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Title: Quer Durch Borneo - Ergebnisse seiner Reisen in den Jahren 1894, 1896-97 und - 1898-1900; Zweiter Teil
Author: Nieuwenhuis, Anton Willem, 1864-1953
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Quer Durch Borneo - Ergebnisse seiner Reisen in den Jahren 1894, 1896-97 und - 1898-1900; Zweiter Teil" ***


                       Quer durch Borneo

                    Ergebnisse Seiner Reisen
           in den Jahren 1894, 1800-97 und 1898-1900


                              Von

                      Dr. A.W. Nieuwenhuis

                        Unter Mitarbeit

                              Von

           Dr. M. Nieuwenhuis-von Üxküll-Güldenbandt


                          Zweiter Teil

   Mit 73 Tafeln in Lichtdruck und 18 Tafeln in Farbendruck.


                   Buchhandlung und Druckerei
                            Vormals
                           E.J. Brill
                          Leiden--1907



VORWORT.


Beim Erscheinen dieses zweiten und letzten Teils meines Reisewerks
erlaube ich mir darauf aufmerksam zu machen, dass er nach demselben
Plan wie der erste angeordnet ist; umfangreichere Ausführungen über
Staatseinrichtung, Häuserbau, Industrie, Kunst u.z.w. erforderten
eine Behandlung in gesonderten Kapiteln; ausserdem wurden aber auch
diesmal in den Reisebericht, welcher den Zug von Samarinda zu den
Kenjastämmen in Mittel-Borneo schildert, eine Menge Beobachtungen
auf verschiedensten Gebieten eingeflochten.

Vor allem machte es dieser Umstand erforderlich, dass dem Werk als
Wegweiser zu den vielen Einzelheiten ein ausführliches Inhaltsregister
beigefügt wurde. Diesem Hauptregister folgt ein zweites, welches
die im Text vorkommenden inländischen Wörter enthält und somit in
bescheidenem Umfang eine Liste in Mittel-Borneo gangbarer Wörter und
ihrer Bedeutung darstellt. Diese Wörter gehören zwar verschiedenen
Dialekten an, doch habe ich ihren Wert durch sorgfältige Angabe der
richtigen Aussprache zu erhöhen getrachtet.

Jetzt, wo die wichtigsten Resultate meiner Forschungsreisen in diesem
Werke vor mir liegen, fühle ich mich verpflichtet, allen, die mich
auch bei der Herausgabe dieses zweiten Bandes unterstützt haben,
meinen lebhaften Dank zu bezeugen.

An erster Stelle meiner Frau, welche mich dazu ermutigte, schon
so bald nach dem erst 1900 in holländischer Sprache erschienenen
Werk "In Centraal-Borneo" ein zweites, noch umfangreicheres her
auszugeben. Ihrer selbstlosen Mitarbeit habe ich es auch zu danken,
dass die Ergebnisse meiner Forschungsarbeit in der vorliegenden Form
und in deutscher Sprache veröffentlicht werden konnten. So sind die
Resultate meiner langjährigen Reisen durch die Insel, die bisher
noch kein Europäer durchquert hatte, auch dem Auslande zugänglich
geworden und werden hoffentlich dazu beitragen, bei anderen Völkern
richtigere Vorstellungen über die niederländische Verwaltung im
indischen Archipel zu erwecken, als dies durch die oberflächlichen
Betrachtungen geschieht, welche öfters in der ausländischen Presse
die Runde machen.

In herzlichster Dankbarkeit gedenke ich auch diesmal der Hilfe, welche
mir Professor Dr. _F. Schwend_ in Stuttgart bei der sprachlichen
Korrektur in so hohem Masse hat zu Teil werden lassen.


Leiden,

Dezember 1906.

A.W. Nieuwenhuis.



INHALT.


Kapitel I.  1-32

Einzug in Samarinda am 9. Juni--Abreise von _Barth_ und einem Teil des
Personals nach Java--Vorbereitungen zur Reise nach Apu Kajan--Besuch
beim Sultan--Begegnung mit der Siboga-Expedition--Abfahrt von
Samarinda mit dem "Lawu" am 17. Juni 4 tägige Dampferfahrt
bis Udju Tepu und Ana--Mondfinsternis in Ana--Von Ana bis Long
Howong--Rückkehr des "Lawu" zur Küste--Von Long Howong mit Böten nach
Uma Mehak--Über die östlichen Wasserfälle nach Long Deho--Aufenthalt
in Long Deho--Besteigung des Batu Ajo--Von Long Deho nach Long
Tepai--Beunruhigende Gerüchte aus Long Blu-u--Ankunft daselbst im
September--Misstrauen seitens der Kajanbevölkerung.

Kapitel II. 33-51

Der mittlere Mahakam und seine Bewohner--Auswanderungen aus dem
Stammland--Degeneration der Stämme im Tieflande Verhältnis der
Niederlassungen zu einander--Einfluss des Sultans von Kutei auf die
Dajakhäuptlinge--Die Niederlassung Long Deho und ihr Oberhäuptling
_Bang Jok_--Die Punan als Kopfjäger--Verhältnis zwischen den
Kenja und Bahau--Der degenerierende Einfluss der Malaien auf die
Dajak--Erhaltung der ursprünglichen Sitten und des Kultus der Dajak am
mittleren Mahakam--Tundjung- und Kenjastämme--Verhältnis der Bewohner
des oberen zu denen des mittleren Mahakam.

Kapitel III.    52-74

Plan eines Zuges ins Quellgebiet des Mahakam--Schwierigkeiten
bei den Vorbereitungen--Fahrt auf dem Mahakam bis zum Quellfluss
Selirong--Durch den Seliku auf den Lasan Tujang--Aussicht von
dessen Gipfel--Topographische Aufnahmen Geologische Verhältnisse
des Quellgebiets--Über den Lasan Towong zurück zum Lagerplatz am
Selirong--Charakter der beiden Quellflüsse--Besteigung des Batu Balo
Baung--Umschlagen des Bootes in den Stromschnellen--Vereinigung der
topographischen Messungen des Mahakam- und Kapuasgebietes--Heimkehr
nach Long Blu-u nach einmonatlicher Abwesenheit.

Kapitel IV. 75-94

Aussichten für die Reise nach Apu Kajan--Beziehungen der Bahau zu
ihrem Stammlang--Die Kenja als Kopfjäger--Alte Fehden zwischen den
Kenjastämmen--Bedrohungen seitens des Sultans von Kutei--Vergebliches
Warten auf die Einsetzung eines Kontrolleurs--Beratung in Long
Tepai--Reisehindernisse seitens der Bahau--Beunruhigende Gerüchte
von der Küste und Apu Kajan--Abschied von Long Blu-u--Über Long Tepai
nach Long Deho.

Kapitel V.  95-129

Organisation eines Stammes am oberen Mahakam--Stellung der
Häuptlingen Freien und Sklaven--Vielweiberei--Verlobung
Heirat, Ehescheidung, Ehebruchs Erbschaftsrechte--Geburt und
Verbotsbestimmungen für Kinder--Schreckfiguren und Beschwörungen
zur Vertreibung von Krankheiten--Prophezeiungen ans den Eingeweiden
von Tieren--Betrügerisches Vorgehen der Priester--Geisterbeschwörung
bei Dürre--Schöpfungsgeschichte der Mahakam-Kajan--Die mächtigsten
Geister des Mahakam (_seniang_)--Begräbnisgebräuche--Ökonomische
Verhältnisse am Mahakam--Ackerbau und Ackerbaufeste--Verschiedene
Feldprodukte--Sagogewinnung--Fleischnahrung--Fischfang und
Fischzucht--Haustiere--Schlachtmethoden Fleischkonservierung.

Kapitel VI. 130-146

Religiöse Bedeutung einiger Spiele der Mahakam-Dajak--Spiele
der Männer: Waffentanz (_kenja_), Ringkampf, Wettlaufs
Hochund Weitsprung, Ball- und Kreiselspiel, Scheinkämpfe
(Wasserspritzen, Blasrohrschiessen)--Spiel der Frauen: Tanz zwischen
Preisstampfern--Volksspiele--Kinderspiele: Spielzeug, Steinewerfen (aus
freier Hand; mit Schleudern), Figurenbilden mittelst einer Schnur,
Häuserbau--Singtänze (_ngarang_)--Rezitationen--Musikinstrumente:
Gonge, _kledi_, Flöten, Guitarre (_sape_), Maultrommel (_tong_)--Singen
und Pfeifen.

Kapitel VII.    147-185

Häuserbau bei den Bahau- und Kenjastämmen--Unterscheidung
dreier Baustile--Vorschriften bei der Wahl des Baumaterials
und Baugrundes--Bau von _Kwing Irangs_ Haus--Hilfeleistung
seitens der Dorfgenossen und fremden Stämme--Zeremonien bei der
Aufrichtung der Pfähle--Konstruktion des Gerüstes des Fussbodens
und Dachs--Innere Einteilung--Ausstattung der Galerie (_awa_) und
des Wohngemachs (_amin_)--Äusserer Hausschmuck--Herstellung von
Schindeln--Opferzeremonien bei der Dachdeckung Verbotsbestimmungen
für ein unvollendetes Haus--Feierlicher Einzug ins neue
Haus--Entzündung des ersten Herdfeuers Kopfjagdzeremonien--Opferung
und Schlussfeier--Hausbau bei den Freien--Bau von Scheunen.

Kapitel VIII.   186-233

Charakter der Industrie bei den Bahau und Kenja--Herstellung von
Kleidung: Spinnerei; Webereid Verzierung durch Figuren Stickereien,
Knüpfarbeiten- Baumbastkleidung--Schmieden: Werkzeuge; Eisengewinnung
Herstellung von Arbeitsgerätschaften, Lanzen, Schwertern;
Verzierung der Schwerter--Schnitzerei: Griffe und Scheiden; Holz-
und Bambusschnitzerei--Flechterei: Zubereitung von Rotang, _kebalan,
tika, samit;_--Flechten von Körben, Mattem Hüten; Flechtarbeit
für Waffen--Töpferei--Bootsbau: Wahl und Behandlung des Materials;
Roharbeit Endbehandlung--Kalkbrennerei--Herstellung von Schmuck aus
Steinen und Perlen: Wert der Perlen ihre Herkunft, Verwendung; Rolle
der Perlen in der Kulturgeschichte.

Kapitel IX. 234-284

Allgemeines über die Kunstäusserungen der Bahau- und
Kenjastämme--Zahl und Art der in der Ornamentik angewandten
Motive--Verwendung von Menschenfiguren--Erkennungszeichen für
bestimmte Motive--Tierfiguren (Hunds Tiger, Rhinozerosvogel)
Verwendung einzelner Tierteile (Feder des Argusfasans,
Pantherfell)--Genitalmotive--Stilisierungen--Verwendung der Motive im
Kunsthandwerk: bei Hirschhorngriffen, Schwertscheiden, Bambusköchern,
Kleiderverzierungen, Perlenarbeiten--Einfluss fremder Völker und
Stämme auf die Entwicklung der Kunst bei den Bahau und Kenja.

Kapitel X.  285-306

In Long Deho--Auseinandersetzungen mit _Bang Jok_--Begegnung mit den
Kenja-Dajak unter _Taman Ulow_--Missstände im Dorfe--Zusammenkunft
mit dem Kenja-Häuptling _Taman Dau_--Ankunft _Demmenis_ und _Kwing
Irangs_ am 3. April--Neue Beratungen über die Reise--Einverständnis
der Häuptlinge mit dem Zuge nach Apu Kajan--_Bo Adjang Ledjüs_
Tod und Beisetzung--Wahl und Vorbereitung eines Lagerplatzes am
Boh--Widersetzlichkeiten seitens des Personals--Neue Hindernisse
durch die Kajan--_Midans_ Rückkehr von der Küste--Aufbruch zum Boh
am 17. Mai.

Kapitel XI. 307-331

Dreimonatlicher Aufenthalt im Lagerplatz am Boh--_Bier_ verlässt die
Expedition--Anlage einer Fischsammlung--Günstige Nachrichten aus Long
Blu-u--Offizieller Bericht von der Einsetzung eines Kontrolleurs am
Mahakam--7 Kenja unter _Taman Ulow_ schliessen sich der Expedition
an--Jagdverhältnisse am Mahakam--Kastrierung der Hunde, Jagdmethoden,
Fallenstellen, Beschwörung der Hunde, Vogeljagd--_Kwing Irangs_
Ankunft am Boh--Reiseberatung--Schwierigkeiten durch den Tod von
_Kwing Irangs_ Schwester--Vorbereitungen zur Abreise--Aufbruch der
Kenjagesandtschaft unter _Taman Ulow_.

Kapitel XII.    332-360

Aufbruch von der Bohmündung am 6. August--Reise auf dem Boh
und seinen Nebenflüssen Oga, Temha und Meseai--Landweg über die
Wasserscheide--Begegnung mit unserer Gesandtschaft--Freundlicher
Empfang seitens der Kenja in Apu Kajan--Einzug in Tanah Putih am
5. September.

Kapitel XIII.   360-401

Empfang in Tanah Putih--Verhältnisse im Dorf--Erste
politische Versammlung--Freundschaftlicher Verkehr mit den
Dorfbewohnern--Überblick über die geographischen und geschichtlichen
Verhältnisse in Apu Kajan--Besuch aus benachbarten Dörfern--Stellung
der verschiedenen Stände bei den Kenja--Tod und Begräbnis eines
Häuptlings--Ankunft der verirrten Long-Glat-Gesellschaft--2. und
3. politische Versammlung--Anerkennung der niederländischen Herrschaft
in Apu Kajan.

Kapitel XIV.    402-428

Aufforderung und Vorbereitung zu einem Besuch bei den flussabwärts
gelegenen Niederlassungen--Ankunft in Long Nawang--Zustände im
Dorf--Freundschaftlicher Verkehr mit den Bewohnern--Besuch von
fremden Häuptlingen--Politische Versammlung--Besuch bei den
Uma-Djalan--Rückkehr nach Tanah Putih--Vorbereitungen zur Heimreise.

Kapitel XV. 429-452

Abschied von Tanah Putih am 4. November--Im Lagerplatz
am Kajan--Wiederholter Aufenthalt durch schlechte
Vorzeichen--Zusammentreffen mit den Kajan in Long Laja--Geologische
Verhältnisse im Laja--Aussichtsposten auf der Wasserscheide--Abstieg
zum Meseai--Aufenthalt wegen Hochwasser--Umschlagen eines Bootes
im Kiham Puging--Jagd auf Wildschweine--Ankunft am Mahakam--Besuch
bei _Barth_ in Long Iram--Abschied von _Kwing Irang_--Auflösung der
Expedition in Samarinda--Ankunft in Batavia am letzten Dezember 1900.

Kapitel XVI.    453-487

Allgemeines über die körperliche und geistige Entwicklung der
Dajak auf Borneo--Gründe für ihre geringe Bevölkerungsdichte:
klimatische und hygienische Einflüsse, Krankheiten--Abhängigkeit des
Gesundheitszustands von der Höhe des Landes--Einfluss mangelhafter
Entwicklung und Kenntnis auf die ökonomischen Verhältnisse
und auf die religiösen Vorstellungen--Geistige Fähigkeiten der
Dajak--Charaktereigenschaften--Körperliche und geistige Überlegenheit
der Kenja-Dajak über die Bahau-Dajak.

Kapitel XVII.   488-507

Verhältnis zwischen der dajakischen, malaiischen und europäischen Rasse
auf Borneo--Malaiische Regierungsprinzipien--Einfluss der Malaien auf
ökonomischem und religiösem Gebiet--Unterdrückung und Ausbeutung der
dajakischen Stämme durch die malaiischen Fürstenfamilien--Degeneration
der ursprünglichen Bevölkerung--Furcht der Dajak vor den serawakischen
Stämmen--Segensreicher Einfluss einer europäischen Verwaltung--Gründung
des Fürstentums Serawak unter _James Brooke_ und die günstigen
Resultate von dessen Wirksamkeit.

Kapitel XVIII.  508-519

Ergebnisse meiner Reisen auf dem Gebiete der Naturwissenschaft, Medizin
und Topographie--Praktische Bedeutung ethnologischer Studien für eine
friedsame Kolonisation--Politische Ereignisse in Mittel-Borneo nach
meiner Rückkehr--Schlussbemerkung.



LISTE DER TAFELN.



Tafel.                         Gegenüber Seite

 1. Der Mahakam unterhalb Long Deho      Titelbild.
 2. Der Kiham Lobang Kubang      18
 3. Der Kiham Lobang Kubang      28
 4. Junge Männer der Mahakam-Kajan      42
 5. Männer der Mahakam-Kajan      56
 6. Männer der Mahakam-Kajan      66
 7. Junge Männer der Mahakam-Kajan      80
 8. Drei wohlhabende Frauen der Kajan am Mahakam in Festkleidung    96
 9. Frauen der Mahakam-Kajan in Alltagskleidung      106
10. Überreste eines Hindugrabes      116
11. Quer durch den Bach gelegter Deich      126
12. Kriegstanz      132
13. Ringende Männer der Bahau. Tanz der Frauen      134
14. Übungen mit dem Springstock      136
15. Kinderspielzeug und Kreisel      138
16. Kajanknaben auf dem Gerüst ihres selbstgebauten Häuschens   140
17. Junges Kajanmädchen, die Stammessages rezitierend      140
18. Junger Kajan, Kledi spielend      142
19. Musikinstrumente der Bahau      144
20. Musizierende Kajanfrauen      146
21. Gemütliches Beisammensein      146
22. Altes Haus des Long-Glathäuptlings in Batu Sala      148
23. Häuser der Ma-Tuwan. Herstellung von Schindeln      150
24. Das vollendete Haus von _Kwing Irang_      152
25. Opferszene      158
26. Aufrichtung des Hauptpfahls von _Kwing Irangs_ Haus      160
27. Bildhauer      162
28. Geopfertes Ferkel. Verzierte Tür      162
29. Querschnitt durch _Kwing Irangs_ Haus      164
30. Längsschnitt durch _Kwing Irangs_ Haus      164
31. Gerüst von _Kwing Irangs_ Haus      166
32. Gerüst von _Kwing Irangs_ Haus      166
33. Bildhauerarbeit      168
34. Die Galerie von _Kwing Irangs_ Haus      168
35. Grundriss von _Kwing Irangs_ _amin_      170
36. Kochen von Schweinefleisch      174
37. Seitenansicht eines _panjin_-Hauses      182
38. Querschnitt durch dasselbe _panjin_-Haus
    Grundriss des _panjin_-Hauses      182
39. Inneres einer Kajanwohnung A      184
40. Inneres einer Kajanwohnung B      184
41. Arbeitende Kajanfrauen      188
42. Webende Kajanfrau      188
43. Röcke der Kajanfrauen      190
44. Unfertiger Frauenrock      190
45. Arbeitende Kajanfrauen      190
46. Gestickte Rockränder      192
47. Handarbeiten der Bahau      194
48. Klopfen von Baumbast      196
49. Jacke aus Baumbast      196
50. Kriegsmantel aus Baumbast      196
51. Eiserne Gerätschaften und Töpfe      198
52. Unvollendete Schwerter der Bahau      204
53. Schnitzender Kajan.
    Zubereitung von Rotangstreifen      208
54. Körbe der Bahau      212
55. Kajanfrauen bei der Arbeit      214
56. Herd in der Wohnung eines Freien      216
57. Abarbeitung eines Bootes      220
58. Brennen von Muschelkalk      222
59. Kunstperlen      232
60. Verzierte Gegenstände der Bahau und Kenja      240
61. Verziertes Hausgeräte der Bahau      242
62. Verzierungen und Werkzeuge      254
63. Schwertgriffe aus Hirschhorn      260
64. Hirschhorngriffe      262
65. Schnitzereien auf Pfeilköchern      266
66. Schnitzereien auf Bambusköchern      268
67. Schnitzereien auf Bambusköchern      268
68. Schnitzereien auf Bambusköchern      270
69. Perlenarbeiten, Holzpatronen und Kindertragbrett      272
70. Perlenverzierungen für Kindertragbretter      274
71. Perlenverzierungen für Kindertragbretter      274
72. _Tap hawat_, Perlenverzierung der Kajan      274
73. Zwei _lawong apang_, Frauenmützen der Mahakam-Kajan   276
74. Perlenverzierungen für Mützen      276
75. Perlenverzierungen für Mützen      278
76. _Kehad Njangoen_, 17-jähriges Kajanmädchen      278
77. _Eroh Edoh_, kinderlose, 18-jährige Frau      298
78. _Dewong Kehad_, Frau der Mahakam-Kajan      304
79. Kinderlose Frauen der Mahakam-Kajan      310
80. _Buring Pengai_, neunzehnjährige Kajanfrau      316
81. Erlegter wilder Stier      320
82. Brücke über eine Schlucht      354
83. Kubu auf dem Wege nach Tanah Putih      360
84. Prunkgrab von _Bui Djalongs_ Tochter _Kuling_      370
85. Schreckfigur und -Pfahl      390
86. Kubu in Long Nawang      410
87. Blick auf die Niederlassung der Kenja zu Long Nawang   418
88. Frau und Knabe der Kenja Uma-Tow      426
89. Karte des Kedjin, gezeichnet von einem Kenja      438
90. Zeichnung eines Kenja Uma-Tow      484
91. Zeichnung eines Kenja Uma-Tow      486



KAPITEL I.

    Einzug in Samarinda am 9. Juni--Abreise von _Barth_
    und einem Teil des Personals nach Java Vorbereitungen
    zur Reise nach Apu Kajan--Besuch beim Sultan--Begegnung
    mit der Siboga-Expedition--Abfahrt von Samarinda mit dem
    "Lawu" am 17. Juni--4 tägige Dampferfahrt bis Udju Tepu und
    Ana--Mondfinsternis in Ana--Von Ana bis Long Howong--Rückkehr
    des "Lawu" zur Küste--Von Long Howong mit Böten nach Irma
    Mehak--Über die östlichen Wasserfälle nach Long Deho--Aufenthalt
    in Long Deho--Besteigung des Batu Ajo--Von Long Deho nach Long
    Tepai--Beunruhigende Gerüchte aus Long Blu-u--Ankunft daselbst
    im September Misstrauen seitens der Kajanbevölkerung.


Der Dampfer des Sultans brachte unsere Expedition spät abends nach
Samarinda. Herr _van Assen_, der Assistent-Resident, befand sich, wie
wir vom Sultan gehört hatten, gerade auf einer Reise nach Bulungan. Der
vorgerückten Stunde wegen wagten wir anfangs nicht, als Gäste in sein
Haus einzuziehen, wozu er uns aufgefordert hatte. Ein indisches Hotel
erschien aber _Barth_ und mir nach allen überstandenen Anstrengungen
so wenig verlockend, dass wir uns am Ende doch noch entschlossen, die
Wohnung des Herrn _van Assen_ aufzusuchen, in der uns dessen Gattin
ebenso herzlich wie auf der vorigen Reise empfing und uns einige bereit
gehaltene Zimmer anwies. Seit länger als einem Jahr schliefen wir
hier zum ersten Mal wieder in einem guten Bett. _Demmeni_ und _Bier_
nächtigten im Hotel, während die Bahau und unser javanisch-malaiisches
Geleite teils in unseren, teils in ihren eigenen Böten schliefen,
die wir nach Samarinda mitgenommen hatten. Unsere Schutzsoldaten
waren von ihren samarindaschen Kollegen sogleich abgeholt und in
deren Kaserne einquartiert worden.

Meine erste Arbeit bestand darin, alles so zu ordnen, dass, sobald
der Dampfer von Bulungan eintraf, _Barth_, die meisten Javaner und
die Schutzsoldaten nach Java weiterfahren und letztere von dort
nach Pontianak zurückbefördert werden konnten. Sehr leid tat es mir,
dass auch unsere Pflanzensucher _Sekarang_ und _Amja_ nach Buitenzorg
zurückkehren mussten, da ohne sie das Sammeln auf botanischem Gebiet
nur mangelhaft fortgesetzt werden konnte. Mit Rücksicht auf unsere sehr
bedeutende Sammlung lebender Pflanzen war es aber durchaus notwendig,
dass sachverständige beute die Pflanzen auf der Reise begleiteten,
um sie vor Hitze oder schlechter Behandlung zu schützen.

Meinen Diener Mm Arm, den Jäger Doras und den sehr gewandten _Abdul_
hatte ich bereits während des letzten Teils der Reise dazu überredet,
gegen eine Lohnerhöhung von 5 fl monatlich nochmals mit mir ins Innere
der Insel zurückzukehren. Von _Hadji Umars_ Malaien nahm ich zwei,
_Delahit_ und _Umar_, die sich willig und brauchbar gezeigt hatten,
in meinen Dienst.

Die Reiseberichte unserer Schutzsoldaten in der Kaserne hatten
so günstig gelautet, dass 5 junge Soldaten, die ich gern mit mir
nehmen wollte, sogleich aus ihrem Dienst in Samarinda traten
und sich mir anschlossen. Die Anwerbung des Personals regelte
sich übrigens von selbst, während wir alles für _Barths_ Reise
vorbereiteten. Die ethnographischen und zoologischen Sammlungen nahm
_Barth_ nicht mit; jene deponierte ich in Samarinda, diese sandte
ich, damit sie nicht verdarb, sogleich an das Museum in Leiden. Die
nassgewordenen Ethnographica hatten eine Aufbesserung sehr nötig,
so brauchte ich denn auch in Samarinda mein Personal nicht völlig
untätig gehen zu lassen. Die meisten spielten sich übrigens als
Führer ihrer Bahaufreunde auf, von denen die wenigsten eine so
grosse Küstenstadt gesehen hatten und ohne Begleitung auszugehen
wagten. Ich gab ihnen nur zuverlässige Personen mit, damit sie von
den malaiischen und chinesischen Händlern auf dem Markt nicht zu
stark betrogen wurden. Ich selbst hatte vor der Abreise _Barths_
keine Zeit, mich der Leute anzunehmen.

Am 9. Juni kehrte der schöne, grosse Dampfer "de Reiniersz"
mit dem Assistent-Residenten _van Assen_ von Bulungan zurück und
fuhr am folgenden Tage mit _Barth_ und zwölf unserer inländischen
Reisegefährten an Bord weiter nach Bandjarmasin und Batavia. In _Barth_
verlor ich einen heiteren Gesellschafter und eine grosse Stütze für
meine fernere Reise.

Hiermit war die erste unserer Expedition gestellte Aufgabe erfüllt. Im
Lauf von 13 Monaten, vom Mai 1898 bis zum Juni 1899, hatten wir
Borneo von Pontianak nach Samarinda durchquert, und die politischen
und wissenschaftlichen Resultate unserer Reise entsprachen vollständig
unseren Erwartungen. Nun galt es, auch die zweite Aufgabe, den Zug zu
den Kenja in Apu Kajan, zu einem glücklichen Abschluss zu bringen. Die
Hauptschwierigkeit, geeignetes Personal zu finden, hatte ich, wenn
auch mangelhaft, bereits gelöst, und was die Ausrüstung betraf, so
hatte ich auf den Markt in Samarinda gerechnet. Die Tauschartikel
und Konserven, die ich von Batavia aus hergesandt hatte, fand ich
wohl aufgehoben wieder, und auch die Perlen, die ich von Putus Sibau
aus den Assistent-Residenten in Pontianak einzukaufen gebeten hatte,
waren gut angekommen und für mich um so wertvoller, als der Markt in
Samarinda nur eine geringe Auswahl an Perlen bot. Beim Einkauf der
speziell für die Kenja geeigneten Artikel bot sich mir der Anführer
der Long-Glat, _Bo Ului_, der einzige Mann, der mehrmals bei den
Kenja gewesen war, als Ratgeber an. So zog ich denn mit ihm von
einem chinesischen oder buginesischen Laden in den anderen, stets
gefolgt von der ganzen Bahaugesellschaft, die nichts besseres zu tun
wusste, als unter meinem Schutz nochmals alle fremden Herrlichkeiten
zu bewundern. Überdies hatten die meisten in den ersten Tagen noch
zu überlegen, was sie sich anschaffen sollten, wie ihre Guttapercha
und ihre _guliga_ am besten zu verkaufen wären und--da sie alle ein
Geschenk von mir erwarteten--welchen Gegenstand sie am liebsten von
mir haben wollten. Es fiel mir nicht schwer, unter all den anziehenden
Gegenständen etwas Passendes für sie zu finden; mit Beilen, Perlen,
Tongefässen und Ähnlichem stellte ich sie bald zufrieden. Auf Anraten
_Bo Uluis_ kaufte ich für die Kenja weissen Kattun an Stelle des
schwarzen, den ich von Batavia hergesandt hatte und der für die Bahau
geeigneter war. Auch veranlasste _Ului_ mich, alle vorhandenen grossen
Glasperlen aufzukaufen, weil diese von den Kenja als Gürtelschmuck
sehr geschätzt werden. Ferner erstand ich einen Vorrat von 2 dm langem,
weissem Ziegenhaar, das zur Verzierung von Schwerter n beliebt ist und
einen leichten und wertvollen Tauschartikel bildet. Unterdessen war _Bo
Uluis_ Auge auf grosse, sehr flache, als Schmuck für Kriegsmäntel sehr
gesuchte Austerschalen gefallen; doch erschienen sie mir zu schwer zum
Transport. Sehr zu statten kam später der bedruckte Kattun und Batik,
den wir hier einkauften. Die grosse Auswahl an Elfenbeinarmbändern, die
uns zu Gebote stand, war mir um so erwünschter, als ich bereits über
Erwarten viele Sätze hatte verschenken müssen. Weniger willkommen war
mir bei unseren Einkäufen die Gegenwart meiner Bahau: ich wusste nur
zu gut, dass sie später versuchen würden, alle gesehenen Gegenstände
mir abzukaufen oder abzubetteln.

Mein Diener _Midan_ nahm wiederum die Sorge für unsere Küchen vorräte
auf sich. Da wir uns in bezug auf Raum und Gewicht sehr einschränken
mussten, liess ich ihn für uns Europäer nur Zuspeisen zum Reis und
für die Malaien so viele gedörrte Fische und gesalzene Eier einkaufen,
als wir für die Reise bis zu den Wasserfällen voraussichtlich brauchen
würden.

Mit dem Handelsdampfer des Sultans war die Fahrt den Mahakam hinab
leicht von statten gegangen, weit schwieriger erwies es sich nun,
den Fluss wieder hinauf zu gelangen. Die Regierung von Kutei hatte
uns während unserer Reise so deutliche Beweise ihrer Unzufriedenheit
mit unserem Aufenthalt bei den Bahau gegeben, dass wir eine besondere
Unterstützung von ihr bei unserer Rückkehr ins Innere lieber nicht in
Anspruch nehmen wollten. Hierzu wären wir jedoch gezwungen gewesen,
wenn wir auf den bestimmten Termin der Abfahrt des Dampfers nicht
hätten warten wollen, oder wenn wir unsere beiden grossen Böte und die
drei der Bahau von dem Dampfer ins Schlepptau hätten nehmen lassen. Um
dies zu vermeiden, suchte ich einen kleinen Dampfer zu mieten, aber von
den zweien, die in Samarinda Privatleuten gehörten, war der eine defekt
und der andere für unseren Zweck unbrauchbar. Zum Glück kam Herr _van
Assen_ auf den guten Gedanken, die Lotsengesellschaft an der Mündung
des Mahakam um einen Dampfer zu ersuchen. Der betreffende Beamte,
Herr _Bussemaker_, zeigte sich auch sogleich bereit, mir einen seiner
beiden Dampfer zur Verfügung zu stellen, unter der Bedingung, dass
ich die verbrauchten Kohlen selbst bezahlte. "De Lawu", ein kleiner,
aber sehr starker Schleppdampfer, war der geeignetste, doch konnte
er nicht die ganze Menge Kohlen mitführen, weswegen ich die nötige
Quantität durch den Handelsdampfer des Sultans voraus nach Udju Tepu
schaffen liess, um sie dort einzunehmen.

Höflichkeitshalber und gleichzeitig zur Besprechung einiger
Angelegenheiten stattete ich dem Sultan mit dem Assistent-Residenten
einen offiziellen Besuch ab. Da die Residenz Tengaron weit oberhalb
Samarinda liegt und im Gebiet von Kutei, gleichwie im Innern, fast
keine Landwege existieren, mieteten wir eine Dampfbarkasse, die
uns nach Tengaron brachte. Der Sultan empfing uns, trotzdem er von
meinen Unternehmungen und meiner Person durchaus nicht eingenommen
war, als Vertreter der Regierung aus politischen Gründen doch mit
grosser Zuvorkommenheit. Er interessierte sich für den Verlauf
meiner Expedition, über die er sehr gut unterrichtet sein musste,
berührte aber keine politischen Fragen, was sehr am Platze war,
da sich nicht nur der Tronfolger, sondern auch dessen Brüder, unter
diesen der berüchtigte _Raden Gondol_, über den ich mich am meisten
zu beschweren hatte, in unserer Gesellschaft befanden.

Am Mittagsmahl nahmen alle männlichen Glieder der fürstlichen
Familie Teil, wobei die jüngsten Prinzen, der Hofsitte gemäss,
bedienten. Der elende _Raden Gondol_, der gegen die Bahaubevölkerung
im Innern die schändlichsten Missetaten beging, suchte unserem
Besuch zuletzt dadurch eine gehässige Wendung zu geben, dass er
den Häuptling _Bang Jok_ aus Long Deho rufen ging, der sich noch
in Tengaron befand und den der Sultan dazu gebracht hatte, gegen
unsere Expedition feindlich aufzutreten. Ich benützte jedoch Gondols
Abwesenheit und brachte alle Schandtaten, die er in Uma Mehak beging,
zur Sprache. Während meines Berichtes wurde der Sultan, der rechts
von mir sass, rot vor Verlegenheit und bemerkte zu dem ihm gegenüber
sitzenden Kronprinzen, er habe nicht gewusst, dass es so schlimm
stehe. Er erklärte, ebenfalls allerhand gehört, aber den Gerüchten
keinen Glauben geschenkt zu haben; da die Berichte nun aber aus solch
einer Quelle kamen, wollte er seinem Sohne nicht mehr gestatten, nach
Uma Mehak zu gehen, sondern ihn in Tengaron zurückhalten. Das musste
ihm sehr schwer fallen, da er _Gondol_ seiner Schulden wegen selbst
fortgeschickt hatte. Der Sultan behauptete übrigens, sein Sohn begehe
die Übeltaten nur unter dem starken Einfluss seiner Frau _Mariam_,
die allerdings sehr energisch war. Als _Raden Gondol_ bald darauf im
Triumph mit _Bang Jok_ zurückkehrte, hatte sich die Schadenfreude der
Tischgenossen bereits stark gelegt, und wir ertrugen im Bewusstsein,
unser Ziel erreicht zu haben, mit Gleichmut die unangenehme Gegenwart
des Häuptlings. _Bang Jok_ schien übrigens durchaus nicht heiterer
Stimmung zu sein und fühlte sich auch in dieser hohen Gesellschaft
sehr gedrückt; obgleich er mit seinem Vater mehrere Jahre vom Sultan
in Tengaron zurückgehalten worden war, hatte er in der malaiischen
Umgebung seinen Gesichtsausdruck doch noch nicht so zu beherrschen
gelernt, wie die am Tische sitzenden Kuteischen Fürsten. Da wir nichts
Wichtiges weiter zu besprechen hatten, fuhren wir bald darauf nach
Samarinda zurück.

Ich vermutete, dass _Kwing Irang_ und die Seinen in Udju Tepu bereits
ungeduldig geworden waren, und da auch mein Bahaugeleite nichts lieber
wollte, als das ihm fremde und unheimliche Samarinda verlassen, wurde
es Zeit zur Rückkehr nach dem oberen Mahakam. Einige unserer Bahau
hatte ich bereits an dem Tage, an dem _Barth_ nach Java abgereist
war, in Gesellschaft von _Demmeni_ und _Sorong_ nach Udju Tepu
vorausziehen lassen. Es hatten uns nämlich zwei unserer Malaien,
die in Tengaron ebensogut bekannt waren wie in Samarinda, erzählt,
der Sultan habe die Absicht, _Kwing Irang_ nach Tengaron kommen zu
lassen. Das musste vermieden werden; erstens weil hierdurch ein sehr
unerwünschter Aufenthalt entstanden wäre, zweitens weil ein an die
Residenz des Sultans gerufener Bahauhäuptling zu einem willenlosen
Werkzeug in dessen Händen gemacht wird. _Kwing Irang_ fürchtete
sich daher selbst davor, in Tengaron zur Ablegung des Untertaneneids
gezwungen zu werden, wie es eben mit _Bang Jok_ geschehen war. Hätte
_Kwing_ keine Nachricht von mir erhalten, so wäre er wahrscheinlich
doch dem Ruf des Sultans gefolgt; so liess ich ihn denn durch _Sorong_
ersuchen, in keinem Fall zur Küste zu kommen, auch reiste _Demmeni_
mit einem Teil der Leute und des Gepäckes voraus, um die Bewohner von
Tengaron und Udju Tepu von unserem baldigen Aufbruch zu überzeugen. Die
Reisevorbereitungen brachte ich zu einem schnellen Abschluss und
wartete dann nur noch auf die Ankunft des Dampfers. Der Einkauf
von Steinkohlen führte mich dazu, einer Aufforderung des Direktors
_Hulshoff-Pol_ nachzukommen und die Steinkohlenminen in Batu Panggal,
zwischen Samarinda und Tengaron, zu besuchen. Der Direktor liess mich
eines Morgens mit einer Dampfbarkasse aus Samarinda abholen, und als
ich 1 1/2 Stunden darauf in Batu Panggal ausstieg, lag dort gerade
ein grosser Dampfer an der Reede, der abends zuvor vom Meere aus an
Samarinda vorübergefahren war und den niemand dort kannte. Zu meiner
grossen Überraschung hörte ich, dass das Schiff die "Siboga" sei, mit
der Professor _Max Weber_, dessen Gattin _Anna Weber van Bosse_ und
einige andere Gelehrten eine Tiefseeforschung in der östlichen Hälfte
des malaiischen Archipels unternahmen. Obgleich wir uns persönlich
nicht kannten, hatten wir doch von einander gehört, so dass ich die
Teilnehmer der Expedition gern kennen lernen wollte und mich beeilte,
sie von meiner Anwesenheit zu unterrichten. Leider musste die _Siboga_,
um den günstigen Wasserstand an der Mahakammündung zu benützen, bereits
eine halbe Stunde darauf die Anker lichten, doch behielt ich diese,
wenn auch kurze Begegnung mit gebildeten, sympathischen Menschen in
angenehmer Erinnerung.

Zur grossen Freude unserer Bahau beschloss ich, am 17. Juni
abzureisen; sie hatten alles Interessante in Samarinda bereits
gesehen, und da sie bald nichts mehr besassen, um sich Leckereien,
wie gedörrte Fische, Süssigkeiten und Früchte zu kaufen, begannen
sie sich zu langweilen. Sie verlangten nur noch nach einer einzigen
Sehenswürdigkeit, nach europäischen Damen in europäischer Kleidung,
mit den für sie so seltsamen dünnen Taillen, von denen sie durch
Landsleute, die bereits in einer Küstenstadt gewesen waren, gehört
hatten. Europäerinnen in der losen, indischen Morgenkleidung, _sarong_
und _kabaja_, hatten sie bereits gesehen, aber das Merkwürdigste
war ihnen noch vorbehalten. Es traf sich gut, dass die samarindasche
Damenwelt ihrerseits darauf aus war, meine wilden Dajak Kriegstänze
aufführen zu sehen. In dem Hotel, in dem _Demmeni_ und _Bier_ wohnten,
hatte mein Geleite zwar schon vor den Herren getanzt, um nun aber die
Damen und meine Bahau gleichzeitig zufrieden zu stellen, hielt ich es
für das beste, diese in der grossen viereckigen Galerie des Herrn _van
Assen_ eine Extravorstellung für die weiblichen Zuschauer geben zu
lassen. Am Vorabend unserer Abreise wurden die beiden interessierten
Parteien denn auch wirklich eingeladen und fanden alle Musse, sich
teils von Stühlen, teils vom Fussboden aus zu betrachten. Meine
Dajak hatten zum Glück ihre schönen Schwerter und Blasrohre bei sich,
Schilde und Kriegsmützen lieh ich ihnen, und so wetteiferten sie denn
der Reihe nach im Tanze. Einige verstanden den Tanz überhaupt nicht
oder waren so ungewandt, dass sie sich in unserer Gegenwart zu tanzen
schämten; andere dagegen wollten mit ihrer Kunst gern vor uns glänzen,
ausserdem wurden sie dadurch angefeuert, dass Kajan und Long-Glat,
die einander in nichts nachstehen wollen, gegen einander aufzukommen
hatten. Dass zuletzt sogar der alte _Bo Ului_ zum Tanze aufgemuntert
wurde, obgleich Greise für gewöhnlich nicht mithalten, bewies mir
die gute Laune meiner Bahau und den animierenden Einfluss, den die
Gegenwart der europäischen Damen auf sie ausübte. Die Zuschauerinnen,
die derartige Kriegstänze noch nie hatten aufführen sehen, folgten
der Vorstellung mit Spannung und Bewunderung, so dass unser Aufenthalt
in Samarinda ein für alle Teile angenehmes Ende nahm.

Der "_Lawu_" war bereits mittags angelangt und zur Aufnahme von
Kohlen zur Mine weitergefahren. Da unsere Böte, um gut bugsiert
werden zu können, nur wenig belastet werden durften, wurde der
Dampfer, nachdem er abends zurückgekehrt war, mit dem grössten und
schwersten Teil unseres Gepäckes, hauptsächlich mit Blechkisten mit
Salz, Petroleum und Öl, Säcken mit Kartoffeln, Zwiebeln, getrockneten
Fischen und Kisten mit gesalzenen Eiern beladen. Trotzdem stellte
sich, als wir am folgenden Morgen unsere Reise antreten wollten, die
Schwierigkeit ein, dass, sobald der Dampfer stärker anzog, die Böte,
besonders die nur wenig über Wasser hervorragenden der Bahau, welche
in Schlepptau genommen waren, mit der Spitze leicht Wasser schöpften
und bei Biegungen umzuschlagen drohten. Von vorn herein musste daher
mit halbem Dampf gefahren werden und wir gelangten an diesem Tage
nur bis Tengaron, wo wir Halt machten, da ich mich noch vom Sultan
endgültig verabschieden und auf dem Markt einige Tauschartikel,
hauptsächlich langes, weisses Ziegenhaar, das in Samarinda nicht
in genügender Menge vorhanden gewesen war, einkaufen wollte. Gegen
Abend liessen _Bier_ und ich uns beim Sultan melden, der uns sehr
liebenswürdig empfing und in seinem Palast herumführte. Sehr stolz
war er auf die elektrische Beleuchtung, die überall angebracht worden
war und für die einige Japaner zu sorgen hatten.

Der malaiische Diplomat vermochte diesmal doch nicht gänzlich
über meine politische Tätigkeit unter den Bahaustämmen; die ihn
natürlich sehr nahe anging, zu schweigen. Als wir unwillkürlich
über das Binnenland zu reden anfingen, bemerkte er, dass wir beide
miteinander dort um den grössten Einfluss wetteiferten. Ich hielt
aber ein näheres Eingehen auf diesen Gegenstand nicht für geraten
und brachte das Gespräch auf die Plantagen, die Seine Hoheit seit dem
Beginn seiner Regierung angelegt hatte. Nachdem wir mit dem Sultan noch
eine Tasse Thee getrunken hatten, suchten wir in unseren langen Böten
unser Nachtquartier auf, da auf dem Dampfer keine Passagierkabinen
vorhanden waren.

Am anderen Morgen ging die Reise weiter. Wir fuhren 4 Tage lang den
Mahakam aufwärts, der bis dicht vor Udju Tepu durch sehr flaches, wenig
über den Wasserspiegel emporragendes Land strömt, das bei Hochwasser
überschwemmt wird. Die Häuser der malaiischen Dörfer sind auf dieser
Strecke daher entweder auf Pfählen längs des Ufers gebaut, oder sie
stehen auf Flössen, die mittelst Rotangkabeln am Uferwall befestigt
sind und mit dem Wasser steigen und fallen. Das Gleiche geschieht
mit den zum Ufer führenden Holzstegen, die meistens aus grossen
Baumstämmen bestehen, die der Fluss von oben heruntergeschwemmt
hat. Die im Gebirge des Binnenlandes herrschen den Regen bewirken
nämlich nicht nur ein Steigen des Wassers, sondern schaffen auch die
vor Alter oder bei der Anlage von Reisfeldern ins Wasser stürzenden
Bäume in den Hauptfluss und von dort zur Mündung. Bei Hochwasser sieht
man den Fluss daher stets ausser Massen von Schlamm eine Menge Blätter,
Äste und Stämme verschiedenster Grösse abwärts führen. Viele dieser
Bäume haben Jahre gebraucht, um den Hauptstrom und tiefes Wasser zu
erreichen, und erscheinen durch das Anprallen an Felsen aller Äste
beraubt und von aussen oft völlig verfault. Andere dagegen sehen noch
sehr frisch aus und besitzen noch eine grosse Triebkraft. Die oben am
Fluss wohnenden Dajak, die nur auf festem Land bauen, lassen diese
Waldriesen vorüber treiben, und diese werden von den Malaien weiter
unten bei Hochwasser aufgefangen. Wer einen solchen Stamm zuerst in
Besitz nimmt, wird dessen Eigentümer und darf ihn entweder selbst
verwenden oder verkaufen. Die meisten werden zur Herstellung von
Flössen gebraucht, indem man sie aneinanderlegt und durch Querbalken
verbindet. Auf den Flössen wiederum werden Häuser und Badehütten
gebaut oder dienen sie zum Transport von Rotang. Die Gelegenheit,
solcher Stämme habhaft zu werden, ist flussaufwärts natürlich am
günstigsten, daher werden sie sowohl am Kapuri als am Mahakam von
Malaien, die zur Küste reisen wollen, an den Oberläufen gesammelt.

Einmal sah ich Malaien und Buginesen, die sich zu Handelszwecken bei
den Bahau aufhielten, die angeschwemmten Stämme billig aufkaufen,
aus ihnen Flösse und auf diesen Häuser bauen und mit ihnen nach
beendeten Geschäften den Mahakam hinunter bis in das malaiische
Gebiet fahren, wo sie entweder selbst in den Häusern weiter wohnten
oder diese verkauften.

Die verschiedenen malaiischen Dörfer, an denen wir vorüberfuhren, wie
Kota Bangun, Muara Pau und Melak tragen alle den gleichen Charakter;
sie bestehen aus zwei Reihen Häuser, die eine auf dem Ufer, die andere
auf Flössen erbaut, beide getrennt durch einen schmalen, hart am Wasser
verlaufenden Uferweg. Die schwimmenden Häuser werden je von einer
Familie bewohnt und sind bei weitem nicht alle, durch Bretterstege
miteinander verbunden, was übrigens auch nicht notwendig ist, da
die Bewohner sich, wie alle Malaien, gern in Böten bewegen. Weitaus
die meisten leben von Buschprodukten, die sie selbst sammeln oder mit
denen sie Handel treiben, und von Fischfang. Geräucherte Fische bilden
besonders in den Gegenden, in denen sich zu beiden Uferseiten des
Mahakam zahlreiche Seen befinden, einen wichtigen Handelsartikel. Da
diese Seen nämlich sehr fischreich und nicht tief sind, lässt sich in
ihnen bei niedrigem Wasserstande in kurzer Zeit eine grosse Menge
Fische fangen. Der Sultan von Kutei, ein grosser Liebhaber der
Fischerei, begiebt sich jährlich zu bestimmten Zeiten an diese Seen.

Der Mahakam ist in diesem Teil seines Laufes 400-800 m breit und
macht, besonders wenn man aus dem Innern kommt, wo keine Ebenen
existieren, seiner sehr flachen, morastigen Ufer wegen einen
imposanten Eindruck. Am dritten Tag passierten wir eine Gegend,
in der keine Wälder zu sehen waren, sondern viele über eine grosse
Fläche zerstreute, verkohlte Stämme von einem in nicht allzu ferner
Zeit staugefundenen, ausgedehnten Waldbrand zeugten. Dieser hatte
in der Tat während einer grossen Dürre im Anfang der achtziger Jahre
hier geherrscht, und seit der Zeit war auf diesen Ebenen nur Gestrüpp
gewachsen.

Weiter oben liegt Melak, der Lieblingsaufenthalt des früheren Sultans
und zugleich die höchste Niederlassung am Mahakam, die er noch betreten
durfte. Sie liegt nämlich am Fusse eines 150 m hohen Berges, des Gunung
Sindawar, der einer Überlieferung zufolge das Gebiet des Sultans
begrenzt und von diesem und seinem Geschlechte nicht überschritten
werden darf. Nach der Überlieferung stieg der erste Vorfahr des Sultans
mit seinen zwei Brüdern vom Himmel auf die Erde herab. Sie teilten das
Land am Mahakam in drei Teile, mit der Bestimmung, dass weder sie noch
ihre Nachkommen die Grenzen der anderen überschreiten durften. Der
Sultan und diejenigen seiner Söhne, die auf die Nachfolgerschaft
Aussicht haben, halten noch heute an dieser Überlieferung fest.

Am 21. Juni erreichten wir um die Mittagszeit Udju Tepu, wo ich mit
den bandjaresischen Kaufleuten sogleich meine Geschäfte abwickelte;
auch liess ich _Kwing Irang_ und seine Bahau am jenseitigen Ufer
davon benachrichtigen, dass sie sich für die Abreise am folgenden
Morgen vorbereiten sollten. Inzwischen nahm der "Lawu" die Kohlen ein,
die der "_Sri Mahakam_" hier für ihn deponiert hatte.

Einen schmerzlichen Augenblick verursachte mir der Abschied von
_Hadji Umar_, der von Samarinda aus mit uns wieder aufwärts gereist
war und nun in Udju Tepu zurückbleiben wollte. Seit unserer Reise
zur Küste hatte _Umar_ sich stets geweigert, Chinin einzunehmen, viel
leicht in der Hoffnung, an der Küste bessere Arzneien zu finden. In
Samarinda war er mit einigen anderen Malaien zu einem Bekannten gezogen
und hatte sich sogleich chinesische Medizinen besorgt. Wenige Tage
darauf rief man mich zu ihm, weil es ihm nach Gebrauch dieser Arzneien
immer schlechter gegangen war und sie eine heftige Diarrhoe verursacht
hatten. Der bereits sehr geschwächten Kräfte des Patienten wegen konnte
ich die Diarrhoe nicht vollständig kurieren und bald darauf litt er
auch am Magen und an der Mundschleimhaut, so dass es mit dem Essen
schlimmer als je stand. _Umar_ merkte selbst die ständige Zunahme
seiner Schwäche und wünschte daher in Udju Tepu zurückzubleiben,
wo er einige Wochen später, am 10. Juli, starb. Seine Frauen und
Kinder und die Malaien, die mit ihm gezogen waren, ausser _Delahit_
und _Umar_, die ich in meinen festen Dienst genommen hatte, blieben
beim Kranken zurück. In diesem intelligenten, einflussreichen Manne,
der den Charakter der Bahau-Häuptlinge und deren Beziehungen zu
einander vollkommen kannte, verloren wir eine grosse Stütze am Mahakam.

Obgleich ich _Kwing Irang_ durch _Demmeni_ hatte benachrichtigen
lassen, waren die Bahau, wie ich bereits gefürchtet hatte, zur
plötzlichen Abreise am folgenden Morgen nicht vorbereitet. Der eine
hatte noch etwas einzukaufen, der andere von einem Händler noch Geld
oder Waren zu empfangen u.s.w. Ich erklärte aber, in keinem Fall
warten zu wollen, da das Wasser ständig fiel und das grosse Boot,
dessen Tiefgang 6 Fuss betrug, bei zu niedrigem Wasserstande nicht
fahren konnte.

Der nervöse _Njok Lea_ hatte das lange Warten in Udju Tepu nicht
ertragen können und war bereits fünf Tage nach unserer Abreise nach
Samarinda mit vier Mann Begleitung in einem Boote wieder aufwärts
gefahren. _Bo Ului_ und seine Leute waren darüber sehr beunruhigt; sie
fürchteten, _Njok_ könnte sich aus Verzweiflung über den Tod seiner
beiden Reisegenossen das Leben nehmen, und zeigten sich daher zur
Weiterreise mit uns am folgenden Tage sogleich bereit. Dank _Demmenis_
Vorbereitungen in dem eine halbe Stunde höher gelegenen Ana konnte bei
unserer Ankunft mit dem Dampfer sogleich mit dem Laden begonnen werden.

Als wir abends in aller Ruhe auf dem Verdeck unser Mahl einnahmen,
entstand im Dorfe plötzlich grosse Aufregung; die Bewohner riefen
einander an, ein besonders laut dröhnender Gong ertönte mit vielen
anderen, ab und zu knallte ein Gewehrschuss, und schliesslich
wurden an langen Bambussen brennende Bündel umhergetragen und hin-
und hergeschwungen. Die Ursache dieser Unruhe wurde uns erst klar,
als wir einige Leute auf den Vollmond weisen sahen, der sich bereits
teilweise verfinstert hatte. Unser Kalender, den wir sogleich
befragten, verzeichnete eine totale Mondfinsternis für diesen Tag;
auf eine baldige Beruhigung der Eingeborenen war daher nicht zu
rechnen. Auch der Stamm der Tundjung, der nicht am Flusse selbst,
sondern weiter landeinwärts wohnte, war durch diese Naturerscheinung
heftig erregt worden: sobald in Ana einen Augenblick Ruhe eintrat,
drangen die Schläge der Gonge und Trommeln von den Hügeln her zu uns.

Die verschiedenen Mondphasen sehen die Bahau als verschiedene Wesen,
Geister, an, die am Himmel Zuflucht suchten. Die Flecken auf dem
Vollmonde sollen in der Zeit entstanden sein, wo diese Geister
noch als Menschen nach Bahausitte mit vielen anderen in einem Hause
zusammen lebten. Der Mond war damals ein aussergewöhnlich schönes
Mädchen, das den Neid ihrer Gefährtinnen in so hohem Masse erregte,
dass ihr eine derselben beim Füttern der Schweine den heissen Brei
des Schweinefutters übers Gesicht goss, wodurch dieses vollständig
verbrannt wurde. Die Flecken auf dem Monde bedeuten daher Brandnarben.

Glücklicherweise schien der Mond wieder hell, bevor wir uns
niederlegten- die Dorfbewohner beruhigten sich, und wir suchten im
Schlaf für den folgenden Morgen frische Kräfte zu sammeln. Der Tag
begann für uns früh, weil ich in Anbetracht des forwährend fallenden
Wassers unsere Abreise beschleunigen wollte. Um 6 Uhr war jeder bereits
mit dem Einladen des Gepäcks beschäftigt und schon vor 7 befanden wir
uns nach Udju Tepu unterwegs, um die Bahau von dort abzuholen. Ausser
vier Böten der Long-Glat waren nur drei Böte der Kajan soweit fertig,
dass wir sie sogleich aufwärts bugsieren konnten. _Kwing Irang_
wollte die Zurückbleibenden nicht im Stiche lassen und versprach,
so schnell als möglich nachzukommen; ich sollte ihn an dem höchsten
Punkte, bis zu dem der Dampfer uns bringen konnte, erwarten.

Im Augenblick der Abfahrt von Ana trafen noch drei andere Böte der
Kajan ein, die wir auch aufwärts bugsieren sollten, so dass ich jetzt
zwei eigene Böte und zehn der Bahau mitzunehmen hatte. Dies erschwerte
die Aufgabe des Steuermanns um ein beträchliches, da der Dampfer
auf diese Weise viel von seiner Bewegungsfreiheit einbüsste, die er
doch weiter oben sehr nötig hatte. Er war nämlich bisher nur bis Ana
hinaufgefahren und die Bänke, Untiefen und Felsblöcke im Flusse waren
der Mannschaft daher nur bis zu diesem Punkte bekannt. Weiter aufwärts
hatte sich nur ein einziges Mal ein Dampfer des Sultans gewagt, mit
dem Resultat, dass er in der Nähe der Ratamündung auf eine Geröllbank
auflief. Der malaiische Bootsführer teilte mir daher sogleich mit,
dass er, falls ich den Fluss noch weiter hinauffahren wolle, die
Verantwortung nicht weiter übernehme und sein Amt als Steuermann
und Befehlshaber niederlegen werde, obgleich ich ihm gesagt hatte,
dass zwei zuverlässige Bandjaresen, die diesen Teil des Flusses oft
befahren hatten, mitgehen und das Fahrwasser angeben würden.

Da ein möglichst weites Hinaufbugsieren der Böte für uns sehr
wichtig war und ein Kennenlernen des Fahrwassers dem künftigen
Verwaltungsbeamten am Mahakam von grossem Wert sein konnte, beschloss
ich, die Verantwortung und mit dieser das ungewohnte Kommando auf einem
Dampfer selbst auf mich zu nehmen. Nach einem herzlichen Abschied von
_Angin_, der Wittwe _Ding Ledjüs_, und von deren Sohn _Djü_, fuhren
wir bei fallendem Wasser und strahlendem Sonnenschein ab. Falls
der Wasserstand nicht mehr viel niedriger wurde, liefen wir keine
Gefahr, und da meine beiden Führer wirklich gut Bescheid wussten,
dampften wir den ganzen Tag über langsam weiter. Als wir bei Udju
Halang vorbeifuhren, eilten sämtliche Dorfbewohner ans Ufer, um den
aussergewöhnlichen Anblick eines Dampfbootes zu geniessen.

Obgleich die Strömung zwischen den Geröllbänken bisweilen sehr heftig
war, wurde sie von dem kräftigen Dampfer doch ohne Schwierigkeiten
überwunden. Dank dem chinesischen Maschinisten, der sein Amt nicht
wie der maduresische Befehlshaber niedergelegt hatte, sondern sein
möglichstes zu leisten versuchte, geschah am Ersten Tage auch kein
Unglück. Die Felsblöcke, die etwas unterhalb 'Ma Mehak Teba an der
linken Uferseite lagen und von denen man dem Befehlshaber gesagt hatte,
er werde nicht lebend an ihnen vorüberkommen, ragten weit über die
Wasserfläche hervor und waren daher leicht zu vermeiden. Selbst
die Engen und Stromschnellen bei 'Ma Mehak Teba, welche für die
Schiffahrt sehr verhängnissvoll werden können, passierten wir ohne
Schwierigkeiten, da die sonst heftigen Strömungen bei diesem niedrigen
Wasserstande ungefährlich waren.

Bei Sonnenuntergang liessen wir an der Mündung des Pari den Anker
fallen, worauf unsere Bahau zu ihrer grossen Erleichterung ihre
Böte lösten und ans Ufer ruderten. Sie hatten sich nämlich den Tag
über zwar an der grossen Schnelligkeit der Fahrt erfreut, jedoch bei
jeder Wendung scharf darauf achten müssen, dass ihre schwerbeladenen,
niedrigen Böte nicht Wasser schöpften und umschlugen. Sie verhinderten
dies, indem sie ihre Böte mittelst der langen _gala_ (Stangen)
untereinander verbanden, wodurch sie besser das Gleichgewicht zu
bewahren vermochten. Es erwies sich bald als notwendig, alle Böte,
ausser den beiden grossen, vom Dampfer loszulösen, denn der Anker
wollte im Flussgrund nicht haften. An verschiedenen stellen wurde
versucht, einen Halt zu finden, auch hörten wir den Anker auf dem Boden
schleppen, doch blieb er nirgends haften, weil das ganze Flussbett
aus glatten Steinschichten mit geringen Unebenheiten bestand. Erst
als die ganze eiserne Kette hinabgelassen worden war, blieb der
Dampfer still liegen, jedoch nur scheinbar, in Wirklichkeit glitt er
sehr langsam stromabwärts, was uns aber nicht verhinderte, ruhig bis
zum Tagesanbruch zu schlafen. Der Morgen war dunkel und regnerisch;
bevor wir noch aufbrachen, goss es in Strömen. Das Wasser begann auch
sogleich zu steigen und durch die stärker werdende Strömung erwuchsen
uns weit mehr Schwierigkeiten als Tags zuvor. Auch jetzt hinderten
die Böte der Bahau eine Fahrt mit vollem Dampf, die häufig bei engen
Biegungen um Geröllbänke der heftigen Strömung wegen sehr wünschenswert
gewesen wäre. So fuhren wir denn auch schliesslich geradeaus auf
eine überschwemmte Geröllbank auf, und nur ein schnelles Arbeiten
der Maschine in umgekehrter Richtung verhinderte ein Festlaufen.

Nun blieb nichts anderes übrig, als die Bahau den Fluss selbständig
hinauffahren und nur unsere grossen Böte vom "_Lawu_" bugsieren zu
lassen. Zwar ging es jetzt mühelos weiter, aber da oberhalb Long
Howong, beim Rata, sehr schwer zu überwältigende Strömungen vorkommen
und das Wasser infolge des anhaltenden Regens ständig stieg, beschloss
ich, doch in Long Howong anzulegen und es von dem folgenden Tage
abhängen zu lassen, ob der "_Lawu_" uns noch weiter bugsieren sollte
oder nicht. Das ununterbrochene Steigen des Flusses veranlasste uns
bereits abends, die Ladung aus dem Dampfer in einige schwimmende
malaiische Häuser, die vor der eigentlichen Niederlassung im Flusse
lagen und verschiedenen buginesischen und bandjaresischen Händlern
gehörten, überzuführen. Bald darauf legten auch unsere Bahau vor
unseren improvisierten Packhäusern an.

Am anderen Morgen fuhr der "_Lawu_" bereits früh zur Küste zurück und
nahm alle Briefe mit, die wir in den letzten einförmigen Tagen unseren
Angehörigen und Freunden geschrieben hatten. In grosse Verlegenheit
brachte mich der Gedanke, wie ich die ganze Ladung des Dampfers nach
oben schaffen sollte. Am schwersten waren die grossen Mengen Salz, die
ich auch diesmal in verlöteten Blechgefässen zu je 20 kg mitgenommen
hatte und von denen die meisten für die Kajan und Long-Glat, als
Lohn für ihre Reise zur Küste, bestimmt waren. Um unser Gepäck so
viel als möglich einzuschränken, begann ich daher bereits hier, vor
Ablauf der Reise, den Bahau ihren Teil auszubezahlen, so dass sie
das Salz in ihren eigenen Böten unterbringen mussten. Die Long-Glat
waren jetzt aber kaum noch zu halten, wollten auf den Nachschub
der Kajan unter _Kwing Irang_ nicht länger warten und hatten es
so eilig, ihren Häuptling _Njok La_ einzuholen, dass ich sie nur
mit Mühe dazu bewegen konnte, 25 Salzkisten für mich nach Long Deho
mitzunehmen. In Anbetracht, dass sie bereits ihr eigenes Salz wegen
zu grosser Belastung der Böte in Long Howong zurückgelassen hatten,
verargte ich es ihnen nicht, dass sie unsere Salzkisten nicht über die
östlichen Wasserfälle brachten, sondern in Long Bagung deponierten. Am
Abend des 26. Juni reiste dieser Teil unserer Gesellschaft ab, nachdem
vorher noch ein Boot mit Kajan, die Udju Tepu vor uns verlassen hatten,
in Long Howong angekommen war. Diese hatten sich allein auf den Rückweg
gemacht, weil einer der Ruderer an einer Unterleibskrankheit, zu der
noch Malaria hinzugetreten war, schwer krank darniederlag. Da seine
Angehörigen nicht genau wussten, wann ich aus Samarinda eintreffen
würde und die Schwäche des jungen Mannes stets zunahm, hatte man
beschlossen, mit ihm den Heimweg anzutreten, damit er zu Hause oder
doch wenigstens seiner Heimat so nahe als möglich sterbe. Nach dem
Bericht der Kajan war der Mann an dem Leiden erkrankt, das sich die
Stämme aus dem Innern häufig bei längerem Aufenthalt an der Küste
zuziehen. Die Krankheit entsteht dadurch, dass die zu Handelszwecken
zur Küste reisenden Eingeborenen sich dort allerhand Naschwerk und
Leckerbissen kaufen, für sie ungewohnte und schädliche Genüsse;
ausserdem trinken sie, wie daheim im Gebirge, das hier bereits stark
verunreinigte Flusswasser. Die Dajak mit ihrer zarten Konstitution
erkranken hierdurch begreiflicherweise leicht an Unterleibskrankheiten,
die sich mit Malaria komplizieren und dann häufig einen tätlichen
Verlauf nehmen.

Die Kajan hatten sich bereits so sehr in die Vorstellung, dass der Mann
sterben müsse, hineinversetzt, dass sie auch an meine ärztliche Kunst
nicht mehr glaubten und kaum dazu zu überreden waren, nicht mit den
Long-Glat weiterzureisen. Erst als ich sie darauf aufmerksam machte,
dass sie den Kranken sicher nicht lebend bis zum Blu-u bringen würden
und er ebenso gut in Long Howong als weiter aufwärts sterben könne,
entschlossen sie sich zum Bleiben. Ich nahm den bereits apathischen
Patienten sogleich in Behandlung, liess ihn mittelst Laudanum die Nacht
gut schlafen, sorgte für geeignete Nahrung und brachte ihn in einigen
Tagen so weit, dass er bei unserer Abreise bereits im Boote sitzen und,
noch bevor wir die Wasserfälle erreichten, ein Stück weit gehen konnte.

Bereits am folgenden Tage erschien _Kwing Irangs_ Faktotum _Sorong_
und meldete des Häuptlings Ankunft. Am 28. Juni traf dieser
auch wirklich ein. Das Wasser war in den letzten Tagen ständig
gefallen, daher beeilten wir uns, diese günstige Reisegelegenheit
zu benützen. Auch _Kwing Irangs_ Kajan hatten so viel Gepäck von der
Küste mitgenommen, dass ich für meine vielen Böte keine genügende Menge
Ruderer fand. Indem ich den Kajan ihren Lohn in Salz ausbezahlte, die
drei Böte für _Biers_ topographische Aufnahme als Packböte benützte
und 20 Kisten Salz in Long Howong abstellte, konnte das eine grosse
Boot zurückbleiben. Unsere Kajan und Malaien zogen das 23 m lange
Fahrzeug voller Eifer den hohen Uferwall hinauf und banden es an
einige Hauspfähle fest, so dass es vor Wind und Wetter zum grössten
Teil geschützt war.

Am Morgen des 29. Juni erklärten die Kajan, alle Leute für ihre eigenen
Böte nötig zu haben; da meine eigenen Malaien und Javaner für unsere
kleinen Ruderböte erforderlich waren, blieb für das grosse Boot, in
dessen Mitte ein Asyl für mich aufgeschlagen war, keine Bemannung
übrig. Nach _Kwing Irangs_ Meinung konnten die Bewohner von Long
Howong sehr gut helfen. Als ich mich daher des Morgens zum Häuptling
_Ledjü_ begab, erklärte sich dieser zu meiner Verwunderung sogleich
bereit, mein Boot so weit bringen zu lassen, als die Leute an diesem
Tage zu rudern im Stande wären. Obgleich ich an der Erfüllung des
Versprechens noch einigermassen zweifelte, machte ich mich sogleich
an die Reisevorbereitungen.

Zuerst überwachte ich die Ladung des Gepäckes, denn das neue
Personal besass vom richtigen Packen keinen Begriff, und die fünf
Schutz soldaten aus Samarinda hatten sich bereits in Ana durch
Ungeschicklichkeit ausgezeichnet. Meine braunen Gehilfen waren aber
alle sehr willig und die Arbeit daher in einigen Stunden erledigt. Weit
mehr Schwierigkeiten verursachten meine weissen Reisegenossen. Bereits
nachts war ich in meinem Boote wiederholt durch das laute Benehmen von
_Bier_ geweckt worden, der mit _Demmeni_ ein schwimmendes Haus eines
bandjaresischen Kaufmanns bewohnte. Zugleich hörte ich den Grammophon,
den _Demmeni_ zur Unterhaltung der Bahau um teures Geld in Samarinda
gekauft hatte. Ich dachte anfangs, dass beide die schöne Tropennacht in
heitrer Stimmung genossen, aber als der Morgen anbrach, trat immer noch
keine Ruhe bei ihnen ein, und beim Aufstehen merkte ich sogleich, dass
_Bier_ dem Alkohol stark zugesprochen hatte und _Demmeni_ mehr infolge
der durchwachten Nacht als des Alkohols schlechter Laune war. Es
stellte sich heraus, dass _Bier_, um den Genüssen der zivilisierten
Gesellschaft in Samarinda noch lange fröhnen zu können, eine Flasche
Genever mitgenommen hatte, von der er jeden Tag ein Gläschen hatte
geniessen wollen. Unsere bevorstehende Reise in die unbekannte Wildnis
hatte ihn aber so bedrückt, dass er unter dem Einfluss der Töne des
Grammophons alle Widerstandskraft verloren und mit _Demmeni_ beinahe
die ganze Flasche leergetrunken hatte. Das Schlimmste war, dass er in
dieser Verfassung erklärte, nicht mit uns reisen zu wollen; auch war
er anfangs so erregt, dass er nicht wusste, was er tat. Ich ging ihm
daher aus dem Wege. _Demmeni_ bat ich, den Patienten nicht zu reizen
und darauf zu achten, dass er nicht aus seiner Behausung herauskam,
da er sonst Gefahr lief, von den schwimmenden Balken, auf denen man
gehen musste, ins Wasser zu fallen. Die Hausbewohner waren schon
abends zuvor aus Furcht vor dem grossen, starken Europäer geflohen,
und so erwartete ich von der Ruhe und dem Rest natürlichen Verstandes,
der ihm geblieben, das Beste. Ich beschloss, dass _Bier_ seine Sachen
in ein besonderes Boot laden lassen und mit uns fahren oder eventuell
folgen sollte, nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Die
ersten Stunden vergingen mit allerhand Vorbereitungen, und da ich
_Bier_ nicht hörte, glaubte ich, alles stünde gut, und begab mich vor
dem Essen zu ihm, um seine Stimmung auszukundschaften. Als er von der
Weiterreise immer noch nichts wissen wollte, appellierte ich an sein
militärisches Ehrgefühl als deutscher Unteroffizier, sagte ihm auch,
dass ich ihm sein Betragen nicht nachtragen wolle und dass mir viel an
seiner Begleitung gelegen sei. Die Wirkung meiner Rede wollte ich beim
Frühstück abwarten. Wie ich später von _Demmeni_ hörte, hatte _Bier_
sich inzwischen doch zum Mitgehen entschlossen und wollte eigenhändig
sein Gepäck in sein Boot laden. Da mir dies zu gefährlich vorkam, liess
ich ihn von _Demmeni_ und einigen furchtlosen Malaien in seinem Boote
unterbringen, wo bald sein fester Schlaf aller Unruhe ein Ende machte.

Gegen 10 Uhr morgens traten wir unsere Bootfahrt endlich an und
erreichten an diesem Tage Laham. Die Leute aus Long Howong, die uns
hier verliessen, wollten für ihre Arbeit nicht einmal eine kleine
Belohnung annehmen. Die Bewohner von Laham geleiteten uns weiter
nach Long Asa, _Hadji_ Urans früherem Wohnort, wo sich noch seine
ganze Gesellschaft Buschproduktensucher aufhielt. _Delahit_ brachte
einige dieser Leute dazu, uns nach Uma Mehak hinaufzurudern, doch
zeigten sie sich nicht so bescheiden wie die Bewohner von Long Howong,
sondern nahmen für den erwiesenen Dienst gern 1 fl pro Person an.

Des ständig fallenden Wassers wegen, das zum Hinauffahren über die
Fälle sehr günstig war, drang ich gleich nach unserer Ankunft in Uma
Mehak gegen Mittag auf die Beschaffung von Ruderern, deren ich nur
bis zum Beginn der Wasserfälle bedurfte, da _Kwing Irang_ versprochen
hatte, uns mit seinen Leuten über den Kiham Halo und Kiham Udang bis
nach Long Deho zu bringen. Weitaus die meisten Männer wohnten aber
auf ihren Reisfeldern und die beiden jungen, durch das Spiel schlaff
gewordenen Häuptlinge sehen nicht vertrauenerweckend aus. So schlug ich
denn _Bier_ nach dem Essen vor, mit unseren Malaien vorauszufahren,
um das in der Aufnahme noch fehlende Stück des Mahakam zu ergänzen
und zu versuchen, auch den Bunut bis zu seiner Wasserscheide mit
dem Murung zu messen, da dieser Fluss, der bei Long Bagun in den
Mahakam mündet, einen viel benützten Verbindungsweg mit dem Gebiet des
Murung bildet. Auch _Kwing Irang_ und seine Kajan fanden ihre Zeit zu
kostbar, um auf die Männer von Uma Mehak zu warten und fuhren mit dem
Versprechen weiter, uns abholen zu wollen, falls wir in diesem Dorfe
keine Hilfe erhielten. Zu unserem Verdruss hatten wir auch zwei Tage
später noch keine genügende Bemannung für unsere Böte beisammen.

Am Morgen des 4. Juli konnten wir nur ein kleines Boot dieser Bahau
mit Gepäck hinaufschicken, um das grosse Boot etwas zu entlasten. Da
sich für uns selbst immer noch keine Leute eingefunden hatten,
waren wir sehr erfreut, als zwei Böte mit Kajan kamen, um uns nach
oben abzuholen. Als wir abends auf einer Geröllinsel am Fuss des
Batu Tenebang lagerten, erschien eine grosse Gesellschaft Männer aus
Uma Mehak, die, einmal aufgefordert, nun doch gern ihren Tageslohn
verdienen wollten. Meine Entrüstung über ihr langes Zögern machte
so viel Eindruck, dass sie auf meinen Vorschlag, uns nicht nur bis
Long Bagun, sondern nötigenfalls auch noch weiter bringen zu wollen,
sogleich eingingen.

Mit Hilfe der zahlreichen Mannschaft ging es am folgenden Morgen
schnell weiter nach Long Bagun, wo wir _Kwing Irang_ mit den Seinen auf
einer Insel gelagert antrafen; _Bier_ war bereits mit einem Kajanboot
den Bunut hinaufgefahren. _Kwing Irang_, der es wie ich für geraten
hielt, den günstigen Wasserstand zur Weiterreise zu benützen, gab
_Sorong_ den Befehl, mich mit seinem Boote zu begleiten. Nachdem
ich noch _Bua_ und deren Gemahl _Rauf_ am jenseitigen Ufer einen
kurzen Besuch gemacht hatte, fuhren wir denn auch weiter bis zu einer
Geröllinsel beim Beginn des Kiham Halo, wo wir übernachteten. Früh
am anderen Morgen brachen wir auf und hielten unser Frühstück auf der
Insel Neha Lunuk, auf der alle, die zur Fahrt über den Kiham Halo einen
günstigen Wasserstand abwarten, ihr Lager aufzuschlagen pflegen. Hier
glaubten unsere Männer aus Uma Mehak aber genug geleistet zu haben und
erklärten, nicht weiter zu können. Da es noch nicht einmal Mittag war,
versicherte ich ihnen, dass ich alle Verantwortung für ein eventuelles
Unglück mit dem grossen Boot im Kiham Halo auf mich nehmen wolle
und dass auch das langsam steigende Wasser kein Hinderungsgrund sei,
worauf die Leute sich, wenn auch zögernd, auf den Weg machten. Als die
Männer, die mit dem kleinen Gepäckboot vorausgefahren waren, am Anfang
der Flussenge nochmals das Gepäck an Land zu tragen begannen, rief ich
ihnen zu, dass sie durchaus weiter müssten, und von jetzt an widmeten
sie alle Aufmerksamkeit und Kraft ihrem Boote. Das Wasser stand zwar
tief, strömte aber doch infolge der grossen Enge des Flussbettes sehr
heftig; dabei entstanden an den zerklüfteten Ufern ständig Wirbel und
Strudel, die unserem grossen Boote nicht viel anhaben konnten, aber
immerhin mit grosser Anspannung überwunden werden mussten. So lange
die Ufer noch schräg aufstiegen und aus stark verwittertem Gestein
bestanden, boten sie den Haken der Bootsstangen einen genügenden
Halt und wir gelangten schnell vorwärts. Weiter aufwärts verengte
sich aber das Bett immer mehr und die felsigen Ufer wurden immer
steiler, bis sie zuletzt lotrecht aufstiegen; dabei war das Gestein
so hart und glatt, dass es selbst für die eisernen Haken keine
Unebenheiten oder Spalten als Angriffspunkte bot. An der engsten
Stelle konnte das Boot auf keine Weise vorwärts und wurde dreimal
zurückgetrieben. _Sorong_, die Kajan und die Bemannung des kleinen
Bootes kamen uns zu Hilfe; sie ruderten weiter hinauf bis zu einer
Stelle, wo sie auf den horizontal vorstehenden Sandsteinschichten
hinaufklettern und einen Platz erreichen konnten, der sich mehr
als 20 m über unserer schwierigen Passage befand. Von oben warfen
sie uns ein Stück Holz an einem langen Rotangseil in den Fluss zu,
das von unserem Boote aus aufgefischt wurde, vorauf die Männer den
Rotang an diesem befestigten. Das Boot wurde nun so weit aufwärts
gezogen, bis die Felsen wieder eine genügende Menge Höhlungen und
Spalten zum Einschlagen der eisernen Haken boten. Von hier an konnten
wir uns selbst weiterhelfen, indem wir uns vorsichtig an den steilen
Felsen festklammerten. Es war aber Abend geworden, bevor wir an einer
Geröllinsel oberhalb des Kiham Halo anlegten. Meine Mannschaft freute
sich über das gelungene Wagstück ebenso sehr wie ich und drückte trotz
des anstrengenden und ermüdenden Tages ihre Genugtuung darüber aus,
dass sie das grösste Boot und die schwerste Ladung, die jemals über den
Kiham Halo gefahren waren, ohne Unfall hinaufgeschafft hatte. In dem
angenehmen Bewusstsein, mit meinem Gepäck bereits so weit gefördert
zu sein, schlief ich in meinem Boot neben der grossen Sandbank ein,
auf der die Uma Mehak und unsere Kajan sich neben einander niedrige
Hütten aufgeschlagen hatten. Beim Erwachen am anderen Morgen bemerkte
ich zu meinem Schrecken, dass mein Boot sich völlig schief dem Flusse
zuneigte, da das Wasser nachts gefallen war und das Fahrzeug an der
schräg ansteigenden Seite der Sandbank lag. Wenige Zentimeter weiter,
und das ins Boot strömende Wasser hätte dieses zum Umschlagen gebracht
und ich hätte mich in meinem Moskitonetz unter dem Palmblattdache nur
schwer retten können. Die Männer schoben das Boot eiligst vom Wall
ins Wasser. Früh morgens zahlte ich den Männern aus Uma Mehak ihren
Lohn aus, schenkte ihnen in meiner guten Stimmung noch etwas Salz und
Tabak und liess sie sogleich heimkehren. _Sarong_ und seine Leute, mit
denen ich allein zurückblieb, zogen das Boot an einem Rotangseil bis
zu einem Nebenflüsschen hinauf, wo es sicherer als an der engen Stelle
beim Kiham Halo untergebracht war. Zwei Tage darauf langten auch _Kwing
Irang_, _Demmeni_ und _Bier_ bei uns an; letzterer hatte mit Erfolg
gearbeitet und das noch fehlende Stück des Mahakam oberhalb Uma Mehak
und den Bunut bis zur Wasserscheide mit dem Murung hinauf gemessen.

Die Kajan brachten ihre Böte und ihr ganzes Gepäck an diesem Tage
noch über den Udang bis oberhalb des Batu Brang; abends jedoch kehrte
_Kwing_ mit fast allen seinen Männern und einigen leeren Böten zu
uns zurück, weil er uns aus Ängstlichkeit in dieser Umgebung nicht
allein übernachten zu lassen wagte. Dank dem niedrigen Wasserstande
wurden unsere Böte schnell den Fluss hinauf gerudert und an schwierigen
Stellen wie gewöhnlich mit Rotangseilen dem Ufer entlang gezogen. Unser
Gepäck brauchte sogar am Kiham Udang nicht über Land getragen zu
werden, da das Wasser selbst an dieser engen Stelle augenblicklich
tief stand. Der Udang bot jetzt ein ganz anderes Bild als das vorige
Mal. Die Ufer bestanden nun einige Hundert Meter weit aus zahllosen,
unregelmässigen, weissen Konglomeratblöcken, die unter der dunkelgrünen
Masse des Urwaldes in der Mittagssonne hell hervorschimmerten. Im
Kiham Udang selbst lehnten sich die Felsmassen, die bei Hochwasser
völlig überschwemmt werden, turmhoch gegen die Bergwand an. An diesem
Tage erreichten wir noch die Geröllbank oberhalb des Batu Brang und
am folgenden Tage Long Deho.

Die Kajan zeigten sich jetzt, nachdem sie uns so weit gebracht hatten,
nicht geneigt, uns und unser Gepäck auch noch weiter zu befördern,
was _Kwing Irang_ uns am folgenden Morgen mit verlegenem Gesicht
mitteilte. Die Leute meinten, es würde ihnen unmöglich sein, in der nun
folgenden langen Reihe der westlichen Wasserfälle, in denen das Gepäck
mehrmals über Land getragen werden musste, mehr als ihr eigenes Hab und
Gut mitzuführen. Sie hatten, wie es sich später erwies, vollständig
Recht, da sie trotz des sehr günstigen Wasserstandes bis Long Tepai
vier Tage unterwegs gewesen waren. Im Augenblick jedoch lautete
_Kwing Irangs_ Mitteilung entmutigend, trotz seines Versprechens,
uns sobald als möglich durch die Long-Glat aus Long Tepai abholen zu
lassen. Es blieb mir nun nichts anderes übrig, als aus der Not eine
Tugend zu machen und zu versuchen, die Dorfbewohner auch hier durch
Liebenswürdigkeit für uns einzunehmen.

Die vielen Frauen aus _Bo Adjangs_ _amin_ suchten uns den Aufenthalt
durch Freundlichkeit und Hilfeleistungen aller Art so angenehm als
möglich zu machen--da sie ihrerseits allerhand von uns nötig hatten,
freuten sie sich mit allen Dorfbewohnern über unseren gezwungenen
Aufenthalt. Am dringendsten bedurfte meiner wieder der alte _Bo
Adjang_, der in der letzten Zeit wieder stark an Malaria gelitten hatte
und bei seinem Alter sehr schwach war; es dauerte auch mehrere Tage,
bis ich ihn mit Chinin, grosser Ruhe und geeigneter Nahrung etwas
herauf brachte. Zum Glück hing der Alte, trotz seiner gegenteiligen
Behauptung, noch so sehr am Leben, dass ihm das bittere Chinin nie zu
viel wurde. Ausser ihm hatten auch noch viele andere meine ärztliche
Hilfe nötig.

Ich hatte nun Zeit, meine früher angefangenen Unterhandlungen wegen
verschiedener schöner Gegenstände fortzusetzen, stiess hier aber auf
grössere Schwierigkeiten als bei den Kajan, die sich an diesen Handel
bereits gewöhnt hatten. Ein übler Umstand war, dass Long Deho in den
letzten Jahren schwere Zeiten durchgemacht hatte und Lebensmittel dort
immer sehr schwer zu kaufen waren. Nirgends hörte ich so viel über
Missernten klagen, wie hier. Sehr nachteilig wirkte auf den Ackerbau
der Umstand, dass Long Deho ein Zentrum für Spiel und Hahnenkämpfe
bildete und die Dorfbewohner unwillkürlich in dieses Leben und Treiben
hineingezogen wurden.

Viele Bewohner von Long Deho nährten sich aus Reismangel mehr von
Bataten als von Reis, und die anderen Stämme nahmen Reis mit nach
Long Deho, um ihn dort vorteilhaft zu verkaufen.

Die ganze Zeit über, die wir in Long Deho verbrachten, hielt _Bang Jok_
sich in Uma Mehak auf, weil er uns nach seinem Aufenthalt in Tengaron
nicht begegnen wollte. Angenehme Erinnerungen brachte er von seinem
Besuch beim Sultan jedenfalls nicht mit, denn dieser hatte ihm den
Untertaneneid abgezwungen und ihn ausserdem ohne die üblichen Geschenke
abreisen lassen, auch hatte er beim Spiel so viel verloren, dass er
sich an der Küste nicht einmal Salz und Tabak hatte kaufen können.

Die Bevölkerung zeigte sich jetzt durchaus nicht mehr zurückhaltend,
wir verkehrten daher mit allen auf gutem Fuss. Am meisten
Entgegenkommen fanden wir, wie gesagt, bei _Bo Adjangs_ Familie, mit
deren Hilfe ich nochmals den Batu Ajo bestieg, einen Bergzug, der sich
am rechten Mahakamufer in Gestalt einer 1000 m hohen, senkrechten
Mauer erhob. Ich hatte diesen Berg als erster Europäer bereits im
Jahre 1897 bestiegen und mich damals bereits davon überzeugt, dass er
wenigstens nach Norden und Osten einen weiten Ausblick bot; gelang
es uns nun, seinen nördlichsten Endpunkt zu erreichen, so versprach
er uns auch nach Westen eine freie Aussicht. Vom Batu Ajo aus liess
sich vielleicht die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Besteigung
des Pajang beurteilen, der sich, von Long Deho gesehen, als steiler
Berg aus der Ebene erhob. Obgleich _Demmeni_ für Bergbesteigungen
nicht viel Sinn hatte, forderte ich ihn doch zum Mitgehen auf, weil
die Moosvegetation auf dem Gipfel des Batu Ajo einer Aufnahme wert
war. Als Führer und Träger nahm ich die gleichen Leute aus Uma Wak mit,
die mich das vorige Mal begleitet hatten.

Diese wählten diesmal einen anderen Weg: von Long Deho setzten wir
auf das andere Ufer über, folgten zwischen Reisfeldern einem direkt
zum Batu Ajo führenden Pfade und erstiegen dann einen Rücken, der uns
schnell nach oben brachte. Da wir uns hier durch alte, nur mit Gestrüpp
bewachsene und daher schattenlose Reisfelder hindurcharbeiten mussten,
zwang uns die Hitze bereits nach einer Stunde zum Rasten. Zu unserer
Freude befanden wir uns hier am Rande des Waldes, neben dem alten
Reisfelde des _Ibau Adjang_, der mit seiner Frau Dewong gerade damit
beschäftigt war, die Ananasse zu schneiden, welche die Wildschweine
noch übrig gelassen. Sie hatten die Pflanzen dicht neben einander
gesetzt, so dass die Tiere sich nur der äussersten Früchte hatten
bemächtigen können, weil die in starke, scharfe Stacheln auslaufenden
Blätter auch einer Schweinshaut gefährlich werden. Die kühlen,
saftreichen Früchte liessen uns die Ruhe zwar doppelt geniessen,
aber wir betraten doch gern den Urwald, in dessen Schatten es sich
besser steigen liess, als im Sonnenbrand auf den verwilderten Feldern.

Der Pfad, dem wir folgten, war früher häufig von Kahájan-Dajak, die auf
dem Batu Ajo Guttapercha suchten, und von den Bewohnern aus Uma Wak,
die ihren Reis zum Verkauf an die Buschproduktensucher hinaufbrachten,
benützt und vom Unterholz befreit worden. Daher hatten wir auch Uma-Wak
als Führer genommen; die Bewohner von Long Deho kamen für gewöhnlich
nicht so weit den Berg hinauf und hatten ihn auch noch nie erstiegen.

Unmittelbar vor dem Eintritt in den Urwald wurde der Aufstieg sehr
steil, aber indem ich ununterbrochen vorwärts ging, war ich den
schwer beladenen Trägern bald voraus, so dass ich mit zwei Männern
aus Uma Wak als erster die senkrechte Sandsteinwand erreichte,
gegen welche die Bäume unmittelbar anwuchsen. Die Wand bestand aus
horizontalen, über 20 m mächtigen Schichten, von denen einige vor,
andere zurücksprangen, alle aber mit grünen, grauen und braunen Moosen
und Flechten bedeckt waren und von dem ständig abströmenden Wasser
trieften; höhere Pflanzen waren an diesen Felsen nicht zu sehen. Der
Führer bog links ab und wir folgten ihm, über bemooste, den Waldgrund
bildende Sandsteinblöcke auf und absteigend, auf einem Pfade, der
die mehr oder weniger gut passierbaren Stellen verband. Über eine
Stunde weit nach Süden der Felswand entlang gehend, gelangten wir
an einen Kamin in der fast überall senkrechten Wand und stiegen nun
auf einer Schutthalde bis zum Rande des Plateaus hinauf. Über einige
Felsvorsprünge gelangten wir völlig nach oben, wo uns eine neue Welt
empfing. Im Vordergrunde glich das völlig ebene Gelände einem Hochmoor,
im Hintergrunde hingen an Lianen, welche kleine, dünne Bäume verbanden,
Moosmassen und bildeten so 4-6 m hohe, zusammenhängende Wände. Jeder
Ausblick war genommen; die ersten besten Durchgänge mussten benützt
und die Richtung mittelst des Kompasses eingehalten werden. Vorläufig
hatten wir nicht weit zu gehen, denn wir stiessen sehr bald auf das
Gerüst einer Hütte der Kahájan-Dajak, die zwar sehr verfallen war,
aber bald wieder aufgerichtet werden konnte. Die beiden Männer machten
sich auch sogleich ans Werk. Dem Rande des Plateaus mich nähernd,
hörte ich einige Schüsse fallen; die Nachzügler wussten augenscheinlich
den Weg nicht, daher antwortete ich mit Revolverschüssen. Bald darauf
kletterte denn auch der eine nach dem anderen längs der Schutthalde
herauf. Mit der bekannten Geschicklichkeit der Bahau stellten diese
die Gerüste für die Hütten auf und deckten sie mit Segeltuch oder
Palmmatten, so dass wir noch vor Einbruch der Dunkelheit für die
topographischen und photographischen Aufnahmen geeignete Standpunkte
auszusuchen Zeit fanden.

Am anderen Tage machten sich _Bier_ und _Demmeni_ sogleich an die
Arbeit, worauf dieser nach Long Deho zurückkehrte; unterdessen suchte
ich mit einigen der tüchtigsten Begleiter den westlichsten Gipfel des
Batu Ajo zu erreichen, der uns einen Ausblick nach Westen gestatten
musste. Das Gelände bot viele Schwierigkeiten, und nur indem wir
ständig den Kompass gebrauchten und uns dicht aneinander hielten,
bewegten wir uns mit einiger Sicherheit vorwärts. Anfangs folgten
wir einigen Pfaden der Buschproduktensucher und gingen bisweilen auf
den von diesen gefällten und angezapften Guttapercha-Bäumen, doch
weiterhin mussten wir uns Öffnungen in den Mooswänden suchen oder
selbst machen, dabei zwangen uns die zahllosen umgestürzten Bäume, die
in dieser Höhe nur langsam zu verwesen schienen, über sie hinweg oder
unter ihnen hindurch zu klettern. Die Moosmassen, welche mit Wasser
vollgesogenen Schwämmen glichen, durchnässten mich in kaum einer
halben Stunde. Tierisches Leben machte sich hier viel weniger als
unten im Walde bemerkbar; den ganzen Tag über hörten wir kaum einen
Vogel oder eine Zikade. Auch Rhinozerosse, von denen wir zahlreiche
Spuren beim Aufstieg gesehen hatten, schienen diese trostlose Gegend
zu fliehen; wenigstens bemerkten wir hier nichts von ihnen. Der Batu
Ajo erwies sich bald als kaum einen Kilometer breit, und da wir zum
Murung hin nichts als benachbarte, mit Urwald bedeckte Rücken sahen,
suchte ich weiter nach Norden durchzudringen, wo das Gelände etwas
anstieg. Nachdem wir verschiedene Punkte besucht hatten, erklommen
wir gegen 2 Uhr einen steilen, vorspringenden Gipfel, zu dem wir uns
über und unter moosbedeckten Wurzeln stehender und gefallener Bäume
einen Weg bahnen mussten.

Von hier aus sahen wir nun zwar über die Wälder unter uns hinweg ins
Murunggebiet, aber da wir immer noch keinen festen Boden unter den
Füssen hatten, sondern ständig mit Moosmassen, die auf einem Chaos
von Bäumen ausgebreitet lagen, kämpfen mussten, war hier kein fester
Punkt zu finden, von dem aus Peilungen in nordwestlicher Richtung
vorgenommen werden konnten.

Mit Hilfe des Kompasses fanden wir uns auf dem am Morgen begangenen
Pfad nur schwer wieder zurück, und so langten wir erst um 6 Uhr
abends, beim _tiling duan_ (Zirpen der Grille) am Lagerplatz an. Auch
in dieser Höhe begann bei Sonnenuntergang eine bestimmte Grillenart
zu zirpen und hörte nach einer Viertelstunde wieder auf. Die Töne
klangen anders als in den tiefer gelegenen Wäldern; wahrscheinlich
gehörte auch die Grille einer anderen Art an. Unter Hunderten von
Grillenarten, die den ganzen Tag über in den Bergwäldern Borneos die
verschiedensten Laute ertönen lassen, hört man beim Auf- und Untergang
der Sonne eine Viertelstunde lang nur zwei bestimmte Spezies und zwar
so regelmässig, dass die Bahau den Augenblick vor Sonnenuntergang als
"_tiling duan_" bezeichnen.

Am Lagerplatz war noch niemand angekommen, worüber ich mich zu
ängstigen begann. Ich feuerte einige Gewehrschüsse ab, hatte aber
wenig Hoffnung, von _Bier_ und dessen Begleitern gehört zu werden,
da ich des Morgens bereits beobachtet hatte, dass Schüsse in dieser
Moosvegetation bereits auf geringen Abstand nicht mehr gehört
werden. Die Nacht war beinahe völlig hereingebrochen, als wir in
südöstlicher Richtung endlich schiessen zu hören glaubten. Nur durch
unsere Antwort fand _Bier_ den Weg zu unserem Lagerplatz zurück. Die
ersten Schüsse hatte er nicht vernommen.

Gleich nach unserer Ankunft hatten wir unsere durchnässte Kleidung
mit einer trockenen vertauscht. _Bier_ wollte jedoch noch von einem
von mir gefundenen Punkte aus Peilungen vornehmen, und so zogen wir
am folgenden Morgen wieder die nassen Kleider an und schickten uns an,
an der betreffenden Stelle einen Beobachtungsposten zu errichten.

Vor dem Frühstück suchte ich noch den Aussichtspunkt zu erreichen,
den _Bier_ tags zuvor für seine Aufnahme hatte aushauen lassen. Wie
ich bereits vermutet hatte, genossen wir hier das gleiche herrliche
Panorama wie auf dem Batu Mili: wir befanden uns über einem die
Landschaft unter uns völlig bedeckenden Nebelmeer, das, von der Sonne
mit blendend weissem Lichte bestrahlt, nur einige dunkle Gipfel
hervorragen liess. Rechts schien die Bergkette, die sich jenseits
des Mobong parallel dem Batu Ajo hinzog, das Wolkenkleid zu heben,
das in mächtigen, welligen Falten längs den Abhängen auf das Nebelmeer
im Tal, des Mobong niederfiel. Der Wechsel von Hell und Dunkel, den
die noch tiefstehende Sonne in diesem Teil des Panoramas hervorrief,
war von wunderbarer Schönheit; ich trennte mich nur schwer von dem
entzückenden Bilde.

Nach dem Morgenimbiss fanden wir einen Felsvorsprung, der für unsere
Zwecke geeignet sein konnte; doch bedeckten auch hier Bäume, Lianen
und Moose den Erdboden. Alles fortzuschaffen war unmöglich, daher
liess ich nur so viel aushauen, dass auf einigen Baumstümpfen eine
Diele angebracht werden konnte. _Bier_ begann seine Arbeit erst um
11 Uhr, als die Wolkenmassen von unten herauf an uns vorübergezogen
waren. Leider kamen auch nicht alle Berge zum Vorschein, sondern
die Aussicht wurde erst im Lauf des Tages in verschiedener Richtung
abwechselnd frei. Dank unserem aus der Bergwand hervortretenden
Standplatz überblickten wir einen weiten Gesichtskreis. Vor uns sahen
wir das Gebirge, das sich in gleicher Entfernung vom Batu Ajo hinzieht,
von diesem durch das Tal des Mobong geschieden. Der Kiham Udang befand
sich dort, wo der Mahakam diese Gebirgskette an ihrem nördlichsten
Punkt durchbricht, so dass das Gebirge, nach unseren im Udang gemachten
Beobachtungen, gerade wie der Batu Ajo, aus Sandsteinschichten, die
mit Konglomeratschichten aus rundgeschliffenen Kieseln abwechseln,
bestehen muss. An der Ostseite dieser Kette muss der Kiham Halo liegen,
der von horizontalen Sandsteinschichten begrenzt wird. Uns gegenüber,
jenseits des Mahakam, wurde auch der Pajang sichtbar. Es erwies sich,
dass dieser kein steiler, kegelförmiger Berg ist, wie er uns von Long
Deho aus erschien, sondern den höchsten Gipfel einer Kette vorstellt,
die sich von einem viel nördlicher gelegenen, ungefähr 2000 m hohen
Bergmassiv zum Mahakam hinzieht. Die beschränkte Aussicht, die der
Pajang uns geboten hätte, liess uns von einer Besteigung desselben
absehen. Da unser Standort nur wenig über 1000 m lag, wurde uns die
Aussicht nach Nord-Westen durch den Niaan und andere höhere Berge
benommen. Nach Osten blieb das Mahakamtal ständig in Wolken gehüllt.

Als wir abends ins Lager zurückkehrten, hatten wir die vorgenommene
Aufgabe gelöst. Die Nacht war aussergewöhnlich hell und kalt und
so still, dass wir die kleinen Quellflüsse des Barito, der an der
Westseite des Batu Ajo entspringt, murmeln hörten.

Den folgenden Tag ging es den Berg weit schneller hinunter als hinauf,
und vormittags befanden wir uns bereits wieder in Long Deho, wo uns
gute Nachrichten erwarteten. Ein Boot aus Long Tepai kam melden, man
sei wegen des Neujahrsfestes verhindert gewesen, uns abzuholen. Man
hätte das Fest nicht aufschieben können, weil viele Menschen darauf
warteten, das lali für ihr neu gebautes Haus oder ihre Heirat bei
dieser Gelegenheit abzulegen. Nach viertägigem Fallen des Wassers
erschien zuerst ein Boot mit Manok-Kwee unter Anführung von _Bang
Lirung_ und am folgenden Tage gegen Mittag _Tului Lea_ mit _Bo Ului_
und _Bo Tijung_, im ganzen 40 Mann. _Njok Lea_ selbst hatte nicht
mitkommen wollen, weil er mich durch seine Abreise von Udju Tepu
erzürnt zu haben glaubte. Die Männer beeilten sich mit der Abfahrt,
da sie den günstigen Wasserstand benützen und mit der Feldarbeit,
die sie bereits so lange aufgeschoben hatten, beginnen wollten.

Der Abschied von Long Deho tat sowohl uns als der Bevölkerung leid;
alle hatten uns Gutes erwiesen, und wenn die Kajan nicht versprochen
hätten, uns zu den Kenja zu begleiten, wären wir hier noch gern etwas
länger geblieben.

Mit Rücksicht auf unseren Zug zu den Kenja, der längs des oberhalb Long
Deho in den Mahakam mündenden Boh stattfinden sollte, hinterliess ich
einen Teil unseres Gepäckes, der nicht leicht verderben konnte, in der
_amin_ _Adjangs_. _Ibau_ versprach, auf alles zu achten, und so übergab
ich ihm 40 Blechkisten mit Salz, 5 Packen mit 100 Stück Kattun und 12
Holzkisten, hauptsächlich Konserven enthaltend; unsere Böte wurden
dadurch erheblich entlastet. Trotzdem der Fluss sehr niedrig stand,
musste das Gepäck doch an mehreren Stellen längs des Ufers getragen
werden, so dass unsere Reise nach Long Tepai vier Tage dauerte.

Wir zogen diesmal in die Galerie von _Bo Ibau_ ein, weil in der
von _Bo Lea_ Buschproduktensucher einquartiert waren. Durch den
Pnihinghäuptling _Taman Lirung_ vom Howong, der bei den Long-Glat
Schwerter eingekauft hatte und wieder aufwärts reiste, liessen
wir _Kwing Irang_ melden, dass wir die Wasserfälle überschritten
hätten. Da wir acht Tage lang nichts von oben hörten und schon in Long
Deho Gerüchte über aufregende Ereignisse am Blu-u umgingen, sandte
ich ein Boot mit _Umar_ und _Delahit_ zu den Kajan, um zu sehen,
wie es mit dem Abholen stünde. Nach echt malaiischer Art scheuten
sich aber beide, ungünstige Nachrichten mitzuteilen, und so erfuhr
ich bei ihrer Rückkehr nicht viel Neues. Doch bestätigten sie das
Gerücht, man habe, während _Kwing Irang_ sich auf Reisen befand,
die Leiche der verschwundenen _Anja Song_ unter einer Sagopalme mit
abgeschnittenem Kopf und Bein versteckt gefunden; schlimmer noch
war, dass der halb wahnsinnige Batang-Lupar _Umar_ aus _Hadji Umars_
Gesellschaft nachts, kurz vor _Kwing Irangs_ Rückkehr, fünf Männer im
Hause zu Long Bulèng mit einem Schwerte verwundet hatte und dann in
den Wald geflohen war. Später hatte er noch einen kränklichen Mann, der
mit _Kwing Irang_ zurückgekehrt war, auf dem Wege zu seinem Reisfelde
ermordet. Die Kajan hatten, da sie den Wahnsinnigen weder fangen noch
töten konnten, einen Monat lang in grosser Aufregung gelebt, bis es
endlich zwei Malaien gelungen war, den Mann durch List in eine Hütte
zu locken, zu entwaffnen und niederzumachen. Erst darnach hätten
die Dorfbewohner ernsthaft mit der Feldarbeit zu beginnen gewagt,
so dass es ihnen augenscheinlich sehr schwer fiel, uns abzuholen,
was _Kwing Irang_ nicht hatte sagen wollen oder _Delahit_ aus Furcht
vor meiner Unzufriedenheit sich nicht zu erzählen getraute. Doch
waren mir derartige Verhältnisse bei den Leuten allzu bekannt,
um noch an ihnen zu zweifeln; da ich ausserdem hörte, dass binnen
weniger Tage bei den Kajan das lali nugal stattfinden sollte und die
Long-Glat uns später, wegen des auch bei ihnen eintretenden lali nicht
abreisen lassen würden, ging ich ein auf den Vorschlag der Malaien,
die nach dem Tode _Hadji Umars_ mit dessen Frau und Kindern nach Long
Tepai nachgezogen waren, nahm sie in meinen Dienst und liess mich
von ihnen nach Long-Blu-u bringen. _Demmeni_ und _Bier_ blieben mit
einigen unserer Leute und dem grössten Teil des Gepäcks in Long Tepai
zurück. Ich selbst nahm nur zwei Böte mit und langte bereits zwei Tage
nach _Delahits_ Rückkehr nach Long Tepai in Long-Blu-u an. Unterwegs
erzählten mir die Malaien, die Händler in Udju Tepu hätten alles Hab
und Gut von _Hadji Uniar_ in Beschlag genommen, um seine Schulden zu
bezahlen, sie hätten auch _Umars_ Frau und Kinder nicht fortziehen
lassen wollen, bis sie durch meinen Brief aus Long Deho eingeschüchtert
worden seien. Man hatte mir nämlich dort mitgeteilt, dass _Umars_ Frau
und Kinder und alle seine Malaien wegen Schulden, für die er Bürgschaft
geleistet hatte, dort zurück gehalten würden. Da _Hadji Umar_ in
Wirklichkeit ein wohlhabender Mann war, sein Besitz aber hauptsächlich
in Forderungen an weit und breit im Innern von Borneo zerstreute Leute
bestand und daher in einem bestimmten Augenblick nicht eingefordert
werden konnte, kam es mir sehr ungerecht vor, seine Familie leiden
und womöglich in Schuldsklaverei geraten zu lassen. In Ermangelung
einer anderen Autoritätsperson sandte ich selbst von Long Deho aus dem
einflussreichsten Bandjaresen in Udju Tepu einen Brief, in dem ich den
Wunsch aussprach, dass man _Uniars_ Familie und alle seine Malaien
ungehindert hinaufziehen lassen sollte. Die Händler erfüllten auch
wirklich meinen Wunsch, behielten aber den grössten Teil von _Umars_
Besitz zurück. Dass seine Malaien nun selbst gern in meine Dienste
treten wollten, kam mir in diesem Augenblick ausgezeichnet zu statten.

Bei unserer Ankunft abends in Long Blu-u bot _Kwing Irang_ mir sogleich
die eine, etwas erhöhte Seite seiner _amin_ als Wohnstätte an, auf
der ich es mir mit meinem Diener _Midan_ und meinem Hunde sogleich
gemütlich machte. Es war ihm sehr angenehm, dass ich mir selbst
geholfen hatte und er mir nicht sogleich Leute entgegenzuschicken
brauchte. Dass er mich bei unserer Rückreise nicht besser hatte
unterstützen können, tat ihm sehr leid, aber er hatte gegen die
ungünstigen Verhältnisse nicht aufkommen können. Die Kajan hatten
seit meiner Abreise in der Tat viel durchgemacht und berichteten mir
gleich am folgenden Morgen die Einzelheiten.

Zuerst hatte _Anja Songs_ Tod die Dorfbewohner in Aufregung
versetzt. Über das Geheimnis, das ihren Tod umgab und die Rolle,
welche die Geisterwelt dabei gespielt haben sollte, begannen in der
Überzeugung der Leute Zweifel zu entstehen, und die Vorstellung,
dass _Anjang Bawan_ seine Frau, wahrscheinlich aus Eifersucht, selbst
getötet hatte, gewann immer mehr Glauben. _Kwing Irang_ und sein
Ratgeber _Sorong_ waren bereits während meines Aufenthaltes in Uma
Mehak zu mir gekommen und hatten mich im Geheimen gefragt, ob ich nicht
auch der Ansicht wäre, der Mann habe seine Frau selbst ermordet. Da der
Vater des Mörders, _Bo Bawan_, zu den vornehmsten Priestern gehörte,
wagten die Leute ihre Überzeugung nicht zu äussern und liessen die
Angelegenheit ruhen. Wahrscheinlich wäre ich diesem Beispiel gefolgt,
wenn man nicht meine Person in die Sache hineingezogen hätte. Um die
Geister des Batu Mili zu beruhigen, hatte man nämlich eine Opferfeier
gehalten, deren Leitung _Bo Bawan_ unter Beistand des Bandjaresen
_Utas_ und eines Malaien vom Kapuri, _Totong_, übernommen hatte. Nun
erklärten diese beiden, in der darauffolgenden Nacht geträumt zu haben,
die Geister des Batu Mili hätten sich darüber erzürnt, dass ich beim
Besteigen des Berges das Gestrüpp hatte umhacken lassen, wodurch der
Boden für die Hühner und Schweine der Geister unbrauchbar geworden
wäre. Jetzt, wo sie mir die Schuld an _Anja Songs_ Tode zuzuschieben
suchten, blieb mir nichts anderes übrig, als öffentlich zu erklären,
was die anderen im Grunde selbst glaubten, nämlich dass _Anjang_
seine Frau einfach selbst ermordet und ihre Leiche unter einer
Palme versteckt hatte. Ich machte immer wieder darauf aufmerksam,
dass die Geister sicher nicht den Kopf und die Beine vom Körper
getrennt haben würden und es überdies bekannt war, dass das Ehepaar
in Unfrieden lebte.

Kaum waren die Bewohner von Long Blu-u zur Feldarbeit zurückgekehrt,
mit der sie infolge des langen Suchens nach _Anja Song_, das sehr viele
Menschen beansprucht hatte, im Rückstand waren, als der von _Umar_
verübte Mord die Gemüter aufs neue erregte und alle, deren Felder
jenseits des Mahakam lagen, wohin _Umar_ geflohen war, wiederum an
der Arbeit verhinderte. Da der Mörder erst nach einem Monat getötet
werden konnte, hatte man viel Zeit verloren. Auch an diesem Unglück
schrieb man mir die Schuld zu, indem ein Priester der Pnihing, der
sich aufs Träumen verstand, es für eine Strafe der Geister erklärte,
die darüber erzürnt wären, dass die Kajan so viele Insekten für mich
gefangen und mir verkauft hätten. Augenscheinlich spielte der Neid
der Pnihing wegen der grossen Vorteile, welche die Kajan aus unserem
Aufenthalt bei ihnen zogen, hierbei eine grosse Rolle, doch gelang es
dem Priester, auch meine Kajanfreunde von meiner Schuld zu überzeugen,
so dass sie mir während meines späteren Aufenthaltes unter ihnen
kein einziges Insekt mehr bringen wollten. Dass die Leute nach allen
diesen Ereignissen keine Lust mehr verspürten, uns in ihren Stamm
zurückzuholen, war begreiflich, überdies wussten sie, dass ich zu
ihnen zurückkehrte, um sie an ihr Versprechen, uns zu den so sehr
gefürchteten Kenja zu begleiten, zu mahnen.

Sehr eigentümlich berührte mich das Bewusstsein, mich unter einer mir
befreundeten Bahaubevölkerung zu befinden und dabei doch machtlos zu
sein, gegen alle diese offenbaren Lügen und Betrügereien, welche die
religiösen Überzeugungen des Volkes zum Deckmantel genommen hatten,
aufzutreten. Ich sprach zwar meine Ansichten immer wieder offen aus,
wusste aber zu gut, wie wenig Eindruck sie auf die Masse machten,
um mich viel mit ihr abzugeben. Weit mehr Hoffnung setzte ich auf
den Einfluss persönlicher Sympathie und die vielen Wohltaten, die
ich der Bevölkerung erwiesen hatte und noch erweisen wollte, um unser
früheres Verhältnis wiederherzustellen.

Meine Versuche, _Bier_ und _Demmeni_ noch vor dem _tugal_ (Saatfest)
von Long Tepai abholen zu lassen, gab ich sogleich auf, liess
ihnen aber durch mein eigenes Personal einige Kisten bringen, die
sie für einen längeren Aufenthalt nötig hatten. Vorläufig ging ich
vorsichtshalber nur in Gesellschaft eines bewaffneten Malaien durch
die Niederlassung. _Bo Hiang_, _Kwing Irangs_ erste Frau, schlug mir
zwar anfangs vor, den Geistern des Batu Mili ebenfalls ein Opfer zu
bringen, um sie mit mir zu versöhnen, als ich ihr aber bedeutete,
dass die Geister meiner Überzeugung nach mit den beiden Ereignissen
nichts zu schaffen hätten, drang sie nicht weiter in mich.

In den ersten Tagen gaben mir die fünf malaiischen Männer in Long
Bulèng, die durch _Umau_ ernstlich, wenn auch nicht tätlich, verwundet
worden waren und deren Wunden sich infolge schlechter Pflege während
eines Monats etwas entzündet hatten, viel zu tun. Sobald ich aber
erfuhr, dass auch diese Malaien die beiden Morde benützt hatten, um
mich bei der Bevölkerung verhasst zu machen, verweigerte ich ihnen
weitere Hilfe. Um den wahren Mörder der _Anja_ und meine Verleumder
einzuschüchtern, erklärte ich, dass der Kontrolleur, sobald er sich
am Mahakam als niederländischer Beamter niedergelassen haben werde,
die Sache näher untersuchen würde. Dadurch enthob ich die vornehmsten
Mantri der unangenehmen Pflicht, dies selbst zu tun, und jagte dem
Schuldigen, der sich übrigens bei mir nicht zu zeigen wagte, einen
heilsamen Schreck ein.

Gleich nach meiner Ankunft hatte _Kwing Irang_ mit einigen Männern
mein Haus auszubesseren angefangen, da man in meiner Abwesenheit das
beste Material, besonders die guten Bretter der Diele, zu anderen
Zwecken benützt hatte. In wenigen Tagen konnte ich die Wohnung wieder
beziehen. Der Sicherheit wegen liess ich einige meiner Malaien neben
mir schlafen.

Die Dorfbewohner beschlossen nun, in aller Eile das Saatfest zu feiern,
das infolge jener Zwischenfälle bereits viel zu spät eintrat. Während
der ersten achttägigen Periode des melo besserte sich die Stimmung der
Bevölkerung soweit, dass bereits zwei Tage nach dem Maskenspiel (den
Tag darauf hatte man das Feld des Häuptlings besät) eine genügende
Anzahl junger Männer sich bereit erklärte, _Bier_ und _Demmeni_
aus Long Tepai abzuholen.



KAPITEL II.

    Der mittlere Mahakam und seine Bewohner--Auswanderungen aus dem
    Stammland--Degeneration der Stämme im Tieflande--Verhältnis der
    Niederlassungen zu einander--Einfluss des Sultans von Kutei auf die
    Dajakhäuptlinge--Die Niederlassung Long Deho und ihr Oberhäuptling
    _Bang Jok_--Die Punan als Kopfjäger--Verhältnis zwischen den
    Kenja und Bahau--Der degenerierende Einfluss der Malaien auf die
    Dajak--Erhaltung der ursprünglichen Sitten und des Kultus der
    Dajak am mittleren Mahakam--Tundjung- und Kenjastämme--Verhältnis
    der Bewohner des oberen zu denen des mittleren Mahakam.


Nicht nur zum besseren Verständnis des ferneren Verlaufs unserer
Reise, sondern auch an und für sich verdienen die geographischen
und ethnologischen Verhältnisse am mittleren Mahakam eine eigene und
ausführlichere Besprechung, als sie bis jetzt in der Reiseerzählung
hatte gegeben werden können.

Der Mittel-Mahakam befasst den Teil des Stromes, der zwischen den
westlichen Wasserfällen und Udju Tepu liegt und schliesst die östlichen
Fälle in sich ein. Er wird gänzlich von zahlreichen, aber kleinen
Stämmen bewohnt, die sich beinahe alle noch an ihre Auswanderung
aus dem hochgelegenen Stammlande Apu Kajan in dieses Tiefland
erinnern. Weitaus die meisten derselben haben sich am Hauptstrom
niedergelassen, nur wenige wohnen an seinen Nebenflüssen. Die
wichtigsten von diesen sind: der Alan, Merah, Medang und Pari am
linken, der Bunut und Rata am rechten Ufer. Der Merah ist insofern von
Bedeutung, als man von seinem Oberlauf in einem halben Tage über Land
an einen befahrbaren linken Seitenfluss des Lèn oder Tatyang gelangt,
eines sehr grossen Flusses, der in den Unterlauf des Mahakam mündet und
an dem sich der Kenjastamm der Uma-Timé und andere Stämme der Bahau,
wie die Long-Bila, angesiedelt haben. Der Bunut und der Rata bilden
zwei viel benützte Verbindungen zwischen dem Gebiet des Mahakam und
dem des Barito. Längs des Bumst erreicht man in einem Tage den Murung;
vom Rata führen Landwege nach dem Murung und dem Maruwi.

Was die Bevölkerung am mittleren Mahakam betrifft, so bilden am
Hauptfluss selbst Mujub und Udju Tepu, wo der Stamm der Tring-Dajak
lebt, ihre ersten Siedelungen; weiter aufwärts, in Ana, wohnen die
Hwang-Ana, in Long Tram die Hwang-Dali, in Udju Halang die Uma-Luhat,
in Lirung Kedawang die Uma-Mehak, in Sirau die Hwang-Sirau,
in Long Way und Long Howong die Long-Way, in Boh die Long-Boh,
in Laham die Uma-Laham, in Uma-Wak und Long Asa die gleichnamigen
Stämme, in Uma-Mehak ein anderer Teil der Uma-Mehak und ein Teil der
Uma-Tuwan. Die jetzt in Long Deho angesiedelten Stämme: die Long-Glat,
ein Teil der Uma-Tuwan, Batu-Pála und Uma-Wak lebten bis vor kurzem
unterhalb der Wasserfälle in Lirung Tika. In Long Bagung wohnten früher
Malaien, die durch den Bumst mit dem Flussgebiet des oberen Murung
(im Baritogebiet) Handelsbeziehungen unterhielten, aber gegenwärtig
ist diese Niederlassung verlassen.

An den Nebenflüssen des Mahakam finden sich die Bewohner
folgendermassen verteilt: am Rata haben sich die Stämme der Uma-Temha,
Mahakam und Djinawang beieinander niedergelassen, am Pari die Uma-Lutan
und Uma-Teliba; am Medang leben verschiedene Stämme im gleichen
Dorfe vereinigt, was auch in den meisten anderen Niederlassungen
der Fall ist. Der Grund für dieses Zusammenleben liegt hier, wie
auch oberhalb der Wasserfälle, in dem Streben der stärkeren Stämme,
ihre Seelenzahl und somit ihre Macht durch Einverleibung kleinerer,
unterworfener Stämme zu vergrössern. Die Gesamtseelenzahl aller dieser
Bahaustämme ist auf etwa 5000 Personen zu schätzen.

Neben diesen sesshaften Stämmen der ackerbautreibenden Bahau
nomadisieren in den Quellgebieten der Nebenflüsse noch die Jägerstämme
der Punan. An den linken Nebenflüssen sind es die Punanstämme der
Lisum, Kohi, Lugat und Haput; die Namen der Stämme an den rechten
Nebenflüssen sind mir unbekannt.

Die Bahaustämme bilden bereits seit Jahrhunderten die Bevölkerung des
Mahakamgebiets, in welches sie, wie schon gesagt, ihren Traditionen
zufolge, aus dem Apu Kajan eingewandert sind. Einige derselben
tragen übrigens auch jetzt noch die Namen von Flüssen oder Bergen im
Bohgebiet, das sie während ihrer Auswanderung passierten und in dem sie
sich, ebenso wie die Uma-Timé bei ihrem Durchzug zum Tawang, zeitweise
an verschiedenen Orten niederliessen. Die Uma-Boh, Kong-Glat, Long-Way
und Temha führen ihre Namen nach dem Boh und seinen Nebenflüssen Glat,
Way und Temha, während die Tring nach dem Berg Tring oberhalb der
Ogamündung genannt wurden. Die Long-Glat scheinen als die letzten
am Ende des 18. Jahrhunderts im Mahakamgebiet angelangt zu sein,
wonach ein Teil von ihnen sich, nach einem vorübergehenden Aufenthalt
oberhalb der Wasserfälle unter dem berühmten Häuptling _Bo Ledjü Aja_,
zu Anfang des vorigen Jahrhunderts unterhalb derselben niederliess.

Diese Stämme hat das Schicksal aller ihrer Verwandten getroffen, die
aus dem hohen Gebirge in die Tiefländer ausgewandert sind; sie wurden
hier mehr als in ihrem hohen, isolierten Bergland von der Malaria und
von Infektionskrankheiten, wie Cholera und Pocken, die von der Küste
bei ihnen eingeschleppt wurden, heimgesucht, so dass ihre Anzahl
und Wohlfahrt abnahm. Unter den vielen Stämmen am Mittel-Mahakam
ist dieser Degenerationsprozess bereits weit vorgeschritten, denn
ihre Kopfzahl ist sehr gering und ihre Dörfer machen einen viel
verfalleneren Eindruck als diejenigen im höher gelegenen Lande
oberhalb der Wasserfälle oder in Apu Kajan. Während die Bewohner in
den Gebirgsgegenden dank ihrer Arbeitsamkeit nur selten Hunger leiden,
ist dies unterhalb des Kiham Halo häufig der Fall, so dass gegenwärtig
viel fremder Reis auf dem Mahakam angeführt werden muss.

Die Anwesenheit der vielen Fremden in diesen Gegenden trägt, wie
aus der Reisebeschreibung selbst schon hervorging, das ihrige zum
Rückgang der Bevölkerung bei. Vom unteren Mahakam aus drangen, nachdem
die Buschprodukte dort erschöpft waren, Buginesen und Kuteinesen,
vom Barito aus Bakumpai, Ot-Danum und Liang in die noch unberührten
Wälder am mittleren Mahakam, um diese auszubeuten. Diese Einwanderung
der Fremden fand erst statt, nachdem die Häuptlinge der Bahau mehr
und mehr unter den Einfluss des Kuteischen Sultanats geraten waren
und die Händler, die diese Stämme besuchten, nicht mehr so grosse
Gefahr wie in früheren Zeiten bei ihnen liefen. Etwa um 1892 oder 93
zogen die ersten Truppen von Buschproduktensuchern vom Barito unter
Anführung des Maleien _Raden Djaja Kusuma_ in dieses Mahakamgebiet
und gleichzeitig liess sich eine ähnliche Kolonie aus Kutei unter
einem Abkömmling des Kuteischen Fürstenhauses an der Mündung des Pari
nieder. Durch den grossen Einfluss, den die Lebensweise dieser Fremden
auf die ursprüngliche Bevölkerung ausübte, haben deren Verhältnisse
wesentliche Änderungen erfahren.

Die Niederlassungen unterhalb der Wasserfälle sind gleich wie die
oberhalb derselben von einander unabhängig, nur hat bei jenen länger
als bei diesen eine von _Bo Ledjü Aja_ abstammende Häuptlingsfamilie
auf die vielen kleinen, schwachen Stämme einen grossen Einfluss
geübt. Übrigens waren die Nachkommen dieser Familie infolge der auch
hier herrschenden Vielweiberei unter den Häuptlingen so zahlreich, dass
sie unter den Fürstenhäusern der meisten Dörfer Glieder zählte. Als
im Beginn des 19. Jahrhunderts der genannte _Ledjü Aja_ mit einem
grossen Teil der Long-Glat und den von diesen abhängigen Stämmen die
Wasserfälle hinunterzog, gingen zugleich eine Menge Sklavenfamilien
mit, die zu den ursprünglichen Mahakambewohnern, wahrscheinlich
Ot-Danum gehörten, wodurch sich die Bahau hier, wie oberhalb der
Wasserfälle, mit dieser Stammgruppe stark vermischten. Von diesen
Sklavenfamilien sind gegenwärtig beinahe keine mehr übrig geblieben,
weil sie durch Heirat in den anderen aufgingen. Im Jahre 1825
begegnete, wie an anderer Stelle bereits gesagt, _Georg Müller Ledjü
Aja_, der damals als einer der grössten Häuptlinge dieses Gebietes
galt. Am Ende der 40 er Jahre hatte sich einer seiner Söhne, _Kerta_,
bereits als Häuptling in Udju Tepu festgesetzt. Mit diesem als dem
einflussreichsten Manne hatten _Von Dewall_ und _Schwaner_ bei ihren
Reisen am mittleren Mahakam zu unterhandeln. _Kerta_ war damals vom
Sultan gänzlich unabhängig. Der jüngste Sohn _Ledjü Ajas_ war der
90 jährige _Bo Adjang Ledjü_ in Long Deho, der sich noch an _Georg
Müller_ erinnerte. Im folgenden wird noch öfters von ihm die Rede sein.

Der Sohn _Kertas_, _Ledjü_, trat unter dem Einfluss des Sultans von
Kutei, der ihn viele Jahre in Tengaron festhielt, unter dem Namen
_Raden Temenggung_ zum Islam über. Er diente dem Sultan einerseits
als Handlanger, um dessen Ansehen in den Gebieten oberhalb Udju Tepu
zu verstärken, indem er die Macht des Kuteischen Fürsten, als seines
Bundesgenossen, den anderen Bahauhäuptlingen gegenüber ausspielte,
anderseits wusste er doch dafür zu sorgen, dass diese Macht sich
nicht zu weit erstreckte.

Während _Raden Temenggung_ jahrelang in Tengaron gefangen lebte,
breitete die Familie seines Halbbruders _Jok_, der in Lirong Tika als
Häuptling der Long-Glat ansässig war, ihren Einfluss im Gebiet des
Mittel-Mahakam immer mehr aus; die Eifersucht zwischen den Nachkommen
dieser beiden Brüder hat sich bis jetzt noch erhalten. Um 1890
wurden alle grossen Häuptlinge dieses Gebiets ein Opfer der Cholera,
die gerade zu einer Zeit in Tengaron ausbrach, als der Sultan die
Bahaufürsten widerrechtlich jahrelang bei sich zurückhielt. Der junge
Häuptling _Band Jok_ floh damals mit der Leiche seines Vaters aus
Tengaron nach Lirong Tika und zog dann aus Furcht vor Kutei mit der
ganzen Niederlassung nach Long Deho, oberhalb des Kiham Halo und Udang,
wo dieser Teil der Long-Glat jetzt noch wohnt. Auch _Raden Temenggung_
starb an den Folgen derselben Krankheit in Udju Tepu. Auf ihn folgte
sein Sohn _Ding_, der, als viel weniger kräftige Persönlichkeit, seinen
Einfluss in diesem Bahaugebiet gegenüber seinem Vetter _Bang Jok_ stark
abnehmen sah, trotzdem aber bis zu seinem 1897 erfolgten Tode niemals
aufhörte, der Macht der Kuteischen Malaien entgegenzuarbeiten. Aus
Eifersucht gegen ihn intrigierte sein Bruder _Brit_, später _Raden
Mas_, fortwährend zum Vorteil von Kutei, doch lehnte auch er sich,
nach _Dings_ Tode, gegen die zu anmassenden Forderungen von Kutei
auf. Beide Brüder hatten jedoch nicht die Macht gehabt, den Strom
von Buschproduktensuchern der Küste von ihrem Lande abzuwehren.

Die Bahau am oberen Mahakam haben in den Wasserfällen einen
natürlichen Schutz gegen den Einfluss der Küstenmalaien gefunden;
bei denen am mittleren Mahakam dagegen haben bereits seit Jahrzehnten
zahlreiche Händler aus den tiefer gelegenen Gebieten verkehrt und
die Dajak selbst sind auf den grossen, schiffbaren Flüssen öfters
hinuntergefahren, um sich auf den Küstenmärkten mit verschiedenen
Gebrauchsartikeln zu versehen. Ihre dajakischen Sitten und Gebräuche
litten durch diese Berührung mit der Küste jedoch weniger als ihr
Wohlstand, der bereits durch die mit den schlechteren klimatischen und
hygienischen Verhältnissen verbundene Verminderung der Arbeitskräfte
geschädigt, durch die Einführung von Spiel, Hahnenkämpfen und Wetten
ernstlich untergraben wurde. In ihrer Kleidertracht behielten
diese Stämme insofern ihre vorväterlichen Gewohnheiten, als sie
den eingeführten Kattun und andere Stoffe auf altdajakische Weise
verarbeiteten. Baumbastkleidung ist bei ihnen beinahe gänzlich
ausser Gebrauch geraten, sogar bei Trauer wird statt dieser häufig
weisser oder hellbrauner Kattun getragen. Kleiderverzierungen
in Form ausgeschnittener Figuren kommen nicht mehr vor, und auch
das Besticken der Frauenröcke, eine besonders bei den Long-Glat
oberhalb der Wasserfälle sehr verbreitete Mode, ist bei diesen tiefer
wohnenden Stämmen in Abgang gekommen. Die zum Islam übergetretenen
Häuptlingsfamilien kleiden sich gern nach malaiischer Art, und auch
die noch heidnisch gebliebenen Häuptlinge wie _Bang Jok_ finden
ein malaiisches Kostüm ihrem Rang viel entsprechender als ihre alte
Dajaktracht. Infolgedessen nehmen auch viele niedrigeren Häuptlinge
und gewöhnliche Bahau, besonders die Männer, die malaiische Kleidung,
hauptsächlich die Hose, an.

Das Tragen von Ringen in den weit ausgereckten Ohrläppchen ist
unter Männern und Frauen noch allgemein gebräuchlich, auch ist die
Tätowierung bei diesen noch sehr in Schwang. Trotzdem fiel es mir
auf, dass die Frauen in Udju Halang z.B. sehr leicht zum Verkauf
ihrer Tätowierpatronen zu bewegen waren, während ich mir diese bei
den Stämmen oberhalb der Wasserfälle meist nur gegen sehr hohe Preise
verschaffen konnte. Auch alte Schmuckstücke, wie Perlenarbeiten, waren
hier leicht käuflich, wozu natürlich auch die Armut der Bevölkerung und
ihre Kenntnis des Geldwertes beitrugen. Bezeichnend für letztere war,
dass wir bei diesen Stämmen bereits viel mit Kupfergeld ausrichten
konnten, während oberhalb der Fälle nur grosses Silbergeld Wert
besass. Doch nahm man auch am mittleren Mahakam noch Tauschartikel,
wie Lebensmittel, sehr gerne an.

Für den Ackerbau, der auch am mittleren Mahakam noch das
Hauptexistenzmittel der Bewohner bildet, wird nur wenig Urwald mehr
gefällt; dieser ist in der Nähe der Dörfer übrigens auch selten
geworden. Die hier lebenden Bahau begnügen sich, wie die Malaien,
mit dem Fällen von Gestrüpp und jungem Wald, weil diese Arbeit viel
müheloser ist; später allerdings kostet das Jäten des in solchen
Feldern massenhaft auftretenden Unkrauts viel mehr Anstrengung
und Zeit, als anfangs erspart worden ist. Beachtenswert ist, dass
_alang-alang_ in diesem Teil des Mahakamgebietes noch sehr wenig
vorkommt und auf den abgeernteten Feldern junger Wald noch sehr schnell
aufschiesst. Besonders bei den tiefer am Fluss wohnenden Stämmen
leidet der Landbau sehr stark durch Überschwemmungen der flachen Ufer,
auf denen ihre Felder häufig liegen; überdies übt die seit Alters
häufig wiederkehrende grosse Trockenheit einen sehr nachteiligen
Einfluss auf die Ernten. Die oberhalb der Fälle lebenden Stämme, deren
Felder zwischen hohen Bergen in 150-250 m Höhe liegen und daher viel
regelmässiger Regen erhalten, versahen die unteren Gebiete während
vieler Jahre mit ihren Landbauerzeugnissen. Seitdem von der Seeküste
aus am mittleren Mahakam Reis eingeführt wird und der Preis für diesen
sehr gefallen ist, hat die höher wohnende Bevölkerung eine wichtige
Einnahmequelle verloren. Dasselbe gilt für die selbstverfertigten
Stoffe und Kleider; auch diese erreichen seit der Einfuhr europäischer
und japanischer Ware in dieser Gegend nicht mehr den früheren Wert.

Unter allen Niederlassungen am Mittel-Mahakam ist die der Long-Glat
in Long Deho eine der wichtigsten. Sie dankt ihr Ansehen teils der
Persönlichkeit ihres Oberhäuptlings _Bang Jok_, teils der Zuflut von
Fremden, die ihr Brot direkt oder indirekt durch Buschproduktesuchen in
der Umgegend verdienen. Das Dorf selbst setzt sich aus verschiedenen
kleinen Stämmen zusammen, wie dies auch bei den Long-Glat am oberen
Mahakam der Fall ist. Bei einander wohnen die eigentlichen Long-Glat
und die Ma-Tuwan, beide in ihren eigenen langen Häusern und unter
eigenen Häuptlingen, während ein grosses Dorf der Batu-Pala und ein
anderes der Uma-Wak, die beide unter direkter Abhängigkeit von _Bang
Jok_, aber unter eigenen Häuptlingen stehen, etwas tiefer am Fluss
gelegen sind. Neben _Bang Jok_ wohnte die schon erwähnte Familie
seines Grossonkels _Bo Adjang Ledjü_, der keine bestimmte Funktion
ausübte, durch seine Abstammung als Sohn des bereits genannten
Kriegshelden _Bo Ledjü Aja_ jedoch grosses Ansehen genoss. Seinen
Stammesgenossen bereitete er durch seinen Charakter und seinen
Lebenswandel viel Ärgernis, denn er war stets unzuverlässig und den
Frauen allzusehr ergeben. Infolge der von den Malaien übernommenen
Sitte der Vielweiberei unter den Bahauhäuptlingen erlaubte er
sich, nacheinander nicht weniger als 15 Frauen zu heiraten, ein
Familienverhältnis, das seine Landsleute trotz seines langen Lebens
unerhört fanden. Die Frauen waren teils gestorben, teils zu ihren
früheren Wohnplätzen zurückgekehrt, nur 5 von ihnen lebten noch zu
meiner Zeit mit ihren Kindern bei ihm. Die jüngste war bei seinem Tode
etwa 25 Jahre alt. _Adjang Ledjüs_ Frauen stellten die Arbeitskräfte
in der Familie dar, indem sie sich mit einigen erwachsenen Söhnen
und Töchtern hauptsächlich dem Feldbau widmeten. Obgleich der Vater
trotz seines Alters und seiner Kränklichkeit sich immer noch als
pater familias behauptete, hatte sein ältester Sohn _Ibau Adjang_,
der verheiratet aber kinderlos bei ihm wohnte, doch die eigentliche
Leitung in Händen und vertrat die Familie nach aussen.

_Bang Jok_, der sich mit Vorliebe als Malaie aufspielte und kleidete
und während seines langen gezwungenen Aufenthaltes in Tengaron eine
starke Leidenschaft für Hazardspiel und Hahnenkämpfe entwickelt
hatte, wurde von seiner einzigen Frau daran verhindert, auch der
malaiischen Sitte der Vielweiberei zu fröhnen. Man redete im Dorfe
zwar davon, dass er eine Tochter des Sultans von Kutei heiraten und
zum Islam übertreten sollte, wodurch die Kuteinesen ihren Einfluss im
Binnenland sehr zu verstärken hofften, aber die schnelle Einsetzung
einer niederländischen Verwaltung [1] unter diesen Bahau und das
Misstrauen _Bang Joks_ selbst vereitelten diesen Plan.

Angeborener Verstand, politische Einsicht und der Aufenthalt in
Tengaron hatten _Bang Jok_ einen grossen Einfluss auf die übrigen
Stämme verschafft, und nachdem er sich einmal oberhalb des Kiham
Halo und Udang angesiedelt hatte, durfte er den Kuteinesen gegenüber
leichter eine feindliche Haltung annehmen als die tiefer wohnenden
Häuptlinge, wie _Ding Ledjü_ in Ana. Mehrere Morde an reichen
Kaufleuten und Buschproduktensuchern, die _Bang Jok_ durch seine
Sklaven und Punan ausführen liess, waren in den ersten Jahren die
Folge seines Aufenthaltes im entlegeneren Long Deho. Er besass nämlich
eine gewisse Anzahl Sklaven, nicht solche, die in seiner Familie von
früheren Kriegsgefangenen geboren worden waren, denn diese waren auch
bei den Long-Glat beinahe vollständig in die Stämme aufgenommen worden,
sondern Schuldsklaven, die er ihrer Schulden wegen nach malaiischem
und buginesischem Brauch bei sich zurückhielt. Dies waren daher
auch keine Bahau, sondern Küstenbewohner, vor allem Buginesen. Sie
liessen sich denn auch leichter zu dergleichen Schandtaten bewegen
als die Bahau selbst, die weniger Mut besitzen und Morde aus Raubsucht
selten begehen.

Noch ein anderer Grund, weswegen _Bang Joks_ Name bis ins Murunggebiet
mit Schrecken genannt wurde, war die Macht, die er über die Punan
am Boh ausübte. Wie die anderen Punanstämme lebten auch diese in
starker Abhängigkeit von den in der Nähe ansässigen Bahauhäuptlingen,
hier von _Bang Jok_, der auf dasjenige Gebiet der Nebenflüsse des
Mahakam Anspruch machte, zu dem auch das ausgebreitete Land am Boh
gehörte. Obgleich diese Abhängigkeit: in vieler Hinsicht äusserst
schwach war, zeigten sich die Punan doch gern bereit, Kriegszüge für
den Häuptling zu unternehmen, eine ihren Neigungen sehr entsprechende
Aufgabe, der sie sich auch im Auftrag anderer Bahauhäuptlinge stets
bereitwillig unterzogen. So ermordeten sie auf _Bang Joks_ Anstiften
1896 im Ogagebiet 5 Batang-Lupar, die hier aus Serawak eingedrungen
waren, um Buschprodukte zu stehlen. Ein anderes Mal sandte er einige
Punanmänner ins Launggebiet an den Murung, wo sie einem feindlichen
malaiischen Häuptling und einer Frau die Köpfe abschlugen und mit
diesen nach Long-Deho zurückkehrten. Dass diese geheimnisvollen
Urwaldkrieger sich selbst nicht straflos misshandeln liessen, bewiesen
sie, als sie um 1897 einen Mantri von _Bang Jok_ töteten. Dieser Mann,
der die Punan zu Handelszwecken aufsuchte, musste die ungerechten
Handlungen seines Häuptlings diesen gegenüber mit dem Leben büssen;
_Bang Jok_ hatte ihnen nämlich einen auf seinen Befehl geraubten
Sklaven abgenommen, ihnen denselben aber nicht vergütet. Ähnliche Dinge
hatte er wohl schon öfters ausgeführt. Die Punan flohen nach dem Morde
zwar aus dem Bohgebiet, aber dieses wurde nun sogar von den Bewohnern
von Long Deho selbst als eine äusserst gefährliche Gegend angesehen,
in der sie fortan weder zu jagen noch zu fischen Nagten.

Die Lage seines Dorfes dicht an der Mündung des Boh, des Hinund
Rückweges nach Apu Kajan, verschaffte _Bang Jok_ auch viel Einfluss
auf die Kenja, die den Mahakam besuchten und froh waren, diesen
Fluss nicht zu weit hinunterfahren zu müssen, um allerhand Produkte
kaufen und verkaufen zu können, wenn dies auch in Long Deho unter
für sie äusserst ungünstigen Bedingungen geschah. Da _Bang Joks_
Grossmutter eine Kenjafrau war, fühlten deren Stammesgenossen sich
noch mit dem Häuptling verwandt. Ohne dessen Zustimmung wagten sie
denn auch keine Kopfjagd im Mahakamgebiet zu unternehmen, obgleich es
_Bang Jok_ an Macht gefehlt hätte, um solch einen Zug mit Waffengewalt
zu verhindern. Als ich 1899 den Mahakam bis über die Wasserfälle
wieder hinauffuhr, lag eine Kenjabande unter Anführung von Punan
am Nebenfluss Alan und wartete auf den ebenfalls von Tengaron aus
flussaufwärts reisenden _Bang Jok_, um seine Zustimmung zur Fortsetzung
ihrer Kopfjagd zu erhalten. Nach Erlangung derselben schlugen sie am
Rata einigen Personen die Köpfe ab und flohen mit diesen eiligst nach
Apu Kajan zurück. In Long Deho und den Nachbardörfern sah man die
grossen Banden Kenja stets nur mit Angst den Boh hinunterfahren und
in der Niederlassung Halt machen, weil die Bahau nicht stark genug
sind, um tätlich gegen die Kenja aufzutreten, und sich daher alles
mögliche von ihnen gefallen lassen müssen. Nach ihrer Gewohnheit
nahmen die Bewohner von Apu Kajan im Vorüberfahren von den ärmlichen
Feldern der Bahau, was sie an Zuckerrohr, Tabak u.s.w. brauchten,
und bisweilen wurde wohl auch in Long Deho einem der Dorfinsassen
von einem Kenja der Kopf abgeschlagen. Begreiflicherweise kamen die
Bahau den Kenja nicht freundlich entgegen, doch kauften sie ihnen
immerhin gern die Buschprodukte ab, die diese auf der Durchreise am
Boh gesammelt hatten, um Marktgeld für ihre Handelszüge zur Küste
zu gewinnen. Waren die Bahau ihren Besuchern auch nicht an Mut und
Kraft überlegen, so verstanden sie doch, ihnen ihre Ware für die
Hälfte oder weniger des Wertes abzunehmen.

In diesem vorteilhaften Handel mit den Kenja trat _Bang Jok_ jedoch
seine früher bereits erwähnte Schwester _Bua_ als Konkurrentin
entgegen, die in Long Bagung wohnte und dort mit _Raup_, dem
Sohn des Bakumpaihäuptlings _Raden Djaja Kusuma_ verheiratet
war. Dieser schlaue Malaie verdiente hauptsächlich viel im Handel
mit den Buschproduktensuchern, die aus dem Baritogebiet nach Long
Bagung kamen, um sich hier mit Reis, Salz, Tabak, Leinwaren u.s.w. zu
versehen. Wenn die Kenja daher von Apu Kajan den Kiham Udang und Halo
hinabfuhren, fanden sie bei _Rauf_ einen grossen Vorrat von allerlei
Waren, der _Bang Joks_ Betrügereien eine gewisse Grenze setzte. In
diesem vorteilhaften Handel mit seinem Schwager gemeinsame Sache zu
machen, dazu hatte er sich noch nicht aufgeschwungen; gegenseitiges
Misstrauen bildete wohl den Hinderungsgrund. Ein wirksames Mittel, die
Kenja anzulocken, wandten beide an, indem sie diese auf ihrem eigenen
Gebiet Buschprodukte sammeln und so etwas verdienen liessen. Für
_Bang Jok_ sammelten die Kenja Rotang, hauptsächlich im Gebiet
des Boh, für seine Schwester in dem des Alan. Guttapercha war in
der Nähe des Mahakam nicht mehr zu finden, Rotang dagegen noch in
grosser Menge. Die Dajak des Inneren haben überdies vor dem Besuch
der näher zur Küste gelegenen malaiischen Niederlassungen am Mahakam
eine gewisse Abneigung, auch wurden sie dort, z.B. in Udju Tepu,
nur durch die stärkere Konkurrenz der Händler vor einer ebenso
grossen oder noch grösseren Prellerei geschützt. Die Kenja mussten
den gesammelten Rotang diesen Häuptlingen für 1 fl. pro gulung von 40
Stück bei einer Länge von 2-2 1/2 _depa_ abliefern; hierfür mussten
sie ihn in Long Deho und Long Bagung auch noch trocknen und unter
den Häusern aufstapeln; der Marktpreis betrug in Udju Tepu zur selben
Zeit mindestens 3 fl pro _gulung_; ausserdem mussten die Kenja an Ort
und Stelle für das verdiente Geld zu sehr hohem Preise Salz, Tabak,
Zeuge etc. wieder einkaufen. Kein Wunder, dass die Kenja, die sich
an der Küste bisweilen nach dem Preis der Handelswaren erkundigten,
das betrügerische Vorgehen dieser Häuptlinge wohl durchschauten;
doch wussten sie kein Mittel, um sich dagegen zu wehren. Nach der im
letzten Jahr meiner Reise erfolgten Einsetzung eines niederländischen
Kontrolleurs in Long Iram, der, in gleicher Weise wie es in Serawak
üblich ist, den Handel mit den Stämmen des Inneren beaufsichtigt,
fahren die Bewohner vom Ober-Mahakam und Apu Kajan begreiflicherweise
lieber bis zu dieser Handelsniederlassung hinunter. Die Entdeckung
eines Schmuggelhandels in Waffen mit den aufständischen malaiischen
Stämmen im Baritogebiet veranlasste übrigens einige Jahre später (1902)
die indische Regierung zur Aufhebung der Niederlassung Long Bagung.

Mit _Bang Jok_ im selben Hause wohnte auch dessen jüngerer Bruder
_Lawing Jok_, der viel weniger Energie und Verstand besass als er und
sich hauptsächlich mit Ackerbau, Jagd und Fischfang beschäftigte,
mit denen _Bang Jok_ sich, gegen alle Bahausitte, überhaupt nicht
abgab. Auch _Lawing_ besass nur eine Frau, von der er mehrere Kinder
hatte.

Trotz der grossen Einkünfte, die _Bang Jok_ sich auf alle mögliche
Weise zu verschaffen wusste, lebte er doch, wie das ganze Dorf, in
einem schlecht gebauten, baufälligen Hause und dürftigen Verhältnissen,
da, in einem für Europäer unbegreiflichen Masse, sein ganzer Tag von
Spiel und Hahnenkämpfen eingenommen wurde. An diesen beteiligten sich
die fremden Händler und Buschproduktensucher, die sich in Geschäften
oder zur Erholung ständig in Long Deho aufhielten, mehr als die Bahau.

Obgleich die Wohnung des Häuptlings nur aus einem einzigen grossen
Raum bestand, in dem alle Familienglieder lebten und ihre Matratzen
mit den darüber gehängten Moskitonetzen sich befanden, hielten sich
doch den grössten Teil des Tages über die Fremden dort auf, um sich
dem Karten- und Würfelspiel zu sehr hohen Einsätzen hinzugeben. Noch
mehr Geld wurde bei den ständigen Hahnenkämpfen gewonnen und verloren,
die hier völlig den Charakter eines Hazard- und Wettspiels angenommen
hatten. Hier wurden nicht mehr vor der Bestimmung des Einsatzes nach
allerhand abergläubischen Regeln die Kämpfer stundenlang miteinander
verglichen, wie es bei den Bahau oberhalb der Wasserfälle Sitte ist,
sondern nach kurzer Besprechung waren die Vorbereitungen getroffen,
die Einsätze bestimmt, die eisernen Sporen angebunden, und das Wetten
begann. Trotzdem _Bang Jok_ zu den entschlossensten Charakteren unter
den Bahauhäuptlingen gehörte, war er in vieler Hinsicht doch von
den Malaien abhängig, die ihm mit ihrem Rat zur Seite standen. Er
selbst sprach zwar fliessend und gern Malaiisch, da er aber weder
lesen noch schreiben konnte, hatte er für diese Fertigkeiten die
Hilfe der malaiischen Küstenbewohner nötig, von denen der eine oder
andere sich als Schreiber bei ihm aufhielt und wieder verschwand,
sobald seine Betrügereien dem Häuptling zu arg wurden. Unter den
Leuten, die zu schreiben und zu lesen verstanden, befanden sich viele
Bandjaresen, die in den Missionsschulen der Zuider-Afdeeling diese
Kenntnis erworben hatten; wenn derartige, auch in der eingeborenen
malaiischen Gesellschaft ihrer Kenntnisse wegen sehr gesuchte Personen
ihre zivilisiertere Heimat gegen das unwirtsame Binnenland eintauschen,
so darf man wohl sicher annehmen, dass ihnen der Boden ihres Landes zu
heiss geworden ist, weil sie sich irgend eines Verbrechens schuldig
gemacht haben. Kein Wunder, dass auch _Bang Jok_ ständig von den
Malaien in seiner Umgebung betrogen wurde und nicht minder als seine
weniger weltklugen Ranggenossen einen lebhaften Abscheu vor ihnen
empfand. Er konnte sie jedoch wegen seiner Spielwut nicht missen,
und sein jahrelanger Aufenthalt in Tengaron hatte ihn zu viel mit
malaiischem Wesen in Berührung gebracht, um ihn an der Gesellschaft
seiner rohen Bahaubrüder noch Gefallen finden zu lassen.

Derselbe Widerspruch äusserte sich auch in seinem Verhältnis zum Sultan
von Kutei: die Misshandlungen, die besonders seine Landsleute unterhalb
der Wasserfälle von den Kuteischen Sultanen erdulden mussten und die
ihn selbst in das Gebiet oberhalb des Kiham Halo getrieben hatten,
erfüllten ihn zwar mit Hass und Widerwillen gegen die malaiische
Rasse, doch war er andrerseits so geschmeichelt, wenn Abgesandte
des Sultans bei ihm erschienen, dass er sich von diesen leicht als
Werkzeug gebrauchen liess.

Die Bahaubevölkerung von Long Deho beteiligte sich, wie gesagt,
nur selten am Spiel in der Häuptlingswohnung, obgleich auch jeder
Dajak, der Geld hatte, in dieser gemischten Gesellschaft willkommen
war. In den Häusern der übrigen Familien wurde übrigens ebenfalls
viel gespielt; da sich besonders die jüngeren Männer dem Spiel
hingaben, statt sich dem Landbau zu widmen, herrschte in keiner
Bahauniederlassung am Mahakam eine solche chronische Nahrungsnot
wie in Long Deho. So oft ich auch bei meinen Auf- und Abfahrten auf
dem Mahakam hier Halt machte, gelang es mir doch nie, für mich und
mein Personal eine genügende Menge Lebensmittel einzukaufen; auch
für die Niederlassung selbst mussten stets von ober- oder unterhalb
der Wasserfälle Vorräte angeführt werden. Die Bevölkerung sprach denn
auch öfters von den Vorteilen, die ein Rückzug in das Land unterhalb
der Wasserfälle, wo man nie derartig an Mangel gelitten hätte, bieten
würde. Angst vor den Kuteinesen verhinderte jedoch die Verwirklichung
dieser Idee, und für den Häuptling bildete im geheimen die Nähe seines
kostbaren Bohgebiets, in dem noch so viele Buschprodukte zu sammeln
waren, ein gewichtiges Motiv, um seinen jetzigen Standort, von dem aus
er jene Schätze im Auge zu behalten vermochte, nicht zu schnell wieder
zu verlassen. Nach meiner Rückkehr aus dem Mahakamgebiet, Ende 1900,
gelang es ihm denn auch, mit einer Truppe von Buschproduktensuchern
Kontrakte über die Ausbeutung der höher gelegenen Teile des Bohgebiets
abzuschliessen, die ihm sicher beträchtliche Summen eintrugen. Zur
Wohlfahrt seiner Stammesgenossen wird dieser Umstand wenig beigetragen
haben, denn, obgleich sie das Recht besitzen, im Gebiet des Stammes,
also auch im Boh, auf eignes Risiko Buschprodukte zu sammeln, ohne
für diese dem Häuptling Abgaben zahlen zu müssen, so haben sie
doch keinen Anteil an den 10%, die die Fremden dem Häuptling für
die Ausnutzung eines bestimmten, dem Stamme gehörigen Gebietes an
Steuergeld aufbringen müssen. Das Gelände, in dem die Bahau selbst
sammeln könnten und das durch die zunehmende persönliche Sicherheit
nach der Einsetzung einer niederländischen Verwaltung in Long Iram
für sie zugänglich geworden ist, wird jetzt durch Fremde ausgebeutet.

In Long Deho fiel es mir mehr als bei den reicheren, höher gelegenen
Dörfern auf, wie sehr diese Bahau durch ihren Glauben in ihrem Tun und
Lassen geknechtet sind. So pflegte z.B. _Bang Jok_ jedes Jahr, nachdem
der Reis gesät und der Nahrungsmangel vor dem Eintritt der neuen Ernte
am grössten war, mit seiner ganzen Familie und der seines Bruders
_Lawing_ nach Long Bagung unterhalb der Wasserfälle zu ziehen, wo die
Zustände infolge der Reiseinfuhr von der Küste günstiger lagen. Zu
Anfang der Ernte musste _Bang Jok_ wieder nach Long Deho zurückkehren,
um als Stammeshäuptling bei den Opferfeierlichkeiten für die Geister,
die als _lali parei ok_ und _lali parei aja_ die Ernte einleiten,
den Dorfbewohnern voranzugehen. Ich selbst erlebte mehrmals, dass der
Häuptling durch Hochwasser am Passieren der Wasserfälle wochenlang
verhindert wurde oder dass seine Reisevorzeichnen schlecht waren und
die Bevölkerung von Long Deho, trotzdem sie Hunger litt und der Reis
auf dem Felde überreif abfiel oder durch Regen verdarb, die Ernte in
der Abwesenheit des Häuptlings, also ohne Feste, nicht vorzunehmen
wagte. Dieser Beweis für das hartnäckige Festhalten der Bevölkerung
an ihrem Glauben, auch trotz der ungünstigsten Umstände, ist um so
bemerkenswerter, als sich seit langer Zeit so viele andersgläubige
Händler und Buschproduktensucher bei ihnen aufhalten, die über ihre
heidnische Dajakreligion spotten.

Was den Kultus der übrigen Dörfer am Mittel-Mahakam betrifft, so
halten auch sie noch allgemein mit Zähigkeit an ihrem alten Glauben
fest, obgleich die Familie ihres vornehmsten Häuptlings in der Person
_Raden Temenggungs_ zum Islam übergetreten ist und sie selbst bereits
seit langem mit den Kuteinesen und Buginesen vom unteren Mahakam
in Berührung gekommen sind. Natürlich hat der Einfluss, den diese
in vieler Beziehung auf die Bahau geübt haben, auch das religiöse
Gebiet nicht unberührt gelassen und es ist sehr wahrscheinlich,
dass auch diese Stämme im Lauf der Zeit den für sie sehr leichten
Übertritt zum Islam nicht werden vermeiden können; denn auch sie
sehen zu den mohammedanischen Küstenbewohnern, wie zu höherstehenden
Menschen auf und dieser Grund wird für sie stark genug sein, um das
Schweinefleischessen aufzugeben und sich den wenigen Zeremonien, die
der Übertritt zum Islam den Dajak anfangs auferlegt, zu unterziehen.

Zur vollständigeren Übersicht über die dajakischen Stämme am
Mittel-Mahakam sind noch zwei Gruppen derselben zu nennen, nämlich

die Tundjungstämme am rechten Mahakamufer und die Kenjastämme am
Tawang. Die Tundjung wohnen nicht am Hauptstrom, sondern in einigem
Abstand von diesem im Hügelland zwischen dem unteren Mahakam und dem
Rata; sie betrachten sich selbst nicht als direkte Verwandte der
Bahau. Sie stellen sich regelmässig, um Handel zu treiben, an den
_pankalan_ des Mahakam ein, d.h. an den Stellen, wo die Wege aus
ihrem Gebiet den Hauptfluss erreichen. Der vielen Nahrungsmittel
wegen, die sie auf den Markt bringen, sind sie hauptsächlich für
die vielen Fremden in diesem Teil des Mahakamgebietes von grosser
Bedeutung. Sie sind direkt abhängig vom Sultan von Kutei, d.h. sie
sind ihm tributpflichtig und müssen sich von ihm zu willkürlichen
Terminen Steuererhebungen gefallen lassen. An festen Abgaben muss
jeder erwachsene Mann 3 fl und jede Frau und jedes Kind 1 fl leisten,
überdies muss jedes Familienhaus, _amin_, noch 1 _kati_ Guttapercha
im Wert von etwa 2,5 fl aufbringen. Diese letzte Bestimmung rührt aus
einer Zeit her, in der im Tundjunglande noch viele Guttaperchabäume
zu finden waren, aber jetzt sind sie dort bereits lange ausgerottet,
und die Tundjung können die erforderliche Menge nur noch in sehr
grosser Entfernung von ihrem Wohnplatz zusammenbringen. Hierdurch
ist diese, im Beginn nicht schwere Steuer allmählich sehr drückend
geworden. Die zu unregelmässigen Terminen vom Sultan erhobenen Abgaben
bestehen hauptsächlich in Reis und Hühnern. Sehr charakteristisch
für die Verhältnisse in diesen Gegenden war das Betragen dieser
Tundjungstämme gegenüber Kutei, insofern es sehr stark durch
Rücksichten auf die Gesinnung der Bahau beeinflusst war. Obgleich sie
von diesen völlig unabhängig sind, empfinden sie doch einen grossen
Respekt vor deren vornehmsten Häuptlingen, hauptsächlich denen in
Udju Tepu; sie machten sogar die Entrichtung der Steuern an Kutei,
der sie sich nur sehr widerwillig unterzogen, von der unter diesen
Häuptlingen herrschenden Stimmung gegen den Sultan abhängig. Unter
_Raden Temenggung_, der in seinen letzten Lebensjahren nur noch im
geheimen gegen Kutei aufzutreten wagte, hatten sie noch regelmässig
bezahlt, sobald aber nach dessen Tode sein Sohn _Si Ding Ledjü_
eine feindliche Haltung gegenüber den Sultan annahm, stellten sie
die Zahlung ein. Da es den malaiischen Fürsten ausschliesslich um
die Einkünfte von den unterworfenen Stämmen zu tun ist und sie die
Ausgaben, welche Zwangsmassregeln erfordern, scheuen, schritt der
Sultan nicht gegen dieses widersetzliche Betragen ein. Sobald nach dem
Tode _Dings_ dessen Bruder _Brit Ledjü_, der bereits lange vom Sultan
bestochen worden war, unter dem Namen von _Raden Mas_ an Stelle des
Verstorbenen trat und die Tundjung somit in den Bahau nur wenig Stütze
gegen Kutei mehr fanden, begannen sie aufs neue Steuern zu bezahlen.

Ebenfalls von Bedeutung für die Bevölkerungsverhältnisse am Haupt
strom ist die Existenz der Kenjaniederlassungen der Uma-Timé am oberen
Tatyang, einem linken Nebenfluss des Mahakam, den man durch den Merah
erreicht. Dieser etwa 2000 Seelen zählende Stamm ist als letzter vor
ungefähr 30 Jahren aus Apu Kajan in das Tiefland ausgewandert. Der
unmittelbare Anlass zu ihrer Auswanderung war folgender: Die Uma-Timé
spielten früher in ihrem Stammland infolge ihrer Stärke die gleiche
Rolle, wie jetzt die Uma-Tow, d.h. sie nahmen den übrigen Stämmen
gegenüber eine herrschende Stellung ein, machten sich aber unter
diesen durch ihr gewalttätiges Auftreten so viele Feinde, dass ihnen
der Aufenthalt dort nicht mehr sicher erschien. Ausserdem sehnten
sie sich danach, in grösserer Nähe der Küste zu leben, von der sie
Salz, Tabak und Leinwaren leichter beziehen konnten; auch hofften
sie im Vertrauten auf ihre grosse Anzahl, nicht zu sehr unter die
Abhängigkeit vom Sultan von Kutei zugeraten. Nachdem sie mit diesem
zuerst über eine Ansiedelung in seinem Reich am Tatyang unterhan
delt und seine Zustimmung erhalten hatten, begannen sie unter ihrem
Häuptling _Bo Adjang Hipui_, der damals in Apu Kajan viel Einfluss
besass, nicht längs des Boh, sondern in östlicher Richtung auszuwan
dern. Um die mannigfaltigen, für ein so grosses Unternehmen erfor
derlichen Vorzeichen zu suchen, begann der Stamm damit, in seiner
Auswanderungsrichtung einen für eine zeitweilige Siedelung passenden
Ort auszuwählen. Dort blieb er eine Reisernte über wohnen, dann zog
er auf die gleiche Weise weiter, so dass es drei Jahre dauerte, bevor
er sich am Tatyang niedergelassen hatte. Nach dem, was sie selbst
erzählten, hatten die Uma-Timé auf dieser Reise nicht all ihr Hab und
Gut mitnehmen können, sondern einige wertvolle Gegenstände, wie Gonge,
an verschiedenen Waldstellen verbergen müssen. Augenblicklich wohnt
der Stamm noch am Tatyang in mehreren grossen Niederlassungen unter
der Herrschaft von _Ibau Adjang_ und _Ding Adjang_, den Söhnen seines
berühmten Häuptlings _Bo Adjang Hipui_.

Die Siedelung dieser Kenja-Dajak am Tatyang ist vor allem deswegen
für den Mahakam von Bedeutung, weil ihre Verwandten aus Apu Kajan sie
auf ihren Handelsreisen zur Küste stets wieder besuchen und dabei die
Route Boh-Mahakam-Merah-Tawang einschlagen. Ihre alten Fehden haben die
Stämme aber trotz der ververwandtschaftlichen Besuche nicht vergessen.

Diese Kenjastämme hatten nicht, wie die Bahau, ihre Unabhängigkeit
Kutei gegenüber zu bewahren verstanden, obgleich sie anfangs so
zahlreich waren und mit der Energie der Gebirgsbewohner ausgerüstet
ihre neuen Wohnplätze bezogen hatten. Mit grosser Gewandtheit hatten
die Sultane von Kutei aus dem Verhältnis der Stämme untereinander
ihren Nutzen zu ziehen verstanden. Anfangs hatten die Kenja dieses
Gebiet mit Zustimmung des Sultans besetzt, ohne von diesem in irgend
einer Weise abhängig zu sein. Ihre vornehmsten Häuptlinge _Ding
Adjang_ und _Ibau Adjang_ hatten sich oberhalb der Niederlassung
Long Bila zwei grosse Häuser gebaut; nach kurzer Zeit entstand
aber Streit zwischen den neuen Nachbarn, worauf das Köpfejagen von
beiden Seiten mit Erbitterung betrieben wurde. Da die Long-Bila
unter der Herrschaft des Sultans von Kutei standen, suchten sie bei
diesem Hilfe. Er sandte ihnen einige Malaien und eine grosse Anzahl
Gewehre mit Munition, die die Kenja nicht besassen und vor denen sie
sich daher sehr fürchteten. Die Long-Bila erhielten hierdurch das
Übergewicht über die Uma-Timé, denen sie im übrigen weder an Anzahl
noch an persönlichem Mut gewachsen waren. Durch eine Beschiessung
ihrer Niederlassungen zwangen sie die Kenja, diese zu verlassen,
worauf sie die Häuser verbrannten. Dieser obdachlose Stamm musste
sich darauf dem Sultan unterwerfen und ihm tributpflichtig werden,
worauf dieser ihm dann neue Häuser zu bauen gestattete.

Über das Verhältnis der Uma-Timé zu den ihnen verwandten Stämmen
in Apu Kajan und den Einfluss, den dieses auf den Verlauf meiner
Reise zu den Kenja gehabt hat, wird im IV. Kapitel ausführlicher
die Rede sein. Zum Schluss noch einige Bemerkungen über die
Beziehungen zwischen der Bahaubevölkerung ober- und unterhalb der
Wasserfälle. Aus den vorhergehenden Schilderungen ging bereits
hervor, dass die Bande zwischen den Mahakamstämmen sehr locker
sind; da die Glieder desselben Stammes in der Regel untereinander
heiraten, besteht eine Blutsverwandtschaft zwischen den Stämmen
nur unter den Häuptlingsfamilien, deren Angehörige, um eine
ebenbürtige Heirat schliessen zu können, sich oft mit Gliedern
anderer Stämme verbinden. So sind am oberen Mahakam die Häuptlinge
aller Niederlassungen mit der Familie des alten _Bo Ibau_ verwandt
geworden, am mittleren Mahakam dagegen mit der seines Bruders _Bo
Ledjü Aja_. Ihre gemeinsame Abkunft aus Apu Kajan ist den Stämmen
jedoch, wie schon erwähnt, noch wohl bekannt, wenn die Geschichte
ihrer Auswanderung auch allmählich mit phantastischen Erzählungen
verknüpft worden ist. Ebenso erinnern sie sich noch, wie seiner Zeit
mit _Bo Ledjü Aja_ Angehörige zahlreicher Stämme, wahrscheinlich von
dem mächtigen Häuptling gezwungen, die Wasserfälle hinunterzogen. Von
vielen dieser ausgewanderten Stämme sind nur wenige Familien übrig
geblieben und diese werden allmählich über die Wasserfälle zu ihrem
ursprünglichen Stamm zurückgeholt. So beabsichtigten die Kajan
während meines Aufenthaltes bei ihnen, einige Familien, die von dem
ausgewanderten Teil ihres Stammes übrig geblieben waren und am Rata
ein armseliges Leben führten, nach dem Blu-u zurückzuholen. Der
vornehme Kajanpriester _Bo Bawan_ hatte, was der Entfernung wegen
nur selten vorkam, eine Frau aus einer dieser Familien geheiratet;
im Jahre 1891 begleitete er mich auf meiner ersten Reise den Mahakam
hinunter, um mit seiner Gattin deren Angehörige am Rata zu besuchen.

Obwohl ihre Verwandtschaft unter einander ihnen bekannt ist, stehen
sich die Stämme oberhalb der Wasserfälle viel weniger fremd gegenüber
als denen unterhalb derselben. Die Bahau oberhalb des Kiham Halo
betrachten sich noch als Leute gleicher Art und Gesinnung, unterhalb
desselben beginnt für sie aber das Gebiet der Fremden. Hauptsächlich
liegt dies daran, dass sie ihre Stammverwandten am Mittel-Mahakam
weniger häufig besuchten und bei ihnen viele Sitten der Küstenbewohner
eingeschlichen fanden.

Bezeichnend für das Verhältnis der Bewohner am oberen und mittleren
Mahakam war, dass die jungen Kajan vom Blu-u auf unserem Zuge nach
Udju Tepu in den Dörfern Long Deho, Batu Pala und Uma Wak mit den
jungen Mädchen der Häuser, in welchen wir übernachteten, in intimen
Verkehr traten und nur schwer von ihnen zu trennen waren, unterhalb
der Wasserfälle jedoch derartige Vertraulichkeiten vermieden,
weil sie hier weniger bekannt waren und überhaupt durch allerhand
geheimnisvolle Einwirkungen der Bevölkerung auf ihre Gesundheit krank
zu werden fürchteten. Die Bewohner des Binnenlandes sind überzeugt,
dass die Leute unterhalb der Wasserfälle im Besitz von Giften sind,
die sie einem unmerklich durch die Luft zukommen lassen können; auch
sollen sie diese Gifte auf die Sitzbretter streichen. Die Gifte,
die sich in das Essen mischen lassen, spielen in ihrer Vorstellung
beinahe keine Rolle.

Der Glaube an eine Vergiftung unterhalb der Wasserfälle findet eine
Stütze in den vielen Umständen, die dort mehr wie oberhalb der Fälle
dazu beitragen, sie krank zu machen. Vor allem die grosse Hitze,
dann das unreinere Flusswasser, das sie trinken, ferner die hier
häufig herrschenden Infektionskrankheiten, wie Influenza, Cholera,
Pocken etc. Dazu kommt, dass sie hier ständig in ihren Böten leben,
ungewohnte Dinge essen, die ihnen in den _toko_ von den Malaien
verkauft werden, u.s.w., alles Gründe, um eine Handelsreise
die Wasserfälle abwärts für eine lebensgefährliche Unternehmung
anzusehen. In der Tat erfordern diese Reisen häufig Opfer, und ich
selbst hatte oft Mühe, meine Reisegenossen vom mittleren Mahakam
oder gar von der Küste alle wieder lebend nach Hause zu bringen,
trotz meiner Fürsorge, Ratschläge und Medizinen.



KAPITEL III.

    Plan eines Zuges ins Quellgebiet des Mahakam--Schwierigkeiten
    bei den Vorbereitungen Fahrt auf dem Mahakam bis zum Quellfluss
    Selirong--Durch den Seliku auf den Lasan Tujang--Aussicht von
    dessen Gipfel--Topographische Aufnahmen--Geologische Verhältnisse
    des Quellgebiets--Über den Lasan Towong zurück zum Lagerplatz
    am Selirong--Charakter der beiden Quellflüsse--Besteigung des
    Batu Balo Baung--Umschlagen des Bootes in den Stromschnellen
    Vereinigung der topographischen Messungen des Mahakam- und
    Kapuasgebietes--Heimkehr nach Long Blu-u nach einmonatlicher
    Abwesenheit.


Eine der wichtigsten Angelegenheiten, die mich, abgesehen vom Zuge
zu den Kenja, an den Blu-u zurückgeführt hatte, war die schon lange
geplante topographische Aufnahme des Quellgebiets des Mahakam und
des Batu Tibang, des Grenzgebietes gegen Serawak. Eine Reise in
diese Gegend war mir bereits in den Jahren 1896 und 97 missglückt,
im vorigen Jahre hatten wir hierzu keine Zeit gehabt, auch hatte der
Pnihinghäuptling _Belarè_ keine Unternehmungslust gezeigt; so versuchte
ich denn jetzt, den Zug mit Hilfe der Kajan zustande zu bringen. _Kwing
Irang_ fürchtete wie gewöhnlich, dass uns in diesen, den Kajan beinahe
unbekannten Gegenden ein Unglück zustossen möchte und wollte anfangs
seine Zustimmung nicht erteilen. Teils des Lohnes wegen, teils um
wieder eine interessante Reise zu machen, fanden sich aber einige
junge Männer bei mir ein, die zum Unternehmen bereit waren, und jetzt
widersetzte sich _Kwing_ nicht mehr ernsthaft, sondern beauftragte
sogar seinen Ratgeber _Anjang Njahu_, mich als Anführer der Kajan zu
begleiten. _Kwing_ behauptete, selbst nicht mitgehen zu können, weil
er, in Anbetracht der sehr mittelmässig ausgefallenen Ernte, seinen
ganzen Reisvorrat beim Bau seines Hauses verbraucht hatte und daher am
Merasè Reis einkaufen musste. Zum Glück stellte sich später heraus,
dass seine _panjin_ doch noch Reis besassen. Ich beauftragte daher
_Demmeni_, eine möglichst grosse Menge Reis in Long Tepai einzukaufen,
was er auch tat. Im richtigen Augenblick kam ein Pnihing mit einem
kleinen, aber starken Boot angefahren, das er den Long Glat verkaufen
wollte; es gelang _Anjang Njahu_, das Boot gegen ein Schwert, ein
Fischnetz und zwei Stücke weissen Kattuns für mich zu erstehen. Ein
Schwert und ein Netz besass ich zwar nicht, aber _Anjang_ trat mir
beides für Geld ab, so dass er auch noch einen Gewinn davontrug und
ich um ungefähr 35 fl in den Besitz eines guten Bootes gelangte.

Als _Bier_ ankam, waren bereits viele Vorbereitungen für den Zug
getroffen, was um so nötiger war, als die trockene Jahreszeit ihrem
Ende nahte (es war Ende September) und man überhaupt nur bei niedrigem
Wasserstande daran denken konnte, den reissenden Mahakam bis zu seinem
Ursprung hinaufzufahren. Da vorauszusehen war, dass das Unternehmen
lange dauern würde, musste die Zahl der Teilnehmer mit Rücksicht auf
den Reisvorrat möglichst beschränkt werden, weswegen ich _Demmeni_ zu
seiner grossen Freude keine photographischen Aufnahmen machen lassen
konnte und ihn mit _Doris_, der auf diesem Zuge wegen der kurzen
Rastzeiten doch keine bedeutenden Jagderfolge hätte haben können,
am Blu-u zurückliess. Von den fünf Schutzsoldaten aus Samarinda,
die sich hier in den ungewohnten Verhältnissen noch bei jeder
Gelegenheit äusserst unbeholfen benahmen, sollten uns nur die zwei
besten begleiten.

Am 30. September sollten wir, 30 Mann stark, in vier Böten abreisen,
und noch am Tage vorher hatte ich mit den Kajan die Ausrüstung
besprochen und ihnen ans Herz gelegt, für _tuba_-Gift zu sorgen, um,
sowohl für unseren Unterhalt als für die Anlage einer Fischsammlung,
einen kleinen Nebenfluss ausfischen zu können. Leider war das nicht
geglückt und wir mussten unser Vertrauen auf die _djala_, das Wurfnetz,
setzen.

Morgens stellte es sich heraus, dass zwei der tüchtigsten jungen Leute
sich auf ihre Reisfelder begeben hatten und drei andere, _Anjè Pela_,
_Sawang Hugin_ und _Sulang Orang_ unter allerlei Vorwänden nicht
mitgehen zu können erklärten.

Eigentlich hatte nur der letztere einen wirklichen Grund, sich
zurückzuziehen. Er war nämlich im Begriff Priester zu werden und
befand sich in einer Periode von _lali_, weil er seinem _to dajung_
geopfert hatte. _Sulang Orangs_ Familie, die ihn nicht gern mitziehen
lassen wollte, obgleich er selbst grosse Lust dazu hatte, verweigerte
im letzten Augenblick aus diesen religiösen Gründen ihre Zustimmung zur
Reise. Sie hatte aber nichts dagegen, dass _Sulang Orangs_ Schwager
_Amei_ den Zug mitmachte, und da dieser selbst sich bereit zeigte,
beschloss ich, ihn mitzunehmen.

Was die Kajan in Wirklichkeit von der Beteiligung am Zuge zurückhielt,
war mir nicht deutlich und konnte ich auch nicht leicht erfahren, da
_Kwing_, die zuverlässigste Person im Dorfe, abwesend war. Es hatte
den Anschein, als wolle man den Zug, wegen der Besorgnis des Häuptlings
um unsere persönliche Sicherheit, überhaupt nicht unternehmen. Sowohl
das Quellgebiet des Mahakam, in dem die Batang-Lupar aus Serawak
lange Zeit umhergeschwärmt waren, als der Batu Tibang, auf dem der
Erzählung nach viele Geister, riesige Blutegel und andere gefährliche
Tiere lebten, und den ich anfangs hatte besteigen wollen, waren nämlich
sehr gefürchtet. Als ich aber _Bo Kwai Adjung_, einen für dajakische
Verhältnisse aufrichtigen Mann, nach dem wahren Sachverhalt fragte,
sagte er mir, dass in Wirklichkeit häusliche Umstände die Männer an
diesem Tage an der Reise verhinderten und _Kwing Irang_ überdies noch
nicht endgültig mit ihnen gesprochen hätte.

An Stelle der beiden Männer, die sich morgens zu ihren Reisfeldern
davon gemacht hatten, meldeten sich jetzt einige andere zum Zuge,
und auch _Anjè Pela_ und _Sawang Hugin_ erklärten sich reisebereit,
nachdem ich ihren weiblichen Familiengliedern, die durch allerhand
Gegenstände, die sie für mich herstellten oder mir verkauften, viel
verdienten, gesagt hatte, ich wolle mit ihnen nichts mehr zu schaffen
haben, falls ihre Männer mich derartig betrögen. _Kwing Irang_, der
abends zurückkehrte, verstand die Leute dazu zu bewegen, dass sie am
1. Oktober morgens endlich wirklich reisefertig dastanden, allerdings
unter der Bedingung, dass ich ihren Taglohn auf 1 fl und Unterhalt
erhöhte. Um nur fortzukommen und weil unser Unternehmen für die Kajan
in der Tat ein Wagstück bedeutete, willigte ich sogleich ein, und bald
darauf fuhren wir den Mahakam bei sehr günstigem Wasserstande aufwärts.

_Kwing Irang_ führte seine Absicht, uns nach Long Kub zu begleiten,
um bei den Pnihing einen guten Führer für uns zu suchen, nicht aus,
sei es, dass die alte _Hiang_ ihn aus Eifersucht nicht zu seiner
jungen Frau lassen wollte, sei es, dass er in der kurzen Zeit keinen
passenden Mann finden zu können glaubte. Wir waren somit auf eigene
Kraft und Überlegung angewiesen.

Einmal unterwegs machten sich auch alle unsere jungen Männer
eifrig ans Werk, so dass wir, an Long Kub und _Belarès_
Niederlassung vorüberfahrend, abends bereits die Mündung des
Tjehan erreichten. Nachdem wir dort im Hause des Häuptlings _Anja_:
übernachtet hatten, fuhren wir am folgenden Tage mit der gleichen
Schnelligkeit bis zur Mündung des Kaso. Unser Plan war, den Fluss
so schnell und weit als möglich hinaufzufahren und von dem höchsten
Punkte aus die Untersuchungen anzufangen. Der niedrige Wasserstand
war für geologische Beobachtungen sehr geeignet, auch lassen sich
diese weit besser während der ruhigen Auffahrt als bei der bewegten
Abfahrt ausführen, aber ich musste damit rechnen, dass der Fluss
überhaupt nur bei diesem günstigen Wasserstande befahrbar war und wir
mit unserem Reisvorrat und daher auch mit unserer Zeit sehr sparsam
umgehen mussten. Somit blieb mir nichts übrig, als dieses neue Gebiet
nur im Vorüberfahren in Augenschein zu nehmen, ab und zu eine Notiz zu
machen und im übrigen auf schnelles Vorwärtskommen zu achten. Bei der
Rückfahrt hoffte ich, eingehendere Untersuchungen vornehmen zu können.

Gleich nach Sonnenaufgang, so schnell als das Abbrechen der Zelte und
das Laden der Böte es gestattete, verliessen wir unseren Lagerplatz
an der Kasomündung.

Als wir gegen 8 Uhr eine gute Landungsstelle und Brennholz fanden,
hielten wir eine halbstündige Frühstückspause und ruderten dann
ununterbrochen bis 4 Uhr nachmittags weiter. In den letzten
Abendstunden wurde eine Waldstelle ausgehauen, eine Hütte gebaut,
das Gepäck aus den Böten geholt und Essen gekocht. Gleich nach der
Ankunft hatten sich einige Kajan mit dem Speer oder Netz zum Fischfang
begeben; zu diesem Zweck hatten wir ein sehr kleines Boot mitgenommen,
das von 2-3 Personen leicht gehandhabt werden konnte. Die Leute fingen
in der Regel einen oder mehrere grosse Fische, so dass wir nur selten
die Konserven anzugreifen brauchten. Da die Länge unseres Aufenthaltes
in diesem unbewohnten Gebiet gänzlich von unserem Reisvorrat abhing,
übernahm _Bier_ die Aufsicht über den Reis und teilte jedem seine
Portion zu. Die Kajan hatten übrigens auch jetzt einen eigenen
Notvorrat an Reis oder _kertap_ mitgenommen.

Den dritten Tag ging es von unserer malerischen Lagerstätte unter
den grossen, überhängenden Uferbäumen weiter zum _pankalan_ Mahakam,
dem Anlegeplatz, an dem uns die Häuptlinge der Bahau ein Jahr zuvor,
nach unserer Reise über die Wasserscheide, abgeholt hatten. Die bis
zu dieser Stelle flachen Ufer steigen hier plötzlich so steil an,
dass an der Mündung des Howong keine hohen Bäume mehr an ihnen wachsen
können. Der Howong ergiesst sich an seiner Mündungsstelle durch einen
nur 10 m breiten, aber sehr tiefen Spalt des rechten Ufers, den er sich
selbst in die Schiefer gegraben hat, in den Mahakam; weiter oben, wo
er über lose Felsblöcke stürzt, bildet er 150 m hohe Wasserfälle. Von
hier an verengt sich das Flussbett des Mahakam; hohe Felswände aus
harten Schiefern und Hornstein erheben sich steil zu beiden Seiten,
so dass ein Mensch nur an wenigen Uferstellen Raum zum Stellen findet
und die Bootsstangen von den Wänden gleiten. Da das Wasser überdies
zu tief war, um mit den Stangen den Grund erreichen zu können,
hätten wir uns bei höherem Wasserstande überhaupt nicht fortbewegen
können. Weiter oben flachte sich das Gelände wieder ab und die geringe
Höhe des Uferwaldes, der sich über eine grosse Strecke ausdehnte,
deutete an, dass hier einst die Reisfelder der Pnihing gestanden.

Auch am folgenden Tage fuhren wir an früherem Ackerland vorüber,
bemerkten aber nur wenige Hütten; in diesen wohnten Pnihingmänner,
die von der Jagd lebten und für Frau und Kinder daheim Nahrungsvorräte
sammelten. Sie suchten auf den benachbarten Bergen wilden Sago und
jagten mit ihren Hunden Wildschweine, deren Fleisch sie räucherten
und deren Fett sie schmolzen, um es flüssig, ungesalzen, in frischen
Bambusgefässen aufbewahren zu können. Zu bestimmten Jahreszeiten, wenn
die Baumfrüchte reif sind, werden häufig so fette Schweine erlegt, dass
ein einziges Tier eine Familie monatelang mit Fett versorgt. Das Wild
ist in diesen ausgedehnten, von nur wenigen Bukatfamilien bewohnten
Gebieten nicht scheu, die Jagd daher sehr lohnend. Die Pnihing
schiessen auch Hirsche, da ihre _adat_ ihnen Hornvieh zu essen erlaubt.

Die Jäger berichteten, dass wir weiter oben keine Jagdgesellschaften
mehr antreffen würden, weil man sich aus Furcht vor den Batang-Lupar
nicht weiter hinaufwagte, obgleich man von den Feinden nichts merkte;
sie meinten auch, dass wir die Quellflüsse des Mahakam und den Landweg
nach Serawak bei diesem günstigen Wasserstande in fünf Tagen erreichen
würden, was sich später als richtig herausstellte.

An diesem Tage passierten wir noch den Kiham Matandow (Sonnenfall),
eine Stelle, an der der Fluss augenscheinlich eine der Ketten des
Schiefergebirges durchbricht und die daher schwer zu überwinden ist.

Der Fluss drängt sich hier mit starkem Gefälle zwischen einer beinahe
senkrechten nackten Schieferwand links und einem Chaos von Felsblöcken
rechts hindurch. Alle, die sich auf dem Wasser nicht sicher genug
fühlten, stiegen hier aus und der stärkere Teil der Bemannung begann
die Böte mit Rotangkabeln, bald längs des einen, bald längs des
anderen Ufers aufwärts zu ziehen. Zur grossen Genugtuung der Kajan,
die hier früher häufig mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt
hatten, befanden wir uns mit allen Böten noch vor Sonnenuntergang
oberhalb des Kiham Matandow; eine ähnliche Befriedigung empfand ich
selbst darüber, dass wir den sehr beschwerlichen Weg über die Felsen
ohne Arm- und Beinbruch zurückgelegt hatten. Leider entdeckten wir
erst auf dem Rückwege, dass etwas weiter links ein sehr guter Pfad
durch den Wald führte. Da es zum Weiterfahren zu spät war, schlugen
wir auf der ersten besten Geröllbank unser Lager auf.

Von hier an begegneten wir keinen Menschen mehr, wohl aber vielen
alten Hütten, die, ihrer Bauart nach, teils von Batang-Lupar teils von
Bahau auf dem Wege nach Serawak gebaut worden waren. Die feindlichen
Hütten sahen, zur grossen Beruhigung unserer Kuli, am ältesten und
verfallensten aus.

Oberhalb des Kiham Matandow verschmälerte sich das Flussbett immer
mehr und zeigte an Stellen, wo es einen Bergrücken durchbrach, in der
Regel nicht über 40 m Breite; dazu lag der Fluss voller Felsblöcke,
die Stromschnellen verursachten. Trotz aller dieser Hindernisse kamen
wir schnell vorwärts und übernachteten auf einer Flussbank gegenüber
einer prachtvoll bewachsenen Bergkette.

Früh am anderen Morgen wurde aufgebrochen und an der Mündung des in
das Merasè-Gebiet führenden Sekè, eines grossen linken Nebenbusses
des Mahakam, gefrühstückt. Wir erfuhren später, dass uns während
der Mahlzeit eine Bande Punan vom Merasè belauerte; sie hielt uns
anfangs für Batang-Lupar und war, auch nachdem sie uns erkannt hatte,
zu scheu, um näher zu kommen. Sie erzählten _Kwing Irang_, dem sie
später am Merasè begegneten, wo sie uns getroffen hatten.

Nachdem wir an einigen grossen Nebenflüssen vorbeigefahren waren,
wurde der Hauptstrom schmäler und schmäler; da dass Flussgeschiebe
ausserdem hie und da meterhohe, steile Bänke bildete, wäre es uns, wenn
das Wasser nicht gerade jetzt infolge einiger Güsse gestiegen wäre,
wodurch die Böte sich leichter hinaufziehen liessen, nicht geglückt,
bereits am neunten Tage am Seliku, dem rechten Quellfluss, vorüber
zu fahren und noch am gleichen Tage den _taga harok_ (Anlegeplatz
der Böte) am Selirong zu erreichen. Das Ziehen der Böte über das
Flussgeröll war besonders am letzten Tage sehr mühsam gewesen, und ich
hatte nicht nur das Boot verlassen, sondern auch beim Schleppen helfen
müssen. Bei dieser Gelegenheit machte ich aufs neue die Beobachtung,
dass die Bahau zwar bei weitem nicht so stark wie wir Europäer, aber
dafür ausdauernder sind. Dass sich in dieser Gegend seit langer Zeit
keine Menschen gezeigt hatten, bewies uns ein Hirsch, der uns vom Ufer
aus in einem Abstand von kaum 10 m mit grossem Interesse beobachtete
und durchaus nicht ans Fliehen dachte, sondern, erst nachdem unser Boot
vorübergefahren war, mit bedächtigem Schritt in den Wald zurückkehrte.

