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Title: Alaeddin und die Wunderlampe - aus Tausend und eine Nacht
Author: Moreck, Kurt
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Alaeddin und die Wunderlampe - aus Tausend und eine Nacht" ***


1001 Nacht

Alaeddin und die Wunderlampe



Von diesem Werk erschien eine
numerierte Vorzugsausgabe in
250 numerierten Exemplaren auf
imitiert Japanpapier mit einer
Original-Radierung, die auf
echt Japan hergestellt ist

[Illustration]


Alaeddin
und die Wunderlampe

Aus
Tausend und eine Nacht

mit 11 Vollbildern
u. der Buchausstattung
von F. Staeger.
Hugo Schmidt Verlag
München



_Textrevision besorgte Kurt Moreck_

_Copyright 1919 by Hugo Schmidt Verlag, München_
Alle Rechte, insbesondere das an den Abbildungen, vorbehalten
HUGO SCHMIDT VERLAG



Alaeddin und die Wunderlampe


Mustafa war der Name eines Schneiders, der in einer sehr reichen und
großen Hauptstadt Chinas lebte. Dieser Mustafa war sehr arm, und seine
Arbeit warf kaum so viel ab, daß er, seine Frau und ein Sohn davon leben
konnten.

Die Erziehung dieses Sohnes, welcher Alaeddin hieß, war sehr
vernachlässigt worden, so daß er allerhand lasterhafte Neigungen
angenommen hatte. Er war boshaft, halsstarrig und ungehorsam gegen Vater
und Mutter. Kaum war er ein wenig herangewachsen, so konnten ihn seine
Eltern nicht mehr im Hause zurückhalten. Er ging schon am frühen Morgen
aus und tat den ganzen Tag nichts, als auf den Straßen und öffentlichen
Plätzen mit kleinen Tagdieben spielen.

Als er ein Handwerk erlernen sollte, nahm ihn sein Vater in seine Bude
und fing an, ihn in der Handhabung der Nadel zu unterrichten. Allein
weder gute Worte noch Drohungen vermochten den flatterhaften Sinn des
Sohnes zu fesseln. Kaum hatte Mustafa ihm den Rücken gekehrt, so
entwischte Alaeddin und ließ sich den ganzen Tag nicht wieder sehen. Der
Vater züchtigte ihn, aber Alaeddin war unverbesserlich, und Mustafa
mußte ihn mit großem Bedauern zuletzt seinem liederlichen Leben
überlassen. Dies verursachte ihm großes Herzeleid, und der Kummer zog
ihm eine hartnäckige Krankheit zu, an der er nach einigen Monaten starb.

Alaeddins Mutter machte darauf alles zu Geld, um davon, und von dem
Wenigen, was sie mit Baumwollespinnen erwarb, mit ihrem Sohne leben zu
können.

Alaeddin, der jetzt nicht mehr durch die Furcht vor seinem Vater in
Schranken gehalten wurde, bekümmerte sich nicht um seine Mutter. Er
suchte noch mehr als zuvor junge Leute von seinem Alter auf und spielte
mit ihnen unaufhörlich noch leidenschaftlicher als bisher. Diesen
Lebenswandel setzte er bis in sein fünfzehntes Jahr fort.

Eines Tags, als er nach seiner Gewohnheit mit einem Haufen Gassenjungen
auf einem freien Platze spielte, ging ein Fremder vorüber, der stehen
blieb und ihn ansah. Dieser Fremde war ein berühmter Zauberer, und die
Geschichtschreiber, welche uns diese Erzählung aufbewahrt haben, nennen
ihn den afrikanischen Zauberer. Wir wollen ihn gleichfalls mit diesem
Namen bezeichnen, um so mehr, da er wirklich aus Afrika stammte und erst
seit zwei Tagen angekommen war.

Sei es nun, daß der afrikanische Zauberer, der sich auf Physiognomien
verstand, in Alaeddins Gesicht alles bemerkte, was zur Ausführung des
Planes, der ihn hierhergeführt, notwendig war, oder mochte er einen
andern Grund haben, genug, er erkundigte sich, ohne daß es jemandem
auffiel, nach seiner Familie, seinem Stande und seinen Neigungen. Als er
von allem, was er wünschte, gehörig unterrichtet war, ging er auf den
jungen Menschen zu, nahm ihn einige Schritte von seinen Kameraden
beiseite und fragte ihn: »Mein Sohn, ist dein Vater nicht der Schneider
Mustafa?« – »Ja, lieber Herr,« antwortete Alaeddin, »aber er ist schon
lange tot.«

Bei diesen Worten fiel der afrikanische Zauberer Alaeddin um den Hals,
umarmte ihn und küßte ihn zu wiederholten Malen mit Tränen in den Augen
und seufzend. Alaeddin bemerkte diese Tränen und fragte, warum er weine.
»Ach, mein Sohn!« rief der afrikanische Zauberer, »wie könnte ich mich
da enthalten! Ich bin dein Oheim und dein Vater war mein geliebter
Bruder. Schon mehrere Jahre bin ich auf der Reise, und in dem
Augenblick, da ich hier anlange, voll Hoffnung, ihn wiederzusehen und
durch meine Rückkehr zu erfreuen, sagst du mir, daß er tot ist!«

Er fragte hierauf Alaeddin, indem er seinen Beutel herauszog, wo seine
Mutter wohne. Alaeddin erteilte ihm sogleich Auskunft und der
afrikanische Zauberer gab ihm eine Hand voll kleines Geld mit den
Worten: »Mein Sohn, gehe schnell zu deiner Mutter, grüße sie von mir und
sage ihr, daß ich, wofern es meine Zeit erlaubt, sie morgen besuchen
werde, um mir zum Trost den Ort zu sehen, wo mein lieber Bruder so lange
gelebt und seine Tage beschlossen hat.«

Sobald der afrikanische Zauberer den Neffen, den er sich soeben selbst
geschaffen, verlassen hatte, lief Alaeddin voll Freude zu seiner Mutter.
»Mütterchen,« sagte er, »ich bitte dich, sage mir, ob ich einen Oheim
habe.« – »Nein, mein Sohn,« antwortete die Mutter, »du hast keinen
Oheim, weder von seiten deines seligen Vaters noch von der meinigen.« –
»Und doch,« fuhr Alaeddin fort, »habe ich soeben einen Mann gesehen, der
sich für meinen Oheim von väterlicher Seite ausgab und versicherte, daß
er der Bruder meines Vaters sei. Er hat sogar geweint und mich umarmt,
als ich ihm sagte, daß mein Vater tot wäre. Zum Beweis, daß ich die
Wahrheit sage, sieh, was er mir geschenkt hat. Er hat mir überdies
aufgegeben, dich in seinem Namen zu grüßen und dir zu sagen, daß er dir
morgen seine Aufwartung machen wird, um das Haus zu sehen, wo mein Vater
gelebt hat und gestorben ist.«

»Mein Sohn,« antwortete die Mutter, »es ist wahr, dein Vater hatte einen
Bruder; aber er ist schon lange tot und ich habe ihn nie sagen gehört,
daß er noch einen andern hätte.«

Damit wurde das Gespräch über den afrikanischen Zauberer abgebrochen.

Den andern Tag näherte sich dieser zum zweitenmal Alaeddin, als er auf
einem andern Platze in der Stadt mit anderen Kindern spielte. Er umarmte
ihn, wie tags zuvor und drückte ihm zwei Goldstücke in die Hand mit den
Worten: »Mein Sohn, bring dies deiner Mutter, sage ihr, ich werde sie
auf den Abend besuchen, und sie möge dafür etwas zum Nachtessen kaufen,
damit wir zusammen speisen können. Zuvor aber sage mir, wie ich das Haus
finden kann.« Alaeddin bezeichnete es ihm und der afrikanische Zauberer
ließ ihn gehen.

Alaeddin brachte die zwei Goldstücke seiner Mutter. Sie ging, das Geld
zu verwenden, kam mit gutem Mundvorrate zurück, und da es ihr an den
nötigen Tischgeräten fehlte, entlehnte sie dieselben von ihren
Nachbarinnen. Sie brachte den ganzen Tag mit Vorbereitungen zu und als
alles fertig war, sagte sie zu Alaeddin: »Mein Sohn, dein Oheim weiß
vielleicht unser Haus nicht, gehe ihm entgegen und führe ihn hierher,
wenn du ihn siehst,« als man an die Türe klopfte. Alaeddin öffnete und
erkannte den Afrikaner, der mit mehreren Weinflaschen und Früchten von
allerlei Gattungen hereintrat.

Nachdem der afrikanische Zauberer seinen Beitrag Alaeddin eingehändigt
hatte, begrüßte er die Mutter und bat sie, ihm die Stelle auf dem Sofa
zu zeigen, wo sein Bruder Mustafa gewöhnlich gesessen sei. Sie zeigte
ihm dieselbe. Nun warf er sich sogleich zur Erde, küßte die Stelle und
rief mit Tränen in den Augen: »Armer Bruder, wie unglücklich bin ich,
daß ich nicht zeitig genug gekommen bin, um dich vor deinem Tode noch
einmal zu umarmen!« So sehr ihn nun auch Alaeddins Mutter bat, so wollte
er sich doch nicht auf diesen Platz setzen. »Nein,« sagte er, »ich werde
mich wohl hüten, aber erlaube, daß ich mich gegenüber setze, damit ich,
wenn mir auch das Vergnügen versagt ist, ihn persönlich als Vater einer
mir so teuren Familie zu sehen, mir wenigstens einbilden kann, er sitze
noch dort.« Alaeddins Mutter drang nun nicht weiter in ihn und ließ ihn
Platz nehmen, wo er Lust hatte.

Als der afrikanische Zauberer sich da gesetzt hatte, wo es ihm am besten
behagte, fing er ein Gespräch mit Alaeddins Mutter an: »Meine liebe
Schwester,« sagte er, »wundere dich nicht, daß du während der ganzen
Zeit, da du mit meinem Bruder Mustafa verheiratet warst, mich nie
gesehen hast. Es sind schon vierzig Jahre, daß ich dieses Land verlassen
habe. Seitdem habe ich Reisen nach Indien, Persien, Arabien, Syrien und
Ägypten gemacht, mich in den schönsten Städten dieser Länder aufgehalten
und bin dann nach Afrika gegangen, wo ich einen längeren Aufenthalt
nahm. Da es indes dem Menschen angeboren ist, sein Heimatland, so wie
seine Eltern und Jugendgespielen, auch in der weitesten Ferne nie aus
dem Gedächtnis zu verlieren, so hat auch mich ein so gewaltiges
Verlangen ergriffen, mein Vaterland wieder zu sehen und meinen geliebten
Bruder zu umarmen, jetzt, da ich noch Kraft und Mut zu einer so langen
Reise in mir fühle, daß ich ohne weiteren Aufschub meine Vorbereitungen
traf und mich auf den Weg machte. Ich sage dir nichts von der Länge der
Zeit, die ich dazu brauchte, noch von den Hindernissen, die mir
aufstießen, noch von all den Beschwerden und Mühsalen, die ich
überstehen mußte, um hierherzukommen. Ich sage dir bloß, daß mich auf
allen meinen Reisen nichts so tief gekränkt und geschmerzt hat, als die
Nachricht von dem Tode eines Bruders, den ich immer mit echt
brüderlicher Freundschaft geliebt hatte. Ich bemerkte einige Züge von
ihm auf dem Gesicht meines Neffen, deines Sohnes, und dies machte, daß
ich ihn aus all den übrigen Kindern, bei denen er war, herausfand. Er
hat dir vielleicht erzählt, wie sehr die traurige Nachricht vom Tode
meines Bruders mich ergriff. Indes, was Gott tut, das ist wohlgetan; ich
tröste mich, ihn in seinem Sohne wiederzufinden, der so auffallende
Ähnlichkeit mit ihm hat.«

Als der afrikanische Zauberer sah, daß Alaeddins Mutter bei der
Erinnerung an ihren Mann gerührt wurde und aufs neue in Schmerz versank,
brach er das Gespräch ab, wandte sich zu Alaeddin und fragte ihn um
seinen Namen. – »Ich heiße Alaeddin,« antwortete dieser. – »Nun gut,
Alaeddin,« fuhr der Zauberer fort, »womit beschäftigst du dich?
Verstehst du ein Gewerbe?«

Bei dieser Frage schlug Alaeddin die Augen nieder und geriet in
Verlegenheit. Seine Mutter aber nahm das Wort und sagte: »Alaeddin ist
ein Taugenichts. Sein Vater hat, so lang er lebte, alles mögliche getan,
um ihn sein Gewerbe zu lehren; allein er konnte seinen Zweck nicht
erreichen, und seit er tot ist, streicht er, trotz meinen täglichen
Ermahnungen, die ganze Zeit auf den Straßen herum und spielt mit
Kindern, wie du gesehen hast, ohne zu bedenken, daß er kein Kind mehr
ist; wenn du ihn deshalb nicht beschämst und er sich diese Ermahnung
nicht zunutzen macht, so gebe ich alle Hoffnung auf, daß jemals etwas
aus ihm wird. Er weiß, daß sein Vater kein Vermögen hinterlassen hat,
und sieht selbst, daß ich mit meinem Baumwollespinnen den ganzen Tag
über kaum das Brot für uns beide verdienen kann. Ich bin entschlossen,
ihm nächster Tage einmal die Türe zu verschließen und ihn
fortzuschicken, daß er sich seine Unterkunft anderswo suchen kann.«

Als Alaeddins Mutter unter vielen Tränen so gesprochen hatte, sagte der
afrikanische Zauberer zu dem Jungen: »Das ist nicht gut, mein Neffe, du
mußt darauf denken, dir selbst fortzuhelfen und einen Lebensunterhalt zu
verschaffen. Es gibt ja so viele Gewerbe in der Welt; besinne dich
einmal, ob nicht eines darunter ist, zu dem du mehr Neigung hast, als zu
den andern. Vielleicht gefällt dir bloß das deines Vaters nicht und du
würdest dich besser zu einem andern anschicken; verhehle mir deine
Gesinnung hierüber nicht, ich will ja bloß dein Bestes.« Als er sah,
daß Alaeddin nichts antwortete, fuhr er fort: »Ist es dir überhaupt
zuwider, ein Handwerk zu erlernen und willst du ein angesehener Mann
werden, so will ich für dich eine Bude mit kostbaren Stoffen und feinen
Linnenzeugen einrichten; du kannst dann diese Sachen verkaufen, mit dem
Gelde, das du daraus lösest, den Einkauf neuer Waren bestreiten und auf
diese Art ein anständiges Unterkommen finden. Frage dich selbst und sage
mir offen, was du denkst. Du wirst mich stets bereit finden, mein
Versprechen zu halten.«

Dieses Anerbieten schmeichelte Alaeddin sehr; ein jedes Handwerk war ihm
zuwider, um so mehr, da er bemerkt hatte, daß solche Kaufläden, wovon
sein Oheim gesprochen hatte, immer hübsch und stark besucht und die
Kaufleute gut gekleidet und sehr geachtet waren. Er erklärte daher dem
afrikanischen Zauberer, daß seine Neigung mehr nach dieser Seite
gerichtet sei, als nach jeder andern, und daß er ihm zeitlebens für die
Wohltat danken würde, die er ihm erweisen wolle. »Da dieses Gewerbe dir
angenehm ist,« erwiderte der afrikanische Zauberer, »so werde ich dich
morgen mitnehmen und dich so hübsch und reich kleiden lassen, wie es
sich für einen der ersten Kaufleute in dieser Stadt geziemt; übermorgen
wollen wir dann darauf denken, einen solchen Laden zu errichten, wie ich
im Sinn habe.«

Alaeddins Mutter, die bis jetzt nicht geglaubt hatte, daß der
afrikanische Zauberer der Bruder ihres Mannes sei, zweifelte nach solch
glänzenden Versprechungen nicht mehr daran. Sie dankte ihm für seine
guten Gesinnungen, und nachdem sie Alaeddin ermahnt hatte, sich der
Wohltaten, die sein Oheim ihn hoffen ließ, würdig zu zeigen, trug sie
das Abendessen auf. Die Unterhaltung während des ganzen Mahles drehte
sich immer um denselben Gegenstand, bis endlich der Zauberer bemerkte,
daß die Nacht schon weit vorgerückt war. Er verabschiedete sich von
Mutter und Sohn und ging nach Hause.

Am andern Morgen ermangelte der afrikanische Zauberer nicht, sich
versprochenermaßen bei der Witwe des Schneiders Mustafa wieder
einzufinden. Er nahm Alaeddin mit sich und führte ihn zu einem
bedeutenden Kaufmann, der bloß ganz fertige Kleider von allen möglichen
Stoffen und für Leute jeden Alters und Standes verkaufte. Von diesem
ließ er sich mehrere zeigen, die für Alaeddin paßten, und nachdem er
die, die ihm am besten gefielen, ausgesucht und die andern, die nicht so
schön waren, als er wünschte, zurückgelegt hatte, sagte er zu Alaeddin:
»Lieber Neffe, wähle dir unter all diesen Kleidern dasjenige aus, das
dir am besten gefällt.« Alaeddin, über die Freigebigkeit seines neuen
Oheims ganz entzückt, wählte eines, und der Zauberer kaufte es ohne zu
handeln.

Als Alaeddin sich von Kopf bis zu Fuß so prachtvoll gekleidet sah,
dankte er seinem Oheim, und der Zauberer versprach ihm, ihn auch ferner
nicht zu verlassen, sondern stets bei sich zu behalten. Wirklich führte
er ihn in die besuchtesten Gegenden der Stadt, wo die Läden der
reichsten Kaufleute standen, und in der Straße, wo die Läden mit den
schönsten Stoffen und der feinsten Leinwand sich befanden, sagte er zu
Alaeddin: »Da du bald auch ein solcher Kaufmann sein wirst, wie diese
hier, so ist es gut, wenn du sie besuchst, damit sie dich kennen
lernen.« Er zeigte ihm auch die schönsten und größten Moscheen, und
führte ihn in den Chan, wo die fremden Kaufleute wohnten, und an alle
diejenigen Orte im Palaste des Sultans, zu denen man freien Zutritt
hatte. Endlich, nachdem sie die schönsten Gegenden der Stadt miteinander
durchstreift hatten, kamen sie in den Chan, wo der Zauberer wohnte. Es
waren dort einige Kaufleute, deren Bekanntschaft er seit seiner Ankunft
gemacht, und die er ausdrücklich eingeladen hatte, um sie gut zu
bewirten und ihnen seinen angeblichen Neffen vorzustellen.

Das Gastmahl endigte erst am späten Abend. Alaeddin wollte sich von
seinem Oheim verabschieden, um nach Hause zurückzukehren; aber der
afrikanische Zauberer wollte ihn nicht allein gehen lassen und geleitete
ihn selbst zu seiner Mutter zurück. Als diese ihren Sohn in so schönen
Kleidern erblickte, war sie außer sich vor Freude und wollte nicht
aufhören, Segnungen über das Haupt des Zauberers herabzurufen, der für
ihren Sohn so viel Geld ausgegeben. »Großmütiger Schwager,« sagte sie zu
ihm, »ich weiß nicht, wie ich dir für deine Freigebigkeit danken soll;
aber das weiß ich, daß mein Sohn die Wohltaten, die du ihm erweisest,
nicht verdient. Ich für meine Person,« fügte sie hinzu, »danke dir von
ganzem Herzen und wünsche dir ein recht langes Leben, um Zeuge von der
Dankbarkeit meines Sohnes zu sein, der sie nicht besser an den Tag legen
kann, als wenn er sich von deinen guten Ratschlägen leiten läßt.«

»Alaeddin ist ein guter Junge,« erwiderte der afrikanische Zauberer; »er
hört auf mich und ich glaube, wir können etwas Tüchtiges aus ihm machen.
Es tut mir nur leid, daß ich mein Versprechen nicht schon morgen halten
kann. Es ist nämlich Freitag, wo alle Läden verschlossen sind, und man
gar nicht daran denken kann, einen zu mieten und mit Waren zu versehen;
denn die Kaufleute sinnen an diesem Tage nur auf Vergnügungen aller Art.
Somit werden wir die Sache auf Samstag verschieben müssen. Übrigens
werde ich ihn morgen wieder mitnehmen und in die Gärten spazieren
führen, wo sich die schöne Welt gewöhnlich einfindet. Er hat vielleicht
noch keinen Begriff von den Vergnügungen, die man dort genießt; bisher
war er immer nur mit Kindern beisammen, jetzt muß er auch erwachsene
Menschen sehen.« Der afrikanische Zauberer verabschiedete sich endlich
von Mutter und Sohn und ging. Alaeddin freute sich im voraus sehr auf
den Spaziergang. In der Tat war er noch nie vor die Tore gekommen und
hatte noch nie die Umgebung gesehen, die schön und anmutig war.

Am andern Morgen stand Alaeddin in aller Frühe auf. Der afrikanische
Zauberer bewillkommte ihn aufs freundlichste. »Wohlan, mein lieber
Junge,« sagte er mit lächelnder Miene zu ihm, »heute werde ich dir
schöne Sachen zeigen.« Er führte ihn zu einem Tore hinaus, an großen und
schönen Häusern, an prächtigen Palästen vorüber, von denen jeder einen
sehr schönen Garten hatte. Bei jedem Palaste, an dem sie vorbeikamen,
fragte er Alaeddin, ob er ihm gefiele, und Alaeddin, der ihm gewöhnlich
zuvorkam, sagte, sobald er wieder einen andern sah: »Ach! lieber Oheim,
dieser ist noch viel schöner als alle bisherigen.« Indes gingen sie
immer weiter, und der listige Zauberer, der dies nur tat, um den Plan,
den er im Kopfe hatte, ausführen zu können, nahm Gelegenheit, in einen
dieser Gärten zu treten. Er setzte sich neben ein großes Becken, in das
durch einen bronzenen Löwenrachen kristallhelles Wasser sprudelte, und
er stellte sich ermüdet, damit Alaeddin ebenfalls ausruhen sollte.
»Lieber Neffe,« sagte er zu ihm, »du wirst ebenso müde sein, wie ich;
laß uns hier ein wenig ausruhen, um neue Kräfte zu sammeln.«

[Illustration]

[Illustration]

Als sie sich gesetzt hatten, zog der afrikanische Zauberer Kuchen und
Früchte hervor, die er als Mundvorrat mitgenommen hatte, und breitete
sie auf dem Rande des Beckens aus. Er teilte einen Kuchen mit Alaeddin
und ließ ihn Früchte wählen. Während dieses kleinen Mahles ermahnte er
seinen angeblichen Neffen, sich von dem Umgange mit Kindern loszumachen,
dagegen sich an kluge und verständige Männer anzuschließen, dieselben
anzuhören und von ihren Unterhaltungen Nutzen zu ziehen. »Bald,« sagte
er, »wirst du ein Mann sein, wie sie, und du kannst dich nicht früh
genug daran gewöhnen, nach ihrem Beispiele verständige Reden zu führen.«
Als sie die kleine Mahlzeit vollendet hatten, setzten sie ihren
Spaziergang durch die Gärten fort, die bloß durch schmale Gräben
getrennt waren. Unvermerkt führte der afrikanische Zauberer Alaeddin
ziemlich weit über die Gärten hinaus und durchwandelte mit ihm die
Ebene, die ihn allmählich in die Nähe der Berge leitete.

Alaeddin, der in seinem Leben nie einen so weiten Weg gemacht hatte,
fühlte sich durch diesen Marsch sehr ermüdet und sagte: »Wohin gehen wir
denn, lieber Oheim? Wir haben die Gärten schon weit hinter uns und ich
sehe nichts mehr als Berge. Wenn wir noch länger so fortgehen, so weiß
ich nicht, ob ich noch Kräfte genug haben werde, um in die Stadt
zurückzukehren.« – »Nur den Mut nicht verloren,« antwortete der falsche
Oheim; »ich will dir noch einen andern Garten zeigen, der alle, die du
bis jetzt gesehen hast, weit übertrifft; er ist nur ein paar Schritte
von da, und wenn wir einmal dort sind, so wirst du selbst sagen, daß es
dir sehr leid gewesen wäre, wenn du ihn nicht gesehen hättest.« Alaeddin
ließ sich überreden, und der Zauberer führte ihn noch sehr weit, indem
er ihn mit verschiedenen anmutigen Geschichten unterhielt, um ihm den
Weg weniger langweilig und die Ermüdung erträglicher zu machen.

Endlich gelangten sie zwischen zwei Berge von mittelmäßiger Höhe, die
sich ziemlich gleich und nur durch ein schmales Tal getrennt waren. Dies
war die merkwürdige Stelle, wohin der afrikanische Zauberer Alaeddin
hatte bringen wollen, um einen großen Plan mit ihm auszuführen, weshalb
er von dem äußersten Ende Afrikas bis nach China gereist war. »Wir sind
jetzt an Ort und Stelle,« sagte er zu Alaeddin; »ich werde dir hier
außerordentliche Dinge zeigen, die allen übrigen Sterblichen unbekannt
sind. Während ich jetzt mit dem Stahl Feuer schlage, häufe du hier
trockenes Reisig zusammen, damit wir ein Feuer anmachen.«

Als das Reisig aufloderte, warf der afrikanische Zauberer Räucherwerk
hinein. Dicker Rauch stieg empor, den er bald auf diese, bald auf jene
Seite wendete, indem er allerlei Zauberworte sprach, von denen Alaeddin
nichts verstand.

In diesem Augenblick erbebte die Erde ein wenig, öffnete sich vor dem
Zauberer und Alaeddin, und ließ einen Stein hervorscheinen, mit einem in
der Mitte versiegelten bronzenen Ringe, um ihn daran heraufzuheben.
Alaeddin erschrak und wollte die Flucht ergreifen. Allein er war zu
dieser geheimnisvollen Handlung notwendig, darum hielt ihn der Zauberer
zurück, zankte ihn tüchtig aus und gab ihm eine so derbe Ohrfeige, daß
er zu Boden fiel. Zitternd rief er: »Mein Oheim, was habe ich denn
getan, daß du mich so grausam schlägst?« »Ich bin dein Oheim, der jetzt
Vaterstelle an dir vertritt, und du darfst mir in nichts widersprechen.
Aber,« sagte der Zauberer, »fürchte dich nicht, mein Sohn; ich verlange
nur, daß du mir gehorchst, wofern du dich der großen Vorteile, die ich
dir zudenke, würdig machen und sie nutzen willst.« Diese schönen
Versprechungen des Zauberers beruhigten den ängstlichen und erzürnten
Alaeddin ein wenig. »Du hast gesehen,« fuhr der Zauberer fort, »was ich
durch die Kraft meines Rauchwerks und die Worte, die ich sprach, bewirkt
habe. Vernimm jetzt, daß unter diesem Steine ein Schatz verborgen liegt,
der für dich bestimmt ist und dich dereinst reicher machen wird, als die
größten Könige der Welt. Dies ist so gewiß wahr, daß keinem Menschen auf
der ganzen Welt außer dir erlaubt ist, diesen Stein anzurühren oder
wegzuheben, um hinein zu gelangen. Ja ich selbst darf ihn nicht berühren
oder auch nur einen Fuß in dieses Schatzgewölbe setzen, wenn es geöffnet
sein wird. Deshalb mußt du genau ausführen, was ich dir sage.«

Alaeddin, immer noch voll Verwunderung, vergaß alles, was vorgefallen
war. »Nun gut, lieber Oheim,« sagte er, »was soll ich tun? Befiehl nur,
ich bin bereit zu gehorchen.« – »Komm her,« sagte der afrikanische
Zauberer, »fasse diesen Ring an und hebe den Stein in die Höhe.« – »Aber
Oheim,« erwiderte Alaeddin, »ich bin zu schwach, um ihn zu heben: du
mußt mir helfen.« – »Nein,« versetzte der afrikanische Zauberer, »du
bedarfst meiner Hilfe nicht; du mußt ihn allein aufheben. Sprich nur den
Namen deines Vaters und deines Großvaters, wenn du den Ring in die Hand
nimmst.« Alaeddin tat, wie der Zauberer gesagt hatte, hob den Stein mit
Leichtigkeit auf und legte ihn beiseite.

Als der Stein weggenommen war, sah er eine drei bis vier Fuß tiefe Höhle
mit einer kleinen Türe und Stufen. »Mein Sohn,« sprach jetzt der
Zauberer, »habe genau acht auf das, was ich dir nunmehr sagen werde.
Steig in diese Höhle hinab und wenn du auf der letzten Stufe bist, so
wirst du eine offene Türe finden, die dich in einen großen gewölbten Ort
führen wird, welcher in drei große aneinander stoßende Säle abgeteilt
ist. In jedem derselben wirst du rechts und links vier bronzene Vasen
voll Gold und Silber stehen sehen; aber hüte dich wohl, sie anzurühren.
Ehe du in den ersten Saal trittst, hebe dein Kleid in die Höhe und
schließe es eng um den Leib. Wenn du drinnen bist, so gehe, ohne dich
aufzuhalten, nach dem zweiten und von da in den dritten. Vor allen
Dingen hüte dich wohl, den Wänden zu nahe zu kommen oder sie auch nur
mit dem Kleide zu berühren; denn im Fall du sie berührtest, würdest du
auf der Stelle sterben. Am Ende des dritten Saales ist eine Türe, die
dich in einen mit schönen und reich beladenen Obstbäumen bepflanzten
Garten führen wird. Gehe nur immer geradeaus, und quer durch den Garten
wird dich ein Weg zu einer Treppe von fünfzig Stufen führen, auf denen
du zu einer Terrasse emporsteigen kannst. Sobald du oben auf der
Terrasse bist, wirst du eine Nische vor dir sehen, und in der Nische
eine brennende Lampe. Diese Lampe nimm, lösche sie aus, wirf den Docht
samt der brennbaren Flüssigkeit auf den Boden, stecke sie dann vorn in
den Busen und bringe sie mir. Gelüstet es dich nach den Früchten des
Gartens, so kannst du davon pflücken, so viel du willst; dies ist dir
nicht verboten.«

So sprechend, zog der afrikanische Zauberer einen Ring von seinem Finger
und steckte ihn an einen Finger Alaeddins. Dies, sagte er zu ihm, sei
ein Verwahrungsmittel gegen alles Unglück, das ihm begegnen könnte,
wofern er nur seine Vorschriften genau befolgte. »So gehe denn, mein
Sohn,« fügte er hinzu, »steige dreist hinab; dann haben wir beide für
unser ganzes Leben Geld in Menge.«

Alaeddin hüpfte leichtfüßig in die Höhle hinein und stieg die Stufen
hinab. Er fand die drei Säle, die ihm der afrikanische Zauberer
beschrieben hatte. Ohne zu verweilen ging er durch den Garten, stieg die
Terrasse hinan, nahm die brennende Lampe aus der Nische, warf den Docht
und die Flüssigkeit zu Boden, steckte sie in seinen Busen und ging die
Terrasse wieder hinab. Im Garten verweilte er beim Anschauen der
Früchte. Da gab es weiße, hellleuchtende und wie Kristall durchsichtige;
rote, teils dunkel, teils hell; grüne, blaue, violette, gelbliche, und
so von allen möglichen Farben. Die weißen waren Perlen, die
hellleuchtenden und durchsichtigen Diamanten, die dunkelroten Rubine,
die hellroten Ballaßrubine, die grünen Smaragde, die blauen Türkise, die
violetten Amethyste, die gelblichen Saphire. Und diese Früchte waren
alle so groß und vollkommen, daß man auf der ganzen Welt nichts
Ähnliches gesehen hat. Alaeddin, der ihren Wert nicht kannte, wurde vom
Anblick dieser Früchte, die nicht nach seinem Geschmack waren, schlecht
erbaut; Feigen, Trauben und andere edle Obstarten, die in China
gewöhnlich sind, wären ihm lieber gewesen. Er war noch nicht in jenem
Alter, wo man sich auf dergleichen versteht, und so bildete er sich ein,
diese Früchte seien bloß gefärbtes Glas und hätten keinen andern Wert.
Gleichwohl machte ihm die Mannigfaltigkeit der schönen Farben und die
außerordentliche Größe und Schönheit der Früchte Lust, von jeglicher
Sorte einige zu pflücken. Er nahm daher von jeder Farbe etliche, füllte
damit seine beiden Taschen und zwei ganz neue Beutel, die der Zauberer
ihm zugleich mit dem Kleide gekauft hatte; und da die beiden Beutel in
seinen Taschen, die schon ganz voll waren, keinen Platz mehr hatten, so
band er sie auf jeder Seite an seinen Gürtel. Einige von den Früchten
hüllte er auch in die Falten seines Gürtels, der von dickem Seidenstoff
und doppelt gefüttert war, und befestigte sie so, daß sie nicht
herabfallen konnten; auch vergaß er nicht, etliche in den Busen zwischen
Kleid und Hemd zu stecken.

Nachdem er sich so, ohne es zu wissen, mit Reichtümern beladen hatte,
trat Alaeddin schnell seinen Rückzug durch die drei Säle an; stieg da
wieder hinauf, wo er herabgestiegen war, und zeigte sich am Eingang der
Höhle, wo der Afrikaner ihn mit Ungeduld erwartete. Sobald ihn Alaeddin
erblickte, rief er ihm zu: »Lieber Oheim, ich bitte dich, reich mir die
Hand und hilf mir heraus.« – »Mein Sohn,« antwortete der afrikanische
Zauberer, »gib mir zuvor die Lampe, sie könnte dir hinderlich sein.« –
»Verzeih, lieber Oheim,« sagte Alaeddin, »sie hindert mich nicht; ich
werde sie dir geben, sobald ich oben bin.« Der afrikanische Zauberer
bestand darauf, daß Alaeddin ihm die Lampe einhändigen sollte, ehe er
ihn aus der Höhle herauszöge, und Alaeddin, der die Lampe mit all den
Früchten, die er zu sich gesteckt, verpackt hatte, weigerte sich
durchaus, sie ihm zu geben, bevor er aus der Höhle wäre. Da geriet der
afrikanische Zauberer vor Ärger über die Widerspenstigkeit des jungen
Menschen in schreckliche Wut, warf etwas von seinem Rauchwerk in das
Feuer, das er sorgfältig unterhalten hatte, und kaum hatte er zwei
Zauberworte gesprochen, als der Stein, welcher als Deckel zur
Eingangsöffnung der Höhle diente, sich von selbst wieder, nebst der Erde
darüber, an seine Stelle rückte, so daß alles wieder in denselben Stand
kam, wie vor der Ankunft des arabischen Zauberers und Alaeddins.

