis 70 Pfund schwerer Kolben besteht aus
vielen prismatisch geformten, nach innen spitz zulaufenden, faustgroßen
Fruchtkernen, die, gut gereift, sich leicht loslösen lassen.

Für die Marschall-Insulaner, kann man sagen, ist dieser Baum fast
werthvoller als die Kokospalme; mit den Blättern deckt er das
Dach seiner Hütte, der Stamm giebt ihm die Stützen, die Frucht
nahrhafte Speisen, und aus dem Blatte verfertigt er sich seine
kunstvoll gearbeitete Kleidung, dazu geben Handstöcke und Knüttel
die Luftwurzeln. Das Pandanusblatt läßt sich, wenn es getrocknet
ist, nach Belieben in ganz feine Streifen zertheilen; um diesem aber
die Sprödigkeit zu nehmen, wird das Blatt erst für längere Zeit
in Frischwassertümpel gelegt, dann aufgerollt und feucht tüchtig
geklopft. Dadurch gewinnt der Eingeborne einen dauerhaften Stoff zu
seinem Mattengewebe und zu Hüten die dem echten Panama an Güte fast
gleich kommen und lange halten. Ueberhaupt entwickeln die Frauen im
Handflechten eine Geschicklichkeit, die kaum übertroffen werden möchte.

Sucht sich der Mann keine angemessene Beschäftigung -- Trägheit ist
ihm angeboren -- so hilft er den Frauen beim Flechten der Matten, oder
bereitet das Material dazu vor, auch übernimmt er wohl selbst solche
Arbeit. Hierbei bedienen sie sich nicht allein der Hände, sondern auch
die Füße müssen helfen, und zwar dienen die beweglichen Zehen dazu, die
Gewebe fest und straff zu halten.

Die Tracht der Frauen ist einfach genug, ihre ganze Bekleidung
besteht bei Erwachsenen aus zwei lang herunterhängenden Matten,
von denen eine vorne, die andere hinten angebracht ist und zwar so,
daß sie übereinander fassen und mittels eines Gürtels um die Hüften
festgehalten werden. Dieser Gurt, ein weiß und schwarz gesprenkeltes
dünnes Tau, häufig mehrere Meter lang, wird um den Leib gewickelt und
der obere Theil der Matten um dieses eingesteckt, so bleibt von diesem
nichts sichtbar. Junge Mädchen tragen eine kürzere, ebenso befestigte
Matte, aber nur nach vorne und je nach Alter und Größe ist eine solche
breiter oder schmäler; der Oberkörper bleibt unbedeckt, Kinder sind
ganz nackt. Aehnlich wie die Samoaner, tragen auch die Männer einen
Bastrock, verfertigt aus den Fasern des Boa-Busches, indeß ist die
Herstellung eines solchen kostspielig und seltener habe ich solche
Bekleidung gefunden; gewöhnlich macht eine zwischen die Beine gelegte
und um den Leib mit einer Schnur befestigten Matte den ganzen Anzug des
Mannes aus. Von meiner Schiffsbesatzung, die meistens nur aus diesen
Insulanern bestand, hatten die meisten selten mehr in ihrem Besitz als
solch Bekleidungsstück und eine Schlafmatte; liebten es aber, sobald
ihr Verdienst groß genug geworden, der gewöhnlich 52-60 Mark monatlich
betrug, sich nach europäischer Art, mit Hose und Hemd zu bekleiden.

Was den Bau der Wohnungen der Marschall-Insulaner anbetrifft, so findet
man sowohl recht ärmlich und einfach, als auch großartig und kunstvoll
aufgeführte Bauten. Oft genügen ihnen als Aufenthaltsort sogar die
denkbar einfachsten Hütten; ein schrägliegendes Dach, das vorne auf
Stützen, hinten auf der Erde ruht, und mit Wänden aus Flechtwerk
hergestellt ist. Dennoch ist die Bauart der Hütten und Häuser auf
einigen Atolls verschieden, nicht in der Form vielmehr in der Größe
und Festigkeit, größere Häuser sind mit bemerkenswerthem Geschick
erbaut. Das Dach, das gewöhnlich aus einem Geflecht von Pandanus- oder
Kokosblättern wasserdicht hergestellt wird, ist eine feine Arbeit.
Man findet das Innere eines Hauses meistens reinlich und sauber,
oft auch mit feinen Matten ausgeschmückt; der Boden ist mit kleinen
Korallensteinen bedeckt und gewöhnlich mit großen, reinlichen Matten
belegt. Auch die nähere Umgebung zeugt von einem Sinn für Reinlichkeit,
der Erdboden ist ringsum geebnet und ebenfalls mit kleinen Steinen
besät. Man kann sagen, je nach Zahl der Familienglieder begnügt sich
der Eingeborne entweder mit einer unscheinbaren Hütte oder er baut sich
ein stattliches Haus.

In größeren Bauten ist meistens auf den Sparren noch eine besondere
Schlafstätte für das Ehepaar oder vornehmere Gäste errichtet, sonst
schlafen alle durcheinander auf dem mit Matten bedecktem Fußboden.
War ich gelegentlich gezwungen die Gastfreundschaft der Eingeborenen
in Anspruch zu nehmen, dann wurde stets ein besonderes Lager für mich
hergestellt.

Geschick und Kunstfertigkeit der Insulaner lassen sich erst recht
beurtheilen, wenn man in ihre Kirchen eintritt; alles Schöne, was
sie durch ihrer Hände Arbeit herzustellen im Stande sind, ist darin
vereinigt und eine wahre Ausstellung weisen die langen Wände auf,
die ganz mit feinen, in Form und Muster verschiedenen Matten behängt
sind. Es finden sich darunter Gewebe, die Zeugniß ablegen von großer
Geschicklichkeit und außerordentlichem Fleiße.

Die Lebensweise der Eingebornen ist ein sorgloses Dahinträumen, das
nur unterbrochen wird, wenn sie sich gelegentlich zur ernsten Arbeit
aufraffen. Vor Tagesanbruch, wenn noch frische Kühle über Meer und
Land gebreitet liegt, sorgt der Insulaner schon für den täglichen
Unterhalt, d. h. er erklettert die hohe Palme und bricht genügend Nüsse
ab oder schafft andere Lebensmittel herbei; er liebt nicht die heißen
Sonnenstrahlen und sucht Kühlung und Schatten unter seiner Hütte oder
unter breitästigen Bäumen. Auch mehrmaliges Baden am Tage in der See
ist ihm zur Gewohnheit geworden, als tüchtiger Schwimmer und Taucher
scheut er selbst nicht vor schwerer Brandung zurück. Sonst, wenn keine
Nothwendigkeit zur Arbeit vorliegt, verträumt er den Tag, und essen,
schlafen, rauchen, gelegentliche Handreichung, füllt die Tagesstunden
aus. Lebendig und lebhaft wird er erst, sobald das Tagesgestirn zur
Rüste geht, der Hauch vom endlosen Ozean ihm Kühlung zufächelt, auch
sucht er erst zur späten Nachtstunde sein Lager auf; vor allem liebt
er es in mondhellen Nächten im Kreise Vertrauter zu rauchen und zu
plaudern, wobei es recht laut und lebhaft hergeht. Für den Europäer,
der die Ruhe der Nacht nicht gestört wissen will und gerne schlafen
möchte, was oft Mosquitos und drückende Schwüle verhindern, sind solche
Ausführungen, Gesang und Tänze, nächtlicher Weile, manchmal recht
unangenehm.

Die Gesänge sind eintönig und wenig melodienreich; im Chor gesungen,
werden sie stets langsam und halblaut begonnen, allmählich aber lauter
und schneller, begleitet mit Händeklatschen und dem taktmäßigen Wiegen
des Oberkörpers, bis sie schließlich zu einem Tempo übergehen, das
mehr Aehnlichkeit mit Schreien als mit Singen hat. Vor allem haben die
Frauen große Fertigkeit darin, und jede Bewegung mit der Hand oder dem
Körper wird stets sorgfältig ausgeführt, genau wie bei den Samoanern;
freilich habe ich auf diesen Inseln die Frauen nie tanzen sehen,
nur Männer zuweilen, mit Federbusch, Muscheln und sonstigem Zierrath
geschmückt, führten vor meinen Augen Tänze auf, zu denen die Frauen im
Chor sangen.

Anlaß zu Tänzen und Aufführungen giebt jedes geringe Vorkommniß, z. B.
das Eintreffen eines Europäers, eines Schiffes u. a.; der Vorsänger
erzählt darüber, was ihm gerade in den Sinn kommt, oft den tollsten
Unsinn, und zwar in kurzen Sätzen, hinter denen der Chor irgend einen
Kehrreim unermüdlich absingt, bis der Gegenstand erschöpft ist und der
Schluß durch lautes Klatschen schon allseitige Zustimmung gefunden hat.

Auch von Häuptlingen aufgeführte Einzeltänze sind nicht selten, solche
haben aber immer ein kriegerisches Gepräge; wilde Geberden, Sprünge,
Gliederverrenkungen, ein möglichst wildes Aussehen gehören dazu und
können bei dem Zuschauer das Gefühl erwecken, als würde man es im
Ernstfalle mit einem furchtbaren Gegner zu thun haben. Der Gesang ist
mehr Geheul, ein Rühmen nie ausgeführter Thaten, zu dem ein Chor von
Männern und auch Frauen ein entsprechendes Lied oder den passenden
Kehrreim absingen.

Eine Eigenthümlichkeit dieser Insulaner ist ferner, daß sie ihre Todten
nicht der Erde, sondern dem Meere übergeben, wobei sie eine Ausnahme
mit den Häuptlingen machen. Ist ein gewöhnlicher Mann gestorben, wird
er in Matten fest eingehüllt und bereits am zweiten Tage mit einem
Kanoe in die See hinaus geführt, wo, fern dem Lande unter Beobachtung
einiger Zeremonien der Todte den Wellen übergeben wird. Ans Land wird
die Leiche wohl sehr selten wieder angeschwemmt, dafür sorgen schon
die zahlreichen Haie, welche diese als willkommene Beute ansehen und
schnell genug damit aufräumen.

So lange die Beerdigung am Lande oder in der See nicht erfolgt ist,
werden Klagelieder um den Todten gesungen, auch Tänze aufgeführt, dann
aber ist es Sitte, daß die Verwandten die Hinterbliebenen besuchen und
beschenken.

Die Grabstätten der Häuptlinge werden gewöhnlich außerhalb eines
Dorfes angelegt, wenn möglich in Korallensand gegraben; ist das Grab
zugeschüttet, wird der Hügel abgeflacht und mit Steinen glatt bedeckt.
Unter Palmen und Gebüsch liegen solche Stätten, oft nur noch erkennbar
an den Steinhaufen, aus denen als einziges Zeichen verwitterte
Kanoe-Paddeln hervorragen, die der Todte einst geführt oder angefertigt
hat. Einem Todten wird alles mögliche mit in das Grab gelegt, Eßwaaren,
Tabak, Pfeifen, u. a. m., damit derselbe auf der langen Reise, die er
angetreten hat, nichts entbehrt. Auf frischen Gräbern habe ich fast
immer Tabak und Nahrungsmittel vorgefunden, die dem Todten gespendet
waren, sie dienen freilich nur dazu, die zahllosen Ratten, die gierig
über solche Speisen herfallen zu sättigen.

Eine gewisse Scheu hat der Eingeborne auch davor, die Gräber der
Verstorbenen zu öffnen; da er glaubt, der Geist des Todten könne ihm
Uebels thun, so läßt er sich nicht dazu bewegen. So ist die deutsche
Station auf der Insel Jabor (Jaluit) auf einem verfallenen Kirchhofe
erbaut worden, die Zeit hat aber alle äußeren Spuren verwischt
und nichts mehr deutet darauf hin, daß hier vor langen Jahren die
Angesehensten und Vornehmsten der Bevölkerung begraben worden sind.
Ich wußte es auch nicht eher, als bis ich, mit der Aufrichtung eines
hohen Flaggenmastes betraut, mit meiner Mannschaft die nöthigen
Vorbereitungen dazu treffen wollte. Die Leute weigerten sich aus den
angeführten Gründen, an der bezeichneten Stelle eine Grube zu graben,
und, unnöthiger Weise einen Zwang befürchtend, entfernten sie sich,
und kehrten erst zum Schiffe und ihrer Pflicht zurück, nachdem der
Flaggenmast errichtet war. Sie ernstlich zu tadeln wäre thöricht
gewesen, da sie sonst stets willig und gehorsam waren, und nur
abergläubische Furcht sie hinweggetrieben hatte, worauf eben Rücksicht
genommen werden mußte.

Als die Ausschachtung von Arbeitern der Station
(Neu-Hebriden-Insulanern) vorgenommen ward, in der eine feste Mauerung
aufgeführt werden sollte, um das Grundwasser vom Fuß des Mastes
fernzuhalten, stießen diese auf ein Grab; vorsichtig ließ ich das
gefundene Skelett freilegen und gedachte den Schädel zu erhalten,
aber das vermoderte Knochengerüst fiel zusammen und da nichts
davon verwendbar war, wurden die Ueberreste an einer anderen Stelle
vergraben.

Wie im weiten Ozean, und namentlich unter den Riffen und Inseln
viele Fischarten angetroffen werden, so sind auch die Lagunen sehr
fischreich. Schillernd in den schönsten Farben findet man hier die
merkwürdigsten Arten und Größen. Aber leider was das Auge erfreut, ist
dem Magen nicht dienlich, der Genuß solcher schönen Meerbewohner bringt
dem Menschen den Tod oder langes Siechthum.

Durch das klare Meerwasser bis auf den Grund schauend, sieht man auf
wachsenden Korallenriffen ein wunderbares Gebilde, bunte Sträucher,
kleine Bäume, schöne Blumen, ein bunter, blühender Garten dehnt sich
in der Tiefe aus; Gewächse in einer Mannigfaltigkeit, wie sie auf
der Erdoberfläche schwerlich könnten zusammengestellt werden. Und
alles dies ist nur das Werk der unscheinbaren Korallenpolype, die
die wunderbarsten Gebilde auf dem tiefen Grunde erbaut. Ein reges,
ungeahntes und nie geschautes Leben herrscht weiter unten, vieltausend
Thiere, nicht sichtbar für des Menschen Auge leben und weben in
dieser verborgenen Welt. Stahlblaue Fischlein spielen umher, bald hier
bald dort an einem Strauche oder einer Blume naschend; naht sich ein
größerer Fisch oder erschreckt sie irgend etwas, fliehen sie im Nu in
das Labyrinth der Pflanzenwelt, oder suchen Schutz und Deckung zwischen
den Zweigen, unter den Aesten der vielgestaltigen Korallenformen, wohin
kein Feind ihnen zu folgen vermag.

Das Wenige, was in dieser unterseeischen Welt sichtbar ist, die
Schönheit derselben und ihre Bewohner, kann keine Feder schildern,
selbst wenn man die Phantasie zu Hilfe nähme, würde man hinter der
Wirklichkeit zurückbleiben. Stundenlang über den Bord meines Bootes
geneigt, achtlos die Angel in der Hand, trieb ich oft über ein
Korallenfeld, und ward gefesselt von der Schönheit dessen, was ich
unter mir vorüberziehen sah. Geradezu Wunderwerke erbaut die Koralle,
die nicht vergehen und die Zeit die rastlose Schaffenskraft der Natur,
selbst zu Inseln gestaltet, auf denen der vergängliche Mensch, der
Schöpfung vollkommenstes Wesen, leben und auch leiden kann -- die Werke
von Menschenhand verfallen, die der winzigen Polype bleiben bestehen!

Nicht selten ist unter dem Schönen und Schönsten, was die Natur
erschaffen, ein bitterer Kern, ein Tropfen Gift enthalten; so birgt
auch die Koralle, unter einer schönen Hülle, ein tödtliches Gift, das
den Meerbewohnern, den bunt schillernden Fischen nichts schadet, diese
selbst aber giftig und gefährlich macht. So finden sich denn unter
der großen Zahl von Fischen viele Arten, die nicht gegessen werden
dürfen; stets muß ein gemachter Fang dem Gutachten eines erfahrenen
Eingeborenen unterbreitet werden, will der Europäer nicht Gefahr
laufen, Gesundheit und Leben zu gefährden.

Trotzdem machen die Eingebornen den Versuch, die Beschaffenheit eines
ihnen unbekannten Fisches durch Essen zu erproben, bezahlen diesen
aber, da sie keine Gegenmittel haben, oft mit dem Leben.

Tüchtige Fischer sind aber diese Insulaner doch, durch Erfahrung
klug gemacht, stellen sie gewöhnlich nur solchen Fischen nach, die
ungefährlich sind, unter anderen einem der Sardine ähnlichen Fische,
der in größeren Schwärmen in den Lagunen angetroffen wird. Ist ein
solcher Schwarm entdeckt und nahe genug dem Lande, treiben sie ihn
mit Kanoes allmählich dem Strande zu; schnell werden dann Matten
und Schnüre zwischen den einzelnen Fahrzeugen ausgespannt, der Kreis
immer dichter gezogen, und die Fische, durch Geschrei, Schlagen mit
den Paddeln gezwungen, in Massen auf ein Riff oder dem flachen Lande
zu laufen, wo sie mit Matten, Körben und Händen leicht eingefangen
werden können.

Beim Einzelfang auf großer Tiefe bedienen sie sich ihrer aus Perlmutter
gefertigten Haken, die denen der Samoaner ähnlich sind; tauschen sich
aber mit Vorliebe auch von den Weißen eiserne Angelhaken ein, die dem
Zwecke besser entsprechen. Den fliegenden Fisch, der seltener in den
Lagunen zu finden ist, fangen sie sich außerhalb der Riffe in ganz
gleicher Weise wie ich es bei den Polynesiern gesehen und beschrieben
habe.

Seit jeher waren die Marschall-Insulaner kühne entschlossene Seefahrer
und verdienten den Namen „Schiffer“ eher, als die Samoaner. Sie sind
nicht bloß in den Grenzen ihrer Inselwelt geblieben, sondern weit
über diese hinaus, haben sie sich dem trügerischen Meer anvertraut und
namentlich mit den Bewohnern der Karolinengruppe Verbindungen gesucht.
Welch ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Volksstämmen bestanden
haben mag, die in Sprache, Gebräuchen und Sitten sehr vieles gemeinsam
haben, ist schwer zu sagen.

Am glaubwürdigsten scheint es, daß durch Wind und Strömungen große
Kanoes (Proas) von den Marschall-Inseln verschlagen wurden, deren
Insassen dann auch glücklich Land gefunden haben. So soll noch im
Jahre 1855 eine kleine Flotte die östlichste der Karolinen-Inseln
„Kusai“ erreicht haben und nach monatelangem Aufenthalt wieder nach den
Marschall-Inseln zurückgekehrt sein; auch noch größere Entfernungen,
wie berichtet, sollen sie zurückgelegt und glücklich ihr Heimathland
wieder gefunden haben. Aber so einsichtig und wagemuthig in dieser
Hinsicht der Eingeborne auch ist, so ist doch anzunehmen, daß nur
glückliche Zufälle es gewesen sind, die ihn nach langer Irrfahrt haben
Land finden lassen. Darnach zu urtheilen, daß sie oft viele Wochen
gebraucht haben, um von einer Insel zur anderen zu gelangen, müssen
ihre Kenntnisse in der Seefahrt doch recht bescheidene sein; was aber
jedenfalls für viele verderblich geworden, ist die Gewohnheit, sobald
sie nach längerem Suchen ihr Ziel nicht finden können, die Segel
niederzuführen und sich ihrem Schicksale zu überlassen.

Besondere Beachtung nun verdienen die Fahrzeuge, mit denen der
Inselbewohner sich auf den gefährlichen Ozean hinauswagt. Den
Kanoebau muß man entschieden als ihre bedeutendste Leistung ansehen,
Geschick, ja Kunstfertigkeit ist ihnen dabei nicht abzusprechen.
Schon die Anforderungen, die sie an ihre größeren Fahrzeuge stellen,
bedingen eine eigenartige Bauart; ihnen genügen nicht mehr ausgehöhlte
Baumstämme, wie sich andere Völker solcher bedienen, hier gilt es
vielmehr einen regelrechten Bau aufzuführen. Und zieht man in Betracht,
daß früher (und heute noch vielfach) ihre einzigen Werkzeuge die
Meermuschel und die Fischgräte waren, und das mit Geschick verwendete
Feuer bei solcher Arbeit ihr bester Helfer ist, so kann man sich
vergegenwärtigen, was es heißt, solche Fahrzeuge, die oft 50 und mehr
Menschen zu fassen vermögen, herzustellen.

Ihre Geschicklichkeit und Ausdauer finden deshalb staunende Anerkennung
bei den Fremden, ja ich möchte den Europäer sehen, der an die Stelle
der Eingebornen gestellt, sich mittelst Feuer und Muscheln aus einem
dicken Baumstamm eine Planke verfertigen könnte!

Die Kanoes, zu deren Bau das nicht sehr harte Holz des Brotfruchtbaumes
verwendet wird, sind aus verschiedenen Theilen zusammengesetzt. Der
Kiel wird aus einem Stücke gefertigt, dies ist so ausgehöhlt, daß er an
und für sich schon ein kleines Kanoe bilden würde; auf diesem werden
dann die scharfen Vorder- und Hintertheile aufgesetzt, und dazwischen
wieder die oft aus mehreren Stücken bestehenden Seitenwände eingefügt;
die Höhe eines mittelgroßen Kanoes beträgt etwa 4 Fuß.

Alle Theile werden stumpf auf- und aneinander gesetzt; aber um die
dauernde Befestigung derselben, die Dauerhaftigkeit des Ganzen zu
erreichen, dazu gehört eine wahre Engelsgeduld, denn um dieses zu
erreichen müssen durch zolldicke Wände oft viele hundert Löcher
mittelst Fischgräten oder Knochen gebohrt werden, die nahe aneinander,
in den einzelnen Theilen sich stets gegenüber liegen.

Naturgemäß können mit so unvollkommenen Instrumenten, Werkzeugen
gearbeitete, stumpf aufeinander stoßende Hölzer nicht dicht halten,
auch glatte Flächen sind damit nicht herzustellen; um aber dennoch
eine gewisse Dichtigkeit zu erzielen, werden die Nähte mit zwischen
gelegten trockenen Pandanusblättern ausgefüllt, dann werden durch die
einander gegenüber liegenden Löcher Cajarfäden eingezogen und diese
sehr fest angeholt. Die große Zahl solcher Laschungen ermöglicht
es, jeden Theil des Kanoes dauernd und gut zu befestigen, und was
Menschenkraft nicht fertig bringt, thut das Wasser, indem durchnäßt,
sowohl die Pandanusblätter aufquellen, als auch die Cajarfäden sich
zusammenziehen.

Finden sich sichtbare Undichtigkeiten, namentlich in den Löchern, so
bereitet sich der Erbauer aus fein geriebenem Holz und dem klebrigen
Safte der Pandanusfrucht eine Art Kitt, mit dem er gefundene lecke
Stellen zustopft und verkittet. Da unbedingte Dichtigkeit natürlich
nicht herzustellen ist, so lecken ohne Ausnahme alle Kanoes ziemlich
stark, indeß mit einer aus demselben Holze hergestellten Mulde,
einer Art Schöpfkelle, die der Eingeborne geschickt zu handhaben
weiß, bewältigt ein Mann bequem ohne sonderliche Anstrengung das
eingedrungene Wasser leicht; auch Kokosnußschalen, Blechbüchsen, selbst
die hohlen Handflächen dienen ihm als geeignete Schöpfgefäße.

Alle Kanoes haben an einer Seite einen Ausleger, ein dem Kanoe parallel
gelegtes und dem Bau desselben entsprechendes Stück Holz, mit diesem
durch eine Anzahl biegsamer Zweige, die über beide Seitenwände des
Kanoes hinreichen, verbunden ist. Weit genug abstehend, dient dieser
als eine Art Schwebe, ein Kentern der scharf gebauten Fahrzeuge wird
dadurch verhindert; namentlich beim Segeln giebt er ein Gegengewicht
ab. Bei großen Kanoes liegt der Ausleger oft 6-8 Fuß von der Bordseite
entfernt und besteht aus einem schweren Holzstücke, das, an sich
möglichst stark, durch Träger und schräg liegende Gegenstützen,
am Kanoe befestigt ist. Auf solchen Trägern, d. h. den einzelnen
Verbindungen mit deren Ausleger, die unter sich ebenfalls gut verbunden
sind, findet man oft noch eine kleine Hütte erbaut, worin für mehrere
Mann Raum vorhanden ist, sie dient dem angesehensten der Besatzung
gewöhnlich als Aufenthalt. Auch wenn befürchtet wird, der starke Wind
könnte durch seinen Druck auf das Segel das Kanoe trotz des Auslegers
zum Kentern bringen, setzen sich außerhalb der Bordwand mehrere
Insassen auf das Flechtwerk des Trägers, so daß durch ihr Körpergewicht
ein gewisser Gegendruck erzielt wird.

Im ruhigen Wasser, oder in leicht bewegter See, sind diese Kanoes
sehr schnelle Fahrzeuge. Ein europäisch gebautes Boot muß sehr gute
Eigenschaften haben, wenn es eine Wettfahrt mit ihnen aufnehmen will,
würde aber stets, sobald ein Ziel windwärts erreicht werden sollte,
also ein Aufkreuzen gegen den Wind nöthig wäre, glänzend geschlagen
werden; denn die scharf gebauten Kanoes mit ihren Mattensegeln
liegen so dicht am Winde und werden dennoch so schnell durchs Wasser
getrieben, wie es mit einem gewöhnlichen Boote nicht möglich ist.
Ich habe in den großen Lagunen, Majuro, Arno, Malonlab u. a., wenn
ich auf entfernteren Inseln in solchen Atolls kleinere Aufkäufe an
Kopra oder Nüssen machen wollte, des öfteren diese Kanoes benutzt
und muß bezeugen, flinkere Fahrzeuge habe ich bei keinem ungesitteten
Volksstamme gefunden.

So praktisch der Ausleger aber auch ist, ja so nothwendig für größere
Fahrzeuge, um das Segeln mit diesen zu ermöglichen, so wird er doch
auf freier und bewegter See oft verhängnißvoll. Obgleich er nach
Möglichkeit zwar festgefügt und durch Cajar mit dem Kanoe verbunden
ist, so löst er sich doch und bricht jede Verbindung leicht und geht,
wenn die Wellen unablässig diesen hin und her zerren, verloren. Da
eine Ausbesserung kaum vorgenommen werden kann, so ist, sobald diese
Stütze verloren gegangen, das Schicksal der Insassen eines Kanoes auch
besiegelt. Und diese Gefahr liegt immer vor, sie wächst mit dem Winde
und den Wellen.

Ich habe erwähnt, daß diese Proas sehr scharf gebaut sind, sie sind es
aber nicht nur vorne und hinten, sondern auch längs des ganzen Kiels;
was aber besonders von Verständniß und Nachdenken zeugt, ist die Form,
welche solchen Kanoes gegeben wird. Beim Vorwärtstreiben durch Wind
und Paddeln ist der Ausleger, der zwar ebenso scharf geformt ist, doch
naturgemäß ein Hinderniß und würde ein Kanoe immer nach der Seite
hin abweichen, an welcher sich dieser befindet. Diesem Uebelstande
abzuhelfen, baut nun der Insulaner sein Kanoe so, daß die Seite, an
welcher der Ausleger nicht angebracht werden soll, vom Kiel aufwärts
bis zur Bordwand fast ganz flach verläuft, die andere dagegen ist
erhaben ausgebaut. Natürlich ergiebt sich daraus, daß im Verhältniß zur
Länge ein Kanoe nur sehr schmal sein kann, aber durch die flache Seite
wird der Vortheil gewonnen, das tiefgehende Kanoe kann beim Segeln am
Winde nicht oder nur sehr wenig abgedrängt werden.

Zudem bleibt der Ausleger stets an der Windseite, andernfalls würde
durch den Druck des Segels das Kanoe sofort kentern; ein wenden,
wenn eine andere Kursrichtung genommen werden soll, geschieht nicht,
vielmehr wird das gehißte Segel nur von vorne nach hinten oder
umgekehrt geschiftet. Der Mast, in der Mitte des Kanoes in einer Spur
feststehend, wird vom Ausleger aus durch Cajartaue gehalten, ist aber
beweglich, so daß er nach vorne oder hinten geneigt werden kann, was
stets beim Umschiften des immer in der Spitze festgesetzten Segels
geschehen muß. Das Tau, mit dem das an langer Raa befestigte Segel
gehißt ist, dient gewöhnlich nach hinten zu dem Maste als Stütze,
seltener sind noch Hilfstaue angebracht.

Ein Reffen, d. h. verkleinern der Mattensegel, sowie diese gebildet
sind, ist nicht wohl angängig; wird der Wind zu stark oder überrascht
eine starke Böe ein Kanoe, kann man nichts weiter thun, als das Segel
einfach niederzuführen, oder frei im Winde peitschen zu lassen. Im
ersteren Falle kommt es oft vor, daß das vom Winde aufgebauschte
Segel ins Wasser zu liegen kommt, und wüßten die Eingebornen nicht
so geschickt mit den Fahrzeugen umzugehen, müßte häufig genug, wenn
die nicht selten äußerst heftigen Windböen einfallen, ein Unglück
eintreten. Für einen Europäer wäre das Kentern eine unangenehme
Sache, der Eingeborne dagegen macht sich nicht viel daraus, er bringt
schwimmend sein gekentertes Kanoe wieder in Ordnung.

