Home
  By Author [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Title [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Language
all Classics books content using ISYS

Download this book: [ ASCII | HTML | PDF ]

Look for this book on Amazon


We have new books nearly every day.
If you would like a news letter once a week or once a month
fill out this form and we will give you a summary of the books for that week or month by email.

Title: Land und Volk in Afrika, Berichte aus den Jahren 1865-1870
Author: Rohlfs, Gerhard, 1831-1896
Language: German
As this book started as an ASCII text book there are no pictures available.


*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Land und Volk in Afrika, Berichte aus den Jahren 1865-1870" ***


generously made available by the Bibliotheque nationale de France
(BnF/Gallica) at http://gallica.bnf.fr.




LAND UND VOLK IN AFRIKA

BERICHTE AUS DEN JAHREN 1865-1870.

VON

GERHARD ROHLFS



BREMEN, 1870.
VERLAG VON J. KÜHTMANN'S BUCHHANDLUNG.
U.L. FR. KIRCHHOF 4.



INHALT.


Bemerkungen über die Zukunft Algeriens

Beobachtung über die Wirkungen des Haschisch

Von Lagos nach Liverpool

Die Stadt Kuka in Bornu

Am Bénuē

Titulaturen und Würden in einigen Centralnegerländern

Die Art der Begrüssungen bei verschiedenen Neger-Stämmen

Von Magdala nach Lalibala, Sokota und Antalo, April/Mai 1868

Der Aschangi-See in Abessinien

Nach Axum über Hausen und Adua

Damiette

Malta

Die grosse Bodeneinsenkung in Nordafrika



Bemerkungen über die Zukunft Algeriens.


Mursuk in Fessan im Januar 1866.

Der Kaiser der Franzosen hat sich bitter getäuscht, wenn er geglaubt
hat, durch eigene Anschauung vermittelst einer blossen Triumphreise den
Zustand einer Colonie kennen lernen zu können. Schon um civilisirte
Völker zu studiren und dann ihren moralischen und materiellen Zustand
würdigen und beurtheilen zu können, darf man nicht als grosser Herr,
viel weniger als Kaiser reisen. Ich erinnere nur an die bekannte Reise
der Kaiserin Katharine in Süd-Russland, der man alle Tage dieselben
Leute, dasselbe Vieh entgegen trieb, um sie glauben zu machen, dass die
Provinzen gut bevölkert seien. Und sehen wir nicht in Algerien bei der
Reise des Kaisers sich etwas Aehnliches wiederholen? Die Duar in der
Provinz Oran waren bei der Durchreise des Herrschers nach Sidi Bel-Abbès
an die Landstrasse gerückt; so erzählen uns die Lokalblätter.

Die Araber gründlich kennen zu lernen ist gar noch schwieriger; das
gelingt nur bei langjährigem Aufenthalt unter ihnen, oder wenn man in
ihrer Mitte gereist ist und zwar unter der Maske eines Mohammedaners,
nicht eines Vornehmen, sondern eines Bedürftigen; denn selbst einem
vornehmen Religionsgenossen gegenüber sind die Araber Lügner, Heuchler
und Prahler. Unter allen anderen Umständen ist man nur zu geneigt, über
den Grundcharakter dieses Volkes in grosse Irrthümer zu verfallen, wie
eben erst der Kaiser und früher der bekannte General Daumas, der so
anziehende Bücher über die Araber geschrieben hat, die man jedoch als
nichts weiter als Romane betrachten darf. Denn obgleich General Daumas
jahrelang die Bureaux arabes dirigirte, so hatte er doch wohl nie
Gelegenheit, mit _den Leuten vom kleinen Zelte_ zu verkehren, sondern
frequentirte nur die _Leute der cheima kebira_; will man aber ein Volk
kennen lernen, so muss man sich nicht blos in den höchsten Kreisen
desselben bewegen, sondern alle Klassen durchmustern.

Ich nun würde nicht gewagt haben, über einen so delicaten Gegenstand
meine Meinung abzugeben, wenn nicht ein langjähriger Aufenthalt in
Algerien selbst, dann eine dreijährige Reise durch Marokko und seine
Wüste, bei welcher unter anderen ganz Tuat durchforscht wurde (in welche
Oase die Franzosen bis jetzt vergebens weder mit Güte noch mit Gewalt
haben dringen können), mich derart mit allen Klassen dieses Volkes in
Berührung brachte, dass ich glaube, im Interesse Frankreichs, im
Interesse Algeriens, meine Meinung nicht verschweigen zu dürfen.

Meine Ansicht über die eingebornen Bewohner der Algerie habe ich vor
zwei Jahren in mein Tagebuch niedergelegt und dies im Jahre 1865 in den
Dr. Petermann'schen Mittheilungen, Th. XI, publicirt; dasselbe enthält
folgenden Passus, der sich nun schon wieder durch den frischen Aufstand
Si Lalla's bewährt hat:

"Ich glaube die Franzosen können sich nicht genug in Acht nehmen, wollen
sie nicht einen Tag erleben, wie ihn die Engländer in Indien gehabt
haben. Bei einer Nation wie die Araber, deren ganzes Wesen, Leben und
Treiben sich auf die intoleranteste Religion gründet, die existirt, sind
_Civilisationsversuche vergeblich_. Wie sind die Araber heutzutage nach
mehr als 30-jährigem Besitze der Franzosen von Algerien? Die in den
Städten haben alle schlechten Sitten der Franzosen angenommen und helfen
dem französischen Pöbel im Absinthtrinken, dass sie aber dafür auch nur
im Geringsten christlich religiöse Grundsätze angenommen hätten, daran
ist nicht zu denken. Forscht man tiefer nach, so findet man, so
geschmeidig und umgänglich sie äusserlich geworden sind, dass sie
innerlich allen Hass und alle Verachtung gegen die Bekenner eines andern
Glaubens bewahrt haben. Entfernt man sich nun gar einige Stunden weit
von der Stadt, so findet man, dass die Civilisation dahin noch ganz und
gar nicht gedrungen ist. Der Araber unter seinem Zelte lebt nach wie
vor und hasst die Christen ebenso wie früher, und wenn er sich enthält
einen Ungläubigen zu tödten, um dafür das Paradies zu erlangen, so
geschieht es nur aus Furcht vor dem strengen Gesetze. Die Franzosen
hätten längst wie die Engländer in Nordamerika mit den Eingebornen
verfahren sollen, nämlich dieselben zurückdrängen, dann wäre Algerien
heutzutage ein ruhiges, nur von Europäern bewohntes und cultivirtes
Land. Man wird dies vielleicht hart finden und barbarisch und mit den
civilisirten Grundsätzen unserer Epoche nicht übereinstimmend. Vom
Zimmer aus und von Weitem sind die Dinge jedoch ganz anders anzuschauen,
als in der Nähe, und notwendiger Weise wird es bis zum letzten Tage
immer Völker geben, die zum Besten der allgemeinen Menschheit den andern
Platz machen müssen etc."

Diese vor zwei Jahren ausgesprochenen Grundsätze sind auch noch heute
meine feste innige Ueberzeugung. Wenn dem nothwendigen Gange der Natur
nach früher oder später jede Colonie sich vom Mutterlande trennt, sobald
sie sich stark genug fühlt, um auf eigenen Füssen stehen zu können, und
notwendiger Weise der Tag heran kommt, wo z. B. Grossbritannien auf
seine beiden einzigen Inseln wird beschränkt sein--hat Frankreich das
Glück gehabt, eine Colonie zu finden, die vor den Thoren des
Mutterlandes liegt, ja jetzt durch Dampf und Telegraph Eins mit ihm ist.
Diese aussergewöhnliche Lage würde es gestatten, die Colonie so mit der
Metropole zu verschmelzen, dass für Frankreich an eine spätere
gewaltsame Lostrennnung wie das von Alters her immer bei allen Colonien
der Fall gewesen ist und sein wird, nicht zu denken wäre.

Dazu gehört aber vor allen Dingen, dass die Bevölkerung Eine sei. Ich
will damit nicht gesagt haben, dass die Franzosen desshalb anderen
Europäern die Colonie verschliessen sollen; im Gegentheil, selbst jetzt
nach blos 30 Jahren sehen wir, dass die aus anderen Ländern
Eingewanderten[1] und namentlich ihre Abkömmlinge fast gänzlich
französische Sitten und Gebräuche angenommen haben und meistens,
namentlich die jüngere Generation, auch die französische Sprache. Aber
zwei in jeder Beziehung so gänzlich von einander verschiedene Völker,
wie Franzosen und Araber es sind, neben einander bestehen lassen oder
gar versuchen wollen, sie zu vermischen, ist der höchste Unsinn. Seit
undenklichen Zeiten hat das Arabervolk sich nie mit anderen vermischt,
weil es mehr noch als die Juden von seiner eigenen Vortrefflichkeit, als
ein von Gott auserwähltes Volk überzeugt ist. Seit tausend Jahren in
Besitz der Nordküste Afrika's, sehen wir Berber und Araber _neben_
einander bestehen, jedes Volk genau seine Sprache und Sitte
beibehaltend. Im äussersten Osten, in der Jupiter-Ammons Oase, am
Atlantischen Ocean im Sus-Lande haben die Araber die Berber zu
unterwerfen, jedoch _nicht sich mit ihnen zu amalganieren gewusst_. Die
sogenannten _Kulughli_, Progenitur der Türker mit Araberweibern,
bezeugen keineswegs ein Aufgehen der Araber in Türken oder umgekehrt;
überall, wo die Türken die Araber beherrschen, bestehen beide Völker
unvermischt _neben einander_. Und doch verbindet Berber, Araber und
Türken Eine Religion.

Wird man je dem Araber seine Wanderlust, seinen Hang zu plündern und
sich raubend umherzutreiben nehmen können? Versuche man doch eine Hyäne
zu zähmen! Der Araber ist moralisch überzeugt, dass er den französischen
Bajonetten nicht widerstehen kann, dennoch wird er bei der geringsten
Gelegenheit sich wider Ordnung und Gesetz erheben, und so lange wird
Revolution in der Algerie sein, wie noch ein Zelt oder Duar vorhanden
ist. Mögen die Gefühlsmenschen sagen, was sie wollen, vom Verdrängen der
Indianer durch die Engländer, jeder vernünftige Mensch findet es
bewundernswerth, Nordamerika der Civilisation gewonnen zu sehen. So
verabscheuungswerth die modernen französischen Araberlobhudler die
Vertreibung der Mauren aus Spanien hinstellen mögen, so ist nicht zu
verneinen, dass Spanien dadurch der Civilisation erschlossen wurde; denn
wären die Mohammedaner heute noch im Besitze der Halbinsel, so wären sie
sicher in keiner Weise weiter in der Civilisation, als es die in den
anderen Ländern Wohnenden sind; und wenn die Spanier selbst sich nicht
schneller civilisirten und Schritt hielten mit den anderen Völkern, so
ist die Verarmung des Landes, die Entvölkerung Spaniens nicht im
Vertreibungsedikt Ferdinand des Katholischen zu suchen, sondern eher in
der enormen Auswanderung nach Amerika, die zu der Periode statt fand,
und in der Priesterschaft.

In der That sehen wir, dass in den Ländern, die sich abgeschlossen von
aller christlichen Civilisation halten, die Mohammedaner seit der
Periode, wo Mohammed sie zum Islam bekehrte, gar keinen Fortschritt
gemacht haben. Und die sogenannten arabischen Glanzperioden unter den
Abassiden im Orient, unter den Ommiaden im Occident, sind nur dem
christlichen Einflusse zuzuschreiben, weil dort unter beiden Regierungen
Christen die Hauptbevölkerung bildeten; aber in den Ländern, wie z.B.
Marokko und Arabien, wo die Araber nie mit Christen in Berührung kamen,
haben die Araber es nie weiter zu bringen gewusst, als wie ihr
Standpunkt war zur Zeit Abrahams.

Möge daher der Kaiser der Franzosen nicht zaudern, und ein Volk, das für
die Wüste geboren ist, dahin zurückdrängen, woher es gekommen ist;
diejenigen, welche den ernsten Willen haben, sich mit den Europäern zu
vereinigen, werden von selbst zurückkommen und müssen die christliche
Religion annehmen, die einzige, unter welcher Civilisation möglich ist.
Durch das Verdrängen der Araber in Masse in die Wüste hinein wird der
Kaiser sich nicht nur den Dank aller Franzosen, sondern auch die
Bewunderung der ganzen christlichen Welt erwerben, und möge die
Geschichte unsere Nachkommen einst lehren: Die Bourbonen wussten die
Algerie zu erobern, die Napoleoniden indess verstanden es, sie in
christlich civilisirtes Land umzuwandeln.--



Beobachtungen über die Wirkungen des Haschisch.


#Mursuk in Fessan, Ende Januar 1866.#

Unter _Haschisch_ verstehen die Araber im weitern Sinne jedes _Kraut_,
näher jedoch bezeichnen sie damit den indischen Hanf, cannabis indica
(nach Linné in die Klasse Dioccia pentandria gehörend), weil an
Vorzüglichkeit jedes andere Kraut gegen dieses in den Hintergrund tritt.
Von Tripolitanien an nennen die Eingebornen diese Pflanze _Tekruri_, und
diesen Namen führt sie auch in der Türkei, Aegypten, Syrien, Arabien und
Persien vorzugsweise.

Graf d'Escayrac de Lauture sagt über die Pflanze Folgendes:

"Die Haschischa ist die Cannabis indica; man findet sie in Afrika, und
wahrscheinlich ist dieser Hanf aus dem Sudan nach Tunis und Tripoli
eingeführt worden. In letzteren nennt man ihn Tekruri, also mit
demselben Namen, den man in Mekka den von Sudan kommenden Pilgern
giebt, um damit ihre Herkunft anzudeuten. Vielleicht bedeutet Tekruri
auch, wie einige Geographen meinen, irgend eine Provinz in Sudan,
vielleicht auch ist es nichts weiter, als die Ableitung von irgend einer
arabischen Sprachwurzel, welche die Wirkung "verbessern, vollkommener
machen" bezeichnet. Die Haschisch verdankt ihre Wirkung einem
eigenthümlichen Stoffe, den Herr Gastinel, Pharmaceut in Aegypten,
ausgezogen und bestimmt, und dem er den Namen _Haschischin_ gegeben hat.
Dieser Stoff, Harz, ist von einer schönen grünen Farbe, die jedoch
_nicht_ vom Chlorophyll herrührt, kleberig-zäh und von einem
eigenthümlich unangenehmen Geschmack."

Ich füge hier hinzu, dass die Cannabis indica wohl weiter nichts ist als
die verwilderte oder wilde Cannabis sativa, und eher eine Pflanze der
gemässigten Zone als der heissen ist, denn je weiter man nach Süden
vordringt, je seltener und krüppelhafter gedeiht dieselbe. Während man
z.B. äusserst schöne Exemplare in den gemässigten Bergregionen des
Kleinen Atlas der Algerie und Marokko's findet, und die eine Höhe von
manchmal 1-1/2 Meter erreichen, gedeiht in den heissen Oasen Tafilet,
Tuat und Fessan die Pflanze nur kümmerlich, obgleich die Bewohner alle
Sorgfalt auf ihren Anbau anwenden, und von Norden wird dieselbe nach
Süden exportirt.

Die Eingebornen bedienen sich derselben auf verschiedene Weise: Entweder
sie zerschneiden die getrockneten Blätter und Blüthen sehr klein und
rauchen sie rein oder mit Taback vermischt aus kleinen Pfeifen oder
Cigaretten, oder sie vermischen dieselben mit Tumbak (Tabak) und rauchen
so dies Kraut aus der Nargile. In Syrien bereiten sie wie Thee eine Art
Infusion und trinken den Aufguss mit Zucker versüsst, oder endlich man
pulverisirt Blätter und Blüthen, und schluckt dies Pulver rein oder mit
Zuckerstaub vermischt herunter. Auch mit Honig und Gewürzen zu einer Art
Backwerk verarbeitet, bereiten sie aus denselben kleine Kuchen, die
unter dem Namen _Majoun_ verkauft werden.

Mag man nun Haschisch nehmen unter welcher Form man wolle, immer übt
dasselbe einen _starken Rausch_ aus. Europäer jedoch, welche
Beobachtungen darüber anstellen wollen, können dies nur, entweder indem
sie eine Infusion trinken, oder das Haschisch-Pulver essen, denn um eine
Wirkung vom Rausche zu haben, muss man den Rauch so tief einziehen, was
Araber, Perser und Türken zwar auch beim Taback- und Opiumrauchen thun,
dass der Dampf in die Lungen eingesogen, unmittelbar mit dem Blute in
Berührung kommt. Zwei Theelöffel voll Haschisch genügen, um einen
kräftigen Rausch bei einem Neuling hervorzubringen.



Eindruck, den aus mich die Cannabis machte.

#In Mursuk, 25. Januar 1866, Abends 6 Uhr.#


Ich trinke Thee in Gesellschaft Mohammed Besserkis, Enkel des Sultans
Mohammed el Hakem von Fessan. Mein Bewusstsein ist vollkommen klar. Ich
nehme zwei Theelöffel voll Haschischkraut, welches in einer Kaffeeröste
etwas gedörrt, dann pulverisirt und mit Zuckerstaub gemischt worden war.
Mein Puls war im Moment des Nehmens 90 (wie immer).

Nach einer viertel Stunde gar kein Erfolg. Wir essen zu Abend:
Kameelfleisch mit rothen Rüben, Kameelfrikadellen, weisse gebackene
Rüben, Bohnensalat; Salat aus Zwiebeln, Tomaten, Knoblauch und
Radieschen bestehend; Brod, Butter und Käse.

Besserki sagt mir, dass die Wirkung nach dem Essen kommen werde, ich
indess,--es ist jetzt 7 Uhr,--merke gar nichts. Wir trinken eine Tasse
schwarzen Kaffee ohne Zucker.

7 Uhr 10 Minuten. Mein Puls hat nur 70; ich friere, obgleich eine Pfanne
mit Kohlen vor mir steht. Besserki sagt, er spüre stark die Wirkung und
befiehlt meinem Diener, einige Datteln zu bringen, um, wie er sagt, die
Wirkung zu beschleunigen; auch ich esse zwei Datteln.

7 Uhr 20 Minuten. Mein Puls 120 oder mehr. Bin ich in einem Schiffe? Die
Stube schaukelt, mein Bewusstsein ist indess vollkommen frei, blos
scheint mir Besserki sehr langsam zu sprechen und ich vergesse oft den
Anfang vom Satze, den er spricht. Auch wenn ich jetzt denke, vergesse
ich, womit ich angefangen.

7 Uhr 45 Minuten. Mein Herz schlägt so, dass ich jeden Schlag höre, Puls
zählen unmöglich.

Besserki sagt, er will fortgehen, mein Diener geht mit; ein anderer
zündet mir eine Nargile an. Ich rauche _und fliege_, obgleich ich mit
den Händen fühle, dass ich liege.

Ich denke ungeheuer schnell und glaube, dass ich beim Schreiben dieser
Zeilen Stunden zubringe.

8 Uhr. Mein Blut schlägt Wellen, _und einzelne Theile fallen von meinem
Körper_, obgleich ich mich dumm[2] niederschreibe, denn ich habe
vollkommen freies Bewusstsein, dass ich alle Glieder besitze. Ich denke,
ich will ausgehen.

8 Uhr 20 Minuten. Ich träumte, ich ginge aus, die _Strassen der Stadt
verlängerten sich_ und waren mir ganz unbekannt, die Häuser sehr hoch;
ich glaube, ich war in der Polizeiveranda, wo ein Mann war, um zu
petitioniren und zu mir mit einem Gesuch kam; ich ging dann zurück und
setzte mich vor mein Haus.

_Ich bin ohne allen Willen_; die Wand gegenüber meinem Hause war schön
tapezirt, auch hörte ich von fern _schöne Musik_ und jetzt schreibe ich
und sehe, dass Alles erlogen ist.

Ich will mich legen, _aber bin ich wirklich verrückt_?

Ich liege jetzt (8 Uhr 30 Minuten), _mein Wille ist ganz weg und in mir
grosser Sturm_. Das Licht brennt seit Stunden und ich kann es nicht
ausblasen, aber ich schreibe, und da ich denke, so bin ich doch wohl
nicht gelähmt.

Bin ich wirklich hier? Mein Hinterkopf ist sehr angefüllt. Ich bin
ungemein leicht, und wenn ich nicht schriebe, würde ich in der Luft
schweben.


#26. Januar Morgens.#

Bis so weit hatte ich gestern Vermögen gehabt, während des Rausches zu
schreiben; ich verfiel dann in einen festen Schlaf, aus dem ich heute
Morgen um 9 Uhr erwachte. Nachdem ich die im Rausche niedergeschriebenen
Empfindungen gelesen, war meine erste Frage, ob ich wirklich nach der
Polizeiveranda gegangen sei, oder dies blos geträumt habe? Es fand sich
denn, dass ich wirklich dagewesen sei, ganz vernünftig gesprochen habe,
überhaupt Niemand auch nur die leiseste Ahnung hatte, dass ich im
Tekrurizustande mich befände.

Nachträglich kann ich nun noch constatiren, dass

1) man sich ungemein leicht glaubt und oft zu schweben meint.

2) Dass der Puls, im Anfange vermindert, im vollen Stadium des Rausches
eine solche Geschwindigkeit erreicht, dass es für den im Rausche
Befindlichen unmöglich ist, ihn zu zählen.

3) Starker Blutandrang nach dem Hinterkopfe.

4) Auffallende Lähmung der Willenkraft.

5) Das Gedächtniss verliert seine Regeln, naheliegende Dinge werden
vergessen, andere aus längst vergangenen Zeiten werden aufgefrischt.

6) Alles erscheint in den schönsten Farben und in vollkommener Harmonie.

7) Manchmal lichte Augenblicke, verbunden mit schrecklicher Angst, dass
dieser Zustand immer dauern möge.

8) Endlich der ganze Rausch sui generis, und eher ein Verrücktsein, als
das, was wir Europäer unter Rausch verstehen, zu nennen.

Heute Morgen indess befinde ich mich vollkommen wohl und verspüre auch
nicht im Mindesten einen sogenannten Katzenjammer.



Von Lagos nach Liverpool


Es war als ob Afrika erbittert sei, dass ein Weisser es gewagt hatte,
den ganzen Continent, den die Araber unter dem Namen "Das Land der
Schwarzen" schlechtweg bezeichnen, durchschnitten hatte, denn als ich
Icoródu verliess, um vom eigentlichen Festlande nach Lagos überzusetzen,
welches eine Insel in den Ossa-Lagunen ist, wären wir zuletzt beinahe
noch mit Mann und Maus, wie wir Deutsche zu sagen pflegen,
untergegangen.

Die Sache verhielt sich so. Am letzten Tage hatte ich meinen Diener
Hammed den Dolmetsch, einen kleinen Negerburschen, den ich von Lokója
aus als Geschenk für den Gouverneur in Lagos mitgenommen hatte, so wie
unsere Packesel zurückgelassen, indem ich mich allein früh Morgens von
Makúm, (siehe Dr. Grundemann's Missions-Atlas, Blatt Nr. 6) zu Pferde
auf den Weg machte, blos von meinem kleinen Privatneger Noël, der
während der langen Reise sich zu einem unermüdlichen Fussgänger
herangebildet hatte, sowie von einem Lagos-Bewohner (ebenfalls zu
Pferde) begleitet, der schon von Ibàdan an mit mir reiste, und dessen
Frau, welche auf dem Kopfe grosse Kürbisschalen trug, in denen sie ihre
Vorräthe hatte, ihrem Manne zu Fuss treu nachtrabte. Denn unsere Pferde,
als ob sie wüssten, dass auch sie nun bald würden erlöst sein, schritten
wacker aus, obgleich das meinige schon seit Tagen nur noch von Gras
lebte, indem Korn, so viel Muscheln wir auch immerhin boten, um keinen
Preis aufzutreiben war. So ununterbrochen dahin reitend, immer im
dichten Urwalde, dessen Pfad so eng war und so überwachsen, dass man
öfter absteigen musste, da der Reiter zu hoch war, erreichten wir denn
auch ohne weitere Ereignisse und Unfälle die wichtige Handelsstadt
Ikoródu ungefähr gegen 1 Uhr Nachmittags.

Ikoródu, ausschliesslich von Schwarzen vom Stamme Ijebu bewohnt, die
jedoch mit ihren Stammesgenossen in keinem allzu freundlichen
Verhältnisse stehen, da sich die Stadt des Handels wegen in eine Art
Abhängigkeitsverhältniss zum Gouvernement von Lagos gestellt hat,
wetteifert jetzt mit Abeokúta, einer Stadt von 100,000 Einwohnern, um
die Landesproducte, hauptsächlich Palmöl, Palmnüsse und Baumwolle gegen
die europäischen Fabrikate, besonders Schnaps, Pulver, Gewehre,
Zeugstoffe und andere kleine Artikel umzutauschen. Und Ikoródu würde
vielleicht bald Abeokúta bedeutend im Handel übertreffen, weil es nur
vier Stunden von Lagos entfernt liegt, wenn nicht eben diese Stadt am
schiffbaren Ogun-Flusse läge, sodass also die Producte schon mehrere
Tage weit auf die bequemste und leichteste Weise ins Innere
transportirt werden können.

Wir hielten uns übrigens gar nicht in Ikoródu auf, sondern durchritten
schnell die Stadt und den lärmenden Markt, wo neben einheimischen
Producten, europäische Artikel en détail verkauft wurden, und
hauptsächlich unser Altonaer Kümmel und schlechter amerikanischer Rum
eine reichliche Abnahme fanden--und zum anderen Thore wieder
herauskommend, begaben wir uns dann direct zum Landungsplatze, der
ungefähr eine Viertelstunde südwestlich von der Stadt entfernt liegt.
Ich glaubte das Meer zu sehen, und doch war es nur erst die
baumumkränzte Lagune, aber so entfernt und so weit sind die
gegenüberliegenden Ufer jener oft durchbrochenen schmalen Landzunge, die
dickbelaubt sich weithin vor's eigentliche Festland herzieht, dass man
mit blossem Auge eben nichts als eine tiefblaue Wasserfläche vor sich
hat. Am Landungsplatze fanden wir eine Menge kleiner Hütten, theils leer
und für etwaige Reisende zum Uebernachten aufgebaut, theils von
Verkäufern und Garköchen besetzt, welche damit beschäftigt waren, neben
Kleinwaaren, Obst und anderen Sachen, welche sie ausboten, Yams-Scheiben
und kleine Mehlkügelchen in Palmöl zu rösten, oder eine starkgepfefferte
Krautsauce zubereiteten, welche als Zuspeise zu dem weitverbreiteten
Madidi (es ist dies der Haussa Name; der an der Küste in der
Yóruba-Sprache übliche ist mir nicht bekannt), eine Art in grosse
Blätter eingekochter Kleister aus indianischem Korne, gegessen wird.
Auch 20-30 grössere Kanoes lagen am Strande, und alle Augenblick kamen
mit der günstigen Seebrise neue und meist sehr schwer beladene
angesegelt, welches einen reizenden Anblick gewährte, und viel Leben und
Treiben am Ufer hervorrief.

Nachdem wir mein Pferd abgesattelt hatten und es dann frei umhergehen
liessen, nahmen auch wir eine von den Hütten in Beschlag, denn schon am
Morgen hatten wir auf unsere Kosten erfahren, dass hier an der Küste die
Regenzeit noch weniger ein Weilen im Freien gestattet, als weiter im
Innern, wo doch nach einem heftigen Tornado meist wieder ein eintägiger
Sonnenschein folgt. Dann dachten wir auch daran, uns etwas Lebensmittel
zu kaufen, denn am ganzen Tage immer zu Pferde, hatten wir uns nur Zeit
gelassen, um einige Madidi, die man das Stück, eine Hand gross, für 10
Muscheln (an der Küste gehen 6000 Muscheln, im Innern 4000 auf einen
Thaler) überall am Wege zu kaufen findet, im Weiterreisen zu verspeisen.
Es fand sich nun aber, dass, obgleich der Markt sehr verlockend mit
allerhand Negergerichten ausgestattet war, und namentlich
westafrikanische Früchte, als Bananen, Plantanen, Pisang, Ananas u.a.m.
in Hülle und Fülle auslagen, wir keine Muscheln mehr hatten. Als wir
Morgens in der Eile früh sattelten, hatte Noël vergessen, aus dem
grossen Muschelsack hinreichend für uns welche herauszunehmen, unser
ganzer Reichthum bestand noch in 20 Muscheln, was gerade genug war, um
unseren regen Hunger erst recht anzureizen. Wir mussten also suchen
etwas zu verkaufen, aber Alles, was wir allenfalls von übrigen
Kleidungsstücken hätten entbehren können, war auch bei den Packeseln
zurückgeblieben, bis endlich Noël mich an ein paar neuseidene rothe
Taschentücher erinnerte, welche ursprünglich als Geschenke für kleinere
Häuptlinge hätten dienen sollen, indess beim Ende der Reise keine
Verwendung mehr gefunden hatten. Ich hatte dann später die Depeschen und
Briefe der beiden Weissen in Lokója hineingewickelt, um sie auf diese
Art besser gegen Regen und Schmutz zu schützen. Die Briefe wurden also
schnell bloss gelegt, auf die Gefahr hin, schmutzig zu werden, und der
Lagos-Mann, der vielleicht Muscheln besass, aber that, als ob er keine
hätte, auf den Markt geschickt, um die Tücher zu verauctioniren. Da die
Marktleute wahrscheinlich gleich durchschauten, dass wir keine Muscheln
bei uns hatten, sich überdies wohl denken konnten, wir seien nach einem
langen Ritte sehr ausgehungert, so boten sie uns natürlich für die
Tücher so niedrige Preise, dass ich anfangs nicht darauf eingehen
wollte. In der That verlangten sie die Tücher ungefähr für ein Viertel
des Preises, zu dem man sie in Europa in den Fabriken verkaufen würde.
Aber was thun? Hunger ist einer der despotischsten Herren, und wenn ich
selbst es zur Noth noch bis nach Lagos hätte aushalten können, so
dauerte mich mein treuer kleiner Noël, der sich zwar auch zum Hungern
bereit erklärte, aber seine Blicke gar nicht von den verlockenden
Oelkügelchen wegwenden konnte. Auch die Frau Negerin, welche dem
Lagos-Manne immer zu Fusse nachgetrabt war, gab mir durch Zeichen zu
verstehen, dass die Yams-Scheiben ausgezeichnet wären, und so wurde
unser Mann wieder beordert, die Tücher auf den Markt zu tragen. Aber o
Schicksal! Hatten die Neger schon früher so geringe Preise geboten, so
wollten sie dieselben jetzt um eine noch geringere Summe haben, aber um
nur nicht gar mit meinen seidenen Sacktüchern sitzen bleiben und hungern
zu müssen, gab ich sie nun à tout prix fort. Noël wurde dann ausgesandt,
um Ekoréoa, so heisst man die kleinen Mehlkügelchen, welche in Palmöl
gesotten sind, Yams und Früchte zu kaufen und dann nochmals wieder
abgeschickt, denn unsere beiden Lagos-Gefährten, Mann und Frau, assen
für viere; endlich indess waren Alle satt.

Mittlerweile kamen immer mehr Kanoes von Lagos herangesegelt, welches,
bei dem bunten Vordergrunde, einen entzückenden Anblick gewährte; theils
benutzte man anstatt ordentlicher Segel irgend ein grosses
Kleidungsstück, theils auch waren es viereckige grosse Stücke Zeug, aus
einheimischen schmalen Cattunstreifen zusammengenäht. Nach beiden Seiten
ragten sie natürlich weit über das schmale Kanoe hinaus. Man hatte mir
gesagt, dass alle Abend ein grösseres, dem Gouverneur von Lagos
gehörendes Schiff herüberkäme und dass es am besten sein würde, mit
diesem überzufahren. Es kam dies denn auch bald in Sicht, indem es
erkenntlich war au einer weissen Flagge, auf welche ein V.R. (Victoria
regina) gestickt war.