Am _taga harok_ war der Wald im Laufe der Zeit ausgerodet worden;
in den mit Gestrüpp bewachsenen Lichtungen standen noch die
halbverfallenen Hütten der letzten Reisenden. In einer Bucht lag auch
noch ein altes Boot, das die Batang-Lupar augenscheinlich vor langer
Zeit zurückgelassen hatten.

Die Männer fanden bald eine genügende Menge Holz, um Hütten zu bauen,
in denen wir es uns noch vor Einbruch der Dunkelheit gemütlich machten,
mit dem stolzen Bewusstsein, den Mahakam in aussergewöhnlich kurzer
Zeit völlig hinaufgefahren zu sein. Der Selirong ist bei niedrigem
Wasserstande nur 10 m breit und weiter aufwärts der vielen Felsblöcke
wegen nicht mehr befahrbar. Wir befanden uns hier an der Stelle,
von der aus man am besten den Bergrücken, der längs des linken Ufers
des Seliku zum Njangeian führt, besteigen kann. Früher benützte man
das Flussbett des Seliku selbst als Weg, doch ist dieser wegen der
zahlreichen Wasserfälle und glatten Schieferfelsen, über die man
hinweg klettern muss, so beschwerlich, dass man jetzt lieber den
5-700 m hohen Bergrücken hinauf- und hinabsteigt.

Der _taga harok_ liegt in einer Höhe von 550 m; wir waren also in neun
Tagen ungefähr 300 m gestiegen, wonach man sich die Schwierigkeiten,
die das Schleppen der Böte besonders in den letzten Tagen verursacht
hatte, vorstellen kann. Der 10. Oktober war uns daher als Ruhetag sehr
willkommen. Einige Männer wuschen unsere Kleider und trockneten sie in
der Sonne, deren Strahlen bis zum Erdboden durchdrangen; andere wieder
trafen Vorbereitungen für die Landreise. Mit Rücksicht auf die kurze
Dauer unseres Zuges nahmen wir nur das notwendigste Gepäck mit; denn
es lag uns daran, so schnell als möglich den auf der Wasserscheide
zwischen Mahakam und Batang-Redjang liegenden und somit die Grenze
gegen Serawak bildenden Lasan Tujang zu erreichen. Von ihm aus sollte
man sehr gut den Batu Tibang, den Mittelpunkt der Bahauwelt, den
ich seit vielen Jahren bereits gesucht hatte, sehen können. Den Lasan
Tujang hatten wir als das Endziel unserer Reise ausersehen, von ihm aus
sollte _Bier_ mit Tranche-Montagne und Massstäben den Weg bis zum Blu-u
sorgfältig messen, während wir auf dem Rückwege ausserdem von einem
Berg einen Überblick über die Umgebung zu gewinnen versuchen wollten.

Alles überflüssige Gepäck wurde auf ein Holzgestell gelegt und
mit Segeltuch bedeckt; nachdem auch die Böte aufs Land gezogen und
die Lasten verteilt worden waren, machten wir uns am 11. Oktober
auf den Weg. Wir betraten einen breiten, wenig verwachsenen Pfad,
der augenscheinlich seit vielen Jahren benützt wurde; trotzdem war
die Besteigung des Abhanges des 1100 m hohen Lasang Towong, über den
der Weg zum Lasan Tujang hinaufführte, sehr beschwerlich. Der Berg
trägt seinen Namen nach einem Long-Glat "Towong", der hier auf einer
Handelsreise nach Serawak auf Anstiften _Bo Kulès_, mit dessen Frau er
in intimem Verkehr stand, von seinen Reisegenossen ermordet worden war.

Der Grat auf dem in nördlicher Richtung verlaufenden Bergrücken war
zwar nur wenige Meter breit, doch blieb der Pfad gut; nur mussten wir,
da er ständig 50-100 m fiel und wieder stieg, vor Ermüdung sicher 10
Mal Halt machen, bevor wir den 1200 m hohen Punkt, von dem aus der Weg
wieder zum Seliku abwärts führte, erreichten. Zu meiner Verwunderung
standen auf diesem Teil des Weges zahlreiche Hütten, obgleich
Trinkwasser nur schwer zu erlangen sein musste. Die Kajan erzählten
mir aber, dass sie auf ihren Handelsreisen soviel Salz mitnahmen,
dass sie es der Schwere wegen nicht auf einmal befördern konnten,
daher legten sie den Weg in Etappen zurück und machten bisweilen 3-4
Mal den Weg von einer Station zur andern, was sie zwang, in dieser
grossen Höhe zu übernachten und das Wasser in der Trockenzeit 3-400
m weiter unten zu holen.

Die Bäume, die den Pfad beschatteten, schützten uns zwar vor der
brennenden Sonne, benahmen uns aber jede Aussicht. Nachdem wir 800
m tief ins Tal des Seliku hinuntergestiegen waren, betraten wir zu
unserer Freude am rechten Ufer eine kleine Lichtung, die dadurch
entstanden war, dass alle vorüberziehenden Gesellschaften hier
ihr Lager aufschlugen und die nächsten Bäume fällten. Da hier in
der Nähe wenig brauchbares Holz zu finden war, begnügten wir uns
mit einer Punan-Hütte, die nur aus einer in einem Winkel von 60°
geneigten Wand bestand. Indem wir diese mit Segeltuch bedeckten und
auch seitlich, zum Schutz gegen den Regen, ein Segeltuch spannten,
stellten wir uns in kürzester Zeit ein Nachtasyl her. Wir beiden
Europäer schliefen in der Mitte, unsere Malaien an der einen und
die Kajan an der anderen Seite. Zur grossen Beruhigung letzterer war
mein Hund, der wie immer neben meinem Klambu schlief, diese Nacht sehr
wachsam und schlug mehrmals an. Sein Gebell, das wahrscheinlich den um
unser Lager schleichenden Tieren des Waldes galt, betrachteten unsere
farbigen Reisegenossen als ein ausgezeichnetes Abschreckungsmittel für
eventuelle Feinde, die uns in diesem gefürchteten Gebiet beschleichen
konnten.

Als wir am anderen Morgen dem Bette des Seliku bis zum Fuss des Lasan
Tujang folgten, begriffen wir, warum die Bahau lieber den Weg über
den Lasan Towong einschlugen: das nur 10-12 m breite Flussbett ist
nämlich entweder sehr tief und von senkrechten Wänden eingeschlossen,
oder flach und dann voller Felsblöcke. Wenn die tiefen Stellen
nicht durchwatet werden können, ist man gezwungen, längs des Ufers
über hervorragende, glatte Schieferfelsen zu gehen, was gefährlich
und anstrengend ist. Nicht nur wir beschuhten Europäer und unsere
ungeschickten Küstenmalaien, sondern auch die schwer beladenen Kuli
waren froh, dass wir bald den Fuss des Lasan Tujang erreichten. Dies
ist ein steiler Kegel, der sich 150 m hoch über einen Grat erhebt
und daher als Aussichtspunkt sehr geeignet ist. Auf dem steilen Pfade
nahmen uns aber die Bäume jeden Ausblick, auch war die ganze Landschaft
noch um 11 Uhr morgens in Nebel gehüllt. Auf dem Gipfel angekommen
ruhten wir uns im Sonnenschein auf der kleinen Rasenfläche, die dem
Gipfel wahrscheinlich seinen Namen gegeben hat (_lasan_ = Fläche;
_tujang_ = grün) erst aus und liessen dann die Männer die Bäume an
den südlichen, östlichen und westlichen Abhängen des Gipfels fällen;
nach Norden, nach Serawak hin, war eine Aussicht weniger notwendig,
auch war die Arbeit ohnehin schwer genug.

Vor ungefähr 20 Jahren hatte zwar _Kwing Irang_, als er sich während
eines melo _njaho_ auf dem Lasan Tujang aufhielt, einen Teil des
Waldes am östlichen Abhang, um Aussicht auf den Batu Tibang zu
gewinnen, fällen lassen; doch hatten die Bäume jetzt bereits alle
die gleiche, nicht bedeutende Dicke; leider war das Gebirgsholz hier
wieder besonders hart.

Die Männer machten sich mit dem Eifer, den sie während der ganzen Reise
zeigten, ans Werk; um m Uhr fielen bereits die ersten Bäume. Diese
systematisch von unten an halb durchhacken und dann von oben ein paar
grössere Exemplare so hinunterstürzen zu lassen, dass sie die unteren
zugleich niederrissen, gelang nicht vollständig, weswegen die Kuli
zwischen halb und ganz gestürzten Bäumen die noch stehen gebliebenen
fällen mussten, eine schwierige Arbeit. Gegen Abend war der östliche
Abhang doch so weit ausgehauen, dass wir eine freie Aussicht auf den
Batu Tibang geniessen konnten. Der gewaltige Eindruck, den dieser
Berg auf die Eingeborenen macht, beruht vielleicht ebenso sehr auf
seinem Äusseren als auf der Tatsache, dass er ihren grössten Flüssen
den Ursprung gibt. In der dunkelgrünen Masse der Urwälder, die alle
bis 1800 m hohen Rücken bedecken, sind weder Felsen noch Bergstürze
zu sehen, nur der Batu Tibang erhebt seinen spitzen Gipfel mitten
in einem Gebirgsmassiv, dessen sehr steile weisse Wände sich aus der
finsteren Umgebung, mit der sie in keinem direkten Zusammenhang stehen,
leuchtend abheben. Es schien mir, dass dieses Massiv von den Bergrücken
des Kettengebirges, das, von hier aus in südlicher Richtung gesehen,
den gleichen Charakter wie am oberen Kapuas trägt, unabhängig ist. Das
Massiv erhebt sich genau östlich vom Lasan Tujang in Form eines Kegels
mit sehr steilen, grauweissen Wänden, die sich in einer Höhe von 1400 m
nach innen neigen und dann mit schwacher Abdachung in 1800 m hohe, sehr
spitze Gipfel verlaufen. Nach Norden, Nord-Westen und Ost-Süd-Osten
entsendet das Batu-Tibang-Massiv Ausläufer; der südöstliche scheint
mit einem hohen Rücken, der die Wasserscheide zwischen dem Gebiet des
Kajan und des Oga bildet, zusammen zu hängen. Nach Süd-Osten kamen,
getrennt von ihrer Umgebung, kleinere Massive von gleichem Charakter
zum Vorschein. Der höchste Gipfel eines dieser Massive heisst Batu
Tibang Ok (= kleiner Batu Tibang).

Wir sahen deutlich, dass das Flusstal des Teken in den Batu Tibang
nach Westen tief einschneidet, dann gerade auf den Lasan Tujang
zuläuft und sich um dessen Fuss nach Norden windet. Einige Malaien
sagten mir später, dass der Teken ein Nebenfluss des etwas östlicher
entspringenden Nangeian ist.

Am folgenden Morgen liess ich sogleich die Bäume, welche die Aussicht
nach Süden benahmen, fällen. Zu unserem Leidwesen befanden wir uns
nicht hoch genug, um in der Frühe über die Wolken hinübersehen zu
können und mussten lange warten, bevor die nächste Umgebung sichtbar
wurde; trotzdem gelang es _Bier_, das im Laufe des Tages allmählich
auftauchende Gebiet aufzunehmen. Im Westen sahen wir nur ein enges Tal,
das die (wellen des Seliku birgt und im Westen und Norden von zwei
hohen Rücken eingeschlossen wird. Erst abends, als sich alle Wolken
erhoben hatten, bemerkten wir gen Süden den Lasan Towong und, in weit
grösserem Abstand als wir erwartet hatten, die pittoresken Formen eines
Gebirges, das dem Kalkgebirge am oberen Serata und Merasè sehr ähnelte.

Den folgenden Tag zogen wir weiter, nachdem wir alle von unserem
Standplatze aus möglichen Aufnahmen ausgeführt hatten. Der Abschied
fiel uns nicht schwer, da wir noch nie zuvor auf der Reise so stark wie
hier von Bienen und Wespen geplagt worden waren. Bienen, kaum so gross
wie kleine Fliegen, hatten es hauptsächlich auf unsere Augen, Ohren und
Nasenlöcher abgesehen, doch stachen sie nicht, was die gleich grossen
Wespen mit Vorliebe taten. Diese wiederum schätzten besonders die Haut
zwischen den Fingern, in die sie, wenn wir die Finger unwillkürlich
bewegten, sogleich ihren Stachel senkten. Auch an grossen Exemplaren
fehlte es nicht, aber die konnte man wenigstens besser sehen und
hören. Gegen die kleinen Tiere suchten wir uns durch Kajuputi-Öl zu
schützen, das wir in grosser Menge auf die Haut strichen.

Für die Rückreise am 14. Oktober hatte ich bestimmt, dass _Bier_
mit einigen Trägern für die Instrumente vorausgehen sollte, um den
Weg zu messen, während ich das Abbrechen des Lagers überwachen und
dem Vortrab das Essen bringen sollte, das er unterwegs einnehmen
konnte. Die Kajan waren anfangs zur Eile nicht aufgelegt, wurden aber
doch eifriger, als _Bier_ vor dem Abmarsch noch über der Wolkenschicht
einige Peilungen ausführte und ich einen Baum als Fahnenstange zuhauen
liess. Zu diesem Zwecke hackten einige Männer von einem hohen Baume die
Äste ab und befestigten an dessen Spitze die niederländische Fahne,
die _Delahit_ tags zuvor aus rotem, weissem und blauem Kattun genäht
hatte. Die Kajan glaubten, dass diese Fahne, als Zeugin der Anwesenheit
Weisser, die Batang-Lupar für lange Zeit davon abschrecken würde, auf
diesem Wege in das Mahakamgebiet einzudringen. Jedenfalls bewies die
Fahne auf sichtbare Weise unseren Zug, von dem man in weitem Umkreise
reden würde.

Darauf richtete _Bier_ sein Instrument nach Süden, seine Begleiter
ergriffen die Massstäbe, riefen "_da, da_" und waren nach wenigen
Messungen den Abhang hinunter verschwunden. Auch wir hatten bald
gepackt und das Essen gekocht; die Verteilung der Lasten ging schnell
von statten, da die schwerste Last, der Reis, beinahe vollständig
aufgezehrt war. Bei unserem Aufbruch begannen auch meine Kajan "_da,
da, ke uli, ke uli_" zu rufen; sie setzten den Ruf bis 50 m weit
den Berg hinunter fort. Mit da riefen sie ihre Seelen an, die sie
vor dem Zurückbleiben warnten, indem sie ihnen erklärten: _ke uli_
= ich gehe nach Hause.

Auf dem Lasan Tujang selbst war, wie ich bereits auf dem Hinwege
bemerkt hatte, nicht viel Gestein zu sehen, ich konnte es daher erst
am Fuss des Berges, im Tal des _Seliku_ untersuchen. Der Lasan Tujang
wird, gleich seiner ganzen Umgebung, aus senkrecht stehenden Schiefern
gebildet, auf denen hie und da mehr horizontal gelagerter Sandstein
liegt, der hier stark verwittert und nicht so deutlich geschichtet ist,
wie weiter unten im Selirong.

Nach meiner Abmachung mit _Bier_ schlug ich unser Lager im Tal
des Seliku an der Stelle auf, die er mit seinen Messungen um 4
Uhr nachmittags erreichen sollte. Inzwischen hatte ich Zeit, das
Flussgeschiebe zu untersuchen und mir einen Felsblock anzusehen,
den die Bahau seiner Eigenartigkeit wegen _batu ham_ (Schuppentier)
nennen. Es war ein Basaltblock, der im Fluss, vom Ufer halb verborgen,
lag und ganz aus aneinander schliessenden Basaltsäulen bestand;
die eine Seite trug deutliche Rinnen, die andere, an der die Säulen
abgebrochen waren, hatte eine schuppige Oberfläche. Später fand ich,
u.a. oberhalb des Kiham Matandow, noch mehr derartiger Blöcke, die
augenscheinlich besser als ihre Umgebung der Erosion Stand gehalten
hatten.

Im Lager übergaben wir unsere durchnässten Kleider und andere
Gegenstände sogleich den Malaien, die sie in die Sonne zum Trocknen
aushängten; doch wurde ihre blosse Haut von Bienen und Wespen so sehr
misshandelt, dass sie es kaum bei der Arbeit aushielten.

A m anderen Morgen beschloss ich, zu versuchen, über den Lasan Towong
bis zu unserem Lagerplatz am Selirong vorzudringen. Da _Bier_ mich an
diesem Tage schwerlich einholen konnte und ich am Selirong noch die
Böte und andere notwendige Dinge für die Abfahrt vorbereiten lassen
musste, gab ich _Bier_ Proviant mit und alles, was er zum Übernachten
nötig hatte, damit er uns später langsam folgen konnte.

Nach dem Frühstück brach ich unverzüglich auf, um auch die Leute zur
Eile anzuspornen; ich wollte nämlich noch den Gipfel des Lasan Towong
teilweise aushauen lassen, damit _Bier_ einige wichtige Peilungen
vornehmen konnte. Wie sehr ich in den letzten Tagen trainiert worden
war, merkte ich daran, dass ich ohne Unterbrechung die ersten 400 m bis
auf den Rücken zurücklegte, auf dem auf- und absteigenden Grate, der
uns auf dem Hinwege wohl 10 Mal zum Ausruhen gezwungen hatte, weiter
marschierte und nur da Halt machte, wo das Gestein eine Untersuchung
verlangte. Dieses bestand ganz aus verwitterten ziegelroten Schiefern,
die zu dem ungefähr nach Nord-Süden sich erstreckenden Bergrücken
senkrecht standen. Einige weisse Adern eines verwitterten Minerals,
wahrscheinlich Quarz, unterbrachen den einförmig roten Ton der
Schiefer.

An den sehr steilen Abhängen des Lasan Towong wuchsen keine Bäume,
daher ging das Aushauen des Gipfels schnell von statten. Wir sahen
von hier aus in das Tal des Selirong, der südlich von dem hohen Rücken
strömt, der ihn vom Teken scheidet. Das Tal setzte sich um das östliche
Ende dieses Rückens fort, was meine Vermutung, dass der Selirong
auf dem Batu Tibang oder in dessen unmittelbarer Nähe entspringt, zu
bestätigen schien. Nirgends waren helle Bergwände zu sehen, sondern
nur mehrere Reihen dunkelgrüner, von Ost nach West ziehender Ketten,
die von anderen, nordsüdlich gerichteten Ketten durchkreuzt wurden.

Nach vollbrachter Arbeit brachen wir bereits um 3 Uhr zu unserem
Lagerplatz auf, der nur noch eine Stunde entfernt war. Dort fanden
wir alles, wie wir es verlassen hatten, und in kurzer Zeit waren auch
unsere Zelte wieder aufgeschlagen. Das Wasser im Selirong war etwas
gestiegen und zum Baden beinahe zu kalt.

Den folgenden Tag schienen meine Leute als Ruhetag ausersehen zu haben,
denn sie waren nicht dazu zu bewegen, im fischreichen Selirong Fische
zu fangen und als Vorrat für die weitere Reise zu räuchern; sie taten
nur das Notwendigste und sammelten im übrigen neue Kräfte.

Um den Selirong weiter aufwärts zu erforschen, begab ich mich
mit einigen Männern zu Fuss das Flussbett hinauf und liess für das
Passieren der tieferen Stellen ein Boot nachschleppen. Da dieses jedoch
durch den Transport litt, gingen wir nicht weit, was übrigens auch
nicht notwendig war, da ich bereits in der Nähe unseres Lagerplatzes,
deutlicher als im Seliku, auf senkrechten Schiefern beinahe wagrechten
Sandstein angetroffen hatte. Ausserdem liessen sich aus dem Befund der
Geschiebebänke in Verbindung mit dem eigentümlichen Aussehen des Batu
Tibang interessante Schlussfolgerungen ziehen. Während nämlich der
Seliku ausschliesslich Schiefer, Quarz, Basalt und Sandstein mit sich
führt, besteht das Geschiebe des Selirong aus sehr verschiedenartigem
vulkanischem Gestein und Schiefer, was unsere Vermutung, dass der
Selirong seinen Ursprung in einem vulkanischen Gebirge nimmt, beinahe
zur Gewissheit machte.

Abends langte auch _Bier_ im Lager an. Er hatte die letzte Strecke
Wegs noch nicht gemessen und begab sich daher am folgenden Morgen
gleich nach Sonnenaufgang zurück, das Versäumte nachzuholen, während
wir das Essen kochten, das Gepäck in die Böte luden und alles zur
Abreise vorbereiteten. Auch für die Flussfahrt sollte sich unsere
Gesellschaft teilen: indessen _Bier_ mit drei Böten den zurückgelegten
Weg immer weiter sorgfältig aufnahm, wollte ich allein den Fluss
hinunterfahren, um geologische Untersuchungen vorzunehmen. In nicht
allzugrossem Abstand wollte ich dann einen geeigneten Lagerplatz
suchen und _Bier_ dort erwarten, damit wir wenigstens nachts alle
vereinigt wären; dieser Plan wurde in den nächsten Tagen auch stets
eingehalten. Abends, nach dem Aufschlagen der Zelte, fanden die Leute
noch reichlich Zeit, um Fische zu fangen. Einmal schloss auch ich
mich den Fischern an. Sie liessen unser etwas zu grosses Boot von
der Strömung still hinunter führen und trieben die grossen Fische,
die man im kristallklaren Bergwasser noch in Grosser Tiefe schwimmen
sah, vor uns her nach flacheren Stellen. Hier schleuderte der an
der Bootsspitze stehende Mann seinen Speer auf den Fisch. Traf die
Waffe schief, so riss sie beim Abgleiten einige Schuppen ab; bei
grossen Exemplaren konnte ich sogar den Aufschlag der Speerspitze
auf den Fisch hören. Meist gelang es dem Fischer unwillkürlich,
der trügerischen Tiefe des Wassers Rechnung zu tragen und den Speer
mitten durch das Tier zu treiben, worauf er sich sogleich auf die
Beute warf, bevor sie ihm davonschwamm. Einmal traf der Mann einen
Fisch unmittelbar oberhalb einer Stromschnelle, die das Tier, die
lange Lanze im Leibe, noch hinunterschwamm. Wir sahen den Stock in
und über den schäumenden Wassermassen auf- und niedergehen, bis wir
uns ein grosses Stück weiter, in ruhigerem Wasser, seiner und mit
ihm des grossen Fisches bemächtigten. Sogar nur 3 dm lange Fische
trafen meine Begleiter noch mit dem Speer, aber meist schnitt dieser
sie mitten durch und die Stücke sanken und trieben abwärts. In der
Regel werden aber Fische unter 4 dm Länge mit dem Wurfnetz gefangen.

Infolge häufiger Regengüsse schwoll der Seliku stark an, doch wurden
wir zum Glück bei dem Hinabfahren keinen Tag durch Hochwasser
aufgehalten, wie es bei dem Hinauffahren sicher der Fall gewesen
wäre. Wir kamen täglich ein gutes Stück vorwärts, nur war es schwierig,
das Fahrwasser wiederzuerkennen, denn an Stellen, die bei niedrigem
Wasserstande Stromschnellen bildeten, floss das Wasser jetzt ruhig über
die Felsblöcke, während in den Buchten und an den Felsvorsprüngen neue
Schnellen entstanden waren. Derartige Gebirgsflüsse sind daher nur;
wenn man sie gut kennt, bei jedem Wasserstande befahrbar; leider war
dies bei meinen Kajan nicht der Fall, da nur wenige von ihnen diesen
Teil des Mahakam überhaupt einige Male besucht hatten. Sie waren daher
sehr vorsichtig und gingen immer wieder eine Strecke längs des Ufers zu
Fuss voraus, um sich eine gefahrdrohende Flussstelle vorher anzusehen.

Unser Reisvorrat, der seinem Ende nahte, mahnte zur Eile, auch hatten
viele unserer Leute bereits ihren eigenen Notvorrat angegriffen. Drei
unter einander befreundete junge Kajan, die ihren Reis zusammengetan
und gegen eine Lohnerhöhung während der Reise davon gezehrt hatten,
waren jetzt ebenfalls auf unseren Vorrat angewiesen. Trotzdem konnte
ich, als wir am 21. October oberhalb des Kiham Matandow unser Lager
aufschlugen, der Versuchung nicht widerstehen, den Batu Balo Baung
zu besteigen, der sich neben uns am rechten Ufer erhob und eine gute
Missicht auf die Umgebung zu bieten versprach. Die Bäume auf dem Gipfel
dieses Berges, der wie alle anderen in dieser Gegend das Glied einer
Kette bildet, konnten leicht entfernt werden, da er spitz zuläuft. Die
Pnihing fürchten den Batu Balo Baung als den Wohnsitz eines weiblichen
Geistes, der seinen Gatten verloren hatte (balo), doch zeigten sich die
Kajan zum Mitgehen bereit. Die beiden Malaien aus Samarinda liess ich
zurück, da sie schlechte Bergsteiger waren und sich vom anstrengenden
Ziehen der Böte angegriffen, wenn auch nicht gerade krank fühlten.

Der zum Gipfel des Berges führende Grat erhebt sich steil aus dem
Mahakamtal und war mühsam zu besteigen. Wäre der Boden hart gewesen und
hätten wir am Gestrüpp keinen Halt gefunden, so wären wir bei einer
Steigung von 40-45° nicht hinaufgekommen. Der vorderste Mann musste
dazu erst einen Pfad aushauen, so dass es mehrere Stunden dauerte,
bevor wir den ersten, 900 m hohen Gipfel erreichten. Auf dem etwas
weiter liegenden höchsten Gipfel liess ich für 1-2 Nächte ein Lager
aufschlagen, was schneller von statten ging als das Fällen der Bäume,
deren Holz hier wieder sehr hart war; topographische Aufnahmen konnten
daher am ersten Tage noch nicht gemacht werden. Morgens bedeckte uns
und die ganze Umgebung eine dicke Wolkenschicht, die sich nur sehr
langsam erhob, weswegen _Bier_ erst gegen 12 Uhr mit dem Anpeilen
der wichtigsten Gipfel auf der Wasserscheide, die vom Kapuri aus
sorgfältig bestimmt waren, beginnen konnte. Wir benützten diese
Peilungen bei der späteren Übertragung der Messungen aufs Papier als
Kontrolle. Unsere Aussicht war beschränkt, da uns im Osten und Westen
viel höhere Rücken umgaben; sie trugen den gleichen Charakter wie
die am Kapuri und weiter oben am Mahakam und waren auch hier von
einem einheitlichen, faltenreichen, grünen Gewande bedeckt, ohne
irgendwo Gestein hervortreten zu lassen; ihr Anblick war grossartig
aber düster. Im Osten führte eine tiefe Schlucht auf einen 1600 m
hohen Rücken, von dem aus sich zwei Seitenrücken bis dicht an das
Ufer des Mahakam erstreckten, der selbst nur hie und da zwischen
den überhängenden Uferbäumen hindurchschimmerte. Die Abhänge des
Batu Balo Baung benahmen uns nicht die Aussicht, da sie an mehreren
Stellen selbst so steil waren, dass wir sie nicht sehen konnten.

Meine Kajan hielten hier das Fällen der Bäume für sehr gefährlich,
was ich ihnen auch glaubte, als ich die Bäume wie in einem leeren
Raum hinunterstürzen, dazwischen an einen Felsen prallen und einige
hundert Meter weiter unten aufschlagen hörte.

Wurde uns die Aussicht nach Westen durch die Wasserscheide gegen den
Kapuri und die Rücken, die sich von ihr aus zum Mahakam erstrecken,
benommen, so hatten wir nach Nord-Osten einen prachtvollen Blick ins
Mahakamtal, das vier Rücken durchbricht. In der Regenzeit, wo die Luft
klarer ist, hätten wir eine bessere Fernsicht genossen. Jetzt befanden
wir uns leider auch am zweiten Morgen nicht über den Nebelmassen.

Der Berggeist, der sich nachts sehr ruhig verhielt, liess tagsüber,
besonders wenn die Sonne schien, ein Heer von stechenden und saugenden
Insekten auf uns los, vor denen ich mich, wenn ich nicht das Fällen
der Bäume zu beaufsichtigen hatte, sogleich in mein Klambu rettete,
da _Bier_ alles Kajaputi-Öl nötig hatte, um sich während der Arbeit
zu schützen.

Am Morgen des 24. Oct. fand nach beendeter topographischer Arbeit
der Abstieg statt, der uns zwar leichter fiel als der Aufstieg, der
Steilheit des Abhanges wegen aber immerhin sehr ermüdend war. Ausserdem
wurden wir ständig durch die Kuli aufgehalten, die unterwegs Früchte
sammelten oder _tuba parei_ und _tengang_ zur Herstellung von
Schnüren hackten, wogegen ich nichts einwenden konnte, da unsere
Netze einer Reparatur dringend bedurften. Unten angelangt griff
ich zum sichersten Mittel, die Leute zur Eile anzuspornen, nämlich
zum Abfeuern einiger Schüsse, die ihnen in einer derartig einsamen
Umgebung immer Schreck einflössen. Sie eilten denn auch schleunigst
herbei, so dass wir über den Fluss zu unserem Lager setzen konnten,
wo wir alles in guter Ordnung wiederfanden und die zurückgebliebenen
Männer sich inzwischen etwas erholt hatten.

Leider begann das Wasser, das uns bisher so günstig gewesen war, des
Morgens so schnell zu steigen, dass _Bier_ bereits früh aufzubrechen
beschloss, um noch die Fälle des Matandow passieren zu können. Ich
gab ihm noch einige meiner Kuli mit, die längs des Uferpfades zu mir
zurückkehren sollten, doch sandte mir _Bier_ mit diesen auch noch
drei seiner eigenen Leute, weil das Wasser in kurzer Zeit zwei Meter
gestiegen war und das Gepäck desshalb beim Hinunterfahren über den
Kiham Matandow nicht im Boote bleiben konnte, sondern zu Lande bis
unterhalb der Wasserfälle getragen werden musste.

Während die Männer ihre Mahlzeit einnahmen, fiel das Wasser wieder so
weit, dass das leere Boot ohne Anstrengung über die Fälle geschafft
werden konnte. Unser Hab und Gut wurde inzwischen auf dem früher
entdeckten guten Pfade hinab befördert.

Bis wir unterhalb des Matandow angelangt waren und alles Gepäck sich
wieder im Boote befand, war es Mittag geworden, doch wurde mit dem
angenehmen Bewusstsein, die schwierigste Stelle hinter dem Rücken zu
haben, die topographische Arbeit begonnen.

Mit Rücksicht auf die heftige Strömung vereinbarten wir, dass ich
nur 1 1/2 Stunden weiter fahren sollte, damit _Bier_ uns leichter
einholen konnte. In meinem Boote befand sich beinahe die ganze
Zeltausrüstung, doch trugen besonders die schweren Kisten mit der
Gesteinsund Fischsammlung dazu bei, dass das nicht sehr grosse Boot
tief ins Wasser eintauchte. Da das Wasser unterhalb der Fälle ausserdem
sehr bewegt war, strengten sich 6 unserer Kajan an, das Boot längs des
Ufers, ausserhalb des hohen Wellenganges in der Flussmitte, zu halten.

Wir gelangten auch glücklich über diese Stelle und eine weiter unten
gelegene Stromschnelle; übrigens beunruhigte ich mich nicht sonderlich,
weil drei der tüchtigsten Männer die Führung übernommen hatten:
_Anjang Njahu_ und _Maring Kwai_ sassen am vorderen, _Sawang_ _Hugin_
am hinteren Bootsende. Plötzlich, hinter einer Flussbiegung, geriet
das Fahrzeug in heftig bewegte Wassermassen und wurde von einer Welle
auf die andere geschleudert. Zwar versuchten die Männer, das Boot mit
Anspannung aller Kräfte und Anwendung ihrer ganzen Steuerkunst zum
Ufer hinzulenken, aber die Spitze erhob sich nicht schnell genug,
das ohnehin überladene Fahrzeug sank und die Wellen schlugen von
allen Seiten hinein. Ich erinnere mich nur noch, dass _Anjang Njahu_
mir etwas zurief. Vielleicht verlor ich für kurze Zeit die Besinnung,
jedenfalls weiss ich nur, dass ich mich unter Wasser treiben fühlte,
ohne von Boot oder Mannschaft etwas wahrzunehmen. Bei der rasenden
Strömung blieb mir nichts übrig, als so schnell als möglich an die
Oberfläche zu gelangen; so schlug ich denn mit Armen und Beinen
kräftig aus und bekam, bevor ich noch zu sehr betäubt war, erst
mit der linken, dann mit der rechten Hand etwas Festes zu packen,
augenscheinlich die Ränder des umgekippten Bootes, unter dem ich
trieb. Ein kräftiger Ruck half mir heraus und einige Schläge brachten
mich nach oben. Meine Augen standen noch voll Wasser und ich hatte noch
kaum Luft schöpfen können, als ich erst am Kopf, dann an den Schultern
gepackt und auf die runde Bootsunterseite hinaufgezogen wurde. Fünf
Kajan und _Abdul_ sassen bereits oben, daher schwamm das Boot tief in
dem durchwühlten Wasser, und sein glatter, runder Kiel bot mir, der
ich an dergleichen Vorfälle nicht gewöhnt war, einen nichts weniger
als festen Sitzplatz. Die Kajan schwiegen, nur _Abdul_, der hinter
mir sass und mich voller Angst umklammert hielt, rief fortwährend:
_Tuwan, Tuwan!_ (Herr, Herr!), so dass ich ihn mit "_tida apa_" (es
ist nichts) beruhigen musste. Unterdessen suchte mir _Anjang Njahu_
mit Gewalt die Kleider vom Leib zu reissen, aber der starke Kaki
widerstand seinen Bemühungen und er konnte nur meinen geologischen
Hammer aus der Tasche ziehen und in den Fluss werfen. Bevor er noch
weiteres ausrichtete, wurde das Boot von einer neuen Stromschnelle
ergriffen, wobei jeder an sich selbst denken musste und ich vom Boot
ins Wasser glitt. Mit einigen Schlägen war ich jedoch bald wieder an
der Oberfläche, wo ich einen treibenden Schild zu packen bekam. Mich an
die dajakische Weise Flüsse zu durchschwimmen erinnernd, fasste ich den
Griff des Schildes mit der einen Hand, hielt diesen selbst unter mir
und schwamm so halb treibend zuerst neben dem Boote, dann, als ich vor
einem vorspringenden Felsen in ruhigeres Wasser gelangte, ans Land. In
voller Ausrüstung, den Revolver an der Seite, war das Schwimmen sehr
anstrengend, doch erreichte ich glücklich das Ufer, bevor mich die
Strömung etwas weiter unten in einen neuen Strudel zog. Die 6 Männer,
die mir nach ins Wasser gesprungen waren, zogen das Boot jetzt an einem
Rotang ans Land, und dann standen wir triefend, unserer Habe beraubt,
neben einander am Waldessaum. _Anjang Njahu_, der sich als Anführer
für das Unglück verantwortlich fühlte, blieb anfangs scheu zur Seite
stehen und trat erst, als er sah, dass ich nicht zürnte, mit bleichem
Gesicht auf mich zu und fragte, ob ich verwundet wäre. Auch _Tingang
Sulang_ kam, um sich von meinem Wohlergehen zu überzeugen. Er war,
da er mich nach dem Umschlagen nicht mehr an die Oberfläche hatte
kommen sehen, wieder ins Wasser gesprungen und dann ebenfalls mit
dem Boote abwärts getrieben worden. _Maring Kwai_ fehlte noch, doch
hatte man ihn auf meinen mit Riemen zusammengeschnürten Matratzen
hinunterfahren sehen; augenscheinlich war auch er irgendwo gelandet.

Eigentümlicher Weise war mein erstes Empfinden nach der Rettung
Selbstbefriedigung über die Geistesgegenwart, mit der ich mich durch
die Schwierigkeiten hindurch gerungen hatte; erst viel später fühlte
ich dankbare Freude über meine Lebenserhaltung.

Den Verlust unseres Gepäckes betrauerte ich lebhaft, da an ein
Auffischen der Sachen nicht zu denken war. Ich hatte zwar beim ersten
Auftauchen eine eiserne Kiste und mein Moskitonetz vor mir schwimmen
sehen, doch waren sie mit allem anderen gewiss längst gesunken. Meine
wertvollen Sammlungen waren unwiderruflich verloren, ebenso die
Konserven, die wir uns vom Munde gespart hatten. Besonders bedauerte
ich den Verlust meines prachtvollen Jagdgewehrs, eines Fernrohrs,
einiger Barometer und Bücher. Meine geologischen Aufzeichnungen und
den geologischen Kompass fand ich zu meiner Freude noch in meinen
Taschen; auch war der Schmiedehammer an dem hölzernen Gestell, das im
Boote als Fussboden diente, hängen geblieben. Dass wir unseren Reis
verloren hatten, machte mich sehr besorgt; zum Glück hatte sich nur
ein halber Packen im Boote befunden und führte _Bier_ den Hauptvorrat
mit sich. Das grosse Segeltuch, mit dem wir die Reispacken zugedeckt
hatten, war also auch gerettet.

Sehr bald erschien _Bier_ an der Unglücksstätte, denn _Maring Kwai_
war, gleich nachdem er sich ans Ufer gerettet hatte, zu ihm gelaufen
und hatte ihm weinend den Vorfall berichtet. _Maring_ hatte meine
Matratze gerettet, was mir sehr angenehm war. Meine Kajan schienen
mir durch den gänzlichen Verlust ihrer Habe für den Unfall, den sie
durch grössere Aufmerksamkeit vielleicht hätten vermeiden können,
genügend schwer bestraft; überdies hatte ich ja auch den Zug in dieses
ihnen fast unbekannte Gebiet auf eigene Verantwortung unternommen.

Nachdem ich mich aus _Biers_ Garderobe mit trockener Kleidung versehen
hatte, beschlossen wir, an diesem Tage nicht weiter zu fahren, sondern
zu beraten, wie uns aus der kritischen Lage zu helfen sei. In den
letzten Strahlen der untergehenden Sonne trocknete ich meine Uhr,
meinen Revolver, den geologischen Kompass und meine Kleider. Als
unsere Männer den ersten Schrecken überwunden zu haben schienen,
wurde in einem Kriegsrat bestimmt, dass ich mit nur einem Boote und
der nötigen Bemannung ohne Aufenthalt bis zum Blu-u durchreisen und
dafür sorgen sollte, dass man _Bier_ von dort aus so schnell als
möglich mit Reis versah. Eile war um so gebotener, als am folgenden
Tage das Wasser so schnell stieg, dass wir nicht abfahren konnten
und von unserem wenigen Reis zehren mussten.

Die Kajan, die zurückbleiben sollten, fürchteten sich hauptsächlich
vor dem Hunger und meinten daher, es sei unmöglich, jetzt noch den
Kaso hinaufzufahren. _Bier_ und ich hatten unter den obwaltenden
Umständen an die Ausführung dieses unseres anfänglichen Planes
überhaupt nicht mehr gedacht, da wir nun aber sahen, dass die Kajan
ihn doch nicht für gänzlich unausführbar hielten, versuchten wir,
ihn doch durchzusetzen. Abgesehen davon, dass der Kaso sorgfältig
gemessen werden konnte, bot dieser Extrazug den Vorteil, dass _Bier_
seine Aufnahme da anschliessen konnte, wo _Werbata_ sie im Gebiet
des Penaneh geendet hatte. So wurde denn vereinbart, dass _Bier_
zuerst den Kaso aufnehmen und dann den Penaneh bis zur früheren
Niederlassung der Pnihing, wo _Werbatas_ Beobachtungsposten lag,
hinauffahren und von dort aus den Mahakam messen sollte. Wenn möglich,
sollte er auch ein hochgelegenes Reisfeld besteigen, um eine Übersicht
über das Land zu gewinnen.

Infolge ihres starken Gefälles hält ein hoher Wasserstand in
Gebirgsflüssen nie lange an, so konnten wir bereits am folgenden
Morgen, als alles noch von schwerem Nebel bedeckt lag, in unser
leeres Boot steigen. Die schwächsten und unbrauchbarsten unserer
Männer hatte ich zu meinen Begleitern gewählt, doch leisteten sie
ihr Bestes und fuhren über keine gefährliche Stelle, ohne sie zuvor
von einem hohen Punkte des Ufers aus gut untersucht zu haben. Wir
passierten denn auch ohne Unfall mehrere grosse Stromschnellen und
legten bei der ersten Pnihing-Gesellschaft an, um zu hören, ob sie
etwas von unserem Hab und Gut aufgefischt hätte und etwas Näheres
über unsere Unglücksstätte wüsste. Einige hatten allerdings etwas
Holz, wahrscheinlich meinen Klappstuhl, schwimmen sehen und einen
Unfall vermutet, aber nichts aufgefischt; auch erzählten sie, dass der
Wasserfall, in dem wir umgeschlagen waren, _Anak Aran_ hiess und nur
bei Hochwasser heftige Stromschnellen bildete und dass man am linken
Ufer ohne Schwierigkeiten fahren konnte, in der Flussmitte dagegen
unfehlbar umschlug. Bereichert mit dieser Weisheit fuhren wir weiter,
fanden aber nichts von unseren Sachen wieder.

An der Mündung des Pè berichteten uns andere Pnihing, dass die Bukat
sich jetzt am Oberlaufe dieses Flusses aufhielten, weil sich seit
langer Zeit keine Batang-Lupar mehr gezeigt hätten.

An der Mündung des Pari, beim Häuptling _Tingang_ aus Long 'Küb,
machten wir Kalt. Der alte Mann, der in seiner Hütte mitten unter
grossen Mengen geräucherten Schweinefleisches und Bambusgefässen mit
Fett dasass, machte mir Vorwürfe, weil ich die Fahrt ohne Pnihing
gewagt hatte und bot zum Beweis seines Wohlwollens meinen Leuten
Sago und mir einige Stücke Wildschweinfleisch zum Geschenk an. Der
Alte reihte je 5-6 solcher Fleischstücke von ungefähr 1 dm Dicke zum
Räuchern auf ein Holzästchen. Er musste das ganze Schwein in so kleine
Stücke zerlegen, weil grössere über dem Feuer nicht gar genug wurden,
um längere Zeit aufbewahrt werden zu können.

Nach der sehr dürftigen Kost, die ich während eines Monats
genossen hatte, erschien mir dieses halb geröstete, halb geräucherte
Schweinefleisch ein wunderbarer Leckerbissen, den ich später im Boote
mit Behagen verzehrte. Den Rest liessen wir uns nachher auch noch am
Blu-u schmecken, wo Fische und Hühner nur selten zu haben waren und
die Kajan zum Jagen keine Zeit hatten.

Als ich nach unserer Ankunft in Long Blu-u _Kwing Irang_ aufsuchte,
fand ich ihn sehr erregt neben _Anjang Njahu_ sitzen, der ihm
unseren Reiseunfall berichtete, doch merkte ich nicht, dass er
diesem ernsthafte Vorwürfe machte oder heftig wurde. Nur der Eifer,
mit dem Leute gesucht wurden, um _Bier_ Hilfe zu leisten, bewies
mir, dass unser Missgeschick doch tiefen Eindruck gemacht hatte. Zum
Glück waren die Männer sehr darauf aus, "_ringgit_" (Reichstaler) zu
verdienen; einige wollten _Bier_ sogar nur unter der Bedingung, dass
sie ganz bei ihm bleiben durften, entgegen fahren. Dieser Eifer kam
_Biers_ Begleitern, die stark an Heimweh litten, gut zu statten. Die
Gesellschaft, die bereits am 28. Oktober mit 4 Packen Reis und anderen
notwendigen Dingen aufbrach, traf _Bier_ auf dem Heimweg, unterhalb
der Kasomündung, da sein Reis erschöpft war. Doch kehrte er jetzt
wieder um, nachdem er die meisten Leute überredet hatte, bei ihm
zu bleiben. Nur 4 Männer kamen nach Long Blu-u zurück. Als ich ihre
bleichen Gesichter und hohlen Wangen mit denen ihrer Stammesgenossen
verglich, konnte ich es ihnen nicht verargen, dass sie sich nach
Ruhe sehnten. Krank wurde jedoch keiner von ihnen, und auch _Bier_
traf am 7. Nov. zwar sehr ermüdet, aber vollkommen gesund mit seinem
Geleite bei uns ein.

Abgesehen von unserem Unfall, hatten wir alle Ursache, mit dem Ergebnis
unserer einmonatlichen Expedition zufrieden zu sein. Der ganze Weg
vom Lasan Tujang, an der Grenze gegen Serawak, bis zum Blu-u war
sorgfältig gemessen worden, von dem Grenzgebirge hatten wir eine
deutliche Vorstellung erhalten und weiter unten eine Übersicht über
das Land gewonnen. Durch die Peilungen vom Batu Balo Baung aus und die
Aufnahme des Howong und Kaso hatten wir die Messung des Mahakamgebietes
mit derjenigen des Kapuasgebietes verbunden, so dass wir von unserem
Zuge kaum mehr hatten erwarten können.



KAPITEL IV.

    Aussichten für die Reise nach Apu Kajan--Beziehungen der
    Bahau zu ihrem Stammland Die Kenja als Kopfjäger--Alte
    Fehden zwischen den Kenjastämmen--Bedrohungen seitens des
    Sultans von Kutei--Vergebliches warten auf die Einsetzung eines
    Kontrolleurs--Beratung in Long Tepai--Reisehindernisse seitens der
    Bahau--Beunruhigende Gerüchte von der Küste und Apu Kajan--Abschied
    von Long Blu-u--Über Long Tepai nach Long Deho.


Gleich nach meiner Rückkehr aus dem Quellgebiet des Mahakam begann
ich Erkundigungen über die Aussichten für unsere Reise zu den
Kenja nach Apu Kajan einzuziehen. Wenn ich damals gewusst hätte,
dass es noch fast ein ganzes Jahr dauern würde, bevor ich die
Bevölkerung am Mahakam zur Verwirklichung meines Planes brachte,
so hätte meine Geduld vielleicht nicht stand gehalten und ich wäre
unverrichteter Sache zur Küste zurückgekehrt. So aber hielt mich
die Hoffnung, die stets neu auftauchenden Schwierigkeiten doch noch
überwinden zu können, vom September 1899 bis zum August 1900 am
Mahakam fest, eine Wartezeit, die mit Verhandlungen und Beratungen,
Vorbereitungen, Hoffnungen und Enttäuschungen ausgefüllt wurde. Da
die Schwierigkeiten, mit denen ich zu kämpfen hatte, nicht nur durch
die Unentschlossenheit und Energielosigkeit der Dajak bedingt wurden,
sondern vor allem auch durch die Verhältnisse zwischen den Bahau- und
Kenjastämmen vor und während meiner Anwesenheit am Mahakam und durch
die Drohungen des malaiischen Fürsten in Kutei, der die Ausbreitung
der niederländischen Macht im Herzen Borneos mit allen redlichen und
unredlichen Mitteln zu bekämpfen suchte, mögen diese Hindernisse dem
Leser zur Orientierung in diesem Kapitel genauer ausgeführt werden,
als es im vorhergehenden geschehen konnte. Die Überzeugung, dass
die Zustände im Innern Borneos einer Regelung durch eine europäische
Autorität dringend bedurften und dass diese nur stattfinden konnte,
nachdem auch das für Borneo berüchtigte und gefürchtete Gebiet Apu
Kajan von einem Europäer besucht worden war, stärkte meine Geduld
und meine Ausdauer bei der Verfolgung meines Planes.

Sowohl die Bahau- als die Kenjastämme bewohnten ursprünglich ihr
gemeinsames Stammland Apu Kajan oder Hochland vom Kajan im Nordosten
der Insel. Die starke Zunahme der dortigen Bevölkerung zwang jedoch
immer wieder einige Stämme, ihr Heimatland zu verlassen und in
den Gebieten der Flüsse, welche von den Gebirgen um Apu Kajan nach
allen Richtungen fortströmen, neue Wohnplätze zu suchen. Die letzte
Auswanderung hat vor etwa 38 Jahren stattgefunden, als die Kenja vom
Stamme der Uma-Timé nach dem Tawang zogen.

Die Bahau wissen durch ihre Überlieferung noch sehr wohl, dass sie
aus Apu Kajan herstammen, auch haben sie die Verbindung mit ihrem
Stammland noch sehr lange unterhalten. Die ältesten Männer der Kajan
und Long-Glat erzählten noch von ihren Reisen nach Apu Kajan, die
sie noch zur Zeit, wo die Uma-Timé dort die Oberherrschaft führten,
unternommen hatten. Nach der Auswanderung dieses mächtigsten Stammes
brachen im Kajanlande unter den übrigen Stämmen heftige Kämpfe um
den Vorrang aus, so dass die Bahau aus Furcht ihre Besuche dort
einstellten. Auch nachdem die Kenja Uma-Tow unter _Pa Sorang_
und später unter _Bui Djalong_ die anderen Stämme besiegt hatten,
vergrösserte sich die Reiselust bei den Bahau nicht. Nur ein einziger
Mann, der öfters erwähnte _Bo Ului_, der bei den Long-Glat in Long
Tepai lebte und mit den Kenja in Apu Kajan nahe verwandt war, hatte
sich einige Male dort hin gewagt und war somit der einzige, der uns als
Führer dienen konnte. Doch wurde die Abenteuerlust der Bahauhäuptlinge
und ihrer jungen Untertanen stark durch die Vorstellung geweckt,
das Land ihrer Abstammung und ihrer Sagen und nicht zum wenigsten das
Gebiet, in dem sie vorteilhaften Handel in alten Perlen, und anderen
Artikeln treiben konnten, kennen zu lernen. Aus diesen Gründen hatte
mir _Kwing Irang_ im Jahre 1897 das Versprechen gegeben, unter meiner
Leitung die Reise nach Apu Kajan unternehmen zu wollen, und auf dieses
Versprechen hatte ich meine Pläne gebaut.

Seit 1897 waren die Umstände für einen derartigen Zug jedoch viel
ungünstiger geworden, hauptsächlich weil allerhand wahre und unwahre
Gerüchte über Mordtaten, welche die Kenja begangen haben sollten, die
Runde machten. Das damals bereits verbreitete Gerücht, die Kenja hätten
fünf vom Mahakam aus bei ihnen Handel treibende Malaien ermordet,
hatte sich inzwischen allerdings bestätigt. Es wurde aber auch noch
erzählt, 7 Malaien, die sich aus Serawak ebenfalls zu Handelszwecken
zu den Kenja begeben hätten, wären bei diesen umgekommen. In jüngster
Zeit sollte auch ein malaiischer Kupfergiesser, der sich eine Zeitlang
in Apu Kajan zu halten verstanden hatte, von den Kenja ermordet worden
sein. Diese Ereignisse hatten nicht gerade dazu gedient, die ohnedies
ängstlichen Bahau zur Reise zu ermuntern. Das gewaltsame Vorgehen der
Kenja bildete im Grunde jedoch nur eine scheinbare Bestätigung für
ihre wilde Natur, in Wirklichkeit bedeutete es nur ein energisches,
mutiges Auftreten gegen Übergriffe, welche die Malaien sich schwächeren
Eingeborenen gegenüber ungestraft erlauben dürfen. Die gleichen 7
Malaien aus Serawak waren nämlich früher auch am oberen Mahakam gewesen
und hatten sich dort so viele Betrügereien zu Schulden kommen lassen,
dass _Kwing Irang_ sie aus Besorgnis für ihre persönliche Sicherheit
unter seinen Kajan und aus Angst vor Konflikten mit Serawak unter
einem Geleite in ihr Land hatte zurückbringen lassen. Jeder, der das
Leben und Treiben des malaiischen Gesindels unter den Bahau kannte,
hätte für diese Handlungsweise der Kenja Sympathie empfunden. Der
Tod der fünf anderen Malaien, die unter _Hadji Umars_ Anführung
Jahre lang bei den Bahau gelebt hatten und nachher von diesen zu den
Kenja gezogen waren, machte auf die Mahakambewohner einen besonders
starken Eindruck, obgleich der Anlass zu diesem Morde schon längst
zur Genüge bekannt war. Da er für das Verhältnis zwischen Malaien und
Eingeborenen charakteristisch ist, mag er hier erwähnt werden. Die
fünf Malaien waren mit einer grossen Menge Handelsware in Gesellschaft
einer vom Mahakam heimkehrenden Kenjatruppe nach Apu Kajan gereist,
wo sie 3 Jahre lang Handel trieben, ohne von den Stämmen belästigt
zu werden. Als einer dieser Malaien sich einmal mit einigen Kenja zu
den benachbarten Punan-Lisum begab, um mit diesen Handel zu treiben,
kaufte er von dem Häuptling für ein Stück roten, golddurchwirkten
Zeuges eine _guliga_ (Intestinalstein). Sobald er aber merkte, dass
der Häuptling noch mehr _guliga_ hatte, wollte er für dasselbe Stück
Zeug noch 4 dieser Steine haben. Nach der Weigerung des Häuptlings
packte der Malaie dessen kleinen Sohn und drohte, ihn mitzunehmen,
falls er seine Steine nicht erhalte. Im Augenblick aber, wo er
das Kind binden wollte, durchbohrte ihn der Häuptling mit seinem
Speer. Trotzdem der Malaie bereits am Mahakam als frecher Betrüger
bekannt war, fühlten sich doch die Kenja, die den Mann halb als ihren
Gast betrachteten, für sein Leben verantwortlich und töteten aus Rache
einige Punan. Diese übten Wiedervergeltung und das Köpfejagen hörte
auf beiden Seiten nicht eher auf, bis auch der letzte Malaie, einen
ausgenommen, der an Krankheit starb, getötet worden war. Die ohnehin
ängstlichen Bahau wurden nun auch noch von dem Gedanken beunruhigt,
die Kenja könnten fürchten, ihrer allzu energischen Handlungsweise
wegen von mir zur Rechenschaft gezogen zu werden.

In den letzten Jahren standen die Kenja übrigens auch mit unserer
Bevölkerung am Mahakam auf gespanntem Fuss, nicht nur weil sie nach
Landessitte von den Produkten der Felder, an denen sie vorüberfuhren,
lebten, sondern weil sie bei dieser Gelegenheit auch Köpfe jagten. Ein
Jahr vor meiner Ankunft am Mahakam hatte noch ein Häuptling der
Kenja Uma-Bom, während er auf der Galerie der Bahau Uma-Wak einen
Schwerttanz aufführte, einem der vornehmsten Zuschauer plötzlich den
Kopf abgeschlagen und mit diesem ungestraft die Flucht ergriffen.

Durch Vermittelung ihres Oberhäuptlings _Bui Djalong_ hatten die Kenja
für diese Tat zwar eine bedeutende Busse bezahlt, doch wurden sie
trotzdem am Mahakam mit sehr begreiflichem Misstrauen begrüsst. Die
Bahau, die mich auf meinen Fahrten auf dem Mahakam begleiteten,
waren auch stets, besonders an den Wasserfällen beim Boh, sehr auf
ihrer Hut. Als wir 1897 beim Hinabfahren auf dem Mahakam an einer
Flussbiegung plötzlich einem Boot begegneten, griffen alle Männer
sogleich zu den Waffen, bis es sich herausstellte, dass wir es mit
befreundeten Ma-Suling und nicht mit Kenja zu tun hatten.

Auch zwischen den Bahau und Kenja am Tawang war die alte Feindschaft
nicht vergessen, wenn die Uma-Timé auch ihre frühere Niederlage aus
Angst vor dem Sultan nicht öffentlich an den Long-Bila zu rächen
wagten. Kleinere Fehden wiederholten sich aber immer wieder zwischen
ihnen. So hatten die Long-Bila _Brit Adjang_, den jüngsten Sohn des
bekannten Uma-Timé Häuptlings _Bo Adjang Hipui_, ermordet. Der Mann
war mit einer Frau der Long-Bila verheiratet und lebte bei diesem
Stamme. Sein Tod hatte auf den Verlauf unserer Reise zu den Kenja
grossen Einfluss, weil er neue Racheakte veranlasste, welche die
Beziehungen zwischen dem Mahakam und dem Kajangebiet immer mehr
verschlechterten. _Ibau Adjang_, der Bruder des Ermordeten, sann
natürlich auf Blutrache. Da er diese nicht selbst auszuüben wagte,
brachte er einen Häuptling der Kenja Uma-Bom, _Taman Dau_, der die
Uma-Timé am Tawang 1897 besuchte, dazu, statt seiner den Tod seines
Bruders an den Long-Bila zu rächen. _Taman Dau_ zeigte sich hierzu
denn auch gleich bereit, fuhr mit einigen Stammesgenossen den Tawang
hinunter und tötete einen einsam fischenden Mann der Long-Bila. Mit dem
erbeuteten Kopf floh er eiligst den Fluss wieder aufwärts, schlug dann
den kürzesten Landweg zum Merah ein und erreichte von dort den Mahakam,
den Boh und schliesslich Apu Kajan. Sobald es sich herausgestellt
hatte, dass die Kenja am Tawang die eigentliche Veranlassung zu
dem Morde gegeben hatten, drohte ihnen ein europäischer Ingenieur,
der unter einem Schutzgeleite des Sultans in dieser Gegend Gold
suchte, mit der Rache von Kutei. _Ibau Adjang_ beschloss darauf sehr
erschreckt, die erste Gelegenheit wahrzunehmen, um nach der in Borneo
üblichen Weise dem Sultan seine untertänige Gesinnung zu bezeugen. Als
bald darauf eine Gesellschaft Kenja vom Stamme Uma-Djalan von einem
Besuch beim Sultan in Tengaron zurückkehrte und in mehreren Böten
am Dorfe der Uma-Timé vorüberfuhr, überfielen diese eines der Böte,
das von den anderen getrennt war, weil seine Insassen sich mit Fischen
beschäftigten. Die ganze Bemannung wurde ermordet, unter dieser auch
der Enkel des Uma-Tow Häuptlings _Bui Djalong_. wahrscheinlich hatte
nicht nur der Wunsch, an Stelle des Sultans an den Kenja Rache zu üben,
sondern auch eine alte Fehde zwischen den Uma-Timé und Uma-Djalan
aus der Zeit, wo sie gemeinsam das Stammland bewohnten, _Ibau Adjang_
zu diesem Morde getrieben. Die übrigen Kenja waren nach der Ermordung
ihrer Reisegefährten über den Merah zum Mahakam und Boh geflohen; sie
waren es, die dem Kontrolleur _Barth_ in Long Bagung begegneten und
die ich den Kiham Halo hinauffahren gesehen hatte (Teil I pag. 487).

Eine Erzählung über den Ursprung der Feindschaft zwischen den Uma-Timé
und Uma-Djalan verdient ihrer Eigenartigkeit wegen hier erwähnt zu
werden, doch kann ich für die Wahrheit derselben nicht einstehen.

Als beide Stämme noch gemeinsam in Apu Kajan wohnten, heiratete ein
Häuptling der Uma-Djalan eine Tochter aus der Fürstenfamilie der
Uma-Timé. Beim Fest gelegentlich der Namengebung des ersten Kindes
kämen die Uma-Djalan als Gäste zu den Uma-Timé, bei denen ihr Häuptling
der Sitte gemäss im Hause seiner Schwiegereltern lebte. Nach dem Fest
behauptete der Häuptling der Uma-Timé, seine kostbaren Halsketten
seien ihm gestohlen. Trotzdem die Uma-Djalan versicherten, die Diebe
befänden sich unter den Uma-Timé selbst, überfielen diese ihre Gäste,
die, nichts Böses vermutend, in ihr Dorf heimkehrten und töteten viele
von ihnen. Nach diesem Begebnis verkehrten die Uma-Djalan aber wieder
mit dem inzwischen, zur Vorherrschaft gelangten Stamm der Uma-Timé,
als ob nichts vorgefallen wäre, bis das Kind, dessen Namensfest den
Überfall veranlasst hatte, gross geworden war. Erst dann sann der
Häuptling der Uma-Djalan auf Rache für die einst verübte Bluttat. Er
lud die Uma-Timé zum Fest des Früchtepflückens ein, und als sowohl die
Gäste als deren Gastherren auf die Bäume geklettert waren, stiegen die
Uma-Djalan unter allerhand Vorwänden wieder herunter und zerbrachen die
Leitern, so dass die Uma-Timé oben bleiben mussten. Darauf ermordeten
die Uma-Djalan zuerst die Frauen und Kinder ihrer Gäste und fällten
dann die Bäume, wobei viele Männer umkamen. Die Uma-Timé, die bald
nach diesem Ereignis unter _Ibau Adjang_ und _Li Adjang_ nach dem
Tawang ausgewandert waren, hatten erst in dem oben erwähnten Morde
Gelegenheit zur Ausübung der Blutrache gefunden.

Die ganze Bevölkerung am Mahakam lebte infolge dieser Geschehnisse
begreiflicherweise in ständiger Angst vor Rachezügen seitens der
ohnehin so gefürchteten Kenja von Apu Kajan, und wie gewöhnlich machten
immer wieder schreckenerregende Gerüchte von geplanten Einfällen in
das Mahakamgebiet die Runde. In der Tat hatten die Kenja bereits von
sich hören lassen. Eine Bande Uma-Bom, mit einigen Punan als Führern,
hatte eine Kopfjagd nach dem Mahakam unternommen und hielt sich
im Alan unterhalb der Wasserfälle auf, gerade, als ich mit _Kwing
Irang_ ahnungslos den Fluss hinauffuhr. Mit Zustimmung von _Bang
Jok_, der damals von Tengaron nach Uma-Mehak reiste, hatte sich die
Gesellschaft zum Rata begeben und bei der ersten besten Gelegenheit
zwei buginesische Büschproduktensucher und einen Bahau, während diese
in einer Stromschnelle wehrlos standen, ermordet.

Alle diese Ereignisse und Gerüchte, wie beunruhigend sie auch wirkten,
hätten die Bahau oberhalb der Wasserfälle doch nicht von einer Reise
mit mir nach Apu Kajan zurückgehalten, wenn nicht zugleich der Sultan
von Kutei jetzt ebenso stark gegen unser Unternehmen gearbeitet hätte,
wie früher gegen unseren Aufenthalt bei den Bahau am Mahakam.

Die Fürstenfamilie fürchtete mit Recht, dass eine Ausbreitung
des niederländischen Einflusses auf die Kenjastämme auch auf die
Mahakambewohner einen grossen Eindruck machen würde, der ihrer
eigenen Macht in hohem Masse nachteilig sein musste. Die Kuteinesen
verbreiteten daher das Gerücht, der Sultan werde der niederländischen
Regierung niemals gestatten, einen Kontrolleur unter den Bahau
einzusetzen, auch würde er sich an allen Stämmen, die mir nach
Apu Kajan hülfen, später rächen. _Bang Jok_, als einflussreichster
Häuptling, unterstützte, in seiner erzwungenen Untertanenschaft,
jetzt den Sultan bei seinen Drohungen. Durch seinen persönlichen
Einfluss unter den Bahau gewannen _Bang Joks_ Behauptungen überdies
viel an Bedeutung. Zu meinem grossen Bedauern fand die Einsetzung
eines niederländischen Regierungsbeamten erst im Juli 1900 statt,
so dass ich ein volles Jahr vergebens auf eine Unterstützung seitens
der niederländisch-indischen Regierung wartete und die Bevölkerung am
Mahakam in ständiger Angst vor den Drohungen des gefürchteten Sultans
und seines Handlangers _Bang Jok_ lebte.

Schreckten mich diese Zustände der zu überwindenden Schwierigkeiten
wegen einerseits von der geplanten Reise nach Apu Kajan ab, so
überzeugten sie mich andererseits wieder davon, von welcher politischen
Wichtigkeit diese Expedition für die Einsetzung einer niederländischen
Verwaltung am Mahakam sein musste. Falls, wie ich sicher erwartete,
ein Kontrolleur unter den Bahau eingesetzt wurde, musste dieser
das ausgedehnte, schwer zugängliche und schwach bevölkerte Gebiet
sicherlich nicht durch europäische Machtentfaltung sondern durch
freundschaftliche Beziehung zu der Bevölkerung zu verwalten suchen. Er
hätte auch unmöglich Kopfjagden und ähnliche Anlässe zu Fehden und
Racheakten verhindern können, besonders wenn es sich um entlegene,
so gut wie unzugängliche Gebiete wie Apu Kajan handelte, wo sogar
schwere Vergehen nicht gestraft werden konnten, wenn nicht schon
vor seiner Ankunft mit den betreffenden Stämmen ein gutes Verhältnis
angebahnt worden wäre.

Die gespannten Verhältnisse zwischen Bahau und Kenja liessen daher
eine Reise nach Apu Kajan sehr wünschenswert erscheinen, was einige
Häuptlinge der Bahau, wie _Kwing Irang_, der auch für das allgemeine
Wohl Verständnis besass, auch einsahen. In wie weit dieses Motiv
ihn dazu trieb, mich ständig, wenn auch oft für andere unmerklich,
in meinem Plan zu unterstützen, war ich nicht zu beurteilen imstande.

Fürchteten die Bahau für sich selbst die zahlreichen Gefahren der
Reise, so waren sie in nicht minderem Masse auch um mein Leben
und das meiner Mitreisenden besorgt. _Kwing Irang_ und sein Stamm
beunruhigte auch der Gedanke, dass die niederländische Regierung
für ein eventuelles Unglück, das uns zustiess, sich an ihnen rächen
könnte. _Kwing_ war daher auch von Anfang an dafür, dass nicht nur
seine Kajan, sondern alle Stämme am oberen Mahakam Vertreter mit mir
sandten, damit das Ganze Gebiet gemeinschaftlich die Verantwortung
für unsere Sicherheit auf sich nehme. Da die jungen Männer der
verschiedenen Stämme alle Lust zum Unternehmen zeigten, hätte dieser
Punkt keine Schwierigkeiten verursacht, wenn die anderen Umstände nur
günstig gewesen wären. Selbst der malaiische Häuptling _Temenggung
Itjot_ aus dem Merasègebiet hatte sich mit seinem Gefolge und dem
jungen Häuptling _Ibau Li_ zur Teilnahme an unserer Expedition
vorbereitet. Sie wollten nämlich bei dieser Gelegenheit die Trauer
für ihre Verstorbenen ablegen, _Temenggung Itjot_ für seinen kleinen
Sohn, _Ibau Li_ für seinen Vater _Bo Li_. Beide waren, wahrscheinlich
aus Furcht vor mir, nicht dazu gekommen, die Trauerperiode nach der
am Murung herrschenden Sitte durch ein Menschenopfer abzulegen und
wollten der adert daher nach Bahauweise durch die Unternehmung einer
grossen Reise und den Kauf eines alten Kopfes Genüge leisten.

Diese Ma-Suling, die durch den Tod des Häuptlings _Obet Dewong_
verhindert gewesen waren, mit mir nach der Küste zu reisen (T. I
pag. 410), begaben sich aber nach langem Warten, als mein Zug zu
den Kenja zu missglücken schien, nach dem Murung, erhandelten dort
zwei alte Sklavinnen und töteten diese auf der Rückreise an der
Merasèmündung, um durch Darbringung dieses Opfers die Trauerzeit
abschliessen zu können. Sie hatten die Tat gewagt, nachdem ich bereits
zum Boh aufgebrochen war.

Die Absicht aller Stämme am oberen Mahakam, mich zu den Kenja zu
begleiten, war zwar ein willkommener Beweis von ihrem Bestreben, mich
zu unterstützen, da aber jeder Mitreisende seine eigenen Interessen
verfolgte, verursachte die Beteiligung einer so grossen Personenzahl
viele Schwierigkeiten. Eine gemeinsame, wenn auch nur vorläufige
Beratung über den Reiseplan erschien daher dringend nötig, und so
suchte ich denn eine Versammlung, trotz des anfänglichen Widerspruchs
der Kajan, zu Stande zu bringen. In einer Zusammenkunft mit _Kwing
Irang_ und seinen Ältesten wurde beschlossen, dass die Beratung in
Long Tepai bei _Bo Lea_ stattfinden sollte.

Zu diesem Zwecke sollte ich flussabwärts nach Long Tepai fahren,
während _Kwing Irang_ vom Merasè aus, wohin er mit seiner Frau
_Hiang_ und seiner Pflegetochter _Kehad_ reiste, sich dorthin
verfügen wollte. Am 12. November waren in der Tat alle in Long
Tepai versammelt; mit _Kwing Irang_ War auch _Temenggung Itjot_, als
Vertreter der Ma-Suling, eingetroffen. Zuerst hielten die Häuptlinge
untereinander eine Beratung, in der beschlossen wurde, dass _Bo
Lea_ zuerst allein nach Apu Kajan reisen sollte, um _Bui Djalong_
zu fragen, ob die Mahakambewohner unsere Expedition zu ihnen geleiten
dürften. Am folgenden Tage wurde mir dieser Plan abends in _Bo Leas_
Galerie vorgelegt, wo sich alle Häuptlinge mit ihren Wortführern
eingefunden hatten. In der Regel schweigen nämlich die Häuptlinge
in solchen öffentlichen Versammlungen und überlassen ihrem klügsten
und redegewandtesten Mantri das Wort; nur energische Häuptlinge Wie
der Pnihing _Belarè_ sprachen oft auch persönlich ihre Ansichten
aus. Hier in Long Tepai hatte der Häuptling _Bo Tijung_ die leitende
Rolle zugewiesen, der, trotz seiner Abstammung von den Barito-Dajak,
in Wirklichkeit das ganze Dorf regierte.

Vor Beginn der Versammlung Wurden alle Anwesenden durch das
Gerücht, der Kontrolleur sei bereits in Udju Tepu angelangt,
erfreut und beruhigt. Ein Barito-Dajak, Häuptling einer Gesellschaft
Buschproduktensucher, behauptete sogar, diese Nachricht habe in einem
Brief, der von der Küste gekommen sei, gestanden, ein Umstand, der
alle Anwesenden zu überzeugen schien.

Im Grunde hatte ich es in der Versammlung nur mit _Bo Tijung_ zu
tun, der stets wieder betonte, dass man gegen das Unternehmen sei,
weil der Mord am Tawang noch nicht gesühnt wäre. Die anderen Gründe,
die Angst vor den Kenja, den Zweifel an der Ankunft des Kontrolleurs
und die Furcht vor der Ungnade des Sultans, erwähnte _Bo Tijung_
überhaupt nicht. Zur Beseitigung der von ihm angeführten Schwierigkeit
verlangte er, _Bo Lea_ solle sich zuerst auf Kundschaft nach dem Apu
Kajan begeben. Hierauf konnte ich jedoch durchaus nicht eingehen, da
diese Reise vier Monate, wahrscheinlich noch viel länger dauern musste,
der Zug den Reiz der Neuheit für die anderen Mitreisenden verloren
und ich sie dann viel schwerer in Bewegung gebracht hätte. Überdies
war es am besten, die Kenja vor eine Tatsache zu stellen und nicht
zu warten, bis sie vielleicht aus Angst vor dem Ungewöhnlichen meinen
Besuch ablehnten.

Die Versammlung führte wie gewöhnlich, trotz 3 1/2 stündiger Beratung,
zu keinem Resultat; ich konnte auf den Vorschlag der Häuptlinge nicht
eingehen und diese äusserten sich nicht darüber, ob sie dennoch mit mir
gehen, oder die Reise überhaupt nicht unternehmen wollten. Trotzdem die
Meinungen einander scharf gegenüber standen und unsere gegenseitigen
Interessen mit der Angelegenheit fest verbunden waren, wurden wir
doch nicht heftig. Alles ging ruhig seinen Gang, man merkte, dass die
Bahau ihre Beschwerden, die für mich als Niederländer nur unangenehm,
für sie aber sehr gewichtig waren, nicht zur Sprache brachten, und
nur einmal, als _Bo Tijung_ etwas hitziger ausfuhr, konnte ich ein
"_mata tasin_" ("möge ein Speer mich töten", Fluch der Bahau) nicht
unterdrücken. Die ganze Gesellschaft wurde aber dadurch beunruhigt,
da sie einen Ausbruch von Heftigkeit meinerseits fürchtete, und _Bo
Tijung_ beobachtete in seiner Beweisführung sogleich mehr Vorsicht.

_Kwing Irang_ fand die Situation augenscheinlich sehr peinlich,
denn er stand, ohne etwas zu sagen, als erster auf. Als ihm noch
einige folgten, schlug _Bo Tijung_ vor, die Beratung am folgenden
Tage fortzusetzen. Ich erfuhr jedoch, dass die Häuptlinge später in
_Bo Leas_ _amin_ wieder zusammengekommen waren. Des anderen Morgens
früh kam _Kwing Irang_ auch, um mir zu berichten, man habe in einer
nächtlichen Beratung beschlossen, falls das Wasser falle, die Reise
mit mir beim folgenden Neumond dennoch zu unternehmen. _Temenggung
Itjot_ und er selbst, die nach dem Merasè zurückkehrten, wollten die
Ma-Suling benachrichtigen und _Bo Tijung_ sollte sich nach Batu Sala
und Lulu Njiwung begeben, um die Long-Glat mit ihren Häuptlingen
_Parèn Dalong_ und _Ding Ngow_ dazu zu bewegen, ebenfalls ein oder
zwei Böte mit Männern zur Reise auszurüsten.

Wegen des hohen Wasserstandes war drei Tage lang an eine Rückkehr nach
dem Blu-u nicht zu denken, auch brauchte ich schliesslich mit meinem
kleinen, gut bemannten Boot drei statt zwei Tage für die Reise. _Kwing
Irang_ langte mit seiner Familie in einem mit Reis schwer geladenen
Fahrzeug sogar erst am 23. November an. Bis zum Ende des Monats behielt
der Fluss seinen hohen Wasserstand. _Hiang_ und _Kehad_, _Kwings_ Frau
und Pflegetochter, kehrten von ihrem Ausflug zum Merasè sehr befriedigt
heim, sie waren in ihrem Leben noch nie bei den Ma-Suling gewesen,
trotzdem diese nur eine Tagereise weit von Long Blu-u wohnten. Beide
Frauen hatten zuerst tagelang nicht gewagt, sich mit ihren Verwandten
in ihrem gebrochenen Besang zu unterhalten. Die Kajanfrauen sind an
einen Verkehr mit benachbarten, verwandten Stämmen nicht gewöhnt, die
Frauen der Long-Glat sind etwas reisegewandter, da ihre ursprünglich
vereinigten Niederlassungen noch jetzt durch viele Verwandtschafts-
und Freundschaftsbande verknüpft sind.

Die Kajanfamilien in Long Blu-u waren in diesen Monaten noch
immer damit beschäftigt, Material zum Bau von _Kwing Irangs_ Haus
herbeizuschaffen; augenblicklich arbeiteten sie an den grossen,
schweren Brettern, welche für die Diele in der Galerie bestimmt
waren. Je zwei Familien hatten ein solches Brett fertig zu stellen. Der
Hausbau lag _Kwing Irang_ so am Herzen, dass ihm sein Entschluss, mich
jetzt schon auf der Reise zu begleiten, sehr viel Selbstüberwindung
gekostet haben musste.

Während wir in grosser Einförmigkeit, so gut es eben ging, die
folgenden Tage verbrachten, wurden wir eines Mittags durch einen
grossen Menschenauflauf erschreckt, der sich nach dem unten am Fluss
liegenden Teil der Niederlassung bewegte. Voll Neugier schlossen wir
uns den Leuten an und bemerkten bald eine grosse, mitten aus einer
langen Häuserreihe aufsteigende Rauchwolke. Beim Gedanken an das viele
trockene Holz, aus dem das Dorf bestand, wurde uns Angst, doch sahen
wir sogleich, dass das Feuer sich nicht weiter ausbreitete. Einige
Männer, die unter lautem Geschrei auf das Dach geklettert waren,
schlugen mit Schwertern von den angrenzenden Häusern die Schindeln
los und warfen sie hinunter. Auch von Innen wurden die leichter
entzündlichen Holzteile auseinander gerückt und das schwerere Holz
mit Wasser begossen, so dass der Rauch nach kurzer Zeit nachliess und
das Unheil abgewandt war. Eine Mutter mit ihrer Tochter hatten den
Brand veranlasst, indem sie sich unvorsichtiger Weise von dem Topf,
in dem sie Schweinespeck schmelzten, entfernt hatten. Wahrscheinlich
waren die Flammen des Holzfeuers in den offenen Kochtopf geschlagen
und hatten dann das über dem Herde aufgestapelte Brennholz ergriffen.

Die Dorfleute machten den Schuldigen, die übrigens durch den Verlust
ihres Hauses genügend gestraft waren, keine Vorwürfe, sondern schrieben
den Brand dem Umstande zu, dass man in einer ungünstigen Mondphase das
Haus gebaut oder das Baumaterial gesammelt haben musste. Bevor daher
ein neues Haus errichtet werden durfte, mussten die Priesterinnen
zur Besänftigung der zürnenden Geister ein Opfer bringen und die
stehengebliebenen Teile mit dem Blute des Opfertieres bestreichen.

Anfang Dezember kam _Bo Tijung_ mit einer Gesellschaft Long-Glat und
meldete mir das Resultat seiner Unterhandlungen mit den verschiedenen
Niederlassungen. Obgleich seine Berichte, die er in einer Versammlung
vorbrachte, nicht ermutigend lauteten, machten sie dem langen Warten
in Ungewissheit vorläufig doch ein Erde. Alle Niederlassungen hatten
sich zwar zum Unternehmen des Zuges bereit gezeigt, aber die Bewohner
von Lulu Njiwong hatten erklärt, sie litten bereits seit Monaten an
Reismangel und könnten daher kurz vor der Ernte unmöglich ein Boot mit
Mannschaft ausrüsten. _Bo Tijung_ behauptete, die gleichen Zustände,
wenn auch in geringerem Grade, herrschten auch in Long Tepai, und
bat daher um einen Aufschub der Reise bis zum Beginn der Ernte, nach
der Feier des _lali parei._ Zwar bedeutete dies eine Verzögerung von
anderthalb Monaten, doch war ich froh, dass man den Reiseplan unter
diesen wirklich schwierigen Verhältnissen nicht gänzlich aufgegeben
hatte, und stimmte zu, unter der Bedingung, dass man das _lali parei_
gleich nach Neumond feiern sollte. Meine Zustimmung schien alle
Anwesenden von einem Druck zu befreien.

Jetzt, wo ich die Gewissheit hatte, fürs erste nicht fortzukommen,
musste ich meine Zeit so nützlich als möglich anzuwenden suchen. Vor
allem musste ich meinem Personal Arbeit schaffen, damit es sich im
Dorfe nicht langweilte. Ich selbst konnte nicht mitgehen, so sandte
ich denn _Doris_ und _Abdul_ mit einigen Malaien aus Samarinda und
einigen Kajan als Führern nach einer Stelle am Blu-u, wo wir 1896
eine Jagdstation eingerichtet hatten. Teils um für das Trocknen
von allerlei Gegenständen Luft zu schaffen, teils um zu verhindern,
dass die Bäume, wie es einmal beinahe geschehen war, auf unser Lager
stürzten, hatten wir dort ein grosses Stück Wald gefällt. Ich hoffte,
dass es unseren Jägern diesmal gelingen würde, dort einige _bang-e-u_
zu fangen, von denen ich während meiner ersten Reise mehrere Exemplare
erhalten hatte, die jetzt aber in unserer Vogelsammlung noch fehlten,
weil die Kajan von dem Hausbau zu sehr in Anspruch genommen waren,
um Schlingen legen zu können. Auf den Eifer meines Jägers setzte ich
nicht viel Hoffnung, vertraute dagegen mehr auf _Abdul_ und einige
Malaien, _Delahit_ und _Saïd_, die ausser Talent auch noch Neigung und
Verständnis für die Jagd besassen. Bis jetzt waren es hauptsächlich
_Abdul_ und _Delahit_ gewesen, die uns ab und zu mit grossem Wild,
nicht nur Hirschen, sondern auch Rindern, versehen hatten. Ihre Art
zu jagen bestand mehr darin, dass sie das Wild beschlichen oder ihm
an einer Salzquelle im Hinterhalt auflauerten, als dass sie es von
weitem zu treffen suchten, wozu sich im dichten Walde auch selten
Gelegenheit bot. Ein selbst von den Dajak sehr bewundertes Talent im
Aufspüren des Wildes besass _Abdul_, ein Halbblut-Chinese aus Java,
der um der schönen Augen seiner javanischen Frau willen Mohammedaner
geworden war. Dieser Mann verstand auf dem mit Zweigen und Blättern
bedeckten Waldboden die frische Spur eines Hirsches zu finden, das
Tier weit und so vorsichtig zu verfolgen, dass er es oft an seinem
Lagerplatze überraschte und auf 10-15 Schritt schiessen konnte.

Die Bahau schätzten _Abduls_ Fähigkeiten als Jäger und Spürhund
gleichzeitig sehr und baten ihn oft, sie auf die Jagd zu
begleiten. Zu unserem grossen Bedauern begab _Abdul_ sich, trotz
des chinesischen Blutes, das in seinen Adern strömte, nur selten
auf die Wildschweinjagd, weswegen wir uns am schönsten Wildbret
von Borneos Wäldern nur ab und zu erfreuen durften. Mit derselben
Geschicklichkeit, mit der er auf Reisen das Löten und andere
nützliche Handwerke gelernt hatte, verstand _Abdul_ auch bald nach
Art der Bahau Schlingen zu legen, ich hoffte daher von dem Aufenthalt
meiner Jagdgesellschaft mitten in dem noch wenig besuchten Wald am
oberem Blu-u das Beste. _Kwing Irang_ zeigte sich zwar immer etwaiger
Gefahren wegen, welche die Jäger dort treffen konnten, besorgt, aber
da sie gut bewaffnet waren, liess ich sie ruhig ziehen. Der _bang-e-u_
(Lobiophasis Bulweri Sh.) war leider, wie es sich erwies, noch nicht
von den Bergen ins Tal herabgekommen, um sich dort an den Früchten
gütlich zu tun, so dass nur allerlei andere hühnerartige Vögel, wie
der kwe (Argusianus Grayi), der _bajan_ (Lophura nobilis Scl.) und
der _tajum_ (Bollulus roulroul Scop.) gefangen wurden, von denen wir
aber bereits mehrere Exemplare besassen.

Am letzten Tage des Jahres traf _Kwing Irangs_ ältester Sohn, _Bang
Awan_, in Long Blu-u ein. Er war während unserer Reise zur Küste
bei den Hwang-Sirau unterhalb der Wasserfälle zurückgeblieben, um
die Tochter des dortigen Häuptlings als zweite Frau zu freien. _Bang
Awan_ brachte uns zum Schluss des Jahres neue Enttäuschungen durch
den Bericht, der Kontrolleur sei noch nicht angekommen und man habe
von ihm überhaupt nichts gehört. Nur wisse man, dass die Kuteische
Regierung gegen die Buginesen aufgetreten war, die bei den Bahau in
Udju Tepu Handel trieben, sich dem Würfelund Kartenspiel ergaben und
den Bandjaresen, ihren Konkurrenten, gegenüber sich allerlei hatten
zu Schulden kommen lassen. Der Sultan hatte ihnen befohlen, sich
bis nach Melak zurückzuziehen und das Land der Bahau nicht wieder zu
betreten; da die Buginesen diesem Befehle aber nicht gefolgt waren,
wagten sich die Handelsdampfer des Sultans, der auf den Handel mit dem
Binnenlande ein Monopol hatte nicht mehr bis Udju Tepu hinauf, wodurch
dort alles sehr teuer geworden war. Kurz vor _Bangs_ Abreise von Hwang
Sirau hatte sich noch von der Küste her das Gerücht verbreitet, der
Sultan sei gestorben und sein ältester Sohn solle sein Nachfolger
werden, trotzdem die übrigen Kinder sich widersetzten. Um den
Becher zum Überlaufen zu bringen und das Vertrauen der Bevölkerung
in die niederländische Macht noch mehr zu erschüttern, traf auch
die Nachricht von der Ermordung zweier Kontrolleure in Kendangan,
im Bandjamasinschen Gebiete ein. Zu unserem Troste brachte _Bang_
eine Post mit, die von Samarinda hinaufgeschickt worden war und die
er von Udju Tepu, wo er seine Einkäufe machte, mitgenommen hatte;
später fand er eine zweite Postsendung, älteren Datums, in Uma Mehak.

Mit _Bang_ zugleich traf auch der Malaie _Utas_ bei uns ein, der
aus dem Gebiet des Murung, wo er Handelswaren eingekauft hatte,
erst nach Udju Tepu gezogen war. Er brachte allerhand für unseren
langdauernden Aufenthalt sehr nötige Dinge mit; den für Apu Kajan
bestimmten Vorrat wollten wir nicht antasten. _Utas_ verkaufte uns
sowohl Tauschartikel als Esswaren, auch willigte er ein, mit Gold
bezahlt zu werden, was in dieser Gegend ganz unbekannt war. Die
Bahau am oberen Mahakam nahmen höchstens Reichstaler und Gulden an,
während sie Kleingeld als minderwertig verachteten. Die Bevölkerung
am unteren Mahakam dagegen sieht mehr Kupfer- als Silbergeld. Die
erste Ausbezahlung in Gold kam mir insofern sehr zu statten, als mein
Vorrat an Silbergeld durch die Reiseverzögerung sehr geschmolzen und
ich bald auf mein Goldgeld angewiesen war. Sobald die Bahau als Lohn
oder Kaufgeld meine Silberstücke empfangen hatten, bewahrten sie diese
für eine eventuelle Reise nach den Marktplätzen an der Küste und waren
nicht dazu zu bewegen, das Geld gegen etwas anderes auszutauschen.

Um den ersten Eindruck von _Bangs_ schlimmen Berichten vorübergehen
zu lassen, wartete ich mehrere Tage, bevor ich mit _Kwing Irang_
über unsere Reisepläne zu sprechen anfing; ich wunderte mich
auch nicht, dass die Kajan nach den schlechten Nachrichten keine
Reisevorbereitungen trafen, die Böte nicht ausrüsteten und keinen
Reis stampften. Als ich am 20. Januar endlich an _Kwing Irang_ das
Wort zu richten wagte, bekam ich bald noch mehr beunruhigende Berichte
zu hören: z.B. _Bui Djalong_ sei in zwei grossen Böten mit Kenja den
Boh hinuntergefahren, um wegen der Busse (pate) für den Mord seines
Enkels zu unterhandeln. Zwei Pnihing, die vor einigen Tagen nach
oben gekommen waren, hatten diese für mich so wichtige, aber doch
vor mir geheim gehaltene Nachricht gebracht. Einige andere Männer,
die _Belarè_ nach Long Tepai gesandt hatte, um Näheres hierüber zu
hören, waren noch nicht zurückgekehrt.

Ich hatte bereits beschlossen, meinen Diener _Midan_ und einige
Malaien, noch bevor am folgenden Tage das _lali parei_ anbrach,
nach Long Tepai zu schicken, um zuverlässige Nachrichten zu holen,
als des Morgens die Pnihing von _Belarè_ im Vorbeifahren bei unserer
Niederlassung anlegten. Zum Glück sprachen sie den Häuptling, noch
bevor die Frauen, die auf dem Felde die Zeremonien für das _lali parei_
vorgenommen hatten, zurückkehrten, was dem Eintritt der Verbotszeit
bedeutete. Nicht _Bui Djalong_ selbst, sondern _Taman Dau_, der
Häuptling der Uma-Bom, sollte mit 180 Mann in Long Deho angekommen
sein. Dass er den Zweck seiner Reise nicht angab, erweckte grosses
Misstrauen. _Bui Djalong_ selbst sollte auf der Wasserscheide noch
Böte bauen, um den Boh hinunterfahren zu können.

Kaum waren die Männer, deren Berichte glaubwürdig klangen, abgefahren,
als _Kwing Irangs_ zweite Frau, Umar _Anja_, in ihrem Boote vom
Reisfelde heimkehrte, und wir durch das eintretende _lali parei_
für einige Tage von der Aussenwelt abgeschieden wurden.

Bereits seit einiger Zeit hatte ich erzählen hören. _Kwing Irang_
trage sich jetzt, wo sein grosses Haus bewohnbar war, mit dem Plane,
_Lirui_, seine jüngste und dritte Frau, die bis jetzt bei ihren Eltern
in Long 'Kup gewohnt hatte, zu sich zu nehmen. Die Vorbereitungen
hierzu waren augenscheinlich getroffen, die Geschenke für die Pnihing
zusammengebracht und, das Wichtigste, die Zustimmung von _Kwings_
Haustyrannen _Bo Hiang_ erhalten, denn nach Schluss des _lali parei_
zogen die Ältesten des Stammes nach Long 'Kup, um _Lirui_ und deren
Söhnchen _Parèn_ abzuholen. Am folgenden Tage trafen die Erwarteten,
von fünf Böten geleitet, ein.

Bevor sie das Ufer bestiegen, wurde den Dorfgeistern als Opfer ein
Ferkel und ein Huhn dargeboten. Darauf nahmen einige Männer _Lirui_
mit ihrem Sohn auf den Rücken und trugen sie den 10 m hohen Uferwall
hinauf, wobei sie zum Schutz gegen die Sonne über _Lirui_ einen grossen
Sonnenhut, über _Parèn_ einen geliehenen Regenschirm hielten. Das
Pnihing-Geleite blieb zwei Tage still in _Kwing Irangs_ Hause;
Festlichkeiten fanden nicht statt, weil der Häuptling bereits mehrere
Frauen hatte und gehabt hatte. Dann zog die Gesellschaft mit den Gongen
und Tempajan, welche die _panjin_ der Kajan als Kaufsumme für _Lirui_
zusammengebracht hatten, wieder heim. _Lirui_ selbst blieb mit ihrem
Sohn und der Sklavin, die sie mitgenommen hatte, bei den Kajan zurück.

Die politischen Verhältnisse, der Bau des neuen Hauses und die
Ankunft seiner jungen Frau waren zwar triftige Gründe, _Kwing Irang_
ans Haus zu binden, doch zögerte ich nach Ablauf der Verbotszeit nicht
länger, mit ihm persönlich über die Reisevorbereitungen zu sprechen,
da ich nicht warten konnte, bis alle Umstände günstig waren, und
da die nächsten Monate voraussichtlich keine besseren Aussichten
bieten würden.

Als _Kwing_ sich eines Abends zu mir auf die Plattform meiner Hütte
setzte, von der ich eine schöne Aussicht über den Mahakam genoss, ging
ich vorsichtig auf den bewussten Gegenstand ein; mein Freund schützte
zwar allerhand vor, wie Mangel an Böten, dringende Arbeiten u.s.w.,
erwähnte aber die eigentlichen Hinderungsgründe nicht, immerhin ging
aus allem hervor, dass er für die Reise keine Möglichkeit sah. In der
Hoffnung, die Bewohner von Long Tepai würden, ihrem Versprechen gemäss,
zur Reise geneigter sein, oder man würde dort Buschproduktensucher
und Malaien zum Mitgehen bereit finden, jedenfalls aber, um den Kajan
zu zeigen, dass ich nicht länger warten wollte, gab ich _Kwing Irang_
meine Absicht zu erkennen, _Bier_ und _Demmeni_ voraus flussabwärts zu
senden. Nach Ablauf des _lali parei aja_ reisten die beiden wirklich
ab, in Gesellschaft eines der ältesten Kajan, der den Long-Glat eine
nochmalige Beratung ans Herz legen sollte.

Bald darauf schrieben meine Reisegefährten, die Aussichten wären
auch in Long Tepai nichts weniger als günstig, man würde aber zur
Beratung zu mir hinauffahren. Wenn den jungen Leuten in Long Blu-u
die Vorstellung, mit mir nach dem interessanten Apu Kajan zu ziehen,
nicht immer noch verlockend vorgekommen wäre und sie nicht schon
teilweise ihre _lewo_ (Reispacken) vorbereitet hätten, wäre ich
unter diesen deprimierenden Umständen sogleich unverrichteter Sache
zur Küste zurückgekehrt. In diesem kritischen Augenblick teilten mir
die am jenseitigen Ufer wohnenden malaiischen Buschproduktensucher
mit, sie wollten mich begleiten, falls _Kwing Irang_ seine Zustimmung
gebe. Auch glaubte ich in der Herrichtung des grossen Häuptlingsbootes
ein gutes Zeichen zu sehen, hörte aber bald, es habe nur den Zweck,
eine grosse Anzahl Männer, die im Walde Dielenbretter für _Kwings_
Haus verfertigen sollten, den Blu-u aufwärts zu bringen.

Die Abgesandten aus Long Tepai trafen erst am 11. Februar ein; sie
äusserten sich mittags sehr zurückhaltend, erklärten aber abends in
einer allgemeinen Versammlung mit den Kajan rund heraus, dass sie
nicht mit mir zu den Kenja reisen wollten, weil aus Apu Kajan sehr
ungünstige Berichte gekommen wären. Sie machten zwar wieder den alten
Vorschlag, _Bo Tijung_ und _Bo Ului_ zur Vorbereitung unseres Zuges
zu den Kenja vorausreisen zu lassen, doch ging ich hierauf aus den
bereits erwähnten Gründen nicht ein. Sie sprachen so überzeugend,
dass ich selbst an eine aus Apu Kajan drohende Gefahr geglaubt hätte,
wenn _Kwing Irang_ mich nicht schüchtern gefragt hätte, was ich von
der Ankunft des Kontrolleurs dächte, woraus ich ersah, dass man wie
gewöhnlich die wahren Beweggründe nicht nannte, Bedrohungen aus Kutei
aber die Haupthindernisse bildeten. Fest überzeugt von der Einsetzung
eines niederländischen Beamten am Mahakam, liess ich meine Hoffnung
daher nicht fahren. Dass man nicht aufrichtig gewesen war, merkte
ich am folgenden Morgen, wo auch die Long-Glat sich weigerten, zur
Vorbereitung der Reise nach Apu Kajan voraus zu ziehen. _Bo Tijung_
war ein zu grosser Diplomat, als dass ich von ihm etwas erfahren hätte,
so liess ich ihn denn wieder nach Hause gehen.

Am anderen Morgen, als ich gerade über die unklare Rolle, welche
_Kwing Irang_ und die Kajan in dieser Angelegenheit gespielt hatten,
nachdachte, kam der Häuptling selbst, vergrämt und wie gealtert,
zu mir. Mit Tränen in den Augen berichtete er, auch er wäre über
die bestimmte Weigerung der Long-Glat sehr erstaunt gewesen und
hätte, wie übrigens auch ich, die ganze Nacht vor Aufregung nicht
geschlafen. Wie _Kwing_ erzählte, hatte der Sultan von Kutei jeden
Stamm, der mir nach Apu Kajan half, zu bekriegen gedroht, was natürlich
alle Häuptlinge--da die Ankunft eines Kontrolleurs noch ganz ungewiss
war--eingeschüchtert hatte. Mehr war von _Kwing_ nicht zu erfahren,
daher begab ich mich am folgenden Tage, als die meisten Long-Glat mit
_Bo Tijung_ zum Früchtepflücken den Blu-u hinaufgefahren waren, um
Näheres zu hören, zu dem gutmütigen _Bo Ului Jok_, unter dem Vorwande,
von ihm Auskunft über den Boh und dessen Nebenflüsse haben zu wollen.

Mit grosser Bereitwilligkeit ging dieser darauf ein, bedauerte lebhaft
den Verlauf der Reiseangelegenheit und erklärte unter Tränen, nicht
alles sagen zu dürfen. Als ihm eine Verwünschung gegen _Bang Jok_
entschlüpfte, wurde mir die Lage sofort klar. _Bang Jok_ suchte aus
Eigennutz und angestachelt durch den Sultan auf alle Weise meine
Reise zu den Kenja zu verhindern und hatte dadurch seine Verwandten
in Long Tepai völlig eingeschüchtert.

Der Schwerpunkt der Unterhandlungen wegen der Reise lag somit
nicht länger bei den Kajan, sondern bei den Long-Glat in Long Deho,
auch war es wünschenswert, persönlich der Kenjagesellschaft unter
_Taman Dau_ dort zu begegnen, bevor sie den Heimweg einschlug, und
zu verhindern, dass sie sich, um Köpfe zu jagen, den Mahakam hinunter
begab. Auf Rat und mit Hilfe von _Kwing_, der keine Möglichkeit sah,
eine genügende Anzahl Kajan in kurzer Zeit für einen längeren Zug nach
Long Deho auszurüsten, nahm ich 10 Malaien aus Long Buleng in Dienst,
was mich von der schwerfälligen Hilfe der Blu-u Bewohner unabhängig
machte. Hierbei verfolgte ich noch den Nebenzweck, die Malaien, falls
die Reise zu den Kenja nicht zu Stande kam, für eine topographische
Aufnahme der Nebenflüsse des Mahakam unterhalb der Wasserfälle zu
benützen. Die Malaien waren hiermit auch einverstanden, nur fürchteten
sie, dass ich sie am Ende geradenwegs nach Apu Kajan mitnehmen würde.

Bevor ich Long Blu-u verliess, musste ich noch _Midan_ mit
einigen Malaien nach dem Merasè und Long Tepai schicken, um Reis
einzukaufen. _Kwing_ schlug mir auch vor, mein Personal den Kajan bei
der Reisernte helfen zu lassen. Als Lohn sollte jeder einen Packen
von 20 kg mitbekommen.

Im letzten Augenblick erschreckte _Njok Lea_ aus Long Tepai, der
auf einer Reise zu den Pnihing bei uns Halt machte, _Kwing_ noch so
sehr mit allerhand Unglücksbotschaften, dass dieser erklärte, mich
bestimmt nicht zu den Kenja begleiten zu können. Da die Lohnfrage
in dieser Angelegenheit durchaus keine Rolle gespielt hatte, liess
_Kwing_ sich trotz meines Angebots von 500 fl als Lohn für die Reise
von seinem Vorhaben, mich nur auf dem Mahakam begleiten zu wollen,
nicht abbringen. Doch wollte er nochmals nach Long Deho zur Beratung
kommen und vorher sorgfältig aus dem Vogelflug Vorzeichen einholen
lassen. _Taman Dau_ und seine Kenja wollte _Kwing_ gern persönlich
sprechen und von deren Betragen würde er seinen endgültigen Entschluss
abhängig machen. Da der Wasserstand zum Passieren der Wasserfälle
niedrig genug war, drängte ich zur Abfahrt, aber nachts vor dem
festgesetzten Tag starb ein Kind im Dorfe und die Malaien verlangten
dieses schlechten Vorzeichens wegen einen Reiseaufschub von einem Tage.

Am 9. März fuhren wir um 8 Uhr morgens endlich von Long Blu-u ab. Der
Abschied von der Niederlassung, in der ich so lange Zeit verbracht
hatte, fiel mir nicht schwer, denn die Wartezeit von Monaten hatte
meine Geduld erschöpft, so dass meine Sehnsucht fortzukommen, jede
andere Empfindung überwog.

In Long Tepai traf ich meine Reisegenossen _Bier_ und _Demmeni_
und alles Gepäck in guter Verfassung an, leider empfing mich aber
sogleich die Schreckensnachricht, die Kenja unter _Taman Dau_
hätten unterhalb der Wasserfälle 3 Ot-Danum, die am oberen Medang
Buschprodukte suchten, die Köpfe abgeschlagen. Dieses Begebnis machte
einen so grossen Eindruck, dass vorläufig an eine topographische
Aufnahme der Nebenflüsse nicht zu denken war, weil die Malaien sich
viel zu sehr fürchteten.

Unter diesen Umständen schien es mir am geratensten, den niedrigen
Wasserstand für eine Fahrt nach Long Deho zu benutzen, um die Kenja
persönlich sprechen zu können. Ich wartete daher nicht auf _Kwing
Irang_, sondern liess mich von _Bier_ nach _Bang Joks_ Löwengrube
begleiten; ausserdem kamen einige vornehme Long-Glat mit uns, unter
ihnen _Bo Tijung_ und _Bo Ului_, welch letzterer die Kenja persönlich
kannte. _Demmeni_ sollte zurückbleiben, um mit _Kwing_ alles Gepäck
nach Long Deho zu transportieren. _Bo Lea_ von Long Tepai half mir
mit vielen seiner Männer über die Wasserfälle. Am Fuss des Kiham
Kenhè glücklich angelangt, empfand ich für die Bereitwilligkeit, mit
der mir diese sogleich Hilfe geleistet hatten, so grosse Dankbarkeit,
dass ich jedem Manne statt des gewöhnlichen Taglohnes von 1 fl einen
Reichstaler gab, eine Freigebigkeit, die ich später bedauerte.

Am 14. März hielten wir wiederum in dem alten baufälligen Fremdenhaus
von Long Deho unseren Einzug.



KAPITEL V.

    Organisation eines Stammes am oberen Mahakam--Stellung der
    Häuptlinge, Freien und Sklaven Vielweiberei--Verlobung,
    Heirat, Ehescheidung, Ehebrach, Erbschaftsrechte--Geburt und
    Verbotsbestimmungen für Kinder--Schreckfiguren und Beschwörungen
    zur Vertreibung von Krankheiten--Prophezeiungen aus den Eingeweiden
    von Tieren--Betrügerisches Vorgehender Priester--Geisterbeschwörung
    bei Dürre--Schöpfungsgeschichte der Mahakam-Kajan--Die mächtigsten
    Geister des Mahakam (_seniang_)--Begräbnisgebräuche--Ökonomische
    Verhältnisse am Mahakam Ackerbau und Ackerbaufeste--Verschiedene
    Feldprodukte--Sagogewinnung--Fleischnahrung--Fischfang und
    Fischzucht--Haustiere--Schlachtmethoden--Fleischkonservierung.


Die Organisation eines Stammes beruht bei allen Bewohnern des oberen
Mahakamgebietes auf denselben Grundprinzipien, wie bei denen am oberen
Kapuas, nur mit dem bemerkenswerten Unterschiede, dass bei ersteren,
besonders bei den mit der Küstenbevölkerung noch wenig in Berührung
gekommenen Stämmen, alle Bestimmungen der adat viel strenger gehandhabt
werden als bei letzteren. Der Häuptling geniesst am Mahakam ein viel
höheres Ansehen als am Kapuas, zwischen den verschiedenen Ständen,
wie Freien (_panjin_) und Sklaven (_dipen_), ist die Kluft hier eine
viel grössere. Die Kajan suchen selbst energisch eine Vermengung der
Klassen durch Heirat zu verhindern, was ihnen jedoch nur zum Teile
glückt. Die _dipen_ werden zwar gut behandelt, weder verkauft noch
getötet, aber nur wenige unter ihnen, wie _Anjang Njahu_ und _Sorong_,
übten durch ihre hohe Stellung beim Häuptling einen indirekten Einfluss
auf die Stammesangelegenheiten aus. Während bei den Kajan am Mendalam
viele Sklaven ein selbständiges Leben führten, einige selbst gegen den
Willen des Häuptlings sich jahrelang bei anderen Stämmen auf hielten,
wurde ihnen dies am Mahakam nicht gestattet. _Kwing Irang_ hatte einen
Teil seiner Sklavenfamilien unter Aufsicht einiger Mantri gestellt;
während des Reisbaus wohnten die meisten auf den Feldern, die sie für
den Häuptling zu bestellen hatten, und in der Niederlassung mussten
sie ihre Wohnungen zu beiden Seiten des Häuptlingshauses bauen,
nicht zwischen denen der Freien.

Eigener Grundbesitz ist den _dipen_ bei den Kajan nicht erlaubt,
doch erhalten sie neben den Feldern des Häuptlings ein Stück Fand
zur eigenen Nutzniessung zugewiesen. _Anjang Njahu_ hatte sich zwar
ein selbständiges Reisfeld angelegt, war dafür aber verpflichtet,
ein anderes für _Kwing_ zu unterhalten. Im allgemeinen kommen bei
den Sklaven 2 Arbeitstage für den Häuptling auf einen für sie selbst;
auch tritt der Häuptling denjenigen seiner Familienglieder, die mit
ihm keine gemeinsamen Äcker bebauen, zeitweilig einige Sklaven ab,
um sie bei den Feld- und anderen Arbeiten zu unterstützen: so besass
sowohl _Kwings_ Sohn _Bang Awan_, als sein zu den Kajan von der Gegend
unterhalb der Wasserfälle geflohener Neffe _Ding Lalau_ einige Sklaven
zur Aushilfe.

Die Lebensverhältnisse der Sklaven hängen in hohem Masse von dem
Charakter des Stammeshäuptlings ab; von den mehr als 150 _dipen_
des gutmütigen, sanften _Kwing_ war noch nie einer durchgegangen,
beim Pnihinghäuptling _Belarè_ jedoch kam dies mehrmals vor, selbst
ganze Familien hatten es mit Erfolg versucht, nach dem Kapuas zu
entfliehen. Früher war es allerdings auch bei den Kajan vorgekommen,
dass ein Sklave sich zu einem anderen Häuptling, z.B. nach Lulu
Njiwung, begeben hatte; in solch einem Fall gelangt er in den
Besitz und unter den Schutz des neuen Häuptlings, der den Fall dann
mit dem früheren Herrn ausmachen muss. Bei den Kajan konnten es
ausnahmsweise, wie gesagt, einige Sklaven weit bringen, sowohl der im
Stamme geborene, wie _Anjang_, als der neu erworbene, wie _Sorong_;
selbst der Vorfechter gehörte bei ihnen dem Sklavenstande an.

Die Stellung der Freien, _panjin_, zum Häuptling ist im ganzen die
gleiche wie am Mendalam. Nur ist die Kluft zwischen den Familien
der Häuptlinge und denen der Freien am Mahakam weniger tief, weil
die Vielweiberei der Häuptlinge und die Schwierigkeiten, die mit der
Heirat einer Frau gleichen Standes verbunden sind, die Fürsten häufig
dazu führen, ihre Frauen aus den Familien der _panjin_ zu wählen.

Ein sehr grosser Gegensatz ist auch in der Stellung, welche die
Frauen am Mendalam und Mahakam einnahmen, bemerkbar. Während sie
dort in allen Angelegenheiten das Wort führten und in vieler Hinsicht
grössere Rechte als die Männer genossen, spielten sie hier eine viel
untergeordnetere Rolle, wurden in öffentlichen Angelegenheiten nicht
zu Rate gezogen und durften bei Unterhandlungen mit Fremden nicht
mitbeschliessen. Doch fehlte es auch unter den Mahakamfrauen nicht
an kräftigen Persönlichkeiten, die in allen Angelegenheit einen
grossen indirekten Einfluss übten, wie z.B. _Hiang_, _Kwing Irangs_
älteste Frau, deren Meinung mehr Gewicht hatte, als die des Häuptlings
selbst. Sie verstand unter den zahlreichen Sklaven die Ordnung aufrecht
zu erhalten und durch ihren Mann im ganzen Stamm eine grosse Macht
zu entfalten. Obgleich sie aus keiner Häuptlingsfamilie stammte und
kinderlos blieb, heiratete sie doch drei aufeinanderfolgende Häuptlinge
der Kajan, allerdings konnte sie nicht verhindern, dass _Kwing_ noch
eine zweite Frau, _Uniang Anja_, und während meines Aufenthaltes eine
dritte, _Lirui Anjang_ aus Long 'Kup, ehelichte. Sie hatte ihre Nichte
_Kehad_ adoptiert, die nach ihr _Kehad Hiang_ genannt wurde und im
Häuptlingshause lebte. Auf _Hiangs_ Betreiben hatte ihr Mann früher
einige seiner anderen Frauen aus dem Kajanstamm fortschicken müssen,
obgleich eine derselben ihm seinen Sohn _Bang Awan_ geschenkt hatte,
der jetzt bei ihm wohnte. Übrigens erging es _Hiang_ wie es öfters
willensstarken Personen ergeht, sie wurde ihrer Herrschsucht wegen
von den meisten Stammesgliedern, die nicht zu ihrer Familie gehörten,
gehasst, hauptsächlich von den Leibeigenen, die mehr als alle übrigen
unter ihrem unmittelbaren Einfluss zu leiden hatten.

_Uniang Anja_, die zweite, viel jüngere Frau, erfüllte im Hause nur
ihre Mutterpflichten gegenüber ihrem 12 jährigen Sohn _Hang_; sie
war eine gute Seele, die in ihrer Jugend von einer Krankheit, die den
Gaumen und die inneren Nasenteile verwüstet hatte, heimgesucht worden
war; vielleicht verlor sie durch ihr Leiden die Energie, um sich gegen
_Hiangs_ Tyrannei aufzulehnen. Sie gehörte einem angesehenen Geschlecht
der Long-Glat an und brachte aus ihrem Kreise ein besonderes Talent
im Rotangflechten und in der Herstellung von Perlenarbeiten mit,
das von den Ihrigen sehr geschätzt wurde.

Auch _Kwings_ dritte, noch sehr junge Frau _Lirui_, eine Tochter
des Pnihinghäuptlings _Anjang_, übte auf den Lauf der Dinge im Hause
wenig Einfluss aus; sie hatte überhaupt erst nach der Geburt ihres
Sohnes _Parèn_ beim Kajanstamm Einzug gehalten, teils aus Raummangel
in _Kwings_ provisorischer Wohnung, teils weil _Hiang_ ihr Kommen
nicht wünschte.

Die Vielweiberei der Häuptlinge am oberen Mahakam muss dem Einfluss
der am Unterlauf des Flusses wohnenden Mohammedaner zugeschrieben
werden, denn nur die zur Häuptlingsfamilie der Long-Glat gehörigen
Häuptlinge gestatteten sich diese Abweichung von der vorväterlichen
Sitte; keiner ihrer Freien besass mehr als eine Frau; auch die noch
ursprünglicheren Sitten huldigenden Häuptlinge der Pnihing, Ma-Suling
und, wie wir sehen werden, der Kenja lebten monogamisch. Die Tatsache,
dass die Polygamie sich unter den Mahakam-Bahau verbreiten konnte,
spricht vielleicht ebenfalls für die niedrigere Stellung, welche ihre
Frauen im Vergleich zu denen am Kapuas einnehmen.

Dasselbe Moment liegt wohl auch dem besonders bei den Blu-u Kajan
herrschenden Brauch, die Mädchen bisweilen schon bei ihrer Geburt mit
einem jungen oder sogar älteren Manne zu verloben, zu Grunde. Auch
diese Sitte kann ursprünglich bei ihnen nicht heimisch gewesen sein,
weil sie nach dem Glauben der Kajan selbst ihren Geistern ein Dorn
im Auge ist, die sie dafür mit Krankheit und Unglück heimsuchen. Die
Folge dieser Vernunftheiraten ist denn auch, dass die Mutterschaft bei
den Frauen viel früher eintritt, als wünschenswert ist. Am Blu-u sieht
man auch auffallend viele junge, beinahe kindliche Mütter. Die Sitte,
ihre Töchter in sehr jugendlichem Alter zu verheiraten, haben die
Kajan vielleicht von ihren zahlreichen Sklaven aus den Baritostämmen,
bei denen sie allgemein verbreitet ist, übernommen. Über Heirat,
Scheidung und Ehebruch ist bereits an anderer Stelle (T. I p. 364-67)
einiges mitgeteilt worden, das folgende möge als Ergänzung dienen.

Die meisten Eheschliessungen gehen derart vor sich, dass ein
heiratsfähiger junger Mann seine Eltern oder, in Ermangelung derselben,
andere Familienglieder über eine vorläufige Verbindung mit einem etwa
6 jährigen Mädchen unterhandeln lässt. Er tritt dann sogleich in die
Familie seiner Schwiegereltern ein, nachdem er diesen sowie der kleinen
Braut ein Schwert oder ein anderes von seinen Angehörigen aufgebrachtes
Geschenk übergeben hat. Seine Arbeit kommt den Schwiegereltern zu Gute,
und oft wird er, sobald das Mädchen ungefähr heiratsfähig geworden ist,
ohne fernere Heiratszeremonie zu deren Manne.

Ist das Mädchen bei der Abmachung zwischen den beiderseitigen Familien
älter, dann leben die jungen Leute etwa einen Monat lang zusammen,
und gefallen sie einander, so schliessen sie mit einer einfachen, in
einer kleinen Festmahlzeit bestehenden Feier den Heiratsbund. Beim
nächsten Neujahrsfest folgt dann ein grösseres Mahl, bei dem ein
Schwein geopfert wird, von dem jede Dorffamilie ein Stück erhält.

Fühlen sich erwachsene Männer und Mädchen zu einander, hinge zogen,
so bietet ihnen über Tag die gemeinsame Feldarbeit Gelegenheit zu
intimem Verkehr; abends geben sie sich mit ihren Liegmatten im hohen
Grase unten am Fluss ein Stelldichein. Durch Ausspülen beim Baden
sucht das Mädchen den unerwünschten Folgen ihres Verkehrs vorzubeugen,
was aber nicht stets gelingt.

Bleiben diese nicht aus, so müssen die Schuldigen ein Schwein und eine
bestimmte Menge Reis opfern, um von ihren Angehörigen den Zorn der
Geister abzuwenden, die sonst ein Missglücken von Ernte, Fischfang und
Jagd verursachen würden. Zeigt sich das Paar zur Heirat nicht geneigt,
so wird diese auch nicht für notwendig angesehen, auch verhindert
ein derartiges Erlebnis ein Mädchen nicht, später eine passendere
Ehe mit einem anderen Manne einzugehen.

Über die Heiratszeremonien ist bereits Teil I pag. 87 u. 365 berichtet
worden.

Das Eheband wird bei den Blu-u Kajan leicht wieder gelöst. Ich
sah häufig Scheidungen stattfinden, weil ihre beiderseitigen
Charaktereigenschaften Mann und Frau nicht gefielen, oder die Ehe
kinderlos blieb. Ein Mann liess sich von seiner Frau scheiden, weil
er ein Kind aus ihrer früheren Ehe nicht leiden mochte, ein anderer
machte sich einfach davon, weil ihm die Versorgung seiner immer
grösser werdenden Familie zu schwierig vorkam.

Auch Heiraten zwischen Freien und Sklaven, zu denen der Häuptling
bisweilen gezwungenermassen seine Zustimmung erteilt hat, sucht man,
besonders beim Kajanstamm, wo eine Vermengung mit Leibeigenen sehr
ungern gesehen wird, bald wieder zu lösen.

Der junge Mann, der eine Sklavin heiratet, nimmt alle Pflichten
eines Sklaven auf sich, erhält jedoch bei einer Scheidung- seine
Freiheit zurück; sind Kinder vorhanden, so folgen diese dann dem
Stande der Mutter, bis auf eines, das der Vater in seine Familie
mitnimmt. Tritt ein Sklave aus dem Häuptlingshause als Schwiegersohn
in eine _panjin_-Familie, so muss ihn eines seiner männlichen
Kinder beim Häuptling als Sklave vertreten. Bei den Long-Glat und
Ma-Suling bestehen diese strengen Regeln nicht, mit dem Resultat,
dass die Leibeigenen ständig in den Stamm heiraten und ihre Anzahl
fortwährend abnimmt. Auch unter den Kajan hat im einzelnen Falle das
Ansehen der betreffenden Familie auf die vom Häuptling und seinen
Mantri zu fassenden Beschlüsse grossen Einfluss.

Die Ehe wird von den Kajan trotz ihrer leichten Lösbarkeit durch aus
als bindend angesehen, und ein Treubruch seitens des Mannes oder der
Frau mit einer Busse an den beleidigten Teil gestraft. Auch wird
solch ein Ereignis als eine Schande und als ein Unglück für den
Stamm angesehen.

Die Häuptlinge nehmen hinsichtlich der Ehe, wie gesagt, eine gesonderte
Stellung ein, indem ihnen allein das Recht zusteht, mehrere Frauen
zu heiraten; diese geniessen als Gattinnen eines Häuptlings zwar
das gleiche Ansehen im Stamme, aber für ihre Kinder gelten die mit
der Geburt der Mutter verbundenen Erbschaftsrechte; ferner darf das
Abzeichen der Frauen von hohem Stande, eine mit Hundezähnen verzierte
Perlenmütze, nur von geborenen Fürstinnen getragen werden.

Die _adat_ und menschliche Eitelkeit verlangen eigentlich von ihren
Häuptlingen eine Verbindung mit einer ebenbürtigen Fürstentochter,
doch legt eine solche Heirat dem künftigen Gatten die Verpflichtung
auf, mindestens 2 Jahre im Hause der Schwiegereltern zu arbeiten. Die
jungen Häuptlinge der Kajan trösten sich daher oft mit Frauen aus
den Familien der Freien, die ihnen zwar keine Kinder von so hoher
Geburt schenken, von ihnen aber auch nicht die Erfüllung so hoher
Forderungen verlangen. Besonders wenn die erste Frau bereits aus
vornehmem Geschlechte stammt, braucht der Häuptling bei der Wahl der
folgenden nicht mehr so streng auf die _adat_ zu achten.

Eine Heirat zwischen Häuptlingen und Leibeigenen kam bis jetzt
nicht vor.

Stirbt eines der Eheleute, so darf der überlebende Teil, wenn er zu
einer Häuptlingsfamilie gehört, erst nach Verlauf eines Jahres eine
neue Ehe eingehen, ist er ein _panjin_, bereits nach einem halben Jahr.

Bei den _panjin_ und _dipen_ der Blu-u Kajan wird die Vorschrift,
dass ein junger Ehemann zur Familie seiner Frau zieht, nicht so
streng gehandhabt wie am Mendalam; sind beide Teile erwachsen, so
zieht das Mädchen wohl auch gleich in das Haus ihres Gatten oder das
seiner Eltern, besonders wenn dieser ein einziger Sohn ist und seine
Familie ihn nicht entbehren kann.

Die Heiratsgebräuche stehen nach dem Glauben der Kajan unter der Obhut
des Schöpfers _Tamei Tingei_ und eine Übertretung derselben wird
bisweilen auf eigentümliche Weise gesühnt, z.B. durch Herstellung
von Menschenfiguren (_tepatong_). Schliesst nach dem Tode eines der
Ehegatten der überlebende Teil vor Ablauf der bestimmten Frist eine
neue Ehe, so lässt man fusshohe Figuren, zwei männliche und zwei
weibliche, als Opfer auf einem Floss (_sahn_) den Fluss abwärts
treiben. Die Neuvermählten opfern bei einer _mela_ darauf Schweine
und Hühner und richten ein allgemeines Gastmahl an.

Bei einem Ehebruch rächt sich _Tamei Tingei_ an dem ganzen Stamm,
indem er ihn mit Krankheiten und Missernten heimsucht. Die Kajan
nehmen daher in diesem Fall ein "_neme urib_" vor, wörtlich:
"Verbesserung des Daseins." Sie setzen an Stelle der Holzbilder
die beiden Schuldigen auf das Floss und lassen sie mit der Strömung
abwärtstreiben. Ursprünglich wurden die Ehebrecher wahrscheinlich
tatsächlich geopfert, gegenwärtig retten sie sich aber durch Schwimmen;
aus Übermut treiben sogar manche freiwillig auf dem Floss ein Stück
weit mit (Mehr hierüber T. I p. 367).

Von der Zeit vor seiner Geburt bis zu seinem Tode ist jede
Lebensperiode eines Mahakambewohners an bestimmte religiöse
Vorschriften geknüpft. Beide Eltern dürfen während der Schwangerschaft
keine geschlachteten Hühner berühren; der Mann darf keinen Griff
mit Guttapercha auf ein Schwert befestigen, keine Erde stampfen,
z.B. beim Einrammen von Pfählen, da das Kind sonst nicht zum Vorschein
kommen will. Eine Übertretung noch anderer Vorschriften hat zur Folge,
dass das Kind bald nach der Geburt stirbt.

Am Mahakam geschieht es öfters als am Mendalam, dass man ein Kind,
dessen Mutter bei der Geburt gestorben ist oder dessen Eltern auf
irgend eine Weise erschreckt worden sind, in den Wald aussetzt,
wo es umkommt oder von kinderlosen Eltern aufgenommen wird.

Während ein Kind heranwächst, durchläuft es mehrere, durch Opfer von
einander getrennte Zeitperioden, die es allmählich den Vorrechten
der Erwachsenen zuführen. Für Knaben muss z.B. im 12ten Lebensjahr
geopfert werden, damit sie ein echtes Schwert tragen dürfen,
später wird ein Huhn geopfert, damit der Griff mit kurzen Haaren
verziert werden darf. Um lange Haare am Griffe anbringen zu dürfen,
ist die Opferung eines Schweines erforderlich. Ein zweites Schwein
verlangen die Geister, wenn der Knabe seine Kleidung durch eine
Sitzmatte vervollständigen will. Diese Opfer werden mit _bet lali_
bezeichnet, ein Ausdruck, der allgemein die Aufhebung einer Verbotszeit
bedeutet. Erst wenn alle Vorschriften erfüllt worden sind, wird der
junge Mann zu den Erwachsenen gerechnet. Für Mädchen gelten ähnliche
Bestimmungen.

Die Freien und Sklaven bringen diese Opfer nicht selbständig, zu
beliebigen Zeiten dar, sondern sie warten hierfür grosse religiöse
Zeremonien in der Häuptlingsamin ab. Wird dort ein _ajo_ (Kopfjagd)
bei der Ablegung der Trauer oder beim Einzug in ein neues Haus gehalten
oder ein _dangei_ gefeiert, so gehen sie im _bet lali_ des Kindes
einen Schritt vorwärts. Bevor dieses erwachsen ist, dürfen seine
Kleider nicht beseitigt oder verkauft werden, sehr wahrscheinlich,
damit die noch schwache _bruwa_ des Kindes den Kleidungsstücken nicht
folge, wodurch es krank werden würde. Aus demselben Grunde will man
auch die _hawat_ der Kinder nicht verkaufen; nur einige Male gelang
es mir, die Tragbretter lang verstorbener Personen zu erstehen. Die
Kajan trennen sich auch nicht von ihren Tragkörben, _ingan dawan_;
die Long-Glat dagegen verkauften mir einige, aber zu hohem Preise.

In anderen Punkten sind die Long-Glat übrigens viel abergläubischer
als die anderen Stämme; so verschieben sie z.B. das _lali parei_
wegen eines _hadui_ (= _mela_) bei Krankheit oder eines _ajo_ für ein
neues Häuptlingshaus so lange, bis der Reis überreif auf der _ladang_
abfällt. Ferner wagen sie auch beim grössten Nahrungsmangel nicht
zu ernten, wenn auf dem Felde der Tragriemen eines Reiskorbes bricht
oder dieser umfällt.

Krankheiten suchen die Mahakambewohner teils durch Schreckfiguren
aus Holz, teils durch Beschwörungen zu vertreiben. Betrifft es
einen ganzen Stamm, so werden über 1 m hohe menschliche Figuren
beiderlei Geschlechts am Flussufer aufgestellt, um die bösen Geister
in die Flucht zu jagen. Auch in jedem Privathause werden dann solche
_tepatong_, wenn auch in kleinerem Massstabe, verfertigt.

Wird nur eine Familie durch sehr schwere Krankheit getroffen, so
wendet nur diese die _tepatong_ an.

Gefürchteter als die aus der Umgegend stammenden bösen Geister sind
die aus fernen Gegenden, welche die Reisenden begleiten. Als mich
im Jahre 1897 eine Gesellschaft vom mittleren Mahakam bei den Blu-u
Kajan besuchte, zeigte sich keine Frau ausserhalb ihres Hauses ohne
ein brennendes Bündel Plehidingbast, dessen stinkender Rauch die
bösen Geister vertreibt.

Dass diese für besonders verhängnisvoll gehalten werden, wenn sie
aus der Ferne kommen, ist begreiflich, denn von weitem heimkehrende
Bewohner bringen häufig Infektionskrankheiten in ihr Dorf mit,
hauptsächlich influenzaartige. Die Kajan bezeichnen denn auch Husten
und Schnupfen, die wichtigsten Symptome dieser Infektion, mit demselben
Namen wie die fremden Geister, nämlich mit "_bengen_". Da auch Cholera
und Pocken auf diese Weise verbreitet werden, erscheint die Furcht
der Eingeborenen vor den Geistern aus der Fremde völlig berechtigt.

Die Krankenbeschwörungen am Mahakam beruhen auf derselben Idee
wie am Mendalam, nur sind die Äusserungen desselben Glaubens
bei den Priestern der einen und anderen Stämme eigentümlich
verschieden. Während der grobe Betrug, den die _dajung_ am Blu-u
treiben, indem sie krankheiterzeugende Tiere und Gegenstände aus dem
Körper der Patienten zum Vorschein bringen, sofort ins Auge springt,
beobachtete ich nichts ähnliches am Mendalam, auch äusserte sich eine
Beseelung hier niemals in Begleitung von Zittern und Krämpfen.

Zur Veranschaulichung des Gesagten mag hier die Beschreibung eines
grossen Beschwörungsfestes folgen (Beschwörung halten = _enah abei_),
das _Kwing Irang_, als seine Familie durch Krankheit heimgesucht wurde,
zur Beschwichtigung der Geister im Jahre 1897 vornehmen liess.

Den eigentlichen Festtag leiteten 3 der obersten weiblichen und _Bo
Bawan_, der oberste männliche Priester mit einem Opfer an die unter
dem Flusse wohnenden Geister ein. In netter, aber gewöhnlicher Kleidung
begaben sich die Vier zum Blu-u, unter Vortritt von 4 jungen Männern,
von denen zwei grosse Gonge, die anderen Priesterbecken ertönen
liessen, um die Geister auf die kommende Zeremonie aufmerksam zu
machen. An der Ufertreppe stehend boten alle zugleich in altem Busang
den Geistern ein Küchlein, ein Bambusgefäss mit Salz, Reis und essbare
Blätter, sowie einen weissen Kattunlappen zum Opfer an. Nachdem alle
die Gegenstände in die Hand genommen hatten, schleuderte _Bo Bawan_
sie über den Fluss. Eine der _dajung_ schnitt dem Küchlein den
Hals durch, alle Anwesenden bespieen das Tier, damit die Geister
am Geruch die Geber erkennen sollten, dann warf der Priester auch
dieses ins Wasser. Nur der Kattunlappen wurde unter Beckenschlag ins
Haus zurückgetragen.

Etwas später erklangen die Becken aufs neue, diesmal in der
Häuptlingswohnung, zum Zeichen, dass eine andere Zeremonie begonnen
hatte. Bei meinem Eintritt, der die versammelte Menge nicht zu stören
schien, sah ich unter dem geöffneten Dachfenster 8 _dajung_ sitzen,
vorn männliche, hinten 6 weibliche. Erstere waren damit beschäftigt,
unter dem ohrenzerreissenden Gebrumm der Gonge den guten Geistern
in singendem Tone die von _Kwing_ und den Seinen gebotenen Opfer
anzutragen. Diese lagen in Form von zwei gebundenen Schweinen, einem
Huhn und zwei Küchlein rechts von den _dajung_, und einige Männer
bemühten sich redlich, die Tiere durch Krauen von einem Überschreien
der Gonge zurückzuhalten. Vor der Priesterschar lag ihr Lohn, bestehend
in Schwertern, Zeug, Perlen und einem neuen tempajan. Alle Familien
der _amin aja_ und auch viele andere hatten hierzu beigetragen. Die
Schweine hatte _Kwing_ einige Tage zuvor im Dorfe gekauft, da er
selbst keine besass.

Der Häuptling und seine Familie sassen links um die _dajung_ geschart;
vorn _Klang_ selbst unter einem Regenschirm europäischer Herkunft,
rechts von ihm sein Sohn _Bang_ unter einem grossen kajanischen
Hut. Hinter ihnen sassen die Frauen und Kinder in ihrer besten
Kleidung, völlig unter dem ernsten Eindruck der vorsichgehenden
Feierlichkeit. Der gleiche Ernst lag auch auf den Gesichtern der
zahlreich versammelten Menge, die den übrigen Teil des Raumes
füllte. Die Diele, die bisher gewiss nur selten eine solche
Menschenmasse getragen hatte, war am vorhergehenden Tage durch Pfähle
unterstützt worden. Zum Glück war in dem allseits offenen Genrache
von starker Ausdünstung nichts zu merken, sonst hätte man es unter
den 200 Personen bei dem entsetzlichen Lärm kaum aushalten können.

Nachdem die Priester eine halbe Stunde lang die guten Geister
von Apu Lagan angerufen hatten, wurde den beiden Küchlein der Hals
durchschnitten und darauf der Bauch mit einem Längsschnitt geöffnet,
um aus dem Fehlen oder Vorhandensein der Gallenblase zu schliessen,
ob die Geister den Augenblick zum Opfern der Schweine für günstig
hielten oder nicht.

Beide Tierchen besassen eine gut gefüllte Gallenblase, so dass mit
dem Schlachten der Schweine begonnen werden durfte. Das Huhn, das mir
zum Geschenk angeboten wurde, bildete eine willkommene Abwechslung
in unserem damals sehr einförmigen Menu.

Nun wurden die Schweine abgestochen und zwar, wie gewöhnlich, auf
äusserst ungeschickte Weise. Das Blut floss teils in einen eisernen
Topf, teils auf ein Pisangblatt mit rohem Reis, auf dem bereits das
Blut der Küchlein aufgefangen worden war. Alle Anwesenden mussten
dieses erste Opfer berühren, damit die Geister am Geruch merkten,
dass es von ihnen allen gespendet wurde. Auch wir verliehen ihm
durch Berührung unsere europäischen Gerüche, worauf eine _dajung_
aus dem Dachfenster in die Luft hinaus schleuderte.

Den Schweinen wurde ebenfalls nach dem Verenden der Bauch durch einen
Längsschnitt geöffnet, man führte aber noch einen Querschnitt unter
dem rechten Rippenbogen aus, um die Unterseite der Leber und die Milz
bequem untersuchen zu können.

An der Leber ist das Verhältnis des kleinen Lappens zur Gallenblase
massgebend; ist letzterer gut ausgebildet und mit ersterer fest
verbunden, so ist das Vorzeichen günstig, im entgegengesetzten Fall
aber ungünstig. Ein tief eingeschnittener Rand der Milz prophezeit
Unglück, ein gerader dagegen Glück. Zur allgemeinen Befriedigung
liessen die Eingeweide beider Tiere nichts zu wünschen übrig.

Hiermit war das eigentliche Opfer abgelaufen und die gute Gesinnung
der Geister festgestellt, was für alle, besonders aber für _Kwings_
sehr gläubige Frau _Hiang_ eine grosse Beruhigung bedeutete. Mit einem
Seufzer der Erleichterung konstatierte sie denn auch das günstige
Aussehen der Lebern und Milze.

Nachdem auf diese Weise den Geistern und Seelen der Anwesenden
Genüge getan worden war, schickte man sich an, die materiellen
Genüsse der Menge vorzubereiten. Den Opfertieren wurden zuerst die
Borsten mit brennenden Holzspähnen versengt; dann übergoss man sie
mit heissem Wasser, schabte mit Schwertern den Rest der Borsten ab,
nähte ihnen mit wenigen Stichen den Bauch zu und trug sie zum Flusse,
wo einige Männer alle geniessbaren Teile, auch die Därme, reinigten
und darauf alles wieder zum Hause hinauftrugen. Hier zerlegten sie
das Schwein in kleine Stücke und kochten diese in grossen Töpfen mit
Wasser. Darauf wurde das Fleisch ohne weitere Zuspeisen mit Reis und
Klebreismehl, das die Frauen schon am Tage vorher zubereitet hatten,
genossen. Alles, was mit den Opferspeisen in Berührung kommen musste,
war vorher im Blu-u gut gewaschen, und die grünen Bambusinternodien,
in denen der Reis gekocht werden sollte, in schweren Lasten mit Wasser
gefüllt hinaufgetragen worden. Die Frauen hatten den Reis und das Mehl
für diese Gelegenheit in ±4 cm breite und a dm lange platte Päckchen
von Pisangblättern gewunden und in die Bambusgefässe gesteckt. Diese
füllten sie nun mit Wasser und stellten sie dann in schräger Lage
in Reihen auf Gerüsten, halb neben, halb über langen Feuern, so dass
ihr Inhalt genau gar war, als der Bambus vom Feuer versengt zu werden
anfing. Auch wir erhielten unseren reichlichen Anteil an den Speisen,
und der Reis schmeckte mit etwas Zucker, infolge des eigenartigen
Aromas des Bananenblattes, nicht schlecht, dagegen hatten wir uns noch
immer nicht daran gewöhnen können, das Fleisch ohne Salz zu geniessen.

An dem Tage, wo das Opfer und Festmahl stattfanden, durfte das Feuer
in der _amin aja_ nicht ausgehen, in allen anderen Wohnungen dagegen
durfte überhaupt keines angemacht werden. Männer und Frauen benützten
jetzt zum Anzünden ihrer Zigaretten vorzugsweise Hölzchen aus dem
Herdfeuer des Häuptlings, während sie sich sonst ihres Feuerzeugs
bedienten.

Mittags nach dem grossen Mahl traf man in der _amin_ Vorbereitungen
für die eigentliche Krankenbeschwörung. Das wichtigste war dabei ein
senkrecht gestellter Holzrahmen, in dessen Mitte ein verzierter Pfahl
aus bräunlichem Holz aufgerichtet wurde. Dieser diente als Träger für
die Opfergaben: Halsketten und Gürtel aus Perlen, über diesen eine
hohe kegelförmige Bahaumütze, in hübschen Mustern mit kleinen bunten
Perlen bestickt und umgeben von einem Kranz von Hundezähnen. Unter
diesen Gaben hingen die Schnauzen und Schwänze der geschlachteten
Schweine, verbunden mit einem Hautund Speckstreifen von der ganzen
Rückenlänge der Tiere, um _Tamei Tingei_ die Grösse der getöteten
Opfer anzugeben. Den Pfahl, _kaju arön_ genannt, hatte man überdies
reich mit langen Holzspiralen behängt, welche die Männer tags zuvor
sehr geschickt aus geeignetem Fruchtbaumholz in über 1 m Länge und
nur 1 cm Breite geschnitten hatten. Sie stellten mit ihren Messern,
_nju_, bisweilen 10 solcher Spiralen derart her, dass sie an einem
Ende mit dem Holz verbunden blieben und dann als langer Büschel mit
dem Spahn vom Holze abgeschnitten werden konnten.

Zu beiden Seiten des Opferpfahls, innerhalb des Rahmens, wurden nun
parallel zwei Reihen über 2 m hohe Bambusstöcke aufgestellt, also im
ganzen vier Reihen, von denen jede nach der heiligen Zahl aus 8 Stöcken
bestand, die ebenfalls mit Holzspiralen geschmückt wurden. So entstand
eine Art von doppeltem Heckwerk mit dem _kaju arön_ in der Mitte, an
den man noch eine Menge schöner Dinge, hauptsächlich Perlensachen und
Päckchen von Reis und Schweinefleisch hängte, um ihn für die Geister
noch verlockender zu machen.

Über dem Ganzen thronte aus schwarzem und rotem Zeug nachgebildet die
_menjiwan_, die öfters erwähnte Schlange mit rotem Kopf und Schwanz,
eines der wichtigsten wahrsagenden Tiere, das von den bösen Geistern
sehr gefürchtet wird. Am Fuss dieses Opfergerüstes, das bis nach
dem _melo_ (Ruhen nach dem Opfer) stehen bleiben musste, lagen und
standen Gonge und wertvolle _tempajan_, wie seinerzeit auch am _lasa_
der Mendalam Kajan (Teil I pag. 177). Die _dajung_ sollten hier erst
spät abends, nachdem alle nochmals gespeist hatten, ihres Amtes walten;
vorher, bei Einbruch der Dunkelheit, mussten _Kwing_ und seine beiden
Söhne noch ein besonderes Opfer bringen. Zu diesem Zweck richteten
einige Männer vor dem Hause eine Reihe von 4 × 8 Bambusstöcken auf,
deren oberes Ende gespalten und auseinander gebogen wurde. Ringsherum
bedeckten sie die nasse Erde für die Teilnehmer an der Zeremonie
mit Brettern. Ein lebhaft rauchendes Feuer diente zur Vertreibung
der zahlreichen Moskitos, damit diese die Aufmerksamkeit der Leute
nicht ablenkten.

Zuerst kamen _Kwing_ und sein Sohn _Bang_, beide mit hübschem Lenden-
und Kopftuch bekleidet und mit einem Schwert bewaffnet, von ihrer
Wohnung herab, gefolgt vom Priester _Bo Bawan_ und einer ganzen Reihe
von Männern, die sich alle auf den Brettern niederliessen. Einige junge
Leute mit grossen Gongen und Becken stellten sich zur Seite, worauf
_Bo Bawan_ in der Busangsprache die Luft-, Wasser- und Erdgeister
anrief, unter lautem Dröhnen der Instrumente. Darauf steckten die
beiden Hauptpersonen in jedes gespaltene Bambusende ein Ei, wobei
sie ständig die Geister um Hilfe anflehten.

Die Dämmerung war bereits längst vorüber, als man sich in derselben
Reihenfolge wieder hinauf begab. Die geopferten Eier werden niemals
gestohlen, sie bleiben auf den Stöcken, bis diese umfallen oder
verwesen.

Erst gegen 9 Uhr ertönte aus dem Hause das eigentümliche Rezitativ
des Priestergesanges, das eine neue Feier in des Häuptlings _amin_
ankündete. Wir fanden dort Männer, Frauen und Kinder bereits
versammelt. Nur für die _dajung_ war um das Opfergerüst ein freier
Platz übrig geblieben; sie sassen je zu vieren einander gegenüber
auf der Diele, mit einem Raum zwischen sich für die Priesterin, die
gerade das Wort zu führen hatte. Der Reihe nach stand nämlich eine
von ihnen auf und begann in singendem Tone, augenscheinlich in Prosa,
die Schicksale des Stammes und andere Überlieferungen aufzusagen,
wobei die Anwesenden an bekannten Stellen einfielen; einige junge
Leute zeigten dabei eine besondere Begabung.

Im allgemeinen bediente man sich der alten Busangsprache, nur wenn
es die Ereignisse der letzten Zeit und den Zweck dieser Versammlung
zu erzählen galt, eine Aufgabe die _Bo Bawan_ zufiel, gebrauchte man
das moderne Busang. Die meisten _dajung_ leierten mehr als dass sie
sprachen, die Bambusreihe umschreitend, ihre Worte her und brachen
nur dazwischen mit einem o--é und darauffolgenden Satz ab, wobei sie
nach dem Kopf griffen und heftig aufstampften. Auch fielen ihnen dann
die Augen zu; wie die Leute behaupteten, liess sich ein beseelender
Geist für einen Augenblick in den Priester oder die Priesterin nieder,
wodurch sie das Bewusstsein völlig verloren. Eine der Frauen, die
viel Eindruck machte, war von Natur augenscheinlich sehr nervös, denn
sie bewahrte nicht wie die übrigen während ihres Vortrags und des
Niedersteigens ihres Geistes ihre Ruhe, sondern geriet in Erregung,
machte eigentümliche Schritte, blieb plötzlich stecken, ergriff
die Bambusstöcke und schüttelte sie heftig, wobei ihre o--é-Rufe
und Gebärden die Ankunft des Geistes ankündeten. Dieser Priesterin,
_Sari_ (Taf. 26 T. 1), fiel auch die Aufgabe zu, _Kwings_ zweite Frau,
_Uniang_, zu einer _dajung_ auszubilden; zu diesem Zweck sagte sie
ihr die richtigen Worte vor, falls diese nicht schnell genug zum
Vortrag kamen. Die beiden Frauen standen dabei vor der Bambusreihe,
und, sobald der richtige Augenblick zum Niedersteigen des Geistes
nahte, empfing _Uniang_ ein Zeichen mit dem Fuss, worauf sie in sehr
unbeholfener Weise die gewünschten Gebärden folgen liess. Nach einiger
Zeit schien _Uniangs_ Geist sich wirklich zu nähern; das spärliche
Licht der wenigen Harzfackeln wurde von den Nächstsitzenden durch
einen Schirm gedämpft, die älteste _dajung_ fing den Geist in einem
Tuch auf, legte _Uniang_ ein Schwert aufs Haupt, wie um es zu spalten,
und blies ihr dann den Geist in diesen Spalt ein.

Während dieser auf die Dauer sehr langweiligen und einschläfernden
Vorgänge lagen oder sassen in dem halbdunklen Raume 2-300 Männer,
Frauen und Kinder beieinander, folgten mehr oder minder andächtig
den Beschwörungen oder vertrieben sich die Zeit mit Rauchen
und Sirihkauen. Mehrere Frauen sorgten dafür, dass die Rauch-
und Kaulustigen nicht zu kurz kamen; Bambusrohre mit seitlichen
Öffnungen, in welche die Frauen Zigaretten gesteckt hatten, machten
unter den Anwesenden die Runde. Die Kinder schliefen beinahe alle an
ihre Eltern gelehnt oder in Gruppen in den Ecken oder den gesonderten
kleinen Kammern. Auch die Erwachsenen waren nicht imstande, die ganze
Nacht über munter zu bleiben, und da ihre Haltung ebensogut ein Wachen
als ein Schlafen zuliess, versanken sie ab und zu ins Traumland, aus
dem sie erst wieder zurückkehrten, wenn ihre Nachbarn sich zu stark
bewegten, oder die _dajung_ zu laut wurden. Auch für die Hungrigen
hatte der Häuptling gesorgt, indem er gegen 2 Uhr nachts Reis und
Schweinefleisch umherreichen liess, nur die jüngsten Fürstenkinder
vermochte auch kein Schweinefleisch mehr aus dem Schlaf zu erwecken.

Erst gegen Morgen endeten die Zeremonien und fand die eigentliche
Beschwörung der bösen Geister statt, welche die Krankheit verursacht
hatten. Während man den Raum verdunkelte, wurden _Bo Bawan_ und die
Priesterinnen von ihren Geistern besessen, gerieten in Aufregung,
jagten den bösen Geistern nach und vertrieben sie endlich aus der
Wohnung. Die aus Apu Lagan niedergestiegenen guten Geister, welche
die _dajung_ beseelt hatten, brachten auch Flusswasser von dort mit,
mit dem die _dajung_ alle Glieder der Häuptlingsfamilie besprengten,
während die übrigen Anwesenden sich beeilten, die Finger in dieses
Wasser zu tauchen und sich den Körper damit einzureiben. Nach dieser
Zeremonie zu urteilen, stellen sich die Kajan ihre Priester und
Priesterinnen vor einem Geist aus Apu Lagan beseelt vor, der sich
nicht ständig in ihnen aufhält, sondern sie nur bei einer Anrufung
erfüllt und ihnen dann die Kraft verleiht, vor allem gegen böse Geister
anzukämpfen. Daher rufen die Bahau in Krankheits- und Unglücksfällen
die Hilfe der _dajung_ ein. Die Priester besitzen einen männlichen,
die Priesterinnen einen weiblichen Geist. Werden Nachkommen der
Priester von Geistern beseelt, so stammen auch diese Geister von
väterlichen oder mütterlichen Geistern ab. Ob jemand zur Beseelung
geeignet ist, können nur Eingeweihte beurteilen; diese scheinen es
hierbei nicht auf besonders nervöse Personen abgesehen zu haben,
wenigstens zeichnete sich hier am Blu-u, wie wir gesehen haben,
von den 8 Frauen nur eine durch leichte Erregbarkeit aus.

Die älteste Priesterin der Kajan schien auch bei den Pnihing und
Long-Glat Ansehen und Praxis zu besitzen, jedenfalls erzählte sie
mir, sie habe nicht nur einen Geist der Kajan, sondern auch einen
der Pnihing und einen der Long-Glat zur Verfügung. Wahrscheinlich
glaubte sie selbst nicht daran. Bei verschiedenen Gelegenheiten
merkten wir nämlich, dass die _dajung_ der Kajan ihre Gemeinde
mit vollem Bewusstsein betrogen. An einem seiner Zauberabende, die
_Demmeni_ bisweilen zu allgemeinem Ergötzen veranstaltete, ahmte er
das Kunststück der _dajung_ nach und brachte mittelst einer in den
Ärmel genähten Kautschukspritze Wasser aus Apu Lagan zum Vorschein. Er
erfreute sich denn auch desselben Erfolges wie die Priester, denn die
erstaunten Zuschauer rieben sich auch mit diesem Himmelswasser sehr
eifrig ein. In der Hoffnung, dass ihm dieses Kunststück in seinem
Priesteramt gut zu statten kommen könnte, suchte _Bo Bawan Demmeni_
dazu zu bewegen, sein Geheimnis zu verraten, wozu dieser sich aber
nicht geneigt zeigte. Darauf erklärte _Bawan_ sich bereit, _Demmeni_
als Gegendienst die Methode der dajakischen Priester, um Wasser zu
zaubern, anzuzeigen; doch ging er selbst später nichtmehr darauf ein.

In Krankheitsfällen holen die _dajung_ Schlangen, Eidechsen, Würmer,
Blätter, Reis oder Zigarettenhüllen aus dem Körper der Patienten
hervor. Die mit dieser Prozedur verbundenen Vorschriften gelten dann
für den Kranken als _lali_ und müssen von ihm während seines ganzen
Lebens befolgt werden. Einst sah ich eine Priesterin um eine junge
Frau bemüht, die abends vor Schreck ohnmächtig geworden war. Man
hatte zuvor alle Mittel angewandt, um sie ins Leben zurückzurufen,
doch ohne Erfolg. Darauf begann die unter den Anwesenden sitzende
_dajung_ ihre Verse aufzusagen, um ihren Geist herbeizurufen, näherte
sich tanzend der Kranken, kniff sie einige Mal in die Haut und wies
dann ein augenscheinlich gekautes, gerolltes Stück Bananenblatt vor,
als hätte sie es aus der Patientin herausgeholt. Die Ohnmächtige
bewegte sich jedoch nicht, und die Familie begann sich bereits zu
beunruhigen, obgleich derartige Fälle öfters bei ihnen vorkommen. Aus
Besorgnis holten sie mich aus dem Schlafe, und zu aller Verwunderung
brachte etwas an die Nase gehaltene Watte mit Ammoniak bald wieder
Leben in die regungslose Gestalt. Später durfte ich nicht abreisen,
bevor ich den vornehmsten Personen etwas Ammoniaklösung gegen den
herannahenden Tod ausgeteilt hatte.

Die Priesterschaft lässt sich ihre Dienste so gut bezahlen, dass
bei langdauernder Krankheit häufig ein grosser Teil des Besitzes der
Patienten in ihre Hände übergeht. Allerdings werden auch den _dajung_
durch ihr Amt viele Opfer auferlegt. Der sie beseelende Geist macht
z.B. zweimal jährlich auf ein grosses Schwein oder mindestens auf
Hühner und Eier Anspruch; wird er enttäuscht, so sendet er aus Rache
Krankheit oder Tod.

Das gleiche gilt für alle unter dem Schutze eines Geistes stehenden
Menschen, wie Schmiede, Hirschhornschnitzer und andere Künstler;
auch diese müssen sich vor einem Erzürnen ihres Geistes hüten. Bei
meiner Abreise zur Küste liess einer meiner Kajan, der im Schnitzen
von Schwertgriffen besonders geschickt war, dem Geiste, dem er seine
Begabung zu verdanken hatte, durch seinen Vater, den alten blinden
_dajung_ _Bo Jok_, 2 × 8 Eier opfern.

Ein Schmied, der im betreffenden Jahr auf seinem Reisfelde keine
Schmiede eröffnet und in der letzten Zeit überhaupt nur wenig
gearbeitet hatte, träumte nachts, seine ganze Wohnung liege voll
rohen Eisens, und bald darauf entstand auf seinem Rücken ein
grösser Karbunkel, ein Beweis, dass sein Geist über die erlittene
Vernachlässigung zürnte. So beeilte er sich denn, noch vor Eintritt
der Genesung sein fettestes Schwein zu opfern, unter grossem Zulauf
esslustiger Gäste auch von entlegenen Feldern.

Ausser den genannten Personen sollen auch die Häuptlinge einen
besonderen Geist besitzen, der, wie auch der der Priester und Künstler,
einen eigenen Namen trägt.

Im vorhergehenden ist ausführlich geschildert worden, wie die
Priester vorgehen, wenn eine Häuptlingsfamilie von Krankheit
getroffen wird. Gilt es nun eine Familie der _panjin_ von Krankheit,
bösen träumen oder Unglück zu befreien, so handeln die _dajung_
im Prinzip wie bei den fürstlichen Personen, nur geschieht alles in
kleinerem Massstab. Sie stellen dann unter dem offenen Dachfenster
aus 8 Bambusstöcken ein kleines Gerüst wie einen _lasa_ her und
behängen dieses mit Kostbarkeiten. Als bestes Lockmittel für die
Geister gelten auch hier wieder Halsketten und Gürtel aus Perlen,
besonders aus alten. Ein Priester oder eine Priesterin setzten sich
dann auf eine Matte und legen unter dem Fenster auf der Diele ein
altes, häufig ein eigenes Schwert nieder sowie das Zeug, die Perlen,
die Schwerter und den Reis mit einem Ei, die sie später als Lohn
zu empfangen haben. An das Fenster wird für die Geister ein kleiner
Bambusrahmen mit 8 _kawit_ gehängt, die meist Reis mit Schweine- oder
Hühnerfleisch enthalten. An dieser geweihten Stelle werden mittags und
abends die Himmelsgeister um Hilfe angefleht. Abends geschieht diese
Anrufung der Geister auch ausserhalb des Hauses, und, handelt es sich
um einen Schmied, dessen Werkstatt (lepo _temne_) stets in einiger
Entfernung vom Dorfe liegt, so begibt sich die _dajung_ auch dorthin.

Die Priester suchen nicht nur die Menschen, sondern auch die Geister
zu betrügen. In Krankheitsfällen z.B. schnitzen sie aus einem Pisang
stamm ein sehr rohes Bild, in das sie an Stelle von Augen, Nase und
Mund Löcher bohren. Um diese Figur, die den Kranken vorstellen soll,
schlagen sie einige alte Lappen und werfen sie dann in das Gestrüpp
hinters Haus, um den bösen Geistern weiszumachen, sie empfingen
ihre Beute.

Nach einer Krankenbeschwörung, die von den Mendalam Kajan mit _mela_,
den Mahakam Kajan mit _enah abei_ und im Mahakam-Busang mit _enah
hadui_ (Arbeit) bezeichnet wird, umgeben die _dajung_ den Patienten
und sein Lager mit einem Netz, damit die bösen Geister sich in den
Maschen wie Fische verwickeln und so ferngehalten werden.

Den Frauen legen die Priester nach einer Krankheit um eines der
Handgelenke ein kleines Armband aus zwei Reihen von Perlen (_inu
beneng_), das _basei djani-u_ genannt wird und als Schutzmittel gegen
Krankheit niemals abgelegt werden darf. Während die _dajung_ mit dem
Umlegen dieses Armbandes beschäftigt ist, entfernen sich die Männer,
aus Furcht, _dawi_ zu werden. _Dawi_ bedeutet Misserfolg in den
männlichen Tätigkeiten wie Jagd, Fischfang und Krieg (T. I p. 350)
leiden. Auch sonst wagen die Männer nichts speziell Weibliches zu
berühren.

Den verschiedenen Beschwörungen wohnte ich absichtlich nur selten
bei, weil die Eingeborenen fürchteten, meine Anwesenheit könnte den
Geistern unerwünscht sein und ihre Hilfe daher beeinträchtigen. Erst
nach langdauerndem Aufenthalt am Blu-u war ich einige Male bei einer
_mela_ zugegen und erlebte sogar, dass mich die Kajan darum baten,
ihre Gebete an die Geister zu unterstützen. Es geschah dies bald nach
der oben beschriebenen grossen Beschwörung, als wir uns alle nach
trockener Witterung sehnten, um bei fallendem Wasser zur Küste reisen
zu können. _Kwing Irang_ hatte schon einige Beschwörungen vornehmen
lassen, aber vergebens. Ich zweifelte bereits an der Möglichkeit
einer Abreise im Laufe des Monats, als in der Luft endlich eine
Veränderung bemerkbar wurde. Wahrscheinlich hatten auch die Kajan sie
beobachtet, denn während wir abends mit _Kwing_ und 6 jungen Männern
auf der Holzplattform am Ufer standen und schwatzten, erschien der
alte, beinahe blinde _Bo Jok_ mit zwei Stöcken, an deren Enden stark
gekrümmte Stücke von Baumwurzeln mit einer Schnur gebunden waren. Er
hatte die Wurzeln durch tiefe Einschnitte getötet und bereitete
sich nun vor, mit ihrer Hilfe die Geister dazu zu bewegen, den Regen
aufhören zu lassen. Seinen eigenen Einfluss allein schien er jedoch
nicht stark genug zu finden, denn er übergab mir einen der Stöcke,
um ihn neben unserer Hütte in die Erde zu pflanzen. Er selbst begab
sich mit dem seinen zum Fluss hinunter, bohrte ihn in die Erde und
steckte in das gespaltene Wurzelende ein Ei. Dann musste jeder von uns
bei seinem Stock die Wind- und Regengeister beschwören und zwar in den
folgenden Worten, die mir der Alte vorsagte: "Wenn ihr imstande seid,
es so regnen zu lassen, dass diese Wurzel zu einem Baum heranwächst,
so lasst es nur regnen; wenn aber nicht, so haltet ein mit dem Regen
und lasst es trocken werden, damit wir ohne Gefahr hinunterreisen
können." Ich fürchtete, meinen Ernst nicht bewahren zu können,
aber _Kwing_ kam mir mit dem Rat zu Hilfe, meine Beschwörung in
holländischer Sprache zu halten, um zu verhindern, dass ich im Busang
meiner Würde vor den Zuschauern zu viel schadete. Die Kajan genossen
also nur die packende Rede, die _Bo Jok_ an die Geister richtete.

In einer stillen Nachmittagsstunde erzählte mir derselbe greise
Priester, wie sich die Kajan die Menschen, Götter und Geister
auf Erden entstanden dachten. _Bo Jok_ kannte mein Interesse für
alles, was das Geistesleben der Kajan betraf; indem er mir nun ihre
Schöpfungsgeschichte anvertraute, wollte er mir augenscheinlich die
Teilnahme vergelten, mit der ich seine Klagen über das Verschwinden
der guten alten Zeit am oberen Mahakam angehört hatte. Die Erzählung
lautete folgendermassen:

Zwei alte Leute im Himmel Apu Lagan waren einst damit beschäftigt,
sich mit einer kleinen Kupferzange, _tsöp_, die Augenbrauen
auszuziehen. Sowohl die Frau _Bua Langnji_ als der Mann _Dalè Lili
Langnji_ wurden aber bei ihrem hohen Alter von der Arbeit so müde,
dass sie in Schlaf sanken, wobei ihnen die Zange entglitt und zur
Erde niederfiel. Sie lag dort auf einem nackten Felsen am Ufer des
Mahakam, als ein Riesenwurm (_dukung_) aus dem Wasser zum Vorschein
kam, an dem ungewöhnlichen Gegenstand sog und dabei seine Exkremente
absetzte. Dies sah eine Krabbe (_kujo_), die sich in der Nähe unter
einem Stein verborgen hielt, und, sobald der _dukung_ fortging,
scharrte sie mit ihren Beinen den Kot auseinander, wodurch der Fels mit
Erde bedeckt wurde. In dieser Erde trieb die _tsöp_ Wurzeln, so dass
die Schwester von _Bua Langnji_, als sie unten nach der Zange suchte,
bereits ein Bäumchen mit einigen kupfernen Blättern fand. Schnell
wuchs das Bäumchen in die Höhe; durch eine Öffnung, die sich dabei
im Stamm bildete und die der Himmelsgeist _Uwang_ bemerkte, wurde
es von diesem befruchtet. Als Folge hiervon entwickelten sich unten
am Bäumchen zwei Sprossen, ein männlicher, _Amei Klowon_, und ein
weiblicher _Inei Klion_. Es waren menschliche Wesen, aber ohne Arme
und Beine, denn einer der Bewohner des Landes, in welches die Zange
gefallen war, hatte den Baum verwundet, indem er mit seinem Schwert
unten am Stamm einen Blutegel tötete, den er von seinem Bein gestreift
hatte. Auf diese Weise waren die ersterschaffenen Menschen verstümmelt
worden. Sie waren immerhin noch sexueller Gemeinschaft fähig, und so
gab _Inei Klion_ 3 Kindern das Leben: _Kiït La Belálang Ka_, _Kiït
Lui Belálang Ubui_ und _Kiït Lang Belálang Uwang_. Von diesen Dreien
stammen die Bahau ab. Der kupferne Baum, _Poön Kawat_, wuchs jedoch
weiter und lieferte noch viele Sprossen, aus denen von unten nach
oben zuerst die bösen, dann die guten Geister hervorgingen, danach
die Hauptgeister wie _Djaja Hipui_ u.s.w., schliesslich, am Gipfel,
_Amei Tingei_, der das Dasein der Bahau beherrscht.

Unter den zahlreichen Geistern, die auf das Geschick der
Mahakambewohner Einfluss ausüben, gibt es einige, die im ganzen
Gebiete eine aussergewöhnlich grosse Macht entfalten und über sämtliche
allgemeine Interessen der Bevölkerung zu bestimmen haben. Wie sonst bei
der Erforschung ihrer Religion hatte mich auch hier nur ein besonders
günstiger Umstand die Existenz dieser Schutzgeister, _seniang_
genannt, entdecken lassen. Das erste Mal erfuhr ich von ihnen im
Jahre 1897 durch das Opfer; das die Long-Glat von Long Tepai für die
_seniang unterhalb_ der Wasserfälle den Fluss abwärts treiben liessen
(T. I p. 367). Später, hauptsächlich auf meiner Fahrt zur Küste, hatte
ich versucht, Näheres über diese Geister zu erfahren, doch hörte ich
nur, dass einer dieser _seniang_ in alten Monumenten hauste, die an
der Ratamündung liegen mussten. Als wir jedoch in dem betreffenden
Jahr über die Wasserfälle zogen und uns dem heiligen Orte näherten,
war aus meinen Kajan nichts herauszubekommen; nur verriet mir ein
junger unvorsichtiger Ruderer, dass bei Long Bagung noch eine zweite,
ähnliche Gruppe vorhanden sei, man sich aber gehütet habe, von ihr
zu sprechen, bevor wir sie längst passiert hatten, aus Furcht, dass
ich sie sonst hätte besuchen wollen. So drohten denn, damals meine
Nachforschungen nach der wahren Beschaffenheit dieser Monumente und
ihrem Fundort durch die Angst meiner Kajan zu missglücken, und meine
Enttäuschung war nicht gering, als auch die Hwang-Boh, die Bewohner
eines in der Nähe des Rata gelegenen Hauses, jede Auskunft über die
Monumente verweigerten. Mit grossem Misstrauen nahm ich denn auch
_Kwings_ Vorschlag auf, erst bis Long Howong hinunterzufahren, dort zu
übernachten und am folgenden Tage die Bilder mit Hilfe der dortigen
Bewohner aufzusuchen. An der Ratamündung lebte jedoch niemand mehr,
der mir Auskunft geben konnte über die wissenschaftlichen Schätze,
die der Wald hier barg, und so blieb mir nichts anderes übrig, als
nach Long Howong weiter zu fahren und dort Umschau zu halten.

Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als wir das Dorf erreichten. Auf
Baumtreppen stiegen wir den Uferwall hinauf, um durch eine hölzerne, zu
beiden Seiten mit grotesken Menschenfiguren verzierte Pforte hindurch
über sehr hohe Bretterstege zum Hause zu gelangen. Auf einer Plattform
am Ufer erwarteten wir plaudernd die Dorfautoritäten. Diese waren
nämlich den Rata hinaufgefahren, um mit dem dortigen Häuptling _Ding
Bajow_ über einen Diebstahl zu verhandeln, der dort stattgefunden
hatte. Ein Bakumpai war von einem Buginesen als der Täter angeklagt
worden, und da _Ding Bajow_ der Beschuldigung Glauben schenkte,
drohte ein Zwist zwischen beiden Parteien der Buschproduktensucher
auszubrechen.

Die Häuptlinge, die gegen Abend zurückkehrten, schienen ganz vom
Schlage der Bahau zu sein, denn sie drängten sich, obgleich ich
mit vielen Kajan, die sie seit langer Zeit nicht gesehen hatten,
auf der Plattform stand, an uns zum Hause hindurch, ohne uns zu
beachten. Allerdings kamen später die angesehensten zu unserer
Begrüssung wieder herunter. Sie schützten aber ebenfalls hinsichtlich
der Bilder am Rata gänzliche Unwissenheit vor, doch merkte ich, dass
mein Besuch eben durchaus unwillkommen war. Ich hatte übrigens an
diesem Tage übergenug von der Angelegenheit und kehrte nach meinem
Boot zurück, wo ich nach einer kärglichen Mahlzeit im Schlaf meinen
Kampf mit Misstrauen und Aberglauben zu vergessen und eine neue Dosis
Geduld zu gewinnen suchte. Letztere hatte ich in der Tat sehr nötig,
denn auch am anderen Morgen wollten mich weder meine eigenen Bahau
noch die von Long Howong zu den Monumenten hinaufführen. Da kamen mir
unerwartet die Bakumpai zu Hilfe, die sich wegen der Diebstahlaffaire
in Schwierigkeiten befanden. Ihr Anführer ersuchte mich, _Ding Bajow_
und den Häuptlingen von Long Howong mitzuteilen, dass der Buginese sie
fälschlich des Diebstahls beschuldigte. Mittags sollten die Häuptlinge
vom Rata eintreffen und, falls ich einen Tag bleiben wollte, könnte
ich durch meinen Einnuss als Europäer und Freund _Kwing Irangs_ einen
drohenden Konflikt aus dem Wege räumen. In meiner schlechten Stimmung
fühlte ich mich jedoch zu einer Einmischung in fremde Angelegenheiten
nicht aufgelegt, noch minder zum Verlust eines ganzen Tages. Der
Bakumpai, der merkte, wie viel mir an der Besichtigung der _seniang_
lag, schlug mir nun vor, mich mit einigen seiner Leute, die den Platz
kannten, hinbringen zu wollen, falls ich ihm als Gegendienst aus der
schwierigen Lage hülfe. So ging ich denn auf seinen Vorschlag ein und
machte mich gleich vormittags in zwei Böten zu den so schwierig zu
erreichenden Bildern auf. Die Bakumpai brachten mich ein Stück weit,
bis etwa 400 m unterhalb der Ratamündung den Fluss wieder hinauf,
wo wir das rechte Ufer bestiegen und uns ungefähr 30 m landeinwärts
vor den ersehnten Steinfiguren befanden. Ihrer Form nach stammten sie
von den Hindu her. Am eigentümlichsten erschien mir eine Stierfigur,
die auch von den Bahau als der wichtigste Teil der Gruppe angesehen
wurde. Wie diese mir nämlich erzählten, wollte, der Überlieferung
nach, _Hang Lawing_, dessen Grab wir am Batu Tewang sahen, einst,
als er mit über 100 Mann an dieser Stätte vorüber in den Krieg zog,
diesen Stier mitnehmen. Keiner der Krieger war jedoch stark genug,
um die Figur aufzuheben, obgleich diese nicht höher ist als ein
mittelgrosser Hund; hierüber geriet ein Bahau in solche Wut, dass er
dem Stier mit dem Schwerte die Ohren abschlug. Als Strafe für dieses
Vergehen starb der Übeltäter innerhalb 10 Tage; sein Tod war allen
Bewohnern des Mahakamgebietes ein neuer, deutlicher Beweis für die
Macht des _seniang_.

Ausser diesen Hinduüberresten am Rata, weist der Mahakam noch viele
anderen auf; die nördlichsten befinden sich, wie schon gesagt, bei
Long Bagung, andere etwas oberhalb Ana und noch an einigen Orten
weiter unten. Der letzte, am rechten Ufer unterhalb Tengaron, ragt in
Form einer leicht abgerundeten Spitze aus einem horizontal liegenden
Felsblock hervor; oberflächlich gesehen lässt die Figur jedoch keine
Spuren einer Bildhauerarbeit erkennen.

Alle diese Monumente bezeichnen die Bahau, wie gesagt, als "_seniang_",
die den grossen Geistern, welche das Los der Flussbewohner beherrschen,
zum Wohnplatz dienen. Der _seniang_ bei Tengaron regiert über alle
anderen, daher opfern die Bahau hauptsächlich diesem, wenn einige
Gebiete am Mahakam von Krankheit oder Missernte getroffen werden. So
sandten die Bewohner von Long Tepai einst diesem _seniang_ ein Floss
mit einem Schwein und einem schuldigen Liebespaar zu, dem man die
Ankunft einer grossen Schar von Vögeln zuschrieb, welche den Reis auf
dem Felde auffrass. Sobald ein Glied der Häuptlingsfamilie erkrankt,
opfern die Priester vom Dorfe aus dem _seniang_ Schweinefleisch und
Hühner und lassen die Opfer den Fluss hinab treiben.

Da sich nur die _dajung_ diesen Bildern nähern, wissen viele der
gewöhnlichen Leute tatsächlich nicht, wo diese sich befinden, so auch
meine Kajan; das Haupthindernis für einen Besuch der Bilder liegt
jedoch in der Furcht der Dajak, durch eine Erzürnung der _seniang_
deren Rache auf ihre Häuptlinge zu ziehen.

Als ich auf meiner zweiten Reise nochmals die _seniang_ am Long Rata
besuchte, gelang es _Demmeni_, die nebenstehende Aufnahme von ihnen
zu machen; die erste war infolge anhaltenden Regens missraten.

Wie viele anderen Gebräuche tragen auch die Begräbniszeremonien am
Mahakam einen ursprünglicheren Charakter als am Kapuas.

Stirbt ein Häuptling eines Bahaustammes am oberen Mahakam, so brechen
alle Anwesenden in lautes Wehklagen aus; Gonge und grosse Trommeln
werden geschlagen, um die bösen Geister zu vertreiben, den Todesfall
auch in weit abgelegenen Dörfern bekannt zu machen und den Seelen
der Verstorbenen in Apu Kesio das Ereignis mitzuteilen. Zu ersterem
Zwecke schlagen die alten Krieger wohl auch mit ihren Schwertern in
der Häuptlingswohnung in die Luft, wobei es oft wild hergeht und,
die Hiebe Pfosten und Wände treffen und sogar kostbare Tempajan und
Gonge bisweilen zertrümmern.

Beim Tode von Freien, _banjin_, findet ebenfalls ein Wehklagen statt
und werden die Seelen der Vorfahren benachrichtigt. Die Pnihing
schlagen dabei mit einem Reisstampfer laut auf die Bretterdiele,
wodurch sie übrigens jede neue Handlung, die sie mit der Leiche
vornehmen, den Geistern ankündigen. Für Häuptlinge stampfen 2 ×
8 Personen, für vornehme Freie 7 und für niedrige Leute nur 1
Person. Man glaubt, dass die Seele auf dem Wege nach Telang Djulan in
Apu Kesio auf das Wetter Einfluss ausüben, starke Regen und Trockenheit
verursachen könne. Die langen Schatten, die Berggipfel und Wolken bei
Sonnenuntergang bisweilen auf den Himmel werfen, werden als Begleiter
der Seelen betrachtet. Man nennt sie _awon alut_, Bootsschatten,
und unterscheidet die der Sonne zugekehrte Seite als _dulong_,
Vordersteven, die andere als _ore_, Hintersteven.

In vollem Umfang dürfen die Begräbniszeremonien nur, wenn die
Familie keiner Verbotszeit unterworfen ist, ausgeführt werden. So
befand man sich beim Tode des 'Ma-Sulinghäuptlings _Bo Li_ in
einer Zwischenperiode, weil das Maus des Verstorbenen noch nicht
ganz vollendet und das _lali_ noch nicht vollkommen vorüber war;
es durften wohl die Gonge ertönen, aber das Schwerterschlagen musste
unterbleiben. Aus demselben Grunde baute man auch kein neues Prunkgrab,
sondern setzte die Leiche bereits nach 4 Tagen in demjenigen eines
anderen Häuptlings bei.

Am Tage nach dem Ableben wird die Leiche mit gewöhnlichem Wasser
gewaschen; die von Häuptlingen wird bei den 'Ma-Suling zum
Flusse gebracht und untergetaucht, die von Freien in der _amin_
Gewaschen. Darauf werden dem Verstorbenen schöne Kleider angetan,
die entweder vorher schon bereit lagen oder in den ersten Tagen mit
der ganzen Totenausrüstung eilig hergestellt werden. Bevor die Leiche
eingesargt wird, wickelt man sie noch in ein weisses Tuch.

Den Sarg, der bei den Kajan aus einem Stück besteht, verfertigt man aus
dem Stamm eines grossen Baumes mit weichem Holz; ein Durianstamm wird
meist für vornehme Leute, ein Tengkawangstamm für einfachere gewählt.

Die zwischen Tod und Beisetzung verlaufende Anzahl von Tagen ist
sehr verschieden, sowohl bei den einzelnen Stämmen als bei den
Ständen. Je höher jemand steht, desto länger wird seine Leiche im
Hause aufgebahrt, was zum Teil in der umfangreicheren Ausrüstung der
vornehmen Toten seine Erklärung findet. Kinder und Personen einfachen
Standes werden bei den Kajan bereits 1-2 Tage nach dem Tode begraben,
Häuptlinge nach ebensoviel Mal 8 Tagen. Ähnliche Unterschiede gelten
auch inbezug auf die Trauer.

Stirbt jemand während der Ernte, so setzt man die Leiche in einer
provisorischen Hütte neben dem grossen Hause ab, aus Furcht, dass
die _bruwa parei_ (Reisseele) bei einer definitiven Bestattung mit in
die Felshöhle (_liang_) ziehen könnte, was eine gänzliche Missernte
im folgenden Jahre verursachen würde.

Die Kajan und auch die anderen Stämme begraben ihre Toten nicht in der
Erde, sondern setzen die Särge an bestimmten Orten nieder, am liebsten
unter einer grossen überhängenden Felsmauer oder in einer Felsenhöhle,
wie es deren im Kalkgebirge am oberen Mahakam so viele giebt. Eine
derartige Begräbnisstätte, die ich bei den Pnihing am Tjehan besuchte,
ist auf Tafel 73 und 74 Teil I abgebildet. Die Särge, auf denen man die
Deckel mit Rotang lose anbindet, werden nicht verziert, wohl aber die
Behälter von sehr ähnlicher Form, in welchen den Verschiedenen ihre
Ausrüstung mitgegeben wird. Die Verzierungen dieser Kisten bestehen
hier aus schwarzen Figuren.

Für Angehörige der Häuptlingsfamilie und vornehme Tote werden
Prunkgräber (_salong, bila_) errichtet; im allgemeinen sind dies auf
Pfählen ruhende Holzhäuschen mit weit vortretendem Dach und schöner
Verzierung von Schnitzwerk und farbigen Figuren (Taf. 66 T. I).

Sowohl Männer als Frauen begleiten den Sarg zur Grabstätte, letztere
unter lautem Wehklagen. Auf dem Wege zum Begräbnisplatz wehrt ein
neben der Leiche hergehendes Familienglied mit gezogenem Schwerte
die bösen Geister ab. Bei den Kajan werden die früher Verstorbenen
von den Hinterbliebenen angerufen. So hörte ich einst eine Frau beim
Wegtragen einer Leiche "_Inö alö kö_ (Mutter, hole mich)!" rufen.

Aus Furcht vor den _ton luwa_, die sich häufig auf Grabstätten
aufhalten und der _bruwa_ der Lebenden sehr gefährlich werden können,
verlässt man diese nach der Bestattung so schnell als möglich.

Die Kajan schnitzen für ihre verstorbenen Häuptlinge hölzerne
Hundefiguren (_aso_ od. _ledjo_), welche die bösen Geister von
der _lila_ fernhaften müssen. Die Figur wird mit Rotang unter dem
Grabmal festgebunden, damit sie nicht davonläuft, auch steckt man ihr
bisweilen einen Schädel ins Maul, damit sie nicht hin- und herläuft,
sondern aufpasst.

Alle Teilnehmer an einem Begräbnis müssen sich abends durch ein Bad
reinigen und ein Huhn opfern, um zu _mela_ und _bet dja-ak_, das
"Schlechte abzuwerfen." Zwei Tage nach dem Leichenbegängnis dürfen
sie nicht arbeiten, sondern müssen _melo_ (ruhen).

Bei allen Bahaustämmen am oberen Mahakam ist dieses Begräbnis
ursprünglich nur ein zeitweiliges gewesen. Später wurden die Gebeine,
sobald die weichen Teile gänzlich oder grösstenteils verwest waren,
gereinigt, in einen grossen irdenen Topf gelegt und dann in diesem in
einer Grotte beigesetzt. Den Schädel verzierte man mit einer Maske,
die vorn mit Blattzinn oder einem anderen Metall beschlagen wurde,
weil man den Anblick von Augen und Nase in einem Schädel unangenehm
fand. Am oberen Mahakam ist diese Sitte noch am meisten bei den Kajan
im Schwange, bei den übrigen Stämmen minder und die Long-Glat, die ihr
früher sicher auch folgten, begnügen sich gegenwärtig mit blosser
Beisetzung ihrer Toten. _Kwing Irang_ war gegen diesen Brauch,
weil er ihn unangenehm und gefährlich fand und suchte ihn daher
aufzuheben. Nach diesem definitiven Begräbnis richtet die Familie
des Verstorbenen ein Festmahl an, zu dem jedermann willkommen ist.

Die eigentliche Trauerzeit beginnt erst nach dem Begräbnis. Nach dem
Tode eines Häuptlings dürfen seine Untergebenen während der Zeit der
tiefen Trauer keine Feldarbeit verrichten, nicht eine oder mehrere
Nächte ausserhalb des Hauses verbringen, keine Näharbeit vornehmen. Die
Kleider dürfen keinerlei Schmuck tragen; die Frauen schneiden die
untere Hälfte ihres Rockes ab, die jungen Männer und Frauen ihre langen
Haare bis zum Halse. Der trauernde Stamm darf während 1-2 Monaten nicht
mit anderen in Berührung kommen, Fremde dürfen die Niederlassung nicht
verlassen, der Fluss, an dem das Dorf liegt, wird für jeden abgesperrt.

Die _adat_ der Long-Glat ist in dieser Beziehung, wie in mancher
anderen, noch strenger. Die Leiche eines Häuptlings bleibt mindestens
2 × 8 Tage unbestattet; in der Trauerzeit dürfen die Angehörigen der
Häuptlingsfamilie nicht mit den _panjin_ sprechen. Den Ertrunkenen
richten die Long-Glat ebenfalls einen _salong_ auf, auch wenn sie die
Leichen nicht finden. Die Vorüberfahrenden legen dann an dem Grabmal
kleine Gaben, z.B. Kautabak, nieder.

Die Ma-Tuwan und andere Stämme, die mit den Long-Glat in derselben
Niederlassung wohnen, folgen nicht deren Gebräuchen, sondern behielten
mit ihrer Sprache auch ihre eigene _adat_.

Einem vornehmen Häuptling trauern ausser den eigenen Untertanen
alle Stämme nach, deren Häuptlinge mit dem Verstorbenen verwandt
sind. So trauerten mit den Ma-Suling beim Tode von _Bo Li_ auch
die Kajan und Long-Glat. Bei diesen beschränkte sich die Trauer
jedoch auf das Ablegen von buntfarbigen Kleidern und Schmucksachen,
wie Ohrgehänge, Halsketten, Perlen, hübsche Kopfbinden und Mützen;
ferner durften keine Feste, wie Maskenvorstellungen, stattfinden,
auch war das Tätowieren verboten. Von diesen Adatbestimmungen sind
kleine Kinder wie gewöhnlich ausgeschlossen. Der fremde Stamm trauert
so lange als der eigene die volle Trauer nicht ablegt.

Die Trauerkleidung der Hinterbliebenen besteht wie am Kapuri eigentlich
aus Baumbast, doch wird sie auch am Mahakam infolge der Einfuhr von
weissem Kattun durch diesen ersetzt, nur gibt man ihm, wie anderen
Ortes schon angeführt, durch Vergraben im Morast den hellbraunen Ton
des Baumbastes.

Beim Ablegen der Trauerkleidung darf diese nicht eigenhändig entfernt
werden, sondern man sucht ein dichtes Gestrüpp auf, das einem die
Mütze vom Kopf und die Jacke von den Schultern streift.

Die Bevölkerung am oberen Mahakam lebt infolge der isolierten Lage
ihres Landes, die eine Zufuhr von Gebrauchsartikeln von auswärts sehr
erschwert, unter viel ungünstigeren Bedingungen als ihre Verwandten
am Kapuri, die wegen der Nähe der Handelsniederlassung Putus Sibau
und der Dampferverbindung mit dieser und der Küste sich alles auf
billige Weise verschaffen können. Haben die Kapuasbewohner durch den
unvermeidlichen innigeren Kontakt mit den Malaien und Chinesen auch
viel von ihren ursprünglichen Sitten eingebüsst, so leben sie doch
durch denselben unter viel günstigeren materiellen Bedingungen. Bei
ihnen lässt sich begreiflicher Weise der frühere Kulturzustand dieser
Stämme viel schwerer nachweisen als bei ihren Verwandten am oberen
Mahakam, die in der Beschaffung ihrer Lebensartikel beinahe gänzlich
auf sich selbst angewiesen sind. Am meisten gilt dies in bezug auf
ihre Nahrungsmittel, die wegen ihres Umfangs und ihrer Schwere nicht
aus entlegenen Gebieten angeführt werden können. Die meisten Stämme
haben es dem grossen Fleiss, mit dem sie sich dem Ackerbau widmen,
zu danken, dass sie von einer schweren Hungersnot nur selten zu leiden
haben; hochgradiger Nahrungsmangel kommt dagegen in allen Dörfern in
der Zeit vor der neuen Ernte vor, wenn die alte teilweise oder gänzlich
missglückt war. Bei den Seputan, die noch mehr als die Pnihing ihren
Ackerbau vernachlässigen, ist allerdings eine Hungersnot, die viele
Opfer fordert, keine Seltenheit. Oft sind diese schlechten Ackerbauer
denn auch völlig auf die Walderzeugnisse angewiesen, die übrigens
auch in normalen Zeiten neben dem Landbau zu ihrer Ernährung beitragen.

Die Feldbewirtschaftung am Mahakam stimmt völlig mit derjenigen am
Kapuas überein, die bereits im vorigen Teil ausführlich behandelt
worden ist. Was die mit dem Reisbau verbundenen Festlichkeiten
betrifft, so ist das Saatfest (_tugal_) ebenfalls bereits besprochen
worden; eine kurze Beschreibung des Erntefestes dagegen mag hier
folgen.

Das Fest zerfällt in zwei Teile: das _lali parei ok_ = die kleine
Verbotszeit für den Reis, und das einige Tage später folgende _lali
parei aja_ = die grosse Verbotszeit für den Reis. Vor den genannten
Festzeiten ist es streng verboten, Reis zu schneiden; sollten einige
Dorfbewohner bei Hungersnot hierzu gezwungen gewesen sein, so dürfen
sie den Festen im Häuptlingshause nicht beiwohnen. Daher wird auch das
_lali parei ok_ gefeiert, sobald nur einige halbreife Halme auf dem
Felde des Häuptlings gefunden worden sind. Die ungünstigen Mondphasen
werden hierbei aber vermieden.

Vor dem Fest kommen viele Böte mit Männern, Frauen und Kindern von den
Feldern heim, besonders erstere erscheinen früh, um eine grosse Menge
Brennholz zu beschaffen, das für die grossen Mahlzeiten nötig ist. Die
Sklaven der _amin aja_ tun dies stets einen Tag früher als die Freien,
welche ihr Holz erst sammeln, wenn die Häuptlingsfamilie feierlich aufs
Feld gezogen ist, um den ersten Reis von ihrer _ladang_ oder _luma_
zu holen. Wenn Wetter und Wasserstand es zulassen, begeben sich gegen
Mittag die beiden Frauen von _Kwing Irang_, _Hiang_ und _Uniang_,
in hübscher Kleidung und mit grossen Sonnenhüten aufs Feld. Wie bei
jeder religiösen Zeremonie geht auch hier ein junger Mann voran,
der ein Becken schlägt. _Kwings_ Frauen und noch einige andere,
wie seine Pflegetochter _Kehad Hiang_, tragen alle _ingan lali_,
Reiskörbe mit hohen Deckeln, an welche für diese Gelegenheit einige
_kawit_, Reisähren und krautartige Pflanzen gebunden werden, um den
ersten Reisschnitt in ihnen zu bergen. Bei der Verzierung dieser
Körbe dürfen die Häuptlingsfrauen die heilige Zahl 8 anwenden, sie
bringen z.B. 2 × 8 Knoten aus Reisstroh an; die _panjin_ müssen sich
mit einer kleineren Zahl begnügen z.B. mit 6 und befestigen also
2 × 6 Knoten am Korbe. Wenn die Gesellschaft nach einigen Stunden
mit gefüllten Körben zurückkehrt, werden in der Häuptlingswohnung
einige Zeremonien ausgeführt, die ich nicht näher kenne. Später am
Tage wird der Reis von den _dajung_ gestampft, die sich ebenfalls
in ihre schönsten Kleider geworfen haben; überdies leiht ihnen der
Häuptling für diesen Tag breite Perlengürtel.

Der erste halbreife und daher noch nicht trockene Reis muss erst
gedörrt werden, um ihn durch Stampfen entspelzen zu können. Die beinahe
platt gestossenen Körner werden von den Kajan ohne weitere Zubereitung
gern gegessen. Am folgenden Tage begeben sich auf die gleiche Weise
die Frauen der _panjin_ aufs Feld. Nach dem ersten Tag folgen 2 Tage
_melo_, am vierten muss man _bet lali_ (die Verbotszeit ablegen),
was wiederum auf der _ladang_ geschieht. An diesem Tage müssen noch
alle ruhen, dann kann in den folgenden 4 Tagen das _lali parei aja_
gefeiert werden. Wenn aber in dieser Zeit jemand stirbt und die Leiche
noch über der Erde ist, oder man in eine ungünstige Mondphase kommt
(_ga bulan dja-ak_), so muss die Feier verschoben werden, bis die
Zeichen günstiger geworden sind.

Nach Ablauf des _lali parei aja_, das auf die gleiche Weise gefeiert
wird, darf jedermann mit der Ernte beginnen.

Während bei den Bahau am Kapuri am Schluss der Ernte alljährlich das
so wichtige _dangei_ gefeiert wird, können ihre Verwandten am Mahakam
sich diesen Genuss nicht gestatten, da sie nur selten den hierfür
erforderlichen Überfluss an Lebensmitteln besitzen. Am Mahakam wohnte
ich diesem Feste nicht bei. Für die dortige Bevölkerung ist dieses
ebenso wichtig wie für die am Mendalam, weil die kleinen Kinder bei
dieser Gelegenheit einen Namen erhalten und das _bet lali_ für die
Heirat aufgehoben wird. Bei den meisten Stämmen wird das _dangei_
etwa alle 3 oder 4 Jahre gefeiert.

