Home
  By Author [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Title [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Language
all Classics books content using ISYS

Download this book: [ ASCII | HTML | PDF ]

Look for this book on Amazon


We have new books nearly every day.
If you would like a news letter once a week or once a month
fill out this form and we will give you a summary of the books for that week or month by email.

Title: Der heilige Bürokrazius - Eine heitere Legende
Author: Greinz, Rudolf, 1866-1942
Language: German
As this book started as an ASCII text book there are no pictures available.


*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Der heilige Bürokrazius - Eine heitere Legende" ***


[Dieser Text benutzt die UTF-8-Kodierung (unicode). Wenn die
Apostrophe, Anführungszeichen und die Umlaute in diesem Absatz
als seltsame Zeichen dargestellt werden, sollten Sie in Ihrem
Text-Anzeigeprogramm „Zeichensatz“ oder „Datei-Kodierung“ auf Unicode
(UTF-8) einstellen. Eventuell ist es auch nötig, die Standardschrift
zu ändern. Wenn das auch nichts hilft, nehmen Sie stattdessen die
Latin-1 Version dieses Textes.]

       *       *       *       *       *
           *       *       *       *
       *       *       *       *       *

Rudolf Greinz

Der heilige Bürokrazius

  [Abbildung]

L. Staackmann, Verlag, Leipzig



                      Der

              heilige Bürokrazius

                       *

              Eine heitere Legende

                      von

                 Rudolf Greinz

                       *

                     [Bild]

         L. Staackmann Verlag / Leipzig

                      1922



  Alle Rechte, besonders das der
  Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten

  Für Amerika:
  Copyright 1922 by L. Staackmann, Leipzig


  Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig



Inhaltsverzeichnis

                                                               Seite

  Vom Pater Hilarius und seiner weltberühmten Fastenpredigt
    über das Thema: „Warum und wasmaßen der Mensch das
    allergrößte Rindviech ist“                                     7

  Wie der Pater Hilarius dazu kam, die Legende vom heiligen
    Bürokrazius zu schreiben                                      26

  Wie die Heiligen im Himmel dem lieben Gott eine seltsame
    Bitte vortrugen                                               43

  Wie die himmlischen Sendboten den heiligen Bürokrazius
    entdeckten                                                    50

  Wie der heilige Bürokrazius auszog, um die Welt zu
    beglücken                                                     70

  Wie der heilige Bürokrazius den Amtsschimmel fand und sich
    beritten machte                                               84

  Wie der heilige Bürokrazius in dem heiligen Stultissimus
    seinen ersten Jünger warb                                     94

  Wie die beiden Heiligen einen auferbaulichen Disput hatten
    und das respektvolle Ergebenheitstränklein brauten           110

  Wie der heilige Bürokrazius Hühneraugen im Hirn bekam und
    sich einen Zopf wachsen ließ                                 121

  Ein deliziöses Intermezzo von den Tiroler Speckknödeln         138

  Wie der heilige Bürokrazius die Stampiglien erfand             144

  Wie der heilige Bürokrazius seine Jünger belehrte              153

  Bilder-Galleria der Jünger des heiligen Bürokrazius            161

  Von der Titel- und Ordenssucht                                 169

  Wie der heilige Bürokrazius sich erlustierte                   174

  Wie der bitterböse Kare Revoluzzer den guten König zum
    Teufel jagte                                                 179

  Wie besagter Höllenbraten den heiligen Bürokrazius
    erschlagen wollte und von diesem glorreich widerleget
    wurde                                                        186

  Wie der heilige Bürokrazius gen Himmel fuhr und seinen
    himmlischen Einfluß auf den Kare Revoluzzer wirken
    ließ                                                         191

  [Verzierung]



    Vom Pater Hilarius und seiner weltberühmten
    Fastenpredigt über das Thema: „Warum und wasmaßen
    der Mensch das allergrößte Rindviech ist“.


Großgünstiger Leser und hochgeneigte Leserin dieses ebenso frommen als
ungemein ersprießlichen Büchleins, ihr habt hoffentlich schon von dem
hochwürdigen Pater Hilarius gehört. Ja, ihr müßt sogar sicher davon
gehört haben, weil ihr euch ansonsten selber eines ungeheuern,
bedauerlichen und schier unbegreiflichen Bildungsmangels schuldig macht.

Oder solltet ihr wirklich noch nichts von dem hochwürdigen Pater
Hilarius gehört haben? Das stellet euch gar kein gutes Zeugnis aus.
Ihr seid offenbar zu sehr verstrickt in den faulen Zauber aller
Weltlichkeit, als daß euch der Pater Hilarius schon begegnet wäre. Also
will ich mich in christlicher Erbarmung über euren unverantwortlichen
Bildungsmangel hinwegsetzen und euch vom Pater Hilarius erzählen.

Der Pater Hilarius war natürlich ein Tiroler, wie überhaupt alle
gescheuten Menschen Tiroler sind. Von seinem Geiste werdet ihr noch ganz
erklecklich genug zu spüren und zu schmecken bekommen. Demnach können
wir uns vorerst mehr mit seiner hochwürdigen Leiblichkeit befassen.

Um euch ein allgemeines Bild von dem berühmten Pater zu geben, möchte
ich euch zu Gemüte führen, daß er von außen rund und von innen naß war.
Die äußere Rundlichkeit stammte von genügender und mit gebührender
Andacht aufgenommener Atzung. Die innere Nässe oder Feuchtigkeit leitete
ihren Ursprung von geistigen Flüssigkeiten her, die der hochwürdige
Pater mit einer womöglich noch größeren und tieferen Andacht seinem
sterblichen Leichnam einverleibte. Darunter spielte der Wein eine
hervorragende Rolle. Glaubet aber deswegen ja nicht, daß der hochwürdige
Pater Hilarius ein Fresser und Schlemmer und ein gottloser Säufer war.
Wie ich euch bereits gesagt habe, geschah alles mit der gebührenden
Andacht.

Der hochwürdige Pater Hilarius betrachtete Essen und Trinken als ein
Gott wohlgefälliges Fest, das man nicht hoch genug feiern konnte. Er
huldigte dem erhabenen Grundsatze, daß Essen und Trinken Leib und Seele
zusammenhalte. Und diesem notwendigen Zusammenhalt brachte er so manches
Opfer. Es ist auch jedermann, der auf einen guten Bissen und einen guten
Trunk nichts hält, ein langweiliges Individuum, dessen Erschaffung sich
der liebe Herrgott hätte ersparen können.

Ich habe weiter oben die Behauptung aufgestellt, daß überhaupt alle
gescheuten Menschen Tiroler sind. Obwohl diese Behauptung aus dem
Spruchschatze des Pater Hilarius stammet und dahero eigentlich keiner
weiteren Begründung bedürfte, will ich euch den Beweis dafür doch nicht
schuldig bleiben.

Bekanntlich meldet die Volkssage, daß die Tiroler erst mit vierzig
Jahren gescheut werden. Nachdem aber, wie aus dem Nachfolgenden nur zu
deutlich hervorgehen wird, die ganze Menschheit nichts anderes ist, als
ein großer Stall von Rindviechern, haben die Tiroler wenigstens noch
eine Möglichkeit und einen festgesetzten Termin zum Gescheutwerden,
während eine solche Möglichkeit oder ein derartiger Termin für die
übrigen Menschen außerhalb Tirols nicht bekannt ist.

Ein anderes wichtiges Momentum, das gleichfalls den Forschungen des
hochwürdigen Pater Hilarius entstammet, soll hier zum erstenmal einer
breiteren Öffentlichkeit übergeben werden. Nämlich, daß die Gescheutheit
der Tiroler ihren Urgrund in den Speckknödeln hat.

Die Speckknödel sind die Nationalspeise und das Lieblingsgericht aller
Tiroler. Durch einen ganz eigentümlichen chemischen Prozeß, über den
sich der hochwürdige Pater Hilarius sehr eingehend verbreitet, haben die
Speckknödel die merkwürdige und nicht genug zu schätzende Eigenschaft,
daß sie zu einem großen Teile unmittelbar als Phosphor ins Gehirn gehen.

Diese Ansammlung von Phosphor erreichet genau beim vollendeten
vierzigsten Lebensjahre eines jeden Tirolers einen derartigen Höhepunkt,
daß die Gescheutheit mit der Sicherheit eines physikalischen
Experimentes von selbst in Erscheinung tritt.

Die diesbezüglichen grundlegenden Forschungen des hochwürdigen Pater
Hilarius erlaube ich mir ganz bewußt zu unterschlagen. Sonst wollte
eines Tages die ganze Welt Speckknödel fressen, um auch so gescheut zu
werden wie wir Tiroler. Das ginge uns just noch ab. Wir haben ohnedies
immer zu wenig Speck, namentlich in den gegenwärtigen teuren Zeiten.

Weil nun die Tiroler Speckknödel die angebetete Leibspeise des
hochwürdigen Pater Hilarius waren und er sie auch fleißig mit Wein
begoß, um den chemischen Prozeß der Phosphoreszierung möglichst zu
beschleunigen, hat er es zu einem ganz besonders hohen Grade der
Gescheutheit gebracht, der ihn befähigte, seine weltberühmte
Fastenpredigt über das auferbauliche Thema zu halten: „Warum und
wasmaßen der Mensch das allergrößte Rindviech ist“.

Wenn ihr von dieser Fastenpredigt auch noch nichts gehört haben solltet,
so kann ich es mir nur dadurch erklären, daß die außerhalb Tirols
lebende Menschheit, die sich von den Ausführungen besagter Predigt ganz
besonders betroffen fühlen muß, alles getan hat, um die geistigen
Produkte des hochwürdigen Pater Hilarius heimtückisch zu unterdrücken.

Ihr müßt nämlich wissen, daß die mehrfach erwähnte Fastenpredigt des
hochwürdigen Paters etwa nicht seine einzige Fastenpredigt war, sondern
daß er noch zahlreiche andere Fastenpredigten hielt. Dieselben zur Gänze
oder in einer Auswahl einem löblichen Publico durch die Druckerschwärze
vor Augen zu führen, behält sich der Herausgeber dieses
Erbauungsbüchleins für einen späteren geeigneten Zeitpunkt vor.

Großgünstiger Leser und hochgeneigte Leserin, seid also in Demut darauf
gefaßt, eines schönen Tages auch die anderen berühmten Fastenpredigten
des Pater Hilarius versetzt oder vielmehr um eure _pleno titulo_
Ohrwascheln gehaut zu bekommen.

Für heute wollen wir uns mit seiner berühmtesten Fastenpredigt begnügen,
da selbige sozusagen den festen Grundstock bildete, auf dem der
hochwürdige Pater die Legende vom heiligen Bürokrazius aufbaute.

An einem Samstag der Fastenzeit hatte sich der hochwürdige Pater
Hilarius, um sich für die geistigen Strapazen des darauffolgenden
Sonntags zu stärken, sieben Tiroler Speckknödel von der beruhigenden
Dimension mittlerer Kegelkugeln einverleibet. Danach verzehrte er noch
einen Schöpsenbraten mit beigelegten Erdäpfeln, Häuptelsalat und
gedörrtem Zwetschgenkompott, auch eine Leibspeise von ihm, und setzte,
weil aller guten Dinge drei sind, noch ein drittes Leibgericht als
Krönung darauf. Das waren gebackene Brandstrauben. Dazu trank er
anderthalb Maß Kalterer Seewein. Alles in offensichtlicher Andacht,
gebührender Dankbarkeit für die wundersamen Gottesgaben und in
himmlischer Ergebenheit.

Als er die letzte Straube mit dem letzten Tropfen Kalterer begossen
hatte, faltete er die Hände über seinem sehr ansehnlichen Bäuchlein und
sprach: „Jetzt wohl! Gegessen wär’s und getrunken wär’s auch. Wenn’s nur
gepredigt auch schon wär’!“

Dieser fromme Wunsch steigerte sich aber alsobald zu dem mannhaften
Entschluß: „Na, wartet, euch will ich morgen ordentlich einheizen! Euch
will ich sieden und braten, daß euch Hören und Sehen vergeht! Ihr
Malefiz-Sünden- und Teufelsbrateln übereinander!“

Sprach’s, überlegte sich seine Predigt und ging zur Ruhe.

Da die Phosphorentwicklung schon in der darauffolgenden Nacht eine ganz
gewaltige und mitunter sogar laut hörbare war, erwachte der hochwürdige
Pater Hilarius am nächsten Morgen mit einem solchem Gefühle geistiger
Stärkung, daß er sich befähigt erachtete, sämtliche Kirchenväter und
Theologen zu einem geistlichen Turnier in die Schranken zu fordern.

Also bestieg er mit dem geistigen Destillat der sieben Tiroler
Speckknödel und aller sonstigen dankenswerten Zutaten die Kanzel und
hielt seine berühmte Fastenpredigt, die ich im Nachfolgenden zur
Erbauung von männiglich im Wortlaute wiedergebe ...

Meine vielgeliebten andächtigen Zuhörer! Alle Dinge müssen einen Anfang
haben. Dahero auch eine Fastenpredigt. Nun will ich aber für meine
heutige Predigt den allerersten Anfang wählen, das ist die Erschaffung
des Menschen.

Wenn wir dieser Erschaffung auf den Grund gehen, so ist dieselbe
eigentlich für den Menschen gar nicht sonderlich schmeichelhaft. Nur die
menschliche Eitelkeit hat es sich mit der Zeit eingebildet, daß der
Mensch ein auserwähltes Geschöpf sei.

Lasset daher alle Eitelkeit und allen Stolz fahren, meine vielgeliebten
andächtigen Zuhörer, und bemühet euch mit mir, eurem aufrichtigen
Freunde, den Tatsachen eurer Erschaffung nachzuforschen.

Wie ihr alle wissen werdet, hat der liebe Gottvater zuerst Himmel und
Erde erschaffen, Land und Meer, die Pflanzen und Bäume und alles Getier,
das da kreucht und fleucht. Und erst, als alles da war, vom größten
Elefanten bis zum kleinsten Floh, da hat der Herrgott den Menschen
erschaffen.

Aus was hat er ihn erschaffen? Aus Erde. Jawohl, aus Erde. Das schaut
sich ganz schön an, wenn man nicht weiter nachdenkt.

Kann sich nun einer von euch, meine vielgeliebten andächtigen Zuhörer,
ernstlich vorstellen, daß man aus trockener Erde eine Figur knetet? Denn
eure auferbauliche Figur, wie ihr da seid mit Kröpf’ und mit Tadel, hat
doch der Herrgott aus Erde zusammengeknetet und nachher angeblasen, daß
ihr eure Haxen habt rühren können.

Sintemalen nun aus trockener Erde auch der Herrgott keine Figur kneten
kann, weil alles in Staub zerfallen tät, so muß das Handwerkszeug des
lieben Herrgott aus feuchter oder nasser Erde bestanden haben.

Und wißt ihr, wie man nasse Erde heißt oder was nasse Erde ist? Scheut
euch das kurze einsilbige Wort nicht auszusprechen; denn es handelt sich
um eine sehr natürliche und alltägliche Sache, der ihr auf Schritt und
Tritt begegnet.

Aus einem Patzen Dreck hat euch der Herrgott gemacht, aus ganz
gewöhnlichem Dreck. Vom Dreck stammt ihr, Dreck seid ihr und Dreck
bleibt ihr.

Dahero, meine vielgeliebten andächtigen Zuhörer, könnt ihr euch auf eure
dreckige Herkunft nichts Besonderes einbilden. Habt ihr vielleicht
jemals vernommen, daß der Herrgott auch nur eines der vielen Viecher aus
Dreck hat erschaffen müssen? Die hat er einfach so erschaffen. Da hat er
dieses schmutzige Material nicht dazu gebraucht. Nicht einmal um die Sau
zu erschaffen, hat er so unappetitlich herumhantieren müssen, wie bei
eurer Erschaffung.

Darum bildet euch ja nicht ein, daß ihr die Krone der Schöpfung seid.
Ihr seid höchstens das Zipfel von dem ganzen knietiefen urweltlichen
Dreck, der damals, weil es keine Straßenreinigung gab, auf der Erde
jedenfalls noch reichlicher vorhanden war, als heutzutage.

Ihr habt dahero gar keine Ursache, meine vielgeliebten andächtigen
Zuhörer, auf die lieben Viecher von oben herabzusehen und sie für
minderwertig oder gar für dumm zu halten. Ich sage euch als euer
aufrichtiger Freund und geistlicher Berater: Kein Viech ist so
minderwertig, als es ein Mensch sein kann, und kein Viech ist so
strohdumm, als ihr es in der Regel seid.

Das schreibet sich eben daher, weil es auf der ganzen Erde kein einziges
Viech gibt, das aus so minderwertigem Material zusammengeknetet worden
wäre wie ihr, meine vielgeliebten andächtigen Zuhörer.

Nun will ich euch aber eure grenzenlose Dummheit, welche die Dummheit
des allerdümmsten Urviechs noch weit übertrumpft, gebührend zu Gemüte
führen.

Könnt ihr vielleicht einen Affen in allen Urwäldern und Menagerien der
Erde finden, der ein solcher Aff’ ist wie der Mensch ein Aff’ ist? Es
wird so manches zu entdecken sein, was selbst der ärgste Aff’ nicht
nachmacht. Aber es gibt überhaupt nichts, was der Mensch nicht
nachmacht. Je blöder etwas ist, desto begeisterter wird es nachgemacht.
Der Mensch glaubt alles, was ein Aff’ niemals glauben würde. Der Mensch
trottet hinter allem drein, wo ein Aff’ sich schon längst über alle
Bäum’ davongemacht hätte.

Aber kann man auch einen größeren Esel finden als den Menschen? Kein
Esel würde, ohne mit allen Vieren auszuschlagen und energisch den Dienst
zu verweigern, die Lasten tragen, die der Mensch schon getragen hat und
noch immer trägt. Ich will euch gar nicht an bestimmte Lasten erinnern,
um euch in eurer Andacht nicht zu stören. Ihr werdet mir es jedoch
zugeben, daß die Eselssäck’, die ihr geduldig und stumpfsinnig tragt,
kein einziger anderer Esel tragen würde. In diesem Zusammenhang muß ich
auch noch erwähnen, daß sich kein noch so geduldiges Schaf seit Anbeginn
der Welt derart scheren hat lassen, wie ihr euch täglich scheren lasset.

Vom Kamel will ich gar nicht weiter reden. Denn ich sehe verschiedene
Schiffe der Wüste unter euch, denen ich nicht auf die Zehen treten
möchte.

Aber wenden wir uns zu demjenigen Tiere, das uns die wichtigste und
wertvollste Zutat zu den Speckknödeln liefert. Wenden wir uns zu dem
Schwein. Wer unter uns liebt dieses Tier nicht? Kann jetzt vielleicht
einer unter euch, meine vielgeliebten andächtigen Zuhörer, behaupten,
daß das Schwein in Menschengestalt ein ähnliches Ansehen genießet und
ein ähnliches Maß von Liebe erntet?

Dasjenige Schwein unter euch, so Dergestaltes von sich sagen kann, möge
sich erheben! Niemand rühret sich. Glaubt ihr dahero, daß die ärgste
Drecksau mit einem menschlichen Schwein verglichen werden kann? Oder
kennt ihr einen derartigen Saustall auf Erden, wie ihr Menschen ihn
habt?

Der Besitzer eines solchen Saustalles möge sich melden! Niemand meldet
sich. Also haben wir den größten Saustall und brauchen dahero das
Schwein gar nicht despektierlich zu betrachten; denn von ihm kommen in
erster Linie die Speckknödel, in weiterer Folge Schinken, Würste,
Schweinsbrateln und andere gute und Gott wohlgefällige Dinge. Könnt ihr
dagegen ein einziges Gott wohlgefälliges Ding namhaft machen, das aus
eurem Saustall jemals die Welt beglücket hätte?

Nunmehro halte ich es aber, um euren Geist nicht allzusehr in Verwirrung
zu bringen, für notwendig, euch, meine vielgeliebten andächtigen
Zuhörer, in eine ganz bestimmte Viechgattung endgültig einzureihen.

Ich kann euch die Wahl dieser Gattung leider nicht selbst überlassen, da
ihr euch bei eurer bekannten Streitsucht und Uneinigkeit schwerlich auf
ein bestimmtes Viech einigen würdet, jeder den anderen ein besonderes
Viech schelten würde und ihr euch dahero gegenseitig nur beleidigen und
kränken und doch zu keinem gedeihlichen Resultate gelangen würdet. Ihr
müßt es deshalb schon mir, eurem aufrichtigen Freund und geistlichen
Berater, überlassen, euch in Gottes großem Viehstall den richtigen Platz
anzuweisen.

Ich will euch unter die Rindviecher einteilen. Ihr könnt euch dadurch
unmöglich beleidigt fühlen. Denn wieviel Gutes kommt vom lieben
Rindviech. Milch und Butter und Kas, Fleisch und Fett, Lauskampel und
Schuhleder.

Ihr werdet gewiß nicht behaupten können, daß man aus euch Lauskampel und
Stiefel machen kann. Von Milch, Butter und Kas will ich gar nicht reden.
Ihr sehet also, daß ich euch alle Ehre antue.

Ja, ihr sollt sogar den höchsten Rang unter dem lieben Rindviech
einnehmen, meine vielgeliebten andächtigen Zuhörer. Denn ich will euch
im Handumdrehen beweisen, warum und wasmaßen der Mensch das allergrößte
Rindviech ist.

Merket wohl auf! Habt ihr jemals gehört, daß sich tausend Rindviecher
von einem einzigen Rindviech regieren, tyrannisieren und kujonieren
lassen? Oder habt ihr gehört, daß sich hundert Rindviecher von einem
einzigen Rindviech regieren lassen? Ja, ich will noch bescheidener
werden. Habt ihr vielleicht gehört, daß sich auch nur zehn Rindviecher
von einem Rindviech regieren lassen? Nein, das habt ihr niemals gehört.

Hat es euch aber jemals in Erstaunen versetzt, daß sich nicht nur zehn,
hundert und tausend, sondern hunderttausende und Millionen Menschen von
einem einzigen Rindviech regieren lassen? Das hat euch nicht im
geringsten in Erstaunen versetzt; ihr habt es sogar für ganz
selbstverständlich gefunden.

Ist also der Mensch das allergrößte Rindviech oder nicht? Jawohl,
der Mensch ist das allergrößte Rindviech.

Also, meine vielgeliebten andächtigen Rindviecher, das war es ja, was
ich euch beweisen wollte. Bleibet daher weiter so, wie ihr immer gewesen
seid. Suchet euch weiter geflissentlich die größten Ochsen aus, zu denen
ihr mit Vertrauen und Ehrfurcht aufblicket; denn ein Rindviech ist des
anderen würdig. Zu helfen ist euch ja doch nicht, weil ihr eben
Rindviecher seid. Amen.

  [Verzierung]



    Wie Pater Hilarius dazukam, die Legende vom heiligen
    Bürokrazius zu schreiben.


Die denkwürdige Fastenpredigt brachte dem hochwürdigen Pater Hilarius
sehr große Ehren ein. Zu den sonderbarsten Folgen gehörte es aber
entschieden, daß der hochwürdige Pater zum Ehrenmitglied ungezählter
Tierschutzvereine ernannt wurde, was er mit gebührender Dankbarkeit
entgegennahm. Er konnte mit den unterschiedlichen mehr oder weniger
künstlerisch ausgeführten Diplomen nicht nur die Wände seiner Zelle,
sondern auch sämtliche Gänge des Klosters und das Refektorium schmücken.

Die angenehmsten Folgen zeitigte die Fastenpredigt jedoch für das
Kloster selbst. Die Zuhörer waren von der Erkenntnis ihrer mehr als
viechischen Dummheit derart erschüttert, daß sie das Kloster mit
Geschenken überhäuften.

Vom frühen Morgen bis zum späten Abend ging die Glocke des Pförtners.
Da schwankten auf Rückentragen ganze Panzelen Wein herein. Da gab es
Nahrungsmittel in Hülle und Fülle, Säcke mit Mehl und Erdäpfeln und auch
feinere fleischliche Genüsse.

Am meisten zeichnete sich aber die holde Weiblichkeit in Spenden aus.
Denn sie hatte vielfach den Stiel umgedreht und die Ausführungen der
Fastenpredigt nur auf den männlichen Teil der Zuhörerschaft bezogen.
Und es war den Weiblein ein besonderer Ohrenschmaus, ihre Eheherren noch
über das liebe Rindvieh gestellt zu sehen.