Ein uniformirter Neger sprang aus dem Boote und noch zwei andere
folgten, die seine Untergebenen zu sein schienen. Wir wurden schnell mit
einander bekannt, obgleich der uniformirte Bootsführer das Englisch auf
jene eigene Art der Neger spricht, wodurch es fast zu einer neuen
Sprache wird.

Er sagte mir, er würde noch am selben Abend zurückfahren, erbat sich
auch, da sein Schiff hinlänglich gross sei, mein Pferd mitzunehmen,
welches ich jedoch, als bei einer Nachtfahrt zu gefährlich, ausschlug.
Als ich dann aber um 9 Uhr Abends das Fahrzeug bestieg, liess ich das
Pferd unter der Obhut des kleinen Noël zurück, indem ich ihm sagte, so
lange im Landungsorte von Ikoródu zu bleiben, bis die anderen Diener und
Esel ankämen, und dies konnte wohl kaum vor Mitternacht oder dem
folgenden Morgen der Fall sein.

Wir waren also im Ganzen zu vier Mann, und sobald wir es uns bequem
gemacht hatten, spannten die Neger die Segel auf, um den zwar nicht
starken, aber jetzt bei Nacht günstig wehenden Landwind zu benutzen.
Ueberdies schaufelten sie noch mit ihren kleinen runden Rudern, so dass
wir schnell das Ufer verliessen. Aber nur ungefähr eine Stunde hielten
sie so bei, denn, sei es Müdigkeit oder hatte der Barássa, so heisst in
der Lingua franca der Branntwein, das Seinige gethan, sie legten die
Schaufeln nieder und überliessen sich einem ruhigen Schlafe. Das Schiff
folgte indess mit aufgespanntem Segel noch leise dem Hauche des Windes,
obgleich derselbe fast ganz nachgelassen hatte, und der heiterste
tiefblaue Sternenhimmel sich über uns wölbte. Auch ich, denkend, es sei
eben so passend, Morgens in Lagos anzukommen, als mitten in der Nacht,
dachte keineswegs daran, sie wieder aufzuwecken, sondern streckte mich
ebenfalls auf meiner Matte aus, und die fremden Sternbilder betrachtend,
schlief ich auch schnell ein, ermüdet, wie ich von einem langen Ritte
war.

Aber lange sollte unser Schlaf nicht dauern und die lieblichen Bilder
von Venedigs Lagunen, die sich mir im Traume vorstellten, wurden unsanft
durch eine starke Schaukelbewegung des Kanoe zerstört. Ich richtete mich
schnell auf, und der pechschwarze Himmel, das Zucken der Blitze
überzeugte mich schnell, dass einer jener Tornado im Anzuge sei, von
deren fürchterlicher Gewalt und Heftigkeit eben nur die heisse Zone
Zeuge ist.

Trotz des heftigen Stosses waren meine schwarzen Begleiter nicht
erwacht, erst auf mein Rufen und auf eine handgreifliche Demonstration
sprangen sie auf, und ein fürchterlicher zweiter Windstoss, der von
allen Seiten zugleich herzukommen schien, brachte ihnen rasch das
Gefährliche unserer Lage vor Augen. Schnell half ich ihnen die immer
noch ausgespannten Segel mit reffen, was wegen der entsetzlich starken
und unregelmässig bald hier, bald dort her kommenden Windstösse keine
Kleinigkeit war, dann aber nahm in kurzer Zeit der Sturm dermassen zu,
und sein Toben war zuweilen nur noch durch das Krachen des Donners
übertönt, dass wir innerhalb fünf Minuten an's Ufer geschleudert waren.

Aber keineswegs war unsere Lage hierdurch verbessert, denn wenn ich Ufer
sage, so muss man dabei nicht an einen Strand oder auch nur sonst etwas
Aehnliches denken: wir wurden gegen die Tausende von Mangrovenstützen
oder Wurzeln geworfen, die weit vom wirklichen Ufer aus, oft eine
Viertelstunde entfernt oder länger sich ins Wasser hineinerstrecken, und
unter günstigen Umständen von ihren vorstreckenden Zweigen alljährlich
neue Luftwurzeln, die das Wasser suchen, abwerfen, welche mit der Zeit
zu dicken Stützen oder Stämmen werden. Wer nicht selbst an
salzseeartigen Lagunen diese eigenthümliche Vegetation der Mangroven
gesehen hat, kann sich kaum durch eine blosse Beschreibung einen Begriff
davon machen. Am besten glaube ich, wird man mich verstehen, wenn ich
sage, dass eine dicke grüne Laubdecke von Tausenden von dicken oft 3-4,
oft aber auch von 10 Fuss hohen Stützen getragen, über dem Wasser zu
ruhen scheint. Unter dieser Laubdecke ist aber das Wasser noch sehr
tief, und je weiter vom wahren Ufer ab, je tiefer. Gegen diese Stämme
aus Luftwurzeln ursprünglich gebildet, wurde nun unser Schiffchen durch
die widerstandlose Kraft des Windes geschleudert, und jeder hohe
Wellenschlag, abgesehen davon, dass er es fortwährend mit Wasser
füllte, schien, als ob er es zertrümmern müsse.

Unter den fürchterlichsten Regengüssen, einem unaufhörlichen
Donnergeroll, bei einer pechschwarzen Finsterniss, oft indess durch nahe
electrische Feuerschläge, die zischend ins tobende Wasser fielen,
taghell erleuchtet, blieben wir so mehrere Stunden lang in dieser
gefährlichen Lage. Vergebens bemühten wir uns durch Festklammern an die
Baumstämme dem Schiffe mehr Halt zu geben, eine jede neue Welle riss uns
wieder weg und schleuderte uns dann wieder zurück gegen die Baumwand.
Ich versuchte es mehrere Male mich den Negern verständlich zu machen,
aber der unerhörte Lärm des Himmels und des Meeres machte jedes Sprechen
unmöglich; in dieser lebensgefährlichen Stellung blieben wir fast bis
Tagesanbruch, indem der Tornado merkwürdiger Weise fast sieben Stunden
seine Wuth an uns ausliess, während er sonst in der Regel nur von kurzer
Dauer ist. Trotzdem gingen wir siegreich, wenn auch erbärmlich
zugerichtet, aus dem Kampfe hervor: unsere beiden Masten waren
abgebrochen, die gegen die Baumstämme gerichtet gewesene Seite des
Schiffes war so zugerichtet, dass dasselbe eben nur noch dienen konnte,
um uns nach Lagos zu bringen, wir selbst aber waren, das war nun
freilich kein grosses Unglück, der Art, als ob wir im Wasser gelegen
hätten, und namentlich meine Neger, die es weniger angemessen fanden, in
einem nasskalten Hemde zu sitzen, als sich von der aufgehenden Sonne
die schwarz lackirte Haut bescheinen zu lassen, wussten bald, was thun,
sie reducirten sich bis auf Vater Adams Kleid und legten ihr Hemd in die
Sonne.

Und diese schien denn auch heiter genug, denn sobald einmal ein solches
Unwetter seine Wuth ausgelassen hat, wird man mit dem reinsten Himmel
belohnt; nach zwei Stunden schon hatten mich die Neger nach Lagos
gebracht, und wir landeten am nördlichen Ende der Insel zwischen einer
grossen Menge von Canoes.

Ohne weitere Empfehlungen für Jemand in der Stadt, mit Ausnahme, dass
ich Pass und Depeschen der beiden Weissen in Lokója von dorther für den
Gouverneur von Lagos überbrachte, indem die dort angesiedelten Engländer
seit sechs Monaten vergeblich versucht hatten, einen Courier nach der
Küste durchzuschicken, war es ganz natürlich, dass ich beim Gouverneur
mein Absteigequartier nahm, und ohne weitere Umstände und Anmeldung
begab ich mich nach dem stattlichen ganz aus Eisen gebauten
Gouvernementsgebäude, das am anderen Ende der Inselstadt, auf dem
europäischen Quai liegt. Freilich sah ich nicht sehr präsentabel aus,
als ich vor Herrn Glover (so heisst der derzeitige Gouverneur von Lagos,
der der geographischen Welt sehr wohl bekannt ist, durch seine schönen
Nigerkarten, indem er vor Jahren auf Kosten der englischen Regierung mit
einem Dampfer den Niger hinauf explorirte bis Rabba und die genauesten
Karten vom Niger geliefert hat, die wir überhaupt besitzen) erschien.
Meine hohen Stiefeln quatschten bei jedem Schritte vom Wasser, das in
sie gelaufen, aus meiner langen weissen Tobe bezeichnete hinter mir ein
unaufhörlicher Tropfenfall den Weg, den ich gegangen war.

Aber in Afrika kennt man keine Ceremonien, und selbst der Holländer
verliert dort seine Steifheit und grollt dem Fremden nicht, der es wagen
würde mit unabgekratzten Schuhen sein Haus zu betreten. Herr Glover
hiess mich daher herzlich willkommen, und als er sah und verstanden
hatte, wer ich sei, wollte er keine weitere Erklärung: zuerst ein warmes
Bad und dann musste ich von seinen eigenen Kleidern anziehen. Ich fand
mich natürlich gleich ganz wie zu Hause, und seine Gesellschaft, drei
Marineofficiere, von denen der eine sein Privatschreiber, die anderen
seine zufälligen Gäste waren wie ich, trugen nicht wenig dazu bei, den
Aufenthalt angenehm zu machen.

Indess sollte ich doch nicht lange unter dem gastlichen Dache von Herrn
Glover bleiben; schon beim Frühstück, woran oben genannte Herren, sodann
der deutsche Pfarrer Herr Mann, ein früherer Missionär in Abeokúta und
jetzt in Lagos angestellt, theilnahmen, stellte sich der Chef der
O'Swald'schen Factorei in Lagos ein, Herr Philippi. Wie ein Lauffeuer
war nämlich das Gerücht durch die Stadt gegangen, es sei ein Weisser
über Land angekommen, und man vermuthe, der Weisse sei ein Deutscher.
Wie war da denn nur Haltens bei diesem trefflichen Manne. "Wo ist der
Deutsche? Wer ist es?" waren seine ungestümen Fragen, als er den Salon
betrat, und als der Gouverneur mich ihm vorgestellt und er mir die Hand
gedrückt hatte, erklärte er Herrn Glover ganz kurz, dass ich sein sei,
dass er ein grösseres Recht auf mich habe, um Gastfreundschaft zu
erweisen, als der englische Gouverneur.--Sowohl Herr Glover als auch ich
waren in grosser Verlegenheit, der Gouverneur, weil er nicht wusste, wie
er sich einer so kurz und bündig gestellten Forderung des Herrn
Philippi, der überdies sein Freund war, gegenüber benehmen sollte, ich
andererseits noch mehr, indem ich einerseits durch ein so schnelles
Weggehen Herrn Glover beleidigen konnte, andererseits aber auch eine so
schmeichelhafte Einladung des Chefs vom ersten deutschen Handlungshause
an der Westküste Afrikas nicht abschlagen wollte.

Genug, Herr Philippi wusste es so einzurichten, dass ich mit ihm gehen
und noch am selben Tage in der O'Swald'schen Factorei meine Wohnung
aufschlagen konnte. Ich hatte keineswegs bei dem Tausche verloren.

Am andern Tage kam, zum Ergötzen der Lagos-Bewohner, auch meine
Karawane, die beim Uebersetzen über die Lagune mehr als ich begünstigt
gewesen war; voran kam Noël mit meinem abgemagerten Schimmel, dann
Hamed, seinen Esel, der nicht mehr stark genug war, um ihn zu tragen,
vor sich hertreibend, endlich die beiden Lastesel, je Tom und Bu-Chari,
den Dolmetsch mit Stöcken hinter sich. Aber in Lagos wie in Yóruba- und
Izebu-Lande hatte man nie vorher graue Langohren gesehen, und so kam
es, dass die halbe schwarze Bevölkerung der Karawane nachzog, und es vor
der Factorei dicht und schwarz gedrängt voll Menschen stand, als sie
durch's hohe Hofthor einzogen.

Da der Dampfer zwar schon angekommen, aber noch weiter nach Bonny und
Cámerun gefahren war, nun aber erst in einigen Tagen zurückerwartet
wurde, so hatten wir vollkommen Zeit, die Annehmlichkeiten des
gastfreisten deutschen Hauses unter den Tropen Afrikas kennen zu lernen,
sowie auch Musse, die Stadt in Augenschein zu nehmen.

_Lagos_, dieses neue Handelsemporium der Engländer, liegt, wie schon
erwähnt, auf einer Insel, und ist seit den wenigen Jahren unter dem
englischen Gouvernement zu einer Stadt von 50,000 Seelen herangewachsen.
Die schönen breiten Strassen, welche, unter einer aufgeklärten
Administration, die kleinen engen Pfade der Neger verdrängt haben, die
zweckmässige Bauart der Häuser, welche jetzt sämmtlich aus Backsteinen
aufgeführt werden, haben ausserordentlich zur Verbesserung des
Gesundheitszustandes beigetragen. Und wenn auch noch heuer schwere
Wechsel- und Sumpffieber immer an der Tagesordnung sind, kommt doch
Malaria jetzt äusserst selten vor, und das gelbe Fieber und die Cholera
haben sich noch nie in Lagos gezeigt. Eben so ist die andere Plage der
grossen Bucht an der Westküste von Afrika, der Guinea-Wurm, in dieser
Stadt fast ganz unbekannt.

Die englische Regierung hat hier zwei Compagnien schwarzer
westindischer Soldaten, ausserdem ebenso viele, die aus eingebornen
Negern recrutirt werden, und hauptsächlich aus dem Haussa-Stamme
genommen werden. Es ist letzteres merkwürdig genug, da im Innern Afrikas
die Haussa als feige verschrien sind, und liegt darin allerdings ja auch
ein thatsächlicher Beweis, dass die Haussa als eine selbständige Nation
durch ihre Unterjochung von den Fellata zu existiren aufgehört haben.
Indess sollen sie unter englischem Commando, wie Herr Glover mir
mittheilte, sich zu tüchtigen Soldaten ausbilden. Allgemein sind sie
übrigens wegen ihrer grossartigen Diebereien und abgefeimten Räubereien
verschrien, und wenn Europäer oder andere Neger durch das sogenannte
Haussa-Viertel, denn es wohnen auch viele Haussa-Leute mit ihren
Familien, auch ohne Soldaten zu sein, in der Stadt, gehen, pflegen sie
sich die Tasche zuzuhalten. Ausserdem sind noch einige
Marineartilleristen zur Bedienung der auf dem Quai vor dem
Gouvernementshause aufgepflanzten Geschütze vorhanden. Die Soldaten sind
sehr zweckmässig uniformirt, und für ihre andere Bequemlichkeit sorgt
eine luftige Caserne und ein gut eingerichtetes Hospital.

Ein Gemeinderathhaus ist gerade im Bau begriffen, eben so wie eine
hübsche steinerne Kirche. Bethäuser und Schulen sind ausserdem schon
mehrere vorhanden, denn die church missionary society, sowie die Wesleyn
methodists haben mehrere Prediger hier. In der That scheinen, trotzdem
dass auch die Mohammedaner mehrere Moscheen in Lagos haben und leider
auf eine dumme, unvernünftige Art von Herrn Glover, dem jetzigen
Gouverneur der Insel, begünstigt werden, die Missionäre hier mit Erfolg
zu wirken. Als ich Sonntags die Kirche oder vielmehr das grosse Bethaus
besuchte, fand ich eine volle und hauptsächlich aus Negern, jedoch auf
europäische Art gekleidet, bestehende Versammlung, und ungemein freute
es mich, als die kleinen schwarzen Knaben und, Mädchen, nur von einigen
wenigen weissen Kindern unterstützt, mit Präcision und Gefühl die
schönsten Choräle, von einem Harmonium, das ihr schwarzer Lehrer
spielte, begleitet, sangen.

Als hervorragende Persönlichkeit steht an der Spitze der Geistlichkeit
in Lagos und als Director der sogenannten evangelischen schwarzen
Niger-Mission der Bischof Crowther. Dieser Neger, aus einem kleinen
Dorfe in Yóruba gebürtig, wurde als Kind geraubt und den Portugiesen
verkauft. Er hatte jedoch das Glück, von den Engländern gekapert zu
werden, und von der Vorsehung dazu bestimmt, als ein auserlesenes
Werkzeug dem Christenthume und der Civilisation zu dienen, wurde er nach
Freetown in Sierra-Leone gebracht, wo er seine erste Erziehung erhielt
und getauft wurde. Er zeigte bald so hervorragende Eigenschaften und
Geistesanlagen, dass man ihn zur weiteren Ausbildung nach England
schickte, genug wenn ich sage, dass er heute Bischof ist. Aber nicht nur
als Geistlicher wusste er sich in jeder Beziehung auszuzeichnen, er
leistete gleich Grosses im Gebiete der afrikanischen Sprachen, seine
Uebersetzung der heiligen Schrift in die Yóruba-Sprache, mehrere
Grammatiken, darunter eine der Nyfe-Sprache, legen Zeugniss seiner
gründlichen Bildung ab; endlich die Reisebeschreibung der Niger- und
Bénuē-Expedition, welche Herr Crowther mit dem verstorbenen Dr.
Baikie machte, lassen ihn als einen ausserordentlich vielseitig
gebildeten Mann erkennen. Leider konnte ich nicht die persönliche
Bekanntschaft dieses ausserordentlichen Mannes machen, denn während
meiner Anwesenheit in Lagos war er auf einer Inspectionsreise nach
Bonny, immer besorgt um das Wohl seiner Missionen.

Auf dem grossen Quai breiten sich dann rechts und links vom
Gouvernementsgebäude die schönen Factoreien oder Handelsetablissements
der Europäer aus, und von allen diesen ist die O'Swald'sche, wie schon
erwähnt, die erste. Es giebt indess noch mehrere andere Häuser in Lagos,
die gute Geschäfte machen. Der zweiten grössten Factorei steht ein
Marseiller Haus vor, und die Engländer, obgleich sie sich natürlich auch
bedeutend am Handel betheiligen, da ja die ganze Insel jetzt ihr
Eigenthum ist, kommen doch erst in zweiter Linie; so hat auch die
westafrikanische Compagnie deren Directorium in Liverpool ist, in den
letzten Jahren sehr an ihrer Bedeutung verloren.

Der Handel, was Export anbetrifft, beruht hauptsächlich auf Palmöl, das
theils fertig von den Eingeborenen den Europäern zum Austausch oder zum
Verkauf gebracht wird, theils auf die Nüsse der Oelpalme, welche roh
nach Europa verschifft werden und dann dort durch Auspressen und andere
Zubereitung ein doppeltes Product ergeben, nämlich Stearin und Oel. Was
Baumwolle und Kornausfuhr anbetrifft, so ist die Production derzeit noch
zu gering, um bedeutend ins Gewicht zu fallen, für beide Artikel ist
indess eine grosse Zukunft vorhanden, denn kein Boden ist günstiger für
Korn, Indigo, Taback und Baumwolle als der afrikanische, man trifft
diese Pflanzen auf jedem Schritt und Tritt, so dass man versucht sein
möchte, sie für einheimische zu halten. Die Oel-Ausfuhr aber selbst
liegt noch ganz in der Kindheit, denn von einer eigentlichen Ausbeutung
ist bei der Undurchdringlichkeit der Wälder, heutzutage noch keine Rede,
aber bei der gänzlichen Stockung des Sklavenhandels von Lagos aus, und
eben weil wiederum die Neger die europäischen Producte nicht entbehren
können, werden sie schon Mittel und Wege finden, um nach und nach auch
die Millionen von Palmen, die sich in den schwarzen Wäldern finden,
ihren Tribut zahlen zu lassen.

Was die Einfuhr anbetrifft, so stehen in erster Linie Schnaps, und zwar
schlechter holländischer und deutscher Genever, amerikanischer Rum, dann
Pulver, Steinschlossgewehre, leichte amerikanische Cattune, Perlen und
andere kleinere Artikel, dann zweitens die Importation der kleinen
Muscheln, welche als Scheidemünze in Afrika gelten. Diese werden vom
indischen Archipel zu Schiffe an die Ost- und Westküste von Afrika
gebracht. Obwohl nun sowohl im Innern als auch an der Küste der Werth
derselben grossen Schwankungen unterliegt, kann man doch im grossen
Allgemeinen sagen, dass ein Maria-Theresien-Thaler im Innern 4000
Muscheln, an der Küste indess 6000 werth ist. In Lagos werden sie bei
der Importation en gros von den Europäern gewogen und später in Körbe[3]
von je zu 20,000 verpackt, und vom Niger an kommen sie nur noch in
kleinen Paketen vor, obgleich doch noch in Seg-Seg (westliches
Königreich vom Kaiserreich Sókoto) Käufe und Verkäufe von
Hunderttausenden von Muscheln gemacht werden.

Der Verkehr in der Stadt ist meist zu Fuss, obwohl die Vornehmen und
Reichen, seien sie nun schwarz oder weiss, meist zu Pferde ausreiten.
Der Lagunendienst wird durch eine grosse Zahl von kleinen Booten und
Kanoes besorgt, die alle numerirt sind, und die grösseren Häuser, wie
O'Swalds, die französische Factorei und die westafrikanische Compagnie
haben ihre eigenen Dampfer, die bestimmt sind, theils die Waaren zu den
grossen Segelschiffen, welche der Barre halber in die Lagune nicht
einlaufen können, hinauszutransportiren, theils auch, um kleinere
Segelschiffe, als Brigg und was darunter ist, in die Lagune
hereinzuschleppen. Der Gouverneur hat ausserdem auch für den Dienst
einen Dampfer zur Disposition, welcher Eigenthum der Colonie ist.

Die Bevölkerung von Lagos ist so überwiegend schwarzer Raçe, dass die
wenigen Weissen, vielleicht hundert an der Zahl, ganz darunter
verschwinden. Diese Schwarzen sind wieder von den verschiedensten
Stämmen, obwohl Yóruba- und Sabu-Leute vorwiegend vorhanden sind. Man
glaube indess nicht, dass die schwarze Bevölkerung eine niedere Stufe
einnimmt, wie denn überhaupt der schlechtweg ausgesprochene Grundsatz,
die schwarze Bevölkerung sei gar nicht der Civilisation fähig, ein sehr
schlecht basirter ist. Freilich haben die, welche sich zu dieser Ansicht
bekennen, sich wohl hauptsächlich auf die schwarze Bevölkerung Amerikas
bezogen, aber von einer seit Jahrhunderten durch Sklaverei unterdrückten
Bevölkerung Schlüsse auf eine ganze Raçe ziehen zu wollen, wäre ebenso
unsinnig und lächerlich, als wolle man der ganzen europäischen Familie,
weil gerade die Griechen ihre eben errungene Freiheit weder ertragen
noch benutzen können, politische Unmündigkeit vorwerfen. Doch es würde
zu weit führen, dies Thema hier zu behandeln, genug, dass ich als
Beispiel anführe, dass Herr Philippi mir unter anderem Zutritt zum Hause
James verschaffte, welches ebenfalls einem Schwarzen gehört, der ein
bedeutendes Colonialwaarengeschäft betreibt. Seine Frau, Md. James,
ebenfalls eine Schwarze, war einst dazu bestimmt, einem Engländer, der
den König Dáhome besuchte, zu Ehren geopfert zu werden, wurde aber auf
Wunsch des Weissen befreit, und ist jetzt in Lagos eine der
liebenswürdigsten Salondamen.--Sie hatte mehrere Male die Güte die
schönsten und schwierigsten Sonaten und Symphonien von Mozart und
Beethoven uns vorzuspielen. Ich habe hier nur ein Beispiel von der
Fähigkeit, sich zu bilden, bei den Negern angeführt, ich könnte deren
hundert bringen.

Die Tage in Lagos gingen in angenehmer Unterhaltung schnell hin, und
allein den ganzen Tag auf der prachtvollen Factorei zuzubringen, die
grossartigen Unternehmungen und Arbeiten bewundern, dem geschäftigen
Treiben der Neger zuzuschauen, hätte Reiz genug gewährt. In der That,
wenn man des Morgens auf der oberen Veranda sass, vor sich die herrliche
Allee von Brodfruchtbäumen, die ewig saftgrünen Teppiche von
Bahama-Gras, auf welchen sich zahme Gazellen herumtummelten, im
Hintergrunde die tief blauen Lagunen, von einem palmenbewachsenen
Sandgürtel begrenzt, ganz in weiter Ferne die mächtig tobende Barre, und
jenseits im unendlichen Ocean die stolzen Dreimaster, welche ihrer
Ladungen warteten, dann begriff ich, dass man in Lagos sein konnte, ohne
Heimweh zu bekommen. Abends waren wir die ganze Zeit natürlich durch
gemeinschaftliche Diners in Anspruch genommen: beim Gouverneur, bei den
Missionären, auf den anderen Factoreien etc.

Aber der Küstendampfer war unterdessen angekommen, und somit musste
Abschied genommen werden. Herr Philippi liess den O'Swald'schen Dampfer
heizen, um uns über die Barre hinaus an das Postdampfschiff zu bringen.
Er selbst hatte noch die Güte, mich bis dahin zu begleiten, und nachdem
hinten die Hamburger, in der Mitte die Bundesflagge und vorn meine alte
Bremer-Flagge, die von allen europäischen Flaggen allein den Tsad-See
begrüsst, und einzig ausser der englischen Flagge den Niger befahren
hatte, waren aufgehisst worden, verliessen wir um 10 Uhr Morgens die
Stadt und befanden uns bald darauf an Bord des englischen Postschiffes.

Als wir Abschied genommen, und ich noch lange dem kleinen schnell
dahinschiessenden Tender nachgesehen und nachgewinkt hatte, fing ich an,
nachdem ich meine Sachen in die mir zugewiesene Cabine untergebracht
hatte, mich umzusehen. Freilich waren einem die Bewegungen sehr gehemmt,
denn abgesehen von den grossen Oelfässern, die auf dem Vorder- und
Mitteldeck den Weg sperrten, war selbst unser Hinterdeck mit doppelten
Schichten von Baumwollsäcken zugepackt. Alte diese Waaren hatte man in
Lagos eingenommen und noch nicht Zeit gefunden, sie in den Raum hinunter
zu schaffen. Das Schiff selbst war sonst gut eingerichtet, hielt 900
Tons, jedoch war der Raum mehr für Waaren als für Passagiere berechnet:
es war der Schraubendampfer "Calabar", Capt. Kroft, der West Africa
Steam Navigation Company zugehörend. Inzwischen kamen immer noch neue
Passagiere von Lagos und unter den Bekannten fand sich auch der
Gouverneur Herr Glover, der Befehl bekommen hatte, sich zum Gouverneur
en chef, nach Sierra Leone zu begeben. Endlich um 5 Uhr Abends war alles
eingeladen und eingeschifft, und nach einem dreifachen Salutschusse
seitens des "Calabar" trat derselbe seinen Lauf nach Westen an.

Obgleich wir nicht weit von der Küste entfernt waren, verloren wir
dieselbe dennoch bald ausser Sicht, da überdies nach 6 Uhr Abends die
Nacht schon hereinbrach. Im Uebrigen waren wir vom schönsten Wetter
begünstigt. Man stieg dann hinunter, um sich den Tafelfreuden
hinzugeben, aber im Ganzen, obgleich aus Innerafrika kommend, hatte mich
der kurze Aufenthalt in Lagos schon so verwöhnt, dass ich mich etwas
getäuscht fand. Die Abwesenheit von Servietten an der Tafel konnte man
noch eher entschuldigen, denn am Ende ist es besser, gar nichts
dergleichen vorzufinden, als schmutzige, und namentlich durfte ich mich
selbst nicht über die Aufwartung beklagen, da ich noch meinen Diener
Hamed bei mir hatte. Ausser Herrn Glover, der auch seinen Leib-Neger bei
sich hatte, waren in dieser Beziehung die anderen Passagiere freilich
nicht so günstig gestellt. Ein Gutes war vorhanden, dass, da sämmtliche
Reisende von der Küste waren, aller steife Zwang fehlte, der sonst unter
Engländern das Zusammensein so unerträglich macht. Ueberdies war nur
eine Dame vorhanden, und obwohl eine Tochter Albions hatte sie doch
durch ihren Aufenthalt in Afrika, sie war Missionärin am Camerun,
längst das Unbiegsame einer britischen Lady verloren.

Wir legten uns am ersten Tage alle frühzeitig zur Ruhe und da wir bis
jetzt etwa nur 30 Passagiere an Bord hatten, während die erste Cajüte
deren 50 fassen konnte, waren wir gut logirt, sowohl Herr Glover als
auch ich hatten je eine ganze Cabine für uns, überhaupt liessen die
Betten nichts zu wünschen übrig.

Als ich am anderen Morgen, nachdem der Kaffee genommen (dieser, sowie
Thee, Cakes und Butterbrod wurden immer mit Sonnenaufgang aufgetischt)
aufs Deck ging oder vielmehr auf die Baumwollensäcke kletterte, fand
ich, dass mehrere Passagiere es vorgezogen hatten, einfach in ihren
Kleidern auf den weichen Ballen zu schlafen, und da ein grosses
Sonnenzelt das Hinterdeck beschattete, ging das auch recht gut, denn auf
die Art konnte der Thau sie nicht erreichen, und von Kälte ist ja unter
den Tropen im Juni überhaupt nicht die Rede. In den Cabinen war es denn
auch so heiss, dass man Nachts immer die Fenster offen lassen musste.

Um aber vor Allem dem Leser einen Begriff zu geben, wie man auf einem
englischen Dampfer lebt; führe ich an, dass um 8 Uhr das eigentliche
Frühstück war, warme Fleische, Gemüse, Pasteten und Thee oder Kaffee, um
12 Uhr Mittags war sogenannter Lunch, d.h. ein kaltes Frühstück aus
kalten Fleischen, Würsten, Salaten und Früchten bestehend, um 4 Uhr
Nachmittags das Diner, endlich um 7 Uhr Abends Thee und Butterbrod. Es
versteht sich von selbst, dass die Engländer ausserdem zum Schlusse noch
der Brandyflasche zusprachen. Man sieht hieraus, dass der Magen gar
keine Zeit hatte, ein eingenommenes Mahl zu verdauen, und dass, wer eben
keine besondere Beschäftigung hatte, die ganze Zeit mit Tafeln zubringen
konnte.

Das Schiff bot am Morgen einen eigenthümlichen Anblick, von den Fässern
waren erst wenige unter das Deck geschafft, aber auf jedem hockten oder
lagen ein paar Schwarze. Es waren dies Neger von der Kru-Küste, die nun,
nachdem ihr Miethstermin abgelaufen war, in ihre Heimath zurückkehren
wollten. Sie scheinen zu den Amphibien zu gehören, denn sie sind
offenbar mehr als blos ausgezeichnete Schwimmer und die einzigen Neger
an der Küste, die sich gern und freiwillig den Europäern als Arbeiter
vermiethen; sie scheuen dabei keine weiten Reisen, und gehen Contracte
auf mehrere Jahre ein. Nach Ablauf der Zeit mit ihrem Ersparten in die
Heimath zurückkehrend, verheirathen sie sich entweder, oder verprassen
ihre Gelder mit Barássa (Schnaps); dann gehen sie aber sicher, sobald
sie ihren letzten Heller ausgegeben haben, ein neues Engagement ein. Die
Kru-Leute sind sehr kräftig gebaut, von braunschwarzer Farbe, ihre
Physiognomie ist sehr hässlich, ihre Gewandtheit und Geschicklichkeit
ist gleich gross auf dem Wasser und zu Lande.

Seit dem Abend vorher hatten wir das Land ausser Sicht, aber gegen 10
Uhr Morgens näherten wir uns wieder der Küste, welche ganz flach war und
nur von hohen Palmen, Oel- und Kokos-, bestanden zu sein schien. Um 12
Uhr hielten wir vor Yellee-Coffee (dieser Name ist auf der trefflichen
Grundmann'schen Karte nicht angegeben, es ist der von den Engländern
gebrauchte für den Ort Keta, wo eine Bremer Mission sich befindet), wo
indess nur ein einziges auf europäische Art gebautes Haus zu sehen war,
von vielen kleinen Negerhütten umgeben.

