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Title: Grundriß der Logik
Author: Grau, Kurt Joachim
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Grundriß der Logik" ***


  ####################################################################

                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1918 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht
  mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original
  unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.

  Der Übersichtlichkeit halber wurden alle Buchanzeigen am Ende des
  Texts zusammengefasst. Die Fußnoten wurden an das Ende des jeweiligen
  Abschnitts verschoben.

  Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der
  folgenden Symbole gekennzeichnet:

        kursiv:        _Unterstriche_
        fett:          =Gleichheitszeichen=
        gesperrt:      +Pluszeichen+
        Antiqua:       ~Tilden~
        unterstrichen: ¦unterbrochene senkrechte Striche¦

  ####################################################################



                       Aus Natur und Geisteswelt
     Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen

                             637. Bändchen


                          Grundriß der Logik

                                  Von
                        ~Dr.~ Kurt Joachim Grau

                            [Illustration]


          Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin 1918

                            [Illustration]



                          Berthold Goldstein

                           dem toten Freunde
                          in treuem Gedenken

  (Gefallen am 13. Juni 1915 beim Sturmangriff unweit Jaroslau in den
                   Kämpfen zur Befreiung Galiziens)



                    „Ich bin der Meinung, man täte wohl, daß man
                    die Mathematik, Historie und anderes +vor+ der
                    ausführlichen Logik lernte; denn wie will der die
                    Gedanken wohl ordnen, der noch wenig bedacht? Wenn
                    man aber mit einem Vorrat guter Gedanken versehen,
                    dann kann man sie mustern und abmessen, und mit
                    Hilfe der darin sich zeigenden Ordnung desto besser
                    auf etwas Neues kommen. Es ist hierin wie mit der
                    Sprachkunst, da bin ich auch der Meinung, man solle
                    sich bei Erlernung einer Sprache mehr an die Übung
                    als Grammatik halten; wenn man aber schon ziemlich
                    in der Sprache erfahren, dann dienet die Grammatik,
                    darin höher zu steigen.“

                                           G. W. +Leibniz+ (Brief an
                                           Gabriel Wagner, 1696.)



Vorwort.


Der vorliegende „Grundriß der Logik“ erwuchs im wesentlichen
aus +pädagogischen+ Motiven. Dem Schüler und Studenten, ja dem
philosophisch Interessierten überhaupt, einen kurzen, übersichtlichen
Leitfaden in die Hand zu geben, der ihn über die Hauptfragen der
Logik orientiert, über ihre verschiedenen Lösungsversuche und den
gegenwärtigen Stand der Probleme, der ihm zugleich den Weg weist
zu weiteren und tieferen Studien auf diesem nützlichen Gebiete
menschlichen Wissens, hat dem Verfasser als Ziel und Aufgabe
vorgeschwebt.

Daraus ergab sich, daß manches unerörtert bleiben mußte, was dem
Zweck dieser als +Einführung+ gedachten Arbeit widersprochen und
auch sonst allzusehr ins Spezielle, ins Polemische sowie in die
Grenzgebiete logischer Betrachtung geführt hätte. Der Verfasser
hat sich daher durchgehends bemüht, sich in der Darstellung streng
an sein vorgeschriebenes Thema zu halten und alles Psychologische,
Grammatische und Erkenntnistheoretische nur so weit heranzuziehen,
wie es für die eigentliche Aufgabe, die Erörterung der +logischen+
Probleme, unumgänglich notwendig erschien. Daß eine solche Beschränkung
nicht immer leicht ist, wird, wer je versucht hat, ein System der
Logik abzuhandeln, wohl wissen; nicht minder aber auch, daß die
Vorteile strenger Abgrenzung der Wissenschaften gegenüber deren
Nachteilen bei weitem überwiegen. Auch sonst standen bei der Abfassung
didaktische Gesichtspunkte +über+ den theoretisch-wissenschaftlichen.
Der Grundriß sollte nicht so sehr untersuchen wie +darstellen+;
sollte weniger dazu beisteuern, Probleme zu lösen als zu zeigen,
wie aus +gegebenen+ Lösungsversuchen +neue+ Probleme entstehen.
Die verschiedenen gegenwärtig miteinander streitenden Richtungen
der Logik (die formale, metaphysische und erkenntnistheoretische,
psychologisierende, mathematische, Inhalts- und Umfangs-, induktive
und deduktive Logik) sind, wie ich glaube, in genügender Weise zum
Ausdruck gekommen. Eine kritische Stellungnahme innerhalb dieser zum
Teil arg auseinandergehenden Strömungen war unvermeidlich, entsprechend
dem allgemein anerkannten Grundsatz, daß es nur +eine+ Wahrheit und
in wissenschaftlichen Dingen gegenüber dem als unzureichend Erkannten
keine Toleranz geben dürfe.

Daß ich mit erläuternden +Beispielen+ im Text nicht gespart habe,
wird man mir nicht als eine unnötige Belastung des Bändchens auslegen
wollen; haben diese doch (nach der treffenden Bemerkung +Drobischs+) im
Lehrbuch der Logik eine ähnliche Funktion wie die veranschaulichenden
Figuren im Lehrbuch der Geometrie.

Der Darstellung ist ein Literaturverzeichnis angehängt, das Fingerzeige
zur weiteren Beschäftigung mit logischen Fragen enthält.

  +Berlin+, im Sommer 1917.

                                                    =+Der Verfasser.+=



Inhaltsverzeichnis.


  Einleitung:                                                      Seite

      1. Die Stellung der Logik im System der Philosophie              1

      2. Über Begriff, Aufgabe und Einteilung der Logik                4

      3. Die geschichtlichen Voraussetzungen der neueren Logik         8


                 Erster Teil: Logische Elementarlehre.

    I. Abschnitt: +Die Lehre vom Begriff+

      1. Psychologische Vorbemerkungen über das Verhältnis von
         Sprechen und Denken                                          16

      2. Die Gegenstände des Denkens und die Bedeutung der Begriffe   20

      3. Das Wesen des Begriffes und sein Inhalt                      23

      4. Der Umfang des Begriffes und sein Verhältnis zum Inhalt      26

      5. Arten und Ordnungsreihen der Begriffe; Kategorien            27

    II. Abschnitt: +Die Lehre vom Urteil+

      1. Arten und Ordnung der Urteile                                32

      2. Logische Theorie des Urteils                                 35

      3. Formale und materiale Bedingungen der Urteilsgültigkeit      41

      4. Das Subjektsglied der Urteile und die Subjekt-unbestimmten
         Urteile                                                      46

      5. Das Prädikatsglied der Urteile und die Arten der
         Prädizierungen                                               49

      6. Wesen und Arten der Beurteilungen                            56

      7. Die zusammengesetzten Urteile (Urteilsverbindungen und
         Urteilsgefüge)                                               62

      8. Wesen und Arten der Frage                                    68

    III. Abschnitt: +Die Lehre vom Schlußverfahren+

      1. Die unmittelbaren Schlüsse oder Folgerungen                  72

      2. Die Arten der mittelbaren Schlüsse und die kategorischen
         Deduktionen                                                  77

      3. Hypothetische Deduktionen und Zusammensetzungen deduktiver
         Schlüsse                                                     86

      4. Logische Theorie des deduktiven Schließens                   91

      5. Die induktiven Schlüsse und die Theorie der Induktion        93

      6. Das Wesen und die logische Bedeutung der Analogieschlüsse    98


                 Zweiter Teil: Logische Methodenlehre.

    I. Abschnitt: +Die Lehre vom wissenschaftlichen
       Untersuchungsverfahren+

      1. Unwissenschaftliches und wissenschaftliches Denken und die
         Aufgaben der Methodenlehre                                  102

      2. Wissenschaftliche Begriffsbildung und Begriffsbestimmung    105

      3. Das analytische Untersuchungsverfahren                      109

      4. Das Experiment und die wissenschaftliche Erfindung als
         Hilfsmittel der Analyse                                     111

      5. Das synthetische Untersuchungsverfahren (Gesetz, Theorie,
         Hypothese)                                                  113

      6. Die Klassifikation und das Begriffssystem der
         Wissenschaften                                              120

    II. Abschnitt: +Die Lehre vom wissenschaftlichen Beweisverfahren+

      1. Begriff und Arten des Beweises                              123

      2. Die Auffindung der Beweisgründe                             126

      3. Fehler und Unzulänglichkeiten des Beweises                  129

      4. Fiktionen und Utopien                                       132

  Literaturnachweise                                                 135

  Sachregister                                                       138



Einleitung.


1. Die Stellung der Logik im System der Philosophie.

Was Philosophie ist, was Philosophie soll, darauf gibt es fast
ebenso viele Antworten, wie es Philosophen gegeben hat. Wer die
Geschichte der Philosophie aufmerksam durchgeht, von den Tagen der
Griechen bis auf die neueste Zeit, der steht wohl staunend vor der
bunten Mannigfaltigkeit von Auffassungen, die Wesen und Zweck des
philosophischen Denkens im Laufe der Jahrhunderte gefunden hat.

Nur der oberflächliche Betrachter vermag aus dieser Tatsache einen
Einwand gegen die Existenzberechtigung der Philosophie herzuleiten.
Es sind erfahrungsgemäß nicht die unfruchtbarsten Wissenschaften, die
ihr spezielles Untersuchungsgebiet, den ihnen eigenen Standpunkt der
Betrachtung und die dazu gehörige Methode erst spät finden; und alle
Wege zur wahren Einsicht führen über Irrtümer und Täuschungen.

Dennoch gibt es heutzutage eine Anzahl Forscher, meist Vertreter
der Naturwissenschaften, die der Philosophie mit mehr oder minder
offen eingestandener Mißachtung gegenüberstehen und ihr den Rang
einer Wissenschaft aberkennen wollen. Sehr zu Unrecht! Denn wer so
denkt, übersieht ganz und gar die eigentümliche Stellung, welche die
Philosophie bisher in der Geschichte der Wissenschaften eingenommen,
und die außerordentlichen Leistungen, die sie für Ursprung und
Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis vollzogen hat. Gerade
die Philosophie ist es (die Geschichte bietet dafür die bündigsten
Beweise), die fast alle anderen Wissenschaften, insbesondere die von
der äußeren Natur, gewissermaßen geboren und an ihrer Mutterbrust
großgezogen hat. Zur Zeit des Aristoteles, des größten Forschers des
Altertums, gibt es nur +eine+ Wissenschaft, die Philosophie, und alle
besonderen Erkenntnisse sind Zweige und Äste dieser einen. Dieselbe
Auffassung findet sich der Hauptsache nach auch noch zu Anfang der
Blütezeit der neueren Philosophie, im 17. Jahrhundert, bei Bacon, bei
Gassendi, Hobbes und Descartes, nur daß hier bereits Wissenschaften wie
die Theologie und Mathematik sich zum Teil emanzipiert haben, und die
Philosophie selbst sich in einzelne Disziplinen zu sondern beginnt, wie
Hobbes z. B. eine „~philosophia naturalis~“ und „~philosophia civilis~“
(Natur- und Bürgerphilosophie) unterscheidet, und wenig später in der
englischen Philosophie des 18. Jahrhunderts (mit den Bezeichnungen
„~natural philosophy~“ und „~moral philosophy~“) die Scheidung in die
Philosophie des Geistes und der Natur aufkommt. Nennt doch auch selbst
Newton sein großes wissenschaftliches Hauptwerk noch „~philosophiae
naturalis principia mathematica~“ (Mathematische Prinzipien der
Naturphilosophie, erschienen im Jahre 1687). Das 18. und das 19.
Jahrhundert sind die Epochen der +Differenzierung+ der Wissenschaften,
d. h. der allmählichen Loslösung der Einzeldisziplinen von ihrem
philosophischen Mutterboden, und zugleich Blütezeiten philosophischer
Arbeit. Und gerade jetzt, in unseren Jahrzehnten, erleben wir
wieder das Schauspiel, daß Wissenschaften, die bereits als Teile
philosophischer Erkenntnis eine jahrhundertelange Geschichte aufweisen,
nun sie genügende Reife erlangt haben, sich aus dem Schoße der
Philosophie entfernen und zu selbständigen Forschungen heranwachsen:
die Psychologie und die Ästhetik.

Diese allmähliche fortschreitende Absonderung philosophischer
Disziplinen von ihrer Mutterwissenschaft ist nun freilich nicht
einer völligen Trennung gleich zu erachten, dergestalt, daß die
Philosophie, nachdem sie alle ihre Zweige und Äste zu selbständigen
Einzelwissenschaften erhoben hätte, zuletzt selbst gleichsam leer und
ohne Gegenstand ausginge. Vielmehr bleibt zwischen der Philosophie und
den Einzelforschungen ein eigentümliches Verhältnis derart bestehen,
daß die Philosophie die Einzelwissenschaften zwar nicht ihrem Inhalt,
wohl aber ihrer +Form+ nach als Objekte der Forschung beibehält. Die
Philosophie als Mutter aller wissenschaftlichen Erkenntnis ist in ihrem
theoretischen Teil zugleich Wissenschaft aller wissenschaftlichen
Erkenntnis. Ihre Gegenstände sind das wissenschaftliche Denken und
Erkennen, das wissenschaftliche Untersuchungs- und Begründungsverfahren
schlechthin, kurzum das geistige Instrument, dessen sich der Forscher
in seinem Wirken bedient, das er selbst aber als gegeben hinnimmt und
zumeist nach Bestand und Voraussetzungen ununtersucht läßt.

Alle Wissenschaften bedürfen, um zu Resultaten zu kommen, als Mittel
dazu des Denkens und des Erkennens. Ist die Philosophie Wissenschaft
der wissenschaftlichen Verfahrungsweisen, so ist sie damit Wissenschaft
vom Denken und Erkennen. Nun aber sind das Erkennen und Denken bereits
Gegenstände einer anderen Wissenschaft, der Psychologie, die diese wie
alle anderen psychischen Vorgänge nach ihrem Bestande und Verlaufe
analysiert und ihre gesetzlichen Beziehungen untereinander sowie zu den
physiologischen Korrelaten festzustellen sucht. Wozu bedarf es außerdem
noch einer Philosophie, die das Denken und Erkennen zum Gegenstande
besonderer Forschung macht?

Dieser naheliegende Einwand löst sich sofort, wenn wir den Begriff der
Philosophie auf eine genauere Formel bringen, als es bisher geschehen
ist. Philosophie ist (nach ihrem theoretischen Teile betrachtet)
nicht schlechthin die Wissenschaft vom Erkennen und Denken. Sie
untersucht diese nicht wie die Psychologie auf die tatsächlichen
Elemente ihres Aufbaues; sie ist vielmehr die Wissenschaft von den
im Denken und Erkennen immanent liegenden +allgemeinen+ Regeln und
Gesetzen, die allem speziellen Denken und Erkennen Gesetz und Regel
vorschreiben. Diese allgemeinen Gesetze und Regeln bleiben in den
sogenannten positiven Einzelwissenschaften ununtersucht; sie gelten
als selbstverständliche und darum unerörtert gelassene Voraussetzungen
aller Wissenschaft. Solcher Voraussetzungen gibt es zweierlei Art:
Voraussetzungen des Erkennens und des Denkens. Voraussetzungen
des Erkennens sind z. B. die Annahme einer vom Wahrnehmen
unabhängig-realen Welt von Körpern, die Annahme der objektiven Realität
und Dreidimensionalität des Raumes, der Gültigkeit der Anwendung
von Zeit, Zahl und Kausalbegriff auf die als real vorausgesetzte
Körperwelt u. a. m.; wir nennen diese mit B. Erdmann (Logik I², S.
18) +materiale+ Voraussetzungen der Wissenschaft. Voraussetzungen des
Denkens sind die Annahme der absoluten Allgemeingültigkeit der Formen
unseres Urteilens und Schließens und deren ungeprüfte Anwendung in den
Methoden der Wissenschaften; wir nennen diese -- im Gegensatz zu den
materialen -- +formale+ Voraussetzungen der Wissenschaft. Entsprechend
dieser Unterscheidung zerfällt die Philosophie (wenn wir, wie es hier
geschehen ist, sie nur in ihrem +theoretischen+ Teile betrachten) in
zwei Hauptdisziplinen: sie ist, wo sie die materialen Voraussetzungen
untersucht, Wissenschaft von der Erkenntnis oder +Erkenntnislehre+; wo
sie die formalen Voraussetzungen prüft, Wissenschaft vom Denken oder
+Logik+.


2. Über Begriff, Aufgabe und Einteilung der Logik.

Betrachten wir das an die Funktionen der Sprache geknüpfte Denken nicht
nach seinem Ursprunge und Verlaufe, sondern nach seinen gedanklichen
Ergebnissen, den Urteilen und Fragen, so können wir an allem Gedachten
unterscheiden zwischen der +Materie+ (Stoff, Inhalt), welche gedacht,
und der +Form+, in der das Gedachte uns zum geistigen Eigentum wird. Um
das an einem Beispiel zu erläutern: Nehmen wir die Urteile: „Friedrich
der Große regierte 6 Jahre länger als Maria Theresia; Das spezifische
Gewicht des Wismuts ist in flüssigem Aggregatzustande höher als in
festem; Die Lichtstrahlen pflanzen sich in der Luft im allgemeinen
ungefähr eine Million mal so schnell fort wie die Schallwellen“, so
ist leicht zu ersehen, daß diese drei zwar einen verschiedenen Inhalt,
aber die +gleiche+ Form haben. Sie sind sogenannte „quantitative
Relationsurteile“, deren logisches Prädikat (~P~) das logische Subjekt
(~S~) in ein bestimmtes Größen- oder Maßverhältnis zu einem im Prädikat
bezeichneten Vergleichs- oder Beziehungsobjekt rückt. Und doch ist
das eine dem Bestande der +Geschichte+, das andere dem Bestande
der +Chemie+ und das dritte dem der +Physik+ entnommen. Geringe
Überlegung lehrt demnach, daß das Denken zwar über unendlich viele
verschiedene Stoffe, aber nur über relativ wenige +Formen+ verfügt,
in denen es diese gedanklich fixiert. Es dürfte daher ganz treffend
sein, das Denken etwa mit einer Art Münze zu vergleichen, in der die
verschiedensten Metalle in verhältnismäßig wenigen festen Formen
geprägt werden.

Wäre die Logik schlechthin die Wissenschaft vom Denken, untersuchte
sie also sowohl den Inhalt des Denkens wie dessen Formen, so müßte
sie offenbar dem Inbegriff aller Wissenschaften identisch sein. Mit
anderen Worten: sie wäre eine Art Universalwissenschaft, und der
Logiker müßte, wollte er zu Werke gehen, vorerst die Ergebnisse aller
bisherigen wissenschaftlichen Arbeit beherrschen. Damit aber wäre sie
eine überflüssige und fruchtlose Betätigung, abgesehen davon, daß sie
in diesem Sinne ein für den Einzelmenschen unmögliches Unterfangen
darstellte. Gegenstand der logischen Untersuchung ist nach dem Gesagten
aber nicht der Inhalt des Denkens, sondern dessen Form. Die Logik
ist mithin die Wissenschaft von den +Formen+ des +Denkens+, also eine
+formale+ Wissenschaft. Das ist sie aber nicht in dem Sinne, in dem
Kant sie definierte, daß sie nämlich von +allem+ und +jedem+ Inhalt des
Denkens schlechthin abstrahiere. Form und Materie sind nur in bedingtem
Maße voneinander zu trennen; denn wie die Form nicht ohne Inhalt, so
ist der Inhalt nicht ohne Form möglich. Beide bedingen und ergänzen
einander dergestalt, daß der Inhalt sich die Form schafft, und die Form
wiederum dem Inhalt das logische Gepräge gibt. Die Logik kann also
-- obschon eine formale Wissenschaft -- nur von allem besonderen und
bestimmten Inhalte abstrahieren, nicht aber vom Inhalte des Denkens
überhaupt und im allgemeinen (vgl. Drobisch, Neue Darstellung der
Logik, 1863, § 5). -- Die Formen des Denkens sind es, die diesem --
gegenüber seinen mannigfachen Materien -- einen festen, gesetzlichen
Charakter verleihen. Sie sind das Stetige im Flusse; der ruhende
Punkt in der Erscheinungen Flucht; das Beharrende, Bleibende und
Unveränderliche des Denkprozesses gegenüber dem wechselvollen Inhalte
unserer Gedanken. Sie bilden mithin Gesetz und Regel des Denkens.
Ist der Inhalt dasjenige, +was+ wir denken, so die Form das, +wie+
wir denken. Und diese Formen festzustellen, in den einfachsten wie
in den kompliziertesten Denkprozessen, ihre Beziehungen zueinander,
die Bedingungen ihrer Gültigkeit sowie ihre Bedeutung und ihren Wert
speziell für die wissenschaftliche Forschung -- das ist die Aufgabe,
die die logische Untersuchung des Denkens zu leisten hat. Danach
ist die Logik -- als die Wissenschaft von den Formen des Denkens --
zugleich die Wissenschaft von den +Gesetzen+ des Denkens.

Mit dem Gesagten ist die Begriffsbestimmung der Logik noch nicht
erschöpft. Als Wissenschaft von den Formen (und dementsprechend von
den Gesetzen) des Denkens ist die Logik eine Disziplin, welche ihren
Gegenstand in der Erfahrung vorfindet, ihn dort analysiert und auf
Grund der Ergebnisse dieser Analyse durch synthetisches Fortschreiten
zu den von ihr gesuchten Resultaten gelangt. Mit der Erreichung dieses
Zieles sind die Aufgaben, die der Logik gestellt sind, erfüllt. Diese
Auffassung widerspricht nun einer weitverbreiteten Annahme, der zufolge
die Logik nicht bloß eine +feststellende+, sondern vielmehr eine
+lehrende+ (normative) Disziplin sei. Nach dieser bestehe ihre Aufgabe
darin, dem ungeübten Denker wahres und falsches Denken zum Bewußtsein
zu bringen und ihn darüber zu unterrichten, wie man beides unterscheide
und zu sicheren Resultaten im Denken gelange. Vornehmlich die deutschen
Logiker des 18. Jahrhunderts, (so Christian Wolff und seine Schüler),
haben diese Definition mit aller Entschiedenheit zum Ausdruck gebracht
und demzufolge die Logik als eine „Vernunft-lehre“, „Vernunft-kunst“
oder auch geradezu als „Kunst-lehre“ (Schule) des Denkens bezeichnet.
-- In dieser Aufgabebestimmung steckt gewiß insofern ein richtiger
Kern, als die Logik -- mehr vielleicht denn andere Wissenschaften
-- die Eigenschaft hat, die Fähigkeit des Denkens bei dem, der sich
mit ihr beschäftigt, zu schärfen. Ob sie indessen in dieser Hinsicht
mehr zu leisten vermag als die Mathematik, ist zum mindesten sehr
zweifelhaft. Und es wird gewiß keinem einfallen, etwa die Mathematik
wegen ihrer das formale Denken fördernden Wirkungen eine normative
Wissenschaft zu nennen. Der normative Charakter der Logik wird damit
im Prinzip zugestanden; aber dieses Zugeständnis geht nicht weiter als
bis zu der Behauptung, daß die Logik ihrem Wesen nach zunächst eine
+feststellende+ Wissenschaft sei; und daß ihre Eigenschaft, darüber
hinaus noch die Fähigkeit des Denkens zu stärken, nicht die Erfüllung
einer ihrer unmittelbaren Aufgaben, sondern nur einen aus ihrem Wesen
resultierenden Nebenerfolg darstellt.

  Um Begriff und Aufgabe der Logik noch genauer zu kennzeichnen,
  ist es zweckmäßig, ihr Verhältnis zur Erkenntnistheorie, zur
  Psychologie des Denkens und zur Grammatik kurz zu beleuchten. Die
  +Erkenntnistheorie+ untersucht, wie oben gesagt, die allgemeinen, von
  den +Einzelwissenschaften+ ununtersucht gelassenen Voraussetzungen
  des Erkennens, ihrem Wesen nach die +materialen+; die Logik die
  von den Wissenschaften ungeprüften Voraussetzungen des Denkens,
  ihrem Wesen nach die +formalen+. Was sind nun Erkennen und Denken,
  und wie verhalten sie sich zueinander? -- „Erkennen“ bezeichnet im
  logischen Sinne den Inbegriff derjenigen Vorgänge, durch die ein
  Bestandteil des Bewußtseins als +Gegenstand+ erfaßt wird. Einen
  Bewußtseinsbestandteil als Gegenstand erfassen heißt aber: ihn nach
  seinem wesentlichen Inhalt bestimmen als das, was er ist, und ihn
  als von seinem Vorgestelltwerden unabhängig wirklich voraussetzen.
  Nun ist ersichtlich, daß sowohl das „nach seinem Inhalt bestimmen“
  wie das „als unabhängig wirklich voraussetzen“ Funktionen sind, die
  +Urteils+charakter tragen. Da ferner alles Denken ein Urteilen ist,
  und danach das Erkennen selbst eine -- und zwar komplizierte -- Form
  des Denkens bildet, so sind die Voraussetzungen des Denkens (die
  formalen) auch zugleich +mittelbare+ Voraussetzungen des Erkennens,
  die des Erkennens (die materialen) aber +nicht+ solche des Denkens.
  Demzufolge ist die Logik als +Grundwissenschaft+ der Philosophie zu
  bezeichnen, die der Erkenntnistheorie ihrem Wesen nach notwendig
  voranzugehen hat. (Über die Probleme der Erkenntnistheorie vergl.
  man August +Messer+, Einführung in die Erkenntnistheorie, Leipzig
  1909.)

  Die +Psychologie des Denkens+ hat -- wie bereits oben angedeutet
  -- die Aufgabe, den Ursprung und Verlauf des Denkens nach seinen
  grundlegenden Elementen, deren Verhältnis zum Vorstellen,
  Sprechen und Fühlen sowie zu den physiologischen Korrelaten im
  Zentralnervensystem gesetzlich zu bestimmen. Sie betrachtet die
  Produkte des Denkens, also das Gedachte, nur insoweit, als sie
  festzustellen hat, in welcher Gestalt des Erlebens uns dieses
  zu Bewußtsein kommt, und in bezug auf etwaige emotionale oder
  physiologische Begleiterscheinungen. Eine abstrahierende Scheidung
  zwischen Form und Inhalt des Urteils kennt die Psychologie nicht:
  sie nimmt das Urteil als Ganzes und untersucht es als seelischen
  Vorgang auf seine Entstehung, auf seinen Bewußtseinsbestand, seine
  Korrelate, nicht aber auf seine Form im Unterschied von seinem
  Inhalt. Die Psychologie des Denkens fragt: Was geht in uns vor,
  wenn wir denken?; die Logik: wie, d. h. in welchen Formen denken
  wir? -- Damit ist das Wesen der Psychologie des Denkens und der
  Logik genügend unterschieden; aber es fragt sich noch, wie sich
  der Logiker zu seiner Schwesterwissenschaft, der Psychologie des
  Denkens, zu stellen habe. Der Logiker ist kein Psychologiefeind. Je
  klarer und bewußter er die Aufgaben seiner Wissenschaft von denen
  der Psychologie zu scheiden weiß, mit um so größerem Nutzen für die
  eigene Forschung wird er sich der Psychologie hingeben und sich von
  ihr belehren lassen. Nur eine Vermengung muß beiden Wissenschaften
  Schaden bringen. Reinlich auseinandergehalten befruchten sie einander
  gegenseitig und fördern eine der anderen Bestand. Namentlich für
  den Logiker ist die Kenntnis der psychologischen Analyse des
  Denkens und Sprechens, speziell des Vorgangs der Begriffsbildung,
  der Abstraktion, der Urteils- und Schlußfunktionen ungemein
  wichtig, wenngleich es nicht unbedingt erforderlich ist, daß
  jeder Darstellung der Logik ein Abriß der Psychologie des Denkens
  vorhergeht. Andererseits ist auch die gänzliche Ausschaltung alles
  Psychologischen aus der Logik unzweckmäßig, weil die Erörterung
  psychologischer Tatsachen -- als solche streng geschieden von den
  eigentlich logischen Fragen -- das Verständnis der logischen Probleme
  in mancher Hinsicht fördert und hebt.

  Das Verhältnis der Logik zur +Grammatik+ kann hier nur im allgemeinen
  behandelt werden, da für eine genauere Betrachtung eine eingehendere
  Erörterung über das Verhältnis von Sprechen und Denken Voraussetzung
  wäre. Die Grammatik kann definiert werden als die Wissenschaft
  vom elementaren Aufbau der Sprachen. Als solche bildet sie den
  +systematischen+ Teil der allgemeinen Sprachwissenschaft; sie
  untersucht die Laute, die Stämme und Wurzeln, die Flexionen, die
  Syntax der verschiedenen Sprachen auf ihren Bestand und vergleicht
  sie miteinander innerhalb eines und desselben Sprachstammes und mit
  anderen Sprachstämmen (allgemeine und vergleichende Grammatik).
  Demzufolge gibt es ebenso viele verschiedene Grammatiken wie es
  Sprachen gibt: eine Grammatik des Angelsächsischen ebenso wie eine
  des Althochdeutschen, des Hebräischen wie des Chinesischen. Daraus
  erhellt der Unterschied zwischen der Logik und der Grammatik: es
  gibt viele Grammatiken, ebenso viele wie Sprachen, aber nur +eine+
  Logik. In und vermittels welcher Sprache man auch denken und seine
  Gedanken zum Ausdruck bringen mag, die Formen des Denkens bleiben
  dieselben. Es ist für den logischen Aufbau eines Urteils gleich, ob
  man es in einer germanischen, romanischen, slawischen oder etwa gar
  in einer der mongolischen Sprachen formuliert, vorausgesetzt, daß
  in allen diesen Formulierungen derselbe Sinn zum Ausdruck gelangt.
  Das sprachliche Gewand des Denkens kann mithin wechseln, aber das
  Denken und seine Form selbst bleibt sich gleich. Damit ist erwiesen,
  daß die Logik nicht nur gänzlich verschieden, sondern auch gänzlich
  unabhängig von der Grammatik ist, wenngleich auch hier anregende
  Wechselbeziehungen zwischen beiden als in reichem Maße vorhanden
  zugegeben werden sollen.

Die übliche +Einteilung+ der Logik richtet sich nach ihrem Begriff
und ihrer Aufgabe. Als allgemeine Wissenschaft von den Formen des
Denkens -- des unwissenschaftlichen sowohl wie des wissenschaftlichen
-- ist sie eine +Elementarlehre+ des Denkens überhaupt. Als solche
untersucht sie dieses auf seine einfachsten formalen Elemente, als
die sich ihr -- nach einer zuerst von Petrus +Ramus+ aufgestellten
Einteilung -- die verschiedenen Arten der +Begriffe+, +Urteile+ und
+Schlußweisen+ ergeben. Als spezielle Wissenschaft von den methodischen
Formen des wissenschaftlichen Denkens ist sie eine +Methodenlehre+
der +Wissenschaft+; als solche untersucht sie, welche Anwendung
und Bedeutung die in der Elementarlehre aufgezeigten Elemente in
dem Verfahren der Wissenschaft haben, und analysiert den formalen
Aufbau der wissenschaftlichen Methodik auf seine grundlegenden
Faktoren, als die sie die verschiedenen Formen des wissenschaftlichen
+Untersuchungs-+ und des wissenschaftlichen +Beweisverfahrens+
voneinander unterscheidet.


3. Die geschichtlichen Voraussetzungen der neueren Logik.

Die Logik als Wissenschaft ist eine Schöpfung des griechischen Geistes.
Angelegt in den Spitzfindigkeiten des genialen Zenon aus Elea (um 500
v. Chr.) und in den dialektischen Streitigkeiten der Sophisten, die
zuletzt eine allgemeingültige Wahrheit überhaupt leugnen und damit die
Frage nach dem Wesen einer formell-richtigen Beweisführung im Gegensatz
zu den beliebten Trug- und Fangschlüssen ihrer Zeit zum Problem
erheben; vorbereitet ferner durch die Sokratisch-Platonischen Gespräche
über das Wesen des Begriffs (λόγος), der Begriffsbestimmung und der
Einteilung eines Begriffes, über das Wesen der Wissenschaft (ἐπιστήμη),
das Verhältnis von Denken und Empfinden (νοεῖν; αἶσθησις, δόξα) sowie
von Denken und wirklichem Sein (νοεῖν, εἶναι), findet die Logik in dem
größten Forscher des Altertums, in +Aristoteles+, ihren Begründer und
Meister.

  +Aristoteles+ (384-322 vor Chr.) ist der erste, der die Logik als
  wissenschaftliche Disziplin selbständig und ausführlich behandelt.
  Die Bezeichnungsart „Logik“ freilich rührt nicht von ihm her. Erst
  Spätere nennen die von ihm begründete und zunächst als +Analytik+
  bezeichnete Wissenschaft eine λογικὴ τέχνη (sprich: ~lŏgikḗe
  tĕ́chnēe~), d. h. eine Kunst des Denkens oder Vernunftkunst; und
  zur Zeit Ciceros ist der Name „~Logica~“ bereits völlig üblich.
  Aristoteles selbst hat die von ihm zuerst erkannten logischen
  Probleme in einer Reihe von Schriften behandelt, die er je nach der
  Besonderheit ihres Inhalts als „~Analytika protera~ und ~hystera~“
  (Erste und zweite Auflösungen), als „Topik“ (Beweislehre), als
  Schrift „über die Kategorien“ (Arten der Aussage) [Echtheit
  angezweifelt], als „sophistische Widerlegungen“ bezeichnet. Seine
  Schüler haben alle diese ihrem Gegenstande nach zusammengehörigen
  Schriften gesammelt und unter dem gemeinsamen Titel „~Organon~“
  (Werkzeug; im Sinne eines Werkzeuges zur Erkenntnis der Wahrheit)
  vereinigt. -- Im Mittelpunkt der Aristotelischen Logik steht die
  Frage nach den richtigen Formen des Beweises, also das Problem des
  gültigen Schlußverfahrens im Gegensatz zu den absichtlich-täuschenden
  Trug- und Fangschlüssen der Eristen und Sophisten. Diesen
  widmet er eine besonders gründliche Untersuchung, um die ihnen
  innewohnenden logischen Fehler aufzudecken und sie für immer zu
  entkräften. Im Gegensatz dazu stellt er drei grundlegende Arten des
  gültigen Beweisverfahrens auf, die sog. syllogistischen Figuren
  (οχήματα), die zeigen, wie man von allgemeingültigen Wahrheiten auf
  besondere Tatsachen schließen dürfe. Nur von hier aus und unter
  dem Gesichtspunkte dieses Problems behandelt Aristoteles auch die
  anderen uns heute geläufigen Probleme der Logik: die Fragen nach
  dem Wesen des Begriffs, nach Wesen und Arten der Urteile, die
  Fragen der Methodenlehre. Nichtsdestoweniger kommt er auch über
  diese zum Teil zu tiefgründigen Einsichten. Aristoteles bereits
  entwickelt Ansätze zu einer Kategorienlehre; er stellt den Satz des
  Widerspruches und den vom ausgeschlossenen Dritten auf; er berührt
  und erörtert das Problem der Induktion, die er „ἐπαγωγή“ (~Ĕpagōgḗ~)
  nennt; und er ist ebenso der erste, der das Wesen der Definition und
  Klassifikation einer tiefergreifenden Untersuchung unterzieht. Nur
  eines hat Aristoteles der Logik in ihrem Aufbau mitgegeben, das ihr
  in ihrer späteren Entwicklung verhängnisvoll werden sollte: d. i.
  die Vermengung der logischen mit der metaphysischen Fragestellung.
  Aristoteles nämlich betrachtet die Begriffe, in denen wir die Dinge
  denken, schlechthin als Abbilder des Wesens der Dinge, mithin die
  Formen und Gesetze des Denkens (Kategorien, Axiome) als die Formen
  und Gesetze des Seins. Damit hat Aristoteles, der Vater der formalen
  Logik, auch die sog. +metaphysische+ Logik ins Leben gerufen und
  so zwar die Logik begründet, aber sie bereits von vornherein in
  ihrer eigenen Entwicklung gehemmt, wie denn ihre Befreiung von der
  Metaphysik erst einer späten Zeit unter schweren Kämpfen gelingen
  sollte.

Die Entwicklung der Logik nach Aristoteles im Altertum und Mittelalter
zeitigt keine Ergebnisse von besonderer Bedeutung. Seine Schüler --
Theophrast, Eudemos, Andronikos von Rhodus, Alexander von Aphrodisias
u. a. -- begnügen sich im allgemeinen damit, die Lehre des Meisters zu
kommentieren und zu verbreiten; nur einige von ihnen ergänzen sie durch
unwesentliche Einzelheiten. Sowohl die Epikureer wie die Stoiker und
Neuplatoniker beschäftigen sich mit logischen Fragen. Insbesondere die
+Stoiker+ (Zenon, Chrysippos) erweitern die Aristotelische Schlußlehre
um die Arten der hypothetischen und disjunktiven Schlüsse und stellen
eine neue reifere Kategorienlehre auf. Dennoch bleibt das Fundament
der Aristotelischen Logik im wesentlichen unberührt und unverändert.
Nicht viel anders liegen die Dinge während des gesamten Mittelalters.
Selbst die bedeutendsten Vertreter der +Scholastik+ (Albertus Magnus;
Thomas von Aquino; Duns Scotus) schöpfen wie in der Metaphysik so in
der Logik aus den Schriften des Aristoteles und vermengen mehr noch als
dieser selbst -- (der gesamte Universalienstreit ist dafür der beste
Beweis) -- die logischen Fragen mit metaphysischen und grammatischen.
Dennoch hat das Mittelalter das unbestreitbare Verdienst, die
Aristotelische Logik im Bewußtsein der denkenden Menschheit lebendig
erhalten zu haben. Besonders Petrus +Ramus+ (aus der Übergangsepoche
zwischen Mittelalter und Neuzeit) ist hier zu nennen, der der Logik als
erster eine Einteilung gegeben hat, die zum Teil noch bis heute die
gebräuchliche geblieben ist.

Die Geschichte der neueren Logik beginnt mit der Geschichte der neueren
Philosophie. +Bacons+ großangelegtes Programm einer neuen Wissenschaft
auf Grund einer neuen wissenschaftlichen Methode (vgl. sein Hauptwerk
„~Novum Organon~“, 1620), sein Kampf gegen die Herrschaft des
Aristoteles bleiben im Stimmengewühl der Zeit nicht ungehört. Und
wenn Bacon selbst auch nur umzustürzen, nicht aufzubauen versteht, so
verbindet er sich doch dem Geiste nach mit denen, die den Ruf nach
Reformen im wissenschaftlichen Denken nicht nur laut werden lassen,
sondern auch in die Tat umsetzen. Auf dem Boden des Cartesianischen
Rationalismus, in Verbindung mit der altaristotelischen Tradition, und
befruchtet durch den englischen Empirismus, besonders durch Locke und
Hume, wächst wie die neuere Philosophie auch die neuere Logik[1].

+Descartes+ selbst hat der Logik kein besonderes Werk gewidmet; dennoch
beschäftigt er sich in fast allen seinen Schriften -- so besonders
in der ersten, betitelt: „~Regulae ad directionem ingenii~“ (Regeln
zur Leistung des Verstandes) -- mit logischen Fragen und weist damit
seine Schüler unausgesprochen direkt auf ein neu zu schaffendes System
der Logik hin. Tatsächlich erwachsen aus der Cartesianischen Schule
drei Logiken von Bedeutung: 1. die sog. „Logik von Port-Royal“, als
deren Verfasser Antoine +Arnauld+ und Pierre +Nicole+ gelten (zuerst
erschienen 1662); 2. die Logik des als Okkasionalisten bekannten Arnold
+Geulincx+ und 3. die Logik des als deutschen Cartesianers bekannten
Johannes +Clauberg+. Die speziellen Anregungen, die Descartes für eine
Reform der Logik gegeben hat, gehen fast durch den ganzen Bestand
seines Systems hindurch. Descartes untersucht den Begriff der Wahrheit
und stellt als Kriterien der wahren Erkenntnis die klare und deutliche
Einsicht auf. Er untersucht die Methoden der wissenschaftlichen
Forschung und unterscheidet als solche die Intuition, Deduktion
und Induktion: die Intuition als Quelle absolut-gewisser, weil
unmittelbar-einleuchtender Wahrheiten; die Deduktion als Ableitung
spezieller Erkenntnisse aus allgemeinen und die Induktion als eine Art
vollständiger, methodisch-geordneter Aufzählung (~enumeratio~) von
Gegenständen (die Epagoge des Aristoteles). Er entwickelt ferner eine
eigene Theorie des Urteils und des Irrtums (die im Kern freilich mit
ähnlich-gewendeten Gedanken bei Augustin übereinstimmt), wonach nicht
der Verstand das eigentlich urteilende Element in uns ist, sondern der
Wille, der das vom Verstande klar und deutlich oder auch verworren bzw.
dunkel Erkannte bejaht oder verneint.

Andere wesentliche Anregungen kommen der Logik etwa gleichzeitig
aus England. Dort beschäftigt sich Thomas +Hobbes+ (1588-1679) mit
logischen Problemen, so mit der Frage nach dem Wesen des Denkens,
das er als eine Form des Rechnens (Addierens und Subtrahierens von
Begriffen und Definitionen) faßt, ferner mit dem Verhältnis von
Sprechen und Denken, wobei er die Worte (~terms~; ~nomina~) als Zeichen
oder Symbole der Vorstellungen deutet. Von größerer Bedeutung als er
ist für die Entwicklung der Logik John +Locke+ (1632 bis 1704[2]),
der diese durch seine grundlegenden Untersuchungen über Ursprung,
Arten und Gewißheit der Erkenntnis in mannigfacher Weise bereichert,
wenngleich er -- infolge der von ihm auch gegenüber logischen Problemen
angewandten psychologischen Methode -- ungewollt der eigentliche
Begründer der sog. +psychologisierenden+ Logik geworden ist, einer
heute noch nicht erstorbenen Richtung, die die Logik entweder ganz
in eine psychologische Disziplin umzugestalten sucht oder doch
zum wenigsten die oben gekennzeichneten Aufgaben der Psychologie
des Denkens und der Logik nicht reinlich voneinander scheidet.
Psychologisierend ist, was die Logik betrifft, auch das Verfahren David
+Humes+ (1711-1776); dennoch hat Hume in der Entwicklung der Logik
das große Verdienst, in seinen grundlegenden Untersuchungen über das
Problem der Kausalität die moderne Theorie der Induktion vorbereitet zu
haben, als deren unmittelbarer Vorläufer, wenn nicht gar Begründer, er
darum bezeichnet werden muß (vgl. B. Erdmann, Logik I², S. 781).

Auch die deutsche Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts weist eine
reiche logische Entwicklung auf. Dem im Geiste Descartes’ gehaltenen
Werke Claubergs folgt wenig später die auch Spinozistische Einflüsse
verratende „~Medicina mentis~“ (Gesundheitslehre des Geistes) des
Grafen Ehrenfried Walter von +Tschirnhausen+; und zur gleichen
Zeit etwa beginnt auch Leibniz durch den gewaltigen Bau seines
philosophischen Systems auf die Entwicklung der Logik befruchtend
einzuwirken. +Leibniz+ (1646-1716) selbst hat zwar ebensowenig wie
Descartes die Grundlagen der Logik systematisch abgehandelt; aber er
hat doch fast alle logischen Probleme der Zeit, wenn nicht direkt
erörtert, so doch zum mindesten gestreift. Er fügt dem von Aristoteles
aufgestellten Satz des Widerspruchs den sog. logischen Satz vom
zureichenden Grunde hinzu und scheidet entsprechend diesen beiden
Grundsätzen die wissenschaftlichen Erkenntnisse in zwei Gruppen:
in die „~vérités de fait~“ (Tatsachenwahrheiten) und die „~vérités
de raisonnement~“ (Vernunftwahrheiten). Er nimmt Stellung zu dem
Descartes-Lockeschen Problem der angeborenen Ideen und Wahrheiten; er
klassifiziert -- gründlicher als vor ihm Descartes und Locke -- die
Erkenntnisse in klare und dunkle bzw. deutliche und verworrene und
betont nachdrücklich die für die Logik zu begründende Lehre von der
Wahrscheinlichkeit.

Was die Verfasser der Logik von Port-Royal gegenüber Descartes,
dasselbe leistet Christian +Wolff+ (1679-1754) gegenüber Leibniz.
Wolff bringt die Gedanken, die er bei Leibniz gefunden hat (wobei
übrigens auch gewisse andersher gerichtete Einflüsse nicht übersehen
werden dürfen), in ein System. Durch die breite, ausführliche,
das Wesentliche wie das Unwesentliche gleichermaßen erschöpfend
behandelnde Darstellung, die er der Logik sowohl in seinem lateinischen
Werke „~Logica~“ (zuerst 1728) wie in dem deutschen, betitelt:
„Vernünftige Gedanken von den Kräften des menschlichen Verstandes“
(zuerst 1712), angedeihen läßt, popularisiert er die Grundlagen des
logischen Lehrbestandes seiner Zeit und wird damit zum Urheber einer
ausgebreiteten logischen Literatur, die zwar ihre Wissenschaft nur
wenig zu bereichern oder zu verbessern vermag, aber sie doch zum
Gemeingut aller in jener Zeit wissenschaftlich interessierten Kreise
der Bevölkerung macht. Aus der Reihe der Logiker dieser Epoche, die
übrigens die Logik fast ausnahmslos als eine normative Disziplin
abhandeln, deren Aufgabe darin bestehe, richtiges Denken zu lehren,
ragen als die bekanntesten hervor: Georg Friedrich +Meier+; Hermann
Samuel +Reimarus+; Gottfried +Ploucquet+; Johann Heinrich +Lambert+
sowie Christian August +Crusius+.

Es muß beinahe als eine besondere Eigentümlichkeit in der Geschichte
der Logik angesprochen werden, daß gerade die Männer, die diese
Disziplin am meisten angeregt und gefördert haben, ihr selbst kein
besonderes oder doch zum mindesten kein größeres Werk gewidmet haben.
Wie das für Descartes, Locke und Leibniz gilt, so auch für +Kant+[3].
Wie durch Kant für die Philosophie überhaupt, so beginnt auch für die
Logik eine neue Epoche. Kant selbst hat zwar vermeint, daß die Logik
bereits durch Aristoteles einen so vollendeten Ausbau gefunden habe,
daß sie seitdem weder einen Schritt vorwärts habe tun können noch auch
einen Schritt zurück habe tun müssen. Nichtsdestoweniger ist gerade
er es, der die Logik weit über Aristoteles hinaushebt. Kant betont
in erster Linie den +formalen+ Charakter der eigentlich und so zu
nennenden Logik, die er als allgemeine von der sog. transzendentalen
Logik scheidet. Die +transzendentale+ Logik, die er in der „Kritik
der reinen Vernunft“ abhandelt, untersucht das Erkenntnisvermögen
des Menschen auf seine apriorischen Elemente, soweit diese dem
Verstande angehören, d. h. auf diejenigen Elemente der Erkenntnis,
die als reine Verstandesbegriffe unabhängig von der Erfahrung sind
und als solche dieser Gesetz und Regel vorschreiben; eine Disziplin,
die zu einem Teil etwa der heute sog. Erkenntnistheorie entspricht.
Die +allgemeine+ Logik, die Kant des öfteren in Vorlesungen an der
Königsberger Universität behandelt hat (unzulänglich herausgegeben
von Jäsche, 1800), ist demgegenüber die Wissenschaft von den formalen
Regeln alles Denkens -- es mag dieses apriorisch oder empirisch
sein -- und untersucht das Denken, indem sie von allen Objekten der
Erkenntnis und ihrem Unterschiede abstrahiert, so daß der Verstand
es in ihr mit nichts anderem wie mit sich selbst und seiner Form zu
tun hat. Sie erörtert und prüft also die Formen des Denkens (Begriff,
Urteil, Schluß), ferner die formalen Kriterien der Wahrheit (den
Satz der Identität und des zureichenden Grundes, des Widerspruches
und des ausgeschlossenen Dritten). Ungeachtet dieser strengen
begrifflichen Scheidung gehen die Anregungen, die Kant der Logik
gegeben hat, mehr von der in der Kritik d. r. Vern. entwickelten
Transzendentalphilosophie als von den Vorlesungen über die formale
Logik aus. Kant stellt in der Elementarlehre der Kritik d. r. Vern. wie
eine Tafel der Urteile, so auch eine Kategorientafel auf, indem er die
letztere aus der ersteren ableitet. Das Schema der Urteile hat noch
bis in die Gegenwart hinein für die meisten Logiker als grundlegende
Einteilung der Lehre vom Urteil gegolten.

Die Geschichte der nachkantischen Logik ist von dem gleichen
wechselvollen Charakter wie die Geschichte der nachkantischen
Philosophie überhaupt. Fichte betrachtet die formale Logik durch
die Transzendentalphilosophie, die er seinerseits durch die
+Wissenschaftslehre+ ersetzt, als überwunden (vgl. die Vorlesungen
Fichtes über das Verhältnis der Logik zur Philosophie, 1812, Nachgel.
Werke I). +Hegel+ stürzt das bis dahin mühsam aufgerichtete Gebäude der
Logik um, indem er diese von neuem mit +metaphysischen+ Erörterungen
durchsetzt (metaphysische Logik auf der Grundlage der Identität
von Denken und Sein). Und +Fries+ macht den Versuch, die logischen
Probleme ganz und gar zu +psychologisch-genetischen+ (nach Friesscher
Terminologie: zu anthropologischen) zu gestalten. Erst +Herbart+ und
seine Schüler (besonders Drobisch) bemühen sich wieder, die Logik von
ihrer Vermengung mit der Psychologie und Metaphysik zu befreien, und
betonen nachdrücklich ihren +formalen+ Charakter.

In der neueren Logik -- etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts
-- sind wieder alle Richtungen vertreten, die auch in der älteren
Geschichte miteinander um die Palme ringen. Neu zu nennen sind nur
gewisse Versuche in der englischen Logik seit William +Hamilton+ und
George +Boole+, die allerdings in älteren Denkern wie Raymundus Lullus,
Leibniz und Ploucquet Vorläufer haben, die Logik im Sinne einer der
Mathematik verwandten Wissenschaft abzuhandeln, worin an Stelle der
Zahlen und Größen die Begriffe treten, eine Auffassungsart, die man als
algebraische, arithmetische oder auch allgemeiner als +mathematische+
Logik (Lehre vom logischen Kalkül, vom logischen Algorithmus) zu
bezeichnen pflegt. In Deutschland haben diese (durch Jevons und andere
in England und Amerika weitergeführten) Versuche, die das Wesen der
Denkoperationen eher verdunkeln als erhellen, nur wenig anregend und
fördernd gewirkt (vereinzelte Anhänger sind Rob. Graßmann, Joseph
Hontheim, besonders Ernst +Schröder+); um so mehr jedoch andere aus
England kommende philosophische Strömungen, wie z. B. die grundlegenden
Untersuchungen von John Stuart +Mill+, dem Hauptvertreter der sog.
+induktiven+ Logik, sowie von Herbert +Spencer+ und William Stanley
+Jevons+ zur wissenschaftlichen Methodenlehre.

Wie das Problem der +Methode+ so steht auch das Problem des +Urteils+
im Mittelpunkte der neueren logischen Untersuchungen. Die Frage
nach dem Wesen des Urteils, d. h. nach dem Sinne der prädikativen
Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat, wird zum Hauptproblem der
Elementarlehre. Aber ihre Erörterung begegnet durch die immer wieder
nachhaltende, vornehmlich von +Husserl+ mit Erfolg bekämpfte Vermengung
der psychologischen mit der logischen Fragestellung zunächst großen
Schwierigkeiten. Die +psychologisierende+ Logik zeigt ihren Einfluß
auch gegenwärtig allerorten; sie findet sich nicht nur herrschend
bei solchen Denkern, die wie ursprünglich Theodor +Lipps+ sich offen
zu ihr bekennen, sondern auch zum Teil bei solchen, die mit gutem
Glauben vorgeben, eine psychologiefreie formale Logik zu vertreten.
Anderseits aber tritt an Stelle der metaphysischen Logik im Sinne
Hegels neuerdings die sog. +erkenntnistheoretische+ Logik, die
zwischen der erkenntnistheoretischen und logischen Problemstellung
keinen prinzipiellen Unterschied anerkennt (Trendelenburg; Überweg;
Schuppe; ebenso Wundt; in anderer Hinsicht auch: Cohen und Natorp).
Gegenüber diesen Richtungen haben die Vertreter der +formalen+ Logik
im Sinne der Kant-Herbartschen Tradition nicht immer leichten Stand.
Die fundamentalen Hauptarbeiten dieser Richtung sind die Werke
von Chr. +Sigwart+ und B. +Erdmann+. So sehr auch diese wiederum
in wesentlichen Punkten voneinander abweichen, so ist doch das
ihnen richtunggebende Ziel das gleiche: die Ausschließung alles
Metaphysischen aus der Logik und die möglichst reinliche Trennung
der logischen von der erkenntnistheoretischen und psychologischen
Problemstellung. Diesem Ziel ist von den zuletzt genannten Denkern B.
Erdmann am nächsten gekommen. Darin vor allem sowie in der von ihm
aufgestellten Theorie des Urteils, des Syllogismus und der Induktion,
liegt das besondere Verdienst Erdmanns; in der mannigfachen Förderung
der wissenschaftlichen Methodenlehre das besondere Verdienst Sigwarts
um die Fortbildung der Logik.


  [1] Über die Entwicklung der neueren Philosophie im allgemeinen vgl.
      Ludwig +Busse+. Die Weltanschauungen der großen Philosophen der
      Neuzeit (ANuG Bd. 56).

  [2] Zum folgenden vergleiche man P. +Thormeyer+, Locke, Berkeley,
      Hume (ANuG Bd. 481).

  [3] Man vergleiche zum folgenden Oswald +Külpe+, Immanuel Kant (ANuG
      Bd. 146).



~A.~ Logische Elementarlehre.



I. Die Lehre vom Begriff.


1. Psychologische Vorbemerkungen über das Verhältnis von Sprechen und
Denken.

Die Beziehungen zwischen Sprechen und Denken bilden ein altes
philosophisches Problem. Schon Platon hat gelegentlich bemerkt, daß das
Sprechen ein lautgewordenes Denken, das Denken ein stilles Sprechen
sei (Sophistes). Dieser Identifizierung von Sprechen und Denken, die
beides solchermaßen in eins setzt, daß eines ohne das andere unmöglich
erscheint, steht jene Auffassung gegenüber, die zwischen dem Denken und
Sprechen streng scheidet und die Sprache nur als eine Art Gewand oder
äußere Hülle des Gedankens ansieht, welche dem Denken lediglich zum
Zwecke der Mitteilung gegeben und ihm unabhängig davon eher schädlich
sei als nütze (Lehre der Mystiker).

Wie man zwischen diesen extremen Theorien entscheiden soll, hängt von
den Ergebnissen einer anzustellenden psychologischen Analyse ab. Wenn
wir auf uns achten, sobald wir mit einer Sache gedanklich beschäftigt
sind, so finden wir, daß die Funktionen des Denkens meist an die
Elemente der Sprache gebunden sind. Wir denken vermittels der Worte,
die wir zu Sätzen aneinanderreihen und deren Sinn wir verstehen. Auch
dann, wenn wir den Verlauf unserer Gedanken nicht anderen mitteilen,
sondern still für uns denken (stilles Denken), ist dieser Prozeß
meist an Worte und daraus gebildete Sätze geknüpft. Danach würde
Platon recht zu haben scheinen, daß alles Denken ein sprachliches,
ein Denken ohne Sprache mithin nicht möglich sei. Nun aber gibt es
in unserem Bewußtsein zweifellos gewisse dem sprachlichen Denken
verwandte Vorgänge, die sich ohne jede Hilfe von Worten lediglich durch
Verknüpfungen von Vorstellungen auf Grund der Inhalte der Wahrnehmung
und des Gedächtnisses vollziehen. Beispiele dafür sind die Fülle von
Vorstellungen der Erinnerung und Einbildung, die in jemandem erwachen,
der etwa in reifem Alter die Stätten seiner Jugend betritt, oder der
Pläne zu einer Reise zurechtlegt in Gegenden, die ihm durch früheren
Aufenthalt ganz oder zum Teil bekannt sind. In diesen und ähnlichen
Fällen können alle Wortvorstellungen im Bewußtsein fehlen, und doch in
dem Vorstellenden Erkenntnisse und Entschlüsse von Bedeutung reifen.
Will er diese freilich sich völlig klar zu Bewußtsein bringen oder
gar anderen mitteilen, so muß er sie in Worte fassen (sprachlich
formulieren); konzipiert aber hat er sie doch ohne jede Beihilfe der
Sprache.

Damit hätte die psychologische Analyse des Verhältnisses von Denken und
Sprechen zwei verschiedene Arten des Denkens ergeben: ein sprachliches
und ein unsprachliches, in der neueren Psychologie (so von B. Erdmann)
als +formuliertes+ und +intuitives+ Denken bezeichnet. Diese beiden
Arten des Denkens sind jedoch nicht gleichwertig. Ohne Zweifel steht
das formulierte Denken seinen Leistungen nach unvergleichlich über dem
intuitiven, und dem letzteren kommt ein gewisser Wert überhaupt nur
dadurch zu, daß uns die Möglichkeit gegeben ist, das bloß intuitiv
Gedachte in Worten zu formulieren. Wäre diese Möglichkeit uns versagt,
so ständen wir darin auf der Stufe der Tiere, die -- ebenso wie
die Kinder vor Beginn der Spracherlernung -- nur die Fähigkeit des
intuitiven, nicht aber des formulierten Denkens besitzen. Aus diesem
Grunde haben manche Psychologen es vermieden, das intuitive Denken
überhaupt als ein Denken im eigentlichen Sinne zu bezeichnen, und den
Begriff Denken auf das formulierte beschränkt. Wie man sich in der
Psychologie zu dieser rein terminologischen Frage stellen mag, soll
hier nicht weiter erörtert werden. Den Zwecken der Logik jedenfalls,
bei deren Untersuchung der Formen des Denkens allein das formulierte
in Betracht kommt, ist es angepaßter, den Begriff des Denkens, wo er
verwandt wird, stets im Sinne des formulierten zu verstehen.

Diese propädeutisch für die Logik entwickelte Bestimmung, die das
Denken ganz allgemein als einen Inbegriff von an die Funktionen der
Sprache gebundenen Vorgängen kennzeichnet, betont zwar die Bedeutung
der Sprache für das Denken, identifiziert diese mit jenem aber
keineswegs. Hören wir beispielsweise einen Vortrag in einer uns
unbekannten Sprache, so werden unseren Ohren zwar Schallwirkungen,
dem Gehörsinn zwar Geräusche, die wir als Worte deuten, dem Verstande
aber keine Gedanken vermittelt. Das Denken (sowohl das stille, das
wir für uns vollziehen, wie das laute formulierte Denken) ist also
wohl an die Mittel der Sprache gebunden, seinem Wesen nach aber ganz
etwas anderes als diese. Das bloße Wort ist an und für sich Schall
und Rauch; erst das Verständnis des Wortes ermöglicht den Gedanken.
Worte sind mithin Träger, wenn wir zu anderen sprechen, Vermittler
von Gedanken; nicht sie, sondern ihre +Bedeutungsinhalte+ bilden die
Grundlagen des Denkens. Darum rufen zwei- oder mehrdeutige Worte
(Äquivokationen) leicht Mißverständnisse hervor; darum bedarf jede
auf genaues Verständnis der Teilnehmer abzielende Erörterung oder
Auseinandersetzung einer Terminologie, innerhalb deren jedes nicht
eindeutige Wort in fest umgrenztem, nicht mißzuverstehendem Sinne
bestimmt ist.