So hatschten denn junge und alte Kittelträgerinnen daher mit Körben voll
von Eiern und Butter und Schmalz, mit Geflügel aller Art, Hühnern und
Enten und Gänsen, mit ganzen Speckseiten und Geräuchertem, mit Schinken
und Würsten, mit köstlichem Backwerk, vom mürben Kipfel bis zum
bauchigen Gugelhupf und kreisrunden Torten, etwelchen schier so groß wie
Mühlensteine. Es waren auch genug unter der Weiblichkeit, die ihre
zärtliche Hingabe mit riesigen Bischkotenherzen bekundeten.

Es verstehet sich von selbst, daß diese erfreulichen Zutaten zum
irdischen Wohlergehen das Ansehen des hochwürdigen Pater Hilarius unter
seinen geistlichen Mitbrüdern wesentlich steigerten. Denn wer es
imstande war, bloß durch des Wortes Gewalt den Inhalt der Ställe und
Felder durch die fromme Klosterpforte zu leiten wie einen nimmer
versiegenden Strom, der mußte wohl vom Himmel ganz hervorragend begnadet
sein.

Diese Anerkennung sprach auch der hochwürdige Herr Prior seinem
verdienstvollen Mitbruder begeistert aus. Er meinte zwar, der Pater
Hilarius sei ein grober Knochen, aber nichtsdestoweniger habe er den
richtigen Ton getroffen, der zu den Herzen der Menschen gehe und alle
edeln und nützlichen Instinkte des menschlichen Rindviehs in geradezu
staunenswerter Weise auslöse.

Dieweilen der hochwürdige Herr Prior in geistlichen Schriften sehr
belesen war, machte er den Pater Hilarius auf einen Ausspruch seines
berühmten Vorfahren, des Paters Abraham a Santa Clara aufmerksam. Es
geschah dies im ursächlichen Zusammenhange mit der Wirkung von des Pater
Hilarii Fastenpredigt auf das zarte weibliche Geschlecht.

Der hochwürdige Herr Prior meinte, daß der Pater Abraham im vorliegenden
Falle nicht recht behalten habe. Denn er habe einmal gesagt: „Die Weiber
seynd sonst genaturt wie das Kraut, mit dem Namen Basilicum: wann man
dieses gemach und sanft streichet, so gibt es einen überaus lieblichen
Geruch von sich; da man es aber stark reibet, stinkt es gar wild.“

Der Pater Hilarius habe jedoch seine andächtigen Zuhörer und darunter
auch die Weiblein nicht nur stark gerieben, sondern gebürstet und
gestriegelt nach allen Regeln. Und trotzdem hätten darnach gerade die
Weiblein lieblich geduftet nach Speck und Schinken, nach Gugelhupf,
Faschingskrapfen und Mandelbögen, nach Punschtorten und
Bischkotenherzen. Da wies jedoch der hochwürdige Pater Hilarius seinen
geistlichen Vorgesetzten auf den Weg der Erklärung, den ich mit euch,
großgünstiger Leser und hochgeneigte Leserin, bereits ein Stück weiter
oben gegangen bin.

Der Prior mußte dem Pater Hilarius recht geben. Er nannte ihn einen
großen Menschenkenner und vornehmlich auch einen großen Kenner der
holden Weiblichkeit, deren Schlichen man nicht auf den Grund sehen kann
und bediente man sich hiezu auch eines klafterlangen Perspektives.

Dabei ermahnte der Prior seinen geistlichen Mitbruder, er möge sich die
Dummheit der Menschen zu seinem ganz eigentlichen Studium erwählen,
ihr recht nachforschen, hauptsächlich auch ihre Ursachen und tiefsten
Fundamente zu ergründen trachten. Denn besagtes Studium könne für das
ganze Kloster nur ungemein gedeihlich sein. Das habe schon der Anbeginn
der Tätigkeit des Pater Hilarius zur Genüge bewiesen.

Der Pater Hilarius versprach es seinem geistlichen Oberen, er wolle mit
allem gebührenden Fleiß dem menschlichen Viehstall auch weiter seine
vollste Aufmerksamkeit widmen. Zog sich in seine Zelle zurück und war
Tage und Wochen nicht zu sehen.

Auf Geheiß des Priors und wohl auch aus eigenem Antriebe versorgten ihn
seine geistlichen Mitbrüder fleißig mit aller erdenklichen Atzung und
mit Wein, damit er in seinem anstrengenden Studium über die Dummheit der
Menschen auch der leiblichen Stärkung nicht ermangele.

Es ging jedoch der Pater Hilarius bei seinen schwierigen Forschungen
völlig logisch zu Werke. Er dachte sich: Jedes Ding auf Erden muß seinen
Schutzheiligen haben. Also auch die menschliche Dummheit. Wenn es
gelingt, ihren Heiligen zu finden, dann hat die Sache ihre himmlische
Erklärung und kann dadurch leichter begriffen werden.

So durchforschte der Pater Hilarius das Leben sämtlicher Heiligen, deren
er habhaft werden konnte. Keiner war aber so geartet, daß er für die
menschliche Dummheit hätte verantwortlich gemacht werden können. Der
hochwürdige Pater studierte die Legenden von vorne und von hinten und
konnte trotzdem zu keinem Resultate gelangen.

Endlich unternahm er es, alle Heiligen alphabetisch zu ordnen, damit ihm
ja keiner zu entrinnen vermochte. Als auch dieses nichts nützte, ordnete
er sie zuerst nach ihren Anfangssilben und dann nach ihren Endsilben.

Dabei kam er auch auf die Heiligen mit der Endsilbe „azius“, auf die
heiligen Ignazius, Bonifazius, Servazius, Pankrazius und andere Aziusse.

Ich muß hier meine gelehrte Darstellung etwas unterbrechen und zur Ehre
der Tiroler Speckknödel einfügen, daß just an dem herrlichen Tage, an
dem der Pater Hilarius die Heiligen auf „azius“ in Reih und Glied
aufmarschieren ließ, der Pater Küchenmeister geradezu phänomenale
Speckknödel hergestellt hatte, von denen ein halbes Dutzend mit einer
Schüssel dampfenden Sauerkrautes dem Pater Hilarius auf seine Zelle
gebracht wurden.

Diese Knödel schmeckten dem hochwürdigen Pater so fürtrefflich, daß er
den zweiten Gang, der in resch gebackenem Kälbernem bestand, freundlich
zurückwies und dafür eine zweite Auflage Knödel verlangte.

Seinem Wunsche wurde natürlich sofort mit gebührender Ehrfurcht
entsprochen. Denn es war dem gesamten Kloster alsobald klar geworden,
daß sein berühmtes Mitglied heute besonders vom Geiste der Forschung
erfüllet und dahero desjenigen Nahrungsmittels in stärkerem Maße
bedürftig sei, welches bekanntlich zur unmittelbaren Anregung der
Gehirnfunktionen führet.

Um dieser Vergeistigung allen möglichen Vorschub zu leisten, ließ der
Pater Kellermeister seinem hochwürdigen Amtsbruder gleichzeitig einen
ungeheuern Krug, der niemals geaicht worden war, auf seine Zelle
bringen. Ihn sollte ein sagenhafter Pater des Klosters vor vier oder
fünf Jahrhunderten in drei Zügen geleeret haben und sollte darauf eines
seligen Todes verblichen sein.

Sotaner Krug wurde nur bei ganz besonders festlichen Gelegenheiten zu
einem feierlichen Rundtrunke hervorgeholet. Den Krug hatte der Pater
Kellermeister mit dem besten und ältesten Wein des Klosters gefüllet,
von dem man behauptete, daß um Mitternacht eine schwarze Katze auf dem
Fasse hocke.

Das alles sei auch deshalb erwähnet, um die Verdienste der Patres
Küchenmeister und Kellermeister an den nachfolgenden weltbewegenden
Entdeckungen des hochwürdigen Pater Hilarius in das richtige Licht zu
stellen.

Nachdem nun der hochwürdige Pater Hilarius der zweiten Knödelfuhr den
Garaus gemacht hatte und auch schon ziemlich tief auf den Grund des
legendären Kruges untergetaucht war, nahm er nochmals die Liste der
heiligen Aziusse vor. Er ging sie lange durch, und er ging sie gründlich
durch, in seinem Verstande und Gemüte wohl erwägend, ob er nicht
irgendeinen heiligen Namensträger auf „azius“ vergessen hätte.

Da machte er plötzlich in seiner Zelle einen Luftsprung, lüpfte den
durch Alter und Überlieferung geweihten Krug an seine Lippen, nahm einen
doppelt kräftigen Kuhschluck daraus, setzte ihn wieder auf den Tisch und
brach in die begeisterten Worte aus: „Jetzt aber hab’ ich dich beim
Krawattel, du heimtückisch verschlossener heiliger Azius! Ignazius,
Servazius, Bonifazius und Pankrazius! Eure Liste soll voll werden!
O heiliger Sankt Bürokrazius! Jetzt hab’ ich dich erwischt! Und du
sollst mir nicht mehr auskommen!“

Reifliches weiteres Nachdenken brachte den Pater Hilarius zu der
Überzeugung, daß er in dem heiligen Bürokrazius tatsächlich den
richtigen Schutzheiligen der menschlichen Dummheit gefunden hatte. Nicht
nur den Schutzheiligen der menschlichen Dummheit, sondern auch
denjenigen Heiligen, dessen Existenz sich überhaupt nur durch die
menschliche Dummheit erklären ließ, der aus der menschlichen Dummheit
gezeugt und geboren wurde.

Dem Pater Hilarius wurde es bei der fortschreitenden Verdauung der
Speckknödel, deren Zahl diesmal nichts zur Sache tut, und bei der
endgültigen Ergründung des heiligmäßigen Kruges immer mehr sonnenklar,
daß der heilige Sankt Bürokrazius der mächtigste und einflußreichste
Heilige auf Erden war.

Welcher andere Heilige hatte sonst eine derartige Allmacht gewonnen? Vor
welchem anderen Heiligen lag sonst alles derart auf den Knien, ja kroch
vor ihm auf dem Bauche? Eines solchen durchschlagenden Erfolges konnte
sich kein einziger anderer Heiliger rühmen. Kein Heiliger hatte so viele
Jünger wie der heilige Bürokrazius. Kein Orden zählte so viele Anhänger
und war mit seinen unermeßlichen Tausenden von Mitgliedern so sehr
verbreitet als wie gerade der Orden des heiligen Bürokrazius.

Bei weiterer Nachforschung entdeckte der hochwürdige Pater Hilarius in
seinem neu gefundenen Heiligen, dem Sankt Bürokrazius, sogar göttliche
Eigenschaften. Zwar vermochte er in ihm weder die Allwissenheit noch die
Allgütigkeit und Allbarmherzigkeit zu finden, wohl aber bis zu einem
gewissen Grade die Allmächtigkeit. Eine göttliche Eigenschaft fand er
jedoch in dem heiligen Bürokrazius vollkommen verkörpert. Das war die
Allgegenwart.

Bei diesem Studium der Allgegenwart des heiligen Bürokrazius mußte sich
der hochwürdige Pater, indem er sich die nachfolgenden Fragen vorlegte,
selbst eingestehen und bekennen: Machst du eine Türe auf, wer stehet
draußen? Der heilige Bürokrazius. Machst du ein Fenster auf, wer glotzet
herein? Der heilige Bürokrazius. Sperrst du einen Kasten oder eine Truhe
auf, wer hocket drinnen? Der heilige Bürokrazius. Greifst du in den
Hosensack, wen ziehest du beim Ohrwaschel herfür? Den heiligen
Bürokrazius. Wer recket überall, aus den verstecktesten Winkeln und
heimlichsten Örtlein seinen Kragen heraus? Der heilige Bürokrazius.

Derohalb bestand für den Pater Hilarius an der Allgegenwart dieses
größten und mächtigsten Heiligen, des Schutzheiligen der menschlichen
Dummheit, nicht der geringste Zweifel mehr.

Um so gewaltiger überraschte es jedoch den hochwürdigen Pater, daß er
keine Legende des heiligen Bürokrazius finden konnte. Die Menschheit
hatte also entweder in ihrer Dummheit oder in ihrer unverantwortlichen
Undankbarkeit das Erdenleben desjenigen Heiligen totgeschwiegen, in dem
sie lebte und webte, in dem sie aufging, der ihre geheimsten
Verrichtungen überwachte, kontrollierte und registrierte.

Das fand der Pater Hilarius für unerhört. Er entschloß sich daher, die
Legende des heiligen Bürokrazius zu schreiben, um der Menschheit einen
Lebensspiegel desjenigen Schutzheiligen zu verehren, zu dem sie in
Ehrfurcht aufblickte, vor dem sie in ihrer grenzenlosen Dummheit bebte
und zitterte, gleich einem Espenlaub und gleich dem schlotternden
Schweiflein eines blutjungen Lämmleins.

Da der hochwürdige Pater Hilarius aber nach dem Gutdünken seines eigenen
Priors ein grober Knochen war, fand er noch einen dritten Vergleich für
das Beben der menschlichen Dummheit vor dem heiligen Bürokrazius. Und er
sagte zu sich selbst: Vor diesem saudummen Heiligen zittert das noch
dümmere Rindviechgeschlecht der Menschen genau so wie eine schweinerne
Sulz auf dem Teller.

Nachdem der Pater Hilarius diesen endgültigen Vergleich gefunden hatte,
teilte er dem Prior seinen Entschluß mit, daß er die Legende des
heiligen Bürokrazius schreiben und damit eine ebenso große wie
unbegreifliche Lücke in der Geschichte der himmlischen Herrschaften
ausfüllen wolle. Der hochwürdige Herr Prior gab seinem verehrten
geistlichen Mitbruder unbeschränkten Urlaub für diese hochwichtige
Arbeit.

Wie der Pater Hilarius seine Aufgabe gelöset hat, das mag das
Nachfolgende beweisen. Es war die Arbeit eines Riesen. Denn es galt aus
längst verschütteten Quellen, aus dem Staub der Archive und
Bibliotheken, aus unzähligen Akten und Faszikeln, Schmökern und
Traktätlein, aus dem Moder der Vergangenheit die Geschichte des
mächtigsten Schutzheiligen der menschlichen Dummheit herauszugraben. Und
nicht zuletzt blieb es dem Ingenium des hochwürdigen Paters vorbehalten,
alle die vielen klaffenden Lücken auszufüllen, die sich in den oft
widersprechenden Überlieferungen ergaben.

Daß daraus trotzdem ein gerundetes Bild wurde, danken wir neben den
ungeheuren geistigen Eigenschaften des Pater Hilarius natürlich auch den
Tiroler Speckknödeln, die er sich auf seinen ausgedehnten
Forschungsreisen nebst einem guten Tropfen stets zu verschaffen wußte.

Dadurch ist ein Werk entstanden, daß an Großzügigkeit seines Gleichen
suchet, dabei aber an Subtilität der Kleinarbeit nur mit jenem
Kunststück des Mirmecides verglichen werden kann, der aus Elfenbein
einen Wagen samt Pferd und Kutscher also klein und künstlich geschnitten
hat, daß man alles unter dem Flügel einer kleinen Fliege hat verbergen
können.

Einer Statue aus Erz oder Marmor und gleichzeitig der winzigsten
Filigranarbeit aus Elfenbein muß die Arbeit des Pater Hilarius
verglichen werden. Was aber aus jedem Zug derselben hervorleuchtet, das
ist die glühende Liebe und Verehrung für seinen Heiligen, welchen er
einer andächtigen Menschheit zum ersten Male dargestellet hat. Lassen
wir nunmehro dem hochwürdigen Pater Hilario anselbsten das Wort.

  [Verzierung]



    Wie die Heiligen im Himmel dem lieben Gott eine
    seltsame Bitte vortrugen.


Die Legende vom heiligen Bürokrazius beginnet im Himmel, was auch nicht
mehr als recht und billig ist. Denn welches Lokal wäre geeigneter, den
Ursprung der folgenden Begebenheiten darzustellen, als gerade der
Himmel. Wir sind ja so übersättiget von dem irdischen Theater mit all
seinem Jammer, daß die geneigten Leser gewiß zur Erholung gerne einmal
einen himmlischen Spaziergang machen.

Es hatte schon seit geraumer Zeit unter den Heiligen des Himmels ein
gewisser Unmut und eine arge Verdrießlichkeit Platz gegriffen. Der
himmlische Humor drohte gewaltig in die Brüche zu gehen.

Das kam daher, weil die Heiligen viel zu gescheit waren. Und da sie alle
gleich gescheit waren, konnte keiner gescheiter sein als der andere.

Dergestaltes Gleichmaß verdrießet aber mit der Zeit nicht nur die
Menschen, sondern auch die sanftesten und frommsten Heiligen.

Auch die leuchtendsten Eigenschaften können nur dann zur Geltung kommen,
wenn sie sich vom Hintergrund des Gegensatzes abheben, da sie ansonsten
in all ihrer Pracht keine Beachtung mehr finden. Was würde die Sonne
sein, wenn ihr nicht die Nacht folgte, und was alles Blühen und Wachsen
auf Erden, wenn uns nicht die Fröste des Winters mit der zehrenden
Sehnsucht nach den lauen und milden Lüftelein des Frühlings erfüllen
würden.

So war auch die Seligkeit der Heiligen im Himmel keine vollkommene; denn
dieser Prophet war gleich gescheit wie jener Kirchenvater, und dieser
ehrwürdige Patriarch konnte jenem heiligen Theologen jederzeit das
Wasser reichen. Und jene Einsiedler der Wüste hatten schon während ihres
Erdenwallens in ihrer Weltabgeschlossenheit so viel überflüssige Zeit
gehabt, um über alle großen Probleme nachzudenken, daß sie mit dem
Vorrat ihrer Gescheitheit für alle Ewigkeiten auslangten.

So bedeutete keiner für den anderen etwas Neues und noch nicht
Dagewesenes. Und wenn einer zu der abgrundtiefsten Weisheit den Mund
auftat, so konnte er sicher sein, daß sie der andere schon wußte. Es
gibt aber nichts Ärgerlicheres, als wenn man nie einen Hauptsatz sagen
kann, ohne daß der andere sofort den Nebensatz ergänzet. Das kann den
Geduldigsten mit der Zeit zur Verzweiflung bringen.

So war es denn im Himmel allmählich gekommen, daß die meisten Heiligen
überhaupt nichts mehr sprachen, sondern sich in undurchdringliches
Schweigen hüllten. Deshalb war es mit der himmlischen Unterhaltung immer
schlechter bestellet.

Da ereignete sich eines Tages das Wunderbare, daß ein Heiliger plötzlich
einen Gedanken äußerte, von dem die anderen keine blasse Ahnung gehabt
hatten. Welcher Heilige das war, das zu erforschen ist auch der größten
Mühe und Sorgfalt leider nicht gelungen.

Es war aber ein Heiliger, der völlig unvermittelt in den kräftigen Ruf
ausbrach: „Himmel, Herrgott, Sakrament und alle Heiligen! Wenn wir nur
endlich einen dummen Heiligen unter uns hätten! Aber schon einen so
saudummen, strohdummen und erzblöden Heiligen! Das wär’ eine Gaudi!“

Brausender Jubel erhub sich ob dieser Worte. Sie wirkten wie eine
Erlösung aus großer Drangsal.

Alsogleich wurde eine feierliche Botschaft an den lieben Gott
abgeordnet, deren Sprecher natürlich jener Heilige war, der den
himmlischen Einfall gehabt hatte.

Der liebe Gott ging gerade auf der Himmelswiese spazieren, als sich ihm
die Botschaft der Heiligen in aller Ehrfurcht näherte. „Ja, was ist denn
heut’ los?“ frug der liebe Gott mit seinem gütigsten Lächeln. „Ihr
schaut’s ja alle aus, als wenn euch die Hennen das Futter vertragen
hätten. Paßt euch vielleicht was nicht da im Himmel heroben?“

Da sagte der Sprecher: „Halten zu Gnaden, Eure göttliche Majestät, etwas
fehlet uns wirklich noch zu unserer himmlischen Seligkeit. Wir sind uns
alle miteinander viel zu gescheit und wissen dahero nichts Rechtes mehr
miteinander anzufangen. Und so möchten wir untertänigst gebeten haben,
daß Eure göttliche Majestät gnädigst geruhen, unserm heiligen Konzilium
auch einmal einen dummen Heiligen einzuverleiben. Je dümmer, desto
besser. Mindestens so dumm, als Eure göttliche Majestät allmächtig sind.
Den größten Trottel und Teppen, das ärgste Kamel, den ausgemachtesten
Esel, das riesigste und erlesenste Rindviech, das gefunden werden kann.
Auf dieser glänzenden Folie des Kontrastes wird sich dann unsere
Gescheitheit so überwältigend abheben, daß sie uns nicht mehr als etwas
Alltägliches erscheinet. Und der himmlische Humor, der sehr zu versauern
drohet, wird dann neue und ungeahnte Blüten treiben!“

Da lachte der liebe Gott in seiner Allgütigkeit so gewaltig, da es nur
so donnerte und daß vor dem schallenden Gelächter ein paar Dutzend
Engelein aus dem Gezweige der Bäume auf die Himmelswiese purzelten, sich
im Grase wälzten und fröhlich aus ihren jungen Kehlen mitlachten.

Der liebe Gott aber sprach: „Wenn euch nur das zu eurer vollkommenen
himmlischen Seligkeit mangelt, dann hoffe ich, euch euren Wunsch
erfüllen zu können. Denn ich glaube, daß es meiner Allmacht gelungen
ist, unter den Milliarden meiner Geschöpfe irgendwo einen so blitzdummen
Kerl zu erschaffen, der euch Genüge leisten kann. Es handelt sich jetzt
nur darum, dieses hervorragende und illustre Rindviech zu finden.
Alsodann müßet ihr euch nur noch gedulden, bis besagtes Hornvieh seine
irdischen Tage vollendet hat und eurer auserlesenen Korona im Himmel
beigesellet werden kann. Da jedoch Erdenzeit im Vergleich zu der
Ewigkeit ein flüchtiger Augenblick ist, wird die Erfüllung eures
Wunsches nicht lange auf sich warten lassen. Ich will sogleich eine
himmlische Botschaft entsenden, die euch den dümmsten Heiligen suchen
soll. Meine drei Erzengel Michael, Gabriel und Raphael will ich mit
dieser erhabenen Sendung betrauen.“

Der liebe Gott winkte den Abgesandten der Heiligen ihre gnädigste
Entlassung zu. Diese stimmten einen begeisterten Jubelchor zu seiner
Lobpreisung an und verbreiteten die Nachricht im ganzen Himmel, daß die
Bitte gewähret worden war.

  [Verzierung]



    Wie die himmlischen Sendboten den heiligen Bürokrazius
    entdeckten.


Die drei Erzengel rüsteten sich auf das Geheiß des lieben Gott zu ihrem
Flug nach der Erde, um dort unter den übrigen unzähligen Rindviechern
das größte, ungeheuerlichste und gewaltigste Rindviech zu finden.

Da es sich um eine der feierlichsten Botschaften handelte, wählten sie
zu diesem Behufe ganz besonders festliche Flügel. Der Erzengel Michael
zog ein himmelblaues Gefieder an, der Erzengel Gabriel ein rosenrotes
und der Erzengel Raphael ein smaragdgrünes. Sämtliche Heilige,
Patriarchen und Propheten geleiteten die drei Erzengel ans Himmelstor
und sahen mit unendlichem Entzücken, wie sie, in ihren leuchtenden
Farben zu gewaltigem Fluge ausholend, gegen die Erde niederschwebten.

Nachdem die himmlischen Sendboten ihre Fußstapfen auf die Erde gesetzet
hatten, mußten sie lange wandern, Wochen und Monate lang, ehe sie ihr
Ziel erreichten, einen dummen Heiligen zu finden.

Mehrmals glaubten sie schon, den Richtigen entdeckt zu haben. Aber da
trug es sich immer wieder zu, daß er entweder zu wenig dumm oder zu
wenig heilig war.

Schon begannen die drei Erzengel an einem Gelingen ihrer Sendung zu
verzweifeln, als sie eines schönen Tages in eine Ortschaft kamen, wo sie
erfuhren, daß dort ein heiligmäßiger Mann lebe, der entsetzlich dumm
sei. Er komme überhaupt nicht aus seinem Gelasse heraus, in dem er Tag
und Nacht hause.

Die himmlischen Sendboten fanden den Mann in einem düsteren Gewölbe, von
dem nur ein einziges vergittertes Fenster ins Freie führte. Die Spinnen
hatten ihre Netze über Ecken und Wände gezogen, und es roch in dem Raume
gar nicht auferbaulich nach Schimmel, Schmutz und wenig holdseligen
Düften.