Ausser zahlreichen Reisvarietäten kultiviert die Bevölkerung am Mahakam
auch Knollengewächse, Mais u.a. Bei den Seputan und Pnihing, die,
wie gesagt, nicht regelmässig auf gute Reisernten rechnen können,
werden Knollengewächse, wie Ipomoea batatas, Manihot utilissima
und Caladium weit mehr angepflanzt, als bei den tiefer wohnenden
Stämmen und mit Reis gemengt das ganze Jahr über gegessen. Auf die
Zubereitung der Knollen wird denn auch bei ihnen mehr Gewicht gelegt
als an anderen Orten, wo sie einfach gekocht gegessen werden. Bei
unseren eigenen Mahlzeiten fanden wir das aus _obi kaju_ (Manihot)
hergestellte Mehl am schmackhaftesten. Es wird erhalten, indem man
die Knollen in feine Scheiben schneidet, diese in der Sonne stark
trocknet und dann auf dem Reisblock feinstampft. Das so entstandene
feine weisse Mehl liefert mit Zucker und Öl gebacken, wie wir es
taten, wohlschmeckende Kuchen. Die Zubereitung dieses Mehls sowie
das Stampfen des Reises macht die tägliche Hauptarbeit der Frauen aus.

Ein beliebtes Gericht, besonders auf Reisen, bilden die noch
weichen Sprossen verschiedener im Walde wachsender Monocotyledonen,
welche in Wasser gekocht werden. An erster Stelle gehört hierher
der sog. Palmkohl von Eugeisonia tristis, der Hauptlieferantin für
Sago (_nanga_ oder _bulung_) am oberen Mahakam. Da dieser Palme bei
Nahrungsmangel so stark nachgestellt wird, ist sie in der Nähe der
Niederlassungen bereits völlig ausgerottet und es müssen jetzt bei
Hungersnot weite Expeditionen auf hohe Berggipfel unternommen werden,
um noch Standorte von Eugeisonia zu finden. Arme Familien oder solche,
die keine schweren Lasten zu tragen vermögen, ziehen dann lieber
zeitweilig mit Kind und Kegel ins Gebirge und nähren sich dort ganz
von Sago. Die Gebiete, in denen die Sagopalmen wachsen, sind Eigentum
eines bestimmten Stammes, dessen Glieder, sowohl Sklaven als Freie,
sie nach Belieben ausbeuten dürfen. Die Sagogewinnung geschieht
folgendermassen: man sucht eine Palme aus, die im Aufblühen begriffen
ist, weil sie dann im Mark ihres Stammes am meisten Sago angehäuft
hat, entfernt ihre zahlreichen, geraden, dünnen, 1 m und höher
hinaufreichenden Wurzeln und zerlegt den Stamm zum Transport nach
einem kleinen Fluss in Stücke. Dort spaltet man diese der Länge nach,
klopft die sagoenthaltenden Gewebe mit schweren Holzhämmern mürbe
und legt sie dann in lange Tröge, weiche aus ausgehöhlten Stämmen
und grossen Blattstielen von Palmen hergestellt werden. Die Tröge
werden samt Inhalt in einen Bach gesetzt und die mürben Massen mit
den Füssen gestampft, bis der Sago vom strömenden Wasser mitgerissen
und etwas weiter unten am Grunde abgesetzt wird. Ist der Sago etwas
feucht, so haben am Ertrag eines einzigen Stammes beinahe zwei Mann
genügend zu tragen (30-35 kg.).

Der auf diese Weise von Eugeisonia gewonnene Sago hat eine hellbraune
Farbe und trocknet schwer, weswegen er sich auch nur etwa 8 Tage
aufbewahren lässt. Der Gedanke, nicht nur einmal, sondern mehrmals aus
dem gleichen Stamm Sago gewinnen zu können, scheint den Kajan früher
nicht fremd gewesen zu sein. Wenigstens weist eine alte Erzählung
hierauf hin. Nach dieser enthielt der Sagobaum früher Reis statt Sago
und ein Mann, dem es leid tat, gleich den ganzen Stamm zu fällen,
hackte nur ein Loch hinein, holte den Reis heraus und verstopfte die
Öffnung mit einem Stück seines Lendentuches aus Baumbast. Als er aber
später noch einmal Reis aus dem Baum holen wollte, fand er das Stück
Baumbast durch das ganze Innere des Stammes gewachsen und den Reis
in feinen Sago verwandelt. Seit der Zeit müssen die Kajan sich die
Mühe nehmen, den Sago vom Holzgewebe zu scheiden.

Im Gebiete der Pnihing kommt noch eine andere Sagopalme vor, die
sie _bulung telang_ nennen und die weissen Sago liefert (Caryota
purfuracea Blume).

Sehr gebräuchlich sind bei den Mahlzeiten am Mahakam die essbaren
Blätter verschiedener Pflanzen. Von den angebauten ist Batatas
edulis die wichtigste, von den wild wachsenden der Farren Polypodium
nigrescens. Die Blätter einer _sike_ genannten Lianenart werden ihres
salzigen Geschmackes wegen an Stelle von Salz gebraucht.

Alle diese Blätter werden mit viel Wasser gekocht und mit diesem
in garem Zustand zum Reis gegessen. Häufig hat jede Person bei der
Mahlzeit. einen Holzteller mit dieser Blättersuppe neben sich stehen
und trinkt sie mit einem einfachen europäischen Porzellanlöffel
oder mit einem schüsselförmig gefalteten Pisangblatt, das, um das
Einreissen zu verhindern, kurze Zeit über dem Feuer gedörrt wird
und bisweilen auch als Teller und Hülle für den Reis dient. Bei
den verschiedenen Stämmen sind zahlreiche kleine Unterschiede in
den Gewohnheiten zu bemerken. Während die Ma-Suling und Long-Glat
z.B. Kürbisarten pflanzen, um deren Früchte später als Wasserbehälter
zu gebrauchen, verwenden die Kajan wiederum niemals Kalebassen,
sondern nur Bambusstücke zum Wassertragen.

Am Mahakam gebrauchen nur die Reichen regelmässig Salz bei den
Mahlzeiten, die übrigen erlauben sich diesen Luxus nur zeitweilig. Wie
am Kapuri wird auch hier das Salz niemals mit den Speisen zusammen
gekocht, sondern in kleinen Stücken als Zuspeise gereicht. Die Pnihing
gestatten sich nicht einmal bei Festmahlzeiten stets den Salzgenuss.

Nach einer reichen Ernte von Tengkawangfrüchten wird das aus ihnen
gewonnene Fett bei den Mahlzeiten viel verwendet; doch sollen nach
Aussage der Eingeborenen die betreffenden Bäume nur alle Jahre einmal
grosse Mengen von Früchten produzieren.

Im Hungerjahr 1896, während meines ersten Besuches am Mahakam,
war gerade ein grosser Vorrat an Tengkawangfett vorhanden, den wir
zum Braten gebrauchten, wodurch wir unsere sehr frugalen Mahlzeiten
etwas verbesserten. Das Fett wird gewonnen, indem man die Früchte
von verschiedenen Dipterocarpeenbäumen fein stampft und mit Wasser
auskocht; es sammelt sich dann aus den Samen eine grosse Fettmenge an
der Oberfläche an. In Bambusgefässe gegossen erhärtet das Fett zu einer
festen, hell gelbgrünen Masse, die jahrelang gut bleibt und von der
Bevölkerung in kleinen Stücken zum Reis gegessen wird. Den Prozess des
Bratens, den die Bahau nicht kennen, wies ich ihnen, nachdem ich das
erste Fett erstanden hatte, in meiner eigenen Küche vor. Abgesehen von
einem eigentümlichen, süsslichen Geruch, an den wir uns bald gewöhnten,
war das Tengkawangfett zum Braten ebensogut geeignet wie Kokosnussöl.

Fleischnahrung tritt bei den Stämmen am Mahakam sehr zurück gegenüber
denen am Kapuas, hauptsächlich wohl deshalb, weil die Flüsse bewohnter
Gegenden bei ersteren viel fischärmer als bei letzteren sind. Die
Ursache hierfür ist in der bei den Mahakambewohnern üblichen Methode
der Fischerei mit Gift (_tuba_) zu suchen, welche sie nicht nur, wie am
Kapuri, in den Bächen, sondern auch in den Hauptflüssen anwenden. Die
_tuba_ vergiftet vor allem die jüngsten, noch unbrauchbaren Fische und
verhindert dadurch eine Wiederbevölkerung der Flüsse. Die Fischerei
wird denn auch, z.B. bei den Kajan am Blu-u, mit grosser Anstrengung
und sehr schlechtem Resultat betrieben. Die wenigen Fische im Blu-u
sind wegen der ständigen Verfolgung, der sie ausgesetzt sind, so
scheu, dass man sie mit dem runden Wurfnetz (_djala_) bei klarem Wasser
überhaupt nicht fangen kann, sondern nur, wenn ein Regenfall das Wasser
trübt. Im Gegensatz zu den Eingeborenen am Mendalam tauchen die am
Blu-u, nachdem sie ihre Netze ausgeworfen haben, auf den Grund, um zu
sehen, ob der Fang geglückt ist. Die Methode ist besonders zweckmässig,
wenn auf dem Boden liegende Felsblöcke und Holzstämme die am Rande des
Netzes befindliche Metallkette daran verhindern, sich platt der Erde
anzuschmiegen, beim Aufziehen die Fische einzuschliessen und im Netz
zu verwirren. Die Stämme am oberen Mahakam können das Untertauchen
auch gefahrloser üben als die am Kapuas, weil bei ihnen oberhalb der
Wasserfälle keine Krokodile mehr vorkommen, trotzdem der Hauptfluss
immer noch 200 m breit ist. Diese Tatsache ist um so unerklärlicher,
als Krokodile nicht nur am mittleren Mahakam, sondern auch zwischen
der östlichen und westlichen Reihe von Wasserfällen verbreitet sind.

Am Blu-u beobachtete ich zum ersten Mal das Fischen mit dem Wurfnetz
und zugleich mit Köder; dies war sogar ein Lieblingssport von _Kwing
Irang_. Er legte an geeigneten Stellen, oft unter oder zwischen
Steinen, gekochten Reis oder Sago aus und warf einige Stunden später
sein Netz darüber hin; so überlistete er häufig einen Fisch, aber
für den Fang im Grossen kam diese Methode nicht in Betracht.

Eigentümlicherweise herrscht nicht bei allen, sondern nur bei einem
Stamm, den Ma-Suling am Merasè, der Brauch, dem Fischmangel durch
eine Art künstlicher Zucht abzuhelfen; sie wird in Weihern betrieben,
die man durch Abdämmung der Bäche erhält. Einst führte mich der Weg
über einen solchen, durch einen Deich abgedämmten Bach. Quer durch
das Flüsschen war eine schräge Bretterwand aufgerichtet, die unter
einem Winkel von etwa 60° flussabwärts neigte. Gestützt wurde diese
auf dem Boden, auf halber Höhe und oben am Rande, durch schwere,
horizontal gestellte und mit ihren Enden in die beiden Uferseiten
versenkte Balken, die ausserdem noch durch parallele Balken, welche
ungefähr 1 m flussabwärts im Ufer steckten und als Stütze für die
Verbindungsbalken zwischen den ersteren dienten, in der richtigen
Lage gehalten wurden.

Um diese Bretterwand wasserdicht zu machen, diente eine meterdicke,
so fest anliegende Lehmschicht, dass sie ständig als Weg über den Bach
benützt wurde. Nur bestimmte Fischarten leben und vermehren sich stark
in dem Weiher, andere dagegen, die stillstehendes und bisweilen sehr
warmes Wasser nicht vertragen, gehen in ihm zu Grunde. Die meisten
der grösseren Ma-Sulingfamilien besitzen einen eigenen Weiher, aus
dem sie nach Bedürfnis Fische holen.

Zu den für die Ernährung in Betracht kommenden Haustieren der
Mahakambewohner gehören das Schwein und das Huhn. Hunde und Katzen
werden nicht gegessen, und die wenigen Ziegen, die in manchen Dörfern
der Seltsamkeit wegen gehalten werden, ebenfalls nicht, weil sie wie
Hirsche, wilde Rinder und andere Horntiere _lali_ sind.

Schweine und Hühner dürfen, wie am Mendalam, nur bei religiösen Festen
geschlachtet werden und dienen offiziell nur den Geistern als Speise,
während sie tatsächlich von den Festteilnehmern bei fröhlichem Mahl
verzehrt werden.

Verschiedenen Überlieferungen nach sind die Schweine und Hühner den
Menschen ähnlich und mit diesen gleichen Ursprungs, daher ist es
nicht unmöglich, dass diese Tiere in einigen Fällen gegenwärtig
die früheren Menschenopfer ersetzen sollen, wie die Barito und
andere ihnen verwandte Dajakstämme Rinder ausschliesslich zu dem
Zweck halten, sie beim Ablegen der Trauer und ähnlichen religiösen
Zeremonien statt Menschen zu opfern, seitdem diese Sitte ihnen von den
Niederländern verboten worden ist. Es ist jedoch nicht denkbar, dass
bei den zahlreichen Gelegenheiten, bei denen gegenwärtig Schweine und
Hühner geschlachtet werden, früher stets Menschen geopfert worden sind,
so dass die in den Legenden so häufig wiederkehrende Verwandtschaft
zwischen Menschen und Opfertieren nur in einigen Fällen obiger
Vermutung als Basis dienen kann.

Nach einer dieser Legenden, welche bei den Mahakam-Kajan kursiert,
sind Schweine und Hühner aus einer Verbindung zwischen Bruder und
Schwester hervorgegangen, indem aus dieser blutschänderischen Ehe
ein Schwein und ein Ei geboren wurden. In der Schöpfungsgeschichte
der Mendalam-Kajan ging der Mensch mit einem Huhn und einem Schwein
gleichzeitig aus Baumbast hervor (Teil I p. 129).

Von den Schweinen werden bei den Kajan, Ma-Suling und Long-Glat nur
die männlichen Tiere geopfert. Die Long-Glat gebrauchen die weiblichen
Exemplare überhaupt nicht, lassen sie vor Alter sterben oder tauschen
sie bei den Pnihing, von denen sie gegessen werden dürfen, gegen
männliche um. Bei den Kajan ist das Fleisch weiblicher Schweine nur
Frauen zu essen erlaubt. Den Long-Glat ist der Genuss von Schweinen
und Hühnern zur Erntezeit gänzlich verboten.

Dass die Dajak beim Schlachten der Schweine ungeschickt zu Werke gehen,
habe ich bereits mehrmals erwähnt. Folgende Einzelheiten beobachtete
ich einst, als ich während eines anhaltenden Fleischmangels gegen hohen
Preis ein Schwein gekauft und einige junge Kajan gebeten hatte, das
Tier für mich schlachten und zerlegen zu wollen. Ich wollte nämlich
das Fleisch mittelst Salz zu konservieren versuchen.

Die Männer banden dem Tier die Pfoten zu je zwei aneinander, steckten
zum Tragen von hinten nach vorn einen Bambusstock durch die Beine und
legten es auf zwei Paar gekreuzte im Boden stehende Hölzer nieder,
so dass es etwa 75 cm über der Erde zu liegen kam. Die Schnauze
banden sie ihrem Opfer nicht nur zu, sondern hielten sie auch mit
den Händen fest, so dass es keinen Laut von sich gab, obgleich
sie die Luftröhre nicht durchschnitten und es sehr lange dauerte,
bis alles Leben entflohen war. Augenscheinlich finden die Kajan
das Geschrei der Tiere beim Schlachten unangenehm; aus demselben
Grunde drücken sie wohl auch den Hühnern den Schnabel und die Kehle
zu, bevor sie diese durchschneiden. Erst jetzt begriff ich, warum
ich gelegentlich eines Festes bei der Ablegung der Trauer, das die
Punan am Mandai einige Jahre vorher feierten, nicht gemerkt hatte,
dass sie dicht neben mir nach Art der Ulu-Ajar-Dajak 8 Schweinen die
Kehle durchschnitten. Meine Aufmerksamkeit wurde damals allerdings
durch die Opferung eines Stiers abgelenkt, doch blieb mir bis dahin
ihr Verfahren trotzdem unerklärlich.

Die Kajan empfanden mit den Leiden ihres Schlachtopfers keinerlei
Mitleid; sie bereiteten ihm einen langsamen Tod, indem sie ihm
vom Halsschnitt aus durch Drehen von Hand und Messer alle grossen
Blutgefässe in der Brusthöhle öffneten. Bei dieser Schlachtmethode
konnte alles Blut ausfliessen und aufgefangen werden; auch sonst wurde
nichts einigermassen Brauchbars fortgeworfen. Darauf brannten sie dem
Tier mit glimmenden Holzscheiten die Borsten ab und legten es in den
Fluss, wo Bauch und Brusthöhle ausgeweidet und der Inhalt gereinigt
wurde, um mit dem Kopf als Lohn für ihre Arbeit von den Schlächtern
später verspeist zu werden. Das Tier wurde sodann mit Schwertern
in kleine Stücke zerlegt, um diese in Blechgefässen aufbewahren
zu können. Wahrscheinlich geschah die darauf folgende Bearbeitung
des Fleisches nicht nach allen Regeln der Kunst, wenigstens begann
es bereits nach 2 Tagen einen unangenehmen Geruch zu verbreiten
und mussten wir es den Kajan schenken, die es sehr zu würdigen
verstanden, hauptsächlich des vielen Salzes wegen, das sich zwischen
den Fleischstücken befand. Die Eingeborenen selbst machen das Fleisch
haltbar, indem sie es in kleine Stücke schneiden und lange kochen; das
Räuchern wird ebenfalls angewandt, aber mit schlechterem Erfolg. Auch
die Fische, die stets durch Räuchern über einem Feuer von feuchtem
Holz konserviert werden, halten sich nur wenige Tage.



KAPITEL VI.

    Religiöse Bedeutung einiger Spiele der Mahakam-Dajak--Spiele
    der Männer: Waffentanz (_kenja_), Ringkampf, Wettlauf,
    Hochund Weitsprung, Ball- und Kreiselspiel, Scheinkämpfe
    (Wasserspritzen. Blasrohrschiessen)--Spiel der Frauen:
    Tanz zwischen Reisstampfern--Volksspiele--Kinderspiele
    Spielzeug, Steinewerfen (aus freier Hand; mit Schleudern),
    Figurenbilden mittelst einer Schnur, Häuserbau--Singtänze
    (_ngarang_)--Rezitationen--Musikinstrumente: Gonge, _kledi_,
    Flöten, Guitarre (_sape_), Mundharmonika (_tong_)--Singen und
    Pfeifen.


Die Spiele der Bahau-Dajak greifen, wohl ihres teilweise religiösen
Ursprungs wegen, tief in ihr Volksleben ein. Rechnet man zu
ihren Spielen nicht nur Vergnügungen an sich, wie Tänze, Ball- und
Kreiselspiel, sondern auch gymnastische Übungen und rein musikalische
Genüsse, so verdienen diese ihres Umfanges wegen hier eine besondere
Betrachtung.

Der Einfluss des Kultus, der das ganze Leben der dajakischen Stämme
beherrscht, lässt sich auch in ihren Spielen nachweisen. Dies gilt
hauptsächlich für die von allen Erwachsenen gemeinsam, meist zu
bestimmten Gelegenheiten vorgenommenen Vergnügungen, weniger für die
mehr individuellen, an keinen Termin gebundenen. Erstere finden nur
sehr selten zu gewöhnlichen Zeiten statt, auch erlangen sie ihre
volle Bedeutung eigentlich nur gelegentlich der Ackerbaufeste,
die einen streng religiösen Charakter tragen. Aber auch dann
unterhält man sich nicht nach Belieben, sondern zu bestimmten
Festen gehören auch bestimmte Spiele, so sind bei den Saatfesten
(_tugal_) andere Belustigungen üblich als beim kleinen Erntefest
(_lali parei ola_) oder dem grossen Erntefest (_lali parei aja_),
beim Anfang der Ernte und beim Neujahrsfest (_dangei)._ Beim _tugal_
wird Masken- und Kreiselspiel vorgenommen; beim ersten Einholen des
Reis (_lali parei_) beschiesst man einander aus Blasrohren u.a.;
zur Neujahrsfeier gehören Gymnastik und Wasserspritzen. Ist dieser
Zusammenhang zwischen Festen und Spielen nun ein zufälliger oder
ein innerlich begründeter? Letzteres erscheint mir wahrscheinlicher,
denn bei einem der wichtigsten Männerspiele,  dem _hudo kajo_, habe
ich eine religiöse Bedeutung direkt nachweisen können (T. I p. 325);
obgleich mir dies bei den anderen nicht gelungen ist, vermute ich doch,
dass auch allen übrigen, mit bestimmten Festen verbundenen Spielen ein
religiöser Gedanke zu Grunde liegt. Bemerkenswert ist, dass Handlungen,
welche von den Priestern bei ihren Zeremonien verrichtet werden,
bei den übrigen Stammesgenossen nur zur Belustigung dienen. So werden
die unter diesen dajakischen Stämmen sehr verbreiteten Schwerttänze
(_kenja_) auch von Priestern beiderlei Geschlechts beim Neujahrsfest
ausgeführt und zwar hauptsächlich zur Abwehr der bösen Geister von
den gebrachten Opfern; ferner bietet, wie anderen Ortes berichtet
worden ist (T. I p. 182), die älteste Priesterin, mit Kriegsmütze
und Schwert bewaffnet, zuerst das Opfer, dann das Fruchtbaumholz
der Dangeihütte tanzend den Himmelsgöttern zum Geschenk an. Da
beim _kenja_ nicht nur Kriegsszenen, sondern die verschiedensten
Vorfälle aus dem täglichen Leben dargestellt werden, ist es nicht
unwahrscheinlich, dass sich dieser Tanz aus den obigen religiösen
Zeremonien entwickelt hat. Ähnlich verhält es sich mit dem _nangeian_
(Rundtanz T. I p. 176). Dieser gehört zu denjenigen Zeremonien des
Neujahrsfestes, die von den Priesterinnen eingeleitet und von den
Laien stundenlang auf die gleiche Weise fortgesetzt werden. Ferner
wird der von jungen Männern und Frauen so gern gepflegte _ngarang_
auch von den Priestern getanzt, nur nach anderen Melodien. Dasselbe
gilt für die übrigen Vergnügungen; bei der _mela_ z.B. trachtet
die _dajung_ auf ihren Geist in Apu Lagan durch das Rezitieren der
Legenden von _Belawan Buring_, von _Bakong_ oder von _Bun_ Einfluss zu
gewinnen und ihn zum Niedersteigen zu bewegen. Den gleichen Legenden
lauscht aber auch bisweilen der ganze Stamm Nacht für Nacht, wenn
sie von einem geübten Rezitator vorgetragen werden. Ist dieser in den
umfangreichen dajakischen Überlieferungen gut bewandert, so wird er
gleich einem Künstler oder Priester für beseelt angesehen. In diesem
Fall ist zweierlei möglich: das _dajung_ (Singen, Rezitieren) der
Priesterinnen kann das Ursprüngliche gewesen sein und bei den Laien
Nachahmung gefunden haben, oder die Priester können versucht haben,
die Geister auf die gleiche Weise zu unterhalten und anzulocken,
wie es bei den Menschen üblich ist.

Von den Spielen der Erwachsenen habe ich das Masken- und Kreiselspiel,
den Kampf mit Blasrohren und das gegenseitige Bespritzen mit Wasser
ausschliesslich während der religiösen Ackerbaufeste vor nehmen sehen;
die anderen dagegen finden bisweilen auch zu gewöhnlichen Zeiten
statt. Ob es jedoch direkt verboten ist, sich mit obengenannten
Spielen ausserhalb der festlichen Gelegenheiten zu unterhalten,
ist mir nicht bekannt. Kinder halten sich jedenfalls nicht an die
bestimmten Festzeiten, sondern spielen mit dem Kreisel, Blasrohr etc.,
sobald sie Lust dazu haben, allerdings sind sie ja auch den _pemali_
der Erwachsenen nicht unterworfen.

Die Maskenspiele sind bereits im ersten Teil ausführlich behandelt
worden. Für das tägliche Volksleben von weit grösserer Bedeutung
sind dagegen die Waffentänze (_kenja_), weil diese nicht auf gewisse
Festlichkeiten beschränkt sind und von kleineren oder grösseren
Gesellschaften häufig vorgenommen werden.

Bei den Bahau und Kenja werden diese Waffentänze beinahe stets
nur von einem Mann ausgeführt, der sich mit Schild und Schwert
bewaffnet und in der Regel auch noch mit Kriegsmantel und Mütze
schmückt. Auf Tafel 12 ist ein solcher Schwerttänzer in einer der
höchst eigenartigen Bewegungen des _kenja_ dargestellt. Dieser wird
stets nach der Melodie des _kledi_ ausgeführt, den hier ein daneben
hockender Knabe spielt. Einem Kriegstanz, an dem sich zwei Männer
beteiligten, wohnte ich niemals bei. Ein einziges Mal sah ich auch
eine Frau mit einigem Talent den Schwerttanz ausführen, zum grossen
Ergötzen der männlichen Zuschauer. Der _kenja_ wird meist in der
breiten Galerie der Häuptlingswohnung vorgenommen und besteht aus
lebhaften, oft sehr graziösen Körperbewegungen, die mit weiten
Sprüngen und Ausrufungen abwechseln. Der Refrain der Melodie wird
oft vom Publikum wiederholt. Die Gewandtheit im Tanz ist sowohl bei
den einzelnen Stämmen als bei den Individuen sehr verschieden.

Nach allgemeiner Ansicht der Dajak selbst haben es die Kenjastämme
in diesem Tanz am weitesten gebracht, auch tragen sie nach dieser
Kunst ihren Namen; aber in der Regel zeichnen sich auch bei ihnen nur
einzelne Personen im Tanze aus. Sämtliche Kriegstänze haben zwar den
Zweck, die Geschicklichkeit in der Handhabung der Waffen zu beweisen,
doch dienen sie gleichzeitig auch zur Darstellung irgend eines Vorfalls
aus dem Kriegs- oder Alltagsleben. So wird dem Publikum z.B. das
Sähen, Mähen, Jagen, Früchtestehlen u.s.w. durch einen bestimmten
Schwerttanz vorgeführt. Für einen Europäer ist es jedoch, auch wenn er
die Bedeutung des Tanzes kennt, nicht immer leicht, zwischen diesem und
dem Vorgestellten eine Beziehung zu er kennen. Mit dem Sinn des Tanzes
verändert sich auch stets die auf dem _kledi_ gespielte Melodie. An
der Vorstellung beteiligen sich der Reihe nach verschiedene junge
Männer, die nicht nur in der Geschicklichkeit, sondern auch in der
Sicherheit des Auftretens eine grosse Verschiedenheit an den Tag
legen. Einige Jünglinge sind aus lauter Verlegenheit kaum zum Tanzen
zu bewegen. Am häufigsten werden derartige Tanzbelustigungen auf
die Abende während eines _melo_ (Ruhetag oder Tage nach der _mela_)
verlegt; die Dorfbewohner, die dann alle zu Hause sind, versammeln
sich in grosser Menge zu diesem sehr beliebten Schauspiel.

Die nicht zu den Bahau und Kenja gehörenden Stämme verstehen sich
auch nicht auf diese Kriegstänze. Bei den Pnihing am oberen Mahakam
sind sie z.B. ungebräuchlich, obgleich alle benachbarten Stämme
sie gern betreiben, sie sogar so hoch schätzen, dass sie zu Ehren
eines Europäers als ihre beste Kunstleistung zuerst einen _kenja_
vorführen. Wie auf alle anderen eigenartigen Sitten dieser Stämme
hat der Einfluss der Fremden, d.h. hier der Malaien, auch auf die
Kriegstänze zersetzend gewirkt. So üben die Bahau am Kapuas den
_kenja_ viel weniger als die am Mahakam, auch sind es dort nur sehr
junge Männer, die an ihm Vergnügen finden, während hier bei grossen
Festen auch die Erwachsenen und älteren Männer noch gern mittun. Am
nachteiligsten wirkt am Kapuas sicherlich die Furcht, von den vielen
Fremden verspottet zu werden. Obgleich die Töne des _kledi_ sehr
sanft klingen und der _kenja_ mit seinen Schritten und Sprüngen auf
den harten Planken recht viel Lärm verursacht, folgt der Tänzer doch
stets genau der vorgetragenen Melodie. Wenn der _kledi_-Spieler daher
nicht auf der Höhe seiner Kunst ist, bringt er auch den Tänzer in
Verwirrung, so dass er seine Vorstellung dann nicht nach allen Regeln
zu Ende bringen kann. Ein bedeutendes Hindernis für die Aufführung von
Tänzen kann daher darin liegen, dass der Musiker zufällig nicht die
Melodien spielen kann, welche zu den Szenen gehören, die der Tänzer
gerade vorzutragen versteht.

Unter den Priestern führen sowohl Männer als Frauen den Schwerttanz
aus, wie gesagt, zur Vertreibung böser Geister, zur Darbringung von
Opfern an die Geister u.s.f.; doch tanzen diese nicht unter Begleitung
des _kledi_, sondern häufiger des Gongs. Der _kenja_ der Laien findet
niemals bei grossen religiösen Festen statt.

In Anbetracht, dass die Ausführung des Schwerttanzes eine grosse
körperliche Anstrengung erfordert, können sich ihm nur Stämme, die
starke Leibesübungen gerne haben, widmen. In letzteren zeichnen
sich übrigens die Bahau und Kenja vor allen anderen Stammgruppen
Mittel-Borneos aus; sobald nur einige junge Männer an geeigneter
Stelle, z.B. auf einer langen Geröllbank im Fluss, beieinander
sind, beginnen sie einen Wettlauf oder andere gymnastische Übungen
vorzunehmen.

Sehr beliebt ist der Ringkampf (_pajo_), von dem Tafel 13 eine
Vorstellung gibt. Die Ringer, gewöhnlich zwei junge Männer, sind
dabei nur mit einem Lendentuch bekleidet, das sie eng um den Leib
schnüren, um dem Partner einen festen Angriffspunkt zu bieten. Sie
beginnen nämlich damit, einander nach der auf dem Bilde angegebenen
Weise anzupacken, und suchen dann durch Kraft und Gewandtheit ihren
Gegner mit dem Rücken auf den Boden zu schleudern.

So weit ich habe beobachten können, werden hierbei keine bestimmten
Regeln befolgt und keine schmerzerregenden Mittel angewandt, auch
sah ich nie eine Vorstellung in einen ernsthaften Kampf ausarten,
wobei man einander auf andere Weise als durch Geschicklichkeit
zu besiegen versucht hätte. Trotzdem sind diese Ringkämpfe nicht
gefahrlos, weil die Gegner einander bisweilen sehr heftig zu Boden
schleudern. Ich sah denn auch mehrmals, wie besorgte Mütter ihre
Söhne vom Kampfe zurückzuhalten versuchten und sie in Gegenwart ihrer
Kameraden warnten. Keiner der Jünglinge folgte jedoch den mütterlichen
Ermahnungen, hauptsächlich natürlich aus Furcht vor Spott seitens des
Publikums. Ab und zu kommt allerdings auch ein Arm- oder Beinbruch bei
diesen Ringkämpfen vor. Frauen sah ich niemals am Ringen teilnehmen.

Bei allen Spielen der Bahau ist von einem eigentlichen Siege, einer
materiellen Belohnung oder einem Ehrenpreise keine Rede, ebensowenig
sah ich die Zuschauer auf den Ausgang eines Kampfes wetten.

Neben dem Ringen ist der Wettlauf und Wettsprung bei den Bahau sehr
im Schwange, Vergnügungen, die spontan, nicht zu bestimmten Zeiten,
vorgenommen werden. Grosse Abwechslung in der Art des Wettlaufes
beobachtete ich nicht, meist nahmen es nur zwei Personen mit einander
auf. Stets beteiligen sich nur sehr junge Leute an diesem Spiel; sobald
sie einmal über 25 Jahr alt sind, verlieren die Männer an dergleichen
die Lust. Dasselbe gilt für das Springen. Auf den Hochsprung wird
weit mehr Gewicht gelegt als auf den Weitsprung. Man springt mit oder
ohne Anlauf, ganz frei oder mit Hilfe eines Stockes. Ebensowenig wie
Sprungbretter und Matratzen werden andere Hilfsmittel gebraucht. Beim
freien Hochsprung bringt der junge Mann es oft nicht weiter als
bis zur Höhe seines Schultergürtels. Für höhere Sprünge gebraucht
man lange Stöcke, in der Regel die aus dem zähen, elastischen Holz
bestimmter Baumarten hergestellten Bootsstangen. Das Stockspringen
geschieht auf zwei verschiedene, auf Tafel 14 durch Momentaufnahmen
dargestellte Weisen. Der Springer befindet sich in beiden Fällen auf
dem höchsten Punkte.

Links sieht man, wie er sich, mit beiden Händen auf den Springstock
gestützt, über den zwischen zwei Bootsstangen geklemmten Stock
hinüberschwingt. Hat er im folgenden Augenblick die andere Seite
erreicht, so wirft er den Stock nach rückwärts und springt selbst
auf die Füsse. Durch diese Sprungart werden bisweilen grosse Höhen
genommen.

Der Springer auf dem Bilde rechts hat sich mit Hilfe des Stockes
kräftig zur erforderlichen Höhe hinaufgeschwungen, aber anstatt
diesen zurückzuwerfen, führt er ihn in der einen Hand mit sich über
die Schnur, hier ein Rotang. Dieser Sprung erfordert eine grössere
Kraftentwicklung als der vorige. Derartige Springübungen werden
besonders unter den Mahakamstämmen oft und gern betrieben.

Allgemein verbreitet ist bei den Bahau auch das Ballspiel, bei welchem
ein in grossen Maschen aus Rotang geflochtener und daher äusserst
leichter Ball verwendet wird. Das Spiel findet in der Weise statt,
dass einige im Kreise stehende Männer den Ball einander, hauptsächlich
mit Hilfe der Beine, hoch durch die Luft zuwerfen. Wahrscheinlich
haben die Eingeborenen dieses Spiel von den Malaien übernommen,
die es sehr allgemein üben.

Im Gegensatz zu den gymnastischen Spielen und dem Ballspiel darf das
Kreiselspiel der Erwachsenen, wie gesagt, nur zu bestimmten Zeiten
vorgenommen werden (Kreisel = _asing_; spielen mit dem Kreisel =
_pasing_). Von den gebräuchlichen Kreiseln sind zwei unter m und n
auf Tafel 15 abgebildet, während das Spiel selbst bereits im ersten
Teil p. 329 besprochen und auf Tafel 63 wiedergegeben worden ist.

Beim Beginn der Ernte, dem _lali parei_, ergötzte man sich am
Mahakam mit bestimmten Spielen, die früher in allerhand Arten von
Scheingefechten bestanden haben müssen. Jetzt sah ich nur noch die
Kinder kleine Kämpfe in Parteien abhalten; sie beschossen einander
dabei mit Lehmpfropfen aus kleinen Blasrohren oder bespritzten ihre
Gegner mit Wasser aus niedlichen Spritzen (Taf. 15, Fig. j). Diese
bestehen aus zwei Teilen, einem Bambusinternodium, an dessen einem
Ende sich der mit einer zentralen Öffnung versehene Knoten befindet,
und einem am Ende mit Lappen umwickelten Holzstück, dem Sauger. An
letzterem Vergnügen nahmen auch Erwachsene Teil; besonders Männer
und Frauen setzten einander unter Scherzen und Lachen mit grossen
Bambusgefässen mit Wasser nach. Die älteren Leute erinnerten sich
noch, dass man früher hölzerne Schwerter verfertigte und mit ihnen
Scheinkämpfe veranstaltete.

Von dergleichen Spielen hat sich einiges noch bei den jungen Männern
erhalten; sie beschiessen einander aus nächster Nähe mit Lehmpfropfen
aus Blasrohren, und zwar kommt es bei diesem Spiel darauf an, seine
Unempfindlichkeit gegen Schmerz zu bezeigen. Benützt werden sehr lange
Rohre, so dass die feuchten Erdklümpchen heftig an die dicht vor
die Mündung gehaltenen Körperteile anprallen. Meistens richtet man
die Geschosse auf Bauchwand und Schenkel und sie treffen häufig mit
solcher Kraft, dass die Haut unter den plattgeschlagenen Ballen sich
sogleich rötet und anschwillt. Jeder sucht möglichst stark zu blasen
und möglichst wenig Zeichen von Schmerz zu äussern; ein wirklicher
Wettkampf mit einem oder mehreren Siegern findet jedoch auch hierbei
nicht statt. Während die Erwachsenen ruhig beieinander stehend die
Schmerzproben ablegen, unterhält sich die Kinderschar mit kleinen
Blasrohren, die sie aus einer dünnen Bambusart mit langen Internodien
hergestellt haben, und mit denen sie einander aus der Ferne mit
Lehmkügelchen beschiessen. Bisweilen kämpfen sie in Parteien, wobei in
der Regel die Gleichaltrigen zusammentreten, oder sie suchen einander
in die Flucht zu jagen oder auch sie beweisen ihre Unempfindlichkeit
gegen Schmerz, indem sie ihre Beine den Geschossen ihrer Kameraden
entgegenhalten. Obgleich die Lehmkugeln aus der Ferne sehr harmlos
treffen, ergriff auch beim Parteikampf bald dieser bald jener wie in
panischem Schrecken plötzlich die Flucht, bisweilen ohne merkbaren
Anlass, meist infolge einer plötzlichen Beschiessung von unerwarteter
Seite; die Gegenpartei stürmt dann unter lautem Gejauchz über Gestrüpp,
gestürzte Bäume und Balken hinterdrein, um dann ihrerseits vor einer
Ladung Lehmkugeln Halt zu machen und den Rückzug anzutreten. Ein
kleines, zugleich als Flöte dienendes Blasrohr ist auf Taf. 15 unter
k abgebildet.

Bei allen diesen Gefechten und Schmerzproben merkte ich nie etwas
von Erbitterung, und nur sehr selten brach ein kleiner Wicht, der
sich unter die grösseren gewagt hatte, über ein Lehmgeschoss, das
ihn getroffen, in Tränen aus. Ausser mit Lehmkugeln beschoss sich die
Jugend auch mit Grasbüscheln oder mit langen Grashalmen als Wurflanzen.

Die Frauen pflegen nur wenige Spiele, die nicht auch von den Männern
geübt werden. Auf Taf. 13 unten ist ein solches Spiel dargestellt,
das von den Frauen besonders in ihrer freien Zeit, z.B. zwischen
dem Trocknen und Stampfen des Reises, vorgenommen wird; auf der hier
abgebildeten Szene sieht man denn auch hinter den Frauen grosse Matten
mit Reis zum Trocknen in der Sonne ausgebreitet.

Das Spiel besteht darin, dass eine Frau zwischen zwei Reisstampfern
tanzt, die von zwei Gefährtinnen an beiden Enden festgehalten und in
einem bestimmten Rhythmus erst auf zwei am Boden liegende Stampfer,
dann gegen einander geschlagen werden. Je geschickter die Tänzerin,
desto seltener werden ihre Füsse zwischen die zusammenschlagenden
Stampfer geklemmt. Der Rhythmus des Tanzes ist sehr verschieden,
auch werden die Stampfer bisweilen schneller und schneller bewegt,
so dass die Frau zuletzt die Füsse nur durch sehr flinke Bewegungen
zwischendurchziehen kann. Dieses Spiel ist nicht an feste Zeiten
gebunden.

Zu den Volksspielen der Bahau können gegenwärtig auch die Hahnenkämpfe
gerechnet werden, die vor ungefähr zwei Generationen am oberen Mahakam
eingeführt wurden und auch jetzt noch mehr bei den Long-Glat und
Ma-Suling als bei den Pnihing und Seputan im Schwange sind. Diese
Liebhaberei hat bei den Bahau selbst von dem für die Volkswohlfahrt
so verderblichen Charakter eines Hazardspiels, wie es z.B. bei den
Malaien üblich ist, noch sehr wenig angenommen. Eine eingehende
Behandlung haben die Hahnenkämpfe bereits in Teil I pag. 347 erfahren.

Über zwei Spiele habe ich keine nähere Auskunft erhalten können. Das
eine erinnert sehr an unser Tric-Trac und wird mit einem mit a
Reihen von Aushöhlungen versehenen Block gespielt; das andere ist
ein einfaches Schachspiel. Beide werden hauptsächlich unter den
Kajan gepflegt.

Was die Kinderspiele der Bahau betrifft, so sind sie, wie mehrmals
bereits gesagt, nicht, wie die meisten Spiele der Erwachsenen,
religiösen Beschränkungen unterworfen. Kinder unterhalten sich denn
auch das ganze Jahr über mit dem Kreiselspiel, Blasrohrschiessen,
Wasserspritzen und bisweilen auch mit dem Maskenspiel. Für das
Kreiselspiel schnitzen die Männer den Knaben aus hartem Eisenholz
kleine Kreisel (Taf. 15 e und f), die sie entweder gut polieren
(e) oder hübsch mit Schnitzwerk verzieren (f); meist sind sie rund
statt platt, wie die der Erwachsenen. Sie werden mit den gleichen
Schnüren geschleudert, und wie beim _pasing_ der grossen Männer
sucht ein Knabe den Kreisel des anderen herauszuschlagen. Ausser
den genannten Vergnügungen, die sie mit den Grossen gemein haben,
besitzen sie jedoch noch einige andere, die mit ihrem Älterwerden
zusammenhängen und gelegentlich bestimmter Feste geübt werden.

Bei den Erntefesten dürfen kleine Knaben z.B. zum ersten Mal Schwert
und Schild aus Holz (Fig. l. Taf. 15), kleine Mädchen Reiskörbe tragen;
beide Geschlechter spielen dann auch zum ersten Mal mit einem Bambus
und einem Klopfer (Fig. i. Taf. 15). Mitten in diesem Bambus ist
eine Öffnung angebracht, auf die das Kind beim Schlagen abwechselnd
einen Finger setzt, so dass zwei in der Höhe stark abweichende Töne
hervorgebracht werden und der Bambus also zugleich ein primitives
Musikinstrument darstellt.

Wird der erste, noch nicht ganz reife und harte Reis gepflückt,
so trocknet man ihn zuerst in grossen Schüsseln und entfernt durch
Stampfen die Spelzen, wonach die Körner plattgeschlagen aus dem
Blocke hervorkommen. Dieser halbreife Reis bildet einen sehr beliebten
Leckerbissen der Kinder, die dann den ganzen Tag mit kleinen Behältern
umhergehen, aus denen sie den Reis essen. Die Form derselben ist oft
sehr eigentümlich, wie zwei unter g und h abgebildete Modelle auf
Taf. 15 zeigen. g hat die Gestalt eines der gewöhnlichen, kleinen,
aus Rotang geflochtenen, flaschenförmigen Behälter, wie sie auf
Reisen viel gebraucht werden. Hier jedoch ist das Flechtwerk
mit Figuren aus buntem Zeug benäht, die durch Steppstiche noch
deutlicher hervorgehoben sind. Der Deckel ist mit Figuren bestickt,
die Augen, Nase und Mund eines Gesichtes erkennen lassen. h ist ein
aus Pandanusblättern geflochtener Korb in Form eines geflügelten,
vierfüssigen Tieres, dessen langer Hals einen kopfförmigen Stöpsel
trägt. Dergleichen Tiergestalten, besonders die von Vögeln, werden
häufig verwendet. Später, wenn der Reis ganz reif ist, füllt man die
Behälter für die Kinder mit gedämpftem Klebreis.

Einige Spielsachen der Dajak stimmen ganz mit denen unserer Kinder
überein, so z.B. die Puppen. Doch sind diese bei den Bahau nicht
allgemein verbreitet und werden auch nur Säuglingen und sehr kleinen
Kindern gegeben; sobald die Mädchen einmal ausserhalb des Hauses
spielen, sieht man sie nicht mehr mit Puppen. Tafel 15 (b und c) giebt
zwei solcher Puppen vom oberen Mahakam wieder. Ihr Rumpf besteht aus
Baumbast; im Gesicht sind bei b mit schwarzem Faden Augen, Nase und
Mund gestickt, während zwei Metallringe an Baumwollfäden die an den
ausgereckten Ohrlappen hängenden Ringe vorstellen. Die Kleider sind
aus gewöhnlichem buntem Kattun verfertigt. Puppe c besitzt zwar keinen
Kopf, doch sind die Ohrringe an den Schultern befestigt.

Lieber als Puppen haben die Mädchen kleine Kindertragbretter (_hawat_),
mit denen sie umhergehen. Zwei dieser _hawat_ sind unter a und d
abgebildet, letztere mit à jour Schnitzwerk verziert und beide zur
Abwehr böser Geister mit Muscheln behängt. So häufig ich auch die
kleinen Mädchen mit Tragbrettern spielen sah, fand ich in diesen doch
nie eine Puppe, die ein Kind vorstellen sollte; stets wurde die _hawat_
leer umhergetragen.

Die Knaben unterhalten sich gern damit, flache Flusssteine nach
selbstgegrabenen Erdlöchern zu werfen. Bei diesem Spiel kommt es
darauf an, das Loch von einem bestimmten Abstand aus gut zu treffen;
nie sah ich dass gespielt wurde, um als Erster hervorzugehen oder
einen Einsatz zu gewinnen.

Abends beim Baden findet die Bahaujugend, ganz wie die europäische
viel Vergnügen daran, Steine übers Wasser ans andere Ufer zu werfen
oder flache Steine auf der Wasseroberfläche möglichst oft hinterein
ander aufschlagen zu lassen.

Eine sehr bemerkenswerte Methode des Steinewerfens beobachtete ich
einst bei den Ulu-Ajar-Dajak am Mandai, nämlich das Werfen mittelst
einer Schleuder. Die Knaben benützten hierfür sehr lange, schmale
Blätter, deren Enden sie mit einer Hand fassten, worauf sie den
Stein in den so gebildeten Bausch legten und ihn ans andere Ufer zu
schleudern suchten, indem sie beim Werfen das eine Ende der Schlinge
losliessen. Das Prinzip der Schleuder ist diesen Stämmen also bekannt,
nur hat sie in diesem Buschland als Waffe zu keiner Bedeutung gelangen
können.

Ein eigenartiges, auch in Europa sehr bekanntes Spiel ist das Bilden
von Figuren mit Hilfe einer zusammengebundenen, über die Finger der
beiden Hände gelegten Schnur. Auch die kleinen Dajak nahmen einander
auf bestimmte Weise die Schnur von den Fingern und erhielten dann
stets neue Figuren. Als wir ihnen einmal einige unserer europäischen
Figuren lehren wollten, zeigte es sich, dass sie selbst deren weit
mehr kannten und auch viel geschickter waren als wir.

Auch die dajakischen Kinder ahmen gern die Arbeiten der Erwachsenen
nach. Auf Tafel 16 sind vier Knaben zu sehen, die auf dem Gerüst ihres
selbstgebauten Häuschens stehen. Von den beiden vordersten ist der
eine mit Schild und Schwert bewaffnet, der andere hält ein Blasrohr
umgekehrt in der Hand. Angeregt wurden sie zu ihrer Unternehmung durch
den Bau von _Kwing Irangs_ Haus, der das Interesse des ganzen Stammes
in Anspruch nahm. Im Hintergrunde ist denn auch noch das unvollendete
grosse Haus zu sehen (Der Leser sei hier auf das provisorische Gerüst
am Ende des Dachfirstes aufmerksam gemacht, das zur Anbringung der
_bang pakat_, der grossen Firstverzierung, dient).

Derartige Bauwerke werden von Gruppen von Knaben an verschiedenen
Stellen um die Niederlassung und zwar aus altem Material
errichtet. Steht das Hains fertig da, so nehmen die jungen Baumeister
mit ihren kleinen Freundinnen tagüber allerlei herrliche Spiele in
ihm vor.

Bevor wir uns zu den rein musikalischen Vergnügungen der erwachsenen
Bahau wenden, mögen hier als Übergang die Singtänze und Rezitationen
behandelt werden.

Ein Hauptvergnügen der erwachsenen Jugend bildet der erwähnte
"_ngarang_", ein schlichter Tanz von Männern und Frauen, der nach
dem Mass verschiedener, von den Tanzenden selbst in Rezitativform
gesungener Lieder ausgeführt wird. Diese werden immerzu wiederholt,
wobei Männer und Frauen hintereinander im Tanzschritt durch die grosse
Galerie des Hauses schreiten und das Mass durch lautes Aufstampfen
auf den Boden angeben. Wenn abends nach beendigter Tagesarbeit
eine Anzahl junger Leute beisammen ist und lang genug mit einander
geschwatzt hat, verbringt sie oft noch Stunden mit dem _ngarang._
Zuschauer gibt es dann nicht mehr und der grosse Galerieraum ist
ganz dunkel oder mit einer Harzfackel nur dürftig erleuchtet. Je
nach Stimmung setzt die Jugend den Tanz kürzere oder längere Zeit,
nach Festen häufig bis Tagesanbruch fort. Obgleich ein derartiges
Vergnügen von den religiösen oder politischen Verhältnissen innerhalb
eines Stammes gänzlich unabhängig ist, führen die unter malaiischem
Einfluss am Kapuas und mittleren Mahakam sesshaften Bahau den _ngarang_
doch viel seltener aus als die am oberen Mahakam; wahrscheinlich ist
auch hier der Spott seitens der zahlreichen Fremden daran Schuld.

Reichen Beifall finden bei den Bahau die Rezitationen ihrer zahlreichen
Überlieferungen aus der Stammesgeschichte oder ihrer Legenden aus
der Geisterwelt. Stets finden sich eine grosse Menge Zuhörer zu
diesen Vortragsabenden ein. Die Rezitationen werden von Schlägen auf
einen über einen Schild gespannten und von zwei kleinen Holzsäulchen
getragenen Rotangbogen begleitet (Taf. 17). Die Schläge werden von
der rezitierenden Person selbst ausgeführt und geben den Rhythmus
an. Erwägt man, dass der Vortrag frei nach dem Gedächtnis stattfindet
und häufig eine ganze Nacht, bisweilen mehrere Nächte hintereinander
dauert, so erscheint es begreiflich, dass nur wenige Personen mit
ausgezeichnetem Gedächtnis und der besonderen Fähigkeit, ihre Gedanken
nach bestimmtem Mass wiedergeben zu können, hierzu im stande sind. Der
Wert der Vorträge ist denn auch individuell sehr verschieden, und
die guten Sänger und Sängerinnen werden von ihren Dorfgenossen als
besonders begabt und mit einem besonderen Geist aus Apu Lagan beseelt
angesehen. Sowohl Männer als Frauen halten diese Vorträge und jeder
beschränkt sich auf eine oder mehrere bestimmte Überlieferungen;
diese sind bei jedem Stamme verschieden. Die Rezitatoren können
zu den Priestern gehören, doch ist dies keine Notwendigkeit. Auch
zeichnen sich nicht immer nur Erwachsene durch ihr Talent aus. Die auf
nebenstehender Tafel abgebildete Künstlerin ist z.B. ein erst 16-17
jähriges Kajanmädchen vom Mahakam, das sich durch die Richtigkeit ihrer
Erzählungen und ihre angenehme Vortragsweise bei ihren Stammesgenossen
einer aussergewöhnlichen Bewunderung erfreute. Derartige Rezitationen
finden nicht häufig statt, stehen auch nicht mit religiösen Gebräuchen
in Verbindung; sie werden vorgenommen, wenn zufällig viele, von des
Tages Last und Mühe nicht zu stark ermüdete Menschen beieinander sind.

Die Rezitationen finden in der grossen Galerie vor der
Häuptlingswohnung statt; der Vortragende lehnt sich an die Wand und
die Zuhörer lagern sich um ihn herum. Einige singen den Refrain
der verschiedenen Verse, in welche die Erzählung zerfällt, mit;
die meisten jedoch sitzen oder liegen schweigend auf dem Boden
und kürzen sich die lange Nacht ab und zu durch ein Schläfchen; die
kleinen Kinder in den Armen der Mütter wachen meistens überhaupt nicht
auf. Im Scheine der Harzfackeln bietet eine solche Zuhörermenge die
eigenartigsten Bilder: vorn lagern ganze Familie in nächtlicher Ruhe,
mehr im Hintergrunde machen junge Leute einander den Hof und hier
und da sinkt ein aufmerksamer Zuhörer vom Schlaf überwältigt in den
seltsamsten Stellungen zu Boden.

Der Vortragskünstler erhält für seine Mühe keine Belohnung. Am
beliebtesten sind die Legenden von den erwähnten _Belawan Buring_,
_Bun_ und _Bakung_, drei Bahauhelden, die in früherer Zeit grosse
Taten verrichteten. Die Mahakam-Kajan bezeichnen den Vortrag einer
Legende von _Bun_ z.B. mit "_enah_ (= machen, tun) _Bun_."

Die Rezitationen führen uns zu den rein musikalischen Genüssen der
Bahau, für die insbesondere die Jugend viel Sinn zeigt. Die Musik
trägt ganz den Charakter eines Vergnügens und bildet bei keinem
religiösen Feste einen Teil der Zeremonien, wenigstens wenn man
das nach dem Mass einer Mundharmonika oder _tong_ von den Frauen
aufgeführte _hudo kajo_ nicht unter die Zeremonien aufnehmen will,
wozu man berechtigt wäre. Zwar wird bei jeder An- oder Herbeirufung
von Geistern und Göttern auf kupferne Gonge verschiedenster Form und
Grösse geschlagen, aber ohne dabei auf irgend welche musikalische
Ausführung zu achten. Die alten und gebräuchlichsten Becken mit
niedrigem Rand geben auch nur sehr wenig harmonische Töne. Anders
verhält es sich mit den grossen Gongen mit aufstehendem Rand; bei
diesen wird wirklich auf reinen Klang geachtet, auch bestimmt dieser
hauptsächlich den Preis eines Exemplars, der bisweilen sehr hoch sein
kann, während Gonge von gleicher Form und gleichem Gewicht, aber mit
unschönerem Klang viel weniger wert sind. Diese Gonge dienen überdies
hauptsächlich als Warnsignale auf grosse Entfernungen. Die Bewohner
Borneos haben nicht wie die auf Java verstanden, sie zu einem System,
wie dem Gamelan, zusammenzufügen.

Das, sowohl was seine Konstruktion, als was seinen Gebrauch betrifft,
wichtigste dajakische Musikinstrument ist der _kledi_, eine Art von
Dudelsack, der aus einer bestimmten, hierfür besonders gezogenen
Kürbissorte labe (Taf. 19 e) hergestellt wird. Diese Kalabasse
läuft in einen langen, als Mundstück dienenden Stiel aus, während
im Fruchtkörper eine Öffnung angebracht ist, in welche 5 zu einem
Bündel vereinigte Bambusstücke als klanggebende Pfeifen mittelst
Guttapercha luftdicht eingefügt sind. Oben auf der einen, weit über
die anderen vorragenden Pfeife befindet sich zur Verstärkung des Tones
in verschiedenster Form, hier in der eines Rhinozerosvogelkopfes,
ein Resonanzboden. Bei den richtig hergestellten und daher rein
gestimmten _kledi_ bilden die Bambusrohre Meisterstücke der Technik,
indem sie an ihrem unteren Ende einen Spalt tragen, in dem eine lange
Zunge durch ihre eigene Federkraft vibriert, sobald die Luft aus der
Kalabasse durch den Spalt in die Pfeife geblasen wird. Die Vibrationen
der Zunge bringen die Luft in der Pfeife in Bewegung, wodurch ein
Ton entsteht, der, je nach der Länge des Rohres, höher oder tiefer
ist. Indem nun die Längen der Pfeifen in ein bestimmtes Verhältnis
zu einander gebracht werden, erhält man ein Instrument, auf dem
Melodien gespielt werden können. Jede Pfeife ist mit zwei Öffnungen,
die mit den Fingern geschlossen werden können, versehen, wodurch das
gleiche Rohr beim Blasen mehrere Töne hervorbringen kann. Auf die
Herstellung eines gut tönenden Instrumentes verstehen sich nur sehr
wenige Personen, die meisten _kledi_ werden von der Bevölkerung daher
auch als minderwertig betrachtet. Der _kledi_ ist ausschliesslich ein
Musikinstrument der Männer und wird nach der auf Tafel 18 dargestellten
Weise gehandhabt. Man spielt das Instrument im Hause, auf dem Felde,
zur Erholung auf Reisen oder zur Begleitung beim Waffentanz.

Neben dem _kledi_ ist die Flöte, _suling_ oder _selingut_, ein
Lieblingsinstrument von Männern und Frauen; wie sie behandelt wird,
zeigt uns die Frau rechts auf Taf. 20 und der Mann auf Taf. 21. Eine
solche Flöte besitzt am Mundende keine besondere Vorrichtung zur
Erregung von Vibrationen, sondern wird durch Blasen auf den Rand
zum Tönen gebracht. Zwei schöne Flötenexemplare sind unter b und
c auf Tafel 19 abgebildet. Sie werden aus einer Bambusart mit sehr
langen Internodien hergestellt, so dass sich zwischen zwei Knoten ein
gleichmässiges Rohr ohne Unebenheiten an der Innenfläche ausschneiden
lässt. Sehr wichtig ist das Anbringen der Öffnungen auf richtiger Höhe,
worin die Bahau, zu urteilen nach den reinen und sanften Tönen, die
sie ihren Flöten zu entlocken wissen, sehr geschickt zu sein scheinen.

Fig. c zeigt vier solcher Öffnungen, die beim Spielen mit den Fingern
geschlossen und abwechselnd wieder geöffnet werden. Bei der sehr
fein ausgearbeiteten Verzierung dieser Flöte hat man diese Öffnungen
zu hübschen Motiven zu verwenden verstanden. Bei b sieht man die
Unterseite einer solchen Flöte, die nur eine und zwar ebenfalls in
das Verzierungsmotiv aufgenommene Öffnung trägt.

Am oberen Kapuas kommen Flöten mit einem besonderen, in den Bambus
gefügten Mundstück vor, ungefähr nach Art der europäischen Flöten.

Von einer dritten Flötenform, der sogenannten Nasenflöte, gibt Fig. d
eine Vorstellung. Auf der Abbildung ist sie kleiner als b und c, aber
in Wirklichkeit kommt sie in sehr verschiedenen Grössen, auch in denen
der beiden anderen vor. Für diese Flöte wird die gleiche Bambusart wie
für die vorigen gewählt, nur gebraucht man ein Internodium mit einem
Knoten. Das Mittelstück dieses Knotens wird glatt abgeschliffen, bis
es noch heil bleibt, aber sehr dünn geworden ist. Die eine Hälfte wird
dann noch weiter bearbeitet, bis eine Öffnung mit scharfem Seitenrand
an der noch unverletzt gebliebenen Hälfte entsteht. Beim Blasen wird
dieses halbgeschlossene Ende der Flöte derart an die Nasenöffnung
gehalten, dass der Luftstrom auf den scharfen Rand trifft, wodurch
Vibrationen entstehen, die die Luft in der Flöte in Schwingungen
versetzen. Das Instrument wird horizontal an die Nase gehalten, so dass
der scharfe Rand an der Unterseite zu liegen kommt. Die mit der Nase
geblasenen Flöten geben der beträchtlichen Schwäche des Luftstromes
wegen auch einen viel weniger starken Laut als die mit dem Munde
geblasenen. Trotzdem sind sie bei den Bahau ebenso gebräuchlich wie die
anderen Arten; am beliebtesten sind sie bei den Frauen, die, wenn sie
allein oder mit Männern in grösserer Gesellschaft Vergnügungsfahrten
unternehmen, die Stille der Tropennacht mit ihnen beleben.

Auch die Flötenmusik fällt je nach dem Talent des Spielers sehr
verschieden aus; ältere Leute sah ich fast nie die Flöte blasen, auch
wird sie nie zur Begleitung von Tänzen oder anderen Spielen verwendet.

Die Guitarre oder sapè dagegen dient gerade als Begleitinstrument
bei den verschiedenen Tänzen der Frauen und Männer gelegentlich der
Erntefeste, bei denen übrigens auch die Mundharmonika benützt wird. Die
Guitarre, deren Vorderseite auf Fig. a (Tafel 19) zu sehen ist, besteht
aus Holz und zwar aus einem Stück, sie ist nicht hoch (± 10 cm) und
an der Unterseite völlig offen. Sie besitzt stets zwei Saiten die
mit Holzschrauben gespannt und gestimmt werden und wird stets durch
Schnellen mit den Fingern zum Klingen gebracht. Bei guten Instrumenten
geben Linien am Halse den Platz für die Finger an. Im allgemeinen sind
die sage nicht so reich verziert wie die abgebildete, auch variieren
sie bedeutend in der Form. Einige, besonders die, welche den Priestern
gehören und von diesen bei manchen Zeremonien gespielt werden, sind
sehr alt. Die Guitarre wird von Männern und Frauen gespielt und zwar
meist in Gesellschaft, besonders bei religiösen und profanen Tänzen;
wie Flöte und _tong_, zur Unterhaltung der jungen Paare bei Ausflügen,
sah ich die _sapè_ nie gebrauchen.

Ein anderes sehr beliebtes Instrument ist die genannte _tong_ (Taf. 19
f), die auf demselben Prinzip beruht wie die europäische Maultrommel,
insofern nämlich eine kleine Bambuszunge, durch Schnellen bewegt und
an die Mundhöhle gehalten, zum Tönen gebracht wird. Indem man die
Grösse der Mundhöhle verändert bringt man verschiedene, einer Melodie
gleichende Töne hervor. Das Instrument besteht aus einer flachen
Bambuslamelle, in welche eine langgestreckte Öffnung so geschnitten
ist, dass eine lange, sehr schmale Zunge erhalten bleibt. Diese
kann durch ihre Federkraft in der Öffnung vibrieren, wenn man auf
das eine Stäbchenende klopft, während man das andere festhält. Auf
Fig. f unterscheidet man ein langes, dunkles Bambusstäbchen, das
rechts in eine schön geschnitzte Hirschhornspitze endet, an welcher
eine Quaste von bunten Zeugstreifen hängt. In der Mitte des Stäbchens
ist die aus der Öffnung getretene Zunge zu sehen, die links mit einem
viereckigen schwarzen Stück Guttapercha beschwert ist; ein gleiches
Stück wird oft auch auf die andere Seite der Zunge geklebt, um diese
zu beschweren und die Anzahl der Schwingungen zu regeln. Ich fand
solche Guttaperchastückchen auf allen _tong_.

Die Art, wie das Instrument gehandhabt wird, ist an der Frau links
auf den Tafeln 20 und 21 zu sehen. Sie hält mit der rechten Hand das
verzierte Ende des Bambusstäbchens fest, das zwischen ihre offenen
Lippen geklemmt ist Und klopft mit der Linken auf das andere Ende,
also auf die Seite, wo die Zunge noch an dem Bambus festsitzt. Die auf
diesem Instrument hervorgebrachten Laute sind durchaus nicht melodisch,
trotzdem haben junge Männer und Mädchen die summenden Tonvariationen
in der Mundhöhle gern. Bei dem _hudo adjat_ der Frauen wird zur Angabe
des Rhythmus häufig die _tong_ anstatt der Guitarre verwendet.

Ausser auf Instrumenten äussern die Bahau ihre musikalischen
Empfindungen auch durch Singen und Pfeifen. Ersteres hört man selten
in der von uns verstandenen Form, besonders bei den Priestern ist es
mehr ein Rezitieren, und andere Personen singen überhaupt wenig. Dass
auch unsere europäische Art zu singen diesen Stämmen nicht unbekannt
ist, beobachtete ich einst bei einer Fischpartie am Mendalam, wo eine
Frau, auf dem Rücken liegend, eine Improvisation vortrug, die mich
sehr angenehm und europäisch anmutete. Diese Frau genoss übrigens
auch den Ruf grosser musikalischer Begabung.

Den äusserst unmelodischen Gesang der Malaien habe ich jedoch nie
bei einem Bahaustamm gehört. Auf das Pfeifen verstehen sich die
Eingeborenen oft sehr gut, doch tun sie es nur wenig; es scheint,
dass abergläubische Furcht sie daran verhindert, denn man wollte
nicht einmal, dass wir Europäer nach Abendanbruch pfiffen, aus Angst,
die bösen Geister könnten dadurch angerufen werden und Unheil stiften.



KAPITEL VII.

    Häuserbau bei den Bahau- und Kenjastämmen--Unterscheidung
    dreier Baustile--Vorschriften bei der Wahl des Baumaterials
    und Baugrundes--Bau von _Kwing Irangs_ Haus--Hilfeleistung
    seitens der Dorfgenossen und fremden Stämme--Zeremonien
    bei der Aufrichtung der Pfähle Konstruktion des Gerüstes,
    des Fussbodens und Dachs--Innere Einteilung--Ausstattung
    der Galerie (_awa_) und des Wohngemachs (_amin_)--Äusserer
    Hausschmuck--Herstellung von Schindeln--Opferzeremonien bei
    der Dachdeckung -Verbotsbestimmungen für ein unvollendetes
    Haus--Feierlicher Einzug ins neue Haus--Entzündung des ersten
    Herdfeuers--Kopfjagdzeremonien--Opferung und Schlussfeier--Hausbau
    bei den Freien--Bau von Scheunen.


Die Bahau- und Kenjastämme bewohnen im allgemeinen langgestreckte auf
Pfählen ruhende Häuser, welche aus zahlreichen, aneinander gebautem
Familienwohnungen bestehen. In der Regel besitzt jeder Stamm ein
einziges Haus; wenn die Geländeverhältnisse es jedoch erfordern,
werden mehrere gebaut. Die Häuser werden, ausschliesslich zum Schutz
gegen Feinde, hoch über dem Erdboden errichtet. Nur wenn ein Stamm
ein, Überschwemmungen ausgesetztes Grundstück bewohnt, dient diese
Bauart auch zum Schutz gegen Wassergefahr, doch bauen die Dajak am
Kapuas, oberen Mahakam und oberen Bulungan auf solch einem Gelände
nur Hütten, nie grosse Dorfhäuser. Auch auf hohen Hügeln stehen
die Häuser in gleicher Höhe über der Erde. Da diese Stämme ihre
Wohnungen nicht mit Palisaden umgeben, bildet diese Bauart ihr einziges
Verteidigungsmittel; indem sie nämlich die Treppen, die von der Erde
ins Haus führen, heraufziehen, erschweren sie dem Feinde den Zugang;
ausserdem verteidigen sie sich vom Hause aus wie von einer Festung.

Bei den verschiedenen dajakischen Stämmen finden sich drei verschiedene
Baustile, für welche die Häuser der Kajan am Mahakam, der Long-Glat
und der 'Ma-Tuwan in Long Deho als Beispiele dienen mögen. Die
verbreitetste dieser Bauarten ist die der Kajan; man trifft sie bei
den Pnihing, 'Ma-Suling, Pagong, Kenja und einigen anderen kleinen
Stämmen an.

Ein Kajanhaus setzt sich aus einer Reihe von Einzelhäusern oder
-Wohnungen zusammen, die je einer Familie oder Sippe gehören (Siehe
Taf. 48, T. I). Jede Wohnung ist etwa 8 m breit, 12-14 m tief und 8
m hoch und ruht auf 1-5 m langen Pfählen. Das hohe Dach trägt einen
geraden, der Wohnungsbreite parallelen First und ragt vor und hinter
den Wohnungen ungefähr 1/2 m über den Fussboden hinaus. An der hinteren
Hausseite sind Dach und Fussboden durch eine völlig geschlossene,
etwa 3 m hohe Wand verbunden; an der Vorderseite befindet sich eine
gleich hohe, aber gitterförmig offene Wand. Die Wohnungen werden
durch etwa 3 m hohe Seitenwände geschieden. Zwischen dem vorderen
Teil des Hauses, der als Galerie (_awa_) dient und dem hinteren, den
die Familie als Wohn- und Schlafraum (_amin_) benützt, befindet sich
eine 3-4 m hohe Wand. Die Wohnungen sind derart aneinander gebaut,
dass ihre Dielen, Mittelwände und Dächer in ihren gegenseitigen
Verlängerungen liegen, wodurch eine lange Reihe von Familienhäusern
unter gemeinschaftlichem Dach zustande kommt, deren vordere Hälfte aus
einer durchlaufenden Galerie und deren hintere Hälfte aus gesonderten
Wohngemächern besteht. Galerie und Wohngemach sind durch eine Tür in
der Mittelwand miteinander verbunden.

Wenn möglich, bauen Bahau und Kenja ihre Häuser aus Holz, ist dies
nicht in genügender Menge vorhanden, so werden auch Bambus und
Palmblätter verwendet. Die Gesamtlänge eines Dorfhauses ist sehr
verschieden und hängt hauptsächlich von der Anzahl Familien ab,
die es bewohnen. Das Haus in Tandjong Karang war etwa 150 m lang,
das in Tandjong Kuda dagegen 250 m (T. I Taf. 2) Die Kajan am Blu-u
bauten wegen der kleinen Oberfläche des Hügelrückens, auf dem sie
sich niederliessen, vor und neben einander und in verschiedener Höhe
4 getrennte, 100 bis 150 m lange Häuser (T. I Taf. 48). Die Wohnungen
der Häuptlinge, Freien und Sklaven sind ungefähr auf die gleiche Weise
eingerichtet. Äusserlich ist nur die des Häuptlings von den übrigen zu
unterscheiden, sie ist in der Regel breiter und .tiefer als die der
anderen Familien, und da ihr Dach die gleiche Neigung hat, liegt es
etwas höher als die anderen Dächer und unterbricht die lange gerade
Linie des Firstes, der sich über die ganze Häuserreihe erstreckt
(T. I Taf. 2 u. 48). Das Häuptlingshaus zeichnet sich ferner durch
die grössere Tiefe seiner Galerie aus, die daher vorspringt. Sie
wird als Versammlungsraum und Gastgemach benützt. Da, wo mehrere
Häuptlinge in einem Stamme wohnen, wie bei den Pnihing und Ma-Suling,
überragen alle Dächer der Häuptlingswohnungen das gemeinschaftliche
Dach und zwar im Verhältnis zum Rang der betreffenden Häuptlinge
(T. I. Taf. 46). Je 10-15 Wohnungen besitzen eine gemeinsame Treppe,
die aus einem mit Einkerbungen versehenen Baumstamm besteht. Diese Art
Häuser besitzt ursprünglich keine offene Plattform an der Vorderseite,
wie die Häuser der Ot-Danum, Batang-Lupar, Kantu etc. Nur bauen sich
einzelne Familien für den Privatgebrauch hinter der eigenen Wohnung
eine kleine Plattform aus Bambus (Taf. 14 u. rechts Taf. 85).

Der Stamm der Long-Glat hat eine andere Bauart (Taf. 22). Auf gleicher
Höhe mit den Wohnungen befindet sich keine gemeinsame Galerie, sondern
jedes Familiengemach nimmt die ganze Tiefe des Raums unter dein Dache
ein. Man gelangt in die Wohnungen von unten durch Öffnungen in der
Diele. Die einzelnen Räume, die etwas grösser sind als diejenigen der
Kajan, werden durch Türen in den Seitenwänden miteinander verbunden.

Ungefähr dem gleichen Zweck wie die Galerie in einem Kajanhause dient
hier ein zweiter Fussboden, der etwas oberhalb des Erdbodens zwischen
den Pfählen des Hauses gebaut wird. Diese Diele dient erstens als
Weg durch die Niederlassung, zweitens zur Verrichtung- aller Arbeit,
für die das Wohngemach zu klein ist, z.B. zum Reisstampfen, zum
Flechten grosser, grober Matten, zum Präparieren von Rotang u.s.w.,
ausserdem befinden sich hier die Verschläge für die Schweine.

Die heitere Geselligkeit, die in der Galerie der Kajan durch das
Zusammenleben der Familien herrscht, findet man jedoch nicht bei
den Long-Glat. Für Versammlungen besitzen die Männer nur die awa
der Häuptlinge. Diese wohnen nicht, wie die Häuptlinge der Kajan und
anderer Stämme, in gleicher Reihe mit ihren Dorfgenossen, sondern stets
in besonderen Häusern, meist in der Mitte der Niederlassung. Diese
Häuser unterscheiden sich von denen der übrigen Bewohner nur durch eine
an der Vorderseite angebaute Galerie oder Veranda, die dadurch zustande
kommt, dass man die vordere Hauswand nach unten, die unter dem Hause
befindliche Diele nach vorne fortsetzt und die eine Hälfte des Daches
nach vorn, bis auf eine Höhe von 1 m über der Diele verlängert. Das
Dach wird an allen Seiten durch Wände gestützt. Der so entstandene
geschlossene Raum wird wie die offene Galerie der Kajan _awa_ genannt
und dient ebenfalls als Gastund Versammlungsraum. Der Eingang zur _awa_
befindet sich unterhalb der _amin_. Von dieser aus kann man zwar in
die _awa_ hinuntersehen aber nicht umgekehrt, auch sind beide Räume
nicht durch eine Treppe verbunden.

Derartige Häuser im Long-Glat-Stil sieht man auch vielfach unterhalb
der Wasserfälle am mittleren Mahakam, u.a. in Long Howong. Hier sind
die verschiedenen Häuserreihen so in Quadratform aneinander gebaut,
dass man unterhalb der Wohnungen, auf dem zweiten Fussboden, die ganze
Niederlassung passieren kann, ohne dass man, wie an anderen Orten,
Bretterstege von der einen Reihe zur anderen benützen muss.

Von der dritten dajakischen Bauart kann man sich am besten nach dem
auf Tafel 23 (oben) abgebildeten Hause der 'Ma-Tuwan in Long Deho
eine Vorstellung machen. Diese Häuser gleichen in vieler Hinsicht
denen der Long-Glat-Häuptlinge, nur besitzt hier jede Familie eine
derartige Wohnung, und da die Seitenwände der _awa_ hier fehlen,
bildet diese eine Galerie, die an der Vorderseite des Hauses längs
der ganzen Reihe Wohnungen durchläuft und mit diesen, zum Unterschied
von der _awa_ der Long-Glat, durch Treppen in Verbindung steht. In
dieser _awa_ spielt sich das Tagesleben der Bewohner ab, ganz wie
in den Galerien der Kajan. Diese Stämme benützen auch Plattformen,
die sie aus Bambus in einem geringen Abstand vom Hause bauen. Auf
ihnen werden Reis und andere Viktualien, ausserhalb des Bereiches
von Schweinen und Hunden, getrocknet.

Die verschiedenen Stämme halten sich, wie an ihre besonderen Sitten, so
auch an ihren eigenen Baustil. Daher findet man in Niederlassungen, die
von mehreren Stämmen bewohnt werden, die erwähnten drei Bauarten neben
einander, so z.B. in Lulu Njiwong. Die beiden ersten Bauarten sieht
man in Batu Sala und in Long Tepai. In Long Deho stehen nebeneinander
Häuser der zweiten und dritten Form, während in geringem Abstand von
diesen die Uma-Wak in einem Hause nach dem ersten Stil wohnen.

Vergleicht man diese Arten von Häusern mit denen vieler Stämme
am Barito, die mit festen Palisaden und Standplätzen für Krieger
versehen sind, so erscheint es zweifellos, dass sie mehr dem friedsamen
Leben von Ackerbauern als dem kampflustiger Kriegerstämme angepasst
sind. In Apu Kajan, wo die Bewohner mutiger sind und ausserhalb
der Dörfer zu kämpfen pflegen, standen die Häuser von drei Stämmen,
die ich besuchte, nur 1 m über der Erde und waren daher als Festung
nicht zu gebrauchen. Wahrscheinlich haben die Bahau erst, nachdem
sie aus ihrem Stammland zum Mahakam gezogen waren, hohe Häuser zu
bauen angefangen. Dass sie auch beim Häuserbau fremde Gewohnheiten
annehmen, beobachtete ich beim Pnihing-Häupthng _Belarè_, der nach
Art der englischen Niederlassungen in Serawak eine "_kubu_", ein
kleines Gebäude aus Eisenholz, das als Festung benützt werden konnte,
vor sein grosses Haus gebaut hatte (Taf. 46 T. I); auch hatte er,
wie die Baritostämme, Palisaden zu errichten angefangen, diese jedoch
nicht beendet. In Udju Halang waren die Palisaden wenigstens an der
Vorderseite vollständig ausgeführt und mit Bastionen versehen worden.

Dass auch die Sitte, gemeinsam in langen Häusern zu wohnen, mehr
durch die Verhältnisse als durch den Volkscharakter bedingt wird,
geht daraus hervor, dass die Bahau, wenn die Umstände es erfordern
oder erlauben, auch getrennt wohnen. Die Familien der Bahau und
Kenja besitzen nämlich nicht nur ein gemeinsames langes Haus in der
eigentlichen Niederlassung, sondern auch noch mehr oder weniger grosse
Einzelhäuser auf ihren Reisfeldern. Liegen diese nicht in der Nähe
des Dorfes, so wohnen die Familien wenigstens in der drückendsten
Arbeitszeit in diesen _lepo luma_ (= Reisfeldhaus); befinden sich die
Felder jedoch in weiter Entfernung, so bleiben die Besitzer während
der ganzen Reisbauperiode in dem Ladanghäuschen wohnen. Die Ma-Suling,
die nicht am Hauptstrom, sondern am Merasè leben, hatten in späterer
Zeit so wenig von Feinden zu leiden gehabt, dass ihre Familien nicht
nur während des Reisbaus, sondern auch während des übrigen Teils
des Jahres auf dem Felde wohnen blieben, sich in der eigentlichen
Niederlassung kaum noch zeigten und ihre Wohnungen dort verfallen
liessen. Ich hörte die Häuptlinge öfters darüber klagen, dass der
Verband zwischen den Dorfbewohnern, somit die Kraft des Stammes,
dadurch schwer geschädigt würde.

Als ich im Jahre 1896 die Kajan am Mahakam zum ersten Mal besuchte,
herrschten hier die gleichen Zustände wie bei den Ma-Suling, aber
aus umgekehrten Gründen. Die Batang-Lupar hatten 1885 das gemeinsame
Haus der Kajan verbrannt, worauf diese, in ständiger Angst vor einem
neuen Einfall ihrer Feinde, sich an den Oberlauf des Blu-u zurückzogen
und in kleine Häuser auf den Reisfeldern verteilten. So boten sie dem
Feinde keinen Angriffspunkt und waren imstande, einander rechtzeitig
vor einer drohenden Gefahr zu warnen. In einer stockdunklen Nacht mit
Sturm und heftigen Regengüssen erlebte ich einst selbst eine derartige
Alarmierung. Aus weiter Ferne drangen Gongschläge zu uns, die in
grösserer Nähe und verschiedener Richtung wiederholt wurden. Sogleich
war alles in _Kwing Irangs_ Hause, neben dem meine Hütte stand, in
heller Aufregung. Die jungen Männer legten ihr Kriegskostüm an und uns
wurde ge meldet, eine Bande _ajo_, Kopfjäger, sei im Anzuge, worauf wir
unser Licht auslöschten und unsere Gewehre zur Hand nahmen. Als der
Sturm sich etwas gelegt hatte, und man die Töne besser unter schied,
stellte es sich heraus, dass es kein _ajo_-Signal bedeutete, sondern
dass man die Gonge zur Vertreibung der Sturmgeister geschlagen hatte.

Nachdem von den Batang-Lupar keine Gefahr mehr drohte, wandte _Kwing
Irang_ alle Mühe an, um wenigstens einen Teil der Bevölkerung dazu
zu bewegen, ein gemeinsames Haus am Mahakam zu beziehen, und noch
im Jahre 1900 wurden einige Familien ersucht, sich mit den übrigen
zu vereinigen. Die Furcht, der Stammesverband könnte sich lösen,
bildete für _Kwing Irang_ und die Seinen den Hauptbeweggrund, um den
Bau des langen Hauses zu beschleunigen. Die Gleichgültigkeit der
Kajan in Bezug auf das Zusammenwohnen erschien mir unbegreiflich,
wenn ich an die wichtige Rolle dachte, welche der Häuptling und sein
Haus im Stammesleben spielen.

Die Gründe, welche einen Stamm dazu bewegen, einen bestimmten Platz
zum Bau seines Hauses zu wählen, sind sehr verschieden; auch die
Dauer seines Aufenthaltes in einem Hause hängt von äusseren Umständen
ab. Bei der Wahl eines geeigneten Bauplatzes ist man natürlich an die
Grösse und Beschaffenheit des Geländes gebunden. Für eine grössere
Niederlassung ist am oberen Mahakam ein geeigneter Boden sehr schwer
zu finden, weil das Gebirgsland keine ebenen Flächen besitzt. Ferner
müssen in der Nähe Ackergründe, die Jahre lang brach gelegen haben
und wieder mit Wald bestanden sind, vorhanden sein. Auch müssen die
Vorzeichen entscheiden, ob ein Gelände günstig ist, und beim Beginn
des Baus darf kein schlechtes Omen vorkommen, weswegen es bisweilen
sehr lange dauert, bevor man sich durch alle Schwierigkeiten hindurch
gerungen hat.

In Anbetracht, dass der Bau einer Niederlassung sehr zeitraubend
ist, kann er nur dann begonnen werden, wenn eine reiche Ernte einen
zeitweiligen Überfluss bewirkt hat. Kommen Missernten, Krankheiten
und andere Hindernisse vor, so kann es Jahre dauern, bevor die
Häuser völlig hergestellt sind. Trotz aller mit dem Bau verknüpften
Schwierigkeiten werden sie oft nur sehr kurze Zeit bewohnt.

Die Erschöpfung der umliegenden Ackergründe zwingt einen Stamm
zwar erst nach Jahren zum Umzug, doch findet dieser oft schon lange
vorher aus ernsteren Ursachen statt. Treten nämlich Krankheiten auf,
die aussergewöhnlich lange dauern und eine grosse Sterblichkeit
verursachen, so entschliessen sich die Bewohner leicht zum Verlassen
des Hauses, um den Geistern der Umgebung, welche die Krankheiten
erzeugten, zu entgehen. In ernsten Fällen sucht sich ein Stamm
bereits nach 3 Jahren einen neuen Wohnplatz. Ich selbst erlebte,
dass die Pnihing am Long Pakatè ihr grosses, starkes Haus 1897-1898
beendeten und bereits im folgenden Jahre provisorische Hütten weiter
unten am Tjehan bezogen, um dort Material für den Bau eines neuen
Hauses an der Mündung dieses Flusses zu suchen. Häufige Krankheits-
und Todesfälle hatten hierzu die Veranlassung gegeben. Zu gleicher
Zeit vollendeten die Pnihing von Long 'Kub ihr Haus, das sie ganz aus
neuem Material aufgebaut hatten, zogen aber bereits 1901 nach einem
Ort oberhalb der Kasomündung.

Die Wahl und Bearbeitung der erforderlichen Pfähle, Planken und
Dachbedeckung gehört zum beschwerlichsten Teil des Hausbaus; man
benutzt zwar so viel als möglich altes Material, aber dies ist
meistens nach mehrjährigem Gebrauch nicht mehr verwendbar. Dieser
ständige Wohnungswechsel beeinträchtigt die Arbeit der Dorfbewohner
in hohem Grade, 60-jährige Leute haben in ihrem Leben 10 bis 12
Häuser erbauen helfen. Wo die Verhältnisse es erlauben, bauen Bahau
und Kenja ihre Häuser vollständig aus Holz, das ineinander gefügt und
mit Rotang gebunden wird. Daher findet man auch am oberen Mahakam, wo
der Wald gross und die Bevölkerung relativ gering ist, ausschliesslich
Holzhäuser; nur Plattformen und provisorische Gebäude werden bisweilen
aus Bambus hergestellt. Anders verhält es sich in Gebieten, wie die am
oberen Kajan, in denen seit Jahren eine dichte Bevölkerung lebt; dort
werden wegen Holzmangels für die Dachbedeckung und die Wände grosse
Baumblätter benützt, die auf bestimmte Weise aneinander gereiht und
in Form von Matten zusammengefügt werden. Palmblätter sah ich als
Dachbedeckung nur für zeitweilige Hütten auf Reisen gebrauchen.

Wird ein Haus nicht von Feinden niedergebrannt, so benützt der Stamm,
wie gesagt, die Eisenholzpfähle und Planken des alten Gebäudes für das
neue, da diese ein Menschenalter überdauern können. Für das Gerüst
verwenden sowohl Bahau als Kenja nie Bambus sondern stets Holz als
Material.

Obgleich in der Konstruktion und in der Verteilung der Räume eines
langen Hauses Unterschiede bestehen, ist die Einrichtung einer
Familienwohnung doch überall ungefähr gleich. Da ich Gelegenheit
hatte, die Kajan am Mahakam beim Bau ihrer Niederlassung zu beobachten,
lasse ich hier eine Beschreibung desselben und der mit ihm verbundenen
Gebräuche folgen. Besonders die mit dem Bau der Häuptlingswohnung
zusammenhängenden Zeremonien werden dem Leser eine lebhafte
Vor. Stellung von den zahlreichen Beschränkungen geben, durch welche
die _adat_ das ökonomische Leben der Bewohner Borneos beeinträchtigt.

Bevor die Kajan an den Hausbau gingen, suchten sie sich auf dem
Grundstück, das für die neue Niederlassung gewählt worden war,
einen Platz für ihre Privatwohnung aus. Jede Familie ist nämlich für
den Bau ihres eigenen Hauses verantwortlich. Sie wählt sich stets
Verwandte oder Freunde als Hausnachbarn aus, so dass z.B. in den
verschiedenen langen Häusern des Dorfes ebensoviele durch Familien-
oder Freundschaftsbande verbundene Gruppen wohnten.

Bei der Wahl des Platzes muss jedoch darauf geachtet werden,
sass das Häuptlingshaus in der Mitte zu stehen kommt und zu beiden
Seiten genügender Raum für die Wohnungen der Sklaven übrig bleibt,
die rechts und links vom Häuptling bauen müssen. Die Form ihrer
Wohnungen unterscheidet sich jedoch nicht von der der Freien.

Da das alte Kajanhaus verbrannt war, musste alles Material neu
beschafft werden, und ich hatte bereits im Jahre 1896 Eisenholzpfähle
im Blu-u liegen sehen, die später verwendet werden sollten.

Für die Pfähle und die Dachbedeckung der Häuptlingswohnung wird
so viel als möglich Eisenholz benützt. Die langen, geraden Stämme
der Tengkawangbäume dienen hauptsächlich als Dachsparren und
Dielenbalken. Den Freien und Sklaven ist ausdrücklich verboten,
Verzierungen aus Eisenholz und Dielenbalken aus _Tenkawang_, oder,
wie die Kajan sagen, _Kawang_-Holz herzustellen; dagegen ist ihnen
gestattet, _Tengkawang_-Holz zu Schindeln zu verwenden.

Beim Sammeln des Materials müssen allerhand Vorschriften befolgt
werden. Zur Zeit des Vollmonds darf nie etwas Wichtiges unternommen,
also auch kein Haus gebaut werden, da es sonst verbrennen würde. Das
Suchen von passenden Bäumen und deren Bearbeitung zu Pfählen, Brettern
oder Schindeln erfordert eine genaue Beachtung der Zeichen des _tsit,
telandjang, kidjang_, u.s.w. Ausserdem muss, je nach dem Zweck, den
man mit dem Holz im Auge hat, besonderen Vorschriften nachgekommen
werden. So dürfen z.B. aus einem Baum, auf dem viele Epiphyten, wie
Orchideen, wachsen oder auf dem viele Ameisen umherlaufen, keine
Schindeln verfertigt werden, wenn man nicht Epiphyten und Ameisen
auch auf dem neuen Dache sehen will. Auch wenn ein kleiner Baum
gegen einen grossen wächst oder wenn ein Baum rechtwinklig gegen
den Ast eines benachbarten Baumes anstösst, ist er für Schindeln
ungeeignet. Dielenbretter, die während des Transports, der fast immer
zu Wasser geschieht, nass wurden, dürfen nicht mehr benützt werden.

In Bezug auf die Herstellung von Pfählen sind die Bestimmungen
weniger zahlreich. Beim Fällen muss ein Baum vollständig seitwärts
niederfallen; er darf dagegen nicht vom Stumpf abgleiten und dann
stehen bleiben, wie es im dichten Walde leicht vorkommen kann. Ein
solcher Baum darf weder für Häuser noch Böte noch andere Zwecke
verwendet werden.

Jeder Bahau und Kenja hat das Recht, in den Wäldern innerhalb des
Gebietes seines Stammes nach Belieben Bäume zu fällen; nur die
grossen Tengkawangbäume, die in fruchtreichen Jahren einen ganzen
Stamm mit Fett versorgen, werden meist geschont. Hat jemand einen Baum
gefunden, der ihm zum Bau seines Hauses oder Boots geeignet scheint,
so bezeichnet er denselben als sein Eigentum, indem er eine zwei
Faden lange Stange in die Erde steckt und an den Stamm lehnt.

Sobald das Material zum Hausbau in genügender Menge zusammengebracht
worden ist, wird eine Versammlung berufen, welche eine passende Zeit
zum Beginn der Arbeit zu wählen hat. In der Regel fängt man mit dieser
nach der Reissaat an, und wenn gute Erntejahre vorangegangen sind, da
die Feldarbeit dann viel Zeit übrig lässt und Nahrungsmittel reichlich
vorrätig sind. Ein Hausbau ist eine Angelegenheit des ganzen Stammes,
indem jede Familie eicht nur für ihre eigene Wohnung zu sorgen hat,
sondern sich auch am Bau des Häuptlingshauses beteiligen muss.

Sobald ein Grundstück gewählt worden ist, zieht der Häuptling mit den
Oberhäuptern der Familien aus, um den Wald an der betreffenden Stelle
zu fällen. Diese Arbeit bedeutet jedoch noch nicht den definitiven
Anfang des Baus. Durch ungünstige Umstände gezwungen liessen die Kajan
z.B. den Wald auf dem als Bauplatz gewählten Bergrücken an der Blu-u
Mündung drei Mal wieder heranwachsen, nachdem sie ihn ebensoviele
Mal gefällt hatten. Erst dann wagten sie es, sich dort endgültig ans
Werk zu machen. Vor dem Beginn des Baus ziehen die meisten Familien,
die dem Häuptling helfen und auch ihr eigenes Haus schnell errichten
wollen, nach dem Bauplatz und stellen dort ein provisorisches Haus
her, nach Art der _lepo luma_, aus altem Material (Siehe die kleinen
Häuser auf Taf. 48 T. I).

Handelt es sich um den Bau einer neuen Niederlassung, so muss der
Häuptling vor dem Anfang des eigentlichen Baus _ajo_, d.h. die Geister
in günstige Stimmung versetzen, indem er mit einem Menschenschädel
eine bestimmte Zeremonie ausführt. Gegenwärtig wird dabei ein alter,
von einem benachbarten Stamme geliehener Schädel benützt, wie es auch
jetzt noch beim Ablegen der Trauer (_bet lali lumu_) gebräuchlich
ist. Diese Sitte deutet wahrscheinlich darauf hin, dass der Hausbau
früher mit der Opferung eines Menschen eingeleitet wurde. Der Häuptling
verrichtet diese Zeremonie für den ganzen Stamm.

Sowohl bei den Kajan als bei den anderen Stämmen ist es sehr
gebräuchlich, dass die Dorfgenossen einander beim Hausbau Beistand
leisten. Die gegenseitige Unterstützung wird mit _pala-dow_ bezeichnet;
den gleichen Namen tragen auch die Gehilfen. Die Familien beteiligen
sich nicht nur am Bau des Häuptlingshauses, sondern sie versichern
sich, auch wenn es den Bau des eigenen Hauses gilt, der Mitwirkung
einer so grossen Anzahl von Männern, dass am gleichen Tage die alte
Wohnung niedergerissen und die neue unter Dach gebracht wird. Wer
an eine derartige Arbeitsweise nicht gewöhnt ist, staunt über die
Leistungen, die auf diese Weise in einem Tage ausgeführt werden. Die
weitere Bearbeitung findet später mit Hilfe einer kleineren Leutezahl
statt. Besteht eine Familie aus nur wenigen Gliedern und nimmt deren
täglicher Unterhalt fast alle Zeit in Anspruch, so dauert es Monate,
bisweilen auch Jahre, bevor ihr Haus ganz fertig dasteht.

Obwohl beim Bau eines so grossen Hauses wie das von _Kwing Irang_
von einer schnellen Vollendung keine Rede sein konnte, wurde die
Arbeit doch nach dem gleichen Prinzip vorgenommen. An bestimmten
Tagen kam eine grosse Anzahl Männer zusammen, um eine bestimmte
Arbeit auszuführen; nötigenfalls stellten sie sich auch noch am
folgenden Tage ein, aber dann verging wieder eine lange Zeit, bevor
sie fortfuhren. Sie mussten dazwischen neues Material sammeln oder
sie hatten andere Dinge zu tun. Auch seine Sklaven liess der Häuptling
nicht ständig arbeiten, obgleich sie immerhin durch Sie Herstellung von
Brettern und Verzierungen mehr zu tun hatten als die übrigen Familien,
die nur einen bestimmten Anteil zu liefern hatten.

Der Familie, die bauen lässt, fällt die Beköstigung ihrer _pala-dow_
zu. Da beim Bau eines gewöhnlichen Hauses etwa 40 Mann mithelfen,
bedeutet deren Ernährung eine grosse Last für die betreffenden. Dazu
verursacht später die sorgfältige Bearbeitung des Hauses neue
Kosten. Wenn sich der ganze Stamm am Bau des Häuptlingshauses
beteiligt, müssen zur Beköstigung der Hilfskräfte mehrere Scheunen
mit Reis geopfert werden. Die weiblichen Familienglieder und einige
Sklavinnen sind bereits mehrere Tage vor Begin des Hausbaus mit
dem Stampfen des Reises und die Männer mit dem Fang von Fischen
als Zuspeise beschäftigt. Bisweilen wird auch zu diesem Zwecke
eine _tuba_-Fischerei in einem Bache veranstaltet. Die reichen, aus
zahlreichen Gliedern bestehenden Familien unterstützen den Häuptling
bei derartigen Gelegenheiten mit Reis und anderen Artikeln.

Wird für einen vornehmen Häuptling, wie _Kwing Irang_, ein Haus
gebaut, so kann dieser auch auf die Mitwirkung der benachbarten Stämme
rechnen. Da alle Häuptlinge der Bahau am oberen Mahakam verwandt sind,
hätte man ihre Unterstützung als eine Ehrenbezeigung ansehen können,
die sie dem ältesten Familienglied, _Kwing Irang_, bewiesen. Es
scheint jedoch, dass es sich hier eher um einen pflichtgemässen
Beistand handelt; denn die Niederlassung Lulu Njiwung, deren
junger unbedeutender Häuptling _Ding Ngow_ an Vornehmheit der Geburt
_Kwing Irang_ übertraf, weil er in gerader Linie von einem männlichen
Häuptling der alten Long-Glat abstammte, _Kwing_ dagegen in weiblicher
Linie, durch seine Mutter, steuerte keinen Pfahl zum Hause bei,
wie die Pnihing, Ma-Suling und Long-Glat von Long-Tepai es taten.

Zuerst mussten alle Pfähle, auf welchen _Kwing Irangs_ Haus ruhen
sollte, vom Fluss aus den 30 m hohen Hügelrücken hinaufgeschafft
werden (Siehe Taf. 48 T. I). Hierzu wurde ein 5-7 cm dicker Rotang
durch das Loch gezogen, das bereits im Walde in das obere Ende der
schweren Balken gebohrt worden war. An diesem Kabel zogen 20-30 Mann
einen Pfahl den Hügel hinauf, während andere ihn an der Spitze durch,
untergeschobenen Rotang hoben oder ihn über Rollen gleiten liessen.

Zu dieser Arbeit wurden die jungen Leute hauptsächlich abends,
wenn sie von der Feldarbeit heimkehrten, zusammengerufen. Ausser
den grossen Pfählen hätte man auch kleinere; die für Gerüste und
Hilfstreppen verwendet werden sollten, aus dem Walde herbeigeschafft;
überdies auch grosse Mengen verschiedener Rotangarten: dünne, zähe
Sorten zum Aneinanderbinden der verschiedenen Holzteile, schwere,
bis 7 cm dicke Arten als Kabel zur Aufrichtung der Pfähle.

Nachdem die Kajan einige Tage lang Klebreis gestampft; in
_samit_-Blätter gewickelt und gekocht, Fische gefangen und in grossen
Pfannen mit Wasser zubereitet hatten, kamen sie eines Abends zusammen,
um mit. Hilfe von Rotangstücken den Platz zu messen, auf dem das Haus
stehen sollte, und die Stellen anzugeben, wo die Pfähle eingerammt
werden sollten (Siehe T. I Pag. 387).

Der erste Tag, an dem die Gruben gegraben und der erste Pfahl
aufgerichtet wurde, bedeutete einen Festtag für den ganzen Stamm. Die
grössten und schwersten Pfähle wurden mit Hilfe sämtlicher Männer, auch
der Frauen und Kinder, hinaufgezogen: besondere Anstrengung verursachte
die Aufrichtung der grossen, mit Schnitzwerk verzierten Pfähle.

Der schwerste Pfahl war 10 m lang; hatte einen Umfang von 1.80 m
und bestand aus Eisenholz, dessen sp. Gewicht 1,3 beträgt. Im Ganzen
wurden 10 solcher Pfähle für das Haus verwendet.

Die Kajan waren übereingekommen, den Hauptpfahl nachts aufzurichten,
weil eventuelle schlechte Vorzeichen dann nicht gesehen werden
konnten. Wir hatten daher, mit Rücksicht auf die Zeremonien,
welche interessant zu werden versprachen, Vorbereitungen für eine
Blitzlichtaufnahme getroffen; aber nach Mitternacht begann es so
stark zu regnen, dass die schweren Gonge erst bei Tagesanbruch
die Leute zum gewichtiges Werk herbeiriefen. Bald waren 150 Männer
beisammen, die alle damit begannen, aus armdicken Stämmen von hartem
Holz lange Schaufeln zu schneiden, mit denen sie die Erde ausgruben;
oder sie spalteten einen langen, dicken Bambus an dem einen Ende,
bogen die Streifen wie einen Trichter auseinander, umflochten diese zur
Befestigung mit Rotang und schafften so die lockere Erde herauf, indem
sie das becherförmige Ende in den Boden stiessen und gefüllt wieder
nach oben zogen. Auf diese Weise wurden für sämtliche Pfähle Löcher
gegraben; für die längsten und schwersten Pfähle betrug die Tiefe
der Gruben 2 m, für die kürzeren und dünneren 1 m. In der Richtung,
in welcher der Hauptpfahl in die Grube gleiten sollte, wurde eine
Rinne gegraben und ihr gegenüber, an die senkrechte Wand der Grube,
ein Brett gestellt, so dass auch ein sehr schwerer Pfahl nicht in
die Erde dringen, sondern an der Gleitfläche abwärts sinken konnte.

Die Erde auf dem Bauplatz war gelbbraun und in einer Tiefe von 1/2 m
mit kleinen, verwitterten Steinen gemischt, die sich 1 1/2 m tiefer
als roter Jaspis erwiesen. Augenscheinlich bestand dieser lange
Hügelrücken aus alten Kiesablagerungen des Flusses.

Die grösste Feierlichkeit fand nicht beim Haupt-, sondern beim
Mittelpfahl statt, obgleich gerade dieser zu den kleineren Exemplaren
gehörte. Nachdem der Pfahl aufgerichtet worden war, führte man den
alten halb blinden Oberpriester _Bo Jok_ zu ihm. Der Greis wandte sich
den Geistern, welche diesen Ort bewohnten, hauptsächlich denen auf
dem dicht daneben stehenden Andesitkegel Batu Kasian zu und erzählte
ihnen, dass der Kajanstamm hier eine Niederlassung bauen wolle und
sie um ihren Segen bitte. Dabei opferte er den Geistern ein Küchlein
und ein Ei und steckte Eisen in Form einiger Nägel und zwei gelbe und
zwei blaue alte Perlen als Opfergabe in die Erde. Das Küchlein und
das Ei klemmte er in ein gespaltenes Stück Bambus und stellte dieses
neben den Pfahl, während er auf der anderen Seite, zur Abwehr böser
Geister, Blätter von _daun long_ (Aroïdeae sp.) an den Pfahl band
(Siehe Taf. 25 in der Mitte).

Darauf steckte er neben dem Pfahl mit Holzspiralen verzierte Haken im
Kreise in die Erde, um auch den Segen der Erdgeister dem künftigen
Gebäude zuzuführen. Auch den Luftgeistern opferte er, indem er nach
allen Richtungen Reis in die Luft warf; doch war seine Ansprache
wegen der heftigen Schläge auf die Gonge nicht zu verstehen. Die
nebenstehende Tafel giebt die Schlussszene dieser Feierlichkeit
wieder. In der Mitte steht der Hauptpfahl, an dem rechts der
lange Stock mit dem Ei, vorn die schutzbringenden Blätter zu sehen
sind. Die eine Hand auf den Pfahl gestützt steht der alte _Bo Jok_
da; seine Ohren schmücken zur Feier des Tages Tigerzähne. Rechts
vom Priester stehen die beiden vornehmsten Frauen des Stammes, _Bo
Hiang_, _Kwing Irangs_ älteste Frau, und deren Nichte _Lirong_ (auf
dem Eisenholzbrett). Um ihre Seele, die sich wie sie selbst vor den
vielen aufgerufenen Geistern fürchtet, am Entfliehen zu verhindern,
hat _Bo Hiang_ sich ein Stück weissen Kattuns aufs Haupt gelegt,
während _Lirong_ auf das ihre mit beiden Händen ein hübsches buntes
Tuch drückt. Dass auch _Bo Jok_ voller Angst war, merkte man daran,
dass er ein altes Schwert und ein weisses Zeugstück in der Hand hielt
und nach beendeter Feier aufs Haupt legte. Links hinter _Bo Jok_
sitzt auf einem grossen Pfahl aus Eisenholz ein Kajan und schlägt
auf einen Gong, den er auf den Knieen hält. Die übrigen Personen sind
Arbeiter und Knaben.

Nach beendeter Feier verteilten sich die Kajan in Gruppen,
die gesondert Pfähle in die Erde setzten und feststampften. Da
die Leitung hierbei nicht in den Händen einiger Hauptpersonen lag,
sondern jeder seine Meinung äussern zu dürfen oder zu müssen glaubte,
herrschte auf dem Platze grosse Konfusion und Geschrei. Hauptsächlich
war dies beim Transport der schwersten Pfähle der Fall, die zum Teil
noch ihren Gruben gegenüber in die richtige Lage gebracht werden
mussten. Dessenungeachtet schritt die Arbeit gut vorwärts. Die kleinen
Pfähle wurden mit den Händen aufgerichtet und in die Gruben gestellt,
für die grösseren benützte man, um sie beim Heben lenken zu können,
hölzerne Gabeln.

Gegen 9 Uhr morgens gingen die Kajan an die Aufrichtung der grossen,
mit Bildhauerarbeit verzierten Pfähle aus Eisenholz, welche die
Vorgalerie stützen sollten. Diese ungefähr 3500 kg schweren Säulen
konnten von den Leuten nicht ohne Hilfsmittel aufgerichtet werden,
weil sie mit ihrer Spitze so hoch gehoben werden mussten, dass ihr
unteres Ende in die Grube gleiten konnte. Zu diesem Zwecke gebrauchten
die Kajan dicke Rotangkabel, die am oberen Ende des Pfahls in einer
Höhe von 7 m befestigt und über einen vor der Grube errichteten
Galgen geleitet wurden; sie boten mehr als 50 Menschen Gelegenheit
zum Ziehen. Auf Tafel 26 sieht man in der Mitte des Vordergrundes den
verstärkten Galgen, der für solch einen Pfahl gebaut, hier aber noch
nicht benützt worden ist. Der Balken, über den die beiden Kabel laufen
sollen, liegt auf den Spitzen von zwei gleichseitigen Dreiecken,
die aus geraden, jungen, mit Rotang aneinander gebundenen Stämmen
bestehen. Diese Dreiecke werden zu beiden Seiten des Pfahls, der
gehoben werden soll, errichtet und sind mit einander durch andere
Quer- und Stützbalken verbunden und verstärkt. Oft werden diese
Dreiecke auch an den bereits aufgerichteten kleineren Eisenholzpfählen
befestigt. Das Bild stellt den Augenblick dar, wo eine grosse Anzahl
Menschen (rechts) den grössten, mit schöner Bildhauerarbeit verzierten
Pfahl (links im Hintergrunde) an Rotangkabeln in die Höhe zieht;
einige Männer stehen und ziehen auch auf dem Gerüst selbst. Die
grossen Pfähle tragen mächtige Kriegsmützen aus Rotang, welche mit
nachgemachten Federn des Nashornvogels geschmückt sind. Alt und jung,
Männer und Frauen ziehen an den Kabeln, wo nur ein Platz frei ist. Die
beiden seitlichen Dreiecke sind so fest in den Boden gesetzt, dass sie
nicht nur die vielen Männer tragen, sondern eventuell auch den Pfahl,
falls er seitwärts ausweichen sollte, zurückhalten können.

Anfangs fiel die Zugrichtung zu stark in die des liegenden Pfahls,
daher wurden an dessen oberem Ende ständig mehr Balken untergeschoben,
bis der Pfahl durch eine stärkere Neigung in eine günstigere Lage
gebracht wurde. Als der Pfahl beim Ziehen in die Rinne glitt,
die von seinem unteren Ende in die Grube führte, fand er an der
gegenüberstehenden Planke einen Stützpunkt.

Da auch bei dieser Arbeit eine Leitung fehlte und viele der ältesten
und einflussreichsten Männer gleichzeitig ihre Meinung zum besten
gaben, wurde nicht stets gleichmässig und im erforderlichen Moment
gezogen. Jeder kleine Arbeitsfortschritt wurde anfangs durch
Unterschieben von Holz gesichert, dann ging es immer schneller
vorwärts; der Pfahl erhob sich höher und höher unter den ängstlichen
Zurufen der zahlreichen, zuschauenden Mene, die einen Fall oder ein
Aasweicher. des Balkens fürchtete. Dieser wurde übrigens von vielen
Männern mit hölzernen Gabeln gestützt. Unter diesen Männern durfte
keiner sein, der eine Frau verloren und daher den Zorn der Geister
bereits empfunden hatte. Es dauerte eine Stunde, bevor der Pfahl,
zur grossen Erleichterung der Zuschauer, mit einem Ruck in die Grube
schoss. Fällt nämlich ein Pfahl, so darf er zum Bau überhaupt nicht
mehr verwendet werden. Dieser Pfahl war aber besonders gross und
schwer, hatte daher viel Mühe verursacht, bis er an Ort und Stelle
geschafft war, ausserdem hatten die beiden talentvollsten jungen
Holzschnitzer, _Sawang Jok_ und _Imun_, viel Zeit darauf verwendet,
um das obere Balkenende mit einem schönen Relief zu verzieren. Aus
einer Erhöhung am Stamm, von der ein dicker Ast ausgegangen war,
hatten sie ein 1 dm hohes Relief eines Tierkörpers modelliert. Die
übrigen Figuren waren 1-2 cm tief in den Stamm geschnitten (Taf. 27).

Der Priester _Bo Jok_ hatte vor der Aufrichtung des Pfahls über
der Grube den Erdgeistern ein Ferkel geopfert. Wie am mittleren
Pfahl wurde auch hier eine Ansprache an die Geister gehalten, aber
ausserdem verherrlichte man auch noch das Opfer und pries das kleine
Ferkel als kostbares Schwein an. Darauf schnitt man dem Tier die
Kehle durch und liess das Blut in die Grube fliessen; nur ein kleiner
Teil wurde auf einem Bananenblatt aufgefangen, um damit alle übrigen
Pfähle zu bestreichen. Als der Pfahl fest in der Grube stand, steckte
man neben ihm einen Stock in die Erde, in dessen oberes, gespaltenes
Ende das Ferkel eingeklemmt wurde. Hier blieb das Tier bis es verweste
(Taf. 28).

Nach dieser gewichtigen Handlung trat für alle festliche Ruhe ein
und man erfreute sich an einer vorher zubereiteten Mahlzeit von
Klebreis und Fisch. Bei derartigen Festmahlzeiten ist gewöhnlich
Wildschweinfleisch sehr beliebt, doch ist dieses während der Dauer
des Hausbaus _lali_; auch Blätter von bestimmten Waldpflanzen als
Gemüse zu gebrauchen, ist dann verboten.

Die Männer liessen sich gruppenweise in langen, parallelen Reihen
nieder und hockten mit gekreuzten Beinen einander gegenüber. Jeder
erhielt entweder eine grosse Menge in ein Bananenblatt gewickelten
Reises oder einige dreieckige Päckchen _pulut_. In kleinen Schüsseln
und Schalen wurde jedem auch ein in Wasser gekochtes Stück Fisch
angeboten.

Nach der Mahlzeit begab man sich wieder an die Arbeit und richtete im
Laufe des Tages noch eine ganze Reihe der schwersten Pfähle auf. Von
diesen wurden je 4 (a_1_ bis a_4_ Taf. 29) in die Tiefe und je 5
(b_1_ bis b_5_ Taf. 30) in die Breite des Dauses gestellt, also 20
im Ganzen; von den kleinen Eisenholzpfählen c, die hauptsächlich die
Dielenbalken zu stützen hatten, wurden je 9 in die Breite und je 9
in die Tiefe gestellt, also 81 im Ganzen; somit ruhte das Haus auf
101 Pfählen. Erwies sich ein Pfahl später als zu schwach, so wurde
ihm noch ein anderer zur Stütze an die Seite gestellt.

Die Pfähle der Reihen a_2_ und a_4_ wurden besonders stark mitein
ander verbunden, indem man in deren obere Enden hohe, schmale
Öffnungen hackte und durch diese lange, schmale Balken (_djapi_
d Taf. 29) aus Eisenholz schob. Auch die Pfähle der mittleren Reihe
wurden untereinander durch Balken e verbunden, aber diese wurden nur
mit Rotang befestigt oder in Aushöhlungen der oberen Enden gelegt,
da diese Pfähle nicht so dick waren. Diese 3 Reihen von Balken (d und
e), die auf den Enden oder in Aushöhlungen der Hauptpfähle liegen,
dienen 17 Paar _walang bahi-u_ f als Stütze. Dieses sind Balken,
die senkrecht zu den _djapi_ d und e liegen und die vorderste Reihe
Pfähle mit der mittleren und diese mit der hintersten verbinden. Sie
haben einen dreieckigen Querschnitt, ihre Basis ist nach oben gekehrt
und sie greifen mit einer groben, tiefen Einkerbung in die _djapi_
hinein (Taf. 30).

Die _walang bahi-u_ ragen mit ihren geschnitzten Enden weit über die
Reihe Pfähle a_2_ und a_4_ hinaus (Taf. 29). Auf der mittleren Reihe
Pfähle a_3_ liegen diese Balken zu je zwei mit ihren inneren Enden
aneinander, während ihre Aussenenden das Dach tragen. Mittelst der
_djapi_ und _walang bahi-u_ werden also die 3 Reihen grosser Pfähle
a_2_, a_3_, und _4_, wenn auch nicht unverrückbar, so doch zu einem
festen Gerüst miteinander verbunden.

Die Konstruktion des Dachs (_hapo_) von _Kwing Irangs_ Haus
tritt am deutlichsten auf Tafel 30 hervor. Etwas seitlich von der
mittelsten Pfahlreihe a_3_, parallel der Breite des Hauses, werden
auf die inneren Enden der 34 _walang bahi-u_ f schmale Bretter g
aus Eisenholz gelegt und mit Pflöcken aus dem gleichen Holz auf den
_walang bahi-u_, die aus dem viel weicheren Tengkawangholz bestehen,
befestigt. Senkrecht auf diesen Brettern, in vorher hergestellten
Öffnungen, stehen 18 kleinere Balken h, die an ihren oberen Enden
den First i (_mobong_) tragen. Dieser wird sowohl durch Pflöcke als
durch Rotang auf diesen Balken befestigt. Zur grösseren Verstärkung
werden noch lange, dünne Balken j angebunden. Auch auf die äusseren
Enden der _walang bahi-u_ f werden Eisenholzbalken k (Taf. 29)
gelegt, die man ebenfalls mit Pflöcken aus Eisenholz, die in vorher
gebohrte Löcher getrieben werden, befestigt. Die Dachsparren 1
(_kaso_) werden aus Tengkawangholz hergestellt. Ihre dünnen oberen
Enden werden mit dünnen Eisenholzpflöcken und Rotang mit dem First
verbunden und die Aussenenden an die Balken k befestigt. Ihre Zahl
beträgt an jeder Hausseite 38. Für die hintere Hälfte des Hauses,
die eigentliche Wohnung (_amin_) des Häuptlings, benützt man die
längsten Sparren, welche die _walang bahi-u_ weit überragen, für
die vordere Seite, über der _awa_, verwendet man dagegen kürzere,
die genau bei den _walang bahi-u_ enden, weil man hier die _kaso_
l später durch geschnitzte Balken v verlängert. Hierbei kommt das
schöne Baumaterial der borneoschen Wälder zu voller Geltung; die
Tengkawangstämme sind nämlich so gerade und gleichmässig dick, dass
man sie an den Verbindungsstellen nur etwas zu behauen braucht, um
sie gleichmässig den Sparren anfügen zu können. Im Innern des Hauses,
wo das Holz nicht nass wird, hält sich dasselbe sehr lange, aussen
verdirbt es dagegen sehr bald. Wegen der Weichheit des Tengkawangholzes
lassen sich Eisenholzpflöcke leicht in dieses hineintreiben.

Die _kaso_ 1 erhalten noch eine andere Stütze, denn sonst könnten
sie die schwere Dachbedeckung nicht tragen. Der Querschnitt von
_Kwing Irangs_ Haus Taf. 29 zeigt, dass die _kaso_ im mittleren Teil,
oberhalb der _walang bahi-u_, noch durch schräge, dünnere Balken m
(_djehe balang bo-ong_) gestützt werden. Diese finden mitten auf einem
dicken Brett, das ungefähr in der Mitte jeder Reihe _walang bahi-u_
befestigt ist, einen Stützpunkt und sind oben mit den Sparren durch
dünne Dachträger n verbunden. Diese Dachträger n, _balang bo-ong_
genannt, sind an die schrägen Stützen m mit Rotang festgebunden,
auch werden sie zu beiden Seiten durch dünne Querbalken o (_balang
ka-ai_) verbunden.

Auf diese weise bringen die Bahau das Hauptgerüst eines Hauses zu
Stande. An der Vorderseite der Galerie ruht das Dach noch auf einer
vierten Reihe dicker Pfähle a_1_, die während des Dachbaus gesetzt wird
und an der Hinterseite (_amin_) bietet die hintere Wand, da sie auf
den Balken des Fussbodens ruht, den _kaso_ noch einen besonderen Halt.

Um die Dachbedeckung, 1 m lange und 1 1/2-2 dm breite, dünne Schindeln
(_kepang_) aus Eisenholz auf den _kaso_ anbringen zu können, gebraucht
man Querlatten p (_djehe_) aus _nibung_ (Palmenart), die man in der
Regel mit dünnem Rotang auf die _kaso_ bindet; _Kwing Irang_ benützte
hierfür jedoch Nägel, die er an der Küste gekauft hatte.

Die Lage der Latten p und die Art und Weise, wie an jede derselben
eine Reihe von Schindeln gebunden wird und wie diese mit ihren
unteren Enden übereinander liegen, ist auf dem Längsschnitt des Hauses
angegeben. Das Dach erforderte im Ganzen ungefähr 25000 Schindeln. Auf
den First werden, zum Abschluss des Ganzen, rinnenförmige Stücke Holz
umgekehrt aufgesetzt.

Die Diele (Taf. 29) wird ungefähr 3 m über dem Erdboden angebracht,
indem man lange, dünne Eisenholzbalken q (_aling_) in seitliche
Öffnungen der dicken Pfähle a_1_ a_2_ etc. steckt und diese _aling_
durch die dünnen Eisenholzpfähle c senkrecht unterstützt. Letztere
ruhen mit ihrem unteren Ende in der Erde, mit dem oberen,
zapfenförmigen greifen sie in entsprechende Öffnungen der _aling._
Senkrecht zur Breite des Hauses liegen 9 Reihen _aling_ neben
einander. Sie dienen als Stütze für eine Lage 2-3 1/2 dm dicker
Tengkawangstämme r (_penjapai_), die in der Breite des Hauses, in
Abständen von etwa 1 m voneinander, auf den _ding_ ruhen. Wegen der
grossen Länge der Tengkawangstämme nahmen zwei Balken, die in ihre
gegenseitige Verlängerung gelegt wurden, die ganze Breite des Hauses
ein. Um die Unebenheiten und die ungleiche Dicke aufzuheben, wurden
in die _aling_ mehr oder minder tiefe Ausrandungen gekappt und in
diese die _penjapai_ gefügt. Die Unebenheiten oben an den _penjapai_
wurden mit dem Schwert entfernt.

Senkrecht auf die _penjapai_, parallel zur Tiefe des Hauses, wurde
eine zweite Schicht derselben Balken s (_doröng_) gelegt, welche der
eigentlichen Diele t (_tasu_) als Unterlage dienen sollte (Taf. 29
u. 30). Indem man hier und da etwas weghackte und die _penjapai_ und
_doröng_ mittelst Rotang aneinander band, erhielt der Fussboden einen
genügenden Halt und Zusammenhang, wozu auch die grosse Schwere der
Balken beitrug. An ihren dünnen Enden wurden die Stämme mit Pflöcken
aus Eisenholz verbunden. Auf die _doröng_ wurden die Dielen bretter
t lose hingelegt; ihrer grossen Schwere wegen rückten sie nicht
vom Platze.

Auf diese Weise kam ein 24 m breiter und 20.5 m tiefer Wohnraum
zu stande, über dem das Dach ein riesiges Gewölbe bildete. In
den Häusern der gewöhnlicheren Familien, welche nach demselben
Prinzip bauen, werden jedoch die _walang bahi-u_ zum Aufbewahrender
Ackergerätschaften und dergl. benützt, so dass diese eigentlich die
Rolle eines Bodens spielen. Der grosse Raum über den _walang bahi-u_
wird beim Häuptling aber nicht benützt, weil die Balken zu weit von
einander abstehen und eine Diele fehlt.

Das Wohnhaus wird in zwei Teile getrennt, einen vorderen, die _awa_
und einen hinteren, die _amin_ (Taf. 29). Diese beiden werden durch
eine hohe Bretterwand u, die ungefähr senkrecht unter dem First liegt,
von einander geschieden. Eine Tür führt von der _awa_ in die _amin._
In _Kwing Irangs_ Hause stand die Bretterwand vor der mittleren Reihe
Pfähle und reichte bis zu den _balang ha-ai_ p, dadurch war die _awa_
etwas kleiner als die _amin_ geworden.

Die Galerie wird viel sorgfältiger ausgebaut als das Wohngemach. Die
roh bearbeiteten _kaso_ 1 reichen dort, wie gesagt, nur bis zu
den _walang bahi-u_ f, die an ihrer unteren Seite über der _awa_
mit Schnitzereien verziert sind. Die _kaso_ werden durch schön
geschnitzte Stücke v verlängert, welche den Raum vor der in gleicher
Weise bearbeiteten vordersten Reihe Pfähle überdecken. Von diesem
sorgfältig ausgestatteten Raum aus geniesst man einen freien Überblick
über den Fluss und die ganze Landschaft; hier kommen abends die
Hausgenossen zum Plaudern zusammen und hier werden die Gäste empfangen.

Diese Verlängerungsbalken v bestehen aus hartem Holz; jede angesehene
Familie im Stamm liefert einen solchen Balken und ein oder zwei
ihrer männlichen Angehörigen geben sich alle Mühe, um sie so schön
als möglich zu schnitzen. Wie die _walang bahi-u_ haben auch sie
einen dreieckigen Querschnitt; eine Seite ist nach oben gekehrt, die
beiden anderen, die sich nach unten zu einer Rippe vereinigen, werden
ausgehöhlt und die Rippe in zierliche Ornamente ausgeschnitten. Jeder
Schnitzer wendet Verzierungen eigener Erfindung an, in der Regel
Variationen des Motivs _kelot_, des männlichen Geschlechtsorgans. Nur
wenige bringen Stilisierungen der weiblichen Geschlechtsorgane
an. Diejenigen jungen Leute, die ihren Balken besonders schön
bearbeiten wollen, schnitzen Tierfiguren (_hudo_).

Auch die grosse Mittelwand u (_liding_) ist, der Galerie zu, mit
zahlreichen Figuren in Hochrelief, die Menschen und Tiere vorstellen,
verziert. Die Wand besteht aus gut bearbeiteten Brettern, die fest
aneinander schliessen und mittelst Nägeln und Rotang auf ein Holzgitter
w (Taf. 30), das man hierfür an der Seite der _amin_ angebracht hat,
befestigt werden. Diese Bretter ruhen nicht auf der Diele, sondern
auf dem rinnenförmig ausgehöhlten oberen Rande eines dicken Getäfels
x, das 3/4 m hoch ist. An den Verzierungen des Getäfels hatten 4 der
besten Schnitzkünstler des Stammes lange Zeit gearbeitet. Das ganze,
der Galerie entsprechend, 24 m lange Getäfel bestand nur aus zwei
Brettern, die, wie gewöhnlich, aus einem einzigen Stamm verfertigt
waren, indem man diesen halbiert und das überschüssige Holz an der
runden Seite weggehackt hatte. Hierbei hatte man in der Mitte und an
den beiden Enden der Bretter über 2 dm dicke und 1 m lange Holzstücke
stehen gelassen. Aus diesen wurden die 6 Figuren modelliert, die auf
nebenstehender Tafel 33 zu sehen sind. Drei derselben (a, c, f) bilden
Stilisierungen des Hundes, die vierte (b) stellt eine Kombination
ähnlicher Tiere vor, die beiden übrigen (d, e) sind Masken. Schön
geschnitzt ist auch ein Brett, das als Lehne für den Häuptling gegen
das Gitter gestellt wird, welches auch hier die Vorderseite der Galerie
nach aussen bis auf 1 m Abstand vom Dache abschliesst (Siehe Taf. 34;
das Gitter fehlt hier noch).

Auf den Besitz grosser, schwerer Dielen legt ein Stamm grosses
Gewicht; auch die Kajan gaben sich alle Mühe, sie besonders schön
herzustellen. Jedes Brett war ungefähr 8 m lang, 15 cm dick und 1/2-1 m
breit, je nach der Grösse des Baums, aus dem es gehauen worden war. Je
zwei Familien des Stammes sind verpflichtet, ein derartiges Brett
zu stellen. Sie vereinigen sich zu dieser Arbeit mit zwei anderen
Familien, suchen im Walde einen schweren Tengkawang-Baum aus und
verfertigen aus ihm gemeinschaftlich zwei Bretter. Aus der Schwere
und Breite der Bretter kann man auf den Reichtum und die Anzahl der
Familienglieder schliessen. Die Familien der Mantri übertreffen hierin
alle anderen. Obgleich diese Bretter so dick sind, fürchtete man doch,
dass sie beim Trocknen krumm werden könnten und band sie daher mit
Rotang an die geraden Reihen Pfähle unter dem Hause fest, wo sie
stehen blieben, bis sie trocken genug waren, um bearbeitet werden
zu können (Taf. 24). Da die Bretter mit wochenlangen Unterbrechungen
herbeigeschafft wurden, musste mit ihrer Verwendung ohnehin gewartet
werden, bis sie alle beisammen waren. Man hatte die _awa_ (Taf. 34)
anfangs provisorisch mit den Brettern für die Mittelwand belegt,
als diese noch nicht gegen die alten Bretter, mit denen man sich
anfangs beholfen hatte, vertauscht waren.

Der Bau der _amin_ geht am deutlichsten aus dem Grundriss
(Taf. 35) und dem Längsschnitt (Taf. 30) des Hauses hervor, die
zugleich auch die Konstruktion der Mittelwand zeigen. Die Diele
zwischen der Hinterwand der _amin_ und der Reihe von 5 Pfählen
a_1_-a_5_ ist um 3 dm höher gelegt als der mittlere Teil des
Raumes. In diesem erhöhten Teil wird am Tage gearbeitet und nachts
geschlafen. Ebenfalls erhöht ist die Diele zu beiden Seiten der
_amin_; auch hier wird gearbeitet. Einige Bretterverschläge dienen
als gesonderte Schlafräume. Die Vorderseite des Gemachs wird von
Kochherden, Vorrats- und Schlafkammern eingenommen, auch befindet
sich hier die zur _awa_ führende Tür. Betrachten wir auf Taf. 30
den Bau der Mittelwand zwischen _amin_ und _awa_ etwas genauer. Wir
sehen hier die Stützbalken h des Firstes i, die senkrecht auf den
quer durchschnittenen _walang bahi-u_ f stehen, die wiederum auf
den _djapi_ e der grossen Pfähle der mittleren Reihe ruhen. Die
Stützbalken des Firstes sind untereinander durch schräg angebundene,
lange, dünne Tengkawang-Stämme j verbunden. Ferner ist zur Stütze der
Mittelwand ein Holzgitter w aus rechtwinklig sich schneidenden dünnen
Stämmen angebracht worden, das von der Diele bis zu den _balang ka-ai_
o reicht. An diesem Gitter ist auf der Galerieseite eine Bretterwand
u, welche die ganze Höhe einnimmt, befestigt; diese Wand besteht aus
zwei übereinander stehenden Reihen von Brettern u, die jedoch auf
der Zeichnung nur an der rechten Seite angegeben sind. Die unterste
Bretterreihe wird nur von der Tür unterbrochen, die aus einem einzigen
breiten Brett gehauen ist.

Auf derselben Tafel ist ferner die Einteilung der _amin_ vor dieser
Mittelwand angegeben. Von rechts nach links sieht man geschnitzte
Regale y, welche zur Aufbewahrung von Küchengerät und Brennholz dienen;
sie befinden sich über einem Feuerherde. Dann folgt eine in die
_amin_ einspringende Wand z, welche diesen Herd von dem Raum bei der
Eingangstür trennt. Die Türschwelle ist, wie in allen Bahauwohnungen,
50 cm hoch. Weiter links folgt die grösste Herdstätte y_1_, deren
Schuppen und Regale bis zum 4. grossen Pfahl b, reichen. Die vorn
schön geschnitzten tiefen Regale springen von der Mittelwand weit
vor. Von der Eingangstür an ist dieser Raum folgendermassen verteilt:
erst folgt ein Aufbewahrungsraum für Wassergefässe, dann wieder eine
in die _amin_ vorspringende Wand z_2_, an welche sich nach links eine
senkrecht stehende Wand z_1_ anschliesst, die den grossen Küchenraum
von dem übrigen Teil der _amin_ gewissermassen trennt.

Hinter dieser Wand z_1_ liegt der Schlafplatz der Sklavin, welche
die Aufsicht über die Küche führt. Von den 4 Regalen über dem Herde
setzen sich die beiden obersten nach rechts bis über den Schlafplatz
der Sklavin und den Aufbewahrungsraum für Wassergefässe, nach links
bis über den grossen Vorratsschrank fort, dessen Tür sich gleich
links vom Herde befindet. Hinter der Scheidewand z_3_ verborgen,
links vom Schranke, liegt ein dritter, kleinerer Herd, auf dem nur
für den Häuptling und dessen Familie gekocht wird. Auf den beiden
anderen Herden wird für die verheirateten Kinder des Häuptlings,
für die Sklaven und die Schweine gekocht. Links von diesem Herde,
wo der Fussboden, gleichwie an der Hinterwand und zu beiden Seiten
der _amin_, um 3 dm erhöht ist, läuft parallel der Mittelwand eine
grosse Bretterwand z_4_, die mit Hilfe einer senkrecht zu ihr stehenden
Verbindungswand zwei verschieden grosse Räume bildet. Der kleinere,
halb offene Raum rechts dient der Küchensklavin und deren Familie
als Schlafstelle, der grössere, geschlossene Raum links, in den
eine Tür führt, bildet die Schlafkammer für den Häuptlingssohn und
dessen Familie.

Vergleichen wir deutlichkeitshalber diesen Plan mit dem Grundriss von
_Kwing Irangs_ _amin_ auf Tafel 35, so erhalten wir einen Überblick
über die horizontale Verteilung dieses Raums. Von rechts nach links
gesehen finden wir in der Ecke den Platz mit den Küchenregalen,
dann den Herd. Die einspringende Wand z trennt diesen Küchenraum von
dem freien Platz bei der Eingangstür. Links von dieser befindet sich
der Aufbewahrungsraum für die Bambusgefässe mit Wasser. Wie aus der
Zeichnung zu ersehen ist, hat man die Diele hier halb offen gelassen,
damit das Wasser event. beim Übergiessen zwischen den Brettern
zur Erde abfliessen kann. Dieser Raum ist von dem Schlafplatz der
Sklavin durch die senkrecht zu einander stehenden Wände z_1_ und z_2_
geschieden. Dann folgt der grosse Herd, der Küchenschrank, der kleine
Herd der Häuptlingsfamilie mit dem freien Platz davor und einem
kleinen, halb offenen Raum als Schlafstätte für die Sklavenfamilie
und schliesslich der ganz geschlossene Raum für den Häuptlingssohn.

Die Seitenwände und die Hinterwand der _amin_ bestehen aus aneinander
schliessenden Brettern, nur sind hier Öffnungen als Fensterluken
ausgespart. Vor diesen sitzen die Frauen mit ihren Handarbeiten und
schnitzen die Männer ihre Schwertgriffe und -scheiden. Am meisten
Licht dringt jedoch durch das grosse Fenster ein, das sich oben,
im hintersten Dachteil befindet. Dieses Fenster ist 1 qm gross und
wird mittelst einer Klappe, die an der oberen Seite aussen am Dach
befestigt ist, geschlossen. Bei gutem Wetter wird die Klappe durch
einen senkrecht gestellten Stock offen gehalten.

Auf den erhöhten Plätzen zu beiden Seiten der _amin_ sollen später noch
mehr Kammern gebaut werden; sie dienen alle als Schlafräume teils für
die unverheirateten Töchter und verheirateten Kinder des Häuptlings,
teils für die Sklavenfamilien.

Für sich selbst und seine Frauen hat _Kwing Irang_ links in der
hinteren Ecke der _amin_ ein Zimmer bauen lassen (Taf. 35). Der
Fussboden, der hier ebenso hoch wie in der Mitte der _amin_ ist, war
bis hinter das Haus unter dem weit über die Hinterwand vorspringenden
Dache verlängert worden. Gegen die _amin_ zu ist dieses Zimmer
vollständig geschlossen und nur durch eine Tür zugänglich, dagegen
endet es hinter der Rückwand des Hauses, in dem verlängerten Teil,
offen nach aussen; auch ist die Diele an dieser Stelle durchbrochen.

Da alle Dorffamilien sich am Sammeln des Materials und am Bau dieses
grossen Gebäudes beteiligten, keine von ihnen jedoch spezielle
Kenntnisse im Häuserbau besass, und alle ausserdem für ihre eigenen
Wohnungen und ihren Lebensunterhalt zu sorgen hatten, schritt der
Bau nur langsam und unter grossen Schwierigkeiten fort.

Der Transport von Baumaterial aus einem weglosen Tropenwald ist
äusserst schwierig, denn bestimmte Holzarten wachsen dort nicht,
wie in Europa, nebeneinander, sondern inmitten einer grossen
Anzahl anderer Arten. Daher müssen die passenden Tengkawang-Bäume
z.B. in einem ausgedehnten Gebiet gesucht, gefällt und oft über
Hügel und durch Täler bis an einen Nebenfluss geschleift werden,
von dem aus sie zum Mahakam befördert werden können. Eisenholz muss
stets mittelst Flössen transportiert werden, da es viel schwerer
als Wasser ist. Nachdem ein solcher Stamm mit vieler Mühe durch den
dichten Gebirgswald zum Flusse geschafft worden ist, wird er unter
ein eigens für ihn gebautes Floss gebunden. Die Kajan waren denn
auch stolz darauf, dass für _Kwing Irangs_ Haus 9 dieser schweren
Pfähle verwendet worden waren. Die meisten derselben wurden auf
folgende Weise bearbeitet: zuerst entfernte man die Rinde und die
Unebenheiten mit Beilen, dann verbesserte man hie und da auch die
Rundung. Mit dieser Bearbeitung begnügte man sich bei den Pfählen
der hinteren Reihe, an denen der vorderen wurde überdies noch mit
kleinen Dexeln eine flache Kannelierung angebracht, wie auf Taf. 27,
wo _Imun_ und _Sawang Jok_ mit der Bildhauerarbeit beschäftigt sind,
zu sehen ist. Die gewöhnlichen, eisernen, europäischen Instrumente sind
für Eisenholz zu weich und daher unbrauchbar; darnach kann man sich
von der Geschicklichkeit und Geduld, welche diese Arbeit erfordert,
eine Vorstellung machen.

Für die _kaso_ und die Dielenbalken entfernt man von den
Tengkawang-Bäumen nur den obersten Kronenteil, die grössten Äste und
die Rinde; die feinere Bearbeitung findet erst beim Bau selbst statt.

Von den verschiedenen Verzierungen der _awa_ ist oben bereits
gesprochen worden, wenden wir uns jetzt dem äusseren Hausschmuck
zu. Hierher gehören die _bang pakat_ (Taf. 24), die verzierten
Giebelbretter, die zu beiden Enden des Firstes frei in die Luft
hinausragen. Bei den Bahau und Kenja besitzen nur die Häuptlinge
das Recht, diese Verzierungen in reich ausgearbeiteter Form an den
Firstenden anzubringen. _Kwing Irang_ hatte sich denn auch sehr
eingehend mit der Frage, welche Gestalt er ihnen geben sollte,
beschäftigt. Auf seinen Reisen nach dem unteren Mahakam hatte
er die Häuser anderer Häuptlinge bereits Jahre vorher daraufhin
angesehen. Den rechten _bang pakat_ liess er nach dem Modell,
das er auf dem Hause von _Brit Ledjü_ bei Long Iram gesehen hatte,
anfertigen; den anderen überliess er der Phantasie von zweien seiner
besten Holzschnitzer. Solch ein _bang pakat_ muss aus einem einzigen
Stück sehr harten Holzes geschnitzt werden und da er 3 m lang und
0.70 cm breit sein muss, so war es bereits schwierig, einen Baum von
hartem Holz und den erforderlichen Dimensionen zu finden. Man benützte
hierfür eine Holzart, die sich nicht gut spalten liess und daher für
andere Zwecke, z.B. für Schindeln, untauglich war.

Beide _bang pakat_ wurden von den zwei Söhnen des alten Priesters _Bo
Jok_ verfertigt, die sich auf die Schnitzerei in Holz und Hirschhorn
gut verstanden. An jeder Figur arbeiteten sie ungefähr 6 Tage. Der
Schmuck wurde angebracht, sobald die Sparren auf dem Dache lagen,
bevor aber deren geschnitzte Verlängerungsstücke über der Galerie
befestigt worden waren.

Die Anbringung dieser Figuren bedeutete, dass das Haus unter Dach
war, daher feierte man diese wichtige Handlung mit der Opferung
eines grossen Schweines. Das Tier wurde geschlachtet und ein Teil
seines Blutes auf _sawang-_ (Dracaena-)Blättern aufgefangen. Der alte
_Bo Jok_ tränkte mit dem Blute Reis in einer Schale, dann bewegte
er diese in der Luft hin und her und warf schliesslich den Reis
nach allen Richtungen, hauptsächlich aber nach dem Batu Kasian,
als Opfer für die Geister, in die Luft. Die _bang pakat_ selbst
wurden ebenfalls mit Blut bestrichen und dann beide gleichzeitig
mit Rotang hinaufgezogen und befestigt. Die Stelle lag 25 m über dem
Erdboden, so dass es nicht licht war, diese schweren, langen, fein
ausgeschnittenen Bretter anzubringen. Man hatte an den beiden Enden
des Firstes aus jungen, mit Rotang zusammengebundenen Stämmen Gerüste
gebaut, auf denen sich die Männer mit Sicherheit bewegen konnten
(Taf. 16). Sie zogen die _bang pakat_ hinauf, brachten sie vorsichtig
über das Gerüst und dann mit ihrem zu einem Stiel zugespitzten Ende
in die Öffnung eines festen Holzstücks, das zu diesem Zwecke bereits
an der Unterseite des Firstes befestigt worden war. Darauf wurde das
Hinterende des Stiels noch mit Holz und Rotang an den First und zu
beiden Seiten an die Sparren gebunden.

Während der folgenden Tage beschäftigten sich alle mit dem Anbringen
der geschnitzten Verlängerungsstücke der _kaso_ über der _awa_.

Die Bahau verstehen sich sehr gut auf die Herstellung von
Schindeln (_kepang)._ Für die Häuser von Häuptlingen benützen
sie gut spaltbares Eisenholz, für die der übrigen Stammesgenossen
meist Tengkawang-Holz. Zuerst suchen sie im Walde einen Baum von
Eisenholz aus, der sich gut spalten lässt, was bereits beim Anhacken
des Stammes zu konstatieren ist. Haben sie unter vielen einen solchen
Baum gefunden, so schlagen sie, je nach seiner Grösse, 600-800 _kepang_
aus ihm. Sie zerlegen den Baum in Stücke von der Länge der Schindeln
und spalten die Stücke mit Hilfe eines langen, hölzernen Keils,
den sie mit einem Holzklotz hineintreiben, in Segmente (Taf. 23
unten rechts). Zur weiteren Bearbeitung stellen sie diese Segmente
auf primitiven Gerüsten ihrer Länge nach senkrecht vor sich auf und
schlagen mit einem Schwert zu beiden Seiten das überschüssige Holz
ab. Wie auf dem Bilde zu sehen ist, wird das Schwert vor dem festen
Schlage mit beiden Händen erhoben.

Da die Schindeln von _Kwing Irangs_ provisorischem Hause für das neue,
das 25000 Stück erforderte, lange nicht reichten, wurde jeder Familie
aufgetragen, 200 Schindeln zu liefern, was wiederum viel Zeit in
Anspruch nahm. Um nicht allzu lange warten zu müssen, deckte man zum
Schluss noch einen Teil des Daches mit alten Tengkawang-Schindeln,
die später durch andere aus Eisenholz ersetzt werden sollten.

Als man eine genügende Menge Schindeln beisammen zu haben glaubte--man
hatte sich von der erforderlichen Anzahl nur eine allgemeine
Vorstellung gemacht--wurde der ganze Stamm zusammengerufen, um die
Geister vor der Anbringung der Dachbedeckung durch die Opferung
eines sehr grossen und hauptsächlich fetten Schweines günstig zu
stimmen. Dies war unumgänglich nötig, weil das Dach aus Eisenholz
gebaut wurde; hätte man Tengkawang-Holz benützt, so wäre ein
bescheideneres Opfer genügend gewesen. Nun waren alle Stammesglieder,
jung und alt, versammelt, was insofern wünschenswert war, als die
Dorfgenossen das Opfer gemeinsam bringen und daher das Schwein und
ausserdem zwei Hühner berühren sollten. Die Geister erkannten dann am
Geruch, wer geopfert hatte und die Betreffenden brauchten sich später
nicht zu fürchten, takut parid, d.h. krank zu werden, sobald sie unter
dieses Eisenholz-Dach traten. Diese Auffassung entspringt dem starken
Eindruck, denn ein so festes, kostbares Dach auf den Bahau macht; er
fürchtet daher, seine Seele (_bruwa_) könnte beim imposanten Anblick
erschrecken und fliehen, wodurch er selbst krank werden würde. Aus
demselben Grunde brachte man auch keine kleinen Kinder in die Nähe
der Eisenholz-Pfähle, selbst als diese noch weitab lagen und behauen
wurden. Erst nachdem ihre Bearbeitung vollendet war und die Mütter
den Geistern der Pfähle Eier oder ein Huhn geopfert hatten, durften
die Kinder sich ihnen gefahrlos nähern.

Im Unterschied von anderen Gelegenheiten brachte diesmal der Häuptling
selbst und nicht der Priester den Geistern das Opfer. Man hatte für
diese Zeremonie einen grossen, viereckigen Platz mit Brettern und
Matten überdeckt und darunter sass der Häuptling inmitten seiner
Ältesten in vollem Ornat d.h. mit einem besonders schönen Lendentuch
und Kopftuch bekleidet. Sie alle legten die Hand auf das feiste Tier,
worauf Männer, Frauen und Kinder bis auf die Säuglinge in einem langen
Zuge das Opferschwein berührten. Darauf trug der Häuptling den Geistern
das Opfer an, indem er ihnen berichtete, wer opferte und warum geopfert
wurde. Hierbei bediente er sich der Kajansprache, vielleicht weil er
das Busang, das gewöhnlich bei solch einer Gelegenheit gebraucht wird,
nicht gut sprach. Der alte _Bo Jok_ wiederholte die Worte, hatte aber
vorsichtshalber seine Seele vorher gründlich gestärkt, indem er in ein
altes Schwert gebissen und darauf ein Stück weissen Kattuns auf sein
Haupt gelegt hatte. Er sprach unter dröhnenden Schlägen auf die Gonge,
so dass ich ihn nicht verstand. Darauf schlachtete man das Schwein
und die Hühner, zerlegte sie in gleiche Stücke und kochte sie in
Pfannen (Taf. 36), so dass alle Anwesenden zu ihrem Klebreis, den der
Häuptling ihnen ebenfalls angeboten hatte, auch Fleisch zu geniessen
bekamen. Wir erhielten eines der Hühner und ein Stück Schweinefleisch,
die wir uns trefflich munden liessen, da es in der letzten Zeit mit
der Kost schlecht bestellt gewesen war. Zuletzt wurden noch einige
Eier als Opfer beim Hauptpfahl aufgelegt.

Es folgten zwei Tage _melo_, in denen niemand unter dem Hause
hindurchgehen durfte. Als Verbotszeichen wurde ein Rotang um das
Haus gespannt.

Am Abend des Opfertages fand noch eine andere Zeremonie statt. Es
hatte sich nämlich die _djelewan_, die rotköpfige Schlange, beim
Hause gezeigt, und nun glaubte der Häuptling, diesem Boten der
grossen Geister unter einem Opfer noch einiges über den Hausbau
mitteilen zu müssen. So opferte er denn an der Stelle, wo das Tier
gesehen worden war, 2 × 8 Eier und einige kawit mit Schweinefleisch,
die er in die gespaltene Spitze in die Erde gepflanzter Bambusstöcke
einklemmte. An einem dieser Opferstöcke befestigte er einen Streifen
von der Rückenhaut mit Baransitzendem Speck des geopferten Schweines,
der von der Schnauze bis zum Sehwanze reichte, um die Geister von
der Grösse und Fettheit des gebrachten Opfers zu überzeugen.

Viele Männer zeigten sich jetzt bereit, die Schindeln auf dem
Dache anzubringen; augenscheinlich hatte die Festfreude sie in gute
Stimmung versetzt. In einem Tage befestigten sie 11000 Schindeln,
indem sie mit einem Hohlmeissel oder Drillbohrer ins obere Ende
der Bretter zwei Löcher bohrten, Rotangschnüre hindurchzogen und
an die Querlatten festbanden. Die Schindeln waren alle sehr dünn
und gleichmässig, doch bildeten ihrer 50 eine schwere Last selbst
für einen starken Mann. Dank den fest angebrachten Leitern kam aber
während des ganzen Hausbaus kein einziges Unglück vor. Geschieht ein
solches aber dennoch, so wird es als ein Beweis für den Unwillen der
Geister aufgefasst und dementsprechend behandelt. Fällt z.B. jemand
vom Gerüst herab, so wird sein Lendentuch an der betreffenden Stelle
begraben. Auch muss er _melo_, ein Schwein opfern und den dajung
Kattun und ein Schwert geben. Dann muss er wieder bis zu 8 Tagen
_melo_, währenddessen an dem Hause nicht gearbeitet werden darf. Auch
Kleidungsstücke und Werkzeuge werden an Ort und Stelle, wo sie
niedergefallen sind, vergraben. Überdies werden bei einem Neubau noch
andere Vorsichtsmassregeln getroffen, um sich die günstige Stimmung
der Geister und somit ein gutes Gelingen zu sichern. In gleicher
Weise wie z.B. ein Mann, aus Furcht _takut dawi_ zu werden, keine
getragenen Frauenkleider und keine Webeutensilien berühren will, darf
auch kein Webeapparat unter einem unvollendeten Hause hindurchgetragen
werden. Auch den von weit her kommenden Fremden ist der Durchgang
unter einem unvollendeten Hause verboten, wahrscheinlich weil man
auch in diesem Fall die unbekannten Geister, die sie mitbringen,
fürchtet. Stirbt jemand im Stamme, so muss der Hausbau, solange die
Leiche nicht begraben ist, unterbrochen werden.

Trotz aller Hindernisse war _Kwing Irangs_ Haus im März 1899 unter
Dach und die _amin_ mit Hilfe alten Materials soweit fertiggestellt,
dass sie bezogen werden konnte. Der Galerie fehlte hauptsächlich
eine Diele, aber diese war nicht unumgänglich nötig; auch musste man
voraussichtlich wegen der Ernte noch Monate lang mit der Herstellung
der Bretter warten.

Als der Tag, an dem _Kwing Irang_ sein neues Haus beziehen sollte,
nach dem Vogelflug bestimmt worden war, wurden alle Personen, die die
_amin_ bewohnen sollten, also die Familienglieder und die Haussklaven,
ausserdem auch noch ein Teil der Sklaven, der eigene Häuser bauen
durfte, zusammengerufen.

Gegen Mittag wurde zuerst gegen die Haustreppe zu eine Art Gang
hergestellt, indem man eine Reihe hölzerner Galgen errichtete
und mit weissem Kattun überspannte. Mit einem gleichen weissen
Baldachin überdeckte man auch die Treppe von unten bis zur _awa_. Alle
Hausgenossen in Begleitung eines Priesters mit Frau und Kindern und des
alten _Bo Jok_ bildeten einen Zug, an dessen Spitze sich _Kwing Irang_
stellte. Der Häuptling trug seine gewöhnliche Kleidung. Ihm folgten
ein Mantri, seine Frauen _Bo Hiang_ und _Anja_, dann der alte _Bo Jok_
und zuletzt die Sklavinnen mit ihren Kindern. Erst schritt der Zug
durch den Gang zur Treppe, bog dann links ab, ging einmal unten um
das Haus herum und lehrte dann zur Treppe zurück. Hier hatte man auf
einem flachen Stein ein altes Schwert niedergelegt, auf welches der
Häuptling und alle, die ihm folgten, erst den Fuss setzten, bevor sie
die Treppe hinauf ins Haus stiegen. Dieser feierliche Einzug diente zur
Vorbereitung der Seele, damit diese beim plötzlichen Anblick dieses
grossen, imposanten Gebäudes nicht entfloh. Der _dajung_ und seine
Familie betraten nicht das Haus, sondern begaben sich nach rechts,
ihrer eigenen Wohnung zu.

In der _amin_ angelangt begannen die Hausbewohner sogleich, nachdem
sie die Tragkörbe samt Inhalt vom Rüchen genommen hatten, Herde zu
errichten. Der kleine Herd, auf dem hauptsächlich für den Häuptling
gekocht wird, kam zuerst an die Reihe. Zwei junge Männer holten von
draussen, zur Seite des Hauses Erde und bedeckten mit ihr einige
Bretter aus hartem Holz. Dies ist die gebräuchliche Weise, um Herde
herzustellen. Dann berichtete _Bo Jok_ den Geistern, wem dieser Herd
gehörte, auch bat er um ein glückliches Leben und Reichtum für die
künftigen Bewohner. Als symbolisches Zeichen hierfür steckte er 2 ×
8 Haken aus Fruchtbaumholz und zwei Büschel von _daun sawang_ und
noch einer anderen Blätterart in die Erde. In die Mitte legte man
einen platten, nierenförmigen Stein von 10 cm Durchmesser, holte noch
mehr Erde und stampfte diese über dem Stein fest. Damit war der Herd
vollendet. Die Erde darf nie gewechselt werden; nur darf nötigenfalls
bei religiösen Festen neue hinzugefügt werden.

Das erste Feuer muss auf die in früherer Zeit gebräuchliche Weise
entzündet werden, indem man ein Stück Rotang über ein trockenes,
weiches Holzstück hinund herzieht (Taf. 62, Fig. h). Die Funken, die
hierbei entstehen, werden mittelst einer Art Schwamm aufgefangen. In
den ersten Tagen darf dieses Feuer nicht ausgehen. Wenn die _panjin_
und _dipen_ später ihre eigenen Wohnungen beziehen, holen sie ihr
erstes Feuer von diesem Herde in der _amin aja_.

Die beiden ersten Tage nach dem Einzug müssen die Hausbewohner
_melo_. In dieser Zeit darf im Hause nicht geweint werden, _Kwing_
schickte daher ein halbidiotisches Mädchen, das ihm von deren Familie
anvertraut war, nach seiner Reisfeldwohnung, weil das Kind leicht in
Tränen ausbrach.

Nach beendetem _melo_ musste man _ngajo_, Köpfe jagen, um die vielen
Verbotsbestimmungen, denen man sich während des Hausbaus hatte
unterwerfen müssen, aufheben (_bet lali_) zu können. Die Bewohner
durften in der verflossenen Periode z.B. keine Bären, Gibbon und
_dongan_, einen sehr beliebten Fisch, essen. Die von anderen Stämmen
gebürtigen Sklaven mit anderer Religion mussten auf den verbreiteten
grauen Affen (_kera_), dessen Fleisch sie für gewöhnlich geniessen,
verzichten.

Das _ngajo_ gelegentlich des _bet lali_ führt der Häuptling allein
aus. Die _panjin_ feiern es gemeinschaftlich, sobald sie alle ihre
Häuser beendet und bezogen haben, beim ersten Neujahrsfest. Das _ngajo_
des Häuptlings bestand darin, dass er einen seiner Mantri nach dem
_melo_ den Vogelflug beobachten liess. Der Mantri baute an der Stelle,
wo er den _telandjang_ oder hissit zu seiner Rechten gehört hatte,
eine Hütte, die vom Häuptling und seinem Geleite für zwei Tage bezogen
wurde. Darauf kehrte die Gesellschaft mit einem alten Schädel heim
und beobachtete alle Zeremonien, die früher bei einer echten Kopfjagd
gebräuchlich waren.

In Anbetracht, dass eine ungünstige Mondphase (Vollmond) eintreten
sollte, beeilte man sich und stellte sich mit wenigen guten
Vorzeichen zufrieden. Der _adat_ wurde vorläufig genügt; später,
wenn das Haus gänzlich fertig gestellt war, wollte man nochmals die
Vögel befragen. _Kwing_, der viel zu tun hatte, liess nur den Mantri
und sein Geleite in der Hütte schlafen.

Ein derartiges _bet lali_ mit _ngajo_ des Häuptlings bedeutet für alle
Stammesglieder eine Aufhebung einer eventuellen Verbotsperiode. So darf
z.B. bei dieser Gelegenheit die Trauer für ein Familienglied abgelegt
werden. Die Knaben und jungen Männer dürfen bei diesem Anlass, wie
die Erwachsenen, eine Kopfjagd mitmachen, um sich dadurch das Recht zu
erwerben, je nach dem Alter ein Schwert zu tragen, die Schwanzfedern
des Rhinozerosvogels (_kerip tingang_) auf ihre Kriegsmütze zu heften
oder einen Kriegsmantel umzulegen. Die gleichen Sitten herrschen
bei den Long-Glat. Sie weisen darauf, dass bereits seit langer Zeit
eine Kopfjagd des Häuptlings für alle Dorfgenossen zum _bet lali_
genügte. Daher beteiligten sich auch viele Familien an diesem _ngajo._
Die _panjin_ begaben sich bereits abends vor dem bestimmten Tag zur
Hütte, in welcher der Mantri sich befand. Bei Tagesanbruch machte
sich auch der Häuptling in 3 Böten, bemannt mit von Kopf bis zu Fuss
bewaffneten Kriegern, dorthin auf. Nach etwa einer Stunde hörten wir
den Fluss herunter den Kriegsruf der Bahau erschallen; in Long Buleng
schossen die Malaien ihre Gewehre ab und bald darauf kamen die Böte
in Sicht. Sie waren aneinander gebunden worden und bildeten so ein
Floss, auf dem die Krieger standen und in der Morgensonne in ihren
phantastischen Rüstungen einen prachtvollen Anblick boten. Die mit
langen, aufrechtstehenden Bambuswedeln geschmückten Böte trieben
feierlich langsam den Fluss herab und hielten bei dem Anlegeplatz
des Häuptlings still, wo schön geschmückte Frauen und Mädchen
ihre männlichen Angehörigen erwarteten, ihnen die Schwerter und die
überflüssige Kriegsrüstung abnahmen und ins Haus trugen, um ihnen statt
dessen einen hübschen, Schal um die Schultern zu schlingen. Sie tun
dies, um die _bruwa_ der Krieger, die unter dem unangenehmen Eindruck
von abgeschlagenen Köpfen, geraubter Habe und verbrannten Häusern
steht, durch etwas Angenehmes zu beruhigen. Als alle Festteilnehmer
in der Galerie versammelt waren, hing man die Kriegsrüstung auf und
bereitete dort alles zu einem mehrtägigen Aufenthalt vor. Die Krieger
durften nämlich während des _ngajo_ ihre amin nicht betreten und nur in
Bambus gekochten Reis ohne Fische, Hühner, Schweinefleisch, Salz oder
andere Zuspeisen geniessen. Die eben erwachsen gewordenen jungen Männer
durften während der ersten 4 Tage kein Wildschweinfleisch essen und
für die Knaben, die sich zum ersten Mal an einem Kriegsunternehmen
beteiligten und noch nicht allen Verbotsbestimmungen folgten,
erstreckte sich diese Vorschrift auf 6 Tage.

Die Böte wurden von einander gelöst und jeder Besitzer führte das
seine wieder mit, nur die beiden mittelsten, die mit Bambus und
Büscheln halb entfalteter, noch weisser Palmblätter verziert waren,
blieben am Ufer liegen. In diesen Büscheln hingen zwei alte Köpfe, die
der Sultan von Kutei _Kwing Irang_ einst geschenkt hatte. Mit diesen
Köpfen nahmen diejenigen Kajan, die auf ihren Reisfeldern wohnten
und sich nicht so früh zum _bet lali_ hatten einstellen können,
im Laufe des Tages das _ngajo_ vor. Sie kamen mittags zusammen und
fuhren, wenn ihr Alter es zuliess, in Kriegskostüm unter den Schlägen
der Gonge zu einer Geröllbank am jenseitigen Ufer. Ein Priester und
einige Männer in voller Kriegsrüstung begleiteten sie. Die Knaben,
die noch keine Federn des Rhinozerosvogels tragen durften, hatten mit
Palmblättern und Palmblattstielen verzierte Kriegsmützen aufgesetzt.

Auf der Geröllbank wurde einer der Schädel an Land gebracht und
niedergelegt; der Priester brachte ein Ei zum Vorschein, redete die
Geister des Batu Kasian an und zerschlug das Ei, worauf alle neuen
Teilnehmer ein Blattstück in die Eimasse tauchten, in den Fluss
warfen und hinabtreiben liessen. Dann tranken sie etwas Flusswasser,
badeten sich und legten die Kriegsrüstung wieder an. Auch der Priester
nahm ein Bad, nachdem er das Ei in den Fluss geworfen hatte. Darauf
bewiesen alle Jünglinge ihren Mut, indem sie mit ihren Schwertern den
Schädel berührten, mit ihren Speeren hineinstachen oder mit ihren
Blasrohren Pfeile auf ihn abschossen. Die Mutigsten setzten sich
auf den Schädel, nachdem sie ihren Kriegsmantel über ihn gebreitet
hatten. Nach beendeter Zeremonie würde der Bambus, der den Schädel
trug, wieder ins Boot gepflanzt und die Gesellschaft kehrte nach Hause.

Die gleichen Zeremonien fanden am folgenden Tage mit den Nachzüglern
statt.

Der zweite Tag wurde hauptsächlich dem Vorzeichensuchen an Opfertieren
gewidmet. Den Anfang machte der Häuptling; alle übrigen folgten.

Der Häuptling opferte ein männliches Schwein und einen Hahn,
diesmal vor allem den Geistern auf dem Batu Mili. In seiner schönsten
Kleidung, umgeben von seinen vornehmsten Mantri und _dajung_, sprach
der Häuptling auch jetzt die Geister selbst an; doch verstand ich
ihn wegen der dröhnenden Schläge auf die Gonge nur schlecht. Während
er sprach, hielt er den Hahn, um den man einen schönen, kostbaren
Leibgürtel aus alten Perlen gelegt hatte, in der Hand. Das Tier wurde
geschlachtet und der Bauch geöffnet, um nach der Beschaffenheit des
Darmes, der Gallenblase und des Pankreas die Zukunft zu bestimmen. Ein
glatter, nicht roter Darm, ein Pankreas, das nicht viel länger oder
kürzer ist als die Darmschlinge, zwischen welcher es befestigt ist,
und eine volle Gallenblase sind günstige Omina. Da der erste Hahn des
Häuptlings die gewünschten Vorzeichen nicht aufwies, schlachtete er
einen zweiten, der in der Tat eine bessere Zukunft prophezeite.

Darnach wurde auch das Schwein geschlachtet und seine Leber und Milz
untersucht. Die Milz muss lang, dünn und ohne Ausbuchtungen am Rande
sein, die Leber eine normale Grösse und Farbe zeigen und die gut
gefüllte Gallenblase in richtigem Verhältnis zu den Lappen an der
Unterseite der Leber stehen.

Glücklicherweise waren die Vorzeichen hier sogleich zufriedenstellend
und konnte das Blut des Schweines und des zweiten Huhnes aufgefangen
und mit gekochtem Reis und Hühnerfleisch den _to_ angeboten werden.

Inzwischen hatten alle Männer, die an der Kopfjagd beteiligt gewesen
waren, in der Galerie ihr Kriegskostüm angelegt und ihren Müttern
und Angehörigen einen Hahn und ein Küchlein gebracht, um durch einige
Priester und Priesterinnen für jede Familie gesondert die Vorzeichen
zu beobachten.

Die _dajung_ schnitten dem Küchlein den Hals durch und suchten dann
die Zeichen. Darauf schlachteten sie den Hahn als Speise für Götter
und Menschen. Sind die Vorzeichen bei dem ersten Küchlein nicht
befriedigend, so werden andere getötet, bis die Omina günstig sind.

Die Opferspeise wurde den Geistern gelegentlich des _ngajo_ auf
besondere Weise angeboten, so wie es nach grossen Expeditionen üblich
ist. Alle Familien flochten aus Bambus einen Rahmen von 2 1/2 dm
Seitenlänge. An die 4 Ecken des Rahmens wurden Schnüre befestigt und
an einen Stock gebunden und darauf Kopf, Schwanz und Füsse des Hahnes
unten an den Rahmen gehängt. Der Reis, das Huhn und das Blut wurden
zwischen 8 Bananenblätter gelegt, zu einer _kawit_ zusammengerollt und
mit einem Bambus auf den Rahmen festgesteckt. Das Ganze stellte also,
wie am Mendalam, eine _blaka ajo_ dar (T. I p. 126). Nachdem gegen
Abend alles bereit war, hing man alle _blaka_ unter Kriegsrufen und
Schlägen auf die Gonge oben in der Galerie auf.

Die an der Kopfjagd Beteiligten durften jetzt wieder Hühnerfleisch
geniessen.

Nicht nur die Geister, sondern auch die Schwerter, Speere, Schilde,
Gonge u.s.w. wurden gespeist, um sie günstig zu stimmen und ihre _amei_
(Vater), _inei_ (Mutter) und _harin_ (Blutsverwandten) dazu zu bewegen;
zu den Kajan zu kommen. Die Sklaven boten ihre _kawit_ dem Schwerte
des Häuptlings an.

Abends bemerkte ich, dass man auch den Schädeln Speise in
Bananenblättern angeboten hatte. Mit einem der Schädel wurde wiederum
eine Zeremonie vorgenommen. Alle Teilnehmer, auch der Häuptling,
legten ihre schönste Kriegskleidung an und berührten wiederum mit
Schwert und Speer den Schädel, worauf der älteste und angesehenste
Mantri des Stammes eine _mela_ mit ihnen vornahm, indem er die
Männer mit Blättern, die er in Schweine- und Hühnerblut getaucht
hatte, bestrich. Die Betreffenden mussten während der Zeremonie
den einen Fuss auf einen alten Gong setzen. _Kwing Irang_ in seinem
malerischen Kostüm mit Kriegsmantel, grosser, mit _tingang_-Federn
verzierter Kriegsmütze und schönem Schild mit Haarschmuck wurde als
erster behandelt. Der tiefe Ernst auf den Gesichtern, die feierliche
Stille in der grossen, schwach beleuchteten _awa_ wirkten ergreifend,
und die Krieger, die zu vieren gleichzeitig vortraten, bildeten im
schräge einfallenden Schein der Fackeln phantastische Gruppen.

Bei der Angst der Männer vor den Schädeln und den aufgerufenen
Geistern liess sich ihre Gemütsverfassung begreifen, ebenso, dass
sie zur Beruhigung ihrer Seele eine ernste _mela_ nötig hatten.

Nach beendeter Zeremonie betraten immer mehr Menschen die _awa_, alle
so schön gekleidet, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Es sollte
nämlich ein allgemeiner Tanz, _ngarang_, stattfinden, der erste seit
vielen Jahren, da die Kajan nach der Brandschatzung ihres Dorfes im
Jahre 1885 noch keine so grosse _awa_ besessen hatten. Nun war die 11
× 25 m grosse Galerie voll von Leuten, die in zwei grossen Kreisen am
Tanze teilnahmen. Die Männer in Kriegsrüstung, die Frauen und Kinder in
Festkleidung, fügten sich alle fröhlich und voller Eifer in den Reigen,
der unter den Tönen der Gonge bis zum anderen Morgen fortgesetzt wurde.

Nach einer mehrstündigen Rast begaben sich die Männer gegen Mittag
in 12 Böten ans andere Ufer, wo sie sich in malerischen Gruppen auf
der Geröllbank und den Felsen lagerten. Jeder warf etwas Reis und
Fischfleisch in den Fluss und ass selbst etwas davon. Hiermit war das
_ngajo_ beendet. _Kwing Irang_ wollte jedoch jetzt, wo er nach dem
Einzug ins neue Haus an eine Reise mit uns zur Küste denken durfte,
die Gelegenheit benützen, um ein Vorzeichen für das Unternehmen zu
suchen. Er nahm daher einen Flusskrebs in die Hand, erklärte dem Tier
den Zweck der Probe und setzte es dann ein Stück weit in ein mit einem
Spalt zum Beobachten versehenes Bambusrohr. Kroch das Tier zum langen
Ende des Bambus, so war das Omen günstig, im entgegengesetzten Fall
aber ungünstig. Zum Glück wählte der Krebs das lange Ende.

Nach der Heimkehr richtete jeder Festteilnehmer am Ufer vor dem Hause
einen zugespitzten Pfahl auf und damit war das Fest beendet. Die
Schädel wurden nicht in der _awa_, sondern unter dem grossen Hause
aufgehängt.

Die Häuser der Freien werden auf die gleiche Art wie die der
Häuptlinge gebaut, nur ist das verwendete Material leichter und die
Einrichtung einfacher. Das auf Taf. 37 und 1-8 als Beispiel abgebildete
_panjin_-Haus hatte eine etwa 8 m tiefe und 8.5 m breite _amin_,
während die _awa_ gleich breit aber weniger tief war. Betrachten
wir zuerst den Querschnitt, dann die Seitenansicht und den Grundriss
dieses Hauses.

Der Querschnitt fällt mit der Richtung des Dachfirstes zusammen und
schneidet den Grundriss c der Wohnung über die Linie 1-2. Er zeigt,
dass die Konstruktion der _panjin_-Häuser mit der der Häuptlingshäuser
übereinstimmt, dass sie jedoch in diesem Fall einfacher ist.

Das Gebäude wird getragen von den Eisenholzpfählen (h, _djehe_),
welche die _aling_ g unterstützen. Auf diesen ruht eine doppelte Reihe
von Balken r und s, welch letztere als Unterlage für die eigentlichen
Fussbodenbretter v dient. Die Diele zeigt von rechts nach links erst
den Querschnitt der Bretter vor dem Eingang zur _awa_ (a auf dem
Grundriss C), dann derjenigen vor dem Herdplatz, welche etwas höher
liegen und schliesslich der viel höheren Bretter vor der Aussenwand,
vor der die Schlafräume c_2_ und c_3_ liegen.

Die Dachkonstruktion is derjenigen von _Kwing Irangs_ Hause sehr
ähnlich. Rechts wird der Firstbalken von dem hohen Eisenholzpfahl
h getragen, links von dem Eisenholzbalken u, der mit seinem
zugespitzten Unterende in dem horizontalen _penjapai_ r eine Stütze
findet. Ausserdem ruht der Firstbalken auf einem Holzgitter, das von
dem Mittelbalken t gestützt wird. Getragen wird dieser Balken von den
_walang bahi-u_ j und an der linken Seite überdies von dem Balken,
an dem das kleine dreieckige Dach o und u befestigt ist. Auch hier
sind die verschiedenen Teile entweder ineinander gefügt und mit
Rotang gebunden oder mit Holzstiften befestigt, wie sie am Balken t
zu sehen sind.

Die Seitenansicht (A Taf. 37) dieses Hauses zeigt nicht nur seine
innere Anlage von vorn nach hinten, sondern auch den Bau der freien
Seite, da ich als Beispiel das letzte Familienhaus der langen Häuser
reihe gewählt habe, um die Konstruktion der Seitenwand vorführen zu
können. Rechts auf der Zeichnung sieht man, dass die ganze hintere
Haushälfte bei der _amin_ mit Brettern i verschalt ist, die beinahe bis
zu den _balang bahi-u_ j reichen und an einem Holzgitter k befestigt
sind, das durch die Stützbalken der _walang bahi-u_ und des Daches
gestützt wird. Die Galerie ist seitlich durch keine Wand abgeschlossen;
wie die Treppe 1 andeutet, dient ihre hintere Hälfte als Eingang,
die vordere ist, wie auch die Vorderseite des ganzen Hauses, durch
ein offenes Holzgitter abgeschlossen.

Über der Seitenwand liegt das dreieckige Dach, das aus oben
zusammenlaufenden Sparren o besteht, die hier nur in der linken
Hälfte gezeichnet sind und, wie auch an der Vorder- und Hinterseite,
mit vielen Reihen von Schindeln n (_kepang_) bedeckt sind. Auch
die _panjin_ wählen für diese in der Regel das gut spaltbare
Tengkawang-Holz. Angegeben ist ferner noch, wie das Seitendach an
der Berührungslinie mit dem Vorder- und Hinterdach durch eine Reihe
schräg angebrachter Schindeln p geschützt wird.

Ein Blick auf den Grundriss C orientiert uns über den Bau dieses
Hauses in horizontaler Ausdehnung.

Von der _awa_ gelangt man über eine geschnitzte Türschwelle a in einen
Raum, der rechts durch eine Wand vom Herdplatz geschieden ist und
gradeaus durch die Vorderwand einer Schlafkammer c begrenzt wird. Der
mittlere Raum der _awa_ ist viereckig, an allen Seiten von einem um 1
Fuss erhöhten, beinahe 2 m breiten Fussboden eingeschlossen. In den
Ecken finden sich auf letzterem Kammern, c, c_2_ und c_3_; in denen
die Familienglieder schlafen oder ihre Sachen aufbewahren. Zwischen
der Tür und dem Schlafplatz c_3_ in der rechten Ecke befinden sich,
durch Wände voneinander getrennt, der Herdplatz und eine Vorratskammer
b mit oder ohne Tür. Rechts, unmittelbar neben der Eingangstür,
stehen gewöhnlich die Bambusgefässe mit Wasser.

Bei der _awa_ sind auch die beiden grossen Pfähle d im Durchschnitt
angegeben; sie unterstützen die Vorderenden der _walang bahi-u_ auf
dieselbe Weise wie bei _Kwing Irangs_ Hause. Die Pfähle d scheiden,
wie in der Galerie des Häuptlings, den hinteren Teil der _awa_,
der als Durchgang für den ganzen Stamm dient, von dem vorderen, den
die Familie als Arbeitsplatz benützt. Auf dem Grundriss ist nur der
hintere Teil der _awa_ gedielt gezeichnet, auf dem vorderen sind die
Bretter zum Teil weggelassen, so dass man von oben auf die _doröng
e_ und die _penjapai_ f sieht. Auch die hier in der Regel kleinen,
aber sehr festen _aling_ g aus Eisenholz mit den zugehörigen _djehe_
h, ebenfalls aus Eisenholz, sind angegeben.

Die innere Einrichtung der _amin_ lernt man am besten durch eine
Betrachtung der beiden Tafeln 39 und 40 kennen. Erstere zeigt deutlich
den Bau des Herdes. In der dunklen Ecke des Hintergrundes befindet sich
die Eingangstür, links von ihr die erhöhte Diele mit der Bretterwand,
an welcher ein Schild und ein Sonnenhut hängen. Die Hinterwand dieser
Kammer ist mit aufgerollten Palmblattsäcken verziert. Links oben hängt
ein Fischnetz und eine Rotangmütze. Rechts von der Tür sieht man eine
Bretterwand und dann den Herd nebst den Regalen mit Brennholz und
Küchenvorräten, die hier durch den Rauch getrocknet und konserviert
werden. An der Bretterwand hängt ein Bambusgestell mit europäischen
Tellern und darüber wieder ein aufgerolltes Wurfnetz, unter welchem
die Kette (_awit_) deutlich zu sehen ist. Gut sichtbar ist ferner
die erhöhte Diele vor dem Herde und auf diesem die Dreifüsse und
das eiserne Kochgefäss. Der Mitte zu liegen Rotangmatten auf der
Diele ausgebreitet. Taf. 40 giebt die andere Hälfte derselben _amin_
wieder. Hier sehen wir links die Fortsetzung der Küchenregale, dann
nach rechts zu einen Vorratsraum mit einem Reiskorbe unten und darüber
Regalen. In der Ecke befindet sich eine halbgeschlossene Schlafkammer,
in der das in eine Matte gerollte Kissen (_hlen_) liegt. Die Wand ist
auch hier mit Palmblattmatten verziert und mit allerhand Gegenständen
behängt. Die rechte Hälfte des Bildes zeigt die linke Seitenwand des
Hauses, längs welcher die erhöhte, mit einer grossen Rotangmatte
bedeckte Diele läuft. Den Reichtum des Besitzers dieser _amin_,
des alten Oberpriesters _Bo Jok_, beweist die Reihe schöner, wenn
auch neurer _tempajan_, die hauptsächlich zur Aufbewahrung von Reis
dienen. Links von den _tempajan_ stehen zwei _ingan dawan_ (Körbe),
welche den Hausschatz enthalten. Um sie beim ersten Alarmzeichen
in Sicherheit bringen zu können, stehen sie in _kiang_, Tragbutten
(Siehe Taf. 54 a). Auf die _ingan_ sind zwei Gonge gebunden, wie sie
bei religiösen Zeremonien von den Priestern benützt werden. Rechts von
den _tempajan_ steht ebenfalls ein _ingan dawan_, aber ohne _kiang_
und zu beiden Seiten _psau_, Tragkörbe aus Rotang, voller aufgerollter
Matten (_samit_).

An der Holzwand, an welcher die mit einem Dechsel bearbeiteten Bretter
zu unterscheiden sind, hängen Schwerter, eine dicke Kriegsjacke
und eine Sitzmatte (_tabin_) für Männer. Über dem allem ein Regal
aus dünnen, runden Stöcken, auf dem Matten und Körbe aufbewahrt
werden. Rechts in der Ecke hängen von der Decke wieder Kriegsmützen
mit Federschmuck herab.

Von dem Bau der Mittelwand und der Eingangstür (_betaman_) macht
man sich am besten nach Tafel 28 eine Vorstellung. Die übereinander
greifenden Wandbretter sind mit Rotang aneinander gebunden und
stehen auch hier auf einer horizontalen Planke, welche als Getäfel
dient. Bemerkenswert ist die Umrahmung von Tür und Schwelle, die ganz
aus hübsch geschnitzten Figuren besteht, denen das Genitalmotiv zu
Grunde liegt. Die an die Wand gelehnten Bambusgefässe dienen, um das
Schweinefutter nach unten zu tragen.

Beim Einzug eines _panjin_ in seine neue Wohnung begeben sich alle
Familienglieder, die wertvollsten _ingan dawan_ auf dem Rücken,
unter Beckenschlag in die _amin aja_ und tun, als ob sie das gute
Vorzeichen, das der Häuptling seinerzeit für sein eigenes Haus
gesucht hatte, mitnähmen. Nachdem sie in der eigenen _amin_ etwas
gegessen haben, holen sie aus derselben Grube, welche der Häuptling
gegraben hatte, Erde für den Herd. Das erste Feuer wird aus der _amin
aja_ herübergebracht; es darf zwei Tage lang nicht ausgehen. Dicht
neben ihrem Wohnhause bauen die Bahau und Kenja kleine Scheunen
(_lepo parei_) zur Aufbewahrung von Reis und Wertgegenständen. Diese
Scheunen stehen ebenfalls auf Pfählen, welche zum Schutz gegen Mäuse
und Ratten auf halber Höhe oft grosse Holzscheiben durchsetzen oder
mit Blech beschlagen werden. Die Pfähle sind weniger hoch als die
der Wohnhäuser und die Bodenfläche der Scheunen selbst beträgt meist
nicht über 4-5 qm. Die Scheunen werden aus dem gleichen Material wie
die Häuser gebaut. Der gerade First wird nur von den Häuptlingen an
den beiden Enden mit _bang pakat_ verziert.

Über den Häuserbau der Kenja, der in mancher Hinsicht von dem der Bahau
abweicht, soll bei späterer Gelegenheit noch einiges berichtet werden.



KAPITEL VIII.

    Charakter der Industrie bei den Bahau und Kenja--Herstellung
    von Kleidung: Spinnerei-, Weberei; Verzierung durch Figuren,
    Stickereien, Knüpfarbeiten; Baumbastkleidung--Schmieden:
    Werkzeuge--Eisengewinnung; Herstellung von Arbeitsgerätschaften,
    Lanzen, Schwertern; Verzierung der Schwerter--Schnitzerei:
    Griffe und Scheidend Holz- und Bambusschnitzerei--Flechterei:
    Zubereitung von Rotang, _kebalan, tika, samit_;
    Flechten von Körben, Matten, Hüten; Flechtarbeit für
    Waffen--Töpferei--Bootsbau: Wahl und Behandlung des Materials;
    Roharbeit; Endbehandlung--Kalkbrennerei--Herstellung von Schmuck
    aus Steinen und Perlen: Wert der Perlen, ihre Herkunft, Verwendung;
    Rolle der Perlen in der Kulturgeschichte.


Die Industrie trägt bei den Bahau- und Kenjastämmen völlig den
Charakter einer Hausindustrie. Jede Familie stellt nur für sich
selbst oder ihre unmittelbare Umgebung die erforderlichen Gegenstände
her. Dass jemand mit einer grossen Anzahl Gehilfen arbeitet, kommt
denn auch nicht vor; höchstens hält sich ein Schmied einen Knecht,
der ihm regelmässig hilft; aber auch Meister und Knecht üben ihr
Handwerk nur neben dem Landbau aus, der häufig auch bei ihnen die
Hauptsache bleibt. Von Grossindustrie ist also keine Rede, und bei
der Beurteilung des auf diese Weise Produzierten muss berücksichtigt
werden; dass die Arbeit nicht von Personen geleistet wird, die sich
ihr ausschliesslich widmen, wie in der europäischen Industrie. Den
eingeborenen Handwerkern fehlt daher die durch ständige Herstellung
gleicher Gegenstände erworbene Fertigkeit. Ferner arbeiten sie mit
mangelhaften Hilfsmitteln und werden durch ihre einfachen und ärmlichen
Verhältnisse gezwungen, billiges Material zu verwenden. Sowohl Bahau
als Kenja verarbeiten denn auch selbst kein Silber oder Gold; was
an Zierraten aus diesen Metallen in ihrem Lande verfertigt wird,
stammt von Malaien her.

Ein anderer auf den Fortschritt lähmend wirkender Umstand ist, dass
in den verschiedenen Industriezweigen kein Unterricht erteilt wird,
sondern jeder Anfänger selbst in mehreren Fächern Übung zu erlangen
suchen muss; höchstens bietet sich ihm Gelegenheit, von einem anderen
Handwerker die Arbeit abzusehen oder ihm bei derselben zu helfen.

Fühlt sich jemand zu einem bestimmten Fach hingezogen, so verhindern
ihn oft die Sorgen um seinen und seiner Familie Unterhalt, seiner
Neigung Folge zu leisten.

Da jeder die meisten zum Leben erforderlichen Dinge selbst herstellt
und die Ausübung eines bestimmten Handwerks keinen einträglichen
Erwerb bildet, wird ein eingeborener Fachmann nicht, wie bisweilen
ein europäischer, gerade durch Sorge und Not zu den höchsten
Leistungen angeregt; die besten Produkte werden im Gegenteil von
Gliedern wohlhabender Häuptlingsfamilien oder Freien hervorgebracht;
Unbemittelte dagegen leisten nur selten etwas Besonderes.

Ein Vorteil für die dajakische Industrie liegt darin, dass ihr ganzes
künstlerisches Können und ihr Geschmack sich auf das Gebiet des
Handwerks konzentrieren, da bei ihnen nicht, wie in höherstehenden
Gemeinwesen, eine bestimmte Kunst, wie z.B. die Bildhauerkunst
oder Malerei, vorhanden ist, die nur der Kunst halber Gegenstände
hervorbringt. Die Industrie der Bewohner Borneos kann, trotz der
bescheidenen Grenzen, innerhalb welcher sie sich bewegt, in einigen
Zweigen als Kunstindustrie bezeichnet werden. Mit der reinen Kunst
entwickelterer Völker steht diese sogar in engem Zusammenhang.

Dass unter den oben geschilderten Umständen die Industrie der
Dajak nicht zur vollen Ausbildung hat gelangen können, vielmehr das
Kennzeichen einer beschränkten, Umgebung trägt, ist also begreiflich;
immerhin sind ihre Leistungen noch so bedeutend und umfassend, dass
jedes Fach im folgenden eine eingehende Betrachtung verdient. Alles,
was sich speziell auf das Kunstgebiet bezieht, wie z.B. die Erklärung
der dajakischen Verzierungsmotive, wird im folgenden Kapitel gesondert
behandelt werden.

Von allen Industriezweigen ist die Bekleidungsindustrie für die
Bevölkerung Mittel-Borneos die wichtigste. Nach den noch aus alten
Zeiten erhalten gebliebenen Kleidungsstücken zu urteilen, haben die
Dajak diese ursprünglich hauptsächlich aus Baumbast verfertigt und ist
die Weberei erst später bei ihnen eingeführt worden. Zu dieser Ansicht
führte mich vor allem die Tatsache, dass bei fast allen Stämmen für
die Weberei dieselben beschränkenden Bestimmungen zu finden sind,
die für alles Fremdländische zu gelten pflegen: so darf bei den zu
den Ot-Danum gehörenden Ulu-Ajar am Mandai nicht im Hause selbst,
sondern nur in besonders zu diesem Zwecke errichteten Hütten gewebt
werden; derselbe Brauch herrscht bei den Kenja. Bei den Kajan am
Blu-u ist den Priesterinnen das Weben verboten, und so bestehen
noch mehr derartiger Vorschriften. Doch muss die Webekunst bereits
vor langer Zeit in Mittel-Borneo eingeführt worden sein, denn bei
einigen Stämmen ist sie schon wieder verschwunden. Letzteres hängt
mit der auch in so mancher anderen Hinsicht auf die inländische Kultur
zersetzend wirkenden Berührung mit der Küstenbevölkerung zusammen. Die
Herstellung eins Stoffes kostet nämlich Männern und Frauen viele
Arbeit, da sie auch das erforderliche Material erst anbauen (Baumwolle
und Ananasfasern) oder im Walde suchen müssen (Lianenfasern). Dann
muss dieses zu Fäden verarbeitet, gesponnen oder aneinandergeknüpft
und schliesslich gewebt werden. Alle diese auf primitive Weise
vorgenommenen Prozeduren erfordern viel Zeit und Mühe. Infolgedessen
bevorzugen die Eingeborenen den bei ihnen eingeführten europäischen
Kattun, der nicht teuer und nach ihrer Ansicht schön bedruckt ist,
und verfertigen das eigene Fabrikat nur noch für starke grobe Kleidung;
in den reichen Familien wird auch noch zum Luxus gewebt.

Weniger als die eigengewebten Stoffe sind die aus Baumbast durch
europäische Produkte verdrängt worden, weil die Baumbastkleidung viel
müheloser herzustellen und dabei dauerhaft ist.

Augenblicklich weben von den Stämmen der Bahau und Kenja nur noch
diejenigen, die in zu grosser Entfernung von der Küste leben, um sich
in billiger und genügender Weise mit eingeführten Zeugen versehen zu
können. So weben hauptsächlich die Frauen der Kajan und Pnihing am
oberen Mahakam und die der Kenja in Apu Kajan. Die südlicher wohnenden
und überdies reicheren Long-Glat und Ma-Suling betreiben die Weberei
jetzt überhaupt nicht mehr, doch liessen sie mich noch alte Webereien
ihrer Vorfahren sehen, wie sie auch die Bahaustämme am oberen Kapuas
noch aufweisen konnten.

Die Dajak verwenden zum Weben folgendes Material: zwei Arten von
selbstgebauter Baumwolle; Ananasfasern, die man erhält, indem
man von langen Blättern auf hierfür bestimmten Brettern (Taf. 61,
c) mit scharfen Bambusspähnen die weichen Teile fortkratzt, die
übrigbleibenden Fasern ausspült, trocknet und in der Sonne bleicht;
eine Art von Lianenfasern, die man _tengang_ nennt und vor allem für
Stricke und Netze gebraucht und endlich 3 Arten von Baumbast _kedeob,
negong_ und _damei_, die sich nach dem Auswaschen und Trocknen zu
langen Fäden spalten lassen. Der _tengang_ besteht aus dem Stamm
einer Liane, die sich nach dem Trocknen auch mit den Fingern leicht
in lange feine Fasern spalten lässt. Die Baumbastfasern werden nicht
wie die des _tengang_ zu Fäden zusammengedreht, sondern aneinander
geknüpft und dann nicht als Einschlag, sondern nur als Kette benützt;
zu ersterem wird dann Baumwolle oder _tengang_ verwendet.

Die Pnihingfrauen am Mahakam wussten sich auf besondere Weise
dunkelblaue Baumwollfäden zu verschaffen. Sie kauften eine Art von
lose gewebtem dunkelblauem Kattun, der für weiche Lendentücher bei
ihnen eingeführt wird, zogen aus dem Zeug die Fäden aus und verwebten
diese dann zu ihren eigenen Stoffen.