Die Mattensegel, stets dreieckig, sind aus einem Geflecht von
Pandanusblättern hergestellt, das aus etwa zehn Zentimeter breiten
Streifen besteht, die sauber zusammengenäht, dicht und biegsam sind.

Von Religion kann bei diesen Inselbewohnern eigentlich keine Rede
sein; sie haben nur eine unbestimmte Vorstellung von einem höheren
Wesen, welches ihnen Gutes und Böses zufügen kann, sonst sind sie
wie alle ungesitteten Völker dem Aberglauben verfallen. Da sie nur
wenige Ueberlieferungen besitzen, so beschränkt sich ihr Gottesdienst
lediglich auf einige Gebräuche. Gewöhnlich wenn ein Unternehmen
geplant ist, z. B. eine Reise, ein Kriegszug, wahrsagen weise Männer
aus loderndem Feuer und das gute oder böse Vorzeichen ist für die
Ausführung oder Unterlassung maßgebend; auch wird zum Weissagen ein
zusammengefaltetes Pandanusblatt angewandt, man fängt an dem einen Ende
zu kniffen an und benutzt die so gewonnene Breite als Maßstab für die
übrige Blattlänge, bleibt nichts übrig, so ist es ein gutes Zeichen, im
anderen Falle ein schlechtes.

Erklärlich ist, da Götter und Gottheiten nicht vorhanden, die Insulaner
nur eine sehr beschränkte Vorstellung von einem höheren Wesen hatten,
daß sie, als die Missionare unter ihnen erschienen, willig der neuen
Lehre lauschten, und sich zu ihr bekannten. Das Ansehen der Missionare
war groß; diese verwandten dann ihren Einfluß dazu, der Unsittlichkeit,
der Vielweiberei und anderen Lastern entgegen zu treten, sie haben aber
nur dort Erfolg gehabt, wo sie selbst ansässig waren, d. h. auf den
südlicheren Atolls, als Ebon, Jaluit und Milli.

Anscheinend ist das Begriffsvermögen des Eingebornen nicht groß,
er erfaßt bei weitem nicht alles, was ihm gelehrt wird, auch hat
er nur eine unklare Vorstellung von allem, was außerhalb seines
Gesichtskreises liegt, und nur das natürliche Empfinden von Recht und
Unrecht ist bei ihm geschärft worden; er folgt zwar aus Furcht vor
einer strafenden Gerechtigkeit nicht so willig mehr den natürlichen
Trieben, erliegt aber trotzdem leicht einer Versuchung.

Ausgebildete einheimische Missionszöglinge sind heute die eigentlichen
Lehrer, und es ist zu hoffen, daß unter dem Schutze der deutschen
Verwaltung das Christenthum mehr und mehr an Ausbreitung gewinnt, das
ist um so eher zu erwarten, wenn erst die Häuptlinge bekehrt sind und
durch maßvolles Vorgehen, unparteiische Rechtspflege, das Vertrauen der
Eingebornen ganz gewonnen ist.

Da die Marschall-Inseln heute deutsches Besitzthum, die Bewohner also
in gewissem Sinne unsere Landsleute sind, so mag es vielleicht an der
Stelle sein, hier in ihrer Sprache das Gebet des Herrn, das „Vater
unser“, anzuführen.

_Yememuij i lon, en kwojarjar etom. Ea itok am ailin. Yen komonmon
ankil am i lol enwot dri lon._

_Ranin, letok non kim kijim ranin: Im jolok annuij jerawiwi, enwot
kimuij jolok an armij jerawiwi jen kim. Im jab tellok non mon, ak
drebij kim jennana, Bwe am ailin, im kajur, im wijaak in driv._

Erwähnt habe ich bereits, daß eine Stammverwandtschaft zwischen den
Bewohnern der Marschall-Inseln und der Karolinen-Gruppe besteht, ihre
Sprache und Sitten in vielen übereinstimmen. Deshalb will ich das
gleiche Gebet auch in der Sprache dieser Inselbewohner, mit denen
ich oft genug zusammengekommen und die auch zu jener Zeit, leider nur
vorübergehend, unter dem Schutze der deutschen Flagge gestanden haben,
hier anführen. Es lautet:

_Papa tumus su in kosav, E'los val payi. Pogasai lalos tuku. Orek ma nu
fwalu, ou elos oru in kosav. Frite kit len si ini ma kut mono misini:
et nunok munas nu seske ma koluk las, oanu kut nunok munas sin met orek
ma kuluk nu ses. A tie kot kit kut in mel, a es kit la liki ma koluk,
tu togusai lalos, a ku, a mwolanu, ma patpat._

Mit dem Versuche, in obiger Schilderung ein anschauliches Bild von den
Marschall-Inseln zu geben, möchte ich noch gleichzeitig eine wichtige
Frage, nämlich die Deportationsfrage, verbinden.

Unzweifelhaft wird auch in unserem Vaterlande einst entschieden
werden müssen, ob Deutschland nicht auch, wie seit langem Rußland
und Frankreich, die Deportation als ein Mittel ansehen muß, um sich
der Elemente der Bevölkerung zu entledigen, die heute die Zucht- und
Gefängnißhäuser anfüllen, wenigstens die unverbesserlichen Individuen
und schweren Verbrecher auszustoßen und solche, so der menschlichen
Gesellschaft, ihrer Gefährlichkeit halber, zu entziehen. Zwar wird in
Deutschland wohl nur die zwingende Nothwendigkeit dahin führen die
Deportation rechtskräftig zu machen, zumal die Ansicht, mit dieser
sei sowohl das geistige wie körperliche Verderben eines Individuums
verbunden, noch eine allgemeine ist. Indeß man kann doch zu einer
anderen Beurtheilung der Frage gelangen, wenn zugleich mit der
zweifellos harten aber gerechten Strafe die Menschlichkeit durchaus
gewahrt wird und ein Deportirter nicht als ein bereits dem Tode
Verfallener anzusehen ist, eher noch die Möglichkeit vorliegt, ein
solcher kann der menschlichen Gesellschaft wieder als ein nützliches
Mitglied zugeführt werden.

Wohl zu berücksichtigen ist natürlich bei einer in Frage kommenden
Deportation, daß eine der Hauptbedingungen, der nöthige Abschluß
von jeder Gesellschaft ist und dabei doch, anders als in Zucht- und
Gefängnißhäusern, den Verurtheilten ein bestimmtes Maß der Freiheit
gegeben wird. Das Nächstliegende, um solche unerläßliche Vorbedingung zu
erfüllen, wird immer das sein, daß man naturgemäß einsame, dem Verkehr
entzogene Landstrecken, wie es größere oder kleinere Inselgruppen
sind, dazu in Aussicht nimmt. Und nicht mit Unrecht, denn der schwer
zu bändige Trieb nach persönlicher Freiheit wohnt jedem Wesen inne und
wird daher bei verwegenen Naturen weit eher zum Durchbruch kommen.

Indeß, ist eine natürliche, unübersteigliche Grenze gezogen, stellt
dem menschlichen Willen und Wollen sich ein Element, der Ozean,
entgegen, ist die Folge, daß bei nicht gänzlich empfindungslosen
Naturen schon der großartige Anblick des Weltmeers, die ruhige oft aber
wildgrollende Sprache des Ozeans, eine wirksame Besserung im Naturell
eines Verbannten erwarten läßt. Und fraglos werden demjenigen, dessen
Gesichtskreis nicht enge Zellen beschränken, sondern dem sich die
Wunder der Natur, der Ozean und das Firmament, in ihrer erhabensten
Schönheit zeigen, sich Empfindungen aufdrängen, die schließlich die
Erkenntniß herbeiführen, daß der Mensch dazu berufen ist, im Einzelnen,
wie in der Gesammtheit einem höheren Zwecke zu dienen.

Wohl läßt sich erwarten, daß prinzipielle Fragen sich einer
gesetzlichen Deportation entgegen stellen werden, indeß, mögen sich
auch noch so große Einwendungen dagegen erheben lassen, eines ist
sicher, dem in Freiheit gebornen, wenn auch verbrecherisch veranlagten
Menschen, bringt nicht die Strafe, bringt nicht die enge Zellenhaft,
sondern die goldene, wenn auch beschränkte Freiheit zur besseren
Erkenntniß. Um nun zu begründen inwiefern die Deportationsfrage
nicht so ohne weiteres als unausführbar abzuweisen ist, ziehe ich
die Möglichkeit in Betracht, daß die einsamen sehr wenig bevölkerten
und dem Weltverkehr entlegenen Marschall-Inseln als eine Heimstätte
für schwerer Verbrechen wegen Verbannte angesehen werden könnten und
zwar aus triftigen Gründen 1. als das Klima auf diesen Inseln als ein
gesundes anzusehen ist; 2. die Ernährung, selbst für eine große Zahl,
mit Leichtigkeit durchzuführen ist; 3. die Bewachung auf so einsamen
von jeder Verbindung abgeschlossenen Inseln keine strenge zu sein
braucht; 4. Feste Häuser unnöthig sind und nur Baracken des milden
Klimas wegen in Frage kommen können. Sollten aber dennoch feste Häuser
nothwendig sein, sind solche leicht durch das im Ueberfluß vorhandene
Korallenmaterial herzustellen; 5. geregelte Thätigkeit wird durch
Anbau von Kokosplantagen, Anpflanzung tropischer Gewächse als Taro,
Arrowroot etc. der Züchtung von Schweinen und Hühnern und schließlich
Bereitung der Kopra, der Herstellung von Matten und Tauwerk aus den
Fasern der Kokosnuß etc. für zahlreiche Verbannte vorhanden sein und
mit der Zeit sich aus Anpflanzungen Erträge ergeben, die die zweifellos
anfänglich erheblichen Kosten reichlich decken werden.

Was speziell die Ernährung anbetrifft, die für einen Europäer
besondere Beachtung verdient, so würde solche durch Zufuhr geeigneter
Nahrungsmittel in Verbindung mit den leicht zu züchtenden und zu
erhaltenden Schweinen und Hühnern eine ausreichende sein, zudem bietet
der Ozean selbst durch seinen überaus großen Fischreichthum eine
beliebige Abwechslung dar, und für keinen Kenner jener Koralleninseln
kann ein Zweifel bestehen, daß dort nicht ausreichende gesunde
Nahrungsmittel vorhanden sind. Anders freilich würde die Frage betreffs
des guten Trinkwassers zu lösen sein, da das gefundene Grundwasser
(durch Korallen filtrirtes Seewasser) auf die Dauer doch schädlich sein
könnte, auch angelegte Cisternen in regenarmer Zeit nicht ausreichen
möchten. Jedoch die Anlage von Condensatoren, die Seewasser in
Süßwasser verwandeln, das auf großen Passagierschiffen fast ausnahmslos
verwendet wird, würde jeden Bedarf decken.

Der berechtigte Einwand, den auf tiefer Kulturstufe stehenden
Eingebornen sollte man nicht, um nicht das Ansehen der Europäer zu
schädigen, den Transport gefangen gehaltener Weißer vor Augen führen,
wird bei der Anlage einer Verbrecherstation auf den gedachten Inseln
hinfällig. Denn wie erwähnt ist die Bevölkerung eine geringe und manche
Korallen-Inseln sind fast unbewohnt auf denen aber nicht minder die
Anlage von ausgedehnten Kokosplantagen möglich ist. Zieht man das
Facit, so kann der Gedanke, auf einsamen Inseln der Marschall- resp.
Browns-Gruppe Deportirte unterzubringen, durchaus nichts abschreckendes
haben, zumal alle Vorbedingungen gegeben sind und neben der großen
Entlastung der Zellengefängnisse käme der Vortheil dazu, daß mit einer
verhältnißmäßig billigen Arbeitskraft ein Kulturwerk gefördert würde,
das die Eingebornen niemals zu vollbringen im Stande sein werden;
auf solche Weise der Werth der Marschall-Inseln für Deutschland ganz
besonders gesteigert werden würde.



V. Reisen durch die Marschall- und Karolinengruppe.


Wie erwähnt, weisen sämmtliche Atolls der Marschall-Gruppe dieselbe
Eigenthümlichkeit auf, nur in Form und Größe sind sie verschieden;
auffallend aber ist, daß fast bei allen die Leeseite der Atolle, d. h.
also die, welche dem schweren Anprall der Ozeanwogen, die der oft sehr
starke Nordost-Passat an diese Gestade treibt, nicht ausgesetzt sind,
größere Landmassen aufweisen, hingegen an der Luv, d. h. Nordostseite,
nur dort sich Anhäufungen von Sand und kleine oder größere Inseln
sich finden, wo die Koralle ein weites mächtiges Riff erbaut hat. Ich
habe nachgewiesen, daß Korallen-Inseln allein nur durch losgelöste
Rifftheile entstanden sind, naturgemäß also die Wind- oder Wetterseite
zuerst solche aufweisen müßte, daß dies nun auf diesen Atolls
weniger der Fall, liegt daran, daß der starke Wind den von den Wellen
gebildeten Korallensand hinwegfegt, über die Lagunen treibt und eine
Anhäufung an der Leeseite begünstigt. Deshalb sind auch, mit wenigen
Ausnahmen alle Stationen und Ansiedelungen der Weißen dort angelegt,
zumal da dort bequeme Zugänge zu den Lagunen sich befinden, theils für
die Schiffahrt günstiger Ankergrund vorhanden ist.

Da die Lagunen eine ganz beträchtliche Ausdehnung haben, zwischen 5
bis 70 Seemeilen lang sind, wird es erklärlich, daß in den Einfahrten
sowohl bei Fluth, als auch Ebbe, eine starke und unter Umständen sehr
starke Strömung vorhanden ist. Die Einfahrten im Jaluit-Atoll und auch
in anderen sind gewöhnlich, weil sie nur schmal, für ein Segelschiff
nicht zu passiren, so lange der Strom mit großer Kraft ein- oder
ausläuft; erst kurz vor oder nach eingetretenen Stillstand, d. h.
wenn Fluth oder Ebbe wechselt, sucht man ein- oder auszulaufen; und am
besten ist es, wenn Durchfahrten auch bei niedrigstem Wasserstand noch
tief genug sind, mit steigendem Wasser dies zu unternehmen; man sieht
dann die Riffe besser und läuft auch keine Gefahr, wenn das Schiff an
oder auf einem Riffe festkommen sollte, sitzen zu bleiben.

Im Jaluit-Atoll wird meistens die zwischen den Inseln Jabor und
Enübor befindliche Südost-Passage, als Einfahrt, und die von hier nach
Südwesten, zwischen Ai und Medjerrurik, liegende Passage, als Ausfahrt
benutzt, seltener die Nordost-Passagen. Gegen widrige Winde diese engen
Fahrstraßen zu benutzen ist für ein größeres Schiff schier unmöglich,
ich habe es mit einlaufendem Strome öfter versucht, nie aber gewagt ein
großes Segelschiff auf diese Weise, wenn ich in Jaluit anwesend, und
zeitweilig als Lootse thätig war, ein- oder auszubringen.

Sehr häßlich ist es, wenn zwischen zwei Inselspitzen der vorher starke
Wind plötzlich abflaut, oder sogar für den Augenblick entgegengesetzt
weht; hat dann das Schiff keine genügende Fahrt oder ist sogar
Gegenstrom vorhanden, ist die Lage für einen Führer oder Lootsen
geradezu peinlich. Für den Schiffsführer der aus der Südwest-Ausfahrt
von Jaluit segeln will, bedarf es einer genauen Kenntniß der
Oertlichkeit, vor allem namentlich am Nachmittage, wo er die Sonne
recht voraus hat, die das Wasser wie eine Silberfluth erscheinen läßt.

Als ich einst beordert war eine Bark hier hinaus zu lootsen, wurde
der Wind zwischen den Inseln Ai und Medjerrurik still, die Untersegel
schlugen back, während die Oberbramsegel noch den vollen Wind hatten
und das Schiff trieb dem nahen Riffe zu. Nichts war dagegen zu
machen, da aber jede Zögerung die Gefahr vergrößerte, so gab ich kurz
entschlossen die nöthigen Befehle. Die Raaen flogen an den Wind, die
klar gehaltenen Boote rauschten ins Wasser und wurden schnell voraus
gebracht, nachdem das Schiff mit Tauen an ihnen befestigt war, ruderten
kräftige Seemannsfäuste aus Leibeskräften, um das steuerlose Schiff
wieder in Fahrt zu bringen. Bald half der stoßweise umspringende Wind,
bald hemmte er, doch ging es langsam vorwärts, bis die Brise wieder mit
voller Kraft einfiel und es ermöglichte, das Schiff zu regieren.

Als ich mit meinem Boote zurückkehrte, hoffte ich die zehn Seemeilen
weite Entfernung bis Jabor aufkreuzen zu können, da brach aber in
einer Böe der Mast, und die zwei Mann im Boote konnten gegen Strom
und Wind nicht vorwärts kommen. Nirgends war wegen der Riffe Land
zu erreichen, so mußten wir ohne Wasser und Lebensmittel wachend
die Nacht verbringen. Am nächsten Vormittage mußte irgendwo Land
aufgesucht werden, wir landeten auch an einer unbewohnten Stelle, wo
wir, nachdem meine Leute aufgefundene Kokospalmen erklettert hatten,
Durst und Hunger an jungen Nüssen stillen konnten. Darnach als hiervon
genügend Vorrath eingesammelt war, ruderten wir in heißer Sonnengluth
längs der Riffe weiter, erreichten aber die Station erst in der frühen
Morgenstunde des dritten Tages.

Die erste Reise im Marschall-Archipel hatte ich nach Ebon, Namorik,
Kili u. a. zu unternehmen und besuchte auf dieser zuerst die kleinsten,
aber auch fruchtbarsten Atolle. Die einzige Einfahrt in der Ebon-Lagune
liegt an der Südwestseite zwischen den Inseln Juridi und Meidj, diese
ist zwar tief, aber sehr schmal und ausgedehnte Riffpatschen nach innen
machen diese sehr schwer zugänglich, dazu läuft ein wirbelnder Strom
ein und aus, der einem Schiffe gefährlich werden kann, wenn dieser in
voller Stärke einsetzt, ehe frei Wasser gewonnen ist.

Der Wind ist zum Durchsegeln dieser Einfahrt selten günstig, ein
Ankern außerhalb am Riffe nicht immer rathsam, und so begegnete es mir
beim Einkreuzen, daß der über das Riff auslaufende Strom das Schiff
innerhalb der langen Einfahrt an das Riff trieb, und dieses auf der
schräg abfallenden Korallenwand sitzen blieb. Das Wasser fiel und, kam
ich nicht frei, mußte das Schiff schließlich sich auf die Seite legen,
umfallen und volllaufen. Deshalb wurde schnell ein Anker ausgebracht,
der auf hundert Fuß Wassertiefe erst den Grund erreichte, und nun
versucht, das Schiff abzuwinden; allein die starke Leine riß sehr bald
von scharfen Korallen durchschnitten entzwei, und der Anker, an dem
die Bojenleine zu kurz gewesen, war verloren. In Ermangelung eines
schweren geeigneten Ankers, wurde nun als letzter Versuch schnell
einer der Buganker zum gegenüber liegenden Riffe gebracht und gut
hinter Korallensteine versenkt, dann versuchten wir aufs neue, das sich
langsam neigende Schiff mit aller Gewalt abzubringen, und es gelang.

Wäre diese Anordnung erfolglos geblieben oder nochmals die Leine
gerissen, so hätte ich nur noch versuchen können, schnell Gaffeln oder
Segelbäume abzutakeln von den Masten, und senkrecht an der gefährdeten
Seite im Wasser aufzustellen; wären diese an der Bordwand festgebunden
worden, so wäre vielleicht durch solche Stützen, wenn das Wasser nicht
zu tief fiel, ein Unglück vermieden worden sein.

Ich war fast jedesmal gezwungen, in der Ebon-Lagune einzulaufen, selbst
später mit dem größten Schiffe der Gesellschaft und bin immer ohne
besondere Schaden weggekommen. Nur einmal in dunkler Abendstunde in
der Ost-Durchfahrt, der kleineren, aufkreuzend, lief ich noch, von den
Riffen frei, auf Anrathen eines guten Lootsen, den der König von Ebon,
der Häuptling Nelu, mir gestellt hatte, der mit seinem ganzen Gefolge
sich an Bord befand, weiter nach der Insel Eninaitok, zwischen vielen
Riffpatschen und Untiefen hindurch. Als die Insel in Sicht kam, war
wegen der Dunkelheit der Abstand vom Lande schwer zu schätzen, und
hätte ich mich nur auf die Kenntniß des Lootsen verlassen, und nicht
lothen lassen, würde dieser mir das Schiff mit voller Fahrt aufs Riff
gesetzt haben. Plötzlich nur drei Meter Wassertiefe findend, jagte
ich gerade noch zur rechten Zeit das Schiff in den Wind und brachte es
zum Stillstand; darauf segelte ich vom Lande ab und ging auf größerer
Tiefe zu Anker, mich wenig daran kehrend, daß nun die Häuptlinge etwas
länger im Boote sitzen mußten und die Ausschiffung länger dauerte. Um
die schon tagelang an Bord befindlichen Eingebornen noch ans Land zu
bringen, hätte ich, vertrauend der besseren Kenntniß derselben, bald
mein Schiff arg gefährdet gesehen.

Manchem anderen Schiffe ist es beim Einkreuzen in dieser Lagune nicht
sonderlich gut ergangen, Beschädigungen am Schiffsboden, leichter
oder schwererer Art, waren nicht selten, und wer nicht durchaus hinein
segeln mußte, vielleicht nicht unter der Insel Juridi ankern durfte,
kreuzte lieber tagelang vor der Einfahrt hin und her; was ich mitunter
auch that, wenn in der schlechten Jahreszeit die See am Riffe zu schwer
oder nur wenig Ladung zu landen oder abzunehmen war.

Die Lagune selbst bietet, sobald man die schlechte Durchfahrt
durchsegelt hat, einem Schiffe überall sichern Ankergrund; ein
geschützter Hafen ist das weite Becken, in welchem heftiger Wind nur
selten das ruhige klare Gewässer erregen kann.

Ein flüchtiger Ueberblick auf dieses weite Becken läßt vermuthen,
daß nur noch wenig Riffe mehr, außer den der Ausfahrt vorgelagerten,
vorhanden sind, und doch befindet sich eine große Zahl kleiner und
größerer Riffpatschen in demselben; die Thätigkeit der bauenden
Koralle, welche im Laufe der Zeit diese Lagune verschließen wird,
ist in vollem Gange. Recht in die Augen fallend erweist sich diese
Thatsache, langsam zwar, aber immer weiter bauen die Polypen, und
nach menschlicher Voraussicht wird sich hier von allen offenen Atolls
zuerst der Vorgang abspielen, daß diese Lagune für jeden Schiffsverkehr
durch die unzerstörbare Arbeit der winzigen Thierchen geschlossen
wird. Fahrten durch die ganze Lagune von Insel zu Insel bestätigten
mir diese Annahme, da ich unter Land sowohl wie auch im großen freien
Wasserbecken weit ausgedehnte Riffe vorfand.

Die meisten der langgestreckten Inseln dieses Atolls sind flach und
ohne besondere Erhebungen, der Unterbau, Korallensteine, die aber
schon so hoch mit einer Humusschicht bedeckt sind, daß solche wenig
sichtbar werden, auch hat die reiche Vegetation, das Eindringen der
Pflanzen im Gestein, das ihre zur Verwitterung desselben beigetragen.
Ueberhaupt habe ich kaum auf einem anderen Atoll so dichtes Gebüsch,
hohe Bäume und wuchernde Pflanzen angetroffen, wie auf Ebon; anzunehmen
ist, daß dazu der reichlich fallende Regen, der die Verwesung in der
Pflanzenwelt befördert, viel beigetragen hat.

Vor allem erwähnenswerth ist hier neben den sehr zahlreichen
Kokospalmen der mächtige Brotfruchtbaum, dessen schmackhafte Frucht
eine Hauptnahrung der Eingebornen ist. Der Baum wird über 60 Fuß
hoch und trägt auf hohem Stamme, der oft mehrere Fuß im Durchmesser
hat, eine gewaltige Krone, er könnte in seinem Bau mit unserer Eiche
verglichen werden. Seine Früchte, am Ende der Zweige hängend, haben
eine länglich runde Form und werden ein bis zwei Pfund schwer. Sie
werden gewöhnlich zwischen heißen Steinen oder am Feuer geröstet und
bieten selbst dem weißen Manne einen Ersatz für Brot und Kartoffeln,
vor allem auf Inseln, wo die Jamswurzel oder Taro nicht erhältlich
sind.

Hier auf Ebon, wo ich öfter an den Mahlzeiten der Eingebornen
theilnehmen mußte, lernte ich eine neue Art der Zubereitung dieser
Brotfrucht kennen, wodurch dieselbe ganz besonders schmackhaft gemacht
wurde. Das Herz der Frucht wird mit einem Stückchen Holz oder mit den
Fingern entfernt, in die entstandene Höhlung dann weiße Kokosnußmilch
gefüllt, und so in Blätter eingewickelt, zwischen heißen Steinen
gebacken. Das goldgelbe Fleisch, dessen Nährgehalt durch die Milch noch
erhöht ist, wird so ein noch vorzüglicheres Nahrungsmittel. Auf anderen
Inseln wo man diese Art der Zubereitung nicht kannte, fanden alle
vereinzelt lebenden weißen Händler stets ganz besonderes Wohlgefallen
an der auf diese Weise zubereiteten Brotfrucht.

Aeußerst fischreich ist auch die Ebon-Lagune, namentlich in der
starken Strömung der Einfahrt hält sich ein wohlschmeckender,
giftfreier Fisch auf, ähnlich unserem Blei. Um solche Fische nun zu
erhalten, die weder nach der Weise der Eingebornen, noch mit Angeln zu
fangen sind, benutzen hier die Händler von San Franzisko eingeführte
Dynamitpatronen, die angezündet und zur rechten Zeit ins Wasser
geworfen, durch Zerspringen alle am Orte befindlichen Fische betäuben.
Diese kommen dann für wenige Minuten an die Oberfläche und werden, ehe
sie wieder sinken, in die Kanoes oder Boote schnell eingesammelt; ist
das Wasser nicht zu tief, werden die Fische durch Taucher vom Grunde
heraufgeholt.

Die Verwendung solcher Patronen bedingt aber große Vorsicht; ein
Verpassen des rechten Augenblickes, eine fehlerhafte Zusammenstellung
des Sprengstoffes, bringt immer große Gefahr für den, der nicht
ganz genau mit der Anwendung Bescheid weiß. Mehrfach habe ich Leute
getroffen, denen durch das explodirende Dynamit, wenn eine solche
Patrone nicht gut geladen war, mehrere Finger weggerissen waren, einige
aber auch, die ihre Unkenntniß oder Ungeschick mit dem Verluste der
rechten Hand bezahlt haben.

Als ich einst unter der Insel Juridi vor Ebon zu Anker lag, erbat sich
mein Steuermann Kitimatu, ein Japaner, die Erlaubniß, mit dem Boote
fischen zu dürfen. Da mir unbekannt war, daß derselbe sich von einem
Händler Dynamitpatronen gekauft hatte -- übrigens eine verbotene Waare,
die nur im Geheimen zur Einführung gelangt -- wurde ich erst durch
den dumpfen Knall darauf aufmerksam gemacht. Bald sah ich, wie die
Besatzung des Bootes in das Wasser sprang und eine beträchtliche Menge
großer Fische in dasselbe hineinwarf. Der Japaner, ein vorzüglicher
Taucher, holte vom Grunde immer mehr herauf, so daß nach der Zahl der
angesammelten Fische zu urtheilen, mehrere hundert derselben betäubt
oder getödtet sein mußten.

Dulden durfte ich nicht, daß fernerhin solche Art von Fischerei
betrieben wurde, vor allem nicht die Mitführung des gefährlichen
Dynamits an Bord, und obwohl mir, wie auch der Mannschaft, die große
Menge schöner Fische nicht unwillkommen war, so mußte für die Folge
doch die Verwendung solcher Patronen unterbleiben. Ziemlich erstaunt
war daher der Japaner und die Freude seines Erfolges gedämpft, als ich
vor seinen Augen die mir ausgehändigten übrigen Patronen über Bord
warf; es wollte ihm nicht recht einleuchten, wie ein so nützlicher
Gegenstand anderen gefährlich werden könne.