Kaum war das Anlegen vorüber, als zahlreiche Canoes das Dampfschiff
umschwärmten, und nun begann ein Drängen und Klettern um zuerst mit den
Waaren an Bord zu kommen. Da indess diesen schwarzen und ganz nackten
Waldteufeln nicht gestattet war aufs Hinterdeck zu kommen, so konnte man
von dort aus mit Musse diesem Bewegen und Treiben zuschauen. Man brachte
Lebensmittel, hauptsächlich Yams, süsse Erdäpfel, Cocosnüsse, Mangos,
Bananen, Plantanen, Ananas, Melonen und andere Früchte, dann Papageien,
Enten, Puter, Schafe, Zwiebeln, rothen Pfeffer, Matten, Strohmützen,
Pantherfelle, einheimische Cattunzeuge und andere niedlich und kunstvoll
gearbeitete Handarbeiten. Nachdem der nicht enden wollende Streit, wer
zuerst aufs Deck kommen sollte, wobei mancher denn noch rücklings in
Wasser fiel oder gestossen wurde, sich gelegt hatte, fing in grösster
Eile ein Tauschhandel an, indem die Matrosen vom Dampfer gegen leere
Flaschen, europäische Taschentücher, Messer, manchmal auch baares Geld
das, was sie wünschten, eintauschten. Während indess einige Sachen, z.
B. Papageien, welche man 3 für 2 englische Shillinge einhandeln konnte,
ausserordentlich billig waren, wurden für andere die übertriebensten
Preise gefordert. So verlangte man für ein Stück einheimischen Cattun,
der allerdings recht hübsch war, indess nur die Grösse von 3 Ellen Länge
auf 2 Breite hatte, 4 Dollars. Ebenso wurden merkwürdigerweise für die
kleinen Meerkatzen unverschämt hohe Preise gefordert; man hätte hier
indess eine ganze Menagerie zusammenkaufen können, denn sogar ein
Chimpanze fehlte nicht und langborstige Stachelschweine, sowie Igneumon
waren mehrere vorhanden. Die Neger von Yellee-Coffee sind sehr gemischt,
den Hauptgrund in der Bevölkerung bilden indess die Popo- und
Fanti-Neger, und die Sprachen dieser beiden Stämme werden hier
vorzugsweise gesprochen. Sie sind pechschwarz, haben ächte Negerzüge,
fast alle gehen ganz nackt, nur einige Wenige halten es der Mühe werth,
ein europäisches Taschentuch um die Hüften zu winden.--Es befindet sich
vor Yellee-Coffee die Navalstation der Engländer, die indess jetzt, seit
der Sklavenhandel nun ganz unterdrückt ist, von ihrer früheren Bedeutung
verloren hat. Wie schon gesagt, hat auch unser norddeutscher
Missionsverein eine Station hier und scheint dieselbe insofern zu
gedeihen, als sie sich bei Erziehung der Neger nicht bloss auf das
geistige Wohl des Schwarzen beschränkt, sondern demselben auf der
Missionsanstalt auch allerlei nützliche Handwerke gelehrt werden, was
leider die Engländer bei ihrer sonst so trefflichen Mission ganz
vernachlässigen.

Es kamen hier auch zwei von den deutschen Missionären an Bord, um nach
Christiansborg zu fahren; einer von ihnen, ein junger stutzerhafter
Mann, mit langen Haaren, kam, nachdem er sich an Bord durch ein gehörigs
Glas Ale gestärkt hatte, auf mich zu und redete mich auf englisch an,
sagend, dass er sein Deutsch unter den Negern gänzlich verlernt habe, da
er schon längere Zeit an der Küste sei. Dies Englisch aus dem Munde
eines Schwaben (er war freilich noch nicht 40 Jahre alt) klang indess so
komisch, indem natürlich zwischen d und t, zwischen b und p, die
lächerlichsten Verwechselungen gemacht wurden, dass ich ihm auf
französisch antwortete, und nun unterhielten wir beiden Deutschen uns
zur grossen Belustigung des Publikums längere Zeit, er immer englisch
und ich französisch sprechend. Unser guter Schwabe, er war freilich noch
nicht 40 Jahre alt, merkte indess, dass er der Gegenstand der
allgemeinen Heiterkeit war. Später ertappte ich ihn, wie er sich ganz
fertig mit seinem Amtsbruder, der ein sehr vernünftiger Mann war,
unterhielt, und fast hätte ich der Versuchung nicht widerstanden, ihn
auf Platt anzureden, um eine zweite fremdartige Unterhaltung zu
erwecken, denn Deutsch konnte er allerdings nicht, nur schwäbisch.

Wir blieben hier bis 6-1/2 Uhr Abends und verliessen dann wie am Tage
vorher, westlich etwas zu Süd haltend, Yellee-Coffee. Unsere Abfahrt
fand bei einem starken Tornado statt, so dass wir alle unter Deck
flüchten mussten. Die Nacht war indess wieder ausserordentlich schön.

Sobald es tagte, sprang ich am folgenden Tage aus meiner Cabine und sah,
dass wir uns nahe an der Küste befanden, und Akkra und Christiansborg
dicht vor uns liegen hatten. Die Städtchen nehmen sich reizend aus; die
vielen europäischen Häuser, alle glänzend weiss und italienischen Villen
gleichend, treten auf dem dunklen Grün der Oel- und Kokospalmen scharf
hervor. Im Hintergrund sah man niedrige Hügel, eine Abwechslung, die um
so angenehmer auffiel, als wir bis jetzt nur flache Küsten gesehen
hatten. Die meisten grösseren Factoreien hatten ihre Flaggen aufgezogen,
und da bemerkte ich auch unsere Bremer auf dem Vietor'schen
Etablissement wehen. Auch mehrere grössere Handelsschiffe waren vor
Anker, unter anderen zwei amerikanische Barken.

Wie gewöhnlich grüsste der Calabar mit drei Schüssen und warf dann Anker
aus, worauf wir sogleich wieder von einer Unzahl hohler Baumstämme
umschwärmt waren, welche die Akkra-Neger mit grösster Geschicklichkeit
über die höchsten Wellen trieben. Hier indess kamen sie nicht um zu
handeln, sondern blos um etwaige Passagiere zu holen und zu bringen,
auch unsere beiden Deutschen verliessen uns, wofür indess mehrere andere
Missionäre mit ihren Frauen und Kindern wieder kamen alle von der
Basler Gesellschaft, welche hier im Innern sich ein tüchtiges Feld
eröffnet hat.

Akkra und Christiansborg gehören schon der Goldküste an, indem diese von
der östlich sich hinziehenden Sklavenküste durch den Volta-Fluss
getrennt ist. Wir hatten die Mündung dieses bedeutenden Flusses, der
rechts und links grosse Lagunen hat, Nachts passirt. Der Haupttheil der
Bevölkerung der beiden Oerter ist vom Stamme der Akkra-Neger, sie sollen
den Yóruba verwandt sein. Ganz eigenthümlich ist die Bauart ihrer Kanoe,
weil sie ein erhöhtes Hintertheil haben, überhaupt dabei sehr gross
sind; mit dem grossen dreieckigen Segel, dessen sie sich bedienen, giebt
das dem Schiffchen von Weitem ein ganz classisches Aussehen. Am meisten
entzückte mich der melodische Sang der Ruderer, und erinnerte mich sehr
an die singlustigen Kakánda-Neger am mittleren Niger, denen es auch ganz
unmöglich war, ihr Kanoe weiter zu stossen, ohne jeden Stoss mit Gesang
zu begleiten. Indess haben die Akkra-Neger, und dies ist höchst
bemerkenswerth, wirklich eine Art Choralgesang, denn die zweite und
dritte Stimme accordirt immer melodisch mit der ersten. Möglich auch,
dass sie dies durch den Unterricht von Missionären gelernt haben, obwohl
die Lieder, welche sie sangen, keine religiöse zu sein schienen, sondern
gewöhnliche Volkslieder.

Akkra war bis vor zwei Monaten halb englisch, halb holländisch, ist
jetzt aber durch Verkauf ganz an die Engländer gekommen. Christiansborg
wurde schon 1850 von den Dänen dem Englischen Gouvernement überlassen.
Man sieht also, wie England so ganz allmählich und ohne Aufsehen zu
erregen, sich der ganzen Küste von Afrika bemächtigt, denn längst sind
der Reichthum an Rohproducten und die Fähigkeit, später dort für alle
Colonialerzeugnisse das fruchtbarste Feld und den ergiebigsten Boden zu
finden, von diesem speculativen Volke erkannt worden.

Wir blieben einen ganzen Tag vor Akkra, was, da hohe See war, und das
Schiff stark rollte, nicht sehr angenehm war. Wie am vorhergehenden Tage
fuhren wir dann um 7 Uhr Abends weiter, und fanden uns am andern Morgen
vor dem bedeutenden Ort Cape Coast Castle liegen.

Diese Stadt mit ihrem Fort, wie der Name es schon andeutet, liegt auf
steilen Felsen, welche senkrecht in die See abfallen; von den
Portugiesen erbaut, gehört sie jetzt den Engländern, und sieht sie auch
nicht so lieblich wie Akkra und Christiansborg aus, so hat sie doch
einen europäischen Anstrich. Wie immer kommen zahlreiche Boote, und hier
bieten sie uns besonders Goldstaub und Papageien zum Verkauf an. Ganz
besonders erregten aber unser Aller Bewunderung die ausserordentlich
schönen und feinen Filigranarbeiten der Neger in Gold: Broschen, die
künstlichsten Ketten, Ringe, Ohrbommel und andere Sachen wurden so
ausgezeichnet und mit einer solchen Vollendung uns zum Verkauf
vorgezeigt, dass ein gewöhnlicher europäischer Goldarbeiter Mühe gehabt
haben würde, dergleichen nachzumachen. Um Gold und Goldstaub dreht sich
hier denn auch das ganze Leben, Die Hauptzufuhr kommt vom
Atschanti-Lande, und unser Schiff nahm im Ganzen gegen 3000 Unzen ein,
theils in Staub, theils in Ringen. Die Fanti, welche den
Hauptbestandtheil der Cape Coast Castle Bevölkerung bilden, sowie die
Assin und Wassau, Stämme, die weiter im Inneren des Landes wohnen,
bedienen sich ausschliesslich des Goldstaubes als Geldmittel. Jeder hat
zu dem Ende eine kleine empfindliche Goldwage und ein ledernes Säckchen
mit Goldstaub immer bei sich. Das Gewicht besteht in kleinen leichten
Kernen einer Schottenpflanze und bei grösseren Quantitäten in Steinchen.

Ich staunte gerade die furchtbare Brandung an, welche die Wellen des
Oceans gegen die Felsblöcke, auf welche das Fort erbaut ist, bis zu
einer Höhe von 50 Fuss hinaufspritzten, als meine Aufmerksamkeit durch
zwei Officiersfamilien in Anspruch genommen wurde, die auf Stühlen
sitzend (es ist allgemein Gebrauch an der Westküste von Afrika, in die
grossen Kanoe Stühle zu setzen, da keine Bänke vorhanden sind) in einem
grossen Kanoe an Bord gerudert wurden. Und um so mehr wunderte ich mich,
als ich den einen Officier mit seiner Dame sich im schönsten
Plattdeutsch (Holländisch) unterhalten hörte. Diese heimischen Töne
brachten mich zuerst auf die Vermuthung, es mit preussischen
Marineofficieren zu thun zu haben, da dieselben ja möglicherweise neu
uniformirt sein konnten. Aber ich wurde bald enttäuscht, indem man mir
in der Ferne nach Westen zu das holländische Fort Elmina zeigte, das ich
bis dahin gar nicht wahrgenommen hatte, beschäftigt wie ich war mit
meiner allernächsten Umgebung. Elmina ist auf circa eine Stunde von Cape
Coast Castle entfernt und insofern für die Holländer von Wichtigkeit,
weil sie hier einen Theil ihrer Soldaten für ihre ostindischen Colonien
recrutiren. Sie bezahlen dafür einen jährlichen Tribut an den Aschanti
König, der ihnen hingegen die nöthige Mannschaft, also Sklaven, liefert.
Diese werden nun meist auf fünf Jahre engagirt, nach Ablauf welcher Zeit
sie frei werden und in ihr Land zurückkehren können. Dies thun sie dann
auch in der Regel, bleiben aber nach ihrer Rückkehr meist beim Fort
Elmina unter dem holländischen Schutze wohnen, weil sie, falls sie nach
Aschanti gingen, aufs Neue in Sklaverei fallen würden. Man theilte mir
hier mit, dass so gut der König von Aschanti mit den Holländern stehe,
er gerade jetzt den Engländern den Krieg erklärt habe, und sie nach
Beendigung der Regenzeit angreifen würde. Hoffen wir das dem nicht so
ist oder, wenn, dass derselbe glücklicher für unsere weissen Vettern
ausfallen möge als bei früheren Gelegenheiten.

Hier ankerten wir nur bis Mittags und immer dicht neben der Küste
haltend kamen wir Appolonia und Cape tree points vorbei. Das Wetter war
gut, obgleich die See hoch ging, was starkes Schwanken und Rollen des
Dampfers zur Folge hatte, der überdies übermässig lang und schmal war.
Es war für mich um so unangenehmer, als ich von Zeit zu Zeit noch
Fieberanfälle bekam, obgleich sonst meine Kräfte durch die Seeluft
anfingen zuzunehmen. Im Uebrigen hatte sich die Sache an Bord recht
gemüthlich gestaltet, und obgleich wir so viele Geistliche aller Secten
an Bord hatten, dass wir im Nothfall ein Concil hätten abhalten können,
lebte man doch ohne allen Zwang, und gerade hierin gaben uns die
Missionäre das beste Beispiel. Sonntags wurde jeden Morgen Gottesdienst
abgehalten, und Kapitän Kroft wusste sich dieses Dienstes mit eben so
grosser Geschicklichkeit und Gewandtheit zu unterziehen, wie mit der
Führung des Dampfers.

Mit Cap tree points verliessen wir Abends die Küste, und fuhren den
ganzen folgenden Tag, ohne dass uns irgend etwas Merkwürdiges aufstiess;
zudem hielt ein anhaltend fallender Regen uns fortwährend unter Deck,
denn die wolkenzusammentreibende Sonne war jetzt gerade über unseren
Köpfen, was in der Regenzeit bekanntlich am Schlimmsten ist. Um l Uhr
endlich erblickten wir den Ort Cavalle, wo Herr Paine, ein
amerikanischer Bischof, seit 27 Jahren für die Ausbreitung der
christlichen Religion wirkt. Von hier nach Cap Palmas sind nur noch
anderthalb Stunden, und dort angekommen warf der Calabar wieder Anker.

Cap Palmas ist der Hauptort der Kru-Küste, und zählt politisch zur
Republik Liberia, welche bekanntlich unter amerikanischem Schutze steht.
Trotz des Regens und des Nebels nahm sich dieser Ort ganz reizend aus.
Er liegt unmittelbar an einem tiefgezackten Ufer, und die Kirchen und
hochgiebligen Häuser konnten einen glauben machen eine nordische Küste
vor sich zu haben. Gleich vorn am Cap bemerkt man einen Kirchthurm, der
indess diese Illusionen wieder zerstört, denn er sieht wie ein
mohammedanisches Minaret aus; vor dem Cap liegt eine kleine grüne Insel,
die, wenn sie auch des Baumschmuckes entbehrt, nicht wenig dazu beiträgt
die Abwechslung des palmbewachsenen Ufers zu erhöhen. Cap Palmas ist wie
ganz Liberia aus einer Niederlassung freigelassener Sklaven gebildet,
und hat eine eigene Regierung, von der jedoch alle Weissen
ausgeschlossen sind. Die Regierung ist abhängig von dem Präsidenten in
Monrovia. Die presbyterianische Religion ist bei ihnen die
vorherrschende. Es giebt in Palmas auch einige Weisse, welche Handel
treiben, und dieselben, obgleich unter dem Gouvernement der Schwarzen,
leben mit den Negern im besten Einverständniss. Hauptartikel des Handels
ist, wie an der ganzen Westküste, Oel und Palmnüsse. Der Ort ist im
Emporblühen begriffen, und ich hätte gern die Gelegenheit benutzt, diese
interessanten Punkte einer selbständigen Negercultur näher in
Augenschein zu nehmen, wenn nicht Regen und hoher Wellenschlag jedes
Landen sehr unangenehm gemacht hätten. Freilich liessen sich unsere
Kru-Neger, die wir von Lagos und Kamerun mitgebracht hatten, hierdurch
nicht abhalten, und ihre Verwandten und Freunde umschwärmten in
unendlich kleinen und unzähligen Kanoes fortwährend den Dampfer, um sie
aufzunehmen.

Die meisten indess, namentlich die, welche ohne Gepäck waren, sprangen
ganz einfach über Bord und schwammen so auf das sie erwartende Kanoe zu.
Dass dabei die lächerlichsten Scenen sich immer wiederholten, kann man
sich leicht vorstellen, denn beim Einsteigen ins Kanoe schlug dasselbe
meist zuerst um und wurde dann, als wenn nichts Besonderes passirt wäre
im Meere selbst wieder aufgerichtet und ausgeschüttet. Es lagen auch
mehrere europäische Schiffe hier vor Anker.

Abends 5 Uhr lichteten wir die Anker, und bald entschwand die grüne
Küste wieder unseren Augen. Anhaltend fallender Regen würde die Fahrt zu
einer entsetzlich langweiligen gemacht haben, wenn ich nicht in Mynheer
Schmeet, einem holländischen Officier van der Gezondheid, einen sehr
unterhaltenden und gebildeten Mann gefunden hätte. Die holländischen
Colonien, über den ganzen Erdball zerstreut, hatten ihm Gelegenheit
gegeben, alle Welttheile kennen zu lernen. Zudem hatte ich vollauf zu
lesen, denn seit zwei Jahren ausser allem Verkehr mit dem gebildeten
Europa, hatte ich mich durch Stösse neuer Schriften, die lauter für mich
unbekannte Thaten und Ereignisse enthielten, durchzuarbeiten.

Ein guter Wind begünstigte die Schnelligkeit des Calabar's so, dass wir
schon am andern Abend um 5 Uhr vor Monrovia waren, während wir
eigentlich erst am folgenden Morgen um 6 Uhr hätten eintreffen sollen.

Monrovia, die Hauptstadt von Liberia, ist der sprechendste Beweis, bis
auf welche Stufe der Neger sich in Cultur und Civilisation
emporzuschwingen vermag, sobald er, von tüchtigen Missionen umgeben, in
administrativer Beziehung sich selbst überlassen ist. Die Regierung
selbst ist ganz nach dem Muster der amerikanischen eingerichtet, und hat
hier denn auch der Präsident und der Congress seinen Sitz. Eine Art von
Schutz, obgleich das am Ende ja nur gegen europäische Mächte gerichtet
sein könnte, wird immer noch vom government of the United States
ausgeübt; nach Innen zu gegen die unabhängigen Neger ist Liberia
vollkommen im Stande, sich selbst zu schützen und Achtung zu
verschaffen. Mehr als 600,000 Neger erkennen übrigens die Herrschaft der
Republik Liberia an, und über 25,000 Seelen davon haben die christliche
Religion angenommen.

Auch hier war es leider nicht möglich ans Land zu kommen; die Stadt
selbst soll sonst, was Wohnungen und Strassen anbetrifft, an der
Westküste von Afrika die schönste sein, und selbst die englische Stadt
Freetown in Sierra-Leone in dieser Beziehung übertreffen. Eine grosse
Bucht vor dem Orte gewährt den grössten Schiffen vollkommene Sicherheit,
und wir fanden mehrere hier ankern, unter andern auch Hamburger. Die
Regierung besitzt auch eine Kriegskorvette, welche ein Geschenk der
Königin von England ist. Der Handel, was Export anbetrifft, besteht
hauptsächlich in Zucker, welcher mit dem grössten Erfolg von den Negern
gebaut wird. Allein im vergangenen Jahre wurden von Liberia für 150,000
Pfund Sterling Rohzucker ausgeführt.

Wir blieben hier bis am folgenden Morgen um 10 Uhr, um den von
Liverpool ankommenden Postdampfer zu erwarten; nach dessen Eintreffen
ging es denn auch gleich weiter. Uebrigens hatten wir an Bord viel
Zuwachs bekommen, eine Menge junger schwarzer Damen, die in England ihre
Erziehung vollenden sollten, beengten die Damencajüte, während wir
selbst indess nur einen Herrn bekamen, der Vater von zweien dieser
jungen Grazien war. Es versteht sich von selbst (die Engländer sind viel
zu vernünftig, um nur im allerentferntesten den Schwindel deutscher
Stubengelehrten, welche über Raçenunterschied ellenlange gehaltlose
Abhandlungen schreiben, auch nur begreifen zu können), dass an Bord
vollkommene Gleichheit zwischen Schwarzen und Weissen herrschte, und
Herr Bull, so hiess unser schwarzer Reisegefährte, war immer einer
unserer interessantesten und genialsten Gesellschafter.

Abends und Nachts hatten wir wieder das fürchterlichste Unwetter, von
tropischen Regengüssen begleitet; erst gegen 10 Uhr Morgens zogen sich
die dicken Regenwolken etwas weiter auseinander, und gegen Mittag
konnten wir schon die hohen Berge von Sierra Leone sehen. Die Spitzen
des Gebirges, so schwer war jetzt die wasserschwangere Luft, waren
indess von einer schwarzen Wolkenschicht umhüllt, man sah nur die
unteren Partien der Halbinsel, die wie eine grosse Muschel an der Küste
von Afrika hingeworfen erscheint. Früher war es jedenfalls eine Insel
wie Fernando Po oder St. Thomas, erst später entstand durch
Anschwemmung aus den beiden Flüssen Bokelli und Kates, die ihre
Mündungen gegen einander richten, eine Verbindung mit dem Festlande.
Sierra Leone oder das Löwengebirge ist nicht blos, weil es der
bestcivilisirteste Negerstaat (an Grossartigkeit des Handels übertrifft
Freetown bei weitem Monrovia) von Tanger bis zum Cap an der Westküste
von Afrika ist, bemerkenswerth, sondern auch seine eigenthümliche
geographische Form zeichnet es vor allen aus. Freilich hat es nicht das
schöne, städtereiche und an Naturproducten ausgezeichnete Hinterland wie
Lagos, aber trotzdem wird durch seine ganz ausserordentlich
vortheilhafte Lage Sierra Leone immer Hauptsitz der Regierung bleiben.

Das Erste was sich unseren Blicken genauer präsentirte, ist ein kleiner
Leuchtthurm, auf einer Halbinsel liegend, welche selbst mit ihrem ewigen
Grün für sich ein kleines Eden bildet; gleich darauf hat man das
prachtvolle Missionsgebäude der Engländer vor sich, von üppig prangendem
Grün umgeben, und einige Schritte weiter entrollt sich die ganze Stadt
vor unseren Blicken, amphitheatralisch ans Löwengebirge hinaufgebaut.

Die vielfarbigen Häuser, meist von hochgiebeligen Dächern, was für ihr
Alter spricht, überragt, die Verschiedenartigkeit des Baustyls,
Brückenanlagen, welche über tief einschneidende Ravins führen,
grossartige Kirchen und andere öffentliche Gebäude, als: der Sitz des
Gouverneurs, verschiedene Casernen und Hospitäler, einige
Verschanzungen nach der Seeseite zu--dies Alles untermischt vom tiefen
dunklen Grün der Tropennatur, aus der hie und da die schlanken,
schaukelnden Zweige der Cocospalme in hellem Saftgrün emporschauen--dies
imposante Schauspiel sagt einem selbstredend, dass man die Hauptstadt
der englischen Besitzungen an der Westküste von Afrika vor sich hat. Im
Hintergrunde der Stadt erheben sich die schwarzen dichtbelaubten Berge,
hin und wieder leuchtet aus ihnen eine blendend weisse Villa der reichen
Europäer oder Neger hervor; auf den Gipfeln der Berge lagerten, wie wir
schon anführten, schwere dunkle Wolken. Im Vordergrunde war vor uns der
wunderherrliche Hafen, durch die Mündung des Sierra-Leone-Flusses
gebildet. Was Grösse und Sicherheit anbetrifft, sucht er seines Gleichen
an der ganzen Küste. Die grossen Schiffe aller Nationen, zwischen denen
die kleinen Canoes einen geschäftigen Verkehr, sowie mit der Stadt
etablirt hatten, brachten dem ganzen Bilde Leben bei.

Indem wir dies grossartige und doch so reizende Panorama betrachteten
und bewunderten, liess der "Calabar" mit lang dauerndem Gerassel seine
Anker fallen. Er hätte zwar noch näher ans Land gehen können, aber uns
war es so gerade lieber, weil wir, je weiter wir vom Quai lagen, um so
weniger vom Gesammtbilde verloren.

Am folgenden Tage liess ich mich aus Land rudern, um die Stadt selbst
näher in Augenschein zu nehmen. Ich hatte auch einen Empfehlungsbrief
für Herrn Rosenbusch, der, Hamburger von Geburt, als holländischer
Consul fungirt. Leider fand in der Angabe des Briefes eine Verwechselung
statt, so dass ich nicht von der allbekannten Gastlichkeit seines Hauses
profitiren konnte; indess hatte ich später den Vortheil den Herrn kennen
zu lernen, indem er am folgenden Tage mich an Bord besuchte, und
überdies die Güte hatte, mich mit neuen Büchern, unter anderen dem
ganzen letzten Jahrgang der Petermann'schen Mitteilungen zu versorgen.

Freetown oder, wie man gewöhnlich schlechtweg sagt, Sierra Leone,
obgleich letzteres eigentlich der Name der ganzen Halbinsel ist, hat
durchaus schwarze Bevölkerung, denn die wenigen Weissen, aus dem
Gouvernement, einigen Consuln und Kaufleuten bestehend, bemerkt man fast
gar nicht. Die Schwarzen, ursprünglich von freigelassenen Sklaven
herstammend, welche die Engländer den Spaniern, Portugiesen und
Nordamerikanern abkaperten, bilden die gemischteste Bevölkerung, die man
sich denken kann, und hier war es, da es Leute fast aus allen Theilen
Afrikas giebt, wo Koello seine bekannte Polyglotta zusammenstellte.
Dennoch hat die englische Sprache eine gewisse Einheit in die
Bevölkerung gebracht, indem sie, obgleich corrumpirt gesprochen, jetzt
als Medium zwischen den unter sich fremden Negerstämmen dient. Es giebt
hier zahlreiche Missionen der verschiedenen protestantischen
Bekenntnisse, auch die Katholiken haben eine Anstalt hier gegründet, und
wie man mir sagte, machte eben die letztere verhältnissmässig am
meisten Proselyten. Es ist dies auch wohl möglich, denn sobald die
Priester der römischen Religion Fanatismus and Unduldsamkeit bei Seite
legen, ist es sehr denkbar, dass dieser Gottesdienst dem augenblicklich
noch auf niedriger Culturstufe stehenden Neger eher einleuchtend ist,
als der abstracte Dinge glaubende und so zu sagen nicht handgreifliche
evangelische Gottesdienst; gerade der katholische Bilderdienst ist ja im
Grunde genommen so verwandt mit dem Fetischismus der Neger, dass er eben
desshalb eine grössere Anziehung ausüben muss. Kirchen und Schulen
fehlen natürlich in Sierra Leone nicht, und die jungen Kaufleute und
Buchführer dieser Colonie sind an der ganzen Küste gesucht und bekannt.
Es kommt auch deshalb oft genug vor, dass junge Leute, die ursprünglich
auf Kosten und Mühen der Missionen gute Bildung und Erziehung bekommen
haben, um als Pfarrer oder Lehrer zu wirken, sich von ihrem erhabenen
Beruf durch die Verlockung, einen grösseren Gehalt zu bekommen, abwendig
machen lassen, und so die Früchte einer langjährigen Arbeit für die
Missionen verloren gehen. Zum Theil mag das aber auch wohl darin liegen,
weil eben schwarze Prediger und Lehrer, pecuniär bedeutend geringer
gestellt sind als die weissen, obgleich manchmal das Wissen zu Gunsten
der ersteren sein dürfte.

Die Strassen der Stadt sind sehr gerade und ausserordentlich breit
angelegt, dennoch könnte man mehr für den Gesundheitszustand derselben
thun, wenn man die breiten, mit hohem Gras, Gebüsch und Palmen
bestandenen Ravins, welche die Stadt durchziehen und die eine Wiege
böser Ausdünstung sein müssen, verschwinden lassen würde. Zudem, da
Polizei genug vorhanden ist, brauchte man auch nicht Schweine, Schafe
und Ziegen frei auf den Strassen herumlaufen lassen. Die Häuser sind
meist, namentlich die neuen, grossartig und luftig gebaut, und benutzt
man zur Construction jetzt meist gebrannte Ziegelsteine, statt wie
früher Holz, welches letztere dem Temperaturwechsel, in der trockenen
Jahreszeit einer excessiven Hitze, in der nassen einer alles
durchdringenden Feuchtigkeit schlecht widersteht. In den Strassen wie am
Hafen herrscht ein reges Treiben, man begegnet jungen schwarzen Dandies
mit weissen Glacéhandschuhen, zu Pferde ihre Promenade machend, fast
alle haben nach neuester Mode eine Brille über dem Nasenrücken, oder
doch an einem Bändchen herunterhängen, viele haben einen Fächer; die
Damen zeigen, wie der demi monde auf den Boulevards, ihre extravaganten
Toiletten, entweder lange Schleppkleider, bei denen sie den Vortheil vor
dem europäischen beau monde haben, sich ohne grosse Kosten einen kleinen
schwarzen Pagen zum Nachtragen der Schleppe halten zu können, wesshalb
die Haken und Oesen zum Aufhängen des zu Langen in Sierra Leone auch nie
werden eingeführt werden--oder kurze Röckchen, wobei natürlich das
schwarze Beinchen durch blendend weisse Strümpfe und Schnürstiefelchen
mit chinesischem Absatz zu einem vollkommenen Pariser umgewandelt wird.
In den Cafés sieht man ältere und gesetztere Neger, oft schon
weisshaarig, bei einem Glase Porter oder Brandy mit ebenso grossem
Interesse die Sierra-Leone-Zeitung oder eine veraltete Times lesen, wie
es bei uns die Kannegiesser zu thun pflegen und Morgens, wenn es frisch
ist nach den Begriffen der Bewohner der heissen Zone, d.h. wenn das
Thermometer zwischen 20 und 25° schwankt, kann man sicher sein, wie
Abends in Italien auf dem Corso, Alles promeniren zu finden. Ein feiner
junger Engländer, in Sierra Leone geboren oder nicht, unterhält sich
vielleicht mit einer schwarzen Schönen vom Balle am vergangenen Abend,
ein eleganter krauslockiger Neger lustwandelt mit einem weissfarbigen
Blondköpfchen, ihr ein Gedicht von Byron vorsagend, oder vielleicht
selbst Verse improvisirend.

Für Europäer ist indess der längere Aufenthalt in der Stadt einer der
verderblichsten an der ganzen Küste: Consul Rosenbusch erzählte mir,
dass man die Erfahrung gemacht habe, die ganze weisse Bevölkerung, circa
200 Seelen stark, sei innerhalb neun Jahren einmal ganz ausgestorben.
Die dort gebornen Weissen scheinen indess das Klima besser zu ertragen,
jedenfalls eben so gut, wie die Schwarzen. Ueberdies scheint, dass, wie
an der ganzen Westküste so auch in Sierra Leone, eine Verbesserung in
climatischer Hinsicht stattfindet.--Der Handel von Sierra Leone, wie
schon die vielen grösseren im Hafen liegenden Schiffe andeuten, ist sehr
bedeutend, und namentlich wird von hier ein bedeutender Zwischenhandel
mit der ganzen Westküste von Afrika vermittelt. Hauptartikel dieses
Zwischenhandels ist die Goro- oder Kola-Nuss, deren sich die Neger wie
wir des Kaffees bedienen, indem sie dieselbe kauen. Die Kola-Nuss kommt
von Gondja und wird hauptsächlich durch Mandingo-Neger aus dem Inneren
zur Küste geschafft und geht dann von Sierra Leone einerseits nach dem
Gambia- und Senegal-Flusse, andererseits bis nach Lagos, um von diesen
Punkten aus wieder ins Innere versandt zu werden.