Das Spinnen der Baumwollfäden geschieht mittelst Stäbchen, welche auf
die in der oberen Abbildung von Taf. 45 dargestellte Weise gehandhabt
werden. Die Frau rechts hält in der rechten Hand die Baumwolle,
während sie mit der linken das mit einer schweren Scheibe aus Stein,
Muschel oder Baumfrucht versehene und auf einer harten glatten
Unterlage ruhende Stäbchen zum Drehen bringt. Die Feinheit des so
hergestellten Fadens ist sehr verschieden und hängt hauptsächlich
von der Geschicklichkeit der Spinnerin ab.

Die Frau links auf dem Bilde dreht aus den Fasern von _tengang_
einen Faden. Die hierfür gebräuchlichen Faserstücke sind etwa 3-4 dm
lang und werden zu zweien derart zusammengedreht, dass ihre Enden auf
verschiedener Höhe liegen. Die Fasern werden auf bestimmte Weise mit
dem Ballen der Hand auf dem blossen Bein gerieben und so zu einem
sehr gleichmässigen Faden vereinigt, der durch Hinzufügung neuer
Faserstücke stets verlängert wird.

Früher war auch das Färben von Baumwolle sehr im Schwange; man
färbte sie braun, indem man die Fäden im Morast liegen liess,
rot durch Eintauchen in Drachenblut, grün durch Kochen in dem
grünen Farbstoff einer Liane. Gegenwärtig finden die von den Malaien
vielfach eingeführten Anilinfarbstoffe mit ihrem sehr lebhaften Kolorit
allgemeine Verwendung. Bei den Bahau und Kenja sah ich nie die Methode
des _ikat_, der Knotenfärberei, anwenden, d.h. das Bedecken gewisser
Teile der zu färbenden Fäden mittelst Pflanzenfasern, wohl aber unter
den Batang-Luparstämmen und Ot-Danum. Ein einfaches Tuch, das ich bei
den Mahakamkajan kaufte, war allerdings mit Anwendung der Bindemethode
gefärbt worden, doch ist seine Herkunft unsicher.

Das Weben geschieht bei den Dajak nach der auf Taf. 42 dargestellten
Weise mit dem gewöhnlichen, einfachen Apparat, der im indischen
Archipel sehr verbreitet ist. Mit diesem Webstuhl stellen sie nur
einfache Arten von Zeug her. Das Weben in Mustern verstehen sie nicht,
sie können nur Rauten herstellen, die in allerhand Variationen bei den
verschiedenen Stämmen wiederkehren. Eine Abwechslung im Gewebe rufen
sie hauptsächlich dadurch hervor, dass sie die Fäden der Kette in Farbe
und Material ändern, ein Verfahren, das als Beginn einer Figurenweberei
betrachtet werden kann. Die so gewebten Zeugstücke sind so schmal,
dass für einen Frauenrock zwei übereinander genäht werden müssen.

Das Spinnen und Weben wird von den Bahau als eine ausschliesslich
weibliche Arbeit aufgefasst; die Männer fürchten, bereits durch
die Berührung eines Webstuhls an ihrer Männlichkeit einzubüssen
(_takut dawi_ T. I p. 350) und sind daher zum Tragen desselben nicht
zu bewegen.

Die verschiedenen Stoffe der Dajak dienen alle zur Herstellung von
Kleidungsstücken; die aus Baumbast und Lianenfasern gewebten werden
für Arbeitskleider gebraucht; für Frauen verfertigt man aus ihnen
einfache Röcke (Taf. 19 T. I) und Jacken mit oder ohne Ärmel nach
dem Modell von Taf. 49, für Männer Lendentücher und die gleichen
schlichten Jacken. Die weissen und farbigen Zeuge aus Baumwolle
(_bura_) und Ananasfasern (_usan_) werden vorzugsweise für hübsche,
bei Festen getragene Kleider verwandt.

Die Verzierung dieser Festkleider wird für Männer und Frauen auf
gleiche Weise vorgenommen, nämlich durch ausgeschnittene Zeugfiguren,
Stickereien und Knüpfarbeit. Auf erstere Art verzierte Frauenröcke sind
auf Taf. 43 und 44 abgebildet. Die Ränder der 4 Röcke der Kajanfrauen
bestehen aus geschmackvoll ausgeschnittenen Figuren von dunklem Zeuge,
die auf weissen Kattun als Grund geheftet sind. Während die Borten von
a, b und c gänzlich aus Streifen solcher Figuren bestehen, sind sie
bei d in Dreieckform mit ebenfalls dreieckigen Stickereien kombiniert,
derart wie sie auf Tafel 46 abgebildet sind.

Röcke von dieser Form werden allgemein von den Kajanfrauen getragen;
die Pnihing ziehen ein verziertes Mittelfeld vor, wie Taf. 44 es in
unvollendetem Zustande darstellt. An diesem Exemplar lässt sich die
Art der Herstellung gut verfolgen: das ausgeschnittene dunkelblaue
Kattunstück ist mit Pflanzenfasern um das Figurenfeld herum auf
darunterliegenden weissen Kattun geheftet; auch die Linien der
Figuren sind zu beiden Seiten mit schwarzen, auf dem Bilde kaum
sichtbaren Fäden auf die Unterlage genäht. Einige Schatten auf der
linken Seite deuten darauf, dass die Figuren hier noch nicht alle
befestigt sind, wie es rechts der Fall ist. An dieser komplizierten
Figur ist die Symmetrie eine absolute; sie kam zustande, indem man
das noch unbearbeitete Zeugstück einmal zusammenfaltete, die Figuren
ausschnitt und die beiden Teile dann auseinanderschlug. Während das
Nähen der Röcke ausschliesslich von Frauen besorgt wird, ist das
Ausschneiden der Figuren Sache der Männer. Diese legen das Zeug
auf eine harte Unterlage, ein Brett z.B., und schneiden dann mit
ihrem langen Messer (_nju_) die Figuren aus freier Hand aus. Dabei
gebrauchen sie keine Vorlage oder Zeichnung auf dem Zeug, sondern
schneiden nach freier Phantasie aus. Den ganzen Entwurf haben sie
augenscheinlich bereits fest im Kopfe, denn sie ziehen die Hauptlinien
schnell und ohne Zögern; die Einzelheiten des Ornaments scheinen sie
sich erst allmählich auszudenken und erst während der Arbeit sorgfältig
auszuarbeiten. Dass sie später auf die Verbesserung eventueller Fehler
nicht viel Mühe verwenden, beweisen die Fäden, die an den ausgefransten
Figurenrändern noch überall zum Vorschein kommen. Die Verzierung dieses
Rockes zeugt in hohem Masse von den künstlerischen Fähigkeiten des
Pnihing, der sie zustande brachte; der Entwurf ist sehr schön und
reich kombiniert, die Gruppierung der Figuren als Mittelstück mit
zwei Seitenstücken gut gedacht. Die Anwendung einer so komplizierten
Arbeit für einen so vergänglichen Gegenstand wie einen Rock spricht
für die geringe Mühe, die sie dem Künstler gekostet haben muss. Das
Werk beweist zugleich eine grosse Geschicklichkeit in der Handhabung
von Linien. Die dajakische Vorliebe für Tiermotive verleugnet sich
auch hier nicht; zu beiden Seiten des Mittelstückes erkennen wir je
zwei aufgerichtete Tierfiguren mit 4 Füssen und Schwänzen (1-8). An den
Rändern seitlich sind noch je zwei Masken wiedergegeben, wie die Augen
(g) und die stilisierten Nasenöffnungen (10) beweisen (Siehe Näheres
folg. Kap.). Die Röcke der Kajanfrauen auf Taf. 43 sind alle nach
dem gleichen Prinzip zusammengesetzt: in der Mitte ein Feld (Fig. b,
4) aus einfarbigem, un- oder schwachgemustertem europäischem Stoff,
womöglich aus Seide, zu beiden Seiten und unten verzierte Ränder (3),
die durch Streifen von einer (bei Fig. c) oder mehreren Zeugarten
(Fig. a, b, d) vom Mittelfelde abgegrenzt werden. Eine derartige
begrenzende Borte, nur breiter, wird auch zwischen dem Felde 4 und
dem breiten oberen Rand des Rockes angebracht, der stets aus einem
Streifen von dunkelrotem Flanell oder Kattun bestehen muss. Gegenwärtig
verwendet man für diese Borten am liebsten eingeführte Gold- oder
Silberposamente, wie dies auch bei Fig. c der Fall ist; doch sind für
die unteren und seitlichen noch immer am gebräuchlichsten Streifen
von verschiedenfarbigem Flanell oder Kattun, die sich meistens sehr
hart neben einander ausnehmen und einen lebhaften, aber unschönen
Effekt hervorrufen. Besonders grosse Sorgfalt wird auf den breiteren,
trennenden Streifen zwischen dem Oberrand des Rockes und dem unteren
Teil verwendet. In den Figuren a und c besteht er aus einem breiten
Stück Goldposament, in b (2) und d aus einem zwar nicht hübschen,
aber doch besonderen Stoffe.

Bei den Kajan gelang es mir noch, einige alte bestickte Streifen zu
erstehen, die zu obigem Zweck, zur Trennung des Oberstreifens vom
Mittelfelde, benutzt wurden. Sie sind auf Tafel 47 unter a, b und c
abgebildet. Sie sind alle aus eingeführtem, weissem oder schwarzem
Kattun verfertigt und mit Figuren aus bunten Fäden bestickt. Wegen der
Einfuhr- von bedrucktem Kattun geben sich die Frauen jetzt jedoch nur
noch selten die Mühe, solche Streifen zu sticken. Als Verzierungsmotiv
für die Rockränder mit ausgeschnittenen Figuren dienen Tiere; öfters
jedoch besteht der Entwurf ausschliesslich aus Linien.

Ausser den eben genannten Rändern sind auch vielfach gestickte modern,
von denen Tafel 46 einige vorführt. Meistens wird auf einfachen
schwarzen oder dunkelblauen Kattun gestickt, bisweilen aber auch auf
roten Flanell. Auf Tafel 41 sehen wir die Frau links damit beschäftigt,
eine derartige Stickerei auf dem Zipfel eines Lendentuches anzubringen
und zwar in der charakteristischen Form spitzer Dreiecke, wie sie für
diese Kleidungsstücke gebräuchlich sind. Für diese Stickereien werden
von den Männern keine Entwürfe hergestellt, sondern die Frauen führen
die Figuren ohne vorausgehende Zeichnung während der Arbeit selbst aus.

Von dem Formen- und Farbensinn, den sie dabei entwickeln, Gibt
Taf. 46 einen Begriff. Fig. a muss noch längs der die Stickerei
durchziehenden Pflanzenfaser in drei Dreiecke zerlegt werden, um dann
ebenfalls als Verzierung für Rockränder dienen zu können. Von den
Dreiecken bestehen das mittelste und das linke aus Linien figuren,
das rechte dagegen hat zum Hauptmotiv eine stilisierte Hundefigur
(1) mit nach links gewendetem Kopf, von dem ein Auge und die beiden
langen Kiefern mit der Zunge dazwischen am besten erkennbar sind;
die übrigen Körperformen, wie Hals, Leib, Beine und Schwanz sind in
gefällig gebogenen Linien ausgeführt.

Rand b bildet ein fast völlig aus dekorativen Linien zusammengestelltes
Ganzes, nur links und rechts (bei 2) sind Vogelfiguren mit nach aussen
gewendeten Köpfen angebracht. Die schwarz und weiss gestreiften
Schwänze deuten einen Nashornvogel an. Dasselbe gilt für Rand c,
bei dem sich zwischen zierlichen Linienfiguren 3 Vogelformen (bei 3)
unterscheiden lassen. Rand d ist nur halb ausgearbeitet und trägt
erst ein stark verziertes mittleres Dreieck.

In gleichem Charakter ausgeführte Stickereien, aber, anstatt auf
den Rändern, im Mittelfelde des Rockes, sind bei den Long-Glat im
Schwange. Einen derartigen Rock trägt die mittelste Frau auf Tafel 8;
dies ist _Kwing Irangs_ zweite Frau, _Uniang Anja_, eine Long-Glat von
Geburt. Die Hauptfiguren dieser Stickerei bestehen aus 6 Hundekörpern
mit zur Mitte gekehrten Köpfen, welche je zu dreien über einander zu
beiden Seiten angebracht sind. Im Gegensatz zu _Uniang_ hat _Kehad
Hiang_, die rechts auf dem Bilde steht, einen Rock an, bei dem nach
Kajanart nicht das Mittelfeld, sonder die Ränder bestickt sind.

Eine andere Art von Stickerei ist auf Tafel 47 an dem oberen Rande von
Fig. d in 1 und an e in 3 zu sehen. Diese schmalen Streifen werden
von den Frauen entweder als selbständige Verzierung oder, wie hier,
in Verbindung mit einer weiter unten zu besprechenden Borte auf Jacken
gestickt. Das Material besteht aus verschiedenfarbiger, eingeführter,
dünner Baumwolle und auch der Stoff der Jacken ist häufig fremdes
Fabrikat. Die mit sehr langen Kreuzstichen gearbeitete Stickerei
ist nur dadurch beachtenswert, dass die Künstlerin sich bemüht,
beim Durchstechen an der Rückseite des Zeuges von den Fäden so wenig
als möglich sehen zu lassen, was ihr sogar auch bei dünnem Kattun
merkwürdig gut gelingt. Ich glaube diese eigentümliche Nähweise darauf
zurückführen zu müssen, dass auf diese Art früher und auch jetzt noch
gelegentlich auf Baumbast gestickt wird, wobei die Fäden ebenfalls
nicht bis auf die Innenseite durchgezogen werden dürfen. Ein bei der
Dicke des Baumbastes sehr einfaches Verfahren erfordert jedoch bei
dünnem Kattun grosse Geschicklichkeit.

An die eben beschriebenen Streifen auf Taf. 47 schliessen sich die oben
schon erwähnten Ränder an, die auf ganz besondere Weise hergestellt
werden und am besten vielleicht als Knüpfarbeit (_serawang_) zu
benennen sind. Das mit a bezeichnete Stück in Fig. d stellt einen
Teil eines solchen Randes dar; er ist völlig ausgeführt und dient als
untere Verzierung einer Kattunjacke. Der bei 4 in Fig. e abgebildete
zweite derartige Rand ist noch unvollendet und daher geeignet, uns
eine Vorstellung von der Entstehung dieser Knüpfarbeit zu geben.

Die Frauen arbeiten von rechts nach links mittelst eines Fadenbündels,
das aus ebensovielen Fäden besteht als im Muster Farben vorkommen,
hier also 5, und aus einer etwas dickeren Schnur. Den roten Faden, der
z.B. auf dem Muster sichtbar werden soll, fädelt sie in eine Nadel und,
indem sie mit der linken Hand die übrigen Fäden des Bündels festhält,
zieht sie diesen roten Faden durch den unteren Rand der Jacke und
knüpft dann mit ihm um das Bündel eine Schlinge, wodurch dieses an den
Jackenrand fest angenäht wird; dann fährt sie fort, immer von rechts
nach links so viele rote Schlingen um das Fadenbündel und durch den
Jackenrand zu ziehen, als die Breite der roten Farbe im Muster sie
erfordern. Für die links folgende Farbe, z.B. weiss, sucht sie den
weissen Faden aus dem Bündel hervor, fädelt ihn durch die Nadel und
knüpft wiederum die erforderliche Anzahl weisser Schlingen durch das
Zeug des Jackenrandes und um das Fadenbündel. Indem sie so fortfährt,
entsteht unten um den ganzen Jackenrand ein Streifen in den gewünschten
Farben und von der Dicke des umknüpften Bündels der farbigen Fäden;
unter diesem bringt sie nun ein zweites Fadenbündel an, indem sie
auf die oben geschilderte Weise in den vom Muster vorgeschriebenen
Farben eine neue Reihe von Schlingen knüpft. Die Nadel steckt sie
aber diesmal natürlich nicht durch den Zeugrand der Jacke, sondern
durch den untersten Rand des ersten Bündels. Die in jedem Fadenbündel
steckende Schnur dient erstens dazu, dieses zu verdicken, zweitens
um dem Knüpfwerk, dessen Schlingen nur schwer dicht genug aneinander
gebracht werden können, durch nachträgliches Anziehen die nötige
Festigkeit zu verleihen. Ein solches Bündel wird stets nicht auf einmal
längs des ganzen Jackenrandes ausgearbeitet, sondern, sobald die Frau
ein Stück weit gekommen ist, beginnt sie stets wieder eine neue Reihe
von Bündeln untereinander anzubringen. In diesem Stadium sehen wir
den unvollendeten Rand von 4 in Fig. e. Hier ist der oberste Teil
bereits fertig geknüpft, der unterste jedoch nur so weit gefördert,
als die Fadenbündel 5-11 angeben; von diesen liegt 5 am höchsten,
6 darunter u.s.f. Soll an diesem Rand weiter gearbeitet werden, so
beginnt man damit, den braunen Faden von Bündel 5 in eine Nadel zu
fädeln, diese durch den vollendeten unteren Rand der Borte zu stecken
und nun so viele Schlingen um Bündel 5 zu knüpfen, als die Breite der
braunen Farbe sie erfordert. Dann vertauscht man den braunen Faden
mit dem grünen und gebraucht diesen nun auf dieselbe Weise, bis die
rote Farbe sichtbar werden muss u.s.w. Nach derselben Methode wird
später Bündel 6 unter 5 befestigt und ferner 7, 8, 9, 10, 11, wodurch
der Rand um die Dicke von 7 Bündeln breiter geworden ist. Während der
Arbeit wird die Schnur im Bündel immer wieder straff angezogen. Eine
derartig gearbeitete Borte ist äusserst fest und dauerhaft, obgleich
die einzelnen Bündel nicht auf eine Unterlage von Zeug, sondern nur
aneinander geknüpft worden sind.

Da das Knüpfen viel Zeit und grosse Übung heischt, sind solche Ränder
sehr wertvoll und nur selten käuflich. Ich sah diese Verzierungsmethode
ausschliesslich bei Jacken anwenden. Dagegen wird eine andere Art von
Knüpfarbeit, nicht mit bunten, sondern mit weissen Fäden, auch längs
den Zipfeln von Lendentüchern angebracht. Hierbei benützt man die
frei hängenden weissen Fäden von der Kette des selbst verfertigten
Baumwollstoffes, um sie in hübschen, den europäischen ähnlichen
Mustern zu knüpfen.

Ausser aus selbstgewebten und eingeführten Stoffen verfertigen
die Bahau ihre Kleidung, wie gesagt, auch aus Baumbast (_kapuwa,
njamau_), dessen Zubereitung bereits in Teil I p. 222 beschrieben
worden ist. Tafel 48 giebt eine Vorstellung von der Behandlung des
Baumbastes; der Mann rechts löst den Bast von einem Stamm, indem er
auf dessen Aussenseite schlägt, wodurch die Verbindung der Bastteile
mit dem darunter liegenden Holz zerstört wird. Nachdem auch die Rinde
von dem Bast geschieden worden ist, rollt man diesen auf, klopft ihn
mürbe und verbreitert ihn, wie es der Mann links tut, durch Klopfen
mit einem gekerbten Stück Holz. Ein derartiger Klopfer, auf Tafel 62
bei i abgebildet, hat bei allen Stämmen die gleiche Form.

Ungefähr zehn in Farbe und Feinheit der Fasern voneinander deutlich
verschiedene Arten von Baumrinde werden für die Herstellung von
Kleidern verwendet. Besonders schönen Bast liefert Antiaris toxicaria,
nämlich ganz weissen, feinfaserigen, der überdies in grossen, breiten
Lappen erhalten werden kann, was mit anderem weissem Bast nicht der
Fall ist. Die schmalen Arten gebraucht man meistens zu Kopfbinden,
den breiten Bast von Antianis, am Mahakam _njamau tatjem_, am Kapuas
_kapuwa tasem_ genannt, meist für hübsche Jacken, wie Tafel 49 oder für
Kriegsmäntel, wie Taf. 50 sie vorführen. Die meisten Baumbastsorten
sind jedoch mehr oder weniger von dunkel brauner Farbe und werden
weniger, wie die weissen, für Fest- als für Arbeits- und Trauerkleider
verwendet.

Für den täglichen Gebrauch ist Bast besonders geeignet, weil er billig
und dauerhaft ist und überdies auch bei längerem Tragen nicht die
schmutzige Farbe annimmt, die weissem Kattun bald eigen ist, da die
Kleider der Bahau wohl ausgespült, aber nicht mit Seife gewaschen
werden. Die verschiedenen Arten von Baumbast heissen am Mahakam:
1°. _njamau tatjem_; 2°. _njamau kehan_; 3°. _njamau siken_;
4°. _njamau kelop;_ 5°. _njamau tekunoi_; 6°. _njamau asang_;
7°. _njamau puro_; 8°. _njamau awong kate_; 9°. _njamau ajuw_;
10°. _njamau tahab_. Von diesen stammen 1-4, 6, 7, 9 und 10 von grossen
Bäumen, die Rinde von 5 und 8 wird aber nicht breiter als 2 dm. In
bezug auf ihre Eigenschaften sind diese Baumbastarten sehr verschieden;
i und 8 sind nach der Bearbeitung sehr weiss und dabei stark, für
Kleidungsstücke deshalb sehr gesucht. Die übrigen sind alle braun,
zeigen aber, was Stärke und Dicke der Fasern betrifft, eine grosse
Verschiedenheit. So ist 3 für grobe Kleidung sehr beliebt. Dabei
lässt sich diese Art, was die Stärke der Fasern betrifft, sogar wie
_tengang_ zur Seilerei verwenden. Diese Seile zeichnen sich durch
grosse Dauerhaftigkeit aus.

Die Baststoffe, deren Fasern alle ungefähr parallel laufen und
ausserdem durch Klopfen auseinander gedrängt werden, trennen sich beim
Gebrauch leicht völlig, ein Nachteil, dem man dadurch abzuhelfen sucht,
dass man starke Pflanzenfasern oder Schnüre quer durch den Bast zieht,
wodurch den Fasern ein seitlicher Halt gegeben wird. Bei den Bahau
geschieht dies bei der Alltagskleidung auf einfache, aber oft sehr
nette Weise; das Durchsteppen hat sogar eine sehr hübsche Verzierung
der für die Festtracht bestimmten Baststoffe veranlasst. Zwei Beispiele
hierfür sind die ärmellose Jacke auf Tafel 49 und die Kriegsjacke auf
Tafel 50. Bei beiden sind die Bastfasern nicht einfach quer durchstickt
worden, sondern die Ma-Sulingfrauen haben bei diesen Jacken einen
grossen Reichtum an verschiedenartigen Stickmustern angebracht. Eine
gleiche Bewunderung verdient auch die ausserordentlich regelmässige
Arbeit, bei der noch berücksichtigt werden muss, dass das Zählen
der Fäden, ein Hilfsmittel bei gewebtem Zeug, hier fortfällt und die
Stickerin ausschliesslich auf ihr Augenmass angewiesen ist. Wie mitten
auf der Vorderseite auf Tafel 49 und in der Halsöffnung auf Tafel 50
zu sehen ist, sind die Fäden horizontal durch die Dicke des Bastes
gezogen worden, nur wenige kommen an der Innenseite zum Vorschein.

Die Trauerkleider aus Baumbast werden stets auf einfache Art
durchsteppt und niemals verziert; auch gebraucht man für diese keine
hübschen weissen, sondern nur braune Bastsorten.

Bastkleider werden nicht ausschliesslich aus wenigen grossen
Stücken, sondern auch aus vielen kleinen verfertigt, indem man
diese aneinander heftet, eine Arbeit, mit der wir die Frau rechts
auf Tafel 55 beschäftigt sehen. Ausser für Kleider wird Bast auch
für andere Artikel, wie Säckchen zur Aufbewahrung von Kleinigkeiten
u.a.m. verwendet.

Die mehr oder weniger ausgedehnte Verwendung von Baumbast zur
Kleidung und die Bewertung dieses Stoffes bei den verschiedenen
dajakischen Stämmen sind davon abhängig, ob diese sich leicht
oder schwer mit europäischem Kattun versehen können. So ist, wie
gesagt, am Mendalam der Gebrauch von Baumbast sehr zurückgegangen,
niemand wählt ihn jetzt mehr zur Festkleidung. Da hierdurch auch eine
Verzierung dieses Stoffes mit Stickereien unmodern geworden ist, wird
auch das Sticken auf gewebten Zeugen überhaupt nicht mehr oder nur
in sehr mangelhafter Weise noch ausgeführt. Das Gleiche ist bei den
Mahakambewohnern unterhalb der Wasserfälle und den Long-Glat der Fall,
während die Kajan, Pnihing und Ma-Suling zur Kleidung noch vielfach
Baumbast gebrauchen, diesen noch sorgfältig bearbeiten und ihn für
einzelne Teile der Festtracht, wie z.B. ihre grossen Kopfbinden,
dem eingeführten Kattun sogar noch vorziehen (siehe Tafel 20).

Bei den Kenjastämmen wird Baumbast ebenfalls noch sehr viel getragen,
im Walde und auf grossen Reisen beinahe ausschliesslich.

Allen Stämmen der Bahau und Kenja ist die Schmiedekunst bekannt. Die
für den Ackerbau, den Busch etc. notwendigen Werkzeuge verfertigen sie
selbst. Ursprünglich wendeten diese Stämme selbstgeschmolzenes Eisen
an, jetzt weit mehr aus Europa eingeführtes. Während man auf Form
und Bearbeitung der täglich gebrauchten eisernen Gegenstände nicht
viel Gewicht legt, geschieht dies in hohem Masse beim Schmieden von
Waffen, in welcher Kunst die Bahau und Kenja es sehr weit gebracht
haben und Erzeugnisse liefern, die auch bei der Küstenbevölkerung
sehr geschätzt sind.

In jeder Niederlassung sind ein bis mehrere Schmiede zu finden,
die für die Eingesessenen alle neuen Geräte herstellen und die alten
ausbessern. Jeder Schmied besitzt eine eigene Schmiede ausserhalb des
langen Hauses, aber in dessen Nähe. Sehr einfache Schmiedearbeiten
versteht beinahe jeder Dajak selbst auszuführen, z.B. seine Ackergeräte
gerade zu schlagen oder zu schärfen, eine abgebrochene Spitze zu
erneuern oder aus einem Nagel einen Angelhaken zu schmieden. Doch
wird ein Berufsschmied als etwas Besonderes angesehen und daher wie
ein echter Künstler von einem Geiste (_to temne_ = Schmiedegeist)
beseelt gedacht. Ist dies nicht der Fall, so kann er auch nichts
Hervorragendes in seinem Fach leisten. Bisweilen lässt sich eine
Person durch eine _dajung_ mit einem _to temne_ aus Apu Lagan beseelen,
ohne noch für die Schmiedekunst besondere Anlage oder Lust zu zeigen;
dies geschieht bei jungen Männern während einer ernsten Krankheit, um
den Patienten mit Hilfe eines mächtigen Schmiedegeistes zu heilen. So
hatte man für _Awang Kelei_, einen der beiden Kajanschmiede am Blu-u,
bereits in früher Jugend einen _to temne_ herbeigerufen und mit ihm
verbunden, weil er sehr lange an syphilitischen Ulzerationen gelitten
hatte, deren Spuren er noch später trug. Wie alle beseelten Individuen,
müssen auch die Schmiede zu bestimmten Gelegenheiten ihrem Schutzgeist
opfern, hauptsächlich bei Krankheit; sie bewahren auch stets in
ihrer Schmiede einige alte Perlen als Lockmittel für ihren Geist,
wie die Tätowierkünstlerinnen in ihrem Instrumentenkörbchen.

Die Werkstatt eines Schmieds besteht gewöhnlich nur aus einem 8-10 qm
grossen Dach, das an den Ecken auf Pfählen ruht und zu niedrig ist,
um unter ihm aufrecht stehen zu können. Bei den Bahau wird das Dach mit
Schindeln gedeckt und das Ganze ringsum gegen die frei umherlaufenden
Schweine mit einer Hecke umgeben.

Die Utensilien eines Schmieds sind recht primitiv; das wichtigste
Stück, der Ambos, ist ein nicht sehr grosses viereckiges Stück Eisen,
das in Holz gefasst mitten auf dem Boden steht. Das zu schmiedende
Stück Eisen wird mit einer Zange (Taf. 51 Fig. 10) festgehalten
und mit einem Hammer (Fig. 11) weiter bearbeitet. Stets befindet
sich ein Schweinetrog mit Wasser in der Nähe, zur Abkühlung oder
Härtung des Eisens. Der Schmied gebraucht das gleiche Feuer wie der
Kalkbrenner. Die Heizung geschieht immer mit Holzkohlen, welche
die Schmiede selbst im Walde brennen. Angeblasen wird das Feuer
mittelst eines doppelten Glasbalgs, von dessen beiden Teilen jeder
so eingerichtet ist, wie der eine auf Taf. 58. Den Hauptbestandteil
bildet ein in die Erde gepflanzter ausgehöhlter Baumstamm, in dem sich
ein oben mit einem elastischen Stock verbundener Sauger befindet. Wie
die Abbildung zeigt, drückt der junge Mann den Stock nach unten, um
die Luft unter dem Sauger fortzupressen, der durch die Elastizität
des Stockes wieder hinaufgezogen wird.

Die unter dem Sauger ausgepresste Luft dringt durch eine unten am
Baumstamm befindliche Öffnung in eine Abfuhrröhre aus Holz oder Bambus,
und wird von hier in ein Verlängerungsstück aus feuerfestem Lehm,
das im Feuer selbst liegt, geleitet. Der Sauger besteht aus einer
meist mit einem dichten Federkranz versehenen Holzscheibe, welche die
Öffnung- verschliesst. Die beiden neben einander stehenden Luftpumpen
werden durch eine zwischen den Saugstangen sitzende Person, welche
in jeder Hand eine derselben hält, abwechselnd in Bewegung gebracht.

Fügt man zu den oben genannten Werkzeugen noch einige selbstverfertigte
Meissel, so ist hiermit, ausser zur Herstellung besonders feiner
Gegenstände, die ganze Ausrüstung eines Bahauschmieds aufgezählt.

Das billige und bessere europäische Eisen hat, wie gesagt, das
früher ausschliesslich verwendete selbstgeschmolzene Eisen bei diesen
Stämmen verdrängt. Die am Mittellauf des Mahakam, und Kapuri lebenden
Eingeborenen haben das Schmelzen eigenen Eisens gänzlich aufgegeben;
oberhalb der Mahakamwasserfälle wird es noch ab und zu bei den
Long-Glat geübt. Zu diesem Zwecke wird zuerst im Walde eine grosse
Menge Holzkohle gebrannt, dann in den Schuttbänken einiger kleiner
Nebenflüsse des Mahakam Eisenerz gesucht, das hier in gelbbraunen
Brocken in Form stumpfer Ästchen und kleiner Zylinder vorkommt und,
je nach den Flüssen, von verschiedener Qualität sein soll. Darauf
wird in einem Erdloch ein starkes Feuer entzündet und in diesem werden
abwechselnde Lagen von Holzkohle und Erz bis zur völligen Verbrennung
in Glut gehalten. Nach der Abkühlung findet man am Grunde des Loches
einen mit Schlacken vermengten Eisenklumpen. Begreiflicherweise ist
der Kohlengehalt in diesem sehr verschieden und sind Gusseisen,
Stahl und Schmiedeeisen in ihm unregelmässig vermengt. Von einem
derartigen Klumpen schlägt nun der Schmied ein Stück von der
Grösse des Gegenstandes, den er herstellen will, ab. Auch die besten
Waffenschmiede verstehen die verschiedenen Arten von Eisen nur schlecht
zu unterscheiden und ineinander überzuführen.

Will daher ein Waffenschmied ein Schwert mit den Eigenschaften von
Stahl herstellen, so trifft er nur durch Zufall sogleich das Richtige;
die meisten Schwerter, die eine bestimmte verlangte Eigenschaft haben
müssen, werden wiederholt umgeschmiedet und mit neuen Eisenarten
gemengt. Die Schmiede wissen zwar, dass man Stahl härten kann,
Eisen dagegen nicht, und dass Eisenstücke von gewissen Eigenschaften
durcheinander geschweisst ein gut härtbares Metall liefern können;
doch bleibt es bei ihnen stets beim Probieren, und eine homogene Masse
wird denn auch beinahe niemals erzielt. Das Härten geschieht auch nur
in der rohesten Form, indem der ganze glühende Gegenstand plötzlich
in Wasser getaucht wird; ein Härten mit Ö1 oder ein partielles Härten,
z.B. beim Schmieden eines Schwertes, ist gänzlich unbekannt.

Aus obigen Gründen sind die besonders guten Schwerter, denen die
Bahauschmiede ihren Ruhm verdanken, nur selten zu finden und nur
zufällig entstanden; sie können nie in Qualität mit den besten
Waffen europäischer Schmiede konkurrieren. Weitaus die meisten
Schwerter besitzen mehr die Eigenschaften eiserner, als stählerner
Waffen und auch diejenigen mit schöner Einlegearbeit habe ich oft
von den Eigentümern geradebiegen sehen, wenn sie durch den Gebrauch
gelitten hatten. Bisweilen springen aus den Schneiden Teile heraus oder
fliegen grosse Stücke ab u.a.m. Somit ist es, abgesehen von den mit
dem Schmelzen des Eisens verbundenen Schwierigkeiten, begreiflich,
dass die Eingeborenen unter den an den Küstenplätzen eingekauften
Artikeln hauptsächlich auch grosse Mengen guter Eisenstäbe ins
Innere hinaufführen, trotz der Schwere der Lasten. Aus diesem Eisen
geschmiedete Schwerter werden denn auch viel höher geschätzt, als
die aus eigenem Material verfertigten.

Von den im täglichen Leben der Bahau viel gebrauchten geschmiedeten
Gegenständen sind einige auf Tafel 51 abgebildet. Vor allem das
eigentümliche dajakische Beil (_ase_) Fig. 1, von kleinem Umfang und
besonderer Form, das vielfach von einheimischen Schmieden hergestellt,
aber auch in grosser Anzahl von der Küste eingeführt wird. Da diese
Beile den Dajak nur, wenn sie billig sind, verkauft werden können und
diese sich bereits seit Jahrhunderten mit ihrer Herstellung befassen,
sind ihre eigenen Produkte häufig, aber nicht immer, besser als
die eingeführten. Mit guten Exemplaren leisten die Eingeborenen beim
Fällen der bisweilen sehr harten Waldbäume Wunderbares, auch sind sie,
was für ihren Wert spricht, zum Verkauf derselben nicht zu bewegen.

Die Beile werden an den Stielen in der auf Fig. 3 gezeigten Weise
befestigt; das Eisen 3b ruht mit seinem schmalen Ende auf einer
Verbreiterung 3a des elastischen Stielteils 3c. Die Befestigung
geschieht durch ein Flechtwerk von Rotang, das mit besonderer Sorgfalt
in der Regel derart angebracht wird, dass das Beil zwar nach vorn
gleiten kann, beim Schlagen jedoch stets fester ins Flechtwerk
hineingetrieben wird. Nach dem gleichen Prinzip ist auch der Hammer
(Fig. 11) auf seinem Stiel befestigt. Zum Schutz der Schneide beim
Tragen wird diese mit einem Rotangfutteral versehen, was bei kostbaren
Werkzeugen öfters geschieht, wie z.B. auch beim Dechsel (Fig. 8)
eine geflochtene Scheide am Stiele hängt. Der Stiel des Beils besteht
aus zwei Teilen, dem dickeren Holzgriff 3f und dem dünneren biegsamen
Teil 3 c, der den Schlägen die nötige Elastizität verleihen muss. c
ist mittelst einer Art von Guttapercha (d) im Griff befestigt. Die
gleiche Einrichtung ist an den Werkzeugen 8 und 11 zu sehen.

Bemerkenswert an Fig. 3 ist noch das hübsche Flechtwerk von _kebalan_
am oberen Ende des Griffs, das zwar, wie auch 8 und 11 zeigen, fast
stets angebracht wird, um eine Spaltung des Holzes zu verhindern,
hier aber besonders breit und sorgfältig ausgeführt ist.

Nach den Beilen verdienen die Dechsel die meiste Beachtung; sie
kommen in zahlreichen Modellen vor: zur Herstellung von Brettern
werden die breiten, platten gebraucht (Fig. 8), beim Bau von Böten,
zur Abplattung der runden Oberfläche, mehr die runden, wie Fig. 5,
während die kleinen, Fig. 7, z.B. zur Entfernung der Aussenrinde eines
Hirschhorns dienen. Dechsel mit langen Stielen werden auch wohl wie
in Europa zum Glätten von Planken angewendet. Wie die Dechsel bei der
Bearbeitung von Böten gebraucht werden, ist auf Tafel 57 dargestellt.

Das Jäteisen (Taf. 51 Fig. 2) ist im Grunde nur ein roh geschmiedeter
Dechsel, mit dem die Frauen das Unkraut von den Feldern wegkratzen. Ein
anderes Gerät aus rohem Eisen ist der Hohlmeissel (Fig. 9), mit
dem man in die Rinde der Guttaperchabäume Rinnen schlägt, um den
Milchsaft abzuzapfen. Fig. 4 stellt eine Harpune zum Fang grosser
Fische dar. Ihr oberstes Stück, das allein aus Eisen besteht, ist
mit seinem hohlen unteren Ende sehr locker auf dem zugespitzten Ende
des Stockes befestigt. Um das Unterende des Eisens ist jedoch einige
Mal eine Schnur gebunden, die bei 4b und 4c nochmals um den Stiel
gewickelt ist, so dass der eiserne Haken, sobald er mit dem Fisch
vom Stocke gleitet, doch an der Schnur befestigt bleibt.

In Fig. 6 und 20 sind einige Werkzeuge abgebildet, deren Herstellung
etwas mehr Geschicklichkeit erfordert. Das erste ist ein dünnes,
zweischneidiges, spitz endendes und in der Fläche gebogenes Messer,
das wiederum mit Guttapercha in einem hölzernen Griff befestigt
ist. Es dient zur letzten Bearbeitung eines Schildes, nachdem dieser
mit einem Dechsel bereits völlig auf die gewünschte Dicke gebracht
worden ist; die letzten Splitter werden mit diesem Messer entfernt und
die Oberfläche wird damit geglättet. Das zweite Werkzeug (Fig. 20)
ist ein Bohrer, dessen Stiel beim Gebrauch zwischen den Handballen
gerieben wird.

Während beinahe jeder Schmied die beschriebenen Gegenstände selbst
verfertigen kann, verstehen sich auf das Schmieden von Warfen,
d.h. Schwertern und Speeren, wie gesagt, nur wenige wirklich gut. Doch
haben es einige unter ihnen für Eingeborene zu einer in unserem Auge
bewunderungswürdigen Höhe gebracht, wenn man bedenkt, dass auch sie
nur über die eben besprochenen unvollkommenen Gerätschaften verfügen.

Gerade die Schwertfegerei hat unter der Einführung europäischer
Ware von der Küste am meisten gelitten; ferner hat auch der
Umstand ungünstig gewirkt, dass die Gegenwart einer europäischen
Verwaltung die Kriegführung unter den Bahaustämmen sehr eingeschränkt
hat. Infolgedessen werden z.B. am Kapuas schöne Schwerter von guter
Qualität überhaupt nicht mehr geschmiedet. Während meines Besuchs
bei der dortigen Bevölkerung konnte mir der Schmied zwar ein Schwert
herstellen und es mit Gravierungen nach altem Muster verzieren,
aber die Beschaffenheit des Eisens liess viel zu wünschen übrig und
machte die Waffe für Kriegszwecke völlig untauglich. Als Beispiel
für ein derartiges Schwert der Kapuas-Kajan mag das in Teil I Taf. 28
abgebildete dienen. Wie das Eisen für Ackergerätschaften werden auch
einfache Arbeitsschwerter in grosser Menge bei ihnen eingeführt;
die schönen Schwerter, die eventuell im Kriege dienen könnten,
verschaffen sich die Kapuasbewohner alle vom oberen Mahakam, wo
die Schwertfegerei noch jetzt sehr im Schwange ist. Doch ist dies
nicht bei allen dortigen Stämmen der Fall: die Pnihing schmieden
überhaupt keine Schwerter, die Kajan leisten in dieser Beziehung nur
Mangelhaftes, nur die Ma-Suling und Long-Glat bringen viel Schönes
hervor und versehen alle anderen Stämme mit Schwertern, die daher
ihren wichtigsten Tauschartikel bilden.

Obgleich in minderem Masse als in anderen Handwerken, findet man
auch in der Schmiederei die besten Arbeiter unter den Häuptlingen
und Reichen, weil es den übrigen sowohl an Zeit zur Übung, als
an Mitteln für Opferspenden an die Geister mangelt. Beim Schmieden
erfordert nämlich jedes weitere Stadium, das der betreffende Gegenstand
erreicht, ein neues Opfer, das sich mit dem Fortschreiten der Arbeit
stets vergrössert.

Bei der Herstellung eines mit Kupfer- oder Silbereinlagen hübsch
verzierten Schwertes verfährt der Schmied folgendermassen: erst bringt
er das Schwert auf das auf Tafel 52 in Fig. a dargestellte Stadium. In
diesem wird Teil I später mit Guttapercha im Griff befestigt; bei
2 sind die oberflächlichen Rinnen und bei 3 die Löcher angegeben,
in welche das Metall eingelegt werden soll. Die Löcher, die bei a nur
Vertiefungen darstellen, sind erst bei Fig. b völlig ausgearbeitet; sie
werden mit den unter f, g, h und i abgebildeten Instrumenten erzeugt,
während das Schwert sich noch in glühendem Zustande befindet. Das
Einschlagen der Gruben geschieht mittelst Meisseln von verschiedener
Form. Um die Löcher in gleichen Abständen zu erhalten, benützt man
die meisselförmige Klinge mit doppelter Spitze g, die in den Dorn
(3 bei Fig. i) gesteckt und dann mit einem Hammer in das glühende
Metall getrieben wird. Ebenso entstehen auch die Rinnen 2 in Fig. a;
doch gebraucht man für diese Meissel von der Form 3 in Fig. i und von
der Form in Fig. f, bei welcher zwei dieser Keile aneinandergebunden
abgebildet sind. Die S-förmige Schneide dieses Meissels bringt Linien
wie bei Fig. a_2_ hervor.

Bei einer folgenden Erhitzung erhalten die oberflächlichen Gruben
durch Hineintreiben des Eisens h die nötige Tiefe; meistens dringen
die Öffnungen nicht bis zur anderen Seite durch, doch geschieht dies
gelegentlich durch Ungeschicklichkeit. Reihen derartiger Löcher,
die zur Aufnahme des einzulegenden Metalls bereit sind, zeigen
die Modelle b und c. Bei b, 5 und 6, sind auch noch neue Rinnen zu
sehen, welche mit hierzu passenden Meisseln, deren Handhabung grosse
Geschicklichkeit erfordert, hergestellt sind.

Die für die Bahauschwerter so charakteristische Einlegearbeit in
Kupfer und Silber wird an den auf die beschriebene Weise präparierten
Schwertern derart vorgenommen, dass man in kaltem Zustande dünne
Splitter dieser Metalle in die Gruben bringt und sie mittelst
kleiner Hämmer fest in diese hineinklopft. Nach der Füllung sehen die
Gruben aus wie 10 in Fig. d und müssen dann erst durch Wegfeilen der
überschüssigen, nach aussen vorragenden Metallteile weiter bearbeitet
werden.

Die Ausarbeitung des Teils 3 in Fig. a bis zum Stadium 9 in c giebt
bereits eine gute Vorstellung von den Leistungen der Bahau in der
Schmiedekunst; die meisten Schwerter vom Mahakam tragen auch nicht
viele andere Verzierungen als Einlegearbeit und diese Schnörkel. Dass
die Schmiedekünstler auf Borneo in ihrem Fach jedoch noch viel
Grösseres leisten könnten, wenn ihre beschränkten Verhältnisse sie
nicht beeinträchtigten, beweist die Verzierung 7 in Fig. b. Sie
wurde von einigen Schmieden der Ma-Tuwan in Long Tepai hergestellt
und besteht der Hauptsache nach aus 4 übereinander gelegten Spiralen
aus dünnen Eisenstreifen, von denen die längste von rechts über eine
zweite Spirale nach links unter die linke, nach oben gebogene Spirale
verläuft, hier nach rechts umschlägt, um mitten in der Figur in einen
Schnörkel zu enden. Sie zeugt von einer bewundernswerten Gewandtheit im
Schmieden und von einem sehr richtigen Augen-mass; mancher europäische
Kunstschmied würde die Arbeit nicht leicht nachahmen können.

Leider finden derartige aussergewöhnliche, praktisch nutzlose
Verzierungen im Gemeinwesen der Bahau keine Gelegenheit zur
Vervollkommung und man trifft sie daher auch höchst selten. Für
gewöhnlich werden die Schwerter, sobald sie fertig geschmiedet sind,
von anderen Personen, die darin Übung haben, mit feinen Sandsteinen
geschliffen. Das Polieren der Schwerter ist unbekannt.

Die bei den Mahakambewohnern vorkommenden Formen von Schwertern sind
in den Fig. a, b, c und d auf Tafel 52 und a und b auf Taf. 29, Teil
I abgebildet, von denen die beiden letzten deutlich die eigenartige
Einlegearbeit zur Geltung kommen lassen.

Die anderen Bahaustämme, wie die Kajan am Kapuas und die
am Batang-Redjang oder Balui, benützen ähnliche Schwerter,
doch sind die der letzteren mehr hohl gebogen, wie e auf Tafel
52 andeutet. Bei diesem ist zugleich auch eine andere, am Kapuas
(Teil I Taf. 28) und bei den Kenja (Teil I Taf. 29) gebräuchliche
Verzierungsweise angebracht, nämlich eine Ziselierung auf der Rückseite
der Schwertfläche, die an dem völlig ausgearbeiteten Schwerte
ausgeführt wird, indem man mit kleinen harten Meisseln Linien ins
Eisen schlägt. Dies geschieht aus freier Hand, ohne vorhergehende
Zeichnung. Schwert e (Taf. 52) zeigt überdies auch an seinem äusseren
Ende noch eine hübsche Verzierung 14, von deren einzelnen Teilen im
folgenden Kapitel ausführlicher die Rede sein wird.

Eine andere Art von Metallbearbeitung hat sich bei den Bahau am Mahakam
zugleich mit der Sitte der Hahnenkämpfe von der Küste her eingebürgert,
nämlich das Schleifen von Eisen und Stahl mit Hilfe von drehbaren
Schleifsteinen, die sie ebenfalls an der Küste kaufen. Doch werden
auf diese Weise ausschliesslich Sporen für Kampfhähne verfertigt,
von denen einige Modelle auf Taf. 60 in Fig. e abgebildet sind. Auf
das Schleifen und Anbringen der stählernen Sporen verstehen sich
die Häuptlinge meistens selbst: vorzugsweise stellen sie diese
aus Rasier- und Fischmessern her, die sie nicht enthärten, sondern
mittelst der drehbaren Schleifsteine in den gewünschten Formen und
Dimensionen schleifen. Die so verfertigten Sporen sind so rein von
Form, dass man sie für europäisches Fabrikat ansehen könnte, und
die schweren Verwundungen, die sich die Hähne mit ihnen beibringen,
zeugen von ihrer Tauglichkeit. Die Bahau messen dieser Art von Stahl
einen sehr grossen Wert bei, daher kostete es mir stets Mühe, meine
eigenen Rasiermesser vor dem Schicksal zu bewahren, von den allzu
sportlustigen Häuptlingen in Hahnensporen verwandelt zu werden. Die auf
Taf. 60 unter e abgebildete Büchse mit Sporen ist eine Arbeit _Kwing
Irangs_, der sie mir als persönliches Geschenk verehrte, weil er meine
Vorliebe für schöne Arbeiten der Eingeborenen kannte. Die Modelle zu
diesen Sporen, deren es noch mehr gibt, stammen von den Malaien. Die
gewöhnlichen Kajan schmieden die Sporen selbst, oder lassen sie von
einem mehr oder weniger in diesem Fach geübten Schmied verfertigen;
derartige Sporen tragen denn auch deutliche Zeichen ihrer weniger
vornehmen Herkunft und biegen und brechen häufig während des Gefechts.

Die Bahau wissen zwischen grobem und feinem Sandstein beim Schärfen
ihrer Schwerter und Hahnensporen wohl zu unterscheiden; hauptsächlich
für letztere suchen sie in bestimmten Bächen nach einem sehr feinen
Sandstein, von dem ein Stück auf Taf. 60 Fig. o in Form eines
Rhinozerosvogelkopfes zu sehen ist. Dieser Stein mit sehr ebener
Schlifffläche rührt von den Kajan am Mendalam her.



Hat die Schmiedekunst bei den Bahau infolge ihrer vielseitigen
Anwendung eine beträchtliche Höhe erreicht, so gilt dies auch
inbezug auf ihre Holz- und Knochenschnitzerei. In dieser Richtung
hat sich der Schönheitssinn und die Kunstfertigkeit der Dajak sogar
voll entwickeln können. Eine künstlerische Bearbeitung von Holz wird
nicht nur bei grossen Verzierungen, wie der eines Häuptlingshauses,
sondern auch bei kleinen Gegenständen, besonders Griffen und Scheiden
von Schwertern, angewendet.

Jeder Bahau, dem es an Zeit und Fähigkeit nicht mangelt, verziert
seine täglichen Gebrauchsgegenstände gern mit mehr oder weniger
hübschem Schnitzwerk; doch leistet er selten etwas sehr Gutes, weil
er ausschliesslich für sich selbst arbeitet. Anders verhält es sich
mit der Schnitzerei von Griffen und Scheiden; diese Kunst wird von
Personen betrieben, die sich in ihr besonders üben und überhaupt nur
dann zum Schnitzen der schönsten Produkte, u.a. Schwertgriffe aus
Hirschhorn, berechtigt sind, wenn sie dem Geist, der sie beseelt,
Opfer von bestimmter Grösse gebracht haben. Die primitive Schnitzerei
der Laien wird also ohne Beseelung geübt, während ein Kunstwerk nur mit
Hilfe eines Geistes aus Apu Lagan entstehen kann. Bei den Mahakamkajan
muss ein junger Mann, bevor er aus Eisenholz einen hübschen Griff
oder eine Scheide zu schnitzen beginnt, erst durch eine _dajung_
seinem Geiste ein Huhn zum Opfer anbieten lassen (_mela_), und will er
seine. Kunst an Gegenständen aus Hirschhorn erproben, so muss er vorher
eine _mela_ mit einem Schwein als Spende abgehalten haben. Nachher
muss er sich monatelang verschiedener Speisen und Beschäftigungen
enthalten. Demselben Glauben an eine Beseelung muss auch der Brauch
zugeschrieben werden, dass ein Schnitzkünstler seine Arbeiten nur dann
verkaufen darf, wenn man ihm vor dem Preise erst einige alte Perlen
von bestimmter Beschaffenheit (2 blaue und 2 weisse) ausbezahlt hat;
diese müssen wohl als eine Entschädigung des Geistes für den Verlust
des Gegenstandes aufgefasst werden.

Mit den meisten Handwerken ist auch die Schnitzerei verschiedenen
Verbotsbestimmungen unterworfen, die nicht bei allen Stämmen gleich
sind. Während der Saatzeit (_tugal_) und der Schwangerschaft seiner
Frau darf ein Mendalamkajan kein Hirschhorn schnitzen, aus Furcht vor
einem Absterben der Frucht. Für Holz und Bambus sind diese Verbote
ungültig.

Die Berührung mit der Küstenbevölkerung hat auf die Schnitzkunst
der Bahau kaum einen nachteiligen Einfluss geübt, man könnte eher
behaupten, sie habe hierdurch insofern eine Anregung empfangen,
als die Malaien selbst nicht imstande sind, dergleichen Griffe und
Scheiden herzustellen, aber gern in den Binnenlanden Bahauschwerter
zum Schmucke oder Schutz gebrauchen und deswegen beträchtlich viel
Geld für sie auszugeben bereit sind. Aus diesen Gründen widmeten sich
am Mendalam z.B. einige Männer ganz der Schnitzerei, besonders der
von Hirschhorngriffen und leisteten in ihrem Fache daher auch weit
mehr als sonst der Fall gewesen wäre. Von diesen Leistungen geben
die Abbildungen c, d, e und f auf Tafel 63 eine Vorstellung. Die 3
ersten Griffe stimmen im Entwurf stark überein, nur sind sie nach
Grösse und Form des gebrauchten Horns verschieden und mehr oder
weniger fein ausgearbeitet. Eigentümlicherweise sind die Griffe vom
Mahakam, obgleich sie auf dieselbe Weise verfertigt, mit denselben
Motiven verziert und sicher nicht minder sorgfältig ausgeführt sind,
von ersteren gleich zu unterscheiden (Fig. a). Dasselbe gilt für
die Griffe der Kenja (Fig. b), die ebenfalls sehr charakteristisch
sind. Die Bahau selbst unterscheiden denn auch verschiedene Stile
bei ihren Stämmen und ahmen diese bisweilen nach; so ist f ein Griff,
der am Mendalam im Kenjastil verfertigt worden ist. Ein Beispiel für
diesen Stil sind auch die Griffe der Schwerter Fig. c und d auf Tafel
29, Teil I.

Die Instrumente, mit denen die Bahau ihre schönen Schnitzwerke
ausführen, sind äusserst einfach und wenig zahlreich. Sowohl für Holz
als für Knochen wird das lange Messer, _nju_, (Tafel 28, Teil I,
Fig. h) eigentlich als einziges Werkzeug benützt. Zum Löcherbohren
wendet man allerdings kleine Bohrer (Taf. 51 Fig. 20) an, welche
durch Drehen zwischen den Handballen in Bewegung gebracht werden,
ferner wird mit dem kleinen Dechsel (Taf. 51 Fig. 7) die Rinde des
Hirschhorns entfernt, bevor man ans Schneiden geht. Letzteres findet
nun nach der auf Tafel 53 oben wiedergegebenen Weise statt. Der Mann
hält das Messer derart in der rechten Hand, dass das Aussehende des
langen Stils ihm unter die rechte Achsel reicht, wodurch er bei der
Hantierung des Messers eine Stütze findet. Der Künstler hält den zu
bearbeitenden Gegenstand (hier eine hölzerne Schwertscheide) mit der
Linken fest und bewegt beim Schnitzen nicht nur das Messer, sondern
auch das Objekt. Stellt er einen Griff aus Hirschhorn her, so führt er
seinen Entwurf zuerst in Gedanken mit Berücksichtigung der Form des zur
Verfügung stehenden Horns aus, entfernt die unregelmässige Oberschicht
und schneidet dann erst mit dem Messer den Griff in rohen Umrissen aus.

Darauf bearbeitet er erst die eine Hälfte weiter und dann die
andere. Form und Ausarbeitung des Griffes hängen nicht nur von
der äusseren Gestalt des Horns ab, sondern auch von dem Verhältnis
zwischen der soliden äusseren Schicht und dem schwammartigen Gewebe
der Mitte. Ist dieses sehr entwickelt, so ist ein tiefergehendes
Schnitzen unmöglich, fehlt es gänzlich, so braucht der Künstler sich
nicht auf eine oberflächliche Bearbeitung zu beschränken. Ein Beispiel
für einen Horngriff mit wenig brüchigem Gewebe ist Fig. a auf Taf. 63.

Die Schnitzer verstehen gebrochene Griffe auch zu reparieren; sie tun
dies, indem sie die abgebrochenen Stücke mittelst Knochenstiften,
welche sie durch gebohrte Löcher stecken, mit einander verbinden;
auch werden auf diese Weise neue Teile in einen Griff eingesetzt.

Auf den Wert eines Horngriffes hat auch die Farbe viel Einfluss; je
weisser diese ist, desto höher der Preis. Am Mendalam kostete ein
gut gearbeiteter Griff 8-10 Dollar, also 10-12 Gulden; am Mahakam
jedoch, wo zahlreiche Buschproduktensucher unter der Bevölkerung
verkehrten, wurden für gleich gute Produkte 25 fl bezahlt. Während
meines Aufenthaltes am Mahakam befanden sich unter den Pnihing keine
Schnitzkünstler; schöne Griffe wurden, wie auch Schwerter, bei den
weiter unten wohnenden Stämmen durch Tausch erworben, besonders von
den Long-Glat, die sich auf diesem Gebiete auszeichnen. Auch vom
mittleren Mahakam, unterhalb der Wasserfälle, sah ich einige schön
ausgeführte Stücke.

Wie die Griffe, haben sich auch die alten Schwertscheiden unter den
Bahau behauptet, weil sie infolge der Berührung der Eingeborenen
mit der Küstenbevölkerung, wenn auch in bescheidenem Masse, zu einem
Ausfuhrartikel geworden sind und die Malaien an ihrer Statt nichts
Besseres haben einführen können. Beispiele für Schwertscheiden sind in
Teil I auf Taf. 28, 29 und 30 zu finden; der bedeutende Unterschied
zwischen den Scheiden der Bahau am Mendalam und denen am Mahakam und
Kenja fällt dabei ins Auge.

Sämtliche Scheiden bestehen aus zwei platten Brettern, die an den
einander zugekehrten Innenseiten etwas ausgehöhlt sind, um das Schwert
aufnehmen zu können, und durch Flechtwerk von dünnen Rotangstreifen
an einander gehalten werden. Für die einfachen, z.B. beim Ackerbau
gebräuchlichen Schwerter wählt man gewöhnliches glattes Holz, für
schöne Schwerter dagegen benützt man für die nach aussen gekehrte
Häche der Schwertscheide hübsch geflammte oder harte, gut polierbare
Holzarten.

Die Mendalambewohner zeigen besondere Vorliebe für Schwertscheiden,
welche mit kunstvollem Schnitzwerk verziert sind, wie die Figur
von Taf. 28 und die Scheiden a, b, c, f, g und h von Taf. 30 Teil
I beweisen; das Flechtwerk bringen sie so unsichtbar als möglich
an. Die Mahakamstämme bevorzugen dagegen mehr schönes Holz, das sie
nur oberflächlich mit Schnitzwerk verzieren, dafür aber besonders
sorgfältig mit Rotang umflechten (d und e auf Taf. 30 Teil I). Die
Kenja legen auf eine schöne Verzierung der Schwertscheiden überhaupt
wenig Gewicht.

Inbezug auf die Scheidenschnitzerei gelten nicht die gleichen strengen
Vorschriften wie für die von Griffen; wahrscheinlich weil für erstere
selten Hirschhorn oder Knochen als Material gewählt wird und ihre
Herstellung keine so grosse Übung erfordert. Es sind denn auch viel
mehr Leute imstande, eine hübsche Scheide zu verfertigen als einen
hübschen Griff. Die Knochenschnitzer verstehen jedoch, dank ihrer
grösseren Erfahrung, unter anderen Schnitzarbeiten auch die schönsten
Scheiden zu liefern.

Das Messer, das in einem besonderen Futteral an der dem Träger
zugekehrten Seite getragen wird, ist, wenn auch in geringerem Grade als
die übrigen Teile der Waffe, ebenfalls mit Sorgfalt gearbeitet. Das
obere Ende (siehe Teil I Taf. 28 h) trägt häufig eine Verzierung von
Knochenschnitzerei; der anschliessende hübsch polierte Stiel besteht
aus sehr hartem, rotem oder braunem Holz, während das untere Ende,
an dem die Klinge mit einer schlechten Guttaperchasorte befestigt ist,
entweder mit feinem Rotanggeflecht und _kebalan_ oder, nach Ansicht der
Bahau auf besonders schöne Weise, mit feinem Kupferdraht umwunden ist.

Das Polieren der Stiele aus sehr hartem Holz geschieht derart, dass
man zuerst das Holzstück roh mit dem Messer beschneidet, es mit diesem
durch Kratzen bearbeitet und zum Schluss mit stark kieselsäurehaltigen
Baumblättern glatt scheuert. Der Glanz wird dem Holz stets durch
Einreiben mit Wachs und Nachreiben mit Tüchern verliehen.

Erwähnenswert ist, dass auch hölzerne Gegenstände auf die gleiche
Weise wie weisser Kattun, Rotang u.s.w. durch Vergraben in Moder
dunkel, oft schwarz gefärbt werden. Die Griffe aus Holz werden nämlich
beinahe ausnahmslos in schwarz verlangt, doch ist keine der harten
Holzarten, aus denen man sie schnitzt, ursprünglich schwarz. Um nun
die gewünschte Farbe zu erhalten, vergräbt man die Griffe nach ihrer
vollständigen Bearbeitung für einige Tage unter dem Haus in Moder,
wonach sie ein tiefes Schwarz zeigen. Nach dem Reinigen und Trocknen
legt man mittelst Reibblättern und Wachs die letzte Hand an sie an.

Die Vorliebe der Bahau für verzierte Gegenstände in ihrer Umgebung
äussert sich auf die mannigfachste Weise. Die verschiedenen Unterteile
des Hauses werden, wenn möglich, mit Bildhauerarbeit geschmückt,
und alle Gerätschaften, besonders diejenigen, die lange Zeit dienen
müssen, werden so schön als möglich ausgestattet. Auf Tafel 61 sind
verschiedene hübsch geschnitzte Artikel des dajakischen Hausrats
abgebildet, während die Tafeln 65-68 uns von den Leistungen der Bahau
in der Bambusschnitzkunst eine Vorstellung geben.

Bei der Herstellung dieser Gegenstände gilt durchweg als Regel, dass
ursprünglich zwar ein Stück in roher Form geschnitzt oder modelliert
wird, von einem vorhergehenden Entwurf mittelst Zeichnung oder einer
Angabe der anzubringenden Figuren aber keine Rede ist. Dies ist ein
sehr bemerkenswerter Umstand, besonders wo es sich um so komplizierte
Figuren, wie die auf Bambusbüchsen und anderen Schnitzwerken,
handelt. Ferner mag darauf hingewiesen werden, dass die Anwendung so
einfacher Instrumente, wie die eines Messers und Bohrers, doppelte
Bewunderung verdient, wo es sich um so hartes, brüchiges Material
wie Hirschhorn handelt, das noch viel härter als Elfenbein ist, und
um die ebenfalls sehr harte und brüchige Oberfläche von Bambus und
anderen ähnlichen Holzarten. In dieser Hinsicht sind die Bahaukünstler
wahre Meister in ihrem Fach. Die Gewohnheit, mit so brüchigem Material
umzugehen, scheint sie vorsichtig und geschickt gemacht zu haben, denn
nur selten missglückt ein Gegenstand durch Brechen oder Absplittern.



Einen bedeutenden Industriezweig bildet bei den Bahaustämmen auch
das Flechten von Rotang, Bambus, Pandanusblättern etc. Zwar wird
auch diese Arbeit nicht in grossem Massstab betrieben, sondern im
allgemeinen verfertigt jede Familie das für den Hausstand nötige
Flechtwerk selbst, doch hat dieses Handwerk infolge mannigfacher
Anwendung gleich einigen anderen eine grosse Höhe erreicht. Im grossen
ganzen tragen die Flechtarbeiten der Bahau denselben Charakter wie
die anderer dajakischer Stämme, doch sind sie meistens weniger fein
als die aus dem Baritogebiet stammenden. Möglicherweise jedoch danken
letztere ihre Entstehung dem Reichtum der bandjaresischen Bevölkerung,
die für feine Matten u.a. viel ausgeben kann. In einigen Spezialitäten,
wie in dem Flechtwerk von Schwertgriffen und Messern, liefern auch
die Bahau sehr feine Arbeit.

Die den Malaien am nächsten wohnenden Bahaustämme leisten auch
im Flechten am wenigsten, daher suchen sich die Mendalambewohner
z.B. schöne Matten vom Mahakam zu verschaffen.

Dauerhafte Gegenstände werden meistens aus Rotang, kleine,
beim Kultusdienst gebräuchliche Körbe und Matten dagegen aus
Pandanusblättern geflochten. Für feine Flechtarbeit ist das
dunkelbraune _kebalan_ beliebt, die Stengelfasern einer hoch im
Gebirge vorkommenden Schlingpflanze, die zu den Farnen zu gehören
scheint. Bambus findet beim Flechten wenig Verwendung.

Die Bahau flechten nicht mit allen, sondern nur mit bestimmten
Arten von Rotang; auch sah ich diesen nur für Kriegsmützen, die
Schwerthieben standhalten müssen, in seiner ganzen Dicke oder halb
gespalten anwenden; meistens wird nur die äusserste Schicht des
Stammes in gröbere oder feinere Streifen präpariert, je nachdem
das Flechtwerk grob und stark oder fein sein muss. Die allerfeinsten
Flechtarbeiten werden aus dem bekannten Rotang _sega_ und noch dünneren
Arten hergestellt.

Die Zubereitung der Streifen findet nach der auf Tafel 53 dargestellten
Weise statt. Von den drei Männern sind zwei mit dem Spalten des Rotangs
beschäftigt. Hierbei verfahren sie folgendermassen. Zuerst machen
sie an dem einen Ende des Stammes mit dem Messer einen Einschnitt,
dann biegen sie die beiden Hälften auseinander, so dass die Spaltung
weiter geht und sich bei geschickter Behandlung gleichmässig bis zum
Ende fortsetzt. Auf die gleiche Weise spalten sie die beiden Hälften
in Segmente, bis der Streifen der Aussenfläche die gewünschte Breite
erlangt hat. Darauf trennen sie die innersten Fasern mit dem Messer
von den äusseren Schichten, wonach man diese in bestimmter Breite
übrig behält. Die Streifen sind dann jedoch zum Flechten noch viel zu
ungleich breit. Der Mann links auf dem Bilde zieht diese Streifen,
um sie gleichmässig werden zu lassen, auch wohl, um die innersten
Fasern gleichmässig abzuschneiden, zwischen zwei in einen Holzblock
geschlagenen Messern hindurch. Diese stehen mit ihren Schneiden in
bestimmtem Abstand einander zugekehrt. Während er mit der Rechten den
Streifen zwischen den beiden aufrechtstehenden Messern hindurchzieht,
sorgt er mit der Linken dafür, dass der Rotang die Messer in richtiger
Stellung passiert. Mitten im Block ist ein Stiel angebracht, auf den
der Mann sein rechtes Bein legt, um den Block festzuhalten.

Müssen die Flechtstreifen ganz besonders fein sein, wie z.B. der
_kebalan_ für Schwertgriffe, so zieht man sie der Reihe nach
durch stets kleiner werdende, in ein Blech geschlagene Löcher. Die
scharfen Blechränder entfernen alle Unregelmässigkeiten. Die feine,
kieselhaltige Oberhaut des Rotang verschwindet bei allen diesen
Manipulationen von selbst.

Die Zubereitung der Rotangstreifen ist beinahe ausschliesslich
Männerarbeit. Pandanusblätter dagegen werden sowohl von Männern als
von Frauen bearbeitet. In frischem Zustande werden zuerst die Ränder
mit den feinen Stacheln abgeschnitten und dann die Blätter in Streifen
von der erforderlichen Breite gespalten; vor dem Gebrauch hat man
sie dann nur noch zu trocknen. Am Mahakam, wo diese Pandanusstreifen
unter dem Namen "_tika_" bekannt sind, finden sie ihrer einfachen
Zubereitung wegen vielfache Anwendung für Matten, Körbe, Hüte u.s.w.

Körbe und Matten werden mit wenigen Ausnahmen von Frauen
geflochten. Dies gilt sowohl für feine Matten, mit deren Herstellung
die beiden Kajanfrauen auf Tafel 45 beschäftigt sind, als für die von
grober Qualität, welche in der _amin_ zur Bedeckung des Fussbodens,
zum Trocknen von Reis u.s.w. dienen. Auf einer derartigen Matte sitzen
auch die beiden Spinnerinnen auf dem oberen Bilde derselben Tafel.

Einzelne Gegenstände sind Frauen zu flechten verboten, so dürfen sie
z.B. nicht die 4 aufrechten Stöcke an den Reis- oder Gepäckkörben
(b auf Taf. 54) mit Rotang umwickeln; dies müssen ausschliesslich
alte Männer tun.

Das Flechten selbst geschieht mit nur 2 Instrumenten, einem eisernen
Haken, mit dem die mit der Hand durcheinander geflochtenen Streifen
fest zusammengedrückt werden, und einem Flechtpfriemen, von dem einige
Modelle auf Tafel 60 j-n zu sehen sind. Die Pfriemen dienen dazu, in
feinem, hübschem Geflecht Öffnungen anzubringen, in welche dann neue
Streifen gesteckt werden können. Die Enden der Flechtstreifen werden
zwar häufig gespitzt, doch benützt man zum Durchziehen keine Nadeln.

Für feine Rotangmatten wird das Material oft teilweise gefärbt;
schwarz, indem man die fertigen Streifen in den Moder steckt,
rot, indem man sie in Wasser mit bestimmten Pflanzen kocht. Die
weissen Streifen, die so hell als möglich sein müssen, werden noch
vor der Zubereitung in der Sonne getrocknet und gebleicht. Diese
verschiedenfarbigen Streifen werden von den Kajanfrauen zu hübschen
Figuren verflochten, doch verstehen sie auch den weissen Rotang allein
zu geschmackvollen und sehr komplizierten Mustern zu verarbeiten.

Beispiele für Flechtarbeiten findet der Leser ausser in den genannten
Matten auf Tafel 54 abgebildet. Die beiden Körbe b und d haben infolge
ihres sehr dichten Flechtwerks eine unveränderliche Form, während
der Reisesack c aus dünnen Streifen lose geflochten ist und daher
nach Bedürfnis weit aus einander gezogen oder verschmälert werden kann.

Sehr kunstvolles Geflecht findet man, wie schon gesagt, an den Warfen
der Bahau, vor allem an den Griffen, von denen a, c und d auf Tafel
63 eine gute Vorstellung geben; ferner zeichnen sich die auf sehr
verwickelte Weise geflochtenen Knöpfe auf den Schwertscheiden der
Mahakam- und Kenjastämme durch schöne Arbeit aus (Siehe Teil I Taf. 29
Fig. a, a_1_, b, b_1_, c und Taf. 30 d und e). Das Beflechten von
Schwertgriffen und Scheiden wird durch Männer ausgeführt.

Eine sehr wichtige Rolle im Haushalt der Bahau spielen die
Blätter einer in Mittel-Borneo einheimischen Fächerpalme, _samit_
genannt. Diese Blätter werden im Walde gesammelt und getrocknet
und bilden dann ein starkes, biegsames Material, aus dem durch
Aneinandernähen allerlei leichte Matten, Säcke zur Aufbewahrung kleiner
Gegenstände u.s.w. verfertigt werden. Die sehr leichten Palmblattmatten
bewähren sich besonders auf Reisen ausgezeichnet und gehören denn
auch zur Ausrüstung eines jeden Trägers, um ihm als Schlafmatte oder
als wasserdichte Dachbedeckung zu dienen. Zu letzterem Zwecke binden
die Reisenden ihre 1 1/2-2 1/2 m langen und mehr als 1 m breiten
Matten nebeneinander auf das Holzgerüst der Hütte. Behandelt man diese
Matten, nachdem sie vom Regen nass geworden sind, mit einiger Vorsicht,
so halten sie auch bei ständigem Gebrauch eine 2 monatliche Reise aus.

Die Blätter der _samit_-Palme sind am Aussenrande nicht gespalten,
sondern zusammenhängend und stumpf. Für den Gebrauch nähen die Frauen
die trockenen Blätter mit ihren Seitenrändern derartig aneinander, dass
abwechselnd ein breites und ein schmales Fächerende neben einander zu
liegen kommen; überdies heften sie zwei Blätterlagen übereinander. Auf
Tafel 41, wo der Hintergrund durch solch eine Matte gebildet wird,
sieht man überdies, dass diese durch Aneinandernähen zweier Streifen
doppelt so breit wird als ein Blatt lang ist.

Auch als Wandverzierung in der _amin_ werden diese hell gelbbraunen
Matten verwendet (Taf. 39, links); man verschönert sie dann mit
breiten Rändern von rotem Zeug und bestickt sie in der Mitte und an
den Seiten, wie an den _samit_, welche auf Tafel 45 in der oberen
Abbildung den Hintergrund bilden, zu erkennen ist. Werden aus diesen
Matten Beutel zur Aufbewahrung von allerhand kleinen Kostbarkeiten,
Nähzeug, Perlenarbeiten oder Tabak hergestellt, so überzieht man sie
bisweilen vollständig mit weissem oder buntem Zeug, das mit Stickereien
oder Zeichnungen verziert wird.

Letztere werden hauptsächlich bei Totenausrüstungen angebracht, bei
denen Matten und Säcke aus _samit_ nie fehlen dürfen. Einen derartigen
Sack, aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt und mit Zeichnungen
hübsch verziert, stellt Fig. 1e auf Tafel 27 Teil I dar. Auch der
in Teil I Taf. 24 Fig. 2 abgebildete Hut ist aus schief aneinander
genähten _samit_-Blättern verfertigt. Da die schreit-Palme nur in den
hohen Gebirgen des Binnenlandes wächst, sind aus ihr hergestellte
Artikel bei den weiter unten am Fluss wohnenden Stämmen nicht zu
finden.

Eine ähnliche Arbeit wie das Flechten und Nähen von Matten und
Mützen aus Rotang und _samit_ ist die Herstellung von Hüten aus
Pandanusblättern. Von diesen bringen die Fig. 1, 3, 4 und 5 Taf. 24
Teil I gute Beispiele. Die Frau links auf Tafel 55 sehen wir damit
beschäftigt, einen schön verzierten Hut aus kleinen Pandanusstreifen
zusammenzusetzen. Die Hüte lassen bereits erkennen, dass man die
Blattstreifen nicht flicht, sondern in bestimmter Weise in kleineren
und grösseren Stücken neben- und untereinander näht, um so gewisse
Figuren zu erhalten, die dadurch noch mehr hervortreten dass man
einen Teil der Blätter mit Drachenblut rot, mit Russ schwarz färbt,
den übrigen aber ihre natürlichen Farbe lässt.

An dem in Teil I Taf. 24 Fig. I dargestellten Hut sieht man, dass die
Bahau auch durch Zeichnungen auf den Blättern ihre Kopfbedeckung zu
verschönern trachten.

Die Art der Hutverzierungen ist für die verschiedenen Stämme
charakteristisch; so haben die Hüte der Pnihing (Fig. 3, 4 und
5 Taf. 24 T. I) ein ganz anderes Aussehen als die der Long-Glat
(Fig. 1), während die Kajanfrau auf Taf. 55 eine dritte Weise der
Verzierung anwendet.

Das Färben der Blätter und Zusammensetzen der Hüte ist Arbeit der
Frauen, die Zeichnungen jedoch werden von Männern ausgeführt.



Von allen Industrien der Bahaustämme hat die Töpferei durch den
Einfluss der Küstenbevölkerung am meisten gelitten; an allen Orten,
wo eiserne Töpfe eingeführt werden, hat die Töpferei überhaupt
gänzlich aufgehört und sind nur noch Spuren ihrer früheren Existenz
nachweisbar. Unter den fern von der Küste lebenden Kenjastämmen
dagegen sind selbstgebrannte Töpfe noch sehr in Brauch; die Männer
nehmen sie sogar auf weiten Reisen mit, um ihren Reis darin zu kochen.

In früheren Zeiten haben sämtliche Bahaustämme ihre Töpfe selbst
gebrannt. Die Mendalambewohner stellen jetzt nur noch einige für den
Kultus erforderliche irdene Gefässe selbst her (Fig. e und f Taf. 15
Teil I); vielleicht ist dies auch noch bei den Mahakamstämmen der
Fall. Bei diesen fand ich jedoch auch Töpfe, welche der vorigen
Generation im Haushalt gedient hatten und jetzt noch aus Pietät
aufbewahrt wurden.

Im Jahre 1896 konnte ich nur noch zufällig einige von diesen Lehmtöpfen
entdecken und kaufen, obgleich der kleine Stamm der Uma-Tepai, der
bei _Bo Lea_ in Long Tepai wohnte, erst vor kurzem wegen seines Umzugs
in eine Gegend, wo guter Lehm zum, Brennen nicht mehr zu finden war,
die Töpferei aufgegeben hatte. Der Hauptgrund lag natürlich darin,
dass diese unsoliden Gefässe durch die dauerhafteren eisernen
verdrängt worden waren. Bei meiner Rückkehr im Jahre 1898 hatten
auch andere Stämme von meinem hohen Angebot für Töpfe gehört, daher
brachten mir besonders die Ma-Suling noch mehrere alte Exemplare zum
Kauf. Augenblicklich hat sich die Töpferei also unter den Bahaustämmen
am Kapuas und Mahakam nur noch in rudimentärer Form im Kultusdienst
erhalten.

Bei einigen dieser Stämme, wie den Ma-Suling, werden auch noch einige
andere Gegenstände aus Lehm gebrannt, z.B. beim Anfang der Ernte
grosse viereckige Schüsseln, in denen der halbreife Reis über dem
Feuer getrocknet wird, um ihn dann später durch Stampfen entspelzen
zu können. Ob dieser Brauch zum Kultus gerechnet werden muss, weiss
ich nicht, soviel ist aber sicher, dass andere Stämme für dieses
Reistrocknen grosse eiserne Pfannen benützen.

Unter den Kenja von Apu Kajan ist, wie gesagt, die Töpferei noch
in vollem Schwange; sie wird dort vor allem beim Stamm der Ma-Kulit
eifrig betrieben, der diese Töpfe als Tauschartikel auf Handelsreisen
mitnimmt. Die Töpfe werden für den Transport zu je 6-8 aufeinander
gestülpt und diese Reihen dann durch parallel gelegte Holz- oder
Bambusstöcke und Rotang zu einem Packen verbunden.

Bei allen diesen Stämmen wird die Töpferei von Frauen betrieben. Sie
gebrauchen hierzu eine besondere Lehmart, die nur an einigen Orten
am Mahakam und Kajan zu finden ist. Der Lehm wird in der Sonne gut
getrocknet, im Reisblock feingestampft und dann durch Sieben von
kleinen Steinen und anderen groben Bestandteilen gesäubert. Dann
feuchten ihn die Frauen an und mengen ihn mit Reisspelzen, um seine
Festigkeit zu erhöhen. Aus dieser Masse formen sie mit der Hand,
indem sie den Lehm um einen runden Stein von der gewünschten Grösse
pressen, die Töpfe, die sie dann in die Sonne zum Trocknen stellen. Zur
Bearbeitung der Aussenseite dient ein mit Schnitzfiguren versehenes
Brettchen (Fig. 19 Taf. 51); die Töpfe sind daher von aussen nicht
glatt, sondern mit einfachen Figuren verziert, wie an allen auf
der gleichen Tafel abgebildeten Exemplaren deutlich zu sehen ist
(Fig. 12-18). Das Härten der in der Sonne getrockneten Töpfe geschieht
mittelst Harzpulver, mit dem in sehr dicker Schicht die innere und
äussere Oberfläche überzogen wird. Werden nun die Töpfe einem starken
Feuer ausgesetzt, so verbrennt ein Teil des Harzpulvers und dient zur
Härtung der Oberfläche, während der schmelzende Teil des Harzes in die
poröse Lehmmasse eindringt und so die Dauerhaftigkeit des Gefässes
bedeutend erhöht. In derartigen Töpfen lassen sich sehr gut Reis
u.a. Speisen kochen, aber wenn sie zu lange im Wasser liegen, fallen
sie meistens auseinander oder werden rissig. Die Kenja gebrauchen
diese Töpfe nur aus Mangel an etwas Besserem; sobald sie sich eiserne
Gefässe verschaffen können, ziehen sie diese begreiflicher Weise vor.

Auch grössere Töpfe als die in Fig. 18 abgebildeten werden in Apu Kajan
gebrannt. Zwischen den Töpfen, die ich noch am Mahakam auftreiben
konnte, und denen vom Kajan herrscht ein grosser Unterschied, der
sich auch an den auf Tafel 51 abgebildeten Exemplaren feststellen
lässt. Bei ersteren (Fig. 12-15) ist die Form runder und die Wand viel
dicker als bei letzteren (Fig. 16-18). Im allgemeinen sind die Töpfe
der Mahakambewohner roher und unregelmässiger bearbeitet als die der
Kenja; doch kann es sehr wohl sein, dass die letzten Produkte einer
aussterbenden Industrie allmählich schlechter geworden sind und dass
auch die Bahau ursprünglich bessere irdene Waren geliefert haben.

Die am Mahakam zum Trocknen des Reises verfertigten Schüsseln sind
etwa 3 × 5 dm gross; eine derselben ist auf dem Herd von Taf. 56
zu sehen. Man stellt sie auf die gleiche Weise wie die Töpfe her,
doch werden sie nur in der Sonne getrocknet und nicht, oder nur
mangelhaft, von aussen mit etwas Harzpulver gehärtet. Sie vertragen
natürlich kein Wasser und werden daher ausschliesslich zum Trocknen von
unreifem Reis benützt, auch stellt man sie bei jeder Ernte von neuem
her. Gleichzeitig werden auch noch einige andere einfache Gegenstände
aus Lehm gebrannt, vor allem die langen schmalen Unterlagen, auf
welchen diese Schüsseln über dem Feuer ruhen. Auf dem erwähnten
Herde sind zwei dieser Unterlagen zu sehen, ferner noch andere, mehr
pyramidenförmige Unterlagen für gewöhnliche Kochtöpfe, von denen 3
links vom Herde stehen.

Der Fackelhalter rechts im Vordergrunde, mit der Vertiefung in der
Mitte für den Stiel der Harzfackel, ist ebenfalls ein Produkt der
Töpferkunst.



Der Bau von Böten gehört in einem Lande, wie das der Bahau, in welchem
der Verkehr zwischen den verschiedenen Siedelungen und der Transport zu
und von den Feldern beinahe ausnahmslos auf den Flüssen stattfindet,
zu den wichtigsten Arbeiten der Bevölkerung. Neben der Sorge für
Nahrung, Obdach und Kleidung nimmt die Herstellung von Booten in der
Tat einen grossen Teil ihrer verfügbaren Arbeitskraft in Beschlag. Jede
Familie sucht, sei es auch unter Beistand der _paladow_ (Mithelfer),
die erforderlichen Fahrzeuge selbst zu bauen. Aber nicht jeder Mann
ist in gleichem Masse imstande, einen passenden Baum auszusuchen,
ihn zu bearbeiten, im Feuer auszulegen u.s.w.; jeder Stamm besitzt
daher 1-2 anerkannte Autoritäten auf diesem Gebiet, denen, sobald es
sich um den Bau sehr grosser Boote handelt, die Leitung desselben
übertragen wird. So grosse Fahrzeuge bauen jedoch meistens nur die
Häuptlinge, weil diese am ehesten die Beköstigung ihrer Hilfskräfte
bestreiten können und sie überdies auf eine Unterstützung seitens
ihrer männlichen Stammgenossen ein Anrecht haben.

Die Boote sind ausnahmslos Einbäume; sie werden aus einem einzigen
Stück verfertigt, für welches man im Walde einen geeigneten Stamm
wählt. Zur Vermeidung von Streitigkeiten bezeichnet jeder Besitzer
sein Eigentum nach der auf pag. 155 angegebenen Weise.

Die Bahau unterscheiden verschiedene für Boote geeignete Baumarten,
die je nach dem Zweck, für den die Fahrzeuge bestimmt sind, ausgesucht
werden. So gebraucht man kleine, leichte Boote aus festem Holz, um
nach den Feldern zu fahren, grössere aus biegsamem Holz mit dickerem
Boden gegen den Anprall auf Steine zum Befahren der Flussoberläufe mit
ihren Wasserfällen und Stromschnellen, sehr lange Boote mit besonders
grossem Laderaum für lange Handelsreisen an die Küsten, ferner sehr
lange, schmale Fahrzeuge für Kriegszüge und schliesslich besonders
grosse, um sie am Unterlauf der Flüsse zu verkaufen. Für die kleinen
soliden Boote gebraucht man das schwere aber feste Eisenholz, für die
biegsamen, aber weniger starken Tengkawangholz. Für die grössten Boote
besitzen nur bestimmte Baumarten die erforderlichen Dimensionen, so
dass man in ihrer Wahl sehr beschränkt ist; die Eisenholzstämme sind
zwar sehr hoch, aber für grosse Fahrzeuge zu schwer. In den kühleren
Oberläufen der Flüsse sind Boote aus weichem Holz eher brauchbar
als in den warmen Unterläufen, in deren Wasser weit mehr Organismen
vorkommen, die das Holz anfressen; daher werden neben den grossen
Frachtbooten aus weicherem Holz auch viele kleine Eisenholzboote in
den Küstengegenden verkauft. Es wird nämlich, besonders am Mahakam,
zwischen den Gebieten ober- und unterhalb der Wasserfälle ein sehr
reger Handel in Booten betrieben, weil weiter unten zum Bau grosser
Fahrzeuge beinahe keine Bäume mehr zu finden sind. Im Innern ist zwar
die Ausrottung dieser Waldriesen weniger weit fortgeschritten, aber
auch dort finden die am höchsten flussaufwärts wohnenden Stämme, wie
die Pnihing und Kajan, leichter dergleichen Bäume als die Ma-Suling
und Long-Glat. Vielleicht ist es diesem Umstand zuzuschreiben, dass
die Pnihing als die besten Bootsbauer bekannt sind; ihre Fahrzeuge
zeichnen sich in der Tat durch Grösse, Form und gute Arbeit aus. 20
m lange Boote, für die ich bei den Pnihing 100 fl pro Stück bezahlte,
verkaufte ich später, nach dem Gebrauch und trotz der Konkurrenz mit
den Dampfbooten, am unteren Mahakam noch leicht zum gleichen Preis.

Für den täglichen Gebrauch benützen die Bahau Boote von etwa 8-12
m Länge und 60-75 cm Breite, für die Quellflüsse 10-14 m lange,
während die grössten Boote 20-23 m lang und 1,5-2 m breit sind;
letztere bestehen meist aus Tengkawangholz.

Der Bau von Booten wird, wie bereits gesagt, von den Bahaufamilien
als eine sehr wichtige Arbeit betrachtet, da sie von den männlichen
Gliedern viel Mühe und Zeit erfordert. Weitaus die meisten Boote,
besonders die langen, werden denn auch mit Hilfe von Bekannten und
Freunden hergestellt. Die Anzahl der sich zur Arbeit vereinigenden
Männer hängt ausser von der Grösse des Bootes auch von anderen
Umständen ab, ob es z.B. weit über Land geschleppt werden muss; in
diesem Fall werden wohl auch besondere Hilfskräfte beigezogen. Häufig
wird die Zeit nach der Reissaat zum Bootsbau gewählt, weil die Felder
bis zur Ernte nicht mehr viel Pflege erfordern und die Männer daher
dann am besten Arbeiten, die bisweilen einen wochenlangen Aufenthalt
im Walde erfordern, unternehmen können.

Derjenige, der sich von anderen helfen lässt, übernimmt diesen
gegenüber eine Schuld von einer gleichen Anzahl von Arbeitstagen,
wie er selbst genossen hat, auch hat er für den Unterhalt seiner
Gehilfen zu sorgen; bisweilen erhalten diese auch nur eine Belohnung.

Der Bau von Booten wird zu den grossen Arbeiten gerechnet, die von
den Mondphasen beeinflusst werden; ein günstiger oder ungünstiger
Stand des Mondes bestimmt nicht nur das Gelingen eines Bootes,
sondern hauptsächlich auch dessen künftiges Schicksal. Arbeitet man
zu ungünstiger Zeit am Boote, so zerschellt dieses beim Gebrauch bald
an einem Felsen, oder es wird durch plötzliches Hochwasser leicht vom
Tau losgerissen und fortgetrieben, oder es schlägt in den Wasserfällen
um und geht zu Grunde.

Bei den verschiedenen Stämmen gelten nicht die gleichen Mondphasen
als ungünstig; die Kajan am Obermahakam bezeichnen die zwei Tage vor
und nach dem Vollmond als _bulan_ (Mond) _dja-dja_ (schlecht), die
Long-Glat dagegen zwei Tage des zunehmenden und zwei des abnehmenden
Halbmondes. An diesen Tagen dürfen auch keine Häuser gebaut werden,
weil diese dann leicht durch Feuer vernichtet werden könnten. Ebenso
dürfen in diesen Tagen, wie auch in denen des unsichtbaren Mondes,
keine grösseren Reisen angetreten werden. Bei ungünstiger Mondphase
lässt man auch keine Verbotszeit, z.B. für den Landbau, beginnen,
geht man nicht auf die Vogelschau u.s.w. Natürlich sorgt man vor
allem beim Anfang des Bootsbaus, dass man nicht "_ga bulan dja-ak_",
den schlechten Mond trifft, sondern mit guten Vorzeichen den Weg
antritt. Beim Auffliegen eines Vogels zur Linken oder ähnlichen
schlechten Zeichen kehrt man, wie bei jeder anderen Arbeit, für Tage
wieder nach Hause zurück.

Ein zum Bau eines Bootes gut befundener Baum wird in einigem Abstand
vom Erdboden, wo er weniger breit ausläuft, umgehackt und darf, wie
beim Häuserbau, nur, wenn er völlig seitwärts niederfällt, verwendet
werden, gleitet er dagegen von seinem Stumpf ab und bleibt stehen, so
ist er _lali_ und darf nicht weiter gebraucht werden. Bisweilen erhält
der Stamm beim Niederstürzen einen Riss, wodurch er entweder gänzlich
untauglich oder nur für ein kleineres Boot benützbar wird. Sind
die Äste und der unbrauchbare Gipfel abgehackt und befindet sich
der Stamm in geeigneter Lage oder ist er bei bedeutender Grösse und
Schwere mittelst Hebeln in diese gebracht worden, so hackt man die
rohe Form des Bootes aus ihm heraus. Ein solches noch unbehauenes
Boot ist auf Tafel 57 zu sehen. Der Querriss zeigt noch die Rundung
des Baumes und die Seitenwände sind nicht flach und gerade, sondern
laufen in der Mitte rund nach oben zu. An den beiden Innenseiten
sind einander gegenüber Holzteile stehen gelassen, die später,
bei der Anbringung der Bänke, als Spanten dienen müssen. Überdies
hat man den Rumpf des Bootes absichtlich dicker gelassen, um ihn,
ohne Risse zu riskieren, durch den Wald nach Hause schleifen und dort
fertigstellen zu können. Für diese Roharbeit gebraucht man nur Beile
(Fig. 3 Taf. 51) und runde Dechsel (Fig. 5) an langen Stielen, um
mit diesen das Holz von innen wegzuhacken. Die feinere Bearbeitung
wird allmählich und bei der Wohnung vorgenommen, wie Taf. 57 es uns
vorführt. Um den Wänden die erforderliche Dünne und Glätte zu geben,
wendet man platte Dechsel an kurzen Stielen an (Fig. 5 und 8 Taf. 51),
wie sie von den Männern auf der Abbildung gehandhabt werden.

Sollen die Boote nicht sogleich gebraucht werden, so lässt man sie
vom Wasser auslaugen. Bestehen sie aus Eisenholz, das im Wasser sinkt,
so versenkt man sie ins Wasser, ist das Holz aber leichter als dieses,
so lässt man die Boote mit einigen Balken als Unterlage auf dem Lande
stehen, bis der Regen sie mit Wasser füllt. Indem man das Regenwasser
einige Mal durch eine Öffnung im Boden ausfliessen lässt, wird die
Auslaugung des Holzes befördert.

Da ein solches rundes Boot im Wasser nicht stabil genug ist,
wird es erst durch Auslegen im Feuer für den Gebrauch tauglich
gemacht. Zu diesem Zweck stellt man das Boot auf einige, ein paar
Fuss hohe Unterlagen und setzt es dann während etwa 8 Stunden in
seiner ganzen Länge zwei Reihen von gut flammenden Holzfeuern aus,
wobei man durch Schlagen mit grünen, beblätterten Zweigen, die man
in das im Boote befindliche Wasser taucht, ein Verbrennen des Holzes
an der Aussenwand verhütet. Die Seitenwände biegen sich dann langsam
nach aussen; man lässt ihre Ränder anfangs absichtlich soviel höher,
damit sie nach der Auslegung mit dem Vor- und Hintersteven ungefähr
in eine Ebene zu liegen kommen. An noch nicht genügend ausgebogenen
Stellen wird das Feuer etwas länger unterhalten, doch beeilt man
sich gleichzeitig, die im voraus fertig gearbeiteten Ruderbänke auf
die innen zu beiden Bootsseiten stehengelassenen Spanten (Taf. 57)
festzubinden. Dies geschieht mittelst Rotang, den man durch die in die
Bretter und Spanten gebohrten Löcher zieht und dann festknüpft. Auf
diese Weise wird bei der Abkühlung eine nachträgliche Einwärtskrümmung
verhindert, die bei einigen Holzarten leicht vorkommt.

Am Mendalam kennt man zwei Formen von Booten, nämlich solche mit
spitzen Enden (_harok_) und mit stumpfen (_bung_). Am Mahakam sah
ich nur die erste Art.

Die Bootsränder werden, um ein Eindringen des Wassers zu verhindern,
durch Bretter erhöht. Diese Schanzkleidung wird auf die gleiche Weise
wie die Ruderbänke mit Rotang an die Ränder befestigt. Ein Verkleben
der Öffnungen mit _dumpul_ (Harzpulver, Pflanzenfasern und Petroleum)
ist mehr bei den Malaien als den Bahau üblich. Für Fahrten auf stillen
Flüssen werden die Ränder nur mit einer Reihe von Brettern erhöht,
für Quellflüsse dagegen mit ihren Stromschnellen und Wasserfällen mit
2-3 Reihen. Mit derartig verstärkten Booten wagen die Dajak denn auch
mit voller Ladung grosse Stromschnellen hinabzufahren.

Am Kapuas und Mahakam werden die Boote wenig verziert; nur die grössten
Exemplare tragen innen und aussen am Vorder- und Hintersteven bisweilen
eine Holzmaske. Bei den Kenja in Apu Kajan dagegen ist ein Verzieren
der vorderen und hinteren Bootsenden mit Drachenköpfen allgemein Sitte.

Einen besonders schönen Schmuck tragen bei den Kenja die grossen
Kriegsboote, die am Kapuas und Mahakam infolge der friedlichen
Beziehungen der Stämme unter einander überhaupt nicht vorkommen.

Dass die Bewohner des oberen Mahakam ihren Booten viel mehr Sorgfalt
zuwenden als diejenigen des Kapuas, ist wohl hauptsächlich dem
Umstand zuzuschreiben, dass bei ersteren in den Flüssen viel mehr
Stromschnellen und Wasserfälle mit spitzen Felsblöcken vorkommen als
bei letzteren. Die Boote der Mahakamstämme haben auch einen viel
dickeren Boden und ihre ganze Bauart ist schwerer. Ein sorgsamer
Blu-ubewohner setzt sein Boot auch alle 2-3 Monate von neuem der
ganzen Länge nach einem Feuer aus, um die von den Flusssteinen
gelösten Holzfasern abzubrennen, wodurch die Gleit-fähigkeit erhöht
und das Holz durch Schrumpfen gehärtet wird. Auch kratzt er an der
Innenseite sorgfältig die äussere Schicht ab, die durch einfallendes
Regenwasser oder durch die Ritzen dringendes Wasser, das sich in den
Böten stets in grösserer oder geringerer Menge ansammelt, verfault
ist. In der Regel geschieht diese Arbeit mit dem Schwert.

_Kwing Irang_ beschäftigte sich oft Tage lang mit der Ausbesserung
seiner Boote. Die zeitweilig nicht gebrauchten Fahrzeuge lässt man
weder auf dem Wasser treiben, noch stellt man sie Wind und Wetter
bloss, sondern bewahrt sie trocken in umgekehrter Lage auf Gestellen
unter den langen Häusern, wie Tafel 23 oben es zeigt; oder man bindet
sie, auf den Rand gestellt, an die Stützbalken des Hauses, wie rechts
oben auf der unteren Abbildung von Tafel 53 zu sehen ist.

Den Bahau und Kenja sind Boote aus Baumrinde, wie sie von den
Batang-Luparstämmen gebraucht werden, zwar bekannt, doch finden
sie bei ihnen keine praktische Verwertung, wahrscheinlich weil sie
seit lange die Gebirge Borneos bewohnen, deren Bergströmen nur feste
Fahrzeuge stand halten können. Selbst wenn die Mahakamer auf Reisen
nach der Überschreitung der Wasserscheide zum Hinabfahren auf den
Flüssen neue Boote im Walde bauen müssen, stellen sie diese doch
auf die gewohnte Weise her. Allerdings begnügen sie sich dann mit
einer unvollkommeneren Bearbeitung, weil die zur Verfügung stehende
Zeit auf solchen Reisen infolge von Nahrungsmangel sehr beschränkt
ist. Die Bemannung eines Fahrzeugs, die die nötigen Beile, Schwerter
und Dechsel stets mit sich führt, braucht auf Reisen 4-5 Tage, um
aus einem Baum ein Boot herzustellen.



Mit der Einführung des Sirihkauens, das sich erst seit ein oder zwei
Menschengeschlechtern bei den Eingeborenen des Innern eingebürgert
hat, haben diese auch die Kalkbrennerei übernommen. Diese liefert
ausschliesslich Kalk zum Sirihkauen, denn der Gebrauch von weissem
Kalk als Farbstoff ist zu gering, um eine allgemeine Industrie
zu veranlassen. Die meisten dicht an der Küste wohnenden Stämme,
besonders die Malaien, brennen den Sirihkalk aus eingeführten Muscheln;
die weiter oben an den Flüssen wohnenden Stämme wissen, dass man auch
durch Brennen gewisser Teile der Kalkfelsen guten, zum Kauen geeigneten
Kalk erhalten kann. Merkwürdigerweise suchen diese Stämme im Gebirge
gerade diejenigen Kalkfelsen aus, die reich an fossilen Muscheln
sind. Die Kajan am Blu-u nahmen auf ihren Fahrten zu den Pnihing
Stücke von einem Felsen im Oköp mit, der bei näherer Besichtigung
ganz aus Kalk von zahllosen nur 2-4 mm grossen Muscheln bestand.

Das Brennen des Kalkes geschieht nach der auf Tafel 58 dargestellten
Weise. Man benützt hierfür ein Feuer von Holzkohlen, das, wie in der
Schmiede mit einem Blasbalg angefacht wird. Der stehende Mann handhabt
mit der Linken den Sauger, der die Luft ins Feuer treibt, während
der hockende mit einem Stocke das vor ihm brennende Kohlenfeuer schütt.

Das Kalkbrennen darf nicht in irgend einer Schmiede vorgenommen werden,
sondern man richtet unter den langen Häusern einen oder mehrere solcher
Blasbälge auf, mit denen jede Familie selbst ihren Kalk brennen darf.



Erwähnenswert ist noch eine eigentümliche, in früheren Zeiten, wie es
scheint, mehr als gegenwärtig geübte Industrie der Bahau, nämlich die
Bearbeitung von Natursteinen zu verschiedenen Gebrauchsgegenständen,
vor allem zu Schmuck. Die einzige Gesteinsart, die ich bei den
Dajak für Gürtelscheiben, Ohrgehänge und Perlen benützen sah, ist
ein Serpentinstein, schwarz mit hellgrünen Flecken, der nach seinem
Vorkommen im Boh _batu Boh_ genannt wird; er kommt im anstehenden
Gestein oberhalb der Ogamündung vor. Aus diesem Serpentin bestehen auch
die auf Tafel 60 in Fig. q und r abgebildeten Ohrbammeln. Die grosse
Gewandtheit, mit der dieser Stein umgeformt wird, ist staunenswert. Die
zum Gebrauch als Gürtelscheibe im Stein erforderlichen Löcher werden
mit Hilfe von Holz, Sand und Wasser gebohrt und besitzen oft einen
beinahe vollkommen runden Querschnitt, zugleich aber auch die für
diese Art der Bearbeitung bezeichnende trichterförmige Erweiterung zur
Oberfläche hin. Noch mehr Bewunderung verdient die Genauigkeit, mit
der sie einigen Gürtelscheiben, ohne die ihnen unbekannte Drehscheibe,
eine beinahe tadellose kreisförmige Aussenfläche zu geben verstehen
oder eine rein birnförmige Gestalt mit kreisförmigem, horizontalem
Durchschnitt, wie die Steine der erwähnten Ohrbammeln q und r sie
zeigen. Dies sind alte Ohrgehänge der Long-Glat, die gegenwärtig aus
der Mode sind; r ist einigermassen asymmetrisch, aber q ist so rein
von Form, dass nur mit einem Vergrösserungsglas durch Feststellen von
Ritzspuren an der Oberfläche bewiesen werden konnte, dass der Stein
ohne Drehscheibe verfertigt worden ist. Nicht minder Zweifel erweckten
hinsichtlich der Herstellungsmethode die oben um den Stein angebrachten
Rinnen; doch bewiesen auch hier einige Unregelmässigkeiten, dass sie
aus freier Hand hergestellt sein mussten.

Aus Naturstein geschliffene Perlen, die man bei so vielen auf
niedriger Kulturstufe stehenden Völkern findet, trifft man auch bei
diesen Stämmen an. Sie werden aus demselben Serpentin hergestellt,
indem man die äussere Oberfläche rund schleift und eine zentrale
Öffnung anbringt. Diesen Steinperlen begegnete ich jedoch, besonders
im Vergleich mit den allgemein verbreiteten eingeführten Perlen aus
Glas, Porzellan und Ton, nur sehr selten, auch sah ich nur solche
von mangelhafter Zylinderform.

Während mir die Dajak die Serpentinperlen nur als interessante,
kostbare Altertümer vorzeigten, gebrauchten sie die alten und neuen
Kunstperlen täglich zum Schmuck oder zu anderen Zwecken. Auch diese
wurden, hauptsächlich wenn sie alt waren, hoch geschätzt, ja sogar
neben Nahrung und Wohnung als die wichtigsten Lebenserfordernisse
angesehen. Als Schmuck dienen sie Männern, Frauen und Kindern in
Form von Halsketten, Gürteln und Armbändern oder in schönen Mustern
zusammengefügt zur Verzierung von Kleidungsstücken. Einen praktischen
Zweck erfüllen die Perlen als gangbare Münze im Tauschhandel innerhalb
eines Stammes oder im Verkehr mit anderen Stämmen. Ferner wird das
Vorhandensein von Perlen bei religiösen Zeremonien gelegentlich der
verschiedensten Lebensereignisse als unumgänglich nötig angesehen. Alte
Perlen gelten auch an und für sich als ein Schatz, den man sich
mit den grössten Entbehrungen erwirbt und in dem man sein gespartes
Geld anlegt.

Da die Kunstperlen weite Handelsreisen veranlassen und auch bei anderen
Stammgruppen als den Bahau und Kenja auf Borneo eine grosse Bedeutung
besitzen, ist es wohl der Mühe wert, im folgenden auf die Rolle, die
sie im Leben der Dajak spielen, auf ihre Herstellung, ihre Herkunft
und ihr Vorkommen auch ausserhalb Borneos ausführlich einzugehen.

Bei sämtlichen Stämmen, die das Innere der Insel Borneo bewohnen,
sind Kunstperlen im Schwange; doch werden sie nicht überall in
gleichem Masse verwandt, auch benutzen die verschiedenen Stämme
verschiedene Arten von Perlen. Die von den Bahau und Kenja in
ethnographischer Hinsicht sehr abweichenden Ot-Danum, die im Süden
und Westen von Mittel-Borneo leben, gebrauchen im Gegensatz zu
ersteren nur selten Glasperlen, sondern, besonders für Halsketten
und Armbänder, Natursteinperlen aus rotem Achat, der daher, echt oder
auch nachgemacht, in grosser Menge bei ihnen eingeführt wird.

Zwischen den Bahau und Kenja und der Stammgruppe, deren wichtigste
Vertreter die Batang-Lupar sind und zu denen auch die Kantuk gehören,
die aus dem Seengebiet des Kapuas stammen und jetzt an diesem Flusse
selbst wohnen, macht sich dieser Gegensatz weniger scharf geltend. Bei
letzteren sind ausser den Steinperlen auch viele Arten von Glas-
und Porzellanperlen, wenn auch in geringerem Masse als bei den Bahau
und Kenja, im Gebrauch. Erwähnenswert ist der Stamm der Taman-Dajak
am oberen Kapuas wegen seiner Fertigkeit, aus bestimmten Arten von
Glasperlen geschmackvolle Jacken und Röcke herzustellen.

Die folgenden Ausführungen über den Gebrauch von Perlen auf Borneo
beziehen sich zwar nur auf die Stammgruppen der Bahau und Kenja, geben
aber doch eine allgemeine Vorstellung von der Rolle, welche Perlen
bei Stammen spielen können, die auf einer niedrigen Entwicklungsstufe
stehen.

Die Perlen, die sich bei den genannten Stammgruppen allgemeiner
Beliebtheit erfreuen, sind beinahe alle in früheren Zeiten oder in der
Gegenwart aus Glas, Porzellan und Fayence hergestellt und eingeführt
worden. Solche Perlen (Siehe Taf. 59 Fig. 1-10, 12-14, 17, 20, 27 und
36) stellen diese Stämme nie selbst her. Diejenigen Perlen, welche
sie selbst als neu bezeichnen, werden hauptsächlich aus Singapore
eingeführt, während die alten Perlen, die man von Alters her auf der
Insel findet, in sehr frühen Zeiten aus unbekannten Gegenden zu ihnen
gelangt sein müssen.

Das Alter der Perlen bestimmt zwar hauptsächlich ihren Wert, aber nicht
ihre Verwendung. Die Rolle, welche die Perlen im Lebenslauf eines Dajak
zu erfüllen haben, hängt mehr von ihrer Form als von ihrem Alter ab;
Häuptlinge und Reiche verwenden im allgemeinen häufiger alte Perlen,
Unbemittelte neue. Für religiöse und andere Zeremonien sind bestimmte
Perlenarten vorgeschrieben, bemerkenswerterweise bestehen hierin
selbst unter verwandten Stämmen Unterschiede. Alte und neue Perlen
der gleichen Art tragen keine scharfen Erkennungszeichen. Von den
Perlen, welche die Eingeborenen als sehr alt und kostbar bezeichnen,
führen zahlreiche Übergänge zu den minder alten und wertvollen und
von diesen wiederum zu den neusten Perlen, die ihnen noch heutigen
Tages zugeführt werden.

Da die neueren Perlen nach dem Muster der älteren aus dem gleichen
Material und mit den gleichen Zeichnungen hergestellt werden und die
alten Perlen der gleichen Art durchaus nicht immer unter einander
völlig übereinstimmen, besitzen die neuen keine charakteristischen
Formen oder Farben, die sie von den alten scharf unterscheiden. Dennoch
ist es unmöglich, neue Perlen als alte zu verkaufen, weil diese
infolge des langen Gebrauchs an der Oberfläche verschlissen, vom Fett
der Haut durchzogen und, wenn sie in der Erde gelegen haben, an der
Oberfläche verwittert sind. Die neuen Perlen können daher, trotzdem
sie in Form und Farbe den alten gleich sind, von Sachverständigen doch
unterschieden werden; eine genaue Nachahmung würde dem Fabrikanten
wahrscheinlich zu teuer zu stehen kommen. Da bestimmte Perlenarten
nur von bestimmten Stämmen geschätzt werden und wiederum bei den
anderen oft so gut als wertlos sind, und da ferner das Kaufvermögen
der Eingeborenen sehr gering ist, kann dem Fabrikanten, wenigstens für
Borneo, eine genaue Nachahmung einzelner alter Perlen, die viel Zeit
und Mühe erfordert, keinen Vorteil bieten. Einer Perle, die nach einem
gegenwärtig unbekannten Verfahren hergestellt worden wäre, bin ich
unter vielen Hunderten von Perlensorten in Borneo nicht begegnet. Der
Preis einer Perle richtet sich nicht nur nach ihrem Alter, sondern auch
nach ihrer Art. Eine verbreitete Art alter Perlen (_lekut sekala_)
wurde in den Jahren 1896-1900 am Kapuas und oberen Mahakam für 100
fl das Stück verkauft; dagegen zeigte mir der Sultan von Kutei eine
Perle, die, nach seiner Aussage, 40000 fl wert war. Sie war doppelt
kegelförmig, 2 cm gross und bestand aus gelbem Porzellan, durchzogen
von Bündeln verschiedenfarbiger Glasurstreifen. Die Malaien hätten
jedoch einen so hohen Preis für die Perle nicht bezahlen wollen und von
den Dajak-Häuptlingen wären nur wenige hierzu im stande gewesen. Jede
der verschiedenen alten Perlenarten besitzt ihren bestimmten festen
Preis. Wie bei allen derartigen Artikeln ist aber auch bei diesen
Perlen der Preis von Nachfrage und Angebot abhängig. Da, wo sich
malaiischer Einfluss geltend macht, findet ein starkes Sinken der
Preise statt. Gegenwärtig schätzen unter den Bahau und Kenja auf
holländischem Gebiet nur noch die Stämme am Oberlauf des Kapuas,
Mahakam und Kajan den Besitz alter Perlen höher als den von Geld. Am
Mittel- und Unterlauf dieser Flüsse dagegen, wo die Eingeborenen oft
mit Malaien in Berührung kommen, veräussern sie ihren Perlenbesitz,
was einen lebhaften Handel zwischen Binnenland und Küste veranlasst.

Für die ursprünglichen Dajak bildet der Einkauf von Perlen den
wichtigsten Anlass zur Unternehmung monat-, ja selbst jahrelanger
Reisen aus dem einen Gebiet ins andere. Vom Kapuas aus machen
hauptsächlich die bei Putus Sibau lebenden Taman-Dajak Züge zum
mittleren Mahakam, Wo alte Perlen stark im Preise gefallen sind. Sie
begeben sich an den oberen und mittleren Mahakam, um dort Guttapercha
und Rotang zu suchen, die sie in Udju Tepu an den Mann bringen. Für
den Erlös kaufen sie bei den benachbarten Stämmen alte Perlen, die
sie als einzigen Besitz nach einer Reise von 6 Monaten bis zu 1 1/2
Jahren in ihre Heimat am oberen Kapuas mitbringen, wo sie mit den
Perlen unter den eigenen Dorfgenossen und benachbarten Stämmen sehr
vorteilhaften Handel treiben. Auch die Kajan am Mendalam besuchen die
verwandten Stämme am Mahakam und Tawang hauptsächlich, um von dort
alte Perlen mit nach Hause zu bringen. Abgesehen vom Einfluss der
Malaien, ist der Preis für alte Perlen auch noch aus einem anderen
Grunde am mittleren Mahakam niedriger als am Kapuas. Es kommen
nämlich, besonders beim Stamm der Kenja am Tawang, alte Perlen an
einigen Stellen in der Erde vor. Nun wissen die benachbarten Stämme
sehr gut, dass diese Perlen aus sehr alten Gräbern stammen, von denen
ihre Überlieferung ihnen nichts mehr berichtet, und gebrauchen diese
Perlen aus Abscheu nicht selbst. Fremde dagegen finden hier gute
Gelegenheit für einen vorteilhaften Kauf, und wenn sie auch etwas
über die Herkunft der Perlen verlauten hören, so verraten sie doch
ihren Kunden am Kapuas nichts davon, auch finden sie die Sache,
da es sich um so weit entfernte Gegenden handelt, nicht so schlimm.

In Anbetracht, dass die Toten mit ihrem kostbaren Besitz an
Perlenhalsketten und -gürteln und mit Mützen und Kleidern mit
Perlenverzierungen begraben werden, wodurch järlich ein Teil der
Perlen dem Verkehr entzogen wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass
ein bedeutender Teil der jetzt getragenen alten Perlen bereits
einmal oder mehrmals mit einer Leiche begraben worden ist. Nach
deren Verwesung gelangen die Perlen in die Erde, wo sie während
längerer oder kürzerer Zeit liegen bleiben. Bei einem Besuch des
Begräbnisplatzes der Pnihing am Tjehan sah ich denn auch viele Perlen
auf dem Erdboden umherliegen. Hierdurch haben die meisten alten Perlen
ihre glänzende Oberfläche eingebüsst, auch sind sie zum Teil bis tief
zur Mitte verwittert. Da in dem Stoff der Perlen zahlreiche Bläschen
vorkommen, die durch den Verwitterungsprozess geöffnet werden, zeigt
ihre Oberfläche bisweilen sogar tiefe Gruben. Bei vielen emaillirten
Perlen fällt die Emaille aus den Gruben heraus oder geht rascher als
die übrige Masse zugrunde.

Perlen bilden nicht nur einen Handelsartikel zwischen den Stämmen,
sondern dienen, wie erwähnt, auch innerhalb des Stammes als Geld. Für
den täglichen Gebrauch werden daher mehr oder weniger wertvolle Perlen,
um sie nicht zu verlieren, an eine Schlinge aus Lianenfasern von 5-6
cm. Durchmesser gereiht. Für diese werden Schweine, Mais, Bataten,
Reis u.s.w. eingekauft, und so erstand ich auch die alten und neueren
Perlen, die ich im ethnographischen Reichs-Museum in Leiden deponierte.

Die Bewohner Zentral-Borneos haben von der Herkunft der alten und
neuen Perlen nur eine sehr undeutliche Vorstellung. Da sie den
alten Sorten nicht wie den eigentümlich geformten Flusssteinen und
Rotangstücken, die als Amulette getragen werden, übernatürliche Kräfte
zuschreiben, hat ihre Phantasie sich nicht viel mit deren Herkunft
beschäftigt. Erzählungen, die hierauf Bezug hätten, habe ich auch nie
gehört. Die malaiischen Händler, welche neue Perlen von der Küste bei
den Dajak einführen, machen diesen zwar weis, dass sie diese, wie auch
andere schöne Gegenstände, am Eingang grosser Höhlen gefunden hätten,
in denen sie von den Geistern verfertigt würden, die Bahau sind aber
klug genug, diesen Erzählungen nicht unbedingten Glauben zu schenken,
wenn sie den wahren Sachverhalt auch nicht kennen.

Wie ich früher bereits sagte, ist Singapore der Ort, von dem aus die
neuen Perlen aus Glas, Fayence und Porzellan nach Borneo eingeführt
werden. Unter der grossen Anzahl Sorten, die von dort aus versandt
werden, stammen die meisten aus europäischen Fabriken und zwar aus
Gablonz in Böhmen, Birmingham und Murano bei Venedig. Ich vermute,
dass einige Arten von Glasperlen aus China kommen oder doch noch vor
kurzem von dort eingeführt wurden, da sie noch jetzt in chinesischen
Schachteln und chinesischem Papier in Singapore verkauft werden. Dies
sind rein blaue, durchsichtige und gelbe, undurchsichtige Glasperlen
(Fig. 8), meist zylinderförmig, 7 mm lang und 8 mm dick. Auch andere,
runde rote, durchsichtige Glasperlen von 4 mm Durchmesser stammen
meiner Vermutung nach aus China.

Die Grösse der Perlenarten ist sehr verschieden und bestimmt mit
den Zweck ihrer Verwendung. Die allerkleinsten einfarbigen Perlen
werden zur Zusammenstellung farbiger Perlenmuster als Verzierung
für Schwertscheiden, Kopf binden und Röcke gebraucht, bisweilen
auch für Gürtelquasten. Neben diesen Perlen wird eine grössere Art
auch zur Herstellung grosser Schmuckstücke für Kindertragbretter,
Hüte und Mützen benutzt. Aus derselben Perlenart bestehen gänzlich
oder zum Teil die prachtvollen Röcke und Jacken der Taman-Dajak. Die
allgemein getragenen Halsketten und Armbänder werden aus grösseren
Perlen verschiedener Form und Farbe hergestellt. Die einfarbigen,
runden und zylindrischen werden der Farbe nach auf bestimmte Weise
zu ein- oder mehrreihigen Halsketten zusammengefügt. In der Mitte
dieser Ketten, zwischen den beiden völlig gleichen Seitenteilen,
finden sich bunte, mit Rosetten und Streifen verzierte Perlen in
unbestimmter Reihenfolge eingefügt. Dies Mittelstück enthält die
allerverschiedensten Sorten, sowohl die schön gezeichneten neuen als
die alten sehr wertvollen neben einander. Da die Bahau sonst viel
Geschmack zeigen, scheinen sie in diesem Falle mehr auf die Schönheit
der einzelnen Perlen Wert zu legen als auf den Eindruck, den sie im
ganzen machen. Das gleiche gilt für die Gürtel, die aus noch grösseren
und den grössten Perlen zusammengesetzt und von Frauen, bisweilen
auch von Männern, getragen werden. Auch diese Schnüre bestehen aus
zwei Seitenteilen, für die eine oder zwei verschiedene Perlenarten
gleicher Farbe verwendet werden, während man für das Mittelteil mehr
oder weniger alte und hübsche Perlen ohne Rücksicht auf Form und
Farbe aneinander reiht. Einige Stämme bevorzugen jedoch für diesen
Leibesschmuck bestimmte Perlenarten. Während z.B. die Anwohner des
Kapuas und Mahakam sowohl für Halsketten als Gürtel am liebsten Perlen
mittlerer Grösse verwenden, ziehen die Kenja für den gleichen Zweck
grosse, schön gearbeitete Perlen aus Glas, Porzellan oder Fayence vor;
auch sie achten auf bestimmte Formen und schöne Zeichnung.

Die wichtigste Rolle spielen die Perlen bei den Dajak gelegentlich
verschiedener Lebensereignisse und beim Gottesdienst. Den alten
Perlen werden zwar keine schutzbringenden oder übernatürlichen Kräfte
zugeschrieben, aber bei religiösen Zeremonien opfert man sie als
schöne, kostbare Geschenke den Geistern, um diese in gute Laune zu
versetzen. Ferner bringt man die beiden Seelen des Menschen häufig
mit alten Perlen in Berührung, um ihnen etwas Angenehmes zu erweisen,
besonders um die mit dein lebenden Körper nur locker verbundene _bruwa_
am Entfliehen zu verhindern oder zur Rückkehr zu bewegen.

Die Art und Weise, in welcher Perlen im allgemeinen bei bestimmten
Lebensereignissen und religiösen Zeremonien von Laien, Priestern
und Künstlern verwendet werden, ist gelegentlich bereits ausführlich
behandelt worden.

Der Umstand, dass Perlen im Leben der Bevölkerung Borneos nicht
nur als täglicher Schmuck und kostbare Kleinodien dienen, sondern
auch für die Herstellung künstlerisch schöner Arbeiten und religiöse
Zeremonien benützt werden, spricht dafür, dass Perlen von Alters her
bei ihr in Gebrauch gewesen sein müssen. Bei den gegenwärtigen Bahau
fand ich keine Spur, die darauf hinwies, dass sie in früheren Zeiten
mehr aus Natursteinen, von ihnen selbst verfertigte Perlen benutzt
hätten, obgleich dies sehr gut möglich wäre. Da alle alten, kostbaren
Perlen, die ich sah, eingeführt worden waren und ans Glas, Porzellan
oder glasiertem Ton bestanden, kann eine eventuelle Herstellung
von Perlen aus Natursteinen nur während einer sehr frühen Periode
statt-gefunden haben.

Betrachtet man die vielen verschiedenen Perlenarten, die bei den
Eingeborenen Borneos einen eigenen Namen tragen und daher lange unter
ihnen zirkuliert haben müssen, so zeigt es sich, dass sowohl alle alten
als alle neuen Perlen mit den vielen Arten von Kunstperlen, die auch
in anderen Gegenden des indischen Archipels vielfach vorkommen und
nicht nur gegenwärtig in allen Weltteilen verbreitet sind, sondern
auch als Überreste lang verschwundener Kulturzentren gefunden werden,
völlig übereinstimmen.

Einen Beweis dafür, dass in der Tat viele Perlenarten, die man über
den indischen Archipel verbreitet findet, übereinstimmender Natur sind,
erhielt ich im Jahre 1898 in Batavia, als mir Dr. C. Snouck Hurgronje
alte Perlen zeigte, die ein Araber in den Lampong-Distrikten in
Süd-Sumatra aufgekauft hatte, um sie später auf Timor sehr vorteilhaft
zu verkaufen. In Süd-Sumatra sind diese gelbbraunen Perlen nämlich
infolge der zunehmenden Entwicklung der dortigen Bevölkerung,
gleichwie auch an den Küsten Borneos, sehr billig zu haben, während
sie auf Timor, wo sie unter dem Namen _muti salah_ oder _muti tanah_
bekannt sind, noch einen hohen Wert besitzen. Auch unter den Bahau sind
diese Perlen sehr geschätzt. Noch merkwürdiger ist die Tatsache, dass
Einwohner von Kroé in Benkulen, an der Westküste Sumatras, gegenwärtig
(1902) nach West-Borneo und von dort den Kapuas aufwärts ins Innere der
Insel ziehen, um ihre alten Perlen den Bahaustämmen zu verkaufen. Aus
dem Kapuasgebiet zogen sie sogar über die Wasserscheide zum Mahakam,
fuhren den Fluss hinab bis zur Ostküste und kehrten von dort in ihre
Heimat zurück, nachdem sie auf dieser Reise quer durch die Insel ihre
Perlen sehr vorteilhaft an den Mann gebracht hatten.

Während die Herkunft der Perlen aus Natursteinen leicht bestimmbar
ist, da der Batu Boh z.B. aus dem Boh selbst stammt oder als
Geröllstein im unteren Teil des Mahakam gefunden wird, fehlen für
Kunstperlen derartige Anhaltspunkte. Die auf Tafel 59 in Fig. 1-10
etc. abgebildeten Kunstperlen der Bahau und Kenja repräsentieren
nur wenige Arten von den vielen Hunderten, welche unter den
dajakischen Stämmen verbreitet sind. Sie sind auch keineswegs für
Borneo bezeichnend, sondern kommen ebenso auf anderen Inseln des
indischen Archipels vor, z.B. Fig. 18 auf Timor, 19 auf Celebes,
welch letztere in der Zusammensetzung mit 11, 12, 13, 14 und 17
übereinstimmen. Die Perle 27 unterscheidet sich nur durch ihre Grösse
von 25 und durch ihre Form von 24, die beide als _muti salah_ von
Timor stammen. Berücksichtigt man, dass jede dieser Perlenarten in
zahlreichen kleinen Abweichungen vorkommt, so wird die Übereinstimmung
noch grösser.

Diese Übereinstimmung ist auch an den Kunstperlen bemerkbar,
welche aus anderen Weltgegenden und längst verflossenen Zeiten
stammen. Zum Vergleich sind auf Tafel 59 auch einige ausserhalb des
indischen Archipels gefundene Perlen abgebildet. Hiernach sieht
man, dass Fig. 20, eine Perle aus Borneo, sich nur in der Grösse
einigermassen von Fig. 21, einer aus einem alten Grabe in Ungarn
stammenden, unterscheidet, oder von Fig. 29, die aus Utrecht, vom
Anfang unserer Zeitrechnung stammt. Selbst die phoenizische Perle
(Fig. 28) aus Sardinien ist der vorigen in der Zusammensetzung,
jedoch nicht in der Farbe, gleich. In der Form stimmt die _kel-om
dian_ aus Borneo (Fig. 36) mit Fig. 30, 31, 33 und 34 aus alten
Römergräbern der Provinz Gelderland, mit Fig. 35 aus der Provinz
Groningen, mit der allemannischen Perle (32) aus Nieder-Breisich,
mit der altägyptischen (37 u. 38) und mit einer Perle (39) aus einem
alten Grabe bei Smyrna überein.

Ein anderes Beispiel für die grosse Übereinstimmung der Perlen aus
Borneo mit denen aus anderen Ländern und Zeiten liefern noch Fig. 15
und 16 aus sehr alten Gräbern der Provinz Utrecht und Fig. 11, eine
alte ägyptische Perle, alle Varietäten der so stark verbreiteten Form
der "chevron pattern."

Da alle diese so sehr ähnlichen Perlenarten seit der Zeit, wo
die Ägypter mit ihrer Herstellung begannen, von zahlreichen
hochentwickelten Völkern wie den Phöniziern, den Etruskern,
den Römern, den Bewohnern von Vorder-Indien und den Venetianern
verfertigt wurden und gegenwärtig ebenso in Birmingham und Gablonz
hergestellt werden, ist es unmöglich zu konstatieren, von wo und wann
die alten Perlen bei niedrig entwickelten Völkern, wie den Dajak,
eingeführt worden sind. Der Versuch, mit Hilfe dieser Kunstperlen
alten Verbindungen zwischen niedrig stehenden Völkern und hochstehenden
Bildungszentren, in denen allein diese Perlen hergestellt sein können,
nachzuspüren, muss daher aus obigen Gründen scheitern (Siehe Archiv
für Ethnog. Bd. XVI 1903).



KAPITEL IX.

    Allgemeines über die Kunstäusserungen der
    Bahau- und Kenjastämme--Zahl und Art der in der
    Ornamentik angewandten Motive--Verwendung von
    Menschenfiguren--Erkennungszeichen für bestimmte
    Motive--Tierfiguren (Hund, Tiger, Rhinozerosvogel)--Verwendung
    einzelner Tierteile (Feder des Argusfasans,
    Pantherfell)--Genitalmotive--Stilisierungen--Verwendung der
    Motive im Kunsthandwerk: bei Hirschhorngriffen, Schwertscheiden,
    Bambusköchern, Kleiderverzierungen, Perlenarbeiten--Einfluss
    fremder Völker und Stämme auf die Entwicklung der Kunst bei den
    Bahau und Kenja.


Der Einblick in die Industrie der Bahau- und Kenjastämme, den der
Leser im vorigen Kapitel gewonnen hat, überzeugte ihn auch von dem
Drang dieser Dajak, alle Gegenstände ihrer täglichen Umgebung durch
künstlerische Verzierungen zu verschönern. Aufgabe des folgenden
Kapitels ist, zu zeigen, in welcher Weise diese künstlerische Anlage
sich bei ihnen äussert, in welcher Richtung sie sich entwickelt hat,
welche Motive die Dajak ihrer Ornamentik zu Grunde legen, welche
Vorbilder diese veranlasst haben und welche Bedeutung letztere für
sie besitzen.

Der Wunsch und die Fähigkeit, schöne Gegenstände hervorzubringen,
ist bei beiden Geschlechtern der Dajak entwickelt, nur macht sich
bei beiden eine Spezialisierung bemerkbar, die in unwillkürlichem
Zusammenhang mit ihren Hauptbeschäftigungen steht. So verzieren
Frauen vor allem die von ihnen selbst verfertigten Kleidungsstücke,
Matten, Schmucksachen, Männer dagegen Gegenstände aus Bambus, Holz,
Horn und Eisen, gewisse Teile der Häuser, Böte und Schwerter, Dinge,
mit denen sie täglich umzugehen haben. Bemerkenswerterweise ist
diese Verschiedenartigkeit der beiden Geschlechter in der praktischen
Anwendung ihres Kunstsinnes bei allen Individuen und Stämmen zu finden;
selbst dann, wenn Mann und Frau gemeinschaftlich einen bestimmten
Gegenstand zu verzieren beginnen, nimmt doch jedes einen bestimmten
Teil desselben vor. Also nicht nur in der Art des zu verzierenden
Gegenstandes, sondern auch in der Art der Ornamentik selbst macht sich
diese Verschiedenheit bei beiden Geschlechtern bemerkbar. Um einige
Beispiele anzuführen: die geschmackvollen Perlenarbeiten (Taf. 70-75)
entstehen derart, dass die Männer die Muster in Holz schnitzen (Taf. 69
c u. e), die Frauen dagegen nach eigenem Geschmack in verschiedenen
Farben die Perlen darüber hinreihen. Die Tätowierkünstlerinnen
drücken die darzustellenden Figuren mittelst Holzpatronen, welche
die Männer für sie hergestellt haben, ihren Kunden auf die Haut. Die
farbigen Zeugfiguren, mit denen die Frauen ihre Kleider und die
Totenausrüstungen schmücken, werden von den Männern geschnitten. Auf
den Pandanusblättern, aus welchen die Frauen einiger Stämme Hüte
flechten, bringen die Männer mit Wasser und Russ zuvor Zeichnungen
an u.s.w. Im allgemeinen arbeiten die Männer diejenigen Dinge, deren
Herstellung Formensinn und Gewandtheit in der Handhabung von Messer,
Hammer und Meissel erfordert, die Frauen dagegen zeichnen sich durch
ein feines Gefühl für Farbenharmonie und durch Fertigkeit im Nähen,
Weben und in der Töpferei aus. Da wir einen so durchgreifenden
Unterschied in der Äusserung des Kunstsinns bei den Männern und
Frauen konstatieren können, sind wir auch einigermassen berechtigt,
auf eine Verschiedenheit in der Anlage dieses Kunstsinnes bei beiden
Geschlechtern zu schliessen.

Das Kunstgefühl ist, eigentümlicherweise, unter den Gliedern
dieser Stämme viel verbreiteter und entwickelter als bei denen
zivilisierter Gemeinwesen. Weitaus die meisten Männer und Frauen
sind im stande, ohne andere Anleitung als das Absehen von anderen,
mit sehr primitiven Werkzeugen Verzierungen anzubringen, obwohl sich
auch bei ihnen eine sehr grosse individuelle Verschiedenheit im Talent
bemerkbar macht. Die Verhältnisse, unter denen die Individuen leben,
entwickeln diese Anlage in sehr verschiedenem Masse. Sowohl Männer
als Frauen können jedes in seinem Gebiet durch Anlage und Übung zwar
einen hohen Grad von Kunstfertigkeit erreichen, doch bringen es nur
wenige zu solcher Höhe. Wie schon früher gesagt, finden meist nur
Glieder der Häuptlingsfamilien die nötige Musse, um sich eingehend
dem Kunsthandwerk zu widmen.

Bemerkenswert ist, dass sich der dajakische Kunstsinn weitaus am
häufigsten in der Pubertätszeit zu regen beginnt. Sobald bei beiden
Geschlechtern die gegenseitige Neigung einen bestimmten Charakter
angenommen hat, die Zeit des "Hofmachens" angebrochen ist, beginnen sie
ihre Kunstfertigkeit in der Herstellung schön verzierter Gegenstände
für einander zu erproben. Diese besitzen meistens an und für sich
keinen Wert, sondern erhalten diesen nur durch die auf sie gewendete
Arbeit und künstlerische Ausführung.

In dieser Periode beginnt sich in den jungen Dajak auch der Wunsch zu
regen, ihre eigene Person möglichst vorteilhaft erscheinen zu lassen,
daher bemüht sich der Jüngling, seine Warfen zu verschönern und sich
kunstvoll geschnitzte Armringe herzustellen, während das Mädchen sich
mit Kopfbändern aus Perlen, gestickten Kleidern und Hüten schmückt.

Ferner beginnt der Jüngling, für seine Auserkorene Bambusbüchsen
(_telu kalong_), Kleiderhänger (_lawe kalong_), Brettchen zum
Aneinanderreihen von Baststreifen, Messerschäfte und Ruder (_bese_)
zu schnitzen, während diese den Mann mit Stickereien, Perlenarbeiten
und feinem Flechtwerk beschenkt. Es ist sehr begreiflich, dass diese
Beweggründe auf die Entwicklung der jungen Künstler sehr anregend und
fördernd wirken, besonders auf diejenigen, die aus irgend einem Grunde
länger als gewöhnlich unverheiratet bleiben (Männer heiraten mit etwa
20, Frauen mit etwa 17 Jahren). Einige von ihnen finden auch noch
nach ihrer Verheiratung Zeit, mit der Herstellung schöner Gegenstände
fortzufahren, in der Regel nimmt aber die künstlerische Produktivität
nach der Heirat ab oder sie hört sogar ganz auf. Infolge der besonderen
Umstände, unter denen die Kunst der Dajak sich entwickelt hat, muss bei
ihrer Beurteilung auf einige Eigentümlichkeiten derselben Rücksicht
genommen werden. So geben z.B. die Produkte ihrer Kunstindustrie
uns vielmehr ein Bild von der mittleren Leistungsfähigkeit des
ganzen Volkes als von dem höchsten Können einzelner sehr begabter
Personen. Ferner muss im Auge behalten werden, dass die meisten
Gegenstände nur zum eigenen Gebrauch verziert werden und dass der
Reiz des Geldverdienens, der in höheren Gemeinwesen oft einen sehr
fördernden Einfluss ausübt, bei ihnen fehlt. Ohne Übertreibung
kann man denn auch behaupten, dass die so geschmackvoll verzierten
Ethnographica, welche von diesen Stämmen gesammelt wurden, zwar ein
sprechendes Zeugnis für deren grosse Begabung, aber in keinem Falle
für deren höchste Leistungsfähigkeit ablegen. Als Beweis hierfür mag
dienen, dass ich während meines jahrelangen Aufenthaltes unter diesen
Stämmen durch Ankauf sehr schöner Gegenstände und durch Aussetzung
hoher Preise für besonders gelungene Kunstarbeiten auch die Künstler
weit entlegener Dörfer dazu anspornte, viel schönere Produkte zu
liefern, als sie gewöhnlich unter der Bevölkerung gefunden werden.

Trotzdem der Kunstsinn unter diesen Stämmen so allgemein verbreitet
und häufig so stark entwickelt ist, hat er doch nicht zu einer Ausübung
der Kunst um ihrer selbst willen geführt; diese bleibt ausschliesslich
Verzierungskunst. Sie trägt denn auch ganz den Charakter einer solchen
und es hat sich auf Borneo weder eine eigentliche Malerei noch eine
Bildhauerkunst ausgebildet.

Der diesen Stämmen eigene Kunstsinn darf nicht als ein unmittelbarer
Ausfluss ihrer religiösen Überzeugungen oder ihres Kultus aufgefasst
werden. In den meisten Fällen steht er hiermit in keinem Zusammenhang;
aber da bei einem Volke von niedrigem Bildungsstandpunkt das ganze
Gemeinwesen von religiösen Vorstellungen beherrscht wird, üben diese
auch auf das Gebiet der Kunst ihren Einfluss aus. Die Kultusgegenstände
der Dajak sind durchaus nicht immer schön verziert und auf ihre
Herstellung wird nicht einmal besondere Sorgfalt verwendet. Wenn
die _dajung_ sich dennoch bisweilen schön gearbeiteter Gegenstände
bedienen, so hängt das nicht mit der Verehrung der betreffenden Geister
zusammen. Hiervon legen die in Teil I auf Taf. 15-21 abgebildeten
religiösen Gegenstände ein beredtes Zeugnis ab. Dagegen spürt
man in den Motiven, die diesen Volksstämmen zur Komposition ihrer
Verzierungen dienen, allerdings einen überwiegenden Einfluss ihrer
religiösen Vorstellungen.

Die Zahl der allgemein angewandten Motive ist relativ gering;
sie werden den verschiedenen Gegenständen ihrer Umgebung entlehnt,
besonders denjenigen, die den stärksten Eindruck auf ihr Gemüt ausüben,
daher die Häufigkeit von Motiven, die in ihrem Religionsleben auch eine
grosse Rolle spielen. Von den tierischen Lebewesen wird am meisten
der Mensch, als Ganzes oder in einzelnen Teilen, wie der Kopf mit
den Gliedmassen oder auch diese allein, benützt, ferner alle in der
dajakischen Geisterwelt vorkommenden Tiere, vor allem der Hund (_aso_),
der nach meinem Dafürhalten mehr an Stelle des für sie mythischen
Tigers (_rimau_ oder _ledjo_) tritt, den sie als mächtigen Geist nur
ungern nennen. Ferner die Weltschlange oder _Naga_, der Rhinozerosvogel
(_tinggang_), daneben Waldtiere wie der Blutegel (_utak_), die Schlange
(_njipa_), die Eule (_manok wak_) und der Argusfasan (_manok kwe)._
Andere Waldtiere und auch die Haustiere, wie Schweine, Katzen und
Hühner, Werden nicht als Verzierungsmotive gebraucht; sie korn: men nur
in seltenen Fällen, bei der Darstellung von Szenen aus dem täglichen
Leben vor (Taf. 65 Fig. a). Von den Himmelskörpern sah ich den Mond
(_bulan_) und von den Gebrauchsgegenständen das Boot (_harok_) und
den Haken (_krawit_) in der Ornamentik benützen (Vergl. Tätowierungen
von Taf. 35 Teil I).

Motive aus dem Pflanzenreich wenden diese Stämme beträchtlich seltener
an, wenigstens benennen sie ihre Motive nicht nach Pflanzenteilen,
obgleich ihr Gefühl für schön gebogene Linien zweifellos unbewusst
durch die Vielen Schlingpflanzen ihrer Umgebung beeinflusst werden
wird.

Betrachten wir im folgenden an den abgebildeten Beispielen die Art und
Weise, in welcher die Bahau die genannten Motive in ihrer Ornamentik
zu verwerten pflegen.

Als Beispiele für die Anwendung ganzer Menschenfiguren als
Verzierungsmotiv können die auf Taf. 70 in Farben abgebildeten Stücke
von Perlenmustern (_tap inu_) dienen, die am Mahakam zur Verschönerung
der Rückseite von Kindertragbrettern (_hawat_) gebraucht werden. In
den 3 gelben Figuren des obersten Musters a erkennen wir 3 in gleicher
Form und gleichen Farben ausgeführte Menschengestalten. Die Frau, die
dieses Muster arbeitete, hat sich nicht nur bemüht, Menschenfiguren im
allgemeinen darzustellen, sondern diesen auch die Eigentümlichkeiten
der Bahau, die stark ausgereckten Ohrläppchen mit den darin hängenden
grossen Ringen gegeben. Die gelben Ohrläppchen reichen bis auf die
Schulter und die Ringe, deren eine Hälfte in Schwarz ausgeführt vor
der Schulter liegt, während die andere in Grün hinten hervortritt,
sind so gross, dass die Arme durch sie hindurchgesteckt sind. Die
Phantasie der Künstlerin ist in diesem Fall nicht so übertrieben,
als man meinen könnte, denn einige Bahau, die Long-Glat z.B., sind
tatsächlich im stande, ihre Arme durch die Ohrringe zu stecken ("In
Centraal Borneo" Tafel 93).

Sämtliche Körperteile sind an den Figuren genau wiedergegeben: der
Kopf mit Augen, Nase und Mund, der Rumpf mit den Brustwarzen und
dem Nabel, die Arme mit den Händen und den fünf aufwärts gerichteten
Fingern und die Beine, die auf den Knien die Ellbogen stützen, mit
den Füssen und den abwärts gewandten Zehen, Ferner sehen wir an den
Figuren einen schwarzen Gürtel, vielleicht ein Lendentuch, und sehr
stark ausgeprägte Genitalien, an denen die Testes zu beiden Seiten,
das membrum virile nach oben gerichtet ist. Bedenkt man, dass sich an
die Verzierung der _hawat_ ursprünglich gewiss auch der Wunsch knüpfte,
die bösen Geister vom Kinde fernzuhalten, dann erscheint eine solche
starke Hervorhebung der Genitalien, die ja die bösen Geister vertreiben
sollen, nicht unerklärlich. Übrigens werden bei den Mahakamstämmen noch
gegenwärtig Muscheln an die _hawat_ gehängt (Taf. 69 Fig. 6) und am
Mendalam wird die Aussenseite mit ganzen Bündeln von Gegenständen,
welche die Geister abschrecken oder befriedigen sollen, behängt
(Teil I Taf. 14 u. Beschreibung).

Ungefähr die gleichen Menschenfiguren finden wir auf derselben
Tafel zu beiden Seiten der zweiten _tap inu_ b wieder, die in ihrer
Farbenharmonie zwar mangelhaft wiedergegeben ist, die Einzelheiten
der Darstellung aber deutlich hervortreten lässt. Die Figuren sind
in derselben Haltung wie oben, jedoch in schwarz, ausgeführt.

Hier treten die ausgereckten Ohrlappen mit den grossen roten Ohr,
ringen noch mehr hervor. Das Scrotum ist rot, das membrum virile grün
angegeben. Der Gürtel ist hier rot; ausserdem tragen diese Figuren
noch weisse, blaue und rote Arm- und Beinringe.

Ein gutes Beispiel für die Anwendung stark umgebildeter Menschenfiguren
für Verzierungen liefern die beiden _tap inu_ a und b auf Tafel
71. Hier finden wir in der unteren Hälfte drei solcher sehr stark
stilisierter Figuren als Motiv dieses Musterteils angewandt.

Bei a ist jede Büste in gelb dargestellt; sie besteht aus einem
fünfseitigen Kopf, in dem die auch bei der stärksten Stilisierung nur
selten fehlenden Augen in rot und schwarz, die Nase in grün und der
Mund in rot und grün mit schwarz angedeutet sind. Dieser Kopf geht
in den oberen Teil des Rumpfes über, an welchem die beiden roten und
schwarzen Punkte die Brustwarzen bedeuten. Zu beiden Seiten hiervon
laufen nach oben zwei lange Linien in nach aussen gekrümmte Haken
aus, dies sind die Arme. Verfolgt man den Rumpfteil der Mittelfigur
nach unten zu, so erkennt man auch stark stilisierte Beine mit kurzen
auswärts gerichteten Schenkeln und nach oben und seitwärts gewandten
Unterbeinen. Das schwarze Viereck zwischen den Schenkeln bedeutet
wahrscheinlich die häufig dargestellte Vulva. Dies erscheint doppelt
wahrscheinlich bei der Betrachtung der mittelsten Menschenfigur
von _tap inu_ b, die in der Form ungefähr mit a übereinstimmt, in
ihren Originalfarben jedoch schlecht wiedergegeben ist. Bei dieser
sind die Beine abwärts gewandt und die Schienbeine nicht nach oben
umgeschlagen. An den Seitenfiguren ist ein Schienbein nach unten
gerichtet, während das zweite fehlt.

Man merkt bereits an diesen Figuren, wie weit die Bahau in der
Umbildung ihrer Motive gehen, um in ihrem Auge geschmackvolle
Verzierungen hervorzubringen. Sehr häufig könnte man das ursprüngliche
Motiv nicht wiedererkennen, wenn nicht oft trotz der starken
Stilisierung einige Erkennungszeichen bestehen blieben. Diese
sind für den Kopf oder lieber für die Maske, die sehr häufig auch
selbständig angewandt wird, sowohl beim Menschen als beim Tier die
Augen oder das Auge, oder die Zähne des Mundes bzw. der Schnauze. Das
Unterscheidungsmerkmal für die gleichfalls häufig angewandten
Gliedmassen wird sogleich erwähnt werden, doch mag vorher darauf
hingewiesen werden, dass man derartige, auf die einfachsten Formen
zurückgebrachte Masken in den Schenkeltätowierungen der Tafeln
83 und 84 Teil I wiederfindet. Hier sehen wir bei 83 Figuren aus
zahlreichen Linien auf verschiedene Weise um zwei runde Punkte
gruppiert, um welche eine Doppelspirale Augenhöhlen, Nase und Mund
repräsentieren. Wie verschiedenartig diese Motive gestaltet sind,
zeigt eine Vergleichung der Figuren in der Schenkeltätowierung
mit denen an der Knietätowierung. Dass diese zwei Punkte mit der
Doppelspirale mit Recht als Menschenmaske aufgefasst werden, beweist
der Name, den die Mendalamer ihm geben; sie nennen sie _kohong_ (Kopf)
_kelunan_ (Mensch). Dies ist das beinahe ausschliesslich vorkommende
Tätowierungsmotiv, das die Mendalamfrauen für ihre Schenkeltätowierung
anwenden. In noch komplizierterer Form kommt dieses Motiv auf Tafel 84
vor, wo inmitten einer noch grösseren Anzahl Linien die zwei Augen mit
der Doppelspirale zu erkennen sind. Diese Schenkeltätowierung ist nach
einer nach dem Original gezeichneten Skizze mit den Tätowierpatronen
von Taf. 82 Fig. n zusammengestellt worden. Es scheint, dass der
Schnitzkünstler in dieser Maske mit den unter den Augenspiralen
angebrachten Schnörkeln Nase und Mund habe andeuten wollen.

Ein gutes Beispiel für eine mehr plastische Darstellung einer Maske
als Verzierung liefert uns Fig. f auf Taf. 60. Die Maske bildet hier
den Deckel eines Bambusköchers. Als wichtigste Gesichtsteile sind hier
leicht erkennbar die beiden weissen, glotzenden Augen in der Mitte,
darunter die breite vorragende Nase, die sich über die breiten Lippen
des grossen Mundes biegt. Erkennbar sind ferner zwei Arme, welche in
der für Gliedmassen beinahe stets charakteristischen Form angebracht
worden sind, nämlich um das Haupt hinaufgeschlagen und dieses mit
den Händen umfassend. So unterscheiden wir die Oberarme bei 1, die
bei 2 ansetzenden Unterarme und an diese gefügt die Hände mit den
3 stark stilisierten Fingern bei 3. Finger werden im allgemeinen
bei der Stilisierung am meisten umgebildet und kommen dann in
verschiedener Anzahl vor. Von den dreien, die hier erkennbar sind,
sehen wir einen an die Aussenseite des Auges gelegt, den mittelsten
wie eine Spitze in der Verlängerung des Unterarms auf die Stirn
gestützt und den dritten stark verbreitert und abgerundet an der
Seitenwand. Beachtenswert ist, dass sowohl am Ellbogen bei 2 als am
Puls bei 3 ein linienförmiger Halbring um den Arm angebracht ist;
diese Verdickung, besonders die am Ellbogen, wird bei der Verwendung
des Arms oder Beins als Verzierungsmotiv beinahe nie fortgelassen
und kann daher als Erkennungszeichen dienen. Dies gilt sowohl für
menschliche als für tierische Gliedmassen. Diese feinen Verdickungen
kommen z.B. vor an den Vorderpfoten (bei 3) des Monstrums auf Deckel
g Taf. 60 und an den Pfoten der Tierfiguren a, b, c und f auf Taf. 33.

Dass derartige Erkennungszeichen in der Tat notwendig sind, um
die ursprüngliche Bedeutung der einzelnen Teile einer Verzierung
unterscheiden zu können, kann aus den Deckeln g und i auf Tafel 60
ersehen werden, wo bei 4 eigentümliche Verzierungsmotive als Wülste
gebraucht sind, die man beim Fehlen der Hände nur schwerlich als
Gliedmassen hätte erkennen können. Dieses Zeichen ermöglicht es uns,
auch die Bedeutung bestimmter Teile im Schnitzwerk der Griffe a, c, d
und e auf Tafel 63 festzustellen. Auf den eigentümlichen langen Teilen,
die bei c unter 5 angedeutet sind, treten diese Verdickungen ebenfalls
mehr oder minder deutlich hervor, wodurch also ein Arm, ein Bein oder
eine Pfote als Ausgangsmotiv dieser Partie des Schnitzwerks angenommen
werden muss, auch dort, wo diese Verdickungen gänzlich fehlen sollten.

In der Verzierungskunst dieser Bahau begegnet uns noch eine
andere Maske, die von der des Menschen abgeleitet ist, nämlich
die Menschenmaske mit grossen Hauzähnen im Ober- und Unterkiefer,
welche nach der Vorstellung dieser Stämme dem Antlitz der bösen
Geister entspricht. Die zwei Holzmasken in Teil I Tafel 57 sind
ein gutes Beispiel für diese Motive, die man mehr oder weniger
stilisiert auf sehr verschiedenartigen Gegenständen der Bahau und Kenja
findet. Angewendet sehen wir diese Verzierung z.B. an der auf Taf. 61
Fig. b abgebildeten Arbeitsbank, die zwei solcher Masken trägt, um
die sich zu beiden Seiten die Arme hinaufschlingen. Die verschiedenen
Gesichtsteile, wie Augen, Nase und Mund sind trotz starker Stilisierung
sehr gut zu erkennen. Zu der ganzen geschmackvollen Komposition tragen
in nicht geringem Masse die langen, gebogenen, spitzen Hauzähne bei,
die von den Kiefern aus der Mundhöhle zum Vorschein kommen und auf
der gegenüberliegenden Lippe stark hervortreten.

Andere Beispiele für die Verwendung der Masken böser Geister als
Verzierung finden wir in den sehr bekannten, ursprünglich von diesen
Stämmen herrührenden, bunt bemalten Schilden, an deren Vorderfläche
eine Art von Gorgonenhaupt dem Feinde Schrecken einflössen soll. Eine
derartige Wirkung auf den ängstlichen Bahau, der sich stets von bösen
Geistern umringt und verfolgt glaubt, ist sehr wohl denkbar.

Um nicht zu stark abzuschweifen, soll das menschliche Genitalmotiv,
das in der Bahaukunst zu einer ganz eigentümlichen Art von Verzierung
Anlass gegeben hat, später behandelt und hier zur Besprechung des als
Ornament ebenfalls häufig verwendeten Tierkörpers übergegangen werden.

Bahau und Kenja gebrauchen auch die Tierformen sowohl als Ganzes als in
ihren Teilen als Verzierungsmotiv, doch pflegen sie Tiere ebensowenig
wie Menschen so naturgetreu als möglich abzubilden; selbst wenn sie
Tiere in Holz nachbilden, um sie als Schreckmittel bei den Gräbern
ihrer Verstorbenen aufzustellen, verfertigen sie nur Ungeheuer.

Das am häufigsten im Ornament verwandte Tier ist, wie gesagt, der
_aso_ oder Hund, weniger beliebt ist der _rimau_ oder _ledjo_, der
mythische Tiger. Wie oben bereits bemerkt, ist letzteres Tier das
ursprüngliche Motiv, aber weil man so gefürchtete Tiere wie einen
Tiger nicht gern nennt, gibt man ihm lieber den Namen des Hundes.

Als Typus des _aso_, wie man ihn plastisch abbildet, kann die
Figur gelten, die auf dem Deckel von Tafel 60 Fig. g zu sehen
ist. Hier sind alle Körperteile in Relief geschnitzt und daher
deutlich erkennbar. Der auf der Abbildung nach unten gekehrte Kopf
lässt bei 2 den eigentlichen Schädel mit den beiden grossen, runden
Augen zu beiden Seiten und darunter die Schnauze mit zwei in Spirale
stilisierten Nasenöffnungen unterscheiden. An den Kopf schliesst sich,
hier nach oben gerichtet, bei 8 der Rücken an, der nach hinten zu
(hier nach oben) zu beiden Seiten die Hinterbeine I trägt. An diesen
sind die nach aussen gerichteten Schenkel und die zum Deckel gewandten
Unterbeine zu erkennen, die in die Füsse übergehen. Letztere bilden mit
den stark stilisierten Zehen 5 den Übergang zu den anderen Figuren der
Verzierung, wie zu dem unabhängig angebrachten Arm 4. Beim Knie 2 ist
wieder der für die Gliedmassen charakteristische Ring zu sehen. Hinter
dem Kopf biegen sich die vorderen Gliedmassen vom Körper ab. An diesen
sind alle zugehörigen Teile gut zu erkennen. Zuerst der Oberarm 3, der
mit dem rechts und links hervortretenden Ellbogenring in den ungefähr
rechtwinklig darüber gebogenen Unterarm übergeht, der wiederum die
Hand 6 mit den zu Spiralen und Linien stilisierten Fingern trägt. Nur
selten findet man wie hier den Übergang vom Unterarm zur Hand durch
zwei gleichweite Ringe bezeichnet.

Ein zweites Beispiel für solch einen _aso_, aber ihrem Zweck
entsprechend etwas mehr umgebildet, liefern die Sessel d und e auf
Tafel 61. Bei d sind die einzelnen Teile gut unterscheidbar, doch sind
hier nur das linke Hinterbein und das rechte Vorderbein des Tieres
dargestellt. Am Kopf ist wiederum zuerst das runde Auge 1 sichtbar,
vom dem sich nach oben der grosse Oberkiefer 2 und nach unten der
kleinere Unterkiefer 3 abbiegt. Diese Kiefer lassen uns besser als die
übrigen Körperteile die Einzelheiten sehen, an denen sie auch in ihrer
stärksten Umbildung zu erkennen sind. Zunächst die Zahnreihen 2 und 3,
die hier sorgfältig ausgearbeitet sind und nur selten fehlen. An dem
Unterkiefer ist nur noch ein nach vorn gerichteter Haken zu sehen,
den der Künstler als Endverzierung hinzugefügt hat. Der Oberkiefer
dagegen besitzt ausser der Zahnreihe 2 noch das Nasenloch 6, das hier
die eigentümliche Form einer Spirale zeigt, die diesem Körperteil
häufig gegeben wird. Auch ineinandergreifende Doppelspiralen werden
oft zur Wiedergabe von Nasenlöchern angewandt. An diesen ist bei
starker Stilisierung und beim Fehlen der Zähne häufig die Absicht des
Künstlers, einen Kiefer darzustellen, erkennbar. Zwischen den beiden
Kiefern tritt hier die kleine Zunge 4 hervor, ein Teil, der in der
Profilansicht einer Maske ebenfalls nur selten fehlt. Darüber biegt
sich dem Auge zu der grosse Hauzahn 5, der hier merkwürdigerweise in
die Mundecke gesetzt ist, mehr dem Schönheitsgefühl der Bahau, als
seiner natürlichen Stellung entsprechend. Der Kopf geht hier in den
nach hinten gebogenen Hals über, der sich in dem ebenso gebogenen
Körper 12 fortsetzt. Dieser endet in den beinahe wieder dem Kopf
anliegenden dicken Schwanz 11. Unter dem Schwanz wendet sich das linke
Hinterbein 9 vorn Rumpf ab; wir erkennen wieder ein Oberbein 9 und ein
Schienbein 10 und ferner einen eigentümlich geformten Fuss, dessen
eine Zehe als lang gewundener Teil über den Rücken gelegt ist. Vorn
am Rumpf, unter dem Halse, ist auf ähnliche Weise der rechte Arm 7
geschnitzt, der aus Ober- und Unterarm und Hand 8 besteht, die den
Hals hinter dem Unterkiefer umklammert und von der ein langer Finger
auf dem Halse zu sehen ist. Hinter dem Köpfe erhebt sich ein gebogenes
Horn, das häufig als Zierrat angebracht wird.

Der Sessel e stellt ein ähnliches vierfüssiges Tier dar, aber in
anderer Stellung, so dass nur der Rumpf und der zur Seite gewandte
Kopf in ihren Teilen gut hervortreten.

Nach den gegebenen Beschreibungen fällt es nicht schwer, auch die
ganze dekorative Figur f auf Tafel 33 zu begreifen. Diese stellt die
Stilisierung eines vierfüssigen Tieres im Profil dar, die inmitten
von zahlreichen Schnörkeln zur Verzierung eines Getäfels dient. Das
Tier ist nach links gewandt, wo wir denn auch das grosse runde Auge
finden, das hier wie in zwei grosse, einander zugekehrte Haken gefasst
erscheint. Auf gleiche Weise wie vorhin biegen sich hier die beiden
mit Zahnreihen bewaffneten Kiefer weit klaffend nach oben und unten;
zwischen ihnen befindet sich eine kleine, beinahe horizontale Zunge
und über dieser ein hier stark nach rückwärts gebogener Hauzahn. Hinter
dem Auge sehen wir auch hier ein grosses gewundenes Horn, das auf der
Schulter des Tieres liegt. Unter diesem Horn erkennen wir den langen
Hals, auf dem der Kopf sitzt. Der aufwärts gekrümmte Körper trägt
ein Vorder-, ein Hinterbein und einen Schwanz, welch letzterer vorn
unter dem Hinterbein hindurchläuft und in einer zierlichen Spirale
auf dem Rumpf endet. Diesen hat der Künstler nicht glatt gelassen,
sondern an der Schulter und im Beckengürtel reich mit gebogenen
Linien verschönert. Betreffs der Vorder- und Hinterbeine ist nicht
viel mehr zu bemerken als die besonders deutliche und schöne Weise,
inder hier der nach vorn gekehrte Vorderfuss stilisiert ist. Die
Spiralen am Fuss des Hinterbeins dienen ausschliesslich zur Verzierung
des Hintergrundes.

Auf derselben Tafel gibt c eine ähnliche Verzierung mit einem
stilisierten _aso_ wieder, aber hier hat man den Kopf des Tieres
auf die gleiche Weise nach rückwärts gedreht, wie die Bahau es in
ihren Wäldern das Tarsius spectrum tun sehen. Die grosse, hier mehr
geschlossene Schnauze ist denn auch nach hinten und oben gewandt.

Schwieriger sind die beiden Verzierungen a und b auf dieser Tafel zu
zerlegen, weil sie zwar mit Hilfe von im Profil genommenen Tiefen,
wie sie bei c und f beschrieben wurden, zusammengestellt sind, aber
in jedem Ornament mehr als ein Tier vorkommt. In diesem Fall zeigt es
sich, wie wichtig es ist, für bestimmte Körperteile charakteristische
Eigentümlichkeiten zu kennen, weil die ursprünglichen Formen im
Gebrauch als Verzierungsmotiv ganz verloren gehen. Sie geben uns jedoch
gute Beispiele von der reichen Phantasie dieser borneoschen Künstler.

Bei a bemerkt man zuerst einen nach rechts gekehrten grossen _aso_,
dessen verschiedene "Feile leicht zu erkennen sind. Hinter dessen
Kopf ist jedoch noch ein zweiter angebracht, der einem _aso_ mit
nach oben gerichteten Beinen gehört. Als Erkennungszeichen für
diesen zweiten _aso_ findet man mitten in der Oberseite zwei Reihen
Zähne und einen grossen Hauzahn, der nach unten weist. Sowohl diese
Richtung als die nach oben geöffnete Schnauze deuten bereits auf
einen aufwärts gewandten Kopf. Der grosse Hauzahn weist auf das grosse
glotzende Auge, das unten von einem dicken Ring umgeben ist. Rechts
von diesem Augenring läuft ein grosses Horn nach rechts hinunter,
wo es als Hauzahn der Hauptfigur endet. Dies ist eine bei den Bahau
sehr gebräuchliche Weise, um zwischen den verschiedenen Unterteilen
einer Verzierung eine Verbindung herzustellen. Diese kommt übrigens
auch noch auf andere Art zustande, denn suchen wir nach dem Körper,
der zur zweiten Maske gehört, so sehen wir, dass der Hals hinter
der Basis des erwähnten grossen Horns verborgen liegt, ferner, dass
der Körper hauptsächlich an seiner Brust- und Bauchseite zu erkennen
ist, die in den deutlichen Hinterkörper mit Hinterbein und Schwanz
auslaufen. Letztere bilden den wichtigsten Teil auf der rechten
Seite der Verzierung. Der Rückenteil des zweiten _aso_ bildet nun
einen Unterteil des grossen Kopfes des ersten. Dies sind, ausser den
hinzukommenden Spiralen, die Hauptbestandteile der Verzierung a.

Auf dieselbe Weise mit der Zerlegung von b zu Werke gehend, finden
wir zuerst 3 Doppelreihen von Zähnen: eine nach oben geöffnete links
oben, eine grosse mit Zunge und Hauzahn rechts unten und eine kleinere
noch weiter rechts, nach oben geöffnet, so dass mindestens 3 Masken in
diesem komplizierten Relief vorkommen müssen. Die zu diesen Gesichtern
gehörenden Augen sind, was den Kopf links betrifft, etwas unterhalb der
beiden Zahnreihen zu sehen; das Auge des grossen Kopfes rechts liegt
in der Verlängerung des Hauzahns, während das des kleineren Kopfes
noch weiter rechts etwas undeutlich Unter dem Oberkiefer zu sehen ist.

Hübsch sind die spiralförmigen Nasenlöcher in den verschiedenen
Oberkiefern angebracht. Suchen wir nach den zu diesen Tiermasken
gehörigen Körpern, so zeigt es sich, dass die der beiden am weitesten
links liegenden Köpfe einander derart umfasst halten, dass die
Hinterpfoten des einen Tieres den Hals des anderen umklammern,
während die Vorderpfoten um die Hinterschenkel geschlagen sind. Der
as o der linken Maske liegt somit auf dein Rücken, der der grossen
Maske steht. Die Haltung des dritten Tieres ist sehr gewunden, da
zu der nach oben geöffneten Schnauze der kleinen rechten Maske der
aufwärts gestreckte Körper gehört, so dass der Schwanz im Relief als
die am meisten rechts liegende obere Spirale erscheint und die rechte
Hinterpfote horizontal nach links läuft. Als Vorderpfoten muss man die
beiden krummen, um den Augenteil der Maske nach unten sich hinziehenden
länglichen Erhebungen betrachten; die linke derselben trägt deutlich
den typischen Extremitätenring. Dass es den dajakischen Bildhauern
nicht an Vorstellungsvermögen fehlt, beweist die Kompliziertheit
dieser Verzierung zur Genüge.

Wie sehr man ihrer eigentümlichen Auffassung von der Kunst Rechnung
tragen muss, geht daraus hervor, dass auch die Figur f auf Tafel
82 Teil I unter die _aso_ gereiht wird, mit der Begründung, das
hier wiedergegebene Wesen mit seiner schlangenförmigen Gestalt
und seinem grossen Kopf mit aufgesperrten Kiefern (bei 2) besitze
noch Pfoten. Diese stark umgebildeten Gliedmassen sind noch unter
den beiden Bögen, die der Körper nach oben zu bildet, zu sehen,
wo sie rechts und links an der Unterseite jedes Bogens entspringen
und zur Mitte zu sich mit den dünnen linienförmigen Zehen einander
nähern. Sind diese Gliedmassen nicht mehr vorhanden, so bezeichnet
man ein derartiges schlangenförmiges Wesen als _naga_ oder Schlange.

Diese _aso_-Figur ist mit nur wenigen Linien auf der Holzpatrone
Fig. e von Tafel 69 angegeben.

Das Muster besteht hier aus vier _aso_, deren Körper in einander
übergehen, und einer kleinen, aus Spiralen zusammengestellten Figur
in der Mitte. An dem _aso_ links unten ist bei 1 das Auge zu sehen,
bei 5 der Körper, der in denjenigen einer gleichen Figur rechts unten
übergeht, und bei 6 ein Beinpaar. Die vielen Spiralen auf den beiden
Köpfen über dem Auge tragen zur Verschönerung des Ganzen bei, während
jede Maske durch eine lange Spirale mit der anderen verbunden ist,
in gleicher Weise wie die Körper, wodurch ein doppelter Zusammenhang
zwischen den beiden _aso_ zustande kommt.

Neben dem ganzen Körper wird auch die Maske des _aso_ allein häufig
angewandt. Die Unterscheidung einer solchen Maske von der anderer
vierfüssiger Tiere ist jedoch sehr schwierig, weil die Charakteristika
der Kopfform durch Stilisierung völlig verloren gehen und nur das
Vorkommen von Augen, Zahnreihen oder Nasenlöchern dazu berechtigen,
eine Verzierungsfigur auf Tiermasken zurückzuführen. Ein gutes Beispiel
für eine solche Verzierung mittelst einer Tiermaske liefert der Griff
an der Flechtnadel k auf Tafel 60. Hier besteht der Griff gänzlich
aus dieser Maske, von der man bei I das Auge, bei 2 und 3 den mit
Zähnen versehenen Unter- und Oberkiefer und bei 4 das in Form einer
Spirale wiedergegebene Nasenloch erkennt.

Derartige Tiermasken sind ferner noch zu unterscheiden an beiden
Enden des Messerhängers j auf Tafel 61. Die obere gibt vorerst
die beiden Zahnreihen in den Kiefern gut wieder, auch ist ein
Hauzahn vorhanden; das grosse Auge liegt unter der Schnauze, und
auf dem stark verzierten Oberkiefer, der den obersten Teil bildet,
hat der Künstler das Nasenloch durch eine schöne, reich gewundene
Spirale wiedergegeben. An diese Maske schliesst sich unterhalb
des Unterkiefers noch eine Extremität an, deren Finger wieder zur
Verzierung der Oberfläche gedient haben.

Die Maske am Unterende besteht nur aus einem Auge mit Umgebung und
dem Oberkiefer. Das Auge ist hier durch eine weisse Muschel angedeutet
und der hübsche Oberkiefer ist an einer Zahnreihe erkennbar.

Eine eigentümliche Anwendung der Maske als Verzierungsmotiv zeigt uns
der Deckel i auf Tafel 60. Dieses symmetrisch auf den zwei Hälften
angebrachte Ornament besteht aus 3 Tiermasken neben einander; der
Rest des halben Kreisrandes wird von einem Bein (4) eingenommen. Von
den 3 Masken ist die eine, mit I bezeichnet, zum Rande hin am Auge,
den Zähnen und einem Nasenflügel leicht zu unterscheiden. Dann
folgt Maske 2, die radial gestellt ist und ein ganz anderes Aussehen
trägt, da man sie nicht von der Seite, sondern von oben sieht. Am
charakteristischsten sind die beiden Augen, über denen der Schädel und
unter denen die Schnauze sehr naturgetreu ausgearbeitet sind. Ob die
langen Streifen zu beiden Seiten dieser Maske Gliedmassen vorstellen,
ist auf dieser Abbildung schwer zu konstatieren.

Die dritte, nur an einer Seite vollständige Maske ist eine sehr
phantastische Verzierung, deren deutlich hervorglotzendes Auge am
besten erkennbar ist. Unter diesem Auge laufen in der Maske 3 rechts
unten zwei parallele bogenförmige Furchen über eine runde Stirn, und
eine ähnliche Rundung rechts vom Auge gibt eine Art Nase auf einem
runden Oberkiefer an. Dieser ist durch eine tiefe, radial verlaufende
Kluft von dem Unterkiefer getrennt, der durch eine oberflächliche
Grube wieder in zwei Teile geschieden ist.

Eine sehr eigenartige Variation des Maskenmotivs sehen wir in Fig. a
auf Tafel 65, wo in der rechten Figurenhälfte 6 äusserst phantastische
Masken das Ornament zusammensetzen. An allen lassen sich ein oder zwei
Augen gut unterscheiden, die übrigen Teile sind stark umgebildet,
und nur, was Zähne, Zunge und Kiefern betrifft, mehr oder weniger
deutlich ausgearbeitet.

Ein anderes Beispiel für diese Art von Verzierung finden wir in
der Mittelfigur von b auf Tafel 70, die ein _kohong ledjo_, einen
Tigerkopf darstellt. Die in schwarz ausgeführte Figur zeigt zuerst
sehr deutlich zwei blaue, rot umränderte Augen mit schwarzen Pupillen;
die beiden weissen spiralförmigen Linien umschliessen die Nase mit den
Nasenlöchern, während in dem gelben Teile darunter mit roten Linien die
Schnauze wiedergeben ist. Unten wird die Maske durch schwarze, in einem
Punkt einander schneidende Linien abgeschlossen. Die 4 Paar schwarzen,
von der eigentlichen Maske ausgehenden Spiralen dienen zur Verzierung.

Unter den der Vogelwelt entlehnten Motiven nehmen diejenigen, welche
sich auf den Rhinozerosvogel oder _tinggang_ beziehen, die Hauptstelle
ein, sowohl wegen der Häufigkeit ihrer Anwendung als wegen ihrer sehr
charakteristischen Formen. Diese bestehen in dem sehr grossen Schnabel,
auf dem sich das häufig nach rückwärts gekrümmte Horn erhebt, und dem
Schwanz aus rein weissen Federn, über welche ein breites schwarzes
Band läuft.

Wir finden diesen Vogel zuerst in ganzer Gestalt, oft nur schwach
stilisiert, wie in Fig. b auf Tafel 65, angewandt. Im Felde oben,
rechts von der Mitte füllt ein solcher _tinggang_ mit einem sehr
grossen Kopf neben zwei Kugeln ein Fach und hebt sich mit seinen
charakteristischen Teilen gut von dem schwarzen Hintergrund ab.

Auch in den Stickereien, von denen einige Streifen auf Tafel 46
abgebildet sind, kommt dieser Vogel vor, z.B. in Streif b und c bei
2 und 3. Hier sind deutlich Vögel mit weissen, schwarz gestreiften
Schwänzen gestickt, was deren Identität genügend beweist, wenn auch
die Hörner auf den Schnäbeln nicht sehr deutlich sichtbar sind.

Nach dem häufigen Vorkommen zu schliessen, wendet man jedoch auch den
Buceroskopf allein sehr gern an. Am besten ist dieser auf dem Rockrand
von Fig. c auf Tafel 43 zu sehen, der auch zur Verzierung des Einbandes
dieses Werks gedient hat. Im unteren Rand bilden 4 _tinggang_-Köpfe
den Hauptbestandteil der Verzierung. Sie sind je zu zweien einander
zugewandt und lassen deutlich den Schädel erkennen, der nach vorn
in einen langen Schnabel ausläuft, dessen oberer und unterer Teil
nicht aufeinander schliessen, sondern erst in der gebogenen Spitze
wieder zusammentreffen. Das oben auf dem Schnabel angebrachte,
rückwärts gekrümmte Horn ist stilisiert und geht hier mehr als beim
lebenden Tier selbst unmittelbar in den Schädel über. Der Hals ist
insoweit umgebildet, als er in zwei Teilen, mit einem weissen Raum
in der Mitte wiedergegeben ist. Zwei dieser Köpfe kommen auch in
jedem der Seitenränder vor, in jeder Ecke einer. An einem dieser
Köpfe hat man das Auge auszuschneiden vergessen und zwar in beiden
Rändern, was darauf hinweist, dass man die Ränder gleichzeitig aus
aufeinanderliegenden Zeugstücken ausgeschnitten hat. Der untere
Rockstreifen wurde in derselben Weise in der Mitte zusammengefaltet
und dann ausgeschnitten, wodurch die beiden Hälften symmetrisch
geworden sind.

In den Schenkeltätowierungen der Mahakamfrauen ist dieser _tinggang_
das gangbare Motiv; in welcher Weise er hier angebracht wird, geht aus
Fig. f auf Tafel 89 Teil I hervor, wo man an der Unterseite rechts
und links von der Mitte die Vogelköpfe als Ausläufer der dicken,
krummen Linien erkennt, die durch die ganze Figur ziehen und sich
oben in der Mitte vereinigen. An jedem dieser Köpfe ist das Auge
mit der Pupille zu sehen, während der grosse Schnabel nach oben und
aussen gerichtet ist. Den Schnabel stellen hier zwei Linien dar,
die zu einer gebogenen Spitze zusammenlaufen und in der Mitte einen
dreieckigen weissen Raum einschliessen, in den an der Kopfseite noch
eine kleine Zunge hineinragt. Inbezug auf Form und Stellung des Horns
hat man sich die Freiheit erlaubt, es oben auf dem Kopf entspringen
zu lassen und es nach vorn gerichtet, während nach hinten noch ein
kleineres Horn angebracht ist. Eine derartige Figur heisst _usung_
(Nase) _tinggang_ (Rhinozerosvogel).

Auch für die Komposition des Mittelstückes a von Tätowierung E auf
Tafel 86 Teil I ist ein _klinge usung tinggang_ gebraucht worden;
hier hat der Kopf im allgemeinen die gleiche Form, das Horn ist nach
hinten gebogen und vor ihm sind noch drei kleine Vorsprünge angebracht.

Da jede Tätowierfigur sich von der anderen in Einzelheiten
unterscheidet, ist die Abwechslung im Motiv des _usung tinggang_
sehr gross; in dem hier behandelten _klinge_ wechselt der _tinggang_
jedoch mit dem _aso_ ab, der ebenfalls die eigentümlichsten Formen
annehmen kann, jedoch stets durch die in der Schnauze sichtbaren
Zähne zu unterscheiden ist. Dies ist z.B. sehr deutlich der Fall
bei Fig. d auf Tafel 88 und Fig. b auf Tafel 87 Teil I. Um auf
dieser Tafel auch in a eine _aso_-Figur zu sehen, muss man der
Bahauphantasie einen sehr weiten Spielraum lassen. Auch hier kommen
_aso_ an der Unterseite, rechts und links von der Mitte vor, aber
stark stilisiert. Am erkennbarsten sind die Kiefern 2 und 4 mit den
Zähnen 5, während die Zunge 3 dazwischen liegt. Die Spiralen über dem
Oberkiefer muss man .am Ende als ein stilisiertes Nasenloch auffassen,
die an der Stelle des Kopfes vielleicht als das stilisierte Auge. Man
hat es hier also der Zähne wegen in der Tat mit einem _aso_ und nicht
mit einem _tinggang_ zu tun.

Auch bei der Zusammenstellung der _klinge_ für die Handtätowierung
gebraucht man gern den Kopf des Rhinozerosvogels und benennt diese
denn auch nach ihm. Von solchen _klinge usung tinggang_ geben uns
die untersten von b auf Tafel 92 Teil I und die untersten von b auf
Tafel 93 Teil I eine gute Vorstellung. Bei b auf Tafel 92 kommt der
_tinggang_-Kopf in der Mitte von jeder Hälfte vor und ist am Auge
unterscheidbar, das als weisser runder Fleck mit schwarzem Punkt
angegeben ist. Hieran schliesst sich nach unten und innen der lange
Schnabel, auf dem sich oben ein einfaches Horn erhebt, das nur wenig
gebogen ist und beinahe parallel der Oberseite des Schnabels nach
unten läuft.

Stark umgebildet sind die _usung tinggang_ auf Taf. 93 Teil I
Fig. b. In dem untersten _klinge_ dieser Figur ist zu beiden Seiten
der Mitte als weisser Kreis in einem schwarzen Fleck das Auge eines
Buceroskopfes erkennbar, der nach unten und aussen schmäler verläuft
und dort in eine grosse schnabelförmige Figur endet. Diese besteht aus
zwei dünnen, zur Schnabelspitze zusammenfliessenden Linien, zwischen
denen ein länglicher weisser Raum, rechts mit einer kleinen Zunge zu
unterscheiden ist. Auf diesem Schnabel, vor den Augen, laufen zwei
gebogene Linien als Hörner nach oben und aussen.

Unter den Verzierungsmotiven, welche nicht _ganzen_ Tiefen, sondern
nur einzelnen Teilen derselben entlehnt werden, verdienen noch zwei
genannt zu werden. Zuerst der _kerip_ (Feder) _kwe_ (Argusfasan). Von
den besonders schön gezeichneten Federn dieses Tiers fallen die
Flugfedern, auf denen eine lange Reihe von Augen vorkommt, am
meisten auf. Diese Augenreihe gebrauchen die Bahau als Motiv für die
Seitenstücke der Schenkeltätowierungen. Sie bezeichnen sie auch in
stilisierter Form mit _kalong_ (Verzierung) _kerip kwe._ Fünf dieser
Stilisierungen sind auf Taf. 90 Teil I zu sehen, eine sechste ist b
in der Schenkeltätowierung E auf Tafel 86 Teil I benützt worden.

Die Bahau bringen die Figuren, wie sie auf der Handtätowierung a von
Taf. 92 Teil I vorkommen, mit dem gefleckten Fell des borneoschen
Panthers in Verbindung. In der Tat kommen mitten in der sehr hübschen
Kombination von feinen Linien viele grosse dunkle Flecken vor, die
mit der _kulit kule_ (Pantherhaut) einige Ähnlichkeit zeigen. Meiner
Meinung nach ist es jedoch nicht wahrscheinlich, dass dies Motiv
dem Künstler vorgeschwebt habe; viel eher wird die entfernte
Übereinstimmung zu diesem Namen geführt haben.

Eine besondere Bedeutung als Ornamentmotiv hat bei den Bahau und Kenja
der männliche und weibliche Genitalapparat erhalten, was teilweise auf
der in hohem Grade schutzbringenden Wirkung, die ihm zugeschrieben
wird, beruht. Diese Überzeugung hat dazu geleitet, dass Abbildungen
von Genitalien überall, wo böse Geister abgeschreckt werden sollen,
angebracht werden. Am Mahakam sieht man sie denn auch vor allem auf
den vom Fluss zum langen Hause führenden Holz-stegen, wo man sie roh
mit dem Beil aus Brettern gehauen zugleich mit Masken von Ungeheuern
und Menschenfiguren mit grossen Genitalien angebracht findet.

An den Häusern selbst sieht man diese rohen Nachahmungen nicht mehr;
hier hat der den Dajak innewohnende Schönheitsdrang dazu geführt,
dass die ursprünglichen Formen in hübsch stilisierte Verzierungen
verändert wurden.

Wenn die Bahau im Walde Hütten für einen längeren Aufenthalt bauen,
z.B. um dort zu _melo njaho_, wobei sie von einem Besuch der bösen
Geister besonders verschont bleiben müssen, so stellen sie auf den
grösseren Pfählen in sehr roher Form häufig derartige Genital-bilder
dar. Wir finden sie abgebildet auf den Balken b und c auf Tafel 62,
die von solch einer Hütte zum Vorzeichensuchen herstammen. Bei b sind
die männlichen Genitalien mit 1 und 2 angegeben, wobei die breite
Erhebung 2 das Scrotum und die schmale 1 das männliche Glied vorstellt.

Um die hiervon abgeleiteten Figuren zu begreifen, muss man sich diese
Teile im Durchschnitt vorstellen. Eine solche Figur heisst noch, ebenso
wie die von ihr abgeleitete, _kelot_, männliches Organ. Sie kommt bei
a vor, doch ist sie hier durch den allmählichen Übergang zwischen
den beiden zusammengestellten Teilen bereits mehr umgestaltet. Das
männliche Glied ist hier wieder mit 1, das Scrotum mit 2 bezeichnet;
das Ganze ist zwischen zwei Spitzen gefasst, von denen die rechte
kleiner als die linke ausgefallen ist. Dieses Holzstück ist aus der
Stützwurzel eines Baumes gehackt, der auf der Wasserscheide zwischen
Kapuas und Mahakam stand. Zu dem gleichen Zweck, zu dem den Geistern
des neu betretenen Gebiets zahlreiche Opfer gebracht und viele Mittel,
wie allerhand Pflanzendorne und künstliche Haken angewandt werden,
um den Geistern des verlassenen Gebiets das Überschreiten dieses
Scheidepunktes zu verbieten, hatte man auch diese geisterverjagenden
Figuren in die platten Stützwurzeln der Bäume gehackt.

Weibliche Genitalien werden ebenso einfach imitiert, wie an den auf
Balken c bei 3 und 4 vorkommenden Figuren zu sehen ist. Es sind vier
gleich breite Erhebungen, welche die inneren und äusseren Schamlippen
nachahmen, an der Oberfläche des Holzes stehen gelassen sind und von
der Seite auch am besten als Motiv für komplizierte Figuren erkannt
werden können. Im allgemeinen werden diese Figuren variiert, indem
man die zwei mittelsten oder die zwei äussersten oder beide Gruppen
dieser Erhebungen zu mehr oder weniger zierlich gebogenen Linien
verlängert oder die Erhebungen weiter auseinander rückt und durch
flach gebogene Stücke trennt.

Wie bereits gemeldet ist, wendet man dieses Motiv, in Übereinstimmung
mit dem ursprünglichen geisterverscheuchenden Zweck der Genitalien am
häufigsten dort an, wo man eine Annäherung der Krankheit und Unglück
bringenden bösen Geister verhindern will, also auf den Wohnhäusern. In
sprechender Weise ist dies auf Tafel 28 an dem Rahmen der Tür zu
sehen, die in die Wohnung einer der vornehmsten Kajanpriesterinnen am
Blu-u führte. Dieser Rahmen ist vollständig aus Schnitzereien, welche
männliche und weibliche Genitalien zum Motiv haben, zusammengesetzt.

Mehr im Detail sind derartige geschnitzte Bretter in den Stücken d,
e und f auf Tafel 62 dargestellt. Dies sind Schwellen von ähnlichen
Türen aus dem Hause der Pnihing am Tjehan; die ausgeschnittenen
Stellen, die zur Befestigung der Bretter an der Wand dienen, und die
Löcher zur Aufnahme der Türzapfen sind an den rechten Enden von d und
e zu sehen. An diesen schön geschnitzten Eisen-holzschwellen sind
die Motive noch leicht erkennbar. Für alle drei sind hauptsächlich
männliche Genitalien benützt worden; je ein derartiges Organ ist mit
1 und 2 bezeichnet worden. Dieselben Figuren wiederholen sich an den
beiden Aussenenden, doch ist hier der spitze Teil weniger deutlich
dargestellt.

Bei e sieht man zu beiden Seiten des Mittelstückes ein durch
die typischen Teile 1 und 2 vorgestelltes _kelot_; wegen starker
Stilisierung weniger gut erkennbar ist dasjenige an den Aussenenden,
rechts und links von 2.

Dasselbe ist bei f der Fall, wo die beiden _kel-ot_ in der Mitte bei
1 und 2 zwar deutlich sind, die beiden kleineren an der Aussenseite
dagegen kaum noch von diesem Motiv abgeleitet werden können. Das
rechte _kel-ot_ besitzt als Überbleibsel von Teil I nur noch eine
schwache Erhöhung am Grunde einer Vertiefung und links ist diese
Erhöhung überhaupt nicht mehr zu sehen.

Wieweit die Umbildung dieses Motivs gehen kann, zeigt sich am besten
an der auf Tafel 34 abgebildeten Galerieverzierung von _Kwing
Irangs_ Haus. Man findet hier an den Unterrippen der dreieckigen
_walang-bahi-u_ einige deutlich dargestellte _kelot_; diese sind auch
an den hübsch geschnitzten Stützbalken des Daches zu erkennen, aber
hier ist das kleine Glied häufig zu einer spitzen Figur verlängert
worden, die in einer zierlichen Spirale zum dicken Teil gerichtet
ist. Eine derartige Figur kommt z.B. oben, am dritten Balken von
links, vor. Von dieser durch einige Spiralen geschieden, befindet sich
weiter unten am selben Balken ein ähnliches, gleichgerichtetes _kelot_,
dessen dicker Teil jedoch ausgehöhlt und mit einer weiteren Verzierung
von einigen Spiralen versehen ist. Ohne die verschiedenen Übergänge
zu kennen, würde man das ursprüngliche Motiv nicht wiederfinden und
sich das Vorhandensein dieser eigentümlichen Verzierungen in diesem
Versammlungs- und Empfangsraum nicht richtig erklären können.

Typisch stilisierte weibliche Genitalien zur Ausschmückung von
Unterteilen eines Hauses sind an der links aufgerichteten Wand
des Türrahmens auf Tafel 28 zu sehen. Dieser Teil der Umrahmung ist
symmetrisch hergestellt. Hier sind in der Mitte zwei männliche Organe
mit einem dreieckigen Vorsprung dazwischen zu sehen, nach aussen folgen
dann zwei flache Aushöhlungen mit einem runden dazwischengefügten
Stück und dann wieder ein männliches Glied am Aussenende. Durch die
zwei flachen Aushöhlungen kommen 4 Erhebungen zu stande, welche die
weiblichen Genitalien darstellen, die zu je zwei durch eine flache
Aushöhlung verbunden sind. Der rechte senkrechte Rahmen ist ebenso
angelegt, aber während die unterste Hälfte gut gelungen ist, bemerkt
man an der obersten nur eine flache Aushöhlung, vielleicht durch
einen Bruch des Holzes bei der Bearbeitung verursacht. Dergleichen
Abweichungen kommen besonders bei einfachen Verzierungen häufig
vor. Dass man in diese Verzierung Einheit zu bringen versucht hat,
zeigt die Schwelle und der Oberrand, die beide ebenfalls mit Motiven
von männlichen und weiblichen Organen geschmückt sind.