Ehe ich meine Angaben über den Ebon-Atoll schließe, will ich noch
eines Vorganges erwähnen, der mir später an den Außenriffen leicht
den Verlust des Schiffes „Futuna“ eingetragen hätte. Leichter,
südwestlicher Wind wehte, als ich einst in der schlechten Jahreszeit,
im Anfang Oktober, vor Ebon anlangte und wegen einiger Bootsladungen
Güter nicht erst einlaufen wollte, sondern die Boote an Land sandte und
durch den Steuermann das Geschäftliche erledigen ließ. Darauf segelte
ich, da ich von hier nach den Karolineninseln beordert war, beim Winde
liegend längs der Riffe nordwestwärts; zwar nahe dem Riffe, jedoch frei
genug, um gegebenen Falls ein Segelmanöver ausführen zu können. Querab
der Insel Toka aber, als ich schon hoffen konnte das Riff nach kurzer
Entfernung mehr nach rechts abfallen zu sehen, wurde das Schiff von
einer unerwarteten Strömung dem Riffe, auf welchem eine mittelmäßige
Brandung lief, zugedrängt und erkennend, ich würde nicht frei davon
kommen, gab ich Befehl zum wenden.

Nie hatte der Schooner, selbst in gefährlichen Engen, eine Wendung
versagt, jetzt aber ging er nicht durch den Wind. Ein zweiter Versuch,
mit ganzer seemännischer Geschicklichkeit ausgeführt, schlug wieder
fehl; einen dritten wagen, da ich schon der Brandung sehr nahe gekommen
war und der sicher fehl gehen mußte, da das Schiff nicht mehr Raum
genug hatte um gute Fahrt zu gewinnen, hieß es geradezu aufs Riff
setzen. Verloren schien das Schiff auf jeden Fall, da ich wegen des
kurzen Abstandes vom Riffe keine Möglichkeit mehr sah, dieses vor den
Wind herumzubringen, welches ja das einzige Manöver ist, wenn Strömung
und schwerer Seegang ein Wenden verhindern. Doch um alles zu thun,
mußte ich auch dies wagen; wie ich auf das Riff kam, angetrieben, oder
mit vollen Segeln vor dem Winde, war jetzt gleichgültig; einmal in
der Brandung mußte das Schiff doch nach kurzer Zeit am steilen Riff
zerschlagen und in die Tiefe sinken; die einzige Aussicht war, daß sich
die Mannschaft noch unter Umständen retten könnte.

Es ist ein Haupterforderniß für den Seemann auch in der gefahrvollsten
Lage nicht den Kopf zu verlieren, sondern entschlossen zu handeln, so
gab auch ich ohne Besinnen ehe noch das Schiff durch den Druck seiner
Segel wieder an den Wind gekommen war, den Befehl, das Ruder hart
Backbord zu legen, die Raasegel vierkant zu führen, alle Schooten der
Schratsegel los zu werfen, und siehe wie ein Schwan mit ausgespannten
Fittichen lief das Schiff mit schneller Fahrt seinem Verderben
entgegen. Noch aber war seine Stunde nicht gekommen; das wackere
Schiff, mit dem ich noch manche Noth und Sturm durchkämpfen sollte,
ehe es in diesem Ozean an einer anderen Insel „Kili“ in die Tiefe sank,
gehorchte über Erwarten gut dem Steuer. Die 150 Fuß, die das Schiff vom
Riffe entfernt gewesen, hatte es noch nicht durchlaufen, als es durch
den Druck der sehr schnell hantirten Segel wieder an den Wind gebracht
war. Zwar lief die hohle See schon unter dem Kiel und hob das Schiff
zum vernichtenden Stoße, -- keine zehn Fuß hinter dem Heck donnerten
die Schaumkronen der Brandung -- und doch, mit freiem Winde die Fahrt
beschleunigend, entkam ich dem sicher erwarteten Verderben.

Auf einer Fahrt von Jaluit nach Ebon und zurück, traf ich in der
Ebon-Lagune den Häuptling Launa mit einigen seiner Proas an, mit
denen er, zur Abreise nach Jaluit gerüstet, nur auf gutes Wetter
wartete. Da die Gelegenheit günstig war, mit dem deutschen Schiffe nun
die Ueberfahrt zu machen, trat Launa mit mir in Unterhandlung wegen
des Fahrgeldes, dessen Höhe ihm zwar gut genug bekannt, das er aber
herabgesetzt wissen wollte. Als ich darauf nicht eingehen konnte,
erklärte er mir, dann solle auch keiner seiner Leute mit mir fahren,
er segele mit seinen Kanoes billiger. Thatsächlich ging er am Abend
desselben Tages in See und erreichte glücklich Jaluit.

Die Kunst, mit Geschick und Verständniß, solche nicht ungefährliche
Fahrten in leicht zerbrechlichen Kanoes zu unternehmen, ist heute nur
noch wenig Inselbewohnern eigen, obwohl sie früher im Bereich dieses
Archipels nichts Ungewöhnliches waren. In der Nalik-Kette bedienen sich
die Häuptlinge aber mehr der europäischen Segelschiffe, auch besitzt
der König Kabua, eigentlich Nelu, ein solches, mit dem sie von Insel zu
Insel fahren und es auch selber, ohne Hilfe eines Weißen führen.

Dieses Verständniß der Navigirung nur war einst ein streng gehütetes
Geheimniß erfahrener Häuptlinge. Der es den Weißen verrieth, büßte es
mit dem Tode. Obgleich die Inselbewohner sich auf ihren Fahrten nach
dem Stand der Sonne und des Nachts nach den Sternen richten, worüber
sie zu ihrem Zwecke genügend Bescheid wissen, haben sie sich doch eine
Seekarte angefertigt, die unzweifelhaft beweißt, daß sie über die
Lage der einzelnen Gruppen sowohl, wie über Wind und Strömungen gut
unterrichtet waren.

Diese Karte besteht nur aus geraden oder gebogenen dünnen untereinander
verbundenen Stäben, auf denen an bestimmten Stellen die einzelnen
Inseln durch kleine Muscheln oder Steine angezeigt werden, die
gebogenen Stäbe geben den Strom oder auch den Seegang an, was
gleichbedeutend mit der Windrichtung sein würde. Alle Atolle sind
auf diese Weise bezeichnet, und die Abstände derselben von einander
verhältnißmäßig ziemlich genau angegeben. Hieraus ersieht man, daß
in früheren Zeiten ein reger Verkehr im Bereiche dieses Archipels
stattgefunden hat, die Eingebornen von Insel zu Insel segelten und so
ihre Kenntnisse erweiterten; die vor sehr langer Zeit einfach genug
gewesen sind, z. Z. als die heutigen Atolle noch nicht vorhanden waren,
oder doch deren Ränder noch hohe zusammenhängende Landmassen bildeten,
die im Laufe der Zeiten erst gesunken. Keine oder nur sagenhafte
Ueberlieferungen haben diese Eingebornen, von denen die eine Beachtung
verdient, daß nach der vor langer, langer Zeit an Stelle der jetzigen
Atolle hohe Inseln gestanden haben, aber welche Veränderungen hier
stattgefunden, was ihre Vorfahren geschaut, darüber schweigt ihr Mund!

Der Namorik-Atoll, in Nordwest-Richtung etwa 70 Seemeilen von
Ebon entfernt, ist einer der wenigen, die durch die Korallen schon
geschlossen sind. Nur zwei langgestreckte Inseln, von einander durch
Riffe getrennt, die früher den Zugang zur Lagune gestatteten, bilden
die ganze Landmasse, sind aber ebenso fruchtbar und ertragreich, wie
die Inseln des Ebon-Atolls.

Steile Korallenwände, an denen kein Ankergrund gefunden werden kann,
heben sich aus großer Tiefe empor. Und wenig angenehm ist es für einen
Schiffsführer, sich stets unter Segel hier halten zu müssen; oft habe
ich daselbst tagelang an der Westseite unter Land kreuzen müssen, ehe
mit Booten, die häufig am steilen Strande gefährdet sind, die Ladung
abgenommen war. Wohl ist heute noch das Wasser in der Lagune klar
und rein, da von außen über die Riffe hinweg der Ozean seine Wogen
hineinspült und damit der noch langsam bauenden Koralle frische Nahrung
zuführt; wird dies aber einst durch Anhäufungen von Gestein und Sand
unmöglich, so muß durch die heiße Sonne eine Verdunstung und damit eine
Versumpfung eintreten.

Diesen Prozeß hat bereits die von Namorik in Ost-Richtung etwa 65
Seemeilen entfernt liegende Insel „Kili“ durchgemacht. Eine Seemeile
lang, ist die kleine Lagune schon vollständig umschlossen und ein
großer Sumpf, in welchem die Pflanzenwelt Fuß gefaßt hat und überreich
wuchert. Anfänglich war das Eiland unbewohnt, weil Kokospalmen und
Pandanus nur spärlich vorhanden waren und einzig wilde Hühner und
Schweine dort ungestört hausten; jetzt hat man mit der Lichtung
des wilden Busches begonnen, und die Anpflanzung einer ausgedehnten
Kokosplantage verspricht einen lohnenden Ertrag.

Die Insel ist ebenso steil und unzugänglich wie Namorik, nur am Südende
erstreckt sich ein langes Riff in die See hinein, auf welchem stets
schwere Brandung steht und beim Kreuzen unter Land einem Schiffe
gefährlich werden kann. Auf diesem ging auch der, einst von mir
geführte Schooner „Futuna“ gänzlich in einer dunklen Nacht verloren.

Solche Schiffsverluste sind gewöhnlich auf unbekannte Strömungen
zurückzuführen, die vorherrschend sind oder zeitweise auch von den
Winden hervorgerufen werden. Muß man sich des Nachts unter Land halten,
um nicht zu weit abzutreiben und dadurch Zeit zu verlieren, so ist
es immer nöthig, sich über die Stromverhältnisse erst Gewißheit zu
verschaffen.

In dieser Hinsicht ist die auf 0° 25' Süd-Breite und 167° 10'
Ost-Länge liegende Insel „Pleasant-Eiland“ besonders bemerkenswerth,
da dort der starke Aequatorialstrom, sobald der Wind nachläßt, jedes
Schiff hinwegführt und Tage auch Wochen hingehen, ehe die Insel
wieder erreicht werden kann. Fast jedem Schiffe, das dorthin Reisen
unternommen hat, ist diese Strömung verhängnißvoll geworden, auch
mir, unter den sechs Malen, daß ich dort habe anlaufen müssen, in zwei
Fällen.

Anfang April 1886 nach Pleasant-Eiland beordert, erreichte ich die
Insel mit günstigem Winde schnell. Da auch hier nirgends Ankergrund
gefunden wird, ist es Gebrauch, sich Tag und Nacht ganz dicht unter
Land zu halten, vor allem nicht nord- oder südwärts über die Insel
hinauszusegeln, sonst führt der starke Strom das Schiff mit sich fort
und kann nur bei frischem Winde und ein guter Segler den verlorenen
Abstand wieder gewinnen.

Die Insel ist sehr fruchtbar, daher auch die Kopraausfuhr recht
bedeutend; aber eigenthümliche Verhältnisse unter der Bevölkerung
schädigen den Handel sehr, da zwischen den Bewohnern der elf Bezirke
fast fortwährend gekämpft wird, und das Niederschlagen der Palmen durch
den Sieger, das Aufblühen dieses gesegneten Ländchens verhindert. Die
Eingebornen waren anfänglich den Fremden feindlich gesinnt und haben
lange der Niederlassung europäischer Händler widerstanden; erst als
ihnen die Wirkung der Feuerwaffen, die namentlich von Amerikanern
eingeführt wurden, bekannt war, gelang es einzelnen Fremden, dort Fuß
zu fassen.

Im Innern dieser etwa 15 Seemeilen im Umfange haltenden Insel erheben
sich zwei kegelförmige Krater, einige hundert Fuß hoch, die längst
erloschen sind und auf deren verwitterten Lavafeldern sich eine überaus
reiche Pflanzenwelt entfaltet hat. Selbst ein Kratersee ist vorhanden,
in dem die Eingebornen Fische züchten; auch Höhlen sollen vorhanden
sein, die wahrscheinlich durch vulkanische Erhebungen entstanden sind.

An jenem Tage, als ich die Nordspitze zum ersten Male umsegelte und
dicht unter dem etwa 200 Meter breiten Riffe mich aufhielt, hörte man
am Nordende der Insel fortwährendes Gewehrfeuer. Die Eingebornen waren
wieder in einen Kampf verwickelt. Zum Glück wußte ich wie harmlos im
Grunde genommen solche Kämpfe sind, daß es in der Hauptsache dabei
nur auf zweckloses Knallen, wildes Geschrei und lautes Geschimpfe
ankommt. Selten fällt ein Gegner, auch genügen einige Verwundungen, um
die Kampflust zu befriedigen, und bald beenden feierliche Verträge,
die nie gehalten werden, die Raufereien. Das Schlimmste dabei ist,
daß die anfänglich zügellose Wuth dieser wilden Menschen den Europäer
gefährdet, daher ist dessen Haus gewöhnlich eine kleine Festung,
geeignet, im Nothfall sich dahinter zu vertheidigen; sie fürchten aber
auch die Treffsicherheit des weißen Mannes und wagen es daher selten,
Wunden oder Tod sich durch einen Angriff zu holen.

Ist ein Kampf eröffnet, so nimmt der ganze Stamm daran theil; auch wenn
der Europäer selbst nicht gefährdet ist, kann er zu solcher Zeit keine
Arbeiter erhalten, um Ladung in Empfang zu nehmen oder zu verschiffen.

So war es auch an diesem Tage. Der Superkargo, Herr Tuchtfeldt, ein
Beamter der Gesellschaft, den ich abgesetzt hatte, theilte mir mit,
daß nichts zu machen sei; ich hatte also zu warten, und unablässig
mit vollen Segeln auf- und abkreuzend d. h. ich ließ das Schiff eine
gewisse Strecke treiben und segelte dann wieder dem Lande zu. Als nun
die dunkle Nacht hereinbrach, deren Schatten die Insel den Blicken
entzog und es schwer wurde, den sichern Abstand vom Lande zu schätzen
auch vor Mitternacht noch die Kraft des Windes nachließ, erkannte ich
bald, daß die Fahrt des Schiffes geringer sei als der entgegenlaufende
Strom.

Mehr und mehr verschwanden die dunklen Umrisse der Insel, und als
der Morgen tagte, sah ich nichts mehr von dieser, nur vom hohen Maste
aus entdeckte ich, weit im Osten noch einen dunklen Punkt. Fünfzehn
Seemeilen hatte der Strom das Schiff schon nach Westen getrieben,
und Tage, dachte ich, würden hingehen, ehe ich diese Entfernung mit
frischem Winde wieder aufgekreuzt hätte. Ich konnte über Backbord
Bug am meisten Ost gewinnen, deshalb segelte ich 24 Stunden in
Südost-Richtung fort.

Hatte ich aber geglaubt, südlich weniger Strom zu finden, so war dies
eine bittere Täuschung, denn ich ermittelte am nächsten Mittag, daß
das Schiff einen Grad in Südsüdwest-Richtung versetzt worden war,
mithin ein Strom von vier Seemeilen in der Stunde nach Westen lief.
Eine solche Stärke des Stromes von dessen Vorhandensein ich ja Kenntniß
hatte, kam mir unerwartet, doch brachte sie mich nicht in Verlegenheit,
besonders da nichts zu ändern war.

Unter den Schiffsführern, die bereits abgetrieben waren, war wie ich
später erfuhr die Ansicht verbreitet, daß man in solchem Falle nicht
gegen den Strom kreuzen dürfte, sondern sofort über den Aequator
hinauszukommen suchen müsse, weil man erst auf 4 bis 5 Grad nördlicher
Breite mit dem Gegenstrome erfolgreich nach Osten aufsegeln könne. Daß
ich dies nicht wußte, hat mir großen Nachtheil gebracht, denn als ich
nun überzeugt, daß ich auf südlichem Kurse nichts gewinnen würde und
wieder nordwärts auf Nordnordwest Kurs beim Winde lag, wurde dieser
immer schwächer, so daß ich nur wenig Nord gewann. Am dritten Tage erst
hatte ich wieder den Breitengrad der Insel Pleasant-Eiland erreicht,
befand mich aber bereits 70 Seemeilen weit von dieser entfernt; was
ich befürchtet und in dieser Gegend nicht selten ist, traf ein, der
Wind wurde ganz still und auf dem spiegelglatten Meere, das kaum
eine langgezogene Dünung bewegte, trieben wir unter der brennenden
Sonnengluth immer weiter westwärts, mit einer Geschwindigkeit von
durchschnittlich 72 Seemeilen in 24 Stunden.

Jeden Lufthauch, der hin und wieder aufsprang nutzte ich aus, um bloß
aus dieser häßlichen Lage herauszukommen, denn am zehnten Tage (die
Linie war wieder passirt) war das Schiff bereits 750 Seemeilen von
der Insel abgetrieben worden. Am 14. Tage auf etwa ein Grad nördlicher
Breite angelangt, fand ich keinen oder nur noch sehr geringen Strom,
aber kein Wind wollte aufkommen; was aber das Schlimmste war, der
Wasservorrath ging zu Ende; das Tagesmaß war längst schon so weit
herabgesetzt worden, daß jeder Mann nur einen Tassenkopf voll per Tag
empfing, und nach einigen Tagen war kein Tropfen mehr an Bord.

Der Grund, daß dieser Mangel eintreten konnte, war folgender: es hatte
in Jaluit längere Zeit nicht geregnet, die Wasserbehälter, die das von
den Dächern abfließende Wasser auffangen, waren fast leer, so ging
ich mit wenig Wasser in See, fest darauf rechnend, in der Nähe des
Aequators Regen anzutreffen. Die Wassernoth an Bord wurde schließlich
sehr groß, hatte ich doch außer der Mannschaft noch 6 Eingeborne von
Pleasant-Eiland mit mir, die während der Ladezeit als Arbeiter helfen
sollten und vom Händler, damit er dieser Leute sicher wäre, sofort mit
dem ersten Boote abgeschickt worden waren.

Um die Qual des Durstes zu stillen, durchsuchten die Leute alle
Räumlichkeiten des Schiffes, wo eine Kokosnuß verborgen sein konnte,
und in der höchsten Noth war ein Tropfen halb verdorbener Kokosmilch
ein Labsal für uns alle. Die nächste Insel „Greenwich-Eiland“ sollte
etwa 120 Seemeilen östlich von uns liegen, aber auch wenn ich Wind
gehabt, hätte ich Tage gebraucht, diese niedrige Koralleninsel zu
erreichen. So von Tag zu Tag hoffend, daß endlich eine Aenderung
eintreten oder doch Regen kommen werde, suchte ich mit den schwachen
Lüften, die das Schiff kaum eine Seemeile in der Stunde durchs Wasser
trieben, nur nördlich zu kommen. War ich erst hoch genug und ständiger
Wind wieder vorherrschend, konnte ich die nächste Insel in der
Karolinen-Gruppe aufsuchen, fand ich voraussichtlich dort auch kein
Wasser, so würden doch Kokosnüsse zu erhalten gewesen sein.

Regenschwere Wolken hingen am Horizonte schon tagelang, und wie
sehnsuchtsvoll nach dem Himmelsnaß ausgeschaut wurde, daß jene Wolken
heraufkommen und sich öffnen möchten, kann nur der ermessen, der
qualvollen Durst gelitten hat und bereits die Verzweiflung in den Augen
der Gefährten blitzen sah, die lechzend nach Wasser riefen.

Doch Gottes Hilfe ist am nächsten, wenn die Noth am größten. Drei
Wochen waren hingegangen, da setzte ein frischer Ostwind ein, neue
Hoffnung beseelte uns, in 36 Stunden konnte ich die Mortlok-Inseln
erreichen, und alle Noth hatte ein Ende. Aber noch gnädiger war der
Himmel, nach dem Winde kam bald der Regen und so reichlich, daß alle
Behälter gefüllt werden konnten; die furchtbare Qual des Durstes war
vorüber. An der Grenze der äquatorialen Gegenströmung, mit der ich
jetzt auf etwa 4 Grad nördlicher Breite schneller ostwärts zu kommen
suchte, fand ich verhältnißmäßig schlechtes und kühles Wetter vor,
schwere Regenböen nöthigten mich häufig nur gereffte Segel zu führen.

Ueber fünf Wochen waren hingegangen, ehe ich wieder Pleasant-Eiland
sichtete und diesmal mich drei Tage dort halten konnte. Ein besserer
Segler, ein amerikanischer Schooner, war bald nach mir eingetroffen,
derselbe trieb auch in den ersten Nächten ab, kehrte aber in drei
Wochen wieder zurück und, da dies das einzige Schiff blieb, welches in
diesem Zeitraum die Insel angelaufen, hatte der Vertreter der Firma
dasselbe nicht zur Rückreise nach Jaluit benutzt, sondern auf meine
Rückkehr gewartet. Somit fand ich denselben wohlbehalten dort wieder
vor, wiewohl sich schon bei den Weißen die Ueberzeugung Bahn gebrochen,
es müsse meinem Schiffe etwas zugestoßen sein; auch nach Jaluit
zurückgekehrt, fand ich dort die Nachricht verbreitet, ich sei verloren
gegangen.

Weitere Reisen nach der Ratak-Kette, zunächst nach dem Milli-Atoll,
machten mich auch dort mit den staatlichen Verhältnissen bekannt.
Bald sah ich, daß die Bewohner weniger Nutzen von der vordringenden
Civilisation gehabt hatten, als die der Ralik-Kette. Während erstere
die monarchische Regierungsform zur Einigung geführt und Auflehnungen
einzelner Häuptlinge verhindert hat, hat auf der Ratak-Kette die
Herrschsucht der Häuptlinge viele Unzuträglichkeiten geschaffen, vor
allen wenn zwei oder mehrere sich in den Landbesitz eines Atolls zu
theilen hatten.

Vielfach fand ich auch um Dörfer und an den Grenzen einzelner
Besitzungen, gerade oder in Kreisform aus Korallensteinen aufgeführte
Mauern. Diese bilden die Grenzscheide, wo gelegentlich Belagerer, die
immer die stärkeren sind, und Belagerte zusammentreffen. Es ist kein
Kriegführen, nur ein Zerstören, als das Gebiet des Unterliegenden
außerhalb der Mauer vernichtet wird. Selten, wiewohl die Eingebornen
bereits europäische Waffen in Menge besitzen, selbst die Häuptlinge
die besten Hinterlader haben, fällt aus Zufall ein Gegner von einer
verirrten Kugel getroffen. Fertigkeit im Zielen haben sie noch nicht
erlangt, was ein Glück ist, denn hätten sie diese, so würden sie, mit
ihrem scharfen Gesicht sehr gefährliche Gegner sein.

Eigenthümlich ist, daß der Belagerer fast nie die Mauer zu nehmen wagt
und ein Handgemenge möglichst vermeidet, eher versucht der Belagerte
nächtliche Ausfälle, freilich ohne dabei etwas zu gewinnen. Der
Streit endet gewöhnlich durch Uebergabe oder Aushungern, auch durch
freiwilliges Abziehen des Stärkeren, der bei der Zerstörung der Palmen
und Pandanusbäume sein Müthchen gekühlt hat; nicht selten aber auch
durch so unvernünftige Handlungen eine Hungersnoth heraufbeschwört.

Helden sind die Männer alle nicht, sinn- und zweckloses Schießen ist
ihnen die Hauptsache, mehr noch das gegenseitige Beschimpfen und die
Aufführung kriegerischer Tänze. Nicht genug aber, daß verschiedene
Häuptlinge sich auf einem Atoll bekriegen, sie rüsten sich auch mit
ihren Proas Kriegszüge nach anderen Atolls zu unternehmen. Noch im
Jahre 1885 zogen von Majuro 16 Kanoes mit 300 Mann unter Lailik aus um
einen Häuptling auf Aurh zu bekriegen. Diese große Zahl Menschen ist
aber niemals dort angekommen, obwohl der Abstand beider Atolle nicht
besonders groß ist, sondern nur etwa 70 Seemeilen beträgt, es müssen
Wind und Strömungen sie vertrieben haben, wenigstens wurde nie wieder
etwas über das Schicksal dieser Schaar bekannt. Ich fand einmal sechs
Monate nach jenem Aufbruche zwischen den nördlichen Atolls einen Theil
eines großen Kriegskanoes treiben, theilte dieses den Händlern später
auf Majuro mit und die Eingebornen entnahmen aus dieser Mittheilung,
daß sie nun völlig ihre Angehörigen als verloren zu betrachten hätten.

Unter den Häuptlingen der Ratak-Kette war der angesehenste der
verstorbene Kaibuke, dessen Neffe Leaugnat über Milli herrschte,
andere, der junge Kaibuke, neben dem Häuptling Jiberik herrschte
auf Majuro, auf Maloebab, Murijil; außer diesen war noch eine ganze
Anzahl kleinerer Despoten vorhanden, die durch persönliche Zänkereien
die Entwicklung der Inseln hinderten und auf einem Atoll oft
solche Zustände schufen, daß jahrelang ein Verkehr einzelner Stämme
untereinander unmöglich ward.

Zwar ist nach der Besitzergreifung der Marschall-Atolle durch
Deutschland entschieden Wandel geschaffen worden, das Erscheinen der
großen Kriegsschiffe, oft innerhalb der ausgedehnten mit Untiefen
besäeten Lagunen, hat gewaltigen Eindruck gemacht. Jetzt, wo eine neue
Obrigkeit vorhanden, haben die Privatkriege zu unterbleiben, jetzt gilt
nicht mehr das Recht des Stärkeren, sondern die Streitigkeiten müssen
vor das deutsche Gericht gebracht werden. Mancher Häuptling, der die
Einmischung der Weißen in seine Angelegenheiten, d. h. in die eines
muthwillig herbeigeführten Streites, unbequem fand und widersetzlich
wurde, hat zum eigenen Nachtheil empfinden müssen, daß Verletzung der
Pflichten und Gewaltthätigkeiten schwer geahndet werden.

Von Apia aus hatte ich einen langjährigen Diener des Herrn Konsuls
Weber an Bord, ein Marschall-Insulaner, mit Namen Angenang, der in
seine Heimat zurückbefördert werden sollte und so lange an Bord die
Pflichten eines Kochs zu versehen hatte, bis sich Gelegenheit gefunden,
ihn auf Milli abzusetzen. Es hatte diesem im Dienste der deutschen
Gesellschaft so gut gefallen, daß er mit dem Plane umging, seine ganze
Verwandtschaft zu beeinflußen, ebenfalls auf drei Jahre sich nach Samoa
zu verpflichten. Als sich nun die Gelegenheit bot, den Milli-Atoll
anzulaufen, erhielt ich Weisung die Anwerbung der freiwillig sich
Meldenden an Bord vorzunehmen. Mehrere Tage in der Milli-Lagune hin
und her segelnd, (es waren allerlei Förmlichkeiten mit einzelnen
Häuptlingen zu erledigen) landete ich schließlich im Nordosten unter
der Insel Ennanlik. Nicht lange währte es, bis sich einige Familien,
Männer und Frauen, im ganzen 26 Personen, bereit fanden, auf einige
Jahre nach einem fernen, unbekannten Lande auszuwandern, das freilich
im Gegensatz zur öden, wenig fruchtbaren Korallen-Insel ein Paradies
war.

Den Abschied zu verkürzen, der endlos zwischen den Scheidenden und
den Zurückbleibenden zu werden drohte -- viel Herzlichkeit, wie ich
solche den Eingebornen kaum zugetraut, zeigten sie gegen Verwandte und
Eltern -- beschleunigte ich die Abreise und befand mich am ersten Abend
bereits weit von Milli entfernt, als sich ein Vorfall ereignete, der
Schiff und Mannschaft, sowie Fahrgästen einen schrecklichen Tod hätte
bereiten können.

Da wenig Ladung Kopra im Raum war, hatte ich, um die kaum bekleideten
Menschen Nachts nicht unnütz an Deck frieren zu lassen, auf alten
Segeln eine Lagerstatt bereiten lassen. Aber anstatt die Ruhe zu
suchen, unterhielten sie sich nach alter Gewohnheit, dabei war ihnen
die Dunkelheit im Schiffsraume wohl nicht genehm, sie suchten also
aus ihrem wenigen Gepäck eine einfache Petroleumlampe, von deren
Vorhandensein ich nichts wußte, hervor und zündeten sie an. Lampe
und Brennmaterial war recht schlechte Waare, von Händlern auf Milli
eingetauscht, von deren Gefährlichkeit diese Naturkinder natürlich
keine Ahnung hatten, und so kam es, daß die auf den Kopra gesetzte
Lampe umfiel und explodirte.

Schon waren nach 8 Uhr Abends längst die Wachen abgelöst. Die Wache
an Deck hatte ihre Posten, Ausguck und Ruder bezogen, und unter dem
sternenklaren Himmel einer friedevollen Nacht herrschte völlige Ruhe
auf dem einsam durch den Ozean ziehenden Schiffe. Da plötzlich ein
gellender Aufschrei, ein helles Aufblitzen einer Feuerwelle -- wie ich
vom Hinterdeck aufgesprungen bin und im Augenblick die Größe der Gefahr
erkannt habe, wußte ich nachher selber nicht. Die Männer, welche vor
den Frauen die befestigte Leiter emporkletterten, stieß ich mit Gewalt
zurück und sprang, der von allen Seiten herbeistürzenden Mannschaft
befehlend, mir zu folgen, mitten unter die vor Schrecken gelähmten
Menschen.