Der heiligmäßige Mann aber hockte auf einem wackeligen Stuhle vor einem
Tische, der mit ganzen Bergen von Papier und mit dicken Folianten
bedecket war. Auch die Wände waren rings mit verstaubten Faszikeln
verstellet. Es herrschte eine Luft zum Ersticken.

Der Bewohner des Gemaches schien sich aber trotzdem recht wohl darinnen
zu fühlen. Er war unter all dem Papier vergraben wie ein verkrümmter
Wurm.

Über leibliche Schönheit verfügte er nicht. Er besaß eine riesige
Glatze, von der nach hinten Strähne ungeordneten Haares in den Nacken
fielen. Im Gesicht standen ihm die Bartstoppeln, als wenn er mit einem
Stachelschwein Bruderschaft getrunken hätte.

Das merkwürdigste an seiner Erscheinung war aber seine ungeheure Nase,
die eher einem schnüffelnden Rüssel, als einem menschlichen
Riechinstrumente glich. Auch die Ohren waren von so gewaltigen
Dimensionen, daß sie an die Hörwerkzeuge eines gewissen Grautieres
erinnerten, das dem Müller Säcke schleppet. Blöde kurzsichtige Augen
hinter großen Brillen, die immer wieder auf die Rüsselnase
herunterrutschten, und ein breites Maul vervollständigten die anmutige
Erscheinung.

Dabei litt der Mann offenbar an einer sehr unangenehmen Krankheit,
nämlich an der _Krawatitis posterior ascendens_. Keine kriechende Laus,
keine beißende Wanze und kein springender Floh kann einen sterblichen
Menschen derart peinigen und zur Verzweiflung treiben, als just die
_Krawatitis posterior ascendens_, das ist die hinten hinaufsteigende
Krawattelkrankheit.

Der Mann kritzelte eifrig in seinen Papieren. Dabei hatte er aber
unausgesetzt einen qualvollen Kampf mit seinem Krawattel zu führen,
das ihm trotz aller Bemühungen unablässig und heimtückisch gegen den
Hinterkopf emporkletterte und das er stöhnend und seufzend stets wieder
in die richtige Lage zu bringen trachtete. Eine Folter, gegen welche die
Arbeit des Sisyphus oder das Faß der Danaiden ein Kinderspiel ist.

Die himmlischen Sendboten waren auf leisen Sohlen unbemerkt und ungehört
in das Gemach getreten und sahen dem Mann über die Schultern.

Da entdeckten sie, daß der sonderbare Heilige seit Jahr und Tag über
alles Buch führte, was um ihn und in ihm vorging. Alles hatte er
registriert, tabelliert, verzeichnet, aktenmäßig niedergelegt.

In mächtigen Folianten, über die sich der Nasenrüssel schnuppernd und
wonnevoll schnaufend bewegte, war alles schwarz auf weiß zu finden ...
wenn irgendwo in der Nähe eine Kuh muhte oder ein Schaf blökte, wenn ein
Hund bellte oder eine Henne gackerte. Ja, sogar die Geräusche seines
eigenen Ichs hatte der Mann sorgfältig und aktenmäßig zu Papier gebracht
... wenn er hustete, nieste, sich räusperte oder spuckte, wenn er
rülpste oder sich schneuzte oder wenn ihm sonst etwas Menschliches
widerfuhr. Auch die _Krawatitis_ war in allen auf- und absteigenden
Phasen und Stadien aktenmäßig festgeleget. Jeder Kuhfladen und jeder
Roßknödel, deren Fall der Mann von dem beschränkten Gesichtskreise
seines einzigen Fensters beobachten konnte, fand sich als wichtiger
Beitrag zur Landwirtschaft protokollarisch aufgenommen. Und jeder derbe
Fuhrmannsfluch, der gelegentlich einmal in das dumpfe Loch des
merkwürdigen Heiligen hereinflog, war verewiget als Dokument der
niedergehenden öffentlichen Sittlichkeit.

Unaufhörlich kritzelte und schnüffelte der heiligmäßige Mann. Noch immer
hatte er die Eindringlinge nicht bemerkt. Da rief der Erzengel Michael
begeistert: „Halleluja! Das ist doch der saudummste Kerl, den wir finden
konnten!“

Dem heiligmäßigen Mann war gerade vorher ein anderer Laut entfahren, den
er sorgfältig in dem neuesten, seinem eigenen Ich gewidmeten Folianten
verewigte. Dann fuhr er eilig weiter zu schreiben fort: „Protokollführer
hört sich soeben als den saudummsten Kerl, den man finden konnte,
bezeichnen. Provenienz dieser Äußerung noch unbekannt. Zweckdienliche
Nachforschungen werden sofort eingeleitet.“

Damit drehte er sich auf seinem Stuhle um und wurde seiner Besucher
ansichtig. Bei dieser jähen Bewegung stieg ihm sein schmieriges
Krawattel in unergründlicher Bosheit hinten bis an den Rand der Glatze
empor. Mit einem verzweifelten Ruck führte er es wieder an seinen
natürlichen Bestimmungsort zurück. Dann herrschte er die Eindringlinge
an: „Können Sie nicht lesen, was draußen an der Türe steht? Eintritt ist
nur nach dreimaligem Anklopfen gestattet!“

„Halt’s Maul!“ meinte der Erzengel Raphael mit einer gewissen
Gutmütigkeit.

„Was ist das für ein Ton! Sie machen sich der Beleidigung einer
geheiligten Person schuldig!“

„Ah, geh!“ sagte der Erzengel Gabriel freundlich.

„Ich bin eine geheiligte Person!“ sprach der heiligmäßige Mann
großartig.

„So siehst du auch aus!“ bestätigte der Erzengel Michael.

Das rüsselnasige und langohrige Stachelschwein hatte sich in seiner
ganzen Würde erhoben und stand nun in seinen bodenscheuen Hosen bebend
vor Empörung und in seinem abgetragenen schwarzen, ins Grünliche
schillernden Rocke schlotternd vor Entrüstung vor seinen ungebetenen
Besuchern. „Was wollen Sie hier? Schauen Sie, daß Sie hinauskommen!“
schrie er.

„Tu dich nur nicht hinaufregen!“ sagte der Michael lächelnd.

„Vor allem verbitte ich mir das Duzen!“ brüllte der sonderbare Heilige.

„Du kannst ja Sie zu uns sagen, wenn’s dich freut!“ meinte der Gabriel
nachgiebig. „Wir haben aber zu einem Hornvieh noch nie Sie gesagt.“

Das heiligmäßige Stachelschwein schnaufte vor Wut: „Nun hab’ ich’s aber
satt! Wollen sich die Herren legitimieren! Wer sind Sie?“

Da entgegnete der Gabriel ungemein sanft: „Wir sind eine himmlische
Botschaft: Erzengel Michael, Erzengel Gabriel und Erzengel Raphael.“

„Das könnte ein jeder sagen!“ kam es von den Lippen des schnüffelnden
Rüsseltieres, das einen fortwährenden stummen Kampf mit dem scheußlichen
_Perpetuum mobile_ seiner Krawatte führte.

„Es ist aber so! Und du hast es zu glauben! Verstanden!“ erklärte der
Michael mit großer Bestimmtheit.

„Ausweis!“ schnauzte das eselohrige Stachelschwein. „Wo haben Sie Ihren
Paß?“

„Wir haben keinen Paß!“ antwortete der Gabriel.

„Wir brauchen keinen Paß!“ erklärte der Raphael.

„Waaaaaaas?“ Die Krawatte stieg dem Rüsseltier vor heiliger Entrüstung
über die Ohren empor. „Sie haben keinen Paß? Und Sie wagen es ... Keinen
Paß? Da sind Sie ja ein ganz gewöhnliches Gesindel! Jeder anständige
Mensch hat seinen Paß!“

„Fixstern! Laudon! Element! und alle vierzehn Nothelfer!“ rief da der
Erzengel Michael, dem der Geduldsfaden riß. „Ich werd’ dir schon deinen
Paß geben und das Gesindel! Ich will dich lehren, wie man mit einer
himmlischen Gesandtschaft redet, du gottverlassener Lümmel du!“

Sprach’s und haute dem sonderbaren Heiligen eine himmlische Watschen
von außerordentlicher Gediegenheit herunter. Der Gabriel und der
0Raphael wollten nicht zurückstehen und bedachten daher das Rüsseltier
gleichfalls mit je einer saftigen Mordswatschen.

Zum Erstaunen der drei Erzengel hatte aber diese sehr gründlich
vermeinte Kur gar keine andere Wirkung, als daß der also Geohrfeigte
mit einer Art von stumpfsinnigem Mechanismus seine bei dieser Prozedur
äußerst bedenklich verschobene Krawatte wieder in Ordnung brachte.

Die drei Erzengel waren über den Effekt ihrer Handlungsweise entschieden
verdutzt. „Mir scheint ...“ sagte endlich der Michael „... der hat die
Watschen gar nit g’spürt.“

„Am End’ hat er gar kein Hirn im Schädel!“ mutmaßte der Gabriel.

„So was ist mir auch noch nie untergekommen!“ meinte der Raphael.

Da beratschlagten die ob des unerklärlichen Mißerfolges ihrer
himmlischen Watschen ernstlich verblüfften drei Erzengel, wo der
merkwürdige Heilige eigentlich seinen Verstand und mit ihm seine
sonstigen geistigen Fähigkeiten sitzen hatte.

Sie packten ihn dahero nicht mit zärtlichen Engelshänden, sondern mit
recht fühlbaren und kräftigen irdischen Pratzen an und wendeten das
sich verzweifelt wehrende, fauchende, schimpfende, protestierende und
drohende rüsselnasige Stachelschwein nach allen Richtungen seiner
ehrwürdigen Leiblichkeit. Nach rechts und nach links, nach oben und
nach unten, nach vorn und nach hinten.

Als sie endlich bei der Besichtigung der Hinterfront angelangt waren,
legten sie den zappelnden Heiligen ohne viel Federlesen über den Tisch,
quer über die Folianten und Papierwülste.

Der Gabriel und der Raphael hielten ihn fest, daß er sich nicht mehr
rühren konnte. Der Erzengel Michael jedoch, der am meisten Kraft und
Lust zum Dreinschlagen unter der himmlischen Botschaft besaß, ergriff
ein stählernes Lineal, das an einer Seite des Tisches an einem Nagel
baumelte.

Er ließ es zuerst ein paarmal durch die Luft sausen, als wenn er sein
feuriges Schwert erproben wollte. Dann linierte er mit peinlicher
Gewissenhaftigkeit, jeden Streich sorgfältig zählend, dem schreienden
Rüsseltier die vorschriftsmäßigen und üblichen Fünfundzwanzig auf seinen
Allerwertesten.

Dabei begleitete er jeden Streich mit auferbaulichen Sprüchlein, wie:
„Hier hast du deinen Paß!... Ich werde dir schon das Gesindel
anstreichen!... Weißt du jetzt, was Anstand ist, du erzinfamer
Lümmel du!“

Unter ähnlichen zarten Aufmerksamkeiten, welche die Arbeit des Erzengels
begleiteten, floß sie munter fort.

Schon bei den ersten Streichen begann der sonderbare Heilige zu brüllen,
als ob er am Spieße stecken würde.

„Aha! Da spürt er was!“ sagte der Gabriel triumphierend.

„Versohl’ ihn nur ordentlich!“ munterte der Raphael den Michael auf.

„Ich protestiere gegen die tätliche Beleidigung und Verletzung meines
edelsten Teiles!“ brüllte da der verprügelte Heilige in ohnmächtiger
Wut.

„Mir scheint, wir haben ihn am richtigen Fleck erwischt!“ sagte der
Michael.

„Der hat offenbar seinen Verstand im Sitzfleisch!“ meinte der Gabriel.

„Und alle sonstigen geistigen Eigenschaften auch!“ ergänzte der Raphael.

„Hören Sie auf! Ich bitte Sie um aller Heiligen willen, hören Sie auf!“
winselte jetzt das Rüsseltier in den kläglichsten Tönen.

„Fünfzehn, sechzehn, siebzehn!“ zählte der Erzengel Michael kaltblütig.
„Nur Geduld! Es ist gleich vorüber!“

„Das halte ich nicht mehr aus! Ich muß gehorsamsten Protest erheben. Sie
zerstören mir ja mein ganzes Denkvermögen! Wie soll ich da weiter meine
heiligen Pflichten erfüllen!“ jammerte das verprügelte Rüsseltier,
während sich der Erzengel in seiner erzieherischen Tätigkeit nicht irre
machen ließ.

„Hilfe! Ich gebe meinen Geist auf! Hilfe! Hilfe!“ flehte der merkwürdige
Heilige.

„Wahrhaftig! Der denkt mit dem Gesäß!“ rief der Raphael in endgültiger
Erkenntnis.

„Dann haben wir den Richtigen gefunden!“ erklärte der Gabriel.

„Dreiundzwanzig, vierundzwanzig, fünfundzwanzig!“ zählte der Michael.

Damit ließen sie den sonderbaren Heiligen los. Der rutschte eilig vom
Tisch herunter, hielt sich mit beiden Händen sein Hinterteil, verbeugte
sich immer wieder untertänigst, machte einen Kratzfuß nach dem anderen
und sagte mit sauer-süßer Miene: „Gehorsamster Diener! Wollen die
Herrschaften nicht Platz nehmen? Womit kann ich den Herrschaften
dienen?“

Die himmlische Botschaft ließ sich auf drei bereitgestellten Stühlen
nieder. Und der Michael sprach zu dem plötzlich demütigen Heiligen:
„Nach dieser gedeihlichen Stärkung deines Auffassungsvermögens teile ich
dir mit, daß du zu einer erhabenen Mission ausersehen bist. Du sollst
die Menschen mit deiner grenzenlosen Dummheit beglücken. Du sollst der
dümmste Heilige werden, der je in einem Kalender gestanden hat.“

„Gehorsamster Diener! Gehorsamster Diener!“ katzenbuckelte der neue
Heilige. „Das hätten die Herrschaften ja gleich sagen können.“

„Vor allem künde uns deinen erhabenen Namen!“ fuhr der Erzengel Michael
fort.

„Gehorsamster Diener, die Herrschaften! Man nennet mich den
Bürokrazius.“

„Ausgezeichnet!“ sagte der Erzengel Michael und erhob sich. „Ein
herrlicher, ein eindrucksvoller und ungemein heiliger Name. Der hat uns
gerade noch gefehlt. Darüber wird sich der ganze Himmel freuen und alle
Rindviecher auf Erden. O Sankt Bürokrazius, erachte dich also mit den
gewissenhaft aufgezählten Fünfundzwanzig zum Heiligen geschlagen! Das
notwendige äußere Attribut deiner neuen Würde werde ich dir sofort
verleihen.“

Damit griff der Erzengel in sein Gewand, zog daraus einen
funkelnagelneuen und frisch geputzten Heiligenschein hervor und setzte
ihn dem Bürokrazius, der sich noch immer denjenigen schmerzenden Teil
seines heiligen Leibes rieb, mit dem er dachte, auf die mächtige Glatze.
Die eselslangen Ohren ragten zwar noch ein Stück über den Heiligenschein
hinaus, und das Krawattel wurde plötzlich so neugierig, daß es bis an
den Rand des Scheines emporstieg ... aber das tat der Leuchtkraft des
Heiligenscheines keinen Eintrag.

„Und jetzo, heiliger Sankt Bürokrazius,“ sprach der Erzengel Michael
feierlich, „wisse, daß du die Erde beherrschen wirst. Du wirst mächtiger
und angesehener sein als alle Heiligen des Himmels zusammen. Du wirst
deshalb der Herr über die menschliche Dummheit sein, weil du noch dümmer
bist, als die Dümmsten unter den Menschen. Dahero wird deine heilige
Dummheit von den Menschen angebetet werden als überirdische Weisheit.
Behalte deinen Verstand ja im Sitzfleisch! Denn an jeder anderen
Körperstelle würde es dir schweren Schaden bringen. Bewahre deine
heilige Würde stets ungeschmälert! Krieche nach oben und tritt nach
unten! Du hast heute deine Probe nach dieser Richtung vortrefflich
bestanden. Denn wisse, jede aufgeblasene Würde kriecht, wenn sie gehörig
verprügelt wird und ihren Herrn und Meister findet. Wenn du aber neuer
himmlischer Eingebungen für die Ausübung deines heiligen Berufes
bedarfst, dann setze dich kräftig auf denjenigen Teil deines heiligen
Leibes, wo du den Verstand hast. Setze dich lange darauf, und setze dich
ausdauernd darauf und denke mit seinem ganzen heiligen Umfang nach! Und
es wird dir die Erleuchtung kommen!“

Längst waren die beiden anderen Erzengel bei dieser feierlichen Rede von
ihren Sitzen aufgestanden. Da erhub der Erzengel Michael seine Hände und
brach singend und lobpreisend in die Worte aus, in welche auch die
Erzengel Gabriel und Raphael im himmlischen Jubel mit einstimmten ...
„_Habemus novum sanctum ... Sanctum Bürokrazium ... Stultissimum omnium
sanctorum ... Bovem maximum totius orbis ... Asinum electum et egregium
... Jubilate coeli et terra!_“

Mit diesem Gesang verschwanden die Erzengel vor den Augen des neuen
Heiligen.

Der heilige Bürokrazius verbeugte sich tief und griff sich wiederholt an
den noch immer furchtbar schmerzenden Sitz seines Verstandes.

Die _Krawatitis posterior ascendens_ langte in heimtückischer Bosheit
nach seinem Heiligenscheine.

„Gehorsamster Diener!“ sagte der heilige Bürokrazius, in Untertänigkeit
schier ersterbend.

  [Verzierung]



    Wie der heilige Bürokrazius auszog, um die Welt
    zu beglücken.


Nachdem der heilige Bürokrazius die himmlische Botschaft mit der in dem
vorhergehenden Hauptstück geschilderten Feierlichkeit empfangen hatte,
verbrachte er noch sieben Tage und sieben Nächte in seiner Behausung.

Diese Zeit brauchte er notwendig, um alle die ihm widerfahrenen
überirdischen Gnaden eingehend zu Protokoll zu bringen.

Er arbeitete schier ununterbrochen Tag und Nacht und machte dabei
bedeutende Ersparnisse in der Beleuchtung. Denn während er früher
erkleckliche Ausgaben für Kerzen aufzuwenden hatte, leuchtete ihm jetzo
sein Heiligenschein völlig umsonst. Und das war ein so mildes Licht, daß
der heilige Protokollführer unwillkürlich vieles in einem anderen Lichte
erblickte.

Während er anfangs geneigt war, unterschiedliche Einzelheiten des
himmlischen Besuches einer scharfen Kritik zu unterwerfen und mit
geharnischten Protesten zu begleiten, wurde er in dem Lichte des
Heiligenscheines rasch zu einer anderen Auffassung bekehret und sah
alles, was ihm begegnet war, in einer verklärten Beleuchtung.

Es ist dahero von den drei ausgiebigen Watschen und von den
fünfundzwanzig Streichen in den Aufzeichnungen des heiligen Bürokrazius
nichts zu finden. Wir lesen lediglich von himmlischen Winken und
Eingebungen, die ihm geworden waren.

Indes er jedoch die sieben Tage und sieben Nächte mit unermüdlicher
Emsigkeit schrieb, wurde er allerdings an die Folgen dieser himmlischen
Winke gar oft in recht irdischer Weise erinnert. Er mußte doch beim
Schreiben auch denken. Und zum Denken brauchte er notwendig jenes Organ,
wo er den Verstand sitzen hatte.

Besagtes Organum war jedoch _in memoriam_ der himmlischen Winke über und
über mit großen Beulen, Schrammen und Schwielen bedecket und schmerzte
ihn fürchterlich. Derohalben war auch seine protokollarische Arbeit
keine kleine Anstrengung. Denn das Denken bereitete ihm unerhörte
Beschwerden.

Als er solchergestalt drei Tage und drei Nächte mit der größten
Beharrlichkeit trotz der gräßlichsten Pein, die ihn nicht nur zum
Heiligen, sondern auch zum Märtyrer stempelte, unausgesetzt gedacht und
gearbeitet hatte, kam der heilige Bürokrazius auf einen erlösenden
Einfall.

Er füllte ein großes Schaff mit Wasser und stellte dasselbe neben den
Tisch, an dem er schrieb. Wenn die Qualen des Denkens fast unerträgliche
wurden und die Leistungsfähigkeit seines Verstandes unter den Spuren der
himmlischen Denkzettel und Gunstbezeigungen zu erlahmen drohte, dann
setzte sich der Heilige mit demjenigen Teile seines heiligen Leibes, der
seinen Verstand trug, in das Wasserschaff und suchte dort Kühlung. Die
Wirkung war eine wunderbare. Regelmäßig wurde ihm der Segen der kühlen
Denkungsart zuteil.

So entstand unter den Wirkungen des heiligen Schaffes und unter dem
milden Lichte des Heiligenscheines jener erstaunliche Bericht von der
Sendung des heiligen Bürokrazius, welchen der Schreiber dieser Legende
leider nicht wiedergeben kann, da er allein den hundertfachen Umfang
haben würde, als dem Legendenschreiber Raum verstattet ist. Dafür will
er aber einem geneigten Leser noch weiter von dem heiligen Schaff
erzählen, das er gerade früher erwähnet hat.

Es handelt sich wirklich um ein heiliges Schaff. Das Wasserschaff,
in welches der heilige Bürokrazius die erhabene Denkerstirne seines
Stiefgesichtes tauchte, ist seitdem eine Reliquie geworden, welche
allseitige Verehrung genießet. Es kann dahero mit Fug und Rechten von
dem heiligen Schaff gesprochen werden.

Es finden gemeiniglich noch immer große Wallfahrten zum Schaff des
heiligen Bürokrazius statt. Naturgemäß und insonderheit sind es die
Jünger des heiligen Bürokrazius, die in allen Bedrängnissen und
Verlegenheiten ihres Daseins zu dieser Reliquie pilgern und gleich wie
weiland der heilige Bürokrazius anselbsten ihre erhabenen Denkerstirnen
in sie tauchen, um mit unergründlicher Weisheit von ihr begnadigt zu
werden.

Wenn dahero im Geiste des heiligen Bürokrazius so hochweise und
unergründlich tiefe Verfügungen erscheinen, daß sie überhaupt niemand
verstehet, so kannst du, geneigter Leser, darauf schwören, daß sie ihren
Ursprung einer Wallfahrt zum Schaff des heiligen Bürokrazius verdanken.
Und das ist gut so. Denn würden besagte Verfügungen von jedem gemeinen
Kerl verstanden werden, dann würden sie ihr ganzes Ansehen einbüßen. Je
blödsinniger sie dem gemeinen Verstande erscheinen, um so heiliger und
ehrwürdiger sind sie.

Murret derohalben nicht wider das, was ihr nicht verstehet und nicht zu
beurteilen vermöget. Sondern seid vom heißesten Danke erfüllet gegen
jene heilige Reliquie, so den Jüngern des heiligen Bürokrazius stets
wieder neue Auffrischung ihres Verstandes verleihet. Denn wohin wären
sie sonst geraten! Sie hätten euch mit klaren Verfügungen bedacht, und
ihr hättet sie derohalb mißachtet, da ihr euch eingebildet hättet,
sotane Verfügungen seien auch nicht gescheiter wie ihr selber, zum
mindesten aber gleich dumm wie ihr.

Diese Abschweifung möge verziehen werden. Sie ist nur ein Beweis, wie
unermeßlich das Material für eine ausführliche Beschreibung des Lebens
und der Taten unseres Heiligen ist. Diese bescheidene Legende ist daher
nur ein winziger Auszug, ein _extractum minimum_ aus der unermeßlichen
Fülle von Geschehnissen, die mit dem heiligen Bürokrazius in innigster
Beziehung stehen.

Wenn der ganze Erdboden lauter Papier wäre und das große, tiefe Meer
lauter Tinte und alle spitzigen Gräslein lauter Federn und alle
lebendigen Geschöpfe bis herab zur kleinsten Gewandlaus lauter
Schreiber, die bis auf den jüngsten Tag schreiben würden, so könnten sie
noch immer nicht den tausendsten Teil der Glorie des heiligen
Bürokrazius erschöpfen.

Nunmehro aber begleiten wir ihn weiter auf seinen Wegen. Nachdem er das
Protokoll über seine himmlische Sendung vollendet und sorgfältig
verschlossen hatte, betrat er im Bewußtsein seiner neuen Würde das
Freie.

