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Title: Drei Gaugöttinnen
Author: Rochholz, E. L. (Ernst Ludwig), 1809-1892
Language: German
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Drei Gaugöttinnen

Walburg, Verena und Gertrud als deutsche Kirchenheilige.

Sittenbilder aus dem germanischen Frauenleben

von

E.L. Rochholz.

1870

       *       *       *       *       *



Vorwort.


Den ersten frühzeitigen Anlass, in den drei heiligen Frauen, deren Namen
die nachfolgende Schrift am Titel trägt, drei nächstverwandte Wesen aus
der deutschen Götterlehre zu erblicken, hat der Verfasser in den
Perioden seines akademischen Jünglingsalters und während der ersten
Jahre seines Berufslebens empfangen, als er noch auf Jagdgängen,
Ferienreisen und Abteibesuchen der Erkundung örtlicher Alterthümer
nachzog und in andauerndem Verkehre mit der Natur und der Bevölkerung
den damals herrschend gewesnen Glauben theilte, das Volksgedächtniss sei
ein Archiv, welches dem Forscher den Mangel an Urkunden ergänzen helfe.
Während sich ihm letzteres bald als eine gemüthliche Täuschung erweisen
musste, war ihm darüber doch das Glück beschert, reichliche, nachhaltige
Anschauungen in sich anzusammeln, deren freundlich fesselnde Gewalt
einen einmal in uns erwachten Plan auch unter unerwartet eintretenden
Lebensänderungen nicht mehr veralten lässt. Und so erklärt sich der
Ursprung unseres Buches als eine früh erworbene, in langer Zeitdauer
gereifte und hier erst spät zur Mittheilung gebrachte Lebensanschauung
der Art, von welcher bei Göthe (Bd. 44, 193) das runde Wort steht: "Was
man nicht gesehen hat, gehört uns nicht und geht uns eigentlich nichts
an." Als uns vor nun bald vierzig Jahren in den heimatlichen Thälern der
Altmühl und des Mains der hier sesshafte Cultus der hl. Walburgis und
Gertrud begegnete und nicht lange hernach in den schweizerischen der
Aare und des Oberrheins uns ebenso derjenige der hl. Verena näher bekannt
wurde, zeigten schon die bestimmt abgegrenzten Landschaftsmarken,
innerhalb deren der Cult jeder dieser drei Heiligen seit ältester Zeit
bis auf die Gegenwart herrschend geblieben ist, dass diese Drei hier
nicht etwa die Patrone oder Lieblingsheiligen ihres Bisthums, sondern
die Schutzheiligen ihres politischen Gaues in einer Periode gewesen
waren, als dessen politische Grenzen noch keineswegs mit denen des
Kirchensprengels zusammenfielen. Waren die Heiligen aber dieses und also
zeitgenössisch gewesen mit der ältesten Gaueintheilung dieser
Landstriche selbst, so war hier ihr Bestand überhaupt ein älterer, als
der durch die Kirche veranlasste je hatte sein können. Und also führte
uns die _Gauheilige_ in rückschreitender Metamorphose auf die
_Gaugöttin_. Gegen diese Folgerung, die selbst von der kirchlich
approbirten Gestalt der Legende mit historischen Angaben unterstützt
wird, lässt sich mit ferner versuchten Einwänden nicht weiter mehr
aufkommen. Auch führt ja die Gaugöttin ihre bei uns verblasste
Herrschaft über Christenmenschen anderwärts immer noch ungeschwächt und
persönlich fort, so z.B. in der Normandie, wo nach dem Zeugnisse von
Amélie Bosquet die Aufsicht über das Land den Feen gehört, jede einen
einzelnen Kanton, hier jeden einzelnen Einwohner beaufsichtigt und
dessen Loos bei der allabendlichen Versammlung in dem gemeinsamen
Schicksalsbuche je mit einem weissen oder schwarzen Punkte bezeichnet.

Jede Gottheit war, ein vom Heidenglauben verwirklicht gedachtes
Idealbild menschlicher Thätigkeitgewesen. Wie der Mensch, so sein Gott.
Die dem Germanen eigenthümliche Auffassung des Eherechtes, welche ihn
vor allen Kulturvölkern des Alterthums auszeichnet, der von ihm dem
Weibe beigelegte ahnungsreiche; auf das Heilige gerichtete Sinn (Tac.
Germ. c. 8) hatte bei ihm solcherlei weibliche Gottheiten bedingt,
welche Wächterinnen der züchtigen Geschlechterliebe, der häuslichen
Ordnung, des Fleisses und Friedens waren. Eine nächste Folge hievon war
es, dass die Frau in ihrem Hause das Amt der Herrin (dies besagt das
Wort frôwa, fráuja), in ihrem Stamme dasjenige der Itis oder weisen Frau
bekleiden und als solche die Geschäfte der Tempeljungfrau, Priesterin,
Heilräthin oder Aerztin verwalten konnte. Auf diesem Bildungswege einer
langen Selbsterziehung wurde die Nation erst politisch gehemmt durch
furchtbare Eroberungskriege, die sie erlitt und vergalt, dann geistig
überrascht durch das in barbarischer Form überlieferte römische
Kirchenthum. Durch den ersten Vorgang wurden die Germanengöttinnen
kriegerisch umgewandelt, militarisirt, durch den zweiten aber vollends
satanisirt, zwei Umgestaltungen des Glaubens und Mythus, von denen unser
Buch in allen Abschnitten sittengeschichtliche Zeugnisse bietet. Und
nicht bloss die Richtschnur des öffentlichen Glaubens, sondern ebenso
die des Privatlebens wurde dabei mit in die tiefste Erniedrigung
herabgezogen. Zwar blieben echtmenschliche Tugenden der Heidin ein
allerdings nöthigender Grund, sie später einmal zu Christentugenden zu
subtilisiren und eine Walburg, eine Verena oder Gertrud zu
Kirchenheiligen zu erheben; allein diese Vereinbarung war und blieb eine
erzwungene, innerlich unwahre, und verfälschte den sittlichen Kern des
Mythus bis zu dem Grade, dass es den irrigen Anschein gewann, als ob
hier die Legende aus dem Christencultus entsprungen wäre, anstatt dass
umgekehrt dieser bloss entlehnend dem Mythus nachfolgte und ihn
legendarisch einkleidete. Ihm selbst aber durfte ein ehefeindlicher
Klerus, der dem Cölibat den übertriebnen Werth einer vollkommnen Tugend
zuschrieb und nur ein einziges Weib als solches anerkannte, die
Himmelsherrin, auf das ganze übrige Geschlecht aber die Ursache des
Sündenfalles zu wälzen fortfuhr, einem solchen, die Frauenwürde
verkündenden Mythus durfte der Mönch kein Recht belassen, sondern musste
ihn so weit und so unablässig herabwürdigen, dass die Folgen davon bis
heute den Aberglauben aufzureizen vermögen. Wenn daher zwar auf einer
Seite die Jungfrau, welche schmerzenstillendes Oel unter Segenssprüchen
bereitete, als ölschwitzende Heilige kanonisirt worden ist, so ist sie
auf der andern Seite zugleich zur Hexenmutter satanisirt: Zaubertränke
brauend, Seuchen und Misswachs herabbeschwörend, Besen salbend, das
aller Zeugung feindselige Kebsweib des Teufels in der Walburgisnacht.
Dorten war sie die ehestiftende Liebesgöttin gewesen, hier eine Frau
Mutter des Frauenhauses (S. 82. 154). Dorten trank der Mensch auf ihren
Namen die Minne, sie selbst reichte dem in den Himmel eingehenden Helden
den Unsterblichkeitstrank; hier wird sie zwar auch eine Himmlische, aber
nur weil sie vorher als "Wirthskellnerin" tugendhaft geblieben war (S.
149). So ursprünglich schon steckt in dem Legenden erzählenden Mönch
ein Blumauer, der die Aeneide travestirt. Ihm haust da ein spukender
Waldteufel, wo in der fränkischen Waldeinsamkeit des Hahnenkamms und
Spessarts die Haingöttin an ihren Maibronnen gewaltet hatte; die
Frühlingsgöttin Walburg wird ihm zum Blocksbergsgespenste, die
Seelenherrin Gertrud zur Leichenfrau, und zur landverwüstenden Riesin
wird die im Firnengolde des unerreichten Gletschers thronende Verena

    --auf des gefürchteten Gipfels
    Schneebehangener Scheitel,
    Den mit Geisterreigen
    Kränzten ahnende Völker.

Wie sonderbar doch dieser Lohn ist, der dem deutschen Weibe dafür
ertheilt wurde, dass es in unserem Volke zuerst, unter dem Widerstreite
der Männerwelt, rein aus Frömmigkeitsbedürfniss und Kinderliebe sich an
die neue Kirche ergab! Für treues Ausharren in den Prüfungen des Lebens,
für opferbereites, demüthiges Dulden zum Wohle der Mitmenschen war ihm
einst der Himmel zugesagt gewesen, es hatte ihn durch eigne Seelengrösse
erobert und sogar den Preis der Vergötterung sich erworben. Dieser
Himmelsgenuss hiess der Kirchenlegende ein unverdienter, das heroische
Streben des Weibes, sich zur Würde der Gottheit empor zu heben, ein
frevelhaftes. Es wurde daher noch einmal in die Leidensschule der
gemeinen Leiblichkeit zurückversetzt, um nun erst durch ein Mirakel
erlöst zu werden. Denn von nun an sollte es nicht mehr auf das
persönliche Verdienst, sondern auf das Geheimniss der Gnade angewiesen
bleiben. Diesen zweimaligen Bildungsweg, den das deutsche Weib in der
Vorzeit einzuschlagen hatte, haben wir als "Sittenbilder aus dem
germanischen Frauenleben" bezeichnet und nach dem doppelten Material der
Mythe und der Legende von drei heiligen Frauen zur Darstellung gebracht.
Dies ist der wissenschaftliche und patriotische Zweck unsrer Schrift,
die sich hiemit dem Antheil vorurtheilsfreier Landsleute empfiehlt.

Aarau 1. Mai, Walburgistag 1870.

E.L.R.

       *       *       *       *       *



Inhalt.



Vorwort.


I. Walburg mit drei Aehren, die Ackergöttin.


Erster Abschnitt.
_Quellen und Inhaltsangabe der Walburgislegende_.

Walburgs und ihrer drei Brüder Taufbrunnen, Klosterstiftungen,
Grabstätten und Reliquien.--Oel, aus Stein und Bein der Walburgisgruft
fliessend; ähnliches kirchlich verehrtes Wunderöl. Abbildungen und
Embleme Walburgis.


Zweiter Abschnitt.
_Walburgis Hunde, Walburgis Aehren in kirchlichen Abbildungen und Hymnen_.

Der Hund, ein Geleitsthier etlicher Fruchtbarkeitsgöttinnen und
Heiligen; verehrt als saatenfressender Sturmwind und als breigefüttertes
Windspiel der Wilden Jagd, genannt Nahrungshund. Nackte und süsse
Hündlein als Zweckspeisen beim Dreschermahl.--Walburgis Emblem der Aehre
und der Garbe, ihre Erscheinungsweise in den Sagen, ihre Verdüsterung in
dem Elbenglauben. Das Rechtssymbol der drei Aehren. Walburgs
Eulogienbrode.


Dritter Abschnitt.
_Walburgistag, des Meien hochgezît_.

Scenischer Zweikampf des Sommers und Winters, genannt den Tod austragen,
den Sommer ins Land reiten. Maienfahrt, Laubeinkleidung und
Ruthenzug.--Maigraf und Maigräfin. Das Mailehen ausrufen. Nachtsprüche
und Liebesorakel beim Maiensetzen. Feier des Valentinstages: sämmtliches
als Abbilder eines göttlichen Werbungs- und Vermählungsmythus, welcher
im Frühlings- und Erntevorgang spielt.


Vierter Abschnitt.
_Maiengeding und Walbernzins_.

Walburgis und Martini, die beiden Jahresgedinge der ungebotenen
Gerichte, gezeigt aus den Weisthümern.--Urkundliche Berechnung der
Gerichtskosten eines oberdeutschen Maiengedings.--Der Rutscherzins, die
Walpersmännchen und Walperherren.--Aus der mit der Zinspflichtigkeit
verbundnen Nutzniessung bildet sich die Sage von einer auf den Zinstag
fallenden Befreiungsgeschichte der Landschaft.


Fünfter Abschnitt.
_Der Mythus vom Maienthau_.

Landwirthschaftliche Erbsätze über den Maienthau. Thau als
Quelle von Leben, Lebensdauer und Körperschönheit, angewendet
als Heilbad, Stärke- und Minnetrunk.--Bannbeschreitung,
Oeschprozession um die Flurzelgen und Mairitt
durch die Saat. Der Mythus vom Thau-abstreifen in
seiner naturgeschichtlichen Begründung. Thauschlepper
und Thaustreicher als zaubernde Butter- und Milchgewinner.
Walburg in den Riesen- und Hexensagen.


Sechster Abschnitt.
_Walburg, die Göttin der Zeugung und Ernährung_.

Die westfälische Walburg. Die phallischen Götzenbilder zu Antwerpen und
Emmetsheim, um Kindersegen angerufen. Naive Arglosigkeit der bildlichen
Darstellung der Lebens- und Zeugungssymbole, deren Wiederanwendung in
den Gebildbroden zur Mittwinter- und Frühlingszeit. Etymologische
Erklärung des Namens Walburg nach dessen freundlicher und feindlicher
Anwendung.--Schluss: die Götterjungfrau kredenzt den aus Thau, Honig,
Meth, Ael und Oel gewürzten Unsterblichkeitstrank.


II. Verena mit dem Kamme, die Kindsmutter.

Erster Abschnitt.
_Verena, eine alemannische Gauheilige_.

Kirchliche Gestaltung und geographische Ausbreitung der Verenalegende;
ersteres bedingt durch die Legende von der thebaischen Legion, letzteres
durch die Ausdehnung des Konstanzer Bisthums. Verenas Weihkirchen und
Altäre in der Schweiz, ihr Doppelgrab und ihre Reliquien in Zurzach.
Mittelhochdeutsches Gedicht: Von sand Verene.


Zweiter Abschnitt.
_Verena, die Müllerpatronin_.

Ihre Attribute: der schwimmende Mühlstein; ihre örtlichen
Kleinkindersteine. Die Müllerpatronin als Ehegöttin. Der in Stein
verwandelte Brodkipf und die unerschöpflichen Mehlsäcke.
Wirthschaftsregeln am Verenentage.


Dritter Abschnitt.
_Verena, die Geburtshelferin_.

Ihre örtlichen Kleinkinderbrunnen, Taufbrunnen und Wasserkirchen; die
ihr geopferten Mädchen- und Brautkränze; ihr Geburtsgürtel, Haarkamm und
Waschkrug; ihre landschaftlichen und kirchlichen Heilquellen.
Gesundheitsregeln am Verenentage. Mythische Nachklänge von der
Gewitterriesin: das Vrenelisgärtli am Glärnischgletscher.


Vierter Abschnitt.
_Verena als Frau Venus_.

Das Tannhäuserlied in aargauischer Version; die Frau Venus-Vrene des
Volksliedes. Die Venus-, Feens- und Vrenenberge, sowie die Venus- und
Vrenenhäuser, zurückgeführt aus ihrer gegenseitigen Namensvertauschung
auf den ursprünglichen Mythus.


III. Gertrud mit der Maus, die Allerseelenherrin.


1) Die hl. Gertrud, heidnisch nach Namen, Legende und Attributen.

Ihre altkirchlichen Abbildungen mit der Beigabe des Wagens, Schiffes,
Stabes, der Spindel und der Mäuse.

2) Der Gertrudentag mit seinen Kalenderregeln und Zeitthieren: Specht,
Kukuk und Schnecke; letztere tragen zu dritt den Namen der Heiligen und
werden in deren Namen berufen als Lebens- und Todesboten.

3) Gertrud als Seelenherrin. Die Abgeschiedenen werden wieder zu Elben
und erscheinen in Thiergestalt. Die Maus als ausfahrende, umwandernde
Menschenseele, sowie als Rachegeist Abgeschiedner; der ihr geopferte
Wechselzahn. Einschlägige volksmedicinische Bräuche.

4) Die Rolle der Maus bei den Erntebräuchen, die in Mausform gebackenen
Zweckbrode. Gertrudens Mäusegespann, wiederkehrend in den Ortssagen. Das
Trinken der Gertruden-Minne, Gertrud als Fylgja und Walküre.

_Symbole_. Die Terracotta-Maus aus dem Grabfelde zu Rheinzabern. Das
Oxforder Weihnachtsbrod. Die Schnitternudel der Süssen Mäuschen. Das
Kalenderzeichen des Gertrudentages.


Nachträge


Wortregister

       *       *       *       *       *



I.

Walburg mit drei Aehren,

die Ackergöttin.

       *       *       *       *       *



Erster Abschnitt.

Quellen und Inhaltsangabe der Walburgislegende.


Dem allgefeierten ersten Mai geht die Walburgisnacht unmittelbar voraus,
der heitersten Naturfreude die verderbenbringende Hexennacht. Hier eine
jungfräuliche Maikönigin, aus dem frischen Grün der Haine über den
thauigen Anger her in unser Dorf einziehend, empfangen und umjubelt von
der maientragenden Kinderschaar; dorten aber auf finsterer Berghöhe die
entsetzliche Nachtkönigin, Hagel und Schlossensturm, Misswachs und
Seuche brauend, unkeusche Satanstänze abhaltend, eine Feindin des
Wachsthums und der Zeugung: welch ein Contrast binnen vierundzwanzig
Stunden, welche Paarung der Brokenhexe und der Kirchenheiligen unter
einem und demselben Namen! Die nachfolgende Untersuchung strebt den
Zusammenhang dieser zwei getrennten, so hart sich widersprechenden
Hälften eines ursprünglich einheitlichen Wesens aufzuweisen und
dieselben zur würdigen Gesammtheit eines germanischen Götterbildes zu
vereinbaren. Zu diesem Zwecke wird hier eine Skizze der Walburgislegende
nach deren ältester Aufzeichnung, unter Weglassung der ausschmückenden
kirchlichen Zuthaten, vorangestellt. Quelle und Schauplatz der Legende
ist baierisch Franken, zugleich die Heimat des Verfassers vorliegender
Ausarbeitung.

Die Quellen, auf weiche sich die Untersuchung wiederholt zu berufen hat,
sind nachfolgende.

Das Hodoeporicon oder Itinerarium (so benannt, weil es Wilibalds Reise
nach Jerusalem enthält) schrieb eine Landsmännin und Zeitgenossin
Wilibalds aus ihrer eignen und der Diakone Erinnerung. Sie heisst die
Heidenheimer ungenannte Nonne, und war 762 ins Heidenheimer Kloster
eingetreten, also noch zu Walburgis Lebzeiten. Das Original ist erst
seit Canisius und Mabillon bekannt geworden und steht gedruckt bei
Falkenstein Cod. dipl. 447. Bei der franz. Invasion des Bisthums
commandirte der zu Marschal Ney's Armee gehörende General Dominik Joba
etliche Wochen in Eichstädt, berüchtigt als Inkunabeln- und Gemäldedieb;
er liess durch seinen Sohn am 16. Juli 1800 die Handschrift im
Chorherrenstifte Rebdorf stehlen, seitdem ist sie verloren. Sax, Gesch.
des Hochstifts Eichstädt, S. 365. Dies ist die Hauptquelle für alle
übrigen Aufzeichnungen der Walburgislegende. Die nächstfolgende
Biographie Walburgis verfasste zu Ende des 9. Jahrhunderts der Mönch
Wolfhard zu Hasenried, das spätere Herrieden a.d. Altmühl, einer im J.
888 durch Kaiser Arnulf an das Eichstädter Bisthum vergabten Abtei. Im
J. 1309 schrieb der Bischof von Eichstädt Philipp von Rathsamhausen
Wilibalds und 1313 auch Walburgs Legende, um deren Abfassung ihn Königin
Agnes, des ermordeten Albrecht Tochter, von ihrem Stifte Königsfelden
aus brieflich angegangen hatte. Der Bischof überschickt ihr und ihrem
Convente das verlangte Werk, betitelt: Leben, Thaten, Tod und
Wunderwerke der _seligen_ Jungfrau Walburg; die Zuschrift steht gedruckt
in der Ztschr. Argovia 5, 25. Dies Werk ist zwar schon die fünfte, aber
die erste _umfassendere_ Erzählung der Legende, sagt Gretser X, 906b.
Der bischöfliche Verfasser war von Kolmar im Elsass gebürtig und starb
1322. Bolland. 25. Febr., tom. III, 512b. Sein Werk übersetzte der
Eichstädter Stadtschreiber David Wörlein und dedicirte es dem damaligen
Bischof Konrad von Gemmingen; gedruckt zu Ingolstadt 1608 bei Andrä
Angermayer. Auf diese beiden Schriften stützen sich nachfolgende, von
uns gleichfalls benutzte Sammelwerke: Acta Sanctorum, saec. 3, pars
secunda 287.--Bollandisten tom. 3., 25 Febr.--Gretser, Vitae Sanctor.
tom. X.--Matth. Rader, Bavaria sancta, 1704.--Alle nennenswerthe weitere
Literatur über die Walburgislegende ist verzeichnet in Rettbergs
Kirchengesch. 2, 347 und 356.

Winfrid-Bonifacius, der Apostel der Deutschen, geb. 680 zu Cirton oder
Krediton in der englischen Grafschaft Devonshire, hatte bereits bei
Friesen, Sachsen und Franken das Evangelium gepredigt, als er im
Auftrage des Pabstes Gregor II. nach Thüringen und Baiern kam und in
diesem letzteren Lande zu dem damals schon vorhandenen Bisthum Passau
diejenigen zu Regensburg, Freising, Würzburg und Eichstädt gründete.
Eine Schaar gebildeter Männer und Frauen aus dem Angelsachsenvolke
begleitete ihn dahin und übernahm die Leitung der neuen Stiftungen.
Kunigild und ihre Tochter Bertgit verwendete er als Abtissinnen in
Thüringen, Kunitrud und Tekla setzte er ins Kloster nach Kissingen,
Lioba nach Bischofsheim an der Tauber, Walburg nach Heidenheim am
Hahnenkamm. Walburg, die Tochter des angelsächsischen Fürstenpaares
Richard und Wunna, die Schwester von Oswald, Wunnibald und Wilibald, war
auf ihres Oheims Winfrid Rath durch Thüringen nach Baiern gereist und
hier im Sualafelder Gau mit den drei Brüdern zusammengetroffen. Dieser
Gau, in dem sie sich nun zusammen niederliessen, reichte vom Bergzuge
des Hahnenkamms in das Altmühlthal nach dem jetzigen Eichstädt, schloss
auf einer Seite das Weissenburger Gebiet mit Gunzenhausen und Eschenbach
in sich, auf der andern Seite die Pappenheimer Mark im Ries. Hier hatte
Bruder Wilibald schon vorher im J. 740 bei Eichstädt ein Klösterlein in
der Regel des hl. Benedict gegründet und war fünf Jahre nachher auf der
Mainzer Synode (nach Rettberg 1, 353 schon im J. 741) zum ersten Bischof
von Eichstädt eingesetzt worden. Zusammen mit Bruder Wunnibald erbaute
er dann am Hahnenkamm zu Heidenheim ein gleiches Kloster, fügte
demselben 760 einen Frauenkonvent in der Benedictinerregel bei und
übergab dessen Leitung an Walburg. Die Stellen zu den neuen
Kirchenbauten pflegten die Geschwister sich da auszuwählen, wo ihr
Reiseross jeweilen stetig wurde oder eine Quelle fand. Solcher jetzt
noch für heilkräftig gehaltener Quellen zählt man in der Eichstädter
Landschaft sechse. Ein Wilibaldsbrunnen liegt ob dem Eichstädter
Forellenweiher an der Landstrasse im Weissenburger Walde und heisst
Römleins- oder Rimleinsbrunnen, weil der glaubenseifrige Bischof hier
Römer getauft haben soll. Der Waldberg, aus dem die Quelle fliesst, ist
in der Fronte bis zur Höhe aufgemauert und mit Quadern, einem Thore
gleich, eingefasst; eine Abbildung giebt Falkenstein, Nordgau. Alterth.
1, cap. 1, S. 14. Der zweite Wilibaldsbrunnen liegt zunächst dem Kloster
Bergen; als der Heilige hier heranritt, sprudelte der Quell unter dem
Tritt des Rosses aus einem Felsen von 16 F. Umfang auf und versiegt
seitdem bei keiner Sommerdürre. Der dritte liegt ob der Wilibaldsburg
auf einem der zwei grünen Höhenzüge, die den Eichstädter Thalkessel
umgeben. Dazu kommt noch am Wege nach dem Dorfe Titing die
Wilibaldsruhe, wo eine neuerlich abgegangene Feldkapelle mit des
Heiligen Bildnisse stand. Ferner erbaute er das Stift Heilsbronn, nach
jener mächtigen "Hails- oder auch Hagelsquelle" zubenannt, die hier in
einen dreikästigen Brunnen gefasst wurde und aus 32 Röhren sprang; sie
stand im vorderen Kreuzgange und wurde im Schwedenkriege zerstört. Eben
so liess sich die Schwester Walburg im mittelfränkischen Städtchen
Heidenheim beim Ortsbrunnen nieder, welcher der Schön- und Heidenbrunnen
heisst. Als aber Wunnibald hieher auf Besuch kam, entsprang im
Klostergarten (jetziges Rentamt) auch der Käsbrunnen, ein Hungerquell,
an welchem die Heidentaufen vorgenommen wurden. Bruder Oswald erbaute
sich beim Schlosse Hohentrüdingen das Stift Auhausen; seine
Wunderbrunnen liegen jedoch nicht hier, dagegen ist ihm in Tirol beim
Dorfe Oswald am Ifinger einer der drei "Jungbrunnen" dieses Landes
geweiht und er selbst gilt dorten als ein gewaltiger Wetterherr.
Zingerle, tirol. Sitt. no. 794. 936.

Ueber Jahr und Tag des Todes der Geschwister widersprechen sich die
Kirchenhistoriker Gretser, Rader, Falkenstein und Pater Luidl. Nach den
neuesten und scharfsinnigen Untersuchungen von D. Popp, Errichtung der
Diöcese Eichstädt, wird von nun an Folgendes zu gelten haben.

Wunnibald stirbt 18. Dec. 761; Walburg 25. Febr. 779; Wilibald 7. Juli
781. Letzterer wurde in der Eichstädter Kathedrale, die beiden ersteren
im Kloster Heidenheim beigesetzt. Hier liess nachmals Abt Otkar
Walburgis Erdgrab eröffnen und erblickte drinnen die Leiche unverwest
und thaufrisch: "totum corpus rore perfusum cernebatur". Am 21. Sept.
870 tragen zwei zusammen gebundene Rosse den Sarg nach Eichstädt und
bleiben hier freiwillig vor der Kirche zum hl. Kreuz stehen. Also liess
Otkar die Leiche hier bestatten und den Tempel Walburgiskirche benennen.
Schon auf dem Wege hieher hatten zwei Epileptische den Sarg berührt und
wurden dadurch geheilt. Ein Lahmer geht auf Krücken voran in die Kirche
zu Wilibalds Grab und ruft da: Wilibald, gib mir das Botenbrod, deine
Schwester kommt! Darüber lässt er die Krücken fallen und ist geheilt.
Gretser 739. Gegen das eben genannte Jahr dieser Versetzungsgeschichte
streitet indess die weiter gehende Erzählung von der Theilung der
Walburg-Reliquien. Als nämlich Walburg gestorben war, hatte ihre
Gefährtin Lioba kein Gefallen mehr an Heidenheim, sondern gründete aus
ihren reichen Mitteln im J. 870 zu Monheim ein Frauenstift in der
Benedictinerregel, und die von ihr nach Eichstädt abgegebenen
Walburgisreliquien mussten nun mit dem neuen Stifte Monheim getheilt
werden. Als man sie desshalb im J. 893 zu Eichstädt wiederum aufgrub,
zeigten sie sich mit einer wundersamen Flüssigkeit überzogen, die bei
Berührung nicht an den Fingern kleben blieb: cineres lympha tenui
madefactos, ut quasi guttatim ab eis roris stillae extorqueri valerent
(A. SS. 11, 293). Beide eben citirte Stellen sind in so ferne von
Belang, weil sie die ersten Andeutungen des nachmals so berühmt
gewordnen Oelflusses enthalten. So blieb also ein Theil der Reliquien zu
Eichstädt, der andere kam nach Monheim und wurde hier an jedem
Jahrestage durch vier Stadträthe in einem silberüberzogenen Särglein in
gewohnter Prozession umhergetragen. Als aber durch die Reformation die
Klöster des Sprengels der Reihe nach aufgehoben wurden: Solenhofen,
Wülzburg, Baring, Heidenheim, Monheim, zerstörte der Bildersturm
(haereticorum furor, sagt Rader 3, 48) auch die hl. Grüfte, so dass
Wunnibalds Sarg in Heidenheim und die silberbeschlagne Arche in Monheim
spurlos verloren giengen. Letzteres geschah erst 1542. Man sagt,
Walburgis dort verwahrt gewesener bischöflicher Stab, auf dessen
Berührung Blinde das Augenlicht wieder erhielten, sei später auf dem
Walpersberge bei Köln von den Jesuiten verwahrt worden und alljährlich
am 1. Mai im Flurumgang durch die Felder getragen worden. A. SS. pg.
302. Wir werden später darauf noch zurückkommen.

Von den Körpertheilen Walburgis ist in ihrer Gruft zu Eichstädt nichts
anderes mehr als nur das Brustbein vorhanden. Dasselbe liegt dorten im
Altar der Gruftkapelle der schon 1040 renovirten und 1631 neugebauten
Walburgiskirche. Dieser Altar, ein länglichter Steinwürfel, ist in
seinem Fundament nach aussen viereckig ausgehauen, so dass er als ein
auf seine Breitseite umgelegter älterer Steinsarg erscheint. Sein
Material ist Sandstein, wie ihn die Brüche vom benachbarten Pleinfelden
ergeben. Durch seine Höhlung geht der Länge nach eine ebne
ungeschliffene Kalksteinplatte von der Art des nächsten
Eichstädterbruches, aufgesetzt auf zwei kurze Träger aus Sandstein.
Diese Bank heisst der Gnadenstein, denn auf ihrer nackten Fläche liegt
Walburgis Brustbein. Anfangs Oktober färbt sie sich blaulicht und
überläuft mit dunstigem Stoff, der zu erbsengrossen Perlen gerinnt und
tropfenweise ehedem in einem viereckig ausgehauenen Mittelraume sich
sammelte. So beschreibt es Gretser X, 907 (gestorben 1625); der spätere
Falkenstein, Nordgau. Alterth. 1, 31 sagt, dass diejenigen Tropfen, die
nicht von oben her, sondern von der Seite der Steinbank hervordringen,
durch silberne Abzugsrinnen in eine darunter stehende Goldschale
geleitet werden, und so schildert es auch die Bavaria (3, Abth. 2, 979)
als heute noch bestehend. Der Innenraum des Gruftsteins ist durchweg mit
Silberblech überzogen, die Vorderseite wird mit einer von innen
silberbeschlagenen Eisenthüre verschlossen. Dies ist das Mirakel des
Oelthauens, von der Kirche das stillicidium genannt. Das Oel ist weiss
und hell, geruch- und geschmacklos und schnell verflüchtigend;
unaufgesammelt soll es am Gruftstein wie griesiges Schmalz in sich
selber verstocken: Es wird von den Klosterfrauen in kleine, langhalsige;
mit Wachs verschlossne Glasfläschlein zum Verkauf umgeleert: An Ort und
Stelle hat der Verfasser dieses in seiner Jugend eine messingene Eichel,
vergoldet und am Napfdeckel aufzuschrauben, den Klosterfrauen abgekauft;
sie enthielt wohlriechende, in dies Oel getauchte Baumwolle nebst einem
gedruckten Gebrauchszettelchen, wornach man unter bestimmten Gebeten
diese Wolle in schmerzende Zähne und Ohren steckt. Frauen tragen derlei
geweihte Metalleicheln an dem silbernen Schnürwerk des Mieders.

Der erste Mai galt durchgehends als der Tag, da das Stillicidium
begann. Joh. Georg Keysler, ein kirchlich unbetheiligter, in seinen
Forschungen sehr genauer Autor, weiss in seinen Antiquitates Septentr.
(Hannoverae 1720) S. 88 noch nicht anders, als dass dieser Oelfluss
erfolge cum die prima Maji. Allein dieser Termin behagte den kirchlichen
Skribenten nicht, vielmehr scheint seit dem 17. Jahrhundert, da Gretser
die Geschichte der Eichstädter Bischöfe und dieses Mirakels schrieb,
folgende Zeit dafür zur Geltung gebracht worden zu sein: Mit dem 12.
Oktober, als dem Tage, da Walburgis Gebeine von Heidenheim in die Gruft
nach Eichstädt übertragen wurden, beginnt das Oel zu fliessen und
fliesst fort bis 25. Februar, als der Heiligen Todestag; alle übrigen
Monate, heisst es, bleibe der Gnadenstein unter jedem Witterungswechsel
trocken. Allein im Widerspruche mit dieser Berechnung sagt die älteste
Aufzeichnung der Legende ausdrücklich: die apostolorum Philippi et
Jacobi celebratur usque hodie festum canonizationis Walpurgae; eodem die
omni anno stillicidium ejusdem sanctae virginis ad potandum
administratur (Gretser X, 898b). Philipp und Jacobi fallen bekanntlich
auf 1. Mai, dessen altheidnische Feier gildenweise mit dem Aeltrinken
begangen wurde. Um nun diesen paganen Brauch vollends hier aus der
Kirche zu entfernen, suchte man zu erweisen, dass der 1. Mai weder
Geburts- noch Todestag, sondern nur der Canonisationstag Walburgis sei,
und kümmerte sich nicht weiter darum, dass das Walburgisfest in
verschiednen Gegenden Deutschlands schon seit alter Zeit zu fünf
verschiednen Monaten und Tagen kirchlich begangen wurde[1].

Ein fernerer Grund, der hier verschiedene Male nöthigte, den solennen
Beginn des Oelflusses auf andere Termine anzusetzen, liegt in der
Eichstädter Oelquelle selbst, die eine intermittirende ist und ausserdem
in früheren Jahrhunderten viel reichlicher floss als heute. Oftmals
bleibt sie sogar ganz aus. So schon unter Bischof Friedrich II., welcher
1237 sammt seinem Domkapitel von der Bürgerschaft verjagt wurde. Die
versperrte Domsakristei wurde aufgesprengt und verwüstet, das
Walburgisöl hörte auf zu fliessen. Sicherer jedoch ist derselbe Fall, da
1713 zum grössten Schrecken des Klosters vom 15. Februar bis 9. März
fast kein Tropfen Flüssigkeit an dem Gnadensteine bemerkbar war; nach
einer alten Tradition schob man die Schuld auf die im Convent der
Schwestern ausgebrochne Uneinigkeit. Sax, Gesch. des Hochstifts
Eichstädt, S. 283. In der Leichenrede, die der Jesuite Jos. Giggenbach
beim Tode der dortigen Abtissin Maria Anna Barbara hielt (gedruckt zu
Eichstädt 1730, 4°), heisst es S. 27: Walburg lasse das Oel in solchem
Masse aus ihrem Brustbeine entquellen, dass man damals ein hohes grosses
Glas voll davon im Kloster zurück gestellt hatte; zur Hälfte trank es
die erkrankte Abtissin weg und sprach: Deine Kinder, o Heilige, haben
sich so stark vermehrt, dass sie entweder dursten und hungern müssen,
oder du ihnen die Muttermilch vermehren musst! worauf jenes halbgeleerte
Gefäss sich sogleich wieder ganz mit Oel anfüllte.--Der Eichstädter
Bischof Philipp von Rathsamhausen, Verfasser der drittältesten
Walburgislegende, erzählt, wie er es selbst becherweise gegen seine
Krankheit getrunken: praecepimus nobis copiosius (de oleo) adferri, et
desiderabili haustu phialam plenam ebibimus. A. SS. saec. III. P. II,
306. Als es einst ein ganzes Jahr nicht mehr geflossen war und die
darob verzagten Eichstädter ihren Sittenwandel besserten, brach es so
reichlich los, dass man ein Weinlägel von einer halben Pinte, also ein
wirkliches Fass, damit anfüllen konnte. Ibid. pag. 307.

So verwundert sich auch "das Buch vom Aberglauben" (von H.L. Fischer)
Hannover 1794, Bd. 3, 118 über "die ungeheure Menge" Walburgisöl zu
Eichstädt, die in alle Gegenden verschickt und in schweren Krankheiten
statt Arzenei verbraucht wird; es soll, sagt der Verf., wirkliches
Bergöl von grosser Durchsichtigkeit und sehr flüchtig sein; wer es bei
sich trage, behaupten die Mönche, müsse sich im Stande der Gnaden
befinden, damit es nicht sogleich verfliege.

Dass das Oel hier nicht aus der Reliquie, sondern aus dem Tragsteine
derselben quillt, hatte die Kirche ursprünglich nicht verheimlicht.
Schon Gregor von Nazianz sagt, nicht nur der Märtyrer Asche und Gebein,
sondern auch andere den Reliquien nahegebrachte Dinge sind heilkräftig,
und so auch das Oel, das aus den Heiligengebeinen "oder aus ihren
Grabsteinen herausfliesst." Vom Grabe der hl. Katharina erzählt Reinfrit
von Braunschweig (Grimm, Altd. Wälder 2, 185), wie ole von irme lîbe
vlôz; und das Gedicht von Katharinens Marter (Pfeiffer, Germania 8, 179)
fügt erklärend bei:

    ûz dem sarksteine,
    dâ inne lît diu reine,
    vil heilic ol vlûzet,
    des diu werlt vil genûzet.
    der iht siecheite hat,
    des wirt al ze hant rat,
    als man ez dar an strîchet.

In Tirol kennt man kirchlich zwei solcher ölspendenden Steine; der eine
lag ehmals in der alten Kirche zu Niedervintl und trug die Inschrift:
Brunnen des Oels, 1500; der andere ist noch im Kirchlein St. Kosmas und
Damian, bei Bozen. Aus einer Eintiefe an seiner Oberfläche quoll Heilöl
und wurde von zahlreichen Pilgern begehrt, doch es vertrocknete für
immer, als der Eigenthümer der Kapelle damit Wucher zu treiben begann.
Zingerle, Tirol. Sag. no. 624. 625. Als zu Eichstädt 1309 die Gebeine
des hl. Gundacar erhoben wurden, ergaben sowohl sie wie der Deckel des
Steinsarges eine so reichliche Menge fliessenden Oeles, dass der
damalige Bischof Philipp von Rathsamhausen hievon zwei Gefässe für die
Kranken anfüllen liess. Sax, Eichstädt. Hochstift S. 101. Die von Rom
nach Tegernsee gebrachten Gebeine des hl. Quirinus ergaben in dortiger
Quirinuskapelle ein Heilöl, das in kleinen Fläschlein an die Gläubigen
verkauft wurde. Heute steht diese "Oelkapelle" noch; einige Quellen
olivengrünes Naphta entspringen unter ihrem Dache; man sammelt jährlich
davon gegen 40 Mass. Steub, Bair. Hochland, 196.

Die im Reliquiencultus so unenthaltsam gewesne Kirche hat sich indessen
auf solcherlei Steinöl allein nicht beschränken mögen. Schon zu
Justinians Zeit fliesst Oel aus Heiligenknochen (Grimm, GDS. 140); von
Orosius an meldet eine Reihe mittelalterlicher Schriftsteller, welche in
Massmanns Kaiserchronik 3, 556 aufgeführt sind, zu Rom sei bei Christi
Geburt ein Oelbrunnen entsprungen und habe sich in die Tiber ergossen.
Zugleich fällt damals auch ein Honigregen. Sechzehn Heilige und
achterlei heilige Jungfrauen zählt Matth. Rader, Bavaria sancta 3, 49
auf, aus deren Gebeinen nunmehr wunderthätiges Oel fliesst. Kaspar Lang,
Histor. theolog. Grundriss 1692. 1, 84 und Abraham a Sta Clara (im Judas
der Erzschelm 4, 42) setzen diese Zählung noch weiter fort. Mit dem Oel
der hl. Helena einen Kristall zu beträufen, um damit den Dieb zu
entdecken, räth Felix Hemmerlin (1454) in seiner Schrift de exorcismo.
Gretser X, 907 nennt ferner die hl. Elisabeth in Thüringen, die
Martyrknaben zu Novara und noch andere, deren Gebein, in Kirchenaltären
ausgesetzt, Oel giebt, und Rader 3, 41 fügt bei, Gleiches stehe der
Walburgis um so mehr zu, als sie eine im Dienste Gottes streitende
Jungfrau gewesen sei und also in diesem täglichen Faustkampfe Oel habe
schwitzen müssen:

    Cur oleae stillat Walpurgis ab artubus humor?
    In cavea Martis num pugil illa fuit?

Im Stil der Kirchenväter wird der mit dem Satan ringende Christ mit dem
Athleten in der Arena verglichen, dessen Leib mit dem Oele des Gebetes
gesalbt ist, damit der Feind ihn nicht fassen könne. So sagt
Pseudo-Ambrosius (de sacram. I, 2): Venimus ad fontem--Unctus es quasi
athleta Christi. Denselben Gedanken äussert auch Chrysostomus in seiner
6. Homilie über den Brief an die Coloss.--Nork, Realwörtb. 3, 301.

Von der Wunderwirkung des zu Eichstädt fliessenden Oeles sagen die Acta
SS. 1. c. pg. 306, dass es Blinde, Taube und besonders häufig Lahme
geheilt habe; Gretser fügt bei, X, 917, es fördere die Geburten, auch
lutherische Frauen hätten in Kindesnöthen damit den Versuch gemacht und
seien darüber wieder der alten Kirche beigetreten. Medibards Hymnen (bei
Gretser 801, dritte Reihe) wissen, dass es besonders den Wolfshunger
heilt:

    Hinc quendam fastidiosum
    Fame paene mortuum
    Alloquens per visionem
    Monet, ut de calice
    Ejus biberet; quo facto
    Esuriit solito.

Der Monheimer Knabe Beretgis, seit 3 Jahren an beiden Füssen lahm, wurde
von seiner Mutter Ratila zum Walburgisgrabe in Monheim getragen und da
auf ihr Gebet sogleich hergestellt; worauf sie ihn der Kirche, durch die
er seine Körperkraft wieder erlangt hatte, zu lebenslänglicher
Leibeigenschaft übergab. A. SS. ibid. pag. 304. Die mystische Kraft,
welche dem Walburgisöl beigelegt wurde, erklärt sich Jac. 5, 14: Ist
einer unter euch krank, so rufe er die Aeltesten der Gemeinde herbei,
dieselben sollen über ihn beten, nachdem sie ihn mit Oel gesalbt im
Namen des Herrn--und der Herr wird ihn aufrichten.

Da Walburgs Reliquien in vielerlei Kirchen zerstreut worden sind (per
totum mundum, ad diversas Francorum provincias S. Walpurgis reliquiae
dispersae sunt. A. SS. l.c. 306), so ist auch in vielen Provinzen das
Wunderöl zu haben gewesen. Oel, Knochen, fünf Zähne und ein Gewandrest
Walburgis wurden zu Wittenberg jährlich am Montag nach Misericordias
ausgestellt, wobei ein Glas voll von demjenigen Oele mit hergezeigt
wurde, das aus den Gebeinen der hl. Elisabeth, Landgräfin von Hessen,
geflossen war. Das Glas ging an Luther über, der wie J. Mathesius
erzählt, es einst seinen Joachimsthaler Gästen zu einem andächtigen
Tischtrunk aufstellte. Karl der Kahle hatte in der Kaiserpfalz zu
Attigny (Champagne) eine Walburgiskirche erbaut; noch im J. 1720 kamen
daselbst die Geistlichen von mehr als vierzig Pfarreien am 1. Mai
zusammen, um das Walburgisöl auszuspenden. Odo, Abt zu Clugny, (Burgund)
kannte in seiner Nachbarschaft eine Walburgiskirche, in welcher die
dortigen Partikeln etliche Tage des Jahres Oel schwitzten; die Heilige
hiess dorten Sainte Vaubourg und Gualbourg. Gretser pg. 906. Bolland.
518b. 519a. A. SS. II, pg. 307. 308.

Von altkirchlichen Abbildungen Walburgis sind folgende zu nennen. Im
Schiff der Heidenheimer Klosterkirche, die während der Reformation
verwüstet wurde (more Lutheranae sectae, quae omnia sacra polluit, sagt
Rader 3, 45) liegt gegen das Chor zu ein 2-1/2 F. hoher Grabstein, auf
welchem Walburg in ganzer Figur ausgehauen ist, in der rechten Hand
einen Stab haltend, auf dessen Wirbel ein kleines Kreuz sitzt, in der
linken ein Buch, zu Füssen ein Wappenschild. Dieser säulengeschmückte
Aufbau mit Perlenfries gehört den Werken der romanischen Periode an
(Bavaria 3, 863). Auf einem gegenüber liegenden ähnlichen Grabstein ist
Wunnibald ausgehauen; drunter steht die Inschrift: sepulcrum stae
Walburgis 1484. Eine Abbildung davon erschien bei Brügel in Ansbach und
im Jahresberichte des histor. Vereins für Mittelfranken 1843. Der hl.
Wilibald mit seiner ganzen Verwandtschaft ist dargestellt auf einem
Teppich, welcher ursprünglich in der Eichstädter Kirche aufbewahrt
wurde und nun im Münchner Nationalmuseum ist.--Auf folgenden Stichen
erscheint die Heilige als Abtissin mit dem Stab, das Oelfläschlein in
der Hand haltend:

Fons olei Walpurg. a Jacobo Gretser, S.J. Ingolst. 1629.--P. Emil de
Novara, capuccino. Breve ristretto della Sta. principessa Walpurga.
Eichst. 1722.--Matth. Rader, Bavaria sancta. München 1704 (wiederholt
das Grabmal).--P. Goudin, Unerschöpflicher Gnadenbrunnen der hl.
Walburgis. Regensb. 1708.

Besondere Weihkirchen und Kapellen besitzt die hl. Walburg auf dem
Gebiete der Baiern, Alemannen, Franken, Burgundionen, Niedersachsen und
Friesen; soweit durch dieselben der hier zu behandelnde Stoff
vervollständigt wird, wird von ihnen im Einzelnen ferner hier die Rede
sein. Eben dieselbe Bemerkung hat auch von den an vielfachen Orten
aufbewahrten und verehrten Walburgsreliquien zu gelten.

Auf dem bairischen Lechfelde liegt in der Gemeindeflur von Kaufering
eine sehr alte Walburgskapelle, auf ihrem eignen Hügel stehend, von
Linden beschattet, von einer Mauer eingefriedet. Der Eintritt führt drei
Stufen abwärts, die Wand ist schwarz, das Innere finster. Im Anbau steht
der Pestkarren, die Räder sind mit Filz beschlagen, um die zur Pestzeit
gehäuften Leichen geräuschlos abzuführen. Walburg hat jener Pest
gewehrt. Diese Kirche, sagt das Volk, sei heidnischen Ursprungs, man
habe hier noch den Götzen geopfert. Schöppner, Bair. Sagb. no. 889.

Bairische Ortschaften, vom Namen Walburg ableitend, zählt das
topographisch-statistische Handbuch des Königreichs (München 1868)
folgende auf: Walbenhof, Einöde bei Neustadt a.d. Waldnab; Walbenreuth,
Dorf bei Tirschenreuth; Dorf Walberngrün bei Stadtsteinach; Walbertsberg
bei Kunreut; hier wird neben der Walburgskapelle unter den Linden ein
Maimarkt abgehalten, zu welchem die Landleute bis auf zehn Stunden weit
zusammen kommen. (Reynitzsch, Truhtensteine 187.) Walburgskirchen, Dorf
bei Pfarrkirchen; Walburgsreut, Weiler bei der Stadt Hof;
Walburgswinden, Einöde bei Neustadt a.d. Aisch; Walpenreuth, Dorf bei
Berneck; Walpersberg, Dorf bei Bogen; Walpersdorf, ein Weiler bei
Rosenheim, und zwei gleichnamige Dörfer bei Rottenburg und bei
Schwabach; Walpershof, Dorf bei Eschenbach; Walpersreuth, Weiler bei
Neustadt a.d.W.; Walperstetten, Dorf bei Dingolfing; Walperstorf, bei
Landshut; Walpertshofen, Weiler bei Dachau; Walpertskirchen, Pfarrdorf
bei Erding; Wölbersbach, Dorf bei der Stadt Hof; Wolpersreut, Dorf bei
Kulmbach; Wolperstetten, Dorf bei Dillingen; Wolpertsau, Einöde bei
Neuburg an der Donau. Diese Liste lässt sich jedoch noch um vieles
vermehren, wenn man dabei die mundartlichen Formen des Namens
Walburg mitverwerthet. Er lautet im Altmühlthale Bürgli, in
altbairisch-oberpfälzischer Mundart Walberl (nicht zu verwechseln mit
Waberl, Wawl, Wabm, was in Altbaiern und Mittelfranken Barbara ist), im
tiroler Zillerthal Purgel u.s.w. Einer der Hauptberge am oberbaierischen
Tegernsee wird 1420 in einem Lateingedichte des Peter v. Rosenheim als
Walber foecundissimus begrüsst. Schneller Wörtb. 4, 61.

Das schwäbische Rittergeschlecht von Waldburg, einst Truchsessen,
nunmehr würtembergische Standesherren, theilt sich in die Linien
Hohenlohe-Wb., Waldburg-Zeil, Wb.-Wurzach, Wb.-Wolfegg. Ihr Stammschloss
ist die beim gleichnamigen Pfarrdorf gelegne Veste Waldburg, südöstlich
von Ravensburg. Vier Treppen hoch in dieser Burg liegt die
Walburgiskapelle. Von den zu Köln bei den Jesuiten aufbewahrten
Wb.-Reliquien hatten sich die Grafen Einiges erbeten, jedoch erfolglos.
Bolland. 3, 518.

Im Elsass hat Walburg drei Kirchen: 1) diejenige bei Leimen mit der
Wallfahrt zum Helgenbronn, von welcher weiter unten die Rede sein wird;
2) zu Knörsheim bei Maurmünster; 3) bei Biblisheim, unfern der Stadt
Hagenau; sie wird im J. 1085 als Kloster genannt (Trithem. Chron.
Hirsaug. 1, 280) und 1102 vom Schwabenherzog Friedrich I. zur Abtei
erhoben. Neugart, Episc. Const. 2, 8.

Auf einer Halbinsel der Seine stand in der Normandie eine
Walburgskapelle, diejenige Stelle bezeichnend, wo die Heilige auf ihrem
Wege aus England nach Deutschland ausgeruht hat. Gretser, 906.

Der grössere Theil der ältesten Kirchen Niederdeutschlands ist derselben
Heiligen geweiht, so zu Gröningen, Veurne, Utrecht, Antwerpen, Arnheim,
Aldenaerde, Brügge, Zütphen, Harlem; von ihnen wird im Einzelnen später
noch zu handeln sein.

Reliquienpartikeln von der hl. Walburgis lagen laut Falkenstein,
Nordgau. Alterth. 1, 29 im vorigen Jahrhundert in folgenden Kirchen.

In Baiern zu Augsburg, zu Monheim und im Kloster Andechs. Ferner zu
Mainz in der Gereonskirche zu Köln ein Finger, in der Jesuitenkirche
daselbst die Hirnschale, welche dahin kam vom benachbarten Walpersberg,
einem vormaligen Kloster. In Frankreich zu Attigny und Clugny. Die Acta
fundationis monasterii Murensis (Kloster Muri im Aargau ist 1027
gegründet) nennen bei Herzählung der daselbst verwahrten Reliquien zu
dreien malen Knochen und Asche vom Leib der hl. Walburg.
Reliquienpartikeln des hl. Wilibald und Wunnibald und Richardis
übersendete 1482 der Eichstädter Bischof Wilhelm von Reichenau an König
Heinrich VII. von England, der sie in Canterbury verwahren liess. Ueber
diese Reliquien und die der Walburg gewidmeten Kirchen hat der Jesuite
Godefredus Henschenius in Actis SS. ausführlich berichtet.

       *       *       *       *       *

FUSSNOTEN:

[1] Die folgenden nennt Gretser, Vitae SS. tom. X.

25. Febr., Walburgis Todestag, wird begangen zu Eichstädt in der
Kathedrale, und zu Antwerpen in der Basilica.--20. März: Gretser l.c.
pag. 907.

1. Mai, Walburgis Translation von Heidenheim nach Eichstädt; gefeiert in
der Eichstädt. Kathedrale und zu Antwerpen in der Basilica.
Bollandisten, 25. Febr., tom. III, 513a. Das Martyrologium des schweiz.
Klosters Rheinau stammt aus dem X. Jahrh. und setzt auf 1. Mai die
Feier: Philippi et Jacobi et S. Waldp. uir(go). Marzohl-Schneller,
Liturgia 4, 768.

4. Aug.: exitus Walburgis ex Anglia, gefeiert zu Eichstädt (Bollandisten
ibid. 514b); zu Tornacum, Gandanum, Antwerpen und Aldenaerde: Bolland.
522; zu Veurne, in der flandr. Diöcese Ypern: Gretser X, 912.

12. Okt.: Antwerpner Basilica und Eichstädter Walb.kloster.

       *       *       *       *       *



Zweiter Abschnitt.

Walburgis Hunde, Walburgis Aehren.


Unter den kirchlich sehr korrekt gehaltenen Abbildungen, mit denen die
bairischen Hofmaler und Kupferstecher Sadler, Vater und Sohn, des
Matthäus Rader Bavaria Sancta (1615) ausgeschmückt haben, ist Bd. 3 auch
das Eichstädter Grabmal Walburgis dargestellt; wunderlich aber liegt da
zwischen den Andächtigen neben den Stufen des Steinsarges ein grosser
Hofhund, ruhig schlafend. Dass der Hund das Geleitsthier unsrer Jungfrau
gewesen, ist kirchlich in Vergessenheit gerathen; die Acta SS. (saec. 3,
tom. II, 291) und die Bollandisten, (tom. 3, 560a) wissen jedoch noch
davon. Walburga nuncupor, spricht die Heilige, die Nachts an die Thüre
des reichen Hofbauern kommend, von den scharfen Rüden angefallen wird;
auf dieses Wort werden sie zahm; und darum, erzählt Bischof Philipp
(gestorben 1320), habe man seiner Zeit Walburg gegen den Biss toller
Hunde angerufen. Es lässt sich indess dieses Attributthier der Heiligen
als anderen Ursprunges und aus einer viel früheren Zeit nachweisen. Die
Vorgeschichte des Bisthums Eichstädt spielt nicht in dieser Stadt,
sondern in einem Orte, welcher römisch Aureatum heisst und schon seit
Aventins Zeiten, der 1519 diese Gegenden im historischen Interesse mit
einem Empfehlungsbriefe seines bair. Herzogs bereiste, zwischen den
beiden Dörfern Rothenfels und Nassenfels an der Neuburger Heerstrasse
gesucht wird. Nach diesem Aureatum benannten sich die Eichstädter
Bischöfe Aureatensis ecclesiae episcopi, und Walburg wird ebenso von
Celtes im 2. Buche seiner Oden die Zierde der Aureatensischen Landschaft
geheissen. An den beiden Umfangsmauern des Kirchhofs zu Nassenfels sind
Votivsteine des Mars und der Victoria eingemauert und ein dritter der
Fortuna geweihter ebendaselbst wurde 1866 in das Antiquarium nach
München gebracht. Die dortigen Feldbreiten liegen voll röm.
Geschirrtrümmer und Reste von Brennöfen, deutlich unterscheidet man
noch den Lauf der Römerstrasse. Als nun der gelehrte Jesuite Gretser
1620 von der Universität Ingolstadt aus Nassenfels besuchte, fand er an
dortiger Dorfkirche ein im Boden steckendes Standbild, das eine Frau
vorstellte, zu deren Füssen, von Erde überschüttet, angeblich ein Hund
liegen sollte. Gretser schloss auf ein Dianenbild. Solcherlei
Steinbilder, eine Frau darstellend mit dem Hunde zu deren Füssen, sind
seit dem J. 1647 bis auf die Neuzeit in niederrhein. Gegenden viele
entdeckt worden und tragen dorten in ihren Inschriften den Namen der
Nehalennia, eines zwar von Römerhänden gemeisselten, aber deutschen
Götterbildes der Fruchtbarkeit. In Keyslers Antiquitat. Septentr. 236,
und in Wolfs Beiträgen 1, 149 sind diese Bildwerke beschrieben. Aber
derselbe typische Hund fehlt nun auch in der Krypta der Heidenheimer
Kirche nicht, wo Walburgis frühestes Grab gewesen war. Panzer, bair.
Sag. 1, S. 132 beschreibt diese Krypta als einen Bau, dessen Formen auf
den frühesten romanischen Stil hinweisen. Eine in der Wand der Gruft
angebrachte steinerne Console, die ehedem ein Steinbild getragen haben
musste, zeigt einen Wappenhelm mit der Helmzier des Brackenhauptes,
dessen herabhängende Ohren von zwei Jungfrauen mit den Händen berührt
werden. Man sagt, hier seien die Abkömmlinge des Rittergeschlechtes Hund
begraben.