Der afrikanische Zauberer war in der Tat kein Bruder des Schneiders
Mustafa, wofür er sich ausgegeben hatte, und somit auch nicht Alaeddins
Oheim. Er war wirklich aus Afrika gebürtig, und nachdem er sich etwa
vierzig Jahre lang mit Zaubereien, mit der Punktierkunst, mit
Räucheropfern und der Lektüre von Zauberbüchern beschäftigt hatte, war
er endlich auf die Entdeckung gekommen, daß es eine Wunderlampe in der
Welt gebe, deren Besitz ihn mächtiger als alle Könige der Erde machen
würde. Aber obschon die Lampe sich ganz gewiß an dem bewußten Orte
befand, so war es ihm doch nicht gestattet, sie selbst zu holen oder
persönlich in das unterirdische Gewölbe einzutreten. Es mußte ein
anderer hinabsteigen und sie ihm einhändigen. Deshalb hatte er sich an
Alaeddin gewandt, den er für einen gefügigen jungen Burschen und für
sehr geeignet hielt, ihm den Dienst zu leisten; dabei war er fest
entschlossen, sobald er die Lampe in Händen haben würde, die letzte
schon erwähnte Räucherung zu tun, die Zauberworte auszusprechen, und so
den armen Alaeddin seinem Geize und seiner Bosheit aufzuopfern, um an
ihm keinen Zeugen zu haben.

Als der afrikanische Zauberer seine großen und schönen Hoffnungen auf
immer gescheitert sah, blieb ihm nichts anderes übrig, als nach Afrika
zurückzukehren.

Allem Anscheine nach war Alaeddin verloren. Aber derselbe, der ihn auf
immer zu verderben glaubte, hatte nicht bedacht, daß er ihm einen Ring
an den Finger gesteckt hatte, der zu seiner Rettung dienen konnte.
Wirklich wurde Alaeddin durch diesen Ring, dessen Kräfte er nicht
kannte, gerettet.

Alaeddin, der nach so vielen Liebkosungen und Geschenken auf diese
Bosheit seines angeblichen Oheims keineswegs gefaßt war, befand sich in
einer Bestürzung, die sich nicht beschreiben läßt. Als er sich so
lebendig begraben sah, rief er tausendmal seinen Oheim und erklärte, daß
er ihm die Lampe ja gerne geben wolle; allein sein Rufen war vergeblich.
Endlich stieg er wieder die Treppe der Höhle hinab, um in den Garten und
ins helle Tageslicht zu gelangen. Aber die Mauer, die sich ihm durch
Zauber geöffnet, hatte sich indes durch einen neuen Zauber wieder
geschlossen. Er tappte vorwärts, ohne eine Türe zu finden. Nun fing er
aufs neue an zu schreien und zu weinen, und setzte sich endlich auf die
Stufen der Höhle, ohne Hoffnung, jemals das Tageslicht wieder zu sehen,
sondern mit der traurigen Gewißheit, aus dieser Finsternis in jene eines
nahen Todes versetzt zu werden.

Zwei Tage blieb Alaeddin in diesem Zustande, ohne zu essen und zu
trinken. Endlich am dritten, da er seinen Tod als unvermeidlich
betrachtete, hob er die gefalteten Hände empor und rief mit völliger
Ergebung in den Willen Gottes aus: »Es gibt keine Kraft und keine Macht,
als bei Gott, dem Allerhöchsten und Größten!« Während er so die Hände
gefaltet hatte, rieb er, ohne daran zu denken, an dem Ring, den ihm der
Zauberer an den Finger gesteckt hatte, und dessen Kraft er noch nicht
kannte. Alsbald stieg vor ihm ein Geist von ungeheurer Größe und
fürchterlichem Ansehen, der mit seinem Kopf das oberste Gewölbe
berührte, wie aus der Erde hervor und sprach folgende Worte zu
Alaeddin: »Was willst du? Ich bin bereit, dir zu gehorchen als dein
Sklave und als Sklave aller derer, die den Ring am Finger haben, sowohl
ich, als die andern Sklaven des Rings.«

Zu jeder andern Zeit und bei jeder andern Gelegenheit wäre Alaeddin, der
an solche Erscheinungen nicht gewöhnt war, bei dem Anblick einer so
außerordentlichen Gestalt von Schrecken ergriffen worden. Jetzt aber, da
er einzig und allein mit der Gefahr beschäftigt war, in der er schwebte,
antwortete er ohne Stocken: »Wer du auch sein magst, hilf mir aus diesem
Orte, wofern es in deiner Macht steht.« Kaum hatte er diese Worte
gesprochen, als die Erde sich öffnete und er sich außerhalb der Höhle
befand, an der Stelle, wohin ihn der Zauberer geführt hatte.

Erst nach und nach gewöhnte er sich an das Tageslicht, und als er um
sich blickte, war er sehr überrascht, keine Öffnung in der Erde zu
sehen; es war ihm unbegreiflich, auf welche Art er so auf einmal aus
ihrem Schoße hervorgekommen war. Nur an dem Flecke, wo das Reisig
verbrannt worden war, erkannte er die Stelle wieder, unter der sich die
Höhle befand. Als er sich hierauf gegen die Stadt hinwandte, erblickte
er sie inmitten der Gärten und erkannte auch den Weg. Diesen wandelte er
zurück und dankte Gott, daß er sich noch einmal auf der Welt sah,
nachdem er bereits die Hoffnung aufgegeben hatte, wieder dahin
zurückzukommen. So gelangte er zur Stadt und schleppte sich mit vieler
Mühe bis in seine Wohnung. Als er ins Zimmer seiner Mutter trat, fiel er
aus Freude über das Wiedersehen, verbunden mit der von dreitägigem
Fasten herrührenden Schwäche, in eine Ohnmacht, die einige Zeit dauerte.
Seine Mutter, die ihn bereits als verloren oder als tot beweint hatte,
ließ es jetzt an keiner Pflege und an keinem Mittel fehlen, ihn wieder
zum Leben zu bringen. Endlich erholte er sich und seine ersten Worte
waren: »Liebe Mutter, vor allen Dingen bitte ich dich, gib mir zu essen;
ich habe seit drei Tagen nichts über den Mund gebracht.« Seine Mutter
brachte ihm, was sie gerade hatte, setzte es ihm vor und sagte: »Lieber
Sohn, übereile dich ja nicht, denn es könnte dir schaden; iß ganz
langsam und nach deiner Bequemlichkeit, und nimm dich wohl in acht, so
heißhungrig du auch bist. Ich wünsche nicht einmal, daß du mit mir
sprechen sollst. Du hast immer noch Zeit, mir deine Schicksale zu
erzählen, wenn du wieder hergestellt bist. Nach der großen Betrübnis bin
ich getröstet, daß ich dich nur wiedersehe.«

Alaeddin folgte dem Rat seiner Mutter, aß langsam und ruhig, und trank
ebenso. Als er fertig war fing er an, seiner Mutter zu erzählen, was ihm
seit Freitag geschehen war, erzählte ausführlich, was er auf seinem
Hin- und Rückwege in den drei großen Sälen, im Garten und auf der
Terrasse gesehen, und wie er dort die Wunderlampe geholt habe. Zugleich
zog er sie aus seinem Busen und zeigte sie seiner Mutter samt den
durchsichtigen und buntfarbigen Früchten. Auch gab er ihr die zwei
vollen Beutel, aus denen sie sich aber wenig machte. Gleichwohl waren
diese Früchte Edelsteine, deren sonnenheller Glanz beim Schein der
Lampe, welche das Zimmer erhellte, auf ihren großen Wert hätte
aufmerksam machen sollen; allein Alaeddins Mutter verstand sich auf
dergleichen Sachen ebensowenig wie ihr Sohn; weshalb Alaeddin sie hinter
eines der Polster des Sofas schob, auf dem er saß.

Alaeddins Mutter hatte die Geduld, diese wunderbare und seltsame,
zugleich aber für eine Mutter, die ihren Sohn trotz seiner Fehler
zärtlich liebte, so schmerzliche Geschichte ohne Unterbrechung
anzuhören. Nur bei den rührendsten Stellen, wo die Schändlichkeit des
afrikanischen Zauberers recht ans Tageslicht kam, konnte sie ihren
Abscheu nicht verbergen. Jetzt aber, da Alaeddin geendet hatte, ließ sie
sich in tausend Schmähworte gegen den Betrüger aus; sie nannte ihn einen
Verräter, einen Schurken, einen Unmenschen, einen Meuchelmörder, Lügner,
Zauberer, einen Feind und Verderber des menschlichen Geschlechts. »Ja,
mein Sohn,« fügte sie hinzu, »er ist ein Zauberer, und die Zauberer sind
eine wahre Pest der Menschheit; sie haben vermöge ihrer Zaubereien und
Hexereien Verkehr mit den bösen Geistern. Gott sei gelobt, der verhütet
hat, daß seine entsetzliche Bosheit ihren Zweck an dir erreichte. Du
bist ihm für die Gnade, die er an dir getan hat, großen Dank schuldig;
dein Tod wäre unvermeidlich gewesen, wenn du dich nicht seiner erinnert
und ihn um Hilfe angefleht hättest.«

Alaeddin schlief die ganze Nacht fest und erwachte am andern Morgen
erst sehr spät. Er stand auf, und das erste, was er zu seiner Mutter
sagte, war, daß er Hunger habe, und sie ihm kein größeres Vergnügen
machen könnte, als wenn sie ihm ein Frühstück gäbe. »Ach, lieber Sohn,«
antwortete sie, »ich habe auch nicht einen einzigen Bissen Brot; du hast
gestern abend den wenigen Vorrat, der noch zu Hause war, aufgegessen.
Aber gedulde dich einen Augenblick, so werde ich dir bald etwas bringen.
Ich habe etwas Baumwolle gesponnen, die will ich verkaufen, um Brot und
einiges zum Mittagessen anzuschaffen.« – »Liebe Mutter,« erwiderte
Alaeddin, »hebe deine Baumwolle für ein anderes Mal auf und gib mir die
Lampe, die ich gestern mitbrachte. Ich will sie verkaufen, und
vielleicht löse ich so viel daraus, daß wir Frühstück und Mittagessen,
und am Ende gar noch etwas für den Abend bestreiten können.«

Alaeddins Mutter holte die Lampe und sagte zu ihrem Sohne: »Da hast du
sie, sie ist aber sehr schmutzig. Ich will sie ein wenig putzen, dann
wird sie schon etwas mehr gelten.« Sie nahm Wasser und feinen Sand, um
sie blank zu machen, aber kaum hatte sie angefangen, die Lampe zu
reiben, als augenblicklich in Gegenwart ihres Sohnes ein scheußlicher
Geist von riesenhafter Gestalt vor ihr aufstand und mit einer
Donnerstimme zu ihr sprach: »Was willst du? Ich bin bereit, dir zu
gehorchen als dein Sklave und als Sklave aller derer, die die Lampe in
der Hand haben, sowohl ich, als die andern Sklaven der Lampe.«

Alaeddins Mutter war nicht imstande zu antworten. Ihr Auge vermochte die
abscheuliche und schreckliche Gestalt des Geistes nicht zu ertragen, und
sie war gleich bei seinen ersten Worten vor Angst in Ohnmacht gefallen.

Alaeddin dagegen ergriff schnell die Lampe und antwortete statt seiner
Mutter mit festem Tone: »Ich habe Hunger, bring mir etwas zu essen.« Der
Geist verschwand und kam im Augenblick wieder mit einem großen silbernen
Becken auf dem Kopfe, worin sich zwölf verdeckte Schüsseln von demselben
Metall voll der besten Speisen nebst sechs Broten vom weißesten Mehl
befanden, und zwei Flaschen des köstlichsten Weines, nebst zwei
silbernen Schalen in der Hand. Er stellte alles zusammen auf den Sofa
und verschwand sogleich.

Alaeddins Mutter kam wieder zu sich. »Liebe Mutter,« sagte Alaeddin zu
ihr, »steh auf und iß: hier sind Sachen genug, um dein Herz zu stärken
und zugleich meinen großen Hunger zu befriedigen. Wir wollen diese guten
Speisen nicht kalt werden lassen, sondern essen.«

Die Mutter war erstaunt, als sie das große Becken, die zwölf Schüsseln,
die sechs Brote, die zwei Flaschen nebst den zwei Schalen erblickte und
den köstlichen Duft einatmete, der aus all den Platten emporstieg. »Mein
Sohn,« sagte sie zu Alaeddin, »woher kommt uns dieser Überfluß und wem
haben wir für solch reiches Geschenk zu danken? Sollte vielleicht der
Sultan von unserer Armut gehört und sich unser erbarmt haben?« – »Liebe
Mutter,« antwortete Alaeddin, »wir wollen uns jetzt zu Tische setzen und
essen; deine Frage werde ich beantworten, wenn wir gefrühstückt haben.«
Sie setzten sich zu Tische und speisten mit um so größerem Appetit, als
beide, Mutter und Sohn, sich nie an einer so wohlbesetzten Tafel
befunden hatten.

Alaeddin und seine Mutter, die nur ein einfaches Frühstück einzunehmen
gedacht hatten, befanden sich um die Stunde des Mittagessens noch bei
Tisch.

Als Alaeddins Mutter abgetragen und das Fleisch, welches unberührt
geblieben war, aufgehoben hatte, setzte sie sich zu ihrem Sohne und
sagte: »Alaeddin, ich erwarte jetzt von dir, daß du meine Neugierde
befriedigst und mir die versprochene Auskunft erteilst.« Alaeddin
erzählte ihr alles, was während ihrer Ohnmacht zwischen dem Geist und
ihm vorgegangen war.

Alaeddins Mutter geriet in große Verwunderung über die Erzählung ihres
Sohnes und die Erscheinung des Geistes. »Aber, mein Sohn,« fragte sie,
»so lange ich auf der Welt bin, habe ich nie sagen gehört, daß jemand
von allen meinen Bekannten einen Geist gesehen hätte. Durch welchen
Zufall ist dieser garstige Geist zu mir gekommen? Warum hat er sich an
mich gewendet und nicht an dich, da er dir doch schon in der Schatzhöhle
einmal erschienen war?«

»Liebe Mutter,« erwiderte Alaeddin, »der Geist, welcher dir erschienen,
ist nicht derselbe, der mir erschien. Sie haben zwar einige Ähnlichkeit
in Beziehung auf ihre Riesengröße, aber an Gesichtsbildung und Kleidung
sind sie gänzlich voneinander verschieden und gehören auch verschiedenen
Herren an. Du wirst dich noch erinnern, daß derjenige, den ich sah,
sich einen Sklaven des Rings nannte, den ich am Finger habe, während der
soeben erschienene sagte, er sei Sklave der Lampe, die du in der Hand
hattest.«

»Wie!« rief Alaeddins Mutter, »also deine Lampe ist schuld, daß dieser
verwünschte Geist sich an mich gewendet hat, statt an dich? Ach, lieber
Sohn, schaffe sie mir sogleich aus den Augen und hebe sie auf, wo du
willst, ich mag sie nicht mehr anrühren. Eher lasse ich sie wegwerfen
oder verkaufen, als daß ich Gefahr laufe, bei Berührung derselben vor
Angst zu sterben. Folge mir und tue auch den Ring ab. Man muß keinen
Verkehr mit Geistern haben: es sind Teufel und unser Prophet hat es
gesagt.«

»Mit deiner Erlaubnis, liebe Mutter,« antwortete Alaeddin, »werde ich
mich jetzt wohl hüten, eine Lampe, die uns beiden so nützlich werden
kann, zu verkaufen. Siehst du denn nicht, was sie uns erst vor einigen
Augenblicken verschafft hat? Sie soll uns jetzt Nahrung und
Lebensunterhalt besorgen. Du kannst dir denken, daß mein garstiger
falscher Oheim sich nicht ohne Grund so viele Mühe gegeben und eine so
weite und beschwerliche Reise unternommen hat, da er nach dem Besitz
dieser Wunderlampe trachtete, die er allem Gold und Silber, das er in
den Sälen wußte, und das ich, wie er es mir beschrieben, mit meinen
eigenen Augen sah, vorgezogen hatte. Er kannte den Wert und die
herrlichen Eigenschaften dieser Lampe zu gut, um sich von dem übrigen
reichen Schatze noch etwas zu wünschen. Da nun der Zufall uns ihre
geheime Kraft entdeckt hat, so wollen wir den möglichst vorteilhaften
Gebrauch davon machen, aber ohne Aufsehen zu erregen, damit unsere
Nachbarn nicht neidisch und eifersüchtig werden. Ich will sie dir
übrigens gern aus den Augen schaffen und an einem Orte aufheben, wo ich
sie finden kann, wann ich sie brauche, da du so große Angst vor den
Geistern hast. Auch den Ring wegzuwerfen, kann ich mich unmöglich
entschließen. Ohne diesen Ring hättest du mich nie wieder gesehen, und
ohne ihn würde ich jetzt entweder nicht mehr, oder höchstens noch auf
einige Augenblicke leben. Du wirst mir daher erlauben, daß ich ihn
behalte und immer mit großer Behutsamkeit am Finger trage. Wer weiß, ob
mir nicht irgend einmal eine andere Gefahr zustößt, die wir beide nicht
voraussehen können, und aus der er mich vielleicht befreit?« Da
Alaeddins Bemerkung sehr richtig schien, so wußte seine Mutter nichts
mehr einzuwenden. »Lieber Sohn,« sagte sie zu ihm, »du kannst handeln,
wie du es für gut hältst; ich für meinen Teil mag mit Geistern nichts zu
tun haben.«

Am andern Tag nach dem Abendessen war von den herrlichen Speisen, die
der Geist gebracht hatte, nichts mehr übrig; Alaeddin, der nicht so
lange warten wollte, bis der Hunger ihn drängte, nahm daher am dritten
Morgen eine der silbernen Schüsseln unter seine Kleider und ging aus, um
sie zu verkaufen. Er wandte sich an einen Juden, der ihm begegnete, nahm
ihn beiseite, zeigte ihm die Schüssel und fragte, ob er wohl Lust dazu
hätte.

Der Jude, ein schlauer und verschmitzter Bursche, nahm die Schüssel,
untersuchte sie, und da er erkannte, daß sie von echtem Silber war,
fragte er Alaeddin, was er dafür verlange. Alaeddin, der ihren Wert
nicht verstand und nie mit solchen Waren Handel getrieben hatte, sagte
ihm nur, er werde wohl am besten wissen, was die Schüssel wert sei, und
er verlasse sich hierin ganz auf seine Ehrlichkeit. Der Jude geriet
wirklich in Verlegenheit über die Offenherzigkeit Alaeddins. Da er nicht
wußte, ob Alaeddin den Wert seiner Ware wirklich kannte oder nicht, zog
er ein Goldstück aus seinem Beutel, das höchstens den zweiundsiebenzigsten
Teil vom wahren Wert der Schüssel betrug, und bot es ihm an. Alaeddin
nahm das Goldstück mit großer Freudigkeit, und sobald er es in der Hand
hatte, lief er so schnell davon, daß der Jude, mit seinem ungeheuren
Gewinn bei diesem Kaufe nicht zufrieden, sich sehr darüber ärgerte,
Alaeddins gänzliche Unwissenheit über den Wert der Schüssel nicht besser
erraten und ihm noch weit weniger geboten zu haben. Er geriet in
Versuchung, dem jungen Menschen nachzulaufen, ob er nicht etwas von
seinem Goldstück herausbekommen könnte; allein Alaeddin war schon so
weit entfernt, daß er ihn schwerlich eingeholt hätte.

Auf dem Heimwege blieb Alaeddin bei einem Bäckerladen stehen, kaufte
einen Vorrat Brot und bezahlte ihn mit dem Goldstück, das der Bäcker ihm
wechselte. Als er nach Hause kam, gab er das übrige Geld seiner Mutter,
die auf den Markt ging, um für sie beide die nötigen Lebensmittel auf
einige Tage einzukaufen.

So lebten sie eine Zeitlang fort; Alaeddin verkaufte alle zwölf
Schüsseln, eine nach der andern, sowie das Geld im Hause ausgegangen
war, an den Juden. Der Jude, der für die erste ein Goldstück gegeben
hatte, wagte es nicht, für die übrigen weniger zu bieten, und bezahlte
alle mit derselben Münze, um einen so guten Handel nicht auszulassen.
Als das Geld von der letzten Schüssel ausgegeben war, nahm Alaeddin
seine Zuflucht zu dem Becken, das allein zehnmal mehr wog, als jede
Schüssel. Er wollte es einem gewöhnlichen Kaufmann bringen, allein es
war ihm zu schwer. Somit mußte er den Juden aufsuchen und ihn in sein
Haus führen; dieser prüfte das Gewicht des Beckens und zahlte ihm auf
der Stelle zehn Goldstücke aus, womit Alaeddin zufrieden war.

So lange die Goldstücke dauerten, wurden sie für die täglichen Ausgaben
der Hauswirtschaft verwendet. Alaeddin hatte indes, obschon er ans
Müßiggehen gewöhnt war, seit seinem Abenteuer mit dem afrikanischen
Zauberer nicht mehr mit den jungen Leuten seines Alters gespielt. Er
brachte seine Tage mit Spazierengehen zu oder unterhielt sich mit
älteren Leuten, deren Bekanntschaft er gemacht hatte. Oft blieb er auch
bei den Läden der großen Kaufleute stehen und horchte aufmerksam auf die
Gespräche vornehmer Männer, die sich hier aufhielten oder sich hierher
bestellt hatten: und diese Gespräche gaben ihm allmählich einigen
Anstrich von Weltkenntnis.

Als von den zehn Goldstücken nichts mehr übrig war, nahm Alaeddin seine
Zuflucht zur Lampe. Er nahm sie in die Hand, suchte die Stelle, welche
seine Mutter berührt hatte, und als er sie an dem Eindruck des Sandes
erkannte, rieb er sie ebenso, wie sie getan hatte. Sogleich erschien ihm
wieder derselbe Geist, der sich schon einmal gezeigt hatte; da aber
Alaeddin die Lampe sanfter gerieben hatte, als seine Mutter, so sprach
er diesmal in einem milderen Tone dieselben Worte: »Was willst du? ich
bin bereit, dir zu gehorchen als dein Sklave und als Sklave aller derer,
die die Lampe in der Hand haben, sowohl ich, als die andern Sklaven der
Lampe.« Alaeddin antwortete ihm: »Mich hungert, bring mir zu essen.«
Der Geist verschwand und erschien in einigen Augenblicken wieder mit
einem ähnlichen Tafelzeug, wie das erstemal, stellte es nieder und
verschwand wieder.

Alaeddin und seine Mutter setzten sich zu Tische, und nach dem Mahle
blieb ihnen noch so viel übrig, daß sie die beiden folgenden Tage
behaglich davon leben konnten.

Als Alaeddin sah, daß weder Brot, noch Lebensmittel, noch Geld mehr zu
Hause war, nahm er eine silberne Schüssel und suchte den Juden, den er
kannte, auf, um sie zu verkaufen. Auf dem Wege zu ihm kam er an dem
Laden eines Goldschmieds vorüber, der durch sein Alter ehrwürdig und
zugleich ein ehrlicher und rechtschaffener Mann war. Der Goldschmied
bemerkte ihn, und rief ihm, er möchte hereintreten. »Mein Sohn,« sagte
er zu ihm, »ich habe dich schon mehrere Male mit derselben Ware wie
jetzt vorbeigehen, jenen Juden aufsuchen und bald darauf mit leeren
Händen zurückkommen sehen. Dies hat mich auf den Gedanken gebracht, daß
du das, was du trägst, jedesmal an ihn verkaufst. Aber du weißt
vielleicht nicht, daß dieser Jude ein Betrüger, und zwar ein ärgerer
Betrüger ist, als die andern Juden, und daß niemand, der ihn kennt, mit
ihm zu tun haben will. Im übrigen sage ich dir dieses bloß aus
Gefälligkeit. Wenn du mir zeigen willst, was du jetzt in der Hand hast,
und es dir feil ist, so will ich dir den wahren Wert getreulich
ausbezahlen, wofern ich es brauchen kann; wo nicht, so will ich dich an
andere Kaufleute weisen, die dich nicht betrügen werden.«

In der Hoffnung, noch mehr Geld für seine Schüssel zu lösen, zog
Alaeddin sie sogleich unter seinem Kleide hervor und zeigte sie dem
Goldschmied. Der Greis, der auf den ersten Blick erkannte, daß sie vom
feinsten Silber war, fragte ihn, ob er wohl schon ähnliche an den Juden
verkauft und was er von ihm dafür erhalten habe. Alaeddin gestand
offenherzig, daß er schon zwölf solche verkauft und der Jude ihm für
jede ein einziges Goldstück bezahlt habe. »Ha, der Spitzbube!« rief der
Goldschmied. »Mein Sohn,« fügte er hinzu, »was geschehen ist, ist
geschehen, und man muß nicht mehr daran denken; aber wenn ich dir jetzt
den wahren Wert deiner Schüssel entdecke, die vom feinsten Silber ist,
das nur irgend von uns verarbeitet wird, so wirst du einsehen, wie sehr
der Jude dich betrogen hat.«

Der Goldschmied nahm die Wage, wog die Schüssel und nachdem er Alaeddin
auseinandergesetzt hatte, was eine Mark Silber sei, machte er ihm
begreiflich, daß diese Schüssel ihrem Gewichte nach zweiundsiebenzig
Goldstücke wert sei, die er ihm sogleich blank ausbezahlte. »Da hast
du«, sagte er, »den wahren Betrag deiner Schüssel. Wenn du noch daran
zweifelst, so kannst du dich nach Belieben an jeden andern von unsern
Goldschmieden wenden, und wenn dir einer sagt, daß sie mehr wert sei, so
mache ich mich anheischig, dir das Doppelte dafür zu bezahlen.«

Alaeddin dankte dem Goldschmied sehr für den guten Rat. In der Folge
verkaufte er auch die übrigen Schüsseln, sowie das Becken, an ihn und
erhielt von allem den vollen Wert je nach dem Gewichte. Obwohl nun
Alaeddin und seine Mutter eine unversiegbare Geldquelle an ihrer Lampe
hatten, so lebten sie dennoch ebenso mäßig, wie zuvor, nur daß Alaeddin
einiges auf die Seite legte, um anständig auftreten zu können und
verschiedene Bequemlichkeiten für ihre kleine Wirtschaft anzuschaffen.
Seine Mutter dagegen verwendete auf ihre Kleider nichts, als was ihr das
Baumwollespinnen einbrachte. Bei dieser nüchternen Lebensweise kann man
sich leicht denken, daß das Gold, das Alaeddin für seine zwölf Schüsseln
und das Becken von dem Goldschmied erhalten hatte, lange ausreichte. So
lebten sie denn mehrere Jahre lang von dem guten Gebrauch, den Alaeddin
von Zeit zu Zeit von seiner Lampe machte.

In dieser Zwischenzeit hatte Alaeddin, der es nicht unterließ, sich sehr
fleißig bei den Zusammenkünften angesehener Personen in den Läden der
bedeutendsten Kaufleute, die mit Gold, Silber, Seidenstoffen, den
feinsten Schleiertüchern und Juwelen handelten, einzufinden und
bisweilen sogar an ihren Unterhaltungen teilzunehmen, sich vollends
ausgebildet und allmählich alle Manieren der feinen Weltleute
angenommen. Namentlich bei den Juwelenhändlern kam er von dem Irrwahn
ab, als wären die durchsichtigen Früchte, die er in dem Garten, wo die
Lampe stand, gepflückt hatte, nur buntfarbiges Glas; er erfuhr hier, daß
es sehr kostbare Edelsteine waren. Da er täglich in diesen Läden alle
Arten solcher Edelsteine kaufen und verkaufen sah, lernte er sie nach
ihrem Werte kennen und schätzen; da er nirgends so schöne und große
bemerkte, wie die seinigen, so begriff er wohl, daß er statt der
Glasscherben einen Schatz von unmeßbarem Wert besaß. Indes war er klug
genug, niemandem etwas davon zu sagen, selbst seiner Mutter nicht, und
ohne Zweifel verdankte er diesem Stillschweigen das hohe Glück, zu dem
wir ihn in der Folge werden emporsteigen sehen.

Eines Tags, als er in der Stadt spazieren ging, hörte Alaeddin mit
lauter Stimme einen Befehl des Sultans ausrufen, daß jedermann seinen
Laden und seine Haustüre schließen und sich ins Innere seiner Wohnung
zurückziehen solle, bis die Prinzessin Bedrulbudur, das heißt »Mond der
Monde«, die Tochter des Sultans, die baden wollte, vorübergegangen und
wieder zurückgekehrt sein würde.

Dieser öffentliche Aufruf erweckte in Alaeddin den Wunsch, die
Prinzessin entschleiert zu sehen. Er mußte sich zu diesem Behuf in das
Haus eines Bekannten begeben und dort hinter ein Gitterfenster stellen;
allein dies war ihm nicht genug, da die Prinzessin, dem Brauche gemäß,
auf ihrem Weg ins Bad einen Schleier vor ihrem Gesichte haben mußte. Um
seine Neugierde zu befriedigen, ersann er endlich ein Mittel, das ihm
glückte. Er stellte sich nämlich hinter die Türe des Bades, das so
eingerichtet war, daß er sie unfehlbar sehen mußte.

Alaeddin mußte nicht lange warten: die Prinzessin erschien und er
betrachtete sie durch einen Ritz, der groß genug war, so daß er sehen
konnte, ohne gesehen zu werden. Sie kam in Begleitung einer großen
Anzahl ihrer Frauen und Verschnittenen, die teils neben ihr, teils
hinter ihr hergingen. Drei oder vier Schritte vor der Türe des Bades
nahm sie den Schleier ab, der ihr Gesicht bedeckte und ihr sehr unbequem
war, und auf diese Art sah Alaeddin sie um so bequemer, da sie gerade
auf ihn zukam. Alaeddin hatte bis dahin noch nie eine Frau mit
entschleiertem Gesichte gesehen, als seine Mutter, die schon alt und
niemals so hübsch gewesen war.

Als Alaeddin die Prinzessin Bedrulbudur gesehen hatte, konnte sein Herz
dem bezaubernden Mädchen die höchste Zuneigung nicht versagen. Wirklich
war die Prinzessin auch die schönste Brünette, die man nur auf der Welt
sehen kann. Sie hatte große, regelmäßige, lebhafte und feurige Augen,
einen sanften und sittsamen Blick, eine wohlgeformte Nase ohne allen
Tadel, einen kleinen Mund, rosenrote und durch ihr schönes Ebenmaß
wahrhaft bezaubernde Lippen; mit einem Wort, alle ihre Gesichtszüge
waren höchst anmutig und regelmäßig. Was Wunder, daß Alaeddin bei dem
Anblick einer so seltenen Vereinigung von Schönheiten, die ihm ganz neu
waren, geblendet wurde und beinahe außer sich geriet! Außer diesen
Vollkommenheiten hatte die Prinzessin einen üppigen Wuchs und eine
majestätische Haltung, deren Anblick allein schon die ihr gebührende
Ehrfurcht einflößte.

Als die Prinzessin ins Bad gegangen war, blieb Alaeddin eine Weile ganz
verwirrt und entzückt stehen, indem er sich unaufhörlich das reizende
Bild vor die Seele rief, das ihn im Innersten seines Herzens ergriffen
und bezaubert hatte. Endlich kam er wieder zur Besinnung, und da er
bedachte, daß die Prinzessin bereits vorübergegangen war, und er
vergebens seinen Posten länger behaupten würde, um sie beim Herausgehen
aus dem Bade wieder zu sehen, indem sie ihm dann den Rücken zuwenden und
verschleiert sein müßte, so beschloß er, den Ort zu verlassen und sich
hinwegzubegeben.

Als Alaeddin nach Hause kam, konnte er seine Verwirrung und Unruhe nicht
so verbergen, daß seine Mutter nichts gemerkt hätte. Sie war sehr
erstaunt, ihn gegen seine Gewohnheit so traurig und nachdenklich zu
sehen und fragte ihn, ob ihm etwas Unangenehmes begegnet sei oder ob er
sich unwohl befinde. Alaeddin aber gab keine Antwort, sondern setzte
sich nachlässig auf den Sofa, wo er unverändert in derselben Stellung
blieb, fortwährend damit beschäftigt, sich das reizende Bild der
Prinzessin Bedrulbudur zu vergegenwärtigen. Seine Mutter bereitete das
Abendessen und drang nicht weiter in ihn. Er aß viel weniger als
gewöhnlich, hatte die Augen immer niederschlagen und beobachtete ein so
tiefes Stillschweigen, daß es seiner Mutter unmöglich war, ihm auch nur
ein einziges Wort zu entlocken, so sehr sie auch in ihn drang, er solle
ihr die Ursache dieser außerordentlichen Veränderungen mitteilen.