Sein Erscheinen erregte unter den Menschen berechtigtes Aufsehen. Wenn
ihr aber etwan glauben solltet, daß seine wenig liebliche Leibesgestalt
ihm Schaden gebracht habe, dann irret ihr euch gewaltig. Gleichwie in
einer ungestalten Muschel eine herrliche Perle verborgen sein kann, so
kann auch unter Rüsselnasen und Eselsohren ein großer Heiliger stecken.
Wie denn auch ein kostbarer silberner Becher in dem schlechten, rupfenen
Getreidesack des Benjamin gefunden wurde.

Und erinnert euch nur der vielen großen Männer, die häßlich von Ansehen
waren. Der römische Galba hatte einen Buckel, so hoch, daß man hätte
können ein Schilderhäusl darauf bauen, und war trotzdem ein
unvergleichlicher Wohlredner. Aesopus hatte ein solches Larvengesicht,
daß auch die Rinde am Eichbaum seinem Fell fast an Schönheit vorzuziehen
war, und gleichwohl war er der witzigste Mann zu seiner Zeit. Quintus
Fabius Maximus, der römische Feldherr, hatte eine so große ungestalte
Warzen auf seiner Oberlippe, daß sie ihm schier wie ein Dachel über den
Freßladen hing, und dennoch war er der allerfürtrefflichste Mann.
Philippus von Mazedonien, Hannibal von Karthago, Sertorius Hispanus sind
einäugig gewesen. Henricus der Zweite, der Kaiser, war krumm, und
Godefridus der Zweite, Herzog von Austrasien, war kropfet, und doch sind
sie alle die lobwürdigsten Herren gewesen.

Habt ihr aber von einem dieser Herren gehöret, daß er einen
Heiligenschein trug? Das habt ihr nicht gehöret. Und trotzdem hat in
ihrer häßlichen Leiblichkeit ihr Geist den Sieg davongetragen.

Um wie viel mehr mußte der heilige Bürokrazius den Menschen verkläret
erscheinen! Wie mußten im milden Lichte seines Heiligenscheines seine
Eselsohren und sein Nasenrüssel verschwinden! Wie mußten seine blöden
Augen in diesem Scheine von Geist leuchten und sein breites Maul von
Weisheit triefen! Ja selbst das heimtückische Krawattel vermochte seinem
Ansehen nicht dauernd zu schaden.

Je mehr der heilige Bürokrazius sich von seiner Behausung entfernte,
desto deutlicher erkannte er, wie bei den Menschen alles im argen lag.
Die Menschen wurden weder numerieret, noch registrieret, auch nicht
volksgezählet oder irgendwie sonst eingetragen. Sie besaßen keine
Ausweispapiere. Sie lebten sorglos und harmlos dahin. Sie waren im
Grunde nicht gescheiter, als sie es heute auch sind. Aber niemand
belästigte sie in ihrer Dummheit.

In diese beispiellose Wildnis menschlicher Verkommenheit trat der
heilige Bürokrazius mit dem ganzen flammenden Fanatismus seiner Sendung.
Er eiferte allerorten gegen den unerhörten Skandal, daß die Menschen
sich erfrechten, geboren zu werden und zu leben ohne die genaueste
aktenmäßige Behandlung.

Der Schematismus sei das Höchste auf Erden, predigte der Heilige. Ohne
Schematismus gebe es überhaupt kein Gedeihen. Alles müsse auf bestimmte
Formulare gebracht werden. Und wer sich gegen den Schematismus und gegen
die Formulare versündige, der sei ein Feind der Menschheit. Zu denken
brauche das verehrliche Publikum überhaupt nicht. Das sei seine,
des heiligen Bürokrazius, Sache. Er allein habe das Privilegium,
schematisch, protokollarisch, aktenmäßig und nach ganz bestimmten
Formularien in einer möglichst genau geregelten Verblödung zu denken.

Da die Menschen, wie der Schreiber dieser Legende in einer
eindringlichen Fastenpredigt bewiesen hat, die allergrößten Rindviecher
sind, begrüßten sie es mit tausend Freuden, daß da plötzlich mitten in
ihrem beschaulichen Erdenwallen ein großer Heiliger erschien, der ihnen
sogar das Denken ersparen und auf seine heiligen Schultern nehmen
wollte.

Wozu hätte der seltene Mann auch seinen Heiligenschein besessen. Der
ließ ihn ja von vorneherein als eine vertrauenswürdige Persönlichkeit
erscheinen, der man seine ferneren Schicksale anheimgeben konnte.

So gelang es dem heiligen Bürokrazius in verhältnismäßig kurzer Zeit,
die Menschen von der Richtigkeit und Gottwohlgefälligkeit seiner Sendung
zu überzeugen.

Er war überall. Es gab keinen noch so versteckten Winkel, in den er
seine rüsselförmige Nase nicht schnüffelnd hineinsteckte. Und es gab
kein noch so verstecktes Geheimnis, das seine langen Eselsohren nicht
erlauschten.

Dadurch errang er sich ein fast göttliches Ansehen. Denn die Menschen
begannen zu begreifen, daß sie seiner Macht widerstandslos ausgeliefert
waren, nachdem sie sich mit Vergnügen damit abgefunden hatten, ihm das
Denken zu überlassen.

Und der heilige Bürokrazius dachte und dachte. Er dachte unablässig auf
seine Weise. Die Früchte zeigten sich auch alsobald und auf dem ganzen
Erdkreise.

Alle seine großen Ideen vermochte der Heilige während seines
Erdenwallens durchzusetzen; denn die menschliche Dummheit und sein
eigener Blödsinn waren ihm die mächtigsten Bundesgenossen.

Wenn der Schreiber dieser Legende auch mit den folgenden Zeilen die
größte und unermeßlichste Tat des heiligen Bürokrazius vorwegnimmt und
damit der Darstellung der Ereignisse vorgreift, so kann er doch in
seiner hellen Begeisterung für den größten und dümmsten Heiligen nicht
umhin, schon an dieser geweihten Stelle von der umwälzendsten Idee des
heiligen Bürokrazius zu berichten, die allen seinen großen Ideen, mit
denen er die Welt beglückte, die Krone aufsetzte.

Mit welcher seltenen Schärfe der heilige Bürokrazius dachte, darauf
hinzuweisen fand sich schon mehrfach die Gelegenheit. Und gerade aus
dieser ganz speziellen Eigenart des Denkens, durch die er vor der
übrigen Menschheit einen wesentlichen und nicht zu unterschätzenden
Vorsprung hatte, wurde ihm die große Aktion zur Regelung des
menschlichen Stoffwechsels eingegeben.

Seine heilige Fürsorge erstreckte sich in nimmermüdem Eifer auch auf
jene beschaulichen und idyllischen Stätten, welche der Mensch bei
gesunder körperlicher Verfassung in regelmäßigen Zwischenräumen behufs
Bereicherung der Landwirtschaft aufzusuchen pfleget.

Der heilige Bürokrazius führte eigene Pässe für das Betreten oben
angedeuteter Örtlichkeiten ein, die den jedesmaligen Vermerk einer
Einreisebewilligung und einer Aufenthaltsbewilligung an den Stätten
besagter landwirtschaftlicher Berufstätigkeit enthalten mußten.
Natürlich war auch der Aufenthalt zeitlich genau geregelt.

  [Verzierung]



    Wie der heilige Bürokrazius den Amtsschimmel fand und
    sich beritten machte.


Schon in der ersten Zeit seines Erdenwallens stellte es sich heraus, daß
der heilige Bürokrazius seinen Kräften zu Gewaltiges zumutete. Er ging
in seinem heiligen Eifer überallhin zu Fuße.

Dieser heilige Grundsatz des Wanderns _per pedes apostolorum_ sollte
sich aber bald bitter rächen; denn er verschaffte dem Heiligen die
unangenehme Erscheinung von qualvollen Hühneraugen, über die in einem
späteren Hauptstücke noch Wundersames zu lesen ist.

Hier wollen wir uns nur mit dem Berichte bescheiden, daß diese
Hühneraugen des heiligen Bürokrazius zum mindesten eine unmittelbare
Ursache für die Auffindung des Amtsschimmels durch den Heiligen wurden.

Je gräßlicher die Tortur der Hühneraugen sich auswuchs, desto klarer und
deutlicher kam der gemarterte Heilige zu der Überzeugung, daß ihm in
diesem verzweifelten Falle nur mehr durch eine himmlische Eingebung
geholfen werden könne. Er erinnerte sich dahero des wohlmeinenden Rates,
den ihm der Erzengel Michael erteilt hatte ... er möge sich, wenn er
neuer himmlischer Eingebungen zur Ausübung seines heiligen Berufes
bedürfe, auf den Sitz seines Verstandes niederhocken und tief
nachdenken.

Das tat denn auch der heilige Bürokrazius. Er hockte sich zehn Tage und
zehn Nächte hin und dachte eifrig nach, dabei die himmlische Eingebung
erwartend. Er schlief, wenn er vom Denken erschöpft war, auch in
sitzender Stellung, um die Eingebung des Himmels ja nicht zu verpassen.

In anderen Heiligenlegenden werden diese Offenbarungen von oben den
Heiligen vielfach in schlafendem Zustande durch wunderbare Traumgesichte
kundgetan. Es muß jedoch hier ausdrücklich festgestellet werden, daß
dies beim heiligen Bürokrazius nicht geschah.

Er erlebte die himmlische Stimme vollkommen wach und munter am Morgen
des eilften Tages. Als er von dem vielen Nachdenken und Harren schon
etwas müde und abgespannt zu werden begann, da erhub sich auf einmal
eine gewaltige innere Stimme in ihm, die auffällig der Stimme des
Erzengels Michael glich und dem Heiligen sofort ein erinnerungsvolles
Jucken und Beißen verursachte.

Die innere Stimme aber sprach: „Rindviech, g’selchtes! Was laufst denn
alleweil auf deine Plattfüß’ umeinander! Oder glaubst du vielleicht, daß
so ein hatschender Heiliger dem Publikum auf die Dauer imponieren wird?
Da bist aber ang’schmiert!“

„Was soll ich denn tun?“ frug der heilige Bürokrazius kläglich.

Da sprach die Stimme: „Schau dir um ein Roß und reit’!“

„Aber ich kann ja gar nicht reiten!“ wandte der Heilige bescheiden ein.

„Wirst es schon erlernen!“ erwiderte die Stimme von oben. „Wir haben
ohnedies schon einen berittenen Heiligen. Denselbigen, der seinen Mantel
auseinanderschneidet und mit dem Bettler teilet. Wirst ihn schon gesehen
haben. Ein sehr respektabler Heiliger. Also kommt es uns auf ein
heiliges Rindviech zu Pferd auch nicht mehr drauf an!“

„Ja, wo soll ich denn ein Roß hernehmen und nicht stehlen?“ frug der
Heilige verzagt.

„Mußt halt ein Roß finden, das sonst kein anderer brauchen kann!“ sagte
die Stimme des Erzengels. „Ein gewöhnliches Roß ist freilich für dich
nicht erschaffen. Du mußt ein ganz außerordentliches Roß finden. Du
darfst jetzt nicht beleidigt sein über das, was ich dir sage. Du wirst
ja noch wissen, warum du mit aller gebührenden Feierlichkeit zum
Heiligen geschlagen wurdest. Dahero mußt du auch das dümmste Roß auf
Gottes Erdboden finden. Dasselbige ist sodann dein Roß. Auf ihm wirst du
reiten können. Und es wird dich gutwillig tragen. Sonst wäre es ja nicht
das dümmste Roß. Denn jedes andere Roß, das nicht mindestens so dumm ist
wie du selber, wird dich unter aller Bedingung abwerfen, dieweilen es
keinem Vieh einfällt, ein noch dümmeres Vieh zu tragen, als es selber
ist. Wenn es dir jedoch gelingt, dieses dümmste Roß zu finden, dann
wirst du in aller Herrlichkeit prangen. Denn du mußt es begreifen, daß
die berittene Dummheit noch viel siegreicher ist als unberittene
Hühneraugen!“

Sprach’s, und die Stimme verschwand aus dem Inneren des Heiligen. Er war
nun wieder auf sich selbst gestellet und mußte seine eigenen Entschlüsse
fassen. Der Rat des Erzengels erschien ihm jedoch als wahrhaft
himmlisch. Wenn er sich vorstellte, wie er hoch zu Roß durch die Welt
trabte, dann schwoll ihm gewaltig der Kamm. Es galt also, das dümmste
Roß zu finden.

Lange suchte der heilige Bürokrazius nach diesem seltenen Vierfüßler. Er
glaubte, der Qual seiner Hühneraugen bereits unterliegen zu müssen, als
er an einem sonnenhellen Maientage zu einem Stalle kam, in dem ein Roß
fröhlich wieherte.

Der heilige Mann trat mühselig hatschend ein. Vor die Futterkrippe war
ein Schimmel gebunden. Just keine Vollblutrasse und auch kein schönes
Tier. Das störte aber den heiligen Bürokrazius nicht im geringsten,
dieweilen er das von sich auch nicht behaupten konnte. Er trat an den
Schimmel heran, an dem man alle Rippen zählen konnte und der überall die
Beiner aufstellte, daß man ihn auch ganz gut zu einem Hutständer hätte
gebrauchen können.

Der Schimmel fraß gierig aus der Krippe. Als der Heilige näher zusah,
hatte der Schimmel lauter Papier in der Krippe, das er mit
offensichtlichem Behagen verzehrte.

Sintemalen aber alles, was Papier war, für den Heiligen ein wichtiges
Lebenselement darstellte, sah er auch alsogleich nach, um welches Papier
es sich handelte. Zu seinem heiligen Entzücken waren es lauter Akten,
mit denen man den Schimmel fütterte.

„O du heiliges Roß Gottes!“ rief der Heilige in himmlischer Verzückung.
„Durch welches Wunder verzehrest du Akten?“

„Hihihihi!“ lachte der Schimmel und drehte sich, lebhaft wiehernd, nach
dem heiligen Manne um.

Da ersah der heilige Bürokrazius, daß sie dem Schimmel grüne Brillen
aufgesetzt hatten. Und das Vieh war so dumm, daß es durch die grünen
Brillen Gras statt Papier zu fressen glaubte. Nunmehro erkannte der
heilige Bürokrazius, daß er das dümmste Roß auf Gottes Erdboden gefunden
hatte. Er fiel mit Tränen der Rührung in den Augen dem Schimmel um den
Hals und gab ihm einen Bruderkuß.

„Hihihihi!“ lachte der Schimmel vergnügt und geschmeichelt.

Alsodann hielt ihm der heilige Bürokrazius folgende feierliche
Ansprache: „O du dümmstes Roß, sei mir gegrüßt! Auf dir werde ich die
ganze Welt erobern. Denn unsere Dummheit ergänzet sich in der
wundertätigsten Weise. Wir werden ein Wesen sein, eine Seele und ein
Gedanke. Und die Menschheit wird uns staunend dahinschreiten sehen und
wird sich ehrfurchtsvoll vor uns beugen. Und nie sollst du des Futters
ermangeln. Ich will dich dick und fett mästen. Gott erhalte dir deine
Dummheit! Und nun, du heiliger Schimmel, du dümmstes Roß Gottes auf
Erden, deinem Herrn ebenbürtig und zu immerwährendem Dienste zugesellet,
trage mich hinaus in die Welt!“

„Hihihihi!“ lachte der Schimmel geschmeichelt ob dieser Rede.

Der heilige Bürokrazius band ihn von der Krippe los und schwang sich auf
seinen Rücken. Der Schimmel trug ihn sonder Widerstand, als wenn er das
von jeher gewöhnet gewesen wäre. So zogen sie beide aus dem Stalle
hinaus. Der Heilige mit Rüsselnase und Eselsohren, der Schimmel mit den
grünen Brillen.

Es war ein Anblick, an dem sich Himmel und Erde erfreuen konnten. Und
die Heiligen auf der Himmelswiese lachten, als sie ihren neuen Gefährten
dahintraben sahen. Und sie hatten Gesprächsstoff für den ganzen Tag. Das
war aber nach dem himmlischen Zeitmesser für eine halbe Ewigkeit.

Die Menschen jedoch beugten sich vor dem Heiligen mit seinem Schimmel
noch mehr als früher. Nun war es nicht nur der Heiligenschein, der ihnen
Demut und Ehrfurcht einflößte. Es waren auch die grünen Brillen des
Schimmels. Was mußte das für ein gelehrtes Roß sein, das sogar Brillen
trug!

„Alles muß nach einem Schema gehen!“ verkündigte der Heilige. „Denken
ist überflüssig! Akten und Formulare sind die höchste Weisheit auf
Erden!“

„Hihihihi!“ lachte der Schimmel in fröhlichem Wiehern. Er konnte auch
zufrieden sein; denn er hatte seinen Herrn gefunden, der ihn zärtlich
liebte und pflegte.

  [Verzierung]



    Wie der heilige Bürokrazius in dem heiligen
    Stultissimus seinen ersten Jünger warb.


Es ereignete sich nunmehro das Nachfolgende.

Ihr erwartet wohl von dem Schreiber dieser Legende, daß er euch den
Heiligen in seiner erhabenen Berittenheit hoch zu Roß in langen Exkursen
abschildert. Das tut er aber nicht. Er läßt sich absichtlich nicht dazu
verleiten, den himmlischen Anblick des heiligen Bürokrazius auf seinem
Schimmel auszumalen und zu beschreiben. Und das derohalb, weil er ein
gewissenhafter Skribent ist und mit dem Lottergesindel der Poeten und
Maler _alias_ Pinselwascher nichts zu tun haben will. Denn beide,
die _poetae_ und die _pictores_, haben das Privilegium der Lüge und
Erfindung.

Dahero schicket sich nichts besser, als wenn ein Poet den Maler zum
Gevattern bittet; denn _fingere_ und _pingere_ sind die vertrautesten
Spießgesellen. Das Gehirn der Poeten steckt bekanntlich voll der
ausgeschämtesten Lügen. Und der Malerpinsel ist auch nicht skrupulös;
und wenn er schon aus Haaren bestehet, so gehet er dennoch nicht ein
Haar auf die Wahrheit ...

      _... Pictoribus atque poetis
  Quilibet audendi semper fuit aequa potestas._

  Dichten können nach Begnügen
  Alle Maler und Poeten;
  Dürfen sie doch tapfer lügen,
  Wann die Wahrheit schon vonnöten.

Sotanes würde aber dem Schreiber dieser heiligen Legende übel genug
anstehen. Hat er sich bis anhero der purlauteren Wahrheit beflissen,
wird er sich auch künftighin zu keinen malerischen und poetischen
Winkelzügen und Umschreibungen verleiten lassen. Wohl aber kann er es
sich nicht versagen, den heiligen Bürokrazius zur Bereicherung deines
Wissens, frommer Leser, mit einem anderen gottseligen Manne zu
vergleichen, der vom Roß herunter ein Heiliger wurde, während der
heilige Bürokrazius in seiner Demut auf das Roß hinauf kam.

Es handelt sich um den gottseligen Petrus Consalvus in Spanien. Als der
einst vor einer großen Menge Volkes mit absonderlichem Gepränge auf
einem stolzen Klepper dahertrabte, fiel er unvermutet in eine wüste
Kotlacken, worinnen er sich wie in einem Saubade herumgewälzet und einem
Mistfinken nicht ungleich gesehen, welches dann jedermann zu einem
ungestümen Gelächter bewogen hat. Er aber nahm wahr, daß ihn die Welt
also auslachte, entschloß sich augenblicklich, dieselbe hingegen wieder
auszulachen, trat in einen heiligen Orden und lebte gottselig. Dem hat
also gleichsam die Kotlacken das Gewissen gesäubert und den Hochmut
ausgewaschen.

Selbiges hatte der heilige Bürokrazius nicht vonnöten, dieweilen er erst
in Verzweiflung ob seiner Hühneraugen hoch zu Roß gekommen, demnach nie
aus Hochmut beritten war. Darum ist es ihm auch niemals widerfahren,
daß er sich von seinem Schimmel unfreiwillig und von der ganzen Welt
verlacht hat trennen müssen.

Unbehindert und ohne Kotspritzer ritt er durch die Welt. Und es
ereignete sich, daß er in seiner erhabenen Berittenheit noch besser
denken konnte wie früher, als er mit seinen Hühneraugen durch die Welt
hatschte. Nachdem der Sitz seines Verstandes in unmittelbarer Berührung
mit dem Schimmel war, dachte der Heilige fürderhin noch leichter. Er
dachte nach dem Tempo des Amtsschimmels.

Sintemalen jedoch rasches Denken die Tiefe seiner Weisheit nachteilig
beeinflussen konnte, ließ der Heilige den Schimmel stets in einer sehr
gemächlichen Gangart dahintrotten. Es eilte ja nicht. Der Heilige hatte
Zeit, und der Schimmel hatte Zeit, und das liebe Publikum bewunderte den
heiligmäßigen langsamen und erhabenen Trott des Schimmels.

So ritt denn an einem schönen Sommertage der Heilige, tief versunken in
seine Gedanken, durch die Welt. Er hörte und sah nichts von seiner
Umgebung; denn er arbeitete nach dem Trott des Schimmels an einem neuen
Formular, mit dem er die Menschen beglücken wollte. Er hörte nicht das
Feilen des Gimpels und die schlagende Halsuhr der Wachtel, nicht das
gemeine Schleiferliedel der Amsel und das _Te Deum Laudamus_ der Lerchen
und nicht das Passarello des Stieglitzes. Er sah auch nicht die
gestickte Arbeit der Wiesen auf ihrem grünsamtenen Teppich, das lustige
Laubfest der Wälder und des ganzen Erdbodens hochzeitliches Gepränge.

So gab es ihm und seinen Gedanken einen gewaltsamen, plötzlichen und
jähen Ruck, als der Schimmel auf einmal stehenblieb und lebhaft
wieherte, als ob er einen alten Bekannten begrüßen würde.

Der Schimmel starrte durch seine grünen Brillen auf einen Kerl, der am
Wegrande saß, die Erde mit seinem Gewicht beschwerte und nichts anderes
tat, als daß er dem lieben Herrgott den Tag wegstahl.

Alldieweilen das Denkvermögen und dahero auch die Beobachtungsgabe des
Heiligen untrennbar von seinem Schimmel geworden war, starrte nunmehro
auch er auf den fremden Kerl. Der sah aber nicht gerade sehr gepflegt
aus. Er hatte struppiges Haar und einen verwilderten Bart. Auch wiesen
seine Kleider so viele Löcher auf, daß man in ihnen keine Maus hätte
fangen können. Geist stand just nicht in seinem Gesichte geschrieben.
Dafür guckten ihm aber die großen Zehen beider Füße fürwitzig aus den
Stiefeln. Wenn der Kerl überhaupt was tat, so war er offenbar damit
beschäftiget, seine in Gottes freie Luft ragenden Zehen zu betrachten,
als ob er ihnen besondere Eingebungen verdanken würde.

„Hihihihi!“ lachte der Schimmel. Daneben dachte er sich in seinem
Roßverstand: „Mir scheint, der Kerl ist genau so blöd wie wir beide.“

Der heilige Bürokrazius aber setzte sich auf seinem Schimmel zurecht und
fragte den fremden Kerl mit vornehmer Gelassenheit von oben herab: „Wo
haben Sie Ihren Paß?“

„Ha?“ sagte der Kerl, der nicht gut zu hören schien.

„Wo Sie Ihren Paß haben?“ wiederholte der Heilige sehr bestimmt.

„Was? Paß? Nix Paß!“ erwiderte der Kerl.

„Was? Sie haben keinen Paß?“ schnaubte der Heilige in gerechtem Zorn.

„Hühühühü!“ wieherte der Schimmel entrüstet und begann den Kerl zu
beschnuppern.

„Ha?“ sagte der Kerl.

„Sie haben keinen Paß!“ rief der Heilige mit erhobener Stimme. „Dann
sind Sie ja ein ganz gewöhnlicher Landstreicher!“

„Ha?“ sagte der Kerl.

„Ein ganz gewöhnlicher Landstreicher sind Sie! Ein Vagabund!“ rief der
Heilige laut von seinem Schimmel herunter.

„Was? Landstreicher?“ sagte der Kerl und langte faul und behaglich nach
einem derben Knüttel, der neben ihm im Grase lag. „Du, halt’ di fein
z’ruck!“

„Wie reden Sie denn überhaupt mit mir?“ rief der Heilige empört.