Die benachbart sesshaften Grafen von Oettingen-Spielberg führen dasselbe
Brackenhaupt im Wappen, schwarz und weiss quadrirt, also genau in Form
und Farbe des Hohenzollerschen Helmkleinods: caput et collum molossi
genannt in Speners Wappenwerk. Lepsius, Kl. Schrift. 3, 164. War hier
nun wirklich die Erbgruft der adeligen Hund gewesen, so leitete bei der
Wahl derselben jedenfalls die Verwandtschaft zwischen dem Wappenthiere
jenes Geschlechtes und dem Gefolgsthiere Walburgis. Denn Heidengöttinnen
und hl. Jungfrauen sehen wir stabil vom Hunde gefolgt. Aller Hunde
erster ist Garmr, besagt die Edda von Odhinns Hund. Grauhunde begleiten
die drei Nornen. Die Fruchtbarkeitsgöttinnen Frau Harke, Frau Gode und
Frau Frick haben stets den Hund bei sich; die zu Weihnachten bescherend
umziehende Frau Berchte heisst davon in Steiermark die Pudelmutter
(Weinhold, Weihnachts-Sp. S. 11). Die 24 Töchter der Frû Gauden umbellen
den Jagdwagen ihrer Mutter als eben so viele Hündinnen. Colshorn, Märch.
u. Sag. no. 75. Das Hündchen der hl. drei Schwestern zu Schlehdorf war
daselbst auf einem alten Altarbilde mitgemalt zu sehen, und die drei
_steinernen_ Jungfrauen zu Velburg erschienen gefolgt von einem Hunde,
welcher gleich ihnen zu Stein geworden war. Panzer, Bair. Sag. 1, S. 25.
289. 290. Es ist daher kein Absprung, wenn die Sage das überirdische
Hündchen auch der Jungfrau Maria zum Gesellschafter giebt; Belege
hiefür: Schmitz Eiflersagen vom J. 1847, 43. Hocker, Moselsag. 168. Das
hölzerne Altarbild Marias in der Kapelle Marienbrunn zu Baden-Baden
steht gerade über der daselbst sprudelnden Quelle, neben demselben ist
der Hund in Stein gehauen, der das Bild aus dem Brunnen gescharrt hat.
Baader, Bad. Sag. 131. Aus diesem Grunde ist der Hund nicht bloss das
Wahrzeichen der Burgen gewesen (so am Schlosse Hornberg: Schnezler, Bad.
Sagb. 2, 591), sondern steht auch an Kirchen ausgehauen, wie an der
Laurentiuskirche zu badisch Bretten und an der eben erwähnten Kapelle zu
Marienbrunn; derselbe galt da von so alter Abkunft, dass man, z.B. von
der Hundskapelle bei Innsbruck sagt, sie sei ein Heidentempel gewesen.
Zingerle, Tirol. Sitt. no. 950.

Ueber die Farbe dieses Hündchens belehrt uns die Farbensymbolik; als das
freundlich-wohlthätige Geleitsthier der schönen Weissen Frau ist es
gleichfalls ein weisses, aber die Hunde der Sturmnacht sind schwarz, die
des Gewitters feuerroth. So erklärt es sich in Mythe und Opfer. Der
Rost, der während der Hitze der Hundstage das Getreide befällt, war dem
Römer versinnlicht durch das Götterpaar des Robigus und der Robigo, die
beide den Namen des Kornbrandes tragen und in der umbrisch-etruskischen
Götterlehre Rupinie und Hunta hiessen. Ihnen war das Fest der Rubigalien
geweiht, indem man in den Tagen vom Entstehen des Getreidekorns in
seiner Hülse bis zu seinem Heraustreten aus der Fruchtscheide durch den
Priester zu Rom am Hundsthore (Catularia porta) rothe Hündchen
schlachten und verbrennen liess. Damit suchte man den Brand in Rebe und
Kornähre abzuwehren, weil man den glühenden Hundsstern für die Ursache
des Getreidebrandes hielt. Erklärend sagt daher Ovid. Fast. 4, 941:

    Für den Hund des Gestirns wird Dieser geopfert am Altar,
    Und erleidet den Tod wegen des Namens allein.

Aus ähnlichem Grunde musste in Deutschland der Frohnknecht alljährlich
zur Zeit der Hundstage die überalten Hunde todtschlagen, zu Leipzig im
April und August, in Norddeutschland zur Fasnacht. J.P. Schmidt,
Fastelabendgebräuche. Rostock 1793, 150. 153. Waren diese für die
Landwirthschaft gefährlichen Fristen vorüber, so vergötterte man das
Thier als den Vermittler der Fruchtbarkeit (Cicero I de nat. Deor.),
oder man streute ihm Brod und Mehl. Zu Niederösterreich wird am 28. Dec.
(Kindleinstag) Mehl und Salz gemengt zur Dachfirst hinausgestellt; das
wird das Wind- und Feuerfüttern genannt. Zerführt der Wind dies Opfer,
so sind im nächsten Jahre keine schädlichen Stürme zu befürchten. Ein
Weib in Munderkingen setzte schwarzes Mus zum Dache hinaus: "man müsse
die Windhunde füttern." Birlinger, Schwäb. Sag. 1, 191 und no. 301. Das
eben angeführte Beispiel zeigt, dass man dies den Winden gebrachte
Spendopfer sprachlich missverstehend auf die Windhunde anwendete, da das
Wort Wind in unsrer Sprache beides bezeichnet ventus und velter. War der
erste Schnee gefallen, ehe Frost und Sturm die keimende Saat beschädigen
konnten, so sagte unsre Vorzeit: gib den winden brôt, ez hat gesnîget.
Grimm RA. 256. Hatte man den Hund (Sturmwind) des W. Jägers Hackelberg
in ein Haus herein gelassen, so lag er da den Winter über an der
Herdstelle und frass nichts als Asche; zum Ersatz aber war ein so
mildherziges Haus im Frühjahr drauf mit Milch und Butter reichlich
gesegnet. Haupt, Ztschr. 6, 117. Kuhn Nordd. Sag. no. 2. Dazu galten
noch bestimmte Pflichtigkeiten der Lehensleute. Moscherosch im Phil. von
Sittewald (Strassburg 1665) 2, 167 schreibt: Die Eylff Hunde (erhalten)
jeder 4 Mietschen (französ. miche). Eine Offnung von 1469 verpflichtet
die Lehensleute gegen den aufreitenden Vogt: vnd hät er zwen wind mit jm
traben, denen söllent sy geben ain hûslaib. So bildet sich aus der
Vorstellung vom Windhund der W. Jagd der Begriff des sogenannten
Nahrungshundes, ein Name, der am Ober- und Mittelrhein für jeden
geheimnissvollen Haussegen gilt. Hat man ausgedroschen, so erhalten die
oberdeutschen Drescher zum Schlussmahl gekochte Mehlspätzlein, die man
in Baiern Nackete Hündlein heisst; wer aber bei der Arbeit einen
Tölpelstreich gemacht hat, bekommt eine Strohpuppe, die Hundsfud;
beiderlei Namen sind Sinnbilder der Fruchtbarkeit. Gebackene Hündlein
wirft man zur Abwehr der Feuersbrunst in die Flammen. Panzer, Bair. Sag.
2, 516. Von den die Saaten zerwühlenden Hunden des Windes sprang die
Vorstellung über auf den Biss der wüthenden Hunde, hielt aber in beiden
Fällen die Kornähre und das Brod noch immer als Bindemittel fest. Sieht
man im Felde zum ersten Male Roggen blühen (dies fällt auf
Walburgistag), so nimmt man drei blühende Aehren und streicht sie
stillschweigend durch den Mund, dann wird man nie von tollen Hunden
gebissen. Curtze, Waldeck. Volksüberlief. S. 402. Ein latein.
Gebetbüchlein: Cultus divae Walburgae, Augsb. 1751, bringt S. 23 einen
also beginnenden Hymnus:

    Walburga venit: cedite
    vesane grex, molossi!
    Cedunt, pavent, obmutuit
    os impotens latrandum.

Um Amberg sagt man zu den Kindern, die ausgehen: Nehmt Brod mit, dass
euch kein Hund anbellt (Bavaria 2, 305); in Schwaben lautet dieselbe
Formel: Ich will Brod mitnehmen, damit mich kein Hund beisst.
Birlinger, Schwäb. Sag. 1, no. 706. So pflegten schon die phigalischen
Arkadier nach dem Festessen die Hand an den Brodresten abzuwischen und
diese beim Heimgehen einzustecken, damit ihnen auf dem nächsten
Kreuzwege die Hekate mit ihren Hunden nichts anhaben konnte (Athenäus 4,
149 C.). Denn auch dieser Hekate fielen Hundeopfer, von denen sie Dea
canicida, canivora genannt war.

Coleri Oeconomia, Mainz 1645, lib. XI, pg. 403. 410 schreibt vor: Um
thörichter Hunde Biss an Menschen und Vieh zu kuriren, gieb meyische
Butter auf ein Stück Brod gestrichen. Item, schneide einen Meywurm
entzwei, mach ein Löchlein ins Brod, steck ihn hinein, kleib es oben mit
Brod zu, schmiere Meyenbutter drüber, lass es aufessen. Dies ist ao.
1591 zweimal probiert worden an Hunden. Bisweilen werden die Kühe toll;
reissen an den Strängen, zittern und beben, als ob einer mit der Axt vor
ihnen stände und sie erschlagen wollte. Da gebe man ihnen eine
Butterschnitte zu essen und lasse sie im Namen Gottes immerhin laufen.
Die Mecklenburger Bauern, bemerkt Coler ebenda, lib. XII, 479, geben den
Hunden geschabet Silber (Abschabsel einer Silbermünze) auf Butterbrod,
so sollen sie nicht toll werden.--Die Fortdauer dieses Brauches in
Süddeutschland besteht darin, dass man am 1. Mai das Festmahl der
Ankenschnitten, sg. Ankebrüt bereitet, Schnitten mit Butter und Honig
reichlich bestrichen, und auch dem Vieh beim ersten Austrieb davon
verabreicht, damit es in keinen bösen Wind komme. Wir werden hievon im
fünften Kapitel unter der Form der berittenen Ankenschnittenprozession
von Beromünster noch einmal zu handeln haben. Unter den von Walburg
gewirkten Mirakeln wird eines in Lateinversen von einem unbekannten
Bruder Medinbard besungen; diese Rhythmen "ex pervetusto codice" stehen
abgedruckt bei Gretser (tom. X, pg. 803) und erzählen von einem am
Wolfshunger leidenden Mädchen, das an Walburgs Grab zu Monheim mittelst
eines Bissens Brodes so geheilt wird, dass sie fortan keine andere
Nahrung mehr geniesst als Käse und Milch.

    Sualaveldico in pago
    Fuit quaedam faemina,
    Quae languore fortissimo
    Aegrotare coeperat.
    Namque tam intemperata
    Edendi ingluvies
    Incessit semisanatam,
    Ut nulla edulii
    Abundantia valeret
    A suis saturari,
    Exhaustis jam parentibus,
    Sed fame accrescente
    Anxiata hinc dolore
    Hinc pudore maximo.
    Tandem divinitus tale
    Occurrit consilium.
    Rogat suos se deferri
    Ad Walpurgae gratiam.
    Quo delata, biduanis
    Incumbebat precibus,
    Quibus exorata virgo
    Gradiendi miserae,
    Qua privata diu fuit,
    Sospitatem reddidit.

    Bona quaedam monialis,
    Vocato preabytero,
    Benedici panem fecit
    Redditque famelicae.
    Quo gustato nequam illa
    Fames voracissima,
    Virgine sacra favente,
    Coepit se subtrahere,
    Sic paulatim decrescendo,
    Ut prius accreverat.
    Sic crescente fastidio,
    Pro mira esurie,
    Tandem nil aliud cibi
    Praeter solum caseum,
    Nihil de potu gustare
    Nisi tantum lac poterat.

Dieses Wunder des geheilten Wolfshungers und die Bändigung der Hundswuth
gab Anlass, Walburgis Haupt-Emblem, das der Aehre, dahin
misszuverstehen, als ob dasselbe sich nur auf diesen Einzelfall beziehe.
So behauptet es die Schrift Christliche Kunstsymbolik, Frankf. 1839.
Allein die den winterlichen Sturmwinden wehrende Maigöttin muss
nothwendig auch die Korngöttin selbst sein und als solche ist sie
kirchlich wirklich dargestellt worden. "Der Heiligen Leben, das
Summerteil" (Augsb. 1482) bildet Bl. 51 Walburgis ab mit einem Büschel
in der Hand, welcher Kornähren bezeichnet. Ebenso verzeichnet M. Hubers
Hdb. d. Kupferstecher VII, 79, no. 5 die Abbildung Mariae als "Nostre
Dame de trois épis", mit drei Aehren in der Hand einem Landmanne
erscheinend. Die Bedeutung dieses Attributes liegt in folgenden Sätzen
der Landwirthschaft ausgesprochen: "Korn wird gesäet auf Mariae Geburt
und schosset vmb Waldpurgi" König, Schweiz. Haussbuch, Basel 1706, 142.
"Wenn der Roggen vor Walburgis schosset und vor Pfingsten blüht, so wird
er vor Jacobi nicht reif." Prätorius, Blockesberg S. 558. Betrachte man
diese Erbsätze nun auch in den nachfolgenden Legenden. Maria bittet
ihren über das sündige Menschengeschlecht erzürnten Sohn, nicht alle
Feldfrucht zumal zerstören zu wollen, sondern doch noch so viel an den
Aehren stehen zu lassen, als genug ist für Hund und Katze, d.h. für ein
ganzes Hausgesinde. Der Heiland thuts, und seitdem wallfahrtet man zur
Muttergotteskirche von Dreienähren, die beim elsäss. Stifte Katzenthal
gelegen ist. Ebenso lässt Maria da, w sie sich die Stelle zu ihrer
Wallfahrt im Pinzgauer Kirchthale erwählt, mitten aus dem Winterschnee
drei Aehrenhalme hervorwachsen, welche nun ihr dortiges Altarbild in der
Hand trägt. Kaltenbäck, Mariensag. no. 122. Den Halm einer Kornähre
brachen und vereinigten die römischen Brautpaare und benannten nach
demselben den Eheabschluss stipulatio. Träumt man von geschnittnem Korn,
so bedeutet es, dass man die Liebste verlieren werde. Denselben
Doppelsinn des ehelichen und des Ackersegens hat nun auch der
Aehrenbüschel in Walburgis Hand. Wenn sie in der Walburgisnacht vom
reitenden W. Jäger verfolgt wird, sie, der Frühlings-Genius der
aufkeimenden Pflanzenwelt, von dem noch einmal losbrechenden Frostriesen
verfolgt, so verbirgt sie sich in den innersten Fruchtkeim des jungen
Saatfeldes. Denn, sagt der Volksglaube, man kann der W. Jagd nur
entgehen, wenn man in ein Kornfeld flüchtet. So birgt nach dem
färöischen Volksliede auch Wodan den Bauernsohn vor des Riesen
Verfolgung ins Fruchtkorn:

    Ein Kornfeld liess da Wodans Macht
    Geschwind erwachsen in einer Nacht.

    In des Ackers Mitte verbarg alsbald
    Wodan den Knaben in Aehrengestalt.

    Als Aehre ward er mitten ins Feld,
    In die Aehren mitten als Korn gestellt:

    "Nun steh hier ohne Furcht und Graus,
    Wenn du mich rufst, führ ich dich nach Haus!"

Neun Nächte vor dem 1. Mai (erzählt Grohmann, Böhm. Sagb. 1, 44) ist die
hl. Walburgis auf der Flucht, unaufhörlich verfolgt von wilden Geistern
und von Dorf zu Dorf ein Versteck suchend. Man lässt ihr daher im Hause
einen Fensterschalter offen, hinter dessen Fensterkreuz, sie vor den
daher brausenden Feinden gesichert ist. Dafür legt sie ein kleines
Goldstück auf das Gesimse und flieht weiter. Ein Bauer, der sie einst
auf ihrer Flucht im Walde traf, beschreibt sie als eine Weisse Frau mit
langwallendem Haare, eine Krone auf dem Haupte, ihre Schuhe sind feurig
(golden), in den Händen trägt sie einen dreieckigen Spiegel (der alles
Zukünftige zeigt) und eine Spindel (wie Berchta). Ein Trupp weisser
Reiter (Schimmelreiter) strengte sich an, sie einzuholen. So sah sie
auch ein anderer Bauer, welcher Regen fürchtend Nachts noch sein
Getreide einführte (das mandelweise aufgeschobert noch draussen lag).
Die Heilige bat ihn, sie in eine Garbe zu verstecken. Kaum hatte ihr der
Bauer willfahrt, als die Reiter vorüber brausten. Des andern Morgens
fand er in den heimgeführten Aehren statt Roggen Goldkörner. Daher wird
die Heilige auch abgebildet mit einer Garbe. So sieht man ferner,
erzählt Vernaleken, Alpensag. S. 75, zwischen den Orten Strass und Lind
in Untersteiermark neben einem Tannenwalde zur Zeit des Vollmondes eine
Gestalt gehen, die statt des Kopfes eine feurige (goldne) Garbe trägt.
Diese Erscheinungsweise war in den kleinen Städten des bair.
Frankenwaldes am Walburgistag Anlass zu einer gemeinsamen
Volksbelustigung gewesen.

Plätze, Strassen und Häuser waren da mit Birkenreisern besteckt: Den
Festumzug eröffnete der Walber, ein vom Scheitel bis zur Zehe in Stroh
gewickelter Mann, dem die Aehren in Form einer Krone über dem Kopfe
zusammengebunden waren. Alle Gewerksleute mit den Emblemen ihres
Handwerkes begleiteten ihn, zu Spott und Trutz (gegen den hinter den
Ofen treibenden Winter) ihre Hantierung ausübend. Heute gilt dorten nur
noch der vor dem Wirthshause aufgepflanzte Walberbaum, den der zum
Spassmacher herabgesunkene Stroh-Walber umtanzt: Bavaria III, 1, 357. In
Niederösterreich sind besonders die Erntetage der hl. Walburg geweiht,
sie durchgeht da alle Aecker, Matten und Gärten und trägt die schon
vorhin erwähnte Spindel mit sich, die mit einem sehr feinen Faden
vollgeweift ist. Nachdem sie auch hier auf ihrer Flucht vor dem
Schimmelreiter vom erntenden Bauern in eine Garbe gebunden und auf den
Wagen geladen ist, bekommt dieser des andern Tages statt Korn Gold
auszudreschen. Vernaleken, Alpensag. S. 110. 371. Der den Lohjungfern
und Moosfräulein nachsetzende Schimmelreiter, der sie quer über sein
Ross legt und die sich Sträubenden in Stücke reisst, hat sich in der
französischen Legende zweimal verkörpert und kirchlich lokalisirt. Um
die Liebe Solangia's, einer Winzerstochter aus dem südfranzös. Dorfe
Villemont, hatte der Oberherr der Provence vergebens geworben, er jagte
ihr daher zu Pferde nach, holte sie ein, warf sie auf sein Ross und
sprengte mit seiner Beute der Stadt zu. Als sie sich beim Uebersetzen
eines Flüsschens herabschwang und entfloh, wurde sie, abermals ereilt
und mit einem Schwerthiebe enthauptet. Nunmehr werden zweimal jährlich
im Frühling ihre Reliquien prozessionsweise um die Fluren getragen in
der Voraussetzung, dass sie Unwetter und Wind stillt und dem Flachs- und
Reblande Gedeihen gibt. Godefrid. Henschenius, Acta SS. tom. II, ad diem
10. Maii. Ein gleiches Prozessionsfest begeht am 1. Mai das Pfarrdorf
Mazorit in der Auvergne zu Ehren der hl. Jungfrau Florina. (Rom feierte
vom 28. April bis 1. Mai das Floralienfest zur Erinnerung an die
vergötterte sabinische Nymphe Flora, die einst im Frühling umherirrend
sich dem Zephyr ergab und daher die Macht über die Blüthen der Bäume und
Blumen bekam). Florina, ein Bauernmädchen aus dem Weiler Estourgoux,
verbarg sich, um den ihr nachstellenden Buhlern zu entrinnen, in der
Felseinöde des dortigen Cousathälchens, und als ein Versucher sie hier
aufspürte, schwang sie sich von einem der Felsen auf den
gegenüberstehenden des rechten Cousa-Ufers durch die Luft und liess in
beiden ihre Fusstapfen zurück, die nun mit Kreuzen gekrönt sind. Unter
grossem Zudrange des Volkes werden jährlich am 1. Mai die Gebeine der
Heiligen aus der Kirche zu Mazorit bis zur Einsiedelei dieses Thälchens
getragen, und mag der Himmel an diesem Tage noch so regendrohend
aussehen, so hat noch stets ein günstiger Wind das Gewölk vertrieben,
sobald jener Umgang von Mazorit heran zu rücken pflegt. A. SS.
Henschenii tom. I, ad diem 1. Maii, de S. Florina, Virg. et Mart.

Die in der Walburgisnacht auf den Wiesen tanzenden und auf den
Blocksberg fahrenden Hexen sind arge Trübungen einer ursprünglich
edleren Vorstellung von gütig gesinnten und für den Erntewachsthum
bemüht gewesenen Geistern. Sie alle theilen, bei näherer Untersuchung,
emsig das Geschäft ihrer Herrin Walburgis. In einer siebenbürgner Sage
bei Müller, S. 382, stösst ein Bauer, der seinen Sack Mehl aus der Mühle
heimträgt, auf einen Trupp Truden, die auf dem Erlenanger tanzen. Er
grüsst sie:

    Gott vermîr ich iren danz,
    Gott vermîr ich iren kranz!

Freundlich antworten sie: Gott segne euch den Sack, dass er nie des
Mehles ledig wird!

Der Volksglaube sagt zwar, die Trud nehme die unholden Gestalten an von
Kehrwisch, Flederwisch und Besenreis (Schönwerth, Oberpfalz 1, 209);
allein damit verbürgt er nur, dass man der Frühlingsgöttin nach
überstandenem Winter Besen, Kehrwisch und Ofengabel als abgebraucht beim
Freudenfeuer verbrannte und noch verbrennt. Auf der Stelle, wo die
Nachtmahr ausruht, heisst es ferner, da wächst im Korn schwarzer Raden,
am Baume der Maerentakken (Mistel) und der Hopfen wird brandig (Wolf,
Ndl. Sag. S. 689). Aber gerade damit wird nur in abergläubischer
Verdüsterung wiederholt, was sonst von dem segensreichen Charakter des
Alb und der Elbin gilt, dass sie unter verschiedenen Namen als
Mittagsgespenst (Meridiana), Roggenmuhme, Tremsemutter, Alte, Kornbaby,
Kornkind und Kornengel, Preinscheuche im wogenden Kornfelde umgehen,
geisterhaft auf der Spitze der Aehren ausruhen, oder in Liebe des
Schutzgeistes reinen Jünglingen und Jungfrauen sich zugesellen. Nur
etwas braucht man von ihnen zu haben, um sie festzuhalten; der im Bette
Erwachende findet dann statt des von ihm ergriffnen Strohhalms oder
Federflaums eine schöne, bis auf den Schleier splitternackte Jungfrau
bei sich im Schlafgemache. Spricht der Aberglaube vom Trudenfuss,
Flederwisch und Federkiel der Mahr, von der Schmetterlingsgestalt des
Toggeli, nennt man in Augsburger Mundart den Schmetterling Kohlweissling
_Milchtrut_, anderwärts Molkendieb (Weinhold, Schles. Wörtb. 62): so
wird damit einbekannt, dass statt des Gespenstes einst eine Valküre
galt, die in Schwanenhemd und Vogelgewand allüberall ihren Schützling
umflog, wesshalb noch der Fünfort, Alpfuss oder Trudenfuss, ndl.
marevoet, an die Stubenthüren gekreidet wird, zwei in umgekehrter
Richtung der Winkel stehende Dreiecke. So tummelt das Nachtschrättelein
die Stallrosse und zöpft ihnen Schweif und Mähne, dass sie schwitzen;
denn es ist gleichfalls nur die lächerliche Verschrumpfung jener
himmlischen Valküre, die auf den Thaurossen des Morgens heranritt,
Helden Hilfe bringend und dem Felde die Frucht. Solcher Abkunft dunkel
noch eingedenk, schreibt der Volksglaube vor, gegen den Besuch der
Nachtmahr _zwei Sicheln_ gekreuzt vors Bette zu legen.

Die Rechtsformel Drei Halme bedeutete drei Jahre und drei Jahresernten;
das Sinnbild dreier Aehren ebenso das Obereigenthum und Erbgut. Die zu
Lucca Erblehen vom dortigen Waisenhause hatten, mussten dahin am 1. Mai
einen reichlich geschmückten Maibaum überbringen und verloren ihr Lehen,
wenn daran die drei vorgeschriebnen Kornähren mangelten: Grimm, RA. 128.
205. 361. Der oberpfälzer Bilmesschnitter pflückt _drei_ Aehren vom
fremden Acker, damit fliegt ihm dessen Ernte in seine eigne Scheune.
Schönwerth 1, 432.

Hier zum Schlusse dieses Abschnittes ein Kirchenwunder von Walburgis
Eulogienbroden.

Eulogia nannte man beim Gottesdienste der ersten Christengemeinden jede
zur Kirche mitgebrachte Brod- und Weinration, die man hier priesterlich
einsegnete und zum Schlusse mit allen Anwesenden gemeinsam verzehrte. Es
war ein Liebesmahl zu dem Zwecke, die Ungleichheit vor dem weltlichen
Gesetze und den Unterschied von Arm und Reich mindestens bei den
religiösen Zusammenkünften aufzuheben und zu bekennen, dass Alle vor
ihrem gemeinsamen Gotte gleich seien. Ein ähnlicher Brauch war nun auch
dem deutschen Heidenthum geläufig gewesen und dauerte noch lange fort in
dem Bruderschaftswesen der Geldonien, deren angelsächsischer Name
Friedensbürgschaft hiess. In ihnen stand Einer für Alle; Gott, auf
dessen Namen jede Geldonie beschworen war, sollte Alle bei ihrem Rechte
bewahren. Eine natürliche Folge hievon war die Pflege und Versorgung
derjenigen Vereinsmitglieder, die unverschuldet in Dürftigkeit
geriethen. Die reichlichen Brod- und Fleischvertheilungen, die mit den
Germanenopfern nachweisbar verbunden waren, verbürgen dies, und
ausserdem war es eine Sache der Nothwendigkeit, für die Mahlzeit
derjenigen reichlich zu sorgen, welche in unwirthlichen, gering
bevölkerten Landstrichen und unter der Ungunst der Witterung weite
Märsche auf sich nehmen mussten, um sich bei den allgemeinen
Versammlungen rechtzeitig einfinden zu können. Das Christenthum
vermochte daher diese religiösen Mahlzeiten der Germanen nicht
abzuschaffen, sondern suchte sie dem kirchlichen Cultus nur anzupassen:
"Es ist durchaus nothwendig," schreibt Pabst Gregor d. Gr. an die
angelsächsischen Bischöfe (Beda Ven., hist. Angl. lib. 1, c. 30), "dass
man diese Feier der Heiden bestehen lässt, nur muss man ihr einen andern
Grund unterschieben, sie auf die Kirchweihen verlegen, den Festplatz
mit grünen Maien umstecken, Thiere schlachten und ein kirchliches
Gastmahl veranstalten. Doch soll man nicht ferner zu Ehren des Satans
Thieropfer bringen, sondern das Geschlachtete zum Lobe Gottes und um der
Sättigung willen geniessen." An die Stelle solcher Gesammtmahlzeiten
trat später vorzugsweise das blosse Brod, so wie es heute noch in den
Kirchen der romanischen Länder an den Gedächtniss- und Festtagen unter
dem Namen Eulogienbrod (deutsch Oblei, franz. pain béni) überreichlich
an Jedermann ausgetheilt wird. Bevor diese Reduction allgemein
durchgesetzt war, gab die Kirche ihren Bedürftigen jeglicherlei Gattung
von Speise. So wurde in der Monheimer Kirche unmittelbar nach dem
daselbst erfolgten Begräbnisse Walburgis Fleisch, Brod, Käse, Fische,
und Bier unter die Wallfahrer _als Eulogie_ ausgetheilt (A. SS. saec. 3.
II, pg. 302), und ebenso wurden von den Letzteren Esswaare und Getränk
jeder Art in die dortige Kirche getragen, um daselbst theils
aufgeopfert, theils zum eignen Genusse in Gesellschaft der Andächtigen
gebraucht zu werden. Rinder, Schweine, Brodsäcke und Trinkgeschirre
werden genannt, die den Wallfahrern hier entwendet, dann aber unter der
Patronin Beistand wunderbar wieder aufgefunden wurden. Der Nachdruck der
hievon handelnden Erzählungen verbleibt jedoch immer auf dem geweihten
Brode. Hierüber hat der unbekannte Bruder Medinbard verschiedene Lieder
gesungen, von denen ein kürzeres hier nachfolgt. Die Begebenheit ist
diese. Ein blindgebornes Mädchen zu Kempten hört Nachts im Traume sagen:
Willst du den Wucher der Himmelswolke einmal erblicken und die grüne
Breite der Gefilde, so back weisse Spendbrode und trage sie zum
Walburgisgrab in Monheim. Das Mädchen thats, überbrachte dahin die Brode
und liess sie auf den Altar legen. Da erschienen zwei Klosterhühner am
Altare, "duae gallinae, id est Sanctimoniales geminae", welche sie
bereits in ihrem Traume erblickt hatte, frassen die Brode weg,
untersuchten den Grund des Erscheinens der Blinden somit angelegentlich
und das Mädchen war darüber sehend geworden (ibid. pag. 300).
Verwunderlich bleiben hier diese auf dem Altar weidenden Hühner. Sie
lassen nicht auf die gewöhnlichen Zinshühner schliessen, von denen in
der lex Alam. 22 gesagt ist, dass die Leibeignen regelmässig fünfe der
Kirche zu entrichten haben (Grimm RA. 374), denn deren Weideplatz ist
nicht der Altar; es müssen vielmehr heilige gewesen sein, und als solche
galten einst die weissen (Troll, Gesch. von Winterthur 7, 183) und
gelten noch die schwarzen. Letztere werden noch für heilsame Thiere
gehalten (Schönwerth, Oberpf. Saga 1, 346), der Gefahr entgangen sein
und ein schwarzes Huhn kirchlich geopfert haben ist altbairisch synonym.
Schmeller Wtb. 2, 199. Im Uebrigen ist das Huhn, sowie das Ei,
allgemeines Symbol der Fruchtbarkeit, besonders der ehelichen. Des
Morgens nach der Brautnacht wurde dem Ehepaar das gebratene Bräutel- und
Minnehuhn vors Bette gebracht. RA. 441.

    Puella quaedam ab ipsis
    Heu caeca cunabulis,
    Audita opinione
    Virginis eximiae,
    Desiderio flagravit
    Veniendi maximo.
    Quam quidam in visione
    Nocturna submonuit,
    Oratorium adiret
    Tanti desiderii,
    Oblatas mundas offerret,
    Altari imponeret.
    Quas illatas statim binae
    Gallinae comederent;
    Quibus pastae deservirent
    Matris excubiis.
    Venit, attulit, imponit,
    Preces fudit intimas.
    Astant duae moniales
    Gallinae videlicet,
    Praevisae in visione,
    Quae oblatas colligunt,
    Et requirunt diligenter
    Quae, unde, cur venerit.
    Quibus illa dum exponit
    Singula veraciter,
    Domino propitiante
    Et beata Virgine,
    Incognitum lumen coeli
    Novis hausit oculis.

       *       *       *       *       *



Dritter Abschnitt.

Walburgistag, des Meien hochgezît.

    Der meie der ist rîche,
    er füeret sicherlîche
    den walt an sîner hende,
    der ist nu niuwes loubes vol:
    der winter hat ein ende.

    Neidhart von Reuenthal (1234).


Sommer und Winter waren einstmals unter die Zahl der göttlichen Wesen
unsrer Vorzeit gerechnet gewesen; die Volkssitte im Verein mit unsrer
älteren Sprachweise lässt hierüber keinen Zweifel übrig. Die Edda nennt
den Sumar den Sohn des selig freundlichen Mannes Svâsudhr; der Winter
dagegen (Vetr) hat den Vindlôni und Vindsvalr zum Vater, den Windkühl
und Windschweller, der selbst wieder vom feuchten und nassen Vâsadhr
abstammt. Koberstein, Weimar. Jahrb. 5. Sommer und Winter messen sich in
einem Zweikampfe, und dessen scenische Aufführungen waren ein Brauch,
welcher sich von Schweden und Gothland an bis nach Südbaiern und der
Schweiz erstreckt hat. Der Mai wird aus dem Walde in den Heimatsort
herein abgeholt; dies geschieht jedoch nicht ohne heftigen Widerspruch
des Winters, der es erst auf einen förmlichen Kampf ankommen lässt.
Deshalb muss der knabenhafte Mai bewaffnet und unter kriegerischem Lärm
die Landschaft betreten. Er entbietet ein grosses Turnier und kommt
gewappnet auf den Plan:

    sein panzer was ein grüenes graz,
    sein koller darauf ein weisser klee,
    sein halsperg was veyolvar,
    sein bugler wag von rosenbluet.
    er füert in seiner hende
    ein sper, was michel lanc
    vnd was eitel vögelingesang.

A. Keller, Altd. Erzählungen, pg. 85. Dieser Aufzug des in Laub
gekleideten, zu Rosse einziehenden Maikönigs geschah auf Walburgis oder
1. Mai und hiess: _den Sommer in das Land reiten_.[Nachtrag 1] In
Dänemark war er der Maigraf genannt, der sich aus den Jungfrauen des
Ortes seine Maigräfin, die Majinde, erwählte, indem er seinen
Blumenkranz von der Schulter ihr zuwarf; in Thüringen war es der in
Pappellaub eingebundne Graskönig, der im Dorfe vom Rosse stieg, sein
Laubgewand aufschnitt und dessen befruchtende Zweige auf die Saatfelder
steckte. Oder es kam da, wo Pfingsten den Anfang des Lenzes bezeichnet,
der Pfingstkönig auf die Brautwerbung geritten und führte die im Busche
versteckt, gehaltene Prinzessin im Triumphe heim; sie heisst in Flandern
Pfingstblume, Pinxterbloem, in England the queen of the May, in der
Provence Rosenmädchen, Mayo, zu Thann im Elsass Maienröslein. An diesem
letzteren Orte trägt am Walburgistage ein Kind einen bändergeschmückten
Maien um, ein anderes mit einem Korbe nimmt die Gaben in Empfang, und
das Gefolge singt vor den Häusern:

    Maienröslein, kehr dich dreimal 'rum,
    Lass dich beschauen 'rum und 'num.
    Maienröslein, komm in grünen Wald hinein,
    Wir wollen alle lustig sein;
    So fahren wir vom Maien in die Rosen.

Im Verlaufe des Liedchens wird den Leuten, die nicht Eier, Brod, Wein,
Oel spenden wollen, angewünscht, dass der Marder die Hühner nehme, der
Stock keine Trauben, der Baum keine Nüsse, der Acker keine Frucht mehr
trage; denn das Erträgniss des Jahres hängt von dem kleinen
Frühlingsopfer ab. Stöber, Elsäss. Volksb. 1842, 56. Fällt der Nachdruck
der scenischen Festaufführung auf das Vertreiben des Winters, so nennt
man dasselbe den Tod austragen, oder wie im böhmischen Saazer Kreise,
mit dem Bändertod herumgehen, weil der Zug der Knaben Hut und Brust mit
Bändern geschmückt hat. Dabei trägt der König einen mit Goldpapier
beklebten Rockenstiel als Scepter, zwischen zwei Brauthütern folgt ihm
sein Töchterlein. Letztere melden, dass der Tod um die Königstochter
werben lasse. Hierauf erscheint dieser selbst, statt der Waffe ein
Bündel Lichtspäne (Schleissen) in der Hand tragend, und wird vom
erzürnten Vater niedergestochen. In Südschweden rückten am 1. Mai zwei
Reiterschaaren von verschiednen Seiten in die Städte, die eine angeführt
vom Winter, der in Pelze gehüllt, mit Handspiessen bewaffnet,
Schneeballen und Eisschollen auswarf, die andere vom Blumengrafen, der
mit Laub und Erstlingsblumen bekleidet war; sie hielten ein
Speerstechen, worin der Sommer den Winter überwand und durch Ausspruch
des umstehenden Volkes für den Sieger erklärt wurde. War die Witterung
des Tages recht rauh, so legte der Winter den Spiess ab, streute
glühende Asche aus einem Eimer und liess von seiner Rotte Feuerkugeln
unter die Zuschauer werfen. War Sonnenschein, so nahm dies der
Blumengraf auf seine Ehre und rückte mit frischen Birken- und
Lindenzweigen hervor, die man lange zuvor in den warmen Stuben mit Mühe
zum Grünen gebracht hatte. Ein Gastmahl und Trinkgelage, glänzender als
es durch Speerkämpfe errungen wird, schloss das Turnier. So die
Beschreibung bei Olaus Magnus, Bischof von Upsala, Schwed. Chronik
(verdeutscht 1560) 15 Buch, Kap. 4. Geschichtlich denkwürdig (schreibt
Uhland, Pfeiffer's Germania 5, 276. 279) ist ein westfälischer Mairitt,
welchen die Bürger von Soest im J. 1446 während ihrer Fehde gegen den
Bischof von Köln ausführten. Auf Walburgistag, "da man nach alter Sitte
in den Maien zu reiten pflegte", wollten die Soester dies nicht
unterlassen; wiewohl sie sich vor ihren Feinden zu wahren hatten. Sie
zogen mit grosser Kriegsmacht aus der Stadt in den Arnsberger Wald, wo
sie ihre Schaaren ordneten, fielen dann mit Raub und Brand in die
Grafschaft Arnsberg, zerstörten Dörfer und Vesten, führten Heerden,
Güterwagen, selbst aufgefangene Frauen, die jedoch vor der Stadt wieder
frei gelassen wurden, mit hinweg und kamen, nachdem sie der verfolgenden
Feinde sich erwehrt, mit Frieden und Freude "unter dem grünen Maien"
nach Hause. Wie hier der grüne Mai, unter welchem das Kriegsheer
einreitet, im Arnsberger Walde gehauen wird, so rücken am Frühlingsfeste
die Knabenschaften an zahlreichen Orten Oberdeutschlands in ihre
Gemeindewälder bewaffnet aus und hauen sich zum Feste die Ruthen und
Stäbe, wornach dorten das Maifest der Stabtag oder Ruthenzug heisst.
Diese Kadettenzüge sind beschrieben im _Alemann. Kinderlied_ und
_Kinderspiel_, pg. 490. Häufig knüpft sich eine Ortssage daran von einem
zu derselben Zeit einst gegen den Feind erfochtenen Siege, wornach der
mit Uebermacht eingedrungene Gewalts- und Zwingherr erschlagen und ihm
die schon erbeutete Rinderheerde wieder abgejagt worden, oder wornach
seine Zwingburg listig erstiegen, er sammt seiner Mannschaft
niedergemacht und so Landschaft und Ort in einem Wurfe befreit worden
sein sollen. Hievon wird im Abschnitte _Maiengeding_ noch besonders die
Rede sein. Der Brauch des Mailehen-Ausrufens ist bis auf die Gegenwart
in der Eifel, Rheinpfalz und Hessen ein Innungsrecht der örtlichen
Knabenschaften gewesen. Um Kirchheimbolanden, Stetten u.s.w. in der
Pfalz werden in der ersten Mainacht, die heiratsfähigen Mädchen in
öffentlicher Versammlung zur "Versteigerung" einzeln ausgerufen und dem
Höchstbietenden zugeschlagen. Der Erlös ist kein unbedeutender (Bavaria
IV. 2, 364). Ebenso werden sie in der Gegend der Ahr zum "Mailehen"
ausgeboten und den Käufern einzeln zugetheilt. Die für beide Theile
daraus entspringende Verpflichtung ist gegenseitige Zucht; eigene Hüter
"Schützen" sind beauftragt, Uebertretungen beim Sittengerichte der
Knabenschaft zur Anzeige und Bestrafung zu bringen, ein Sittengesetz,
das ehmals im ganzen Eifellande üblich gewesen war (Schmitz, Eifl. Sag.
1, 32). In der Hessischen Lahn- und Schwalmgegend werden die Mädchen
unter Peitschenknall, Freudenfeuern und Pistolenschüssen gleichfalls ins
Mailehen gegeben und in der Walburgisnacht einzeln ausgerufen. Lynker,
Hess. Sag. no. 317[2].

Den Brauch, die Jungfrauen ins Mailehen zu geben und die Wittwen mit zum
Brautkauf auszurufen, kann man nunmehr aus dem Leben der hl. Bilihildis
nachweisen, über deren Zeitalter freilich sich nur das mit Bestimmtheit
sagen lässt, dass ihr Name in den Martyrologien des 10. Jahrhunderts
genannt wird. Rettberg, Kirchengesch. 2, 303. Sie war als Heidenmädchen
einer Adelsfamilie aus Veitshochheim in die Klosterschule nach Würzburg
gethan worden und sah hier das berühmte Maispiel mit an, das die
gleichfalls noch heidnischen Mainfranken alljährlich zu begehen
pflegten. Dasselbe findet sich beschrieben in der von Herbelo metrisch
verfassten Vita S. Bilihildis (Ignaz Gropp, Collectio Scriptor.
Wirceburg. 1741, 791). Statt dieses breiten unbeholfenen Berichtes, der
ohnedies wie ein Polizeibericht des vorigen Jahrhunderts über unsre
Volkssitten lautet, folgt hier bloss ein sachgetreuer Auszug. Nach altem
Herkommen, das wie eine religiöse Satzung galt, hielt das
Frauengeschlecht der Mainfranken alljährlich im Frühling zu Ehren der
Venus und der Vesta ein Spiel ab, wobei ohne Mann und nackt getanzt
wurde. Sämmtliche Wittwen unter fünfzig Jahren und alle mannbaren
Mädchen traten mit auf, nackt, in bunten Farben schimmernd, Blumen- und
Laubgewinde in den Händen tragend. Während eine Schaar den Reihen
führte, ergötzte sich die andere am Anblick der Gespielinnen und fühlte
sich zu frischem Beginne angespornt. Das Männervolk machte dabei den
Zuschauer. Den Vornehmen ergötzte die vornehme Haltung, den Bauern die
ländliche oder volksthümliche. Ein Jeder erlas sich unter ihnen die
künftige Gattin, und wenn auch noch nicht vertraut mit ihrem Gemüthe,
traf er hier nach ihrer Wohlgestalt bereits im voraus seine Wahl. Alle
bei diesem Feste geschlossnen Eheverträge hatten das Jahr über ihre
Geltung bis zum Herbstfeste, das man unter abermaligem Tanze in einer
Scheune begieng. Indem so der Mann sich eine Frau erwählte, die er noch
nicht näher als vom blossen Anblick kennen gelernt hatte, beobachtete er
ein heidnisches Herkommen, für dessen Gesetzgeber und "_König_" er sich
selber hielt. Jedoch keineswegs mit dem gleichen Erfolg konnten diese
Mädchen sich den Titel der "_Königin_" beilegen, wenn eben diejenigen
Männer, welche hier beim Tanze mit der Brautfackel der Venus gefangen
worden waren, über dieses Spiel als über einen blossen Scherz nachher
tausendmal gelacht haben. Ganz anders that daher die selige Bilihildis,
die nicht spielend, sondern allein kirchlich die Verlobte eines Mannes
werden wollte: unter Thränen bewog sie ihren Vater, beim König Chlodwig
Anzeige zu machen von diesem sittenwidrigen Frauentanze, worauf alsdann
der Regent durch ein Edikt dem deutschen Venusspiel ein Ende machte. So
weit Herbelo's Nachricht.

Der Ehemann, welcher, hier _König_ genannt wird, ist im heutigen
Frühlingsspiele der Maigraf oder Lauchkönig, die von ihm erwählte Braut
die Maikönigin oder Prinzessin. Die Jungfrauen und Wittwen versammeln
sich zum vorbestimmten Festtanze, um unter die zuschauenden Männer ins
Mailehen vertheilt zu werden. Sie sind bemalt und bekränzt, tragen
Laubguirlanden, Abends Fackeln: lauter Einzelzüge unsrer heutigen
Frühlingsbräuche. Damit erledigt sich auch die von Herbelo wiederholt
genannte nuda cohors muliebris in ludo nudo ludens; denn diese besteht
keineswegs aus nackten, sondern aus entblössten Tänzerinnen, d.i. aus
solchen, die als Botinnen des Frühlings Frauenmantel und Haube abgelegt
haben, hochgeschürzt, blossarmig und baarhäuptig in den Reihen treten,
ums fliegende Haar den Kranz aus Walburgiskraut geflochten (Osmunda
lunaria und Botrychium lun.). Ist hier von der Mönchsphantasie ein
züchtiger Frühlingstanz schon zum nackten Ball gemacht, gegen den der
angebliche Frankenkönig Chlodwig einschreiten muss, so haben auch die
Orgien der nackten Weiber am Blocksberge keine andere Entstehungsquelle,
als eben dieses grausame Missverständniss von Seite des Klerus.

Doch wir kehren zurück zu den ferneren Volksbräuchen der Walburgisfeier.
In derselben Mainacht werden glattgeschälte, schmuckbehangene Bäumchen
auf die Dorfbrunnen und der Liebsten vors Fenster gesteckt, damit jene
das Jahr über klar fliessen, und diese eben so lange wieder frisch und
schön bleibt. Man wählt dazu besonders die Zweige der Eberesche mit
ihren rothen Beeren, davon heisst sie selber der Wolbermay (Prätorius,
Blockesberg, 460). Die Reime, die man an den Baum hängt oder vor dem
Kammerfenster des Mädchens hersagt, ergehen sich in den gleichen
Sinnbildern:

    Grüss dich Gott durch eine Hand voll Seiden,
    Alle frischen Herzen will ich deiner wegen meiden.

    Grüss dich Gott durch einen Seidenfaden,
    Gott bewahre dich im finstern Gaden.


    I lôss sie grüessen durh e höchi Tanne,
    die Zît isch cho zum Wîben--und zum Manne,
    I lôss sie grüessen durh es Hämpfeli Thau:
    i wött, mî Holdi wär mî Frau.
    Rosmeri und Zypresse,
    ass i de nit vergesse;
    Rosmeri und Nägeli drî,
    g'hörsch, i möcht gern bî der sî!
    bî der sî, wie's Rösli hockt
    am-ene einige Stengel:
    Der Herr ist schön, sî Frau ist schön
    und s' Chind ist wie ne Engel.

Aber dieser Maibaum wird nur der Getreuen gesetzt, "ein dürrer
Walberbaum" kommt zur schmerzlichen und entehrenden Ueberraschung vor
das Fenster der Verführten (Bavaria II, 269), oder ein Strohpopanz,
Namens Walburg, wird der Faulen aufgesteckt, die zu dieser Zeit ihr Land
noch nicht umgegraben hat. Kuhn, Nordd. Sag. S. 376. Inzwischen
erforscht zur selbigen Nacht das Mädchen ihre Zukunft aus mehrfachen von
Walburg selbst herrührenden Liebesorakeln. Die Heilige trägt eine
aufgeweifte Spindel. Auf diese bezieht sich der österreichische Brauch
des Fadenziehens, welchen Vernaleken, Alpensag. no. 92. 93 meldet. Die
Mädchen, welche Lust haben, ihres Zukünftigen Beschaffenheit
vorauszuwissen, setzen sich Mitternachts in einen Kreis und nehmen einen
feinen Gespinnstfaden ihrer eignen Arbeit, der jedoch drei Tage vorher
hinter einem Mariabilde gehangen hat. Während er im Kreise herum durch
die Finger läuft, spricht man stille und mit geschlossnen Augen:

    Voaten, i ziech di,
    Walpurga, i bid di,
    zag von main Man
    alle Seiten an.

Wie dabei der Faden sich anfühlt, weich und glatt, hart und fest, so
werden des einstigen Mannes Eigenschaften sein. Das oberpfälzer
Bauernmädchen schleudert ungesehen ihren Schuh über den Peuntbaum und
horcht, aus welcher Gegend her wiederholtes Hundegebell herüberschallt;
eben daher wird einst der Werber zu ihr kommen. Ihr Spruch lautet:

    Hunderl, ball, ball,
    ball über neunmal,
    ball über's Land,
    wau mein feins Liab wahnd.

Schönwerth, Oberpf. Sag. 1, 139. So verhilft hier der Hund, Walburgs
Geleitsthier, und dorten Walburgs Flachsfaden zum Gelingen des
Liebeszaubers.

Das vorhin geschilderte Mailehen, die Vertheilung der mannbaren Mädchen
an die jungen Ortsburschen, fand bei den Moselfranken nicht am 1. Mai,
sondern am ersten Sonntag in Fastnachten statt und hiess daselbst der
_Valentinstag_; es wurde 1799 polizeilich verboten (Hocker, Moselthal
24). Eine Waldhöhle bei Ebersberg in Oberbaiern mit einer dabei
stehenden Linde hatte dem umwohnenden Volke zum Versammlungsorte
gedient, um hier den Teufel (Valant) heidnisch zu verehren. Ein heiliger
Mann, Konrad von Heuwa, zerstörte beide von Grund aus und liess an der
Stelle ein _Valentins_kirchlein erbauen. Schöppner, B. Sagb. no. 70.
Dies führt uns auf den am 14. Febr. in England gefeierten Valentinstag,
das eigentl. Fest, der Jugend und der Liebe hier, wie im nördlichen
Frankreich, in Belgien und den Niederlanden. Es ist ein vorausbegangner,
vordatierter Maitag oder Walburgistag. Eine alte Stadtsage Londons
erklärt, dass sich am 14. Febr. die Vögel zu paaren beginnen, und ein
gleichfalls alter Sprachgebrauch nennt darum das Männchen Valentin, das
Weibchen Valentinne, sprich Wallen-tein. Dies trifft genau zusammen mit
dem von Russwurm veröffentlichten Holzkalender der Inselschweden, in
welchem der 1. Mai mit folgender Kalenderrune verzeichnet steht: ein
nach oben gekehrter Halbring, in dessen Mitte ein kleinerer liegt, ist
das Sinnbild des Eies im Neste der zu dieser Zeit wieder brütenden
Vögel. Alles überschickt sich in England an diesem Tage kleine Geschenke
und anonyme Liebeserklärungen. Es liegt uns ein Bericht des Londoner
Postamtes vom Valentinstag 1857 vor. Um 9 Uhr Morgens wurden 150,000
Briefe aufgegeben; um 10 Uhr 25,000; um 11 Uhr 175,000; Mittag
12,000--bis zum Abend noch einmal weitere 60,000, so dass an diesem Tage
(ausser den vielen bezüglichen Inseraten der 145,000 Zeitungsnummern)
422,000 Briefe ausgetragen wurden, d.h. zwei- bis dreimalhunderttausend
mehr, als an allen übrigen Tagen des Jahres. Dafür zum Entgelt erhalten
dieses Tages die Briefträger eine besondere Mahlzeit, bestehend aus
Rostbraten und Ale (Schweizerbote, Zugabe no. 6, 11. Febr. 1860). Auch
dabei galt ehemals die Sitte, Liebsten und Liebste durchs Loos zu ziehen
und daran die Verpflichtung gegenseitigen Wohlwollens oder sogar
bleibender Treue zu knüpfen. Allbekannt ist das dahin zielende
Liebeslied der Hamletischen Ophelia:

    Guten Morgen, es ist St. Valentinstag
    so früh vor Sonnenschein,
    ich junge Maid am Fensterschlag
    will euer Valentin sein.

Noch heute, berichtet Reinsberg (Festl. Jahr, 34) sind Landmädchen des
festen Glaubens, der erste Mann, den sie am Morgen dieses Tages
erblicken, werde ihr Valentin und einst ihr Ehemann, vorausgesetzt, dass
er nicht mit ihnen im gleichen Hause wohne, nicht ihr Anverwandter und
kein Verheirateter sei. Daher stellen sich junge Männer oft schon vor
Sonnenaufgang in der Nähe des Hauses oder an der Strasse auf, wo ihre
Geliebten vorüber kommen müssen, und diese wiederum gehen bei ihren
Gängen lieber eine halbe Stunde um, wenn sie dadurch einem
Nichtersehnten aus dem Wege gehen können, oder sitzen mit zugemachten
Augen den halben Morgen hinter dem Fenster, bis sie die Stimme
desjenigen hören, den sie gern möchten. Suchen wir die Erklärung und den
Zusammenhang des also gefeierten Valentintages sammt den
vorausgeschilderten Maibräuchen, so finden wir dafür den nordischen
Natur-Mythus von der Brautwerbung der Götter. Das in zwei Hälften
getrennte Sonnenjahr wird gelenkt von zwei Mit-Odhinen. Erst hat sich
der winterliche Uller-Odhin zum Alleinherrscher der Erde aufgeworfen.
Vergebens will ihn Wali-Odhin verdrängen, er ist noch kinderlos. Da
wirbt er um Rinda (die hart gefrorne Wintererde), spröde sträubt sie
sich gegen seine Liebe, bis er sie mit dem Zauberstab des Lichtpfeils
gerührt hat. Als sie ihm darauf den gleichnamigen Sohn Wali gebiert,
entflieht Uller-Odhin, gehüllt in Pelze und dahinschreitend auf
Schlittschuhen, in den Hochnorden zurück. Dies der äusserlichste Umriss
der Mythe; volle Gestalt gewinnt sie erst durch unsere altdeutschen
Gottheiten und Stammhelden, und alle Einzelzüge der späteren Sagen und
Bräuche finden dabei ihr überraschendes Verständniss. Mit der
aufsteigenden Frühlingssonne wird Wuotans, und Frouwas Hochzeitsfest
gefeiert, wird Gerda von Freyr, Brunhilde von Gunther und Sigfried durch
Wettspiele erworben, in dieser wonnigsten Zeit des Jahres grünen und
schimmern dann alle Höhen von den bei der Götterhochzeit abgehaltenen
Festtänzen. Dann sagen sich die Menschen, das sei der Zug aller
Zauberweiber zum Broken, an diesem ersten Maitage müssten die Hexen den
letzten Schnee vom Blocksberge wegtanzen (Kuhn, Nordd. Sag. 376), oder
ebenso an Mariae Lichtmess müssten unsre Frauen im Sonnenschein tanzen,
damit die Schneeflocken am Pilatusberge vergehen und der Flachs so hoch
wachse wie die Sprünge der Tänzer sind. Ob dabei das Fest auf 14.
Februar, oder auf Walburgis und 1. Mai, oder auf 12. Mai, oder gar erst
auf Pfingsten angesetzt wird, verschlägt nichts und ist eine blosse
Folge späterer Zeiteintheilung. In den Volksbräuchen ist noch vielfach
die Rechnung nach dem alten Kalender beibehalten und folglich wird da
der 12. Mai als der frühere erste begangen und der Tag Pancratius hat
übernommen, was sonst vom Tage Walburgis galt. Da muss man Lein säen und
dabei recht lange Schritte machen (Thüringen, Hessen); oder die älteste
Jungfrau des Hauses muss am Fasnachtstage (Harz), oder an Lichtmess
(Meklenburg) rückwärts vom Tische springen; oder die Hausfrau muss
einige Stücke tanzen und dabei recht hoch springen (Schlesien, Mark);
oder man steckt beim Säen die Harke oder grosse Hollunderzweige
senkrecht in die Erde (Meklenburg, Thüringen)--alles, damit der Flachs
gut gerathe und eben so hoch wachse. Wuttke, Volksabergl. Aufl. 1, S.
184. Hauptgehalt aller dieser Bräuche aber bleibt in gleicher Wiederkehr
der erneute Wucher des Erdreiches und die Fruchtbarkeit der neuen
Liebesbündnisse. Von der deutschen Heldensage an bis hinab in das
Kindermärchen vom Dornröschen wird hievon gesungen und gesagt. Denn wenn
die in der Waberlohe schlummernde Brunhilde von Sigfried aus dem
Zauberschlafe geweckt und zum Weibe erworben wird, so ist diese
Waberlohe das im Mittagsstrahle flimmernde, träumerisch nickende
Aehrenfeld, Brunhilde ist die darin ruhende Nährkraft. Sigfried, von dem
gesagt ist, dass wenn er durchs Kornfeld schritt, die Aehren nur an den
Thauschuh seiner Schwertspitze reichten, ist die grosse Gestalt des
Schnitters. Voranschreitend zertheilt er die Halme, hinter ihm schlagen
sie wieder zusammen, bis seine Sichel alle gefällt hat. Dies heisst in
der Edda: Sigfried sprengt zu Ross in die von Feuer umgebne Burg, nimmt
der Schlafenden den Helm vom Haupte, schneidet ihr mit seinem Schwerte
den Panzer, der weder Haken noch Nesteln hat, von Brust und Armen,
worauf sie erwacht, ein Trinkhorn mit Meth füllt, dem Befreier
überreicht und ihn die Runen gebrauchen lehrt, die Sieg-, Meth-, Sturm-,
Rechts- und Machtrunen. Solche Weisheit bewundernd ruft Sigfried: Keine
andere als dich will ich zum Weibe haben!

Wohin aber in diesem sagenhaften Göttergewimmel mit Walburgis? Auch sie,
obschon sie unter dem Einflusse der Kirche eine ehelos lebende Heilige
geworden ist, war einst eine Schönheitsgöttin gewiesen, von welcher das
Glück der ehelichen Liebe und das Gedeihen der ländlichen Arbeiten
ausgieng. Von ihrer Frauenschönheit berichtet noch eine oberpfälzische
Sage (Schönwerth 1, 389), die alle Spuren hohen Alterthums an sich
trägt. Bekanntlich pflegten sich Heiden- und Christenpriester
gegenseitig in Religionsdisputationen über die Vorzüge ihrer Himmel und
Himmlischen zu messen, und der Streit endete manchmal damit, dass beide
Theile es auf einen Augenschein, auf ein visum repertum ankommen
liessen. So kommt es zwischen einem Priester und einem Heidenweibe
(Hexe) denn auch einmal zur Frage, wer schöner sei, die Heidengöttin
Walburg oder die Himmelsjungfrau Maria. Der Vorgang ist folgender. Eine
Hexe beichtet ihren Stand einem Geistlichen, erklärt aber auf dessen
Abmahnen, ihren Versammlungen wohne die Mutter Gottes leibhaftig bei, er
möge sie nur bei der nächsten Ausfahrt begleiten und sich selber
überzeugen. Am bestimmten Tage setzt sich der Mann mit der Hexe in einen
Wagen und fährt durch die Lüfte, bis man Glocken läuten hört. Da senkt
sich der Wagen und man steht in der Mitte einer prachtvollen, mit einer
zahllosen Menge angefüllten Kirche: In der That wandelte auch die Mutter
Gottes leibhaftig auf dein Altar herum, voll Glanz und Schönheit. Doch
dem Priester schien sie zu üppig und verführerisch, er sprang auf den
Altar und hob ihr ein verborgen gehaltenes Crucifix mit den Worten unter
die Augen: Bist du die Mutter des Herrn, so sieh hier deinen Sohn! Da
erloschen mit einem mal sämmtliche Lichter, dichte Finsterniss und
Stille herrschte, der Pater stiess sich an rauhen Steinen und als es
gegen Tag gieng, befand er sich im Gemäuer eines Galgens.--Wir werden
dieselbe hl. Walburg ebenso noch als heidnisch verehrte Venus von der
Kirche selbst angeben hören; denn allerdings sind schon die bisher von
ihr gemeldeten Züge unkirchlich genug: der Hund an der Kette und der
Flachsfaden auf der Spindel sind ihre Orakel; ihre nächtlichen
Höhenfeuer leuchtendem Reihentanze der Liebenden und diese werden ohne
Priester zusammen gegeben; ihr Heilbad ist der Maienthau, ihr Keiltrunk
der Maibrunnen und das frische Oel des Feldes; statt eines
Marterwerkzeuges trägt sie Garbe und Aehre, gleich ihrem Bruder Oswald.
Sie wandelt das Saatkorn in Gold, sie geht in goldnem Schuh und trägt
eine goldne Krone, sie ist selber das reifende Aehrenfeld. Ihr antikes
Abbild ist Pindars "röthlichfüssige Demeter" (Olymp. 6, 94) und die
römische Ceres rubicunda, die in rothgelben Grannen reifende
Gerstensaat.