Nach dem Abendessen wollte sie von neuem anfangen, ihn zu fragen, warum
er denn so schwermütig sei, allein sie konnte nichts aus ihm
herausbringen, und Alaeddin ging zu Bette, ohne seine Mutter im
mindesten zufriedengestellt zu haben.

»Liebe Mutter,« begann er am nächsten Morgen, »ich will jetzt mein
Stillschweigen brechen. Ich war nicht krank, wie du zu glauben
schienest, und bin es auch jetzt nicht. Aber so viel kann ich dir sagen,
daß das, was ich empfand und was ich noch fortwährend empfinde, etwas
weit Schlimmeres ist, als eine Krankheit. Zwar weiß ich nicht recht, wie
man dieses Übel nennt, aber ich zweifle nicht, daß du es aus dem
erkennen wirst, was ich dir jetzt sagen will.«

»Es ist«, fuhr Alaeddin fort, »die Tochter des Sultans gestern
nachmittag ins Bad gegangen. Da ich nicht weit vom Bade entfernt war, so
brachte mich die Neugierde, sie mit entschleiertem Gesichte zu sehen,
auf den Einfall, mich hinter die Türe des Bades zu verstecken. Wirklich
nahm sie vor ihrem Eintritt den Schleier ab und ich hatte das Glück, zu
meinem unaussprechlichen Vergnügen diese liebenswürdige Prinzessin zu
sehen. Ich liebe die Prinzessin mit einer Glut, die ich dir nicht
beschreiben kann, und da meine heiße Leidenschaft mit jedem Augenblicke
zunimmt, so fühle ich wohl, daß sie nur durch den Besitz befriedigt
werden kann; daher ich denn auch entschlossen bin, sie vom Sultan mir
zur Frau zu erbitten.«

Alaeddins Mutter hatte die Rede ihres Sohnes bis auf die letzten Worte
mit vieler Aufmerksamkeit angehört; als sie aber vernahm, daß er im Sinn
habe, um die Hand der Prinzessin Bedrulbudur anzuhalten, so konnte sie
nicht umhin, ihn durch lautes Gelächter zu unterbrechen. Alaeddin wollte
fortfahren, allein sie ließ ihn nicht zum Wort kommen und sagte zu ihm:
»Ei, ei, mein Sohn, was fällt dir ein? Bist du wahnsinnig geworden, daß
du solche Reden führen kannst?«

»Liebe Mutter,« erwiderte Alaeddin, »ich kann dir versichern, daß ich
nicht wahnsinnig, sondern ganz bei Verstande bin. Ich habe mir zum
voraus gedacht, daß du mich töricht und albern nennen werdest; allein
dies soll mich nicht hindern, dir noch einmal zu erklären, daß mein
Entschluß feststeht, den Sultan um die Hand der Prinzessin Bedrulbudur
zu bitten.«

»Wahrhaftig, mein Sohn,« erwiderte die Mutter sehr ernsthaft, »ich muß
dir sagen, daß du dich ganz vergissest; und wenn du deinen Entschluß
auch ausführen wolltest, so sehe ich nicht ein, durch wen du es wagen
könntest, deine Bitte vortragen zu lassen.« – »Durch niemand anders,
als dich selbst,« antwortete der Sohn ohne Bedenken. – »Durch mich!«
rief die Mutter voll Erstaunen und Überraschung; »und an den Sultan? O
ich werde mich wohl hüten, mich in eine Unternehmung der Art
einzulassen. Und wer bist du denn, mein Sohn,« fuhr sie fort, »daß du
die Kühnheit haben dürftest, deine Gedanken zur Tochter deines Sultans
zu erheben? Hast du vergessen, daß du der Sohn eines der geringsten
Schneider seiner Hauptstadt und auch von mütterlicher Seite nicht von
höherer Abkunft bist? Weißt du denn nicht, daß Sultane ihre Töchter
selbst Sultanssöhnen verweigern, die keine Hoffnung haben, einst zur
Regierung zu gelangen?«

»Liebe Mutter,« antwortete Alaeddin, »ich habe dir bereits bemerkt, daß
ich alles vorausgesehen habe, was du mir soeben gesagt hast, und ebenso
sehe ich alles voraus, was du etwa noch hinzufügen könntest. Weder deine
Reden, noch deine Vorstellungen werden mich von meinem Entschlusse
abbringen. Ich habe dir gesagt, daß ich durch deine Vermittlung um die
Hand der Prinzessin Bedrulbudur anhalten will; es ist dies die einzige
Gefälligkeit, um die ich dich mit aller schuldigen Ehrerbietung bitte,
und du kannst sie mir nicht abschlagen, wenn du mich nicht lieber
sterben sehen, als mir zum zweitenmal das Leben schenken willst.«

Alaeddins Mutter befand sich in großer Verlegenheit, als sie diese
Hartnäckigkeit sah. »Mein Sohn,« sagte sie nochmals zu ihm, »ich bin
deine Mutter, und als gute Mutter bin ich bereit, aus Liebe zu dir alles
zu tun, was vernünftig und schicklich ist. Wenn es sich darum handelte,
für dich um die Tochter eines unserer Nachbarn anzuhalten, der von
gleichem oder wenigstens nicht viel höherem Stande wäre als du, so würde
ich nichts versäumen, und von Herzen gern alles aufbieten, was in meiner
Macht steht; aber auch dann müßtest du einiges Vermögen oder Einkünfte
besitzen, oder ein Gewerbe erlernt haben, um deinen Zweck zu erreichen.
Wenn arme Leute, wie wir, heiraten wollen, so ist das erste, woran sie
denken müssen, ob sie auch zu leben haben. Aber ohne an deine niedere
Abkunft, an deinen geringen Stand und deine Armut zu denken, willst du
dich auf den höchsten Gipfel des Glücks schwingen und verlangst nichts
Geringeres, als die Tochter deines Herrn und Gebieters, der nur ein
Wort zu sagen braucht, um dich zu verderben und zu zermalmen. Ich will
hier nicht erwähnen, was dich selbst betrifft, denn das mußt du in
deinem Innern in Erwägung ziehen, wofern du nur halbwegs bei gutem
Verstande bist. Ich will nur von dem sprechen, was mich angeht. Wie hat
dir ein so seltsamer Gedanke in den Kopf kommen können, daß ich zum
Sultan hingehen und ihm den Antrag machen soll, dir die Prinzessin,
seine Tochter, zum Weibe zu geben? Gesetzt auch, ich hätte die
Unverschämtheit, vor seine geheiligte Person zu treten, um eine so
ungereimte Bitte vorzutragen, an wen müßte ich mich denn wenden, um nur
vorgelassen zu werden? Glaubst du denn nicht, daß der erste, den ich
anredete, mich als Närrin behandeln und mit Schmach und Schimpf
fortjagen würde, wie ich es verdiente? Wenn wir aber auch annehmen, daß
es keine Schwierigkeit gäbe, Audienz bei dem Sultan zu erhalten: denn
ich weiß, daß man leicht zu ihm gelangen kann, wenn man um Gerechtigkeit
bittet, und daß er sie seinen Untertanen gern gewährt, sobald sie ihn
darum angehen; ich weiß auch, daß er mit Vergnügen eine Gnade bewilligt,
um die man ihn bittet, sobald er sieht, daß man sie verdient hat und
ihrer würdig ist: aber bist du denn in demselben Falle und glaubst du
die Gnade verdient zu haben, die ich für dich erbitten soll? Bist du
ihrer würdig? Was hast du für deinen Fürsten oder für dein Vaterland
getan und wodurch hast du dich ausgezeichnet? Wenn du nun nichts
geleistet hast, um eine so hohe Gnade zu verdienen, und auch im übrigen
ihrer nicht würdig bist, mit welcher Stirn könnte ich dann darum bitten?
Wie könnte ich auch nur den Mund öffnen, um dem Sultan diesen Vorschlag
zu machen? Sein majestätisches Ansehen und der Glanz seines Hofes würden
mir sogar den Mund verschließen, mir, die ich schon vor deinem Vater
zitterte, wenn ich ihn nur um eine Kleinigkeit zu bitten hatte. Auch ein
anderer Grund ist noch vorhanden, mein Sohn, den du nicht bedacht hast,
nämlich, daß man vor unsern Sultanen, wenn man sie um etwas bitten will,
nicht erscheinen darf, ohne ein Geschenk in der Hand zu haben. Welches
Geschenk könntest du ihm denn bieten? Und wenn du auch etwas hättest,
das der Beachtung eines so großen Monarchen im mindesten wert schiene,
in welchem Verhältnis stände dann dein Geschenk mit der Bitte, die du
an ihn tun willst? Geh in dich und bedenke, daß du nach etwas trachtest,
das du unmöglich erreichen kannst.«

Alaeddin hörte alles, was seine Mutter sagte, um ihn von seinem Plane
abzubringen, mit großer Gemütsruhe an, und nachdem er ihre Vorstellungen
Punkt für Punkt in Erwägung gezogen, nahm er endlich das Wort und
sprach: »Ich gestehe, liebe Mutter, daß es eine große Verwegenheit von
mir ist, so hoch hinauf zu wollen, und zugleich sehr unüberlegt, daß ich
von dir, mit solcher Hitze und Hastigkeit verlange, du sollst beim
Sultan für mich anhalten, ohne zuvor die geeigneten Maßregeln zu
ergreifen, um dir Gehör und einen günstigen Empfang zu verschaffen.
Verzeih mir diesmal. In der Hitze der Leidenschaft, die sich meiner
bemeistert hat, darfst du dich nicht wundern, wenn ich nicht auf einmal
alles, was mir die gesuchte Ruhe geben kann, ins Auge gefaßt habe. Ich
liebe die Prinzessin Bedrulbudur weit mehr, als du dir denken kannst, ja
ich bin ganz von Sinnen und beharre fest auf dem Entschlusse, sie zu
heiraten. Ich bin darüber vollkommen mit mir einig und entschieden.
Übrigens danke ich dir für die Eröffnung, die du mir soeben gemacht
hast, denn ich betrachte sie als den ersten Schritt zu dem glücklichen
Erfolg, den ich mir verspreche.

»Du sagst mir, es sei nicht Brauch, ohne ein Geschenk in der Hand vor
dem Sultan zu erscheinen, und ich hätte nichts, was seiner würdig wäre.
Wenn du aber meinst, daß ich nichts besäße, was ihm überreicht werden
könnte, so glaube ich doch, daß die Sachen, die ich aus der
unterirdischen Höhle mitgebracht habe, dem Sultan gewiß viel Vergnügen
machen würden. Ich spreche nämlich von den Steinen in den zwei Beuteln
und im Gürtel, die wir beide anfangs für farbige Gläser hielten; jetzt
sind mir die Augen aufgegangen, und ich sage dir, liebe Mutter, daß es
Juwelen von unschätzbarem Werte sind, die nur großen Königen gebühren.
In den Läden der Juweliere habe ich mich von ihrem Wert überzeugt und du
kannst mir aufs Wort glauben: alle, die ich bei diesen Herren gesehen
habe, halten mit den unsern durchaus keinen Vergleich aus, weder in
Beziehung auf Größe, noch auf Schönheit, und doch verkaufen sie
dieselben um ungeheure Summen. Wir können zwar allerdings den wahren
Wert der unsrigen nicht angeben, aber dem mag sein wie ihm wolle, so
viel verstehe ich doch, um überzeugt zu sein, daß das Geschenk dem
Sultan die größte Freude machen muß. Du hast da eine ziemlich große
Porzellanvase, die gerade dazu paßt; bring sie einmal her, und laß uns
sehen, welche Wirkung sie haben, wenn wir sie nach ihren verschiedenen
Farben ordnen.«

Alaeddins Mutter brachte die Vase, und Alaeddin nahm die Edelsteine aus
den beiden Beuteln heraus und legte sie in der besten Ordnung hinein.
Die Wirkung, die sie durch die Mannigfaltigkeit ihrer Farben und ihren
strahlenden Glanz beim hellen Tageslicht hatten, war so groß, daß Mutter
und Sohn beinahe davon geblendet wurden und sich über die Maßen
wunderten; denn sie hatten dieselben bisher nur beim Lampenschein
betrachtet. Alaeddin zwar hatte sie auf den Bäumen gesehen, wo sie ihm
als Früchte erschienen, die einen herrlichen Anblick gewährten; allein
er war damals noch Kind gewesen und hatte diese Edelsteine nur als
Spielzeug betrachtet.

Nachdem sie die Schönheit des Geschenks eine Weile betrachtet hatten,
nahm Alaeddin wieder das Wort und sagte: »Du hast jetzt keine Ausrede
mehr, liebe Mutter, und kannst dich nicht damit entschuldigen, daß wir
kein passendes Geschenk anzubieten hätten. Hier ist eines, wie mich
dünkt, das dir gewiß einen recht freundlichen Empfang verschaffen wird.«

Obwohl Alaeddins Mutter dieses Geschenk, ungeachtet seiner Schönheit und
seines Glanzes, nicht für so wertvoll hielt, wie ihr Sohn, so dachte sie
doch, es könne vielleicht angenommen werden, und sah ein, daß in dieser
Beziehung nichts mehr einzuwenden war. Dagegen kam sie immer wieder auf
Alaeddins Forderung zurück, und dies machte ihr viel Unruhe. »Mein
Sohn,« sprach sie zu ihm, »ich begreife wohl, daß dein Geschenk Wirkung
tun und Gnade in den Augen des Sultans finden wird; aber wenn ich dann
deine Bitte vortragen soll, so fühle ich zum voraus, daß ich dazu keine
Kraft haben und stumm bleiben werde. Auf diese Art wird nicht nur mein
Gang vergeblich, sondern auch das Geschenk, das nach deiner Behauptung
so außerordentlich kostbar ist, verloren sein, und ich werde mit Schmach
abziehen müssen, um dir zu verkündigen, daß du dich in deiner
Hoffnung getäuscht hast. Ich habe es dir schon einmal gesagt und du
wirst sehen, daß es so kommt.«

[Illustration]

[Illustration]

»Aber,« setzte sie hinzu, »gesetzt auch, ich könnte mir so viel Gewalt
antun, mich nach deinem Wunsche zu fügen, und ich hätte Kraft genug, um
eine solche Bitte zu wagen, wie du mir zumutest, so wird sich doch der
Sultan ganz gewiß entweder über mich lustig machen und mich als eine
Närrin nach Hause schicken, oder er wird in gerechten Zorn geraten,
dessen Opfer unfehlbar wir beide sein werden.«

Alaeddins Mutter führte noch mehrere solche Gründe an, um ihren Sohn auf
andere Gedanken zu bringen; allein die Reize der Prinzessin Bedrulbudur
hatten einen zu starken Eindruck auf sein Herz gemacht, als daß er sich
von seinem Plane hätte abbringen lassen. Alaeddin beharrte also auf
seiner Bitte, und teils aus Zärtlichkeit, teils aus Furcht, er möchte
irgend einen tollen Streich machen, überwand seine Mutter ihre Abneigung
und verstand sich endlich dazu, ihm zu willfahren.

Da es schon spät und die Zeit, in den Palast zu gehen und vor den Sultan
zu treten, an diesem Tage bereits vorüber war, so wurde die Sache auf
den folgenden Tag verschoben. »Mein Sohn,« sagte die Mutter, »wenn mich
der Sultan so günstig aufnimmt, wie ich es aus Liebe zu dir wünsche,
wenn er auch den Vorschlag ruhig anhört, aber sich dann einfallen läßt,
nach deinem Vermögen und Stande zu fragen – sage mir, was soll ich ihm
dann antworten?«

»Liebe Mutter,« antwortete Alaeddin, »wir wollen uns nicht zum voraus
über eine Sache bekümmern, die vielleicht gar nicht vorkommen wird. Wir
müssen jetzt abwarten, wie der Sultan dich empfängt und was für eine
Antwort er dir gibt. Wenn er dann wirklich über das, was du sagst,
Auskunft haben will, so werde ich mich schon auf eine Antwort besinnen,
und ich glaube zuversichtlich, daß die Lampe, die uns schon seit einigen
Jahren ernährt, mich in der Not nicht verlassen wird.«

Alaeddins Mutter wußte hierauf nichts zu erwidern, denn sie dachte, daß
die Lampe, von der er sprach, auch noch weit größere Wunder bewirken
könnte, als nur ihren Lebensunterhalt zu verschaffen. Dies beruhigte
sie. Alaeddin sagte zu ihr: »Jedenfalls, liebe Mutter, halte die Sache
geheim; davon hängt der ganze glückliche Erfolg ab, den wir erwarten
können.« Hierauf trennten sie sich, um zu Bett zu gehen; allein die
heftige Liebe und die großartigen, unermeßlichen Glückspläne, die
Alaeddins Gemüt erfüllten, ließen ihn keine Ruhe finden. Er stand vor
Tagesanbruch auf, weckte sogleich seine Mutter und bestürmte sie, sie
solle sich aufs schleunigste ankleiden, an das Tor des königlichen
Palastes gehen und, sowie es geöffnet würde, zugleich mit dem
Großvezier, den untergeordneten Vezieren und den übrigen Staatsbeamten
eintreten, die sich zur Sitzung des Divans begäben, welcher der Sultan
immer persönlich beiwohnte.

Alaeddins Mutter tat alles, was ihr Sohn wünschte. Sie nahm die mit
Edelsteinen gefüllte Porzellanvase und hüllte sie in doppelte Leinwand,
zuerst in sehr feine und schneeweiße, sodann in minder feine, welche
letztere sie an den vier Zipfeln zusammenband, um die Sache bequemer
tragen zu können. Endlich ging sie zur Freude Alaeddins fort und nahm
ihren Weg nach dem Palaste des Sultans. Der Großvezier nebst den übrigen
Vezieren und die angesehensten Herren vom Hofe waren bereits
hineingegangen, als sie ans Tor kam. Die Zahl der Wartenden war sehr
groß. Man öffnete und sie ging mit ihnen in den Divan. Dies war ein über
die Maßen schöner, tiefer und geräumiger Saal und hatte einen großen,
prächtigen Eingang; sie stellte sich so, daß sie den Sultan gerade
gegenüber, den Großvezier aber und die übrigen Herren, die im Rate
saßen, rechts und links hatte. Man rief die verschiedenen Parteien eine
nach der andern vor, in der Ordnung, wie sie ihre Bittschriften
eingereicht hatten, und ihre Angelegenheiten wurden vorgetragen,
verhandelt und entschieden, bis zur Stunde, wo der Divan wie gewöhnlich
geschlossen wurde. Dann stand der Sultan auf, entließ die Versammlung
und ging in sein Zimmer zurück, wohin ihm der Großvezier folgte. Die
übrigen Veziere und Mitglieder des Staatsrats begaben sich nach Hause;
ebenso die, welche wegen Privatangelegenheiten erschienen waren; die
einen vergnügt, daß sie ihren Prozeß gewonnen hatten, die andern
unzufrieden, weil gegen sie entschieden worden war, und noch andere in
der Hoffnung, daß ihre Sache in einer andern Sitzung vorkommen werde.

Als Alaeddins Mutter sah, daß der Sultan aufstand und fortging, schloß
sie daraus, daß er an diesem Tage nicht wieder erscheinen werde, und
ging, wie die andern alle, nach Hause. Alaeddin, der sie mit dem für den
Sultan bestimmten Geschenk zurückkommen sah, wußte anfangs nicht, was er
von dem Erfolg seiner Sendung denken sollte. Er fürchtete eine schlimme
Botschaft und hatte kaum Kraft genug, den Mund zu öffnen und sie zu
fragen, welche Nachricht sie bringe. Die gute Frau, die nie einen Fuß in
den Palast des Sultans gesetzt und keine Ahnung von dem hatte, was dort
Brauch war, machte der Verlegenheit ihres Sohnes ein Ende, indem sie mit
vieler Treuherzigkeit und Aufrichtigkeit also zu ihm sprach: »Mein Sohn,
ich habe den Sultan gesehen und bin fest überzeugt, daß er mich
ebenfalls gesehen hat. Ich stand gerade vor ihm und niemand hinderte
mich, ihn zu sehen, allein er war zu sehr mit denen beschäftigt, die zu
seiner Rechten und Linken saßen, daß ich Mitleiden mit ihm hatte, als
ich die Mühe und Geduld sah, womit er sie anhörte. Dies dauerte so
lange, daß er, glaube ich, zuletzt Langeweile bekam, denn er stand auf
einmal ganz unerwartet auf und ging schnell weg, ohne eine Menge anderer
Leute anzuhören, die noch mit ihm sprechen wollten. Ich war sehr froh
darüber, denn ich fing wirklich an, die Geduld zu verlieren und war von
dem langen Stehen außerordentlich müde. Indes ist noch nichts verdorben;
ich werde morgen wieder zu ihm gehen, der Sultan ist vielleicht dann
nicht so beschäftigt.«

So heftig auch das Feuer der Liebe in Alaeddins Busen brannte, so mußte
er sich doch mit dieser Entschuldigung zufrieden geben und mit Geduld
waffnen. Er hatte wenigstens die Genugtuung, zu sehen, daß seine Mutter
bereits den schwersten Schritt getan und den Anblick des Sultans
ausgehalten hatte, und so konnte er hoffen, daß sie, wie die andern, die
in ihrer Gegenwart mit ihm gesprochen hatten, nicht anstehen werde, sich
ihres Auftrages zu entledigen, sobald der günstige Augenblick zum
Sprechen komme.

Am andern Morgen ging Alaeddins Mutter wieder ebenso frühe mit ihrem
Geschenk nach dem Palast des Sultans, allein sie machte diesen Gang
vergeblich, denn sie fand die Türe des Divans verschlossen und erfuhr,
daß nur alle zwei Tage Sitzung sei und sie also am folgenden Tage
wieder kommen müsse. Sie kehrte nun um und brachte diese Nachricht ihrem
Sohne, der somit aufs neue Geduld fassen mußte. Noch sechsmal
hintereinander ging sie an den bestimmten Tagen in den Palast, aber
immer mit ebensowenig Erfolg, und vielleicht wäre sie noch hundertmal
vergebens gelaufen, wenn nicht der Sultan, der sie bei jeder Sitzung
gegenüber von sich sah, endlich aufmerksam auf sie geworden wäre.

An diesem Tage endlich sagte der Sultan, als er nach aufgehobener
Sitzung in seine Gemächer zurückgekehrt war, zu seinem Großvezier:
»Schon seit einiger Zeit bemerke ich eine gewisse Frau, die regelmäßig
jeden Tag, wo ich Sitzung halte, kommt und etwas in Leinwand eingehüllt
in der Hand hat. Sie bleibt vom Anfang bis zu Ende der Sitzung stehen,
und zwar immer gerade mir gegenüber. Weißt du wohl, was ihr Begehr ist?«

Der Großvezier, der es so wenig wußte, als der Sultan, wollte gleichwohl
keine Antwort schuldig bleiben. »Herr,« sagte er, »es ist dir wohl
bekannt, daß die Frauen oft über geringfügige Sachen Klage führen. Diese
da kommt offenbar, um sich bei dir zu beschweren, daß man vielleicht
schlechtes Mehl an sie verkauft oder ihr sonst Unrecht zugefügt hat, das
von eben so wenig Belang ist.« Der Sultan war mit dieser Antwort nicht
zufrieden und sagte: »Wenn diese Frau bei der nächsten Sitzung wieder
erscheint, so vergiß nicht, sie rufen zu lassen, auf daß ich sie höre.«
Der Großvezier küßte seine Hand und legte sie auf seinen Kopf, zum
Zeichen, daß er bereit sei, ihn sich abschlagen zu lassen, wenn er
diesen Befehl nicht erfüllte.

Alaeddins Mutter war schon so sehr daran gewöhnt, im Divan vor dem
Sultan zu erscheinen, daß sie ihre Mühe für nichts achtete, wofern sie
nur ihrem Sohne zeigen konnte, wie sehr sie sich’s angelegen sein ließ,
für ihn alles zu tun, was in ihren Kräften stand. Sie ging also am
Sitzungstag wieder nach dem Palast und stellte sich wie gewöhnlich am
Eingang des Divans dem Sultan gegenüber.

Der Großvezier hatte seinen Vortrag noch nicht begonnen, als der Sultan
Alaeddins Mutter bemerkte. Diese lange Geduld, die er selbst mit
angesehen, rührte ihn. »Damit du es nicht vergissest,« sagte er zum
Großvezier, »dort steht wieder die Frau, von der ich dir neulich gesagt
habe: laß sie hierhertreten, dann wollen wir sie zuerst anhören und ihre
Angelegenheit ins reine bringen.« Sogleich zeigte der Großvezier die
Frau dem Obersten der Türsteher, der zu seinen Befehlen bereit stand,
und hieß ihn sie näher heranführen.

Der Oberste der Türsteher kam zu Alaeddins Mutter und gab ihr ein
Zeichen; sie folgte ihm bis an den Fuß des königlichen Thrones, wo er
sie verließ, um sich wieder an seinen Platz neben dem Großvezier zu
stellen.

Alaeddins Mutter befolgte das Beispiel der andern, die sie mit dem
Sultan sprechen gesehen hatte: sie warf sich zu Boden, berührte mit
ihrer Stirne den Teppich, der die Stufen des Thrones bedeckte, und blieb
in dieser Stellung, bis der Sultan ihr befahl, aufzustehen. Als sie
aufgestanden war, sprach er zu ihr: »Gute Frau, ich sehe dich schon
lange Zeit in meinen Divan kommen und von Anfang bis zu Ende am Eingange
stehen. Welche Angelegenheit führt dich hierher?«

Alaeddins Mutter warf sich, als sie diese Worte hörte, zum zweiten Male
zu Boden, und nachdem sie aufgestanden war, sagte sie: »Erhabenster
aller Könige der Welt, bevor ich dir die außerordentliche und fast
unglaubliche Sache erzähle, die mich vor deinen hohen Thron führt, bitte
ich dich, mir die Kühnheit des Anliegens zu verzeihen, das ich dir
vortragen will. Es ist so ungewöhnlich, daß ich zittere und bebe, und
große Scheu trage, es meinem Sultan vorzubringen.« Um ihr volle Freiheit
zu geben, befahl der Sultan allen Anwesenden, sich aus dem Divan zu
entfernen und ihn mit dem Großvezier allein zu lassen; dann sagte er zu
ihr, sie könne ohne Furcht sprechen.

Alaeddins Mutter begnügte sich nicht mit der Güte des Sultans, der ihr
die Verlegenheit, vor der ganzen Versammlung sprechen zu müssen, erspart
hatte; sie wollte sich auch noch vor seinem Zorn sicher stellen, den sie
bei einem so seltsamen Antrag fürchten mußte. »Großer König,« sagte sie,
aufs neue das Wort ergreifend, »ich wage auch noch dich zu bitten, daß
du mir, im Fall du mein Gesuch im mindesten anstößig oder beleidigend
finden solltest, zum voraus deine Verzeihung und Gnade zusicherst.« –
»Was es auch sein mag,« erwiderte der Sultan, »ich verzeihe es dir
schon jetzt, und es soll dir nicht das geringste Leid zustoßen. Sprich
ohne Scheu!«

Nachdem Alaeddins Mutter alle diese Vorsichtsmaßregeln ergriffen hatte,
weil sie den ganzen Zorn des Sultans für ihren kühnen Antrag fürchtete,
erzählte sie ihm treuherzig, bei welcher Gelegenheit Alaeddin die
Prinzessin Bedrulbudur gesehen, welche heftige Liebe ihm dieser
unglückselige Augenblick eingeflößt, welche Erklärungen er ihr darüber
gemacht und wie sie ihm alles vorgestellt habe, um ihn von einer
Leidenschaft abzubringen, die sowohl für den König, als für seine
Tochter im höchsten Grade beleidigend sei. »Aber,« fuhr sie fort, »statt
diese Ermahnungen zu beherzigen, und die Frechheit seines Verlangens
einzusehen, beharrte mein Sohn unerschütterlich dabei und drohte mir
sogar, wenn ich mich weigern würde, zu dir zu gehen und für ihn um die
Prinzessin anzuhalten. Gleichwohl hat es mich sehr große Überwindung
gekostet, bis ich ihm diesen Gefallen erwies, und ich bitte dich noch
einmal, großer König, daß du nicht allein mir, sondern auch meinem Sohne
Alaeddin verzeihen mögest, der den verwegenen Gedanken gehabt hat, nach
einer so hohen Verbindung zu trachten.«

Der Sultan hörte den ganzen Vortrag mit vieler Milde und Güte an, ohne
im mindesten Zorn und Unwillen zu verraten, oder auch nur die Sache
spöttisch aufzunehmen. Ehe er aber der guten Frau antwortete, fragte er
sie, was sie denn in ihrem leinenen Tuche eingehüllt habe. Sogleich nahm
sie die porzellanene Vase, stellte sie an den Fuß des Thrones, und
nachdem sie sich niedergeworfen, enthüllte sie dieselbe und überreichte
sie dem Sultan.

Es ist unmöglich, die Überraschung und das Erstaunen des Sultans zu
beschreiben, als er in dieser Vase so viele ansehnliche, kostbare,
vollkommene und glänzende Edelsteine erblickte, und zwar alle von einer
Größe, dergleichen er niemals gesehen hatte. Seine Verwunderung war so
groß, daß er eine Weile ganz unbeweglich dasaß. Endlich, als er sich
wieder gesammelt hatte, empfing er das Geschenk aus den Händen der Frau
und rief außer sich vor Freude: »Ei, wie schön, wie herrlich!« Nachdem
er die Edelsteine alle einen nach dem andern in die Hand genommen,
bewundert und nach ihren hervorstechendsten Eigenschaften gepriesen
hatte, wandte er sich zu seinem Großvezier, zeigte ihm die Vase und
sagte zu ihm: »Sieh einmal an und du wirst gestehen müssen, daß man auf
der ganzen Welt nichts Kostbareres und Vollkommeneres finden kann.« Der
Vezier war ebenfalls ganz bezaubert. »Je nun,« fuhr der Sultan fort,
»was sagst du von diesem Geschenke? Ist es der Prinzessin, meiner
Tochter, nicht würdig, und kann ich sie um diesen Preis nicht dem Manne
geben, der um sie anhalten läßt?«

Diese Worte versetzten den Großvezier in peinliche Unruhe. Der Sultan
hatte ihm nämlich vor einiger Zeit zu verstehen gegeben, daß er die
Prinzessin seinem Sohne zu geben gedenke. Nun aber fürchtete er, und
nicht ohne Grund, der Sultan möchte durch dieses reiche und
außerordentliche Geschenk geblendet, sich anders entschließen. Er
näherte sich ihm daher und flüsterte ihm ins Ohr: »Herr, ich muß
gestehen, daß das Geschenk der Prinzessin würdig ist. Allein ich bitte
dich, mir drei Monate Frist zu gönnen, bevor du dich entscheidest. Ich
hoffe, daß mein Sohn, auf den du früher deine Augen zu werfen geruhtest,
noch vor dieser Zeit ihr ein weit kostbareres Geschenk machen kann, als
dieser Alaeddin, den du gar nicht kennst.« So sehr nun auch der Sultan
überzeugt war, daß der Großvezier unmöglich seinen Sohn in den Stand
setzen konnte, der Prinzessin ein Geschenk von gleichem Werte zu machen,
so hörte er dennoch auf ihn und bewilligte ihm diesen Wunsch. Er wandte
sich also zu Alaeddins Mutter und sagte zu ihr: »Geh nach Hause, gute
Frau, und melde deinem Sohn, daß ich den Vorschlag, den du mir in seinem
Namen gemacht hast, genehmige, daß ich aber die Prinzessin, meine
Tochter, unmöglich verheiraten kann, bis ich ihr eine Ausstattung
besorgt habe, die erst in drei Monaten fertig wird. Komm also um diese
Zeit wieder.«

Alaeddins Mutter ging mit um so größerer Freude nach Hause, als sie es
im Anfang wegen ihres Standes für unmöglich gehalten hatte, Zutritt beim
Sultan zu erlangen, und nun war ihr statt einer beschämenden
abschlägigen Antwort, die sie erwarten mußte, ein so günstiger Bescheid
zuteil geworden. Als Alaeddin seine Mutter zurückkommen sah, schloß er
aus zwei Sachen auf eine gute Botschaft: erstens, weil sie früher als
gewöhnlich kam, und zweitens, weil ihr Gesicht vor Freude glänzte.
»Ach, meine Mutter!« rief er ihr entgegen, »darf ich hoffen oder soll
ich aus Verzweiflung sterben?« Sie legte ihren Schleier ab, setzte sich
neben ihn und sagte dann zu ihm: »Lieber Sohn, um dich nicht lange in
Ungewißheit zu lassen, will ich dir gleich zum voraus sagen, daß du
nicht ans Sterben zu denken brauchst, sondern im Gegenteil alle Ursache
hast, gutes Mutes zu sein.« Hierauf erzählte sie ihm, wie sie vor allen
andern Zutritt erhalten, und welche günstige Antwort sie aus des Sultans
eigenem Munde erhalten habe. Sie fügte hinzu: aus dem ganzen Benehmen
des Sultans habe sie entnehmen können, daß das Geschenk einen überaus
mächtigen Eindruck auf sein Gemüt gemacht und ihn zu dieser huldreichen
Antwort bestimmt habe.