Nichtsdestoweniger sind die Elemente der Sprache für das Denken in
seinen beiden Formen des +Eigendenkens+ und des +Nachdenkens+ (das
letztere im Sinne des Verständnisses von Gehörtem und Gelesenem)
+so+ bedeutungsvoll, daß andere wie Wortvorstellungen dabei im
Bewußtseinsbestande völlig fehlen können. Diese Auffassung widerspricht
einer bereits alten, weit verbreiteten Theorie, die das Denken --
wenn nicht etwa ganz in ein Verknüpfen bzw. Trennen oder Zerlegen
von +Vorstellungen+ auflöst -- so doch ohne das Vorhandensein von
Vorstellungen der gedachten Gegenstände als unmöglich erklärt[4].
Demnach komme das Verständnis der Worte in uns dadurch zustande, daß
wir uns die durch sie bezeichneten Objekte anschaulich vorstellen,
und zwar gemeinhin durch +abstrakte Allgemeinvorstellungen+ jener
Objekte. So hat z. B. +Locke+ gelegentlich gemeint, der Gattungsbegriff
„Dreieck“ werde gedacht durch die abstrakte Allgemeinvorstellung
eines Dreiecks, welches weder schiefwinklig noch rechtwinklig, weder
gleichseitig noch gleichschenklig noch ungleichseitig, sondern dieses
alles und zugleich nichts davon sei.

Schon George +Berkeley+ (1684-1753) hat gegenüber dieser Theorie darauf
hingewiesen, daß es nach einer sorgfältigen Prüfung, die er angestellt
habe, abstrakte Allgemeinvorstellungen dieser Art nicht gebe. Was
man mit der Vorstellung eines Dreiecks, das weder schiefwinklig
noch rechtwinklig, weder gleichseitig noch gleichschenklig noch
ungleichseitig sei, meine, wisse er nicht. Er seinerseits könne in
seinem Bewußtsein beim Denken nur +Einzelvorstellungen+ entdecken, die
als solche +Repräsentanten der gesamten Gattung+ bilden. Der Sinn des
Wortes „Dreieck“ z. B. könne verstanden werden durch die Vorstellung
eines beliebigen Dreiecks, das in sich die gesamte Gattung „Dreieck“
repräsentiere. Aber es sei auch sehr wohl möglich, ihn lediglich auf
Grund des +Wortes+ zu erfassen und ohne jegliche Vermittlung einer
Vorstellung. (Ähnliches später bei Schopenhauer.)

Die neuere experimentelle Psychologie des Denkens hat diese Auffassung
glänzend bestätigt. Arbeiten von Bühler, Messer, Ach u. a. haben
einwandfrei erwiesen, daß wir ganze Zusammenhänge denken können,
ohne daß auch nur die geringste Vorstellung der gedachten Objekte in
unserem Bewußtsein wach wird, dergestalt, daß Sinn und Verständnis
lediglich in und mit den Worten gegeben ist[5]. Daraus folgt, daß das
Wort für das Denken -- zum mindesten für das +entwickelte+ Denken
-- einen ungleich wichtigeren Faktor bedeutet als die Vorstellung.
Wort und Begriff verhalten sich -- nach einem treffenden Ausspruch
+Riehls+ -- zueinander wie Organ und Funktion. Wohl ist es beinahe die
Regel, daß -- infolge der Tatsachen der Assoziation und Reproduktion
-- Vorstellungen unser Denken begleiten, die uns die gedachten
Gegenstände optisch, akustisch oder wie sonst immer repräsentieren.
Aber diese Vorstellungen sind nicht +Bedingungen+ des Denkens: d. h.
sie gehören nicht notwendig dazu; sondern sie bilden lediglich eine Art
+Denk-Hilfen+ zum schnelleren und besseren Verständnis, die je nach dem
Gegenstande des Denkens und den individuellen Eigentümlichkeiten des
Denkenden fehlen können, ja sogar beim entwickelten Denken des reifen
Menschen, besonders wo es sich um abstrakte oder häufig wiederholte
Gedankengänge handelt, überaus oft fehlen. Demgegenüber wird natürlich
das Kind erheblich mehr Sachvorstellungen im Bewußtsein haben als
der Erwachsene; denn hier sind die Assoziationen zwischen Wort und
Vorstellung noch frisch und nicht durch jahrelange Übung und Gewohnheit
so mechanisiert, daß dem Worte das Verständnis unmittelbar, nicht durch
die Hilfe einer Vorstellung folgt.


2. Die Gegenstände des Denkens und die Bedeutung der Begriffe.

Gegenstand des Denkens kann alles werden, was in irgendeiner Gestalt
in unser Bewußtsein eingeht: die räumlich-ausgedehnten Objekte
der sog. „Außenwelt“ mit ihren Farben, Tönen, Gerüchen und deren
Beziehungen untereinander ebenso wie die psychischen Phänomene des
Denkens und Vorstellens, Fühlen und Wollens. Sieht man von der oben
gekennzeichneten Art des intuitiven Denkens ab, so kann ein Gegenstand
erst dann von uns gedacht werden, wenn er +benannt+ ist. Für das
Denken ist es an und für sich gleichgültig, wie man einen Gegenstand
bezeichnet. Wenn es jemandem einfiele, der erfinderisch genug dazu
wäre, sich eine +eigene+ Sprache zu schaffen, so könnte er darin auf
seine Weise alles ausdrücken, wie es ihm beliebte (Geheimsprachen,
Diplomatensprachen); nur die Möglichkeit einer Verständigung mit
anderen wie Eingeweihten wäre für ihn dann aufgehoben. Da aber die
Sprache gemeinhin den Bedürfnissen der +Mitteilung+ dient, ist es
erforderlich, daß die Verbindung zwischen Wort und Bedeutung für alle
die, welche Gedachtes mitteilen und Mitgeteiltes verstehen wollen, eine
den Sprachgewohnheiten nach in gewissen Grenzen beharrende sei.

Gegenüber der gewaltigen Fülle von Objekten, die als mögliche
Gegenstände des Denkens in unser Bewußtsein eingehen, hat das
menschliche Denken eine Leistung von hervorragender Ökonomie
geschaffen. Die psychologischen Tatsachen der Erinnerung und des
Wiedererkennens, des Vergleichens und Unterscheidens, der Abstraktion
und Determination haben es mit sich gebracht, daß das Denken nicht je
ein besonderes Wort für jeden einzelnen Inhalt des Bewußtseins geprägt,
sondern immer ganze Gruppen ähnlicher Objekte unter einem +gemeinsamen+
Namen zusammengefaßt hat. Diesem allmählich sich entwickelnden
Prozeß der Benennung der Gegenstände analytisch nachzugehen, ist
Sache der Psychologie, speziell dort, wo sie über den Ursprung und
die Entwicklung der Sprache zu handeln hat, und führt über den Rahmen
einer rein logischen Untersuchung hinaus. Was man gemeinhin in der
Logik als Frage nach dem +Ursprung+ der +Begriffe+ bezeichnet, ist
nichts anderes wie dieses Problem der Zusammenfassung ganzer Gruppen
von Objekten unter +einem+ Namen. Denn als +Begriff+ bezeichnet die
neuere Logik gemeinhin die Bedeutung eines Wortes, mithin das, was wir
verstehen, wenn wir die Worte einer uns bekannten Sprache vernehmen
(... „doch ein Begriff muß bei dem Worte sein“; Goethe, Faust). Der
Prozeß der Begriffsbildung ist danach mit dem der Spracherzeugung
und Sprachentwicklung aufs engste verwachsen und die Frage nach
der Entstehung der Begriffe kein eigentlich logisches, sondern
+psychologisches+ Problem.

Um so mehr ist für die Logik die Frage nach der Leistung und dem Wert
der Begriffe wesentlich. Verstehen wir zunächst ganz allgemein unter
einem Begriff den Bedeutungsinhalt eines bekannten Wortes, so besteht
die Leistung eines Begriffes darin, einen größeren oder kleineren
Ausschnitt aus der Welt der Objekte durch ein einziges Wort bequem für
das Denken zugänglich zu machen. In dieser Beziehung des Begriffes
auf einen engeren oder weiteren Kreis von Gegenständen vermittels
eines einzigen Wortes liegt seine +Bedeutung+; zugleich wurzelt darin
seine wesentlichste Eigenschaft, der Charakter der +Abstraktheit+.
Alle Begriffe an und für sich sind ihrem Wesen nach abstrakt. Die
übliche Unterscheidung zwischen Konkret und Abstrakt bezieht sich nicht
auf Begriffe, sondern auf Gegenstände (Riehl). Begriffe haben stets
abstrakten Charakter, selbst diejenigen, in denen wir die konkretesten
Dinge denken. Begriffe von Individuen sind dabei weniger abstrakt
als Begriffe, die sich auf Arten oder Gattungen beziehen (z. B.
_Napoleon_, _Verona_ im Vergleich zu: _Türke_, _Koralle_); Begriffe
von der Allgemeinheit wie _Menschheit_, _Schönheit_, _Wachstum_
(sog. Kollektivbegriffe) sind wiederum von abstrakterer Natur als
Gattungsbegriffe wie: _Mensch_, _schön_ und _wachsen_. Der +Grad+ der
Abstraktheit eines Begriffes richtet sich dabei nach dem Maße, in dem
sein Gegenstand der Anschauung näher oder ferner steht. Die höchsten
und allgemeinsten Begriffe sind mithin die am meisten, die niedersten
und speziellsten die am wenigsten abstrakten.

Heben wir aus dem Bisherigen das Wesentliche hervor und ziehen wir
daraus die notwendigen Konsequenzen. Wir denken die Objekte der äußeren
und inneren Welt mit ihren Qualitäten und Beziehungen nicht in den
Wahrnehmungen der Sinne, nicht in den Vorstellungen der Erinnerung,
Einbildung oder Abstraktion, die unser Bewußtsein erfüllen, auch nicht
in den Worten, mit denen wir diese Objekte bezeichnen, sondern in
und mit den +Begriffen+, die uns durch Worte vermittelt und gegeben,
einen mehr oder weniger großen Umkreis von Objekten zu einem einzigen
Gegenstand des Denkens erheben. Was Begriffe sind, kann jeder an sich
selbst beobachten, der den Sinn der Bezeichnungen einer ihm bekannten
Sprache versteht. Den Begriff „Lieblichkeit“ versteht jeder, der ihn
hört und mit der deutschen Sprache vertraut ist, auch ohne daß er
sich etwa irgendwelche Objekte von lieblichem Aussehen oder Klange
vorstellte, oder eine daraus gebildete abstrakte Allgemeinvorstellung
in ihm wach würde. Was in mir vorgeht, wenn ich das Wort „Lieblichkeit“
in dem Urteil: „Lieblichkeit ist ein Geschenk Gottes“ denke, ist in
der Tat keine besondere Vorstellung (obschon das wohl der Fall sein
könnte!), insbesondere keine abstrakte Allgemeinvorstellung, die durch
Abstraktion und Determination aus tausend oder noch mehr lieblichen
Gegenständen meiner Wahrnehmungen und Erinnerungen gewonnen wäre,
sondern ist ein unmittelbares Wissen und Verstehen dessen, was mit
dem Worte gemeint ist (in der neueren Psychologie bei Bühler benannt
als: „Gedanke“; bei Ach als: „Bewußtheit“). Ich könnte die Bedeutung
des Wortes, wenn man es von mir verlangte, definieren; ich könnte,
falls diese Definition nicht exakt genug ausfiele, zum mindesten den
Sinn des Wortes beschreiben, durch Beispiele erläutern oder durch
Gleichnisse versinnbildlichen. Kurzum: dieses Wissen um die Bedeutung
des Wortes macht seinen Begriff aus. Der Begriff ist danach logisch
seiner Definition gleich zu erachten, nur daß der Begriff ~implicite~
(unentfaltet) enthält, was die Definition (oder Begriffsbestimmung)
~explicite~ (entfaltet) darlegt (vgl. A. Riehl, Beiträge zur
Logik, 2. A. S. 12 f.). An dieser Theorie wird auch dadurch nichts
erschüttert, daß die Begriffe des gemeinen Volkes andere sind wie die
der Wissenschaft. Den +vollkommenen+ Begriff eines Gegenstandes hat
nur der, der ihn in wissenschaftlicher Weise zu bestimmen vermag. Dem
nichtwissenschaftlichen Zwecken angepaßten Denken der großen Menge
genügt es, wenn es den Sinn der sprachlichen Bezeichnungen, die seinen
Wortschatz bilden, in nichtwissenschaftlicher Weise zu bestimmen
weiß. Es ist ein ideales Ziel aller Volksbildungsversuche, die
unklaren Begriffe der Menge zu immer klareren zu erheben. Ein Begriff
des praktischen Denkens ist um so klarer, je mehr seine Definition
den wissenschaftlich gesicherten Ergebnissen über seinen Gegenstand
entspricht. Alle Popularisierung von wissenschaftlichen Resultaten
führt darum, wo es maßvoll und zweckentsprechend geschieht, zu einer
Klärung der Begriffe des Volkes und damit zu einem höheren Stande der
Volksbildung überhaupt. „Vollkommen“ sind die Begriffe der Wissenschaft
(mit Ausnahme gewisser grundlegender mathematischer Begriffe) auch
nur in +relativem+ Sinne oder ihrer idealen Forderung nach. Gilberts
Begriff der elektrischen Anziehung (vor 1600) -- für seine Zeit höchst
bedeutsam -- ist nach Lage der Dinge unendlich viel ärmer als der
moderne Begriff der Elektrizität. Aber auch dieser Begriff wiederum ist
nur in höchst relativem Sinne als „vollkommen“ zu bezeichnen, wie wir
denn hoffen dürfen, daß eine fortschreitende Erkenntnis auch unseren
Begriff der Elektrizität einmal als ärmlich und unzureichend erkennen
wird.


3. Das Wesen des Begriffes und sein Inhalt.

In und mit jedem Begriff, der in unser Denken eingeht, erfassen wir
einen eigentümlichen +Inhalt+, der diesen Begriff bestimmt, ihn
zugleich als besonderen Begriff kennzeichnet und von allen anderen
Begriffen unterscheidet. Nehmen wir beispielsweise den Begriff
„Schwan“, so versteht man darunter, wofern man mit den zoologischen
Eigentümlichkeiten dieses Tieres vertraut ist, einen großen, sehr
langhalsigen, aber kurzbeinigen Schwimmvogel von der Art der
Entenvögel, mit an der Spitze abgeplattetem Schnabel, der in der
gemäßigten und kalten Zone lebt, in der nördlichen Halbkugel weiß, in
der südlichen ganz oder teilweise schwarz gefärbt ist. Der Begriff
„Schwan“ hat mithin zum +Gegenstand+ eine Art der Schwimm-, genauer
der Entenvögel; als +Inhalt+ die besonderen Eigenschaften des sehr
langen Halses, der kurzen Beine, des abgeplatteten Schnabels usw., die
den Schwan von anderen Schwimmvögeln unterscheiden und ihn als Schwan
kenntlich machen.

Der Inhalt eines Begriffes ist es danach, der das +Wesen+ des
Begriffes ausmacht. Bestehend aus dem Inbegriff der Merkmale, die den
betreffenden Gegenstand charakterisieren, bildet er dasjenige Element,
durch das wir den Begriff als das, was er ist, denken und ihn von
allen anderen Begriffen absondern. Der sog. logische +Grundsatz der
Identität+ (in der traditionellen Logik zumeist an unpassendem Platze
in der Urteilslehre erwähnt), dargestellt durch die Formel: „~A~ ist
~A~“, besagt nichts anderes wie, daß jeder Begriff, bestimmt und
gekennzeichnet durch einen ihm zugehörigen Inhalt, von uns als mit sich
selbst identisch und verschieden von allen anderen Begriffen gedacht
wird. („Jeder Begriff ist mit sich selbst identisch.“)

Ein Begriff ist das, was er ist, durch seinen Inhalt. Begriffe sind
einander +gleich+ (identisch), auch wenn sie mittels +verschiedener+
Worte sprachlich fixiert sind, sofern in ihnen der gleiche Inhalt
gedacht wird (Grundsatz der Synonyme). Begriffe sind +verschieden+,
auch wenn sie durch +ein und dasselbe+ Wort ausgedrückt werden,
wofern in ihnen ein verschiedener Inhalt gedacht wird (Grundsatz
der Äquivokationen). Der Begriff darf also nicht etwa als eine Art
„stetiger Funktion“ des Wortes gedeutet werden, an das er geknüpft ist.
Worte können abweichende Bedeutung haben je nach dem Zusammenhang,
in den sie eingeordnet sind, und damit also auch verschiedenen, wenn
auch zumeist verwandten Begriffen dienen. Schon daraus allein ergibt
sich, was sich in einem späteren Zusammenhange noch deutlicher erweisen
wird, daß Begriffe an und für sich +unselbständige Elemente des
Denkens+ sind. Alles Denken geschieht durch Urteilen oder Fragen, und
das Fragen hat, wie sich noch zeigen wird, seiner logischen Funktion
nach selbst wieder Urteilscharakter. Das Urteil ist, logisch wie
psychologisch genommen, dem Begriff (und auch dem Schluß) gegenüber das
Ursprünglichere; es ist mithin das +Formelement des Denkens+, zu dem
sich die Begriffe etwa verhalten wie Protoplasma, Kern und Membran zur
+Zelle+ als dem Formelement des organischen Lebens.

Der Inhalt eines Begriffes zerfällt nach den Merkmalen, die in ihm
enthalten sind, in einen Inhalt im engeren und im weiteren Sinne.
Der Inhalt im +engeren+ Sinne oder +konstituierende+ Inhalt ist der
Inbegriff der Merkmale eines Gegenstandes, ohne die dieser schlechthin
nicht gedacht werden kann, weil sie ihm seinem Wesen nach als
bestimmend und darum notwendig zugehören (wesentliche oder notwendige
Merkmale); der Inhalt im +weiteren+ Sinne oder auch mögliche Inhalt ist
der Inbegriff derjenigen Merkmale, die dem Gegenstande seinem Wesen
nach zukommen +können+, aber nicht notwendig zukommen müssen (mögliche
oder unwesentliche Merkmale). Insofern nun alles, was von einem
Gegenstand urteilsmäßig ausgesagt werden kann, entweder dem Inhalt im
engeren oder dem Inhalt im weiteren Sinne angehören muß, nennt man den
Inbegriff dieser beiden auch den +prädikativen+ (aussagbaren) Inhalt
eines Begriffes.

  Diese Scheidung sei durch ein Beispiel verdeutlicht. Unter dem
  Begriff „Uhr“ versteht man ganz allgemein eine von Menschen
  geschaffene Einrichtung, deren Zweck es ist, entsprechend der
  Einteilung des Tages in 24 Stunden, der Stunde in 60 Minuten usw.
  die Zeit anzugeben. Diese beiden Eigenheiten (1. Einrichtung durch
  den Menschen und 2. zeitmessender Zweck) bilden die +wesentlichen+
  Merkmale des Begriffes „Uhr“, die dessen konstituierenden Inhalt
  ausmachen, ganz gleich, ob es sich um eine Sonnenuhr, Sanduhr,
  Pendeluhr oder Federwerkuhr handelt. Der +mögliche+ Inhalt des
  Begriffes ist dahingegen unendlich viel reicher. Man kann je
  nach den besonderen Umständen von der Uhr aussagen, daß sie ein
  nützliches oder wertloses Geschenk für die Menschheit sei; daß sie
  als zeitmessendes Instrument ein zweckmäßiges oder unzweckmäßiges
  Zahlensystem als Einteilungsmaßstab zu ihrer Voraussetzung habe, daß
  sie aus Gold, Silber, Kupfer, Stahl gefertigt sei u. a. m. Kurzum:
  der mögliche Inhalt des Begriffes umfaßt alle Merkmale, die ihm unter
  Umständen zukommen können, d. h. mit seinen wesentlichen Merkmalen
  +verträglich+ sind.

Zu dieser Unterscheidung kommen noch fernere. Die Merkmale, die den
Inhalt eines Begriffes bilden, sind entweder +innere+, d. h. solche,
die man gewinnt, wenn man den Gegenstand des Begriffes in sich
selbst analysiert („innere Analyse“); oder auch +äußere+ (besser:
Beziehungsmerkmale, Relationsmerkmale), d. h. solche, die sich aus der
Vergleichung des betreffenden Gegenstandes mit anderen ergeben. Mit
Rücksicht auf die letzteren hat man auch von einem „relativen Inhalt“
gesprochen, der gleich dem Inbegriff der Beziehungsmerkmale eines
Begriffes ist. Endlich sind die Merkmale eines Begriffes entweder
qualitative oder quantitative; ursprüngliche oder abgeleitete; eigene
oder gemeinsame (vgl. B. Erdmann, Logik I², Kap. 23).

Es ist ersichtlich, daß für die Bestimmung eines Begriffes nicht der
mögliche, sondern der konstituierende Inhalt in Frage kommt. Der
konstituierende Inhalt als Inbegriff der notwendigen Merkmale begründet
den Begriff; der mögliche Inhalt ist demgegenüber logisch als vom
konstituierenden abhängig und ableitbar zu bezeichnen. Will ich einen
Begriff +denken+, so ist es nötig, daß ich mit seinen konstituierenden
Merkmalen vertraut bin (d. h. ich muß sie +wissen+, obschon es nicht
notwendig ist, daß sie mir alle zugleich +bewußt+ sind); will ich einen
Begriff +definieren+, so ist es nötig, daß ich seine konstituierenden
Merkmale angebe. Es ist demgegenüber aber weder für das Denken noch
die Definition eines Begriffes erforderlich, daß ich auch alle seine
möglichen Merkmale kenne oder anzugeben weiß; denn diese sind jederzeit
aus dem Inbegriff der wesentlichen Merkmale ableitbar, insofern als zum
möglichen Inhalt alles gehört, was dem notwendigen nicht widerspricht.
Darum haben manche Logiker unter dem „Inhalt“ eines Begriffes überhaupt
nur den konstituierenden verstanden. Darum soll auch hier, wo nicht
ausdrücklich zwischen beiden Arten des Inhalts unterschieden wird,
überall, wo vom Inhalt schlechthin die Rede ist, der konstituierende
gemeint sein.

  Konstituierender und möglicher Inhalt eines Begriffes stehen
  zueinander in +relativem+ Verhältnis. Der Wandel der Begriffe im
  Laufe der Zeiten bringt es mit sich, daß heute als einem Begriff
  notwendiges Merkmal gedacht wird, was gestern noch als möglich und
  darum unwesentlich galt und umgekehrt. Ebenso können Merkmale --
  entsprechend der Verschiedenheit der menschlichen Kenntnisse und
  Erfahrungen -- dem einen als konstituierende gelten, die dem anderen
  als nur mögliche und darum unwesentliche erscheinen.


4. Der Umfang des Begriffes und sein Verhältnis zum Inhalt.

Die Zahl der notwendigen Merkmale, die den konstituierenden Inhalt
eines Begriffes bilden, ist entsprechend der Verschiedenheit der
Begriffe verschieden groß. Je nach der Größe dieser Zahl ist der
Umkreis der Objekte, auf die der Begriff sinngemäß Anwendung findet,
kleiner oder größer. Bezeichnet man den Inbegriff der Merkmale eines
Begriffes als dessen +Inhalt+, so den Inbegriff der Arten (Unterarten,
bzw. Exemplare), auf die der Begriff sich bezieht, als seinen +Umfang+,
sein +Anwendungsgebiet+ oder auch, wie neuerdings vorgeschlagen worden
ist, sein +Geltungsbereich+ (Riehl). Der Umfang des Begriffes ist keine
Zahlengröße; er wird nicht dadurch vermehrt oder vermindert, daß es
eines der unter ihm gedachten Objekte mehr oder weniger auf der Welt
gibt; er ist vielmehr eine +logische+ Größe die -- in funktionaler
Abhängigkeit von der Größe des Inhalts stehend -- dadurch größer oder
kleiner wird, daß der Begriff seinem +Inhalt+ nach auf einen größeren
oder kleineren Umkreis von Objekten bezogen werden muß.

Die Beziehungen zwischen dem Inhalt und dem Umfang eines Begriffes
lassen sich leicht an der Hand eines Beispiels ableiten. Determiniert
man etwa den Begriff „Uhr“ durch das Merkmal der besonderen
Herstellungsweise seines Gegenstandes, so wird dadurch sein Inhalt
reicher, sein Umfang ärmer; determiniert man den so gewonnenen Begriff
(Ankeruhr, Pendeluhr usw.) etwa durch die Angabe des Materials, aus
dem der Gegenstand gebildet ist (Gold, Silber, Stahl usw.), so wird
abermals der Inhalt reicher, der Umfang ärmer. Setzt man das fort, so
findet man stets, daß mit der Bereicherung des Inhalts (Determination)
der Umfang +vermindert+; mit der Verringerung des Inhalts (im
Gegensatz zur Determination das Verfahren der +Abstraktion+) der
Umfang +vermehrt+ wird. Für das Verhältnis von Inhalt und Umfang eines
Begriffes ergibt sich danach das logische Gesetz, daß der +Umfang+ --
als vom Inhalt abhängige Größe -- +um so ärmer ist, je reicher der
Inhalt+, und umgekehrt +um so reicher, je ärmer der Inhalt+.

Inhalt und Umfang haben in ihrer Größe sowohl nach oben wie nach
unten hin Grenzen. Da ein Begriff ohne Inhalt nicht denkbar ist, so
bildet ein einziges konstituierendes Merkmal den +kleinsten+ Inhalt
eines Begriffes. Diese inhaltsärmsten Begriffe mit nur einem einzigen
konstituierenden Merkmal haben den +größten+ Umfang. Also: der Umfang
eines Begriffes kann nie größer werden, als wenn sein Inhalt bei dem
Minimum „+ein+ Merkmal“ angekommen ist. Und umgekehrt: die Begriffe
mit dem +ärmsten+ Umfang, also diejenigen, die sich nur noch auf einen
einzigen raum-zeitlich bestimmten Gegenstand beziehen (z. B. auf die
blaue Grotte bei Capri in dem Augenblicke ihrer Entdeckung durch
Kopisch im Jahre 1826; auf Cäsar im Augenblicke seiner Ermordung; auf
den ersten geschichtlich bekannten Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79
v. Chr.) haben den +reichsten+ Inhalt, den ein Begriff haben kann.
Dem ärmsten Inhalt (= 1) entspricht demnach der reichste Umfang; dem
ärmsten Umfang (= 1) der reichste Inhalt. Oder: zwischen Inhalt und
Umfang eines Begriffes besteht eine Beziehung, die wir in einer Formel
ausgedrückt schreiben können: 1/maximum = maximum/1, wobei 1 = minimum
ist.


5. Arten und Ordnungsreihen der Begriffe, Kategorien.

Für die Einteilung der Begriffe können mehrfache Gesichtspunkte in
Betracht kommen. Wenn wir Begriffe mit nur einem einzigen Merkmale
+einfache+ nennen, dann können Begriffe, deren Inhalt aus einer
Mehrheit von Merkmalen besteht (ungeachtet ihrer Einheitlichkeit
als Begriffsformen), +zusammengesetzte+ heißen. Ein Begriff nähert
sich also der Einfachheit durch +Abstraktion+, wird dagegen um so
zusammengesetzter, je mehr man ihn +determiniert+. Zusammengesetzte
Begriffe sind nach der Art ihrer Zusammensetzung entweder +möglich+
oder +unmöglich+. Das unterscheidet sie von Vorstellungen und Urteilen.
Vorstellungen sind +wirklich+ oder +nichtwirklich+; Urteile +wahr+
oder +falsch+; Begriffe allein sind möglich oder unmöglich (Verwandtes
bei J. Geyser). Mögliche Begriffe sind solche, deren Inhalt aus
miteinander +verträglichen+ Merkmalen, unmögliche solche, deren
Inhalt aus miteinander +unverträglichen+ Merkmalen zusammengesetzt
ist. Da nun die Merkmale, die den Inhalt eines Begriffes bilden,
selbst wiederum +Begriffe+ sind, die einen bestimmten Inhalt haben,
so sind damit auch die Begriffe in miteinander verträgliche und
unverträgliche eingeteilt. +Unverträgliche+ Begriffe sind z. B.
alle, wie man sagt, +kontradiktorisch-entgegengesetzten+ Begriffe,
das sind solche, deren einer +ausschließt+, was in dem Inhalt des
anderen gedacht ist (z. B. schön und nichtschön; frei und nichtfrei;
Sklave und Nichtsklave). Dabei nennt man schön und frei wohl auch
+positive+, nichtschön und nichtfrei +negative+, unfrei und unschön
+limitative+ (privative) Begriffe, obschon die letzteren nur ihrer
+Form+, nicht ihrem Inhalt nach von den negativen abweichen. Ein
aus kontradiktorisch-entgegengesetzten Merkmalen zusammengesetzter
Begriff bildet eine sog. „~contradictio in adiecto~“ (zu deutsch:
„Widerspruch im Beiwort“; z. B. „nichtfremder Fremdling“, „unbekannter
Bekannter“). Eine „~contradictio in adiecto~“ kann auch zustande kommen
durch die Verbindung zweier sog. konträr-entgegengesetzter Merkmale
im Inhalt eines Begriffes. +Konträr-entgegengesetzte+ Begriffe sind
solche, deren Inhalt gegensätzliche Bestimmungen enthält, die sich
zumeist einander ausschließen, ohne daß sie sich aber immer einander
ausschließen müßten (z. B. schön und häßlich; hoch und niedrig; gut
und schlecht; links und rechts; gesund und krank; Mann und Weib). Der
Begriff „schwarzer Schimmel“ bildet eine „~contradictio in adiecto~“,
weil das Merkmal „schwarz“ das in „Schimmel“ gedachte wesentliche
Merkmal „weiß“ ausschließt. Analoges gilt für Begriffe wie „weißer
Neger“, „viereckiger Kreis“, „rundes Quadrat“. Wohl aber sind Begriffe
wie „guter Bösewicht“, „reitender Fußgänger“, „wacher Träumer“
+gelegentlich+ möglich, weil ein Bösewicht eben unter Umständen auch
einmal gut, ein Fußgänger auch einmal reiten, ein Träumer auch einmal
wach sein kann. Zu den unmöglichen Begriffen gehören schließlich
diejenigen, in denen durch Determination ein Merkmal hinzugefügt wird,
das schon im Stammbegriff selbst als wesentlich enthalten ist (z. B.
„weißer Schimmel“, „toter Leichnam“, „kahle Glatze“, „alter Greis“).

Mit dem Vorstehenden ist die Einteilung der Begriffe noch nicht
beschlossen. Der Begriff „Körper“ ist, wie man sagt, nach seinen
konstitutiven Merkmalen +Gattungsbegriff+ gegenüber den verschiedenen
Arten der Körper (feste, flüssige, gasförmige); diese wiederum
sind +Artbegriffe+ gegenüber jenem. Begriffe stehen also nach der
Beschaffenheit ihres Inhalts (und demzufolge auch ihres Umfangs)
zueinander in dem Verhältnis der +Über-+ und +Unter-+ sowie der
+Nebenordnung+. Gattungsbegriffe sind ihren Artbegriffen übergeordnet;
Artbegriffe ihrem Gattungsbegriffe untergeordnet; Artbegriffe einer
und derselben Gattung sind einander nebengeordnet. Hierzu kommt noch
eine weitere Scheidung: die in Individual- und Kollektivbegriffe.
+Individual-+ (oder Einzel-) +begriffe+ sind solche, deren Gegenstand
ein nicht mehr in Arten einzuteilendes Individuum ist (z. B. Helmholtz,
Gaurisankar, Madrid, Schlacht an der Lorettohöhe im Mai 1915). Diese
sind wiederum entweder +allgemeine+ (Gesamtbegriffe), wenn in ihnen
das Individuum schlechthin und ganz im allgemeinen gedacht ist;
oder +spezielle+ (Spezialbegriffe), wofern in ihnen das Individuum
raum-zeitlich oder wie sonst immer speziell bestimmt gedacht ist. So
umfaßt der Gesamtbegriff „Napoleon“ eine Reihe von Spezialbegriffen,
wie z. B.: Napoleon als Knabe, als Feldherr, als Kaiser, als Gatte und
Vater, als Schriftsteller, als Verbannter u. a. m. +Kollektivbegriffe+
sind demgegenüber solche, deren Gegenstand durch die Zusammenfassung
einer Anzahl von Gegenständen zu einem Gegenstand gebildet ist (so
z. B. häufig durch die Zusammenfassung von Merkmalen, die bestimmten
Gattungen oder Arten gemeinsam sind). Beispiele dafür sind: Staat;
Papsttum; Schönheit; Reichtum; Menschheit; Weisheit; Religiosität;
Freiheit.

Die Unterschiede der Über- und Unterordnung haben nur +relativen+
Charakter: ein und derselbe Begriff kann seinem übergeordneten
gegenüber Art, seinem untergeordneten gegenüber Gattung sein. Nur
die Einzelbegriffe, in welche die Artbegriffe allmählich durch immer
zunehmende Determinierung ihres Inhaltes auslaufen, sind frei von
dieser Relativität. Sie bleiben als Individualbegriffe allen höheren
Arten und Gattungen untergeordnet und können nicht mehr zu Art- oder
Gattungsbegriffen selbst werden. Das gleiche gilt im umgekehrten Sinne
von den höchsten Begriffen, also denen, die den ärmsten Inhalt und
weitesten Umfang haben: sie bleiben gegenüber allen anderen Begriffen
immer Gattungen, weil es ihnen gegenüber keine höheren Gattungen mehr
gibt.

  Über das Verhältnis von Gattungs- und Artbegriffen lassen sich
  unter Hinzunahme der oben dargestellten Beziehungen zwischen
  Inhalt und Umfang der Begriffe leicht folgende Tatsachen ableiten:
  Gattungsbegriffe haben gegenüber ihren Artbegriffen einen ärmeren
  Inhalt, aber reicheren Umfang; Artbegriffe haben gegenüber ihrem
  Gattungsbegriffe einen reicheren Inhalt, aber ärmeren Umfang. Die
  Bestimmungen, um die der konstituierende Inhalt eines Artbegriffes
  reicher ist als der seines Gattungsbegriffes, gehören dem Inhalt
  des Gattungsbegriffes bereits als +mögliche+ Merkmale an; denn ein
  Gattungsbegriff wird zum Artbegriff nur durch Determinierung seines
  Inhalts, und die Merkmale, durch die man ihn determiniert, müssen
  ihm folglich schon vordem als mögliche Merkmale zugehören. Der
  +Inhalt+ eines Gattungsbegriffes umfaßt die seinen Arten gemeinsamen
  wesentlichen Merkmale, unter Abstraktion von den nichtgemeinsamen,
  die in den Arten, wie man zu sagen pflegt, die „artbildenden
  Unterschiede“ (~differentiae specificae~) bilden. Der +Umfang+
  eines Gattungsbegriffes ist gleich dem Inbegriff der Umfänge aller
  seiner Arten. Der Umfang eines Artbegriffes deckt sich also mit
  einem Teil des Umfangs seines Gattungsbegriffes und ist selbst
  gleich dem Inbegriff der Umfänge aller der ihm untergeordneten Arten
  (Unterarten oder Individuen). Artbegriffe sind ihrem Gattungsbegriffe
  unmittelbar untergeordnet; die Individuen dieser Arten ebendemselben
  Gattungsbegriffe mittelbar; und ebenso: Gattungsbegriffe sind ihren
  Arten unmittelbar, den Individuen dieser Arten mittelbar übergeordnet.

Durch die Beziehungen der Über- und Unterordnung schließen sich die
Begriffe miteinander zu Reihen zusammen, in denen man von immer
inhaltsärmeren und umfangsreicheren zu immer inhaltsreicheren und
umfangsärmeren Begriffen hinauf- und hinabsteigen kann. Nennen wir den
Inbegriff aller in solchem Verhältnis zueinander stehender Begriffe
eine +Ordnungsreihe des Denkens+, so ergibt sich, daß wir die Begriffe
noch in solche +gleicher+ und +verschiedener Ordnungen+ scheiden
können. Aber auch diese Scheidung ist nur in +relativem+ Sinne gültig;
denn nach oben laufen ja die Ordnungsreihen des Denkens durch immer
höhere Gattungsbegriffe mehr und mehr zusammen, um schließlich in
einer höchsten gleichwie gearteten Spitze zu enden. Nach unten gehen
sie im Gegensatz dazu in immer breitere Verzweigungen auseinander,
die sich mit zunehmender Determinierung immer mehr verästeln.
Diese Verzweigungen darf man sich nun nicht etwa als voneinander
getrennte und streng geschiedene vorstellen. Man muß sie vielmehr so
versinnbildlichen, daß sie einander beständig kreuzen, ineinander
übergehen und miteinander in mannigfach verschlungene Beziehungen
treten. Ein und derselbe Begriff kann entsprechend seinem Inhalt
verschiedenen Ordnungsreihen angehören, je nach dem Gesichtspunkte, von
dem aus man ihn zum Gliede einer Einteilung macht, und bildet damit
allemal einen Kreuzungspunkt, an dem die Reihen ineinander überfließen.

Das Ganze der menschlichen Begriffe bildet also ein anschaulich kaum
zu versinnbildlichendes System, in dem die untere Grenze durch jene
Begriffe gebildet wird, in denen wir bei dem reichsten Inhalt und dem
ärmsten Umfang gewisse raumzeitlich bestimmte individuelle Gegenstände
denken (z. B. Cäsar im Augenblicke seiner Ermordung, die Zerstörung
des Tempels zu Jerusalem im Jahre 70 n. Chr. Geb., den Abbruch der
diplomatischen Verhandlungen zwischen Österreich-Ungarn und Serbien am
25. Juli 1914). Ihnen gegenüber stehen an der Spitze aller Begriffe die
sog. +Kategorien+ (oberste Denkformen), die bei dem ärmsten Inhalt den
größten Umfang haben. Das Wort „Kategorien“ (zu deutsch: Aussageformen)
stammt von +Aristoteles+, der in seinen logischen Schriften zehn
solcher höchsten Begriffe aufzählt, und zwar: „Substanz, Quantität,
Qualität, Relation, Raum, Zeit, Lage, haben, tun, leiden“. Demgegenüber
versuchen bereits die +Stoiker+ eine Verbesserung, indem sie erklären,
der höchste Begriff sei der des „etwas überhaupt“; dieser wiederum
zerfalle in vier Unterabteilungen, die da sind: „Substanz oder Ding,
notwendige Eigenschaft, unwesentliche Beschaffenheit, Beziehung“.
+Kant+ stellt zwölf Kategorien auf, und zwar als Kategorien der
+Quantität+: Einheit, Vielheit, Allheit; als Kategorien der +Qualität+:
Realität, Negation, Einschränkung; als Kategorien der +Relation+:
Substanz, Ursache, Gemeinschaft; als Kategorien der +Modalität+:
Möglichkeit, Dasein und Notwendigkeit; während +Schopenhauer+ glaubt,
alle Kategorien auf eine einzige, auf die der +Kausalität+, reduzieren
zu können. -- In der neueren Logik werden zumeist +drei+ Arten
oberster Begriffe angenommen, und zwar am häufigsten: 1. Begriffe
von +Dingen+ (Substanzen) als dem selbständigen Sein; 2. Begriffe
von +Eigenschaften+ einschließlich Zuständen und Veränderungen
(Akzidentien) als dem unselbständigen Sein oder Sein in einem anderen;
3. Begriffe von Beziehungen (Relationen) als den Verhältnissen, die
zwischen mindestens zwei Dingen, Eigenschaften oder Beziehungen durch
Unterscheidung und Vergleichung gedacht werden. Damit ist gesagt: alle
Begriffe, in denen wir denken, sind entweder Ding-, Eigenschafts- oder
Beziehungsbegriffe, haben also zu Gegenständen entweder Dinge oder
Eigenschaften (bzw. Zustände und Veränderungen) oder Beziehungen.
Demgegenüber darf aber nicht übersehen werden, daß diese drei
Kategorien wiederum unter einer höheren Gattung zusammenfallen, worauf
bereits die Stoiker, neuerdings +Hamilton+, aufmerksam gemacht haben:
unter der des +Gegenstandes+ oder des +Seienden überhaupt+. Alle
Begriffe sind -- insofern etwas in ihnen gedacht werden muß, wenn
sie mit Recht diesen Namen tragen sollen -- Begriffe von einem Etwas
überhaupt oder, wie wir dafür sagen wollen, Begriffe von Gegenständen
überhaupt. Die +Gegenstände+ zerfallen dann in die obersten Arten der
Dinge, Eigenschaften und Beziehungen.


  [4] So schon +Aristoteles+ in seinem Satze: „οὐδέποτε ἄνευ
      φαντάσματος ἡ ψυχὴ νοεῖ“ (niemals denkt die Seele ohne
      Vorstellungen).

  [5] Zur Orientierung sei empfohlen: Joseph +Geyser+, Einführung
      in die Psychologie der Denkvorgänge, Paderborn 1909, ferner: N.
      +Braunshausen+, Einführung in die experimentelle Psychologie
      (ANuG Bd. 484); E. v. +Aster+, Einführung in die Psychologie
      (ANuG Bd. 492).



II. Die Lehre vom Urteil.


1. Arten und Ordnung der Urteile.

Alles Denken ist in seinem weitesten Sinne Urteilen oder Fragen. (Das
Schließen ist keine selbständige Art des Denkens, sondern, wie sich
zeigen wird, eine Art des Urteilens, und zwar ein mittelbares oder
vermitteltes Urteilen im Gegensatz zum unmittelbaren.) Der Frage
gegenüber ist das Urteil das Ursprünglichere; denn die Frage hat,
wie zu erörtern sein wird, ihrer logischen Beschaffenheit nach das
Urteil zur Voraussetzung. Die traditionelle Logik hat die Bedeutung
der Frage für das Denken und ihr Verhältnis zum Urteil im allgemeinen
stiefmütterlich behandelt. Das soll hier vermieden werden; indessen
setzt die logische Analyse der Frage die des Urteils voraus und muß
darum zweckmäßig an den Schluß der Urteilslehre gestellt werden.

+Urteilen+ heißt, um es zunächst allgemein zu sagen, von einem
Gegenstande als logischem Subjekt etwas aussagen, was diesem -- sei
es eine Eigenschaft (Zustand, Veränderung) oder eine Beziehung --
als logisches Prädikat zukommt. In dieser Beziehung zwischen dem
Gegenstand der Aussage (Subjekt = ~S~) und der eigentlichen Aussage
selbst (Prädikat = ~P~) liegt das Wesen des Urteils; sie macht seinen
Charakter aus und bedingt seine Verschiedenheit von anderen Faktoren
des Seelenlebens, von Vorstellungen und Begriffen. Vorstellungen
-- seien es solche der Wahrnehmung, Erinnerung oder Einbildung --
sind, wie schon in anderem Zusammenhange betont, +wirklich+ oder
+nichtwirklich+; Begriffe sind der Zusammensetzung ihres Inhalts
nach +möglich+ oder +nichtmöglich+; Urteile allein sind +wahr+
oder +falsch+. Wahrheit und Falschheit sind also kennzeichnende
Eigentümlichkeiten, die von allen Produkten unseres Seelenlebens allein
dem Urteil zukommen.

Die traditionelle Logik pflegt für die Einteilung der Urteile das von
+Kant+ im Anschluß an scholastische Unterscheidungen entworfene Schema
zugrunde zu legen, das besagt: Urteile sind der +Quantität+ nach:
+allgemeine+ (alle ~S~ sind ~P~) oder +besondere+ (einige ~S~ sind ~P~)
oder +einzelne+ (~S~ ist ~P~); der +Qualität+ nach: +bejahende+ (~S~
ist ~P~) oder +verneinende+ (~S~ ist nicht ~P~) oder +unendliche+ (~S~
ist ~non-P~); der +Relation+ nach: +kategorische+ (~S~ ist ~P~) oder
+hypothetische+ (wenn ~Q~ ~R~, dann ~S~ ~P~) oder +disjunktive+ (~S~
ist entweder ~P~ oder ~P₁~; der +Modalität+ nach: +problematische+
(~S~ kann ~P~ sein) oder +assertorische+ (~S~ ist tatsächlich ~P~)
oder +apodiktische+ (~S~ muß ~P~ sein)[6]. Dieses Schema hat indessen
durch die neuere Logik (so schon durch Schopenhauer, durch Herbart) so
zahlreiche Umgestaltungen erfahren, daß es auch hier in veränderter
Fassung zugrunde gelegt werden darf.

Urteile sind nach ihrem Bestande entweder einfache oder
zusammengesetzte; nach ihrer Beziehung auf das Wirkliche entweder
Real- oder Idealurteile. +Einfache+ Urteile sind solche, deren
Analyse nur ein Subjekt und ein Prädikat; +zusammengesetzte+ solche,
deren Analyse entweder mehrere Subjekte oder mehrere Prädikate,
im ganzen also mehrere einfache Urteile als Glieder des Bestandes
ergibt. +Realurteile+ sind solche, in denen wir die ausgesagte
Beziehung als vom Denken unabhängig wirklich, +Idealurteile+ solche,
in denen wir diese nur im Gedachtwerden wirklich voraussetzen. Von
den Idealurteilen kommen für die logische Analyse vor allem die
mathematischen und logischen Urteile in Betracht. Diese sollen als
Urteile über die Beziehungen zwischen Formen und Größen +Formalurteile+
heißen, im Gegensatz zu den Realurteilen als Urteilen über die Vorgänge
und Beziehungen der Wirklichkeit (daher: Wirklichkeitsurteile,
Tatsachenurteile). Die Scheidung der Urteile in Real- und Idealurteile
wird erst in einem späteren Zusammenhange Bedeutung gewinnen; die in
einfache und zusammengesetzte ist bereits hier wichtig.

Für die logische Gliederung der Urteile nach Gattungen und Arten
ist die Einteilung der einfachen Urteile grundlegend; sie gilt
mittelbar auch für die zusammengesetzten, insofern als diese ja
aus einfachen Urteilen gebildet sind. Die +einfachen+ Urteile
sind nach der Inhaltsbestimmung ihres Subjektsbegriffes entweder
Subjekt-unbestimmte, auch +Impersonalien+ genannt (z. B. „es
regnet, es klopft“) oder Subjekt-bestimmte (~S~ ist ~P~); die
Subjekt-bestimmten Urteile wieder nach der Beschaffenheit ihres
Subjekts entweder +Gattungs+- oder +Einzel+- (generelle oder
individuelle) Urteile, nach der Beschaffenheit ihres Prädikats entweder
Inhärenz- oder Relationsurteile. +Inhärenz+urteile sind ferner
entweder +Qualitäts+urteile (z. B. „Die Bienen sammeln Honig“) oder
+klassifikatorische+ (z. B. „Bienen sind Insekten“) oder +normative+
Urteile (z. B. „Du sollst lernen“); +Relationsurteile+ sind entweder
+quantitative+ oder +qualitative+ (~S~ ist größer, schöner als ~P~)
sowie entweder +kausale+ (~S~ bewirkt ~P~) oder +existentiale+ (~S~
existiert). In einem Schema angeordnet sieht demnach die Einteilung der
einfachen Urteile folgendermaßen aus:

                  Einfache Urteile
                         |
           +-------------+------------+
           |                          |
  Subjekt-unbestimmte          Subjekt-bestimmte
  oder Impersonalien                  |
                          +-----------+------------+
                          |                        |
                   Gattungsurteile           Einzelurteile
                          |                        |
                          +-----------+------------+
                                      |
               +----------------------+------------+
               |                                   |
       Inhärenzurteile                       Relationsurteile
               |                                   |
     +---------+------+           + --------+------++----------+
     |         |      |           |         |       |          |
  Quali-   Klassi-  Norma-     Quan-      Quali-  Kausal-  Existen-
  tätsur-  fikato-  tive       titative   tative  urteile  tialur-
  teile    rische   Urteile    Rela-      Relati-          teile
  Urteile  Urteile             tionsur-   onsur-
                               teile      teile

Die +zusammengesetzten+ Urteile sind je nach der Art ihrer
Zusammensetzung entweder Beurteilungen oder Urteilsverbindungen
oder Urteilsgefüge. +Beurteilungen+ -- auf der Grenze der
zusammengesetzten Urteile zu den einfachen stehend -- sind solche
Aussagen, deren Subjekt selbst wieder ein Urteil ist. Sie zerfallen
in die Arten der +verneinenden+ (~S~ ist nicht ~P~), +quantitativ+-
und +modal+-bestimmenden Urteile; die zu zweit genannten wieder
in +universale+ und +partikuläre+ (alle ~S~ sind ~P~; einige ~S~
sind ~P~); die zuletzt genannten in +apodiktische+, +assertorische+
und +problematische+ Behauptungen (~S~ ist notwendig, tatsächlich,
möglicherweise ~P~). Urteils+verbindungen+ sind solche zusammengesetzte
Urteile, in denen mehrere einfache Urteile entweder +kopulativ+ (~S₁~
und ~S₂~ sind ~P~) oder +konjunktiv+ (~S~ ist ~P₁~ und ~P₂~) oder
+divisiv+ (~S~ ist teils ~P₁~, teils ~P₂~) miteinander verknüpft
sind. Urteils+gefüge+ endlich sind Urteilszusammensetzungen, in denen
eine Mehrheit von Urteilen in eine entweder +ausschließende+ oder
+begründende+ Beziehung zueinander gerückt sind; die ersteren (~S~ ist
entweder ~P₁~ oder ~P₂~) heißen +disjunktive+, die letzteren (wenn ~Q~
~R~, dann ~S~ ~P~) +hypothetische+ Urteilsgefüge. Verdeutlichen wir die
Arten der zusammengesetzten Urteile gleichfalls an Hand eines Schemas,
dann ergibt sich:

                                  Zusammengesetzte Urteile
                                             |
            +--------------------------------+------------------+
            |                                |                  |
       Beurteilungen                 Urteilsverbindungen   Urteilsgefüge
            |                                |                  |
    +-------+---+----------+        +--------+--------+     +---+---+
    |           |          |        |        |        |     |       |
  verneinen-  quanti-    modal-    kopu-    kon-    divi-  dis-   hypo-
  de oder     tativ      bestim-  lative  junktive  sive   junk-  theti-
  Negationen  bestim-    mende                             tive   sche
              mende        |
              |            |
    +---------+--+      +---+---+--------+
    |            |      |       |        |
  univer-     parti-   apo-   asser-   proble-
   sale       kulä-   dikti-  tori-   matische
  (allge-      re      sche    sche
  meine)


2. Logische Theorie des Urteils.

Die logische Analyse des Urteils legt ihrer Untersuchung das elementare
bejahende Urteil von der Form „~S~ ist ~P~“ zugrunde. Was für dieses
als gültig erwiesen ist, muß ~mutatis mutandis~ auch für die noch
so kompliziert zusammengesetzten Urteile gelten, da jene aus diesen
gebildet sind.

Das Urteil verhält sich zum Satz wie der Begriff zum Worte, mit
dem er verbunden ist. Der Satz ist also mehr als die äußere Hülle
des Urteils; er ist Träger, Vermittler des im Urteil enthaltenen
Gedankens, wie das Wort Träger, Vermittler des mit ihm verknüpften
Begriffes ist. Nichtsdestoweniger ist zwischen der grammatischen
Analyse des Satzes und der logischen Analyse des Urteils ein strenger
Unterschied zu ziehen. Grammatisch mag ein Satz auch aus noch so vielen
Bestandteilen zusammengesetzt sein (Subjekt, Prädikat, Objekt, näheren
Bestimmungen des Ortes, der Zeit usw. als grammatischen Kategorien);
logisch sind alle Urteile +zweigliedrig+ (so schon Beneke; auch Wundt,
Erdmann, Geyser). Nur eine +grammatisierende+ Logik, (welche die
Logik entweder mit der Grammatik identifiziert oder beider Grenzen
durcheinanderfließen läßt), vermag die Annahme zu vertreten, daß ein
Urteil logisch mehr oder weniger als zwei Glieder haben könne. Und
nur eine +psychologisierende+ Logik vermag der grammatisierenden
darin beizupflichten, indem sie nämlich die psychologische Frage nach
dem Vorstellungsbestande des Urteilens der logischen Frage nach dem
Aufbau des Urteils substituiert. In dem elementaren Urteil: „~S~ ist
~P~“ ist „~S~“ +grammatisch+ Subjekt, „ist“ Kopula und „~P~“ Prädikat
oder Objekt; logisch dagegen „~S~“ Subjekt und das „~P~-sein des ~S~“
Prädikat. Mögen wir von hier aus auch zu den grammatisch verwickeltsten
Urteilsformen aufsteigen, logisch wird sich allemal zeigen, daß sie nur
aus zwei Gliedern bestehen: dem +Subjekt+ als dem Gegenstand, +über+
den, und dem +Prädikat+, als dem Gegenstand, +der+ ausgesagt wird.

  Folgende Urteile also -- so sehr sie grammatisch voneinander
  abweichen -- sind logisch zweigliedrig:

  +logisches Subjekt+:               +logisches Prädikat+:
         ↓                                  ↓
    ein Knabe                            starb
    ein siebenjähriger Knabe             starb nach kurzer Krankheit
    ein siebenjähriger blonder Knabe     starb nach kurzer Krankheit in
                                         den Armen seiner Mutter

    ein siebenjähriger blonder Knabe,
    der sich beim Baden erkältet
    hatte,                               starb nach kurzer Krankheit in
                                         den Armen seiner Mutter an
                                         einer Lungenentzündung.

  Das gleiche gilt auch, obwohl es gelegentlich bestritten worden
  ist, für die sog. „verkürzten Urteile“ oder „Urteilsworte“ (z. B.
  „komm“, „bleibe“, „Hilfe!“, „stirb“), deren logischer Sinn soviel ist
  wie „ich will, daß du kommst“, „ich will, daß du bleibst, hilfst“
  usw., wobei „ich“ logisches Subjekt, „will, daß du kommst“ logisches
  Prädikat ist. Noch an Hand einer anderen Art von Urteilen hat man
  versucht, die Zweigliedrigkeit der Urteile in Zweifel zu ziehen, und
  zwar an der Hand der Subjekt-unbestimmten Urteile oder Impersonalien.
  Inwiefern auch hier der erhobene Einwand haltlos ist, wird sich
  zeigen, wenn von dieser Urteilsart im speziellen die Rede sein wird.

Damit ist für die Frage nach dem Wesen des Urteils zunächst so viel
gewonnen, daß jedes Urteil seinem logischen Aufbau nach aus zwei
materialen Gliedern bestehe, die im Urteilsakt in eine bestimmte
Beziehung zueinander gerückt werden. Diese Beziehung zwischen Subjekt
und Prädikat, d. i. die eigentlich +prädikative+ (aussagende) Beziehung
oder +Form+ des Urteils ihrem Wesen nach zu bestimmen, ist die weitere
Aufgabe der logischen Analyse des Urteils.

Sieht man von allen Besonderheiten psychologisierender oder
grammatisierender Urteilstheorien ab[7], so kann man die bisher
entwickelten Auffassungen in zwei Gruppen scheiden. Die eine glaubt,
die +Inhalts+-, die andere die +Umfangs+beziehungen zwischen dem
Subjekts- und dem Prädikatsbegriff als die für die Theorie des Urteils
maßgebenden betrachten zu müssen. Die ersteren werden danach als
+Inhaltstheorien+, die zweiten als +Umfangstheorien+ bezeichnet.
Der Gegensatz dieser Auffassungen ist ein so weit reichender, daß
sich im Anschluß daran geradezu von verschiedenen +Richtungen+ der
Logik sprechen läßt, deren eine als +Inhaltslogik+, deren andere als
+Umfangslogik+ anzusprechen ist.

  Zu den +Umfangstheorien+ gehört die älteste und verbreitetste
  Annahme über das Wesen des Urteils, die sog. +Subsumtionstheorie+
  (vertreten durch Aristoteles, Lambert, Kant, Hegel). Sie deutet die
  Urteilsbeziehung zwischen Subjekt und Prädikat so, daß der Umfang
  des Subjektsbegriffes unter den Umfang des Prädikatsbegriffes
  +subsumiert+ sei. Das Subjekt werde also als +Art+ zu dem Prädikat
  als +Gattung+ gedacht. In dem Urteil „Kunst bringt Gunst“ z. B.
  sei „das Gunst-bringende“ +Gattungsbegriff+ gegenüber dem Begriff
  „Kunst“ als einer seiner Arten; „die Kunst“ mithin unter den Begriff
  „Gunst-bringendes“ subsumiert. -- Dieser Theorie verwandt ist eine
  zweite, die sog. +Identitätstheorie des Umfangs+ (vertreten z. B.
  durch Ploucquet; in reiferer Form durch W. Hamilton in der sog.
  Lehre von der +Quantifikation des Prädikats+ und deren Anhängern
  Thompson, de Morgan). Ihr zufolge seien im Urteil Subjekts- und
  Prädikatsbegriff ihrem Umfang nach als gleich groß (identisch)
  gedacht. In der Behauptung „Alle Rosen tragen Dornen“ sei der
  Umfang des Begriffes „Dornen-tragendes“ nicht größer als der des
  Begriffes „alle Rosen“; denn der Subjektsbegriff „alle Rosen“
  schränke den sonst weiteren Umfang des Begriffes „Dornen-tragendes“
  auf seinen eigenen Umfang ein. Das Urteil müsse genau genommen also
  heißen: „Alle Rosen sind dornentragende Rosen.“ -- Als Vertreter
  der Umfangslogik kommen neben den Genannten auch alle Anhänger der
  +mathematischen+ Logik in Betracht. Diese deuten das Urteil sowohl
  im Sinne der Subsumtions- wie der Identitätstheorie des Umfangs,
  wobei die Inhaltsbeziehungen völlig verloren gehen. Sie schreiben in
  mathematischem Gewande für Urteile wie „Kochsalz ist Chlornatrium“:
  „~S~ = ~P~“, für Urteile wie „Silber ist ein Metall“: „~S~ ( ~P~“,
  indem sie die Gleichheitsbeziehungen des Umfangs durch =, die
  Subsumtionsbeziehungen durch ( wiedergeben. Nehme man beide Symbole
  zusammen, dann lasse sich das Wesen des Urteils darstellen durch den
  Ausdruck: ~S~ ( ~P~. -- Von den +Inhaltstheorien+ sei hier nur die
  sog. +Identitätstheorie des Inhalts+ erwähnt (vertreten durch H.
  St. Jevons, in anderer Gestalt durch Lotze). Nach ihr sei das Wesen
  des Urteils darin zu suchen, daß in ihm Subjekt und Prädikat als
  inhaltsgleich (inhaltsidentisch) gedacht werde. Die Behauptung: „Ein
  Teil der Menschen ist farbenblind“ bedeute mithin soviel wie: „Einige
  Menschen (unter denen jedoch nur die Farbenblinden zu verstehen sind)
  sind farbenblinde Menschen.“ -- (Ausführliche Darstellung und Kritik
  dieser Urteilstheorien bei B. Erdmann, Logik I², Kap. 43.)