Zum Glück war nur die Hauptluke geöffnet geblieben, kein Luftzug
regte die Flammen an, der von hinten wehende Wind trieb den schnell
entwickelten beißenden Qualm zum leeren Vorraum; da glücklicher Weise
die Lampe auf unbedeckten Kopra, von den Sachen und der Schlafstätte
der Leute, weit entfernt aufgestellt gewesen war, so brannte auch erst
das umhergespritzte Petroleum allein und von diesem mit entzündet der
oelhaltige Kopra. Als einziger Europäer an Bord, (ich hatte nur einen
Insulaner als Bootsmann, Lajibid, da es eigentliche Steuerleute nicht
gab, vielmehr oft genug solchen Posten irgendwo entlaufene Matrosen,
die das Schicksal bis hierher verschlagen, ausfüllen mußten) galt es
zuerst die im Hinterraum zusammengedrängten Frauen herauszubringen,
was ich schnell dem Lajibid übertrug, während ich mit den inzwischen
ebenfalls herabgesprungenen Leuten die Schlafmatten ergriff, und
solche ausgebreitet in das Feuer schleuderte, um es etwas zu dämpfen.
So erreichte ich es, daß die nackten Leute, welche sich sonst der
entwickelten Gluth nicht nähern konnten, muthig vordrangen und so
schnell Matte auf Matte deckten, daß diese selbst nicht anbrennen
konnten, auf die Weise wurde das Feuer erstickt.

Ueber dem Feuerheerde wurden dann alte Segel ganz ausgebreitet und
nun, da hilfreiche Hände genug vorhanden waren, (den Milli-Leuten ließ
ich nicht lange Zeit sich zu besinnen) wurden Ströme Wasser mit Eimern
oder mit dem was gerade zur Hand war ausgegossen. Nachdem dann dem
furchtbaren Rauche durch Oeffnen aller Luken Abzug geschafft war, wurde
schnell mit Schaufeln, freiliegende Kopra haufenweise über Segel und
Matten aufgeschüttet; als auch diese wieder durchnäßt war, war nach
mehrstündiger Arbeit jede Gefahr beseitigt.

Welch ein Schicksal aber wäre uns beschieden gewesen, wenn wir des
furchtbaren Elementes nicht Herr geworden wären! Nicht die Hälfte der
Leute hätte ich retten können, das einzige Boot würde mit 20 Menschen
schon bei bewegtem Seegange überladen gewesen sein und ehe es möglich
geworden wäre Land zu erreichen, -- Jaluit lag noch annähernd 120
Meilen vor uns, zurück gegen Wind und See zu rudern war ausgeschlossen
-- wären wir sicher eine Beute der Haie geworden wie alle anderen.

Selbst für den mit allen Gefahren der See vertrauten Seemann --
Gefahren von denen der Landbewohner sich nichts träumen läßt -- sind
solche Augenblicke schrecklich, vor allem für einen Führer, der weiß,
daß Menschenkraft im Kampfe gegen drei Elemente erliegen muß. Er selber
harrt auf seinem Posten aus und stirbt, wenn er das Schicksal der ihm
anvertrauten Wesen nicht mehr wenden kann, aber er weiß auch, daß die,
die sich vielleicht auf Trümmern gerettet, einem grausamen Geschick
verfallen sind.

Solche Gedanken geben einem Menschen übernatürliche Kräfte und
Fähigkeiten -- die Gefahr liegt vor ihm, Tod oder Leben hängt von
seiner Entschlossenheit und seinem Können ab -- und mit dem Muthe der
Verzweiflung stürzt er sich ihr entgegen, um die Planke zu schützen,
auf der er steht, die ihn und die Gefährten über die blau schimmernde
Tiefe, über den Ozean trägt.

Nach Jaluit zurückgekehrt, fand ich dort mein früher geführtes Schiff,
das von Apia hierher beordert worden war, als Ablösung vor und hoffte
schon die Milli-Leute nach Samoa bringen zu können; indeß ich hatte nur
die Schiffe zu wechseln und befand mich bald wieder auf einer Monate
langen Reise durch die Karolinen-Gruppe. Da die Mannschaft, Niue-Leute,
für längere Zeit an Bord zu verbleiben verpflichtet war, so hatte ich
nun wieder eine geübte Besatzung.

Ich muß mich darauf beschränken von dieser ausgedehnten Gruppe hoher
Vulkan-Inseln und zahlreicher Korallen-Atolle ein begrenztes Bild zu
entwerfen und kann nur aufrichtig bedauern, daß den zur Kolonialarbeit
wenig tauglichen Spaniern diese reiche Inselwelt zurückgegeben war und
über ein zukunftreiches Gebiet die entfaltete deutsche Flagge wieder
eingezogen wurde. Die Atolle der Karolinen, zwar nicht an Umfang
denen der Marschall-Inseln gleich, sind aber doch ebenso reich an
Erzeugnissen wie diese, auch meist in größerer Ausdehnung bebaut, da
die Bevölkerung zahlreicher ist.

Die hohen Basalt-Inseln wie Yap, Ruk, Ponapè, und Kufat, Stammvesten
der Bevölkerung, sind dagegen in Wahrheit Edelsteine im weiten Ozean,
die an Fruchtbarkeit in nichts den Samoa-Inseln nachstehen, vielmehr
diese noch übertreffen. Die überreiche Natur wartet nur der fleißigen
Hand, welche die aufgespeicherten Schätze heben soll. Soll man ein
Urtheil über die gesammte Gruppe abgeben, so trifft noch immer der von
früheren Entdeckern gethane Ausspruch zu „Das ganze Meer ist besät mit
Edelsteinen, gerade wie der Spiegel des sternenbesäten Himmels über
diesem.“ „_The whole is studded with ocean gems, as if the mirror of
the starry sky above it._“

Wenn ich hauptsächlich bei den östlichen Inseln verweile, so geschieht
es darum, weil auch ich mit diesen besser bekannt geworden und hier
zum Theil Augenzeuge von Vorgängen gewesen bin, die wenigen noch in der
Erinnerung, vielen nie wahrheitsgemäß geschildert worden sind.

Zunächst nach Ponapè bestimmt, sah ich diese weithin sichtbare große
Insel bereits am sechsten Tage. Einen hochwillkommenen Anblick boten
die hohen Felsenmassen dem einsam auf weitem Meere hinziehenden
Schiffer; geschmückt mit ewigen Grün vom höchsten Bergesgipfel bis
zum blauen Ozean, breitete sie sich gleich einem Paradiese aus vor
den staunenden Augen, wie solches von der Hand der Natur nicht schöner
geschaffen, wie es einem sorglos glücklichen Volke nicht besser geboten
werden kann.

Wie ausgestorben, scheinbar unbewohnt, liegt im smaragdenen Kleide
im Ozean gebettet die Insel da, nichts als das Laub zahlloser Bäume
ist sichtbar, aus dem vom Strande aufwärts die hochragenden Palmen
sich vereinzelt oder in Massen abheben. Wenn man dicht unter die weit
abliegenden Riffe, die mit schmalen Inseln besät sind, vorübersegelt,
erblickt man hinter diesen ein weites ruhiges Becken, das von den
draußen stürmenden Wogen des Ozeans nicht im geringsten bewegt wird
und, wie weit man auch an diesem Riffe und Inselkranze entlang segelt,
sich immer gleich bleibt. Zwischen dem dichten Laube der Bäume wird
keine Hütte sichtbar, doch Rauch steigt hier und dort auf; unter
den steilen Felswänden zieht phantastisch ein Kanoe, um bald zu
verschwinden.

Ein bloßer Punkt auf meiner Karte, war diese 60 Seemeilen im Umfang
große Insel. Sie war nur nicht genau bekannt, auch wußte ich nicht wo
ich die Einfahrt zur deutschen Station zu suchen hatte, darum lief ich
unter der Ostküste nach Süden und suchte westwärts weiter nach einer
Durchfahrt. Da das Wasser still war, wagte ich es als ich gegen Abend
eine ganz schmale Durchfahrt zwischen zwei Riffinseln fand, für mein
Schiff gerade breit und tief genug, einzulaufen. Zwar lagen anfänglich
schlecht sichtbare Riffpatschen umher, die gefährlich werden konnten,
doch näher dem Lande verschwanden auch diese, und bald lag wie im
sichersten Hafen das Schiff ruhig vor seinem Anker.

War vorher nichts von Menschen sichtbar gewesen, so erschien jetzt
bald hier und dort ein Kanoe, und nicht lange währte es, dann lag eine
Anzahl derselben längsseit; Hühner, Eier, Yams, Ananas, Bananen,
Fische und Kokosnüsse, sowie Perlmutterschalen u. s. w. wurden zum
Kaufe angeboten, gegen wenig Tabak konnten von den nackten Eingebornen
die wohlschmeckenden Erzeugnisse dieses reichen Landes eingetauscht
werden. Lungur-Eiland, den Bestimmungsort, mir zu zeigen, ließen sich
willig einige Leute gegen geringes Entgelt bereit finden, sie meinten
eine freie Durchfahrt führe innerhalb der Riffe dahin.

Wohl segelte ich am anderen Morgen einige Stunden weiter nördlich im
ganz stillen Wasser, doch unter der 1000 Fuß hohen senkrechten Felswand
von Jocoits an der Nordseite, fand ich zwischen den hier zahlreichen
großen und ausgedehnten Riffen nur schmale gewundene Engen, die mit
konträrem Winde nicht gut zu durchsegeln waren. Ich nahm deshalb
das Kanoe der Eingebornen an Deck, und suchte durch eine Oeffnung
im Hauptriffe wieder die freie See auf, um so nach der eigentlichen
Jocoits-Einfahrt zu gelangen. In der That wurde bald Lungur-Eiland und
die Station erreicht.

Durch dieses theilweise Umsegeln der ganzen Insel, ward mir die
Gelegenheit gegeben, die mächtigen Felsenpyramiden sowohl, wie auch
die überaus reiche Pflanzenwelt aus der Nähe zu beobachten; machte
ich mich später auch mit dem Innern der Insel näher bekannt und sah
die Großartigkeit der Natur in ihrer vollen Pracht und Wildheit, so
schwächte dies doch nicht den zuerst gewonnenen Eindruck ab.

Die Insel muß in früherer Zeit eine öde Felsenmasse gewesen sein, bis
die allmähliche Zersetzung der Lava und Basaltmassen auf der Oberfläche
für das Pflanzenleben fruchtbaren Boden geliefert hat. Heute krönt
die Höhen ein fast undurchdringlicher Urwald, reicher Humus hat sich
abgelagert, die Verwesung der Pflanzen, die gestürzten Baumriesen
erzeugten ihn, hohe Schichten der fruchtbarsten Erde deckten Thal und
Höhen überall. Kurze reißende Ströme, aus tausend Quellen genährt,
stürzen zu Thal, an ihren Mündungen weite Flächen abgeschwemmtes
Land wieder ablagernd, das oft weithin bis zum Fuße der Felsen mit
Seewasser überdeckt wird und doch dem Mangroven-Baum und vielen anderen
ein Fortkommen gestattet, so daß, gleichwie in der Höhe, auch hier,
mächtige Wälder sich ausgebreitet haben.

Silberklar und kühl ist das herrliche Wasser dieser Flüsse, oft
bin ich, so weit ich nur mit einem Boote kommen konnte, diese
hinaufgefahren, um die Großartigkeit der Urnatur zu betrachten; selbst
im Innern des dunklen Erdtheils (Afrika) habe ich in den jungfräulichen
Urwäldern kaum solche eigenartige Schönheit der Natur gefunden, wie sie
sich hier auf so kleinem Raume dem Auge darbot. Gestürzte Baumriesen
lagen, gestützt auf ihre mächtigen Zweige, von Ufer zu Ufer, Brücken,
auf denen die zahllosen Insekten hin und her wanderten; auch See- und
bunt gefiederte Singvögel liefen ohne Scheu auf solchen auf und ab.
Tausende von Luftwurzeln, Lianen und Schmarotzerpflanzen strebten von
den Bäumen herab zur Erde, um sich wieder in endloser unentwirrbarer
Kette zu heben. Girrend lockt die Taube überall, nicht erkennbar wegen
ihres dunklen Gefieders, im dichten Laub der Bäume, und nur das scharfe
Auge des Eingebornen weiß sie zu finden und mit sicherem, unfehlbarem
Schusse aus der luftigen Höhe herab zu holen.

Die Arten der Pflanzen und Bäume mit ihren Abarten, die Nahrung und
Kleidung geben, sind sehr zahlreich; hauptsächlich aber sind es von den
Bäumen Brotfrucht, Pandanus, Kokosnuß und Bananen, von den Erdpflanzen
Yams, Taro, Ananas und andere, die ohne jegliche Pflege überall wachsen
bis weit hinaus auf dem Inselkranz, woran gleich einer schäumenden
weißen Linie die Wogen des Ozeans sich unablässig brechen.

In geologischer Hinsicht weist Ponapè besondere Merkmale auf. Der
Unterbau ist fester Basalt, darüber thürmen sich aus gleichem Gesteine
2-3000 Fuß hohe Bergkuppen und Höhenzüge auf und darauf wieder
vielfach schichtweise gelagerte Lavamassen. Ebenso fand ich auch im
südlichen Theil der Insel, nahe dem Kiti-Hafen, als ich zu den schwer
zugänglichen Höhen aufstieg, zu Tage tretenden rothen Lehm in ziemlich
starken Schichten abgelagert vor, sicher ein Erzeugniß vulkanischer
Ausbrüche. Auffallend aber ist, daß das Berggefüge in seiner Masse
sowohl, wie in einzelnen Theilen, ein Spielball furchtbarster
Naturkräfte gewesen zu sein scheint, denn entkleidet des überaus
reichen Pflanzenwuchses böte sich dem Auge des Beobachters ein Gemenge
übereinander gethürmter Felsen und Gesteine dar. Nicht die alles
zersetzende Zeit allein hat ihnen hier ihren Stempel aufgedrückt,
vielmehr sind die zahllosen Sprengstücke, mit denen die ganze Insel
besät ist, sicher nur Erzeugnisse der gewaltigsten Erschütterungen und
Umwälzungen schon erstarrt gewesener Massen.

Der Hauptheerd der vulkanischen Thätigkeit muß an der Nord- und
Nordostseite gelegen haben, da hier eine Reihe kleinerer und größerer
Inseln, die getrennt von der gewaltigen Masse der Insel Ponapè liegen,
sich als muthmaßliche Krater erwiesen haben. So die Inseln Mutok,
Yokocts, 800-1000 Fuß hoch, Yarum, Momts, Takain und Lungur. Die
genannten sind alle Basaltgebilde, oft steil und schwer zugänglich,
und steigen bis zu 300 Fuß und darüber. Allerdings habe ich keine
Krateröffnungen gefunden, wohl aber Lavageschiebe, wenn auch nur in
geringerer Menge.

Eine von Fachleuten unternommene Durchforschung der Inselgruppe
dürfte zur Bestätigung meiner Ansicht führen. Diese stützt sich auch
namentlich darauf, daß Lungur ein stumpfer von allen Seiten steil
abfallender Kegel ist (ich habe ihn öfter an steiler Wand erklettert)
und oben im Gestein eine geschlossene kahle Vertiefung zu Tage tritt.
Auch ist das weite fruchtbare Vorland mit mächtigen Felsblöcken
bedeckt, die von der Hauptmasse eine gewaltige Kraft abgesprengt haben
muß.

Auffallend ist die oft bedeutende Tiefe innerhalb des mächtigen
Riffes, welches die ganze Insel in einem Umkreise von 60 Seemeilen
umgiebt; einzig erklärlich dadurch, daß in früherer Zeit ein Sinken der
Gebirgsmasse stattgefunden hat, ein neuer Anbau der Korallen aber durch
das frische Wasser der Flüsse verhindert wurde und nur dort die Polypen
den äußeren Riffwall schaffen konnten, wo ihnen der Ozean reichlich
Nahrung bot, so daß schließlich um die ganze Insel Ponapè eine Lagune
entstanden ist.

Das Innere der Insel mit seinen Urwäldern ist zum Theil selbst für
den Eingeborenen noch unzugänglich und unbekannt, nur wenige schmale
Thäler, gebildet von steilen Felswänden, führen durch die einzelnen
Gebirgspartien; auch längs der Flüsse, deren Wasserkraft sich im
Gestein breite Wege gebahnt hat, ist ein Aufstieg zu den steilen Höhen
möglich. Aber der Eingeborene trägt kein Verlangen, sich in der Wildniß
umzuschauen, überall in gleich großartiger Weise tritt sie hervor.
Am Strande wie auch am Fuße der unzugänglichen Höhen und verborgen im
Gebüsch, an Felswänden, im Schatten gewaltiger Bäume hat er sich seine
Dörfer erbaut.

Die Entdeckung der Karolinen-Inseln ist den Spaniern zuzuschreiben
und zwar soll Quirosa bereits im Jahre 1595 Ponapè gesehen haben.
Versuche der Spanier im 17. Jahrhundert, auf den westlichen Inseln Fuß
zu fassen, scheiterten aber gänzlich an der Wildheit der Eingebornen,
die stets die Priester und Kolonisten ermordeten. Die Folge war, daß
das weite Gebiet bis zum 19. Jahrhundert fast ein unbekanntes Land
geblieben ist. Jedenfalls war der Anspruch der Spanier auf diese reiche
Inselgruppe unberechtigt, da sie sich nie darum bekümmert haben, auch
kaum Kenntniß von dem dort verborgenen Reichthum hatten. Deutschen und
Amerikanern blieb es überlassen diesen Völkern die Gesittung zu bringen
und sie an den Anblick des weißen Mannes zu gewöhnen.

Ueberfälle und Wegnahme einzelner Schiffe haben auch hier wie anderswo
in früherer Zeit stattgefunden. Die Eingeborenen, lüstern nach
fremden Schätzen, bemächtigten sich meist durch Verrath der fremden
Fahrzeuge, nachdem ihrer Uebermacht die Besatzungen erlegen waren.
Nach Ueberlieferungen haben die Spanier mehrmals Ponapè besucht, sind
aber, da sie den Eingebornen vertrauten, in deren Hände gefallen und
niedergemacht. Unter anderen soll im Süden der Insel, wahrscheinlich
im Kiti-Hafen, ein Schiff genommen sein, dessen Leute nicht anders
getödtet werden konnten, als dadurch, daß man ihnen die Augen ausstach;
sie hätten eine solche feste Haut gehabt, daß sie vor jeder Verletzung
geschützt gewesen wären. Unzweifelhaft sind es in Panzern gehüllte
Spanier gewesen, die hier der Uebermacht erlagen.

Auch im Metalanim-Hafen soll ein Schiff gestrandet sein und die
ersten Hühner zu dieser Insel gebracht haben. Die Angabe scheint
richtig zu sein, denn man fand später in den Händen der Eingebornen
eine Messingkanone, ein silbernes Kruzifix, einen kupfernen Kessel,
spanisches Geld u. a. m. Die eigentliche Entdeckung Ponapès
erfolgte aber erst im Jahre 1828 durch die russische Korvette
„Seniavina“ (Commandant Lutke) und die genauere Kenntniß verdanken wir
amerikanischen Walfischfängern und den Missionaren.

Die Bewohner Ponapès, deren Zahl 5000 nicht überschreiten mag, sind,
soweit ich sie kennen gelernt, im Umgange ein friedliches Völkchen,
gefällig und gastfreundlich; trotzdem zeigen sie dem Europäer gegenüber
eine gewisse Zurückhaltung im Benehmen. Etwas Lauerndes liegt in ihrem
Gesichtsausdrucke, sie verleugnen das malayische Blut nicht, das, zum
Theil wenigstens, durch ihre Adern rollt. Es ist die gezähmte Wildheit,
die in dem funkelnden Blick der schwarzen Augen liegt; wie dem Malayen
gegenüber hat der Fremde das unbestimmte Gefühl, als hätte er es mit
einer Katzennatur zu thun und die scharfen Krallen könnten unerwartet
den Arglosen packen.

Der freie Mann duldet kein Unrecht, Blut allein ist die Sühne dafür;
bin ich recht unterrichtet, so ist unter diesen Eingeborenen die
Blutrache weit verbreitet, auch heute noch ersteht in manchen Familien
immer wieder ein Rächer für die beleidigte Ehre oder für das einst
vergossene Blut.

Unter sich, im Verkehr mit einander und im Familienleben sind die
Eingeborenen gütig und liebevoll, ganz anders als im Verkehr mit dem
Fremden, dem gegenüber sie nicht selten sich unfreundlich und abstoßend
zeigen; sie haben nur zu wohl dessen Selbstsucht begriffen, daher
treten sie auch kalt und zurückhaltend ihm entgegen. Wohl findet der
Europäer überall in den Hütten Schutz und Obdach, Speise und Trank und
konnte zu jener Zeit unbelästigt wandern, wohin er wollte, aber solche
geübte Gastfreundschaft ist nicht selbstlos, der Gastgeber erwartet
stets eine Entschädigung, die seiner Mühe entsprechend ausfallen muß,
und zwar ein Gegengeschenk, das in seinen Augen werthvoll genug ist.

Von kräftigem Körperbau, stehen die Männer nach Gestalt dem Weißen
nicht nach, ebenso ist Klugheit ihnen nicht abzusprechen; auch
gewisser Wissensdurst macht sich bei ihnen bemerkbar, und solche, die
Gelegenheit gefunden, andere Länder und Völker zu sehen, stehen bei
ihnen in hoher Achtung. Dennoch scheint die eingedrungene Gesittung
niederdrückend auf das jetzige Geschlecht eingewirkt zu haben, sei
es auch nur, daß sie mehr und mehr grollend, sich in sich selbst
zurückziehen. Die große Fruchtbarkeit, welche diese hohen vulkanischen
Inseln aufweisen, ist durch reichlichen Regenfall bedingt. Ueber
der Gebirgsmasse lagert sehr oft ein dichter Wolkenschleier, der
vorübergehend heftige Regenschauer herabsendet. Im Jahresdurchschnitt
sollen nur 97 schöne, klare Tage vorkommen, 155 bedeckt mit
Regenschauer und 72 Tage ständiger Regen.

Selten sind elektrische Ansammlungen, Blitz und Donner, und nach dem
Glauben der Eingeborenen besucht dann ihr Gott „Ani“ die Insel und
kündet seine Nähe durch zuckende Blitze und rollenden Donner an.

Ganz auffallend ist, wie wenig Ueberlieferung bei diesen Volksstämmen
vorgefunden wird, nichts vernimmt man von großen Thaten, nichts von
hervorragenden Häuptlingen; das Leben und Wirken früherer Geschlechter
ist einfach ausgewischt, selbst im Gedächtnisse der Alten. Ob so
geringe Theilnahme vorhanden, ob wirklich nichts Wichtiges in Sagen
und Gesängen zu überliefern war, steht dahin, jedenfalls ist das,
was an Ueberlieferungen vorhanden ist, so gering und unbestimmt, daß
kein Schluß daraus auf das Vorleben dieser Stämme zu machen ist. Nur
die Steine reden, wo der Menschen Mund schweigt -- gewaltige Bauten,
heute noch ausgedehnte Ruinen, stehen als Wahrzeichen einer längst
entschwundenen Zeit und bezeugen die Thatkraft und Klugheit, welche
den vergangenen Geschlechter innegewohnt hat. Woher sie stammen,
darüber fehlt jede Spur; so staunend der Europäer die gewaltigen von
Menschenhand errichteten Werke betrachtet, ebenso kopfschüttelnd
und zweifelnd steht der heutige Eingeborene vor den Werken seiner
Vorfahren. Die Antwort, die ich auf meine Frage erhielt, wer diese
gewaltigen Mauern und Bauten aufgeführt habe, wie es möglich gewesen
sei, Felsblöcke so übereinander zu thürmen und genau in passende Lage
zu bringen, war; daß habe Niemand gethan; vor langer, langer Zeit habe
ein schöner junger Mensch, ein Gott, in den Bergen gewohnt, der habe
zu den Steinen gesagt, sie sollten sich aufeinander legen und so wären
diese Mauern und Bauten entstanden.

Ich ging durch die Ruinen von Kusai, als ich diese Antwort erhielt;
der Eingeborne, der sie mir gab, schien mir einer der aufgeweckteren zu
sein, überzeugen aber ließ er sich von der Nichtigkeit seiner Angaben
nicht und ich erhielt damit den Beweis, daß diese von den Vorfahren
aufgeführten Werke heute von den Nachkommen als etwas Unnatürliches
angesehen werden.

Aus gleicher Veranlassung müssen sowohl auf Ponapè wie auf Kusai vor
Jahrhunderten diese Bauten errichtet worden sein und demselben Zweck
gedient haben, da die Lage und Wahl des Ortes auf beiden Insel die
gleiche ist. Diese am Metalanim-Hafen auf Ponapè und im Lela-Hafen auf
Kusai liegenden Ruinen erzählen eine Geschichte, mit Felsentrümmern
aufgeführt, mit Steinen geschrieben und sind eine Ueberlieferung aus
der großen längst entschwundenen Zeit eines einsichtigen Volkes. Die
Eingebornen, von einem einheitlichen Willen einst beherrscht und
geleitet, haben wahrscheinlich diese sowohl zur Vertheidigung wie
zum Wohnsitz geeigneten Bauten aufgeführt. Weniger auffällig wäre
es, wenn aus kleinerem Gestein solche mächtigen Mauern, die große
Quadrate umschließen, aufgeführt worden wären. Das ist aber nicht der
Fall, Felsstücke von ungeheurem Gewichte sind aufeinander gethürmt;
Zwischenräume mit kleineren ausgefüllt; 20 Fuß hoch und 12 Fuß breit
liegen Gesteinmassen in dieser Höhe, die mit ungewöhnlichem Aufwand von
Kraft und Geschick hinaufgeschafft sein müssen.

Selbst wenn man annimmt, die mächtigen Blöcke seien auf schrägliegender
Unterlage aufgerollt worden, so fehlt doch die Erklärung dafür, auf
welche Art diese an Stelle geschafft wurden, zumal da auf der Insel
Lela die Steine erst über eine weite Wasserfläche haben geschafft
werden müssen. Möglich ist auch, daß die Eingeborenen die so großen
und schweren Felsstücke auf Flöße gerollt und weiter geschafft haben,
aber dann müssen solche auch eine ganz bedeutende Tragfähigkeit
besessen haben. Jedenfalls muß der Gedanke, daß dies alles ohne unsere
heutigen Hülfsmittel ausgeführt ist, jeden, der diese Bauten gesehen,
in höchstes Erstaunen versetzen. Jedes Quadrat in den Ruinen ist durch
Gänge mit einander verbunden, es führen lange Kanäle zum Wasser, und
an der Südseite von Lela münden diese in eine Art von künstlichen
Hafen, dessen Umrisse zwar noch erkennbar, doch zum größten Theil
durch Anschwemmungen verwischt und mit Mangrovengebüsch bedeckt sind.
Uebrigens, als der Aufbau dieser Steinmassen vor nicht festzustellenden
Jahrhunderten begonnen, ist die heute verschwemmte weite Bucht des
Lelahafens bis zum Fuße der Bergmassen auf der Insel Kusai frei
gewesen, heute erstrecken sich dagegen in der Runde große ausgedehnte
Mangrovensümpfe, durch die nur einige wenige Wasserstraßen führen, und
sind höchstens mit einem Kanoe bis zum festen Lande befahrbar.

Ein Beweis dafür, welch ein gewaltiger Zeitraum hingegangen ist, seit
diese Werke ausgeführt wurden, ist, daß das Innere der Ruinen sowohl,
wie selbst die Steinwälle vollständig überwuchert sind. Hohe Bäume
stehen auf den Mauern, tief sind deren Wurzel ins Gestein eingedrungen
und haben selbst die mächtigen Blöcke durch ihr Wachsthum auseinander
gesprengt. Wie lange diese Ruinen als einstige Residenz der Könige
gedient haben, sei dahingestellt, sie wurden schließlich ein Mausoleum
der großen Todten und sind heute noch die Grabstätte der „Tokesau“
(Häuptlinge).

* * * * *

Die Insel Kusai, die östlichste der Karolinen-Gruppe, unterscheidet
sich von Ponapè nach Form und Größe, sowie dadurch, daß das diese
Insel umgebende Riff bei weitem nicht die lagunenartige Bildung
aufweist, sondern mit dem Lande mehr verbunden bleibt, und nur größere
Ausdehnung an der Nordwest, Nord und Nordostseite hat. An der ersteren,
durch einen Durchbruch im Riff, wird dort der Coquille-Hafen, an
der letzteren durch die Insel Lela „Nin-molchon“ von den Eingebornen
genannt, der Lelahafen gebildet, während im Süden durch Inselchen auf
dem Riffe selbst, durch eine Einbuchtung der Felsenmassen, die hiervon
umgeben sind, der kleine aber sichere Lottin-Hafen entstanden ist.

In jeder Hinsicht stimmen sonst die beiden Inseln überein, was von
der einen gesagt, gilt auch von der anderen; dieselbe Großartigkeit
der wilden Natur, dieselbe Unzugänglichkeit zu dem Innern und zu den
steilen Bergen, wie auch dieselbe furchtbare einstige vulkanische
Thätigkeit.