Auch hier bekamen wir wieder mehrere Passagiere, Schwarze und Weisse,
und unter letzteren waren einige Franzosen. Am folgenden Tage blieben
wir noch bis Abends 5 Uhr, dann lichteten wir wieder die Anker. Das
Wetter war, obgleich von heftigen Regenschauern begleitet, dennoch sehr
heiss, so dass, als ich Nachts mein Thermometer auf Deck exponirt liess,
dasselbe Morgens vor Sonnenaufgang noch 27 Grad Cels. zeigte. Wir
machten hier die interessante Beobachtung, dass wir alle manchmal
ausgezeichnete Schlaftage hatten, d.h. dass, wenn man Morgens wie üblich
fragte, wie haben Sie geschlafen? Alles antwortete, ausgezeichnet! Denn
hin wiederum waren andere Nächte, wo kein Mensch schlafen konnte, ohne
dass man dann dafür eine bestimmte Ursache angeben konnte. Ich denke
indess, dass dies jedenfalls wohl mit der mehr oder weniger stark
geschwängerten electrischen Luft der Regenzeit in Verbindung zu bringen
sein dürfte.--Je mehr Passagiere wir bekamen, um so schlechter wurde
natürlich für uns die Einrichtung, obgleich man immer noch besser daran
war, wie auf dem Seebade der Bremer, Norderney, wo z.B. in der Saison
von 1867 auf 2500 Badegäste nur 20 Kellner waren, während wir auf 60
Passagiere doch 10 Aufwärter hatten, und so wird man finden, dass die
Engländer und Neger, letztere waren es hauptsächlich, die über
mangelhafte Bedienung klagten, im Grunde genommen gar keine Ursache dazu
hatten. Eher Recht hätten sie gehabt sich über die Küche zu beklagen,
die als echt englisch gar nicht zu verdauen war: das Fleisch war immer
nach Art der Negerküche zubereitet, d.h. halb gar, das Gemüse war durch
eine Decoction von heissem Wasser gewöhnlich in geschmackloses Kraut
umgewandelt, ein bestimmter Service wurde überhaupt beim Essen gar nicht
beobachtet, sondern man lebte in dieser Beziehung wie bei den Beduinen,
die auch von der gehörigen Reihenfolge der Gänge und einzelnen Gerichte
keine Idee haben. Gewöhnlich setzte man alles zugleich auf den Tisch,
und da konnte man von vorn oder hinten anfangen, alles war recht.
Unglücklich war der, vor dem ein Braten stand, der die Begierde der
Tischgenossen erregte, denn dann war er sicher, dass er gar nicht zum
Essen kommen konnte, indem er den Dienst eines Kellners zu versehen
hatte, d.h. seine ganze Zeit ging mit Tranchiren verloren.

Wir brauchten 3 Tage um die weite Mündung des Gambiaflusses zu
erreichen, und nachdem wir die Spitze des linken Ufers, welche das Cap
der heiligen Maria genannt wird, umschifft hatten, warfen wir Abends um
6 Uhr Anker vor Bathurst. Der Platz und die Einfahrt ist beim Gambia
sehr bequem, und die Abwesenheit einer Barre vor der Mündung des
Flusses, trägt viel dazu bei, die Schifffahrt zu erleichtern, und so
fanden wir auch eine Menge grösserer Schiffe hier, meist englische und
französische. Die Stadt selbst sieht sonst nur kleinlich aus, und kann
namentlich mit Freetown gar keinen Vergleich aushalten. Das Klima am
Flusse ist ebenfalls für Europäer äusserst ungesund, und ist
Haupthinderniss für Katholiken und Protestanten erfolgreiche Missionen
anzulegen, da die meisten Missionäre frühzeitig den bösen Einflüssen der
Luft erliegen. Der Handel besteht hier hauptsächlich in Koltsche oder
Grundnuss (arachis), von der ein ausgezeichnetes Oel gewonnen wird. Im
frischen Zustande schmeckt dieselbe wie eine Kartoffel, alt hingegen und
etwas im Feuer geröstet, nussartig. Die Frucht dieser arachis, die in
ganz Innerafrika vorkommt, wird hauptsächlich nach Frankreich verschickt
und erst dort, meist in Marseille, wird das Oel daraus gepresst, welches
in jeder Beziehung so gut wie Olivenöl ist.

Wie in Sierra Leone so kamen auch hier neue Reisende an Bord, unter
anderen der Gouverneur der englischen Gambia-Colonie, der, obschon er
Admiral war, alle Welt durch sein schlichtes, einfaches Wesen in
Erstaunen versetzte: so putzte er sich immer Morgens seine Schuhe
selbst, nachdem er zuvor einen grossen Käfig, in welchem er zwei
Trompeter (ein grosser afrikanischer Vogel, welcher hauptsächlich in den
Urwäldern zwischen dem sogenannten Kong-Gebirge und dem Ocean sich
aufhält, die Engländer nennen ihn crownbird) hatte, eigenhändig
ausgekehrt hatte.

Wir blieben bis fünf Uhr Nachmittags in Bathurst, nachdem wir Nachts von
einem so starken Tornado waren überfallen worden, dass unser ganzes
Sonnenzelt über Bord ging; für's Schiff selbst war freilich nichts zu
besorgen, denn in Bathurst ist eine vollkommen sichere Rhede. Die Cap
Verd'schen Inseln dann westlich liegen lassend, erreichten wir nach fünf
Tagen die Canarien. Aber obgleich das Wetter nicht kalt war, hatten wir
doch fortwährend Sturm und hohen Seegang, und es war wirklich ein
erhabenes Schauspiel, zu sehen, wie der Dampfer gegen dies unermessliche
bewegliche Gebirge ankämpfte, jetzt über eine sehr lang gestreckte Welle
hinübergetragen wurde, dann aber wieder durch eine kürzere zischend
hindurchschoss. Und wenn man sieht, wie der schwache Mensch in einer
zerbrechlichen Nussschale diesen endlosen Ocean bekämpft, und mit Erfolg
bekämpft und besiegt, dann wird es einem klar, dass nichts Geist und
Körper so sehr in Anspruch nimmt als das Seemannsleben: die ganze
Laufbahn des Schiffers ist ein unausgesetztes Ringen mit der
Natur.--Schon auf zwanzig Meilen vorher sahen wir den Pik von Teneriffa,
zuerst ganz klar und wolkenlos, dann aber von einer dichten
Wolkenschicht umlagert, so dass nur noch die Spitze herausragte. Am 23.
Juni Morgens früh hielten wir vor St. Croce, dem Hauptorte der Insel.
Die Spanier, als Herren derselben, hielten uns natürlich in Quarantaine
und trieben im Anfange die Vorsicht so weit, dass sie Papiere und Briefe
mittelst einer langen Scheere empfingen, und erst nachdem sie Alles, was
vom Calabar ihnen zugekommen war, ins Seewasser getaucht, ihrer Meinung
nach desinficirt hatten, wagten sie es, die Papiere in die Hände zu
nehmen. Natürlich war es unter solchen Verhältnissen Niemand gestattet
ans Land zu gehen, ebenso wenig durften wir Jemand empfangen.
Vermittelst einer Summe Geldes, ich glaube 25 Francs, wurde indess
später gestattet, dass wir Kohlen einnehmen konnten, ja, es etablirte
sich mit uns vermittelst des Quarantainebootes eine Art Obsthandel und
wir hatten Gelegenheit uns hier die köstlichsten Weintrauben zu
verschaffen. Teneriffa sieht im Ganzen sonst öde aus, selbst die Stadt,
ohne irgendwie malerisch zu sein, trägt nichts dazu bei, die kahlen und
schroffen Feldpartien interessanter zu machen. Auf dem Gebirge selbst
bemerkt man vom Meere aus keine Bäume, obwohl diese Insel wohl nicht
ganz ohne diesen Schmuck ist, denn man sieht, dass andere Culturen, als
Wein, Obst und Korn, sich hoch an die Berge hinaufziehen.

Das Kohleneinnehmen hielt uns bis 3 Uhr Nachmittags auf, um welche Zeit
denn der Calabar mit Dampf und vollen Segeln nordwärts steuerte. Wir
hielten dicht neben der Küste, und so lange wir unter dem Schutze der
hohen Felsen uns befanden, war es, als ob wir eine Flussfahrt machten,
so wie wir indess in die offene See kamen, fing von Neuem das Rollen und
Stampfen des Schiffes derart an, dass fast alle Passagiere seekrank
wurden. Namentlich stark war von dieser unheimlichen Krankheit eine
junge bildschöne Engländerin befallen, welche, von Sierra Leone kommend,
um in ihrem Vaterlande den Sommer zuzubringen, unter den Schutz eines
ebenfalls in Freetown an Bord gekommenen Marinekapitäns gestellt war.
Aber, o armer Gemahl, trotz Wetter und Krankheit wusste unser galanter
See-Cavalier seine Angriffe; Liebeserklärungen und Aufmerksamkeiten so
geschickt zu leiten, dass er schon in Madeira die reizende verheirathete
Blondine vollkommen besiegt hatte. Die ersten sich dort auszuschiffen,
kamen sie die letzten wieder an Bord, waren trunken von Bewunderung für
die herrliche Insel.

Um 1 Uhr Nachts verkündeten am 25. uns die Kanonen, dass wir bei Madeira
angekommen seien, und als wir etwas vor Sonnenaufgang auf Deck
erschienen, lag dieser herrliche Smaragd im tiefen blauen Wasser vor
uns. Giebt es überhaupt einen entzückenderen Anblick, als diese ewig
grüne Frühlingsinsel? Unter der aufgeklärten Regierung der Portugiesen
wurde uns hier natürlich kein Hinderniss in den Weg gelegt, um zu
landen, und ich glaube alle benutzten die Erlaubniss. Was soll ich sagen
von den schönen Gärten, von den schattigen Spaziergängen, von dem
eigenthümlichen Leben der dort seit Jahrhunderten lebenden Portugiesen,
von den reizenden Aussichten, die sich einem von jedem beliebigen Punkte
der Insel darbieten; es ist dies Alles längst bekannt, denn Madeira war
und ist noch immer eine Hauptwinterstation für Brustleidende unserer
kalten Länder. Das Holloway'sche Hotel bietet den ausgezeichnetsten
Comfort, es giebt dort deutschredende Aufwärter, und die Preise sind,
obschon es das erste Hotel auf Funchal und ganz Madeira ist, bedeutend
billiger als in allen anderen. Der Weinbau fängt auch an sich wieder zu
heben, obwohl bis dahin fast nur Cochenille und Zucker gebaut worden
war, desshalb ist ächter Madeirawein auch auf der ganzen Insel
augenblicklich nicht zu bekommen, man trinkt von Portugal importirte
Weine, welche denn auch gewöhnlich den Fremden, wenn sie durchaus darauf
bestehen, Madeira trinken zu wollen, als solche vorgesetzt werden.

Leider mussten wir diese paradiesische Insel schon am selben Abend um 6
Uhr verlassen, nachdem wir auch hier noch Passagiere bekommen hatten.
Unter anderen war eine junge Landsmännin zugekommen, deren Mann nach
einer einmonatlichen Krankheit auf Madeira gestorben war. Obgleich sie
durch ihre Bekannte unter den Schutz des vom Gambia mit uns gekommenen
Admirals gestellt war, konnte ich es als Deutscher nicht ruhig mit
ansehen und unterlassen, sie dem Engländer schon gleich am ersten Tage
abwendig zu machen, bei welchem Unternehmen ich freilich mit
Zuvorkommenheit von der jungen trauernden Dame unterstützt wurde. Es
traf sich merkwürdig genug, dass diese liebenswürdige Frau, in
Petersburg geboren, eine Menge von meinen Freunden kannte; im höchsten
Grade gebildet, sprach sie mit gleicher Fertigkeit die drei neuen
Weltsprachen und war bald neben der blonden jungen Engländerin der
Gegenstand der allgemeinen Bewunderung.

Von der sechstägigen Reise von Madeira nach Liverpool führe ich hier nur
noch an, dass wir alle, als aus dem heissen Klima der Tropen herkommend,
gar nicht auf eine solche Kälte, wie wir sie zu der Zeit hatten,
vorbereitet waren. Unsere jungen Negerinnen in ihren leichten
Sommerkleidern, wie man sie stets in Afrika zu tragen pflegt, konnten
gar nicht mehr auf Deck erscheinen, ein Theil der Herren, ob weiss oder
schwarz, suchte immer Schutz und Wärme bei der Maschine, was mich
anbetrifft, so half mir meine Landsmännin, welche einen Kleidervorrath
von Petersburg bei sich hatte, aus und so russificirt konnten wir Wind
und Wogen Trotz bieten, ohne den ganzen Tag in der dumpfen Cajüte die
eingeschlossene Luft einathmen zu müssen. Endlich nach einer Fahrt von 4
Wochen sahen wir in Irland zuerst Europa wieder und legten einen Tag
später in den Docks in Liverpool bei.



Die Stadt Kuka in Bornu


  _Die verschiedenen Stadtheile, ihre Bauart und die Wohnungen des
  Sultans.--Das Christenhaus.--Rathsversammlungen.--Aufzüge und Prunk
  der Grossen.--Leben und Treiben auf dem grossen Markte.--Schwunghafter
  Sclavenhandel._


_Kuka_, von den Bewohnern Sudans _Kukaua_ genannt, ist die Haupt- und
gewöhnliche Residenzstadt von Bornu. Sie liegt ungefähr dem 13° nördl.
Br. und dem 32-1/2° östl. Länge v. F., etwa zwei Stunden vom Westrande
des Tsadsees, und ist umgeben von einer ungeheuern steinlosen Ebene.
Diese ist zum grössten Theile mit dichter Waldung bedeckt, welche
hauptsächlich aus Tamarinden, Mimosen, Hadjilidj (Balanites
aegyptiacus), Korna (Rhannus lotus) und Dumpalmen besteht. Blos in
unmittelbarer Nähe der Stadt haben die Bäume für die Culturen Platz
machen müssen, und zur Regenzeit sind die Stadtmauern von zwanzig Fuss
hohen _Argum-moro_- (Pennisetum distichum) und _Ngáfoli_- (Sorghum)
Feldern umgeben. Allmälig aber, und namentlich gegen das Ende der
Regenzeit, wird das ganze umliegende Land Ein Sumpf, und bei
anhaltendem Regen steigt der Tsad-See oft so hoch, dass er mit der
ganzen umliegenden Gegend Einen Morast ausmacht. Aber auch in Kuka
selber ist dann Alles unter Wasser, und die grosse breite Strasse,
welche die Stadt der ganzen Länge nach durchschneidet, von den Kukaern
"_Dendal_", d.h. Promenade genannt oder, wie Barth übersetzte,
"Königsstrasse", ist dann Ein Wasserbecken von meist 1 bis 1-1/2 Fuss
Tiefe.

Die Stadt Kuka, so genannt, weil der Gründer Mohammed-el-Kánemi im Jahre
1814, als er die Stadt anlegte, dort, wo er das erste Haus hinbaute,
eine "Kuka" oder Adansonia digitata fand, besteht aus drei Theilen: der
Weststadt _Billa fute be_, der Mittelstadt und der Oststadt _Billa gede
be_.[4] Die Ost- und Weststadt sind mit hohen und guten Mauern aus
gehärtetem Thon umgeben und derart aufgeführt, dass man von Innen bequem
durch Treppen überall bis nach oben hinaufsteigen kann, während die
Aussenwand fast ganz steil abläuft. Die Richtung der Stadt ist, da die
beiden ummauerten West- und Osttheile fast rechtwinkelige Vierecke
bilden, beinahe von Osten nach Westen.

An öffentlichen Gebäuden besitzt natürlich eine Stadt wie Kuka, deren
Baumaterial blos Thon ist, nichts Bemerkenswerthes. Der jetzige Sultan,
Scheich Omar, der bei den Kanúri den Titel _Mai_, d.h. König, führt,
residirt in der Oststadt, wo er drei sehr grosse, geräumige Wohnungen
hat, die ebenfalls aus Thon gebaut sind und die von ihm abwechselnd
bewohnt werden; in den inneren Hofräumen sind ausserdem eine Menge
kleiner, birnenförmiger Hütten aus Stroh, für die Weiber und Sklaven.
Dicht dabei befindet sich auch eine grosse Moschee, die ebenfalls aus
Erdklumpen errichtet ist; in dieser wird Freitags das Chotbah-Gebet, dem
der Mai immer im grössten Pompe beiwohnt, abgehalten. In seiner
Hauptwohnung befinden sich auch die Grabmonumente seines Vaters
Mohammed-el-Kánemi, welcher die jetzige Dynastie der Kanemin gründete,
nachdem die der _Séfua_, welche von etwa 900 Jahren nach Christi Geburt
bis zu Anfang unseres Jahrhunderts den Thron innehatten, durch ihn vom
Throne gestürzt war. Seinen Bruder Abd-er-Rahman liess er zur Zeit, als
Barth und Vogel in Bornu waren, als Empörer and Usurpator erdrosseln.
Das Grab des Letztern ist äusserst prächtig und gleicht in dieser
Beziehung ganz denen der marokkanischen Kaiser in Mikenes und Fes. Eine
andere sehr grossartig angelegte Moschee hat man nicht vollenden können,
und so ist sie, ohne Dachschutz, schon wieder ganz zerregnet. In der
Weststadt hat der Mai auch eine sehr grosse Wohnung, welche früher
hauptsächlich seinem Vater zum Aufenthalte diente; neben ihr befindet
sich ebenfalls eine grosse Moschee, welche gut erhalten ist und in der
auch des Freitags Chotbah gelesen wird. Der jetzige Sultan residirt
indess nur in einzelnen Fällen in der Weststadt und dann immer nur auf
einige Tage. In der Weststadt liegt ferner das Christenhaus _Fato
ṅssara be_, welches allen europäischen Reisenden, von Barth und
Overweg an, als Absteigequartier gedient hat.

In beiden Städten und auch in dem grossen nicht ummauerten Stadttheile
giebt es ausserdem eine Menge grosser viereckiger Thongebäude, und zwar
in der Oststadt die der Prinzen, der Grossen und Beamten, während in der
Weststadt mehr die Kaufleute, die hier aus allen Theilen der bekannten
afrikanischen Länder zusammenströmen, ihre Wohnungen und Niederlassungen
haben. Das eigentliche Haus des Volkes ist indess die kleine
_bienenkorbförmige Strohhüte_, die gewöhnlich oben mit einem Straussenei
oder mehreren geschmückt ist, _Ngim_ genannt, und die, wenn mehrere
zusammen von einer thönernen Befriedigung umgeben sind, den Namen
_Fato_, Wohnung, haben.

_Die Bevölkerung_ einer Stadt, die als _Hauptmittelpunkt des Handels von
Innerafrika_ gilt, muss natürlich eine sehr gemischte sein; am meisten
vertreten sind indess die _Kanúri_ oder eigentlichen Bornubewohner, dann
die _Leute aus Kanem_, einem Lande, welches nördlich vom Tsad liegt,
endlich die _Teda_ oder _Tebu_, die zum Theil in Bornu selbst ansässig
sind, zum Theil auch aus den ihnen zugehörenden Ländern kommen. Aber
ausserdem sind die _Búdduma_ oder _Jedina_, welche die Inseln des
_Tsad_ bewohnen, die _Uandala_ aus den nördlichen Sumpfniederungen am
Rande des Mendif-Gebirges durch zahlreiche Colonien in der Hauptstadt
vertreten, sowie das _weisse_ Element durch die verschiedenen
_Túareg-Stämme_ der südlichen Sahara und durch _Araber_ und _Berber_
repräsentirt wird. Natürlich da alle diese Stämme ihre eigenen Trachten
haben, bietet dieses Völkergemisch den buntesten Anblick, den man sich
denken kann, obgleich die Hauptstadt, wie alle anderen auch, das
Eigenthümliche hat, sehr rasch alle zu absorbiren. Man sieht daher sehr
häufig alte Musguweiber mit grossen Narben in der Ober- und Unterlippe.
Denn wenn sie es auch in ihrem Vaterlande für schön hielten, in die
Lippen sich ein oft mehrere Zoll grosses Stück Holz oder eine
Kürbisschale einzuschieben, so schämen sie sich doch dieses Schmuckes,
sobald sie längere Zeit in der Capitale gelebt haben, der Art, dass sie
die grossen Löcher nach Herausnahme des Tellers durch Wundmachen der
Ränder zu vernarben suchen. Ebenso gehen vielleicht die Gebirgsbewohner
südlich von Uandala eine Zeit lang ganz nackt, wie in ihrer Heimath, wo
ihre ganze Kleidung in dem Blatte irgend einer Feigenart besteht,
welches sie vorn an ihrem Gürtel befestigen; aber bald erwacht das
Schamgefühl, oder vielmehr die Eitelkeit, es den Anderen gleichzuthun,
und sie suchen sich mit irgend einer Art Kleidungsstück zu bedecken.

Kuka ist eine _Grossstadt_ und gleicht in manchen Beziehungen unseren
europäischen Hauptstädten. Morgens früh, d.h. um 6 Uhr, sieht man die
eigentlichen Kukabewohner noch gar nicht, Alles schläft noch. Indess
kommen schon vom Lande, dessen Bewohner sich lange vor Sonnenaufgang auf
den Weg machen, um die Stadt bei Zeiten zu erreichen, die Bauern mit
Vieh, Butter, Fischen, Korn, Obst und Gemüsen. Laut ihre Waaren
ausbietend, durchziehen sie die Strassen, und nun erheben sich die
Frauen Kukas, um für den täglichen Bedarf einzukaufen. Zuerst wird aber
sorgfältig die Hütte und der Hofraum ausgekehrt, und dann macht jede
ihre Toilette am Brunnen, der fast bei keinem Hause fehlt. Denn so eitel
die Kanúrifrauen auch sind, so reinlich sind sie andererseits. Die
Männer, welche ein Handwerk treiben gehen nun ebenfalls ans Geschäft,
nachdem sie zuvor jedoch ein frugales Frühstück eingenommen haben,
welches in der Regel aus Negerhirsebrei mit einer stark gepfefferten
Adansonienblattsauce besteht. Selten wird des Morgens Fleisch genossen.
Die meisten Gewerke werden wie in allen heissen Ländern unter Schoppen
in den Strassen oder auf den öffentlichen Plätzen betrieben,
Baumwollspinnereien, Indigobereitung, grosse Färbereien, um den Kattunen
die so sehr beliebte dunkelblaue Farbe zu geben, Ledergerbereien,
Klopfanstalten, in denen eine Menge junger Neger und Negerinnen
beschäftigt sind, um durch Klopfen mit einem hölzernen Hammer der Tobe
oder Kulgu Glanz zu verleihen, endlich Schuster, Schneider, Klempner,
Schmiede, Schreiner, Sattler, Schwertfeger etc., Alles arbeitet im
Freien. Die gegen Mittag eintretende Hitze gestattet aber Keinem,
länger als bis 11 Uhr den Geschäften nachzugehen.

Gegen 8 Uhr erheben sich auch die Grossen und die reichen Kaufleute.
Jene begeben sich in ein Vorgebäude oder in einen äussern Hof ihrer
Wohnung, um ihre zahlreichen Clienten zu empfangen, um Stadtneuigkeiten
zu hören und um etwaige Angelegenheiten unter den Hausangehörigen zu
ordnen, Der Kaufmann hingegen begiebt sich auf den Dendal oder auf einen
ihm zunächst liegenden Platz und tauscht hier mit Seinesgleichen
Neuigkeiten aus, oder mustert die Vorübergehenden.

Das eigentliche Leben beginnt aber um 9 Uhr; jeder Prinz, jeder Beamte,
und darunter namentlich die _Cognaua_ (Plural von _Cogna_) oder Räthe,
welche die _Rathsversammlung_ oder _Nókna_, die alle Morgen in der
Wohnung des Mai stattfindet, bilden, begeben sich mit grossem Gepränge,
von vielen Sklaven und Clienten begleitet, zur Wohnung des Sultans. Da
kommt auf einem prächtigen Berberhengste, der vielleicht mit zwanzig
Sklaven bezahlt worden ist, ein nächster Verwandter des Sultans; sein
Pferd hat einen silbernen Kopfhelm und einen reichen seidenen Ueberwurf,
der Sattel, bei den Vornehmen meist mit hohen Lehnen, wie bei den
Arabern, ist in der Regel von echtem blauen oder rothen Sammt, worauf
Arabesken von Gold gestickt sind, überzogen; eine eben so kostbare
Schabracke und Zügel aus feinen Lederstreifen zusammengeflochten,
vervollständigen das Ganze. Der Reiter trägt meist nach Art der Tuniser
Kaufleute einen Anzug aus Tuch und Seide, jedoch sind nur sehr wenige
mit einem Turban versehen, meist begnügen sie sich mit einem rothen Fes.
Und sobald er vor dem Sultan sich befindet, hat nur der Prinz von Blut
und die _Cognaua_ die Erlaubniss, den Fes aufzubehalten, alle anderen,
selbst die Generäle und Minister, müssen barhaupt und barfuss
erscheinen. Vor ihm her laufen seine Waffenträger und rufen Jedem zu,
Platz zu machen, während hinterher noch Spiessträger und ein ganzes
Gefolge von Sklaven trabt. Mit weniger grossem Aufzuge reiten die
Beamten, höheren Offiziere und Räthe, alle lieben es aber, ein so
grosses Gefolge wie möglich zu haben, jedoch darf ihr Pferd weder
Silberplatten noch Seidentroddeln tragen. Dies ist ausschliessliches
Vorrecht der königlichen Familie und vielleicht eines fremden Gesandten.

Alle diese Aufzüge gehen im schnellsten Trabe durch die Stadt. Was liegt
dem Grossen daran, ob seine hinterhertrabenden Sklaven keuchen und
husten, er kümmert sich nur um sich und achtet nur den, welcher im Range
über ihm steht. Sobald alle in den geräumigen Sälen des Fürsten
versammelt sind und sich gesetzt haben, ertönen die grosse Trommel und
mehrere Pfeifen und andere Instrumente, für die wir keinen Namen haben,
von denen eins jedoch unserm Dudelsacke gleicht und einen
clarinetartigen Ton abgiebt. Jetzt betritt, von Eunuchen umgeben, der
_Mai_ die Versammlung, und während sich die Verschnittenen zurückziehen,
nimmt er Platz auf einer Erhöhung, die mit schönen Smyrnaer Teppichen
überdeckt ist. Die ganze Versammlung, welche sich beim Eintritt des Mai
erhoben hat, lässt sich nun auch nieder, und jeder Einzelne kann dann
den Mai begrüssen, kann Beschwerden vorbringen und Gesuche einreichen;
die speciell Bevorzugten dürfen auch die Hand küssen. Dies thun indess
eigentlich nur _Schürfa_ (Abkömmling des Propheten, deren es immer eine
Menge aus Mekka und Medina kommende in Kuka giebt). Die alten _Cognaua_
haben so grosse Ehrfurcht vor ihrem Fürsten, dass sie ihm gar nicht ins
Gesicht sehen, wenn sie mit ihm reden. Und früher zur Zeit der
Sefua-Dynastie war es Gebrauch, wie das heute noch im Königreiche
Mándara Sitte ist, dass alle beim Könige Versammelten demselben den
Rücken zukehrten, um nicht vom Glanze des königlichen Antlitzes
geblendet zu werden. Der Mai allein ist bewaffnet; zur Seite hat er zwei
mit Silber beschlagene Pistolen liegen, manchmal auch noch einen
Karabiner; vor ihm liegt ein kostbares silbernes Schwert, Geschenk der
Königin Victoria[5]; alle anderen aber müssen, ehe sie die Wohnung des
Mai betreten, draussen ihre Waffen zurücklassen. Die Versammlung dauert
meist bis 11 Uhr, wo der Sultan durch seinen Rückzug das Zeichen zum
Auseinandergehen der Versammlung giebt. Ehe sie jedoch die Wohnung
verlässt, gruppiren sich drei oder vier um eine Fleischschüssel,
Geschenk des Sultans, der ihnen manchmal auch während der Versammlung
Goronüsse präsentiren lässt. Die Reste in den Schüsseln sind immer für
die Sklaven.

Sobald sich die Grossen mit ihren Gefolgen wieder in ihre Wohnungen
zurückbegeben haben, nimmt die Stadt einen todten Anstrich an. Die
grosse Hitze erlaubt um diese Zeit keine Geschäfte und Arbeit, Alles
zieht sich in die kühlsten und innersten Gemächer der Wohnung zurück,
oder sucht einen dichtschattigen Baum auf, um sich dem Schlaf, und dem
Nichtsthun hinzugeben.

Erst um 3 Uhr Nachmittags wird die Stadt wieder belebt, der _Markt_
fängt an. Ich spreche hier nicht von dem grossem Markte, der jeden
_Montag_ vor den Thoren der Weststadt abgehalten wird, sondern von dem,
der _alle Tage_ in der Stadt selbst stattfindet. Aber wenn ich sage, es
wird nur Ein Markt abgehalten, so muss man darunter nicht verstehen,
dass derselbe an nur Einem bestimmten Orte wäre, im Gegentheil, um 3 Uhr
Nachmittags ist _die ganze Stadt ein Markt_; Hauptpunkte bilden freilich
der westliche _Dendal_ der Weststadt, dann der _Ngimgsegeni-Dendal_ und
der Platz am Westthore der Oststadt.

Nur wer selbst dem Leben und Treiben in den Negerstädten mit beigewohnt
hat, kann sich einen Begriff davon machen, wie es auf diesen Märkten
hergeht. Man findet Alles, was zum Leben nöthig ist. Hier stehen grosse
lederne _Botta_, weiche Butter enthalten, die natürlich immer flüssig
ist, dort hacken die Metzger Fleisch, hier stehen Säcke mit Getreide,
dort liegen _Koltsche_ und _Ngángala Erdnüsse_, die einen
kastanienartigen Geschmack haben. Melonen, Pasteten, _Kornafrüchte_
(Lotus) und die bitteren äusserlich einer Dattel ähnlichen Früchte des
_Hadjilidj-Baums_, selbst viele andere wilde Waldfrüchte werden
ausgeboten, nicht zu vergessen die herrliche _Gunda_ oder
_Melonenbaumfrucht_, welche in den letzten Jahren aus dem Sudan ihren
Weg bis an den Tsad-See gefunden hat. Aber auch gekochte Speisen findet
man, um lodernde Feuer sieht man an kleinen hölzernen Spiessen grosse
Stücke Fleisch braten, oder auch nach Art der Araber auf Kohlen backen.
Wenn es gehackt und stark gewürzt ist und dann um Stäbchen geklebt und
über Kohlen gar gemacht wird, bezeichnen sie es als _Gúmgeni_. Dies ist
das, was die Araber _Kiftah_ nennen. Auch kleine Brötchen, für einige
Muscheln das Stück, sind zu haben, und damit ja nichts für den Gaumen
fehle, findet man eine ganze Budenreihe, wo blos _Goro-_ oder
_Kola-Nüsse_ verkauft werden. Aber wie manche arme Schlucker muss sich
mit dem blossen Anblick genügen! Die _Goro-Nuss_, die nach Kuka von der
Westgegend Afrikas _über Kano_ kommt, wird durch diesen Transport so
theuer, dass man manchmal das Stück mit 1000 Muscheln und mehr bezahlen
muss, d.h. nach unserm Gelde mit etwa 9 Silbergroschen. Die übrigen
Lebensmittel sind jedoch in Kuka so billig, dass ein Mann bequem seine
Familie einen Monat lang mit 1000 Muscheln ernähren kann.