       *       *       *       *       *

FUSSNOTEN:

[2] Der immer gleichlautende Auskündungsspruch:

    Heut zum Lehen,
    Morgen zur Ehe,
    Ueber ein Jahr zu einem Paar--

steht schon in Lersners Frankf. Chronik 3 B. 6 K. und wird dorten dem
von den Kaisern ausgeübten Ehezwangsrechte unterschoben, welches von
Heinrich VII. 1232 aufgehoben worden sein soll.

       *       *       *       *       *



Vierter Abschnitt.

Maiengeding und Walbernzins.


Je nach der Eintheilung des Jahres in zwei, drei oder vier Jahreszeiten
waren eben so viele Volksversammlungen (Allding), allgemeine Opferfeste
und Gerichtszeiten des Jahres anberaumt. Zu zweit auf Sommer und Winter
verlegt, hiessen die Gerichte Maigeding und Herbstgeding, nach späterer
christlicher Benennungsweise Walburgis und Martini. Seit den
karolingischen Kapitularien werden drei ungebotene Gerichte durchgehends
üblich (tria generalia placita) und fallen auf Sommer (Walburgis),
Herbst (Martini), und Winter (Weihnachten). Ungebotene Gerichte hiessen
sie im Gegensatze der vom Gerichtsherrn den Unterthanen gebotenen, weil
erstere in ihrem Zusammentreffen mit gleichmässig vorausbestimmten
Fristtagen allgemein gewusst waren und keiner vorgängigen Ansagung
bedurften. Sie entschieden nicht bloss über Mein und Dein, sondern auch
über die Idealgüter von Freiheit und Ehre, somit über Krieg und Frieden,
und ihre Aussprüche waren die allgiltigen der Volkssouveränetät, wie sie
unsre Zeit in ihren Landsgemeinden, Ständeversammlungen und Parlamenten
anerkennt. Sie benannten sich nach Nächten, weil der Tag sich aus der
Nacht gebiert und daher der landwirthschaftliche Kalender nach Neumond
und Mondabnahme rechnet. Die Zeit der Zwölften (Weihnachten bis
Dreikönig) nennt man in Schwaben und dem angrenzenden Theile der Schweiz
Klöpfleinsnächte und Nidelnächte; in Baiern Rauch-, Löselnächte und
Gennachten; in Deutschböhmen Undernächte; bei den heidnischen
Angelsachsen hiessen sie Mutternächte. In gleicher Analogie spricht man
von Fasnacht, Rumpelnacht und der durch die Ortspolizei gewährten
Freinacht. So hiess denn auch das Maigericht Walburgisnacht, dänisch
noch Valdborg aften (Abend). "An sant Walipurg abent ze ingaende maien"
pflegt die Zeitbestimmung zu lauten in den Klingnauer Urkunden aus dem
14. Jahrhundert. Anfänglich steht das Walburgsgericht noch zu Zweit mit
dem Wintergerichte zusammen, erst später auch mit dem Herbstgerichte zu
Dritt. Die Offnung des Dorfgerichtes zu Sondernau von 1615 setzt
zweimaliges Jahresgericht fest, das Mertensgericht (11. Nov.) und das
Welbermael, Walburgismahlzeit am 1. Mai. Zöpfl, Alterth. des Deutsch.
Reichs und Rechts 1, 306. Dagegen sagt die Offnung des Dorfes Wettingen
(gedruckt im Wetting. Archiv 125): "Wir söllend ouch dry rechte geding
da haben, der soll eines sin vff Sannt Waldpurgen tag in Meyen acht tag
vor oder meh, das andere vff Sannt Martinstag, das dritt vff sannt
Hilarien." Dieselbe Bestimmung in dem Dinggerichte zu Dietikon und
Schlieren v.J. 1259 steht verzeichnet: Argovia 1, 78. Dabei blieb
Walburgis auch später in den Städten ein Termin der Aemter-Erneuerung;
"jerlichen zu Meyen, wann Statt und Ampt Räth zusammen schwerend",
heisst es im Zuger Recht 1566. Hds. Sammlung der Aargau. Histor.
Gesellsch. Die Taglöhner-Ordnung von Oppenheim von 1523 bestimmt nach
derselben Frist den Beginn der Zwischenrast bei der täglichen
Handarbeiten: "dass sich die tagloner ein stund schlafens underziehen an
iren tagarbeiten und das anheben, so der stock ein blatt überkompt, dass
einer ein aug domit bedecken müge, nemlich von Philipp Jacobi (1. Mai)
bis uf Margaretha (13. Juli)." Mone, Oberrhein. Ztschr. 1, 196. Im
Alterthum hatten die Gerichtsversammlungen mit Fest- und Trinkgelagen
geendet, die für die Verköstigung der weither gekommenen Mannschaft
nicht zu umgehen waren. Daraus entsprang der Brauch bei den späteren
Land- und Markgerichten, den Gerichtsherrn und seine Leute zu
beköstigen, den Schöffen Trank und Speise zu verabreichen und ihnen
einen Zinskuchen mit dem hineingebackenen Trinkpfenning auf den Heimweg
zu verehren. Die Kosten wurden aus den eingezogenen Bussen bestritten.
Hier folgt eine Kostenberechnung des Maiengerichtes im Fronhof zu Wolen
in den Freienämtern, v.J. 1620, handschriftl. im Archiv Muri, Scrin. L,
I. Das Stift Muri war zu Wolen Lebens- und Untergerichtsherr; der
obergerichtliche Entscheid stand beim Landvogt zu Baden, der daher nebst
Landschreiber, Weibel und Substituten mit anwesend sein musste. Das
Stift hatte ausser in Wolen auch noch in den Dörfern Muri, Boswil und
Bünzen dieselbe Judicatur. Wie hoch sich nun die Kosten dieser hier
jährlich _achtmal_ wiederholten Gerichtstage für den Lehensherrn
beliefen, zeigt folgendes Aktenstück.

    Rechnung was Ao. 1620 im Meyengricht zu Wollen verzert und
    verbrucht worden. Dass mal vnd Abentrunk 23 Gld. 38
    Sch.--Ueberzehrung ob Ihr Herren verritten 2 Gld. 10 Sch.--Durch die
    HHn. Landvogt, Landschryber, ire Diener, Pfarer vnd Weibel am
    Nachtmal verzert 3 Gld. 10 Sch.--für Höuw vnd Haber über Nacht
    1 Gld. 8 Sch.--Hrn. Landvogt Brämen v. Zürich verehrt an einem
    Goldstuck 14 Gld. 2 Pf.--Sinem Diener 1 Kronen.--Hn. Landschryber
    Zur Louben an einer Spanischen Dublon 7 Gld. 1 Pf.--Sinem
    Substituten 1 Gld.--In die Kuchj 1 Gld. Summa 55 Gld. 36 Sch.

Alterthümlich und von naiver Umständlichkeit waren die Bräuche, unter
denen die Ortschaften jeweilen ihren Zins zu überbringen hatten.

Der Walpertszins musste vom hessischen Dorfe Salzberg am Knütl
alljährlich am Walburgistag zu Buchenau in Betrag von sechs Hellern
alter hessischer Münze bezahlt werden. Der Gemeindemann, der ihn
überbrachte, hiess das Walpertsmännlein. Er musste des Morgens früh
Schlag sechs Uhr in Buchenau eintreffen und auf einem besondern Stein an
der Schlossbrücke sich niedersetzen. Verspätete er sich, so verdoppelte
sich progressiv mit jeder Stunde der Zins, am Abend hätte ihn die ganze
Gemeinde nicht mehr zu zahlen vermocht. Vorsichtshalber schickte daher
die Gemeinde stets zwei Abgeordnete zusammen ab. Hatte das
Walpertsmännchen seine sechs Heller im Schloss bezahlt, so wurde es nach
Vorschrift hier drei Tage lang bewirthet. Schlief es während dieser Zeit
nicht ein, so waren die Zinsherren verpflichtet, es lebenslänglich zu
verpflegen; geschah jedoch das Gegentheil, so wurde es augenblicklich
aus dem Schlosse hinausgeschafft. Schon an dreihundert Jahre war diese
Zinszahlung im Gebrauche und bestand noch im Anfange dieses
Jahrhunderts. Lynker, Hess. Sag. no. 338. Grimm RA. 388. Dies war der
sg. Rutscherzins, welcher, wenn an vorbestimmter Tages- und Stundenfrist
abzutragen verabsäumt, nach Tagen und Stunden wuchs. Blieb der
Braunschweigische Maigassenzins, der nur 3 Mgr. 2 Pf. betrug, am
Zinstage aus, so verdoppelte er sich von Tag zu Tag. Im Dorfe Schernberg
hatte man ihn auf Philipp-Jacobi Mann für Mann auf einen breiten Stein
unter freiem Himmel zu erlegen, wer sich hier um eine weitere Stunde zu
spät einstellte, bezahlte ihn je doppelt und dreifach. (Grimm ibid.).
Aber auch dabei kamen dem Verspäteten noch mancherlei kleine Hilfsmittel
zu gut, welche gesetzlich erlaubt waren und ihn der drohenden Busse
wieder enthoben. Dass der Zinsende nach Herkommen ein Gegengeschenk
erhielt, welches mit der Zeit für ganze Gemeinden zu nicht
unbeträchtlichen Nutzniessungen sich gestaltete, lehren folgende Bräuche
und Sagen.

Walperherren hiessen vormals die vier Rathsmeister Erfurts, die jährlich
an Walburgis nach altem Rechte hinaus in den Wald Wagweide zogen,
welcher dem Churfürsten von Mainz zugehörte, und sich 4 Eichen schlugen.
Gleichzeitig kam dann sämmtliche Bürgerschaft ihnen dahin nach und hielt
in dem fürstlichen Schlosse ein dreitägiges Einlager bei Musik, Tanz und
Schmauss. Heut zu Tage begeben sich schon an Walburgis Vormittag alle
hammerführenden Gewerke der Stadt in jenen Wald und halten da bei Tanz
und Gesang bis tief in die Nacht aus, Bier wird fässerweise mitgefahren.
Mit Eichlaub bekränzt singt der heimkehrende Zug:

    Willst du mit nach Walpern gehn,
    Willst du mit, so komm!

Dies nannte man den Grünenmaitag. Aehnlich begeht daselbst die
Schusterzunft den grünen Montag, welcher der erste ist nach Jacobi. Sie
bekränzt nebst ihren Wohnhäusern die Strassen zum Paul, zu den Predigern
und die Schuhgasse. Dies Ehrenrecht soll ihnen von Kaiser Rudolf für die
Tapferkeit ertheilt worden sein, mit der sie und die übrigen
hammerführenden Gewerke ein Raubschloss im Steigerwalde zerstörten, von
dem aus die Orte des Thüringerwaldes lange belästigt worden waren. Zwei
Knaben, mit Goldketten und anderem Geschmeide geschmückt, pflegte man
sonst zu Pferde in der Stadt herum zu führen, es sollen die zwei
Söhnlein der Edelfrau jenes Schlosses gewesen sein (man benennt es
wechselnd bald Dienstberg, bald Greifenberg), die mit all ihren
Kostbarkeiten behängt die Sieger fussfällig um Schonung ihres Lebens
anflehten und Gnade fanden. So die Sage. Allein was in dieser die
angeblichen Raubritter geworden sind, waren ursprünglich die
Winterunholde, denen der Sommer abgewonnen wird. Denn die städtischen
Urkunden, so sagt der Erfurt. Stadt- und Landbote v. 1846, enthalten
nichts, was dieser Geschichte einer zerstörten Raubburg aufhelfen
könnte, wohl aber dass der Grünenmaitag ein Ueberrest des sg.
Schwörtages ist, an welchem die Handwerker jährlich der vom Mainzer
Bischof neugesetzten Obrigkeit huldigen mussten. Der Bischof bestätigte
ihnen dagegen neuerdings ihre Rechte, wofür die Schuster dem
Schultheissen zwei Paar bunte Schuhe überreichten, gemacht aus dem Filz,
den die Hutmacher gleicherweise abzuliefern hatten. Berlepsch, Chron. d.
Gewerke 4, 157. Der Sinn solcher pseudohistorischer Sagen von einem
gelungenen Kriegszuge der Bürger und Bauern gegen das Herrenschloss,
oder einer militärischen Execution gegen den Herrschaftswald ist einfach
der, dass mit dem Entrichten des Walburgiszinses örtliche Holzrechte
verbunden waren. In einem niederl. Volksliede (Uhland in Pfeiffers
Germania V.) bringt der Zinsbauer (wahrscheinlich für die Nutzung
überlassener Ländereien) seinem Lehensherrn ein Fuder Holz und zugleich
der Frau "den kühlen Mai".

Wie sich der Sieg Gideons über die Midianiter (Richter 6, 37) an den
Thau knüpft, der auf Gideons ausgebreitetes Fell so reichlich fällt,
dass man des Morgens eine Schale Wassers daraus zu füllen vermag, so ist
auch in den deutschen Lokalgeschichten aus dem Glauben an die
Wunderkräftigkeit des Maienthaues, und aus dem Brauche, beim
Maigerichte bewaffnet zu erscheinen, den Walburgiszins Mann für Mann
gemeindeweise zu entrichten, die häufig sich wiederholende Tradition
entstanden, dass an eben diesem Zinstage die politische Unabhängigkeit
der Landschaft durch einen glücklichen Waffenstreich errungen worden
sei. Die Maifahrt wird zur Kriegsfahrt umgestempelt. Die Friesen- und
die Schweizersage trifft hier zusammen. Den Unterwaldnern werden die
"Walperkühe" (Grimm, RA. 822), die sie dem Zwingherrn zinsen, der
Anlass, die Vögte auf Sarnen und Rozberg zu vertreiben und deren Burgen
zu brechen; die Ditmarschen datiren ihren Freiheitstag von dem Zinskorn,
das sie nicht länger auf das Schloss der Walburgsaue liefern wollen. Die
Unterwaldnersage ist allbekannt, noch unbeachtet aber folgende
ditmarsische, die in Neocorus Chronik steht, Ausgabe von Dahlmann. Das
älteste und festete Gebäu im Ditmarschenlande war die Grafenburg
Bocklenburg in der Wolberaue gelegen. Ihr älterer Name war Walburg, sagt
Dahlmann im Neocorus 1, 565; ein Eigenthum der Grafen von Stade, in
unmittelbarer Nähe des jetzigen Kirchdorfes Burg; ihre Zerstörung durch
die aufständischen Bauern fällt 15. März 1145. Müllenhoff, Glossar zum
Quickborn 1856, S. 315. Der Graf hatte den reichen Bauern Heine zu Gast
geladen, ihn reichlich bewirthen und mit Saitenspiel ergötzen lassen,
wofür der Bauer nun wiederum den Grafen zu sich bat. Aber statt auf die
Polsterbank setzte er ihn auf strotzende Kornsäcke, statt der Tafelmusik
musste Schwein, Schaf, Kuh und Ross den Hof durchlärmen. Solcher
Wohlstand reizte die habsüchtige Gräfin Walburg und sie beredete ihren
Gemahl, dass er die Schatzung, die er den Bauern schon seit Jahren
nachgesehen hatte, gerade jetzt zur Zeit einer Theuerung in allen
Rückständen einforderte. Am Martinsabend führten denn die Bauern eine
lange Reihe von Kornwagen zum Schlosse hinauf. Auf dem ersten sass eine
schöne Dirne, dem Grafen zu Willen bestimmt; allein in den Säcken des
zweiten Wagens lagen Bewaffnete eingenäht. Als der Zug das Schlossthor
erreicht und gesperrt hatte, ertönte das Losungswort:

    Rühret die Hände, Zerschneidet die Gebände!

Damit schnitten die Verborgnen sich aus den Kornsäcken, zuckten die
Waffen und nahmen das Schloss ein. Der Graf war in das innerste Gemach
entsprungen, allein seine zahme Elster kam schreiend ihm nachgeflogen
und verrieth ihn, er wurde aus dem Verstecke gerissen und erstochen. Die
Gräfin sprang aus dem Fenster in die vorbeifliessende Aue hinab und hat
mit ihrem Tode dieser Trift den Namen Wolbersaue gegeben. Und dieses
Landstück, fügt Neocorus bei 1, 264, ist von solcher Fruchtbarkeit
gewesen, dass man einmal 14 Tonnen Buchweizen darauf erntete. Auch eine
Wallfahrt zum Haupte St. Peters war daselbst. Ein kupfernes Kreuz, das
dorten ein Bauer aus dem Boden gepflügt und daheim aufbewahrt hatte,
entsprang ihm wieder und stellte sich in die Wallfahrtskirche, wo es
heilkräftige Wirkungen that: it wolde in de Kerken unnd S. Peter
sterken.

So wird Walburgs Göttermythe zur Kirchenlegende, ihre Burg zur
Wallfahrtskirche, sie selbst zur hartherzigen Gaugräfin und Burgfrau,
mit deren Untergang die Steuer der Leibeignen aufhört und die politische
Selbständigkeit des Gaues beginnt. Noch ein kleiner Schritt weiter, und
die hartherzig Zins eintreibende Gräfin Walburg verwandelt sich an einem
oder jedem der drei altgebotenen Zinstage zur saatenvertilgenden
Walburgishexe, aus der Tagfahrt zu Gericht wird eine Nachtfahrt auf den
Broken. _Dreimal_ des Jahres müssen die Hexen ihre drei hohen
Tagsatzungen abhalten, sagt Prätorius Blockesberg (1668) 499, und
zergrübelt sich über die Frage, warum doch dieser Heiligen Kirchtag so
sehr vom Teufel entweiht werde; darum wohl, meint er, weil diese Heilige
dem Satan so viel Abbruch gethan; nun halte er alle Jahre Abrechnung mit
ihr und lasse von seiner Burse ihren Feiertag verschimpfiren.

Eine ähnliche Frühlingssage, bei welcher jedoch noch deutlicher der
Nachdruck auf das Walburgisfeuer und die Maibraut fällt, theilt W.
Menzel (Vorchristl. Unsterblichkeitslehre 1, 128) mit aus Curickens
Beschreibung von Danzig 1688 S. 39, und aus Temme-Tettau's Ostpreuss.
Sag. no. 208. 209. Auf dem Hagelsberge, an dessen Fusse nun Danzig
liegt, hatte der böse König Hagel eine Burg erbaut, von wo aus er die
Fischer an der Weichselmündung brandschatzte und ihre Weiber und Töchter
entehrte. Dazu hatte er seine eigne Tochter Berchta dem Sohne des
Schultheissen Hulda verlobt, weigerte sich aber nachher, sie ihm zu
geben. Da kam der Abend, an welchem der Sitte gemäss ein grosses Feuer
auf dem Berge angezündet und der übliche Reigentanz um das Feuer
gehalten wurde. Diesen unschuldigen Vorwand benutzte Hulda mit andern
Jünglingen, sich der Burg zu nähern und dieselbe plötzlich zu
überfallen. König Hagel, der dem Tanze des Volkes mit Vergnügen
zugesehen hatte, wurde ermordet und rief sterbend: O Tanz, o Tanz, wie
hast du mich verrathen! Und davon soll das nachmals erbaute Danzig
seinen Namen erhalten haben.

Der Name der Frühlingsgöttin Holda-Berchta ist hier in der Sage zwischen
Bräutigam und Braut getheilt. Damit diese Beiden, nachdem sie bereits
ins Mailehen gegeben sind, ein Paar werden können, wird der winterliche
Tyrann, König Hagel, vertrieben und seine Burg beim Walburgisfeuer
zerstört. An ihre Stelle tritt eine gewerbfleissige grosse Stadt.

       *       *       *       *       *



Fünfter Abschnitt.

Der Mythus vom Maienthau.


Von der Adventzeit bis zu Ostern lässt die katholische Kirche täglich
die Rorate-Messe singen, die ihren Namen trägt von der Stelle Jesaia's
45, 8: Rorate, coeli, desuper et nubes pluant justum; thauet, Himmel,
den Gerechten! Wolken, regnet ihn herab! Diesen vom Himmel fallenden
Segen erhoffte das Heidenthum von der Thaugöttin selbst und sah ihn
erfüllt mit deren Ankunft in der Walburgis- und Johannisnacht. Nur von
der ersteren ist hier die Rede.

Mit banger Erwartung geht unser Landmann in der Walburgisnacht zu Bette
und beim ersten Tageslicht tritt er vor sein Haus; ist da kein
reichlicher Thau zu sehen oder hat es gereift, so ist seine Hoffnung auf
eine erkleckliche Jahresernte schon halb dahin. Selbst wenn ihm im
Heumonat darauf noch soviel Futter wächst, er traut demselben keine
Nahrungskraft zu, es hat ja keinen Maithau bekommen; es ist ohne Salz
und Schmalz. Lieber ist er daher nur mit halb so viel Heu zufrieden, als
mit einem doppelten Heuerträgniss ohne Maienthau oder ohne Regen an
Walburgis. "Regen auf Walburgisnacht hat stets ein gutes, Jahr gebracht.
Walburgisfrost ist schlimme Post". In Meklenburg heisst es vom
Walburgisregen, er bringe ein unfruchtbares Jahr, weil mit ihm (vgl.
Wolf, Beitr. 2,367) von den göttlichen Mächten die Festfeuer
zurückgewiesen werden. Wenn es dagegen an den drei ersten Maitagen
reichlich thauet, so braucht es den ganzen Monat über keinen mehr.
Maienthau macht grüne Au. Oder, der Bauer rechnet auch in arithmetischer
Progression also: Thaut es im Mai fünfmal, so erwartet man eine
Viertelsernte; zehnmal, so giebts eine halbe; fünfzehnmal, so giebts
eine volle Ernte. Thau auf der Wiese ist Geld in der Truhe. Als König
Gustav III. von Schweden einem ostgothländer Bauern, der ihm vorgestellt
wurde, einen kostbaren Ring zeigte und ihn über dessen muthmasslichen
Werth befragte, meinte der Landmann lächelnd: doch wohl nicht so viel,
wie ein Schauer Regen im Mai. Kann man, sagt der Aargauer, am ersten Mai
genugsam Thau gewinnen, so kann man daraus Gold läutern. Daher trägt die
hl. Walburg feurige (goldne) Schuhe (Vernaleken, Alpensag. S. 92); daher
trägt bei den Hexenversammlungen eine der Frauen am rechten Fusse den
Goldschuh (Grimm, Myth. 1025); daher redet das Kindermärchen (Grimm 3,
no. 99) von der Lebenstinctur des Goldwassers; daher taucht in der
Walburgisnacht im Gewässer der Bode die goldne Krone der Prinzessin
Brunhilde hervor und schwimmt bis zum Morgen obenauf. Kuhn, Nordd. Sag.
no. 193; "daher sammeln die Alchimisten im Majo Regenwasser in grosse
Krüge, dass sie sich das ganze Jahr durch nach Bedürfniss damit behelfen
können." Coler, Almanach (Mainz 1645, 59). Den Slaven ist in einem
einzigen Tropfen Thau eine Wunderwelt enthalten, er soll des Menschen
ganze Lebensgeschichte enthüllen, wenn man ernstlich hineinschaut.
Haupt-Schmaler, Wend. Volksl: 1, S. 381. Die Perlenmuschel hat ihre
Perlen nicht vom Meer, sondern vom Himmel selbst, schreibt Konrad von
Megenberg im Buch der Natur (Augsb. bei H. Schönsperger 1499, Bl. pj und
piij): sy begeret des hymeltawes, recht als ein fraw jres liebes begert.
das ist, da das taw allermeyst fellt, so trinken sie das begeret taw in
sich und werdent schwanger. ist das taw klar vnd lauter, so werdent die
margariten gar fein. Aehnlich in Fr. Rückerts Vierzeilen:

    Die Rose stand in Thau,
    Es waren Perlen grau;
    Als Sonne sie beschienen,
    Da wurden sie Rubinen.

Aus Erde und Thau formte der Schöpfer Adams Fleisch und Blut; so sagen
die Evangelien der Vorauer Handschrift (ed. Diemer, Deutsche Ged. S.
319-330):

    uon dem leime gab er ime daz fleisch,
    der tow becechenit den sweihc.

übereinstimmend mit der Bibelstelle: Ich will Israel wie ein Thau sein,
dass es soll blühen wie eine Rose. In das Fruchtholz des Waldes flüchten
beim Weltuntergange die beiden letzten Menschen Lif und Lifthrasir,
Leben und Lebenskraft, und fristen sich da vom Morgenthau, bis neue
Menschengeschlechter aus ihnen hervorgehen. Das Fruchtholz, die Oesch,
kann ohne Thau nicht tragen; kein Maienthau, kein Holzwuchs, heisst es;
wenn man einen Baum im Maienthau schüttelt, so stirbt er ab. Der Ritter,
der die drei letzten Bäume bei seinem Hause fällen will, sieht des
Morgens unter ihnen drei Jungfrauen sitzen, die über den Untergang des
Waldes klagen und mit den zerrinnenden Thautropfen verschwinden. Er
liess hierauf die Bäume stehen und sein Geschlecht blieb in Wohlstand.
Wenn die Engel im Himmel weinen, um Gottes Erbarmen für die Menschen
rege zu halten, so entsteht daraus unser Thau; dies lautet in
Grieshabers Deutsch. Pred. 1, S. 42: wer sint diu wazzer ob dem
firmamente? daz sint die erwelten und die behaltenen. sieh und merke ain
grôz wunder. diu wazzer ob dem himmel, der kumet ain zeher niemer noch
niemer her ab, wan daz, sûmeliche maister wèn, daz daz tov daruz werde.
Ein unbethaut bleibender Ort ist ein verwünschter, wie hier hernach noch
des Weiteren zu berichten sein wird. Da Jonathan und Saul in der
Schlacht gefallen sind, wehklagt David: Ihr Berge zu Gilboa, es müsse
weder thauen noch regnen auf euch, Jonathan ist auf deinen Höhen
erschlagen! 2 Sam. 1, 21. Wo Gespenster und Hexen umgehen, wächst kein
Gras; daher in G. Bürgers Romanze:

    Im Garten des Pfarrers von Taubenheim,
    Da ist ein Plätzchen, da wächst kein Gras,
    Das wird von Thau und von Regen nicht nass.

Wo neun Tage hinter einander kein Thau liegt, da liegt ein Schatz
(verzaubert) vergraben. Coler, Oeconomia. Auf dem Wiesenweg, welcher der
Sibilla Weiss Kirchgang gewesen, bleibt kein Thau und Reif behangen.
Panzer, BS. 2, pg. 54.

Maienthau ist eine Quelle der Körperschönheit, des Liebreizes und der
Langlebigkeit. Daher der Kinderspruch:

    Wenns thaut, wirds grön,
    werden alle Jungfern schön.

Mairegen, mach mich gross! pflegen die im Regen laufenden Knaben auf der
Gasse zu rufen. Eos hat täglich ihren altersgrauen Gatten Titon mit Thau
neu zu beleben. Hellfunkelnder Thau trieft perlend hernieder und
frischgrünende Hyacinthen sprossen empor, wo auf dem Ida Zeus die Hera
umarmt. Mit dem Wasser aus dem Paradiese, erzählt Konrad v. Würzburg in
seinem Trojan. Krieg--verjüngt Medea Jasons alten Vater. Die drei Marien
gehen zu des Herren Grab durch den Thau (Uhland, Volksl. 832, 3):

    Es giengen drei heilige Frawen
    zu Morgens in dem Tawe.

So schön ist die Geliebte, dass der Minnesänger Christian von Hameln dem
bethauten Anger keine hellere Zier zu schenken weiss als ihren nackten
Fuss darauf:

    Her Anger, bitet, daz mir swaere sul buozen
    ein wîp, nâch der mîn herze stê;
    sô wünsche ich, daz si mit blôzen füezen
    noch hiure müeze ûf iu gê.

Man bereitete daher im Mittelalter aus dem Thau der Blumen verschiedene
kosmetische Mittel, z.B. aus der Pflanze Sonnnenthau einen nach ihr
genannten Liqueur Ros solis, nun Rossoglio genannt. Der Zierbaum, den
man im bair. Lechrain in der Mainacht der Liebsten vors Kammerfenster
setzt, muss nebst Aepfeln und Bändern stets mit einer vollen
Rosogliflasche behangen sein. Leoprechting, Lechrain 177. Ans den Blumen
der zum Johannisfeste geflochtnen Johanniskronen kocht man in Sachsen
einen heilkräftigen Thee. Sommer, Thüring. Sag. 148. 156.

Die Alchemilla vulgaris, Thaumantel, Thauschüssel, Parasol und
Frauenmäntelchen genannt, bietet dem Sennen nicht nur das
milchergiebigste Gras, man destillirt das in ihrem Kelche sich sammelnde
Wasser als Heilmittel; zehn solcher Blumenkelche voll Thau stillen Jedem
den Durst. Schönwerth, Oberpfalz 2, 132. Die Salbe Oli-rongé wird zu
Saintes Maries in der Provence bereitet, indem man an Johannis zwischen
Morgenröthe und Sonnenaufgang aromatische Kräuter sammelt und sie in
Olivenölflaschen verschliesst. Wolf, Beitr. 2, 394. Um das ganze Jahr
frische Rosen im Zimmer zu haben, legt man Rosenknospen in einen mit
Wein gefüllten und verschlossnen "Walburgischen Krauss." Kunst- und
Wunderbüchlein, S. 233. Um seltne Küchenkräuter jahrelang frisch und
schmackhaft zu haben, verordnet die Kuchemaistrey (Incunabel o.O.D.u.J.)
Blatt 22: vach tawwasser mit einem reinen neugewaschnen leinentuch, das
keg auf einer wisen hin vnd her, druck es auz in ein sauber kandel vnd
bayz (beize) die kreüter darinnen. Eben diese Gewinnungsweise schreibt
Konr. v. Megenberg, Bl. e'3 gegen Ausschlag vor: so (der mensch) sich
denn wescht mit dem taw vnd darinn waltz des morgens, ee die Sunn den
taw benimpt, so wirt er rein an seiner haut. o Maria, hilf vnd taw mit
genaden auf vns reüdige menschen!

Eine Bernersage aus dem Habkerenthal wird mir also mitgetheilt. In einer
Höhle des Berges Harder, die vom Pfarrhause des Dorfes Habchen aus
erblickt wird, lebten ehemals Zwerge. Die Bauernschaft im Thale stand
mit diesen Erdmännlein in gutem Einvernehmen und nach altem Brauch
stellte man ihnen jedes Frühjahr einen Krug Maienthau an einen
bestimmten Ort, wo ihn die Zwerge abholten und in die Höhle trugen. Sie
badeten damit ihre neugebornen Kinder und wuschen sich Windeln und
Weisszeug; zum Entgelt dafür überschickten sie den Bauern Honigthau,
worauf die Bienenzucht im Thale besonders gedieh. Nun, nachdem die
Zwerge ausgewandert oder gestorben sind, hängt ihre Höhle voll
milchweisser Steinzapfen, lauter im Bad verspritzter Maienthau, der sich
zu Milch versteinert hat, und heisst davon das Mondmilchloch.

In der Normandie, der Bretagne und den Pyrenäen badet das Volk die
Fieber ab, indem es sich am Johannistage nackt im Thau des Haberfeldes
wälzt: se rouler ce jour-là le matin dans la rosée, ou se baigner dans
une fontaine guerit de la gale et de toutes maladies cutanées. De Nore,
Coutumes, mythes et traditions. 127. 231. 262. Dasselbe thun die
Saalfeldischen Mädchen Nachts in den Flachsfeldern. Grimm, Myth. Abgl.
no. 519. "Ich werde," schreibt Coler, Almanach 62, "von erfahrnen Leuten
berichtet, dass der Maienthau grindichten, scherbichten Leuten gesund
sein soll, wenn sie sich früh nacket drein wälzen. Die Medici nennen
solchen Thau rorem matutinum in vere, S. Walpurgisthau."--Isländer und
Schweden pflegten in Thau zu baden, um damit Krankheiten wundersam zu
heilen: Finn Magnusen, Lexikon mythol. 72. Die Engländer setzten eine
Metze Haber oder eine Korngarbe unter den Nachthimmel und wuschen sich
mit dem darauf gefallnen. Thau gegen Pestansteckung. Liebrecht, Gervas.
Tilbur. pg. 2. Der Altbaier wäscht sich im Maienthau, dazu sprechend:

    Das hilft für's Gah,
    für's Bläh,
    für'n U'flat.

Das Gah ist gäher Tod und fallendes Uebel; Bläh die
Rinderaufgelaufenheit, Stillfülli; Unflat der Aussatz. Panzer, BS. 2,
30. "Morgenthau ist gut für abgehauene Füsse, gut für abgehauene Arme,
für ausgestochene Augen", so sprechen die drei himmlischen Jungfrauen,
bestreichen den Verstümmelten und alsbald ist er wieder ganz und heil.
"Benetze deine Augenhöhlen mit Morgenthau, der auf den Baumblättern
liegt", sprechen die drei Schwäne zu dem von der Stiefmutter geblendeten
Mädchen. Haltrich, Siebenbürg. Märch. S. 36. 216. "Heute Nacht fällt ein
Thau, sagt die Krähe, so wunderheilsam: wer blind ist und bestreicht
seine Augen damit, der erhält sein Gesicht wieder." Grimm, KM. no. 107.
Dies ist der im böhmischen Märchen "Nachttraum der hl. Walburgis" allen
Geblendeten verkündete Heilthau (bei Gerle 1, no. 7, citiert in Grimms
KM. 3, 342). So geschah es nach Ostern in der Weissen Woche in Beisein
des Frankengrafen Adalbert zu Monheim, dass ein Blinder am dortigen
Grabe Walburgis plötzlich wieder sehend geworden war. Act. SS. saec. 3,
pars 2, pag. 305.

Alle schwer Genesenden pflegt man gemeinlich auf den näher rückenden Mai
zu vertrösten als auf die Zeit ihrer gänzlichen Herstellung.
Stillschweigend ist also vorausgesetzt, dass dieser Termin die
besonderen Mittel gewähre, welche bislang dem Kranken gemangelt haben.
Da bereitet man folgende Nervensalbe. Man schneidet am 1. Maimorgen
Halme und Blätter aus dem Kornacker, zerwiegt sie und presst sie mit
heisser Maibutter zu einem Pflaster. Gegen Augenentzündung blickt man
eine halbe Stunde unbeschrieen in den Maithau. Gegen den Wolf (fratte
Schenkel) sitzt man nackt ins Feld hinein. Das Rind, das an der
Blutschwine, Abzehrung, leidet, wird in den Thau gestellt, das Zugvieh
und das Ross hineingetrieben, wenn es einen "Hauptfehler" hat. Die
Sommersprossen, Leberflecken und Merzensprickeln, die einem der Merz ins
Gesicht gespieen hat, reibt man am Maimorgen mit einem thaugetränkten
Tüchlein wieder weg. Vom Dorfe Leimen, im elsäss. Sundgau, eine halbe
Stunde entfernt, fliesst im Orte Helgenbronn neben der dortigen
Walburgiskapelle ein kräftiger Wasserquell, Helgenbronn und
Kinderbrunnen genannt. Am 1. Mai kommen die Mütter mit ihren siechen
Kindern hieher, um sie zu baden; häufiger noch geschieht es auch an
Johannis, 24. Juni, dass man hier die durch Sommersprossen verunstaltete
Haut wäscht. A. Stöbers briefl. Mittheil. Kaspar Scheidt, Mayenlob
(abgedruckt in Hubs Volksbb. des XVI. Jahrh. S. 316) beschreibt die
allgemeine Sitte ausführlich und anmuthig, ins Maienbad zu reisen; die
Bresthaften, die ihre Häuser nicht verlassen können, lassen sich im Mai
daheim warme Bäder zurichten, es fahren die jungen Weiber darein, wenn
sie noch keine Frucht zu erlangen vermochten, und wenn man daher ein
Bild des Maien malt, so pflegt man zwei Eheleute beisammen im Wasserbade
abzubilden, oder ein mit fröhlichen Leuten unter Trommel- und
Pfeifenklang dahin ziehendes Schiff, oder junge wettschwimmende
Gesellen.--König Albrecht hatte 1308 gerade seine Badefahrt beendet, im
Städtchen Baden das Maifest abgehalten und war auf dem Wege, seine
Gemahlin Elisabeth im benachbarten Rheinfelden abzuholen, als er am
linken Reussufer von seinem Neffen und dessen Mitverschwornen meuchlings
erschlagen wurde. Nicht lange, so ergieng gegen die Mörder die
Blutrache. Ihre Burgen wurden gebrochen, ihre Burgmannschaften
enthauptet, auch nicht die Kinder verschont. Agnes, des Ermordeten
Tochter, so erzählt die Sage, soll dazumal durch das Blut der drei und
sechzig Mann der Besatzung von Farwangen geschritten sein unter den
grausigen Worten: "Jetzt im Blute derer gehend, die mir meinen frommen
Herrn ermordet haben, bade ich in Maienthau". Die typisch gewesene
allgemeine Redensart, aus welcher diese Sage entstanden, wiederholt sich
z.B. in dem Liede vom baier. Krieg:

    die Teutschen wurden wohlgemut,
    sie giengen in der ketzer plut,
    als wer's ain mayentawe.

Uhland, Schriften: "Sommer und Winter".

Auch symbolische Maibäder gab es, sowohl kirchlicher als bürgerlicher
Art. Noch vor etlichen Jahren giengen Schulmeister und Chorknaben in der
Kolmarer Gegend mit Weihwasser, genannt Heilwag, von Haus zu Haus, und
besprengten damit dreimal die Bewohner unter den Worten:

    Heiliwog, Gottesgob,
    Glück ins Hus, Unglück drus!

Stöber, Elsäss. Sag. no. 231. In der Oberpfalz lautet dieser Spruch,
nach Panzers BS. 2, 301:

    O du guter Walbernthau,
    Bringe mir, so weit ich schau,
    In jedem Hälmlein Gras ein Tröpflein Schmalz!

Im Vinschgau werden am 1. Mai die "Madlen gebadet". Jedes Mädchen, das
sich am Wege zeigt, wird von den Burschen gegen ein Bächlein gejagt und
da begossen oder getaucht. Beim Schemenlaufen in der Perchtenmaskerade
darf die Kübelmarie, "Kübele-Maja", nicht fehlen, eine Maske, die in den
Brunnen springt und die Zuschauer begiesst. Zingerle, Tirol. Sitt. no.
747. 986. Wer zuerst vom Pflügen oder Aussäen heimkehrt, wird in der
Oberpfalz aus einem Verstecke heimlich mit einer Schüssel Wasser
begossen. Schönwerth 1, 400. Zu Wall in Böhmen bläst am 1. Mai der
Dorfhirte alle übrigen Hirtenjungen zusammen, die dann eiligst dem
Sammelplatze zulaufen. Wer zuletzt kommt, wird begossen. Reinsberg,
Festl. Jahr 138. In Marseille begiesst man sich zu Johannis gegenseitig
mit wohlriechenden Wassern. Simrock, Myth. 587. Am Himmelfahrts- und
Pfingsttage wurde durch jenes Loch des Kirchengewölbes, durch das die
hölzernen Figuren des Salvators und der Taube emporschwebten,
angezündetes Werg auf die Zuschauer herabgeworfen und Wasser gegossen.
Wiedemanns Chronik d. St. Hof.

Diese Züge führen über zum Thau- und Minnetrinken. Gervasius von Tilbury
(ed. Liebrecht, Otia imperialia, pg. 2) meldet aus dem 13. Jahrh., wie
zu seiner Zeit in England der Morgenthau selbst bei Vornehmen als
Pfingsttrank galt, und zugleich hat A. Kuhn (Nordd. Sag. S. 512)
nachgewiesen, dass dieser Brauch noch heutigen Tages in Edinburg auf dem
öffentl. Platze des Arthurssitzes begangen wird. In dasselbe 13. Jahrh.
fällt die Meldung von der Waldprozession, welche das Domkapitel zu
Evreux am 1. Mai abhielt und sich da Zweige hieb zur Ausschmückung des
Doms. Je zwei Tage vorher hatte es seit 1270 die Seelmesse für den
Cleriker Bouteille zu begehen. Hiebei war im Kirchenchor ein Leichentuch
aufs Pflaster ausgebreitet, an dessen vier Enden vier gefüllte
Weinflaschen mit der fünften in der Mitte standen, die den Chorsängern
preisgegeben wurden. Flögel, Gesch. des Groteskkomischen 170. 233.
Vielleicht, dass man diesen welschen Mönchsbrauch aus dem altrömischen
Feste der Anna Perenna (Ovid. Fast. 3, 523) ableiten möchte, wo an den
Merz-Iden das Volk aus der Stadt an die ländlichen Ufer des Tiber zog
und hier Laub- und Schilfhütten errichtete. So manchen Schluck da der
Trinker nach einander aus dem Weinbecher thun konnte, auf so viele
Lebensjahre hoffte er es zu bringen. Allein das vom Römerthum unberührt
gebliebne Skandinavien kennt gleichwohl eine ähnliche Sitte. Die
Bewohner Stockholms feiern den 1. Mai mit einer Art Auswanderung in den
Thiergarten, wo man sich in den vielfachen Wirthschaften "Mark in die
Knochen trinkt". Den Ursprung des Brauches kennt man dorten nicht mehr
und schiebt ihn auf den Befreier Gustav Wasa, der am 1. Mai seinen
Einzug in die Stadt hielt und sie von den Bedrängnissen einer langen
Belagerung rettete. Allg. Augsb. Ztg. 1858, no. 132. Die deutschen
Landschaften kennen ähnliche Wasser- und Weingelage, die altherkömmlich
auf dieselben Tage fallen. In der Gemarkung von hessisch Gambach fliesst
der Ehlborn (Oel lautet in dortiger Mundart Ehl), der ein so besonders
gutes Wasser hat, dass die zu Gambach Sterbenden darnach zu verlangen
pflegen. Wenn darum Kranke Wasser aus dem Ehlborn fordern, so gilt dies
als ein Zeichen ihres nahen Todes, denn ein solcher Trunk, sagen die
Leute, ist gleichsam die letzte Oelung. Wolf, Hess. Sag. no. 206. Dem
Pfingstborn bei der Hanauischen Stadt Steinau schrieb man besondere
Heilkraft zu, sammelte auf der dortigen Pfingstwiese den Maienthau,
trank denselben und wusch sich damit, und wenn alljährlich die Steinauer
Kinder mit ihren Eltern hier heraus zum Frühlingsfeste zogen, so trugen
sie eine Menge irdener kleiner Krüge mit, die ihnen als Trinkgefässe
dienten, Pfingstinseln genannt. Lynker, Hess. Sag. no. 329. Zum
Rimleinsbrunnen im Weissenburger Walde, wo Wilibald die Heiden taufte,
macht alljährlich die Eichstädter Schuljugend ihren Waldmarsch und
geniesst daselbst die für dies Jugendfest altgestifteten
Ergötzlichkeiten. Die Quelle, die an der alten Walburgskirche zu
holländisch Gröningen entspringt, ist unversiegbar und der Schatz der
Stadt. Bolland. 522. Des Jungbrunnens, welchen Walburgs anderer Bruder
Oswald am Ifinger in Tirol entspringen liess, ist schon im
Vorhergehenden gedacht worden. Damit der Ordelbach zu Eichstädt, der
über eine achtzig Fuss hohe Bergwand gegen das Walburgiskloster,
niedergeht, beim Anschwellen im Frühlinge sein Felsenbette nicht
sprenge, wird von den Nonnen heiliges Oel durch eine Felsenspalte in
sein Wasser hinab gegossen. Schöppner, Bair. Sagb. no. 1136. Beim
Brunnenkranzfeste zu Bacherach tragen Knaben und Mädchen die Symbole der
künftigen Ernte im Orte umher, Semmel und Speck an Säbel gespiesst, und
Eier und Butter in Körbchen. Die darauf gesammelten Gaben werden
folgenden Tages beim Brunnenmeister verzehrt "in dickem Brei mit gelben
Schnitten". Allverbreitet ist heute der dem Birkenbaume abgezapfte
Maitrank und der mit Waldmeister angesetzte Maiwein; jedoch wohin sie
beide und die vorhin genannten Maigetränke zielen, sagen uns einige im
Erblassen begriffene Traditionen. Auf dem Walpersberge bei Dresden sitzt
in der Walburgisnacht und zu beiden Sonnenwenden der Teufel auf hohem
Stuhle und vertheilt an die Anwesenden Schwerter, um zu kämpfen. Dieser
Teufel ist Odhin, die Versammelten sind die Einheriar, welche nach
beendigtem Schwertkampfe von den methschenkenden Schlachtjungfrauen
bedient werden. Menzel, Odin 240. Daher tritt an die Stelle Walburgis zu
dieser Festzeit oft auch die huldreiche Frau Holle und bietet den
Verjüngungstrank. Bei thüringisch Arnstadt liegt der kräuterreiche
Bergwald Walperholz, der einst auf seiner Höhe ein Walburgiskloster
getragen haben soll. An einer Waldecke, genannt zur Hohenbuche und
Jagdbuche, ist ein Rundplatz, wo niemals Gras und Kraut wächst, denn
dahin ist der Geist einer betrügerischen Bierzapferin gebannt. Sie
heisst Frau Holle, in altväterischer Tracht umgeht sie jene Buche und
ruft: Vollmass, Vollmass! Bechstein, DSagb. no. 587. Damit ist die
öl-und älschenkende Walburg als eine thauspendende Walküre angedeutet;
noch dazu waltet sie in jenem durch das schon erwähnte, hier abgehaltene
Maifest der Arnstädter bedeutsam gemachten Walde. Reynitzsch,
Truhtensteine 187, hat hievon geschrieben. Ausdrücklich erzählt die
Walburgislegende (Act. SS. tom. 2, pg. 301, cap. V), wie Fürstentöchter
an Walburgis Grabe zu Monheim den ankommenden Pilgern Trank und Speise
darreichen. Dabei kommt ein kostbares, im Kreise herum gebotenes
Trinkgefäss (hanapp) plötzlich abhanden und kann weder wieder zum
Vorschein gebracht, noch die Art seines Verschwindens ermittelt werden.
Doch als die Wallfahrer, wieder auf der Heimreise begriffen, sich über
jenen Verlust besprachen, stand es plötzlich unversehrt vor ihnen in
Mitte ihres Weges. Es wurde ins Kloster zurückgeschickt und hier als ein
neues Wunderzeichen aufbewahrt. Walburg heisst ferner ein runder
Steinthurm hohen Alters bei der unterfränkischen Stadt Eltmann, er war
von drei reichen Nonnen erbaut und konnte nicht anders eingenommen
werden als durch ein blindes Ross, das man drei Tage hatte dursten
lassen; alsdann verrieth es durch Stampfen den Belagerern die geheime
Wasserleitung. Im benachbarten Hahnenwalde ist die Sigfrieds- und
Drachensage lokalisirt. Panzer, BS. 1, no. 186. Walbele, Walberles- und
Walburgisberg sind die volksthümlichen Namen der Erenbürg, eines hohen
sattelförmigen Berges beim oberfränkischen Dorfe Wiesentau; das
urkundlich 1062 genannt wird und ein Bestandtheil des karolinger
Königshofes Forchheim gewesen war. Des Berges Gipfel ist mit Steinwällen
abgegrenzt, an seinem Fusse liegen Grabhügel, aus denen man antiquarisch
berühmtgewordene kupferne Streitäxte erhoben hat. Hier war das Schloss
von drei schönen Fräulein, die beim Trocknen die Wäsche nur in die Luft
warfen, so blieb sie hängen. Panzer, BS. 1, no. 157. Auf dem Giebel
steht eine Walburgiskapelle, bei der am 1. Mai Wallfahrt und Jahrmarkt
abgehalten wird; Tausende kommen von allen Seiten herauf, schon vor
Sonnenaufgang zieht man den Berg hinan. Die Aussicht über die
blüthenreiche Landschaft ist reizend; zahlreiche Wirthe sorgen für
unerschöpfliche Libationen bei den gleichzeitigen Brandopfern der
duftenden Bratwürste. So erfüllt sich der alttestamentliche Segensspruch
1. Mos. 27, 28, in allen Theilen:

    Gott geb dir des Himmels Thau
    Und die Fettigkeit der Au
    Und die Fülle der Halmen
    Und den Most der Palmen.

Die Festbräuche beim Sommerempfang, da man zu den wieder fliessenden
Brunnquellen in hellen Haufen hinausrückte, die darauf gegründeten
örtlichen Wasserrechte in Scheingefechten vertheidigte, mit Waldzweigen
geschmückt wie ein wandelnder Wald heimkehrte und die frischen Maien um
den Ortsbrunnen steckte--haben sich als das Fest der Bannbeschreitung,
der Oeschprozession und des Mairittes hier und da noch gefristet, und
vervollständigen diesen vorliegenden Abschnitt vom Maienthau nicht nur,
sondern schliessen ihn erst wirklich nachdrucksam ab.

Vom 1. Mai an werden in oberdeutschen Landgemeinden die
Grenzbesichtigungen des Bannkreises unter den verschiednen Benennungen
der Bereisung, Landleite, Bannbeschreitung, des Flur- und Fohrumganges
vorgenommen. Die ganze männliche Bevölkerung des Ortes, Jung und Alt,
ist verpflichtet daran Theil zu nehmen und wird den Tag über auf
Gemeindekosten verpflegt. Die dabei vorkommende symbolische
Gedächtnisschärfung, die an der mitziehenden Jugend bei jedem neuen
Marksteine mit Ohrenzupfen, Ohrfeigen und Einstutzen (auf den Stein
stossen) vorgenommen wird, ist hinlänglich bekannt; eben so wenig bedarf
es einer Beschreibung, wie viel Pulver dabei aus den Knabenpistolen
verknallt und welches Weinquantum vom Männerdurst weggetrunken wird, um
dann nach lustigem Tagwerke dem Küchleinbackwerk entgegen zu ziehen,
dessen würziger Duft vom Vaterorte her entgegen dampft. Die städtischen
Bürgerschaften pflügten ebenso unter grossem militärischen Aufwande ihr
Gebiet zu umgehen, haben jedoch seit dem Schlusse des vorigen
Jahrhunderts der Kosten wegen es in Vergessenheit gerathen lassen.
Dagegen haben sich katholischer Seits zu Stadt und Land die
Oeschprozessionen reichlich noch behauptet. So nennt man den auf 1. Mai
fallenden kirchlichen Flurumgang, bei welchem an vier in den
verschiednen Zelgen der Dorfflur errichteten Altären die vier Evangelien
abgelesen werden; der Priester besprengt die Flur mit geweihtem Wasser
und besegnet sie mit dem Wetter- oder Schauerkreuz. Unter den bei diesem
Bittgange durch Bischof Wessenberg seit 1805 vorgeschriebnen Versikeln
und Liedern schliesst ein von der ganzen Gemeinde gesungenes:

    Deine milde Hand giebt Segen,
    Giebt uns Sonnenschein und Regen.

So wird der Umgang im aargauer Frickthal und im jenseitigen Schwarzwalde
abgehalten. Anderwärts geschieht dies schon am Markustage, 25. Apr. In
Tirol glaubt man, diese Prozession sei älter als das Christenthum
selbst, denn schon der Heiland habe derselben beigewohnt. Zingerle,
Tirol. Sitt. no. 720; und allerdings findet sie sich unter dem Namen
Rogationes schon unter den Karolingern kirchlich eingeführt (Rettberg,
Kirchgesch. 2, 791) und war eine Fortsetzung der alten Robigalien; zur
Abwehr des Rostes im Getreide veranstaltet. Diese Bittgänge waren unter
dem Namen der Hagelfeier-Predigten selbst bei der protestantischen
Bevölkerung an der Elbe üblich und durch ein besonderes Volksgelübde
daselbst gestiftet gewesen. Die dortigen Lutheraner ruhten jährlich drei
halbe Werktage von aller Arbeit und begaben sich zur Anhörung einer
Predigt, durch die man zugleich dem Hagelschlag wehrte. Eine solche Rede
findet sich in Zerrenners Ackerpredigten, Magdeburg 1783, 282.

Ein sehr alter und imponirender Zweig dieser Feste war der Mairitt;
schon die Reimchronik von der Soester Fehde (bei Emminghaus, Memorabil.
Susat. 1749, 660) nennt ihn einen Brauch aus alter Zeit: Up Walpurgis,
als men in den meien plach tho riden na alter zede und gewonte. Die
Ankenschnittenprozession zu luzernisch Beromünster wird bereits in der
Urkunde von 1223 erwähnt bei Neugart, cod. diplom. no. 190. Sie wird am
Himmelfahrtstage von den Stiftsherrn, den Rathsgliedern des Ortes, der
Dragonermannschaft und den sich anschliessenden Wallfahrern zu Pferde
abgehalten, Kreuz, Fahnen und Monstranz folgen zu Rosse mit, vom Rosse
herab wird gepredigt. Der Ritt geht vom Städtlein weg auf aargauisches
Gebiet nach Maihausen, wo der Hofbauer nach alter, auf dem Gute
haftender Verpflichtung jedem beritten Mitkommenden eine frische
Ankenschnitte bereit halten muss, die dieser seinem Reitpferde ins Maul
stösst. Diese und ähnliche berittene Prozessionen sind bereits
ausführlich beschrieben in den _Naturmythen_ (Leipzig 1862) S. 17; nur
das mittlerweile neu gefundene Material wird hier nachgetragen. Der
Blutritt in Schwäbisch-Weingarten wird am sg. Wetterfreitag, am Tage
nach Himmelfahrt abgehalten. Mit Ausschluss der Wallfahrer zu Fusse hat
man dabei schon über siebentausend Reiter gezählt. Franz Sauter, Kloster
Weingarten 1857, 35. In den oberschwäbischen Dörfern findet der
Maithauritt am 1. Mai Morgens um 1 Uhr statt und kehrt mit Sonnenaufgang
wieder heim. Man lagert in einem Walde, ist guter Dinge und lässt am
Rückwege die bequem gelegnen Wirthshäuser nicht unbesucht. Birlinger,
Schwäb. Sag. 2, no. 123. Bei den Vlamingen heissen die am 1. Mai
veranstalteten kirchlichen Umritte Marienprozessionen, doch fällt
derjenige zu Anderlecht bei Brüssel auf Pfingsten, der in Haeckendover
bei Tirlemont auf Ostern. Bei letzterem wird unter zahlreichen
Pistolenschüssen dreimal die Kirche umritten, dann gehts mit verhängtem
Zügel quer über die Felder, indem man annimmt, dadurch werde die Ernte
eine gesegnetere. Ein Bauer, der sich diesem Herumtraben auf seinem
Felde widersetzte, fand nachher alle Aehren leer. Wolf, Ndl. Saga no.
345. In Anderlecht ward ehemals derjenige, welcher nach dreimaligem
Wettjagen der erste am Kirchenportal anlangte, zu Ross und mit dem
Bänderhut auf dem Haupte von dem ganzen Kapitel in die Kirche geführt,
da mit einem Rosenkranz geschmückt und feierlich wieder hinaus geleitet.
Reinsberg, Festl. Jahr. 140. Beim sg. Königsreiten in österreich.
Schlesien, wobei Dorfrichter, Geschworene und alle Pferdebesitzer der
Gemeinde, geistliche Lieder singend, die Ackerzelgen umreiten, wird der
beste Wettrenner König. In Sachsen gilt um Pfingsten das Kranzreiten
nach einem geschmückten Baum, ist aber in Nietleben bereits zum "Betteln
reiten" herabgesunken. Sommer, Thüring. Saga S. 154. Unsre
rechtgläubigen Bauern, bemerkt über die fränkische Bevölkerung in der
Ansbacher Gegend Reynitzsch (Truhtensteine 143), reiten ihre Pferde am
Ostertage ins Osterbad, gleichwie wir an demselben Tage uns neue Kleider
anschaffen und die Zimmer ausweissen lassen. Johannes Boem, genannt
Aubanus, von seiner Geburtsstadt Aub in Unterfranken, schrieb 1530 De
moribus, legibus et ritibus gentium, woraus Ign. Gropp (Collectio
Scriptor. Wirceburg.) den Abschnitt mittheilt, welcher das Frankenland
betrifft; hier ist der würzburgische Pfingstritt also beschrieben:
Pentecostes tempore ubique fere hoc agitur. Conveniunt quicunque equos
habent aut mutuare possunt, et cum Dominico corpore, quod sacerdotum
unus, etiam equo insidens, collo in bursa suspensum defert, totius agri
sui limites obequitant, cantantes supplicantesque, ut segetes Deus ab
omni injuria et calamitate conservare velit. Alljährlich zweimal, am 10.
Mai und am zweiten Pfingsttage, begeht das südfranzösische Dorf
Villemont das Kirchenfest seiner Ortsheiligen Solangia und trägt deren
Reliquien in Prozession hinaus auf die Almende, welche Solangiafeld
heisst und den von der Heiligen gegangenen Pfad noch aufweist, auf
welchem das Gras stets schöner und dichter steht als auf dem
angrenzenden Weideland. Da dieser Pfad die Zahl der Andächtigen, die oft
bis auf Fünftausend anwächst, nicht zu fassen vermag und folglich da und
dorten in die Saat hinausgeschritten wird, die um Pfingsten schon
ziemlich hoch steht, so nimmt diese dabei gleichwohl keinen Schaden,
sondern richtet sich schon zwei Tage nachher wieder selbst auf; ein
Wunder, von welchem sich Prinz Heinrich von Bourbon im J. 1637 mit
eignen Augen überzeugt haben soll. Das Gegentheil aber erfolgte an dem
Flachsacker eines Geizigen, als der Eigenthümer hier der Prozession den
Durchgang verweigerte; es fiel Mehlthau, der Sonnenstrahl schlug zu und
die Anpflanzung wurde brandig. Godefr. Henschenius in Actis SS. tom. II,
ad diem 10. Maii.