Eine andere Anwendung dieser ursprünglich schutzbringenden Motive
an den Häusern findet man bei den Verzierungen der Dachfirste,
die besonders bei den Häuptlingswohnungen bisweilen mit einem
schön geschnitzten, ausschliesslich aus diesen Genitalmotiven
zusammengestellten Rand geschmückt werden. Einen solchen Rand auf
dem First besitzt z.B. das Haus von _Bo Ibau_ in Long Tepai, das
in meinem Reisewerk "In Centraal Borneo" abgebildet ist (Teil II
Taf. 80). Auch auf dem Grab-monument des Ma-Sulinghäuptlings (Teil
I Tafel 66)kommt solch eine Firstverzierung vor. Während _Bo Ibaus_
First ausschliesslich mit männlichen Motiven verziert ist, besteht
derjenige des Grabmonuments aus einer Reihe von zwei männlichen
Motiven mit einem weiblichen dazwischen, bei dem die inneren Lippen
etwas verlängert und einander zugeneigt sind. Mit einer Lupe lässt
sich dies an dem etwas beschädigten Rand noch feststellen.

Das Motiv der vier Erhebungen wenden diese Stämme hauptsächlich bei
der Schwertverzierung an; dabei werden durch Verlängerung und Biegung
von diesen Erhebungen mannigfaltige Variationen abgeleitet. Dass
man ursprünglich darauf aus war, die Leistungsfähigkeit eines guten
Schwertes, die von den Eigenschaften der Schwertseele abhängt,
zu hüten, indem man es mittelst nachgeahmter Genitalien vor bösen
Geistern schützte, [2] ist begreiflich. Wegen des häufigen Gebrauchs
der Schwerter hat ihre Herstellung eine beträchtliche Höhe erlangt und
hat sich die ursprüngliche Verwendung von Schutzzeichen zu der einer
besonderen Spiralenverzierung entwickelt, die wir bei den Schwertern
der Bahau und Kenja kennen gelernt haben.

An dem in Fig. d Taf. 29 Teil I abgebildeten Schwert kommen die
wahrscheinlich ursprünglich angewandten einfachen Einkerbungen
noch an der Spitze vor, doch sind sie an der Abbildung schwer zu
unterscheiden, da sie auf dem Rücken des Schwertes angebracht sind und
nicht tief ins Metall eindringen. Die hinter der Spitze auf dem Rücken
vorkommenden Figuren geben dieses Motiv in verschiedene Spiralen
ausgearbeitet wieder. Das grösser abgebildete Schwert der Kajan
vom Balui (Fig. e Taf. 52) ist ebenfalls mit allerlei Variationen
dieses Motivs versehen. Die ganze à jour Verzierung der vorderen
Schwerthälfte ist aus weiblichen Genitalmotiven gebildet. Sie besteht
aus zwei Teilen, dem an der Spitze des Schwertes und der eigentlichen
Rückenverzierung 14. An der Spitze kann man dieses Motiv drei Mal
in von einander verschiedenen Formen erkennen. Alle besitzen zu
Schnörkeln und Spiralen verlängerte Aussenlippen und zwei sehr kurze,
auf dieser Abbildung nur bei der am meisten rechts befindlichen
Figur unterscheidbare Innenlippen. Bei dieser rechten Figur ist die
rechte Aussenlippe zu einer gebogenen Linie ausgeschnitten worden,
die dazu gehörige linke in einen Schnörkel, vielleicht weil für eine
mehr gestreckte Linie kein Platz übrig war.

Die links folgende Figur ist symmetrisch und lässt hauptsächlich die
beiden zu zierlichen Bögen geschmiedeten Aussenlippen erkennen. Die
dritte Figur nach links bildet den Übergang von der Verzierung der
Spitze zu der des Rückens, welche ihrer schwereren Formen wegen
einen anderen Charakter trägt als die der Spitze. Auch bei diesem
Motiv sind die beiden Aussenlippen in gebogenen Linien dargestellt,
aber die rechte Hälfte ist ebenso leicht und zierlich gearbeitet wie
die Spitze, während die linke ebenso schwerfällig ausgearbeitet ist
wie die ganze Rückenverzierung 14.

Diese besteht aus zwei weiblichen Genitalmotiven, die, was die
Aussenlippen betrifft, dieselben gebogenen Linien wie die Schwertspitze
zeigen, aber nicht à jour gearbeitet sind und eingekerbte Ränder
besitzen. Die Innenlippen sind hier nicht zu einem Minimum reduziert,
sondern in zwei gegen einander liegende, nach rechts und links
gerichtete Schnörkel ausgearbeitet. Zwischen der dritten Figur der
Spitzenverzierung und der ersten der Rückenverzierung, zwischen den
zwei Rückenverzierungen selbst und links sind zur Verbindung zwei
ähnliche Spiralen zwischengefügt, die jedoch über die Aussenenden der
gebogenen Aussenlippen hingreifen. Eine wie eine Aussenlippe gebogene
Linie bildet den Übergang zum geraden Rücken 13.



Bei der Besprechung der verschiedenen Motive ist bereits darauf
hingewiesen worden, wie weitgehende Veränderungen diese erleiden
können. Obgleich die Motive dieser Stämme hier nicht erschöpfend
behandelt werden konnten, stellen uns die erwähnten Beispiele doch
in Stand, zu zeigen, in welcher Weise aus einem ursprünglichen Motiv
neue abgeleitet werden.

Vergleichen wir auf Tafel 82 Teil I die Figuren a, b, c, d und e
mit einander, dann zeigt es sich, dass wir bei e mit einem zwar
stilisierten, aber doch deutlich erkennbaren Kopf eines _aso_ zu
tun haben, dessen mit Zähnen bewaffnete Kiefern 2 und 3 mit der
dazwischen liegenden Zunge, sowie das links davon als Doppelspirale
ausgeschnittene Auge gut zu unterscheiden sind. Das Tätowiermuster
d ist ein ähnlicher _aso_-Kopf, aber einfacher, da in den Kiefern 2
und 3 die Zähne fehlen, die Zunge 4 zwar vorhanden ist, das Auge i
aber den Platz des ganzen übrigen Kopfes einnimmt. Dieses _klinge_
bildet einen Übergang zu c, das einfach aus d abgeleitet worden ist,
indem man dieselben Kiefern und die Zunge, die bei d rechts vorhanden
waren, hier auch links anbrachte, also eine Verdoppelung von d mit
Zusammenfallen des Auges, was sehr häufig bei den Stilisierungen
der Bahau vorkommt. Bei b ist das Auge durch stärkere Ausarbeitung
und durch geringere Verzierung der Kiefern völlig zur Hauptsache
geworden; a ist sogar nichts anderes als das Auge ohne die Anhängsel
von Kiefern und Zunge. So sehen wir, wie das Auge, das bei der Maske
eine so überwiegende Bedeutung behält, bei a selbständig geworden
ist und u.a. bei der Männertätowierung als Rosette Verwendung findet.

Ein zweites vom Auge abgeleitetes Motiv lernen wir bei der Betrachtung
von Tafel 85 Teil I verstehen. Hier kommen in beiden Handtätowierungen
übereinstimmende Teile vor, die auseinander hervorgegangen sind. In
der einfacheren Tätowierung b rechts sehen wir zwei Eulenaugen (_manok
wak_), die in der den Vordersteven eines Fahrzeugs (_dolong harok_)
darstellenden Figur angebracht sind. Bei der Vergleichung dieser Teile
mit den analogen in der schön stilisierten Tätowierung a links, zeigt
es sich, dass der Künstler auf sehr einfache Weise, indem er diese
Eulenaugen mit den angrenzenden Linien des _harok_ in Verbindung
brachte, zu dem vollen Kreise mit der daraus entspringenden Spirale
oder gebogenen Linie gelangt ist, ein Motiv, das bei der Komposition
dieser reichen, linken Tätowierung in vortrefflicher Weise durchgeführt
worden ist. Die Tätowierklötzchen g, h und i auf Tafel 82, die zur
Zusammenstellung dieser Handtätowierung gedient haben, geben die so
entstandenen Figuren sehr scharf wieder.

Diesen Übergang von einem mit einer Linie verbundenen Auge zu dieser
Figur finden wir auch auf der Handtätowierung b auf Tafel 94 Teil I
wieder. In dem unteren Ornament ist links oben deutlich ein Auge zu
sehen, von dem ein Kiefer mit Zähnen nach rechts unten ausgeht. Der
nicht sehr talentvolle Künstler hat die Symmetrie nur mangelhaft
gewahrt und ist beim Schnitzen unwillkürlich auf der anderen Seite
zu weit nach links oben geraten; bei der Anbringung des Auges ist
dadurch dieses mit einer benachbarten Linie verbunden worden, was
die gleiche Figur entstehen liess.

Die Tätowierfigur a auf Tafel 87 Teil I besitzt in ihrem Mittelstück
noch eine Eigentümlichkeit. Der runde Raum zwischen der schweren
gebogenen Linie ist dort mit einem doppelten _aso_-Kopf gefüllt,
an dem bei i das gemeinsame Auge, bei 2 und 4 die Kiefer, bei 3 die
Zunge und bei 5 die rudimentären Zähne zu unterscheiden sind. Die
Schnörkel oben könnte man als stilisierte Nasenlöcher auffassen,
wie dies bereits inbezug auf die beiden unten in diesem Modell
vorkommenden _aso_-Köpfe bemerkt wurde. Stellt man sich nun vor,
dass ein Schnitzkünstler die Zähne fortlässt, so gelangt er ohne
grossen Sprung von der Füllung der Mittelfläche in a zu der von b, wo
jedenfalls im Kreise in der Mitte ein Auge zu erkennen ist, während
die übrigen Linien dementsprechend als die übrigen Schädelteile,
Kiefer und Zunge, aufgefasst werden müssen.

Die in diesem Werk geborenen Abbildungen von Kunstgegenständen
gestatten uns, dem Ursprung einer noch grösseren Anzahl von
Verzierungen nachzuspüren. Die reich verzierten Bambusbüchsen verdanken
ihre Schönheit zum Teil den kunstvoll gewundenen Spirallinien, die,
wie an den Verzierungen auf Tafel 68 mehrfach zu sehen ist, mit ihren
Enden ineinander verschlungen sind. Diese Spiralen laufen häufig in
viele Enden aus und tragen an diesen eigentümliche Verzierungen,
wie z.B. in Fig. b. In diesem Unterteil der Verzierungen bestehen
zahlreiche Variationen; die bei i in Fig. a gibt uns jedoch
Aufschluss über die ursprüngliche Bedeutung derselben. Aus der
Form der Spiralenden ist nämlich zu ersehen, dass diese umgebildete
Köpfe von Rhinozerosvögeln darstellen. In dieser Figur a sind bei
I an beiden ineinander geschlungenen Spiralenden folgende Teile zu
erkennen: zunächst der Kopf mit dem schwarzen Auge, der in den langen
Schnabel ausläuft. Dieser bleibt hier in seiner oberen und unteren
Hälfte getrennt; die Erhebungen auf ihm stellen das Horn vor. Die
beiden Unterschnäbel winden sich völlig umeinander hin, während
die Oberschnäbel parallel an diesen hinlaufen, jedoch etwas kürzer
sind. Ebenfalls in derselben Figur a kommen bei 2 einige Spiralenden
vor, von welchen das oberste zwar als Kopf des Rhinozerosvogels zu
unterscheiden ist, wenn man die vollständigeren Formen bei I kennt,
aber dort fehlt bereits das Auge und der Kopf selbst ist stark
umgebildet. Die unterste Spirale 2 zeigt einen Ausläufer, dessen
Motiv überhaupt nicht mehr festzustellen ist und der seinen Ursprung
vielleicht ganz der Phantasie des Künstlers verdankt.

Ausser den Variationen dieser ineinander greifenden Spirallinien auf
Tafel 68 kommen noch verschiedene andere vor in Fig. b auf Tafel 65,
Fig. a, b und c auf Tafel 66 und Fig. a, b und c auf Tafel 67.

Wir können an diesen Figuren feststellen, dass, wenn sie auch auf
den ersten Blick als reine Linienverzierungen erscheinen, sie ihren
Ursprung doch Motiven aus der Tierwelt verdanken. So scheint es mir,
dass bei der Entstehung der auf dem Perlenmuster a auf Tafel 69
vorkommenden beiden Linienfiguren ebenfalls ein Tiermotiv zu Grunde
gelegen habe. Vergleichen wir das Perlenmuster von a mit dem von b,
so sehen wir zu beiden Seiten von letzterem bei 1 zur Verzierung
zwei mit dem Rücken einander zugekehrte, schlangenförmige _aso-_
oder vielleicht _naga_-Figuren. An diesen ist zuerst im Kopfe das
weisse Auge zu unterscheiden und der nach aussen geöffnete Mund
mit kurzem Oberkiefer und langem, in eine Spirale auslaufendem
Unterkiefer, die beide mit Zähnen Versehen sind. An der anderen
Seite des Kopfes befindet sich der rechteckig nach oben und unten
geknickte lange Körper, welcher gegen die Mitte des Musters in eine
Spirale endet. Nähert man diese Figuren einander derart, dass die
Köpfe und der Hinterleib oberhalb des Schwanzes einander berühren und
stellt man sich die bereits bestehenden 4 Spiralen von Unterkiefer
und Schwanz verlängert vor, dann ist der Übergang zu den Figuren,
die rechts und links das Muster a verzieren, kein gewaltsamer. Die
zwischen den beiden _aso_-Figuren in b vorhandenen Figuren erinnern
dann sogar an diejenige, welche die Vierecke von a füllen.

An der Hand des im vorhergehenden über die verschiedenen dajakischen
Kunstmotive und deren Behandlung Mitgeteilten gehen wir jetzt
dazu über, die Art und Weise, in welcher diese Motive von den
Bahau und Kenja in ihrem Kunstgewerbe angewandt werden, näher zu
betrachten. Bei der Besprechung des Gewerbes im vorigen Kapitel sind
zwar auch die Kunstprodukte dieser Stämme behandelt worden, jedoch
mehr vom industriellen Standpunkt aus, während wir uns hier auf den
künstlerischen beschränken wollen. Einige Wiederholungen sind hierbei
natürlich unvermeidlich.

Zu den bemerkenswertesten Erzeugnissen der dajakischen Kunst
gehören unzweifelhaft die bereits mehrfach erwähnten Schwertgriffe
aus Hirschhorn, die nicht nur von den Produzenten selbst, sondern
auch von allen anderen Dajak und Malaien in so hohem Masse geschätzt
werden, dass sie sogar bei den höchsten Malaienfürsten an den Küsten
zu finden sind. Der Sultan von Kutei hält unter seinen Hofkünstlern
sogar einen Mann, der nur für ihn Hirschhorngriffe schnitzen darf.

Jeder Stamm, bei welchem diese Kunstwerke hergestellt werden, besitzt
seine eigenen Modelle, auch sind die Griffe früherer Zeiten von den
modernen leicht zu unterscheiden. Im allgemeinen ist der Künstler
natürlich an die Form des Horns gebunden, doch bleibt ihm immer
noch die Möglichkeit, diese stark zu variieren, wie die abgebildeten
Exemplare auf Tafel 63 und 64 beweisen.

Die Griffe von Tafel 64 stammen aus dem Mahakamgebiet, wo sie als
_haupt_ (Griff) _aso_ ausschliesslich verfertigt werden, es sei denn,
dass ein Schnitzer am Kapuas oder anders wo einen solchen Griff
ausnahmsweise imitieren wollte.

Die Griffe auf Tafel 63 zeigen im ganzen dieselbe Form, doch wird
ein Kenner an a bemerken, dass er von einem Künstler der Long-Glat am
Mahakam geschnitzt worden ist: c, d und e stammen vom Mendalam, während
b und f die Form der Kenjagriffe zeigen. Von letzteren findet man noch
einige gute Beispiele an den Schwertern c und d auf Tafel 29 Teil I.

Obgleich die Ausführung dieser Griffe charakteristisch verschieden
ist, sind die Motive, die zugrunde liegen, im allgemeinen
dieselben, sie unterscheiden sich nur durch mehr oder weniger starke
Stilisierung. An Griff c sind diese Motive sehr gut erkennbar. Tier-
und Menschenmasken. welche die Künstler auch in diesem Fall _hudo_
nennen; spielen hier eine Hauptrolle. An dem abgebildeten Griff
c findet man zwei dieser Masken. deren verschiedene Teile mit den
Zahlen 1, 2 und 3 bezeichnet sind. Von diesen gibt 1 die Augen. 2
die stilisierten Nasenlöcher, 3 die Kiefer an, die an den oben
angeführten Merkmalen zu erkennen sind. Die eigentümlich gekrümmten,
dünn auslaufenden Verzierungen (mit 4 bezeichnet), die in sehr
verschiedenen Formen angewandt werden, nennen die Schnitzkünstler
Blutegel: demselben Motiv entspringt auch die grosse Spirale im
Zentrum desselben Griffs. Häufig ist das eine Ende des Blutegels
dick, während das andere der Mitte zu immer dünner wird, bis es mehr
oder weniger gekrümmt in einer Spitze endet. Bisweilen stimmen diese
Blutegel in der Form mit den indischen Palmetten überein. Besonders
an dem schönen Griff a kommen diese Blutegel in hübsch gerundeten
Spiralen in verschiedener Form vor.

Mit 5 ist ein anderes, an Griffen häufig vorkommendes Motiv angedeutet,
nämlich der Arm, der oft noch den charakteristischen, verdickten Ring
trägt, aber auch wohl als glattes, dickes, reliefartig hervortretendes
Band, wie in d, angetroffen wird. Diese Motive liefern die meisten
Verzierungen für die Griffe, auch sind sie an diesen häufig gut zu
unterscheiden, wie an a, d und e. Bei b und f tritt eine andere Art der
Verzierung auf, nämlich doppelte, ineinander greifende Spiralen, die
innen in sehr grosse, den Griff quer durchlaufende Kanäle geschnitten
sind. Am deutlichsten sind diese Spiralen in zwei der drei Kanäle von
Griff f zu sehen, jedoch ebenfalls in den beiden Kanälen von b. Da
sie mit dem Ornament der Oberfläche häufig nur wenig in Verbindung
stehen, beweisen sie mehr eine grosse Fertigkeit im Schnitzen als einen
feinen Kunstgeschmack. Stellt man sich die mangelhaften Hilfsmittel
des Künstlers vor, so legen diese eingesenkten Spiralen in der Tat ein
sprechendes Zeugnis für seine Geschicklichkeit ab. Ein bemerkenswertes
Beispiel ist in dieser Hinsicht der Griff des Schwertes d auf Tafel 29
Teil I. Hier hat der Schnitzer, ein Kenja, an den äusseren Öffnungen
der beiden Kanäle Hornstücke als Brücken stehen lassen, wie das Bild
deutlich zeigt, so dass zu beiden Seiten von diesen nur schmale
Öffnungen frei geblieben sind. Nichtsdestoweniger ist es ihm doch
möglich gewesen, dort innen in dem schwammigen Horngewebe noch gut
geformte Spiralen auszuschneiden.

Die beiden _haupt aso_, die auf Tafel 64 dargestellt sind,
repräsentieren die schönsten Schnitzwerke, die ich bei diesen Stämmen
sah. Besonders ist der Griff _Kwing Irangs_ sehr kunstvoll entworfen
und geschnitzt. Er stammt aus früherer Zeit und muss von einem der
Vorväter des Häuptlings verfertigt worden sein. Die früher behandelten
Motive nehmen in dieser Verzierung eine untergeordnete Stelle ein
und haben noch eine weitere Umbildung erlitten. Die zwei im Unterrand
vorkommenden Blutegel sind hier platt geschnitzt; zwischen ihnen ist
ein kleiner Arm erkennbar. In dem an der Spitze gelegenen Teil kommt
in der unteren Ecke eine auf dem Hinterkopf liegende kleine Maske vor,
um welche unten ein Arm geschlagen ist. Über dieser Maske springt
ein dicker Arm mit einem deutlichen Ellbogenring aus dem Schnitzwerk
vor. In diesem Griff ist eine grosse Höhle ausgeschnitten, die gleich
der Oberfläche reich mit hervortretenden feinen Linien verziert
ist; den Boden derselben bilden einige Spiralen, die jedoch hinter
der Brücke, die über diese Höhle läuft, nur undeutlich zu sehen
sind. Die Qualität dieser Schnitzerei kann mit guter chinesischer
Arbeit verglichen werden, wobei noch berücksichtigt werden muss,
dass Hirschhorn sich viel mühsamer bearbeiten lässt als Elfenbein.

Der rechte Griff, der viel weniger fein ausgeführt ist, gehört doch
noch zu den besten Exemplaren, die am Mahakam noch zu finden sind,
und beweist ebenso sprechend wie der vorige, wie sehr die besten
unter diesen eingeborenen Künstlern sich von den ursprünglichen
Motiven unabhängig zu machen verstehen, ohne diese doch gänzlich
zu verleugnen. So wird die rechte untere Ecke von einem breit
ausgearbeiteten Blutegel eingenommen, der mit der Spitze in die
stilisierten Finger eines rechts im Ornament nach oben verlaufenden
Armes greift. Links hiervon ist eine Maske geschnitzt, deren Auge
oben liegt und deren zwei mit Zähnen bewaffnete Kiefer rechts und
links nach unten gebogen sind; zwischen diesen liegt noch beim
Auge die kleine Zunge. Auf dem Oberkiefer ruht links von der Zunge
ein typischer Hauzahn, während am unteren Ende desselben Kiefers
das Nasenloch ausgehöhlt ist, aus dem eine lange Spirale läuft,
eine Verbindung mit dem übrigen Schnitzwerk darstellend. Auch in
letzterem sind hie und da an derartige Motive erinnernde Teile zu
bemerken, doch sind sie so stark umgebildet, dass man sie nur an den
charakteristischen Merkmalen erkennen kann. So wird der vordere Teil
an der Spitze wieder von einer Maske mit Auge, Zähnen und Nasenloch
eingenommen. Besonders deutlich treten hier die auf dem Boden der
beiden Kanäle ausgeschnittenen Spiralen hervor.

An die Behandlung der Schnitzerei von Schwertgriffen schliesst sich am
nächsten die von Schwertscheiden an, eine Industrie, welche infolge
des grossen Absatzes, den sie bei den Mendalam-Kajan hauptsächlich
unter Fremden findet, noch immer mit viel Sorgfalt und Talent betrieben
wird. Zum voraus mag bemerkt werden, dass die so nahe verwandten Stämme
der Bahau am Kapuas und Mahakam und der Kenja in Apu Kajan eine ganz
verschiedene Verzierungsweise für Schwertscheiden anwenden, obgleich
sie alle diese Scheiden aus zwei aufeinander gebundenen Brettchen
herstellen, die sie von innen zur Aufnahme des Schwertes aushöhlen. An
der dem Träger zugewandten Seite wird aus einem Stück Palmblattscheide
für das lange Messer (_nju_) ein besonderer Behälter angebracht, das
sie mit einer langen Perlenverzierung, wie bei Scheide d auf Tafel
30 Teil I, schmücken. An derselben Seite ist mit dem Bindfaden, der
oben die beiden Brettchen zusammenhält, auch der Gürtel befestigt,
der in der Regel aus Rotang geflochten wird. Diese Perlenverzierung
an der Innenseite fehlt meistens bei den Schwertern der Kenja.

Diese Stämme verfertigen auch die einfachsten Schwertscheiden, wie die
Figuren d und c von Tafel 29 Teil I sie zeigen. Das sehr einfache,
glatt polierte Holz ist über der Aussenseite mit Rotangstreifen
aneinander gebunden und diese, auf die gewöhnlich besondere Sorgfalt
verwendet wird, ist hier nur wenig oder gar nicht mit Schnitzerei
verziert. Augenscheinlich mehr zur Zierde als zu einem praktischen
Zweck, weil auch die gewöhnliche einfache Rotangumflechtung vorhanden
ist, hat man bei c an vier Stellen in kunstvollen Schlingen eine
hübsche Flechterei um die beiden Brettchen angebracht, eine auch am
Mahakam sehr gebräuchliche Verzierungsweise.

Von derartigen im Mahakamstil verfertigten Scheiden sind zwei
unter a und b auf Tafel 29 und unter d und e auf Tafel 30 Teil I
abgebildet. Auch hier sind drei hübsch gewundene Rotangschlingen
um die Scheiden gelegt, doch dienen sie hier dazu, das Vorder- und
Hinterbrettchen aneinander zu halten. Ausserdem ist die Aussenseite
oben bei solch einer Scheide stets mit Schnitzwerk verziert, wenn
nicht, wie bei c, das Holz, aus dem dieses Vorderbrett besteht,
hierfür unbrauchbar ist. Am Mahakam bemüht man sich nämlich, dieses
Vorderbrett aus einer anderen und schöneren Holzart herzustellen als
das Hinterbrett.

Sehr häufig begegnet man einer weichen, schöngeflammten Holzart,
wie bei b, die dann mit viel Geschick glatt gescheuert und poliert
wird. Oder auch man wendet ein hartes, leicht polierbares Holz an,
das mit Sorgfalt geschnitzt und poliert wird wie z.B. a Tafel 29
und d Tafel 30. Dass man auch eigentümliche Naturprodukte zu schätzen
weiss, ersieht man aus der Scheide e, für deren Vorderbrett man das vom
Flusswasser ausgelaugte Holz eines bestimmten Baumes benützt hat. Durch
die Einwirkung des Wassers wird dieser Baum an der Oberfläche sehr
unregelmässig angegriffen, wodurch bisweilen sehr eigentümliche Muster
entstehen, deren regelmässigste Teile wie die Vorderseite dieser
Scheide e aussehen. Die aus weissem Rotang gewundenen Schlingen sind
hier in die breiten Gruben des Vorderbrettchens gelegt worden, deren
rauhe Oberfläche weggeschnitten worden ist.

Vom künstlerischen Standpunkt sind die Schwertscheiden der
Mendalam-Kajan die wertvollsten, da die ganze Verzierung mittelst
Schnitz- und Einlegearbeit angebracht wird. Beispiele für diese
Scheiden sind e auf Tafel 29 und a, b, c, f, g und h auf Tafel 30
Teil I. Wie aus diesen wenigen Stücken bereits ersichtlich, ist die
angewandte Schnitzerei von sehr verschiedener Art. Erstens besteht sie,
bei f und h, in Hochrelief, bei a, b und c in Flachrelief; zweitens
ist ihre Verteilung auf der langen, platten Fläche sehr verschieden.

Sehr gebräuchlich ist eine Verzierung wie bei a, b und c. Bei der
Zusammensetzung der hier angewandten Figuren sind die oben bereits
besprochenen Motive benützt worden, hauptsächlich die vom Menschen
abgeleiteten. Sehr leicht erkennbar ist z.B. bei b mitten auf der
Scheide eine ganze Menschenfigur. Um den mit Augen, Nase und Mund
versehenen Kopf ist rechts ein Arm hinaufgeschlagen. Darunter folgt
ein Körper mit zwei Beinen, von denen das linke oben liegt und in
einen stark stilisierten Fuss mit Zehen endet.

Bei c sind einige Masken zu unterscheiden, von denen die eine
in der obersten Verzierung, auf dem breitesten Teil der Scheide,
unter dem Hals liegt. Man erkennt hier die beiden länglichen, nach
Mongolenart schief gerichteten Augen, darunter eine kleine Nase,
die durch zwei verzierte Brücken mit den Aussenwänden verbunden ist,
ferner einen breiten, spaltförmigen Mund, in dem mit einer Lupe links
noch einige Zähne zu unterscheiden sind. Unterhalb dieses Mundes wird
der wichtigste Teil der Verzierung durch zwei nach innen gebogene
dicke Wülste gebildet, die als Arme oder Beine betrachtet werden
können. Am unteren Ende der Scheide wird die Verzierung von einer
ähnlichen Maske abgeschlossen, die jedoch umgekehrt steht; auch fehlen
hier die beiden von Gliedmassen abgeleiteten Verzierungsteile.

Merkwürdig sind die drei auf der Vorderfläche von Scheide f in
Hochrelief geschnitzten Vierecke. Ihre Ecken werden von Gliedmassen
gebildet, während in der Mitte der Seiten ein hoch ausgeschnittener
Blutegel den Raum zwischen den Enden dieser Gliedmassen ausfüllt.

Für die Verzierung dieser Scheiden ist ein bei den Mendalam-Kajan
sehr beliebtes Motiv benützt worden, dessen wahre Bedeutung nicht
ohne weiteres zu bestimmen ist und auf welches ich bis jetzt noch
nicht näher eingehen konnte. Ich meine ein Oval, durch welches eine
erhöhte Mittellinie läuft, die an einem Ende oder an beiden über
dem Oval hervortritt. Dies kommt z.B. in der untersten Verzierung
der Scheide b vor und zwar dreimal unter der Menschenfigur quer
zur Längsrichtung der verzierten Fläche; ferner unter dem Masken-
und Gliedmassenmotiv im obersten Ornament von c und 5 Mal in der
untersten Verzierung dieser Scheide, die am Unterende durch eine Maske
abgeschlossen wird. Dieses hier überall liegend vorkommende Oval mit
der an beiden Seiten vortretenden Mittellinie stellt einen Schädel
dar und wird bisweilen selbständig, aber meistens in Verbindung mit
mehr oder weniger umgeformten Kiefern angewandt. Schöne Beispiele
hierfür finden wir in dem untersten Teil der Verzierung von c, wo alle
5 Ovale in Verbindung mit den zugehörigen zwei gezähnten Kiefern und
der dazwischen liegenden Zunge vorkommen. Sehr deutlich sichtbar ist
dies am obersten Oval, das im oberen Ende dieses Ornaments vorkommt und
nach links an die beiden weit aufgesperrten mit Zahnreihen bewaffneten
Kiefer grenzt, zwischen denen eine sehr dicke Zunge nach links
aus dem Maul hervortritt. Dies gleiche Motiv, aber mit nach rechts
aufgesperrten Kiefern, hat man dicht unter dein ersten wiederholt,
so dass das Schädeloval links liegt und die Kiefer rechts. Dasselbe
wiederholt sich zwei Mal zwischen den beiden halbmondförmigen Figuren
und noch ein Mal unterhalb der untersten dieser beiden. Auf diese
Weise lässt sich beinahe die ganze untere Verzierung der Scheide
c in ihre Hauptbestandteile zerlegen. Die beiden halbmondförmigen
Figuren dieses Ornaments stellen deutlich Genitalmotive dar. An
jeder derselben unterscheidet man zu beiden Seiten einen Vorsprung,
dazwischen zwei einander etwas zugeneigte innerste Lippen und zwischen
diesen eine Spirale, die bei den Hindu und Chinesen das Sinnbild
der Männlichkeit bedeutet. Ist diese Auffassung richtig, so besteht
das Ornament der Scheide c gänzlich aus Motiven, die auch an anderen
Orten zur Vertreibung böser Geister angewandt werden. Ich wage jedoch
nicht zu behaupten, der Künstler habe diese Scheide hauptsächlich zu
diesem Zweck derartig hergestellt. Es erscheint mir wahrscheinlicher,
dass solche Motive im allgemeinen bei den Mendalam-Kajan von alters
her für die Verzierung von Scheiden verwandt worden sind.

Besondere Erwähnung verdient die Scheide e auf Tafel 29, die von
einem Mendalam-Kajan für mich gearbeitet worden ist. Das Vorderbrett
aus schwarzem Holz ist mit hübsch geschnitzten Stücken von weissem
Hirschhorn eingelegt, und aus demselben Material ist die fein
gearbeitete Spitze hergestellt. Das Ganze stellt ein besonders schönes
Stück dar, nur kommt die Schnitzerei auf der mangelhaften Abbildung
schlecht zur Geltung.

Diese Einlegearbeit scheint hauptsächlich bei den Batang-Luparstämmen
von Serawak sehr im Schwange zu sein, aber auch bei den Bahau ist
das Einlegen von Knochen, Hirschhorn, Metall und selbst Porzellan
und Glas in Holz wohl bekannt und sehr gebräuchlich.

Die Tafeln 65-68 geben einige Beispiele für Schnitzereien auf
Bambusbüchsen, die von denselben dajakischen Stämmen herrühren. Diese
Büchsen (_telu kalonog_) werden entweder zur Aufbewahrung von
Kleinigkeiten wie Tabak, Nähzeug, Perlenarbeiten, Halsketten
u.s.w. benützt oder als Pfeilköcher, wie z.B. die grossen Köcher,
von denen die Verzierungen a und b auf Tafel 65 herstammen. Die beiden
letzten Verzierungen lehren uns eine sehr seltene Art der Schnitzerei
kennen; sie versuchen nämlich beide, Szenen aus dem täglichen Leben
wiederzugeben. Die mangelhafte Ausführung deutet darauf hin, wie
wenig die Künstler hierin geübt sind.

Bei a ist links eine Jagdszene dargestellt, in dem Augenblick, wo
ein mit einem Speer bewaffneter Mann, begleitet von einem Hunde mit
borstig abstehenden Haaren, ein grosses Tier spiessen will. Auf dem
Rücken dieses Tiers, das an seiner Form nicht erkennbar ist, steht
ein Hahn. Das Mittelstück von b gibt einen Zweikampf wieder. Von
den vier hier dargestellten Menschenfiguren hält die oberste, mit
einem Schild bewaffnete, den freien Arm derart, als ob auch er eine
Waffe trüge. Der Oberkörper ist im Verhältnis zu den Beinen viel zu
lang. Der Fuss an dem ausgestreckten Bein, dessen Form sehr schlecht
ist, ist augenscheinlich absichtlich, wie die Hände der unteren
Figuren, umgebildet worden. Unter dem Schild steht eine kleine
Figur, die einen länglichen Gegenstand, vielleicht ein Schwert,
in der Hand hält. Mit der ersten Figur kämpft jedoch eine dritte,
die ein ganz unverhältnissmässig langes Schwert schwingt und deren
Arme und Beine auf ganz unnatürliche Weise gebogen sind. Die linke
Hand, die sich gegenüber derjenigen der vierten Figur befindet, ist
in der gebräuchlichen Weise stilisiert worden. Die letzte, ebenso
mangelhaft gebildete Figur, scheint sich vom Schauplatz entfernen zu
wollen. Ihre freie Hand ist auf gleiche Weise stilisiert wie die der
dritten Figur. Der Rhinozerosvogel oberhalb dieser Szene ist früher
bereits erwähnt worden.

Was die übrigen auf dieser Tafel abgebildeten Bambusverzierungen
betrifft, so sind sie in vielen Teilen an der Hand des oben bereits
Behandelten gut zu erkennen. Die rechte Hälfte von a ist auf
eigentümliche Weise aus 6 sehr phantastischen Masken in Verbindung
mit allerlei Linien und Spiralen zusammengesetzt. Ein zweites Beispiel
einer derartigen Verzierung habe ich bei diesen Stämmen nie gefunden.

Von gewöhnlicherer Art sind die rechten und linken Hälften von
b. Man findet hier links übereinander vier, mit dem so beliebten
Spiralornament kombinierte Ränder, über die nicht viel mehr zu
bemerken ist, als dass sie von einander sehr verschieden sind und
die drei untersten links durch grosse Tiermasken gefüllt werden,
von denen zwei deutlich Kiefer mit Zähnen und eine Zunge erkennen
lassen; bei der dritten, der untersten, fehlen die Zähne. Die langen
Oberkiefer verlaufen in Form grosser Schnörkel in die übereinstimmenden
Ornamente und verbinden sich so mit den übrigen Schnörkeln. Der
Streifen rechts wird von zwei stilisierten Hundefiguren zu beiden
Seiten einer rudimentären Menschenfigur gefüllt, an der nur die Maske
gut zu erkennen ist. Bemerkt zu werden verdient, dass die eigenartig
geformten Figuren, in denen das Auge vorkommt, in der Verzierungskunst
häufig allein angewandt werden und dann als Erkennungszeichen für
ein Maskenmotiv dienen. In die aus verschiedenen Teilen bestehende
Verzierung b hat der Schnitzkünstler doch noch einige Einheit zu
bringen versucht, indem er in den meisten Unterteilen kugelförmige
Figuren anbrachte. So findet man diese an den Zungen der Hundefiguren
rechts, in der Mitte oben beim Rhinozerosvogel, an einigen Stellen
bei den Spiralrändern und ganz links wieder an den Zungen der Masken
und einigen anderen Orten. Wir erkennen hierin das Bestreben des
Künstlers, die geringe Harmonie des Ganzen durch einige technische
Mittel zu erhöhen.

Auf Tafel 66 sind die Schnitzereien von drei Bambusbüchsen abgebildet,
von denen a und b in vieler Hinsicht miteinander übereinstimmen,
nur ist b einfacher gehalten als a. An letzterem Ornament lässt
sich jedoch besser feststellen, in wie weit bestimmte Motive bei
der Komposition desselben Dienst geleistet haben. Sehr deutlich
sind hier schlangenförmige Tiere von der gewöhnlichen Form zu sehen,
sie kommen beinahe unverändert vor, hauptsächlich im obersten Teil,
wo sie bei I auf sehr zierliche Weise verschlungen sind.

Die gleichen Tierfiguren wie in der Randverzierung finden wir in
der sehr geschmackvollen Füllung der Tumpal (längliche Dreiecke in
Verzierungen) des mittleren Teils des Bambusornaments. Die ganzen
Figuren sind leicht erkennbar, aber auch rechts im rechten Tumpal, auf
gleicher Höhe mit dem Kreuz in der Mitte zwischen den beiden Tumpal,
ist der gleiche Tierkopf zu unterscheiden. Der dazu gehörige Körper
lehnt sich mit dein Rücken an die Mittellinie, welche den Tumpal
fast bis nach unten durchzieht. Die gleichen Köpfe, immer kleiner
und undeutlicher werdend, scheint der Künstler auch an den anderen
Spiralenden angebracht zu haben, die zu beiden Seiten der Mittellinie
in zwei Reihen sich bis in die Spitze des Dreiecks hinziehen. Die
Verzierung unmittelbar um das Kreuz herum scheint aus der Vereinigung
von zwei seitlichen Köpfen hervorgegangen zu sein.

Bei Fig. b auf derselben Tafel ist von Tiermotiven wenig mehr zu
merken, alle Formen sind im Gegenteil äusserst vereinfacht worden,
Körperformen haben Linienfiguren Platz gemacht. In wie weit einem
Künstler beim Schnitzen derartiger Büchsenverzierungen Tiermotive
vor Augen schweben oder er nur Variationen der gebräuchlichen
Füllverzierungen anbringt, ist schwer zu verfolgen.

Fig. c auf Tafel 66 trägt einen ganz anderen Charakter. Der Künstler
hat hier keine besondere Randverzierung geschnitzt, sondern die Füllung
der beiden Tumpal bis oben hinaufreichen lassen. Die Spitzen der beiden
letzteren sind nach unten verlängert und verlaufen äusserst schmal in
eigentümliche Figuren im Bambusrand des unteren Endes. Bei der Füllung
dieses schwer zu verzierenden Raumes sind Tiermotive wahrscheinlich
nicht bewusst angewandt worden; die Hauptfiguren bestehen nur aus
Linien; nur in den Verzierungen, welche die Enden der Spiralen tragen,
sind Formen zu finden, welche an Tiermotive erinnern. Die zierlichen
Figuren hat der Schnitzer wirkungsvoll hervorzuheben verstanden,
indem er den Hintergrund nicht, wie gewöhnlich, rot oder schwarz
färbte, sondern sorgfältig schraffierte.

Das reich kombinierte Muster a auf Tafel 67 ist sicher ebenfalls
entstanden, ohne dass sich die Formen eines Tierkörpers in der
Vorstellung des Künstlers stark geltend gemacht hätten. Augenscheinlich
war es ihm mehr darum zu tun, geschmackvolle Linien als ausgesprochene
Tiermotive darzustellen.

Anders verhält es sich mit den Schnitzereien von b und c auf Tafel
67. Mit b liefert der Künstler den Beweis, sowohl mit als ohne
Tierfiguren ein geschmackvolles Ganzes erfinden zu können. Im obersten
Dreiviertel legt er eine grosse Fertigkeit in der Anwendung der
gebräuchlichen Formen an den Tag, mit denen er durch Biegung der Tumpal
und Einfügung anderer Teile eine sehr eigenartige Wirkung hervorzurufen
verstanden hat. Recht verdienstvoll, wenn auch etwas verworren, ist
das unterste Viertel mit zwei _aso_-Figuren gefüllt worden, deren
Körper, Beine und Schwänze bei Figur I deutlich zu sehen sind, deren
Kopf jedoch sehr gesucht phantastisch dargestellt ist. Rechts ist vom
Kopf hauptsächlich der Oberkiefer mit Zähnen und der grosse Hauzahn
zu erkennen, oberhalb der Zähne auch das stilisierte Nasenloch. Der
Unterkiefer läuft vom Hauzahn aus nach rechts unten. Das längliche,
spaltförmige Auge liegt wahrscheinlich neben dem Nasenloch. Die
Fusszehen sind hier in der gewöhnlichen Weise stilisiert.

Stärker herrschen die Tierformen bei c auf derselben Tafel vor; die
beiden Ränder übereinander, die den obersten Teil dieser Figur bilden,
werden vollständig von zwei typischen _aso_-Figuren auf schraffiertem
Grunde eingenommen. Der Künstler hat, vielleicht um Einförmigkeit zu
vermeiden, seine Tiere im obersten Rand auf dem Rücken liegend, in dem
unteren dagegen stehend wiedergegeben. Die Formen dieser _aso_ sind
derart bis in alle Kleinigkeiten ausgearbeitet und deutlich erkennbar,
dass eine nähere Auslegung überflüssig erscheint. Für die Komposition
des untersten Teils von c haben die gewöhnlichen Figuren gedient.

Von den Bambusverzierungen auf Tafel 68 sind a und b bereits früher
zur Erklärung bestimmter Formen von Spiralenden benützt worden. Fig. c
stellt einen Rand über einer gewöhnlichen Tumpalverzierung dar und
weist ausser einer Reihe von 4 kleinen Tiefen als Füllung für die
unterste Hälfte in der oberen noch einen schönen, in schweren Formen
geschnitzten Spiralrand auf. Die bei I vorkommenden Tiere im unteren
Teil bedürfen keiner Erklärung.

Fig. d ist in verschiedener Hinsicht merkwürdig. Zunächst ist das ganze
Ornament ungewöhnlich wegen der doppelten Verzierung mit schiefen,
länglichen Tumpal, welche auf die gewöhnliche Weise ausgefüllt
sind. Eins von den beiden Paaren besteht aus zwei nach verschiedenen
Seiten gebogenen Hälften, die an den Spitzen sehr eigentümlich durch
eine Tierfigur (1) verbunden sind, in welcher man deutlich einen
Vierfüssler erkennen kann. An der Basis des anderen Tumpal kommt
eine ähnliche Tierfigur (2) vor, welche die scharfe Ecke füllt und
mit ihrem Oberkiefer den ersten Schnörkel von der Füllung dieses
Dreiecks ausmacht. Bei Fig. a Tafel 66 sahen wir, dass diese Rolle
durch den Körper eines schlangenförmigen Tiers erfüllt wurde, und in b
Tafel 65 waren es die Oberkiefer, die in gewöhnliche Spiralornamente
übergingen; hieraus geht hervor, dass für derartige Spiralen zwar
Tiermotive verwandt werden, dass aber sehr verschiedene Körperteile
in die gleiche Form gebracht werden können. Wir bemerken in dieser
Bambusverzierung d noch etwas Ähnliches wie in Fig. b Tafel 65,
nämlich, dass in der ganzen Figur gleiche Einzelheiten angebracht
sind, wahrscheinlich um die Einheit des Ganzen zu fördern. Dieses
Einzelmotiv ist das mit einem Kreise (3) umgebene Sternchen, das man
auch in den spitzen Winkeln der verschiedenen Tumpal wiederfindet.

Nach der Besprechung der vorhergehenden Beispiele bietet Fig. e
nicht viel Merkwürdiges mehr, höchstens ist die Verbindung der beiden
Spiralen in der Mitte aussergewöhnlich.

Eine sehr eigentümliche Kunstfertigkeit der dajakischen Männer bildet
das bekannte Ausschneiden von Figuren aus dunkelfarbigem Zeug,
die dann zur Ausschmückung der Kleider von Toten (am Kapuas) oder
von Lebenden (am Mahakam und Kedjin) benützt werden. Von solchen
Totenkleidern findet man in Teil I auf Tafel 24 Fig. 6 und Tafel 27
Fig. 1-5 Beispiele abgebildet; ähnliche Kleider für Lebende sind auf
Tafel 43 und 44 dieses Bandes zu sehen.

Bei diesen ausgeschnittenen Figuren treten die gleichen Motive
in den Vordergrund, denen wir anderswo bereits begegneten. Bei den
Totenkleidern von Taf. 27 Teil I finden wir vor allem die _aso_-Figuren
wiederholt dargestellt; so stehen in Fig. 3 an beiden Enden der
Leibbinde zwei _aso_-Figuren mit dem Rücken einander zugekehrt, die
Köpfe nach innen und die zusammengekrümmten Hinterenden nach aussen
gewandt. Die gleichen Figuren kommen auf dem Kopfkissen Fig. 2 und dem
Rock Fig. 5 vor, ebenso auf der Jacke Fig. 4, aber hier ist der Kopf
von oben noch mit verschiedenen hinzugefügten Schnörkeln etc. umgeben.

Ähnliche Figuren zeigt auch der bei i e abgebildete _samit_-Sack,
nur sind sie hier mit Anilintinte auf den weissen Kattun gezeichnet,
mit dem die verschiedenen Fächer dieses Sacks überzogen sind. Auf jedem
dieser Fächer sind diese Figuren in anderer Form angebracht worden,
wie bereits an den beiden in dieser Abbildung vorkommenden zu sehen
ist. Im ganzen trägt dieser Sack 6 verschiedene Formen des _aso_.

Die vier Mittelfiguren der Leibbinde 3 sind ebenfalls leicht zu
erkennen, es sind Menschenfiguren ohne Köpfe. Die Unterhälfte des
Körpers ist zur Mitte gekehrt, die Beine sind aufgezogen, in den Knien
gebogen; die Oberarme sind nach unten gerichtet, wo die Ellbogen mit
einer Verdickung auf den Knien ruhen, während die Unterarme wieder
hinaufgebogen sind und in nach innen gerichteten Schnörkeln endigen.

Bei der Verzierung des Tragkorbs 1 auf derselben Tafel sowie des Huts
Fig. 6 auf Tafel 24 sind nur Linienfiguren zur Anwendung gebracht
worden.

Was die Feinheit der Ausführung betrifft, kann diese Totenausrüstung
vom Kapuas in keiner Hinsicht einen Vergleich mit den Kleidern vom
Mahakam bestehen (Tafel 43 und 44); da die Mahakamstämme derartige
Kleider täglich gebrauchen, ist ihre grössere Fertigkeit im
Ausschneiden begreiflich.

Die Ränder der auf Tafel 43 abgebildeten Röcke bilden schöne Beispiele
für die Leistungen in diesem Kunstzweige; die Ränder von a und die
ausgeschnittenen Dreiecke von d sind aus rotem Flanell auf weissem
Kattun, die von b aus rotem Kattun, die von c aus gewöhnlichem,
mit Indigo blau gefärbtem Kattun auf weissem Untergrund hergestellt
worden. Zwischen die ausgeschnittenen dreieckigen Stücke von d sind
Stickereien auf dunkelblauem Kattun geheftet, von derselben Art,
wie sie auf Tafel 46 zu sehen sind.

Die Ränder von Fig. c mit den Bucerosköpfen sind bereits auf pag. 249
besprochen worden.

Von grösserem Interesse als diese Röcke ist der unvollendete
Pnihingrock auf Tafel 44, der sowohl was den Entwurf des Ornaments
als was die sehr grosse Fertigkeit im Ausschneiden betrifft, Beachtung
verdient. Bewundernswert ist die Anordnung der Linien in der Füllung
des Feldes und die Richtigkeit der Empfindung, mit der die Linien in
dem Mittelteil dichter aneinander und dünner als in den Seitenteilen
ausgeführt sind. Da auch dieses Ornament aus einem zusammengefalteten
Zeugstück geschnitten worden ist, sind beide Hälften streng symmetrisch
ausgefallen.

Ausser den zahlreichen Schnörkeln, die man hier sicher als
selbständiges Verzierungsmotiv auffassen muss, sind zunächst 4 _aso_
in die Komposition aufgenommen worden und zwar zwei rechts und zwei
links, wo sie mit den Füssen gegeneinander und mit den Köpfen in die
Höhe gekehrt stehen. In der am meisten rechts befindlichen Figur sind
die verschiedenen Körperteile mit Zahlen bezeichnet und zwar: das Auge
mit i, der Unterkiefer mit 2, die in 2 Linien auslaufende Zunge mit
3, der Oberkiefer mit 4, der Körper mit 5, der Vorderfuss mit 6, der
Hinterfuss mit 7, der Schwanz mit 8. Alle diese Teile sind in gleicher
Weise an dem links stehenden _aso_ und an dem in der linken Hälfte
vorkommenden Tierpaar zu sehen. Über die Form der seitlich auf halber
Höhe befindlichen Verzierungen ist zu bemerken, dass der Künstler bei
diesen an Masken gedacht haben muss, die mit dem unteren Teil zur Seite
gekehrt sind. Rechts ist ein rundes, weisses Auge mit 9 angegeben;
das Nasenloch bei 10 ist hier auch durch eine Spirale dargestellt,
während die geraden, auf den Seitenwänden senkrecht stehenden Linien
einen Mund mit Zähnen darstellen. Obgleich auch in dieser reichen
Füllung des Rockfeldes Tier figuren und Masken vorkommen, nehmen sie
doch keinen überwiegenden Anteil an der Komposition.

In der Reihe der Kunsthandwerke der Bahau- und Kenjastämme nehmen
die in bunten Farben aus kleinen Glasperlen gearbeiteten Muster eine
wichtige Stelle ein. Letztere zeigen besonders deutlich, dass der
Geschmack und die Kunstfertigkeit dieser Stämme sich nicht allein
auf die Form beschränken, sondern dass auch ihr Farbensinn sehr
entwickelt ist. Nach Vorlagen, welche die Männer ausschneiden,
verfertigen die Frauen diese Perlenmuster zur Verzierungbestimmter
Gegenstände. Zu diesen gehören vor allem die Kindertragbretter,
_hawat_, auf welchen die grössten Muster (_tap_) nach der in Figur d
auf Tafel 69 wiedergegebenen Weise angeheftet werden. Die meisten _tap_
sammelte ich am Mahakam, wo sie oberhalb der Wasserfälle noch sehr
in Gebrauch sind. Doch ist hier in diesem Gewerbe insofern bereits
ein gewisser Rückschritt zu verzeichnen, als, soweit ich der Sache
nachgehen konnte, die Frauen gegenwärtig nur die Formen der _tap_
aus früherer Zeit nacharbeiten, ohne neue zu erfinden, und sich mit
der Wahl der Farben nach eigenem Geschmack begnügen.

Dies war auch bei den Kajan am Kapuas der Fall; so dass ich erst nach
Jahren dahinterkam, von wo die ursprünglichen Formen stammten. Als ich
nämlich am Ende meiner Reisen die Kenjastämme besuchte, sah ich, dass
bei diesen noch die ursprüngliche Herstellungsmethode nach Vorlagen,
welche die Männer auf Brettchen schnitzten, im Schwange war. Zwei
solcher Holzpatronen sind auf Tafel 69 bei c und e abgebildet. Jede
Hälfte von c ist mit zwei Tiermasken verziert, die mit einigen
Schnörkeln ineinander greifen und zusammen eine geschmackvolle Figur
bilden. Das bereits gebrauchte Brett e trägt zwei Paar _aso_, von denen
jedes mit den Körpern zusammen-fliesst, ein bei den Kenja beliebtes
Motiv. Oben und unten an den Rändern sieht man 5 Löcher, die dazu
gedient haben, eine feste Schnur an einer Seite längs des Musterbretts
zu spannen. An diese Schnur wurden dann die vielen kleineren Schnüre
befestigt, an welchen nach dem Muster die farbigen Perlen aneinander
gereiht wurden. Zweifellos sind auf diese Weise auch die jetzt noch
unter den Mahakam und Kapuasbahau zirkulierenden Muster entstanden,
doch beschränkt man sich bei diesen gegenwärtig auf die Nachahmung der
alten Vorlagen. Für eine solche Nachahmung sind die beiden _tap_ auf
Tafel 71 ein Beispiel: die unterste b ist sehr mangelhaft reproduziert,
sie ist die älteste und in der Tat erscheinen ihre Farben auch unserem
Auge altertümlich. Nach dieser ist mit neueren Perlen a nachgearbeitet,
die, wie man sieht, mit ihr ganz übereinstimmt. a kaufte ich bei den
Kajan am Blu-u für eine Quantität Perlen, die genügte, um zwei _tap_
aus ihr herzustellen.

Die auf Tafel 70, 71 und 72 dargestellten Perlenmuster dienten
ebenfalls zum Schmuck von _hawat_. Etwas kleinere Modelle werden zur
Verzierung von Korbdeckeln gebraucht (siehe Taf. 54). Diese Muster
werden mit einer etwas grösseren Perlenart hergestellt, weil sie,
nach Angabe der Frauen, auf grösseren Abstand gesehen werden müssen und
daher weniger fein in ihren Formen zu sein brauchen. Die allerfeinsten
Perlen gebrauchte man dagegen zur Herstellung der fünf _tap_ (Muster)
_lawong_ (Mütze), die auf Tafel 73, 74 und 75 wiedergegeben sind,
ebenso für den Überzug der Männermütze auf Tafel 75. Erstere dienen
zum Schmuck der hohen Frauenmützen, die aus Rotang geflochten und mit
rotem Flanell oder Filz von der gleichen Farbe wie der rote Grund auf
der Abbildung überzogen werden. Eine derartige Mütze trägt z.B. die
Frau links auf Tafel 8.

Bei den Long-Glat-Frauen herrscht die Sitte, die vier Ecken ihrer Röcke
mit feinen Perlenmustern zu verzieren; ebenso werden die schmalen
Kopf bänder vielfach mit längeren oder kürzeren Perlenstreifen von
hübscher Farbenkombination geschmückt (siehe dieselbe Tafel 8).

Die Kapuasstämme legen besonderen Wert darauf, die Scheiden der
kleinen Messer an den Schwertern mit Perlenstreifen zu verzieren. Dies
geschieht auch am Mahakam, aber dort sind die Streifen anders geformt,
nämlich nach Art der Quasten an den Schwertscheiden a und b auf Tafel
29 Teil I.

Die Verzierungen dieser Muster werden auf sehr verschiedene Weise
und aus den verschiedensten Motiven zusammengesetzt. Sind diese
noch erkennbar, so findet man unter ihnen die gleichen Figuren, wie
sie in der Holzschnitzerei oder der Schnitzerei in Bambus, Knochen
etc. gebräuchlich sind. Doch begegnet man auch vielen Mustern, in
denen nur der Name oder auch dieser nicht mehr an die ursprüngliche
Herkunft erinnert.

Von derartigen Motiven wurden sowohl die in der _tap hawat_ a auf
Tafel 70 vorkommenden Menschenfiguren als diejenigen in b, die in
Verbindung mit einem Tigerkopf in der Mitte dort auftreten, bereits
besprochen. In bezug auf das Perlenmuster b muss noch bemerkt werden,
dass seine Farben, die im Original wie beim Muster b auf Tafel 71
einen altertümlichen Eindruck machen, nur mangelhaft wiedergegeben
sind, beide Muster müssen daher in der Abbildung mehr nach der Form
als nach der Farbe beurteilt werden.

Die Menschenfiguren auf den _tap hawat_ von Tafel 71 wurden zwar
ebenfalls bereits behandelt (pag. 239), doch mag hier einiges
hinzugefügt werden. In der Figur, die sich je in den oberen Ecken
der Muster befindet, ist eine schwarze, nach aussen aufgesperrte
Tiermaske zu erkennen, in der das rote, mit gelb umgebene Auge deutlich
hervortritt, ebenso die beiden mit einigen Zähnen bewaffneten, nach
oben und unten umgerollten Kiefer. Die anderen schwarzen Figuren lassen
sich jedoch nicht mehr auf die bekannten Formen zurückführen. Das
gleiche Muster, mit einer grossen schwarzen Hundefigur über der
Menschenfigur, ist bei den Long-Glat sehr gebräuchlich.

Das Muster a ist in seinen Originalfarben wiedergegeben und macht
aus einigem Abstand gesehen einen hübschen Effekt. Eigentümlich ist,
dass diese Muster keinen unharmonischen Eindruck machen, trotzdem
sie aus grellen, ohne Übergang nebeneinander gesetzten Farben
bestehen. Dasselbe ist der Fall bei der gut wiedergegebenen _tap_
a auf Tafel 72 und denen auf Tafel 73, 74 und 75. Die Mittel, mit
denen die Bahau die hübschen Farbeneffekte zu erzielen wissen, sind
sehr bescheiden, öfters auch unzulänglich. Die Stickerinnen reichen
z.B. oft mit einer bestimmten Perlenart nicht aus und müssen sich dann
mit einer anderen begnügen. Da die kleinen Perlen, aus denen diese
Muster bestehen, wie die grossen auf langdauernden Reisen von den
Männern aus den Küstenplätzen in die Dörfer eingeführt werden und ihr
Preis an sich für die Verhältnisse der Eingeborenen hoch ist, kommen
sie im Innern sehr teuer zu stehen. Der Perlenvorrat eines Stammes ist
infolgedessen in der Regel sehr beschränkt, so dass die Künstlerinnen
bei der Arbeit nur selten die Farben frei wählen können. An weitaus
den meisten Mustern merkt man denn auch, dass der Stickerin eine
Farbe oder ein Ton ausgegangen war und sie dann gegen die Symmetrie
hatte sündigen müssen, indem sie z.B. rechts und links verschiedene
Farben anbrachte. Bei den abgebildeten Mustern, die zu den schönsten
meiner Sammlung gehören, hat die Symmetrie gewahrt werden können, doch
geschieht dies, wie gesagt, nur selten. Ich selbst habe mich davon
überzeugen können, wie schwierig es ist, sich die zu einem bestimmten
Muster erforderlichen Perlen zu verschaffen. Nachdem ich nämlich auch
nach einjähriger Unterhandlung die besonders hübsche _tap lawong_
die unten auf Tafel 73 abgebildet ist, nicht hatte erstehen können,
trug ich _Kwing Irangs_ zweiter Frau _Uniang Anja_ auf, mir dieses
Muster während meiner Reise zur Küste 1899 nachzuarbeiten, worauf die
Besitzerin auch einging. Bei meiner Rückkehr nach 3 Monaten erhielt
ich jedoch statt der bestellten _tap_ die oberste auf Tafel 73, weil
im ganzen Kajanstamm nicht genügend braune Perlen, die in dem Muster
vorherrschen, zu erhalten gewesen waren. Erst im Laufe des folgenden
Jahres gelang es mir, um hohen Preis auch das ursprüngliche Modell b
auf Tafel 73 zu erstehen; seine alte Besitzerin hatte es nach ihrem
Tode nach Apu Kesio mitnehmen wollen und sich daher nur sehr schwer
von ihm zu trennen vermocht.

Die beiden _tap hawat_ auf Tafel 72 sind nicht sehr glücklich
reproduziert worden, besonders bei der untersten ist das Gelbgrün
des Originals zu grün geraten, die obere dagegen gibt eine
richtigere Vorstellung von den Farben des Originals. Nach den höchst
phantastischen Stilisierungen eines Pantherkopfes, der das Zentrum der
beiden Muster bildet, heissen diese _tap kule_ (Panthermuster). Um
diese Formen zu begreifen, müssen wir sie mit dem _kohong ledjo_
von b auf Tafel 70 vergleichen. Bei der in der Mitte dieses Musters
vorkommenden Maske sind die Augen deutlich mit roten Kreisen begrenzt,
in der Maske im Mittelstück von Fig. a auf Tafel 72 sind sie mit blauen
und roten Perlen bezeichnet, die zwei dicke, eckige, nach aussen offene
Bögen im braunen Grunde bilden. Im _kohong ledjo_ ist die Nase durch
zwei weisse, in Schnörkel auslaufende Linien angedeutet, in Fig. a
durch die nach aussen und unten gerichteten schwarzen, dünnen Linien,
die sich ebenso unten am Rand nach innen umbiegen, wo die schwarzen
Schnörkel mit mehreren Strahlen versehen sind. Die beiden in schwarz
oben auf dem _kohong ledjo_ als Verzierung vorkommenden Schnörkel
sind auch in dieser Maske zu finden, doch sind sie hier rot und nach
aussen statt nach innen gerichtet.

Neben diesem Hauptmotiv kommen auch noch zwei Seitenstücke an jeder
_tap_ vor, die wahrscheinlich ebenfalls eine Bedeutung haben. Beachtung
verdient das schöne Hervortreten dieser Stücke infolge der schwarzen
Farbe, die von diesen Stämmen häufig als Hintergrund oder besser zur
Trennung der verschiedenen Figuren angewandt wird. Diese richtig
empfundene Farbenkombination hat bei a einen malerischen Effekt
zustande gebracht.

Die _tap hawat_ b auf derselben Tafel 72 zeigt den gleichen Entwurf
aber in steiferen Formen und in einer Umrahmung, die gut mit ihm
übereinstimmt. Das Mittelstück bei 1 und die beiden Seitenstücke bei
2 sind deutlich erkennbar, nur sind sie hier sowohl oben als unten
verlängert und in den Unterteilen anders geformt. Hierdurch ist
die Komposition erweitert worden, ohne dass jedoch der allgemeine
Charakter dabei verloren gegangen wäre, und aus einigem Abstand
erscheint auch die Einheitlichkeit nicht beeinträchtigt. Dies ist
wohl hauptsächlich wieder der Übereinstimmung der Formen und Farben
zuzuschreiben, die auf dem auch hier reichlich verwendeten schwarzen
Untergrund schön hervortreten. Obgleich in der Farbenharmonie durch
das zu starke Vorherrschen des Gelbgrün an Stelle des dunklen Gelb
im Original eine grössere Eintönigkeit verursacht wird, ist sie doch
auch in dieser Wiedergabe nicht zu verkennen.

Eine andere Stilisierung des _kohong ledjo_ kommt auf der in Fig. b
auf Tafel 74 abgebildeten Mütze vor. Diese ist mit einem Rand von
4 Fächern umgeben, mit dem _kohong ledjo_ als Mittelstück und zwei
Seitenstücken. Hier kann in der Tat nur der Name zur Erkennung des
Motivs im Mittelstück leiten, in dem nur die Augen als rote Bögen
auf grünem Grunde erkennbar sind. Wahrscheinlich stellen die kleinen,
aufwärts gerichteten gelben Schnörkel des Mittelstücks die Nasenlöcher
vor, da sie zu den Augen in besserem Raumverhältnis stehen als die
grossen, abwärts gerichteten Bögen.

Wenn wir auf einen anderen Teil in der am besten zu erkennenden Maske
des _ledjo_ auf Tafel 70 achten, dann sehen wir, dass dort in gelb
unter den Nasenlöchern ein Mund mit roten Lippen angebracht ist. Auf
allen Patronen mit einem _kohong ledjo_ oder _kohong kule_ finden wir
einen mit diesem Munde übereinstimmenden Teil wieder, ausser in a auf
Tafel 72, wo die Figur dicht unterhalb der Nasenlöcher aufhört. So
sehen wir mitten in dem Unterrand von b auf Tafel 72 einen schwarzen
Schnörkel in gelbem Felde, von braun eingefasst, der sicher mit dem
Mund in dem schwarzen _ledjo_-Kopf zu vergleichen ist. In dem ganz
anders stilisierten Kopf b auf Tafel 74 ist dieser Teil ebenfalls
vorhanden in Form eines roten, leicht nach oben gekrümmten Flecks
auf dunkelgrünem Grunde, der von unten durch zwei rote, einen Winkel
bildende Linien umgeben ist. Für diese Annahme spricht ferner, dass
diese Teile auch auf den beiden Mützenpatronen (_tap lawong_) von
Tafel 73 nicht fehlen. Dreht man sie um, so sind diese auf den ersten
Blick so völlig verschieden aussehenden Muster nicht anderes als der
eigentliche _kohong ledjo_, aber auf besondere Weise stilisiert und
in anderen Farben ausgeführt. Man bringt diese Muster verkehrt auf
den Mützen an, weil der breitere Teil der Augen in dem breiteren Teil
des Musters, also unten liegen muss.

In a auf Tafel 73 werden die Augen durch rote, fragezeichenförmige
Schnörkel auf grünem Grunde dargestellt, während die Nasenlöcher hier
als schwarze Spiralen auf blauem Grunde, die links und rechts etwas
unter der halben Höhe vorkommen, angegeben sind. Unten in der Mitte
finden wir denselben schwarzen Doppelschnörkel auf gelbem Grund,
der auch bei b auf Tafel 72 den Mund darstellt.

In b auf Tafel 73 sind die Augen in derselben Form eines Fragezeichens
aber in braun auf blauem Grund ausgeführt, während rote Punkte
auf diesen Schnörkeln vielleicht die Pupillen vorstellen sollen,
möglicherweise sind sie aber auch nur zur Belebung des Musters
angebracht. Die Nasenlöcher sind hier von zwei Paar gegeneinander
laufenden schwarzen Spiralen umgrenzt, wobei zu beachten ist, dass die
schwarzen, haarförmigen Vorsprünge auf den innersten Spiralen besonders
dick angebracht sind. Diese Vorsprünge können als Charakteristikum
für die Nasenspiralen in diesem Muster betrachtet werden, da sie auf
allen Mustern der Tafeln 72, 73 und 74 vorkommen.

Der untere Mittelteil der Maske wird hier auch von einem stilisierten
Mund in Form eines schwarzen Rahmens eingenommen, der von blau umgeben
und mit braunen und roten Punkten gefüllt ist.

Also auch in diesen beiden _tap lawong_ fehlen die für einen
_kohong ledjo_ oder _kule_ charakteristischen Teile nicht. Der
hübsche Eindruck, den die Frauen durch Nebeneinandersetzen greller
Farben hervorzurufen gewusst haben, fällt hier besonders auf. Die
mit Verständnis angebrachten schwarzen Linien haben sicher dazu
beigetragen, diesen Eindruck, von einigem Abstand aus, zu erhöhen.

Vergleicht man b auf Tafel 75 mit a auf Tafel 73, so ist eine
allgemeine Übereinstimmung zwischen beiden nicht zu verkennen; ferner
sind auch die einander entsprechenden charakteristischen "Feile der
Maske zu unterscheiden. Die hellroten und schwarzen Spiralen auf
gelbem Grunde würden hier die Augen, und die hellbraunen Spiralen
auf grünem Grunde, an denen auch eine haarförmige Verlängerung nach
unten nicht fehlt, die Nasenlöcher vorstellen. Auch hier ist in rot ein
Doppelschnörkel in der Mitte als Mundteil angegeben. Bei diesem Muster
tritt deutlich zu Tage, dass das ursprüngliche Motiv nur einen sehr
entfernten Einfluss auf die Komposition geübt haben kann. Der Künstler,
der die Formen schnitt, und die Künstlerin, die die Farben wählte,
haben sich in der Tat viel eher von ihrem Formen- und Farbensinn leiten
lassen als von der Erwägung, dass sie die Maske eines mythischen oder
irdischen Tigers darzustellen hatten. Beweisend hierfür ist auch,
dass auch b auf Tafel 74 einen solchen _kohong ledjo_ darstellt. Doch
ist ein allgemeiner Charakterzug bei den zuletzt behandelten Mustern
nicht zu verkennen, besonders wenn man mit diesen die _tap lawong_
a auf Tafel 74 vergleicht, die das _Naga_-Motiv trägt.

Von einer anderen Form als die bisher behandelten Muster der
Frauenmützen ist die unter a Tafel 75 abgebildete Perlenarbeit,
die einen Schmuck für Männermützen darstellt. Dieses Muster hat die
Frau des Häuptlings der Kajan am Ikang gearbeitet, des Nachfolgers
von _Kwing Irang_ nach dessen Tode. Der Entwurf ist hier ein völlig
anderer als bei der _tap kohong ledjo_ oder der _tap naga._ Da der
Name des Entwurfs mir unbekannt ist, wage ich nicht, eine sichere
Ableitung dieser Musterformen zu geben. Den einzigen Anhaltspunkt
könnten die mit haarförmigen Vorsprüngen versehenen schwarzen Spiralen
auf gelbem Grunde bieten, welche die beiden Nasenlöcher eines _ledjo_
oder _kule_ vorstellen könnten, wobei dann die darüber und aussen
gelegenen schwarzen, eckigen Spiralen als Augen anzusehen wären. In
wieweit dies richtig ist, wage ich nicht zu entscheiden.

Aus den vorhergehenden Ausführungen ergeben sich zum Schluss die
folgenden zusammenfassenden Bemerkungen über die künstlerische
Anlage und Eigenart bei den dajakischen Stämmen und Individuen. Eine
bemerkenswert kleine, meist der Tierwelt entlehnte Anzahl von
Motiven dient den Bahau- und Kenjadajak zur Komposition fast aller
ihrer Ornamente. Wir finden bei ihnen die vom Menschen abgeleiteten
Motive ebensogut in den Perlenmustern ihrer Kindertragbretter als in
ihren Tätowiermustern, den Bildhauerarbeiten an ihren Häusern, ihren
Schwertgriffen, Schwertscheiden und Bambusbüchsen. Dasselbe gilt für
ihre Tiermotive, wie den _aso_ und _rimau_, den Rhinozerosvogel,
Blutegel etc. Vergleichen wir diese Erscheinungen mit denjenigen,
die uns unter den Kunstprodukten anderer Völker begegnen, so lässt
sich nicht leugnen, dass die Erzeugnisse der Bahau-Dajak eine gewisse
Armut an Motiven verraten; ebenso auffallend ist es, dass bei dem sehr
ausgesprochenen Sinn für Form und Farbe, von dem ihre Kunstgegenstände
zeugen, eine Zeichen-, Mal- oder Bildhauerkunst, also eine Kunst, die
um ihrer selbst willen geübt wird, sich nicht entwickelt hat. Mit der
Annahme, diese eigentümliche Erscheinung hänge mit einer beschränkten
künstlerischen Schöpfungskraft zusammen, stehen jedoch wieder andere
Tatsachen in Widerspruch. Vor allem ist ihr Schöpfungsvermögen
auf bestimmten Gebieten, wo die sozialen Verhältnisse zu einer
weiteren Entwicklung anspornen, ein sehr reiches, so z.B. in der
Tätowierkunst. Hierfür spricht bereits, dass die meisten Individuen,
obgleich mit denselben Motiven, doch verschieden tätowiert sind und
jedes für sich eigene Muster hat schneiden müssen oder schneiden
lassen. Böte das Entwerfen neuer Figuren Schwierigkeiten, so hätte
diese Sitte nicht entstehen können.

Ein Beweis für den Reichtum der Variationen, die ein und dasselbe Motiv
liefern kann, ist, dass unter den relativ wenigen Tätowierpatronen,
die ich mitbrachte und nur zufällig erlangte, von den 6 Stilisierungen
des Motivs _kerip manok kwe_ (5 auf Tafel 90 Teil I und eine in
der Schenkeltätowierung Tafel 86) alle verschieden sind. Auch die
4 Schlussstücke a, b, c und d auf Tafel 91 steilen ebensoviele
Variationen des gleichen Motivs dar, und zweifellos bestehen in
Wirklichkeit noch fast ebensoviele andere, als Individuen in den
Stämmen sind oder gewesen sind. Auch entwickelt sich bei jeder
Stammgruppe ein eigener Stil aus denselben Motiven, so dass ein Stil
der Kapuas-Bahau, der Long-Glat, der Uma-Luhat, der Kenja und der
vielen anderen Stämme von den Dajak selbst unterschieden wird und der
Hauptsache nach auch für Europäer unterscheidbar ist. Dasselbe gilt in
bezug auf die Zeugfiguren der Kleiderverzierung, die Bambusschnitzerei
und sogar die Schnitzerei von Horngriffen, trotzdem dieser durch die
Beschaffenheit des Materials engere Grenzen gesteckt sind.

Von nicht geringem Einfluss auf die Wahl der Motive sind bei den
Bahau, wie wir gesehen haben, ihre religiösen Vorstellungen. In
ihren Ornamenten und in den Gegenständen selbst, welche diese
tragen, spiegelt sich ihr Glaube an die Geister wieder. Die schönen
Bildhauerarbeiten an ihren Häusern, auf ihren Gräbern, zahlreiche
Verzierungen auf ihren Kindertragbrettern, Schilden, Schwertern
u.s.w. danken ihr Entstehen dem Bestreben der Dajak, sich vor den
bösen Geistern zu schützen. Hat die Kunstentwicklung einmal diesen Weg
eingeschlagen, so wendet sie sich ohne besonderen Anlass nicht mehr
neuen, willkürlich gewählten Motiven zu, wie wenn sie sich gänzlich
frei bewegt hätte. Bei einem Volke auf diesem Bildungsstandpunkt
beherrscht der Glaube noch in so hohem Grade das ganze Dasein,
dass auch der Künstler Motive wählt, die in diesem Glauben eine
Hauptrolle spielen.

Für den relativ hohen Standpunkt, den die Kunst bei diesen Bahau
und Kenja trotz deren ungünstigen Lebensumständen einnimmt,
spricht die Art, wie sie die ursprünglichen Motive in ihrer
Ornamentik verwenden. Bei einem grossen Teil der gegenwärtig
erzeugten Kunstprodukte sind diese Motive, wie wir gesehen haben,
so sehr umgestaltet, dass man nur durch eine sorgsame Vergleichung
der Übergänge den Ursprung gewisser Figuren aus bestimmten Motiven
erkennen kann. Unter den Stämmen selbst ist dieser Ursprung auch
durchaus nicht mehr bei allen Figuren bekannt, sondern nur wenige
tragen noch die ursprünglichen Namen. Gegenwärtig rechnet ein Künstler
denn auch beim Entwerfen weit mehr mit den umgebildeten Motiven,
die er auf bestimmten Gegenständen zu sehen gewöhnt ist, als mit den
Formen, die diese Motive in Wirklichkeit tragen.

In bezug auf die künstlerische Anlage beim einzelnen Individuum macht
sich bei der Vergleichung der Produkte von beginnenden und von bereits
hochentwickelten Künstlern der Unterschied geltend, dass es ersteren
anfangs leichter fällt, beim Entwerfen eines Ornaments Variationen
eines Motivs anzubringen, als sich selbst zu strenger Durchführung
des betreffenden Motivs zu zwingen; je mehr Talent und Übung in der
Komposition ein Künstler dagegen besitzt, desto genauer wird er sich
an sein Motiv zu halten wissen. So stammt die Handtätowierung a von
Tafel 85 Teil I zweifellos von einem geübten und begabten Künstler,
da die ursprünglichen Motive, die in der Tätowierung b vorkommen,
hier schön stilisiert sind und das früher bereits behandelte
Motiv streng angewandt und durchgeführt ist. Zugleich sind auch
die Tätowierbrettchen oder anderen Produkte eines talentvollen und
geübten Künstlers viel gleichmässiger und sauberer in den Linien
geschnitzt als die eines Anfängers. Das in bezug auf die Durchführung
des Motivs Gesagte gilt auch für die Beobachtung der Symmetrie: nur
diejenigen, die einen Ruf als Künstler geniessen, halten sich genau an
eine symmetrische Verteilung ihrer Verzierungen, insoweit sie hierfür
Symmetrie überhaupt anzuwenden gedachten. Dass eine exakte Durchführung
der Symmetrie den Bahaukünstlern jedoch schwer fällt, lässt sich aus
der relativ kleinen Anzahl wirklich symmetrischer Tätowierpatronen
und anderer Muster, denen man begegnet, schliessen. Wie leicht die
übrigens oft nur flüchtig geschnitzten Gegenstände asymmetrisch werden,
geht deutlich aus Fig. e auf Tafel 91 Teil I hervor, die sicher von
einem sehr talentvollen Mann entworfen sein muss und vor manchem sehr
geschätzten europäischen Ornament nicht zurückzustehen braucht. Hier
ist es dem Schnitzkünstler offenbar nicht geglückt, oder er hat es
nicht der Mühe wert gehalten, die Symmetrie zu wahren, und so ist
die rechte Hälfte viel schmäler geraten als die linke. Eine strenge
Wahrung des Motivs und der Symmetrie im Kunstwerk bedeutet daher bei
den Bahau und Kenja einen hohen Entwicklungsstandpunkt des Künstlers.

Was den Kunstgeschmack dieser dajakischen Stämme betrifft, so zeigt
er eine eigentümliche Begrenztheit in der Fähigkeit, Produkte einer
anderen Geistessphäre zu beurteilen. Während nämlich ihre eigenen
Kunsterzeugnisse, wie wir sahen, von einem so hochausgebildeten Sinn
für Form und Farbe zeugen, schätzen sie auch die aus Europa oder
anders woher bei ihnen eingeführten Produkte, die für sie den Reiz
des Aussergewöhnlichen haben, in Wirklichkeit aber unschön in Form
und Farbe sind, und stellen aus diesem fremden Material Dinge her,
die einen äusserst schlechten Geschmack bekunden.

Dieselben Frauen z.B., die sich mit grossem Opfer an Zeit und
viel Kunstfertigkeit auf die Herstellung mit Stickereien und
ausgeschnittenen Figuren verzierter Röcke legen, tragen andere, die
aus verschiedenen Arten von eingeführtem geblümtem Kattun auf die
unvorteilhafteste Weise zusammengesetzt sind. Auf anderen Gebieten
tritt diese Erscheinung weniger hervor, weil die eingeführten Produkte,
wie Eisen und Töpfe, besser sind als die eigenen Erzeugnisse.

Dass dieses Verhalten der Dajak die Entartung der Frauenarbeit
befördert, ist selbstverständlich, es wirft aber auch ein interessantes
Licht auf eine besondere Eigenschaft des bei den Bahau so stark
ausgebildeten Formen- und Farbensinnes. Dieser hat sich ursprünglich
bei jenen Stämmen unter dem Einfluss der sozialen Verhältnisse und
der isolierten Lage in der für ihre Kunst charakteristischen Weise
entwickelt, und sie waren deshalb gewöhnt, nur diese Kunst und deren
Produkte zu sehen und zu beurteilen. Die eingeführten geschmacklosen
Erzeugnisse einer anderen Kultur, die einen gänzlich anderen Charakter
tragen, sind ihnen dagegen so fremd und liegen so völlig ausserhalb
ihrer engeren Sphäre, dass sie dieselben vom Standpunkt der ihnen
eigenen psychischen Entwickelung aus nicht beurteilen können. Zwar üben
diese fremden Erzeugnisse auf das Auge eines Bahau oder Kenja einen
besonderen Reiz, doch sind sie von seinen eigenen Kunstgegenständen
in Form und Farbe zu weit entfernt, um bei ihm in demselben Masse
wie bei einem Europäer Anstoss zu erregen. Sie bewundern deshalb
diese billigen Produkte eines schlechten europäischen Geschmackes
und werden von ihnen nicht so unangenehm berührt, wie der mit einem
ähnlichen Kunstgefühle ausgestattete Europäer, der aber gewöhnt ist,
dieses Gefühl verschiedenartigeren Dingen aus einem weit grösseren
Herkunftsgebiete anzupassen. Jener unter beschränkten Verhältnissen
entstandene, staunenswert feine Sinn für Form und Farbe zeigt bei
diesen Naturmenschen also dieselbe Begrenztheit, welche den anderen
geistigen Fähigkeiten des Menschen eigen ist. Auch diese sind auf
ein bestimmtes Gebiet beschränkt und gestatten ihm nicht, ausserhalb
desselben Kritik zu üben.

In wie weit bei der Entwicklung der dajakischen Ornamentik fremde
Einflüsse mitgewirkt haben, ist eine Frage, zu deren Lösung sicherlich
eine Untersuchung der Erzeugnisse der gegenwärtigen Nachbarvölker
beitragen würde. Die Gruppen der Dajak, die nicht zu den Bahau oder
Kenja gehören, zeichnen sich ebenfalls im Gebiete der Kunst aus, doch
hat diese bei ihnen, infolge der Abgeschiedenheit, in der sie leben,
eine für sie charakteristische Richtung eingeschlagen.

Die malaiischen Küstenstämme dagegen, welche die Dajak von allen
Seiten umringen, besitzen keine Anlage, die auch nur auf eine geringe
Entwicklung des Kunstgefühls oder der Kunstfertigkeit weisen würde. Da
überdies infolge der Berührung mit den Malaien die ganze Kultur der
Dajak und zugleich ihr Kunstempfinden stark entartet sind, so dass
die noch ursprünglichen Stämme im Zentrum von einem Kreise in jeder
Beziehung zurückgegangener Stämme umgeben sind, erscheint es sicher,
dass jene Malaien weder der Anlage noch der Entwicklung der dajakischen
Kunst förderlich gewesen sind.

Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass in früheren Jahrhunderten,
als sowohl Hindu-Javaner als Chinesen aus China viel auf Borneo
verkehrten (pag. 61) und teilweise tief ins Innere vordrangen, wovon
die Hinduüberreste am Mahakam bis unterhalb der Wasserfälle noch
Zeugnis ablegen, diese Fremden auf den Entwicklungsgang der Stämme
und dabei auch auf einige gegenwärtig gebräuchliche Kunstmotive
Einfluss ausgeübt haben. Der Name Naga, der von den Hindu stammt und
der _rimau_, der auf Borneo nicht vorkommende Königstiger, deuten
bereits auf derartige fremde Einflüsse hin. Auch die von den Küsten
bis in das tiefste Innere eingeführten fremden Industrieerzeugnisse,
unter anderem die _tempajan_, können die Entstehung solcher Motive
veranlasst haben. Wie weit der fremde Einfluss in den früheren
Jahrhunderten reichte, kann jetzt nicht mehr festgestellt werden, doch
ist es gewiss, dass die jetzigen Erzeugnisse der Dajak als Äusserungen
deren eigener Anlage und eigener Fertigkeit gelten müssen, wenn auch
bisweilen, wie bei den Perlenarbeiten, fremde Stoffe verwendet werden.

Öfters ist bereits darauf hingewiesen worden, dass sich die
Kunst der Bahau- und Kenjastämme von der der anderen Gruppen der
ackerbautreibenden Dajak unterscheidet. Am deutlichsten ist dieser
Unterschied in ihren Industrieprodukten zu merken. Die schön
geschnitzten Hirschhorngriffe werden z.B. nur von den Bahau und
Kenja hergestellt; die Ot-Danumgruppe ahmt diese Arbeiten nur in
sehr mangelhafter Weise nach, während die Batang-Lupar Griffe von
ganz anderer Form und weit minderwertigerer Arbeit gebrauchen. Die
so bekannten, mit farbigen Masken und Tierfiguren bemalten langen
Schilde werden ebenfalls alle, mit Ausnahme schlechter Imitationen,
von diesen Bahau- und Kenjastämmen hergestellt. Übrigens gebrauchen
auch nur diese Stämme im Kriege diese hohen Schilde. Ursprünglich
waren bei den mehr westlich wohnenden Batang-Luparstämmen viel kleinere
Schilde von anderer Form im Gebrauch, ebenso bei den Baritostämmen. Die
Nomadenstämme von Ost-Borneo dagegen haben die Schildform der Bahau
angenommen.

Die Perlenarbeiten der zu den Batang-Luparstämmen gehörenden Kantuk-
Taman- und Embalau-Dajak tragen zwar einen ganz anderen Charakter
als die der Bahau und Kenja, doch stehen sie jenen in bezug auf
Formen- und Farbenreichtum keineswegs nach. Im Weben, vor allem
in der _ikat_-Weberei, können sich die Bahau durchaus nicht mit
ihren westlichen Nachbarn messen, die in ihren dunkel-, hellbraun
und schwarz gewebten Decken (_kumbu_), Röcken und Jacken wahre
Prachtstücke an Entwurf und Technik liefern. Eigentümlich dagegen ist,
dass die Stickereien und die farbigen Knüpfarbeiten der Frauen am
Mahakam bei den anderen beiden Gruppen nicht angetroffen werden. Im
allgemeinen lässt sich in der Entwicklung der dajakischen Kunst nicht
nur ein Stillstand, sondern sogar ein Rückschritt beobachten. Schuld
hieran trägt ausser der Einfuhr europäischer Erzeugnisse auch das
Klima. Durch ihre Auswanderung aus dem gesunden Hochland Apu Kajan in
die tiefer gelegenen Gegenden am Mahakam gerieten die Bahau in höherem
Masse unter die Wirkung der Malaria und wurden dadurch geistig und
körperlich so geschwächt, dass auch ihre Leistungen im Kunsthandwerk
in Mitleidenschaft gezogen wurden. Hierfür spricht auch die Tatsache,
dass die Kenja, die ihr gesundes Bergland nicht verlassen haben, in
ihren Kunstleistungen die Bahau übertreffen und dass die aus früheren
Zeiten stammenden Produkte der letzteren von den gegenwärtigen nicht
erreicht werden. Augenblicklich leisten die Kenja im Stammland Apu
Kajan das Höchste im Kunstgewerbe, ihnen folgen die Stämme am oberen
Mahakam, während diejenigen am mittleren Mahakam und am Kapuas weit
hinter den Leistungen ihrer Vorfahren zurückgeblieben sind.



KAPITEL X.

    In Long Deho--Auseinandersetzungen mit _Bang Jok_--Begegnung
    mit den Kenja-Dajak unter _Taman Ulow_--Missstände im
    Dorfe--Zusammenkunft mit dem Kenja-Häuptling _Taman Dau_--Ankunft
    _Demmenis_ und _Kwing Irangs_ am 3. April--Neue Beratungen
    über die Reise--Einverständnis der Häuptlinge mit dem Zuge
    nach Apu Kajan--Bo _Adjang Ledjüs_ Tod und Beisetzung--Wahl
    und Vorbereitung eines Lagerplatzes am Boh--Widersetzlichkeiten
    seitens des Personals--Neue Hindernisse durch die Kajan--_Midans_
    Rückkehr von der Küste--Aufbruch zum Boh am 17. Mai.


Die ersten Tage meines Aufenthaltes in Long Deho führten bereits zu
einigen Unterredungen mit _Bang Jok_, in denen ich anfangs, der guten
Sitte gemäss, nur für ihn und seine Familienverhältnisse Interesse
zeigte, dann aber deutlich zu verstehen gab, dass ich meine vielen
Reiseschwierigkeiten und die Angst der Stämme oberhalb der Wasserfälle
seinem hinterlistigen Treiben zuschrieb; ausserdem suchte ich ihn von
der wahren Stellung des Sultans von Kutei und der Wahrscheinlichkeit
einer Einsetzung eines Kontrolleurs in Long Iram zu überzeugen.

_Bang Jok_ fand zum Nachdenken über das Gesagte noch kaum Zeit,
als 8 Kenja vom Stamme Uma-Djalan vom Boh aus angefahren kamen und
in Long Deho anlegten. Unter ihrem Anführer _Taman Ulow_ befanden
sie sich seit 3 Monaten auf Reisen nach dem Mahakam, um dort zwei
Stammesgenossen zu suchen, die bei einer früheren Gelegenheit am
mittleren Mahakam zurückgeblieben waren.

Nach Vereinbarung mit _Bang Jok_ erklärte ich diesen Männern, die als
gereiste Leute gut Busang sprachen, dass die Bevölkerung weiter unten
wegen der von _Taman Dau_ geübten Mordtaten den Kenja sehr feindlich
gesinnt sei und sie daher alle, waren sie auch von einem anderen
Stamme, bei ihr grosse Gefahr liefen. Innerlich war ich sehr erfreut,
diese Leute einige Zeit aufhalten zu können, um sie an uns Europäer zu
gewöhnen und von ihnen endlich zuverlässige und ausführliche Auskunft
über Apu Kajan zu erhalten.

Da sie stark an Reismangel litten, bot ich sogleich an, sie
zu beköstigen; auch gelang es mir, einige von ihnen vom Fieber
zu kurieren, wonach _Taman Ulow_ sofort Vertrauen zu mir fasste
und mit seinen Mitteilungen nicht sparte. Nach seinem Bericht war
_Bui Djalong_ erst vor kurzem von einer Reise ins englische Gebiet
zurückgekehrt, wohin er sich mit vielen anderen Häuptlingen und 1200
Mann begeben hatte, um einem Ruf des Radja nachzukommen. Nach _Bui
Djalongs_ Heimkehr war dessen Tochter _Kuling_ gestorben, um die er
noch mit dem Stamme trauerte. Aus allem ging hervor, dass ich in den
verflossenen Monaten zu ungelegener Zeit nach Apu Kajan gekommen wäre,
ein Trost für mich, keine gute Gelegenheit verpasst zu haben. Die
ferneren Berichte der Kenja spornten mich noch mehr zur Durchsetzung
meines Plans an. Ich hatte nämlich bereits zu Beginn meiner Reise
1898 gelesen, dass man sich in Serawak bemühte, mit den Bewohnern
von Apu Kajan in Berührung zu kommen, und dass der Resident des
Baramdistrikts, Dr. _Hose_, schon damals prophezeit hatte, er werde
zwei Jahre brauchen, um die Häuptlinge des niederländischen Gebiets
zu einer Zusammenkunft auf englischem Boden zu bewegen. Es sprach
sehr für Dr. _Hose's_ Kenntnis der Menschen und Verhältnisse, dass
die betreffenden Häuptlinge in der Tat zwei Jahre darauf, wenn auch
nach langem Zögern, hinübergekommen waren. In einer Versammlung zu
Claudetown waren _Bui Djalong_ mit Gefolge dazu gebracht worden, sich
durch einen Regierungsdampfer nach Kutjing vor den Radja bringen zu
lassen; mit den im Range niedriger stehenden Häuptlingen, die mit ihrem
Gefolge ebenfalls einer gleichzeitigen Einladung gefolgt waren, geschah
dies nicht. In Kutjing hatte der Radja _Bui Djalong_ vorgeschlagen,
mit seinem ganzen Stamm auf englisches Gebiet überzusiedeln, worauf
der Häuptling jedoch nicht eingegangen war. Diese Vorgänge überzeugten
mich doppelt stark von der Notwendigkeit einer Reise zu den Kenja,
um durch persönliche Berührung mit deren Stämmen den Erfolg späterer
Bemühungen von Serawakischer Seite zu vereiteln.

Alle beunruhigenden Gerüchte über Rachezüge, welche die Kenja ins
Mahakamgebiet unternommen haben sollten, erwiesen sich als aus der Luft
gegriffen; die Reise _Taman Daus_ stand damit in keinem Zusammenhang,
und von _Bui Djalong_ war nur ein anderer tüchtiger Häuptling der
Uma-Bom, _Taman Li_, zu den Kenja an den Tawang geschickt worden,
um wegen der Busse für seinen ermordeten Enkel zu unterhandeln.

Ich hatte nun keine Ursache mehr, mich selbst zu den Kenja von _Taman
Dau_ unterhalb der Wasserfälle zu begeben, und beschloss daher, um so
schnell als möglich Nachrichten und Geld von Batavia und der Küste zu
erhalten, meinen Diener _Midan_ mit einigen Malaien den Fluss hinunter
zu schicken, mit dem Auftrag, möglichst bald zurückzukehren. _Midan_
hatte sich in den 3 Jahren, in denen wir zusammen reisten, ganz an das
Leben der Dajak gewöhnt, trug im Walde und auf dem Flusse gern ihre
Kleidung, ruderte und steuerte die Böte und verstand mit den Dajak sehr
gut umzugehen. Über Ehrlichkeit hatte er zwar seine eigenen Ansichten,
doch war er mir durch seine Energie und seinen Mut sehr viel wert; auch
jetzt zeigte er sich, trotz der beunruhigenden Zustände am mittleren
Mahakam, zur Reise bereit. Sobald der Wasserstand es zuliess, half mein
ganzes Geleite von Malaien _Midan_ mit seinem Boote über den Kiham
Udang. _Midan_ nahm einen Teil unserer neu angelegten Sammlungen von
Vögeln und Ethnographica mit zur Küste und kehrte zwei Monate später
nach erfolgreicher Reise zurück.

Bald nach unserer Ankunft in Long Deho hatten die Long-Glat, die
mit mir gereist waren, meine Malaien und ich an Influenza zu leiden
angefangen. Auch im Jahre 1897 waren wir, damals aber in Udju Tepu,
an dieser Epidemie erkrankt. Bei vielen trat noch eine schwere
Malaria hinzu, so dass die Long-Glat aus Long Tepai, die unter diesen
Umständen schnell heimkehren wollten, sich nur durch den fortwährend
hohen Wasserstand zurückhalten liessen. Nach Aussagen der Bevölkerung
war die Krankheit wahrscheinlich durch einige Böte mit Ma-Suling von
der Küste eingeschleppt worden.

Der alte Häuptling _Bo Adjang Ledjü_ war, augenscheinlich auch
infolge der Influenza, während meiner Abwesenheit körperlich sehr
heruntergekommen. Chronisches Fieber, Husten und Appetitlosigkeit
hatten den 90 jährigen Mann so geschwächt, dass er kaum noch auf der
Matratze sitzen konnte. Trotz aller meiner Bemühungen, ihn wieder
herzustellen, wollten Schwäche und Apathie nicht weichen, was mich
ernsthaft besorgt um ihn machte.

Der Aufenthalt in Long Deho wurde mir, ausser durch die Influenza
noch dadurch sehr unangenehm, dass auch jetzt wieder Händler und
Waldproduktensucher von den verschiedensten Stämmen Borneos, die
mehr auf ihr Glück im Spiel als auf ihre Arbeitsleistung rechneten,
durch ihre Leidenschaft für Hazardspiel und Hahnenkämpfe viel Unruhe
in das Dorfleben brachten.

Zum Glück tranken diese Leute keine Alkoholika, sonst wären sie noch
gefährlicher geworden. Zu welchen Schandtaten sie imstande waren,
erfuhr ich in einer sehr dunklen Nacht, als bei Hochwasser das
Rotangtau durchschnitten wurde, an dem ein Handelsboot befestigt
war, in dem 6 Personen schliefen. Die Insassen wurden vor einem
sicheren Tode in den Wasserfällen weiter unten nur dadurch gerettet,
dass ein zweites Rotangtau bei dem hohen Wasserstande zu tief unter
der Oberfläche lag, um erreicht werden zu können. Ein auf der Flucht
begriffener Sklave hatte die Tat aus Rache gegen seinen buginesischen
Herrn, der sich im Boote befand, begangen.

An das harmlose Leben der Stämme oberhalb der Wasserfälle gewöhnt,
erregte die Spielhölle, zu der _Bang Jok_ seine Familienwohnung
erniedrigt hatte, in hohem Masse unseren Widerwillen. Ich teilte
ihm daher mit, dass ich sein Haus nach dem ersten Besuch nicht mehr
betreten wolle; mit seinen Stammesgenossen und den Bewohnern von _Bo
Adjang Ledjüs_ _amin_ blieb ich dagegen in ständigem Verkehr.

Das Haus, das man uns in Long Deho zur Verfügung gestellt hatte,
war das schlechteste, das wir seit langer Zeit bewohnten. In dem
baufälligen Gebäude, das für Fremde und Versammlungen bestimmt war
und daher von den anderen Häusern getrennt stand, konnten wir uns
nur notdürftig vor Nässe schützen. Eine andere Unannehmlichkeit
bildete die Sorge für die Beköstigung unserer grossen Gesellschaft
während dieses langen Aufenthalts. Unser eigener Reisvorrat musste
so gross bleiben, dass wir jeden Tag eine einmonatliche Reise nach
Apu Kajan antreten konnten, dabei herrschte aber im Dorfe wieder so
grosser Nahrungsmangel, dass die Bevölkerung selbst von _obi kaju_
(Manihot utilissima) lebte. Reis war nicht vorhanden, jedenfalls nicht
käuflich, dazu verhinderte der hohe Wasserstand eine Zufuhr von der
Küste. Nur einige Büchsen mit schlechten Sardinen und anderen Fischen,
vor Alter weiss gewordene Butter, etwas Zucker, Petroleum und Tabak,
von Samarinda eingeführt, hatte ich kaufen können. Bei den von den
Long-Glat abhängigen, weiter unten wohnenden Batu-Pala und Uma-Wak
waren wenigstens noch Hühner, Eier und Fische zu haben; aber unsere
Dorfbewohner besassen selbst nur wenig Hühner, und an Fischen lieferte
der Mahakam hier nicht viel, besonders nicht bei hohem Wasserstande,
wo ein Fischen mit Netzen unmöglich war. So bildeten denn Früchte oft
unsere einzige Zuspeise zum Reis, auch sandte ich, so oft es ging,
kleine Expeditionen nach Long Tepai, um Reis aufzutreiben.

Am selben Tage, an dem _Midan_ zur Küste fuhr, benützten auch zwei
Böte mit Kenja den günstigen Wasserstand, um von unten aus die
Wasserfälle zu passieren. Als ich mich daher am anderen Morgen zur
Behandlung einiger seiner Leute zu _Taman Ulow_ begab, fand ich die
Kenjagesellschaft um eine bedeutende Anzahl Personen angewachsen,
die meine Erscheinung anfangs viel scheuer betrachteten als die Kenja
der Uma-Djalan selbst, die sich bereits an mich gewöhnt hatten. Nur
zwei ältere Männer, augenscheinlich die Anführer, bewegten sich sehr
unbefangen und berichteten mir bald auf Busang, dass sie möglichst
bald nach Apu Kajan zurückkehren müssten und daher _Taman Dau_
und die Seinen, die viel unter Krankheiten gelitten, unterhalb der
Wasserfälle zurückgelassen hätten. Bereits am folgenden Tage wollten
sie weiterreisen. Wie ich später hörte, hatten sie es deswegen so
eilig, weil sie die am Medang erbeuteten Köpfe in ihren Böten mit nach
Apu Kajan führten. Meiner Gewohnheit nach belästigte, ich die Fremden
nicht zu lange mit meiner für sie ungewöhnlichen Erscheinung, sondern
gab mir alle Mühe, ihnen von dem ersten Weissen, den sie wahrscheinlich
gesehen hatten, einen günstigen Eindruck beizubringen, was mir
denn auch, wie bei den Kenja Uma-Djalan, sehr bald glückte. Nur die
jüngsten Männer blieben scheu und stumm, augenscheinlich beunruhigten
sie die dicht in der Nähe versteckten Köpfe. Nachdem die Anführer
mir noch versichert hatten, meinem Besuch in Apu Kajan stehe nichts
im Wege, überliess ich sie den Uma-Djalan, von denen anzunehmen war,
dass sie ihnen von mir und meinen Reisegefährten sicher viel erzählen
würden. Bald darauf erschienen sie auch in meiner Hütte und baten um
Arzneien und Tabak. Nachts lagerte die Kopfjägertruppe oberhalb Long
Deho und fuhr dann am folgenden Morgen den Boh aufwärts.

Da ich mit _Taman Ulow_ und dessen 8 Begleitern bereits auf so gutem
Fuss stand, erschien es mir wünschenswert, dass sie in ihrer guten
Meinung über uns Europäer durch eine Reise nach dem oberen Mahakam
noch bestärkt wurden; bei den ihnen verwandten Stämmen konnten sie
sich über unser Tun und Lassen besser unterrichten als hier in Long
Deho. Dazu kam noch, dass die Kenja mir durch ihren urwüchsig grossen
Appetit auf die Dauer ein kostspieliger Besuch wurden. Ihr Vorschlag,
mit meinen Long-Glat nach Long-Tepai reisen und dort durch Rotangsuchen
etwas verdienen zu wollen, fand daher sogleich meinen Beifall. Nachdem
sie jetzt eine bessere Einsicht in die Verhältnisse am mittleren
Mahakam erhalten hatten, erschien es ihnen augenscheinlich auch
selbst zu gefährlich, um dort ihre Stammesgenossen zu suchen. Ich
hatte mir eine ernsthafte Unterredung mit _Taman Dau_ vorgenommen;
bei dem offenen Auftreten der Kenja glaubte ich diese auch durch
Vermittlung _Bang Joks_ oder einer der Häuptlinge aus _Bo Adjang
Ledjüs_ Hause stattfinden lassen zu können. Mit diesen stand ich
wie immer auf sehr gutem Fuss, und obwohl _Bang Jok_ sich mehr an
Kartenspiel und Hahnenkämpfen als an unserer Gesellschaft gelegen
sein liess, enthielt er sich jetzt doch seines früheren feindseligen
Treibens, wenigstens berichteten mir meine Malaien, die täglich in
der Niederlassung verkehrten, nichts dergleichen mehr.

Einige Kahajan-Dajak, die am 29. März von oben angefahren kamen,
erzählten, dass _Kwing Irang_ und die Seinen sich in Long Tepai
befanden. _Kwing_ war dort erst durch schlechte Vorzeichen aufgehalten
worden, dann hatte er seinen ältesten Sohn _Bang Awan_ abholen lassen
und schliesslich, im Begriff abzufahren, hatte ihn der Tod eines
kleinen Kindes noch 4 Tage Aufenthalt gekostet. Jedenfalls konnte
ich ihn jetzt täglich in Long Deho erwarten und mit ihm _Demmeni_
mit unserem ganzen Gepäck.

Bevor die Erwarteten eintrafen, erschien _Taman Dau_ mit ungefähr
80 Mann Gefolge in Long Deho. Meinem Wunsche gemäss kam _Bang Jok_
bald darauf mit der Meldung, dass er mir mittags mit den Kenja
einen Besuch machen würde. Ich hatte mir in dem Glauben, dass meine
Reise zu den Kenja wahrscheinlich doch nicht zustande kommen würde,
vorgenommen, _Taman Dau_ wenigstens deutlich auseinanderzusetzen,
welche Absichten die niederländische Regierung mit der Einsetzung
einer Verwaltung am Mahakam verfolge, und zu betonen; dass Kopfjagden,
wie sie bisher bei den Kenja üblich gewesen, in Zukunft nicht mehr
ungestraft stattfinden dürften. Hierbei konnte ich, als nützlichen
Wink für _Bang Jok_, meine feste Überzeugung aussprechen, dass ein
Kontrolleur in der Tat kommen werde.

Nach dem Mittagsmahl begann sich unsere Galerie zuerst mit allen
fremden Elementen, die sich in Long Deho aufhielten, zu füllen; dann
kam _Bang Jok_ mit einigen der Ältesten, denen sich 20 neugierige
Long-Glat angeschlossen hatten. _Bang Jok_ hatte in Tengaron,
ausser allerhand gefährlichen Liebhabereien, auch eine malaiische
Feierlichkeit im Auftreten angenommen; er trug eine Hose aus gelber
chinesischer Seide, eine dunkelviolette Jacke, ein seidenes Kopftuch
und zur Seite ein Schwert. Trotz dieses seltsamen Aufputzes und trotz
der feindseligen Gesinnung und Verdorbenheit meines Gastes, von der
ich mehr, als mir lieb war, erfahren hatte, konnte ich mich doch dem
eigentümlichen Reiz, der von _Bang Jok_ ausging, nicht entziehen. Er
war ein Mann von etwa 35 Jahren, von langer, schlanker Gestalt und
hellgelber Hautfarbe. Seine regelmässigen Gesichtszüge, seine lange,
gerade Nase und sein welliges Haar bildeten einen scharfen Gegensatz
zu den breiten, plattnasigen Gesichtern der übrigen Bahau. Aus seinen
hellbraunen Augen sprach mehr Verstand als aus seinem Wesen, denn er
bewegte sich und sprach langsam und ausdruckslos, wahrscheinlich weil
er dies für fein hielt.

Einen ganz anderen Eindruck machte _Taman Dau_, der mit seinen
Begleitern von der anderen Seite der _awa_ eintrat. Auch er war etwa
35 Jahre alt, aber seine wohlgebaute, volle, geschmeidige Gestalt
verriet den Mann der Tat, und sein Auftreten war, wie dasjenige
seiner Landsleute, sehr sicher und unbefangen. Das Gefolge setzte
sich in weitem Kreise um die Mitte, wo sich die beiden Häuptlinge
mit gekreuzten Beinen niedergelassen hatten und wir drei Europäer auf
unseren Klappstühlen sassen. Es fiel mir auf, dass nur wenige Kenja
Warfen trugen.

Meine Malaien hatten für einen guten Empfang dieser auch in ihren
Augen vornehmen Häuptlinge gesorgt und in der Mitte auf frischen
Bananenblättern sowohl für diejenigen, die _pinang_ und _sirih_ kauten,
als für die Kenja, die nur Zigaretten aus javanischem oder dajakischem
Tabak mit einer Hülle von Blättern der wilden Banane rauchten, alles
Erforderliche niedergelegt.

Nach Landessitte begann das Gespräch wiederum über allerhand
uninteressante Dinge und nicht über das, was uns alle erfüllte. _Taman
Dau_, der bereits bei dieser ersten Begegnung nichts weniger als
zurückhaltend war, unterstützte _Bang Jok_ eifrig in der Unterhaltung
über Jagd und Fischfang, Erkrankung seines Gefolges, Schwierigkeiten
beim Überschreiten der Wasserfälle und dergleichen. Darauf begann er,
weniger politisch als _Bang Jok_, über die Unruhen am mittleren Mahakam
und die dort ausgeführten Kopfjagden zu reden, die er auf Rechnung
der Punan im Flussgebiet des Berau zu setzen versuchte. Bei dieser
dreisten Lüge riss mir aber die Geduld und ich hielt den Augenblick
für gekommen, um ihm den wahren Sachverhalt klar zu machen. Auf
unzweideutige Weise gab ich ihm daher zu verstehen, dass ich sowohl
über die Kopfjagden am Tawang, an denen er die Hauptschuld trug, als
über den Mord am Rata, an dein seine Stammesgenossen sich beteiligt
hatten, und seine letzte Schandtat am Medang vollkommen orientiert war.

Während meines Ausfalls hatte die ganze Versammlung in stummem Staunen
dagesessen; die eine Hälfte war erschreckt über eine derartige
Sprache so grossen Häuptlingen gegenüber, die andere, _Bang Jok_
und die Kenja, wussten augenscheinlich nicht, was sie gegen meine
Beschuldigungen einwenden sollten. Einmal so weit gegangen und
unter dem Eindruck der vielen Schwierigkeiten, die mir _Bang Joks_
hinterlistige Handlungen verursacht hatten und die meine Reise nach
Apu Kajan zu vereiteln drohten, wurde ich unvorsichtiger, als ich
gewöhnlich zu sein pflegte, und zählte _Taman Dau_ nicht nur seine
Übeltaten auf, sondern warf ihm auch vor, dass er sich in den Augen
der Europäer feige benommen habe, indem er sich von Häuptlingen,
die selbst zu wenig Mut besassen, um ihre eigenen Zwistigkeiten
auszukämpfen, als Jagdhund gebrauchen liess, erst durch _Ibau Adjang_,
jetzt durch _Bang Jok_. Diesen beschuldigte ich ausserdem, dass er
zu verschiedenen früheren Kopfjagden angestachelt und den Zug der
Punan und Uma-Bom im Juli an den Rata nicht verhindert habe. Dann
versuchte ich ihnen den Unterschied zwischen ihrer Landessitte, in
grosser Übermacht einzelne Personen heimtückisch zu überfallen, und
der europäischen Kriegführung auf offenem Felde klar zu machen. Ich
wollte noch hinzufügen, dass _Bang Jok_ aus den Morden, die er auf
des Sultans Befehl ausführen liess, seinen Vorteil zog, aber dein
Häuptling wurde es bereits so heiss, dass er sich unter dem Vorwand,
ein Bad nehmen zu wollen, entfernte und nicht mehr zurückkehrte.

In der Furcht; zu weit gegangen zu sein, schlug ich einen ruhigeren
Ton an, so dass _Taman Dau_ das Wort zu ergreifen wagte und erklärte,
er und seine Kenja wären nur dumme Menschen und hätten noch nie
derartige Anschauungen gehört. Da ich mich inzwischen etwas beruhigt
hatte, war es mir angenehm, dass _Taman Dau_ meine erste, etwas rauhe
Begrüssung nicht schlimmer aufgefasst hatte und liess daher den
Gegenstand fallen. Mit hübschem, geblümtem Kattun und javanischem
Tabak suchte ich die Stimmung der Kenja noch weiter zu verbessern;
sie blieben auch bis zum Einbruch der Dunkelheit bei mir und schienen
mir meine Heftigkeit nicht mehr nachzutragen. Vor ihrer Abreise am
anderen Morgen kamen sie noch, um sich von mir zu verabschieden.

Zu meinem Leidwesen stieg das Wasser wieder so hoch, dass _Demmeni_
und _Kwing Irang_ unmöglich herunter kommen konnten; sie trafen erst
am 3. April bei uns ein. _Demmeni_ war von Long Tepai aus fünf Tage
unterwegs gewesen, weil die Kajan sich bei den Wasserfällen gelagert
hatten, um Wildschweine zu fangen. Diese Tiere ziehen nämlich in
den ununterbrochenen Wäldern in grossen Herden von dem einen Ort,
wo Früchte zu finden sind, nach dem andern und fallen, besonders wenn
sie Flüsse passieren, den auf der Lauer liegenden Eingeborenen in die
Hände. Während die Kajan mit _Demmeni_ den Wasserfällen entlang zogen,
waren die Schweine im Begriff gewesen, die Wasserfälle schwimmend
zu durchqueren, wobei sie von der heftigen Strömung ein grosses
Stück weit an ruhigere Stellen mitgerissen wurden, wo die Kajan sie
abfingen. Selbst als das Wasser bedeutend stieg, liessen sich die
Tiere nicht abschrecken und fielen den Bahau oft halb ertrunken zur
Beute. Meistens wurden nur halb ausgewachsene Exemplare gefangen. Die
Kajan brachten mir noch ein lebendes Tier mit, dem sie je die Vorder-
und Hinterbeine aneinander gebunden hatten.

Mit _Kwing Irang_ war auch _Bo Ibau_ mit 50 seiner Leute von Long Tepai
eingetroffen. Die beiden alten Herren liessen sich zuerst alle Vorfälle
seit meiner Ankunft in Long Deho ausführlich berichten und schienen
mit dem Gehörten recht zufrieden zu sein, denn obgleich ich sicher
glaubte, sie kämen beide nur, um mich bis unterhalb der Wasserfälle
zu bringen, merkte ich bald, dass _Kwing Irang_ den Gedanken an eine
Reise nach Apu Kajan noch nicht ganz aufgegeben hatte. Wir befanden
uns jedoch in zu grosser Gesellschaft, um ernsthaft über eine so
wichtige Angelegenheit reden zu können; aber abends erzählte mir
_Lalau_, ein Malaie, der bei _Kwing_ wohnte, dass dieser in der Tat
die Reise mit mir unternehmen wollte.

Meine Verwunderung über diese Änderung der Dinge war nicht gering,
als auch _Kwing Irang_ mir, sobald wir allein waren, riet, den Zug
dadurch, dass ich mich am _Boh_ niederliess, zu beschleunigen, da seine
Aufforderung an die Stammesgenossen, mit grossen Mengen Reis schnell
abwärts zu kommen, dann mehr Eindruck machen würde. Er selbst wollte
jedoch den anderen Stämmen gegenüber durchaus nicht den Schein auf
sich Ziehen, die Reise zu den Kenja gewollt oder veranlasst zu haben,
und die Kajan taten wahrscheinlich deshalb _Bo Ibau_ gegenüber, als
ob sie eigentlich gekommen wären, um eine Niederlassung unterhalb
der Wasserfälle zu besuchen, doch widersetzte ich mich diesem Plan
heftig wegen des Zeitverlustes und weil dann kein Aufruf oberhalb
der Wasserfälle erlassen werden konnte.

Auf mein dringendes Ersuchen, sich endlich für oder gegen die Reise
nach Apu Kajan zu entscheiden, wurde am 7. April noch erst mit _Bo
Ibau_ und _Kwing_ eine Zusammenkunft gehalten, in der ich nochmals
zwei Stunden lang über die Möglichkeit und Notwendigkeit einer
Verbesserung des Verhältnisses zwischen den Kenja und den Bewohnern
des Mahakamgebietes mit den Häuptlingen diskutierte. _Kwing Irang_
sprach, wie gewöhnlich, selbst nur wenig und überliess das Wort
hauptsächlich _Bo Ibau_, der, in die Enge getrieben, den Vorschlag
machte, erst _Bang Jok_, als Herrn des Boh-Gebietes, nach seiner
Meinung über das Unternehmen zu fragen und darauf zu dringen, dass
er als Zeichen seiner Zustimmung ein bemanntes Boot mit nach Apu
Kajan sende. Man müsse aber, sagte _Bo Ibau_, mit einer öffentlichen
Besprechung bis zur Rückkehr _Lawings_, des jüngeren Bruders von _Bang
Jok_, warten. Die Häuptlinge untereinander schienen jedoch nicht
so lange warten zu müssen, wenigstens hörte ich nachts, als ich in
meinem Klambu wach lag, in _Bang Joks_ _amin_ eine aussergewöhnlich
lebhafte Diskussion, bei der ich nicht nur _Bo Ibaus_ und _Ibau
Adjangs_ Stimmen, sondern auch die verschiedener Frauen zu erkennen
glaubte. Am folgenden Morgen erzählten meine Malaien, dass in der Tat
eine grosse Zusammenkunft von Long-Glat-Häuptlingen stattgefunden, an
der auch viele Bewohner aus der _amin_ _Bo Adjang Ledjüs_ teilgenommen
hätten. In Anbetracht, dass letztere, besonders die Frauen, mir alle
sehr gewogen waren, war ich sicher, in ihnen bei der Beratung gute
Advokaten gefunden zu haben, und obgleich die gefassten Beschlüsse
geheim blieben, waren _Bang Joks_ Freundlichkeit und Gesprächigkeit
am anderen Tage doch auffallend, auch brachten mir seine Frau und
sein kleiner Sohn abends Süssigkeiten. Wahrscheinlich infolge dieser
geheimen Zusammenkunft teilte _Kwing Irang_ mir mit, er habe seine
Reise flussabwärts aufgegeben.

Am 9. April kehrte der erwartete _Lawing_ von der Jagd zurück. Da
das Wasser zu fallen begann, so dass _Bo Ibau_ hinauffahren konnte,
um die Männer aufzurufen, drang ich bei _Bang Jok_ darauf, über die
Reiseangelegenheit nochmals gemeinschaftlich zu überlegen.

Er schien mit meinen europäischen Reisegefährten besser als mit mir
auskommen zu können, wenigstens schenkte er _Demmeni_ eines Morgens
ein schönes Pantherfell und abends zogen _Demmeni_ und _Bier_ in
seine _amin_, um das Grammophon ertönen zu lassen.

Die Versammlung sollte in der _amin_ des Häuptlings stattfinden,
aber diese war von der Spielgesellschaft so überfüllt, dass unsere
baufällige _awa_ nochmals vorgezogen werden musste.

Nachmittags erschienen die Kajan mit _Kwing Irang_, die Long-Glat von
Long Tepai mit _Bo Ibau_, eine Menge neugierige Waldproduktensucher
und endlich _Bang Jok_, wiederum in gelber Hose und Sammetjacke,
das Schwert zur Seite. Sein glattes Gesicht zeigte nur dann Ausdruck,
wenn er von mir nicht gesehen zu werden glaubte; einige Male fing ich
einen forschenden, nichts weniger als wohlwollenden Blick von ihm auf.

Man begann wieder mit Trivialitäten, bis _Bang Jok_ zögernden Tones
zu erzählen anfing, dass der Sultan von Kutei ihm bei seiner Abreise
von Tengaron aufgetragen habe, für meine Sicherheit zu sorgen,
dass die geplante Reise sehr gefährlich sei u.s.w. Diese geheuchelte
Besorgnis schnitt ich ihm mit der Bemerkung ab, dass ich mich selbst
zu beschützen wisse. Mit allerhand wahren und unwahren Erzählungen
fuhr er fort, die vorhandenen Schwierigkeiten breit auseinander zu
setzen, worauf ich ihm wenig erwidern konnte, da er und alle Bahau
bei ihrem ängstlichen Charakter und ihrer Auffassung der Dinge in der
.Tat auf einer derartigen Reise grosse Schwierigkeiten zu überwinden
hatten. Zuletzt gab _Bang Jok_ sich aber durch die Erklärung, er
sei noch zu jung, um einen so wichtigen Beschluss zu fassen, und
werde sich daher ganz dem Urteil von _Bo Ibau_ und _Kwing Irang_,
die soviel älter seien, fügen, eine Blösse, denn er wusste sehr
wohl, dass keiner dieser Häuptlinge eine Bestimmung treffen durfte
oder konnte, besonders weil die Reise auf dem Bob durch sein Gebiet
ging. So ergriff ich denn das Wort und machte ihm begreiflich, dass
man oberhalb der Wasserfälle ihn als den Höchsten von Geburt unter
den Long-Glat und als weit gereisten Mann für die zuständige Person
halte, um eine endgültige Entscheidung zu treffen, und dass man,
da die Reise sein Gebiet betreffe, von seiner Zustimmung abhängig
sei. Indem ich nochmals darauf aufmerksam machte, dass man ohne seine
Beteiligung oberhalb der Wasserfälle keinen Entschluss fassen könne,
obgleich das Verhältnis mit den Kenja für die ganze Mahakambevölkerung
von grösster Wichtigkeit wäre, bürdete ich ihm die ganze Verantwortung
für das Zustandekommen oder Fehlschlagen der Reise auf.

Trotzdem _Bang Jok_, besonders durch seinen Aufenthalt an dem für die
Bahau so verderblichen Hof von Tengaron, viele gute Eigenschaften
seiner Rasse eingebüsst hatte, war er doch im Herzen noch zu sehr
Bahau geblieben, um deren allgemeine Furcht "_haè_", beschämt,
zu werden, nicht mehr empfinden zu können. Um ihm begreiflich zu
machen, warum mir an dieser Reise so viel liege, nahm ich daher zu
diesem Gefühl meine Zuflucht und erklärte, dass ich den _hipui_,
den hohen Häuptlingen in Batavia, gegenüber in hohem Masse _haè_
sein würde, falls ich zurückkehrte, ohne meinen Auftrag erfüllt zu
haben. Die Anwesenden besassen für diese Argument augenscheinlich mehr
Verständnis als für die Vorstellung, dass ihre eigenen Interessen durch
diese Reise gefördert werden würden. _Bang Jok_, der sehr gut wusste,
dass die Long-Glat und Kajan nur auf seine Beteiligung warteten, um
mich zu den Kenja zu begleiten, wagte daher nicht, die Verantwortung,
die Reise vereitelt zu haben, auf sich zu nehmen; auch kam ihm die
Einsetzung einer niederländischen Verwaltung am Mahakam nicht mehr
ganz unwahrscheinlich vor. So versprach er denn endlich, sehr gegen
seinen Wunsch, ein Boot mitsenden zu wollen; dass er selbst an der
Reise nicht würde teilnehmen können, konnte für mich nur vorteilhaft
sein. Während dieser Unterhandlung hatte ich _Bo Ibau_ und _Kwing
Irang_, die sich beide dem unnatürlich gezierten _Bang_ durchaus nicht
gewachsen fühlten, nicht ins Gespräch gezogen und doch hatten sie,
besonders _Kwing_, wie auf glühenden Kohlen gesessen. Er zog sich mit
seinen Kajan, noch während ich mit _Bo Ibau_ die Massregeln besprach,
die er unter seinen Long-Glat treffen sollte, aus der unheimlichen
Nähe seines Nebenbuhlers _Bang Jok_ zurück und begab sich ins Haus der
Ma-Tuwan, wo man ihm einige Räume zur Verfügung gestellt hatte. Seit
langen Jahren war _Kwing_ jetzt zum ersten Mal darauf eingegangen, in
Long-Deho selbst zu übernachten; allerdings hatte er früher stets seine
Kampfhähne bei sich gehabt, die ihre guten Schutzgeister vielleicht
an die Hähne der Long-Glat hätten verlieren können.

Am Morgen vor der Versammlung hatte ich die Kajan und Long-Glat, die
_Demmeni_ und unser Gepäck von Long Tepai herunter gebracht hatten,
aus Mangel an Silbergeld mit Gold bezahlt. Anfangs verursachte das
Schwierigkeiten, aber einige Malaien zeigten sich schliesslich bereit,
für das Gold Waren zu liefern. Eine Betrügerei vermutend machte
ich die Kajan ausdrücklich darauf aufmerksam, dass jedes Goldstück 4
Reichstaler wert sei, unter den Malaien, die aus dem Gold Schmucksachen
herstellten, eigentlich noch mehr. Trotzdem erhielten die meisten an
Tabak, Kattun, Salz etc. für ein Zehnguldenstück nur 7-8 fl.

_Bo Ibau_ fuhr mit den Long-Glat und einigen Kajan noch am gleichen
Abend den Mahakam aufwärts, um ihre Landsleute bei den Vorbereitungen
für die grosse Reise zur Eile anzuspornen. Ich selbst erhöhte ihren
Eifer, indem ich den Häuptlingen nach Überlegung mit _Kwing_ erklärte,
mit meinem Geleite an den Boh vorausreisen, dort ein Lager aufschlagen
und auf den Nachschub warten zu wollen.

Noch ein anderer Umstand zwang die Häuptlinge, Long Deho bald zu
verlassen, nämlich das nahende Ende _Bo Adjang Ledjüs_. Es war mir
zwar gelungen, den alten Mann vom Fieber zu befreien, aber Schlaf und
Appetit wollten nicht zurückkehren, und besonders die letzten Tage
hatte der Kranke sich kaum von der Matratze erheben können. Mit der
Verschlimmerung seines Zustandes war auch das Interesse der Seinen
für ihn gestiegen und der Zulauf an Besuchern so gross geworden, dass
die Familie einen Einsturz des Hauses zu fürchten anfing. Zu dieser
Befürchtung war in der Tat aller Grund vorhanden, denn die Häuser
in Long Deho waren, wie schon gesagt, viel schlechter gebaut als die
oberhalb der Wasserfälle und Reparaturen wurden nicht vorgenommen. Die
Angehörigen des Kranken baten _Kwing Irang_, mit seinen Kajan aus
dem Walde hinter dem Dorfe einige Balken herbeizuschaffen, um sie
als Stütze unter den Fussboden zu stellen und schräg gegen die schon
vorhandenen zu befestigen.

In der Nacht des 13. April wurde ich plötzlich durch lautes Rufen
und Laufen in _Bo Adjangs_ _amin_ geweckt. Der Kranke war ohnmächtig
geworden, trotzdem seine Töchter und Frauen ihn seit Tagen ständig
anriefen und schüttelten, aus Angst, dass er in Schlaf verfallen
und nicht wieder erwachen möchte. Das Ende des alten Mannes wurde
durch eine derartige Behandlung natürlich nur beschleunigt. In
den letzten Tagen hatte ich immer wieder vergeblich auf Ruhe beim
Kranken gedrungen, nur wagte ich nicht, in Anbetracht, dass er
augenscheinlich doch sterben musste, allzu energisch aufzutreten,
da man mir sonst seinen Tod zugeschrieben hätte. Je mehr sich sein
Zustand verschlimmerte, desto mehr wurde der Unglückliche durch
Schreien und Schütteln am Schlafen verhindert. Helfen konnte ich nicht,
so zog ich mich denn, als die Familie die Absicht äusserte, im letzten
Augenblick nochmals die Hilfe einer Priesterin anzurufen, als Arzt
ganz zurück und besuchte den Kranken nur noch ab und zu aus Teilnahme.

Nachts kam _Bo Adjang_ wieder zu sich, aber am folgenden Mittag trat
eine neue Ohnmacht ein, worauf seine Angehörigen wieder stark auf die
Gonge zu schlagen (_buka_), zu rufen und zu laufen anfingen. Nachdem
das Bewusstsein des Kranken wiederum halb zurückgekehrt war, seine
Töchter und Frauen einen erneuten Anfall auf ihn gemacht und die
jungen Männer die Gonge wieder geschlagen hatten, tat _Bo Adjang_
abends seinen letzten Atemzug.

Obgleich ich den Wunsch geäussert hatte, den Handlungen, die mit
der Leiche vorgenommen werden sollten, beizuwohnen, merkte ich doch,
dass man auch in dieser mir sehr befreundeten Familie die Gegenwart
eines Weissen bei den Zeremonien nicht gerne sah, und so war ich denn
nur bei den über Tag stattfindenden Vorbereitungen zugegen.

Wie ich später hörte, hatte man, wahrscheinlich um die Leiche nicht
erst steif werden zu lassen, diese gleich nach dem Tode gewaschen und
schön gekleidet. Zum Waschen hatte man erst gewöhnliches, dann Wasser,
in dem duftende Blumen gelegen hatten, benützt. Auch die Long-Glat
stecken dem Toten Perlen in die Augen und Körperöffnungen.

Des Morgens früh fand ich die Leiche auf einer Matratze,
bedeckt mit einem Tuche, mitten in der _amin_ liegen, während die
Frauen und Töchter für den Verschiedenen schöne Kleidungsstücke
aus den Körben hervorholten, als passende Ausstattung fürs
Jenseits. Eigentümlicherweise wurden dem Toten auch für längst
verstorbene Angehörige Kleidungsstücke mitgegeben. So fügte _Ibau
Adjang_, der Sohn des Verstorbenen, ein Röckchen für sein rotes
Töchterchen bei. Zwei der ältesten Frauen überlegten mit einer alten
Priesterin, wie sie den Anforderungen der _adat_ am besten nachkommen
könnten.

Sämtliche Familienglieder trugen Trauer, d.h. alle hatten ihren Schmuck
abgelegt und sich in weissen oder hellbraunen Kattun gekleidet;
die Frauen hatten sich ausserdem die langen Haare bis auf Halshöhe
abgeschnitten. Die beiden jüngsten Frauen des Verstorbenen trugen
Röcke aus Baumbast.

Am Abend des ersten Tages wurde in einer grossen Zusammenkunft bei
_Bang Jok_ überlegt, wie man das Begräbnis mit Rücksicht auf den
hohen Wasserstand, der Long Deho von den ober- und unterhalb der
Wasserfälle wohnenden Angehörigen des Toten gänzlich abschnitt,
gestalten sollte. Dass die Hilfe der Verwandten nicht beansprucht
werden konnte, war insofern günstig, als man bei der herrschenden
Reisnot nur schwer so viele Menschen hätte beköstigen können. Nun
musste man sich mit den im Dorfe vorhandenen Arbeitskräften begnügen,
die allerdings ebenfalls von der Familie bewirtet werden mussten,
aber die _panjin_ halfen nach Vermögen mit.

Augenscheinlich hatte man auch Leute gefunden, die den _lungun_
(Sarg) herstellen sollten, denn am folgenden Morgen zogen in der
Frühe 40 Männer und Frauen auf ein Reisfeld, um einen grossen Baum
(_kaju aro_) zu fällen, der bereits lange zuvor zu diesem Zwecke
ausersehen worden war. Während die Männer das Holz bearbeiteten,
kochten die Frauen ihnen das Essen. Der Sarg wurde aus einem einzigen
Stück hergestellt, und aus einem zweiten desselben Baumes ein gut
schliessender Deckel verfertigt. An Ort und Stelle fand aber nur
die Roharbeit statt. Bevor der Baum gefällt wurde, hatte man eine
alte, geistesschwache Sklavin veranlasst, ihn 8 Mal im Tanzschritt
zu umkreisen. Diese Sklavin hielt sich im Trauerhause ständig in
der Nähe der Leiche auf und wurde von _Hong_, _Bo Adjangs_ Frau,
die nur zum Schein den Dienst bei ihm verrichtete, unterrichtet, wie
sie das Feuer anmachen, den Reis für den Toten kochen sollte etc. Die
Leiche musste nämlich, solange sie noch nicht eingesargt war, 3 Mal
täglich gespeist werden, d.h. es wurden Schüsseln mit Reis, Fisch und
Zuspeisen neben sie hingestellt. Die Sklavin umkreiste die Leiche auch
bei dieser Gelegenheit 8 Mal. Als Totenspeise darf das Fleisch des
Wildschweins nicht benützt werden. _Hong_ bot der Leiche jede Schüssel
gesondert an und liess sich von der Sklavin nur ab und zu pro forma
helfen. Wie man mir erzählte, verstand diese den Reis für _Bo Adjang_
gut zu kochen (_"haman enah kanen dahin_ _Bo Adjang_"). Auch sollte
sie alle Vorschriften der _adat_ ebenso gut kennen, wie ein alter
Sklave in Lulu Njiwung, den man des hohen Wasserstandes wegen nicht
hatte holen können. Man lässt gewöhnlich die Leichenzeremonien durch
Sklaven aus anderen Gebieten verrichten, weil Fremde nicht, wie nach
der _adat_ der Bahau aufgewachsene Personen, bei einer Berührung der
Leiche _takud parid_ werden. Später werden, bei Eintritt eines neuen
Todesfalls, stets wieder die gleichen Sklaven herbeigeholt.

Am ersten Tage hatte man aus weissem Kattun ein Klambu hergestellt
und es am anderen Morgen über die Leiche gehängt, wobei die Frauen
laut weinten und die Gonge, wie bei jeder vorgenommenen Handlung,
geschlagen wurden. Der gleiche Brauch herrscht bei den Kajan, Pnihing
und anderen Stämmen, nur wird bei diesen mit dem Reisstampfer auf den
Boden gestampft. Wahrscheinlich hat der Lärm den Zweck, die Geister
in Apu Kesio darauf aufmerksam zu machen, dass etwas Wichtiges vor
sich geht.

Der Sarg stand dank den vielen Hilfskräften noch am gleichen
Tage in roher Form fertig da, aber abends und nachts wurde eifrig
daran weiter gearbeitet. Morgens war die Arbeit denn auch so weit
vorgerückt, dass einige Männer den Sarg, der oben und an den Seiten
glatt gearbeitet war, mit schönen schwarzen Hundefiguren (_aso_) auf
weiss gekalktem Grunde verzieren konnten. Zu beiden Enden des Sarges
wurden Masken geschnitzt; für Häuptlinge höheren Ranges (_Bo Adjang_
hatte nur eine _panjin_ zur Mutter) wird der Sarg auch an den Seiten
mit Masken verziert. Abends war der Sarg fertig und nachts wurde
die Leiche hineingelegt, worauf man den Deckel mit Harz luftdicht
verschloss. So konnte mit dem Begräbnis gewartet werden, bis das
_lali parei_ vorüber war und der jüngste Sohn des Verstorbenen,
_Ledjü Adjang_, der bei seiner Frau _Bua Li_ am Merasè lebte, von
dort nach Long Deho abgeholt werden konnte.

Gewöhnlich werden zur Aufbewahrung der Särge in der Nähe der Wohnung
provisorische Leichenhäuser gebaut. Diesmal fehlte aber hierzu die
Zeit und so begnügte man sich damit, für _Bo Adjang Ledjü_ eine
Galerie an der Vorderseite seines Hauses zu errichten, nach der
Art der meisten Wohnungen der Long-Glat-Häuptlinge. Bereits nach 3
Tagen stand die Galerie fertig da, in welcher man den mit schönen
Tüchern bedeckten Sarg abstellte. Solange die Leiche hier verblieb,
schliefen auch die Frauen des Häuptlings nachts in dieser Galerie und
tagsüber fuhren sie in allen Dienstleistungen fort, wie zu Lebzeiten
des Toten. In dem Glauben, dass die Seelen des Verstorbenen sich noch
in nächster Nähe aufhielten, liess die Familie häufig junge Männer
zu _Bo Adjangs_ Unterhaltung Flöte oder _kledi_ spielen. Kamen in
dieser Zeit fremde Häuptlinge an der Niederlassung vorbei, so machten
sie dem Toten stets einen Besuch. Dabei wurden, wie beim Tode, wilde
Kriegstänze ausgeführt; man schlug mit den Schwertern in die Luft und
in die Hauswände und brach in schmerzliches Weinen aus, worin dann
alle Hausgenossen einstimmten. Die Verbotszeit begann hier erst nach
der endgültigen Beisetzung der Leiche in ihrem Prunkgrab (_salong_)
und fiel somit nicht mit der Trauerperiode zusammen, die sogleich
nach dem Tode eintrat.

Die beginnende Verbotszeit, in der niemand im Dorfe aus- noch
eingehen durfte, liess mir eine möglichst schnelle Abreise unserer
Expedition sehr notwendig erscheinen, überdies vertrieb uns auch
die grosse Nahrungsnot, die im Dorfe herrschte. Im Vergleich zu
Long Deho kam mir der unbewohnte Wald am Boh noch verlockend vor;
dort waren wir in bezug auf den Reis nicht schlimmer dran als hier,
und die Aussicht auf Fleischnahrung war da sogar viel grösser, weil
die Long-Glat aus Furcht vor Kopfjägern im Boh nicht zu fischen und
in den Wäldern nicht zu jagen wagten.

Unmittelbar nach der letzten Versammlung hatte ich bereits einige
meiner Malaien flussaufwärts gesandt, um am Boh einen vor Überfällen
sicheren Lagerplatz ausfindig zu machen. Die Männer hatten, etwas
oberhalb des Wasserfalls, der die Mündung des Boh versperrt,
eine Landzunge frei gehackt, welche an der einen Seite von einer
tiefen Bucht des Flusses, an der anderen von diesem selbst begrenzt
wurde. Nach dem dahinter liegenden Walde zu konnte man das Lager
durch ein Heckwerk schützen.

Zwei Tage nach der Heimkehr der Malaien gestattete der Wasserstand
bereits den ersten Gepäcktransport zum Lagerplatz; doch waren
diesem erfreulichen Fortschritt für mich sehr unangenehme Tage
vorangegangen. Meine Freude über die günstige Wendung der Dinge nach
Ablauf der Versammlung war nur sehr kurz gewesen, denn kaum hatte
mein javanisches und malaiisches Personal an die Verwirklichung
des Reiseplans zu glauben angefangen, als es sich gemeinschaftlich
weigerte, weiter mit mir zu ziehen, unter dem Vorwande, die Expedition
würde zu lange dauern und zu gefährlich sein. Ersteres war sicher
nicht wahr, weil _Kwing Irang_ zur Bedingung gestellt hatte, dass ich
mit ihm und seiner Gesellschaft nach zwei Monaten heimkehren müsste,
da er es zu gefährlich fand, mich bei den Kenja allein zurückzulassen.

Guter Rat war teuer, denn mein gut bewaffnetes und geübtes
einheimisches Geleite konnte ich nicht missen. Den folgenden Tag jedoch
sprach ich mit einem der Leute, _Abdul_, der auf der Reise stets
sein Bestes geleistet hatte, über die Weigerung seiner Kameraden,
und sogleich erklärte er sich bereit, mich bis zu meiner Rückkehr
zur Küste begleiten zu wollen.

Hiermit schien der Aufstand beschworen; binnen weniger Tage
entschlossen sich alle zum Mitgehen, falls ich nicht länger als
zwei Monate bei den Kenja bleiben wollte. Dieser gute Verlauf des
Konfliktes schien jedoch meinen beiden europäischen Gefährten nicht
sonderlich zu gefallen, wenigstens erklärten sie eines Morgens beim
Frühstück ihrerseits, dass, wenn auch meine Malaien und Javaner mit mir
gingen, sie von der Reise und den vielen stets aufs neue aufsteigenden
Schwierigkeiten genug hätten und mich deshalb nicht weiter begleiten
wollten. Glücklicherweise teilte _Kwing Irang_ meine Entrüstung über
eine derartige Handlungsweise, von der sich die Kunde natürlich wie
ein Lauffeuer in der Niederlassung verbreitete, und versicherte mir,
auch allein unter meiner Leitung nach Apu Kajan reisen zu wollen.

Da mir kein Mittel zu Gebot stand, die Europäer, welche das Leben
inmitten dieser Naturmenschen langweilte und beängstigte, zum Ausharren
während noch einiger Monate zu zwingen, versprach ich ihnen, sie,
sobald der Wasserstand es zulasse, zur Küste bringen zu lassen. Als
es jedoch hierzu kam, wollten sie wieder bei mir bleiben, womit ich
einverstanden war, weil ich die Gegenwart von mehr als einem Europäer
bei den Kenja für wünschenswert hielt.

Wegen allerlei Angelegenheiten, in denen die Bewohner von Long-Deho
meine Hilfe nötig zu haben glaubten, konnten wir vor der Hand noch
nicht alle gleichzeitig zum Boh auf brechen; überdies fand ich ein
ständiges Zusammensein mit _Demmeni_ und _Bier_ nach den höchst
unangenehmen Vorfällen der letzten Tage nicht geraten. Auch _Bier_
war es eine Erleichterung, als ich ihm vorschlug, während einiger
Tage das Gelände längs des Mobong aufzunehmen, um zu sehen, ob
dort nicht ein Weg von Long Deho zum Bunut angelegt werden könnte,
zwecks einer besseren Verbindung mit den südlicheren Gebieten und
einer Umgehung der Wasserfälle. Bereits am 25. April reiste _Bier_
mit zwei Führern und meinen eigenen Malaien ab, denen das Nichtstun
in Long Deho ebenfalls nicht gut bekommen war.

Wenige Tage darauf trafen von oben die ersten Kajan ein, um sich
meiner Expedition anzuschliessen. Wie es sich herausstellte, war
Bo _Adjang Ledjüs_ Tod oberhalb der Wasserfälle noch nicht bekannt,
und unter dem Eindruck dieser Nachricht erklärten die Kajan sogleich,
mit einem so schlechten Vorzeichen eine so gefährliche Reise unmöglich
antreten zu können. Von seinen Leuten gezwungen, behauptete auch _Kwing
Irang_, mit ihnen nach dem Blu-u zurück zu müssen, um dort aufs neue
günstige Vorzeichen zu suchen; vergeblich waren meine Vorstellungen,
lieber am Boh auf die gewünschten Zeichen zu warten, damit ich endlich
aufbrechen könne. Bald darauf begannen die Kajan ihren Reisvorrat
gegen hohen Preis in Long Deho zu verkaufen, um, sobald der fast
ununterbrochen hoch bleibende Wasserstand es gestattete, die Heimreise
anzutreten. Als das Wasser schliesslich doch nicht fiel, machten sie
sich in _Kwings_ Gesellschaft mit fast leeren Böten trotzdem auf den
Weg, mit dem Versprechen, möglichst bald dem Vogelflug nachgehen und
beim nächsten Neumond wieder zurückkommen zu wollen.

Kaum waren alle fort, als _Lalau_, ein aus Long Blu-u bei mir
zurückgebliebener Malaie, mir eine Botschaft von _Kwing Irang_,
überbrachte. Nach ihm hatten die Kajan nicht die Absicht, zu mir
zurückzukehren, falls ich ihnen nicht pro Mann und pro Tag. 2.50
fl und _Kwing_ das Doppelte als Reiselohn ausbezahlen wollte. Sehr
wahrscheinlich hatte ich diese hohe Forderung dem Chinesen _Mi Au Tong_
zu danken, der, von der Küste wegen Schulden ins Innere geflohen, sich
bei den Kajan auf hielt und in den letzten Wochen die Long-Glat um
eine grosse Summe zu prellen versucht hatte, indem er vorgab, von der
englischen Regierung mit der Einholung einer Busse für die Ermordung
von 5 serawakischen Dajak am Boh beauftragt worden zu sein. Durch
meinen den Long-Glat gemachten Vorschlag, diese Angelegenheit lieber
durch Vermittlung des Assistent-Residenten von Samarinda mit Serawak
zu behandeln, hatte ich seine bösen Absichten vereitelt, worauf er
mit _Kwing Irang_ wieder nach Long Blu-u gezogen war. Als Begründung
für ihre Forderung gaben die Kajan an, dass ich auch den Long-Glat
von Long Tepai, die mir an einem Tage über die Wasserfälle hinunter
geholfen hatten, einen Reichstaler als Lohn gegeben hätte. Dies war nur
aus Mangel an Gulden geschehen, doch glaubten die Kajan, der grossen
Gefahren wegen auf den höchsten Reiselohn Anspruch machen zu dürfen.

Neben den vielen bereits bestehenden Hindernissen wirkte diese
Nachricht sehr niederschlagend, und erst allmählich war ich imstande,
über einen Ausweg aus dieser Kalamität nachzudenken. Im Laufe des
Tages glaubte ich insoweit auf die Forderung eingehen zu können, als
ich zwar jedem Kajan für jeden Arbeitstag 2.50 fl und _Kwing Irang_
5 fl als Lohn zusagte, dann aber keine beliebige Anzahl, sondern nur
50 kräftige Kajan mitnehmen wollte, die für ihre Beköstigung selbst
zu sorgen hätten. Die Kajan selbst hatten mich wissen lassen, dass sie
ihren Taglohn nur auf der Hinreise bis zum Hause des Kenja-Fürsten _Bui
Djalong_ beanspruchten. Durch die Bestimmung, dass nur an Arbeitstagen
Lohn ausbezahlt werden sollte, kam ich einem zu langen Hinziehen der
Reise durch zu häufiges "_melo_" nach schlechten Zeichen zuvor, was für
den Nahrungsmittelverbrauch von grosser Bedeutung war. Es traf sich
günstig, dass in Long Deho noch am gleichen Tage ein Boot mit Kajan
erschien, die ursprünglich an der Reise zu den Kenja hatten teilnehmen
wollen, nachdem sie aber von _Kwing_ den Stand der Dinge vernommen,
ihren Reis zu dem herrschenden hohen Preise im Dorfe verkaufen wollten.

Am folgenden Tage bereits benützten sie das Sinken des Wassers
zur Rückfahrt, und ich liess _Lalau_ mit ihnen ziehen, um _Kwing_
meinen Vorschlag zu überbringen und ihn zu baldigem Aufbruch
anzuspornen. Stark wagte ich hierauf übrigens nicht zu hoffen, denn es
war sehr wahrscheinlich, dass die Heimkehrenden die Influenzaepidemie,
an der wir alle in Long Deho gelitten hatten, in das Gebiet oberhalb
der Wasserfälle einschleppen, und dass Krankheit und Tod dann ein
Hindernis für eine baldige Rückkehr bilden würden. Die Epidemie
verbreitete sich in der Tat schnell unter den Kajanstämmen, doch
fielen ihr diesmal nur alte Leute und kleine Kinder zum Opfer.

_Kwing Irang_ hatte mir zwar vor seiner Abreise dringend geraten,
mit meinen Leuten den Lagerplatz am Boh sogleich zu beziehen, um alle
Beteiligten vom endgültigen Aufbruch der Expedition zu überzeugen
und ihm dadurch seine Aufgabe zu erleichtern, doch war _Bier_
von seiner Reise nach dem Mobong noch nicht zurück, auch erhielt
ich von einigen Männern von unterhalb der östlichen Wasserfälle die
Nachricht, mein Diener _Midan_ sei von Tengaron aus auf der Rückfahrt,
sodass ich ihn erwarten musste. Am 8. Mai liess er mir seine Ankunft
unterhalb der Wasserfälle melden und um Beistand zum Passieren
derselben bitten. Zufällig war gerade eine Gesellschaft Taman-Dajak
vom Kapuas eingetroffen, die sich nach dem mittleren Mahakam hatte
begeben wollen, um dort mit alten Perlen Handel zu treiben. Durch
einen Hinweis auf die dort herrschenden, für Fremde sehr gefährlichen
Zustände hatte ich die Leute in Long Deho zurückgehalten. So traf
es sich, dass ich die Taman etwas verdienen und _Midan_ schnell
Hilfe bringen lassen konnte, denn bei mässigem Wasserstande und
sinkendem Wasser wagten es die Männer, mit ihren halb leeren Böten
die Fälle zu überschreiten. Bereits am 15. Mai brachten sie _Midan_
und seine Begleiter wohlbehalten nach oben. Unter vielen Zeitungen
und Briefen waren die des Assistent-Residenten von Samarinda für
mich die wichtigsten; sie teilten mir den definitiven Beschluss der
Bataviaschen Regierung mit, _Barth_ als Kontrolleur am mittleren
Mahakam einzusetzen. Diese Nachricht musste auf die Bahau oberhalb
der Wasserfälle grossen Eindruck machen; bereits am gleichen Tage
setzte ich auch _Bang Jok_ davon in Kenntnis.

Ferner brachte _Midan_ das von mir verlangte Geld mit. Der
Sicherheit wegen hatte man ihm in Samarinda drei bewaffnete
Schutzleute als Geleite mitgegeben, die als die ersten, welche
so tief in die Binnenlande vorgedrungen waren, in ihren Uniformen
den Waldproduktensuchern und anderen Fremden in unserer Umgebung
einen heilsamen Respekt einflössten. Wegen der äusserst unsicheren
Zustände zwischen Udju Tepu und den Wasserfällen war dieses Geleite
sehr notwendig gewesen, und ich war froh, dass mein Gesandter ohne
Unfall davongekommen war. Seine Berichte über ein Komplott der
Buginesen gegen die übrigen Fremden dieses Gebiets bewogen einige
bandjaresische Kaufleute in unserer Niederlassung zu einer eiligen
Rückkehr nach Udju Tepu, so dass ich die 3 Schutzleute schon nach
zwei Tagen mit ihnen zurücksenden konnte.

_Midans_ Berichte klangen in der Tat sehr beunruhigend. Um den Mord
der Barito-Waldproduktensucher im oberen Medang an _Taman Dau_ und den
Seinen zu rächen, hatten einige Ot-Danum einem Mann und einer Frau in
Laham die Köpfe abgeschlagen. Gleich darauf war ein buginesischer, an
der Mündung des Merah wohnender Kaufmann nachts von Unbekannten getötet
und seine Frau schwer verwundet worden, was seinen Stammesgenossen
zum Vorwand diente, ihre Feinde, die Bandjaresen und die zu ihnen
haltenden Ot-Danum, des Mordes zu beschuldigen und sich mit den
buginesischen Waldproduktensuchern am Belajan zu verbinden. Seitdem
hatten sie sich in Long Howong zusammengetan und einen Einfall in
das Rata-Gebiet gemacht, wo sie zwei Bandjaresen und einen Ot-Danum
erschossen hatten. Infolgedessen waren alle Baritobewohner, denen es
möglich war, in ihr Gebiet zurückgekehrt; eine Gesellschaft derselben
hatte dabei am oberen Rata einen buginesischen Händler, dem sie
begegnete, ermordet und sein Hab und Gut mitgenommen. Auf Blutrache
in grossem Massstab sinnend waren die Buginesen augenblicklich noch
in Long Howong versammelt.

Einige Tage vor _Midan_ war auch _Bier_ von seiner Expedition
zurückgekehrt und zwar mit sehr guten Resultaten auf topographischem
Gebiet, aber mit weniger guten Aussichten auf die Anlage eines
Weges, da sich das Quellgebiet des Mobong als sehr wild und gebirgig
erwiesen hatte.

Unserem Aufbruch zum Boh stand nun nichts Ernsthaftes mehr im
Wege. Mein sehr umfangreiches Gepäck schied ich in drei Teile:
den einen, meine Sammlungen, die ich später selbst nach Samarinda
mitnehmen wollte, liess ich in Long Deho bei _Ibau Adjang_ zurück; der
zweite Teil, 12 für die Reise und den Aufenthalt in Apu Kajan bestimmte
Kisten mit Nahrungsmitteln, blieben vorläufig ebenfalls liegen, um sie
später, bei _Kwing Irangs_ Ankunft, abholen zu lassen. Vom übrigen
Gepäck sandte ich am 17. Mai unter _Biers_ Aufsicht einen grossen
Teil zum Lagerplatz und nahm das letzte 2 Tage darauf selbst mit,
als unsere Männer _Demmeni_ und mich abholten.



KAPITEL XI.

    Dreimonatlicher Aufenthalt im Lagerplatz am Boh--_Bier_
    verlässt die Expedition--Anlage einer Fischsammlung--Günstige
    Nachrichten aus Long Blu-u--Offizieller Bericht von der
    Einsetzung eines Kontrolleurs am Mahakam--7 Kenja unter _Taman
    Ulow_ schliessen sich der Expedition an--Jagdverhältnisse am
    Mahakam: Kastrierung der Hunde, Jagdmethoden, Fallenstellen,
    Beschwörung der Hunde, Vogeljagd--_Kwing Irangs_ Ankunft am
    Boh--Reiseberatung--Schwierigkeiten durch den Tod von _Kwing
    Irangs_ Schwester--Vorbereitungen zur Abreise--Aufbruch der
    Kenjagesandtschaft unter _Taman Ulow_.


Gleich nach unserer Ankunft im Lagerplatz am Boh traf ich Massregeln,
erstens um uns so gut als möglich gegen Überfälle zu schützen,
zweitens um unseren wahrscheinlich Monate dauernden Aufenthalt durch
nützliche Arbeit ausfüllen zu können. Ersterem Zwecke entsprachen
wir dadurch, dass wir unsere Landzunge hinten, nach der Waldseite,
mit einer festen Hecke umgaben. Zur Vermeidung von Müssiggang und im
Interesse einer topographischen Aufnahme des Boh beschloss ich, mit
_Bier_ und einer Anzahl unserer Malaien den Fluss so weit als möglich
hinaufzufahren, eventuell einen hohen Berg zu besteigen und so dieses
noch gänzlich unbekannte Stromgebiet aufzunehmen. Alle Massregeln zu
einem Aufbruch am folgenden Tage waren bereits getroffen, als _Bier_
mit der Erklärung zu mir kam, den Boh nicht weiter mit mir hinauffahren
zu wollen, unter Vorgebung von allerhand Gründen, von denen einer
unsinniger war als der andere. Der wichtigste war wohl seine Furcht,
von mir direkt bis zu den Kenja mitgenommen zu werden, woraus ich
ersah, dass nicht so sehr die Abneigung gegen das Leben unter den
Eingeborenen meine Europäer so widerspenstig machte, als vielmehr die
Angst vor ihrer Umgebung, die sich bei _Bier_ am stärksten äusserte,
weil er nach zwei Jahren noch immer nicht die Landessprache verstand
und den Charakter der Dajak so wenig begriff, dass er allen Greueln,
die man ihm von den Kenja berichtete, Glauben schenkte. Jedenfalls
wurde es mir klar, dass die Anwesenheit eines von Furcht gequälten
Europäers bei den grossen Schwierigkeiten, welche stets wieder
auftauchten, durchaus unerwünscht war und deshalb er und _Demmeni_,
der nun ebenfalls fort wollte, so schnell als möglich zurückgeschickt
werden mussten. Wegen des günstigen Wasserstandes liess ich sogleich
ein Boot rüsten und bestimmte die Bemannung, so dass _Bier_ bereits
am folgenden Tage den Fluss abwärts und dann weiter nach Batavia
reisen konnte. _Demmeni_ hatte sich im letzten Augenblick wieder
bedacht und zum Bleiben entschlossen. Ich benützte die Gelegenheit, um
Briefe und anderes zur Küste zu senden, auch gab ich den Bootsleuten
Geld mit, um unterhalb der Wasserfälle so viel Reis einzukaufen,
als zu haben war, da wir unseren Vorrat für den Zug nach Apu Kajan
ständig so gross erhalten mussten, dass wir nach Ankunft der Bahau
jeden Augenblick weiterreisen konnten. Daher sandte ich auch während
unseres dreimonatlichen Aufenthaltes in diesem Waldlager immer wieder
ein Boot aus, das abwechselnd ober- und unterhalb der Wasserfälle
Reis und andere Nahrungsmittel für uns einkaufen musste.

Meine Malaien schienen sich, nachdem die ersten Nächte ohne Überfälle
verflossen waren, in dieser Waldeseinsamkeit bald heimisch zu fühlen
und wurden, getrieben durch Mageninteressen, bald erfinderisch im
Ausdenken von allerhand listigen Methoden des Fischfangs. Auch meine
zwei- und vierfüssigen Jäger liessen sich dazu verleiten, in diese
beinahe unberührten Wälder tiefer einzudringen, als wünschenswert
war. _Abdul_ und _Delahit_ verirrten sich sogar einmal und liessen uns
eine Nacht in grosser Angst verbringen, als sie weder zurückkehrten
noch auf unsere Gewehrschüsse antworteten. Den folgenden Morgen
früh stellten sie sich wieder bei uns ein und behaupteten, es sei
zur Rückkehr zu dunkel geworden und auf unsere Schüsse hätten sie
nicht zu antworten gewagt, aus Furcht, ihre Anwesenheit etwaigen in
der Nähe befindlichen Kopfjägern zu verraten. Mein Hund liess sich
ebenfalls durch einen Hirsch oder ein anderes Wild zu tief in den
Wald locken und kehrte während 24 Stunden nicht wieder zurück. Nachdem
die Malaien länger als einen halben Tag nach dem Hund gesucht hatten,
brachten sie ihn endlich ins Lager zurück. Jenseits einer Hügelreihe,
die sich hinter unserem Lager befand, hatten sie das kläglich heulende
Tier in einem tiefen Tal sitzen gefunden. Seitdem wurden Menschen
und Tiere vorsichtiger, auch lernten sie ihre Umgebung besser kennen.

Die Fischerei der Malaien lieferte bald sehr gute Resultate, was mich
auf den Gedanken brachte, diesen gezwungenen Aufenthalt zur Anlage
einer Fischsammlung zu benützen, für die sich wahrscheinlich nicht so
bald wieder so günstige Gelegenheit finden würde. Ich liess daher auf
die verschiedenste Weise fischen, hauptsächlich auch, um kleine Fische
zu erhalten, die zum Essen nicht geeignet waren; es lag mir nämlich
daran, nicht nur leicht konservierbare Exemplare, sondern auch die
kleinen, von den Eingeborenen verschmähten und ihnen daher unbekannten
Arten zu fangen. In dem zwar breiten, aber sehr schnellfliessenden
Flusse war das Angeln schwierig; unsere Wurfnetze wiederum waren
mehr für den Fang grosser Fische geeignet und ein kleines Netz, das
ich aus Strickbaumwolle weben liess, die ich in Long Deho gekauft
hatte, erwies sich für den Gebrauch auf dem steinigen, mit Ästen und
Baumstämmen bedeckten Flussgrund als zu schwach. Dagegen verstanden
die Malaien das fortwährende Steigen und Fallen des Boh, der ein
ausgedehntes Quellgebiet besitzt und einen innerhalb weniger Stunden
um einige Meter Höhe wechselnden Wasserstand aufweist, ausgezeichnet
zu benützen. Die Fische konnten augenscheinlich der sehr heftigen
Strömung nicht widerstehen und flohen in kleine Nebenflüsse oder
geschützte Uferbuchten. Meine Leute holten aus dem Walde Bambus,
spalteten ihn in dünne Streifen und stellten aus diesen ein Gitter her,
das sie mit einem Rotanggeflecht mit schmalen Zwischenräumen (_klabit_)
versahen. Mit dem Gitter schlossen sie die Mündung der Nebenflüsse
bei Hochwasser derart ab, dass bei fallendem Wasser kein Fisch durch
dieses hindurchschlüpfen konnte. Der aus sehr verschiedenen Fischarten
bestehende Fang konnte oft bereits am folgenden Tage eingeholt werden;
am beliebtesten, d.h. schmackhaftesten waren die grossen, forellen-
und salmartigen Fische. Bisweilen war der Fang so gross, dass ein Teil
durch Räuchern für die folgenden Tage konserviert werden musste. Auch
die verschiedenen Reusenarten lieferten regelmässig einige Fische,
wurden aber auf die Dauer durch das schnellfliessende Wasser von
ihrer Befestigung losgerissen. Hübsche kleine Fische fing ich auch
mehrmals mit dem Schöpfnetz in Lachen, die nach Hochwasser hinter
Schuttbänken zurückgeblieben waren. Am meisten lieferten jedoch
die Wurfnetze, mit denen die Männer täglich bei jedem Wasserstande
fischten, was für sie einen sehr angenehmen Zeitvertreib bildete. Da
sie im Walde weder bestimmte Sorten von Baumbast noch Pflanzen fanden,
welche als Fischgift (_tuba_)dienen konnten, liess ich einmal bei
den Bewohnern von Long Deho _tuba_-Wurzeln aufkaufen, vor allem, um
noch mehr kleine Fischarten zu erlangen. Infolge eines plötzlichen
Regens schwoll das Flüsschen jedoch so stark an, dass nur wenige
neue Fischarten gefangen wurden. Später jedoch fanden die Malaien im
Walde eine Fruchtart, mit der sie das Wasser eines anderen Flüsschens
vergifteten, wodurch sie viele kleine Fische, darunter mehrere neue
Arten, erbeuteten. Als meine Leute nun zum ersten Mal in ihrem Leben
die grosse Anzahl verschiedener Fischarten sahen, welche so ein Fluss
beherbergt, machte ihnen die Sammlung allmählich selbst Freude und
sie gingen öfters fischen, auch wenn sie für ihre Mahlzeiten keiner
Fische mehr bedurften. Anfangs nahm die Sammlung sehr schnell zu,
später vergingen oft Tage, bevor eine neue Art gefangen wurde, auch
erhielt ich von einigen nur ein oder zwei Exemplare. Der grosse
Reichtum meiner Sammlung musste denn auch unserem langdauernden
Aufenthalt zugeschrieben werden und dem Umstand, dass seit vielen
Jahren im Boh nicht mehr gefischt worden war, hauptsächlich, dass
keine Tubafischereien stattgefunden hatten. Zum Schluss hatte ich 52
Arten beieinander, viele in zahlreichen Exemplaren. Da ich die Fische
noch lebend in die Konservierungsflüssigkeit (1 Teil Formol auf 5
Teile Wasser) setzte und alle, ausgenommen die allerkleinsten, zum
leichteren Eindringen der Flüssigkeit mit einem Bauchschnitt versah,
kam die Sammlung selbst nach einem Jahr noch in aussergewöhnlich
gutem Zustande im zoologischen Museum von Leiden an.

Die richtigen inländischen Namen der Fische und die Grösse, welche die
einzelnen Arten erreichten, brachte ich nur sehr mühsam aus meinen
Leuten heraus. Diese sogenannten Malaien gehörten zu einer aus den
verschiedensten Gegenden Borneos zusammengewürfelten Menschenrasse;
beim Suchen von Waldprodukten waren sie in diese entlegenen Gebiete
geraten. Den meisten strömte, wenn auch in verschiedenem Grade,
dajakisches Blut in den Adern. So stammten einige vom Kapuas der
Wester-Afdeeling und vom Melawi, zwei vom unteren Mahakam, einige
andere waren von einer Kajanmutter am Blu-u geboren u.s.f. Obgleich
sie alle ihr Leben lang gefischt hatten, waren sie doch nur über die
Namen der häufigsten Fischarten einig; die kleinsten kannten viele
nicht und anderen gaben sie Namen, die ähnlichen Fischen aus anderen
Flussgebieten zukamen. Wenn die Leute ihre Angaben daher auch nach
bester Überzeugung machten, mussten diese doch mit Vorsicht aufgenommen
werden; auch musste ich mich häufig mit Namen der verschiedensten
Dialekte begnügen. Soweit ich der Sache nachgehen konnte, fingen wir
auch eine Art von braunem _keto_, der nur im Boh vorkommt, wenigstens
hatte ihn keiner der Männer je gesehen; später erklärten auch die
Kajan, dieser Fisch sei tatsächlich dem Boh eigen.

In unseren Gesprächen über Fischerei erzählten die Malaien vom
Mahakam, dass am Unterlauf dieses Flusses und in den zu beiden Seiten
von ihm gelegenen Seen (_kenohan_), an denen ein ausgebreiteter
Fischfang getrieben wird, viele Arten vorkommen, die wir im Boh nicht
fingen, anderseits waren hier verbreitete Arten dort unten nicht
zu finden. Viel Merkwürdiges hörte ich auch über die grossen Mengen
von Fischen, welche in der Trockenzeit bei niedrigem Wasserstande in
diesen Seen gefangen und dann geräuchert und getrocknet werden. Es
kommen dort viele Rochen (_ikan pari_) vor mit über 1 m Breite und
grosse Sägefische (_ikan prangan_), von denen ich in Uma Mehak jedoch
nur kleine Exemplare hatte kaufen können; auch Delphine werden dort
erbeutet. Die Sägefische sollten über 2 m lang werden und schmutzig
gelb von Farbe sein, die Rochen bis 1.75 m Durchmesser erreichen,
schwarz von oben, weiss von unten sein und helle Flossen besitzen. Von
den Rochen isst man nur die salzig schmeckenden Flossen, von beiden
verwertet man die Leber, aus der man ein bei den Mahlzeiten gebrauchtes
Öl presst. Beide Tiere sollen wegen der grossen Wärme des Wassers
hauptsächlich in den Seen vorkommen, die kleinen Sägefische werden
jedoch noch bis unterhalb der Wasserfälle, 75 m über dem Meeresspiegel,
gefangen. In Kutei wird behauptet, dass diese beiden Fischarten aus
dem Meere den Fluss hinaufschwimmen; als Begründung wird jedoch nur
der salzige Geschmack ihrer Flossen angeführt.

Die Delphine (_ikan mpush_) werden bis 1.5 m lang und sind
dunkelblaugrün gefärbt; sie kommen in grossen Mengen bis zum Fuss
der Wasserfälle im Mahakam vor und man sieht ihre Wasserstrahlen
und glänzenden Rücken täglich über der Wasserfläche erscheinen. Sie
werden von den Malaien nicht gegessen, weil diese die Delphine für
Menschen halten. Der Erzählung nach wohnte in Muara Pahu einst ein
Mann, der seinen Hunger nicht schnell genug stillen konnte und daher
den kupfernen Reistopf mit hinunterschluckte. Darauf fühlte er aber
so heftige Beängstigungen, dass er ins Freie lief und am Flussufer
den Stamm eines Steinpisang oder _pisang mangala_ umfasste. Beim
Anklammern gab der Stamm jedoch nach und stürzte mit dem Manne ins
Wasser, der darauf in einen Delphin verwandelt wurde.

Am 3. Juni erst kehrten die Malaien unter _Delahit_ zurück und da
noch keine Berichte von den Kajan eingetroffen waren, benutzte ich
den günstigen Wasserstand, um mit _Delahit_ ein Boot auf Kundschaft
nach Long Blu-u zu senden. Neun Tage später kehrten meine Gesandten
in Begleitung von _Lalau_ mit ermutigenden Nachrichten zurück. Im
Kajanstamm herrschten zwar immer noch grosse Vorurteile gegen die
Reise, aber _Kwing Irang_ drang ständig auf deren Durchführung, und
auch die Pnihing unter _Belarè_ und die Long-Glat unter _Bo Lea_
bereiteten sich zum Mitgehen vor. Ein grosses Hindernis bildete
für die Kajan das Neujahrsfest, das im folgenden Monat zum ersten
Mal im neuen Hause gefeiert werden musste, bei welcher Gelegenheit
auch das _lali uma_ für die ganze Niederlassung aufgehoben werden
sollte. Auf _Kwings_ Betreiben hatten sie aber beschlossen, die
Feier einen Monat früher stattfinden zu lassen und dann sogleich zum
Boh aufzubrechen. Auf die Beschränkung, welche ich inbezug auf den
von ihnen geforderten sehr hohen Taglohn getroffen hatte, waren sie
bereitwillig eingegangen. _Lalau_ war es auch gelungen, elfte seltene
Perlenmütze zu erstehen, die mir ihres eigenartigen Modells wegen für
meine ethnographische Sammlung wertvoll erschienen war. Mit vielem
andern Schmuck hatte ich auch die Mütze gelegentlich eines grossen
Festes bewundert, doch hatte sogar eine einjährige Unterhandlung
noch zu keinem Kauf geführt. In Long Deho hatte ich _Lalau_ noch
einige sehr kostbare Tauschartikel mitgegeben, um zu versuchen, ob
der Besitzer der Mütze jetzt, wo sich die letzte Gelegenheit bot,
sich leichter zum Verkauf überreden liess. Für alle mitgenommenen
Gegenstände brachte mir _Lalau_ nun wirklich die Mütze, die man,
wie er sagte, zum Schluss nur abgetreten hatte, um mir eine Freude
zu machen (Siehe Taf. 74 b).

Die Malaien, welche ich die letzten Kisten aus Long Deho abholen
liess, brachten nun auch ein nach Samarinda gesandtes Telegramm der
Bataviaschen Regierung, das mir _Barths_ bevorstehende Ernennung zum
Kontrolleur meldete. Das Telegramm war zwar schon 2 Monate alt, doch
erfüllte mich diese verspätete Belohnung meiner Arbeit und Ausdauer
nicht mit minderer Genugtuung. Mit den Malaien gleichzeitig kamen
auch die 7 Kenja Uma-Djalan unter _Taman Ulow_, die sich bis dahin
in Long Tepai aufgehalten hatten, den Fluss abwärts gefahren und
schlossen sich vorläufig unserer Gesellschaft an.

Teils um die Nachricht von der erfolgten Einsetzung eines Kontrolleurs
als feststehende Tatsache so schnell als möglich am Ober-Mahakam zu
verbreiten, teils um mich vom Tun und Lassen der Kajan wieder zu
unterrichten, sandte ich _Delahit_ am 17. Juni aufs neue nach dem
Blu-u. Zum Einkaufe einer möglichst grossen Reismenge versah ich ihn
überdies mit Geld; denn die 8 Kenja vermehrten die an unsere Vorräte
gestellten Ansprüche auf unwillkommene Weise. Die Männer hatten bis
jetzt vergeblich nach ihren beiden Landsleuten am mittleren Mahakam
geforscht; wie ich gehofft, waren sie durch die gute Auskunft, die sie
über unser Leben unter den Long-Glat erhalten hatten, uns gegenüber
viel zutraulicher geworden, so dass sie ihre Hütte ruhig hinter
_Midans_ Küche aufzuschlagen wagten. Doch berührte sie unser Kreis
von Europäern und Malaien noch sehr fremd, und besonders in den ersten
Tagen nahm ihr Interesse an allem, was sie sahen, kein Ende. Um, wenn
möglich, etwas über den Verbleib der Ihren in Erfahrung zu bringen,
liess ich bald _Taman Ulow_ mit einigen meiner Malaien nach Long Deho
fahren, von wo sie mit der erfreulichen Nachricht zurückkehrten, die
beiden Vermissten hätten sich mit einer dritten Person, zum Schutz
vor nächtlichen Überfällen, in einem Baum unterhalb des Kiham Udang
eine Hütte gebaut und verdienten sich dort mit Rotangsuchen ihren
Lebensunterhalt. Bereits am folgenden Tage begaben sich die sieben
Kenja mit _Lalau_ auf die Suche nach ihren Landsleuten. Die Erzählung
von der Hütte im Baum hatte mich anfangs misstrauisch gemacht, weil ich
noch nie in Mittel-Borneo etwas Ähnliches gesehen oder gehört hatte,
aber 3 Tage später stellte sich die Gesellschaft wieder ein, vermehrt
um drei Personen, zwei Kenja und einen berüchtigten Long-Glat aus
Long Deho, der dort so gut wie ausgestossen worden war. Sie hatten
wegen der gefährlichen Zustände unterhalb der Wasserfälle und wegen
ihrer grossen Schulden beim malaiischen Händler _Raup_ in Long Bagung
im Walde eine Zuflucht gesucht und sich nicht besser zu schützen
gewusst, als indem sie sich hoch über dem Erdboden in einem Baum eine
Hütte bauten, in der sie bereits sehr lange hausten und viel Rotang
gesammelt hatten. Mit Hilfe ihrer Landsleute hatten sie den Vorrat
nach Long Deho hinaufgeschafft und dort vorläufig zurückgelassen,
weil man ihnen nur einen sehr geringen Preis für denselben geboten
hatte. Die beiden Vermissten waren denn auch anfangs von einer
Rückkehr mit ihren Landsleuten nach Apu Kajan nicht sehr erbaut,
was diese, die eine monatelange Reise für die beiden nicht gescheut
hatten, höchst unangenehm berührte. Da mir bereits die 7 Kenja unter
_Taman Ulow_ zu verstehen gegeben hatten, wie leid es ihnen täte, zu
ihren Familien mit leeren Händen zurückkehren zu müssen, begriff ich,
dass es für die beiden anderen, die so viel länger fortgewesen waren,
noch viel peinlicher sein musste, nach solch einem Misserfolg die
Heimreise anzutreten. Mir selbst bot dieser Umstand eine passende
und lang gesuchte Gelegenheit, um die Kenja uns zu verbinden, damit
diese uns als Führer nach ihrem Lande dienten und uns dort bei ihren
ängstlichen Landsleuten einführten. Ich schlug also _Taman Ulow_
und den Seinen vor, dass sie bis zu unserem Aufbruch mit _Kwing
Irang_ bei mir bleiben sollten, dass ich sie alle ernähren und
reichlich mit verschiedenen Dingen, die sie dann als Ertrag ihrer
Reise ihren Angehörigen vorzeigen konnten, versehen und dass ich
gegen ähnliche Artikel auch den Rotang _Usats_ und seines Kameraden,
die ich beide an dem für sie sehr gefährlichen Mahakam nur ungern
zurückliess, kaufen wollte. Da die Kenja von meinen ehrlichen
Absichten überzeugt waren, nahmen sie nach einigen Unterhandlungen
über den Betrag meinen Vorschlag an. _Lalau_ und einigen anderen,
die ich tags darauf nach Long Deho sandte, gelang es leicht, dort
den Rotang für mich zu verkaufen, weil dies nun auf Schuld geschehen
konnte. _Ibau Adjang_ hatte sogleich einen annehmbaren Preis geboten,
den er bei späterer Gelegenheit bezahlen wollte; auf diese Weise
erwies ich ihm gleichzeitig eine Gefälligkeit, indem ich ihn in den
Geldschwierigkeiten unterstützte, in welche seine Familie infolge
des Begräbnisses seines Vaters geraten war.

Die Kenja erwiesen sich als weit weniger ängstliche Reisegenossen
als die Bahau und fühlten sich in unserem Lager augenscheinlich sehr
wohl. In ihren Mitteilungen über die Eigentümlichkeiten ihres Landes
und Volkes waren sie durchaus nicht zurückhaltend, was für mich sehr
angenehm und nützlich war und auf meine Malaien sehr beruhigend wirkte.

Inzwischen kehrte _Delahit_ noch immer nicht vom Blu-u zurück und
erhielten wir von dort nur indirekte, sehr unzuverlässige Nachrichten
aus Long Deho.

Obgleich das ständige Warten mit unsicheren Zukunftsplänen auf
unsere Unternehmungslust sehr lähmend wirkte, liess ich in dieser
Zeit, wo so viele Menschen müssig im Lager versammelt waren, doch
mit Ernst die Jagd betreiben. _Doris_ fand zwar den hohen Urwald
um uns herum für eine Jagd auf Vögel sehr ungeeignet, weil diese
in Gestrüpp und auf freien Flächen viel zahlreicher erscheinen als
in den mächtigen Gipfeln der Waldriesen, wo man sie nicht sehen,
jedenfalls nicht schiessen kann. Die Aussicht auf einen Fang neuer
Arten war hier auch nicht gross, denn _Doris_ hatte bereits in Long
Deho viel gejagt. Er erwies sich übrigens als Jäger auf Grobwild und
kleinere Vierfüssler viel ungewandter und selbst das Fallenstellen
überliess er am liebsten anderen. Hierin hatte es dagegen _Abdul_
während unserer Reise, wie früher schon erwähnt, zur Meisterschaft
gebracht; er zeigte sich übrigens auch auf vielen anderen Gebieten
sehr gelehrig. _Demmeni_ ging er in allen Dingen sehr geschickt zur
Hand. Seine Talente im Beschleichen von Hirschen und wilden Rindern
(_lembu_) erregten das Staunen aller Kajan. Vielleicht bewunderten
sie ihn deswegen so sehr, weil sie selbst kein Hornvieh essen und
die Gewohnheiten der Tiere, auf die sie nicht Jagd machen, sehr
wenig kennen. Von ihrer Unkenntnis in dieser Hinsicht hatte ich mich
bereits auf meiner vorigen Reise überzeugt, als ich nicht einmal
feststellen konnte, ob das wilde Rind (Bos sundaicus), das im ganzen
Mahakamgebiet im jungen Wald und Gestrüpp getroffen wird, in nur einer
oder zwei Arten vorkam. Die meisten Bahau gaben zwei Arten in ihrer
Gegend an, eine grosse, dunkelbraune und eine kleinere, hellrote;
in Wirklichkeit sind es die Stiere, die dunkelbraun, und die Kühe und
Kälber, die hellrot gefärbt sind. In unserer Nähe am Boh merkten wir
nichts von dem _lembu_, weil die Herden den dichten Wald vermeiden
und nur alte Männchen sich bisweilen in ihm verirren. Auch fanden
wir in der Umgegend keine Salzquellen, die am Ober-Mahakam so viel
Hornwild anlocken und daher gute Gelegenheit zum Fallenstellen bieten.

Eine sehr beliebte und praktische Methode Wildschweine zu jagen konnten
wir aus Mangel an Hunden nicht anwenden. Die Bahau jagen die Tiere
nämlich vorzugsweise mit einer Hundemeute, welche das Wild im Walde
verfolgt und zum Stehen bringt, worauf die Jäger es mit dem Speere
töten oder mit vergifteten Pfeilen schiessen. Mit einem schmalen
Lendentuch bekleidet, ohne Kopfbedeckung, mit Schwert und Speer
bewaffnet, ziehen die Jäger in den Wald, gefolgt von ihren Hunden, die,
im Hause träge und ängstlich, im Busch ein ausgezeichnetes Spürtalent
entwickeln und daher im Dickicht, in dem auch ein Eingeborener
nur mit Mühe geräuschlos gehen kann, beim Aufspüren des Wildes von
grösstem Nutzen sind. Ihr niedriger Entwicklungsstandpunkt verhindert
die Bahau jedoch daran, aus dem Überfluss an Wild in ihren Wäldern
einen entsprechenden Vorteil zu ziehen. Aus Unwissenheit züchten
und unterhalten sie ihre Hunde sehr schlecht, indem sie die besten
Exemplare in der Jugend kastrieren, um sie zahmer und folgsamer zu
machen, und ihnen auch nur selten geregelt Futter geben; meist müssen
sie von Abfällen leben. Das Kastrieren geschieht so, dass man das Tier
durch eine Öffnung im Fussboden mit dem Kopf nach unten hängen lässt,
während die Hinterbeine über der Öffnung festgehalten werden. Ein Mann
schneidet dann mit einem Bambusmesser in das Skrotum eine Öffnung,
drückt die Testikel nach einander aus und schneidet sie vom Funiculus
ab. Darauf wird die Höhle mit Kapok ausgefüllt und der Hund laufen
gelassen. Hierdurch nehmen die besten Tiere an der Fortpflanzung
der Rasse nicht Teil, was die Kajan am Blu-u z.B. nicht einsehen
wollten. Die Punan und anderen Jägerstämme scheinen in dieser Beziehung
aufgeklärter zu sein, auch versorgen sie ihre Hunde weit besser, so
dass Jagdliebhaber wie der Pnihing-Häuptling _Belarè_ ihre Tiere bei
ihnen kaufen. Auf der Schweinsjagd erweisen sich diese übrigens nur als
Spürhunde von Nutzen, denn sie wagen keine grossen Schweine, sondern
nur Ferkel anzufallen. Diese bilden denn auch häufig die einzige
Jagdbeute, da die Bahau selbst nur ausnahmsweise mutig genug sind,
um grosse Tiere aus der Nähe zu stechen und da mit giftigen Pfeilen
verwundete Tiere noch weit laufen können und daher oft verloren
gehen. Von anderem Wild werden hauptsächlich Ottern, Eichhörnchen,
Wiesel, Leguane und dergleichen mit Hilfe der Hunde gejagt. Leguane
dürfen Erwachsene übrigens nicht essen, für Kinder und Greise dagegen,
welche in diese Periode noch nicht eingetreten oder über sie schon
hinaus sind, ist dies Verbot ungültig.

Auch das andere Wild darf nicht ohne weiteres gegessen werden;
die Eingeborenen schneiden jedem Tier den Bauch auf, weiden es
aus und entfernen vorsichtig beiderseits der Wirbelsäule den psoas
derart, dass sie ihn an den Anheftungsstellen lösen und ihn quer zu
durchschneiden vermeiden. Nach ihrer Überzeugung fangen die Jäger,
wenn sie einmal einen psoas durchschnitten haben, nie wieder ein
solches Tier. Auch bei der Zubereitung von Fischen befolgen die Kajan
eigenartige Gebräuche. Um Unglücksfällen beim nächsten Fischfang
vorzubeugen, müssen sie den untersten Teil des Bauches von der
Brust- bis zur Schwanzflosse in einem Stück wegschneiden, und beim
darauffolgenden Ausweiden darf die Schwimmblase nicht angeschnitten
werden, hauptsächlich nicht in querer Richtung.

Ein sehr bevorzugtes Wildbret ist der von den Malaien _lutung_ genannte
schwarze Affe mit langem Schwanz und weissen Flecken auf der Stirn
(Semnopithecus niger). Einige essen sogar die mit ihrem Inhalt von
halbverdauten Blättern fein geschnittenen und in Wasser gekochten
Eingeweide dieses Affen, andere, wie _Kwing Irang_, fanden an diesem
Gericht keinen Geschmack.

Zu gewissen Zeiten, wenn bestimmte giftige Früchte reifen, werden
Argusfasane, Stachelschweine und einige Fische nicht gegessen, weil
diese durch den Genuss der Früchte ebenfalls giftig werden. Dass diese
Vorsicht berechtigt ist, erfuhren wir auf meiner ersten Reise, als wir
auf einer Jagdstation uns eines Abends nach dem Essen eines Argusfasans
unbehaglich zu fühlen begannen. Mein Magen begann heftig gegen seinen
Inhalt zu protestieren, aber dabei blieb es, und in dem Glauben,
dass diese Erscheinung auf eine Erkältung oder eine andere harmlose
Ursache zurückzuführen sei, begab ich mich in mein Klambu und schlief
vor Ermüdung sogleich ein. Bald nach Mitternacht erwachte ich jedoch an
heftigen Schmerzen zwischen den Schulterblättern, welche auf die Brust
hinausstrahlten und die Atemholung sehr erschwerten. Später verbreitete
sich der Schmerz, der am meisten einem heftigen Muskelschmerz nach
Überanstrengung glich, über Rücken und Bauch, wodurch ein Liegen und
Aufrechtstehen unmöglich wurde und ich mich auf einen Stuhl setzen und
über einen Tisch lehnen musste, um den Zustand ertragen zu können. Noch
immer stieg nicht die leiseste Vermutung einer Vergiftung in mir auf;
ich dachte an eine rheumatische Ursache, als die Erscheinungen sich
morgens durch häufiges Erbrechen bei leerem Magen komplizierten und
auch die Darmfunktion sich stärker als gewöhnlich äusserte.

Da nun auch meine damaligen Reisegenossen _Von Berchtold_ und _Demmeni_
über Übelkeit und Muskelschmerzen klagten, trat der Gedanke an eine
Vergiftung mehr in den Vordergrund, aber vor der Hand liess mich
mein eigener Zustand an nichts anderes denken. Plötzlich stellte
sich auch sehr heftiges Herzklopfen bei schwachem Puls ein, und wenn
meine Gefährten sich nicht auf den Beinen gehalten hätten, wären die
schlimmsten Befürchtungen in mir aufgestiegen. Gegen 2 Uhr mittags
lokalisierten sich die Muskelschmerzen in Armen und Beinen und ich
genoss während einiger Stunden der sehr notwendigen Ruhe. Andere Folgen
blieben bei uns allen aus. Die Ursache der Vergiftung war uns anfangs
unerklärlich; da ich in der Regel mehr Fleisch, die anderen mehr Reis
genossen, brachte uns dies auf den Argusfasan, der vielleicht mit
Arsenik, das wir beim Präparieren der Vogelbälge so viel gebrauchten,
in Berührung gekommen war. Eine böse Absicht seitens unserer Kajan
erschien mir völlig ausgeschlossen, denn die Leute waren durch meine
Krankheit sehr niedergeschlagen. Immer wieder kam einer, um aus der
Ferne nachzusehen, wie es stand, und vertiefte sich dann mit seinen
Kameraden in eine Diskussion über die Ursache meines Leidens. Hierüber
waren die Meinungen geteilt: der eine schrieb es den Geistern des
Berges Lilit Bulan zu, die ich durch mein Steineklopfen erzürnt hätte,
die anderen erzählten, es kämen dann und wann Argusfasanen vor, nach
deren Genuss auch sie krank würden. An die erste Erklärung konnte ich
nicht glauben und auch die zweite kam mir sehr unwahrscheinlich vor,
denn von Vögeln mit vergiftetem Fleisch hatte ich noch nie gehört. So
blieb denn die Vorstellung einer leichten Arsenikvergiftung bestehen,
obgleich _Von Berchtold_ sie für unmöglich erklärte.

Er selbst lieferte uns später den Beweis, dass der Genuss eines
Argusfasans in der Tat bisweilen Vergiftungen verursachen kann. Als
er nämlich mit 4 Kajan in unserem Lager zurückgeblieben war, erkrankte
die ganze Gesellschaft schwer nach dem Genuss eines anderen Exemplars
dieses Vogels. Da er mehr nervös von Natur war, traten bei _Berchtold_
neben lebhaften Schmerzen auch tonische und klonische Krämpfe auf, die
mit heftigen und anhaltenden Erscheinungen in den Verdauungsorganen
gepaart gingen. Dieser Zustand dauerte ganze vier Tage. Auch die
vier Kajan litten so stark, dass keiner von ihnen Hilfe suchen konnte
und alle fünf später sehr abgemagert und geschwächt aus dem Walde zu
uns zurückkehrten.

So glaube ich diese Vergiftung dem Genuss des Argusfasans zuschreiben
zu müssen, der wahrscheinlich selbst durch Früchte vergiftet worden
war.