Als Alaeddin diese Nachricht hörte, hielt er sich für den glücklichsten
aller Sterblichen. Er dankte seiner Mutter für die viele Mühe, und
obwohl ihm bei seinem ungeduldigen Verlangen nach dem Gegenstande seiner
Liebe drei Monate entsetzlich lang erschienen, so nahm er sich doch vor,
mit Geduld zu warten und auf das Wort des Sultans zu bauen, das er für
unverbrüchlich hielt. Indes zählte er in Erwartung des ersehnten Zieles
nicht bloß Wochen, Tage und Stunden, sondern selbst Minuten, und es
waren ungefähr zwei Monate verflossen, als seine Mutter eines Abends die
Lampe anzünden wollte und merkte, daß kein Öl mehr im Hause war. Sie
ging aus, um welches zu kaufen, und als sie in die Stadt hinein kam,
fand sie, daß alles festlich geschmückt war. Die Kaufläden waren
geöffnet, man schmückte sie mit Blumenkränzen und machte Anstalt zu
festlichen Beleuchtungen, wobei es jeder dem andern an Pracht und Glanz
zuvorzutun suchte, um seinen Eifer an den Tag zu legen. Auf allen
Gesichtern strahlte Freude und Fröhlichkeit, sogar die Straßen waren mit
Hofbeamten in Festkleidern angefüllt, die auf reichgeschmückten Pferden
saßen und von einer großen Menge Bedienten zu Fuß umgeben waren. Sie
fragte den Kaufmann, bei dem sie ihr Öl kaufte, was dies alles zu
bedeuten habe. »Woher kommst denn du, liebe Frau?« gab ihr dieser zur
Antwort; »weißt du allein nicht, daß der Sohn des Großveziers heute
abend die Prinzessin Bedrulbudur, Tochter des Sultans, heiratet? Sie
wird bald aus dem Bade kommen und die vornehmen Herren, die du hier
siehst, haben sich versammelt, um sie nach dem Palast zu geleiten, wo
die Feierlichkeit vor sich gehen soll.«

Alaeddins Mutter wollte nichts mehr hören. Sie lief so eilig nach Hause,
daß sie fast atemlos ankam. »Ach!« rief sie ihrem Sohne, der auf nichts
weniger, als auf eine solche unangenehme Nachricht gefaßt war, entgegen,
»für dich ist alles verloren. Du zähltest auf das schöne Versprechen des
Sultans, aber es wird nichts daraus.« Alaeddin erschrak über die Maßen
und antwortete: »Liebe Mutter, warum sollte mir denn der Sultan sein
Versprechen nicht halten? woher weißt du das?« – »Heute abend noch,«
versetzte die Mutter, »heiratet der Sohn des Großveziers die Prinzessin
Bedrulbudur im Palaste.« Sie erzählte ihm hierauf, wie sie es erfahren
hatte, und teilte ihm so genau die einzelnen Umstände mit, daß er nicht
mehr daran zweifeln konnte. Bei dieser Nachricht war Alaeddin wie vom
Blitze getroffen. Jeder andere als er wäre seinem Kummer erlegen, aber
eine geheime Eifersucht weckte die Tätigkeit seines Geistes bald wieder.
Er gedachte jetzt der Lampe, die ihm bisher so nützlich gewesen, und
ohne mit leeren Worten gegen den Sultan, den Großvezier oder den Sohn
dieses Ministers zu eifern, sagte er bloß: »Liebe Mutter, der Sohn des
Großveziers ist heute nacht vielleicht nicht so glücklich, als er hofft.
Ich will einen Augenblick auf mein Zimmer gehen, bereite du indes das
Abendessen.«

Alaeddins Mutter begriff wohl, daß ihr Sohn von der Lampe Gebrauch
machen wollte, um die Heirat des Sohnes des Großveziers womöglich zu
hintertreiben, und sie täuschte sich nicht. Alaeddin nahm, sobald er in
seinem Zimmer war, die Wunderlampe, die er seit der Erscheinung des
Geistes, der seiner Mutter so großen Schrecken eingejagt, hierher
gebracht hatte, und rieb sie an derselben Stelle, wie früher. Alsbald
erschien der Geist und sprach zu ihm: »Was willst du? ich bin bereit dir
zu gehorchen als dein Sklave und als Sklave aller derer, die die Lampe
in der Hand haben, sowohl ich als alle andern Sklaven der Lampe.« –
»Höre,« sagte Alaeddin, »du hast mir bisher zu essen gebracht, so oft
ich dessen bedurfte, jetzt aber habe ich dir einen Auftrag von weit
höherem Belang zu erteilen. Ich habe bei dem Sultan um die Prinzessin
Bedrulbudur anhalten lassen. Er hat sie mir versprochen und nur einen
Aufschub von drei Monaten verlangt. Statt aber sein Wort zu halten,
vermählt er sie heute abend noch vor Ablauf der Frist mit dem Sohne des
Großveziers. Ich habe es soeben erfahren und die Sache ist ganz gewiß.
Nun verlange ich von dir, daß du Bräutigam und Braut, sobald sie sich zu
Bette gelegt haben, wegtragest und alle beide in ihrem Bette hierher
bringst.« – »Mein Gebieter,« antwortete der Geist, »ich werde dir
gehorchen. Hast du sonst noch etwas zu befehlen?« – »Für den Augenblick
nichts,« erwiderte Alaeddin und der Geist verschwand.

Alaeddin ging wieder zu seiner Mutter zurück und speiste so ruhig, wie
sonst, mit ihr zu Abend. Nach dem Essen sprach er eine Weile mit ihr
über die Vermählung der Prinzessin, wie über eine Sache, die ihn
garnicht bekümmerte. Sodann ging er auf sein Zimmer zurück, damit seine
Mutter ungestört zu Bett gehen konnte. Er selbst legte sich indessen
nicht nieder, sondern erwartete die Rückkunft des Geistes und die
Vollziehung seines Befehles.

Indessen waren im Palast des Sultans mit ungeheurer Pracht alle
Anstalten zur Vermählungsfeier der Prinzessin getroffen worden, und die
Festlichkeiten und Lustbarkeiten dauerten bis in die Nacht. Als alles
vorüber war, entfernte sich der Sohn des Großveziers unbemerkt auf ein
Zeichen, das ihm der Oberste von den Verschnittenen der Prinzessin gab,
der ihn auch nach der Wohnung der Prinzessin und in das Gemach führte,
wo das Brautbett bereitet war. Er legte sich zuerst nieder. Bald darauf
brachte die Sultanin in Begleitung ihrer Frauen und der Frauen ihrer
Tochter die Braut herein. Nach der Sitte aller Neuvermählten sträubte
sie sich heftig. Die Sultanin half sie auskleiden, legte sie wie mit
Gewalt ins Bett, umarmte sie, wünschte ihr eine gute Nacht und entfernte
sich dann mit allen ihren Frauen. Die letzte, die hinausging, schloß die
Türe hinter sich zu.

Kaum war die Türe verschlossen, als der Geist, ein treuer Sklave der
Lampe und pünktlicher Vollzieher aller Befehle ihrer Besitzer, ohne dem
jungen Gatten Zeit zu lassen, seine Neuvermählte auch nur ein wenig zu
liebkosen, zum großen Erstaunen beider das Bett, worin sie lagen, nahm
und in einem Augenblick in Alaeddins Zimmer trug.

Alaeddin, der diesen Augenblick voll Ungeduld erwartet hatte, duldete
nicht, daß der Sohn des Großveziers bei der Prinzessin liegen blieb.
»Nimm diesen jungen Ehemann,« sagte er zu dem Geist, »sperre ihn ins
heimliche Gemach, und komm morgen früh etwas vor Tagesanbruch wieder.«
Sogleich nahm der Geist den Sohn des Großveziers im bloßen Hemd aus dem
Bett, brachte ihn an den bezeichneten Ort und ließ ihn daselbst, nachdem
er einen Dunst auf ihn gehaucht hatte, den er vom Wirbel bis zur Zehe
spürte, und der ihn hinderte, sich von der Stelle zu rühren.

So groß nun auch Alaeddins Liebe zur Prinzessin Bedrulbudur war, so
führte er doch, sobald er sich mit ihr allein sah, keine langen Reden,
sondern sagte bloß in sehr zärtlichem Tone zu ihr: »Fürchte nichts,
geliebte Prinzessin; du bist hier in Sicherheit, und so gewaltig auch
die Liebe ist, die ich für deine Schönheit und deine Reize empfinde, so
werde ich doch nie die Schranken der tiefen Ehrfurcht überschreiten,
welche ich dir schulde. Wenn ich,« fügte er hinzu, »gezwungen worden
bin, zu diesen äußersten Maßregeln zu greifen, so geschah dies nicht in
der Absicht, dich zu beleidigen, sondern ich wollte nur einen
ungerechten Nebenbuhler verhindern, dem Versprechen, das der Sultan,
dein Vater, mir gegeben, zuwider dich in Besitz zu nehmen.« Die
Prinzessin, die von all diesen Umständen nichts wußte, achtete nicht
sehr auf Alaeddins Worte und vermochte ihm nichts zu erwidern. Der
Schrecken und das Erstaunen über dieses überraschende und unerwartete
Abenteuer hatte sie in einen solchen Zustand versetzt, daß Alaeddin ihr
kein einziges Wort entlocken konnte. Alaeddin ließ es indes nicht dabei
bewenden; er entkleidete sich und legte sich an die Stelle des Sohnes
des Großveziers, indem er der Prinzessin den Rücken kehrte, zugleich
aber die Vorsicht gebrauchte, einen Säbel zwischen die Prinzessin und
sich zu legen, zum Zeichen, daß er damit bestraft zu werden verdiente,
wenn er sich gegen ihre Ehre vergehen sollte.

Alaeddin war damit zufrieden, seinen Nebenbuhler des Glücks beraubt zu
haben, das er in dieser Nacht zu genießen hoffte, und schlief ganz
ruhig. Anders die Prinzessin Bedrulbudur: sie hatte in ihrem Leben noch
keine so verdrießliche und unangenehme Nacht zugebracht, und wenn man
den Ort und den Zustand bedenkt, in dem der Geist den Sohn des
Großveziers verlassen hatte, so wird man sich leicht denken können, daß
sie für den jungen Ehemann noch viel betrübter war.

Am andern Morgen brauchte Alaeddin nicht erst die Lampe zu reiben, um
den Geist herbeizurufen. Er kam zur bezeichneten Stunde wieder und sagte
zu Alaeddin, während dieser sich ankleidete: »Hier bin ich, was hast du
mir zu befehlen?« – »Geh,« antwortete Alaeddin, »hole den Sohn des
Großveziers, lege ihn wieder in dies Bett und trage ihn nach dem Palast
des Sultans an denselben Ort zurück, wo du ihn genommen hast.« Der Geist
löste den Sohn des Großveziers von seinem Posten ab und Alaeddin nahm,
als er zurückkam, seinen Säbel wieder. Jener legte den jungen Ehemann
neben die Prinzessin und trug das Brautbett in einem Augenblick nach
demselben Gemach des königlichen Palastes zurück, wo er es geholt hatte.
Zu bemerken ist noch, daß der Geist weder von der Prinzessin noch dem
Sohne des Großveziers gesehen wurde; seine abscheuliche Gestalt hätte
sie leicht vor Schrecken töten können. Ebensowenig hörten sie die
Gespräche zwischen Alaeddin und ihm, sondern bemerkten bloß die
Bewegungen des Bettes und ihre Versetzung von einem Ort an einen andern;
dies allein konnte ihnen schon genug Schrecken einjagen, wie sich leicht
denken läßt.

Kaum hatte der Geist das Brautbett wieder an seinen Ort gestellt, als
der Sultan, der gern erfahren hätte, wie die Prinzessin, seine Tochter,
ihre Hochzeitsnacht zugebracht, ins Zimmer trat, um ihr guten Morgen zu
wünschen. Der Sohn des Großveziers, der die ganze Nacht in der Kälte
hatte stehen müssen und noch keine Zeit gehabt hatte, sich zu erwärmen,
stand, als die Türe geöffnet wurde, sogleich auf und ging in das
Vorzimmer, wo er sich den Abend zuvor entkleidet hatte.

Der Sultan näherte sich dem Bett der Prinzessin, küßte sie der Sitte
gemäß zwischen die Augen, wünschte ihr guten Morgen und fragte sie
lächelnd, wie sie sich diese Nacht befunden habe? Als er sie aber
aufmerksamer betrachtete, fand er sie zu seinem großen Erstaunen in
tiefe Schwermut versenkt; auch wurde sie weder rot, noch gab sie sonst
ein Zeichen, das seine Neugierde hätte befriedigen können. Sie warf ihm
bloß einen sehr traurigen Blick zu, der große Betrübnis oder großes
Mißvergnügen verriet. Er sprach noch einige Worte zu ihr; da er aber
sah, daß er ihr keine Antwort entlocken konnte, so glaubte er, sie tue
dies aus Schamhaftigkeit, und entfernte sich. Gleichwohl stieg die
Vermutung in ihm auf, dieses Stillschweigen müsse einen ganz
absonderlichen Grund haben; deswegen ging er sogleich nach den Gemächern
der Sultanin und erzählte ihr, in welchem Zustande er die Prinzessin
gefunden und wie sie ihn empfangen habe. »Herr,« gab die Sultanin zur
Antwort, »du mußt dich darüber nicht wundern; am Morgen nach der
Hochzeitsnacht zeigen alle Neuvermählten solche Zurückhaltung. In zwei
oder drei Tagen wird dies anders sein. Ich will nun selbst zu ihr
gehen,« fügte sie hinzu, »und ich müßte mich sehr täuschen, wenn sie
mich ebenso empfinge.«

Als die Sultanin angekleidet war, begab sie sich nach den Zimmern der
Prinzessin, die noch zu Bette lag. Sie näherte sich ihr, küßte sie und
wünschte ihr einen guten Morgen; aber wie groß war ihr Erstaunen, als
sie nicht nur keine Antwort von ihr erhielt, sondern auch bei näherer
Betrachtung tiefe Niedergeschlagenheit an ihr bemerkte, woraus sie
schloß, es müsse ihr etwas begegnet sein, das sie nicht erraten konnte.
»Liebe Tochter,« sagte die Sultanin zu ihr, »woher kommt es denn, daß du
alle meine Liebkosungen so schlecht erwiderst? Vor deiner Mutter
brauchst du doch keine solchen Umstände zu machen. Gestehe mir offen und
frei, was dir begegnet ist, und lasse mich nicht so lange in dieser
peinlichen Unruhe.«

Die Prinzessin Bedrulbudur unterbrach endlich das Schweigen mit einem
tiefen Seufzer. »Ach, meine sehr verehrte Mutter,« rief sie, »verzeihe
mir, wenn ich es an der schuldigen Ehrfurcht fehlen ließ. Es sind mir
heute nacht so außerordentliche Sachen zugestoßen, daß ich mich von
meinem Staunen und meinem Schrecken noch nicht erholt habe, ja kaum mich
selbst wiedererkenne.« Sie schilderte hierauf mit den lebhaftesten
Farben, was ihr begegnet.

Die Sultanin hörte alles, was die Prinzessin ihr erzählte, sehr ruhig
an, wollte es aber nicht glauben. »Liebe Tochter,« sprach sie zu ihr,
»du hast wohl daran getan, daß du dem Sultan, deinem Vater, nichts davon
gesagt hast. Hüte dich ja, gegen jemand etwas verlauten zu lassen; man
würde dich für eine Närrin halten, wenn man dich so sprechen hörte.« –
»Verehrungswürdige Mutter,« antwortete die Prinzessin, »ich versichere
dir, daß ich bei Verstande bin. Frage nur meinen Gemahl, er wird dir
dasselbe sagen.« – »Ich werde mich bei ihm erkundigen,« antwortete die
Sultanin, »aber wenn er auch gerade so spräche, wie du, so vermöchte
mich dies immer noch nicht zu überzeugen. Steh nur auf und schlag dir
diese Gedanken aus dem Kopf.« Zugleich rief die Sultanin die Frauen der
Prinzessin, und als sie sah, daß sie aufgestanden war und sich zu
schmücken begann, begab sie sich nach den Zimmern des Sultans und sagte
ihm, es sei ihrer Tochter wirklich etwas durch den Kopf gegangen, was
aber von keinem Belang sei. Dann ließ sie den Sohn des Großveziers
rufen, um von ihm nähere Aufschlüsse über die Erzählung der Prinzessin
zu erhalten; dieser aber, der sich durch die Verwandtschaft mit dem
Sultan sehr geehrt fühlte, hatte sich vorgenommen, die Sache zu
verheimlichen. »Mein lieber Sohn,« sagte die Sultanin zu ihm, »sag mir
doch, hast du dir dieselbe Einbildung in den Kopf gesetzt, wie deine
Frau?« – »Herrin,« antwortete der Sohn des Großveziers, »dürfte ich wohl
um Erklärung bitten, was deine Frage besagen soll?« – »Ich bin schon
zufrieden,« antwortete die Sultanin, »und verlange nicht mehr zu wissen;
du bist gescheiter als sie.«

Die Lustbarkeiten im Palast dauerten den ganzen Tag fort, und die
Sultanin, die der Prinzessin nicht von der Seite kam, unterließ nichts,
um sie zur Fröhlichkeit und zur Teilnahme an den Vergnügungen und
ergötzlichen Schauspielen zu stimmen, die ihr zu Ehren veranstaltet
wurden; allein das Begebnis der vorigen Nacht hatte einen solch
gewaltigen Eindruck auf sie gemacht, daß sie für nichts anderes Sinn
hatte und immer damit beschäftigt war. Der Sohn des Großveziers fühlte
sich durch diese schlimme Nacht ebenfalls sehr geschwächt, allein er
setzte seinen Ehrgeiz darein, niemand etwas davon merken zu lassen, und
wenn man ihn sah, mußte man glauben, er sei ein sehr glücklicher
Ehemann.

Alaeddin, der von allem, was im Palast vorging, wohl unterrichtet war,
zweifelte nicht, daß die Neuvermählten, trotz ihres verdrießlichen
Abenteuers in der ersten Nacht, sich abermals miteinander zu Bette
begeben würden, und hatte keine Lust, sie in Ruhe zu lassen. Sobald die
Nacht ein wenig vorgerückt war, rieb er seine Lampe; der Geist erschien
und bot ihm mit denselben Worten, wie früher, seine Dienste an. »Der
Sohn des Großveziers und die Prinzessin Bedrulbudur,« sagte Alaeddin zu
ihm, »wollen heute nacht wieder beisammen schlafen. Gehe hin, und sobald
sie sich niedergelegt haben, bring mir das Bett hierher, wie gestern.«

Der Geist bediente Alaeddin ebenso treu und pünktlich, wie das erstemal.
Der Sohn des Großveziers brachte die Nacht wieder so kalt und so
unangenehm zu, wie die Brautnacht, und die Prinzessin mußte zu ihrem
Verdruß Alaeddin wieder als Bettgenossen annehmen, der auch diesmal
zwischen sie und sich den Säbel legte. Der Geist kam, dem Befehle
Alaeddins zufolge, morgens wieder, legte den Ehemann zu seiner Frau,
nahm sodann das Bett mit den Neuvermählten und trug es wieder in das
Zimmer des Palastes, wo er es geholt hatte.

Der Sultan, der nach dem Empfang, welchen er am vorigen Morgen bei der
Prinzessin Bedrulbudur gefunden, sehr neugierig war, wie sie die zweite
Nacht zugebracht habe, und ob sie ihn abermals so schlecht empfangen
würde, begab sich wieder ebenso früh in ihr Zimmer, um sich davon zu
unterrichten. Der Sohn des Großveziers, der sich über sein Unglück in
dieser Nacht noch mehr schämte und ärgerte, als das erstemal, hörte ihn
kaum kommen, als er eilig aufstand und in das Ankleidezimmer stürzte.

Der Sultan näherte sich dem Bett der Prinzessin, wünschte ihr guten
Morgen und sagte dann nach denselben Liebkosungen wie am vorigen Tage:
»Nun, meine liebe Tochter, bist du diesen Morgen auch wieder so schlecht
gelaunt, wie gestern? Wirst du mir wohl sagen, wie du die Nacht
zugebracht hast?« Die Prinzessin beobachtete dasselbe Stillschweigen und
der Sultan bemerkte, daß sie noch weit unruhiger und betrübter war, als
das erstemal. Er zweifelte jetzt nicht mehr, daß ihr etwas
Außerordentliches zugestoßen sein müsse, ärgerte sich aber über ihre
Schweigsamkeit und rief ihr voll Zorn und mit gezücktem Säbel zu: »Wenn
du mir nicht gestehst, was du verhehlen willst, so haue ich dir sogleich
den Kopf ab.«

Die Prinzessin, die über den Ton und die Drohung des beleidigten Sultans
noch mehr erschrak, als über den Anblick des blanken Säbels, brach
endlich das Stillschweigen und rief mit tränenden Augen: »Geliebter
Vater und König! ich bitte um Verzeihung, wenn ich dich beleidigt habe,
hoffe aber von deiner Güte und Milde, daß Mitleid an die Stelle des
Zorns treten wird, sobald ich dir den kläglichen und traurigen Zustand,
worin ich mich sowohl diese als die vorige Nacht befunden, treu
schildere.«

Nach dieser Einleitung, die den Sultan etwas besänftigte und milder
stimmte, erzählte sie ihm alles, was ihr während dieser zwei
verdrießlichen Nächte begegnet war, getreu und so rührend, daß er
betrübt wurde, denn er liebte seine Tochter sehr zärtlich. Sie schloß
mit den Worten: »Wenn du im mindesten an meiner Erzählung zweifelst, so
kannst du den Gemahl fragen, den du mir gegeben hast; ich bin überzeugt,
daß er die Wahrheit der Sache ebenso bezeugen wird, wie ich.«

Der Sultan teilte die tiefe Bekümmernis, in welche die Prinzessin durch
ein so auffallendes Abenteuer versetzt werden mußte. »Liebe Tochter,«
sprach er zu ihr, »es war sehr unrecht von dir, daß du mir diese
seltsame Geschichte nicht schon gestern erzählt hast, die mir ebenso
wichtig sein muß, als dir. Ich habe dich nicht verheiratet in der
Absicht, dich unglücklich zu machen, sondern im Gegenteil gedachte ich,
dich dadurch in den Besitz all des Glückes zu setzen, das du verdienst
und bei einem Gemahl, der für dich zu passen schien, auch hoffen
konntest. Banne nur aus deinem Gemüt die traurigen Gedanken an das, was
du mir eben erzählt hast. Ich werde sogleich Befehle geben, daß du von
nun an keine so unangenehmen und unerträglichen Nächte mehr hast, wie
bisher.«

Sobald der Sultan in seine Gemächer zurückgekehrt war, ließ er den
Großvezier rufen. »Vezier,« sagte er zu ihm, »hast du deinen Sohn schon
gesehen und hat er dir nichts gesagt?« Als der Großvezier antwortete, er
habe ihn noch nicht gesehen, so erzählte ihm der Sultan alles, was er
von der Prinzessin Bedrulbudur vernommen. »Ich zweifle nicht,« sagte er
zuletzt, »daß meine Tochter mir die Wahrheit berichtet hat; indes wäre
es mir sehr lieb, wenn dein Sohn es bestätigte. Gehe und frage ihn, was
an der Sache ist.«

Der Großvezier begab sich sogleich zu seinem Sohn, teilte ihm mit, was
der Sultan ihm gesagt hatte, und schärfte ihm ein, daß er ja nichts
verhehlen und sagen solle, ob alles wahr sei. »Ich will dir die Wahrheit
gestehen, mein Vater,« antwortete der Sohn. »Alles, was die Prinzessin
zum Sultan sagte, hat seine traurige Richtigkeit; aber die schlechte
Behandlung, die ich insbesondere erfahren habe, weiß sie selbst nicht.
Ich brauche dir nicht weitläufig auseinanderzusetzen, was ich alles
ausgestanden habe, wenn ich desungeachtet auch gegen die Prinzessin,
meine Gemahlin, alle Gefühle der Liebe, Ehrerbietung und Dankbarkeit
hege, die sie verdient. Gleichwohl muß ich dir aufrichtig gestehen, daß
ich, so ehrenvoll und glänzend die Vermählung der Tochter des Sultans
für mich ist, lieber sterben, als länger in einer so hohen
Verwandtschaft bleiben will, wenn ich mich auch ferner noch einer solch
unangenehmen Behandlung aussetzen muß. Ich zweifle nicht, daß die
Prinzessin ebenso denken wird, wie ich, und sie wird leicht zugeben, daß
unsere Trennung für ihre Ruhe so notwendig ist, als für die meinige;
darum, lieber Vater, bitte ich dich bei der Liebe, die dich bewogen, mir
diese hohe Ehre zu verschaffen, wirke beim Sultan aus, daß unsere Ehe
für nichtig erklärt wird.«

So sehr es nun auch dem Ehrgeiz des Großveziers geschmeichelt hatte,
seinen Sohn als Tochtermann des Sultans zu sehen, so hielt er es doch,
da dieser fest entschlossen war, sich von der Prinzessin scheiden zu
lassen, nicht für ratsam, ihn wenigstens noch für einige Tage zur Geduld
zu ermahnen, um abzuwarten, ob diese Widerwärtigkeit nicht von selbst
aufhören werde. Er verließ ihn daher, um dem Sultan Bericht abzustatten,
und gestand ihm aufrichtig, die Sache sei nur zu wahr; sein Sohn habe
ihm alles erzählt. Ohne erst abzuwarten, daß der Sultan selbst von der
Ehescheidung zu reden anfing, wozu er ihn sehr geneigt sah, bat er
hierauf um Erlaubnis, daß sein Sohn sich aus dem Palaste entfernen und
in sein Haus zurückkehren dürfte; indem es höchst unrecht wäre, wenn die
Prinzessin um seinetwillen nur einen Augenblick länger dieser
schrecklichen Plage ausgesetzt würde.

Es kostete den Großvezier nicht viel Mühe, die Gewährung seines Gesuchs
zu erlangen. Der Sultan, der bereits diesen Entschluß gefaßt hatte, gab
augenblicklich Befehl, die Lustbarkeiten im Palaste und in der Stadt,
sowie im ganzen Gebiete seines Königreichs, wohin er Gegenbefehle
abfertigte, einzustellen, und in kurzer Zeit hörten alle öffentlichen
Freudenbezeigungen und Festlichkeiten auf.

Diese plötzliche und unerwartete Veränderung gab zu allerlei Gerede
Anlaß. Die Leute fragten sich, woher es wohl kommen möge, aber niemand
wußte mehr zu sagen, als daß man den Großvezier und seinen Sohn, beide
sehr traurig, aus dem Palaste in ihr eigenes Haus habe gehen sehen.
Alaeddin allein wußte das Geheimnis und freute sich in seinem Innern gar
sehr über den glücklichen Erfolg, den ihm seine Lampe verschaffte. Da er
jetzt mit Bestimmtheit wußte, daß sein Nebenbuhler den Palast verlassen
hatte und die Ehe zwischen der Prinzessin und ihm vollständig aufgelöst
war, so hatte er nicht mehr nötig, die Lampe zu reiben und den Geist zu
rufen. Das Merkwürdigste bei der Sache war, daß weder der Sultan, noch
der Großvezier, die Alaeddin und seinen Antrag längst vergessen hatten,
auch nur entfernt auf den Gedanken kamen, daß er an der Zauberei irgend
Anteil haben könnte.

Alaeddin ließ indes die drei Monate vollends verstreichen, die der
Sultan als Frist für seine Vermählung mit der Prinzessin Bedrulbudur
festgesetzt hatte. Er hatte sorgfältig jeden Tag gezählt, und als sie
vorüber waren, schickte er gleich am andern Morgen seine Mutter in den
Palast, um den Sultan an sein Wort zu erinnern.

Alaeddins Mutter ging nach dem Palaste, wie ihr Sohn ihr gesagt hatte,
und stellte sich am Eingang des Divans wieder an denselben Platz wie
früher. Kaum hatte der Sultan einen Blick auf sie geworfen, so erkannte
er sie auch wieder und erinnerte sich an ihre Bitte, sowie an die Zeit,
auf die er sie vertröstet hatte. Der Großvezier trug ihm eben eine Sache
vor. Der Sultan unterbrach ihn mit den Worten: »Vezier, ich bemerke dort
die gute Frau, die uns vor einigen Monaten ein so schönes Geschenk
machte: laß sie hierher treten, du magst deinen Bericht fortsetzen, wenn
ich sie angehört habe.«

[Illustration]

[Illustration]

Alaeddins Mutter näherte sich dem Fuße des Thrones und warf sich der
Sitte gemäß nieder. Als sie wieder aufgestanden war, fragte sie der
Sultan, was sie wünsche. »Großer König,« antwortete sie, »ich erscheine
zum zweitenmal vor deinem Angesicht, um dir im Namen meines Sohnes
Alaeddin vorzustellen, daß die drei Monate verstrichen sind, auf welche
du ihn mit der Bitte, die ich dir vorzutragen die Ehre hatte, vertröstet
hast. Ich bitte demütiglich, daß du dich der Sache erinnern mögest.«

Der Sultan hatte diese Frist von drei Monaten das erstemal nur deshalb
angesetzt, weil er glaubte, es werde dann keine Rede mehr von einer
Heirat sein, die ihm für die Prinzessin, seine Tochter, durchaus nicht
angemessen schien, in Anbetracht des niedrigen Standes und der Armut von
Alaeddins Mutter, welche in einem sehr gemeinen Aufzuge vor ihm
erschien. Diese Mahnung an sein Versprechen setzte ihn jetzt in
Verlegenheit. Um sich in der Sache nicht zu übereilen, zog er seinen
Großvezier zu Rate und bezeigte ihm seine Abneigung, die Prinzessin mit
einem Unbekannten zu vermählen, der offenbar von ganz niedriger Abkunft
sein mußte.

Der Großvezier zögerte nicht, dem Sultan seine Gedanken hierüber zu
sagen. »Herr,« antwortete er ihm, »mir scheint, daß es ein unfehlbares
Mittel gibt, diese unpassende Heirat zu hintertreiben, ohne daß Alaeddin
sich darob beklagen könnte. Du darfst nur einen so hohen Preis für die
Prinzessin festsetzen, daß seine Reichtümer, wenn sie auch noch so groß
sind, nicht zureichen. Auf diese Art wirst du ihn von seiner kühnen, ja
ich möchte sagen, verwegenen Bewerbung abbringen.«

Der Sultan billigte den Rat des Großveziers. Er wandte sich zu Alaeddins
Mutter und sagte nach einigem Nachdenken zu ihr: »Gute Frau, ein Sultan
muß immer sein gegebenes Wort halten, und ich bin bereit, mein
Versprechen zu erfüllen und deinen Sohn mit der Hand meiner Tochter zu
beglücken. Da ich sie aber nicht vermählen kann, ohne zu wissen, welche
Vorteile sie sich davon versprechen darf, so melde deinem Sohne, ich
werde mein Versprechen erfüllen, sobald er mir vierzig große Becken von
gediegenem Gold, von oben bis unten mit dergleichen Kostbarkeiten, wie
du mir schon einmal in seinem Namen gebracht hast, angefüllt, durch
vierzig schwarze Sklaven zuschickt, die von vierzig andern ausnehmend
schönen und aufs prachtvollste gekleideten jungen weißen Sklaven geführt
sein müssen. Dies sind die Bedingungen, unter denen ich bereit bin, ihm
die Prinzessin, meine Tochter, zu geben. Geh nun, gute Frau, und bring
mir bald wieder Antwort.«

Alaeddins Mutter warf sich abermals vor dem Throne des Sultans nieder
und entfernte sich. Unterwegs lachte sie in ihrem Herzen über das
närrische Verlangen ihres Sohnes. »Wahrhaftig,« sagte sie, »wo soll er
so viele goldene Becken und eine solche Menge farbiger Gläser hernehmen,
um sie damit zu füllen? Wird er wieder in das unterirdische Gewölbe
hinabsteigen, dessen Eingang verschlossen ist, um sie von den Bäumen zu
pflücken? und woher soll er alle diese hübschen Sklaven bekommen, die
der Sultan verlangt? Jetzt ist er freilich weit von seinem Ziele
entfernt, und ich glaube nicht, daß er mit meiner Botschaft zufrieden
sein wird.« Als sie mit diesen Gedanken beschäftigt nach Hause kam,
sagte sie: »Mein Sohn, ich rate dir, denke nicht mehr an eine Vermählung
mit der Prinzessin Bedrulbudur. Der Sultan hat mich zwar sehr huldreich
empfangen und ich glaube, daß er gut gegen dich gesinnt war, allein der
Großvezier hat ihn, wenn ich mich nicht täusche, auf andere Gedanken
gebracht. Nachdem ich dem Sultan vorgestellt hatte, daß die drei Monate
abgelaufen seien, bemerkte ich, daß er eine Weile ganz leise mit dem
Großvezier sprach, und dann erst gab er mir die Antwort, die ich dir
jetzt sagen werde.« Sie erzählte nun ihrem Sohne sehr ausführlich alles,
was der Sultan ihr gesagt hatte, und nannte ihm die Bedingungen, unter
denen er in die Verbindung der Prinzessin, seiner Tochter, mit ihm
einwilligen würde. »Mein Sohn,« sagte sie zuletzt, »er erwartet eine
Antwort; aber unter uns gesagt,« fuhr sie lächelnd fort, »ich glaube, er
wird lange warten müssen.«

»Nicht so lange, liebe Mutter, als du glaubst,« antwortete Alaeddin,
»und der Sultan ist gewaltig im Irrtum, wenn er meint, durch seine
ungeheuren Forderungen könne er mich außerstand setzen, an die
Prinzessin Bedrulbudur zu denken. Ich hatte ganz andere unüberwindliche
Schwierigkeiten erwartet, oder wenigstens einen weit höheren Preis für
meine unvergleichliche Prinzessin. Jetzt aber bin ich wohl zufrieden,
denn was er verlangt, ist eine Kleinigkeit gegen das, was ich ihm für
ihren Besitz bieten könnte. Während ich nun darauf denken werde, ihn zu
befriedigen, besorge du ein Mittagessen für uns und laß nur mich
gewähren.«

Sobald seine Mutter nach Lebensmitteln ausgegangen war, nahm Alaeddin
die Lampe und rieb sie. Sogleich erschien der Geist, fragte in den
gewöhnlichen Ausdrücken, was er zu befehlen habe, und sagte, daß er
bereit sei, ihn zu bedienen. Alaeddin sprach zu ihm: »Der Sultan gibt
mir die Prinzessin, seine Tochter, zur Frau; zuvor aber verlangt er von
mir vierzig große und vollwichtige Becken von gediegenem Gold, bis zum
Rande angefüllt mit den Früchten des Gartens, wo ich die Lampe geholt
habe, deren Sklave du bist. Ferner verlangt er, daß diese vierzig
goldenen Becken von ebensovielen schwarzen Sklaven getragen werden
sollen, vor denen vierzig wohlgebildete, schlanke und prachtvoll
gekleidete junge weiße Sklaven hergehen müssen. Gehe und schaffe mir
baldmöglichst dieses Geschenk zur Stelle, damit ich es dem Sultan
schicken kann, ehe er die Sitzung des Divans aufhebt.« Der Geist sagte,
sein Befehl solle unverzüglich vollzogen werden, und verschwand.