Für die Bestimmung des Wesens des Urteils ist zunächst davon
auszugehen, daß sowohl dem Subjekts- wie dem Prädikatsbegriff ein
Inhalt und ein Umfang zukommt, die im Urteil zueinander in eine
bestimmte logische Beziehung treten. Wie aber schon die Lehre vom
Begriff zeigte, daß der Umfang eine vom Inhalt abhängige Größe sei,
so ergibt auch die Analyse des Urteils, daß die Umfangsbeziehungen
eine +Folge+ der Inhaltsbeziehungen, diese mithin die primären und für
die Theorie des Urteils maßgebenden sind. Darüber, ob zwei Begriffe
miteinander in das Verhältnis von Subjekt und Prädikat treten können,
entscheiden nicht die Beziehungen ihres Umfangs, sondern ihres
+Inhalts+. Die Begriffe „Gold“ und „Metall“ haben nur darum einen Teil
ihres Umfangs gemeinsam, weil sie einen Teil ihrer konstituierenden
Merkmale gemeinsam haben, dergestalt, daß „Gold“ zur Art gegenüber der
Gattung „Metall“ wird. Daß sie also miteinander zu dem Urteil „Gold ist
ein Metall“ zusammentreten können, hängt von der Beschaffenheit ihrer
Merkmale, mithin ihres Inhalts, nicht von der ihres Umfangs ab.

Die sich daraus ergebende Auffassung des Urteils erweist sich
mithin als eine +Inhaltstheorie+. Die Frage, vor der die logische
Analyse nunmehr steht, lautet: Welcher +Art+ sind im Urteil die
Inhaltsbeziehungen zwischen Subjekts- und Prädikatsbegriff?

Der Erörterung dieser Frage seien drei elementare Urteile von der
Form „~S~ ist ~P~“ zugrunde gelegt: 1. Atome (im Sinne der Lehre
Demokrits) sind unteilbar; 2. ebene Dreiecke sind Flächen, die von
drei geraden Linien begrenzt werden; 3. der brave Mann denkt an sich
selbst zuletzt. Nehmen wir das erste dieser Urteile, so erweist
sich der Prädikatsbegriff „unteilbar“ als ein notwendiges Merkmal
des Subjektsbegriffes „Atom“. Alle Merkmale des Unteilbaren sind
also in dem Inhalt des Begriffes „Atom“ enthalten. Der Inhalt des
Subjektsbegriffes „Atom“ ist aber reicher als der des Prädikats.
„Unteilbar“ kann als Merkmal auch dem Unkörperlichen zukommen; das
Atom dagegen ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß es +körperlich+,
d. h. ausgedehnt ist. Der Inhalt des Prädikatsbegriffes verhält sich
also zu dem des Subjektsbegriffes so, daß er mit einem +Teil+ dieses
identisch ist; und die Beziehung zwischen Subjekts- und Prädikatsinhalt
ergibt sich als eine Beziehung unvollständiger Gleichheit. Nehmen
wir das zweite Urteil: „Ebene Dreiecke sind Flächen, die von drei
geraden Linien begrenzt werden.“ In diesem enthält das Prädikat
alle notwendigen Merkmale, die dem Subjektsbegriff zukommen, mit
anderen Worten: es definiert diesen. Nicht im Prädikat enthalten,
obschon daraus ableitbar, sind dagegen alle möglichen Merkmale des
Subjekts, die dessen Inhalt im weiteren Sinne bilden. Auch hier
also herrscht die Beziehung vor, daß der Prädikatsbegriff mit einem
Teil des Gesamtinhalts des Subjektsbegriffes (und zwar mit dem
Inhalt im engeren Sinne) identisch ist, abermals eine Beziehung
unvollständiger Gleichheit. Ebendasselbe ergibt sich an Hand des
dritten Beispiels: „Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt.“ In
diesem ist das Prädikat ein abgeleitetes oder mögliches Merkmal des
Subjektsbegriffes; es hat also zu diesem die Beziehung, daß es mit
einem Teil von dessen Inhalt (und zwar mit einem Teil des Inhalts im
weiteren Sinne) identisch ist, wiederum also wie oben die Beziehung
unvollständiger Gleichheit. Sehen wir von den Differenzen dieser
drei Beziehungsarten ab, dann muß das Verhältnis +unvollständiger
Inhaltsgleichheit+ zwischen Subjekts- und Prädikatsbegriff als ein dem
Urteil eigentümliches anerkannt werden.

Die Frage nach dem Wesen des Urteils ist damit aber nicht gelöst. Auch
zwei nicht im Urteil aufeinander bezogene Begriffe können miteinander
in dem Verhältnis unvollständiger Inhaltsgleichheit stehen, nämlich
dann, wenn sie einen Teil ihrer Merkmale gemeinsam haben (z. B.
Kranich und Vogel [gemeinsam alle Merkmale des Vogels]; Empfindung
und Atom [gemeinsam das Merkmal der Einfachheit]; Schimmel und Schnee
[gemeinsam das Merkmal des Weißen]). Was unterscheidet die Beziehung
unvollständiger Inhaltsgleichheit +im+ Urteil von dieser vom Urteil
unabhängigen? -- Die Antwort auf diese Frage hat davon auszugehen, daß
in jedem Urteil der Prädikatsbegriff den Subjektsbegriff in und vermöge
jener unvollständigen Gleichheit ihrer Inhalte +determiniert+. Wann
und wie wir auch urteilen, immer hat die Beziehung zwischen Subjekt
und Prädikat den Zweck, den Inhalt des Subjekts für den vorliegenden
Fall um den Inhalt des Prädikats zu bereichern. Einen Begriff um ein
Merkmal „bereichern“ heißt dabei: ihn so denken, daß sein Inhalt den
Inhalt jenes Merkmals in sich enthält, wobei notwendige Merkmale
notwendige bleiben, mögliche zu +wirklichen+ werden. Heiße der Begriff,
der determiniert wird, „~S~“, der, durch welchen determiniert wird,
„~P~“, so bedeutet die Determination des „~S~“ durch „~P~“ soviel
wie: „~P~ ist in ~S~ enthalten“ oder: „~P~ bildet einen Teil des
Inhalts von ~S~“. Alle Determination von Begriffen erfolgt also durch
+Urteile+, und Urteilen ist selbst nichts anderes als +Determinieren+.
Die Begriffsbildung als Vorgang der Determination setzt mithin das
Urteilen voraus; oder, wie schon früher betont: +Urteile+, nicht
Begriffe, sind die +Formelemente+ des Denkens. Kurz gesagt: Zu der
Beziehung unvollständiger Inhaltsgleichheit zwischen zwei Begriffen
kommt im Urteil noch das hinzu, daß der Subjektsbegriff durch das
Prädikat +determiniert+ wird; oder: der Inhalt des Prädikatsbegriffes
ist nicht nur einem Teile des Subjektsinhaltes +gleich+, sondern +er
bildet selbst diesen Teil+. Er ist mithin dem Subjektsinhalt logisch
+immanent+ oder auch, wie wir dafür sagen können: er ist vermöge
des Urteilsgedankens diesem logisch +eingeordnet+. Damit ergibt
sich als Wesen des Urteils die +Einordnung des Prädikats- in den
Subjektsinhalt+; als Theorie des Urteils eine +Einordnungstheorie+,
wie wir sie im Anschluß an die Namengebung ihres Begründers B.
Erdmann (vgl. Logik I², S. 358 f.) nennen wollen. Drücken wir die
Einordnungsbeziehung zwischen Subjekt und Prädikat symbolisierend durch
einen +Pfeil+ aus, dann können wir als Form des elementaren Urteils
schreiben: „~S~ ← ~P~“, wobei die Pfeil+richtung+ andeutet, daß das
„~P~“ dem „~S~“ eingeordnet ist, nicht umgekehrt[8].

Daraus ergibt sich, daß das Urteil keine Verbindung oder Trennung von
Begriffen, keine Zerlegung eines Begriffes in seine Teilbestimmungen
ist, sondern vielmehr das eigentümliche logische Verhältnis zweier
Begriffe, durch das der Inhalt des einen (Prädikat) als ein +Teil+
des Inhalts des anderen (Subjekt) gedacht wird. Die vermeintliche
analysierende Trennung von Subjekt und Prädikat als Voraussetzung
des Urteils und ihre im Urteil selbst erfolgende Ineinssetzung ist
also kein logischer, sondern lediglich ein +sprachlicher+ Vorgang,
dem gewisse, für die Logik bedeutungslose psychologische Funktionen
vorangehen. Begriff und Urteil sind nichts prinzipiell voneinander
Verschiedenes. In und mit jedem Begriff denken wir einen bestimmten
Inhalt, dem ein ganzer Inbegriff von Merkmalen, in und mit jedem
Urteil einen Inhalt, dem dieses oder jenes bestimmte Merkmal logisch
immanent ist. Begriffe sind mithin sozusagen +kristallisierte+ Urteile,
Urteile sich +bildende+ Begriffe. +Mögliche+ Begriffe entsprechen
formal-gültigen, +unmögliche+ formal-ungültigen Urteilen.

  Nach dem Gesagten dürfen die Ausführungen über die
  +Umfangs+beziehungen zwischen Subjekt und Prädikat, die sich aus der
  Beziehung der Einordnung ergeben, kurz sein. Bildet das Prädikat
  einen +Teil+ des Subjektsinhaltes, so kann sein Umfang -- als der
  eines Gliedes im Urteil -- nicht kleiner und nicht größer sein
  als der des Subjekts. Die Umfangsbeziehungen sind mithin die der
  +Identität+, wobei der Prädikatsbegriff vom Subjekt, nicht dieses
  von jenem abhängt. „Gold ist ein Metall“ bedeutet soviel wie: alle
  Merkmale des Begriffes „Metall“ kommen dem Begriff „Gold“ zu und
  gelten dementsprechend von dem gesamten Umfang, von dem der Begriff
  „Gold“ gilt. Jede Einschränkung des Subjektsumfanges (z. B. im
  partikulären Urteil „einige ~S~ ← ~P~“) schränkt also entsprechend
  auch den Umfang des Prädikats ein; denn dieses wird vom Subjekt nur
  soweit als gültig ausgesagt, wie das Subjekt selbst seinem Umfang
  nach Anwendung findet.


3. Formale und materiale Bedingungen der Urteilsgültigkeit.

Alle Urteile -- (sofern wir von dem in der Lüge enthaltenen Spezialfall
beabsichtigter Täuschung absehen) -- sind psychologisch mit dem
Bewußtsein der +Wahrheit+ verbunden (Gewißheit; Überzeugtheit;
Geltungsbewußtsein; Glaube; englisch = ~belief~) und erheben den
Anspruch darauf, von anderen als wahr angenommen zu werden. Das Denken
ist seinem Wesen und Ziel nach +wahres+ Denken, und wo es dieses
Ziel nicht erreicht, da hat es seinen ihm ursprünglich eigenen Zweck
verfehlt.

+Wahr+ nennen wir Urteile, wenn sie sowohl ihrer Form wie ihrem Inhalt
nach gültig, +unwahr+ (oder falsch), wenn sie entweder ihrer Form
oder ihrem Inhalt nach ungültig sind. An jedem Urteil also läßt sich
wie zwischen Form und Inhalt so auch zwischen formaler und materialer
Gültigkeit unterscheiden. Die +formale+ Gültigkeit betrifft die
logische Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat; die +materiale+ die
materialen Urteilsglieder, d. h. den Subjekts- und Prädikatsbegriff
selbst. Ein Urteil wie: „Voltaire telegraphierte von Berlin nach
Potsdam ...“ ist formal gültig, aber material ungültig, weil es
einen Anachronismus enthält, daher +falsch+. Das Urteil: „Die Leiche
erhebt sich und spricht ...“ ist bereits formal ungültig, weil sein
Prädikat dem konstituierenden Inhalt seines Subjektes widerspricht,
mithin auch material ungültig, also +falsch+. Daraus ergibt sich, daß
Urteile material ungültig und doch formal gültig sein können -- (nur
für die mathematischen Urteile fällt formale und materiale Gültigkeit
zusammen); daß aber umgekehrt Urteile nicht formal ungültig sein
können, ohne es auch material zu sein. Die Bedingungen der +formalen+
Gültigkeit der Urteile sind mithin zugleich +mittelbare+ Bedingungen
ihrer +materialen+ Gültigkeit; die Bedingungen der materialen
Gültigkeit +nicht+ aber solche der formalen.

Besteht das Wesen des Urteils in der Einordnung des Prädikats in den
Subjektsinhalt, so können wir als erste vornehmlichste Bedingung der
+formalen+ Gültigkeit eines Urteils die aufstellen, daß einem Subjekt
als Prädikat nur eingeordnet werden darf, was mit den Merkmalen,
die seinen konstituierenden Inhalt bilden, verträglich ist. Das
Subjekt also entscheidet darüber, was von ihm ausgesagt werden kann
und was nicht. Urteile sind demnach formal ungültig, mithin falsch,
wenn ihr Prädikat dem konstituierenden Inhalt des Subjektsbegriffes
irgendwie widerspricht. Diese Bedingung stellt den +allgemeinen
logischen Grundsatz der Prädikation+ dar, den wir kurz formulieren
können: „Keinem Subjekt kann als Prädikat zukommen, was seinem
konstituierenden Inhalt irgendwie widerspricht.“

Dem allgemeinen Grundsatz der Prädikation nahe verwandt ist eine
zweite formale Bedingung der Urteilsgültigkeit, die besagt, daß
einem und demselben Subjekt in mehreren Urteilen nur solche
Merkmale als Prädikate eingeordnet werden dürfen, die einander
nicht ausschließen. Nehmen wir hinzu, daß solche Begriffe, deren
einer ausschließt, was in dem anderen als wesentlich gedacht ist,
kontradiktorisch-entgegengesetzte heißen, dann können wir im Sinne
dieser Bedingung auch schreiben: „Einem und demselben Subjekt dürfen
in mehreren Urteilen nicht einander kontradiktorisch-entgegengesetzte
Bestimmungen als Prädikate eingeordnet werden.“ Die Formulierung
dieser Bedingung bezeichnet die traditionelle Logik als +logischen
Grundsatz des Widerspruches+. Schon +Aristoteles+ hat ihn als ersten
und gewissesten Grundsatz der Gültigkeit der Urteile erkannt und ihn
in den Worten zum Ausdruck gebracht: „Es ist unmöglich, daß etwas
ebendemselben unter den gleichen Voraussetzungen zukomme und auch nicht
zukomme.“ +Leibniz+ erwähnt ihn in der Monadologie; +Wolff+ gibt ihm
die Fassung: „Es kann etwas nicht zugleich sein und auch nicht sein.“
In der neueren Logik hat er eine wechselvolle Geschichte gehabt,
die bisher nicht geschrieben ist. +Erdmann+ formuliert ihn: „Es ist
undenkbar, daß dasselbe demselben unter denselben Voraussetzungen
zukomme und auch nicht zukomme.“

An der Hand des logischen Grundsatzes des Widerspruches läßt sich ein
dritter formaler Grundsatz der Urteilsgültigkeit leicht ableiten.
Von den beiden Urteilen der Form „~S~ ← ~P~“ und „~S~ ← nicht-~P~“
ist gesagt worden, daß sie als einander ausschließend nicht zugleich
gültig sein können. Eine geringe Überlegung lehrt weiter, daß, wo
eines dieser Urteile gültig ist, das andere ungültig sein muß.
Überall also, wo von einem und demselben Subjekt in mehreren Urteilen
kontradiktorisch-entgegengesetzte Bestimmungen ausgesagt werden,
ist, wenn eines dieser Urteile gültig, das andere notwendig ungültig
und umgekehrt. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht; das folgt aus
der Natur unseres Denkens ebenso unmittelbar, wie daß 2 × 2 = 4
und nicht = nicht-4 ist. Die traditionelle Logik nennt diesen Satz
den +logischen Grundsatz vom ausgeschlossenen Dritten+. Wir können
ihn kurz aussprechen in der Form: „Wenn von zwei Urteilen, deren
eines bejaht, was das andere verneint, eines als wahr gegeben ist,
dann ist notwendig das andere falsch und umgekehrt“; oder: „Wenn
von zwei Urteilen mit einem und demselben Subjekt, aber einander
kontradiktorisch-entgegengesetzten Prädikaten eines wahr ist, dann
ist notwendig das andere falsch und umgekehrt.“ -- (Auch dieser
Grundsatz, zuerst aufgestellt von Aristoteles in mehreren abweichenden
Formulierungen, hat in der Geschichte der Logik mannigfach wechselnde
Auffassungen gefunden, die ihn zum Streitobjekt gemacht haben. Die
vorstehend entwickelte Fassung lehnt sich dem Inhalt nach an die von
Erdmann gegebene an.)

Wenden wir uns zu den Bedingungen der +materialen+ Gültigkeit
der Urteile, dann können wir fürs erste festlegen: „Urteile sind
material gültig, wenn ihr Inhalt als unmittelbar gewiß einleuchtet“
(+logischer Grundsatz der unmittelbaren Gewißheit+). Daß es solche
Urteile gibt, hat bereits Aristoteles erkannt (Lehre von den
unbeweisbaren Wahrheiten). Descartes und Locke nennen sie +intuitive+
Erkenntnisse, weil sie sich dem Verstande unmittelbar als gültig
aufdrängen. Ein kennzeichnendes Merkmal besteht für sie allemal in
der Denkwidrigkeit ihres kontradiktorischen Gegenteils. Das Urteil:
„Gleiches zu Gleichem addiert gibt Gleiches“ ist unmittelbar-gewiß für
jeden, der den Sinn der Worte versteht; denn sein kontradiktorisches
Gegenteil ist ebenso unmittelbar jedem als ungültig bewußt. Die
unmittelbar-gewissen Urteile sind daher für alles menschliche Denken
+notwendige+ und +allgemeingültige+ Wahrheiten. Beispiele für sie
finden sich besonders unter den Urteilen der Mathematik und Logik, also
den Formalurteilen, und werden gemeinhin als +Axiome+ (Grundsätze)
bezeichnet. Hierhin gehören der logische und mathematische Grundsatz
der Identität (als mathematischer Satz: „Jede Größe ist sich selbst
gleich“); der Grundsatz der Drittengleichheit („Sind zwei Größen einer
dritten gleich, so sind sie untereinander gleich“); das Geradenaxiom
(„Zwischen zwei Punkten ist die Gerade der kürzeste Weg“); das sog.
Parallelenaxiom („Durch einen Punkt läßt sich in einer Ebene zu einer
Geraden nur eine Parallele ziehen“); der allgemeine logische Grundsatz
der Prädikation; die logischen Grundsätze des Widerspruches, vom
ausgeschlossenen Dritten, der unmittelbaren Gewißheit u. a. m.

Von den unmittelbar-gewissen Urteilen zu scheiden ist eine zweite
Gruppe der Formalurteile, die wir -- als aus den unmittelbar-gewissen
notwendig abgeleitete -- mit dem Namen „mittelbar-gewisse Urteile“
bezeichnen wollen. Bilden die unmittelbar- und mittelbar-gewissen
Urteile zusammen das Reich der +Gewißheit+ (Verstandeswahrheiten,
Vernunftwahrheiten; bei Leibniz: „~vérités de raison~“), so steht
diesen ein zweites Reich von Urteilen gegenüber, das der +Erfahrung+.
Erfahrungsurteile (Wirklichkeitsurteile, Tatsachenurteile; bei
Leibniz: „~vérités de fait~“) sind solche, deren materiale Glieder
irgendwie unmittelbar oder mittelbar dem Bestande der Wahrnehmung
oder Erinnerung entnommen sind, wobei als Arten der Wahrnehmung vom
logischen Standpunkte aus die +eigene+ und die +fremde+ (mitgeteilte,
überlieferte, geschichtliche) Wahrnehmung zu unterscheiden sind.
Mittelbar-gewisse und Erfahrungsurteile haben nun miteinander
gemeinsam, daß sie als Bedingung ihrer materialen Gültigkeit einer
zureichenden Begründung bedürfen. Diese Bedingung können wir -- als
+logischen Grundsatz der zureichenden Begründung+ -- formulieren:
„Jedes Urteil, das nicht unmittelbar gewiß ist, bedarf zum Erweise
seiner materialen Gültigkeit einer zureichenden Begründung.“ Die
spezielle Art der zureichenden Begründung von mittelbar-gewissen und
Tatsachenurteilen ist entsprechend dem Unterschiede dieser Urteilsarten
verschieden. Geht bei den mittelbar gewissen die Begründung als
deduktive Ableitung auf Urteile intuitiver Gewißheit sowie auf letzte
Definitionen zurück (+ableitende+ Begründung), so besteht sie bei den
Erfahrungsurteilen entweder geradesweges in dem Hinweis auf die Daten
der Wahrnehmung (+hinweisende+ Begründung), oder sie stützt sich --
ob als deduktive, induktive oder analogiemäßige Ableitung -- letzten
Endes doch immer auf solche Urteile, deren Begründung nicht anders als
hinweisend gegeben werden kann. Spezielles darüber kann sich erst in
der Lehre vom Schlußverfahren sowie in der Methodenlehre ergeben.

  Auch der logische Grundsatz der zureichenden Begründung hat
  eine weit zurückreichende Geschichte. Angedeutet bei Plato
  und Aristoteles, wird er zuerst von +Leibniz+ als „Gesetz des
  zureichenden oder bestimmenden Grundes“ („~loi de la raison
  suffisante ou déterminante~“) ausdrücklich formuliert und als
  logisches Prinzip der Tatsachenwahrheiten dem Satz des Widerspruches
  als dem logischen Prinzip der Vernunftwahrheiten gegenüberstellt.
  Leibniz aber wie sein gelehriger Schüler Christian Wolff vermengen
  noch den logischen Grundsatz der zureichenden Begründung mit dem
  allgemeinen Kausalgesetz (welches besagt, daß nichts, was geschieht,
  ohne zureichende Ursachen ist, durch die es geschieht), eine
  Unzulänglichkeit der logischen Analyse, die bereits von Crusius,
  ebenso von Kant bemerkt, nichtsdestoweniger aber erst im neunzehnten
  Jahrhundert (Schopenhauer) endgültig überwunden worden ist.


4. Das Subjektsglied der Urteile und die Subjekt-unbestimmten Urteile.

Logisches +Subjekt+ eines Urteils ist dasjenige Glied, +von+ dem
ausgesagt, genauer: dem nach der Immanenz des Prädikats im Subjekt
ein Merkmal inhaltlich eingeordnet ist. Mag das Subjekt sprachlich --
nach dem Bestande der Worte, durch die es im Satze formuliert ist --
noch so zusammengesetzt sein, ja mag es grammatisch selbst in einem
vollständigen Satze bestehen: +logisch+ ist es als Subjekt der Aussage
eine +Einheit+. Der Subjektsbegriff bildet den Gegenstand der Aussage;
dieser wiederum kann nach dem kategorialen Bestande des Denkens ein
Ding, eine Eigenschaft (einschließlich Zuständen und Veränderungen)
oder auch eine Beziehung sein. Der Subjektsbegriff ist mithin entweder
ein Ding-, ein Eigenschafts- oder ein Beziehungsbegriff. Auch da, wo
das logische Subjekt des Urteils selbst wieder in einem Urteil besteht
(z. B. bei den sog. „Beurteilungen“), bleibt es begrifflich eine
Einheit, der wie allen Begriffen nur +ein+ Inhalt zukommt, zu dem das
Prädikat in der Urteilsbeziehung der Einordnung gedacht ist.

Urteile sind als Subjekt-bestimmte nach der Beschaffenheit dieses
Subjekts entweder +Gattungs+- (generelle) oder +Einzel+- (individuelle)
Urteile. Beispiele der ersteren sind alle diejenigen, deren Subjekt ein
Gattungsbegriff („Der Wolf ist ein Raubtier“), Beispiele der letzteren
alle diejenigen, deren Subjekt ein Einzel- -- sei es ein Gesamt- oder
Spezialbegriff -- ist („Goethe hat ein hohes Alter erreicht“).

Zu dieser Einteilung pflegt man in der traditionellen Logik (seit
Aristoteles und Apulejus) noch eine weitere hinzuzufügen, d. i. die
Scheidung der Urteile nach ihrer +Quantität+ in allgemeine (universale)
und besondere (partikuläre) (alle, einige ~S~ ← ~P~). Der Versuch
einer Deutung dieser Urteilsarten bildet eines der umstrittensten
logischen Probleme. +Sigwart+ hat die Theorie aufgestellt, daß die
Quantitätsbestimmung in den Urteilen „einige, alle ~S~ ← ~P~“ nicht
ein zum Subjekt gehöriges logisches Attribut, sondern vielmehr das
+Prädikat+ des Urteils sei (+Prädikatstheorie+ der quantitativen
Bestimmung des Subjekts). Der Sinn des Urteils „alle ~S~ ← ~P~“ sei
soviel wie: „die ~S~, die ~P~ sind, sind +alle+ ~S~“; der Sinn des
Urteils „einige ~S~ ← ~P~“ soviel wie: „die ~S~, die ~P~ sind, sind
+einige+ ~S~“. Diese Auffassung hat zahlreiche Anhänger gefunden
(u. a. Riehl). -- Demgegenüber hat B. +Erdmann+ treffend darauf
hingewiesen, es sei unerfindlich, warum die Sprache, die sonst so
logisch zu Werke gehe, diese Verdrehung vornehme. Habe das Urteil
„alle ~S~ ← ~P~“ den Sinn: „die ~S~, die ~P~ sind, sind +alle+ ~S~“,
dann sei das scheinbare Prädikat „~P~“ nicht Prädikat, sondern ein
von vornherein zum Subjekt gehöriges logisches Attribut und die
Umfangsbestimmung des Subjekts (alle, einige) -- scheinbar Attribut
des Subjekts -- das Prädikat. Überprüfe man aber den Sachverhalt, so
ergebe sich, daß die beiden Urteile „alle ~S~ ← ~P~“ und „einige ~S~
← ~P~“ sich nicht durch ihr Prädikat, sondern durch ihr +Subjekt+
unterscheiden. In beiden werde ein und dasselbe Prädikat „~P~“ einmal
dem Subjekt „alle ~S~“, das anderemal dem Subjekt „einige ~S~“
eingeordnet. Die Quantitätsbestimmung „alle -- einige“ habe demnach als
+quantitatives Attribut+ des Subjekts keine prinzipiell andere logische
Funktion wie etwa die qualitativen Attribute „schön, gut, häßlich“
(+Attributstheorie+ der quantitativen Bestimmung des Subjekts). Die
quantitativ bestimmten Urteile seien mithin als +Umfangs+urteile von
den nicht quantitativ bestimmten -- den Gattungs- und Einzelurteilen
-- als +Inhalts+urteilen zu scheiden (vgl. B. Erdmann, Logik I², S.
468 ff.).

Demgegenüber ließe sich nun darauf hinweisen, daß die quantitativen
Bestimmungen „alle, einige“ +nicht+ in ebendemselben Sinne
Inhaltsbestimmungen des Subjekts bilden können wie die qualitativen
Attribute „schön, häßlich“, weil sie ja nicht auf den Inhalt,
sondern auf den +Umfang+ des Begriffes gehen. Auch ist offenbar die
Annahme von +Umfangs+urteilen schwer mit der Theorie des Urteils in
Einklang zu bringen, die, wie wir sahen, als Einordnungstheorie zu
den +Inhalts+theorien des Urteils gehört. Aus diesen Schwierigkeiten
führt die dritte und letzte Theorie heraus, die darum hier vertreten
sei. Nach dieser sind die universalen und partikulären Urteile nicht
Urteile schlechthin, sondern +Beurteilungen+, und zwar +quantitativ
bestimmende+ Beurteilungen. Der Sinn der Aussage: „Alle ~S~ ← ~P~“ ist
soviel wie: das Urteil ~S~ ← ~P~ gilt für +alle+ ~S~; der Sinn des
Urteils „einige ~S~ ← ~P~“ soviel wie: das Urteil ~S~ ← ~P~ gilt für
+einige+ ~S~ (+Beurteilungstheorie+ der quantitativen Bestimmung des
Subjekts). Aus diesem Grunde gehört die Besprechung der universalen und
partikulären Urteile nicht in den vorstehenden Zusammenhang, sondern
erst zu dem Abschnitt über Beurteilungen.

Die bisherigen Ausführungen über das Subjektsglied des Urteils
beziehen sich durchgehends auf jene Art von Aussagen, die wir als
Subjekt-+bestimmte+ bezeichnet haben. Von ihnen unterscheiden wir
nun diejenigen Urteile, denen zwar das Subjekt -- wie man vielfach
angenommen hat, so Herbart (Lehrb. z. Einl. i. d. Phil. 5. A. § 63) --
nicht fehlt, bei denen es aber inhaltlich +unbestimmt+ gelassen ist.
Die traditionelle Logik hat diese Urteile nicht sehr kennzeichnend
„Impersonalien“ genannt (so auch Sigwart); andere -- mit dieser
Namengebung nicht zufrieden -- haben sie ganz unzutreffend als
„subjekts+lose+ Sätze“ gedeutet (Miklosisch, Marty). Glücklicher ist
demgegenüber die Bezeichnung von B. Erdmann, der „Prädikatsurteile“
vorschlägt. Aber auch diese Benennung ist hier nicht gewählt worden:
denn sie benutzt als Gesichtspunkt der Namengebung nicht, was die
vorliegende Art der Urteile von anderen +scheidet+, sondern was sie
mit anderen +gemeinsam+ hat. Besteht das Wesen dieser Urteile darin,
daß sie das logische +Subjekt+, also das Glied, von dem ausgesagt
wird, inhaltlich +unbestimmt+ lassen, so nennen wir sie zweckmäßig
„+Subjekt-unbestimmte+ Urteile“.

Mit der Wahl des Namens ist gleichzeitig eine +Theorie+ dieses Urteils
gegeben. Der entwickelten Lehre, daß alle Urteile zweigliedrig seien,
widersprechen die Subjekt-unbestimmten Aussagen nicht nur +nicht+,
sondern sie +bestätigen+ sie gerade. Betrachten wir eine Reihe dieser
Urteile, so finden wir, daß in fast allen der Inhalt der Aussage
in einem Vorgang oder in einer Veränderung besteht, die von dem
Urteilenden wahrgenommen wird, ohne daß ihm die Ursache und damit
das Subjekt dieser Veränderung bekannt wäre. Aussagend formuliert er
dann: „es regnet, es schneit, es wetterleuchtet, es wird Frühling.“
Das menschliche Denken kann, wo es Vorgänge findet, deren Ursachen ihm
unbekannt bleiben, nicht umhin, diesen Vorgängen zureichende Ursachen
zugrunde zu legen, als deren Wirkungen es diese deutet. Es urteilt in
solchen Fällen, indem es das Subjekt der Aussage unbestimmt läßt. Nur
die dichtende Phantasie der Volksseele sprengt bisweilen diese Fessel
der Unwissenheit; dann entstehen Urteile wie: „Gott läßt regnen, Frau
Holle schüttelt die Federn aus“ oder auch, wenn es gewittert: „Gott
zürnt, grollt, schilt“. Subjekt-unbestimmte Urteile sind demnach
gemeinhin Aussagen über Vorgänge der Wahrnehmung, deren Ursachen
unbekannt, aber als existierend vorausgesetzt werden. Insofern diese
Vorgänge stets als Wirkungen unbekannter Ursachen gefaßt werden,
sind die Subjekt-unbestimmten Urteile eine Art der +Kausalurteile+
(über die erst an späterer Stelle zu sprechen sein wird), und zwar der
Beschaffenheit ihres Subjekts nach +unbestimmte Kausalurteile+ (vgl. B.
Erdmann, Logik I², S. 435 ff.).

  Als +Arten+ der Subjekt-unbestimmten Urteile können wir einmal solche
  mit +meteorologischem+ und +chronologischem+ Inhalt; das andere Mal
  solche unterscheiden, die auf unvollständigen Wahrnehmungen der
  +Sinne+ oder der +Selbstbeobachtung+ beruhen, wie sie das tägliche
  Leben zahlreich nahelegt. Als Beispiele der ersteren seien genannt:
  „es regnet, es schneit, es blitzt, es donnert“ (meteorologischer
  Inhalt); „es ist spät, es ist 7 Uhr, es ist Nacht, es wird Morgen, es
  ist Herbst, es ist Feiertag, es ist zwei Jahre her“ (chronologischer
  Inhalt). Als Beispiele der letzteren: „es klopft, es klingelt, es
  raschelt, es spukt“ (Sinneswahrnehmung); „es geht gut, es geht
  schlecht, es friert mich, es hungert mich, es juckt, es brennt, es
  reut mich, es gelüstet mich“ (Selbstwahrnehmung).


5. Das Prädikatsglied der Urteile und die Arten der Prädizierungen.

Logisches +Prädikat+ eines Urteils ist dasjenige Glied, welches
ausgesagt, genauer: welches dem Inhalt des Subjektbegriffes
logisch eingeordnet ist. Auch das Prädikat kann logisch mannigfach
zusammengesetzt, grammatisch aus mehreren Worten und Wortverbindungen
bestehen: in seiner Eigenschaft als Prädikat nach dem Wesen der
Urteilsfunktion ist es eine +Einheit+, eben der eigentlich aussagende
Bestandteil des Urteils.

In jedem Urteil sind Subjekt und Prädikat zueinander in eine Beziehung
gerückt, die wir oben als die logische Beziehung der Einordnung erkannt
haben. Darum sind aber nicht alle Urteile gleich Beziehungsurteile,
d. h. solche, die von ihrem Subjekt irgendwelche Beziehungen aussagen.
Die Arten der Prädizierungen lassen sich vielmehr in zwei große
Gruppen teilen, die wiederum in verschiedene Unterarten zerfallen.
Wird von einem Subjekt als Gegenstand des Urteils etwas ausgesagt,
was diesem als +inneres+ Merkmal zugehört, ihm also inhäriert, wie
das Akzidenz der Substanz, so haben wir ein Urteil der ersten Gruppe,
der sog. +Inhärenzurteile+; wird von einem Subjekt als Gegenstand des
Urteils irgendeine Beziehung zu einem anderen Gegenstande ausgesagt,
dergestalt, daß beide Gegenstände als selbständige, zum mindesten
trennbare gedacht und als solche voneinander unterschieden und
miteinander verglichen werden, so haben wir ein Urteil der zweiten
Gruppe, der sog. +Relationsurteile+. Als Arten der Inhärenzurteile
unterscheiden wir die Qualitäts-, die klassifikatorischen und die
normativen Urteile; als Arten der Relationsurteile die Aussagen über
quantitative, qualitative und kausale Beziehungen, sowie über Existenz
und Nichtexistenz.

Besprechen wir zunächst die Arten der Inhärenzurteile.
+Qualitätsurteile+ sind solche, in denen von dem Subjekt eine
Eigenschaft (ein Zustand oder eine Veränderung) ausgesagt wird.
Beispiele dafür sind: „die Blätter des Efeus sind grün; der Mohr hat
seine Arbeit getan; die Glocken läuten; ~veni, vidi, vici~“. Das
Prädikat des Qualitätsurteils kann sowohl eine Eigenschaft im engeren
Sinne wie auch eine Größen- oder Maßbestimmung sein („der Schnee ist
weiß; Körper sind dreidimensional“). Ebenso können die Eigenschaften
als dem Gegenstand der Aussage objektiv zugehörig gedacht oder auch
lediglich als subjektive Wertschätzung des Urteilenden ausgesagt
werden. Das Urteil: „die Kuppel des Berliner Domes ist vergoldet“
ist ein +objektives+; das Urteil: „der Vortrag war ergreifend schön“
ein +subjektives+ Qualitätsurteil oder, wie man für die letzteren
sagt, ein +Werturteil+. Tätigkeiten oder Zustände werden von
Gegenständen ausgesagt, um diese entweder als wirkend oder leidend zu
kennzeichnen. Schließlich können Qualitätsurteile auch zeitlich- und
räumlich-individualisierende Bestimmungen haben (Angaben des Wann, Wo,
Unter-welchen-Umständen usw.).

+Klassifikatorische+ Urteile sind solche, in denen das Prädikat eine
Bestimmung über den logischen Ort des Subjekts in den Ordnungsreihen
des Denkens enthält. Das klassifikatorische Urteil „Zink ist ein
Metall“ besagt soviel wie: Zink ist eine der Arten der Gattung Metall;
als solcher kommen ihr alle die Merkmale zu, die dem Gattungsbegriff
Metall zukommen. Das gleiche gilt analog für alle klassifikatorischen
Urteile. Beispiele solcher sind: „Der Mensch ist ein Säugetier;
~H₂SO₄~ ist eine Schwefelwasserstoffverbindung; Geld ist
ein Tauschmittel; das ist eine Gänseblume“. -- Kurz hingewiesen
sei hier auf das Verhältnis der klassifikatorischen Urteile zu den
Definitionen der Wissenschaften, über die erst in der Methodenlehre
zu sprechen sein wird. Von den beiden Arten zu definieren, der
genetischen und systematischen Definition, kommt hier nur die letzte
in Frage. Das +systematische Definitionsurteil+ bestimmt (gleich dem
klassifikatorischen Urteil) den logischen Ort des Subjekts in den
Ordnungsreihen des Denkens, indem es den nächsthöheren Gattungsbegriff
angibt; aber es geht in seinem Prädikat weiter als dieses, indem es
dazu noch die spezifischen Unterschiede hinzufügt, durch welche die zu
definierende Art sich von anderen Arten der gleichen Gattung abhebt.
Das Urteil: „Dreiecke sind ebene Flächen“ ist ein klassifikatorisches;
das Urteil: „Dreiecke sind ebene Flächen, die von drei geraden Linien
eingeschlossen werden“ eine systematische Definition. Insofern kann
das klassifikatorische Urteil sehr wohl als eine +Vorstufe+ der
systematischen Definition betrachtet werden.

Etwas mühsamer als bei den Qualitäts- und klassifikatorischen Urteilen
gestaltet sich die logische Analyse bei den sog. +normativen+ Urteilen.
Beispiele dieser sind: „Der Herr sei Herr, der Diener diene; im
Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen; bete und
arbeite; ~fiat iustitia, pereat mundus~“. In ihnen ist nicht wie in
den eben besprochenen Arten der Inhärenzurteile eine +Seins+bestimmung
von dem Subjekt ausgesagt, sondern ein +Sollen+, ein Wunsch, eine
Aufforderung, ein Befehl, eine Bitte des Urteilenden enthalten. Aber
das Fehlen dieser Seinsbestimmung ist nur scheinbar. Der Imperativ
ist logisch immer die Form des „ich will“. In der Bitte Wallensteins:
„Max, bleibe bei mir, geh nicht von mir, Max“ ist +Subjekt+ des Urteils
der Urteilende, genauer der Bittende selbst, +Prädikat+ seine Bitte
bzw. sein Wunsch. Das gilt für alle normativen Urteile. Sie enthalten
ebenso eine Seinsbestimmung wie die anderen Arten der Inhärenzurteile.
Subjekt ist in ihnen der Bittende, Befehlende, Wünschende selbst. Wo
dieses kein reales Wesen ist, wie in ethischen Geboten und Gesetzen
(„Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen“), da ist es in
+idealen+ Faktoren zu suchen wie: Humanität, Recht, Sitte, Anstand oder
auch: Gott, Religion, Tradition u. a. m.

  In diesem Zusammenhange soll kurz der sog. +Benennungsurteile+
  gedacht werden. Schon ein beliebiges Beispiel (etwa das Urteil:
  „Nennen wir diese Art von Aussagen, die das Subjekt unbestimmt
  lassen, Subjekt-unbestimmte Urteile“) lehrt, daß es sich hier
  um eine +normative+ Urteilsform handelt. Das gegebene Beispiel
  enthält eine Aufforderung, in der der Urteilende etwa sagt: „ich
  schlage vor, diese Art von Urteilen usw. ... zu nennen“. Das gilt
  für alle diejenigen Benennungsurteile, die einen Vorschlag, also
  die Empfehlung einer Namensgebung, enthalten. Anders verhält es
  sich mit denjenigen Urteilen, die nicht eine bestimmte Benennung
  vorschlagen, sondern lediglich deren Vorhandensein aussagen. Urteile
  wie: „Die Griechen bezeichnen den Zustand reiner, ungetrübter
  innerer Zufriedenheit als „εὐφρωσύνη“ oder: „Die Hebräer nannten
  die Stätte der Toten das Scheol“ oder: „Aussagen dieser Art heißen
  Inhärenzurteile“ sind keine normativen, sondern +Qualitätsurteile+,
  die besagen, wie dieser oder jener etwas bezeichnet oder bezeichnet
  hat, bzw. wie dieser oder jener Gegenstand heißt oder bezeichnet
  worden ist.

Kommen wir zu den Relationsurteilen. +Quantitative Relationsurteile+
sind solche, deren Prädikat besagt, in welchem Verhältnis des Raumes,
der Zeit, der Zahl, des Maßes, des Grades usw. der Gegenstand der
Aussage zu einem anderen Gegenstande steht. Beispiele dieser Urteile
sind: „Der Außenwinkel an der Spitze eines gleichschenkligen Dreiecks
ist doppelt so groß wie jeder der beiden Basiswinkel; Schiller
ist zehn Jahre später geboren als Goethe und dreißig als Lessing;
Erziehungsfähigkeit ist ein höherer Grad der Gelehrigkeit“. Alle diese
Urteile setzen ein Unterscheiden und Vergleichen zweier Gegenstände
voraus, über deren Gleichheit oder Verschiedenheit in bezug auf Raum,
Zeit, Zahl, Maß und Grad sie eine Bestimmung enthalten. Als einfachste
Form der Relationsurteile mögen sie die Grundlage bilden für die
allgemeinen Bestimmungen über das Wesen der Relationsbehauptungen
überhaupt.

Alle Relationsurteile setzen zwei Gegenstände voraus, die voneinander
unterschieden und miteinander verglichen werden. Alle Relationsurteile
ferner sind korrelativer Natur; d. h.: die Beziehung, in die in ihnen
die beiden Gegenstände (Beziehungsglieder) gerückt sind, gilt in
entsprechendem Sinne auch umgekehrt. Ist ~A~ größer als ~B~, dann ist
~B~ kleiner als ~A~; ist ~A~ zahlreicher als ~B~, dann ist ~B~ an
Zahl geringer als ~A~. Als Urteil entspricht das Relationsurteil der
oben entwickelten Theorie des Urteils vollständig. Es ist fürs erste
logisch zweigliedrig. Nehmen wir das Beispiel: „Ein schneller Tod ist
besser als langes Siechtum“, so ist darin Subjekt: „ein schneller
Tod“, Prädikat: „das Bessersein (des Todes) als ein langes Siechtum“.
Und die Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat ist auch hier die der
Einordnung des Prädikats- in den Inhalt des Subjektsbegriffes.

Diese allgemeinen Bestimmungen über das Wesen der Relationsurteile
finden sich bei allen ihren Arten bestätigt. +Qualitative+
Relationsurteile sind solche, deren Prädikat besagt, in welchem
Verhältnis qualitativer (nicht quantitativer) Gleichheit, Ähnlichkeit
oder Verschiedenheit der Gegenstand der Aussage zu einem anderen
steht. Beispiele solcher Urteile sind: „Beethovens neunte Symphonie
ist die weitaus großartigste unter seinen Symphonien; die Luft in
den Großstädten ist morgens reiner als abends; du bist wie eine
Blume, so hold, so schön, so rein; Napoleon Bonaparte hat einige
verwandte Züge mit Alexander dem Großen.“ Wie wir oben subjektive
und objektive Qualitätsurteile unterschieden, so sind auch die
qualitativen Relationsurteile in subjektive und objektive zu teilen.
Ein +subjektives+ Relationsurteil ist z. B. ein Urteil wie: „Das Leben
ist wertvoller als der Tod; aber das sündhafte Leben ist wertloser als
dieser“ (+Wertrelationsurteil+); ein +objektives+ Relationsurteil:
„Die Farbe der Eichenblätter ist heller als die der Kastanienblätter.“
Der korrelative Charakter der qualitativen Relationsurteile ist leicht
ersichtlich. Das Urteil: „Geben macht seliger denn Nehmen“ gilt auch
entsprechend in der Fassung: „Nehmen macht weniger selig als Geben“.

Die +kausalen+ Relationsurteile bedürfen gleichfalls nur kurzer
Besprechung. Beispiele dieser sind: „Steter Tropfen höhlt den Stein;
viele Köche verderben den Brei; allzu scharf macht schartig; Adam
und Eva wurden von Gott aus dem Paradiese vertrieben.“ Kausale
Relationsurteile sind also solche, in denen entweder das Subjekt
als Ursache irgendeines Vorganges oder irgendein Vorgang als
Wirkungsweise einer im Prädikat bezeichneten Ursache gefaßt wird.
Auf das +erkenntnistheoretische Kausalproblem+ (die Frage, ob und
inwieweit das menschliche Denken berechtigt sei, gewisse Vorgänge,
die ihm nur als zeitlich regelmäßig folgende gegeben sind, in die
Beziehung von Ursache und Wirkung zueinander zu setzen) soll hier
nicht eingegangen werden[9]. Für die Logik genügt es festzustellen,
daß das menschliche Denken, einem ihm innewohnenden Zwange gehorchend,
nicht umhin kann, Vorgänge, die immer zusammen oder als einander
folgende wahrgenommen sind (z. B. den Eintritt des Todes nach dem
Genuß vergifteter Speisen; das Auftreten von Erschöpfungszuständen
nach größeren Arbeitsleistungen), als durch das Verhältnis von Ursache
und Wirkung verbunden aufzufassen. Ein ursachloses Geschehen ist ihm
undenkbar. Alles, was geschieht, hat vielmehr zureichende Ursachen,
durch die es geschieht; das gilt für die psychische Welt ebenso wie
für die physische (Grundsatz der Kausalität). Auch Kausalurteile sind
entsprechend der oben gegebenen Bestimmung korrelativen Charakters.
Ist ~A~ die Ursache von ~B~, dann ist ~B~ die Wirkung von ~A~. Oder
an Hand eines Beispiels: „Kain erschlug Abel“ ist inhaltsgleich
mit „Abel wurde von Kain erschlagen“. Daß die sog. „Impersonalien“
kausale Relationsurteile sind, ist bereits oben erwähnt worden. Sie
bilden Aussagen über einen (entweder gegenwärtigen oder erinnerten
oder eingebildeten) Vorgang, der als Wirkung einer unbekannten Ursache
gedacht und so prädiziert wird, daß das Subjekt logisch unbestimmt
bleibt. Wir nannten sie aus diesem Grunde: Subjekt-unbestimmte kausale
Relationsurteile.

Zu den Relationsurteilen gehört endlich eine letzte Art von Urteilen,
deren Prädikat von ihrem Subjekt lediglich besagt, daß es +Existenz+
habe (sog. +Existentialurteile+). Beispiele dafür sind: „Es war einmal
eine Prinzessin; wahrlich, es gibt noch gerechte Richter; es gibt
schwarze Schwäne; es gibt irrationale Zahlen; es gibt einen Gott; ich,
der ich denke, existiere“. Der Urteilscharakter dieser Behauptungen
steht fürs erste außer Frage. Zweifelhaft könnte dagegen sein, ob
es sich hier um eine Art der Relationsurteile handelt. Denn es ist
zunächst nicht ohne weiteres ersichtlich, welches der +Beziehungspunkt+
ist, zu dem das Subjekt, von dem im Urteil die Existenz behauptet
wird, in Relation gestellt wird. Eine geringe Überlegung lehrt jedoch,
daß das allemal der +Urteilende+ selbst ist. Die Gegenstände, deren
Existenz wir aussagen, sind entweder +ideale+, d. h. solche, denen wir
Existenz nur im Denken oder Vorstellen beimessen; oder +reale+, d. h.
solche, die wir als +unabhängig+ vom Vorstellen und Denken existierend
voraussetzen. Die letzteren sind als Subjekte von Existentialurteilen
entweder Gegenstände der +Wahrnehmung+ oder Gegenstände +möglicher+
Wahrnehmung oder auch nach +Analogie+ der Gegenstände möglicher
Wahrnehmung gedachte Gegenstände. Demnach heißt urteilen, daß ein
solcher Gegenstand Existenz habe, entweder soviel wie urteilen, daß
er in der Wahrnehmung gegenwärtig sei; oder daß er Gegenstand der
Wahrnehmung werden könnte, wenn man ihn aufsuchte; oder auch, daß er
nach Analogie der Gegenstände möglicher Wahrnehmung gedacht werden
müsse. Damit ist der korrelative Charakter der Existentialurteile
erwiesen. Bedeuten die Aussagen über Existenz, daß der Gegenstand des
Urteils als idealer entweder im Denken oder Vorstellen wirklich oder
aber als realer in einem der aufgeführten Verhältnisse zur Wahrnehmung
stehe, so ergibt sich daraus eine Beziehung zwischen dem Subjekt der
Aussage und dem Urteilenden selbst, die deutlich das Verhältnis der
Wechselseitigkeit aufweist. Das Urteil: „Gott existiert“ rückt den
Begriff „Gott“ zu dem Urteilenden selbst in eine Relation, die sich
in den einander entsprechenden Formulierungen: „Ich muß Gott als
existierend denken“ und: „Gott muß von mir als existierend gedacht
werden“ darstellt.

Auf das erkenntnistheoretische Problem, das in dem Begriff der Existenz
enthalten ist (das sog. „Realitätsproblem“, das in der Frage gipfelt,
ob wir ein Recht haben, zu den in der Wahrnehmung gegebenen Objekten
irgendwelche Korrelate als +Ursachen+ dieser +unabhängig+ von allem
Bewußtsein anzunehmen, und wenn ja, von welcher Art diese -- die sog.
„Dinge an sich“ -- gedacht werden müssen), soll hier nicht eingegangen
werden; ebensowenig auf das psychologische, erkenntnistheoretische und
logische Problem, das in dem Urteile „ich, der ich denke, existiere“
(+Descartes’+ „~cogito ergo sum~“) wurzelt, ein Problem, in dem
sich Psychologie, Erkenntnistheorie und Logik am innigsten berühren
(Problem des Selbstbewußtseins). Nur auf ein anderes soll noch kurz
hingewiesen werden: Existentialurteile bedürfen wie alle Urteile über
Tatsachen zum Erweise ihrer Gültigkeit einer +zureichenden Begründung+.
Existentialurteile können also niemals Aussagen von unmittelbarer
Gewißheit sein; lediglich das oben erwähnte Urteil „+ich bin+“ bildet
als „~cognitio intuitiva~“ eine eigentümliche Ausnahme. +Ideale+
Gegenstände sind als existierend zureichend begründet, wenn sie --
wie die Begriffe der Mathematik -- als formal denkmöglich oder wie
die Vorstellungen der Phantasie als wirklich in unserem Bewußtsein
angetroffen werden. Die Existenz +realer+ Gegenstände dagegen kann
nur durch Hinweis auf die Daten der Erfahrung begründet werden. In
dem bloßen +Begriff+ eines +realen+ oder besser: real gedachten
Gegenstandes ist niemals enthalten, ob diesem Existenz zukomme oder
nicht. Es war ein Fehler Anselm von Canterburys und Descartes’, zu
glauben, daß aus dem Begriff Gottes als des allervollkommensten
Wesens die Tatsache seiner Existenz logisch notwendig gefolgert
werden könne, da die Nichtexistenz seiner Vollkommenheit widerspräche
(ontologischer Gottesbeweis). Die zureichende Begründung eines realen
Existentialurteiles kann nie anders als durch +Hinweis+ -- sei es auf
eigene, sei es auf fremde Wahrnehmung -- gegeben werden, und wo in
einer solchen Ableitungen aus anderen Urteilen eine Rolle spielen,
gehen diese zuletzt doch auf Urteile zurück, deren Begründung in dem
Hinweis auf die Wahrnehmung besteht. Das letztere ist z. B. der Fall,
wenn wir aus gewissen gut erhaltenen Skeletten als überkommenen Resten
einer prähistorischen Zeit schließen, daß es in jener eine andere
Tierwelt gegeben habe wie heute.

  Die entwickelte Theorie der Existentialurteile, die das Prädikat
  des Seins unmittelbar oder mittelbar in eine enge Beziehung zum
  Denken bzw. wahrnehmenden Erkennen rückt, geht im Prinzip auf die
  idealistische Formel der +Berkeleyschen+ Lehre zurück, nach der alles
  Sein im Wahrgenommenwerden besteht („~esse est percipi~“), sowie auf
  die bereits mehr logisch fundierte Lehre David Humes, nach der alles
  Perzipieren Perzeption eines +Seienden+, der Begriff des Seins also
  der eines seiend +Perzipierten+ ist. Wir nennen sie daher vielleicht
  am zweckmäßigsten „+Perzeptions+theorie“ der Existentialurteile. In
  der neueren Logik findet sie sich in verwandter Form bei J. +Geyser+
  (Grdlgen. d. Log., 1909, S. 57 ff.) -- Von dieser zu scheiden ist
  die sog. „+Kausal+theorie“ des Existentialurteils, die im Prädikat
  der Existenz das Prädikat des +Wirkens+ findet, die Aussagen über
  Sein oder Nichtsein also als kausale Relationsurteile deutet. Diese
  Auffassung geht ihrem Prinzip nach auf +Leibniz+ zurück; sie findet
  sich in der neuen Logik vornehmlich vertreten durch B. +Erdmann+
  (Logik I², S. 453 ff.).


6. Wesen und Arten der Beurteilungen.

Urteile, deren Subjekt selbst ein Urteil bildet, nennen wir
+Beurteilungen+. Diese sind mithin Urteile +über+ ein Urteil. Sie
scheiden sich in drei Hauptgruppen: erstens in solche, die die
Gültigkeit eines Urteils +verneinen+ (verneinende Beurteilungen
oder Negationen); zweitens in solche, die besagen, in welchem
+Umfange+ eine Urteilsbeziehung für ihr eigenes Subjekt gilt
(+quantitativ+-bestimmende Beurteilungen); und drittens in solche, die
über den +Grad+ der Gültigkeit eines Urteils eine Entscheidung treffen
(+modal+-bestimmende Beurteilungen).

Besprechen wir zunächst die erste Gruppe. Die logische Tradition
seit Aristoteles faßt die bejahenden (positiven) und verneinenden
(negativen) Aussagen als einander nebengeordnete Arten der Gattung
Urteil auf (Koordinationstheorie). Seit dem Mittelalter (Apuleius)
bezeichnet man den bejahenden und verneinenden Charakter des
Urteils als dessen +Qualität+. Auch die meisten Logiker der neueren
Zeit (so Wolff, Kant, Herbart, Lotze, Cohen, Windelband) halten
an dieser Einteilung fest. Demgegenüber haben Chr. Sigwart und B.
Erdmann (bei dem Cartesianer Arn. +Geulincx+ angelegte Gedanken
aufnehmend) darauf hingewiesen, daß das +negative Urteil+ nicht
eine dem positiven nebengeordnete Art des Urteils bilde, sondern
daß vielmehr das positive Urteil das +ursprüngliche+ von beiden
sei und als solches dem negativen als Voraussetzung vorangehe (so
auch Fr. Ed. Beneke; Wundt; Geyser). Nehmen wir als Beispiel der
negativen Urteile die Aussage: „Bewußtseinsinhalte sind als solche
+nicht+ irgendwelche Erregungen der Nerven“, so wird darin nicht etwa
dem Subjekt „Bewußtseinsinhalte als solche“ ein negatives Prädikat
eingeordnet, sondern es wird die vorausgesetzte, vielleicht nur zum
Zweck der Prüfung aufgestellte, in jedem Falle bestehende Behauptung,
Bewußtseinsinhalte +seien+ Erregungen der Nerven, als +ungültig+
erklärt. Gegenstand der Verneinung ist also nicht das Subjekt des
positiven Urteils („Bewußtseinsinhalte als solche“), nicht dessen
Prädikat („sind irgendwelche Erregungen der Nerven“), sondern die
in dem Urteil vollzogene +Beziehung+ zwischen eben diesem Prädikat
und dem Subjekt. Gegenstand der Verneinung ist mithin das +positive+
Urteil, dem als Subjekt der Negation das Merkmal der Nichtgültigkeit
als Prädikat eingeordnet wird ([~S~ ← ~P~] ← nicht-gültig). Die
verneinende Beurteilung setzt demnach das positive Urteil voraus; sie
nimmt Stellung zu einem bereits vollzogenen Urteil, dergestalt, daß sie
dieses als nichtgültig erklärt (+Primorditätstheorie+ des positiven
Urteils).

Gegenüber dieser Deutung der verneinenden Urteile ist es belanglos, in
welcher Form +sprachlich+ die Verneinung zum Ausdruck gebracht wird.
Ob ein Urteil eine verneinende Aussage bildet oder nicht, darüber
entscheidet nicht der grammatische Bestand des Satzes, sondern der
logische seines Inhalts. Grammatisch und ihrer +Form+ nach können
Urteile sehr wohl positiv sein, die ihrem Inhalt nach negativ sind.
Denn die Verneinung braucht keineswegs immer durch die Partikel „nicht“
zum Ausdruck gebracht zu werden; sie kann vielmehr bereits in dem
verbalen Bestande des Subjekts oder Prädikats selbst mitenthalten sein.
Beispiele verneinender Beurteilungen sind demnach: „Kein Sterblicher
hat noch des Lebens letzten Grund erfahren; und Roß und Reiter sah
man niemals wieder; die Verurteilung des Sokrates war ungerecht;
die meisten Menschen sind undankbar; Spinozas Dasein war glück- und
freudelos.“ Verneinungen sind also nicht nur die Urteile von der Form
„~S~ ← nicht-~P~“, sondern auch die von der Form „~S~ ← ~non~-~P~“ (von
Kant als +limitative+, d. h. einschränkende Urteile bezeichnet; von B.
Erdmann neuerdings sehr treffend +mittelbare+ Verneinungen genannt).