Solcherlei Frühlingsbräuche, die jungen Saaten prozessionsweise zu
umreiten und zu durchreiten, stützen sich auf heidnischen und auf
alttestamentlichen Glauben und wollen Abbilder sein eines den Göttern
selbst beigelegten gleichen Thuns. Die Psalmenstelle 65, 12--Du krönest
das Jahr mit deinem Gut und deine Fusstapfen triefen von Fett--liess
eine Gottheit erblicken, welche das reifende Kornfeld persönlich
beschreitet und mit ihrer Fussspur ertragsfähig macht, weshalb das
Kirchenlied von Nikolaus Hermann "Um gut Gewitter und Regen" Strophe 9
jene Worte nachdrücklich wiederholt:

    Umkrön das Jahr mit deiner Hand,
    Mit deinen Fussstapfen düng das Land.

Hier ist der hl. Benno durchgegangen, sagen die preussischen Wenden von
besonders gesegneten Feldern (Preusker, Vaterl. Vorzeit); von dem auf
den Bergwiesen striemenweise fetter und üppiger wachsenden Grase sagt
der Tiroler, hier ist der fromme Graf Leonhard geritten, hier ist der
Alpgeist mit schmalzigen Füssen drüber gegangen (Zingerle, Tirol. Sag.
no. 963. Tirol. Sitt. no. 314); hier ist der Kornweg des ausreitenden
Rodensteiners, sagt der Hesse von den durch die noch grüne Frucht
hinziehenden gelben Streifen vorreifender Kornähren. Wolf, Hess. Sag.
no. 31. 56. Von den über die Spitzen des Aehrenfeldes hinschwebenden
Hufen des Götterrosses versprach sich die Landwirthschaft vormals
denselben Vortheil, den sie heute von den Merzwinden erwartet, diese
haben nemlich dem jungen Halme Widerstandskraft gegen die sommerlichen
Strichregen und Windstösse zu geben, dann wird er sich weniger lagern
und die Aehre weniger ins giftige Mutterkorn schiessen. Auf eine ganz
nahverwandte landwirthschaftliche Erfahrung stützt sich auch der Ritt in
den Maienthau. Bekanntlich hängt die Befruchtung der Kornähren vom
Samenstaub ab, den der Wind durch die Bewegung der Blüthen ausschüttelt
und verbreitet. Diese Verbreitung geschieht aber bei der
Unregelmässigkeit der Bewegung nur unregelmässig, daher bleiben viele
Hülsen der Aehren taub. Der aargauer Bauer im Freienamte übt nun seit
alter Zeit folgende Methode zur künstlichen Unterstützung der
Befruchtung aus. Von beiden Breitseiten des Kornackers ziehen zwei
Männer ein Seil über der Höhe des blühenden Getreides hin und streifen
damit gelinde den Morgenthau ab. Dadurch werden nun einige der Aehren
zwar "ringrostig", nemlich etwas brandig gemacht, die übrigen aber gegen
das Sichlagern gestärkt und der ausfallende Samenstaub wird in ihnen
gleichförmig vertheilt. So wird also Brand und Mutterkorn verhütet, die
aus einer und derselben Ursache, aus nicht stattgefundner Befruchtung
entstehen. Dieser Naturvorgang ist von den Griechen vergöttert, in
Kunstgebilden dargestellt und bis auf die Athene übertragen worden.
Unterhalb der Akropolis zu Athen stand der Thurm der Winde, unter dessen
acht Relieffiguren auf einer seiner acht Seiten der Ostwind (Apeliotes),
der den gedeihlichen Saatregen mit sich führt, dargestellt war als ein
Genius mit heitrer Miene, geflügelt, mit flatterndem Gewande
einherschwebend, in den Falten seines Mantels einen Bienenkorb tragend
und neben reifenden Früchten eine Kornähre. Droben auf der Akropolis
stand die Athenestatue, die den Beinamen Pandrosos (Allesbethauende)
führte, als eine andere Demeter verehrt wurde und Aehren in der Hand
trug (Welcker, Griech. Götterl. 1, 313). Diesen ihren Beinamen hatte sie
nach demjenigen der drei Töchter des Cekrops, welche Aglauros
(Schimmernde), Herse (Thau) und Pandrosos (Allthauig) hiessen und den
Erysichthon (Ackermann) zum Bruder hatten, der auch Aithon (Brand und
Mehlthau) hiess. Die Thaufeste, Ersephorien, sollten dem Mehlthau
steuern und waren der Athene gewidmet.

Betrachten wir dieselben Anschauungen, wie sie in Sprache und Mythe
unsrer deutschen Vorzeit sich ausgedrückt haben.

Thau, goth. daggvus, ahd. touwi, gehört nach Kuhns Vermuthung (Weber,
Ind. Stud. 1; 327) zu sanskrit. dôha Milch, ableitend, von duh, ziehen,
ducere, so dass also im Vorgange des Thauens das Geschäft des Melkens
und Milchausdrückens erblickt wurde. Friesisch thavan, anglisch ton
heisst waschen. Hundertfältig stimmen nun Mythen und Bräuche in der
Annahme überein, aus dem rechtzeitigen Abstreifen des am Halme hängenden
Morgenthaues lasse sich Milch und Butter gewinnen, als gediegenes
Produkt fertig herauspressen, und das in diesen Thau getriebene
Milchthier ergebe doppeltes Milchquantum. Die Synode zu Ferrara 1612
verbietet, Tücher in der Nacht vor Johannis Baptistae unter den Himmel
zu breiten in der Absicht, den Thau aufzufangen. Liebrecht, Gervas.
Tilb. S. 230; gleichwohl ertheilt Schnurr im Oekonom. Kalender
besonderen Unterricht, wie man den Himmelsthau vom schossenden Getreide
mit subtilen Tüchern aufzufangen und diese in Gefässe auszuwinden habe,
denn solcher Thau sei unsres Landes Manna. Prätorius, Blockesberg S.
559. Grohmann, Böhm. Abergl. S. 132 berichtet Folgendes von einem nun
verstorbenen Simanek aus Kaurim. Er schmückte in der Walburgisnacht
seine Kuh mit grünen Zweigen und einer Decke, zog sich selbst nackt aus
und führte das Thier durch den Thau. Heimgekehrt drückte er die
thaubenetzte Decke in ein Gefäss aus, indem er dabei mit den vier
Zipfeln umgieng wie beim Melken, und gab das gewonnene Wasser den
Thieren unter die Tränke. Sie waren dann das ganze Jahr milchreich. Es
ist eine von Sachsen bis nach Ostfriesland nachgewiesne Sitte,
abwechselnd um Mai, Ostern oder Pfingsten, den Frühthau zu gewinnen,
indem man die Heerde hineintreibt oder ihn mit Wettritt und Wettlauf
feierlich abstreift. Die am frühesten ausgetriebene Weidekuh bekommt
einen langen Maibusch an den Schwanz gebunden, erhält den Preisnamen
Daufäjer, Dauschlöpper, das wettrennende Ross den Namen Thaustrauch,
weil sie den ersten Thau erfolgreich weggefegt haben, und werden mit
dem am Rennziel auf der Stange steckenden Blumenmaien oder Brodweck
beschenkt. Kuhn, Nordd. Sag. S. 380-88. Westfäl. Sag. 2, S. 165. Ebenso
gilt in Holland das Daauwtrappen und Daauwslaan. Allein die egoistische
Natur des Menschen, die bei jedem Begegnisse den Neid des Andern
voraussetzt, verkehrt den heiligen Thau zum Zaubermittel; darum gehen
denn auch die Hexen um Weihnachten in die Wintersaat und erhorchen die
Zukunft, auf Walburgis in das grüne Korn, auf Pfingsten ins Roggenfeld,
um in Thau zu baden, mit den hinter sich her gezogenen Tüchern ihn
aufzusammeln, daheim auszupressen und so die Milch jeder fremden
Weidekuh für sich zu gewinnen. Schönwerth, Oberpf. 3, 172. Daher heissen
die Hexen in Holstein Daustrîker. Die ao. 794 zu Frankfurt versammelten
Bischöfe erklärten eine letztjährige Hungersnoth daraus, dass der Teufel
den Leuten, welche den Zehnten nicht entrichten, damals die Aehren
ausgefressen habe: experimento enim didicimus in anno, quo illa valida
fames irrepsit, ebullire vacuas annonas a daemonibus devoratas et voces
exprobriationis auditas. Schmidt, Gesch. d. Deutsch. 1, 575. Niedlich
lauten die Histörchen von den Zwergen, die sich des gleichen Vortheils
zu bedienen suchen und darüber kläglich entdeckt werden. Wenn die Zwerge
im Harz in die Erbsenfelder giengen, hatten sie ihre unsichtbar
machenden Nebelkappen auf. Allein die Leute nahmen einen Pflugstrick
oder eine lange Stange und fuhren damit oben über das Feld hin. Damit
fielen den Zwergen die Nebelkappen vom Kopfe, sie wurden sichtbar und
konnten tüchtig durchgeprügelt werden. Pröhle, Harzsag. 1, 199. 210. Um
sich nun gegen die Nachstellungen der Hexen sicher zu stellen, kommt man
ihnen auf folgende Weise zuvor. Man breitet in der Walburgisnacht ein
weisses Tischtuch im Hofe aus, auf dem neunerlei Arten Kornes durch
einander geschüttelt liegen, lässt sie vom Nachtthau benetzt werden und
füttert damit sämmtliche Hausthiere vom Stier bis zum Huhn hinab.
Darstellungen aus dem Gebiet des Abgl., Grätz bei Kienreich 1801, S. 9.
Da auf ähnlich magische Weise auch der Butterraub ausgeübt wird, so ist
das Gegenmittel hier wiederum ein gleiches: am 1. Mai alle Speisen recht
stark zu schmalzen, Ankenschnitten, in der Schweiz eine dickgestrichene
_Ankenbrüt_, am Familientische zu essen, allen Hausthieren davon
zukommen zu lassen und dem Weidevieh beim ersten Austrieb ein solches
Stück zu geben. Vom hexenhaften Buttergewinn erzählt Jac. Sprenger im
Hexenhammer, pars 2, quaest. 1, cap. 14 folgende Begebenheit. An einem
Maitag empfanden mehrere zusammen über Feld Spazierende grosse Lust,
frische Maibutter zu geniessen. Sie standen zufällig an einem Flusse.
Ich will euch solche besorgen, sprach einer von ihnen, wartet nur ein
wenig. Er gieng in den Fluss, setzte sich mit dem Rücken gegen den Lauf,
rührte mit den Händen rückwärts und es dauerte nicht lange, so brachte
er eine förmliche Butterballe zum Vorschein, wie sie die Bauern im Mai
machen. Die Gesellen fanden sie beim Verkosten ganz trefflich
schmeckend.--Ein aargauer Bauernsprichwort sagt rationalisirend: Wer am
Maitag Gras häufelt, der kann an der Auffahrt schon eine Ankenballe in
seiner Matte bergen. Der gelehrte Abt Trithemius dagegen versichert in
seinem für Kaiser Max I. verfassten Liber octo questionum (gedruckt bei
Joh. Hasselberger 1515) alles Ernstes in der sechsten Frage: Exploratum
habemus, maleficas in fluminibus concitatis hausisse butyrum temporibus.
Daher heisst es, in der Walburgisnacht fliege der Drache um und trage
seinen Gläubigen Butter und Schmalz aus fremden Häusern zu. Was er nicht
weiter schleppen kann, speit er auf die Schwindgruben; die gelbweissen
Algen in Tellergrösse, die man auf dem Düngerhaufen zuweilen erblickt,
heissen daher Drachenschmalz. Schönwerth, Oberpfalz 1, 394. 396. Mit
demselben Morgenthau erwartet man auch den Honigregen; denn, sagt
Carrichter, des Kaisers Maximilian II. Leibarzt, in der Teutschen
Speisskammer (Strassburg 1614) S. 69: "Da die Bienen im Herbste, obschon
dann noch immer Blumen vorhanden sind, keinen Honig mehr eintragen
können, so ist daraus zu ersehen, dass der Honig nicht aus den Blumen,
sondern aus dem Thau bereitet wird, der zur Zeit des Siebengestirns auf
die Blumen fällt;" und daher erzähle Galenus, 3. B. de alimentis, die
Bauern hätten am Morgen, wenn sie Honig auf den Bäumen kleben gesehen,
ein Freudenlied gesungen: "der grosse Jupiter im Himmel droben regnet
uns Honig auf das Feld!" Unsre Bauernregel besagt: Viel Honigthau im Mai
giebt starke Bienenschwärme. Thau und Honigfall wird von einem Engel uns
zugebracht, er liefert, nach Hebels Alemann. Gedichten:

    Mengmol e Hämpfeli Bluememehl,
    Mengmol e Tröpfli Morgethau.

Da beides die ausschliessliche Nahrung der Unsterblichen ist, so ist sie
darum auch so süssschmeckend; denn, sagt Hebel:

    Dört oben wachst kei Gras, dört wachse numme Rosinli.

Die böhmische Haingöttin Medulina hat ihren Namen vom Honigtranke Meth.
Sie ist eine Weisse Frau, die in der einen Hand ein Körbchen mit
Pflanzen, in der andern einen Strauss trägt. Im Frühlinge trägt das Volk
Honig in die Wälder, stellt ihn auf die Baumstöcke und spricht:
Medulina, da hast du, du giebst es übers Jahr wieder! Grohmann, Böhm.
Sagb. 1, 134. Im finnischen Epos Kalewala, 15. Gesang, wird erzählt, wie
der ertrunkene Lemminkäinen von der Mutter wieder ins Leben gebracht
wird. Alle Besegnungen und Heilmittel wollen ihm aber nicht wieder zum
Sprachvermögen verhelfen. Da fleht die Mutter ein Honigbienchen an, es
möchte hinauf in den neunten Himmel fliegen, wo Gott aus seinem
Honigkeller die zu Schaden gekommenen Kinder salbt. Das Bienchen bringt
von dieser Salbe herbei, die Mutter stillt des Sohnes Schmerzen und die
Sprache kehrt auf seine Zunge zurück.

Das grosse Kapitel des Hexenglaubens liegt nun zwar mit der
Walburgisnacht hier nahe genug zusammen; gleichwohl soll es nur so weit
berührt werden, als dadurch der innerliche Grund seiner missgestalteten
Meinungen an der Hand der bisher vorgetragnen Angaben zur Verdeutlichung
gebracht werden kann.

Füllt der Königssohn im Zauberschlosse drei Flaschen mit dem Wasser des
Lebens und heilt damit den alten kranken König (Grimm KM. 3, S. 178), so
taucht dagegen die Hexe am Walpernabend ihren Finger in sieben
Bouteillen, beschmiert sich damit und fährt so auf den Blocksberg. Kuhn,
Nordd. Sag. S. 192. Dies aber sind ursprünglich jene Zinnkannen und
silbernen Kannen, die beim Bergquell Salibrunnen an der Waldwohnung der
Erdmännchen stehen (Aargau. Sag. 1, S. 198), oder die nächtlicher Weile
vom Ritterschloss Breuerberg in der Wetterau zum zerstörten
Nonnenkloster Erlesberg hinüber wandern. Wolf DMS. no. 454.--Das Horn,
aus welchem zum Maienfest Minne getrunken wird, ist golden, wird in
verschiedenen Kirchen aufbewahrt und als Altarkelch gebraucht; selbst
das Bestehen ganzer Geschlechter ist an seine Erhaltung geknüpft
(Menzel, Odin 250-53); das Trinkhorn aber am Blocksberg ist ein Kuhfuss
und sein Inhalt ein seuchenträchtiger Satanstrank. Mit Fackeln wird Saat
und Gras aus dem Boden gezündet, unter Glockenklang mit Musik und Gesang
der Lenz geweckt, doch auch dieser dichterisch erfundene Brauch verkehrt
sich ins Dämonische und wird sein eignes Gegentheil. Dann heisst das
Entzünden der nächtlichen Freudenfeuer überall das Hexenbrennen, und aus
dem lustigen Frühlingsbrauch, die nun endlich in Ruhe kommenden Besen
und Schürgabeln in Flammen aufgehen zu lassen, macht der Unverstand
einen Luftritt der Zauberer auf dem Besenstiel und ein sich selbst
Verbrennen des Satans in Bocksgestalt. Während noch im J. 1839 das
Märzfest im Bergell unter Trommelschlag und Hörnerklang begangen wurde,
wobei ein jeder im Zuge Kuhschellen umgebunden trug und läutete, "_damit
das Gras wächst_" (Leonhardi, Rhätische Sitt. 1844), gilt im kathol.
Frickthal und in dem benachbarten badischen Schwarzwald kirchlich das
Reifläuten im Mai, wie das Gewitterläuten im Sommer. Im tiroler Innthale
umgeht am Jörgentage, 24. April, die russige Prozession die Felder. Mit
Kuh- und Hausglocken, mit Hafen und Pfannen lärmend, im unflätigsten
Sennenhemde und mit berusstem Gesichte, Kröten und Eidechsen zur Schau
tragend, durchstreifen die Bursche das Gemeindefeld und werden bei ihrer
Rückkehr ins Dorf dafür beschenkt. Und damit alle sittlichen
Vorstellungen so recht vom Gaul auf den Esel kommen, tritt an die Stelle
der rossetummelnden Saatenreiter die hässliche Bocksreiterei und der
teufelsverschworene Bilmesschnitter. Auf einem schwarzen Bocke, am Fusse
die Sichel angeschnallt, durchreitet und durchschneidet er den Aufwuchs
ganzer Ackerbreiten. J. Feifalik hat in der österreich. Gymnas. Ztschr.
1858, 410 aus einer Hds. des Olmüzer Archivs einen Segensspruch
veröffentlicht gegen "die Pylweisse om sent Wolbrygh-obent"; der
Besegner giebt dabei dem Stallthiere eine geweihte Kerze zu
verschlucken. "Es wor am Walburgisobende geschahn, wenn de Pülewesen
osfaren", schreibt hievon der Schlesier A. Gryphius, Dornrose 51 (nach
Weinholds Schles. Wörtb. 1855, 10). Mit Heilöl salbt die
Schlachtenjungfrau den wundgewordnen Krieger; mit dem aus ihrem
Brustbein fliessenden Oel heilt Walburg die Kranken; aber die zum Tanze
ausfahrende Walburgishexe bestreicht sich mit einem in den Oberpfälzer
Sagen Schönwerths 1, 372 ausführlich besprochnen Hexenöl, und wenn sie
darüber im fremden Stalle betroffen wird, "streicht ihr der Bauer dafür
den Buckel, dass sie Oel giebt". Alpenburg, Tirol. Sag. 1, 290. Thôrs
Tochter heisst Thrudhr, d.h. die Tretende; denn nachdem der Ackergott,
ihr Vater, das Korn hat reifen lassen, lässt sie die vollen Garben in
der Tenne austreten. Hierauf aber wird die Trud zum Alp, welcher den
Schlafenden auf die Brust tritt, dass er erstickt, oder, wenn ihr dieser
mangelt, die neubelaubten Bäume reitet, dass man alle Verkrüppelungen
an Eschen und Fichten Trudenpfötschen nennt. Das Stallthier wurde des
Milch- und Buttergewinnes wegen in den Maienthau hinaus getrieben, dass
es zuletzt dem thaumähnigen Rosse der jungfräulichen Walküren glich;
statt ihrer aber liess hierauf der grobe Aberglaube die Trude Nachts in
den Stall schleichen und die Thiere reiten, dass sie des Morgens
abgehetzt und voll Schweiss dastehen, nur Mähne und Schweif ist von
unbekannter Hand in zierliche Frauenzöpfchen geflochten. Statt die
Häuser mit Maien zu schmücken und den Walbernbaum aufzupflanzen, werden
so viele Ruthen auf den Düngerhaufen gesteckt, als man Rinder hat, die
Kinder machen sich aus Weiden kleine Galgen und überspringen sie in die
Wette; wer dabei nicht anstösst, in dessen Hause werden die Milchkühe
ergiebig. Haupt-Schmaler, Wend. Volksl. 2, 224. Ein förmliches
Treibjagen wird gegen die Hexen angestellt; mit knallenden Peitschen
werden sie aus der Dorfflur hinausgehauen, dies ist das Hexen-Tuschen,
Hexen-Auspletschen in der Oberpfalz (Schönwerth 1, 312), das
Maibutter-Ausschnellen in Tirol (Zingerle, Sitt. no. 783), das
Hinausblitzen in Deutschböhmen (Reinsberg, Festl. Jahr 137). Mit einem
tüchtigen Schuss Pulver schiesst man in die auf die Hausschwelle
gesetzte Milchschüssel, dass kein Tropfen davon drinnen bleibt; dann
hört die Kuh auf, blaue Milch zu geben. Darstell. aus d. Gebiet des
Abgl. (Grätz 1801) S. 126. So weit erstreckt sich die Umwandlung alles
Natürlichen ins Zauberhafte, so weit gieng die Gesunkenheit des
ursprünglich so gesunden Volksbegriffs. Aller lebensfrohe rüstige
Volksbrauch ist in Boshaftigkeit verkehrt. Wird im 13. Jahrhundert
vielfach gegen den Volksglauben an sg. Nymphen gepredigt, so heissen
diese doch immer noch schöne Jungfrauen, die mit brennenden
Wachslichtern in den Ställen die Thiere besorgen, dass des Morgens
Wachstropfen in den Mähnen der Rosse kleben; sie erscheinen unter
schattigen Waldbäumen, verbinden sich dem Getreuen in Liebe, stillen dem
Armen Hunger und Durst, ihre Herrin ist nach dem gelehrten Ausdrucke
jener Zeit latein. Abundantia, die romanische dame Abonde, die Königin
Habundia, unsre deutsche Göttin Fulla. Wo sie erscheinen, da bringt es
dem Hause Glück und Vorsput. So anfangs als Allgütige verehrt, sind sie
nun feindselig und gefürchtet; erst eine überirdisch schöne Holda, dann
eine triefäugige Unholdin; erst eine thaufrische Walburgis, unter deren
Schritt der Acker von Oel trieft, zuletzt eine Anna Walper von Wertheim,
die im peinlichen Protokoll v.J. 1644 bekennt, den Teufel beim
Hexentanze in einer eisernen Schellenkappe mitgesehen zu haben. Wolf,
Ztschr. f. Myth. 4, 23. Sogar zu der finnisch-ehstnischen Bevölkerung
ist dieser Name gedrungen, vermittelt durch die Schweden; der Heiligen
Festtag heisst Wolpripääw (Russwurm, Eibofolke 2, 263. 1, 74. 98). Die
Serben nennen den Hexenritt na Walporu. Haupt-Schmaler, Wend. Volksl. 2,
265. Noch bevor diese Satanisierung der deutschen Götter durch die
Kirche genugsam durchgeführt werden konnte, verwandelten sie sich mit
ihrer im Volksglauben nicht bezweifelten Macht erst ins Riesenhafte. In
rückwärtsschreitender Betrachtung unseres Gegenstandes zeigen wir nun
die Jöten- und dann die Walkürennatur Walburgis und sind damit am
Schlusse.

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Sechster Abschnitt.

Walburg, die Göttin der Zeugung und Ernährung.


Der Ordensneid der Jesuiten gegen die von ihnen unabhängigen Diöcesen
und Stifte gab den ersten Anlass, die Walburgislegende in ihrem
Gesammtzusammenhang zu betrachten, während man sie bis dahin fast nur in
ihrer lokalen vereinzelten Tradition aufgefasst und dargestellt hatte.
Die Ingolstädter Jesuiten, unter ihnen Gretser voran, wollten der
niederdeutschen Walburg nicht die kirchliche Geltung der oberdeutschen
zuerkennen. Jene, behaupteten sie, sei die sg. Walburga Westfalica, eine
gewesene Nienheerser oder Herswender Nonne im Kloster bei Paderborn, die
Schwester des dortigen Bischofs Liuthard, die um 840 gelebt habe und
nebst ihrem Bruder 877 von den Vandalen erschlagen worden sei. Sie sei
nur selig gesprochen worden, dagegen die Eichstädter Walburg sei bereits
im J. 779 gestorben und canonisirt; erst ihr Ruhm habe jener
westfälischen Namensschwester zu einigem kirchlichen Ansehen verholfen.
Diesem Vorgeben steht indess in der Kirchengeschichte Niederdeutschlands
alles Mögliche entgegen. Der grössere Theil der dortigen alten
Stiftskirchen ist der hl. Walburg schon seit so alter Zeit geweiht, dass
man daselbst von der Walburgiskirche zu Gröningen behauptet, sie sei ein
Heidentempel der _Göttin_ Walburg gewesen, und dass man in der
Walburgiskirche zu Veurne (Diöcese Ypern) sogar noch die Stelle zeigt,
wo dieser Göttin Menschenopfer gebracht worden sein sollen. Wolf, Ndl.
Sag. no. 309, S. 696. Bollandisten l.c. 522. Die Annahme eines sehr
hohen Alters dieser Kirchen wird zugleich durch ihren Baustil
unterstützt; die zu Gröningen ist eine Rotunde mit thurmähnlichen Mauern
und steht auf einem Gange, welcher unterirdisch bis zum Nachbardorfe
Helgen führen soll. Diejenige zu Antwerpen, in der dortigen Altstadt
gelegen, heisst Burg (castrum), in ihrer Krypta soll Walburgis auf ihrer
Herreise aus England gewohnt und die Gastfreundschaft der Stadt genossen
haben. Je weiter man nun den Walburgiscult nordwärts verfolgt, um so
mehr tritt seine heidnische Abkunft hervor, und Walburg nimmt da nebst
ihrem bischöflichen Bruder die vergröberte Gestalt der Riesen an. Schon
im Harz wird _Wilibald_ ein Hüne genannt (Pröhle, Harzsag. 1, 275); um
Harlem aber gilt Walburg als die Heerden weidende und Strandräuber
vertilgende Riesin Walberech. Seeräuber ersäuft sie, Viehdiebe frisst
sie lebendig auf; dann nimmt sie ihre Ochsen unter den rechten Arm, ihre
Rosse unter den linken, steckt die Schafe zusammen in die Haare ihres
Hauptes und geht so in einem Schritte von Holland nach England hinüber.
Wolf, Ndl. Sag. no. 28. Als eine gleich ungestüme Heidenfrau,
menschliches Mass überschreitend, gilt Walburg in Schweden, wovon in
Wedderkop's Bildd. a.d. Norden, 2. Th. die Rede ist. Nicht anders
erzählt die, irische Legende von der Hexe Moll Wallbee in Beeckmakshire,
sie habe das Schloss Hao in einer Nacht erbaut und die Steine dazu von
Dollgellen in der Schürze hergetragen. Als ihr dabei im Laufen ein
Kiesel in den Schuh kam, schleuderte sie ihn heraus; er fiel auf den
Kirchhof von Clowes, drei Meilen von Dollgellen, da liegt er noch, neun
Fuss lang und einen dick. (Vulpius) Curiositäten Bd. 8, 240. Endlich hat
sich jene Walburga Westfalica sogar als eine Antwerpner Venus
herausgestellt, deren Abbildung in Wolfs Beiträgen 1, Tafel II, Figur 1,
lehrt, dass sie keineswegs die antike Venus gewesen ist, sondern ein
deren antiken Namen tragendes deutsches Götterbild. Es ist ein über dem
Antwerpner Steenport in die Mauer eingelassenes, halb erhaben gehauenes
Steinbild, das noch in seinen ursprünglichen Umrissen zu erkennen, in
seinen Besonderheiten aber abgemeisselt ist; dasselbe hat langes Haar,
hebt beide Arme bis zur Kopfhöhe anbetend empor und zieht die aus
einander gespreizten Beine herauf. Dass es ein Götterbild war, urtheilt
Wolf, l.c. 107, darin stimmen alle älteren Geschichtschreiber Antwerpens
überein, unter denen auch der berühmte Bollandist Papebrochius; dafür
spricht ferner die allgemeine Verehrung, deren es genoss, dafür zeugt
auch, dass unfruchtbare Frauen ihm Kränze und Blumen opferten, die
Manneszeichen, die es phallisch trug, abschabten und als Heilpulver
tranken, um bald des Mutterglückes theilhaftig zu werden. Davon
berichten Mart. Zeiller, Itin. Gall. Bl. 527; Goropius Becanus, Origin.
Antverp. pg. 26; J.B. Gramaye, Antiquitt. Antverp. lib. II, pg. 13, und
selbst die Bollandisten III, 521. Bei dem geringsten Zufalle, sagt
Becanus, welcher Antwerpner Frauen begegnet, ob sie ein Küchengeschirr
zerbrechen, oder sich die Zehe verstauchen, rufen sie ohne weiteres
dieses priapische Bild laut an, und selbst bei den Anständigsten ist
solche alte Unsitte noch im Schwange. Die Ortslegende, deren Gramaye
erwähnt, erzählt, dass der hl. Willibrord, als er hier die Bekehrung
begann, die heidnische Anbetung dieser steinernen Walburgis schon
vorgefunden und an ihrer Stelle den Dienst der hl. Walburgis eingeführt
habe. Die Heiden hätten jedoch von diesem Idol ihrer Venus nur sehr zähe
abgelassen, und daher rühre denn der bei den dortigen Weibern andauernde
schmutzige Brauch, deren Hartnäckigkeit in Sachen des Aberglaubens
allbekannt sei. Somit steht der Cult einer vorchristlichen,
norddeutschen Walburgis fest, welche in der Mönchsprache Venus und, da
sie phallische Abzeichen trug, Priapus genannt worden ist. Ihre
Hermaphroditengestaltung entspringt aus den ursprünglichen
Grundbegriffen der eddischen Götterlehre, zu Folge welcher die Gottheit
doppelgeschlechtig ist, um sich selbst ins Unendliche fort zu erzeugen.
Dem Urriesen Ymir erwuchs unter dem linken Arme Mann und Weib. Tuisco,
der vaterlose Stammgott, erzeugt aus sich selbst den Sohn Mannus. Die
Ackergöttin Walburg musste doppelgeschlechtig sein, wie die Pflanze und
das Samenkorn ein Zwitter ist. Als weiblicher Liebesgott erscheint sie
priapisch, gleich dem männlichen Liebesgotte Freyr, (ahd. Frô), welchen
Adam von Bremen Fricco unter der ausdrücklichen Beifügung benennt, er
werde phallisch abgebildet, walte über Regen und Sonnenschein und stehe
den Werken des Friedens und der Ehe vor: cujus simulachrum fingunt
ingenti priapo; si nuptiae celebrandae sunt, sacrificia offerunt
Fricconi. Sein Name gründet in der Wurzel prî = freien, woraus auch
Priapos, selbst stammt. Freyrs Schwester Freyja (gleich der
altslavischen Prija = Venus) ist daher die Ehefrau ausschliesslich. Es
ist nun gewiss ausserordentlich bedeutsam, dass sich ganz dieselbe
Verehrung heidnisch-phallischer Bildwerke im Eichstädter Gebiete, als
dem süddeutschen Schauplatze der Wirksamkeit der hl. Walburg, wieder
findet. In dem zwischen den Städten Eichstädt und Weissenburg am
Ausgänge des grossen Weissenburger Waldes gelegnen Dorfe Emmetsheim
findet sich unter mehrfachem römischem Grundgemäuer im Garten des
dortigen Wirthshauses ein antiker Steinwürfel, dessen eine Seite die
Grabinschrift einer römischen Ehefrau, die andere die eines
Merkuraltares trägt. Letztere zeigt die Herme einer stark gebrüsteten
Frau; auf der andern ist eine nackte Figur sitzend dargestellt mit aus
einander gespreizten Beinen, beide Hände am Phallus haltend. Beide
Figuren sind an den Einzeltheilen vorsätzlich verstümmelt. Noch im
vorigen Jahrhundert setzten sich unfruchtbare Weiber auf dieses
Steinbild, um dadurch zum Kindersegen befähigt zu werden, und als der
Markgraf von Ansbach am 7. April 1721 hier durchreisend den Stein besah
und um ihn für seine Kunstsammlung anzukaufen, sich an den Eichstädter
Bischof wendete, wurde ihm die Antwort, dass diese Gruppe als _Nahrung
des Wirthes_ in statu quo zu belassen sei. Sax, Gesch. v. Eichst. 1857,
S. 287. Von der Mönchsweisheit wurde dieses Bild abwechselnd bald der
Götze Miplezeth (1 Könige 15, 13), bald Priapus genannt. Falkenstein,
Nordgau. Alterth. 86. "Der Phallusdienst, sagt Grimm, Myth. 1209,
entspringt in der Kindheit der Völker aus einer schuldlosen Verehrung
des zeugenden Prinzips, die eine spätere, ihrer Sünde bewusste Zeit
ängstlich mied." Voltaire war der Urheber der tiefen Bemerkung, dass
schlüpfrige religiöse Ceremonien nichts gemeinsam haben mit schlüpfrigen
nationalen Sitten. In dem Essar sur les moeurs ch. 143, Oeuv. 17, 341
sagt er: "Unsre Vorstellungen über Wohlanständigkeit veranlassen uns zu
glauben, ein uns schamlos erscheinender Brauch könne nichts anderes als
eine Erfindung der Zügellosigkeit sein. Allein es ist unglaublich, dass
Sittenverderbniss jemals bei irgend einem Volke die Stifterin religiöser
Ceremonien gewesen wäre. Im Gegentheile ist es verbürgt, dass
dergleichen Bräuche bereits in den Zeiten der Sitteneinfalt entstanden
und dass man dabei keinen andern Gedanken hatte, als die Gottheit in dem
uns von ihr gegebnen Lebenssymbole zu verehren. Ein derartiger
Feierbrauch hatte den Zweck, die Jugend für ihre Reife zu begeistern und
kann nur einem ergreisten Gehirne in abgeklärten, abgefeimten oder
moralisch ruinirten Epochen lächerlich erscheinen."

Folgerichtig wurde nun die Göttin der Fruchtbarkeit nicht nur in ihrer
Körpergestalt priapisch gedacht, sondern auch die von ihr kommende
Frucht, in gleicher Weise künstlich geformt, zum Genusse dargeboten.
Daher weihte man den Gottheiten des Ackerbaues phallisch geformte
Kuchen. Priape, aus Weizenmehl gebacken, erwähnen Martial (XIV, 61:
Priapus siligneus; IX, 3: siligneus cunnus) und der Scholiast zu Juvenal
II, 53: membra virilia, de melle et fermento composita. Unseren eignen
Vorfahren war diese Sitte keineswegs fremd. Joh. Campegius De re cibaria
1560 schreibt: aliae placentae repraesentant virilia (si diis placet);
adeo degeneravere boni mores, ut etiam christianis obscoena et pudenda
in cibis placeant. Sunt etiam quos cunnos saccharatos appellent. Dass
solcherlei Kuchen (miches), die weiblichen Theile darstellend,
vorzugsweise in der Auvergne gebacken wurden, bemerkt Dulaur De
divinites generatrices 226 und fügt noch hinzu: dans plusieurs parties
de la France on fabrique des pains, qui ont la figure du Phallus.
Aehnliche Landesbräuche umgeben uns noch ringsum, man braucht nur die
Augen zu öffnen. Das Milchbrod der fränkischen Eierweckchen, in
bekannter zweideutiger Form gebacken, heisst in Ansbach Klärungsweck;
dieser Name wird daselbst nicht etwa von Eierklar abgeleitet, sondern
von der Clairon (gestorben 1803 zu Paris), des letzten Ansbacher
Markgrafen Hofmaitresse, deren Lieblingsspeise diese feine Brodgattung
gewesen sein soll. Archiv f. Oberfranken V. 2, 93. Das altbairische
breite Eierweckel wird als Geschenk nur an Mädchen gegeben, dagegen das
stangenartige Weissbrod des Kipferl nur an Bursche. Dass man in den
oberbair. Gegenden beiden Brodformen sexuelle Bedeutung unterlegt,
beweisen die um Rosenheim und im Chiemgau hierüber gesungenen
Schnaderhüpfeln, in denen das stuprum variirt wird. Aehnlich ist das
obscöne Gebildbrod der Meissner Fummeln, über welche Schäfer im ersten
Theil der deutschen Städtewahrzeichen 1858 gehandelt hat, und dasjenige
der verschiedenartig, stets schimpflich zubenannten Nonnenkräpflein.
Deutsche Festbrode, gebacken in Gestalt der in den Cannstatter
Grabhügeln aufgefundenen Frôbildchen, welche das gleiche Symbol des
Belebens und Wiedererweckens an sich tragen (Memminger, Beschreib. des
OA. Cannstatt, 18), heissen in Oberdeutschland Mannoggel, Nikolause,
Klausmänner, Hanselmänner, Grittebenze; in Niederdeutschland
Sengterklas, Klaskerlchen u.s.w. Die weibliche ähnlich gestaltete
Brodfigur wird gewöhnlich nur die Frau genannt. Beiden ist gemeinsam,
dass ihnen Augen, Brüste, Rockknöpfe aus Korinthen eingesetzt sind, dass
sie beide Arme in die Seite einstemmen und ihre Beine weit aus einander
spreizen; daher auch ihr Name Gritte, Grittebenz, altbair. Beingrattel,
varus oder valgus. Es ist in ihnen, also die Stellung der beiden vorhin
beschriebenen Steinbilder zu Antwerpen und Emmetsheim typisch
wiederholt. Alle diese Formen sind symbolische, dem mythischen Zeitalter
und den Urvorstellungen der Menschheit angehörende, und müssen eben
darum gegen unser Sittengesetz verstossen, weil dieses im Bewusstsein
des Naturmenschen noch gänzlich schlummert.

Bis hieher ist verspart geblieben, den Namen Walburg zu erklären und mit
den Hauptzügen seines Mythus in Verbindung zu bringen. Wie der bisher
vorgetragene Sagenkreis in zwei Hälften sich scheidet, in ein lichtes
Frühlingsgebiet und in ein dämonisches Nachtreich, so führt auch die
Etymologie des Namens in diese Doppelwelt. Die schönere Seite mache hier
den Beginn, weil sie sprachlich die ergiebigere ist.

Wenn der liebende Wuotan im Frühlingsbeginne seine Vermählung mit der
Himmelsherrin (Freyja, Frouwa) feiert, so trägt er den ahd. Beinamen des
Liebesgottes Wunscio, nordisch Oski, und ist begleitet von einem
Liebesheere von Brautjungfern, welche die schwanenweissen
Wünschelfrauen, Schwanenjungfrauen sind, nord. ôskmeyjar, Wunschmädchen.
Das Wort Wunsch stammt aus wunia, bedeutet Lust und Liebe, und führt uns
sogleich 1) auf Walburgis Mutter _Wunna_, aus deren Namen die
Lateinlegende eine Bona mater, und die niederdeutsche Legende eine _Frau
Guta_ bildete (Gretser 749), eine in der deutschen Heldensage
vielgenannte Ahnfrau der Heldengeschlechter. Sodann führt Wunsch 2) auf
den Namen eines der Brüder Walburgis, Wunnibald: der den Wonnewunsch
Gewährende.

Als Wunnas Oheim sodann wird in dem von Othlon verfassten Leben des
Bonifacius dieser Bekehrer Winfrid genannt (der Frieden Gewinnende);
diese beiden Namen alliteriren zum Namen Wunnibald und stellen also
durch gleichen Wortstamm und gleichen Anlaut, auch sprachlich eine Sippe
dar. Des andern Bruders Wilibald Name knüpft sich an den eddischen
Beinamen Odhins, Vili, opes und felicitas bedeutend. Dem Namen Winfried
entspricht der ahd. Frauenname Winburc, demjenigen Wilibalds eine ahd.
Wiliburc und Willahild; und vorgreifend sei bemerkt, dass die englische
Königstochter Werburga auch Walburg hiess: Wêrburga, Wulferi, Merciorum
regis et Ermenildae filia, quae saepius etiam Walpurga dicitur. Basnage
bei Canisius tom. II. 3, 266. Walburgis Vater heisst Richard, d.i.
dives, potens, wieder allmächtige Gott gleicherweise der Reiche genannt
wurde. Sämmtliche Namen in Walburgis' Sippschaft sind also
nächstverwandt mit den höchsten Götternamen. Der Himmel nun, in den
jenes Liebesheer geflügelter Jungfrauen das Götterpaar geleitet, ist
Walhall, nordisch Valhöll, und der silbergedeckte Saal darin heisst
Valaskiâlf, der Wunschhof, also eine Wahlburg, eine Burg der
Auserwählten. In gleicher Namensbildung wie Walburg besteht der
angelsächsische Name der Friedensgilde: Fridborg, d.i. Friedensbürgschaft.

Allein jenem Wonnemonat der Vermählung Odhins geht des Gottes stürmische
Brautwerbung im Mittwinter (den Zwölften) voraus, wo die
leidenschaftlich Wünschenden zu Verwünschten, die Liebenden zu
Wüthenden, ihre Hochzeitsreigen zu geschlechtlichen Hexentänzen werden
(Grimm, Ueber den Liebesgott). Dann ändert sich die Bedeutung des Wortes
wal (von valjan, eligere). Die Gemahlin Freyja wird eine Valfreyja, die
sich mit Odhin in die Leichen der auf der Walstatt Erschlagnen theilt,
die Jungfrauen ihres Gefolges sind die Walküren, welche die auf dem Wal
Gefallnen auswählen und für den Himmel erküren. Die Wolen, sonst nach
der Seherin Wala genannt, werden schicksalspinnende Parzen. Nun sind es
Schildjungfrauen, die unter Wetterleuchten durch den Nachthimmel
niederreiten. Sie stehen unter dem Helme, ihre Brünne ist blutbespritzt,
Feuer zuckt auf ihrem Speer. Noch fliesst Thau aus den Mähnen ihrer
Rosse herab und reiche Ernten trägt dann der wildbefeuchtete Boden; aber
zugleich flattert das Schlachtfeld von windgebauschten weissen
Kriegsmänteln, als fiele ein dichtes Schneegestöber, und von ihren
Zaubergesängen verwandelt sich der Nachtthau in Reif und Hagelschlag.
Noch ist ihre Gestalt schwanenweiss, geflügelt umschwebt Kara ihren im
Kampfe stehenden Helgi so nahe, dass dieser zum Hiebe ausholend, sie
selbst in den Fuss trifft. Allein dieser Schwanenfuss wird zugleich
verkehrt in den gegen die Hexen auf die Thüren gekreideten Trudenfuss,
oder es erscheint das leichenankündende Gespenst des Holzweibleins gar
in Gestalt einer weissen Gans (Schönwerth, Oberpf. Sag. 1, 268). Der
Schwanenfuss wird zum Gänsefuss verkrüppelt, aus der Königin Berta wird
eine Königin Gansfuss, Reine pédauque. Wollen sich die Bollandisten III,
516b erklären, warum die hl. Werburg so häufig mit der hl. Walburg
verwechselt werde, so sehen sie den Grund hievon darin, dass beiden die
Wildgänse gehorsam gewesen seien. Dahin gehören nun die vielfachen
Wunder, die am Walburgisgrabe zu Monheim an Klumpfüssigen geschehen, wie
z.B. eine Frau Manswind aus dem bairischen Markt Trutinga
(Wassertrüdingen) dorten Heilung ihres Klumpfusses gesucht und gefunden
hat. A. SS. l.c. 304. Die den Thau bescheerende, schwanenfüssige Walküre
und der für seinen gelähmten Fuss im Thau Heilung suchende Kranke
erscheinen sachverwandt; in der L. Bajuv. 4, 10 und 5, 16 wird der
Fussgelähmte nach alemannischem Ausdrucke tautragil genannt, der
Thauschlepper, wie in Friesland die Hexe daustrîker heisst, weil sie in
schädigender Absicht den Maienthau mit plumpem Fusse vom Grase streicht.
Grimm RA. 94. 630. An frühzeitigen Uebergängen des Namens Walburg in das
Gebiet des Dämonischen kann es daher nicht mangeln. Walahild heisst eine
der Walküren; Walgund ist die im Hugdietrich und im Wolfdietrich
besungene Königstochter; Walber eine nordd. Riesin; Walberan der riesig
starke, kriegsgewaltige König (im mhd. Gedichte König Laurin), welchen
Dietrich im Zweikampfe nicht zu besiegen vermag. Der Versammlungsplatz
der Hexen auf Island heisst Valakirkja und liegt am Ingolfsfjall, einem
hervorragenden Berge des dortigen Südlandes. Vala wird dorten die böse
Stiefmutter genannt im Märchen von Schneewittchen. Maurer, Isländ. Sag.
107. 280. Die niederd. Hexe Valrîderske ist eine Pferdemahr, die sich zu
ihrem Nachtritte fremder Rosse heimlich bedient, schweissbedeckt stehen
diese Morgens darauf im Stalle. Simrock, Myth. 421. So viel über den
Namen Walburg, insoweit er der Reihe der Bedeutungen nach zuerst die in
der Wünschelburg wohnende Götterjungfrau, dann eine steinschleudernde
Riesin, eine leichensammelnde Walküre, ein die Früchte und Thiere
zehntendes Zauberweib bezeichnet hat. Herabgesunken zur landschaftlichen
Sagengestalt, hat Walburg es im Hochnorden, gleich dem übrigen
Riesengeschlechte, ausschliesslich mit der Viehzucht zu thun und wird
darüber zur Göttin der W. Jagd. Bei dem 1588 zu Nürnberg abgehaltenen
grossen Fasnachtszuge erschien das Wilde Heer unter Anführung "der Frau
Holda auf einem schwarzen wilden Rosse; als die wilde Jägerin stiess sie
ins Horn, schwang die knallende Peitsche, schüttelte ihr Haupthaar wild
umher wie ein wahrer Wunderfrevel, und der mitzuschauende bamberger
Bischof sprach zum Markgrafen Albrecht von Ansbach: Das ist eure
Jagdgöttin; dieser aber erwiederte: Bannet das Ungethüm, aber nur heute
nicht!" Vulpius, Curiositäten, Bd. 10, S. 397. In Mitteldeutschland geht
sie mit dem Geschäfte des Flachsbaues und Spinnens um; in Süddeutschland
erst erscheint sie als Ackerbauerin und siedet Bier. Bei diesem
letzterwähnten Geschäfte nimmt sie den Namen der Frau Holle (die
Huldreiche) an. "Der gemeine Mann nennt sie Frau Holle und die Mägde auf
den Dörfern verstecken ihre Spindeln vor ihr", sagt im J. 1812 von ihr
ein thüringischer Bericht, Curiositäten, Bd. 2, 472; und eine schon
ältere Notiz in Prätorius, Blockesberg S. 457 lautet: "Am Walburgisabend
darf man weder spinnen noch auch das Garn nur auf der Spindel lassen,
sonst machen die Hexen Bratwürste daraus, d.h. ungleichfädiges Garn. Die
Thüringer geben vor, dann ziehe Frau Holla herum und verwirre oder hole
das Garn."--

Das schicksalwebende Wunschmädchen webt das Eheband, darum wird am
Garnfaden in der Walburgisnacht das S. 40 bereits erwähnte Liebesorakel
erforscht, und neun gesponnene Flachsknoten sind heilsam (Myth. 1182);
als flachsspinnende Schwanenjungfrau erscheint es ferner sowohl im Liede
von Wieland dem Schmied (Simrock, Myth. 345), als auch in der
schlesischen Spillaholle (die Spindelhulda), und diese wohnt im
Hollabrunn (Vernaleken, Alpensag. 121), um hier kinderlosen Eltern deren
Wunschkinder herauszuschöpfen.

In der Niederlausitz heisst Walburgis Holpurga (Pott, Familiennamen,
117), in der Oberpfalz nennt man die Hexenausfahrt zu Walburgis die
Hullfahrt, das Hullfahren, und der bezügliche Schimpfname ist
Hullsluder. Schönwerth 3, 177. Hier thut zugleich der Spirantenwechsel
das Seinige zur Namens-Umgestaltung; wie aus Wuotan ein niederd. Wôd und
Hoden wurde (englisch Robin Hood), so aus Walburg eine Frau Wulle und
Frau Hulle. Was in den Zwölften gesponnen wird, das besudeln Frau Holle
und Frau Wolle, Frau Hulle und Frau Wulle. Kuhn, NS. 417. Ebenda 418
heisst Frau Hilde _Verhellen_, bei Müllenhoff 178 _Ver-Wellen_. Der
bierschenkenden Frau Holle, welche im Walperholz bei Arnstadt Volles
Mass ausruft, ist schon im vorletzten Abschnitte gedacht worden, und mit
diesem Geschäfte Walburgis als einer den Maienthau spendenden,
älschenkenden Frühlingsgöttin werde hier abgeschlossen.

Im Herzen des bairischen Fruchtlandes werden jene drei letzten Aehren
oder Aehrenbüschel des Ackers, welche die Schnitter zum Opfer stehen
lassen, bekränzt, umbetet, umtanzt und eben so genannt, wie Walburgis
dritter Bruder heisst, Oswald, d.i. der allwaltende Ase. Dieses
Aehrenopfer ist in einer Passauer Urkunde des 13. Jahrh. Wûtfutter
genannt (Panzer BS. 2, 505), hat ebenso in Meklenburg unter denn Namen
Wode gegolten und war also in diesen beiden, geschichtlich sich
fremdgebliebnen Landstrichen ein dem Wuotan geweihtes Ernteopfer, bei
welchem man das _Wodelbier_ als Trankopfer darbrachte. Eben diese
heidnische Erinnerung ist christlich personificirt worden im hl. Oswald,
und so hat denselben Zingerle in seiner Ausgabe der Oswaldslegende pg.
74 nachgewiesen. Diese beiden leiblichen Geschwister, Oswald und
Walburg, tragen in ihrer Hand das Attribut der drei Aehren. Bruder
Oswald besitzt bei dem nach ihm benannten tiroler Dorfe eine geheiligte
Quelle, die als des Landes Jungbrunnen gilt (Zingerle, Sitten no. 936);
die Schwester Walburg spendet nebst solchen Heilquellen das besondere
Heilöl: es ist dies die Nährkraft des unter dem Einflusse des
Maienthaues sich bildenden Getreidekornes. Der Thau, der aus der Mähne
des Walkürenrosses trieft, verleiht dem Erdboden seine Lebens- und
Befruchtungsquellen; aus dem Trinkhorne bietet hierauf die Walküre
Oelrun den von ihr gebrauten Seligkeitstrank dem in den Himmel
Eingehenden. Wie war oder ist nun der Name dieses Trankes? Zum Meth
führt am Weissen Sonntag, 8 Tage nach Ostern, der altbair. Bursche sein
Mädchen, es soll sich dabei schön und stark trinken. Schmeller, Wörtb.
3, 360. Der Litthauer nennt sein Hausbier, das bei keinem häuslichen
Feste fehlen darf, Alus, das Bärtige, denn es wird aus der
grannenreichen Gerste gebraut; der Alus hat Hörner, sagt er von der
Stärke dieses Getränkes, ja Gerste bedeutet ihm überhaupt so viel wie
Getränk. Schleicher, Litthau. Märch. 1857, S. 3. 149. 160. Von der
Wirkung des Münchner Bockbieres pflegt der Baier eben dasselbe zu sagen:
der Bock hat ihn gestossen. Ob wir nun obige Walküre Oelrun in ihrem
Namen ableiten von Alarun, allwissend durch die um ihr Trinkhorn
geschrieben stehenden Runen, oder von Aelrun, die den Göttern den
Stärketrank kredenzende, so verschlägt diese doppelte Etymologie hier in
der Sache selbst nichts; Ael und Oel, beiderseits der Begriff der
Lebensnahrung, ableitend von goth. aljan lat. alere, ist hier längst in
den Eigennamen und in die bezüglichen Symbole eingedrungen. Der
Skandinavier nennt das Bier, das er im Heidenthum den Alfen opferte
(âlfablôt), heute das Engelbier: Engelöl (Mannhardt, Mythen 326). So
braut man seit Altem in England das Ale, in Rostock Oelbier (Coler,
Oeconomia lib. 2, pg. 23), in Breslau Schöps, in Wollin Bockhänger
(Klemm, Nahrung, 335), in München Bock, dessen Ausschank daselbst mit
dem 1. Mai beginnt und anzudauern hat bis Pfingsten. Er hält dorten
somit dieselben Termine ein, die kalendarisch für das Gedeihen der
Kornsaat und kirchlich für das Fliessen des Walburgisöles gegolten
haben.

Vorahnend hat Uhlands realistische Dichterphantasie den Inhalt des hier
abgeschlossnen Mythenkreises, wie folgt, umschrieben:

    Auf den Wald und auf die Wiese,
    Mit dem ersten Morgengrau,
    Träuft ein Quell vom Paradiese,
    Leiser frischer Maienthau.

    Wenn den Thau die Muschel trinket,
    Wird in ihr ein Perlenstrauss;
    Wenn er in den Eichstamm sinket,
    Werden Honigbienen draus.

    Mit dem Thau der Maienglocken
    Wäscht die Jungfrau ihr Gesicht,
    Badet sie die goldnen Locken
    Und sie glänzt vor Himmelslicht.

    Selbst ein Auge rothgeweinet
    Labt sich mit den Tropfen gern,
    Bis ihm freundlich nieder scheinet
    Thaugetränkt der Abendstern.

       *       *       *       *       *



II.

Verena mit dem Kamme,

die Kindsmutter.

       *       *       *       *       *



Erster Abschnitt.

Verena, eine Gauheilige.


Kirchliche Gestaltung und geographische Ausbreitung der Verenalegende;
ersteres bedingt durch die Legende von der Thebaischen Legion, letzteres
durch die Ausdehnung des Konstanzer Bisthums. Verena's Weihkirchen und
Altäre in der Schweiz. Ihr Doppelgrab und ihre Reliquien in Zurzach.
Mittelhochdeutsches Gedicht _von sand Verene_.

Die heidnische Verenasage wurde in ihrer Vereinsamung frühzeitig der
Kirchenlegende der Thebaischen Legion einverleibt und gewann dadurch
eine Verbriefung ihres eignen hohen Alters und ihren ersten Zusammenhang
mit der frühesten schweizerischen Kirchengeschichte. Bekanntlich ist die
Legende von der Thebaischen Legion aus Oberitalien und Savoyen her in
die Schweiz gedrungen, und hat sich von da Rhein abwärts weiter
ausgebreitet. Sie handelt von einer zu Thebae in Aegypten gestandenen
römischen Legion, welche dorten zum Christenthume übergetreten, dann
nach Italien und unter Constantius Chlorus nach Helvetien versetzt,
schliesslich zu Martinach, die Theilnahme an einem heidnischen Opfer
verweigernd, decimirt worden sein soll. Einzelne, diesem Blutbade
entronnen, gelangten an die Aare und den Rhein und erlitten hier,
unermüdlich den Christenglauben ausbreitend, gleichfalls den
Martyrertod. Wo dieses in Helvetien geschah, da sind denselben die
ältesten Stifte und Kirchen geweiht worden; so dem hl. Mauritius zu
Martinach in Wallis und zu Bern; dem Ursus und Victor zu Solothurn;
Felix, Exuperantius und Regula zu dritt in Zürich u.s.w. Die mit dieser
Soldatengeschichte ganz äusserlich vereinbarte Verenenlegende berichtet,
entkleidet ihrer märchenhaften Zuthaten, ungefähr Folgendes.

Verena, eine junge Christin zu Anfang des vierten Jahrhunderts,
begleitete jene Thebaische Legion, in welcher sie einige Verwandte
hatte, aus Afrika nach Italien und verblieb, beim Abmarsche der Truppen
nach Helvetien, zu Mailand, um sich hier der Krankenpflege gefangener
Christen zu widmen. Als sie jedoch die Kunde von dem gewaltsamen Tode
der Ihrigen vernahm, wanderte sie, um deren Gräber zu besuchen, über die
Alpen nach Martinach in Wallis und nach Solothurn. An diesem letzteren
Orte abermals die Armen und Kranken pflegend und die christliche Lehre
verbreitend, wurde sie vom römischen Statthalter in den Kerker geworfen,
jedoch wieder freigegeben, als ihr Gebet ihm Genesung von
lebensgefährlicher Krankheit erwirkt hatte. Zu neuer Uebung werkthätiger
Menschenliebe schifft sie hierauf auf der Aare nach dem Dorfe Koblenz;
begiebt sich von da in das benachbarte Zurzach, weil sie vernommen hat,
dass dorten bereits eine Christengemeinde besteht, und nimmt hier ihre
bleibende Wohnstatt. Sie besorgt als Dienstmagd, eines Priesters
Hauswesen und widmet ihre Zwischenzeit der Pflege der ausserhalb des
Ortes in einem Siechenhause sich selbst überlassnen Aussätzigen; ihnen
überbringt sie, was sie sich von ihrer eignen Nahrung abbricht, Brod und
Wein. Aber der Knecht jenes Priesters verdächtigt sie der Veruntreuung
im Haushalte. Während sie eines Tages sich wieder zu den Siechen begeben
will, tritt ihr argwöhnischer Herr unversehens hervor und stellt sie zur
Rede, der herzugeschlichene Knecht hebt den Deckel vom Krüglein, das sie
trägt. Siehe, da findet sich statt des Weines nichts als Lauge und statt
des Brodes ein Kamm, beides zur Reinigung der Kranken bestimmt. Für den
Rest ihrer Tage bezog sie eine Klause neben jenem Siechenhause und
setzte die Werke der Barmherzigkeit fort. Ueber ihrer Grabstätte ward
erst eine kleine Kapelle gebaut, nachmals wurden ihre Gebeine erhoben
und in die Zurzacher Stiftskirche versetzt. An der Hand der
Thebaer-Legende, die Anfangs des vierten Jahrhunderts spielt, wird das
Jahr von Verenas Ankunft zu Zurzach auf 323 und ihr Tod auf 344 mit
naiver Zweifellosigkeit angesetzt.