Bei der Jagd auf kleine Säugetiere und Vögel haben die
Eingeborenen einen besseren Erfolg mit dem Fallenstellen als mit
dem Blasrohrschiessen. Die Fallen werden in den Durchgängen von
Hecken angebracht, welche aus umgehauenen Sträuchern in einer Länge
von mehreren hundert Metern aufgerichtet werden. Die Öffnungen in
der Hecke befinden sich in der Nähe dünner, gebogener Bäumchen,
die als Feder dienen, um die daran befestigte Schlinge in die Höhe
zu ziehen, sobald der Widerstand, der sie gebogen hielt, entfernt
wird. Dieser Widerstand wird durch eine dünne Schnur gebildet, deren
eines Ende am Gipfel eines Stämmchens befestigt ist, deren anderes
ein 6 cm langes Hölzchen trägt. Letzteres wird unten auf dem Boden
zwischen einer gebogenen, an beiden Enden in der Erde steckenden Rute
und dem Rand eines aus gespaltenem Rotang geflochtenen viereckigen
Rahmens eingeklemmt gehalten. Mit dem einen Rande ruht dieser Rahmen
schräg auf dem Grunde des Durchgangs, mit dem gegenüberliegenden auf
dem anderen Ende des Hölzchens an der Schnur des Baumgipfels. Die
Federkraft des gebogen gehaltenen Stämmchens zieht das Hölzchen so
stark gegen den Rand des etwa 2 dm2 messenden Bambusrahmens, dass
dieser geneigt gehalten wird. Dadurch, dass die eigentliche Schlinge
mit dem einen Ende mit dem Stammgipfel verbunden und das andere in
Form einer offenen Schlinge auf dem geneigten Rahmen ausgebreitet ist,
wird bewirkt, dass durch einen Tritt auf den Rahmen dieser auf den
Boden klappt, das Hölzchen losschiesst und der Stammgipfel, der dann
nicht mehr nach unten gehalten wird, beim Hinaufschnellen die Schlinge
mit nach oben zieht. Ein Sachkundiger legt die Schlinge unter einigen
Blättern so auf dem Rahmen aus, dass jeder hier auftretende Fuss von
der emporschnellenden Schlinge gepackt und das Tier gefangen wird. Für
hühnerartige Vögel ist diese Fangmethode besonders zweckmässig, weil
man diese Tiere ihrer Scheuheit wegen in diesem Chaos von totem und
lebendem Holz und Laub nicht beschleichen kann. Auch der _kantjil_
(Cervulus muntjac) und einige Affen werden mit diesen Fallen gefangen;
grössere Tiere zerreissen die Schlingen, was häufig geschieht.

Derartige Fallen werden auch um die Tanzplätze der Argusfasanen
aufgestellt, die an hochgelegenen Waldstellen oder häufig auch auf den
Gipfeln von Bergrücken, wo sie eine Stelle zum Abhalten ihrer Wetttänze
von Ästen und Blättern säubern, zusammenzukommen pflegen. Diese sonst
so scheuen Vögel gehen an einem solchen Ort leicht in die Falle. Für
diese Schlingen werden die Schnüre aus den Fasern eines braunen
Baumbasts gedreht, weil diese im Busch weniger auffallen als die
gewöhnlichen grauen Schnüre, die aus dem Bast der Lianen _aka klea_
oder _tengang_ verfertigt werden, indem man diesen in 3-4 dm lange
Fasern auseinander zupft und dann zusammendreht.

Wie gesagt, verstehen sich lange nicht alle Bahau gut auf das
Fallenlegen; nach ihrer Überzeugung hängt der Erfolg auch viel
mehr von der Beachtung aller Vorsichtsmassregeln beim Aussetzen der
Schlingen als von der dabei befolgten Sorgfalt ab. Vor allem muss
der Tag schön sein, ohne Regen und Nebel; Unbeteiligte dürfen von
der Unternehmung eigentlich nichts wissen, auch mag man sich über das
erwartete Resultat nicht auslassen. Eine grosse Gesellschaft ist beim
Bau der Hecke unerwünscht; am besten ist es, wenn ein oder zwei Männer
sich ohne Mitwissen anderer auf den Weg machen. Dem Fallensteller
darf vorher auch kein guter Erfolg gewünscht werden, eine Regel,
die übrigens für alle Jäger und Fischer gilt und gegen die ich mich
anfangs aus Unwissenheit recht häufig versündigte.

Nicht nur Menschen, sondern auch Hunde jagen bei den Mahakambewohnern
nur nach einer vorhergehenden Beschwörung mit Erfolg. Während meines
Aufenthaltes an unserer vorhin erwähnten Jagdstation am Blu-u fürchtete
_Kwing_ einmal, dass seine Hunde nach einigen schlechten Vorzeichen die
ersehnte Wildschweinbeute nicht liefern würden. Er suchte daher einige
Blätter von _daun long_, die gegen böse Geister wirksam sind, packte
seinen besten Hund beim Nacken, klopfte ihm, einige Sätze murmelnd,
mit dem Blatt 8 Mal auf den Kopf und nahm dann mit dem Hinterteil des
Tieres dieselbe Prozedur vor, worauf er dieses in die Höhe hob und
mit kräftigem Schwunge an einer tiefen Stelle ins Flüsschen Dingei
warf. Auch seine beiden anderen Hunde kamen an die Reihe, und da ich
_Kwings_ Beschwörungen aus einiger Entfernung nicht verstehen konnte,
brachte ich ihm meinen Sultan zur gleichen Bearbeitung. Während er nun
auch diesen mit demselben Eifer beklopfte, gab er ihm den Auftrag,
an diesem Tage im Aufspüren des Wildes sein Bestes zu leisten und
sich besonders auf die Schweinejagd zu verlegen. Um den Erfolg seiner
Bemühungen nicht zu vereiteln, warf nun auch ich meinen Hund mit
kräftigem Schwung in den Fluss, voll Vertrauen auf ein günstiges
Resultat. Leider brachte uns dieser Tag nur Enttäuschung, die Hunde
schlugen sogar kein einziges Mal an.

Sehr auffällig war es, dass die Kajan so sehr wenig auf die
Gewohnheiten des gesuchten Wildes zu achten verstanden; einst mussten
wir ihrer Ungeschicklichkeit wegen die Verfolgung eines wilden
Rindes sogar aufgeben. Zwar töteten sie später einen durch Verwundung
erschöpften Stier, aber mit so vielen Speerstichen, dass sein Fell
nicht mehr zu gebrauchen war. Einige Kajan eilten sogar nachdem das
Tier schon niedergemacht war, noch herbei und durchstachen zum Beweis
ihres Mutes auch die Leiche noch mit dem Speer.

Die Punan verstehen sich als Jägerstamm wahrscheinlich besser auf die
Jagd, doch habe ich sie nicht selbst beobachten können. Grosse Tiere,
wie das Nashorn, wissen übrigens auch sie nicht auf rationelle Weise
zu erlegen. Hat nämlich jemand die Spur eines Nashorns entdeckt,
so vereinigt sich eine grosse Anzahl hauptsächlich mit Speeren
bewaffneter Männer und beschleicht das Tier im Schlaf oder wenn es
an Gegenwehr nicht denkt. Dadurch, dass man dem Opfer immer wieder
einen Speerstich beibringt, verendet es allmählich vor Schwäche,
bisweilen jedoch erst nach 8 Tagen, nachdem es oft mehrere Menschen
verwundet oder getötet hat. Ähnliches berichteten mir einmal einige
Kajan von ihrer Jagd auf die Riesenschlange (Boa constrictor). Sie
verfolgten das Tier, dem sie beim Sammeln von Waldprodukten begegnet
waren, über zwei recht hohe Hügelrücken und töteten es erst nach
mehreren Stunden. Die Schlange soll den Umfang eines Männerthorax
gehabt haben. Das Fleisch der Boa wird nur von den Punan genossen.

Die nichts weniger als glänzenden Jagdresultate unserer Kajan hätten in
uns die Vorstellung geweckt, die tropischen Wälder seien arm an Wild,
wenn uns nicht die Jagderfolge unseres Reisegenossen _Von Berchtold_
auf unserem vorigen Zuge vom Gegenteil überzeugt hätten. Obgleich
_Von Berchtold_ alle gesammelten Tiere präparieren musste, wodurch
ihm zum Jagen nicht viel Zeit übrig blieb, schoss er doch so viel
Wild wie alle anderen zusammen. Er besass aber auch ein ganz anderes
Verständnis für die Jagd, auch kamen ihm seine in europäischen Wäldern
erworbenen Erfahrungen sehr zu statten. Bei der Vogeljagd verfuhr er
folgendermassen: er setzte sich an geeigneter Stelle im Walde hin und
wartete bewegungslos der kommenden Dinge. In der stillen, dunklen
Umgebung begann es sich dann bisweilen bereits nach kurzer Zeit zu
regen. In den Bäumen zeigten sich eine Menge sehr verschiedener kleiner
Vögel und allerlei Arten äusserst zierlicher Eichhorne, auch Affen,
die ihre Schlupfwinkel auf den Ästen verliessen und auf dem Erdboden
nach abgefallenen Früchten suchten. Um einen Baum mit reifen Früchten
sammelten sich eine Menge fliegender und laufender Waldbewohner;
bei einigen Feigenbäumen mit orangefarbigen Früchten in unserer Nähe
schoss er in 1 Stunde mehrere neue Vogelarten und einige rebhuhnartige
Waldhühner, die unserem Mittagstisch eine Extraschüssel lieferten.

Ein ausgezeichnetes Lockmittel, das _Von Berchtold_ manchen
sehr scheuen Vogel einbrachte, bestand in der Nachahmung seines
Rufes. Hierzu gehörte viel Geduld, Übung und Talent, aber da er
diese drei Erfordernisse besass, waren seine Resultate glänzend. Das
Nachahmen der Männchen lockte Weibchen, das der Weibchen Männchen
herbei. Die Tiere kündigten sich meist durch Ausstossen des Lockrufs
selbst aus der Ferne an und liessen sich oft viel zu dicht vor
dem Flintenlauf nieder, um mit einiger Aussicht auf Erhaltung der
Haut geschossen werden zu können. In diesem Fall bedeutete eine
Vergeudung der Munition auch ein nutzloses Morden, denn eine
zerschossene Vogelhaut ist für die Präparation wertlos. Daher
müssen bei verschiedenen Gelegenheiten auch verschiedene Patronen
angewandt werden; ein zu grobes Schrot oder eine zu schwere Ladung,
bei der die Körner zu dicht beieinander bleiben, verderben die Haut
unvermeidlich. Da man im Urwalde nur in seltenen Fällen auf grossen
Abstand schiessen kann, ist hier eine Flinte von sehr kleinem Kaliber
am geeignetsten; nur wenn es grosse Nashornvögel oder ähnliche Tiere
in 40-50 m hohen, oft dicht beblätterten Gipfeln zu schiessen gilt,
ist ein Kaliber 12 oder 16 mit grobem Schrot vorzuziehen. Hat man in
dem grünen Gewirr hoch über der Erde seine Beute tötlich getroffen,
so ist man noch lange nicht sicher, diese auch heimbringen zu
können. Behält der Vogel noch Kraft genug, um durch Ausbreiten
seiner Schwingen dem Fall eine schiefe Richtung zu geben, so dass
er in einem Abstand von 20 oder 30 m niedersinkt, so ist er nur mit
grosser Mühe wiederzufinden. Da Sträucher, tote Bäume, grosse Äste
und dicke Blätterschichten das Opfer verbergen und man sich durch
allerhand Hindernisse zu ihm durcharbeiten muss, findet man den Vogel
bisweilen erst nach langem Suchen. Kleine Vögel und kleine Säugetiere,
die noch kräftig genug waren, um sich in den zahllosen Schlupfwinkeln
und Höhlungen im Erdboden verkriechen zu können, werden in der Regel
nicht wiedergefunden. Unter diesen Umständen erfordert die Jagd
grosse Geduld, auch muss man sich auf viele Enttäuschungen gefasst
machen. Findet der Jäger vom kleineren Wild etwa die Hälfte wieder
und ist diese zum Präparieren tauglich, so kann er mit seinem Erfolge
zufrieden sein. Mit dressierten Hunden und geschulten eingeborenen
Knaben könnte man im Urwalde wahrscheinlich bessere Jagdresultate
erzielen, doch fehlte es uns an beiden.

Als Anfang Juli _Delahit_ nach 14 tägiger Abwesenheit noch nicht
zurückkehrte und wir nichts von ihm vernahmen, überdies auch unser
Reis und die anderen Nahrungsmittel einer Ergänzung sehr bedurften,
sandte ich _Midan_ mit einem Boote nach Long Tépai zum Einkaufen
des Erforderlichen und gab ihm _Lalau_ mit, damit dieser sich nach
meiner Gesandtschaft umsehen sollte. Letztere traf 2 Tage später
mit sehr günstigen Berichten bei uns ein: die Kajan am Mahakam waren
sehr für unseren Zug und hatten ihr _dangei_-Fest bereits im vorigen
Monat gefeiert, obgleich die Zeit hierfür wegen einiger Todesfälle
ungünstig gewesen war. _Kwing Irang_ hatte jedoch _Delahit_ nicht
fortziehen lassen, bevor sie die Vögel befragt hatten, aus Furcht,
dass ich aus Ungeduld die Reise aufgeben könnte. Die Todesfälle hatten
die Kajan bis jetzt am Vorzeichensuchen verhindert, aber jetzt waren
die verschiedenen Häuptlinge reisebereit und _Kwing Irang_ sollte
bald eintreffen.

Einige Tage später erschienen auch _Midan_ und _Lalau_ mit einer
genügenden Menge Reis, Früchte, Tabak und anderen nützlichen
Dingen. Jedesmal wenn ich ein Boot nach Long Deho schickte, gab ich
auch einige eiserne Koffer mit den eben angelegten Sammlungen von
Fischen und Vögeln mit, damit sie in _Ibau Adjangs_ Hause bis zu
meiner Rückkehr aufbewahrt würden.

Als ein Tag nach dem anderen verging und wir noch immer nichts von
der Ankunft unseres Bahau-Geleites hörten, wurde uns das Warten zu
einer wahren Marter. _Delahit_ hatte übrigens die Bestätigung des
Gerüchtes mitgebracht, das ich bereits von _Taman Ulow_ und seinen
Leuten gehört hatte, nämlich dass der Kenjafürst _Bui Djalong_
(_Taman Kuling_) mit vielen anderen Häuptlingen auf eine Einladung
des Radja hin nach Serawak gezogen, auf der Rückreise aber von den
Batang-Lupar angefallen worden war, wobei einer der Schutzsoldaten aus
Serawak, welche die Kenja begleiteten, das Leben verloren hatte. Dieser
Vorfall überzeugte mich wiederum von der Notwendigkeit unserer Reise
nach Apu Kajan; wahrscheinlich waren die Häuptlinge auch nach den
jüngsten Erlebnissen zum Empfang der Niederländer besonders geneigt.

Am 10. Juli sandte ich nochmals _Lalau_ und _Delahit_ mit 5 Mann
nach dem Blu-u, um zu erfahren, wie es dort stehe. Bei _Bang Jok_ in
Long Deho waren die Reiseaussichten inzwischen günstiger geworden,
die Böte lagen sogar zur Abfahrt bereit da. _Ledjü Adjang_, der
erwartete jüngste Sohn des verstorbenen Häuptlings, war inzwischen von
den Ma-Suling am Merasè ins Elternhaus zurückgekehrt und in seiner
Gegenwart hatte man des Vaters Leiche im bereits gebauten Prunkgrab
beigesetzt. Man hatte dem _salong_, wahrscheinlich auf Wunsch des
Verstorbenen, eine besondere Form gegeben. _Bo Adjang Ledjü_ hatte
mir vor seinem Tode öfters seine Besorgnis darüber ausgedrückt, dass
der Sultan von Kutei im Geheimen seinen Schädel aus dem Grabe würde
holen lassen, wie er auch die Schädel einiger anderer Häuptlinge
in einer Kiste in seinem Palaste aufbewahrte, um durch deren Besitz
Macht über die Bahaustämme ausüben zu können. _Adjang Ledjü_ hatte
daher gewünscht, dass man seinen _salong_ an einer weit abgelegenen,
verborgenen Waldstelle erbaute. Seine Kinder hatten das Prunkgrab
sicherheitshalber statt über der Erde, wie gewöhnlich, unter der
Erde anlegen lassen, die Holzkammer, in welcher der Sarg stand,
mit dicken Planken geschlossen und darüber ein Dach wie bei einem
gewöhnlichen _salong_ errichtet; auch hatten sie keinen verborgenen
Platz ausgesucht, sondern das Mahakamufer dicht unterhalb Long Deho
gewählt, so dass jeder Anschlag der Malaien sogleich bemerkt werden
musste.

Auf seiner Rückreise zum Merasè machte _Ledjü Adjang_, der Sohn des
Verstorbenen, bei mir Halt, teils aus Neugierde, teils weil ein Besuch
bei mir den Gästen meistens ein Geschenk einbrachte. Ich hatte den
Grundsatz, nicht nach Gutdünken zu schenken, sondern abzuwarten,
bis die Gäste mir ihre Wünsche zu verstehen gaben. _Ledjü_ hatte
augenscheinlich die Goldstücke gesehen, mit denen ich die Kajan bezahlt
hatte, denn er bat mich, einige Stücke von mir kaufen zu dürfen,
um aus ihnen Perlen für seine Frau _Bulan Li_ schmieden zu lassen,
natürlich wünschte er, sie unter ihrem Werte zu erstehen. Mit einem
Verlust von einigen Gulden gewann ich _Ledjü Adjangs_ Gunst und wir
schieden als die besten Freunde.

Am 16. Juli kam _Delahit_ nach schneller Fahrt vom Blu-u mit dem
Bericht zurück, die Kajan würden am folgenden Tage abreisen, sie
wären nur durch den Tod von zwei Dorfgenossen aufgehalten worden. Die
Betreffenden, zwei sehr schwächliche Individuen, waren der Influenza
erlegen. Um die Kajan im Auge zu behalten, war _Lalau_ bei _Kwing
Irang_ geblieben.

Trotzdem gingen wieder etliche Tage ohne Berichte von oben vorbei, so
dass ich das Warten nicht mehr ertrug und _Delahit_ am 22. nochmals
an den Blu-u schickte. Meine Malaien bereiteten indessen Kleider
und Waffen zur Reise vor, augenscheinlich waren sie also von dem
Zustandekommen derselben überzeugt, was auf mich, der ich nie
sicher war, von den Eingeborenen die volle Wahrheit zu hören, sehr
ermutigend wirkte. In diesen Tagen brachte mir auch _Midan_ aus Long
Deho die Nachricht, der Kontrolleur _Barth_ sei in Begleitung von
bewaffneten Schutzleuten und anderen Gehilfen bereits in Udju Tepu
angekommen. Nach dem Bericht einiger von oberhalb der Wasserfälle bei
uns einkehrender Kahajan-Dajak war _Kwing Irang_ mit seinen Leuten in
der Tat abgereist, aber bei seiner Ankunft in Lulu Njiwung war dort
gerade ein Mann gestorben und noch nicht begraben, ein schlechtes
Vorzeichen, das ihn zur Rückkehr nötigte.

Die Kenja von _Taman Ulow_ zwang ich zum geduldigen Ausharren durch
die Belohnung, die ich ihnen versprochen hatte, und die Tauschartikel,
mit denen ich ihren Rotang bezahlen wollte. Sie unterhielten sich
bei uns ausgezeichnet und die beiden Landstreicher assen sich wieder
dick, nur waren sie wie wir durch die ständigen Reisehindernisse sehr
enttäuscht und sprachen daher öfters den Wunsch aus, allein voraus zu
fahren. Einige wollten gern weiter unten am Mahakam Rotang suchen,
was ich nicht zulassen konnte, da die Kenja dort wegen der letzten
Kopfjagden, die ihre Stammesgenossen verübt hatten, nicht sicher waren.

Sobald sie merkten, dass sich unser Aufenthalt im Lager dem Ende
nahte, beschlossen sie, der Seele eines Kameraden, der auf einer
früheren Reise im Kiham Burung aus dem Boot geschleudert worden und
ertrunken war, ein grosses Opfer zu bringen. Letzteres sollte in
einem Packen Kattun bestehen, um den sie mich baten, und den sie mit
langen Holzspähnen verzierten. Mit Rücksicht auf die reichlich zur
Verfügung stehende Zeit wurde das Opfer diesmal nicht wie gewöhnlich
im Vorüberfahren mit etwas Salz in einem Korbe an einen niedrigen
Strauch gehängt. Sie wählten einen hohen, kerzengerade neben unserem
Lager auf dem Ufer sich erhebenden Baum aus, der unten seiner Dicke
wegen nicht bestiegen werden konnte und dessen unterster Ast sich
hoch über dem Erdboden befand. Sie suchten diesen, nach Art der
Punan, von einem benachbarten, leichter zu erklimmenden Baume aus
zu erreichen. Zu diesem Zwecke bauten sie im Gipfel des Hilfsbaumes
eine Plattform, warfen von dieser aus einen an einen dünnen Rotang
befestigten Stein über den betreffenden Ast des anderen Baumes und
zogen dann eine vorher hergestellte lange Rotangleiter erst bis zum
Ast, dann halb über diesen hinüber, so dass ein Mann hinaufzuklettern
wagte. Dieser brachte nun von Ast zu Ast einfache Rotangleitern oder
auch Rotangkabel an, an denen er bis an die Stelle hinaufstieg, wo der
Stamm selbst zum Klettern dünn genug war. Sämtliche Äste wurden darauf
weggehackt, eine kleine Krone am höchsten Gipfel ausgenommen, unter
welcher das verzierte Kattunbündel (_sang_) aufgehängt wurde. Dieses
Geschenk sollte die Seele des Verunglückten angenehm stimmen und bei
_Amei Tingei_ im Himmel ein guter Fürsprecher für sie sein.

Ins Auge springend war der verschiedene Grad von Geistesentwicklung und
Geschicklichkeit, den die Kenja bei dieser Beschäftigung äusserten;
während der eine angab, wie alles vor sich gehen und der _sang_
beschaffen sein musste, befand sich unter den Neun nur ein einziger,
der diesen Baum zu erklimmen und dann alle Äste abzuhacken wagte. Wir
benützten die Gelegenheit zum Messen des Baumes; seine Höhe betrug 55
m. Als Arbeitslohn und Zerstreuung für uns alle gab _Demmeni_ abends
eine Vorstellung mit seinem Grammophon, der stets die Bewunderung
und Heiterkeit unserer braunen Reisegesellen erregte; besonders
wenn er Lachen zum besten gab, brach auch die ganze Gesellschaft in
schallendes Gelächter aus. Wegen der äusserst feuchten Atmosphäre in
unserem Lager litten die Tonplatten durch den Stift, so dass wir nur
selten diese Vorstellungen zu geniessen wagten.

Nach drei Tagen Regen und Hochwasser kam _Delahit_ endlich am 28. Juli
mit der Meldung, dass _Kwing Irang_ mit Gefolge bereits seit 4 Tagen
in Long Kawat oberhalb des Kiham Hida kampierte, weil er die Fälle
des hohen Wasserstandes wegen nicht passieren konnte. Er liess mich
jedoch um Arzneien für seine Schwester _Bo Uniang_, die in Long Tepai
schwer krank lag, und um Mittel gegen Fieber für sich selbst bitten,
die ich ihm denn auch sogleich sandte.

Am 1. August, nachdem das Wasser gefallen war, erschien _Kwing Irang_
endlich mit 50 seiner Leute und einem Boot mit Pnihing von Long Kup
in unserem Lager. _Belarè_ war noch nicht mitgekommen und die Leute
aus Long Tepai konnten ebenfalls nicht kommen, falls _Bo Uniang_
starb, was _Kwing_ für sehr wahrscheinlich hielt. Er war denn auch
nicht bei der Schwester geblieben aus Furcht, durch ihren Tod von der
Reise abgehalten zu werden; letzteres wollte er nicht nur meinetwegen
vermeiden, sondern auch seiner jungen Männer wegen, die sich nach dem
so lange aufgeschobenen Zuge sehnten. Die Kajan hatten sich nur mit
ihrem notwendigsten Gepäck über die Fälle gewagt und ihren Reis in
Long Kawat gelassen; das starke Sinken des Wassers gestattete ihnen
jedoch bereits am folgenden Tage, alle Vorräte herunter zu schaffen.

Am selben Tage sandte ich zum letzten Mal Postsachen und zwei Koffer
nach Long Deho; erstere sollten mit der ersten Gelegenheit von den
Händlern zur Küste gebracht werden, letztere bei _Ledjü Adjang_
aufbewahrt bleiben. Gleichzeitig sollten meine Leute _Bang Jok Kwing
Irangs_ Ankunft und unsere baldige Abreise melden. Auch die Kajan und
Pnihing waren endlich von der Notwendigkeit eines schnellen Aufbruchs
überzeugt, weil _Kwing_, im Fall dass seine Schwester starb, sicher
von den Dorfbewohnern abgeholt werden würde; sie hatten denn auch
unten bei unserem Lager nur sehr primitive Hütten aufgeschlagen. Sehr
erfreut waren sie über die Anwesenheit der Kenja, besonders jetzt,
wo die Long-Glat von Long Tepai, die einzigen, die den Weg nach Apu
Kajan kannten, wahrscheinlich nicht würden mitreisen können. Ich
bereitete die Kenja auch sogleich auf ihre künftige Führer- und
Gesandtenrolle vor und entschädigte sie reichlich für die lange Zeit,
die sie bei uns ausgeharrt hatten; diese Freigebigkeit durfte ich mir
jetzt gestatten, weil ich die Tauschartikel ursprünglich für einen
einjährigen Aufenthalt bei den Kenja berechnet hatte und ich jetzt,
nach einer Abmachung mit _Kwing_, nicht über zwei Monate bei ihnen
bleiben sollte. Auch die beiden Kenja, deren Rotang ich gekauft hatte,
waren von meiner Freigebigkeit entzückt.

Abends wurden in einer Beratung Pläne entworfen, über die wir
uns bald einigten, da jeder für rasches Weiterkommen war. Sowohl
der Schnelligkeit wegen als um mit dem Zug einen Anfang gemacht zu
haben, bevor _Kwing_ von Long Tepai aus abgeholt werden konnte, wurde
beschlossen, dass die Malaien bereits am 3. August morgens Koffer und
Blechgefässe mit Salz so weit als möglich den Boh hinauftransportieren
und dann abends zurückkehren sollten, was auch geschah. Ferner sollten
wir nicht gemeinschaftlich, sondern etappenweise den Zug ausführen,
weil unser Gepäck sehr umfangreich war und auch die Bahau selbst sehr
viel Reis und Tauschartikel mit sich führten. Den einen Tag sollten
die Bootsleute so viele Sachen als möglich an einen geeigneten
Lagerplatz vorausschaffen und dann wieder zu uns zurückkehren,
den anderen sollten wir mit ihnen bis zu dieser Stelle den Fluss
hinauffahren. Die Kenja sollten in Gesellschaft von 6 Kajan direkt
nach Apu Kajan vorausreisen, um unsere Ankunft dort zu melden, auch
beauftragte ich sie, sehr sorgfältig durch Zeichen an den Mündungen
die Flüsse anzugeben, die wir hinauffahren mussten, damit wir uns in
dieser Wildnis nicht verirrten.

_Taman Ulow_ liess sich sehr ausführlich einschärfen und mehrmals
wiederholen, was er seinen Häuptlingen als Grund für meinen Besuch
angeben sollte. Ich hatte mir bereits seit langem vorgenommen,
meine Reise damit zu motivieren, dass ich die in der letzten Zeit
zwischen den Kenja und Mahakambewohnern wegen der Kopfjagden und
hauptsächlich wegen der Ermordung von _Bui Djalongs_ Enkel entstandenen
Feindseligkeiten durch Unterhandlungen aus dem Wege räumen wollte. Die
übrigen politischen Resultate, die unsere Expedition bezweckte, sollten
sich dann während unseres Aufenthaltes von selbst ergeben. _Kwing
Irang_ war von diesem neutralen Reisemotiv, das häufig auch die
Bahauhäuptlinge zu weiten Zügen veranlasst, sehr eingenommen.

An dem Ernst, mit dem die Bahau über das Geschenk, das ich dem
Oberhäuptling _Bui Djalong_ geben sollte, diskutierten, merkte ich
ihre Besorgnis um den Verlauf der Reise. Augenscheinlich hatten sie
über diese Frage bereits lange allein unterhandelt, denn _Kwing
Irang_ erklärte mir sehr bestimmt, dass mein Geschenk an _Bui
Djalong_ überhaupt nur in einem Sklaven bestehen dürfe, auch habe er
bereits einen solchen in Long Tepai zu meiner Verfügung, den einige
Kahajan-Dajak vor kurzem einem dortigen Häuptling verkauft hatten.

Ich kannte das Individuum sehr gut, hatte aber bisher nicht gewusst,
dass es kein eingeborener sondern ein missachteter Kaufsklave war,
den man für 240 fl abtreten wollte. Dieser Sklave sollte mit einigen
Männern aus Long Tepai an unserer Reise teilnehmen, ohne von seinem
Verkauf und dem Zweck desselben etwas zu ahnen; bei unserer Ankunft
am Kajanfluss sollte ich ihn dann _Bui Djalong_ zum Geschenk übergeben
und in Apu Kajan zurücklassen. Dieser edle Plan fand bei mir jedoch gar
keinen Beifall, obgleich auch _Taman Ulow_ versicherte, sein Häuptling
würde ein derartiges Geschenk sehr zu schätzen wissen. Ich erklärte
mit Nachdruck, dass wir Europäer nicht gewohnt seien, Menschen zu
Sklaven zu machen und ich nur dann den Sklaven kaufen wollte, wenn
dadurch die ganze Tawang-Angelegenheit aus dem Wege geräumt und
der Sklave an Statt des ermordeten Enkels in die Familie von _Bui
Djalong_ aufgenommen werden würde. Wie meine Ratgeber aussagten,
wird aber solch ein Sklave, wenn bei den Unterhandlungen vorher
nicht eine bestimmte Abmachung getroffen worden ist, an Stelle des
Ermordeten getötet, und so konnte vorläufig von der Mitnahme eines
Sklaven keine Rede sein. Für _Kwing Irang_ bedeutete meine Ablehnung
eine harte Enttäuschung; er schien seine Angst vor einem Fehlschlagen
unseres Zuges hauptsächlich in dem Gedanken an ein derartig kostbares
Geschenk überwunden zu haben. Ich schärfte ihm jedoch meinen Abscheu
vor einer solchen Handlung so gründlich ein, dass er den Gegenstand
nicht mehr zu berühren wagte. Da ich wusste, welch einen hohen Wert
gute Gewehre bei den Kenja besitzen, schlug ich nun meinerseits
vor, _Bui Djalong_ eines unserer guten Beaumontgewehre mit einem
reichlichen Vorrat an Patronen als Geschenk anzubieten, obgleich
ich der Einführung von Feuerwaffen bei den eingeborenen Stämmen
nicht gern Vorschub leistete. In diesem Fall schwanden aber meine
Bedenken wegen der Wichtigkeit der Angelegenheit, und dass ich mit
meinem Vorschlag das Richtige getroffen, ging aus dem Eifer hervor,
mit dem _Taman Ulow_ auf ihn einging; dies bewog auch _Kwing Irang_
zuzustimmen. Zwar kam er später nochmals auf seinen Vorschlag zurück,
aber ich blieb bei meinem Beschluss.

Am frühen Morgen des 3. August fuhren alle meine Malaien und die
Kenja mit einer grossen Menge Gepäck den Boh aufwärts, während die
Kajan noch den Rest ihrer Sachen vom Kiham Hida nach unserem Lager
schafften. Abends sollten sich die beiden Gesellschaften jedoch
wieder bei uns vereinigen. Gegen Mittag desselben Tages meldeten
uns zwei Personen aus Long Tepai den Tod von _Bo Uniang_, den wir
jeden Augenblick erwartet hatten. Das Herz klopfte mir im Gedanken an
eine Vereitelung meines Zuges im letzten Augenblick; _Anjang Njahu_,
der mich nach _Kwing Irangs_ Hütte abholen kam, gab mir jedoch im
Geheimen zu verstehen, dass sein Häuptling selbst nicht nach Long
Tepai zurück wolle, dass er aber des ungünstigen Eindrucks wegen, den
es auf das Volk machen würde, seinen Wunsch nicht durchsetzen könne
und ich ihn daher gleichsam mit Gewalt zurückhalten müsse, indem ich
auf mein langes Warten, auf die bereits getroffenen Vorbereitungen
u.s.w. hinweise. Gegen diesen Vorschlag hatte ich nichts einzuwenden
und so liess ich mir ruhig von den Boten berichten, dass _Bo Uniang_
bereits seit langer Zeit an einer Bauchkrankheit gelitten hatte und
zuletzt, wohl auch infolge der vielerlei schlechten Arzneien, welche
Dajak, Malaien und Chinesen sie der Reihe nach hatten schlucken
lassen, gestorben war. Die Boten waren nur mit der Verkündigung
der Todesnachricht beauftragt und versuchten nur sehr schüchtern,
_Kwing Irang_ zurückzuhalten; sie fuhren auch sehr bald weiter nach
Long Deho. Von diesem Dorfe aus hatte man mir sagen lassen, dass man
mir 2-3 Tage später ein Boot mit vollständiger Bemannung nachsenden
wolle, aber _Midan_, der Überbringer dieses Berichtes, erklärte,
die vornehmsten Long-Glat hätten sich so sehr dem Spiel ergeben und
jeder litte so stark an Nahrungsmangel, dass an eine Ausführung des
Planes in nächster Zeit nicht zu denken sei.

Durch plötzlich eingetretenes Hochwasser aufgehalten kam die
eigentliche Gesandtschaft erst 2 Tage darauf, um _Kwing Irang_
offiziell nach Long Tepai zurückzurufen. Zum Glück hatte ich bereits
morgens, laut unserer Vereinbarung, die Kenja in Gesellschaft von 6
Kajan in 2 Böten endlich den Boh hinauffahren lassen, um unsere Ankunft
in Apu Kajan zu melden. Vorher hatte _Taman Ulow_ nochmals in _Kwing
Irangs_ Gegenwart deutlich von mir hören wollen, was er _Bui Djalong_
als Begründung meiner Reise angeben solle, wobei ich kurz das "_nemè_
(Verbesserung) _urib_" (des Bestehens) der Bevölkerung am Mahakam
und Kajan betonte, augenscheinlich zu beider Zufriedenheit. Zum
Abschied musste ich _Ulow_ noch ein Kopftuch und seinen Gefährten
ein Stück rotes, golddurchwirktes Zeug schenken, wie er sagte:
"_nenè kenap deha njam_" "zur Verbesserung der Stimmung seiner jungen
Mitgesellen." _Taman Ulow_ selbst war übrigens über sein Extrageschenk
ebenso glücklich wie seine Genossen.

Der Gesandte von Long Tepai war niemand Geringeres als _Bo Tijung_,
der vornehmste Dorfälteste, der mit seinen Begleitern in Kleidung,
Haltung und Stimme die tiefste Trauer ausdrückend über die letzten
Ereignisse in Long Tepai ausführlich berichtete und sich dann in
eingehende Betrachtungen über das, was "man" von _Kwing_ erwartete,
was die _adat_ verlangte und dergleichen mehr vertiefte. Alles lief
darauf hinaus, dass _Kwing Irang_ zurückkehren und das Begräbnis seiner
Schwester mit besorgen helfen müsse, wobei man mir das glänzende
Vorbild von _Bo Ledjü Aja_ vorhielt, der auf die Nachricht vom Tode
seiner Schwester hin von seiner angetretenen Kopfjagd nach dem Barito
ebenfalls heimgekehrt war. Obgleich ich in den letzten Tagen bereits
gehört hatte, dass zwischen _Kwing Irang_ und _Bo Tijung_ im Lager
von Long Kawat bereits alle Massregeln für einen eventuellen Tod der
alten _Bo Uniang_ getroffen worden waren, ging ich auf die Komödie
doch ernsthaft ein. Seitens der Long-Glat waren die Vorstellungen
vielleicht doch wirklich ernst gemeint, weil sie selbst jedenfalls
nicht mitdurften, was für sie eine grosse Enttäuschung bedeutete,
und sie _Kwing Irang_ überdies nicht die Ehre gönnten, als erster
und mit mir die Reise zu den Kenja zu unternehmen. Sie zeigten sich
denn auch nicht zufriedengestellt mit meiner Bemerkung, ein so grosser
Häuptling, wie _Kwing Irang_, dürfe nicht wie ein gewöhnlicher Mensch
dem Zug seines Herzens folgen, sondern müsse sich überwinden, wenn
es wie hier im Interesse aller Mahakambewohner eine wichtige Reise zu
unternehmen gelte. Wohl gab _Bo Tijung_ dies alles zu und bestätigte
die Notwendigkeit unseres Unternehmens, doch wiederholte er auf
die verschiedenste Weise, was die _adat_ bei solchen Gelegenheiten
verlangte und wie man ihr früher gefolgt sei. Ich musste ihm denn
auch deutlich machen, dass ich es ihnen allen sehr übel nehmen würde,
falls _Kwing_, zurück ginge, nachdem ich so viele Monate auf ihre
_adat_ und alle ihre Hindernisse Rücksicht genommen hatte, auch
äusserte ich meine Verwunderung über die geringe Einsicht, die er an
den Tag legte. Gegen diesen Vorwurf hielt _Bo Tijung_ nicht stand und
behauptete, dass er die Verhältnisse selbst sehr gut einsehe, dass es
aber seine Pflicht sei, mir die Ansicht der Leute auseinanderzusetzen.

Während unserer ganzen Unterhaltung sagte _Kwing_ nur sehr wenig,
doch erklärte er sich zum Schluss, falls ich so fest auf seinem
Bleiben bestehe, geneigt, mit den Boten von Long Tepai über das
Begräbnis seiner Schwester zu beratschlagen. Mit dieser Erklärung
zufriedengestellt eilte ich nach meinem Zelt zurück. Als ich abends,
nach der Abreise der Long-Glat, den braven, alten _Kwing_ nochmals
besuchte, äusserte er sich über seinen Beschluss, am Reiseplan
festhalten zu wollen, sehr befriedigt. So wurden denn die letzten
Vorbereitungen zu unserer eigenen Abreise getroffen.



KAPITEL XII.

    Aufbruch von der Bohmündung am 6. August--Reise auf dem Boh
    und seinen Nebenflüssen Oga, Temba und Meseai--Landweg über die
    Wasserscheide--Begegnung mit unserer Gesandtschaft--Freundlicher
    Empfang seitens der Kenja in Apu Kajan--Einzug in Tanah Putih am
    5. September.


Am 6. August brach nach einem hastig eingenommenen Frühstück für uns
alle die Erlösungsstunde an. Die Böte waren zwar schwer beladen,
konnten aber doch alles Gepäck aufnehmen. Die Natur schien unsere
Feststimmung zu teilen, ein freundlicher Sonnenschein belebte das
vor uns sich ausbreitende Flusstal. Das sehr niedrig stehende Wasser
gestattete eine schnelle Fahrt und ermunternd wirkte der Eifer, mit
dem unsere Bootsmänner ihre Ruder kräftig ins Wasser schlugen und an
untiefen Stellen ihre Fahrzeuge mit den Stangen vorwärtsstiessen.

Unser Lagerplatz hatte sich an einer sehr engen Flussstelle befunden,
weiter oben erweiterte sich das Bett bis auf 100 m und mehr und breite
Schuttbänke lagen bloss zu beiden Seiten. Wir hielten an diesem
Tage ständig am linken Ufer und kreuzten nicht wie gewöhnlich, zur
Vermeidung der starken Strömung, von der einen Uferbucht nach der
anderen, auch blieb mein Boot während der ersten Hälfte der Fahrt
immer das vorderste. Da wir zufällig an der linken Uferseite fuhren
und die andere zu weit entfernt war, hörten meine Ruderer den ersten
wahrsagenden Vogel zuerst rechts von sich. Er prophezeite also eine
glückliche Reise, ein Umstand, der den Kajan und Pnihing, wie ich
später erfuhr, während der vielen Schwierigkeiten, welche diese Reise
mit sich brachte, zu grossem Trost gereichte.

Nach dreistündiger Fahrt passierten wir eine Landzunge, auf der
unsere Malaien einige Tage vorher das Gepäck unter alten Segeltüchern
niedergelegt hatten; gegen Mittag fuhren wir an der Mündung des Mujut
vorbei und setzten die Reise noch bis 1/2 4 Uhr nachmittags in einem
Stück fort, bis wir einen eben erst verlassenen Lagerplatz erreichten,
auf dem unsere Gesandtschaft augenscheinlich übernachtet hatte. Dieser
Fleck war günstig gelegen, nämlich an der Mündung eines kleinen
Nebenflusses, wo eine Schuttbank am Ufer abends ein Ausruhen unter
freiem Himmel gestattete, so dass man nicht zu ständigem Aufenthalt im
schwülen Walde gezwungen war. Oberhalb Long Mujut verändern Bett und
Ufer des Flusses sehr bald ihren Charakter; die breite Wasserfläche mit
den flachen, waldreichen Ufern wird ziemlich plötzlich verengt durch
steil aus dem Bett sich erhebende Hügel und Berge, welche auf einigen
Strecken eine wilde, mit dichtem Busch bedeckte Landschaft bilden. Sehr
bald gestattete die Höhe der Ufer überhaupt keine Übersicht mehr, und
mussten wir uns bis zum Schluss der Reise mit unserer unmittelbaren
Umgebung zufriedenstellen, die übrigens wegen der sehr schwierigen
Fahrt unsere ganze Aufmerksamkeit zu erfordern begann.

_Kwing Irang_ gab mir abends, als wir nebeneinander auf der Schuttbank
sassen, einen Beweis von dem Ernst, mit dem er unser Unternehmen
auffasste, durch seinen Vorschlag, nicht sämtliche Männer das im Walde
zurückgelassene Gepäck abholen zu lassen, sondern diese Arbeit nur
den Malaien aufzutragen und die Kajan inzwischen mit einem anderen
Teil des Gepäckes so weit als möglich wieder flussaufwärts zu senden,
damit wir bereits am übernächsten Tage weiterreisen konnten. Das
geschah denn auch; bereits um 3 Uhr nachmittags waren die Malaien
wieder bei uns zurück, während die Kajan erst nach Einbruch der
Dunkelheit den Fluss wieder herabgefahren kamen; sie hatten jedoch
den folgenden Lagerplatz unserer Gesandtschaft wieder erreichen können.

Am 8. August konnte ich den Kajan nur mit Mühe begreiflich machen, dass
wir jetzt mit allem Gepäck zugleich die Fahrt fortsetzen konnten; sie
hielten dies für unmöglich, weil ihnen augenscheinlich ein Überblick
über Gepäck und Böte fehlte. Als aber alles geladen war und die Böte
in dem noch stärker gefallenen Wasser doch noch fahren konnten, machten
sich alle wohlgemut auf den Weg. Das Tal des Boh wurde enger und enger
und die steilen Lehmfelsen der Ufer trugen nur noch an wenigen Stellen
ein Pflanzenkleid; grosse Felsblöcke lagen auch im Flusse selbst und
zwangen uns, mit viel Überlegung zwischen ihnen hindurchzufahren.

An einer Stelle, wo der Fluss eine 400 m hohe Hügelreihe durchbrach,
musste alles Gepäck 3 Mal nacheinander aus den Böten genommen werden,
um diese mittelst Rotang die Wasserfälle hinaufziehen zu können. Dies
geschah an der rechten Uferseite, weil sich links eine lotrechte
Felswand hoch über die Wasserfläche erhob. Einer dieser Wasserfälle
hiess Kiham Hulu; erst gegen 2 Uhr hatten wir sie passiert und ging
die Fahrt zwischen sehr steilen Ufern und kleinen Felsblöcken im
Flusse weiter. Das uns umgebende dunkel lehmfarbige Gestein und das
über die Felswände hängende tiefe Waldesgrün machten einen finsteren
Eindruck; die Abwesenheit jedes menschlichen Wesens wirkte noch dazu,
wie übrigens auf der ganzen Reise, niederdrückend.

Anderthalb Stunden oberhalb des Kiham Hulu schien ein 30 m hoher
Block den Fluss gänzlich abzuschliessen; in der Nähe jedoch zeigten
sich zu beiden Seiten desselben 6-7 m breite Spalten, durch die wir
die Böte hinaufziehen lassen mussten. Der schön rote, aus dünnen
Jaspisschichten bestehende Felsblock bot seiner Steilheit wegen den
Kajan zum Hinaufklettern keine Stützpunkte, so dass diese die Böte
nicht, wie üblich, von oben mit Rotangseilen um ihn herumziehen
konnten; wir hätten trotz des sehr günstigen Wasserstandes nicht
gewusst, wie die starke Strömung in dieser Enge überwinden, da auch
die beiden Ufer aus sehr steilen, unzugänglichen Felsen bestanden,
wenn sich nicht an dem zu einer Art von untiefen Bai ausgehöhlten
rechten Ufer eine grosse Menge toten Holzes, worunter schwere Bäume,
aufgestapelt gehabt hätte, welch letztere so hoch an der Felswand
hinaufreichten, dass die Kajan über diese hinweg eine niedrigere
Stelle der Wand erklimmen konnten. Hier fanden ihre blossen Füsse
einen genügenden Halt, um die Fahrzeuge an zugeworfenen Rotangkabeln
durch die Enge zu ziehen. Diese war nur 25 m lang, doch lagen dicht
oberhalb derselben wieder 3 grosse Blöcke im Flusse, der sich zwischen
diesen mit vielen Stromschnellen hindurchwand. Auch hier mussten
die Böte an Rotangkabeln gezogen werden, was bei höherem und daher
ungestümerem Wasser unmöglich gewesen wäre. Zum Glück erreichten
wir bald die Stelle, wo unser Gepäck lag, und konnten uns von allen
Anstrengungen erholen. Nach _Demmeni_ hatten wir an diesem Tage
einen Abstand von 11 km zurückgelegt und zwar gerade in nördlicher
Richtung. Ich hatte jetzt, wo _Bier_ nicht mehr da war, um den Fluss
sorgfältig topographisch aufzunehmen, mit _Demmeni_ verabredet, dass
er unseren Reiseweg auf dieselbe Weise messen sollte, wie er es im
Jahre 1896 am Mahakam getan hatte, nämlich indem er die Flussrichtung
mit der Handbussole bestimmte und die Abstände schätzte. Damals hatten
_Demmenis_ Messungen eine Karte mit relativ kleinen Fehlern ergeben;
so war es denn auch jetzt der Mühe wert, dass _Demmeni_ sich während
der ganzen Reise ernsthaft dieser Arbeit widmete.

Abends brachten mir die Pnihing einen 3/4 m langen, eigentümlichen,
rotbraunen Fisch, _keto_ genannt, der nach der Meinung aller Anwesenden
nur im Boh vorkam, während eine nahe verwandte Art im Mahakam lebte
und eine graue oder graue und schwarze Marmorierung zeigte.

Am anderen Morgen luden Eingeborene und Malaien wieder ihre Böte und
dehnten ihre Fahrt so weit aus, dass sie erst nach Sonnenuntergang
zurückkehrten. Nach ihrem Bericht kamen in diesem Teil des Boh bis
zur Mündung des Oga, den sie erreicht hatten und ein Stück weit
hinaufgefahren waren, keine Wasserfälle mehr vor. Das war allerdings
wahr, im übrigen erwies sich aber das Flussbett am folgenden Tage als
äusserst ungünstig für die Fahrt. Trotz des noch tieferen Wasserstandes
verhinderte die wegen der zahlreichen, das Flussbett verengenden
Blöcke sehr heftige Strömung ein schnelles Vorwärtskommen, auch mussten
wir ständig auf der Hut sein, nicht auf einen unter Wasser liegenden
Felsen zu stossen; bei der so viel schnelleren Talfahrt musste diese
Gefahr noch viel grösser sein. Häufig zogen die Kajan die Böte an
Rotangkabeln längs des Ufers vorwärts. Gegen 1 Uhr erreichten wir
die Ogamündung. Am rechten Bohufer hatten unsere Gesandten unter den
überhängenden Bäumen einen langen Stock derart in den Boden gepflanzt,
dass sein freies Ende nach dem Nebenfluss wies; ungefähr 1500 m
weiter im Oga fanden wir unser aufgestapeltes Gepäck. Das Nachtlager
der Kenja musste jedoch noch weiter oben liegen, weil sie mit ihren
leichter beladenen Böten auch grössere Tagereisen zurücklegen konnten.

Das Gestein, das wir an diesem Tage im Boh angetroffen hatten, glich
völlig demjenigen im Stromgebiet des Mahakam; es bestand meistens aus
dunklen Schiefern, die mit sehr regelmässig gelagerten Jaspisschichten
von weissgrauer, roter und schwarzer Farbe abwechselten. Der Oga
erwies sich als 30-50 m breiter Nebenfluss, der sich in die dunklen
Schiefer ein schmales, tiefes Bett mit steil aufsteigenden Seitenwänden
gegraben hatte. Seine Ufer waren bis hoch hinauf gänzlich nackt,
erst weiter oben setzte der Busch an mit senkrecht stehenden, 50-70 m
hohen Waldriesen, während die in anderen Flüssen so charakteristischen
stark überhängenden Bäume hier im harten Gestein aus Mangel an Raum
zum Wurzelfassen gänzlich fehlten.

Wir waren zeitig genug angekommen, um die Helligkeit noch zu allerhand
Arbeit benützen zu können, besonders weil unsere Hütten bereits Tags
zuvor aufgeschlagen worden waren.

Die Malaien wollten noch am Boh Hirsche jagen, wahrscheinlich trieb
sie aber nur die Neugier noch weiter den Fluss hinauf. _Tamoi_, einer
unserer besten Malaien, wollte sich jedoch gut ausrüsten und bat daher
um mein Winchester Repetiergewehr, das ich ihm auch gab. Abends kehrte
die Gesellschaft aber unverrichteter Sache heim und _Tamoi_ gab mir das
Gewehr mit sehr bedrücktem Gesicht zurück, über seine Jagderlebnisse,
die bereits die Lachlust der Kajan erregten, berichtete er mir aber
nichts. Seine Kameraden erzählten jedoch, ihr Anführer habe, dem Ufer
des Boh entlang gehend, hinter einer Windung plötzlich vor 3 Hirschen
gestanden und auf 30-40 m Abstand dreimal auf sie geschossen, ohne
zu treffen, und die Tiere seien trotzdem stehengeblieben. Erst als
auf die vielen Schüsse ein anderer Malaie angelaufen kam, seien die
Hirsche im Walde verschwunden; die Tiere kannten in dieser friedlichen
Gegend kein Misstrauen. Dieselbe Beobachtung hatten wir übrigens bei
unserer Expedition ins Quellgebiet des Mahakam bereits gemacht. Die
Fröhlichkeit unserer Malaien über das Abenteuer machte bald einer
bitteren Enttäuschung Platz, weil wir alle seit Monaten nur Fische
als Fleischspeise genossen und uns daher auf einen Wildbraten gefreut
hatten; der arme _Tamoi_ musste sich seiner Ungeschicklichkeit wegen
viele Sticheleien gefallen lassen.

Die Kajan begannen früh am anderen Morgen hoch über der Erde eine
kleine Reisscheune zu errichten; sie erzählten, es sei bei ihnen
Sitte, auf dergleichen gefährlichen und langen Reisen hier und da im
Walde einen Reisvorrat zu verstecken, damit sie bei einer eventuellen
eiligen Flucht, bei der sie ihr Gepäck zurücklassen müssten, einen
Reservefonds fänden. Auf der Rückreise von Apu Kajan würde uns dieser
übrigens ebenfalls von grossem Nutzen sein. _Kwings_ Sohn _Bang Awan_
begrub überdies unter der Hütte einen emaillierten eisernen Teller,
aus Furcht, dass die Kenja sich diesen von ihm ausbitten würden;
andere hingen unter dem Dach einige dicke Kriegsmützen aus Rotang
auf, die sie sich abends als wirksames Verteidigungsmittel gegen
die so gefürchteten Kenja geflochten hatten. Leider konnte ich nicht
kontrollieren, wieviel Reis die Kajan in ihren Böten übrig behalten
hatten, sonst wäre ich ernsthaft gegen die Zurücklassung einer so
grossen Menge aufgetreten, denn, wie es sich später erwies, reichten
sie bei weitem nicht damit aus.

Die Kajan hielten es in diesen so gut wie nie besuchten Wäldern für
überflüssig, die Reisscheune besonders zu verbergen, auch würden
in diesem Gebiet umherschweifende Punan sie nach ihrer Meinung
doch entdeckt haben. Gegen diese baten sie mich aber, die Hütte
durch Anhängen einiger Stücke Zeitungspapier zu schützen, das seiner
geheimnisvollen Buchstaben wegen auf die Bewohner Mittel-Borneos stets
einen sehr tiefen Eindruck macht. _Kwing_ hatte früher bereits seinen
Untertanen das Fischen weiter oben im Blu-u durch ein an einen Rotang
befestigtes Papierstück verboten (Teil I Taf. 67). Aus der Vorstellung
der Dajak, dass die Menschen lesen können, weil die Buchstaben ihnen
etwas zuflüstern, lässt sich ihre Ehrfurcht vor allem Gedruckten und
Geschriebenen begreifen. Ein eigenartiges Beispiel von der Wirkung,
welche ein Brief ausüben kann, werden wir bei den Kenja kennen lernen.

Infolge der grossen Menge zurückgelassenen Reises war unser Gepäck
stark vermindert, und da auch unsere 65 Mann täglich ein bedeutendes
Gewicht verzehrten, brauchten sich an diesem Tage nicht alle mit
dem Gepäcktransport abzugeben. _Bang Awan_ fand daher die Musse,
um sich zur Vorbereitung unseres weiteren Zuges nach dem oberen Oga
auf Kundschaft zu begeben; gleichzeitig wollte er ein Wildschwein
zu erlegen versuchen, weswegen der sachverständige _Abdul_ ihn
begleiten sollte. Einen Teil der Malaien behielt ich bei mir zurück,
weil ich die Geröllbänke oberhalb der Ogamündung im Boh untersuchen
wollte, teils um das Gestein dieses Stromgebietes kennen zu lernen,
teils um mich davon zu überzeugen, ob der Schmuckstein der Bahau,
der Batu Boh (ein Serpentin), von dort oder aus dem Oga stammte. Eine
schöne Sammlung von Schmucksteinen aus alten Schiefern, Hornstein und
Jaspis konnte ich abends als Resultat meines Ausfluges in ein leeres
Salzgefäss verpacken und in die Reisscheune stellen, um es auf der
Rückreise wieder mitzunehmen.

Unser Gepäck wurde an diesem Tage flussaufwärts bis oberhalb Long-Glat
geschafft, der Mündung des Glat, eines rechten Nebenflusses des Oga,
nach dem die Long-Glat ihren Namen tragen. Zu unserer aller Freude
brachte _Bang Awan_ abends wirklich ein Schwein mit, so dass wir nach
langer Zeit wieder frisches Fleisch zur Mahlzeit geniessen konnten.

Am 12. August brachte ich meine Malaien und Kajan nur mit Mühe und
erst um 1/2 9 Uhr in Bewegung. Nur zu bald lernte ich den Grund
ihres geringen Eifers kennen. In dem engen, von hohen Bergwänden
eingeschlossenen Tal des Oga, wo sich keine Schattenbäume über den
Fluss neigten, war es drückend heiss und eine beinahe ununterbrochene
Reihe von kleinen und grossen Wasserfällen erschwerte die Fahrt
in hohem Grade. Nicht weniger als 27 Wasserfälle und Stromschnellen
versperrten den Weg; von jenen war einer 3 m hoch, während diese bis zu
70 m lang waren. Die stets gleich steil bleibenden Ufer verhinderten
häufig ein Schleppen der Böte mittelst Rotang und die Felsblöcke im
Bette lagen so dicht beieinander, dass die meisten Fahrzeuge nur mit
Mühe hindurchkonnten und das meine ab und zu hinübergehoben werden
musste. Als wir um 4 1/2 Uhr abgemattet und von Kopfschmerzen geplagt
den Lagerplatz unseres Gepäckes erreichten, waren wir alle froh, die
Böte verlassen zu können. Unsere Nachtruhe wurde jedoch stark durch
unsere Hunde gestört, die unter grossen Mengen Agas (kleiner Mücken)
sehr zu leiden hatten.

Auf _Kwings_ Vorschlag, am anderen Tage auszuruhen, ging ich denn auch
bereitwillig ein; übrigens war von eigentlicher Ruhe, wie gewöhnlich
an solchen Tagen, keine Rede, nur benützte ihn jeder, um zu tun,
was er wollte. Einige Männer beschäftigten sich damit, den Rotang
an den Böten zu erneuern, die Haken an die Bootsstangen von neuem zu
befestigen und die Speere zu untersuchen; andere begaben sich in den
Wald, um den dicken Bambus, _betong_, der am Mahakam beinahe nicht
vorkommt, zur Herstellung von Bambusgefässen zu schneiden. _Kwing
Irang_ selbst begab sich in grösserer Gesellschaft und in mehreren
Böten an den oberen Oga, um dort zu jagen und zu fischen, und kehrte
abends mit der guten Nachricht zurück, dass er keinen Menschen noch
frischen Spuren von solchen begegnet sei, einen Hirsch erlegt und
nicht weniger als 12 _njaran_, salmartige Fische, gespiesst habe. Auch
eine Truppe Pnihing, die den Glat hinaufgefahren, und eine andere,
die zur Erforschung des Temha oder Pawil ausgezogen war, hatte zur
grossen Beruhigung aller keine Menschen gesehen.

Je weiter wir den Fluss hinauffuhren, desto ängstlicher war unsere
Gesellschaft geworden und baute daher, wo das Gelände es zuliess,
ihre Hütten zum Schutze um die unsere herum. Einen zum Aufschlagen des
Lagers geeigneten Platz zu finden, war übrigens nicht immer leicht;
am Temha, den wir vom Oga aus hinauffahren mussten, sollte dies nach
Angabe der Kenja noch schwieriger sein; wir hatten daher mit ihnen
vereinbart, dass sie uns durch Zeichen die Stellen angeben sollten,
an denen wir übernachten mussten und nach 12 Uhr mittags nicht
vorüberfahren durften.

Am 14. August machten sich alle schon sehr früh auf, um das Gepäck so
hoch als möglich den Temha hinaufzuschaffen, so dass wir mit _Kwing_
einen sehr ruhigen Tag zubrachten. Erst beim _liling duan_ (Singen der
Zikade bei Sonnenuntergang) kehrten die Böte mit der Meldung zurück,
dass sie bis zu einer sehr engen Stelle im Temha gekommen seien,
wo die sehr steilen Wände zum Stapeln des Gepäckes nur hoch über der
Wasserfläche einen Platz geboten hätten.

Bereits um 6 Uhr morgens machten sich die Kajan an das Abbrechen des
Lagers; sie wollten ihr Frühstück nämlich gern an der Mündung des
Glat einnehmen, einem verbreiterten Teil des Ogatales, der wegen
der zahlreichen Erzählungen aus ihrer Mythenwelt, die sich hier
abgespielt haben sollen, für sie einen besonderen Reiz barg. Während
der Vorbereitung zur Mahlzeit und dieser selbst äusserten sie denn
auch eine grosse Lebhaftigkeit. Die romantische, bis jetzt sehr
günstig verlaufende Reise nach Apu Kajan, der Aufenthalt an diesem
denkwürdigen, sagenreichen Ort, wo ihr mythischer Held _Bun_ nach der
Überlieferung abends, morgens und nachts zu fischen pflegte, das alles
versetzte sie in heitre Stimmung und liess sie die ausgestandenen
Strapazen vergessen und der kommenden nicht achten. Allerdings war
es ihnen in dieser Umgebung nicht ganz geheuer, auch hatten sie es
während der ganzen Reise vermieden, ein Stück aus der _Bun_-Sage zu
rezitieren, was sie sonst abends im Lager zu tun pflegen.

Eine aufgeräumte Stimmung hatten meine Leute wohl sehr nötig, denn
gleich nach unserem Aufbruch mussten wir uns durch drei Stromschnellen
hindurcharbeiten; darauf fuhren wir an einer kleinen Insel mit einer
durch die Sage bekannten _neha_ (Geröllbank) _Kelai_ vorbei und
befanden uns am Einfluss des Temha, eines linken Nebenflusses des
Oga. Während uns dieser mehr nach Westen geführt hatte, brachte uns
der Temha wieder gerade nach Norden. Es war dies ein sehr kleiner,
nur 15-20 m breiter Fluss, der sich zwischen dunklen Schieferfelsen
sehr tief und mit starkem Gefälle hindurchpresste; alle 50 m hatten
wir eine Stromschnelle zu überwinden, von denen einige eine bedeutende
Länge erreichten. Infolge der anhaltenden Trockenheit war das Wasser
besonders für mein grosses Boot nicht tief genug und musste es von den
Männern ständig über das Geschiebe der Stromschnellen gestossen und
gezogen werden. Die Verhältnisse wurden nicht besser, als der Temha
sich weiter oben gabelte und wir seinen linken Arm hinauffuhren. Hier
waren die Ufer oft lotrecht, sogar überhängend, während der nur 5-8
m breite Fluss mit seinen zahlreichen Windungen besonders für die
Talfahrt nichts Gutes versprach. Das Gebirge bestand hier auch aus
dunklen Schiefern, stark durchsetzt von weissen Quarznestern. Bereits
um 2 Uhr erreichten wir eine Stelle, an der uns ein Zeichen am Ufer
zum Biwakieren aufforderte; aus Furcht, das nächste Zeichen nicht
mehr erreichen zu können, wagten wir uns auch nicht weiter. Der
Platz schien häufig zum Lagern benützt worden zu sein, denn es
dauerte lange, bevor wir für unsere Hütten eine genügende Menge
kleiner Stämme beisammen hatten, auch waren diese dicker und unser
Zelt daher fester als gewöhnlich. Wir waren an diesem Tage etwa 40
m mit den Böten gestiegen. Nach aller Ermüdung hatte unsere ganze
Gesellschaft hier stark unter den Stichen einer Milbe zu leiden,
die zwar nur so gross wie der Kopf einer kleinen Stecknadel war,
trotzdem aber heftiges Jucken und Schmerzen verursachte.

Am 16. Aug. machten sich die Leute mit dem Gepäck wieder voraus auf
den Weg und kehrten abends wieder zurück, ganz unter dem Eindruck
der Schwierigkeiten, welche sie an diesem Tage zu überwinden gehabt
hatten. Nach ihrer Aussage bestand das Bett des Temha weiter oben
aus einem engen, finstern Spalt, ausserdem kamen in ihm viele hohe
Stromschnellen vor; bei diesen hatten sie alles Gepäck aus den Böten
nehmen müssen, um dann die flachen Fahrzeuge über die Felsblöcke
ziehen zu können, auf die sie Baumstämme gelegt hatten. An der von
_Taman Ulow_ als Lagerplatz bezeichneten Stelle waren sie bereits früh
vorbeigefahren, die folgende hatten sie jedoch nicht mehr erreicht
und daher das Gepäck auf einem sehr hoch über den Fluss emporragenden
Felsen niederlegen müssen.

Auch wir waren am folgenden Tage schon um 12 Uhr an der bezeichneten
Stelle, nach einer äusserst schwierigen Fahrt durch den sehr finsteren,
drohenden Felsspalt, der nirgends über 10 m breit war. Ich wagte nicht,
an diesem Tage noch weiter zu fahren, weil der sehr hohe Uferwald
nirgends einen Lagerplatz bot. Am anderen Morgen arbeiteten wir uns
auf dieselbe anstrengende Weise weiter fort, passierten gegen Mittag
unser Gepäcklager und fanden weiter aufwärts bei Long Mengow an einer
Flussverbreiterung mit grossem Platz zum Kampieren unsere Kajan bereits
emsig mit dem Hüttenbau beschäftigt. Mit Rücksicht auf unseren kargen
Vorrat an Nahrungsmitteln fand ich jedoch eine so frühe Rast trotz
der Anstrengungen dieses Tages sehr gewagt. Als die Leute meinem
Befehle, das Gepäck wieder einzuladen, diejenigen, die im Walde Holz
hackten, zurückzurufen und weiter zu fahren, nicht geneigt schienen,
Folge zu leisten, sandte ich _Lalau_ zu _Kwing_, der bereits unter
einem provisorischen Zelte sass, um diesem begreiflich zu machen,
dass wir bis zum Einbruch der Dunkelheit noch lange fahren könnten
und somit sicher einen anderen Lagerplatz finden würden. _Kwing_
äusserte zwar seine Bedenken doch fand auch er, dass ein schnelles
Weiterkommen dringend notwendig war, und so mussten denn alle wieder
die Böte besteigen und sich von diesem Wildniseldorado trennen.

Die Weiterfahrt begann nicht ermutigend; der Temha bildete in
einer hohen Felswand einen neuen, diesmal nur 5 m breiten Spalt,
in dem einige grosse Steinblöcke festgeklemmt lagen, so dass die
Böte sogleich wieder ausgeladen und mit Hilfe von Stämmen, welche
über die Blöcke gelegt wurden, aufwärts gezogen werden mussten. In
dieser Enge musste überdies das eine Boot auf das andere warten,
wodurch viel Zeit verloren ging; weiter oben mussten die Fahrzeuge
ständig über Flussgeröll geschleppt und 2 Mal ein hoher Wasserfall
passiert werden. Der erste wurde durch einen riesigen Eisenholzbaum
gebildet, der von oben in den engen Spalt gestürzt war und jetzt als
Wehr für das 3 m hoch darüber niederfallende Wasser diente. Das in
grossen Massen aufgestaute tote Holz bildete einen wahren Damm. Das
Vorwärtskommen wurde immer schwieriger, und da der Nachmittag seinem
Ende nahte, beschlich mich die Angst, dass wir am Ende in den Böten
würden übernachten müssen, was bei plötzlich eintretender Hochflut
sehr gefährlich werden konnte. Das Wetter war uns bis jetzt zwar
immer günstig gewesen, doch verliessen wir uns nie fest darauf,
sondern packten die Böte für die Nacht stets aus und zogen sie meist
aufs Land. In unserer spelunkenhaften Felsspalte begann es bereits zu
dämmern, als wir zu unserer grossen Freude Holzspähne vorbeitreiben
sahen; _Kwing_, der vorausgefahren war, fällte also bereits Holz. Nach
einer halben Stunde erreichten wir denn auch die Lagerstelle, auf der
meine Hütte und einige andere bereits halbfertig dastanden. Auf einer
kleinen Sandbank an dem etwas flachen rechten Ufer machten wir uns
einige Bewegung; hier vereinigte sich nach und nach auch die ganze
Gesellschaft, kochte ihren Reis und genoss der Abendkühle nach dem
schweren Tag.

Wir hatten übrigens noch eine wichtige Angelegenheit zu behandeln. Die
Kajan wollten nämlich am folgenden Tage nur das Gepäck weiter befördern
und uns wieder zurücklassen, worauf ich mit Rücksicht auf den stark
abnehmenden Reisvorrat meiner Malaien nicht eingehen durfte. Nachdem
die Kajan so viel Reis deponiert hatten, konnte ich nicht mehr darauf
rechnen, dass sie mir von ihrem eigenen Vorrat viel abtreten würden,
worauf ich _Kwing_ sehr eindringlich aufmerksam machte. Zu meinem
grossen Erstaunen hielten die Kajan ihr am Oga gegebenes Versprechen,
im Notfall aushelfen zu wollen, und schenkten meinen Malaien einen
ganzen Pack (_lewo_) Reis. So erlaubte ich ihnen denn, am anderen
Morgen nur das Gepäck hinaufzutransportieren, und _Bang Awan_,
zur Untersuchung unseres weiteren Weges vorauszufahren. Wie dieser
abends berichtete, hatte er den Meseai, ein linkes Nebenflüsschen
des Temha, von dem aus der Landweg zum Kajanfluss begann, gefunden,
ihn aber wegen der Geröllmassen im Bette nicht hinauffahren können.

In der angenehmen Hoffnung, dass dieser Tag, der 20. August, der sehr
schwierigen Fahrt in der niederdrückenden Umgebung ein Ende machen
würde, kochten die Kajan morgens bereits sehr früh und nahmen den
Reis in den Böten mit, um weiter oben zu frühstücken.

Bei dem grossen Eifer, der jetzt alle ergriff, mussten wir einige
Kranke mit Gewalt bei uns zurückhalten und sie darüber beruhigen,
dass die anderen sie nicht der Faulheit beschuldigen würden. In
der Tat wären an diesem Tage alle Arbeitskräfte nötig gewesen,
und endlose Stromschnellen und Wasserfälle hatten die Bootsleute
überwinden müssen, bevor sie den _taga_ (trocken) _harok_ (Boot),
den Anlegeplatz der Böte vor dem Landwege zum Kajanfluss, erreichten
und alles Gepäck dort niederlegten. Da nun aber die Baumstämme über
die Wasserfälle bereits gelegt und die hinderlichsten Steine beseitigt
waren, verbesserten sich unsere Reiseaussichten; auch fiel abends der
erste Regen auf unserer Fahrt und beseitigte eine grosse Schwierigkeit,
den sehr niedrigen Wasserstand.

Am 21. August brachen wir also unser letztes Lager im Mahakamgebiet
ab und fuhren bis zum Anfang des Landweges. Auf mich machte die
Fahrt auf dem Meseai einen weniger düsteren Eindruck als die auf
dem Temha, weil die Felswände uns hier nicht so steil zu beiden
Seiten einschlossen und wir ein grösseres Stück Himmel über uns
erblickten. Die Schwierigkeiten, besonders das Schleppen der Böte,
waren jedoch noch sehr gross, das Gepäck musste sogar ein grosses
Stück weit getragen werden.

Eines der grossen Böte musste im Temha zurückgelassen werden,
wo die Kajan es an Land zogen und fest an die Bäume banden,
damit es bei Hochwasser nicht fortgerissen würde. Das Steigen des
Wassers gestattete, alle anderen Böte im Meseai bis zum _taga harok_
hinaufzuschleppen, wo sie so hoch auf dem Ufer untergebracht wurden,
dass auch das stärkste Hochwasser sie nicht erreichen konnte. Auf dem
übrig gebliebenen Uferplatz bauten die Bahau unsere Hütten, nur etwas
fester als sonst, weil unser Verbleib hier länger dauern sollte. Seit
mehreren Geschlechtern hatten die Reisenden, die aus dem Gebiet des
Mahakam in das des Kajan oder umgekehrt zogen, die Bäume auf diesem
kleinen, flachen Hügelgipfel gefällt und auch den umliegenden Wald
stark gelichtet.

Welch eine enorme Arbeit mein Personal auf diesem letzten Zuge
geleistet hatte, geht aus meinen Aufzeichnungen hervor, nach denen
wir auf dem äusserst schlechten Gelände mit unseren Böten täglich um
die folgenden Meterzahlen gestiegen waren:


Am 6. Aug. 8. Aug. 10. Aug. 12. Aug. 15. Aug. 17. Aug. 18. Aug. 20. Aug.
   20 m    20 m    30 m     60 m     60 m     30 m     60 m     50 m


Wir befanden uns also jetzt 330 m höher als an der Bohmündung.

Sehr zu statten kam uns ein von den Kajan gefundener Reispacken,
den unsere Gesandtschaft augenscheinlich zurückgelassen hatte, weil
er ihr zum Landtransport zu schwer war; ich erstand ihn zu mässigem
Preise für meine Malaien. Einen Ruhetag glaubten die Kajan und Pnihing
durchaus nötig zu haben, und da ich in dieser unbekannten Gegend
die Träger nicht ohne weiteres vorausschicken konnte, sandte ich an
diesem Tage 3 Malaien unter _Delahits_ Führung zur Untersuchung des
Landweges aus. Die Kajan waren hierzu aus Furcht nicht zu bewegen.

Unter der ausdrücklichen Bedingung, dass sie ihren Lohn erst nach
unserer Rückkehr zum Mahakam empfangen sollten, hatte ich die Bahau in
meinen Dienst genommen, weil ich so viel Geld nicht mitführen wollte
und die Leute es zu verlieren riskierten. Trotzdem machten jetzt
alle auf einen Teil ihres Lohnes Anspruch, um in Apu Kajan Handel
treiben zu können. Der ziemlich geringen Menge Silbergeldes wegen,
die ich bei mir hatte, kam mir diese Forderung recht ungelegen,
doch stellte ich die Männer schliesslich mit einem Vorschuss von 10
fl pro Kopf zufrieden. Als ich ihnen dabei die Arbeitstage, welche
sie gut hatten, vorzählte, meinte _Bo Bawan_, der auf der Reise auf
seine Weise Rechnung geführt hatte, sie kämen nach meiner Angabe um
1 Tag zu kurz. Er hatte nämlich an seinem Schwertgürtel eine Schnur
befestigt und an dieser jeden gültigen Tag mit einem Knoten bezeichnet;
im Lauf unserer Unterhaltung gab er in der Tat von jedem Knoten an,
welchen Tag er vorstellte. Dessenungeachtet erwies sich bei einer
eingehenden Besprechung der Angelegenheit, der die übrigen mit grossem
Interesse folgten, meine Rechnung als die richtigere. Von den anderen
Kajan schien keiner die Anzahl Tage gut gemerkt zu haben. Die Malaien
begannen sich nun auch mit Tauschartikeln zu versorgen und baten
jeder um einen Packen weissen Kattuns, den ich ihnen meines grossen
Vorrats wegen gern zugestand.

Abends nach Sonnenuntergang kehrten die malaiischen Kundschafter
zurück; sie waren dem Pfad bis in das Tal des Laja, eines Quellflusses
des Kajan, gefolgt; er war zwar lang, aber gut passierbar, so dass sie
noch abends hatten zurückkehren können. Auf diesen Bericht hin wurde
beschlossen, das Gepäck halbwegs auf die Wasserscheide, _ngalang_
(Berg) _hang_ (zwischen), bringen zu lassen und am folgenden Tage
selbst nachzukommen.

So wurde denn am 23. August unser Hab und Gut so gerecht als
möglich den verschiedenen Rücken aufgebürdet, und ausser den 4
Malaien, die von ihrer Entdeckungsreise tags zuvor steife Beine
behalten hatten, machten sich alle auf den Weg. Dieser ruhige Tag
schien mir zur Behandlung der Reisfrage mit _Kwing_, der selbst im
Lager blieb, sehr geeignet. Besonders für uns und die Malaien war
diese Frage sehr brennend geworden, denn wir lebten bereits seit
mehreren Tagen von dem Reis, den die Kajan uns verkauft hatten,
und nun behaupteten diese, uns nichts mehr abtreten zu können. Im
Geheimen teilte _Kwing_ mir mit, dass einige Kajan doch noch Reis zum
Verkauf übrig hätten und er mit den Betreffenden nach ihrer Rückkehr
darüber reden wollte. Abends gelang es mir denn auch, noch einen
Packen für 10 fl zu kaufen, also für 25-30 fl den Pikol, ein sehr
hoher Preis, den die Umstände entschuldigten. Während ich nachts
wach lag, beschloss ich, trotz des hohen Preises und der erwarteten
Hilfe der Kenja doch noch einen zweiten Reispacken zu kaufen, aber
morgens verlangte der junge Besitzer desselben 25 fl statt 10 fl,
wie abends vorher. Die Häuptlinge verurteilten zwar eine derartige
Ausnützung einer Notlage, besonders gegenüber einer Person, die dem
Betreffenden am Mahakam mit vieler Sorge und Pflege das Leben gerettet
und hierfür nichts empfangen hatte, doch meinten sie, nichts dagegen
tun zu können. Trotz der vielen Schwierigkeiten, die sich mir seit
Jahren entgegengestellt hatten, passierte es mir jetzt zum ersten Mal,
dass ich meine Selbstbeherrschung verlor; ich stürzte in einem Anfall
von Entrüstung und Wut nach der Hütte, wo der junge Mann (_Sawang
Ulo_ Tafel 7) vor seinem Reispacken sass, drohte ihm mit dem Stock,
schleuderte ihn an der Schulter zur Seite, ergriff den Reispacken und
warf ihn ein paar eiligst herbeilaufenden Malaien zu, mit dem Befehl,
ihn nach meiner Hütte zu bringen. Während dieser heftigen, ungewohnten
Szene, die mir vor Erregung Tränen in die Augen trieb, hatte sich
niemand zu rühren gewagt, und ich sass bereits geraume Zeit wieder
in meinem Zelte, bevor ich einige Bewegung im Lager bemerkte. Zuerst
kamen _Kwing_ und _Bo Bawan_ zu mir, setzten sich sehr demütig auf
den Boden und baten um Verzeihung wegen der Unannehmlichkeiten, die
sie mir bereiteten, die jungen Leute (_deha njam_) wären zu dumm, um
zu begreifen, was sie täten, besonders der betreffende _Sawang_, der
mir jetzt den Reis gern für den vereinbarten Preis von 10 fl abtreten
wollte. Obwohl innerlich froh über diesen Verlauf der Angelegenheit,
hielt ich den beiden alten Anführern doch vor, dass sie bei einem so
schwierigen und gefahrvollen Zug derartige Ausschreitungen einzelner
selbst zu verhindern suchen mussten.

Ich glaube, die ganze Gesellschaft war nach diesem Auftritt froh,
sich mit einer Last auf den Weg machen zu dürfen. Nach Vereinbarung
sollten die Männer an diesem Tage für sich selbst tragen (_maso_), in
Anbetracht dass ihre eigene Ausrüstung, besonders an Tauschartikeln,
sehr schwer war. Einige boten sich an, auch für mich noch etwas zu
tragen, so wurde ich noch ein paar Packen Kattun los. Mit Rücksicht
auf die lange, bereits hinter uns liegende Reise glaubte ich höhere
Anforderungen an meine Personal nicht stellen zu dürfen; meine
Ungeduld, jenseits der Wasserscheide zu gelangen, war so gross,
dass ich überlegte, welches Gepäck zurückgelassen und später wieder
mitgenommen werden konnte. Die Tauschartikel waren unentbehrlich,
daher kam nur unsere persönliche Ausrüstung in Betracht, und da
_Demmeni_ von der seinen nichts missen zu können glaubte, liess ich
meine Matratze, einen Klappstuhl und noch einiges andere zurück. Die
Kajan banden die Sachen aut unsere Schlafbänke fest und bedeckten
sie mit alten Palmblattmatten und Baumrinde; einige Monate später
fand ich sie unversehrt wieder vor. Nachdem wir auch die Böte vor
Unfällen aller Art gesichert hatten, traten wir am 25. August um 7 Uhr
morgens den Marsch an. Erst ging es ein Stück weit durch den Meseai,
dann bestiegen wir den von diesem aus sich erhebenden Bergrücken,
der uns zum Gebirgspass bringen sollte. Auf dem in einem Winkel von
etwa 30° geneigten und direkt nördlich gerichteten Abhang ging es,
bald steil aufsteigend, bald absteigend, weiter. Von 7 bis 1/2 1 Uhr
morgens stiegen wir vielleicht nur 500 m auf einem zwar breiten und von
den Kajan bereits ausgehauenen, aber sehr anstrengenden Pfade. Gleich
nachdem wir die uns erwartenden Kajan eingeholt hatten, kamen _Demmeni_
und ich an zwei grossen Bäumen vorüber, die der Sage nach von einer
bekannten Person gepflanzt worden waren. Wir mussten mit unseren
Revolvern auf sie schiessen, und die Kajan, die den Weg zum ersten
Mal betraten, ihre Speere auf sie schleudern. Die Träger blieben bald
hinter uns zurück und nur einige Malaien hielten aus Pflichtgefühl bei
uns aus. Gegen 11 Uhr konnte _Demmeni_ nicht weiter und blieb zurück,
um auf das Essen zu warten, das die Kajan trugen. Ein Stück weiter
stiess ich auf unser Gepäcklager und jetzt sehnten wir uns nach einer
längeren Rast als nur einer Viertelstunde nach je 3 Viertelstunden
Marsch, wie wir es an diesem Tage gehalten hatten. Einem der Koffer
mit Konservierungsmaterial für Fische entnahm ich 6 Stöpselflaschen
mit dem nötigen Formol für eventuell zu fangende Fische, dann
erfrischte ich mich mit dem Saft einer Liane, da auf diesem hohen,
scharfen Rücken kein Wasser zu finden war, und ruhte aus, bis gegen
1/2 1 Uhr die ersten Träger wieder auftauchten. Ich fürchtete, die
Leute möchten sich weigern weiterzumarschieren, und brach daher,
um sie zur Eile anzuspornen, mit einigen starken Pnihing, _Delahit_
und ein paar Buginesen aus Samarinda sogleich wieder auf. Weiter oben,
wo die Kajan den Weg noch nicht ausgehauen hatten, erschwerte uns das
dichte Grün von Farren, Rotang und Gemberpflanzen das Gehen. Die Kenja
hatten über diesen tief liegenden und sumpfigen Teil des Rückens den
Weg mit Baumstämmen belegt, aber diese waren bereits sehr lange nicht
mehr erneuert worden und daher halb verwest und zerfallen. Auf der
ferneren Strecke befanden wir uns denn auch ständig in einem wilden
Kampfe mit dem Gestrüpp; zum Glück war die Steigung nur schwach und
_Delahit_ tröstete mich damit, dass dieses "_puköt_" (Zugewachsene)
nur bis zur Wasserscheide anhalte. Wir erkannten diese an der üblichen
Reihe von Pfählen, die _Anjang Njahu_ und die anderen die Kenja
begleitenden Kajan hier beim Betreten des für sie neuen Gebietes den
Geistern errichtet hatten. Auch an der Mündung des Meseai hatte jeder
von ihnen einen derartigen Pfahl roh bearbeitet und aufgepflanzt. Auch
verschiedene andere alte und halb verweste Pfähle waren noch zu sehen.

Der hier sehr schmale Rücken fällt sogleich sehr steil ins Tal des
Laja, des südlichen Quellflusses des Kajan, ab. Ich lernte hier zum
ersten Mal eine besondere Art des Wegbaus der Kenjastämme kennen:
den ganzen Abhang hinunter waren Leitern angebracht; zwar waren diese
jetzt verfallen, doch ermöglichten sie immerhin den Abstieg. Wie
der Wald triefte auch hier die ganze Umgebung von Nebel und Regen,
wodurch einige schwierige Stellen gefährlich wurden und ebensosehr
den Gebrauch der Hände als der Füsse nötig machten. 100 m tiefer
ging es besser, erst über Schieferfelsen, dann mehr über Bänke aus
kleinem scharfkantigem Gestein oder durch das bereits sehr wasserreiche
Flüsschen. Nach _Delahit_ war der Weg durch den Laja Delèng (kleiner
Laja) nicht mehr lang; zwischen hohen, beinahe senkrechten Felswänden
gelangten wir denn auch nach 1/2 4 Uhr an eine steile Landzunge, wo
unser Flüsschen sich in den Laja Aja (grosser Laja) stürzte. Nach der
_adat_ musste es gewittern, wenn ein _hipui aja_ (grosser Häuptling),
das war ich, ein neues Land betrat, und das geschah denn auch.

Unglücklicherweise regnete es in den letzten Stunden in Strömen. So
schlüpfte ich denn unter einige Palmblattmatten, während meine
Begleiter das hier nur spärlich vorhandene Holz mit einiger Mühe für
eine Hütte zusammensuchten. Nur die Hälfte der Malaien, 2 der Buginesen
und die Pnihing hatten bei mir ausgehalten. _Demmeni_ mit _Abdul_ und
einigen anderen Malaien stiessen erst eine Stunde später zu uns. Bald
stellte es sich heraus, dass wir keine Lampe und ausser einem sehr
kleinen Vorrat der Pnihing keinen Reis bei uns hatten. Als ich mich
aber unter dem vorzüglich schützenden Segeltuch in mein Klambu begab,
empfand ich vor Übermüdung auch keinen Hunger, sondern nur Durst.

_Demmeni_ hatte gesehen, dass unsere Träger an der Stelle, wo unser
Gepäck lag, ihr Lager aufgeschlagen hatten; wahrscheinlich hatten
sie dies für die Opferfeier, die sie vor dem Eintritt ins neue
Gebiet abhalten mussten, nötig befunden, einige waren wohl auch zum
Weitergehen zu müde gewesen. Wir glaubten in der Ferne einen Schuss
zu hören und antworteten sogleich mit unseren Gewehren, aber niemand
erschien, und so suchten wir denn unter unseren Decken die dunkle,
nasskalte Umgebung in 800 m Höhe zu vergessen, während unsere Begleiter
vor Angst wachend, vor Kälte zitternd und aus Reismangel hungernd
die Nacht unter ihren Palmblattmatten verbrachten.

Beim Erwachen lag alles in dicke Nebel gehüllt und die enge, tiefe
Schlucht vor uns erschien düster wie eine grosse tiefe Höhle ohne
Ausgang. Auch war durch den heftigen Regen die Nacht über der schmale
Laja so geschwollen, dass wir unmöglich in seinem Bette hinuntersteigen
konnten. Das Wasser fiel übrigens bereits wieder, und einige Malaien,
die ihr Lager auf einer Schuttbank aufgeschlagen hatten und nachts
von dort durch die Flut vertrieben worden waren, sassen jetzt wieder
auf der gleichen Bank und wärmten sich an einem Feuer.

Die erste Person, die von der Nachhut erschien, war _Maïl_, einer der
Malaien aus Samarinda, den wir am wenigsten erwarteten, denn er hatte
uns schon tags zuvor auf dem Landwege mit seinen an einer verbreiteten
Hautkrankheit (Tinea albigena) leidenden Fusssohlen nur äusserst
mühsam und vor Schmerz weinend folgen können. Als er von den anderen
gehört hatte, dass ich ohne Essen war, hatte er sich trotz seiner
Schmerzen noch um 1/2 4 Uhr allein auf den Weg gemacht, um mir einige
gebratene cabin biscuits zu bringen, die er mit sich führte. Er war
jedoch nicht weiter als bis zum steilen Abhang an der Wasserscheide
gelangt und zum Übermass des Missgeschicks einem Seitenarm statt
dem Hauptfluss gefolgt. Er war es gewesen, der geschossen hatte,
auch hatte er unsere Antwort gehört, aber die Nacht, aus Furcht
sich noch weiter zu verirren, lieber unter einigen Rotangblättern
zugebracht. Die Angst vor Kopfjägern hatte ihm den Schlaf geraubt
und so langte er in traurigem Zustand bei uns an. Als kurz darauf die
ersten Kajan mit _Kwing_ eintrafen, forderte ich diese auf, bis zum
Anlegeplatz der Böte am Kajan weiterzugehen, da ich selbst auf die
Reisträger warten wollte. Ich glaubte mich inzwischen mit _Maïls_
Biscuits begnügen zu können, aber als die Träger noch immer nicht
erschienen, blieb uns nichts anderes übrig, als _Kwing_ zu folgen.

Hunger, Müdigkeit und Schmerzen in der linken Hüfte zwangen mich,
nach einer Stärkung zu suchen; da meine Gesellschaft jedoch nichts
Essbares bei sich hatte, war ich schliesslich froh, von einem
zurückgebliebenen Kajan etwas Klebreis und von _Maïl_ noch etwas Zucker
zu erhalten. Obgleich bereits verschiedene Generationen kleiner Milben
in dem Klebreis üppig schwelgten, mundete er mir doch ausgezeichnet und
stärkte mich genügend, um den äusserst anstrengenden Weg fortsetzen zu
können. Auf einer Geröllbank im Fluss fanden wir _Abdul_ sitzen und auf
uns warten. In dieser niederdrückenden Umgebung erschien er uns wie ein
Glücksbote, als er meldete, dass _Anjang Njahu_, mein Hauptgesandter,
mit guten Nachrichten und zwei Böten aus Apu Kajan angekommen war und
ich mit einem derselben sogleich den Laja hinunterfahren konnte. Als
eine Stunde später _Anjang Njahu_ und _Bang Awan_ mir mit dem zweiten
Boot entgegen kamen, stieg ich in dieses um und erfuhr, dass sie gerade
am Tage vorher von unten angekommen waren und der Kenjahäuptling
_Bui Djalong_ nur auf näheren Bericht über unsere Ankunft wartete,
um uns abzuholen; inzwischen hatte er die Häuptlinge weiter unten
am Kajan-Fluss durch _Taman Ulow_ um Hilfe bitten lassen. Einige
Häuptlinge hatten sich anfangs gegen meinen Empfang ausgesprochen
u.a. _Bo Anjè_, _Bui Djalongs_ ältester Bruder, der hauptsächlich eine
"_wang kapala_" (Kopfsteuer) von den Niederländern fürchtete. Je zwei
von diesen Widersachern hatte _Anjang Njahu_ ein Stück weissen Kattuns
geschenkt, wonach in ihren politischen Überzeugungen ein plötzlicher
Umschwung eingetreten war. Meine Kajan bestätigten die Aussagen der
Kenja, dass _Bui Djalong_ nach der Unterwerfung aller Stämme unter
die Uma-Tow als oberster Häuptling aller Kenja verehrt wurde.

Von den vielen anderen Berichten meiner Gesandten interessierte mich
am meisten, dass _Bui Djalong_ auf seiner Expedition nach Serawak
wirklich mit allen Häuptlingen vom Telang Usan (Baram River) mit
einem Dampfer nach der Residenz Kutching gebracht worden war, wo
Radja _Brooke_ ihn gefragt hatte, ob er mit seinem Volke nicht nach
dem Balui oder oberen Batang Redjang, also auf englisches Gebiet,
auswandern wollte. Der Häuptling habe darauf geantwortet, dass er seine
Heimat nicht verlassen wolle, worauf ihm der Radja gesagt haben soll,
er werde sich dann bald in den Händen der Niederländer befinden, da
ich bereits auf dem Wege zu ihnen sei. Hierauf hatte _Bui Djalong_
geschwiegen. Auf der Heimreise der Kenja längs des Telang Usan war
einer der ihnen zum Schutz mitgegebenen bewaffneten Polizeiagenten
von den Batang-Lupar mit einem vergifteten Pfeil getötet worden--das
Gerücht war diesmal also wahr gewesen.

Nach _Bui Djalongs_ Rückkehr war seine Tochter _Kuling_ gestorben;
wir trafen gerade zur rechten Zeit, nach Beendigung der offiziellen
Trauerperiode, bei den Uma-Tow ein. Der Häuptling hatte seinen
Namen _Taman Kuling_ "Vater von _Kuling_" eben abgelegt und seinen
Knabennamen _Djalong_ wieder angenommen, mit dem Beiwort "_Bui_",
der den Tod seines Kindes anzeigte. Wir mussten ihn daher stets _Bui
Djalong_ nennen.

War unsere Stimmung in den letzten Tagen gedrückt gewesen, so
änderte sich nun durch die günstigen Berichte alles wie durch einen
Zauberschlag und wir begannen uns über den glücklichen Verlauf
der Reise, besonders die schnelle, wenn auch sehr schwierige Fahrt
flussaufwärts zu freuen. Im allgemeinen hatte mir mein Geleite von
Kajan und Pnihing alle Ursache zur Zufriedenheit gegeben, ich hatte
ihm sehr viel überlassen können.

Unter dem Eindruck des guten Erfolges gingen am 27. August alle Leute
sogleich ab, um das zurückgebliebene Gepäck abzuholen und liessen
uns auch nachts in unserem Lager an der Mündung des Laja in den Kajan
allein zurück, da sie unterwegs im Walde übernachteten; am folgenden
Tage langten sie mit unserem Hab und Gut wohlbehalten im Lagerplatz an.

Der am 25. und 26. August von uns zurückgelegte Landweg über die
Wasserscheide führte mit seitlichen Abweichungen von höchstens
10° direkt nach Norden. Trotz seiner Länge hatte er uns keine
aussergewöhnlichen Schwierigkeiten geboten, weil er nirgends anhaltend
steil aufstieg. Die Passhöhe musste etwa 850 m. ü.d.M. liegen; bis
zur Lajamündung fällt der Weg um 200 m. Das Streichen der Schiefer
im Temha und Meseai war ungefähr W-O, also parallel dem Lauf der
Wasserscheide. Von dieser gehen in nördlicher und südlicher Richtung
Seitenrücken aus, zwischen denen kleine Flüsse dem Mahakam resp. dem
Kajan zuströmen. Die Entfernung vom Lagerplatz am Meseai bis zu dem
am Kajan betrug etwa 22 km. Von den klimatischen Verhältnissen dieser
Gegend erhält man eine Vorstellung, wenn man sich vergegenwärtigt,
dass in dem engen, finsteren Tal des Laja in einer Höhe von 700-800
m alle Bäume mit einer dicken Moosschicht bekleidet waren und die
Felsen entweder blosslagen oder eine mehr aus Algen als aus Flechten
bestehende Vegetation trugen.

_Anjang Njahu_ begab sich bereits am 27. Aug. wieder den Kajan
hinunter zu _Bui Djalong_, um diesem unsere Ankunft zu melden,
die ihm überraschend schnell vorkommen musste; wir rechneten daher
auch nicht zu fest auf eine baldige Hilfe, die in Anbetracht unseres
grossen Reismangels sehr notwendig war.

Viele Kajan begaben sich am anderen Tage gruppenweise in den Wald,
wo sie für sich selbst Böte bauen wollten, aus Furcht, die Kenja
könnten am Ende nicht für alle genügend Fahrzeuge heraufbringen. In
unserem Lager an dem hier nur 10 m breiten Kajan wurde es nun sehr
still, besonders als die Malaien einige Tage später an Hunger zu
leiden anfingen und dadurch alle Unternehmungslust verloren. Ich
hatte ihnen nämlich für die Zeit bis zur Ankunft der Kenja nur halbe
Reisportionen erteilen lassen und erwartet, sie würden mit Eifer im
Walde nach allerhand essbaren Pflanzen suchen und mittelst Reusen
Fische fangen. Hierzu schienen sie aber nicht aufgelegt, sondern zogen
es vor, in den Hütten umherzuliegen; vielleicht waren sie auch von
den ausgestandenen Strapazen zu ermüdet, um sich jetzt, wo das Ziel
beinahe erreicht war, noch besonders anzustrengen.

Auch die Kajan, die ebenfalls nur noch sehr wenig Reis übrig hatten,
beschränkten sich auf das Pflücken von essbaren Farrenspitzen und
fingen nur in den ersten Tagen, wo sie sich mit dem Bau ihrer Böte
beschäftigten, mit ihren Speeren Fische. Nach Sagobäumen zu suchen,
zeigten sie keine Lust; wahrscheinlich wagten sie sich in dieser
unbekannten Gegend nicht weit fort. Selbst die sehr frische Spur eines
Rhinozeros, das eines Abends dicht unterhalb unseres Lagers den Fluss
passiert hatte, vermochte ihren Jagdeifer nicht zu wecken. Sobald unser
ganzes Gepäck im Lager untergebracht worden war, erklärte _Kwing_,
die Kajan könnten mir nun nicht weiter helfen, sie verzichteten
aber von diesem Augenblick an auch auf ihren Lohn von fl 2.50 pro
Tag. Allerdings liess er durchschimmern, dass sie den Betrag trotzdem
gern empfangen würden. Hierin kam ich ihnen gern entgegen, da sie jetzt
bereit waren, auch Goldgeld anzunehmen, worauf sie in Long Deho nur
sehr widerstrebend eingegangen waren; sie wollten letzteres später am
Mahakam wieder gegen Silber einwechseln. Damit sie in Zukunft nicht
stets ein Taggeld von fl 2.50 verlangten, setzte ich ihnen nochmals
auseinander, warum ich früher ohne Zögern auf ihre hohe Forderung
eingegangen war; ich wollte ihnen die grosse Angst, mit der sie den
Zug unternommen hatten, vergüten und sie für den durch den langen
Aufenthalt in Long Deho erlittenen Verlust entschädigen. Sehr teuer
kam mir übrigens ihre Hilfe wegen der vielen Ruhe- und Wartetage,
die ich nicht zu bezahlen brauchte, nicht zu stehen.

_Anjang Njahu_, den wir bereits am 31. August von _Bui Djalong_
zurückerwarteten, traf auch am 1. September noch nicht wieder
ein. Morgens hatte ich den Malaien ihre letzte Ration Reis ausgeteilt,
und da auch die Kajan Hunger litten, beschlossen sie, einige der
Ihren beim Kenjastamm der Uma-Bom Reis holen zu lassen. Nach den
eingezogenen Berichten wohnte dieser Stamm uns am nächsten an einem
vom oberen Kajan zum Boh führenden Pfade. Anderen Morgens sehr früh
begaben sich _Bang Awan_ und der Malaie _Lalau_ auch in der Tat auf
den Weg, fuhren in einem selbst gebauten Boot den Kajan bis zum Beginn
des Landweges hinunter und wollten dann dem Pfad zu folgen versuchen.

Der Hunger fing an stark auf uns alle zu wirken; meine Malaien lagen
apathisch in ihren Hütten ausgestreckt und die Kajan hockten mit
bedrückten Gesichtern beieinander. Jetzt, wo ihre Stammesgenossen
mit den Kenja nicht zurückzukehren schienen, erwachte ihre frühere
Angst mit erneuter Heftigkeit und steigerte sich unter dem Einfluss
des Hungers zu phantastischen Vorstellungen von grossen Gefahren, die
uns bedrohten. Einige kamen mich fragen, ob ich nicht auch glaubte,
dass die Kenja die Unseren gefangen und vielleicht schon getötet
hätten, und ob es nicht besser wäre, so schnell als möglich über
die Wasserscheide zu unseren Böten zurückzukehren. Natürlich waren
auch wir Europäer nichts weniger als fröhlich gestimmt, zwar nicht
aus Angst, aber vor Hunger; auch bedrückte uns das Bewusstsein,
dass dieser Zustand noch einige Tage anhalten konnte, da wir aus
Erfahrung wussten, wie leicht zufällige Ereignisse die Eingeborenen
von einer schnellen Hilfeleistung abhielten, besonders, wo es sich
um so grosse Abstände handelte. Wir rechneten jedoch zuversichtlich
auf den Reis der Uma-Bom. Gross war daher unsere Enttäuschung, als
gegen 9 Uhr morgens _Bang Awan_ und _Lalau_ mit leeren Händen ins
Lager zurückkehrten, weil unterwegs ein links auffliegender _hisit_
ihnen Unheil prophezeit hatte. Wenn in diesem Augenblick irgend ein
Zeichen die Gesellschaft erschreckt hätte, so wären alle in den Wald
geflohen und hätten uns und unser Gepäck ohne Gewissensbedenken im
Stich gelassen. Das ängstliche Gemüt der Bahau kennend, wagte ich _Bang
Awan_ nicht einmal einen Vorwurf darüber zu machen, dass er auch unter
diesen kritischen Umständen unser Rettungsmittel hatte fahren lassen.

Als wir in sorgenvolle Gedanken versunken dasassen, schreckten uns
einige Kajan auf, die in der Ferne Geräusche zu hören glaubten. Nachdem
wir eine Zeitlang gespannt gelauscht hatten, schien es uns, dass in
der Tat Böte heraufgestossen wurden. Um die Flussbiegung erschien bald
darauf ein Boot mit _Anjang Njahu_ und seinen Begleitern, dann folgten
viele andere, bemannt mit mir völlig unbekannten Gesichtern. Die
meisten legten nicht an unserem Lagerplatz, sondern am jenseitigen
Ufer des sehr schmalen, durchwatbaren Flüsschens an, von wo sie uns
in ihren Böten stehend verlegen anstarrten. _Anjang Njahu_ war mit
zwei Böten der Kenja bis zu _Kwing Irangs_ Hütte gefahren und trat
dann nach einer kurzen Besprechung mit diesem an der Spitze von
6 Kenjahäuptlingen auf mich zu. Zu meiner Verwunderung ergriff er
feierlich meine Hand und schüttelte diese, doch erklärte er sogleich,
er tue dies nur, um den Kenjahäuptlingen, die er zu mir geleitete,
zu zeigen, wie man einen Europäer begrüsse. Die Kenja schienen sehr
gelehrig zu sein, wenigstens schüttelten sie mir so kräftig die Hand,
als ob sie an eine derartige Begrüssung ihr Leben lang gewöhnt gewesen
wären. Alle Sechs waren Glieder der Häuptlingsfamilie des Stammes
Uma-Tow und von _Bei Djalong_ beauftragt, meine Expedition so schnell
als möglich den Kajan hinunter zu bringen, da der Häuptling selbst
mich bei Batu Plakau erwartete, einer Flussstelle, die nicht befahrbar
war und hinter der erst die Siedelungen der Kenjastämme lagen. _Kwing
Irang_ begann mir das alles selbst in der Busang-Sprache mitzuteilen,
aber kaum merkten die Kenja, dass ich auch auf Busang antwortete, als
sie sich unbefangen ins Gespräch mischten und mich zur Eile anspornten.

Mir blieb kaum Zeit, mich über das freie Auftreten unserer neuen
Gastherren zu verwundern, denn sogleich stellte sich die neue
Schwierigkeit heraus, dass die zahlreichen kleinen Böte der Kenja
uns bei weitem nicht alle aufnehmen konnten. Die Kenja berichteten,
dass grössere Böte nicht herauffahren konnten, uns aber unterhalb Batu
Plakau erwarteten. So wurde denn sogleich verabredet, dass die Kajan
mit 5 Malaien fürs erste zurückbleiben, die übrigen Malaien und wir
Europäer jedoch mit den Kenja flussabwärts fahren sollten. Letztere
begannen sogleich von dem Reis und anderen Nahrungsmitteln, die sie
uns mitgebracht hatten, eine reiche Mahlzeit zuzubereiten. Als die
6 Kenjahäuptlinge etwas vertrauter mit mir geworden waren, wozu
unsere Kenntnis der Busang-Sprache viel beitrug, legten auch die
Böte vom jenseitigen Ufer bei uns an. Diese hatten _Anjang Njahu_ mit
seinen Kajan vorausfahren lassen, damit wir nicht auf sie schiessen
konnten. Die Verteilung und Einschiffung von Menschen und Gepäck
nahmen mich so in Anspruch, dass ich nur halb darauf achtete, wie
energisch die Kenjahäuptlinge ihren Untergebenen Befehle erteilten
und wie schnell bei diesen die Ladung von statten ging. Für Leute,
die zum ersten Mal mit dem Gepäck von Weissen zu tun hatten, war
die Sicherheit, mit der sie dieses behandelten, sehr auffallend; ich
sass bereits im Boote und hatte von _Kwing_ und seinen Kajan schon
vorläufig Abschied genommen, bevor ich mir hierüber Rechenschaft gab.

Die Fahrt abwärts erforderte indessen unsere ganze Aufmerksamkeit;
das Flussgefälle war hier sehr schwach, nur ab und zu fuhren wir eine
Stromschnelle hinunter, die bei höherem Wasserstande vielleicht kaum
bemerkbar gewesen wäre, jetzt aber ein Schleppen der Böte notwendig
machte. Die Umgebung war mit hohem, aber jungem Wald bedeckt, den alten
hatten die Kenja gefällt; das anstehende Gestein an den Ufern zeigte
horizontale Schichten von Schiefern und Sandstein, die miteinander
abwechselten. Bis 1/2 4 Uhr nachmittags fuhren wir hauptsächlich
in westlicher Richtung, dann erreichten wir einen grossen, rechten
Nebenfluss des Kajan, den Danum, an dessen Oberlauf der Stamm Uma-Bom
wohnen sollte. An der Mündung des wie der Hauptfluss etwa 25 m breiten
Danum begegneten uns die ersten menschlichen Wesen, ein alter Mann und
ein Knabe, die am Ufer sassen und meinen Bootsleuten etwas zuriefen,
worauf diese einen Augenblick zögerten, dann aber weiterruderten. Als
ich mich zufällig danach erkundigte, was die beiden in dieser Wildnis
eigentlich wollten, erzählten die Kenja, der Mann, einer der ältesten
Uma-Bom namens _Bo Usat Jok_, warte bereits seit 3 Tagen mit seinem
Enkel an derselben Stelle auf meine Ankunft, um ein Heilmittel gegen
seine Leiden von mir zu erhalten. Meine Ruderer hatten gedacht, ich
wäre augenblicklich wohl nicht aufgelegt, um dem Manne zu helfen,
und waren vorbeigefahren. Ich liess sie jedoch zurückrudern und sah
mir den Mann an, der seit vielen Jahren bereits an einem Syphilid der
Rückenhaut litt, gegen den eine Jodkalilösung von sehr guter Wirkung
sein musste. Nach Aussagen der Kenja war _Bui Djalongs_ Lagerplatz
nicht mehr sehr weit von uns entfernt; so liess ich die beiden denn
in eines der Böte aufnehmen, um dem Kranken erst nach unserer Landung
Arzneien zu geben.

In der Tat dauerte die Talfahrt auf dem hier breiten und tiefen
Flusse nur noch eine halbe Stunde, worauf die Kenja an einer freien
Uferstelle anlegten und uns auszusteigen aufforderten, weil hier der
Landweg längs den mit Böten nicht zu passierenden Wasserfällen von
Batu Plakau begann. Alles Gepäck wurde unter die Kenja und Malaien
verteilt und fort ging es durch den jungen Wald, in dem die Uma-Bom
früher gewohnt hatten. Bald führte der Weg über lange Reihen behauener
Stämme, die an gefährlichen Stellen wagrecht zu den Bergabhängen
hintereinander auf Stützbalken angebracht waren, eine Weganlage, die
ich bis dahin auf Borneo noch nicht gesehen hatte. An einer Steile,
wo die Böte in 50 m Höhe auf diesem Wege um die Abhänge gezogen werden
mussten, wurde der Bau noch grossartiger. Auf einigen Strecken war in
den Abhängen ein sehr breiter Weg ausgegraben, den man zum besseren
Gleiten der Böte mit dünnen Baumstämmen belegt hatte; wo Schluchten
die Bergwände trennten, waren diese durch ebenfalls mit einer Lage
von Stämmen bedeckte Gerüste überbrückt worden. Da dieses Bauwerk 2
km lang war, erregte es stets wieder _Demmenis_ und meine Bewunderung,
obgleich der Weg für uns beschuhte Europäer oft sehr unbequem war.

Einige Kenja waren vorausgegangen, um unsere Ankunft _Bui Djalong_
zu melden. Nach einiger Zeit kamen uns zwei alte Männer entgegen,
von denen der eine etwas schneller schritt und uns nach der hier
eben eingeführten europäischen Sitte die Hand drückte. Dies war _Bui
Djalong_, ein kräftig gebauter, etwa 50 jähriger Mann mit ruhigem,
intelligentem Gesicht, der jedoch etwas gebeugt ging und hinkte. Nach
der Begrüssung führte er mich der Kenjasitte gemäss in seine in der
Nähe gelegene Hütte, wo er sich mit gekreuzten Beinen auf seinem Platz
niederliess und mich zum Sitzen neben sich aufforderte; als Sessel
brachte man mir einen Packen Kattun. Während unseres Gespräches
sahen wir einander forschend an und auch die grosse, um uns herum
kauernde Kenjagesellschaft richtete ihre Augen durchdringend auf den
ersten Weissen, der ihr Land besuchte. _Bui Djalong_, der zum Glück
ebenfalls gut Busang verstand, lud uns als Gäste in sein Haus ein,
wo man uns bereits mit Ungeduld erwartete.

Die Frauen sollten besonders gespannt sein, weil sie bisher den
Berichten ihrer Männer, dass an der Küste weisse Menschen lebten,
nicht hätten glauben wollen. Der Häuptling sprach auch von seinem
Sohn und seiner Tochter, die vor kurzem gestorben waren, worauf
ich als Grund meines Kommens den Wunsch angab, die bestehenden
Streitigkeiten mit dem Mahakamgebiet aus dem Wege zu räumen. Die
weitere Unterhaltung drehte sich um unwichtige Dinge, nur fiel es mir
auf, dass der Häuptling auf meine Erklärung, warum ich als Sühngeld
für die Ermordung seines Enkels keinen Sklaven mitgebracht hatte,
keine Antwort gab. Die übrigen alten Männer begnügten sich damit, uns
anzustarren. Unterdessen bauten einige junge Kenja dicht gegenüber der
Hütte als Unterkunft für uns ein schräges Dach. Einige meiner Malaien
übernahmen dabei die Leitung, spannten wie gewöhnlich das Segeltuch
aus und stapelten darunter das Gepäck auf. Bei Einbruch der Dunkelheit
konnten wir uns bereits in unser Zelt zurückziehen, mit dem befreienden
Gefühl, seitens der Kenja über Erwarten gut empfangen worden zu sein.

Unseren Malaien, die sich wegen _Kwings_ und der Kajan Abwesenheit
unter so vielen Kenja zu fürchten begannen, suchte ich ernsthaft
die Grundlosigkeit ihrer Angst klar zu machen. _Anjang Njahu_ hatte
uns bereits das erste Mal 3 Packen Reis von den Kenja mitgebracht,
bei seiner Rückkehr aufs neue; alle erforderliche Hilfe hatten diese
uns so schnell als möglich geleistet, den langen Landweg in Stand
gesetzt, so viele Menschen und Böte herbeigeschafft, was uns in so
prompter und vollkommener Ausführung noch nirgends begegnet war. Ein
Zweifel an der freundschaftlichen Gesinnung der Kenja uns gegenüber
war somit gänzlich unberechtigt, zudem flösste die Persönlichkeit
des Häuptlings grosses Vertrauen ein. Auf den Vorschlag der Malaien,
nachts Wache halten zu lassen, ging ich daher nicht ein; wie leicht
konnte einer nachts aus Angst sein Gewehr abschiessen und dadurch
grossen Schreck, womöglich Unglücksfälle hervorrufen. Ich befahl denn
auch, überhaupt keine Wache zu halten, und schlief mit _Demmeni_ und
meinem Jäger _Doris_ in nächster Nähe des Häuptlings bald ruhig ein.

Des anderen Morgens begannen wir sogleich Umschau zu halten. Als
Lagerplatz hatten die Kenja einen ebeneren Teil des Bergabhanges dicht
beim Flusse gewählt; die Hütten standen unregelmässig durcheinander,
je nach der Bodenbeschaffenheit, und waren nach der bei allen
Bahau im Walde gebräuchlichen Art gebaut. Sie waren sehr zahlreich,
weil _Bui Djalong_ über 100 Mann mitgenommen hatte, um den Weg so
schnell als möglich zu reparieren und uns mit den Böten zu Hilfe
zu kommen. Die Kenja waren augenscheinlich an schnelles Arbeiten
gewöhnt; sie hatten noch kaum ihr Mahl beendet, als der Häuptling
ruhig aber entschieden befahl, dass ein Teil der Männer mit den Böten
den Fluss wieder hinauffahren sollte, um _Kwing Irang_ und die Kajan
abzuholen, ein anderer einiges beim Landungsplatz zurückgelassene
Gepäck nachtragen und ein dritter, der ins Dorf heimkehrte, einige
unserer vielen Koffer mitnehmen sollte. Die weiteren Befehle teilten
darauf einige seiner jungen Blutsverwandten ihren Mannschaften
aus und zwar in viel lauterem Tone, als bei den Bahau üblich ist,
aber zu meinem Erstaunen gehorchte man ihnen sofort und bald waren,
ausgenommen einige Männer, die dem Häuptling Gesellschaft leisteten,
alle unterwegs. Die Kenja traten ganz allgemein einander gegenüber
viel energischer auf, als ich es von ihren Stammesgenossen gewöhnt
war; so liess _Bui Djalong_ dem alten Mann der Uma-Bom, den ich im
Laufe des Vormittags behandelt und mit einem grossen Vorrat Arzneien
versehen hatte, durch einen seiner Ältesten unzweideutig vorhalten,
dass sein Stamm sich beeilen müsste, um ebenfalls etwas zu meinem
Empfange beizutragen, was bis jetzt noch nicht geschehen sei. Mit
dieser Botschaft wurden der Alte und sein jugendlicher Begleiter den
Fluss bis zur Danummündung wieder hinaufgeschickt. Der still verbrachte
Tag war zum gegenseitigen Kennenlernen wie geschaffen, und da unser
Ruhebedürfnis sehr gross war, taten wir auch nicht viel anderes, als
uns mit unseren neuen Gastherren unterhalten. Ein halbes Pfund Tabak,
das ich dem Häuptling zur Verteilung übergab, erregte grosse Freude.

Im Lauf des Tages kamen alle unsere Koffer an. Im Vertrauen,
dass die Kajan am anderen Tage nachkommen würden, beschlossen wir,
unseren Lagerplatz unterhalb der Reihe Wasserfälle von Batu Plakau
zu verlegen und _Kwing_ dort zu erwarten. Nach einer ruhigen Nacht,
die uns wieder zu Kräften kommen liess, wurde auch dieser Plan ohne
Schwierigkeiten seitens der Träger ausgeführt. Der fernere Weg war
ebenso beschaffen, wie der vorherige; um die in einem Winkel von 60°
zum Fluss abfallenden Berghänge war wieder ein 1.25 m breiter Weg
ausgegraben und mit Stämmen belegt worden und über die Schluchten
Brücken geschlagen. Die gut behauenen Balken und die festen, für uns
von neuem hergestellten Brücken erweckten wiederum meine Bewunderung,
der ich auch gegen _Bui Djalong_, der mit seinem kleinen Sohn _Ului_
neben mir ging, Ausdruck gab. Nach einiger Zeit erreichten wir eine
Geröllbank im Fluss, wo wir die Kajan erwarten sollten. Die Hütten
waren bereits mit derselben Schnelligkeit wieder aufgeschlagen
worden und alles wieder zur Ruhe gegangen, als fünf der bei _Kwing_
zurückgebliebenen Malaien mit der Meldung eintrafen, dass nur ein
Teil der Kajan den Fluss hinunter gekommen war, weil die Böte wieder
nicht gereicht hätten und _Kwing_ mit den übrigen daher aufs neue
geholt werden müsse. Dies bedeutete einen unangenehmen Aufenthalt, da
die Kenja ihren Reisvorrat nicht für so lange berechnet hatten. Der
erste Teil der Kajan kampierte oberhalb Batu Plakau und erschien
erst am 5. Sept. mit dem Bericht, es sei fraglich, ob die zugesandten
Böte auch diesmal genügen würden, um _Kwing_ mit dem Rest der Kajan
abzuholen. Dank den Bemühungen unserer Gastherren wurde aber doch
bereits am folgenden Mittag die Ankunft sämtlicher Kajan gemeldet. Die
Kenja machten sich sogleich daran, die Böte auf dem Landwege herunter
zu schaffen, eine Arbeit, an die sie mehr gewöhnt waren als die
Kajan. _Bui Djalong_ ging _Kwing Irang_ ein Stück weit entgegen,
als ihm dessen Kommen gemeldet wurde. Bald erschienen die beiden
grossen Häuptlinge vom oberen Kajan und oberen Mahakam in unserem
Lager und liessen sich in _Bui Djalongs_ Zelt nieder. Ich hatte
alle Mühe, das Gespräch in Fluss zu halten. Wie ich erwartet hatte,
drückte auch _Kwing_ seine Bewunderung über den grossen Wegebau aus,
den auch er noch nirgends so gesehen hatte. Der Kenjahäuptling verhielt
sich besonders schweigsam, augenscheinlich hatte ihn das kriegerische
Aussehen meiner Kajan stutzig gemacht und verstimmt. Diese legten
nämlich ihre schweren Rotangmützen, Kriegsjacken, Schilde, Schwerter
und Speere überhaupt nicht ab, während die Kenja an Waffen nur einige
kleine Schwerter zum Holzhacken mitgebracht hatten. Wie ich erfuhr,
trugen sie im Gegensatz zu den Bahau nur in Kriegszeiten Warfen.

Wir kamen überein, noch am gleichen Tage nach Tanah Putih (weisse
Erde), _Bui Djalongs_ Niederlassung, hinunterzufahren. Während der
Zubereitung des Essens gelang es den Kenja, alle Böte bis in unser
Lager zu ziehen, doch reichte ihre Hilfe für die grosse Anzahl Menschen
und das viele Gepäck nicht aus. Als die Kenja aber den Kajan einen
Pfad anwiesen, auf dem sie sich über Land allein nach Tanah Putih
vorausbegeben konnten, fürchteten die Mahakamhelden jedoch einen
Fallstrick und erfanden allerlei Ausflüchte, um zu bleiben, bis sie
alle zusammen abgeholt werden konnten; auch _Kwing_ behauptete, sich
dem mit uns zugleich abreisenden Teil der Kajan nicht anschliessen
zu können, da diese später ihre Landsleute nicht mehr von Tanah
Putih aus würden abholen wollen, was sie für ihn dagegen gern tun
würden. Nachdem alle vorhandenen Böte gut beladen und alles Personal,
das mitfahren sollte, aufgebrochen war, bestiegen auch _Bui Djalong_,
dessen Sohn und ich ein Boot und fuhren als letzte ab. Wegen der
Schnelligkeit der Fahrt flussabwärts wurden uns verschiedene Stellen
gefährlich, namentlich die zahlreichen Stromschnellen, die durch
grosse, auf Schuttbänken liegende Blöcke verursacht wurden, an die
wir bei dem niedrig stehenden Wasser anzuprallen und umzuschlagen
riskierten. In einer besonders langen Stromschnelle, in welcher
der Fluss um 20 m fiel, verliessen alle Männer das Boot, um dieses
schwimmend im Gleichgewicht zu halten, wobei sie selbst vom Strome
halb mitgerissen wurden.

Auf der Strecke bis zum Anlegeplatz von Tanah Putih senkte sich der
nordwestlich strömende Fluss um 50 m. Die Umgegend war gebirgig und an
den meisten Abhängen des rechten Ufers zeugten aufsteigende Rauchwolken
von dem Vorhandensein vieler Reisfelder, von denen einige hoch über
dem Fluss angelegt waren. Das Land zur Linken war unbewohnt, weil die
Kenja dort Überfälle seitens der Batang-Lupar aus Serawak fürchteten.

Das blossliegende Gestein bestand hier ebenfalls aus abwechselnden
Schiefern und Sandsteinschichten, nur kamen an verschiedenen Stellen
Basaltblöcke in diesen vor. Einmal passierten wir auch eine prachtvolle
Basaltmauer, die ganz aus senkrechten Pfeilern zu bestehen schien.

Tanah Putih lag nicht am Kajan selbst, sondern an dessen Nebenfluss
Djemhang. Wegen der langen Reihe schwer passierbarer Wasserfälle, die
sich kurz vor dessen Mündung befinden, hatte man etwas weiter aufwärts
eine Landungsstelle gebaut und diese durch einen gut unterhaltenen
Fussweg mit dem Dorfe verbunden. Der augenscheinlich bereits seit lange
benützte Weg war über eine grosse Strecke mit behauenen Baumstämmen
(_palang_) belegt und führte über einige grösstenteils mit Gestrüpp
bewachsene Hügel auf eine etwa 100 m hohe Wand des Djemhangtals,
von wo aus man einen prachtvollen Blick auf das Tal selbst mit dem
darin gelegenen Dorf und das Land von Apu Kajan genoss. Für müde
Reisende, die auf dem Heimwege ausruhen wollten, hatte man hier ein
Aussichtshäuschen (_kubu_) gebaut, das aus einer erhöhten Diele mit
einem Dach darüber bestand.

Auf _Bui Djalongs_ Vorschlag machten wir hier Halt, um den
Bewohnern seines Dorfes durch Abschiessen der Gewehre unsere Ankunft
anzukünden. Während der Vorbereitungen hierzu bemerkte ich, dass der
Charakter der vor mir liegenden Landschaft ein ganz anderer war als
am Kapuas und Mahakam. Zwar erschien die Umgegend auch hier bis auf
grossen Abstand hügelig und bergig, aber vom ursprünglichen Wald war
nur noch hoch auf den Abhängen etwas zu sehen. An Stelle desselben
erhob sich auch beinahe nirgends junger Wald (_talon_), sondern
Gestrüpp und hohes Gras, mit vereinzelten Bäumen, eine Landschaft,
der ich im ganzen übrigen Teil von Mittel-Borneo noch nicht begegnet
war. Dies fand hauptsächlich darin seinen Grund, dass die Bevölkerung
dieses Gebiets sehr dicht war und den Ackerbau intensiv betrieb.

So konnten wir denn in dem sehr flachen und völlig waldlosen Tal
des Djemhang unter uns Tanah Putih in seiner ganzen Ausdehnung
übersehen. Sogleich fiel mir auf, dass hier nicht wie gewöhnlich
nur 1-2 Reihen langer Dajakhäuser beieinander standen, sondern dass
das Dorf aus etwa 10 regelmässigen Häuserreihen zusammengesetzt
war. Hieraus liess sich bereits auf eine starke Bevölkerung
schliessen, doch bestärkte _Bui Djalong_ noch diese Vermutung,
indem er uns auch auf die ausgedehnte Anlage der Reisfelder von
benachbarten Niederlassungen in anderen Flusstälern aufmerksam
machte. Wir erwarteten hier oben die Nachzügler, dann stieg unsere
ganze Karawane, bestehend aus 60 Kenjaträgern, einigen Kajan und
Pnihing, meinen Malaien und uns in einem imposanten Zug auf dem
breiten Wege ins Tal hinab.



KAPITEL XIII.

    Empfang in Tanah Putih--Verhältnisse im Dorf--Erste
    politische Versammlung--Freundschaftlicher Verkehr mit
    den Dorfbewohnern--Überblick über die geographischen und
    geschichtlichen Verhältnisse in Apu Kajan--Besuch aus
    benachbarten Dörfern--Stellung der verschiedenen Stände
    bei den Kenja--Tod und Begräbnis eines Häuptlings--Ankunft
    der verirrten Long-Glat-Gesellschaft--2. und 3. politische
    Versammlung--Anerkennung der niederländischen Herrschaft in
    Apu Kajan.


Ein breiter, bequemer Weg, den die Kenja mit Stämmen und Brettern
belegt hatten, führte uns um den Fuss des Bergabhangs ins Dorf. Hier
waren unterdessen zwischen den Häuserreihen einige Gruppen von
Frauen und Kindern zu unserem Empfang erschienen. Bei den ersten
Reihen begrüsste uns ein alter, magerer Mann, der mir als des
Häuptlings Bruder _Bo Anjè_ vorgestellt wurde; er gehörte zu denen,
die _Anjang Njahu_ mit weissem Kattun für unseren Empfang hatte
gewinnen müssen. Wir reichten diesem erkauften Freunde die Hand,
stiegen am Ende des längsten und mittelsten Hauses der langen Reihe
die Treppe hinauf und befanden uns in _Bui Djalongs_ Heim.

Das Haus war zwar weniger hoch über der Erde, sonst aber wie alle
übrigen ganz im Stil der Bahau gebaut, nur bestanden Dach und Wände
nicht aus Holz, sondern aus Matten von schweren, aneinander gereihten
Baumblättern. Auch war der Fussboden der Galerie, die wir betraten,
vor den Wohnungen der gewöhnlichen Kajan nicht aus Brettern gebaut,
sondern aus dünnen Stämmen; erst dicht bei der _awa_ des Häuptlings
und in dieser selbst bedeckten schwere Bretter den Boden.

Draussen hatten uns einige Menschengruppen aus der Ferne neugierig,
aber nicht ängstlich angestarrt, und sobald wir in _Bui Djalongs_
langem Haus an einer Wohnung vorüber waren, kamen die Bewohner
aus ihr zum Vorschein und begleiteten uns zur _awa_. Hier wurden
einige kupferne Gonge als Sitze für uns gegen die Aussenwand
niedergelegt, dicht unter einer Reihe von vielleicht 30 geräucherten
Menschenschädeln, die in Büscheln von jungen Palmblättern zwischen den
Hauptpfählen der Galerie hingen und durch den Rauch des Herdfeuers,
das ständig unter ihnen brannte, geschwärzt worden waren. Rund
um dieses Feuer, hinter dem wir sassen, befand sich der Platz für
den Häuptling und die vornehmsten Ältesten, wenigstens liess sich
_Bui Djalong_ mit einigen ehrwürdigen Greisen dort nieder. _Taman
Ulow_ und die Kajan hatten uns schon am Boh auf die Neugier der
Kenjafrauen und -Kinder vorbereitet und auch _Bui Djalong_ hatte
uns bereits dringend gebeten, nicht böse zu werden, wenn man
uns lästig falle, denn der ersten Neugier müsse durchaus genügt
werden. Da sie hinzugefügt hatten, dass die Kenja viel freier als
die Bahau seien und sogar handgreiflich werden, bereiteten _Demmeni_
und ich uns auf unseren Gongen, auf denen wir zur Schau dasassen,
auf einige schwierige Augenblicke vor. Anfangs wurde es jedoch nicht
so schlimm. Die den Schädeln gegenüber versammelte Menge wuchs zwar
sehr an und das Gedränge war weit stärker, als ich es bei den Bahau
je erlebt hatte, aber anfangs drückte sich das Erstaunen nur in den
Gesichtern aus und äusserte sich nur in zahlreichen èh-èh-Rufen,
die nicht aufhörten und bei jeder Bewegung, die wir machten, an Zahl
und Stärke zunahmen. Augenscheinlich befriedigten wir noch nicht ganz
die Neugier der Menge, obgleich wir bereits auf Verlangen einen Ärmel
und ein Hosenbein hinaufgestreift hatten zum Beweis, dass unsere Haut
auch unter der Kleidung weiss war. Eine freundliche, lebhafte Frau,
des Häuptlings Gattin, konnte ihre Wissbegierde schliesslich nicht mehr
bezwingen, packte meinen Arm, streifte den Ärmel auf und strich sacht
über meine Haut, wobei sie in viele bewundernde èh-Rufe ausbrach. Von
ihren, in der Kenjasprache gestellten Fragen verstanden wir kein
Wort, aber wie _Bui Djalong_ schmunzelnd verdolmetschte, bat sie uns,
alle Kleider abzulegen. Auch die Menge rief laut "_sow_ (ausziehen)
_mong_ (alles)," und begann sich um meine Person zu drängen; aber ich
setzte meinerseits dieser Schaustellung einigen Widerstand entgegen,
so dass ich die Zuschauer unbefriedigt liess. Unterdessen hatte der
Häuptling den Umstehenden, hauptsächlich den alten Männern, über
seine Erlebnisse mit uns ausführlich berichtet, wenigstens schloss
ich das aus den immer wieder auf uns gerichteten Blicken der Zuhörer.

Zum Glück empfand man vor unserer Erscheinung noch zu viel Scheu,
um zudringlich zu werden, und nur wenige Frauen wagten dem Beispiel
von _Bui Djalongs_ Gattin zu folgen und sich von der Echtheit unserer
weissen Haut selbst zu überzeugen.

So sassen wir denn etwa eine halbe Stunde da und liessen uns
betrachten; glücklicherweise fanden wir unsererseits an den Menschen um
uns herum ebenfalls viel Sehenswertes. Am meisten fiel uns das kräftige
und gesunde Aussehen der Leute auf und das seltene Vorkommen der beiden
Hautkrankheiten _ki lan_ (Tinea imbricata) und _bak_ (Syphilis),
welche den Anblick einer Menge von Bahau-Dajak für Europäer anfangs
so abstossend macht. Dagegen waren Kröpfe hier viel allgemeiner
verbreitet als am Mahakam und waren die Ohrlappen, besonders bei
den Frauen, viel stärker ausgereckt, als ich es bei den Bahau je
gesehen hatte. Die Ohrringe waren denn auch besonders zahlreich und
schwer. Die Kleidung stimmte mit der der Bahau überein, nur bestand
sie sehr einförmig aus weissem oder hellbraunem Kattun oder Baumbast,
weil wegen der Trauer des Häuptlings um seine Tochter alle Bewohner
der Niederlassung zum Ablegen ihrer schönen Kleider gezwungen waren.

Nach Verlauf der halben Stunde, als _Bui Djalong_ glaubte, unsere
erste Begrüssung habe lang genug gedauert, forderte er uns auf, nach
unserer Wohnung zu gehen, und führte uns über eine Treppe und einen
Holzsteg, die mit hübschen Geländern und Bambuszweigen sorgfältig
verziert waren, an das Ufer des Djemhang. Dort erhob sich eine
ebenfalls verzierte Plattform und daneben ein langes, scheunenartiges
Gebäude, das aus neuen Brettern und Schindeln verfertigt und 1 m
über dem Boden gebaut war. Ich kam zuerst nicht auf den Gedanken,
dass die Verzierungen am Wege unserem Empfange galten, weil ich eine
solche Ehrung bei den Dajak noch nicht erfahren hatte, ich hielt
den Schmuck vielmehr für den Überrest von irgend einem Fest. Meine
Malaien erzählten jedoch, dass nicht nur die ganze Festverzierung zu
unserer Ehre angebracht worden war, sondern dass man auch das Haus
für unseren Empfang neu errichtet hatte. Die Höhe dieses Gebäudes
schien zwar für lange Europäer nicht berechnet zu sein, aber die
Grundfläche war sehr gross, so dass ich die eine Hälfte des Raumes
meinem inländischen Personal, d.h. den Malaien, zum Wohnen anweisen,
die andere für _Demmeni_ und mich einrichten konnte. Wir hatten bereits
eine Stelle zum Aufhängen unserer Moskitonetze ausgesucht und eine Tür
erhalten, um sie als Tischbrett zu gebrauchen, als man uns aus einem
unverständlichen Grunde wieder zur Häuptlingswohnung rufen kam. Bei
unserer Ankunft fanden wir dort eine noch stärker angewachsene Menge
und _Bui Djalong_ erklärte, die Leute regten sich darüber auf, dass
sie unsere Körper eigentlich noch nicht gesehen hätten, und so bat
er uns denn im Namen aller, einen Augenblick unsere Jacken und Hemden
abzulegen, damit sie wenigstens unseren Oberkörper sehen könnten. In
Anbetracht der grossen Herzlichkeit, mit der man uns hier empfangen
hatte, und des Gedankens, dass diese Menschen sich das Unangenehme
einer derartigen Schaustellung für uns nicht vorstellen konnten und
überdies von ihrer anfänglichen Forderung von _sow mong_ bereits zu
bescheideneren Wünschen übergegangen waren, gab ich ihnen nach, und
da auch _Demmeni_ einverstanden war, sassen wir bald darauf wieder
auf unseren Gongen da, diesmal aber mit entblösstem Oberkörper.

Anfangs nahmen die vielen èh èh kein Ende und es entstand ein
lebhaftes Gedränge, um so dicht als möglich an uns heranzukommen. Zu
Handgreiflichkeiten kam es jedoch nicht; nur stellte sich _Bui
Djalongs_ Frau eine Zeitlang neben uns zum Schutz gegen die
andringenden Frauen und Kinder auf, die jetzt, wie vorhin, die
Hauptmenge bildeten.

Allzu lange liessen wir die Vorstellung nicht dauern, sondern
begaben uns bald wieder nach unserer Wohnung, um diese völlig
einzurichten. Das ging jedoch nicht schnell von statten, denn die
mutigsten Dorfbewohner waren uns gefolgt und starrten uns, unsere
Handlungen und Sachen unermüdlich voll Interesse und Bewunderung
an. Ab und zu wagte der eine oder andere, wenn wir auf ihre immer noch
wiederholte Aufforderung "_sow mong_" nicht eingingen, einen Ärmel
oder ein Hosenbein aufzustreifen. Übrigens erregten nicht wir allein
Interesse, sondern auch unsere Malaien; _Midan_ in seiner Küche und
_Doris_, der Jäger, der seine Waffen reinigte, lockten viele an. Da
alle sehr fröhlich und lebhaft waren, gab es ein munteres Bild,
das uns sehr angezogen hätte, wenn wir uns nach dem monatelangen
Aufenthalt im Walde nicht so sehr nach Ruhe gesehnt hätten. Seit ich
den Blu-u verlassen, waren gerade 6 Monate vergangen. Als _Doris_
nun auch noch seine Harmonika hervorholte und deren Töne die an
derartige Musik nicht gewöhnten Eingeborenen zu erregen begannen,
glich es bei uns mehr einem Jahrmarkt als einer stillen Behausung
ermüdeter Reisender. Zum Übermass beeilten sich auch noch die Männer
und Frauen, die tagsüber auf dem Felde gearbeitet hatten und abends
heimkehrten, das Schauspiel zu geniessen, so dass es sehr spät wurde,
bevor es uns unsere Bewunderer zu vertreiben gelang. Wir lagen bereits
hinter unseren Moskitonetzen, als man _Demmeni_ noch um seinen Arm bat,
um dessen Haut betrachten und befühlen zu können.

Bereits vor Tagesanbruch hockten Frauen und Kinder in unserer Wohnung
und warteten auf unser Erwachen; sie waren unten durch das Segeltuch
geschlüpft, mit dem wir den Hauseingang verschlossen hatten, daher
schützten wir uns später durch eine Tür vor diesen Eindringlingen. Ein
Aufstellen von Wachen nachts hielt ich der freundschaftlichen Gesinnung
der Bevölkerung wegen für überflüssig; diese wurde uns auch nur durch
ihre allzulebhafte Bewunderung lästig. Den ganzen Tag über strömte
eine neugierige Menge zu uns, so dass Zeit und Raum zum Essen,
Ankleiden und Schlafen beinahe nicht zu finden waren.

Die jungen Leute holten morgens die letzten Kisten vom Landungsplatz
ab und gegen Mittag traf auch _Kwing Irang_ mit den Seinen ein.

Nach meiner Gewohnheit liess ich auch hier die Besucher nicht ohne
ein kleines Geschenk weggehen und begann daher, sobald wir uns etwas
eingerichtet hatten, eine Austeilung von Fingerringen. Unter der Menge
entstand aber eine Bewegung, wie ich sie noch in keinem dajakischen
Dorfe erlebt hatte. Erst brach ein lautes Jauchzen los, dann wollte
jeder als erster etwas erhaschen; einer verdrängte den andern und
grosse und kleine Hände an langen und kurzen Armen streckten sich
nach mir aus, so dass ich mich nur mit Anstrengung auf meinen Beinen
hielt. Der stossenden und drängenden Masse musste ich denn auch erst
begreiflich machen, dass eine Austeilung auf diese Weise unmöglich
sei. _Bui Djalong_ hatte einen seiner Ältesten beauftragt, meinen
Verkehr mit den Dorfbewohnern zu vermitteln, und so übersetzte der
Mann mein Busang, das Frauen und Kinder nicht verstanden, in die
Sprache der Uma-Tow. Obgleich es augenscheinlich allen schwer wurde,
sich zu beherrschen, trat doch etwas Ruhe ein und mit einiger Abwehr
der allzu Habsüchtigen machte ich jung und alt glücklich.

Um diesen günstigen Eindruck unseres Besuches noch zu erhöhen,
überliess ich es _Bui Djalong_ zu bestimmen, welchen Lohn ich den
Kenja, die mir zu Hilfe gekommen waren, geben sollte. Für die grossen
Reismengen, die er uns entgegengeschickt hatte und auch jetzt wieder
gab, wollte der Häuptling keine Bezahlung annehmen, doch war er damit
einverstanden, dass ich seine Leute mit weissem Kattun belohnte. Die
Unterhäuptlinge der verschiedenen langen Häuser gaben mir die Zahl der
Männer an, die etwas zu fordern hatten, im Ganzen waren es 160. Nach
Rücksprache mit _Kwing Irang_ gab ich jedem Kenja 6 m weissen Kattuns
von einer Qualität, die sehr geschätzt wurde. Zur Vermeidung jeder
Parteilichkeit bei der Austeilung und nachträglicher Klagen, mass und
riss ich alle diese 6 m langen Stücke selbst ab. Eine unbedeutende
Verhärtung am kleinen Finger der rechten Hand erinnert mich heute
noch an diese ungewohnte Arbeit. Die Austeilung der Stücke konnte den
betreffenden Häuptlingen überlassen werden, was sehr angenehm war; bei
den Bahau entstanden stets Schwierigkeiten dadurch, dass jeder Träger
dem Vorgesetzten gegenüber an seiner Belohnung Kritik zu üben wagte.

Das Gerücht von unserer Ankunft und den schönen Dingen, die bei uns
zu erhalten waren, hatte sich bald weit verbreitet; am anderen Tage
strömte ununterbrochen ein Zug neugieriger Besucher von den Feldern
in unsere Wohnung. Auch _Demmeni_ wurde so stark belagert, dass ich
ihn nur bei den Mahlzeiten sah, obgleich er sich dicht neben mir
auf hielt. Sehr viel wert war es, dass die Leute Lebensmittel als
Tauschartikel herbeibrachten; unsere Dorfbewohner litten nämlich
selbst an Reismangel und waren mit ihren Feldarbeiten im Rückstand,
auch wollte ich mit meinem Personal nicht länger auf _Bui Djalongs_
Kosten leben. Er hatte ohnedies bereits _Kwing_ mit den Seinen als
Gäste aufgenommen und sie in sehr freigebiger Weise mit allem Nötigen
versehen.

Unter den Besuchern befanden sich eine Menge Kropfkranke, die bereits
von meinen Arzneien gegen ihr Leiden gehört hatten. Sie brachten zu
meiner Verwunderung alle gut gereinigte Flaschen mit, was mir bei den
Bahau nie begegnet war; bei diesen hatte ich stets nur mit Mühe eine
halbwegs reine Flasche erhalten können.

Die Kenja wurden mir bald sehr sympathisch. Nach wenigen Tagen
verkehrte ich mit ihnen bereits ebenso unbefangen wie mit den Bahau
am Mahakam nach gleich vielen Monaten. Dasselbe war auch mit meinen
Malaien der Fall, auch sie wurden fortwährend von den Kenja besucht;
diese wählten sogar einen ihnen sympathischen Malaien aus und
wollten mit ihm _sebilah_, Freund werden, eine Art von Schutz- und
Trutzbündnis eingehen. Als Freundschaftszeichen machen sie einander
ein Geschenk; die Malaien baten sich zu diesem Zweck ein Stück Zeug
oder ähnliches auf Abschlag ihres Lohnes von mir aus. Da mein Vorrat an
Tauschartikeln ursprünglich für einen einjährigen Aufenthalt berechnet
war und wir jetzt nur zwei Monate bleiben sollten, durfte ich meiner
Reisegesellschaft gegenüber freigebig sein.

Ich hatte anfangs darauf gerechnet, auch _Kwing_ und sein Gefolge
unterhalten zu müssen, aber davon wollten unsere Gastherren nichts
hören, ich konnte ihnen sogar schwer begreiflich machen, dass ich
wenigstens meine Malaien, die in meinen Diensten standen und Lohn
empfingen, selbst ernähren müsste. Nach Landessitte wurden die Kajan
unter die verschiedenen Familien im Dorfe verteilt, hauptsächlich
bei den Häuptlingen; _Bui Djalong_ hätte 60 Mann unmöglich selbst
so lange beherbergen könnten. _Kwing Irang_, sein Sohn _Bang Awan_
und einige Sklaven wurden jedoch von _Bui Djalong_ in seiner eigenen
grossen _amin_ als Gäste aufgenommen. Einigermassen zur Vergütung der
Gastfreundschaft ihrer Gastherren boten die Kajan den Kenja ihre Hilfe
bei der Feldarbeit an, die in der Tat sehr willkommen war, da der Tod
und die Trauer um _Bui Djalongs_ Tochter die Arbeit über einen Monat
in Rückstand gebracht hatte. Überdies war, wie gesagt, der Reisvorrat
der Kenja gerade jetzt sehr gering, weil das Jahr zuvor sehr viele
Männer mit dem Häuptling nach Serawak gereist waren und der Reisbau
deswegen weniger eifrig betrieben worden war. _Bui Djalong_ bat mich
auch öfters um die Hilfe meiner Malaien, die dann morgens früh mit
den Dorfbewohnern aufs Feld zogen und den ganzen Tag dort verblieben.

Das rauhere Klima dieses in 600 m Höhe gelegenen Gebirgslandes machte
seinen Einfluss in bemerkenswerter Weise auch auf die Artikel geltend,
die von mir verlangt wurden. Vor allem forderten die Leute feste, dicke
Stoffe; hübsche und feine, wie Seide und Sammet, wurden weit weniger
gewürdigt. Mein weisser Kattun von guter Qualität fand z.B. so starken
Anklang, dass ich trotz des grossen Vorrats bald sparsamer mit ihm
umgehen musste. Für ein Stück dicken Kattuns, den ich zum Einpacken
von Gesteinen mitgenommen hatte und der seiner Steifheit wegen nie
die Kauflust der Bahau erweckt hatte, bot man mir hier sogleich
grosse Mengen Reis u.a., so dass ich ihn vorläufig für einen Notfall
aufzubewahren beschloss. Ich merkte sehr bald, dass ich hier trotz
des kurzen Aufenthaltes auf ethnologischem Gebiet mit Erfolg würde
arbeiten können, denn die Kenja waren lange nicht so misstrauisch wie
die Bahau und im Auskunftgeben nicht zurückhaltend, auch konnte ich
mühelos Gegenstände von allerlei Art, selbst ihre Kleider von ihrem
Leibe kaufen, wenn ich nur gut bezahlte. Glücklicherweise bildeten
auch hier Glasperlen einen beliebten und bequemen Tauschartikel; es
kam mir jetzt zu statten, dass ich in Samarinda dem Rat von _Bo Ului
Jok_ gefolgt war und für die Kenja hauptsächlich grosse Perlen gekauft
hatte, denn diese hatten in der Tat viel mehr Wert als die kleinen.

Um die Niederlassung in aller Ruhe in Augenschein nehmen zu können,
fehlte mir die Zeit, doch war es mir jedesmal eine Erlösung, wenn man
mich nach aller Arbeit unter der lebhaften Menge in meiner Hütte in
die Häuser abholte, wo ernstere Krankheitsfälle vorlagen. Dort fand
ich zu mancherlei Beobachtungen Gelegenheit und bisweilen hielt ich
mich dort länger als nötig war auf oder ich schloss mich auf der
Galerie einer Gruppe an, von der ich mir dann gemütlich allerhand
erzählen oder zeigen liess.

Alle 10 Häuserreihen im Dorfe waren im gewöhnlichen Bahaustil gebaut
und zwar in dem der Kajan; doch standen sie auf nur 1-2 m hohen Pfählen
und waren aus anderem Material hergestellt. Dies fand seinen Grund
darin, dass die dichte Bevölkerung den hohen Wald in der Umgegend
ausgerodet hatte und die zum Bau eines so grossen Dorfes erforderliche
Menge Bauholz nur aus grosser Entfernung noch zu beschaffen war. Die
Masse des Volkes hatte daher zu Bambus für den Bau der Fussböden und zu
grossen, in Form von Matten aneinander gereihten Baumblättern für Wände
und Dächer ihre Zuflucht genommen. Nur die Häuptlingshäuser werden ganz
aus Holz gebaut, ferner die Teile des Hauses der gewöhnlichen Kenja,
die bei einem folgenden Bau wieder verwendet werden können, z.B. der
Fussboden der Galerie und die Innenwände. Ersterer bestand oft aus
besonders dicken und grossen Brettern. Es ist möglich, dass die Häuser
deshalb auf so niedrigen Pfählen stehen, weil grössere so schwer zu
erlangen sind; doch wird diese Bauart wohl auch dadurch bedingt sein,
dass die Kenja ihren Feinden auf freiem Felde entgegentreten und sich
nicht von ihren Häusern aus verteidigen. Von den Häuserreihen gehörten
8 den Uma-Tow, 2 den Uma-Timé, die sich vor nicht langer Zeit unter
_Bui Djalongs_ Schutz gestellt hatten. Auffallend waren die etwa 1 m
hohen Holzstege, die alle Häuser im Dorfe verbanden; die Kenja berühren
mit den blossen Füssen nicht gern den Erdboden, besonders wenn dieser
vom Regen durchnässt ist. Die Stege bestehen aus breiten Brettern,
die auf Gerüsten ruhen; Geländestellen von ungleicher Höhe werden wohl
auch durch Baumtreppen mit einander verbunden. Geländer sind nicht
gebräuchlich, doch sind sie den Kenja bekannt, sie brachten sogar
selbst welche für uns Europäer an, weil uns das Gehen mit Schuhen
auf den vom Regen schlüpfrigen Brettern oft unbequem war.

Merkwürdigerweise waren die _amin_ der Familien, die bei den Bahau
meist sehr ordentlich und reinlich gehalten werden, bei den Kenja
viel schmutziger als die Galerie, obgleich sie in ihrer Kleidung
und ihrem Hausrat bedeutend sauberer waren als ihre Verwandten am
Mahakam. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass die Kenja noch
mehr als die Bahau gemeinsam auf der Galerie leben und in der _amin_
oft nur essen und schlafen. Die Kenja ziehen die Galerie deswegen
der _amin_ vor, weil sie auf ersterer grosse Feuer anmachen können,
die sie morgens und abends vor der bei ihnen herrschenden Kälte
schützen; bisweilen schlafen sie sogar in der _awa_. Auffallend ist
auch die grosse Menge Brennholz, die man in jeder _amin_ oberhalb des
Feuerherdes aufgestapelt findet, und der Eifer, mit dem die Frauen
täglich neuen Vorrat herbeitragen.

An allen Wegen und Seiteneingängen der Häuser standen 3-4 m hohe
und noch höhere Figuren (_hudo_), welche den Zweck hatten, die
krankheitserregenden Geister vom Hause fern zu halten. Meistens waren
es menschliche Gestalten mit Antlitzen von Ungeheuern; statt der
Haare trugen sie Palmblätter oder lebende und tote Pflanzen und die
Genitalien waren übertrieben gross und mit einem _utang_ versehen. Auf
Tafel 85 ist eine derartige Figur zu sehen; sie ist mit dem Beil aus
einem grossen Holzstück gehauen, nur die hervortretenden Teile, wie
Nase, Ohren und Arme sind gesondert eingesetzt. Die Schreckgestalt ist
mit Speer, Schwert und Schild bewaffnet. Auch Ziegen und Hunde findet
man als Schutzfiguren aufgestellt; die verschiedenen Häuser besassen
auch verschiedene Figuren. Zur Abschrekkung der bösen Geister werden
auch Pfähle mit queren Einkerbungen benutzt. Unter einem derartigen
Schreckpfahl steht die Frau auf Tafel 85. Die Einschnitte im Stamm
geben die Zahl der Köpfe an, die von den Bewohnern dieses Hauses
erlegt wurden, und warnen die Geister vor einem Eintritt in das
gefährliche Haus. Zwei Querschnitte nebeneinander bedeuten die Augen
und ein Querschnitt in der Mitte darunter den Mund, so dass je drei
Einkerbungen einen erbeuteten Schädel vorstellen.

Auch bei den Rasthütten werden Schreckfiguren aufgestellt (Taf. 83
oben), ebenso auf den Begräbnisplätzen der Häuptlinge und der
gewöhnlichen Kenja.

Zum Schutz der Gräber werden grosse, stilisierte Hundefiguren auf hohen
Beinen benützt; man findet sie sowohl unter dem Grabmal aufgestellt
als auch auf dem Dache. Die zwei schönsten Prunkgräber von _Bui
Djalongs_ Sohn und Tochter sind auf Tafel 84 zu sehen. Die _bila_
bestanden hier aus Kammern, in welchen die Särge auf 4-6 m hohen,
schweren Pfählen ruhten. Groteske Figuren verzierten die Dächer und
Wände der Monumente; auch die Pfähle waren hübsch bemalt und das
ganze Gebäude von oben mit allerhand Kleidungsstücken und Waffen
behängt. Auf dem Dache des Grabmals des Häuptlingssohns sieht man
zwischen zwei stilisierten Hundefiguren einen Mann sitzen, der Flöte
spielt; als Sessel dient ihm eine liegende Männerfigur. Aussen an der
_bila_ hingen hier Schilde, Kriegsjacken und -mützen und Sitzmatten,
während in der Kammer selbst Schwerter lagen. Die Farben dieser
Prunkgräber waren noch ziemlich neu und hoben sich daher lebhaft
gegen den Hintergrund von dunkelgrünen Bergen ab. Derartige Monumente
werden nicht auf dem allgemeinen Begräbnisplatz errichtet, sondern
stets gesondert in kleinen Gruppen etwas ausserhalb des Dorfes. Man
darf sich ihnen nur mit des Häuptlings Erlaubnis nähern.

Obgleich man bei einem Gang durch das Dorf nur selten den Erdboden zu
berühren brauchte, war dieser doch sorgfältig von Pflanzen gereinigt,
so dass sich zwischen den Häusern ganze Flächen nackter, fester Erde
ausbreiteten, die von den Kindern als Spielplätze benützt wurden. Am
Kapuas führten nur schmale Pfade durch das überall wuchernde Gestrüpp
und am Mahakam wurde nur vor dem Häuptlingshause ein Stück Erde rein
gehalten. Für uns Europäer bildete das Gehen auf festem Boden eine
lang entbehrte Annehmlichkeit nach dem Aufenthalt im dicht bewachsenen
Wald. Fruchtbäume sah man nur bei den Häusern der Häuptlinge und bei
einigen ihrer _panjin_. Das rauhe Klima trug wohl die Schuld daran,
dass die Bäume nicht üppig wuchsen.

Am 9. Oktober wurden wir früh morgens durch das _buka_ geweckt,
d.h. durch plötzliche Schläge auf die Gonge, welche die Dorfbewohner
zusammenriefen. Obgleich ich dies unheilverkündende Geläut nicht
verstand, blieb ich anfangs ruhig hinter meinem Moskitonetz, da auch
die Menschen, die in meiner Hütte bereits auf mich warteten, still
auf ihren Plätzen sitzen blieben. Der Häuptling hatte beschlossen,
an diesem Tage die Trauer für seine Tochter aufzuheben, damit das
ganze Dorf nicht noch länger mit ihm zu trauern brauchte und man bei
dem bevorstehenden Saatfest Schwerttänze vornehmen durfte.

Als ich nach dem Essen eine Hängebrücke aus Rotang besichtigen ging,
die _Demmeni_ am Djemhang entdeckt hatte, bemerkte ich einen Priester
und einige Männer, die am Ufer eine Beschwörung der Geister des
Oberlaufs vornahmen. Tags zuvor hatte mir _Kwing_ bereits mitgeteilt,
dass man in der _awa_ des Häuptlings eine Zusammenkunft halten wollte,
auf der ich den Versammelten erklären sollte, warum wir nach Apu
Kajan gekommen wären. Sowohl die Kajan als die Malaien, die sich
in dem fremden Lande noch durchaus nicht heimisch fühlten, legten
dieser Zusammenkunft ein grosses Gewicht bei, und so erwartete ich die
Einladung mit einiger Spannung. Doch rief man mich auch jetzt erst um
1/2 4 Uhr. In der _awa_ fand ich viele Häuptlinge und alte Männer um
ein Feuer unter der Schädelreihe vereinigt, hinter welcher wiederum
die grossen Gonge als Sessel für uns bereit standen. _Bui Djalong_
forderte mich jedoch auf, mich erst in seine _amin_ zu begeben,
um mich dort vorher mit allerhand guten Dingen zu stärken. Ich
betrat jetzt zum ersten Mal diesen Raum. Seine Grundfläche betrug
etwa 10 × 12 Meter und seine Einrichtung glich derjenigen anderer
Hänptlingswohnungen. Zu beiden Seiten der Eingangstür, die mitten in
das Gemach führte, befanden sich Herde mit Regalen darüber; der linke
wurde von der Häuptlingsfamilie benützt, der rechte von _Kwing_ und den
Seinen, wenigstens sah ich hier die mir sowohl bekannten Tragkörbe
stehen, neben denen einige Kajan sassen. Unsere gute Freundin,
die Frau des Häuptlings, war damit beschäftigt, eine Schale mit
gegohrenem süssem Reis und Früchte für uns herzurichten. _Demmeni_
und ich bedauerten lebhaft, dass wir uns mit der freundlichen Frau
so mangelhaft verständigen konnten, da sie kein Busang sprach. Sie
forderte uns zum Sitzen auf und ermutigte uns wiederholt zum Zugreifen,
wobei ihr Söhnchen _Ului_ und ihre Tochter zuschauten. In dem Teil
der _amin_, in dem wir uns befanden, standen an der Wand eine lange
Reihe von Gongen und dazwischen einige hohe, schöne Satsuma-Vasen,
die ich hier im Herzen von Borneo nicht zu finden erwartet hatte. Wie
ich später erfuhr, hatte der Häuptling sie von seiner letzten Reise
zum Baram-Fluss mitgebracht. Dass er viel Geld für sie übrig gehabt
hatte, sprach für seinen guten Geschmack, denn es waren in ihrer Art
schöne Exemplare. Der süsse Reis (_burak_) war von sehr guter Qualität
und auch die Früchte waren sorgfältig ausgesucht; unser europäischer
Appetit erweckte denn auch die Zufriedenheit unserer Gastgeberin.

Bis zu unserer Rückkehr in die _awa_ hatte sich der Kreis
der Versammelten noch sehr vergrössert; meistens waren es alte
Kenja. Rechts von uns, die wir wieder auf den Gongen Platz genommen
hatten, sass _Kwing Irang_ mit seinem Gefolge. Über uns die lange Reihe
von Menschenschädeln und vor uns die vielen fremden mit Spannung auf
uns starrenden Kenja-Gesichter, verbrachten wir die erste Zeit mit
gleichgültigen Plaudereien, während welcher alle Anwesenden uns mit
Musse betrachten und sich an uns gewöhnen konnten.

Als geeignete Einleitung zu einem Gespräch über die Gegenden,
aus denen wir hergereist waren, kam mein Hund _Bruno_ angelaufen,
der durch seine Grösse und seine den Dajak unbekannte Eigenschaft,
Fremde anzubellen, auch hier grosse Bewunderung erregte. Darauf
wurde namens des Häuptlings der Versammlung in zwei Gläsern Reiswein
(_tuwak_) gereicht, wobei man uns zuerst bediente. Inzwischen war
es unter dem hohen, überhängenden Dach bereits dunkel geworden,
und da wir auf das vom Herdfeuer verbreitete Licht angewiesen waren,
benutzte ich die Gelegenheit, den Leuten eines unserer Kulturwunder
vorzuführen und liess eine Petroleumlampe kommen.

Die eigentlichen Verhandlungen hatten noch nicht angefangen, doch
schien man zu erwarten, dass ich den Anfang machte, obgleich
man mich nicht dazu drängte. Ich begann daher _Bui Djalong_
und den Seinen in der Busangsprache zu berichten, warum ich aus
dem Mahakamgebiet zu ihnen gekommen sei und was ich durch meinen
Besuch bei ihnen erreichen wolle. Ich sprach von den Ereignissen,
die sich in letzter Zeit, hauptsächlich durch Zutun der Uma-Bom am
Mahakam und Tawang zugetragen hatten, und machte ihnen begreiflich,
dass durch dieselben die Kluft zwischen den Bahau und Kenja zum
Nachteil beider stets grösser geworden sei und auf diese Weise der
Handelsweg zum Mahakam ihnen bald gänzlich geschlossen werden würde,
besonders jetzt, wo sich ein Kontrolleur in Long Iram befinde, der
dergleichen Kopfjagden durchaus nicht dulden werde. Das gespannte
Verhältnis, fuhr ich fort, bildete auch für die Mahakamstämme eine
Quelle ständiger Unruhe, welcher nur durch ernsthafte Behandlung der
Angelegenheit ein Ende zu machen wäre. Eine derartige Behandlung der
inneren Zustände wäre aber wegen des grossen gegenseitigen Misstrauens
unter den Stämmen selbst nur unter Leitung der Niederländer möglich,
wie dies jenseits der Wasserscheide durch Vermittlung des Radja von
Serawak geschah. _Kwing Irang_ meinte, dass meine Erklärung nicht allen
deutlich wäre, und wiederholte sie daher auf seine Weise. Während er
sprach, kam mir der Gedanke, es sei besser, nichts zu verschweigen
und sogleich alles zur Sprache zu bringen, besonders da die Kenja von
allen Umständen gut unterrichtet zu sein schienen. Daher behandelte
ich den Mord am Tawang nochmals ausführlich und sprach zum Schluss
die Meinung aus, dass ein Schadenersatz in Gestalt eines Sklaven
unter niederländischer Vermittlung nur dann geboten werden könne,
wenn man ausdrücklich erklärte, dass der Sklave als solcher in die
Familie _Bui Djalongs_ aufgenommen und nicht getötet werden würde.

Nach der Stille, die meinen Worten folgte, sagte _Bui Djalong_ nur,
dass die Kenja sich unmöglich widersetzen könnten, wo zwei grosse
Häuptlinge (_hipui_), wie der Sultan von Kutei und die Niederländer
darauf aus wären, ihr Bestehen zu verbessern (_neme urib_), dass
er früher aus Furcht vor den Batang-Lupar aus Serawak zum Tawang
habe auswandern wollen, dass dies aber nach dem Vorgefallenen nicht
mehr möglich sei, dass sie andrerseits auch nur sehr schwer an den
_Telang Usan_ (Baram) ziehen könnten und daher einer guten Regelung
der Verhältnisse gern Gehör schenken würden. _Kwing Irang_ gab er
im Geheimen den Wink, über den Vorschlag des Radja von Serawak, auf
englisches Gebiet auszuwandern, nicht zu sprechen. Um später nicht
_haè_, verlegen, zu werden, wie er sich ausdrückte, wenn sich die
anderen nicht an das Abkommen hielten, schlug er vor, zuvor auch
noch mit den übrigen Stämmen, vor allem den Uma-Bom, zu überlegen
und unsere Beratung (_tengeran_) daher später fortzusetzen und vor
unserer Abreise zum Abschluss zu bringen.

Darauf kamen noch viele andere, weniger wichtige Angelegenheiten zur
Sprache, u.a. der Zug der Kenja nach Serawak, von dem ich bereits
viel erfahren hatte, gern aber von ihnen selbst noch Näheres hören
wollte. Mit grosser Offenheit gaben _Bui Djalong_ und seine Landsleute
ihre Meinung über ihr Verhältnis mit Serawak zu kennen, ganz anders
als dies bei den Bahau üblich war, wo beinahe niemals jemand eine
Ansicht öffentlich zu äussern wagte, aus Furcht vor Widerspruch oder
Widerstand seitens anderer. Wir erfuhren jetzt, dass, wie die meisten
Fehden, auch die der Kenja mit den Batang-Lupar vor sehr langer Zeit
ihren Ursprung genommen hatte. Vor einigen Jahren hatte nun der Radja
von Serawak diesen Zwistigkeiten ein Ende machen wollen und den Kenja
als Strafe für ihre Kopfjagden eine sehr ansehnliche Entschädigung in
Guttapercha auferlegt. Nach der zum Sammeln erforderlichen Frist hatten
sich die Kenja mit der Guttapercha aufgemacht, um sie nach Fort Long
Belaga am Balui, dem Oberlauf des Batang-Rèdjang, zu bringen. Auf der
Reise begegneten sie jedoch wieder grossen Batang-Lupar-Banden, die
an den Quellflüssen Buschprodukte suchten, und bei dieser Gelegenheit
entbrannte ein neuer Kampf, bei dem auf beiden Seiten Opfer fielen
und alle Guttapercha verloren ging. Seit der Zeit waren die Kenja
noch nicht dazu gekommen, ihre Busse aufs neue zu bezahlen, aber
nachdem der Radja im Jahre 1895 die Kenjastämme Apo-Paja am oberen
Danum durch seine Batang-Lupar hatte unterwerfen lassen, hatte er
immer wieder Gesandtschaften geschickt, um eine Zusammenkunft mit den
Kenjahäuptlingen zu veranlassen. Diese empfanden jedoch wenig Lust,
sich aufs neue in grosser Anzahl auf englisches Gebiet zu wagen,
besonders da man erzählte, sie wären es gewesen, die die 5 Batang-Lupar
am Boh getötet hätten. Mit einer serawakischen Gesandtschaft, welche
die mit ihnen verwandten Häuptlinge der Uma-Dang, die sich gerade
eben dem Radja unterworfen hatten, begleiteten, sandten die Kenja dem
englischen Fürsten als Freundschaftszeichen zwar schöne Schwerter
und Schilde, aber sie selbst erschienen zwei Jahre lang nicht vor
ihm. Darauf sandte ihnen der Radja vom Batang-Rèdjang durch Boten
einen Brief und der Resident am Baram, _Dr. Hose_, gleichfalls, was
sie alle so erschreckte, dass sie trotz der schönen Tigerhaut und den
Gongen, welche als Geschenke für sie mitgegeben waren, das Jahr zuvor
beschlossen hatten, dem Rufe eiligst Folge zu leisten. Eine ungefähr
700 Mann starke Gesellschaft war unter den Häuptlingen der Uma-Tow,
die weiter unten am Fluss in Long Nawang wohnten, den Batang-Rèdjang
abwärts gefahren, um der Einladung dort nachzukommen, während _Bui
Djalong_ selbst indessen mit 500 Mann nach dem Baram gezogen und diesen
dann hinabgefahren war. Die Häuptlinge beider Gesellschaften wurden mit
Dampfböten nach der Residenz Kuching abgeholt, wo _Bui Djalong_ sich
jedoch weigerte, auf englisches Gebiet auszuwandern, was er mir jedoch
selbst nicht erzählte. Auch er berichtete, die Batang-Lupar hätten sie
auf der Heimreise überfallen, wobei einige zur Begleitung mitgegebene
englische Polizeibeamten verwundet und getötet worden wären.

Die zwei aus Serawak gesandten Briefe, welche so grossen Eindruck
gemacht hatten, wurden zum Vorschein gebracht und mir vorgelegt. Es
waren nur ein paar Geleitsbriefe, um nach Serawak zu kommen;
sie enthielten weder irgend einen Befehl noch eine Drohung, aber
die Kenja, welche die Briefe nicht hatten lesen können, hatten
sich beim ungewohnten Anblick von Papierstücken das Schrecklichste
vorgestellt. Zur Verstärkung dieses Eindrucks hatten die malaiischen
Boten überdies noch das Ihre beigetragen. _Bui Djalong_ war zwar
etwas verlegen, als er den wahren Inhalt der Briefe vernahm, doch
half er sich mit der Bemerkung, sie wären zu dumm, um solche Dinge
zu begreifen. Es war spät geworden, als wir von der Versammlung
heimkehrten.

Nach dem guten Verlauf der Zusammenkunft war es uns am folgenden
Tage eine wahre Erleichterung, als die meisten Dorfbewohner auf _Bui
Djalongs_ Feld zogen, um dieses zur Saat vorzubereiten. So erfreuten
wir uns zum ersten Mal eines ruhigen Tages. Auch der folgende verlief
still, da die Dorfbewohner an diesem auf die gleiche Weise das Feld
von _Bo Anjè_, des Häuptlings Bruder, bearbeiteten und _Bui Djalong_
selbst mich um die Mithilfe meiner Malaien für diesen Tag gebeten
hatte. Diese fanden die Bitte zwar anspruchsvoll und für ihre Würde
als Mohammedaner (nur wenige unter ihnen waren von Geburt Malaien)
einem Dajak gegenüber etwas erniedrigend, aber sie fürchteten eine
Störung der guten Beziehungen so sehr, dass sie aus der Not eine
Tugend machten und bereits morgens früh mit dem Häuptling aufbrachen,
nachdem ich hierzu meine Zustimmung gegeben hatte.

Des anderen Tages erfuhr ich, wie sehr auch in der Kenjagesellschaft
Eitelkeit und Eifersucht die Lebensfreude beeinträchtigten. Morgens
nach dem Frühstück hatte ich zum Besuch meiner Patienten meine
Wanderung durch die verschiedenen Häuser begonnen, als mich die
Bewohner in der _amin_ von _Bo Anjè_, wo sich ein Fieberkranker
befand, zurückhielten, um mir einen ausführlichen Bericht über _Bo
Anjès_ Würde, seine älteren Brüderrechte gegenüber _Bui Djalong_
und seine Verwandtschaft mit den Häuptlingen von Uma-Djalan zu
erstatten. Mit allem diesem gaben sie mir zu verstehen, dass nicht
nur _Bui Djalong_, sondern auch _Bo Anjè_ für den Tod von _Usat_,
ihrem Enkel, am Tawang ein Sklave als Entschädigung zukam. Halb
um das Gesagte zu bekräftigen, halb um mir für ein Gewehr, das
ich bei meiner Abreise bei ihnen zurückzulassen versprochen hatte
und für schönes langes _bok kading_ (Ziegenhaar) und _ape kendi_
(dicker Kattun) ein Gegengeschenk zu geben, verehrten mir _Bo Anjès_
Angehörige einen sehr schön gezeichneten und mit Menschenhaar
verzierten Schild. Unter der Hand erfuhr ich noch manches über das
gegenseitige Verhältnis der Häuptlinge in Tanah Putih; über _Bui
Djalong_ wurde geklagt, er tue ganz, als ob er der erste wäre,
während _Bo Anjè_ doch eigentlich älter sei. Dass der schwache _Bo
Anjè_ vor dem kraftvollen _Bui Djalong_ hatte zurücktreten müssen,
erschien mir sehr begreiflich. Der energischere Charakter der Kenja
schützte sie augenscheinlich nicht vor kleinlicher Eifersucht, die
auch bei den Bahau eine so grosse Rolle spielte.

Gegen Ende des Tages erhielten wir den Beweis, dass man die Dinge am
Kajan ganz anders behandelte als am Mahakam.

Gleich nach der Mahlzeit wurden wir nämlich durch Laufen und Rufen
auf dem Wege an unserem Hause erschreckt und beim Hinausblicken
sahen wir etwa 10 fremde Kenja in voller Kriegsrüstung, die eben
in einem Boot angekommen waren, mit heftigen Gebärden eine ernste
Nachricht mitteilen, von der wir nichts weiter begriffen, als dass
es sich um Kampf und Tote handelte. Die herbeiströmenden Bewohner von
Tanah Putih gerieten beim Anhören des Berichtes in grosse Aufregung,
so dass es für uns eine Beruhigung bedeutete, als _Bui Djalong_ in
seiner gefassten Weise selbst auf dem Schauplatz erschien und sich
berichten liess. Obgleich auch er voll Interesse zuhörte, regte er sich
doch nicht dabei auf; ich nahm daher das unbekannte Ereignis nicht zu
tragisch und ging, um zu hören, um was es sich handelte. Die Boten
waren von den Dörfern weiter unten am Kajan gekommen und meldeten,
vom Stamme der Uma-Tepai seien 100 Mann im Kampfe gegen den feindlichen
Stamm der Alim, die am Pedjungan wohnten, gefallen. Der Vorfall schien
_Bui Djalong_ doch weit mehr zu treffen, als ich aus der Ferne gesehen
hatte, denn er war bleich geworden und seine Lippen waren blau,
doch zeigte er sich nicht erregt und war noch unbewaffnet, während
die andren Männer von Tanah Putih sogleich zu den Warfen gegriffen
hatten, als stände der Feind vor der Tür. Ich war daran gewöhnt,
dass bei derartigen Berichten stark übertrieben wurde, und wagte
daher _Bui Djalong_ zu sagen, bei näherer Erkundigung würde es gewiss
nicht so schlimm stehen und mehr als 15 Uma-Tepai würden wohl nicht
gefallen sein. Meine Worte schienen ihn zu beruhigen, denn er sagte
lächelnd, das sei sehr gut möglich. Nachdem er zu der aufgeregten Menge
gesprochen hatte, ging er ruhig nach Hause und alles zerstreute sich
wieder. Der Bericht, den mir die Kenja gegeben hatten, war so gehalten
gewesen, als wenn ich die Geographie ihres Landes, die Stämme, die in
ihm wohnten, und ihr Verhältnis zueinander gut gekannt hätte. Erst
am folgenden Tage konnte ich genauere Erkundigungen einziehen, aber
es dauerte einige Zeit, bevor ich den Vorfall zu begreifen anfing;
der Bericht des Häuptlings selbst war mir noch am wertvollsten. Er
erzählte, dass der Handelsweg zur Küste auf dem Kajan für sie infolge
ihrer Feindschaft mit den Uma-Alim verschlossen sei. Dieser Stamm
wohnte hauptsächlich am Pedjungan, einem Nebenfluss, der unterhalb
der grossen Reihe von Wasserfällen, Baröm genannt, dem Kajan zuströmt.

Neben den Uma-Alim wohnte ein kleinerer Stamm der Uma-Lisan, dem es
bei ersteren nicht sonderlich gefiel (später hörte ich, die Lisan
wären von den Alim halb abhängig) und der deshalb nach Apu Kajan, dem
Gebiet oberhalb der Baröm, auswandern wollte. Ein Stamm der Uma-Tepai,
die dicht oberhalb der Baröm lebten, war mit 300 Mann zum Pedjungan
gezogen, um den Uma-Lisan beim Umzug in ihr Gebiet behilflich zu
sein. Dies sollte mit Einverständnis der Uma-Alim geschehen sein,
was jedoch unwahrscheinlich war, da die Alim den Uma-Tepai feindlich
gesinnt waren und ihnen daher die Nachbarschaft eines verbündeten
Stammes nicht gegönnt haben würden. Wie dem auch sei, die Uma-Lisan
wollten bei der Ankunft der Uma-Tepai nicht mit ihnen ziehen, und
als letztere auf dem Heimwege begriffen waren, wurden sie von den
Uma-Alim, die sich in einer engen Gebirgsspalte versteckt hatten,
überfallen und in dem darauf folgenden Kampfe sollten dann 100
Mann gefallen sein. Später stellte es sich heraus, dass die Zahl
der Getöteten in der Tat nicht über 15 betrug. Der ganze Kampf nahm
sich immerhin so viel ernster aus, als die Bahau es gewöhnt waren,
so dass _Kwing Irang_ und den Seinen beim Anhören dieses blutigen
Berichts sicher das Herz vor Angst geklopft haben wird.

Während _Bui Djalong_ mir dies alles vortrug, hatte ich ihm meine
gänzliche Unkenntnis von Land und Volk in Apu Kajan bekannt. Zu
meiner Freude war er sogleich bereit, mir über diese Verhältnisse
ausführlich Auskunft zu erteilen; er schlug vor, bereits am gleichen
Nachmittag den Hügel mit der Kubu zu besteigen, weil wir von dort einen
vorzüglichen Überblick über das Land geniessen würden. Nach dem Essen
begaben wir uns auf den Weg und bereits während des Gehens machte er
mich auf vieles aufmerksam. Auf dem Gipfel des Hügels angekommen gab
mir _Bui Djalong_ den folgenden geographischen Überblick über sein
Land Apu Kajan, oder Po Kedjin, wie es von den Kenja selbst genannt
wird. Nach seinen Ausführungen und dem, was ich bereits selbst gesehen
und gehört hatte, lagen die Verhältnisse von Land und Leuten etwa
folgendermassen: das Gebiet des oberen Kajan bildet wie das des oberen
Mahakam ein nach allen Seiten abgeschlossenes Land; hohe Gebirge und
unbewohnte Wälder umringen es und der Kajan, der einen natürlichen
Verkehrsweg zu den tiefer gelegenen Gebieten bildet, wird durch eine
unüberwindliche Reihe von Wasserfällen, Baröm genannt, für den Verkehr
unzugänzlich. Das Land streckt sich nord-östlich vom Batu Tibang aus,
dem Berg, von dem im Norden und Osten das Grenzgebirge von Apu Kajan
ausgeht. Nach Norden ist letzteres anfangs sehr niedrig und erhebt
sich erst weiter nördlich zu einiger Höhe. Das Grenzgebirge nach
Osten kann man in Richtung und Formation als eine Fortsetzung des
Ober-Kapuas-Kettengebirges auffassen, das sich bis zum Batu Tibang
hinstreckt und hier durch das vulkanische Gebirge unterbrochen wird,
dessen höchste Erhebungen dieser Gipfel, der Batu Tibang Ok, der
Batu Bulan und vielleicht auch der Batu Pusing darstellen. Östlich
von diesen, wo das Gebirge 1000-1500 m hoch ist, besteht es aus
Schiefern, die im Quellgebiet des Oga und Temha einige Rücken,
mehr nach Osten hin aber ein beinahe 2000 m hohes Massiv bilden,
den Batu Okang. Von diesem soll der Boh nach Südwesten strömen, der
Tawang nach Südosten und der Kajan Ok, ein Nebenfluss des Kajan,
nach Norden. Auf dem ganzen Wege vom Temha über die Passhöhe zum
Laja und auch im Quellgebiet des Kajan hatten die Schiefer eine mehr
oder weniger starke Neigung nach Süden gezeigt, womit vielleicht im
Zusammenhang steht, dass nach Süden lange Rücken allmählich sich in
das Oga- und Bohgebiet niedersenken, während nach Norden sehr steile
Wände nach den Flüssen des Kajangebietes zu abfallen.

Die ganze Gegend oberhalb der Baröm ist gebirgig und besteht, wie
ich zu bemerken glaubte, aus Schiefern mit daraufliegendem Sandstein,
einer Gesteinsbildung, die auch am Ober-Mahakam die grösste Oberfläche
einnimmt. Auch in Apu Kajan werden diese Lagen durch Basalt und Andesit
unterbrochen, die bei der starken Abtragung, die dieses Gebiet erlitten
hat, mehr Widerstand als das umgebende Gestein geleistet haben und
jetzt hie und da als Hügel hervorragen.

An Flächen waren nur die weit ausgespülten Flusstäler zu sehen,
die Kenja waren daher gezwungen, ihre Reisfelder bis hoch auf die
Abhänge der Bergketten anzulegen und auf den Hügeln den Wald bis zu
den Gipfeln zu fällen. Der Urwald beginnt daher erst in ansehnlicher
Höhe, wo das kühle Bergklima keine erfolgreiche Reiskultur mehr
gestattet. Der Reis hat hier ohnehin 1 Monat länger nötig, um zu
reifen, als am Ober-Mahakam, also 6 Monate.

Der Kajan selbst, der auf dem Grenzgebirge zum Mahakam, auf dem Lasan
Telujön, östlich von dem Batu Pusing entspringt, strömt hauptsächlich
in nördlicher Richtung und nimmt oberhalb der Baröm an seiner linken
Seite den Tekuwau, Metisei, Nawang, Pengian, Marong, Iwan und Pura
auf; rechts dagegen den Laja, Danum, Djemhang, Hungei, Anjè, Meton
und dicht oberhalb der Baröm den Kajan Ok. In diesem Teil des Kajan
bilden die Wasserfälle bei Batu Plakau das grösste Hindernis für die
Schiffbarkeit, ferner befinden sich einige Fälle auch noch oberhalb von
Long Djemhang. Wenn der Kajan auch weiterhin bis zu den Baröm keine
unpassierbaren Stellen mehr hat, so trägt er doch mit seinen vielen
Felsblöcken und Schuttbänken im allgemeinen den Charakter eines für
den Verkehr ungeeigneten Bergstroms (auf der von dem Kenja gezeichneten
Karte sind die schwer passierbaren Stellen durch bootsähnliche Figuren
c angegeben (Taf. 89).

Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass die Kenja im Fahren mit
Böten viel ungeübter sind als die Bahau, dafür haben sie aber in
ihrem ganzen Lande gute Wege angelegt, sowohl von den Dörfern zu den
Reisfeldern als zu anderen Dörfern. (Letztere Wege sind auf der Karte
mit einfachen Linien angegeben; die Kreise f, durch welche der Weg
von Tanah Putih zu den Uma-Leken führt, bedeuten Berge).

Die Apu Kajan bewohnenden Stämme, die sich alle verwandt fühlen,
sind vor 2-3 Jahrhunderten vom Uan, dem linken Nebenfluss des
Mittel-Kajan, hierher ausgewandert, nachdem sie sich vorher noch
am oberen Bahau niedergelassen hatten. Aus der neuen Heimat hatten
sie der Reihe nach die Stämme vertrieben, die jetzt unter dem Namen
Bahau am Balui und Mahakam wohnen, Ein anderer Teil der Kenja liess
sich damals am Telang Usan oder Baramfluss nieder, von wo er noch
jetzt mit den Kajanbewohnern in enger Verbindung steht. Nicht alle
Bahaustämme wurden damals aus Apu Kajan vertrieben; die Uma-Leken,
die zum oberen Balui geflohen waren, kehrten später zurück und wohnen
jetzt am weitesten unten am Fluss, bei den Baröm. Dieser Stamm spricht
auch ein von den übrigen Kenjadialekten abweichendes Busang. Sämtliche
Stämme leben unter der Oberherrschaft des mächtigsten Stammes, der
Uma-Tow, der zwei Niederlassungen bewohnt, Tanah Putih am Djemhang
(jetzt an den Kajan verlegt) und Long Nawang. Ihre Vorherrschaft haben
die Uma-Tow ihren beiden letzten tatkräftigen Häuptlingen zu danken,
_Pa Sorang_ und _Bui Djalong_, seinem Neffen. Dieser wies mir mit
Stolz einen Bergrücken, der von der Wasserscheide ins Kajangebiet
verläuft und Batu Ajow heisst, nach dem Kampf, der auf ihm zwischen
den beiden Bundesgenossenschaften der Kenja, nämlich den weiter oben
wohnenden Uma-Tow, Uma-Kulit, Uma-Djalan, Uma-Bom und Uma-Tokong gegen
die weiter unten angesiedelten Uma-Bakang, Uma-Tepu, Uma-Baka und
Uma-Leken stattgefunden hatte und aus dem die ersteren als Sieger
hervorgegangen waren. Im allgemeinen besteht die Oberherrschaft
der Uma-Tow darin, dass ihre Häuptlinge über Angelegenheiten von
allgemeinem Interesse beschliessen, aber stets nach Rücksprache mit den
Häuptlingen der übrigen Stämme. Direkte Steuern, auch in Arbeit, werden
nicht regelmässig geleistet, wohl aber können die abhängigen Stämme
zu Hilfe gerufen werden, z.B. bei Krieg oder grösseren Unternehmungen.

Nach _Bui Djalongs_ Angaben setzten sich die Stämme aus der folgenden
Anzahl von Familien zusammen:


                Uma-Tow            500 Familien.
                Uma-Djalan         300 Familien.
                Uma-Tokong         200 Familien.
                Uma-Bom            300 Familien.
                Uma-Bakang         600 Familien.
                Uma-Kulit          400 Familien.
                Uma-Tepu           400 Familien.
                Uma-Baka           300 Familien.
                Uma-Leken          300 Familien.

                Im Ganzen:        3300 Familien.


Hierzu kommen noch einige kleinere Stämme, wie die Lepo-Lisan,  die
Lepo-Aga und die nicht sesshaften Punanstämme, so dass die Bevölkerung
von Apu Kajan auf 20000 Seelen geschätzt werden kann.

Der Verkehr zwischen den Stämmen ist bei den Kenja viel
lebhafter als zwischen den Bahau, auch besitzen erstere mehr
Verwandtschaftsgefühl. Dazu trägt nicht wenig die im Lande herrschende
Sicherheit bei. Es finden denn auch von anderen Gebieten aus nur
selten Kopfjagden in Apu Kajan statt; am ehesten sind diese von
den Batang-Lupar-Stämmen aus Serawak zu fürchten, so dass die Kenja
sich denn auch nicht gern westlich vom Flusse oder zu nahe an seinem
Ursprung niederlassen.

Sowohl der schweren Zugänglichkeit ihres Landes als ihrer Stärke und
Energie haben die Kenja es zu danken, dass sie bis jetzt von einem
Eindringen Fremder verschont geblieben sind.

Den Zugang zu den anderen Gebieten haben sich die Kenja selbst durch
ihre berüchtigten Kopfjagden so gut wie abgeschnitten. Während sie
selbst in ihrem Lande beinahe unbewaffnet reisen, wagen sie nur in
grosser Anzahl Handelszüge in fremde Gebiete zu unternehmen. Den
Verkehr mit den Bewohnern am unteren Kajan haben sich die Kenja durch
ihre Kopfjagden mit den Uma-Alim unmöglich gemacht, die am Pedjungan
und Bahau wohnen, den beiden Flüssen, die man zur Umgehung der Baröm
berühren muss. Ebenso unsicher ist der Weg längs des Balui nach Fort
Belaga; hier sind wieder die Hiwan den Kenja feindlich gesinnt. Der
in das nord-östlich gelegene Baramgebiet führende Handelsweg, an
dem verwandte Kenjastämme leben, wird zwar viel benutzt, aber auf
dieser Reise muss ein 10 tägiger Landweg zurückgelegt werden, bevor
wieder ein Transport der Waren mit Böten möglich ist. Daher können
sie vom Baram kein schweres Gepäck wie Salz herbeiführen. Einen
Vorteil bietet dieser Weg insofern, als er durch Gebiete führt, in
welchen die Kenja Waldprodukte, vor allem Kampfer sammeln können;
auf den anderen Wegen zur Ostküste kommt der Kampferbau dagegen
nicht vor. Der Ertrag eines Baumes beträgt höchstens 1 _kati_ (=
0.61 Kilo). Der Kampfer kommt im Holz des Baumes in Stücken von der
Grösse eines Sandkorns bis zu 3 cm3 vor. Die Bäume werden gefällt,
wenn bereits aus dem Geruch der Kampfergehalt festgestellt worden ist,
dann werden sie völlig ausgehöhlt, als ob man Böte aus ihnen herstellen
wollte. Hinter jedem Span wird der in den Ritzen des Holzes abgesetzte
Kampfer gesammelt. Beim Umhacken werden den Geistern Matten, Zeug
und Reis geopfert; hat man die Reise mit guten Vorzeichen angetreten,
so ist der Gewinn an Kampfer gross, im anderen Falle aber klein.

Von den beiden anderen Handelswegen, die den Kenja noch übrig bleiben,
ist der nach dem Mahakam der gebräuchlichste; nach dem Berau ist die
Reise so schwierig, dass nur leichte Artikel von dort bezogen werden
können. Die Kenja verbessern alle diese Wege, indem sie z.B. sumpfige
Stellen mit behauenen Stämmen belegen, steile Abhänge mit Treppen
versehen u.s.w.

Während wir noch auf dem Hügel standen und uns von _Bui Djalong_
berichten liessen, hatte sich der Himmel plötzlich verfinstert und,
ehe wir das Tal erreichten, brach ein furchtbares Ungewitter auf uns
nieder. Einige starke Donnerschläge gingen den Regengüssen voran,
dann folgte ein heftiger Hagelschlag, den ich zum ersten Mal in
Indien erlebte. Die Kajan waren durch diese Naturerscheinung aufs
tiefste erschreckt. In ihrem Lande kommt Hagel überhaupt nicht vor;
nur wird nach einer ihrer Sagen, wenn es Steine regnet, alles in
Stein verwandelt.

Wenn die gefürchtete Versteinerung auch nicht eintraf, so hatte dieser
Hagelschlag auf die Nerven der Kajan und Malaien, die ohnehin durch
das plötzliche Zusammenrufen (_buka_) der Dorfbewohner nach dem Fall
der Uma-Tepai sehr erregt waren, so nachteilig gewirkt, dass _Lalau_
mir am anderen Tage mit bleichem Gesicht meldete, es würden unter
der Bevölkerung über uns sehr ernste Gerüchte verbreitet, die uns
äusserst gefährlich werden könnten. Man erzählte, wir beabsichtigten
in der Tat, die Kenja zu bekriegen, und warteten nur auf die Hiwan
(Batang-Lupar) und die Ankunft der Boten von Long Deho, die den Boh
hinaufgefahren waren, um den Angriff zu beginnen. _Kwing_, sein Gefolge
und meine Malaien fürchteten, dass die Kenja uns zuerst anfallen
würden. Unser Verhältnis zur Bevölkerung war indessen fortwährend
besser geworden und bis jetzt war noch nichts Unangenehmes zwischen
uns vorgefallen. Selbst als mein Hund einen kleinen Knaben recht stark
gebissen hatte, wurde dieser Vorfall seitens der Betroffenen sehr
verständig beigelegt. Auch verkehrten Frauen und Kinder von morgens
früh bis abends spät in meiner Hütte, für mich der beste Beweis ihres
grossen Vertrauens zu unseren Absichten. Einige Mütter mussten ihre
Kinder sogar mit Gewalt zum Essen nach Hause holen und klagten, die
Kleinen wären überhaupt nicht mehr in der _amin_ zu halten. Es half
nichts, dass ich die beängstigten Gemüter auf alle diese beruhigenden
Zeichen hinweis, sie kamen stets wieder auf das Gehörte zurück. Da es
nicht ratsam war, dergleichen Geschwätz allzulange kursieren zu lassen,
und auch zur Beruhigung meiner Leute versprach ich _Kwing Irang_,
die Sache mit _Bui Djalong_ in seiner Gegenwart besprechen zu wollen.