„Ha?“ fragte der Kerl.

„Wie Sie mit mir reden?“

„I? Wie i mit dir red’? Deutsch!“ sagte der Kerl.

„Stehen Sie überhaupt auf, wenn man mit Ihnen spricht!“

„Ha?“

„Aufstehen sollen Sie, wenn man mit Ihnen spricht!“

„I? Was? Aufstehn? Fallt mir nit im Schlaf ein!“

„Das ist doch eine unerhörte Frechheit!“ rief der Heilige. „Haben Sie
denn überhaupt eine Ahnung, wer ich bin?“

„Ha?“

„Ob Sie eine Ahnung haben, wer ich bin?“

„A saudumm’s Rindviech bist!“

„Hihihihi!“ lachte der Schimmel.

Der Heilige wurde durch diese Erkenntnis seiner Persönlichkeit
wesentlich milder gestimmt und fragte den Kerl ziemlich freundlich:
„Also Paß haben Sie keinen?“

„Ha?“

„Paß haben Sie keinen?“

„Naa.“

„Auch sonst keine Ausweispapiere?“

„Ha?“

„Papiere!“

„Papier? Brauch’ i keins. I wisch mi alleweil mit Gras ab!“

Der heilige Bürokrazius lächelte in seiner himmlischen Milde mitleidig.
Dann frug er den fremden Kerl: „Wie heißen Sie denn eigentlich?“

„Ha?“

„Wie Sie heißen!“

„Wie i heiß? Das geht dich an Schmarrn an!“

„Aber Sie müssen doch einen Namen haben.“

„Namen? Hab’ i aa!“ sagte der Kerl.

„Also wie heißen Sie!“

„Nit so wie du.“

„Ich bin der heilige Bürokrazius!“ sagte der Heilige.

„Wer?“

„Der heilige Bürokrazius!“

„Dös hab’ i mir gleich denkt!“ sagte der Kerl. „Ein anderer fraget mich
nit so saudumm aus!“

Der Heilige lächelte geschmeichelt. Dann frug er mit der freundlichsten
Herablassung: „Wollen Sie nun nicht so liebenswürdig sein und mir Ihren
werten Namen verraten?“

„Ja, wenn i dir damit a besondere Freud’ mach’, warum denn nit!“ sagte
der Kerl nachgiebig. „Stultissimus heiß ich!“

„Danke verbindlichst!“ sprach der Heilige höflich. „Nun, mein lieber
Herr Stultissimus, wollen Sie mir nicht gefälligst sagen, was Sie
eigentlich sind?“

„Ha?“

„Ich möchte Sie höflichst ersuchen, mir zu sagen, was Sie sind?“

„Kannst denn mit deiner blöden Fragerei gar nimmer aufhören!“ wurde der
Kerl plötzlich wieder obstinat.

„Aber Sie müssen doch irgendeinen Beruf haben!“ sagte der Heilige
ungemein liebenswürdig.

„Ha?“

„Ihr Beruf?“

Da erhob der Kerl seine rechte Hand und zog mit dem Zeigefinger
derselben einen Kreis um seinen struppigen Schädel.

Dann sagte er: „Heiliger.“

Der heilige Bürokrazius bemerkte aber, daß der Kerl tatsächlich einen,
wenn auch schmalen, so doch glänzenden Streifen um den Schädel trug.
„Auch Heiliger?“ sprach er mit einer gewissen Kameradschaftlichkeit.

„Was denn sonst?“ sagte der fremde Kerl.

„Sie entschuldigen schon, daß ich das nicht gleich bemerkt habe!“ meinte
der heilige Bürokrazius.

„Bist halt zu blöd dazu!“ sagte der heilige Stultissimus mit einer
gemütlichen Nachsichtigkeit.

„Wer hat Ihnen denn Ihren Heiligenschein verliehen?“ frug der heilige
Bürokrazius.

„Nix verliehen!“ erwiderte der heilige Stultissimus. „Von selber
g’wachsen!“

„Ah so!“ sagte der heilige Bürokrazius. „Respekt! Da gratulier’ ich.“
Damit stieg der Heilige von seinem Roß und setzte sich neben den
heiligen Stultissimus. Einerseits aus Kollegialität, anderseits um sich
mit seinem offensichtlich etwas schwerhörigen Mitheiligen besser
verständigen zu können. „Freut mich sehr, Ihre werte Bekanntschaft
gemacht zu haben!“ sagte er höflich.

„Weißt was, sein mer per du!“ meinte der heilige Stultissimus jovial.

Da rückte der heilige Bürokrazius unwillkürlich etwas von ihm weg und
betrachtete ihn vom Kopf bis zu den Füßen.

„Vielleicht nit?“ fragte der Stultissimus im Ton einer aufsteigenden
Beleidigung.

„Aber selbstverständlich!“ beeilte sich der heilige Bürokrazius zu
versichern.

„Also, sollst leben!“ sagte der Stultissimus und klatschte ihm mit der
flachen rechten Hand kräftig auf seine Glatze.

„Nix drinnen? Ha?“ frug er freundlich.

„Mit Verlaub,“ erkundigte sich der heilige Bürokrazius nach einer Weile,
„wo hast denn du deinen Verstand?“

„Verstand?“ erwiderte der andere. „Verstand hab’ i überhaupt keinen.“

„Aber du mußt doch auch was denken.“

„Denken tu i nix.“

„Ja, wie fallt dir denn nachher was ein?“

„Wie mir was einfallt? Mir scheint, am meisten fallt mir alleweil ein,
wenn i meine großen Zehen betracht’!“ sagte der heilige Stultissimus und
stellte seine Zehen in die Luft.

„Aha!“ meinte der heilige Bürokrazius. „Dann ist dir dein Verstand in
die Zehen abig’rutscht. Mir ist er weiter oben steckengeblieben. Auf die
Weis’ passen wir zwei ja ganz prächtig zusammen. Der heilige Bürokrazius
und der heilige Stultissimus, das ist doch ein wundersames Paar. Da
werden die Leut’ aber schauen!“

„Meinst?“ sagte der heilige Stultissimus.

Nachdem sie längere Zeit im beschaulichen Stillschweigen nebeneinander
gesessen hatten, hub der heilige Bürokrazius wieder an: „Eigentlich
solltest du aber doch eine Stellung haben!“

„Ah was! Stellung!“ machte der heilige Stultissimus verächtlich. „Da bin
i mir zu wenig dumm dazu.“

„Die nötige Dummheit kommt mit der Stellung!“ belehrte ihn der heilige
Bürokrazius.

„Das sieht man bei dir!“ sagte der heilige Stultissimus gutmütig.

„Na also!“ munterte ihn der heilige Bürokrazius auf. „Wie wär’s denn,
wenn du bei mir Stallknecht würdest. Für den Amtsschimmel da. Der ist
das dümmste Roß auf Erden. Ich bin das größte Rindviech. Und du bist der
größte Steinesel. Da sind wir eine herrliche Menagerie und können der
ganzen Welt einen Zirkus abgeben, daß sie damisch wird vor lauter
Begeisterung. Heiliger Stallknecht Stultissimus, schlag’ ein!“

„Was zahlst denn nachher?“ frug der heilige Stultissimus, der sich die
Sache zu überlegen schien.

„Zahlen? Ja, was fällt denn dir ein? Das ist doch eine Ehrenstellung!“

„Mit Ehrenstellungen kannst du mir g’stohlen werden! Siehst, da bin ich
auch wieder zu wenig dumm dazu.“

Da der heilige Stultissimus mit keiner Überredungskunst zu bewegen war,
die Stellung eines Stallknechtes als Ehrenstellung zu übernehmen,
einigten sich die beiden Heiligen schließlich auf einen bestimmten Lohn
und auf eine Kündigungsfrist. Es ist aber nicht bekannt geworden, daß
sich der heilige Stultissimus und der heilige Bürokrazius jemals wieder
getrennt hätten. Wie aus dem Folgenden zu ersehen ist, wurde der
Stultissimus außer seinem Roßamt auch noch ein bedeutender geistiger
Mitarbeiter des Bürokrazius.



    Wie die beiden Heiligen einen auferbaulichen Disput
    hatten und das respektvolle Ergebenheitstränklein
    brauten.


An einem Abend saßen die beiden Heiligen zusammen in dem dämmerigen
Stalle des Amtsschimmels und schauten bedachtsam zu, wie der Schimmel
Akten fraß und sie regelrecht verdaute, um dann einen Teil derselben als
Roßmist wieder von sich zu geben.

Um diesen Mist war den beiden Heiligen schon längst leid gewesen,
und sie hatten bereits des öfteren miteinander beratschlagt, was sie
eigentlich mit dem Mist des Amtsschimmels beginnen sollten.

Da der heilige Bürokrazius den Erzengel Michael wegen seiner ihm sattsam
bekannten Grobheit in dieser mistigen Angelegenheit nicht eigens um Rat
zu fragen wagte, beriet er die heikle Sache lieber mit seinem heiligen
Stallknecht.

Auch der heilige Stultissimus war der Ansicht, daß der Mist des
Amtsschimmels sich von gewöhnlichem Pferdemist wesentlich unterscheiden
müsse und richtig verwendet wunderbare Früchte zeitigen könnte.

Um der Sache endlich auf den Grund zu kommen, setzte sich der heilige
Bürokrazius ganz energisch nieder, und der heilige Stultissimus
betrachtete seine beiden nackten großen Zehen, die ihm in rührender
Anhänglichkeit noch immer aus den Stiefeln guckten.

Dabei entwickelte sich zwischen den beiden Heiligen dieser auferbauliche
Disput:

_Sankt Bürokrazius_: Was fangen wir nur mit dem Mist da an?

_Sankt Stultissimus_: Mit welchem Mist da?

_Sankt Bürokrazius_: Mit dem Mist da.

_Sankt Stultissimus_: Ah, mit dem Mist da.

_Sankt Bürokrazius_: Ja.

_Sankt Stultissimus_: Ah so.

_Sankt Bürokrazius_: Das ist sozusagen ein heiliger Mist.

_Sankt Stultissimus_: Der Mist da?

_Sankt Bürokrazius_: Ja.

_Sankt Stultissimus_: Ah so.

_Sankt Bürokrazius_: Das ist also kein gewöhnlicher Mist, sintemalen und
alldieweilen er von dem Amtsschimmel stammet. Dahero ist er auch
geheiliget und kann den Menschen nicht oft genug eingepräget werden.
Demzufolge muß auch dieser sozusagen heilige Mist des Amtsschimmels der
Menschheit in irgendeiner Form zugeführet werden.

_Sankt Stultissimus_: So werden sie ihn aber nit fressen.

_Sankt Bürokrazius_: Derohalben muß irgendeine ersprießliche Form für
die Verwertung besagten Mistes gefunden werden.

_Sankt Stultissimus_: Reden ist leicht, aber einfallen sollt’ einem halt
was.

_Sankt Bürokrazius_: Wie wäre es, wenn wir diese unschätzbaren
Äußerungen des Amtsschimmels abkochen würden und ein Tränklein daraus
bereiten würden, das der ganzen Menschheit zum Heile und uns zum höheren
Ruhme verhelfen würde? Wozu lagert ansonsten der Amtsschimmel seinen
Mist ab, wenn er nutzlos verdirbt!

_Sankt Stultissimus_: Das wär’ eine Idee.

_Sankt Bürokrazius_: Die Menschen haben noch immer zu wenig Respekt vor
dem heiligen Bürokrazius. Es muß ihnen viel mehr respektvolle
Ergebenheit vor seiner Weisheit eingeflößet werden. Wie könnte das
besser geschehen, als durch den Mist des Schimmels, der den heiligen
Bürokrazius trägt, auf dem der heilige Bürokrazius nicht nur reitet und
denkt, dessen erhabener Gangart er sogar seine Entschließungen,
Verordnungen und Maßnahmen verdanket. Denn was ansonsten gewöhnlicher
Roßmist ist, das ist allhiero der unergründliche Geist von tausend
Akten, _quasi_ das _Extractum_ aller gebührenden Ehrfurcht vor dem
heiligen Bürokrazius, der anselbsten zu sein Redner die hohe
Auszeichnung besitzet.

_Sankt Stultissimus_: Bist jetzt nachher bald fertig? Das kann man doch
kürzer sagen: Den Mist abkochen und den Menschen zu saufen geben.

_Sankt Bürokrazius_: Mein lieber Stultissimus, du hast leider noch immer
nicht das richtige Verständnis für den Amtsstil.

_Sankt Stultissimus_: Steig’ mir in Buckel mit deinem Amtsstiefel! Also
probieren wir’s halt einmal mit dem Trankl! --

Damit sammelten die beiden Heiligen sorgfältig den Mist des
Amtsschimmels, gingen hin, richteten einen Kessel und ein Feuerlein zu
und begannen zu kochen.

Der heilige Bürokrazius klebte an die Türe der Küche einen großen
Zettel, auf dem zu lesen stund: „Insgeheime geheimste Kuchel. Eintritt
strengstens verboten!“ Es wagte auch niemand die beiden Heiligen in
ihrer geheimnisvollen Tätigkeit zu stören.

Dem brodelnden Kessel entstiegen die lieblichsten Düfte. Dabei geschah
ein himmlisches Wunder, welches das ehrerbietige Staunen und die
uneingeschränkte Begeisterung der beiden Heiligen erregte.

Der Rauch, der von dem Kessel emporwirbelte, war kein gewöhnlicher
Rauch, sondern er entschwebte dem Kessel in den herrlichen Formen von
lauter Paragraphenzeichen, die lange Zeit in der Luft hängen blieben,
bis sie von nachflatternden neuen Paragraphen abgelöst wurden. Daraus
erkannten die beiden Heiligen, daß sie den einzig richtigen Weg für die
Verwendung des heiligen Mistes zum Wohle und Gedeihen der Menschheit
gefunden hatten.

„Himmelsakra!“ rief der heilige Stultissimus in ehrlicher Überraschung
aus. „Das ist aber höllisch schön!“ Damit spuckte er in
überschwänglicher Begeisterung in das brodelnde Dekoktum des Kessels.
Nunmehro ereignete sich ein neues, noch größeres Wunder.

Die Paragraphen, die nach dieser Vermischung des heiligen Sputums mit
dem Schimmelmist aus dem Kessel sich erhoben, machten plötzlich in der
Luft tiefe katzenbuckelnde Verbeugungen. Da der heilige Bürokrazius
dieses zweiten Mirakulums ansichtig ward, da wurde er schier von blassem
Neid gegen seinen Stallknecht, Kollegen und Mitheiligen erfasset. Er
trachtete dahero, ihn womöglich noch zu übertreffen, räusperte sich
lange und ausgiebig und spie einen riesigen Klachel in den Kessel.

Nunmehro wollten sich die katzenbuckelnden Paragraphen in der Luft fast
vor Devotion überschlagen. Triumphierend schaute der heilige Bürokrazius
auf den heiligen Stultissimus, dieweilen er ihn an Wunderwirkung seines
heiligen Sputums noch übertroffen hatte.

Das erregte wiederum den Neid des heiligen Stallmeisters. Er beeilte
sich dem Roßmist geschwind neues Sputum zu vermischen. So geschah es,
daß die beiden Heiligen in edlem Wetteifer abwechselnd in den Kessel
spuckten und dadurch jenes großartige Arkanum erzielten, das bis zu den
heutigen Zeitläuften die Menschen in Untertänigkeit und Ehrfurcht vor
allen Einrichtungen des heiligen Bürokrazius erschauern macht.

Damals wurde von den beiden Heiligen, die alsogleich erkannt hatten, daß
die Mischung des Schimmelmistes und ihres heiligen Sputums die allein
richtige Mischung für ihr geplantes Dekoktum sei, aus besagtem,
in lieblichster Devotion duftendem Dekoktum das respektvolle
Ergebenheitstränklein gebraut, welches der heilige Bürokrazius hinfüro
den seiner Verwaltung und seines Gängelbandes dringend bedürftigen
Menschen bescherte.

Da die Menschen nach ihrer armseligen Naturanlage leider unfähig waren,
sich selber zu verwalten und sonder Schwanken gehen zu lernen, mußte
ihnen durch dieses offensichtlich himmlischer Eingebung entstammende
respektvolle Ergebenheitstränklein der endgültige Glaube an die
Notwendigkeit, Erhabenheit, Verstandesschärfe, Unentbehrlichkeit und
Unfehlbarkeit aller irdischen Stiftungen des heiligen Bürokrazius
beigebracht werden.

Der Heilige verfügte, daß dieses Tränklein bereits den Kindern in die
Lullbüchsen gegeben würde, so daß sie es zugleich mit der Muttermilch
bekamen und mit der respektvollen Ergebenheit gegen den heiligen
Bürokrazius im Leib schon in ihren Windeln lagen.

Sintemalen uns allen dieses Tränklein in Adern, Knochen und Flachsen
liegt und sozusagen einen wesentlichen Bestandteil unserer irdischen
Beschaffenheit ausmachet, hat es bis zu heutigen Tagen der armen
Menschheit auch noch nie recht zu dämmern begonnen, was für ein
riesengroßes Rindviech der heilige Bürokrazius im Grunde genommen
eigentlich ist. Auch die Bestandteile des respektvollen
Ergebenheitstränkleins sind den Menschen noch nie zum Bewußtsein
gekommen, dieweil es sich eben um ein Geheimmittel handelt, das sich nur
in seinen Wirkungen dokumentieret.

Alldieweilen aber jegliche Medikamente ihren gelehrten lateinischen
Namen haben müssen, damit sie dem ehrfurchtsvollen Publiko um so
unbegreiflicher, geheimnisvoller und rätselhafter erscheinen, hat ein
Kollegium hochgelahrter Professoren, Doktoren, Chemiker, Alchimisten und
Pharmazeuten nach jahrelangen schwierigen Beratungen auch für das
respektvolle Ergebenheitstränklein, welches die Welt dem heiligen
Bürokrazius unter kräftiger Mitwirkung des heiligen Stultissimus
verdanket, die endgültige wissenschaftliche Bezeichnung gefunden. Sie
soll dir, o frohgemuter Leser, nicht vorenthalten werden. Wappne dich
jedoch mit allen deinen klassischen Kenntnissen und verrenke dir dabei
die Zunge nicht ... _Sanctorum Bürokrazii atque Stultissimi mixtura
famosa gloriosa miraculosa amabilis admirabilis honorabilis venerabilis
respectabilis devotionalis mystica decocta speibensis saufdusi._

  [Verzierung]



    Wie der heilige Bürokrazius Hühneraugen im Hirn bekam
    und sich einen Zopf wachsen ließ.


  O höllischer Sudkessel, wie fürchterlich sind deine Qualen,
  Nicht zu beschreiben und auch nicht zu malen!
  Wann dich Verdammten von vorne und von hinten
  Unablässig die Teufel zwicken und boshaftig schinden,
  Dann wirst du vor lauter höllischer Pein Tag und Nacht juhzen,
  Aber es wird dir sotanes Gejuhze nix nutzen.
  Und wenn du auch jodelst in den höchsten Tönen,
  Wird dein Gesang nur die Schadenfreude der Höllenmächte verschönen.
  Pech und Schwefel wird dir deinen sündigen Leib verbrennen,
  Magst du auch noch so winseln und heulen und rotzen und flennen.
  Während ein Rindfleisch im Sudkessel wird allgemach weicher
          und linder,
  Bleibst du darinnen für alle Ewigkeiten der gleich hartgesottene
          Sünder.
  Und entsteiget deiner Suppen auch tausendfach Weh und Ach,
  Hilft’s dir einen Dreck, du bleibest in _saecula saeculorum_ zach.
  Und geben sie dich auch zur Abwechslung, um dich zu braten und zu
          schmoren,
  In die höllische Pfannen, es ist an dir alle Liebesmüh verloren.
  Dahero kannst du daran ermessen, du gottverlassener Sündenlümmel,
  Wie blöd es von dir war, in die Hölle zu kommen anstatt in den Himmel.
  Wenn du aber für höllische Qualen zwecktunliche Vergleiche willst
          entdecken
  An irdischen Martern, Bedrängnissen, Peinigungen und Schrecken,
  Die eine heilsame _comparationem_ aushalten mit den diabolischen
          Pech- und Schwefellaugen,
  Dann brauchst du nur mit gebührender Andacht zu denken an deine
          Hühneraugen.
  Die machen dich, o frommer Christ, auch mitunter so elendiglich
          juhzen,
  Daß du dir am liebsten tätest deine verehrlichen Zehen abstutzen.

Schreiber dieser heiligen Legende hat zwar schon im vorhergehenden denen
schwindelhaften Poeten als einem Lottergesindel feierlich abgesaget und
abgeschworen. Deswegen hat er es sich aber doch nicht versagen können,
dieses Hauptstück mit zierlichen und wohlgesetzten Reimlein einzuleiten.
Er möchte sich aber sehr geharnischt dagegen verwahren, um dieser
Reimlein willen unter das verächtliche Gelichter der Poeten einverleibet
zu werden. Seine Reimlein sind keine Poesien, sondern der Abglanz und
Spiegel der Wahrheit, _speculum veritatis_. Er hat nicht gedichtet und
nichts erdichtet, auch nichts geschwefelt mit der Abschilderung des
höllischen Schwefels, sondern nur der Wahrheit ein Gewand verliehen, das
noch deutlicher in die Augen fällt, als die schlichte Prosa, und einen
Ton, der euch in den Ohren klingen soll wie die Trompeten von Jericho.

Dabei hat er euch aber die Qual der Hühneraugen nochmals eindringlich
vorführen wollen, damit ihr das richtige, nachdenksame und auferbauliche
Verständnis für das Folgende findet, was er euch in diesem Hauptstück
von dem heiligen Bürokrazio zu vermelden und zu berichten hat.

Es ereignete sich nämlich, daß den heiligen Bürokrazius seine
Hühneraugen wiederum fürchterlich turmanterten, _id est_ peinigten. Das
schrieb sich dahero, dieweilen unterschiedliche frevelhafte Menschen,
so noch nicht zu den Rindviechern zählten und derohalben seine heilige
Sendung noch nicht erfasset hatten, dem Heiligen in niederträchtiger und
heimtückischer Absicht wiederholt sonder Erbarmen auf diesen seinen
empfindlichen Leibschaden der Zehen traten.

Das machte den Heiligen jedesmal so erbärmlich juhzen wie die Verdammten
im höllischen Sudkessel. Gerne hätte er _ad majorem dei gloriam_ auch
diese Qualen seines Erdenwandels noch weiter ertragen. Besagtes Gejuhze
vereinbarte sich aber nicht mit seiner Würde, die er kraft seiner
himmlischen Sendung allerorten zur Schau tragen mußte.

Da dem heiligen Bürokrazio der Ton, in welchem die innere Stimme des
Erzengels Michael mit ihm geredet hatte, für die Dauer gar nicht genehm
war, wagte er es desto weniger, sich an diese himmlische Stimme zu
wenden, weil ja die Materie seiner Hühneraugen schon einmal zwischen ihm
und dem Erzengel Michael abgehandelt worden war.

Der heilige Bürokrazius setzte sich dahero wiederum mehrere Tage und
Nächte nieder, wie er dies beim Denken bekanntlich immer zu tun pflegte,
und dachte inständig darüber nach, auf welche Art und Weise er die Qual
der Hühneraugen loswerden könnte, dieweilen ihm wegen der Boshaftigkeit
der sündhaften Menschen auch die erhabene Berittenheit auf dem
Amtsschimmel zwar eine zeitweilige, aber nicht eine immerwährende
Befreiung von dieser großen leiblichen Sorge seines irdischen Wandels
gebracht hatte.

Nachdem der Heilige reiflich und tief nachgedacht hatte, wurde ihm durch
eine innere Stimme die Eröffnung: „Wende dich in einer gehörig
begründeten Eingabe an die höchste Instanz, an den lieben Gott selber!“

Wem diese Stimme von oben angehörte, konnte der heilige Bürokrazius nie
ergründen. Sie sprach jedoch zu ihm in einem höflichen und
liebenswürdigen Tone.

Es handelte sich jetzo aber darum, die verlangte Eingabe an den lieben
Gott zu verfassen. Und das war keine Kleinigkeit. Denn eine solche
Eingabe war dem heiligen Bürokrazius in seiner ganzen Praxis noch nie
vorgekommen. Auch besaß er hiezu keine Formularien oder sonstigen
Behelfe. Nicht einmal in dem Mist des Amtsschimmels waren irgendwelche
Andeutungen für den Verkehr mit dem lieben Gott zu finden.