Eine kleine Weile darauf ließ der Geist sich wieder sehen, begleitet von
vierzig schwarzen Sklaven, deren jeder ein schweres Becken von
gediegenem Gold, angefüllt mit Perlen, Diamanten, Rubinen und Smaragden,
welche die dem Sultan bereits geschenkten an Größe und Schönheit weit
übertrafen, auf dem Kopfe trug. Jedes der Becken war mit goldgeblümtem
Silberstoff überdeckt. Diese Sklaven, sowohl die weißen als die
schwarzen mit den goldenen Becken, erfüllten fast das ganze Haus, das
ziemlich klein war, nebst dem kleinen Hofe vor und einem Gärtchen hinter
demselben. Der Geist fragte Alaeddin, ob er zufrieden sei, und ob er ihm
sonst noch etwas zu befehlen habe. Alaeddin antwortete, er verlange
nichts mehr, und der Geist verschwand.

Als Alaeddins Mutter vom Markte zurückkam, verwunderte sie sich
höchlich, da sie so viele Leute und Kostbarkeiten sah. Nachdem sie die
Nahrungsmittel auf den Tisch gelegt hatte, wollte sie den Schleier, der
ihr Gesicht verhüllte, ablegen, aber Alaeddin ließ es nicht zu. »Liebe
Mutter,« sprach er zu ihr, »wir haben jetzt keine Zeit zu verlieren. Es
ist von großer Wichtigkeit, daß du, noch ehe der Sultan den Divan
schließt, in den Palast zurückkehrst und das verlangte Geschenk nebst
der Morgengabe für die Prinzessin Bedrulbudur hinbringst, damit er aus
meiner Eile und Pünktlichkeit das brennende und aufrichtige Verlangen
ermessen kann, womit ich nach der Ehre trachte, sein Schwiegersohn zu
werden.«

Ohne die Antwort seiner Mutter abzuwarten, öffnete Alaeddin die Türe
nach der Straße und ließ alle seine Sklaven paarweise, immer einen
weißen mit einem schwarzen zusammen, hinaus. Als nun seine Mutter hinter
dem letzten Sklaven her ebenfalls draußen war, verschloß er die Türe und
blieb ruhig auf seinem Zimmer, in der süßen Hoffnung, der Sultan werde
ihm endlich nach diesem Geschenke, das er selbst gefordert hatte, seine
Tochter geben. Kaum war der erste weiße Sklave vor Alaeddins Hause, als
alle Vorübergehenden, die ihn bemerkten, stehen blieben, und ehe noch
die achtzig Sklaven, die weißen und schwarzen untereinander, draußen
waren, wimmelte die Straße von einer Masse Volks, das von allen Seiten
herbeiströmte, um dieses prachtvolle und außerordentliche Schauspiel
anzusehen. Die Kleidung der Sklaven bestand aus so kostbaren Stoffen,
und war so reich mit Edelsteinen geschmückt, daß die besten Kenner nicht
zuviel zu sagen glaubten, wenn sie jeden Anzug auf mehr als eine Million
schätzten. Die Schönheit und der gute Sitz der Kleider, der edle
Anstand, der ebenmäßige und stattliche Wuchs der Sklaven, ihr
feierlicher Zug in gleichmäßig abgemessenen Zwischenräumen, der Glanz
der außerordentlich großen Edelsteine, die in schönster Anordnung rings
um ihre Gürtel in echtes Gold gefaßt, und die Rosen an ihren Turbanen,
die ebenfalls aus Edelsteinen zusammengesetzt und ganz besonders
geschmackvoll gearbeitet waren, dies alles versetzte die Zuschauer in so
große Verwunderung, daß sie nicht müde wurden, sie zu betrachten. Die
Straßen waren so mit Menschen angefüllt, daß jeder an dem Platze, wo er
war, stehen bleiben mußte.

Da man durch mehrere Straßen gehen mußte, um zu dem Palaste zu gelangen,
so konnte ein großer Teil der Stadt und Leute aus allen Klassen und
Ständen den prachtvollen Aufzug sehen. Endlich langte der erste von den
achtzig Sklaven an der Pforte des ersten Schloßhofes an. Die Pförtner,
die sich bei Annäherung dieses wundervollen Zuges in zwei Reihen
aufgestellt hatten, hielten ihn für einen König, so reich und
prachtvoll war er gekleidet, und näherten sich ihm, um den Saum seines
Kleides zu küssen. Der Sklave aber, den der Geist vorher seine Rolle
gelehrt hatte, gab es nicht zu und sagte feierlich zu ihm: »Wir sind
bloß Sklaven; unser Herr wird erscheinen, sobald es Zeit ist.«

So kam der erste Sklave an der Spitze des ganzen Zugs in den zweiten
Hof, der sehr geräumig war und wo sich der Hofstaat des Sultans während
der Sitzung des Divans aufgestellt hatte. Die Anführer jeder einzelnen
Truppe waren zwar prachtvoll gekleidet, wurden aber weit verdunkelt, als
die achtzig Sklaven erschienen, die Alaeddins Geschenk brachten. Im
ganzen Hofstaate des Sultans gab es nichts so Herrliches und Glänzendes,
und alle Pracht der ihn umgebenden Herren von Hofe war Staub im
Vergleich mit dem, was sich jetzt seinen Blicken darbot. Da man dem
Sultan den Zug und die Ankunft dieser Sklaven gemeldet, hatte er Befehl
gegeben, sie eintreten zu lassen. Nachdem sie vor dem Throne des Sultans
einen großen Halbkreis gebildet hatten, stellten die schwarzen Sklaven
die Becken auf den Fußteppich, dann warfen sie sich alle miteinander
nieder und berührten den Teppich mit ihrer Stirne. Die weißen Sklaven
taten dasselbe. Hierauf standen alle wieder auf, und die schwarzen
enthüllten dabei sehr geschickt die vor ihnen stehenden Becken, worauf
sie mit gekreuzten Armen und großer Ehrerbietung stehen blieben.

Indes nahte Alaeddins Mutter dem Fuße des Thrones, warf sich vor
demselben nieder und sprach zu dem Sultan: »Herr, mein Sohn Alaeddin
weiß recht wohl, daß das Geschenk, das er dir schickt, weit unter dem
steht, was die Prinzessin Bedrulbudur verdient. Gleichwohl hofft er, du
werdest es huldreich annehmen und auch die Prinzessin werde es nicht
verschmähen; er hofft dies um so zuversichtlicher, da er sich bemüht
hat, der Bedingung, die du ihm vorgeschrieben, nachzukommen.«

Der Sultan war nicht imstande, die Begrüßung der Mutter Alaeddins
aufmerksam anzuhören. Schon beim ersten Blick auf die vierzig goldenen
Becken, die bis zum Rande mit den strahlendsten, glänzendsten und
kostbarsten Edelsteinen angefüllt waren, und auf die achtzig Sklaven,
die man für Könige halten konnte, war er so überrascht, daß er sich von
seinem Staunen nicht erholen konnte. Statt also den Gruß von Alaeddins
Mutter zu erwidern, wandte er sich an den Großvezier, der ebensowenig
begreifen konnte, woher so viele Reichtümer gekommen sein sollen. »Nun
Vezier,« sagte er laut zu ihm, »was denkst du von dem, wer es auch sein
mag, der mir ein so reiches und außerordentliches Geschenk schickt, ohne
daß wir beide ihn kennen? Hältst du ihn für unwürdig, meine Tochter, die
Prinzessin Bedrulbudur zu heiraten?«

So schmerzlich es nun auch dem Großvezier war, zu sehen, daß ein
Unbekannter den Vorzug vor seinem Sohne erhalten und der Eidam des
Sultans werden sollte, so wagte er es doch nicht, seine Ansicht zu
verhehlen. Es war zu augenscheinlich, daß Alaeddins Geschenk mehr als
hinreichend war, um ihn dieser hohen Ehre würdig zu machen. Er
antwortete also dem Sultan ganz nach seinem Sinn und sprach: »Herr, es
sei ferne von mir, zu glauben, daß derjenige, der dir ein deiner so
würdiges Geschenk gemacht hat, der Ehre, die du ihm zudenkst, unwürdig
wäre; ja ich würde die Behauptung wagen, er verdiene noch weit mehr,
wenn ich nicht überzeugt wäre, daß es auf der ganzen Welt keinen so
kostbaren Schatz gibt, der die Prinzessin, deine Tochter, aufwiegen
könnte.« Die Herren vom Hofe, die der Sitzung beiwohnten, gaben durch
ihre Beifallsbezeugungen zu erkennen, daß sie ebenso dachten wie der
Großvezier.

Der Sultan verschob jetzt die Sache nicht länger und erkundigte sich
nicht einmal, ob Alaeddin auch die übrigen erforderlichen Eigenschaften
besitze, um sein Schwiegersohn werden zu können. Schon der Anblick
dieser unermeßlichen Reichtümer und die Schnelligkeit, mit der Alaeddin
sein Verlangen erfüllt hatte, ohne in den ungeheuren Bedingungen die
mindeste Schwierigkeit zu finden, war ihm Beweis genug, daß ihm nichts
zu einem vollendeten Mann fehlen könne, wie er ihn sich wünschte. Um
daher Alaeddins Mutter vollkommen zu befriedigen, sagte er zu ihr: »Gehe
jetzt, gute Frau, und sage deinem Sohn, daß ich ihn erwarte und mit
offenen Armen aufnehmen werde; je schneller er kommen wird, um die
Prinzessin, meine Tochter, aus meiner Hand zu empfangen, je mehr wird er
mir Freude machen.«

Hoch erfreut, ihren Sohn wider alles Erwarten auf einer so hohen Stufe
des Glücks zu erblicken, eilte Alaeddins Mutter nach Hause; der Sultan
aber schloß die Sitzung für heute, stand von seinem Throne auf und
befahl, daß die Verschnittenen der Prinzessin die goldenen Becken nehmen
und nach den Zimmern ihrer Gebieterin tragen sollen, wohin er selbst
ging, um sie mit Muße näher zu betrachten.

Indes kam Alaeddins Mutter mit einem Gesichte, das ihre gute Botschaft
voraus verkündete, nach Hause.

Alaeddin, der über ihre Nachricht hoch erfreut war, gab seiner Mutter
eine kurze Antwort und ging auf sein Zimmer. Er nahm die Lampe, die ihm
bisher in allen Nöten und bei allen seinen Wünschen so hilfreich gewesen
war, und kaum hatte er sie gerieben, als der Geist durch sein
unverzügliches Erscheinen seinen fortdauernden Gehorsam an den Tag
legte. »Geist,« sagte Alaeddin zu ihm, »ich habe dich gerufen, damit du
mir sogleich ein Bad bereiten sollst, und sobald ich es genommen habe,
will ich, daß du mir die reichste und prachtvollste Kleidung bringst,
die jemals ein König getragen hat.« Kaum hatte er dies gesprochen, als
der Geist sowohl ihn als sich unsichtbar machte, aufhob und in ein Bad
trug, das von äußerst feinem, schönem und buntgestreiftem Marmor gebaut
war. Ohne daß er sah, wer ihn bediente, wurde er in einem sehr schönen
und geräumigen Saale entkleidet. Aus dem Saale ließ man ihn in das Bad
treten, wo er gerieben und mit allerhand wohlriechenden Wassern
gewaschen wurde. Nachdem er in den verschiedenen Badestuben alle Grade
der Wärme durchgemacht hatte, kam er wieder heraus, aber ganz anders,
als er eingetreten war. Seine Gesichtsfarbe war frisch, weiß und rosig
geworden, und sein ganzer Leib weit leichter und geschmeidiger. Als er
in den Saal zurückkam, fand er das Kleid, das er dort gelassen hatte,
nicht mehr; der Geist hatte statt dessen eine andere Kleidung gebracht.
Alaeddin war ganz erstaunt, als er die Pracht des Anzugs sah. Er
kleidete sich mit Hilfe des Geistes an und bewunderte jedes Stück, ehe
er es anzog: so sehr übertraf es alles, was er sich bisher nur hatte
denken können. Als er fertig war, trug ihn der Geist in dasselbe Zimmer
zurück, wo er ihn abgeholt hatte, und fragte ihn, ob er noch etwas zu
befehlen habe. »Ja,« antwortete Alaeddin; »ich erwarte auf der Stelle
von dir, daß du mir ein Pferd herführst, dessen Schönheit und
Schnelligkeit das kostbarste Pferd im Stalle des Sultans übertrifft;
die Decke, der Sattel, der Zaum und überhaupt das Geschirr muß über eine
Million wert sein. Auch verlange ich, daß du mir zu gleicher Zeit
zwanzig Sklaven herbeischaffst, die ebenso reich und schmuck gekleidet
sein müssen, wie die, welche das Geschenk trugen, denn sie sollen mir
zur Seite und als mein Gefolge einhergehen; und noch zwanzig andere der
Art, die in zwei Reihen vor mir herziehen sollen. Auch meiner Mutter
bring sechs Sklavinnen zu ihrer Bedienung, die alle wenigstens ebenso
reich gekleidet sein müssen, wie die Sklavinnen der Prinzessin
Bedrulbudur, und jede einen vollständigen Anzug auf dem Kopfe tragen
soll, der so prächtig und stattlich sein muß, als wäre er für die
Sultanin. Ferner brauche ich noch zehntausend Goldstücke in zehn
Beuteln. Das war es, was ich dir noch zu befehlen hatte; geh und beeile
dich.«

Sobald Alaeddin dem Geiste diese Befehle gegeben hatte, verschwand
dieser und erschien bald wieder mit dem Pferde, den vierzig Sklaven, von
denen zehn je einen Beutel mit tausend Goldstücken trugen, und die sechs
Sklavinnen, wovon jede einen verschiedenen Anzug für Alaeddins Mutter,
in Silberstoff eingewickelt, auf dem Kopfe trug. Der Geist übergab dies
alles an Alaeddin.

Alaeddin nahm von den zehn Beuteln nur vier, die er seiner Mutter gab,
damit sie sich derselben in Notfällen bedienen sollte. Die sechs andern
ließ er in den Händen der Sklaven, welche sie trugen, mit dem Befehl,
sie zu behalten und während ihres Zuges durch die Straßen nach dem
Palaste des Sultans handvollweise unter das Volk auszuwerfen. Auch
befahl er ihnen, sie sollten dicht vor ihm, drei zur Rechten und drei
zur Linken, einhergehen. Endlich gab er seiner Mutter die sechs
Sklavinnen und sagte ihr, sie gehörten ihr und sie könne als Gebieterin
über sie verfügen; auch die Kleider, die sie trugen, seien für ihren
Gebrauch bestimmt.

Als Alaeddin alle seine Angelegenheiten geordnet hatte, entließ er den
Geist mit der Erklärung, daß er ihn rufen werde, sobald er seiner
bedürfe, worauf dieser augenblicklich verschwand. Jetzt machte sich
Alaeddin fertig, dem Wunsche des Sultans, der ihn sehen wollte, zu
entsprechen. Er fertigte einen der vierzig Sklaven – ich will nicht
sagen den schönsten, denn sie waren alle gleich – nach dem Palaste ab,
mit dem Befehl, er solle sich an den Obersten der Türsteher wenden und
ihn fragen, wann er wohl die Ehre haben könne, sich dem Sultan zu Füßen
zu werfen. Der Sklave entledigte sich seines Auftrages sehr schnell und
brachte die Nachricht zurück, daß der Sultan ihn mit Ungeduld erwarte.

Alaeddin stieg nun unverzüglich zu Pferde und setzte sich mit seinem
Zuge in der schon angezeigten Ordnung in Bewegung. Obgleich er nie zuvor
ein Roß bestiegen hatte, so zeigte er doch dabei so edlen Anstand, daß
selbst der erfahrenste Reiter ihn nicht für einen Neuling hätte halten
können. Die Straßen, durch die er kam, füllten sich in einem Nu mit einer
unübersehbaren Volksmasse an, von deren Beifalls-, Bewunderungs- und
Segensrufen die Luft wiederhallte, besonders wenn die sechs Sklaven,
welche die Beutel trugen, ganze Hände voll Goldstücke rechts und links
in die Luft warfen. Der Beifallsruf kam indes nicht von dem Pöbel her,
der sich drängte, stieß und niederdrückte, um Goldstücke aufzulesen,
sondern von den wohlhabenderen Zuschauern, die sich nicht enthalten
konnten, der Freigebigkeit Alaeddins öffentlich das verdiente Lob zu
spenden. Nicht bloß die, die sich erinnerten, ihn noch in seinen
Jünglingsjahren mit den Gassenbuben spielend gesehen zu haben, erkannten
ihn nicht mehr, sondern auch solche, die ihn noch vor kurzem gesehen
hatten, erkannten ihn kaum, so sehr hatten sich seine Gesichtszüge
verändert. Dies kam daher, daß die Lampe unter andern Eigenschaften auch
die hatte, den Besitzern allmählich alle Vollkommenheiten zu verleihen,
welche dem Rang, zu dem sie durch ihren guten Gebrauch gelangten,
angemessen waren.

Endlich langte Alaeddin vor dem Palaste an, wo alles zu seinem Empfang
in Bereitschaft gesetzt war. Als er vor das zweite Tor kam, wollte er,
der Sitte gemäß, die selbst der Großvezier, die Feldhauptleute und
Oberstatthalter beobachteten, absteigen; allein der Oberste der
Türsteher, der ihn auf Befehl des Sultans dort erwartete, ließ es nicht
zu und begleitete ihn bis an den großen Versammlungs- oder Audienzsaal,
wo er ihm absteigen half, obwohl Alaeddin sich sehr dagegen sträubte und
es nicht dulden wollte: er konnte es aber nicht hindern.

Als der Sultan Alaeddin erblickte, war er ebenso überrascht durch seine
reiche und prachtvolle Kleidung, als auch besonders durch seinen edlen
Anstand, seinen herrlichen Wuchs und seine würdevolle Haltung, die er um
so weniger erwartet hatte, als sie von dem niedrigen Anzuge seiner
Mutter himmelweit verschieden war. Seine Verwunderung und Überraschung
hinderte ihn indes nicht, aufzustehen und zwei oder drei Stufen des
Thrones herabzusteigen, damit Alaeddin sich nicht zu seinen Füßen werfen
und er ihn freundschaftlich umarmen konnte. Nach dieser Höflichkeit
wollte sich Alaeddin gleichwohl vor ihm niederwerfen, allein der Sultan
hielt ihn mit eigener Hand zurück und nötigte ihn, heraufzusteigen und
sich zwischen ihn und den Großvezier zu setzen.

Hierauf nahm Alaeddin das Wort und sprach: »Herr, ich nehme die Ehre,
die du mir erzeigst, an, weil es dir in deiner Gnade beliebt, sie mir zu
erweisen; erlaube mir aber, dir zu sagen, daß ich nicht vergessen habe,
wie ich dein geborner Sklave bin, daß ich die Größe deiner Macht kenne
und wohl weiß, wie tief meine Herkunft mich unter den Glanz und die
Herrlichkeit des hohen Ranges stellt, in welchem du stehst. Wenn ich
durch irgend etwas einen günstigen Empfang verdient haben sollte, so
gestehe ich, daß ich ihn bloß jener durch einen reinen Zufall
veranlaßten Kühnheit verdanke, die mich bewog, meine Augen, Gedanken und
Wünsche bis zu der erhabenen Prinzessin zu erheben, die der Gegenstand
meiner Sehnsucht ist. Ich bitte dich für diese Verwegenheit um
Verzeihung, großer König, aber ich kann nicht verhehlen, daß ich vor
Schmerz sterben würde, wenn ich die Hoffnung aufgeben müßte, meinen
Wunsch erfüllt zu sehen.«

»Mein Sohn,« antwortete der Sultan, indem er ihn abermals umarmte, »du
würdest mir unrecht tun, wenn du auch nur einen Augenblick an der
Aufrichtigkeit meines Versprechens zweifeln wolltest. Dein Leben ist mir
fortan zu teuer, als daß ich es nicht durch Darbietung des Heilmittels,
worüber ich verfügen kann, zu erhalten suchen sollte. Ich ziehe das
Vergnügen, dich zu sehen und zu hören, allen meinen und deinen Schätzen
vor.«

Bei diesen Worten gab der Sultan ein Zeichen, und alsbald ertönte die
Luft vom Schall der Hoboen und Pauken; zugleich führte der Sultan
Alaeddin in einen prachtvollen Saal, wo ein herrliches Festmahl
aufgetragen wurde. Der Sultan speiste ganz allein mit Alaeddin. Der
Großvezier und die vornehmen Herren vom Hofe standen ihnen, jeder nach
seinem Rang und Würde, während der Mahlzeit zur Seite. Der Sultan, der
die Augen fortwährend auf Alaeddin geheftet hatte, lenkte das Gespräch
auf verschiedene Gegenstände. Während der ganzen Unterhaltung aber, die
sie über Tisch miteinander führten, und auf welchen Gegenstand auch das
Gespräch fallen mochte, sprach Alaeddin mit so viel Kenntnis und
Verstand, daß er den Sultan vollends ganz in der guten Meinung
bestärkte, die er gleich anfangs von ihm gefaßt hatte.

Nach dem Mahle ließ der Sultan den obersten Richter seiner Hauptstadt
rufen und befahl ihm, sogleich den Ehevertrag zwischen der Prinzessin
Bedrulbudur, seiner Tochter, und Alaeddin zu entwerfen und aufzusetzen.

Als der Richter den Vertrag mit allen erforderlichen Förmlichkeiten
vollendet hatte, fragte der Sultan Alaeddin, ob er im Palaste bleiben
und die Hochzeit noch heute feiern wolle. »Herr,« antwortete Alaeddin,
»so brennend auch mein Verlangen ist, deine Gnade und Huld in ihrem
ganzen Umfange zu genießen, so bitte ich doch, daß du mir so lange noch
Frist gestattest, bis ich einen Palast habe erbauen lassen, um die
Prinzessin ihrem Range und ihrer Würde gemäß zu empfangen. Ich erbitte
mir hiezu einen angemessenen Platz vor dem deinigen aus, damit ich recht
nahe bin, um dir meine Aufwartung machen zu können. Ich werde nichts
unterlassen und dafür sorgen, daß er in möglichst kurzer Zeit vollendet
wird.« – »Mein Sohn,« sagte der Sultan, »wähle dir jede Stelle aus, die
du für passend hältst; vor meinem Palaste ist leerer Raum genug, und ich
selbst habe schon daran gedacht, ihn auszufüllen; aber bedenke, daß ich
je eher je lieber dich mit meiner Tochter vermählt zu sehen wünsche, um
das Maß meiner Freude voll zu machen.« Bei diesen Worten umarmte er
Alaeddin abermals, und dieser verabschiedete sich vom Sultan mit so
feinem Anstand, wie wenn er von jeher am Hofe gewesen und dort erzogen
worden wäre.

Alaeddin stieg nun wieder zu Pferde und kehrte in demselben Zuge, wie er
gekommen war, nach Hause zurück. Kaum war er abgestiegen, so nahm er
die Lampe und rief den Geist, wie gewöhnlich. »Geist,« sprach Alaeddin
zu ihm, »ich habe alle Ursache, deine Pünktlichkeit zu rühmen; du hast
bisher alle Befehle, die ich dir kraft dieser Lampe, deiner Herrin,
gegeben habe, pünktlich erfüllt. Heute aber handelt es sich darum, daß
du aus Liebe zu ihr womöglich noch mehr Eifer und Gehorsam an den Tag
legen sollst, als bisher. Ich verlange nämlich, daß du mir in möglichst
kurzer Zeit gegenüber vom Palaste des Sultans einen Palast erbauen
lässest, der würdig ist, die Prinzessin Bedrulbudur, meine Gemahlin,
aufzunehmen. Die Wahl der Materialien, nämlich Porphyr oder Jaspis,
Achat oder Lasurstein, oder auch den feinsten buntgestreiften Marmor,
sowie die übrige Einrichtung des Baues überlasse ich ganz dir; doch
erwarte ich, daß du mir oben hinauf einen großen Saal mit einer Kuppel
und vier gleichen Seiten bauest, dessen Wände aus wechselnden Schichten
von echtem Gold und Silber aufgeführt sein müssen, mit vierundzwanzig
Fenstern, sechs auf jeder Seite, deren Vergitterung mit Ausnahme eines
einzigen, welches unvollendet bleiben soll, kunstreich und ebenmäßig mit
Diamanten, Rubinen und Smaragden geschmückt sein muß, so daß dergleichen
noch nie auf der Welt gesehen worden ist. Ferner will ich, daß sich bei
dem Palaste ein Vorhof, ein Hof und ein Garten befinde; vor allen Dingen
aber muß an einem Ort, den du mir bezeichnen wirst, ein Schatz von
gemünztem Gold und Silber, und außerdem mehrere Küchen, Speisekammern,
Magazine und Gerätekammern voll der kostbarsten Geräte für jede
Jahreszeit und der Pracht des Palastes angemessen, vorhanden sein; dann
noch Ställe voll der schönsten Pferde und der gehörigen Anzahl
Stallmeister und Stallknechte. Auch einen Jagdzug darfst du nicht
vergessen, und es versteht sich von selbst, daß du auch noch für
hinlängliche Dienerschaft für die Küche und den übrigen Haushalt, sowie
für die gehörige Anzahl Sklavinnen zur Bedienung der Prinzessin, zu
sorgen hast. Du wirst jetzt begreifen, was mein Wunsch ist; geh und komm
wieder, wenn du alles fertig gemacht hast.«

Die Sonne ging eben unter, als Alaeddin dem Geiste wegen Erbauung des
Palastes, den er sich ausgesonnen, seine Aufträge gab. Am andern Morgen
stand Alaeddin, den die Liebe zur Prinzessin nicht schlafen ließ, in
aller Frühe auf, und sogleich erschien auch der Geist. »Herr,« sprach er
zu ihm, »dein Palast ist fertig; komm und sieh, ob du damit zufrieden
bist.« Alaeddin fand alles so weit über seine Erwartung, daß er sich
nicht genug wundern konnte. Der Geist führte ihn herum, und überall fand
er Reichtum, Schönheit und Pracht, dazu Diener und Sklaven, alle dem
Range und Dienste gemäß gekleidet, für den sie bestimmt waren. Auch
unterließ er nicht, ihm als Hauptsache die Schatzkammer zu zeigen, deren
Türe vom Schatzmeister geöffnet wurde, und Alaeddin erblickte hier ganze
Haufen von Goldsäcken der verschiedensten Größe, je nach den Summen, die
sie enthielten, bis an das Gewölbe aufgetürmt, und alles in so schöner
Ordnung, daß ihm das Herz vor Freude lachte. Beim Hinausgehen
versicherte ihm der Geist, daß er sich auf die Treue des Schatzmeisters
vollkommen verlassen dürfe. Hierauf führte er ihn in die Ställe und
zeigte ihm die schönsten Pferde von der Welt, und die Stallknechte, die
eifrig beschäftigt waren, sie zu pflegen und zu warten. Endlich ging er
mit ihm durch die Vorratskammern, worin alle Arten von Vorräten,
hauptsächlich an Nahrungsmitteln für die Pferde und Pferdeschmuck,
aufgehäuft lagen.

Nachdem Alaeddin den ganzen Palast von oben bis unten, von Zimmer zu
Zimmer, von Gemach zu Gemach, besonders auch den Saal mit den
vierundzwanzig Fenstern gemustert und darin mehr Pracht und
Herrlichkeit, als er je gehofft, sowie alle nur erdenklichen
Bequemlichkeiten angetroffen hatte, sagte er zu dem Geiste: »Geist, es
kann niemand zufriedener sein, als ich es bin, und es wäre sehr unrecht
von mir, wenn ich mich im mindesten beklagen wollte. Bloß etwas fehlt
noch, wovon ich dir nichts gesagt habe, weil ich nicht daran dachte. Ich
wünschte nämlich von dem Palasttore des Sultans an bis zum Eingang der
Zimmer, die in diesem Palaste für die Prinzessin bestimmt sind, einen
Teppich von schönstem Samt ausgebreitet zu haben, damit sie auf
demselben gehe, wenn sie aus dem Palaste des Sultans kommt.« – »Ich
komme im Augenblick wieder,« sprach der Geist und verschwand. Eine
kleine Weile nachher sah Alaeddin mit großem Erstaunen seinen Wunsch
erfüllt, ohne daß er wußte, wie es zugegangen war. Der Geist erschien
dann wieder und trug Alaeddin in seine Wohnung zurück, während eben die
Palastpforte des Sultans geöffnet wurde.

Die Pförtner des Palastes, die das Tor öffneten und nach der Seite hin,
wo jetzt Alaeddins Prachtgebäude stand, immer eine freie Aussicht gehabt
hatten, waren sehr überrascht, als sie diese Aussicht verbaut und von
dorther bis zur Palastpforte des Sultans einen Samtteppich ausgebreitet
sahen. Ihr Erstaunen wuchs, als sie ganz deutlich den herrlichen Palast
Alaeddins sahen. Die Nachricht von diesem merkwürdigen Wunder
verbreitete sich wie ein Lauffeuer im ganzen Palast. Der Großvezier, der
sich gleich nach Öffnung der Pforte im Palaste einfand, war ebenso
überrascht, wie alle andern, und teilte die Sache sogleich dem Sultan
mit, erklärte sie aber für ein Werk der Zauberei. »Vezier,« antwortete
der Sultan, »warum soll es denn ein Werk der Zauberei sein? Du weißt so
gut wie ich, daß es der Palast ist, den Alaeddin vermöge der Erlaubnis,
die ich ihm in deiner Gegenwart gab, als Wohnung für die Prinzessin,
meine Tochter, hat erbauen lassen. Nach den Proben, die er uns von
seinem Reichtum gegeben, ist es durchaus nicht so befremdlich, daß er
diesen Palast in so kurzer Zeit vollendet hat. Er hat uns damit
überraschen und zeigen wollen, daß man mit barem Gelde über Nacht Wunder
tun kann. Gestehe nur, daß bei dir etwas Eifersucht mit unterläuft, wenn
du von Zaubereien sprichst.« Indes wurde es Zeit, in die Ratsversammlung
zu gehen, und sie brachen das Gespräch ab.

Als Alaeddin in seine Wohnung zurückgebracht worden war und den Geist
entlassen hatte, fand er seine Mutter bereits auf den Beinen und mit dem
Anziehen eines der Kleider beschäftigt, die er ihr hatte bringen lassen.
Er veranlaßte sie nun, um die Zeit, wo der Sultan gewöhnlich aus der
Ratsversammlung kam, in Begleitung der Sklavinnen, die der Geist ihr
gebracht hatte, nach dem Palaste zu gehen. Wenn sie den Sultan sähe,
sollte sie ihm sagen, sie komme, um die Ehre zu haben, die Prinzessin
auf den Abend nach ihrem Palaste zu begleiten. Alaeddin stieg nun zu
Pferde, verließ sein Vaterhaus, um nie wieder zurückzukehren, vergaß
aber die Wunderlampe nicht, die ihm so herrliche Dienste geleistet
hatte, und zog dann nach seinem Palast mit demselben Pomp, mit dem er
sich tags zuvor dem Sultan vorgestellt hatte.

[Illustration]

[Illustration]

Sobald die Pförtner des königlichen Palastes Alaeddins Mutter
bemerkten, meldeten sie es dem Sultan. Sogleich wurde den Chören der
Trompeter, der Pauken- und Trommelschläger, der Querpfeifer und
Hoboisten, die bereits auf den Terrassen des Palastes an verschiedenen
Punkten aufgestellt waren, ein Zeichen gegeben, und im Augenblick
ertönte fröhliche Musik, die der ganzen Stadt Freude verkündete. Die
Kaufleute fingen an, ihre Läden mit schönen Teppichen, Polstern und
Laubwerk zu schmücken, und trafen Anstalten zur Beleuchtung der Stadt.
Die Handwerksleute verließen ihre Arbeit und scharenweise zog das Volk
nach dem großen Platz zwischen des Sultans und Alaeddins Palästen.
Letzterer zog hauptsächlich allgemeine Bewunderung auf sich, zumal da
der Palast des Sultans mit dem neuen durchaus nicht in Vergleich zu
setzen war. Am meisten aber staunten sie, weil sie nicht begreifen
konnten, durch welches unerhörte Wunder sie einen so prachtvollen Palast
an einem Orte erblickten, wo sie tags zuvor weder den Grund legen, noch
Baumaterialien gesehen hatten. Alaeddins Mutter wurde im Palaste
ehrenvoll empfangen und vom Obersten der Verschnittenen in die Zimmer
der Prinzessin Bedrulbudur geführt. Sobald die Prinzessin sie erblickte,
ging sie auf sie zu, umarmte sie, hieß sie auf ihrem Sofa Platz nehmen,
und während ihre Frauen sie vollends ankleideten und mit den kostbarsten
Juwelen von Alaeddins Geschenk schmückten, ließ sie ihr einen köstlichen
Imbiß vorsetzen. Der Sultan, welcher dazu kam, um noch so lange als
möglich mit der Prinzessin, seiner Tochter, zusammen sein zu können,
bevor sie sich von ihm trennte und den Palast Alaeddins bezöge, erwies
ihr ebenfalls große Ehre. Alaeddins Mutter hatte mit ihm schon mehrere
Male vor dem versammelten Rate gesprochen, aber er hatte sie noch nie
wie jetzt ohne Schleier gesehen. Obwohl sie schon eine erkleckliche
Anzahl Jahre auf dem Rücken hatte, so sah man doch noch aus ihren
Gesichtszügen, daß sie in ihrer Jugend sehr schön gewesen sein mußte.
Der Sultan, der sie immer sehr einfach, ja sogar armselig gekleidet
gesehen hatte, war nun voll Verwunderung, als er sie ebenso reich und
prachtvoll angezogen sah, wie die Prinzessin, seine Tochter. Er schloß
daraus, daß Alaeddin in allen Dingen gleich erfahren, verständig und
einsichtsvoll sein müsse.