Ist die Negation ein Urteil über ein Urteil, so kann als Subjekt
der Verneinung selbst wiederum eine Verneinung in Betracht kommen.
Beispiele dafür sind: „Keine Rose ohne Dornen; kein schändlich’ Tun
bleibt ungesühnt; keine Schrift des Aristoteles ist ohne Fehler
überliefert worden; keine Möglichkeit einer Rettung wurde unversucht
gelassen.“ Es ist ersichtlich, daß diese Urteile, Verneinungen
einer Verneinung, ihrer +Form+ nach negativ, ihrem Inhalte nach
aber +positiv+ sind. Sie sind nicht Bejahungen schlechthin, sondern
verstärkte Bejahungen; und insofern sie sich dazu einer doppelten
Negation bedienen, nicht unmittelbare Bejahungen wie die positiven
Urteile im allgemeinen, sondern +mittelbar+ bejahende Urteile.
Als solche bilden sie ein Gegenstück zu den (eben erwähnten)
mittelbar-verneinenden Urteilen, den Verneinungen von der Form ~S~ ←
~non~-~P~. Diese Verhältnisse können wir als +logischen Grundsatz der
doppelten Verneinung+ formulieren: „Die Verneinung einer Verneinung ist
eine mittelbare Bejahung“ (nach der scholastischen Formel: „~duplex
negatio: affirmatio~“).

Kommen wir zur Besprechung der zweiten Gruppe:
+Quantitativ+-bestimmende Beurteilungen sind solche, in denen darüber
ausgesagt wird, in welchem +Umfange+ das Prädikat eines vollzogenen
Urteils von seinem Subjekt gilt. Sie zerfallen in die Arten der
+universalen+ (allgemeinen) und +partikulären+ (besonderen) Urteile;
das erstere besagt, daß die prädikative Beziehung zwischen ~S~ und ~P~
von dem ganzen Umfang des Begriffes ~S~; das letztere, daß diese nur
von einem +Teil+ des Umfanges von ~S~ Gültigkeit habe ([~S~ ← ~P~] ←
für alle/einige ~S~ gültig). Quantitativ-+bestimmend+ ist dabei nur die
Beurteilung; ihr Subjekt ist demgegenüber quantitativ-+bestimmt+; ihr
Prädikat die quantitative +Bestimmung+ selbst.

+Universale+ Urteile sind entweder ursprünglich- oder
empirisch-allgemein. +Ursprünglich+-allgemein sind Urteile, in denen
die quantitative Bestimmung des Universalen lediglich auf Grund der in
dem Subjekt des beurteilten Urteils enthaltenen Merkmale erfolgt (z. B.
„alle Dreiecke mit gleicher Grundseite und Höhe sind flächengleich;
alle Körper sind dreidimensional“). +Empirisch+-allgemein sind Urteile,
deren Ursprung auf die +Erfahrung+ gegründet ist. Die empirische
Allgemeinheit ist entweder eine registrierende oder erweiternde.
Registrierend-allgemein heißt ein Erfahrungsurteil, in dem lediglich
das für eine Reihe von Arten der gleichen Gattung als gültig Erkannte
in +einem+ Urteil zusammengefaßt ist (alle +bekannten+ ~S~ ← ~P~);
+erweiternd+-allgemein dasjenige, in dem -- darüber hinausgehend
-- nicht nur den bekannten, sondern auch den noch +un+bekannten
Arten einer Gattung insgesamt ein den bekannten Arten zukommendes
Prädikat beigelegt wird (alle ~S~ +schlechthin+ ← ~P~). Beispiele
für diese beiden Arten sind: 1. „Alle Bäume, die ich pflanzte,
tragen reife Frucht“; -- 2. „Alle Planeten drehen sich in Ellipsen
um die Sonne“. -- Dem allgemeinen Urteil „alle ~S~ ← ~P~“ ist das
Urteil „einige ~S~ ← nicht-~P~“ kontradiktorisch-entgegengesetzt;
von beiden kann mithin nach dem Satze des Widerspruches nur eines
gültig sein. Um das Urteil „alle ~S~ ← ~P~“ zu widerlegen, genügt
es also, daß man das Urteil „ein ~S~ ← nicht-~P~“ durch zureichende
Begründung als +gültig+ erweise. Demnach können wir den logischen
Grundsatz aufstellen: das allgemein-bejahende Urteil (alle ~S~ ←
~P~) wird durch das partikulär-verneinende (einige ~S~ ← nicht-~P~);
das allgemein-verneinende Urteil (kein ~S~ ← ~P~) durch das
partikulär-bejahende (einige ~S~ ← ~P~) mit zureichender Begründung
widerlegt.

+Partikuläre+ Urteile haben zumeist die Aufgabe, das entsprechende
allgemeine entweder vorzubereiten („+schon+ einige ~S~ ← ~P~“) oder
zu widerlegen (+nur+ einige, also nicht alle ~S~ ← ~P~). Ihnen kommt
also gemeinhin entweder eine zum Allgemeinen +aufsteigende+ oder das
Allgemeine aufs Besondere +einschränkende+ logische Funktion zu.
Beispiele der ersteren Art sind: „einige Bienen haben bereits ihr
Nest verlassen; einige Bestrebungen der sozialistischen Politiker
sind bereits geglückt“; Beispiele der letzteren: „einige Gedanken
Nietzsches haben in unreifen Köpfen unheilvolle Verwirrung angerichtet;
einige der erlesensten Geister des Menschengeschlechtes sind von ihren
Mitmenschen hingerichtet worden“. -- Eine andere logische Funktion des
partikulären Urteils ist die +Kontrastierung+. Diese kommt zum Ausdruck
in der +Ergänzung+, auf die viele besondere Urteile ungesagt hinweisen;
z. B. „einige neuere Ethiker sind Utilitaristen“ [ergänze: +andere+
Idealisten oder Materialisten]; „wenige Menschen sind Linkshänder“
[ergänze: die +meisten+ Rechtshänder].

  Das partikuläre Urteil wird zum Grenzfall des +singulären+, wo die
  prädikative Beziehung eines Urteils als nur für eine +einzige+ Art
  seines Subjektsbegriffes gültig beurteilt wird (z. B. „ein einziges
  Wort zur rechten Zeit hätte viel Unheil verhütet“). Die singulären
  Urteile ([~S~ ← ~P~] ← nur (oder: schon) für ein +einziges+ ~S~
  gültig) sind als quantitativ-bestimmende Beurteilungen von den
  individuellen oder +Einzel+urteilen als einfachen Aussagen streng
  zu scheiden. Ihre wesentlichen Unterschiede ergeben sich nach dem
  Gesagten von selbst.

Wenden wir uns zur Besprechung der +modal-bestimmenden+
Beurteilungen. Diese sind Urteile, in denen über den +Grad+ der
Gültigkeit eines Urteils ausgesagt wird. Dadurch sind sie von den
Negationen charakteristisch verschieden. Das verneinende Urteil
hebt die Gültigkeit des sein Subjekt bildenden Urteils auf; das
modal-bestimmende dagegen gibt an, in welchem Grade das sein Subjekt
bildende Urteil Geltung habe: und zwar, ob es entweder notwendig
(apodiktisch) oder tatsächlich (assertorisch) oder auch nur
möglicherweise (problematisch) gültig sei.

+Apodiktische+ Beurteilungen sind also solche, deren Prädikat besagt,
daß die in ihrem Subjekt gedachte Urteilsbeziehung +denknotwendig+
gültig sei ([~S~ ← ~P~] ← notwendig gültig). Subjekte solcher
Beurteilungen können alle unmittelbar-gewissen Urteile werden
(z. B. die Axiome der Logik und reinen Mathematik), ebenso die
mittelbar-gewissen (d. h. durch Ableitung aus unmittelbar-gewissen
zureichend begründeten) Behauptungen. Diesen Urteilen ist ihrem Wesen
nach das +Merkmal apodiktischer Gültigkeit immanent+. Aber auch
nur diesen. Alle anderen Urteile (also diejenigen, die nicht dem
Bereich der Gewißheit, sondern dem der Erfahrung angehören) können
nicht Subjekte apodiktischer Beurteilung werden, weil das Merkmal
der Denknotwendigkeit ihnen fehlt. Ein Zeichen für die Apodiktizität
eines Urteils ist die Denkwidrigkeit (Denkunmöglichkeit) seines
kontradiktorischen Gegenteils. 2 × 2 ist +notwendig+ 4; denn der
Gedanke, daß 2 × 2 nicht 4 sei, ist denkunmöglich. Verneinungen
von apodiktischen Beurteilungen schließen nur die denknotwendige,
nicht aber die tatsächliche und mögliche Gültigkeit des Urteils aus.
Urteile ich: „es ist nicht denknotwendig, daß ~S~ ← ~P~“, dann lasse
ich jedenfalls die Möglichkeit zu, daß ~S~ ← ~P~ tatsächliche, bzw.
mögliche Gültigkeit habe. (Für die Verneinungen modal-bestimmender
Beurteilungen gilt im übrigen, was oben über Verneinungen im
allgemeinen gesagt worden ist.)

+Assertorische+ Beurteilungen sind solche, deren Prädikat besagt,
daß die in ihrem Subjekt gedachte Beziehung +tatsächlich+ gültig
sei ([~S~ ← ~P~] ← tatsächlich gültig). Beispiele dieser sind: „es
ist Tatsache, daß Napoleon nicht 1769, sondern 1768 geboren ist;
tatsächlich gehören die Walfische nicht zu den Fischen, sondern zu
den Säugetieren; es ist Tatsache, daß Christus gelebt hat“. Subjekte
solcher Beurteilungen können alle Aussagen über Tatsachen (Realurteile,
Wirklichkeitsbehauptungen) werden, deren Gültigkeit durch die Daten
eigener oder überlieferter Erfahrung zureichend begründet ist.
Ihr kontradiktorisches Gegenteil ist zwar denkmöglich, aber durch
ebendieselben Daten der Erfahrung widerlegt. Die Behauptung, die
Aussage ~S~ ← ~P~ sei tatsächlich gültig, schließt die Behauptung,
daß sie überhaupt nicht gültig sei, aus, dagegen die Behauptung
ihrer möglichen Gültigkeit ein; denn die tatsächliche Gültigkeit hat
die mögliche zu ihrer Voraussetzung. Verneinungen assertorischer
Beurteilungen verneinen zugleich die Möglichkeit apodiktischer
Gültigkeit; denn was nicht als wirklich oder tatsächlich, das ist
erst recht nicht als notwendig anzuerkennen. Sie lassen dagegen die
Möglichkeit problematischer Geltung zu; denn, wo ich nur aussage, daß
etwas sich in Wirklichkeit nicht zugetragen hat, schließe ich noch
keineswegs aus, daß es sich hätte zugetragen haben können.

+Problematische+ Beurteilungen endlich sind solche, deren Prädikat
besagt, daß die in ihrem Subjekt gedachte Beziehung +möglicherweise+
gültig sei ([~S~ ← ~P~] ← möglicherweise gültig). Beispiele
dieser sind: „Licht ist möglicherweise eine Art der Elektrizität;
Arminius der Cherusker und Sigfried, der Held der Nibelungen, sind
möglicherweise eine und dieselbe Person; Homer kann gelebt haben;
Ach, vielleicht, indem wir hoffen, hat uns Unheil schon betroffen;
Epikur ist möglicherweise stark von Demokrit beeinflußt“[10]. Ohne auf
das logisch mannigfach verwickelte Problem des Möglichen einzugehen,
seien die Richtlinien zur Analyse der problematischen Beurteilungen
kurz entwickelt. Subjekte solcher können alle Aussagen über Tatsachen
werden, deren kontradiktorisches Gegenteil durch die Daten der
Erfahrung +nicht+ völlig widerlegt ist. Das Urteil: „Homer kann gelebt
haben“ läßt die Möglichkeit offen, daß es einen Menschen dieses Namens
nie gegeben hat. Die Urteile „Homer kann gelebt haben“ und „Homer
hat vielleicht nicht gelebt“ schließen einander nicht aus, sondern
+bedingen+ geradezu einander. Die problematische Beurteilung steht also
immer in einem korrelativem Verhältnis zu einem ihm entsprechenden
Urteil, das logisch seine Ergänzung bildet. Das Urteil: „es ist
möglich, daß es allwissende Wesen gibt“ ist logisch nur so lange
gültig, wie auch das Urteil: „es ist möglich, daß es keine allwissenden
Wesen gibt“ Gültigkeit hat. Beweisen, daß eine von beiden Beurteilungen
falsch ist, heißt zugleich immer beweisen, daß die andere tatsächlich
(nicht nur möglicherweise) gilt. Verneinungen problematischer
Beurteilungen ([~S~ ← ~P~] ← unmöglich gültig = <[~S~ ← ~P~] ←
möglicherweise gültig> ← nichtgültig) schließen auch die tatsächliche
und notwendige Gültigkeit ihres Subjekts aus. Denn ein Urteil,
dessen Gültigkeit denkunmöglich ist, kann auch nicht tatsächlich und
ebensowenig notwendig gültig sein.

In der Mitte zwischen dem Möglichen und Tatsächlichen, aber
eine Art des Möglichen bildend, steht das +Wahrscheinliche+.
Wahrscheinlichkeit ist ein höherer Grad des Möglichen, ein niederer
des Tatsächlichen. Urteile wie: „es ist wahrscheinlich, daß ~S~
← ~P~“ lassen das dazu korrelative: „es ist möglich, daß [~S~ ←
~P~] ← nichtgültig“ zwar zu; dieses erscheint ihnen gegenüber
aber in der Form: „es ist nicht wahrscheinlich, daß [~S~ ← ~P~]
← nichtgültig.“ Aus diesen Unterscheidungen ergeben sich für die
Logik +Gradabstufungen des Möglichen+ von der durch geringfügigste
Hoffnung getragenen bloßen Annahme bis zu den von stärkster
Überzeugtheit durchdrungenen, fast an das Bewußtsein tatsächlicher
Gültigkeit heranreichenden Wahrscheinlichkeitsbehauptungen. Dieses
große Gebiet von modal-bestimmten Urteilen zwischen Möglichkeit und
Tatsächlichkeit wollen wir als das der +approximativen+ Beurteilungen
(Wahrscheinlichkeitsbeurteilungen) bezeichnen.


7. Die zusammengesetzten Urteile (Urteilsverbindungen und
Urteilsgefüge).

+Zusammengesetzte+ Urteile sind solche, die aus einer Mehrheit
einfacher, einander koordinierter Urteile gebildet sind. Bereits
die Beurteilungen sind als zusammengesetzte Urteile anzusprechen.
Denn da in diesen das Subjekt selbst ein Urteil ist, gehen sie über
den materialen Bestand des einfachen Urteils (~S~ ← ~P~) hinaus.
Sie stehen aber kraft der besonderen Beziehung, in die in ihnen das
beurteilte Urteil und die Beurteilung selbst zueinander treten, den
einfachen Urteilen näher als die jetzt zu besprechenden Arten der
zusammengesetzten Urteile, bilden mithin die Grenze dieser zu den
einfachen.

Sehen wir von den Beurteilungen ab, so ist es zweckmäßig, die
zusammengesetzten Urteile in zwei Hauptarten zu scheiden. Sie sind
+Urteilsverbindungen+, wo das die einfachen Urteile miteinander
verknüpfende Band in einem gemeinsamen materialen Urteilsbestandteil
(Subjekt oder Prädikat) zu suchen ist; diese zerfallen in kopulative,
konjunktive und divisive Verbindungen. Sie sind +Urteilsgefüge+,
wo das die einfachen Urteile miteinander verknüpfende Band in der
formal-logischen Beziehung, die zwischen diesen Urteilen besteht, zu
suchen ist; sie zerfallen in disjunktive und hypothetische Gefüge.

Besprechen wir zuerst die Urteilsverbindungen. +Kopulative
Urteilsverbindungen+ sind solche, in denen eine Mehrheit von Urteilen
mit gleichem Prädikat, aber verschiedenen Subjekten zu einem Urteil
verknüpft ist ([~S₁~ und ~S₂~ und ~S₃~ ... ~Sₙ~] ← ~P~). Beispiele
dafür sind: „Lust und Liebe sind die Fittiche zu großen Taten; vom
Eise befreit sind Strom und Bäche; Berlin, Bonn, Königsberg, Halle,
Jena ... sind Universitätsstädte“ (Verneinungen: „Weder Reichtum noch
Macht stellen verlorene Ehre wieder her“). Die Zahl der einfachen
Urteile, die in eine kopulative Urteilsverbindung eingehen können,
darf nicht geringer sein als zwei, kann nach oben aber ins Unendliche
gehen; denn, wenn nicht praktische und ästhetische Gründe es verböten:
logischerseits wäre es angängig, eine beliebig große Anzahl von
Urteilen mit gleichem Prädikat, aber verschiedenen Subjekten zu
+einem+ Urteil zu verbinden. -- +Konjunktive+ Urteilsverbindungen sind
solche, in denen eine Mehrheit von Urteilen mit gleichem Subjekt,
aber verschiedenen Prädikaten zu einem Urteil verknüpft ist (~S~ ←
[~P₁~ und ~P₂~ und ~P₃~ ... ~Pₙ~]). Beispiele dieser sind: „Alles
rennet, rettet, flüchtet; etwas fürchten, hoffen und sorgen muß der
Mensch für den kommenden Morgen; er lebte, nahm ein Weib und starb;
edel sei der Mensch, hilfreich und gut“ (Verneinungen: „Bin weder
Fräulein weder schön; Kants kritische Hauptwerke sind weder leicht
zu verstehen noch leicht darzustellen“). Für die Zahl der einfachen
Urteile, welche die konjunktiven Verbindungen bilden, gilt das gleiche
wie das oben für die kopulativen Verbindungen Gesagte. -- +Divisive+
Urteilsverbindungen sind solche, in denen eine Mehrheit koordinierter
partikulärer Urteile mit verschiedenem Subjekt, aber gleichem Prädikat
zu +einem+ Urteil verknüpft ist (~S~ ← [teils ~P₁~, teils ~P₂~,
teils ~P₃~ ... ~Pₙ~}]). Die logische Analyse ergibt als Elemente der
divisiven Urteilsverbindung die partikulär-bestimmenden Beurteilungen:
[~S~ ← ~P₁~] ← gilt für einige ~S~; [~S~ ← ~P₂~] ← gilt für einige ~S~;
[~S~ ← ~P₃~] ← gilt für einige ~S~ usw., die miteinander verknüpft
ergeben: ~S~ ← teils ~P₁~, teils ~P₂~, teils ~P₃~ ... usw. Beispiele
dafür sind: „Körper sind ihrem Aggregatzustande nach teils feste, teils
flüssige, teils gasförmige; die Inhalte des Bewußtseins sind teils
gegenständliche (Vorstellungen oder Begriffe), teils zuständliche
(Lust oder Unlust); Bakterien sind teils Kokken, teils Bazillen, teils
Spirillen.“ Das Prädikat diviser Verbindungen enthält also die Arten,
welche ihrem Subjekt als deren Gattungsbegriff zukommen, entwickelt
mithin eine vollständige Einteilung des Umfangs ihres Subjekts.
Als spezielle Bedingungen der formalen Gültigkeit der divisiven
Verbindung seien hier genannt: 1. Divisive Urteilsverbindungen müssen
+erschöpfend+ sein (d. h.: die ausgesagten Arten müssen den +ganzen+
Umfang des Subjektsbegriffes umfassen); 2. die ausgesagten Arten müssen
nach einem und demselben Gesichtspunkte der Einteilung gewählt und
einander +koordiniert+ sein.

Kommen wir zu den Gefügen. +Disjunktive Urteilsgefüge+ sind solche, die
aus einer Mehrheit koordinierter, sich in ihrer Gültigkeit einander
+ausschließender+ problematischer Beurteilungen mit gleichem Subjekt
oder Prädikat gebildet sind ([entweder ~S₁~ oder ~S₂~ oder ~S₃~
... ~Sₙ~] ← ~P~; ~S~ ← [entweder ~P₁~ oder ~P₂~ oder ~P₃~ ... ~Pₙ~]).
Beispiele dafür sind: „Der Raum ist entweder ein reales Wesen oder
eine Form sinnlicher Anschauung; entweder Newton oder Leibniz hat die
Unendlichkeitsrechnung zuerst begründet.“ Die disjunktiven Gefüge sind
den Urteilsverbindungen verwandt, insofern als die Elemente, aus denen
sie bestehen, gleichfalls einander koordiniert sind. Sie unterscheiden
sich aber von diesen charakteristisch dadurch, daß in ihnen die Glieder
der Zusammensetzung zueinander in einem bestimmten logischen Verhältnis
stehen, das beiden Urteilsverbindungen fehlt. Urteilt man: ~S~ ← [~P₁~
und ~P₂~ und ~P₃~] oder [~S₁~ und ~S₂~ und ~S₃~] ← ~P~, so gilt jedes
der einfachen Urteile, aus denen diese Verbindungen zusammengesetzt
sind, unabhängig vom anderen. Zerlegt man die divisive Verbindung ~S~ ←
[teils ~P₁~, teils ~P₂~, teils ~P₃~] in ihre Bestandteile (einige ~S~
← ~P₁~, einige ~S~ ← ~P₂~ usw.), so kommt jedem dieser Urteile eine
Gültigkeit zu, die von der Gültigkeit des anderen unabhängig ist. Nicht
so bei den disjunktiven Gefügen. Das Urteil: ~S~ ← [entweder ~P₁~ oder
~P₂~] besagt: ~S~ kann entweder ~P₁~ oder ~P₂~ sein; und mehr noch:
wenn ~S~ ← ~P₁~ gültig, dann ~S~ ← ~P₂~ nichtgültig; und wenn ~S~ ←
~P₂~ nichtgültig, dann ~S~ ← ~P₁~ gültig und umgekehrt. Daraus ergibt
sich fürs erste, daß die elementaren Glieder des disjunktiven Gefüges
+problematische+ Beurteilungen sind, und zum zweiten, daß diese sich
einander in ihrer Gültigkeit +ausschließen+, dergestalt, daß, wenn
eines von ihnen gültig ist, die anderen ungültig sein müssen; wenn alle
bis auf eines ungültig sind, dieses letzte gültig sein muß.

  Disjunktive Gefüge sind geradeso wie die divisiven Verbindungen
  formal nur gültig, wenn sie +erschöpfend+ sind, d. h.: wenn die in
  ihnen enthaltenen einander ausschließenden Prädizierungen das ganze
  Gebiet der vorhandenen Möglichkeiten umfassen. +Kontradiktorische+
  Disjunktionen nennen wir alle diejenigen disjunktiven Gefüge,
  deren Elemente kontradiktorisch-entgegengesetzte Urteile sind
  (~S~ ← [entweder ~P~ oder nicht-~P~]). Beispiele dafür sind:
  „Der Wille des Menschen ist entweder frei oder nicht frei; der
  Angeklagte ist entweder schuldig oder nicht schuldig.“ +Konträre+
  Disjunktionen heißen dementsprechend alle diejenigen, die aus
  konträr-entgegengesetzten Urteilen zusammengesetzt sind, d. h.
  solchen, die bei gleichem Subjekt konträr-entgegengesetzte Prädikate
  haben. Als Beispiele dieser seien angeführt: „Die Welt ist entweder
  geschaffen oder von Ewigkeit her vorhanden; Schauspiele sind entweder
  Lust- oder Trauerspiele.“ +Spezifische+ Disjunktionen nennen wir
  endlich (mit B. Erdmann) alle diejenigen disjunktiven Gefüge, deren
  Elemente weder kontradiktorisch- noch konträr-entgegengesetzte
  Urteile sind. Als Beispiele dieser seien genannt: „Jene spartanische
  Mutter wollte, daß ihr Sohn entweder +mit+ dem Schilde oder +auf+ dem
  Schilde aus der Schlacht heimkehre; die Verfassung eines Staatswesens
  ist nach Aristoteles entweder monarchisch oder oligarchisch oder
  demokratisch; ich wünschte, die Nacht oder die Preußen kämen.“
  Ohne besondere logische Bedeutung sind Disjunktionen wie: „Der
  Mensch ist entweder von Natur gut oder schlecht oder beides nicht“
  (Mischform der konträren und kontradiktorischen Disjunktion),
  sowie: „Gefühle sind entweder Zustände der Lust oder Unlust oder
  eigentümliche Mischungen beider“ (Mischform der konträren und
  spezifischen Disjunktion). Disjunktive Gefüge sind schließlich auch
  in komplizierteren Formen möglich, dergestalt, daß die Elemente ihrer
  Zusammensetzung weder Subjekt noch Prädikat miteinander gemeinsam
  haben, so also, daß die materialen Urteilsglieder in diesen völlig
  wechseln (entweder ~S~ ← ~P~ oder ~Q~ ← ~R~). An der Hand eines
  Beispiels: „Entweder du trittst für ihn ein, oder es gibt keine
  Dankbarkeit mehr; Entweder wir siegen, oder das Leben ist nicht
  mehr lebenswert.“ Diese Gefüge sind als +verwickelte+ von den oben
  besprochenen als +reinlichen+ zu scheiden. Ihre logische Analyse
  führt auf folgende Urteile als einfache Bestandteile: 1. ~S~ ←
  [entweder ~P~ oder nicht-~P~], 2. wenn [~S~ ← ~P~] ← nichtgültig,
  dann ~Q~ ← ~R~. Zusammengezogen: entweder ~S~ ← ~P~ oder ~Q~ ← ~R~.
  Sie setzen mithin die hypothetischen Gefüge voraus, die erst jetzt
  zur Besprechung kommen. Betont sei noch, daß disjunktive Gefüge
  als Urteile auch Subjekte von Beurteilungen sein können. In sich
  zusammengesetzt aus problematischen Beurteilungen, vermögen sie
  selbst wiederum Gegenstände problematischer, assertorischer oder
  apodiktischer Beurteilung zu werden (es ist möglich, tatsächlich,
  notwendig, daß ~S~ ← [entweder ~P₁~ oder ~P₂~ oder ~P₃~]). An
  Beispielen: „Der Wille des Menschen +kann+ entweder frei oder
  gebunden sein (problematisch); +tatsächlich+ ist der Krieg entweder
  ein Segen oder ein Unheil für die Menschheit (assertorisch); ganze
  Zahlen sind +notwendigerweise+ entweder gerade oder ungerade
  (apodiktisch).“

+Hypothetische Urteilsgefüge+ sind solche, die aus zwei miteinander in
dem Verhältnis von Grund und Folge verbundenen Urteilen bestehen (wenn
~Q~ ← ~R~, dann ~S~ ← ~P~; oder, indem wir ~Q~ ← ~R~ = ~G~ (Grund)
und ~S~ ← ~P~ = ~F~ (Folge) setzen: wenn ~G~, dann ~F~). Beispiele
dafür sind: „Wenn die Könige bauen, haben die Kärrner zu tun; wenn du
den Halys überschreitest, wirst du ein großes Reich zerstören; wenn
der Mantel fällt, muß der Herzog nach; Raffael wäre ein großer Maler
geworden, selbst wenn er ohne Hände auf die Welt gekommen wäre.“
Hypothetische Gefüge sind ihrem Sinn nach auch Urteile wie: „Wer gut
schmiert, fährt gut; ein jeder kehre vor seiner Tür, und rein ist
jedes Stadtquartier; willst du dich selber erkennen, so sieh, wie die
andern es treiben; man fühlt die Absicht, und man wird verstimmt;
allzu straff gespannt zerspringt der Bogen.“ Die eigentümliche -- als
„hypothetisch“ bezeichnete -- Beziehung, in die in den hypothetischen
Gefügen der in der traditionellen Logik sog. „Vordersatz“ (wenn ~Q~
← ~R~ = Hypothesis) zu dem sog. „Nachsatz“ (dann ~S~ ← ~P~ = Thesis)
gerückt wird, bedarf besonderer Erörterung. Die geläufige Auffassung
der hypothetischen Gefüge geht dahin, daß der Nachsatz als durch
die +Gültigkeit des Vordersatzes bedingt+ ausgesagt werde (sog.
„Nachsatztheorie“). Diese Deutung der hypothetischen Gefüge (vertreten
z. B. durch Chr. Wolff) scheitert aber an denjenigen Aussagen, in denen
ersichtlich jedes der beiden Urteile für sich als nichtgültig bewußt
ist, und doch das Ganze, d. h. der logische Zusammenhang beider Urteile
mit dem Bewußtsein der Gültigkeit gedacht wird (z. B.: „Bestände das
Glück in körperlichen Lustgefühlen, so müßte man die Ochsen glücklich
nennen, wenn sie Erbsen fressen“ [Heraklit]). Ausgesagt ist also in den
hypothetischen Gefügen nicht ein Urteil, das in seiner Gültigkeit durch
die eines anderen bedingt ist, sondern ein Urteilszusammenhang, in dem
die beiden Elemente als im Verhältnis von +Grund+ und +Folge+, mithin
im Verhältnis logischer +Konsequenz+ zueinander stehend gedacht sind
(„Konsequenztheorie des hypothetischen Gefüges“ nach der Namengebung
B. Erdmanns). -- „Sagen wir: ‚Wenn der Koran von Gott herrührt, so
ist Muhammed der Prophet Gottes‘ (heißt es bei John Stuart +Mill+),
so wollen wir damit weder behaupten, daß der Koran von Gott herrührt
noch auch, daß Muhammed in Wahrheit sein Prophet ist. Keiner von diesen
beiden einfachen Sätzen mag wahr sein, und doch kann die Wahrheit des
hypothetischen Satzes unbestreitbar sein. Was ausgesagt wird, ist nicht
die Wahrheit irgendeines von den beiden Sätzen, sondern die Tatsache,
daß der eine aus dem anderen gefolgert werden kann. Was ist also das
Subjekt und was ist das Prädikat des hypothetischen Satzes? Der Koran
ist nicht sein Subjekt, und ebensowenig ist es Muhammed. Denn es wird
weder vom Koran noch von Muhammed etwas bejaht oder verneint. Das
wahrhafte Subjekt der Prädizierung ist der ganze Satz: ‚Muhammed ist
der Prophet Gottes‘, und die Aussage ist die, daß dies eine berechtigte
Folgerung aus dem Satze ist: ‚der Koran rührt von Gott her‘.“ -- Im
hypothetischen Gefüge besteht also kurz gesagt das Subjekt in der
Thesis (~S~ ← ~P~), das Prädikat in der Aussage, daß die Thesis von der
Hypothesis (wenn ~Q~ ← ~R~) so abhängt wie die logische Folge von ihrem
Grunde.

  Entsprechend der oben entwickelten Scheidung der Urteile in
  Formal- und Realbehauptungen zerfallen auch die hypothetischen
  Gefüge in formale und reale. Beispiele +formaler+ hypothetischer
  Gefüge sind: „Wenn zwei Geraden ins Unendliche verlängert sich
  nirgends einander schneiden, so sind sie parallel; wenn zwei
  Kegel Grundfläche und Höhe miteinander gemeinsam haben, so haben
  sie gleichen Rauminhalt; wenn ein Dreieck spitzwinklig ist, so
  kann keiner seiner Winkel einen Rechten und mehr betragen; wenn
  von zwei kontradiktorisch-entgegengesetzten Urteilen eines als
  gültig erwiesen ist, dann ist das andere notwendig ungültig.“
  Diese sind hypothetische Gefüge formal-logischer Konsequenz.
  Der Zusammenhang zwischen Grund und Folge in ihnen ist ein
  unmittelbar oder mittelbar gewisser, mithin +denknotwendiger+; ihr
  kontradiktorisches Gegenteil ist daher denkunmöglich. Sie können
  also auch Gegenstände apodiktischer Beurteilung werden (wenn ~G~,
  so notwendig ~F~); sie sind ferner +umkehrbar+, d. h. auch dann
  gültig, wenn man Grund und Folge miteinander vertauscht (darüber an
  späterer Stelle). -- Beispiele hypothetischer Gefüge über Tatsachen
  sind bereits oben gegeben worden. Diese bedürfen wie alle Urteile
  über +Tatsachen+ einer zureichenden Begründung, die sich letzten
  Endes auf die Elemente der Wahrnehmung stützt. Sie sind ihrer
  Konsequenzbeziehung nach nicht alle von der gleichen Art. Wir können
  vielmehr hypothetische Gefüge zeitlicher, kausaler und teleologischer
  Konsequenz scheiden. Hypothetische Gefüge +zeitlicher+ Konsequenz
  sind: „Wenn die Schule beendet ist, bevölkern sich Straßen und Plätze
  mit Knaben und Mädchen; wenn die Schwalben nach südlicheren Ländern
  ziehen, naht der Herbst.“ Hypothetische Gefüge +kausaler+ Konsequenz
  -- mit den eben erwähnten durch mannigfache Übergangsformen verbunden
  und nicht reinlich von diesen zu scheiden -- sind: „Wenn man einen
  Wurm tritt, krümmt er sich; wenn man Wasser bis auf 100° erwärmt,
  verdampft es; wenn man Sand, Soda und Marmor in bestimmten Mengen in
  einem Tiegel schmilzt, erhält man eine feste, farblose Masse, die
  man Glas nennt.“ Hypothetische Gefüge +teleologischer+ Konsequenz
  -- ihrem Wesen nach teils theoretischer (Normen des Denkens), teils
  praktischer Natur (Normen des Handelns) -- sind: „Wenn Urteile wahr
  sein sollen, müssen sie sowohl den Bedingungen der formalen wie
  materialen Gültigkeit entsprechen; wenn es Gerechtigkeit im Staate
  geben soll, müssen Gesetze nicht nur da sein, sondern auch befolgt
  werden; willst du genau erfahren, was sich ziemt, so frage nur bei
  edlen Frauen an.“ Hypothetische Gefüge über Tatsachen können sowohl
  Gegenstände assertorischer wie auch problematischer Beurteilungen
  werden (wenn ~G~, so tatsächlich ~F~; wenn ~G~, so möglicherweise
  ~F~). +Verneinungen+ hypothetischer Gefüge sind jene Formen, in denen
  die Konsequenzbeziehung zwischen ~G~ und ~F~ geleugnet ist (wenn
  ~G~, so +nicht+ ~F~ = [wenn ~G~, so ~F~] ← nichtgültig); z. B. „wenn
  der Herr mit uns ist, wird der Segen unserem Werke nicht fehlen.“
  Die hypothetischen Gefüge der Form: ‚wenn ~G~ nicht, so +F+‘ und
  ‚wenn ~G~ nicht, so ~F~ nicht‘, sind mithin nicht Verneinungen
  hypothetischer Gefüge, sondern bejahenden Charakters, das letztere
  ein bejahendes hypothetisches Gefüge durch doppelte Verneinung. --
  Sofern in hypothetischen Behauptungen der angegebene Grund als der
  allein mögliche für die ausgesagte Konsequenz gedacht ist, heißen
  diese „hypothetische Gefüge +ausschließlicher+ Konsequenz“ (+nur+
  wenn ~G~, dann ~F~).

Aus den hypothetischen Gefügen logisch ableitbar sind Urteilsformen
wie: +weil+ ~Q~ ← ~R~, darum ~S~ ← ~P~ und: +obschon+ ~Q~ ← ~R~,
dennoch ~S~ ← ~P~. Setzen wir z. B. den in dem logischen Grund eines
hypothetischen Gefüges (wenn ~Q~ ← ~R~) enthaltenen Urteilsgedanken
als gültig voraus, so entsteht die +kausale+ Urteilsform: weil ~Q~ ←
~R~, darum ~S~ ← ~P~; setzen wir z. B. den in der Folge (~S~ ← ~P~)
enthaltenen Urteilsgedanken als gültig, den im Grunde enthaltenen
dagegen als nichtgültig, dann entsteht die +konzessive+ Form: obschon
[~Q~ ← ~R~] ← nichtgültig, ~S~ ← ~P~. An diesen Formen überwiegt das
+grammatische+ Interesse das logische; darum sei ihrer Erörterung kein
weiterer Raum gewährt.


8. Wesen und Arten der Frage.

Prüfen wir das Verhältnis von Urteil und Frage logisch, so ergibt sich
-- wie schon früher betont --, daß die Frage das Urteil voraussetzt.
Aus dem mißglückten Versuch, ein Urteil zu vollziehen -- oder auch, was
damit der Sache nach übereinkommt, aus dem Zweifel an der Gültigkeit
eines vollzogenen Urteils -- ergibt sich eine Ungewißheit, die wir
durch das Mittel der Fragestellung zu überwinden trachten. Der Ursprung
der Frage liegt mithin logisch in einer +Urteilshemmung+; sie selbst
ist der Ausdruck einer Ungewißheit, verbunden mit dem Wunsche, diese
zu überwinden. Insofern kommt ihr selbst Urteilscharakter zu. Die
Frage: „Ist ~S~ ← ~P~?“ bedeutet logisch soviel wie: „Ich weiß nicht,
ob ~S~ ← ~P~ gültig ist, und wünsche es zu wissen.“ Das aussagende
Element liegt darin in dem +Zugeständnis der Unwissenheit+ und dem
Ausdruck des +Wunsches+. Demnach steht die Frage den Beurteilungen
näher als den Urteilen im eigentlichen Sinne. Die den Inhalt der
Frage bildende Aussage: „ich weiß nicht, ob ~S~ ← ~P~ gültig ist, und
wünsche es zu wissen“ ist ein Urteil über ein Urteil, von dem ausgesagt
wird, daß seine Gültigkeit ungewiß sei, und daß die Gewißheit über
Gültigkeit oder Ungültigkeit gewünscht werde. Sind die Fragen mithin
ihrem aussagenden Charakter nach nicht Urteile schlechthin, sondern
Beurteilungen, so stimmt das treffend mit der aufgestellten Theorie
überein, daß die Frage nicht dem Urteil vorangehe, sondern dieses
voraussetze.

Der Urteilscharakter der Frage darf indessen den charakteristischen
Unterschied zwischen Urteil und Frage nicht verschleiern. Ein Urteil
ist immer die vollzogene Einordnung eines Prädikats- in den Inhalt
eines Subjektsbegriffes, verbunden mit dem Bewußtsein, daß die
ausgesagte Beziehung zwischen ~S~ und ~P~ gültig sei. Das gilt für
+alle+ Urteile, sowohl für die einfachen wie für die zusammengesetzten,
seien sie Beurteilungen, Verbindungen oder Gefüge. Eine Frage
dagegen ist immer der Ausdruck einer Ungewißheit, verbunden mit dem
Wunsche, diese zu überwinden. Insofern ist die Frage trotz ihres
Urteilscharakters von dem Urteil wesentlich verschieden und am ehesten
noch als dessen Gegenteil zu bezeichnen. Will man beide, Urteil und
Frage, unter einem höheren Gattungsbegriff zusammenfassen, dann kann
man sagen, es gibt zweierlei Aussagen: +behauptende Aussagen+ oder
+Urteile+; +fragende Aussagen+ oder +Fragen+.

  Ob eine Aussage eine behauptende oder fragende ist, darüber
  entscheidet nicht deren sprachliche Formulierung, sondern deren
  logischer Sinn. Man nehme etwa Aussagen wie: „Kann ich Armeen aus
  der Erde stampfen, wächst mir ein Kornfeld in der flachen Hand?; was
  ist göttlicher als vergeben?; was ist das Leben ohne Liebesglanz?;
  und muß ich so dich wiederfinden?; wie kommt mir solcher Glanz
  in meine Hütte?“, so bedarf es keiner näheren Begründung, daß es
  sich hier um nur +scheinbare+ Fragen, um in das Gewand der Frage
  gehüllte +behauptende+ Aussagen handelt. Indem sie entweder die auf
  die Frage zu erteilende allein mögliche Antwort in dem Sinn der
  Frage und der Art ihrer Formulierung deutlich zum Ausdruck bringen
  oder aber als Ausdruck der Klage, des Schmerzes, der Verwunderung,
  der Verzweiflung überhaupt keinerlei Antwort bedürfen, sind sie
  Urteile besonders betonter Gewißheit, nicht Fragen. Der Ausruf: „Was
  sind Hoffnungen, was sind Entwürfe ...?“ z. B. ist ein Urteil über
  die Nichtigkeit des menschlichen Hoffens und Planens; der Ausruf:
  „Und muß ich so dich wiederfinden?“ ein Urteil, dessen Prädikat die
  Klage über das „So-wiederfinden“, dessen Subjekt der Urteilende
  selbst ist. Für die Formulierung solcher -- meist subjektiver und
  subjektiv-gültiger -- Ausbrüche der Leidenschaft in Form von Fragen
  sind übrigens weniger logische als psychologische und ästhetische
  Gründe maßgebend. (Scheinbare Fragen sind auch die sog. +prüfenden+
  Fragen, die etwa von einem Lehrer einem Schüler gestellt werden, um
  zu erfahren, ob der Schüler die darauf gültige Antwort weiß. Ihnen
  kommt nur psychologische und pädagogische, keine logische Bedeutung
  zu.)

Die +Einteilung+ der Fragen richtet sich nach demjenigen
Urteilselement, durch dessen Mangel der Versuch zu urteilen
unausführbar wird. Fehlen kann in ihnen entweder eines der +materialen+
Bestandteile des gewünschten Urteils (Subjekt, Prädikat) -- (sie sollen
danach +materiale+ Fragen heißen) -- oder auch das Bewußtsein, daß die
in einem Urteil vollzogene Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat
+gültig+ sei; wir nennen diese daher +Gültigkeitsfragen+.

Wenden wir uns zu den ersteren. +Materiale Fragen+ sind solche, in
denen entweder Auskunft gewünscht wird über das Subjekt, dem ein
gegebenes Prädikat, oder über ein Prädikat, das einem gegebenen Subjekt
eingeordnet werden soll. Sie sind danach teils +Subjekts+-, teils
+Prädikats+fragen. Die Form der ersteren ist: Wer (was) ← ~P~?; die
Form der zweiten: ~S~ ← was (wie beschaffen)? Dabei braucht bei den
Subjekts- und Prädikatsfragen durchaus nicht das ganze Subjekt oder
Prädikat unbekannt zu sein. Es kann z. B. die Gattung bekannt sein
und nur die spezielle Art fehlen; ja, es kann sogar die spezielle
Art gegeben sein, und der gewünschte Urteilsbestandteil nur in
einer näheren Bestimmung des Subjekts oder Prädikats bestehen, beim
Subjekt etwa in der Quantität (wie viele ~S~ ← ~P~?), beim Prädikat
in der Angabe von Ort, Zeit, Beschaffenheit usw. (wann, wo, wie
beschaffen). Die Frage: wie viele ~S~ ← ~P~? entspricht dabei den
quantitativ-bestimmenden Beurteilungen; sie muß also genau genommen
lauten: [~S~ ← ~P~] gilt für wie viele ~S~? und gehört mithin nicht zu
den Subjekts-, sondern zu den +Prädikats+fragen.

  Beispiele von +Subjekts+fragen sind: „wer lacht da?; wer tat mir
  das?; was ist geschehen?; welches Buch fehlt dir?; wer will ihn
  wiederholen?; wessen Haus brennt?; wer von ihnen war dabei?“;
  Beispiele von +Prädikats+fragen: „was ist der langen Rede kurzer
  Sinn?; was sagte der Vater?; was willst du mit dem Dolche? sprich;
  von wannen kommt dir diese Wissenschaft?; wem gab er das Buch?; wann
  wird der Retter kommen diesem Lande?“ -- Hypothetische Subjektsfragen
  sind: wenn ~Q~ ← ~R~, was dann? (z. B.: „Wenn es nun nicht gelingt,
  was dann?“); hypothetische Prädikatsfragen: wann oder unter welcher
  Bedingung ist ~S~ ← ~P~ gültig? (z. B.: „Unter welcher Bedingung ist
  der Feind geneigt, Frieden zu schließen?“ Antwort: ... +wenn+ wir
  ... usw.). Zu den materialen Fragen gehören auch kausale Fragen wie:
  +warum+ ist ~S~ ~P~? (weil ~Q~ ← ~R~), ebenso finale Fragen: +wozu+
  ist ~S~ ~P~? (+damit+ ~Q~ ← ~R~).

+Gültigkeits+fragen sind im Unterschied zu den materialen alle
diejenigen, in denen darüber Auskunft gewünscht wird, ob die in einem
Urteil vorhandene prädikative Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat
+gültig+ sei. Die einfachste Form dieser Fragen ist die +elementare+
Gültigkeitsfrage von der Form: ist ~S~ ← ~P~ gültig? (Antwort: ja --
nein). Diese geht in die Form der +disjunktiven+ Gültigkeitsfrage über,
wo wir die in einem disjunktiven Gefüge zugestandene Unwissenheit,
welche von mehreren einander ausschließenden Urteilsmöglichkeiten
gültig sei (~S~ ← [entweder ~P₁~ oder ~P₂~]; entweder ~S₁~ oder ~S₂~
← ~P~), in Gestalt einer Frage formulieren (ist ~S~ ← ~P₁~ oder
~P₂~?; ist ~S₁~ oder ~S₂~ ← ~P~?). Dem hypothetischen Urteilsgefüge,
in dem die Beziehung von Grund und Folge ungewiß ist, entspricht die
+hypothetische+ Gültigkeitsfrage (ist ~S~ ← ~P~, wenn ~Q~ ← ~R~?).
Mischformen hypothetischer und disjunktiver Gültigkeitsfragen endlich
sind Fragen von der Form: wenn ~Q~ ← ~R~, ist dann ~S~ ← ~P₁~ oder ~P₂~?

  Beispiele +elementarer+ Gültigkeitsfragen sind: „Ist es geschehen?;
  bist du’s, Hermann, mein Rabe?; hat die Vorstellung schon
  begonnen?“; Beispiele +disjunktiver+ (1) und +hypothetischer+ (2)
  Gültigkeitsfragen sowie deren Mischformen (3): 1. „Bist untreu,
  Wilhelm, oder tot?; wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, zu tauchen
  in diesen Schlund?“ -- 2. „Wird er kommen, wenn ich ihn bitte?; würde
  er gesiegt haben, wenn er die Schlacht begonnen hätte?“ -- 3. „Wenn
  er nun vor Gericht kommt, wird er verurteilt oder freigesprochen
  werden?“ -- Aus der Ungewißheit der Beziehungen kausaler, finaler
  und konzessiver Urteilszusammenhänge erwachsen ferner Fragen von
  der Form: ist ~S~ ← ~P~, +weil+ ~Q~ ← ~R~?; ist ~S~ ← ~P~, +damit+
  ~Q~ ← ~R~; ist ~S~ ← ~P~, +obgleich+ ~Q~ ← ~R~?; wir nennen diese
  entsprechend der bisherigen Namengebung: kausale, finale und
  konzessive Gültigkeitsfragen.

Liegt es im Wesen der Frage, daß sie als Ausdruck einer Ungewißheit
zugleich das Begehren nach Gewißheit in sich befaßt, so kann
naturgemäß das Verlangen des Fragenden erst befriedigt sein, wenn
die erteilte +Antwort+ dasjenige Element enthält, das dem Fragenden
beim Vollzug des versuchten Urteils gefehlt hat. Die Bedingungen
der Gültigkeit der Antwort auf eine Frage sind den formalen und
materialen Bedingungen der Gültigkeit von Urteilen überhaupt gleich;
denn die Antwort ergänzt den der Frage zugrunde liegenden mißglückten
Urteilsversuch zu dem gewünschten Urteil; sie ist insofern, unabhängig
von ihrem grammatischen Bestand, ja unabhängig von ihrer sprachlichen
Ausdrucksform (sie kann eine Handbewegung ebenso sein wie ein
Kopfnicken), ein +Urteil+.

Die logische Bedeutung der Frage liegt darin, daß sie als Ausdruck
eines nach Gewißheit verlangenden Zustandes unbefriedigender
Ungewißheit das Denken von unzulänglichen oder zweifelhaften Urteilen
zu immer erneuten Urteilsversuchen hinleitet. Auch Fragen bedürfen wie
Urteile einer +zureichenden Begründung+. Eine Frage ist zureichend
begründet, wenn sie +richtig gestellt+ ist; sie ist unzureichend
begründet, wenn sie den Bedingungen einer richtigen Fragestellung nicht
entspricht. Insbesondere für das wissenschaftliche Denken, in dem die
+Frage+stellung zur +Problem+stellung wird, ist die Forderung einer
zureichenden Begründung auch für die Frage außerordentlich wichtig;
daher wird in der logischen Methodenlehre darauf noch zurückzukommen
sein.


  [6]  +Kants+ fernere Scheidung der Urteile in analytische
       und synthetische hat nicht logische, sondern
       transzendental-philosophische Bedeutung. Unter +analytischen+
       Urteilen versteht Kant solche, die im Prädikat nur enthalten, was
       im Begriff des Subjekts schon als notwendiges Merkmal gedacht ist
       (+erläuternde+ Urteile; z. B.: „Alle Körper sind ausgedehnt“);
       unter +synthetischen+ Urteilen solche, die im Prädikat enthalten,
       was im Begriff des Subjekts noch nicht notwendig gedacht ist
       (+erweiternde+ Urteile; z. B. „Einige Körper sind schwer“). Zur
       Kritik dieser Scheidung vgl. B. Erdmann, Logik I², Kap. 38.

  [7]  So z. B. von der „+Anerkennungstheorie+“ des Urteils bei Franz
       +Brentano+, die historisch genommen bis auf die Stoa, Augustin,
       Thomas von Aquino, Descartes, Malebranche und Hume (Lehre vom
       belief) zurückgeht, in der neuen Logik in verwandter Form auch
       von W. Hamilton und Al. Bain in England, von A. Marty, W.
       Windelband und H. Rickert in Deutschland vertreten wird. Vgl.
       dazu Näheres bei B. +Erdmann+, Logik I², Kap. 46: Jos. +Geyser+,
       Grundlagen d. Logik, 1909, S. 157 ff., 163 ff.

  [8]  Bei der Lektüre mag dieses logische Symbol getrost durch die
       grammatische Kopula „ist“ (bzw. „sind“) ausgedrückt werden.

  [9]  Man vergleiche zu Problemstellung und Lösung: B. +Erdmann+, Über
       Inhalt und Geltung des Kausalgesetzes, Halle 1904.

  [10] Man beachte: +Nicht+ alle Urteile, deren Prädikat das Wort
       „+können+“ enthält, sind problematische. „Können“ bedeutet im
       Deutschen ebenso ein „+fähig+-sein“ wie ein „möglich-sein“.
       Problematische Urteile sind also +nicht+ Urteile wie: „ich kann
       Französisch, ich kann laufen, ich kann dichten, ich kann singen,
       Kinder können erzogen werden“.



III. Die Lehre vom Schlußverfahren.


1. Die unmittelbaren Schlüsse oder Folgerungen.

Schließen heißt im logischen Sinne des Wortes: aus einem oder
mehreren gegebenen Urteilen ein davon verschiedenes denknotwendig
ableiten. Ein +Schluß+ ist demnach derjenige Denkprozeß, durch den
aus einem oder mehreren gegebenen Urteilen ein davon verschiedenes
denknotwendig abgeleitet wird. Die überlieferte Logik unterscheidet
zweierlei Hauptarten von Schlüssen: +unmittelbare+ oder Folgerungen und
+mittelbare+ oder Schlüsse im eigentlichen Sinne. Unmittelbare Schlüsse
sind solche, in denen die Ableitung aus +einem+, mittelbare solche, in
denen die Ableitung aus einer +Mehrheit+ von Urteilen erfolgt.

Ist die +Folgerung+ die denknotwendige Ableitung eines Urteils aus
+einem+ davon verschiedenen gegebenen Urteil, so ist sie als Ganzes aus
zwei Urteilen zusammengesetzt: dem +Folgerungs+urteil als demjenigen,
+welches+ -- dem +Grund+urteil als demjenigen, +aus+ welchem gefolgert
wird[11]. Es ist ersichtlich, daß für das Folgerungsurteil zwei
spezielle Bedingungen seiner formalen und materialen Gültigkeit in
Betracht kommen: 1. die formale und materiale Gültigkeit seines
Grundurteils, 2. die formale Gültigkeit des Folgerungsprozesses selbst.
Die Gültigkeit des Folgerungsurteils -- unter der Voraussetzung einer
formal gültigen Ableitung -- steht und fällt also mit der Gültigkeit
des Grundurteils.

Die speziellen +Arten+ der Folgerungen ergeben sich aus der
Verschiedenheit der formalen Veränderungen, durch die aus dem
Grundurteil das Folgerungsurteil gewonnen wird. Die traditionelle
Logik unterscheidet als Hauptarten der Folgerungen solche durch:
formale Äquipollenz; Konversion; Kontraposition; Subalternation und
Opposition; zu diesen kommen noch zwei weniger wichtige Arten durch
Modalitätswechsel und gleichsinnige Inhaltsänderung.

Folgerungen durch +formale Äquipollenz+ (formale Gleichwertung) sind
solche, bei denen aus einem gegebenen Urteil bei gleicher Stellung
der materialen Urteilsglieder ein Urteil abgeleitet wird, das von dem
Grundurteil nur seiner +Form+ nach verschieden ist. Spezielle Fälle
solcher Folgerungen sind[12]:

  1. Die Ableitung eines +mittelbar+ bejahenden Urteils durch doppelte
  Verneinung aus einem +un+mittelbar bejahenden und umgekehrt (z. B.
  _Grundurteil_: ~S~ ← ~P~; _Folgerungsurteil_: ~S~ ← nicht ~non-P~;
  _Grdurt._: jedes ~S~ ← ~P~; _Flgsurt._: kein ~S~ ← nicht-~P~;
  _Grdurt._: ~S~ ← ~P~, wenn ~Q~ ← ~R~; _Flgsurt._: ~S~ ← nicht ~P~,
  wenn ~Q~ ← nicht ~R~).

  2. Die Ableitung einer +mittelbaren+ Verneinung aus dem +un+mittelbar
  verneinenden Urteil und umgekehrt (z. B. _Grdurt._: ~S~ ← nicht ~P~;
  _Flgsurt._: ~S~ ← ~non-P~).

  3. Die Ableitung einer +apodiktischen+ Beurteilung aus einem
  +un+mittelbar gewissen Urteil (_Grdurt._: 2 × 2 = 4; _Flgsurt._: 2 ×
  2 ist +notwendig+ 4).

  4. Die Ableitung eines +allgemeinen+ aus dem +generellen+ Urteil
  und umgekehrt (_Grdurt._: „Gestrenge Herren regieren nicht lange“;
  _Flgsurt._: „kein gestrenger Herr regiert lange“).

  5. Die Ableitung eines +hypothetischen+ aus einem +disjunktiven+
  Gefüge (_Grdurt._: ~S~ ← [entweder ~P₁~ oder ~P₂~]; _Flgsurt._:
  wenn ~S~ ← ~P₁~, dann nicht ~S~ ← ~P₂~ usw.).

Wichtiger als die Folgerungen durch formale Äquipollenz sind die durch
+Konversion+ (Umkehrung). Sie bestehen darin, daß das Folgerungsurteil
durch Vertauschung der materialen Glieder des Grundurteils gewonnen
wird, wobei die Qualität der Aussage bestehen bleibt. Jenachdem ob die
quantitative Bestimmtheit des Subjekts im Folgerungsurteil dieselbe
bleibt wie im Grundurteil oder sich verändert, nennt man die Konversion
eine +reine+ (~conversio pura~, ~simplex~) oder +unreine+ bzw.
veränderte (~conversio impura~, ~per accidens~). -- Folgerungen durch
reine Umkehrung sind möglich:

  1. aus +partikulär bejahenden+ Urteilen (_Grdurt._: „einige
  Säugetiere leben im Wasser“, _Flgsurt._: „einige im Wasser lebende
  Tiere sind Säugetiere“).

  2. aus +allgemein verneinenden+ Urteilen (_Grdurt._: „kein
  Sterblicher ist allwissend“, _Flgsurt._: „kein Allwissender ist ein
  Sterblicher“).

  Keinerlei denknotwendige Folgerungen durch Umkehrung sind möglich
  aus +partikulär verneinenden+, während +allgemein bejahende+ Urteile
  Folgerungen teils durch reine, teils durch unreine Umkehrung
  zulassen. Beispiele von Folgerungen durch +unreine+ Umkehrung aus
  allgemein bejahenden Urteilen sind: _Grdurt._: „alle Wissenschaften
  sind Zeichen des menschlichen Dranges nach Erkenntnis“; _Flgsurt._:
  „einige Zeichen des menschlichen Dranges nach Erkenntnis sind die
  Wissenschaften“. Beispiele von Folgerungen durch +reine+ Umkehrung
  aus allgemein bejahenden Urteilen bieten die sog. +reziprokablen+
  Urteile, die Gleichungen oder Definitionen enthalten: _Grdurt._:
  „alle Dreiecke von gleicher Höhe und Grundseite sind flächengleich“;
  _Flgsurt._: „alle flächengleichen Dreiecke haben gleiche Grundseite
  und Höhe“. -- Eine besondere Besprechung verlangen die Folgerungen
  durch Konversion aus +hypothetischen Gefügen+. Hypothetische Gefüge
  heißen rein umkehrbar, wenn ihre modale Bestimmtheit dieselbe bleibt,
  unrein umkehrbar, wenn diese sich verändert. +Rein+ umkehrbar sind:

  1. alle hypothetischen Gefüge, die +unmittelbar+ oder +mittelbar+
  gewisse Gültigkeit haben (_Grdurt._: „wenn in einem Dreieck zwei
  Winkel einander gleich sind, so ist es gleichschenklig“; _Flgsurt._:
  „wenn ein Dreieck gleichschenklig ist, so sind darin zwei Winkel
  einander gleich“).

  2. alle hypothetischen Gefüge über Tatsachen, die Gefüge
  +ausschließlicher+ Konsequenz bilden (_Grdurt._: „nur wenn ein
  luftleerer Raum hergestellt ist, fallen Körper verschiedenen Gewichts
  mit gleicher Geschwindigkeit“; _Flgsurt._: „wenn Körper verschiedenen
  Gewichts mit gleicher Geschwindigkeit fallen, so ist der Raum, in dem
  das geschieht, luftleer“).

  3. alle +Verneinungen+ von hypothetischen Gefügen über Tatsachen
  (z. B. _Grdurt._: „wenn ein Mensch behauptet, Gott zu sein, dann ist
  er nicht bei Verstand“; _Flgsurt._: „wenn ein Mensch bei Verstand
  ist, dann behauptet er nicht, Gott zu sein“).

  +Unrein+ umkehrbar sind schließlich hypothetische Gefüge über
  Tatsachen wie: _Grdurt._: „Wer nichts wagt, der nichts gewinnt“;
  _Flgsurt._: „wer nichts gewinnt, der wagt möglicherweise nichts“.
  Hier hat die Konversion die Form: _Grdurt._: wenn ~G~, dann ~F~,
  _Flgsurt._: wenn ~F~, dann möglicherweise ~G~; in ihr geht also die
  +assertorische+ Modalität des Grundurteils im Folgerungsurteil in
  eine +problematische+ über.