Der heilige Bürokrazius pflog dahero sorgsame Beratungen mit seinem
Stallknecht, dem heiligen Stultissimus. Der hatte ihm, bevor der heilige
Bürokrazius sich auf das neuerliche tiefe Nachdenken über seine
Hühneraugen verlegte, schon einmal den echt freundschaftlichen Rat
gegeben, er solle sich seine Hühneraugen beim Hufschmied beschlagen
lassen. Dieser Rat war aber damals von dem heiligen Bürokrazius mit
berechtigtem Entsetzen zurückgewiesen worden, obschon er die Wohlmeinung
desselben uneingeschränkt anerkannte.

Der heilige Stultissimus war nunmehro, nachdem ihm der heilige
Bürokrazius von seiner neuesten himmlischen Eingebung Mitteilung gemacht
hatte, der Ansicht, daß es eigentlich eine Frechheit sei, den lieben
Gott mit seinen Hühneraugen zu belästigen. Aber wenn der heilige
Bürokrazius schon meine, er solle es doch tun, dann möge er sich ja
davor hüten, den lieben Gott um die gänzliche Befreiung von den
Hühneraugen anzusumsen. Solche gänzliche Nachlässe irdischer Qualen
seien eine unerhörte Forderung an die Allbarmherzigkeit des lieben Gott.
Denn irgendetwas müsse der Mensch doch auf Erden zu leiden haben. Und
sonst habe der heilige Bürokrazius ja auch nichts Arges zu erdulden.
Nicht einmal von Kopfweh werde er jemals heimgesuchet.

Das leuchtete dem heiligen Bürokrazius denn auch ein, und so beschlossen
die beiden Heiligen nach gewissenhaften beiderseitigen Beratungen, daß
die Eingabe an den lieben Gott nur die Bitte enthalten sollte, der liebe
Gott möge so gnädig sein, dem heiligen Bürokrazius seine Hühneraugen an
eine Stelle seines heiligen Leibes zu versetzen, wo sie ihn nicht so
fürchterlich schmerzen würden. Ein Endchen Qual wolle er ja in
demütigster Unterwerfung gerne ertragen. Aber der gegenwärtige Zustand
sei unerträglich und eine schwere Berufsschädigung.

Die Eingabe an den lieben Gott wurde alsobald erlediget. In dem heiligen
Bürokrazius erhub sich nach einer abermaligen andächtigen Sitzung eine
mächtige Stimme, welche er als die Stimme des lieben Gott erkannte.

Die Stimme war zwar nicht wesentlich höflicher als die des Erzengels
Michael, sie erging sich aber doch nicht in derartigen Ausdrücken, wie
sie der Erzengel liebte.

Die Stimme sprach aber ungefähr folgendes: „Hühneraugen hast? Wo anders
willst sie haben? Das könnt’ jeder sagen. Laß’ mich ein bissel
nachdenken, wo sie bei dir am ehesten Platz haben. Denn wisse, jedes
Ding will seinen Platz haben. Auch die Hühneraugen. Halt! Ich hab’s. Ich
versetz’ dir die Hühneraugen nach dem Hirn. Da hast du am meisten Platz
dafür. Ist ohnedies nix drin. Sonst wärst ja nicht der heilige
Bürokrazius. Siehst, wie gut es ist, wenn man im Schädel eine leere
Kammer hat.“

Der liebe Gott sprach es. Und das Wunder geschah. Der liebe Gott
versetzte in seiner himmlischen Gnade und Allmacht dem heiligen
Bürokrazius seine Hühneraugen in das Hirn, wo sie als Einquartierung gut
aufgehoben waren.

Und wie gnädig war der liebe Gott gewesen. Der heilige Bürokrazius hatte
sich in seiner Eingabe nur nachzusuchen erlaubet, der liebe Gott möge
ihm die Hühneraugen nach einer Stelle seines heiligen Leibes versetzen,
wo sie ihn nicht so fürchterlich schmerzen würden. Mit einem Endchen
Qual wolle er sich gerne abfinden. Nun hatte ihm der liebe Gott die
Hühneraugen in das Hirn versetzet, und da verspürte der heilige
Bürokrazius überhaupt keine Qual mehr. Denn jede Qual erfordert, damit
sie gefühlet werde, ein Eintreten in das Bewußtsein. Nachdem jedoch dem
heiligen Bürokrazius die Hühneraugen nach demjenigen Teile seines
heiligen Leibes versetzet worden waren, der mit seinem Bewußtsein oder
Verstande gar nichts zu tun hatte, konnten ihn die Hühneraugen im Hirn
unmöglich mehr peinigen.

Es ist aber in unzähligen theologischen Schriften erwiesen, daß die
göttliche Weisheit nichts tut ohne ihren ewigen Vorbedacht. So war auch
die Versetzung der Hühneraugen des heiligen Bürokrazius in sein Hirn von
Ewigkeit vorbedacht. Und diese vorbedenkende Weisheit des lieben Gott
sollte sich alsobald zeigen.

Da die Hühneraugen nunmehro eine ungehinderte Freistatt hatten, sich
üppig zu verbreiten, und sie kein Schuh mehr drückte, feierten sie in
dem Hirn des Heiligen wahre Orgien der Vermehrung. Sie wucherten gleich
Schwämmen zur Zeit des Jupiter Pluvius, wie die Antiken sagen würden,
und drückten allgemach gewaltig gegen die Schädelwände.

Sintemalen jedoch der Heilige infolge der eigentümlichen Beschaffenheit,
mit welcher er dachte, unmöglich Kopfschmerzen bekommen konnte, so
störten ihn die Hühneraugen auch bei ihrer unheimlichen Vermehrung nicht
im geringsten in seinem Berufe.

Irgendwie mußten sie ihre Bestimmung aber doch erfüllen. Mit ihrem Druck
gegen die Schädelwände war unwillkürlich auch ein Druck auf die
Haarwurzeln verbunden. Die ausgefallenen Haare des Heiligen begannen
dahero plötzlich wieder zu wachsen.

Es erhub sich in kurzer Zeit ein derart reicher Haarwuchs, daß der
heilige Bürokrazius sich bemüßiget fand, einen Zopf daraus zu flechten.
Der Zopf aber stund ihm großartig zu Gesichte.

Dies fanden auch der heilige Stultissimus und alle Menschen, die seines
Anblickes gewürdiget wurden. Ja, seitdem der heilige Bürokrazius einen
Zopf trug, gewann er noch mehr Ansehen bei den Menschen.

Der Zopf hatte ihm noch gefehlet. Trug ja auch der Amtsschimmel hinten
einen Schweif. Warum sollte daher der heilige Bürokrazius unbezopft auf
Erden wandeln.

Die allwaltende göttliche Weisheit hatte mit dem Zopf des heiligen
Bürokrazius aber noch ganz etwas anderes bezwecket, was sich alle die
Spötter hinter ihre werten Ohrwascheln schreiben sollen, die über diesen
Zopf je abfällige Bemerkungen gemacht haben.

Und diese abfälligen Bemerkungen wurden gemacht. Wagt es doch die
Menschheit, das Glänzende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu
ziehen. Das muß irgendwo irgendein Dichter gesagt haben, der sich durch
sotanen Ausspruch in einem Momente göttlicher Eingebung für diesen einen
Moment von dem sonstigen Poetengesindel loslöste.

Der Zopf des heiligen Bürokrazius ist nur derohalben der Gegenstand
frevelhaften Witzes geworden, weil die Menschheit bis anhero den
geheimnisvollen Gang des göttlichen Willens nicht erkannt hat.

Darum passet fein auf und höret zu. Der Schreiber dieser Legende will
euch aufmerksamen Lesern die göttliche Bestimmung des Zopfes des
heiligen Bürokrazius erläutern.

Durch die eigentümliche Denkart des Heiligen konnte sich sein Gehirn
nach außen nicht dokumentieren. Da dieses jedoch mit der Zeit hätte zu
Mißdeutungen führen und dem Ansehen des Heiligen hätte schaden können,
war der liebe Gott in seiner ewigen Weisheit darauf bedacht, das Gehirn
des Heiligen auch äußerlich in Erscheinung treten zu lassen.

Auf dem Umwege der Hühneraugen ließ er dahero das zur Untätigkeit
verurteilte Gehirn des Heiligen nach außen in der Gestalt seines Zopfes
sichtbar werden.

Dahero ist auch der Zopf des heiligen Bürokrazius, der von seinen
Jüngern und sonstigen Anhängern ehrfurchtsvoll in unveränderter Gestalt
übernommen wurde, etwas Heiliges und muß von uns allen gebührend
verehret werden. Er ist der sichtbare allegorische Ausfluß seines
Geistes an derjenigen Stelle, wo er naturgemäß sein sollte, aber nicht
zu finden ist.

Der tatsächliche Sitz des Verstandes und Geistes des heiligen
Bürokrazius kann aus leicht begreiflichen Gründen _coram publico_ nicht
entblößet werden, weswegen dem _Pleno titulo Publico_ dessen
sinnbildlicher Sitz und seine sichtbare Verkörperung in Gestalt des
Zopfes genügen möge. Womit Schreiber dieser Legende allen Spöttern,
Tadlern und Mäklern _in aeternum_ das Wasser auf die lästerlichen
Klappermühlen ihrer Scheelsucht abgegraben zu haben vermeinet.

Es ist aber obenbeschriebene Angelegenheit mit dem Versetzen der
Hühneraugen nach dem Hirn des heiligen Bürokrazius und mit dem dadurch
hervorgerufenen Wachsen des Zopfes noch keineswegs erlediget. Auf daß
der Heilige durch Befreiung von jeglicher irdischer Qual nicht zu
weltlichem Übermute verleitet würde, ist dem bösen Feind _alias_
Gottseibeiuns oder Luzifer ein diabolisches Streichlein verstattet
worden.

Unter dem Einflusse und unter der Beratung des infernalischen
Schürmeisters hat sich bei der Wanderung der Hühneraugen nach dem
Gehirne des Heiligen ein ganz besonders niederträchtiges, erzinfames und
teuflisch boshaftes Hühnerauge nach demjenigen Körperteile seines
heiligen Leibes verirret, mit welchem er dachte.

Der heilige Bürokrazius sollte seiner verruchten Anwesenheit alsobald
gewahr werden. Dieses eine verirrte Hühnerauge begann ihn in neuer
Gestalt ärgerlich zu peinigen, und es wucherte weiter und bekam
Geschwister und Anverwandte.

Diesmal bemächtigten sich die hochgelahrten _doctores universalis
medicinae_ des Leidens des heiligen Bürokrazius, da selbiges sich
sozusagen zu einer öffentlichen Angelegenheit auswuchs, sintemalen es
den Sitz seines Verstandes bedrohte. Sie vermochten ihm zwar nicht
gründlich zu helfen, aber die größten medizinischen Fakultäten der Erde
verliehen dem heiligen Bürokrazius in feierlichen Promotionen den Titel
eines _Hämorrhoidarius_, welchen _titulum academicum_ der Heilige nebst
seinem Zopf in Würde, aber nicht immer mit Gelassenheit trug.

  [Verzierung]



    Ein deliziöses Intermezzo von den Tiroler
    Speckknödeln.


Zu jenen Zeitläuften, da der heilige Bürokrazius auf Erden wandelte,
waren die Tiroler Speckknödel leider noch nicht erfunden.

Wie hätte sich ansonsten unser verehrungswürdiger Heiliger daran
erlustieret und delektieret. Wie wäre der schnüffelnde Rüssel seiner
Nase in Bewegung geraten ob des anmutigen und verführerischen Duftes der
Knödel. Wie hätten seine Eselsohren gespitzet, und wie hätte sein Zopf
begeistert gewackelt. Das Krawattel wäre ihm zu nie geahnten Höhen
geklettert.

Es ist nicht abzusehen, was der heilige Bürokrazius noch erfunden hätte,
wenn er mit Tiroler Speckknödeln gespeiset worden wäre. Da aber seine
Erfindungen ohnedies schon die ganze Welt erfüllen, wäre vielleicht für
die Überfülle seiner Ideen kein Platz mehr auf Erden gewesen, wenn sie
auch noch von Tiroler Speckknödeln befruchtet worden wären.

Es mag nunmehro vielleicht ein boshaftiger Schelm den Schreiber dieser
Legende fragen, warum der heilige Sankt Bürokrazius nicht auch die
Tiroler Speckknödel erfunden hat.

Auf diese fürwitzige und ungebührliche Frage gebühret dem Frager mit Fug
und Rechten eine ausgiebige Maulschellen. Der heilige Bürokrazius hat
die Tiroler Speckknödel derohalben nicht erfunden, dieweilen er den
Speck zu einer anderen Erfindung brauchte oder vielmehr dieweilen ihm
der Speck durch die göttliche Vorsehung für eine andere Erfindung
bestimmet gewesen ist, die damals noch notwendiger war als die Tiroler
Speckknödel.

Wie sich das verhielt, das wird der nachfolgende Bericht genau erweisen.

Nun glaubet ihr wohl, ihr werdet das gleich in den nächsten Zeilen
erfahren. O nein, der Schreiber dieser Legende wird deine Neubegierde,
großgünstiger Leser, noch ein bissel auf die Folter spannen und sich
noch des weiteren über die Tiroler Speckknödel verbreiten, wozu er ein
gutes Recht zu haben glaubt.

Einmal will er obgenannten fürwitzigen Fragern gern das Maul nicht nur
nach der Rolle des Speckes im Leben des heiligen Bürokrazius, sondern
auch nach den Tiroler Speckknödeln anselbsten wassern machen.

Zum zweiten gehören die Tiroler Speckknödel, da auch sie sich wie die
gewaltige Erfindung des Heiligen auf Speck gründen und bauen, schon rein
stofflich, _secundum materiam_, in diese Legende.

Zum dritten ist der Schreiber dieser Legende von dem innigsten Danke
gegenüber den Tiroler Speckknödeln erfüllet und darf es sich wohl
gestatten, an dieser Stelle auch einmal ein Gesatzel _pro domo_
einzuflechten.

Nur der regelmäßige und reichliche Genuß der gloriosen Knödel hat den
Schreiber befähiget, das Leben des Heiligen zu erforschen und bis zu
diesem neuen Wendepunkte mit der gebührenden Andacht zu begleiten.

Die weltumfassende Materie seines Opus konnte sich nur aus den Tiroler
Speckknödeln zu jener Klarheit und Anschaulichkeit erheben, die du,
frommer Leser, hoffentlich genügend schätzen gelernet hast. Und
justament sotane universale Erfassung des Stoffes stehet in dem
innigsten ursächlichen Connexus mit den Tiroler Speckknödeln.

Wie stellet sich das Bild der Welt, des Universums dem menschlichen
Begriffe dar, insonderheit, wenn man es nach seiner Gestalt erfasset? Es
stellet sich in Kugelform dar. Wenn du von der Welt im großen sprichst,
geneigter Leser, dann denkest du doch an die Weltkugel.

In gleicher Gestalt stellet sich auch der Tiroler Speckknödel dem
andächtigen Beschauer dar. Auch er ist eine Kugel, wenn auch _in
dimensionibus minoribus_.

Er kann aber mit der Weltkugel füglich in Vergleich gebracht werden, da
er eine kugelförmige Welt für sich ist. Man könnte ihn ohne Überhebung
als _globus Tirolensis_ in die Lehrbücher der Astronomia einsetzen.

Und doch unterscheidet sich der Tiroler Speckknödel von der Weltkugel
wiederum wesentlich. Denn während unsere Erde voll ist von Bitternis,
Stacheln und Unkraut, ist der _globus Tirolensis_ voll Wohlgeschmack und
paradiesischer Ingredienzien. Er beglücket deinen Gaumen mit seiner
zarten speckduftenden Beschaffenheit, er erquicket deinen Magen und er
beflügelt deinen Geist zu den höchsten Höhen.

Eine Kugel, dem Weltall gleich, war er, bevor du ihn zerteiltest und ihn
deiner leiblichen Wesenheit einverleibtest. Und zum Weltall, zum _globus
universalis_ deines Geistes wird er, wenn seine Substanzien sich dir
mitgeteilet haben.

O ihr armseligen Menschen, die ihr noch nie Tiroler Speckknödel
verzehret habt, wie seid ihr ausgeschlossen von aller Gnade irdischer
und himmlischer Wohlfahrt. Insonderheit, ihr Mucken-Brüter und
Grillenvögte, ihr Sorgenkramer und Lettfeigen, ihr Melancholey-Schmiede,
Kummer-Geiger und Trübsal-Blaser, die ihr mit Ängsten angefüllet seid
wie das Trojanische Pferd mit Soldaten, pilgert zu den Tiroler
Speckknödeln! Sie werden euch trösten und euch jene Kraft des Körpers
und des Geistes geben, von welcher der Schreiber dieser Legende erfüllet
ist und kraft deren er nach dieser notwendigen Abschweifung auf das
Gebiet seiner Leib- und Geistesspeise wiederum zu seiner eigentlichen
Materia zurückkehret, nämlich zum Speck des heiligen Bürokrazius.



    Wie der heilige Bürokrazius die Stampiglien erfand.


Es verhielt sich aber mit diesem Speck, wie das folgende Hauptstück
aufzeiget.

Ihr werdet es leichtlich begreifen, daß der heilige Sankt Bürokrazius
eine erschröckliche Schreibarbeit zu leisten hatte. Ganz fürnehmlich
hatte er aber seinen heiligen Namen unzählige Male zu schreiben, was ihm
keine geringen Beschwerden verursachte.

Es häuften sich jedoch die Skripturen auf seinem Schreibtische derartig,
daß sie ganzen Gebirgen glichen, in denen der Heilige völlig verschwand.
Man sah von seiner Körperlichkeit die meiste Zeit nichts mehr. Nicht
einmal die äußersten Spitzen seiner langen Eselsohren ragten über die
papierenen Gebirge hinaus. Und nicht einmal die _Krawatitis posterior
ascendens_ vermochte es mit all ihrer Heimtücke, diese hochragenden
Gipfel zu erklimmen.

Nur der Heiligenschein Sancti Bürokrazii leuchtete in seinem milden
Lichte auch aus diesen papierenen Gebirgen hervor. Es war, als ob sein
Licht in Verklärung aus lauter papierenen Schluchten emporsteigen würde.

So sehr die arbeitsfreudige Rüsselnase des Heiligen auch in den
papierenen Bergen herumschnüffelte und die papierenen Schluchten
durchfurchte, es wollte nie weniger werden an unermeßlichem Segen. Der
Heilige litt schon sehr bedenklich an Schreibkrampf, und an die Finger
seiner rechten Hand wollte sich eine neue Abart der Hühneraugen
ansetzen, was dem Heiligen kein gelindes Erschaudern verursachte.

Da trat der Segen des Speckes in sein Leben.

Der Heilige genoß meistens an den Vormittagen zu einem Halbmittag ein
erklöckliches Trumm Speck und trank zu seiner Auferbauung ein Stamperl
Schnaps dazu, auch zwei oder drei Stamperln Schnaps, was wir, der
lauteren Wahrheit die Ehre gebend, hiemit nicht verschweigen wollen.

Der Speck mundete ihm stets fürtrefflich, obschon er ihn nur in seiner
rudimentären Form und leider noch nicht in der veredelten und verklärten
Gestalt des _globus Tirolensis_ kannte.

Da der Heilige in seiner Schlichtheit von Tischtüchern und Servietteln
keine Ahnung hatte, wischte er sich die speckigen Pratzen gewöhnlich an
dem Sitz seines Verstandes ab und widmete sich sodann mit unablässigem
Eifer wiederum seinen Arbeiten.

Zufällig griff er nunmehro an einem Vormittage, noch bevor er besagte
Abwischung vorgenommen hatte, nach einer ganz besonders eiligen
_scriptura_. Als er sie wieder weglegte, ersah er mit heiligem
Erstaunen, daß sich sein heiliger speckfettiger Daumen auf der
_scriptura_ ebenbildlich abgedrucket hatte.

Lange Zeit fand er ob diesem himmlischen Wunder die Sprache nicht
wieder. Er betrachtete die _scriptura_ und betrachtete _pollicem suum_,
seinen leibeigenen Daumen. Es ließ sich nicht leugnen, der Daumen hatte
sich mit seiner ganzen Inschrift in Linien und krummen Kurven und
wundersamen Zeichnungen in herrlichster Klarheit auf die _scriptura_
übertragen. Es war ein Gemälde von auserlesener Schönheit und
Akkuratesse.

Nachdem der Heilige sich von seinem Staunen einigermaßen erholet hatte,
drückte er auf eine andere Skriptur kräftiglich seine Nase. Auch dort
entstund wundersamerweise ein deutlicher Abdruck, dieweilen auch die
heilige Rüsselnase zahlreiche Fettstoffe enthielt, wenn damit auch nicht
gesagt sein soll, daß sie sich gleich dem Speck zur Herstellung des
_globus Tirolensis_ geeignet haben würde.

Dieser neuerliche Erfolg ermutigte den heiligen Bürokrazius, es nun auch
mit seinen von den Hühneraugen befreiten Zehen zu versuchen. Auch mit
diesen Gliedmaßen seines heiligen Leibes erzielte er deutliche Abdrücke,
sintemalen er schon seit mehr als Jahresfrist kein Fußbad mehr genommen
hatte.

Die höchste Erleuchtung kam aber dem Heiligen, als er sich zu einem
guten Ende auf eine der geheimsten Skripturen mit dem Sitz seines
Verstandes hockte. Allda entstund ein so herrlicher Abdruck, daß dessen
Majestät keinem fürstlichen _Sigillum_ verglichen werden konnte.

Voll inbrünstiger Andacht beschaute der heilige Bürokrazius die
ebenbildlichen _epitaphia_ seines Daumens und seiner Zehen, seiner
Rüsselnase und seines Verstandestempels. Dann stieß er den jubelnden Ruf
aus: „Heureka! Ich habe es gefunden!“

Es wurde dem heiligen Bürokrazius klar wie zehntausend Talglichter, daß
er sich für alle Zukunft nicht mehr so arg mit der Schreibarbeit zu
peinigen brauchte.

Fürderhin verschob er die Unterzeichnung weniger eiliger Skripturen auf
die vormittägliche Speckzeit. Die Nase funktionierte zu allen
Tageszeiten. Den Fußbädern schwor er zeitlebens ab. Und für die
Unterzeichnung besonders geheimer Skripturen durch den Abdruck seines
heiligen Verstandeszentrums war auch immerdar genug einprägsame
Druckfähigkeit vorhanden.

Als der heilige Bürokrazius seinem Kollegen, dem heiligen Stultissimus,
seine allerneuesten himmlischen Eingebungen eröffnete, brach der heilige
Stallmeister des Amtsschimmels in die uns genau überlieferten und durch
den heiligen Bürokrazius mit seinem größten _Sigillum_ beglaubigten
begeisterten Worte aus: „O du himmlischer Roßknödel! So was kann auch
nur einem derartigen Rindviech einfallen, wie du eines bist!“

Wenn der heilige Bürokrazius an der Fürtrefflichkeit seiner Erfindung
auch noch den geringsten Zweifel geheget hätte, so wäre derselbe durch
oben zitierte unumwundene und feierliche Anerkennung seines Mitheiligen
gründlich zerstreuet worden.

Nun hast du aber, o liebenswürdiger Leser, die Bedeutung der Erfindung
des heiligen Bürokrazius offenbarlich noch nicht vollständig erfasset.
Ich will dahero deinem nachhatschenden Begriffsvermögen erbarmungsvoll
auf die Vorder- und Hinterbeine helfen. Denn ich muß dir ja auf vier
Beine helfen. Du verstehest mich doch, wie das gemeinet ist, und bist
dir über deine Stellung in der Zoologia klar.

Der Speck des heiligen Bürokrazius hat zum Daumenabdruck des Heiligen
geführet und ist also zur Urform der Stampiglie geworden. Beim heiligen
Daumen des heiligen Bürokrazius sage ich dir dahero, geneigter
vierfüßiger Leser, daß diese Urform der Stampiglie der glorreiche
Ausgangspunkt für die Erfindung der Stampiglien überhaupt geworden ist.

Und jetzo bedenke, o du mein nachdenksames hochverehrtes quadrupedales
Publikum, wo wir wären, wenn der heilige Bürokrazius durch seinen
halbmittäglichen Speck nicht die Stampiglien erfunden hätte. Er und
seine Jünger wären durch die Überanstrengung ihrer Schreibarbeit längst
den Weg alles Irdischen gegangen. Sintemalen der Verstand des heiligen
Bürokrazius sich stets im Sitzen, dahero durch eine nach unten drückende
Bewegung dokumentierte, was war selbstverständlicher, als die Verfügung
des Heiligen, es möge sich auch der Verstand seiner Jünger, so seine
Erbschaft antraten, in einer nach unten drückenden Bewegung zeigen! Und
welches _instrumentum_ wäre hiezu geeigneter und berufener denn eine
Stampiglie?