Als die Nacht anbrach, verabschiedete sich die Prinzessin vom Sultan,
ihrem Vater. Dieser Abschied war höchst zärtlich und tränenreich; sie
umarmten sich mehrmals, ohne ein Wort zu sprechen, aber endlich ging die
Prinzessin aus ihrem Zimmer und trat den Zug an; zu ihrer Linken ging
Alaeddins Mutter und hinter ihnen hundert Sklavinnen in der
prachtvollsten Kleidung. Sämtliche Musikchöre, die seit der Ankunft von
Alaeddins Mutter ununterbrochen gespielt hatten, vereinigten sich jetzt
und gingen dem Zuge voran; ihnen folgten hundert Trabanten und
ebensoviele schwarze Verschnittene in zwei Reihen, mit ihren
Befehlshabern an der Spitze. Vierhundert junge Edelknaben des Sultans,
die in zwei Zügen mit Fackeln in der Hand auf beiden Seiten
einhergingen, verbreiteten einen Lichtglanz, der im Verein mit der
Beleuchtung der beiden Paläste des Sultans und Alaeddins den Mangel des
Tageslichts aufs herrlichste ersetzte.

In dieser Ordnung zog die Prinzessin den Teppich entlang vom Palaste des
Sultans bis zum Palaste Alaeddins, und je mehr sie vorwärts kamen, desto
mehr mischte und vereinigte sich das Spiel ihrer Musikchors mit dem, das
sich von den Terrassen an Alaeddins Palast herab hören ließ, und bildete
mit diesem ein Konzert, das, so seltsam und verwirrt es auch schien,
gleichwohl die allgemeine Freude vermehrte.

Endlich langte die Prinzessin bei dem neuen Palaste an, und Alaeddin
eilte mit einer Freude, die sich leicht denken läßt, an den Eingang der
für sie bestimmten Zimmer, um sie daselbst zu empfangen. Alaeddins
Mutter hatte der Prinzessin bereits ihren Sohn, der von glänzender
Dienerschaft umgeben war, bezeichnet, und die Prinzessin fand ihn so
schön, daß sie ganz bezaubert wurde. »Teuerste Prinzessin,« sagte
Alaeddin zu ihr, indem er auf sie zuging und sie voll Ehrerbietung
begrüßte, »sollte ich das Unglück haben, dir durch meine Verwegenheit,
womit ich nach dem Besitz einer so liebenswürdigen Prinzessin, der
Tochter meines Sultans, trachtete, zu mißfallen, so mußt du die Schuld
deinen schönen Augen und der Macht deiner Reize zuschreiben, nicht aber
mir.« – »Prinz,« antwortete ihm die Prinzessin, »– denn als solcher
erscheinst du mir – ich gehorche dem Willen des Sultans, meines Vaters,
und kann, nachdem ich dich gesehen, wohl sagen, daß ich ihm ohne
Sträuben und gerne gehorche.« Alaeddin war hocherfreut über diese
angenehme und verbindliche Antwort, nahm ihre Hand, küßte sie mit vieler
Zärtlichkeit und führte sie in einen großen, von Wachskerzen
erleuchteten Saal, wo auf Veranstaltung des Geistes ein herrliches Mahl
aufgetragen war. Die Schüsseln waren von gediegenem Gold und mit den
köstlichsten Speisen angefüllt. Die Vasen, die Becken und die Becher,
womit der Tafelaufsatz reichlich besetzt war, waren ebenfalls von Gold
und von auserlesener Arbeit. Auch die übrigen Verzierungen und der ganze
Ausschmuck des Saals entsprachen dieser hohen Pracht. Die Prinzessin war
ganz bezaubert, so viele Reichtümer beisammen zu sehen, und sprach zu
Alaeddin: »Prinz, ich hatte bisher geglaubt, daß es nichts Schöneres auf
der Welt geben könne, als den Palast des Sultans, meines Vaters; aber
schon dieser Saal allein überzeugt mich, daß ich mich getäuscht habe.«

Die Prinzessin Bedrulbudur, Alaeddin und seine Mutter setzten sich jetzt
zu Tische und sogleich begann eine sehr liebliche und harmonische Musik
nebst einem reizenden Gesang von schönen Mädchen. Die Prinzessin war wie
bezaubert und versicherte, im Palaste des Sultans, ihres Vaters, nie
etwas Ähnliches gehört zu haben. Aber sie wußte nicht, daß diese
Sängerinnen Feen waren, die der Geist, der Sklave der Lampe, hiezu
ausgewählt hatte.

Es war nahe an Mitternacht, als Alaeddin, der damals in China
bestehenden Sitte zufolge aufstand und der Prinzessin Bedrulbudur die
Hand bot, um mit ihr zu tanzen und damit die Hochzeitsfeierlichkeit zu
schließen. Als dies vorüber war, hielt Alaeddin der Prinzessin Hand, und
sie gingen miteinander in das Zimmer, wo das hochzeitliche Lager für sie
bereitet war. Die Frauen der Prinzessin kleideten sie aus und brachten
sie zu Bette, Alaeddins Diener taten dasselbe und dann entfernten sich
alle. So endigten die Lustbarkeiten zur Feier der Hochzeit Alaeddins und
der Prinzessin Bedrulbudur.

Am andern Morgen, als Alaeddin erwachte, kamen seine Kammerdiener, um
ihn anzukleiden. Sie zogen ihm ein anderes, aber nicht minder reiches
und prachtvolles Kleid an, als am Hochzeitstage. Hierauf ließ er sich
eines seiner Leibpferde vorführen, bestieg es und begab sich mit einem
zahlreichen Gefolge von Sklaven, die vor und hinter ihm und zu beiden
Seiten gingen, nach dem Palaste des Sultans. Der Sultan empfing ihn mit
denselben Ehrenbezeugungen wie das erstemal; er umarmte ihn, ließ ihn
neben sich auf seinen Thron sitzen und befahl, das Frühmahl aufzutragen.
»Herr,« sagte Alaeddin zu ihm, »ich bitte dich, mir heute diese Ehre zu
erlassen. Ich komme, um dich zu ersuchen, daß du mir die Ehre erzeigen
mögest, mit deinem Großvezier und den Vornehmen deines Hofes im Palaste
der Prinzessin ein Mittagsmahl einzunehmen.« Der Sultan bewilligte dies
sehr gern. Er stand sogleich auf, und da der Weg nicht weit war, so
wollte er zu Fuße dahin gehen. Er brach also auf und zu seiner Rechten
ging Alaeddin, zur Linken der Großvezier und die Vornehmen des Hofes,
voraus die Trabanten und die Angesehensten seines Hauses.

Je näher der Sultan dem Palaste Alaeddins kam, um so mehr verwunderte er
sich über seine Schönheit. Noch weit höher stieg seine Verwunderung, als
er eingetreten war. Als ihn aber Alaeddin in den Saal mit den
vierundzwanzig Fenstern führte, und er die Verzierungen desselben,
besonders aber die mit den größten und ausgezeichnetsten Diamanten,
Rubinen und Smaragden geschmückten Gitterfenster betrachtete, wurde er
davon so überrascht, daß er eine Weile regungslos stand.

Der Sultan besah und bewunderte nun die Schönheit der vierundzwanzig
Gitterfenster. Doch indem er sie zählte, fand er, daß bloß
dreiundzwanzig so reich geschmückt waren, und wunderte sich sehr, daß
man das vierundzwanzigste unvollendet gelassen hatte. »Mein Sohn,«
sprach der Sultan zu Alaeddin, »dies ist der bewunderungswürdigste Saal,
der in der ganzen Welt zu sehen ist. Nur über etwas muß ich mich
wundern, daß nämlich das Gitterfenster hier unvollendet geblieben ist.
Ist dies aus Vergeßlichkeit geschehen, oder aus Nachlässigkeit, oder
haben vielleicht die Handwerksleute nicht Zeit genug gehabt, an dieses
schöne Denkmal der Baukunst die letzte Hand anzulegen?« – »Herr,«
antwortete Alaeddin, »das Gitterfenster ist mit Absicht so unvollendet
geblieben, wie du siehst. Ich wünschte nämlich, daß du selbst den Ruhm
haben solltest, den Saal und Palast vollenden zu lassen, und nun ersuche
ich dich, meine gute Absicht gnädig aufzunehmen, damit ich mich deiner
Gunst und Gnade rühmen kann.« – »Wenn du es in dieser Absicht getan
hast,« antwortete der Sultan, »so weiß ich dir vielen Dank dafür und
werde augenblicklich die nötigen Befehle geben.« Wirklich ließ er
sogleich die am besten mit Edelsteinen versehenen Juweliere und die
geschicktesten Goldschmiede seiner Hauptstadt rufen.

Der Sultan verließ indes den Saal, und Alaeddin führte ihn in den, wo er
die Prinzessin Bedrulbudur am Hochzeitstage bewirtet hatte. Die
Prinzessin empfing den Sultan, ihren Vater, mit einer Miene, woraus
deutlich zu erkennen war, daß sie mit ihrer Ehe sehr wohl zufrieden sein
mußte. Zwei Tafeln standen da, mit den köstlichsten Speisen besetzt, und
das Tafelgeschirr war alles von Gold. Der Sultan setzte sich an die
erste und speiste mit der Prinzessin, seiner Tochter, mit Alaeddin und
dem Großvezier. Die übrigen Großen des Hofes wurden an der zweiten
bewirtet, die sehr lang war.

Als der Sultan vom Tisch aufgestanden war, meldete man ihm, die
Juweliere und Goldschmiede, die er hatte rufen lassen, seien jetzt da.
Er ging mit ihnen in den Saal mit den vierundzwanzig Fenstern und zeigte
ihnen das Fenster, das noch unvollendet war. »Ich habe euch kommen
lassen,« sagte er zu ihnen, »damit ihr mir dieses Fenster ausbauet und
es ebenso schön macht wie die andern.«

Die Juweliere und Goldschmiede sahen sich die dreiundzwanzig Fenster
sehr genau an, und nachdem sie sich miteinander beraten hatten und
darüber eins geworden waren, welche Arbeit jeder einzelne zu liefern
hätte, traten sie wieder vor den Sultan und der Hofjuwelier nahm das
Wort und sagte: »Herr, wir sind bereit, alle Mühe und Fleiß anzuwenden,
um dir zu gehorchen; aber, aufrichtig gestanden, so viel wir unser hier
sind, so haben wir doch alle miteinander weder so kostbare, noch so
viele Edelsteine, als zu einer so bedeutenden Arbeit erforderlich sind.«
– »Ich besitze welche,« sagte der Sultan, »und zwar weit mehr, als ihr
brauchen werdet; kommt in meinen Palast, so will ich sie euch zeigen,
damit ihr wählet.«

Als der Sultan in seinen Palast zurückgekehrt war, ließ er alle seine
Edelsteine bringen, und die Goldschmiede nahmen sehr viele davon,
besonders von denen, die Alaeddin ihm geschenkt hatte. Sie brachten sie
an dem Fenster an, ohne daß man den Fortschritt ihrer Arbeit sonderlich
gemerkt hätte, und kamen zu wiederholten Malen, um neue zu holen; aber
in einem Monat hatten sie noch nicht die Hälfte des Werkes vollendet.
Endlich verwendeten sie alle Edelsteine des Sultans, der noch vom
Großvezier dazu entlehnte, brachten aber höchstens die Hälfte des
Fensters zustande.

Alaeddin, der wohl sah, daß der Sultan sich vergebens bemühte, dieses
Fenster den übrigen gleich machen zu lassen, und daß er nicht viel Ehre
dabei aufhob, ließ die Goldschmiede kommen und sagte ihnen, sie sollen
nicht nur ihre Arbeit einstellen, sondern auch das, was sie bisher
zuwege gebracht, wieder auseinandernehmen und dem Sultan und Großvezier
ihre Edelsteine zurückgeben.

So wurde denn das Werk, wozu die Juweliere und Goldschmiede mehr als
sechs Wochen verwendet hatten, binnen wenigen Stunden zerstört. Sie
entfernten sich dann und Alaeddin blieb allein im Saale zurück. Er zog
die Lampe heraus, die er bei sich hatte, rieb sie und sogleich erschien
der Geist. »Geist,« sprach Alaeddin zu ihm, »ich hatte dir befohlen,
eines der vierundzwanzig Gitterfenster des Saales unvollendet zu lassen,
und du hast diesen Befehl befolgt: jetzt habe ich dich kommen lassen,
daß du es den übrigen gleich machen sollst.« Der Geist verschwand und
Alaeddin ging aus dem Saale. Als er eine Weile darauf wieder hinaufkam,
fand er das Gitterfenster in dem gewünschten Zustand und ganz wie die
übrigen.

Inzwischen kamen die Juweliere und Goldschmiede in den Palast, wurden in
das Audienzzimmer geführt und dem Sultan vorgestellt. Der erste Juwelier
überreichte ihm die Edelsteine, die sie zurückbrachten, und sagte im
Namen aller zu ihm: »Beherrscher des Erdkreises, du weißt, wie lange wir
schon mit dem angestrengtesten Fleiße arbeiten, um das Werk zu
vollenden, das du uns aufgetragen hast. Es war schon sehr weit gediehen,
als Alaeddin uns nötigte, nicht nur die Arbeit einzustellen, sondern
auch alles, was wir zuwege gebracht hatten, zu zerstören und dir deine
und des Großveziers Edelsteine zurückzubringen.« Der Sultan gab sogleich
Befehl, ihm ein Pferd vorzuführen; er bestieg es und ritt zum Palaste
Alaeddins.

Der Sultan sagte zu Alaeddin: »Mein Sohn, ich komme selbst, um dich zu
fragen, warum du denn einen so prächtigen und einzigen Saal, wie der in
deinem Palaste ist, unvollendet lassen willst?«

Alaeddin verhehlte den wahren Grund, daß nämlich der Sultan nicht reich
genug an Edelsteinen wäre, um einen so großen Aufwand zu bestreiten, und
antwortete ihm: »Herr, es ist wahr, du hast den Saal unvollendet
gesehen, aber ich bitte dich, sieh jetzt einmal, ob noch etwas daran
fehlt.«

Nachdem der Sultan sich überzeugt, daß das Gitterfenster, woran seine
Goldschmiede so lange gearbeitet hatten, in so kurzer Zeit vollendet
worden war, umarmte er Alaeddin und küßte ihn zwischen die Augen und auf
die Stirne. »Mein Sohn,« sagte er hierauf voll Verwunderung zu ihm, »was
für ein Mann bist du, daß du so erstaunliche Werke zuwege bringst, ehe
man eine Hand umkehrt? Du hast auf der ganzen Welt nicht deinesgleichen,
und je mehr ich dich kennen lerne, um so bewunderungswürdiger finde ich
dich.«

Alaeddin nahm die Lobsprüche des Sultans mit vieler Bescheidenheit auf
und antwortete ihm folgendermaßen: »Herr, es ist ein großer Ruhm für
mich, das Wohlwollen und den Beifall meines Königs zu verdienen; auch
versichere ich dir, daß ich stets alles aufbieten werde, um mich
desselben immer mehr und mehr würdig zu machen.«

Der Sultan kehrte in seinen Palast zurück, wo der Großvezier ihn
erwartete. Noch voll Staunen über das Wunder, das er mit eigenen Augen
gesehen, erzählte ihm der Sultan alles.

Alaeddin verschloß sich nicht in seinem Palaste; er zeigte sich in der
Stadt, indem er bald in diese, bald in jene Moschee ging, um sein Gebet
zu verrichten, oder von Zeit zu Zeit dem Großvezier einen Besuch
abstattete, der sich beeiferte, ihm an bestimmten Tagen seine Aufwartung
zu machen, oder er erwies auch zuweilen einigen Vornehmen am Hofe, die
er öfters in seinem Palaste bewirtete, die Ehre, sie zu Haus zu
besuchen. Jedesmal wenn er ausritt, hatte er ein zahlreiches Gefolge von
Sklaven um sich, und zwei von ihnen mußten auf den Straßen und Plätzen,
durch die er kam und wo sich immer eine große Volksmenge einfand, ganze
Hände voll Gold auswerfen. Kein Armer erschien an der Pforte seines
Palastes, ohne sehr vergnügt über die Gaben, die auf seinen Befehl
ausgeteilt wurden, zurückzukehren.

Da Alaeddin seine Zeit so eingeteilt hatte, daß er jede Woche wenigstens
einmal auf die Jagd ging, bald in die nächsten Umgebungen der Stadt,
bald auch in weitere Ferne, so zeigte er sich auf den Straßen und auf
den Dörfern ebenso freigebig. Dieses großmütige Benehmen machte, daß das
ganze Volk ihn mit Segenswünschen überhäufte und zuletzt nicht höher
schwor, als bei seinem Haupte. Ja man kann, ohne den Sultan in Schatten
zu stellen, wohl sagen, daß Alaeddin sich durch seine Leutseligkeit und
Freigebigkeit die Zuneigung des ganzen Volkes erworben hatte und im
allgemeinen mehr geliebt wurde als der Sultan selbst. Mit allen diesen
schönen Eigenschaften verband er eine Tapferkeit und einen Eifer für das
Wohl des Staats, den man nicht genug loben kann. Beweise davon gab er
bei Gelegenheit eines Aufruhrs an den Grenzen des Reichs. Kaum hatte er
erfahren, daß der Sultan ein Heer ausrüstete, um ihn zu dämpfen, so bat
er ihn, ihm den Oberbefehl zu übergeben. Sobald er nun an der Spitze des
Heeres stand, führte er es so schnell und mit solchem Eifer ins Feld,
daß der Sultan die Niederlage, Bestrafung und Zerstreuung der Aufrührer
eher vernahm, als seine Ankunft beim Heere. Diese Tat, die seinen Namen
im ganzen Reiche berühmt machte, verdarb doch sein Herz nicht; er kehrte
zwar sieggekrönt zurück, blieb aber immer noch so mild und leutselig wie
zuvor.

Alaeddin hatte bereits mehrere Jahre auf diese Art gelebt, als der
Zauberer in Afrika sich seiner erinnerte. Obwohl er bisher des festen
Glaubens gelebt hatte, Alaeddin müsse in dem unterirdischen Gewölbe
zugrunde gegangen sein, so bekam er doch auf einmal Lust, genau zu
erfahren, welches Ende er genommen habe. Als großer Meister in der
Punktierkunst entdeckte er, daß Alaeddin nicht nur nicht in dem
unterirdischen Gewölbe gestorben sei, sondern sich daraus gerettet habe
und in großem Glanz und gewaltigem Reichtum, vermählt mit einer
Prinzessin, hochgeehrt und geachtet lebe.

[Illustration]

[Illustration]

Kaum hatte der afrikanische Zauberer mittels seiner teuflischen Kunst
diese Entdeckung gemacht, so stieg ihm das Blut ins Gesicht. Voll
Wut sagte er zu sich selbst: »Dieser elende Schneiderssohn hat also das
Geheimnis und die Wunderkraft der Lampe entdeckt; ich hielt seinen Tod
für gewiß und nun genießt er die Frucht meiner Arbeiten und Nachtwachen!
Aber eher will ich untergehen, als ihn noch länger in seinem Glücke
lassen.« Er hatte seinen Entschluß schnell gefaßt, bestieg gleich am
andern Morgen einen Berberhengst, den er im Stalle hatte und machte sich
auf den Weg. So kam er von Stadt zu Stadt, und von Land zu Land, ohne
sich unterwegs länger aufzuhalten, als sein Pferd zum Ausruhen Zeit
brauchte, bis nach China und bald auch in die Hauptstadt des Sultans. Er
stieg in einem öffentlichen Wirtshause ab und mietete sich ein Zimmer.
Hier blieb er den noch übrigen Teil des Tages und die folgende Nacht, um
sich von den Beschwerden der Reise zu erholen.

Am andern Morgen wünschte der afrikanische Zauberer vor allem zu
erfahren, was man von Alaeddin spreche. Indem er nun durch die Stadt
spazierte, trat er in ein sehr berühmtes und von vornehmen Leuten stark
besuchtes Teehaus. Kaum hatte er Platz genommen, als man ihm eine Schale
Tee einschenkte. Während er trank, horchte er rechts und links und
hörte, daß man von Alaeddins Palaste sprach. Als er ausgetrunken hatte,
näherte er sich einem, um ihn beiseite zu nehmen und ihn zu fragen, was
denn das für ein Palast sei, von dem man so rühmend spreche. »Woher bist
denn du, Freund?« erwiderte ihm der Angeredete. »Du mußt erst seit ganz
kurzem hier sein, wenn du den Palast des Prinzen Alaeddin noch nicht
gesehen oder wenigstens noch nicht einmal davon reden gehört hast.« Man
nannte nämlich Alaeddin immer so, seitdem er die Prinzessin Bedrulbudur
geheiratet hatte. »Ich sage nicht,« fuhr der Mann fort, »daß es eins von
den Wunderwerken der Welt ist, sondern ich behaupte vielmehr, daß er das
einzige Wunder auf der Welt ist. Sieh ihn einmal selbst an und urteile,
ob ich dir nicht die Wahrheit berichtet habe.« – »Verzeih meine
Unwissenheit,« antwortete der afrikanische Zauberer, »ich bin gestern
hier angelangt und komme in der Tat so weit her, ich kann sagen vom
äußersten Ende Afrikas. Meine Neugierde ist so groß, daß ich sie
sogleich befriedigen möchte, wenn du nur die Güte hättest, mir den Weg
zu zeigen.«

Jener, an den sich der afrikanische Zauberer gewandt hatte, machte sich
ein Vergnügen daraus, ihm den Weg nach Alaeddins Palast zu beschreiben,
und der afrikanische Zauberer ging dahin. Als er angekommen war und den
Palast von allen Seiten genau betrachtet hatte, zweifelte er nicht mehr
daran, daß Alaeddin sich der Lampe bedient haben müsse, denn er wußte
recht gut, daß solche Wunderwerke nur von den Geistern der Lampe
geschaffen werden konnten. Voll Ärger über das Glück und die Größe
Alaeddins, der sich nicht von dem Sultan unterschied, kehrte er nach dem
Wirtshaus zurück, wo er abgestiegen war.

Nun brauchte er nur noch zu wissen, wo die Lampe war, ob Alaeddin sie
bei sich trug oder irgendwo aufbewahrte, und um dies zu entdecken, mußte
der Zauberer seine Punktierkunst zu Hilfe nehmen. Aus seinen Versuchen
erkannte er, daß die Lampe in Alaeddins Palast war, und war außer sich
vor Freude über eine solch wichtige Entdeckung. »Ich muß sie bekommen,
diese Lampe,« sagte er, »und Trotz sei Alaeddin geboten, ob er mich
hindern kann, sie ihm zu entreißen und ihn in die Niedrigkeit wieder
hinabzudrücken, aus der er so hoch emporgestiegen ist.«

Das Unglück wollte, daß Alaeddin damals gerade auf acht Tage auf die
Jagd gegangen und erst seit drei Tagen fort war; der afrikanische
Zauberer erfuhr dies.

Er ging in den Laden eines Mannes, der Lampen zum Verkauf machte, und
sagte zu diesem: »Meister, ich möchte zwölf kupferne Lampen haben:
kannst du sie mir liefern?« Der Lampenverkäufer antwortete, es fehlten
ihm zwar noch einige, wenn er sich aber bis morgen gedulden wolle, so
könne er ihm ein volles Dutzend liefern. Der Zauberer war es zufrieden
und empfahl ihm, sie müssen recht hübsch und blank sein; nachdem er ihm
noch eine gute Bezahlung versprochen hatte, ging er in sein Wirtshaus
zurück.

Am andern Tage wurde das Dutzend Lampen dem afrikanischen Zauberer
abgeliefert, der, ohne zu markten, den verlangten Preis dafür bezahlte.
Er legte sie in einen Korb, ging mit diesem Korb am Arm nach Alaeddins
Palast und fing, als er in der Nähe war, an zu rufen: »Wer will alte
Lampen gegen neue austauschen?« Als die kleinen Kinder, die auf dem
Platze spielten, dies hörten, liefen sie herbei und sammelten sich um
ihn, denn sie hielten ihn für einen Narren. Auch die Vorübergehenden
lachten über seine Dummheit. Der afrikanische Zauberer aber fuhr fort,
seine Ware anzubieten und laut zu schreien: »Wer will alte Lampen gegen
neue austauschen?« Er wiederholte dies so oft, auf dem Platze vor dem
Palast und in der Nähe desselben auf- und abgehend, daß die Prinzessin
Bedrulbudur, die gerade in dem Saale mit den vierundzwanzig Fenstern
war, die Stimme des Mannes hörte; da sie aber wegen des Geschreies der
Kinder nicht verstand, was er ausrief, so schickte sie eine ihrer
Sklavinnen hinab, um zu sehen, was der Lärm bedeute.

Die Sklavin kam bald wieder mit lautem Lachen in den Saal. Sie lachte so
herzlich, daß die Prinzessin bei ihrem Anblick ebenfalls lachen mußte.
»Nun, du Närrin,« sagte sie endlich, »wirst du mir nicht sagen, warum du
so lachst?« – »Herrin,« antwortete die Sklavin, immerfort lachend, »wie
könnte man auch anders, wenn man einen Narren sieht, der einen Korb voll
schöner, ganz neuer Lampen am Arm hat, aber sie nicht verkaufen, sondern
nur gegen alte austauschen will. Der Lärm aber, den du hörst, kommt von
den Kindern her, die ihn verhöhnen.«

Nach diesem Bericht nahm eine andere Sklavin das Wort und sagte: »Da von
alten Lampen die Rede ist, so weiß ich nicht, ob die Prinzessin schon
bemerkt hat, daß hier auf dem Kranzgesims eine solche steht. Der
Eigentümer wird es wohl nicht übelnehmen, wenn er statt der alten eine
neue findet. Wenn es der Prinzessin genehm ist, so kann sie sich den
Spaß machen, zu erproben, ob dieser Narr wirklich verrückt genug ist,
eine neue Lampe für eine alte zu geben, ohne etwas herauszuverlangen.«

Die Lampe, von der die Sklavin sprach, war eben die Wunderlampe, die
Alaeddin zu seiner Größe verholfen hatte, und er selbst hatte sie, bevor
er auf die Jagd ging, auf das Kranzgesims gestellt, um sie nicht zu
verlieren: eine Vorsichtsmaßregel, die er jedesmal anwendete. Aber weder
die Sklavinnen, noch die Verschnittenen, noch die Prinzessin selbst
hatten sie jemals während seiner Abwesenheit bemerkt. Außer der Zeit, wo
er auf der Jagd war, trug er sie immer bei sich. Man wird nun sagen,
diese Vorsicht Alaeddins sei recht gut gewesen, aber er hätte seine
Lampe wenigstens einschließen sollen. Dies ist freilich wahr, doch
dergleichen Versehen sind zu jeder Zeit begangen worden, werden noch
täglich begangen und noch in Zukunft begangen werden.

Die Prinzessin Bedrulbudur, die von dem hohen Wert der Lampe nichts
wußte, und sich nicht denken konnte, daß es für Alaeddin, der gar nie
davon sprach, von so hoher Wichtigkeit sein könnte, sie unberührt zu
lassen und aufzubewahren, ging auf den Scherz ein und befahl einem
Verschnittenen, sie zu nehmen und umzutauschen. Der Verschnittene
gehorchte, ging die Treppe hinab, und war kaum aus dem Tore des
Palastes, als er den afrikanischen Zauberer bemerkte. Er rief ihn, und
als er zu ihm kam, zeigte er ihm die alte Lampe und sagte: »Gib mir eine
neue Lampe für diese da.«

Der afrikanische Zauberer zweifelte nicht, daß dies die Lampe sei, die
er suchte. Er nahm sie dem Verschnittenen schnell aus der Hand, schob
sie in seinen Busen und überreichte ihm dann seinen Korb, damit er nach
Belieben eine auswählen könnte. Ohne sich länger in der Nähe von
Alaeddins Palast aufzuhalten, machte er sich ganz unvermerkt aus dem
Staube.

Der afrikanische Zauberer brachte den Rest des Tages in einem Versteck
zu, bis ein Uhr nachts, wo die Finsternis am größten war. Jetzt zog er
die Lampe aus seinem Busen und rieb sie. Auf diesen Ruf erschien der
Geist sogleich. »Was willst du?« fragte er ihn, »ich bin bereit dir zu
gehorchen als dein Sklave und als Sklave aller, die die Lampe in der
Hand haben; ich und die andern Sklaven der Lampe.« – »Ich befehle dir,«
antwortete der afrikanische Zauberer, »daß du augenblicklich den Palast,
den du oder die andern Sklaven der Lampe in der Stadt erbaut, so wie er
ist, mit allen seinen lebenden Bewohnern aufhebst und zugleich mit mir
an den und den Ort nach Afrika versetzest.« Ohne etwas zu antworten,
schaffte der Geist mit Hilfe der übrigen der Lampe dienstbaren Geister
in sehr kurzer Zeit sowohl ihn selbst, als den ganzen Palast an den
bezeichneten Ort in Afrika. Wir wollen indes den afrikanischen Zauberer
und den Palast samt der Prinzessin Bedrulbudur in Afrika lassen und nur
von dem Erstaunen des Sultans reden.

Als der Sultan aufgestanden war, ging er wie gewöhnlich nach dem offenen
Erker, um sich das Vergnügen zu machen, Alaeddins Palast zu betrachten
und zu bewundern, erblickte aber nur einen leeren Platz. Im Anfang
glaubte er, er täusche sich und rieb sich die Augen; allein er sah so
wenig, als das erstemal, obgleich das Wetter sehr heiter, der Himmel
rein und die Morgenröte bereits aufgestiegen war. Er blickte rechts und
links und sah noch immer nichts. Sein Erstaunen war so groß, daß er
lange wie angewurzelt auf derselben Stelle stehen blieb, die Augen starr
nach der Seite hin geheftet, wo der Palast bisher gewesen, aber jetzt
nicht mehr zu sehen war; denn es war ihm unmöglich, zu begreifen, wie
ein so großer und ansehnlicher Palast auf einmal ganz spurlos
entschwunden sein solle. Endlich ließ er in aller Eile den Großvezier
rufen.

Der Großvezier ließ nicht lange auf sich warten. Er kam in solcher Eile,
daß weder er noch seine Leute im Vorbeigehen bemerkten, daß Alaeddins
Palast nicht mehr an seiner Stelle stand. Selbst die Pförtner hatten es
nicht bemerkt, als sie die Tore des Palastes öffneten. Der Großvezier
redete den Sultan also an: »Herr, die Eile, womit man mich berufen hat,
läßt mich schließen, daß irgend etwas Außerordentliches vorgefallen sein
muß; denn du weißt ja wohl, daß heute Ratssitzung ist, und ich mich
meiner Pflicht gemäß ohnehin in einigen Augenblicken eingestellt hätte.«
– »Ja,« antwortete der Sultan, »es hat sich wirklich etwas sehr
Außerordentliches zugetragen und du wirst es selbst gestehen müssen.
Sprich, wo ist der Palast Alaeddins?« – »Der Palast Alaeddins?«
erwiderte der Großvezier sehr erstaunt, »ich ging soeben daran vorbei,
und mich däuchte, er stand an seinem alten Platz. So gewaltige Gebäude
wie dieses ändern ihre Stelle nicht so leicht.« – »Sieh einmal hinaus,«
entgegnete der Sultan, »und sag mir dann, ob du ihn gesehen hast.«

Der Großvezier begab sich in den offenen Erker, und es ging ihm, wie dem
Sultan. »Herr,« sagte der Großvezier, »du erinnerst dich vielleicht, daß
ich die Ehre hatte, dir zu sagen, der Palast, den du mit seinen
unermeßlichen Reichtümern so sehr bewunderst, könne bloß ein Werk der
Zauberei und eines Zauberers sein; allein du wolltest damals nicht auf
mich achten.«

Der Sultan, der dies nicht leugnen konnte, geriet in einen um so
größeren Zorn, als sein früherer Unglauben offenbar am Tage lag. »Wo ist
er,« rief er, »dieser Betrüger, dieser Schurke? Ich lasse ihm den Kopf
abschlagen.« – »Herr,« antwortete der Großvezier, »man muß ihn fragen
lassen, wo sein Palast hingekommen ist, denn er allein kann es wissen.«
– »Das wäre zu viele Schonung für ihn,« entgegnete der Sultan; »geh und
schicke dreißig von meinen Reitern ab, daß sie ihn in Ketten vor mich
führen.« Der Großvezier überbrachte den Reitern den Befehl des Sultans
und unterrichtete ihren Anführer, wie sie sich zu benehmen hätten, damit
er ihnen nicht entwischen könne. Sie gingen ab und trafen Alaeddin fünf
oder sechs Stunden von der Stadt auf dem Heimwege begriffen. Der
Anführer ritt auf ihn zu und sagte ihm, der Sultan habe großes
Verlangen, ihn wieder zu sehen, und deshalb habe er sie abgeschickt, um
es ihm zu melden und ihn nach Hause zu begleiten.