Aus dem Verfahren der formalen Äquipollenz und Konversion
zusammengesetzt ist die Folgerungsweise durch +Kontraposition+
(Umwendung). Diese geschieht, indem die materialen Glieder des
Grundurteils miteinander die Stelle wechseln und die bejahenden Urteile
ihrer Form nach verneinende, die verneinenden ihrer Form nach bejahende
werden. Folgerungen durch Kontraposition sind +rein+ möglich: 1. aus
+allgemein bejahenden+ Urteilen (=_Grdurt._=: „alle Werke Schopenhauers
sind stilistisch gewandt geschrieben“; _Flgsurt._: „keine stilistisch
ungewandte Schrift ist ein Werk Schopenhauers“); 2. aus +partikulär
verneinenden+ Urteilen (=_Grdurt._=: „manche Völker Asiens sind in
der Kultur nicht mitfortgeschritten“; =_Flgsurt._=: „ein Teil der in
der Kultur nicht mitfortgeschrittenen sind die Völker Asiens“). Nur
+unrein+ oder verändert sind Folgerungen durch Kontraposition möglich
aus +allgemein verneinenden+ Urteilen; während sich aus +partikulär
bejahenden+ Urteilen +keinerlei+ denknotwendige Folgerungen herleiten
lassen:

  Allgemein verneinende Urteile gehen durch Kontraposition in
  partikuläre ihrer Form nach bejahende Urteile über (=_Grdurt._=:
  „kein Verbrecher ist ein nützliches Mitglied der menschlichen
  Gesellschaft“; _Flgsurt._=: „ein Teil der unnützen Glieder
  der menschlichen Gesellschaft sind die Verbrecher“). -- Nur
  geringe Bedeutung kommt den Folgerungen durch Kontraposition aus
  +hypothetischen Gefügen+ zu. Hier herrschen analoge Verhältnisse
  vor wie bei den Folgerungen aus hypothetischen Gefügen durch
  Konversion. Als Beispiele solcher seien aufgeführt: 1. =_Grdurt._=:
  „wenn Zahlen durch zwei teilbar sind, dann sind sie gerade Zahlen“;
  =_Flgsurt._=: „wenn Zahlen ungerade sind, dann sind sie durch zwei
  nicht teilbar“ (+reine+ Kontraposition); 2. =_Grdurt._=: „wenn das
  Leben nach dem Tode paradiesisch ist, dann ist der Tod ein Beglücker
  der Menschheit“; =_Flgsurt._=: „wenn es falsch ist, daß der Tod kein
  Beglücker der Menschheit ist, dann +kann+ das Leben nach dem Tode
  paradiesisch sein“ (+unreine+ Kontraposition).

Auf anderem Wege als bei den Folgerungen durch Konversion und
Kontraposition kommen die Folgerungen durch +Subalternation+
(Umordnung) zustande. Diese sind denknotwendige Ableitungen aus einem
als wahr oder falsch beurteilten allgemeinen oder partikulären Urteil,
dessen quantitative Bestimmtheit im Folgerungsurteil verändert, dessen
Qualität aber dieselbe bleibt. Wenn es wahr ist, daß alle ~S~ ← ~P~
sind, dann ist es auch wahr, daß einige ~S~ ← ~P~ sind; und wenn es
wahr ist, daß kein ~S~ ← ~P~ ist, dann ist es auch wahr, daß einige ~S~
← nicht ~P~ sind. Wir nennen diese Ableitung von partikulären Urteilen
aus allgemeinen Folgerungen durch +Unterordnung+, und können -- da aus
der Falschheit eines allgemeinen Urteils auf die Falschheit des ihm
untergeordneten partikulären +nicht+ denknotwendig geschlossen werden
kann -- sagen: Die Folgerungen aus der Wahrheit eines allgemeinen
Urteils auf die Wahrheit des ihm +unter+geordneten sind gültig, die
gleichen Folgerungen aus der Falschheit ungültig (in scholastischer
Sprache bezeichnet als „~Dictum de omni et nullo~“)[13]. -- Umgekehrt
verhalten sich die Dinge bei den Folgerungen durch +Überordnung+
(d. h. den Ableitungen allgemeiner aus partikulären Urteilen). Wenn es
falsch ist, daß einige ~S~ ← ~P~ sind, dann ist es auch falsch, daß
alle ~S~ ← ~P~ sind; und wenn es falsch ist, daß einige ~S~ ← nicht
~P~ sind, dann ist es auch falsch, daß alle ~S~ ← nicht ~P~ sind. Wir
können also -- da aus der Wahrheit eines partikulären Urteils auf
die Wahrheit des entsprechenden übergeordneten +nicht+ denknotwendig
geschlossen werden kann -- sagen: Die Folgerungen aus der Falschheit
eines partikulären Urteils auf die Falschheit des ihm übergeordneten
sind gültig, die gleichen Folgerungen aus der Wahrheit ungültig. Beide
Gesetze kurz zusammengefaßt: Gültige Ableitungen durch Subalternation
sind die Folgerungen durch +Unterordnung+ aus der +Wahrheit+, durch
+Überordnung+ aus der +Falschheit+.

Den Folgerungen durch Subalternation verwandt sind die Folgerungen
durch +Opposition+ (Entgegensetzung). Darunter versteht man solche
unmittelbaren Schlüsse, durch die aus der Wahrheit (oder Falschheit)
eines quantitativ bestimmten Urteils auf die Falschheit (oder
Wahrheit) des entsprechenden Urteils von entgegengesetzter Qualität
gefolgert wird. Vorerst ist hierbei folgendes zu bemerken: Die
Urteile: „alle ~S~ ← ~P~“ und „einige ~S~ ← nicht ~P~“, sowie:
„kein ~S~ ← ~P~“ und „einige ~S~ ← ~P~“ heißen nach alter logischer
Tradition +kontradiktorisch+-entgegengesetzte; die Urteile: „alle
~S~ ← ~P~“ und „alle ~S~ ← nicht ~P~“ +konträr+-entgegengesetzte
und die Urteile: „einige ~S~ ← ~P~“ und „einige ~S~ ← nicht
~P~“ +subkonträr+-entgegengesetzte. Unter Zugrundelegung dieser
Bezeichnungen ergibt sich: Wenn eines der Urteile „alle ~S~ ← ~P~“ und
„kein ~S~ ← ~P~“ als +wahr+ (oder falsch) gegeben ist, dann ist das
ihnen kontradiktorisch-entgegengesetzte Urteil „einige ~S~ ← nicht
~P~“ bzw. „einige ~S~ ← ~P~“ +falsch+ (oder wahr). Diese Tatsachen
folgen unmittelbar aus den logischen Grundsätzen des Widerspruches und
vom ausgeschlossenen Dritten. Danach können wir sagen: Die Folgerungen
durch +kontradiktorische Opposition+ sind +durchweg+ gültig. Nicht
ebenso liegen die Dinge bei den Folgerungen durch konträre und
subkonträre Opposition. Wenn das Urteil „alle ~S~ ← ~P~“ wahr ist,
dann ist das Urteil „alle ~S~ ← nicht ~P~“ falsch; wenn das Urteil
„alle ~S~ ← ~P~“ aber falsch ist, dann braucht es darum noch nicht wahr
zu sein, daß „alle ~S~ ← nicht ~P~“ sind. Mithin können wir sagen:
Die Folgerungen durch +konträre Opposition+ sind nur gültig aus der
+Wahrheit+. Und weiter: Wenn es falsch ist, daß „einige ~S~ ← ~P~“
sind, dann ist es wahr, daß „einige ~S~ ← nicht ~P~“ sind; wenn es
aber wahr ist, daß „einige ~S~ ← ~P~“ sind, dann braucht es deswegen
noch nicht falsch zu sein, daß „einige ~S~ ← nicht ~P~“ sind. Die
Folgerungen durch +subkonträre Opposition+ sind also nur gültig aus
der +Falschheit+. Alle drei Regeln kurz zusammengefaßt, gewinnen wir
die logische Formel: Gültige Ableitungen sind die Folgerungen durch
+kontradiktorische+ Opposition aus der +Wahrheit+ und +Falschheit+,
durch +konträre+ Opposition aus der +Wahrheit+ und +subkonträre+
Opposition aus der +Falschheit+.

  Nur kurzer Besprechung bedürfen noch die unmittelbaren Schlüsse durch
  Modalitätswechsel und durch gleichsinnige Inhaltsänderung. Wenn es
  notwendig ist, daß ~S~ ← ~P~ ist, dann ist es auch Tatsache, daß
  ~S~ ← ~P~ ist; und wenn es nicht möglich ist, daß ~S~ ← ~P~ ist,
  dann ist es auch tatsächlich nicht der Fall usw. Mit Worten: Aus der
  Gültigkeit des apodiktischen Urteils folgt durch +Modalitätswechsel+
  die Gültigkeit des entsprechenden assertorischen und problematischen;
  aus der Ungültigkeit des problematischen Urteils folgt die
  Ungültigkeit des entsprechenden assertorischen und apodiktischen. --
  Und endlich: Folgerungen durch +gleichsinnige Inhaltsänderung+ kommen
  zustande, wenn die materialen Glieder eines Urteils in gleichem Sinne
  inhaltlich verändert werden. Um das an Beispielen zu erläutern:
  _Grdurt._: Alles Denken ist Urteilen oder Fragen; _Flgsurt._: alles
  +wissenschaftliche+ Denken ist +wissenschaftliches+ Urteilen oder
  Fragen; _Grdurt._: die Geschichte eines Volkes ist ein Spiegel seiner
  Entwicklung; _Flgsurt._: die +Kultur+geschichte eines Volkes ist ein
  Spiegel seiner +kulturellen+ Entwicklung.


2. Die Arten der mittelbaren Schlüsse und die kategorischen Deduktionen.

+Mittelbare+ Schlüsse (oder Schlüsse im eigentlichen Sinne) sind
solche, in denen aus einer +Mehrheit+ gegebener Urteile ein davon
verschiedenes denknotwendig abgeleitet wird. Die Urteile, +aus+
denen abgeleitet wird, nennen wir +Grundurteile+ oder +Prämissen+
(die traditionelle Logik nennt sie grammatisierend „Vordersätze“),
das Urteil, das abgeleitet wird, +Schlußurteil+ oder Konklusio
(Schlußsatz). Wo mittelbare Schlüsse nicht mehr als zwei Prämissen
haben, nennt man die eine die +obere+ (Obersatz), die andere die
+untere+ (Untersatz). So ist z. B. in dem Schlußverfahren: „Alle Körper
ziehen einander an; Erde und Mars sind Körper; also ziehen Erde und
Mars einander an“ das allgemeine Urteil: „alle Körper ziehen einander
an“ die obere Prämisse (Obersatz), das spezielle Urteil: „Erde und
Mars sind Körper“ die untere Prämisse (Untersatz) und das Endurteil:
„also ziehen Erde und Mars einander an“ die Konklusio (Schlußsatz).
Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß nicht beliebig gewählte Urteile
Prämissen für einen Schluß bilden können. Ein Schluß ist nur möglich,
wenn die Grundurteile eine bestimmte logische Beziehung zueinander
haben, oder genauer gesagt: einen denknotwendigen Zusammenhang
untereinander herleiten. So wird z. B. in dem angeführten Beispiel
ein denknotwendiger Zusammenhang hergestellt durch den in beiden
Grundurteilen als gemeinsames materiales Glied enthaltenen Begriff
„Körper“, indem zunächst ein allgemeines Gesetz über die Anziehung
von Körpern aufgestellt, dann Erde und Mars als der Gattung Körper
zugehörig bezeichnet und daraus geschlossen wird, daß Erde und Mars
als Körper aufeinander nach dem Gesetz der Anziehung aller Körper
einwirken. Auch hier wiederum liegen die Dinge so, daß die Gültigkeit
des Schlußurteils -- die formal-gültige Ableitung vorausgesetzt -- mit
der Gültigkeit der Prämissen steht und fällt.

Jenachdem ein Schluß von einem allgemeinen Urteil als Obersatz zu einem
besonderen Urteil als Schlußsatz oder aber von besonderen Urteilen
als Prämissen zu einem allgemeinen als Konklusio übergeht, nennt man
ihn einen Schluß entweder vom +Allgemeinen+ aufs +Besondere+ oder
vom +Besonderen+ aufs +Allgemeine+. Zu diesen zählt die überlieferte
Logik noch eine dritte Art von Schlüssen: die vom +Besonderen+ aufs
+Besondere+. Nach herkömmlicher Weise bezeichnet man die Schlüsse
vom Allgemeinen aufs Besondere als +deduktive+ oder Deduktionen,
die Schlüsse vom Besonderen aufs Allgemeine als +induktive+ oder
Induktionen und die Schlüsse vom Besonderen aufs Besondere als Schlüsse
~per analogiam~ oder +Analogie+schlüsse.

Besprechen wir zunächst die deduktiven Schlüsse. Die überlieferte Lehre
von den Schlußformen teilt die Deduktionen in die drei Hauptarten der
kategorischen, hypothetischen und disjunktiven Schlüsse. Beispiele
dafür sind: 1. +Kategorischer+ Schluß: „Alle Römer waren kriegerisch;
Cäsar war ein Römer; also war Cäsar kriegerisch“; 2. +hypothetischer+
Schluß: „Wenn Cäsar ein Römer war, war er kriegerisch; Cäsar war ein
Römer; also war Cäsar kriegerisch“; 3. +disjunktiver+ Schluß: „Soldaten
sind entweder tapfer oder keine Soldaten; Cäsar war tapfer; also war
Cäsar ein Soldat.“ Diese Einteilung besteht jedoch nicht zu Recht.
Es wird sich zeigen, daß die disjunktiven Schlüsse den kategorischen
und hypothetischen nicht schlechthin koordiniert werden dürfen, da
sie nicht wie diese einfach, sondern eigentümliche Zusammensetzungen
von kategorischen und hypothetischen Schlüssen bilden. Demnach sind
die deduktiven Schlüsse einzuteilen in +einfache+ Deduktionen und
+Zusammensetzungen+ von solchen. Einfache Deduktionen sind teils die
von der elementaren Form der eben erwähnten kategorischen Schlüsse
(wir nennen sie +kategorische+ oder +elementare+ Deduktionen oder mit
Aristoteles +Syllogismen+), teils die angeführten +hypothetischen+
Schlüsse; Zusammensetzungen von deduktiven Schlüssen, sog. +Ketten+,
sind teils +reinliche+, d. h. solche, die nur aus kategorischen
Deduktionen gebildet sind, teils +gemischte+, d. h. solche, deren
Analyse sowohl kategorische wie hypothetische Schlüsse als Bestandteile
aufweist. Ordnen wir die Arten der deduktiven Schlüsse in einem
übersichtlichen Schema, dann ergibt sich:


                   Deduktive Schlüsse oder Deduktionen
                                    |
                  +-----------------+----------------+
                  |                                  |
         Einfache Deduktionen           Zusammensetzungen von deduktiven
                  |                           Schlüssen oder Ketten
                  |                                  |
       +----------+-------+               +----------+-----------+
       |                  |               |                      |
  Kategorische      Hypothetische     Reinliche              Gemischte
  (elementare)       Deduktionen   (Kettenschlüsse,
  Deduktionen                        Schlußketten)
     oder
  Syllogismen

Erörtern wir fürs erste die Arten der +kategorischen+ Deduktion. Als
solche unterscheidet man nach Aristotelischem Vorbilde drei gültige
Formen, die man von alters her als +syllogistische Figuren+ (~figurae
Aristotelicae~) bezeichnet[14]. Diese sind nach ihrer allgemeinsten
Form:

                I. Figur:        II. Figur:        III. Figur

  _Obers._:   Alle ~M~ ← ~P~   Kein ~P~ ← ~M~   Alle ~M~ ← ~P~
  _Unters._:  Alle ~S~ ← ~M~   Alle ~S~ ← ~M~   Alle ~M~ ← ~S~
              ---------------  ---------------  -----------------
  _Schlußs._: Alle ~S~ ← ~P~   Kein ~S~ ← ~P~   Einige ~S~ ← ~P~

Die materialen Bestandteile sind in allen drei Schlußformen dieselben:
~S~, ~P~ und ~M~, wobei ~M~ dasjenige Urteilselement bildet, das als
beiden Prämissen gemeinsam den denknotwendigen Zusammenhang herstellt,
aus welchem das Schlußurteil folgt. Man nennt dieses daher den
+Mittelbegriff+ (~terminus medius~), die beiden anderen materialen
Glieder des Schlusses, die übereinstimmend in allen drei Figuren das
Subjekt und Prädikat des Schlußurteils bilden, die +äußeren+ Begriffe
(~termini externi~). Von der Stellung des Mittelbegriffes in den
Prämissen hängt die Einteilung der kategorischen Deduktionen ab. In der
ersten Figur ist der Mittelbegriff Subjekt des Obersatzes und Prädikat
des Untersatzes, in der zweiten Prädikat und in der dritten Subjekt
beider Prämissen. Will man sich die Arten der Syllogismen hiernach
durch ein einfaches Hilfsmittel der Anschauung mnemotechnisch näher
bringen, so kann man die Stellung des Mittelbegriffes durch einen Pfeil
symbolisieren, woraus das Bild entsteht:

        I. Figur:    II. Figur: III. Figur: (IV. (überflüs- )  Zusammen-
                                            (  sige) Figur: )  fassung
  _O._:  ~M~ ← ~P~   ~P~ ← ~M~  ~M~ ← ~P~   (   ~P~ ← ~M~   )   ^ ^   ^
  _U._:  ~S~ ← ~M~   ~S~ ← ~M~  ~M~ ← ~S~   (   ~M~ ← ~S~   )   | \ I |
        ----------   ---------  ---------   (-------------  )   |  \  |
  _S._:  ~S~ ← ~P~   ~S~ ← ~P~  ~S~ ← ~P~   (   ~S~ ← ~P~   )  III    II

      (Pfeil schräg    (Pfeil    (Pfeil
     von rechts unten  rechts,   links,
     nach links oben)  nach     nach oben)
                       oben)

Der Mittelbegriff ist bildlich gesprochen die Seele des syllogistischen
Schlußverfahrens. Ohne Mittelbegriff kein syllogistischer Schluß; und
jeder Syllogismus wird zum Fehlschluß (Paralogismus), in dem mit dem
Mittelbegriff in den beiden Prämissen nicht ein und derselbe Inhalt
gedacht wird. Nach der Bedeutung des Mittelbegriffes können wir den
Syllogismus auch definieren als dasjenige Schlußverfahren, in dem aus
zwei Urteilen, die eines ihrer materialen Glieder gemeinsam haben, ein
drittes über deren +nicht+gemeinsame Bestandteile notwendig abgeleitet
wird.

Besprechen wir die syllogistischen Figuren im einzelnen:

I. Als Grundform der +ersten+ syllogistischen Figur haben wir genannt:
~M~ ← ~P~; ~S~ ← ~M~; also ~S~ ← ~P~. Diese Grundform hat vier
Modifikationen:

                    ~a~)                ~b~)

                Alle ~M~ ← ~P~    Alle ~M~ ← ~P~
  +I. Figur+:   Alle ~S~ ← ~M~    Einige ~S~ ← ~M~
                --------------    ----------------
                Alle ~S~ ← ~P~    Einige ~S~ ← ~P~
                |                                |
                +---------------+----------------+

                    ~c~)                ~d~)
                Kein ~M~ ← ~P~    Kein ~M~ ← ~P~
                Alle ~S~ ← ~M~    Einige ~S~ ← ~M~
                --------------    ----------------------
                Kein ~S~ ← ~P~    Einige ~S~ ← nicht ~P~
                |                                      |
                +----------------+---------------------+

Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß in dieser Aufstellung die
Modifikationen ~a~ und ~b~ sowie ~c~ und ~d~ zusammengehören. Wir
können sagen: ~a~ und ~b~ machen die erste, ~c~ und ~d~ die zweite
Schlußweise der ersten Figur aus. Der Gedankengang der ersten
Schlußweise ist folgender: Wenn einem Subjekt ~S~ das Prädikat ~M~
zukommt, dem Prädikat ~M~ ein Prädikat ~P~, so kommt auch dem Subjekt
~S~ +mittelbar+ das Prädikat ~P~ zu. Demnach können wir als logisches
Prinzip der +ersten+ Schlußweise der ersten Figur den Grundsatz
aufstellen: +Jedem Subjekt kommt mittelbar das Prädikat seines
Prädikats zu.+ Der Gedankengang der zweiten Schlußweise der ersten
Figur ist dem der ersten analog: wenn einem Subjekt ~S~ ein Prädikat
~M~ zukommt, ein Prädikat ~P~ von diesem ~M~ aber ausgeschlossen
ist, so ist dieses ~P~ auch von ~S~ ausgeschlossen. Als logisches
Prinzip der +zweiten+ Schlußweise der ersten Figur können wir mithin
schreiben: Keinem Subjekt kommt mittelbar als Prädikat zu, was nicht
Prädikat eines Prädikats von ihm ist. -- Als spezielle Bedingungen des
Schlußverfahrens der ersten Figur lassen sich folgende zusammenstellen:
1. Die obere Prämisse muß allgemein sein, kann jedoch bejahend oder
verneinend sein; 2. die untere Prämisse kann allgemein oder partikulär,
muß jedoch bejahend sein. (Sind beide Prämissen negativ, so ist
überhaupt kein Schluß möglich.) 3. Der Subjektsumfang des Schlußurteils
richtet sich nach dem der unteren Prämisse, seine Qualität nach der der
oberen. Beispiele der beiden Schlußweisen der ersten Figur sind:

          I ~a~.                               I ~c~.

  Alle Säugetiere atmen       Kein Inhalt des Bewußtseins ist als
  durch Lungen.               solcher der Seele angeboren.
  Alle Walfische              Alle Begriffe sind Inhalte des
  sind Säugetiere.            Bewußtseins.
  ----------------------      -------------------------------------
  Alle Walfische atmen        Kein Begriff ist der Seele angeboren.
  durch Lungen.

(Entsprechende Beispiele für die Modifikationen ~b~ und ~d~ ergeben
sich leicht.)

II. Die Grundform der +zweiten+ syllogistischen Figur lautet: ~P~ ←
~M~; ~S~ ← ~M~; also ~S~ ← ~P~. In ihren Modifikationen ergibt sie
folgendes Bild:

                      ~a~)            ~b~)
                Kein ~P~ ← ~M~  Kein   ~P~ ← ~M~
  +II. Fig.+:   Alle ~S~ ← ~M~  Einige ~S~ ← ~M~
                --------------  ----------------------
                Kein ~S~ ← ~P~  Einige ~S~ ← nicht ~P~
                |                                    |
                +-----------------+------------------+

                      ~c~)            ~d~)
                Alle ~P~ ← ~M~  Alle   ~P~ ← ~M~
                Kein ~S~ ← ~M~  Einige ~S~ ← nicht ~M~
                --------------  ----------------------
                Kein ~S~ ← ~P~  Einige ~S~ ← nicht ~P~
                |                                    |
                +----------------+-------------------+

   Auch hier sind ~a~ und ~b~ gültige Möglichkeiten einer ersten,
  ~c~ und ~d~ gültige Möglichkeiten einer zweiten Schlußweise. Der
  Gedankengang der ersten ist: Wenn einem Subjekt ~S~ das Prädikat ~M~
  zukommt, einem Subjekt ~P~ dasselbe Prädikat ~M~ aber nicht, dann
  kann ~P~ als Prädikat nicht dem Subjekt ~S~ zukommen. Als logisches
  Prinzip der +ersten+ Schlußweise der zweiten Figur ergibt sich also
  der Grundsatz: +Keinem Subjekt kommt mittelbar ein Prädikat zu, von
  dem ein dem Subjekt zukommendes Prädikat allgemein ausgeschlossen
  ist+. Der Gedankengang der zweiten Schlußweise lautet: Wenn einem
  Subjekt ~S~ ein Prädikat ~M~ nicht zukommt, das einem Subjekt ~P~
  nach seinem ganzen Umfange zukommt, dann kann ~P~ nicht Prädikat
  von ~S~ sein. Als logischer Grundsatz der +zweiten+ Schlußweise der
  zweiten Figur ausgesprochen: Keinem Subjekt kommt mittelbar ein
  Prädikat zu, von dem ein dem Subjekt nicht zukommendes Prädikat
  allgemein gilt. -- Die speziellen Bedingungen möglicher Schlußweisen
  der zweiten Figur sind: 1. Die obere Prämisse muß allgemein, kann
  aber verneinend oder bejahend sein; 2. die untere Prämisse kann
  allgemein oder partikulär, muß aber in ihrer Qualität der der oberen
  Prämisse entgegengesetzt sein. (Sind beide Prämissen bejahend oder
  beide verneinend, so ist nach der zweiten Figur überhaupt kein Schluß
  möglich.) 3. Das Schlußurteil ist stets negativ; sein Subjektsumfang
  richtet sich nach dem der unteren Prämisse. Um wiederum Beispiele zu
  geben:

              II ~a~.                               II ~c~.

  Keine wissenschaftlich-begründete     Alle brauchbaren Mitglieder des
  Weltauffassung dient ausschließlich   Staates gehorchen den Gesetzen.
  dazu, die Gemütsbedürfnisse des
  Menschen zu befriedigen.

  Alle Religionen dienen                Kein revolutionär gesinnter
  ausschließlich diesem Zwecke.         Geist gehorcht den Gesetzen.
  -----------------------------------   -------------------------------
  Keine Religion ist eine               Kein revolutionär gesinnter
  wissenschaftlich-begründete           Geist ist ein brauchbares
  Weltauffassung.                       Mitglied des Staates.

  (Man ergänze hierzu die Beispiele für die Modifikationen ~b~ und ~d~.)

  III. Die Grundform der +dritten+ syllogistischen Figur heißt: ~M~
  ← ~P~; ~M~ ← ~S~; also ~S~ ← ~P~. Entwickeln wir diese in ihren
  Modifikationen, dann ergibt sich:

        {       ~a~)                ~b~)                 ~c~)
        {
        { Alle   ~M~ ← ~P~   Alle   ~M~ ← ~P~      Einige ~M~ ← ~P~
        { Alle   ~M~ ← ~S~   Einige ~M~ ← ~S~      Alle   ~M~ ← ~S~
        { ----------------   -------------         ----------------
        { Einige ~S~ ← ~P~   Einige ~S~ ← ~P~      Einige ~S~ ← ~P~
        { |                                 |      |               |
        { +-----------------+---------------+      +-------+-------+
        {
        {         ~d~)                     ~e~)
        {
  +III. { Kein   ~M~ ← ~P~        Kein   ~M~ ← ~P~
  Fig.+ { Alle   ~M~ ← ~S~        Einige ~M~ ← ~S~
        { ----------------------- ----------------------
        { Einige ~S~ ← nicht ~P~  Einige ~S~ ← nicht ~P~
        { |                                            |
        { +----------------------+---------------------+
        {
        {         ~f~)
        {
        { Einige ~M~ ← nicht ~P~
        { Alle   ~M~ ← ~S~
        { ----------------------
        { Einige ~S~ ← nicht ~P~
        { |                    |
        { +---------+----------+

   Hier zeigt sich leicht, daß ~a~ und ~b~ die erste, ~c~ die zweite,
  ~d~ und ~e~ die dritte und ~f~ die vierte selbständige Schlußweise
  bilden. Der Gedankengang der ersten Schlußweise ist: Wenn alle ~M~
  ~P~ sind und alle (oder auch nur einige) ~M~ außerdem ~S~, dann kommt
  notwendig denjenigen ~S~, die ~M~ sind, also einigen ~S~ gleichfalls
  ~P~ zu. In Worten -- als logischer Grundsatz der +ersten+ Schlußweise
  der +dritten+ Figur -- formuliert: +Jedem Subjekt (~S~), das wiederum
  Prädikat eines Subjekts (~M~) ist, welches durch ein anderes Prädikat
  (~P~) allgemein bestimmt wird, kommt mittelbar auch dieses andere
  Prädikat (~P~) zu.+ Analysieren wir den Gedankengang der zweiten
  Schlußweise: Wenn alle ~M~ ~S~ sind und einige ~M~ ~P~, dann sind
  notwendig einige der ~S~, und zwar diejenigen, die ~M~ sind, auch
  ~P~. Als logischen Grundsatz der +zweiten+ Schlußweise der dritten
  Figur dürfen wir demnach schreiben: Jedem Subjekt (~S~), das wiederum
  allgemeines Prädikat eines Subjekts (~M~) ist, welches durch ein
  anderes Prädikat (~P~) partikulär bestimmt wird, kommt mittelbar
  auch dieses andere Prädikat (~P~) zu. Die dritte Schlußweise enthält
  folgenden Gedankengang: Wenn alle oder einige ~M~ ~S~ sind, kein
  ~M~ aber ~P~, dann sind notwendig diejenigen ~S~, die ~M~ sind,
  also einige ~S~ nicht ~P~. Der Grundsatz der +dritten+ Schlußweise
  der dritten Figur lautet also: Keinem Subjekt (~S~), das zugleich
  Prädikat eines Subjekts (~M~) ist, von dem ein anderes Prädikat
  (~P~) allgemein ausgeschlossen ist, kommt mittelbar dieses andere
  Prädikat zu. Und endlich die vierte Schlußweise: Wenn alle ~M~ ~S~
  sind, einige ~M~ aber nicht ~P~, dann sind notwendig diejenigen
  ~S~, die ~M~ sind, also einige ~S~ nicht ~P~. Mithin ergibt sich
  als Grundsatz der +vierten+ Schlußweise der dritten Figur: Keinem
  Subjekt (~S~), das zugleich allgemeines Prädikat eines Subjekts (~M~)
  ist, von dem ein anderes Prädikat (~P~) partikulär ausgeschlossen
  ist, kommt mittelbar dieses andere Prädikat zu. -- Als spezielle
  Bedingungen möglicher Schlußweisen der dritten Figur müssen gelten:
  1. Die obere Prämisse kann allgemein oder partikulär, bejahend oder
  verneinend sein; 2. die untere Prämisse muß allgemein, wenn die
  obere partikulär, kann aber sowohl partikulär wie allgemein sein,
  wenn die obere allgemein ist (sind beide Prämissen partikulär, so
  ist überhaupt kein Schluß möglich); ferner muß die untere Prämisse
  stets bejahend sein; 3. das Schlußurteil ist stets partikulär, seine
  Qualität richtet sich nach der der oberen Prämisse. Beispiele der
  vier Schlußweisen der dritten Figur sind:

             III ~a~.                          III ~c~.
  Alle Regungen des Neides und     Einige Christen tun Sünde.
  der Mißgunst sind verwerflich.   Alle Christen sind gottesfürchtig.
  Alle Regungen des Neides und     ----------------------------------
  der Mißgunst sind Affekte.       Einige Gottesfürchtige tun Sünde.
  --------------------------------
  Einige Affekte sind verwerflich.               III ~f~.
                                   Einige Chroniken des Mittelalters
            III ~d~.               sind nicht erhalten.
  Keine Rose ist frei von Dornen.  Alle Chroniken des Mittelalters sind
  Alle Rosen sind Zierpflanzen.    sind wertvolle historische Dokumente.
  -------------------------------  -------------------------------------
  Einige Zierpflanzen sind nicht   Einige wertvolle historische
  frei von Dornen.                 Dokumente des Mittelalters sind nicht
                                   erhalten.

  (Man suche auch hier entsprechende Beispiele für III ~b~ und III ~e~.)

  Die oben erwähnte +vierte+ syllogistische Figur wurde zuerst von
  Galenus (um 150 n. Chr. Geb.) den Aristotelischen hinzugefügt; man
  nennt sie aus diesem Grunde die +Galenische+ Schlußweise. Sie ist,
  wie bereits betont, keine selbständige Form des Schließens, sondern
  läßt sich auf die Modifikationen der Aristotelischen Syllogismen
  zurückführen. Tatsächlich pflegt das Denken sich ihrer nicht zu
  bedienen; und alle Logik, die sie aus formalistischen Gründen
  den drei Aristotelischen Figuren als vierte nebenordnet, tut den
  normalen Verhältnissen des Schließens Zwang an. Das braucht nur
  an ihrer Grundform: Alle ~P~ ← ~M~; alle ~M~ ← ~S~; also einige
  ~S~ ← ~P~ gezeigt zu werden. Als Beispiel dafür diene: „Alle
  Strafgefängnisse sind Besserungsanstalten; alle Besserungsanstalten
  sind soziale Institutionen: also: einige soziale Institutionen
  sind Strafgefängnisse.“ Der natürliche Verlauf des Denkens pflegt
  nicht so vorzugehen, sondern vielmehr aus den gegebenen Prämissen
  nach der ersten Aristotelischen Figur das Schlußurteil abzuleiten:
  „Alle Strafgefängnisse sind soziale Institutionen.“ Daraus ergibt
  sich in unmittelbarer Folgerung durch conversio impura das Urteil:
  „Einige soziale Institutionen sind Strafgefängnisse.“ (Über die
  Zurückführbarkeit der modifizierten Formen der Galenischen Figur auf
  die Aristotelischen Syllogismen vgl. B. Erdmann, Logik I² S. 677 ff.)

Einer besonderen Erwähnung bedürfen diejenigen Syllogismen,
in denen beide Prämissen und demzufolge auch die Konklusio aus
+Relationsurteilen+ bestehen. Hierhin gehören z. B. viele mathematische
Schlüsse (auch die Formen des Rechnens), ferner alle diejenigen
Deduktionen, in denen aus dem Verhältnis der Gleichheit, Ähnlichkeit
oder Verschiedenheit zweier Gegenstände zu einem dritten auf die
Gleichheit, Ähnlichkeit oder Verschiedenheit untereinander geschlossen
wird (Grundform: ~S~ = ~M~, ~M~ = ~P~, also ~S~ = ~P~). In diesen
Formen ist der Mittelbegriff ~M~ der gemeinsame +Beziehungspunkt+,
zu dem die materialen Glieder des Schlußurteils (~S~ und ~P~) in
Relation gesetzt werden. Ihr logisches Prinzip ist also: Stehen zwei
Begriffe zu einem dritten unmittelbar in logischer Relation, so stehen
sie +mittelbar+ auch untereinander in einer solchen. Daß es sich
hier um Syllogismen handelt, kann nicht in Zweifel gezogen werden;
wenngleich diese Formen von den oben besprochenen, deren Prämissen als
Inhärenzurteile gedacht waren, charakteristisch abweichen. Man könnte
jene geradezu +Inhärenzsyllogismen+, diese +Relationssyllogismen+
nennen. Daß sie nicht, wie oben vom Syllogismus gesagt, Schlüsse
vom Allgemeinen aufs Besondere bilden, beweist nicht, daß sie keine
Syllogismen, wohl aber, daß die überlieferte Lehre, die im Syllogismus
allemal einen Schluß vom Allgemeinen aufs Besondere sieht, einer
+Revision+ bedarf. -- Als Beispiele der mannigfachen Formen von
Relationssyllogismen seien hier aufgeführt:

  1. ~S~ = ~M~   2. ~S~ ähnlich ~M~   3. ~S~ größer als ~M~
     ~M~ = ~P~      ~M~ ähnlich ~P~      ~M~ größer als ~P~
     ---------      ---------------      ------------------
     ~S~ = ~P~      ~S~ ähnlich ~P~      ~S~ größer als ~P~

  4. ~S~ früher als ~M~    5. ~S~ Ursache von ~M~
     ~M~ früher als ~P~       ~M~ Ursache von ~P~
     ------------------       -------------------
     ~S~ früher als ~P~       ~S~ Ursache von ~P~

  6. ~S~ liegt südlich von ~M~         7. ~S~ Vater von ~M~
      ~M~ liegt westlich von ~P~          ~M~ Vater von ~P~
      -----------------------------       ---------------------
      ~S~ liegt südwestlich von ~P~       ~S~ Großvater von ~P~

Die gegebenen Ausführungen über die kategorischen Deduktionen beziehen
sich durchgehends auf solche Fälle, in denen die Prämissen aus
einfachen Urteilen gebildet sind. Demgegenüber muß betont werden, daß
diese auch aus +zusammengesetzten+ Urteilen, sowohl aus Beurteilungen
wie Urteilsverbindungen und -gefügen, bestehen können. Die Schlußformen
selbst erleiden dadurch keine Veränderung. Daß aus zwei verneinenden
Beurteilungen als Grundurteilen kein Schluß möglich sei, ist bereits
früher hervorgehoben worden. Sind beide Prämissen Beurteilungen
apodiktischer Gültigkeit, dann ist auch das Schlußurteil apodiktisch;
sind beide als assertorisch oder beide als problematisch beurteilt,
dann hat auch das Schlußurteil assertorische oder problematische
Modalität. Ist +eine+ der Prämissen nur problematisch gültig, dann
ist das Schlußurteil stets problematisch, selbst dann, wenn die
andere Prämisse apodiktisch gilt. Und endlich: Ist die obere Prämisse
tatsächlich, die untere notwendig gültig, dann ist das Schlußurteil
assertorisch; ist jedoch die obere Prämisse notwendig, die untere
tatsächlich gültig, dann kommt auch dem Schlußurteil apodiktische
Modalität zu. Beispiele für diese Möglichkeiten ergeben sich dem, der
ihrer bedarf, mit leichter Mühe.

Eine kurze Besprechung erfordern noch die Schlüsse, bei denen beide
Prämissen +hypothetische Gefüge+ sind. Sie sind Syllogismen, wenn sie
(gleich den kategorischen Deduktionen aus einfachen Urteilen) drei
materiale Bestandteile enthalten, deren einer das +Mittelglied+ bildet
(~G~ = Grund; ~M~ = Mittelbegriff; ~F~ = Folge). Stellen wir bei ihrer
Darstellung aus Gründen der Deutlichkeit die untere vor die obere
Prämisse, dann ergibt sich folgendes Bild:


Syllogismen aus hypothetischen Prämissen:

    I. Figur: ~a~) Wenn ~G~, dann ~M~      ~b~) Wenn ~G~, dann ~M~
                 Wenn ~M~, dann ~F~             Wenn ~M~, dann ~F~ nicht
                 ------------------             ------------------------
                 Wenn ~G~, dann ~F~             Wenn ~G~, dann ~F~ nicht

   II. Figur: ~a~) Wenn ~G~, dann ~M~      ~b~) Wenn ~G~, dann ~M~ nicht
                 Wenn ~F~, dann ~M~ nicht       Wenn ~F~, dann ~M~
                 ------------------------       ------------------------
                 Wenn ~G~, dann ~F~ nicht       Wenn ~G~, dann ~F~ nicht

  III. Figur: ~a~) Wenn ~M~, dann ~G~      ~b~) Wenn ~M~, dann ~G~
                  Wenn ~M~, dann ~F~            Wenn ~M~, dann ~F~ nicht
                  ------------------            ------------------------
                  Wenn ~G~, dann                Wenn ~G~, dann
                  möglicherweise ~F~            möglicherweise ~F~ nicht

  Bei der dritten Figur reduzieren sich die möglichen Schlußweisen aus
  hypothetischen Prämissen auf zwei, weil die Quantitätsverhältnisse,
  die bei den kategorischen Urteilen spezifische Unterschiede
  erzeugen, hier fortfallen. An deren Stelle treten, wie schon
  bei der Besprechung der Folgerungen durch Konversion erwähnt,
  Modalitätsunterschiede. Bei der dritten Figur z. B. sind aus
  hypothetischen Prämissen apodiktischer und assertorischer Gültigkeit
  nur +problematische+ Schlußurteile ableitbar, während bei den
  beiden anderen syllogistischen Figuren aus hypothetischen Prämissen
  die apodiktische oder assertorische Modalität der Grundurteile
  unverändert auf das Schlußurteil übergeht. (Genaueres über diese
  Formen bei B. Erdmann, a. a. O., Kap. 81)


3. Hypothetische Deduktionen und Zusammensetzungen deduktiver Schlüsse.

Von den Syllogismen aus hypothetischen Prämissen (als einer
Unterart der kategorischen Deduktionen) sind streng zu scheiden die
hypothetischen Deduktionen, die wir oben als zweite Art der einfachen
deduktiven Schlüsse den elementaren Deduktionen entgegengesetzt haben.
+Hypothetische+ Deduktionen sind einfache Schlüsse, deren obere
Prämisse ein hypothetisches Gefüge ist, während die untere Prämisse das
eine Glied, das Schlußurteil das andere Glied dieses Gefüges enthalten,
die darin entweder als gültig oder als ungültig beurteilt werden.
Als Beispiel dieser diene zunächst ihre einfachste Form: „Wenn ~Q~ ←
~R~, dann ~S~ ← ~P~; nun ~Q~ ← ~R~ gültig; also ~S~ ← ~P~ gültig.“
+Deduktive+ Schlüsse sind die hypothetischen Ableitungen, weil die
obere Prämisse in der ausgesagten Beziehung von Grund und Folge eine
+Regel+ ausdrückt, aus der an der Hand der bejahenden oder verneinenden
Beurteilung eines ihrer Glieder die Gültigkeit oder Ungültigkeit des
anderen Gliedes des Gefüges geschlossen wird.

Entsprechend den in der Urteilslehre angeführten Grundformen
hypothetischer Gefüge, von denen die vierte und letzte die Form der
+Verneinung+ hypothetischer Urteile darstellt [1. wenn ~G~, dann ~F~;
2. wenn ~G~ nicht, dann ~F~; 3. wenn ~G~ nicht, dann ~F~ nicht;
4. wenn ~G~, dann ~F~ nicht], ergeben sich folgende Hauptformen
hypothetischer Deduktionen mit ihren Modifikationen, die man als
„~modi ponentes~“ und „~modi tollentes~“ (setzende und aufhebende
Möglichkeiten) bezeichnet:

                        ~a~)                         ~b~)

     {             Wenn ~G~, dann ~F~      Wenn ~G~ nicht, dann ~F~
  I. { ~modus~          ~G~ ist wahr            ~G~ nicht, ist wahr
     { ~ponens~:   ------------------      ------------------------
     {                  ~F~ ist wahr            ~F~ ist wahr

                        ~c~)                              ~d~)

           Wenn ~G~ nicht, dann ~F~ nicht       Wenn ~G~, dann ~F~ nicht
                ~G~ ist wahr                         ~G~ ist wahr
          -------------------------------       ------------------------
                ~F~ ist wahr                         ~F~ nicht, ist wahr

                          ~a~)                       ~b~)

     {             Wenn ~G~, dann ~F~      Wenn ~G~ nicht,  dann ~F~
  II.{  ~modus~         ~F~ ist falsch          ~F~ ist falsch
     { ~tollens~:  --------------------    -------------------------
     {                  ~G~ ist falsch         ~G~ nicht, ist falsch

                        ~c~)                             ~d~)

           Wenn ~G~ nicht, dann ~F~ nicht     Wenn ~G~, dann ~F~ nicht
                ~F~ ist falsch                     ~F~ nicht, ist falsch
           ------------------------------     --------------------------
                ~G~ ist falsch                     ~G~ ist falsch

Die Schlußweise der hypothetischen Deduktionen geht also immer von der
Wahrheit des Grundes auf die Wahrheit der Folge, von der Falschheit der
Folge auf die Falschheit des Grundes. Die Voraussetzung der Gültigkeit
des Schlußurteils ist neben der formalgültigen Ableitung wie bei allen
Schlüssen die Gültigkeit der Prämissen. Ist z. B. das hypothetische
Gefüge der oberen Prämisse falsch, so kann auch das Schlußurteil
falsch sein; und ganz dasselbe gilt, wenn die untere Prämisse des
hypothetischen Schlusses falsch ist. -- Als Beispiel der Grundformen
des „~modus ponens~“ (I) und des „~modus tollens~“ (II) seien angeführt:

               I ~a~.                              II ~a~.

  Wenn es tatsächlich wahr ist, daß   Wenn der Reichtum eine Bedingung
  Pythagoras den nach ihm benannten   des Glückes wäre, dann müßten
  Lehrsatz gefunden hat, dann         die Menschen um so glücklicher
  muß er als ein bedeutender          sein, je reicher sie sind.
  Mathematiker angesehen werden.
                                      Es ist falsch, daß die Menschen um
  Es ist tatsächlich wahr, daß        so glücklicher sind, je reicher
  Pythagoras diesen Lehrsatz          sie sind.
  gefunden hat.
  ----------------------------------  ----------------------------------
  Pythagoras muß als ein bedeutender  Es ist falsch, daß der Reichtum
  Mathematiker angesehen werden.      eine Bedingung des Glückes ist.

Die traditionelle Logik hat den kategorischen und hypothetischen
Deduktionen den +disjunktiven+ Schluß als dritte einfache Form der
deduktiven Schlüsse koordiniert. Schon oben war dagegen zu betonen
gewesen, daß diese Einteilung falsch ist, weil die disjunktiven
Schlüsse nicht einfache, sondern +gemischte Zusammensetzungen+
einfacher Schlüsse sind. Das sei hier näher begründet:

  Unter einem disjunktiven Schluß versteht man im allgemeinen eine
  Ableitung, bei der die +obere+ Prämisse ein disjunktives Gefüge,
  die +untere+ die bejahende oder verneinende Beurteilung eines (oder
  mehrerer) Glieder dieses Gefüges und das Schlußurteil die verneinende
  oder bejahende Beurteilung der übrigbleibenden Glieder desselben
  Gefüges bilden. Beispiele ihrer Form nach sind dafür:

      {            ~S~ ← [entweder ~P₁~ oder ~P₂~]
  I.  { ~Modus~    ~S~ ← ~P₁~ ist wahr
      { ~ponens~:  ------------------------------------------
      {            ~S~ ← ~P₂~ ist falsch

      {            ~S~ ← [entweder ~P₁~ oder ~P₂~]
  II. { ~Modus~    ~S~ ← ~P₁~ ist falsch
      { ~tollens~: ------------------------------------------
      {            ~S~ ← ~P₂~ ist wahr

  An diesen Formen deutet schon der in den Prämissen scheinbar
  enthaltene Widerspruch darauf hin, daß der vorliegende Schluß
  +verwickelter+ sei, als es nach dem gegebenen Buchstabenschema
  scheint: Wenn nämlich in der unteren Prämisse behauptet wird, daß
  ~S~ ← ~P₁~ +wahr+, in der oberen, daß ~S~
  +entweder+ ~P₁~ +oder+ ~P₂~ sei, dann
  hebt das untere Grundurteil anscheinend die Gültigkeit des oberen
  auf, indem es als +wahr+ behauptet, was dort nur als eine der
  +möglichen+, einander ausschließenden Prädizierungen gegeben
  ist. Analysieren wir daher den logischen Aufbau dieser Art Schlüsse
  an einem Beispiel genauer, dann ergibt sich:

       +Beispiel+:                                  +Form+:

  Alle Farbenblindheit ist}           Alle ~Sₘ~ ← [entweder ~P₁~
  entweder eine partielle }                                oder ~P₂~]
  oder totale.            } Syllogismus
  Die Grünrotblindheit ist} der I.         ~S~ ← ~Sₘ~
  eine Farbenblindheit.   } Figur.    ----------------------------------
  ------------------------} }              ~S~ ← [entweder ~P₁~
  Die Grünrotblindheit ist} }                              oder ~P₂~]
  entweder eine partielle } }
  oder totale Farben-     } }
  blindheit.              } } Folgerung
                            } durch
  Also: Wenn die Gr. eine } } formale
  part. F. ist, dann ist  } } Äqui-
  sie keine totale und:   } } pollenz.
  Wenn die Gr. eine totale} }           also: Wenn ~S~ ← ~P₁~ wahr,
  F. ist, dann ist sie    } }                 dann ~S~ ← ~P₂~ falsch
  keine partielle.        } }           und:  Wenn ~S~ ← ~P₂~ wahr,
  Nun ist die Gr. eine    } Hypo-             dann ~S~ ← ~P₁~ falsch
  partielle Farbenbl.     } thetischer             ~S~ ← ~P₁~ wahr
  ------------------------} Schluß         -----------------------------
  Die Grünrotblindheit ist} (~modus                ~S~ ← ~P₂~ falsch.
  keine totale Farben-    } ponens~).
  blindheit.              }

  Daraus erweist sich, daß der sog. disjunktive Schluß keine einfache
  deduktive Form des Schließens bildet, sondern eine +Zusammensetzung+
  von Schlüssen, deren Elemente ein +Syllogismus+ der ersten Figur,
  ein +unmittelbarer+ Schluß durch formale Äquipollenz und eine
  +hypothetische+ Deduktion sind. Disjunktive Schlüsse sind mithin
  (nach der früher entwickelten Scheidung) nicht reinliche, sondern
  +gemischte+ Zusammensetzungen von Schlüssen. Bevor diese behandelt
  werden, sei zunächst den Arten der reinlichen Zusammensetzungen
  deduktiver Schlüsse eine kurze Besprechung gewährt.

+Reinliche+ Zusammensetzungen deduktiver Schlüsse sind solche, die
nur aus +kategorischen+ Schlüssen zusammengesetzt sind; (reinliche
Zusammensetzungen aus hypothetischen Schlüssen sind nach dem Wesen
dieser nicht möglich). Die einfachste Form reinlicher Zusammensetzungen
sind diejenigen Verbindungen von Schlüssen, in denen der Schlußsatz
eines Syllogismus gleichzeitig den Obersatz eines anderen Syllogismus
bildet; der in seiner Stellung vordere Syllogismus heißt dabei
+Pro+syllogismus, der hintere +Epi+syllogismus. Jenachdem die ganze
Ableitung aus zwei, drei, vier oder mehr Syllogismen zusammengesetzt
ist, heißt sie eine zwei-, drei-, vier- oder vielgliedrige
+Schlußkette+ (Polysyllogismus).

Von den Schlußketten scheidet man die sog. +Kettenschlüsse+ (Sorites),
die im Grunde jedoch lediglich +verkürzte+ Schlußketten sind. In
ihnen werden nämlich die Schlußsätze der einzelnen syllogistischen
Glieder einfach +übersprungen+. Dem Verlauf des natürlichen Denkens
stehen sie darum näher als die zuerst erwähnten Schlußketten. Zeigt
doch dieses immer die Tendenz, das irgend Entbehrliche auszuscheiden
und den Gesamtprozeß der Ableitung zu verkürzen. Nach alter logischer
Tradition zerfallen die Kettenschlüsse in +zwei+ Arten, deren erste
man nach ihrem Entdecker den +Aristotelischen+, deren zweite man nach
ihrem Entdecker Rudolf Goclenius, einem Marburger Philosophen aus den
Jahren 1547-1628, den +Goclenischen+ Sorites nennt. (B. Erdmann schlägt
nach ihrem Wesen für den Goclenischen den Namen +subsumierender+,
für den Aristotelischen den Namen +analysierender+ Sorites vor.)
Ihrer logischen Grundform nach sehen Schlußkette, Aristotelischer und
Goclenischer Kettenschluß folgendermaßen aus:


I. Schlußketten:

        ~a~)                   ~b~)

  Alle ~Ma~ ← ~P~        Alle ~S~  ← ~Ma~
  Alle ~Mb~ ← ~Ma~       Alle ~Ma~ ← ~Mb~
  ---------------------  ---------------------
  Alle ~Mb~ ← ~P~        Alle ~S~  ← ~Mb~
  Alle ~Mc~ ← ~Mb~       Alle ~Mb~ ← ~Mc~
  ---------------------  ---------------------
  Alle ~Mc~ ← ~P~        Alle ~S~  ← ~Mc~
  Alle ~Md~ ← ~Mc~       Alle ~Mc~ ← ~Md~
  ---------------------  ---------------------
  Alle ~Md~ ← ~P~        Alle ~S~  ← ~Md~
  Alle ~S~  ← ~Md~       Alle ~Md~ ← ~P~
  ---------------------  ---------------------
  Alle ~S~  ← ~P~        Alle ~S~  ← ~P~


II. Kettenschlüsse:

        ~a~)                   ~b~)
    Goclenischer          Aristotelischer
      Sorites.               Sorites.

  Alle ~Ma~ ← ~P~        Alle ~S~  ← ~Ma~
  Alle ~Mb~ ← ~Ma~       Alle ~Ma~ ← ~Mb~
  Alle ~Mc~ ← ~Mb~       Alle ~Mb~ ← ~Mc~
  Alle ~Md~ ← ~Mc~       Alle ~Mc~ ← ~Md~
  Alle ~S~  ← ~Md~       Alle ~Md~ ← ~P~
  ---------------------  ---------------------
  Alle ~S~  ← ~P~        Alle ~S~  ← ~P~

Aus der Schlußkette ~a~ ist durch Ausfall der Schlußurteile der
einzelnen Glieder der +Goclenische+, aus der Schlußkette ~b~ der
+Aristotelische+ Kettenschluß ableitbar. Darum gelten für beide Arten
von Ketten die gleichen allgemeinen Regeln, deren wichtigste besagen:
Das Schlußurteil einer Kette kann nur +allgemein+ sein, wenn +alle+
Prämissen allgemein sind, ist aber +partikulär+, sobald +eine+ ihrer
Prämissen partikuläre Quantität hat. Ferner: das Schlußurteil einer
Kette kann nur +bejahend+ sein, wenn +alle+ ihre Prämissen bejahend
sind, ist aber +verneinend+, wenn +eine+ ihrer Prämissen negativ ist.
Wie es Syllogismen aus beurteilenden, Syllogismen aus hypothetischen
Grundurteilen gibt, so auch Schlußketten und Kettenschlüsse. Als
Hauptformen der Kettenschlüsse aus +hypothetischen+ Gefügen seien
aufgeführt: 1. wenn ~G~, dann ~M₁~; wenn ~M₁~, dann ~M₂~; wenn ~M₂~,
dann ~M₃~; wenn ~M₃~, dann ~F~; _also_: wenn ~G~, dann ~F~; 2. wenn
~G~, dann ~M₁~; wenn ~M₁~, dann ~M₂~; wenn ~M₂~, dann ~M₃~; wenn ~M₃~,
dann +nicht+ ~F~; _also_: wenn ~G~, dann nicht ~F~. Die Modalität des
Schlußurteiles einer Kette ist +problematisch+, wenn +eines+ ihrer
Glieder ein problematisches Urteil ist. Formen von Schlußketten und
Kettenschlüssen aus +Relations+urteilen sind nach den oben angeführten
Beispielen von Polysyllogismen leicht aufzustellen. (Ausführliches
hierzu bei +Drobisch+, Neue Darstellung der Logik, 4. Aufl. 1875,
§ 105 ff.)

Die +gemischten+ Zusammensetzungen deduktiver Schlüsse bedürfen nach
den dargestellten Voraussetzungen keiner näheren Erörterung mehr. Schon
oberflächliche Prüfung ergibt das Vorhandensein einer Mannigfaltigkeit
von möglichen Verbindungen hypothetischer mit kategorischen
Deduktionen, mit Schlußketten und Kettenschlüssen, zum Teil -- wie bei
den oben besprochenen disjunktiven Zusammensetzungen -- solche, in
denen außer mittelbaren Schlüssen deduktiver Konsequenz unmittelbare
Schlüsse oder Folgerungen mit eingewebt sind. Als Beispiele gemischter
Zusammensetzungen deduktiver Schlüsse seien ihrer Form nach noch
aufgeführt:

  I. Wenn alle ~Q~ ← ~R~, dann alle ~T~ ← ~U~ }
     Wenn alle ~T~ ← ~U~, dann alle ~V~ ← ~W~ } Kettenschluß aus hypo-
     Wenn alle ~V~ ← ~W~, dann alle ~X~ ← ~Y~ } thetische Prämissen.
     Wenn alle ~X~ ← ~Y~, dann alle ~M~ ← ~P~ }
     ---------------------------------------- }
     Wenn alle ~Q~ ← ~R~, dann alle ~M~ ← ~P~ } }
          Alle ~Q~ ← ~R~  wahr                } } Hypothetische
     -----------------------------------------} } Deduktion.
          Alle ~M~ ← ~P~  wahr                } }
          Alle ~S~ ← ~M~                      }   Syllogismus der
          --------------------                }   ersten Schlußweise der
          Alle ~S~ ← ~P~,                     }   ersten Fig.

  II. Wenn alle ~Q~  ← ~R~, dann alle ~M~ ← ~P~ }
           Alle ~Q~  ← ~R~  wahr                } Hypothetische
      ----------------------------------------- } Deduktion.
           Alle ~M~  ← ~P~  wahr                } } Goclenischer Sorites
           Alle ~Ma~ ← ~M~                        } mit allgemein-
           Alle ~Mb~ ← ~Ma~                       } bejahenden Prosyllo-
           Alle ~Mc~ ← ~Mb~                       } gismen u. partiku-
           Einige ~O~ vielleicht ← ~Mc~           } lär-bejahendem,
           ----------------------------------     } problematischem
           Einige ~O~ vielleicht ← ~P~          } } Episyllogismus.
           Alle ~O~  ← ~S~                      } Syllogismus der
           ----------------------------------   } zweiten Schlußweise
           Einige ~S~ ← vielleicht ~P~          } d. dritten Fig.

  Wie es verkürzte Urteile gibt („Hilfe“; „Feuer“; die meisten
  Kommandorufe bei turnerischen und militärischen Übungen), so auch
  +verkürzte+ Schlußformen, sog. +Enthymeme+ -- z. B.: „Alle Menschen
  sind bisher gestorben, also wird Schreiber dieser Zeilen auch
  sterben.“ Diese Verkürzungen -- am häufigsten durch Ausfall einer
  Prämisse in einfachen Schlüssen oder Ketten, meistens der unteren
  Prämisse -- betreffen indessen nicht den +logischen+ Aufbau eines
  Schlusses, sondern +psychologische+ Eigenheiten des Denkens oder
  +grammatische+ Besonderheiten des sprachlichen Ausdruckes der Sätze.
  Ihre Erörterung gehört also nicht zu den Aufgaben der Logik.


4. Logische Theorie des deduktiven Schließens.

Die logische Theorie des deduktiven Schließens hat Antwort zu geben
auf die Frage: Welcher Art sind in den deduktiven Schlußweisen die
Beziehungen zwischen den Prämissen und der Konklusio, genauer gesagt:
die Beziehungen zwischen den einzelnen materialen Gliedern des ganzen
Schlußverfahrens?

Bei den +hypothetischen+ Deduktionen ergeben sich die hierher gehörigen
Bestimmungen leicht. Sind im hypothetischen Gefüge die beiden Elemente
im logischen Verhältnis von +Grund+ und +Folge+ zueinander gedacht,
dann besteht zwischen ihnen das Verhältnis, daß in der Gültigkeit
des Grundes die der +Folge+, in der Ungültigkeit der Folge die des
+Grundes+ notwendig eingeschlossen ist. Diese logische Tatsache bildet
das Fundament der hypothetischen Schlüsse und begründet zugleich ihre
Berechtigung. Als +logischen Grundsatz der hypothetischen Deduktionen+
können wir mithin den Satz aufstellen: +Mit dem Grunde ist die
Folge denknotwendig gesetzt, mit der Folge der Grund denknotwendig
aufgehoben.+

Nicht so einfach liegen die Dinge bei den +kategorischen+ Deduktionen.
Den mannigfachen Theorien des Urteils entsprechen ebenso viele Theorien
des syllogistischen Schließens, die kurz skizziert seien:

  Die Auffassungen vom Wesen des +syllogistischen+ Schließens
  zerfallen (wie beim Urteil) in Umfangs- und Inhaltstheorien. Die
  Anhänger der +Umfangslogik+ vertreten entweder die Subsumtions- oder
  Substitutionstheorie des Syllogismus. Nach der +Subsumtionstheorie+
  kommt dieser dadurch zustande, daß der Umfang von ~S~ in dem
  von ~M~, der Umfang von ~M~ in dem von ~P~ und damit der Umfang
  von ~S~ +mittelbar+ in dem von ~P~ enthalten gedacht werde (~S~
  eine +Art+ der Gattung ~M~, ~M~ eine +Art+ der Gattung ~P~;
  Aristoteles); diese Theorie heißt nach der üblichen Symbolisierung
  der Umfangsverhältnisse durch Kreise auch „+Sphären+theorie“ des
  Syllogismus. Nach der +Substitutions+theorie dagegen, der beim
  Urteil die Identitätstheorie des Umfangs entspricht, wird der
  Umfang der drei Begriffe ~S~, ~M~ und ~P~ nicht untereinander
  subsumiert, sondern einander substituiert, d. h. als identisch
  gedacht. Ihr Grundsatz lautet: Gleiches Gleichem substituiert gibt
  Gleiches; also: ~S~ = ~M~, ~M~ = ~P~, mithin ~S~ = ~P~ (Beneke).
  Diese Deutungen genügen den Erfordernissen der Logik indessen +so+
  wenig wie die Umfangstheorien des Urteils. Das gleiche gilt -- hier
  auf den Syllogismus bezogen -- auch für die +Identitäts+theorie
  des +Inhalts+, nach der die logische Schlußfolgerung aus der
  +Inhaltsgleichheit+ von ~S~, ~M~ und ~P~ hervorgehen müßte.