An diesem Tage kam es jedoch nicht dazu, weil ein Häuptling der
Uma-Bakong mit zwanzig Mann Gefolge den Fluss heraufgefahren kam,
um mich zu besuchen.

_Bui Djalong_ führte mir die Gesellschaft selbst zu und erklärte,
dass _Emang_, so hiess der Häuptling, und die Seinen mich besuchten,
um meine Absichten mit den Kenja kennen zu lernen. Da der Mann
gut Busang sprach, liess _Bui Djalong_ ihn mit seinen Begleitern
allein bei mir zurück, augenscheinlich vertraute er, dass ich mit
der Gesellschaft allein fertig werden würde. Die Besucher hatten auf
meine Nachsicht gerechnet, denn sie brachten mir nur etwas Reis zum
Geschenk, worüber sie selbst ihr Bedauern aussprachen. Ich war jedoch
gar nicht daran gewöhnt, Geschenke zu empfangen, und half den Leuten
mit einer Unterhaltung über _tanah dipa_, das Land "Übersee", über ihre
Verlegenheit hinweg. Ich gab jedem ein Gegengeschenk, dem Häuptling
eine Jacke aus Kattun, den anderen ein Kopftuch aus _batik_. In bester
Stimmung sagte _Emang_ beim Abschied, man werde uns in seinem Dorfe
auf den Händen tragen, falls wir dorthin kommen wollten.

Nachdem die Gesellschaft am anderen Tage wieder abgereist und die
_awa_ des Häuptlings wieder frei geworden war, liess _Kwing Irang_
mich zur Besprechung rufen. Bei meinem Eintritt sass er mit ernstem
Gesicht allein unter seinen Kajan. Ich hatte somit noch Gelegenheit,
ihm zu sagen, dass ich _Bui Djalong_ und dessen Stammesgenossen
gegenüber, die alles täten, um uns den Aufenthalt angenehm zu machen,
wegen der Angelegenheit verlegen sei und dass ich dem Geschwätz nicht
glaubte. _Demmeni_ trat ebenfalls zu uns, und als auch _Bui Djalong_
mit einigen Ältesten erschien und sich zu uns unter die Schädelreihe
setzte, forderte ich _Kwing_ auf, seine Sache selbst vorzutragen. Mit
aller Redegewandtheit, über die er verfügte, wiederholte _Kwing_
darauf das Geschwätz der alten Frauen und Kinder und gab dabei selbst
so deutliche Zeichen von Angst zu erkennen, dass _Bui Djalong_ eine
ungeduldige Bewegung nicht unterdrücken konnte.

Bevor er antwortete, machte er uns gegenüber die Bemerkung, dass
wir augenscheinlich dem Klatsch keinen Glauben schenkten und aus dem
Blick, mit dem er uns ansah, sprach seine Genugtuung hierüber. _Kwing
Irang_ selbst gab er in fast beleidigend kurzen Worten den Bescheid,
dass alle diese Gerüchte nur von alten Weibern und Kindern stammten
und Männer einen solchen Unsinn nicht ernsthaft nehmen sollten. Sehr
überzeugt hatte er seinen Gast durch diese Bemerkung wahrscheinlich
nicht, aber die Batang-Lupar-Frage erschien ihm als Gesprächsthema
verlockender und so wandte er sich diesem zu. Ich vernahm von ihm jetzt
denselben Bericht, den ich bereits häufig an der Serawakischen Grenze
gehört hatte, nämlich dass das ganze Land in ständiger Angst vor den
plündernden Hiwan-Banden lebte, die der Radja auf die Grenzstämme an
der niederländische Grenze hetzte, und vor den Hiwan, die in Truppen
Buschprodukte suchten und dabei gelegentlich Köpfe jagten.

Die Kenja brauchten ihrer grossen Anzahl wegen vor diesen Stämmen keine
Angst zu haben, aber _Bui Djalong_ fürchtete, dass er, falls neue
Morde vorfielen, sein Volk nicht in Schranken würde halten können,
wodurch ernsthafte Konflikte mit dem Radja entspringen könnten. Über
die früher verloren gegangene Entschädigung in Form von Guttapercha
hatte der Radja nicht mehr mit ihm gesprochen, dagegen hatten die Hiwan
selbst eine hohe Entschädigungssumme von ihm geheischt, da sie sich
durch eine dem Serawakischen Gouvernement aufgebrachte Busse nicht
befriedigt fühlten. So lange diese Angelegenheit noch nicht beigelegt
war, fürchtete _Bui Djalong_ die Rache der Hiwan. Infolge der stets von
neuem von den schwärmenden Punan verbreiteten Gerüchte über einen in
Serawak in Vorbereitung begriffenen Kriegszug (bala) gegen die Stämme
von Apu Kajan und die Anwesenheit zahlreicher Truppen von Hiwan in den
umliegenden Gebirgen befand sich das Land in ständiger Unruhe. Das
Gebiet am linken Kajanufer war von den eingeschüchterten Bewohnern
gänzlich verlassen worden und auch die Uma-Bom hatten teilweise dieser
Gerüchte wegen ihre Siedelung am Kajan im Stich gelassen.

In dem Geschwätz, das _Kwing_ so beunruhigt hatte, war auch von 2
Böten die Rede gewesen, die aus Long Deho angekommen sein sollten. Der
Bericht war mir völlig unklar gewesen, jetzt hörte ich aber von _Bui
Djalong_, dass in der Tat zwei Böte uns von _Bang Jok_ nach unserer
Abreise nachgesandt worden und bei den Uma-Bom in Apu Kajan angekommen
seien. Die Leute hatten eine sehr ungünstige Reise gehabt. In ihrer
Unkenntnis des Weges waren sie nicht den Oga hinaufgefahren, sondern
dem Boh gefolgt, worauf sie bald die Richtung verloren hatten. Nach
mehrtägiger Fahrt waren ihre Nahrungsmittel erschöpft und sie selbst
nur auf die Fische im Boh angewiesen gewesen. In diesem Zustand waren
sie einer Punangesellschaft begegnet, die sie mit Nahrung versorgt
und dann auf den richtigen Weg gebracht hatte, so dass sie doch noch
in der Niederlassung der Uma-Bom angelangt waren. Sie wollten sich
dort erst noch von ihren Reisestrapazen erholen, bevor sie sich zu
uns nach Tana Putih begaben.

Im Gespräch über die wirklichen und vermeintlichen Landesfeinde kam
die Rede auch auf den Kampf mit den Uma-Alim. _Bui Djalong_ glaubte
sich zu dem Rat verpflichtet, mich jetzt, wo Unruhe im Lande herrschte,
nicht oder wenigstens nicht allzu weit den Fluss hinunter zu wagen. Er
wollte für die geplanten Beratungen lieber die weiter unten wohnenden
Häuptlinge nach Tanah Putih berufen, wodurch mir die Reise flussabwärts
erspart wurde. Obgleich gegen diesen Vorschlag nicht viel einzuwenden
war, gefiel er mir nur halb, da ich mich für die anderen Stämme und
das Land weiter unten viel zu sehr interessierte; ich antwortete
daher nur wenig und nahm mir vor, nach Umständen zu handeln.

_Kwing Irang_ versuchte in seiner Angst nochmals auf den alten Klatsch
zurückzukommen, aber er fand bei keinem von uns Gehör, und als er sogar
über unsere Rückreise zu sprechen anfing, erinnerte ich ihn an unsere
Abmachung, zwei Monate in Apu Kajan bleiben zu wollen, an die ich mich
bestimmt halten wollte. Darauf ging die Beratung in eine gemütliche
Plauderei über, nach der wir alle in unsere Wohnungen zurückkehrten.

Die Zusammenkunft hatte auf meine Gastherren nicht ungünstig gewirkt,
denn ein Strom von Besuchern, in den letzten Tagen auch von den
benachbarten Dörfern der Uma-Djalan und Uma-Tokong, ergoss sich
wieder in meine Hütte, wo es so viele Merkwürdigkeiten zu sehen und
stets eine Kleinigkeit als Geschenk mitzunehmen gab. Das fortwährende
Sprechen mit Menschen, die die Busang-Sprache nur halb verstanden,
wirkte in diesen Tagen ebenso ermüdend wie die unaufhörlichen Bitten
der Besucher, ihnen meine Körperhaut zeigen zu wollen. Da wir über
diesen Punkt eine sehr verschiedene Auffassung hatten, führten die
Unterhandlungen nicht immer zu einem befriedigenden Resultat. Die
meisten Gäste brachten in Gestalt von Reis oder Früchten ein Geschenk
mit, besonders wenn sie mit der Absicht, Arzneien zu holen, zu mir
kamen; sie erwarteten aber alle ein kleines Gegengeschenk, wobei ich
stets darauf achten musste, wer der Vornehmste und wer der Geringste
in ihrer Gesellschaft war. Hieraus entstanden bisweilen viele
Schwierigkeiten, da ich die Verhältnisse der Personen nur schlecht
kannte und diese durch Fragen nicht in Verlegenheit bringen wollte. Als
ich _Bui Djalong_ meine Verwunderung darüber aussprach, dass meine
Besucher aus der Ferne mit einer solchen Selbstverständlichkeit
Ansprüche auf meine Tauschartikel erhoben, erklärte er mir, es sei
Sitte bei den Kenja, dass Handelsreisende, die von weitem heimkehrten,
ihren Familiengliedern und Bekannten ein kleines Geschenk (_salamba_)
mitbrachten, und dass man daher mich, der ich ebenfalls aus der
Ferne gekommen war und mich mit allen gut stellen wollte, für diese
Freundschaft eine kleine Steuer bezahlen liess. Übrigens erhielt
ich selbst oft auch auffallend grosse Geschenke; einige Häuptlinge
brachten eine ganze Ziege oder verkauften diese um billigen Preis,
andere reichten einen ganzen Korb voll Reis oder ein Ferkel dar, und
da, wenn ich mit einiger Vorsicht zu Werke ging, meine Tauschartikel
ausreichten, unterwarf ich mich gern ihrer Sitte.

Eines Mittags bewiesen die jungen Leute von Tanah Putih, dass ihnen
sehr daran gelegen war, uns den Aufenthalt bei ihnen so angenehm
als möglich zu machen. _Bui Djalong_ kam mir melden, dass sie in
Anbetracht der grossen Anzahl Besucher, die ich ständig bei mir hatte,
meine Hälfte unserer Hütte vergrössern wollten und brachte gleich 60
Mann mit. Anfangs setzte ich, der vorgerückten Tagesstunde wegen, in
einen Umbau meiner Wohnung nicht viel Vertrauen, aber ich ergab mich
wie gewöhnlich in ihre Pläne, da ich sie nicht gut beurteilen konnte.

Meine Sachen wurden sehr geschickt in den von meinem Personal
bewohnten Teil der Hütte hinübergetragen, wohin man auch mich zu
gehen aufforderte. Letzteres war kaum nötig gewesen, denn schon
während des Sachentransports waren andere auf das Dach gestiegen,
hatten schnell die Rotangstricke von den Schindeln losgeschnitten und
binnen kurzer Zeit das Dach fortgenommen. Sehr bald waren auch die
Wände verschwunden und dann begannen die Männer die Hütte etwas breiter
wieder aufzubauen. Das hierfür notwendige Material lag schon zur Hand,
und noch vor Sonnenuntergang, sass ich wieder wohl eingerichtet in
meinem Hause, jetzt weit bequemer als zuvor. Man hatte zu dieser Arbeit
einen Tag ausgesucht, an dem sich alle Bewohner in der Niederlassung
befanden, weil das Saatfest beginnen sollte. Abends lag ich bereits
sehr müde in meinem Klambu, als man mich nach oben ins Häuptlingshaus
rufen liess, wo 50 Mann, die in der _awa_ in einer Reihe standen,
eine Art von "_ngarang_" aufführen sollten. Alle hatten ihre besten
Kleider an. Die bewährten Krieger trugen besonders schöne und gut
erhaltene Kriegsmäntel aus Pantherfellen und Tinggangfedern, auch
wohl aus langhaarigen Ziegenfellen, und Kriegsmützen mit hübschen
Federn auf dem Kopfe.

Die kräftig und schön gebauten jungen Männer standen mit dem Rücken
zu uns gekehrt und bewegten sich nach den Tönen der _kledi_, welche
von zwei Männern gespielt wurden. In langsamen Schritten zogen sie an
uns hin und wieder zurück, erst rechts fortschreitend, dann wieder
links. Einige Hundert Männer und Frauen, unter ihnen auch unsere
Kajan und Malaien, bildeten die Zuschauer. Auf der grossen, dunklen,
nur von einer Lampe und einigen Harzfackeln erleuchteten Galerie
boten die kräftigen, malerischen Gestalten, die sich streng nach dem
Rhythmus der Musik bewegten, ein sehr eindrucksvolles Schauspiel; für
uns Fremde war der Anblick besonderes interessant, da wir gar nicht
daran gewöhnt waren, so viele Personen auf Kommando mit einer bei den
Bahau gänzlich unbekannten Genauigkeit sich bewegen zu sehen, überdies
in einem Kriegskostüm, das nicht nur durch seine eigentümliche Form,
sondern auch durch seine Schönheit alles, was ich an derartigem bei
den Bahau gesehen hatte, bei weitem übertraf. Auf den Kriegstanz
folgte erst ein Tanz jüngerer Männer und dann einer von Frauen;
alle bewegten sich mit der gleichen grossen Ruhe und streng rhythmisch.

Auch meine Malaien und Kajan standen lebhaft unter dem Eindruck des
für sie aussergewöhnlichen Schauspiels. Sie sassen alle bewegungslos
in stummes Staunen versunken und waren nicht dazu zu überreden,
auch ihrerseits etwas zum besten zu geben. Einer der Bandjaresen aus
Samarinda versuchte zwar einen malaiischen Tanz vorzuführen, spielte
aber nach dem eben Genossenen eine traurige Figur. Der ängstliche
_Kwing_ wusste nichts Besseres vorzubringen, als seine Besorgnis
darüber auszudrücken, ob das Haus, das übrigens sehr fest gebaut war,
die Last aller dieser Menschen wohl aushalten würde.

Als ich _Bui Djalong_ am anderen Morgen meine Anerkennung über
die Vorstellung ausdrückte, zeigte er mir einige Kisten in der
Galerie, die speziell zur Aufbewahrung der Kriegsausrüstungen
dienten; sie waren hier also nicht, wie in der _amin_ der Bahau,
dem Rauch ausgesetzt. Abends wurde das Fest wiederholt, und
fanden ausserdem Schwerttänze statt, bei welchen wir die Grazie
und die Kraft bewunderten, mit der die Kenja sich bewegten. Wenn
ein Krieger mir allzu nahe trat, kam mir unwillkürlich der Tod des
Long-Glat-Häuptlings in den Sinn, dem ein Kenja beim Schwerttanz
plötzlich den Kopf abgeschlagen hatte; es war mir ein beruhigendes
Gefühl, dass ich zwischen dem Häuptling und dessen Frau sass. Von
Müdigkeit überwältigt zogen _Demmeni_ und ich uns früh zurück.

Die Kenja schienen ihre Versprechungen treuer zu erfüllen als die
Bahau; zum ersten Mal lernte ich hier auch wahres Interesse für das
allgemeine Wohl kennen, als anderen Tags _Abing Djalong_, einer der
niedrigeren Häuptlinge, mit einigen anderen zu mir kam, um zu melden,
dass sie sogleich abwärts fahren würden, um namens _Bui Djalongs_
die Häuptlinge weiter unten zu einer Zusammenkunft in Tanah Putih
unmittelbar nach dem Saatfest zusammenzurufen. Sie baten jeder um ein
Stück Zeug für eine Jacke und ein Kopftuch für die Reise, die ich ihnen
als Belohnung für so viel Mühe gern zugestand. Nachdem diese Sechs
abgefahren waren, trat ein ruhiges Stündchen ein, das _Bui Djalong_
abgewartet zu haben schien, denn er kam zum ersten Mal allein zu
mir, um zu plaudern, gab mir Auskunft über diese Sendung nach unten,
berichtete noch über allerhand Dinge, die ich gern wissen wollte,
und bat mich zum Schluss um etwas Pulver und einige Tigerzähne. Da er
mich noch niemals um irgend etwas für sich selbst oder andere gebeten
hatte, war ich froh, ihm diesen Gefallen erweisen zu können, nur
wunderte es mich, dass er so obenhin von ein paar Tigerzähnen sprach,
die bei den Mahakambewohnern als sehr wertvolle Gegenstände galten,
die nur von Häuptlingen berührt werden durften. Er besass bereits
selbst mehrere Zähne, mit denen er seinen _sonong_, Kriegsmantel,
verziert hatte, war aber doch sehr froh, als ich ihm noch einige
grosse, rein weisse Exemplare reichte.

Ich benutzte _Bui Djalongs_ gute Stimmung, um mir von ihm allerhand
über die Verhältnisse in seinem Stamme erzählen zu lassen. Über die
Stellung der Häuptlinge zu den Untertanen erfuhr ich das folgende:
Jedes Haus in Tanah Putih bildete ein kleines Reich für sich, das
von einem Häuptling regiert wurde. Die einzelnen Häuser standen
wieder unter einem gemeinsamen Oberhaupt. Sowohl dieses als die
Unterhäuptlinge durften in ihren breiten Galerien Schädeltrophäen
aufhängen, den _panjin_ jedoch war dies nicht gestattet. Die
Kenja besitzen nur eine geringe Anzahl Sklaven und diese gehören
ausschliesslich den Häuptlingen. _Bui Djanlong_ selbst, der
allerdings der vornehmste aber nicht der reichste Häuptling war,
verfügte nur über sehr wenig Sklaven, dasselbe sollte bei _Pingan
Sorong_ in Long Nawang der Fall sein. _Kwing Irang_ besass dagegen
eine bedeutend grössere Anzahl Sklaven. Auch die Kenja kaufen ihre
Sklaven von den Punan und Bukat, welche diese auf ihren Kriegszügen
bei oft weit entlegenen feindlichen Stämmen erbeuten. So erzählte mir
_Bui Djalong_, dass er nach unserer Abreise einige Sklaven bei den
Punanstämmen kaufen wollte, die sich in der Nähe aufhielten. Auch die
Malaien an der Küste von Berau treiben mit den Kenja Sklavenhandel; die
Ma-Kulit z.B. kauften vom Sultan von Berau für ein Boot und 2 _pikol_
Guttapercha einen Sklaven, um diesen zu opfern. Die Punan sind den
Kenja nicht unterworfen, doch üben die Häuptlinge der letzteren über
die in der Umgegend schwärmenden Stämme grosse Macht aus.

Die Jägerstämme halten sich bald in Apu Kajan auf, bald am
Batang-Rèdjang und Baram, wohin sie über die Wasserscheide ziehen. Nach
einer Kopfjagd auf Serawakischem Gebiet flüchten sie jedoch wieder auf
das der Kenja zurück. Da die Punan die Pfade im umliegenden Gebirge
am besten kennen, werden sie von den jungen Kenja bei Kopfjagden als
Führer benützt. Die Gerüchte von Kopfjagden und Strafzügen, welche
in Serawak gegen die Kenja vorbereitet werden sollen, danken ihren
Ursprung meistens den Punan. Wenn diese Gerüchte sich auch oft als
unwahr erweisen, so lassen sich die Bewohner von Apu Kajan doch immer
wieder von ihnen in Schrecken setzen.

Unsere Unterhaltung dauerte leider nicht lange, denn bald erschienen
wieder Böte mit Uma-Djalan und andere mit Uma-Tokong, die mit mir
handeln wollten und vertrieben den Häuptling.

Mittags hatte ich wieder mit einem Ausbruch von Angst seitens der
Kajan und einiger meiner Malaien zu kämpfen, die sich einbildeten, dass
hinter der Botschaft an die Häuptlinge weiter unten Verrat stecke. Ich
suchte sie nach Kräften zu beruhigen, leider mit geringem Erfolg.

Nicht alle Malaien fühlten sich so wenig heimisch; von den jungen
Männern hatten einige nicht nur mit den männlichen, sondern auch
mit den weiblichen Gastfreunden Freundschaft geschlossen, die zu
grosser Intimität führte, so dass ich sehr streng auftreten musste,
um sicher zu sein, dass meine Männer die Nacht zu Hause und nicht bei
ihren Freundinnen verbrachten. Einige ältere Leute hatten mich auf
die Gefahr eines solchen Verkehrs aufmerksam gemacht, auch hatte ich
früher selbst meine Reisebegleiter stets zur Vorsicht ermahnt, um keine
Rivalen, Ehemänner oder Eltern durch Liebeshändel zu kränken. Hier
lagen die Verhältnisse allerdings etwas anders; die jungen Mädchen
schienen von meinen jungen Reisegefährten sehr entzückt zu sein und
einige Eltern, bei denen ich als Hausarzt verkehrte, zeigten sich
von den Verhältnissen ihrer Töchter sehr befriedigt. So erschien ein
allzu strenges Eingreifen mir nicht wünschenswert, nur machte ich die
an andere Zustände gewöhnten Malaien darauf aufmerksam, dass sie nicht
wie an der Küste den einen Tag bei dieser, den anderen bei jener jungen
Frau verbringen durften, sondern dass ihr Freundschaftsbund während
unseres ganzen Aufenthalts dauern müsse, da er anders gefährlich
werden könnte. Nur als Gunst und auf besondere Bitte gestattete ich
einigen, eine Nacht in der _amin_ der Kenjaeltern zu verbringen,
auch bat ich _Bui Djalong_, mir sofort zu melden, falls daraus
Unfriede entstand, was jedoch nicht geschah. Von der Innigkeit der
hier angeknüpffen Bande überzeugte ich mich bei der Abreise, wo der
Abschied den jungen Paaren sehr schwer fiel, zahlreiche Geschenke
gewechselt wurden und einer der Männer sogar zurückgeblieben wäre,
wenn ich ihm das zugestanden hätte. Für einen von ihnen musste ich
eine Busse bezahlen, weil seine junge Frau von ihm schwanger geworden
war und er sie verliess. Die jungen Männer fühlten sich so zu Hause,
dass sie mit ihrer zeitweiligen Familie bisweilen aufs Feld zogen,
dort arbeiteten und abends sehr guter Dinge heimkehrten.

Am 20. Oktober kamen die jungen Männer von ihrer Sendung zurück. Sie
hatten ihre Reise nur bis zu den Uma-Tow in Long Nawang fortgesetzt,
weil die Dörfer weiter unten am Fluss, wie Uma Kulit, Uma Baka, Uma
Tepai sich so sehr vor einem Einfall der Uma-Alim und Hiwan fürchteten,
dass sie keine Männer zu missen und nach Tanah Putih zu senden
wagten. Sie brachten die sichere Nachricht, dass von den Uma-Tepai
nur 15 Mann beim Überfall der Uma-Alim gefallen waren, auch waren
sie Bewohnern aus Uma Bom begegnet, die ihnen erzählt hatten, dass
die 18 Mann, die _Bang Jok_ uns aus Long Deho nachgesandt hatte, sich
noch bei ihnen aufhielten, aber bald nach Tanah Putih kommen würden.

Zu den Patienten, die ich lange Zeit behandelt hatte, gehörten einige
sehr alte Personen, die an chronischem Lungenleiden und schlechter
Herztätigkeit litten. Am 23. Oktober starb der älteste von ihnen,
ein Häuptling, der ein _sebilah_, Blutsfreund, von _Bo Adjang Ledjü_
in Long Deho gewesen war und daher mit diesem gleich alt, d.h. etwa 90
Jahre gewesen sein musste. Beim Tode dieses Mannes wurde für das ganze
Dorf kein _lali_ festgesetzt, auch durften Fremde dieses betreten,
was beim Tode eines Bahauhäuptlings streng verboten gewesen wäre. Der
Sarg stand bereits seit langem fertig da, wahrscheinlich weil die
hierzu nötigen dicken Stämme nur in grosser Entfernung zu finden
waren. Für jüngere Menschen halten die Kenja keine Särge bereit.

Um zu den Begräbniskosten etwas beizutragen, was alle wohlhabenden
Familien taten, schenkte ich einige Stücke weisses und farbiges
Zeug. Bereits eine Stunde nach dem Abscheiden fuhren einige Leute
den Fluss hinunter, um den auswärts wohnenden Blutsverwandten die
Todesnachricht mitzuteilen, und ebenso schnell machte sich eine
grosse Anzahl Männer auf, um ein Prunkgrab zu errichten, das innerhalb
weniger Tage fertig sein sollte.

Mittags äusserte der Häuptling den Wunsch, mit mir einiges inbezug
auf die bevorstehende Zusammenkunft der Häuptlinge besprechen zu
wollen. Derartige Beratungen waren mir hier stets ein Vergnügen,
weil ich wusste, dass hier ein aufrichtiger Wunsch zur Regelung
der Angelegenheiten vorlag, und ich mich in vielen Dingen auf die
Meinung und den Rat des Häuptlings verlassen durfte. Am meisten
schien ihm am Herzen zu liegen, dass ich mich mit den Meinen nicht
weiter flussabwärts begab, wozu ich jedoch fest entschlossen war,
falls die Gefahr nicht zu gross wäre. Dem Häuptling erschien wegen
der augenblicklich herrschenden Unruhen weiter unten eine Reise
dorthin zu gefahrvoll, auch glaubte er der Gesinnung der dortigen
Häuptlinge uns gegenüber nicht sicher zu sein. Infolge der grossen
Reisnot könne er uns jetzt auch nicht mit einer genügenden Anzahl
Männer begleiten, auch würde er seinen kleinen Sohn _Ului_ nur sehr
ungern allein lassen. Als ich ihm sagte, ich wolle erst den Verlauf
der Besprechungen abwarten und meinen Plan danach einrichten, drang er
dennoch darauf, dass ich aus genannten Gründen in keinem Fall reisen
sollte. Wir behandelten ferner ausführlich die auf der Versammlung
zu besprechenden Angelegenheiten. Er bat mich, den Anwesenden das
Verhältnis zwischen Serawak und den Niederlanden möglichst deutlich
auseinanderzusetzen, ebenso ihnen begreiflich zu machen, dass wir mit
ihren Erbfeinden den Batang-Lupar nichts zu tun hätten; er behauptete,
viele glaubten seinen Erklärungen nicht, weil sie bisher so wenig
von den Niederländern als grosser Macht gehört hätten und niemand so
sehr fürchteten als den Radja von Serawak. Ferner sollte ich nochmals
deutlich berichten, dass ich hauptsächlich gekommen sei, um den Fehden
mit den Mahakambewohnern ein Ende zu machen, damit man _Bui Djalong_
nach unserer Abreise nicht den Vorwurf machen konnte, uns in sein
Gebiet Einlass gewährt zu haben. Zu meiner grossen Genugtuung sagte er,
mit unserer Festsetzung im Lande wären alle Stämme sehr zufrieden,
besonders weil wir sie vor den immer drohender werdenden Einfällen
der Hiwan beschirmen wollten, doch bestände immerhin noch eine starke
Partei, die aus Furcht vor dem Radja von Serawak nicht öffentlich
mit den Niederländern gemeinsame Sache machen wollte. Um mich auch
dieser gegenüber so weit als möglich an der Wahrheit zu halten und
später nicht den verdienten Vorwurf zu hören, ich hätte ihnen zu viel
versprochen, betonte ich ausdrücklich, dass ich über eine Besetzung
eines so weit abgelegenen Gebietes wie das der Kenja zuvor noch
reiflich mit den _hipui_ (Autoritäten) in Batavia überlegen müsste,
was dem Häuptling sehr einleuchtete. Er drang jedoch sehr darauf an,
dass ich die Angelegenheit soweit führen sollte.

In meine Hütte zurückgekehrt fand ich dort so viele Leute, die
etwas verkaufen, fragen oder ärztlich behandelt werden wollten,
dass es mir schwer wurde, Geduld zu üben, überdies war ich nach dem
stattgehabten Gespräch nicht in der Stimmung, mit unbekannten Menschen
über allerhand gleichgültige Dinge zu reden. Ich begab mich daher
zu meinen Patienten, von denen einige mir sehr sympathisch waren und
durch ihre Unterhaltung Zerstreuung verschafften. Auf der Treppe, die
in eines der langen Häuser führte, begegnete ich einer Gesellschaft
von etwa 50 Personen. Trotz meiner für sie sehr aussergewöhnlichen
Erscheinung zogen die Fremden an mir vorbei, ohne mich näher anzusehen;
einige der Gesichter schienen mir bekannt und in einem Mann, der mir
zunickte, erkannte ich einen Häuptling aus Long Deho. Die Gesellschaft
bestand aus den Long-Glat, die uns nachgereist waren und sich verirrt
hatten, und den Uma-Bom, die zur Versammlung gekommen waren.

Die Kenjafrauen, die sich unter letzteren befanden, legten ebenso wenig
Neugier an den Tag als die Männer. Die grosse Anzahl der Ankömmlinge
bewies, dass man in dem Dorfe für die bevorstehende Beratung Interesse
zeigte, und so setzte ich guter Dinge meinen ärztlichen Rundgang fort,
als _Sawang Bilong_, der Sohn des Verstorbenen und Häuptling eines
der Häuser, mich bat, so lange die Leiche noch nicht bestattet wäre,
nicht zu praktizieren oder sonst tätig zu sein, weil die _adat_ dies
verbiete. Da keiner meiner Patienten unmittelbarer Hilfe bedurfte,
willigte ich gerne ein und freute mich, einer sehr ruhigen Zeit
entgegenzugehen.

Kurz darauf erschien _Bajow_, der Anführer unserer Long-Glat, bei mir
mit einem Packen Briefe und Zeitungen, die nach meiner Abreise in Long
Deho angekommen waren. Er berichtete ausführlich über alle Leiden, die
seine Gesellschaft ausgestanden, nachdem sie sich auf dem Boh verirrt
hatte. Vor Hunger erschöpft hätten sie zurückkehren müssen, wenn ihnen
die Punan am Boh nicht geholfen und den Weg gewiesen hätten. Dank
dem Fischreichtum der Flüsse, in denen niemals gefischt wurde,
hatten sie es so lange aushalten können. _Bajow_ erzählte ferner,
man habe ihn und die Seinen bei den Uma-Bom freundlich empfangen und
freigebig bewirtet, auch sei man in diesem Dorfe im allgemeinen von
dem Besuch der Niederländer bei den Kenja befriedigt, nur drücke die
Furcht vor Strafe für die vielen am Mahakam begangenen Vergehen noch
stark auf die Stimmung.

Anderen Tags hielten sich alle Leute in einiger Entfernung von mir,
weil sie wussten, dass ich weder praktizieren noch Handel treiben
durfte, auch waren viele mit den Vorbereitungen zum Begräbnis des
Häuptlings beschäftigt, das nachmittags stattfinden sollte. Die Männer
hatten das schöne Prunkmal wirklich an einem Tage fertiggestellt,
ebenso waren viele Frauen gleichzeitig damit beschäftigt, alles für
die Totenausrüstung und das Begräbnismahl Erforderliche in Ordnung
zu bringen.

Nach dem Essen musste ich mich als Gast und Glied der Kenjagesellschaft
nach _Sawang Bilongs_ Wohnung begeben, wo alle Häuptlinge des
Stammes und auch die Männer aus Uma Bom um die bereits eingesargte
Leiche versammelt waren. Der grosse, schwere, aus einem Baumstamm
gehauene Sarg stand vor der Wohnung des Häuptlings in der _awa_ und
einige Frauen in Trauer knieten vor ihm und wehklagten. Der Sarg war
rotbraun, weiss und schwarz angemalt, ebenso der grosse hölzerne Hund,
der sich neben ihm befand und später unter die _bila_ gestellt werden
sollte. Viele schöne Kriegsmäntel, Perlen und Armbänder hingen um den
Sarg und hübsche Körbe, wahrscheinlich mit kostbarem Inhalt, standen
um ihn her. Nachdem ich einige Zeit an der Aussenwand der Galerie
zwischen den Häuptlingen gesessen hatte, kamen auch die Abgeordneten
der Niederlassungen Uma Djalan, Uma Tow, Long Nawang und Uma Bakong
an, traten erst vor den Sarg zum Wehklagen und liessen sich dann
an unserer Seite nieder. Es herrschte zwar eine gedrückte Stimmung,
auch wurde nur leise gesprochen, doch schlossen die Neuangekommenen
sogleich mit _Demmeni_ und mir Bekanntschaft und waren sehr darauf aus,
etwas Besonderes zu hören. Von den Männern verstand nur ein Teil in
genügendem Masse Busang, um ein Gespräch führen zu können, weitaus die
meisten sprachen lieber ihre eigene Sprache oder die der Uma-Tow. Alle
diese Dialekte weichen stark vom Busang ab, nur die Uma-Leken, die
ich noch nicht sprechen gehört hatte, sollten sich des Busang bedienen.

Während wir so beieinander sassen, konnten wir beobachten, in
wie freigebiger Weise die Kenja einander bei solchen Gelegenheiten
unterstützen. Aus allen Wohnungen traten Reihen von jungen Mädchen und
Frauen in schöner Kleidung und trugen Schüsseln mit Reis und anderen
Esswaren in die _amin_ der trauernden Familie; des Morgens hatten sie
in gleicher Weise Brennholz herbeigetragen, um all das Essen zu kochen.

Die eigentliche Bestattung ging nachmittags gegen 4 Uhr vor sich. Nur
die nächsten Angehörigen schritten hinter dem Sarge her, der von
4 Männern auf zwei festen Bambusstöcken getragen wurde. Nicht
sämtliche bei der Leiche aufgestellten schönen Dinge, sondern nur
Schild, Schwert, Kriegsmantel und Kriegsmütze des Verstorbenen wurden
mitgetragen, um an der _bila_ aufgehängt zu werden. Der Zug machte
einen schlichten Eindruck; auf dem Wege, ausserhalb des Hauses,
verstummte das Wehklagen. Da man die _bila_ in unmittelbarer Nähe
des Dorfes, bei den Gräbern von _Bui Djalongs_ Kindern und anderen,
errichtet hatte, dauerte die Beisetzung nicht lange und man kehrte
bald heim.

Abends wurde meine Hütte von so vielen Personen, die ihre Häuptlinge
zur bevorstehenden Versammlung begleitet hatten, belagert, dass
die Häuptlinge selbst ihren Besuch bei mir auf den folgenden Morgen
verschoben.

Dann waren aber auch alle Gäste versammelt, die an diesem Tage an den
Beratungen teilnehmen sollten, und von früh morgens bis halb elf Uhr,
wo man _Demmeni_ und mich zur Versammlung rief, war meine Wohnung
ständig überfüllt. Jetzt bot sich die Gelegenheit, allen Häuptlingen,
die noch kein Geschenk empfangen hatten, eines anzubieten und zugleich
ihre Frauen, von denen die meisten mitgekommen waren, kennen zu lernen.

Alle hatten Esswaren mitgebracht, die von Uma-Bom sogar ein kleines
Schwein. Bei der Austeilung der Geschenke musste wieder mit Überlegung
zu Werke gegangen werden, um die Besucher ihrer Würde gemäss zu
bedenken, ohne die Tauschartikel zu stark anzugreifen; diesmal
erleichterte man mir die Aufgabe, indem man mir ganz unbefangen die
verschiedenen Personen vorstellte, die für die grössten Geschenke in
Betracht kamen. Unter den Gästen bemerkte ich auch _Taman Dau_, unseren
Bekannten aus Long Deho. Er hatte eine sehr nette Frau mitgebracht,
die augenscheinlich auch im eigenen Kreise sehr geachtet wurde;
wenigstens erregte es allgemeine Befriedigung, als ich ihr ein
besonders schönes Stück Seide für eine Jacke reichte.

Man brachte mir wieder eine grosse Menge Flaschen, um sie mit
Arzneien zu füllen, und auch der alte Mann, der an der Mündung des
Danum auf mich gewartet hatte, liess mich durch seinen Enkel, den
er zu diesem Zwecke mitgesandt hatte, wieder um die Arznei bitten,
die seine Hautkrankheit zum grossen Teil bereits geheilt hatte.

Der vertrauliche Umgang mit den Besuchern weckte eine gute Stimmung
vor der eigentlichen Versammlung; bei alledem vergassen wir ganz unser
Frühstück, das _Midan_ bei dem grossen Zulauf ohnehin nur mit Mühe
hatte zubereiten können. Zum grossen Tagesereignis, der politischen
Versammlung, holten uns die vornehmsten Ältesten von Tanah Putih in
die _awa_ von _Bui Djalong_ ab, wo wir uns vorläufig versammelten,
um uns dann gemeinsam in das Haus und die _awa_ seines ältesten
Bruders _Bo Anjè_ zu begeben. Dort fanden wir bereits eine grosse auf
dem Boden kauernde Gesellschaft vor, während man uns mitten an der
Vorderseite auf unseren Klappstühlen Plätze anbot. Die erste Stunde
verging mit gemütlichem Plaudern, dem Essen von gekochtem Klebreis mit
Schweinefleisch (man verzehrte ein ganzes, grosses Schwein bei dieser
Mahlzeit) und dem Trinken von _djakan_, dem sehr guten Reiswein der
Kenja. Nachdem alle befriedigt waren, merkte ich, dass sie von mir
die Eröffnung der Versammlung erwarteten, auch beantwortete _Bui
Djalong_ meine Frage, ob ich den Anfang machen sollte, mit einem
Kopfnicken. Um den Eindruck meiner Worte zu erhöhen, begann ich
damit, der Versammlung den Unterschied in den Rechten klar zu legen,
die einerseits der Radja von Serawak, andererseits die Niederländer
auf den Grundbesitz auf Borneo zu erheben hatten, und erwähnte dabei
speziell den letzten Vertrag zwischen den beiden Mächten, welcher die
Wasserscheide zwischen den Flüssen der Nord- und denen der Ostküste
als Reichsgrenze bestimmte. _Kwing Irang_ hatte mir bereits im Jahre
1896 zu verstehen gegeben, dass er diesen Vertrag kannte. Ich hatte
auch gemerkt, dass man keine klare Vorstellung davon hatte, dass die
_tuwan putih_ (weissen Herren), die am Long Mekam (Mahakammündung),
am Long Kelai (Berouw) und Long Kedjin (Kajan) wohnten, alle zu
unserer Nation gehörten, was ihre Überzeugung von unserer Macht
sehr bestärkte. Hieran knüpfte ich an, dass wir vom Kajan aus auch
auf die Uma-Alim würden Einfluss ausüben können; doch fügte ich auch
jetzt ausdrücklich hinzu, derartige eingreifende Massregeln sowie eine
definitive Festsetzung in ihrem Lande hingen erst von einer Besprechung
mit den Autoritäten in Batavia und Europa ab. Dann kam ich auf den
Hauptgegenstand der Beratung, die Fehden am Mahakam zu sprechen,
besonders auf die Kopfjagden am Tawang und Medang, an denen die Uma-Bom
zum grössten Teil die Schuld trugen. Die Ereignisse selbst als bekannt
voraussetzend berichtete ich, dass in diesen Angelegenheiten der Sultan
von Kutei für die Kenja am Tawang, der Assistent-Resident von Kutei
für die Bewohner am Mahakam und Barito Partei ergriffen hätten und
dass ich gekommen sei, um zu hören, welche Entschädigung die Uma-Tow
und Uma-Djalan für den Mord am Tawang verlangten und welche Busse
die Uma-Bom ihrerseits für die Kopfjagden von _Taman Dau_ bezahlen
wollten. Was die erste Angelegenheit betreffe, so sehe ich ein, dass
sie für die Ermordung von _Bui Djalongs_ Enkel von den Kenja am Tawang
einen Sklaven fordern würden, doch könnten in diesem Fall weder der
Sultan noch die Niederländer zu einer friedlichen Schlichtung der Fehde
beitragen, wenn man uns nicht die absolute Sicherheit böte, dass der
Mann nicht getötet werden würde. Ohne auf die von den Uma-Bom in den
letzten zwei Jahren verübten Missetaten zu viel Nachdruck zu legen,
ergriff ich die Gelegenheit, um nochmals deutlich auseinander zu
setzen, wie wir Niederländer über derartige hinterlistige Handlungen
dachten. Hatte ich mich in Long-Deho von der Stimmung des Augenblickes
hinreissen lassen, so steuerte ich hier im Bewusstsein, dass ein
offenes Wort nicht schaden würde, direkt auf mein Ziel los. Ich hatte
die Kenja als ein Volk kennen gelernt, das die Dinge beim rechten
Namen zu nennen pflegte, ausserdem war ich überzeugt, dass alles,
was ich sagte, den Vornehmsten unter ihnen bekannt war und meine
offen geäusserte Entrüstung ihnen natürlicher erscheinen würde, als
wenn ich vorsichtig um den Kern der Sache herumgegangen wäre. Ich
beschrieb ihnen in grossen Zügen die Folgen ihrer Handlungsweise und
wies darauf hin, dass hauptsächlich die Frauen und Kinder unter den
unsicheren Zuständen im Lande litten und nicht die Übeltäter sondern
unschuldige Leute ihres Stammes oder eines anderen der Rache zum
Opfer fielen, worauf mir einige zustimmend zunickten. Wie früher in
Long Deho, begann ich auch hier an dem Beispiel des _Taman Dau_, der
dicht vor mir sass und ein böses Gesicht aufsetzte, zu beweisen, dass
in unseren Augen erstens das Töten weniger wehrloser Menschen durch
eine Übermacht eine unwürdige Tat sei und dass zweitens _Taman Dau_
sich zum Schaden seines Volkes und Stammes durch schlaue Mahakam-
und Tawanghäuptlinge, die bei den Malaien an der Küste in der
Lehre gewesen wären, dazu habe gebrauchen lassen, deren persönliche
Rachegelüste zu befriedigen. Während meiner sehr langen Rede hatte
Totenstille geherrscht; mein Mahakamgeleite sass vor Schreck aschgrau
und bewegungslos da, weil ich eine derartige Sprache gegen so viele
mächtige Häuptlinge, die wohl 1500 Krieger aufstellen konnten, zu
führen wagte. Eine Zeitlang herrschte allgemeines Geflüster, dann
machte der eine oder andere eine Bemerkung in Busang, aus der ich
ersah, dass man mich gut begriffen hatte. Endlich gab _Bui Djalong_
als Vertreter aller zu verstehen, man habe zwar nicht alles, aber doch
vieles von meinen Worten begriffen, nur habe man erwartet, dass ich
die noch ungelösten Konflikte den Kenja aus dem Wege räumen würde,
was ich jedoch leider nicht getan hätte. Ich merkte aber an dem
vergnügten Lächeln des Häuptlings, dass mein offenes Auftreten ihm
im Stillen sehr gefiel; er war übrigens früher selbst sehr energisch
und kampfeslustig gewesen, wurde aber jetzt in seinem Streben, mit
den Nachbarn Frieden zu stiften, besonders von den Uma-Bom gehindert,
gegen die er nicht kraftvoll genug auftreten konnte.

Um den betroffenen Parteien die Sache nicht zu schwierig zu machen, gab
ich in Erwägung, dass einige Kenja mich bei meiner Rückkehr zum Mahakam
begleiten sollten, um die Tawangaffaire dort weiter zu behandeln, und
wir die ferneren Angelegenheiten, besonders die der Baritostämme, dem
Kontrolleur in Udju Tepu überlassen sollten. Hierin stimmten mehrere
zu, ferner wollte man abends allen, die kein Busang verstanden, meine
Worte erklären. Als allerhand Nebensachen zur Sprache kamen, die für
mich kein Interesse hatten, hielt ich es für das Beste, nach Hause zu
gehen; es war übrigens schon halb fünf Uhr nachmittags geworden. Abends
kam _Lalau_, um mich mit bedrücktem Gesicht namens _Kwings_ und _Bui
Djalongs_ zu bitten, in Zukunft nicht mehr so scharf zu sprechen und
besonders nicht so stark auf einen Schadenersatz seitens der Uma-Bom
zu dringen.

Des anderen Morgens traten der Reihe nach zuerst die Leute von
Uma-Djalan, dann die Uma-Tow von Long Nawang bei mir ein, um Geschenke
zu empfangen, da am vorigen Morgen hierfür keine Zeit geblieben
war. Kaum waren wir hiermit fertig, als man mich zu meinem grossen
Missvergnügen zu einer neuen Versammlung rief, deren Notwendigkeit
ich nach den langdauernden und ernsthaften Beratungen am Tage zuvor
nicht einsah. Die ernsten Mienen der Männer machten eine Weigerung
jedoch unmöglich.

Zu dieser neuen Versammlung auf _Bui Djalongs_ _awa_ hatten sich
noch mehr Menschen eingefunden als zu der ersten, und bald zeigte
es sich, dass die Kenja wichtige Angelegenheiten viel ernsthafter
zu behandeln verstanden, als wir uns vorgestellt hatten. Man begann
wieder damit, allgemeine Gespräche zu führen, zu essen und Reiswein
zu trinken, der entsprechend der Würde der anwesenden Häuptlinge
von den ältesten Mantri herumgereicht wurde. _Demmeni_ und ich
erhielten unseren Teil zuerst und zwar in sehr reinen Gläsern, die
übrigen in Schalen, die sie der Reihe nach austranken. Nachdem die
Anwesenden einen grossen Topf geleert hatten, nahm die Versammlung
einen sehr sachlichen und feierlichen Charakter an, indem sie von
_Bui Djalong_ nach strenger Etikette geleitet wurde, wobei niemand
selbständig auftreten durfte; also ganz anders als am vorigen Tage,
wo jede Leitung gefehlt hatte. Zwei der ältesten Mantri fungierten
als Zeremonienmeister in geradezu musterhafter Weise. _Bui Djalong_
erklärte, man sei zusammen gekommen, um die Ansichten aller Häuptlinge
über die gestern besprochenen Angelegenheiten zu vernehmen, und man
erwarte, dass ich am heutigen Tage nicht selbst sprechen, sondern
nur anhören sollte, was die übrigen zu sagen hätten.

Hierauf wurden die verschiedenen Wortführer der anwesenden Stämme
nach dem Range aufgefordert, ihre Ansicht über die vorliegenden Fragen
zu äussern. Zum Zeichen, dass jemand das Wort erteilt wurde, brachte
ihm ein junger Kenja ein Glas Reiswein, das ein Mantri gefüllt hatte;
dieser wies zugleich auch die Person an, die zu sprechen hatte. Während
letztere das Glas leerte, liessen alle Anwesenden einen feierlichen
Ruf ertönen. Der Aufgeforderte begann dann sogleich seine Rede,
die ich nicht verstand, da sie in einem der Kenja-Dialekte gehalten
wurde. Einige Redner gaben in ruhigem Ton und mit kurzen Worten ihre
Meinung zu verstehen, andere bemühten sich, Eindruck zu machen und
ergingen sich in ausführlichen Betrachtungen. Zum Schluss suchten
alle Redner ihren Worten dadurch ein besonderes Gewicht beizulegen,
dass sie plötzlich aufsprangen, einige Mal durch Springen und Stampfen
mit beiden Füssen gleichzeitig die Bretterdiele erdröhnen liessen und
zugleich mit beiden gebogenen Armen in die Seiten schlugen unter dem
wiederholten Ruf: "_ba, ba_!"

Wenn dieses Schauspiel auch sehr sonderbar wirkte, so machten doch der
grosse Ernst aller Anwesenden und das strenge Zeremoniell einen grossen
Eindruck, trotzdem wir das Gesprochene nicht verstanden. Dazu trug die
ganze Versammlung nicht den kriegerischen Charakter wie bei den Bahau,
da unter allen Anwesenden keine einzige bewaffnete Person zu sehen war.

Wie man uns später erklärte, gingen die Meinungen der Versammlung
bezüglich der Frage, ob man es mit den Niederländern halten sollte,
die Ordnung und Recht handhaben wollten, oder ob die alte _adat_
mit dem Recht des Stärksten in Geltung bleiben sollte, anfangs
auseinander. Die Vertreter der Niederlassungen Tanah Putih, Uma
Tokong und Uma Djalan waren der ersten Ansicht, während die Uma-Bom,
Uma-Bakong und die Uma-Tow von Long Nawang nicht sogleich geneigt
waren, das Schwert in die Scheide zu stecken. Für die Einsicht der
Versammelten sprach, dass sie nur die Hauptfrage, die Annahme oder
Ablehnung der niederländischen Oberherrschaft behandelten und dass
sie die Konflikte im Mahakamgebiet überhaupt nicht mehr zur Sprache
brachten. Auf die Stimmung am Ende wirkte bestimmend, dass _Bit_,
_Bui Djalongs_ Schwiegersohn, und ein Ältester aus Tanah Putih als
des Häuptlings Meinung zu erkennen gaben, dass, wenn die übrigen
ihre Kampfgewohnheiten nicht ablegten, die Uma-Tow und andere in
unserer Gesellschaft zum Mahakam auswandern wollten, um sich dort
niederzulassen. Nachdem sich der vornehmste Häuptling so bestimmt
auf unsere Seite gestellt hatte, wurden auch die Äusserungen der
anderen friedliebender.

Die verschiedenen Redner hatten alle der Reihe nach gesprochen und
dabei zwei sehr grosse Töpfe voll _djakan_ geleert, als _Bui Djalong_
noch einen dritten, kleineren kommen liess, ihn selbst unter die Hut
nahm und aus ihm die Gläser füllte. Während wir vorhin reichlich Zeit
gehabt hatten, die Eigentümlichkeiten der Redner zu beobachten und
uns im Mitsingen des Refrains, den die Versammlung bei jedem neuen
Glase wiederholte, zu üben, wurde unser Interesse jetzt ganz von der
Feierlichkeit der Zeremonien in Anspruch genommen.

Bevor der Häuptling den Topf öffnete, den er den Anwesenden als
ein Geschenk von _Kwing Irang_ und uns bezeichnete, hielt er an
seine nächste Umgebung aus vornehmen Häuptlingen und Wortführern in
gedämpftem, sehr ernstem Ton eine Ansprache, und fragte, ob sie durch
einen Trunk aus diesem Gefäss sich für den neuen Stand der Dinge
entscheiden wollten. Nach der zustimmenden Antwort aller öffnete er
das Gefäss und stimmte darauf einen Gesang an, in dem er berichtete,
dass dieser _djakan_ von den Weissen stammte, die gekommen seien, um
das Dasein der Kenja zu verbessern, und dass nun neue Zeiten anbrechen
würden. Nachdem der Gesang, der in sehr eindrucksvollem, männlichem
Ton vorgetragen wurde, beendigt war, erhielt einer der unmittelbar
neben uns Sitzenden ein Glas, das er unter dem gebräuchlichen Ruf der
Versammlung leerte. Erst hatte jeder von uns ein Glas trinken müssen,
dann nur die ältesten, vornehmsten Häuptlinge, den jüngeren wurde
überhaupt nichts angeboten. Nach Ablauf dieser Zeremonie ergriff
_Bui Djalong_ selbst das Wort in der Kenjasprache, von der wir
wieder nichts verstanden, doch merkten wir an seiner fliessenden,
deutlichen Sprache, dass er der beste Redner war. In überzeugendem
Ton gab er seinen Gefühlen in einer sehr langen Rede Ausdruck. Zum
Schluss sprang er dicht neben uns auf, arbeitete mit Armen und Beinen,
dass der Grund erzitterte, gleichsam wie erregt von den eigenen Worten,
worauf er augenscheinlich noch kurz über uns und _Kwing Irang_ sprach,
die er der Reihe nach berührte und für seine Freunde erklärte.

Nach dem Häuptling führte keiner mehr das Wort, aber ein grosses
Bündel Schwerter und einige Schilde wurden hereingebracht und vor
_Bui Djalong_ niedergelegt. Zu unserem nicht geringen Erstaunen
wurden sie alle unter uns verteilt, zur Besiegelung des neuen
Freundschaftsbundes. _Kwing Irang_ erhielt von _Bui Djalong_ einen
gleichen Schild mit Haaren, wie _Bo Anjè_ ihm mir früher geschenkt
hatte. Ich wurde von ihm und von jedem der Anwesenden mit einem Schwert
bedacht; auch _Demmeni_ empfing 3 Schwerter. Man hatte sogar ein
Schwert für _Akam Igau_, den Häuptling der Mendalam-Kajan, bestimmt,
der früher die Kenja zu besuchen versucht hatte, dann aber nach dem
Tawang hatte durchreisen müssen, wo er einigen Kenja aus Apu Kajan
begegnet war.

Die ganze Zeremonie machte auf uns den Eindruck von Entschlossenheit
und Kraft, wie wir ihn noch nie zuvor bei eingeborenen Stämmen
empfangen hatten, und die freigebige Austeilung der Waffen, gleichfalls
ein an anderen Orten unbekannter Brauch, bildete einen passenden
Schluss. Gleich darauf wurde die Versammlung auch für aufgehoben
erklärt.



KAPITEL XIV.

    Aufforderung und Vorbereitung zu einem Besuch bei den flussabwärts
    gelegenen Niederlassungen--Ankunft in Long Nawang--Zustände
    im Dorf--Freundschaftlicher Verkehr mit den Bewohnern--Besuch
    von fremden Häuptlingen--Politische Versammlung--Besuch bei
    den Uma-Djalan--Rückkehr nach Tanah Putih--Vorbereitungen zur
    Heimreise.


Am Abend des Versammlungstages kamen die angesehensten Männer von
Long Nawang zu mir, um über meinen eventuellen Besuch bei ihnen
zu reden. Der vornehmste von ihnen war _Pingan Sorang_, der Sohn
_Pa Sorangs_, der _Bui Djalong_ in der Würde eines Oberhäuptlings
vorangegangen war. Die Tatsache, dass _Pingang Sorang_ seinem Vater
nicht gefolgt war, machte bereits eine gewisse Eifersucht gegen _Bui
Djalong_ begreiflich und ich hatte denn auch gehört, das Verhältnis
zwischen den beiden Dörfern der Uma-Tow in Tanah Putih und Long
Nawang sei kein sehr freundschaftliches. Dies war auch der Grund,
weshalb ich _Bui Djalong_ nicht recht traute, als er mich von einem
Besuch weiter unten abhalten wollte.

_Bui Djalong_ hatte sich seinen Stammesgenossen gegenüber
wahrscheinlich nicht öffentlich meiner Reise nach Long Nawang
widersetzen wollen, denn, wie _Pingan Sorang_ erzählte, hatte er mit
ihm verabredet, wieder abwärts zu fahren und dann junge Leute mit
einer genügenden Menge von Böten den Fluss hinaufzusenden, um mich
und die Meinen abzuholen. Von Long Nawang aus wollte er dann die
Häuptlinge der Siedelungen weiter unten am Fluss berufen, um auch
mit diesen die in Tanah Putih bereits besprochenen Angelegenheiten
zu behandeln. Ich versäumte nicht, meine grosse Zufriedenheit mit
diesem Plan zu bezeugen, sowohl wegen des Besuches in Long Nawang
als der Versammlung wegen.

Bei ihrer Heimreise am folgenden Morgen begegnete _Pingan Sorangs_
Gesellschaft aber ein schlechtes _njaho_, das sie nach Tanah Putih
zurückzukehren zwang, und bald darauf vernahm ich, dass jetzt, wo
diejenigen, die meinen Zug abwärts vorbereiteten, einem ungünstigen
Zeichen begegnet waren, alle Dorfbewohner sich vor meiner Reise
fürchteten. Das Missgeschick mit den Vorzeichen verdross mich umsomehr,
als ich merkte, dass noch ganz andere Faktoren als blosse Besorgtheit
um unsere Sicherheit im Spiel waren; meine Malaien hatten nämlich unter
anderem erzählt, man finde in Tanah Putih, ich sei den Besuchern aus
fremden Niederlassungen gegenüber zu freigebig gewesen, und fürchtete,
ich würde auf einer Reise flussabwärts zu viel von meinen Artikeln
wegschenken. Als auch _Bui Djalong_ und einige Älteste mir meldeten,
wie sehr die Bevölkerung jetzt gegen meine Reise sei, sagte ich ihnen,
ich betrachtete _Pingan Sorangs_ Vorzeichen nicht als das meine und
wollte mir die Angelegenheit im übrigen noch überlegen. Ich nahm
mir vor, mich, ohne die Häuptlinge der einen oder anderen Partei zu
kränken, selbst aus der Verlegenheit zu ziehen; besonders da es sich
um eine politische Versammlung in Long Nawang handelte, war es doppelt
wünschenswert, der anderen grossen Partei der Kenja zu beweisen, dass
es durchaus nicht meine Absicht sei, nur mit _Bui Djalong_ in nähere
Berührung zu kommen und mit ihm allein Rat zu pflegen. Nach reiflicher
Überlegung mit _Demmeni_ erschien es uns am besten, dass die Leute,
die uns von Long Nawang aus abholen kamen, vor ihrer Abreise selbst
gründlich die Vorzeichen für uns einholten, was alle Teile befriedigen
und sicher zu unserem Vorteil ausschlagen musste. Darauf liess ich
_Bui Djalong_, _Pingan Sorang_ und einige der Vornehmsten von Uma
Djalan, die meinen Besuch ebenfalls wünschten, zu einer nochmaligen
Besprechung zu mir bescheiden und machte den Vorschlag, aufs neue,
diesmal in meinem Interesse, Vorzeichen zu suchen. Ich betonte den
fremden Häuptlingen gegenüber, wie viel mir an einem Besuch bei ihnen
liege, und dass ich sie sicher begleiten würde, wenn sie günstige
Vorzeichen fänden; im entgegengesetzten Falle würde ich jedoch
nicht mit ihnen hinunterfahren können. Auf diese Weise unterwarf
ich mich völlig ihrer _adat_ und bot gleichzeitig den Bewohnern von
Long Nawang die Möglichkeit, mich abzuholen, falls sie dies wollten,
während ich denen aus Tanah Putih jede Berechtigung, sich beleidigt
zu fühlen, nahm. War die Stimmung der Stämme weiter unten ungünstig,
so konnten sie ein schlechtes Zeichen vorschützen, mir jedoch nicht den
Vorwurf machen, nicht zu ihnen gekommen zu sein. Die Männer aus Long
Nawang bezeugten auch sogleich durch Kopfnicken ihr Einverständnis
mit dieser Lösung der Frage, doch wurde die Gesellschaft, als sie
meinen Vorschlag gemeinsam überlegten, nicht so bald einig. Zum
Schluss sagte _Bui Djalong_, man wolle sich meinem Wunsche fügen,
und die von Long Nawang sollten hinunterfahren, um mit den jungen
Leuten im Dorfe zu sprechen. An diesem Tage mussten sie ihres _joh_
wegen noch in Tanah Putih bleiben, aber am anderen Morgen kamen sie
vor der Abreise noch, um Abschied zu nehmen und versprachen zum Beweis
ihrer Wohlgesinntheit, mit allen weiter unten wohnenden Häuptlingen
zu mir herauffahren zu wollen, falls ich sie ungünstiger Vorzeichen
wegen nicht besuchen könnte.

Abends kam _Bajow_, der Anführer der Long-Glat aus Long Deho, und
erzählte mir, man habe ihn gebeten, nach Hause zurückzukehren, weil
sein Kommen nur Unglück im Lande verursacht habe; bei seiner Ankunft
sei ein Häuptling der Uma-Bom gestorben und dann einer in Tanah Putih,
der eben begrabene Vater _Sawang Bilongs_. Alle Leiden, die sie
auf ihrer Herreise erduldet, bewiesen bereits, unter wie schlechten
Vorzeichen sie ihre Reise angetreten haben, man sei also der Meinung,
er solle so schnell als möglich mit den Seinen abfahren. Obgleich die
Long-Glat durchaus nicht geneigt waren, die schwierige Reise sogleich
von neuem anzutreten, fühlten sie sich hierzu doch verpflichtet und
wollten sich daher mit Hilfe der Uma-Bom auf den Rückweg machen. Ich
konnte nichts dagegen tun und gab ihnen nur einige Briefe mit, um
sie als die ersten Berichte aus Apu Kajan zur Küste zu senden.

Gleichzeitig mit den Long-Glat reiste auch _Kwing Irang_ mit den Seinen
nach dem nicht weit entfernten Uma Tokong; es war dies das erste Mal,
dass die Kajan auf eigene Hand andere Kenja zu besuchen wagten. Trotz
allem Guten, das sie erfahren hatten, der grossen Gastfreiheit, dem
herzlichen Umgang und der Sicherheit im Lande selbst hatten die Kajan
bis jetzt ihre Angst vor den Kenja nicht soweit bemeistern können,
dass sie ihrer Neugier, andere Dörfer kennen zu lernen, nachzugeben
wagten und den zahlreichen Einladungen, die sie erhielten, Folge
leisteten. Obgleich in Tanah Putih niemand bewaffnet einherging,
trugen die Kajan doch stets Schwert, Schild und Speer bei sich,
zur grossen Belustigung ihrer Gastherren. Dass diese sie nicht hoch
schätzten, zeigte sich darin, dass _Bui Djalong_ mit _Kwing Irang_
keine Blutsfreundschaft schliessen wollte, wodurch eine der Hoffnungen
dieses Häuptlings unerfüllt blieb. Auch in anderer Hinsicht erlebten
meine Mitreisenden manche Enttäuschung. Sie hatten z.B. gehofft, bei
den in ihren Augen sehr urwüchsigen Kenja sehr vorteilhaften Handel
treiben zu können, aber die Kenja besassen alle Artikel ebensogut wie
die Bahau; auch Salz und Leinwaren hatten nicht den erwarteten grossen
Wert. Infolge dieser Umstände war die Stimmung meiner Kajan durchaus
nicht immer fröhlich und sie sehnten sich nach der Heimkehr. Dies
war auch der Hauptgrund, weswegen die Kajan sich zu einem Besuch
bei den Uma-Tokong ermannt hatten. _Bui Djalong_ hatte ihnen nämlich
zu verstehen gegeben, dass sein Stamm sie zwar ernähren könne, aber
wegen Reismangels nicht imstande sei, ihnen auch für die Rückreise
genügenden Proviant mitzugeben. Hierzu hatten sich jedoch die Stämme
der Uma-Tokong, Uma-Bom und Uma-Djalan bereit erklärt, falls die Kajan
den Reis selbst bei ihnen holen wollten. Hätte sich ihnen eine andere
Möglichkeit geboten, um zu Reis zu gelangen, so hätten sie diesen Zug
sicher nicht unternommen. _Kwing_ bat mich auch für die Reise um drei
Malaien zum Schutz, die ich ihm gern zugestand. Mit den Kajan zugleich
zogen auch die Pnihing nach Uma-Tokong, doch schienen letztere, die
ohne Tauschartikel auf Reisen gegangen waren, ihren Aufenthalt in Apu
Kajan so satt zu haben, dass sie von dort einem Landweg zum Boh folgten
und ohne meine Erlaubnis nach Hause zurückkehrten. Die 6 Pnihing
bewiesen dadurch, dass sie mehr Mut besassen als alle Kajan zusammen.

Am 1. Oktober, zwei Tage nach ihrer Abreise, kehrte _Lalau_ bereits aus
Uma Tokong mit dem Bericht zurück, _Kwing_ und die Seinen seien dort
sehr freundlich empfangen und gefeiert worden und deshalb wohlgemut
zurückgeblieben.

Mittags wurde ich durch die Ankunft von 120 Mann aus Long Nawang
überrascht, die mich zu ihnen abholen wollten; augenscheinlich
hatten sie nicht allzu lange nach günstigen _joh_ gesucht oder zu
suchen gebraucht. An diesem Tage war es _Demmeni_ zum ersten Mal
geglückt, eine Frau und einen kleinen Jungen zu einer photographischen
Aufnahme zu bewegen; zu ihrer Beruhigung musste ich mich neben die
beiden stellen, da sich besonders der Vater des Knaben sehr besorgt
zeigte. Nun mussten die Negative noch ausgespült und getrocknet
werden, ausserdem hatte ich noch verschiedene Massregeln für eine
gute Ausrüstung zu treffen. Hauptsächlich musste ich mir die Art
und Menge der mitzunehmenden Tauschartikel wohl überlegen, damit
wir während unseres ohnehin kurzen Besuchs in diesen Niederlassungen
mit Anstand auftreten konnten. Ich nahm die Abwesenheit von _Kwing_
und seinem Gefolge, die mich begleiten sollten, zum Vorwand, um meine
Abreise um einen Tag zu verschieben.

Früh am anderen Morgen machten sich _Lalau_ und einige vornehme Männer
aus Long Nawang auf den Weg nach Uma Tokong, um _Kwing_ mit seiner
Gesellschaft abzuholen, aber erst spät abends kehrte _Lalau_ allein
zurück mit dem Bericht, sowohl _Kwing_ als die Kenja würden bei den
Uma-Tokong durch grosse Feste, die man ihnen zu Ehren veranstaltet
hatte, aufgehalten. Auf einer eigens hierfür zusammenberufenen
Versammlung hatte _Kwing_ von uns und unserer _adat_ erzählen
müssen. Die Uma-Tokong hatten ein Schwein geschlachtet und viele
anderen guten Dinge aufgetischt, welche die Kajan nicht im Stich hatten
lassen können. In Tanah Putih war übrigens auch noch niemand bereit,
mich zu begleiten, denn alle waren eifrig mit der Saat beschäftigt.

Des Morgens hatte sich _Bui Djalong_ zu mir gesetzt und erzählt,
einer der wichtigsten Gründe, die man gegen meine Reise abwärts gehabt
habe, sei die Furcht gewesen, dass ich dort sehr unangenehme Dinge zu
hören bekäme. Man sei dort noch weniger als in Tanah Putih über das
Verhältnis zum Radja von Serawak unterrichtet, den sie alle kannten
und sehr fürchteten. Da ich alle anderen Beweggründe, vor allem die
Schwierigkeit, eine genügende Menge Männer zur Fahrt vom Felde zu
holen, wohl einsah, sagte ich, dass ich seine Begleitung zwar sehr
schätzte, diese aber für meine Sicherheit nicht notwendig sei, dass
jedoch _Kwing_ und seine Kajan in eine Reise ohne ihn nicht einwilligen
würden. Letzteres schien wenig Eindruck auf ihn zu machen, denn er
erklärte, ohne die Kajan zu erwähnen, dass er nur mitgehen wolle,
um mir die Siedelungen flussabwärts zu zeigen. So bat ich ihn denn,
ohne die anderen Dorfbewohner, die zu beschäftigt waren, in meinem
Boote mitzufahren, um dann unmittelbar nach Verlauf der grossen
Versammlung (_tengeran aja_) zurückzukehren, damit er möglichst wenig
Zeit verliere. Es war mir sehr beruhigend, dass ihn diese Anordnung
zu befriedigen schien, denn wenn er sich gekränkt gefühlt hätte,
weil ich die Reise gegen seinen Willen durchsetzte, so wäre mir das
höchst unangenehm gewesen.

_Kwing Irang_, der am anderen Morgen gegen 9 Uhr mit seiner
Gesellschaft erschien, war augenscheinlich bereits auf die Fahrt nach
Long Nawang vorbereitet, wenigstens machte er keine Einwendungen. So
war unsere Karawane bald gebildet und bestand aus dem ganzen Personal,
uns Europäern und den Kenja, zusammen etwa 120 Mann; der grösste
Teil der Leute von Long Nawang war über Land bereits in sein Dorf
zurückgekehrt, nachdem wir nicht sogleich hatten mit hinunterfahren
können.

Wir verliessen Tanah Putih auf einem gut unterhaltenen, breiten
Pfad, den ich noch nicht betreten hatte; wegen meiner vielseitigen
Tätigkeit kam ich beinahe nicht aus dem Dorf. Der Pfad führte an den
Gräbern und einer _kubu_ vorbei, neben der sich zur Abwehr der bösen
Geister auf einem hohen Pfahl eine Holzfigur befand. Tafel 83. Von
hier gelangten wir abwärts zum Ufer des Kedjin, unterhalb der Reihe
grosser Wasserfälle. Der an dieser Stelle nur 40 m breite Fluss
wurde zu beiden Seiten von hohen, mit mächtigen Bäumen bekrönten
Felswänden eingeschlossen. Die Bäume waren zur Befestigung eines
schweren Rotangnetzes benützt worden, das von dem einen zum anderen
Ufer derartig aufgehängt war, dass einige behauene Stämme auf dasselbe
gelegt werden konnten, um als Brücke zu dienen. Seitlich stand das
Netz den Stämmen entlang sehr steil in die Höhe und gewährte den
Fussgängern ein Gefühl der Sicherheit, doch waren die Netzränder zu
weit entfernt, um als Stütze dienen zu können. Da die Stämme sehr lose
lagen, vertrauten wir uns diesem Brückenbau nicht an, sondern stiegen
längs des steilen Ufers abwärts zum Landungsplatz. Die Kajan benützten
grösstenteils ihre eigenen Fahrzeuge, für uns lagen aber zwei sehr
lange, allerdings etwas schmale Böte bereit mit hoch vorstehenden
Vorder- und Hintersteven, verziert mit schön geschnitzten Köpfen.

Nachdem unser Gepäck in den Böten untergebracht worden war, stiessen
einige Männer sie vom Ufer ab und bugsierten sie in den Fluss. In
einigen kleineren Böten sassen einige Frauen und boten unter all den
Männern einen gemütlichen, beruhigenden Anblick. Wegen des sehr hohen
Wasserstandes gelangten wir schnell über die vielen Stromschnellen,
die von Bänken aus grobem Flussgestein gebildet wurden. Zwischen
einigen sehr langen Schnellen verbreitete sich der Fluss bis auf 80
m. Sie liefen in starken Windungen durch eine sehr flache Landschaft,
die ihrer ganzen Ausdehnung nach mit jungem Busch (_talon_) bedeckt
war und nur hier und da einige mit Reis oder anderen Produkten
bebaute Felder zeigte. An einigen Nebenflüssen zu beiden Uferseiten
vorüberfahrend landeten wir zuerst bei der Niederlassung der Uma-Djalan
am Long Anjè, an dessen Oberlauf ein Dorf der Uma-Bakong lag. Hier
stiegen einige Männer in unsere Böte, um sich mit uns zur Versammlung
zu begeben, worauf die Fahrt abwärts bis gegen halb 4 Uhr fortgesetzt
wurde. Dann liess man uns auf einer Geröllbank aussteigen und Toilette
machen. Die meisten entkleideten sich, tauchten ein paar Mal in
den Fluss, schlangen ihre Lendentücher sorgfältig um die Hüften,
zogen ihre Festjacken an und strichen das Haar unter dem Kopftuch
glatt. Waffen hatten die Kenja auch für diesen weiten Zug nicht
mitgenommen, ausgenommen einige Arbeitsschwerter. Während wir uns
noch verschönten, kamen auch die hinter uns gebliebenen Kajan an,
worauf wir in einer Flotte von 12 Böten in guter Ordnung den Fluss
weiter hinunter bis zu dem unmittelbar hinter einer Biegung gelegenen
Dorf Long Nawang fuhren. Auf Wunsch der Kenja sollten wir bei der
Landung zum Erstaunen der Menschenmenge, die uns auf dem hohen Uferwall
erwartete, unsere Gewehre einige Mal abschiessen. Unsere Anfahrt musste
jedoch unterbrochen werden, weil das ganze Flussbett dicht vor dem
Dorfe voll grosser Schuttbänke lag, so dass einige Böte festliefen und
von der Mannschaft weiter geschleppt werden mussten. Auch mein sehr
schwer geladenes Boot war aufgelaufen, aber alle anderen warteten,
um das meine als erstes landen zu lassen, worauf man mich auch als
Erster an Land zu steigen aufforderte. Unten am Ufer empfingen uns
zwei der tüchtigsten Ältesten, die uns nach _Pingan Sorangs_ Haus
führen sollten. Der eine nahm mich bei der Hand, der andere _Demmeni_
und so stiegen wir auch den gekerbten Baumstamm hinauf, der uns auf
das etwa 10 m hohe Ufer führte. Zum Glück waren die Stufen der grossen
Stämme nur schwach ausgetreten, so dass wir beim Steigen mit unseren
Schuhen den Menschen oben keinen allzu komischen Anblick boten. Eine
grosse Anzahl kleiner, nackter Buben, die uns bei unserer Ankunft
längs des Ufers jauchzend nachgelaufen waren, begleitete uns auch
jetzt zu den Häusern, blieb aber draussen stehen, als wir die Treppe
zum langen Hause _Pingan Sorangs_ bestiegen, das sich dem Ufer am
nächsten befand. Die Bauart glich im allgemeinen der von den anderen
Dörfern und auch die Wände und Dächer der meisten Wohnungen waren ganz
aus Blättern hergestellt. Nur fiel es mir sogleich auf, dass die Diele
aus schönen, dicken Brettern bestand, die sich beim Gehen überhaupt
nicht bewegten. Wir gelangten sehr bald in die _awa_, wo bereits viele
beisammen sassen, hauptsächlich alte Häuptlinge, da die jüngeren uns
von oben abgeholt hatten. _Pingan Sorang_ kam mir ein Stück entgegen
und führte mich wieder an der Hand vor das Herdfeuer unter einige
Reihen schwarzer Menschenköpfe, die auch hier wieder in Palmblätter
gewickelt rauchgeschwärzt über dem Versammlungsplatz baumelten.

Unter den Anwesenden sassen bereits verschiedene Häuptlinge vom
unteren Kajan, die erst später mit uns Bekanntschaft machten,
vorläufig aber nur unser Äusseres anstaunten, während wir auf unsere
Klappstühle warteten, die aus den Böten geholt werden mussten. Die
neuen Ankömmlinge liessen sich hinter und zwischen den Anwesenden auf
den Brettern nieder, ohne dass die grosse _awa_ auch nur einigermassen
gefüllt wurde. Nachdem unsere Stühle gekommen waren setzten wir uns,
worauf _Bui Djalong_ und _Kwing Irang_ zu beiden Seiten von uns Platz
nahmen. Den Leuten schien etwas auf dem Herzen zu liegen, was sie
nicht zu äussern wagten; bald trat _Pingan Sorang_, denn auch mit
der Bitte vor, der Gesellschaft den Anblick meiner Haut zu gönnen,
und da ich wusste, dass ich ihr keine grössere Gefälligkeit erweisen
konnte, legte ich sogleich Jacke und Hemd ab und stand auf, um mich
eine Zeitlang betrachten zu lassen. Die zahlreiche Menge brach auch
hier einstimmig in ein langgedehntes _èh_ aus und starrte dann lange
Zeit stumm auf die grosse weisse Erscheinung. Bald darauf brachte man
zur Begrüssung einen Topf mit Reiswein von besonders gutem Geschmack,
der uns nach der langen Fahrt im offenen Boot sehr erfrischte. Weniger
angenehm empfanden wir die zweite Leckerei, ein Glas mit flüssigem
Honig von wilden Bienen, vor dem uns nach dem langen Aufenthalt
im schaukelnden Boote und bei dem Hunger, der uns quälte, etwas
graute. Wir hielten uns jedoch tapfer und verdarben nicht den ersten
vorteilhaften Eindruck, den wir zu machen glaubten.

Hiermit war der ernste, aber doch freundliche Empfang abgelaufen,
und der Mantri, der uns herbegleitet hatte, forderte uns auf, ihm in
das Haus zu folgen, das man für uns bestimmt hatte. Wir gingen rechts
durch die ganze Galerie des Hauses und gelangten an ein prächtiges
Holzgebäude, das ich bereits im Vorbeifahren vom Flusse aus bemerkt
hatte. Die Grundfläche des Hauses betrug etwa 16 × 9 m, und wie man uns
erzählte, hatten 700 Menschen 6 Tage lang an dem Bau gearbeitet. Das
Haus, das auf Tafel 86 abgebildet ist, war in der Tat das hübscheste,
das ich auf Borneo gesehen hatte. Die Aussenwände schmückten bunte
Malereien, auf den Pfählen waren allerhand Tiere, wie Eidechsen,
geschnitzt und der First des Daches trug reiche Verzierungen in
Form stilisierter Ungetüme und Männer mit europäischen Lanzen
und Gewehren. Besonders die _bang pakat_ und die Drachenfiguren
unten an der Seite des Hauses waren fein ausgearbeitet. Die innere
Ausstattung entsprach vollständig der äusseren. Sämtliche Pfähle und
Bretter waren neu, doch setzte uns hauptsächlich ihre Bearbeitung,
die diejenige am Mahakam weit übertraf, in Erstaunen. Die Pfähle
waren alle so genau viereckig behauen, dass sie wie gehobelt aussahen
und so gut ineinandergefügt, dass man die Arbeit eines europäischen
Berufszimmermanns vor sich zu haben glaubte und nicht die von Laien,
die nicht einmal über Sägen und Hobel zu verfügen hatten.

Auch der Fussboden war meisterhaft gearbeitet. Die glatten Bretter
trugen fast keine Meisselspuren und schlossen fest aneinander. Im
Gegensatz hierzu waren die Treppen besonders schmal und schlecht,
weil man keine Zeit oder keine Lust zu ihrer Herstellung übrig
behalten hatte.

Auch einige Betten und einen schönen Herd aus ganz neuem Holz hatte
man für uns gezimmert.

Der Raum genügte, um uns mit Kajan, Malaien und allem aufzunehmen,
aber _Kwing_ kehrte mit den Seinen bei den verschiedenen Häuptlingen
ein, die ihre Gäste wieder freigebig beköstigten.

Glücklicherweise fiel uns die Menge, die uns voller Interesse von
fern anstarrte, nicht lästig. _Midan_ hatte aus Tanah Putih noch
ein Huhn mitgebracht, so dass wir ohne fremde Hilfe schnell zu einer
Mahlzeit gelangten. Unsere Gastgeber hatten aber auch hieran gedacht
und brachten uns etwas später eine grosse Menge Reis und ein Schwein,
das wir für den folgenden Tag aufsparten.

Als wir abends ruhig bei der Lampe sassen, stieg die angenehme
Überzeugung in mir auf, dass wir mit der Durchsetzung unseres Besuches
in Long Nawang das Richtige getroffen hatten. Der freundschaftliche
Empfang, die viele Mühe, die man sich mit dem Bau dieses Prachthauses
gegeben hatte, und die Anwesenheit so vieler Häuptlinge aus den tiefer
gelegenen Dörfern bewiesen mir zur Genüge, dass ich einen Fehler
begangen hätte, wenn ich mich von _Bui Djalong_ und den Seinen hätte
zurückhalten lassen.

Long Nawang bestand aus 17 langen Häusern mit je 20-40
Familienwohnungen, so dass die Anzahl der Bewohner mindestens 2500
betragen musste. Alle diese Häuser standen auf dem flachen Ufer des
Kajan an der Mündung des Nawang. Unweit des Flusses erhoben sich
Hügel, auf denen aber keine Häuser standen; alle Dorfleute wohnten
dicht beim Fluss, der ihnen Wasser und Badegelegenheit bot. Zwischen
den verschiedenen Häusern liefen gute Wege, die hier und da noch mit
behauenen Balken oder Brettern belegt waren; der dazwischen liegende
Boden war teilweise von Unkraut und Gras gesäubert.

In unregelmässigen Gruppen standen zerstreut kleine Reisscheunen, die
im Gegensatz zu den langen Häusern ganz aus Holz gebaut waren. Jede
Familie besass meistens mehr als eine Vorratsscheune, weil der
Ernteertrag bei den Kenja in Folge ihrer Arbeitsamkeit ein viel
grösserer ist als bei den Bahau. Ob es diesem Umstand zugeschrieben
werden muss, dass erstere 3 Mal täglich, letztere nur 2 Mal zu essen
pflegen, wage ich nicht zu entscheiden, denn es ist auch möglich,
dass das kältere Klima von Apu Kajan ein grösseres Nahrungsbedürfnis
bedingt.

Die Dächer und Wände der gewöhnlichen Häuser bestanden auch hier zum
grössten Teil aus Blättermatten, nur die Dächer der Häuptlingswohnungen
waren mit wenigen Ausnahmen mit Holz gedeckt. Auf den Fussboden in
der Galerie hatte man besondere Sorgfalt verwandt, seine Bretter
waren aussergewöhnlich breit und dick. Das Alter und die Dicke der
Pfähle in den Häuptlingshäusern liessen erkennen, dass sie bereits
mehreren Generationen gedient hatten und stets wieder von der alten
Niederlassung nach der neuen mitgewandert waren. Bei den Häusern
standen nur wenige Fruchtbäume; auch kleine eingezäunte Gärtchen,
wie sie sich sonst in den Dörfern der Bahau und Kenja fanden, fehlten
hier, wodurch das Ganze ein unfreundliches Aussehen erhielt.

Anderen Tags, am 4. Oktober, wiederholte sich hier das Schauspiel von
Tanah Putih. Aus dem grossen Dorfe selbst und wahrscheinlich auch aus
der Nachbarschaft strömte vom frühen Morgen an eine Menge Menschen
herbei, um uns zu betrachten, die in fröhlichem Gedränge über alles
schwatzten, was sie sahen. Mit unseren Malaien standen sie sehr bald
in bestem Einvernehmen; meine Leute folgten jetzt meinem Beispiel und
waren gegen die Kenja viel nachsichtiger und geduldiger als früher den
Bahau gegenüber. Übrigens trug die Überzeugung, dass sie sich durch
Erregung des Missfallens ihrer Umgebung der grössten Gefahr aussetzten,
viel dazu bei, dass sie sich die neugierige Zudringlichkeit der Kenja
gefallen liessen.

Mit Ungeduld erwartete man die Austeilung von Geschenken; da ich aber
weder wusste noch sehen konnte, wer Häuptling, Freier oder Sklave war,
so wäre mir diese Aufgabe auch jetzt wieder sehr schwer gefallen,
wenn nicht bereits früh Morgens einige niedrigere Häuptlinge zu mir
gekommen wären, um zu überlegen, wie ich am besten vorgehen sollte. Sie
machten den Vorschlag, dass die Häuptlinge von allen 17 Häusern mir
der Reihe nach ihre _panjin_ vorstellen und dabei mitteilen sollten,
wer auf ein grösseres und wer auf ein kleineres Geschenk Anspruch
machte. So geschah es denn auch; trotzdem war es in den nächsten
Tagen äusserst ermüdend, so viele Personen beschenken zu müssen,
die alle um mehr baten, und den Vorrat dabei nicht aus dem Auge zu
verlieren. Meine beiden vornehmsten Ratgeber standen mir treu zur Seite
und zogen schliesslich die Unzufriedenheit derjenigen auf sich, die
ohne sie ein grösseres Geschenk von mir erwartet hatten. Auch jetzt
kamen weitaus mehr Frauen und Kinder als Männer, um ein Geschenk zu
erbitten; doch fehlten auch letztere nicht, besonders die Familienväter
suchten eifrig für ihre Kinder ein hübsches Stück Zeug, etwas Perlen,
oder eine Tasse mit Salz zu erwischen Die Mütter steckten mir sogar
die bewegungslosen Händchen ihrer Säuglinge zu, damit ich etwas Perlen
für ein Armband oder ähnliches in sie hineinlegte. Aus manchen Häusern
führte man mir 60-70 Personen auf ein Mal zum Beschenken zu, so dass
ich täglich nur einige Häuser abmachen konnte. Da ich ausserdem noch
mit den einen handeln, die anderen auf Krankheit untersuchen und mit
Arzneien versehen musste, waren die Tage in Long Nawang von morgens
bis abends sehr belegt. Ich war sogar nicht immer imstande, den vielen
Einladungen der Häuptlinge in ihre _amin_ Folge zu leisten, und hatte
alle Mühe, meine schwerkranken Patienten in den verschiedenen Häusern
zu besuchen. Da sich das Dorf mehrere Hundert Meter dem Ufer entlang
ausdehnte, erforderten meine Krankenbesuche oft lange Wanderungen,
bei denen ein grosses Geleite von Kenjakindern nie fehlte, die nicht
wie die Bahau schüchtern hinter mir hergingen, sondern jauchzend
durch das Gras zu beiden Seiten des Wegs hersprangen, ohne jedoch
durch zu grosse Zudringlichkeit lästig zu werden. Alle Dorfbewohner
waren übrigens in diesen Tagen so lebhaft und aufgeregt, dass ich
meinen Hund aus Furcht vor einem Unglück anbinden musste. Auch hier
überliessen sie mir die Gegenstände, an denen mir lag, gern für einen
entsprechenden Preis. Zwar waren ihre Forderungen bisweilen etwas
hoch, besonders die mancher Häuptlinge, die an der Küste von dem
grossen Interesse der Weissen für ihre Ethnographica gehört hatten,
aber wie am Mahakam fasste ich auch hier einen etwas teuren Kauf
als ein Geschenk für den betreffenden auf, für den ich sonst bei
der grossen Anzahl Hochgestellter nur schwer etwas Grösseres übrig
gehabt hätte. Auf dieselbe Weise beschenkte ich auch einige nette
junge Mädchen aus einigen Häuptlingsfamilien; besonders _Ping_,
die Enkelin _Pingan Sorangs_, wurde wegen ihres hübschen Äusseren
und der geschmackvollen Kleidung, die sie trug, reichlich von mir
bedacht. Für allerhand wertvolle Dinge, die sie von mir haben wollte,
verkaufte sie mir mit Hilfe ihrer Mutter, die etwas Busang sprach,
der Reihe nach ihr ganzes Kostüm, von der Mütze an bis zur Jacke und
dem Rock. Sie erhielt schliesslich einen solchen Schatz an schönem Zeug
und Perlen, dass kurz vor meiner Abreise ihr Vater und Grossvater mit
ihr zu mir kamen, um sich für alles, was ich _Ping_ gegeben hatte,
zu bedanken. Es war dies das erste Mal, dass man mir für genossene
Wohltaten nach europäischer Weise Dank sagte. Mit hübschem Zeug
durfte ich übrigens freigebig sein, weil die Masse des Volkes, wie
schon gesagt, dauerhaften, dicken Baumwollstoff weitaus vorzog.

Obgleich ich ganz überzeugt war, dass eine reiche Austeilung von
Geschenken dazu beitragen musste, ein gutes Verhältnis mit den
Eingeborenen anzuknüpfen, so war es doch nicht meine Absicht, beim Volk
die Meinung zu erwecken, die Dinge besässen für mich keinen Wert; bei
praktisch denkenden Eingeborenen wäre eine derartige Vorstellung sehr
unerwünscht gewesen. Ich suchte daher jedes Geschenk auf das Notwendige
zu beschränken, kam aber dabei oft dem Mindestmasse der Ansprüche
meiner neuen Freunde bedenklich nahe und so geschah es bisweilen,
dass einer eine Gabe als zu gering nicht annehmen wollte. Erst wenn
ich das Geschenk durch eine kleine Zugabe vergrössert hatte, wurde
es in Empfang genommen und dann oft mehr geschätzt, als wenn ich
es sogleich ohne Bedenken weggegeben hätte. Im allgemeinen war ich
also nicht zu freigebig. Übrigens schienen sich die Leute sehr gut in
die Schwierigkeiten meiner Lage hineindenken zu können, denn einige
der Ältesten Männer äusserten mehrmals ihre Bewunderung über meine
Nachsicht gegenüber den Schwächen ihrer Mitbürger. Die Austeilung
von Geschenken bot eine erwünschte Gelegenheit, vielen Gliedern
eines Stammes, mit denen ich sonst nicht in Berührung gekommen wäre,
eine angenehme Erinnerung und die Überzeugung zurückzulassen, dass es
ausser dem Radja von Serawak, den sie als einen fernen, stets drohenden
Feind hatten betrachten lernen, noch andere einflussreiche Weisse gab,
die nur Gutes mit ihnen im Sinn hatten.

So hatten wir bereits am ersten Tage bei der Bevölkerung einen
günstigen Eindruck hervorgerufen, bevor am zweiten die grosse
Versammlung gehalten wurde. Sehr früh morgens brachten zwei Häuptlinge
bereits die Bewohner ihrer Häuser zu mir, aus Furcht, dass ich
sonst keine Zeit haben würde, um sie alle zu beschenken. Ich hatte
nämlich sogleich bekannt gegeben, dass ich schwerlich länger als
fünf Tage würde bleiben können, obgleich es mir sehr leid tue, das
schöne Haus nur so kurze Zeit zu bewohnen. Man tröstete mich damit,
dass das Haus doch stehen bleiben und als "_kubu tuwan dokter_"
(Haus des Herrn Doktor) später zur Aufnahme von Gästen dienen würde.

An diesem Morgen kamen auch schon die Häuptlinge von Uma-Kulit zu
mir herüber, von denen ich einige Einzelheiten über die Töpferei
vernahm, welche den Haupterwerbszweig ihres Stammes bildet. Da diese
Häuptlinge zu _Bui Djalongs_ Partei gehörten und ich sie für die
Versammlung günstig stimmen wollte, fragte ich sie, was sie sich
zum Geschenk wünschten. Zum Glück waren sie nicht unbescheiden,
nur musste ich einem von ihnen den Rest des dicken Kattuns geben,
den ich ursprünglich für meine Gesteinsammlung mitgenommen hatte.

Ich hatte erwartet, wie gewöhnlich erst gegen Mittag zur
Versammlung gerufen zu werden, doch geschah dies schon bald nach dem
Morgenfrühstück. Bei meinem Erscheinen waren auch bereits viele in
der _awa_ vereinigt; augenscheinlich hatte sie die Neugierde dorthin
gelockt, denn von 9 bis halb 12 Uhr taten wir nichts anderes als über
allerhand Gleichgültiges schwatzen und einander mit gegenseitigem
Interesse betrachten. Bei der grossen Offenherzigkeit der Kenja
erfuhr ich von ihnen wieder sehr viele Einzelheiten, vor allem über
die weiter unten gelegenen Siedelungen der Uma-Kulit, Uma-Bakong,
Uma-Baka, Uma-Tepu und Uma-Leken. Die Vertreter dieser Dörfer fanden es
sehr angenehm, von den Ihrigen erzählen zu können, und wurden hierzu
noch durch gegenseitigen Wetteifer angespornt. Mit den Männern des am
weitesten unten am Fluss wohnenden Stammes der Uma-Leken unterhielt ich
mich ohne Dolmetscher, da diese stets Busang reden. Von den übrigen
beherrschten nur wenige diese Sprache in genügendem Masse, um eine
Unterhaltung mit mir zu wagen. Ich erfuhr jetzt, warum man links
um unserer _awa_, vor der linken Hälfte von _Pingan Sorangs_ Haus,
einen hohen Zaun errichtet hatte, hinter den unsere Gesellschaft nicht
treten durfte. Zu unserem Erstaunen herrschte im Dorfe augenblicklich
das _lali_ für die Saat, aber wegen unseres Besuches hatte man das
Verbot nur für die eine Hälfte des Hauses gelten lassen, wo die
Familie der _dajung_ wohnte, die diesem _lali_ besonders streng
unterworfen war. Die Kenja bewiesen hierdurch eine viel freiere
Auffassung als die Bahau, die sich unter allen Umständen streng an
ihre Kultusvorschriften halten.

Während wir uns so unterhielten, erfreuten wir uns an dem Anblick
vieler Reihen von jungen Frauen, die aus den verschiedenen Häusern
einen Beitrag zur Mahlzeit brachten, an welcher sich die Versammelten
vor der eigentlichen Arbeit stärken sollten. Bescheiden vor sich
hinsehend und vor den Blicken so vieler fremder Männer verlegen
eilten die Kenjaschen Schönen etwas besser als gewöhnlich gekleidet in
hastigen Schritten an uns vorüber und verschwanden hinter der hohen
Türschwelle von _Pingan Sorangs_ Wohnung. Traten sie wieder heraus,
so konnten sie nicht umhin, uns und die vielen Fremden mit lachendem
Gesicht aus der Ferne zu betrachten; sie blieben sogar ab und zu eine
Weile stehen.

Erst gegen Mittag traten die Vornehmsten ein und wurde die
Versammlung geordnet. Die Neuangekommenen setzten sich öfters in
die hintersten Reihen und wurden dann von einem der Ältesten, die
als Zeremonienmeister auftraten, bei der Hand genommen und an einen
ihrer Würde entsprechenden Platz geführt. Die Versammlung bot zum
Schluss ein übersichtliches Bild von der Würde der Anwesenden, indem
die Vornehmsten um den eigentlichen Herd dicht vor uns unter den
Schädeln, die jüngsten dagegen in den hintersten Reihen sassen. Im
ganzen waren vielleicht 300 Mann vereinigt, als _Pingan Sorang_
das Zeichen zum Auftragen der Mahlzeit gab.

Diese war bereits von den jungen Leuten in der _amin aja_ unter
Lachen und Scherzen zubereitet worden; nach kurzer Zeit trugen
einige nett gekleidete junge Männer zuerst das Essen der vornehmsten
Häuptlinge herein, dann die Päckchen mit Klebreis für die grosse
Masse und gaben jedem den ihm zukommenden Anteil. Für Acht von
uns hatte man neben dem Klebreis eine Schüssel mit fein gehacktem,
in Wasser gekochtem Schweinefleisch hingestellt, eine etwas fette,
aber doch schmackhafte Suppe. Nachdem wir gegessen hatten, wurden
unsere Schüsseln den Ältesten der Stämme und dann den übrigen
_panjin_ vorgesetzt. Nach der Suppe wurde Reiswein herumgereicht,
auch diesmal von vortrefflicher Qualität. Das Anbieten eines Glases
_djakan_ bedeutete auch hier eine Aufforderung zum Sprechen und so
wurde mir das erste Glas gereicht, damit ich durch den Trunk gestärkt
das Wort ergriffe. Das tat ich denn auch, doch befolgte ich diesmal
den Rat, nicht allzusehr auf die Bezahlung der Bussen zu dringen,
welche die Kenja den Mahakambewohnern schuldeten. Ob _Kwing Irang_,
der neben mir sass, um den ferneren Verlauf meiner Rede besorgt war,
oder ob er dem Glase _djakan_, das auf ihn wartete, entgehen wollte,
weil es ihm bei anderen Gelegenheiten schwer im Magen gelegen hatte,
weiss ich nicht, aber er ergriff plötzlich ungefragt das Wort und
setzte meine Rede fort. Dass man sein Busang besser verstand als das
meine, bezweifle ich; die Versammlung gab jedoch ihrer Verwunderung
über dieses ungewöhnliche Verfahren keinen Ausdruck, sondern hörte
geduldig zu.

Nachdem _Kwing_ geendet hatte, fragte man _Bui Djalong_, wer sprechen
sollte; so wurde er während der ganzen Dauer der Versammlung,
auch hier, in der _amin_ seines Vorgängers _Pa Sorang_, als erster
geehrt. _Bui Djalong_ bestimmte als den Vornehmsten _Taman Lawang
Pau_, den Häuptling der Uma-Tepu, der eine lange Rede hielt über das
Unrecht, das sein Stamm durch den Überfall der Uma-Alim erfahren hatte;
begreiflicherweise war er von diesem Gegenstand erfüllt, doch stand
dieser mit dem Zweck unserer Versammlung in keinem Zusammenhang. Von
den folgenden Reden verstand ich wieder wenig oder nichts; nur den
Uma-Leken konnte ich folgen. Nachdem die Vornehmsten alle das Wort
geführt hatten, erhielt auch _Bui Djalong_ einen Becher, den er etwas
zögernd annahm. Erst sprach er mich kurz in Busang an und sagte, dass
alle sich gern der niederländischen Oberherrschaft fügen wollten,
dass aber viele fürchteten, dann von dem Radja von Serawak leiden zu
müssen. Mit den Worten: "dieses für Sie" wendete er sich von mir ab
und setzte seine Rede fort in der Kenja-Sprache, in der er ernsthaft
und fliessend zu den Versammelten sprach. Auch jetzt machte seine
Redeweise den angenehmsten Eindruck. Nach ihm erhielten noch viele
andere Häuptlinge das Wort, aber einige waren zum Sprechen zu verlegen,
andere sagten nur einen Satz; ausnahmsweise trug ein Häuptling auch
einem seiner Ältesten auf, an seiner Statt seine Meinung zu äussern,
was die Mahakamhäuptlinge beinahe stets taten.

Gegen 3 Uhr wurden auch hier eine Menge Schwerter als Friedenszeichen
der verschiedenen Niederlassungen hereingebracht und grösstenteils
mir und _Kwing_ geschenkt, mit Hinzufügung des Ortes, von dem jedes
Schwert stammte. Auch _Demmeni_ erhielt einige Schwerter, ebenso wurden
_Belarè_, _Bang Jok_ und den Bukat am Mahakam durch _Kwing Irang_ je
ein Schwert als Friedenszeichen zugesandt. Zum Schluss erteilte mir
_Bui Djalong_ auf meine Bitte nochmals das Wort, damit ich die Leute
beruhigen und ihnen das Verhältnis zwischen der serawakischen und der
niederländischen Macht auseinandersetzen konnte. _Bui Djalong_ hatte
das bereits getan, aber er meinte, man würde meinen Versicherungen mehr
Glauben schenken. Dass ich in der Tat Vertrauen genoss, zeigte sich
darin, dass man mich bat, noch an diesem Tage dem Radja einen Brief
zu schreiben, in dem ich ihm meine Gegenwart meldete und darlegte,
dass die Kenja gegen Serawak nicht Böses im Sinn hatten, jedoch
um Aufschub der noch schuldigen Bussen baten. Bei der Besprechung
der Streitigkeiten mit den Uma-Alim zeigten sich die Uma-Tepu sehr
befriedigt von meinem Versprechen, dafür sorgen zu wollen, dass der
Beamte an der Mündung des Kajanflusses den Uma-Alim ein Schreiben
zukommen lasse, in dem er sie vor ferneren Überfällen warnte. Hierbei
drückten sie allerdings ihren Zweifel darüber aus, ob es wohl sicher
sei, dass die Weissen an der Mündung des Kajan (Kedjin) und Kelai
(Berau) auch zu meinem Volk gehörten, und es kostete mich wiederholte
Versicherungen, dass es sich wirklich so verhielt, bevor man sich in
diese Tatsache finden konnte.

Abends nach der Rückkehr in meine _kubu_ musste ich noch den englischen
Brief an den Radja von Serawak abfassen, wobei eine zahlreiche Menge,
die sich bei der feierlichen Handlung etwas ruhiger als sonst verhielt,
um mich herumstand. Obgleich ich vor Müdigkeit durchaus nicht zum
Schreiben aufgelegt war, musste der Brief doch beendet werden, da der
Häuptling der Uma-Kulit, der der Wasserscheide am nächsten wohnte, ihn
am folgenden Morgen mitnehmen und dann weiter transportieren sollte.

Eine bessere Schreibgelegenheit hätte ich übrigens auch am folgenden
Tage nicht gefunden, denn des Morgens kamen erst die Bewohner einiger
Häuser zum _selaba_ und später die fremden Häuptlinge, um Abschied
zu nehmen. Sie kehrten alle am Nachmittage in ihre Niederlassungen
zurück und verbreiteten dort die Kunde von einem grossen weissen Manne,
der im Besitz reicher Schätze sei.

Darauf erschienen die Bewohner von Long Nawang selbst und brachten
Reis, Eier und Früchte in grosser Menge, hauptsächlich um sie gegen
grosse, schöne Perlen und Zeug auszutauschen. Auch der vierte Tag
unseres Aufenthaltes ging in so regem Verkehr mit der Bevölkerung
vorüber, dass ich mich energisch losreissen musste, um meine Patienten
besuchen und das Dorf besichtigen zu können.

Zu gründlichen Studien von Land und Volk fehlte mir die Zeit,
und da das Getriebe der Besucher von morgens bis abends kaum zu
ertragen war, sehnte ich mich nach dem Augenblick, wo ich, ohne
unserem Abkommen untreu zu werden, wieder flussaufwärts fahren
konnte. Meine Reisegefährten dagegen unterhielten sich hier sehr gut
und fanden in der grossen Niederlassung bessere Handelsgelegenheit
als in dem kleineren Tanah Putih. Als Abschlagszahlung von ihrem Lohn
kauften sie von mir kostbare Tauschartikel, hauptsächlich Sätze von
Elfenbeinarmbändern (_gadin_), die sie meistens gegen alte Perlen
austauschten, die am Mahakam so viel mehr wert waren. _Kwing Irang_
war es auch geglückt, sich alte kupferne _uhing_ oder Glöckchen zu
verschaffen, die seine Frauen unten an ihren Jacken trugen und die
nur noch bei den Kenja in grösserer Anzahl zu finden waren. Er hatte
bereits lange seine _gadin_ für sie aufgespart, aber erst jetzt glückte
es ihm, sie vorteilhaft gegen die _uhing_ auszutauschen. Diese schienen
übrigens so selten zu sein, dass die _panjin_ der Kajan ihrer nicht
habhaft werden konnten. Da jeder Kauf Unterhandlungen erforderte,
die oft Tage dauerten, war die Eile fortzukommen bei unseren Leuten
nicht sehr gross; wenn die Kajan sich im Grunde nicht so sehr nach
der Heimreise gesehnt hätten, wären sie zum Aufbruch von Long Nawang
noch schwerer zu bewegen gewesen. Nach Übereinkunft mussten wir auf
der Rückfahrt einige Tage bei den Uma-Djalan verbringen, was uns
ebenso bewegte Tage wie in Long Nawang verhiess.

Auf den 8. Oktober war unsere Abreise festgesetzt, aber die Reiselust
war sowohl bei der Mannschaft als bei den Reisenden sehr gering,
und so ging ich denn gern auf _Pingan Sorangs_ Vorschlag, noch einen
Tag länger zu bleiben, ein, besonders da er bemerkte, seine Männer
müssten an diesem Tage noch auf dem Lande arbeiten und könnten mich
daher nur schwer begleiten. Vielleicht verhinderte an diesem Tage
auch ein _lali_ die Reise, doch hatte ich keine Zeit, mich danach zu
erkundigen. Wir waren mit den Dorfbewohnern so vertraut geworden, als
wenn wir uns bereits monatelang in ihrer Mitte befunden hätten; sehr
angenehm berührte uns auch die Präzision, mit der für unsere Abreise
gesorgt wurde, auch nachdem man nichts mehr von uns zu erwarten hatte.

Der Wasserstand blieb günstig und so konnten wir am sechsten Tage nach
unserer Ankunft Anstalten zur Abreise treffen. In der Frühe kamen noch
einige Häuptlinge, um mich um etwas zu bitten, hauptsächlich um alte
Kleider, die hier zum Unterschied vom Kapuas und Mahakam sehr geschätzt
waren; andere dagegen, wie die genannte _Ping_, kamen, mir ihre Kleider
abzuliefern, die sie auf meine Bitte ordentlich geflickt hatten.

Man hatte, wie es sich zeigte, darauf gerechnet, dass die Uma-Djalan
uns nach ihrem Dorfe abholen würden, denn es standen zwar eine
genügende Menge Böte zu unserer Verfügung, aber ausser den Häuptlingen,
die uns das Geleite geben sollten, keine Mannschaft. Als jedoch niemand
erschien, brachte man doch eine genügende Anzahl Leute zusammen,
um die Reise anzutreten. Als unser Gepäck in die Böte verteilt
worden war und die Mannschaft einsteigen wollte, erschien um die
Ecke eine Flotte von 30 Böten der Uma-Djalan mit etwa 100 Mann,
um uns abzuholen. Mit so grosser Hilfe ging das Umladen schnell
von statten und die Long-Nawang zogen ihre Böte wieder an Land,
froh nicht mitzugehen zu brauchen. Von kräftigen Armen fortgerudert,
verloren unsere Böte die grosse Niederlassung bald aus dem Auge. Doch
dauerte die Fahrt mehrere Stunden, während welcher wir noch einmal
essen mussten, da die Kenja ohne zwingenden Grund nicht gern auf eine
ihrer drei Mahlzeiten verzichten.

Aus Furcht vor der bevorstehenden Unruhe bedauerte ich den etwas
längeren Aufenthalt in der freien Natur nicht und benutzte die
Gelegenheit, um mit einigen unserer neuen Gastherren Bekanntschaft
zu schliessen.

Vor unserer Ankunft im Dorfe mussten wir auch jetzt viele Gewehrschüsse
abfeuern; ich brauchte meine Patronen nicht mehr so sehr zu sparen und
so tat ich den Kenja und meinem Geleite gern das Vergnügen. _Taman
Ledjü_, der angesehenste der anwesenden Häuptlinge, nahm mich am
Landungsplatz wieder bei der Hand und führte mich so einige Hundert
Meter durch die grosse Niederlassung und dann eine unbequeme kleine
Treppe hinauf; augenscheinlich war dies eine besonders feierliche Art
den Einzug zu halten. Die Menschen meinten es gut mit uns, hatten sehr
praktisch einen Teil der _awa_ des Häuptlings für uns Europäer durch
eine Hecke abgeschlossen, wodurch wir die Menge fernhalten konnten,
und boten uns unmittelbar nach unserer Ankunft eine Ziege und ein
kleines Schwein zum Geschenk an. Unsere weisse Haut wurde wiederum
von einer zahlreichen Schar bewundert, aber das war bald geschehen
und dann durften wir uns hinter unsere Umzäunung und bald darauf
hinter unsere Moskitogardinen zurückziehen.

Am anderen Tage, dem 10. Oktober, kamen die Leute von ihren Reisfeldern
heim, betrachteten uns von allen Seiten und waren so ungezwungen,
als ob wir bereits lange bei ihnen gewesen wären. Sogleich entstand
ein gutes Verhältnis zwischen uns und nach wenigen Tagen fühlten wir
uns unter diesen freundlichen Leuten wie zu Hause.

_Taman Ulow_, der uns vom Boh her kannte, und ein vornehmer Priester
_Bo Usat_ traten von Anfang an als Unterhändler zwischen uns und
der Menge auf und rieten uns gemeinsam mit dem Häuptling _Taman
Ledjü_, auch ihre 14 Häuser auf die gleiche Weise zu _selaba_ wie
in Long Nawang. Da ich nur 3 Tage bleiben wollte, war diese Methode
sicher die praktischste, und bereits am ersten Vormittag arbeitete
ich sechs Häuser ab, obgleich sich deren Bewohner auch hier sehr
gewissenhaft einstellten und alle Lebensalter von den Säuglingen bis
zu den alten Männern und Frauen bedacht werden mussten. Die Arbeit
war hier übrigens leichter als in Long Nawang; mit etwas Salz für
die Kinder und Zeug und Perlen für die Älteren stellten sich alle
zufrieden. Auch die gescheidte sympathische Frau des Häuptlings und
deren hübsche Töchter waren stets behilflich, ihre Untergebenen zu
bescheideneren Wünschen zu bewegen. Des Abends plauderten wir noch
eine Weile mit den Häuptlingen von Uma-Djalan und Long Nawang, die
noch nicht heimgekehrt waren, am Herdfeuer in der _awa_.

Die Austeilung von Geschenken und Arzneien nahm auch den ganzen
folgenden Vormittag in Anspruch. Darauf kamen die vornehmsten Männer
des Dorfes in die _awa_ zu einer Beratung, wobei sie sich auch hier
nach Rang und Stand um einen Mittelpunkt gruppierten, der wiederum
durch dag Feuer und einige Reihen von Menschenschädeln darüber gebildet
wurde. Zuerst reichte man uns sehr unschuldigen _djakan_ und dann
Klebreis mit Schweinefleisch, die beide trefflich schmeckten. Zum
Essen hatten wieder teilweise alle Häuser beigetragen, aber diesmal
traten die Frauen von hinten in die _amin aja_ ein, so dass wir uns
mit ihrer Betrachtung nicht die Zeit kürzen konnten. Des Morgens hatte
die _awa_ übrigens nur für die Gesellschaften, die aus den Häusern zum
_selaba_ kamen, Raum geboten. Bei dieser Zusammenkunft fanden keine
langen Auseinandersetzungen statt, weil die wichtigsten Männer das
Notwendige bereits gehört hatten; die Feier bedeutete daher mehr eine
Anerkennung unseres Besuches und eine Bewirtung. Zum Schluss wurden
uns auch hier einige Schwerter überreicht, die das gegenseitige gute
Verhältnis besiegeln sollten.

Hierauf fuhren die von Long Nawang wieder ab, und konnten wir uns seit
vielen Tagen zum ersten Mal nachmittags wieder zur Ruhe legen. Bald
kam jedoch wieder eine frage- und tauschlustige Menge angezogen, die
mich bis 1/2 8 Uhr abends beschäftigte und noch länger geblieben wäre,
wenn ich mich nicht zu einigen Häuptlingen ans Feuer gerettet hätte.


Der 12. Oktober war wiederum erst der Austeilung von Geschenken
gewidmet, mit denen sich alle zufrieden zeigten, mit Ausnahme der
meisten Häuptlinge. Diese wünschten alle einen Satz Armbänder,
aber ich gab nur _Taman Ledjü_ und _Bo Usat_, den vornehmsten, ein
so grosses Geschenk. Es wurde beschlossen, dass die Kajan sich mit
einigen Uma-Djalan nach der Niederlassung der Uma-Bakong weiter oben am
Anjè begeben sollten, wo man ihnen Reis für die Rückreise versprochen
hatte. Zugleich wollte man dort, wie es sich später herausstellte, die
Männer ersuchen, mich und die Meinen nach Tanah Putih zu bringen. Ich
selbst hatte für mein eigenes Personal bereits Reis in Überfluss
erhalten und gekauft. Da jeder Dorfbewohner am ehesten einen Beitrag
an Reis liefern konnte, kam jedes Haus beim _selaba_ in der Regel
mit einem grossen Korb voll Reis an, viel weniger mit Früchten und
anderen Dingen, die mir auch weniger von Wert gewesen wären. _Kwing_
und sein Gefolge zog noch am selben Nachmittage aus und kehrte am
folgenden Tage mit einem Vorrat Reis zurück, sehr aufgeräumt über
die ihnen gebotene gute Bewirtung, bei der man ein grosses Schwein
geschlachtet hatte. Dass die Häuptlinge von Uma-Djalan über ihre
Geschenke nicht allzu unzufrieden waren, erfuhr ich zu meinem Vergnügen
noch am gleichen Morgen, als man mir im Namen aller ein schönes Boot
schenkte, um mit ihm später den Kajan wieder aufwärts zu fahren.

_Kwing Irang_ berichtete, die Uma-Bakong hätten versprochen, zu uns
herunterzufahren, um uns nach Tanah Putih zu bringen und auch noch
mehr Reis für die Kajan zu sammeln.

Gewöhnt an die Unzuverlässigkeit der Bahau bei Abmachungen, begann
ich am folgenden Morgen über das Ausbleiben der Uma-Bakong besorgt
zu werden, doch wohnten diese ein grosses Stück weiter oben am
Fluss, somit war es begreiflich, dass ihre 100 Mann erst gegen 9
Uhr ankamen. Auch die Böte der Uma-Djalan verursachten uns einiges
Kopfzerbrechen wegen ihres geringen Laderaumes, aber die grosse
Mannschaft hatte unser Gepäck bald in ihnen verteilt und dann ging
es den Fluss wieder aufwärts. Auch jetzt nahm man sich so viel Zeit,
dass immer wieder ein Boot anlegte, um Erfrischungen, hauptsächlich
Zuckerrohr aber auch Früchte vom Felde zu holen, mit denen man
seinen Durst löschte. Fanden die Kenja an den Ufern einige Böte, die
besser waren als die ihrigen, so luden sie unser Gepäck in jene über
und fuhren weiter, ohne die betreffenden Besitzer von ihrem Tun zu
benachrichtigen. Diese eigentümliche Handlungsweise ist bei den Kenja
ganz allgemein im Schwang; da sie sich nicht vorstellen können, dass
weit entfernt wohnende Stämme anderen Rechtsbegriffen huldigen, folgen
sie ihrer Sitte auch auf den Feldern der Bahau am Mahakam und anderswo
und sind dort deshalb verhasst und gefürchtet. Da unterwegs auch
noch gekocht wurde, erreichten wir erst um 3 Uhr unsere Abfahrtstelle
oberhalb der Djemhangmündung, von wo wir, froh wieder nach Hause zu
kommen, nur noch ein Stück über Land zurückzulegen hatten.

In Tanah Putih fand ich, unser ganzes Hab und Gut unverletzt wieder
vor. Die Bewohner sehnten sich bereits nach meiner Rückkehr, da einige
Kranken meiner Hilfe dringend bedurften. Diese dienten mir als Vorwand,
um einige Männer aus Long Nawang, die mich um Kleider baten, bis zum
folgenden Tag zu vertrösten. Dann erwartete man mich aber bereits
früh bei _Bui Djalong_, wo einige Männer unter _Taman Lawang Pau_ von
unten die Meldung brachten, dass ein Malaie aus Serawak eingetroffen
und zu den Uma-Aga gezogen sei. Dieser Mann hatte behauptet, von den
Autoritäten in Serawak gesandt worden zu sein, und die Kenja ernsthaft
gewarnt, sich mit mir einzulassen. Er brachte jedoch keinen Beweis
mit, dass ihn in der Tat ein englischer Beamte geschickt hatte, auch
hätte ihm dieser sicher nicht erlaubt, auf niederländischem Gebiet auf
derartige Weise über uns zu reden; zweifellos musste sein Auftreten
seiner eigenen feindlichen Gesinnung zugeschrieben werden. Die
Häuptlinge wollten das auch annehmen, hielten es aber für geraten,
dass ich auch nach dem Baram über das Treiben dieses Mannes schriebe,
damit man auch dort erfahre, dass ich mich im Kajangebiet aufhielt.

Ich benutzte die Gelegenheit, um mit den beiden Häuptlingen über
meine Rückreise zu sprechen, damit die unvermeidlichen langen
Vorbereitungen möglichst zeitig begonnen Wurden und man in den
Dörfern weiter unten sogleich erfuhr, dass ich in der Tat abreisen
wollte. Es war nämlich beschlossen worden, dass mich die Vertreter
vieler Stämme nach dem Mahakam begleiten sollten, und obgleich ich
mir davon nicht viel versprach, wollte ich die Betreffenden doch
von meinem Plan benachrichtigen. Die Abreise wurde auf den Beginn
des folgenden Neumonds festgesetzt. Dabei betonte ich ausdrücklich,
dass ich nicht gewöhnt sei, wegen schlechter Vorzeichen einen Monat
zu warten, und dass die Kajan für die Rückreise keine Zeichen zu
suchen brauchten. Wolle man mich begleiten, so müsse man zeitig bereit
sein. Etwas später wurde ich um einige Paar Hosen, Perlen und Ringe
als Lohn für ihre Begleitung die Männer der Uma-Bakong los, kaufte
noch eine hübsche Matte von _Bo Usat_, um diesen einflussreichen
Priester der Uma-Djalan noch mehr für mich zu gewinnen, und war
mittags endlich einmal von allem Gedränge befreit, da beinahe ganz
Tanah Putih auf die _ladang_ gezogen war.

Um mein Reisegepäck möglichst einzuschränken, überlegte ich, was
zurückbleiben durfte und was unbedingt mit musste. In Long Nawang
hatte ich bereits ein paar Häuptlinge mit zweien meiner Stahlkoffer,
deren Inhalt weit und breit unter den Kenja zerstreut war, glücklich
gemacht; auch _Bui Djalong_ wollte durchaus so einen Koffer haben,
den ich ihm leicht geben konnte, da meine Tauschartikel sehr zusammen
geschmolzen waren und ich nur wenige wertvolle Dinge, wie einige
Elfenbeinarmbänder, wieder mitnehmen wollte. _Kwing_ erstand im letzten
Augenblick jedoch noch zwei Sätze, um für diese eine grosse _guliga_,
die er bei den Uma-Tokong gesehen hatte, durch _Anjang Njahu_ kaufen zu
lassen, den er zu diesem Zweck dort hinschickte. Zu gleicher Zeit zog
_Bang Awan_ auch mit einigen Kajan zu den Uma-Bom, teils aus Neugier,
teils um noch Reis für die Rückreise zu kaufen.

Eine angenehme Überraschung bereiteten mir in diesen Tagen einige
Männer der Uma-Kulit, die nach Tanah Putih kamen, um Töpfe zu
verkaufen; sie erzählten nämlich, dass die Batang-Lupar, als sie den
bewussten Brief von mir an den Radja sahen, gesagt hätten, dass der
Radja ihnen jetzt wohl nicht länger erlauben würde, im Kajangebiet,
auf niederländischem Boden, Kautschuk (_latong_) zu suchen, worauf
sie sich sehr bald über die Wasserscheide davon gemacht hätten. Diese
Tatsache war ein schneller und schlagender Beweis für die Richtigkeit
meiner Aussagen auf politischem Gebiet.

Alle überflüssigen Arzneien und Chemikalien zur Konservierung von
Zoologica begannen wir jetzt zu vernichten. Einige Schwierigkeiten
verursachten uns anfangs die Gifte, weil wir sie aus Furcht,
dass die Kenja sich auch nach einer Warnung an ihnen vergreifen
könnten, nicht vergraben wollten. Zuletzt versenkten wir sie an einer
tiefen Flussstelle unterhalb des Dorfes. Die Flaschen fanden viele
Liebhaber, es war sogar schwierig, bei der Verteilung keinen Neid
zu erwecken; leider durften wir die Büchsen, in denen sich Arsenik
und Ähnliches befunden hatte, nicht wegschenken, sondern mussten sie
zum Ärger unserer Besucher vernichten. Unsere abgetragenen Kleider
fanden reissenden Absatz; kaum merkten die Leute, dass ich nur das
Notwendigste für die Reise zur Küste beiseite legte, als sie um ein
altes Beinkleid oder Jacket eine förmliche Belagerung veranstalteten.

Diese Begierde nach Kleidern hätte uns beinahe noch ein ernsthaftes
Unglück zugezogen; man hatte nämlich _Kwing Irang_ in Long Nawang ohne
mein Wissen seine letzte Jacke abgebettelt, wodurch der bejahrte Mann
in diesem rauhen Klima schwer erkrankte. Er hatte die Bitten nicht
abzuschlagen gewagt und mich auch um keine andere Jacke gebeten,
bis man mich eines Morgens zu ihm rief, weil er infolge einer
Erkältung an heftigem Fieber krank lag. Ich gab ihm sofort eines
meiner warmen wollenen Jagdhemden, in das er sich voll Wohlbehagen
einhüllte. Das half jedoch nichts gegen das immer heftiger werdende
Fieber, das sich als eine durch Erkältung hervorgerufene Malaria
erwies. Abgesehen von der Krankheit selbst verursachte auch der
Patient mir viele Schwierigkeiten, denn wie die meisten Häuptlinge
war auch er von Kind an sehr verwöhnt worden und hatte sich nicht
zu überwinden gelernt. So hatte sich _Kwing_ in der Regel nicht dazu
entschliessen können, eine unangenehme Medizin einzunehmen. Allerdings
war _Kwing_ so weit von Hause fort etwas fügsamer, als er aber anfangs
nach den Chininpillen leicht erbrach, liess er sich nur nach langer
Überredung dazu bewegen, die Arznei aufs neue einzunehmen. Es war
ein Glück, dass sein Sohn _Bang Awan_ und der Priester _Bo Bawan_
sich bei den Uma-Bom befanden. Die Kajan glaubten nämlich sogleich
an Verrat und Vergiftung seitens der Kenja und eine Erzürnung der
Geister von Apu Kajan und wollten daher ohne Zögern mit dem kranken
_Kwing_ den Fluss hinauffahren, um im Walde zu kampieren und den
Geistern zu opfern. Der Kranke, dessen Tod in diesem Augenblick
einen wahren Schlag für das Resultat meiner Reise bedeutet hätte,
befand sich beinahe fieberfrei, als die Seinen von den Uma-Bom
zurückkehrten. Immer wieder stellte ich diesen vor, wie gefährlich für
_Kwing_ ein Transport aus der gut geschlossenen _amin_ _Bui Djalongs_
in den nasskalten Wald werden könne, und es schien, als ob sie die
Richtigkeit meiner Worte einsähen, wenigstens blieben sie den ersten
Tag in Tanah Putih. Am zweiten jedoch verschwand _Kwing_ plötzlich
mit seinem ganzen Gefolge und ging am Ufer des Kajan hausen. Tags
zuvor hatten sie ihn nicht fortschaffen können, weil ein Toter noch
unbeerdigt war, so dass ich noch die Möglichkeit gehabt hatte, meinen
Patienten mit einer letzten Chinindosis gänzlich vom Fieber zu befreien
und ihm seinen normalen Appetit wiederzugeben. Der Rückfall, den ich
natürlich fürchtete, blieb jedoch aus, vielleicht dank den Arzneien,
der warmen Kleidung und den Verhaltungsmassregeln, die ich ihm mit
_Lalau_ nachsandte. _Kwing_ erklärte, sich genau an meine Vorschriften
halten zu wollen. Er beabsichtigte, mit seinem Gefolge langsam nach
Long Laja vorauszufahren und mich dort zu erwarten. Die Kajan holten
noch einen Teil meines Gepäcks, um mich nicht mit einer allzu grossen
Menge zurückzulassen. Es erwies sich, dass die Kenja trotz ihrer in
mancher Hinsicht viel freieren Auffassung sich doch sehr streng an
die Zeichen ihrer Vögel hielten, besonders bei dieser Reise in eine
ihnen feindlich gesinnte Gegend. Ich hörte, viele Niederlassungen
wollten sich an der Reise beteiligen, im Ganzen etwa 500 Mann, aber
jedes Dorf müsse seine eigenen Vögel suchen. Man glaubte für diesen
Zug nicht weniger als 10 verschiedene gute Vorzeichen nötig zu haben;
da weitaus die meisten in dieser Reihe ein böses Omen fanden, waren
sie stets wieder gezwungen, nach Hause zurückzukehren.

Als ich in Tanah Putih noch nichts von einem Vorzeichensuchen merkte
und _Bui Djalong_ darüber sprach, erklärte er, dem Anführer der
Männer, die mit mir gehen sollten, geraten zu haben, nicht selbst
auf die Vogelschau zu gehen, sondern sich derjenigen Niederlassung
anzuschliessen, der es gelungen wäre, günstige Vorzeichen zu
finden. Die jungen Leute wagten jedoch nicht, diesem Rat zu folgen,
und begannen auch von ihrem Dorfe aus auf die Vorzeichensuche zu
gehen. Sie hatten jedoch schlechten Erfolg und beschlossen daher doch
nach einigen Tagen, auf _Bui Djalongs_ Vorschlag einzugehen, weil
sie sich nicht wie die anderen Niederlassungen berechtigt glaubten,
bei einem schlechten Omen für immer heimzukehren. Einer über 70 Mann
starken Truppe aus Long Nawang war es gelungen, unter ständig guten
Zeichen über die Wasserscheide zu ziehen, und nun kehrte ein Teil
zurück, um mich abzuholen, während der andere im Gebirgswald blieb,
Böte baute und Guttapercha suchte, um diese später am Mahakam zu
verkaufen. _Bit_, der Schwiegersohn _Bui Djalongs_ und _Abing Djalong_
und _Ibau Anjè_, die Anführer von 80 Mann aus Tanah Putih, wollten
sich jetzt den Männern aus Long Nawang anschliessen. Da dies nur
unter günstigen Vorzeichen geschehen konnte, zogen sie eines Morgens
mit Sack und Pack auf die Suche aus. Anfangs ging alles nach Wunsch,
aber als sich einer der Teilnehmer an einem Ruheplatz im Fluss baden
wollte, begegnete er der rotköpfigen Schlange, worauf alle nach Hause
zurückkehrten und für einen Tag _melo_ eintrat. Als sie sich dann aufs
neue aufmachten, flogen zwar der _telandjang_ und der _hisit_ rechts
d.h. günstig auf, aber darauf trieb die Stimme des Rehs sie ins Dorf
zurück. Die Anführer hielten es jetzt nicht mehr für geraten, dass sich
so viele an der Reise beteiligten, und da _Bui Djalong_ durchaus nicht
wollte, dass die von Long Nawang mich allein begleiteten, beschlossen
4 Häuptlinge, trotz aller bösen Zeichen doch mit mir zu ziehen. Die
Vier versuchten nun, sich je zu zweien den vorausgereisten Männern von
Long Nawang anzuschliessen, was ihnen auch gelang, ohne bösen Zeichen
zu begegnen. Ihre früheren Reisegefährten wollten nur bis oberhalb des
Batu Plakau mitgehen, um uns über diese schwierige Stelle zu bringen;
obgleich viele von ihnen sich sehr darüber ärgerten, dass sie nicht
weiter mit durften, wagte doch keiner gegen die Warnung ihrer Geister
sich auf ein solches Unternehmen einzulassen.

Auch in den anderen Dörfern liessen sich die Bewohner nur mit Mühe von
der Reise zurückhalten. Nachdem die Männer von Uma-Djalan sich zwei Mal
auf den Weg gemacht und jedes Mal wegen eines schlechten _joh_ hatten
zurückkehren müssen, waren sie zu mir gekommen, um den Malaien _Lalau_
zu holen, in der Hoffnung, dass dieser imstande sein werde, ihre _joh_
günstig zu stimmen. Doch auch diese Gesellschaft hörte den _kidjang_
und musste auch nach 9 tägiger Reise mit 110 Mann zurückbleiben. _Taman
Ulow_ und einige andere, denen es eine Freude gewesen wäre, mich
auch auf der Rückreise zu begleiten, meldeten mir sehr verstimmt ihr
Missgeschick und liessen sich auch durch Geschenke nur halb trösten.

Unter allen diesen Enttäuschungen trat der 3. November ein, bevor man
mit dem Vorzeichensuchen so weit gefördert war, dass ich selbst an
eine Abreise denken konnte. _Bui Djalong_, der selbst nicht viel auf
Vorzeichen zu geben schien, ärgerte sich, dass die jungen Männer so
viel Wesens daraus machten, und zwang daher halbwegs einen Teil der
Männer, die noch mit dem Vorzeichensuchen beschäftigt waren, mich an
einem bestimmten Tage abzuholen. Ich selbst schickte meine Malaien
an das Ufer des Kajan voraus, um dort Hütten für uns zu bauen und
einen Teil des Gepäckes mitzunehmen. Nach Übereinkunft sollte _Ibau
Anjè_ mich am anderen Tage mit den Männern seines Hauses abholen,
hauptsächlich um unsere Sachen zum Fluss zu transportieren. Einige von
ihren Feldern zurückkehrende Männer erzählten uns, die von Uma-Djalan
ausgesandten Leute wären bereits so weit vorgerückt gewesen, dass
ihr Lagerplatz sich dicht unterhalb der Brücke über den Kajan befand.

Am letzten Abend war unsere Wohnung ständig voller Freunde und
Bekannten, die Abschied nehmen wollten und ihr Bedauern darüber
aussprachen, dass wir schon so bald wieder abreisten. In den letzten
Tagen machte sich in allen unseren Gesprächen die Abschiedstimmung
bemerkbar.

Früh am anderen Morgen erschienen bereits eine Menge Häuptlinge bei
uns, die sich alle verabschieden (_neat_) und ihren Kummer (_lewang_)
über unsere Abreise ausdrücken wollten. Einige blieben nur kurze Zeit,
andere länger, auch waren die Kinder wie immer sehr lebhaft, so dass
nur wenig Raum und Zeit übrig blieben, um an das Einpacken der Sachen
die letzte Hand anzulegen. Einige Frauen tauschten noch zuletzt etwas
Reis, Tabak und Eier gegen Perlen aus und erschöpften dadurch meinen
Perlenvorrat beinahe gänzlich. Die meisten älteren Frauen hatten Tränen
in den Augen und auch meine Scherze brachten kein Lächeln auf den
Gesichtern meiner besten Freundinnen zum Vorschein. _Bui Djalong_
und sein Bruder _Bo Anjè_ blieben bei uns, bis wir aufbrachen,
was erst um 9 Uhr geschehen konnte, weil die Kenja noch aus ihrem
Lager herunterkommen mussten. Ich begann bereits an ihrer Ankunft zu
zweifeln, als sie endlich erschienen, aber in geringerer Anzahl als
verabredet war, so dass viele kleineren Gepäckstücke noch unter die
Anwesenden zum Tragen verteilt werden mussten. Am schnellsten waren
die jungen Mädchen unter Anführung von _Dow_, _Bui Djalongs_ Tochter,
bei der Hand, um Tragkörbe zu holen und den Rest der Sachen in diese
zu verteilen. Sie verliessen in langer Reihe die Hütte, um alles
an den Fluss zu tragen. Auch unsere Malaien waren mit ihren Lasten
bereits vorausgegangen, so dass wir uns mit nur wenigen Begleitern
als Letzte auf den Weg machten.

_Bui Djalong_ drückte zu wiederholten Malen sein Bedauern darüber aus,
dass er wegen der Fehden mit den Uma-Alim und anderer Hindernisse
sein Land eben nicht verlassen konnte, um uns zu begleiten. Ich hatte
ihm und seiner Frau bereits am Tage vorher einen Abschiedsbesuch
gemacht; wie er mir jetzt beim Fortgehen die Hand drückte, fragte er
sehr bewegt, ob wir uns je wiedersehen würden. Er schien nur halb
getröstet als ich ihm sagte, dass es wohl noch einige Jahre dauern
werde, bevor ich wieder eine so grosse Reise unternehmen könne.



KAPITEL XV.

    Abschied von Tanah Putih am 4. November--Im Lagerplatz
    am Kajan--Wiederholter Aufenthalt durch schlechte
    Vorzeichen--Zusammentreffen mit den Kajan in Long
    Laja--Geologische Verhältnisse im Laja--Aussichtsposten
    auf der Wasserscheide--Abstieg zum Meseai--Aufenthalt wegen
    Hochwasser--Umschlagen eines Bootes im Kiham Puging--Jagd auf
    Wildschweine--Ankunft am Mahakam--Besuch bei _Barth_ in Long
    Iram--Abschied von _Kwing Irang_--Auflösung der Expedition in
    Samarinda--Ankunft in Batavia am letzten Dezember 1900.


Bei unserem Abzug aus der Niederlassung waren alle Bewohner auf den
Galerien versammelt, um uns fortgehen zu sehen. So stiegen wir schnell
zu der _kubu_ hinauf, von der aus wir vor zwei Monaten zum ersten Mal
Tanah Putih erblickt hatten und fanden dort die Malaien und jungen
Trägerinnen, die auf uns warteten. Von hier aus schickten wir alle
Kinder zurück, die uns vom Dorfe aus begleitet hatten. Da der Weg
bis zum Kajan nicht weit war, betrachteten wir mit Musse das Panorama
von Apu Kajan, bevor uns der dunkle Wald diesen Anblick ganz entzog.

Am Fluss boten uns einige alte Hütten der Kajan einen vorläufigen
Schutz gegen die Sonne und dort sassen wir inmitten unserer Trägerinnen
und anderer, die ihre Freunde, unsere Malaien, begleitet und zum
Abschied deren Körbe hatten tragen helfen. Die fröhliche Gesellschaft
bot ein sehr anziehendes Bild, das eine angenehme Erinnerung an unseren
Aufenthalt bei den gutherzigen Kenja zurückliess. Die bedrückten
Gesichter einiger unserer jungen Malaien und Bandjaresen bewiesen,
wie schwer ihnen der Abschied fiel; selbst der etwas blasierte
_Anang_, ein junger Mann, der bereits weit umhergeschweift war und
viel durchgemacht und auch diese Reise nur mit Widerwillen angetreten
hatte, vergoss zur Freude der Anwesenden viele Tränen bei der Trennung
von seinem Mädchen. Wahrscheinlich hatten alle diese Leute in ihrem
Leben noch nicht so viel aufrichtige Sympathie erfahren wie hier in
Apu Kajan. Erst gegen Mittag kehrten die meisten Mädchen ins Dorf
zurück und konnten wir unsere Hütten etwas einrichten lassen.

Am anderen Morgen machten uns unsere kleinen Freunde und Freundinnen
unter der Obhut eines alten Mannes _Piat Lawei_ wieder einen
Besuch und blieben, bis der Hunger sie um die Mittagszeit ins Dorf
zurücktrieb. An diesem Morgen waren die Männer von Tanah Putih mit den
beiden Häuptlingen _Bit_ und _Abing Djalong_ bereits vor Sonnenaufgang,
also vor dem Erwachen der Vögel, aufgebrochen, um von diesen keine
schlechten Vorzeichen zu erhalten. Sie liessen sich vorübergehend
in unserer Nähe nieder und berieten dort mit dem erfahrenen _Piat
Lawei_, wie sie die Hütte der Männer aus Long Nawang, ohne böse Omina
zu riskieren, erreichen könnten. Bei mir waren sie vorläufig sicher,
denn meine Trägerinnen hatten unterwegs für mich ein günstiges _joh_
gefunden. Als mein Hund Bruno abends fortlief, wahrscheinlich ins Dorf
zurück, boten sich sogleich einige junge Malaien an, ihn zu holen,
doch wollten sie erst am folgenden Morgen zurückkommen, was ich ihnen
auch erlaubte.

Am 6. November gingen die Kenja etwas höher am Fluss hinauf, um ihre
Hütte zu bauen und von dort aus ein Zeichen zu finden, das ihnen in
die Hütte der Männer aus Long Nawang einzutreten erlaubte.

An diesem Abend war unser zweiter Hund Putih ebenfalls ins Dorf
zurückgelaufen und wiederum baten mich viele Malaien, ihn holen und die
Nacht im Hause ihrer _sebilah_ zubringen zu dürfen. Ich gab nur wenigen
hierzu die Erlaubnis, um nicht mit zu kleinem Personal zurückzubleiben,
und weil ich fürchtete, die Malaien könnten zum Schluss noch Unruhe
in Tanah Putih stiften. Etwas später bemerkte ich jedoch, dass nicht
nur der Hund, sondern fast alle jungen Malaien weggelaufen waren und
diese Nacht nicht zurückkehrten.

Um grösserem Ungehorsam vorzubeugen, bestrafte ich die Schuldigen mit
einer Busse von 10 Gulden pro Mann und dem besten von ihnen, _Saïd_,
nahm ich das Gewehr ab, das er trug, und übergab es einem der älteren
Malaien, um ihn so von der Schwere seines Vergehens zu überzeugen. Die
Strafe war hart, aber mein Personal war nicht zuverlässig genug, um ihm
in dieser Umgebung ungebundene Freiheit gewähren zu können. Die Männer
konnten sich übrigens nicht über Einsamkeit beklagen, denn morgens
kamen eine Menge junger Mädchen ihre Freunde im Lager aufsuchen,
ausserdem stellten sich viele ältere Männer, Frauen und Kinder von
den Reisfeldern aus der Umgegend ein und gingen erst abends wieder
fort. Ein kleiner Junge brachte mir einen grossen Bambus voll _burak_,
süssen gegohrenen Reis, den ihm _Ungan_, seine 19 jährige Schwester,
die ich nach einer Hüftgelenkentzündung wieder zum Gehen gebracht
hatte, für mich mitgegeben, da sie selbst den weiten Weg zu mir noch
nicht zurücklegen konnte. Etwas Perlen hatte ich glücklicherweise noch
gespart, so dass unser Lager den Kindern noch besonders anziehend
vorkam; sie zwangen auch stets einige ältere Leute als Begleitung
zum Mitgehen. Dank der Freundlichkeit der Besucher genossen wir auch
noch hier in der Wildnis von den Leckerbissen, welche ein Kenjadorf
produziert.

Der Kajan stand an diesem Tage infolge eines heftigen Ungewitters,
das am Abend zuvor gewütet hatte, sehr hoch, das tröstete uns über
den Aufenthalt, denn die Kenja hätten uns an diesem Tage, durch ihre
Vogelschau aufgehalten, doch nicht weiter bringen können. Unangenehmer
war es, dass wegen des Hochwassers keine Fische gefangen wurden und
wir den Hauptbestandteil unserer Mahlzeiten missten.

Für den folgenden Tag war abgemacht worden, dass die Kenja uns in
ihre Hütte abholen sollten, wo sie bereits zwei Nächte verbracht, aber
doch wenigstens ein gutes Vorzeichen gefunden hatten. In Tanah Putih
wusste man von unserer Abreise, aber trotzdem kam früh morgens noch
ein kleines Mädchen mit ihrer Mutter, mich um etwas Perlen zu bitten,
und etwas später _Apui_, der kleine Bruder meiner Patientin _Ungan_,
der mir zum Abschied noch einen zweiten dicken Bambus mit _burak_
für die Reise brachte.

Gegen 10 Uhr kamen die Kenja herunter, um uns hinauf zu bringen. Die
Uma-Tow von Long Nawang ruderten uns aufwärts, während _Bit_ mit
den Leuten von Tanah Putih zum Dorfe weiterging, um ihren Reis für
die Reise abzuholen. Sie wagten jedoch nicht, die Niederlassung zu
betreten, weil ein Mann dort im Sterben lag und sie durch dessen Tod
zurückgehalten zu werden fürchteten.

Da man mich nur ein Stück weit den Fluss aufwärts gebracht hatte und
jetzt ein neuer Aufenthalt drohte, beschloss ich, die Malaien mit
so viel Gepäck, als sie mitnehmen konnten, voraus zu senden. Sie
machten sich am anderen Morgen in Gesellschaft der Kenja auf,
die ihren Reis voraustragen wollten, doch kehrten diese zurück,
nachdem sie die schlechten Prophezeiungen eines Vogels vernommen
hatten. Auch am anderen Tage, dem 10 Nov., sahen sie morgens bei
ihrem erneuten Versuch, mit ihrem Reis den Fluss hinaufzufahren, ein
schlechtes Vorzeichen, aber ich drang darauf, dass sie wenigstens
mich und mein Gepäck an diesem Tage weiter hinauf brachten, ihren
Reis konnten sie dann später hinaufschaffen. Glücklicherweise gingen
sie hierauf ein unter Leitung von _Ibau Anjè_ und den Männern von
Long Nawang, die bereits alle ihre guten Vögel gefunden hatten. Sie
brachten uns mit Hab und Gut bis oberhalb des Batu Plakau und zu meiner
Verwunderung transportierten sie auch ihren Reis bis unterhalb dieser
Wasserfälle, obgleich sie selbst in der Hütte weiter unten am Fluss
übernachteten. Sie schleppten auch noch ein Boot hinauf, in dem _Ibau
Anjè_ und _Lalau_ weiter fahren sollten, um _Kwing_ mit den Seinen
von unserer Ankunft zu benachrichtigen. Sie kehrten jedoch an diesem
Tage nicht wieder zu uns zurück, augenscheinlich hatten sie die Kajan
nicht mehr bei Long Danum gefunden, wo wir sie noch gelagert glaubten.

In der Frühe am folgenden Morgen begannen die Kenja ihren Reis den
Wasserfällen entlang hinaufzutragen, wobei einige von ihnen 4 Mal
den Weg zurücklegten. Das _joh_ war wieder ungünstig gewesen, daher
waren die Häuptlinge an der Stelle, wo sie es bemerkt hatten, einige
Landzungen weiter unterhalb des Landungsplatzes bei Batu Plakau,
zurückgeblieben. Man beabsichtigte jedoch am anderen Tag die Böte
über die Fälle zu ziehen.

Diejenigen, die bereits früher ein gutes Vorzeichen gefunden hatten,
stiessen sich an diesem Tage nicht an dem Misserfolg _Bits_ und seiner
Leute, sondern zogen mit ihren Böten bis oberhalb der Wasserfälle,
wo sie sich bei mir lagerten.

Unter all diesem Warten auf Vögel und Rehe hatten wir reichlich
Gelegenheit, unsere Umgebung zu studieren, aber unter dem Eindruck der
Heimreise nach der sehr langen Abwesenheit und des langen Zögerns der
Kenja wurde an ernster Arbeit nicht mehr viel geleistet. _Demmeni_
machte nur noch eine Aufnahme von dem merkwürdigen Bootsweg und ich
suchte einen Einblick in die Formation des Batu Plakau zu gewinnen,
von dem ich mehrere Gesteinsproben mitnahm. Abends kehrten _Lalau_
und _Ibau Anjè_ mit dem Bericht zurück, _Kwing_ und sein Gefolge
hätten bereits das Lager am Long Laja bezogen, der Häuptling und die
meisten seiner Leute befänden sich wohl, _Bang Awan_ wäre nochmals
bei den Uma-Bom Reis holen gegangen und die Kajan wollten mich am
anderen Tage abholen, da sie mit Ungeduld auf das Heimkommen warteten.

Am 12. November kamen in der Tat zwei Böte mit den Kenja aus
Tanah Putiti zu uns herauf, aber _Bit_, der dabei war, sagte, er
müsse noch dableiben und auf seinen Vogel warten, der vor ihm quer
über den Fluss geflogen war. Später hörte ich, dass er auch einen
schweigenden _teolao_, (_kidjang_) gesehen hatte, so dass er ernstlich
daran dachte, nach so vielen bösen Omina endgültig heimzukehren. Ich
erklärte ihm jedoch, unmöglich länger auf ihn warten zu können, weil
unser Reisvorrat bereits so weit geschmolzen war, dass er für unser
grosses Personal kaum noch genügte. Da auch die Kenja von Long Nawang
aus diesem Grunde sehr ungeduldig geworden waren, äusserte ich die
Absicht, mit diesen und den Kajan allein die Reise weiter fortsetzen
zu wollen. _Ibau Anjè_ war im Zwiespalt: er hatte früher unter guten
Vorzeichen die Hütte der Long Nawang erreicht, aber jetzt befand
sich sein Gepäck noch hinter der Stelle, wo sich das schlechte _joh_
gezeigt hatte, so dass er eigentlich umkehren musste. Mit Hilfe der
Kajan, die in der Tat eingetroffen waren, brachte man mein langes Boot
noch an diesem Abend über die Wasserfälle. Es befand sich jetzt eine
genügende Anzahl Böte über den Fällen, um weiterfahren zu können,
und als am anderen Morgen auch _Bang Awan_ von den Uma-Bom eintraf,
luden wir bis 10 Uhr morgens alles Gepäck in die Fahrzeuge und
fuhren den Fluss weiter hinauf bis 3 Uhr mittags, wo wir Hütten
der Kajan fanden, die nur einer Bedeckung mit Segeltuch bedurften,
um uns noch vor Einbruch der Nacht ein Asyl gewähren zu können. Wir
waren durch sehr flaches Land gefahren, an dessen Ufern nur hie und da
stark verwittertes Gestein blosslag, das regelmässige dünne Schiefer
zeigte, mit einem Fallen von 60°--90° nach Süden und einem Streichen
von 225°--242°. Bei dem niedrigen Wasserstande trafen wir nur wenige
schwache Stromschnellen, so dass der Fluss hier einen ganz anderen
Charakter als unterhalb Batu Plakau trug, wo der Fall sehr stark war.

_Bang Awan_ und _Anjang Njahu_ hielten es für notwendig, nachts bei
uns zu schlafen, um uns nicht allein unter den Kenja zu lassen, eine
durchaus überflüssige Massregel. Wir bemerkten noch an diesem Abend,
wie die Kenja die wenigen Fische, die sie gefangen hatten, uns zu
unserer Abendmahlzeit gaben, während die Kajan nur von ihrem Überfluss
mitzuteilen pflegten. Dass sie ihren Egoismus selbst empfanden,
bewiesen sie dadurch, dass sie über die geschenkten Fische und die
Kenja selbst gehässige Bemerkungen zu machen anfingen. Ich erfuhr
erst an diesem Abend, dass bei den Kajan, während sie bei Long Danum
lagerten, ein Mann gestorben war. Seinen Namen wollte man mir nicht
gern nennen, da ich ihnen vorhergesagt hatte, dass der Mann sterben
würde, falls sie ihn mit in den Wald nähmen, als _Kwing Irang_
aus Tanah Putih entfloh. Auch dieser Mann litt damals schwer am
Fieber, das etwas abzunehmen begann, als man ihn meiner Behandlung
entzog. Merkwürdigerweise wagte _Anjang Njahu_ zuzugeben, dass ihr
Landsmann durch ihre eigene Schuld gestorben war.

Der Wunsch, rasch vorwärts zu kommen, der alle beseelte, äusserte
sich darin, dass unser Geleite anderen Tags bereits vor Sonnenaufgang
gegessen hatte, dass wir unser Frühstück für später mit ins Boot
nahmen und die Flotte sich bereits um 6 Uhr in Bewegung setzte. In
ruhiger Fahrt ging es den Kajan aufwärts, bis wir gegen Mittag bei
Long Laja ankamen, wo wir im Kajanlager alles in Ordnung fanden. Man
schien zu fürchten, dass ich über ihre Flucht, den Tod des Mannes und
ihr eigenmächtiges Vorausfahren etwas bemerken würde, aber ich war
zu froh, schon so weit gefördert zu sein und _Kwing Irang_ gesund
anzutreffen, und schwieg daher. Wie ich im Lauf des Tages merkte,
hatte der Häuptling alle Mühe gehabt, seine Leute davon abzuhalten,
schnurstracks zum Mahakam weiterzuziehen und nicht auf mich zu warten,
unter dem Vorwande, dass ich die Kenja doch nicht schon nach zwei
Monaten verlassen würde. _Kwing_ hatte grösseres Vertrauen bewiesen
und war nun sehr froh, dass ich mich an die Vereinbarung gehalten
hatte. Abends langten _Bit_ und _Ibau Anjè_ in unserem Lager an; sie
wollten trotz der schlechten Vorzeichen die Reise doch wagen. Auch
diese beiden fürchteten, dass ich über die mannigfachen Hindernisse,
die sie mir in der letzten Zeit in den Weg gelegt hatten, zürnte;
so erklärte ich ihnen am anderen Morgen ausdrücklich, dass von
einem Zürnen nicht die Rede sei, weil ich mich sehr gut in ihre
Schwierigkeiten hineinversetzen könne. Die beiden Häuptlinge hatten
nicht gewagt, auch ihre Untergebenen trotz der schlechten Vorzeichen
mit auf die Reise zu nehmen, doch hatten sie diese nur mit Mühe zu
einer Rückkehr nach Tanah Putih bewegen können. Sie selbst fassten
jetzt den Zug als einen Kriegszug auf, bei dem sich die Kenja
nötigenfalls nicht an die Vorzeichen zu halten brauchten.

Am 15. Nov. holten Kajan und Kenja alles was an Gepäck und Reis
beim Batu Plakau zurückgeblieben war, in einem Tag herauf, während
unsere Malaien ihre Lasten den Laja hinauf bis auf die Wasserscheide
trugen. Mit _Kwing_ und einigen anderen verbrachten wir einen ruhigen
Tag im Lager, wo _Bang Awan_ uns abends mit einem Wildschwein, das
er erlegt hatte, ein gutes Mahl besorgte.

Unsere Kajan hatten augenscheinlich von den Kenja im gegenseitigen
Hilfeleisten etwas gelernt, denn zu meinem Erstaunen halfen sie _Bit_
und _Ibau_ auch noch am zweiten Tag ihren Reis von unten abzuholen;
vielleicht taten sie dies auch mit Rücksicht auf unseren sehr kleinen
Reisvorrat. Da auch die von Long Nawang in einem Boote mitfuhren,
liess die Eintracht zwischen den verschiedenen Teilen meines Personals
nicht viel zu wünschen übrig. Mit dem Rest der Kajan und Kenja und den
Malaien, die alle unser Gepäck tragen mussten, verliessen wir nun den
Kajan und zogen den Laja aufwärts. Gegen Mittag erreichten wir bereits
die Wasserscheide, _ngalang hang_, auf der ich die Zeit, die während
des Gepäcktransportes für uns übrig blieb, zu einer übersichtlichen
Aufnahme des Landes verwenden wollte. Wir zogen daher nicht weiter,
sondern liessen unsere Männer schnell ein Lager aufschlagen.

Ich hatte jetzt zur Untersuchung des im Laja blossliegenden Gesteins
mehr Musse als auf der Hinreise. Es bestand im allgemeinen aus
Schiefern, doch waren diese so verwittert, dass ihre Art nicht mehr
festzustellen war. Die Lagen strichen hier, wie auch im Kajan, von
Ost nach West, in derselben Richtung wie die Wasserscheide. Überdies
zeigten sie regelmässig einen Fall nach Süden. Mit den dünnen
Schiefern wechselten bis 1 dm dicke Schichten, von mehr sandigem
Aussehen, ebenfalls stark verwittert. Im allgemeinen weist die Art
des Vorkommens des Gesteins in dem von uns durchzogenen Gebiet darauf,
dass die Wasserscheide zwischen dem Mahakam- und Kajangebiet in diesem
Teile in der gleichen Richtung verläuft, wie die Gesteinslagen und
dass diese alle unter sehr grossen, aber sehr verschiedenen Winkeln
nach Süden abfallen. Hiermit steht vielleicht in Zusammenhang, dass,
während das wasserscheidende Gebirge sich nach Süden in zahlreichen,
gleichlaufenden Rücken senkt, dies im Norden nicht der Fall ist. Vom
Kajangebiet, also von Norden, sieht das Wasserscheidegebirge wie eine
hohe, steil ansteigende Wand aus, und einige Teile, wie der Telujön,
wo der Kedjin entspringt, gleichen einem Hochplateau, das steil nach
Norden abfällt. Die Kenja nennen es daher auch Lasan (Fläche).

Noch am gleichen Tage suchte ich von dem Gipfel eines benachbarten,
südlichen Nebenrückens aus eine Aussicht zu gewinnen oder
festzustellen, wie viel ausgehauen werden musste, um diese möglich
zu machen. Das Resultat war nicht ermutigend, denn wir standen
auch auf dem höchsten Punkt in hohem Walde und das Gelände erwies
sich als so flach, dass an ein schnelles Abholzen dieses Punktes
nicht zu denken war. Der daneben liegende, mehr östliche Rücken,
über den der Weg zum Meseai führte, versprach nur nach einer sehr
gründlichen Abholzung eine Aussicht nach Süden, und auch dann noch
blieb es fraglich, ob die vielen zum Oga hinablaufenden Rücken den
Ausblick nicht zu sehr beeinträchtigen würden. Daher beschloss ich
am folgenden Tage, einen Teil der Männer im Gipfel eines passenden
Baumes einen Aussichtsposten bauen zu lassen, während der übrige das
Gepäck weiter zum Meseai beförderte und dort blieb, um die Böte in
Ordnung zu bringen und nötigenfalls unsere Hütten auszubessern. Einen
Teil der Träger, vor allem die Malaien, liess ich jedoch wiederkommen,
damit nicht zu viel Gepäck zurückblieb. Sie stellten sich auch abends
wieder im Lager ein, aber äusserst ermüdet.

Gegen Sonnenuntergang lag eine prächtig helle Atmosphäre über
der Landschaft, die mich lebhaft bedauern liess, von dieser
seltenen Gelegenheit keinen Gebrauch machen zu können, weil der
Beobachtungsposten noch nicht vollendet war. Der hierfür ausgesuchte
Baum stand auf dem höchsten Punkt des Rückens und bot die Möglichkeit,
in 16 m Höhe eine Plattform zwischen seinen Ästen zu bauen, nachdem
die grössten entfernt worden waren.

Der Baum stand etwas geneigt über einem sehr tiefen Abgrund; da
sein schwerer Gipfel fortgenommen war, konnte er an Stelle desselben
sehr gut einige Menschen tragen, nur mussten diese das unangenehme
Gefühl überwinden, hoch in der Luft über der Tiefe zu schweben. Ein
geeigneterer Baum war jedoch nicht zu finden, ausserdem bot dieser
noch den Vorteil, dass zwei kleine Bäumchen, die sich an seinen
Stamm lehnten, sich als Seitenteile einer Leiter eigneten, an der nur
einige Sprossen befestigt zu werden brauchten, um den Baum bis auf
3/4 seiner Höhe besteigen zu können. Weiter oben mussten wegen einer
unbequemen Drehung des Stammes einige kleine Leitern schräg über
einander angebracht werden, was uns nicht akrobatisch veranlagten
und ausgerüsteten Europäern die Besteigung des Aussichtspunktes
etwas erschwerte.

Das Bauwerk kam mit Hilfe einiger Kenja und Malaien gut zustande,
und obgleich die Besteigung desselben einige Selbstbeherrschung
verlangte, war die Aussicht doch in hohem Masse genussreich, besonders
nach dem langen Aufenthalt unten im Walde, wo man sich auch in dem
interessantesten Gebiet mit der nächsten Umgebung zufrieden stellen
muss. Der Ausblick war nach verschiedenen Richtungen grossartig,
hauptsächlich zu beiden Seiten über die Wasserscheide; nach Süden blieb
der Blick jedoch, auch nachdem die wichtigsten der benachbarten Bäume
gefällt worden waren, beschränkt, weil sich nicht nur im Osten ein
hoher und vor allem langer Nebenrücken nach Süden hinzog, sondern
auch im Westen ein noch höherer und längerer erhob. Nach Aussage
der Kenja verläuft dieser Rücken zwischen dem Temha, der östlich,
und dem Oga, der westlich von ihm entspringt. Der Batu Pusing, auf
dem der Oga seinen Ursprung nehmen muss, war denn auch mit seinen
beiden kubusförmigen Gipfeln in nicht zu grossem Abstand im Westen zu
sehen. Diese beiden Rücken verschlossen die Aussicht nach Süd-Westen
und Süd-Osten und nur im Süden durften wir hoffen, abends einige Punkte
anpeilen zu können. Wir sahen auch in der Tat abends den Batu Ajow und
den Batu Lesong, aber in so grossem Abstand, dass ein Anpeilen von zwei
Punkten auf ihm wertlos gewesen wäre. Unser Versuch, die Wasserscheide
hier topographisch festzusetzen durch eine Aufnahme im Mahakamgebiete
mittelst direkter Peilung scheiterte also. Leichter war es eine
Übersicht über das Gebirge der Wasserscheide nach Osten und Westen zu
gewinnen. Nach Osten traf der Blick ein 1500-1600 m hohes Bergmassiv,
das sich zwar in nördlichen und südlichen Rücken fortsetzte, aber
doch mehr den Eindruck eines selbständigen Hochlandes machte. Dies
war der Batu Okang, auf dem nach Westen der Boh entspringt, nach
Norden der kleine Kajan oder Kajan Ok und, wie die Kenja behaupten,
der Tawang nach Süd-Osten.

In westlicher Richtung erhoben sich im Gebiet, wo der Kajan entspringt,
mehrere isolierte Gipfel und hinter diesen lag der schon genannte
Batu Pusing, der durch die eigentümliche Form seiner Gipfel, die
zwei Kuben bilden, von allen Seiten leicht erkennbar ist. Da wir uns
in relativ kleiner Höhe befanden, blieb der dahinter liegende Teil
der Wasserscheide mit dem Batu Tibang unserem Auge verborgen. Wohin
der Blick auch fiel, traf er einen ununterbrochenen Urwald; kein
einziger Felsen trat aus der finsteren, dunkelgrünen Masse hervor,
die nur durch die leicht gewölbte Oberfläche der höchsten Baumgipfel
und die Verschiedenheit der grünen Tinten einige Abwechslung bot. Mit
angstvollem Interesse sahen die Kajan und Kenja aus, ob nicht irgendwo
ein menschliches Zeichen zu sehen war, aber selbst kein Rauchwölkchen
unterbrach die feierliche Ruhe der Umgebung.

Von hier aus gesehen erschien auch das ganze Land von Apu Kajan als
ein nur mit Hochwald bedecktes Gebirge, über welches man eine gute
Übersicht genoss. Hauptsächlich trat das Stromgebiet des Nawang mit
dem dahinter liegenden hohen Gebirge in Form einer Pyramide mit sehr
breiter Basis gut hervor; desgleichen verschiedene andere Gipfel,
die wir von Tanah Putih aus gesehen hatten.

Des Abends langten bei uns noch einige Männer aus Long Nawang an
und brachten uns allerhand Neuigkeiten von den Kenja. Am meisten
interessierte es uns, dass _Ibau Anjè_ mit einigen Leuten unterwegs
war, infolge seiner schlechten Vorzeichen aber die Mündung des Laja
noch nicht erreicht hatte. Ferner war der Häuptling der Uma-Kulit,
der meinen Brief an den Radja nach Long Balaga, dem ersten Posten
von Serawak, gebracht hatte, von dort mit dem Bericht zurückgekehrt,
der dortige Befehlshaber habe nach Empfang meines Schreibens gesagt,
dass jetzt, wo der "Tuwan Dokter" in Apu Kajan sich befinde, der Radja
dort nichts mehr zu schaffen haben werde, also eine zweite für die
Kenja sehr beruhigende Nachricht. Zu den minder günstigen Berichten
gehörte, dass die Punan-Lisum in einem Nebenfluss des Batang-Rèdjang
die Besatzung zweier Böte der Batang-Lupar ermordet hatten und darauf
mit Weibern und Kindern ins Kedjingebiet geflohen waren. Wohin,
das wusste oder sagte man nicht.

Am 19. Nov. sassen wir des Morgens völlig in Nebel gehüllt und mussten
lange warten, bis er sich verzog, auch versprachen die Peilungen sehr
wenig Nutzen, so dass ich mit den neuangekommenen Uma-Tow aus Long
Nawang, die auch noch tragen helfen konnten, weiter nach dem Meseai
zu ziehen beschloss. Da ich den Landweg noch mit Handbussole und Uhr
aufnahm, dauerte mein Abstieg zu unserem Lager am Meseai etwas länger,
etwa 4 Stunden. Die Mannschaft begann sogleich die Böte in Ordnung zu
bringen; die zurückgelassenen Sachen fanden wir unbeschädigt wieder und
auch an unseren Böten hatte man sich nicht vergriffen, nur war ein Baum
umgestürzt und hatte dabei ein Boot zerschmettert. _Doris_, der mit dem
ersten Vortrupp sogleich bis hierher durchmarschiert war, zeigte mir
triumphierend eine _Bang-e-u_, ein stahlblaues Huhn mit ganz weissem
Schwanz, das wir auf dieser Reise noch nicht hatten fangen können. Das
Tier war von der gegenüberliegenden senkrechten Uferwand in den Fluss
gestürzt und, während es durchnässt das Ufer hinaufzulaufen versuchte,
von unserem Hunde Putih gepackt worden. Die leuchtende Schönheit dieses
Bewohners unserer finsteren Umgebung wirkte auf alle sehr ermunternd,
und selbst der gleichgültige _Doris_, der wie wir alle nach dem Ende
der Reise schmachtete, machte sich doch mit Eifer an die Präparation
des Balgs, obgleich das Trocknen sehr viele Schwierigkeiten verhiess.

Bereits bei der Mahlzeit merkten wir, dass wir uns wieder im
fischreichen Mahakamgebiet befanden, denn die Kenja brachten uns
einige schöne Exemplare. Sie hatten ihre neuen Böte beinahe ganz
fertig gestellt und waren die letzten zwei Tage von den Kajan bei
der Arbeit gut unterstützt worden, was ich von diesen nur auf den
eigenen Vorteil bedachten Leuten kaum erwartet hatte.

Den 20. Nov. stellten sich des Morgens früh 35 Mann der Long-Nawang,
die Guttapercha gesucht hatten, aus dem Walde bei uns ein und boten
mir einige schöne Stücke als Willkommgruss an. Ich suchte jedoch nur
ein Stück als Muster aus und gab ihnen den Rest zurück, damit sie ihn
am Mahakam verkauften. Da sie uns aber durchaus eine Freude bereiten
wollten, zogen sie wieder in den Wald und stellten einige Bretter
als Unterlagen für unsere Matratzen her, wie ihre Häuptlinge sie
zum Schlafen benützen. Abends brachte _Bang Awan_ ein Schwein von
der Jagd heim und am anderen Tage glückte es _Abdul_, den ich, um
einige seltene Pflanzen zu sammeln, den Berg hinaufgeschickt hatte,
ein zweites Schwein zu erlegen. Zu ihrer grossen Freude gab ich den
Kenja die Vorderhälfte der Tiere und liess das übrige Fleisch als
Reisevorrat für uns räuchern und das Fett als Bratspeck auskochen,
weil das Kokosnussöl, das wir hier zurückliessen, ranzig geworden war.

Die Kajan fühlten sich augenscheinlich in einem Kreise, in dem man
einander so freigebig aushalf, beschämt, wenigstens zog _Kwing_
mit den Seinen nach der Mündung des Meseai voraus, um mein grosses
Boot, das wir dort im Walde verborgen hatten, zu Wasser zu lassen
und nötigenfalls auszubessern.

Den 22. sandte ich _Delahit_, _Lalau_ und einen dritten Malaien,
_Tagap_, aus, um nachzuforschen, wo _Ibau_ und _Bit_ mit ihrem _joh_
geblieben waren, ob sie sich auf den Heimweg gemacht hatten oder
langsam herauf zogen, da die Kenja mit ihren Böten zur Abfahrt beinahe
fertig waren. _Taman Tanjit_, der Häuptling der Männer von Long Nawang,
bereitete sich auch darauf vor, den grossen Geist, der in diesem Gebiet
zwischen Mahakam und Kajan hauste, von seinem geplanten Zug mit uns
den Fluss abwärts zu benachrichtigen. Der Geist hiess _pelaki_ und
alle, die von Apu Kajan aus hier vorüber reisten, riefen ihn an und
opferten ihm. Auch _Taman Tanjit_ spendete ihm am folgenden Tage mit
den Seinen ein Opfer, wonach er sich zur Abfahrt bereit erklärte.

Abends kam auch _Delahit_ mit einem Kenja zurück und meldete, dass
sie _Bit_ und _Ibau_ auf dem Laja begegnet wären, und dass diese
uns mit 8 der ältesten Männer auf Befehl _Bui Djalongs_ trotz ihrer
schlechten _joh_ folgen mussten. Sie führten jedoch so viel Reis und
anderes Gepäck mit, dass sie nur langsam über Land vorwärts kamen
und daher um Hilfskräfte baten. _Lalau_ und _Tagap_ waren bei ihnen
geblieben. Da die Kenja, nachdem sie bereits mit dem Geist _pelaki_
gesprochen hatten, nicht mehr über die Wasserscheide zurück durften,
sandte ich den Zurückgebliebenen 9 Malaien, die sich hierzu voller
Eifer bereit erklärten. Sie mussten am 28. jedoch bis über die
_ngalang hang_ zurückgehen, bis sie der Gesellschaft begegneten,
daher langten sie mit dieser erst abends bei uns an. _Bit_ und _Ibau_
boten uns bei ihrer Ankunft von neuem ein Geschenk an, zwei grosse
Packen Reis, die uns sehr zu statten kamen, da das viele Warten auf
allerlei Umstände und Menschen meinen Vorrat beinahe erschöpft hatte.

Das Wasser stand am 25. infolge vieler Regengüsse eigentlich zu hoch,
doch unternahmen wir trotzdem die Talfahrt auf dem Meseai. Ich hatte
die Kajan hiervon über Land benachrichtigen lassen, daher erwarteten
sie uns alle oberhalb des Gesteinschaos an der Mündung, über welches
die Böte nur mit vieler Mühe zu bringen waren. Zum Glück half der hohe
Wasserstand, doch erforderte mein langes Boot trotzdem noch die Hilfe
des ganzen Personals. Im Meseai bestand das Gestein, wie nördlich von
der Wasserscheide, aus Schiefem, die nach West-Ost strichen und nach
Süden fielen. Nur bei der Mündung lag dazwischen eine mehr als 50 m
dicke Sandsteinschicht mit demselben Streichen und Fallen. Die Blöcke
dieser Schicht versperrten den Fluss und verursachten die Wasserfälle.

Unterhalb der Meseaimündung lagen die Böte der Kajan bereits fertig
gepackt, daher ging es sogleich weiter. Auch _Bit_ und _Ibau_
zogen gleich mit, da wir sie mit den Ihren in mehrere Böte hatten
verteilen können. Infolge des sehr hohen Wasserstandes im Temha waren
sehr viele Schnellen unsichtbar, aber das Wasser trug uns mit grosser
Geschwindigkeit über sie hinweg, nur war in dem engen Fahrwasser eine
besondere Aufmerksamkeit und Anstrengung des Bootsvolks erforderlich.

Um 2 Uhr gelangten wir an eine Stelle, genannt Long Seripa,
die einzige, an der wir den Kenja zufolge an diesem Tage würden
lagern können, und so mussten wir uns zum Aufschlagen des Lagers
entschliessen. Nachts regnete es heftig und der Fluss stieg so
stark, dass wir nicht weiterfahren durften und daher einen Tag liegen
blieben. Gegen 1/2 11 Uhr hörten wir von oben ein Geräusch und gleich
darauf schossen die Böte der Männer von Long Nawang in beängstigend
schneller Fahrt an uns vorüber und legten an der Flussmündung bei
uns an. Die Männer waren am Tage vorher bei unserer Abreise in den
Wald gegangen und hatten uns daher nicht folgen können, doch hatten
sie aus Furcht, dass wir ohne sie durchfahren würden, die Fahrt trotz
des Hochwassers gewagt.

Auch am 27. war der Fluss noch sehr hoch und an eine Abfahrt nicht
zu denken. Die Kenja von Tanah Putih wollten diesen Aufenthalt zum
Bau eines Bootes benützen, als sie aber zu diesem Zweck in den Wald
zogen, begegneten sie einem _hisit_, der links von ihnen pfiff, und
kehrten wieder um. Eine halbe Stunde darauf zogen sie von neuem aus
und fällten einen Baum, aber bei seinem Sturz vernahmen sie wiederum
ein ungünstiges Zeichen, und so liessen sie den Baum liegen und gaben
den Bootsbau auf. Ich versprach ihnen zur Beruhigung meine besten Böte,
mit denen sie später den Fluss wieder hinauffahren konnten.

Die Kenja traten hilfsbereit auch _Bo Bawan_ und den Seinen eine
grosse Menge Reis ab, da deren Vorrat erschöpft war.

Am folgenden Tag hielt der hohe Wasserstand zwar noch an, aber nicht
mehr so stark als vorher und ich beschloss, die Fahrt zu riskieren, da
auch _Kwing_ dafür war. Zuerst fuhren einige Kenja hinunter, um einige
gefährlich liegende Bäume durchzuhacken und wegzuräumen. Unterdessen
hatten wir unsere Böte gepackt und fuhren unter heftigem Protest
seitens _Bits_ und _Ibaus_, die niedrigeres Wasser abwarten wollten,
ebenfalls ab. Bald zeigte es sich, dass einiger Grund zur Besorgnis
vorhanden war, denn dies war die gefährlichste Fahrt, die ich je
mitgemacht hatte. Das sehr heftig strömende Wasser schleuderte die
Fahrzeuge bei jeder Flusswendung gegen die vorspringenden Felsblöcke,
und das Boot von _Taman Sulow_, in das man mich gesetzt hatte, weil man
es für das sicherste hielt, wurde immer wieder mit Wasser übergossen
und ich bis zur Mitte des Leibs durchnässt. Des Morgens hatte niemand
mich in seinem Boote haben wollen, die Kajan, weil sie das Fahrwasser
nicht kannten, die Kenja, weil sie die Verantwortung, die der Transport
meiner Person ihnen auferlegte, zu schwer fanden. Nur _Taman Sulow_,
ein junger, forscher Kerl, hatte sich endlich bereit gezeigt, das
Wagstück zu unternehmen. Nach langer Beratung wurde beschlossen,
dass beim Kiham Puging, dem gefährlichsten Fall, alle Böte mit
grosser Schnelligkeit auf einen bestimmten Punkt lossschiessen
sollten, so dass sie sich an der Stelle, wo hohe Wellen zu beiden
Seiten die niedrigen Fahrzeuge zu überschlagen drohten, nur einen
Augenblick wie unter Wasserbögen befinden sollten. Mit allen Böten
lief es gut ab; zwar schlug das Wasser hinein, aber infolge der grossen
Geschwindigkeit der Fahrt so wenig, dass es durch Ausschöpfen entfernt
werden konnte. Nur ein Kenjaboot, das man zur Sicherheit hinten
am Steven mit einem Rotang vom Ufer aus fest hielt, verlor dadurch
bei der Fahrt an Geschwindigkeit, füllte sich in einem Augenblick
mit Wasser und sank. Die Mannschaft sprang sogleich ins Wasser und
suchte das Boot an einer ruhigen Stelle unter Wasser gerade zu halten,
damit die Ladung nicht herausfiel und verloren ging. Die vielen Böte,
die hier abwarteten, wie die anderen über den Fall schiessen würden,
waren sogleich zur Stelle, um zu helfen, doch glückte das Geradehalten
nicht, der schwerste Teil der Ladung, Reis und Eisenwerk, glitt in den
Fluss und war verloren. Die im Boot befestigten Tragkörbe mit Inhalt
wurden gerettet, doch waren sie voll Wasser gelaufen. Zwei meiner
Blechkoffer, die sich in diesem Boot befanden, wurden sogleich aus
den Körben herausgeholt und in anderen Böten untergebracht, doch
hatten auch sie stark von der Nässe gelitten.

In kurzer Zeit war das Boot von der befestigten Ladung befreit
worden; die Bemannung entfernte das Wasser aus demselben durch Hin-
und Herschaukeln, so dass die Ränder bald herausragten, dann wurde der
Rest ausgeschöpft und das Boot war wieder fahrbar. Das nasse Gepäck
wurde wieder hineingeladen und dann ging es fort in schneller Fahrt. Es
war ein aufregender Anblick, wie die Böte durch die hoch aufgestauten
Wellen schossen, getrieben durch die beinahe verzweifelten Ruderschläge
der Bemannung. Als wir selbst hindurch mussten, sah ich nur einen
Augenblick zu beiden Seiten eine grosse aufbrausende Schaummasse gegen
hohe schwarze Felsen schlagen und dann lag alles hinter uns und wir
wandten alle Aufmerksamkeit darauf, weiter unten nicht voll Wasser zu
laufen oder an den Uferfelsen zerschmettert zu werden. Etwas weiter,
wo der Fluss sich durch einen Spalt zwängte, waren kurz vorher einige
Bäume hineingestürzt und mussten weggeräumt werden. Diese Arbeit hielt
uns etwas auf, aber um 2 Uhr legten wir doch bei unserem früheren
Landungsplatz Long Krengo an, wo die Kenja ihre nassen Körbe und
_Doris_ seine Koffer mit Vogelbälgen untersuchte. Zum Glück enthielten
diese Kisten keine Gesteine, sonst wären sie unfehlbar gesunken. Es
waren trotz des Liegens im Wasser nur wenige Tropfen eingedrungen,
weil wir alle Ritzen mit _pakal_, Harzpulver und Petroleum, verklebt
hatten. Nur einige Papiere um die Vogelbälge mussten erneuert werden.

Obwohl es abends regnete, war das Wasser am anderen Morgen doch etwas
gefallen. Die Kenja wollten zwar auch jetzt lieber nicht abfahren,
doch entschlossen sie sich schliesslich dazu, aus Furcht, dass wir
in diesem engen Flüsschen, in dem jeder Regenfall oben ein hohes
Steigen des Wassers bewirkte, völlig abgeschlossen würden. Anfangs
wiederholte sich die Fahrt vom vorigen Tage; ständig hohe Wellen und
kleine Wasserfälle, die bei der sehr schnellen Hinabfahrt, besonders
bei den zahlreichen Windungen, grosse Achtsamkeit erforderten; auch
verursachten die vielen in diesen Bergspalt gestürzten Bäume immer
wieder einen Aufenthalt. Beim Kiham Tandjow widersetzte ich mich
anfangs, dass die Kajan ihn mit ihren Böten hinabfuhren (_lawu_), da
ich ein ernstliches Unglück fürchtete, aber die geschulte Mannschaft
sah sich die hohen, langen Stromschnellen mit einigen Wasserfällen
darin erst gut an und fuhr dann unerschrocken über sie hinweg. Die
Kenja wagten ihnen das Stück nicht nachzutun; sie bewiesen übrigens auf
der ganzen Reise, dass sie den Kajan zu Wasser nicht so überlegen waren
wie zu Land, was wohl damit zusammenhängt, dass ihre hoch gelegene
Heimat mit den kleinen Flüssen ihnen weniger Gelegenheit bietet,
sich mit dem Wasser vertraut zu machen als den Kajan, die sich beinahe
ausschliesslich zu Wasser bewegen. Diese hatten denn auch allen Grund,
bei der Ankunft jedes ihrer Böte, das den letzten Fall hinunterschoss,
in lautes Jauchzen auszubrechen.

Weiter unten wurde der Fluss etwas breiter und um 12 Uhr fuhren wir
in den Oga ein, wo wir uns nach Kenjasitte auf einer Schuttbank bei
einem Mahl von der ausgestandenen Angst und Ermüdung erholten. In
diesem breiteren Tal genossen wir ungemein das grössere Stück Himmel,
das zu sehen war, und dessen strahlende Sonne unsere durchnässten und
steif gewordenen Männer erwärmte. Der Oga war jetzt auch viel höher
als bei unserer Hinfahrt und das Wasser strömte schnell und sehr wild
hinunter, aber jetzt war die Gefahr, gegen felsige Ufer oder gestützte
Bäume geschleudert zu werden, nur gering. Bei der Abfahrt ging _Bang
Awan_ mit seinem Boot voraus, um Wildschweine zu schiessen, falls
sich welche am Ufer zeigten. Da unsere Mannschaft die Böte mehr in
der richtigen Lage zu halten als fortzubewegen hatte, machten sie nur
wenig Geräusch, das überdies noch durch das Toben des Flusses gedämpft
wurde. Wir hörten denn auch sehr bald in der Ferne einige Schüsse
knallen und freuten uns auf den Schweinsbraten zur Abendmahlzeit,
doch bekamen wir nur das enttäuschte Gesicht des Schützen zu sehen,
der zwei grosse fette Schweine auf kurzen Abstand gefehlt hatte. Er
bat mich denn auch, seinen Posten zu übernehmen, da wir sicher noch
andere Wildschweine treffen würden, die durch diese Gegend zu ziehen
schienen; die ganze Flotte blieb liegen, um mir einen Vorsprung zu
lassen. Die Schweine schienen, wie bei _Demmenis_ Aufenthalt bei den
Wasserfällen im Mahakam, auch jetzt auf einer Wanderung in eine andere
Gegend begriffen zu sein, denn nach kurzer Fahrt entdeckten meine
scharfsichtigen Ruderer in der Ferne eine Truppe am Ufer. Wir befanden
uns auf einem sehr bewegten Teil des Flusses, wo sich bei niedrigem
Wasserstande eine grosse Stromschnelle bildete, aber trotzdem duckten
sich die Ruderer auf den Boden des Bootes nieder, um mich ungehindert
schiessen zu lassen und ich schaukelte aufrechtsitzend den Schweinen
schnell entgegen. Diese hatten Unruhe gewittert oder sich zufällig
vom Wasser in das Ufergebüsch zurückgezogen, nur ein sehr grosses
altes Schwein hatte sich uns zugekehrt und starrte uns an. Obgleich
mein 9 kalibriges Winchester Repetiergewehr zur Schweinejagd nicht
besonders geeignet war, brachte ich es auf etwa 100 m doch ruhig
an die Schulter, zielte auf den Kopf des Tieres, und liess das Boot
bis etwa auf 60 m herantreiben. In einem ruhigen Augenblick drückte
ich los, das neugierige Schwein fiel um und zappelte bereits mit
den 4 Pfoten in der Luft, bevor wir es erreichten. Meine Ruderer
jauchzten aber noch nicht, sondern riefen: "_djuwe, djuwe_!" (noch
ein Mal!) und so brachte ich mein Gewehr schnell wieder an die
Schulter. Im Vorbeifahren bemerkte auch ich noch einige Schweine unter
den Uferbäumen und feuerte wegen der grossen Schnelligkeit, mit der
das Boot sich fortbewegte, einigermassen auf gut Glück einen Schuss
ab. Zwei meiner Ruderer sprangen im nächsten Augenblick ins Wasser,
schwammen ans Ufer und stürmten in das Gebüsch, aus dem der eine bald
wieder mit einem blutigen Schwert hervorkam, mit dem er dem zweiten
Opfer den Garaus gemacht hatte. Meine Kugel hatte das erste Schwein
dicht über der Schnauze ins Gehirn getroffen, was den plötzlichen
Tod des Tieres erklärte, während das zweite nur durch eine Kugel im
Rückgrat am Weiterlaufen verhindert worden war. Die Freude unserer
140 Mann zählenden Reisegesellschaft über das köstliche Abendgericht
war gross, nicht geringer war das Erstaunen und Entsetzen der Kenja
über die Wirkung der zwei Schüsse meines kleinen Gewehrs.

Die Tiere wurden eilig in die Böte geladen und dann flog unsere
Flotte wieder übers Wasser, das uns mit grosser Schnelligkeit an
unseren Lagerplatz an der Ogamündung brachte. Die Kajan fanden ihren
Reis dort in unverletztem Zustand wieder und begannen in Überfluss
zu schweigen. In den letzten Tagen hatten die Kenja ihren ganzen
Reisvorrat, der auch für die Rückreise hatte dienen sollen, mit uns
geteilt, ohne dass von einem Verkauf die Rede war, nur auf mein
Versprechen hin, dass ich sie am Mahakam mit neuem Reis versehen
wollte. Die Kajan fanden die Handlungsweise der Kenja sehr dumm und
vertrauensselig und lachten sie deswegen aus, doch liessen sie sich
deren vorzüglichen Reis trotzdem trefflich munden.

Am anderen Morgen konnten wir nicht weiter, weil ein bestimmter Felsen
an der Ogamündung nicht aus dem Wasser hervorragte, ein Beweis, dass
das Wasser zu hoch stand, um den Boh mit seinen Wasserfällen ohne zu
grosse Schwierigkeiten hinunterfahren zu können. Die Kajan und, trotz
unserer Sehnsucht nach Hause, auch wir anderen fühlten ein lebhaftes
Bedürfnis nach einem Ruhetag und einer körperlichen Stärkung durch
Reis mit Schweinefleisch.

Das langsam sinkende Wasser ermöglichte am 1. Dezember eine ruhige
Hinabfahrt. Der bewusste Felsblock ragte etwas über die Wasserfläche
vor und prophezeite daher eine glückliche Reise. In der Tat boten
sich keine besonderen Schwierigkeiten, nur mussten wir uns nach
überschwemmten Felsen und Wirbeln im Strom umschauen, doch sind
diese beim fallenden Wasser viel ungefährlicher als bei steigendem
von gleicher Höhe. Selbst die grossen Stromwirbel zwischen den roten
Jaspisfelsen im Kiham Batu Blah (roter Stein) erschienen den Kajan
jetzt nicht gefährlich; sie bugsierten ihre vollgeladenen Böte mit
Geschick durch sie hindurch, gefolgt von den Kenja und Malaien. Sie
rieten mir zwar, bis zum unteren Teil des Kiham Hulu über Land zu
gehen, wagten aber selbst sogar die obere Hälfte dieser Fälle mit
voller Ladung hinabzufahren, ein grossartiges Schauspiel, das wir
von einigen sehr hohen Felsen herab genossen. Beim untersten, viel
kürzeren Teil der Fälle mussten die Böte vollständig ausgeladen und
leer hinuntergelassen werden. Da viele Männer vorhanden waren und
nur wenig Gepäck, ging die Fahrt von hier an schnell von statten, und
voller Hoffnung, an diesem Tage noch Long Deho zu erreichen, fuhren
wir den jetzt sehr breiten und beinahe zu sonnigen Fluss hinunter. Die
Mannschaft, die von meiner Büchse einen neuen Schweinsbraten erhoffte,
liess mein Boot auch jetzt wieder an der Spitze der Flotte fahren. Die
vor uns liegenden Ufer waren wegen der Breite des Flusses bereits
auf grossen Abstand zu übersehen und bald bemerkten wir auch vor
uns am rechten Ufer eine Schweineherde, die übers Wasser schwimmen
wollte. Meine Ruderer liessen sogleich wieder das Boot treiben
und duckten sich hinter den Bootsrändern nieder, während ich mich
unbeweglich hielt. Die eine Hälfte der Truppe ging nicht ins Wasser,
nur eine grosse Sau mit drei halb erwachsenen Jungen verliess den
Uferwall; sobald sie etwa 1/3 des hier ungefähr 100 m breiten Flusses
erreicht hatte, begann die Mannschaft mit aller Macht zu rudern,
um ihr den Weg abzuschneiden. Die Tiere leisteten ihr Äusserstes,
um vor uns das andere Ufer zu erreichen und bei der Aufgeregtheit
meiner Ruderer und dem Schwanken des Fahrzeugs erschien mir ein
erfolgreicher Schuss unmöglich. Als wir uns den Tieren näherten,
krochen diese gerade das Ufer hinauf; da alle Ruderer aufsprangen, um
zuerst an Land zu sein, musste ich mit grosser Vorsicht schiessen. Ich
feuerte 2 Mal auf die Sau. Beim zweiten Schuss zuckte sie zusammen,
verschwand aber doch noch mit den Jungen im Uferwald. Meine Kajan,
die ihr folgten, erzählten bald darauf, die Sau sei sehr bald tot
niedergefallen und einer von ihnen habe auch noch eines der Jungen
mit dem Schwert getötet, so dass wir jetzt wieder reichlich mit
Fleisch versehen waren. Etwas weiter unten schoss ich nochmals auf
ein Schwein, doch fiel es nicht sogleich nieder und wir hatten keine
Zeit, es zu verfolgen. So gelangten wir bereits um 1 Uhr an unseren
alten Lagerplatz bei der Bohmündung. Die Kajan wollten hier nochmals
kochen, wir aber fuhren mit den Kenja weiter, um noch Long Deho zu
erreichen, wo wir in der Tat um 1/2 4 Uhr anlangten. Das letzte Stück
hatte viel Zeit gekostet, weil die Männer wegen der Hitze die Böte
von der Strömung hinabtreiben liessen statt zu rudern.

In Long Deho hatten sich die Bewohner inzwischen mit Eifer daran
gemacht, die alte _kubu_, die man mir früher so oft zum Aufenthalt
angewiesen hatte, durch eine neue zu ersetzen, wie sie sagten, um den
Kontrolleur, falls er herauf kam, würdig aufzunehmen. Die Anlage des
ganzen Hauses schien in der Tat auf einen derartigen Empfang berechnet
zu sein, dafür sprachen die Grösse und die sorgfältige Ausarbeitung
des halbfertigen Gebäudes. Wir konnten in ihm jedoch noch nicht
übernachten, weil nur ein kleiner Teil gedielt war; unsere Malaien
richteten daher in einem von Kahajan und anderen Waldproduktensuchern
bewohnten Hause einen Raum für uns ein.