Alaeddin hatte nicht die entfernteste Ahnung von dem wahren Grunde,
warum diese Abteilung der Leibwache des Sultans zu ihm gekommen war, und
ritt getrost weiter. Als er aber noch eine halbe Stunde von der Stadt
entfernt war, umringte ihn die Reiterschar, und der Anführer derselben
nahm das Wort und sagte zu ihm: »Prinz Alaeddin, mit großem Bedauern
haben wir dir zu erklären, daß wir vom Sultan Befehl haben, dich zu
verhaften und als Staatsverbrecher vor ihn zu führen; wir bitten dich,
es nicht übel aufzunehmen, wenn wir jetzt unsere Pflicht erfüllen, und
uns zu verzeihen.«

Alaeddin war äußerst überrascht, denn er fühlte sich unschuldig. Er
fragte den Anführer, ob er wisse, welches Verbrechens er angeklagt sei;
dieser aber antwortete, weder er noch seine Leute wüßten davon.

Da Alaeddin sah, daß seine Leute viel schwächer waren, als die
Reiterschar, und ihn sogar verließen, so stieg er vom Pferde ab und
sagte: »Hier bin ich, vollziehet euern Befehl. Übrigens kann ich
versichern, daß ich mir keines Verbrechens bewußt bin, weder gegen die
Person des Sultans, noch gegen den Staat.« Man warf ihm sogleich eine
sehr dicke und lange Kette an den Hals und band ihn damit auch mitten um
den Körper, so daß er die Arme nicht frei hatte. Der Anführer stellte
sich nun wieder an die Spitze des Zugs, einer der Reiter aber faßte das
Ende der Kette und führte so, hinter dem Anführer hinreitend, Alaeddin,
der zu Fuß folgen mußte, mit fort. In diesem Zustande wurde er in die
Stadt gebracht.

Als die Reiter in die Vorstadt kamen und man Alaeddin als
Staatsverbrecher daherführen sah, glaubte jedermann, es werde ihn den
Kopf kosten. Da er aber allgemein beliebt war, so ergriffen die einen
Säbel und andere Waffen, und die, welche keine hatten, bewaffneten sich
mit Steinen und folgten den Reitern nach. Einige von den Hintersten
schwenkten um und machten Miene, sie auseinanderzusprengen; allein die
Volksmasse wurde so groß, daß die Reiter sich glücklich schätzten, wenn
sie nur den Palast des Sultans erreichten, ohne daß Alaeddin ihnen
entrissen wurde. So gelangten sie endlich an den Platz vor dem Palaste,
wo sie sich alle in einer Linie aufstellten und gegen die bewaffnete
Volksmasse Front machten, bis ihr Befehlshaber und der Reiter, welcher
Alaeddin führte, in den Palast eingetreten waren und die Pförtner das
Tor hinter ihm geschlossen hatten.

Alaeddin wurde sofort vor den Sultan geführt, der ihn mit dem Großvezier
auf einem Balkon erwartete. Sobald er ihn sah, befahl er dem
Scharfrichter ihm den Kopf abzuhauen, ohne daß er ihn anhören oder
irgend einen Aufschluß von ihm haben wollte.

Der Scharfrichter bemächtigte sich Alaeddins, nahm ihm die Kette ab,
breitete sofort ein Leder, das mit dem Blute von unzähligen Verbrechern
befleckt war, auf den Boden, hieß ihn niederknieen und verband ihm die
Augen. Hierauf zog er sein Schwert, holte weit aus, ließ es dreimal in
der Luft blitzen und schickte sich an, den Todesstreich zu führen, indem
er nur noch auf ein Zeichen vom Sultan wartete, um Alaeddin den Kopf
abzuschlagen.

In diesem Augenblicke bemerkte der Großvezier, daß das Volk die Reiter
überwältigt hatte und auf den Schloßplatz gedrungen war, ja sogar, daß
einige die Mauern des Palastes an mehreren Stellen mit Leitern erstiegen
und bereits anfingen, sie niederzureißen, um eine Öffnung zu machen. Er
sagte daher zum Sultan, ehe er das Zeichen gab: »Herr, ich bitte dich,
daß du den Schritt, den du zu tun im Begriff bist, reiflich überlegen
mögest. Du läufst Gefahr, deinen Palast erstürmt zu sehen, und wenn dies
Unglück geschehe, so könnte es unheilbringende Folgen haben.« –

Als der Sultan die heftige Aufregung unter dem Volke sah, erschrak er
dermaßen, daß er augenblicklich dem Scharfrichter den Befehl gab, sein
Schwert wieder in die Scheide zu stecken, die Binde von Alaeddins Augen
wegzunehmen und ihn freizulassen. Zugleich befahl er seinen Trabanten
auszurufen, daß er Alaeddin Gnade schenke, und jedermann sich nun
entfernen möge.

Als nun das Volk sah, daß der Sultan Alaeddin Gerechtigkeit widerfahren
ließ und ihn begnadigte, entwaffnete sich sein Zorn, der Aufruhr hörte
auf und es gingen alle einer nach dem andern nach Hause.

Sobald Alaeddin sich wieder in Freiheit sah, schaute er nach dem Balkon
hinauf, und als er den Sultan bemerkte, so rief er ihm in rührendem Tone
zu: »Herr, ich bitte dich, mir zu der bereits erwiesenen Gnade noch eine
neue zu schenken und mich wissen zu lassen, was mein Verbrechen ist.« –
»Was es ist, du Schurke!« erwiderte der Sultan; »weißt du es noch nicht?
Komm einmal hier herauf, so will ich dir es zeigen.«

Alaeddin ging hinauf und trat vor den Sultan. Er führte ihn an den
offenen Erker.

Alaeddin sah hinaus und erblickte den ganzen Platz, den sein Palast
sonst eingenommen hatte, da er aber nicht begreifen konnte, wie er hatte
verschwinden können, so machte ihn dieses seltsame und überraschende
Ereignis so bestürzt, daß er dem Sultan kein einziges Wort erwidern
konnte.

Der Sultan wiederholte voll Ungeduld die Frage: »Sag mir doch, wo der
Palast und meine Tochter ist?« Endlich brach Alaeddin das Stillschweigen
und sagte: »Herr, ich sehe wohl, daß der Palast, den ich erbauen ließ,
verschwunden ist, kann dir aber nicht sagen, wo er sein mag. Nur so viel
kann ich versichern, daß ich keinen Teil an diesem Ereignis habe.«

»Mir liegt nichts daran, was aus deinem Palaste geworden ist,«
antwortete der Sultan. »Meine Tochter ist mir millionenmal lieber. Du
mußt sie mir zurückgeben, sonst lasse ich dir den Kopf abschlagen.«

»Herr,« antwortete Alaeddin, »ich flehe dich an, daß du mir vierzig Tage
Frist gebest, um meine Maßregeln zu treffen, und gelingt es mir in
dieser Zeit nicht, so gebe ich dir mein Wort, daß ich selbst meinen Kopf
zu den Füßen deines Thrones niederlegen will, damit du nach Belieben
darüber verfügest.« – »Ich bewillige dir diese Frist von vierzig Tagen,«
erwiderte der Sultan; »aber glaube ja nicht, daß du meine Gnade
mißbrauchen und meinem Zorn entfliehen könnest. In welchem Winkel der
Erde du sein magst, ich werde dich zu finden wissen.«

Alaeddin ging mit gesenktem Haupte über die Höfe des Palastes und war so
beschämt, daß er es nicht wagte, die Augen aufzuschlagen. Die
vornehmsten Hofbeamten, von denen er keinen einzigen beleidigt hatte und
die vorher seine Freunde gewesen, waren jetzt weit entfernt, sich ihm zu
nähern oder ihm eine Zufluchtsstätte anzubieten; nein, sie kehrten ihm
den Rücken, damit sie ihn nicht sehen mußten und er sie nicht erkennen
möchte. Alaeddin kannte sich selbst nicht mehr und war seines Verstandes
nimmer mächtig. Diejenigen, die in freundschaftlicher Verbindung oder
sonst in einem Verkehr mit ihm gestanden hatten, wurden von wahrhaftem
Mitleid ergriffen. Er blieb drei Tage in der Stadt, indem er sich bald
nach dieser, bald nach jener Seite hin wendete und nichts aß, als was
ihm mitleidige Menschen reichten, im übrigen aber keinen Entschluß
faßte.

Endlich, da er in diesem elenden Zustande nicht länger in einer Stadt
verweilen wollte, wo er früher den vornehmen Herrn gespielt hatte,
entfernte er sich aus derselben und schlug den Weg nach dem Felde ein.
Er vermied die großen Heerstraßen, und nachdem er in schrecklicher
Ungewißheit mehrere Felder durchirrt hatte, kam er mit Anbruch der Nacht
an das Ufer eines Flusses. Hier faßte er einen Gedanken der
Verzweiflung. »Wo soll ich jetzt meinen Palast suchen?« sagte er bei
sich selbst. »In welcher Provinz, in welchem Lande, in welchem Teile der
Welt werde ich ihn und meine vielgeliebte Prinzessin wiederfinden, die
der Sultan von mir fordert? Dies wird mir nie gelingen; deshalb ist es
besser, ich befreie mich auf einmal von all diesen Mühseligkeiten und
dem bittern Kummer, der mein Herz zerfrißt.« Schon hatte er den
Entschluß gefaßt, sich in den Fluß zu werfen, doch glaubte er als guter
und frommer Muselmann dies nicht tun zu können, bevor er sein Gebet
verrichtet hätte. Indem er sich nun dazu anschicken wollte, näherte er
sich dem Rande des Wassers, um sich der Landessitte gemäß die Hände und
das Gesicht zu waschen. Da aber die Stelle etwas abschüssig und naß war,
so glitt er aus und wäre in den Fluß gefallen, wenn er sich nicht noch
an einem kleinen Felsstück gehalten hätte, das etwa zwei Zoll hoch
hervorragte. Glücklicherweise besaß er noch den Ring, den der
afrikanische Zauberer ihm an den Finger gesteckt hatte. Diesen Ring rieb
er ziemlich stark an dem Felsen, als er sich daran hielt, und
augenblicklich stand derselbe Geist vor ihm, der ihm in dem
unterirdischen Gewölbe erschienen war, wo der afrikanische Zauberer ihn
eingesperrt hatte. »Was willst du?« sagte der Geist; »ich bin bereit,
dir zu gehorchen als dein Sklave und als Sklave aller derer, die den
Ring am Finger haben, sowohl ich, als die andern Sklaven des Ringes.«

Alaeddin, der in seiner verzweiflungsvollen Lage durch diese Erscheinung
angenehm überrascht war, antwortete: »Geist, rette mir zum zweitenmal
das Leben und zeige mir, wo der Palast ist, den ich erbauen ließ, oder
sorge, daß er unverzüglich wieder an seinen alten Platz zurückgetragen
wird.« – »Was du hier verlangst,« antwortete der Geist, »liegt nicht in
meinem Wirkungskreise, ich bin bloß Sklave des Rings; wende dich deshalb
an den Sklaven der Lampe.« – »Wenn dem so ist,« versetzte Alaeddin, »so
befehle ich dir kraft des Ringes, versetze mich sogleich an den Ort, wo
mein Palast ist und bringe mich unter die Fenster der Prinzessin
Bedrulbudur.« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als der Geist ihn
nahm und nach Afrika mitten auf eine große Wiese trug, auf der der
Palast nicht weit von einer großen Stadt stand; er setzte ihn dicht
unter den Fenstern der Prinzessin nieder und ließ ihn dann allein. Alles
dies war das Werk eines Augenblicks.

Ungeachtet der Dunkelheit der Nacht erkannte Alaeddin recht gut seinen
Palast und die Zimmer der Prinzessin Bedrulbudur. Da es indes schon weit
in der Nacht und im Palast alles ruhig war, so ging er etwas abseits und
setzte sich unter einen Baum. Hier gab er sich neuen Hoffnungen hin, und
indem er Betrachtungen anstellte über sein Glück, das er einem bloßen
Zufalle verdankte, wurde sein Gemüt wieder weit ruhiger. Er hing eine
Weile diesen angenehmen Gedanken nach, aber da er seit fünf oder sechs
Tagen kein Auge mehr geschlossen hatte, so überwältigte ihn zuletzt der
Schlaf und er schlummerte am Fuße des Berges ein.

Als am folgenden Tage die Morgenröte anbrach, wurde Alaeddin sehr
angenehm erweckt durch den Gesang der Vögel, die teils auf dem Baume,
unter dem er lag, teils auch auf den dickbelaubten Bäumen im Garten
seines Palastes die Nacht zugebracht hatten. Er warf sogleich seine
Augen auf dieses bewundernswürdige Gebäude und fühlte eine
unaussprechliche Freude, daß er jetzt Hoffnung habe, wieder Herr
desselben zu werden und aufs neue seine teure Prinzessin Bedrulbudur zu
besitzen. Er stand auf und näherte sich den Zimmern der Prinzessin, dann
ging er unter ihren Fenstern eine Weile spazieren und wartete, bis sie
erwachen würde und sich sehen ließe. Inzwischen dachte er bei sich
selbst darüber nach, woher wohl die Ursache seines Unglücks gekommen
sein möge, und nachdem er sich lange hin und her besonnen, zweifelte er
nicht mehr daran, sein ganzes Mißgeschick könne bloß davon herrühren,
daß er seine Lampe aus den Augen verloren habe. Er machte sich nun
Vorwürfe über seine Nachlässigkeit, und daß er nicht Sorge getragen
habe, sie keinen Augenblick aus der Hand zu lassen. Was ihn noch mehr in
Verlegenheit setzte, war, daß er sich gar nicht einbilden konnte, wer
wohl auf sein Glück eifersüchtig sei. Dies wäre ihm zwar klar geworden,
wenn er gewußt hätte, daß er und sein Palast sich in Afrika befänden;
allein der dienstbare Geist des Ringes hatte es ihm nicht gesagt, und er
hatte ihn auch nicht darum gefragt. Sonst hätte ihn schon der Name
Afrika sogleich an den afrikanischen Zauberer, seinen abgesagten Feind,
erinnert.

Die Prinzessin Bedrulbudur stand diesmal früher als gewöhnlich auf, seit
ihrer Entführung durch die Tücke des afrikanischen Zauberers, dessen
Anblick sie bisher täglich einmal hatte ertragen müssen, weil er der
Herr des Palastes war; sie hatte ihn jedoch jedesmal so spröde
behandelt, daß er es noch nicht gewagt hatte, seinen Wohnsitz darin
aufzuschlagen. Als sie angekleidet war, sah eine ihrer Frauen zufällig
durchs Gitterfenster, bemerkte Alaeddin und verkündete es sogleich ihrer
Gebieterin. Die Prinzessin, die diese Nachricht nicht glauben konnte,
lief schnell ans Fenster, bemerkte Alaeddin ebenfalls und öffnete das
Gitter. Bei dem Geräusch, das dadurch entstand, hob Alaeddin den Kopf in
die Höhe, erkannte sie und begrüßte sie mit einer Miene, auf der
überschwengliche Freude sich abspiegelte. »Um keine Zeit zu verlieren,«
sagte die Prinzessin zu ihm, »habe ich dir die geheime Türe öffnen
lassen, tritt durch dieselbe ein und komm herauf.«

Es ist unmöglich, die Freude zu beschreiben, die die beiden Ehegatten
empfanden, als sie sich nach einer Trennung, die sie ewig geglaubt
hatten, endlich wiedersahen. Sie umarmten sich mehrere Male und gaben
sich alle Beweise von Liebe und Zärtlichkeit, die man nach einer so
traurigen und unerwarteten Trennung nur erdenken kann. Nach diesen
Umarmungen, in die sich Tränen der Freude mischten, setzten sie sich,
und Alaeddin nahm das Wort und sprach: »Prinzessin, bevor wir von irgend
etwas anderem sprechen, beschwöre ich dich im Namen Gottes, sowohl um
deiner selbst als um deines verehrungswürdigen Vaters, des Sultans, und
besonders auch um meinetwillen, sage mir, was ist aus meiner alten Lampe
geworden, die ich, bevor ich auf die Jagd ging, in dem Saal mit den
vierundzwanzig Fenstern auf das Kranzgesimse gestellt hatte?«

»Ach, teurer Gemahl,« antwortete die Prinzessin, »ich habe mir’s wohl
gedacht, daß unser beiderseitiges Unglück von dieser Lampe herkomme, und
was mich untröstlich macht, ist, daß ich selbst daran schuld bin.« –
»Prinzessin,« erwiderte Alaeddin, »miß dir die Schuld nicht bei, sie ist
ganz auf meiner Seite, denn ich hätte die Lampe sorgsamer aufbewahren
sollen. Jetzt aber laß uns nur daran denken, den Schaden wieder
gutzumachen und deshalb erzähle mir, wie die Sache zugegangen und in
welche Hände die Lampe geraten ist.«

Die Prinzessin Bedrulbudur erzählte hierauf Alaeddin alles, unter
welchen Umständen sie die alte Lampe gegen die neue ausgetauscht und wie
sie in der folgenden Nacht die Versetzung des Palastes bemerkt und sich
am andern Morgen in einem unbekannten Lande gefunden habe, wo sie jetzt
beide seien und das Afrika heiße. Letzteres hatte sie aus dem Munde des
Schurken selbst erfahren, der sie durch seine Zauberkunst hierher
versetzt hatte.

»Prinzessin,« unterbrach sie Alaeddin, »du hast mir den Schurken
deutlich genug bezeichnet, indem du mir sagtest, daß ich mit dir in
Afrika bin. Er ist der abscheulichste aller Menschen; doch ist jetzt
weder Zeit noch Ort, dir seine Schlechtigkeiten ausführlicher zu
erzählen, und ich bitte dich bloß, mir zu sagen, was er mit der Lampe
angefangen und wo er sie aufbewahrt hat.« – »Er trägt sie wohl
eingehüllt in seinem Busen,« erwiderte die Prinzessin, »ich kann dies
mit Bestimmtheit sagen, da er sie in meiner Gegenwart herausgezogen und
enthüllt hat, um sich damit zu brüsten.«

»Prinzessin,« unterbrach sie Alaeddin, »ich glaube ein Mittel gefunden
zu haben, uns beide von unserm gemeinschaftlichen Feinde zu befreien.
Ich werde gegen Mittag zurückkommen, um dir dann meinen Plan
mitzuteilen, und was du zum Gelingen desselben beizutragen hast. Doch
sage ich dir zum voraus, wundere dich nicht, wenn du mich in einer
andern Kleidung zurückkommen siehst, und gib Befehl, daß man mich an der
geheimen Türe, wenn ich klopfe, nicht lange warten läßt.« Die Prinzessin
versprach, man werde ihn an der Türe erwarten und schnell öffnen.

Als Alaeddin hinausgegangen war, bemerkte er einen Bauersmann, der aufs
Feld ging.

Er ging zu ihm und machte ihm den Antrag, die Kleider mit ihm zu
wechseln, worauf der Bauer endlich auch einging. Der Umtausch geschah
hinter einem Gebüsch, und als sie sich getrennt hatten, schlug Alaeddin
den Weg nach der Stadt ein und ging bis an den Platz, wo die Kaufleute
und Handwerker ihre besondere Gasse hatten. Er trat nun in die Gasse der
Materialienhändler, ging in den größten und bestausgestatteten Laden und
fragte den Kaufmann, ob er nicht ein gewisses Pulver habe, das er ihm
nannte. Der Kaufmann, der aus Alaeddins Kleidung schloß, er müsse arm
sein und werde nicht Geld genug haben, um ihn zu bezahlen, antwortete,
er habe zwar dieses Pulver, allein es sei sehr teuer. Alaeddin erriet
seine Gedanken, zog seinen Beutel aus der Tasche, ließ einige Goldstücke
hervorblinken und verlangte dann eine halbe Drachme von dem Pulver. Der
Kaufmann wog so viel ab, wickelte es ein, übergab es Alaeddin und
forderte ein Goldstück dafür. Alaeddin händigte es ihm ein, und ohne
sich in der Stadt länger aufzuhalten, als nötig war, um einige Nahrung
zu sich zu nehmen, kehrte er nach seinem Palaste zurück. Er brauchte an
der geheimen Türe nicht lange zu warten, sie wurde ihm sogleich
geöffnet, und so ging er ins Gemach der Prinzessin Bedrulbudur hinauf.
»Geliebte,« sprach er zu ihr, »da du so großen Widerwillen gegen deinen
Entführer hast, so wird es dir vielleicht schwer werden, den Rat zu
befolgen, den ich dir jetzt gebe. Bedenke aber, daß du dich notwendig
verstellen und dir einige Gewalt antun mußt, wenn du dich von seinen
Nachstellungen befreien und dem Sultan, deinem Vater und meinem Herrn,
die Freude machen willst, dich wieder zu sehen. Befolge also meinen Rat,
schmücke dich sogleich mit deinen schönsten Kleidern, und wenn der
afrikanische Zauberer kommt, so empfange ihn aufs freundlichste. Du
darfst dir aber keinen Zwang und keine Befangenheit anmerken lassen,
sondern mußt ihm ein heiteres Gesicht zeigen. Im Gespräch gib ihm sodann
zu erkennen, daß du dir alle Mühe gebest, mich zu vergessen; und um ihn
vollkommen von deiner Aufrichtigkeit zu überzeugen, lade ihn zum
Abendessen ein und drücke den Wunsch aus, den besten Wein seines Landes
zu kosten. Er wird dann weggehen, um dir welchen zu holen. Indes du nun
den Schenktisch in Bereitschaft setzen lässest, so schütte in einen der
Becher, der dem deinigen gleich ist, dies Pulver hier, stelle ihn sodann
auf die Seite und befiehl derjenigen von deinen Frauen, die das
Schenkamt versieht, sie soll ihn dir auf ein verabredetes Zeichen voll
Wein bringen und sich ja in acht nehmen, daß kein Irrtum dabei vorgeht.
Wenn dann der Zauberer zurückkommt, und ihr beide bei Tische sitzet und
nach Herzenslust gegessen und getrunken habt, so laß den Becher mit dem
Pulver bringen und vertausche deinen Becher mit dem seinen. Er wird dies
als eine so hohe Gunst ansehen, daß er es nicht ablehnen, sondern den
Becher bis auf den Grund austrinken wird; kaum aber wird er ihn geleert
haben, so wirst du ihn rücklings hinsinken sehen. Wenn es dich anekelt,
aus seinem Becher zu trinken, so stelle dich wenigstens, als ob du
tränkest, und du hast dabei nichts zu befürchten; denn das Pulver wird
seine Wirkung schnell tun.«

Darauf antwortete die Prinzessin: »Ich gestehe dir, daß es mich
Überwindung kostet, dem Zauberer auf diese Art entgegenzukommen. Aber
welcher Entschließung ist man nicht fähig gegen einen so grausamen
Feind! Ich werde also tun, wie du mir rätst, da sowohl meine als deine
Ruhe davon abhängt.« Darauf verabschiedete sich Alaeddin von der
Prinzessin, und brachte den übrigen Teil des Tages in der Umgebung des
Palastes zu, um sich mit Anbruch der Nacht wieder bei der geheimen Türe
einzufinden. Sobald Alaeddin sich entfernt hatte, setzte sie sich an
ihren Putztisch, ließ sich durch ihre Frauen aufs prächtigste schmücken
und legte das reichste Kleid an. Ihr Gürtel war von eitel Gold und mit
den größten auserlesensten Diamanten ausgelegt; um den Hals legte sie
eine Schnur aus Perlen. Die Armbänder, die mit Rubinen und Diamanten
besetzt waren, entsprachen aufs trefflichste dem Reichtum des Gürtels
und der Halsschnur.

Als die Prinzessin Bedrulbudur vollständig angekleidet war, setzte sie
sich auf ihren Sofa und erwartete die Ankunft des afrikanischen
Zauberers.

Sobald die Prinzessin ihn in den Saal mit den vierundzwanzig Fenstern
eintreten sah, stand sie mit allem Glanze ihrer Schönheit und Reize auf,
wies ihm mit der Hand den Ehrenplatz an, den er einnehmen sollte, und
setzte sich dann zugleich mit ihm: eine ganz ausgezeichnete Artigkeit,
die sie ihm bisher noch nie erwiesen hatte.

Den afrikanischen Zauberer blendete mehr der Glanz der schönen Augen der
Prinzessin, als die strahlenden Edelsteine. Ihre majestätische Haltung
und die anmutsvolle Verbindlichkeit, mit der sie ihn empfing, während
sie ihn bisher immer so rauh zurückgewiesen hatte, machte einen solchen
Eindruck auf ihn, daß er kaum seiner Sinne mächtig war. Als er sich
gesetzt hatte, nahm die Prinzessin, um ihn aus seiner sichtlichen
Verlegenheit zu ziehen, das Wort und sprach zu ihm: »Du wirst dich ohne
Zweifel wundern, daß du mich heute ganz anders findest, als bis jetzt,
doch wirst du es erklären können, wenn ich dir sage, daß meine ganze
Gemütsart aller Traurigkeit, Schwermut, Betrübnis und allen Sorgen
zuwider ist, die ich immer gern von mir abschüttle, sowie ich keine
Ursache mehr dazu sehe. Ich habe mir das, was du mir von Alaeddins
Schicksal sagtest, wohl überlegt, und da ich die Gemütsart meines Vaters
recht gut kenne, so bin ich mit dir überzeugt, daß er der schrecklichen
Wirkung seines Zornes unmöglich entgehen konnte. Wenn ich nun auch
darauf beharren wollte, mein ganzes Leben lang um ihn zu weinen, so sehe
ich doch, daß meine Tränen ihn nicht ins Leben zurückrufen würden.
Deshalb glaube ich, nachdem ich ihm bis ins Grab alle Pflichten erwiesen
habe, welche die Liebe von mir forderte, so muß ich nunmehr auch alle
Mittel versuchen, mich zu trösten. Dies sind die Gründe meiner
Veränderung. Um nun sogleich jeden Anlaß zur Traurigkeit zu entfernen,
die ich ganz von mir zu bannen entschlossen bin, und in der Hoffnung,
daß du die Gefälligkeit haben werdest, mir Gesellschaft zu leisten, habe
ich eine Abendmahlzeit für uns bereiten lassen. Da ich aber bloß
chinesischen Wein habe und mich doch in Afrika befinde, so hat mich die
Lust angewandelt, den hierzulande wachsenden zu kosten, und ich zweifle
nicht, daß du den besten herausfinden wirst, wenn es welchen hier gibt.«

Der afrikanische Zauberer, der das Glück, so schnell und so leicht die
Gunst der Prinzessin Bedrulbudur zu gewinnen, für eine Unmöglichkeit
gehalten hatte, sagte, er könne kaum Worte finden, um seinen Dank
genugsam auszudrücken, und um dieses Gespräch bald abzubrechen, lenkte
er schnell auf den afrikanischen Wein ein, dessen sie gedacht hatte, und
sagte, unter allen Vorzügen, deren sich Afrika rühmen könne, stehe sein
trefflicher Wein oben an, und der allerbeste wachse in dem Teil des
Landes, wo sie sich gegenwärtig befänden; er habe ein Faß, das schon
sieben Jahre gefüllt und noch nicht angestochen sei, und er glaube nicht
viel zu sagen, wenn er behaupte, daß dieser Wein an Güte die
vortrefflichsten Weine auf der ganzen Erde übertreffe. »Wenn meine
Prinzessin es mir erlauben will,« setzte er hinzu, »so will ich zwei
Flaschen davon holen und werde augenblicklich wieder zurück sein.« – »Es
sollte mir leid tun, wenn ich dir so viele Mühe machte,« sagte die
Prinzessin, »du könntest ja jemanden hinschicken.« – »Nein,« antwortete
der afrikanische Zauberer, »ich muß notwendig selbst hingehen; niemand
außer mir weiß, wo der Schlüssel zu diesem Keller ist.« – »Wenn dem so
ist,« sagte die Prinzessin, »so gehe und komm bald zurück. Sobald du
zurückkommst, wollen wir uns zu Tische setzen.«

Der afrikanische Zauberer, voller Hoffnung auf sein vermeintliches
Glück, lief nicht, sondern flog und kam sehr schnell zurück. Inzwischen
hatte die Prinzessin das Pulver, das ihr Alaeddin gebracht, selbst in
einen Becher geworfen. Sie setzten sich einander gegenüber zu Tisch, so
daß der Zauberer dem Schenktisch den Rücken kehrte. Die Prinzessin legte
ihm vom Besten vor und sagte zu ihm: »Wenn du es verlangst, so will ich
dir Musik machen und singen lassen; da wir aber beide ganz allein hier
sind, so denke ich, es wird uns mehr Vergnügen machen, uns miteinander
zu unterhalten.« Der Zauberer betrachtete diese Wahl der Prinzessin als
eine neue Gunst.

Nachdem sie einige Bissen gegessen hatten, verlangte die Prinzessin zu
trinken. Sie trank auf die Gesundheit des Zauberers und sagte dann zu
ihm: »Du hattest alles Recht, deinen Wein zu loben; ich habe nie einen
so köstlichen getrunken.« – »Reizende Prinzessin,« antwortete er, indem
er den Becher, der ihm überreicht wurde, in der Hand hielt, »mein Wein
erhält durch deinen Beifall eine neue Güte.« – »Trink auf meine
Gesundheit,« erwiderte die Prinzessin, »so wirst du selbst finden, daß
ich mich darauf verstehe.« Er trank auf die Gesundheit der Prinzessin,
sah dann den Becher an und sagte: »Prinzessin, ich schätze mich
glücklich, daß ich dieses Faß für eine so gute Gelegenheit aufgespart;
ich gestehe selbst, daß ich in meinem ganzen Leben noch keinen so
vortrefflichen Wein getrunken habe.«

Als sie noch weiter gegessen und noch dreimal getrunken hatten, gab
endlich die Prinzessin, die dem afrikanischen Zauberer durch ihre
Höflichkeit und ihr verbindliches Wesen vollends ganz den Kopf verrückt
hatte, der Frau, die das Schenkamt versah, das verabredete Zeichen, und
während man ihren Becher mit Wein brachte, sagte sie, man solle auch den
des afrikanischen Zauberers vollschenken und ihm überreichen.

Als nun beide den Becher in der Hand hatten, sprach sie: »Ich weiß
nicht, wie es bei euch zulande unter Liebenden, die miteinander trinken,
Sitte ist; bei uns in China wechseln die Geliebte und der Liebhaber ihre
Becher miteinander aus und trinken so einander Gesundheit.« Mit diesen
Worten überreichte sie ihm den Becher, den sie in der Hand hielt, und
streckte ihre andere Hand aus, um den seinigen in Empfang zu nehmen.

Der afrikanische Zauberer beeilte sich um so freudiger, diesen Tausch
vorzunehmen, da er dies als das sicherste Zeichen betrachtete, das Herz
der Prinzessin nun völlig erobert zu haben, und er hielt sich für den
glücklichsten aller Sterblichen. Ehe er trank, sagte er, mit dem Becher
in der Hand: »Prinzessin, wir Afrikaner sind lange nicht so weit in der
Kunst, die Liebe mit allen möglichen Annehmlichkeiten zu würzen, wie die
Chinesen, und indem ich hier etwas lerne, was ich noch nicht wußte,
fühle ich zugleich, wie hoch ich diese Begünstigung zu schätzen habe.
Nie werde ich es vergessen, liebenswürdige Prinzessin, daß ich aus
deinem Becher getrunken und darin ein Leben gefunden habe, auf das ich
keine Hoffnung mehr gehabt hätte, wenn du noch länger bei deiner
Grausamkeit beharrt.«

Prinzessin Bedrulbudur führte nun den Becher an den Mund, berührte ihn
aber nur mit den Lippen, indes der afrikanische Zauberer sich sehr
bemühte, es ihr zuvor zu tun, und den seinigen ausleerte, ohne einen
Tropfen darin zu lassen. Die Prinzessin sah, daß seine Augen sich
verdrehten und er ohne Bewußtsein rücklings zusammensank.

Nun kam Alaeddin herauf und trat in den Saal. Als er den afrikanischen
Zauberer auf dem Sofa ausgestreckt liegen sah, und die Prinzessin
Bedrulbudur ihm voll Freude und mit offenen Armen entgegeneilte, hielt
er sie zurück und sagte: »Es ist noch nicht Zeit, Prinzessin; tu mir den
Gefallen, begib dich auf dein Zimmer und sorge dafür, daß man mich
allein läßt, indes ich meine Vorbereitungen treffe, die dich ebenso
schnell nach China wieder zurückbringen, wie du von da entfernt worden
bist.«

Sobald die Prinzessin mit ihren Frauen und Verschnittenen aus dem Saale
gegangen war, verschloß Alaeddin die Türe, näherte sich dem Leichnam des
afrikanischen Zauberers, öffnete sein Kleid und zog die Lampe heraus. Er
enthüllte sie und rieb daran und alsbald erschien auch der Geist mit
seinem gewöhnlichen Gruß. »Geist,« sagte Alaeddin zu ihm, »ich habe dich
gerufen, um dir im Namen der Lampe, deiner guten Gebieterin, die du hier
siehst, zu befehlen, daß du diesen Palast wieder nach China zurücktragen
lässest, und zwar an denselben Ort und dieselbe Stelle, von wo er
weggenommen ist.« Der Geist gab durch ein Kopfnicken zu verstehen, daß
er gehorchen werde und verschwand. Die Versetzung ging wirklich vor
sich, und man spürte sie nur an zwei sehr leichten Erschütterungen: die
eine, als der Palast von seiner Stelle in Afrika emporgehoben, und die
andere, als er in China gegenüber dem Palast des Sultans niedergelassen
wurde, was alles in wenigen Augenblicken geschehen war.