Vorauszusetzen ist, daß auf dieser so fruchtbaren Insel eine ebenso
zahlreiche Bevölkerung gelebt hat, wie auf Ponapè; selbst im ersten
Drittel dieses Jahrhunderts war die Zahl der Bewohner noch mehr als
doppelt so groß wie heute. Früher sollen sogar nach Angabe der ältesten
Eingebornen viel tausende rings auf der Insel gelebt und gewohnt haben.
Die einst zahlreich genug waren, stark bemannte Schiffe zu nehmen, und
im heißen Kampfe die gut bewährten weißen Männer zu überwältigen, sind
heute nur noch ein kleines Häuflein Menschen, 300 an Zahl.

Furchtbar hat eine schreckliche Seuche, eingeschleppt durch
amerikanische Walfischfänger, unter dieser Bevölkerung besonders
gehaust. In absehbarer Zeit wird auch der letzte Bewohner Kusais bei
seinen Vätern versammelt sein, denn keine menschliche Hilfe kann dem
Aussterben derselben mehr halt gebieten.

Schrecklich war es solche Kranke zu sehen, noch schrecklicher ihnen
mit Rath und That beizustehen. Manchem verband ich die Wunden, andere
lehrte ich wie solche rein zu halten und zu behandeln sind. Dafür waren
sie auch sehr erkenntlich; lag ich im Hafen von Lela, wurde mir von
Fischen, Schweinen und Schildkröten immer ein Antheil vom Könige Keru,
der mit christlichem Namen Georg II. hieß, an Bord gesandt. Es ist
nämlich Gebrauch, daß alle Speisen für den König sowohl, wie für die
Angesehensten insgesammt, bereitet werden, diese werden dann vor das
Haus des Königs gebracht und dieser bestimmt jedem seinen Theil.

Sehr unterwürfig sind die Unterthanen gegen ihren mit unbeschränkter
Gewalt ausgerüsteten König, keiner wird unaufgefordert dessen
hochgelegenes und kunstvoll aufgebautes Haus betreten, tief verneigt
sich jeder Vorübergehende; hat einer aber ein persönliches Anliegen,
kniet er auf der untersten Stufe der Treppe, die zum Hause hinaufführt
nieder und bringt in solcher Stellung sein Anliegen vor. Des Königs
Ausspruch ist Gesetz; so oft ich auch bei solcher Gelegenheit im
Königshause anwesend war, fand ich dies bestätigt.

Durch beiderseitiges Entgegenkommen stand ich mit dem Könige und den
Häuptlingen auf besonders gutem Fuße, was darauf zurückzuführen war,
daß ich auch ihnen unentgeltlich Arznei gab, ihre Wunden verband
und Schmerzen linderte. Sie lohnten mir dafür mit den Erzeugnissen
des Landes, oft brachten sie mir so viel, daß meine Leute kaum
alle Nahrungsmittel zu verzehren im Stande waren. Bei einer solchen
Gelegenheit erhielt ich Kenntniß von einem merkwürdigen Aberglauben.
Ich war im Lelahafen eingelaufen, und da ich Wassermangel an Bord
hatte, fuhr ich sofort mit einem Boote durch das Mangrovengebüsch den
Fluß hinauf zum festen Lande um die mitgenommenen Fässer auffüllen zu
lassen. Im Flußbett bemerkte ich auf klarem sandigen Grunde viele Aale,
die aber zu gewandt waren, als daß sie mit den Händen zu greifen waren,
nur ein mächtiges Thier von 4 Fuß Länge, dessen Schwanz wahrscheinlich
von einem Hai abgebissen war, konnte sich nur mühsam fortbewegen.
Diesen Aal im flachen Wasser zu ergreifen wäre zwecklos gewesen,
deshalb befestigte ich, um ihn doch zu erhalten, ein starkes Messer an
einer Stange, stieß dieses dem Aale durch den Kopf und nagelte ihn am
Grunde fest. Bald waren die Kräfte des Thieres erschöpft, und es gelang
die Beute zu sichern.

Zurückgekehrt zum Schiffe, fand ich dort eine ganze Zahl Eingeborner,
auch Häuptlinge versammelt, die wieder Geschenke gebracht hatten; kaum
aber hatten die Niue-Leute den großen Aal, den sie essen wollten, an
Deck gebracht und aufgehängt, als die Eingebornen zum großen Theil
auffällig verschwanden, ohne ihr Anliegen vorgebracht zu haben. Ich
las in aller Mienen Abscheu und Furcht, und einen Häuptling befragend,
warum sie sich vor solchem todten Thiere fürchteten, sagte er mir,
daß in den Aalen, die von niemand gegessen werden, der böse Geist sich
aufhalte, und wer solches Thier tödtet oder gar davon ißt, wird sicher
gestraft.

Dieser Ausspruch war genügend, um die gewiß von thörichtem Aberglauben
erfüllten Niue-Leute stutzig zu machen; sie ließen den Aal, dem sie die
Haut schon abgezogen hängen, und wiewohl ich sie thöricht und unklug
schalt, wollte doch keiner mehr etwas damit zu thun haben, viel weniger
davon essen; es blieb nichts anderes übrig als den „bösen Geist“
über Bord zu werfen, worauf dann erst die in ihren Kanoes wartenden
Eingebornen an Bord zurückkehrten.

Bemerkenswerth ist, daß Hundefleisch als besonderer Leckerbissen auf
Ponapè gilt und werden Hunde dort gerne eingetauscht und gemästet.
Ich hatte gelegentlich einmal einen elenden alten Hund, der mir von
Eingebornen der Marschall-Inseln angeboten wurde, angenommen, um das
Thier nicht elendiglich verkommen zu lassen; da es aber gar nichts
werth, dazu bissig und häßlich war, so nahm ich in Ponapè das Angebot,
es für zwei große Schweine abzugeben, an, zufrieden auf solche Weise
den Hund loszuwerden, dem keiner nahen durfte und der mit Vorliebe
seine Zähne in die nackten Beine der Leute einzugraben liebte.

Zeigen die Marschall-Insulaner im Flechten der Matten u. a. ganz
besonderes Geschick, so übertreffen die Frauen und Mädchen auf Kusai
in einer Hinsicht diese dennoch. Auf einem kleinen Webestuhle,
der eigenartig gebaut ist, weben sie aus feinem Baumbast sehr
kunstvolle Lendengurte, so fein und sauber -- die Zeichnungen und die
Zusammenstellung der verschiedenen Farben sind sorgfältig ausgeführt
-- wie es die kunstfertige Hand einer europäischen Dame nicht
fertigbringen würde. Als Schere, um die oft kaum zolllangen Fädchen
abzuschneiden, bedienen sie sich der messerscharfen Kante einer kleinen
Seemuschel.

Staunend habe ich oft in ihren Hütten dieser kunstvollen mühseligen
Arbeit zugeschaut. Wie der Knabe von Jugend auf sich mit dem Speere
übt, den schnellen Fisch im Wasser zu tödten, so sitzen die Mädchen
im jugendlichen Alter schon flechtend und webend, um ihre einfache
Kleidung so schön wie möglich zu schmücken, denn wie alle Evastöchter
sind auch diese einfachen Naturkinder nicht gänzlich frei von
Eitelkeit.

Daß früher schon die Bewohner Kusais unter sich nicht allein
Tauschhandel getrieben, sondern eine Art Werthgegenstand als Geld
benutzten, gleichwie afrikanische Völker die Kauri-Muschel, ist
erwiesen, und zwar haben sie die werthvolle Perlmutterschale dazu
benutzt, die auf tiefem Korallengrunde, namentlich in Ponapè häufig
gefunden wird. Von einer großen, sauber bearbeiteten Schale hatte
das Kernstück, nach Größe und Breite, einen entsprechenden Werth,
ein solches, etwa zwei Zoll breit und 6 bis 7 Zoll lang, wurde einem
Arbeiter als Tagelohn ausbezahlt, die kleineren Stücke galten weniger.
Wann aber dieses Geld, von dem ich einige Stücke noch in Lottin-Hafen
bekam, in Kurs gewesen, darüber konnte ich gewisses nicht erfahren.

Einst nach längerer Abwesenheit nach Jaluit zurückgekehrt, erfuhr
ich, daß in der Zwischenzeit, ein mir auch bekannter Europäer am
Strande ermordet worden sei. In dunkler Abendstunde aus einer der
Wirthschaften, deren zwei vorhanden waren, heraustretend, sei er von
Malayen die irgend ein Schiff zurückgelassen, überfallen und getödtet
worden. Ein Racheakt sei es gewesen und eine Verwechslung habe in
der Dunkelheit stattgefunden, und ihr sei dieser junge Mann zum Opfer
gefallen.

Der Mörder und seine Mitschuldigen waren schnell gefaßt und dem
eingelaufenen deutschen Kriegsschiffe „Bismarck“ ausgeliefert worden;
der Thäter büßte seine Schuld mit dem Leben.

Am Abend jenes Tages, an welchem ich in Jaluit eingelaufen war, folgte
ich der Aufforderung des Leiters unserer Gesellschaft, den Abend
mit Billardspielen gemeinschaftlich hinzubringen. Um diese Absicht
auszuführen begaben wir uns zu dem Hause des deutschen Wirthes, das
gewöhnlich von den Europäern besucht wurde. Nicht weit davon lag die
Wirthschaft eines Schwarzen, der mehr Zuspruch von den zu Zeiten im
Hafen anwesenden Schiffsbesatzungen hatte; hier pflegte es öfter auch
recht lebhaft zuzugehen. Es mochte etwa 9 Uhr abends geworden sein, als
ein wilder Lärm von jenem Hause herüberschallte, unter anderen hörte
ich die lärmenden Stimmen meiner Niue-Leute heraus. Daß einige an Land
gegangen waren wußte ich, ich hatte ihnen selber Urlaub gegeben, daß
aber der Steuermann, ein von mir in Ponapè aufgenommener Matrose, der
dort von einem Schiffe krank zurückgelassen worden war, ein Norweger,
entgegen meiner Weisung die ganze Besatzung an Land gelassen und ihr
noch dazu Geld zu Schnaps gegeben hatte, ahnte ich nicht.

Sogleich unterbrach ich das Spiel und eilte in der Meinung meine Leute
seien mit anderen in Händel gerathen, zu dem anderen Wirthshause. Als
ich schnell das Haus erreicht, fand ich in der Schenkstube eintretend
allerlei Volk vor, darunter meine ganze Besatzung. Alle waren
angetrunken und zwei Parteien befanden sich im heftigen Streite, der
augenblicklich verstummte, als ich meinen Leuten befahl, sofort an Bord
zu gehen. Aber nur einige waren vernünftig und folgten der Weisung,
vier weigerten sich entschieden zu gehorchen; als sie auch einer
zweiten Aufforderung nicht Folge leisteten, faßte ich schließlich,
durch die Widersetzlichkeit aufgebracht, einen an, und schob ihn der
Thüre zu. Kaum aber war meine Absicht den Umstehenden klar, als ich
von hinten gefaßt und mit Faustschlägen zu Boden gestreckt wurde;
im Fallen riß ich den Angefaßten mit mir, der auf mich fiel, dieser
Umstand rettete mich, denn so kurz die Zeit auch war, bis der Mann aus
meinen Händen befreit werden konnte, sie genügte um die Schaar, welche
mit gezückten Messern und dem Rufe „tödtet den weißen Mann“ „_kill the
white man_“, von der Mordthat zurückzuhalten.

Wider Erwarten war ich plötzlich frei und von dem Eigenthümer des
Hauses, einem riesigen Neger, aufgerichtet sah ich, wie ein Weißer
einen wuchtigen Stock auf die Köpfe der braunen Gesellen niedersausen
ließ, die durch Fenster und Thüren entflohen. Der Retter in der Noth
war ein amerikanischer Schiffsführer, von Honolulu, der gegen Abend
noch in den Hafen eingelaufen, hier zufällig vorbeigekommen und mit
angesehen hatte, wie ich niedergeschlagen wurde.

Meine Leute, soviel ich gesehen, waren es nicht gewesen, welche
die Messer gezogen, die Uebelthäter aber wollten oder konnten sie
nicht nennen, wenigstens konnten diese nicht ermittelt werden. Der
deutsche Konsul mußte sich also damit begnügen die vier Mann, die
Widersetzlichkeit gezeigt, dafür drei Tage lang in Eisen zu legen.

Nicht lange nach diesem Vorfall war mein Schiff wieder segelfertig, um
eine Reise nach den Karolinen anzutreten; ich wurde von verschiedenen
Seiten gewarnt, mit solcher Besatzung wieder in See zu gehen, denn dem
rachsüchtigen Charakter der Niue-Leute sei nicht zu trauen. Indes ich
verließ mich darauf, daß es keiner wagen würde, eine Meuterei an Bord
auszuführen, da sie wohl wußten, daß sie vielleicht elendig auf See
verhungern müßten, wenn sie ihren Führer überfallen und tödten würden.
Wieder ging ich, ohne einen Europäer an Bord zu haben (der vorige wurde
nach jenem Vorfall an Land sofort abbezahlt) in See, machte dafür aber
einen der Niue-Leute jetzt zum Bootsmann, und als am Horizonte das
letzte Land verschwunden war, rief ich die Leute alle zusammen und
machte ihnen den Standpunkt klar.

Ihr vier, Bela, Sepona, Fiticefu und Mißcoffi, erklärte ich, seid dafür
bestraft worden, was ihr in der Trunkenheit an Land begangen habt,
zehnfach härter aber fällt die Strafe aus, wenn ihr ein Gleiches an
Bord versuchen solltet. Für mich ist die Sache abgethan und ich hoffe
für euch ebenfalls, doch, da ich euch nicht unbedingt vertrauen kann,
so bin ich auf alles gefaßt und vorbereitet; zeigt ihr Ungehorsam oder
gar Widersetzlichkeit, dann fallen die Folgen auf euch, also thut wie
früher eure Pflicht.

Und die Leute thaten sie. Ich hatte nicht zu klagen, es schien als
wollten sie durch Willfährigkeit gut machen, was sie in einer schwachen
Stunde, als sie nicht Herr ihrer Sinne mehr gewesen, begangen hatten.

Auf dieser Reise nun lief ich die Insel Kusai zuerst an, um dann über
Ponapè nach dem Providenz-Atoll weiterzusegeln. Nach erfolgter Ankunft
im Lela-Hafen kamen am anderen Morgen 16 Eingeborene der Gilbert-Gruppe
mit einem großen Brandungsboote zu mir an Bord und baten, ich möchte
sie nach Jaluit mitnehmen.

Sie wären, erzählten sie, vor wenigen Tagen auf Kusai gelandet, nachdem
sie zehn Tage auf dem Ozean zugebracht, kraftlos und nahezu verhungert,
hätten sie die größten Qualen erduldet, ehe sie an dieser Insel in
dunkler Nacht angetrieben wären. Ihre Heimath, die Insel Apamama,
hätten sie mit ihrem Boote verlassen, um nach der nördlicher gelegenen
Insel Maiana zu segeln, der starke Aequatorialstrom aber hätte sie
weggeführt.

Bis ihre letzten Kräfte erschöpft gewesen, so lange hätten sie
verzweifelt gegen Strom und Wogen angekämpft, dann aber, als die
wenigen im Boot befindlichen Kokosnüsse aufgezehrt waren, Hunger und
Durst sich eingestellt, hätten sie ihr Segel gesetzt und wären immer
vor dem Winde laufend, nach Westen gesegelt, wo, wie sie früher gehört,
große Inseln liegen sollten. Einsam auf dem unendlichen Ozean in einem
offenen Boote fahrend, den schrecklichsten Leiden preisgegeben, hätten
sie keine andere Hoffnung gehegt, als die, vielleicht im fernen Westen
Land zu finden. Aber nie hätten sie Land angetroffen. Da alle zum Tode
erschöpft waren, so würden sie so, wenn sie nur wenige Meilen südlich
von Kusai, vorbeigetrieben wären, in wenig Tagen schon dem Hunger und
Durst erlegen sein.

Welche Qualen diese 10 Männer und 6 Frauen erduldet hatten konnte man
daran sehen, daß die Hölzer im Boot mit den Zähnen angebissen waren;
das Grüne, welches sich durch faulendes Wasser im Boot angesetzt hatte,
war mit den Fingernägeln ausgekratzt worden, selbst ihre mangelhafte
Bekleidung aus Grasschurzen bestehend, hatten sie aufgegessen und damit
den furchtbaren Hunger zu stillen versucht. Daß das Boot am Riffe in
der Brandung nicht zerschlagen, die zum Tode erschöpften Menschen nicht
am sicheren Gestade zu Grunde gingen, hatten sie einzig dem Zufall zu
danken. Todesmatt waren sie von Bewohnern Kusais aufgefunden, gespeist
und getränkt, nicht nach Art eines barbarischen Volkes als Feinde
angesehen worden; sie wurden zum König nach Lela gebracht, der ihnen
Speisen geben und eine Wohnstätte auf der Hauptinsel anweisen ließ, wo
sie warten könnten, bis ein Schiff sie mitnehmen würde. Ihren Wunsch
gleich mitgenommen zu werden mußte ich freilich auch abschlagen, da
ich noch eine weite Fahrt vor mir hatte, allein ich versprach, sie auf
meiner Rückreise von den Providenz-Inseln, abzuholen, und verwandte
mich beim König Keru für sie, daß derselbe sie auf einige Wochen noch
behalten möchte.

Von Ponapè segelte ich weiter nach Ujelang, der Hauptinsel im
Providenz-Atoll, die etwa 240 Seemeilen nordost von der hohen
Karolinen-Insel entfernt liegt, hier auf diesem einsamen Atoll fand
ich nur etwa 40 Menschen vor, weißköpfige Greise unter ihnen, die
erzählten, daß ihre Voreltern von den Marschall-Inseln mit Kanoes
vertrieben seien, diese wären einst auf der einsamen Insel gelandet und
hätten viele, viele Jahre verlassen gelebt, bis der weiße Mann gekommen
sei und sich hier niedergelassen habe.

Einsam und trostlos genug fließt die Zeit und das Leben den wenigen
Bewohnern auf dieser weltentlegenen Insel hin, vor allem für den
Europäer, einem Deutschen, der höchstens alle acht Monate einmal, wenn
ein Schiff einläuft, sich mit einem gebildeten Menschen unterhalten und
freuen kann. Die Aufgabe die diesem Manne gestellt, ist nicht leicht,
ein arbeitsames Leben muß ihn vor Schwermuth bewahren; die eigentliche
Kultur soll er hier einführen und auf dem steinigen Korallenboden
Kokosplantagen anlegen, deren Ertrag in späterer Zeit die aufgewendete
Müh' und Arbeit lohnen soll.

Alle Bewohner dieser Insel leben nahe der deutschen Station und
arbeiten für diese und von Fleiß und stetiger Arbeit zeugt es,
daß 70000 Kokosnüsse und junge Bäume in weniger als zwei Jahren
ausgepflanzt worden sind. Heute stehen auf einst ödem Korallengrunde
Palmenhaine, deren Wipfel stolz im Winde rauschen, ein melodischer
Gesang zu der donnernden Woge, die sich ewig in ohnmächtiger Wuth an
diesen Gestaden bricht. Auch hier werden in ferner Zukunft einst, wenn
die jetzt schon mit Korallenpatschen dicht besäte Lagune geschlossen
worden ist, sich ausgedehnte Landflächen bilden, auf denen die
Tropenwelt ihre ganze Pracht entfalten kann. Der Lebensunterhalt der
wenigen Bewohner besteht aus der Kokosnuß, Taro, Fischen und Hühnern,
letztere sind in großer Zahl vorhanden, ebenso Enten, die, da kein
Eingeborner auf allen diesen Koralleninseln die Eier als Nahrung
betrachtet, sich stark vermehren können. Jedesmal erhielt ich in
Ujelang hunderte in Seesalz aufbewahrte Eier, die mir stets willkommen
waren.

An solchen einsamen Gestaden halten sich auch mit Vorliebe die
mächtigen Riesenschildkröten auf, um zur Brutzeit am Strande ihre Eier
im Korallensande einzuscharren, die allein die heißen Strahlen der
Sonne auszubrüten vermag. In der Brutzeit kommt das Weibchen dreimal
an's Land und setzt jedesmal etwa 140 Eier ab, hält sich aber stets in
der Nähe auf, um die aufgekommenen Jungen, die instinktmäßig dem Wasser
zustreben, zu schützen. Wie mir versichert wurde, lauert das Männchen
der jungen Brut auf und frißt eine große Zahl der jungen Thierchen,
denen außerdem auch von großen Seevögeln viele Gefahren drohen, in
Wirklichkeit gelangen aus der großen Anzahl Eier nur verhältnißmäßig
wenige zur Entwicklung.

Der Fang solcher Riesenschildkröten, der in mondhellen Nächten
ausgeführt wird, ist nicht so ganz ungefährlich, gewandt und schnell
muß man dabei verfahren, das Thier von der Seite am Panzer zu fassen
suchen und es auf den Rücken werfen. Um nicht durch Bisse oder die
scharfen Krallen verwundet zu werden, bedienen sich die Eingebornen
gewöhnlich bei großen Thieren starker Stöcke, die sie unter den
Brustpanzer schieben und so das Thier umzuwerfen versuchen, das auf
ebenen Boden dann unfähig ist, sich wieder umzuwälzen und zu entkommen.

Bei Gelegenheit meiner zweiten Anwesenheit auf Ujelang wurde einer
großen Schildkröte nächtlicherweile aufgelauert, deren Brutstätte
bekannt geworden war, es gelang uns wirklich, das mächtige Thier
abzufangen. Nachdem das Thier mit schweren Knütteln getödtet war, wurde
ihm der Brustpanzer mit scharfen Messern abgelöst; neben dem fetten
wohlschmeckenden Fleische fanden wir 140 reife Eier vor, die kugelrund
und mit einer weichen, lederartigen Schale umgeben sind. Letztere
werden als besondere Leckerbissen angesehen, doch fand ich, daß sie,
gekocht oder gebraten, einen etwas strengen Geschmack haben; wenn auch
sehr nahrhaft, so sind sie doch nicht frischen Hühner- oder Enteneiern
gleichzustellen. Diese Schildkröte wog etwas über 500 Pfund, doch waren
auf Ujelang schon größere und schwerere gefangen worden. Zieht man bei
solchen Thieren ihr langsames Wachsthum in Betracht, so müssen solche
Meerbewohner ein hohes Alter erreichen.

In keinem Atoll habe ich so viele ausgedehnte Riffpatschen gefunden wie
gerade hier, deshalb hat das Hindurchwinden mit einem Schiffe seine
Schwierigkeit, ehe man von der Hauptdurchfahrt aus die Insel Ujelang
erreicht. Mir fehlte es stets an Zeit und Gelegenheit nachzuforschen,
ob die Angaben der Bewohner, im Westen der 12 Seemeilen langen Lagune
steigen zeitweilig heiße Dämpfe auf, wahr seien, was auf vulkanische
Thätigkeit schließen lassen würde. Daß solchen Angaben etwas
Richtiges zu Grunde liegen müsse, daran zweifelte auch der deutsche
Händler nicht, besonders deshalb, weil die Bewohner nur ungern den
westlichen Theil der Lagune aufsuchten; hat dort jedoch wirklich eine
unterseeische Kraft sich geäußert, so liegt ein stattgehabter Ausbruch
doch jedenfalls eine Reihe von Jahren zurück.

Von Ujelang segelte ich geradewegs nach Kusai zurück, holte dort die 16
vertriebenen Gilbert-Insulaner ab und brachte sie mit ihrem Boote nach
Jaluit, von wo sie später mit einem anderen Schiffe in ihre Heimath
zurückbefördert wurden.

Es war gegen Ende des Jahres 1886, als ich von der Karolinengruppe
zurückkommend Kusai auf dem Rückwege anzulaufen hatte, um dort vom
Könige Georg eine alte Schuld einzufordern, die aus einem Quantum
von 20000 Pfund Kopra bestand. Ich lag allein im Lela-Hafen und
weilte gerade auf dem höchsten Punkte der Insel, Nin-moschon, als von
Eingebornen der Ruf erscholl ein „Schiff in Sicht“. Wirklich kam von
Norden mit schneller Fahrt ein in diesen Gewässern nicht oft gesehenes
Fahrzeug, ein Dampfer, heran. Als dieser näher gekommen war, erkannte
ich ein deutsches Kriegsschiff, das dem Anscheine nach im Lela-Hafen
einlaufen wollte. Ehe ich aber vom Berge herab an Bord meines Schiffes
gelangen konnte, hatte es vor der Einfahrt beigedreht und nur ein
niedergeführter Kutter nahte sich mit raschen Ruderschlägen. Das
Boot fuhr geradezu zum Hause des Königs, es landete ein Offizier mit
mehreren der Bootsbesatzung und, noch erstaunt, was der plötzliche
Besuch zu bedeuten habe, sah ich bald nach kurzer Verhandlung mit dem
Könige und den Häuptlingen, wie mit kräftigen Axtschlägen das deutsche
Protektoratsschild niedergeschlagen wurde.

Für uns Deutsche in dieser weltentlegenen Inselwelt, die stets der
Ansicht waren, daß die einmal gehißte stolze deutsche Flagge nimmermehr
würde niedergeholt, die reichen Karolinen-Inseln für alle Zukunft
ein Theil des deutschen Reiches bleiben würden, war die unerwartete
Rückgabe derselben an ein Volk, das sich nie um den beanspruchten
Besitz und um sein zweifelhaftes Recht gekümmert hatte, ein harter
Schlag. Wie auf Samoa, so mußten auch hier die Deutschen ihr kühnes
Hoffen, auf deutschem Grund und Boden zu streben und zu ringen, so
bald zu Grabe tragen. Ja, was ich später erfuhr, auf Ponapè haben
die weißen Händler, als das Niederholen der Flagge angekündigt war,
trauernd am Fuße des Flaggenmastes auf Lungur-Eiland gestanden und
über sich die Flagge halbstocks wehen lassen, aus Leid darüber, daß die
lange, friedevolle Zeit vorüber, daß ein Volk, dessen Ansprüche keiner
begreifen konnte, fortan hier herrschen sollte.

Und es kam der gefürchtete Kampf, furchtbar und ernst, verhängnißvoll
für die, welche ein freies unabhängiges Volk geknechtet, das noch
nie den Weißen hatte gehorchen gelernt, unheilvoll auch für die, die
Jahrzehnte schon in Frieden hier gelebt hatten.

Der kommandirende Offizier kam später zu mir an Bord und ich vernahm
die traurige Nachricht, daß von nun an die Karolinen-Inseln unter
spanischer Oberhoheit gestellt seien. Nach kaum zwei Stunden zog der
„Albatros“, der auf allen Inseln die deutsche Flagge niedergeholt
hatte, seines Weges weiter, und das, was wir Deutsche mit Stolz unser
genannt, es war dahin! --

Noch am selben Abend besuchte ich den König, um das Nähere wegen der
Einschiffung der Ladung mit ihm zu verabreden, doch kam ich jetzt bei
diesem schön an, er weigerte sich entschieden, die Schuld zu bezahlen,
unter dem Vorwand, er stünde nicht mehr unter deutscher, sondern
spanischer Protektion. Eine Verständigung über den streitigen Punkt war
nicht möglich, der sonst immer freundlich und entgegenkommende König
kehrte plötzlich ganz andere Seiten heraus, mir blieb nichts übrig,
als die Forderung fallen zu lassen und unverrichteter Dinge abzusegeln.
Aber daß der König und seine Häuptlinge ein volles Verständniß von dem
Protektoratswechsel gehabt haben, bezweifele ich -- doch wie so bald
sollten sie den Unterschied kennen lernen.

Dahin war die Zeit friedevoller Ruhe, dahin die Zeit, wo wir Weiße
sicher in den Hütten der Eingebornen aus- und eingehen konnten, der
besten Gastfreundschaft, des Schutzes und der Führung gewiß. Was die
neuen Herren ihnen angethan, das reizte sie zur hellen Empörung, weckte
die schlummernde Rache, und nicht diese allein sollten dem Verderben
geweiht werden, sondern auch alle Fremden, weiße oder braune.



VI. Der Aufstand und Kampf auf Ponapè.


Schnell, als wollten die Spanier sich ihres neuen Besitzes auf alle
Fälle sichern, und was sie in Jahrhunderten versäumt hatten, jetzt
plötzlich nachholen, entfalteten sie ihre Macht auf allen Mittelpunkten
d. h. auf den Inseln Yap, Ruck, Ponapè und anderen. Wenig Rücksicht
nahmen sie auf die Gefühle bisher ganz unabhängiger Stämme, sie führten
jene bekannte Gewaltherrschaft ein, durch welche Spanien im Laufe der
Zeiten sich um seine blühendsten Kolonien gebracht hat. Durch Militär-
und Priesterherrschaft sollte die Kultur dem freien Volke aufgedrängt
werden.