Durch das erhabene Vermächtnis des heiligen Bürokrazius bewegen sich die
Gedankenkreise seiner Jünger vornehmlich in Stampiglien. Dadurch
brauchen sie die kostbaren Gefäße ihrer Denkfähigkeit nicht immerwährend
zu strapazieren, sondern können sich sonder Überanstrengung des Geistes
auf die Druckfähigkeit der Stampiglien verlassen.

Es fehlet uns nur noch diejenige Stampiglie, welche dem _Sigillum
maximum_ des heiligen Bürokrazius entsprechen würde. Selbige Stampiglie
wäre aber den Menschen, die sich vor den Einrichtungen des heiligen
Bürokrazius ehrfurchtsvoll beugen, ganz besonders feierlich
aufzudrücken. Sie wäre ihnen aufzudrücken auf ihren sterblichen Leichnam
anselbsten. Sie wäre ihnen _in memoriam Sancti Bürokrazii_ aufzudrücken
auf denjenigen Teil ihres _corporis humani_, allwo auch der heilige
Bürokrazius den Verstand sitzen hatte. Und diese Stampiglie, dieses
_Sigillum maximum Sancti Bürokrazii_ hätte in feierlichen Lettern nur
das einzige Wort zu tragen: „_Rindviech_!“



    Wie der heilige Bürokrazius seine Jünger belehrte.


Nachdem der heilige Bürokrazius solchergestalt für das Wohlergehen der
Menschen in unablässiger Mühsal gesorget hatte, war sein eifrigstes
Bestreben, auch recht zahlreiche Jünger anzuwerben, welche sein Erbe
ungeschmälert erhalten und verwalten sollten, wenn es dem Himmel eines
Tages gefallen würde, ihn aus diesem irdischen Jammertale zu der ewigen
Herrlichkeit gnädigst abzuberufen.

Sein heiliger Kollege und Stallknecht, der Amtsschimmelmistsachverständige
Sankt Stultissimus konnte dem heiligen Bürokrazius für die Dauer seines
Erdenwallens nicht genügen, sintemalen Sankt Stultissimus sich immer
mehr auf sein spezielles Fach, die Kultur des Roßmistes verlegte und den
übrigen weltumfassenden _actionibus Sancti Bürokrazii_ nicht immer das
genügende Verständnis entgegenbrachte. So wäre es füglich wohl nicht
anzunehmen gewesen, daß dieser roßmistsachverständige Heilige jemals auf
die umwälzende Erfindung der Stampiglien gekommen wäre.

Es wäre aber auch ungerecht, solches von dem durch unsterbliche
Verdienste gesegneten Heiligen zu verlangen. Ist es doch dem heiligen
Sankt Stultissimus zu verdanken, daß der Amtsschimmel in unverlöschter
Gloria und eiserner Gesundheit lebet und gedeihet und daß sein Mist sich
in erhabenen Mengen vermehret, was schon für das Dekoktum des
respektvollen Ergebenheitstränkleins von unermeßlichem Werte ist.

Der Schreiber dieser Legende hat es dahero für notwendig befunden, dem
heiligen Stultissimus _in hoc loco egregio_, an dieser hervorragenden
Stelle ein besonderes Ehrenkränzel zu flechten, bevor er sich in die
Beschreibung der anderen Heiligen aus dem Kreise des heiligen
Bürokrazius des näheren einlasset.

Denn schließlich und endlich war der heilige Stultissimus der erste
Heilige, der sich Sankt Bürokrazio zugesellte. Der andächtige Leser wird
sich noch des wunderbaren Zusammentreffens zwischen den beiden Heiligen
erinnern und Sankt Stultissimum schon von dieser Schilderung her tief in
sein Herz geschlossen haben. Wie denn auch Schreiber dieser Legende
seiner mit innigster Liebe gedenket und sein Bildnis in der im weiteren
Verlaufe dieser Legende zu eröffnenden Galleria der Heiligen um den
heiligen Bürokrazius _primo loco_ aufhängen will.

Bevor aber _scriptor hujus vitae sanctorum_ dich geneigten und
großgünstigen Leser als kunstbeflissener und gewissenhafter Kustode in
die Bilder-Galleria geleitet, allwo die größten heiligen Jünger _Sancti
Bürokrazii_ abkonterfeiet hängen, muß er dir zum besseren Verständnis
derer Picturen zuvörderst noch vermelden, wie der heilige Bürokrazius
seine Jünger belehret hat.

Es sprach aber der heilige Bürokrazius zu seinen Jüngern, als er
dieselben um sich versammelt hatte, folgendermaßen ... Hocket euch auf
eure Sitzflächen, wie ich auf der meinen hocke, und erfasset meine Worte
in meinem Geiste und in meiner heiligen Art zu denken!

Bedenket zunächst, was ist das liebe Publikum? Das liebe Publikum ist
nichts als eine blöde Herde ohne Verstand und geistige Fähigkeiten.
Sonst würde es euch längst verprügelt haben. Habt ihr aber je gehöret,
daß eine Viehherde ihren Hirten verprügelt? Das habt ihr niemals
gehöret. Also stehet das liebe Publikum auf dem Standpunkte des lieben
Viehes und in mancherlei Dingen auf einem noch viel tieferen
Standpunkte. Sintemalen jedoch jegliches Vieh, das wir in unseren
Ställen halten, ein Nutzvieh sein muß, so ist auch das liebe Publikum
euretwegen als Nutzvieh auf Erden und nicht ihr des lieben Publikums
wegen. Ihr seid es, die ihr Hü und Hott rufet, und das liebe Publikum
hat es gelernet, eurem Rufe zu gehorchen.

Ihr dürfet eure Macht und Gewalt nicht aus den Händen lassen. Seid daher
zu dem lieben Publico so grob, als ihr es nur immer vermöget. Seid
sackgrob, seid kotzengrob! Je saugröber ihr seid, desto mehr Ehrfurcht
werdet ihr in dem lieben Publikum erwecken. Betrachtet das liebe
Publikum als euren gefügigen Stiefelknecht und als euren euch durch
ewige Vorherbestimmung bestimmten Stiefelabstreifer. Übet euch Tag und
Nacht, auf daß ihr es gehörig anschnauzet und beflegelt und jegliche
üble Laune an ihm auslasset.

Vornehmlich aber müsset ihr das Schnauzen lernen. Schnauzet das liebe
Publikum an bei jeder Gelegenheit oder Ungelegenheit. Schnauzet es an,
daß es vor euch zittert und bebet. Dann wird es auch niemals auf die
gefährliche Entdeckung kommen, wie dumm ihr seid. Denn wenn es einmal
eure Dummheit entdecket, dann habt ihr eure Rollen ausgespielet auf
Erden.

Es gibt aber kein besseres Mittel, euren Blödsinn zu verstecken und ihn
mit dem Firnis der höchsten Weisheit zu bekleistern, als justament das
Anschnauzen. Wer das Schnauzen verstehet, der brauchet keine Beweise.
Vielmehro bögelt er seinen Widersacher also gründlich nieder, daß
dagegen das schwerste Bügeleisen nur ein sanftes Löcken ist.

Lasset euch hängende Schnauzbärte wachsen zum Zeichen eurer Würde.
Schnauzbärte also lang wie Zöpfe. Dann habet ihr drei Zöpfe hangen.
Einen Zopf hinten und zwei Zöpfe vorne über euer ungewaschenes Maulwerk.
Aller guten Dinge sind drei.

Ihr müsset das liebe Publikum sekkieren, schikanieren und peinigen. Denn
Menschenfleisch muß gepeiniget werden. Ihr erwerbet euch dadurch
unsterbliche Verdienste für den Himmel. Hinwiederum aber verhelfet ihr
dem lieben Publico zur himmlischen Seligkeit. Denn es lernet in eurer
Behandlung schon hienieden auf Erden so vielfältige Qualen des
Fegefeuers kennen, daß es einen großen Teil seiner Sünden abbüßet und
aus dem Purgatorio eurer Folterungen vom Mund auf in den Himmel fahret.

Lasset das liebe Publikum ja nie zum Denken kommen; denn sobald es
denket, erschlaget es euch. Kommt ihm dahero mit dem Erschlagen zuvor
wie ein geschickter Fechter seinem Widersacher. Erschlaget rechtzeitig
in ihm die Fähigkeit zum Denken, auf daß ihr nicht anselbsten erschlagen
werdet.

Lasset das Publikum nicht zur Ruhe kommen vor lauter neuen Verordnungen.
Denn nichts frißt der Mensch lieber und gläubiger, als beschriebenes und
bedrucktes Papier, vornehmlich dann, wenn es eine Stampiglie hat. Dahero
habe ich euch ja auch die Stampiglien erfunden. Lasset also das liebe
Publikum vor lauter neuen Verordnungen, Stampiglien und
Zusatzverordnungen und Verordnungen zu den Zusätzen der Zusätze nicht
mehr zur Vernunft kommen. Dadurch müsset ihr das liebe Publikum in einer
immerwährenden Drehkrankheit erhalten. Denn ich warne euch noch einmal:
wenn es zur Vernunft kommt, dann ist es um euch geschehen.

Es wird aber nie zur Vernunft kommen, wenn ihr meine Lehren pünktlich
befolget. Schnauzen und verordnen und wieder verordnen und abermals
schnauzen. Darin werden die Menschen eure höchste Weisheit erblicken,
und alle werden zu euch aufschauen wie zu erhabenen Geschöpfen, und
niemand wird jemals bemerken, was für Rindviecher ihr alle miteinander
seid. Amen.

  [Verzierung]



    Bilder-Galleria der Jünger des heiligen Bürokrazius.


Nachdem vorstehende Rede des heiligen Bürokrazius genau aufgezeichnet
ist, wollen wir zusammen die versprochene Wanderung durch die Galleria
seiner größten erwählten Jünger unternehmen.

Tritt ein, geliebtes Publikum, sieh und staune! Allhiero hängen sie
alle.

Aber wollet mich nicht mißverstehen, sintemalen das Wörtchen hängen eine
recht kitzliche Nebenbedeutung hat. Ihr dürfet etwan nicht glauben, daß
diese Galleria, welche euch erkläret werden soll, der Meister Knüpfauf
aufgehenkt hat, dieweilen sotane Hälse keinen anderen Kragen verdienen,
als den der Seiler spendieret.

Schreiber dieser Legende weiß es ganz gewißlich, daß etwelche unter euch
Lesern so frevelhaft sind, den nachhero benamsten und beschriebenen
Jüngern des heiligen Bürokrazius zu wünschen daß sie hangen möchten wie
die armen Schelme und Sünder am Galgen.

Dieses heimtückische Gaudium soll euch aber gründlich versalzen werden,
ihr gottlosen Spottvögel, sintemalen die Jünger des heiligen Bürokrazius
bis anhero bloß _in effigie_ hangen, allwo ihr sie zur männiglichen
Erbauung betrachten könnet.

Beschauet dahero den heiligen Stallmeister Stultissimus, abkonterfeit,
wie er leibte und lebte. Bewundert die Nachdenksamkeit seiner Zehen und
die _Insignia_ seiner Würde, welche fürstlichen Zieraten vergleichsam
sind. Er traget zwar nicht Zepter und Reichsapfel, aber dafür einen
Roßknödel und eine Peitsche. Der verklärte Geist des Amtsschimmels
durchleuchtet seine überirdischen Gesichtszüge. Es ist schon genug von
ihm gesaget worden, folget dahero eurem getreuen Kustoden weiter in der
Galleria zu den anderen höchst respektabeln Heiligen.

Es kommet nunmehro in der Heiligengalleria der heilige Sankt Grobian.
Er hat des heiligen Bürokrazius wohlmeinende Lehren vom Schnauzen am
allergründlichsten erfasset. Er hat sich das Sprechen ganz und gar
abgewöhnet und sich nur zum Schnauzen bekehret. Sein Bildnis ist dahero
auch zum Schnauzen ähnlich getroffen. Er hat sich zum gröbsten Lümmel
unter allen Jüngern des heiligen Bürokrazius entwickelt und bildet sich
einen Patzen darauf ein. Sein Schnauzbart ist auch der gewaltigste von
allen anderen Schnauzbärten und hängt ihm beiderseitig wie einem Seehund
herunter. Davon der Schnauzbart sich jedoch unterscheidet, dieweilen er
nicht von salzigem Meerwasser triefet, sondern zumeist von Bier, Wein
und anderen _alcoholicis_, denen Sankt Grobian nicht abgeneiget ist.
Braucht er sie doch zur Anfeuchtung seiner Schnauzen und zur
Auffrischung seines Geistes.

Der heilige Sankt Grobian blühet und gedeihet vornehmlich an den
Schaltern. Er besitzet die Nerven eines Büffels, derohalben man ihn auch
Schalterbüffel benamsen könnte. Beobachte, o geduldiges und
vielgeprüftes Publikum, wie sich an den Schaltern oftmals ein wildes
Gebrülle erhebet. Dann recket sich der struppige Schädel Sankt Grobians
heraus, gleichsam wie aus einer offenen Stalltüre, und brüllet und
schnauzet dir in dein angstverzerrtes Gesicht, daß du den Schlotterich
in allen Gliedern bekommest.

Nunmehro wenden wir uns von dem heiligen Grobian zu dem nächsten
Heiligen in der Galleria. Das ist der heilige Blödian. Erstarre in
Ehrfurcht vor ihm, geliebter Beschauer; denn seine heilige Dummheit
grenzet an das Übermenschliche und Unbegreifliche. Dahero hat der
heilige Blödian mit dem heiligen Bürokrazius auch am meisten Ähnlichkeit
in seiner ganzen Physiognomia. Sie könnten Zwillingsbrüder sein. Aus
diesem erstaunlichen Naturspiele ersiehest du, andächtiger Beschauer,
wie auch geistige Verwandtschaft in körperlichen Zügen sich auszuprägen
pfleget. Der heilige Sankt Blödian, der ist es, welcher am gründlichsten
im Geiste der Stampiglien denket, für den es außerhalb derselbigen kein
Heil gibt. Was wäre Sankt Blödian auch ohne Stampiglien! Ein Kind ohne
Mutterbrust oder Lullbüchsen, ein Lahmer ohne Krücken, ein Stuhl ohne
Beine.

Folget der heilige Sankt Schlamprian. Er ist bildlich dargestellet mit
einer langen, schier in die Unendlichkeit reichenden Bank, auf die er
alles zu schieben pfleget. Ungeduldige Menschen, welche es leider noch
immer gibt, sollen manchmal in die Versuchung kommen, Sankt
Schlamprianum auf seine Bank zu legen und ihm eine gehörige Tracht
Prügel herunterzumessen. Ist aber bis anhero offenbarlich noch nicht
geschehen, dieweilen der heilige Schlamprian froh und vergnüglich
weiterlebet.

Reihet sich an der heilige Sankt Schnüfflian. Das ausgedehnteste
_organum_ an diesem heiligen Bildnisse ist, wie du, andächtiger
Beschauer, alsogleich wahrnehmen wirst, das Riechorgan. Hier findest du
die Rüsselnase des heiligen Bürokrazius bis zur höchsten _Potentia_
entwickelt. Sankt Schnüffliani Löschhorn ist eben so lang als beweglich
und dringet dahero überall hin. Es ist befähiget, dich zu beschnüffeln
vom Kopf bis zu deinen Zehen. Es kriechet dir überall hinein von deinem
kleinsten Kastel bis zu deinem kleinsten Leibeltaschel. Sankt
Schnüffliani Nase riechet alles, auch das, was gar nicht da ist,
dieweilen es vielleicht doch da sein könnte. Sie kann sogar so haarfein
werden, daß sie in verschlossene Briefe dringet und deine tiefsten
Geheimnisse erforschet. Sintemalen sie aber nur Nase und nicht Gehirn
ist, hat sie sich auch des öfteren schon schauderhaft blamieret. Sie
schnupfet den Staub der Skripturen und betrachtet diesen Toback als das
köstlichste Labsal. Es hat sich noch niemand erdreistet, dem heiligen
Sankt Schnüfflian einen gehörigen Nasenstüber auf seinen
Gesichtsvorsprung zu geben, so daß selbiger immer länger zu wachsen und
schließlich den geduldigen _populus_ zu umschlingen drohet wie die
Fangarme der Meerpolypen.

_Secundum ordinem_ zu einem auferbaulichen Beschlusse anjetzo der
heilige Sankt Corruptius. Er ist der gemütlichste und umgänglichste von
allen Heiligen dieser Galleria, dieweilen er seinen Verstand in den
Taschen hat und du dich dahero mit ihm am leichtesten verständigen
kannst. Er wird dir in dem Maße mit seinem Verständnisse entgegenkommen,
als du ihm seine Taschen füllest. Seine ganze Wirksamkeit findet sich
ausgedrücket in der liebenswürdigen Frage: „Wieviel?“ Seine Linke weiß
nie, was seine Rechte nimmt. Er kann nur dann beleidiget werden, wenn du
ihm einen leeren Händedruck verabreichest.

Der heilige Sankt Corruptius ist das versöhnende Elementum unter seinen
heiligen Kollegen. Er macht so vieles gut, was Sankt Grobian, Blödian
oder Schlamprian verdorben haben. Er ist oft der einzige Ausweg, das
rettende Hintertürl in allen möglichen und unmöglichen Nöten und läßt
aus seinen heimlichen Taschen die Erfüllung so mancher Wünsche
erstehen als ersprießlich wirkender Nothelfer, als verschmitzt und
verständnisvoll lächelnder Bundesgenosse derjenigen, die es verstehen,
mit dem gebührenden Nachdrucke um seine Hilfe zu beten. Aus je mehr
Banknoten das Gebetbüchlein dieser andachtsvollen Seelen bestehet, je
dicker und leibiger es ist, je eifriger sie seine Blätter in brünstigem
Flehen wenden, desto gnädiger, huldvoller und erbarmender wird sich
ihren Anliegen der heilige Sankt Corruptius zuneigen.

Womit euer getreuer Kustode die Türe der Galleria schließet und euch
wiederum entlasset.



    Von der Titel- und Ordenssucht.


Es bleibet nunmehro weiters zu vermelden, daß sich unter den Jüngern des
heiligen Bürokrazius alsobald auch die Titel- und Ordenssucht
auszubreiten begann. Das ist eine gar arge Sucht. Noch viel ärger, als
die Maul- und Klauenseuche unter dem lieben Rindviech. Da jedoch der
heilige Bürokrazius und seine Jünger das liebe Rindviech noch
übertreffen, warum sollen sie nicht auch noch von ärgeren Seuchen
heimgesuchet worden sein als das liebe Rindviech?

Die Titelsucht wuchs sich aber zu einer solchen Seuche aus, daß sie mit
den Bandwürmern verglichen werden konnte. Denn kein Titel war den nach
sotaner Auszeichnung Strebenden mehr lang genug. Je länger der Titel,
desto mehr wurde er erstrebet. Ja, es soll solche lange Titel gegeben
haben, daß die Titeljäger und Titelträger früher eines seligen Endes
verstorben sind, bevor es ihnen gelungen ist, den erjagten Titel ganz
auszusprechen.

Etwelche sind auch mitten in der Aussprache ihres Titels ersticket oder
von jäher Geisteskrankheit befallen worden, insonderheit von Größenwahn.
Schreiber dieser Legende muß es aus zärtlicher Fürsorge für sich selber
und für seinen frommen Leser unterlassen, ihm ein Verzeichnis dieser
Titel zu versetzen, dieweilen er befürchtet, ansonsten den Bandelwurm im
Gehirn zu bekommen oder _lectori suo_ eine ähnliche Krankheit zu
bescheren.

Gleich gefährlich wie die Titelsucht hat sich auch die Seuche der
Ordenssucht unter den Jüngern des heiligen Bürokrazius zu verbreiten
begonnen.

Während beim lieben Rindviech die Maul- und Klauenseuche die
Freßwerkzeuge und Gehwerkzeuge des lieben Viehes affizieret, hat sich
die Ordenssucht auf sämtliche Knopflöcher der Jünger des heiligen
Bürokrazius geworfen.

Bedenke aber, geneigter Leser, wie viele Knopflöcher ein erwachsenes
Mannsbild besitzen tut. Was muß das für ein gräulicher Zustand sein,
wenn diese sämtlichen Knopflöcher vom obersten Kragenknöpfel bis zum
untersten Hosenknöpfel von dieser Seuche befallen sind, immerdar gähnen
wie hungrige Mäuler und triefen in Gier und unbefriedigter Sehnsucht.

Und wenn du sie auch stopfest mit einem Bändlein, Sternlein oder
Kreuzlein, es werden immer noch genug Knopflöcher übrig bleiben, die
nach Sättigung schreien.

Niemals ist noch der Ordenshunger ganz befriediget worden. Denn hast du
es, o großgünstiger Leser, jemals erfahren, daß auch die untersten
allerinsgeheimsten Knopflöcher, so ein Mannsbild sein eigen nennet, mit
Ordensdekorationen ausgezeichnet worden sind? Also gibt es immer noch
Knopflöcher, die elendig darben in ihrer Verlassenheit und
Zurücksetzung.

Es will jedoch dem Schreiber dieser Legende erscheinen, als ob der
Seuche auch dann nicht abzuhelfen wäre, wenn man auch diese untersten,
bishero noch immer nicht berücksichtigten Knopflöcher gnädigst
auszeichnen würde.

Es stünde alsodann zu befürchten, daß das erwachsene Mannsbild
urplötzlich ganz neue Knopflöcher bekäme, die man bis anhero noch gar
nicht erfunden hat.

Und es könnte sich ein Schaustück, ein noch niemals dagewesenes
_spectaculum_ ergeben, daß das Äußere eines erwachsenen Mannsbildes und
Jüngers des heiligen Bürokrazius überhaupt nur mehr aus Knopflöchern
bestehen würde.

Als eine unerhörte Vernachlässigung muß es jedoch Schreiber dieser
Legende brandmarken, daß es noch niemandem eingefallen ist, die erhabene
Bekleidung des Verstandestempels des heiligen Bürokrazius mit
reichlichen Knopflöchern zu versehen, wie wir dies bei so vielen
_puerulis_, _id est_ kleinwinzigen Büblein zu finden gewohnet sind.
Sotane Vermehrung durch besagte der Dekorierung überaus würdige
Knopflöcher wäre vielleicht ein besonders heilsamer Balsam gegen die
bohrenden Schmerzen der Ordensseuche geworden.

  [Verzierung]



    Wie der heilige Bürokrazius sich erlustierte.


Wir aber wollen uns nunmehro zu einem freundlicheren Bilde wenden.
Der heilige Bürokrazius pflegte unter seinen Jüngern auch die höhere
Geselligkeit, auf daß sich nach des Tages erschöpfender Arbeit auch die
höhere Fidelität, die _fidelitas major atque elatior_ erhübe und die
Pflege des Geistes keinen namhaften Abbruch erlitte.

Regelmäßig versammelten sich der heilige Bürokrazius und seine Jünger zu
geselligen Abenden. Munter flossen da die Gespräche, anmutig
durchflochten von den Erinnerungen des arbeitsreichen Tages. Auch der
Gesang kam zu seinem Rechte.

In gebührender Adäquation an die hohen geistigen Fähigkeiten des
Heiligen und seiner Jünger bewegte sich dieser erhabene Gesang stets nur
auf klassischem Gebiete und trug nicht wenig zur weiteren Schärfung des
Geistes der an diesen geselligen Abenden Beteiligten bei.

Eines dieser herrlichen Lieder mag auch dir, großgünstiger Leser,
vorgesetzet werden, da es in selten edler Form die höchsten Ideale der
Volkswirtschaft im begeisterten Schwunge eines klassischen Dithyrambus
verkörpert. Es sind Verse, die es verdienen, in goldenen Lettern auf
Marmortafeln ausgehauen zu werden. Lausche, geliebter Leser!...

  D’Sau, d’Sau, d’Sau hat an Schweinekopf,
  Und, und, und vier Haxen hat’s aa,
  Wann, wann, wann man’s genau betracht’t,
  Hat’s an Schwoaf aa.
  Ja, ja, hat’s an Schwoaf aa.