Der oben entwickelten logischen Theorie des Urteils entspricht eine
+Einordnungs+theorie des Syllogismus. Kommt einem Subjekt das Prädikat
~M~, diesem das Prädikat ~P~ zu oder auch nicht zu, dann kommt eben
diesem Subjekt +mittelbar+ auch das Prädikat ~P~ zu oder nicht zu

                          (~M~)
  (~S~ ← ~M~ ← ~P~ = ~S~    ←   ~P~).

Das syllogistische Schließen ist demnach ein +Urteilen+, und zwar ein
+mittelbares+ (d. h. ein durch Urteile +vermitteltes+) Urteilen. Als
+Grundsatz der kategorischen Deduktionen+ können wir mithin schreiben:
+Jedem Subjekt kommt mittelbar das Prädikat seines Prädikats zu+, und
+keinem Subjekt kommt mittelbar zu, was nicht Prädikat eines Prädikats
von ihm ist+ (Erdmann).

Diese Formulierung gilt aber ersichtlich nur für solche Syllogismen,
deren Prämissen fürs erste einfache, zum zweiten Inhärenzurteile
sind (Prinzip der +mittelbaren Inhärenz+). Für die oben sog.
+Relations+syllogismen und Syllogismen aus +hypothetischen+ Prämissen
haben wir mithin den entwickelten Grundsatz noch zu erweitern. Daraus
ergeben sich die logischen Grundsätze: Stehen zwei Begriffe zu
einem dritten in logischer Relation, so stehen sie +mittelbar+ auch
untereinander in einer solchen (Prinzip der +mittelbaren Relation+);
und: Mit dem Grunde ist wie die Folge auch die Folge seiner Folge
mittelbar gesetzt; von dem Grunde ist als mittelbare Folge alles
ausgeschlossen, was von einer seiner Folgen als Folge ausgeschlossen
ist (Prinzip der +mittelbaren Folge+).

Prämissen und Konklusio verhalten sich in allen deduktiven Schlüssen
wie logischer +Grund+ und +Folge+. Wie aus der Wahrheit der Prämissen
bei formal gültiger Ableitung die Wahrheit des Schlußsatzes, so folgt
aus der Falschheit des Schlußsatzes umgekehrt, daß entweder die
Ableitung formal ungültig oder aber eine der Prämissen falsch ist. Daß
aus falschen Prämissen gelegentlich auch Richtiges folgen kann, beweist
gegen diese Tatsachen so wenig, wie der Umstand, daß bei mehreren
Fehlern in einer Rechnung gelegentlich Richtiges herauskommt, gegen die
Zahlenverhältnisse des kleinen Einmaleins.

  Der +Wert+ des deduktiven, speziell des syllogistischen Schließens
  ist seit dem klassischen Altertum (von Sextus Empiricus bis John
  Stuart Mill) häufig bezweifelt worden. Eines der schwerwiegendsten
  Bedenken besagt, daß die Prämissen im Grunde nicht das Schlußurteil
  begründen, sondern dessen Gültigkeit +voraussetzen+. In dem beliebten
  Beispiel: „Alle Menschen sind sterblich, Cicero ist ein Mensch, also
  ist Cicero sterblich“ sei sowohl die obere wie untere Prämisse nur
  gültig, wenn die Konklusio Gültigkeit habe. Verneine man diese, so
  hebe man damit auch die Prämissen auf. Der Schluß erweitere also
  unsere Erkenntnis nicht, sondern besage nur, was bereits im voraus
  bekannt ist; sei also wertlos.

  Gegenüber solchen und ähnlichen Einwänden tut man gut, auf die
  +Leistungen+ des deduktiven Schlußverfahrens in den mathematischen
  sowie den theoretischen Naturwissenschaften hinzuweisen, in denen
  die Obersätze entweder Definitionen oder Axiome von unmittelbarer
  Gewißheit oder aber aus solchen abgeleitete mittelbar-gewisse Urteile
  sind. Vergegenwärtigt man sich, zu welcher Fülle von Einsichten
  etwa die Geometrie durch syllogistisches Fortschreiten aus wenigen
  obersten Definitionen und Axiomen gelangt, dann kann von einer
  Unterschätzung des deduktiven Schließens nicht mehr die Rede sein.

  Aber auch in den Tatsachenwissenschaften bilden Deduktionen
  bedeutsame Mittel der Forschung. Sei es, daß die Ableitung aus einem
  +registrierend+ allgemeinen Urteil als Obersatz +analysierend+
  auf ein darin einbegriffenes Einzelne geht (analysierender
  Tatsachenschluß), sei es, daß wir aus einem +erweiternd+ allgemeinen
  Urteil als Obersatz auf ein noch unbekanntes darin einbegriffenes
  Einzelne schließen und so das induktiv gewonnene Wissen deduktiv
  ausbeuten (erweiternder Tatsachenschluß): in keiner von beiden Formen
  ist das deduktive Verfahren als wertloses anzusprechen. Bringt es in
  dem ersten Falle zwar nur zum Bewußtsein, was in dem registrierend
  Allgemeinen als Einzelnes enthalten ist, so erweitert es in dem
  zweiten unsere Erkenntnis sehr wohl, indem es -- eine „deduktive
  Instrumentation unseres induktiven Wissens“ (nach B. Erdmann) -- das
  auf Grund der Erfahrung als +allgemeingültig+ Erkannte auf einen
  einzelnen dahingehörigen, noch +unbekannten+ Fall überträgt.


5. Die induktiven Schlüsse und die Theorie der Induktion.

+Induktive+ Schlüsse sind solche, in denen aus einer Mehrheit
besonderer Urteile ein davon verschiedenes zusammenfassend- oder
erweiternd-allgemeines Urteil abgeleitet wird. Sie sind mithin
Schlüsse vom Besonderen aufs Allgemeine; ihrer Einteilung nach entweder
zusammenfassende oder erweiternde Induktionen.

Das Wesen der +zusammenfassenden+ (auch: registrierenden) Induktionen
besteht darin, daß eine beliebig große Anzahl gegebener Urteile mit
gleichem Subjekt oder Prädikat im Schlußurteil zu +einem+ Urteil
vereinigt wird, wobei die Konklusio in dem einen Fall eine kopulative,
im anderen eine konjunktive Urteilsverbindung wird. Demnach können
wir ihre Arten als +kopulative+ und +konjunktive+ Zusammenfassungen
auseinanderhalten. Als selbständige Schlußweisen haben diese
Ableitungen nur untergeordnete Bedeutung, weil ihr Schlußurteil
lediglich in +formaler+ Hinsicht von den Prämissen abweicht, dagegen
material über den Bestand des in den Prämissen Ausgesagten nicht
hinausgeht. Dagegen bilden sie Voraussetzungen der erweiternden
Induktionen, als deren logische +Vorstufe+ sie darum bezeichnet werden
müssen. -- Ihrer -- positiven (~a~) und negativen (~b~) -- Grundform
nach lauten sie:


I. Kopulative Zusammenfassungen:

                        ~a~)

                 ~S₁~  ←  ~P~
                 ~S₂~  ←  ~P~
                 ~S₃~  ←  ~P~
                       ...
                       ...
                 ~Sₙ~  ← ~P~
  -----------------------------------------------------
  [~S₁~, ~S₂~, ~S₃~, ... und ~Sₙ~] ← ~P~

                        ~b~)

              ~S₁~  ←  nicht ~P~
              ~S₂~  ←  nicht ~P~
              ~S₃~  ←  nicht ~P~
                       ...
                       ...
              ~Sₙ~  ← nicht ~P~
  -----------------------------------------------------------
  [~S₁~, ~S₂~, ~S₃~, ... und ~Sₙ~] ← nicht ~P~


II. Konjunktive Zusammenfassungen:

                        ~a~)

                 ~S~ ← ~P₁~
                 ~S~ ← ~P₂~
                 ~S~ ← ~P₃~
                     ...
                     ...
                 ~S~ ← ~Pₙ~
  ----------------------------------------------------
  ~S~ ← ~[P₁~, ~P₂~, ~P₃~ ... und ~Pₙ~]

                        ~b~)

              ~S~ ← nicht ~P₁~
              ~S~ ← nicht ~P₂~
              ~S~ ← nicht ~P₃~
                     ...
                     ...
              ~S~ ← nicht ~Pₙ~
  ------------------------------------------------------
  ~S~ ← nicht [~P₁~, ~P₂~, ~P₃~ ... ~Pₙ~]

Nicht nur formal, sondern auch +material+ von den Prämissen verschieden
ist die Konklusio in den sog. +erweiternden+ Induktionen. Diese sind
Schlußweisen, in denen aus den gegebenen besonderen Urteilen nicht
ein zusammenfassend-, sondern ein erweiternd-allgemeines Urteil
abgeleitet wird; und jenachdem ob diese Erweiterung von einigen Arten
einer Gattung auf diese Gattung als Ganzes (+Umfangs+erweiterung)
oder von einigen Merkmalen eines Begriffes auf dessen Inhalt
überhaupt (+Inhalts+erweiterung) geht, sind sie zweckmäßig teils
als +verallgemeinernde+, teils als +ergänzende+ Erweiterungen zu
bezeichnen. Ordnet man die Arten der induktiven Schlüsse nach alledem
in einem übersichtlichen Schema, dann ergibt sich folgende Tafel:

                         Induktive Schlüsse oder Induktionen
                                          |
                      +-------------------+--------------+
                      |                                  |
              zusammenfassende                       erweiternde
                      |                                  |
         +------------+-------+                  +-------+-------+
         |                    |                  |               |
     kopulative          konjunktive     verallgemeinernde  ergänzende
  Zusammenfassungen   Zusammenfassungen    Erweiterungen   Erweiterungen

Ihrer einfachsten Form nach -- mit einmal bejahenden (~a~), einmal
verneinenden Prämissen (~b~) -- lauten die verallgemeinernden (I) und
ergänzenden Erweiterungen (II):

                                  I.

                   ~a~)                          ~b~)

            ~S₁~   ←  ~P~            ~S₁~   ←  nicht ~P~
            ~S₂~   ←  ~P~            ~S₂~   ←  nicht ~P~
            ~S₃~   ←  ~P~            ~S₃~   ←  nicht ~P~
                  ...                            ...
                  ...                            ...
            ~Sₙ~   ←  ~P~             ~Sₙ~   ←  nicht ~P~
  --------------------------------   --------------------------------
  +Alle+ ~S~ ← wahrscheinlich ~P~    +Kein+ ~S~ ← wahrscheinlich ~P~


                                  II.

                 ~a~)                       ~b~)

          ~S~  ←  ~P₁~           ~S~  ←  nicht ~P₁~
          ~S~  ←  ~P₂~           ~S~  ←  nicht ~P₂~
          ~S~  ←  ~P₃~           ~S~  ←  nicht ~P₃~
                ...                         ...
                ...                         ...
          ~S~ ← ~Pₙ~             ~S~  ←  nicht ~Pₙ~
  -------------------------    -------------------------------
  ~S~ ← wahrscheinlich ~P~     ~S~ ← wahrscheinlich nicht ~P~

Zur Erläuterung seien Beispiele für I ~a~ und II ~a~ gegeben.

             I ~a~.

  Silber ist ein guter Wärmeleiter
  Kupfer  „   „    „       „
  Gold    „   „    „       „
  Messing „   „    „       „
  Zink    „   „    „       „
  Zinn    „   „    „       „
  Eisen   „   „    „       „
  Blei    „   „    „       „
    .....
  ------------------------------
  Alle Metalle werden gute
  Wärmeleiter sein.

                  II ~a~.

  Dieser Körper hat eine gelbliche Farbe
     „    „     leuchtet im Dunkeln
     „    „     ist (z. B. durch Reiben)
                ungemein leicht entzündlich
  Dieser Körper brennt mit helleuchtender
                Flamme
  Dieser Körper ist in Wasser unlöslich
     „     „    schmilzt bei 44,4° C
     „     „    siedet bei 290° unter
                Bildung farbloser Dämpfe
  Dieser Körper ist ungemein giftig
    .....
  ------------------------------------------
  Dieser Körper wird gelber
  kristallinischer Phosphor sein.

Vergleicht man die erweiternden mit den zusammenfassenden
Induktionen, so ergibt sich, daß die verallgemeinernde Induktion
die +kopulative+, die ergänzende die +konjunktive+ Zusammenfassung
zu ihrer Voraussetzung hat. Der logische Prozeß der Induktion geht
vom Einzelnen zunächst zum +zusammenfassend+-Allgemeinen und von
da zur verallgemeinernden oder ergänzenden Erweiterung über. Die
Zahl der Prämissen in erweiternden Induktionen kann nie kleiner als
+zwei+, nach oben aber beliebig groß sein. Das Schlußurteil bleibt
stets von problematischer (bzw. approximativer) Gültigkeit; denn
was für den Teil eines Ganzen als gültig erwiesen ist, gilt für den
übrigbleibenden, noch unbekannten Teil desselben Ganzen immer nur
mit mehr oder minder großer Wahrscheinlichkeit, nie aber tatsächlich
oder notwendig. Die induktiven Schlüsse sind mithin ihrem Wesen nach
+Wahrscheinlichkeits+schlüsse. Darin liegt ihr charakteristischer
Unterschied zu den +deduktiven+ Ableitungen, die im Gegensatz zu ihnen
geradezu als +Notwendigkeits+schlüsse bezeichnet werden können. Hier
wie dort zwar bilden die Prämissen den logischen Grund der Konklusio.
Läßt sich der Syllogismus indessen darstellen durch ein hypothetisches
Gefüge +apodiktischer+ Konsequenz (wenn ~S~ ← ~M~ und: wenn ~M~ ← ~P~,
dann +notwendig+ ~S~ ← ~P~), so die Induktion durch ein hypothetisches
Gefüge +problematischer+ Konsequenz (wenn ~S₁~ ← ~P~, ~S₂~ ←
~P~, ~S₃~ ← ~P~ usw. ..., dann +wahrscheinlich alle+ ~S~ ← ~P~).
In dem einen ist die Ableitung also denknotwendig, in dem anderen nur
wahrscheinlich.

Die logische Theorie der erweiternden Induktion hat die Frage
nach dem +Prinzip+ und aus diesem heraus nach der +Berechtigung+
dieser Schlußarten zu beantworten. Als +logische Grundsätze des
induktiven Schließens+ (unter dem jedoch hier nur die Induktion im
eigentlichen Sinne, also die erweiternde, nicht deren Vorstufe, die
verallgemeinernde, verstanden sei) können wir schreiben: 1. Kommt
einer Reihe von Arten gleicher Gattung ein Merkmal als Prädikat
zu, dann ist es wahrscheinlich, daß dieses Merkmal +allen+ Arten,
mithin der ganzen +Gattung+, als Prädikat zukommt (Prinzip der
+verallgemeinernden+ Induktion); 2. kommt einem Begriff eine Reihe von
Merkmalen gleichermaßen als Prädikat zu, dann ist es wahrscheinlich,
daß ihm der +ganze+ Inhalt, von dem diese Merkmale einen Teil bilden,
als Prädikat zukommt (Prinzip der +ergänzenden+ Induktion). Indem wir
versuchen, beide Grundsätze zu +einem+ zusammenzufassen, formulieren
wir: Wenn etwas für den +Teil+ eines Ganzen als zutreffend erwiesen
ist, dann ist es wahrscheinlich, daß ebendasselbe auch für den
+übrig+bleibenden, noch ununtersuchten Teil dieses Ganzen, mithin für
das Ganze +überhaupt+, Gültigkeit haben werde.

Damit erweist sich der Induktionsschluß deutlich als ein Schluß vom
Bekannten aufs +Unbekannte+. Seine Voraussetzung ist die Hypothese
einer durchgehenden kausal-bedingten +Gleichartigkeit+ des Universums.
In den nicht bekannten Teilen des Wirklichen werden +dieselben+
Ursachen als gegeben angenommen wie in den bekannten und zugleich
dem Schlusse die Annahme zugrunde gelegt, daß aus gleichen Ursachen
allemal +gleiche+ Wirkungen hervorgehen (Erdmann). Die Berechtigung
des Induktionsschlusses wurzelt also zuletzt in der Berechtigung
des +Kausalitätsprinzips+. Leugnet man, daß alles, was geschieht,
zureichende Ursachen hat, durch die es geschieht, und daß aus gleichen
Ursachen gleiche Wirkungen hervorgehen, dann leugnet man damit zugleich
auch die Berechtigung alles induktiven Schließens; und mit dieser
wiederum die Berechtigung +aller+ Erfahrungswissenschaften, die aus dem
untersuchten Einzelnen allgemeine Gesetze und Regeln über den Ablauf
der Veränderungen im Universum überhaupt herleiten.

  Sind die Induktionen Schlüsse vom Besonderen aufs Allgemeine, so
  bilden ihre Schlußsätze im natürlichen Verlauf des Denkens häufig
  wiederum Obersätze von +deduktiven+ Ableitungen, die von hier aus
  abermals zum Besonderen herabsteigen. Diese -- an sich leicht und
  überzeugend einleuchtende -- Tatsache hat John Stuart +Mill+ zu dem
  verhängnisvollen Irrtum verleitet, alle syllogistischen Schlüsse
  (auch die mathematischen, für die die Voraussetzung eines induktiv
  gewonnenen Obersatzes nicht einmal zutrifft!) als Schlüsse vom
  +Besonderen+ aufs +Besondere+ zu deuten, wodurch der Unterschied
  zwischen Deduktion und Induktion -- bei Mill selbst wie seinen
  Anhängern -- bisweilen in bedenklicher Weise verwirrt worden ist. Zur
  kritischen Beurteilung dieses Standpunktes sind die entscheidenden
  Gesichtspunkte bereits in dem früher Gesagten angedeutet.

Die induktiven Schlüsse bildeten lange ein Stiefkind der Logiker. Weder
Aristoteles noch die Logik des 17. und 18. Jahrhunderts sehen in ihnen
eine prinzipiell verschiedene Form gegenüber den Deduktionen. Ihre
einseitige Betonung des deduktiven Schließens, die gelegentlich so weit
geht, +alles+ Schließen seinem Wesen nach in deduktives zu verwandeln,
macht sie zu Vertretern jener Richtung, die wir zweckmäßig als
„+deduktive Logik+“ bezeichnen können (Aristotelische Tradition). Erst
das 19. Jahrhundert -- vornehmlich John Stuart +Mill+ (der übrigens in
David +Hume+ darin einen nicht hoch genug zu würdigenden Vorgänger hat)
-- weiß von einer Analyse der naturwissenschaftlichen Methoden aus den
induktiven Schlüssen mehr und mehr gerecht zu werden. Dabei aber fällt
man zugleich in das entgegengesetzte Extrem, indem man unter Verkennung
der eigentlichen Bedeutung der Deduktion diese geringschätzig in den
Hintergrund stellt oder sogar den Versuch macht, +alles+ Schließen
seinem Wesen nach aus dem induktiven abzuleiten. Man nennt diese
-- besonders in der neueren +englischen+ Philosophie vertretene --
Richtung daher die „+induktive Logik+“. Sachlich soll zu diesem
Gegensatz nur bemerkt werden, daß eine den tatsächlichen Verhältnissen
des Denkens gerecht werdende logische Analyse weder einen einseitig
deduktiven noch einen einseitig induktiven Standpunkt vertreten könne.
Deduktion und Induktion bilden ihrem Wesen nach charakteristisch
verschiedene, ihrem Wert nach gleich bedeutungsvolle Formen des
Denkens, deren höchste Vollendung erst in ihrem -- in den neueren
Naturwissenschaften in klassischer Form vollzogenen -- Zusammenwirken
gegeben ist. Das System der Logik darf also kein deduktives und kein
induktives -- es muß vielmehr ein deduktiv-induktives +zugleich+ sein.


6. Das Wesen und die logische Bedeutung der Analogieschlüsse.

Von den Deduktionen -- als Schlüssen vom Allgemeinen aufs Besondere
--, den Induktionen -- als Schlüssen vom Besonderen aufs Allgemeine
-- scheidet die logische Tradition die Schlüsse vom Besonderen
aufs Besondere, die sie als Schlüsse ~per analogiam~ oder kurz als
+Analogie+schlüsse (Ähnlichkeitsschlüsse) bezeichnet. Diese sind, wie
sich zeigen wird, als +Wahrscheinlichkeits+schlüsse ihrem Prinzip nach
den Induktionsschlüssen +verwandt+, nichtsdestoweniger als besondere
Art der mittelbaren Schlüsse zu betrachten. Ihre Form lautet:

  ~M~ ← ~P~
  ~S~ ← ~M~ ähnlich
  -------------------------
  ~S~ ← wahrscheinlich ~P~

+An Beispielen+:

  Die Erde ist von lebenden Wesen       Die Menschen sind beseelt.
  bewohnt.                              Die Wirbeltiere sind den
  Mars ist der Erde ähnlich.            Menschen ähnlich.
  -------------------------------       ---------------------------
  Mars ist wahrscheinlich von           Die Wirbeltiere sind wahr-
  lebenden Wesen bewohnt.               scheinlich beseelt.

Die Analogieschlüsse sind +mittelbare+ Schlüsse, da in ihnen das
Schlußurteil aus einer +Mehrheit+ gegebener Prämissen abgeleitet wird;
sie sind +erweiternde+ Schlüsse, insofern das Schlußurteil über den
materialen Bestand der Prämissen hinausgeht; sie sind endlich Schlüsse
vom Besonderen aufs Besondere, insofern aus besonderen Prämissen
ein besonderes Schlußurteil gewonnen wird. Ihre Konklusio ist stets
von problematischer (bzw. approximativer) Gültigkeit; denn aus der
Ähnlichkeit zweier Objekte kann nie assertorisch oder apodiktisch,
stets nur möglich oder wahrscheinlich geschlossen werden.

Die Analyse der Schlüsse ~per analogiam~ führt auf das logische
Problem der Ähnlichkeit. +Ähnlich+ nennen wir zwei Gegenstände, wenn
sie in ihrer begrifflichen Bestimmung ein oder mehrere wesentliche
Merkmale miteinander gemeinsam haben, in anderen wesentlichen oder
unwesentlichen Merkmalen aber voneinander abweichen. Die Ähnlichkeit
hat dabei einen um so +höheren Grad+, je mehr Merkmale gleich, je
weniger verschieden sind. Der Analogieschluß geht nun den Weg, daß er
aus der Ähnlichkeit von ~S~ und ~M~ das Schlußurteil ableitet, daß ein
+M+ zukommendes Prädikat +wahrscheinlich+ auch ~S~ zukommen werde; und
der Grad dieser Wahrscheinlichkeit ist im allgemeinen um so höher, je
größer die Ähnlichkeit ist. Das Prinzip dieser Schlußformen ist also:
Kommt einem Begriff ein Merkmal zu, der mit einem anderen Begriffe
wesentliche Merkmale gemeinsam hat, so ist es wahrscheinlich, daß
ebendieses Merkmal auch jenem anderen Begriffe zukommt. Die Analyse
dieses Prozesses führt etwa auf folgenden Gedankengang: In ~M~ sind
gewisse Ursachen gegeben, aus denen das ~P~-sein als Prädikat folgt;
~S~ hat mit ~M~ wesentliche Merkmale gemeinsam; also werden auch in
~S~ gewisse Ursachen für ein ~P~-sein gegeben sein; also wird ~S~
auch ~P~ sein. Aus dieser Aufstellung wird ersichtlich, wie nahe
verwandt die Ähnlichkeitsschlüsse den induktiven sind, aber auch
in welcher Hinsicht sie von ihnen charakteristisch abweichen. Die
Analogieschlüsse sind Wahrscheinlichkeitsschlüsse geradeso wie die
induktiven; wie diese setzen auch sie die Gültigkeit des Kausalprinzips
in dem oben erörterten Sinne voraus. Ist aber das Denkverfahren bei
jenen ein Schluß vom Bekannten aufs Unbekannte und von da aus aufs
Allgemeine (Bekannte wie Unbekannte zugleich), so hier ein Schluß
vom gegebenen Bekannten auf ein unzureichend, aber dem Gegebenen als
+ähnlich+ Bekanntes, ein Schluß also, der vom Besonderen ausgehend
beim +Besonderen+ stehen bleibt. Insofern nun in allen Induktionen
dem Schluß vom Besonderen aufs Allgemeine ein Schluß vom Besonderen
aufs Besondere immanent ist, kann man sagen, daß das Verfahren der
Analogieschlüsse seinem Wesen nach bereits in dem Verfahren der
Induktion enthalten sei. Das darf aber nicht dazu führen, Induktions-
und Analogieschluß -- wenn sie auch nahe verwandte Formen des
Schließens sind -- als unterschiedslos ansprechen oder gar diesen
aus jenem ableiten zu wollen. Schon daß der eine beim Besonderen
halt macht, während für den anderen der Schluß vom Besonderen aufs
Besondere nur der Durchgangspunkt für die Ableitung des Allgemeinen
ist, begründet genügend ihre Verschiedenheit. Der eine ist ferner ein
Schluß vom Bekannten aufs Ähnliche, der andere vom Bekannten aufs
+Gleichartige+. Und: wohl ist alles Gleichartige ähnlich, aber nicht
alles Ähnliche auch gleichartig!

Nicht schwer ist es, zu erkennen, daß das Verfahren der Schlüsse
~per analogiam~, geradeso wie das induktive, von dem deduktiven,
speziell dem syllogistischen, wesensverschieden ist. Das ist darum
wichtig zu betonen, weil die Form der Ähnlichkeitsschlüsse leicht
den Schein erwecken könnte, daß es sich hier um eine Art der sog.
+Relationssyllogismen+ handelt. Stellen wir beide Formen nebeneinander,
dann ergibt sich:

                   I.

  ~M~ ← ähnlich ~P~ }
  ~S~ ← ähnlich ~M~ } Relationssyllogismus
  ------------------} aus Ähnlichkeitsbeziehung.
  ~S~ ← ähnlich ~P~ }

                   II.

  ~M~ ← ~P~                 }
  ~S~ ← ähnlich ~M~         } Analogieschluß.
  ------------------------- }
  ~S~ ← wahrscheinlich ~P~  }

Eine Vergleichung beider Schlußformen zeigt deutlich ihre
Verschiedenheit. Relationssyllogismen sind solche, bei denen 1.
aus +Relations+urteilen als Prämissen ein +Relations+urteil als
Konklusio folgt, und bei denen 2. die Modalität der Prämissen im
Schlußurteil erhalten bleibt. Beide Bedingungen treffen aber für
die Analogieschlüsse nicht zu. Also sind Analogieschlüsse keine
Relationssyllogismen. Ebensowenig sind sie nun syllogistische Formen
überhaupt. Wäre das der Fall, dann müßte sich aus den Grundsätzen
des syllogistischen Schließens ein Prinzip ableiten lassen, das für
Analogieschlüsse Gültigkeit hat und etwa lautete: Einem Subjekt kommt
+wahrscheinlich+ als Prädikat zu, was einem mit ihm als +ähnlich+
erkannten Subjekt als Prädikat zukommt. Dieses Prinzip aber läßt sich
aus +keinem+ der angeführten Grundsätze syllogistischer Schlußweisen
ableiten. Mithin sind Analogieschlüsse keine Syllogismen[15].

Den Analogieschlüssen kommt sowohl im praktischen wie im
wissenschaftlichen Denken eine hohe Bedeutung zu. Wo wir die
Ausdrucksbewegungen eines Tieres oder Menschen als durch Schmerz,
Freude, Trauer, Mitleid, Haß usw. bewirkt deuten, da bewegen wir uns
auf dem Gebiete der Analogien. Alle wissenschaftliche Psychologie,
die über das in der Selbstwahrnehmung Gegebene hinausgeht, beruht
auf Schlüssen ~per analogiam~. Analogieschlüsse bilden demnach das
wesentliche methodische Fundament der Kinderpsychologie und die
ausschließliche Grundlage der Psychologie der Tiere, der wilden
Völker, der geistig-Minderwertigen oder -Gestörten (Psychopathologie).
Als +mittelbare+ methodische Voraussetzungen spielen sie ferner in
der Geschichtswissenschaft und der Völkerkunde eine Rolle, insofern
als wir in diesen überall stillschweigend voraussetzen, daß die
Menschen früherer Zeiten in ebender Weise gedacht und gefühlt haben
wie wir selbst, nicht qualitativ, sondern höchstens graduell von uns
verschieden. Damit ist die hohe Bedeutung der Ähnlichkeitsschlüsse
trotz des relativ geringen Grades ihrer Gültigkeit prinzipiell erwiesen
und ihnen unter den Arten der mittelbaren Schlüsse die Stellung
zugewiesen, die ihnen ihrem Wesen und ihrer Leistung nach gebührt.


  [11] Dafür im folgenden meistens die Abkürzungen: „_Grdurt._“ und
       „_Flgsurt._“

  [12] Lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen der Darstellung werden
       im folgenden allgemeines und generelles, modal-bestimmendes und
       elementares, verneinendes und bejahendes Urteil wie einander
       koordinierte Urteilsformen behandelt.

  [13] „~Quidquid de omnibus valet, valet et de quibusdam et singulis:
       quidquid de nullo valet, nec de quibusdam vel singulis valet.~“
       (Was allgemein gilt, gilt auch für das Besondere und Einzelne;
       was für nichts gilt, gilt auch nicht für das Besondere und
       Einzelne.)

  [14] +Aristoteles+ freilich versteht unter „Syllogismus“ zugleich
       auch die induktiven und Analogieschlüsse, die er irrtümlich aus
       dem deduktiven Verfahren ableitet. Hypothetische und disjunktive
       Deduktionen im Unterschied zu den kategorischen kennt er
       überhaupt noch nicht.

  [15] Der Schüler stelle übungshalber fest, nach welchen Schlußformen
       in diesem Absatz geschlossen worden ist.



~B.~ Logische Methodenlehre.



I. Die Lehre vom wissenschaftlichen Untersuchungsverfahren.


1. Unwissenschaftliches und wissenschaftliches Denken und die Aufgaben
der Methodenlehre.

Historisch betrachtet ist das unwissenschaftliche oder praktisch
gerichtete Denken des gemeinen Volkes älter als das wissenschaftliche
und zugleich der Mutterboden, auf dem jenes unter allmählichen
charakteristischen Veränderungen sich entwickelt hat. Die Formen, in
denen beide sich vollziehen, sind dieselben: hier wie dort Urteile
über Gegenstände, die zuvor durch andere Urteile begrifflich fixiert
sind, und Schlüsse, die aus gegebenen Urteilen neue gewinnen lassen.
Ziel und Mittel beider sind dagegen wesentlich verschieden. Dient
das unwissenschaftliche Denken vorwiegend +praktischen+ Zwecken der
+Lebensführung+, so das wissenschaftliche -- seinen unmittelbaren
Aufgaben nach -- +theoretischen+ der +Erkenntnis+. Jenes ist einseitig,
subjektiv-individuell und dem Augenblick angehörend, dieses umfassend,
objektiv-allgemein und dem Ideal nach für die Ewigkeit bestimmt. Und
dem Zweck entsprechen die Mittel: unwissenschaftliches Denken ist
unkritisch und unsystematisch, allen Verführungen des Hoffens, Meinens
und Glaubens willfährig hingegeben; wissenschaftliches dagegen eine
kritisch-systematische Reflexion des Bewußtseins auf seine Gegenstände,
in der an die Stelle des Hoffens das +Forschen+, an die Stelle des
Meinens das +Beweisen+, an die Stelle des Glaubens das +Wissen+ tritt.
+Wissenschaftliches+ Denken ist also kurz gesagt solches, das seinen
Gegenständen nach einen möglichst vollständigen, seinem Erkenntniswert
nach einen möglichst allgemeingültigen Bestand von Urteilen über
das Wirkliche erstrebt. Zu diesem Zwecke hat es zwei miteinander
eng zusammenhängende Aufgaben zu erfüllen: 1. seine Gegenstände
systematisch zu untersuchen; 2. die Ergebnisse dieser Untersuchung in
ihrem Zusammenhange zureichend zu begründen. Entsprechend diesen beiden
Aufgaben zerfällt die logische Methodenlehre -- als wissenschaftliche
Reflexion auf die methodischen Formen des wissenschaftlichen Denkens
-- in zwei Hauptteile, deren ersten die Lehre vom wissenschaftlichen
+Untersuchungs+-, deren zweiten die Lehre vom wissenschaftlichen
+Beweis+verfahren bildet. Nicht selten wird zu diesen beiden Teilen
noch ein dritter hinzugesellt: die Lehre von der +systematischen
Darstellung+ wissenschaftlicher Ergebnisse. Dieser ist jedoch -- soweit
er +logisch+- (und nicht praktisch-didaktisch-) Wertvolles enthält
-- bereits völlig in den beiden anderen Teilen der Methodenlehre
enthalten; denn jede wissenschaftliche Untersuchung, die zu Ergebnissen
gelangt, muß, um diese festzuhalten, zu deren systematischer
Darstellung fortschreiten, und jeder Versuch, wissenschaftliche
Ergebnisse in ihrem Zusammenhange zureichend zu begründen, muß von
einer systematischen Darstellung dieser Ergebnisse seinen Ausgangspunkt
nehmen.

Die Aufgaben der logischen Methodenlehre werden dadurch
verwickelter, daß das wissenschaftliche Denken seiner Form nach
nicht ein einheitliches, sondern vielmehr ein in vielen Richtungen
auseinanderstrebendes Ganze bildet. Mit der Differenzierung der
Wissenschaften haben sich auch ihre methodischen Formen zu immer
feineren voneinander abweichenden Gestaltungen entwickelt. Das
wissenschaftliche Denken ist also wie nach seinen Gegenständen so auch
nach seinen +Methoden+ charakteristisch verschieden, und es fragt sich,
wie die logische Methodenlehre sich diesen methodischen Verzweigungen
gegenüber zu verhalten habe.

Während die älteren Logiker sich darauf beschränkten, lediglich
die allgemeinen Grundlagen des wissenschaftlichen Untersuchungs-
und Beweisverfahrens festzulegen, haben sich in der jüngeren Logik
-- namentlich durch den (trotz aller Schwächen im einzelnen)
epochemachenden Entwurf +Wundts+ -- Ansätze entwickelt, die
von der allgemeinen auf eine +spezielle+ Methodenlehre des
+einzel+wissenschaftlichen Denkens hinstreben. In diesen Versuchen
zeigt sich die Tendenz, wie eine Logik des +mathematischen+ so
auch eine solche des +naturwissenschaftlichen+ und davon wieder
unterschieden eine solche des +geisteswissenschaftlichen+ (bsd. des
historischen) Denkens zu begründen. Diese -- z. B. von Windelband, von
+Rickert+ angeregten und geförderten -- Bestrebungen sind indessen noch
zu jung, um bereits anerkannte Ergebnisse von bleibender Bedeutung
aufzuweisen. Für künftige Logiker jedoch -- gleich gut geschult auf
einzelwissenschaftlichem wie philosophischem Gebiete -- eröffnen sich
hier weite, noch ungepflügte Gebiete der Forschung, die reichen Ertrag
versprechen.

Gegenwärtig und im besonderen für den vorliegenden Zweck muß die
Darstellung der logischen Methodenlehre sich auf die Skizzierung der
allgemeinsten methodischen Grundlagen des wissenschaftlichen Denkens
beschränken, nur daß sie gut tut, gegebenen Ortes auch der wichtigsten
Differenzierungen kurz Erwähnung zu tun.

Das wissenschaftliche Denken zerfällt nach seinen +Gegenständen+
in so viel Arten, wie man Arten der Wissenschaften nach ihren
Untersuchungsgebieten unterscheidet. Zufolge der überlieferten --
in der Gegenwart zum Teil heftig angegriffenen -- Klassifikation
der wissenschaftlichen Disziplinen zerfallen diese in Formal- und
Realwissenschaften. Die +Formal+wissenschaften sind der Inbegriff
der +mathematischen+ Wissenschaften; sie zerfallen in die beiden
Hauptarten der +Geometrie+ und +Arithmetik+. Die +Real+wissenschaften
sind der Inbegriff der +Tatsachen+wissenschaften; sie zerfallen nach
der herkömmlichen Scheidung in die beiden Hauptarten der Natur-
und Geisteswissenschaften. Die +Natur+wissenschaften sind wieder
entweder +systematische+ (Gesetzes-) oder +genetische+ (Entwicklungs-)
Wissenschaften; die systematischen entweder: beschreibende und
+erklärende+ oder: beschreibende und +klassifizierende+. Zu den
ersteren gehören Physik, Chemie, Astronomie und Physiologie; zu den
letzteren Zoologie, Botanik, Mineralogie, wohl auch Ethnologie und
Anthropologie, Geographie, Anatomie und vergleichende Morphologie.
Die +genetischen+ Naturwissenschaften dagegen sind die Wissenschaften
von dem Entwicklungszusammenhang der Natur, also Kosmologie,
Geologie, genetische Biologie (Entwicklungslehre). -- Schwankender
als diese ist die Einteilung der +Geistes+wissenschaften. Diese
sind, sofern sich in ihnen die Untersuchung +un+mittelbar auf das
Geistige als solches richtet, +psychologische+, sofern sie das
Geistige in dem durch Menschenhand Geschaffenen, also +mittelbar+,
zum Gegenstand hat, +Kultur+wissenschaften. Auch hier wiederum zeigt
sich bei beiden der Unterschied zwischen den systematisch- und
+genetisch+-gerichteten Disziplinen. +Systematisch+-psychologische
Forschungszweige sind die allgemeine Psychologie des normalen
Bewußtseins, die Charakterpsychologie oder Psychologie der
individuellen Differenzen, die Rassen- und Völker- sowie die Tier-,
die Kinder- und die noch unbegründete Greisenpsychologie (die die
charakteristisch seelischen Veränderungen des zunehmenden Alters zum
Gegenstand hat); +genetisch+-psychologische dagegen die biologische
Psychologie, die die Entwicklung des Seelischen überhaupt, sowie
die ethnologische und biographische Psychologie, die die seelische
Entwicklung entweder bestimmter Völker oder bestimmter Individuen
zum Gegenstand haben. +Systematische Kultur+wissenschaften endlich
sind Wissenschaften wie die allgemeine und vergleichende Staats-,
Rechts- und Wirtschaftswissenschaft, Literatur- und Sprach-, Kunst-
und Moral-, Religionswissenschaft und Pädagogik; +genetische
Kultur+wissenschaften alle +historischen+ Disziplinen, als da sind:
politische und Kulturgeschichte, Sprach- und Literatur-, Kunst- und
Religionsgeschichte sowie die Geschichte der Philosophie und der
Wissenschaften selbst.

Für die Anordnung der Wissenschaften nach +methodischem+
Gesichtspunkte gibt einmal die Einteilung der Urteile in
+Formal+- und +Real+behauptungen, zum anderen die durchgehende
Scheidung der Tatsachenwissenschaften nach +systematischem+
und +genetischem+ Gesichtspunkte genügenden Anhalt. Die
+mathematischen+ Wissenschaften sind entsprechend alt-überlieferten
Annahmen ihrer Methode nach wesentlich +rational-deduktive+,
die +Tatsachen+wissenschaften +empirisch-induktive+. Alle
empirisch-induktiven Wissenschaften wiederum sind ihrer Methode nach
entweder systematische oder genetische, d. h. entweder gesetzbildende
oder Entwicklungswissenschaften (in Windelbandscher Terminologie:
nomothetische oder idiologische Disziplinen). Diese Scheidung ist
indessen nur eine +Typen+einteilung, d. h. eine solche, zwischen
deren Einteilungsgliedern fließende Grenzen bestehen; denn es muß
anerkannt werden, daß es sowohl in gewissen Entwicklungswissenschaften
+Gesetze+ wie in gewissen Gesetzeswissenschaften untersuchte
+Entwicklungs+zusammenhänge gibt (ein Faktum, für dessen Begründung im
einzelnen hier nicht der Ort ist).


2. Wissenschaftliche Begriffsbildung und Begriffsbestimmung.

Das wissenschaftliche Denken baut nicht überall von Anfang an
auf eigenem Grunde. Es findet, indem es an die Untersuchung
seiner Gegenstände herantritt, in den Begriffen, in denen diese
gemeinhin gedacht werden, einen Bestand von Urteilen vor, die, dem
unwissenschaftlichen (oder +vor+wissenschaftlichen) Denken entstammend,
nicht unbesehen in das wissenschaftliche einfließen dürfen. Hier
ergibt sich für den Forscher die Aufgabe, die Begriffe, die er aus
dem praktischen Denken übernimmt, einer wissenschaftlichen Kritik zu
unterziehen und sie damit zu wissenschaftlichen zu erheben.

Alle wissenschaftliche Begriffsbildung geht von einer
planmäßig-geordneten +Untersuchung+ derjenigen Gegenstände aus, die zu
dem in Betracht kommenden Forschungsgebiet gehören. Die Gegenstände
der Forschung sind nicht alle solche der Wahrnehmung; vielmehr haben
wir neben diesen auch andere anzuerkennen, die das Denken auf Grund
der Inhalte der Wahrnehmung +selbsttätig+ bildet. Dahin gehören z. B.
die Gegenstände der +mathematischen+ Wissenschaften. Ein Dreieck, ein
Kreis, eine Zahl sind +niemals+ Objekte der Wahrnehmung, sondern immer
Produkte des Denkens. Man kann sich diese wohl durch eine äußerlich
wahrnehmbare Zeichnung versinnbildlichen: die Zeichnung aber ist
stets nur das +Abbild+ des Dreiecks, des Kreises, nie diese selbst.
Hieraus erklärt sich die Klarheit und Stetigkeit der mathematischen
Begriffe. Um den Begriff des Dreiecks, des Kreises zu bilden, braucht
man nicht alle die verschiedenen Arten möglicher Dreiecke, möglicher
Kreise einzeln durchzugehen. Die logische Reflexion auf das Wesen
eines +einzigen+ von ihnen ergibt vielmehr die Wesensbestimmung
+aller+. Darum bleibt der Begriff des Dreiecks, des Kreises, einmal
gebildet, immer derselbe. +Erfahrungs+begriffe können sich wandeln:
+Verstandes+begriffe bleiben konstant.

Die Gegenstände der Tatsachenwissenschaften sind zwar in der
Wahrnehmung, aber nicht alle in +gleicher+ Weise in dieser gegeben.
Bilden die Objekte der +systematischen+ Wissenschaften +un+mittelbare,
so die der +genetischen+ nur +mittelbare+ Gegenstände der Wahrnehmung.
Die Sauerstoffverbindung, die elektrische Strahlenart, die besondere
Tier- oder Pflanzenspezies, die ich untersuche, sind mir in der
+sinnlichen+, die Tonempfindung, das Unlustgefühl des Zornes in der
+Selbst+wahrnehmung unmittelbar präsent[16]. Die Beschaffenheit der
Erdoberfläche in der Eiszeit dagegen, die kulturellen Verhältnisse
in Europa zur Zeit Heinrichs IV., die Faktoren, die den Ausbruch des
Siebenjährigen Krieges herbeiführten, sind mir nicht unmittelbar
gegeben, sondern müssen als nach Analogie der unmittelbaren
Wahrnehmungsobjekte gedachte Gegenstände aus den Resten und Zeugnissen
dieser Perioden von mir erschlossen werden. Hier tritt als methodischer
Faktor an die Stelle der Wahrnehmung und der auf ihr beruhenden
Erinnerung die wissenschaftlich-geleitete +Einbildungskraft+ (vgl. B.
+Erdmann+, Die Funktionen der Phantasie im wissenschaftlichen Denken,
Berlin 1913).

Alle Begriffsbildung geschieht durch Urteile; die wissenschaftliche
mithin durch wissenschaftliche Urteile. Wissenschaftliche Begriffe
sind also nicht Voraussetzungen, sondern vielmehr +Produkte+
wissenschaftlicher Arbeit. Sie wandeln sich -- abgesehen von der den
Grundbegriffen der Mathematik eigenen Konstanz -- in und mit dem
Fortschreiten der Forschung, indem die spezielleren Begriffsformen
an Zahl immer zunehmen, an Inhalt dabei reicher, an Umfang ärmer
werden, während sich darüber ein wachsendes, immer verwickelter
sich gestaltendes System von Art- und Gattungsbegriffen aufbaut. In
den systematischen und genetischen Disziplinen ist der Vorgang der
Begriffsbildung dabei nicht wesentlich voneinander verschieden: die
ersten gehen -- um es nur in allgemeinster Form anzudeuten -- von
Individuen zu Arten und Gattungen, suchen also das Allgemeine +aus+
dem Einzelnen zu gewinnen; die anderen gehen von Spezialbegriffen
zu Gesamtbegriffen, suchen also das Allgemeine +im+ Einzelnen. Aus
diesen im Prinzip übereinstimmenden Verfahrungsweisen ergibt sich
zugleich die spezifische Differenz beider: die +systematische+
Forschung untersucht das Einzelne um des +Allgemeinen+ willen; sie
strebt nach dem +Gesetz+ der Veränderung, also nach dem +Sein+ im
Werden, dem „+Immer-so-Seienden+“; die +genetische+ Forschung dagegen
untersucht das Einzelne um seiner +selbst+ willen; sie strebt nach
der Feststellung der +Entwicklung+ selber, also nicht nach dem Sein
im Werden, sondern nach dem +Werden+ an und für sich selbst, nach dem
„+Einmal-so-Gewesenen+“.

Wissenschaftliche Begriffe sind logisch eindeutig bestimmt, wenn ihnen
durch die Spezifikation ihres Inhalts im Gesamtsystem der Wissenschaft
ein logischer Ort zugewiesen ist, durch den ihr Umfang deutlich
hervortritt. Die Bestimmung eines wissenschaftlichen Begriffes oder
seine +Definition+ geschieht, wie bereits früher erwähnt, auf die
Weise, daß durch Angabe der nächsthöheren Gattung (+Klassifikation+)
der logische Ort und der +Umfang+, durch Angabe der wesentlichen
Merkmale, zufolge deren er sich von anderen Arten derselben
Gattung unterscheidet (diese heißen +artbildende+ Unterschiede
[~differentiae specificae~], das ganze Verfahren +Spezifikation+),
sein notwendiger +Inhalt+ festgelegt ist. Die Definition besteht
also in einer konjunktiven Urteilsverbindung, deren Subjekt den zu
definierenden Begriff (~definiendum~), deren Prädikat die Angabe der
nächsthöheren Gattung und die der artbildenden Unterschiede enthält.
(Eine alte Schulregel besagt: „~Definitio fit per genus proximum et
per differentiam specificam~“[17].) Beispiele dafür sind: „Ein ebenes
Dreieck ist eine Fläche, die von drei geraden Linien begrenzt ist;
eine Kalorie ist diejenige Wärmemenge, die erforderlich ist, um die
Temperatur eines Gramm Wassers von 15° auf 16° Celsius zu erhöhen.“

Aus dieser Regel folgt, daß solche Begriffe +undefinierbar+ sind, denen
keine höhere Gattung mehr zukommt (z. B. der Begriff des Seins oder
des Etwas überhaupt als der höchsten Gattung gegenüber den Kategorien
und allen anderen Begriffen). +Individual+begriffe sind dagegen wohl
definierbar; denn Individuen sind allemal Arten einer Gattung, als
solche von den ihnen nebengeordneten Arten spezifisch verschieden
(z. B.: „Faust war ein Mensch, der in der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts lebend als umherziehender Zauberkünstler Aufsehen erregte,
so daß sich Sage und Dichtung seiner Gestalt bemächtigte“).

Jede Definition oder Begriffsbestimmung setzt als Urteil die Kenntnis
und eindeutige Bestimmtheit +anderer+ Begriffe voraus, die Definition
des Begriffes „Dreieck“ z. B. die Kenntnis der Begriffe: Fläche, drei,
gerade Linie und begrenzen. Das ist eine der Natur der Sache nach nicht
zu vermeidende Unvollkommenheit des Denkens. Wollte man alle Begriffe,
durch die man definiert, wiederum definieren, so würde das ein ins
Unendliche gehender Prozeß werden. Als praktische Forderung aber darf
gelten, nur solche Begriffe als bekannt vorauszusetzen, die in der Tat
eindeutig bestimmt Allgemeingut des Denkens geworden sind.

Als häufigste +Fehler+ des Definierens pflegt die traditionelle Logik
vier aufzuzählen. Eine Definition ist formal unzulänglich, wenn sie
1. einen +Zirkel+ beschreibt, d. h. wenn sie den zu definierenden
Begriff in der Definition selbst als bekannt voraussetzt (~idem per
idem definit~; Diallele); 2. wenn sie +abundant+ ist, d. h. außer den
wesentlichen auch daraus abgeleitete unwesentliche Merkmale angibt,
wodurch sie zur aufzählenden Beschreibung wird (~abundatio notarum~);
3. wenn sie zu +weit+ oder zu +eng+ ist, d. h. wenn sie wesentliche
Merkmale zuwenig oder zuviel angibt, wodurch der Inhalt entweder zu
arm oder zu reich, der Umfang zu reich oder zu arm wird; und endlich
4. wenn sie eine +Negation+ bildet, d. h. wenn sie lediglich die
Zugehörigkeit von Merkmalen zu dem Inhalt ihres Subjekts aufhebt und
dadurch zwar angibt, was der Gegenstand der Definition seinem Wesen
nach +nicht+ ist, aber nicht, +was+ er ist.

  Die traditionelle Logik kennt außer der hier entwickelten Form der
  Begriffsbestimmung noch andere Arten. Einer alten, längst überholten
  Überlieferung gehört die Einteilung in Nominal- und Realdefinitionen
  an. +Nominal+definitionen oder Namenerklärungen (z. B. „Psychosen
  sind Geistesstörungen; ~herpes tonsurans~ heißt Bartflechte“) sind
  keine Definitionen, weil sie sich auf die Bedeutung von +Worten+,
  nicht aber auf die Inhaltsbestimmung von +Begriffen+ beziehen. --
  Als Arten der +Real+definitionen unterscheidet die Überlieferung
  ferner +systematische+ (das sind die hier besprochenen) und
  +genetische+ Definitionen, die letzteren als solche, die im Prädikat
  eine erschöpfende Bestimmung über den Ursprung des zu definierenden
  Gegenstandes enthalten (z. B. „Ein Kreis entsteht, wenn man alle
  Punkte, die von einem gegebenen Punkte gleichen Abstand haben, durch
  eine Linie verbindet“). Auch die genetischen Definitionen sind
  indessen nicht als wissenschaftliche Begriffsbestimmungen in dem
  geforderten Sinne zu bezeichnen; denn sie besagen weder etwas über
  den logischen Ort und Umfang noch Ausreichendes über den notwendigen
  Inhalt des zu definierenden Begriffes.


3. Das analytische Untersuchungsverfahren.

Das wichtigste methodische Mittel wissenschaftlicher Forschung ist die
+Analyse+ der Untersuchungsobjekte. Einen Gegenstand analysieren heißt:
ihn in seine Komponenten zerlegen, ihn auflösen und zergliedern. So
zerlegt die +psychologische+ Analyse einen Wahrnehmungsinhalt in seine
einfachen Empfindungsbestandteile; die +anatomische+ einen tierischen
Körper in Organe, diese in Gewebe und die Gewebe wiederum in Zellen;
die +historische+ einen Zeitabschnitt in die einzelnen Vorgänge, die
die Gesamtentwicklung herbeiführen. Die letzten Teilinhalte, die sich
durch Analyse ergeben, nennen wir +Elemente+ und verstehen darunter
die einfachen, d. h. nicht mehr zerlegbaren Faktoren, in die sich ein
zusammengesetzter Gegenstand auflösen läßt. Der Begriff des Elementes
als des einfachen Teiles eines Ganzen ist dabei +relativ+. Zu allen
Zeiten hat man gewisse Produkte der analytischen Forschung für einfach
gehalten, die sich im weiteren Fortgang der Erkenntnis wiederum
als zusammengesetzt, ja bisweilen sogar als kompliziert aufgebaute
Mischungen oder Verbindungen von Teilinhalten erwiesen haben. Als
Beispiel dafür mag die Chemie gelten. Zur Zeit des Aristoteles etwa
kennt man nur vier Elemente, und zwar das Feuer und die Erde als das
Warme und Kalte, das Wasser und die Luft als das Feuchte und Trockene;
heute zählt man in der modernen Chemie bereits etwa 80 Elemente -- und
man darf fragen: wieviel wird man in abermals 2000 Jahren zählen?

Das analytische Untersuchungsverfahren setzt psychologisch die
Anstellung aufmerksamer, d. h. zur +Beobachtung+ gesteigerter
Wahrnehmungen voraus und, insofern diese wissenschaftlichen
Zwecken dienen, die Anstellung wissenschaftlich-geleiteter, d. h.
methodisch-fortschreitender Beobachtungen. Die analysierende
Beobachtung hat ihren Gegenstand -- teils mit, teils ohne technische
Hilfsmittel -- in seine Teilkomponenten zu zerlegen, d. h. in
ihm das Einzelne gegenüber dem Ganzen zu unterscheiden, dieses
miteinander zu vergleichen und in Beziehung zu setzen. Daraus
ergeben sich durch Aufzählung der Reihe nach die Merkmale, die jenen
Gegenstand kennzeichnen. Die Analyse führt also zur +Beschreibung+
ihres Untersuchungsobjektes, indem sie dessen -- wesentliche und
unwesentliche -- Merkmale, wie sie sich ihr ergeben, unterschiedslos
festlegt.

Als +Arten+ des analytischen Verfahrens unterscheidet man eine innere
und äußere, eine qualitative und quantitative, eine genetische und
systematische Analyse. Die +innere+ (oder immanente) Analyse ist
diejenige, die ihren Gegenstand in sich selbst zerlegt; sie führt
zu +Inhärenz+urteilen, besonders zu deren erstbesprochener Art,
den Qualitätsurteilen; die +äußere+ (oder Beziehungs-) Analyse ist
diejenige, die ihren Gegenstand nicht in sich selbst untersucht,
sondern ihn mit anderen vergleicht und daraus Beziehungsmerkmale
gewinnt; sie führt zu +Relations+urteilen. +Qualitativ+ ist die
analytische Forschung -- sei sie immanent oder relativ --, wenn sie
nur auf das wie +beschaffen+ ihrer Objekte; +quantitativ+, wenn sie
auch auf das +wie viel+ und +wie groß+ eingeht. Danach setzt die
quantitative Analyse die qualitative voraus oder kann zum mindesten
nicht ohne jene vor sich gehen. +Systematisch+ endlich nennen wir eine
Analyse -- sei sie immanent oder relativ, qualitativ oder quantitativ
--, die ihr Untersuchungsobjekt nach seinem +gegenwärtigen+ Bestande
in die Elemente zerlegt; +genetisch+ diejenige, die ihren Gegenstand
auf +Ursprung+ und +Entwicklung+ (also das +nicht+-mehr-Gegenwärtige
rekonstruierend) untersucht.

Überall, wo wir im analysierenden Verfahren +zählen+ oder +messen+,
also mathematische Einheiten anwenden (angewandte Mathematik), bewegen
wir uns auf dem Boden der +quantitativen+ Analyse. Das Pythagoreische
Wort, daß die Welt aus Zahlen bestehe, bedeutet im Grunde nichts
anderes: als daß sie einer exakten Maßbestimmung zugänglich
sei. Astronomie, Physik und Chemie danken zum großen Teil ihre
bewunderungswürdige Exaktheit der Tatsache, daß sie sich mathematischer
Hilfsmittel bedienen; man nennt sie daher auch +mathematische+
Naturwissenschaften oder +exakte+ Wissenschaften. Es ist eine
Überschätzung, aber eine solche, deren Beweggrund man verstehen kann,
wenn Kant gelegentlich gemeint hat, in aller Erkenntnis werde nur so
viel eigentliche Wissenschaft angetroffen, als Mathematik darinnen sei.

Quantitative Analysen finden sich auch in den +Geistes+wissenschaften.
Man hat -- seit Weber, Fechner und Wundt -- mit gutem Glück
den Versuch gemacht, auch die +seelischen+ Erscheinungen einer
quantitativen Bestimmung zugänglich und damit die Psychologie zur
+exakten+ Wissenschaft zu machen. Eine besondere Bedeutung kommt
hierbei dem -- auch in den systematischen Staatswissenschaften
überaus ergebnisreich angewandten -- +statistischen+ Verfahren zu.
Die Statistik ist ein wissenschaftliches Forschungsmittel, durch das
komplexe Erscheinungen des politischen, wirtschaftlichen und seelischen
Lebens quantitativer Bestimmung unterzogen werden. Ein englischer
Arzt, William Petty, hat sie wegen ihrer eminenten Bedeutung in den
Staatswissenschaften „politische Arithmetik“ genannt. Neuerdings aber
hat sie sich auch durch ihre nutzbringende Aufnahme in differential-
und völkerpsychologische, ästhetische und pädagogische Untersuchungen
zu einer Art „Arithmetik +seelischer+ Erscheinungen“ ausgebildet.


4. Das Experiment und die wissenschaftliche Erfindung als Hilfsmittel
der Analyse.

Wo der Forscher die Bedingungen, unter denen sein Untersuchungsobjekt
steht, willkürlich und nach vorgefaßtem Plan verändert, da bedient er
sich des +Experiments+. Dieses ist eines der wichtigsten methodischen
Hilfsmittel des analytischen Verfahrens; ihm allein dankt die moderne
Wissenschaft eine unendliche Zahl ihrer wertvollsten Ergebnisse.