Alaeddin ging nun ins Zimmer der Prinzessin hinab, umarmte sie und sagte
zu ihr: »Prinzessin, ich kann dich versichern, daß deine und meine
Freude morgen früh vollkommen sein wird.« Da die Prinzessin ihre
Abendmahlzeit noch nicht vollendet hatte und Alaeddin zu essen
verlangte, so ließ sie aus dem Saal mit den vierundzwanzig Fenstern die
Speisen, die dort aufgetragen, aber kaum berührt worden waren, auf ihr
Zimmer bringen. Die Prinzessin und Alaeddin speisten zusammen und
tranken von dem guten alten Wein des afrikanischen Zauberers. Ich will
nichts von ihrer weiteren Unterhaltung sagen, die nur sehr vergnügt sein
konnte, und füge bloß hinzu, daß sie sich zuletzt miteinander in ihr
Schlafgemach begaben.

Seit der Entführung des Palastes und der Prinzessin Bedrulbudur war der
Sultan, der Vater dieser Prinzessin, untröstlich, weil er sie für immer
verloren glaubte. Er konnte weder bei Nacht noch bei Tag Ruhe finden,
und statt alles zu vermeiden, was seinem Kummer neue Nahrung geben
konnte, suchte er es im Gegenteil absichtlich auf. Während er zum
Beispiel vorher nur morgens nach dem offenen Erker seines Palastes
gegangen war, um seine Augen an dem angenehmen Anblick zu weiden, dessen
er nicht satt werden konnte, so ging er jetzt mehrere Male des Tags
hinauf, um seinen Tränen freien Lauf zu lassen und sich immer tiefer in
seine Betrübnis zu versenken durch den Gedanken, daß er das, was ihm so
wohlgefallen hatte, nie wieder sehen werde, und das Liebste, das er auf
der Welt besessen, auf immer verloren habe. Auch an dem Morgen, als
Alaeddins Palast wieder an seinen alten Platz gebracht worden war, hatte
sich die Morgenröte kaum am Himmel gezeigt, als der Sultan wieder in den
Erker ging. Er war so in sich gekehrt und so durchdrungen von seinem
Schmerz, daß er seine Augen traurig nach der Seite hinwendete, wo er nur
den leeren Raum und keinen Palast mehr zu erblicken vermeinte. Als er
nun auf einmal diese Leere ausgefüllt sah, hielt er es für einen Nebel.
Endlich aber, nachdem er es aufmerksamer betrachtet hatte, erkannte er,
daß es unzweifelhaft Alaeddins Palast war. Freude und Fröhlichkeit
bemächtigten sich jetzt seines Herzens nach langem Kummer und Gram. Er
kehrte eilig auf sein Zimmer zurück und befahl, man solle ihm ein Pferd
satteln und vorführen. Er schwang sich hinauf, ritt fort und es war ihm,
als könne er nicht schnell genug bei Alaeddins Palast anlangen.

Alaeddin, der dies vorausgesehen hatte, war mit Tagesanbruch
aufgestanden, hatte eines seiner prächtigsten Kleider angelegt und sich
sodann in den Saal mit den vierundzwanzig Fenstern begeben, von wo aus
er den Sultan kommen sah. Er eilte hinab und kam noch gerade zur rechten
Zeit, um ihn unten an der Haupttreppe zu empfangen und ihm vom Pferd
absteigen zu helfen. »Alaeddin,« sprach der Sultan zu ihm, »ich kann mit
dir nicht sprechen, bevor ich meine Tochter gesehen und umarmt habe.«

Alaeddin führte den Sultan in das Zimmer der Prinzessin Bedrulbudur, die
eben mit ihrem Anzug fertig geworden war; denn Alaeddin hatte sie beim
Aufstehen erinnert, daß sie sich nicht mehr in Afrika, sondern in China,
in der Hauptstadt des Sultans, ihres Vaters, und gegenüber seinem Palast
befinde. Der Sultan umarmte sie mehrere Male, während ihm die hellen
Freudentränen über die Wangen liefen, und die Prinzessin ihrerseits
bewies ihm auf alle mögliche Art, wie hocherfreut sie sei, ihn wieder zu
sehen.

Endlich nahm der Sultan das Wort und sprach: »Geliebte Tochter, ich will
glauben, daß die Freude des Wiedersehens dich in meinen Augen so munter
und so wenig verändert erscheinen läßt, wie wenn dir nichts Unangenehmes
zugestoßen wäre, und doch bin ich überzeugt, daß du sehr viel gelitten
hast. Ich wünsche nun, daß du mir erzählst, wie die Sache zuging, und
mir nichts verhehlest.«

Die Prinzessin machte sich ein Vergnügen daraus, den Wunsch ihres Vaters
zu erfüllen.

»Um es frei herauszusagen, mein ganzes Unglück bestand darin, daß ich
mich dir und meinem teuren Gemahl entrissen sah. Was meine Entführung
betrifft, so hat Alaeddin nicht den mindesten Teil daran: ich selbst bin
allein daran schuld, aber auf eine höchst unschuldige Weise.« Um nun den
Sultan von der Wahrheit ihrer Worte zu überzeugen, erzählte sie ihm
umständlich, wie der afrikanische Zauberer sich in einen Lampenhändler
verkleidet habe, der alte Lampen gegen neue eintauschte, und wie sie
dann zur Kurzweil Alaeddins Lampe, deren geheime Kraft und Wichtigkeit
sie nicht gekannt, gegen eine neue eingetauscht, worauf der Palast nebst
ihr und den übrigen Bewohnern in die Höhe gehoben und samt dem
afrikanischen Zauberer nach Afrika versetzt worden sei.

Um sich vollends zu überzeugen, ging der Sultan hinauf, und als er den
afrikanischen Zauberer tot und im Gesicht ganz schwarzblau von dem Gifte
sah, umarmte er Alaeddin mit vieler Zärtlichkeit und sagte zu ihm: »Mein
Sohn, halte mir mein Betragen gegen dich zugute; bloß meine Vaterliebe
hat mich dazu veranlaßt, und du mußt mir die Übereilung, zu der ich mich
hinreißen ließ, verzeihen.« – »Herr,« erwiderte Alaeddin, »ich habe
nicht die mindeste Ursache, mich über dich zu beklagen; du hast nur
getan, was du tun mußtest. Dieser schändliche Zauberer, dieser Auswurf
der Menschheit, war die einzige Ursache, daß ich deine Gnade verlor.
Wenn du einmal Muße haben wirst, so werde ich dir von einer andern
Bosheit erzählen, die er mir angetan und die nicht minder schwarz ist,
als seine letzte, vor der mich Gottes ganz absonderliche Gnade behütet
hat.« – »Ich werde mir diese Muße ausdrücklich dazu nehmen,« antwortete
der Sultan, »und zwar recht bald. Jetzt aber laß uns nur darauf denken,
fröhlich zu sein, auch sorge, daß dieser verhaßte Gegenstand
fortgeschafft wird.«

Alaeddin ließ den Leichnam des afrikanischen Zauberers wegbringen und
auf den Schindanger werfen, um dort den Vögeln und Tieren zur Nahrung zu
dienen. Der Sultan aber gab Befehl, durch Trommeln, Pauken, Trompeten
und andere Instrumente das Zeichen zur allgemeinen öffentlichen Freude
zu geben, und ließ ein zehntägiges Freudenfest ankündigen, um die
Rückkehr der Prinzessin Bedrulbudur und Alaeddins zu feiern.

So entging denn Alaeddin zum zweitenmal einer Todesgefahr, der er
beinahe erliegen mußte; allein es war noch nicht die letzte, und er
mußte noch eine dritte, gleich gefährliche Prüfung bestehen.

Der afrikanische Zauberer hatte noch einen jüngern Bruder, der in der
Zauberkunst nicht minder geschickt war, als er; ja man kann sagen, daß
er ihn an Bosheit und verderblichen Ränken noch übertraf. Da sie nicht
immer beisammen oder in derselben Stadt lebten, und der eine sich
manchmal im Osten befand, während der andere im Westen war, so
unterließen sie es nicht, mit Hilfe der Punktierkunst alle Jahre einmal
auszumitteln, in welchem Teile der Welt jeder von ihnen lebe, wie er
sich befinde und ob er nicht die Hilfe des andern bedürfe.

Kurze Zeit, nachdem der afrikanische Zauberer in der Unternehmung gegen
Alaeddins Glück den Tod gefunden hatte, wollte sein jüngerer Bruder, der
seit Jahr und Tag keine Nachrichten von ihm hatte und sich nicht in
Afrika, sondern in einem sehr entlegenen Land aufhielt, erfahren, an
welchem Ort der Erde er lebe, wie er sich befinde und was er treibe. Er
endeckte nun, daß sein Bruder nicht mehr auf der Welt, daß er vergiftet
worden und plötzlich gestorben sei, daß dies in China an dem und dem
Orte geschehen, und endlich, daß der, welcher ihn vergiftet, ein Mann
von niedriger Abkunft sei, der eine Prinzessin des Sultans geheiratet
habe.

Als der Zauberer das traurige Ende seines Bruders erfahren hatte, verlor
er keine Zeit mit nutzlosem Jammern, sondern beschloß augenblicklich,
seinen Tod zu rächen, stieg zu Pferde und begab sich auf den Weg nach
China. Er mußte über Ebenen, Flüsse, Berge, Einöden, und nach langer
Reise kam er endlich unter unglaublichen Beschwerden nach China und bald
darauf in die Hauptstadt.

Den Tag nach seiner Ankunft ging der Zauberer aus und spazierte in der
Stadt herum. An einem der Orte, wo man sich mit allerlei Arten von
Spielen die Zeit vertrieb, und wo, während die einen spielten, die
andern sich von den Neuigkeiten des Tages oder auch von ihren eigenen
Geschichten unterhielten, hörte er gar merkwürdige Dinge erzählen von
der Tugend und Frömmigkeit, ja selbst von den Wundertaten einer von der
Welt abgeschiedenen Frau, namens Fatime. Da er nun glaubte, diese Frau
könne ihm bei seinem Vorhaben vielleicht in irgend etwas behilflich
sein, nahm er einen von der Gesellschaft beiseite und bat ihn um nähere
Auskunft über die heilige Frau und über die Art von Wundern, die sie
verrichte.

»Wie!« sagte der Angeredete zu ihm, »du hast diese Frau noch nie
gesehen und auch nicht von ihr sprechen gehört? Sie ist durch ihr
Fasten, ihre strenge Lebensweise und das Beispiel, das sie gibt,
Gegenstand der allgemeinen Bewunderung in der ganzen Stadt. Außer
Montags und Freitags geht sie nie aus ihrer kleinen Einsiedelei heraus,
und an den Tagen, wo sie sich in der Stadt sehen läßt, tut sie unendlich
viel Gutes, auch heilt sie jeden, der mit Kopfschmerzen behaftet ist,
durch Auflegung ihrer Hände.« Der Zauberer verlangte über diesen Punkt
nichts mehr zu wissen, sondern fragte nur noch, in welchem Teile der
Stadt die Einsiedelei der heiligen Frau wäre. Der Mann beschrieb ihm
genau die Stelle.

Gegen Mitternacht ging der Zauberer geraden Wegs nach der Einsiedelei
Fatimes, der heiligen Frau; denn unter diesem Namen war sie in der
ganzen Stadt bekannt. Er öffnete ohne Mühe die mit einer bloßen Klinke
verschlossene Tür, trat hinein und machte die Türe ganz leise wieder zu;
drinnen erblickte er bei hellem Mondschein Fatime, die an freier Luft
auf einem mit einer schlechten Matte überdeckten Sofa schlief und gegen
ihre Zelle hingelehnt dalag. Er näherte sich ihr, zog einen Dolch, den
er an seiner Seite trug, und weckte sie.

Als die arme Fatime die Augen aufschlug, erschrak sie über die Maßen
beim Anblick eines Mannes, der im Begriff war, sie zu erdolchen. Er
setzte ihr den Dolch auf die Brust, machte Miene zuzustoßen und sagte:
»Wenn du schreist oder nur das mindeste Geräusch machst, so bist du des
Todes; steh aber jetzt auf und tue, was ich dir sagen werde.«

Fatime, die sich in ihren Kleidern niedergelegt hatte, stand zitternd
und bebend auf. »Fürchte dich nicht,« sagte der Zauberer zu ihr, »ich
verlange bloß dein Kleid, gib es mir und nimm dafür das meinige.« Sie
vertauschten ihre Kleider, und nachdem der Zauberer das Kleid Fatimens
angezogen hatte, sagte er zu ihr: »Jetzt färbe mir das Gesicht gleich
dem deinigen, und zwar so, daß ich dir ähnlich sehe und die Farbe sich
nicht verwischt.« Da er sah, daß sie noch immer zitterte, sagte er, um
sie zu beruhigen, und damit sie mit um so größerer Zuversicht seinen
Wunsch erfüllen möchte, abermals zu ihr: »Fürchte dich nicht; ich
schwöre dir bei dem Namen Gottes, daß ich dir das Leben lasse.« Fatime
hieß ihn in ihre Zelle treten, zündete ihre Lampe an, nahm einen Pinsel
und einen gewissen Saft, den sie in einem Gefäße stehen hatte, rieb ihm
damit das Gesicht ein und versicherte ihm dann, die Farbe werde nicht
ausgehen und sein Gesicht sei jetzt durchaus ganz wie das ihrige.
Hierauf setzte sie ihm ihre eigene Kopfbekleidung aufs Haupt nebst ihrem
Schleier und zeigte ihm, wie er sich auf seinem Gang durch die Stadt das
Gesicht damit verhüllen müsse. Endlich, nachdem sie ihm noch einen
großen Rosenkranz, der ihm vorne bis auf den Gürtel herabhing, um den
Hals geschlungen, gab sie ihm denselben Stab, den sie gewöhnlich trug,
in die Hand, hielt ihm dann einen Spiegel vor und sagte zu ihm: »Da
blicke einmal hinein und du wirst sehen, daß du mir gleichst, wie ein Ei
dem andern.« Der Zauberer fand alles nach Wunsch, hielt aber der guten
Fatime den Schwur nicht, den er ihr so feierlich geleistet hatte. Damit
man keine Blutspuren sehen möchte, wenn er sie erstäche, so erwürgte er
sie, und als er sah, daß sie den Geist aufgegeben hatte, schleppte er
ihren Leichnam an den Füßen zum Wasserbehälter der Einsiedelei und warf
ihn da hinein.

Nach Vollführung dieser verruchten Mordtat brachte der als heilige
Fatime verkleidete Zauberer den Rest der Nacht in der Einsiedelei zu. Am
andern Morgen ging er, obgleich dies kein gewöhnlicher Ausgangstag für
die heilige Frau war, dennoch aus, denn er glaubte, es würde ihn niemand
darum fragen, und wenn man ihn fragte, so würde er schon zu antworten
wissen. Da er sich bei seiner Ankunft vor allen Dingen nach Alaeddins
Palast erkundigt hatte, und da er dort seine Rolle spielen wollte, so
nahm er sogleich seinen Weg dahin.

Jedermann hielt ihn für die heilige Frau, und so wurde er bald von einer
großen Menschenmasse umringt. Einige empfahlen sich seinem Gebet, andere
küßten ihm die Hand, andere, die noch ehrerbietiger waren, küßten bloß
den Saum seines Kleides, und noch andere, die entweder wirklich Kopfweh
hatten, oder sich nur dagegen verwahren wollten, neigten sich vor ihm,
damit er ihnen die Hände auflegen möchte, was er auch tat, indem er
einige gebetähnliche Worte murmelte; kurz, er ahmte die heilige Frau so
gut nach, daß jedermann ihn dafür ansah. Nachdem er mehrere Male
unterwegs stehen geblieben war, um solche Leute zu befriedigen, die von
dieser Art Händeauflegung weder einen Nutzen noch einen Schaden hatten,
kam er endlich auf den Platz vor Alaeddins Palast, wo sich noch mehr
Volk versammelt hatte, so daß es große Mühe kostete, sich ihm zu nähern.
Die Stärksten und Eifrigsten drängten sich mit Gewalt durch das Gewühl,
und darüber erhoben sich Klagen und ein solches Geschrei, daß man es in
dem Saal mit den vierundzwanzig Fenstern, wo die Prinzessin Bedrulbudur
war, hören konnte.

Die Prinzessin fragte, was der Lärm bedeuten sollte, und da es ihr
niemand sagen konnte, befahl sie nachzusehen und ihr Bericht
abzustatten. Eine ihrer Frauen sah, ohne den Saal zu verlassen, durch
ein Fenster und meldete ihr sodann, der Lärm komme von der Volksmenge
her, die die heilige Frau umgebe, um sich durch ihr Handauflegen das
Kopfweh vertreiben zu lassen.

Die Prinzessin, die schon lange Zeit viel Gutes von der heiligen Frau
gehört, sie aber noch nicht gesehen hatte, wurde neugierig, ihre
Bekanntschaft zu machen und mit ihr zu sprechen. Sobald sie etwas davon
verlauten ließ, sagte der Obere der Verschnittenen, wenn sie es wünsche,
so wolle er sie heraufkommen lassen. Die Prinzessin genehmigte es und er
fertigte sogleich vier Verschnittene ab mit dem Befehl, die angebliche
heilige Frau heraufzubringen.

Sobald die Verschnittenen zum Tore von Alaeddins Palast herauskamen und
auf den afrikanischen Zauberer zugingen, so wich die Menge auseinander,
und als dieser sich nun frei und die Verschnittenen auf sich zukommen
sah, so ging er ihnen mit um so größerer Freude entgegen, da sein
Schelmstück ihm einen guten Anfang zu nehmen schien. Einer von den
Verschnittenen nahm das Wort und sagte: »Heilige Frau, die Prinzessin
wünscht dich zu sprechen; komm und folge uns.« – »Die Prinzessin erzeigt
mir viele Ehre,« antwortete die angebliche Fatime; »ich bin bereit, ihr
zu gehorchen.« Mit diesen Worten folgte er den Verschnittenen.

Als der Zauberer, der unter dem heiligen Kleide ein teuflisches Herz
verbarg, in den Saal mit den vierundzwanzig Fenstern eintrat und die
Prinzessin bemerkte, begann er mit einem Gebet, das eine lange Reihe von
Wünschen für ihr Wohlbefinden, ihr Glück und die Erfüllung alles
dessen, was sie nur begehren könnte, enthielt. Hierauf entfaltete er all
seine trügerische und heuchlerische Beredsamkeit, um sich unter dem
Mantel großer Frömmigkeit ins Herz der Prinzessin einzuschleichen, was
ihm auch um so leichter gelang, als die Prinzessin in ihrer natürlichen
Gutherzigkeit die Überzeugung hatte, alle Leute müßten ebenso gut sein,
wie sie, besonders aber diejenigen Männer und Frauen, die es sich zur
Pflicht machten, Gott in der Einsamkeit zu dienen.

Als die falsche Fatime ihre lange Anrede vollendet hatte, sagte die
Prinzessin zu ihr: »Meine gute Mutter, ich danke dir für deine schönen
Gebete, ich habe großes Vertrauen darauf und hoffe, daß Gott sie erhören
wird. Komm näher und setze dich zu mir.« Die falsche Fatime setzte sich
mit heuchlerischer Bescheidenheit. Hierauf nahm die Prinzessin wieder
das Wort und sagte: »Meine gute Mutter, ich bitte dich um etwas, das du
mir bewilligen mußt und nicht abschlagen darfst, nämlich darum, daß du
bei mir bleibst, mir die Geschichte deines Lebens erzählst und mich
durch deine guten Beispiele lehrst, wie ich Gott dienen soll.«

»Prinzessin,« sagte hierauf die angebliche Fatime, »ich bitte dich,
verlange nichts von mir, worin ich nicht willigen kann, ohne mich ganz
zu zerstreuen und von meinen Gebeten und frommen Übungen abzukommen.« –
»Das darf dich nicht beunruhigen,« erwiderte die Prinzessin, »ich habe
mehrere Zimmer, die nicht bewohnt sind, wähle dir eins daraus, welches
dir am besten zusagt, dann kannst du deine Übungen ebenso ruhig
verrichten, wie in deiner Einsiedelei.«

Der Zauberer, der keinen andern Zweck hatte, als in Alaeddins Palast zu
gelangen, wo es ihm viel leichter sein mußte, sein Schelmstück
auszuführen, als wenn er immer von der Einsiedelei in den Palast und von
da wieder zurück hätte hin und her gehen müssen, machte jetzt keine
großen Einwendungen mehr gegen das verbindliche Anerbieten der
Prinzessin und nahm es an. »Prinzessin,« sagte er zu ihr, »so fest auch
der Entschluß einer armen und elenden Frau, wie ich, sein muß, der Welt
und ihrer Pracht zu entsagen, so wage ich es doch nicht, dem Willen und
Befehl einer so frommen und mildtätigen Prinzessin zu widerstreben.«

Er folgte der Prinzessin Bedrulbudur und wählte unter ihren Zimmern
dasjenige, welches am wenigsten schön war, indem er mit heuchlerischem
Tone sagte: es sei noch viel zu gut für ihn und er wähle es bloß der
Prinzessin zu Gefallen.

Die Prinzessin wollte den Schurken in den Saal mit den vierundzwanzig
Fenstern zurückführen, damit er bei ihr zu Mittag speisen sollte. Da er
aber beim Essen sein bis jetzt immer noch verschleiertes Gesicht hätte
enthüllen müssen und fürchtete, die Prinzessin möchte den Betrug
durchschauen, so bat er sie, ihm zu erlauben, seine kleine Mahlzeit auf
seinem Zimmer zu sich zu nehmen.

Die Prinzessin speiste zu Mittag und die falsche Fatime unterließ nicht,
sich wieder bei ihr zu melden, sobald sie ihr durch einen Verschnittenen
hatte sagen lassen, daß sie von der Tafel aufgestanden sei. »Meine gute
Mutter,« sagte die Prinzessin zu ihr, »ich bin hoch erfreut, eine
heilige Frau, wie dich, zu besitzen, die diesem Palaste Segen bringen
wird. Ei, wie gefällt dir denn der Palast? Ehe ich dir aber Zimmer für
Zimmer zeige, so sage vor allem, was hältst du von diesem Saale?«

Die falsche Fatime, die um ihre Rolle besser spielen zu können, bisher
immer mit gesenkten Augen dagestanden war und ihren Kopf weder rechts
noch links hingewendet hatte, hob ihn endlich bei dieser Frage empor,
durchmusterte den Saal von einem Ende zum andern, und als sie ihn
genugsam betrachtet hatte, sagte sie: »Prinzessin, dieser Saal ist
wahrhaft bewunderungswürdig und ausgezeichnet schön. Indes scheint es
mir, so viel eine Einsiedlerin beurteilen kann, daß eine einzige Sache
daran fehle.« – »Und was denn, meine gute Mutter?« fragte die Prinzessin
Bedrulbudur; »ich beschwöre dich, sage es mir. Ich für meinen Teil habe
immer geglaubt und auch sagen hören, daß er in allem vollkommen sei.
Wenn aber etwas daran fehlt, so will ich diesem Mangel abhelfen lassen.«

»Prinzessin,« erwiderte die falsche Fatime mit vieler Verstellung,
»verzeih, daß ich mir so viel Freiheit herausnehme. Meine Meinung, wenn
dir etwas daran liegen könnte, ist nämlich, daß wenn oben von der Mitte
dieser Kuppel ein Rochei herabhinge, dieser Saal in allen vier Teilen
der Welt seinesgleichen nicht haben und der Palast ein Wunder der Welt
sein würde.«

»Meine gute Mutter,« fragte die Prinzessin, »was für ein Vogel ist denn
der Roch, und woher könnte man wohl ein Ei von ihm bekommen?« –
»Prinzessin,« antwortete die falsche Fatime, »es ist dies ein Vogel von
bewundernswürdiger Größe, der auf der höchsten Spitze des Berges
Kaukasus wohnt; der Baumeister dieses Palastes wird dir schon ein
solches Ei verschaffen.«

Die Prinzessin Bedrulbudur dankte der falschen Fatime für ihren Rat, und
unterhielt sich mit ihr noch über eine Menge anderer Gegenstände; doch
vergaß sie das Rochei nicht, und nahm sich vor, mit Alaeddin darüber zu
sprechen, sobald er von der Jagd zurückgekehrt sein würde. Er war
nämlich seit sechs Tagen fort und der Zauberer, der dies recht gut
wußte, hatte seine Abwesenheit benützen wollen. Alaeddin kam noch an
demselben Tage abends zurück, als die falsche Fatime sich soeben von der
Prinzessin verabschiedet und auf ihr Zimmer begeben hatte. Er ging
sogleich ins Zimmer der Prinzessin, die soeben dahin zurückgekehrt war,
begrüßte und umarmte sie; allein es schien ihm, als ob sie ihn etwas
kalt empfinge. »Teure Prinzessin,« sagte er zu ihr, »ich finde dich
nicht so heiter, wie sonst. Ist in meiner Abwesenheit etwas vorgekommen,
das dir mißfallen und Verdruß oder Mißvergnügen verursacht hätte? Ich
beschwöre dich bei Gott, verhehle es mir nicht, denn ich werde alles
aufbieten, deinen Wunsch zu erfüllen, wenn es in meiner Macht steht.« –
»Es ist bloß eine Kleinigkeit,« antwortete die Prinzessin, »und die
Sache kümmert mich so wenig, daß es mir unbegreiflich ist, wie du es
meinem Gesichte hast anmerken können. Da du es jedoch wider mein
Erwarten wahrgenommen hast, so will ich dir die Ursache mitteilen,
obgleich sie nicht von Bedeutung ist.«

»Ich hatte,« fuhr die Prinzessin Bedrulbudur fort, »wie du auch, bisher
immer geglaubt, unser Palast sei der herrlichste, prachtvollste und
vollkommenste auf der ganzen Welt. Doch muß ich dir jetzt sagen, was für
ein Gedanke mir bei genauer Besichtigung des Saales mit den
vierundzwanzig Fenstern gekommen ist. Meinst du nicht auch, daß nichts
zu wünschen übrig bleiben würde, wenn mitten im Kuppelgewölbe ein Rochei
hinge?« – »Prinzessin,« antwortete Alaeddin, »sobald du findest, daß
noch ein Rochei daran fehlt, so finde ich diesen Fehler auch, und aus
dem Eifer, womit ich diesem Mangel abhelfen werde, sollst du dich
überzeugen, daß es nichts gibt, was ich nicht dir zuliebe tun würde.«

Alaeddin verließ augenblicklich die Prinzessin Bedrulbudur, ging in den
Saal mit den vierundzwanzig Fenstern, zog die Lampe, die er nun überall,
wo er ging und stand, bei sich trug, aus seinem Busen hervor und rieb
sie. Sogleich erschien auch der Geist. »Geist,« sprach Alaeddin zu ihm,
»es fehlt dieser Kuppel noch ein Rochei, das mitten in ihrer Vertiefung
hängen muß: ich befehle dir nun im Namen der Lampe, daß du diesem Mangel
abhilfst.«

Kaum hatte Alaeddin diese Worte ausgesprochen, als der Geist ein so
lautes und entsetzliches Geschrei erhob, daß der Saal davon erbebte und
auch Alaeddin taumelte, so daß er beinahe zu Boden stürzte. »Wie,
Elender!« sagte der Geist in einem Tone zu ihm, der auch dem
unerschrockensten Manne Furcht eingeflößt haben würde, »ist es dir nicht
genug, daß meine Gefährten und ich dir zuliebe alles getan haben? Mußt
du auch noch mit einer Undankbarkeit, die ihresgleichen nicht hat,
befehlen, daß ich dir meinen Meister bringen und mitten in diesem
Kuppelgewölbe aufhängen soll? Dieser Frevel verdiente, daß du samt
deiner Frau und deinem Palaste auf der Stelle in Staub und Asche
verwandelt würdest. Zu deinem Glück bist du jedoch nicht selbst auf
diesen Gedanken gekommen, und der Wunsch geht nicht unmittelbar von dir
aus. Du mußt nämlich wissen, daß er von dem Bruder des afrikanischen
Zauberers, deines Feindes, herkommt, den du vertilgt hast, wie er
verdiente. Er befindet sich in deinem Palast im Anzug der heiligen Frau
Fatime, die er ermordet, und er hat deiner Frau das verderbliche
Verlangen eingegeben, das du gegen mich geäußert hast. Seine Absicht
ist, dich umzubringen, sei daher wohl auf deiner Hut.« Mit diesen Worten
verschwand er.

Alaeddin verlor keines von den letzten Worten des Geistes. Er hatte von
der heiligen Frau Fatime sagen gehört und wußte recht gut, wie sie dem
allgemeinen Glauben zufolge das Kopfweh heilte. Er ging nun aufs Zimmer
der Prinzessin zurück, und ohne ein Wort von dem zu sprechen, was ihm
soeben begegnet war, setzte er sich nieder, stützte seine Stirne auf
die Hand und sagte, es habe ihn plötzlich ein heftiges Kopfweh befallen.
Die Prinzessin befahl sogleich, die heilige Frau zu rufen, und während
sie geholt wurde, erzählte sie Alaeddin, wie sie in den Palast gekommen
sei und wie sie ihr darin ein Zimmer eingeräumt habe.

Die falsche Fatime kam, und sobald sie da war, sagte Alaeddin zu ihr:
»Komm her, meine gute Mutter, es freut mich, dich zu sehen, du bist
gerade zu meinem Glücke hierhergekommen. Ich bin soeben von einem
abscheulichen Kopfweh überfallen worden, und im Vertrauen auf deine
Gebete bitte ich dich um Hilfe, denn ich hoffe, daß die Wohltat, die du
schon so vielen mit dieser Krankheit Behafteten erwiesen hast, auch mir
nicht abschlagen werdest.« Mit diesen Worten stand er auf und bückte den
Kopf; die falsche Fatime näherte sich ihm, indem sie zugleich mit der
Hand nach einem Dolche griff, den sie unter ihrem Kleide am Gürtel
stecken hatte. Alaeddin aber, der sie genau beobachtete, fiel ihr in die
Hand, noch ehe sie vom Leder gezogen hatte, und durchbohrte sie mit
seinem Dolche, so daß sie tot auf dem Fußboden zusammenstürzte.

»Mein teurer Gemahl, was hast du getan?« rief die Prinzessin voll Angst,
»du hast die heilige Frau getötet!« – »Nein, geliebte Prinzessin,«
antwortete Alaeddin mit großer Ruhe; »ich habe nicht Fatime getötet,
sondern einen Schurken, der mich ermordet hätte, wenn ich ihm nicht
zuvorgekommen wäre. Dieser Bösewicht, den du hier siehst,« fuhr er fort,
indem er ihn enthüllte, »hat die wahre Fatime erwürgt und sich in ihre
Kleider gesteckt, um mich zu erdolchen; mit einem Wort, er war der
Bruder des afrikanischen Zauberers, deines Räubers.« Alaeddin erzählte
ihr hierauf, auf welche Art er diese Umstände erfahren hatte, und ließ
sodann den Leichnam wegschaffen.

Auf diese Art wurde also Alaeddin von der Verfolgung der beiden
verbrüderten Zauberer befreit. Wenige Jahre darauf starb der Sultan in
hohem Alter. Da er keine männlichen Nachkommen hinterließ, so folgte ihm
die Prinzessin Bedrulbudur als gesetzmäßige Erbin auf dem Throne nach
und teilte ihre Herrschaft mit Alaeddin. Sie regierten miteinander viele
Jahre und hinterließen eine berühmte Nachkommenschaft.

[Illustration]



_Druck von F. Bruckmann A.G. in München_



Anmerkungen zur Transkription: Die nachfolgende Tabelle enthält eine
Auflistung aller gegenüber dem Originaltext vorgenommenen Korrekturen.

S. 017: [Anführungszeichen ergänzt] wenn du ihn nicht gesehen hättest.«
S. 018: »Du hast gesehen, »fuhr der Zauberer fort -> »Du hast gesehen,«
S. 045: so muße er sich doch mit -> mußte
S. 059: aber die schechte Behandlung -> schlechte
S. 070: die Prinzessin Bedrulbudur zu heiraten.« -> heiraten?«
S. 070: [Komma entfernt] ungeheuren Bedingungen, die mindeste
S. 072: zwanzig Sklaven herbeischafft -> herbeischaffst
S. 087: Ich besitze welche.« sagte der Sultan -> welche,« sagte



Transcriber’s Notes: The table below lists all corrections applied to
the original text.

p. 017: [added quotes] wenn du ihn nicht gesehen hättest.«
p. 018: »Du hast gesehen, »fuhr der Zauberer fort -> »Du hast gesehen,«
p. 045: so muße er sich doch mit -> mußte
p. 059: aber die schechte Behandlung -> schlechte
p. 070: die Prinzessin Bedrulbudur zu heiraten.« -> heiraten?«
p. 070: [removed comma] ungeheuren Bedingungen, die mindeste
p. 072: zwanzig Sklaven herbeischafft -> herbeischaffst
p. 087: Ich besitze welche.« sagte der Sultan -> welche,« sagte





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