Der gute Erfolg unseres Zuges erfüllte manche Bewohner von Long Deho
mit gemischten Gefühlen. _Ibau Adjang_ und _Lawing_ begrüssten mich
anfangs sehr herzlich, nachdem sie sich aber bei mir niedergesetzt
hatten, verfinsterten sich ihre Gesichter mehr und mehr und sie sahen
mit angstvollen und scheuen Blicken zu mir auf. Dass uns einige der
angesehensten Kenjahäuptlinge begleiteten, war ihnen sehr unerwünscht,
da sie diese jetzt nicht mehr als Bundesgenossen gegen die weiter
unten lebenden Stämme, die unter unserem Schutze standen, ausspielen
konnten. _Ibau_ drückte überdies auch die ziemlich hohe Schuld, die er
bei mir durch den Einkauf von Rotang gemacht hatte und nicht bezahlen
konnte. Auch _Bang Jok_ fühlte sich verpflichtet, mir seine Aufwartung
zu machen, doch war er jetzt nicht mehr imstande, sein Missvergnügen
wie bei früheren Gelegenheiten zu verbergen. Er war sehr bleich,
wagte die Augen beinahe nicht aufzuschlagen und äusserte kaum ein
Wort. Auch die Kenjahäuptlinge, die sich bei uns aufhielten, brachten
ihn nicht zum Sprechen. Ich gab den Menschen Zeit, sich von ihrem
Erstaunen zu erholen, und traf die notwendigen Anordnungen zu unserer
Abreise am anderen Morgen. Darauf vertiefte ich mich mit _Demmeni_ in
die Briefe und Zeitungen, die uns hier erwarteten. Unterdessen zogen
einige Malaien zum Hause der Uma-Wak, um mein grosses Boot zu holen,
das sie dort vor unserer Abreise nach Apu Kajan an Land gezogen und
unter der Wohnung festgebunden hatten. Das über 20 m lange Fahrzeug
befand sich im besten Zustand und, nachdem sie die Bretter der Reeling
(_rambin_), von denen kein einziges fehlte, mit Rotang angebunden
hatten, war das Boot bereits abends wieder fahrtbereit.

Die Frauen im Hause des verstorbenen _Adjang Ledjü_ drückten ihre
Freude über meine wohlbehaltene Rückkehr unverhohlen aus; sie wussten,
dass ich es gut mit ihnen meinte, waren daher nicht bang und gaben
sich nicht mit Politik ab. Von der grossen Menge Gepäck, die wir ihnen
zur Aufbewahrung anvertraut hatten, fehlte nichts und war auch nichts
beschädigt worden. Aus Furcht vor einem Brand hatten sie das Feuer
auf dem Herde, sobald nicht mehr gekocht wurde, stets ausgelöscht,
während sie es sonst sogar nachts fortglimmen lassen. Mit allerhand
übrig gebliebenen Dingen machte ich der Familie noch eine Freude, nur
die Regelung von _Ibaus_ Schuld verursachte einige Schwierigkeiten. Er
besass entweder wirklich nichts oder wollte nichts geben, so dass ich
mich schliesslich mit einem alten Gewehr zufrieden stellen wollte,
das _Georg Müller_ gehört haben sollte. Obgleich das Gewehr ganz
wertlos war, glaubte _Ibau_ es gelegentlich doch für ein anderes,
brauchbares austauschen zu können und war zur Abtretung desselben nur
schwer zu bewegen. Am folgenden Morgen bei der Abfahrt brachte er
es mir aber doch, denn er war zu anständig, um bei mir eine Schuld
zu hinterlassen, die ich doch nie mehr hätte einlösen können. Das
Gewehr übergab ich später dem Museum von Batavia.

Trotzdem die Dorfbewohner ihre unangenehmen Empfindungen bei unserer
siegreichen Heimkehr nicht ganz verbergen konnten, liessen sie es im
Verkehr mit uns an Freundlichkeit nicht fehlen.

Die Familie _Bang Joks_ äusserte, wie früher bereits öfters, ihren
praktischen Sinn, indem sie uns als Willkommen mit Zucker, Thee,
Butter u.s.w. versah, Dingen, die wir bereits so lange entbehrt hatten.

Im Übrigen herrschte aber wieder Reisnot im Dorf und für unsere
grosse Gesellschaft waren nicht genug Nahrungsmittel aufzutreiben; am
anderen Morgen erregte uns daher allgemeine Freude, dass das Wasser
nicht höher gestiegen war und uns daher eine bequeme Fahrt abwärts
versprach. Unsere Reisegenossen hatten bereits sehr früh ihre eigenen
Böte geladen und begannen sogleich auch die meinigen in Ordnung zu
bringen, so dass wir bereits um 7 Uhr reisebereit waren. Nachdem
_Demmeni_ und ich uns von der Häuptlingsfamilie verabschiedet hatten,
verliessen wir die Hungerstätte und fuhren in einer langen Flotte
erst an Batu Pala, dann an Ums Wak vorüber. Etwas weiter unten
begegneten uns 4 Böte der Long-Glat von Long Tepai unter Njok _Lea_,
denen der Kontrolleur _Barth_ in Udju Tepu noch eine Post mit Briefen
und Zeitungen für uns mitgegeben hatte. In unseren Böten sitzend
vertieften wir uns mit dem grössten Eifer in die Briefschaften und
die für uns neuesten Nachrichten aus der zivilisierten Welt.

Der Kiham Udang verursachte bei diesem Wasserstand nur geringen
Aufenthalt, da man ihn mit den halbvoll geladenen Böten befahren
konnte. Bereits um 3 Uhr erreichten wir Long Bagung, wo wir auf den
ausgedehnten Schuttbänken des rechten Ufers kampierten und ich sogleich
die Gelegenheit benützte, um beim Händler _Raup_ zwei grosse Säcke
Reis zu erstehen, die ich den Kenja als ersten Abschlag auf meine bei
ihnen gemachte Schuld übergab. Ich versprach ihnen, sie in Long Iram
mit einer grösseren Menge Reis für die Heimreise versehen zu wollen,
was später auch geschah.

Am 3. Dezember fuhren wir _Bang Awans_ wegen, der gern bei seiner
jungen zweiten Frau bleiben wollte, nur bis Laham den Fluss hinunter,
doch vereinbarten wir, am folgenden Morgen sehr früh aufzubrechen,
um noch an diesem Tage Long Iram erreichen zu können. Die Kenja
nahmen diese Abmachung etwas allzu genau, denn ein Teil von ihnen
fuhr bereits um 2 Uhr nachts wieder ab und die K)njabemannung meines
grossen Bootes brachte unsere Malaien dazu, so früh aufzubrechen,
dass wir vor Sonnenaufgang bereits an Long Howong vorüberfuhren und
ununterbrochen weiterrudernd in Gesellschaft der Kenjaböte abends Long
Iram erreichten. Die Kajan mit _Kwing_ trafen erst sehr spät ein,
da sie sich auf dem heissen Fluss von der Strömung hatten treiben
lassen, statt zu rudern.

_Barth_ empfing uns mit Salutschüssen und hiess uns mit seiner ganzen
Besatzung von Schutzsoldaten sehr herzlich willkommen. Man hatte
ihm unsere Ankunft auf beinahe unbegreiflich schnelle Weise bereits
morgens gemeldet.

Während wir die Treppe zum hohen Uferwall hinaufstiegen, fiel es uns
auf, wie viel in diesem neu gegründeten Ort in den letzten Monaten zu
Stande gekommen war. Diesen Teil des Mahakamufers hatte _Barth_ für
eine grössere Ansiedelung viel geeigneter erfunden, als das Landstück,
das wir das Jahr zuvor mit _Bier_ hierfür ausgesucht hatten. _Barth_
hatte sogleich damit angefangen, eine grosse Uferstrecke abholzen und
provisorische Hütten für seine inländischen Soldaten und Sträflinge
errichten zu lassen. Ferner war ein breiter Weg längs des Ufers
angelegt worden, an welchem _Barths_ provisorisches Haus aus Bambus
und Palmblattmatten stand. Auch mit den eigentlichen Gebäuden dieses
neuen Verwaltungszentrums war bereits ein Anfang gemacht worden,
aber der Bau schritt nur langsam fort, weil alles Holz von Samarinda
heraufgeführt werden musste.

Die Einsetzung der Verwaltung hatte ohne Schwierigkeiten stattgefunden
und die äusserst unsicheren Zustände, die in der vorigen Jahreshälfte
am Mittel-Mahakam geherrscht hatten, waren wie mit einem Zauberschlag
verschwunden, nachdem der europäische Beamte sich hier mit seinen
Bewaffneten niedergelassen hatte. Dabei hatte man bis jetzt noch
nicht von den Waffen Gebrauch gemacht. Zwar blieb noch sehr viel zu
verbessern, bevor sich die gegenwärtige sehr gemischte Bevölkerung
wirklich regieren liess, aber der anfängliche Erfolg versprach viel
für die Zukunft. Leider litten diese Pioniere der Kultur stark an
Beri-Beri, die so häufig in neuen Siedelungen in Indien ausbricht.

Man hatte bereits Massregeln getroffen, um hier von regierungswegen
ein Salzdepot einzurichten, in dem sich die Bewohner des Oberlaufs
gegen festen, mässigen Preis mit diesem notwendigen Artikel versehen
konnten. Um eine Aufsicht über den übrigen Handel ausüben zu können,
hatte der Kontrolleur die Händler in Udju Tepu dazu gebracht, nach
Long Iram überzusiedeln. Da diese Leute beinahe alle in schwimmenden
Häusern lebten, liess sich der Handelsplatz leicht verlegen und während
meines Aufenthaltes wurden die ersten Häuser heraufgezogen. Hieraus
ging hervor, dass nicht nur die eingeborene Bevölkerung dieses
Gebiets sich gern in den neuen Zustand fügte, sondern dass auch
die buginesischen und bandjaresischen Händler, die bis jetzt ihren
Vorteil in einem betrügerischen Handel mit den Dajak gesucht hatten,
geordneten Zuständen unter europäischer Verwaltung den Vorzug gaben,
wie sie es uns früher übrigens bereits versichert hatten.

Ihre Zufriedenheit mit den politischen Resultaten meiner Reise gaben
die Händler dadurch zu kennen, dass sie allgemein beflaggten, als
der Kontrolleur uns 2 Tage später mit seinen Böten zum Schiff nach
Udju Tepu geleitete, von wo uns der "Sri Mahakam" in Gesellschaft
von etwa 20 Kajan und Kenja nach Samarinda bringen sollte.

_Kwing Irang_ behauptete, auch jetzt nicht gern mit dem Sultan von
Kutei in Berührung kommen zu wollen, weswegen er mich auch nicht zur
Küste begleiten könne. Er kam jedoch mit allen seinen Kajan mit zum
Schiff, ebenso diejenigen Kenja, die nicht mit uns fahren sollten. Ich
musste hier also von _Kwing_ Abschied nehmen. Zum Schluss hatte ich ihm
doch sehr viel zu danken, wenn er auch durch die Eigentümlichkeiten
seiner Rasse und seines Glaubens bei der Ausführung meiner Pläne
viele Schwierigkeiten verursacht hatte. Obgleich ich nach beinahe
3 jähriger Reise mit einem Gefühl der Erlösung Abschied nahm, liess
ich meine Reisegenossen doch mit Wehmut zurück und sehr leid tat es
mir, als ich im folgenden Jahr hörte, dass _Kwing_ einige Monate nach
seiner Heimkehr einem neuen Malariaanfall erlegen war. Während unseres
Zusammenseins hatte er sich als der achtungswerteste Häuptling gezeigt,
dem ich begegnet war, und die Rolle, die er am Ende seines Lebens bei
der Einsetzung einer niederländischen Verwaltung in Mittel-Borneo
gespielt hatte, wird seinem Stamm und vielen anderen zum Segen
gereichen, wie es auch seine Rechtschaffenheit und Friedensliebe für
sie gewesen sind.

_Anjang Njahu_ und einige andere Kajan begleiteten mich nach Samarinda,
wo sie vorteilhafte Einkäufe zu machen hofften und von wo sie meine
Abschiedsgeschenke an alle Zurückgebliebenen mitnehmen sollten. _Kwing
Irang_ wünschte sich einen meiner Stahlkoffer und einige Packen Kattun,
die ich ihm auch zukommen liess.

Von den Kenja begleiteten mich verschiedene Häuptlinge, u.a. _Bit_
und _Ibau Anjè_, die in Samarinda ihre Unterhandlungen mit dem Sultan
unter Vermittlung des Assistent-Residenten zu einem Abschluss zu
bringen hofften.

Die europäische Kolonie in Samarinda gab vielfache Beweise ihrer
Teilnahme an dem Gelingen unserer Expedition und die Tage, die bis
zur Ankunft des Schiffes nach Batavia verliefen, wurden in angenehmer
Gesellschaft und mit dem Ordnen unseres Gepäcks zugebracht.

Auch von den Malaien musste ich hier Abschied nehmen; nur zwei
von ihnen gebrauchten das auf der Reise verdiente Geld, um über
Bandjarmasin in ihr Geburtsland am Barito zurückzukehren. Von den
übrigen traten einige in Dienst bei der bewaffneten Polizei von Long
Iram, andere wurden wieder in die von Samarinda aufgenommen, während
die meisten Malaien, die ich vom oberen Mahakam mitgenommen hatte,
wieder dorthin zurückkehrten.

So fuhren nur _Demmeni_ und ich mit _Doris_, _Midan_ und _Abdul_
in guter Stimmung und bester Gesundheit mit dem Schiff über Surabaja
nach Batavia zurück, wo wir am letzten Tage des Jahres 1900 glücklich
anlangten.



KAPITEL XVI.

    Allgemeines über die körperliche und geistige Entwicklung der
    Dajak auf Borneo--Gründe für ihre geringe Bevölkerungsdichte:
    klimatische und hygienische Einflüsse, Krankheiten--Abhängigkeit
    des Gesundheitszustands von der Höhe des Landes--Einfluss
    mangelhafter Entwicklung und Kenntnis auf die ökonomischen
    Verhältnisse und auf die religiösen Vorstellungen--Geistige
    Fähigkeiten der Dajak--Charaktereigenschaften--Körperliche und
    geistige Überlegenheit der Kenja-Dajak über die Bahau-Dajak.


Weit mehr Schwierigkeiten als die Beschreibung der Sitten und
Gewohnheiten eines Volksstamms oder selbst der Grundbegriffe seines
Glaubens bietet einem Forscher, der daran gewöhnt ist, in einer hoch
entwickelten Gesellschaft zu leben und zu arbeiten, die objektive
Beurteilung des Charakters, der inneren Persönlichkeit von Menschen,
die einen niedrigeren Bildungsstandpunkt einnehmen. Es genügt hier
nicht, diese Menschen in ihrem täglichen Leben zu beobachten, sondern
er muss zugleich imstande sein, die Motive zu beurteilen, die der
soviel tieferstehende Naturgenosse für seine Handlungen aus seinem
Glauben, seinen Lebensverhältnissen und seinem Charakter schöpft. Daher
muss ein Forscher mit dem Glauben und den Lebensverhältnissen des
primitiven Menschen völlig vertraut sein, bevor er aus dessen Tun und
Lassen Schlüsse auf seine Persönlichkeit ziehen kann. Auch muss er
es als eine natürliche Notwendigkeit einsehen gelernt haben, dass,
weil den Stämmen von Mittel-Borneo z.B. von sich selbst und ihrer
Umgebung ganz andere Begriffe eigen sind, als wir Europäer sie uns
durch die fortschreitende Wissenschaft im Laufe vieler Jahrhunderte
haben bilden können, sie auch völlig anders handeln müssen, als
wir es in bestimmten Fällen tun würden. Dann wird es ihm auch ganz
natürlich erscheinen, wenn die Dajak in ihrem festen Glauben, durch
böse Geister oder feindlich gesinnte Menschen krank geworden zu sein,
in Beschwörungen oder selbst in Racheakten gegen unschuldige Personen
ihre Zuflucht suchen, was ein oberflächlicher Beobachter als Dummheit
oder Rachsucht auffassen könnte.

Auch bei einer guten Einsicht in die beherrschenden Motive bestimmter
Handlungen wird es einem Europäer schwer, objektiv zu bleiben,
sobald er selbst das Opfer dieser Motive wird, und eine grosse
Selbstverleugnung wird besonders dann von ihm gefordert, wenn er
in seinen wichtigsten wissenschaftlichen Untersuchungen fortwährend
gehindert wird oder wenn diese ihm sogar unmöglich gemacht werden.

Die Art des Reisens, die ersten Begegnungen mit den scheuen
Eingeborenen stellen an die Objektivität des Forschungsreisenden hohe
Anforderungen und er wird denn auch viel mehr Zeit, als die meisten
zur Verfügung haben, brauchen, um eine richtige Einsicht in die
Verhältnisse und in die Persönlichkeit der Eingeborenen zu gewinnen;
dies um so mehr, je weniger er sich in ihrer eigenen Sprache mit
ihnen unterhalten kann.

Im folgenden soll nun gezeigt werden, wie auf Grund eingehenderer
Kenntnisse und längerer Beobachtung sich das Bild der geistigen
Konstitution der Dajak wesentlich anders gestaltet, als bei
oberflächlicher und kürzerer Beobachtung. Man hat die Bahau und die
anderen noch ursprünglichen dajakischen Stämme unter dem Eindruck
ihrer kriegerischen Tracht, ihrer in der Tat hinterlistigen Art
der Kriegsführung, ihrer Sitte Sklaven zu opfern und beim Tode von
Häuptlingen Köpfe zu jagen, rachsüchtig, blutdürstig, hie und da sogar
tapfer genannt. Hätten die Betreffenden gewusst, dass ernstliche
Zwistigkeiten in einem Bahaustamme überhaupt nicht vorkommen, dass
alle Vergehen von Verbrechern und Feinden, selbst Morde am liebsten mit
Bussen erledigt werden und dass nur ihre innige religiöse Überzeugung
und Liebe zu den Verstorbenen sie zum Töten von Menschen treibt, dann
hätten sie die Dajak unentwickelt und feige, aber niemals rachsüchtig,
blutgierig oder tapfer genannt.

In Ländern, die von verschiedenen Rassen bewohnt werden, wie Borneo,
ist derjenige Teil der Bevölkerung, den man sich zur Untersuchung
aussucht, von massgebendem Einfluss auf das Bild, das man von der
Bevölkerung erhält. Lässt man sich unter dajakischen Stämmen nieder,
die bereits lange unter der Herrschaft oder unter dem Einfluss der
Malaien gestanden haben, so erhält man eine unrichtige Vorstellung
von den ursprünglichen Eigenschaften ihrer Rasse, da solche Stämme in
hohem Masse entartet sind. Nur die Dajak an den Ober- oder Mittelläufen
der Flüsse, die nicht oder wenig von Malaien beeinflusst worden sind,
können als die wahren Vertreter dieses Volkes angesehen werden.

Für eine gerechte Beurteilung der Individualität der Stämme von
Mittel-Borneo, eine Beurteilung, die nicht nur von wissenschaftlichem
Wert ist, sondern von der auch die Möglichkeit eines erfolgreichen
Eingreifens seitens zivilisierter Völker in das Los der Eingeborenen
abhängt, genügt es nicht, deren Sitten, Gewohnheiten und Glauben an
und für sich zu kennen, sondern man muss sich ausserdem ein möglichst
unparteiisches Bild von ihren Lebensbedingungen und dem Einfluss,
den diese auf physischem und psychischem Gebiet ausgeübt haben, zu
schaffen suchen. Auf diese Weise erhält man am besten eine Vorstellung
davon, welche Verhältnisse für ihr Bestehen am günstigsten wären und
inwieweit die gegenwärtigen einer Verbesserung fähig sind. Für einen
derartigen Gedankengang liegt das Material wohl in dem bereits früher
Behandelten bereit, bevor wir jedoch in dieser Hinsicht ein Urteil
fällen, wird es zweckmässig sein, die zerstreuten Notizen nochmals
zu einem Gesamtbild zu vereinigen.

Eine der auffallendsten Erscheinungen ist die sehr geringe Dichte
der Bevölkerung auf Borneo im allgemeinen und der von Mittel-Borneo
im besonderen. Die Zahl von 2-3 Köpfen auf den qkm, die man für die
ganze Insel annimmt, ist für den mittleren Teil wahrscheinlich noch
zu hoch; im Vergleich zu Java, das 150 auf den qkm zählt, also sehr
niedrig. Hieraus folgt bereits, dass die Bevölkerungszahl im Laufe
der Zeit sicher nicht sehr gewachsen ist, viel eher abgenommen hat
oder um ein sehr niedriges Mittel schwankt; jedenfalls müssen die
Lebensbedingungen einer Menschenrasse sehr ungünstig sein, um zu
einem derartigen Ergebnis zu führen. Doppelt bemerkenswert wird diese
Erscheinung, wenn wir berücksichtigen, dass eine derartige geringe
Bevölkerungsziffer im Vergleich zu der eingenommenen Bodenfläche
bei allen auf niedriger Entwicklungsstufe stehenden Völkern des
Festlandes oder sehr grosser Inseln vorkommt. Demnach erscheint es
nicht unwahrscheinlich, dass zwischen der Entwicklungsstufe und der
Zahlstärke eines Volkes ein Zusammenhang besteht.

Inbezug auf Borneo hat die Frage nach der Ursache dieser geringen
Bevölkerungsdichte bereits seit lange das Interesse erregt und man hat
als Gründe hierfür ohne Zögern die schlechten Sitten dieser Stämme,
die einander ausrotteten und ein ausschweifendes Leben führten,
angegeben. Von solchen Gründen kann bei den hier beschriebenen
Stämmen der Bahau und Kenja keine Rede sein. Auch mag bemerkt werden,
dass auch in Gebieten, die bereits seit vielen Jahrzehnten unter
englischer oder niederländischer Verwaltung stehen und wo mithin
eine gegenseitige Ausrottung unmöglich ist, die dajakischen Stämme
durchaus nicht stark zunehmen.

Die Lebensbedingungen der ursprünglichen Dajak erscheinen,
oberflächlich betrachtet, günstig genug. Bei einer früheren
Gelegenheit ist bereits die allgemeine Gestalt der Insel Borneo mit
ihrer überwältigend dichten Pflanzenbedeckung, die auf einen Überfluss
an Wärme, Licht und Regen sowie auf eine grosse Fruchtbarkeit deutet,
beschrieben worden (Teil I pag. 50).

In dieser Treibhausatmosphäre leben die Stämme der Dajak schon seit
Jahrhunderten. Ihr Kampf ums Dasein beschränkt sich auf die Sorge
für Nahrung und die relativ sehr geringen Schutzmittel gegen das
Klima. Für die Beschaffung der Nahrung bietet die Üppigkeit der
Vegetation und die Fruchtbarkeit des Bodens eben gefällter Walder
sehr günstige Gelegenheit und der Wald liefert für eine primitive
Herstellung von Wohnung und Kleidung reichliches Material. So scheint
alles zusammenzuwirken, um dem Menschen die Vorbedingungen zu einem
üppigen Gedeihen zu schaffen--und doch vermisst man die erste Folge
von solchen Umständen, eine dichte und wohlhabende Bevölkerung.

Sowohl am Kapuas als am Mahakam lebt nur eine geringe Anzahl Menschen,
deren zerstreute Wohnplätze sich auf die Flussufer beschränken und
deren Dasein im allgemeinen nichts weniger als üppig ist. Infolge
ihrer geringen Kenntnisse verstehen sie die günstigen Faktoren in
ihrer Umgebung nicht auszunutzen und gegen die ungünstigen sich
nicht zu wehren. Welche Folgen hieraus für die Existenz des Volkes
hervorgehen, kann aus dem Nachstehenden ersehen werden.

Am meisten macht sich diese Unkenntnis auf dem Gebiet der
Gesundheitspflege fühlbar, indem diese Menschen nicht wissen, wann
und wodurch sie krank werden und keine Mittel zur Heilung ihrer
Krankheiten kennen. Im Kapitel VIII des ersten Teils sind bereits
die wichtigsten unter dieser Bevölkerung herrschenden Krankheiten
angeführt worden. Von diesen sind inbezug auf das Bestehen des
Volkes am einflussreichsten die in Borneo endemischen Krankheiten und
zwar in erster Linie die Malaria, in zweiter die sehr verbreiteten
venerischen Leiden. Wann sich die letzteren eingebürgert haben, ist
vorläufig nicht festzustellen, aber von der Malaria kann man sicher
annehmen, dass sie geherrscht hat, so lange das Land von diesen
Dajakstämmen bewohnt wird. Um den schädlichen Einfluss zu ermessen,
den die Malaria auf das Allgemeinbefinden der Bevölkerung ausübt,
muss man bedenken, dass diese dem weit und breit herrschenden Übel
gegenüber völlig machtlos ist. Die meisten Individuen sind daher
während einer grösseren Lebensperiode mehr oder weniger leidend, ein
Umstand, der auch auf die noch ungeborene Nachkommenschaft schwächend
einwirken muss (Teil I pag. 425).

Von hervorragender Bedeutung, besonders in Bezug auf die Vermehrung
der Rasse, sind die venerischen Krankheiten, die, wie ein zweiter
Fluch, auf den Bewohnern von Mittel-Borneo lasten. Sowohl unter den
Stämmen des Kapuas als unter denen des Mahakam hat die Verbreitung
von Syphilis einen entsetzlichen Umfang erlangt; am stärksten tritt
sie bei den Kajan vom Blu-u auf, wo ein 11 monatlicher Aufenthalt
als praktizierender Arzt mich davon überzeugte, dass keine einzige
Familie von dieser Krankheit verschont geblieben war. Wie lange sie
unter ihnen schon geherrscht haben muss, lässt sich daraus ersehen,
dass sie unter ihnen nur in einer Form vorkommt, die von Mutter auf
Kind übertragen wird (Teil I pag. 431).

Die Häufigkeit des Vorkommens von Genitalkrankheiten bei den Frauen der
Mendalam-Kajan setzte mich in Erstaunen. Da ich inmitten der grossen
Bevölkerung von Tandjong Karang lange Zeit allein wohnte, überwanden
die Frauen ihre anfängliche Scham und suchten gegen allerhand Leiden
meinen ärztlichen Beistand. In den malaiischen Wohnplätzen am oberen
Kapuas hatte ich ebenfalls hinreichend Gelegenheit; mich von dem
Umfange zu überzeugen, den auch hier diese Leiden erreicht haben.

Auch den venerischen Leiden gegenüber wissen die Eingeborenen nichts
anderes anzuwenden als Beschwörungen. Von der Syphilis wissen sie
nicht einmal, auf welchem Wege sie in der Regel entsteht.

Für die von der Küste bequem erreichbaren Gebiete, also am Unter-
und Mittellauf der grossen Flüsse, tritt noch ein anderer wichtiger
Faktor hinzu, der auf die Dichte der Bevölkerung einen überwiegenden
Einfluss ausübt, nämlich die Infektionskrankheiten wie Cholera und
Pocken, die, soweit ich habe verfolgen können, stets längs der grossen
Flüsse von auswärts in die Insel eingeschleppt werden. In zivilisierten
Ländern bildet die Bekämpfung dieser Krankheiten eine der grössten
Segnungen, die man dem Fortschritt in der medizinischen Wissenschaft zu
danken hat, denn welche Rolle diese Epidemien in einer unbeschützten
Bevölkerung spielen können, lehrten mich einige Beispiele unter den
Stämmen Mittel-Borneos, wo diese Krankheiten gewöhnlich um so seltener
vorkommen, je schwerer zugänglich die Gegenden von der Küste aus sind.

Einige Jahre vor meiner Ankunft am Mendalam war in der damals noch
vereinigten grossen Niederlassung der Kajan von Tandjong Karang
und Tandjong Kuda die Cholera ausgebrochen. Nicht weniger als ein
Viertel der Bevölkerung muss ihr damals zum Opfer gefallen sein; die
Bedingungen hierfür waren durch das Zusammenleben des ganzen Stammes
in einem grossen Hause gegeben. Inbezug auf eine Pockenepidemie, die
durch Uma-Leken von der Küste nach Apu Kajan eingeschleppt worden war,
teilte man mir mit, ein Drittel der Bevölkerung des infizierten Dorfes
sei damals gestorben.

Es kann zahlenmässig nicht festgestellt werden, in welchem Grade
diese Faktoren die Vermehrung der Bevölkerunng hemmen; aber in
Anbetracht, dass alle übrigen schädigenden Einflüsse der Malaria und
den Genitalleiden gegenüber verschwindend klein erscheinen, glaube
ich nicht zu weit zu gehen, wenn ich die geringe Zahl und den Rückgang
der Bahau hauptsächlich diesen zuschreibe.

Zu dieser Überzeugung war ich bereits auf meiner Reise 1896-97
gekommen und habe sie in meinem Werke "In Centraal Borneo (1897)"
ausgesprochen. Einen Beweis für die Richtigkeit dieser Überzeugung
erhielt ich aber erst am Ende meiner letzten Reise, während meines
Aufenthaltes unter den Kenjastämmen von Apu Kajan.

Seit Jahren daran gewöhnt, Malariafälle in meiner Praxis weitaus die
Mehrheit bilden zu sehen, fiel es mir sehr auf, in Apu Kajan ganz
andere Verhältnisse zu treffen. Eine grosse Zahl hydropischer alter
Leute beanspruchte hier meine Hilfe, was in tiefer gelegenen Gegenden
beinahe nie vorgekommen war, während Malariafälle sehr zurücktraten und
sich während meines Besuchs auf einige akute Fälle beschränkten. Es
erwies sich, dass die Veränderung im Krankheitsbilde der Bevölkerung
hauptsächlich durch das vielfache Vorkommen von Bronchitis mit Emphysem
und Herzfehlern hervorgerafen wurde, Erscheinungen, die durch das
rauhe Klima verursacht und durch das Rauchen von sehr schlecht
zubereitetem Tabak gefördert werden. Mit dem Rauchen wird bereits
in frühster Jugend begonnen, da man es als Heilmittel gegen Husten
betrachtet. Obgleich in Apu Kajan mit dem Eintritt von rauhem, kaltem
Wetter mit heftigen Regengüssen mehr akute Malariaanfälle vorkamen,
war doch von einer chronischen Infektion der ganzen Bevölkerung, die
sich in einer vergrösserten, harten Milz bei der grossen Mehrzahl der
Kinder äusserte, (Teil I pag. 427) überhaupt nicht die Rede. Dies
stimmt mit der bekannten Tatsache überein, dass in einem kälteren
Klima die Malariainfektion im allgemeinen an Heftigkeit abnimmt.

Da Bronchitiden und deren Folgen erst in späterem Alter einen
schwächenden Einfluss auf den Körper ausüben und hierin mit einer
starken Malariainfektion nicht zu vergleichen sind, so glaube ich
in dem Unterschied im Auftreten der Malaria, als eine Folge der
Höhendifferenz zwischen dem Lande der Bahau und dem der Kenja, einen
Hauptgrund gefunden zu haben für die gegenwärtige Verschiedenheit
dieser beiden Stammgruppen inbezug auf ihre Dichte, ihre physische und,
wie wir später sehen werden, auch ihre psychische Konstitution.

Mit dieser kräftigeren Körperkonstitution der Kenja steht ihr
grösseres Widerstandsvermögen anderen Krankheiten gegenüber in
Verbindung; so glaube ich z.B. diesem zuschreiben zu müssen, dass
Syphilis bei den Kenja zwar in derselben eigentümlichen Form wie bei
den Bahau, aber mit geringerer Heftigkeit auftritt. Während diese
Krankheit unter einigen Bahaustämmen so allgemein vorkam, dass ich
die Tatsache, dass sich unter ihnen nur tertiäre Formen zeigten,
durch die Annahme einer ausschliesslich hereditären Ausbreitung
erklären zu müssen meinte, standen die Fälle unter den Kenja viel
zu vereinzelt da, um an Erblichkeit überhaupt denken zu können. Die
von mir beobachteten Fälle schienen auf den Zustand der Kenja lokal
und allgemein einen viel minder schädlichen Einfluss auszuüben als
unter den Bahau. Es waren meistens tuberöse Syphiliden der Haut,
die das Knochengerüst nicht angriffen und viele Jahre bestanden,
ohne den Körper des Betreffenden ernstlich zu schwächen.

Einen schlagenden Beweis dafür, in welchem Masse Apu Kajan,
das ebenso gross ist wie das Gebiet des oberen Mahakam, seiner
Bevölkerung günstigere Lebensbedingungen bietet als die tiefer
gelegenen Flusstäler, liefert die Tatsache, dass seit Jahrhunderten
zahlreiche Stämme aus dieser 600 m hoch gelegenen Gebirgsgegend nach
allen Himmelsgegenden in die benachbarten niedrigeren Flusstäler
weggezogen sind und die Bevölkerung dort doch noch dichter ist als
irgendwo anders in dajakischen Gebieten. Anstatt 300-800, wie am
Ober-Mahakam, zählen die Dörfer in Apu Kajan 1500-2500 Einwohner,
trotzdem sie dort sicher nicht weiter voneinander entfernt liegen. Für
mich war dies ein Beweis dafür, dass die herrschenden Krankheiten in
der Tat einen überwiegenden Einfluss auf die Dichte der borneoschen
Bevölkerung haben müssen.

Krankheitsverhältnisse, wie sie unter den Bahau auftreten, wirken nicht
nur dezimierend auf die Anzahl der Individuen, sondern setzen auch
die Lebensenergie und Arbeitskraft der Menschen so weit herab, dass
diese auf ihrer niedrigen Bildungsstufe während eines grossen Teils
ihres Lebens sich selbst und anderen nicht von dem Nutzen sein können,
wie ihnen dies unter günstigeren Gesundheitsverhältnissen möglich wäre.

Der gleiche Mangel an Entwicklung und Kenntnissen, der den Bahau-Dajak
daran verhindert, sich gegen die gesundheitsschädigenden Einflüsse
seiner Umgebung zu wehren, macht seine ungünstige Wirkung auch auf
anderen wichtigen Gebieten seines Lebens geltend. Betrachten wir von
diesem Gesichtspunkt aus vor allem die Art und Weise, wie er sich
Nahrung verschafft.

Es ist dem Dajak unbekannt, dass dasselbe Feld, auf richtige Weise
bearbeitet, Jahre hintereinander Produkte liefern kann; daher die
mühselige Ausrodung immer neuer Waldstrecken und die Bearbeitung des
Ackers für nur 1 oder 2 Jahre. Da der Boden nicht sorgsam vorbereitet
wird, ist das Wachstum der Reispflanzen gering und dieselben sind für
ungünstige Lebensbedingungen, wie zu wenig oder zu viel Regen, viel
empfindlicher als unter einer besseren Kultur. Ausserdem wird von dem
gesäten Reis, den man nicht mit Erde bedeckt, ein Teil von den Tieren
aufgefressen und, falls es nicht gleich nach der Saat regnet, leidet
die Keimkraft der Körner durch zu starke Sonnenbestrahlung. Von den
wachsenden Halmen fordern die Waldtiere ihren Teil, falls man diese
nur vorübergehend bebauten Felder nicht in mühsamer Arbeit mit starken
Hecken umgibt. Ist der Reis reif, so rauben Vögel und Affen, gegen
die sich der Dajak nur schlecht zu schützen weiss, wiederum einen Teil
der Ernte. Auch wird diese noch dadurch sehr verschlechtert, dass das
Brennen der neuen Felder in der Trockenperiode vorgenommen werden muss,
wodurch die Erntezeit in die Regenperiode fällt. Zur Erlangung einer
genügenden Menge Reis muss also nicht nur stets wieder ein neues Stück
Feld gerodet werden, sondern infolge des ausserordentlich geringen
Ertrags muss die bebaute Oberfläche auch viel grösser sein als dies
bei einem rationellen Betrieb nötig wäre. Ähnliche Zustände herrschen
auch bei den anderen Kulturen. Auch ihr besonders auf den Landbau
so lähmend wirkendes _pemali_-System hängt mit ihrer mangelhaften
kulturellen Entwicklung zusammen.

Eine andere schädliche Folge dieser Raubwirtschaft ist, dass diese
Stämme, infolge der Erschöpfung ihrer Felder in der Umgegend, nach
ergiebigeren Feldern umzuziehen gezwungen sind, so dass die ganze
Niederlassung nach einigen Jahren von neuem aufgebaut werden muss. Ein
solcher Umzug bedeutet für eine Familie von wenig Gliedern eine Arbeit,
die jahrelang alle ausserhalb des Ackerbaus zur Verfügung stehende
Zeit in Anspruch nimmt, also wiederum einen bedeutenden Arbeitsverlust.

Auch die Ausübung von Jagd und Fischfang ist bei diesen
niedrigentwickelten Völkern mit viel grösseren Schwierigkeiten und mit
mehr Arbeitsverschwendung verbunden, als bei höher entwickelten. Für
die Jagd besitzen sie weder gute Schiesswaffen noch starke, gut
dressierte Hunde, während ihre Schlingen und Fallen meist sehr primitiv
beschaffen sind oder viel Arbeit bei der Aufstellung erfordern.

Der Mangel an praktischen Fischmethoden hat die meisten Stämme zu
einem ausgebreiteten Gebrauch des Tubagiftes gebracht, wodurch der
Fischstand in vielen Flüssen vernichtet wird und für den übrigen Teil
des Jahres die verfügbare Menge Fischnahrung in vielen Gegenden sehr
herabgesetzt ist.

Nach der Nahrung kommt in zweiter Linie die Bedeckung zum Schutz
gegen das Klima in Betracht, Kleidung und Wohnung. Zur Beschaffung
derselben gebraucht der Dajak hauptsächlich die Zeit, die ihm die
Sorge für die Nahrung übrig lässt. Auch hierbei zeigt es sich also,
unter welchen ungünstigen Bedingungen er sein relativ geringes Kapital
an Arbeitskraft ausnützen muss. Die Art und Weise, in welcher das
erforderliche Material für den Hausbau in den Wäldern gesucht, dort
roh bearbeitet und an Ort und Stelle geschafft wird, erfordert wegen
des Fehlens guter Hilfsmittel und Wege viel mehr Anstrengung als da,
wo letztere vorhanden sind. Um ein Beispiel anzuführen, die Grundbalken
des Hauses müssen nach der Bearbeitung oft über weite Strecken durch
die Berg und Tal bedeckenden Urwälder geschleppt werden.

Falls die Kleidung nicht von auswärts eingeführt wird, liefert die
Umgebung die Rohstoffe, aus denen sie zu Hause hergestellt wird. Der
zur Verfügung stehende Webstuhl ist sehr primitiv; der Stoff, den
man webt, besteht entweder aus selbst gebauter Baumwolle, die man mit
der Hand reinigt und zu Fäden spinnt, oder aus den langen Fasern der
auseinander geraffelten Lianenstämme, die aneinander geknüpft oder
zu Fäden ineinander gedreht werden. Hieraus webt man grobe Stoffe,
deren Herstellung viel mehr Arbeit und Zeit kostet als die viel
brauchbareren Gewebe, die in Europa verfertigt werden.

Ferner erleidet eine Bevölkerung auf so niedriger Kulturstufe noch
einen besonderen Nachteil durch ihre mangelhafte Arbeitsteilung. Es
zeigt sich nirgends besser als in unserem modernen Gesellschaftsleben,
wie geeignet dieses Mittel ist, der so geringen körperlichen und
geistigen Fähigkeit des Individuums in der Beherrschung und Verwendung
der Materie nachzuhelfen. Wo aber jede Familie darauf angewiesen
ist, sich selbst durch Ackerbau, Jagd und Fischfang zu versorgen,
wo sie ihre Kleidung selbst herstellen, ihre Wohnung selbst bauen und
bisweilen alle hierfür erforderlichen Gerätschaften selbst verfertigen
muss, da stehen ihre Glieder notwendigerweise infolge mangelnder
Übung an Fertigkeit weit hinter denen zurück, die aus einer dieser
Tätigkeiten ihren Lebensberuf machen.

Fasst man diese oben geschilderten Lebensverhältnisse ins Auge,
so nimmt es nicht Wunder, dass die Bahau nicht zu den kräftigen
Menschenrassen gehören; weder sie noch die meisten anderen dajakischen
Stämme, denen ich begegnete, machten den Eindruck von Menschen mit
grosser Lebensenergie.

Damit hängt es auch zusammen, dass ein solches Volk sich in höherem
Masse als einen Spielball ausser ihm stehender Mächte fühlt, als dies
bei einem entwickelteren Gemeinwesen der Fall wäre. Daher wird auch
die Gedankenwelt der Dajak in viel höherem Grade von einem Gefühl
der Abhängigkeit gegenüber der Umgebung beherrscht und einige ihrer
gesellschaftlichen Einrichtungen sind ein unmittelbarer Ausfluss
hiervon.

Bezeichnend dafür sind ihre Vorstellungen von sich selbst und der
Stellung, die sie ihrer Umgebung gegenüber einnehmen. Jene kommen
z.B. in ihrer Schöpfungsgeschichte zum Ausdruck, nach der sie selbst
gleichzeitig mit ihren Haustieren aus Baumrinde gebildet wurden; auch
schreiben sie diesen Tieren und einigen anderen wie sich selbst zwei
Seelen zu, und die ganze Umgebung ist von ähnlichen Seelen belebt,
welche auch menschliche Eigenschaften besitzen (Teil. I pag. 103).

Ferner äussert sich dieses Ohnmachtsgefühl in ihrer Überzeugung,
dass mit grösserer Macht als sie selbst begabte Geister sie von
allen Seiten umlagern, um sie auf Befehl ihres Hauptgottes bei einem
Vergehen mit Unglück, Krankheit oder Tod zu strafen. Ihre Angst vor
diesen bösen Geistern hat den lebhaften Wunsch in ihnen erweckt,
diesen keinen Anlass zu einem Eingreifen in ihr Los zu bieten;
hieraus ging ihr Streben hervor, Gesetze zu finden, nach denen sie in
allen Lebenslagen zu handeln hätten, und so entstanden die zahllosen
Bestimmungen, die als _pemali_ ihr Tun und Lassen in so hohem Masse
beschränken. Die Bahau klammern sich mit um so grösserer Ängstlichkeit
an diesen Glauben, als sie einen Schutz gegen die höheren Mächte nicht
in sich selbst, sondern in den _pemali_ zu finden meinen. Da diese
ein Ausfluss ihrer Einbildung sind und so wenig auf der richtigen
Kenntnis ihrer wahren Interessen beruhen, wird ihre Freiheit, nach den
Forderungen des Augenblicks zu handeln, auf sehr unpraktische Weise
gebunden. Auch leitet dieser Glaube ihr Streben nach einer besseren
Existenz in falsche Bahnen und verhindert eine freie Untersuchung
der natürlichen Verhältnisse. In Krankheitsfällen z.B. verhindert
er den Bahau, Krankheiten wie wir durch Naturprodukte oder auf der
Naturkenntnis beruhende Massregeln erfolgreich bekämpfen zu lernen.

Ihrem Mangel an Selbstvertrauen, ihrer Hoffnung auf Hilfe von aussen,
ihrer Unkenntnis des Begriffs Kausalität, infolge deren bei ihnen alles
aus willkürlichen Taten der Geister hervorgeht, die nicht anders,
sondern nur mächtiger als sie selbst sind, ist es zuzuschreiben,
dass der Glaube an Vorzeichen sich unter ihnen so entwickelt hat und
mit den eigentlichen _pemali_ ihrer Handlungsfreiheit ein doppeltes
Hindernis in den Weg stellt. Geht aus diesem allem bereits hervor,
unter welchen höchst ungünstigen Bedingungen der Bahau durch die
Eigentümlichkeiten seiner Umgebung und durch seinen Mangel an Kenntnis
lebt, und welch einen Hemmschuh letzterer für seine Handlungen und
seine Entwicklung bildet, so ist es wissenschaftlich interessant und
von kolonialem Standpunkt wichtig, nachzuforschen, wie der geistige
Mensch sich in ihm unter diesen Verhältnissen ausgebildet hat.

Es hiesse die Tatsachen auf den Kopf steilen, wollte man die physische
Schwäche der Bahau, die sie zu Sklaven der umgebenden Natur macht,
als Folge einer geringen geistigen Begabung auffassen. Aus dem
folgenden werden wir vielmehr ersehen, dass bei den Bahau gute geistige
Fähigkeiten vorhanden sind, dass die Verhältnisse jedoch nur einige
wenige gut entwickelt haben, während die übrigen latent geblieben oder,
viel wahrscheinlicher, degeneriert sind.

Es hat sich z.B. durch häufiges Reisen und vielfache Berührung mit
anderen Stämmen das Sprachtalent der Bahau besonders entwickelt. Die
meisten gereisten Leute sprechen mehrere Sprachen, obgleich man
sich im ganzen nordöstlichen Teil von Borneo sehr gut mit dem Busang
verständigen kann. Hier einige Beispiele unter vielen: _Akam Igau_
unterhielt sich mit Punan, Taman, Pnihing und Kajan am Blu-u in deren
eigenen Sprachen, dazu bediente er sich des Busang und Malaiischen
täglich und kannte wahrscheinlich auch noch 1-2 Serawakische
Sprachen. Eine Frau der Long-Glat, _Uniang Pon_, sprach gut Busang,
Blu-u Kajanisch, Long-Glatisch und verständlich Malaiisch. Auch die
übrigen Frauen lernen Malaiisch, sobald sie mit Malaien in Berührung
kommen. Obgleich die verschiedenen Sprachen der Bahau auch dem Laute
nach sehr verschieden sind, scheint deren Erlernung ihnen keine
Schwierigkeiten zu bieten. Dafür spricht die Tatsache, dass die
kleineren Stämme, auch nachdem sie sich politisch mit den grösseren,
wie den Long-Glat, verbunden haben, ihre ursprüngliche Sprache
beibehalten und sich zum Verkehr mit ihren neuen Stammesgenossen
einer ihnen beiden fremden Umgangssprache bedienen.

Wie leicht sich die Kajan allerhand Kenntnisse aneignen können,
beobachtete ich beim Unterrichten eines Sohnes _Akam Igaus_, der zwar
Malaiisch lesen und schreiben konnte, es aber auch mit holländischen
(lateinischen) Buchstaben erlernen wollte. Obgleich dieser Unterricht
einer Kritik schwerlich Stand gehalten hätte, las und schrieb mein
Zögling doch schon im Verlauf eines Monats so gut, dass er sich allein
weiter helfen konnte und auch imstande war, einen leserlichen Brief
zusammenzustellen.

In noch einer anderen, vom Kampfe ums Dasein beinahe oder völlig
unabhängigen Richtung haben sich, wie wir gesehen, die Dajak, besonders
die Bahau, sehr gut entwickelt, nämlich in der Kunstfertigkeit und im
Kunstsinn. Sowohl Männer als Frauen zeichnen sich hierin aus und ihre
Leistungen sind für ihre Entwicklungsstufe bewunderungswürdig. Das
Individuum geniesst in ihrem Gemeinwesen die vollste Freiheit zur
Ausbildung seiner verschiedenen Anlagen; die allgemeine Verbreitung
dieser Kunstfertigkeit setzt daher den Weissen, der gewohnt ist,
sie als das Vorrecht einzelner zu betrachten, in Erstaunen. Manche
in anderen Gegenden entwickelten Kunstfertigkeiten gelangten unter
dem Einfluss ihrer besonderen Umgebung bei ihnen nicht zur Entfaltung.

So sah ich am Mandai Kinder mit Schleudern aus langen Grasblättern
spielen, mit denen sie Erdstücke so weit als möglich über den Fluss
warfen. In dem mit Wäldern bedeckten Borneo können diese Schleudern
jedoch nicht für ernsthafte Zwecke verwendet werden.

Die Ausleger, die den kleinen Böten an der Seeküste grosse Stabilität
verleihen, gebrauchen die Bahau nur beim Hinabfahren über die
Wasserfälle in Form von Bäumen, die sie an die Kähne binden.

Die Ma-Suling bauen primitive aber starke Dämme, um Fischweiher zu
stauen; bei den übrigen Bahau sind sie nicht gebräuchlich, weil diese
an fischreichen Strömen wohnen.

Aus der Kajansage vom Mann und dem Sagobaum (Teil II p. 124)
geht hervor, dass die Bahau sehr wohl wissen, dass sie die Henne
der goldenen Eier wegen schlachten, wenn sie beim Sago- oder
Kautschuksammeln den ganzen Baum fällen, statt ihn nur anzuzapfen. Sie
wissen aber auch, dass nur andere den Gewinn davontragen, wenn sie den
Baum, der oft weit ab im Urwald steht, nur anzapfen und sich mit dem
Teil des dabei ausfliessenden Saftes zufrieden geben. Sparsamkeit ist
jedoch ihrer Ansicht nach unter diesen Bedingungen gar nicht angezeigt.

Auch die Fähigkeit zu zählen ist bei den Dajak auf niedriger
Entwicklungsstufe stehen geblieben. Weder die Bahau noch die Kenja
können ohne Hilfe ihrer Finger und Zehen oder kleinerer Gegenstände
wie Hölzchen zählen oder rechnen. Da sie ihre Hände und Füsse stets
zur Verfügung haben, werden diese beim Zählen am meisten gebraucht
und zwar, für Zahlen unter zehn, die Finger, für Zahlen zwischen zehn
und zwanzig auch die Zehen. Für grössere Berechnungen wiederholen
sie das Zählen mit den Fingern und Zehen oder sie gebrauchen von
Anfang an Hölzchen, Steinchen u.s.w. Berechnungen mit grossen Zahlen
sind sie nicht imstande auszuführen, was die Malaien und Buginesen
sich in ihrem Handel mit ihnen sehr zu Nutze machen. In einem vom
Kontrolleur festgestellten Falle bezahlte ein Buginese den Kenja,
von denen er 1500 Packen Rotang gekauft hatte, nur 900.

Nicht nur körperlich sondern auch geistig sind die Bahau also durch
ihre Lebensbedingungen hintangehalten worden. Dass auch ihr Charakter
hiervon das Gepräge trägt, davon überzeugten wir uns bereits bei
der Betrachtung ihrer religiösen Überzeugungen und Gebräuche. In den
Charaktereigenschaften der Bahau macht sich hauptsächlich ein durch
die Verhältnisse hervorgerufener Mangel an Energie geltend, wovon wir
uns im folgenden bei einer Vergleichung mit den Charaktereigenschalten
der Kenja überzeugen werden.

Natürlich darf hierbei nicht übersehen werden, dass unter den vielen
Individuen eines Stammes grosse Unterschiede vorkommen, die allerdings
nicht so gross sind wie in einem höher entwickelten Gemeinwesen,
das seinen Gliedern verschiedenere Verhältnisse zum Leben und
zur Entwicklung bietet; doch treten auch bei den gleichförmigeren
Existenzbedingungen der Bahaugesellschaft einzelne Persönlichkeiten
stark vor der Umgebung hervor.

Der Bahau ist im allgemeinen nicht tapfer; nie bin ich jemand begegnet,
der sich für irgend etwas aufgeopfert hätte, und sobald mit einer
Sache grosse Gefahr einer Verwundung oder gar Lebensgefahr verbunden
ist, zieht er sich zurück. Charakteristisch ist sein Ausdruck für
einen Mut, der keine Gefahren kennt, nämlich "_lakin ujow_ (dummer
oder verrückter Mut)." Am besten lässt sich der Mut der Bahau an dem
ermessen, was er selbst für besonders mutig und männlich hält. Vor
allem das Unternehmen einer Kopfjagd gegen feindliche Stämme, wobei
unter grossen Entbehrungen durch das versteckte Leben im Walde und mit
Aufopferung von viel Zeit mit einer Übermacht einzelne Individuen,
bisweilen Frauen und Kinder, überfallen werden und der Angreifer
selbst ein Minimum an Gefahren riskiert.

Das Unternehmen einer Kopfjagd an und für sich könnte schon als eine
mutige Tat angesehen werden, wenn man nicht wüsste, dass diese Stämme
hierzu durch ihren Glauben und ihre Liebe zu verstorbenen Häuptlingen,
denen sie einen Schädel ins Grab geben müssen, gezwungen würden. Schon
die Berührung eines solchen Schädels ist ein Beweis von grossem Mut,
den nur wenige zu erbringen wagen (178 u. 180). Das Unternehmen einer
solchen Kopfjagd ist einigermassen mit der freiwilligen Verbrennung
der Witwen der Hindufürsten auf Bali vergleichbar, aus der ersichtlich
ist, wie weit der Glaubensfanatismus führen kann. Der Abscheu vor
Blutvergiessen ist bei den Dajak im Grunde so gross, dass selbst
ein auf die feigste Weise ausgeführter Mord noch als eine besonders
mutvolle Tat betrachtet wird.

Für Häuptlingssöhne am oberen Mahakam ist es bei ihrem Eintritt ins
Mannesalter wünschenswert aber nicht absolut notwendig, einen Menschen
getötet zu haben; deshalb werden häufig alte Sklavinnen am oberen
Murung gekauft und dann unversehens niedergemacht. (_Lasa Tekwan_
Tl. 1 pag. 399 und _Ibau Li_ pag. 82). Sehr bezeichnend ist auch die
Tatsache, dass bei Gefechten, die zwischen diesen Stämmen geliefert
werden, der Tod oder die ernsthafte Verwundung nur eines Mannes den
ganzen Stamm in die Flucht treiben kann. Dies wird allerdings auch
als ein Zeichen von Zorn seitens der Geister aufgefasst, doch beweist
es nicht minder den starken Eindruck, den ein derartiger Vorfall auf
den ganzen Stamm ausübt.

Einigermassen im Widerspruch hiermit steht, dass relativ häufig Fremde
von Bahau ermordet werden, wenn auch auf verräterische Weise. Bei
näherer Betrachtung erweist es sich aber, dass die Eingeborenen dann
durch ihr Schlachtopfer oder dessen Stammesverwandte aufs äusserste
gereizt worden waren und die geübte Rache, von ihrem Standpunkt aus,
durchaus nicht übertrieben ist (Fall in Long T/epai).

Diesem furchtsamen Charakter und Mangel an Selbstvertrauen ist es denn
auch zuzuschreiben, dass man unter den Bahau so wenig Wahrheitsliebe
antrifft. Zwar ist auch hierin die individuelle Verschiedenheit gross
und ein Kind und ein Sklave flunkert z.B. viel leichter als ein
Erwachsener und Höherstehender, aber weitaus die meisten Personen
können der Versuchung nicht widerstehen, eine Lüge vorzubringen,
falls sie sich hierdurch leicht aus einer Verlegenheit retten zu
können glauben. Hierdurch wird natürlich der Umgang mit ihnen sehr
erschwert und beim Einholen von Nachrichten muss man hierin stets
auf der Hut sein und besonders die Person, an die man sich richtet,
in Rechnung ziehen.

In Übereinstimmung mit ihrer Abneigung gegen Gewaltsakte steht auch
die Tatsache, dass, obgleich das gegenseitige Verhältnis zwischen den
Stämmen z.B. am Ober-Mahakam nichts weniger als harmonisch ist, dennoch
ein Kampf zwischen ihnen zu Lebzeiten der gegenwärtigen Bewohner
nicht mehr vorgekommen ist. Überdies sei hier daran erinnert, dass
in einem Stamm selbst ein Zank oder gar ein ernsthafter Zwist unter
normalen Verhältnissen nicht vorkommt. Anfälle von Heftigkeit oder
Wut sind bei den Bahau nur als Äusserungen Geisteskranker bekannt;
daher ihre Angst vor Europäern, die leichter heftig werden.

Roh und rachsüchtig sind sie ebenfalls nicht, sie verraten vielmehr
ein zart entwickeltes Gefühl, was man von Kopfjägern wohl nicht
erwartet hätte. Ihr Abscheu vor Gewalttätigkeit, der sich schon in
dem Verhältnis der Stämme untereinander zeigt, tritt noch viel stärker
hervor im Betragen der Familienmitglieder untereinander. Hier äussern
sie ein grosses Mass von Selbstbeherrschung und Mitgefühl für ihre
nächste Umgebung im Gegensatz zu den nicht durch Verwandtschaft mit
ihnen verbundenen Menschen. Besonders massgebend für ihre Haltung
ist der Verwandschaftsgrad, in dem der Bahau zu jemand steht, und
der Umstand, ob dieser ein völlig Fremder ist oder nicht.

Am innigsten ist das Band zwischen Eltern und Kindern; Roheiten kommen
zwischen diesen nie vor. Schon die jahrelange Versorgung des kleinen
Kindes durch die Mutter mit Aufopferung beinahe aller ihrer Arbeit auf
dem Felde oder im Walde zeugt von liebevoller Fürsorge. Obgleich die
Kinder bei allzugrossen Unarten ab und zu wohl einen Schlag erhalten,
so ist doch von Strenge, übrigens auch von ernster Erziehung nicht
die Rede. Die Eltern sind bisweilen aus übertriebener Zärtlichkeit so
schwach, dass sie schliesslich von den Kindern tyrannisiert werden. Das
beste Beispiel eines solchen verzogenen Kindes war der elternlose Enkel
der Priesterin _Usun_, der seine Grossmutter entsetzlich plagte und ihr
die Sorgen, die er ihr bereitete, schlecht vergalt. Da er ständig krank
war, genoss ich täglich das Vergnügen ihn zu behandeln, und wenige
zeigten sich so ungeduldig wie die Alte, bis dem Bengel geholfen wurde.

Es scheint, dass eine derartige milde oder schwache Erziehung
vollkommen ausreicht, um einen Kajan für die Erfülhing der Forderungen,
die das Zusammensein an ihn stellt, vorzubereiten; denn unter den
Erwachsenen findet man wenige, die in ihrer Umgebung ernstlich
Anstoss erregen.

Über die Innigkeit der Gefühle, welche Eltern ihren Kindern
entgegenbringen, überzeugte ich mich am leichtesten während meiner
ärztlichen Praxis. Bei so ergreifenden Momenten wie Krankheit und
Tod zeigten auch so zurückhaltende Charaktere wie die Kajan ihre
wahre Natur. Ich kannte Eltern, welche ihre kranken Kinder mit
unermüdlicher Hingabe Tag und Nacht verpflegten. Obgleich bei ihnen
selbst gute Heilmittel unbekannt sind, griffen sie doch nach allem,
was nach ihrer Meinung den Leidenden Linderung verschaffen konnte. Ich
erinnere mich eines Falles in Tandjong Karang, wo meine ärztliche
Hilfe nicht ausreichte und wenige Tage nach meiner Ankunft ein Kind
nach monatelangen Leiden starb. Das verzweifelte Jammern der Frau
blieb mir noch lange in den Ohren, und ich sah die Eltern, die sich
aus Kummer über den Verlust ihres einzigen Söhnchens nur sehr selten
zeigten, einen Monat lang nicht wieder. Als die Mutter eines Abends
wieder zu mir kam, erzählte sie mir mit tränenden Augen von ihrem
Kleinen. Ich hatte sie früher als lebhafte, fröhliche Frau gekannt,
jetzt stand sie als ein Bild des Jammers vor mir, mit eingefallenen
bleichen Wangen und tonloser Stimme. Sie berichtete, dass ihr Mann
das Haus noch nicht verlassen wolle, weil der Anblick von Kindern im
gleichen Lebensalter wie das seine ihn zu sehr angreife.

Diesem sehr entwickelten menschlichen Empfinden sind wohl auch zum
Teil die strengen Vorschriften für die Trauer und die Sorge, dem Toten
durch eine gute Ausrüstung den Weg nach Apu Kesio und seinen dortigen
Aufenthalt so angenehm als möglich zu gestalten, zuzuschreiben.

Von einer Angst vor den Seelen ihrer Verstorbenen habe ich bei diesen
Stämmen nie etwas gemerkt. Als die Leiche des alten _Bo Adjang Ledjü_
wochenlang über der Erde in der Wohnung stand, wurde sie dreimal
täglich liebevoll mit Speise versorgt, seine Frauen schliefen nachts
ohne Furcht neben dem schön verzierten, gut geschlossenen Sarg, junge
Männer wurden gebeten, dem alten Manne auf der _kledi_ vorzuspielen,
und zogen Fremde vorüber, die sich im Rezitieren alter Überlieferungen
auszeichneten, so wurden sie hierzu aufgefordert. Das tägliche Leben
ging in dieser Zeit seinen gewöhnlichen Lauf.

Wenn die Frauen der Kajan am oberen Mahakam hinter dem Sarge eines
Verstorbenen, der zu Grabe getragen wird, einhergehen und den Geist
der früher verschiedenen Mutter zu Hilfe rufen: _Inö alö kö_. (Mutter,
hole mich!), so zeugt auch dieser Zug von Furchtlosigkeit gegenüber
der Seele der Verstorbenen.

Die guten Geister von Apu Lagan werden als die Vorfahren aus längst
vergangener Zeit aufgefasst und stets wieder um Hilfe angerufen
(Teil I pag. 99). Von einem Ahnenkultus, der nur auf Angst beruht,
ist bei diesen Stämmen nichts zu merken. Sie fürchten sich zwar vor
Begräbnisplätzen und vor den Leichen derjenigen, deren plötzlicher
Tod sie erschreckt hat, wie Selbstmörder, Verunglückte, Erschlagene,
Wöchnerinnen und erklären dies als Strafe der Geister für die Schuld
der Verstorbenen, aber hierauf beruht bei ihnen kein anderer Kultus
als das diesen Leichen eigentümliche Begräbnis selbst.

Von ihrem Mitgefühl für das Leiden eines Familiengliedes lassen sich
alle Angehörigen so weit fortreissen, dass bei einem einigermassen
ernsten Krankheitsfall alle Arbeiten vernachlässigt, die Felder
schlecht bebaut werden und für das Essen kaum gesorgt wird;
daher bedeutet die Krankheit eines Gliedes ein Unglück für die
ganze Familie. Öfters kommt es vor, dass diese sich durch den Kauf
von allerlei schlechten dajakischen, malaiischen und chinesischen
Heilmitteln zu Grunde richtet; es war daher sehr begreiflich, dass
ich mir durch die Behandlung ihrer Kranken ihr Vertrauen in einem
Mass erwarb, wie ich es durch kein anderes Mittel erreicht hätte.

Handelt es sich jedoch um Personen, die nicht zur Familie gehören
oder sogar von einem anderen Stamme sind, dann tritt ein kleinlicher
Charakter und gänzlich Fremden gegenüber grosses Misstrauen und selbst
Feindschaft bei den Bahau zum Vorschein. Bei der Beurteilung dieser
Eigenschaft darf nicht vergessen werden, dass die Gesellschaft, in
der diese Stämme leben, zu einem solchen Misstrauen gegen Fremde
viel Anlass gibt. Bei Fremden der eigenen Rasse müssen sie sich
meistens vor Verrat in Acht nehmen, bei fremden Malaien sind sie
am stärksten Schwindel, Diebstahl und Grabschänderei ausgesetzt, so
dass ihre Zurückhaltung Fremden gegenüber bereits hieraus erklärlich
ist. Ausserdem ist ihre Furcht vor Krankheiten, welche die Fremden
als böse Geister begleiten, einem sympathischen Empfang bei ihnen
auch nicht förderlich.

Um den Charakter der Bahau anderen gegenüber zu studieren, bot
mir der Einkauf von Ethnographica gute Gelegenheit. Eigentümlich
war z.B. die Beobachtung bei den Mendalam Kajan in Tandjong Karang,
dass kleinlicher Neid und Eifersucht sich geltend machten, sobald es
sich um Konkurrenten aus dem eigenen Dorf handelte, dass sich die
Leute meines Wohnplatzes jedoch denen von Tandjong Kuda gegenüber
solidarisch verhielten.

Wenn die Jüngeren nicht durch Verfolgung gleicher Interessen
auseinander gehalten wurden, waren sie untereinander solidarisch,
um einer Freundin zu helfen, mich etwas so teuer als möglich bezahlen
zu lassen, und dann war die Bande mit berechtigten und unberechtigten
Anpreisungen auch nicht sparsam. Besonders machte die Verlegenheit
junger Mädchen solche Hilfe der Freunde und Freundinnen wünschenswert.

Sobald ein Vorübergehender merkte, dass jemand aus einer anderen
Ursache als um zu schwatzen oder seine Neugier zu befriedigen in
meiner Hütte stand, trat er ein, ohne dass die beinahe jeden Kauf
begleitenden Auseinandersetzungen durch das Hinzutreten interessierter
Zeugen irgendwie gestört worden wären. Wenn die Neuangekommenen auch
in der Lage waren, selbst Gleiches oder Ähnliches zu liefern, so
bewahrten sie doch tiefes Schweigen, und erst wenn die Besprechungen
ohne Ergebnis endigten, versuchten sie, nach Fortgang des Verkäufers,
dieselben Gegenstände anzubieten oder erklärten sich bereit, sie
für mich herzustellen. Hierbei gewährte ihnen die Geheimhaltung des
Auftrages, vor allem aber des Preises, eine grosse Genugtuung und
spornte sie an, das Beste zu leisten. Den Preis jedoch lernte ich bald,
erst nach Empfang des Kaufgegenstands zu bestimmen; denn die Kajan
zeigten eine starke Neigung, sich ihrer Verpflichtungen auf möglichst
bequeme Weise zu entledigen. Eigentlich lag in ihrer Geheimtuerei viel
Naivität; denn ihre Umgebung, in der jeder von seinem Nächsten alles
sehen und hören kann, ist dazu nichts weniger als geeignet. So lange
jedoch der vereinbarte Preis noch nicht allgemein bekannt war, machte
es den Kajan besonderen Spass, durch Angabe eines höheren Betrages
beim Hausgenossen Neid zu erwecken, vor allem aber, als grosser
Geschäftsmann oder als besonders in meiner Gunst stehend zu gelten.

Denen, die mit besonderen Talenten begabt waren, stellte ich auch
besondere Aufgaben und dabei war es auffallend, wie selten ein schön
gearbeitetes Stück bei den anderen Beifall oder Lob erntete. Viele
schwiegen, doch manche fanden bald einen Tadel heraus und der Preis
erschien ihnen stets zu hoch, Die gegenseitigen Beziehungen der
Beteiligten spielten dabei eine grosse Rolle, und man musste über sie
genau unterrichtet sein, um den Wert ihres Urteils über Personen oder
Sachen richtig einzuschätzen.

Galt es Personen, die in meiner Gunst standen und hieraus ihren
Vorteil zogen, so geschah es nicht selten, dass der eine oder andere
nach harmloser Einleitung darauf hinaus zielte, meine Aufmerksamkeit
auf deren nachteilige Seiten zu richten, und einige unter ihnen
verstanden dabei sehr geschickt von ihrer Kenntnis europäischer
Auffassung gewisser Dinge Gebrauch zu machen. So suchte einst ein
bereits betagter Mann ein paar junge Mädchen, die ich gerade gut leiden
mochte, dadurch in meinen Augen herabzusetzen, dass er mich auf ihren
intimen Verkehr mit diesem oder jenem jungen Manne aufmerksam machte.

Ein anderes Mal versuchte mich ein Kajan am Mahakam während der
weitläufigen Vorbereitungen, die meinem Zuge vom Blu-u nach der Küste
vorangingen, zu überreden, mit ihm und den Seinen statt mit _Kwing
Irang_ und den Männern des ganzen Stammes die Fahrt zu unternehmen. Als
bei einer Beratschlagung die Geschichte ans Licht kam, entstand eine
allgemeine Entrüstung. Im übrigen zeigten sich die Kajan beim Leisten
von Kulidiensten stets solidarisch, was bei den malaiischen Kuli nie
der Fall ist.

Sogar vornehme Häuptlinge wie _Akam Igau_ und _Kwing Irang_ waren
über einen derartigen kleinlichen Wetteifer anderen Häuptlingen
gegenüber durchaus nicht erhaben, ja nicht einmal gegenüber
ihren Stammgenossen. Bei anderer Gelegenheit habe ich bereits
darauf hingewiesen, wie sehr ich mit dieser Eigenschaft bei den
Reisezurüstungen rechnen musste (Teil I pag. 41).

Am Mendalam gewann ich das Herz _Akam Igaus_, indem ich bemerkte,
dass sein Haus im Vergleich zu allen bisher besuchten stark und hübsch
gebaut sei. Höchst wahrscheinlich in Folge dieser Bemerkung, begann
_Tigang_, der Häuptling von Tandjong Kuda, einen Monat später seine
ganze Wohnung mit farbigen Bildern zu schmücken, was in der Tat sehr
hübsch aussah. Unglücklicherweise jedoch baute er in dieser Wohnung, in
der eine gute Lüftung unbedingt notwendig war, nette aber geschlossene
Kammern, wie er sie in Pontianak gesehen hatte. Um nicht allzu sehr
hinter ihm zurück zu bleiben, liess nun _Akam Igau_ wieder durch
seine Hauskünstler eine prachtvolle Tür für seine Wohnung schnitzen
(Teil I Taf. 3). An Anlässen, einander zu überbieten, fehlt es somit
den Kajan nicht.

Für einen intimeren Verkehr mit den Dorfbewohnern schien mir ein
längerer Aufenthalt am gleichen Orte sehr wünschenswert, daher liess
ich mich unter den Mendalam Kajan nur in Tandjong Karang nieder. Die
Dajak sehen jedoch das Schlafen unter ihrem Dache als ein Zeichen von
Wohlgeneigtheit an, daher wurde _Tigang_ neidisch und bemühte sich,
mich durch allerhand schöne Versprechungen zu bewegen, für länger
als die eine Nacht, die ich bei ihm verbrachte, zu ihm nach Tandjong
Kuda zu ziehen. Da ich seinen Lockungen widerstand, suchte er mich
später an der Ausführung des Zuges nach dem Mahakam, von dem ich ihn
und die Seinen wegen seiner Feindseligkeiten mit Tandjong Karang
hatte ausschliessen müssen, zu verhindern, indem er meine Leute
aufwiegelte und sie zu hohen Forderungen veranlasste. Äusserlich
liess sein Benehmen jedoch nichts zu wünschen übrig. Er suchte beim
Verkauf verschiedener Proben der grossen Kunstfertigkeit seines
tauben Bruders _Adjang_ so viel als möglich von mir zu profitieren;
dabei beging er die dumme Flunkerei, die Gegenstände als seine eigene
Arbeit auszugeben.

Einen auch bei den Weissen nur zu gut bekannten Charakterzug fand
ich auch bei den Bahau wieder. Wenn sie nämlich auf alle erdenkliche
Weise die schlechten Eigenschaften ihrer Nebenmenschen mir gegenüber
hervorgehoben hatten, endeten sie mit der Erklärung: "aber ich bin
nicht so"; dabei diente ihnen diese Erklärung oft als Einleitung
für irgend eine Unterhandlung, bei der ich mich vor einem Betrug
ihrerseits hüten musste. Bei einer der seltenen Gelegenheiten, wo
ich mit _Akam Igau_ allein war, musste ich sogar von ihm diese mit
grossem Ernst gegebene Erklärung hören.

Solche kleinliche Reizbarkeit tat aber dem Frieden keinen Eintrag,
da sie durch eine andere Eigenschaft im Schach gehalten wurde. Diese
beruht eigentlich auf ihrem schwach entwickelten Selbstgefühl und
besteht in ihrer grossen Empfindlichkeit gegenüber der Meinung
anderer, hauptsächlich ihrer Angehörigen und Dorfgenossen, über
ihre Person. Diese Eigenschaft verhindert die Bahau in viel höherem
Masse etwas zu tun, was ihre Stammesgenossen nicht billigen würden,
als ihre _adat_, welche dem Häuptling das Recht gibt, Vergehungen mit
Bussen zu strafen. Sie fürchten sich sehr davor _haè_, beschämt, zu
sein vor ihrer Umgebung, und auch sobald sie mit einem angesehenen
Fremden, z.B. einem Europäer, verkehren, ist dieses Gefühl eines
der unangenehmsten, das sie empfinden können. So erzählte man mir
später am Mahakam, bei meiner Ankunft habe für sie eine der grössten
Schwierigkeiten darin bestanden, nicht zu wissen, wie sie mit mir
umzugehen hätten. Es fiel ihnen denn auch ein Stein vom Herzen,
als ich ihnen durch meine ungezwungene Art des Umgangs zeigte, dass
ich mit ihrem Benehmen zufrieden sei, und sie trotz ihres Mangels an
europäischen Manieren nicht _haè_ vor mir zu sein brauchten. Noch in
späteren Jahren verwunderte ich mich darüber, wie viel Gewicht sie auf
meine Erklärung legten, dass mir an meinem Zuge nach Apu Kajan so sehr
viel gelegen sei, um mich vor meinen Landsleuten später nicht _haè_
fühlen zu müssen, falls ich unverrichteter Sache zurückkehrte. Diese
Erklärung übte bei vielen Unterhandlungen eine stärkere Wirkung als
eine Auseinandersetzung der für sie damit verbundenen Vorteile.

Bezeichnend hierfür war auch der Kummer eines armen Tropfs, der an
einer Hautkrankheit leidend sich mit einer schwarzen sirupartigen
Flüssigkeit behandelte und nach ihrer Gewohnheit mit einem Lendentuch
von etwas zu kleinen Dimensionen herumlief. In diesem Kostüm hatte er
sich einem weissen Beamten aus Putus Sibau, der ihr Dort besuchte,
präsentiert und dafür einen Verweis erhalten. Bei meiner Ankunft am
folgenden Tage hatte er das noch nicht vergessen und gab mir seine
Befriedigung darüber zu erkennen, dass ich mich durch seine Erscheinung
in meiner Würde nicht gekränkt fühlte.

In ihren Vorstellungen von Schicklichkeit spielt dies stark entwikkelte
Gefühl der Scham eine grosse Rolle, und es war merkwürdig zu sehen,
wie die Auffassung sich auch unter diesem Volk bei verschiedenen
Individuen und unter wechselnden Umständen änderte. Glücklicherweise
erfuhren diese Begriffe der ärztlichen Praxis gegenüber eine gewisse
Milderung, sonst wäre ich bei der Behandlung dieser beinahe nackten
Gestalten auf den gleichen Widerstand gestossen wie bei den stark
bekleideten zivilisierter Länder.

Bitten um Heilmittel gegen venerische Krankheiten wurden mir,
besonders von den Frauen, nur dann vorgetragen, wenn sich niemand
in der Nähe befand, und auch dann so geheimnisvoll, wie in einem
europäischen Sprechzimmer. Die Malaien von Mittel-Borneo behandeln
ähnliche Angelegenheiten dagegen öffentlich und fast ohne Scham.

Obgleich die Frauen ihre in unseren Augen sehr primitive Kleidung
beim Baden völlig ablegen, stösst die Besichtigung der für gewöhnlich
bedeckten Teile doch auf heftigen Widerspruch. Wenn sie in meiner
Hütte am Boden hockten, zogen sie anfangs die Röcke ängstlich
über die schön tätowierten Beine, später, als sie sich heimischer
fühlten, durfte hie und da wohl auch ein Knie zum Vorschein kommen,
zuletzt kam es ihnen, wie in ihrer Wohnung, nicht mehr darauf an,
wie die Rockfalten fielen. Anders verhielt es sich, wenn ich ihre
Tätowierung näher besichtigen wollte; ich musste die Frau gut kennen,
um sie zur Entblössung eines Beines zu bewegen, bemerkte aber, dass
ihr dann ein bewunderndes Wort über das schöne Muster oder die gute
Ausführung sehr angenehm war.

Eine eigenartige Szene erlebte ich bei der Behandlung eines jungen
Mädchens, das an einer Schenkelverletzung litt. Sie musste mich
in meiner offenen Hütte besuchen, die unter anderem auch als
Sprechzimmer diente. Meist kam sie, wenn sie mich allein wusste,
aber einmal erschien sie in Begleitung einer kleinen Freundin,
als die Hütte mit schwatzenden jungen Leuten gefüllt war. Nachdem
sie eine Weile im Hintergrunde gewartet, gab sie mir einen Wink,
und ich sah an ihren sprechenden Gebärden, dass sie sich vor den
vielen Zuschauern verlegen fühlte. Ich musste die fröhliche Schar
erst entfernen, bevor sie sich behandeln liess. Vor dem Arzte aber
zeigte sie kein falsches Schamgefühl.

Wie verschieden dieses Gefühl _haè_ zu werden unter den verschiedenen
Klassen der Gesellschaft entwickelt ist, kann man am besten in den
Fällen beobachten, wo ihr Egoismus stark gereizt wird. Dieses zeigt
sich z.B. bei der Bettelei, deren sich ein jeder im Stamme, vom
Häuptling bis zur niederen Sklavin, schuldig macht: die Männer sind
im allgemeinen sowohl in ihrer Art zu bitten als in ihren Ansprüchen
bescheidener als die Frauen. Unter diesen wussten nur die aus der
Häuptlingsfamilie sich zu mässigen; das Betteln der Sklavinnen und
Kinder dagegen war fast unerträglich.

Um alles, was ihnen schön und wohlschmeckend erscheint, betteln sie
alle und, obgleich sie oft mit einer Kleinigkeit zufrieden sind, können
sie dem Reisenden durch ihr beständiges Betteln vom frühen Morgen bis
zum späten Abend den Aufenthalt völlig verleiden. Am praktischsten
ist es, sich für diese Gelegenheit mit billigem Tand und leicht
teilbaren Leckereien zu versehen. Ab und zu bietet es übrigens einen
angenehmen Zeitvertreib, so viele Menschen glücklich zu machen; man
erschliesst sich dabei viele Herzen und veranlasst manche interessanten
Gespräche. Wenn mir die endlose Bettelei bisweilen ganz unerträglich
wurde, stellte ich mir vor, was in einem zivilisierten Staate aus einem
Menschen werden würde, der so gut wie schutzlos in einer offenen Hütte
mit grossen Reichtümern leben wollte, und dann söhnte ich mich mit
der Bettelsucht meiner Gastherren wieder aus. Denn wenn auch neben
dieser Bettelei eine ungezügelte Neugier zu den charakteristischen
Eigenschaften der Bahau gehört, so ist es für alle, die mit den Bahau
zu tun haben, noch ein Glück, dass dieses Interesse für alles, was
ihr Auge Neues erblickt, nicht wie bei anderen Stämmen in Diebereien
ausartet, wodurch der Aufenthalt gefährlich wird. Im Gegensatz zu den
Europäern sind die Bahau frei von dieser Untugend, das spricht schon
aus der Tatsache, dass ich in Tandjong Karang beinahe 11 Monate in
einer völlig offenen, beinahe wandlosen Hütte wohnte, in der Schätze
nur so zum Greifen bereit lagen, und dass während der Zeit nur ein
einziges Mal ein kleines Kind einen blinkenden Löffel fortnahm,
der mir gleich darauf wieder zurückgebracht wurde.

Unter ihnen selbst nimmt einer Früchte und Sirihblätter vom andern;
jetzt wird das fast wie ein kleiner Diebstahl aufgefasst, wenn man
aber bedenkt, dass diese Sitte zu den ganz erlaubten Gewohnheiten
der Kenja gehört und auch unter den Bahau vor hundert Jahren noch
herrschte, so kann man es schwer als Diebstahl betrachten. Ein
Aufbewahren wertvoller Gegenstände hinter Schloss und Riegel ist
nicht notwendig. Viele bergen einen Teil ihres Besitzes gegen Brand
in kleinen Scheunen, ähnlich den Reisscheunen vor ihren Häusern,
und einem geschickten Diebe würde es nicht die geringste Mühe kosten,
alle diese Lagerplätze zu plündern; aber diese Sitte selbst spricht
für die Seltenheit eines solchen Missbrauches.

Obgleich sich die Bahau im allgemeinen kein Gewissen daraus machten,
von mir und meinem Besitz nach Möglichkeit Nutzen zu ziehen, zeigten
doch einige ihrer Männer öffentlich, dass ihnen das Treiben der Frauen
und Kinder oft zu arg schien. Ein älterer Mann tröstete mich einst
damit, dass ich mir auf diese Weise lauter Freunde gewinne und dass
es viel schlimmer wäre, wenn die Leute auf Stehlen statt auf Betteln
ausgingen. Sie sehen nämlich aus nächster Nähe, wie die Malaien stehlen
und häufig sogar vor brutaler Grabschändung nicht zurückschrecken.

Als bei meinem zweiten Aufenthalt in Tandjong Karang mein Zug nach
dem Mahakam beschlossen war, hielt es _Akam Igau_ für seine Pflicht,
mich vor allzu reicher Beschenkung seiner Stammesgenossen zu warnen
aus Furcht, dass für die später Kommenden nicht genug übrig bleiben
möchte. Selbst als die eigenen Töchter den Versuch machten, jede noch
ein schönes Stück Zeug zu kaufen, liess er seine warnende Stimme
hören und ich machte ihm, wie später noch öfters, das Vergnügen,
seinem Rate zu folgen.

In ihrer eigenen Gesellschaft wird ein solches Gerechtigkeits-
und Ehrgefühl hoch geschätzt; bei den Häuptlingen schätzt man es
höher als Tapferkeit oder Reichtum. Unter den Mahakam Kajan am Blu-u
hatte einer der Mantri, _Kwaï_ genannt, den Ruf ein "_lake marong_"
(rechtschaffener Mann) zu sein. Zwar kam ich wegen der grossen
Entfernung seines Wohnplatzes nur sehr wenig mit ihm in Berührung,
aber ich hatte doch einige Male Gelegenheit zu bemerken, wie gut er
sich den Ansprüchen der Seinen gegenüber in meine Verhältnisse zu
versetzen und zwischen beiden Parteien einen Vergleich zustande zu
bringen wusste. Er war es auch, mit dem ich wegen des Lohnes der Kajan
für die Fahrt den Mahakam hinunter verhandelte. Er fand bei dieser
Gelegenheit, dass es von mir zu viel verlangt heisse, ihnen ausser
allem, was sie von mir erhalten hatten, auch noch das grosse Boot zu
geben, um welches _Kwing Irang_ mich gebeten hatte. Als man mir einmal
über die Kenja zu viel auf binden wollte, erklärte er, dass man wenig
anderes von ihnen wisse, als dass sie Menschen seien wie sie selbst.

Die Ehrfurcht vor dem Alter und die Stellung, welche die Frau im
Bahau-Staate einnimmt, scheinen mir Äusserungen des sanften Charakters
dieser Menschen zu sein. Obgleich die Jugend auch bei ihnen gern das
grosse Wort führt, so schweigt sie doch in Gegenwart älterer Leute. Bei
öffentlichen Versammlungen des Stammes ergreifen junge Männer daher
nur ausnahmsweise das Wort, gewöhnlich sagen sie Ja und Amen zu allem,
was die Alten verlangen.

Die Frau spielt in der Kajan-Gesellschaft eine wichtige Rolle. Während
bei andern Völkern die Frau oft die Beute des Stärksten wird und in
die Verhältnisse ihres Gemeinwesens nicht genug Einsicht besitzt,
um sich nicht durch die eine oder andere glänzende Eigenschaft
eines Mannes blenden zu lassen, steht die Frau im Staate der Kajan
am Mendalam z.B. ebenso selbständig da wie der Mann, bestimmt mit
derselben Einsicht wie dieser ihr Tun und Lassen und bietet ihren
Neigungen dadurch einen festeren Halt. Die besonders bevorzugte
Stellung der Frau unter den Mendalam-Kajan muss aber wohl dem
Nebenumstande zugeschrieben werden, dass die Männer dieses Stammes
besonders langdauernde Handelsreisen unternehmen, wodurch die Frauen
zu Hause mehr Einfluss bekamen als die der Stämme am Mahakam.

Auch am Mendalam hat das stärkere Geschlecht die Neigung, das
schwächere auf den zweiten Platz zu drängen. Bald nach meiner Ankunft
sprach _Akam Igau_ in einem Gespräche unter vier Augen sein Bedauern
darüber aus, dass die Frauen seines Stammes sich so viel Geltung
verschafft hätten. Der alte Herr war in seinem Leben viel gereist
und sah die Zustände seines Stammes mit anderen Augen an als die
meisten; die bevorrechtete Stellung, welche die Männer bei den Malaien
einnehmen, gefiel ihm weit besser.

Bemerkenswerter Weise scheint diese Gleichstellung der Geschlechter mit
einer beinahe vollständigen Abwesenheit geschlechtlicher Entartungen,
wie man sie in den Stämmen vom Barito beobachtete, zusammenzufallen.

Auch wenn die heftigsten menschlichen Leidenschaften, wie die Liebe,
im Spiele sind, kommt es in der Bahaugesellschaft nicht zu Händeln. Man
erzählte mir, dass die Kajanfrauen, wenn sich ihre Neigungen kreuzen,
bisweilen mit einander in heftigen Konflikt geraten; während meines
Aufenthaltes bemerkte ich aber nichts davon.

Es wäre jedoch falsch, diesen Mangel heftiger Äusserungen einer
gegenseitigen Gleichgültigkeit der Geschlechter zuzuschreiben. Ich
hatte im Gegenteil öfters Gelegenheit zu beobachten, dass sowohl Männer
als Frauen in ihren Neigungen eine grosse Standhaftigkeit zeigen und
imstande sind, ihnen viele und langdauernde Opfer zu bringen.

So gab mir einst ein junger Häuptling seine Entrüstung darüber zu
erkennen, dass sein Mädchen sich während seiner Abwesenheit zu viel
mit einem andern abgegeben hatte; für ihn war dies Grund genug,
mit ihr zu brechen.

Als _Akam Igau_ einst das Bedürfnis fühlte, sein bedrücktes Gemüt
von einem Teil seiner Sorgen zu entlasten, erzählte er mir die
rührende Liebesgeschichte seiner zweiten Tochter _Paja_. Diese,
ein auffallend schönes, ungefähr 18 jähriges Mädchen, liebte seit 4
Jahren einen jungen Häuptling, _Tekwan_, dessen Haus sich in der Nähe
der Ma-Suling am Oberlauf des Mendalam befand. Es war mir schon auf
unserem Zuge nach dem Mahakam aufgefallen, wie sehr sich der junge
Mann bemühte, dem alten _Igau_ bei jeder Gelegenheit behilflich
zu sein. Leider standen der Vereinigung der jungen Leute grosse
Hindernisse im Wege. _Tekwans_ Vater gehörte bedauerlicher Weise
nicht zu den Gescheidten seines Stammes; und so wollte seine Mutter
_Ping_ nicht zugeben, dass er, die wichtigste Stütze des Haushalts,
die elterliche Wohnung verlasse, um bei seiner jungen Frau Einzug zu
halten. Nach ihrer Beredsamkeit zu urteilen, war sie übrigens sehr
wohl imstande, ihre ganze Umgebung allein zu beherrschen; wenigstens
wohnte ich einer Unterhandlung zwischen ihr und _Akam Igau_ über
diesen Gegenstand bei, die 3 Stunden dauerte und für die meine Hütte,
als neutrales Gebiet, zum Zusammenkunftsort gewählt wurde. Aber _Igau_
sah sich als Häuptling noch besonders verpflichtet, die alten Gebräuche
hoch zu halten, und duldete daher nicht, dass _Paja_ gegen alle gute
Sitte sogleich ihrem Manne in sein Haus folgte. _Tekwan_ wiederum
war zu arm, um die Busse für die Übertretung der _adat_ zu bezahlen.

Die Familien beider Parteien hatten bereits die Geduld verloren, aber
_Paja_ und ihr Liebhaber liessen nicht von einander und widerstanden
allen Verlockungen von anderer Seite.

_Adat_ und Liebestreue gewannen aber zum Schluss doch den Sieg; denn
_Tekwan_ zog in _Akam Igaus_ Wohnung und bei meinem 2. Besuche fand
ich das Paar vereint in Tandjong Karang; kurz vor meiner Abreise
wurde _Tekwan_ glücklicher, aber etwas unbeholfener Vater eines
kräftigen Sohnes.

An starkem und tiefem Liebesempfinden fehlt es den Kajan also
nicht. Wenn die Leidenschaft sie nicht zu ernsten Konflikten mit
ihren Nächsten hinreisst, so ist der Grund dafür in ihrem Charakter
zu suchen, der wenig zu heftigen Ausbrüchen geneigt ist.

Mit den Äusserungen der Dankbarkeit den vielen Wohltaten gegenüber,
welche sie von mir genossen, hatte es unter diesen Stämmen eine
besondere Bewandtnis.

Die Erklärungen, die die Bahau über Zweck und Ziel meiner Reisen und
meines Lebens in ihrer Mitte gaben, waren für ihre Denkweise sehr
charakteristisch. Den wissenschaftlichen Zweck meiner Reisen und das
Sammeln ihres Hausgerätes und anderer Artikel konnte ich ihnen absolut
nicht begreiflich machen. Trotz meiner Gegenversicherungen blieben
sie bei dem Glauben, dass ich auf einem Handelszuge begriffen sei und
dass mir die Sammlungen bei meiner Rückkehr grossen pekuniären Gewinn
bringen würden. Mit der Zeit merkten sie jedoch, dass ich mich anders
als die malaiischen Kaufleute betrug, und da fügten sie dem ersten
Reisemotiv noch ein zweites, spezifisch Bahauisches hinzu, dass mir
daran gelegen sei, bei meiner Heimkehr als grosser Reisender gefeiert
zu werden. Dass jemand auf die Idee kommen konnte, sich Menschen und
Natur aus Interesse an sich anzusehen, ging über ihren Horizont.

Logischer Weise heuchelten sie auch keine Dankbarkeit dem Fremden
gegenüber, der nach ihrer Überzeugung aus den ihnen erwiesenen
Wohltaten später genügend Vorteil ziehen würde. Sie boten mir
auch auffallend wenig materielle Zeichen ihrer Anerkennung. Das
ungewöhnliche Vertrauen, das mir besonders von Frauen und Kindern
entgegengebracht wurde und das Malaien und Chinesen nie genossen,
musste mich für alles andere entschädigen.

Die Kajan machten in ihrem Betragen meinem Bedienten und mir gegenüber
einen grossen Unterschied. _Midan_ stand mit ihnen zwar auch auf
freundlichem Fusse, aber sie zogen von ihm lange nicht so viel Vorteil,
als von mir, und doch sah ich anfangs mit Verdruss, dass sie freiwillig
alles für ihn taten und ihm sogar Sirih und selbstgebauten Tabak
schenkten, wofür sie von mir so viel als möglich zu erpressen suchten.

Das Wohlwollen einzelner Männer erkannte ich daraus, dass sie ihr
Äusserstes taten, um etwas Schönes für mich herzustellen. Sie liessen
sich aber später eine gute Summe dafür bezahlen, selbst dann, wenn
ich ihren Familien meine ärztliche Hülfe, wie immer, umsonst zu teil
werden liess.

Ganz gleich betrug sich die Bevölkerung am Mahakam. Nur brachte
diese von Anfang an kleine Geschenke als Gegenleistung für meine
medizinische Behandlung mit. Hier machte aber _Kwing Irang_ dadurch
alles gut, dass er allein mir im Gegensatz zu meinen Reisegefährten
beim Abschied Waffen zum Geschenk brachte, was am Mendalam nicht
geschah. Es ist jedoch möglich, dass _Akam Igau_ mir Dankbarkeit
genug zu erzeigen glaubte, indem er mich für 100 Dollar zum Mahakam
begleitete; es wäre dies der Auffassung der Bahau gemäss, die zwar
nie als Kuli auf Reisen gehen, aber den Fremden und seine Sachen doch
gegen eine Entschädigung weiter führen. In gewissem Grade fühlen sie
sich dann auch für seine Sicherheit verantwortlich.

Im Gegensatz zu den Männern, von denen keiner sich überwinden konnte,
mir seine Dankbarkeit durch ein materielles Opfer zu bezeigen,
suchten einige junge Frauen, so wenig Gunstbezeigungen sie von mir
auch erhalten hatten, mir alles zu verschaffen, wovon sie glaubten,
dass es mir Freude bereiten könnte. Eine ältere Frau brachte mir öfters
Naschwerk und freute sich, wenn es meinen Beifall hatte; später trotzte
sie dem Unwillen ihrer fanatischen und unliebenswürdigen Schwester,
indem sie mir religiöse Gegenstände verfertigte, die ich noch nicht
besass. Die Bestimmung des Preises überliess sie dabei vollständig
meinem Gutdünken. Die zweite war zu jung, um sich durch Herstellung
von Leckereien und Arbeiten verdient zu machen, aber sie verkaufte
mir einige alte Sachen, ohne auf den Preis zu sehen.

_Ulo Embang_ war in Tandjong Karang auch die einzige Frau, die
mir am Abend vor der Abreise als Zeichen ihrer Zuneigung ein Huhn
brachte. Ganz gegen ihre Gewohnheit, abends das Haus zu verlassen
und unbegleitet zu mir zu kommen, erschien sie, als die Nacht bereits
eingebrochen, mit ihrem Huhn in meinem Zelte und stand dabei so sehr
unter dem Eindruck des bevorstehenden Abschieds, dass sie kaum ein Wort
hervorbringen konnte. Ich versuchte, sie zu zerstreuen und zu trösten,
und wurde dabei später durch ihre Tante, nach _Usun_ die älteste
und oberste Priesterin von Tandjong Karang, unterstützt. Auch sie
hatte mir viele Beweise ihrer Erkenntlichkeit gegeben, aber schon ihr
Äusseres verriet die ernste Matrone, die sich z.B. über ihre spezielle
Wissenschaft nie geäussert hätte. Bemerkenswert war der Takt, mit dem
sie ihre Nichte dazu brachte, sich unserem peinlichen Zusammensein
zu entziehen. Sie sprach zuerst über das Zeichen der Zuneigung,
das mir _Ulo_ gegeben, dann über meine eventuelle Rückkehr und die
Schwierigkeiten der Mahakamreise; dabei legte sie voll Mitgefühl die
Hand auf _Ulos_ Arm und geleitete sie so nach Hause.

Aus Furcht, in meiner Achtung zu sinken, hatte mir _Ulo_ bis zuletzt
ein Leiden verschwiegen, das ich bei anderen Frauen ihres Stammes
mit Erfolg kuriert hatte.

Die übrigen Kajanfrauen gaben mir bei der Abreise ihre Wertschätzung
auf sehr eigentümliche Weise zu erkennen. Sie fürchteten, dass die
Seelen ihrer Kinder ihrem Wohltäter folgen könnten, und hielten
mir daher beim Abschied die _hawat_ hin, um die Seelen der Kinder
durch Gebetssprüche zu bewegen, von mir wieder auf die Tragbretter
zurückzukehren. An jede _hawat_ hatten sie eine Schnur befestigt,
um die Seele bei ihrer Rückkehr mittelst eines Knotens zu binden. In
den Knoten steckten sie darauf ein Fingerchen der Kleinen, damit die
Seele endlich in ihren richtigen Wohnplatz zurückgeleitet werde.

Hauptsächlich die einflussreichen alten Männer bezitzen ein stark
entwickeltes Ehrgefühl, das sie bisweilen einen eigenen Vorteil
übersehen lässt, nur um sich nicht haè zu fühlen. So bot mir einst
einer der vornehmeren Männer einen durch sein Alter wertvollen Hammer
zum Kaufe an. Gewöhnt übervorteilt zu werden und den wahren Wert
des Stückes nicht kennend bot ich viel zu wenig. Der Mann hielt aber
das Feilschen für unter seiner Würde und liess mir den Hammer für den
gebotenen Preis. Erst viel später erfuhr ich, dass er der Mann mir den
Hammer für 1/3 des wahren Preises überlassen hatte, und beeilte mich,
ihm den Rest zukommen zu lassen.

Ein anderer nahm ohne Widerrede das Geld an, das ich ihm für einen
eigenartigen Schwertgriff bot; auch er hatte, wie ich später hörte,
viel zu wenig erhalten.

Viele Kajan hielten es auch für unter ihrer Würde, in einem Buche
abgebildet zu werden, wovon sie wahrscheinlich durch die Malaien
gehört hatten; für die Aufnahme von Photographieen war dies mit ein
erschwerender Umstand.

Hieraus geht hervor, dass die Bahau sowohl am Kapuas als am Mahakam für
meinen Aufenthalt unter ihnen dankbar waren, in der Äusserung einer
Anerkennung jedoch so sparsam zu Werke gingen, dass ich sie leicht
für undankbar hätte halten können. Bei meinem späteren Besuch bei den
Kenja merkte ich, dass die Bahau auch im Äussern von Dankesbezeugungen
weit hinter diesen zurückstanden.

Aus dieser Skizze ihrer Persönlichkeit geht hervor, dass die Bahau
psychisch keine kräftigen, vielmehr furchtsame, reizbare Naturen
sind. Einzelne gute Eigenschaften der Menschen kommen bei ihnen nur
ihren Familiengliedern gegenüber zum Vorschein; anderen Stammesgenossen
und besonders Fremden gegenüber beherrscht der kleinliche Egoismus
ihrer schwachen furchtsamen Persönlichkeit alle ihre Handlungen. In
dieser Hinsicht steht ihr geistiges Wesen völlig in Übereinstimmung
mit dem leiblichen und wir können hieraus den Schluss ziehen, dass
die höchst ungünstigen Lebensbedingungen, unter denen die Bahau leben,
auf ihre psychischen Anlagen ebenso nachteilig gewirkt haben wie auf
die physischen.

Einen Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme finden wir in
dem Bilde, das wir von den Kenjastämmen erhielten, die unter so
viel günstigeren klimatischen Einflüssen leben und daher nicht nur
körperlich, sondern auch geistig viel kräftiger als die Bahaustämme
gediehen sind.

Die Bahau müssen in früherer Zeit, als sie unter dem degenerierenden
Einfluss des Talklimas noch nicht gelitten hatten, körperlich und
geistig ebenso kräftig gewesen sein wie ihre Stammverwandten, die
Kenja. Nach ihrer Geschichte waren sie am Anfang des 19. Jahrhunderts
sowohl durch ihre Kopfjagden als durch ihre grossen Kriegszüge bis weit
in das Stromgebiet des Kapuas, Barito und Mahakam bekannt geworden
und kein Stamm konnte ihnen widerstehen; gegenwärtig sind, wie wir
gesehen haben, solche Unternehmungslust und Tapferkeit unbekannte
Eigenschaften bei ihnen geworden.

Für einen europäischen Reisenden, der auch nach langdauerndem Verkehr
fortwährend mit Kleinlichkeit, Ängstlichkeit und Misstrauen bei den
Bahau zu kämpfen gehabt hat und der in seinen Unternehmungen ständig
durch die eigentümlichen religiösen und anderen Überzeugungen dieser
Umgebung gehindert worden ist, erscheint der Unterschied gegenüber
den Kenja natürlich sehr auffallend.

Bereits bei meiner Ankunft in Apu Kajan bemerkte ich, dass die
150 Kenja, die mir unter ihren vornehmsten Häuptlingen zu Hilfe
gekommen waren, in ihrem Auftreten viel freier und lauter waren als
mein Bahaugeleite, dass ihre Häuptlinge viel energischer ihre Befehle
erteilten und man ihnen auch besser gehorchte. Bei meinem Aufenthalt in
ihren Dörfern wurde dieser Eindruck auch durch das freimütige Auftreten
der Frauen und Kinder sehr verstärkt. Schon die jungen Kenja zeigten
einen auffallenden Unterschied gegenüber den jungen Bahau.

Bemerkenswert ist die grössere Ausdauer der Kenja bei der Arbeit;
sie fiel mir hauptsächlich bei unseren langen Fahrten in den Böten
bei der für sie ungewöhnlichen Hitze des Mahakam auf. Obgleich sie in
ihrer Gebirgsheimat mehr an das Gehen als an das Rudern gewöhnt waren,
ruderten sie doch Tage lang viel besser als die Bahau und kamen auch
stets viel früher an als diese.

Für unangenehme Gerüche waren die Kenja viel weniger empfindlich als
die Bahau, die lieber einen grossen Umweg machen, als dass sie an
einem Kadaver vorübergehen, und durch Gebärden und Spucken heftig
auf schlechte Luft reagieren.

Während ich bei der Erzählung von den Merkwürdigkeiten unserer
europäischen Gesellschaft bei den Bahau auf ein absolutes Unvermögen
der Vorstellung stiess, was Unglauben verursachte und sie dazu
veranlasste, zu versuchen, mich oft erst viel später auf einer
Unwahrheit zu ertappen, bemerkte ich sehr bald an den Fragen der
Kenja, dass sie sich doch wenigstens bemühten, sich Eisenbahnen und
Ähnliches vorzustellen, und dass sie manche Dinge auch wirklich
begriffen. Hauptsächlich lieferte die Erklärung der Bewegung der
Sonne und der Sterne und der Entstehung von Tag und Nacht, sowie eine
Sonnen- und Mondfinsternis ein gutes Kriterium. Natürlich glaubten
auch die Kenja nicht sogleich, dass die Erde rund ist und sich bewegt,
ebensowenig, dass nicht ein Ungetüm bei der Finsternis Sonne oder
Mond verschlingt, aber sie begriffen doch wenigstens meine Erklärung.

Praktisch sehr wertvoll für uns waren das grössere Interesse,
das die Kenja ihrer Umgebung entgegenbrachten, und die besseren
Kenntnisse, die sie von ihr besassen. Während wir von den Bahau
bei der topographischen Aufnahme des Mahakam nicht einmal die Namen
der wichtigsten Berge und Flüsse in der Umgegend erfahren konnten,
führte mich der Kenjafürst _Bui Djalong_ auf den Gipfel eines Berges
und nannte mir bis zum Horizont zu alle Namen der Berge, auch derer
im Mahakamgebiet, die wir unterscheiden konnten; er gab die zu den
verschiedenen angrenzenden Gebieten führenden Wege an, ebensogut als
dies ein Europäer getan haben würde.

Bei niedrigstehenden Völkern ohne Schrift geht die Erinnerung an
frühere Ereignisse gewöhnlich schnell verloren, so wussten die Bahau
kaum noch etwas über ihre Vorfahren, die Kenja dagegen kannten sogar
noch die Überlieferungen der Bahau aus der Zeit, wo auch sie noch in
Apu Kajan wohnten.

Mit ihrer stärker entwickelten Psyche stehen bei den Kenja auch
Erscheinungen in Verbindung, die auf eine kräftigere Behauptung der
Persönlichkeit ihrer Umgebung gegenüber schliessen lassen. So sind sie
mutiger als die Bahau und üben daher nicht deren hinterlistige, feige
Art der Kriegsführung. Sie kämpfen, wie bereits gesagt, in Banden, Mann
gegen Mann, wobei hauptsächlich das Schwert gebraucht wird und erst
der Tod vieler Kämpfer die Schlacht beendet. Obgleich auch bei ihnen
Kopfjagden üblich sind, so treten sie doch mehr in den Hintergrund und
zeugen auch mehr von persönlichem Mut. Ich erinnere hier an den Fall,
wo ein junger Kenjahäuptling bei einem Besuche am Mahakam während
eines Kriegstanzes einem der zahlreichen Zuschauer plötzlich den Kopf
abschlug und mit diesem die Flucht ergriff. Verräterisch war diese
Tat sicher, aber es gehörte doch Mut dazu, um sie auf einer grossen
Galerie unter vielen Menschen auszuführen.

Wohnt man unter den Bahau, so ist es einem ärgerlich mit anzusehen,
wie sie sich von den Malaien ausbeuten lassen, die auf ihre Kosten
von Betrug, Diebstahl und Grabschändung leben. Die Kenja sind weniger
langmütig; wenn die Malaien es zu arg bei ihnen treiben, werden sie
einfach niedergemacht. Infolge ihres grossen Misstrauens gegen uns
und die eigenen Stammesgenossen brachten wir die Bahau nur ab und zu
einmal unter 4 Augen zu einer freien Äusserung ihrer Gedanken; einen
unvergesslichen Eindruck auf uns Europäer machte dagegen das offene
Auftreten der Kenja bei ihren politischen Versammlungen, wo so wichtige
Angelegenheiten wie das Zusammengehen mit dem Radja von Serawak oder
der niederländischen Regierung öffentlich behandelt wurden.

Eigentümlich ist es zu verfolgen, welchen Einfluss das lebhaftere,
mutigere, rohere und weniger empfindliche Wesen der Kenja auf
deren Zusammenleben geübt hat. Während die Bahau am Mahakam eine
ganz unzusammenhängende Gruppe von Stämmen bilden, in welchen jedes
Individuum sich frei und berechtigt fühlt, den eigenen Vorteil als das
Höchste zu betrachten, wodurch die Häuptlinge machtlos sind und auf die
gemeinsamen Stammesinteressen keinen Einfluss ausüben können, bilden
die Kenjastämme ein zusammenhängendes Ganzes unter der anerkannten
Oberherrschaft eines Stammes und eines Oberhäuptlings und jedes Glied
fühlt sich abhängig und verantwortlich für die Interessen der anderen.

In der geordneteren Gesellschaft der Kenja machte sich auch deren
höhere Moral mehr geltend. Ihre Häuptlinge waren selbstloser,
besassen mehr sittlichen Mut und genossen mehr Vertrauen seitens
ihrer Untertanen. Wagten die Bahauhäuptlinge z.B. nicht, bei einer
Löhnung ihrer Stammesgenossen in Form von verschiedenen Artikeln die
Austeilung vorzunehmen, so rechneten die Kenjahäuptlinge ohne Furcht
vor Unzufriedenheit und Streitigkeiten selbst aus, wieviel jedem zukam,
und führten dann die Verteilung im eigenen Hause aus.

Als sich bei meiner Rückkehr zum Mahakam Hunderte von Kenja zu
meiner Begleitung vorbereiteten, mussten die meisten von ihnen wegen
schlechter Vorzeichen zurückkehren; auch die Häuptlinge hätten dies tun
müssen, doch schickten sie nur ihre Untertanen zurück und gingen selbst
mit wegen der Wichtigkeit einer Fortführung der Unterhandlungen. Bei
den Bahau hätte kaum je ein Häuptling sich verpflichtet gefühlt,
die allgemeinen Interessen zu vertreten, vollends bei ungünstigen
Vorzeichen.

Auch das Betragen ihrer Untertanen unterwegs war ganz anders als
bei den Bahau. Die 80 Kenja, denen es doch noch gelang, alle guten
Zeichen zu finden und mitzufahren, bildeten, obgleich sie aus
verschiedenen Dörfern stammten, auf der Reise eine Gemeinschaft,
die ihre Lebensmittel gemeinsam verbrauchte und sogar mit uns und
unseren Bahau teilte, als unser Vorrat erschöpft war; auch vertrauten
sie meiner Versicherung, ihnen am Mahakam neue Lebensmittel kaufen zu
wollen. Die zahlreichen Gruppen meines Bahaugeleites dagegen teilten
niemals freiwillig ihren Reis und, als meine Malaien auf der Hinreise
in grosse Reisnot gerieten, suchten sie aus dieser kritischen Lage
ihren Profit zu ziehen.

Trotz der sehr grossen Vorteile, die die Bahau aus unserem Aufenthalt
bei ihnen zogen, gaben sie mir, wie schon gesagt, höchst selten
ein Zeichen von Dankbarkeit, nur schenkten sie mir ein grösseres
Vertrauen als anderen Fremden. Als ich dagegen einen Kenjastamm nach
sechstägigem Besuch verliess, kam die Familie des Häuptlings, um sich
bei mir für alles zu bedanken, was ich ihrem Stamm an Tauschartikeln,
Geschenken und Arzneien gegeben hatte.

Die kräftigere Persönlichkeit der Kenja äussert sich auch noch
in dem Grade, in welchem ihre religiösen Begriffe auf ihr Leben
einwirken. Wie auch nicht anders zu erwarten ist, lassen sich diese
körperlich und geistig kräftigeren Stämme um ihres Glaubens willen die
auf ihr Bestehen drückenden Bande der _pemali_ und Vorzeichen nicht so
geduldig gefallen, wie die körperlich und geistig schwächeren und daher
ängstlicheren Stämme. Der Unterschied zwischen Bahau und Kenja ist
hierin am bemerkenswertesten. Beide Stammgruppen haben ja den gleichen
Gottesdienst und ihre _pemali_ und Vorzeichen sind im Grunde dieselben,
nur sind diese bei den Bahau mehr bis in Kleinigkeiten entwickelt als
bei den Kenja. Unter ersteren sind alle Erwachsenen verpflichtet,
den _pemali_ streng nachzuleben, unter letzteren ist dies mehr den
Priestern aufgetragen, so dass die Masse der Bevölkerung sich freier
bewegen kann. Bei den Bahau z.B. darf niemand Hirschfleisch essen,
bei den Kenja ist dieses nur den Priestern verboten. Während die Bahau
sich bei ihrem Reisbau nur wenig nach Trockenheit und Regen oder
nach dem Zustand ihrer Felder richten, sondern alle Stammesglieder
sich dem Häuptlinge fügen, der die erforderlichen Zeremonien für
bestimmte Feldarbeiten verrichten lässt, beachten die Kenja diese
sehr hinderlichen und nachteiligen Vorschriften nur in viel geringerem
Masse. Zwar lässt auch bei diesen der Häuptling die nötigen Zeremonien
ausführen, doch ist dann jeder frei, mit seinem Felde vorzunehmen,
was ihm gutdünkt, wodurch die Ernteaussichten wesentlich gebessert
werden. Die Bahau klammern sich ganz allgemein viel ängstlicher an
ihre _pemali_ als die Kenja. Trotz eines jahrelangen Zusammenwohnens
mit jenen fühlte ich mich doch verpflichtet, mich ebenso streng an
ihre Auffassungen zu halten wie sie selbst. Nur in sehr dringenden
Fällen wagte ich, in ihrer Verbotszeit auf Reisen zu gehen oder einen
Kranken zu empfangen und war daher ebenso wie sie von der Aussenwelt
abgeschlossen. Ihre eigenen Dorfgenossen liessen sie einst nach einem 8
monatlichen Zuge bei der Rückkehr lieber im Walde bleiben und hungern,
als dass sie das _lali_ im Dorf geschändet hätten, indem sie die
Heimkehrenden einliessen oder ihnen Essen brachten. Als ich dagegen,
wie in der Reiseerzählung berichtet, mit meinen Begleitern bei den
Kenja ankam, und im Hause des vornehmsten Häuptlings ebenfalls _lali_
herrschte, liess er für die priesterliche Familie, die sich in seinem
Hause befand und die Hauptträgerin der _pemali_ bildete, schnell ein
neues Haus bauen, wonach er uns bei sich aufnehmen durfte. Ähnliche
Beispiele sind an anderer Stelle bereits erwähnt worden.

Die Kenja suchen vor jeder Unternehmung ebenso gewissenhaft wie die
Bahau nach guten Vorzeichen, aber sobald diese mit den Forderungen des
Augenblicks in Konflikt geraten, wagt man sie zu vernachlässigen. Droht
eine Gefahr, liegt z.B. der Feind in der Nähe versteckt, so achten
die Kenja überhaupt nicht auf die Omina. Wir sehen also, dass bei den
Bahau die strengere Befolgung eines entwickelteren Systems religiöser
Gebräuche gleichen Schritt hält mit ihrem Rückgang in vielen physischen
und psychischen Eigenschaften.

Auf Grund der vorhergehenden Ausführungen glaube ich für die Dajak
von Mittel-Borneo bewiesen zu haben, dass ihre geringe Volksdichte
hauptsächlich von den ungünstigen hygienischen Verhältnissen, unter
denen sie leben, und ihrem niedrigen Entwicklungsstandpunkt abhängig
ist, ferner, dass diese Umstände nicht nur in körperlicher sondern
auch in geistiger Hinsicht höchst nachteilige Folgen für sie gehabt
haben. Eine kräftige Stütze für diese Behauptung fanden wir in den
Kenja, die, was die Bevölkerungszahl und geistige Entwicklung betrifft,
so viel günstigere Verhältnisse aufweisen, was schwerlich, einem
anderen Umstand zugeschrieben werden kann, als der höheren Lage ihres
Wohnplatzes, wo vor allem die Malaria so viel weniger heftig auftritt.



KAPITEL XVII.

    Verhältnis zwischen der dajakischen, malaiischen und europäischen
    Rasse auf Borneo--Malaiische Regierungsprinzipien--Einfluss der
    Malaien auf ökonomischem und religiösem Gebiet--Unterdrückung
    und Ausbeutung der dajakischen Stämme durch die malaiischen
    Fürstenfamilien--Degeneration der ursprünglichen
    Bevölkerung--Furcht der Dajak vor den serawakischen
    Stämmen--Segensreicher Einfluss einer europäischen
    Verwaltung--Gründung des Fürstentums Serawak unter _James Brooke_
    und die günstigen Resultate von dessen Wirksamkeit.


Die an den West-, Süd- und Ostküsten von Borneo wohnenden Stämme
gehören der malaiischen Rasse an. Obgleich sie in manchen Gegenden
sich stark mit fremden Elementen vermengt haben, wie mit Javanern
(Südküste), Buginesen und Arabern (Westküste), Buginesen und Toradjas
(Ostküste), treten bei den Bewohnern der an den Küsten gelegenen
Fürstentümer in Sprache, Sitten und Gebräuchen die malaiischen
Eigentümlichkeiten noch stark hervor. Anders verhält es sich an den
grossen Strömen, längs welchen sich die Malaien, die vorzugsweise
Händler sind, bis tief ins Innere niedergelassen haben. An diesen
Handelswegen gründeten sie an der Mündung grösserer Nebenflüsse
Niederlassungen, so entstanden am Kapuas Tajan, Sanggau, Sekadau,
Sintang, Binut und zahlreiche andere.

Die kleinen, durch ständige Fehden unter einander entzweiten
dajakischen Stämme waren den energischeren Malaien, unter denen die
Einheit der Sprache und des Gottesdienstes ein festeres Band bildete,
nicht gewachsen, und die Lage ihrer Niederlassungen ermöglichte es
den Malaien, bei der Abwesenheit von Landwegen, den Handelsverkehr
mit den flussaufwärts wohnenden Dajak vollständig zu beherrschen. Die
malaiischen Fürsten erhoben auf die ein- und ausgeführten Handelswaren
hohe Steuern, auch unterwarfen sie sich die benachbarten Dajakstämme,
so weit als dies ohne grosse Kosten geschehen konnte. Da die
malaiischen Fürsten sich ausschliesslich zum pekuniären Vorteil mit
dem eigenen Volk und den unterworfenen Stämmen befassen, reicht die
Unterwerfung der dajakischen Stämme in der Regel nicht hoch an die
Nebenflüsse hinauf; kostet es keine Opfer, so werden die Dörfer der
Eingeborenen oft genug gebrandschatzt, obgleich sich die Dajak bereits
auf möglichst grosse Entfernung von den Malaien zurückgezogen haben.

Von Interesse ist, dass sich die Malaien die Ausbreitung des Islams
unter den Dajakstämmen sehr wenig angelegen sein lassen; den Fürsten
wäre sie sogar sehr unerwünscht, da sie aus heidnischen Untertanen
ein viel grösseres Einkommen ziehen können als aus ihren eigenen
Glaubensgenossen. Doch trägt die Anwesenheit der Malaien trotzdem viel
zur Verbreitung des Islams bei, weil sie sich oft mit dajakischen
Frauen verheiraten, die zu diesem Zweck Mohammedanerinnen werden
müssen; ferner denken die Dajak, dass auch die Religion von Menschen,
denen eine grössere Weltkenntnis eigen ist und die im Besitze der
Produkte höherer Kulturvölker sind, mehr wert sein müsse als die
ihrige; das hochmütige Benehmen der Malaien gegenüber den Helden
bestärkt diese noch in dieser Meinung. So kommt es, dass die Dajak
ziemlich leicht zum Islam übergehen, was für sie auch sehr einfach
ist, da von einer inneren Überzeugung von den höheren Vorstellungen,
welche drem Islam zu Grunde liegen, nicht die Rede zu sein braucht und
sie beim Übertritt eigentlich nur auf den Genuss von Schweinefleisch
verzichten und die Glaubensformel nachsprechen müssen. Dem gegenüber
geniesst der Dajak den Vorteil, nicht nur Mohammedaner, sondern
nach der Volksauffassung zugleich Malaie geworden zu sein. Der
Name Malaie erhält hierdurch für die borneoschen Binnenlande eine
besondere Bedeutung, insofern als in der dortigen Bevölkerung alle
Blutmischungen von rein malaiischer bis zu rein dajakischer Rasse
vertreten sind. Natürlich verhält es sich ebenso mit den Sitten und
Gewohnheiten und dem Glauben.

Die Ausbreitung der malaiischen Fürstentümer ist an den verschiedenen
Küsten nicht gleich weit in die Binnenlande vorgedrungen. Am
weitesten ist dies an der Westküste geschehen, wo die Malaien sich
so hoch den Kapuas hinauf niederliessen, als der Fluss das ganze
Jahr über für Handelsfahrzeuge schiffbar ist. Im Süden nehmen sie
nur das Mündungsgebiet der Flüsse ein, ausser am Barito, wo das einst
mächtige Reich der Sultane von Bandjarmasin sich sehr weit am Unterlauf
ausstreckte und wo die in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
von den Niederländern gegen diese Fürstenfamilie geführten Kriege diese
und ihren Anhang immer höher den Fluss hinauf trieben bis in das noch
unerforschte Quellgebiet des Murung. Die malaiischen Reiche im Osten
der Insel sind auf die Küstenstreifen beschränkt, mit Ausnahme des
mächtigen Sultanats von Kutei, das sich bis zum Mujub hinauf ausdehnt.

Was die Unterwerfung von Stämmen und die hieraus erwachsenden
Herrscherrechte betrifft, so huldigen die Malaien der höchst
eigentümlichen Auffassung, die übrigens nicht auf Borneo beschränkt
ist, dass jedem malaiischen Fürsten, der im stande ist, sich an einer
Flussmündung zu halten und dort den Handelsmarkt zu beherrschen, das
ganze Gebiet des betreffenden Stromes zugehört und dass alle Stämme,
die an diesem wohnen, ihm tributpflichtig sind. Diese Auffassung ist
insofern praktisch sehr wichtig, als die Fürsten beim Abschluss eines
politischen Kontrakts diese Ansprüche stets den Europäern gegenüber
geltend gemacht haben, und da diesen öfters die wahren Verhältnisse
an den Flussoberläufen gänzlich unbekannt waren und sie die Macht
der Malaien sehr überschätzten, sind hierdurch Kontrakte geschlossen
worden, die überhaupt nicht auf einen tatsächlich bestehenden Zustand
gegründet sind.

Von grosser Bedeutung für den Einfluss, den die Malaien auf die
ursprünglichen Dajak ausgeübt haben, ist der Umstand, dass infolge der
starken europäischen Nachfrage nach Waldprodukten die Malaien tiefer
und tiefer ins Innere gedrungen und gegenwärtig beinahe überallhin
gelangt sind, wenn man auch in Mittel-Borneo nur mit malaiischen
Individuen und nicht mit malaiischen Reichen zu rechnen hat.

Untersuchen wir im folgenden, ob dem malaiischen Volkswesen, das
so viele Jahrhunderte mit Kulturvölkern in Berührung gewesen ist,
wie man erwarten sollte, in der Tat ein so viel höherer Grad der
Entwicklung eigen ist als dem dajakischen und in wie weit es auf
letzteres fördernd hat wirken können.

An der Westküste, wo die Sultanate von Sambas und Matan sich fast
selbständig haben entwickeln können, finden wir eine malaiische
Bevölkerung, die am liebsten von Handel und Fischfang (früher auch von
Seeräuberei) lebt, die sich nur im Notfall mit Ackerbau beschäftigt
und auf industriellem Gebiet wenig produziert. Obgleich die Malaien auf
ihren Handelsreisen ständig mit höher entwickelten Völkern in Berührung
kamen, steht in Sambas der Ackerbau doch noch auf der gleichen
niedrigen Stufe wie bei den im tiefsten Innern wohnenden Dajak. Hier
lernte ich zum ersten Mal das Fällen und Verbrennen von Wald und Busch
und das Pflanzen von Reis, Mais, Bataten und Zuckerrohr in den mit
Asche bedeckten Boden kennen. Der Acker erfährt hierbei keine andere
Behandlung, als dass mit einem zugespitzten Holzstock Löcher in den
Boden gestossen werden, in weiche später die Saat gelegt wird; beim
Pflanzen von Zuckerrohr werden kleine Erdhaufen aufgeworfen. Jährlich
oder alle 2 Jahre werden auch bei den Malaien die Felder verlegt;
sie entschliessen sich jedoch nur schwer, zur Anlage eines neuen
Ackers Urwald zu fällen, und begnügen sich mit einem Boden, der mit
höchstens 5-6 Jahre altem Strauchwerk bewachsen ist. Was das Gewerbe in
Sambas betrifft, so wird fast alles Eisenwerk und Kattun eingeführt;
an Gegenständen, deren Verfertigung Geschicklichkeit und Geschmack
erfordert, findet man nur einige Webereiartikel in Kattun und Seide,
verziert mit Goldstickerei, und einige Kupferarbeiten. In einigen
Dörfern waren die Häuser allerdings aus festem Holz gebaut, aber
von einer behaglichen Einrichtung und schön verziertem Hausgerät war
nichts zu erblicken. Beim Eintritt ins Haus fallen nur geschmacklose,
aus europäischen Stoffen verfertigte Moskito-Gardinen, einige Koffer
und etwas Kupfergerät ins Auge. Herrscht an grösseren Orten bei einigen
Familien eine gewisse Wohlhabenheit, so hat man es stets mit Arabern
oder Bandjaresen, die Grosshandel treiben oder getrieben haben, zu tun.

Hätten die Malaien Anlage und Lust, sich mit Kunst und Geschmack eine
behagliche Umgebung zu schaffen, so würde man hiervon am ehesten in
den Sultansfamilien, die aus dem Lande der Dajak so grosse Apanagen
beziehen, etwas merken. Aber auch in diesen Häusern findet man,
ausgenommen den mit europäischen Möbeln ausgestatteten Empfangssaal
des Palastes, nur weisse, gewöhnlich nur mit Kalk bestrichene Wände
und das notwendigste, oft schlecht unterhaltene Hausgerät.

Arbeitsscheu und Spielsucht sind die Haupthindernisse für die Wohlfahrt
der Malaien. Sie sind zwar imstande, durch Not gezwungen eine Zeitlang
angestrengt zu arbeiten, aber sobald der Antrieb aufhört, ziehen Spiel
und Nichtstun sie mit doppelter Macht wieder an. Der starke Hang der
Männer zum Umherschweifen und die niedrige Stellung, welche die Frau
bei ihnen einnimmt, hat ausserdem zur Folge, dass die Arbeitslast
bisweilen ganz auf den Schultern der Frau ruht.

Die Bevölkerung von Sambas steht indessen, wahrscheinlich weil sie
zur Zeit der Seeräuberei stark mit Bandjaresen und anderen Elementen
vermischt worden ist, noch auf einer höheren Entwicklungsstufe als
diejenige am Kapuas, deren baufällige, schmutzige Häuser sofort ins
Auge fallen. Noch schlimmer steht es bei den malaiischen Bewohnern
in Kutei mit den Wohnungsverhältnissen.

Somit scheint der Malaie, wo er nicht mit anderen Rassen sich
vermischt hat, wenig entwicklungsfähig; in Gegenden dagegen, wie die
"Zuider-Afdeeling" von Borneo, wo in früheren Jahrhunderten eine grosse
Anzahl Javaner in der malaiischen Bevölkerung aufging, ist diese durch
fleissigen Betrieb von Ackerbau und Industrie wohlhabend und dicht
geworden. Die tüchtigsten Elemente findet man auf Borneo stets da,
wo Bandjaresen sich niedergelassen haben.

Hat es sich im Vorhergehenden gezeigt, dass die Malaien auf Borneo an
Bildung und Wohlstand nicht besser daran sind als die ursprüngliche
Bevölkerung, so stehen wir jetzt vor der Frage, in wie weit jene
als Moslemin einem höheren Glauben huldigen, als die Dajak, da es
für diese von grosser Bedeutung wäre, wenn sie durch die Berührung
mit den Malaien wenigstens zum Teil von ihrem äusserst nachteiligen
Glauben an Geister, _pemali_ u.s.w. befreit würden.

Selbst unter den höchstentwickelten Völkern des indischen Archipels,
z.B. den Javanern, hat die Einführung des Islams auf die Wohlfahrt
der grossen Masse nur einen geringen Einfluss ausgeübt, weil diese
selbst dort noch in ihrem Tun und Lassen stark von animistischen
Vorstellungen über sich selbst und ihre Umgebung beherrscht wird,
die aus der malaio-polynesischen Periode vor der Ausbreitung
des Hinduismus und später des Islams herstammen. Nur sind dort
gegenwärtig beim Gottesdienst Hindu- und mohammedanische Namen und
Zeremonien gebräuchlich, während man in heidnischen Gegenden mehr
malaio-polynesische antrifft. Hierdurch ist es möglich, dass die
grosse Masse der Bevölkerung, die den wahren Islam nicht kennt, sich
nichtsdestoweniger als seine treuen Bekenner betrachtet. Diejenigen,
die sich in einem hochstehenden indischen Gemeinwesen, wie das der
Javaner, mehr oder weniger mit dem Studium mohammedanischer Schriften
befasst haben, besitzen hierüber richtigere Vorstellungen, aber die
Überzeugung dieser wenigen übt auf die Auffassung des geringeren
Mannes und auf seine Handlungen nur einen unbedeutenden Einfluss aus.

Unter den Malaien auf Borneo hat der Hinduismus lange nicht so
stark geherrscht als auf Java, obgleich sie sich als echte Moslemin
betrachten, entbehren die Malaien sogar in den Küstenstaaten der
Wohlhabenheit, um einen gelehrten Stand aufkommen zu lassen, und der
entwickelnde Einfluss, den die Religion der Hindu und Mohammedaner
hätte ausüben können, fehlt hier in noch höherem Masse als auf
Java. Berücksichtigt man ferner das oben über die Blutmischung der
Borneo-Malaien Gesagte, so erregt es keine Verwunderung, dass die
Mohammedaner, wenigstens die im Innern Borneos, auch durch ihren
Gottesdienst keinen zivilisierenden Einfluss auf die Dajak ausüben
können und in der Tat auch nicht ausgeübt haben. Der zum Islam
übergetretene Dajak wird im Gegenteil sehr bald wie die übrigen
Mohammedaner und verachtet seine noch Schweinefleisch essenden
Stammesgenossen, glaubt sich berechtigt, diese auf die gewissenloseste
Weise zu betrügen, und folgt seinen neuen Glaubensbrüdern bald in
der Leidenschaft für Spiel, Hahnenkämpfe und dergleichen.

Für das Verhältnis, in welchem die unterworfenen dajakischen Stämme
zu den malaiischen stehen, ist die Regierungsform der letzteren von
besonderem Gewicht. Jedes malaiische Reich auf Borneo, auch wenn es,
wie am Mittel-Kapuas, nicht viel mehr Niederlassungen umfasst als ein
oder mehrere Dörfer, wird von einem Fürstenhaus regiert. Die Fürsten
tragen verschiedene Namen wie Sultan, Panembahan, Pangeran u.s.w.,
doch leiten diese sowie ihre Familienglieder aus ihrer Würde alle
das Vorrecht ab, dass sie auf Kosten der Masse des Volks so faul und
üppig leben dürfen, als die Umstände es einigermassen zulassen. In
diesen Reichen hat sich der Begriff einer Verantwortung von Fürst
oder Regierung dem Volk gegenüber noch nicht herausgebildet, von
einem Regieren in dem Sinn von Verwalten, von einer Leitung der
Volksentwicklung ist denn auch nicht die Rede und als Richtschnur
in allen Regierungsangelegenheiten gilt nur die Erpressung eines
möglichst grossen Einkommens aus der Bevölkerung.

Trotz der in der Regel grenzenlosen Verschwendung und dem ungezügelten
Leben der Fürstenfamilien hätte deren Regierung nicht den höchst
verderblichen Einfluss auf jeden Fortschritt ausüben können, wie es in
Wirklichkeit der Fall ist, wenn nicht in Folge der mohammedanischen
Vielweiberei die Nachkommenschaft der Fürsten so zahlreich geworden
wäre, die auch, wenn sie bereits den untersten Gesellschaftsschichten
angehört, ihrer Verwandtschaft noch Rechte zu entlehnen wagt. Hierdurch
sind auch rechtschaffene malaiische Fürsten, die eine höhere
Vorstellung von den Pflichten eines Regenten besitzen und die den
Vorteil einer Entwicklung ihres Reiches einsehen, gezwungen, bei der
Regierung stets das Hauptaugenmerk auf das Einkommen ihrer Familie
zu richten; auch dann noch müssen sie aus Mangel an Mitteln ihre
entferntesten Blutsverwandten häufig sich selbst überlassen. Diese
trachten dann, auf ihre hohe Verwandtschaft gestützt, auf alle
Weise, nur nicht durch Arbeit, ihren Unterhalt zu gewinnen, und den
meisten Malaien und Dajak fehlt der Mut, sich ernsthaft gegen ihre
Erpressungen aufzulehnen. Da es den Fürsten selbst an den nötigen
Mitteln zu einem kraftvollen Auftreten gegenüber diesen schlechten
Elementen mangelt, müssen sie dieses auch für sie selbst nachteilige
Treiben stillschweigend mit ansehen; die näheren Blutsverwandten des
Fürsten erhalten öfters Teile des Reiches als Apanage und leben dann
mit ihren Familien von dem Einkommen, das sie durch feste Steuern
oder die noch viel drückenderen willkürlichen aus der Bevölkerung zu
erpressen suchen.

Unter diesen aus der malaiischen Herrschaft entstehenden Zuständen
leiden am schwersten die direkt unterworfenen dajakischen Stämme. Von
dem Los, das diesen in den grossen malaiischen Reichen zu Teil wird,
können wir uns nach den Verhältnissen, die z.B. an den Westküsten
in Sambas und Matan herrschen, eine Vorstellung machen. Auch im
Sultanat von Sambas ist alles Land grösstenteils als Apanage an die
Sultanssprösslinge verteilt. Die Dajak müssen hier eine nicht sehr
hohe Steuer in Gestalt von Naturalien aufbringen, doch wird diese
Summe dadurch bedeutend erhöht, dass der von ihnen gelieferte Reis
z.B. in viel zu grossem Mass in Empfang genommen wird, während das
Salz, der Tabak und bei Hungersnot auch der Reis, die sie von ihren
Herren zu kaufen verpflichtet sind, mit viel kleinerem Mass gemessen
werden. Am schwersten drücken die Dajak jedoch, wie gesagt, die ihnen
willkürlich auferlegten Steuern, wie Lieferungen von Baumaterial,
Böten, Lebensmitteln und persönliche Dienste, welche die Malaien
so weit schrauben, als es möglich ist, ohne dass ihre Sklaven dabei
völlig zu Grunde gehen.

Ausserdem unterlassen es die Steuereinnehmer und anderen Trabanten
der malaiischen Herrscher nicht, die Dajak auch noch in ihrem
eigenen Interesse zu bestehlen. Wie weit die Anmassung dieser
Leute gehen kann, davon überzeugte ich mich einst selbst auf einer
Inspektionsreise in Sambas, für welche mir der Sultan seinen Aufseher
mitgegeben hatte. Als wir in einem trockenen Flussbett eine lagernde
Dajakgesellschaft antrafen, unter welcher sich eine Frau befand mit
einer schön gestickten Mütze auf dem Kopf und einer ebenso schönen
Jacke im Tragkorbe, riss der Aufseher der Frau einfach die Mütze vom
Kopf und nahm ihr die Jacke aus dem Korbe, ohne dass einer der Dajak
etwas einzuwenden wagte. Der Mann fand sein Betragen so natürlich, dass
ich ihn nur mit Mühe dazu brachte, die Sachen zurückzuerstatten. Dies
geschah, trotzdem sich der Assistenz-Resident und der Sultan in
derselben Gegend aufhielten.

In Matan, einem im südlichsten Teile der Wester-Afdeeling gelegenen
Staate, fand ein Kontrolleur einst auf einer Reise ins Innere in
einer inländischen Herberge einen Erlass des Sultans angeschlagen,
in dem geschrieben stand, dass es den Malaien verboten sei, Dajak zu
töten oder deren Hab und Gut zu vernichten.

Was von den ursprünglichen Dajak bei dieser Jahrhunderte dauernden
Knechtschaft übrig geblieben ist, kann man sich leicht vorstellen: sehr
arme, schwache Stämme, die für Wohnung und Kleidung das schlechteste
Material gebrauchen und die körperlich und geistig weit hinter ihren
Blutsverwandten tiefer im Binnenlande zurückstehen. Da, wo die Malaien
ihre Macht über die Dajak nur der Lage ihrer Niederlassungen an den
Flussmündungen verdanken, von wo aus sie die einzigen Handelswege
beherrschen, sind nur die unmittelbar benachbarten Stämme mehr oder
weniger steuerpflichtig, die höher hinauf wohnenden tatsächlich
unabhängig. Doch werden auch sie durch Banden betrügerischer Händler
ausgebeutet. Ab und zu treiben es die Malaien so arg, dass auch die
Dajak die Geduld verlieren und einige Vertreter dieser gehassten Rasse
niedermachen. Ein derartiger Vorfall bildet für die mit Gewehren
bewaffneten Malaien, die ausserdem noch die ihnen kontraktlich
zugesagte Hilfe des niederländischen Gouvernements beanspruchen,
einen erwünschten Anlass, um durch Plünderung und Busse aus den Dajak
noch eine Extraeinnahme zu erpressen.

Es ist klar, dass ein Staat, der seine Untertanen derartig behandelt,
auf die im ganzen Stromgebiet wohnenden Stämme keinen Anspruch zu
erheben hat. Trotzdem glaubt z.B. der Panembahan von Sintang der
gesetzliche Herrscher des ausgedehnten Stromgebietes des Melawie zu
sein, obgleich auch er keinerlei Verwaltung über die dort ansässigen
Stämme ausübt und sich nur soweit um das Land bekümmert, als er und
seine zahlreichen Familienglieder, je nach den zufällig herrschenden
Zuständen, mehr oder weniger Profit aus ihnen ziehen.

Den Hass der dort lebenden noch kräftigen und wohlhabenden Dajak
gegen die Malaien benützte ein energischer Dajakhäuptling aus Nanga
Serawai am Melawie, namens _Raden Paku_, 1895, um die dajakische
Bevölkerung gegen die sintangsche Herrschaft aufzuhetzen. Er hatte
wegen früherer ähnlicher Versuche in Pontianak gefangen gesessen und
war dann nach Sintang entflohen. Seinen Landsleuten erzählte er, dass
die niederländisch-indische Regierung ihn als ihren Repräsentanten
unter ihnen angestellt habe; als Beweis wies er ein Dokument vor
in Gestalt einer mit vielen Medaillen bedruckten Rechnung für
Photographien auf den Namen des damals in Nanga Pinau am Melawie
wohnhaften Kontrolleurs. Der lebhafte Wunsch der Dajak, unter eine
gesetzmässige, gerechte niederländische Verwaltung zu kommen und
_Raden Pakus_ Einfluss brachten einen zeitweiligen Bund der Stämme
am oberen Melawie zustande, und das erste, was sie taten, war, dass
sie einige malaiische Niederlassungen am Hauptstrom belagerten und
die sintangschen Beamten vertrieben. Der Panembahan selbst war völlig
machtlos und wandte sich an den Residenten der "Wester-Afdeeling" um
Hülfe. Dieser war der Ansicht, dass eine Befestigung der malaiischen
Herrschaft unter den Dajak die Ruhe in diesen Gegenden am besten
sichern würde, und rüstete und begleitete daher selbst Ende 1895 und
Anfang 1896 eine militärische Expedition an den oberen Melawie. Mit
Hülfe der Tebida-Dajak vom unteren Melawie unter Anführung einiger
Kontrolleure wurde der Aufstand unterdrückt und _Raden Paku_ gefangen
genommen, wodurch die Macht des Panembahan von Sintang grösser als je
zuvor wurde. Statt nun einen Versuch zu einer tatsächlichen Verwaltung
des Landes zu machen, wie man es von ihm erwartete, waren er und seine
Familienglieder ausschliesslich darauf aus, noch drückendere Steuern
als vorher zu erheben. Auch hatte er noch die Dreistigkeit zu bitten,
dass der europäische Beamte für ihn die Steuern erheben möchte, weil
es ihm zu gefährlich und kostspielig schien, es auf die Dauer selbst
zu tun. Hierauf liess sich denn doch die Regierung nicht ein.

Auch im östlichen Teil der Insel wird die Selbständigkeitszeit
und Kultur der Dajak durch malaiischen Einfluss immer mehr
untergraben. Lange Zeit musste sich das Sultanat von Kutei hinsichtlich
der Bahau, deren Niederlassungen erst weiter oben beginnen, mit der
Rolle begnügen, welche die kleinen malaiischen Fürsten an der Mündung
der Kapuasnebenflüsse spielten.

Da es für die Sultane nicht vorteilhaft war, sich mit den noch
kräftigen Bahau in einen Kampf einzulassen, gaben sie sich damit
zufrieden, das ganze Stromgebiet des Mahakam in der Theorie als ihr
Eigentum zu betrachten, und gingen selbst so weit, auch das Land
oberhalb der Wasserfälle als ihnen zugehörig anzusehen mit demselben
Recht, wie der Verstorbene Resident _Tromp_ sich ausdrückte, als wenn
die Niederländer auf die Schweiz Anspruch erheben wollten.

Nachdem jedoch der Vorrat an Waldprodukten im eigenen Reich erschöpft
war, liess der 1899 verstorbene Sultan es sich angelegen sein, auch
über die weiter oben wohnenden Bahau und ihre noch ungeplünderten
Wälder seine Macht auszubreiten.

Die zwischen Long Bagung und Long Tepai gelegenen beiden Reihen grosser
Wasserfälle und Stromschnellen, die nur unter günstigen Umständen
passierbar sind, schützten die oberhalb derselben wohnenden Dajak
vorläufig vor der Herrschsucht des Sultans, dagegen konnte sich die
unterhalb der Wasserfälle lebende Bevölkerung dem kuteischen Treiben
nicht völlig entziehen. Seitdem sich diese Stämme vor 2 Jahrhunderten
hier niederliessen, sind sie an Zahl und Stärke sehr zurückgegangen.

Sie waren hier viel mehr den ansteckenden Krankheiten, wie Cholera
und Pocken, die sich von der Küste aus bei ihnen verbreiteten,
ausgesetzt. Solange sich ihre Häuptlinge jedoch ernstlich den Malaien
widersetzten, wagten sich nur wenige Kaufleute aus Kutei ins Land
der Bahau. Es glückte jedoch dem Sultan, die wichtigsten Häuptlinge
der Bahau mit ihrem Gefolge zu einer Beratung über einen Palastbau
nach Tengaron zu locken. Als diese arglos und nach ihrer Sitte mit
Frauen und Kindern dort angelangt waren, verwendete sie der Sultan
zum Palastbau und hielt sie unter allerhand Vorwänden und auch mit
Gewalt so lange in Tengaron zurück, bis sie alle an Cholera und anderen
Krankheiten starben oder sterbend in ihr Land zurückkehrten. 10 Jahre
später, 1897, starb _Si Ding Ledjü_, der letzte Bahauhäuptling von
Ana, der auf die Stämme unterhalb der Wasserfälle noch den grössten
Einfluss besass und bis zu seinem Tod dem Sultan von Kutei Widerstand
geleistet hatte. In den letzten Jahren seiner Oberherrschaft hatte sich
eine Kolonie Buschproduktensucher unter einigen Fürstenabkömmlingen
aus Kutei an der Mündung des Pari, eines Nebenflusses des Mahakam,
im Lande der Bahau niedergelassen, um dieses auszubeuten. Zu gleicher
Zeit und zum gleichen Zweck trafen auch Banden aus den Baritolanden,
unter denen sich auch viele halb mohammedanische Dajak befanden,
am Mahakam ein. Wie ich Anfang 1897 zu beobachten Gelegenheit hatte,
wurden die Vergehen, deren sich diese Banden schuldig machten, durch
_Si Ding Ledjüs_ noch einigermassen in Schranken gehalten; doch klagten
die älteren Leute bereits damals über den schlechten Einfluss, den das
Treiben dieser Leute auf das Leben der Bahau ausübte. Seit dem Tode
_Si Ding Ledjüs_ verbreitete sich jedoch eine immer grössere Zahl von
Glücksrittern aus Kutei über das Land, und 1899, bei meiner zweiten
Reise flussabwärts, fiel es mir auf, wie schnell die ursprüngliche
Bevölkerung unter dem schlechten Einfluss der fremden Eindringlinge
ihre alten Gewohnheiten und Sitten verändert hatte.

Das wichtigste Zentrum für die Buschausbeutung befand sich damals
in Uma Mehak, an der Mündung des Medang, eines Nebenflusses des
Mahakam. Das ganze Flussgebiet hatte der Sohn des vorigen Sultans,
_Raden Gondol_, der sich in Tengaron unmöglich gemacht hatte, mittelst
eines Briefes seines Vaters, also quasi auf dessen Befehl, von _Edoh
Lalau_, der Tochter eines in Tengaron verstorbenen Häuptlings _Lalau_,
gegen eine geringe und nur halb bezahlte Vergütung erworben. Der
erwähnte Sultansbrief hatte in Wirklichkeit jedoch einen ganz anderen
Inhalt und nichts mit Buschausbeutung zu tun. Dieses fälschliche Recht
auf die Ausbeutung des Waldes verkaufte _Raden Gondol_ stückweise an
Banden aus Kutei und dem Barito und blieb selbst in Uma Mehak wohnen,
wo er für seine Untergebenen eine Spielbank errichtete. Durch ihn und
seine ebenso energische als hübsche Frau _Mariam_ wurden nicht nur die
Dorfbewohner, sondern auch die flussauf- und abwärts reisenden Händler,
welche in Uma Mehak Halt machten, gezwungen, ihr Glück im Spiel zu
versuchen. Auch hielt er zahlreiche Kampfhähne, bezahlte jedoch den
Einsatz nicht, wenn er verlor. Hier wurden auch die Bahau und Kenja,
die mit Rhinozeroshorn, Bezoarsteinen und anderen Kostbarkeiten ihre
Gebrauchsartikel einkaufen kamen, von dem Sultanssprössling in einer
Weise ausgebeutet, die nur in der Schüchternheit dieser Leute gegenüber
dem Sohne des Fürsten ihre Erklärung fand.

Durch sein Gefolge, das aus kuteischen Übeltätern bestand, die sich in
den Palast seines Vaters geflüchtet und dadurch vor Strafe geschützt
hatten, liess er bei seinen Gastherren in Uma Mehak Haussuchungen
nach kostbaren Perlen und dergleichen vornehmen, die er in seiner
Kasse verschwinden liess. Noch schlimmer war, dass er, wie mir aus
zwei verschiedenen malaiischen Quellen mitgeteilt wurde, dreimal
Schuldsklaven im Geheimen an Siang-Dajak aus dem oberen Barito
verkauft hatte, wo sie auf den Gräbern von Häuptlingen zu Tode
gemartert werden sollten.

Dergleichen gut bewaffneten, gewissenlosen Schurken gegenüber sind die
Bahau machtlos. Sie lassen sich sogar von ihnen zu allem Schlechten
verleiten, denn die energischen Fremden, welche die durch Buschprodukte
verdienten Geldsummen bei Spiel und Hahnenkämpfen wieder verschleudern,
machen besonders auf die jungen Bahau grossen Eindruck. Obgleich diese
keine Alkoholika gebrauchen, vergeuden sie doch ihre Kraft und Zeit mit
Spiel, zu hohen Einsätzen und vernachlässigen immer mehr den Ackerbau,
was eine ständige Hungersnot im Dorfe zur Folge hat.

Die Einfuhr von hoch besteuertem Reis aus Kutei, der durch die
Anwesenheit der vielen Fremden in Uma Mehak noch teurer geworden ist,
kann der bereits verarmten Bevölkerung keine Abhilfe bringen.

Auch die Frauen bleiben diesen in Genuss dahinlebenden Fremden
gegenüber, die mit Geld und Gut freigebig umgehen und sich auch die
Spielschulden ihrer Männer mit ihrer Gunst bezahlen lassen wollen,
nicht gleichgültig.

Die bereits früher hier vorgekommenen Diebstähle und Morde nahmen
unter diesen Verhältnissen stark zu, und die ohnehin zu hinterlistigem
Mord geneigten Bahau beteiligten sich häufig an diesen Missetaten. Von
Juni 1899 bis März 1900 kamen unterhalb der Wasserfälle 10 Raub- und
Rachemorde mit 25 Opfern vor. Seitdem _Barth_ dort im Juni 1900 als
Kontrolleur eingesetzt worden ist, fanden keine Morde oder schwereren
Diebstähle mehr statt.

Die Bahaustämme oberhalb der Wasserfälle lebten ihrer isolierten Lage
wegen unter günstigeren Verhältnissen; trotzdem beunruhigten sich ihre
Häuptlinge und Ältesten über die Zustände bei ihren Stammesverwandten
weiter unten, besonders weil einzelne Banden von Waldproduktensammlern
auch in ihrer Mitte bereits ihren nachteiligen Einfluss zu verbreiten
begannen.

Berücksichtigt man, dass bis vor wenigen Jahren weitaus die meisten
Forschungen unter den dajakischen Stämmen entweder flüchtig, auf der
Durchreise, oder, wenn sie eine längerer Zeit umfassten, unter Stämmen
vorgenommen wurden, welche bereits lange unter dem malaiischen Joch
gelitten und deswegen von ihrer früheren Kultur nur wenig mehr übrig
behalten hatten, dann wundert es einen nicht, dass die bei ihnen
gewonnenen Resultate wenig Übereinstimmung mit denjenigen zeigen,
welche man nach längerem Verkehr mit den ursprünglichen Dajak erhält.

Nach dem Vorhergehenden erscheint es Unzweifelhaft, dass der Verkehr
der malaiischen und der dajakischen Rasse für das Lebensglück der
letzteren verhängnisvoll geworden ist. Da diese Verhältnisse nicht
nur für Borneo charakteristich sind, sondern im ganzen Archipel
wiederkehren, gewinnt das Auftreten der Europäer unter diesen Völkern
eine besondere Bedeutung. Um ihr Ansehen im indischen Archipel dauernd
behaupten zu können, ist eine europäische Nation schon in ihrem
eigenen Interesse verpflichtet, der fortwährenden Unruhe, welche
durch die Erpressungen seitens der malaiischen Fürstensprösslinge
und durch die ständig drohenden feindlichen Überfälle unter den
ursprünglichen Stämmen hervorgerufen wird, ein Ende zu machen. Dass
dies einer europäischen Regierung sehr wohl möglich ist, beweist
die plötzliche Veränderung, die in den höchst nachteiligen Zuständen
am Mittel-Makaham durch die Einsetzung eines Kontrolleurs zu Stande
gekommen ist. Wir erkennen hier den grossen Einfluss, den auch ein mit
wenig Mitteln ausgerüsteter Europäer durch verständiges, taktvolles
Auftreten ausüben kann. In einem derartigen Falle erscheint ein
Eingriff eines europäischen Volkes in das Lebenslos eines niedriger
entwickelten durchaus gerechtfertigt; beruht dagegen die Ausbreitung
der europäischen Macht auf Gewalt und mangelhafter Einsicht in die
herrschenden Überzeugungen und die Verhältnisse der Bevölkerung und
tritt noch Mangel an Takt seitens der zuerst auftretenden Europäer
hinzu, so erwachsen hieraus für beide Teile verhängnisvolle Folgen.

Auf Borneo spürt man sowohl im englischen als im niederländischen
Teil den segensreichen Einfluss, den seine Bevölkerung durch die
Berührung mit einer europäischen Nation erfahren kann; die Beispiele
sind dort treffender als in den noch halb unabhängigen malaiischen
Nachbarreichen, wo die alten verrotteten Zustände noch fortdauern. Auf
Grund ihres Vertrauens in die niederländische Regierung fügten sich
vor einigen Jahrzehnten alle Stämme des Kapuasgebiets oberhalb Bunut
unter ihre Herrschaft, sobald sich nur einige Male ein Staatsbeamter
aus dem sehr entlegenen Sintang bei ihnen zeigte; Kontrakte wurden
hierbei nicht geschlossen, doch wurden die Verordnungen treu befolgt
und später eine mässige Abgabe bezahlt; Widerstand kam in diesen
Gebieten bis jetzt überhaupt nicht vor. Sobald die Stämme am Mahakam
ihre Angst vor den Niederländern, welche hauptsächlich durch die
zu ihnen geflüchteten malaiischen Missetäter geweckt worden war,
verloren hatten, wagten auch die Bewohner am Ober- und Mittellauf die
beschirmende Hand der niederländischen Verwaltung anzurufen. Wie gern
auch die Stämme im Quellgebiet des Melawie die malaiische Herrschaft
gegen die niederländische vertauschen möchten, sahen wir bereits
oben. Das Stromgebiet des Pinau, des südlichen Nebenflusses des
Melawie, bietet hierfür ein weiteres Beispiel; es bildete bereits
seit langem einen Zankapfel zwischen den Fürsten von Sintang und
Kotawaringin an der Südküste und demzufolge herrschten dort unter
der Bevölkerung von Malaien und Dajak höchst ernste Missstände. Nach
Übereinkunft der indischen Regierung mit den betreffenden Fürsten,
wobei beide ihre vermeintlichen Rechte abtraten, genügte die Ankunft
des Kontrolleurs _Barth_ und einiger bewaffneter Schutzsoldaten,
um die Fehden zwischen den Malaien und Dajak dort zu schlichten
und die Zustände mehr nach europäischen Begriffen zu regeln. Dies
entsprach so sehr dem Wunsche der Bevölkerung, dass bei der Kunde
von der grossen Reise, welche _Barth_ in meiner Gesellschaft 1898
antreten sollte, ein vornehmer Häuptling von dort, _Raden Inu_,
und zwei seiner Verwandten uns baten, unseren Zug mitmachen zu dürfen.

Der Eindruck, den unsere friedsame Besetzung des Mahakamgebiets auf
diese Malaien machte, äusserte sich nachher auf eigentümliche Weise:
als ihnen nach ihrer Heimkehr 1899 anlässlich ihrer uns bewiesenen
Dienste von der niederländischen Regierung das vorteilhafte Anerbieten
gemacht wurde, sich an einem Feldzuge gegen die Sonkong Dajak am
oberen Sekajam zu beteiligen, schlug _Raden Inu_ diese Ehre ab mit der
Begründung, er wisse nun aus eigener Erfahrung, dass ein gewalttätiges
Auftreten gegen die dajakischen Stämme nicht die richtige Methode sei,
um einen heilsamen Einfluss auf sie auszuüben. Für eine friedliche
Regelung der Zustände, wie sie _Barth_ am Mahakam aufgetragen wurde,
empfand er grössere Sympathie und so liess er seinen jungen Neffen
und einen Verwandten _Persat_, der ebenfalls unsere Reise mitgemacht
hatte, mit dem Kontrolleur an den Mahakam ziehen.

Vergleicht man die Zustände, wie sie unter den Bahaustämmen vor und
nach der Festsetzung der Niederländer geherrscht haben, so zeigt es
sich, welch eine richtige Einsicht die Häuptlinge dieser Stämme in ihre
Lebensinteressen bewiesen, indem sie eine niederländische Einmischung
selbst anriefen. In früherer Zeit hatten die Kaufleute am Unterlauf
des Mahakam die Bahau durch ihren betrügerischen Handel dazu gebracht,
die sehr viel mühevolleren Handelszüge nach Serawak zu unternehmen,
wobei sie das nur unter grossen Schwierigkeiten schiffbare Quellgebiet
des Mahakam passieren, das 1200 m hohe Grenzgebirge überschreiten und
den Njangeian bis Fort Kapit hinabfahren, dann wieder in umgekehrter
Richtung zurückreisen mussten. Obgleich die Reise je nach dem
Wasserstande bisweilen Monate erforderte, schätzten die ökonomisch
schlecht gestellten Bahau den Schutz, den sie von den serawakischen
Beamten im Handel gegen Chinesen und Malaien genossen, so hoch, dass
die mehr westlich wohnenden Stämme am oberen Mahakam ihre wichtigsten
Lebensartikel lieber aus Serawak als vom unteren Mahakam bezogen. Die
Reise ins englische Gebiet unternahmen die Kajan zum ersten Mal vor
etwa 30 Jahren unter _Kwing Irang_. Sie gerieten jedoch bereits bei
ihren ersten Zügen mit den dort ansässigen Stämmen, die sie unter
dem Namen Hiwan zusammenfassen, in Streit. Schuld hieran trug ihre
verhängnisvolle Gewohnheit, auf Handelsreisen bei günstiger Gelegenheit
Köpfe zu jagen. Die Unfähigkeit ihrer Häuptlinge, beim eigenen Stamm
oder bei Verwandten dergleichen Ausschreitungen zu unterdrücken,
verschärfte noch die Feindschaft mit den serawakischen Stämmen;
auch die Unterhandlungen zwischen den englischen Autoritäten und
den vornehmsten Häuplingen _Kwing Irang_ und _Belarè_ brachten wenig
Verbesserungen zuwege, weil diese eben nicht im Stande waren, ihre
Stammesgenossen im Zaum zu halten. Um der Unruhe ein Ende zu machen,
vereinigte die Regierung von Serawak 1885 zahlreiche Banden ihrer
Batang-Lupar-Dajak, versah sie mit Gewehren und liess sie plötzlich
einen Einfall in das Gebiet des Mahakam vornehmen, hauptsächlich zu
den Pnihing, die der Grenze am nächsten wohnten.

Die aus Tausenden von Personen bestehende Kriegsmacht musste zuerst
den Njangeian hinauffahren, dann das Gebirge überschreiten und an den
Quellflüssen des Mahakam von neuem Böte bauen; wenn die Bahaustämme
trotzdem völlig unvorbereitet überfallen wurden, so geschah dies
wegen der ungeheuren Ausdehnung der Wälder, in denen monatelange
Vorbereitungen unbemerkt vor sich gehen können, und wegen der grosse
Sorge, mit der man von serawakischer Seite den Zug vor den weiter
unten am Fluss wohnenden Stämmen geheim gehalten hatte. Trotzdem über
100 Böte hergestellt wurden, hatten die Bahau keine Späne den Fluss
hinuntertreiben gesehen, woran für gewöhnlich die Gegenwart Fremder
am Oberlauf erkannt wird.

Die Pnihingniederlassungen, auf die der Zug gemünzt war, wurden
geplündert und verbrannt und allein in _Belarès_ Stamm 237 Personen
getötet oder in Sklaverei geführt. Mangels einer europäischen Aufsicht
fuhren die Plünderer den Mahakam noch weiter hinunter, als ihnen
aufgetragen war, und verwüsteten auch die Dörfer anderer Pnihing und
der Kajan. Seit der Zeit erdreisteten sich die Batang Lupar, auch in
unmittelbarer Nähe der Bahau-Niederlassungen Waldprodukte zu rauben,
so dass der früher verbreitete Schrecken fortwährend lebendig erhalten
wurde. Erst nach Jahren wagten die an die Nebenflüsse geflohenen
Stämme, sich wieder am Hauptstrom niederzulassen.

Dessenungeachtet hatten einige junge Bahau-Männer doch noch den Mut,
mehrmals Batang-Lupar zu töten, in der Regel, um den früheren Mord
ihrer Familienangehörigen zu rächen; die Häuptlinge waren trotz
ihrer Besorgnis zu schwach, um diese Gewalttaten zu verhindern. So
leben diese Stämme in ständiger Angst vor neuen Rachezügen aus
Serawak. Während unseres Aufenthaltes am Mahakam im Jahre 1897
erschienen, einige Monate nachdem 2 Batang-Lupar von einigen Pnihing
getötet worden waren, 2 Bukat-Männer vom Grenzgebirge als Vermittler
aus Serawak, um mit _Belarè_ über ein Sühngeld zu unterhandeln. Sobald
die Kajan von dieser Gesandtschaft hörten, schenkten sie sogleich
dem Gerücht Glauben, dass zahlreiche Banden am oberen Mahakam bereit
ständen, um diesen Mord zu rächen. Sogleich flohen viele Bewohner mit
ihrer kostbarsten Habe, falls sie diese nicht bereits in Felshöhlen
versteckt hatten, in den Wald. In der kleinen Niederlassung um das
Häuptlingshaus der Kajan schlief in dieser Nacht niemand und trotz
unserer beruhigenden Gegenwart war jeder auf das erste Alarmzeichen
zur Flucht bereit. Auf einer Fahrt den Pnihingdörfern entlang fanden
wir diese von, Frauen und Kindern verlassen. Es lässt sich begreifen,
dass die fortschrittlicheren Häuptlinge nach einer Macht aussahen,
welche ihre Untertanen von der drückenden Angst, in der sie lebten,
befreite. Hätte in Serawak nicht die Sitte geherrscht, sich in weit
entlegenen Gebieten durch plündernde Batang-Lupar-Banden Gehorsam
zu erzwingen, so hätten sich viele Mahakam-Stämme gern dem Radja
unterworfen. Von einer niederländischen Herrschaft versprachen
sie sich nicht viel Gutes, denn in Kutei an der Ostküste übte der
Assistent-Resident tatsächlich nur eine sehr geringe Macht aus und vom
Kapuas aus hatte man von den Niederländern nicht viel mehr gemerkt
als schwere Bussen, welche den Bahau für die an Malaien verübten
Morde auferlegt wurden, durch welche sie sich der lästigen Ausbeuter
zu entledigen getrachtet hatten. Die durch die Malaien verbreiteten
Vorstellungen von der Unnahbarkeit, Anmassung und Roheit unserer
Beamten fanden bei diesen Stämmen leicht Glauben, und Versuche, die in
späteren Jahren von der Wester-Afdeeling aus ins Werk gesetzt wurden,
um mit ihnen in Berührung zu kommen, scheiterten.

Aus dem Vorhergehenden zeigt es sich, dass die Bahau am Mahakam aus
reinem Selbstinteresse den Schutz der Niederländer 1897 anriefen,
nachdem die Gegenwart von uns Europäern ihnen die Furcht genommen
hatte. Dass ihr Blick sie nicht betrog, beweisen die Vorteile, welche
diese Stämme z.B. oberhalb der Wasserfälle aus der europäischen
Verwaltung ziehen.

Zunächst rief der Radja von Serawak seine Dajak mit grösserem Nachdruck
als vorher aus dem Mahakamgebiet zurück, so dass bei unserer Reise
ins Quellgebiet keine Spuren eines neueren Aufenthaltes mehr zu
finden waren. Welch eine Beruhigung diese Tatsache und ausserdem die
Einsetzung eines Postens mit bewaffneten Schutzsoldaten oberhalb der
Wasserfälle bewirkte, kann man sich nach dem oben Gesagt en leicht
vorstellen. Die Gegenwart des Kontrolleurs in Long Iram befreite
sie überdies von ihrer Angst vor dem zunehmenden Einfluss der
Sultansfamilie in Kutei.

Durch Rachedrohungen und Hinweise auf die Machtlosigkeit des
niederländisch-indischen Gouvernements, das ohne den Sultan nichts
tun dürfe, suchte dieser die Einsetzung eines Staatsbeamten unter den
Bahau zu verhindern, auch beunruhigte er während unseres Aufenthalts
die Stämme beständig. Die Anwesenheit einer europäischen Verwaltung
übte auch auf das materielle Leben der Familien einen günstigen
Einfluss. Während sie ihre Gebrauchsartikel früher entweder von
buginesischen Händlern aus Kutei kaufen mussten, die sie auf die
gröbste Weise betrogen, oder in Serawak, nach langer Reise durch
feindliches Gebiet, besorgen sie sich jetzt alles Nötige nach relativ
kurzer, sicherer Reise auf den Märkten am Mittel-Mahakam, wo die jetzt
freie Konkurrenz der Kaufleute die Preise bedeutend herabgedrückt
hat und allzu grober Betrug bestraft wird. Die Eröffnung eines
Salzlagerhauses in Long Iram hat den Preis für Salz jetzt um ein
Drittel oder die Hälfte erniedrigt.

Obgleich die grosse Ausdehnung des Landes und die geringe Dichte
seiner Bewohner eine ärztliche Behandlung sehr erschwert, sind die
Bahau jetzt, wo ihnen umsonst Arzneien ausgeteilt werden und ein
inländischer Arzt (_dokter djawa_) und ein inländischer Impfarzt
unter ihnen eingesetzt sind, weit besser daran als früher, wo sie bei
Krankheit auf die vielen Fremden angewiesen waren, die sich alle als
Medizinmänner bei ihnen aufspielten und manche Familie durch ihre
hohen Forderungen und schädlichen Mittel zu Grunde richteten. Auch
bei den so viel mächtigeren Kenja herrschen die gleichen Zustände
und der gleiche Wunsch nach Verbesserung durch Einführung einer
niederländischen Verwaltung.

Was europäische Regierungsprinzipien und europäische Energie ohne
viel Hilfe von aussen in einem inländischen Gemeinwesen zu Stande
bringen können, dafür bietet uns auf Borneo das Fürstentum Serawak
ein interessantes Beispiel. Dieses Reich, das den westlichen Teil
der Nordküste einnimmt, wird von der englischen Familie _Brooke_
regiert. Bei der Gründung dieses Reichs ist von einer Überwältigung der
Eingeborenen durch eine europäische Kriegsmacht keine Rede gewesen,
sondern wir haben es hier mit einem typischen Fall friedlicher
Entwicklung der einheimischen Bevölkerung unter europäischer Führung
zu tun. Die Geschichte dieses Reichs ist so eigenartig, dass sie hier
wenigstens kurz erwähnt zu werden verdient.

Im Jahre 1841 landete ein englischer Schiffskapitän, namens _James
Brooke_, an der Nordküste von Borneo, nachdem er vorher vergeblich
versucht hatte, sich in Ost-Celebes niederzulassen. Im Gebiet des
jetzigen Serawak lernte _Brooke_ damals das äusserst schlechte
Verhältnis der verschiedenen Völkerschaften zu einander kennen. Der
vom Sultan in Brunei abhängige Radja des Landes, _Muda Hassein_,
war trotz seines guten Willens nicht im Stande, seine dajakischen
und malaiischen Untertanen zufrieden zu stellen, so dass beide
aufständig gegen ihn wurden. _Brooke_, der den Grund hierfür sofort
in der brutalen Unterdrückung der Dajak durch die Malaien erkannte,
wurde vom Radja beauftragt, den Frieden wieder herzustellen, was ihm
auch gelang. Als Belohnung für seine Dienste erhielt er vom Radja
ein Stück Land zur Verwaltung. Gleich anfangs gab er sich die grösste
Mühe, wenigstens in seinem Gebiet die Dajak vor der Ausbeutung durch
die Malaien und Chinesen zu schützen, und gewann dadurch in so hohem
Masse die Gunst der ersteren, dass sie ihm später, als die Malaien
ihm seine Herrschaft gewaltsam zu entreissen versuchten, kräftig bei
der Unterdrückung der Aufständischen behilflich waren.

Später, als auch die zahlreichen Chinesen versuchten, _James Brooke_
an der Verwirklichung seiner humanen Regierungsprinzipien, die ihre
egoistischen Pläne kreuzten, zu verhindern, brachte er wiederum mit
Hilfe der Dajak die Aufrührerischen zur Botmässigkeit. So gelang es
ihm, den Dajak neben Malaien und Chinesen ein erträgliches Dasein
zu verschaffen. Sehr viele Schwierigkeiten bereiteten ihm später
die östlicher wohnenden, sehr kriegerischen Stämme, die unter den
Namen See-Dajak und Batang-Lupar zusammengefasst werden; diese
beteiligten sich unter Leitung der Malaien an der Seeräuberei,
die Anfang und Mitte des vorigen Jahrhunderts alle Küsten Borneos
unsicher machte. Aus Handelsinteressen rüstete die englische Regierung
2 Expeditionen aus, die dem Seeräuberwesen einen schweren Schlag
versetzten. Später glückte es _James Brooke_ und seinem Nachfolger
_Charles Brooke_, auch der Kopfjägerei ein Ende zu machen und die
Batang-Lupar zu unterwerfen. Seit der Zeit gebraucht Serawak, wie wir
sahen, diese kampfeslustigen Stämme, um die Bewohner des Inneren im
Zaum zu halten. Vom europäischen Standpunkte aus ist es zu bedauern,
dass derartige Züchtigungen mit so grossem Verlust an Menschenleben
und soviel Plünderung verbunden sind, aber die Mittel, welche der
Familie _Brooke_ zur Verfügung stehen, genügen nicht zur Unterhaltung
ständiger Truppen.

Von welchem Segen die Regierung Radja _Brookes_ für sein Land geworden
ist, ersieht man daraus, dass in Serawak jetzt bis weit flussaufwärts
ruhig Handel getrieben werden kann und Artikel wie Salz und Leinwaren
jetzt auch bei den entlegensten Stämmen eingeführt werden.

Ausserdem bringen die Eingeborenen ihre Waldprodukte jetzt an Orten zu
Markte, wo serawakische Beamte dafür sorgen, dass sie durch malaiische
und chinesische Händler nicht zu stark betrogen werden. Es erscheint
daher begreiflich, dass die im Binnenlande von Serawak wohnenden
Stämme das viele Gute, das ihnen durch die Europäer zu Teil wird,
sehr hoch schätzen und ihrerseits gern bereit sind, einen Teil ihrer
alten Gewohnheiten aufzugeben und eine kleine Steuer zu entrichten.



KAPITEL XVIII.

    Ergebnisse meiner Reisen auf dem Gebiete der Naturwissenschaft,
    Medizin und Topographie--Praktische Bedeutung ethnologischer
    Studien für eine friedsame Kolonisation--Politische Ereignisse
    in Mittel-Borneo nach meiner Rückkehr--Schlussbemerkung.


Dank ihrer zweckmässigen Ausrüstung und langen Dauer haben die in
diesem Werk besprochenen Reisen auf sehr verschiedenartigen Gebieten
wertvolle Resultate liefern können. Die beiden ersten Reisen der
Jahre 1893-94 und 1896-97 waren, wie eingangs erwähnt worden ist,
zu rein wissenschaftlichen Zwecken bestimmt gewesen; nachdem sich
jedoch auf denselben die dringende Notwendigkeit einer Ausbreitung
der niederländischen Macht in Mittel-Borneo und ein friedlicher Weg
diese zu erreichen gezeigt hatte, wurde die dritte, von Mai 1898 bis
Dezember 1900 dauernde Reise von der indischen Regierung zu politischen
Zwecken ausgerüstet: Da es die beiden ersten Male vollständig geglückt
war, die Angst der Eingeborenen vor den Europäern zu beseitigen und
eine gründliche Kenntnis von Land und Volk zu gewinnen, womit die
Grundbedingungen zu einer friedsamen Kolonisierung erfüllt waren,
wurde in der Ausrüstung und Ausführung der politischen Expedition keine
Veränderung vorgenommen, so dass sie auch andere, wissenschaftliche
Arbeit zu leisten vermochte.

Im folgenden sind die Ergebnisse der 3 Reisen in einer kurzen Übersicht
zusammengefasst.

Die ethnologischen Resultate betreffs des Charakters der Bahau und
Kenjabevölkerung haben für die Beurteilung und Behandlung dieser
auf niedriger Kulturstufe stehenden Völker neue Gesichtspunkte
eröffnet. Diese sind im Lauf des Werkes bereits ausführlich erörtert
worden und kommen weiter unten in Verbindung mit den politischen
Resultaten nochmals zur Sprache.

Von den ethnographischen Sammlungen, welche sich alle auf die Stämme
Mittel-Borneos beziehen, wurden etwa 800 Gegenstände der letzten Reisen
dem Reichs-Museum für Ethnographie in Leiden übergeben und etwa 300,
welche auch die von den Kenja herstammenden umfassen, im Museum der
Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft zu Batavia deponiert. Von den
Leidener Ethnographica wurde in diesem Werk häufig Gebrauch gemacht;
alle Gegenstände werden in dem beschreibenden Katalog, den das Museum
nächstens über die Abteilung Borneo herausgibt, behandelt werden. Da
an den beiden letzten Reisen keine Fachgelehrten auf dem Gebiete der
Zoologie, Botanik und Geologie teilnahmen, musste ich mich darauf
beschränken, die Sammlungen derart anzulegen, dass sie später von
berufener Hand mit Erfolg bearbeitet werden konnten.

Die zoologische Sammlung, von der besonders die Fische und Vögel
bemerkenswert waren, ist grossenteils dem Museum für Zoologie in
Leiden zugewiesen worden; ein kleiner Teil wurde demjenigen auf
Buitenzorg abgetreten. In mehreren Sendungen wurden dem Leidener
Museum ungefähr 1500 Vogelbälge von 209 verschiedenen Arten, unter
denen eine neue, einverleibt. Zu meiner Genugtuung unterzog sich der
frühere Konservator der Vogelabteilung Dr. _O. Finsch_ trotz vieler
anderer Beschäftigung der Bearbeitung dieser Sammlung und führte sie
in vorzüglicher Weise zu Ende. Die Arbeit ist in den "Notes for the
Leyden Museum" Vol. XXVI publiziert worden.

Auch die 659 Exemplare zählenden Fischsammlungen, die auf den
beiden letzten Reisen zu einer Anzahl von 117 Arten anwuchsen und 1
neue Familie, 6 neue Gattungen und 54 neue Arten ergaben, fanden,
bearbeitet in Professor Dr. _L. Vaillant_ in Paris, der mit den
Fischen von der Expedition 1893-94 auch einen Teil der in den Jahren
1896-97 gesammelten untersuchte und in Dr. _C.M.L. Popta_ in Leiden,
die sich mit grossem Eifer und Erfolg der mühevollen Bearbeitung
und Beschreibung der grossen Anzahl auf den beiden letzten Reisen
gesammelten Fische widmeten. Vol. XXVII der "Notes from the Leyden
Museum" wird von der letzten Arbeit völlig eingenommen.

Sowohl die lebenden Pflanzen als die getrockneten wurden dem
botanischen Garten in Buitenzorg übergeben. Von ersteren überstanden
viele die Reise und wurden in den von diesem Institut herausgegebenen
Werken beschrieben. Auch einige Familien des Herbariums, das im ganzen
über 2000 Nummern umfasste, fanden Bearbeiter; den Farnen widmete sich
Dr. _H. Christ_ in Basel, den Moosen Dr. _M. Fleischer_ in Berlin;
diese Arbeiten wurden vom Institut in Buitenzorg veröffentlicht.

Die geologischen Sammlungen, die aus den bis dahin gänzlich unbekannten
Flussgebieten des Mahakam und Kajan (Kedjin, Bulungan) stammten,
wurden dem geologischen Museum der Universität Utrecht übermittelt,
weil sie dort zur Ergänzung der von Prof. Dr. _G.A.F. Molengraaff_
im Jahre 1894 gesammelten Gesteine aus dem Kapuas- und Baritogebiet
dienen konnten.

Die Resultate einiger Untersuchungen auf anthropologischem und
medizinischem Gebiet, die gesondert veröffentlicht worden sind,
finden wir in diesem Werke bereits erwähnt. Die anthropologischen
Messungen sind durch Dr. _J.H.F. Kohlbrugge_ bearbeitet und unter
No. 5 der 2. Serie der "Mitteilungen aus dem niederländischen Museum
für Völkerkunde" herausgegeben worden.

Wegen der Bedeutung, welche die sehr verbreitete Hautkrankheit Tinea
albigena für die indischen Truppen des niederländisch-indischen
Heeres und die inländische Bevölkerung im allgemeinen besitzt,
veröffentlichte ich im Jahre 1904 eine Abhandlung über das bisher
noch nicht beschriebene Krankheitsbild dieses Hautparasiten. (Deel
49 afl. 5 van het Geneeskundig Tijdschrift voor Ned.-Indië).

Wenden wir uns jetzt den Arbeiten auf topographischem Gebiet zu.

Eine sorgfältige Aufnahme des durchzogenen Gebiets gehörte
besonders auf der letzten Reise zu unseren Hauptaufgaben, weil
sie zur Erlangung einer gründlichen Einsicht in die geographischen
Verhältnisse Mittel-Borneos und zur Festsetzung der Grenzen gegen
Serawak dringend notwendig war. Nur der langen Dauer dieser Reise
war es zu danken, dass wir mit den sehr bescheidenen Mitteln, die
uns in dieser Beziehung zur Verfügung standen, die nachfolgenden
Resultate erzielten. Von jeder Gelegenheit Gebrauch machend gelang
es mir, den Sergeant Topographen Bina in den Stand zu setzen, nicht
nur mit Tranche-Montagne und Messstab den von uns zurückgelegten Weg
zu messen, sondern diese Messung zugleich als Basis für die Aufnahme
zahlreicher Nebenflüsse zu benutzen; ebenso wurde von dieser aus 3
Mal die Wasserscheide gegen das Baritogebiet erstiegen, um letztere
festzusetzen. Ferner wurden zur Gewinnung von Beobachtungspunkten
für die Aufnahme des Gebirgsterrains eine grössere Anzahl Berge
bestiegen. Im Interesse dieser Arbeit wurde auch der Mahakam bis zu
stillen Quellen hinaufbefahren und bei dieser Gelegenheit die Grenze
gegen Serawak bestimmt.

So wurde zum Schluss nicht nur der Mahakam mit seinen wichtigsten
Nebenflüssen oberhalb der Wasserfälle mit dem dazwischenliegenden
Gelände auf die Karte gebracht, sondern dadurch, dass die Aufnahme
an 2 Stellen mit der des Kapuasgebiets in Verbindung gebracht und
der Mahakam selbst bis zu dem astronomisch bestimmten Punkt Ana
sorgfältig gemessen wurde, kam eine Messung von West nach Ost quer
durch die ganze Insel zu Stande.



Sowohl wegen der allgemein herrschenden Auffassung, es sei die
Ausbreitung einer europäischen Macht unter niedrig stehenden Völkern
mit dem Gebrauch von Waffengewalt untrennbar verbunden, als wegen der
irrtümlichen, oft zu unnützem Blutvergiessen führenden Vorstellung
über das Wesen unkultivierter Völker, diejenigen des indischen
Archipels, besonders die Dajak, nicht ausgenommen, erscheinen mir
die Ergebnisse meiner Reisen auf kolonialpolitischem Gebiet und dem
der psychologischen Völkerkunde am wertvollsten. Da nur auf einen
richtigen Begriff von den bestehenden Zuständen eine rationelle
Kolonialverwaltung begründet werden kann, sind die in den Kapiteln XVI
und XVII gegebenen Ausführungen über den Charakter der dajakischen
Stämme und ihrer Gemeinwesen direkt von praktischem Wert. Die bei
der Ausrüstung und Ausführung meiner Reisen als Leitschnur dienende
Anschauung, dass man es auch bei den Dajak im Grunde mit friedliebenden
Ackerbauern zu tun hat, die einem eher durch Angst und Misstrauen
als durch ein böswilliges Auftreten gefährlich werden, falls man
ihnen nicht selbst hierzu Veranlassung bietet, haben die Ergebnisse
meiner Reisen als durchaus richtig erwiesen. Die Reise 1893-94 wurde
allerdings unter dem Schutz bewaffneter Malaien angetreten, jedoch
ohne denselben beendet, nachdem er sich als überflüssig erwiesen
hatte. Auf Grund der gesammelten Erfahrungen führte ich die erste
Reise quer durch die Insel (1896-97) mit Hilfe der Bahau selbst aus,
in Gesellschaft von 2 Europäern und 3 Inländern, von denen nur erstere
ein Gewehr zu handhaben verstanden. Auch die letzte Expedition
trug völlig den Charakter einer Reise unter einer friedfertigen
Landbevölkerung; allerdings war, hauptsächlich im ersten Jahr, auch
an eine Verteidigung gegen Überfälle einzelner Individuen gedacht
worden; im übrigen war diese Expedition aber ganz auf die Hilfe der
Eingeborenen selbst angewiesen gewesen. Mit welcher Gewissenhaftigkeit
diese geleistet wurde, geht daraus hervor, dass trotz der jahrelangen
Dauer der Reisen in den für Europäer und Javaner so unwirtsamen Wäldern
keiner der Reisegenossen einem Unglücksfall erlegen ist und alle in
guter Gesundheit heimgekehrt sind. Von nicht geringerer Bedeutung
ist ferner, dass dieser friedsame Verkehr mit der Bevölkerung auch
zu einer friedsamen Besetzung des bis dahin gänzlich unbekannten
östlichen Teils von Mittel-Borneo geführt hat.

Anderen Ortes ist bereits angeführt worden, dass die Einsetzung eines
niederländischen Beamten am mittleren Mahakam ohne Schwierigkeiten
stattfand; die Notwendigkeit dieser Massregel bewiesen die Ordnung
und der Frieden, die nach seiner Ankunft in den sehr verwirrten
Zuständen am Mahakam eintraten. Seitdem haben die Ereignisse am
Mahakam selbst und im Baritogebiet gezeigt, dass diese auf die
gesellschaftlichen Verhältnisse und Bedürfnisse der Mahakambevölkerung
begründete Verwaltung ohne die Stütze besonderer Personen oder
einer bewaffneten Macht vor sich geht. Die ursprüngliche Anzahl
malaiischer Schutzsoldaten in Long Iram wurde in den folgenden Jahren
nur unwesentlich erhöht und nur an der Mündung des Blu-u wurde ein aus
einer kleinen Anzahl bewaffneter Malaien bestehender Posten eingesetzt,
über den unser Reisegenosse _Suka_ den Oberbefehl erhielt.

Kurz nach meiner Abreise bestand die neue Verwaltung eine schwere
Prüfung durch den noch im Jahre 1901 erfolgten Tod _Kwing Irangs_;
man fürchtete anfangs, dass dieses Ereignis die Gesinnung der
Häuptlinge oberhalb der Wasserfälle verändern könnte. Diese Furcht
war jedoch unbegründet; während des heftigen Kampfes, der in den
Jahren 1902-03 das benachbarte Baritogebiet in Aufruhr brachte,
verhielt sich das Mahakamgebiet durchaus ruhig und war auch kein
militärisches Einschreiten notwendig.

Das neue Verwaltungszentrum in Long Iram erhält nicht nur einen
erträglichen Zustand bei den Stämmen längs der serawakischen Grenze
aufrecht, sondern ist auch für eine friedliche Entwicklung des tiefer
gelegenen Mahakamgebiets von hoher Bedeutung. Die grösste Schwierigkeit
bei einer Kriegsführung mit dem meistens viel schwächeren inländischen
Feinde, wie den malaiischen Fürsten, besteht in seiner Gewohnheit,
stets tiefer in das für Europäer schwer zugängliche Binnenland zu
entweichen und bei den dort wohnenden Stämmen, die mit unseren Warfen
noch nicht in Berührung gekommen sind, Hilfe zu suchen. Durch dieses
ständige Zurückweichen hat z.B. die Sultansfamilie im Baritogebiet
beinahe 50 Jahre den Niederländern Stand halten können. Da die
Verwaltung des Mahakamgebiets sich auf die Bahau stützt, ist den
Malaien jetzt das Zurückweichen unmöglich gemacht worden.

Dass das neu eingenommene Gebiet in Zukunft nicht nur tatsächlich,
sondern auch formell dem Einfluss des kuteischen Sultanshauses
entzogen werden wird, indem dem Fürsten eine bestimmte Summe für
seine Ansprüche bezahlt werden soll, ist eine vorzügliche Massregel,
die nicht verfehlen wird, einige noch widerstrebende Bahaufürsten,
wie _Bang Jok_, der sich auf seinen dem Sultan abgelegten Eid beruft,
zum Einlenken zu bringen.

Auch die unter den Kenja erreichte Ausbreitung der niederländischen
Macht erwies sich später als dauerhaft. Im Jahre 1902 wurde dem
Kontrolleur vom Berau _E.W.F. van Walchren_ aufgetragen, von dort
aus einen Zug nach Apu Kajan zu unternehmen. Eine Gesellschaft der
Kenja Uma-Tow, die sich gerade am unteren Berau befand, geleitete ihn
diesen Fluss aufwärts und brachte ihn über einen hohen Bergrücken
an die Mündung des Kajan Ok in den Kajan, von wo sie nach einigen
Tagen die Niederlassung der Uma-Leken erreichten. Während seines 6
monatlichen Aufenthahs unter den Kenja befestigte Herr _Van Walchren_
die von uns früher bereits angeknüpften Beziehungen und kehrte in
Begleitung der Uma-Tow längs des Boh und Mahakam an die Ostküste
zurück. Auch damals zeigte es sich, dass das Verhältnis zu den weiter
unten am Kajanfluss wohnenden Kenja und Bahaustämmen viel zu wünschen
übrig liess. Aus diesem Grunde wurde im Jahre 1905 Herr _Van Walchren_
nochmals beauftragt, den Kajan von Tandjong Seilor aus hinaufzufahren,
um zwischen den Kenja oberhalb der Baröm (Wasserfälle) und den Uma-Alim
am Pedjungan eine Versöhnung zu Stande zu bringen. Die Niederlassungen
der letzteren wurden zwar erreicht, jedoch verhinderten Krankheit
und schlechte Vorzeichen die Erfüllung des Auftrags, so dass der
Kontrolleur unverrichteter Sache wieder zurückkehren musste.

Eine anziehende und für den Verfasser charakteristische Beschreibung
der Reise des Herrn _Van Walchren_ zu den Kenja hat einer der
Teilnehmer an der Expedition, der inländische Arzt _J.E. Tehupeiory_
veröffentlicht. Das in holländischer Sprache verfasste Werk erschien
unter dem Titel: "Onder de Dajaks van Centraal-Borneo" bei der Firma
_G. Kolff & Co_. in Batavia, 1906.

Es wird manchen Leser vielleicht interessieren, etwas über die Kosten
derartiger langdauernder Expeditionen zu erfahren. Für meine letzte 2
Jahre und 8 Monate währende Reise bewilligte mir die indische Regierung
einen Kredit von 53.000 Gulden, von denen ich 50.000 gebrauchte. Die
Summe ist hoch, aber die wissenschaftlichen Expeditionen, welche in
den letzten Jahren nach Niederländisch-Indien ausgerüstet wurden,
kosteten, besonders mit Rücksicht auf ihre viel kürzere Dauer,
erheblich mehr, dasselbe gilt für die militärischen Expeditionen,
welche lange Zeit unterhalten werden müssen, um in einem so grossen
Gebiet eine politische Machtentfaltung zu bewirken. Das in diesem Fall
erhaltene Resultat ist oft eine zwar unterworfene, aber verbitterte
Bevölkerung, deren Sitten und Gewohnheiten nur äusserst oberflächlich
bekannt geworden sind und die in der ersten Zeit nur durch eine
kostspielige militärische Besatzung in Schranken zu halten ist.

Ein weites Arbeitsfeld steht einer friedlichen Kolonisation auf
Borneo noch offen. Im grossen Gebiet des Kajanflusses müssen noch
eingehende Forschungen durch sachkundige Personen vorgenommen werden,
bevor man die dort lebende Bevölkerung genügend kennen wird, um auch
ihr Land auf einfache Weise und ohne Blutvergiessen regieren zu
können. Eine gerechte, über den Stämmen stehende Verwaltung würde
diesen selbst zum Segen gereichen und wäre auch mit Rücksicht auf
die internationalen Beziehungen zum englischen Fürstentum Serawak,
welche eine Kriegführung zwischen den Grenzstämmen verbieten, sehr
notwendig. Überdies ist es in einem derartigen Fall Pflicht einer
kolonialen Macht, den ärgsten Missständen, wie den verhängnisvollen
Kopfjagden unter den dajakischen Stämmen, ein Ende zu machen, besonders
da dies mit einfachen, unblutigen Mitteln erreicht werden kann.

_Ende_.



NOTES

[1] 1900 in Long Iram.

[2] Nach einer Pantherjagd und beim _melo njaho_ werden die Schwerter
wie auch die Menschen einer _Mela_ unterworfen.





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Quer Durch Borneo - Ergebnisse seiner Reisen in den Jahren 1894, 1896-97 und - 1898-1900; Zweiter Teil" ***

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