Da den Eingebornen keine Zeit gelassen ward sich allmählich an die
neuen Verhältnisse zu gewöhnen, so fühlten sie den ihnen auferlegten
Zwang doppelt hart. Die Strenge, die angewendet wurde, sie zum
Gehorsam und zur Ergebenheit zu zwingen empörte sie; Wege und andere
Bauten auszuführen, wie sie es für die langansässigen, amerikanischen
Missionare freiwillig gethan, weigerten sie sich, sie fügten sich auch
nicht gutwillig der Forderung, umsonst schwere Tagesarbeit zu leisten.
Grollend zogen sich die Eingebornen zurück, im Herzen Wuth und Rache
schnaubend. Ganz sorglos müssen die Spanier gewesen sein, oder sie
haben gar zu gering einen möglichen Widerstand geachtet, sonst hätten
sie den Anzeichen eines kommenden Sturmes, der warnenden Stimme eines
hier ansässigen spanischen Abkömmlings von der Insel Guam, Manuel de
Tores, mehr Beachtung geschenkt.

So nahte das Verhängniß, durch Gewalt und Ungerechtigkeit
heraufbeschworen. Die beleidigten Häuptlinge, der zumeist betroffenen
Bezirke im Norden von Ponapè, nämlich Jokoits, Nut, Mants, Tohuak und
andere, sammelten ihre Schaaren, und es wurde beschlossen die Spanier
einfach aus dem Lande zu jagen. Festgesetzt als Tag der Rache wurde der
vierte Juli 1887; also nach nur wenigen Monaten hatten die Spanier sich
schon so verhaßt gemacht, daß die Eingebornen verzweifelt zu den Waffen
griffen und sich ihre Freiheit um jeden Preis erkaufen wollten.

Gegenüber der Insel Lungur, der deutschen Station, nach Süden am festen
Lande war das spanische Regierungsgebäude errichtet worden und war in
gewisser Hinsicht durch die Kanonen der im Hafen liegenden spanischen
Korvette „Maria de Melina“ gedeckt, obwohl 130 Soldaten, meistens
Malayen von den Philippinen-Inseln, als persönliche Bedeckung dem
Statthalter zur Verfügung standen.

Am 1. Juli 1887 (vorher war schon manche Versammlung der Eingebornen
verboten und zersprengt worden) sandte der Statthalter zum gleichen
Zwecke eine Abtheilung unter den Offizieren Don Ricardo Martinez und
Don Alferes ab, um abermals eine große Versammlung aufzulösen, auch
hatten die Führer wohl den Auftrag, den Häuptling des Bezirks mit
sich zu bringen. Auf welcher Seite nun die Schuld gewesen, das bleibe
dahingestellt; die Eingebornen sagen, wie mir später ein Theilnehmer
erzählte, die Spanier hätten auf sie gefeuert, wenn dies der Fall
gewesen, so war es das Signal für die zu hunderten versammelten
Bewohner, den Kampf schon jetzt zu eröffnen.

Wer diese Schluchten und Berge gesehen, die oft mit undurchdringlichem
Gebüsche bewachsen sind, worin jedes Felsstück jeder Baum einen
Hinterhalt bietet, kann sich denken, daß ein Widerstand gegen diese
einsichtigen, gut bewaffneten Bewohner vergeblich war.

In kurzer Zeit endete der Kampf mit der gänzlichen Vernichtung der
Spanier, auch der den Eingebornen auf Ponapè und uns Weißen so wohl
bekannte Dolmetscher Manuel de Tores fiel; ihm, einem langjährigen, mit
allem wohl vertrauter Händler, war bittere Rache zugeschworen worden,
weil er sich in die Dienste der Spanier gestellt; er wurde buchstäblich
in Stücke gehauen.

Nur zwei verwundete Malayen entkamen dem Blutbade und brachten die
Schreckenskunde von der Niedermetzelung der Abtheilung zum Fort. Zur
Stunde, als im Fort noch nichts über diese Vorgänge bekannt geworden,
weilte der Vertreter der deutschen Plantagen-Gesellschaft Herr Ruß beim
Gouverneur, der ihn zu sich gebeten, um über die gefährliche Lage, die
keinem unbekannt geblieben, zu berathen; auch sollte Herr Ruß so viele
Gewehre und Schießbedarf übersenden, als er irgend entbehren konnte.
Da traf die schlimme Kunde ein. Herr Ruß übernahm es, dem Kommandanten
des Kriegsschiffes die traurige Botschaft zu bringen, deren Tragweite
keiner ermessen konnte, und der ersucht wurde die nothwendigen
Maßregeln sofort zu treffen; Herr Ruß aber fuhr zu seiner Station und
übersandte dem Gouverneur das Gewünschte.

Die Eingebornen, durch den ersten Erfolg kühn gemacht, und längst
vorbereitet, den verderblichen Schlag zu führen, stürmten nun bald zu
tausenden nach dem Fort, und umstellten es so, daß kein Entkommen mehr
möglich war. Ihre Führer waren der Häuptling Lab in Nut und Nanamariki
von Jokoits.

Der Kommandant der „Maria de Melina“ führte sofort, auf die ihm
gewordene Nachricht, fast seine ganze Besatzung (nur 28 Mann blieben
an Bord zurück), in sämmtlichen Boten dem Statthalter zu Hilfe, aber
die flinken Eingebornen hatten das Fort schon umzingelt und warteten im
sichern Hinterhalt nur, so lange bis alle Boote in Schußweite gekommen,
um die Besatzung niederschießen zu können.

Kein Einziger der Offiziere und Soldaten kam mit dem Leben davon, die
meisten lagen alle todt in ihren Booten und die, welche schwimmend sich
zu retten suchten, traf die tödtliche Kugel im Wasser. Die Gemahlin
des Kommandanten, die sich an Bord befand, wurde durch solchen Anblick
tief erschüttert und vor Angst wahnsinnig. Der überraschende Erfolg
mochte wohl die Aufständigen stutzig gemacht haben oder sie waren über
die Zahl der Besatzung der „Melina“ ungenügend unterrichtet, denn sie
führten ihren Plan, das Schiff zuerst zu nehmen, nicht aus. Wären sie
gleich in der entstandenen Verwirrung mit ihrer Uebermacht vorgegangen,
würde es ihnen ein leichtes gewesen sein das Schiff zu nehmen.

So aber langwierige Berathungen pflegend, ließen sie den Ueberlebenden
an Bord Zeit, sich so zu verschanzen, daß ein Angriff auf das Schiff
nur unter schweren Verlusten noch möglich war.

Das Boot, welches Herr Ruß von Lungur mit Waffen und Munition
abgesandt, wurde auf dem Wege zum Fort angehalten und weggenommen,
dadurch bekamen die Häuptlinge den Beweis in die Hände, daß der
angesehenste aller Händler auf Ponapè die Spanier unterstützt hatte;
deshalb beschlossen sie, auch die Deutschen, welche auf ihrer Station
bisher nicht gefährdet waren, nieder zu machen.

Noch aber war das Fort erst umschlossen, in welchem eine kleine Schaar
sich vorbereitete, ihr Leben so theuer als möglich zu verkaufen. Hätten
die Feinde es unternommen am Tage die leichte Feste zu nehmen, wären
die Eingeschlossenen nicht ungerächt gefallen, so aber wählte der
verschlagene Feind die Nacht zum Angriffe, und nahm den größten Theil
der Befestigungen ein, nur wenige der Eingeschlossenen sahen den neuen
Morgen wieder, doch auch diese kleine Zahl sank vom tödtlichen Blei
getroffen, ehe aufs Neue Dunkelheit die Erde deckte.

Einen letzten verzweifelten Ausfall mit denen die die Schreckensnacht
überstanden hatten, unternahm der Statthalter am 2. Juli. Priester und
Klosterbrüder voran, verließen alle die unhaltbare Feste, um sich zum
Strande durchzuschlagen, aber der hinter Stein und Baum gedeckte Feind
mähte fast alle bis auf die durch ihre Kleidung kenntlichen Priester
nieder. Nur der Statthalter mit wenigen erreichte den Strand, fand aber
den Tod mit den letzten Getreuen, ehe er ein rettendes Boot erreichen
konnte, und wurde, ebenso wie der Dolmetscher de Tores, in Stücke
gehauen.

Später sah ich selbst die Klosterbrüder, die keine Waffe geführt und
deshalb unbelästigt das Schiff erreicht hatten, an Bord der „Melina“,
und ich muß sagen, auf ihren bleichen Gesichtern waren noch nicht alle
Spuren jener schrecklichen Tage und Stunden verwischt.

Der Eingeborne scheut den offenen Kampf, seine liebsten Waffen sind
Verschlagenheit und List. Das bewies auch die Botschaft, welche
die Häuptlinge am 2. Juli nach Lungur sandten, die die Zusicherung
enthielt, den Deutschen würde nichts geschehen. Wenn die Spanier
alle todt wären, wollten sie kommen und die deutsche Flagge wieder
aufhissen, es solle wieder so wie früher sein. Doch aus anderen
Nachrichten, welche überbracht wurden, war mit Sicherheit zu schließen,
daß alles nur ein Vorwand wäre, sogar, daß der Häuptling Lojap auf
Lungur schon Befehl erhalten hätte, die Station zu nehmen, keinesfalls
aber die Umschlossenen fliehen zu lassen.

Um das zu verstehen, muß man die Sinnesart der Eingebornen
berücksichtigen, Verschwiegenheit, auf die bei einem planmäßigen
Vorgehen gegen Feinde alles ankommt, kennen sie nicht, sie verrathen
sich und ihre Absichten selbst. So soll es auch ein offenes Geheimniß
gewesen sein, daß am 4. Juli ein Ueberfall auf die Melina geplant
war, der den Aufstand einleiten sollte; sie wollten wie sonst mit
Tauschgegenständen an Bord fahren, nur in größerer Zahl, und im
gegebenen Augenblick die ahnungslose Besatzung überwältigen.

Wären sie so vorgegangen, so hätten die Spanier unverzeihlich sorglos
sein müssen, wenn sie nicht im Kampfe Sieger geblieben wären und
die unbewaffneten Eingebornen von Bord geschlagen hätten. Dann
hätte der Aufstand auch einen ganz anderen, für die Spanier sicher
vortheilhafteren Ausgang genommen; ihr Verderben war jene erzwungene
Auflösung der am 1. Juli stattgehabten Versammlung.

Wie vorbereitet der Aufstand war, ist daraus zu schließen, daß selbst
die Bewohner der Inselgruppe Parkim, die 26 Seemeilen von Ponapè in
WNW.-Richtung gelegen ist, sich daran betheiligen wollten und alle
Vorbereitungen trafen, zum bestimmten Tage auf Ponapè einzutreffen.

Der deutsche Händler auf jenen Inseln Namens Schmidt, fuhr aber
unauffällig, wie schon sehr oft, als wüßte er nichts von allem, in
der Nacht zum 2. Juli ab und traf mit seinem Boote und seiner Familie
auf Lungur ein, gerade als Herr Ruß die bedenkliche Botschaft der
Häuptlinge empfangen hatte. Jetzt zu dreien auf der Station mit einer
Anzahl nicht einheimischer Arbeiter beschlossen diese, wenn möglich,
die Station zu halten. Doch am nächsten Tage wurde ihre Lage sehr
ernst, nach vollbrachter Niedermetzelung der Spanier, sammelten sich
die Aufständigen, um den Deutschen dasselbe Schicksal zu bereiten. Alle
anderen Händler auf Ponapè in den verschiedenen Häfen als Mants, Kiti
und anderen ansässig, waren gleich auf die Nachricht hin, die Spanier
seien alle gefallen mit ihren Booten auf die weite See entflohen,
mit Recht befürchtend, sie würden demselben Schicksal und der Rache
der Eingebornen verfallen, die jetzt, bis auf die amerikanischen
Missionare, jeden Fremden tödten wollten und sich bemühten, völligen
Kehraus zu halten.

Daß der Häuptling Lojap allein nicht einen Angriff auf die deutsche
Station unternommen hatte, lag daran, daß er wußte, wie gefährlich
im offenen Kampf die Waffe in der Hand der Deutschen war und, daß sie
die Drohung, auf jeden, der sich nähern würde, zu feuern, wahr machen
würden. Hatte er doch häufig genug unsern Schießübungen beigewohnt,
wenn wir auf bewegtem Wasser Flaschen oder andere Gegenstände
zerschossen und selten nur das Ziel verfehlten.

Die Häuser der Station, nur aus Holz erbaut, waren freilich
insofern ein ungenügender Schutz, als jede Kugel die schwachen Wände
durchschlagen mußte und so war die erste gemeinsam durchwachte Nacht
aufregend genug, da die Umschlossenen wohl bemerkten, wie die Feinde zu
ihrer Orientirung umherschlichen, ohne jedoch zum Angriff überzugehen.

Jene erwähnte Eigenschaft der Eingeborenen, nichts geheim halten zu
können, versetzte die Eingeschlossenen in die Lage, durch Kundschaft
die Absichten ihrer Feinde kennen zu lernen und zwar wurde die Frau
des Händlers Schmidt, eine Eingeborene von Ponapè am nächsten Morgen
ausgesandt, um sichere Nachrichten einzuholen. Dieselbe brachte denn
auch die Gewißheit, daß in der kommenden Nacht der erwartete Angriff
würde ausgeführt werden -- die Eingeborenen sammelten sich am Ostende
der Insel Lungur.

Dem gewissen Tode zu entgehen gab es jetzt nur noch eine Möglichkeit --
es mußte versucht werden, mit den Booten die offene See zu erreichen,
und wenn das gelungen war, dem Schicksale vertraut werden. Die drei
Deutschen, zwar bereit zu kämpfen, hatten doch aber auch Weiber und
Kinder zu schützen und sahen wohl ein, daß es ein Unding sei, die
große Station gegen eine hundertfache Uebermacht zu halten. Darum
wurden so geheim als möglich alle Vorbereitungen getroffen, um mit der
hereinbrechenden Dunkelheit die Flucht zu wagen.

Da die deutsche Station ziemlich frei gelegen war, konnte ungesehen
so leicht keiner herankommen, auch war es möglich, mit Schußwaffen
alle Seiten zu bestreichen. So führten denn die Arbeiter ungehindert
die Aufträge ihres Herrn aus und brachten so unauffällig als möglich
Lebensmittel u. s. w. zum Werfthause und legten Bootsgeschirr, Segel
und Ruder bereit.

Aber trotzdem wurde dies alles doch vom Feinde bemerkt und die Absicht
erkannt. Da die Werft ganz links von der Station lag, so konnte
nicht bemerkt werden, wie einige durchs Gebüsch und durchs Wasser
längs derselben sich hinschlichen und sämmtliche Boote, drei an Zahl,
losschnitten und treiben ließen. Die Bedrängten, die nun ihre letzte
Hoffnung schwinden sahen, setzten, als der Vorgang gleich darauf
bemerkt wurde, alles daran, die Boote wieder zu erhalten und einige
Arbeiter, tüchtige Schwimmer, brachten denn auch nach vieler Mühe zwei
derselben zurück.

Die Boote wurden nun auf dem Riffe gegenüber der Station im Bereich
der Waffen festgelegt, aber da man nicht daran gedacht hatte, daß
sie mit der ablaufenden Ebbe festkommen mußten, so kostete es viel
Zeit und Mühe, als um 8 Uhr Abends alles bereit war, nur eins der
Boote wieder abzubringen, und dieses, zum Ende der Werft gerudert,
sollte dort bemannt werden. Mit größter Vorsicht wurden die Frauen und
Kinder dorthin gebracht, die Männer trugen Geld, Bücher und Waffen
hin und fast schien es, als würden sie unbelästigt entkommen. Herr
Ruß aber, der als der letzte das Wohnhaus verschloß und zwei Behälter
mit Trinkwasser dann zum Boote schleppen wollte, wurde von einem
Kundschafter gestellt und angehalten, der schnell erkennend, was hier
vorging, seine Genossen durch einen lauten Ruf herbeizulocken suchte.

Wie groß die Gefahr, sah Herr Ruß schnell ein, er setzte also
die Behälter schnell nieder, und zwang mit gezogenem Revolver den
Verräther, der unbewaffnet war, dies Wasser selber in schnellster
Gangart zum Boote zu tragen. In größter Eile wurde darauf ins Boot
geworfen, was zur Hand war, vor allem Korallensteine aus der Werft
gerissen, um das Boot zu beschweren, dann sprangen die Nahestehenden
hinein und losgeschnitten trieb das Boot in die Nacht hinaus. Die
meisten der Arbeiter, die zurückbleiben mußten, sprangen seitwärts auf
das Riff und flohen strandaufwärts.

Keine Minute zu früh waren die Flüchtlinge entkommen, denn von allen
Seiten stürmten die Feinde heran; schnell folgten flinke Kanoes
den Fliehenden, die aber den Vorsprung ausnutzend und mit rasch
entfaltetem Segel vor dem Winde laufend, durch die Riffenge die offene
See gewannen, wo im bewegtem Wasser kein Kanoe ihnen mehr zu folgen
vermochte.

Man könnte fragen, warum die Deutschen sich nicht auf die „Maria
de Melina“ geflüchtet haben. Solcher Versuch aber wäre wohl
fehlgeschlagen, denn die Spanier hätten höchst wahrscheinlich auf das
in der Dunkelheit sich nähernde Boot Feuer gegeben. So würden sie den
Feinden entronnen, von Freunden niedergeschossen worden sein. Auch war
ihnen bekannt, daß in dieser Nacht der Versuch gemacht werden sollte,
die so schwach vertheidigte Korvette zu nehmen. Daß dieses unterblieb,
das hatte die schwache Besatzung der geglückten Flucht der Deutschen
zu danken, denn da diese nun den Händen der Aufständigen entgangen
waren, so wurde die Unschlüssigkeit unter den Häuptlingen wieder groß,
die vermeiden wollten, daß über die Vorgänge auf Ponapè irgend welche
Nachricht verbreitet würde. Sobald die Deutschen die freie See gewonnen
und keine Verfolgung mehr zu befürchten war, wurde beschlossen nach
der 75 Seemeilen von Ponapè in Südwest-Richtung liegenden Inselgruppe
Ngatik zu segeln, dem nächsten Land außer Parkim. Sie wurden aber durch
die Verhältnisse gezwungen diesen Plan aufzugeben, denn wie gut nämlich
auch alles vorher bedacht und überlegt worden war, in der Hast war
im letzten Augenblicke nicht darauf geachtet worden, was in das Boot
hineingeworfen wurde und nun stellte sich, als auf bewegtem Meere eine
Untersuchung vorgenommen wurde, zum allgemeinen Schrecken heraus, daß
nur sehr wenig Mundvorrath im Boote war.

Es blieb also nichts übrig, als den Kurs nach Parkim zu nehmen, wo es
vielleicht noch möglich war, aus dem Hause des Händlers Lebensmittel zu
holen, sofern die Eingeborenen es noch nicht erbrochen und ausgeraubt
hatten. Der frische Wind trieb das schnelle Boot durch die Wogen und
schon nach Mitternacht fanden die Flüchtlinge sich in der Nähe der
Station. Hier ließen Ruß und Schmidt ihr Boot mit seinen Insassen
zurück und gingen mit einigen Leuten auf Kundschaft aus; der dritte
Deutsche und ein Eingeborener von Guam (Marianen-Archipel) San Jago,
der mit den Deutschen alle Gefahren redlich theilte, blieben im Boote
zurück und bewachten einen der Parkim-Leute, der zur Bootsbesatzung
des Herrn Schmidt gehörte, und da ihm nicht zu trauen war, nicht
freigelassen werden durfte.

Was Eßbares noch im unversehrten Hause vorgefunden wurde (wenig genug
war es), wurde so schnell und geräuschlos als möglich fortgeschafft,
ebenfalls noch frische Kopra und zahlreiche Kokosnüsse. Alles ging gut,
in früher Morgenstunde konnte wieder abgesegelt werden, um jetzt den
Kurs südwärts nach Ngatik zu richten. Der gefangen gehaltene Mann wurde
vorher frei gelassen, schon um einen Esser weniger zu haben, es waren
ihrer im Boote doch genug.

Es war ein gefährliches Unternehmen. Die in dieser Jahreszeit
eintretenden Windstillen, die unbekannten Meeresströmungen, sowie
öfters sturmartige Böen von langer Dauer machten es mehr als
zweifelhaft, ob es den Seefahrern überhaupt gelingen würde, so
niedriges Land, wie die kleinen Koralleninseln es sind, aufzufinden;
doch im schlimmsten Falle konnte man das hohe Land von Ponapè immer
wieder aufsuchen, das bei klarem Wetter doch beinahe 60 Seemeilen weit
sichtbar blieb.

Mit dem seetüchtigen Boote war es auch nicht so sehr gefährlich
große Strecken zu machen, dennoch mag ihnen allen nicht sonderlich zu
Muthe gewesen sein, da keiner auf dem Ozean die Wege, die zu Land und
friedlichen Menschen führten, kannte.

So kam der Tag mit seiner Gluth, einsam zogen sie auf weitem Meere
dahin -- es kam die Nacht und brachte einen Gewittersturm, der sie
weit aus ihrem Kurs verschlug -- und wieder kam trostlos ein Tag für
sie; nun wußte keiner mehr wohin, auf bewegtem Ozean irrten sie umher,
kein Land in weiter Runde -- die Inselgruppe Ngatik fanden sie nicht
und mußten nun, um bloß zu wissen, wo sie sich befanden, nach Osten
gegen den Wind aufkreuzen. Tage sahen sie kommen und gehen, bis endlich
Ponapè wieder in Sicht kam.

Der Insel nahe, erkannte Herr Ruß, daß sie sich an der Südseite von
Ponapè befanden und wollte nun versuchen, in Kiti-Hafen einzulaufen,
wo, wie er wußte, im Hause des dort ansässig gewesenen amerikanischen
Händlers sich eine Seekarte befand, die, wenn noch vorhanden, ihnen
wenigstens einen Anhalt bot, wo sie weiter Land finden könnten. Wohl
erinnerte sich Herr Ruß, daß ich ihm den genauen Kurs nach Mokil, der
nächsten östlich von Ponapè liegenden Insel, einst angegeben hatte,
aber muthlos geworden, mit wenig Mundvorrath im Boote -- Wasser hatten
sie sich bei verschiedenen Regengüssen mit ihrem Segel aufgefangen --
mochte keiner mehr zu einer neuen Irrfahrt rathen.

Im Kiti-Hafen eingelaufen, bemerkten sie, daß die dortigen Bewohner,
die längst das sich nahende Boot erkannt, die Absicht hatten, mit
Kanoes ihnen den Weg zu verlegen, und nur mit genauer Noth entgingen
sie zum zweiten Male ihren Verfolgern. Auf Ponapè durften sie also
nirgends landen, sie segelten deshalb wieder nordwärts unter dem
Außenriffe hin und suchten die Parkim-Inseln abermals auf.

Ueberrascht, am Strande vor der Station das Boot des Herrn Schmidt
zu finden, erfuhren sie bald, daß die auf Ponapè zurückgebliebenen
Arbeiter noch in derselben Nacht, als sie selbst geflohen waren, dem
Beispiel ihres Herrn gefolgt und das zweite Boot mit steigender Fluth
vom Riffe frei gemacht hatten, um ihr Heil auf dem Meere zu suchen; ein
ungewisses Schicksal zogen die Leute dem gewissen Tode von der Hand der
erbitterten Feinde vor.

Die Deutschen fanden die Hauptinsel gänzlich verlassen, die Eingebornen
waren mit ihren Kanoes abgesegelt, nachdem sie die Station gänzlich
ausgeraubt hatten, um sich am Aufstand auf Ponapè zu betheiligen. So
konnten sie denn in Ruhe sich nach Lebensmitteln umsehen, sie fanden
fast nur Kokosnüsse und Brotfrucht, doch gelang es ihnen auch noch
einige Schweine zu schießen und Hühner einzufangen, die sie zubereitet
mit sich nahmen.

So ausgerüstet, wollte Herr Ruß zum zweiten Male versuchen Ngatik
aufzufinden. Auf Parkim durften sie nicht bleiben; die siegestrunkenen
Eingebornen hätten sie nach ihrer Rückkehr sicher nicht geschont. Sie
segelten also mit beiden Booten wieder ab und vertrauten sich abermals
dem Ozean an. Aber als der zweite Tag anbrach, fanden sie wieder
kein Land -- schon muthlos, zum Theil verzweifelt, wollten sie jetzt
das Boot westwärts laufen lassen, auf gut Glück einem unbestimmten
Schicksal entgegen gehen.

Doch nur kurze Zeit hielten sie diesen Kurs, da entdeckte einer
ihrer Leute, der auf den schwankenden Mast geklettert war, mit seinen
scharfen Augen in weiter Ferne südwärts die Kronen hoher Palmenbäume
über den im Sonnenlicht glitzernden Wogen, sein Ruf „Land, Land“ riß
alle aus ihrer Versunkenheit empor -- nach Stunden schon lag vor ihnen
das ersehnte und so vergeblich gesuchte Ziel -- hier wenigstens waren
sie sicher vor ihren einst so guten Freunden, nun aber um so mehr
erbitterten Feinden. --



VII. Das Auffinden der Entflohenen. Rückreise nach Samoa. Ende.


Die geschilderten Vorgänge sind die wortgetreue Wiedergabe dessen,
was mir die später Aufgefundenen erzählt haben und ich überzeugte mich
selber davon, daß alle Angaben der Wahrheit entsprachen, ja selbst, daß
die Irrenden auf weitem Meer viel Härteres erduldet hatten, als sie zu
berichten imstande waren.

Von jenen Ereignissen auf Ponapè, insonderheit davon, daß ein Aufstand
dort befürchtet wurde, ahnte auf den Marschall-Inseln Niemand
etwas. Ich lag mit meinem Schiffe „Futuna“ bereit, in wenig Tagen
über Pleasant-Eiland nach Ponapè abzusegeln, ebenso der deutsche
Dreimast-Schooner „Brigitta“, der, wie bestimmt, mit mir zusammen
dort eintreffen sollte. Es war am 6. Juli um die Mittagsstunde, als,
wie gewöhnlich, wenn ein Schiff in Sicht gekommen, das laute „Sail
ho“ von den Eingebornen auf Jaluit gerufen wurde und von den hohen
Schiffsmasten über die niedrige Insel hinweg auf den Ozean schauend,
erkannte man bald, daß das Missionsschiff, der Dampfer „Morningstar“
auf die Südostdurchfahrt von Jaluit abhielt. Doch wie sonst lief das
Schiff nicht in den Hafen ein, sondern drehte bei und sandte nur ein
Boot hinein, das geradewegs zum deutschen Reichskommissar fuhr und
diesem wichtige Nachrichten überbrachte.

Ohne Verweilen fuhr das Boot wieder ab; bald hatte sich die Kunde wie
ein Lauffeuer verbreitet, auf Ponapè hätten die Eingebornen unter den
Spaniern ein furchtbares Blutbad angerichtet, die deutschen und anderen
Händler seien diesem zwar glücklich entronnen, irrten aber auf dem
weiten Meere umher, dem sie sich in leichten Booten anvertraut hätten.
Alle Schiffe, die in Ponapè einliefen, ließen die Bewohner nicht wieder
fort, um zu verhindern, daß nach Westen den Spaniern Nachricht über den
Aufstand gebracht würde.

Welche Gefahr für die deutschen Stationen auf Ponapè entstanden war,
ließ sich gar nicht beurtheilen, vielleicht war der ganze Handel auf
dieser reichen Insel zerstört, vielleicht durch Vernichtung der Bauten
und Güter, der Gesellschaft ein ungeheurer Schaden zugefügt worden.

Leider war die mir gegebene Weisung, daß ich zuerst nach
Pleasant-Eiland laufen sollte, nicht mehr zu ändern, so wurden denn
schleunigst Waffen und Schießbedarf an Bord geschafft, damit wir, wenn
nöthig, uns vertheidigen könnten. In aller Frühe des 7. Juli verließ
ich den Hafen von Jaluit mit der Weisung, die Reise nach Möglichkeit
zu beschleunigen und, wenn ich Ponapè erreicht hätte, vorerst nach den
Entflohenen zu suchen; in dem Hafen dort aber nicht eher einzulaufen,
als bis ich mich vergewissert, ob solches ohne große Gefährdung für
Schiff und Mannschaft geschehen könne.

Nach Pleasant-Eiland, von welcher Insel ich eine beträchtliche Menge
Kopra für die „Brigitta“ abzuholen und auf welcher ich auch viel
Ladung, Güter und Holz, zu landen hatte, gelangte ich schon nach
wenigen Tagen und kreuzte hier unablässig drei Tage und Nächte. Schon
war am vierten Tage die Ladung zum größten Theil an Bord gebracht,
als der Wind plötzlich schwächer wurde, der Abstand von der Insel
vergrößerte sich immer mehr und sah ich ein, daß ich gegen den
Strom mich nicht mehr halten würde, deshalb Signale für den an Land
befindlichen Geschäftsführer aufhißend, kam dieser schließlich ab;
brachte jedoch den deutschen Händler ebenfalls mit, weil er mit diesem
noch nicht alles Geschäftliche erledigt hatte.

In der Voraussetzung, der Wind würde wieder stärker werden, blieb der
Händler auf Anrathen des Geschäftsleiters an Bord und ließ sein Boot
zur Insel zurückfahren; aber die Hoffnung erwies sich als trügerisch,
der Wind wurde ganz still und am nächsten Morgen war kein Land mehr in
Sicht. Ob das Boot, da der Abstand zwischen Land und Schiff schon ganz
beträchtlich gewesen war, die Insel wieder erreicht hat, darüber habe
ich Gewisses nie erfahren können.