Interessant sind die Buden, welche _europäische Artikel_ ausbieten:
Perlen, Seidenzeuge, Kattune, Spiegel, Porzellanwaaren, Nadeln, Messer,
grobes Schreibpapier und andere kleine Artikel. Namentlich in _Perlen_
findet man eine erstaunlich grosse Auswahl, und man hat berechnet, dass
die venetianischen Glasperlenfabriken für die schwarzen Damen eben so
viele Perlen fabriciren, als es die böhmischen jetzt für die weissen
Modedamen thun. Auch alle Handwerke findet man auf dem Markte vertreten,
namentlich fehlt es nicht an Pferdegeschirr und Sätteln, denn jeder auch
nur einigermassen bemittelte Mann in Kuka hat sein Reitpferd und einen
Sklaven. Trödelbuden und Kleidermagazine sind natürlich auch vorhanden,
denn wie bei uns kauft sich ein Kuka-Stutzer manchmal ein neues hübsches
Gewand, zieht es ein oder ein paarmal an und verkauft es dann dem
Trödler, nachdem er es einem neuangekommenen Araberkaufmann vorher auf
Borg abgenommen hatte.

_Sklaven_ sind ebenfalls alle Tage zu haben, jedoch von geringerer
Sorte. Man findet deren 100 oder 150 ausgestellt, während _Montags am
grossen Markttage manchmal Tausende unter den Hangars kauern._ Der
Sklavenhandel wird überhaupt en gros in den Häusern getrieben, indem es
z.B. vorkommt, dass ein reicher Kaufmann aus Tripoli oder Kairo seine
Waaren oder einen grossen Theil derselben an Einen Mann für eine gewisse
Zahl von Sklaven losschlägt, ohne dass diese auf den Markt kommen. Durch
den _grossen Aufschwung des Sklavenhandels in den letzten Jahren_ sind
die Sklaven bedeutend im Preise gestiegen; so gilt ein hübsches junges
Mädchen von 13 bis 16 Jahren bis gegen 50 oder 60 Maria-Theresia-Thaler,
ein junger Bursche durchschnittlich 20 Thaler.

Hinter den Sklaven kommt gleich der Ort, wo das Vieh verkauft wird, denn
auch Kameele, Pferde, Esel, Rindvieh, Schafe, Ziegen, Hühner etc. sind
alle Tage und zwar nach unseren Begriffen zu fabelhaft billigen Preisen
zu haben. So ersteht man eine fette Kuh für 2 Maria-Theresia-Thaler, ein
gutes Pferd für etwa 12 solcher Thaler, ein Huhn für 50 Muscheln. Man
kann aber auch alles mit Waaren kaufen, und wer z.B. europäische Artikel
hat, steht sich sehr gut dabei, da diese bedeutend höher abgeschätzt
werden, als ihr wirklicher Werth ist. Der Markt dauert bis 6 Uhr Abends,
weil dann nach Sonnenuntergang die schnell eintretende Finsterniss jedem
Austausch ein Ende macht.

Aber damit hat noch längst nicht das Leben in Kuka ein Ende. Nachdem man
vom Markte zu Haus angekommen, wird das Mittagsessen eingenommen und
dann machen sich die Leute ihre Besuche. Man giebt sich Rendezvous;
namentlich die verheiratheten Leute leben in Kuka auf einem sehr
leichtem und ungenirten Fusse. Fast jede hübsche verheirathete Frau hat
ihren Cavaliere servente, und selbst die jungen Töchter des Sultans
wussten es möglich zu machen, ihren Eunuchen zu entschlüpfen, um
Liebesabenteuer aufzusuchen. Dabei bilden sich die Kinder Abends zu
Gruppen, denn die kühlere Nachtluft gestattet jetzt Tanz und Singen;
Musikbanden durchziehen die Strassen und namentlich bei Mondschein wird
es selten vor Mitternacht ruhig in der Stadt.

Für einen Europäer würde indess bei allen materiellen Vortheilen ein
bleibender Aufenthalt in Kuka unerträglich sein. Mit Europa ist in der
Regel nur ein Mal im Jahre über Tripoli eine Verbindung; der viel nähere
Weg nach der Küste vermittelst des Bénuē und Niger ist augenblicklich
für Reisende und Warensendungen ganz verschlossen. Der einzige Artikel,
der jetzt in Masse von der Küste seinen Weg bis an den Tsad-See gefunden
hat, ist die kleine Muschel (Kauri), welche als Geld dient. Das Klima
von Kuka ist sonst trotz der Nähe des Tsad und trotz der vielen
Wasserlachen während der Regenzeit ein gesundes, weil die trockene Luft,
durch die Nähe der Sahara bedingt, eine rasche Verdunstung des Wassers
hervorbringt und so schon nach wenigen Tagen den Boden austrocknet.



Am Bénuē


Wir verliessen Nachts um 10 Uhr die Stadt Udéni, wo der Fetischdienst
von den Negern am ausgeprägtesten betrieben wird. An demselben Tage
noch, als ich Nachmittags Abschiedsaudienz beim Sultan hatte, konnte ich
mich davon überzeugen, und war Zeuge der eigenthümlichen Opfer, welche
diese Stämme ihren Götzen darbringen. War es ein wirkliches Fest, oder
war es um den Zorn der aus Thon geformten Götter zu versöhnen, weil ein
Weisser mehrere Tage in den Mauern der Stadt geweilt hatte, das konnte
ich nicht erfahren.

Die Götter sind meist aus Erde, oft auch aus Holz geformt, und bewohnen
eigene kleine Hütten. In den Gegenden am Bénuē sind es hauptsächlich
_Dodo_ und Mussa, denen man allgemeine Verehrung und Anbetung zollt. Es
giebt nämlich _Götter, die allgemein sind_, und _Privatfetische_; jeder
hat z. B. seinen eigenen Hausgötzen, ausserdem hat man _Stadtgötter_,
_Thorgötter_, Feld- and Gartengötter, Flussgötter etc.

Als ich Abends mit meinen Leuten die schmale Brücke überschritt, die
uns aus dieser Hexenstadt mit ihren Blutopfern wieder ins Freie brachte,
dauerte es lange Zeit, trotz der herrlichen Nacht, trotz der lieblichen
Gegenden, bis mir die Opfer, die ich Nachmittags im Hause des Sultans
mit angesehen hatte, wieder aus dem Sinne kamen. Immer schwebten mir im
Geiste die Bilder vor, wie unter Pauken- und Trommelschlag nackte
Sklaven Schafe, Hühner und Tauben abstachen, die irdenen Bilder mit Blut
beschmierten und dann Federn daran klebten. Aber endlich riefen die
Stille der Natur und die üppige Pflanzenwelt andere Gedanken hervor. Man
sah, dass die Nähe des Bénuē hier schon einen mächtigen Einfluss auf
die Entwickelung der Vegetation ausübte. Schweigend durchzogen wir die
Ebene, denn Nachts vermeidet man gern jedes Geräusch. Waren wir doch
überdies in einer Gegend, wo fortwährend Krieg und Ueberfälle an der
Tagesordnung sind, _auf der äussersten Grenze der Macht der Fellata oder
Pullo_ (Fulbe) _nach Süden zu_. Voran gingen zwei riesige Neger aus
Keffi-abd-es-Senga; jeder trug auf seinem Kopfe einen 3 Ellen langen, an
80 Pfund schweren Elephantenzahn. Ich hatte das Elfenbein gegen meine
Pferde ausgetauscht. Dann kam einer mit mehreren kleinen Zähnen, dann
drei Sklaven, die unser Gepäck trugen, und den Schluss machten wir
selbst.

Die Stille der Natur wurde fast durch nichts unterbrochen, nur zuweilen
hörte man von fern das Krachen der Zweige im Gebüsche, durch welches
ein unförmliches Flusspferd weidend sich den Weg brach, oder
aufgescheuchte Vögel, welche eine andere Schlafstelle suchten, flogen
kreischend davon. Mehrere Male wurde Rast gemacht, denn die
Elfenbeinträger, obwohl es schien, als ob sie nichts zu tragen hätten,
weil sie so rüstigen Schrittes vorwärts eilten, hatten doch von Zeit zu
Zeit eine Erholung nöthig. Nach einem vierstündigen raschen Dahineilen
gelangten wir plötzlich in einen dichten, hohen Wald; nur tastend
konnten wir vorwärts kommen, denn die Kronen der Bäume bildeten ein so
dichtes Dach, dass kein Stern durchfunkelte. Indess war der Pfad
ziemlich breit, aber viele im Wege liegende Baumstämme und grosse
Wurzeln machten das Weitermarschiren sehr beschwerlich. Dann wehte uns
plötzlich eine kühlere Luft an, der Weg wurde frei und vor uns lag eine
weite Ebene. Unsere Träger hielten an und legten, sich gegenseitig
helfend, das Elfenbein auf den Boden; ein Gleiches thaten die
Gepäckträger. Schon glaubten wir, es handle sich um eine blosse Rast;
als ich weiter vorwärts ging, sah ich, dass ein weiter, blanker See zu
unseren Füssen sich ausdehnte.

Aber nein, es war kein See, _es war der Bénuē_. Nach rechts und links
dehnte sich das Wasser so weit man sehen konnte aus, doch gegenüber sah
man an einzelnen Lichtern und Wachtfeuern die Grenze des majestätischen
Stromes. "Ist dies das andere Ufer?" fragte ich die Neger.--"Nein, das
ist blos eine Insel, _Loko_, von _Bassa-Negern_ bewohnt, und hier
werden wir bei Tagesanbruch übersetzen", war die Antwort. Sodann luden
sie uns ein, uns auf den Sand niederzustrecken, da bei Tagesanbruch,
sobald die Bassa uns sehen, sie mit ihren Kähnen herüberkommen würden,
um uns abzuholen. Wir labten uns mit einem Trunke Wassers; seit wir
Abends die Stadt verliessen, hatten wir trotz des schnellen Marsches
nicht getrunken, weil Niemand Wasser mit sich führte. Dann legten wir
uns ruhig nieder und erwarteten halb wachend, halb schlafend den Morgen.
Beim ersten Grauen des Tages hörten wir sofort Geschrei und Lärmen und
sahen, wie von der mit Oelpalmen bewachsenen Insel, auf deren nördlichem
Ufer zahlreiche kleine Hütten standen, eine Menge Kähne ins Wasser
stiessen und von nackten Negern auf die Stelle zu hingeschaufelt wurden,
an der wir uns befanden. Wir stiegen nun auch den Strand hinab, der
jetzt beim niedrigsten Wasserstande des Bénuē sehr breit war, und
bald waren wir den _Bassa_ gegenüber. Diese schienen sehr erstaunt, ein
paar Weisse vor sich zu sehen, denn hatten sie jemals welche gesehen, so
waren diese den Bénuē _herauf_ in eigenen Schiffen gekommen. Anfangs
schienen sie uns sogar für Fulbe, die ihre erbittertsten Feinde sind, zu
halten. Nachdem aber die uns begleitenden Neger ihnen die Versicherung
gegeben hatten, dass wir diesem Stamme nicht angehörten, überdies keine
Mohammedaner wären, sondern _Nassara_ (Christen, mein mohammedanischer
_Diener Hammed_ liess es sich ganz gern gefallen, hier als Christ mit
zu passiren), wollten sie sich sogleich ohne Weiteres unseres Elfenbeins
bemächtigen, sowie des Gepäckes, um dieses und uns in die ausgehöhlten
Baumstämme (ihre Kähne) zu werfen. So, dachte ich indess, geht das
nicht. Die Menschen sind überall dieselben, und wenn man in Italien oder
im Oriente nicht wohl daran thut, sich, ohne zu parlarmentiren, in die
Hände des dienenden Publikums zu geben, so glaubte ich auch hier vorerst
dingen zu müssen. Wir rissen ihnen also unsere Habe wieder aus den
Händen, und ich machte ihnen begreiflich, dass sie mir zunächst den
Preis für das Uebersetzen sagen müssten. Zu dem Ende legte ich 100
Muscheln (Kauris) auf den Boden und fragte durch Zeichen, wie viel sie
solcher hundert haben wollten? Nach langem Streiten und Handeln wurden
wir dann handelseins über 4000 Muscheln, was allerdings theuer genug
war, wenn man bedenkt, dass es sich blos ums Uebersetzen handelte, 4000
Muscheln aber den Werth von einem Maria-Theresia-Thaler repräsentiren.
Die anderen Neger, welche, wie ich gehofft hatte, uns bis nach _Loko_
begleiten würden, erklärten dann, dass sie zurück müssten, um noch vor
der grossen Hitze Udéni zu erreichen. Nachdem sie uns dann in die
Baumstämme geholfen, die so klein waren, dass kaum zwei Mann darin Platz
hatten, und wir desshalb mehrerer bedurften, nahmen sie Abschied, wir
stiessen vom Lande und wurden von den Bassa rasch nach ihrer Insel
hinüber geschaufelt.

Die Ankunft von Fremden ist auf solchen Plätzen immer ein Ereigniss,
wenigstens des Morgens früh, wo Alles eben vom Schlafe erwacht und noch
nicht der Arbeit nachgegangen ist. Als wir landeten, hatte sich ein
zahlreiches Publikum versammelt, das vielleicht noch aussergewöhnlich
vergrössert war, weil man längst gesehen hatte, dass zwei Weisse die
Fremden seien. Wie besorgt ich nun auch anfangs war, mich so ganz ohne
irgend eine Stütze unter den Bassa zu befinden, von denen die anderen
dem Fulbe des Reiches Sókoto unterworfenen Negerstämme mir nicht
schlecht genug zu sprechen wussten, so legte sich doch meine Besorgniss,
da ich bald sah, dass alles Böse, was man von ihnen gesagt hatte,
Uebertreibung sei. Obgleich von Hunderten dieser Leute umringt, die sich
so dicht wie möglich an uns herandrängten, uns befühlten und befragten,
und sich dann wunderten, dass wir nicht in ihrer Sprache zu antworten
vermochten, that man uns nichts zu Leide, sondern wir wurden einfach in
einen von mehreren Hütten gebildeten Hofraum gedrängt. Man gab uns zu
verstehen, dass wir uns setzen möchten. Nachdem uns dann eine recht nett
aussehende alte Negerin ein Gefäss voll warmer Suppe gebracht hatte,
fragte man uns durch Zeichen und Laute, ob wir denn gar keine der dort
üblichen Sprachen verständen, und nach einander nannten sie eine Menge
Sprachen als: _Fulfulde, Berbertji, Arabtji, Haussa, Nupe_ etc. Ich
glaubte nun zu verstehen, dass unter ihnen Individuen wären, die eine
dieser Sprachen verständen, und erwiderte sogleich _Arabtji,
Berbertji_. Unter letzterem Worte bezeichnen nämlich alle diese
Negerstämme die _Bewohner_ und _Sprache_ von _Bornu_ (--das Kanúri--).
Die Bassa schienen eben so froh zu sein wie ich, als ich Berbertji
antwortete; es wurde gleich darauf einer fortgeschickt, der dann mit
einem Andern zurückkam, welcher uns schon von Weitem sein La-Le-La-Le,
ke l'áfia-lē ṅda tégē etc.: "Sei gegrüsst; Friede; _wie
befindet sich deine Haut_" etc. entgegenrief.

Fand er sich im Anfange etwas getäuscht, dass ich nicht so fliessend zu
antworten vermochte, als er sich wohl gedacht hatte, so sah er doch
schnell ein, dass es sein Vortheil sei, uns zu Freunden zu behalten, und
ich meine gar, er sagte den Bassa, dass wir wirkliche _Kanúri_ vom
Tsad-See seien, was sie indess nicht glauben wollten, sondern ihm
entgegneten, wir wären _Inglese_ und Vettern von den beiden weissen
Christen in Lokója (--der bekannten von Dr. Baikie gegründeten Station
an der Mündung des Bénuē in den Niger--). Er selbst war gerade nicht
von Bornu, sondern von einer im Reiche Sókoto gegründeten Colonie Namens
_Lafia-Bere-Bere_. Er sagte mir dann, dass man eine Hütte für uns in
Stand setze, und dass der König der Insel mir einen Besuch machen würde,
den ich später zu erwidern hätte.

Unterdessen nahm ich die Gelegenheit wahr, mich etwas umzusehen. Unser
Kanúri erzählte mir, dass die Bassa auf Loko hauptsächlich von der
_Fähre_ lebten, da hier ein _Hauptübergang_ sei; bei Hochwasser sei die
ganze Insel, welche jetzt etwa 16 Fuss über dem Wasserspiegel lag,
überschwemmt, und die meisten Leute zögen sieh dann aufs linke Ufer
zurück, während nur die zur Besorgung der Fähre unumgänglich notwendigen
jungen Leute in hohen _auf Pfählen_ ruhenden Hütten zurückblieben. Die
Bassa-Neger wohnten früher alle auf dem rechten Bénuē-Ufer, wurden
aber von den Fellata, ihren fanatischen Feinden, zurückgedrängt, so dass
nur noch einige wenige Plätze von ihnen am rechten Ufer behauptet
werden. Die Bassa sind mit den _Afo-_ und _Koto-Negern_ eng verwandt und
scheinen sanfter Natur zu sein; sie nähren sich hauptsächlich von
Fischen, die der Bénuē ausgezeichnet und in unglaublicher Menge
liefert. Dem Aeussern nach sind sie _echte Neger_, ohne doch dabei
hässlich zu sein. In der Jugend gehen beide Geschlechter nackt, und
unter den Erwachsenen haben die ärmeren Leute höchstens ein Schurzfell
um die Hüften geschlagen. Eigenthümlich ist die _Art ihrer Begrüssung_,
indem sie den Vorderarm der Länge nach an einander legen, derart, dass
einer dem andern den Ellenbogen umfasst. Sie sind wie die Afo-Neger
_Fetischdiener_, ohne jedoch einen so ausgeprägten Penatendienst wie
jene zu haben.

Endlich war die kleine runde Hüte, welche man provisorisch aus Matten
aufgeführt hatte, fertig, so dass wir einziehen konnten. Kaum hatten wir
uns niedergelassen, als der _Galadima_ oder _König_ der Insel kam. Er
besah Alles, that viele Fragen mittels des Kanúri und sagte, er würde
nach einem _Araber_ als Dolmetscher senden. Im Ganzen benahm er sich
recht anständig. Als er sich entfernt hatte, war meine erste Sorge, ein
Schiff zu miethen nach _Imaha_ (wird auch von den Arabern und
Soko-Negern _Um-Aischa_ genannt), einem Orte, der drei Tagereisen
unterhalb am Bénuē liegt und wohin wir zunächst mussten. Das war
keineswegs leicht, nicht etwa desshalb, weil die Leute zu hohe Preise
forderten,--sie verlangten, ich glaube, 10,000 Muscheln, was mit den
4000 fürs blosse Uebersetzen also in gar keinem Verhältnisse
stand,--sondern weil wir gar kein _baares Geld, d.h. Muscheln_, mehr
hatten. Ich versprach ihnen, in Imaha zu zahlen, wo ich einen Burnus,
das letzte Stück, was mir von meinen Waaren geblieben war, zu verkaufen
gedachte. Aber kein Mensch wollte Credit geben; es blieb uns also nichts
Anderes übrig, als alle Kleidungsstücke, die wir entbehren konnten, zu
verkaufen, um so die Summe zu Stande zu bringen. Indem wir uns auf das
Notwendigste beschränkten, gelang es uns 8000 Muscheln zusammen zu
bekommen, und indem wir gleich im Voraus baar bezahlten, konnten wir von
den 10,000 Muscheln 2000 abdingen.

Nachdem dies in Ordnung war, machte ich dem Könige meine Aufwartung. Er
mochte wohl ein hübsches Geschenk erwartet haben, ich konnte ihm aber
blos einige kleine einheimische Baumwollentücher geben, mit denen sich
in Haussa die Weiber bekleiden. Damit gab er sich zufrieden, weil er
selbst vorher gesehen hatte, dass wir gar nichts mehr besassen. Er
machte dann die freundschaftlichsten Versicherungen, und meinte, _er
wünsche nichts so sehr, als mit den Engländern direct in
Handelsverbindung zu treten_. Ja, als ich zu Hause kam, sandte er mir
sogar ein Gegengeschenk: ein Huhn, trockne Fische, _Madidi_, d.h. eine
Art Kleister in Bananenblätter gewickelt, und 1500 Muscheln baar.

Denselben Tag konnten wir natürlich nicht an die Abreise denken, und es
war auch gut, dass wir blieben. Denn am Abend kündigte sich die
Regenzeit mit einem solchen Tornado (Orkan) an, dass ich fest glaubte,
es sei ein Erdbeben damit verbunden. Da das Unwetter gegen
Sonnenuntergang hereinbrach, also um eine Stunde, da alle Leute ihren
Topf auf dem Feuer hatten, so kann man denken, wie sehr die Weiber sich
beeilten, die Feuerstellen zuzudecken. Die Windstösse waren so heftig,
dass in einem Nu mehrere Hütten weggeführt und Gott weiss wohin geweht
wurden. Glücklicherweise lag unsere Hütte zwischen anderen so geschützt,
dass wir nicht zu fürchten brauchten, fortgeweht zu werden. Das hinderte
aber nicht, dass, als die Wolken an zu brechen fingen, Ströme Wassers
von oben und unten hereinflutheten, so dass wir in einem Augenblicke
durchnässt waren. Es ist gut, dass dergleichen Unwetter in der heissen
Zone nie lange anhalten; nach einigen Stunden hatten wir einen
vollkommen sternhellen und unumwölkten Himmel, und am andern Morgen
tauchte die Sonne wie neu aus dem Bénuē, dessen früher staubige,
dunkelbuschige Ufer jetzt durch den Regen rein gewaschen waren und wie
im Frühlingsgrün prangten. Bei uns in Europa hat man keine Idee davon,
wie rasch belebend der erste Regen auf die todte Natur einwirkt. Schon
nach einigen Tagen sprosst Alles neu und frisch aus dem Boden, welcher
sich wie durch Zauber in einen grünen Teppich voll bunter Blumen
umwandelt. Und sobald die Pflanzenwelt erwacht, thut es nicht minder die
kleine Thierwelt; Schmetterlinge und Käfer, die man sonst nur in
Thälern, wo immer fliessende Bäche und Rinnsale rieseln, bemerkt,
treiben sich nun überall umher.

       *       *       *       *       *

Am andern Morgen endlich nahmen wir von unseren Bassa-Freunden in Loko
Abschied und bestiegen unsern hohlen Baum. Dieser Kahn war gerade gross
genug, um uns beherbergen zu können; nur Ein Neger stand auf dem
Hintertheile, um mit einer Schaufel das schnell stromabwärts treibende
Schiffchen zu lenken. In seinem Munde hatte er eine lange Pfeife, die
bis auf den Boden ging und nur von Zeit zu Zeit fortgelegt wurde, wenn
die Lenkung des Schiffes vielleicht mehr Aufmerksamkeit wie gewöhnlich
erheischte. Wenn uns ein anderer Kahn begegnete, dann wurde sicher
beigelegt, um einige Züge gemeinschaftlich zu schmauchen. Die meisten
hatten sogar ein kleines Feuer in einem irdenen Topfe auf dem
Vordertheile des Kahnes brennen, theils um Fische im Rauche des Feuers
vor Fäulniss zu bewahren, theils um die Pfeifen anzünden zu können.

Es ist die Sitte des Rauchens hier bemerkenswerth genug; während z. B.
in ganz Nordcentralafrika, Uadai, Bornu, Haussa, Bambara etc. überall
Taback gezogen wird, verwenden die dortigen Einwohner dies Kraut _nur
zum Kauen_, indem sie es pulverisirt mit Natron mischen, zuweilen auch
zum _Schnupfen_; erst in der Nähe des Bénuē wird das Rauchen
allgemein.

An Abwechselung fehlt es bei dieser Fahrt natürlich nicht; zahlreiche
Herden von Flusspferden, Haufen fauler Kaimans, die sich auf den
Sandbänken sonnten, fliegende Fische, die unser Fahrzeug umgaukelten, in
den dichtbelaubten Bäumen am Ufer Herden von Affen aller Art, die
neugierig auf uns herunterschielten,--hier und da, und dies meist am
linken Ufer, ein Negerdorf. Auch sah ich die mannigfaltigsten
Vorkehrungen zum Fischfange; sie nahmen sich fast wie grosse Vogelbauer
aus und standen überall an seichten Stellen im Bénuē. Die Zeit wurde
mir nicht lang. Nachts legten wir bei einer Sandbank inmitten im Strome
bei, unterhielten aber immer Feuer, damit die gefrässigen Kaimans nicht
zu nahe herankämen. Am dritten Tage endlich waren wir im Angesichte
_Imaha's_, wo wir bei Sultan _Schimmegē_, einem Freunde des
verstorbenen Dr. Baikie, die freundlichste Aufnahme fanden.



Titulaturen und Würden in einigen Centralnegerländern.


Obgleich staatliche Einrichtungen unter den Negern des nördlichen
Centralafrikas fast fehlen, so findet man doch bei den Tebu feste
gesellschaftliche Einrichtungen, so wenig sie dieselben ausgebildet
haben mögen. Von allen Wüstenbewohnern sind sie die einzigen, welche
eine stabile monarchische Regierungsform haben, obschon mit sehr
beschränkter Gewalt; die Tebu bilden gewissermassen den Uebergang zu der
despotischen Staatsform der grossen Negerreiche nördlich vom Aequator
und jenen freien, unabhängigen Stämmen, welche als Tuareg-, Araber- und
Berber-Triben südlich vom grossen Atlas theils nomadisiren, theils feste
Wohnsitze haben.

Die Tebu haben die eigentliche Mitte der Sahara inne: Tibesti, Borgu,
Uadzánga, Kauar und einige andere kleine Oasen sind ihre Domänen, im
Süden aber dehnen sie sich durch Kanem hin bis an das Ostufer des
Tsad-Sees aus und reichen fast bis Bagirmi hinab. Sesshaft in kleinen
Ortschaften, von denen die grösste wohl kaum tausend Einwohner erreicht,
sind sie dennoch ein wanderlustiges Volk, und ein erwachsener Tebu-Mann
verbringt die Hälfte seines Lebens auf den oft unsichtbaren Pfaden der
endlosen Wüste, oder in den Steppen und Wäldern, welche die Sahara von
den eigentlichen fruchtbaren Ländern Innerafrikas trennen.

Die Tebu haben Könige, welche in gewissen Familien erblich sind, und
zwar folgt die Herrscherwürde nicht auf den jedesmaligen Sohn, sondern
auf das älteste männliche Glied der ganzen Familie. Der König heisst
"derde" (Barth: dirdë bus), jedoch hört man ebenso oft den
Kanúri-Ausdruck "mai". Für Erbprinz, obgleich das nicht der Sohn ist, er
müsste denn ausnahmsweise der zunächstkommende männliche Sprössling
sein, haben sie den besonderen Ausdruck "derde kotiheki"; die übrigen
männlichen Mitglieder haben schlechtweg den Namen Prinzen "maina". Die
Königin hat den Titel "derde-ádebi".

Da bei den Tebu weder Heere noch sonstige Staatseinrichtungen existiren,
so haben sie auch für die verschiedenen Beamten und Chargen, welche
damit verknüpft sind, keine Namen. Indess nennen sie den Oberanführer
einer Truppe "bui-hento", einen Unterbefehlshaber "esé-gede-bento". Auch
für Unterhändler oder Gesandten haben sie den besonderen Ausdruck
"iári-kekéntere". Ihre religiösen Beamten haben mit der Religion von den
mohammedanischen Arabern ihre Namen in die Teda-Sprache mit hinüber
genommen. Als besonders muss noch erwähnt werden, dass die Tebu einen
eigenen Ausdruck für den Schatzmeister haben, oder denjenigen, welcher
bei den Grossen die Ausgaben verrechnet, er heisst "rezi ukil-benoa".
Mit dem eigentlichen Schatze oder mit dem Gelde hat er indess nichts zu
thun, denn dies vergraben die Grossen und Reichen eigenhändig, und sind
viel zu besorgt und misstrauisch, um den Platz, der meist weit weg von
der Wohnung auf einer nicht frequentirten Hammada liegt, auch nur eine
zweite Person wissen zu lassen.

So einfach wir nun auch die Tebu-Einrichtungen finden, um so
complicirter zeigen sich die der ihnen nahe verwandten Stammesvölker,
der Kanúri oder Bewohner von Bornu. Diese und mit ihnen die Höfe der
Pullo-Dynastien, an der Spitze Sókoto, haben offenbar Einrichtungen,
welche von allen Negerstaaten am meisten denen der gesitteten Völker
nahe kommen. Dass mit der Einführung des Islam eine bedeutende Aenderung
vor sich gegangen ist, lässt sich aber auch nicht wegleugnen. Während
z.B. früher in Bornu der Fürst, der den Titel "mai" hat, sich nicht
einmal seinen Grossen zeigte und stets hinter einem Vorhange sprach, ist
derselbe jetzt öffentlich sichtbar für Jedermann, spricht sogar in
gewissen Fällen selbst Recht. Trotzdem hat sich in naheliegenden
Ländern, wie in Bagirmi, Mándara und anderen die Sitte erhalten, dass
die Grossen, wenn sie mit dem Könige reden, ihm den Rücken zuwenden,
zum wenigsten müssen sie das Antlitz abwenden. Ja in Kuka selbst gehört
es noch zum guten Ton, mit abgewandtem Gesicht den "mai" anzureden.

Sehr einflussreiche Stellungen in Bornu haben die jedesmalige Mutter des
niai, welche den Titel "magéra" führt, und auf die politischen
Verhandlungen influenzirt, dann diejenige Frau, welche legitim
verheirathet das Glück hat, den ersten männlichen Erben zur Welt zu
bringen; diese heisst "gúmsu". Sie ist zugleich Leiterin des ganzen
Harem, der in einem so grossen und mächtigen Staate wie Bornu jedenfalls
nicht kleiner ist als der des Beherrschers der Hohen Pforte, und somit
zu zahlreichen Intriguen und Ränken Gelegenheit giebt.

Seit dem Sturze der Sefua-Dynastie durch die Familie der Kanemiýn hat
man angefangen eine directe Nachfolge einzuführen, obwohl der
mohammedanische Glaube, der in Bornu am Hofe verbreitet ist, immer
befürchten lassen muss, dass Ausschreitungen vorkommen. Der Thronfolger
hat den Titel "y'eri-ma"[6] (nicht tata mai kura, wie Barth sagt, was
blos ältester Sohn des Königs heisst, auch nicht tsiro-ma).

Die einflussreichste Persönlichkeit am Hofe von Bornu ist dann zunächst
der Dig-ma, was Barth durch Minister des Innern übersetzt hat. Dieses
ist aber noch viel zu wenig: der Dig-ma ist Minister des Inneren, des
Aeusseren, Ministerpräsident, kurz er vereinigt nach unseren Begriffen
das ganze Ministerium in seiner Person. Natürlich sind in einem Lande,
wo alle Geschäfte und Beziehungen fast mündlich gemacht werden, diese
der Art, dass Ein Mann ausreicht, um dieselben abzuwickeln. Uebrigens
hat der Dig-ma auch seine Gehülfen, von denen der Erste den Titel
"ardžino-ma" führt.

Mehr für das eigentliche Hauswesen, besonders für die intimen
Angelegenheiten des Sultans dient der Oberste der Eunuchen, "mistra-ma".
Gewöhnlich gelangen diese zu grossen Reichthümern, da um irgend eine
Gunst vom Sultan zu bekommen, alle Beamten bestochen werden müssen und
hauptsächlich der mistra-ma. Der Sultan verzeiht überhaupt den Eunuchen
und dem Eunuchenobersten ihre Reichthümer, da er nach ihrem Tode so wie
so ihr Erbe ist. Man glaube indess ja nicht, dass diese unglücklichen
Geschöpfe darauf verzichten, als Männer gelten zu wollen; nicht nur,
dass sie stolz und reichgeschmückt die wildesten Pferde besteigen und
Waffen tragen, halten sie sich auch ihr Weiberharem, und der Mistra-ma
hat sicher ein ebenso grosses Harem wie der Dig-ma. Mit dem Mistra-ma,
jedoch lange nicht eine so wichtige Persönlichkeit, rangirt der
Oberaufseher der königlichen Sklaven, welche in der Regel in einer
Anzahl, die zwischen 3--4000 Köpfen schwankt, vorhanden sind; sein
Titel ist "mar-ma-kullo-be".