Die Geschichte des experimentellen Verfahrens in der neueren
wissenschaftlichen Forschung ist bisher nicht geschrieben. Seine
Erfindung verdanken wir wahrscheinlich dem +Zufall+. Wer mit dem
Spieltrieb des Kindes zum erstenmal Wachs erwärmt hat, um zu sehen,
was daraus wird, oder ein Tier geschlagen, um zu sehen, wie es
reagiert, der kann als Erfinder des Experiments angesehen werden. Als
methodisches Werkzeug wissenschaftlicher Forschung freilich beginnt es
erst seit dem 18. Jahrhundert eine bedeutungsvolle Rolle einzunehmen.
In dieser Zeit entstehen die sogenannten „Experimentalwissenschaften“
(als da sind: Physik, Chemie, Geologie, Physiologie, ja auch
Psychologie, Ästhetik und Pädagogik [Pädologie]), die in dem
wissenschaftlich geleiteten Versuch eine wesentliche methodische
Grundlage ihres Untersuchungsverfahrens ausgebildet haben.

Das Experiment ist eine +Frage+ an die Natur. Mit ihm nähert sich der
Forscher den Dingen, um von ihnen belehrt zu werden, nicht aber -- nach
den berühmten Worten +Kants+ -- in der Qualität eines Schülers, der
sich alles vorsagen läßt, was der Lehrer will, sondern eines bestallten
Richters, der die Zeugen nötigt, auf die Fragen zu antworten, die
er ihnen vorlegt. Die bloße Beobachtung ergibt nur, was die Natur
uns gewissermaßen von selbst hergibt; mit dem Experiment kommen wir
dagegen weiter: wir legen ihr Fragen vor und zwingen sie zugleich, uns
zu antworten. „~L’observateur~“, sagt +Cuvier+, ~écoute la nature;
l’experimentateur l’interroge et la force à se d’évoiler~“[18].

Den Zwecken des experimentellen Verfahrens angepaßt hat die
Wissenschaft eine zahllose Reihe von Instrumenten und Apparaten
ersonnen, die der Aufgabe dienen, die Beantwortung bestimmt
formulierter Fragestellungen möglich zu machen. Darin offenbart
sich ihr eminent +konstruktiver+ Charakter. Wo das Auge nicht mehr
hinreicht, Unterschiede zu empfinden, lehrt das Mikroskop, indem es
unsere Sinne verfeinert, noch eine ganze Welt im Kleinen (man denke an
die zahlreichen Ergebnisse der modernen Bakteriologie), das Fernrohr
eine ganze Welt im Großen. Technische Hilfsmittel dieser Art dienen
entweder der qualitativen oder quantitativen Analyse. Wissenschaftliche
Erfindungen zum Zweck +qualitativer+ Untersuchungen sind außer den
genannten (Mikroskop, Fernrohr) schon das Skalpell des Anatomen,
das Vergrößerungsglas, das Spektroskop, ferner alle Spekulatoren
(einschließlich der Röntgenröhre), Resonatoren, Analysatoren,
Stethoskope. Wissenschaftliche Erfindungen zum Zweck +quantitativer+
Untersuchungen sind alle diejenigen, die ein Messen, Zählen oder Wägen
der gefundenen Elemente gestatten, also neben den einfachsten, die
in Zentimetermaß und Wage bestehen, kompliziertere wie Ergograph,
Sphygmograph, Pneumograph, Plethysmograph, Seismograph, Thermometer,
Barometer, Tonometer, Galvanometer, Amperemeter, Voltameter usw. --
Eine stattliche Reihe wissenschaftlicher Resultate, die auf Grund
experimenteller Analysen gewonnen worden sind, haben ihren Ursprung
lediglich dieser konstruktiven Seite des wissenschaftlichen Denkens
zu verdanken. Man kann geradezu sagen, daß es dem menschlichen Geiste
durch sie gelungen ist, die Grenzen, die der Kraft seiner Sinne gezogen
sind, ins fast Unglaubbare zu erweitern. Von der Verbesserung und
Verfeinerung der instrumentellen Hilfsmittel der Analyse hängt in rein
technischer Hinsicht zu einem großen Teil der künftige Fortschritt der
Realwissenschaften ab.


5. Das synthetische Untersuchungsverfahren (Gesetz, Theorie und
Hypothese).

Überall, wo wir die Einzelergebnisse analytischer Untersuchungen zu
einem allgemeinen Resultat zusammenfassen, bedienen wir uns einer
Methode, die wir nach überliefertem Sprachgebrauch als „synthetisch“
bezeichnen dürfen.

Das +synthetische+ Untersuchungsverfahren hat nur in den
Tatsachenwissenschaften die Analyse zu seiner Voraussetzung. In den
+mathematischen+ Disziplinen z. B. steigt es von wenigen obersten
Begriffsbestimmungen und Axiomen durch +deduktives+ Fortschreiten
vermittels syllogistischer Ketten zu einer Fülle von Lehrsätzen
herab, die untereinander einen denknotwendigen Zusammenhang solcher
Art bilden, daß durch einen Fehler in einer der oberen Prämissen
das ganze Gebäude stürzen würde. Aus der Begriffsbestimmung der
geraden Linie z. B. (als der kürzesten Verbindung zweier Punkte)
sowie aus der Begriffsbestimmung paralleler Geraden (als solcher,
die ins Unendliche verlängert, sich nirgends schneiden) folgt unter
Zuhilfenahme anderer Lehrsätze auf deduktivem Wege eine Reihe davon
verschiedener Bestimmungen, wie z. B. daß Gegen- und Wechselwinkel
an Parallelen gleich sind, daß die Summe der Winkel im Dreieck zwei
Rechte betrage, daß der Außenwinkel an der Spitze eines Dreiecks gleich
der Summe derjenigen Dreieckswinkel sei, die nicht seine Nebenwinkel
bilden u. a. m. Das Verfahren des Mathematikers ist also im Prinzip ein
+synthetisches+, und zwar seinem Wesen nach hauptsächlich bestehend aus
+rational-deduktiven+ Synthesen[19].

Im Gegensatz dazu ist die Methode der Realwissenschaften, in denen
Analyse und Synthese sich zu dem Gesamtverfahren ergänzen, eine
im wesentlichen +empirisch-induktive+. Nur in den +genetischen+
Wissenschaften hat das Einzelne, wie bereits früher angedeutet,
an und für sich Wert und Bedeutung einer wissenschaftlichen
Erkenntnis, obgleich auch hier ein Fortstreben zum Allgemeinen
(Gesamtbegriff aus Spezialbegriffen) durch Abstraktion unverkennbar
ist. In den +systematischen+ Disziplinen dagegen ist das Einzelne
nur Durchgangspunkt zum Allgemeinen. So suchen Botanik, Zoologie
und Mineralogie allgemeine Gattungsbegriffe aus den Bestimmungen
über die einzelnen Arten; Physik, Chemie und Physiologie allgemeine
Gesetze des Naturgeschehens aus den Bestimmungen über die
einzelnen Veränderungen der Natur. Daß sich gerade der Begriff
+Natur+gesetz (nicht: „Geistesgesetz“) als ~terminus technicus~
im wissenschaftlichen Denken fest eingeprägt hat, erklärt sich
daraus, daß die naturwissenschaftlichen Gesetze an Zahl größer,
an objektiver Gültigkeit im allgemeinen gesicherter sind als die
der Geisteswissenschaften, obgleich auch in deren systematischen
Disziplinen -- z. B. den psychologischen, den Staats- und Wirtschafts-
sowie den Kunst- und Kulturwissenschaften -- allgemeine Gesetze als
vorhanden zugestanden werden (z. B. die Assoziationsgesetze in der
Psychologie, die Jakob Grimmschen Gesetze der Lautverschiebung in der
germanischen Sprachwissenschaft u. a.).

Überall, wo wir in einer beliebigen Menge von Exemplaren auf
analytischem Wege solche finden, die in einer größeren Anzahl von
Merkmalen übereinstimmen, fassen wir diese -- unter Abstraktion
von den nichtgemeinsamen Merkmalen -- synthetisch-induktiv zu
einem +Art+begriffe jener Exemplare zusammen. Auf dieselbe Weise
werden dann aus Arten Gattungen, aus Gattungen höhere Gattungen
usw. (+verallgemeinernde+ Induktion)[20]. Diesem Prozeß induktiver
Begriffsbildung entspricht der Prozeß induktiver +Gesetzes+bildung,
der darum logisch damit auf die gleiche methodische Stufe zu stellen
ist. Überall, wo wir in einer Reihe von Veränderungen durch analytische
Untersuchung die Tatsache finden, daß gewisse Vorgänge gleicher Art
(~a~) immer von gewissen Vorgängen einer anderen Art (~b~) begleitet
oder gefolgt sind, stellen wir das allgemeine +Erfahrungsgesetz+ auf:
Immer wenn ~a~, dann ~b~. Dieses ist alsdann der zusammenfassende
Ausdruck für die -- sei es qualitativen, sei es quantitativen --
Beziehungen der beiden Objekte oder Vorgänge. Ein Erfahrungsgesetz
besteht also in einem +hypothetischen Gefüge+, das durch ein
+induktives+ Schlußverfahren gewonnen, nur +approximative+ Gültigkeit
beanspruchen kann. Beispiele dafür sind besonders in den systematischen
Naturwissenschaften in großer Anzahl vorhanden: „Wenn man Wasser bis
auf 100° erwärmt, verdampft es; wenn ein Vakuum hergestellt ist,
fallen alle Körper mit gleicher Geschwindigkeit; wenn man zwei Körper
aneinanderreibt, setzt sich die geleistete mechanische Energie in
Wärme um; wenn man zwei Magnete einander nähert, so ist die Kraft, mit
der die beiden Pole aufeinander einwirken, direkt proportional der
magnetischen Kraft beider Körper, umgekehrt proportional dem Quadrate
der Entfernung.“ Andere beliebig herausgegriffene Beispiele bilden:
das Weber-Fechnersche psychophysische Grundgesetz; das Gesetz der
multiplen Proportionen; die Avogadrosche Regel: das Gay-Lussacsche, das
Boyle-Mariottesche Gesetz; Faradays Gesetze der Elektrolyse u. a. m.
Alle diese Gesetze (die +sprachlich+ übrigens durchaus nicht immer in
Form eines hypothetischen Satzes ausgedrückt zu sein brauchen) sind
+Wahrscheinlichkeitsgesetze+, d. h. ihre Gültigkeit erreicht nur einen
-- wenngleich bisweilen sehr hohen -- Grad der Wahrscheinlichkeit. Sie
sind Gesetze, die von der Vergangenheit aus zugleich das +Zukünftige+
vorausbestimmen. Weil bis jetzt immer, wo der Vorgang ~a~ gegeben,
der Vorgang ~b~ gefolgt ist, stellen wir die auch für alles kommende
geltende Regel auf, daß immer wo ein ~a~, auch ein ~b~ sei. Sie sind
also wie ein Wissen des Gewesenen, so auch ein Vorauswissen des
Bevorstehenden, entsprechend dem bekannten Worte Auguste +Comtes+:
„~Savoir c’est prévoir~“ („Wissen ist +Vorherwissen+“). Und dieses
Vorauswissen ist um so sicherer und zuverlässiger, je umfangreicher
der Erfahrungsbestand, auf den es sich gründet; je zahlreicher die
wirklichen Fälle und Möglichkeiten, die seine Gültigkeit immer erneut
bestätigen (+Verifikation+ empirischer Gesetze).

Eine besondere Bedeutung hat in dieser Methode induktiver
Gesetzesbildung das Verfahren, wodurch innerhalb einer Mannigfaltigkeit
von Vorgängen, die von einer Mannigfaltigkeit anderer Vorgänge
gefolgt sind, die als Ursache und Wirkung zusammengehörigen Glieder
herausgefunden werden. Hier bildet die +Konstanz+ der Aufeinanderfolge
das entscheidende Merkmal für die gesuchte Bestimmung. Wo ein Vorgang
~b~ einmal den Vorgängen ~a~ ~c~ ~d~ ~e~, das andere Mal den Vorgängen
~a~ ~f~ ~g~ ~h~ und wieder ein anderes Mal den Vorgängen ~a~ ~i~ ~k~
~l~ sowie ~a~ ~m~ ~n~ ~o~ usw. folgt, da liegt es nahe zu sagen: ~a~
ist die +Ursache+ von ~b~; ~b~ die +Wirkung+ von ~a~. Eine solche
Bestimmung aber verlangt eine oft wiederholte, sorgfältigste Anstellung
von Beobachtungen (die wenn möglich sogar +experimentell+ die
Bedingungen des zu untersuchenden Effekts in den verschiedensten Weisen
verändern müssen), um aus den in Betracht kommenden Möglichkeiten
die +wahrscheinlichste+ herauszufinden. (Ausführliche logische
Untersuchungen über die Feststellung empirischer Kausalzusammenhänge in
der neueren englischen Logik, vornehmlich bei John Stuart +Mill+ und W.
St. +Jevons+.)

  Von den empirischen Gesetzen, die als durch Induktion gewonnen
  nie mehr als einen -- wenngleich oft sehr hohen -- Grad der
  Wahrscheinlichkeit erreichen, sind streng die +logischen+ Gesetze zu
  scheiden, die -- nicht +aus+, sondern an der +Hand+ der Erfahrung
  gewonnen -- nicht Produkte, sondern (nach den tiefgehenden
  Untersuchungen Kants) +Voraussetzungen+ (und zwar allgemein- und
  notwendig-gültige Voraussetzungen) aller Erfahrung bilden. Man hat
  sie treffend als Gesetze +des Empirischen+ den obenbesprochenen
  induktiv-gewonnenen als +empirischen+ Gesetzen entgegengestellt
  (Riehl). Hierhin gehört in erster Linie als oberste materiale
  Voraussetzung aller Erfahrung: das allgemeine +Kausal+gesetz
  (das besagt, daß alles, was ist, eine Ursache hat, durch die es
  ist, und nichts als ursachslos gedacht werden könne), ferner die
  dazugehörigen Folgesätze, die besagen, daß aus gleichen Ursachen
  +gleiche+ Wirkungen, daß aus nichts +nichts+, daß aus dem Seienden
  nie ein Nichtseiendes hervorgehen könne. In engem Zusammenhange mit
  diesen logischen Grundsätzen aller Erfahrung stehen speziellere
  materiale Prinzipien wie das Gesetz der Erhaltung der +Materie+ von
  Lavoisier und das Gesetz der Erhaltung der +Energie+ von Rob. Jul.
  Mayer und Helmholtz, die zusammengenommen besagen, daß die Summe
  der im Universum vorhandenen Materie und Energien konstant bleibe.
  Die neuere Logik neigt ihren vornehmlichsten Richtungen nach dazu,
  auch diese allgemeinen Grundsätze wissenschaftlichen Denkens als
  +logische+ (d. h. als von der Erfahrung und ihrer aufs Approximative
  einschränkenden Gültigkeit +unabhängige+, mithin allgemein- und
  notwendig-gültige) Gesetze zu deuten; die Diskussion darüber ist
  indessen zur Zeit noch nicht abgeschlossen.

Wie das menschliche Denken an keinem Punkte seiner Entwicklung zur
Ruhe kommt, sondern aus allen Erkenntnissen neue Probleme, aus allen
Problemen neue Erkenntnisse zu gewinnen trachtet, so strebt es auch
in den Erfahrungswissenschaften über die Feststellung gesetzlicher
Zusammenhänge hinaus zu der Frage nach dem +Warum+ der Erscheinung
und ihrer Regelmäßigkeit. Einer Erklärung durch Aufzeigung seiner
-- dem sinnlichen Wahrnehmen entzogenen -- Ursachen bedarf nur das
+Tatsächliche+, nicht das Notwendige. Wir fragen nicht, +warum+ 2 × 2
= 4, +warum+ Gleiches zu Gleichem addiert Gleiches ergebe, weil wir
unmittelbar gewiß einsehen, +daß+ es so ist; wir fragen nicht, +warum+
das Quadrat über der Hypotenuse im rechtwinkligen Dreieck gleich der
Summe der Quadrate über den Katheten sei, wenn wir den logischen
Grund dieses zuletzt aus unmittelbar-gewissen Urteilen abgeleiteten,
mittelbar gewissen Lehrsatzes eingesehen haben. Wohl aber fragen wir,
warum ein Magnet in der Mitte zerbrochen wieder an beiden Bruchstücken
am einen Ende einen Nord-, am anderen einen Südpol habe, warum ein
in die Lüfte geworfener Körper wieder zur Erde zurückkehre, warum
alle Körper des Universums sich nach den Bestimmungen des Newtonschen
Gravitationsgesetzes einander anziehen, warum von zwei einmal zusammen
in einem individuellen Bewußtsein gegenwärtig gewesenen Inhalten jeder
bei seinem erneuten Auftreten die Tendenz habe, auch den anderen
wieder hervorzurufen, warum gerade Mitteleuropa und kein anderer
Teil der Erde das Mutterland der gesamten neueren Kulturentwicklung
geworden sei u. a. m. Wir suchen also -- unzufrieden mit der Fixierung
der +Tatsachen+ -- nach ihrer +Erklärung+. Daraus entstehen die
wissenschaftlichen +Theorien+, daraus -- sofern diese Theorien als
unbewiesen oder unbeweisbar nur +Wahrscheinlichkeits+gültigkeit haben
-- die wissenschaftlichen +Hypothesen+.

Eine wissenschaftliche +Theorie+ ist also eine Lehrmeinung, die
eine gesetzlich fixierte Erscheinung des Wirklichen aus ihren dem
wahrnehmenden Erkennen entzogenen Ursachen möglichst vollständig und
im Einklang mit den bewiesenen Tatsachen der Erfahrung +erklärt+.
So z. B. erklärt die Ampère-Webersche magnetische Molekulartheorie
die Bipolarität aller Magnete durch die Annahme, daß auch schon
die Moleküle eines Magneten kleinste bipolare Magnete seien; so
erklärt ferner die Residualtheorie der assoziativen Reproduktion das
Wiederauftreten von Bewußtseinsinhalten infolge der Reproduktion
damit assoziierter Inhalte durch die Annahme assoziativ miteinander
verflochtener Residuen, die je nach den Hypothesen über das
Verhältnis von Leib und Seele als physiologische, psychische oder
psycho-physiologische gedeutet werden. Beliebig herausgegriffene
Beispiele wissenschaftlicher Theorien sind ferner: die Atomtheorie
der Materie (Demokrit; Dalton); die Newtonsche Gravitationstheorie
(Annahme einer Schwerkraft zur Erklärung der Anziehung der Weltkörper);
die Relativitätstheorie Einsteins; die Quantentheorie Plancks; die
James-Langesche Gefühlstheorie; die W. A. Wolffsche Theorie über die
Entstehung der Homerischen Epen.

Eine Theorie kann als bewiesen gelten, sofern sie mit allen durch
die Erfahrung zureichend begründeten Tatsachen in Einklang steht;
sie ist widerlegt, wo sie zu einer oder mehreren dieser Tatsachen in
Widerspruch rückt. Allemal also, wo sie eine als gültig gesicherte
Tatsache nicht zu erklären weiß, macht sich das Bedürfnis nach
einem neuen, besseren Erklärungsversuch fühlbar. So mußten z. B.
die geozentrische Theorie des Aristoteles und Ptolemäus der
heliozentrischen des Kopernikus, die Newtonsche Emissions- und
Huyghenssche Undulationstheorie des Lichtes der elektromagnetischen
Lichttheorie von Maxwell und Hertz, die Phlogistontheorie von Stahl
und Becher der Lavoisierschen Verbrennungstheorie, die Gallsche
Schädellehre sowie die Flourenssche Indifferenztheorie des Großhirns
der Lokalisations- oder Zentrentheorie der neueren Physiologen weichen.
Andere Theorien liegen -- als mögliche, einander ausschließende
Erklärungsversuche -- lange Zeit hindurch miteinander im Kampfe, bis
eine von ihnen -- meist die einfachere -- als die wahrscheinlichste
die anderen verdrängt. Hierhin gehören z. B. die verschiedenen
Hypothesen, die das biologische Gesetz von der Variation der Arten
erklären (die Darwinsche Selektions-, die Wagnersche Migrations-, die
Vriessche Mutationstheorie); ferner die nativistische (Hering) und
empiristische (Helmholtz) Theorie vom Ursprung der Raumwahrnehmung;
die vitalistischen und mechanistischen Hypothesen zur Erklärung der
Lebensvorgänge; die parallelistische und Wechselwirkungstheorie des
Verhältnisses von Leib und Seele; die erkenntnistheoretischen Theorien
des Idealismus und Realismus, Rationalismus und Empirismus u. a. m.

Der +Wert+ einer wissenschaftlichen Theorie ist im allgemeinen
abhängig von ihrer +Fruchtbarkeit+. Auch später als falsch erkannte
Deutungsversuche haben der Wissenschaft unschätzbare Dienste erwiesen,
indem sie -- eine vorübergehende Beruhigung des Geistes in den
brennendsten Fragen gewährend -- einen rückhaltlosen Fortschritt
der Forschung ermöglichten. Von diesem Standpunkt aus ist selbst
fernliegenden, uns heute vielleicht fast abenteuerlich erscheinenden
Hypothesen der ihnen zukommende wissenschaftliche Wert nicht
abzusprechen. Man nennt solche Erklärungsversuche, die als unbewiesen
Jahrzehnte, ja vielleicht Jahrhunderte hindurch die vorübergehende
Grundlage der Weiterforschung bilden, +Arbeits+hypothesen.
Arbeitshypothesen in diesem Sinne waren in der älteren Wissenschaft
die physiologische Theorie der Lebensgeister, die auf Aristoteles
zurückgehend die Physiologie des 17. und 18. Jahrhunderts beherrschte;
die Fluida-Theorie der magnetischen und elektrischen Erscheinungen
sowie der Nervenerregung, die Mesmersche Theorie des tierischen
Magnetismus u. a.; Arbeitstheorien in diesem Sinne sind in der
Gegenwart die Atom- und Molekular-, die Ionen- und Elektronentheorie
der modernen Physik und Chemie sowie die Parallelismustheorie des
Verhältnisses von Körper und Geist in der neueren Psychologie. --
„Die Laien sind darüber betroffen“ -- sagt H. +Poincaré+ gelegentlich
(Wiss. u. Hyp., dtsch., 3. Aufl. 1914, S. 161) --, „wie viele
wissenschaftliche Theorien vergänglich sind. Nach einigen Jahren des
Gedeihens sehen sie dieselben nacheinander aufgegeben; sie sehen
voraus, daß die Theorien, die heutzutage Mode sind, in kurzer Zeit
vergessen werden, und sie schließen daraus, daß diese Theorien absolut
eitel sind. -- Aber ihr Skeptizismus ist oberflächlich; denn sie
geben sich keine Rechenschaft von dem Ziele und der Rolle, welche
wissenschaftliche Theorien spielen sollen ...“ -- Diese Rolle besteht
eben darin, gegebene Erscheinungen nach dem jeweiligen Stande der
Forschung auf die einfachste und befriedigendste Weise zu erklären und
dadurch dem Fortgang der wissenschaftlichen Untersuchungen Tür und Tor
zu öffnen.


6. Die Klassifikation und das Begriffssystem der Wissenschaften.

Vermöge der logischen Beziehungen, in die die Untersuchungsobjekte
eines Forschungszweiges in ihren begrifflichen Grundlagen zueinander
treten, schließen sich diese zu einem wissenschaftlichen Begriffssystem
zusammen, in dem man von der obersten Gattung jener Objekte nach unten
hin bis zu deren niedersten Arten bzw. Exemplaren herabsteigen kann.
Das Verfahren, durch das ein solches einheitliches System gewonnen
wird, nennt man +Klassifikation+, die elementaren Akte, durch die es
zustande kommt, +Einteilung+ oder +Division+.

Einen Begriff einteilen heißt: die Arten, die ihm als Gattungsbegriff
untergeordnet sind, vollständig und ausführlich aufzählen. Wo
man von dem allgemeinsten Begriff des einer Wissenschaft eigenen
Untersuchungsobjektes ausgehend (z. B. Tier, Pflanze, seelische
Erscheinung) zunächst deren nächstoberste Arten angibt und diese
abermals in Arten und ihre Unterarten sowie unterste Arten einteilt,
entsteht aus dem Zusammenschluß dieser Einteilungen die Klassifikation
und mit dieser das Begriffssystem jener Wissenschaft. So z. B.
teilt die Zoologie ihr Untersuchungsgebiet, die Tiere, nach deren
begrifflicher Fixierung in zwei Reiche: Protozoen (Urtiere) und
Metazoen (mehrzellige Tiere); die letzteren wieder in Kreise, die
Kreise in Klassen, diese in Ordnungen, diese wieder in Familien,
diese in Geschlechter, Gattungen, Arten und Unterarten. Man kann
Zoologie, Botanik und Mineralogie um ihres wesentlich klassifizierenden
Charakters willen geradezu als +klassifikatorische+ Wissenschaften
bezeichnen, im Gegensatz zur Physik, Chemie und Physiologie, die in
geringerem Maße als jene aus dem Einzelnen zu Arten und Gattungen, in
stärkerem Grade zu allgemeinen Regeln und Gesetzen, nach denen sich das
Einzelne vollzieht, fortschreiten.

Eine Einteilung ist nach den Elementen der Logik eine +erschöpfende
divisive Urteilsverbindung+ (~S~ ← [teils ~P₁~, teils ~P₂~, teils
~P₃~]), die infolge der Vollständigkeit ihrer Glieder (~membra
divisionis~) +rein umkehrbar+ sein muß (z. B. „Die Wirbeltiere sind
teils Fische, teils Lurche, teils Kriechtiere, teils Vögel, teils
Säugetiere“, also: „Fische, Lurche, Kriechtiere, Vögel und Säugetiere
sind ~die~ Wirbeltiere“). Weitere Beispiele sind: „Die pathologischen
Verbiegungen der Wirbelsäule sind teils kyphotische, teils
lordotische, teils skoliotische; die Inhalte des Bewußtseins sind teils
gegenständliche, teils zuständliche.“ Die Einteilungsglieder umfassen
-- soll die Einteilung formal gültig sein -- den +ganzen Umfang+ des
eingeteilten Begriffes; sie sind ferner einander +neben+geordnet sowie
nach +einem+ und demselben logischen Prinzip (~principium divisionis~)
aufgestellt.

Sind die Einteilungsglieder nicht einander nebengeordnet, sondern
neben den wesentlichen Arten auch unwesentliche oder abgeleitete
oder gar neben eigentlichen Arten auch diesen untergeordnete Arten
oder Exemplare mit aufgeführt, dann ist die Einteilung zu +weit+,
mithin formal ungültig und darum falsch. Und weiter: sind die
Einteilungsglieder nicht nach einem und demselben Gesichtspunkt
gewählt, sondern darin verschiedene Gesichtspunkte durcheinander
gebracht (so z. B. wenn man die Gattung „Mensch“ in einer und
derselben Einteilung teils nach ihrer Haarfarbe, teils nach ihrer
Gesichtsfarbe scheidet), dann ist gleichfalls die Einteilung als
Ganzes formal ungültig, mithin falsch. Nach einem und demselben
Gesichtspunkt einteilen heißt: die Scheidung einer Gattung in ihre
Arten nach einer und derselben Art der Merkmale vornehmen, z. B. beim
Menschen entweder nach körperlichen Merkmalen, wie Schädelbildung,
Hautfarbe, Größe (also anthropologischen), oder nach sozialen, wie
Nationalität, Abstammung, Beruf, Vermögenslage (also soziologischen),
oder nach geistigen, wie Intelligenz, Charakter, religiöser Glaube
(psychologischen Eigenheiten). +Linné+ schuf sein Pflanzensystem nach
der Verschiedenheit in der Ausbildung der männlichen und weiblichen
Fortpflanzungsorgane der Pflanzen (Sexualsystem), Bernard de +Jussieu+
(sowie sein Neffe Antoine) nach der Verschiedenheit im Bau der Blüte
(das „natürliche System“). +Cuvier+ klassifizierte die Tiere nach
der Verschiedenheit ihres Knochenbaus; +Blainville+ nach der ihrer
Körperbedeckung.

Nicht nur die systematischen, auch die +genetischen+ Disziplinen
bedienen sich des Verfahrens der Einteilung, mithin der Klassifikation.
Der Historiker zerlegt seinen Gegenstand, die Weltgeschichte, in
Zeitalter (Altertum, Mittelalter und Neuzeit), diese wieder in Perioden
und Zeitabschnitte; der Biologe die Entwicklungsgeschichte der
Organismen, der Psychologe die Entwicklung des Seelischen in einzelne
Stufen, die sich als Glieder aus dem Gesamtzusammenhange herausheben.

Je nach dem Verhältnis der Glieder einer Einteilung zueinander
sind diese entweder +wohl-begrenzende+ oder +Typen+einteilungen.
Wohlbegrenzende Einteilungen sind solche, deren Glieder -- meist durch
Unterschiede qualitativer Art -- scharf voneinander getrennt sind
(Beispiele dafür finden sich besonders in der Mathematik, Botanik,
Zoologie, Mineralogie, wohl auch Chemie); Typeneinteilungen sind
solche, deren Glieder miteinander in +fließendem+ Zusammenhange stehen,
so daß ihre Grenzen durch -- nicht qualitativ, sondern +graduell+
voneinander verschiedene -- Zwischenstufen und Übergangsformen teils
kontinuierlicher, teils diskontinuierlicher Art ausgefüllt werden.
(Beispiele dafür sind Leibniz’ Scheidung der endlichen Monaden
in nackte, Seelen und Geister sowie der diesen entsprechenden
Perzeptionen; die biogenetischen Annahmen über die Entwicklungsstufen
des organischen Lebens; die geläufig-gewordene Scheidung der Menschen
nach ihren Rasseeigentümlichkeiten, als da sind: arisch-germanisch,
slawisch, semitisch, mongolisch).

Wie die Definitionen wissenschaftlicher Begriffe und mit ihnen die
Tatsachenwissenschaften selbst nichts Feststehendes, sondern ein
sich ständig Wandelndes bilden, so sind auch die Einteilungen einer
Wissenschaft immer nur relativ- (d. h. für den Stand der Forschung
ihrer Zeit und auch das nicht einmal stets allgemein) gültig. Ein
naheliegendes Beispiel dafür bilden die Klassifikationsversuche des
Begriffes „Wissenschaft“ selbst, die seit dem Altertum (Platon,
Aristoteles, Stoa), von Bacon zu d’Alembert und Comte sowie weiter
bis zu neueren Versuchen von Spencer, Wundt, Erdmann u. a. immer
veränderte Formen und Gestalten angenommen haben. Ein weiteres
berühmtes Beispiel für den Wandel wissenschaftlicher Klassifikationen
bildet die Geschichte der Einteilung des Seelischen, die von Platons
Lehre von den Seelenteilen (Verstand, Gemüt, Begierde) sowie von
Aristoteles’ Scheidung der repräsentativen Stufen der seelischen
Entwicklung (Ernährung; Empfindung; Denken) über Descartes und Locke
(Denken und Wollen) zur Wolffschen Lehre von den beiden Seelenvermögen
(Erkennen und Begehren) und von da weiter über Sulzers, Mendelssohns
und Tetens’ Dreiteilung (Denken, Fühlen und Wollen) bis zu den
mannigfachen Versuchen der Gegenwart führt, die Vielheit der seelischen
Erscheinungen entweder in zwei, drei oder vier Hauptarten zu zerlegen
oder sie gar auf ein Urelement (z. B. das Wollen nach der Lehre der
Voluntaristen) zurückzuführen.


  [16] Auf die speziellen +Differenzen+ zwischen den methodischen
       Voraussetzungen naturwissenschaftlicher und psychologischer
       Forschung kann bei dieser summarischen Übersicht über die
       Haupttatsachen nicht eingegangen werden. Man vgl zur
       Methodenlehre der Psychologie Arbeiten von Ebbinghaus,
       Münsterberg, Stumpf; sowie: Sigwart, Logik Bd. II.

  [17] „Die Begriffsbestimmung erfolgt durch (Angabe der) nächsthöheren
       Gattung und der spezifischen Verschiedenheit.“

  [18] „Der bloße Beobachter belauscht die Natur; der Experimentator
       befragt sie und zwingt sie, sich zu enthüllen.“

  [19] Auf die mannigfachen methodologischen Probleme des mathematischen
       Denkens kann hier naturgemäß nicht eingegangen werden; vgl. dazu
       die Literaturnachweise am Schluß.

  [20] Dem analog ist das Verfahren, durch das wir das Gesamtbild einer
       Persönlichkeit oder eines Einzeldinges aus seinen speziellen
       Seiten gewinnen (Gesamtbegriff aus Spezialbegriffen durch
       +ergänzende+ Induktion).



II. Die Lehre vom wissenschaftlichen Beweisverfahren.


1. Begriff und Arten des Beweises.

Ein wissenschaftliches System ist ein Inbegriff von zureichend
begründeten Behauptungen und Problemfragen über einen Teil des
Wirklichen, die untereinander in engem logischen Zusammenhange stehen.

Wo wir im Fortgange der wissenschaftlichen Untersuchung auf
Erkenntnisse stoßen, deren Gültigkeit als zweifelhaft erscheint, da
pflegen wir diese zunächst in Form von +Fragen+ zu formulieren, die
damit -- als +wissenschaftlich+-gerichtete -- zu +Problemen+ werden.

Auch Problemfragen bedürfen wie Urteile einer zureichenden
Begründung. Eine Frage ist logisch zureichend begründet, wenn sie
richtig gestellt ist, d. h. wenn ihre Voraussetzungen dem jeweiligen
Stande der Forschung entsprechen und sie sich folgerichtig aus der
bisherigen Entwicklung der Wissenschaft ergibt. Eine Fragestellung ist
demnach als falsch zu bezeichnen, wenn sie sich auf Voraussetzungen
gründet, die durch die Geschichte der Forschung widerlegt und damit
überwunden sind. Es hat keinen Sinn mehr, gegenwärtig etwa im Sinne
der scholastischen Philosophie zu fragen, ob die Universalia ~ante~
oder ~post res~ seien[21]; keinen Sinn mehr, zu fragen, ob die Welt
geschaffen oder von Ewigkeit vorhanden, der Geist ein einfaches
oder zusammengesetztes Wesen, ob die Gottesvorstellung der Seele
angeboren oder von ihr erworben sei. Diese Fragen sind für unsere
Zeit +anachronistisch+, d. h. in ihren Grundlagen einer überholten
Zeitperiode angehörend. Wer sie heute noch ernstlich erörtern wollte,
indem er sich über alles hinwegsetzte, was die Jahrhunderte zu ihrer
Kritik beigebracht haben, der unternähme von vornherein ein fruchtloses
und darum überflüssiges Tun. Daraus erhellt der Wert historischer
Studien auf wissenschaftlichem Gebiete und mit dem Werte zugleich deren
+Notwendigkeit+.

Es ist eine oft betonte Forderung, daß man in allen wissenschaftlichen
Bestrebungen nicht nur wissen müsse, was man zu urteilen, sondern
auch, was man zu +fragen+ habe. Von der Aufstellung begründeter
Problemfragen hängt in der Tat der Fortschritt der Forschung ab.
Wie jedes neue Problem neue Erkenntnisse, so gebärt jede neue
Erkenntnis neue Probleme. Die Geschichte hat gelehrt, daß mit der
Fülle des Wissens auch der Abgrund des Nichtwissens ins immer
Unermeßlichere wächst. Indem wir dem uns innewohnenden, unwiderstehlich
vorwärtsstrebenden +Kausalbedürfnis+ willig oder nichtwillig folgen,
kommen wir überall bis zu letzten Fragen der Wissenschaft, denen
gegenüber der Forscher entweder resigniert sein „~ignoro, ignorabo~“
spricht[22], oder deren Lösung mehr dem Glauben als dem Wissen
anheimfällt. Hierhin gehören Fragen wie die nach dem ersten Ursprung
des organischen Lebens, nach der Entstehung des Bewußtseins innerhalb
der Entwicklung organischer Wesen, nach der Erklärung des Todes oder
des Überganges vom Organischen zum Anorganischen, ja auch schließlich
die Fragen nach dem Verhältnis des Geistigen zur körperlichen oder
räumlich-ausgedehnten Welt, nach der Natur der Gedächtnisgrundlagen,
der Natur des Vererbungsvorganges u. a. m.

Wissenschaftliche Urteile bedürfen allemal dann eines Beweises,
wenn ihre Gültigkeit nicht unmittelbar gewiß ist. Über die Frage
freilich, ob und wann das der Fall ist, herrscht im einzelnen -- wie
auch unter den Logikern im Prinzipiellen -- Streit. Insbesondere in
der Auffassung der Grundlagen der Mathematik ist es neuerdings zu
heftigen Kontroversen gekommen, und zwar dadurch, daß die einen -- so
z. B. John Stuart Mill, in Deutschland Herm. v. Helmholtz -- lehren,
die Axiome der Geometrie und Arithmetik seien +Erfahrungs+wahrheiten
(und zwar als solche durch verallgemeinernde Induktion gewonnen),
die anderen, die Axiome der Geometrie und Arithmetik seien zwar an
der Hand sinnlicher Wahrnehmungen entwickelt, in ihrer Gültigkeit
aber -- davon völlig unabhängig -- unmittelbar-, darum notwendig-
und allgemein-gewiß. Ohne auf das verwickelte Problem der logischen
Bedeutung der mathematischen Axiome näher einzugehen, sei doch dazu
bemerkt, daß die Millsche Theorie als unhaltbar gelten muß, weil sie
die Frage nach dem +psychologischen Ursprung+ mit der nach dem +Wesen+
der mathematischen Axiome verwechselt. Die Frage nach der +Entstehung+
eines Urteils ist eine ~quaestio facti~ (+Tatsachen+frage);
die Frage nach der Art seiner Gültigkeit eine ~quaestio juris~
(+Rechts+frage). Wohl sind Axiome wie: „Zwischen zwei Punkten ist
die Gerade der kürzeste Weg“ psychologisch-genetisch genommen an der
Hand sinnlicher Anschauungen entwickelt; sie sind darum logisch aber
nicht Erfahrungserkenntnisse, sondern in ihrer Gültigkeit völlig
unabhängig von dieser notwendig- und allgemein-gewiß -- entsprechend
der vortrefflichen Einsicht +Kant+s, daß zwar alle Erkenntnis mit
Eindrücken der Sinne +anfange+ (~exordium~), nicht aber auch alle aus
den Sinnen +entstamme+ (~origo~). Die mathematischen Axiome sind mithin
als Verstandeswahrheiten im Sinne Leibniz’, als synthetische Urteile
~a priori~ im Sinne Kants, in ihrer Gültigkeit unmittelbar-gewisse
und darum unbeweisbare Wahrheiten, eines Beweises weder fähig noch
bedürftig.

Ein wissenschaftlicher Beweis ist logisch dasjenige Verfahren,
wodurch ein wissenschaftliches Urteil in seiner Gültigkeit zureichend
begründet wird. Die zureichende Begründung erfolgt entweder durch den
Hinweis auf die Tatsachen der Wahrnehmung (+hinweisende+ Begründung)
oder durch Ableitung des zu beweisenden Urteils als Konklusio aus
seinen Gründen als Prämissen (+ableitende+ Begründung). So z. B.
geschieht die zureichende Begründung mathematischer Definitionen
wie etwa der Begriffe Dreieck, Kreis, Parallelogramm, Pyramide
usw. durch den Hinweis auf die Daten der Wahrnehmung bzw. auf die
dieser immanenten psycho-physiologischen Gesetze der Raumanschauung;
die zureichende Begründung mathematischer Lehrsätze sowie der
meisten Tatsachenurteile durch Ableitung (Reduktion) aus anderen
unmittelbar-gewissen oder bereits zureichend-begründeten Urteilen, sei
es unmittelbar oder mittelbar, auf deduktivem, induktivem oder dem
Wege der Ähnlichkeitsschlüsse. Urteile wie: „Die Farbe dieser Blätter
ist gelb; die Oberfläche dieser Frucht ist rauh“ sind durch Hinweis
zureichend begründet, wenn einem jeden die Möglichkeit, sich von ihrer
Wahrheit zu überzeugen, unmittelbar gegeben ist; sie bedürfen aber
einer induktiv-ableitenden Begründung, wenn die Möglichkeit einer
Nachprüfung durch Wahrnehmung nicht mehr gegeben, der Beweis vielmehr
auf die zeitlich weiter zurückliegenden, übereinstimmend-überlieferten
Wahrnehmungen anderer Individuen gestützt ist (~S₁~ gibt an, daß
~Q ← R, S₂~ gibt an, daß ~Q ← R, S₃~ gibt an, daß ~Q ← R~ usw.;
+also+ wird ~Q ← R~ wahr sein; ein sogenannter „+Indizien+beweis“).
Der Indizienbeweis spielt -- abgesehen von seiner praktischen
Anwendung in der Rechtswissenschaft -- besonders im historischen Denken
eine wesentliche Rolle, wo auf Grund der übereinstimmenden Angaben
mehrerer Quellen -- unter Abstraktion von den davon abweichenden -- von
zwei oder mehreren möglichen Begebenheiten die eine als den Tatsachen
entsprechend mit mehr oder minder großer Wahrscheinlichkeit angenommen
wird.

Als Arten des auf Ableitung beruhenden wissenschaftlichen
Beweisverfahrens unterscheidet die traditionelle Logik den direkten und
indirekten, den progressiven und regressiven Beweis. +Direkt+ erfolgt
die Ableitung, wenn die Wahrheit des zu Beweisenden (~demonstrandum~;
Thesis) sich in ununterbrochener logischer Folge aus der Wahrheit
seiner Gründe (~rationes demonstrandi~) ergibt (_~Behauptung~_: wahr
~S ← P~; _~Bew.~_: wahr ~S ← M~, wahr ~M ← P~, also wahr ~S ← P~);
+indirekt+ (oder apagogisch) erfolgt die Ableitung, wenn die Wahrheit
des zu Beweisenden sich aus der zureichend begründeten Falschheit
seines kontradiktorischen Gegenteils ergibt (~deductio ad absurdum~;
_~Beh.~_: wahr ~S ← P~; _~Bew.~_: Angenommen ~S ← P~ nicht wahr, dann
wäre ~Q ← R~ wahr; nun ist ~Q ← R~, wie sich beweisen läßt, falsch;
also ist es auch falsch, daß ~S ← P~ nicht wahr sei; mithin ~S ← P~
wahr). -- +Progressiv+ heißt eine Ableitung, die, wie im direkten
Beweis, von der Wahrheit der Gründe auf die Wahrheit der Folge,
+regressiv+ diejenige, die -- wie im indirekten Beweis sowie einer viel
gebrauchten Form wissenschaftlicher Widerlegung -- von der Falschheit
der Folge auf die Falschheit der Gründe geht (z. B. Widerlegung in
regressiver Form: _~Beh.~_: ~S ← P~ falsch; ~_Bew._~: wenn ~S ← P~
wahr, dann ~Q ← R~ wahr; nun läßt sich beweisen, daß ~Q ← R~ nicht
wahr, also ist es falsch, daß ~S ← P~ wahr; mithin: ~S ← P~ falsch).
Die Widerlegung ist demnach die zureichende Begründung der +Falsch+heit
eines Urteils, wie der Beweis die zureichende Begründung der Wahrheit;
sie erfolgt +pro+gressiv durch die zureichende Begründung der Wahrheit
des dem zu widerlegenden kontradiktorisch-entgegengesetzten Urteils.


2. Die Auffindung der Beweisgründe.

Ein anderes ist es, wissenschaftliche Wahrheiten +finden+, ein anderes,
sie +beweisen+. +Maxwell+ stellte die elektromagnetische Lichttheorie
auf; +Hertz+ bewies sie, und zwar auf induktivem Wege durch eigens
von ihm erdachte Experimente. Wohl können gelegentlich der Weg, auf
dem man zu einer Erkenntnis gelangt, und derjenige, auf dem man sie
zureichend begründet, der Sache nach miteinander übereinstimmen; in
der Regel aber (und das gilt besonders für die großen, weittragenden
Entdeckungen der Tatsachenwissenschaften) ist der Gedanke da, ehe auch
nur ein Teil seiner Gründe annähernd übersehen werden kann (ähnlich
+Riehl+, Robert Mayers Entdeckung und Beweis des Energieprinzips,
Philos. Abh., Sigwart gew., 1910, S. 162).

In einem vollständigen System der Wissenschaft hängen alle Urteile
dergestalt mit- und untereinander zusammen, daß jede neue Einsicht, die
sich mit den bereits bestehenden in Übereinstimmung befindet, darin
logisch ihre Stütze findet, jede aber, die dem vorhandenen Bestand der
Erkenntnis widerspricht, von vornherein den Verdacht der Falschheit
erweckt. Die Einheit der Wissenschaft verlangt, daß alle Erkenntnisse
-- gleich wie -- in einem geordneten Zusammenhang stehen, in dem man
von dem Allgemeinsten bis zu dem Speziellsten und umgekehrt hinauf
und hinab steigen kann, ohne innerhalb der systematischen Ordnung des
Ganzen auf Widersprüche zu stoßen. Ergibt der Fortgang der Forschung
an irgendeinem Punkte Erkenntnisse, die entweder an sich selbst oder
in ihren Folgen mit den früher gewonnenen nicht in Einklang stehen,
so schließen wir daraus, daß entweder diese -- die neuen -- oder
jene alten falsch sind, mithin daß der ganze Weg der Untersuchung
einer sorgfältigen Nachprüfung bedarf. Solche Generalrevision der
Wissenschaft von ihren letzten Fundamenten aus findet sich, wie die
Geschichte der Wissenschaften lehrt, in den meisten Disziplinen (auch
hier bis zu einem gewissen Grade mit Ausnahme der +mathematischen+
Forschung) von Zeit zu Zeit immer wieder, und das, wie es scheint,
nicht zum Nachteil, sondern zum Segen der Gesamtentwicklung des
Wissens. Eine solche Generalrevision von ihren fundamentalen Grundlagen
aus macht z. B. gegenwärtig die +Physik+ durch, seit neuere Ergebnisse
auf dem Gebiete der Elektrizitätslehre die Aufgabe der alten Hypothese
des Äthers nahegelegt haben; eine solche Generalrevision hat gegen
Ende des 18. Jahrhunderts die +Philosophie+ durchgemacht, als Kant
bewies, daß die Prinzipien der reinen Vernunft nur im +immanenten+
Gebrauch für Erfahrungsobjekte, nicht aber im transzendenten unabhängig
von der Erfahrung für die Erkenntnis des Seienden an und für sich
Gültigkeit hätten, und damit die Metaphysik von einer kritiklosen
Verstandeserkenntnis des objektiven Seins zu einer objektiven Kritik
des Verstandes und seiner Anwendung auf die empirische Wirklichkeit
umgestaltete[23].

Die Auffindung der wissenschaftlichen Beweisgründe, die eine gleichwie
gewonnene Lehrmeinung als gültig erweisen sollen, richtet sich nach
dem speziellen Charakter jener Erkenntnis, sowie demjenigen ihres
wissenschaftlichen Gebietes überhaupt. Bei mathematischen Einsichten
gewährt zumeist schon der Weg ihrer Entdeckung wertvolle Anhaltspunkte
für die Aufstellung ihrer zureichenden Begründung. Hier hat jede
Bemühung um einen Beweis die Prämissen zu suchen, aus denen sich
der zu begründende Lehrsatz notwendig als Konklusio ergibt, und
zwar dergestalt, daß die zu beweisende Lehrmeinung mit dem bereits
bewiesenen und darum als gewiß erkannten bisherigen Bestande der
Forschung so zusammenhängt, daß sie sich als notwendige Konsequenz
aus jenem und zugleich darin unlösbar verankert erweist (deduktiver
Beweis). Deduktion als Forschungsmethode und Deduktion als Beweismittel
unterscheiden sich mithin nur insofern, als die erstere von den
Prämissen aus die +Konklusio+, die zweite von der Konklusio aus die
+Prämissen+ sucht.

Analoges gilt für die Beweisführung in den Wissenschaften von
Tatsachen. Sei es, daß wir ein einzelnes Faktum der Geschichte, eine
allgemeine Regel des Naturgeschehens oder den Erklärungsversuch einer
empirisch gesicherten Erscheinung des Wirklichen als wahr zu beweisen
suchen, immer haben wir diese als die zu beweisenden Lehren in der
Form von Schlußurteilen aus gewissen ihnen als Stütze dienenden
Einzelerkenntnissen (als Prämissen) durch eine verallgemeinernde oder
ergänzende Induktion (oder auch durch einen Schluß aus hinreichender
Ähnlichkeit [Analogieschluß]) mit dem höchstmöglichen Grad der
Wahrscheinlichkeitsgeltung herzuleiten. Daß Heinrich IV. im Jahre
1077 in der Tat seinen Bittgang nach Canossa getan hat, beweisen
wir induktiv aus den im wesentlichen übereinstimmenden Angaben der
wichtigsten Quellenschriften jener Zeit. Daß Körper verschiedenen
Gewichts im luftleeren Raum mit gleicher Geschwindigkeit fallen,
beweisen wir gleichfalls induktiv aus den übereinstimmenden Ergebnissen
zahlloser Versuche, die wir angestellt haben und zur +Verifikation+
(Gültigkeitsbestätigung) jenes Gesetzes jederzeit wiederholen können.
Daß endlich die atomistische Theorie der Materie zur Erklärung der
Bewegungserscheinungen der Körperwelt gültig sei, beweisen wir wiederum
induktiv daraus, daß sie mit allen den einzelnen Faktoren, die hierhin
gehören, in Einklang steht und für sie alle einen befriedigenden
Maßstab zur Erklärung darbietet (Induktionsbeweis).

Das schwächste wissenschaftliche Beweismittel, das wir besitzen, ist
da gegeben, wo wir die Gültigkeit eines Urteils lediglich auf die
Ähnlichkeit seines Subjekts zu einem seinen Merkmalen nach ausreichend
bekannten Objekte der Forschung aufbauen (Analogiebeweis). Beispiele
dafür sind bereits bei der Besprechung der Analogieschlüsse gegeben
worden. Hier hat die Auffindung der Beweisgründe den Weg zu gehen,
daß sie Objekte sucht, die dem Subjekt des zu beweisenden Urteils
wesentlich ähnlich und durch dasselbe Prädikat gekennzeichnet sind,
das von jenem als gültig behauptet wird (_~Behptg.~_: wahr ~S ← P~;
_~Bew.~_: ~S ← M~ ähnlich und ~M ← P~). Daß diese Beweisführung
gegenüber den anderen Formen den geringsten Grad der Sicherheit ergibt,
lehrt schon die Geschichte der Wissenschaften unzweideutig. Wie hätte
sonst seit Rorarius, Descartes und Malebranche bis zur Gegenwart fort
ein jahrhundertelanger Streit darüber entbrennen können, ob die Tiere
beseelt seien wie wir Menschen oder aber als seelenlose Automaten,
gewissermaßen als Reflexmaschinen, aus Gottes Hand ihr Dasein empfangen
hätten.

Die Auffindung der Beweisgründe geht also, wenn wir kurz das Gesagte
zusammenfassen wollen, dreierlei Wege: sie sucht das Allgemeine, wo sie
daraus das Besondere zu begründen vermag (Deduktion); sie sucht das
Besondere, wo sie daraus das Allgemeine ableiten kann (Induktion); und
sie sucht das einander Ähnliche, wo sie daraus schließen darf, daß dem
einen als Prädikat zukommen wird, was in dem anderen mit zureichender
Begründung prädikativ enthalten ist (Analogiebeweis).


3. Fehler und Unzulänglichkeiten des Beweises.

Falsche oder unzulängliche Beweise beruhen immer auf falschen oder
unzulänglichen Ableitungen. Man nennt sie daher +Falschschlüsse+
(~fallaciae~); und diese wiederum, sofern sie absichtlich erfolgen:
+Sophismen+ (Trugschlüsse); sofern unabsichtlich: +Paralogismen+
(Fehlschlüsse, Vernunftwidrigkeiten). Ein Beweis ist +unzulänglich+,
wenn er nicht die Wahrheit des zu beweisenden Urteils begründet,
sondern vielmehr: entweder zu +viel+ oder zu +wenig+ (Beweisverrückung;
Heterozetesis) oder auch: ein von dem zu beweisenden völlig
verschiedenes Urteil (~mutatio elenchi~: μετάβασις εἰς ἄλλο γένος).
Ein Beweis ist +falsch+, wenn entweder einer der Beweisgründe
falsch (+materialer+ Falschschluß; πρῶτον ψεῦδος), oder aber wenn
die Ableitung der Konklusio aus den Prämissen formal ungültig ist
(+formaler+ Falschschluß).

Ein unzulänglicher Beweis ist genau genommen gar kein Beweis. Der
Versuch, ein Urteil als bewiesen auszugeben, während aus den dafür
aufgeführten Beweisgründen in Wahrheit ein ganz anderes folgt, wird
logisch eine +Erschleichung+ (~subreptio~) oder +Abirrung+ des Beweises
(~aberratio elenchi~) genannt. Eine alte Schulregel der Logiker besagt:
„~Qui nimium probat, nihil probat; qui parum probat, nihil probat~“
(wer zu viel oder zu wenig beweist, beweist gar nichts). „Zu +viel+
beweisen“ heißt dabei: etwas als einer Gattung zugehörig nachweisen,
was nur für eine Art oder für ein Individuum gültig bewiesen werden
soll (denn das Individuum könnte immerhin eine Ausnahme von jener
Gattungsregel bilden); „zu +wenig+ beweisen“ heißt: etwas als einer
Art zugehörig nachweisen, was für deren Gattung gültig zu beweisen
wäre (denn jenes Merkmal könnte ja eine der artbildenden spezifischen
Differenzen sein, die der Gattung nicht zukommen).

Daß, wenn eine der Prämissen falsch (bzw. ungewiß), bei formal gültiger
Ableitung auch die Konklusio falsch (bzw. ungewiß) ist, bedarf keiner
näheren Erläuterung. Ebensowenig daß bei wahren Prämissen kein gültiger
Beweis zustande kommt, wo ein formaler Fehler im Schlußverfahren
vorliegt. Der geläufigste formale Falschschluß beruht auf dem sog.
+~circulus vitiosus~+ (Zirkelbeweis; ~petitio principii~), der da
gegeben ist, wo das zu beweisende Urteil (an sich selbst oder in einer
seiner Folgen) irgendwie mit in die Beweisgründe aufgenommen ist,
die insgesamt gerade dazu dienen sollen, ebendieses zu erhärten. Ein
lehrreiches Beispiel dafür bietet sich in den grundlegenden Deduktionen
der Cartesianischen Philosophie: An der Hand seiner Generalregel, daß
alles klar und deutlich Erkannte wahr sei, beweist Descartes, daß
Gott existiere; und auf die Frage, warum denn alles klar und deutlich
Erkannte wahr sein müsse, antwortet er wiederum (man beachte den
Zirkel!), weil Gott kein Betrüger sein könne! --

Der häufigste formale Fehler des +syllogistischen+ Schlußverfahrens
kommt zustande durch die sog. +~quaternio terminorum~+ (Vierzahl
der Begriffe), die dann gegeben ist, wenn der Mittelbegriff in
der oberen Prämisse in anderer Bedeutung genommen wird wie in der
unteren (~fallacia medii termini~). An die Stelle der Identität
des +Begriffes+, die ja von der sprachlichen Formulierung des
Gedankens einigermaßen unabhängig ist, tritt hier also die
Identität des +Wortes+, verbunden mit einer +Mehrdeutigkeit+ seines
Bedeutungsinhaltes (Äquivokation). Beispiele für diese Beweisverirrung,
die gelegentlich die sinnloseste Form annehmen kann (mittels deren in
der Tat alles zu „beweisen“ möglich ist), finden sich insbesondere in
den Trug- und Fangschlüssen der griechischen Eristik und Sophistik in
reicher Anzahl. Ein Musterbild dieser (nach +Prantl+ von den Megarikern
geprägt) bildet:

  _~Behauptung~_: Die Homerische Dichtung ist eine geometrische Figur.

  _~Beweis~_: Alle Kreise sind geometrische Figuren.
              Die homerische Dichtung ist ein Sagenkreis.
              ---------------------------------------------------------
              also ist die Homerische Dichtung eine geometrische Figur.

Spezielle Formfehler des +induktiven+ und +Analogie+beweises bilden
+voreilige Verallgemeinerung+ (wenn der Gattung ein Prädikat beigelegt
wird, das bis dahin nur für einen sehr kleinen Teil seiner Arten
als gültig erwiesen ist[24]) sowie vorschnelle Schlußfolgerung auf
Grund +unzureichender Ähnlichkeit+. Beispiele induktiver (I) und
analogiemäßiger Fehlschlüsse (II) sind:

               I.

  Lysias war ein großer Redner.
  Demosthenes war ein großer Redner.
  Äschines war ein großer Redner.
  .   .   .   .   .   .   .   .
  ----------------------------------
  Alle Griechen werden große Redner
    gewesen sein.

                  II.

  Kirschen schmecken süß und angenehm.
  Tollkirschen sind den Kirschen ähnlich.
  ---------------------------------------.
  Tollkirschen werden süß und angenehm
    schmecken.

Was sich psychologisch als eine Übertreibung auf Grund der Affekte
der Hoffnung oder Furcht, das stellt sich logisch als ein übereilter
Induktionsschluß --; was sich psychologisch als eine Verwechslung auf
Grund ähnlicher Merkmale, das stellt sich logisch als ein verfehlter
Analogieschluß dar.


4. Fiktionen und Utopien.

Vor einem mannigfach verwickelten und nicht leicht aufzulösenden
Problemkreis steht die neuere Logik gegenüber methodischen Hilfsmitteln
der Art, wie sie in den Fiktionen und Utopien des wissenschaftlichen
Denkens gegeben sind.

Eine wissenschaftliche +Fiktion+ ist die in bestimmter
wissenschaftlicher Absicht vollzogene Annahme, daß einem gegebenen
Urteil Gültigkeit zukomme, verbunden mit dem Bewußtsein seiner
+tatsächlichen Un+gültigkeit. In dieser Begriffsbestimmung ist auf
das Merkmal der +Absichtlichkeit+ besonderes Gewicht gelegt. Soweit
eine Einteilung auf diesem noch wenig untersuchten Gebiete logischer
Forschung bereits möglich ist, glaube ich, nach dem Gesichtspunkte
ihres Zweckes +dreierlei+ Fiktionen unterscheiden zu müssen, und zwar:
+prüfende+, +erläuternde+ und +beweisende+ Fiktionen. Von diesen kommt
nur den letzteren im wissenschaftlichen Denken eine größere Bedeutung
zu, während die beiden ersten demgegenüber als weniger wichtig
zurücktreten.