Wie verhängnißvoll der Strom für die Insassen eines Bootes werden kann,
zeigt folgender Vorfall, der sich im Jahre 1889 zutrug und den auf
Pleasant-Eiland ansässigen Europäern, die mir persönlich wohl bekannt
waren, nebst ihren Leuten das Leben kostete.

Im Juli 1889 wurde im Bismarck-Archipel die Nachricht verbreitet, es
seien auf der Insel Tatan drei Weiße und eine Anzahl Kanaken von den
dortigen Eingebornen ermordet worden. Da S. M. Schiffe „Alexandrine“
und „Sophie“, im Bismarck-Archipel anwesend waren, unternahm die
„Sophie“ es, nähere Erkundigungen einzuziehen und es bestätigte sich,
daß zwar keine Europäer, aber sieben Eingeborne von Pleasant-Eiland,
sowie zwei Frauen erschlagen waren, zwei Frauen aber noch lebten, von
denen eine, ein junges Mädchen, Irivon mit Namen, ermittelt werden
konnte und auf ihren Wunsch an Bord des Kriegsschiffes nach Matupi
gebracht wurde.

Der dort ansässige Vertreter der Firma Hernsheim & Co., Herr Thiel, der
mehrere Jahre auf den Marschall-Inseln (Jaluit) gelebt hatte und die
Sprache dieser Insulaner verstand, erfuhr aus dem Munde des Mädchens
Folgendes:

Sie selbst sei einst mit dem Schooner „Mangaribien“ (Kapt. Reiher) von
Pleasant-Eiland nach Likieb gekommen und habe dort gearbeitet, später
sei sie längere Zeit auf Jaluit thätig gewesen, dann aber, als sich
Gelegenheit geboten, in ihre Heimath zurückkehren, habe sie sich mit
noch drei anderen Weibern auf einem nach Pleasant-Eiland bestimmten
Fahrzeuge eingeschifft. Als die Insel schon in Sicht war, sei dieses
wahrscheinlich vom harten Strom gefaßt, und abgetrieben worden. Vorher
aber sei noch ein Boot mit den Europäern von der Insel gekommen, die
Waaren aufgekauft hätten; es waren dies die Händler Harris, van Been
(ein Holländer) und Bair, begleitet von dem Häuptlinge Banegain und 6
Kanaken.

Diese nun hätten sie und die anderen Weiber zu ihrer Freude mit in das
Boot genommen, doch wegen des zu starken Stromes, den zu überwinden
die Mannschaft zu schwach gewesen, hätten sie die Insel nicht erreicht
sondern wären drei Monate auf dem Ozean umher getrieben; das Leben
hätten sie von den aufgekauften Lebensmitteln, Hartbrod und Reis
gefristet. Nach entsetzlichen Leiden wären dann zuerst Bair, dann van
Been, zuletzt Harris gestorben, wohl aus Mangel an Wasser. Längere Zeit
nach dem Tode der Weißen wären sie an eine Insel angetrieben, auf der
sie sich für den im Boote befindlichen Taback Kokosnüsse hätten kaufen
wollen.

Sie hätten auch Nüsse erhalten, darauf aber wären die Eingeborenen in
das Boot gekommen und hätten mit Tomahawks die sieben männlichen Kanaken
und zwei Weiber erschlagen. Sie selbst und ein Weib, Namens Bananie,
waren ins Wasser gesprungen und weggeschwommen. Aus dem Wasser hätten
die Eingeborenen Papilin und Mamalu sie gezogen und vor der Wuth der
anderen dadurch gerettet, daß sie sie in ihre Hütten aufnahmen und zu
ihren Frauen machten.

In ähnlicher Weise wie das erwähnte Schiff war auch ich wieder von
dieser Insel abgetrieben und hatte keine Aussicht schnell dorthin
zurückzukehren, um wenigstens den Händler wieder abzusetzen; versuchte
ich es, konnten Wochen hingehen, ehe es mir gelang, die Insel zu
erreichen, was mit meiner Weisung, schnell nach Ponapè zu segeln, nicht
zu vereinbaren war. Deshalb besann ich mich nicht lange, als jede
Aussicht auf frischen Wind geschwunden war, sondern ließ das Schiff
nordwärts vom schwachen Windhauch langsam durch die spiegelglatte See
treiben, um aus dem widrigen Strom herauszukommen; viel nöthiger schien
es mir, den von Ponapè Entflohenen Hilfe zu bringen, als unersetzliche
Zeit zu opfern, um Pleasant-Eiland wieder aufzusuchen.

48 Stunden waren hingegangen, als gegen Abend wie gewöhnlich die Pumpen
untersucht wurden, weil das im Schiffe angesammelte Wasser ausgepumpt
werden sollte. Da fand sich, daß über 3 Fuß Wasser im Schiffsraum war.
Bald wurde es zur Gewißheit, daß wir uns auf einem leckenden Schiffe
befanden, denn obgleich unablässig die Nacht hindurch gepumpt wurde,
war erst gegen Morgen das Wasser bewältigt.

Unter anderen Verhältnissen wäre es, wenn nicht die dringende Sorge um
die von Ponapè geflüchteten Deutschen mich gezwungen hätte, die Reise
fortzusetzen, meine Pflicht gewesen, wieder nach Jaluit zu segeln,
da ich nicht wissen konnte, ob ich in der Folge mit der Mannschaft
würde das Schiff halten können. So wurde der Kurs nicht geändert --
aber es war, als sollten wir nicht vorwärts kommen, denn selbst in
den äquatorialen Gegenstrom gelangt, fanden wir wenig Wind und trieben
eigentlich mehr nach Westen, als daß wir segelten.

Die Ursache, daß das Schiff leck geworden, war der Seewurm gewesen,
der an einer vom Kupfer entblößten Stelle nahe am Kiel zwei Planken
durchfressen hatte. Dieser Wurm bohrt sich als unscheinbares Thierchen
in das Holz hinein, wächst darin bis zur Fingerstärke, und wenn eine
Planke ganz durchbohrt ist, genügt ein größeres Loch, das Schiff in
ernstliche Gefahr zu bringen.

Als ich im Januar 1887 das von Apia gekommene Schiff übernahm, wurde
mir nicht bekannt gegeben, daß dieses vorher auf einer Reise nach der
Gilbert-Gruppe in der Lagune von Tapetuea auf ein Riff gerathen war
und dort wahrscheinlich am Kupfer Beschädigungen erlitten hatte; wären
diese gleich in Apia in Stand gesetzt, d. h. das beschädigte Kupfer
ausgebessert worden, so hätte das sonst so gute Schiff der Seewurm
nicht durchfressen können. Doch es war geschehen und vorläufig nichts
weiter zu machen, als durch ständiges Pumpen das Schiff über Wasser zu
halten.

Es ist übrigens eine besondere Vorsicht nöthig, wenn man die nicht mit
Kupfer oder Zink beschlagenen Fahrzeuge, wie Boote, aussetzen will,
denn sehr zahlreich bohren sich diese kleinen Würmer ein und sind im
Stande, Bootsplanken von ½ bis 1 Zoll Stärke schon nach mehreren Wochen
völlig zu zerstören. Darum dürfen selbst mit Kohlentheer bestrichene
Boote nie lange im Wasser liegen bleiben, sondern müssen stets aufs
Land geholt werden, sobald sie außer Gebrauch gesetzt sind.

Auch die Eingebornen im weiten Ozean auf jeder Insel befolgen diese
Regel, ob ihre Kanoes klein oder groß sind, stets holen sie diese nach
dem Gebrauche aufs trockene Land.

Meine Absicht war, zuerst die Insel Mokil anzulaufen, da ich vermuthen
konnte, daß dorthin die von Ponapè entkommenen Händler geflohen wären,
oder wenigstens von mehreren der Versuch gemacht sein würde diese Insel
zu erreichen, da es für sie dort eher möglich war, ein vorübersegelndes
oder dort anlaufendes Schiff anzutreffen. Aber trotzdem, daß tagelang
die Insel in Sicht war, konnte ich wegen Windstille doch nicht
herankommen, und als endlich wieder leichter Wind aufsprang, war ich zu
weit entfernt, so daß es besser war, geradewegs nach Ponapè zu laufen.

Vor der Nordeinfahrt angekommen sah ich die „Brigitta“ im Hafen liegen,
nicht weit entfernt vom spanischen Kriegsschiff, und als ich auch
Boote zwischen beiden Schiffen verkehren sah, hielt ich jede Gefahr für
ausgeschlossen und lief hinein.

Die „Brigitta“, später von Jaluit abgegangen, hatte zwar leichten aber
ständig guten Wind auf ihrem viel nördlicheren Kurse gefunden, hatte
auch Mokil angelaufen und einige dorthin geflüchtete amerikanische
Händler gesprochen, dieselben waren aber vollständig unwissend über
das Schicksal der Deutschen. Das Schiff umsegelte darauf Ponapè, lief
nach Parkim und Ngatik, fand aber auf letzterer Gruppe die Geflüchteten
nicht mehr vor. Diese hatten dort, entblößt von allen Mitteln, kaum
ihr Leben fristen können und, als der Zeitpunkt gekommen, wo Herr
Ruß ein Schiff erwarten konnte, daß von Jaluit nach Ponapè unterwegs
wäre, hatte er es mit den Gefährten gewagt, ihm nach Mokil entgegen zu
segeln.

Dort angelangt hörte er, daß die „Brigitta“ vor kurzem ihn dort gesucht
hätte und nochmals dieserhalb nach Ngatik gesegelt wäre. Da sich gerade
günstige Gelegenheit bot schleunigst dem Schiffe zu folgen, nahm er
einen Platz auf einem amerikanischen Schooner und ließ sich auf Ngatik,
wo er sein zweites Boot zurückgelassen hatte, wieder absetzen. Aber
auch hier kam er wieder zu spät an und mußte sich nun zum zweiten Male
mit seinem Boote der trügerischen See anvertrauen. Doch als er abermals
Mokil erreicht hatte, war die Brigitta, die ihn vergeblich gesucht, vor
ihm zu dieser Insel zurückgekehrt, hatte sein großes Boot mitgenommen
und war nach Ponapè weiter gegangen.

Diese langwierigen und im offenen Boote nicht ungefährlichen Reisen
hatte denn auch die Umherirrenden stark mitgenommen; vor allem hatte
die seit langen Wochen schlechte Ernährung ihr körperliches Befinden
schädlich beeinflußt. Doch nichts anderes blieb übrig, als nochmals
dem Schiffe zu folgen; endlich wurde es an der Nordseite von Ponapè
umhertreibend aufgefunden.

Seit dem 2. Juli bis zu dem Tage, an welchem die deutschen Schiffe
eingelaufen waren (ich traf etwa 36 Stunden nach der „Brigitta“ ein)
war inzwischen ein spanischer Kriegsdampfer, der während des Aufstandes
schon auf der Reise nach Ponapè gewesen, angekommen, hatte die fast
verlassene „Maria de Melina“ neu besetzt und war dann mit der traurigen
Nachricht von der Niedermetzlung der Garnison und der Schiffsbesatzung
schnell nach Manilla zurückgedampft.

Unter dem Schutze des jetzt wieder starken Kriegsschiffes konnten wir
auf Lungur landen; doch wie verändert war dort alles! Wo einst schöne
Wege, wucherten Gras und Unkraut, was in schönster Ordnung gewesen,
war verfallen. Zwar hatten die Eingebornen die Station nicht zerstört,
sondern nur erbrochen und Waffen und Munition herausgeholt, auch sonst
mitgehen heißen, was ihnen nützlich schien, doch war der Schaden und
die Zerstörung groß genug.

Nachdem die „Maria de Melina“ Verstärkung erhalten, eröffnete der neue
Kommandant Jose de Concha sehr bald die Beschießung, alle im Bereiche
der Geschütze liegenden Inseln und Ortschaften wurden unter Feuer
genommen; doch, da diese eine ausrangirte Segelkorvette mit alten
Vorderladern war, die ihren Ankerplatz nicht verlassen konnte, blieb
die Beschießung so gut wie erfolglos.

Wie die Eingebornen erzählten und auch von anderer Seite verbürgt
wurde, sind sie, sobald ein Geschoß eingeschlagen hingelaufen und
haben, überzeugt von seiner Gefahrlosigkeit, den Zünder herausgerissen;
der solches unternahm, dem gehörte dann auch das in dem Halbgeschosse
enthaltene Pulver. Nur eine Kugel, die auf solche Weise erlangt
wurde, platzte, als ein Verwegener die Lunte fassen wollte, und
riß ihm beide Beine weg. So unglaublich dies auch klingen mag, so
ist es doch wahrscheinlich, denn die jedenfalls längst nicht mehr
zeitgemäßigen Geschütze und die ganz veralteten Geschosse waren zu
einer erfolgreichen Beschießung nicht mehr geeignet.

Der Verkehr mit den spanischen Offizieren, während unserer Anwesenheit
auf Lungur, war recht freundlich, sie zeigten sich uns in jeder Weise
gefällig, auch hatten sie keinen anderen Verkehr und konnten mit
Sicherheit nur auf der Insel Lungur landen, da jedes Betreten der
Hauptinsel selbst ihnen mit Waffengewalt von den Eingebornen verwehrt
wurde. In welcher Weise die Spanier, wenn die erwartete Verstärkung
von Manilla eingetroffen sei, vorgehen würden, darüber äußerte sich der
Kommandant Jose de Concha folgendermaßen:

Es sollten rund um Ponapè befestigte Stationen unter dem Schutze
mehrerer dort stationirter Kriegsschiffe errichtet werden und würden
dann tausend Mann genügen, bei allmählichem Vordringen die Aufständigen
zu Paaren zu treiben. Namentlich sollten die Bezirke Jokoits, Nut, Aru,
Mants und Tahunk gesäubert werden. Wären einmal die Eingebornen in das
unwirthliche Innere der Insel getrieben, würden sie durch Hunger und
Mangel an Schießbedarf genöthigt, bald genug zu Kreuze kriechen.

Doch die Erwartungen, die dieser Kommandant gehegt, haben sich nicht
erfüllt, Spanien konnte vorläufig solche Macht nicht entfalten und
als diese später zur Stelle war, mußte es sich mit der Bestrafung der
Hauptbetheiligten begnügen, denn inzwischen waren auch die Bewohner von
Ruk und Yab in den Aufstand eingetreten, und bald versuchten auf der
ganzen Gruppe der Karolinen im Osten wie im Westen fast gleichzeitig
die kriegerischen Stämme, sich von dem ihnen auferlegten Zwange zu
befreien.

Es ist eine Eigenthümlichkeit der Spanier, daß sie so schnell zu
strengen Maßregeln in neuerworbenen Ländern den Eingebornen gegenüber
schreiten und immer geschritten sind und so wenig ihre Gebräuche und
Sitten berücksichtigen. Und gerade auf den Karolinen war Gewalt am
wenigsten angebracht, hier, wo diese Völker noch nie die Hand einer
stärkeren Macht gefühlt, wo sie unabhängig, frei und zufrieden lebten.

Unausgesetzte Kämpfe werden die Spanier, so lange diese Inseln in ihren
Händen verbleiben, führen müssen, bis der letzte Rest dieses begabten
Volkes dem Verderben geweiht ist, bis die weiten blühenden Fluren, auf
denen hundertfacher Segen die geringe Arbeit lohnt, Brandstätten und
Trümmer geworden sind; die Spanier werden endlich Sieger bleiben, aber
um welchen Preis!

Die Kulturarbeit auf diesen Inseln wird ein ander Volk, wenn das jetzt
dort lebende Geschlecht in seinem Heimathlande begraben und vergessen
ist, zum späteren Segen vollbringen müssen. --

Sobald beide Schiffe segelfertig waren, verließen wir die deutsche
Station auf Lungur: Herrn Ruß nahm ich mit nach Jaluit, er durfte
nicht zurückbleiben, über kurz oder lang wäre er doch der Rache der
Eingebornen verfallen. Die „Brigitta“ steuerte westwärts nach Yab, wo
sie vollständig verloren ging, mit der „Futuna“ aber ging ich nordwärts
nach dem Providenz-Atoll. Obgleich das Schiff noch immer stark leckte,
die Pumpen zu bestimmten Stunden bei Tag und Nacht stets in Betrieb
gehalten werden mußten, so hatten doch tüchtige Taucher dem Schlimmsten
durch Uebernageln eines Stückes Kupfer am Schiffsboden abgeholfen, und
da ich auch u. A. für den einsam auf jenem Atoll lebenden Deutschen
Proviant an Bord hatte, wo seit 8 Monaten kein Schiff erschienen war,
hielt ich es für nothwendig auch dort noch einzulaufen.

Von Ujelang segelte ich zurück nach Pingelap, einer zwischen Ponapè
und Kusai liegenden Insel; dort holte ich mir von dieser eine neue
Besatzung, Leute die ich mir erst auszubilden hatte, welche aber wegen
geringerer Heuer eine Ersparniß ermöglichten, und kehrte von hier
geradenwegs nach Jaluit zurück.

Die „Futuna“ war in den Marschall-Inseln nicht auszubessern, darum
beschloß der Vertreter der Gesellschaft, Herr Brandt, dieselbe nach
Apia zu senden; doch mußten vorerst noch sämmtliche Stationen mit
Handelsgegenständen versehen werden, und auf dieser langen Rundreise
durch die Marschall-Gruppe lernte ich verschiedene mir noch nicht
bekannte Atolle kennen.

Was die Kulturfrage anbelangt, die das deutsche Reich auf diesen fernen
Inseln besonders berücksichtigen muß, so kann ich erwähnen, daß die
Ertragfähigkeit noch einer ganz bedeutenden Steigerung fähig ist,
sofern der Sinn der einheimischen Bevölkerung für den Handel immer mehr
geweckt und diese angeleitet wird, mehr zu erzielen als bisher, was
darauf hinausläuft, die vielen brachliegenden Inseln mit Kokosbäumen
zu bepflanzen. Dadurch würde nicht bloß ein greifbarer Vortheil
erzielt, sondern auch der Gefahr vorgebeugt, daß die Wogen des Ozeans
zeitweilige Zerstörungen auf diesen niedrigen Koralleninseln anrichten
können. Findet doch jede hier wachsende Baumart, vornehmlich die
Kokospalme, selbst auf steinigen Korallengrund, einen dankbaren Boden
und gutes Fortkommen.

Im Begriffe nach Samoa abzusegeln, mußte ich meinen Obersteuermann
Kannegießer, der die Führung des Schooners „Ebon“ erhielt, welches
Schiff dem König Kabua und Nelu gehörte, zurücklassen, und an seiner
Stelle den Japanesen Kitimatu nehmen. Kannegießer, der auf den
Marschall-Inseln seit jener Zeit verblieben ist, wurde 1894 auf der
Insel Butaritari (Gilbert-Gruppe) von den Eingebornen dort, die im
Verkehr viel unzugänglicher sind als die Marschall-Insulaner, ermordet.
In den letzten Tagen des Jahres 1887 verließ ich Jaluit; gegen starken
östlichen Wind aufkreuzend, hoffte ich östlich von der Gilbert- und
Ellis-Gruppe nach Süden segeln zu können, fand aber noch nördlich vom
Aequator wieder solchen starken Strom, daß ich gezwungen war, diesen
Plan aufzugeben, und zwischen 8 bis 12 Grad nördlicher Breite fortan
Ost zu gewinnen suchte.

Oft genug hatte ich die Erfahrung gemacht, daß, während im südlichen
Theil der Marschall-Inseln gutes Wetter vorherrschend war, im
nördlichen zur Zeit des Nordost-Passates starke Winde wehten, so daß
an den Gestaden der nördlichsten Atolle sich eine schwere See brach; ob
die Annahme, jene Atolle sinken noch langsam, erwiesen ist oder nicht,
steht dahin, soviel aber ist sicher, daß die nördlichsten Atolle wegen
der immer weiter vordringenden See von ihren Bewohnern haben verlassen
werden müssen und die wenigen noch über dem Meere liegenden Inseln
heute unbewohnt sind.

Auf 176 Grad westlicher Länge, nahe der Linie, die ich in wenig
Stunden zu passiren erwarten konnte, sahen wir, als die Sonne in
ihrer wunderbaren Schönheit über den endlosen Ozean aufgegangen war,
plötzlich wenige Seemeilen voraus eine niedrige, unbewachsene und
unbewohnte kleine Insel. Als wir näher gekommen waren und dieser
auf der Westseite vorüberfuhren -- ich hatte schon tags vorher weit
nördlicher erwartet eine Insel zu sehen und war überrascht jetzt noch
eine unerwartet in Sicht zu laufen -- sah ich, daß nahe derselben eine
große Menge Haifische umherschwamm, auf dem niedrigen Sande aber saßen
abertausend Seevögel, die noch mit ihrer Morgentoilette beschäftigt
sich erst in Schwärmen erhoben, als der ungewohnte Anblick des immer
näher kommenden Schiffes sie aufscheuchte.

Nicht das geringste war auf diesem öden Sand weiter zu entdecken,
nur hin und wieder leuchteten im Sonnenstrahl weiße Flecken auf,
es waren die angehäuften Ausleerungen der Seevögel, die in Schaaren
noch saßen oder mit krächzendem Geschrei in der Luft umherschwirrten.
Die Gelegenheit wäre günstig gewesen, hier frische Eier in Mengen zu
erhalten, doch sah ich nirgends an der Westseite flacheren Grund und
erst ganz dicht heranzulaufen und danach zu suchen schien mir der Mühe
nicht werth. So segelte ich weiter, zufrieden, daß die im direkten Kurs
gelegene Insel erst am frühen Morgen in Sicht gekommen und nicht, als
noch Dunkelheit herrschte, von uns getroffen war, denn dann hätte sie
uns und dem Schiffe verhängnißvoll werden können.

Uebrigens war ich auf alle Möglichkeiten vorbereitet, wenn das
schon stark leckende Schiff nicht mehr zu halten gewesen wäre -- die
Mannschaft konnte nichts weiter thun, als nur die Segel bedienen und
unablässig jede halbe Stunde pumpen, -- dann hätte ich dieses mit den
bereit gehaltenen Booten, in denen für Wochen Mundvorrath und Wasser
bereit lag, verlassen.

Schon darum war ich soweit nach Osten aufgesegelt und suchte, als der
Aequatorialstrom schwächer geworden, noch immer etwas Ost zu gewinnen,
damit ich die Phönix-Gruppe durchschneiden oder in Lee von mir zu
liegen hatte. Wäre auch keine große Gefahr damit verbunden gewesen, mit
den guten Booten auf freiem Meer vor dem Winde zu segeln und Land zu
suchen, so wäre solche Fahrt für zwei Frauen, Samoanerinnen, die ich
als Fahrgäste an Bord hatte, doch recht unangenehm geworden.

Die Walfischfänger, die in früheren Jahrzehnten so zahlreich diesen
Theil des Ozeans durchkreuzt und reiche Beute fanden, haben wenige der
gewaltigen Meerbewohner verschont, und doch sah ich hin und wieder noch
einige riesige Walfische in der dunkelblauen Fluth sich tummeln.

Mit langsamer Fahrt nach Süden segelnd, (die Phönix-Gruppe lag hinter
uns) wurden wir eines Tages von einem, jungen Walfisch begleitet,
dem es Vergnügen zu bereiten schien bald vor, bald mit dem Schiffe
zu laufen, und gar leicht wäre es gewesen, dem Thiere in den dicken,
plumpen Körper eine Harpune hineinzuwerfen, doch sah ich ein, daß,
wenn wir auch wirklich mit sicherem Wurfe das Thier hätten tödten
können, wir schwerlich einen Nutzen davon gehabt hätten, und Harpune
und Leine wollte ich nicht darum opfern. Doch versessen darauf, den
Walfisch zu erlangen, oder wenigstens den Versuch zu machen, bot der
Steuermann Kitimatu mir immer wieder, wenn der Fisch dem Schiffe recht
nahe gekommen, seine werthvolle Harpune an. Er wollte diese verlieren,
sollte der Fisch entkommen, nur möchte ich ihm gestatten, eine der
besten langen Leinen zu nehmen. Schließlich selbst neugierig gemacht,
wie wohl der Fang verlaufen würde, ließ ich alle Vorbereitungen
dazu treffen und um sicher zu gehen, damit der harpunirte Fisch die
gute Leine nicht zerreißen könnte, beauftragte ich Kitimatu, diese,
solange der Wal in die Tiefe schießen sollte, immer weiter auslaufen
zu lassen. Ich selbst ging auf den Klüverbaum hinaus und unter diesem
am Stammstocke Fuß fassend, durch eine Brustleine gut gehalten, daß
beide Arme frei blieben, wartete ich auf den Augenblick, wann der
Wal wurfgerecht wieder vor dem Schiffe laufen würde, um dann die
bleibeschwerte Harpune dem Thiere in oder neben das Spritzloch mit
voller Wucht zuzuwerfen.

Nicht lange brauchte ich zu warten, der Wal kam heran und mit sicherem
Wurfe geschleudert, fuhr ihm die tödtliche Harpune seitwärts unter
dem Spritzloch tief in den Leib. Zu Tode getroffen, den Schwanz hoch
über Wasser schnellend, schoß das Thier mit gewaltiger Kraft in die
Tiefe. Die starke Leine fuhr rauchend hinterher; um den Spillkopf zum
Wegführen belegt, war sie, da Kitimatu sie nicht fahren lassen wollte,
mit furchtbarer Geschwindigkeit um dieses Holzstück herumgerissen
worden, sodaß Rauch und Feuer heraussprangen und die Leine zum Theil
verbrannt war. Kitimatu, dessen Hände ebenfalls verbrannt wurden in
Folge der Reibung, konnte nicht mehr festhalten. Schon war ich selbst
inzwischen an Deck gekommen und hatte das Messer gezogen, um diese zu
kappen, als plötzlich die Leine aufhörte, weiter auszulaufen. Die Kraft
des Thieres war gebrochen oder es kam herauf, um Luft zu schöpfen, die
ihm aus der tödtlichen Wunde schnell entflohen sein mochte, -- doch
diese schnelle Fahrt in die Tiefe war sein Todeslauf gewesen. Weit
entfernt an der Steuerbordseite -- die ganze 450 Fuß lange Leine war
fast ausgelaufen -- kam der Wal hoch, Blut und Wasser spritzte er in
die Luft, in Strömen floß sein Blut aus der klaffenden Wunde und färbte
rings um ihn das Meerwasser roth.

Sich hin und her wälzend, peitschte er noch mit letzter Kraft einige
Male das Wasser mit dem Schwanze, dann lag er still. Das Schiff, an
den Wind gebracht, trieb mit backgebrassten Raaen; darauf ward der Wal
herangeholt, und lag bald in Schlingen aufgefangen sicher längsseit.
Nun war die Frage, wie wohl das schwere Thier an Deck gehißt werden
könnte, nicht, weil wir nicht gewußt hätten, wie das anzufangen wäre,
sondern es fragte sich, ob die stärksten Takel (Flaschenzüge) an Bord
ausreichend sein würden.

Im Großtop wurde das stärkste Takel aufgebracht, dann wurde der todte
Wal am Schwanze, mit Hilfe unserer Winde hochgeholt, doch der Körper
erwies sich, als die Tragfähigkeit des Wassers aufgehoben, zu schwer.
Ihn fahren lassen wollten wir nicht, deshalb wurde, um das Gewicht
des Körpers zu erleichtern, der ganze Leib, soweit anzukommen war,
aufgeschnitten, der Inhalt entfernt, und der Wal schließlich so hoch
gewunden, daß sein Uebergewicht über Deck zu liegen kam. Jetzt wurde
ein anderes Takel vom Vortop an der Harpune befestigt -- am Kopfe war
durchaus keine festsitzende Schlinge anzubringen, zumal da dieser
nicht frei vom Wasser zu bringen war -- an Bord sicher festgelegt,
dann stürzte, indem wir plötzlich das Hintertakel fahren ließen, mit
gewaltigem Krach der schwere Körper, 22 Fuß lang, über die Regeling
(Bordwand) weggleitend, an Deck. Obgleich wir unvollkommene Mittel an
Bord hatten, um den nicht besonders dicken Speck des Wals auszulassen,
wurden dennoch gegen hundert Liter Thran gewonnen, vom Fleische
jedoch wurde soviel als die Leute irgend unterbringen konnten, in
Salzlacke gelegt, dann in Streifen geschnitten und an der heißen Sonne
getrocknet. Der Vorrath war so groß, daß die Mannschaft noch in Apia
damit Tauschhandel trieb.

Da beim schönsten Wetter mit leichtem Ostwind die östlichste Insel
der Unionsgruppe in Sicht gekommen war, konnte ich darauf rechnen, in
einigen Tagen die hohen Berge von Upolu nach zwei Jahren wiederzusehen.
Wir erübrigten uns trotz des häufigen Pumpens die Zeit, dem Schiffe
ein schmuckes Aussehen zu geben und arbeiteten fleißig um die Takelage
sauber in Stand zu setzen.