Als sonstige Aemter, die mehr oder weniger die Person des Sultans
betreffen, finden wir noch den Mainta oder Oberverpfleger. Wenn man
weiss, wie gross die täglichen Einnahmen des Mai an Korn, Fleisch,
Butter, Honig, Geflügel und anderen Victualien sind, und wenn man
andererseits einen Einblick gethan hat, welche Menge von Lebensmitteln
alle Tage in die Küche des Königs geliefert werden muss, um die
homerischen Schüsseln für den eigenen Haushalt, für den königlichen Rath
und für die zahlreichen Fremden, welche als Gäste des Mai aus der
königlichen Küche gespeist werden, zu füllen, so wird man sich gestehen,
dass das Amt desselben kein unwichtiges ist. Der Mainta hat zugleich die
Aufsicht über Küche und Köche. Weniger bedeutend ist die Function des
Sintel-ma oder Mundschenks. In einem Staate, wo Wein- oder Biertrinken
für ein Verbrechen gilt, lässt sich das leicht erklären. In Bornu
besteht die ganze Thätigkeit des Sintel-ma, seitdem der Islam als
Staatskirche proclamirt worden ist, darin, dem Mai die Trinkschale mit
Wasser oder eine Tasse Kaffee oder Thee zu präsentiren. Vor dem Essen
und nachher hat derselbe ebenfalls das Waschbecken zu bringen, worin der
Mai seine Hände abspült.

Das Heer in Bornu ist in drei grosse Abtheilungen getheilt: Reiter,
Infanterie, welche zum Theil mit Flinten bewaffnet ist, zum Theil mit
Pfeil und Bogen, und die Schangermangerabtheilung; alle führen
ausserdem Spiesse und Säbel, die Cavallerie aber nur letztere Waffen.
Was die Schangermangerabtheilung betrifft, so ist dies eine Art Garde du
corps; ihre Waffe ist ein Wurfeisen von der Länge von zwei Fuss und mit
sichelartigen, geschärften Widerhaken versehen, Der Reiteroberst hat den
Titel "katšélla-blel", der Infanterieoberst heisst
"katš élla-ṅbursa", der Schangermangeroberst "yálla-ma". Die
übrigen Offiziere haben schlechtweg den Titel "katsélla", die
Hülfsoffiziere oder Adjutanten heissen "kre-ma".

Als besonders wichtig müssen die Commandanten zweier Städte
hervorgehoben weiden, der von Ngórnu und der von Yo. Hauptsächlich haben
diese wohl deshalb einen besondern Titel, weil der Mai manchmal ausser
in Kuka auch in diesen Städten seine Residenz hat. Der Statthalter von
Ngórnu heisst "fugu-ma", der von Yo hat den Namen "kasal-ma". Alle
Vorsteher der übrigen Ortschaften haben den gemeinsamen Titel
"billa-ma", und nach Barth auch "tš i-ma", während Koello letzteres
Wort mit Abgabensammler übersetzt.

Alle Söhne und männlichen Nächsten des Mai, die obersten Befehlshaber
des Heeres, der Dig-ma, der Eunuchenoberst, endlich die "kognáua" (pl.
von kógna) versammeln sich alle Tage im Gebäude des Mai und bilden den
grossen Rath, nókna genannt. Natürlich vom Mai in eigener Person
präsidirt, ist die Stimme des Einzelnen ihm gegenüber ohne alles
Gewicht. Der Mai betritt unter Trommelschlag und Musik den Saal erst,
wenn Alle versammelt sind, ein "kingaiam" oder Herold kündet seine
Ankunft an, wobei die ganze Versammlung sich erhebt, und sich erst
wieder setzt, nachdem er selbst Platz genommen hat. Gewissermassen haben
die Kognáua höheren Rang als die Befehlshaber der Armee und der Dig-ma,
denn erstere dürfen bedeckt bleiben vor dem Mai, während letztere und
auch der Mistra-ma nur mit blossem Haupte erscheinen dürfen. An Macht,
Reichthum und Einfluss sind jedoch der Dig-ma und Mistra-ma die ersten
nach dem Mai. Religiöse Würden sind nur die bei den Arabern üblichen,
und ihr Name ist mit geringer Abweichung auch arabisch.

Obgleich Barth behauptet, dass die Communalverfassungen in dem grossen
Fulbe-Reiche sehr unentwickelt seien, so kann ich doch für die Reiche,
welche ich Gelegenheit zu durchreisen hatte, aussagen, dass ich im Jahre
1867 die Einrichtungen der Staaten Bautš i, Keffi-abd-es-Zenga und
Nupe ebenso entwickelt fand wie die von Bornu, möglich auch, dass seit
der Zeit schon eine Umwandlung vor sich gegangen war, oder in den
nördlichen Staaten, welche Barth auf seiner ruhmvollen Reise nach
Timbuktu durchzog, die Einrichtungen nicht so scharf ausgeprägt waren.

Das grosse Pullo-Reich Zókoto zerfällt in viele Staaten, die alle mehr
oder weniger unabhängig von der Hauptregierung sind, aber dennoch alle
den Kaiser von Zókoto, der "bába-n-serki" heisst, anerkennen und ihm
jährlichen Tribut zahlen. Der Bába-n-serki gilt ihnen nicht allein als
weltlicher Regent, sondern ist auch geistiges Oberhaupt und führt als
solcher den arabischen Titel "hákem-el-mumenin" oder Beherrscher der
Gläubigen.

Im Lande Bautš i, von den Arabern Jacóba (auch Vogel und v. Beurmann
nennen die Stadt so, der eigentliche Name ist indess Bautš i) genannt,
steht an der Spitze der Regierung ein König, "lámedo" genannt. Obgleich
unumschränkter Herrscher, hat er doch mit vielen unterworfenen Stämmen
eine Art Vertrag machen müssen, durch welchen die Abgaben, welche zu
entrichten sind, fest bestimmt wurden, und, was sehr wichtig ist,
gleichzeitig festgesetzt wurde, dass von ihm im eigenen Lande keine
Sklavenraubzüge ausgeführt werden dürfen. Der Lámedo hält alle Tage
offene Gerichtssitzung, in der er selbst jede Partei verhört und
aburtheilt.

Bei den Tebu, also den nördlichsten Negern von Afrika, finden wir die
eigenthümliche Erscheinung, dass die Eisen- und Silberschmiede wie eine
ausgestossene Kaste betrachtet werden. Kein Tebu darf die Tochter eines
Schmieds heirathen, kein Schmied bekommt die Tochter eines freien Tebu.
Einen Schmied beleidigen gilt schon für Feigheit, weil er eben von den
übrigen Tebu als vollkommen unzurechnungsfähig gehalten wird. Es liegt
hier unwillkürlich der Gedanke nahe: sind die Schmiede bei den Tebu
vielleicht anderen Stammes, vielleicht unter die Teda eingewanderte
Juden? Aber weder in Sprache, Haar, Gestalt noch Hautfarbe unterscheiden
sie sich auch nur im allermindesten von den übrigen Teda, und diese
selbst behaupten, sie seien von ihrem Fleische und Blute, nur das
Handwerk mache sie verächtlich.--Gerade das Gegentheil nun sehen wir in
Bautš i; hier hat der Erste der Zünfte der Schmiede den höchsten Rang
nach dem Lámedo, sein Titel ist "serki-n-ma-kéra", was man durch
Gross-Eisenmeister übersetzen kann. Und wie sehr überhaupt die Handwerke
in diesem Staate, der von Pullo's regiert wird, aber zum grössten Theile
Haussa-Unterthanen hat, in Ansehen stehen, geht daraus zur Genüge
hervor, dass alle Handwerke in Zünfte getheilt sind, an deren Spitze ein
Meister steht, der den Namen Fürst hat, denn "serki" heisst Fürst oder
Prinz. So finden wir unter anderen einen Fürsten der Schneider,
"serki-n-dúmki", einen Fürsten der Schlächter, "serki-n-faua".

Die Stelle, welche in Bornu vom Dig-ma versehen wird und unserem
Ministerium entspricht, versieht in Bautš i der "galadima", aber fast
ebenso wichtig ist die des intimen Rathgebers des Lámedo, der den Titel
"be-ráya" hat; nur dieser darf in die fürstliche Wohnung dringen, falls
der Lámedo sich zurückgezogen hat. Das Harem darf selbstverständlich nur
vom Obersten der Eunuchen Yinkóna betreten werden. Obgleich alle
Pullofürsten für gewöhnlich äusserst einfach gekleidet sind, und sich in
Nichts von den sie umgebenden Grossen unterscheiden, so haben sie doch
ein eigenes Amt für den Mann geschaffen, der sie bei festlichen
Gelegenheiten mit den dann prächtigen Gewändern bekleidet, er heisst
Zoráki. Wichtige mit der Person des Lámedo verknüpfte Aemter sind ferner
das des Obersten der Vorreiter, ma-dáki genannt, des Palastgouverneurs
"uombé" und des Schatzmeisters "adzia". Natürlich ist in diesen Staaten,
wie das ja früher auch bei uns war, der Privatschatz, des Königs
zugleich der des Landes, indem das ganze Land als Eigenthum des Königs
betrachtet wird. Anders verhält es sich mit den Waffen, von denen Bogen,
Pfeile und Säbel in einem eigenen Hause aufbewahrt werden; diese werden
nur als öffentliches Eigenthum betrachtet und der Hüter davon ist immer
ein ansehnlicher Beamter, er hat den Titel "bendóma". Nicht unwichtig
ist der Posten des Obersten der Gefangenen, der zugleich Scharfrichter
ist und "serki-n-ara" heisst.

Wie geordnet auch sonst die Zustände sind, geht ferner daraus hervor,
dass man einen eigenen Marktvogt hat; freilich sind in Bornu diese auch
auf den Märkten, haben jedoch nicht eine so wichtige Stellung, ihr Titel
ist "serki-n-kurmi".

Als Truppengattung finden wir in Bautš i nur Reiter und Infanterie,
letztere mit Bogen und Säbel bewaffnet; Lanzen und Schangermanger
namentlich, sieht man hier gar nicht mehr. Einige wenige der Reiter
haben schlechte Gewehre, die meisten nur Säbel und Bogen. Die Pfeile der
Bogenschützen sind natürlich alle vergiftet, meistens mit Gift aus
Euphorbien. Der Befehlshaber der Fusstruppen heisst "serki-n-yáki", der
der Reiterei "serki-n-dauáki".

Einen besonderen Titel hat der Commandant der Stadt Uossé, nämlich
"serki-n-dútsi"; dieser hat die Aufgabe, das Vordringen der südlichen
heidnischen Stämme zu verhindern. Ferner der Hauptmann sämmtlicher
_nicht_ Pullovölker, und da diesen in Bautš i eine grosse Zahl von
Stämmen angehören, ist sein Posten ein sehr wichtiger; er heisst
"sénnoa".

Auch in dem Pullo-Staat Nyfe oder Nupe sehen wir das militärische
Element bedeutend mehr hervortreten, und, weil an beiden Seiten des
mächtigen Nigerstromes gelegen, finden wir, da Nupe eine bedeutende
Kriegsflotte hat von Schiffen, die bis mit hundert Matrosen bemannt
sind, die Charge eines Admirals. Gleich nach dem Könige, der "etsu"
heisst, kommt der Admiral der Nigerflotte, betitelt "bargo-n-gioa",
wörtlich "Spiegel der Elephanten"[7]. Die Königin, obgleich dieselbe in
Nupe ganz ohne Einfluss ist, hat denselben Titel wie der König. Mit der
Stelle eines Admirals ist zugleich die des Obersten der Sklaven
verbunden, wohl aus dem Grunde, weil die Ruderer der Schiffe alle aus
Sklaven bestehen.

Es kommen dann der Reihe nach zuerst der "dam-ráki", der erste Rathgeber
des Etsu und in seiner Person das Ministerium vereinigend. Nach ihm
natürlich der Eunuchenoberst, "indatoráki", dann der
Oberpolizeidirector, der zugleich, wie überall dort, die Auszeichnung
hat, Scharfrichter zu sein. Der Titel des letzteren ist
"serki[8]-n-dogáli". Da aber auch in den Nigerländern wie in Yóruba die
Sitte des Pfählens, selbst als gewöhnliche Strafe allgemein ist, und es
nicht leicht ist, einem Menschen einen Pfahl der Art von unten der Länge
nach durch den Körper zu schieben, dass der Pfahl durch Hals und Mund
herauskommt, so hat er natürlich einen ganzen Schwarm von
Helfershelfern. Nach diesem kommt dann zunächst der Fremden Vorführer
"serki-n-fada", eine Charge, die an den übrigen Pullohöfen sich nicht zu
finden scheint. Gleich an Rang stehen der Obervorreiter "sigi", der
Oberkoch "serónia" und der Oberschreiber, der wie immer den arabischen
Namen "liman" hat.

Da der König von Nupe fast immer im Felde ist, so hat er einen
Stellvertreter in der Hauptstadt creiren müssen; oft ist dies sein
vorbestimmter Nachfolger, sein Titel lautet "zitzu". Der Rath um den
König besteht aus den Grossen, "seráki" (pl. von serki) genannt, und das
Heer wird von einem Obergeneral angeführt, der "maiaki" genannt wird.
Die beiden Waffengattungen, Reiter und Fussvolk, heissen "bendoáki" und
"serki-n-kárma". Ganz in der Nähe des englischen Einflusses könnte der
Nupe-Staat einer grossen Zukunft entgegen gehen, und gerade hier, von
der englischen Colonie Lokódža aus, sollten Missionäre dem jetzt
eindringenden Islam Halt zurufen. Für diese Gegenden würden katholische
Geistliche den protestantischen vorzuziehen sein.



Die Art der Begrüssungen bei verschiedenen Neger-Stämmen.


Vom Grüssen eines Volkes auf seinen Charakter oder seine Handlungsweise
im Allgemeinen schliessen zu wollen, würde wohl zu weit gehen, denn wenn
man auch behauptet hat, dass z. B. die Deutsche die vorwärts schreitende
Nation ("wie geht es?"), die Französische die Moden machende ("comment
vous portez-vous?"), die Englische die handelnde und schaffende ("how do
you do?"), die Italienische die still stehende ("come sta ella?") sei,
so hat das doch keinen wahren Grund. Indess bieten der mündliche Gruss
und die damit gebräuchlich verbundenen Ceremonien und Körperbewegungen
so manches Interessante, dass es mir wichtig genug schien, auf meiner
dritten Reise durch den Afrikanischen Continent meine Aufmerksamkeit
auch hierauf zu lenken, und nachstehende Notizen geben Aufschluss über
die verschiedenartigen Grüsse und die Gebräuche, welche damit verbunden
sind, so weit es die Stämme der schwarzen Raçe anlangt, die ich selbst
zu besuchen Gelegenheit hatte.

Es ist nicht abzustreiten, dass auf die nördlichen Neger-Stämme der
Islam, namentlich was die Begrüssungsart anbetrifft, einen bedeutenden
Einfluss ausgeübt hat, denn das essalámu aléikum und aléikum essalam ist
eine religiöse Vorschrift, und so finden wir diesen mohammedanischen
Gruss vom Atlantischen Ocean bis an den Indischen durch zwei Continente
hin verbreitet.

Aber auch nur diese Formel ist von den nördlichen Neger-Stämmen
angenommen, im Uebrigen stehen sie im Allgemeinen selbstständig und
unabhängig vom Arabischen Einfluss da.

Der am meisten nach Norden vorgeschobene Neger-Stamm ist die
Tebu-Familie, welche sich selbst Teda nennen und eng mit den Kanúri und
Búdduma verwandt sind. Die Wohnsitze der Teda sind in der Wüste nördlich
vom Tsad-See, dann im fruchtbaren Central-Afrika, westlich und östlich
vom genannten Wasserbecken.

Als kriegerisches Volk sind sie immer auf einen Angriff gerüstet,
vielleicht kann auch Vorsicht dabei zu Grunde liegen, dass zwei sich
begegnende Tebu auf zehn Schritt und mehr Entfernung von einander Halt
machen, sich in die Hucke setzen, den langen Spiess aufrecht in der Hand
haltend: _Lahin kénnaho_ ruft der Erste, worauf der Andere _getta inna
dǚnnia_ hinüber antwortet. Nun ergiessen sich beide in unzählige
_Lahá, Lahá, Lahá_, welche, je höflicher man sein will, man um so mehr
repetirt. Nachdem sie sich so einer Untersuchung unterworfen und nichts
Verdächtiges gefunden haben, nähern sie sich; man giebt sich mit den
Fingern einen leichten Druck, ohne jedoch die Hand wie bei den Arabern
und Berbern hernach zum Munde zu führen, und der zuerst Angeredete
wiederholt dann _getta inna dǚnnia_, worauf der Andere _Lahin
kénnaho_ antwortet.

Sind die Leute mit einander bekannt, so fragt man sich nun gegenseitig
nach Familie, Frau, Kind, Vieh, Marktpreisen, seinen gemeinsamen
Freunden und Bekannten, welche einzelne Fragen immer durch viele
killahá, _killahénni, killa Allaha_ unterbrochen sind; man fragt, ob
Feinde am Wege lauern, ob der Weg oder ein anderer vorzuziehen sei, ob
die Brunnen nicht verschüttet seien etc., immer eben angeführte Worte
untermischend.

Die Weiber grüssen sich ganz auf ähnliche Weise, was die Worte
anbelangt, nur unterlassen sie natürlich die Vorsichtsmassregel, sich
auf weite Entfernung von einander niederzusetzen. Eine Frau redet indess
nie den Mann zuerst an, sondern erwartet den Gruss, wobei sie dann
niederkniet, während die Männer blos hocken; Frauen unter sich pflegen
indess auch nur zu hocken, in Gegenwart von Männern jedoch nehmen sie
immer eine knieende Stellung ein.

Tritt man in ein Haus, so ist der gewöhnliche Gruss _labáraka_ (aus dem
Arabischen) und die Antwort _lábara Lahá_ (aus dem Arabischen). Kinder,
Verwandte und Freunde, letztere jedoch sehr ausnahmsweise, küssen sich
zärtlich, jedoch küssen Kinder einem heimkehrenden Vater, oder kommen
sie selbst von einer Reise zurück, nur die Hand.

Beim Abschiednehmen sagt man _temésches_ (aus dem Arabischen), während
der Bleibende _killaháde_ nachruft. Jederzeit kann man dann noch
_killahá, killahénni, killa Allaha_ sagen.

Der Gruss der Tebu gegen einen König oder Maina (Prinz) ist ganz auf
gleiche Weise.

Bedeutend ceremoniöser in ihren Grüssen sind die Kanúri-, die Mándara-
und Búdduma-Völker, obgleich sie unter sich, sowohl was Worte als
Handlung anbetrifft, wenig oder gar nicht von einander abweichen. Da die
Höfe und Grossen dieser Stämme mit Ausnahme der Búdduma Mohammedaner
sind, so wird auch eben nur von den Höflingen das _essalámu aléikum_
gebraucht, während das Volk sich bei seinen nationalen Grüssen hält.

Als Eingangsgruss bedienen sich diese Stämme gewöhnlich der Worte
_Lalē, Lalē, Lalē_ und erkundigen sich dann nach dem Zustand
der Dinge im Allgemeinen mittelst der Worte _afi l'abar_ (l'abar kommt
aus dem Arabischen, von _el-achbar_, die Neuigkeit, während afi echt
Kanúri ist). Dies wiederholen sie mehrere Mal, indem sie sich oft die
Hand dabei reichen, oft auch nicht. Gleich darauf--und dies ist sehr
bezeichnend für die empfindlichen Neger--erkundigen sie sich nach dem
Zustande der Haut: _ṅda tégē_, wie ist die Haut?, und schalten hin
und wieder, namentlich wenn sie Mohammedaner sind, ein _Hamd alláhi_
ein. Sehr gebräuchlich ist auch der bei allen Sudan-Negern eingebürgerte
Gruss _l'áfia_, der jedoch auch aus dem Arabischen entnommen ist und so
viel wie Friede bedeutet.

Das eben Angeführte gilt beim Grüssen zwischen Gleichen, sobald indess
ein Niederer einen Höheren antrifft oder besucht, gestalten sich die
Verhältnisse ganz anders; der Niedere wirft sich vor dem Höheren auf die
Erde, berührt mit der Stirn den Sand und untermischt die gewöhnlichen
_Lalē, Lalē_ mit häufigen _Alla-ká-bondjo_, Gott sei dir gnädig,
oder _ṅgúbbero degá_, (Gott) lasse Dich lange Zeit (leben). Dies
Letzte entspricht also wörtlich dem Arabischen Allah ithol amreck. Will
man sehr höflich und unterthänig sein--und namentlich geschieht das vor
dem Sultan--, so streut man sich etwas Staub auf sein Haupt oder macht
wenigstens die Miene, als ob man es thäte. Es gehört überdies zum guten
Brauch, einer höheren Person nicht ins Gesicht zu sehen, sondern beim
Reden den Kopf seitwärts zu drehen. In Mándara, wo am Hofe die alten
Sitten noch reiner bewahrt sind, bemerkte ich sogar, dass sämmtliche
Höflinge und Anwesende dem König den Rücken zudrehten, selbst wenn sie
mit Seiner schwarzen Majestät sich unterhielten, als ob sie die Macht
und Herrlichkeit des Königlichen Antlitzes nicht ertragen könnten; auch
selbst am schon civilisirteren Hofe von Bornu pflegen die alten kognáua
(Plural von kógna, welches Wort Barth so treffend durch unser Deutsches
"Hofrath" übersetzte) noch eine gleiche Sitte zu beobachten.

Die Frauen, welche in Bornu, ob mislemata oder Heiden, alle
unverschleiert gehen, überhaupt eine den Männern vollkommen gleich
berechtigte Stellung sich zu bewahren gewusst haben, grüssen sich unter
einander auf ganz gleiche Weise; falls sie mit Männern zusammenkommen,
erwarten sie indess, wie das ja auch bei uns der Fall ist, dass man sie
zuerst grüsst.

Andere Redensarten der Kanúri, welche sie jedoch mit anderen um sie
herum wohnenden Neger-Stämmen gemein haben, sind: _ṅdáni, adak ke
l'áfia--adak ke l'áfia, ke l'áfia lē_. Letztere Redensart ist sehr
gebräuchlich und bedeutet ungefähr unser "wie geht es?" Endlich haben
sie für "Willkommen" die aus dem Haussa herüber bekommene Redensart
_usse-usse_; dieser letzte Ausdruck kann auch für "danke" benutzt
werden, obgleich die Kanúri für "ich danke" das echte, aber fast nie
angewandte Wort _gode-ṅgin_ haben.

Geht man von Bornu westwärts, so stösst man zunächst auf die grosse
Nation der Haussa, augenblicklich von den Fulan oder Fellata beherrscht.
Ehedem auch unter grossen nationalen und despotischen Dynastien stehend,
sind ihre Begrüssungen auch natürlich sehr ceremoniös. Eine Frau
begrüsst z.B. einen Mann nur knieend und unterwegs kniet sie so lange
nieder, bis der Mann vorüber ist; tragen sie dabei eine Bürde auf dem
Kopfe, so setzen sie dieselbe ab. Der männliche Theil der Bevölkerung
macht weniger Umstände, namentlich wenn es sich um Gleiche dreht; eine
einfache Berührung der Finger, die man hernach zum Munde führt, mit dem
auch in Bornu eingeführten Ausruf _Ssünno, ssünno_ oder _l'áfia_ reicht
gewöhnlich hin. Als Zeichen der Freude, namentlich bei einem frohen
Zusammentreffen, haben die Haussaer _etjau-etjau_.

Sind sich zwei Individuen näher bekannt, so erkundigen sie sich
specieller nach dem gegenseitigen Befinden: "_Akekéke_", "wie bist Du?",
"_kol l'áfia_", "mit dem Frieden", d.h. sehr gut, oder "_kenna l'áfia_",
"wie geht's?", was der Andere mit "_ranka schidéde tol amrek_" ("ich
danke, Gott verlängere deine Existenz", wovon die letzte Hälfte Arabisch
ist) erwiedert. "_Allah schibáka ioreih_" ist der den Segen Gottes auf
das Haupt eines Freundes erflehende Schlussgruss.

Vor einer höheren Person oder einem Könige werfen sich die Haussaer wie
die Kanúri in den Staub und streuen sich etwas Sand auf das Haupt oder
machen doch die Bewegung nach. Allgemein ist auch die Sitte, dass ein
Niederer, falls er vor einem höher Gestellten sich zeigt, die Tobe von
den Schultern zurückzieht, und fast alle Negerstämme einschliesslich die
Kanúri haben in ihrer Sprache einen besonderen Ausdruck für dies
Zurückschlagen.

Ganz anders in ihrem Auftreten sind die Fulan oder Fellata, die sich
selbst Pullo nennen und in Sókoto und Gando zwei der mächtigsten und
grössten Reiche in Centralafrika gegründet haben. Dies räthselhafte
Volk, nach dessen Ursitzen man bis jetzt vergeblich gesucht hat und von
dem man nicht weiss, ob man es zu den Negern, zu der Malayischen oder
der weissen Raçe rechnen soll, und das hauptsächlich zwei Hauptstämme
bildet, die sogenannten Bornu-Fulan und die Melē-Fulan, ist zum
Theil, und namentlich die Melē-Fulan, schon vor Zeiten zum Islam
übergetreten, während auch noch Viele und namentlich die, welche dem
Nomadenleben treu geblieben, Heiden sind. Sie haben durch ihre lange
Praxis der mohammedanischen Religion Vieles aus dem Arabischen entlehnt.

"_Allah rhina, Allah rhina_" rufen sie sich beim Begegnen zu und es
entspricht dies unserem "grüss' Dich Gott", das l'áfia haben sie
ebenfalls wohl aus dem Arabischen bekommen und ihr _mad' Allah, mad'
Allah_, welches bei ihnen einen besonderen Grad von Zufriedenheit
bedeutet und für "danke" gebraucht wird, lässt sich auf das Arabische
zurückführen. Immer freies, nie geknechtetes Volk haben die Fellata gar
keine besonderen Ceremonien beim Grusse und in Garo-n-Bautschi (Jakoba)
hatte ich Gelegenheit zu sehen, wie bei den öffentlichen Audienzen, die
der Sultan oder, wie die Pullo ihn tituliren, Lámedo gab, Jeder ohne
Umstände sich nähern konnte.

Um "guten Morgen" auszudrücken, bedienen sich die Fulan des Wortes
_ualidjim_, um "guten Abend" zu sagen, des Wortes _infinidjim_;
ausserdem schalten sie überall _uódi, dumbódi_ ein, Worte, die sich
nicht genau übersetzen lassen, aber einen besonderen Grad von
Zufriedenheit und Freude ausdrücken sollen.

Fast ganz fremd vom Einflusse des Arabischen sind die Grüsse der am
Bénuē ansässigen Stämme der Afo- und Bassa-Neger. Obschon sie von den
Haussaern das _Ssünno-ssünno_ und _l'áfia-l'áfia_ herübergenommen haben,
wenden sie es jedoch selten unter sich an, alle Fremde dagegen
bewillkommen sie mit dem Arabischen Grusse _mábah-mábah_
(zusammengezogen aus marabah), der ihnen jedoch auch nur durch
Vermittelung von Haussa zugekommen ist. Vollkommene und echte
Fetischanbeter haben sie aber sonst von den religiösen Grüssen der
Araber gar keine und beim Begegnen unter sich haben sie den
eigenthümlichen Gebrauch, dass sie sich den Vorderarm an einander legen,
der Art, dass einer dem anderen den Ellenbogen umfasst, dabei äussern
sie dann ihre nationalen Grüsse _kundo-kundo kundore, kundokora_, die
sie je nach den Umständen längere oder kürzere Zeit wiederholen. Da sie
nur kleine, von einander unabhängige Staaten bilden, so ist bei ihnen
von Hoch und Niedrig keine Rede.

Die, welche hauptsächlich den Schiffsverkehr auf dem unteren Bénuē
besorgen, rufen sich im Vorbeifahren die einfachsten Vokale zu, und wenn
sie ihr Kanoe nicht anhalten, um mit dem Führer des entgegenkommenden
Baumstammes einige Züge aus der langen Pfeife, die Alle immer bei sich
haben, zu rauchen, so lassen sie es von Weitem bei Eïa, o, a, o, o, a,
eïa, o, a, o etc. bewenden. Sie rufen sich dies so lange zu, wie sie
ihre Stimme hören können.

Die am Niger ansässigen Nyfe-Völker, welche Theil eines mächtigen
Königreiches sind, haben viel ausgebildetere Formen und Worte, um den
Gruss auszudrücken, als die eben genannten Bassa- und Afo-Neger.

Beim Begegnen machen sie eine knixende Verbeugung, ja untergeordnete
Leute bleiben so lange in knixender Stellung, bis der ganze Gruss
vorüber ist. Dabei nehmen sie den Hut nach Art der Europäer ab, sowohl
wenn sie sich als Gleiche grüssen als wenn ein Untergebener sich vor
einem Höheren befindet. "Guten Tag" drücken sie durch _beléni_ aus,
worauf der Angeredete mit _madjiobú_, ich danke, oder _aku-beni_, wie
geht es? antwortet. Beim Weggang sagt man _meeda_, ich gehe, und erhält
dann ein _ssassamidji_, grüsse zu Hause, mit auf den Weg. Abends bietet
man _aku-be-gédi_, guten Abend, und bekommt _odjilo-suáni_ zurück. Beim
Aufstehen fragt man _uanáni_, hast du gut geschlafen?, oder
_aku-bolósun_, hast du die Nacht gut zugebracht?

Vor ihrem Fürsten--in diesem Augenblick ist es König Massaban--sind die
Nyfenser sehr demüthig. Ich bemerkte, dass, so oft der König einem der
Anwesenden etwas Schmeichelhaftes sagte oder ihm einige Kola-Nüsse,
welche überall in Central-Afrika bei den Negern unseren Kaffee
vertreten, gab, der so beglückte Neger an die Thüre eilte, sich
prosternirte, indem er dem König den Rücken zuwandte, und Sand auf sein
Haupt warf, ohne weiter Etwas dabei zu reden.

Leider gingen mir beim Uebersetzen von Ikoródu nach Lagos, wo einer der
fürchterlichsten Tornados noch am Schlusse der Reise uns fast alle durch
Schiffbruch dahin gerafft hätte, meine Papiere, welche die interessanten
Aufzeichnungen über die Grussformen der Yóruba-Neger enthielten,
verloren. Durch die zahlreichen Missionen, dann durch die vielen Bücher,
welche über die Yóruba - Sprache durch den gelehrten Bischof Crowther
(ein ehemaliger Sklave und jetzt ein tüchtiger Verbreiter des
Christenthums und der Civilisation unter den Negern) herausgekommen
sind, lassen sich indess Details leicht bekommen.

Die Yóruba sind das höflichste und demüthigste Volk der Welt. Niemand
begegnete uns in den dichten Urwäldern, der nicht sein _aku-aku_ oder
_aku-abo_ gerufen hätte; unter sich beknixten sich die Männer und
blieben oft in knixender Stellung, bis sie sich ausgegrüsst hatten. Vor
ihren Häuptlingen und Königen werfen sie sich platt auf den Bauch und
legen oft noch die rechte und dann die linke Wange in den Staub. Erst
auf einen Wink oder ein Wort vom König erheben sie sich, um in hockender
Stellung zu reden.