Die Thebaische Legende ist eine romanisch-katholische Sage über die
geschichtliche Thatsache, dass und wie die arianischen Burgundionen,
denen im J. 443 die Landschaft Sapaudia, d.h. die Gegend von Lyon, Genf
und Hochsavoyen, von Reichs wegen eingeräumt worden war, sich der
dortigen Römerchristen durch militärische Massen-Niedermetzelungen zu
entledigen versucht hatten. Die nachmalige Verquickung dieser Legende
mit dem hebräischen und dem antiken Sagenkreise begann der
romanisch-katholische Klerus und setzte der deutsche in
römisch-kirchlichem Interesse fort. Man lokalisirte sie daher in allen
denjenigen Städten und Stiften Deutschlands besonders, in denen zuerst
das politische und dann das kirchliche Römerthum das herrschende gewesen
war. Daher finden sich die Altäre, Reliquien und Historien der Thebäer
schon von Alters her vor in Bonn, Köln, Trier, Xanten, Mainz, Augsburg,
Regensburg, Sitten, Genf, Solothurn. Auch das kleine Zurzach war eine
solche Legionenstadt der Römer gewesen. Seit dem Jahre 1000 verfasst der
Klerus dieser Städte die sg. Weltchroniken, als deren Hauptwerk die
deutsche "Kaiserchronik" gilt, alle von den Thebäern entweder anhebend
oder zu deren Preise endigend. Dass auch die Schweiz in ihren Stiften
Tendenzchroniken dieser Art im Mittelalter besass, darüber sind
Nachweise gegeben in den Mittheill. des St. Gall. geschichtsforsch.
Vereines 1862, Heft 1. Von der hl. Verena ist jedoch in diesen Werken
noch nirgend die Rede; nicht desshalb, weil jene ursprünglich nicht zu
den Thebäern gehörte oder zu schwierig mit diesen zu vereinbaren gewesen
wäre, denn was hätte die phantastische Kühnheit dieser gelehrten Mönche
nicht mit einander verschwistert! sondern desshalb, weil Verena nur auf
alemannischem Boden ihre Giltigkeit gehabt hatte, hier als Gauheilige
nur allmählich kirchliche Anerkennung fand und in den übrigen
Kirchensprengeln unbekannt, ja förmlich ausgeschlossen blieb. Die
ritterlichen Thebäer wurden, volle 6666 Mann stark, der stummen Demuth
des barmherzigen Weibes vorgezogen. Recht auffallende örtliche
Missverhältnisse stellen dies ins Licht. Der Kirchenkalender des
Bisthums Sitten ist durchaus auf die zu Agaunum (angeblich St. Moritz in
Wallis) geschehene Enthauptung der Thebäer gegründet; allein er lässt am
1. Sept., als dem kirchlichen Gedächtnisstage, Verenas, nicht diese
feiern, sondern den hl. Egidius, der als Einsiedler die Rhonemoräste
bewohnt und urbar gemacht hatte. Das gleiche Missverhältniss findet auch
in der Diöcese Solothurn statt. Die beiden Thebäer Ursus und Victor sind
Patrone der Stadt Solothurn und werden dorten mit eignen Weihkirchen,
Prozessionen und Bruderschaften verehrt; nicht aber zugleich auch
Verena, die doch jenen beiden hieher nachgezogen war und hier unter
Verfolgungen gelebt und gewirkt hat. Zwar trägt die dortige am linken
Ufer der Aare liegende Einsiedelei noch den Namen Verenae und ist mit
einer gewölbten, von einem Eremiten gehüteten Kapelle versehen, einst
der Wohnort der Jungfrau; dennoch feiert die Solothurnische Kirche den
Verenentag nicht. Ja nicht einmal dasjenige Martyrologium; welches für
die Zurzacher Stiftsherren ursprünglich das massgebende war, enthält
Verenas Namen und Gedächtnissfest, wie dies unzweifelhaft aus des
Minoriten Paulus Schwenger Römischem Martyrologium erhellt, verbessert
von Pabst Benedictus XIV. Cöln 1753, S. 212 und Anhang S. 16. Diese
Thatsachen beweisen, dass Verenas kirchlicher Cultus überhaupt erst spät
in Aufnahme gekommen ist, dass die Heilige auf dem Gebiete von
Kleinburgund, obschon sie hier gewohnt, unbekannt geblieben und also mit
der dorten einheimischen Thebäerlegende ursprünglich gleichfalls nicht
verschwistert gewesen ist. Sie ist eine Alemannin, gehört dem Konstanzer
Sprengel an und hat erst diesem ihre kirchliche Reception zu verdanken.
Das Konstanzer bischöflich approbirte Breviar vom J. 1509 (gedruckt bei
Erhardtus Ratdolt, civis Augustensis, Calcographus) lässt die Heilige
nicht erst auf den vorhin geschilderten Umwegen, sondern gleich
anfänglich zu den Alemannen kommen und da heftig durch den Teufel
versucht werden: nam Alemanorum gens dyabolo subdita; es setzt den
Verenatag, 1. Sept., als einen doppelten Feiertag an und stellt ihm
jenen des hl. Egidius entweder nach oder verlegt diesen auf den Samstag
voran, wenn Verenatag auf einen Sonntag fiele.

Um daher zu erfahren, wie weit sich vordem der Verenacultus erstrecken
konnte, muss man die Grenzen des Konstanzer Sprengels betrachten. Das
Konstanzer Bisthum, das herkömmlicher Annahme zu Folge nach gänzlicher
Zerstörung Vindonissas, des ursprünglichen Bischofsitzes, um das Jahr
600 nach Konstanz verlegt und hier mit einer neuen Gebietsausdehnung
über einen grossen Theil Alemanniens begabt wurde, hatte den
wahrscheinlichen Zweck, die noch heidnischen Alemannen für den
Christenglauben zu gewinnen. Es war das ausgedehnteste aller Bisthümer.
Vom Gotthard reichte es über den Neckar bei Marbach und zum Kloster
Hirschau bei Calw, dreissig deutsche Meilen von Nord nach Süd, zwanzig
von Ost nach West, von Kempten bis gegen Strassburg. Vor der Reformation
zählte es 1760 Pfarrkirchen, 350 Klöster, 17,000 Priester und Mönche;
nach der Reformation war es noch immer in 66 Archidiakonate eingetheilt.
Diejenigen von letzteren, die für unsre lokale Frage belangreich, weil
im schweizerischen Theile des Bisthums gelegen sind, finden sich in Jak.
Rasslers zu Ende des 16. Jahrh. gelieferter Beschreibung genannt, es
sind folgende. Thurgau, Schaffhausen, Zürichgau, Aargau diesseits der
Aare, Luzern, Zug, Unterwalden, das Bernergebiet diesseits der Aare und
aufwärts über die Seen ins Oberhasle bis zu den Aarequellen; Uri mit
Ausnahme des Thales Urseren, das von jeher unter dem Bischof von Chur
gestanden; Schwyz, Glarus, Appenzell, der nördliche Theil des Kant. St.
Gallen mit Toggenburg, der Grafschaft Rapperswil, der March und Uznach;
ausgenommen waren hier Gaster, Sargans und das Rheinthal, als zu Chur
gehörend. Dazu zählte ferner: das Frickthal; Stadt Basel mit einem
kleinen Theile der rechtsrheinischen Landschaft; die Markgrafschaft
Baden mit dem Schwarzwalde; zwei Drittel des Herzogth. Würtemberg, die
beiden hohenzollerischen Lande, das baierische Algäu, der untere Theil
des österreich. Rheinthals nebst mehreren vorarlberg. Dekanaten und
Gotteshäusern. Dasselbe zählte in seinem schweizerischen Territorium
noch zu Anfang dieses Jahrhunderts bei einer Viertelmillion
Kommunikanten, also mit Ausschluss der Zahl der Kinder. Nüscheler,
Gotteshäuser der Schweiz, führt diejenigen schweiz. Ortskirchen an, in
denen die Heilige entweder Patronin war oder Altäre besass. Im Bisthum
Chur folgende: zu Niederurnen und Wesen (I, 139). Im Konstanzer Bisthum:
zu Kleinbasel. (II, 9), zu Gächlingen, Kt. Schaffhausen (19), zu
thurgauisch Ermatingen (52), zu Mülheim (55), Märstätten (57),
Langrickenbach (77), Wärtbühl (169), Rickenbach (172), Nesslau (182),
Wil (185), Matzingen (212), diese sämmtlich im Thurgau gelegen. Magdenau
im St. Gallerlande (97), zum Hl. Geist in der Stadt St. Gallen (127),
Ellikon und Stäfa im Kt. Zürich; Risch im Kt. Zug (Staub, der Kt. Zug
1869, S. 69). Von den übrigen im Aargau, in den Kantonen und den
deutschen Nachbarländern der Verena geweihten Kirchen, Kapellen,
Wallfahrten und Taufbrunnen wird im Verlaufe dieser Kapitel besonders
gehandelt werden; einige von ihnen werden des hohen Alters wegen
Heidenkirchen genannt und die Volkssage (Naturmythen S. 115) berichtet
von der Zurzacher, sie sei lange die einzige weitum auf beiden Ufern des
Rheines gewesen, und daher hätten zu ihren entfernt wohnenden
Kirchgängern selbst die Erdmännchen von Dangstetten im Schwarzwalde
gehört.

Uebergehend auf die Gründung und frühesten Schicksale der Zurzacher
Stiftskirche, muss voraus bemerkt werden, dass die ältesten
Stiftsurkunden in mehrfachen Feuersbrünsten und Verwüstungen verloren
gegangen und die noch vorhandenen immer noch nicht kritisch untersucht
sind. Das Stift wird im neunten Jahrhundert eine "kleine Abtei" genannt
(Neugart, C.D. 1, 427) und kommt auf folgende Weise frühzeitig an das
benachbarte Kloster Reichenau. Karl der Dicke hat auf Bitte seiner
Gemahlin Richardis, die nachmals in den Stiften Andlau und Seckingen
selber den Schleier nahm, in einer auf dem Schlosse Bodman am 14. Oct.
881 ausgestellten Urkunde Zurzach demjenigen Orte zur Einverleibung
bestimmt, in welchem einst seine Leiche begraben würde; und dieses
geschah nachmals zu Reichenau. Das Original dieser Urkunde ist längst
nicht mehr vorhanden und hat niemals auf seine Echtheit untersucht
werden können. Zwischen ihr und der nachfolgenden Urkunde, die abermals
nach Namen und Jahrzahl durchaus zweifelhaft bleibt, liegt eine ungemein
grosse Zeitlücke. Eberhard, Truchsess von Waldburg, der 48ste
Konstanzerbischof, soll im J. 1265 Stift und Marktflecken Zurzach von
Reichenau um 310 Mark Silbers angekauft haben. Inzwischen verarmte das
Kloster durch abermalige Feuersbrunst, so wie durch Krieg und Plünderung
dergestalt, dass es von den Mönchen verlassen wurde; des vorgenannten
Bischofs Nachfolger, der Habsburgergraf Rudolf II., soll es wieder
erbaut und 1279 in ein Collegiat- oder Chorherrenstift umgeändert haben,
und der auf den genannten folgende Konstanzerbischof Heinrich II. hat
1294 dem Stifte die Zurzacher Pfarrkirche incorporirt. Diese Angaben
sind zusammen entnommen: Casp. Lang, Histor.-theolog. Grundriss der
christl. Welt, 1692. Aber in diesem eben genannten Jahre 1294 werden
Chorherrnstift, Münsterkirche und Klostergebäude abermals in Asche
gelegt. Diese bis zum Ende des 13. Jahrhunderts so dürftig fliessenden
und so wenig bedeutsamen Quellen gewinnen indessen aus der ältesten
Ortslegende, deren Abfassung bis 1005 zurückgeht, einige werthvolle
Ergänzungen, die den damaligen Ort, seine Lage und Umgebung
unzweifelhaft richtig veranschaulichen. Eine dieser kleinen Erzählungen
führt sogleich auf die zwei bedeutendsten Punkte des dortigen
Verenakultus, auf die Moritzenkapelle und die Münsterkirche, damit aber
auf die Verena-Reliquien, auf deren Zahl, Bestand und Schicksal unsre
Untersuchung hernach überzugehen hat.

An jenem Rheinufer bei Zurzach, wo ehemals eine altrömische Stadt
gestanden hatte, wurde zu Ehren Verenas und der thebaischen Legion ein
Kirchlein erbaut und geweiht. Allein man liess hier aus Nachlässigkeit
das Ewige Licht ausgehen oder versäumte an den vorgeschriebnen Tagen
sogar die Messe zu singen. Da traten Warnungszeichen ein. Lichtschimmer
erfüllte Nachts die Umgegend, dass selbst der im jenseitigen Dorfe
wohnhafte Priester (in Rheinheim) ihn wahrnahm; Engelsstimmen erfüllten
die Luft mit Gesange, und wenn die Zurzacher Wächter darüber verwundert
dem Orte zueilten, fühlten sie sich wie gebannt und vermochten keinen
Schritt von der Stelle zu thun. Da kam einst der Alemannenherzog
Burchard (der zweite dieses Namens stirbt 826), in Verfolgung eines
kriegerischen Gegners begriffen, mit seinen Reisigen von jener
Uferstelle gegen die Stadt geritten, als hinter ihm vom Flusse her des
gleichen Weges strahlende Männer, im feierlichen Schritte Lieder
singend, nachrückten, die mit Kreuzen und Lichtern einen aufgebahrten
Sarg begleiteten. Plötzlich erhob sich der Zug von der Strasse in die
Luft, schwebte über das herzogliche Gefolge hinweg gegen den Flecken und
verschwand hier in dem Fenster an der Ostseite der (Marien-)Kirche, ohne
dass dasselbe offen gestanden oder nachmals eine Beschädigung gezeigt
hätte. Dieses Wunder ergriff den Herzog, unter Beistimmung seiner
Begleiter entzog er die Strasse, auf der er sich eben befand, dem
weltlichen Besitze und übergab sie der Ortskirche unter dem Namen
Wîhegazza, Heiliger Weg. Denn dies ist die Gasse gewesen, welche einst
täglich Verena gewandelt war, um den Kranken ihren Beistand zu leisten.

Diese kurze Erzählung berichtet, dass schon im 9. Jahrhundert Verenas
Reliquien von ihrer ursprünglichen Ruhestätte in der Mauritiuskapelle am
Rheinufer in die Marienkirche versetzt worden sind, die dann zur
Stiftskirche erhoben wurde, und gewährt eben damit volle Sicherheit über
den ältesten Ruheort der Heiligen, nemlich über die zehn Minuten vom
Flecken entfernte, am Zurzacher Rheinufer gelegene Aufburg. Dieser unser
Schluss wird unterstützt von dem Passionale der Würzburger Cartusia, das
bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht und 1583 gedruckt worden ist; in
diesem heisst es: "In der Nähe von Zurzach lag noch ein anderer Ort am
Ufer des Rheines mit vielen Aussätzigen und Armen." Die vorhin genannte
_Weihegasse_ eben ist es, die von Zurzach nach diesem Orte führt, da
hinaus trägt Verena den Aussätzigen Speise und Trank, dorten erbaut sie
ihre Zelle und beschliesst ihr Leben. Aufburg und Kirchlibuck heisst
hier eine nördlich vom Flecken am hohen Rheinufer liegende Häusergruppe,
lauter Ruinentrümmer der Vorburg und des Brückenkopfes der römischen
Rheinfeste Tenedo. Die Constructionen dieses Kastells hat Ferd. Keller
in den Zürch. Antiquar. Mittheill. 12, 305 beschrieben. Nebenan am
Rheinufer stehen noch fünfzehn Eichenpfähle von der römischen
Jochbrücke, etliche davon sind beim günstigen Wasserstand des Jahres
1857 gehoben worden, nicht ohne grosse Mühe, denn sie staken mit ihren
eisernen Stiefeln in einem Gusslager von Kalkmörtel. Innerhalb des
römischen Kastellgrabens liegt der Hügel Kirchlibuck mit seiner kleinen
Mauritiuskapelle, bis heute ein Eigenthum der Verena-Bruderschaft,
zugleich ein Belustigungsort der Jugend, wo stabil das österliche
Eierpicken abgehalten wird. Hieher zieht am Osterdienstage die
Prozession der Stiftsherren und der religiösen Sodalitäten; derjenige
Priester, der dabei die Predigt zum Ruhme Verenas abzuhalten hat, trägt
zugleich der Heiligen rechte Hand in einer Silberkapsel und stimmt die
Auferstehungshymne an, und wie einst es Herzog Burchards Vision voraus
erblickte, so zieht dann die Prozession psalmensingend mit dem Heilthum
wieder in die Stiftskirche zurück.

Die urkundlichen Nachrichten über specielle, in Zurzach kirchlich
verwahrte Reliquien Verenas beginnen erst mit dem J. 1347 und knüpfen
sich hier an den Namen der Königin Agnes, Alberts Tochter und Wittwe des
Ungarnkönigs Andreas. Am 2. Sept. jenes Jahres erst wird die bis dahin
seit 1294 in ihren Brandtrümmern gelegne Stiftskirche in Gegenwart der
Königin neu geweiht. Als damals bereits vorhanden gewesne Reliquien
werden genannt Verenae Leib und Haupt nebst solchen der 11,000
Jungfrauen; die Fürstin fügt Peters- und Georgsreliquien hinzu, selbst
aber verehrt und schenkt sie nachmals dem Stifte Königsfelden 1357: ein
geschlagen silberin hovpt mit sant Verenen heiltum. Argovia 5, S. 98 und
133. Bei dem höchst ungeregelten Haushalte des Stiftes wurde es zu
Zurzach Sitte, Verenas "Reliquiensärglein" in Nothfällen aus der Kirche
zu nehmen und in Privathäuser zu tragen, und der Konstanzer Bischof
Heinrich III. muss diesen Missbrauch durch ein besondres Reskript
verbieten. Nach einem abermaligen Stiftsbrande 1471 und abermaliger
Einweihung wird ein Verzeichniss der Reliquien aufgenommen, welches
nunmehr in Hubers Gesch. des Stift. Zurzach, 1869, S. 45 wörtlich
mitgetheilt steht; es ergiebt für unsere Zwecke: In der runden
vergoldeten Monstranz sind damals Partikeln Verenae enthalten; in der
grossen kupfervergoldeten Monstranz ein Zahn Verenae; in der kleinen
silbernen Monstranz gleichfalls Partikeln, im kleinen Sarkophag
(Reliquienkiste) ein Zahn Verenae; in einem Eichenkistlein Asche und
Gebein derselben; im Sarge des 1465 verstorb. Probstes Lidringer eine
Partikel vom Kruge Verenae. Alle diese Ueberbleibsel wurden zerstreut
und vernichtet, als 1529 die Kirchenreform auch in Zurzach durchgesetzt
wurde. Den Hergang schildert Heinr. Küssenberg, seit 1521 Kaplan im
benachbarten Klingnau, wir folgen hier den aus seiner Handschrift
entnommenen Notizen Hubers l.c. 74-132. Stiftskirche, Pfarrkirche,
Moritzkapelle und Verenagruft wurden ausgeräumt, in letzterer jedoch die
Reliquien, wie es das Mehr der Gemeinde-Abstimmung beschlossen hatte,
unversehrt gelassen. Nach Eröffnung der Verenagruft fand sich nichts
anderes vor als "eine kleine Truhe, ein Stücklein von Verenas Krug und
Holztrümmer von Verenas Todtenbaum". Ihre übrigen Reliquien lagen in der
Sakristei im sg. Grossen Sarg. Dieser enthielt ein in einem hölzernen
Särglein (Schrein) eingeschlossenes zweites aus Eisen, in welchem nebst
Rückgratstrümmern vier apfelgrosse Lehmkugeln waren, zusammengebacken
mit Asche und Kohle.[Nachtrag 2] Während man Sarg und Inhalt ins Feuer
warf, wurden zwei dieser Kugeln durch einen Knaben aus der Flamme
gezogen und nachher von der Frau Rechburgerin dem Landvogt nach Baden
überbracht. Von den vier Reliquienbehältern blieben unversehrt ein
kleines vergoldetes Särglein, ein grosses und der Röhrknochen eines
Armes; diese drei Stücke wurden nachmals den Chorherren wieder
zugestellt und sind noch heutigen Tages zu Zurzach, der Röhrknochen wird
seitdem für Verenas Arm gehalten. Vom Haupte der Heiligen fand sich
nichts vor. Zwar wird von katholischer Seite behauptet, der damals
flüchtig gegangene, Apostat Stiftscustos Prugker habe Haupt und Arm
Verenas mit sich nach Luzern genommen, und beides sei dem Stifte
nachmals wieder zugestellt worden; besonders der damalige Libellist Joh.
Salat zu Luzern giebt vor: "1532 kam sant Vrenen Helltum und anderes, so
geflökt worden, wider gen Zurzach." Allein in eben diesem Jahre beklagen
sich die dortigen Stiftsherren bei der Tagsatzung über die erlittene
Beraubung, deren Schaden an blossem Kirchengeräthe mindestens 5,152 Gld.
betrage, und das mit eingereichte Verzeichniss der verlornen Gegenstände
schliesst mit der Betheuerung: "das hochwürdig Helthum St. Vrenen mag
mit keim gut bezalt werden, _dess wir beroubt sin worden_." Huber l.c.
93. Unverwüstet waren allein geblieben: "Eine kupferne Hand, ist
vergült, mit St. Verena strel; an St. Verena Bild ein beschlagen
Gürteli; Silber von St. Verena köpfli (d.i. Stauf)". Von dem Haupte der
Patronin hatte das Stift Jahrhunderte lang nur eine kleine Partikel
besessen, welche in der vorhin erwähnten Lateinurkunde von 1347
doppelsinnig genannt wird: caput, auro et lapidibus pretiose decoratum,
also eben dasselbe Bruchstück, welches der Stiftspropst Joh. Huber 1869
eine kleine "köstlich eingefasste Partikel" nennt, l.c. 131. Da erscholl
im J. 1657 die Kunde, das ganze Haupt liege verwahrt im tiroler
Damenstifte zu Hall. Auf die gestellte Anfrage, wie dasselbe dorthin
gekommen, antwortete das Haller Pfarramt, dies könne man bei so
vielerlei Heilthümern in specie nicht eigentlich wissen. Durch
Vermittlung eines Jesuiten wurde es gegen andere Reliquien ausgetauscht
und 1658 feierlich in die Zurzacher Stiftskirche übertragen, wobei jener
Jesuitenpater die Festpredigt hielt. Huber l.c. 131.

Dies ist die Geschichte von den Verena-Reliquien, von welchen die
Urkunde vom 1. April 1294 (Kopp, Eidgenöss. Bünde 3, 279) zuerst
Erwähnung thut und also sich ausdrückt: ecclesia Sancte Verene in
Zvrcach, in qua preciosus thesaurus corporis et reliquiarum gloriose
virginis Sancte Verene desiderabiliter requiescit. Hier wird sie vorfrüh
eine Heilige genannt, während sie 1290, als ihr der Zürcher Scholasticus
Berthold in der Konstanzer Johanniskirche einen Altar stiftet, erst nur
eine _selige_ Jungfrau heisst. Neugart, Episc. Const. 2, 666. Von noch
andern wunderthätigen Reliquien Verenas, die ausserhalb der Schweiz
kirchlich aufbewahrt sind, wird in den folgenden Abschnitten an
geeigneter Stelle die Rede sein. Ein zu Zurzach verloren gegangenes
ferneres Alterthum ist Verenas Fingerring. Jener Priester, in dessen
Hause sie als Magd dient, hat ihr einen goldnen gesteinten Fingerring
anvertraut. Diesen stiehlt ein Bösewicht, wirft, da der Priester darnach
forscht, aus Angst das Kleinod in den Rhein und zeiht die Magd der
Untreue. Da überbringen zwei Fischer einen Salmen, in dessen Magen sich
der Ring wieder findet. Diese vielen Völkern ohnedies gemeinsame Sage
erinnert hier jeden Leser an Polykrates von Samos, dessen vorsätzlich
ins Meer geschleuderter Ring gleichfalls im Bauche des Tafelfisches
wieder zum Vorschein kommt. Allein in der samischen Sage wird er
wettweise weggeworfen, um dadurch zu erweisen, wie das damit
leichtsinnig verschleuderte Glück nur um so gehäufter zum Glückskinde
zurückkehren müsse. Ein tieferer Sinn dagegen wohnt in der Verenasage.
Die arme Dienstmagd ist durch einen misstrauischen Priester und durch
die Tücke eines Schalks in ihrem guten Rufe beeinträchtigt; waffenlos
steht das Aschenbrödel dem sie vernichtenden Gerüchte ausgesetzt. Damit
trifft man eben auf den Lieblingszug der deutschen Sage: die Unschuld
wird eine Zeit lang dem äussern Elende preisgegeben, um dadurch
schliesslich in ein um so höheres Licht empor gerückt zu werden;
schweigende Frauendemuth erweist sich am Ende stärker als die
arglistigste Bosheit.

Durch das bisher Vorgetragene ist nachfolgendes Ergebniss gewonnen. Die
Alemannin Verena ist durch die romanische Kirchenlegende dem
Heiligenkreis der fremdländischen Thebäer zugesellt worden. Ueber ihrem
ersten Grabe erbaute man dem hl. Moritz und seinen Legionären die
Kapelle zur Aufburg, über ihrer späteren Gruft die der Maria geweihte
Stiftskirche mit den Altären der Thebäer. Ihre Reliquien sogar werden
mit denjenigen der 11,000 Jungfrauen verschwistert, nur vereinbart mit
deren Reihe aufbewahrt und aufgezählt. Deutlich verräth sich dadurch die
Bemühung, Verenas Namen und Kult zu einem kirchlich gerechtfertigten zu
stempeln, indem man sie mit dem männlichen und dem weiblichen Aufgebote
hier der 6666 Thebäer und dorten mit dem des Frauenheeres der hl. Ursula
verschmolz. Jedoch die nationale Mythe ist zäher als dieser
legendenbildende Mechanismus der Kirche. Stückweise streift Verena den
ihr geliehenen Fremdschmuck wieder ab, in dem sie umgebenden
Heiligengewimmel bleibt sie isolirt, wie sie es ursprünglich gewesen,
eine in der Wildheit ihrer Waldquellen und Gebirgsströme einsam
fortwaltende Naturgöttin. Als solche macht sie sich in den nachfolgenden
Abschnitten geltend.

Das hier beginnende mittelhochdeutsche Gedicht Von sand Verene ist
enthalten in no. 2677 der Wiener Handschriften. Dorten hatte Hoffmann v.
F. es eingesehen und mit den beiden Anfangsversen citirt in seinem
Berichte über die Wien. Hdss. no. 35. 42. Das Gedicht ist seither weder
im Auszug noch sonst wie bekannt gemacht. Auf meinen Wunsch liess es
Prof. Franz Pfeiffer in Wien (gestorben 29. Mai 1868) für vorliegende
Arbeit diplomatisch getreu copieren.

    Von sand verene (roth)                             [106b]

    Verena diu edel meit,
    als, uns daz puch von ir seit.
    Die was ---- ----
    und ez quam also,
    Do der cheiser maximian                            [106c]
    furt mauricium mit im dan
    Her gen deutschen landen,
    si begunde nach im belangen
    So ser, daz si im fuor nach,
    wanne vil gerne si in sach.
    Verena was ein christenin,
    und do si quam ze meilan in,
    Die geuangen christen
    die heimpt si an den vristen
    Vnd bechlagt mit in ir not,
    dar zue si in helfe pot
    Mit trinchen und mit ezzen.
    uerena, die vermezzen,
    Si lie durch nieman daz
    durch vorhte noch durch haz,
    Swa die christen warn erslagen
    und auch da si warn begraben,
    Die staete suocht si alle tage
    mit weinen vnd mit chlage.

    Mit reinem leben was si sus
    pei einem, der hiez, maximus.
    Nu wart ir schir alda geseit,
    daz mauricij schar preit
    Durch got wer erslagen,
    daz begunde die vrowe chlagen
    Vnd wolde nicht leng'r da bestan,
    si fuor ub'r die alben dan
    Vnd ze einem wazzer si quam,
    daz ist genant aram.
    Alda vant si einen man,
    der gevlohen was chomen dan
    Der sagt ir die rechten maere,
    wie ez mauricio ergangen waer.
    Davon wolt si nicht furbaz,
    in einer chlause si da saz
    Mit chlage und mit leide.
    da warn inne reine meide,
    Der leben was also gestalt,
    si waer iunc oder alt,
    Daz si anders lebte nicht
    wan chraut, arbaiz und anders nicht,
    Des lebte si daz gantz iar;                        [106d]
    daz quam auch von ier werch dar
    Vnd des tages ein lutzel brot,
    daz man igleicher pot.
    Nu was dapei ein getwerch,
    daz verchauft den meiden ir werch
    Vnd chauft in da mit ettewaz,
    daz die samenunge gaz
    Anders lebten die vrowen nicht,
    gab man in aber immer icht,
    Des enpizzen si nimmer
    und gabens durch got immer.
    Sus was gestalt ir reines leben.
    got hat verene den geist gegeben,
    Daz man vber al daz lant
    ir leben vil rein erchant,
    Daz man sei het fur heilic gar,
    daz auch si was furwar.
    Wan got durch sei tet wunder
    mit zeihen besunder.
    Auzsetzig behaft macht si slecht,
    plint, chrump macht si gerecht.
    Solcher dinge tet si vil
    mit got auff daz zil,
    Daz man sei d'r meide muet'r nant
    weiten uber al daz lant.
    Nu was in der gegent da
    ein richter sam anderswa,
    Der het got gar verchorn.
    dem was der meide leben zorn,
    Vnd daz man ier so wol sprach;
    mit zorn er daz an ier rach,

    Wan er die vrowen vie,
    dehein gut er ier nie geschehen lie.
    Doch quam zaller zeit zu ir
    ein liechter iungelinch fir[3],
    Der pot ier guten trost,
    si wurde schir da von erlost.
    Doch vragt si in, wer er wer?
    do sprach er offenwaer,
    Er waer ir mag mauricius,
    und mit der rede alsus
    Quamen zu mauricio hin in                          [107a]
    alle die gesellen sin
    Und gruezten die vrowen schone,
    damit schieden si davon.
    Nu wart derselbe richter
    vberladen mit sichtum swer,
    Der gedacht rechte wider,
    er lief hin und viel nider
    Chlagunde für die reinen meit
    und seinen sichtvm er ir chleit.
    Doch pat si got umb in,
    der richter gie gesunt hin
    Vnd mit grozzer gedult
    bat im vergeben sein schulde.
    Daz was ysa getan,
    die magt wart do leidich lan
    Vnd gie zu iern swestern wider,
    da si got diente sider.
    Nu quamen die swest'r auch in not,
    daz si ninder heten prot
    Vnd grozzen hunger liten
    doch mit dultichleichen siten.
    Ier werches acht man nicht ein har,
    wan ez was ein hunger iar.
    Do verena die not ersach,
    zu got von himel si do sprach:
    Wan du deiner geschefte gist
    ier leibnar zu rechter frist,
    Jesu christ, du waist wol,
    wez dein gesinde leben schol.
    Do si daz vollen gesprach,
    vor der chlause man ligen sach
    Viertzig sekche mit mele vol.
    er gedacht ir not da wol,
    Wan daz prot wuchs in ier munde,
    daz si lange vñ manic stunde
    Heten da von ier leipnar,
    des lobt got die rein schar.
    Nu was verena, die genende,
    chumen an ier lebens ende,
    Vnd do si nu siech wart,
    ier andacht sich nie verchart.
    Da si vercheren scholt daz leben                   [107b]
    und den geist widergeben,
    Do quam unser vrowe dar
    mit der hymelischen schar;
    Vnd do verena sei ersach,
    zu gotes mueter si do sprach:
    Waz gernde han ich,
    daz gotes mueter siechet mich?
    Do sprach unser vrowe zu ier:
    verena, volge mir,
    Da hin, da du immer mer
    vreude hast ane ser.
    Mit der rede si verschied,
    got ir sele da beriet
    Der ewigen gnaden.
    die vrowe wart begraben
    In der chlause alda,
    die noch haizzet z'rzyaca[4][Nachtrag 3],
    Da got wol scheinen lie,
    daz er sei minte hie.
    Wand nieman wirt entwert,
    der rechter dinge an sei gert.
    Nu derhoret got dehein pet so gern,
    so daz wir seiner hulden gern,
    Dem gibt er, der die suohet,
    vil gern, swer ir geruhet
    Mit hertzen und mit andacht.
    daz wir ze hulden in werden pracht,
    Des helf uns maria
    und ir dirne uerena. amen.

       *       *       *       *       *

FUSSNOTEN:

[3] fiér, stark und stolz.

[4] zerzyaca: Zurzach.

       *       *       *       *       *



Zweiter Abschnitt.

Verena, die Müllerpatronin.

Ihre Attribute: der schwimmende Mühlstein; ihre örtlichen
Kleinkindersteine; die Müllerpatronin als Ehegöttin, der in Stein
verwandelte Brodkipf und die unerschöpflichen Mehlsäcke.
Wirthschaftsregeln am Verenentage.


Alljährlich am Verenatage lassen die Müller im aargauer Surbthale die
Mühlsteine schärfen und die Mühlbäche putzen. Denn Verena, deren
Wahrzeichen: Kamm und Krüglein, an allen Mühlen und Banngemarkungen des
Surbthales eingehauen sind, hat einst ihre dreimalige Wohnstätte an den
Strömen zu Koblenz und Zurzach aufgeschlagen gehabt und gilt hier als
die den Gang aller Wassergewerke beeinflussende Patronin der Müller,
Schiffer und Fischer. Hiefür sei ein Einzelzug vorangestellt aus der
ältesten Aufzeichnung der Verenalegende vom J. 1005 in Pertz Mon. 6,
457. Unter den Gütern, die ein Mann zu seinem Seelenheile dem Zurzacher
Stifte abzutreten gelobt hatte, befand sich eine besonders werthvolle
Mühle. Als nun den Mann hinterher die gemachte Vergabung wieder reuete,
suchte er wenigstens noch etwas an ihr zu schmälern und änderte den Lauf
des Mühlebaches, indem er ihn auf seine Landstücke zog. Allein ohne
fremdes Zuthun und ohne dass es vorher einen Tropfen geregnet hatte,
schwoll der Bach plötzlich mit Macht an, riss dem Manne das Wohnhaus weg
und trat dann wieder in sein ursprüngliches Bette zurück. Nun kam Jener
eilends zum Altar der Heiligen und gab ihr alles treulich auf, was er
ihr so unklug hatte entfremden wollen.--Ebenso bändigt sie den Gläubigen
zu lieb die verheerenden Ströme. Beim Anschwellen der Gebirgswasser
stieg einst zur Zeit der Ernte der Rhein um Zurzach zu solcher Höhe,
dass er alle Kornfluren überschwemmte. Man suchte Abhilfe durch Gebet
und Feldprozession, allein da durfte Niemand wagen, mit Kreuz und Fahne
den Fluthen zu nahen, die über die ganze Feldbreite hinstürzten. Doch in
dem Augenblicke, als man zur Prozession auszog, trat der Rhein in sein
altes Bette zurück, und schon in der Mittagssonne standen die Aehren
wieder schön aufgerichtet und wohlbehalten da, die am Morgen bereits
entwurzelt schienen. Als eine Schnittermagd, vom Garbenbinden jenseits
des Rheines heimkehrend, auf der Ueberfahrt mit dem Weidling umschlug,
hielt Verena mit der einen Hand ihr den Mund zu und führte sie mit der
andern wie durch ein Gewölbe unter den Wellen weg ans Zurzacher Ufer.
Während die Heilige noch bei Solothurn in jenem Felsenthale wohnte, das
nun in den reizenden Park der Verena-Einsiedelei umgewandelt ist, war
sie zweifacher Verfolgung ausgesetzt: in der Stadt durch den hier
gebietenden heidnischen Präfekten Hirtacus[6] und in ihrer Klause durch
den Teufel. Dieser schleuderte einen Felsen gegen ihre Wohnung, jenen
ungeheuern erratischen Block, der dorten oberhalb dem Dache der Zelle zu
sehen ist und die Krallen des Bösen eingedrückt trägt. Eine friedlichere
Wohnstatt aufsuchend, nahm sie einen Mühlstein, der an der Solothurner
Aare zur Verladung lag, fuhr auf diesem den Fluss hinab durchs Aargau,
und landete auf einer Insel beim Fischerdorfe Koblenz, in dessen Nähe
die Aare in den Rhein mündet. In der Gegend wütheten eben Seuchen, von
den Ausdünstungen eines Leichenackers herrührend, den der Strom
unterwühlt hatte; aber die Krankheit hörte auf, indem Verena Heilquellen
aus dem Boden bohrte. Das benachbarte Stift Zurzach vernahm ihre Ankunft
und beeilte sich, eine so wohlthätige Frau zu sich heim zu führen.[5]
Auch ihren Mühlstein wollte man nicht zurücklassen. Man lud ihn auf
einen Wagen und hatte ihn bis zum Koblenzer Wegkreuz gebracht. Hier aber
blieb aller Vorspann erfolglos, man war nicht im Stande Wagen oder Stein
weiter zu schaffen; doch zurück nach Koblenz zogen ihn die Rosse
mühelos, wo er nun neben der Thüre der Kapelle in der Einsenkung der
Mauer hinter einer Vergitterung aufgestellt ist, geschmückt mit dem
Schnitzbilde der Heiligen. Man misst ihm übernatürliche Kraft bei. Auch
ist das Gewölbe, das ihn verwahrt, ganz allein unversehrt geblieben, als
1795 eine Feuersbrunst Dorf und Kapelle einäscherte; es hängt voll
wächserner Füsse und Aermchen, welche die Leute opfern, wenn einem ihrer
Kinder ein Schaden heilen soll. Seither ist die Kapelle erneut und
erweitert worden und dabei die Inschrift verschwunden, die sonst über
dem Steine zu lesen stand:

    Auf diesem Stein hier aus der Aaren
    Die heilig Verena ist gefahren
    Ohne Ruder, Schiff und Schalten,
    Wie solches geglaubt die frommen Alten.

Die Koblenzer sind seitdem bewährte Fischer und Fergen, die auf den Rath
der Heiligen die Stüdlerzunft gründeten; erst vor einigen Jahren ist sie
bei Aufhebung sämmtlicher Zünfte mit eingegangen. Dieser Genossenschaft
der Laufenknechte stand ein von allen Landvögten verbrieftes Fährrecht
mit der Obliegenheit zu, sämmtliche den Rhein zwischen Zurzach und Basel
befahrende Schiffe und Güter durch die dortigen Strudel (genannt Laufen)
zu führen. Am Gewölbe der Zurzacher Stiftskirche hängt daher ein
kunstreich geschmiedetes Votivschifflein. Eine aus Tatian von Grimm
Gramm. 3, 437 angeführte ahd. Glosse lautet: _verenna_ cymba; was sonst
ahd. verscif heisst, nhd. Fähre. Graff, Sprachschatz 3, 587 citiert aus
Tatian: _mit ferennu quamun_, navigio venerunt.

Allein Verena, die Müllerpatronin, übt zugleich auch das Geschäft der
Liebesgöttin; somit ist vorerst das Einheitliche im Wesen dieses
Doppelgeschäftes hier nachzuweisen, um damit einen besondern Theil des
heidnischen Cultus zu entblössen, der im Verenacultus nachklingt. Die
Ackerbau-Terminologie wird von jeher auf die geschlechtlichen
Beziehungen übertragen, die ehliche Verbindung auf die Erdbefruchtung,
auf die Demeter. Des Mannes That heisst griechisch ackern, besäen,
besamen; das weibliche Saatfeld heisst sabinisch sporium, der ihm
Entsprossene spurius, der Ausgesäete (Bachofen, Gräbersymbolik 204). So
hat auch Mahlen und Mühle in den Sprachen erotische Bedeutung. Bei
Theokrit (4, 58) ist myllos cunus; Festkuchen dieses Namens, aus Sesam
und Honig gebacken, wurden bei den grossen Thesmophorien den Göttinnen
zu Ehren in Syrakus umhergetragen. Athenäus XIV, 647 A. Den Sinn des
griech. myllo (coire) und des Wortspiels bei Petronius: molere mulierem,
drückt unsre eigne Sprache in gleicher Weise aus. In Simrocks
Volksliedern no. 285 erwiedert die Müllerin ihrem um Einlass anpochenden
Gemahl:

    Ich steh fürwahr nicht aufe,
    Ich lass dich nicht herein;
    Ich hab die Nacht gemalen
    Mit sechs jungen Knaben.
    Davon bin ich so müd.

Der durch die Buhlin der Kraft beraubte Samson muss den Mahlstein
drehen: Richter 16, 21. Daher ist die Mühle in unsern ältesten Sagen der
Ort der Liebesabenteuer. Der Landpfleger Pilatus ist nach dem
gleichnamigen ahd. Gedichte vom rheinischen König ausserehelich mit der
Pyla erzeugt, des Müllers Atus Tochter. Ausserehlich ist Karl der
Grosse erzeugt und geboren auf der Reismühle am bair. Würmsee. Aretin,
Bair. Sag. 1803. Schöppner, Sagenb. no. 22. König Heinrich III. erbaute
Kloster Hirschau in der Nähe jener Mühle, darin er war geboren worden;
sie steht noch und gilt für eines der ältesten Gebäude in Hirschau. Vgl.
Schönhuth, Burgen Würtembergs 1, 88. Meier, Schwäb. Sag. S. 336. Ebenso
steht heute noch im würtemberger Schussenthale die Grieslemühle, in der
die eilf ausgesetzten Welfenkinder, die Ahnherren der Hohenzollern,
erzogen worden. Birlinger, Schwäb. Sag. no. 340. Aventins Chronik
berichtet, wie Herzog Ott von Baiern die Brandenburger Mark dem Kaiser
verkauft und die Kaufsumme daheim mit der hübschen Müllerin auf der
Gretelmühle lustig verzehrt. Grimm DS. no. 496. Vom Ehebruch der stolzen
Frau Müllerin erzählt alles Volkslied bis auf Göthes "Der Müllerin
Verrath". Vom Jahre 1322 bis 1802 galt zu Augsburg der Name Hahnreimühle
für eine der städtischen Mühlen. Im Mühlgraben liegt jener grosse Stein,
hinter dem die Amme die Kinder herausholt. Wolf, Ztschr. f. Myth. 3, 31.
Als alles Riesengeschlecht im Blute des erschlagnen Ymir ertrinken
musste, rettete sich der einzige Bergelmir sammt seiner Frau in einem
Mühlkasten. Myth. 426. Aber Mahlstein und Saatkorn gestalten sich dem
fortschreitenden Begriffe zum heiligen Religions- und Rechtssymbol.
Darum führen selbst die alles verleihenden Lichtgötter Apollo und Zeus
den Beinamen myleus, bei den eleusinischen Göttinnen wird ehliche Treue
beschworen, der Ceres legifera opfert die bräutliche Dido, der römische
Cerestempel diente als Gesetzesarchiv. Auf einem Mehlfasse hat die
wendische Braut zu sitzen, während sie von ihren Freundinnen zur
Hochzeit geschmückt wird. Haupt, Lausitzer Sagenb. 1, 183. In diesem
Sinne ist das Volkslied (bei Uhland 1, S. 76) von der Mühle zu
verstehen, welche reines Gold und treue Liebe mahlt:

    Dort niden in jenem Holze
    Leit sich ein Mülen stolz,
    Sie malet uns alle Morgen
    Das Silber, das rothe Gold.
    Dort hoch auf jenem Berge
    Da geht ein Mülenrad,
    Das malet nichts denn Liebe
    Die Nacht bis an den Tag.

Damit hört denn auch jene schreiende Unsinnlichkeit der Legende auf,
dass die Heiligen ihre Wasserreisen auf einem Mühlsteine machen, wie
Verena auf der Aare und der Wüstenheilige Antonius auf der Wolga. Auch
die Stadtpatronin Zürichs, zugleich die angebliche Gefährtin der
Thebäer, die hl. Regula, muss die gleiche Wunderfahrt gemacht haben,
denn ihr Mühlstein lag einst am Seeufer bei Herrliberg, da wo es
urkundlich _Im steinin Rad_ heisst. Reithard, Sag. a.d. Schweiz.--St.
Jakob von Compostella macht seine Meerfahrt in einem steinernen Troge
und landet damit zu Ira in Galizien; der hl. Quirinus, genannt Boicus,
wird mit einem Mühlstein am Halse in die Günz gestürzt und schwimmt
damit in diesem reissenden Gewässer. Rader, Bavaria Sancta 1, 23. Die
hl. Laurentia, mit einem Stein am Halse ins Meer versenkt, gieng auf dem
Wasser einher, als wäre es festes Feld. Sie wird alljährlich am 1. Okt.
in der Hauptkirche zu Ancona gefeiert, wo ihre Gebeine ruhen. Jac.
Schmid, Kleine Ehehaltenlegend 1, 86. Der Mühlstein der hl. Brigida ist
neben ihrer Kirche zu Kyldare in Schottland an der innern Klosterpforte
aufgestellt und wird bei Krankheitsfällen als wunderthätiger Heilstein
berührt. Canisius, Thesaur. Eccles. I, 414. seq. Die Flüsse und Seen
sind die Adern, durch welche die älteste Kultur in die Länder floss, und
die Mühle mit ihren Werkzeugen giebt die Bilder und Symbole her, unter
denen die Sprache diesen Vorgang bezeichnet. Bei dichtfallendem Schnee
sagt der Schwabe: das kommt durch den groben Beutel; der Franke: Müller
und Becken schlagen sich mit Säcken; der Aargauer: sie putzed (die
Himmlischen fegen das Korn), sie ritered (sieben es), der Staub flügt
(wie beim Worfeln des Ausdrusches), sie schüttid: schütten die Frucht
auf, die in dichtem Strome aus der Worfelmühle schiesst. Nach Kärntner
Volksrede entsteht der Donner dadurch, dass unser Herrgott Getreide in
den Kasten schüttet. Wolf, Ztschr. f. Myth. 3, 30. Im Liede von der
Himmelsmühle (Uhland, no. 344) knüpft Matthäus die Kornsäcke auf, Lukas
lässt reiben, Marcus schroten u.s.w. Damit steht denn auch zusammen,
dass die Mühle im alten Rechte als Freistätte gilt und ein in diesem
befriedeten Ort begangner Frevel mit dem Tode bestraft wird. Der
Schwabenspiegel bestimmt: diu müle hat ouch bezzer reht danne ander
hiuser. swer in der müle stilet korn oder mel vier phenninge wert, dem
sol man hût unde har abslahen. ist ez vier schillinge wert, man sol in
henken. Und eben daher stand auch dem Mühlstein eine besondere
Rechtsanwendung zu, auf welche Grimm RA. 935 verwiesen hat. Es findet
sich nemlich in einem alten Liede folgende Prüfung erwähnt über
Beschaffenheit und Abkunft eines noch ungebornen Kindes: Die Schwangere
steht am Ufer des Rheins, ein Mühlstein wird gerollt; fällt er rechts,
so trägt sie einen Knaben, links, ein Mädchen; geht er aber zu Grund, so
ists ein Metzenkind.--Der jungfräulichen Verena Mühlstein aber ist ein
_schwimmender_; unter ihrer Obhut steht alle rechtlich erworbene Frucht:
die auf dem Felde, in der Mühle und im Mutterschosse. Bereits sind in
der histor. Zeitschrift Argovia 3, 15 die mehrfachen örtlichen Felsen
und erratischen Blöcke des Aargaus aufgezählt, welche den Namen
Kleinkindersteine und eine dem gemässe Ortstradition an sich tragen.
Hier kommen nur die auf Verena bezüglichen in Betracht. Jener vorhin
erwähnte Felsblock in der Solothurner Verena-Einsiedelei trägt ein über
Faustgrösse ausgerundetes Loch, das man für die Spuren der Hacke der
Ammenfrau ausgiebt, die hier den Bedarf an Kindern für die Stadt
heraushackt. Wolf, Ztschr. f. Myth. 4, 1. Dasselbe gilt gleichfalls in
dem eben genannten Dorfe Koblenz vom Kalchofen, einem ofenförmig
gewölbten, isolirten Kalkfelsen am dortigen linken Rheinufer. Derselbe
Glaube herscht im Schwabenlande, weil bis dahin der Verenacultus
kirchlich gereicht hatte. Eine Felshöhle beim Bergschlosse Teck auf der
würtemberger Alb heisst Frena-Bubelinsloch und besitzt eine Sage über
zwei hier im Fels erzeugte und gross gewordne Knaben. Antiquarius des
Neckarstroms 1740, 46.

Ein fernerer auf die Korn- und Mühlengöttin hindeutender Zug ist
enthalten in dem Schicksale des Schwesternhauses, das die Heilige zu
Solothurn gegründet hatte. Es brach ein Hungerjahr ein, die Schwestern
konnten ihre Handarbeiten nicht mehr verkaufen und litten bittern
Mangel. Da geschah es, dass eines Morgens eine Reihe Säckchen Mehl von
unbekannter Hand vor die Thüre gestellt wurden und die aus diesem Mehl
gebacknen Brode wuchsen den Essenden unter dem Kauen. Im alten
Constanzer Breviar, das Erhard Ratdolt 1509 druckte, heisst es darüber:

    Dum panis victus solitus
    exhaustus fuit plenius,
    farris pastus positus
    est ad fores celitus.

Aber schon Notkers Legende (bei Canisius II, 3 Th. 170) giebt
wundersüchtig die bestimmte Zahl dieser Säcke an quadraginta sacci, und
Christoph Greuter zu Augsburg hat sie sogar in Kupfer gestochen; ein
Nachstich steht in Richters Schrift, Sigprangender Triumphwagen Verenae.
Augsb. 1736, 42. Der Notkerischen Fassung scheint unser mhd. Gedicht
(107a) nacherzählt zu sein:

    vor der clause man ligen sach
    viertzig sekche mit mele vol.
    er gedacht ir not da wol,
    wan daz prot wuchs in ier munde.

Dasselbe Wunder und, unter dem gleichen Namen unsrer Verena wird durch
Kuhns Nordd. Sag. no. 70 aus dem Bezirke von Halberstadt gemeldet. Wenn
da der Bauer zwischen Weihnachten und Dreikönig, zur Zeit der Zwölften,
sein Mehl von der Boitzenburger Mühle heimfährt, so begegnet ihm Frû
Freen und verlangt, dass er die Säcke öffne und ihren Hunden ausschütte.
Thut er dies folgsam, so findet er die Säcke wohlgefüllt des andern
Tages an derselben Wegstelle wieder. Hier ist Freens Name
zusammengefallen in den der Heidengöttin Frêa (wie Paulus Diaconus
Wodans Gemahlin nennt), welche zur Zeit der Zwölften sich an die Spitze
der Wilden Jagd stellt und unter dem Namen der alten Frick (ein
Diminutiv des Namens Freyja) mit ihren zwölf Jagdhunden das Land
durchstürmt. Der Name Frêne wird von Kuhn l.c. S. 414 und 415
ausdrücklich als um Halberstadt bestehend bestätigt, und der vierte
Abschnitt unsres vorliegenden Berichtes wird diese auffallende
Namensverwandtschaft zwischen Wodans Gemahlin und der aargauischen
Gauheiligen erläutern.

Verena ist zugleich eine der vielen Heiligen, welche abgebildet werden,
Brod und Wein überbringend. Bereits hat der spottlustige Nachbarscherz
sich dieses Zuges der Verenalegende zu seinen örtlichen Schwänken
bedient. Er erzählt, wie einst das kleine Städtchen Klingnau an der Aare
von einer Feuersbrunst so ganz zerstört worden, dass auch sämmtliche
Kirchenglocken mitverbrannten und man sich mit einer irdenen behelfen
musste, deren Schall denn nicht weit reichte. Mit dieser musste man
läuten, als die hl. Verena auf ihrer Reise nach Zurzach hier den Strom
herab gefahren kam. Kling au! rief man ärgerlich zur stummen Glocke
empor, in der Hoffnung, die Heilige werde dem Tone folgen und hier ihr
Absteigequartier nehmen. Allein diese wusste voraus, wie hier das
tägliche Brod schmeckt, und fuhr ihres Weges weiter. Seitdem gilt der
Spottreim:

    Wenig Brod und sûre Wî:
    ach Gott, wer möcht' au z'Klinglau sî!

Die Aargau. Sagen no. 491 berichten ferner, als Dienstmagd eines
Priesters in Zurzach habe sich Verena die tägliche Nahrung abgebrochen,
um die benachbart wohnenden Siechen damit zu speisen. Darüber der
Entwendung verdächtigt, tritt ihr der argwöhnische Priester plötzlich in
den Weg und untersucht. Doch der Wein in ihrem Krüglein ist nun in
Lauge, und der mitgenommene Brodkipf in einen Kamm verwandelt, beides
als zur Reinigung der Aussätzigen dienend. Daher kommt es, dass die
Bildsäulen Verenas bald Waschkanne und Kamm, bald Weinkrug und Brodkipf
in der Hand haben. Das Krüglein der Heiligen ist, wie die älteste
Aufzeichnung berichtet, ursprünglich steinern gewesen und hatte die Form
einer antiken Urne; seine Bestimmung musste damit nicht nothwendig die
des Wein- oder Waschnapfes sein, da auch das Trockengemässe vor Alters
steinern war. Das Zürcher Frauenmünsterstift berief sich 10. Christm.
1282 auf einen in seinem Kloster aufbewahrten Stein, in welchem der
Klostergründer König Ludwig das Mass eines _Kornviertels_ hatte aushauen
lassen. Geschichtsfreund 8, 19.

Hier ist Gelegenheit, eine Legenden-Parallele an der gleichfalls
unbeachteten Gestalt einer andern deutschen Gauheiligen aufzuzeigen. Es
ist dies die Kraichgauer und Tiroler Heilige Notburga, von deren Cultus
Schnezler, Bad. Sagb. 2, 587, und Zingerle, Tirol. Sitt. no, 964
berichten. Auch sie zähmte wilde Ströme, lehrte Acker- und Weinbau,
pflegte und speiste die Armen, verstand sich auf die Heilkunde, hat ihre
mehrfachen Grabkirchen und Taufbrunnen und lebt, wie die hl. Verena,
mehr in der stillen Volksverehrung als im theologischen Gedächtnisse
fort. Als Viehmagd diente sie im Tiroler Schlosse Rothenburg im untern
Innthal und hatte die Schweine zu füttern. Für jeden Armen sparte sie
sich eine Schürze voll Brod und einen Becher Weins auf; wenn aber ein
geiziger Späher sie darüber anhielt, verwandelte sich die Gabe in
Hobelscheiten und in Sautränke. Als sie auf dem Bauernhofe Eben im
Unterinnthal diente, kam dort mit ihr der alte Segen in den gesunknen
Hausstand zurück; wollte man sie jedoch über die Feierabendzeit im Felde
fortarbeiten lassen, so machte sie das Gesinderecht geltend, hob die
Sichel in die Höhe, liess sie aus und diese blieb in der Luft hängen.
Sie ist die Patronin der Dienstmägde geworden, wie sie selbst in ihrem
Geburtsdorfe Ameres als Magd gestorben ist. Vor ihren Leichenwagen
spannte man zwei weisse Stiere und liess sie gehen, wohin sie wollten.
Als sie an den brückenlosen Inn kamen, wich der Fluss zurück und liess
Wagen und Leichengefolge trocknen Fusses hinüberschreiten. Jenseits auf
dem Ebenberge, wo die Stiere anhielten, begrub man die Jungfrau und
errichtete eine Kapelle über dem Grabe, die seit 1434 zur
Wallfahrtskirche vergrössert wurde. Auch ihre ehemalige Magdkammer im
Schlosse Rothenburg ist in eine Kapelle umgebaut worden. Panzer, BS. 2,
no. 62. Als Notburga ins Kraichgau kam, überschwamm sie auf einem
schneeweissen Hirschen den Neckar und verbarg sich in einer Höhle, die
beim würtemberger Dorfe Hochhausen gezeigt wird. Vom Schlosse Hornberg
her überbrachte ihr der Hirsch täglich das Brod, ans Geweih gespiesst,
und mit seinem Geweih schaufelte er der Sterbenden ihr Grab. Jetzt noch
zeigen die Kraichgauer übers Feld hin den Weg, welchen das treue Thier
einschlug. Ueber die hl. Rategundis von bair. Wolfratshausen berichtet
Jac. Schmid, Leben hl. Hirten und Bauern (Augsb. 1750) 3, 16, als
Dienstmagd auf dem Schlosse Wellenburg bei Augsburg habe sie Milch und
Butter von ihrer täglichen Kost sich abgespart und den Aussätzigen des
nächsten Siechenhauses zugetragen; als der argwöhnische Schlossherr sie
auf dem Wege dahin betraf und untersuchte, verwandelte sich Butter und
Milch in ihrer Schürze in einen Strehl und in warme Lauge.

Zum Schlosse folgen einige obrigkeitliche Vorschriften und
landwirthschaftliche Regeln, die sich an den 1. September als den
Verenatag knüpften.

Der Verenatag begann den Herbst und war damit ein allgemeiner Zins-,
Frist- und Verfalltag. Das Schwyzer Landbuch (ed. Kothing, S. 76)
verbietet im J. 1519, "dass man vor sant Frenentag kein Murmotten
(Murmelthier), weder alt noch jung, fachen soll." Mit diesem Tage geht
noch im Kanton die gebannt gewesene Jagd wieder auf. In den V
Gerichtsbezirken des Altaargaus (Zofingen, Aarau, Kulm, Lenzburg und
Brugg) galt die Berner Gerichtssatzung und mit ihr also auch derselbe
Gerichts-Stillstand, Gerichts-Ferien. Eine dieser fünf "geschlossnen
Zeiten" dauerte acht Tage vor dem ersten Sonntag vor Verenentag bis acht
Tage nach dem auf Verena nächstfolgenden Sonntag. Die Berner Obrigkeit
hat im J. 1595 in Folge der Kirchenreformation vier jährliche
Communionszeiten und darunter die letzte auf den Verenentag angesetzt.
Polizeibuch der Stadt Bern, ad ann. 1655.--Das "Verzeichnuss der Statt
Aarow-Ordnungen und Breuch" von 1688 (Aarau. Stadtarchiv) setzt fol. 86
die obrigkeitlichen Visitationen der Weinkeller alljährlich auf Verena
und Martini an.

Von den Bauernregeln über die Witterung am 1. September sind unter
unserer Landbevölkerung folgende üblich.

Wenn's Vreneli z'morndes s'Chrüegli ûsleert, draejet, löset, umg'heiet,
brünnelet--und z'Abig s'Chitteli wider tröchnet, denn isch guet; denn
solch ein richtiger Witterungswechsel ist der Aussaat des Kornes und der
Keimung des Samens besonders günstig. Wenn es an Verena schön Wetter
war, so erzählen die Bauern im Frickthaler Dorfe Gansingen, so sassen
unsre Leute am Tische und assen ruhig ihr Vesperbrod; wenn es aber
regnete, so hiengen sie den Kornsack an und standen zum Säen hinaus.
Wenns a d'Verena regnet, muess de Bu'rsma s'Brod unter de Arm neh; wenn
aber nit, so chan er's frölich hinter'm Tisch esse. Der Solothurner
Bauer muss, wenn Verena Regen bringt, Tag und Nacht zu Acker fahren und
sein Brodsäcklein, das Zimmis-chörbli, worin der Abendimbiss ist, mit
ans Kummetscheit henken, ans Jochholz am Kummetkopf. Illustrirte Schweiz
1862, 259.--

Verenatag günnt d'Stiel ab jedem Hag; denn an diesem Tage, heisst es,
ist alles Obst reif und der Fruchtstiel abgetrocknet; ist es aber ein
strenger Regentag, so fault das Obst hernach auf den Hurden.