Schon war die Arbeit beendet, und ich freute mich darüber ohne zu
ahnen, daß alles vergeblich gewesen, und obwohl ich wußte, wie leicht
in dieser schlechten Jahreszeit südlich vom Aequator stürmische
Westwinde plötzlich auftreten, dachte ich doch nicht daran, nur noch
200 Seemeilen von Samoa entfernt, von einem Sturm überrascht zu werden.

Am Morgen des 25. Januars 1888, der ebenso golden und friedlich
angebrochen, wie seit Wochen schon ein jeder Tag, fand ich eine
Aenderung am Aneroid-Barometer, der langsam fallend auf ungewöhnliche
Vorgänge in der Atmosphäre hinzuweisen schien, obgleich kein Wölkchen
am azurblauen Himmelsgewölbe sich zeigte. Zog weit vom Standorte des
Schiffes ein Sturm oder gar ein Orkan vorüber? Das konnte ich noch
nicht wissen, ist doch der Umkreis des letzteren oft gewaltig groß.
Doch das Barometer sank mehr und mehr, der leichte Ostwind ward ganz
still, und auf der spiegelglatten Fluth wiegte sich das Schiff. Der
Mittag kam und noch dieselbe Ungewißheit blieb, nur im Nordwest und
Norden kamen am Horizonte weiße Wölkchen auf, näherten sich mit großer
Geschwindigkeit, als fegten sie, leichten Federn gleich, vor einem
entfesselten Sturm dahin!

Die Gewißheit jedoch erhielt ich bald, mehr und immer drohender kam
schweres Gewölk herauf, die Luft, bisher klar und rein, ging in ein
fahles Graugelb über, kein Zweifel war mehr, daß ein Orkan heranziehe,
der, wenn wir ihm nicht entfliehen konnten, seine Mitte sich nach
Osten fortschiebe, uns mit seinen wirbelnden Armen erfassen und in die
schweigende Tiefe des Ozeans unfehlbar ziehen würde.

Was geschehen konnte, geschah, obwohl ich überzeugt war, daß das schwer
lecke Schiff kaum einen heftigen, anhaltenden Sturm überdauern würde.

Sehr erstaunt war die in solchen Dingen unerfahrene Mannschaft, als
während der tiefsten Stille, -- kein Windhauch regte sich, -- der
Befehl zum Dichtreffen sämmtlicher Segel gegeben wurde, und nach kurzer
Zeit lag das Schiff unter Sturmsegeln, selbst die Zeit fand ich noch,
ein neues Vorstagsegel, das auf der Reise fertig geworden, anschlagen
(anbinden) zu lassen.

Da kam von Norden her, (am wirbelnden Wasser, das mit tausend kleinen
Wellen und weißen Köpfen wie tanzenden Kobolden aufwallte, war es schon
von weitem erkennbar,) der erste heftige Windstoß. In immer kürzeren
Pausen mit immer wachsender Gewalt, kam der Sturm daher und trieb trotz
der wenigen Segel das Schiff vor sich her, durch die immer wilder und
höher schäumende Fluth.

Ich befand mich in dem äußern Kreise des wirbelnden Sturmes, der von
Stunde zu Stunde wuchs; wohin aber zog die Mitte? Ihr mußte ich mit
aller Gewalt entfliehen, so lange es noch eine Möglichkeit dazu gab.
Mit großer Besorgniß beobachtete ich das Barometer, das bis 5½ Uhr
Nachmittags ständig fiel, dann stand es, der Sturm hatte seine höchste
Gewalt erreicht.

Ich wußte nun, da der Wind von Zeit zu Zeit in der nördlichen Richtung,
woher er wehte, wenig hin und her umsprang, daß der Orkan nach Süden
zog, seine Mitte vielleicht sehr weit entfernt im Westen lag. Aber
doch war seine Gewalt so furchtbar, daß er den Athem benahm, und die
See so wild und furchtbar, wie ich sie selten gesehen. Das Schiff
ächzte in allen Fugen, den Kopf niedergedrückt in die brandenden
Wogen, raste es vor dem heulenden Sturm dahin. Die Leute, zitternd und
unfähig ernstlich noch zu kämpfen, festgebunden an den Pumpen, damit
die überbrechenden Seen sie nicht mit fortrissen, arbeiteten, doch
vergeblich; denn die Pumpen warfen kein Wasser auf, obgleich durch die
donnernden Wogen, durch den heulenden Wind, das unheimliche Geräusch
davon zu vernehmen war, wie die Wassermassen im Raume hin und her
spülten; wenn das Schiff ein Spielball der Wogen recht schwer rollte,
wollte es mir scheinen, als könne es sich nur schwer wieder aufrichten,
die große Wassermasse im Raume drückte es auf die Seite und wenn diese
reißend anwuchs, konnte es geschehen, daß das sinkende Schiff sich auf
die Seite legte, um sich nie mehr aufzurichten.

Mit andern Mitteln dem Verderben zu wehren war unmöglich, keine Luke
konnte geöffnet werden, denn fußhoch spülten die Wellen über das Deck,
die Wassergewalt war so groß, daß an beiden Seiten die Verschanzung zum
Theil weggerissen war, und jede von hinten oder seitwärts aufstauende
See fegte Wasserberge über das Schiff.

So konnte es nicht weiter gehen, ich sah den Untergang vor Augen,
nicht die wilde See und den rasenden Sturm fürchtete ich, vielmehr das
steigende Wasser im Schiffsraume, das in absehbarer Zeit uns in die
Tiefe des brüllenden Ozeans ziehen mußte. Das Schiff an den Wind zu
bringen, war das einzige, was noch geschehen konnte, aber ob es nicht
schon zu spät, ob bei dem Versuche nicht eine einzige wilde See, die
mit voller Gewalt beim Anluven sich über das Schiff brechen mußte,
genügte, dasselbe auf die Seite zu drücken und es mit allen an Bord
verschwinden ließ! Das ließ sich nicht sagen. Das Untermarssegel stand
noch immer wie ein Brett geschanzt, dahinter setzte sich der Sturm
und so klein auch die Fläche Leinewand war, mit größerer Gewalt und
Geschwindigkeit war das Schiff noch nie durch die Fluthen getrieben
worden. Dies Segel mußte verschwinden wollte ich das gefährliche
Manöver noch ausführen, solch Oberdruck, wenn erst der Wind von einer
Seite einfiel, mußte verderblich werden. Der Gedanke, das Segel noch
aufgeien und bergen zu können, wäre thöricht gewesen, keiner meiner
Leute, mit denen, vom Japanesen abgesehen, gar nichts mehr anzufangen
war, hätte auch nur den Versuch gemacht, den wie eine Gerte hin und her
schwankenden Mast zu erklettern.

Ein matter Tagesschimmer lag noch über dem erregten Ozean, den
furchtbaren Kampf der Elemente verdeckte noch nicht die dunkle Nacht
-- so durfte ich denn nicht mehr zögern, vielleicht beschleunigte ich
das unabwendbare Schicksal, vielleicht auch, war das Manöver, wenn es
gelang, unsere Rettung.

Mit Kitimatu besprach ich das Nothwendigste, er sollte mit einigen
Leuten vorne im Schiff aufpassen, vorerst die Schoten des Marssegels
fliegen lassen, damit dieses in Stücke peitschen könne, dann das
dichtgereffte Vorstagsegel setzen, während ich hinten ein wenig das
Großsegel anhissen lassen wollte, um durch dessen Druck das Schiff
schnell an den Wind zu bringen. Ehe aber die Mannschaft verzweifelt
und muthlos, wie es kaum anders von solchen braunen Menschen erwartet
werden konnte auf ihren Posten stand, fegte plötzlich der Sturm mit
seiner wildesten Gewalt daher, die See war nur ein Schaum, keine
hohe Welle hob sich -- es war, als hielt der Druck der Atmosphäre
die schäumenden Wogen nieder -- da, ein furchtbares Krachen, das den
heulenden Sturm übertönte, das Marssegel, gespalten und mit wenigen
Schlägen aus seinen Tauen geflogen, flog im Winde wie leichtes Papier
dahin. Vor Top und Takel lief jetzt das Schiff. Hatte es aber vorher
den von hinten heranstürmenden Wogen entrinnen können, so drohten diese
nun, da die Geschwindigkeit vermindert worden, über das Heck herein zu
brechen.

Kaum hatte ich diese Gefahr in den wenigen Augenblicken erkannt, so
rollte auch schon eine furchtbare Woge heran, die grüne Kopfmasse
glitzerte selbst schon im Abenddunkel -- das Herz im Leibe machte
die Erwartung, was die nächste Sekunde bringen mußte, stille stehen
-- den unvermeidlichen Tod, wenn diese Woge das Schiff überlief. Als
wollte das Schiff sich in seine Länge überwerfen, so hoch auf dem Kamm
der Woge hob sich das Hintertheil, dann brach die See. Instinktmäßig
sprang jeder fußhoch in die Wanten, um von der brüllenden Gischt nicht
fortgerissen zu werden, das Deck war sogleich von der See überspielt,
daß nur die Masten, das Karten- und Deckhaus hervorragten. Krachend
waren beide Boote unter ihre Träger gepreßt, die Böden eingedrückt
worden und vollgefüllt mit Wasser waren die starken Befestigungen wie
Bindfaden zerrissen.

Eine zweite See, eine dritte kam heran, gleich drohend und
verderbenbringend, dann war es still, als hätte die Wuth des Meeres
ausgetobt -- jetzt oder nie war der Augenblick gekommen, das Schiff an
den Wind zu bringen. Indem ich Kitimatu das Zeichen gab, sein Segel
zu hissen, und selbst den letzten Halt des Großsegels fahren ließ,
dem Manne am Ruder den Befehl gab, das Steuer nach Backbord zu legen,
wirbelte unter dem Drucke der Leinewand das Schiff herum, und die
nächste See schon, wie ein Wasserberg herankommend, faßte es von vorne.

Doch war die Gewalt des Windes groß, als wir vor der See liefen, war
diese, von vorne kommend, derart, daß man den Kopf wegwenden mußte, um
geduckt hinter der Verschanzung, nur athmen zu können. Mit dem letzten
harten Stoße hatte sich der Wind etwas nach Osten gedreht und da dort
der Kopf des Schiffes den Wellen zugekehrt war, so brachen diese nicht
so schwer über das stampfende Fahrzeug. Aber schlimmer kam es. Das
Vorsegel nicht ganz aufgehißt, holte zu furchtbaren Schlägen aus; ehe
ich selbst bei der jetzt herrschenden Dunkelheit nach vorne gekommen,
war schon das Vorstag gebrochen; das neue Segel an seiner Schot nur
noch gehalten, wehte, auf die heranrollenden Seen peitschend, in Lee.
Dieses bargen wir; doch was schlimm war, der Vordermast hatte seinen
besten Halt verloren, und, konnte der Schaden nicht ausgebessert
werden, so brachen die stehenden schwächeren Befestigungen, brach auch
durch das furchtbare Arbeiten des Schiffes der Mast und mußte, um das
Schlimmste zu verhindern, gekappt werden.

Hatte der Japaner in den Stunden der höchsten Gefahr gezeigt, daß er
nicht nur ein unerschrockener Seemann war, so zeigte er jetzt kühnen
Muth und Verachtung jeder Gefahr, ohne diesen Helfer wäre mir nichts
gelungen. Die Pingelap-Leute hielten sich nur fest und kein Zureden,
kein Schelten half -- der böse Geist, sagten sie, sei gekommen und
würde sie alle holen. --

Da keine Mittel zur Hand waren, in solcher Dunkelheit die nothwendige
Arbeit auszuführen, so wurde zunächst das große zerschlagene Boot an
Deck geführt, die Taljen abgenommen und mit diesen und dem zerrissenen
Stag eine vorläufige Verbindung zwischen Mast und Bugspriet hergestellt,
die stark genug war, dem Maste den verlorenen Halt wieder zu geben.

Als dies gethan war, mußte Wind und Wellen anheimgegeben werden, was
ihre Gewalt uns noch Schlimmes zufügen wollte. In all der Noth dieser
Stunden, in dem verzweifelten Kampfe mit den Elementen, hatte keiner
mehr darauf geachtet, daß eigentlich um eine sinkende Planke gerungen
wurde, bis der Augenblick gekommen, wo wir uns wieder darauf besinnen
konnten und das im Schiffsraum so unheimlich spülende Wasser uns an die
Gefährlichkeit unserer Lage mahnte.

Mit beiden Pumpen, die jetzt Wasser warfen, wurde unablässig
fortgepumpt, standen wir auch bis zum Halse im Wasser, drohten die Seen
uns wegzuspülen, wir mußten ausharren und die letzten Kräfte einsetzen.
Es war ungefähr 10 Uhr Abends geworden, rabenschwarze Nacht umgab uns,
bei der Arbeit war der Nebenmann nicht zu sehen, nur fühlen oder durch
Anruf konnte man sich überzeugen, ob keiner fehlte, da öffneten sich
die Schleusen des Himmels, eine Regenfluth stürzte herab, wie solche
kein Wolkenbruch furchtbarer ausgießen kann.

Waren wir aber nicht im Stande gewesen, uns Lichter anzuzünden, so
leuchteten plötzlich, gleich einer magischen Erscheinung, solche an
den Enden jeder Raa auf, flüchtig erscheinend und schwindend. Es waren
die Elmsfeuer, die durch Ausgleichung entgegengesetzter Elektrizitäten
entstehen. So lange der furchtbare Regen anhielt, zeigten diese sich
bald einzeln, auch zu mehreren, nur sekundenlang waren sie auf allen
Raaen zugleich sichtbar.

Eine wunderbare Wirkung übte aber der strömende Regen; die See, so wild
und furchtbar, beruhigte sich sehr schnell, das Zischen der weißen
Schaumkronen verstummte allmählich und gegen Mitternacht, da auch
in gleicher Weise der Sturm sich gelegt, hoben nur noch langlaufende
Wellen das Schiff auf ihren Rücken, es war, als wenn der im wildesten
Aufruhr tobende Ozean wieder ruhig zu athmen begann. Der goldene
Morgen kam, so freundlich grüßte die Sonne vom wolkenlosen azurblauen
Himmelszelt hernieder, als hätte sie nichts vom Verzweiflungskampfe
der Menschen mit den entfesselten Naturkräften gesehen. Fast hätte man
aus diesem Frieden, der wieder über den breiten Ozean gebreitet lag,
schließen mögen, daß jener heiße Kampf um das Leben, nur ein böser,
schrecklicher Traum gewesen sei, wenn nicht jeder Blick über das arg
zugerichtete Schiff das Gegentheil bewiesen hätte.

36 Stunden unausgesetzter, schwerer Arbeit waren hingegangen, als
endlich das Wasser im Schiff, das durch den verwaschenen Ballast nicht
zu den Pumpen gelangen konnte und mit Eimern ausgeschöpft werden mußte,
bewältigt war und auch so viel Segel wieder gesetzt waren, daß das
Schiff langsam mit wieder leichtem Ostwinde durch die Fluthen zog. Am
30. Januar 1888 erreichte ich wohlbehalten den Hafen von Apia.

Unverändert in der äußeren Erscheinung fluthete auf Samoa das Leben,
nichts verrieth, welche Kämpfe in einem Zeitraum von zwei Jahren hier
gewüthet hatten, welch' Parteizwist die Bevölkerung zu blutigen Kriegen
verleitet hatte. König Maliatoa war entthront und verbannt, Tamasessi,
König von Samoa, gegen den aber, als Schützling der Deutschen, die
feindlich gesinnten Häuptlinge zu Felde zogen, deren großer Zahl
dieser König auch erliegen mußte, für die deutsche Sache floß selbst
das Blut der deutschen Marine-Matrosen, die im heldenhaften Kampfe der
Uebermacht erliegen mußten!

Schlimmer aber als früher war der Konkurrenzneid entfacht, die
Parole war „gegen die Deutschen“. Weigerte sich schon der Samoaner
der betreffenden Behörde, damals der deutschen, die geringe Steuer
zu zahlen, welche für den Kopf einen Dollar betrug, so war es um so
bedauerlicher, wenn auch Weiße durch ihre Weigerung den Eingebornen zu
noch größerem Widerstand aufreizten.

Eines Falles will ich nur Erwähnung thun: Im Frühjahr 1888 wurde von
der damals deutschen Munizipalität einem in Apia ansässigen Franzosen,
der jede Steuerzahlung verweigert, mehrere Kisten mit Getränken
gepfändet und ihm in Folge dessen die Schankgerechtigkeit entzogen.
Amerikaner und Engländer, die, wo es sich gegen Deutsche handelte,
stets alles in Bewegung setzten, was nur irgend zu Schwierigkeiten
führen konnte, hatten sich vorgenommen, am Tage der Versteigerung,
die in den Räumen des deutschen Konsulats stattfinden sollte, einen
Putsch zu veranstalten, der zu Thätlichkeiten führen sollte. Auch
standen hinter ihnen eine Anzahl Halb-Samoaner, meistens Abkömmlinge
von Engländern, eine Menschensorte, die alle Untugenden der Weißen und
Eingebornen in sich vereinigt.

Diese löbliche Absicht war jedoch nicht geheim genug geblieben und
so fanden sich am festgesetzten Tage der größte Theil der in Apia
anwesenden Deutschen ebenfalls zur Versteigerung ein. Es war ein
stilles Uebereinkommen unter allen, das bedrohte deutsche Ansehen zu
schützen, auch, wenn nöthig, die Beamten vor Beleidigungen zu bewahren.

Doch die verhältnißmäßig große Zahl von Deutschen, die wir erschienen,
sowie der strömende Tropenregen kühlten wunderbar schnell die Rauflust
der Gegenpartei ab, die, weil in der Minderzahl, keine Bekanntschaft
mehr mit den deutschen Fäusten zu machen wünschte und alles verlief zur
vollsten Zufriedenheit. Daß bei einem Straßenkampfe vor dem deutschen
Konsulat, der durch das Eingreifen der aufgehetzten Eingebornen große
Ausdehnung annehmen konnte, die deutschen Kriegsschiffe im Hafen nicht
unthätig bleiben würden, wußten wir, denn der angesammelte Groll war
so groß, daß aus einer kleinen Reiberei sich schnell ein ernster Kampf
entwickelt hätte.

Noch waren die Vorbereitungen, die „Futuna“ zur eingehensten
Ausbesserung aufs Land zu holen, nicht beendet, als eines Tages Ende
Februar die untrüglichen Anzeichen eines Orkans sich bemerkbar machten.


Blutroth stand die Sonne am Himmel, ihre Strahlen durchdrangen nicht
mehr das dichte Dunstgebilde, immer drohender wurde die Luft, die,
schließlich eine gelbe Dunstmasse bildend, den ganzen Horizont umzog.

Wie furchtbar frühere Orkane gewüthet hatten, davon zeugten an den
Riffen die zahlreichen zerschmetterten Schiffskörper, die selbst von
der furchtbaren See bis zum festen Lande geschleudert worden waren.
Gefahr beim Ausbruch eines Wirbelsturms war hauptsächlich für die im
Hafen liegenden Schiffe, unter denen sich die deutschen Kriegsschiffe
„Olga“, „Adler“ und „Eber“ befanden und für die Sicherung dieser
Fahrzeuge unterblieb wohl nichts, was in der Möglichkeit menschlichen
Könnens lag.

Mein Schiff zu sichern, mit dem ich unter dem Schutze des
vorspringenden Korallenriffes „Kap Horn“ lag, brachte ich vier Anker
aus mit so viel Kette, als es der beschränkte Raum gestattete. Vor
mir lag mit ihrem Heck, dem genannten Riffe zugekehrt, die „Olga“ und
dampfte, als die einlaufende See immer höher und wilder wurde, gegen
diese an zu dem Zwecke, ihre aufs Aeußerste angespannten Ankerketten zu
entlasten.

Berge gleich rollte die See in den Hafen und es war ein großartiger,
wenn auch wenig erhebender Anblick, die Schiffe mit der immer mehr
zunehmenden See kämpfen zu sehen.

Furchtbar arbeitete die „Olga“; im Wellenthal, wenn zwischen meinem
Schiffe und diesem ein Wasserberg heranrollte, der sich mit donnernder
Gewalt auf dem Riffe brach, sah ich mitunter nichts weiter von dem
Kriegsschiffe als dessen obere Masten und Marsraaen, so hoch, so
gewaltig war die See. Wirbelnd, ohne Widerstand zu finden, raste
die Schraube jedesmal in freier Luft, wenn der Bug des Schiffes tief
hinabsank, das Heck dagegen von anlaufender See hochgehoben wurde.

Die in den Hafen aus nordöstlicher Richtung einlaufenden Wassermassen
mußten naturgemäß sich einen Abfluß suchen und fanden diesen, einen
wirbelnden Strom verursachend, unter Land nach der See zu auslaufend.
Dieser Strom, oft so breit wie das ganze Riff und namentlich im kleinen
Hafen sich verbreitend, hatte zur Folge, daß die in diesem liegenden
Schiffe dessen ganzer Gewalt ausgesetzt waren und ein Spiel der See und
des Stromes wurden.

Aengstlich wartete jeder auf den Ausbruch des Orkans; die wilde See
kam bei vollständiger Windstille heran, aber so schwer und hoch, daß,
hätte hinter dieser die Gewalt des Windes sich gesetzt, das Unglück
jetzt schon eingetreten wäre, das ein Jahr später so vielen Schiffen
verderblich geworden ist und hunderten deutscher Seeleute ein frühes
Grab bereitete. Wo an diesem Tage die „Olga“ mit Erfolg der wilden See
widerstand, sank 1889 der „Eber“ mit seiner ganzen braven Besatzung,
von den Wogen hinabgerissen unter das hohle Riff, das selbst die Todten
nicht zurückgab.

Ein Schiff nur widerstand der Gewalt der Seen nicht; im großen Hafen an
jener Stelle, wo keine steinigen Riffe das Ufer umsäumen, wurde es hoch
auf den Strand geworfen, es ist dies derselbe Ort, auf welchen 1889 die
„Olga“, nachdem ihre Ankerketten zerrissen, von den Wogen geschleudert
worden ist, der einzige Punkt, wo es möglich ist, ein gestrandetes
Schiff wieder flott zu machen.

Die gefürchtete Nacht kam mit ihren Schrecken -- doch der erwartete
Orkan blieb aus, wo dieser geweht, welche Inseln er mit seiner
verheerenden Gewalt heimgesucht, wer konnte das sagen! Samoa verschonte
er dieses Mal, um dafür ein Jahr später desto furchtbarer zu wüthen,
mit seinem mächtigen Arme die stolzen Schiffe und ihre braven
Besatzungen in den Grund, in den Tod zu wirbeln. --

Meine Absicht, die deutsche Heimath nach langer Abwesenheit wieder
aufzusuchen, konnte erst im Monat Mai zur Ausführung gelangen und, da
in Apia Mangel an Schiffsführern war, mußte ich die Aufsicht über die
Ausbesserung der „Futuna“ aufgeben und mehrmals noch kürzere Fahrten
nach Tutuila und anderen Orten unternehmen. Unter anderem hatte ich
im Monat März nach den Tonga-Inseln zu segeln; als ich am 27. März
im Hafen von Vavau „Neiafu“ zu Anker lag, lief dort ein englisches
Segelschiff, von den australischen Kolonien kommend, ein, dieses
brachte die Trauerkunde von dem Ableben unseres Heldenkaisers „Wilhelm
des Großen“, der am 9. März seine irdische Laufbahn vollendet hatte.

Ich konnte diese Kunde nicht sofort nach Samoa bringen, weil ich erst
nach den Keppels-Inseln, Niuatobutabu, segeln mußte, deshalb setzte das
englische Schiff seine Fahrt nach Samoa fort.

Auf Niuatobutabu angelangt, senkte sich dort, sobald der Tod des
deutschen Kaisers bekannt geworden, die Flagge des Königs Georg von
Tonga, als Zeichen der Trauer für den ruhmgekrönten, edlen Herrscher.
War doch sein Name und seine Thaten selbst diesem weltentlegenen
Inselvolke nicht unbekannt geblieben; unter ihnen lebende Deutsche
hatten in mancher Mußestunde den staunenden Eingebornen von dem
mächtigen Volke erzählt, über das der große Kaiser geherrscht, das er
zu großen Thaten, zu ungeahnter Höhe geführt.

So lange ich auf Niuatobutabu weilte, drei Tage, wehten die
Trauerflaggen sowohl an Land wie an Bord des außen am Riffe in bewegter
See verankerten Schiffes.

Auch diese Inseln sah ich zum letzten Mal. Nachdem ich Abschied
genommen, segelte ich am dritten Tage in später Nachmittagsstunde
weiter, jedoch frei von den Riffen, begann das Schiff durch die
querlaufende See heftig zu rollen -- ich suchte westlich von Boskaven
zu passiren, um nicht gegen Wind und See zu kreuzen, da ich hoffen
konnte, den freien Ozean zu gewinnen ehe die Nacht hereinbrach.

Nachdem an Deck vorher alles gut zur Reise versichert war, ließ der
Obersteuermann Goede noch die Pumpen ansetzen, ehe die Mannschaft,
Niueleute, theils auf ihren Posten, theils zur Ruhe ging. Da plötzlich
-- ich war in die Kajüte hinabgegangen die Papiere zu ordnen --
erscholl der Schreckensruf „Mann über Bord“ und an Deck springend,
sah ich eine Schiffslänge hinter dem Schiffe den Obersteuermann noch
auftauchen.

Mit starrem Blicke, in dem die Todesangst geschrieben, schaute er
dem enteilenden Schiffe nach -- die nächste Woge bedeckte ihn und wir
sahen nichts mehr. Eine Rettungsboje ergreifend und über Bord werfend,
das Schiff in den Wind jagend, war das Werk weniger Sekunden -- so
furchtbar vom starken Winde auch die Segel gepeitscht wurden, das
Schiff stand und ging durch den Wind -- es mußte der Stelle zutreiben,
wo der Steuermann zuletzt gesehen wurde.

Auf den Befehl „ein Ausguck in die Masten“ enterten vier eingeborene
Passagiere auf, sie sahen die treibende Rettungsboje, aber nicht mehr
den Steuermann. Das nächste war, das an Deck befestigte Boot über Bord
zu setzen; ohne Rücksicht wurden die Befestigungen durchschnitten, das
Boot nur vorne hoch gehißt, halb über die Verschanzung geschwungen,
wurde dieses von der ganzen Besatzung an Deck hochgehoben und im
gegebenen Augenblick mit aller Kraft in die unruhige See geworfen;
mitunter bei schwerem Seegange die einzige Art ein Boot von der
Schiffsseite freizuhalten, ehe es an dieser zerschlagen und unbrauchbar
wird. Vier Mann sprangen mit kühnem Satze von der Regeling sogleich
hinterher ins Boot, das, sobald die haltende lange Leine losgeworfen
war, nach hinten trieb. Die Richtung, wohin die Leute, die in der
hohen See nicht um sich sehen konnten -- das Boot war bald vom Schiffe
aus nur hin und wieder sichtbar, wenn es hoch auf dem Kamm einer
Woge tanzte -- zu rudern hatten, wurde von den Leuten in den Masten
angegeben.

In drei Minuten war das Boot über Bord und bemannt, doch suchte dieses
vergeblich in der hohen See hin und her, die Boje wurde gefunden aber
der Steuermann war und blieb verschwunden. Wie furchtbar solch' ein
Augenblick, weiß nur der, welcher einen Kameraden von seiner Seite in
den jähen Tod gerissen sieht und doch nicht helfen, nicht retten kann!

Lange, bis zur schnell hereinbrechenden Dunkelheit, trieb ich mit dem
Schiffe umher, dem Boote folgend, das vom Schiffe aus geleitet, immer
größere Kreise zog, in der eitlen Hoffnung, es könnte doch noch etwas
vom Steuermann gesehen werden, obgleich ich wußte, daß alles längst
vorbei war; hatte der Verunglückte mir doch selbst gesagt, er könne
nicht schwimmen und wenn auch, in solcher See wäre die Kraft des besten
Schwimmers bald erlahmt.

Erst als alles nutzlos war, als die Nacht hereinbrach und die
Mannschaft im Boote äußerst ermüdet sein mußte, nahm ich dieses wieder
auf und jetzt die nördliche Durchfahrt wegen dort liegender unbekannter
Riffe nicht mehr als sicher ansehend, kreuzte ich die ganze Nacht
zwischen Boskaven und den gefährlichen Riffen von Niuatobutabu, um den
freien Ozean zu gewinnen.

Nach Aussage der Mannschaft wollte der Steuermann, nachdem das Pumpen
beendet, nach dem Hinterdeck gehen, das Schiff schwer rollend, habe
er jeden Halt auf dem freien Deck verloren und sei, mit voller Wucht
gegen die Verschanzung fahrend, über diese hinweggestürzt, eine schnell
geworfene Leine ergriff er nicht mehr. So fand er den Seemannstod, im
weiten Ozean ein stilles, unbekanntes Grab, die donnernde Woge sang ihm
hier sein letztes Schlummerlied. --

[Illustration: Schlussstrich]

[Illustration: Kartenskizze]



*** End of this LibraryBlog Digital Book "Reisen durch die Inselwelt der Südsee" ***

Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.



Home