Bei den Idjebu (s. Grundemann's Missions-Atlas), die eigentlich nur ein
Zweig der Yóruba sind, ist ebenfalls das sich auf den Bauch Werfen
gebräuchlich, nur wird es noch, sobald das Individuum sich auf die Erde
geworfen hat, mit einem eigenen Schnalzen der Finger der rechten Hand
begleitet, indem sie den rechten Arm dabei rechts seitwärts vor sich her
schleudern. Es machte einen ganz komischen Eindruck, wenn König Tapper
in Lagos, der jetzt von den Engländern pensionirt ist, in die
O'Swald'sche Faktorei kam, um mit uns zu frühstücken, wie sämmtliche
Sklaven, sobald sie denselben erblickten, aus alter Ehrfurcht wie auf
Kommando sich auf die Erde warfen und mit den Fingern der Rechten ein
Schnippchen schlugen bei fortwährendem Rufen von _aku-aku_.

Nachstehende Negergrüsse verdanke ich den freundlichen Mittheilungen der
Herren Wiedmann und Locher, die, an der Westküste von Afrika als
Missionäre der Basler Gesellschaft stationirt, ihrer Gesundheit halber
nach Europa herübergekommen sind.

Die Akkra-Neger (an der Goldküste) begrüssen sich des Morgens mit
_Awuo_, ausgeschlafen?, worauf der Angeredete erwidert _miwuo djogba_,
ich habe gut geschlafen. Beim Begegnen rufen sie _henni odje_, wo kommst
Du her?, und der Angeredete sagt _Ble-o_, Friede, oder auch _eiko_,
Glück auf, und _yae_, ich danke. Letzteres sagt man besonders, wenn man
Leuten begegnet, die eine Last tragen oder beim Arbeiten sind. Die
Akkra-Völker nehmen den Hut ab und machen eine Verbeugung; sind sie mit
einer Tobe bekleidet, so muss dieselbe zurückgeschlagen werden,
namentlich vor Höheren streift man sie von den Schultern.

Betreten sie ein Haus, so fragen sie _Teoyoteng_, wie geht es?, und
erhalten _miye-djogba_, ich bin wohl, zur Antwort. Beim Abschiede des
Abends sagen sie _miya wúo_, ich gehe schlafen, und der Andere erwidert
_ya wúo djogba_, geh', schlafe wohl.

Ausserdem haben die Akkra eine Menge Redensarten, um sich nach
Abwesenden zu erkundigen: _Djeïbi_, wie geht's den Leuten dort?
_Ameye-djogba_, sind sie wohl? _Yeikebukeho_, wie geht's den Weibern,
den Kindern und den Schwangeren? (nach Herrn Locher liegt dies Alles in
dem Einen Wort). _Ame fe ame ye djogba_, sie alle sind wohl. Ueberdies
bemerkt Herr Locher, dass bei den Akkra-Negern jetzt überall das
Englische _good morning_ eingebürgert sei, wie das überhaupt wohl an der
Küste von Guinea der Fall ist.

Noch complicirter gestaltet sich nach Herrn Wiedmann bei den Tji-Negern
(Otji-tribes, Grundemann) das Grüssen. Für "guten Morgen" haben sie
_magye_, für "guten Tag" _mahao_, für "guten Abend" _madyo_. Im
Allgemeinen ist der Gegengruss _Ya-aherar_ oder _Ya-adyo_. Dann aber
richtet sich, was merkwürdig genug ist, Gruss und Gegengruss nach dem
Tage der Geburt; so ist Frage und Antwort z. B. ganz verschieden, ob ein
Individuum Montags, Dienstags oder an einem anderen Wochentage geboren
ist. Ein Montags Geborner z.B. bekommt _ya eisi_ zum Gruss.

Für "gute Nacht" sagen die Tji-Neger _me-nopáo_ und erhalten _ya da ya_
zur Antwort. Wie befindest Du Dich? drücken sie durch _Wo ho tedeng_ aus
und _me ho ye_, ich bin wohl. Sie erkundigen sich durch _ming mu ye_,
wie steht's in der Stadt?, und erwidern darauf _ming mu ye fu_, in der
Stadt steht's gut.

Begegnen sich zwei, so ist der gewöhnliche Gruss _aichia_, Wo kommst Du
her? _Wufike_, oder von wo bist Du? _wokohe_. Endlich _nante ye_, reise
glücklich. Für Willkommen haben die Tji-Neger mit allen Yóruba-Völkern
das _aku-abo_ gemein. Häufig mischen sie ein _me adamfo_, mein Freund,
mein Wohlthäter, unter ihre Grüsse. Besondere Ceremonien beobachten die
Tji-Neger bei ihren Grüssen nicht.



Von Magdala nach Lalibala, Sokota und Anatola, April/Mai 1868.[9]


Am 13. April 1868 wehte die englische Flagge auf den drei Amben von
Magdala, freilich nur für einige Tage, aber ein Ereigniss wichtig genug
mit seinen damit verknüpften Erfolgen, immer eine der merkwürdigsten
Thaten der Englischen Armee, welche sie bis jetzt vollbracht hat, zu
bleiben. In der That, die Befreiung der europäischen Gefangenen, die
Vernichtung des abessinischen Heeres, der Tod des Negus Negassi, die
Einnahme von Magdala erfolgten so rasch nach jenem beschwerlichen
Marsche durch Abessinien, dass selbst wir Theilnehmer der Expedition uns
oft hinterher fragten, wie Alles so schnell und glücklich zu Ende kommen
konnte. Und Magdala, für einige Monate der Aufenthalt der europäischen
Gefangenen, von Theodor für unüberwindlich gehalten und daher als sein
letzter Zufluchtsort ausgesucht, dann für einige Tage Standquartier
einer englischen Brigade, ist jetzt nur noch, was es ursprünglich war,
ein interessanter Punkt, denn wohl schwerlich werden die plündernden
Galla etwas noch Brauchbares dort oben lassen, sie werden die Kirche
zerstören und höchst wahrscheinlich die Gebeine ihres Erzfeindes, der
bei seinen Lebzeiten Tausende ihrer Brüder mit kaltem Blute erwürgte, in
alle Winde zerstreuen.

Etwas südlich von Beschilo sich erhebend sendet der Magdala-Berg seine
Bäche diesem Flusse zu, welcher nach Aufnahme der Djidda dem blauen Nil
oder Abai zufliesst. Der Magdala-Berg selbst besteht aus drei
verschiedenen oben flachen Amben oder Plateaux, dem nördlichen oder
Selasse, dem westlichen Fala und dem eigentlichen Magdala, welches am
weitesten nach Süden zu liegt. Die Vegetation in dieser Gegend ist
reichlich und besteht meist aus Mimosen, aber zur Zeit unserer
Anwesenheit war Alles vertrocknet und verbrannt und nur der in
Abessinien überall vorkommende Kandelaber-Baum (Kolkual-Euphorbia)
bringt etwas Abwechselung in die Gegend. Das Gestein ist durchaus
vulkanisch um Magdala und namentlich die nahen Bänke des Baschilo
zeigen die schönsten Basaltsäulen. Von der Thierwelt der Umgegend ist
nichts besonders Merkwürdiges zu berichten, wenn man nicht in der Käfer-
und Insektenwelt nach Neuem suchen will, und dann muss man zur Regenzeit
dort sein. Grosse reissende Thiere scheinen selten zu sein und selbst
Hyänen hörten wir fast gar nicht, freilich hatten sie vollauf zu thun,
da gerade vor unserer Ankunft König Theodor am Charfreitag zweihundert
abessinische Gefangene in einen Abgrund hatte stürzen und auf die etwa
Ueberlebenden schiessen lassen. Einheimische Bevölkerung giebt es
augenblicklich nicht mehr in Magdala nach dem grossen Exodus, den die
Engländer nach dem Tode Theodor's veranstaltet haben. Die, welche wir
vorfanden, waren aus ganz Abessinien zusammengetrieben, aus Semien, aus
Tigre, aus Godjam, aus Begemmder etc., und jetzt zerstreuen sie sich
wieder, Jeder nach seiner alten Heimath, und so wird Magdala wieder, was
es früher war, Besitz der Galla.

Als am 16. April die meisten Angelegenheiten geordnet waren, d.h. die
wenigen Befestigungen geschleift, dann die Kanonen des abessinischen
Königs gesprengt, bereitete sich die englische Armee zum Rückmarsch nach
Zula vor und ich, schon früher entschlossen, nicht auf demselben Wege
zurückzukehren, auf dem ich mit der Armee gekommen war, trennte mich
gleich hier von ihr. Freilich konnte ich meinen ursprünglichen Plan, den
Dembea-See und Gondar zu besuchen, nicht ausführen; theils war die
Regenzeit vor der Thür, theils sollten, was sich aber als falsch erwies,
die Gegenden nach Westen hin unsicher sein; aber ich beabsichtigte,
wenigstens über Lalibala nach Sokota zu gehen, um durch eine neue Route
der Geographie nützlich zu sein.

Man wird zwar wenig Neues auf diesem meinem Wege finden; Abessinien ist
nach allen Richtungen so von Reisenden durchkreuzt, Land und Sitten sind
so ausführlich beschrieben worden, dass man von der kurzen Zeit, die mir
vor den Tropenregen blieb, nicht viel erwarten wird. Ich weiss auch
nicht so interessante Abenteuer zu berichten, wie sie Bruce erzählt,
glaube aber auch, dass das nur Ausnahmsfälle sind. Man darf das Leben
und die Sitten eines ganzen Volkes nicht nach einzelnen Vorfällen
beurtheilen, und wenn ein Fremder zufällig in Berlin oder Hamburg eine
jener Bacchanalien mitgemacht, würde er sehr Unrecht haben, wenn er
danach auf die Sitten des ganzen deutschen Volkes schliessen wollte.
Eben so Unrecht würde es sein, weil Theodor und natürlich alle seine
Soldaten, die blindlings jeden seiner Winke vollstreckten, Ungeheuer von
Grausamkeiten waren, diess dem ganzen abessinischen Volke aufbürden zu
wollen.

Für uns ist Abessinien hauptsächlich interessant, weil sein Volk durch
Jahrhunderte hindurch vom Islam umgeben den christlichen Glauben bewahrt
hat, obgleich das Christenthum der Abessinier Nichts mit der Lehre
gemein hat, wie sie heut zu Tage der gebildete Europäer auffasst. Zur
Zeit der portugiesischen Expedition unter Rodrigo und Alvares fanden
diese zwar viele Anknüpfungspunkte mit der abessinischen Religion, aber
weil damals in Europa die christliche Religion fast nur in
Aeusserlichkeiten bestand, konnte sich Alvares darüber wundern, dass die
Messe nicht ganz wie bei den Portugiesen abgehalten wurde, dass man
ausser der ersten eine alljährliche Taufe beobachte, dass man die
Beschneidung beibehalten habe und ausser dem Sonntag den Samstag heilig
halte. Zu unserer Zeit, wo man im Christenthum etwas ganz Anderes sieht
als die Beobachtung äusserer Gebräuche, würden wir höchstens sagen, die
Abessinier seien dem Namen nach Christen, dem Wesen nach aber Islamiten
oder Juden, d.h. Solche, deren Religion sich nur auf die Vollziehung
äusserer Gebräuche basirt.

Aber nicht nur sein Volk ist es, was uns Abessinien so interessant
macht, das Land selbst, die Pflanzen- und Thierwelt, die es
hervorgebracht hat, müssen uns das grösste Interesse einflössen.
Abessinien ist in Afrika ein Land für sich, was die Schweiz für Europa
ist, ist es für Afrika, und wenn wir die Schweiz und Tyrol ein sehr
durchschnittenes Gebirgsland nennen, so ist Abessinien ein Chaos.

Am 17. April verliess ich die Armee bei Arodje, um noch denselben Tag im
Baschilo zu lagern. Die steilen Ufer dieses Flusses, welcher ein mehrere
tausend Fuss tief eingeschnittenes Bett hat, liessen es mir meiner
Transportthiere halber wünschenswerth erscheinen, die Etappe
Arodje-Talanta in zwei zu trennen. Wir hatten vom Lager bis an den Fluss
nur einige Meilen, aber entsetzlich genug war dieser Weg: der Auszug der
entwaffneten Armee Theodor's dauerte nun schon seit drei Tagen, hier
sterbende Menschen, dort von ihren Eltern verlassene Kinder, hier eine
in Verwesung übergehende Leiche, dort ein Gerippe und auf jedem Tritt
und Schritt das Aas eines Pferdes, Esels oder Maulthieres. Der Weg nach
dem Baschilo war so begangen wie einer der frequentesten Zugänge zu
einer europäischen Hauptstadt; da kamen Elephanten, welche die grossen
Armstrong-Kanonen und Mörser, unnütz wie die Elephanten selbst in der
Expedition, transportirten, hier eine Abtheilung englischer Soldaten,
dort Auswanderer aus Magdala, hier die ehemaligen Gefangenen, der Syrier
Rassam und Herr Cameron, durch seine langen Entbehrungen entkräftet,
dort die übrigen Europäer, die bei König Theodor gelebt hatten; Herr Dr.
Schimper in seinem rothseidenen Ehrenkleide, auf einem Maulthiere
reitend (letzte Geschenke des verstorbenen Königs), mit seinem spitzigen
Hute und langem weissen Barte à la Tilly eher einem Zauberer des
Riesengebirges ähnlich als einem deutschen Gelehrten, hätte nicht die
lange Pfeife, die selbst auf dem Maulthiere unseren Pflanzensammler
nicht verliess, gleich den Deutschen verrathen; dann Herr Zander, einem
Patriarchen gleich mit seinem langen grauen Barte, dort eine englische
Lady, freilich nicht mehr ganz nach der letzten Leipziger Mode
gekleidet, Missionäre, die, sich in Abessinien wenig um Religion
kümmerten, denn kein Kind wurde zu einem Christen erzogen, noch irgend
eine Schule angelegt.--Alles strömte nach Norden, froh, Magdala für
immer Adieu gesagt zu haben.

Wir fanden den Baschilo etwas niedriger, als vor Zeiten, der Regen hatte
seit einigen Tagen wieder nachgelassen, wie das in Abessinien
alljährlich vorkommen soll. Abessinien hat nämlich an der Küste eine
Regenzeit, welche mit dem Regen des mittelländischen Meeres
correspondirt, dann eine sogenannte Vorregenzeit im April, endlich die
eigentliche Regenzeit, die Anfang Juni eintreten soll. Auf diese
Abnormitäten hat ohne Zweifel die Gebirgsnatur grossen Einfluss, ich
glaube aber, für Süd-Abessinien, d.h. vom 10° an südlich, würden
aufmerksame Beobachter kein Aufhören des Regens constatiren können,
sobald die Sonne den Zenith des Grades übertreten hat. Selbst nördlich
vom 12° hörten die seit Mitte April eingetretenen Regen nicht ganz auf,
nur waren sie schwächer, natürlich verminderte die Kälte der Luft bei
dem durchschnittlich über 7000 Fuss hohen Boden des Landes bedeutend die
Wirkung der senkrechten Sonnenstrahlen und somit den Niederschlag.

Wir lagerten im Baschilo, freilich nicht unter den angenehmsten
Verhältnissen: Gefangene, abessinische Auswanderer, darunter auch die
beiden Frauen von Theodor, Durenesch (weisses Gold), eine Tochter von
Ubie, und Csero Tameña, Wittwe eines früheren Galla-Chefs und nachher
zweite Frau Theodor's, Alles war bunt unter einander. Dazu die grosse
Hitze, am folgenden Morgen vor Sonnenaufgang noch 25°, während auf
Talanta um die Zeit vor Sonnenaufgang die durchschnittliche Temperatur
blos + 5° zu sein pflegt. Man möchte beinahe sagen: Es ist gut, dass die
ganze Gegend durch Theodor entvölkert ist, denn sicher würde das
Baschilo-Thal, wenn jetzt Menschen dort wohnten, eine Pest- oder
Cholera-Grube werden. Aber ein Racheengel scheint über diese Gegenden
hingegangen zu sein, kein Haus, kein Dorf, kein lebendes Wesen, ausser
auf der von den Engländern eingeschlagenen Strasse, so weit das Auge
blicken kann, eine trostlose Todtenstille, und um das Bild noch
trauriger zu machen, ist Alles pechschwarz vom Brande, kein grünes Blatt
oder Halm mehr zu sehen, und selbst die Thierwelt scheint verschwunden
zu sein, man hört kaum Singvögel, nur Affen, meist langbärtige, ziehen
in grossen Heerden bellend und kläffend an den steilen Basaltwänden hin.

Der Marsch am folgenden Tage war nicht angenehmer. Obgleich ich lange
vor Sonnenaufgang aufgebrochen war, um nicht mit dem Strom von
abessinischen Leuten zusammenzukommen, so fand ich doch den steilen Weg
zur Talanta-Hochebene hinauf eben so voll wie am Tage zuvor den nach dem
Baschilo hinunter. Dieselben Scenen wiederholten sich. Dieser Weg, den
Theodor mit so vieler Mühe angelegt hatte, um die grossen Kanonen, die
Ursache seines Unterganges, nach Magdala zu bringen, ist nichts
weniger, als was wir in Europa unter einer künstlichen Bergstrasse
verstehen, der Abfall ist meist so steil, dass ihn europäische Wagen nie
hätten befahren können. In Talanta fanden wir ein ganzes englisches
Lager vor, denn die zahlreiche Kavalerie, die Sir Robert unnützer Weise
nach dem gebirgigsten Lande der Welt mitgenommen, hatte hier
zurückbleiben müssen. Abends kam Sir Robert auch nach und bis auf eine
kleine Reserve war jetzt Alles von der englischen Armee auf dem rechten
Ufer des Baschilo. Nachdem der General am folgenden Tage noch so
freundlich gewesen war, mir zur Bewaffnung meiner Diener die nöthigen
Doppelflinten aus dem Nachlass des Königs Theodor zu geben, liess ich
die englische Armee auf Talanta zurück, um meine eigene Reise
anzutreten. Es war freilich Mittag geworden, indess hoffte ich noch
Djidda zu erreichen, um dort die Nacht zuzubringen.

Kaum hatten wir begonnen, den steilen über 3000 Fuss tiefen Abhang von
Talanta ins Djidda-Bett hinab zu steigen, als über 500 waffenlose Leute
jeden Alters und jeden Geschlechtes, Auswanderer aus Magdala oder
Ueberreste der abessinischen Armee, sich uns anschlossen um unter
unserem Schutz durch die Djidda zu gelangen. Erst am Tage vorher nämlich
war eine Abtheilung solcher Leute von raubsüchtigen Galla-Horden rein
ausgeplündert, Einige sogar getödtet und Andere verwundet worden. Die
zahlreichen Schluchten in den basaltischen Ufern der Djidda boten diesem
Gesindel die günstigsten Schlupfwinkel. Alles ging indess Anfangs gut,
ich liess den ganzen Zug von Männern, Weibern und Kindern mit ihren
Pferden, Eseln und anderem Vieh vorausmarschiren und dachte an Nichts
weniger als an einen Angriff, als auf dem Plateau von Aberkut, welches
gerade halbwegs zwischen der Talanta-Höhe und dem Djidda-Bette eine
breite Stufe bildet, die abessinischen Flüchtlinge von Leuten aus
Aberkut selbst angegriffen wurden. Da sie weit voraus waren, so konnte
ich nicht gleich verhindern, dass einige Maulthiere und Esel
weggetrieben wurden; sobald mich indess die feigen Plünderer ansprengen
sahen, von meinen mit Doppelflinten bewaffneten Dienern gefolgt, flohen
sie davon und selbst drei Thiere konnten wir ihnen wieder abjagen. Etwas
weiter stiessen wir dann noch auf Galla, aber sie hielten sich ausser
Schussweite, denn einige Kugeln, die wir ihnen nach ihrer Schlucht
hinüber sandten, trafen oder reichten nicht.

So kamen wir glücklich in die Djidda-Sohle, wo wir dies Mal fliessendes
Wasser fanden, was beim Hinmarsch nicht der Fall gewesen war. Wir
stiessen hier auf ein Detachement Elephanten, konnten also in grösster
Sicherheit die Nacht kampiren. Freilich wurde unsere Nachtruhe manchmal
durch das nahe Geheul von Hyänen oder durch das rollende Grunzen der
Elephanten unterbrochen, wir kannten jedoch die einen als unschädliche
Feinde, die anderen als beschützende Freunde. Diese gelehrigen Thiere
hatten Tags vorher die Mörser und grossen Kanonen herunter gebracht und
als sie an der Djidda ankamen, war ich gerade Zeuge, mit welchem
Wohlbehagen sie sich zur Abkühlung den ganzen Körper mit Wasser
bespritzten; auf die Stimme ihres Führers, eines indischen Soldaten,
nahmen sie sich indess wohl in Acht, auch nur das kleinste Tröpfchen auf
die Metallwaffen zu blasen, die sie mit derselben Leichtigkeit daher
trugen, wie ein preussischer Soldat seine Zündnadel.

Auch die Djidda hinauf war ich immer noch in der traurigen Lage, von
halb verhungerten und sterbenden Abessiniern aus Theodor's Armee und
Magdala begleitet zu sein, abgesehen davon, dass die Luft verpestet war
von unbegrabenen Leichen und unzähligen Kadavern von Thieren, theils vom
früheren Durchgange der Armee Theodor's, theils von dem der englischen
Armee. Ohne mich aufzuhalten, passirte ich durch Bit-Hor, wo ich ein
grosses Magazin für die englische Kavalerie eingerichtet fand, und durch
Sindi, wo unter dem Schutze des englischen Sind Horses-Regiments Alles,
was von der Armee Theodor's und den ehemaligen Einwohnern Magdala's
lebendig bis Uadela heraufgekommen war, lagerte. Der Anblick dieser
dahin sterbenden Menschenmasse berührte mich so, dass ich trotz der
Erschöpfung meiner Maulthiere weiter ritt; wie aus dem Bereiche der
Abessinier Theodor's kam ich damit zugleich aus dem Bereiche der
englischen Armee. Was, dachte ich, wird aus diesen elenden Menschen, die
heute noch unter dem Schutze des englischen Namens dahin ziehen, wenn
sie morgen allein ihren abessinischen Brüdern gegenüber stehen? Meist
aus Begemmder und den Gegenden von Tabor und Dembea haben sich die
Soldaten durch ihre Mord- und Gewaltthaten so verhasst gemacht, dass
Niemand Mitleid mit ihnen haben wird. Aber selbst wenn Keiner als Opfer
der Blutrache fällt, werden die Meisten umkommen, denn nur wenige haben
Lebensmittel und diese mit Gewalt zu nehmen, wie es früher Gewohnheit
dieses Gesindels war, dafür hatte Sir Robert Napier dadurch gesorgt,
dass er ihnen auch die geringsten Waffen hatte abnehmen lassen. Nach
einer ungefähren Schätzung der kleinen schwarzen Zelte, welche in Sindi
aufgeschlagen waren, und nach früheren Ueberschlägen, als ich diese
Menschenmasse während drei Tagen von Magdala herunter strömen sah,
musste ich die Zahl derselben auf 50 bis 60,000 schätzen.

Ich ging noch an demselben Abend bis Abdikum, wo ich dicht bei dem Dorfe
und an der Seite der steilen Basaltblöcke, auf welche die Kirche erbaut
ist, mein Zelt aufschlug; freilich hatte ich nicht verhindern können,
dass einige bettelnde Abessinier aus Magdala sich mir anhingen, sie
behaupteten, denselben Weg gehen zu wollen, wie ich. Abdikum ist ein Ort
von ziemlicher Ausdehnung, wie alle Ortschaften in hiesiger Gegend
weitläufig gebaut sind, der Art, dass eine Menge kleiner Hütten Gehöfte
bilden, in denen drei oder noch mehr Familien zusammen hausen. Die
Kirche von Abdikum hat nichts Merkwürdiges, wie die meisten in
Abessinien ist es eine grosse runde Hütte, von Stroh roh überdacht und
mit einem äusseren Gange umgeben, der für die Weiber bestimmt ist,
welche die Kirche selbst nicht betreten dürfen. Im Inneren befindet sich
das Allerheiligste, viereckig inmitten aufgemauert und der Art, dass der
Hochaltar gegen Osten gerichtet ist. Das Allerheiligste, oft durch
hölzerne Thüren verschlossen, meist aber nur durch Vorhänge aus Kattun
abgetrennt, darf nur von ordinirten Priestern betreten werden. Zwei
längliche Steine, die hart sein müssen, damit sie einen hinlänglich
starken Klang geben, und die meist in den Zweigen der Bäume hängen,
welche jede abessinische Kirche beschatten, dienen als Glocken,
wirkliche findet man nur in den reichsten Kirchen. Einige Räucherfässer,
Kreuze, grosse Folianten aus Pergament, die Kleider, welche die Priester
bei den Messen und Hochämtern umlegen, Trommeln und eiserne Handschellen
sind der ganze Apparat einer jeden abessinischen Kirche und je nach
Alter und Grösse sind sie mehr oder weniger reich dotirt, aber es giebt
einige, die selbst nach europäischen Begriffen wirklich reich
ausgestattet sind.

Derartig war die Kirche in Abdikum nicht, sie gehörte zu den weniger
begünstigten; was mich aber verlockte, am anderen Morgen früh hinauf zu
klettern auf die wunderlichen Felsblöcke, das war die unvergleichliche
Aussicht, die man dort auf die hohen Gebirge südlich von Magdala hat,
die Kollo-Berge, und um einen letzten Blick auf Magdala selbst zu
werfen.--Im Bereiche der englischen Armee war natürlich Alles theuer,
die Leute hatten sich daran gewöhnt, Alles mit Silber aufgewogen zu
bekommen, und so lebte ich in Abdikum an dem Tage für sieben
Maria-Theresia-Thaler und hatte dafür Brod, Gerste, Butter, eine Ziege
und Honig und als Gastgeschenk am Morgen etwas Milch zum Kaffee.

Am anderen Morgen schlug ich einen neuen Weg ein, anstatt nach Sentara
zu gehen, um dem englischen Armeeweg zu folgen, schlug ich die Richtung
von 330° ein und langte über eine gewellte Gegend, die reich mit
Gehöften und Heerden bedeckt war, Abends am Rande des Uadela-Plateau's
an. Wir hatten die grossen Orte Tebabo und Boa passirt und obgleich die
Gegend keineswegs schön zu nennen war, denn es fehlte die Abwechselung,
so wurde doch das Auge erfreut durch grosse Heerden schwarzer Schafe,
durch Leute, die friedlich den Pflug handhabten (_von allen schwarzen
Völkern sind die Abessinier die einzigen, die den Pflug bei sich
eingeführt haben_); man sah, der Krieg war vorbei, es herrschte hier
Sicherheit und Friede. Der Rand des Uadela-Hochlandes ist steil und
basaltisch, er fällt bei Sindina, wo wir am Abend lagerten, in
NNO.-Richtung gegen den Takaze zu ab und man hat von hier aus die
entzückendste Aussicht auf den Takaze und die Schedeho-Landschaft. Die
Abessinier rechnen zwar Sindina nicht mehr zu Uadela, sie bezeichnen
vielmehr mit diesem Namen nur das Land zwischen Schedeho und Djidda,
aber im geographischen Sinne ist die Hochebene, welche zwischen dem
Takaze und der Djidda liegt, nicht davon zu trennen, es ist ein
zusammenhängendes Ganze. Ganz anders verhält es sich mit Talanta und
Daunt, welche beiden Tafelberge durch einen tiefen Einschnitt von
einander getrennt sind; überdiess ist Daunt wenigstens 500 Fuss tiefer
als Talanta. Sindina ist ein grosser Ort oder Distrikt, wenn man so
will, wie Abdikum, Tebabo und Boa.

Ein schweres Stück Arbeit blieb nun zu thun übrig, denn wenn die
Durchgänge durch Beschilo und Djidda auch mit grossen Schwierigkeiten
verknüpft gewesen waren, so hatten wir doch einen Weg vorgefunden
gehabt; da, wo Theodor seine grossen Kanonen hinab und hinauf gebracht
hatte, konnten wir natürlich mit unserem leichten Gepäck auch
fortkommen. Aber es handelte sich nun darum, das steile Ufer bis an den
Takaze hinab zu klimmen, wo nur ein kleiner Pfad für Menschen vorhanden
war. Nachdem der alte Führer verabschiedet und ein neuer gemiethet war,
machten wir uns früh Morgens auf.

Der Weg war natürlich der Art, dass an Reiten nicht zu denken war. Jede
Wendung um einen der zackigen Felsblöcke bot ein anderes Bild und
entschädigte reichlich für die Mühe und Arbeit, die man durch das
Herabklettern hatte. Freilich waren meine Burschen nicht so zufrieden,
denn oft mussten die Maulthiere abgeladen und Kisten und Pakete auf dem
Kopfe weiter geschafft werden. Mir selbst passirte das Unglück, dass
bei einem Sprung von einem Felsblock mein Taschenkompass aus dem Rock
flog und unwiederbringlich in einen tiefen Abgrund geschleudert wurde.
Wir trafen hier auf die seltsamsten Basaltsäulen, die ich je in Afrika
vorgefunden habe und wie sie vielleicht nur noch in der Fingal-Grotte
anzutreffen sind; mehrere Hunderte von steinernen Mastbäumen, ca. 50
Fuss hoch und alle von einander getrennt, bildeten einen Basaltwald, wie
man ihn nirgends schöner finden kann. Das Herabsteigen nahm uns,
obgleich der Weg wohl kaum mehr als 6 englische Meilen lang war, bis
Mittag in Anspruch, dann erst standen wir an den rieselnden Wassern des
Takaze, der hier vollkommen in Westrichtung fliesst. Als wir hier einen
Augenblick rasteten, kamen zwei Leute auf uns zu und fragten, wo der
Negus inglese (Sir Robert Napier) sich aufhalte. Auf meine Gegenfrage,
was sie von ihm wünschten, sagten sie, dass Meschascha schon seit Jahren
fünf von ihrer Familie gefangen halte und sie des englischen Negus
Fürsprache zu deren Befreiung anflehen wollten. Als ich dann fragte,
warum Meschascha dieselben im Gefängniss halte, erwiderten sie: "Weil
wir reich sind, wir wollen aber lieber dem Negus inglese zahlen als
Meschascha, denn dann wissen wir, dass sie wirklich befreit werden." Ich
sagte ihnen, dass Sir Robert Napier, falls er die Sache so fände, wie
sie aussagten, auch ohne Geld ihnen Gerechtigkeit angedeihen lassen
würde, und unterrichtete sie dann, wo sie ihn treffen würden.
Gelderpressungen sind in der That in Abessinien eben so zu Hause wie in
der Türkei und Aegypten.

Noch ein Trunk vom herrlichen Takaze-Wasser und dann ging es weiter nach
dem grossen Dorfe Salit, wo man uns gastlich aufnahm und eine Hütte
anbot. Die Hütten sind in der Gegend vom Takaze bis Sokota alle sehr
leicht aus Reisern und Zweigen gebaut und mit Stroh gedeckt, während in
den höheren Gegenden die Wände aus Stein, durch Thon zusammengehalten,
aufgeführt werden. Für das hiesige Klima reicht diese leichte und
luftige Bauart vollkommen aus, denn bei einer Höhe von 5 bis 6000 Fuss
über dem Meere hat das Thermometer in der Regenzeit sowohl als in der
trockenen selten unter 15° vor Sonnenaufgang. Eine Schwester
Meschascha's, des derzeitigen Fürsten von Lasta, schickte mir Abends
einen grossen Krug Busa oder Gerstentrank, der indess einem europäischen
Gaumen gar nicht munden will, obwohl die Abessinier grosse Liebhaber
davon zu sein scheinen. Um sich aufzuregen, müsste man solche
Quantitäten zu sich nehmen, dass ein europäischer Magen gar nicht im
Stande wäre, sie zu halten. Ueberdiess widersteht Einem schon die
chokoladenartige Farbe.

Die Gegend um Salit ist hügelig und von einem Halbkreise hoher Berge der
Art eingeschlossen, dass Amba Terrasferri den südlichen und Amba
Ascheten, an dessen Westabhange Lalibala liegt, den nördlichen
Stützpunkt dieses Halbkreises bildet. Sehr arm an Gras, wenigstens in
dieser Jahreszeit, ist die Gegend dafür gut mit Buschwerk, meist
Akazien, bewachsen. Das Gestein ist überall vulkanischer Natur und von
derselben Beschaffenheit wie am gegenüberliegenden linken Takaze-Ufer.