A d'Vrenetag got der Chabis uf e Rôt; der Krautskopf berathet sich, ob
er von diesem Tage an noch wachsen wolle; nimmt er nicht zu, so ist er
daheim geblieben und nicht mit in Rath gegangen. Vrein am Rain trägt s'
Abendbrod heim: das Vesperbrod wird von dieser Zeit an nicht mehr aufs
Feld gebracht, s' Vreneli zündt a, und s' Mareili löscht ab: die
Hausarbeiten bei Licht, die Kiltabende und Liebesnächte begannen mit 1.
Sept.; mit Mariae Verkündigung, 25. März, giengen sie wieder zu Ende.
Heute aber beginnen die Lichtarbeiten gewöhnlich erst mit 2. Nov. und
schliessen mit dem Josephstag, 19. März.

       *       *       *       *       *

FUSSNOTEN:

[5]

    A Solodoro igitur
    discedens proficiscitur,
    ubi Rhenus labitur,
    Zurziacham graditur.

Verena-Hymnus im Constanzer Breviarium von 1509, gedr. bei Eberhardus
Ratdolt.

[6] Diabolus quendam tyrannum sub potestate Romani nominis inflammavit,
sagt die Originallegende; erst später wird der Name Hirtacus dazu
gefügt. Auch das mhd. Gedicht nennt ihn einfach Richter.

       *       *       *       *       *



Dritter Abschnitt.

Verena, die Geburtshelferin.


Ihre örtlichen Kleinkinderbrunnen, Taufbrunnen und Wasserkirchen; die
ihr geopferten Mädchen- und Brautkränze; ihr Geburtsgürtel, Haarkamm und
Waschkrug; ihre örtlichen und kirchlichen Heilquellen. Gesundheitsregeln
am Verenentage. Mythische Nachklänge von der Gewitterriesin: das
Vrenelisgärtli am Glärnisch u.s.w.

Wir beginnen mit dem Kindersegen, welchen die Heilige verleiht, und
stellen hiefür diejenigen Erzählungen voran, welche der ältesten
zwischen die Jahre 1005 bis 1032 fallenden Aufzeichnung der
Verenalegende (bei Pertz 6, 457) angehören. Diese von G. Waitz
nachgewiesene Zeitbestimmung gilt namentlich auch für diejenigen
Thatsachen, über welche der Verfasser jener Bruchstücke entweder als
Augenzeuge berichtet, oder die er an bekanntere Herschernamen jener
Periode anknüpft.

Der Burgundenherzog Konrad war mit seinem Eheweibe Machthilde lange
kinderlos geblieben. Sie wallfahrteten endlich nach Zurzach ins
Verenenstift, beteten hier und vertheilten reichliches Almosen, und in
der ersten Nacht nach der Heimkehr empfieng die Herzogin einen
Thronfolger.

Heriman, der zweite Alemannenherzog dieses Namens (997), hatte Gerbirga
geehlichet, des vorhin erwähnten Burgundenherzogs Konrad Tochter, und
obwohl schon mehrere Töchter, doch noch keinen Sohn bekommen. Sobald
aber die Eltern zum Grabe Verenas wallten, wurden sie auch mit einem
solchen beglückt. Dieser war, wie Casp. Lang beifügt (Histor. theol.
Grundriss der christl. Welt 1692. 1, 477), Herman III., der indess nicht
zu seinen Jahren kam und schon 1012 wieder starb.

Reginlinda, des Alemannenherzogs Burkhard II. Wittwe, lebte in zweiter
Ehe mit dem Herzog Heriman, der jenem Burkhard 826 in der Regierung
nachgefolgt war. Zu gleichem Zwecke, wie die Vorigen, machten die beiden
Neugetrauten einen Kirchgang nach Zurzach und übernachteten daselbst im
Stifte. Hier träumte Reginlinda von der Empfängniss, die sie sich
wünschte, und gebar darauf die Tochter Ida, die nachmals Liudolf, Kaiser
Ottos I. Sohn, zum Weibe nahm.

Eine adelige Frau im Elsass hatte früherhin in kinderloser Ehe gelebt,
hierauf sich zur hl. Odilia verlobt und dann drei Töchter bekommen.
Durch die hl. Verena hingegen erhielt sie erst noch Zwillingssöhne, denn
diese Heilige besonders ist es, welche die Eltern mit Mädchen und Knaben
begnadet. So war ein kinderloser Frankengraf öfters von den Zurzacher
Stiftsherren eingeladen worden, er möchte sich zu ihnen begeben, die
Heilige anflehen und ihr einen wenn noch so geringen Theil seines
Reichthums opfern, dafür werde er seinen Wunsch nach Söhnen erfüllt
sehen. Jedoch er spottete mit seiner Frau dieses Rathes. Was sollen uns
diese Pfaffen helfen? pflegte er zu sagen, sind sie nicht selbst die
Unvermögenden und an Mannesart die Allerletzten? Darauf wurde sein Weib
vom Blitz erschlagen und er starb hin ohne Leibeserben.

Ein Höriger des Stiftes hatte ein an Abkunft ihm gleiches Weib
geheiratet, allein von dem Erbe, das ihnen beiden mehrfach zufiel,
entrichteten sie dem Stifte nicht nur keinerlei Zins, sondern sie
liessen sich auch in allerlei Schmähungen über derlei Pflichtigkeiten
aus und machten sich sammt ihren Kindern zuletzt ganz aus der Gegend
fort. Dafür starben er und sein Weib eines jähen Todes, und seine
Nachkommenschaft, die jetzt noch unter uns lebt, leidet durchgängig an
Gliederlähmung.

So viel erzählen die ältesten Aufzeichnungen der Legende über den durch
Verena gespendeten Ehesegen; nicht besonders mit erwähnt aber ist, dass
derselbe herstammt aus der in dortiger Stiftskirche fliessenden
Heilquelle. Man steigt zu ihr durch die Sakristei auf mehreren Stufen
hinab und schöpft das Wasser mit einem bereit stehenden Zieheimer; es
wird flaschenweise heimgetragen und als Waschmittel gegen Haut- und
Augenübel gebraucht, Kindbetterinnen soll es besonders dienlich sein;
auch das Abgestandene wird noch auf das Krautfeld gesprengt und vertilgt
das Ungeziefer. Von diesem Umstande scheint nachfolgende Ortssage zu
handeln, die man der Mittheilung des Kandidaten E. Schmid von Zurzach,
gestorben zu Heidelberg, verdankt.

Eine Zurzacher Frau war Wöchnerin und schickte ihren Mann bei Nacht in
das Städtchen Klingnau hinüber, um eine Ammenfrau herbeizuholen, deren
es im damaligen Dorfe Zurzach noch keine gab. Der Weg dahin geht
stundenweit über den sehr wilden, 700 F. hohen Achenberg. Auf engen
Felsentreppen ersteigt man die letzte Höhe zum Rothen Kreuz, einer
einzelnen Station der hier errichteten Wallfahrt zur Schmerzhaften
Mutter Gottes. Diese Stelle ist jedoch ein gefürchteter Spukort. Wer
seine hierher angelobte Wallfahrt zu thun versäumt hat, muss nach dem
Tode hier umgehen; davon kommen die feurigen Männer her, die man ein
knarrendes Wägelchen über die Waldwipfel hinfahren sieht, oder die ledig
laufenden Rosse, die sich vom Begegnenden an das Halstuch binden
lassen, dann aber zu einer Grösse anschwellen, dass weder Tuch noch Hand
mehr zu ihnen emporreicht. Als der ausgeschickte Mann diese ihm sonst
wohlbekannte Höhe erreichte, soll, wie man berichtet, dichtes Gebüsch
ihm den Durchweg versperrt haben, so dass er verirrte und statt nach
Klingnau an die Aare hinab, weitab bis zu deren Mündung in den Rhein
gerieth. Denn am andern Morgen fanden ihn Schiffer des Dorfes Koblenz
oberhalb des dortigen Laufen, eines Rheinstrudels, todt am Ufer. Diese
Erzählung scheint ein Fingerzeig zu sein, dass man die Geburtshülfe
zunächst bei der Heiligen in Zurzach selbst, und nicht in dem fremden
Aarthale zu Klingnau hätte suchen sollen. Denn dafür eben fliesst in der
Zurzacher Stiftskirche jener heilkräftige Brunnen. Die hier
hinabsteigenden Wallfahrer dürfen sich einen Krug voll unentgeltlich
schöpfen, dagegen erkaufen sie sich das Oel aus der hier brennenden
Gruftlampe und wenden es daheim gegen Augenübel an; letzteres ein Brauch
aus der frühesten Zeit des Christenthums, dem schon Gregorius von
Nazianz das Wort redet. So heilte Oel, aus der Kirchenlampe zu. St.
Gallen geholt, gleichfalls kranke Augen. Casp. Lang, Theol. histor.
Grundriss (1692) 1, 513. 1036. Ein gleiches Mirakel ist in der
Gertrudislegende erzählt, A. SS. sec. II, pg. 470: Ein blindes Eheweib
wird von ihrem Gemahl ans Gertrudengrab in der Nivellerkirche geführt
und kommt hier zufällig unter eine der Kirchenlampen zu stehen, welche
trieft und des Weibes Mantel beschüttet. Die Umstehenden nehmen daraus
Anlass, der Blinden Augen damit zu bestreichen, und diese wird dadurch
auf der Stelle sehend.

Noch einen solchen Brunnen von gleichfalls befruchtender Wirkung besitzt
die Heilige in den Bädern der Stadt Baden. Dies ist das Verenabad, das
von je her ein Freibad gewesen war, dessen sich Arme und Presthafte
unentgeltlich bedienen konnten. Vormals lag es unter offnem Himmel;
nunmehr hat es Einwandung und Bedachung; in seinem unmittelbar über der
Quelle gebauten Bassin finden gegen hundert geduldige Menschen zusammen
Platz, die aus allen Kantonen auf Staatskosten hieher geschickt werden.

Der heisse Sprudel tritt unmittelbar aus dem Boden ins Bassin durch eine
Oeffnung, welche das Verenenloch heisst. Daran steht eine Steinsäule
errichtet mit der holzgeschnitzten bemalten Figur der Heiligen. Junge
Ehefrauen, die sich nach einem Erben sehnen, verschaffen sich hier des
Nachts, wenn das verbrauchte Wasser abgeflossen ist, durch den
Bademeister heimlich Zutritt; sie senken ein Bein in die Röhre hinab,
durch die der Sprudel emporwallt, lassen es recht durchwärmen und sind
der sicheren Hoffnung, dieses Verfahren helfe zur baldigen Erfüllung
ihrer mütterlichen Wünsche. Das Alter dieses Frauenbrauches erhellt aus
der 1578 zu Basel erschienenen, von Dr. Heinrich Pantaleon verfassten
"Wahrhaftigen und fleissigen Beschreibung der uralten Statt und
Graveschafft Baden, sampt ihren heilsamen warmen Wildbedern, so in dem
Ergöw gelegen"; hier heisst es auf S. 73: "Es ist aber hie ein
abergleubischer Won vorhanden. Dann es vermeinen hie jren vil, wann ein
unfruchtbare Fraw darinnen bade, vñ ein fuoss in dz loch stosse, da dz
wasser herfür quillet, es werde St. Verena bey Gott erwerben, dz sie
fruchtbar werde."--Dass dieser Wahn vormals ein weit verbreiteter
gewesen, lernt man aus Lynker, Hess. Sag. S. 17 kennen, wo es heisst vom
Teich der Frau Holle: "Frauen, die zu ihr in den Brunnen steigen, macht
sie gesund und fruchtbar, denn eben aus ihm kommen auch die neugebornen
Kinder." Diese mütterliche Göttin Holda gleicht also vollkommen der von
den Albanesen verehrten Geburtsgöttin Ora, einem Wünschelweibe, vermöge
deren Macht das Kind genau in derjenigen Gestalt geboren wird, in der es
gewünscht worden ist. Hahn, Griechisch-albanes. Märch. 1, S. 37. Holda
hütet die Seelen der Ungebornen unter dem Spiegel der Brunnen, übergiebt
sie als Fröschlein und Fischlein dem Seelenbringer Storch für die
gebärenden Mütter, damit sie ins leibliche Dasein eingehen können, und
nimmt die unmündig wieder Hinsterbenden abermals zu sich in die
kristallne Tiefe. Daher stammt die allverbreitete, überall lokalisirte
Sage von den Kinderbrunnen, wo die Kleinen um die Mutter Gottes spielend
herumsitzen und mit Honig und Erdbeeren aufgenährt werden. Schon
altdeutsche Dichter bedienten sich dieser Vorstellung zum Preise der
geheimnissvollen Geburt Jesu durch die hl. Jungfrau; so um 1260 der
Dominikanermönch Eberhart von Sax, der von der Mutter Gottes sagt:

    du bist der gezeichent brunne,
    darin schein diu lebendiu sunne.

Und Nachklänge solcher Gleichnisse leben im Kinderreim vom Storch fort:

    Storch--Storch--Steine,
    Mit dem langen Beine,
    Mit dem kurzen Knie:
    Jungfrau Marie
    Hat ein Kind gefunden
    In dem goldnen Brunnen.
    Wer solls (aus der Taufe) heben?
    Der Gothe und die Göthen.

Am Queckbrunnen zu Dresden stand schon 1312 ein Marienbild; jetzt ziert
ihn ein fliegender Storch, der sowohl im Schnabel, als auch in den
Fängen und zudem auf jedem Flügel je ein Wickelkind trägt. Dieses Wasser
macht unfruchtbare Frauen zu gesegneten Kindsmüttern. Schäfer,
Städtewahrzeichen 1, 120. Zu den in den Aargau. Sagen 1, S. 17 bereits
verzeichneten schweiz. Kleinkinderbrunnen lassen sich nachträglich noch
folgende aargauische anführen. In der Stadt Aarau war es bis zum Jahre
1812 obrigkeitlich festgesetzt gewesen, den Stadtbach alljährlich am
Verenatag abschlagen zu lassen. Da man der Annahme zufolge aus seinen
Brunnenstuben den Säuglingsvorrath holte, so steht dieser
Kleinkinderbach noch immer in besonderer Geltung. Sobald man nun den
abgestellten Bach eines Abends wieder anlaufen lässt, zieht ihm die
gesammte Stadtjugend unter Fackelschein mit laubumflochtnen Stäben
entgegen und ruft zum Takte der wirbelnden Knabentrommeln:

    Der Bach chunnt, der Bach chunnt:
    Sind mini Buebe-n-alli gsund?
    Jo jo jo!

    Der Bach ist cho, der Bach ist cho:
    Sind mini Buebe-n-alli do?
    Jo jo jo!

In der Stadt Rheinfelden holt man das neue Schwesterlein aus der
dortigen Brunnenstube; im benachbarten Laufenburg aus dem Stinkenden
Brünnli (über Gipslager ablaufend), am Fusse des Ebenberges; in
Oberfrick aus dem altverschütteten Spagenbrunn, im Dorfe Küttigen aus
dem Stampfelgraben des dortigen Mühlbaches, im Dorfe Koblenz aus der die
Gemeindegrenze bildenden Quelle. Zu den gleichbedeutenden in der übrigen
Schweiz gehören folgende: der Waldweiher Dreibrunnen in der
toggenburgischen Stadt Wyl (Sailer, Chronik von Wyl 1, 123); der
Dorfbach mit seinem Findlingsblock zu Aegeri im Kt. Zug; der Stempbach
in Stans, und der Seltenbach in luzernisch Escholzmatt, der noch dadurch
bemerkenswerth ist, dass er den Namen der deutschen Glücksgöttin Frau
Saelde trägt. Lütolf, Fünfort. Sag, S, 550.

Solcherlei Quellen mit altheidnischem Cultus mussten von den Bekehrern
entweder diabolisirt oder, wenn es die Umstände erlaubten, in
Taufbrunnen mit Taufkirchen umgewandelt werden. Der hl. Remaclus
vertrieb den Teufel aus einem Brunnen, in welchem er sich hatte huldigen
lassen (Schmitz, Eiflersag. 2, pag. 114), und macht nun auch jene Weiber
fruchtbar, die sich in die Fusstapfe hinein stellen, welche bei der
Quelle Groossbek zu Spaa seinen Namen trägt. Wulf, Ndl. Sag. S. 227.
Dass dieser vertriebne Brunnenteufel ein heidnisches Wasserweib gewesen
sein musste, erklärt uns die Kirche ausdrücklich. Abt Tritheim
beantwortet dem Kaiser Maximilian I. im J. 1508 achterlei Fragen über
die Geisterwelt (Liber octo questionum. Oppenheim, Joh. Hasselberg 1515,
20. Sept.) und entwickelt dabei über die Wassernixen folgende Theorie.
"Die in Seen und Flüssen hausenden Geister sind wie des Wassers Ungestüm
trügerisch, reizbar und grausam. Wollen sie sich sichtbar machen, so
erscheinen sie, wie es die Weichlichkeit des ihnen zur Wohnstatt
gegebnen feuchten Elementes bedingt, in Frauengestalt. Wie daher schon
das Alterthum den Najaden, Nereiden und Nymphen durchgehends weibliches
Geschlecht gab, so nennt sie auch unser Volksmund _Wasserfrawen_. Diese
lassen sich an Flüssen und Quellen blicken, kämmen ihr langes
Frauenhaar, reden die Menschen an und ziehen sie in ihre Spiele. Die
Heiligen und die Engel jedoch, deren Gemüthszustand unwandelbar ist,
nehmen insgesammt keine andere Erscheinungsweise an als die männliche,
und niemals ist davon zu lesen, dass ein reiner Geist sich in
Weibesgestalt gezeigt habe."--Die gegentheilige Anschauung greift aber
Platz, wenn die Kirche Ursache hat, gegen die heidnisch verehrte Quelle
tolerant zu sein; alsdann heisst es: Wer in eine Quelle spuckt, speit
dem lieben Gott ins Gesicht; und daher rührt es, dass in unsren an
Quellen, Strömen und Seen so reichen oberdeutschen Landschaften die
geschichtlich ältesten Christentempel Wasserkirchen heissen und sind.
Die zürcherische dieses Namens ist rings von den Seewellen umspült und
in ihrer Unterkirche fliesst das Heiligbrünnlein. Wasserkirchen sind
ferner diejenigen zu Konstanz, Lindau, Wettingen, Reichenau und Rheinau.
Auf der Rheininsel zu Säckingen siedelt sich der hl. Fridolin an, auf
derjenigen bei Stein wird der hl. Otmar begraben. Alle diese Orte sind
altchristliche Niederlassungen, theils schon aus der römischen, theils
aus der merowingischen Periode. Ufnau, des Zürchersees grösste Insel,
deren Kirche 1140 geweiht wurde und Mutterkirche war für einen grossen
Theil der Weiler und Höfe am untern See, war schon zur Zeit der irischen
Apostel ein Sitz des Christenthums. Diese Kirche sowohl wie auch die am
gegenüberliegenden Ufer zu Stäfa war der hl. Verena geweiht. Schweiz.
Anz. f. Gesch. 1859, 39. In der Stadt Zürich bestand bis zur Reformation
das kleine Nonnenkloster der Schwestern von Konstanz, welches hiess zu
_St. Verena in Brunngassen_; es wurde 1551 von dem berühmten Buchdrucker
Christoph Froschauer angekauft und heisst bis heute zur Froschau.

Beschert Verena die Kinder, so muss sie nothwendig auch die Schirmvögtin
der Ehebündnisse sein, und wir sehen dies deutlich aus den ihr kirchlich
geopferten Gegenständen, vornemlich den Brautkrönlein. Die katholischen
Landmädchen zwischen der untern Aare und dem Rheine tragen bei besondern
kirchlichen oder weltlichen Festanlässen den krönleinartigen Kopfschmuck
der Tschäppelein, chapelet. Er besteht aus einem mit Seidenblumen und
Goldflintern reich umsponnenen Drahtgeflechte, das sich sanft über den
Scheitel hin wölbt, oder statt dessen ist es auch ein kleines
Sammtkäppchen, oben napfförmig abgerundet und mit Korallen gestickt; es
ist so winzig, dass es oben mittels eines Seidenfadens über das Haar
gebunden werden muss. Ist nun in der Landschaft von Leuggern, das
Kirchspiel genannt, ein Mädchen getraut, so hat sie ans Verenagrab nach
Zurzach zu wallfahrten und hier am Grabgitter ihr Tschäppelein zum Opfer
aufzuhängen; es ist ein Dank dafür, unter die Haube gekommen zu sein.
Erscheinen dann im Herbste die Züge der übrigen Wallfahrerinnen, so
nehmen sie ein solches Brautkränzchen vom Gitter und setzen es während
ihres Gebetes selbst auf. Ein so grosser Vorrath von Käppchen häuft sich
hier an, dass man die veralteten darunter alljährlich am Charsamstag
abnimmt und in dem Osterfeuer, das vor der Kirche angezündet wird,
mitverbrennt. Etwas Aehnliches besteht auch im Fischerdorfe Koblenz, in
dessen Kapelle jener Mühlstein verwahrt liegt, auf dem Verena von
Solothurn auf der Aare hieher gefahren sein soll. Wird nun hier nach
alter Gepflogenheit alljährlich im Frühling der Gemeindebann von Jung
und Alt umschritten, so dürfen bei diesem Männergeschäfte die Mädchen
allein sich nicht mit anschliessen, sie sollen vielmehr die Krapfen für
die Heimkehrenden indess fertig backen. Alsdann aber brechen sie sich
Feldblumen und flechten in die Wette Kränze daraus ins Haar, die
gleichfalls Schäppeli heissen, tragen diese zur Dorfkapelle und
überhängen damit die Horizontalstäbe des Eisengitters, hinter welchem
Verenas Mühlstein geborgen liegt. Der Heiligen Schnitzbild, drei Fuss
hoch und bemalt, steht auf diesem Stein. Zum Schlusse erscheint der
Sigrist, setzt den schönsten der geopferten Kränze der Heiligen aufs
Haupt und schmückt mit den übrigen den Grundstein.

Unter den wenigen Reliquien Verenas, von denen man überhaupt Kunde hat,
ist es gerade ihr Gürtel, der sie als eine die Ehen und Geburten
beschirmende Heilige aufs deutlichste bezeichnet. Dieser war in dem
ehemaligen schwäbischen Reichsstifte Roth verwahrt, einem mit regulirten
Chorherrn besetzt gewesnen Gotteshause. Die Frage, wie er aus dem
entlegnen Zurzach bis dahin kommen konnte, beantwortet sich aus der
Grösse und Ausdehnung des ehemaligen Bisthums Konstanz, das wirklich bis
über den Neckar bei Marbach reichte. Dieser Gürtel, schreibt Richter
(Sigprangender Triumphwagen Verenae, Augsburg 1736, pg. 42 und 81), wird
nach allgemeinem Brauche den Frauen bei schweren Geburten gebracht. Des
römischen Kaisers Rudolf Sohn, Herzog Johannes, Landgraf in Elsass, ist
so durch Verenas vielvermögenden Beistand zur Welt geboren worden.

Hier folgt eine Reihe von Heilquellen, die im Aargau und dessen
Nachbarlandschaften unter Verenas Namen altverehrt sind.

Der Fussweg vom Rheinflecken Zurzach in das Städtchen Klingnau an der
Aare führt über den Achenberg. Auf der Hochebene dieses beträchtlichen
Bergzuges steht umgeben von tiefen Waldungen ein Bauernhof mit alter
Wirthschaftsgerechtsame, benachbart eine durch den Bischof Sigismund von
Konstanz 1062 eingeweihte Kapelle sammt Wallfahrt zur Schmerzhaften
Mutter Gottes. Jeden Samstag wird hier Messe gelesen, im Monat Mai eine
Feldprozession und ein Jahrmarkt abgehalten. Die günstige Jahreszeit,
des Berges wilde Schönheit mit seiner erstaunlichen Fernsicht ins Hegau
und Klettgau hinüber, die Wunderthätigkeit des Ortes und der den
andächtigen Besuchern gewährte päpstliche Ablass führt alsdann
zahlreiche Schaaren des Landvolkes aus dem Elsass und Schwarzwald hier
zusammen. Man kocht im Freien ab und lagert des Nachts um hohe Feuer.
Doch kein Wallfahrer verlässt den Berg, ohne nicht über eine in Felsen
gehauene Treppe zu der Schlucht beim Rothen Kreuz hinab zu steigen, wo
die Wegscheide in das Aarthal hingeht. Hier trinkt er am wunderthätigen
Verenabrünnlein und lässt auch für seine Kranken daheim ein Krüglein
voll anlaufen. Ueber diese Waldquelle geht folgende Sage.

Zur Zeit der ehemaligen Zurzacher Herbstmesse, die auf den 1. September
als den Festtag Verenae fiel und der Schliessmarkt hiess, kam ein wenig
bemittelter Mann aus dem Städtchen Klingnau hier bergan gestiegen in der
Absicht, seinen Kindern so wohlfeile Winterschuhe einzukaufen, als sie
auf jener berühmten Ledermesse Zurzachs zu haben waren. Das Geld aber,
das ihm dazu nicht ausreichte, hoffte er bei ein paar gutherzigen Leuten
daselbst vielleicht geliehen zu bekommen. In solchen unsichern
Betrachtungen erreichte er das Verenabrünnlein, traf hier einen ihn
freundlich anredenden Mann und theilte ihm seine heutige Absicht mit.
Der Unbekannte verwies ihn an die Bergquelle. "Schon mancher Andere,
sagte er, hat in deiner Lage hier die leere Hand in den Wassersprung
gesteckt und sie gefüllt herausgezogen; aber die Bedingung bleibt dabei,
dass man nicht vorwitzig nach oben schaue." Mit diesen Worten gieng der
Fremde seines Weges und der arme Mann hinab zur Quelle. Hier stand
wirklich ein Kistchen voll Geld, und so viel er mit zwei Händen fassen
konnte, nahm er sogleich heraus. Aber jenes Unbekannten Wort, Schau
nicht nach oben! kam ihm jetzt gar zu wunderlich vor; noch vor dem
Kistchen knieend, wendete er mit blinzelnder Neugier das Gesicht auf,
und ach! da hieng gerade über seinem Kopfe gewaltig sausend ein
umrollender Mühlstein. Eilends entsprang der Mann den Weg zurück nach
Klingnau, hatte seine Hand voll Geld auf den Bergmatten verstreut,
musste sich daheim zu Bette legen und soll bald hernach an einem
Zehrfieber gestorben sein.

Was soll hier dieser Mühlstein wohl besagen? Hinter ihm schwebt die
Müllerpatronin Verena und will in ihrer Mildthätigkeit nicht gesehen
sein. Es ist dies zwar ein öfters sich wiederholender Sagenzug, siehe
Aargau. Sag. no. 173; allein gerade auf die hl. Verena bezogen, findet
er sich auch im Luzernerlande wieder. Eine Dienstmagd aus dem Dorfe
Büttisholz im Entlebuch berichtet uns, dass in ihrer Pfarrkirche Verena
die erwählte Patronin sei. Man zeigt dorten mitten im Felde der
Gemeindemark eine Bodenvertiefung, in welcher sonst eine Quelle
entsprang Namens Goldloch und Verenaloch. Man schrieb derselben die
gleiche befruchtende Wirkung zu wie dem Verenabad der Stadt Baden, und
die Ortssage fügt bei, wer ehemals in der Abenddämmerung mit
abgewendetem Gesichte die Hand in dieses Wasser tauchte, empfieng aus
einer weiblichen ein Goldstück. Als nun Knaben von Büttisholz einst in
der Verabredung hieher gekommen waren, nach empfangenem Goldstücke
schnell sich umzuschauen, erblickten sie eine schöne Jungfrau, die nach
einem Augenblicke wieder verschwand; doch Tags darauf ergab es sich,
dass auch die Quelle versiegt war.

Fäsi, der seine Helvet. Erdbeschreibung im J. 1766 herausgegeben,
berichtet Bd. 2, 491, am Fusse des Aargauer Jurapasses Schafmatt sei
schon in ältester Zeit ein Bad gewesen zur Erquickung der Reisenden, die
über diesen steilen Berg wanderten. Aber man habe die Hauptquelle, die
auf des Berges Sommerseite am sg. Klopfen lag, abgegraben und in die
Badstube des Dorfes Oltigen hinabgeleitet. Dieser Quelle gegenüber
entspringe das Verenawasser. Ebenso hat Gabriel Walser im Kartenblatte
Kanton Basel des Homannischen Atlas an der Schafmatt bei Oltigen
angemerkt: _Verenaloch_; und es ist dies dasselbe, dessen die Aargauer
Sag. no. 1 mit dem Beifügen gedenken, dass die aus dem Elsass über den
Jura nach Einsiedeln ziehenden Wallfahrer betend auf die Kniee fallen,
sobald sie dieser Quelle nahen. Denselben Namen trägt, wie schon bemerkt
worden, auch der Sprudel im Freibad zu Baden.

Hier ist auch jene Verenakapelle zu erwähnen in der Nähe der Stadt Zug,
gelegen am Fusse des Kaminstals, einer Berghöhe an der alten Strasse,
die nach Aegeri und weiter nach Einsiedeln führt; auch hier ist ein
herkömmlicher Rastort der Wallfahrer. Am Altar dieses in Kreuzform
gebauten Kirchleins war früherhin eine Inschrift angebracht und meldete,
der Bau sei 1661 erneuert und 1684 durch den Konstanzer Bischof Müller
in Verenas Ehren eingeweiht worden; seither ist noch zweimal eine
Renovirung nöthig gewesen. Anfangs des vorigen Jahrhunderts wurde der
Zuger Rathsherr Merz nach Zurzach abgesendet, um im dortigen Stift einen
Reliquientheil vom Arme der Heiligen nebst einem Atteste über der
Reliquie Echtheit in Empfang zu nehmen. Nachdem die Zuger Klosterfrauen
diese neu erworbne Partikel kostbar gefasst hatten, wurde sie am 15.
Sept. 1709 aus der Oswaldskirche der Stadt in Prozession zur Kapelle
hinausgetragen "unter dem Knallen der Mörser und Doppelhaken".
Zahlreiche Votivtafeln an den Kapellenwänden verkündigen des Ortes
Wunderthätigkeit. Unweit des Kirchenportals stand bis zum Jahre 1810 das
St. Verenabrünneli, der Brunnenstock geschmückt mit der Figur der
Heiligen, allein die Brunnenleitung scheint von einem benachbarten
Hofbesitzer abgegraben worden zu sein. Gleichwohl haben damit die
Wallfahrten zur Kapelle nicht aufgehört, wie der Zugerkalender vom J.
1858, welchem diese Angaben entnommen sind, ausdrücklich berichtet:
"Bist du krank und die Gütterli (Arzneigläschen) des Doktors wollen
nicht anschlagen, so muss ich dir sagen, dass in dieser Kapelle wirksam
zu beten ist, besonders am Verenentage selbst. Da hast du alljährlich
Gelegenheit in einer Festpredigt das Lob der Heiligen zu hören. Auch
wird dir den Sommer hindurch so ein kühler Spaziergang in der Frühe
überaus gut thun. Du bekommst dadurch Appetit und findest Stärkung für
deine schwache Leber im nahen Röthelberg, sofern dir Verena nicht eins
aus ihrem Krüglein einzuschenken geruht."

Die dreierlei Statuen, die der hl. Verena in Zurzach, Baden und Herznach
errichtet stehen, stammen aus alter Zeit, sind zu kirchlichen Ehren
gesetzt und haben übereinstimmend die gleichen Attribute: die Heilige
trägt in der einen Hand die Krause, d.i. ein langhalsiges Weinkrüglein,
in der andern hält sie einen zweireihigen Haarkamm. Das Schnitzbild auf
dem Kapellenaltare zu Herznach im Frickthal[7] hat in der Rechten statt
des Krügleins zwar den langen Brodkipf, doch gleich daneben, auf der
Flügelthüre dieses Altars angemalt, ist dasselbe Bildniss wiederholt,
hier aber mit Kamm und Krug. Dasselbe Abzeichen ist auch in Blunschi's
Zugerkalender noch vom J. 1823 zu sehen, der für das nichtlesende
Landvolk bestimmt gewesen war und statt der Heiligennamen deren Figuren
oder Symbole in kleinen Holzschnitten giebt. Hier ist unterm 1.
September eine aufrecht stehende Katze zu sehen, die in den Vorderpfoten
den langgezahnten zweireihigen Haarkamm hält und zu Füssen ein
geschnäbeltes Giesskännlein stehen hat. Aus diesen beiden Attributen
Verenas hat die ältere Legende auf eine opferwillige menschenfreundliche
Jungfrau geschlossen die ihr Leben der Pflege Anderer so weit widmete,
dass sie sogar den Schmuz der verlassenen Armuth nicht scheute. Daher
hebt das von uns S. 108 ff. mitgetheilte mhd. Gedicht 106a den von ihr
geheilten Aussatz hervor:

    auzsetzig behaft macht si slecht,
    plint, chrump macht si gerecht.

In diesem Sinne erzählt dann auch Richter, Sigprangender Triumphwagen
Verenae, S, 51: "Sie that den Kranken die Speisen in den Mund, bereitete
ihnen die Betten, kehrte den Boden, säuberte die Kleider, wusch alte
Erbschäden aus und zwagete die mit Siechthum beladenen Häupter." Auf
solche Anschauung hin wurden nachmals die "Armenbäder", wie dasjenige in
der Stadt Baden, gegründet, jeder Gast hatte sein Krüglein mit Lauge und
seinen Kamm selber mitzubringen. Die dortige Verena-Bruderschaft, die
durch Papst Urban seit 1625 neu bestätiget worden, ist nach dem dritten
Paragraphen ihrer Satzungen verpflichtet, Erkrankte heimzusuchen, Armen
Almosen und bestimmte jährliche Spendmähler zu verabreichen.

Das Steinkrüglein Verenas wird in der ältesten Legendenaufzeichnung
gleichfalls mit einer besondern Wundergeschichte bedacht. Hirten fanden
dasselbe einst an jenem Rheinufer bei Zurzach, heisst es da, wo vormals
eine Römerstadt gestanden hatte, es war eine steinerne Urne, die man
hernach kirchlich aufbewahrte. Als einst eine treue Wittwe ihrem
verstorbnen Gemahl so lange nachweinte, dass sie darüber erblindete,
erschien ihr nachts die Heilige und sprach: "Noch ist der Steinkrug
vorhanden, der mir diente den Siechen das Haupt zu baden und den
Angesteckten die Kleider zu waschen, daraus wasche dich gleichfalls."
Die Frau suchte und fand an jenem Uferplatze die Urne, wusch sich daraus
und bekam das Augenlicht wieder. Die gleiche Hilfe gewährte dasselbe
einem Rosshirten, der von seinem unbarmherzigen Herrn geblendet worden
war. Auch auf die weibl. Fruchtbarkeit hat es Beziehung gehabt; der
Abgl. (Grimm no. 440, Ehstnisch no. 22) warnt schwangere Weiber, sich
auf eine Wasserkanne oder sonst auf ein Wassergefäss zu setzen, sie
würden sonst zu viel Töchter gebären. Ein Stück von diesem
Verenakrüglein hat nachmals der Fürstabt von St. Blasien erworben und
dafür den Zehnten im ganzen Amte Waldshut an das Zurzacher Stift
abgetreten. Darum erhob dieses letztere den Zehnten, bis zu dessen
allgemeiner Ablösung, in folgenden acht badischen Nachbargemeinden:
Kadelburg, Aettwil, Gortwil, Thiengen, Rheinheim, Küssennacht,
Dangstetten und Bechtisbohl. In der Krypta der Stiftskirche steht
Verenas steinernes Grabmal, ein von hohem Alter zeugendes, kunstloses
Werk; obenauf liegt in Lebensgrösse gehauen ihr Bild in
Matronenkleidung, doch zum Zeichen bewahrter Jungfräulichkeit in
fliegenden Haaren, es hält in der Linken den zweireihigen Kamm, in der
rechten einen Wasserkessel am eisernen Tragringe. Die den
Niedrigkeitsdiensten der Bade- und Wäschermagd aus Menschenliebe sich
unterziehende Heilige ist in Zurzach mehr als bloss kirchlich verehrt,
sie ist dorten zum Ortsgeiste geworden und heisst die Weisse Frau. Das
mitten im Marktflecken stehende Haus zum Weissen Rössli ist ihr
Aufenthalt. Aus dem Vorhöflein desselben schreitet um Mitternacht vor
hohen Festtagen eine stattliche schneeweisse Frau hervor und begiebt
sich zum mittleren Brunnen auf dem Marktplatze. Hier spült sie ihr
Weisszeug aufs sorgfältigste, und stolzen Ganges kehrt sie auf jenen
Vorhof zurück. Dass dieser Hausname zum Weissen Ross auf die dem
Verenadienste kirchlich geweiht gewesnen Rosse zu beziehen sein wird,
erklärt sich auch aus nachfolgender Ortssage. Die sogenannten vier
Gotteshöfe in der aargau. Gemeinde Reckingen sind ein Mannslehen,
welches auf vier dortigen Bauerngeschlechtern ruht, wofür diese
verpflichtet sind, dem Stifte Zurzach Zehnten und Bodenzins von den 80
Juchart haltenden Gütern zu entrichten, die Unterhaltung der dazu
gehörenden Antoniuskapelle zu bestreiten und für den Messpriester den
Messwein zu liefern. Seitdem nun Zehnten- und Bodenzinspflicht hier wie
sonst im ganzen Lande gesetzlich abgelöst worden ist, haben diese Höfe
ein dem Stifte Zurzach schuldendes Grundzinskapital von Fr. 6259 zu
verzinsen, die Verwaltung des Kapellenfonds aber ist aus geistlicher
Hand an den Gemeinderath von Reckingen übergegangen und hat seit dem
Jahre 1854 die gründliche Erneuerung der Kapelle zur Folge gehabt. Diene
letztere liegt in demjenigen Hofe, der nach seinem vierstöckigen
Meierhaus das Grosse Haus genannt wird. Aus ihm, erzählt man, kommt zu
gewissen Zeiten des Nachts ein Füllen gelaufen, umtrabt das Gebäude,
wird darüber zusehends grösser und ist mit einem male wieder unsichtbar.
Bemerkenswerth ist nun hiebei der angebliche Umstand, dass Frauen
niemals das Füllen erblicken, wohl aber statt dessen eine
weissgekleidete Frau, welche gleichfalls das Haus umgeht, an dessen vier
Ecken bedächtig stehen bleibt und hierauf ihren Weg in die
Antoniuskapelle nimmt, wo sie verschwindet.

Da Frau Hulle, welche gleich Verenen den Geburten hilfreich beisteht, in
Franken auf einem Rosse einher kommt, und Schwangere, welche nähig sind
("übergehen"), einem Schimmel Haber aus ihrer Schürze zu geben pflegen
(Wolf, Beitr. 2, 407), so werden jene Sagen darauf deuten, dass dem im
Dienste Verenas stehenden Priester ein Dienstross zu seinen
Amtsverrichtungen gestellt werden musste, und dass die Neuzeit diese
Stiftung aufgehoben hat. Dem Kloster Königsfelden wurde Ross und
Harnisch geopfert (Argovia 5, 32), auf ein gleiches Rüstpferd lässt die
Ortssage von Mittel-Schneisingen schliessen, wornach der dortige
Dorfgeist in der Kapelle des Ortes wohnt und Kapellenthierlein heisst.
Aargau. Histor. Tascheub. 1862, S. 54. Ortsgeister in Schweden heissen
Kirchenzaum und Kirchenhalfter weil dieses Reitzeug, zum Dienste des
Priesters bestimmt, in den dortigen Kapellen hieng. Das Ross, das Ludwig
der Baier im Treffen bei Ampfing geritten, vermachte er unmittelbar
darauf der Kapelle in Grünthal bei Vilsbiburg, die davon bis jetzt
Sattelkapelle heisst. Holland, Ludwig der Baier und sein Stift Ettal,
1860, 6.

Mit ihrem andern Attribute, dem Kamme, zeigt die sagenhafte Verena sich
in einem bei Ober-Siggenthal (Bez. Baden) liegenden Wäldchen, das nach
einem tief eingeschnittenen Wasserbette das Tobelhölzli heisst. Am
südlichen Waldrande, hart am Fusswege, der nach Kirchdorf geht, sprudelt
dorten eine schöne Quelle, an der ein uraltes Weibchen sitzt und sich
das Haar kämmt. Neben ihr grast das gespenstische, aber unschädliche
Nachmittagslamm. Auch das Mütterlein ist freundlich, nur will sie in
ihrem Geschäfte nicht gestört und von den Vorübergehenden nicht etwa
ausgelacht sein, sonst setzt es für den Spötter gewiss einen
geschwollenen Kopf ab. Das ist das Tobel-Vreneli. Anderwärts heisst sie
nach ihrem in der Sonne blitzenden Kamm das Strähl-Anneli, oder nach
ihrem buschigen Grauhaar das Heuel-Mütterli, denn Heuel bezeichnet den
verzausten Hollenkopf. Zu Tegerfelden erscheint sie sogar noch in vollem
Liebreize nackter Jungfrauenschönheit, zieht einen Goldkamm durch die
Locken und lässt ihr gelbes Ringelhaar bis auf die Spitze der Grashalme
niederfliessen. Von allen diesen Erscheinungsweisen berichten bereits
die Aarg. Sag. 1, S. 131. 240 und die Naturmythen S. 139. Einen
Silberkamm und eine Badstande hinterliess auch die hl. Wiborada aus
Klingnau im Aargau; jener wurde in der St. Galler Stiftskirche verwahrt
und gegen Kopfweh gebraucht, in dieser genasen Kranke wunderbar. Murer,
Helvetia sacra. Diese Wiborada war nicht bloss Verenas Landsmännin
gewesen, sie hatte sich auch dem gleichen Geschäfte gewidmet, die
Haarpflege zu leiten und den Aussatz zu heilen; somit besass also einst
der Aargau zwei weibliche Schutzpatrone gleicher Art. Es widerstrebt nun
zwar unsern ästhetischen Begriffen geradezu, eine so widerwärtige
Krankheit, wie der Aussatz ist, der Pflege der Schönheits- und
Liebesgöttin selbst zu unterstellen; das Alterthum aber, auch das
klassische, hatte Grund, hierin anders zu denken, und sprach sich
darüber eben so offenherzig aus, wie die Verenasage thut. Suidas, der
zum Namen Aphrodite bemerkt, dass die Römer ihre Bildsäule mit einem
Kamme in der Hand vorstellten, erzählt hiebei: Als einst die römischen
Frauen die Krätze befiel, mussten sie sich das Haar abschneiden und die
Kämme wurden ihnen entbehrlich. Darauf flehten sie zur Aphrodite, ihnen
die Haare wieder wachsen zu lassen, und ehrten sie mit einer Bildsäule,
die den Kamm trug.

Die landschaftlichen Gesundheitsregeln, mit welchen dieser Abschnitt
schliesst, zeigen nun die Verena zweifellos und wirklich in der ihr
beigeschriebenen Rolle: sie verleiht hier dem ihr folgsamen Mädchen das
schöne Haupthaar und zugleich den schönen Schatz. Am 1. September, als
dem kirchlich gefeierten Verenentage, ist es in der Altgrafschaft Baden,
deren Gebiet von der Limmat zum Zurzacher Rhein reicht, durchgehends
katholische Sitte, die Kinder frisch zu kleiden, wie es sonst nur um
Neujahr oder Ostern geschieht. Damit glaubt man die Kleinen auf ein
neues vor Krankheit geschützt zu haben. Am gleichen Tage ist es in jener
Landschaft Hausbrauch, dass die Mutter an allen Köpfen ihrer Kinder eine
gründliche Wäsche abhält, dem jüngsten Mädchen wird der erste Zopf
geflochten; das behütet vor Kopfweh und giebt einen feinen Haarwuchs.
Hält sich das Kind widerwillig unter dem Kamme, so gilt folgender Reim:

    Chind, bis ietz still und fîn,
    oder es chunnt Frau Vrin,
    die het ne grosse Striegel
    und zert di kech am Riegel.

Der Riegel bezeichnet in der Mundart den Haarbüschel. Die Frau Vrin ist
also hier eine Drohgestalt, wie in Schöppners Bair. Sagenb. no. 1282 die
lange Agnes, welche die Leute am Bache mit Bürste und Stahlkamm
behandelt, bis Haut und Haar abgeht. Man macht dem kleinen Mädchen dabei
weis, der neue scharfe Kamm und ein dreimaliges Abwaschen des Kopfes sei
nothwendig, wenn dereinst ein eben so saubrer Liebhaber sich anmelden
solle, und hiefür hat man folgendes Sprüchlein:

    Ach mî liebi Jumpfere Vre',
    gsehst, i ha kes Schätzeli meh,
    strähl und wäsch mi doch au nett,
    dass mî Hansli Freud ab mer het!

Auch in Segensformeln wird ihr Name noch genannt. Ein unter dem Namen
"Albertus Magnus Egyptische Geheimnisse" noch bei unserm katholischen
Landvolke verbreitetes Zauberbüchlein giebt in seinem 3. Hefte pg. 19
folgendes Mittel an, die Warzen (nicht aber die _Wanzen_, wie Simrocks
Mythologie III, 377 druckt) zu vertreiben: Man haucht im Namen der
Dreieinigkeit über die Warzen und spricht dreimal:

    Frene, Frene, dorra weg!

In Verena veranschaulicht sich jene krankenpflegende, weise vorsorgende,
geduldig ausdauernde Barmherzigkeit, die eine Eigenthümlichkeit des
weiblichen Geschlechtes ist. Schon durch seine besondere, vorempfindende
Zartheit ist das Frauengemüth von hingebender Menschenliebe erfüllt.
Weil es mehr aufs Einzelne und Besondere achtet, so vermag es sieh mit
schneller Erkenntniss in die Schicksalslage Anderer zu versetzen; weil
es eine vorherschende Anlage zu besonnener praktischer Hilfe hat, so
übernimmt es freiwillig das Geschäft der Krankenpflege und vollzieht es
im Einzelnen mit grösserem Glücke als der Mann, da es weniger schnell
als er in Dienstleistungen ermüdet, mehr und länger als er zu dulden, zu
entbehren, auszudauern vermag in Mühen und Nachtwachen. So erscheint das
Weib allen Völkern während grosser allgemeiner Leiden als eine
heroische, opferwillige Seele, und ist daher mit Recht im Glauben und in
der Kunstdarstellung der Rettungsengel für die schmerzbehaftete Welt
geworden.

Mit Befriedigung erkennt der Forscher in diesen Charakterzügen Verenas,
wie es dem humanen Geiste der christlichen Lehre gelang, die zum Märchen
gewordne Gestalt einer heidnischen Hilfs- und Heilgöttin allmählich "zur
demüthigstillen Erscheinungsweise einer Grauen Schwester", wie Gelpke
(Schweiz. Kirchengesch. 1, 180) charakteristisch sagt, zu entgöttern und
zugleich wieder empor zu heben. Aber etliche Spuren der Heidengöttin
bleiben hinter dem kirchlichen Heiligenschein immer noch erkennbar, wie
denn Verena noch heute zuweilen den ihr geweihten Altar verlässt, um
unter mancherlei Namen und Gestalt draussen an den gewohnten Büschen und
Quellen des Waldes einer wilden Naturfreude nachzuschweifen. Kaum würde
man dann die Göttin oder die Heilige noch in ihr vermuthen, trüge sie
nicht ihren alten Namen oder ihre geweihten Abzeichen. Denn dann wird
sie wieder ein "alt heidnisch Wassergötzli", wie der Berner H.R. Grimm
(Schweizer Chronica 1786, 249) sie bezeichnend genannt hat, und schon
die rohe Härte, mit der sie ungläubigen Missethätern die Strafe zumisst,
lässt ihr und ihrer Legende hohes Alter erkennen. Als jener Knecht des
Zurzacher Priesters sie fälschlich der Veruntreuung im Haushalte
anklagt, muss nicht bloss er sogleich erblinden und zeitlebens vom
fallenden Weh geplagt sein, sondern auch keins seiner Blutsverwandten
stirbt hin ohne Siechthum, Lähmung, Blindheit und Tobsucht. Dafür, dass
ein Weib eigensinnig am Verenentag daheim bleibt und spinnt, während
Alles sich in die Kirche begiebt, wird sie von den Rückkehrenden im
fallenden Weh gefunden, die Kunkel noch in den Händen festgeklammert;
ebenso wuchs einem Manne, der am Festtage im Walde holzte, die Axt in
der erstarrten Hand fest. Gleichfürchterlich bestraft sie den Bauern,
der an ihrem Kirchenfest sein Heu auf der Wiese schobert, und so noch
Aehnliches. Dieses Uebermass barbarischer und leidenschaftlich
dreingreifender Körperstärke herscht besonders in den mehrfach von
Verena handelnden Gebirgssagen vor, wie solche sich in den deutschen und
rhätischen Alpen finden. Sie trägt in Bünden, Engadin und an der
bairisch-tirolischen Grenze den Namen _Verein_, gebildet wie die
rhätischen Ortsnamen Madulein (Bez. Zutz, im Oberengadin, urkdl. 1139
Madulene), oder wie Luzein und Valzein im Prätigau (urkdl. Valzena).
Eine solche Verein-Alpe liegt bei altbair. Mittenwald (Steub, Herbsttage
in Tirol, S. 251), eine andere an der weitläufigen Eiswüste des
Selvretta. Hier hat die "Fremd-Vereina" ihre zwei besondern
Höhlenwohnungen in der Col die Balma und Baretto-Balma. Die letztere ist
stets reingekehrt, wie ausgeblasen, und duldet auch kein bischen Laub,
Holz oder Stein in sich; es lässt nichts drinnen, sagen die Hirten und
staunen das Geheimniss an (Tscharner, Statist. v. Bünden 1, 140. 258.
Bündner VolksBl. 1832, 214). Am namhaftesten aber ist das bekannte
Vrenelisgärtli, jenes weithin durch die Schweiz schimmernde Firnfeld des
Glärnisch, 9,353 Fuss über Meer, das sich wegen der angeblichen
Ausschweifungen des Sennenvolkes aus blühenden Matten in ewige Gletscher
verwandelt hat.

Nachfolgende eigenthümliche Sage hierüber beruht auf der schriftl.
Mittheilung, die wir dem Hn. Heinr. Gessner, Lehrer in zürch. Lunnern,
zu verdanken haben. Bei letztgenanntem Orte im Bezirk Affoltern liegt am
südlichen Fusse des Albis der unheimliche Türlersee, der tiefste im
ganzen Zürcher Lande. Seinen Namen hat er von seiner Lage, da er an des
Berges Engpasse und Thore: turilin, gelegen ist. Er sammt der Umgegend
gehörte in der Vorzeit einer starken, herrischen und arbeitsrüstigen
Frau an, die beim Volk Frau Vrene hiess. Da begab es sich, dass die
Leute von Heferschwil, einem Weiler der Gemeinde Metmenstetten, wegen
einer fruchtbaren Gemarkung am Jungalbis mit dieser Frau in einen
heftigen Eigenthumsstreit geriethen, der kein Ende nahm, weil sie in
ihrem Stolze sich weigerte vor einem Richter des Landes zu erscheinen.
Mit Hülfe fahrender Schüler zog sie in einer einzigen Nacht einen tiefen
breiten Graben durch das ganze Jungalbis und schied so ihr Eigenthum für
immer vom Gelände der Gegner. Der Graben war gezogen bis zum Türlersee,
es fehlte nur noch der letzte Spatenstich, so würden die Wasser sich
über ganz Heferschwil ergossen haben. In diesem Augenblick aber erfasste
einer der fahrenden Schüler die Frau und entführte sie durch die Lüfte
auf die Westseite des Glärnisch, setzte sie hier auf einer weiten
grünenden Berghalde ab, wies ihr diese zum Aufenthalt an und sprach:
"Hier kannst du gartnen, Vrene!" Dorten hat sie darnach so lange Zeiten
gehaust, bis dieser schöne Alpengarten endlich sich in eine weite
Firnstrecke verwandelte. Noch steht Frau Vrene daselbst, den Spaten in
der Hand, zur Eissäule erstarrt, mitten in dem von Felsmauern
eingefassten Schneefelde, das bis ins Knonauer Amt herüberblinkt.

Dieser eben erwähnte Graben am Jungalbis ist rechtsgeschichtlich seit
alter Zeit bekannt und trägt in der Offnung von Borsikon (Grimm,
Weisthümer 1, S. 51) den auffallenden Namen Kriemhiltengraben. Nach
einer zweiten hievon handelnden Volkssage, mitgetheilt in Meyer's Zürch.
Ortsnamen no. 182, waren die Bewohner von Heferschwil mit jener
Kriemhilt gleichfalls in Zwist gerathen, und die Erzürnte schwur, sie
werde den Türlersee abgraben, seis nun Gott lieb oder leid. Durch einen
kleinen Berg, der zwischen dem See und dem Weiler liegt, begann sie den
Durchstich mit einer Schaufel, so gross wie ein Scheunenthor. Da erregte
Gott einen gewaltigen Sturm, der ihre Schaufel zerbrach und sie selbst
von der Erde fortriss bis auf den Glärnisch in Vrenelis Gärtli.

So reicht also die Verenasage in die unorganische primitive Steinzeit
zurück. Der erratische Block, aus dem Verena die Neugebornen hervorholen
lässt; der Mühlstein, auf dem sie wilde Ströme befährt; die Felsklüfte,
Hochalpen und Gletscher, die ihren Namen tragen; die heissen Sprudel,
die sie aus dem Boden stampft und mit dem Finger aus der Rheininsel
hervor bohrt--verkünden eine ursprüngliche Riesenjungfrau, deren roh
angelegte Gestalt später ins Satanische umgeschlagen haben würde, hätte
die Kirche sie nicht frühzeitig noch christianisirt. Statt der Heiligen
besässe man alsdann eine alles versteinernde Hexe; oder statt der
demüthig dienenden Priestermagd nur eine diebische Pfaffenkellnerin, die
der Unterschlagung beschuldigt entspringt, über die ganze Breite des
Thales setzt und ihre Fussspur drüben in die Felsenplatte der
jenseitigen Thalwand eindrückt.

       *       *       *       *       *

FUSSNOTEN:

[7] In dieser Herznacher Verenakapelle, und nachmals in dortiger
Pfarrkirche, waren pfarrgenössisch die Frickthaler Dorfschaften: Ueken,
Zeihen, Denspüren, Ober- und Niederasp, schliesslich auch Häner am
Schwarzwald, ob Laufenburg.

       *       *       *       *       *



Vierter Abschnitt.

Verena als Frau Venus.

Das Tannhäuserlied in aargauischer Version; die Frau Venus-Vrene des
Volksliedes; die Venus-, Feens- und Vrenberge, die Venus- und
Vrenenhäuser, aus ihrer gegenseitigen Namensvertauschung zurückgeführt
auf den ursprünglichen Mythus.

Nachfolgender Liedtext wurde von einer im vorigen Jahrzehnt verstorbnen
Matrone, der Frau Meyer auf dem Tromsberge, im aargau. Bezirk Baden, auf
dem Siechbette ihrem Arzt Dr. Al. Minnig zu Baden in die Feder diktirt.
Der Text kommt demjenigen am nächsten, welcher einst von Stalder in
Entlebuch gleichfalls nach mündlicher Ueberlieferung aufgeschrieben und
an Lassberg übergeben wurde, der ihn im Anzeiger 1832, 240
veröffentlichte. Daraus entnahm ihn Uhland für seine Sammlung no. 297 C.,
und nach dieser Fassung sind hier unten alle Einzelverse unseres
Textes besonders bezeichnet, die mit jenem Stalderischen übereinstimmen.
Was die Literaturgeschichte des Tannhäuser-Liedes betrifft, die schon
von Uhland begonnen worden, so steht sie seither in Gödekes Deutsche
Dichtung im Mittelalter (1854, S. 580) bis zur Vollständigkeit
aufgeführt.

    Tannhäuser war ein junges Bluet,
    Der wot gross Wunder gschaue,[8]
    Gieng auf Frau Vrenelis Berg
    Zu selbige schöne Jungfraue.

    Wo er auf Frau Vrenelisberg ist cho,
    Chlopft er an a d'Pforte:
    Frau Vrene, wend er mi inne loh,
    Will halte eu'e Orde!

    "Tannhäuser, i will der mi Gspile ge
    Zu-m-ene ehliche Wib."[9]
    Diner Gspilinne begehr ich nit,
    Min Leben ist mer z'lieb.

    Diner Gspilinne darf i nüt,
    Es ist mir gar hoch verbotte,
    Sie ist ob em Gürtel Milch und Bluet
    Und drunter wie Schlangen und Chrotte.

    Tannhauser sass am Figebaum,
    Drunter er war entschlafe.
    Es chunt em für i sinem Traum,
    Er müess uf Rom wallfahrte.[11]

    Wo er in d'Stadt Rom inne chunt
    Wohl unters höchsti Thor,
    Frogt er dem oberste Priester noh,
    Wo in der Stadt Rom wär.

    Wo er i d'Chille ie chunt,
    Vor'm Pobst thet er sich gneige:
    Gott grüeze eure Heilige, Pobst,
    Mine Sünd will i eu azeige.

    Der Pobst het do en düere-düere Stab,
    Vo Dürri war er gspalte:
    "So wenig de Stab meh z'grüene chunt,
    So wenig magst du Ablass erhalte."[12]

    Und wenn i nümme z'Gnade chum
    Und nümme mag werde bihalte,
    So gohn i uf Frau Vrenis Berg
    Und leben bîn ihr im Walde.

    Es goht nit meh als dritthalb Tag,
    So fieng der Stab a z'gruene,
    Er treit es Laub so grüen wie Gras,
    Darzue drei schöni Blueme.[10]

    De Pobst schickt sine Botten us,
    Sie wüsset ehn niene meh z'gwahre;
    Er schickt sie us in alli Land,
    Der Tannhuser blibt verfahre.

    Sie chömmet uf Frau Vrenelis Berg,
    Chlopfet a d'Pforte und die ist gschlosse
    Tannhuser soll do usse cho,
    Sine Sünde eigen ehm nochg'losse!

    "Zun-ech usse cho, das chan i nit,
    Do muess i bliben inne.
    Muess bliben bis am Jüngste Tag,
    Dä gohts mer erst, wies cha und mag!"

    Tannhuser sitzet am steinige Tisch,
    Der Bart wachst ihm drum umme,
    Und wenn er drümal ummen isch,
    So wird der Jüngst Tag bald chumme.
    Er frogt Frau Vreneli all Fritig spot,
    Öb der Bart es drittmol umme goht
    Und der Jüngsti Tag well chumme.