Als Beispiele +prüfender+ Fiktionen können diejenigen angesehen werden,
die den Nicht-Euklidischen Geometrien Lobatschewskijs und Riemanns
zugrunde liegen. Es ist kennzeichnend für die logische Funktion der
Fiktionen, daß +Lobatschewskij+ (ähnlich wohl schon früher +Gauß+) die
Annahme der Ungültigkeit des Euklidischen Parallelenaxioms +nicht+
vollzogen hat, um damit eine neue geometrische Wissenschaft zu
entdecken, sondern vielmehr in der Absicht, das Parallelenaxiom Euklids
durch einen indirekten Beweis zureichend zu +begründen+ (beweisende
Fiktion). Erst dadurch, daß sich der gesuchte Widerspruch, aus dem die
Gültigkeit des in Rede stehenden Grundsatzes gefolgt wäre, +nicht+
ergab, entwickelte sich dann auf der Grundlage der aufgestellten
Fiktion die Lobatschewskijsche Geometrie. Verwandtes gilt ~mutatis
mutandis~ für die Nicht-Euklidische Geometrie Riemanns; nimmt nämlich
Lobatschewskij an, daß -- abweichend von der Lehre Euklids -- zu einer
Geraden in einer Ebene durch einen Punkt nicht eine, sondern +mehrere+
Parallelen -- so Riemann, daß durch einen Punkt zu einer Geraden in
einer Ebene +gar keine+ Parallelen gezogen werden können. Unter der
Voraussetzung des Lobatschewskijschen Satzes ergibt sich dann eine
formal-logisch konsequente Geometrie, in der die Winkelsumme im Dreieck
+kleiner+, unter der Voraussetzung des Riemannschen eine solche, in
der die Winkelsumme im Dreieck +größer+ ist als zwei Rechte. Beide
Geometrien wurzeln nun ersichtlich in Annahmen, die dem Euklidischen
Parallelenaxiom als einem logisch entwickelten Grundgesetz unserer
Raumanschauung +widersprechen+. Indem diese hier zur +Prüfung+ ihrer
Konsequenzen als gültig +vorausgesetzt+ werden, zugleich mit dem
unzweideutigen Bewußtsein ihrer +faktischen Un+gültigkeit, kann man
sagen, daß die Nicht-Euklidischen Geometrien der genannten Mathematiker
auf +prüfenden+ Fiktionen beruhen.

Die +erläuternden+ Fiktionen bedürfen nur kurzer Besprechung. Sie
dienen, wie der Name besagt, als bloße technische Hilfsmittel der
Darstellung dazu, aufgestellte wissenschaftliche Lehrmeinungen
(seien es Einzelurteile, Gesetze oder Theorien) durch denkmögliche
Vorstellungen von Objekten, die aber in ihrer Realität als
nichtwirklich bewußt sind, zu erläutern. Hierhin gehören die
Leibnizsche Fiktion eines überlegenen Geistes, der -- fähig, in dem
gegenwärtigen Seelenzustande einer endlichen Monade zu lesen --
darin Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des gesamten Universums
läse; hierhin die Cartesianische Fiktion eines Dämons, der etwa den
menschlichen Intellekt gerade in dem täuschen könnte, was ihm --
als klar und deutlich erkannt -- zweifelsfrei wahr erscheint, ein
Selbsteinwurf, der dazu dient, zu zeigen, wie erhaben über alle
Bedenken die Wahrheit sei, die durch das reine Licht des Geistes
(~lumen naturale~) ihre Bürgschaft empfange.

+Beweisende+ Fiktionen weist die Geschichte des wissenschaftlichen
Denkens zahlreich auf. Sie dienen -- ungeachtet ihrer ziemlich
geringfügigen Argumentationskraft -- meist dazu, aufgestellte Theorien,
also +Erklärungsversuche+, durch den Nachweis ihres widerspruchslosen
Zusammenstimmens mit den empirisch gesicherten Tatsachen zureichend
zu begründen; im umgekehrten Falle, sie zu widerlegen (widerlegende
Fiktionen). Beispiele der ersteren sind die +Rousseau+sche Fiktion
eines reinen (d. h. von aller Kultur unberührten) Naturmenschen zum
Beweise der Theorie von der ursprünglichen Güte des menschlichen
Charakters; die dem entgegengesetzte Fiktion eines in einsamer
Wildnis zum Tier gewordenen Menschen bei +Comenius+ zum Beweise der
Notwendigkeit der Erziehung; die +Condillac-Bonnet+sche Fiktion
eines in eine Marmorhülle gekleideten Menschen zum Beweise der
sensualistischen Theorie vom Ursprung aller seelischen Erscheinungen;
die Fiktion eines einsinnigen Menschen (nur Gesichtssinn!) bei
+Berkeley+, +Lotze+ und +Helmholtz+ (zu anderem Zwecke auch
schon bei Th. Hobbes) zum Beweise der empiristischen Theorie der
Tiefenwahrnehmung; die Fiktion einer chaotischen Fixsternregion bei
John Stuart +Mill+ zum Beweise seiner empiristischen Theorie der
Kausalität; endlich die J. H. v. +Thünen+sche Fiktion eines isolierten
Staates zum Beweis der von ihm (auf Grund praktisch gewonnener
Erfahrungen) begründeten „Intensitätstheorie“ des landwirtschaftlichen
Betriebes (Terminus nach Richard Krzymowski, Kl. Abh., 1900, S.
10).[25] -- Beispiele +widerlegender+ Fiktionen bilden die bekannte,
aus der Scholastik stammende Fabel vom +Buridan+schen Esel zur
Widerlegung der deterministischen Theorie des Willens; sowie die
+Lamettrie+sche Fiktion eines in völligster Einsamkeit aufgewachsenen
Menschen (so schon bei Arnobius, zirka 300 n. Chr. Geb.) zum Beweis der
Ungültigkeit der Lehre von den angeborenen Ideen.

Den Fiktionen der zuletzt besprochenen Art logisch verwandt,
aber von noch geringerer Beweiskraft als diese, sind die
staatswissenschaftlichen, pädagogischen und religiös-ethischen
+Utopien+. Diese haben zumeist den Zweck, gewisse Theorien des
politischen, sozialen oder religiösen Lebens durch die Fiktion eines
auf ebendiese aufgebauten Gemeinwesens zureichend zu +begründen+.
Aus diesem Gesichtspunkte heraus sind +Staatsromane+ wie Platons
Politeia, Thomas Morus’ „Über den besten Staat oder die neue Insel
Utopia“, Campanellas Sonnenstaat und ähnliche Werke von Morelly,
Fourier, Cabet u. a. entstanden; aus diesem Gesichtspunkt heraus haben
auch +Erziehungsromane+ wie Xenophons Kyropädie, Fénélons Telemaque,
Rousseaus Emile sowie religiös-ethische Träumereien nach der Art
von Johann Valentin Andreaes Christianopolis, ebenso die utopischen
Zukunftsschilderungen Auguste Comtes, Saint-Simons u. a. ihren Ursprung
genommen. -- Stehen die Fiktionen bereits zu einem nicht geringen Teil
hart auf der +Grenze+ der Wissenschaft, so haben wir mit den Utopien
diese schon +überschritten+ und das breite Zwischenland betreten, das
sich von der Wissenschaft zur Kunst hin dehnt.

  Das logische Problem der Fiktion und Utopie ist in den letzten
  Jahren besonders zur Erörterung gelangt durch das Erscheinen von
  Hans +Vaihinger+s umfangreichem Jugendwerk: „Die Philosophie des
  Als-Ob“ (2. Aufl., Berlin 1913), das eine in vieler Hinsicht sehr
  anregende, jedoch nach keiner Richtung hin abschließende Untersuchung
  über die „theoretischen, praktischen und religiösen Fiktionen der
  Menschheit“ enthält. Der Grundfehler des Vaihingerschen Werkes liegt
  in der mangelhaften begrifflichen Scheidung zwischen den Fiktionen
  im eigentlichen Sinne und gewissen damit +verwandten+ methodischen
  Faktoren des wissenschaftlichen Denkens. Weder wissenschaftliche
  +Abstraktionen+ (wie der Begriff des leeren Raumes, des Bewußtseins
  überhaupt) noch +hypothetische Erklärungsversuche+ (wie die Annahme
  von Atomen, Molekülen, Elektronen, Ionen, Kräften, des Äthers, der
  Gedächtnisspuren usw.) sind den Fiktionen zuzurechen; denn bei den
  ersteren fehlt entweder die Annahme, daß dem auf sie gerichteten
  Existentialurteile Gültigkeit zukomme, gänzlich (so beim „Bewußtsein
  überhaupt“); oder aber, wo diese +nicht+ fehlt (wie beim Begriff
  des leeren Raumes), ist doch zum mindesten das Bewußtsein der
  +tatsächlichen Un+gültigkeit jenes Existentialurteils keinesfalls
  vorhanden. Bei den letzteren fällt ferner ebendieses Bewußtsein
  tatsächlicher Ungültigkeit durchgängig aus, wie wir denn Kräfte,
  Atome und Moleküle, Gedächtnisresiduen und ähnliches zur Erklärung
  der physikalisch-chemischen und psychologischen Erscheinungen nicht
  nur zum Schein annehmen, sondern vielmehr als +wirklich vorhanden+
  postulieren.


  [21] Der Universalienstreit des Mittelalters drehte sich, roh gesagt,
       um die Frage, ob die Allgemeinbegriffe (Universalia) als
       selbständige Wesenheiten (Platons und Plotins Ideen) +vor+ den
       Dingen (~ante res~) seien oder aber dadurch, daß sie in den
       erkennenden Geistern gebildet würden, erst +nach+ den Dingen
       (~post res~) kämen.

  [22] „Ich weiß nicht, ich werde nicht wissen“; nach dem bekannten
       Vortrag Dubois-Reymonds.

  [23] Vgl. dazu die schon früher erwähnte Darstellung von Oswald
       +Külpe+ (ANuG Bd. 146).

  [24] Analoges gilt für die +ergänzende+ Induktion.

  [25] Zum letzteren vergleiche auch Max +Büchler+, Joh. Heinr. v.
       Thünen und seine nationalökonomischen Hauptlehren, Bern 1907,
       S. 16 ff.



Literaturnachweise.

(Die für das Studium unentbehrlichen Hauptwerke sind durch ein
Sternchen hinter dem Verfassernamen kenntlich gemacht.)


I. Gesamtdarstellungen.

  ~a~) +Zur Geschichte der Logik+:

  Carl +Prantl+*, Geschichte der Logik im Abendlande, 4 Bde., 1855-1870
  (bis zum Ausgang des Mittelalters reichend).

  Friedrich +Ueberweg+, System der Logik und Geschichte der logischen
  Lehren, 5. Aufl. von J. B. Meyer, Bonn 1882.

  Friedrich +Harms+, Die Philosophie in ihrer Geschichte, Teil II:
  Geschichte der Logik, Berlin 1878 (mit Vorsicht zu benutzen).


  ~b~) +Zum System der Logik+:

  Benno +Erdmann+*, Logik, Bd. I: Logische Elementarlehre, 2. Aufl,
  Halle 1907.

  Christoph +Sigwart+*, Logik, 2 Bde., 4. Aufl. herausg. von Heinrich
  Maier, Tübingen 1911.

  Wilhelm +Wundt+*, Logik, 3 Bde., 3. Aufl., Stuttgart 1906-1908.

  Hermann +Lotze+, System der Philosophie, Teil I: Logik, 2. Aufl.
  Leipzig 1880 (neu herausgegeben in der Philosophischen Bibliothek
  [Bd. 141] von Georg Misch, Leipzig 1912).

  Wertvoll zu Studienzwecken sind von Werken geringeren Umfanges, zum
  Teil solchen älteren Ursprungs, auch:

  Moritz Wilhelm +Drobisch+, Neue Darstellung der Logik, 4. Aufl.,
  Leipzig 1875.

  Alois +Höfler+, Grundlehren der Logik und Psychologie, 2. Aufl., 1906.

  William Stanley +Jevons+, Leitfaden der Logik, deutsch von Hans
  Kleinpeter, Leipzig 1906.

  August +Stadler+, Logik, Leipzig 1912.

  Ferner das oben genannte System der Logik von Friedrich +Ueberweg+.

  Vom katholischen Standpunkt aus haben u. a. die Logik behandelt:

  Georg +Hagemann+, Logik und Noetik, 9. und 10. Aufl., bearb. v. Ad.
  Dyroff, Freiburg i. Br. 1915.

  Joseph +Geyser+, Grundlagen der Logik und Erkenntnistheorie, Münster
  1909.

  B. W. +Switalski+, Vom Denken und Erkennen, Kempten 1914.

  Spezielle Richtungen vertreten:

  Theodor +Lipps+, Grundzüge der Logik, Hamburg 1893.

  Wilhelm +Schuppe+, Erkenntnistheoretische Logik, Bonn 1878.

  -- Grundriß der Erkenntnistheorie und Logik, 2. Aufl., Berlin 1910.

  Hermann +Cohen+, Logik der reinen Erkenntnis, Berlin 1902.

  Ferner: Paul +Natorp+ in mehreren Schriften.

  Das deutsche Hauptwerk der mathematischen Logik ist:

  Ernst +Schröder+, Vorlesungen über die Algebra der Logik, 3 Bde.,
  Leipzig 1890-1895.

  Kurze orientierende Darstellungen dieser Richtung bei:

  Ernst +Schröder+, Abriß der Algebra der Logik, Teil I, herausg. v.
  Eugen Müller, Leipzig 1909.

  Joseph +Hontheim+, Der logische Algorithmus, Berlin 1895.


II. Schriften über einzelne Gegenstände.


  ~a~) +Zur Geschichte der Logik+:

  Heinrich +Maier+*, Die Syllogistik des Aristoteles, 2 Teile in 3
  Bänden. Tübingen 1896-1900.

  Adolf +Trendelenburg+, Geschichte der Kategorienlehre, in: Hist.
  Beitr. z. Philos. Bd. I, Berlin 1846.

  Richard +Herbertz+, Studien zum Methodenproblem und seiner
  Geschichte, Köln 1910.

  Ferner: A. +Riehl+, Die englische Logik der Gegenwart; in: Viert. f.
  wiss. Philos., Bd. I, 1877.

  L. +Liard+, Die neuere englische Logik, deutsch von J. Imelmann, 2.
  Aufl., Leipzig 1883.


  ~b~) +Zu Begriff, Aufgabe und Methode der Logik+:

  Edmund +Husserl+*, Logische Untersuchungen, 2 Bde., 2. Aufl., Halle
  1913.

  Alois +Riehl+, Logik und Erkenntnistheorie, in: Die Kultur der
  Gegenwart, herausg. v. P. Hinneberg, Teil I, Abteilung 6, Berlin und
  Leipzig 1908.

  Heinrich +Maier+, Logik und Erkenntnistheorie, in: Philos.
  Abhandlungen, Chr. Sigwart gewidmet, Tübingen 1900.

  -- Logik und Psychologie, in: Festschrift für Al. Riehl z. s. 70.
  Geb., Halle 1914.

  Wilhelm +Windelband+, Logik, in: Die Philosophie im Beginn des 20.
  Jahrh. Festschrift f. Kuno Fischer, 2. Aufl., Heidelberg 1907.

  Ferner: Beiträge in der „Encyklopädie der philos. Wissensch.“
  (herausg. v. Arnold +Ruge+, Bd. I, Tübingen 1912) von Wilh.
  Windelband, Josiah Royce, Louis Couturat, Benedetto Croce u. a.

  Lehrreich auch noch:

  Adolf +Trendelenburg+, Logische Untersuchungen, 3. Aufl., 2 Bde.,
  Leipzig 1870 (verteidigt die metaphysische Logik gegen die formale).


  ~c~) +Zur logischen Elementarlehre+:

  B. +Erdmann+, Logische Studien, in: Viert. s. wiss. Philos., Bd. VI,
  1882, Bd. VII, 1883.

  -- Zur Theorie des Syllogismus und der Induktion, in: Philos. Aufs.,
  Ed. Zeller gew., Leipzig 1887.

  Chr. +Sigwart+, Beiträge zur Lehre vom hypothetischen Urteile,
  Tübingen 1871.

  -- Die Impersonalien, eine logische Untersuchung, Freiburg 1888.

  Alois +Riehl+, Beiträge zur Logik, 2. Aufl., Leipzig 1912.

  Wilhelm +Windelband+, Beiträge zur Lehre vom negativen Urteil, in:
  Straßburger Abhandl. zur Philos., Ed. Zeller gew., Leipzig 1884.

  -- Vom System der Kategorien, in: Philos. Abhandlungen, Chr. Sigwart
  gew., Tübingen 1900.

  Hans +Cornelius+, Versuch einer Theorie der Existentialurteile,
  München 1894.

  Adolf +Dyroff+, Über den Existentialbegriff, Freiburg 1902.

  Fritz +Medicus+, Bemerkungen zum Problem der Existenz mathematischer
  Gegenstände, in: Festschrift der Kantstudien zum 70. Geb. Al. Riehls,
  Berlin 1914.

  Joh. Ed. Th. +Wildschrey+, Die Grundlagen einer vollständigen
  Syllogistik, Halle 1907.

  Ferner: Friedrich Albert +Lange+, Logische Studien, Iserlohn 1877.

  A. +Marty+, Über subjektlose Sätze, in: Viert. f. wiss. Philos. Bd.
  8, 1884; Bd. 18, 1894.


  ~d~) +Zur logischen Methodenlehre+:

  John Stuart +Mill+*, System der deduktiven und induktiven Logik, 3
  Bde., deutsch in: Ges. Werke, herausg. v. Theod. Gompertz, Bd. 2-4,
  Leipzig 1872-1873.

  Richard +Hönigswald+, Beiträge zur Erkenntnistheorie und
  Methodenlehre, Leipzig 1906.

  Bruno +Bauch+, Studien zur Philosophie der exakten Wissenschaften,
  Heidelberg 1911.

  Johannes von +Kries+, Logik, Tübingen 1916.

  Ferner: B. +Erdmann+, Theorie der Typen-Einteilungen, in: Philos.
  Monatshefte, Bd. 30, Berlin 1884.

  -- Methodologische Konsequenzen aus der Theorie der Abstraktion (Abh.
  d. Kgl. Pr. Akad. d. Wiss.), Berlin 1916.

  Heinrich +Rickert+, Zur Lehre von der Definition, 2. Aufl., Tübingen
  1915.

  Zur Einführung in die zahlreichen methodologischen Probleme des
  +mathematischen Denkens+ vergleiche man: B. +Erdmann+, Die Axiome der
  Geometrie, Leipzig 1877; O. +Hölder+, Anschauung und Denken in der
  Geometrie, Leipzig 1900; Jonas +Cohn+, Voraussetzungen und Ziele des
  Erkennens, Leipzig 1908, Teil II; Richard +Hönigswald+, Zum Streit
  über die Grundlagen der Mathematik, Heidelberg 1912; A. +Voß+, Über
  das Wesen der Mathematik, Leipzig 1913; sowie die dort angeführte
  Literatur.

  Zur neueren Logik der +Geschichtswissenschaft+: Wilh. +Windelband+,
  Naturwissenschaft und Geschichte, 2. Aufl., Straßburg 1900 (auch
  in: Präludien Bd. II, Tübingen 1915); Ed. +Meyer+, Zur Theorie und
  Methodik der Geschichte, Halle 1902; Heinrich +Rickert+, Die Grenzen
  der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung, Tübingen 1902; Über die
  Aufgaben einer Logik der Geschichte, Archiv f. syst. Phil., Bd. 8,
  1902; Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, 2. Aufl., Tübingen
  1910; Geschichtsphilosophie, in: Die Philosophie im Beginn des 20.
  Jahrh., Festschr. f. Kuno Fischer, 2. Aufl., Heidelberg 1907; ferner:
  Eduard +Spranger+, Die Grundlagen der Geschichtswissenschaft, Berlin
  1905; Kurt +Sternberg+, Zur Logik der Geschichtswissenschaft, Philos.
  Vortr. Nr. 7, Berlin 1914; Heinrich +Maier+, Das geschichtliche
  Erkennen, Göttingen 1914; sowie einzelne Schriften von Ernst
  +Bernheim+.

  Zur Frage nach der systematischen +Gliederung+ der Wissenschaften:
  Wilh. +Wundt+, Über die Einteilung der Wissenschaften, in Philos.
  Studien, Bd. 5, Leipzig 1888; B. +Erdmann+, Die Gliederung der
  Wissenschaften, in: Viert. f. wiss. Philos., Bd. 2, Leipzig 1878;
  Alfred +Hettner+, Das System der Wissenschaften, in: Preuß.
  Jahrbücher, Bd. 122, Berlin 1905; Carl +Stumpf+, Zur Einteilung der
  Wissenschaften, Berlin 1906; Richard +Hönigswald+, Vom allgemeinen
  System der Wissenschaften, in: Philos. Wochenschr., Bd. 4, Leipzig
  1906; Zur Wissenschaftstheorie und -systematik, in Kant-Studien, Bd.
  17, Berlin 1912.



Sachregister.

(Aufgenommen sind lediglich die wichtigsten logischen Begriffe nach
ihren Hauptstellen. Die Zahlen bezeichnen die Seiten.)


  Abstrakte Allgemeinvorstellung 18 f.

  Abstraktheit von Begriffen 21.

  Abstraktion 27, 28.

  Allgemeines (universales) Urteil 33, 46 f., 58 f.

  Analogieschluß 78, 98 ff., 129, 131.

  Analyse 109 ff.

  Analytisches Urteil 33 Anm.

  Apodiktisches Urteil 33, 35, 60 f., 73.

  Approximatives Urteil 62.

  Artbegriff, artbildender Unterschied 29 f.

  Assertorisches Urteil 33, 35, 60 f.

  Ausgeschlossenes Dritte (Grundsatz) 9, 14, 43 f., 77.

  Axiom 44, 93, 124.


  Begriff 8, 16 ff., 21 ff., 27 ff., 33, 40 f., 105 ff.

  Begriffsbestimmung 8, 22, 25, 50 f., 107 f.

  Begriffsbildung 21, 105 ff., 115.

  Bejahendes Urteil 33, 35, 56 f.

  Besonderes (partikuläres) Urteil 33, 35, 41, 46 f., 58 f.

  Beurteilung 35, 46, 47, 56 ff., 62.

  Beweis 8, 9, 103, 123 ff., 126 ff.


  Deduktive Logik 98.

  Deduktiver Schluß 11, 77 ff., 86 ff., 91 ff., 100 f., 113, 128.

  Definition: s. Begriffsbestimmung

  Denken 3, 6 f., 16 ff., 24, 25, 32, 102 ff.

  Determination 27, 28, 40.

  ~Dictum de omni et nullo~ 76.

  Ding 31 f., 46.

  Disjunktiver Schluß 10, 78 f., 88 f.

  Disjunktives Urteil 33, 35, 64 ff.

  Divisives Urteil 35, 63 f., 120.

  Doppelte Verneinung (Grundsatz) 58.


  Eigenschaft 31 f., 46.

  Einfaches Urteil 33 ff., 62 f.

  Einordnungstheorie 40 f., 92.

  Einteilung 120 ff.

  Einzelurteil 34, 46.

  Erkennen und Erkenntnistheorie 3 f., 6 f., 14.

  Erkenntnistheoretische Logik 15.

  Existentialurteil 34, 54 ff.

  Experiment 111 f.


  Falschheit von Urteilen 33, 42, 76 f.

  Falsch- und Fehlschlüsse 129 ff.

  Fiktion 132 ff.

  Folgerung 72 ff.

  Formale Gültigkeit 42 f., 64, 65, 73.

  Formale Logik 5, 9, 13 f., 15.

  Formalurteil 34, 44, 67, 105.

  Formalwissenschaft 104.

  Formen des Denkens 4 f., 7, 8, 17, 42.

  Formuliertes Denken 17.

  Frage 24, 32, 68 ff., 123 f.


  Galenische Schlußweise 84.

  Gattungsbegriff 18 f., 21, 29 f., 46, 50, 64, 114.

  Gattungsurteil 34, 46.

  Gegenstand 6, 23, 32, 36, 52, 54 f., 106 f.

  Gegenstand des Denkens 20 ff.

  Gegenstand überhaupt 32.

  Geisteswissenschaft 103 f., 111.

  Gesamtbegriff 29, 46, 114.

  Gesetz 113 ff.

  Gesetze des Denkens 5.

  Grammatik 7 f., 36, 57.

  Grammatisierende Logik 36.

  Gültigkeitsfrage 70, 71 f.


  Hypothese 113, 117 ff.

  Hypothetischer Schluß 10, 78 f., 86 ff., 91.

  Hypothetisches Urteil 33, 35, 66 ff., 91, 115.


  Idealurteil 33 f.

  Identität (Grundsatz) 14, 24.

  Immanenz, logische 40, 46.

  Impersonalien: s. Subjekt-unbestimmte Urteile.

  Individualbegriff 21, 29 f., 46.

  Induktive Logik 15, 98.

  Induktiver Schluß 9, 11, 12, 78, 93 ff., 114 f., 128 f., 131.

  Inhalt von Begriffen 23 ff.

  Inhaltslogik 37.

  Inhaltstheorien des Urteils (des Schlußverfahrens) 37 ff., 92.

  Inhärenzsyllogismus 84.

  Inhärenzurteil 34, 49 ff., 92, 110.

  Intuition und intuitives Denken 11, 17, 20.


  Kategorie 9, 14, 31 f.

  Kategorisches Urteil (bzw. Schluß) 33, 78 f., 89, 91.

  Kausalgesetz, Kausalität 12, 31, 53, 97, 100, 116, 124.

  Kausalurteil 34, 49, 53 f.

  Kette 79, 89 f., 113.

  Klassifikation 107, 120 ff.

  Klassifikatorisches Urteil 34, 50 f.

  Kollektivbegriff 21, 29.

  Konjunktives Urteil 35, 63, 94 f., 96, 108.

  Konstituierendes Merkmal 24 ff., 42 f.

  ~Kontradictio in adjecto~ 28.

  Kontradiktorisch-entgegengesetzte Begriffe (Urteile) 28, 43 f., 76 f.

  Kontraposition 75.

  Konträr-entgegengesetzte Begriffe (Urteile) 28, 76 f.

  Konversion 73 f., 84, 86.

  Kopulatives Urteil 35, 63, 94 f., 96.


  Materiale Frage 70 f.

  Materiale Gültigkeit 42 ff., 73.

  Materie des Denkens 4 f., 42.

  Mathematische Logik 15, 38.

  Merkmal 23 f., 33, 39.

  Metaphysische Logik 9, 14, 15.

  Mittelbare Bejahung 58, 73.

  Mittelbares Urteil 92.

  Mittelbare Verneinung 57 f., 73.

  Mittelbegriff 80, 84 f., 131.

  Modal-bestimmte Urteile 35, 56, 60 ff.

  Modalität 31, 35, 56, 60 ff.


  Naturwissenschaft 103 f., 111.

  Negation: s. Verneinung.

  Normative Logik 5 f., 13.

  Normatives Urteil 34, 51.


  Opposition 76.

  Ordnungsreihe des Denkens 30 f., 50.


  Paralogismus 80.

  Partikuläres Urteil: s. besonderes Urteil.

  Prädikat 4, 34, 36 f., 38 f., 42 f., 46, 49 ff.

  Prädikation (log. Grundsatz) 42 f.

  Prädikativer Inhalt 25.

  Problematisches Urteil 33, 35, 61 f., 65.

  Problemfrage 72, 123 f.

  Psychologie des Denkens 7, 16 f.

  Psychologisierende Logik 12, 15, 36.


  Qualität des Urteils 31, 33 f., 56.

  Qualitätsurteil 34, 50, 52 f., 110.

  Quantifikation des Prädikats 38.

  Quantität des Urteils 31, 33 f., 46 f., 52, 56, 58 ff.

  ~Quaternio terminorum~ 131.


  Realitätsproblem 55.

  Realurteil 33 f., 67, 105.

  Realwissenschaft 104.

  Relation 31 f., 33, 46, 92.

  Relationsmerkmal 25.

  Relationssyllogismus 84, 92, 100 f.

  Relationsurteil 4, 34, 49, 52 ff., 84 f., 90, 110.

  Relativer Inhalt 25.

  Reziprokables Urteil 74.


  Satz 16 f., 36.

  Schluß 8, 14, 24, 32, 72 ff.

  Singuläres Urteil 59.

  Sorites, Goclenischer, Aristotelischer 89 f.

  Spezialbegriff 29, 46, 114.

  Spezifikation 107 f.

  Sprechen 7, 11, 16 ff., 21.

  Statistik 111.

  Subalternation 75 f.

  Subjekt 4, 15, 32, 34, 36 f., 38 f., 42 f., 46 ff., 49.

  Subjekt-unbestimmtes Urteil 34, 37, 46, 48 f., 54.

  Subkonträr-entgegengesetzte Urteile 76 f.

  Syllogismus 9, 79 ff., 91 ff., 100 f., 113, 131.

  Synthese 113 ff.

  Synthetisches Urteil 33 Anm.


  Theorie 113, 117 ff.

  Transzendentale Logik 13 f.

  Trugschluß 8 f., 129 ff.


  Umfang von Begriffen 26 ff., 41, 64.

  Umfangslogik 37 f., 92.

  Umfangstheorien des Urteils (des Schlußverfahrens) 38 f., 92.

  Universales Urteil: s. allgemeines Urteil.

  Unmittelbare Gewißheit, log. Grundsatz 44.

  Untersuchungsverfahren der Wissenschaft 8, 102 ff.

  Urteil 8, 11, 14, 15, 24, 32 ff., 69 f.

  Urteilsgefüge 35, 62 ff., 85.

  Urteilsverbindungen 35, 62 ff., 85.

  Urteilstheorien 35 ff., 91 f.

  Utopie 132, 134 f.


  Verneinung 56, 68 ff., 74, 86.

  Verträgliche Begriffe 25, 28.

  Voraussetzungen des Denkens, formale, materiale 3 f., 6.

  Vorstellung 18 f., 33.

  Wahrheit 8, 11, 14, 33, 42, 44, 76 f.

  Wahrscheinlichkeit 12, 62, 96, 99, 100, 115.

  Werturteil (Wertrelationsurteil) 50, 53.

  Widerspruch, log. Grundsatz 9, 12, 14, 43, 45, 59, 77.

  Wissenschaft 8, 22, 102 ff., 123 ff., 127 ff., 132 f.

  Wort, Wortvorstellung 16 ff., 18, 24, 36.


  Zirkelbeweis (~circulus vitiosus~) 130.

  Zureichende Begründung, log. Grundsatz 12, 14, 45, 55, 59, 72, 125.

  Zusammengesetzte Urteile 33 ff., 62 ff., 85.



Die Sammlung

„Aus Natur und Geisteswelt“


nunmehr schon über 600 Bändchen umfassend, sucht seit ihrem
Entstehen dem Gedanken zu dienen, der heute in das Wort: „+Freie
Bahn dem Tüchtigen!+“ geprägt ist. Sie will die Errungenschaften von
Wissenschaft, Kunst und Technik +einem jeden zugänglich+ machen, ihn
dabei zugleich unmittelbar im +Beruf fördern+, den +Gesichtskreis
erweiternd+, die +Einsicht+ in die Bedingungen der Berufsarbeit
+vertiefend+.

Sie bietet wirkliche „+Einführungen+“ in die Hauptwissensgebiete für
den +Unterricht oder Selbstunterricht des Laien+, wie sie den heutigen
methodischen Anforderungen entsprechen. So erfüllt sie ein Bedürfnis,
dem Skizzen, die den Charakter von „Auszügen“ aus großen Lehrbüchern
tragen, nie entsprechen können, denn solche setzen vielmehr eine
Vertrautheit mit dem Stoffe schon voraus.

Sie bietet aber auch dem +Fachmann+ eine +rasche zuverlässige
Übersicht+ über die sich heute von Tag zu Tag weitenden Gebiete des
geistigen Lebens in weitestem Umfang und vermag so vor allem auch dem
immer stärker werdenden Bedürfnis des +Forschers+ zu dienen, sich auf
+den Nachbargebieten+ auf dem laufenden zu erhalten.

In den Dienst dieser Aufgabe haben sich darum auch in dankenswerter
Weise von Anfang an die besten Namen gestellt, gern die Gelegenheit
benutzend, sich an weiteste Kreise zu wenden, an ihrem Teil bestrebt,
der Gefahr der „Spezialisierung“ unserer Kultur entgegenzuarbeiten.

So konnte der Sammlung auch der Erfolg nicht fehlen. Mehr als die
Hälfte der Bändchen liegen, bei jeder Auflage durchaus neu bearbeitet,
bereits in 2. bis 6. Auflage vor, insgesamt hat die Sammlung bis jetzt
eine Verbreitung von weit über 4 Millionen Exemplaren gefunden.

Alles in allem sind die schmucken, gehaltvollen Bände besonders
geeignet, die Freude am Buche zu wecken und daran zu gewöhnen, einen
kleinen Betrag, den man für Erfüllung körperlicher Bedürfnisse nicht
anzusehen pflegt, auch für die Befriedigung geistiger anzuwenden. Durch
den billigen Preis ermöglichen sie es tatsächlich jedem, auch dem wenig
Begüterten, sich eine Bücherei zu schaffen, die das für ihn Wertvollste
„Aus Natur und Geisteswelt“ vereinigt.

  ¦Jedes der meist reich illustrierten Bändchen
  ist in sich abgeschlossen und einzeln käuflich¦

  Jedes Bändchen geheftet M. 1.20, gebunden M. 1.50
  Teuerungszuschläge 30% einschließl. 10% Zuschlag der Buchhandlung

  Leipzig, im Juni 1918.       =B. G. Teubner=



Jedes Bändchen geheftet M. 1.20, gebunden M. 1.50

Bisher sind =zur Philosophie und Psychologie= erschienen:


[Sidenote: =Zur Einführung=]

=Einführung in die Philosophie.= Von Professor ~Dr.~ R. +Richter+. 4.
Auflage von Privatdozent ~Dr.~ M. +Brahn+. (Bd. 155.)

=Die Philosophie.= Einführung in die Wissenschaft, ihr Wesen u. ihre
Probleme. Von Oberrealschuldirektor H. +Richert+. 3. Aufl. (Bd. 186.)

=Philosophisches Wörterbuch.= Von Oberlehrer ~Dr.~ +Paul Thormeyer+. 2.
Aufl. (Bd. 520.)

[Sidenote: =Logik und Psychologie=]

=Grundriß der Logik.= Von ~Dr.~ K. J. +Grau+. (Bd. 637.)

=Einführung in die Psychologie.= Von Prof. +Dr.+ E. +von Aster+. Mit 4
Abbildungen. (Bd. 492.)

=Einführung in die experimentelle Psychologie.= Von Prof. ~Dr.~ N.
+Braunshausen+. Mit 17 Abbildungen im Text. (Bd. 484.)

* =Die Ergebnisse der angewandten Psychologie.= Von Prof. ~Dr.~ G.
+Anschütz+. (Bd. 678.)

=Die Seele des Menschen.= Von Geh. Rat Professor ~Dr.~ J. +Rehmke+. 4.
Auflage. (Bd. 36.)

=Die Mechanik des Geisteslebens.= Von Geh. Med.-Rat Dir. Prof. ~Dr.~ M.
+Verworn+. 4. Auflage. Mit Figuren. (Bd. 200.)

=Psychologie des Kindes.= Von Professor ~Dr.~ R. +Gaupp+. 4. Auflage.
Mit 17 Abbildungen. (Bd. 213/14.)

=Geistige Veranlagung und Vererbung.= Von ~Dr. med. et phil.~ +Georg
Sommer+. (Bd. 512.)

=Handschriftenbeurteilung.= Eine Einführung in die Psychologie der
Handschrift. Von Prof. ~Dr.~ G. +Schneidemühl+. 2. Aufl. Mit 51
Handschriftennachbildungen im Text und 1 Tafel. (Bd. 514.)

=Hypnotismus und Suggestion.= Von ~Dr.~ E. +Trömner+. 3. Auflage. (Bd.
199.)

=Die Psychologie des Verbrechers.= Kriminalpsychologie. Von Kgl.
Strafanstaltsdirektor ~Dr. med.~ P. +Pollitz+. 2. Auflage. Mit 5
Diagrammen. (Bd. 248.)

[Sidenote: =Ethik=]

=Grundzüge der Ethik.= Mit besonderer Berücksichtigung der
pädagogischen Probleme. Von E. +Wentscher+. (Bd. 397.)

=Aufgaben und Ziele des Menschenlebens.= Von Professor ~Dr.~ J.
+Unold+. 4. Auflage. (Bd. 12.)

=Sittl. Lebensanschauung.= d. Gegenw. V. weil. Geh. Kirchenr. Prof.
~Dr.~ O. +Kirn+. 3. A., durchges. v. Prof. ~Dr.~ O. H. +Stephan+. (Bd.
177.)

=Das Problem der Willensfreiheit.= Von Professor ~Dr.~ G. F. +Lipps+.
(Bd. 383.)

=Sexualethik.= Von Prof. ~Dr.~ H. E. +Timerding+. (Bd. 592).

[Sidenote: =Ästhetik=]

* =Einführung in die Geschichte der Ästhetik.= Von ~Dr.~ H. +Nohl+.
(Bd. 602.)

=Ästhetik.= Von Professor ~Dr.~ R. +Hamann+. 2. Aufl. (Bd. 345.)

=Poetik.= Von ~Dr.~ R. +Müller-Freienfels+. (Bd. 460.)

[Sidenote: =Naturphilosophie=]

=Die moderne Naturphilosophie.= Von Privatdoz. ~Dr.~ J. M. +Verweyen+.
(Bd. 491.)

=Entstehung der Welt und der Erde nach Sage und Wissenschaft.= Von
weil. Geh. Reg.-Rat Prof. ~Dr.~ M. B. +Weinstein+. 2. Aufl. (Bd. 223.)

=Untergang der Welt und der Erde nach Sage und Wissenschaft.= Von weil.
Geh. Reg.-Rat Professor ~Dr.~ M. B. +Weinstein+. (Bd. 470.)

=Sternglaube und Sterndeutung.= Die Geschichte und das Wesen der
Astrologie. Unter Mitwirkung von Prof. ~Dr.~ C. +Bezold+ dargestellt
von Geh. Hofrat Prof. ~Dr.~ Fr. +Boll+. Mit einer Sternkarte und 20
Abb. (Bd. 638.)

[Sidenote: =Geschichte der Philosophie=]

=Führende Denker.= Geschichtliche Einleitung in die Philosophie. Von
Prof. ~Dr.~ J. +Cohn+. 3. Aufl. Mit 6 Bildnissen. (Bd. 176.)

=Die Freimaurerei.= Einführung in ihre Anschauungswelt und ihre
Geschichte. Von weil. Geh. Rat ~Dr.~ L. +Keller+. 2. Aufl. von Geh.
Archivrat ~Dr.~ G. +Schuster+. (Bd. 463.)

[Sidenote: =Philosophie d. Altertums=]

=Griechische Weltanschauung.= Von Professor ~Dr.~ M. +Wundt+. 2. Aufl.
(Bd. 329.)

* =Religion und Philosophie im alten Orient.= Von Prof. ~Dr.~ E. v.
+Aster+. (Bd. 521.)

[Sidenote: =Neuere Philosophie=]

=Die Weltanschauungen der großen Philosophen der Neuzeit.= Von weil.
Professor ~Dr.~ L. +Busse+. 6. Auflage. herausgeg. von Geh. Hofrat
Professor ~Dr.~ R. +Falckenberg+. (Bd. 56.)

=Die großen englischen Philosophen Locke, Berkeley, Hume.= Von
Oberlehrer ~Dr.~ P. +Thormeyer+. (Bd. 481.)

=Rousseau.= Von Professor ~Dr.~ P. +Hensel+. 2. Auflage. Mit 1 Bildnis.
(Bd. 180.)

=Immanuel Kant.= Darstellung und Würdigung. Von weil. Professor ~Dr.~
O. +Külpe+. 4. Auflage, hrsg. von Professor ~Dr.~ A. +Messer+. Mit 1
Bildnis Kants. (Bd. 146.)

=Schopenhauer.= Seine Persönlichkeit, seine Lehre, seine Bedeutung. Von
Oberrealschuldirektor H. +Richert+. 3. Auflage. Mit 1 Bildnis. (Bd. 81.)

=Herbarts Lehren und Leben.= Von weil. Pastor O. +Flügel+. 2. Auflage.
Mit 1 Bildnis Herbarts. (Bd. 164.)

=Herbert Spencer.= Von ~Dr.~ K. +Schwarze+. Mit 1 Bildnis. (Bd. 245.)

[Sidenote: =Neueste Philosophie=]

=Die Philosophie der Gegenwart in Deutschland.= Eine Charakteristik
ihrer Hauptrichtungen. Von weil. Prof. ~Dr.~ O. +Külpe+. 6. Auflage.
(Bd. 41.)

=Henri Bergson, der Philosoph moderner Religion.= Von Pfarrer ~Dr.~ E.
+Ott+. (Bd. 480.)


+Die mit * bezeichneten und weitere Bände befinden sich in
Vorbereitung.+



Psychologische Werke


=Kurzer Abriß der Logik u. Psychologie für höhere Lehranstalten.= Von
Prof. Dr. _Oskar Weise_. 2. Aufl. Steif geh.

  M. --.50

„Das Büchlein, dem in einer Zeit, die sich der Wichtigkeit der
philosophischen Propädeutik allmählich wieder bewußt wird, eine
besondere symptomatische Bedeutung zukommt, hat vor allem zwei Vorzüge.

Einmal ist es außerordentlich übersichtlich, ein bei logischen
Definitionen wie Begriff, Urteil, Schluß oder psychologischen
Erörterungen wie Erkennen, Fühlen, Wollen außerordentlich wichtiger
Faktor. Sodann knüpfen die vortrefflichen Beispiele an das
Naheliegende, Bekannte an, um von da zur Regel überzuleiten. Da die
Arbeit den neueren Forschungen der Psychologie angepaßt ist, kann sie
warm empfohlen werden.“

  (+Zeitschr. f. lateinl. höh. Schulen.+)


=Geschichte der Psychologie.= Von Prof. Dr. _Otto Klemm_. Geb.

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=Grundlagen der Psychologie.= Von Prof. Dr. _Th. Ziehen_. In 2 Bänden.
Buch I: Erkenntnistheoretische Grundlegung der Psychologie. Buch II:
Prinzipielle Grundlegung der Psychologie. Geh. je M. 4.40, geb.

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=Über Vererbung psychischer Fähigkeiten.= Von Prof. Dr. _W. Peters_.
Geh.

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=Der Wille.= Versuch einer psychologischen Analyse. Von _E. Wentscher_.
Geh. M. 2.40, geb.

  M. 2.80


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Beitrag über das pathologische Kind von Direktor Dr. _O. Mönkemöller_.
Mit 16 Figuren im Text und 1 Tafel. Geh. M. 4.--, geb.

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Auflage. Geb.

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1. Beobachtungen u. Untersuchungen a. d. Jugendpsychologie. Geh.

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2. Junge Seelen. Bilder zur Jugendpsychologie aus Kinderstube,
Biographie und Dichtung. 2. Auflage. Geh.

  M. --.90

3. Darstellungen aus der neueren Psychologie u. Pädagogik. Geh.

  M. --.80


=Grundzüge der Psychologie und Logik.= Von Lyzeallehrer _W.
Peper_. 1. Hälfte. Geb.

  M. 1.60


=Psychologie der Sprachpädagogik.= Versuche zu einer Darstellung
der Prinzipien des fremdsprachlichen Unterrichts auf Grund der
psychologischen Natur der Sprache von _Chr. B. Flagstad_, Adjunkt
a. der Kgl. Metropolitanschule in Kopenhagen. Vom Verfasser aus dem
Dänischen übersetzt. Geh. M. 5.--, geb.

  M. 6.--


=Psychologie der Kunst.= Eine Darstellung ihrer Grundzüge. Von
Dr. _R. Müller-Freienfels_. In 2 Bdn. Band I: Die Psychologie des
Kunstgenießens und des Kunstschaffens. Band II: Die Formen des
Kunstwerks und die Psychologie der Wertung. Geh. je M. 4.40, in 1 Band
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Beitrag zur künftigen Nationalerziehung. Von Dr. _K. Haase_. Steif geh.

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Buchhandl.) 30%


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Hrsgeber. -- Dir. Prof. ~Dr.~ Goldbeck: Mathematik. Physik. -- Prof.
~Dr.~ Gruner: Biologie. -- Prof. ~Dr.~ O. Hoffmann: Die Sprache.
-- Geh. u. Ob.-Reg.-Rat Lambeck: Geschichte. -- Gymnas.-Dir. ~Dr.~
Lorentz: Dtsche. Literatur. -- Oberlehrer ~Dr.~ Hoffmann: Die Antike.
-- Prof. ~Dr.~ Messer: Zusammenfassung. -- Register.

Auf neuem Wege will das Buch der philosophischen Propädeutik in unseren
höheren Lehranstalten wieder eine feste Stellung gewinnen. In der
Überzeugung, daß es in erster Linie darauf ankommt, +im Schüler den
Sinn für philosophische Fragestellung und Betrachtung+ zu wecken, sucht
es +aus den einzelnen Unterrichtsfächern heraus+ die philosophischen
Probleme zu entwickeln, zu denen ein im wissenschaftlichen Geiste
erteilter +mathematischer, physikalischer und biologischer, deutscher,
geschichtlicher und altsprachlicher Unterricht notwendiger- und
natürlicherweise+ hinführen muß. +Ein weiterer Abschnitt erörtert die
mit der Entwicklung der Sprache als solcher zusammenhängenden Fragen.+
Ein systematischer Teil faßt das in den einzelnen Fächern Gebotene
zusammen, ergänzt es soweit, daß die verschiedenen Fragen in einem
gewissen Zusammenhange erscheinen u. gibt einen Überblick über die
wichtigsten psychologischen Vorgänge.


Philosophisches Lesebuch

Von Professor ~Dr.~ +Bastian Schmid+. Zum Gebrauch an höheren Schulen
und zum Selbststudium. Gebunden M. 2.60

„... Dem Zwecke, zur Kritik zu erziehen, dient in trefflicher Weise
die Gegenüberstellung von Aufsätzen wie Mettries ‚Der Mensch eine
Maschine,‘ Häckels ‚Die Seele‘ und Du Bois-Reymonds ‚Über die Grenzen
des Naturerkennens‘. Eine Art historische Einleitung gibt ein Abschnitt
aus Riehls ‚Wesen und Entwicklung der Philosophie‘; zur Verbindung
der einzelnen Gedankenreihen dienen kürzere Kapitel des Verfassers.
Besonders nützlich dürften die Aufsätze zur Ethik und Ästhetik sein.“

  (+Blätter f. das bayerische Gymnasialschulwesen.+)


Zur Einführung in die Philosophie der Gegenwart

Von Geheimrat Prof. ~Dr.~ +A. Riehl+. 4. Aufl. Geh. M. 3.--, geb.
M. 3.60

„Von den üblichen Einleitungen in die Philosophie unterscheidet sich
Riehls Buch nicht bloß durch die Form der freien Rede, sondern auch
durch seine ganze methodische Auffassung und Anlage. Nichts von eigenem
System, nichts von langatmigen, logischen, psycholog. oder gelehrten
historischen Entwicklungen, sondern eine lebendig anregende, in das
Zentrum der Philosophie führende Betrachtungsweise.“

  (+Monatsschrift für höhere Schulen.+)


Einleitung in die Philosophie

Von Prof. ~Dr.~ +Hans Cornelius+. 2. Aufl. Geh. M. 5.20, geb.
M. 6.--

„Die gegebenen Gesichtspunkte und Einleitungen führen tief in die
Erkenntnistheorie und Psychologie. Verf. sucht zu einem eigenen
Standpunkt zu führen, Einsicht in die rein empirische Bedeutung und
in den Mechanismus aller Naturerklärung zu geben. Leser, die einer
tiefgründigen Untersuchung nicht aus dem Wege gehen, werden viel von
ihm lernen.“

  (+Leipz. Ztg.+)


Weltanschauung und modernes Bildungsideal

Von Professor ~Dr.~ +G. F. Lipps+. Geheftet M. 4.--, gebunden
M. 5.--

„Das Buch ist interessant und fesselnd geschrieben. Wir können eine
eingehende Beschäftigung mit ihm nur empfehlen. Niemals langweilig und
trocken, bietet es eine Fülle von Anregungen, aus denen jeder schöpfen
kann, der mitarbeiten will an der Ausbildung eines Bildungsideals der
Zukunft.“

  (+Zeitschrift für pädagogische Psychologie.+)


Hauptprobleme der Ethik

9 Vortrage v. Prof. ~Dr.~ +P. Hensel+. 2., erw. Aufl. M. 1.80, geb.
M. 2.40

„Dieses schlicht und allgemeinverständlich geschriebene Buch darf
auf das Lob, nicht nur Philosophie, sondern auch philosophieren zu
lehren, Anspruch erheben. Dieses Lob ist eins der schönsten für eine
philosophische Schrift. Das Buch läßt überall ein glückliches und
energisches Denken spüren, das zum Selbstdenken anregt.“

  (+Zeitschrift f. päd. Psychol.+)


Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin


Allgem. Geschichte der Philosophie

(Die Kultur der Gegenwart, hrsg. von Prof. +P. Hinneberg+. Teil I, Abt.
V.)

2., verm. u. verb. Aufl. Geh. M. 14.--, geb. M. 16.--, in Halbfranz
M. 18.--

+Inhalt+: Einleitung. Die Anfänge der Philosophie und die Philosophie
der primitiven Völker: +W. Wundt+. ~A.~ Die orientalische
(ostasiatische) Philosophie. I. Die indische Philosophie: +H.
Oldenberg+. II. Die chinesische Philosophie: +W. Grube+. III.
Die japanische Philosophie: +T. Inouye+. ~B.~ Die europäische
Philosophie (und die islam.-jüd. Philosophie des Mittelalters). I.
Die europäische Philosophie des Altertums: +H. v. Arnim+. II. Die
patristische Philosophie: +Cl. Baeumker+. III. Die islamische und die
jüdische Philosophie: +J. Goldziher+. IV. Die christliche Philosophie
des Mittelalters: +Cl. Baeumker+. V. Die neuere Philosophie: +W.
Windelband+.


Systematische Philosophie

(Die Kultur der Gegenwart, hrsg. von Prof. +P. Hinneberg+. Teil I,
Abt. VI.)

2. Aufl. Geheftet M. 10.--, gebunden M. 12.--, in Halbfranz M. 14.--

+Inhalt+: Allgemeines. Das Wesen der Philosophie: +W. Dilthey+. Die
einzelnen Teilgebiete. I. Logik und Erkenntnistheorie: +A. Riehl+.
II. Metaphysik: +W. Wundt+. III. Naturphilosophie: +W. Ostwald+. IV.
Psychologie: +H. Ebbinghaus+. V. Philosophie der Geschichte: +R.
Eucken+. VI. Ethik: +Fr. Paulsen+. VII. Pädagogik: +W. Münch+. VIII.
Ästhetik: +Th. Lipps+. -- Die Zukunftsaufgaben der Philosophie: +Fr.
Paulsen+.


Das Grundproblem Kants

Eine kritische Untersuchung und Einführung in die Kant-Philosophie.

Von Prof. ~Dr.~ +A. Brunswig+. Geheftet M. 3.60, gebunden M. 4.20

Das Buch betrachtet als Grundproblem Kants die zentrale Frage
der Kritik der reinen Vernunft nach der Möglichkeit eines
allgemeingültigen, notwendigen Wissens. Es kann vermöge der zentralen
Stellung seines Gegenstandes zugleich als Einführung in das Studium
der Kantschen Philosophie und ihrer modernen Kritik, ja der
Erkenntnistheorie und der Philosophie überhaupt dienen.


Die philosophischen Grundlagen der Wissenschaften

Vorlesungen gehalten an der Universität Berlin von Professor ~Dr.~ +B.
Weinstein+. Gebunden M. 9.--

„W. versteht es meisterhaft, auch einen spröden Gegenstand schmackhaft
zu machen. Dies liegt in seiner gegenständlichen Redeweise, die zum
Hörer hinabzusteigen scheint, während sie ihn unmerklich auf die Höhe
führt. Das Buch ist warm zu empfehlen.“

  (+Der Tag.+)


Naturphilosophie

Unt. Redaktion v. Geh. Reg.-Rat Prof. ~Dr.~ +C. Stumpf+. Bearb. von
Prof. ~Dr.~ +E. Becher+. (Die Kultur der Gegenwart. Hrsg. von Prof. +P.
Hinneberg+. Teil III. Abt. VII, 1.) Geh. M. 14.--, gebunden M. 16.--,
in Halbfr. M. 18.--

Einleitung. Aufgabe der Naturphilosophie. Naturerkenntnistheorie.
Gesamtbild der Natur.

„Eine ungewöhnlich umfassende und eindringende Kenntnis
aller Naturwissenschaften liegt dem Werke offenbar zugrunde.
Bemerkenswert ist die Fähigkeit des Verfassers zu anschaulicher und
gemeinverständlicher Darstellung; fast mühelos gelingt es ihm, auch
sehr abstrakte und schwierige Theorien elementar und durchsichtig zu
entwickeln, ohne dabei auf wissenschaftliche Genauigkeit zu verzichten.
Die gründliche naturwissenschaftliche Schulung zeigt sich auch in der
methodischen Art, wie der Verfasser seinen Gegenstand behandelt.“

  (+Literarisches Zentralblatt für Deutschland.+)


Himmelsbild und Weltanschauung

im Wandel der Zeiten. Von Prof. +Troels-Lund+. Autorisierte, vom
Verfasser durchgesehene Übersetzung von +L. Bloch+. 4. Aufl. Geb.
M. 5.--

„... Es ist eine Lust, diesem kundigen und geistreichen Führer auf
dem langen, nie ermüdenden Wege durch Asien, Afrika und Europa, durch
Altertum und Mittelalter bis herab in die Neuzeit zu folgen. Es ist
ein Werk aus einem Guß, in großen Zügen und ohne alle Kleinlichkeit
geschrieben.“

  (+W. Nestle i. d. Neuen Jahrb. f. d. klass. Altertum.+)


Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin



WISSENSCHAFT UND HYPOTHESE

Sammlung von Einzeldarstellungen aus dem Gesamtgebiete der
Wissenschaften mit bes. Berücksichtigung ihrer Grundlagen u. Methoden,
ihrer Endziele u. Anwendungen


Die Sammlung will die in den verschiedenen Wissensgebieten durch
rastlose Arbeit gewonnenen Erkenntnisse von umfassenden Gesichtspunkten
aus im Zusammenhang miteinander betrachten. Die Wissenschaften werden
in dem Bewußtsein ihres festen Besitzes in ihren Voraussetzungen
dargestellt, ihr pulsierendes Leben, ihr Haben, Können und Wollen
aufgedeckt. Andererseits aber wird in erster Linie auch auf die durch
die Schranken der Sinneswahrnehmung und der Erfahrung überhaupt
bedingten Hypothesen hingewiesen.

  I. +Wissenschaft und Hypothese.+ Von † Henri Poincaré. Deutsch von L.
  und F. Lindemann. 3. Aufl.

  Geb. M. 4.80

  II. +Der Wert der Wissenschaft.+ Von † Henri Poincaré. Deutsch von E.
  u. H. Weber. Mit einem Bildnis. 2. Aufl.

  Geb. M. 3.60

  III. +Mythenbildung u. Erkenntnis.+ Eine Abhandlung über die
  Grundlagen der Philosophie. Von G. F. Lipps.

  Geb. M. 5.--

  IV. +Die nichteuklidische Geometrie.+ Historisch-kritische
  Darstellung ihrer Entwicklung. Von R. Bonola. Deutsch von H. Liebmann.

  Geb. M. 5.--

  V. +Ebbe und Flut sowie verwandte Erscheinungen im Sonnensystem.+ Von
  G. H. Darwin. Deutsch von A. Pockels. 2. Aufl. Mit 52 Abb. Geb.

  M. 8.--

  VI. +Das Prinzip der Erhaltung der Energie.+ Von M. Planck. 3. Aufl.
  Geb.

  M. 6.--

  VII. +Grundlagen der Geometrie.+ Von D. Hilbert. 4. Aufl.

  Geb. M. 6.--

  VIII. +Geschichte der Psychologie.+ Von O. Klemm.

  Geb. M. 8.--

  IX. +Erkenntnistheoret. Grundzüge der Naturwissenschaften+ u. ihre
  Beziehungen zum Geistesleben der Gegenwart. Von P. Volkmann. 2. Aufl.

  Geb. M. 6.--

  X. +Wissenschaft und Religion in der Philosophie unserer Zeit.+
  Von É. Boutroux. Deutsch von E. Weber. Mit Einführungswort v. H.
  Holtzmann.

  Geb. M. 6.--

  XI. +Probleme der Wissenschaft.+ Von E. Enriques. Deutsch von K.
  Grelling. 2 Teile. I. +Wirklichkeit und Logik.+ Geb. M. 4.--. II.
  +Die Grundbegriffe der Wissenschaft+.

  Geb. M. 5.--

  XII. +Die logischen Grundlagen der exakten Wissenschaften.+ Von P.
  Natorp.

  Geb. M. 6.60

  XIII. +Pflanzengeographische Wandlungen der deutschen Landschaft.+ V.
  H. Hausrath.

  Geb. M. 5.--

  XIV. +Das Weltproblem vom Standpunkte des relativistischen
  Positivismus aus.+ Von J. Petzold. 2. Aufl. Geb.

  M. 3.--

  XV. +Wissenschaft und Wirklichkeit.+ V. M. Frischeisen-Köhler.

  Geb. M. 8.--

  XVI. +Das Wissen der Gegenwart in Mathematik u. Naturwissenschaften.+
  Von É. Picard. Deutsch von F. und L. Lindemann.

  Geb. M. 6.--

  XVII. +Wissenschaft u. Methode.+ Von H. Poincaré. Deutsch von F.
  u. L. Lindemann.

  Geb. M. 5.--

  XVIII. +Probleme der Sozialphilosophie.+ Von R. Michels.

  Geb. M. 4.80

  XIX. +Ethik als Kritik der Weltgeschichte.+ Von A. Görland.

  Geb. M. 7.50

  XX. +Die Grundlagen der Psychologie.+ Von Th. Ziehen. Teil I. Geh. M.
  4.40 geb.

  M. 5.--

  XXI. ---- Teil II. Geh. M. 4.40,

  geb. M. 5.--


In Vorbereitung befinden sich:

+Czuber+, Die philosophischen Grundlagen der
Wahrscheinlichkeitsrechnung. -- +K. Dove+, Die Erde als Wohnsitz
des Menschen. -- +Ph. Frank+, Relativitätstheorie. -- +A. Hettner+,
Probleme der Morphologie des Festlandes. -- +W. Johannsen+,
Vererbungslehre. -- +R. Lehmann+, Grundlagen der Pädagogik. -- +G.
Linck+, Die wichtigsten Probleme der Mineralogie und Petrographie.
-- +O. Schlaginhaufen+, Anthropologie und Rassenkunde. -- +O.
Schlüter+, Methoden der geographischen Forschung. -- +H. v. Seeliger+,
Grundfragen der Astronomie, Mechanik und Physik der Himmelskörper. --
+R. Süring+, Meteorologische Zeit- und Streitfragen. -- +S. Tschulok+,
Deszendenzlehre. -- +Wien+, Vorlesungen über neuere Probleme der
theoretischen Physik. -- +A. Wocikof+, Grundfragen der Klimatologie.


Ausführlicher Prospekt unentgeltlich und postfrei vom Verlag in
Leipzig, Poststr. 3


Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin




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