  Wann, wann, wann ma a Messer nahm’
  Und, und, und schneid’t den Schwoaf a,
  Aft, aft, aft ist’s a g’stutzte Sau wor’n
  Und der Schwoaf a.
  Ja, ja, und der Schwoaf a.

  Wann, wann, wann ma a Petschierwachs nahm’
  Und, und, und pickt den Schwoaf an,
  Aft, aft, aft ist’s a pickte Sau wor’n
  Und der Schwoaf dran.
  Ja, ja, und der Schwoaf dran.

  Nimmt, nimmt, nimmt ma den Schwoaf in d’Hand
  Und, und, und ziacht a wen’g dran,
  Aft, aft, aft hat ma den Schwoaf in der Hand,
  Und d’Sau rennt davon.
  Ja, ja, d’Sau rennt davon.

Stelle dich nunmehro, o vielgeliebter Leser, mit dem Schreiber dieser
Legende, welchen du also getreu begleitet hast, auf die Verstandes- und
Geistes-Plattform des heiligen Bürokrazius und seiner Jünger und
versetze dich ganz und gar in den Geist dieses Liedes. Er wird dich
unwiderstehlich ergreifen, in dich hineinfahren und dich vollständig
erfüllen.

Singe dieses Lied unermüdlich immer und immer wieder! Und du wirst
sehen, daß du seinen Text nicht mehr loskriegen kannst. Er wird dich
verfolgen bei Tag und bei Nacht.

Das Schicksal der petschierten Sau wird dein eigenes Schicksal werden.
Es wird der Weihegesang deiner Tage und das Lied deiner Träume werden.

Versuche es dahero, o wohlgeneigter Leser. Du wirst sicher keine
Enttäuschung erleben.

Es ist auch gesund für deine Nerven, wenn du dein ganzes Geistesleben
auf dieses Lied einstellest. Du wirst dabei gewiß den chronischen
Gehirntatterich bekommen. Einerseits ist das jedoch ein wohltätiger
Zustand, andererseits hast du dann Aussicht, unter die Jünger des
heiligen Bürokrazius aufgenommen zu werden.

Schreiber dieser Legende würde dich, geneigter Leser, mit dem oben
vorgeschlagenen Experimente des Liedes von der petschierten Sau
gewißlich nicht molestieren, wenn er nicht wüßte, daß du zu der
Überzeugung gelangest, welche magische Gewalt in diesem Liede liegt.

Du kannst alsodann nach deiner eigenen Erfahrung allen Verleumdern des
heiligen Bürokrazius und seiner Jünger im Harnisch der Entrüstung
entgegentreten. Denn es gibt solche Verleumder, welche behaupten, daß
das gesellige Leben des heiligen Bürokrazius und seiner Jünger womöglich
noch stumpfsinniger ist als ihr sonstiges Dasein.

Das Lied von der petschierten Sau, welches einen Gipfelpunkt der
geselligen Freuden des heiligen Bürokrazius und seiner Jünger
darstellet, wird jedoch den schlagenden Gegenbeweis liefern, wie
einprägsam und tief die gemütliche Art des Heiligen auch außerhalb
seiner sonstigen Tätigkeit war, wie voll von eigenartiger
Gedankenschärfe und Vorstellungskraft, wie beruhigend aber auch für
die strapazierten Nerven der Menschheit.



    Wie der bitterböse Kare Revoluzzer den guten König
    zum Teufel jagte.


Es begab sich aber, daß ein Mensch aufstund, so Kare Revoluzzer geheißen
ward.

Das war ein grauslicher Kerl, aber schon ein so grauslicher Kerl, daß er
noch grauslicher nimmer sein konnte.

An diesem wüsten Individuum war alles rot. Der Kerl hatte rote Haare und
einen roten Bart wie weiland nach glaubhaften Überlieferungen und
Schilderungen Judas Ischariot. Dazu trug er auch noch eine rote Mütze
auf dem Schädel und ein rotes Hemde an seinem vermaledeiten Leibe. Ja
sogar ein knallrotes Krawattel hatte der bitterböse Kare Revoluzzer, das
nicht einmal an der _Krawatitis posterior ascendens_ litt, sondern ihm
zu beiden Seiten wie zwei rote Fahnen herausflatterte.

Er aß nur roten Schwartenmagen und selbstverständlich auch Blutwurst.
Und er hätte natürlich auch nur immer roten Wein getrunken, wenn er ihn
gehabt hätte. In Ermangelung desselben trank er seine frische Kellermaß
nur aus einem grellroten Maßkrug, der ein rotes Biermerkerl hatte, auf
dem ihm die Kellnerin nur mit Rotstift die vertilgten Mengen des edeln
Gerstensaftes verzeichnen durfte.

Dieser wüste Kerl wurde bei jeder Gelegenheit feuerrot vor Wut und
schimpfte dann gotteslästerlich. Besagter roter Satansbraten war so
saugrob, aber schon so pfundsaugrob, daß dagegen der heilige Sankt
Grobian als ein gar fein politierter Hofmann gelten konnte.

Der heilige Sankt Grobian schimpfte wenigstens nicht über den guten
König, sondern er ließ den guten König regelmäßig hoch leben, wenn er
sich _in alcoholicis_ genug getan hatte. Bei der sechsten Maß brachte
der heilige Sankt Grobian fast immer ein Hoch auf den guten König aus
und rief, daß alles dröhnte: „Vivat hoch der König! Er lebe hoch! hoch!
hoch!“ Bei dieser loyalen Kundgebung sträubte sich jedes einzelne Haar
in dem langen Schnauzbart des heiligen Grobian vor echter dynastischer
Begeisterung.

Davon wußte allerdings der gute König wahrscheinlich gar nichts, wie er
von verschiedenen anderen Dingen auch nichts wußte. Deswegen war er aber
doch ein guter König. Und der bitterböse pfundsaugrobe Kare Revoluzzer
hätte nicht so auf den guten König zu schimpfen brauchen, dieweilen ihm
der gute König ja gar nichts getan hatte. Das war dem Kare Revoluzzer
aber Blutwurst. Dahero erhub sich bei ihm während der sechsten Maß das
Gegenteil der dynastischen Begeisterung.

Es stritten sich aber gleich wie bei Homeros der Städte sieben um die
Ehre, der Geburtsort des bitterbösen Kare Revoluzzer gewesen zu sein.
Schreiber dieser Legende vermeinet, daß der weitbeschreite Kare
Revoluzzer von Ithaka oder von dort irgendwo in der Nachbarschaft
herstammet und daß er einen der trojanischen Helden zu seinem
Altvorderen hat, sintemalen selbige Helden auch schon so fürtrefflich
das Schimpfen verstunden wie der Kare Revoluzzer.

Dieser wüste Kerl, den der höllische Schürmeister quintelweis in seine
Bratpfannen holen soll, auf daß besagter Teufelsbraten nur recht langsam
und in den allerkleinsten Stücklein schmore, schimpfte aber nicht nur
auf den guten König, sondern er jagte eines Tages den guten König sogar
zum Teufel, obwohl ihm der gute König niemals etwas getan hatte, was
schon weiter oben gerechtermaßen ist vermerket worden.

Wie konnte das aber sich ereignen, daß der Kare Revoluzzer den guten
König zum Teufel jagte, wo doch der gute König auf seinem Throne saß
und der Kare Revoluzzer höchstens eine schmierige Bierbank mit seiner
Hinterfront beschwerte?

Das kam dahero, dieweilen der Kare Revoluzzer ein großer Volksredner
und dessentwegen sehr gefährlich war. Er berief immer wieder
Volksversammlungen ein und schimpfte dann vor den Versammelten immer
wieder über den guten König, der ihm gar nichts getan hatte.

Bevor er den guten König zum Teufel jagte, hielt er in einer großen
Volksversammlung eine große Rede, die er dann auch drucken und an allen
Straßenecken anschlagen ließ. Dahero ist uns diese Rede noch heutigen
Tages erhalten und soll auch dem geneigten Leser dieser Legende nach
ihrem vollen Inhalte mitgeteilet werden.

Es sprach aber der Kare Revoluzzer in dieser Rede ...

Zu was brauchen ma denn an Kini? Mir brauchen koan Kini. Oder woaß
vielleicht wer, zu was ma an Kini brauchen? Der soll’s nur sagen, der wo
woaß, zu was ma an Kini brauchen. Der soll’s nur sagen. Dem hau’ i aber
schon a solchene in sei’ Fotzen. Aber schon a solchene. Schon a
solchene. Also woaß wer, zu was ma an Kini brauchen? Koa Mensch woaß, zu
was ma an Kini brauchen. Also brauchen ma koan Kini. Und weil ma koan
Kini brauchen, brauch’ ma koan Kini.

Was is denn überhaupts a Kini? Gar nix is a Kini. A Schmarrn is a Kini.
Und weil a Kini a Schmarrn is, brauch’ ma koan Kini, weil ma koan
brauchen! Oder brauch’ ma vielleicht an Kini? Und weil ma koan Kini
brauchen, lass’ ma uns aa koan Kini mehr g’fallen. Warum sollen ma
uns aa an Kini g’fallen lassen, wo ma koan brauchen! Wir lassen uns
überhaupt nix mehr g’fallen. Also lassen ma uns aa koan Kini mehr
g’fallen, weil ma koan Kini brauchen. Oder brauchen ma vielleicht an
Kini?

Mir san mir! Oder will vielleicht wer bestreiten, daß mir mir san? Und
weil mir mir san, können mir uns selber regieren und brauch’ ma koan
Kini, der wo uns regieren tut und den wo wir zahlen tun müssen. Mir
können uns selber zahlen für’s Regieren, weil mir mir san. Und weil mir
koan Kini mehr brauchen, den wo mir zahlen tun müssen für’s Regieren und
weil ma überhaupts koan Kini mehr brauchen, weil mir mir san, jagen mir
den Kini zum Teufel! Mir brauchen koan Kini, weil ma koan Kini brauchen.
Oder brauch’ ma vielleicht an Kini? Koan Kini brauch’ ma. Also jagen ma
den Kini zum Teufel!...

Diese Rede machte einen so gewaltigen Eindruck auf die versammelten
Volksmassen, daß es dem bitterbösen Kare Revoluzzer wirklich gelang, den
guten König zum Teufel zu jagen. Darauf gründete der bitterböse Kare
Revoluzzer einen knallroten kommunistischen Freistaat ohne Kini.

  [Verzierung]



    Wie besagter Höllenbraten den heiligen Bürokrazius
    erschlagen wollte und von diesem glorreich widerleget
    wurde.


Damit, daß er den guten Kini, der ihm nie was getan hatte, zum Teufel
gejagt hatte, ließ es sich dieser Höllenbraten aber noch lange nicht
genügen. Sein ganzer roter Haß richtete sich jetzunder gegen den
heiligen Bürokrazius. Der war ihm schon lange ein Dorn im Auge.
Er berief dahero eine neue Volksversammlung ein, die ganz rot war,
dieweilen nunmehro alle Versammelten die Tracht des bitterbösen Kare
Revoluzzer trugen.

Von einer rot ausgeschlagenen Tribuna sprach der Kare Revoluzzer
nunmehro folgendermaßen gegen den heiligen Bürokrazius ...

Zu was brauchen ma denn den heiligen Bürokrazi, den Pazi? Zu was
brauchen ma den Pazi, den heiligen Bürokrazi? Mir brauchen koan heiligen
Bürokrazi, weil ma koan brauchen! Oder woaß vielleicht wer, zu was wir
den heiligen Bürokrazi brauchen? Dem stier’ i aber schon a solchene in
sei’ Fressen! Aber schon a solchene! A solchene! Also koa Mensch woaß,
zu was ma den heiligen Bürokrazi brauchen.

Mir san mir. Und weil mir mir san, lassen mir uns aa nix mehr g’fallen,
aber schon gar nixn nit, aa nit den heiligen Bürokrazi, den Pazi! Was
machen ma nachher mit dem heiligen Bürokrazi, weil ma ihn nit brauchen,
den Pazi? Erschlagen tuan ma den Bürokrazi, den Pazi, weil ma ihn nit
brauchen den Bürokrazi!

Weil mir mir san und weil mir uns nixn nit g’fallen lassen und weil mir
erschlagen können, wen wir wollen! Drum haut’s eahm oane eini dem
heiligen Bürokrazi, dem Pazi, und schlagt’s eahm die Zähnd in Rachen
abi, daß s’ eahm in Doppelreihen da außermarschieren, wo er den Verstand
hat! Mir san mir!...

Auf diese Rede des Kare Revoluzzer erhub sich ein fürchterliches Gejohle
in der Versammlung. Der heilige Bürokrazius war aber anwesend, und es
war große Gefahr vorhanden, daß es ihm an den Kragen ging. Er setzte
sich jedoch zur Wehre, und es gelang ihm, den bitterbösen Kare
Revoluzzer glorreich zu widerlegen.

Es sprach aber der heilige Bürokrazius, nachdem er sich mühsam Gehör
verschafft hatte, die folgenden denkwürdigen Worte ...

Meine vielgeliebten andächtigen Zuhörer! Es ist eine große Gemeinheit
von meinem sehr geehrten Herrn Vorredner, daß er mich erschlagen will.
Ich hätte ihm das gar nicht zugetrauet. Bedenket, was ihr dann beginnet,
wenn ihr den heiligen Bürokrazius erschlagen habet. Wer wird euch noch
auf Erden beglaubigen, wer ihr seid? Wer wird euch registrieren und
numerieren? Ohne den heiligen Bürokrazius seid ihr überhaupt nicht mehr
vorhanden.

Ich gebe es gerne zu, daß unter meinen Jüngern und Anhängern sehr viele
Esel sind. Aber bedenket des weiteren, daß Gott der Herr diesem so sehr
verachteten Vieh eine große Ehre angetan hat, indem er auf ihm zu
Jerusalem eingeritten ist. Ihr müsset dahero auch die Esel unter meinen
Jüngern hochachten und schätzen.

Und so ihr euch auch im heiligen Zorne manchmal versuchet fühlet, mich
oder einen meiner Mitesel zu erschlagen, lasset euch ja nicht dazu
verleiten, sondern erinnert euch an die Worte der heiligen Schrift: Der
Gerechte erbarmet sich seines Viehes. _Dixi et salvavi animam meam!_...

Auf diese Worte des heiligen Sankt Bürokrazius erhub sich ein brausender
Jubel in der Versammlung.

Nachdem es dem heiligen Bürokrazius durch seine Rede gelungen war,
das liebe Publikum wiederum auf seinen ursprünglichen Standpunkt
zurückzuführen, hatte er den Kampf gegen den bitterbösen Kare Revoluzzer
gewonnen und diesen feuerroten Teufelsbraten glorreich widerleget.

Obwohl es diesem wüsten Gesellen geglücket war, den guten König zum
Teufel zu jagen, der ihm niemals etwas getan hatte, so glückete es ihm
keineswegs gleichermaßen, den heiligen Bürokrazius zu erschlagen.

Das liebe Publikum vermochte sich auch unter dem Einflusse des
bitterbösen Kare Revoluzzer nie und nimmermehr von dem heiligen
Bürokrazius zu trennen.

Das darf dich, o großgünstiger Leser, nicht arg wundernehmen. Denn es
ist leichter, einen König zum Teufel zu jagen, wenn er dir auch nichts
getan hat, als einem Heiligen den Garaus zu machen, und vornehmlich dem
mächtigsten Heiligen, der jemals auf Erden erstanden ist, dem heiligen
Bürokrazius.

  [Verzierung]



    Wie der heilige Bürokrazius gen Himmel fuhr und seinen
    himmlischen Einfluß auf den Kare Revoluzzer wirken ließ.


Nachdem der heilige Bürokrazius zu der Überzeugung gelanget war, daß er
auch in dem knallroten kommunistischen Freistaate des Kare Revoluzzer
unbehelliget sein heiliges Dasein weiterführen werde, lud er seine
Jünger und Anhänger zu einem Festabende ein, an dem das Weihelied von
der petschierten Sau mit besonderer Inbrunst gesungen wurde.

Der bitterböse Kare Revoluzzer aber grinste wütend zu den Fenstern des
Lokales derer Versammlung herein. Er getraute sich jedoch nicht mehr zu
brüllen: „Zu was brauch’ ma den heiligen Bürokrazi, den Pazi!“ -- weil
er fürchtete, daß er derohalben belanget werden könnte. Wenn er auch den
guten König zum Teufel gejagt hatte, der ihm nie was getan hatte, so sah
er doch ein, daß es ihm niemals gelingen würde, den heiligen Bürokrazius
zum Teufel zu jagen, geschweige denn ihn zu erschlagen.

Der heilige Bürokrazius aber, welcher zur Erkenntnis gelanget war, daß
er nunmehro seine heilige _missionem_ auf Erden vollkommen erfüllet
hatte und daß er die Früchte seiner Sendung seinen Jüngern überlassen
könnte, verabschiedete sich an jenem Festabend ganz besonders feierlich
von seinen Jüngern.

Er sprach zu ihnen: „Hocket euch auf den Sitz eures Verstandes, meine
Vielgeliebten und Getreuen! Ich will heute von euch scheiden und gen
Himmel fahren, dieweilen es mich schon lange gelüstet, in dieser Gegend
Nachschau zu halten, ob da droben auch alles registrieret, numerieret
und ordnungsgemäß eingetragen worden ist. Mich will es völlig bedünken,
daß ich in der himmlischen Gloria noch gewaltige Aufgaben zu erfüllen
haben werde. Ich höre schon die Stimmen der Heiligen und Erzväter über
mir, welche in Sehnsucht nach mir rufen, dieweilen ihnen der liebe Gott
die auferbauliche Gesellschaft des saudümmsten Heiligen versprochen hat,
der zu sein ich bekanntlich die himmlische Ehre habe. Ich hinterlasse
den Menschen zu ihrem Troste dich, den heiligen Stultissimus, dich, den
heiligen Grobian, und dich, den heiligen Blödian, und dich, den heiligen
Schlamprian, und dich, den heiligen Schnüfflian, und nicht zuletzt dich,
den lieben, guten, gemütlichen und für alle irdischen Drangsale
verständnisvollen heiligen Corruptius.“

Bald nachdem der heilige Bürokrazius solches gesprochen hatte, erhub er
sich und fuhr gen Himmel. Zufällig schloß gleichzeitig das neuerlich
angestimmte Weihelied der Tafelrunde mit den erhebenden Worten: „D’Sau
rennt davon!“

Seine Jünger starrten dem Heiligen noch lange nach und sahen den Sitz
seines Verstandes gleich einem leuchtenden Gestirne zwischen den Wolken
verschwinden.

Auf der dunklen Straße lauerte aber noch immer der bitterböse Kare
Revoluzzer. Auch er starrte dem heiligen Bürokrazius nach, wie er gen
Himmel fuhr. Seinen Lippen entrang sich der staunende Ausruf: „Da
schaut’s amal den Pazi, den Bürokrazi!“ ...

Als die Jünger des heiligen Bürokrazius sich von dem Festabende
entfernten, da machte sich der knallrote Kare Revoluzzer heimlich an den
freundlichen heiligen Corruptius heran, nahm ihn unter den Arm und bog
mit ihm in eine stille Gasse ab, wo sie weder gehöret noch gesehen
werden konnten.

Dort fand eine lange Unterredung zwischen dem Kare Revoluzzer und dem
heiligen Corruptius statt, die allem Anscheine nach zu einem sehr
befriedigenden Resultate führte, sintemalen sich die beiden schließlich
mit den untrüglichsten Anzeichen des innigsten Verständnisses und der
herzlichsten Freundschaft voneinander verabschiedeten ...

Es erwies sich aber auch alsobald der himmlische Einfluß des heiligen
Sankt Bürokrazius an dem bitterbösen Kare Revoluzzer.

Dieser rote Bösewicht wurde nämlich von einer innigen Verehrung für den
von dem heiligen Bürokrazius schon längst gestifteten Ratstitel erfaßt.
Und so begeistert war diese innige Verehrung, daß der bitterböse Kare
Revoluzzer in seinem knallroten kommunistischen Freistaate lauter neue
Ratstiteln einführte.

Dem Schreiber dieser Legende ist es wegen mangelnden Platzes nur
vergönnet, ein paar Endsilben der betreffenden Titeln in der
Räterepublik des Kare Revoluzzer bekanntzugeben, dieweilen bei jedem
Titel diesen Silben noch weitere 365 Silben vorangingen, auf daß jeder
Tag des Jahres einen festlichen ratsherrlichen Charakter trüge. Die
nachfolgenden Titel stellen dahero nur eine durch obbesagten Grund
bedungene ärgerliche Verkürzung der wirklichen Gesamttitel dar.

In dieser Verkürzung ernannte der bitterböse Kare Revoluzzer jeden
Briefträger zum Geheimen Korrespondenzrat, jeden Leichenkutscher zum
Kondolenzrat, jedes Tratschweib zur Frau Geheimen Konferenzrat, jeden
Drehorgelmann zum Musikrat, jede Hebamme zur Frau Geburtsrat, jeden
Schaffner zum Verkehrsrat, jeden Trambahnschaffner _in specialibus_ zum
Ringlinienrat _vulgo_ Rundamadumrat, jeden Kellner zum Schankrat, jeden
Käsehändler _vulgo_ Kasstecher zum Obergestankrat, jeden Greisler zum
Viktualienrat, jeden Bahnwärter zum Streckenrat, jeden Lokomotivführer
zum Oberdampfrat, jeden Friseur zum Verschönerungsrat, jeden Billeteur
zum Knipsrat, jeden Krawattenhändler zum Schlipsrat, jeden
Pfandverleiher zum Geheimen Pumprat, jeden Gerichtsvollzieher
zum Wirklichen Pfändungsrat, jeden Steuereintreiber zum
Obervolksbelästigungsrat, jeden Laternenanzünder zum Illuminationsrat,
jeden Kassendieb zum Defraudationsrat, jeden Mädchenhändler zum
Liaisonsrat, jede Kupplerin zur Frau Geheimen Okkasionsrat, jeden
Vereinsmeier zum Koalitionsrat, jeden Schwindler zum Illusionsrat, jeden
Schnapsbruder zum Alkoholrat, jeden Hausbesitzer zum Obersteigerungsrat,
jeden Hausknecht zum Wirklichen Hinausbeförderungsrat, jedes Radiweib
zur Frau Radirat, jeden Stiefelputzer zum Fußbekleidungspoliturrat,
jeden Kastanienbrater zum Maronirat, jeden Südfrüchtenhändler zum
Limonirat, jeden Charkutier zum Salamirat, jedes Siemanndl zum
Wirklichen vortragenden Unterpantoffelheldenrat, jeden Kanalräumer zum
Kanalrat, jeden Krakehler zum Krawallrat, jeden Heiratsvermittler zum
Matrimonialrat, jeden Revolverjournalisten zum Skandalrat, jede Kuhdirn
zur Frau Stallrat, jeden Besoffenen zum Ruhestörungsrat, jeden
Vagabunden zum Wirklichen öffentlichen Landstraßenrat, jeden Schieber
zum Geheimen Ernährungsrat, jeden Mistfuhrwerker zum Kompostrat, jeden
G’scheerten zum Ökonomierat, jeden Löwenbändiger zum Menagerierat, jeden
Dilettanten zum klassischen Genierat, jedes Urviech zum Zoologierat,
jedes Kamel zum Wüstenrat, jeden Miederfabrikanten zum Geheimen
Büstenrat, jeden Verrückten zum Oberspinnrat, jeden Trottel zum
Wirklichen Intelligenzrat und alle sonstigen noch mit keinem Ratstitel
bedachten Individuen zu wirklich wirklichsten insgeheim geheimsten
Generalproletenräten mit dem Titel Seine Herrlichkeit.

Trotzdem wurde eines Tages ein sehr zweifelhaftes Individuum
aufgegriffen, von welchem es sich bei näherer Untersuchung
herausstellte, daß es nicht einmal einen Ratstitel besaß.

Im Interesse der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit
verfügte der bitterböse Kare Revoluzzer sofort, daß dieses ratlose
Individuum wegen monarchistischer Umtriebe in Schutzhaft gesetzet wurde.

Da schaute der heilige Bürokrazius vom Himmel herunter und lachte.


  _Finis_

  [Verzierung]


       *       *       *       *       *
           *       *       *       *
       *       *       *       *       *

Errata:

Rechtschreibungsformen wie „erhub“ bzw. „erhob“ sind ungeändert.

  und betrachtete _pollicem suum_  [policem]
  Davon der Schnauzbart sich jedoch unterscheidet  [edoch]





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Der heilige Bürokrazius - Eine heitere Legende" ***

Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.



Home