Ein im Sarganserthale gegen Ragaz hin gelegner Hügel, an dessen
südlichem Fusse vormals die Gerichtsstätte des Bezirks gewesen war und
wo Urkunden ausgefertigt wurden, von denen jetzt noch einige im dortigen
Oberlande vorhanden sind, heisst im Munde älterer Leute der Frau Vrenes
Berg und Frau Venesberg. Er gilt als ein Schloss voll feenhafter
Jungfrauen. Hier mitten unter romanischem Spracheinfluss behauptete sich
bis auf die Neuzeit das oberalemannische Verena-Tannhäuserlied, und
wurde nach einem zu jenem Feenschlosse angeblich gehörenden Thiergarten
"das Thiergetlied vom Vrenesberg" genannt. Mittheill. des St. Galler
histor. Vereines, Heft 4, 198. Wie aber kommt die hl. Verena an der
Stelle der Venus in das Tannhäuserlied und was ist der Sinn dieses
Liedes, wenn ihm die Heilige einverleibt werden konnte? Bereits Grimm
(Myth. 283. 913. 1212) hatte unter dieser doppelnamigen Frau Venus-Vrene
die Göttin Freyja gemuthmasst; seine Ahnung, wird durch die seither
weiter vorgerückte Sagen- und Sprachforschung bestätigt.

Die echte Göttersage hiezu ist erhalten in dem eddischen Liede von
Fiölsvinnr und erzählt also. Die Göttin Freyja war dem Halbgotte Odhr
vermählt und von diesem verlassen worden. Vordem hatte sie wegen ihres
berühmten Halsgeschmeides die Schmuckfrohe geheissen, Menglöd; nun aber
empfieng sie den neuen Namen die Thränenschöne, denn um den verlornen
Gemahl durchsuchte sie alle Länder und weinte ihm goldne Thränen nach.
Sie mied der Männer Gemeinschaft; erbaute sich auf einer Waldhöhe eine
Halle, über deren Schutzwehren Niemand einzudringen vermochte, und lebte
hier mit heilkundigen Mädchen einträchtig zusammen. "Hilfeberg heisst
die Höhe, wo sie wohnen, allen Lahmen und Siechen Hilfe schaffend; keine
Krankheit ist, die sie nicht zu wenden wüssten." Da kehrte der die Welt
durchreisende Odhr nachmals wieder zurück und sprach zum Wächter des
Berges: "Reiss auf die Thüre, Wächter! auf kalten Wegen komm ich her,
die Schicksalsschwestern sind an meiner langen Säumniss schuld, doch geh
und frag erst Menglöd, ob sie mich noch liebt?" Da emfieng sie den
Langersehnten mit Küssen und sagte: "Lang sass ich auf dem Berge, Tag
und Nacht nach dir blickend, endlich hat sich mein Sehnen erfüllt; mein
lieber Freund ist gekommen, nun sind wir beide fröhlich!" Die
Verwandtschaftszüge zwischen diesem Mythus und dem Tannhäuserliede sind
einstweilen folgende. Odhr-Tannhäuser wandert aus dein Waldberge der
Freyja-Vrene weit in die Welt fort bis nach Rom, kehrt aber, weil bei
allen Menschen verkannt und verstossen, wieder heim, wo inzwischen die
verlassne Geliebte mit ihrer Jungfrauenschaar den Orden heilkundiger,
hilfreicher Schwestern gestiftet hat, und pocht am Thore. Der Wächter
(der getreue Eckart) erkennt seinen Herrn und führt ihn in den Berg.
Draussen lässt er den dürren Wanderstab liegen, der sogleich an zu
grünen fängt; drinnen ruht er am Steintische und bemisst das nun nicht
mehr unterbrochne Glück nach der Länge des Bartes, der ihm dreimal um
den Tisch herumwachsen wird. Entzückt über diese doppelte Unendlichkeit
ewiger Zeit- und Liebesdauer, befragt er jeden Freitag seine
Freyja-Vrene, ob nun noch ein jüngster Tag gedenkbar sein könne. Zur
Bekräftigung dieser gegebnen Erklärung sowohl als der sogleich
mitzutheilenden Etymologie der bezüglichen Eigennamen, fügen wir ein
paar Sagenbruchstücke bei, die zu dem Kostbarsten gehören, was in der
letzten Zeit zu Tage kam. Pröhle's Harzsagen 2, S. 209-211 berichten: Es
war eine Frau, die wohnte im Walde auf einem königlichen Schloss und
hiess Frû Frêen und Frû Frîen. Sie war einmal im Himmel gewesen und da
von den Sterblichen um Rath befragt worden. Um ihren Freier aufzufinden,
durchzog sie die ganze Welt, doch da er ihr immer wieder verschwand,
brach sie in ein furchtbares Weinen aus. Davon hat man in Ilseburg noch
folgenden Reim:

    Frû Frîen
    wolle geren frîen
    un konne keinen krien,
    da feng se an de schrîen.

Noch Anfangs Juli 1855 wurde diese weissgekleidete Frau Freen von einen
Burschen aus Ilsenburg im dortigen Walde gesehen. Dieselbe um ihren
verschwundnen Gemahl trauernde Göttin heisst in Wolf's Hess. Sagen no.
12 die Huldgöttin, Frau Holl: "Bei Fulda im Walde liegt ein Stein, in
dem man Furchen sieht; da hat Frau Holl über ihren Mann so bittre
Thränen geweint, dass der harte Stein davon erweichte." Dass diese Holl
die Göttin Freyja wirklich ist, wurde neuerlich durch den aufgefundenen
Namen Friggaholda beurkundet (Mannhardt, Mythen 295). Freyja selbst ist
die von Paulus Diaconus als Gemahlin Wodans genannte Frêa (ahd. Frouwa,
domina) und lebt in den niedersächs. Sagen bald unter den diminutiven
Namensformen der Frau Freke und Frick, bald besonders um Halberstadt und
Drübeck als Frû Frîen, Frû Frêen fort. Kuhn, Nordd. Sag. no. 70 und S.
414. 519. Mit diesen niederdeutschen Namensformen und Sagen der
Schönheits- und Liebesgöttin stehen nun die oberdeutschen desselben
Wortstammes in sprechender und reicher Verwandtschaft. Dem altsächs.
frî, mulier formosa, entspricht das alemann. Adverb frein, frîn:
pulcher, venustus. "Bis mer hübsch frîn", sei mir hübsch artig, hübsch
sittsam, sagt das Berner Mädchen zu einem allzu stürmischen Liebhaber;
"de sim-mer jo die freinste Lüt", gar allerliebste Leute, heisst es
luzernerisch. Firmenich 2, 578. 594. Mit diesem Schönheitsprädikate
übereinstimmend bezeichnet in Hebels alemann. Gedichten der Frauenname
Vrene ausschliesslich die Geliebte und Schöne. Der Stamm des Wortes geht
durch die indogermanischen Sprachen; gothisch frijon ist amare, sanskrit
priya bedeutet angenehm und geliebt; die Pflanze Frauenhaar (capillus
Veneris) heisst irländisch Freyjuhâr, dänisch Fruêhâr und Venusgräs,
norwegisch Mariagras, weil die Schönheit das höchste Epithet bleibt, das
an Göttinnen hervorgehoben wird. Myth. 279. Es entgeht uns keineswegs,
dass hiebei die beiden von der Edda auseinander gehaltenen Namen und
Figuren der Göttinnen Freyja (Freyrs Schwester) und Frigg (Odhins
Gemahlin) wieder in eins zusammen fallen; allein dieselbe Verwechslung
war sogar schon den nordischen Quellen geläufig und hat darin ihre
Berechtigung, dass beide ursprünglich nur die in zwei Seiten auseinander
gegangene eine Himmels- und Herzensherrin eines älteren Göttersystems
gewesen sind, welches vor der Trennung der nordischen Götter in Asen und
Vanen bestanden hat. Aus der launenhaften Gemahlin Odhins Fricke, die
mit dem Gemahl als Windsbraut einherstürmt und Leichenfelder zehntet,
hat der auf die Naturreligion der Asenlehre folgende feinere Vanenglaube
eine familiäre, wirthschaftlich-besorgte Freyja gestaltet; in ihr ist
die frühere Grausamkeit veredelt als Tapferkeit, Sonnenschein und Regen
ist ihr unterthan, wo sie naht, trieft Segen auf Land und Menschen,
zeugend und zeitigend ist sie die Gottheit der Liebe und Ehe. So
urtheilt über die Vanengötter überhaupt Weinhold D. Frauen, 30.

Aus dem Vorausstehenden ergiebt sich also, dass die angeführten Namen
der Göttin, eddisch Freyja, langobardisch Frea, niederdeutsch Freen und
Frien, oberdeutsch Vren nur landschaftlich verschiedene Namensformen
einer und derselben Göttin sind. Seit wann aber ist die Frau Vrene des
schweiz. Tannhäuserliedes im hochd. Liedtexte eine Frau Venus im
Venusberge geworden? Seit den Ritterdichtungen des Mittelalters, in
denen die Minnegöttin modisch und gelehrt die frow Venus und ihr Palast
der Venusberg hiess, und seitdem dann auch die theologische Literatur
dieselbe Benennungsweise nachahmend in ihre zahllosen Teufels- und
Hexengeschichten übertrug. Geiler von Keisersberg, in den Predigten von
der Omeiss 36, lässt die Hexen in _Frau Fenusberg_ fahren; schon fünfzig
Jahre vor ihm nennt Joh. Nider (gestorben 1440) im Formicarius zum
gleichen Zwecke den _Venusberg_, und nach hessischen Hexenakten von 1628
regiert im Venusberg _Frau Holda_. Wolf, Ztschr. f. Myth. 1, 273. "Der
Teufel pflegt gemeiniglich seine Hochzeitleute auf dem Venusberg mit
_Kröten_ zu traktieren", schreibt der Arzt Lebenwaldt in seiner
Hausarznei, 1695, S. 262. Eben daher ist Frau Vrene im Tannhäuserliede
selber eine Verdammte, von welcher die Strophe 4 sagt:

    Sie ist ob em Gürtel Milch und Bluet
    Und drunter wie Schlangen und Chrotte.

Folgerichtig wurden dann seit dem 14. Jahrhundert die öffentlichen
Frauenhäuser Venushäuser genannt und nach der einmal vorhandenen
Namensverwechslung zugleich auch Vrenenhäuser. Ein Stadtquartier
Hamburgs mit einem besondern Hügel, das den Dirnen zum Wohnorte
angewiesen war, heisst Venusberg. Antiquarius des Elbstromes 1741, 761.
Zu Basel war die jetzige Malzgasse ehedem das Quartier der Malazen oder
Aussätzigen, und seit man letztere aus der Stadt wegwies, das
Dirnenquartier gewesen, und das dortige Frauenhaus hiess beiderlei,
Vrenen- und Venushaus. Davon sagt Pamphilus Gengenbach in der Gauchmatt
(ed. K. Gödeke, S. 151):

    zuo Basel in der Malentz gassen
    do hat sich fraw Venus nider glassen.

Auch dieser Umstand dient uns zur Erklärung einer sonderbar lautenden
Ueblichkeit. Der vorgeschriebne Weg, welchen die am Verenatag zu Zurzach
begangene Kirchenprozession einzuhalten hat, geht vom Stift zu der
ausserhalb des Ortes beim Rhein liegenden Moritzkapelle und führt an
einer alten Linde vorbei, deren zerklüfteter Stamm mit Ziegelsteinen
ausgemauert ist. Man sagt, dahinter sei einst die Pest vermauert worden.
An der Stelle dieses Baumes stand zu Verenas Lebzeiten das schon von der
ältesten Legendenaufzeichnung erwähnte Siechenhaus, das erst in diesen
fünfziger Jahren abgebrochen worden ist; neben demselben soll das offne
Frauenhaus gestanden haben, dessen Mitglieder in jenem die untersten
Dienstleistungen zu besorgen gezwungen waren. So oft nun nachmals der
Landvogt von Baden zur Eröffnung der Zurzacher Dult im Flecken einritt,
erwartete ihn unter dieser Linde "eine fahrende Dirne", mit der er einen
Tanz um den Baum thun musste. Dafür erhielt sie einen Gulden Zehrgeld,
gestiftet von jener Königin Agnes, die zum Seelenheile Albrechts, ihres
erschlagnen Vaters, das Kloster Königsfelden bei Brugg erbaut hatte.
Gerbert in seiner Taphographie thut dieses also entstandenen
"Metzentanzes" ebenfalls Erwähnung, verlegt ihn aber fälschlich unter
die Linde des Städtchens Brugg, also dem Stifte Königsfelden zunächst.
So war Verena die Patronin der Frauenhäuser und Metzen geworden.

Die Zeit der Entstehung der Zurzacher Jahrmärkte ist noch nicht
aufgehellt; Kaiser Sigismunds Bestätigungsbrief und Kaiser Friedrichs
hernach wiederholte Approbirung nennt schon die zwei dortigen
Jahresmessen, die erste mit dem Sonntag nach Pfingsten beginnend, die
andre mit dem zweiten Montag nach Bartholomäitag. Sie werden abwechselnd
Dult und Messe genannt. Der erstere Name stammt keineswegs aus dem
latein. indultum, der obrigkeitlichen oder kirchl. Erlaubniss, sondern
aus goth. dulds, ahd. tuld, das in den Glossen als ein zur Zeit des
Neumonds begangenes Fest übersetzt wird und mithin ein im Heidenthum
entsprungenes Wort ist. Grimm, GDS. 72. Somit könnte die Zurzacher Dult
schon mit einem heidnischen Verenafeste zusammengefallen sein, wie sie
hernach mit dem christlichen Feste daselbst wirklich und ausschliesslich
zusammenhieng. Kirchen und Klöstern wurde frühzeitig das Marktrecht
verliehen; die Kirche zu Magdeburg besass dasselbe schon 929, die
Elsasser Abtei Selz seit 982, und daher rührt der andere Marktname
Messe. Er bezeichnet den kirchlich begangenen Festtag eines örtlichen
Heiligen und den gleichzeitig abgehaltnen, von zahlreichen Pilgerzügen
besuchten Jahrmarkt. Alle orientalischen Karavanenzüge gehen von einer
Tempelstadt aus oder enden bei einer solchen; alle Jahrmärkte des
Abendlandes tragen Kalendernamen der Heiligen; daher denn im Worte Messe
der Doppelbegriff des Handelsverkehrs und des Gottesdienstes vereint
liegt.

Jedoch nicht hinter allen den Orts- und Geschlechtsnamen, welche häute
Venus heissen, ist ursprünglich diese wirklich zu suchen, und es ist bei
unserem gegenwärtigen Zwecke keineswegs überflüssig zu zeigen, wie
hierin das so vielfach wiederkehrende Wortmissverständniss sich erzeugt
hat. Veni heisst der neckende Berggeist am Trüdinger beim Dorfe Eib an
der Rezat, nächst der Stadt Ansbach; er wohnt hier auf dem Schlossberge
auf dem Venibuck im Veniloch, Die Eingebornen nennen diesen Ort
Venesberg, allein auf dem lithograph. neuen Steuerblatte steht er
bereits als Venusberg verzeichnet. Bavaria III, 2. S. 941. Das
Adelsgeschlecht der Feniberger war sesshaft zu Bogen, unterhalb
Regensburg am linken Donauufer; sein Wappenbrief aber vom J. 1662 zeigt
die Venus vor einem grünen Hügel stehend. Anz. des German. Museums 1860,
88. Das sächs. Dorf Venusberg, zwei Stunden von Wolkenstein, heisst
urkundl. Fenigs- und Feinigsberg. Grässe, Sag. v. Tannhäuser, 18. Ein
Finisloch, ausserhalb Marburg gelegen, heisst gleichfalls Venusloch.
Lynker, Hess. Sag. no. 152. Das Staatshandbuch des Grossherzgth. Weimar
führt nicht weniger als sechs Beamte des Namens Venus auf: Bechstein,
Mythe 1854, Heft 1, 53. Dass nun diese Namen unmöglich alle dem Latein
abgesehen sein können, empfand schon Fischart, der in seiner
Uebersetzung von Bodinus Dämonomanie, 1591, S. 67 vom Venusberg bei
Breisach berichtet und was man von den darin, schlafenden Rittern singt
und herumträgt; allein, fügt er bei, man pflegt im deutschen Volksliede
den Namen Venus aus dem Worte Fin und dieses wiederum aus jenem
abzuleiten. Hier nun ist die richtige Ableitung folgende. Aus dem
romanischen Worte Fee (fatua), ein weiblicher Schutz- und Gefolgsgeist,
bildet sich der mhd. Name Feine und aus diesem die Pluralform
Feenesleute, wie die Erdmännchen in Vernalekens Oesterreich. Mythen, 23
heissen. Die altfranz. Form Faye lebt noch im waatländer Patois fort,
Fayres bezeichnet da die gespenstischen Weissen Frauen und geht ins
Rhätische über, denn im Kt. Glarus heissen die Waldgespenster pluralisch
Fayer, gälisch Fairys. Wird also der Quarzfelsen auf der Spitze des
Feldberges im Taunus abwechselnd Brunnhildenbett, Teufelskanzel und
Venusstein genannt, so steht nun fest, dass der letztere Name die als
Feen dorthin verwünschten bösen Geister bezeichnet und dass sie
Veensleute sind. Nicht unter diese Namensreihe gehört jedoch der Name
des Grafen Rudolf von Fenis, ein Minnesänger, gestorben um 1196; dessen
Burg beim Bernerdorfe Vingelz zwischen dem Bielersee und dem Seelande
gelegen ist; sein und seiner Burg urkundlicher Name ist Fenils,
ableitend von latein. fenus, Ertrag, fenile, Heuboden, hier in der
örtlichen Bedeutung von Schlossscheune und Vorburg.

Das nun gewonnene Ergebniss ist einfach und befriedigend. Vrene, die
Liebesgöttin, wird vom höfischen Geschmacke zur Venus antikisirt, durch
die Kirche zur Patronin der Siechenhäuser, durch die Zeitsitte zur
Mutter der Frauenhäuser erhoben und erniedrigt, und durch romanischen
Spracheinfluss zur Königin der Feen gemacht, mit denen sie im
Zauberberge wohnt. Der mit der Liebesgöttin in ihrem schattigen Lusthain
(im Tann) hausende Gemahl heisst eben so erklärlich Tannhauser. Auf den
bairisch-salzburgischen Ritter und Minnesänger Tannhuser (gestorben um
1266) darf, obschon er ein Zeitgenosse des im Liede mitgenannten Pabstes
Urban ist (der IV. dieses Namens, gestorben 1268), schon deshalb nicht
geschlossen werden, weil sich die Tannhäusersage, wenn auch unter
anderem Namen, in Schottland und Schweden wiederholt. Belege hiefür
giebt Grimm Myth. 888.

       *       *       *       *       *

FUSSNOTEN:

[8] Uhland C.

[9] Uhland A.

[10] Uhland B.

[11] Nach Uhland C.

[12] Uhland A.

       *       *       *       *       *



III.

Gertrud mit der Maus,

die Allerseelenherrin.

       *       *       *       *       *


Die heilige Gertrud, ahd. Kêredrûd, trägt den heidnischen Namen einer
germanischen Walküre und Speerjungfrau. Der mythologische Name Thrûdhr
bezeichnet sowohl Thôrs und Sifs Tochter, als auch eine der von der Edda
genannten 13 mit Odhin in die Schlacht reitenden Schlachtjungfrauen. Das
altnord. Appellativ thrudhr, ags. thrydh, bezeichnet das Mannweib,
virago; Gertrud also ist eine Jungfrau, die den Gegner im Waffenkampfe
niedertritt, wie unser jetziges Wort Trude ebenfalls die den Schläfer
auf die Brust tretende Nachtmahre, den ihn im Traume reitenden Alp,
bezeichnet. Der Trude ist daher der fünfeckige Trudenfuss eigen, dessen
Missgestalt aus dem Schwanenfusse der schwanengeflügelten Walküre
entstanden ist. Eine Alptrudis und Albedrudis wird im Polyptychon
Irminonis (sec. 8) unter den fränkischen Frauen genannt; ebendaselbst
eine Ermendrudis (Dienerin des Gottes Irmin), eine Anstrudis (der Asen
Dienerin), eine Electrudis (ahd. Alahtrûd), die das Heiligthum, alah,
verwaltende Tempeljungfrau. Die ahd. Frauennamen Wolchandrud, Himildrud
bezeichnen die geisterhaften Wetterfrauen, welche auf den Wolken tanzen,
dass Regen fällt; eine ahd. Glosse bei Graff 5, 522 übersetzt trutari
mit saltator, und jetzt noch giebt der Volksglaube den Truden das
Geschäft, in der Walburgisnacht den Schnee vom Blocksberg wegtanzen zu
müssen. Da die Walküre zugleich die den Lebensfaden spinnende
Schicksalsschwester oder Norne ist, so vertauscht sie den Speer gegen
Rockenstab und Spindel, und so wird die hl. Gertrud, gleich den
Göttinnen Freyja, Holda und Berchta, spinnend dargestellt, auf einem
Wagen fahrend, ausnahmsweise sogar zu Rosse sitzend. Wie die eben
genannten Göttinnen mit ihrem Erscheinen die Menschen zum Anbau des
Kornes und Flachses auffordern, so stehen in Gertruds Dienst die
Frühlingsvorboten Specht, Kukuk und Schnecke, tragen von ihr den
Beinamen und werden zugleich zu Todesboten; denn wie Freyja sich mit
Odhin in die Seelen der im Waffenkampfe Gefallnen theilt, so wird
Gertrud als Seelenherrin geschildert, und ihr Geleitsthier, die
nächtlich wühlende Maus, kündet mit ihrem Erscheinen nicht bloss die
Reife der Saat, sondern auch Misswachs, Seuche und Tod an. In Folge
dessen versöhnt man die Heilige mit Trank- und Speiseopfern, indem man
die Gertrudenminne trinkt und das Erntebrod der Süssen Mäuschen bäckt.

Dies ist der äusserliche Umriss dieser heidnisch-christlichen Gestalt.

Ueber die Abkunft der geschichtlichen Gertrud schwebt schon ihre älteste
Legende in vielfältigen Widersprüchen, die aus der Bemühung entstanden
sind, die Heilige in der Familie der Pipiniden und Karolinger
unterzubringen. Ihr ältester Biograph ist ein Mönch in Nivelles,
zugleich ein Zeuge ihres im dortigen Kloster 658 erfolgten Todes: A. SS.
sec. II, pag. 467. Ihm zu Folge ist das brabanter Stift Nivelles,
zwischen Brüssel und dem hennegauischen Gebirg gelegen, durch Pipins I.
Gemahlin Ita um 640 gegründet und wird von deren Tochter Gertrud als
erster Abtissin regiert. Der Interpolator dieser Lebensbeschreibung,
gleichfalls ein Niveller Mönch im 10. Jahrhundert, erzählt, dass
Gertrud, um den Werbungen eines austrasischen Herzogs auszuweichen, nach
Franken entflohen sei und hier längere Zeit in dem von ihr gestifteten
Frauenkonvent Karleburg am Main im Spessart ein gottgeweihtes Leben
geführt habe. Allein die Benediktiner fügen dieser Angabe hinzu,
dieselbe verwechsle die Pipinentochter mit einer andern Heiligen
desselben Namens, die unter Karl d. Gr. gelebt habe. Und so gilt die hl.
Gertrud bei den Mainfranken bis heute als Karls Tochter, welcher man
dorten die Klostergründungen und Vergabungen zu Karleburg und zu
Neustadt am Main beilegt, ja man führt daselbst noch eine dritte hl.
Gertrud an, welche eine Tochter des Grafen Berger von Sulzbach und
nachmalige Gattin des Königs Konrad III. gewesen ist. Das Ergebniss von
dem allen ist, dass Gertrud bei den Mainfranken wie bei den Friesen
frühzeitig eine volksthümliche Verehrung genoss, und dass man aus eben
dieser Ursache ihre Genealogie nachmals an das grösste deutsche
Kaiserhaus anknüpfte. Auch ihre frühzeitig erfolgte kirchliche
Anerkennung steht ausser Zweifel; ihr sind in Belgien allein mindestens
bei vierzig Kirchen geweiht, A. SS. l.c.. pag. 475; ihr Name steht im
Rheinauer Martyrologium mitverzeichnet, welches dem 8. Jahrhundert
angehört, und das nach ihr benannte Gertruidenburg am südlichen Ufer der
Maas, das auf ihren Wunsch eingeweiht sein soll, wird schon 992 als eine
Marienkapelle genannt. Reitberg, Kirchgesch. 2, 543. Ueberall treffen so
die ihr beigelegten Stiftungen oder die von ihr gegründeten Kirchen mit
den frühesten Anfängen des Christenthums in Deutschland zusammen.

Ihre kirchlichen Embleme und Abbildungen sind nachfolgende. In der Abtei
zu Nivelles, wo sonst ihr wunderthätiges Sterbebette kirchlich verwendet
wurde, wird nun ihr Wagen aufbewahrt. Bock, Eglise abbat. de Nivell. 4,
25. In holländischen Kirchen ist sie abgemalt, in einer Hand den
Hirtenstab, in der andern ein Trinkgeschirr haltend, welches stabil die
Form eines Schiffleins hat. Mit diesem giebt sie sich als die Patronin
der Reisenden zu erkennen, die beim Abschied "Sinte Geerteminne"
trinken, um dadurch gute Herberge zu finden. Wolf, Ndl. Sag. S. 434.
Einen gleichen Stab, aber mit einem Blumenkranz behangen, trägt
Gertrudens hölzernes Standbild in der Kapelle zu bairisch Hermatshofen.
Panzer, BS. 2, no. 246. Dieser Stab wird sich später als ein Rockenstab,
der Blumenkranz als das Gertrudenkraut herausstellen. Am Titelblatte des
Gertrudenbuches, Köln 1506, ist sie abgebildet am Rocken spinnend, an
welchem drei Mäuse hinauflaufen; in ihr Kleid sind Zauberzeichen
eingewoben, zwei, Weihrauchfässer schwingende Engel umschweben sie.
Blunschi's Kalender aus der Stadt Zug vom J. 1823, und ebenso der
Krainische Bauernkalender bezeichnen den 17. März, als den Gertrudentag,
durch zwei Mäuslein, die an einer aufgeweiften Spindel nagen. Eine damit
correspondirende Stelle in Konrads von Dankratsheim Namensbüchlein (edd.
Strobel) lautet:

    so kumet die liebe sant Geretrud,
    die so entschlief in gottes willen,
    und stulen die ratten und miuse ir spillen
    und trugen sie in ir miuseloch.

Auf einem Gemälde, das vordem im Strassburger Münster gewesen, auf das
sich Schilter in seinen Anmerkungen zu Könighovens Chronik 571 beruft,
war der Strassburger Bischof Wilderolf zu sehen, zu Schiffe fahrend,
umschwommen von Mäusen und überragt von St. Gertrud. Von diesen beiden
in der Gertrudslegende sich wiederholenden Emblemen, dem Schiffe und der
Maus, wird nachher ausführlicher die Rede sein; für jetzt seien die
landwirtschaftlichen und bürgerlichen Ueblichkeiten hier vorangestellt,
die sich an den Gertrudentag und an dessen Zeitthiere anreihen.

Betrachten wir die an den Gertrudentag (17. März) sich knüpfenden
Kalenderregeln. Weil mit dem 25. Nov. (als am Katharinentage) der
Winter, und mit dem 17. März der Frühling beginnen soll, so ziehen mit
dem letzteren Termin die Hausmäuse aufs Feld. Davon heisst es bei
Lasicz: Gertrudis mures a colis mulierum abigit. Altbairisch: Gertraud
lauft d'Maus go Feld aus. Quitzmann, Bajwaren 124. Am Gertrudentag lauft
die Maus den Rocken hinauf und beisst den Faden ab. Schmeller, Wörtb. 2,
71. Mit diesem Tage werden also die Spinnabende eingestellt und es
beginnt die Gartenarbeit, weshalb die Heilige auch als die erste
Gärtnerin verehrt ist. Die Frühlingswärme kommt, die Bienen nehmen ihren
Ausflug, das Stallthier geht wieder zur Weide. Davon reden folgende
Sprüche;

    Sünte Katherin
    smitt den ersten Stên in 'nen Rhîn.
    Sünte Gerderut
    tüht ne wi'er herut. (Aus Köln.)

    Sankt Gertraud
    führt die Kuh ins Kraut,
    das Ross zum Zug,
    die Bienen zum Flug.

    Gerdrut
    geht das Schoof mit dem Lamme ruut. (Aus dem Waldeckischen.)

    Sant Gertrud
    Säit Zibelä und Chrût. (Schweizerisch.)

Wichtiger und von weiter reichendem Ziele werden diese Kalenderregeln,
wenn man sie auf Specht, Kukuk und Schnecke ausdehnt und diese als im
Dienste Gertrudens stehend aufweist. Alle drei werden von der
Kalenderregel in dieselbe Zeitfrist gesetzt. Der Specht heisst Schweiz.
Merzafülli, d.i. Fohlen; Gertrudentag fällt auf 17. März und die
Bauernpraktika sagt: Schreit der Kukuk früh im März, so giebts einen
guten Frühling.

Der Schwede nennt den Schwarzspecht Gjertrudsfuglen und erzählt von ihm
folgendes Märchen, enthalten in Asbjörnsen's Norske Folke-Eventyr 1866,
no. 2. Christus und Petrus erscheinen reisemüde und hungrig bei einer
brodbackenden Frau, welche Gertrud hiess und eine rothe Haube trug. Auf
Beider Bitte nahm sie ein bischen Teig in die Backpfanne und thats übers
Feuer, doch das Bischen gieng sogleich hoch auf und füllte das ganze
Geschirr. Dieser Kuchen war ihr für ein Almosen zu gross; zum zweiten
male nahm sie noch weniger Teig, doch auch dieser bekam dieselbe Grösse,
und als nun zum dritten male dasselbe geschah, sprach das Weib: Ihr
müsset ohne Almosen gehen, all mein Gebäcke wird zu gross für euch! Zur
Strafe verwünschte der Herr die Geizige in den Gertrudenvogel, der noch
ihre rothe Haube trägt und kohlschwarz ist wie sie, als sie zum
Schornstein hinausfuhr. Beständig hungernd hackt sie nach Futter in die
Baumrinde.--Dieselbe Sage in deutscher Version lautet bei Simrock, Myth.
3, 23 also: Christus gieng an einem Beckerladen vorüber, wo frisches
Brod duftete, und sandte einen der Jünger hin, um ein Stück zu
erbitten. Der Becker schlug es ab, doch die Beckersfrau, die mit ihren
sechs Töchtern von ferne stand, gab es heimlich her. Dafür sind diese
zusammen als das Siebengestirn an den Himmel versetzt, der Becker aber
ist zum Kukuk geworden. In Prätorius Weltbeschreibung und darnach in
Grimms Myth. 641 wird eben dasselbe also berichtet. Ein Becker hat zur
theuern Zeit den armen Leuten von ihrem Teig gestohlen und, wenn Gott
den Teig im Ofen segnete, ihn herausgezogen, bezupft und dabei gerufen:
Guck! guck! (ei sieh!) Dafür ist er in einen Raubvogel verwandelt, der
unaufhörlich dieses Geschrei wiederholt. Im aargauer Freienamt gilt
hierüber folgende Spielart. Ein hungernder Knabe wollte einem Marktweibe
ein Brodwecklein abkaufen, sie, forderte aber so viele Kreuzer dafür,
als man auf des Kindes flache Hand hinzählen könne. Das Büblein gieng
darauf ein und machte sein hingestrecktes Händchen immer hohler und
schmaler. Da die Alte nun in ihrem Zählen gar nicht fertig werden
wollte, noch ein Plätzchen und wieder eins auf der Kinderhand zu suchen,
so rief zuletzt der Knabe voll Hunger und Verdruss: So flieg und ruf
Kukuk! Alemann. Kinderlied, S. 78.

So wird hier der Specht, ursprünglich ein nahrungsspendender Bote
Gottes, ein die Nahrung hartherzig verweigernder Theuerungsgeist und
geht in die Gestalt des gleichfalls eigennützig gefassten Kukuk über.
Daher heisst es von diesem letzteren, er sei ein diebischer verwünschter
Beckerknecht und trage davon sein fahles, mehlbestaubtes Gefieder. Dies
besagen die nachfolgenden Kindersprüche:

Kukuk stahl Weggen.[13]--Kukuk, Beckenknecht![14]--Kukuk,
Speckbub![15]--Kukuk, schniet Speck up![16].--Der Gugger uf em dürre
Nast, er bettelt Brod und wird nicht nass.[17] Der Sauerklee, Oxalis
acetosella, der zur nemlichen Zeit blüht, da des Kukuks Ruf ertönt,
heisst in Deutschland Kukukskohl, in der deutschen Schweiz Guggerbrod,
franz. pain de coucou, tessinisch pan cuculo, romansch paun e caschöl
cucu (Butterbrod), und weil seine säuerlichen Blättchen von den Kindern
genascht werden, auch Herrgottensüpple, Herrgottenbrod. Fr. Staub, das
Brod, 1868, 6. Auch die süssen Keime des Habermarks (Tragopogon) heissen
Guggichbrödle.

Der Vogel schenkt oder raubt also Brod und Butter, Speck und
Speckwecken, nemlich solcherlei Kuchen, die man nach beendigter
Fastenzeit um Ostern bäckt, mit Speckwürfeln belegt und Speckwähen
benennt. Die Rolle des Diebes wird ihm beigelegt, weil er nur so lange
seinen Ruf ertönen lässt, als die Brütezeit dauert und er die Eier
andrer Vögel aussäuft. Ist diese Zeit vorüber und es beginnt die Reife
der Frühkirschen, so sieht er auch diese, heisst es, in seiner Gier für
buntgesprenkelte Eier an und frisst deren so viele, dass ihm die Stimme
verfällt und er nur noch heiser ruft. Die Sage von der durch ihn
erregten Theuerung knüpft sich an sein zeitweilen verspätetes Erscheinen
und an sein über die geregelte Frist andauerndes Rufen. Die
oberfränkischen Bussbacher sollen ihn daher einmal bei langem
Regenwetter mit dem Backwisch verjagt haben. Panzer, BS. 2, no. 285. Er
soll nur so lange rufen, als das Siebengestirn am Himmel steht, in
welches jene Beckerin mit ihren Töchtern verwandelt ist; das ist bis
Ende Juni. Die appenzeller Bauernregel sagt hierüber: Wenn d'Henne
abwärts gönd, schlôt s'Brod ab, wenn s'ûfwärts gönd, schlôt 's ûf. Hält
der Vogel diese Frist nicht mit ein, so entsteht Nahrungsmangel, dessen
Opfer er selber zuerst wird; hievon erzählt folgender venetianer Spruch:

    Am achten des Aprils,
      da soll der Kukuk kommen;
    Kommt er am achten nicht,
      so ist er todt oder gefangen.
    Kommt er am zehnten nicht,
      so hängt er gefangen im Zaun.
    Und kommt er am zwanzigsten nicht,
      so ist er gefangen im Korn;
    Und kommt er am dreissigsten nicht,
      so ass ihn der Hirt mit Polenta.

Weil mit des Kukuks zeitgemässem Erscheinen zugleich der Anbau in der
ganzen Gemeindeflur beginnt, so heisst er in schwäbisch Mundingen
Oeschhei, d.i. der Flurhege (vgl. Holzhei; Wieshei: der Bannwart), und
daraus erklärt sich vollständig der Schwabenstreich des Städtchens
Haiterbach, welches gegen die verspätete Ankunft des Vogels
Kirchengebete abhielt. Wolf, Ztschr. 1, 440. Der appenzeller Spruch
bestimmt: Am dritten Abrelle muss der Gugger grüene Haber schnelle
(anraunzen). Schreit er nach Johannis von Norden her, so bringt er in
Zürich einen sauern Wein; fliegt er den Wohnhäusern zu nahe, eine
Jahrestheuerung (Gessner's Thierbuch, Von den Vögeln LXXI). Hält er den
richtigen Termin ein, so ist er nachdrucksam der Zeitvogel und kann um
Wohlstand und Lebensdauer zugleich befragt werden, so dass er beides bis
in den Brodkorb hinein prophezeien wird; daher ruft ihm der Schwabe zu,
in Meiers Kinderreim. no. 87:

    Schrei sie mir in Deckelkräbe
    Wie viel Jahr darf ich noch lebe?

Dieselbe Anfrage ergeht auch an die Schnecke, welche wie Specht und
Kukuk, ein den Lenz, die Jahresfruchtbarkeit und die Lebensdauer
verkündendes Thier ist und im Dienste Gertrudens gestanden hat;[Nachtrag
4] man ruft ihr in einem Jeverschen Kinderspruche (Mannhardt, Ztschr. f.
Myth. 3, 222):

    Kukuk, Kukuk, Gerderut:
    stäck dîne vêr Hörns herut!

Um so besser stehts um das berufende Kind, je pünktlicher ihm die
Schnecke ihre vier Fühler zeigt; es erkrankt, wird kreuzlahm, wenn es in
die Fühler zwickt. Alemann. Kinderl. S. 97. Aus Göthes Lied
Frühlingsorakel ist die Sitte allbekannt, nach der Zahl der im April
gehörten ersten Kukuksrufe die Hochzeitsfrist, die Zahl der Kinder und
der Lebensjahre voraus zu bestimmen; aber Vorbedingung dazu ist, dass
man dem Vogel erst einen Thron baue, von dem herab er seine Weissagung
ertheile, dies ist ein aus Binsen geflochtner Sessel, westfälisch der
Kukukesstaul genannt (Woeste in Wolfs Ztschr. 2, 95). Alsdann spricht
man:

    Gugguger im Sessel,
    Gieb mir dein Geld zu lesen,
    Will dein Geld dir wieder geben,
    Sag, wie viel Jahr thu ich leben?

Andr. Strobel, Geistl. Kartenspiel, Sulzbach 1693, 1 Th. 118. In Sommers
Thüring. Sag. no. 9 kommt in den Zwölften unter wunderbarem, weit
vernehmbarem Sausen, eine Frau durch die Luft geflogen, welche die
Gestalt einer gewöhnlichen Taube hat, aber an ihren Füsschen ein kleines
Schilfstühlchen mitträgt, das sie, wenn sie müde wird, auf den Boden
stellt, um darauf auszuruhen. Sie selbst berührt die Erde nie, wo sie
aber das Stühlchen hinsetzt, da grünt und blüht es im folgenden Sommer
am schönsten und fruchtbarsten. Am Morgen des Dreikönigtages wird die
Taube wieder zur Frau. Hier ist der Frühlingsbote, Kukuk oder Taube, die
ihn aussendende Himmelsherrin selbst, nemlich Frigg die Göttermutter,
die nach Paulus Diaconus Frea heisst und neben dem Gemahl Gwodan auf dem
goldnen Thron in Walhalla sitzt. Als Frühlingsgöttin steht Freyja-Frigg
der grossen Maifeier vor, denn in den Niederlanden heisst der Mai
Vrymänd. Compte rendu, Bruxelles 1843.

VII. 1, 29. Menzel, Vorchristl. Unsterblichkeitslehre, 2, 243.

Im aargauer Frickthale pflegen die Kinder dem Kukuk zu rufen:

    Gugger uf em grüene Ast,
    Du, mi liebe, schüeche Gast:
    Gugg mer doch, bis au so guet,
    Wie mängis Jahr no han i z'guet?

Wer während dem ungerades Geld bei sich trägt und auf den Sack schlägt,
dem geht es das Jahr über nicht aus, eine Volksmeinung, von welcher der
Berner Volksdichter G.J. Kuhn (Volkslieder 1819, 93) ein Liebespaar
also reden lässt:

    Hans ghört di z'erst, er gryft i Sack
    u sucht sys Geld: "O tusi Drack (Drache!),
    dass i kei Batze by mer ha,
    jetz wird's mer wol s'ganz Jahr so ga!"
    Un Aenni lost und fraglet di:
    Wie mängs Jahr ächt no leben i?

Von der gleichen Frage eines alten Weibes berichtet der Zürcher Chirurg
Rud. Gwerb, Leuth- und Vychbesägnen, Zürich 1646, 13: "Vnd da der
guckguck Fünffe herfür geschrauwen, da vermeinte das thorachte alte weyb
anders nichts, dann das sy noch fünff jahre zu leben hette. Sie fiel
aber bald in eine schwäre krankheit und da sie zum sterben sich
zuzerüsten vermanet worden, wolte sie nicht dran, dann der guckguck
hette jhren anders verheissen. Vnd ob es gleichwol mit jhren auff dem
letzten gepfiffen, bliebe sie doch jmmer auff jhrer meinung und als sie
jetz kein wort mehr reden kondte, streckte sie noch fünft finger auff,
andeutende, dass sie, nach des guckgucks gesang noch fünff jahr zu leben
habe. Das heisset auff das vogelgeschrey achten!"

Von demjenigen, dessen Leben augenscheinlich zu Ende geht, sagt man, der
hört auch den Kukuk nicht mehr; was man verwünschen will, das soll des
Kukuks werden, sich zum Kukuk scheren. Der die Lebensdauer weissagende
Vogel wird also damit zum Propheten des Todes. "Der Kukuk auf dem Dache
bringt den Tod ins Haus." Hahn, Albanes. Studien l, 158. Als Vogel der
Trauer gilt er in kleinrussischen Liedern. Myth. 646. Nach serbischem
Glauben verwandeln sich die Seelen Verstorbener in Kukuke, man findet
daher auf den hölzernen Grabkreuzen in Serbien so viele Kukuke
abgebildet, als Angehörige um einen Todten trauern, und von einem
Serbenmädchen, dem der Bruder gestorben war, wird erzählt, dass es nie
mehr habe den Kukuksruf hören können, ohne nicht in heftiges Weinen
auszubrechen. Friedreich, Symbolik 534, nach Hanusch, Slaw. Mythus.
317. Dieselbe Rolle des Leichenvogels ist ihm im finnischen Epos
Kalewala zugetheilt; da klagt die alte Mutter, deren Tochter Aino beim
Frühlingsbade ertrunken, im nächsten Frühjahre:

    Aelter wird mein Ellenbogen,
    Schwächer wird mein Handgelenke,
    Ja, der ganze Körper zittert,
    Wenn des Kukuks Ruf ich höre!

Schiefner's Uebers. 24. Kukuk und Specht treffen auch in ihrem ältesten
Mythus überein. Altpolnisch hiess der Kukuk Zywie und war ein
verwandelter Gott: opinabantur enim, supremum hunc universi moderatorem
transfigurari in cuculum. Myth. 643. Dasselbe behauptet auch das griech.
und römische Alterthum vom Specht. In Kreta zeigte man sein Grab und
eine Säule dabei mit der Aufschrift: Hier liegt nach seinem Tode Picus
der Zeus (Pikos ho Zeus), und ebenso hatte er nach altrömischer Mythe
die ausgesetzten Zwillingssöhne des Mars, Romulus und Remus, aufgeässt
und hiess davon Picus Martius. In der tiroler Gemeinde Wangen ist sein
Name "der Wangener Gott". Zingerle, Tir. Sag. no. 1064. Die berühmte
Springwurzel, vor welcher die Thüren der Schatzkammern und Gefängnisse
aufspringen, liegt in seinem Neste; statt seine Jungen mit ihr zu
füttern, lässt er sie von dem Baume fallen, unter den man ein rothes
Tuch breitet. Wer sie dann in den Mund nimmt, versteht aller Vögel
Sprache. Wie Zeus sich in den Kukuk verwandelt und sich auf den
Scepterstab der Here setzt, so wird der Specht auf Gertrudens Stab
weissagend gesessen haben; dieser Stab selbst wird theils zur erlösendem
Springwurzel, theils zur Spindel, theils verwandelt er deren Flachs in
Gold. Ueberdies verleiht der Specht (ableitend von ahd. spahi, prudens,
der spähende) seinen Namen eben jenem Spessart (urkundl. spechtes-hart),
welcher der Schauplatz war von Gertrudens Thätigkeit in Ostfranken, und
so heisst das Thier mit wiederholtem Nachdruck Gertrudenvogel.

Wie diese eben beschriebnen Frühlingsthiere, weil sie dämonische sind,
aus Glücksboten sich in vorahnende Todesboten verkehren, so geschieht
dies vornemlich mit Gertrudens besonderem Gefolgsthiere, der Maus. Die
Seelen der Abgeschiedenen werden zuerst von Gertrud empfangen, um sich
da entweder in gute oder in böse Elbe zu verwandeln; als solche
erscheinen sie hierauf wieder als schädigende oder als bescherende
Mäuse. Diesen Satz aus der Lehre von der Seelenwanderung nehmen wir
nunmehr in Ausführung.

Wie Holda-Berchta die unmündig Verstorbenen, und Valfreyja die in der
Schlacht Gefallenen zu sich nimmt, so haben nach älterem Kirchenglauben
die Seelen der Abgeschiedenen ihre erste Herberge bei St. Gertrud zu
nehmen. Hievon handelt eine Handschrift des XV. Jahrh., welche Grimm
Myth. 54 citirt: Aliqui dicunt, quod, quando anima egressa est, tunc
prima nocte pernoctabit cum beata Gerdrude, secunda nocte cum
archangelis, sed tertia nocte vadit sicut diffinitum est de ea.
Erweitert findet sich dieser merkwürdige Glaubenszug in Nik. Gryse's
niederd. _Spegel_, auf welchen Schiller, Meklenburger Thier- und
Kräuterbuch 3, 41 verweist: Se geven ock vor, wenn de Seele vth dem
Minschen varet, so moth se de erste Nacht Herberge hebben by S.
Gerderuten, darumme ock S. Gerderuten Kercke gemeinlyken vor de Döre der
groten Stede gebuwet syn; und darnâ moth se uouer dat Leuuer-Meer.
Dieser hier das Lebermeer genannte Todtenstrom war auf jenem vorhin
schon erwähnten Münstergemälde dargestellt, das den Bischof Wilderolf
und St. Gertrud zu Schiffe zeigte, und wird in der Sage von Hattos
Mäusethurm zum Rheinstrom. Hievon später. Gertrudens Kirche und die von
den Geistern darin abgehaltene Todtenmesse spiegelt sich ab in der
Nürnberger Sage von der Jungfrau Gertraud Stromer. Der Patrizier Imhof,
an dem dieser Jungfrau ganzes Herz hieng, war, weil sie ihm ihre Liebe
verhehlt hatte, ihrer Freundin zu Theil geworden, starb nach kurzer Ehe
und auch Gertraud überlebte ihn nicht lange. Drei Wochen nach diesem
letzteren Todesfall gieng am Allerseelentag 1430 die Wittwe Imhof vor
Tag in die Frühmesse nach St. Lorenz, hier aber befiel sie der
unheimliche Eindruck, als wären statt der Gemeinde und Geistlichkeit
lauter Verstorbene versammelt. Als sie nun, um anzufragen, aus ihrem
Stuhle trat und eine vor ihr knieende Jungfrau leise auf die Schulter
klopfte, erkannte sie in dieser ihre vor drei Wochen begrabne Freundin
Gertraud. Auf deren Rath verliess sie so eilig die Kirche, dass sie
ihren Mantel vergass, floh heim, erkrankte heftig und trat darauf ins
Klarissenkloster. Hier starb sie nach etlichen Jahren und zwar
gleichfalls am Morgen des Allerseelentages. Schöppner, Sagb. no. 1147.
Die Heilige ist hier zu einer gleichnamigen Nürnberger Patrizierin
geworden, welche über das stumme Todtenheer, in dessen Mitte sie ist,
allein Auskunft zu geben vermag, deren Herzenszug aber noch immer die
Liebe ist zu dem ehemaligen Geliebten. Von diesem Naturell der Walküre
liefert die Gertrudensage noch mehrere nachher zu behandelnde
Einzelheiten; hier ist vorerst der Glaube zu zeigen, dass die
Abgeschiedenen die Gestalt von Mäusen annehmen.

Die Seelenherrin selbst ist die Weisse Frau und auch sie erscheint als
Weisse Maus. Müller-Schambach, Niedersächs. Sag. S. 269; dazu ebendas.
no. 7. 264. Lübecks Stadtwahrzeichen ist eine in dortiger Marienkirche
abgebildete Maus, die an der Wurzel eines Baumstrunkes nagt; sie sei ein
Weib gewesen, die über dem Wunsche, niemals zu sterben, zu
mehrhundertjährigem Alter kam, zur Grösse einer Maus zusammenschrumpfte
und unter einem Glaskästchen in dortiger Kirche aufbewahrt wurde.
Bechstein DSagb. no. 212. Letzteres stimmt mit der Sage vom thebanischen
Seher Tiresias, der fünf, ja sogar neun Menschenalter gelebt haben und
nach seinem Tode in eine Maus verwandelt worden sein soll. Nork,
Realwtb. 4, 382. Die Blocksbergsscene im Göthe'schen Faust schildert das
plötzliche Ende der gespenstischen Tänzerin: "Mitten im Gesange sprang
ein weisses Mäuschen ihr aus dem Munde." Im aargauer Volksglauben finden
sich folgende Sätze. Wenn der von Gemeinde wegen aufgestellte Feldmauser
drei weisse Mäuse fängt und tödtet, so kommt er in die Hölle. Wer eine
weisse Maus quält, dem fressen die übrigen das Korn von der Schütte. Vor
der französ. Invasion 1798 waren im Hauptgange des Rathhauses zu Aarau,
wo die Schildwache stand, in jeder Nacht auf Himmelfahrt zwölf weisse
Mäuse zu erblicken, die man für zwölf verwünschte Rathsherren hielt; so
erzählt uns die Bauernfrau Schenker aus solothurnisch Däniken.--Weisse
Mäuse, berichtet V. Grohman über Böhmen, geniessen in diesem Lande eine
Art religiöser Verehrung, man macht ihnen ein Lager zwischen den
Stubenfenstern und pflegt sie, damit nicht mit ihnen das Glück des
Hauses sterbe. Ein Nest weisser Mäuse zu finden ist nur Sache eines
Sonntagskindes. Auf Schloss Drazic werden sie eigens gezüchtet, und
lässt man ihrer eine in die Kornscheune laufen, so schüttet da das
Getreide um die Hälfte mehr als sonst. Wer eine Maus zertritt, der führt
den Teufel ins Haus. Zingerle, Tirol. Sitt. S. 55. Je weisser der Zahn,
von dessen Ausfall man träumt, um so näher verwandt der Freund, dessen
Tod drauf erfolgt (Aargau).[18] Dem Aberglauben gelten auch die rothen
Mäuse in einem ähnlichen Sinne. Der Zauberer in Obermumpf vermochte
einem mit offnem Munde Schlafenden als rothes Mäuschen bis ins Herz
hinunter zu schlupfen. Aargau. Sag. 2, S. 152. Dagegen ereifert sich der
niederd. Pfarrer Männling in seinen Curiositäten, Frkf. 1713: "Ists
nicht schreckliche Dummheit, dass man sich bereden lässt, die Seele des
Menschen sei eine rothe Maus, welche, wenn man schlafe, aus dem Munde
heraus spaziere!" Eben solcherlei Sagen von in Gestalt der Mäuse
auswandernden Seelen wollen wir nun folgen lassen.

Einer thüringer Magd, die in der Gesindestube über der Arbeit
entschlafen ist, kommt ein _rothes Mäuschen_ zum Munde heraus und geht
durchs offenstehende Fenster davon. Ein mit zuschauendes Dienstmädchen
rüttelt die Schlafende von ihrer Stelle, ohne sie erwecken zu können.
Das Mäuschen kehrte hierauf zurück, suchte hin und her nach der vorigen
Stelle, fand sie nicht mehr und verschwand zuletzt. Nun aber erwachte
die Schlafende nicht wieder, sondern blieb todt. Grimm, DS. 1, S. 335.
In Gestalt eines _weissen Mäuschens_ kommt der Alb durchs Schlüsselloch
ins Schlafzimmer und drückt den Sohn. Die Mutter, welche vorsorglich
schon ein Tuch über die Brust des Schlafenden gebreitet hat, legt es
nun, da sie ihn stöhnen hört, an den vier Enden zusammen, thuts in die
Schublade der Kommode und lässt den Schlüssel dran stecken. In derselben
Stunde war im Nachbarorte ein Mädchen plötzlich gestorben und sollte
nach drei Tagen begraben werden. Da traf sichs, dass der Sohn, der seit
dieser Zeit vom Alb frei geblieben war, am dritten zufällig den
Schlüssel von der Schublade abzog, worin jenes Tuch lag. Sogleich
schlupfte ein weisses Mäuschen durchs Schlüsselloch und lief zur Thür
hinaus. Gleichzeitig hatte man im Nachbarorte schon den Sarg schliessen
wollen, als ein Mäuschen zur Thüre herein und in den Mund der Leiche
gelaufen kam, diese öffnete die Augen und gehörte wieder dem Leben an.
Wolf, Hess. Sag. no. 95. Dieselbe Begebenheit in Sommers Thüring. Sag.
no 40. In gleicher Gestalt kommt die Nachtmahr zum schlafenden Gesellen
geschlichen und wird in gleicher Weise von ihm gefangen; kaum hat er das
Schlüsselloch der Kammerthüre verstopft, so sieht er statt der Maus ein
wunderschönes Mädchen splitternackt hinter dem Ofen sitzen. Ibid. no.
96. Kuhn, Westfäl. Sag. no. 247. Wenn der Bergmeister Hinten auf dem
Harze seinen Nachmittagsschlaf zu machen pflegte, kam eine Maus aus
seinem Munde gekrochen und schlupfte in die Erde, doch zur vorbestimmten
Minute erschien sie wieder und kroch in den Mund zurück. Alsdann wachte
der Bergmeister unter heftigem Schnarchen auf, zog rasch seinen
Fahrhabit an und fuhr in den Schacht. Dies that er nie vergeblich, denn
sicher hatte er jedesmal durch die Maus Nachricht erhalten, dass die
Knappen falsch gearbeitet oder gar die Grube verlassen hatten. Pröhle,
Harzsagen 1, S. 68. Die Wache der Landsknechte sieht ihrer einen in der
Mittagsrast einschlafen, da kommt ein kleines weisses Thierlein, gleich
einer Wiesel, aus seinem Munde dem nächsten Bächlein zugelaufen und will
hinüber. Der zuschauende Knecht legt sein entblösstes Schwert wie eine
Brücke über den Graben, das Thierlein geht darüber hin und verschwindet.
Nach einer kleinen Weile wieder kommend, findet es jenseits die vorige
Brücke nicht mehr, da mittlerweile der Kriegsknecht sein Schwert
weggethan. Also brückte dieser ihr abermals, das Thierlein kam herüber,
näherte sich dem Schlafenden und kehrte in seine vorige Herberge ein.
Als die Spiessgesellen den Erwachenden befragten, was ihm im Schlafe
begegnet, antwortete er: Mir träumte, ich wäre gar müd und hellig von
wegen eines fernen weiten Weges, den ich zog, und auf dem Wege musste
ich zweimal über eine eiserne Brücke. Grimm, DS. no. 455. Ebenfalls als
Wiesel fährt die Seele eines schlafenden Hirtenknaben aus. Wolf, Hess.
Sag. no. 98. Der Prototyp dieser Sage ist nach der Aufzeichnung von
Paulus Diaconus 3,34 und Aimoinus 3,3: der Frankenkönig Guntram, dessen
Seele in eines Schlängleins Gestalt aus des Schlafenden Munde kommt,
auf einem Schwerte den Bach überschleicht, in einen Berg schlieft und
rückkehrend über die nämliche Schwertbrücke in den Mund des Königs
zurück geht. Der Erwachende erzählt, vom grossen Flusse mit Eisenbrücken
geträumt und im hohlen Berge den Hort der Ahnen erblickt zu haben.
Grimm, DS. no. 428 (zweite Aufl. no. 433).[19] Einige ähnliche Sagen aus
Böhmen theilt Grohmann mit in Apollo Smintheus pg. 22. Die ausfahrende
Seele nimmt auch noch anderer Thiere Gestalt an, zumal geflügelter. Aus
dem Munde schlafender Hexen bricht eine Fliege (Grimm, DS. 2. Aufl. no.
408), eine Hummel, Wespe, ein Schmetterling hervor. Grimm, Myth. 1031,
und Vonbun, Beiträge 2, 83. So viel von den Mäusen als ausfahrenden und
umwandernden Menschenseelen. Sind die Mäuse damit Geister, so können sie
sowohl Segens- als auch Rachegeister werden, den Freund beschützen und
den Feindseligen vertilgen, und daraus wird ihr Erscheinen überhaupt den
Völkern allgemein zum Omen. Das Gleichgültigere sei hier wiederum
vorangestellt, um zum historisch Wichtigen emporzuführen. Unser
übelverstandner Ausdruck maustodt, anstatt mhd. murztot, holländ.
morsdood, spielt auf Maus und Scheermaus an, deren Stossen im Wohnhause
auf den Tod des Hausherrn gedeutet wird. Träumt man von Mäusen, so wird
es nächstens etwas Ungerades geben; klettert die Maus an der Zimmerwand,
so entsteht Hauszank; raschelt sie im Bettstroh, so betrifft den
Schläfer schon am Morgen Unheil; nagt sie an seinem Kleide, so stirbt
dieser bald. Verlassen sämmtliche Mäuse mit einem Male das Haus, so ist
dies mit Aussterben bedroht; man sagt: viel Müs, wenig Lüt. Salom.
Landolt, Reime und Lieder, Aarau 1845, sagt S. 326 von der Maus:

    Der Aberglaube redt re noh,
    (Me cha zwar uf das G'schwätz nid goh,
    Glaubt' i's, i müesst mi schäme):
    Verlöi die Fründi d'Wohnig ganz,
    Geb's i dem Hus en andre Tanz,
    Das heisst, es g'hei bald z'säme.

Mäuse verkündeten den Ausbruch des marsischen Krieges, als sie die
Silberschilde zu Lanuvium benagten, und den Tod des Feldherrn Carbo, als
sie dessen Schuhriemen zerbissen. Cicero de Divin. 2, 27. Plinius HN. 8,
82. Als die Philistäer die Bundeslade geraubt und in Dagons Götzentempel
aufgestellt hatten, schlug Jehovah sie mit der Beulenpest und ihre
Felder mit dem Mäusefrasse (percussit inimicos in posteriora. Psalm 77,
66). Nach sieben Monaten lieferten sie die Arche wieder zurück und
übersandten dazu in einem Kästlein als Sühnkleinode fünf goldne Mäuse
und fünf goldne Aerse, beides nach er Zahl der mit der Doppelplage
heimgesucht gewesnen philistäischen Landschaften. 1. Sam. 6, 4.
Aehnliche Sühnbilder sind dem ganzen antiken Alterthum gemeinsam. Der
Priesterkönig Sethon, der die Pest abgewendet hatte, erhielt dafür eine
Bildsäule, welche in der einen Hand eine Maus hielt. Herodot 2, 141.
Vergoldete Aehren und goldne Mäuse wurden der phönizischen Ceres zum
Sühnopfer gebracht. Welcker, Griech. Götterl. 1, 484. Im kretensischen
und im äolischen Dialekt bedeutet Apollos Beiname Smintheus eine
Feldmaus, Münzen von Tenedos stellen ihn mit dem Pestpfeil und der Maus
dar, sowie auch eine Münze von Metapont die sechszeilige Gerstenähre
zugleich mit der Wanderheuschrecke und der Maus aufweist. O Heer,
Pflanzen der Pfahlbauten. Selbst Athene, wie man sie auf Gemmen
dargestellt sieht (Tassie no. 1585), trägt die Maus auf dem
Brustharnisch oder auf der Schulter. Menzel, Vorchristl.
Unsterblichkeitslehre 1, 22. In allen diesen Sinnbildern ist mithin die
Pestseuche an den Misswachs, dieser an den Mäusefrass geknüpft, und die
agrarischen Gottheiten nehmen das ihnen in Form einer Maus dargebrachte
Opfer an und heben die herschenden Uebel auf, indem sie die Mäuse
vertilgen. Dieselbe Abhülfe wird nun aber auch durch die hl. Gertrud
gewährt, welche, indem sie die Mäuseplage aufhebt, zugleich die Seuchen
abwendet. So lange schon Gertrud ein Standbild in der Kapelle zu
baierisch Hermatshofen besitzt, hat sie von diesem Orte stets die
Viehseuchen abgehalten. Panzer, BS. 2, 157. Dahin gehört die allbekannte
Sage vom Rattenfänger zu Hameln. Da sich an sie die Geschichte von der
magischen Pfeife knüpft, mit deren Tone die Mäuse vertrieben werden, und
hiervon noch später bei Gelegenheit der in Mausform gebackenen
Erntenudel wiederum die Rede sein muss, so folgt hier diese Hamelner
Geschichte in der Fassung nach, wie sie Balth. Becker in der Bezauberten
Welt lib. 4, S. 157 des Mart. Tschockius Fabula Hamelensis nacherzählt.
Als die Stadt Hameln a.d. Weser im J. 1284 mit einem Haufen Mäuse und
Ratten geplagt war, die alle Frucht wegfrassen, kam man mit einem
fremden Mann überein, der sich gegen Geld erbot, sie aus der ganzen
Gegend wegzuschaffen. Er holte aus seiner Henktasche eine Pfeife hervor
und sowie er darauf spielte, kamen die Mäuse aus den Hauswinkeln,
Dächern und Dachrinnen zu Haufen hervor und folgten ihm zur Weser. Er
trat sein Kleid aufschürzend in den Strom, die Thiere ihm nach und
ertranken. Nach verrichteter Sache begehrte er den bedungenen Lohn.
Allein die Bürger waren nicht geneigt zu bezahlen. Da erschien er am
folgenden Mittag wieder, diesmal in Jägertracht, sein Hut war
purpurfarbig, seine Gestalt von erschreckender Länge, und nun spielte er
eine andere, von der gestrigen weit verschiedene Pfeife. Da liefen ihm
binnen einer Stunde alle Kinder der Stadt zu, vom vierten bis zum
zwölften Altersjahre, die führte er, 130 an der Zahl, in eine Höhle des
vor dem Thor gelegenen Koppenberges, und keins von ihnen ist nach diesem
wieder gesehen worden. Man sagt, er habe sie zweihundert Meilen weit
unter der Erde fort his nach Siebenbürgen und dorten erst wieder ans
Licht geführt; denn seitdem spricht man in diesem Lande
niedersächsisch.--So lassen sich auch in Wolfs Hess. Sag. no. 14 die
Bauern um Lorsch alles Feldungeziefer und alles Gewitter, durch einen
Einsiedler aus dem Lande pfeifen, als sie ihm aber den Lohn dafür
vorenthalten, ist der Ameisen- und Grillenregen nebst dem Mäuseheere
wieder da. Von neuem wird der Mann berufen, nun kommen jedoch auf
seinen Pfiff alle Schafe und Schweine des Dorfes ihm in den Lorschersee,
und zuletzt alle Kinder in den Tannenberg nachgelaufen und bleiben
verloren.

Dieselbe Sage ist auch in dem bei Paris gelegnen Dorfe Drancyles-Nouis
lokalisirt gewesen, wo im J. 1240 der Mönch Angionini mit dem Erbieten
erschien, den Ort von seinen Ratten und Mäusen zu befreien. Er lockte
alle diese Thiere in einen Fluss, wo sie ertranken. Doch da man ihm den
versprochnen Lohn vorenthielt, stiess er in ein Horn, worauf sich alle
Zuchtthiere des Dorfes, Pferde, Rinder, Schweine und Gänse, um ihn
sammelten, mit denen er davon gieng. Nork, Myth. der Volkssag. 392. Die
Uebereinstimmung dieser Erzählungen lehrt, dass die Mäuse, weil sie
Geister sind, nur dem magischen Ton der Pfeife gehorchen und damit
hinweggelockt werden. Wie man mit der Bastpfeife im Frühling den
Fruchtkeim in die Pflanze zu blasen meint (Alemann. Kinderl. S. 182);
wie der Seefahrer dem Fahrwinde pfeift, so glaubt man, die pfeifende
Maus werde durch sanfte Musik angezogen, durch schreiende verjagt. Du
singst mir alle Mäuse aus dem Hause, sagt man abmahnend dem zur Unzeit
singenden Kinde. Zur Vertreibung der Mäuse bedient man sich folgenden
Mittels. Aus dem Hinterfusse einer gefangnen Ratte schneidet man ein
Pfeifchen und umgeht damit blasend am Charfreitag das Haus, oder man
hängt dem gefangnen Thiere ein Glöckchen an und lässt es laufen; es
springt aus dem Hause und alle übrigen folgen ihm. Grohmann, Bedeut. d.
Mäuse, S. 26. Abergl. aus Böhmen S. 62. 66. Denselben Zweck hatten die
Pfeifchen im Schweife der hölzernen Spielrösschen und die thönernen, die
man an der Stelle des Schwänzleins in die Erntenudel der gebacknen
Mäuschen steckt. Dass damit magisch fortgelockt werden sollte, ergiebt
die Umschrift an der grossen Abteiglocke in würtembergisch Weingärten;
die Glocke wurde 1490 gegossen und ihre Umschrift lautet nach Sauten
(Kloster Weingarten, 1857, 48):

    Osanna heiss ich, den Todten pfeif ich.

Es ist daher gewiss ein lautredender Zug der Sage, wenn Bischof Hatto in
seinem Thurm zu Bingen von den Mäusen bei lebendigem Leibe gefressen
wird, weil er bei einer Hungersnoth die Armen unter dem Vorgeben einer
Brodvertheilung in eine Scheune lockte, sie sammt dieser verbrannte und
der Sterbenden Geschrei mit den Worten verhöhnte: Höret, wie meine Mäuse
pfeifen! Hattos Tod im J. 973 und seine Verhasstheit bei den Unterthanen
wird nebst der eben berührten Sage von Trithemius in der Hirsauer
Chronik 1, 116 erzählt und zur Unterstützung dieser Begebenheit, wie es
scheint, dorten S. 140 ein ähnlicher Fall vom J. 995 hinzugefügt über
einen Grafen von Rotenburg in Franken. Auch der Schlossherr einer am
thurgauer Seeufer versunken liegenden Wasserburg Güttingen soll sich
desselben Frevels schuldig gemacht haben und ebenso von den Mäusen
aufgefressen worden sein. Puppikofer, Gesch. des Kt. Thurgau, 121. Es
haben W. Menzel (Odin 229); Felix Liebrecht (Ztschr. f. Myth. 2, 405. 3,
307), und jüngsthin besonders ausführlich Grohmann (Apollo Smintheus, S.
78 ff.) über diesen Mythus und dessen zahlreiche Sagen gehandelt, in der
Erklärung desselben aber sich keineswegs geeinigt. Der Sinn kann kein
zweifelhafter sein. Der Erntegott schickt Undankbaren die Mäuseplage und
damit die Hungersnoth ins Land. Der um seine Vorräthe besorgte
Gewaltsherr entledigt sich der bei ihm Brod suchenden Unterthanen mit
Gewalt, aber die Geister der von ihm Gemordeten verfolgen ihn in Gestalt
der Mäuse bis in seine Wasserburg, wo er der gemeinsamen Seuche erliegt.
Mäuse werden daher Gottes Heerzug genannt, weil sie sich mit jeder
Seuchenzeit einstellen. Das Brüderpaar, das sich vor der Pest auf den
Irchelberg flüchtet, erwürgt sich da in der Hungersnoth um einer
gefangenen Maus willen. Bluntschli, Memorabilia Tigurina 1, 117. Zur
Zeit des Beulentodes war es in den Hexenprozessen eine stehende
Inquisitionsfrage, ob die angeklagte Person auch Mäuse gehext habe.
Aargau. Sag. 2, 172. Und daher stammt die gegen jeden Flausenmacher
gebräuchliche Phrase: Mach mir keine Mäuse. "Die Festung macht Mäuse und
will sich nicht ergeben", heisst es ebenso in Göthes Bürgergeneral, 9.
Auftritt.

Die den Körper in Mausgestalt verlassende und wieder besuchende Seele
hat zu dem Spielreim Anlass gegeben, bei dem man mit den Fingern über
die Brust des Kindes hinauf tippt, sprechend:

    Kommt ein Mäuschen,
    will ins Häuschen,
    da 'nein, da 'nein!

Aus demselben Glaubensgrunde dachte aber die Vorzeit verpflichtet zu
sein, den Mäusen Recht und Gericht halten zu sollen. Bei dem Prozesse,
welchen die tiroler Gemeinde Stilfs 1590 gegen die Schädigung der
Lutmäuse beim Amte Glurns anhängig machte, erhielten beide Parteien
ihren Procurator, das Gericht war mit eilf namhaften Männern besetzt,
für Anklage und Entlastung wurden Zeugen abgehört und der Beschluss
lautete: Die Lutmäuse seien gehalten binnen 14 Tagen den Landstrich
gänzlich zu verlassen, jedoch unter freiem Geleite gegen Hund, Katze und
jeden andern Feind; "wo aber ains oder mehr der Tierlein schwanger wäre,
oder Jugend halber nicht fortkommen möchte, dieselben sollen ein
weiteres sicheres Geleit fernere 14 Tage lang haben." Zingerle, Sag. no.
708. Aehnliches geschah auch vor dem Rathscollegium zu Autun 1540,
welches die Mäuse als Saatenverwüster anklagen und verurtheilen liess;
der Mäuse Anwalt jedoch, Barthol. Cassanäus, nachmaliger Präsident des
Pariser Parlaments, machte den Einwurf, die Verurtheilten seien noch
nicht dreimal vorgeladen und könnten, so lange die Strassen durch Hunde
und Katzen unsicher seien; füglich auch nicht erscheinen. Diebolt,
Histor. Welt, 1715, S. 1117.

Von hier aus übergehend zu den der Kornmaus dargebrachten Ernteopfern,
findet sich Raum zur Einschaltung der an dies Thier geknüpften
volksmedizinischen Bräuche, deren allverbreiteter gleichfalls auf ein
Opfer hinausläuft. Bekanntlich wirft das Kind beim Zahnschichten den
Wechselzahn ins Mausloch und verlangt dafür von der Maus einen neuen,
dessen Dauerhaftigkeit nach Stein, Bein, Eisen, Silber und Gold bestimmt
wird.[20] In Pforzheim spricht man (Grimm, Abgl. no. 631): Mäuschen, da
hast du einen hölzernen Zahn, gieb mir einen beinernen dran.--In
Schlesien: Mäusel, ich geb dir ein Beindel, gieb mir ein
Steindel.--Mäuschen, ich geb dir einen knöchernen Zahn, gieb du mir
einen eisernen. Kuhn, Westfäl. Sag. 2, S. 34. Im Aargau heisst es
(Alemann. Kinderl. S. 338):

    Müsli, Müsli, nimm de Zah,
    gim-mer en schöne goldige dra,
    frei en schöne wîsse,
    ass ech's Brod cha bîsse.

Das Kind wirft seinen ausgefallenen Zahn, wenn ihn die Mutter nicht
selber verschluckt, hoch gegen Himmel:

    Seh, liebe Herrgett, en Zah!
    Gieb mer wider en andre dra.--

In Würtemberg wirft es ihn über sich und spricht beim Schneidezahn:

    Se, Mäusle, has du dean Za,
    sez mer derfür en andra na!

Beim Mahlzahn heisst es:

    Wolf, Wolf, da has en Za,
    gi mer derfür no koen Biberza!

Birlinger, Schwäb. Sag, 1, no. 570. _Biber_ ist schwäbisch Name des
wälschen Hahns (Birlinger, Schwäb. Wörtb. 61) und bedeutet hier: lass
mir den Zahn nicht krumm wie einen Vogelschnabel wachsen. Ein
altarabischer Spruch in Rückerts Morgenländ. Sagen 2, 264 opfert den
Schichtzahn gleichfalls der Sonne:

    Liebes Kind, nimm deinen Zahn,
      Der dir ausgefallen,
    Wirf ihn zu der Sonn' hinan,
      Sprich mit frohem Lallen:
    Gieb mir einen bessern dran!
      Und du wirst von allen
    Neuen Zähnen keinen Zahn
    Schwarz und schief und stumpf empfahn,
    Sondern jeden wohlgethan.
    Kind, so lehrt' es mich dein Ahn.

Dem Sonnengotte Freyr ward von den Göttern die Sonne, Lichtalfenheim,
zum Zahngebinde geschenkt. Grimm, GDS. 154. Der Zahn ist also eine
Himmels- und Sonnengabe; der ausfallende erste Milchzahn heisst in
Süddeutschland Wölfle (Alemann. Kinderlied, S. 337), Wolfszähne werden
dem zahnenden Kinde umgehangen, vielleicht in altheidnischer Rücksicht
auf den Sonne und Mond verschlingenden Weltenwolf, dem auch Gott Freyr
zum Opfer fällt.

In Hahns Griechisch-albanes. Märchen no. 10 und 101 lässt sich die
Prinzessin, die einen Zahn verloren, bald einen goldnen, bald einen
silbernen einsetzen, besiegt darauf ihres Vaters Feinde, befreit das
Land und wird des fremden Prinzen Gemahlin. Dass der erste Wechselzahn
wirklich in Gold gefasst und so am Armring getragen wurde, ist nebst
anderen dahin einschlägigen Bräuchen des Alterthums im eben genannten
Alemann. Kinderliede pag. 338 bereits geschichtlich nachgewiesen. Der
hellfunkelnde, unverwüstliche Zahn des im Boden oder in Höhlen wohnenden
Thieres soll auch dem jungen Menschen zu Theil werden, wenn er seine
Zähne in den Boden säet; darum streut auf Athenes Geheiss Kadmos die
Zähne des erschlagnen Drachen in die fruchtende Ackererde, und aus ihnen
erwachsen die Stammväter des kadmeischen Thebens. Den Schneidezahn wirft
man der Maus hin, den Mahlzahn dem Wolfe, heisst es; der erste Zahn
heisst in Süddeutschland Wölfle, und wölfen ist zahnen: Aus Wolfs- und
Rosszähnen bestand die Halsschnur, die man zahnenden Kindern sonst
umhieng, und selbst unter den Fundstücken, die man seit 1857 aus den
Pfahlbauten des Bodensees erhebt, zeigen sich die Zähne des Bären und
Wolfes, durchbohrt, um an Schnüren als Amulette getragen zu werden.
Zürch. Antiq. Mitthll. 12, Heft 3, 139. Damit stimmt die doppelte Notiz
bei Plinius überein HN. 28, cap. 78, und 30, cap. 7: Wolfzähne werden
zahnenden Kindern gegen Erschreckung, und Pferden gegen Ermüdung
angehängt, ausgerissene Maulwurfszähne gegen Zahnschmerz. Weil die Maus
Alles benascht, streut man dem naschenden Kinde heimlich eine gepulverte
Maus auf die Speise, damit soll der eine Dieb den andern abschrecken.
Höchst auffallend aber bleibt der sg. Maustrank, ein Volksmittel, von
welchem die älteste und die neueste Zeit zu erzählen hat. Das
Pönitentiale des hl. Bonifacius und dasjenige von Angers (Poenitentiale
Andegavense) schreiben dem Priester vor, die Frage an sein Beichtkind zu
stellen, ob es von dem zauberhaften Maus- oder Wieseltrank genossen
habe: edisti de liquore, in quo mus aut mustella mortua invenitur? Das
Verbot gegen diesen Trank wird von mehreren Kirchenschriftstellern,
darunter Regino und Burchard von Worms wiederholt, zugleich den
Bischöfen aufgetragen, bei der jährlichen Kirchenvisitation strenge
Nachforschung hierüber anzustellen. Auffallender Weise aber lebt die
Unsitte bis heute fort. In baierisch Rosenheim gilt als probates Mittel
gegen Epilepsie eine Maus, die gewiegt, gekocht und verspeist werden
muss, und ein sehr verbreitetes kostspieliges Geheimmittel, welches von
Frankreich aus in Ruf gekommen ist, besteht nach neuerlich angestellter
Analyse aus pulverisirten Mäusen. Bavaria 1, 464. Nun behauptet zwar die
uns persönlich umgebende schweizerische Volksmedicin, Bettnässer seien
dadurch zu heilen, dass man ihnen eine in Wein destillirte Maus zu
trinken gebe; allein man lasse sich hiebei nicht dadurch irreleiten,
dass auch schon Plinius NG. 30, c. 47 den Kindern, welche den Harn nicht
verhalten können, gepulverte Mäuse unter der Speise zu essen verordnet;
denn diese Heilmethode gründet sich auf ein blosses Wortspiel und steht
nicht in entfernter Beziehung zu jenem dem Thiere beigemessenen,
dämonischen Charakter. Nach dem Medicinischen Lehrsatze, Gleiches mit
Gleichem zu vertreiben, schlägt nemlich Plinius vor, die Muskelschwäche
am Halse der Harnblase durch eine eingenommene Maus zu heilen, da
latein. musculus beides ist, Muskel und Mäuslein. Die deutsche Medicin
nahm nicht bloss diese gleiche Benennungsweise, sondern auch die daran
geknüpfte Heilmethode an, um so mehr, als beides ursprünglich unter dem
Einflusse der wälschen Universitäten zu Padua und Montpellier stand.
Peter Vffenbachs Newes Artzneybuch ist eine Uebersetzung der Chirurgie
des Hieron. Fabricius ab Aquapendente, Professors zu Padua, und schreibt
daher (Frankfurter Ausgabe von 1605, S. 127) wörtlich nach: "Das
Bettharnen der Kinder entsteht, wenn das Mäusslin, so umb den Hals der
Harnblasen herumbliegt, verletzt wird und dem Willen des Menschen nicht
mehr gehorchen kann." Die späteren Aerzte gebrauchen denselben Ausdruck
und pflanzen den daran geknüpften Aberglauben fort. "Der Geist kumpt
durch die müssly vnd neruen vssgespreitet zum hirn", schreibt der
Zürcher Arzt Jak. Rueff, von Empfengknussen, Zürich 1554, Blatt 126b;
Johann von Muralt lehrt in seinem Hippocrat. Helvet., Basel 1692, 45:
"Wann die junge Kinder so hart verstopft, also dass jhnen der Leib
auflauft, so gib jhnen ein wenig Mausskoht mit der Muttermilch ein."

Ein ähnliches Wortspiel scheint nach Nork, Realwörterb. 3, 125, der
schon vorhin erwähnten Stelle l. Sam. 6, 5 zu Grunde zu liegen, weil die
dorten enthaltenen Stichwörter Pestbeule und Maus im Hebräischen
stammverwandt sind und Maus im Syrischen auch ein Geschwür bedeutet.

Der Name Maus, sanskrit mûscha, abgeleitet von der Wurzel mûsch,
stehlen, bezeichnet einen Dieb, weshalb denn das indische Gesetzbuch
Yajnavalkya III, 214 (übers. von Stenzler) zustimmend besagt: "Eine Maus
wird der Getraidedieb sein, denn wie die verschiednen Gegenstände sind,
so sind auch die Gattungen der lebenden Wesen." Das Wort behält diesen
Begriff in allen indogermanischen Sprachen bei: mausen bedeutet stehlen.
Quasi mures semper edimus alienum cibum, lässt Plautus in den Gefangenen
den Schmaruzer sagen. In des Hieron. Bock Teutscher Speisekammer, 1555,
sagt das Vorwort:

    Mein frischgebachen brot
    muoss leiden vil der not
    von hunden vnd von katzen,
    von meusen vnd von ratzen,
    zerhülchen's, schliefen drein,
    wolt, sie schwimmen im Rhein!

Die Regeln der Haus- und Landwirthschaft setzen daher seit ältester Zeit
für bestimmte Zeitfristen allgemein beobachtete Ueblichkeiten fest,
durch die man dem schädlichen Einfluss des Thieres zuvorzukommen
glaubte, indem man theils ihm selbst, theils den Geistern opferte, in
deren Gefolge es erschien. Deutliche Spuren hievon liegen noch in
unseren Fasnachts- und Erntebräuchen. Man darf um Weihnachten und
Fasnacht, wo die Elben in Mausgestalt ihre Julzeit, halten (Volksglauben
in der Mark), oder wo nach oberdeutschem Glauben Berchta-Holla ihren
Umzug hält, nicht spinnen, sonst zerzausen die Mäuse den Flachs. Das
Mäuslein beisst! ist ein besonderes Drohwort, gleichwie im Gedichte von
den Sieben Schwaben der gewichtigste Fluch lautet: Dass dich das
Mäuslein beisst! denn alles was man in der Fasnacht spinnt, das fressen
die Mäuse (Aargau). Man darf alsdann die Mäuse auch nicht bereden, sonst
stehlen sie das Korn von der Schütte. Anstatt Maus sagt man dann (nach
Kuhns Nordd. Sag. pg. 411) Bönlöper, Scheunenbodenläufer, in Dänemark
Tede, die Kleinen. Noch im vorigen Jahrhundert hielt man diesen Brauch
so fest, dass der dänische Ortspfarrer Laurids Muns (gestorben 1774)
während der berufenen Weihnachtszeit bei seinen Pfarrkindern stets nur
Herr Tede genannt wurde. Handelmann, Nordalbing. Weihnacht. pg. 13. Die
Rindfleischsuppe, die vom Fasnachtsdienstag im Kochkessel übrig bleibt,
schüttet man gegen die Kornmäuse in die Mauslöcher. H.L. Fischer, Buch
v. Abgl. 1790. 1, 237. In Grochwitz bei Torgau bäckt man die
Fasnachtsküchlein. in einer Eisenform, von der es heisst, man stosse mit
ihr dem wühlenden Maulwurf die Schnauze ab. Man erkauft also hier das
Gedeihen der künftigen Ernte mit einem Opferbrode voraus. Dasselbe gilt
in Altbaiern; hier wird dem Gesinde des Hofbauern die Mehlspeise der
gebacknen Mäuschen als Fasnachtsgericht aufgesetzt; dafür hat es theils
bei Nacht, theils schon vor Sonnenaufgang die Strohbänder für die Garben
der Ernte vorauszuflechten; da die Mäuse dieser Nachtarbeit nicht mit
zusehen können, so werden auch die Garben vor ihnen sicher bleiben,
jedoch vermehren sich die Mäuse, wenn man ihnen über dieser Arbeit
flucht. Bavaria 2, 300.

Beim Einbringen des Korns stellt man drei Garben mit den Aehren nach
unten gekehrt in die Tenne; dies gehört den Mäusen, die hiemit sich
begnügen und den Geizigen heimsuchen mögen. Die Beinchen vom
Osterfleischkuchen, welcher aus Teig mit gehacktem Kalbfleisch besteht,
streut man gegen das Wühlen des Maulwurfs in dessen frische Gänge.
Grohmann, Böhm. Abgl. S. 58. In böhmisch Raudnitz hebt man vom Schmalz,
worin man die Fasnachtskrapfen bäckt, bis zur Ernte auf und salbt damit
die Räder des Erntewagens. Sobald dieser vor der Scheune ankommt, fragt
der abladende Knecht den Fuhrmann: Was fährst du? Dieser antwortet: Die
Katze für die Mäuse. Alsdann werden keine Mäuse in die Scheune kommen.
Schon die Brosamen vom Weihnachtsmahl schüttet man in die Scheunentenne
und spricht: Mäuschen, esst diese Bröckchen und lasset das Getreide in
Ruhe! Grohmann, Apollo Smintheus 38. 27. Im Wittgensteinischen wird in
die erste Scheunengarbe ein Käse gebunden und der sie Abladende fragt
den Fuhrmann Wann haben wir Christtag? Antwort: Ich weiss es nicht. Ei,
erwiedert Jener, so wissen die Mäuse auch nicht, wo ich meine Gerste
hinlege. Kuhn, Westf. Sag. 2, S. 187. In des Albertus Magnus Egypt.
Geheimnissen Heft 3, 73 heisst es: "Wann du das Korn zum ersten
einführst, so nimm die erste Garbe, die du in den Baren legst, in deine
rechte Hand und sprich:

    Da leg ich dem Menschen das Brot
    und allen Mäusen den bittern Tod."

Meklenburger Erntebrauch ist, den ersten Kornwagen nicht abzuhalmen, auf
dass die Mäuse das Korn nicht fressen. Schiller, Thier- und Kräuterb.
3, S. 9a.

Hier folgt nun eine Beschreibung der zu verschiednen Jahreszeiten in
Mausform gebackenen Zweckbrode.

Mit erstem Frühlingsbeginn nimmt die oberdeutsche Bäuerin junge
Salbeiblätter, wickelt sie in Eierteig und bäckt sie in Butter ab;
hinten muss dann der Blattstiel gleich einem Mausschwänzchen aus der
Nudel vorstehen. Die um dieselbe Zeit für den Marktverkauf gebackenen
grösseren Brodnudeln haben eben dieses Schwänzchen, doch ist es ein
thönernes, damit die Kinder darauf pfeifen können. Marx Rumpolts
Kochbuch von 1581, Bl. 167b wählt zur Einlage in dieses Mehlmäuslein die
Pflanzen Bertram, Borrag und U. Frauen Blätter. Noch älter ist folgende
Notiz in der Inkunabel Kuchenmaistrey, o.O.u.J. Blatt 19. 20: ein gutz
gebachen von Salvey. nim dür leutzbiren vnd mach sie schôn. seüd sie
weich vnd stoss sie in einem morsser. bestreich ein saluenblat damit vnd
deck ein anders daruber, druck sie auch sitlichen zusammen, dz sie auch
bey einander bleiben. mach ein straubenteiglein mit honig vnd wein,
zeuch es dardurch vnd bach es. Auch Fischart im Gargantua cap. 8 singt
von dieser Nudel:

    Bachen wir ein Küchelein,
    Meuselein und Streubelein
    Und trinken auch den kühlen Wein,
    Kaku-kaka-nai,
    Dass man fröhlich sei.

In A. Corrodi's Zürcher Idyll De Dokter (Winterthur 1860, S. 45) heisst
es von der städtisch bereiteten gezuckerten Mausnudel:

    Müsli, weischt, du kännsch es ja wol, sind gar nid z' verachte,
    Wämmä de Zucker nid spart und wämmä cha gnueg devu esse.

Beim aargauer Landvolke im Frickthal und im Hallwiler Seethal wird nach
beendigtem Kornschnitte dem Gesinde die Müslinudel aufgestellt, aus
Kernenmehl, schmalzgebacken. Unter demselben Namen wird sie in Altbaiern
demjenigen unter den Dreschern heimlich zugeschoben, auf den der letzte
Drischelschlag gefallen war, und er heisst davon beim Dreschermahl
scherzweise der Maushüter. Panzer, BS. 1, no. 405. In Frankreich schätzt
man einen in Arras, Béthune und St. Quentin einheimischen
Käse-Pfannkuchen Namens Ratons, beides bezeichnend, Ratte und
Eierkuchen. Ein Steinbild in der Nürnberger Lorenzokirche mit einer
eignen Sage wird für eine Ratte mit der Bratwurst angesehen. Schöppner,
Sagb. no. 641.

Gertruds Name verräth sich zwar bei diesen Erntespeisen nicht, wohl aber
werden die ihr geweihten Pflanzen und Wappenthiere in den weiteren
Erntebräuchen, besonders beim Heuschnitt erwähnt. In Schwaben sammelt
man am Himmelfahrtstage Mausöhrleinkraut, gnaphalium dioicum, und hängt
es gegen Blitzschlag in Haus und Stall. Meier, Sag. 2, 399; in Baiern
wirft man Frauenschühlein, melilotus, und Gertrudenkraut gegen Abwendung
des Hagelschlags ins Sonnewendfeuer. Panzer, BS. 1, 212. Gertruds Wagen
und Gespann ist in nachfolgenden Sagen hervorgehoben. In der Stadt
Grimmen fährt in der Walburgisnacht ein mit vier Mäusen bespannter Wagen
umher, dessen Kutscher hahnenfüssig ist. Temme, Volksag. von Pommern
und Rügen 329. Hier ist in des Kutschers Gestalt Donars Erntehahn nicht
zu verkennen. Beim Prinzessinnen- oder Teufelsstein, einem Felsblock bei
Köpenick, erscheint abwechselnd der Geist eines alten Mütterleins, das
gebückt am Stabe geht, oder einer Prinzessin, die ihr Haar kämmend sich
im Spiegel des dortigen Sees beschaut und dreimal um die Köpenicker Flur
getragen zu sein verlangt; dabei kommt ein schwer geladner Heuwagen
heran, von vier kleinen Mäusen gezogen. Kuhn, Märk. Sag. no. 111. Bei
Marne in Südditmarschen fliesst der Geldsot, in welchem ein Braukessel
mit einem grossen Schatz versenkt liegt; nächtlich kommt dorten ein
Fuder Heu gefahren, von sechs weissen Mäusen gezogen und vom
Schimmelreiter begleitet. Letzterer aber ist bekanntlich Wuotan selbst.
Bechstein, DSagb. no. 171. Wie hier der Geldsot eine Wunderquelle ist,
so kennt solche nach Gertrud benannte Heilquellen besonders die Legende
der Rhön- und Spessartgegenden, wo die Heilige als Karls des Grossen
Tochter gilt. In den gekräuselten Wellen der Mainströmung glaubt man
dorten nächtlicher Weile Gertrudens Fussspuren schimmern zu sehen;[21]
wo sie zum Gebete niedergekniet hat im Felde bei Rohrlaha, bleibt die
Stelle ewig unbebaut (Herrlein, Spessartsag. 68. 126. 127. 131.) Ihr
daselbst kirchlich verwahrter Mantel wird Frauen umgehängt, welche
Mütter zu werden wünschen. Das Gebet zu ihr lindert die Geburtsschmerzen
und fördert die Geburten. Jac. Schmid, Leben hl. Hirten und Bauern, 3.
Th. 52. Der Kinderbringer Storch ist daher unter ihren Attributen und
sitzt an den ihr geweihten heilkräftigen Quellen. Zingerle,
Gertrudenminne S. 50. Schöppner, Bair. Sagb. n. 976. In der
Gertrudenkapelle zu Bamberg hörte jener Edelknabe, der auf den "Gang zum
Eisenhammer" (Schillers Ballade) geschickt war, erst noch die Messe und
entgieng darüber dem Tode. Schöppner, no. 207. Während sie auf Schloss
Karleburg am Main einen Frauenconvent gründete, wurde ihrem Priester
Atalong von Schulknaben die Stelle verrathen, wo die Leiche des hl.
Kilian unrühmlich verscharrt in einem Rossstalle lag. Da Atalong dieser
Nachricht misstraute, so liess ihn dafür der Heilige erblinden, stellte
ihn jedoch alsbald wieder her, nachdem er einer ihm zu Theil gewordenen
Vision Folge gegeben hatte. So meldet die alte Aufzeichnung (bei Ign.
Gropp, Collectio Scriptor. Wirceburg. 799), ohne jedoch den Vorgang der
Heilung Atalongs zu berichten; letzteres thut die lebende Sage. Gertrud
gieng eines Tages von der Karleburg nach dem benachbarten Waldzell, an
dessen Klösterlein sie Stiftungen gemacht hatte, und blieb erschöpft und
dürstend in der Einsamkeit stehen, als plötzlich ein Storch vor ihr
aufflog. Zur Stelle entsprang die Gertrudisquelle, deren Wasser kranke
Augen heilt. Bavaria IV. 1, 493. Archiv des histor. Vereins von
Unterfranken 13, 154.

Nun ist noch des Brauches zu gedenken, der altherkömmlich,
weitverbreitet, und langandauernd gewesen ist: Gertrudis Minne zu
trinken.

Der Germane weihte dem Angedenken (ahd. minni ist memoria) seiner Götter
und Stammhelden bei Opfern, Hochzeiten, Abschiedsschmäussen feierlich
den ersten oder letzten Becher. Wie die Alemannen eine Kufe Bier sotten,
um sie auf Wuotans Minne zu trinken, meldet aus der ersten Hälfte des
siebenten Jahrhunderts die Lebensbeschreibung des hl. Columban. Nach der
Bekehrung trank das unter christlicher Hülle fortlebende Heidenthum
"Krists, Michaels, Marien, Gertruden und Johannis-minni." Grimms Myth.
53 ff. hat darüber aus unsern einheimischen Quellen vom 11. Jahrhundert.
an eine Reihe Belegstellen gesammelt, deren Ergebniss ist, dass es im
Mittelalter vorzugsweise zwei Heilige waren, zu deren Ehre Minne
getrunken wurde, Gertrud und Johannes der Evangelist. Dasselbe zeigt
auch J.V. Zingerle's Schriftchen: Johannissegen und Gertrudenminne
(Wiener Jahrbücher 1862). Heut zu Tage scheint diese kirchliche Sitte
nur, noch für Johannis zu gelten (so z.B. im Kanton Wallis);
Gertrudenminne zu trinken war in Holland und Belgien allgemein üblich
gewesen und soll dorten aus Abscheu vor dem Andenken an den Verräther
Gysbrecht abgekommen sein, dem sein Schlachtopfer, Graf Floris von
Holland, vergeblich Gertrudenminne zugetrunken hatte. Wolf, Ndl. Sag. S.
699. Den Johannissegen pflegt man heute des Reiseschutzes wegen zu
trinken; mit dem Gertrudensegen aber glaubte man für den Fall, dass der
Scheidende von seiner Reise nicht mehr zurück kehre, sich eine _gute
Herberge_ jenseits zu sichern, da der abgeschiednen Seele ihre erste
Nachtruhe eben bei St. Gertrud angewiesen ist; und darum wurde diese
Heilige aus einer Seelenherrin später eine Patronin der Reisenden. Das
Glas, aus dem man in den Niederlanden ihre Minne trank, hatte die Form
eines Schiffchens (Wolf, Beitr. 2, 108), als Andeutung nicht bloss der
weiteren Reisen, die man in den Niederlanden zu Schiffe machte, sondern
jener weitesten, welche über den Todesstrom führt und unsern Ausdruck
Absegeln für Sterben zur Folge hat. Von dieser Seelenüberfahrt handelt
Deutscher Glaube und Brauch 1, 173, und dorten ist die redende Stelle
aus einer Einsiedler Handschrift angeführt: "wenn die menschen sterbend,
so far die sel durch das wasser." Darum auch zeigte das schon erwähnte
Strassburger Kirchengemälde St. Gertrud mit zu Schiffe, und die
Gertrudenlegende (A. SS. sec. II. pag. 465) berichtet, wie die Schiffer
des Klosters Nivelles bei heiterem Wetter einem wundersam grossen
Fahrzeuge begegnen, das sich rasch in ein stürmendes Meerungeheuer
verwandelt und ihnen den Untergang droht, aber sogleich versinkt, als
sie dreimal Gertrudens Hilfe anrufen. Aus solchem schiffähnlichem
Trinkgeschirre schenkte Gertrud den Schatten den Erinnerungstrank, wie
Freyja und ihre Walküren den Asen den Meth. Ein Nachklang an dieses in
Walhall ausgeübte Mundschenkenamt liegt noch in der Gertrudenlegende der
Bollandisten, A. SS. tom. I. ad diem VI. Januarii, wornach eine andere
Gertraud, welche hier nur Venerabilis genannt ist, in ihren jüngeren
Jahren Kellnerin in verschiednen Wirthshäusern Hollands gewesen war; sie
trägt den Beinamen Von Osten, weil sie unter den Zechliedern der
Wirthsgäste das geistliche Lied "Es taget auf von Osten" gedichtet und
öfters hergesungen hat. Sie war ein Bauernkind aus dem Dorfe Voorburch,
zwischen Delfft und Grafenhaag, trat mit ihren beiden Freundinnen Lielta
und Diewardis, die gleichfalls Dienstmädchen gewesen, in das Beginenhaus
zu Delfft und starb hier 1358. Bei andern Autoren wird sie abwechselnd
eine Beata und Sancta genannt.

Die in der Figur Gertruds enthaltenen Züge der Walküre sind ausser ihrem
schon anfangs erklärten mythischen Namen nachfolgende.

Sie ist des von ihr erwählten Mannes schützender Gefolgsgeist, seine
Fylgja, lässt sich mit ihm in ein Ehebündniss ein, schützt ihn mit
Gefahr ihres eignen Lebens vor den feindlichen und den höllischen
Waffen, reitet für ihn ins Gefecht und hinterlässt ihm, wenn sie nach
dem Schluss des Schicksals verschwinden muss, einen gesegneten Besitz
und tüchtige Nachkommenschaft. Die elbische Waldfrau, welche des
Hofbauern Untermoser Eheweib geworden war, hatte diesem untersagt, sie
je um ihren Namen zu befragen. Einst aber war er Ohrenzeuge, wie ein an
der Wiese vorbeigehendes Waldfräulein im Gespräche mit seinem Weibe
dieses Gertrud nannte; unvorsichtig wiederholte er ihr diesen Namen und
weinend musste sie hierauf Mann und Kinder für immer verlassen.
Scheidend ergriff sie einen Eisenstab, stiess ihn ins Feld und sprach:
So lange von dem Stecken noch eine Ader bleibt, wird jeder Untermoser
gut hausen. Und dies Wort ist bis heute in Erfüllung gegangen. Panzer,
BS. 2, S. 46. In Wolfs Ndl. Sag. no. 42 und 358 ist ein ähnliches
Bündniss im Tone der Ritterzeit erzählt. Riddert von Berkhof hatte sich
dem Teufel verschrieben, veranstaltete nach abgelaufener Frist seinen
Freunden ein grosses Abschiedsmahl; trank ihnen zum Schlusse einen
Becher Geerdenminne zu und ritt darauf der Linde beim Kirchhofe von
Heppener entgegen, wo der Böse bereits seiner wartete; doch der Satan
konnte ihm nichts anhaben, denn nun sass hinter Riddert die hl.
Gertrud, deren Minne er vorhin getrunken, selbst mit zu Rosse. Dieser
Vorfall war später in der Heppener Kirche künstlich gemalt zu sehen.
Mittelhochd. Dichtungen tragen ähnliches auf die hl. Maria über, die als
Schutzgeist eines Gefährdeten hinter ihm mit zu Rosse sitzt; mehrfache
deutsche Sagen lassen sie sogar mit oder für den Schutzbefohlnen aufs
Turnier ziehen und in Gefechten mitkämpfen. Wolf, Beitr. 1, 192, folgert
daraus, dass Maria hier an die ursprüngliche Stelle der kriegerischen
Frouwa getreten sei, welche als Valfreyja zwar auf ihrem Götterwagen mit
zum Kampfe fuhr, allein als Vorsteherin der reitenden Walküren
gleichfalls das Schlachtross besteigt und sich ins Schlachtgetümmel
mischt; eben dahin sei denn auch jene Kirche in Vorderditmarschen zu
deuten, deren Name ist Unse leve Fru up dem perde.

       *       *       *       *       *

Im Jahre 1867 hat J.V. Scheffel, der Verfasser des Ekkehart, auf einem
gallorömischen Grabfelde zu Rheinzabern das Stellfigürchen einer aus
Terracotta geformten Maus nebst demjenigen eines Hähnchens ausgegraben
und beides uns zu einem höchst schätzbaren Andenken übersendet. Der
Fundort, das alte Tabernae Rhenanae, der ergiebigste an römischen
Alterthümern in der ganzen Rheinpfalz, hat jüngst auch zur Entdeckung
eines wohlerhaltnen Brennofens geführt; man erhob daselbst eherne
Legionsadler, Broncefigürchen, Meilensteine, Münzen aus dem 4.
Jahrhundert. Im benachbarten Orte Hert wurde 1829 ein dem unsrigen ganz
gleiches Hähnchen aus Glas gefunden. Die Figur der Maus ist phallisch
dargestellt und entspricht dadurch dem Hahn, dem Symbol der
Regenerationskraft. Die Maus trägt eine Schelle um den Hals gebunden;
denn nach Apollodor (Fragmente) wurde für Sterbende Erz an einander
geschlagen und die Spartaner geleiteten ihre Könige unter Glockenton zu
Grabe; "der Erzklang sollte die Seele reinigen und entzaubern von der
Macht der Dämonen." Creuzer 4, 401. Ebenso verkündet das Krähen des
Hahnes das Licht des neuen Tages.

Ein zweites Abbild, die Maus mit den vier Jungen, ist uns durch Hn.
Hermann Brunnhofer aus Oxford überbracht worden. Die Figur ist aus
ungesäuertem Teig gebacken und mit Eierklar glasirt. Die Landleute aus
der Umgegend von Oxford pflegen derlei Brodfigürchen auf den dortigen
Weihnachtsmarkt zum Verkauf zu tragen. Sie sind zwar nicht zum Essen
bestimmt, sonder dienen als Zierat auf Thür- und Kamingesimse, finden
aber ihr Ende zuletzt doch im Kindermagen.

       *       *       *       *       *

FUSSNOTEN:

[13] Selbst der altmexikanische Glaube schon schrieb vor: Ein
Wechselzahn muss in ein Mausloch gelegt werden, sonst wachsen die Zähne
nicht mehr. Waitz, Anthropol. der Naturvölker 4, 165.

[14] Firmenich, Völkerstimm. 3, 112.

[15] Simrock, Kinderbuch 1, no. 338. 340.

[16] Simrock, Kinderbuch 1, no. 338. 340.

[17] Curtze, Waldecker Volksüberlief. S. 285.

[18] Alemann. Kinderlied.

[19] Harun al Raschid träumte, alle seine Zähne seien ihm ausgefallen;
der Traumdeuter erklärte dies dahin, der Monarch werde alle seine
Verwandten überleben. Rosenöl, oder Sagen des Morgenlandes 2, 85. Das
Wahrzeichen der indischen Todesgöttin Kali ist der schwarze Zahn, der
alles benagende Zahn der Zeit.

[20] In dem Gebetbuch Himmlisches oder Geheiligtes Jahr, Einsiedeln bei
Reymann 1686, Erster Theil, ist unterm 28. März der hl. König Guntram
abgebildet, schlafend unter einem Baume neben einem Bächlein. Ueber
dieses legt der Kriegsknecht das Schwert, und die aus Guntrams Munde
gekommene Maus läuft darüber dem Berge zu, der im Hintergrunde mit
offnem Thore sich zeigt. Das dazu gesetzte Gebet ruft den hl. Guntram
an, weil er seine Schätze den Armen geschenkt und dafür einen ihm von
Gott im Schlafe gezeigten verborgnen Schatz erworben habe.

[21] Die hl. Jutta von Sangershausen, erst eine Kammermagd der hl.
Elisabeth von Thüringen, nachher Dienstmagd auf einem Hofe bei Kulm in
Preussen, überschritt hier die grossen Teiche, die zwischen ihrer
Wohnstatt und der Stadt lagen, jeden Sonntag, um rechtzeitig in die
Messe nach Kulm kommen zu können. Noch lange nach ihrem Tode war ihre
Fussspur in jenem Gewässer wahrzunehmen. Jac. Schmid, Kleine
Ehehaltenlegend 2, 39. So sieht man in mondhellen Nächten auf den Wellen
der Aare bei Gauenstein die Fusstapfen schimmern, welche hier Königin
Berta zurückgelassen. Aargau. Sag. no. 2. Sämmtliches erinnert an Homers
silberfüssige Thetis und goldenfüssige Hera.

       *       *       *       *       *



Nachträge.


[Nachtrag 1] Die Beschreibung, wie man bei der Feier der Maispiele _den
Sommer ins Land ritt_ und in Scheingefechten den Winter besiegte, hat
ihre neueste Vervollständigung gefunden durch die drei Bildergruppen
eines altdeutschen Teppichs auf der Wartburg, dessen Contouren im
Anzeiger des German. Museums 1870, no. 3 mitgetheilt sind. Sie stellen
die Berennung und Vertheidigung einer Burg durch Wilde Männer dar. Aus
einem Laubwalde sprengen sechs Reiter hervor, Laubzweige schwingend, um
Haupt und Lenden Epheukränze tragend, jeder auf einem phantastischen
adlerklauigen Rosse, dem sg. _Wasser-_ oder _Pfingstvogel_. Voraus
reitet der Maikönig, kenntlich durch seine offne Goldkrone mit dem
Ornamente der drei stumpfen Blätter, über welche sein Hirschgeweih
emporragt. Daher heisst er in Oberdeutschland _Hirzmontagreiter_. Um die
Hüfte trägt er einen Gürtel von Rosen. Er und sein Gefolge schiesst mit
Pfeil und Speer Rosen in die gegenüberliegende Burg. Ihre Absicht steht
auf den sie umgebenden Spruchbändern zu lesen.

    Wol vf alle mine wilden man,
    wir wellent festen und buirge han.

    Schiessen alle, nieman lôss abe
    an büte gewinnen, will einer habe.

Die angegriffne Burg ist mit einem Wassergraben umgeben, den ein vor den
Sommerreitern her eilender Jüngling mit herbei getragnen Brettern zu
überbrücken strebt. Von den Zinnen herab kämpfen fünf dicht in
Wollenfliesse gekleidete Männer, die Winterkönige; denn auch sie tragen
Kronen wie der Maikönig und schiessen und schleudern lauter Lilien. Ihr
Burgwart am Söller stösst ins Rom; das Spruchband über ihnen besagt:

    Vnser vesten, die ist wol behuot
    mit gilgen, klewen, rosenbuot.

Links im Bilde, woher die Reiter kommen, wird auf blumigem, von allen
Frühlingsthieren belebtem Rasen ein grosses Lustzelt aufgeschlagen, in
welchem die Maikönigin bereits Platz genommen hat. Auch sie trägt die
offne Goldkrone im wallenden Haare. Ueber ihre Kniee ist ein Tafeltuch
gebreitet, darauf Kopf und Schinken des zerlegten Ebers; zwei
Gesellschafter bedienen sie.--Schon Friedrich Panzer hat im zweiten
Bande seines Sagenwerkes auf Taf. IV die Gestalt des _Wasservogels_
abbilden lassen, wie er sie auf einem Wandbilde zu Forchheim im dortigen
alten Schlosse, jetzigem Rentamt, vorgefunden. Die 3 Fuss lange, 2 Fuss
hohe Figur zeigt einen Reiter, in der Festmaske des Wasservogels
agirend. Vor dem Gesichte hat er eine ungemein lang geschnäbelte
Vogellarve, mit welcher ein wallender Kinnbart, ein massiver Ring im
Ohre und auf dem Haupte die offene Krone verbunden ist, die gleichfalls
das dreifache Blätterornament zeigt. Im Luft hängt ein kurzes krummes
Schwert (das sg. _Pfingstschwert_), in der Linken schwingt er die Lanze,
mit der Rechten lenkt er die aus Kettenblumen enggeflochtnen Zügel
seines schwanenhalsigen Rosses. Ross und Reiter sind von Seerosen
arabeskenhaft umrankt.

[Nachtrag 2] Als man beim Bildersturm zu Zurzach 1529 die
Verenareliquien untersuchte und vernichtete, fanden sich in einem
Eisensärglein neben Rückgratstrümmern vier apfelgrosse Lehmkugeln. In
den von mir eröffneten und beschriebnen heidnischen Waldgräbern zu
Lunkhofen haben sich ganz gleiche Lehmkugeln in der Asche des
Leichenbrandes vorgefunden und werden nun in der aargauer
Alterthümersammlung aufbewahrt; vgl. Argovia V, 265.

[Nachtrag 3] Das mhd. Gedicht von der hl. Verena nennt den Ort Zurzach
_Zerzyaca_. Durch diese Namensform wird die sprachlich schon sich
verrathende späte Entstehung dieses Gedichtes weiter bestätigt. Es
leitet nemlich der Ortsname Certiacum ab von einem bei Egid Tschudi in
der _Gallia comata_ S. 137, und in Stumpfs Schweiz. Chronik erwähnten
römischen Votivsteine zu Zurzach, welcher dem _Junius Certus_ aus dem
Voltinianischen Geschlechte von seinem gleichnamigen Erben gesetzt
worden. Dieser Stein ist nachmals durch Unvorsichtigkeit zerschlagen,
die oft citirte Inschrift aber längst als unecht erkannt worden.

[Nachtrag 4] Die beiden Gefolgsthiere Gertrudens, Kukuk und Specht,
gelten mancher Orten gleichmässig als weissagende Liebesboten. In
Deutschböhmen entnimmt man aus dem Spechtschrei ein Wahrzeichen, ob man
bald heiraten werde; der Specht hat es bestätigt, sagt man dann.
Grohmann, Abgl. S. 70.

       *       *       *       *       *



Wortregister.


Ankenbrüt.
Ankenschnittenprozession.
Ara, Aarefluss bei Solothurn.
arbaiz, Erbsen.
Aufburg bei Zurzach, röm. Castrum.

Becker und Beckerin, in Kukuk und Specht verwünscht.
Bilihildis, hl., aus fränkisch Veitshochheim.
Brod,
  den Elementen geopfert.
  Erntebrod.
  Eulogienbrod.
  gegen Tollwuth.
  gegen Wolfshunger.
  phallische Zweckbrode.
  Brodkipf Verenas und Rategundis, in einen Kamm verwandelt.
Brunnen Walburgis,
  im Elsass.
  in Franken.
  in Holland.
  in Tirol.
Brustbein Walburgis.
Butterschnitte,
  als Präservativ und Heilmittel.
  bei kirchl. Prozessionen.
Buttergewinn, zauberischer.

Elben in Mausgestalt.
Emmetsheimer Steinbild phallisch.
Erntebrode.
Ernteopfer.
Eulogienbrod.

Fadenziehen, ein Liebesorakel.
Florina von Mazorit, die den Wintersturm stillende Flurheilige.

Gertraud von Osten.
Gertrud,
  Verstorbene beherbergend.
  zu Rosse.
  als Waldfrau.
  Gertrudenkirchen,
  niederdeutsche.
  ostfränkische.
  Gertrudenkraut.
  Gertrudenminne trinken.
  Gertrudentag, Kalenderregeln.
  Gertrudenvogel.
  Gertrudens Fusstapfen in den Mainwellen.
  G's Mantel.
  G's Spindel mit den zwei Mäusen.
  G's Schiff als Trinkgefäss.
  G's Wagen.
Gnadenstein Walburgis.

Hagel, ein König.
Hagelfeierpredigten.
Hagelsquelle.
Heiden- und Schönbrunnen.
Heidenkirchen,
  als spätere Walburgskirchen.
  als spätere Verenakirchen.
Heilquellen Verena's.
Heilwag.
Helgenbronn.
Holpurga.
Honigfall.
Hund,
  als Walburgis Gefolgsthier.
  als das anderer Göttinnen.
  als Speisenname.
  gegen Sturmwind und Kornbrand geopfert.
Hühner, kirchlich geheiligte.

Käsbrunnen.
Kleinkinderbrunnen.
Kleinkindersteine.
Klumpfüsse,
  durch Walburg geheilt.
Konstanzer Bisthumsgrenzen.
Kornähre,
  Mittel gegen Hundebiss.
  Mariae und Walburgis Emblem,
  das des hl. Oswald.
  Sinnbild von Obereigenthum.
  der Truden Zaubergestalt.
Korngarbe, Walburgis Versteck.
Kriemhiltengraben am Jung-Albis.
Kukuk,
  ein verwünschter Becker.
  auf dem Binsenstühlchen weissagend.
  als Lebensorakel.
  als Theuerungsprophete.

Lehmkugeln,
  in Heiligengräbern.
  in Heidengräbern, _s. Nachträge_.
Lebermeer.

Maibad.
Maiengericht, dessen Kostenbetrag.
Maienthau,
  abstreifen.
  baden im Maienthau.
  Maienthau der Erdmännlein.
  kosmetisch.
  medicinisch.
  sprichwörtlich.
  zauberisch.
Maigraf, Maigräfin.
  _s. Nachträge_.
Mailehen ausrufen, Fest der heidnischen Mainfranken.
Mairitt.
Mauritius, Verenas Verwandter.
Maus,
  als Alb.
  vor Gericht geladen.
  als Ortsgeist.
  als Pestthier.
  als Seele wandernd.
  als Sühnbild.
  als antikes Stellfigürchen in Gräbern.
  in Gestalt des Zweckbrodes.
  als Stadtwahrzeichen.
Maus weisse, geheiligt.
Maustrank.
Mausöhrleinkraut.
Mäusegespann.
Mäuse machen.
Metzentanz in Zurzach.
Minnetrinken.
Mühle als Ort der Liebesabenteuer.
Mühlstein,
  als Rechtsmittel bei der Abkunftsprobe.
  schwimmender.
Müllerbräuche am Verenentage.

Oel,
  hl., ein Augenmittel.
  aus Heiligenknochen.
  der Walburgishexen.

Ortschaften des Namens Walburg.
Oswald, Walburgs Bruder, ein gleichnamiges Ernteopfer.
Osterbad, reiten ins.

Pfeife, magisch wirkende.
Phallische Götterbilder, ihr Zweck.

Reimsprüche beim Meienpflanzen.
Richard, Walburgis Vater.
Rimleins- und Römleinsbrunnen.
Roggenähre, Mittel gegen tolle Hunde.
Ross,
  Gertrudens.
  Verenae.
Rutscherzins.

Schnecke, als Kukuk angerufen.
Schuh,
  goldner Walburgis.
  Schuhwerfen als Liebesorakel.
  Schuhzins am Walberfeste.
Silber geschabtes, gegen die Tollwuth.
Solangia, die hl. von Villemont, den Flachsbau schützend.
Sommer,
  den, ins Land reiten.
  _s. Nachträge_.
Specht,
  als Gertrudenvogel ein verwünschter Becker.
  ein verwandelter Gott.
  als Liebesorakel _s. Nachträge_.
Spindel,
  der hl. Walburg.
  der hl. Gertrud.
Spinnverbot an Walburgis.
Stärketrunk.
Stillicidium Walburgs.
Storch, Gertrudens Vogel.
Strähl-Anneli.

Teufelsstein in Verenae Einsiedelei.
Thau abstreifen,
  zu Milch- und Buttergewinn.
  als Mittel gegen Kornbrand.
Thautrinken.
Tobel-Vreneli.

Valentinstag.
Venes- und Vrenesberge.
Venus in deutschen Orts- und Geschlechtsnamen.
Venus-Vrene,
  in dem mundartl. Tannhäuserliede.
  in den Ritterdichtungen.
  Die Venus- und Vrenenhäuser.
Verena,
  ihre Namensformen.
    Niederdeutsch: Frû Frêen und Frû Frîen.
    Rhätisch: Vereina.
    Schweiz: Frau Vrein. Frau Vrin.
  Verenabad.
  Ve. als Gebirgsriesin.
  Verenagrab, mit den aufgeopferten Brautkrönlein.
  Verenaloch:
    zu Baden.
    im Entlebuch.
    auf der Schafmatt im Jura.
  Müllerpatronin.
  Schifferpatronin.
  Verenareliquien.
  Verenastift.
  Verenatag als Gerichtstermin;
  Gesundheits- und Wirthschaftsregeln.
  Ve. als Weisse Frau 139.
Verenae,
  Bildsäulen.

  Dienstross.
  Fingerring.
  Geburtsgürtel.

  Heilquellen.
  Kamm und Krüglein.
  Katze.
  Kapellen und Kirchen i.d. Schweiz.
  Kapelle, ein Römercastrum.
  Kleinkindersteine.
  Kindersegen bescherend.
  vierzig Mehlsäcke.
  Mühlstein.
Vrenelisgärtli, Gletscher am Glärnisch.

Walber,
  der Führer des Maienzugs:
    in eine Korngarbe gebunden.
    ein Bergname.
  Riesenname.
  Walberbaum.
  Walbernthau.
Walburg,
  als Flur- und Ortsname.
  mundartl. Namensformen.
  Die Heilige:
    als Nichte Winfrids.
    als Heidengöttin.
    als Riesin.
    vor dem W. Jäger in die Korngarbe flüchtend.
  Walburga Westfalica.
Walburgis-kirchen,
  als Heidenkirchen.
  als Römercastrum.
  Ortskirchen.
  hl. Quellen.
  Reliquien:
    Brustbein, ölschwitzend.
    Stab.
    in Wittenberg und Köln.
    im Auslande.
  Schönheitswettstreit.
  Spindel und Goldschuh.
  Steinernes Venusbild.
  phallisch dargestellt.
  Wildgans.
Walburgistag,
  als ungebotne Gerichtszeit.
  Sage von der auf diesen Zinstag fallenden Befreiungsgeschichte der
      Landschaft:
    in Thüringen.
    in Unterwalden und Friesland.
    in Ostpreussen.
Walper,
  Anna, als Hexe inquirirt.
  Walperherren, Walpermännchen und -zins.
  Zug nach Walpern.
Walburga-Holpurga.
Wasserkirchen.
Wasserfrauen.
Wasservogel, _s. Nachträge_.
Wechselzahn, der Maus geopfert und der Sonne.
Wiborada, die hl. v. Klingnau.
Wîhegazza.
Wilibald,
  der hl.:
    Walburgis Bruder.
    ein Hüne.
  Wilibalds-Brunnen und -Ruhe.
Wolbersaue, Schloss in Ditmarschen.
Wolbermai.

Wolbrygabend.
Wolfszahn, Amulett.
Wunna und Wunnibald, Mutter und Bruder Walburgis.





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