Von Lalibala trennte uns nur noch Ein Marsch. Auf halbem Wege
überschreitet man den beständig Wasser führenden Fluss Katschenave, der
östlich beim Orte Aritatta entspringt und in den Takaze fällt. Ein Ort
gleichen Namens liegt an beiden Seiten des Flusses, wo wir ihn
überschritten. Der Weg war an dem Tage ziemlich gut, wenn von guten
Wegen überhaupt in Abessinien die Rede sein kann, und sanft stiegen wir
den Abhang des mächtigen Ascheten-Berges hinauf, wo der grosse Ort
Laktalab liegt.

Je mehr ich ins Land hinein kam, desto höflicher fand ich die Bewohner.
Das war sicher Folge der Einnahme von Magdala und von Theodor's Tod.
Niemand in Abessinien hatte ihn anzugreifen gewagt, selbst als er schon
in den letzten Zügen lag, als ganz Abessinien, alle Provinzen von ihm
abgefallen waren, und da kam nun ein so kleiner Haufen "Frengi", wie die
Abessinier die Europäer schlechtweg nennen, und machte diesem
gefürchteten Fürsten, der im Bunde mit dem Teufel zu stehen vorgab, in
Einem Tage das schrecklichste Ende. Hatte man vorher über die Frengi
gespottet, ihnen nachgerufen: "Theodor wird Euch alle köpfen", und
anderes dummes Zeug mehr, so hatte sich jetzt die Verachtung in grösste
Hochachtung verwandelt und ich kann mir denken, wie die eitelen und
prahlerischen Abessinier, die sich wie die Araber und Juden für ein von
Gott auserwähltes Volk halten, innerlich darunter leiden mussten, so vor
einem kleinen Haufen Europäer gedemüthigt zu stehen. Waren sie froh,
ihren Erzfeind Theodor los zu sein, so musste dies eitle Volk doch
innerlich einen heissen Neid fühlen, dass sie dies nicht selbst hatten
bewerkstelligen können. Indess äusserten sie dies nicht laut, im
Gegentheil nie sah ich ein Volk demüthiger und kriechender als jetzt.
Nicht genug, dass sich alle Alle, die uns begegneten, so verbeugten,
dass die Hände vorn bis auf die Erde reichten, ein Gruss, den sie sonst
nie einem Europäer, sondern nur ihren Fürsten erzeigen, gingen sie immer
mit uns, bis ihnen meine Diener zuriefen, ihres Weges zu ziehen. Ich
wusste Anfangs nicht, was dies zu bedeuten habe, bis man mir sagte, dass
dies das Zeichen der grössten Hochachtung sei. Dicht vor der berühmten
Kirchenstadt begegnete uns ein alter ehrwürdiger Priester, in einer Hand
einen Sonnenschirm, in der anderen einen Kranz tragend, vor der Brust
hatte er ein dickes Pergamentbuch hängen; er gab mir seinen Segen und
sagte dann, ich solle getrost in den heiligen Wallfahrtsort einziehen,
ich sei der erste Frengi, der nach dem Tode Theodor's nach Lalibala
käme, und das brächte mir grosses Glück und Segen.

Ich stieg in Lalibala bei Bischur, dem Schum oder Vorsteher des Ortes
ab, der mir eine seiner Hütten zur Disposition stellte, welche für
gewöhnlich den Kühen zum Aufenthalte diente. Eine bessere Menschenhütte
schlug ich aus, weil ich die Erfahrung gemacht hatte, dass die
Abessinier nicht nur wie die Araber, Berber und andere Völker
Nordafrika's reichlich mit Läusen und Flöhen gesegnet sind, sondern auch
jede Hütte, welche Menschen beherbergt hat, von Wanzen wimmelt. Ich habe
in der That oft den Schmutz der Araber und Berber bewundert, wie
namentlich die Bewohner der Grossen Wüste Jahre lang nicht daran denken,
sich oder ihre Kleider zu waschen. Dann aber entschuldigte ich sie
manchmal mit dem constanten Wassermangel, aber hier in Abessinien
übertrifft der Schmutz der Bewohner Alles, was vorkommen kann. Die
Weiber und Männer schmieren sich fingerdick die Butter in die Haare,
welche nur ein Mal im Leben bei den Frauen zu kleinen Tressen geflochten
werden; kommt die Sonne, so trieft die Butter auf Körper und Kleidung,
so dass diese bald eine so dunkle und schmutzige Farbe wie der Körper
annimmt. Erst wenn Alles in Fetzen fällt, werden die Kleider abgelegt.

Nachdem ich mich etwas gestärkt, ging ich, die verschiedenen Kirchen zu
besuchen, welche schon das Staunen der Portugiesen erweckten und die in
Wirklichkeit nicht ihres Gleichen in der Welt haben, denn alle Kirchen,
die man in Lalibala bewundert, sind Monolithen. Obgleich die Portugiesen
alle dem König Lalibala als Urheber zuschreiben, so ist das offenbar ein
Irrthum, denn im Baustyl der verschiedenen Kirchen ist ein älterer
roherer und jüngerer feiner Styl unverkennbar. Lalibala hat jedoch
offenbar einen grossen Antheil an den merkwürdigen Bauwerken dieses
Ortes und jedenfalls wird wohl die Kirche die seinen Namen führt, von
ihm herrühren. Ich wurde von den Mönchen und Priestern mit der grössten
Bereitwilligkeit aufgenommen und vom Ausziehen der Schuhe oder sonstigen
Forderungen, wie sie früher wohl die Priester anderer Kirchen an mich
gestellt hatten, war hier keine Rede, ja in allen Kirchen führte man
mich ins Allerheiligste oder an den Hauptaltar. Ich bemerke hierbei,
dass das Allerheiligste, wie wir es jetzt in allen neuen abessinischen
Kirchen, d.h. auch in solchen, welche schon mehrere Jahrhunderte alt
sind, streng abgemauert und von der übrigen Kirche abgeschieden finden,
wie es bei dem jüdischen Tempel in Jerusalem der Fall war, in den ersten
Zeiten des Christenthums in Abessinien nicht gekannt war; alle Kirchen
in Lalibala, wie wir sie heute finden, haben einen einfachen Hauptaltar,
wie es in allen anderen christlichen Kirchen der Fall ist. Ueberhaupt
sieht man diesen Gebäuden ihren echt christlichen Charakter an, während
man bei den neuen abessinischen Kirchen erst wissen muss, dass sie
christliche Gotteshäuser sein sollen, von selbst würde kein Europäer sie
dafür erkennen.

Die am besten erhaltene und von allen übrigen getrennt ist die St.
Georg-Kirche; ein vollkommenes Kreuz, aus Einem Steine gemeisselt, würde
man sagen, sie sei so eben aus der Hand eines Zuckerbäckers
hervorgegangen. Jeder Arm des Kreuzes mag 40 Fuss an der Basis haben
und eben so hoch sein. Vier Säulen im Inneren stützen die Decke, welche
wie das Ganze Ein Stein und mit dem Ganzen Ein Stein ist. Die grösste
und ursprünglich die vollendetste ist die dem Medanheallem oder
Weltheiland gewidmete Kirche. Es ist dies eine vollkommene Basilika und
man kann in Harmonie der einzelnen Theile zum Ganzen nichts Schöneres
finden. Auch die Emanuel-Kirche ist vollkommen in ihren Formen: 24
Schritt lang und 16 breit hat sie ca. 40 Fuss Höhe, wie alle übrigen ist
sie aus Einem Steine gemeisselt. Die älteste scheint die Aba
Libanos-Kirche zu sein, dann die in kolossalen Aushauungen
ausgemeisselte Mercurius-Kirche. Ausserdem giebt es hier noch eine
Gabriel-Kirche und eine Marien-Kirche, welche mit der Debra Sina- oder,
wie sie auch genannt wird, Golgatha- und Lalibala-Kirche zusammenhängt.
Der König Lalibala liegt in der Golgatha-Kirche begraben, wo auch ein
anderer berühmter Heiliger Abessiniens, Selasse, seine Grabstätte hat.
Bei vielen dieser Kirchen hat der vulkanische Stein, aus dem das ganze
Terrain in und um Lalibala besteht und aus dem auch diese merkwürdigen
monolithischen Kirchen gehauen sind, der Witterung schlecht
widerstanden, und da die jetzige Generation wie viele vor ihr Nichts zur
Erhaltung dieser merkwürdigen Bauwerke thut, so gehen sie rasch ihrem
Untergange entgegen. Vollkommen gut erhalten ist nur noch die
Georg-Kirche. Die prächtige Medanheallem-Kirche dagegen, die früher von
aussen mit einem Säulengang umgeben war, dessen 40 Fuss hohe Säulen aus
demselben Blocke wie die Kirche gehauen waren und daher mit ihr
zusammenhingen, hat jetzt nur noch vier dieser Säulen aufrecht stehen,
alle übrigen sind von der Kirche abgefallen. Es wäre an der Zeit, dass
Etwas für diese merkwürdigsten Denkmäler alter christlicher Baukunst
geschähe.

Mit der grössten Freundlichkeit und Bereitwilligkeit wurde mir Alles
gezeigt; hier war es eine Glocke, dort ein Räuchergefäss, hier eine
Kirchenkrone, dort ein Kreuz, was ich bewundern musste, und die Toleranz
dieser Priester ging sogar so weit, dass mein mohammedanischer Diener
Abd-er-Rahman, der meinen Dolmetsch machte, überall mit hingehen durfte.
Ja, in der Georg-Kirche musste ich sogar den Mantel des heiligen Georg
selbst umbinden, es waren freilich nur noch Fetzen und er sah
entsetzlich schmutzig und verdächtig aus, die guten Priester bestanden
aber so sehr darauf, mir dadurch den Segen ihres Patrons zu Theil werden
zu lassen, dass ich, um nicht als Ungläubiger zu gelten, mich noch froh
stellen musste, diess widerliche Gewand während meines Besuches in der
Georg-Kirche umzuhaben. Viele dieser Kirchen sind sehr gut dotirt, die
Marienkirche hat sogar Glocken und in anderen findet man Geräthe, die
jeder europäischen katholischen Kirche Ehre machen würden.

Der ganze Tag ging natürlich damit hin, diese Wunderbauten zu besehen,
und als ich spät Abends nach Hause kam, fand ich meinen Wirth vor der
Thür mit einem grossen Topf voll Tetsch. Dies ist Hydromel oder saures
Honigwasser, ein angenehmes und im Stadium des Gährens starkes Getränk,
das man aber nur bei vornehmen Abessiniern bekommt, da seine Herstellung
für die gewöhnliche Klasse zu kostspielig ist.

Auch am folgenden Tage zog es mich wieder zu den Kirchen, ich konnte
mich nicht satt sehen an diesen Wunderbauten, und so konnte ich auch
Zeuge sein, wie eine grosse Anzahl armer Menschen, Bettler und Reisende,
vor der Marienkirche gespeist wurden; dies geschieht alle Tage um
dieselbe Zeit, die Kirchen haben dazu reiche Gründe, viele Einnahmen von
den Ein- und Umwohnern Lalibala's und wohlhabende Pilger tragen Geld und
andere Gaben zu. Der Klerus aller dieser Kirchen, die Mönche mit
eingerechnet, ist indess auch bedeutend und kann sich auf ein Paar
hundert Personen belaufen.

An sonstigen Merkwürdigkeiten hat Lalibala die sieben Oelbäume
aufzuweisen, die ganz jung von Jerusalem hierher verpflanzt, jetzt
grosse, stattliche Bäume geworden sind. Ihr Alter muss jedenfalls
bedeutend sein, denn von einem ist nur noch ein Stumpf übrig und zwei
andere sind zu Einem verwachsen. Ein Hügel, von einem Baume
überschattet, Debra Siti genannt, wurde mir als bemerkenswert gezeigt,
weil hier der König Lalibala gelehrt and gepredigt haben soll. Ein
einfaches steinernes Kreuz auf dem Wege zur St. Georgkirche wurde mir
auch besonders gezeigt, doch konnte mir Niemand sagen, was es für eine
Bewandtniss damit habe.

Lalibala ist auf sieben Hügel an einem der Westabhänge des mächtigen
Ascheten-Berges gebaut, dessen Höhe 10,000 Fuss betragen kann. Selbst
7000 Fuss hoch hat es ein köstliches Klima und die Bäume, welche die
Hütten überschatten, die reizende Lage machen es zu einem wahren
Paradies. Es mag jetzt circa 12 bis 1500 Seelen haben, war aber dereinst
gewiss bedeutend grösser. Zahlreiche Gänge in den Felsen, Ueberreste von
alten Kirchen, von denen alle Ueberlieferung verschwunden zu sein
scheint, viele Ruinen von Wohnungen, die besser construirt waren als die
jetzigen, deuten genugsam an, dass Lalibala vordem ein anderer Ort war
als gegenwärtig, wenn nicht schon die Kirchen Zeugniss dafür ablegten.

So interessant nun auch der Aufenthalt in dieser Kirchenstadt war, so
zuvorkommend die Leute im Allgemeinen sich zeigten, reiste ich doch
Nachmittags weiter, da ich keinen Augenblick Ruhe hatte. Hunderte von
Menschen belagerten um Arznei bittend meine Thür und obschon ich Alle zu
befriedigen suchte, diesem ein Brechmittel, jenem ein anderes Medikament
gebend, so war an ein Alleinsein keinen Augenblick für mich zu denken.

Indess gingen wir an jenem Tage nur nach dem drei engl. Meilen westlich
von Lalibala gelegenen Orte Schegala, das wie Ascheten und Medadjen zum
Lalibala-Distrikt gehört. Man steigt auf einen Ausläufer des Ascheten
herab, gewissermassen die Fortsetzung desselben Sporns, auf welchem
Lalibala liegt, und hat nördlich fortwährend das liebliche
Medadjen-Thal, voller Gehöfte und Felder, welche von Hecken und
Buschwerk bordirt sind, so dass es Einem ganz heimathlich ums Herz wird.
Das Medadjen-Thal wird von Bergen gebildet, die sich vom Ascheten aus
durch Norden ziehen und deren Hauptspitzen der Selembie, Adeno und
Dogussatsch sind. Bei Schegala erhält das Thal einen bedeutenden Zweig
von Süden und zieht so verstärkt unter dem Namen Gebea-Ebene dem Takaze
zu. Kein Berg ist schöner bewaldet in Abessinien als der Ascheten und
diess erhöht natürlich die paradiesische Lage Lalibala's, aber wurde je
eine Stadt der Priester, ein religiöser Mittelpunkt in reizloser Gegend
angelegt? Mekka bildet in dieser Beziehung für uns eine Ausnahme, aber
ist für den Araber die Wüste nicht Alles, freut sich nicht alljährlich
der Araber, wenn er im Frühjahr den fruchtbaren Teil mit der endlosen
Sandebene, wo nur hier und da ein Grashalm keimt, vertauschen kann?

       *       *       *       *       *

Mein Weggehen von Lalibala hatte mir indess wenig genützt, die Leute
begleiteten mich, ich hatte einen Schwarm von fünfzig um mich, Lahme,
Blinde, Aussätzige, Alles wollte von dem Frengi profitiren. Es war wie
in Tafilet, wo man mir eines Tages in Ertib die Kleider zerriss, um
Arznei zu bekommen.

So angenehm die Lage von Schegala ist, was Klima und Schönheit der
Gegend anbetrifft, eine so unangenehme Nacht brachte ich zu. In der
Voraussetzung, in einer der luftigen Hütten, in welcher noch dazu in
letzter Zeit Kühe gewesen waren, sicher vor allem Ungeziefer zu sein,
hatte ich meine Teppiche auf das abessinische Rohrlager gebreitet, aber
nach Mitternacht wachte ich auf und fühlte, dass ich an hundert Stellen
gebissen und gestochen wurde; eine Legion Wanzen war aus dem alten
Ruhebett hervorgeeilt und hatte sich meines Körpers bemächtigt. Wenn ich
nicht meine noch müderen Diener aufwecken wollte, musste ich Geduld
haben, und die hatte ich, freilich mit grossem Blutverluste, bis der
Morgen graute.

Bis Bilbala-Gorgis zieht sich der 12 engl. Meilen lange Weg durch eine
überaus reizende Gegend. Sie ist mit hohem Buschwerk reichlich
bewachsen, unter dem üppiges Gras gedeiht, und im Osten hat man immer
einen hohen Gebirgszug, von dem die höchsten Spitzen Dogussatsch,
Selatit und Aderho heissen, während die zu übersteigenden Hügel relativ
nicht mehr als 1000 Fuss haben. Die zahlreichen, dem Takaze tributären
Rinnsale führen in Folge des gut bewaldeten Bodens alle Wasser. Sobald
man den Wukara-Fluss passirt hat, kommt man auf dessen rechtem Ufer zu
der reizenden Ruine einer zerstörten Kirche. Aus Quadersteinen
aufgeführt stehen einige Mauern noch ganz und zeigen jene kleinen
Fenster mit steinernen Kreuzen wie die Kirchen in Lalibala, überhaupt
scheint sie aus derselben Epoche und von denselben Baumeistern
herzurühren. Das Innere ist mit Schlingpflanzen bedeckt und wilde
Olivenbäume überschatten das Ganze. Das Volk schreibt die Erbauung der
Kirche natürlich, wie alles Grossartige, dem König Lalibala zu.

Bilbala-Gorgis ist eine weitläufige Ortschaft und weil zufällig die
ersten Gehöfte mohammedanischen Bewohnern zugehören, so wies man mir die
Moschee, eine kleine runde Hütte, als Absteigequartier an. Diese
Mohammedaner waren von Theodor aus Tigre hierher versetzt worden und
seines Todes froh bereiteten sie sich jetzt zur Rückkehr in die Heimath
vor. Fleissig wie alle Mohammedaner in Abessinien im Gegensatz zu den
faulen Christianos, wie sich die Christen nennen, besass jede Familie
einen Webestuhl. Sie waren natürlich äusserst tolerant und hatten nichts
dagegen, dass ich rauchte und Tetsch trank, zwei sonst in den Moscheen
streng verbotene Dinge. Als ich ihnen aber Abends zum Gebete für einen
Augenblick die Hütte räumte, genirte sich einer nicht, mir während
seiner Andacht mein Doppelglas zu stehlen, was ich leider erst am
anderen Morgen merkte, als wir schon weit vom Orte entfernt waren.
Ausser diesen hierher verpflanzten Mohammedanern giebt es keine in
Bilbala-Gorgis und es ist bezeichnend für die mohammedanische Religion,
dass überall, wo auch nur einige Familien sich finden, sie sich gleich
eine Moschee errichten, und selbst ein einzelner Mohammedaner, wenn er
fest unter Andersgläubigen wohnt, hat sicher seinen besonderen Betplatz.
Sie lebten hier übrigens ganz auf gleichem Fusse mit den Christen und
hatten keinerlei Beschränkung oder Unduldsamkeit zu erleiden.

Der folgende Tag war für uns ein recht beschwerlicher. Anfangs behielt
die Gegend ihre liebliche Natur bei, vom Terrassa-Pass an wurde sie aber
so zerrissen und wild, oft zwar grossartig, dann aber auch wieder
traurig, dass man nicht wusste, welchen Gefühlen man Raum geben sollte.
Vom Terrassa-Pass war, so weit das Auge blicken konnte, Alles durch
Waldbrand zerstört und die trostlose Traurigkeit der Gegend wurde noch
erhöht durch das schwarze vulkanische Gestein. Ohne Wasser, wie die
Gegend war, musste ich bis an den Mari-Fluss reiten, der indess auch
kein fliessendes Wasser hatte, sondern nur Pfuhle. Mit dem Mari-Fluss
beginnt die Agau-Sprache, ein von den beiden anderen in Abessinien
herrschenden Sprachen, dem Tigre und Amhara, verschiedenes Idiom. Das
Volk unterscheidet sich sonst in Nichts von dem übrigen und wenn sie
selbst auch unter sich Agauisch sprechen, so verstehen doch Alle die
beiden anderen Sprachen. Nordwärts erstreckt sich die Sprache bis an den
Distrikt Abergale, im Westen bis Semien, im Osten bis an den Aschangi.

Das Torf Taba, in dem wir übernachteten, ist übrigens ein elender
kleiner Ort, die Leute leben hauptsächlich von Viehzucht, da der Boden
zu arm ist, um reichliche Ausbeute für Ackerbau zu geben.

       *       *       *       *       *

Die trostlose Gegend änderte sich erst beim Siba-Pass, bis dahin hatten
wir ein starkes Stück Arbeit. Die Zeit verstrich mit Auf- und Abladen,
weil alle Augenblicke solche Stellen vorkamen, wo meine Maulthiere mit
den Kisten nicht fortkommen konnten. Bei einer sehr schwierigen Stelle
wäre beinahe einer meiner Diener umgekommen, indem das Maulthier auf ihn
sprang und die Flinte sich entlud. Mit Uebersteigung des Siba-Passes
wurde die Gegend wieder freundlicher, wenn auch der Weg nicht besser,
nur im Siba-Thal hatten wir ein Stück Weges von einigen Meilen, welches
gut zu nennen wäre, wenn ihn nicht die Büsche so beschränkt hätten, dass
ich alle Augenblicke vom Pferde steigen musste, weil ein Reiter zu
Pferde nicht unter den niedrigen Zweigen durchkommen konnte. Oben im
Siba-Thale waren Wasserlöcher mit hinlänglichem Wasser zu unserem
Frühstück, aber so viel hatte ich jetzt längst gesehen, dass, wenn auch
ein einzelner Reisender mit wenigen Dienern recht gut diesen Weg von
Magdala über Lalibala und Sokota nach Antalo gehen kann, es _unmöglich_
gewesen wäre, eine Armee wie die Englische auf _diesem Wege_
fortzubringen. Wenigstens in der trockenen Jahreszeit wäre dies auf dem
von mir verfolgten Wege rein unausführbar gewesen und in der nassen
Jahreszeit würden die Regenbetten Schwierigkeiten gemacht haben.

Von hier an immer steigend kamen wir dann über den hohen Mokogo-Pass und
brachten die Nacht einige Meilen weiter nordwärts im Dorfe Belkoak zu.
Wir befanden uns hier sehr hoch, so dass wir Nachts beinahe von Kälte zu
leiden hatten. Ich wäre gern hier geblieben, da meine Thiere sehr
erschöpft waren, allein es gelang uns nicht, Getreide für sie
aufzutreiben, selbst gegen Medizin wollte Niemand Etwas hergeben. Seit 5
Jahren waren die Leute hier alljährlich von Heuschrecken heimgesucht
worden, dazu hatten in den letzten Jahren Wassermangel, der constante
Bürgerkrieg und die Gottesgeissel Theodor das ihrige gethan, Land und
Bevölkerung arm zu machen.

Wir hatten nun den hohen Pass von Biala zu übersteigen, einen kolossalen
Gebirgsstock, der von NO. nach SW. streicht. Unsere Thiere wollten
indess kaum weiter und dazu kam, dass die Dörfer, wo wir hätten
unterkommen können, weit vom Wege ablagen. Der südöstliche Abhang des
Biala-Stockes ist besser bewaldet und bewohnt als der entgegengesetzte.
Der Pass, über den man kommt, wird vom nordöstlichsten Abhänge gebildet,
der mit dem westlichen Ausläufer des Gerbako-Berges zusammenhängt. Der
Biala-Berg selbst hat drei Hauptspitzen, eine nordöstliche, eine
mittlere, welche die höchste ist, und eine südwestliche. Sein
südwestlichster Abhang steht mit dem lang gedehnten Su-Amba in
Verbindung. Das Gestein des Biala ist vornehmlich vulkanischer Natur.
Ich wäre gern im Dorfe Biala, das an der Nordostseite liegt, geblieben,
um eine Ersteigung dieses Kolosses zu versuchen, aber theils waren meine
Schuhe und Stiefel so zerrissen, dass sie einen solchen Gang nicht mehr
ausgehalten hätten, und hinauf reiten konnte man nicht, theils war das
Aneroid, welches mir bei der Trennung von der englischen Armee ein
Bekannter geliehen hatte, nur bis zu 8000 Fuss brauchbar und die
Passhöhe, welche wir bei Biala überschritten, war schon höher. Mein
eigenes Aneroid und Hypsometer waren gleich beim Anfange der Expedition
zerbrochen. Somit fiel der Hauptzweck einer Ersteigung des Biala, die
Bestimmung seiner Höhe, weg.

Wir hatten den Pass von Biala glücklich überwunden und weil wir vor uns
in hügeliger Ebene das Dorf Ohlich liegen sahen, nahmen wir uns vor,
dort die Nacht zuzubringen. Freilich wäre es besser für uns gewesen,
andere, näher liegende Dörfer aufzusuchen, aber dies erkannten wir erst,
als es zu spät war. Ein wolkenbruchartiges Gewitter brach plötzlich über
uns herein und es war unmöglich, aus ihm herauszukommen, es schien mit
uns nach Norden zu ziehen. Alle kleinen Schluchten und Rinnsale, die wir
zu passiren hatten, verwandelten sich in einem Augenblick in reissende
Giessbäche, welche mit rasender Geschwindigkeit Fuss hoch schmutziges
dickes Wasser fortrollten. Wenn ich selbst auch nicht sehr litt, da ich
vom Kopfe bis zu Fuss wasserdichte Kleider schnell überziehen konnte,
so blieb doch an meinen Dienern kein trockener Faden und alles nicht in
den Kisten befindliche Gepäck wurde gleichfalls durchnässt.

Ohlich ist ein grosser Ort und die Hütten, obgleich sehr luftig wie alle
in dieser Gegend aus Reisern gebaut, sind dicht zusammengedrängt. Die
Gegend um Ohlich ist hügelig, gut bebaut und leidlich bewohnt. Wie
überall hier ist die Bevölkerung Agauisch, indess eben so eitel, frech,
schmutzig und scheinheilig wie die Amharische oder Tigre-Bevölkerung. In
der That zeigte sich hier, wohin das Prestige der englischen Waffen von
der Vernichtung der Armee Theodor's, der Einnahme von Magdala erst
gerüchtweise gedrungen war, die freche Neugierde der Bewohner in ihrer
ganzen Unverschämtheit. Den ganzen Tag standen sie haufenweise vor der
Thüre meiner Hütte, machten über jede ihnen fremde Sache alberne
Bemerkungen und geberdeten sich so, als ob sie die allwissenden,
herrschenden Leute wären, wir anderen Europäer blos arme Schächer. Der
Schum war noch der Allervernünftigste von ihnen und am anderen Morgen
erbot er sich sogar, mich zum Statthalter von Sokota zu begleiten. Diese
Stadt war jetzt nahebei, nur ein Marsch von einigen Meilen trennte uns
noch. Natürlich zog unser Ortsvorsteher seine besten Kleider an, indess
bildeten eine neue weisse Hose, nach Art der Europäischen gemacht (nicht
weit wie die orientalischen), und ein grosses weisses baumwollenes
Umschlagetuch mit breitem rothen Streife seinen ganzen Anzug; aber er
war doch reinlich. Er trug Nichts als einen kleinen Sonnenschirm von
Stroh, ohne den kein Abessinier daher kommt, denn alle gehen barhäuptig,
aber hinter ihm lief ein kleiner Knabe, der seinen Spiess und Schild
trug. Unser Schum war alt und seine krausen Locken schneeweiss, er
unterliess deshalb auch nicht, mich zu bitten, langsam zu reiten, da er
sonst nicht folgen könne.

Der Weg von Ohlich nach Sokota bietet nichts Besonderes dar, ausser dass
man einen Hügelzug übersteigen muss, dessen höchster Punkt man beim
Telela-Pass erreicht. Die Gegend ist gut bevölkert und die grössere
Belebtheit der Strasse kündigt eine Stadt an. Auch eine Zollstation ist
noch zu passiren, wo der Statthalter von Sokota seine Abgaben in
Salzstücken erhebt. Jedes beladene Maulthier giebt 6, jeder Esel 3
Stück. Diese Salzstücke, hier in Abessinien die kleine Münze, haben je
nach der Entfernung von den Küstenebenen, von woher sie kommen, einen
verschiedenen Werth; in Lalibala wechselte ich gegen einen
Maria-Theresia-Thaler 6 Stück ein, früher in Antalo 16, in Adigrath und
Senafe 30, und ehe die Europäer in Abessinien waren, erhielt man dort
sogar 60 Stück. Jedes Stück Salz, die alle eine und dieselbe Form haben,
wiegt ungefähr ein Pfund. Natürlich liess man mich und meine kleine
Karawane unbelästigt den Zoll passiren.

Der Ortsvorsteher von Ohlich, der vorausgelaufen war, um mich beim
Statthalter von Wag und Gouverneur von Sokota, Namens Borah,
anzumelden, kam nun zurück in Begleitung eines Anderen, der etwas
Arabisch radebrechte und sich als ein von Munzinger an den Fürsten von
Tigre abgeschickter Bote auswies, und meldete, der Gouverneur erwarte
mich, damit ich ihn begrüsse. Ueber solche Frechheit entrüstet, indem es
bei allen halbcivilisirten und wilden Völkern Afrika's Sitte ist, zuerst
dem Fremden eine Wohnung anzuweisen und dann seinen Besuch zu erwarten,
antwortete ich einfach, ob man mir eine Wohnung geben wolle oder nicht,
wenn man dies nicht auf der Stelle könne, würde ich sogleich weiter
ziehen. Zudem fügte ich hinzu: "Sage dem Statthalter, dass ich noch gar
nicht die Absicht ausgesprochen habe, ihn zu besuchen, wie er also dazu
kommen könne, meinen Besuch zu erwarten?" Es kam nun auch gleich der
Befehl, mir eine Wohnung zu besorgen, und zwar eine geräumige, gut
aussehende Hütte, und kaum war ich darin einquartiert, als der
Statthalter, von einem grossen Haufen Soldaten begleitet, sich
einstellte, um mich zu besuchen. In Europa wird man es lächerlich
finden, bei uncivilisirten Völkern auf solche Ceremonien zu halten, aber
gerade durch Beobachtung solcher äusserer Kleinigkeiten erhält der
Europäer bei ungebildeten Völkern sein Ansehen und ich hatte mir einmal
zur Regel gemacht, nie in einem Lande zuerst einen Besuch zu machen,
ausser dem Fürsten selbst. Diese Völker halten selbst so sehr darauf,
dass sie eine gewisse Rangordnung darin erkennen; wer dem Anderen zuerst
einen Besuch macht, spricht damit aus, dass er den Besuchenden als
höher im Range stehend erachtet. Der Herrscher von Bornu erkennt das
dadurch an, dass er, sobald er den Besuch eines gebildeten Europäers
erhalten hat, diesem seinen ersten Minister, den Dig-ma, und andere
höhere Würdenträger des Reiches zuschickt; in seinen Augen kommt an Rang
der ihn besuchende Europäer gleich nach ihm, und ich glaubte, in
Abessinien, wo das Volk lange nicht auf einer so hohen Stufe der Bildung
steht, als in Bornu oder Sókoto, dieselben Regeln beobachten zu müssen,
auch zeigte die Erfahrung, dass ich ganz Recht hatte.[10]

Borah benahm sich äusserst freundlich und zuvorkommend, er versprach
nach den ersten Begrüssungen, mich mit Allem zu versorgen, was ich
nöthig haben würde. Sein Anzug war so schmutzig und schlecht, dass ich,
als eine Menge Leute zugleich in die Hütte traten, fragen musste, wer
der Statthalter sei; denn viele seiner Untergebenen waren besser und
reinlicher als er selbst angezogen. Zu meiner Freude lehnte er es ab,
sich auf meinen Teppich neben mich zu setzen, und begnügte sich mit dem
Boden mir gegenüber.

Nach Ordnung meines Gepäckes machte ich dem Statthalter meinen
Gegenbesuch. Er bewohnt das Haus Gobesieh's, des Schum von Wag, ein
grosses Gebäude, das nach europäischer Art gebaut, aber fast ganz
verfallen ist, wie Alles, was von Völkern herrührt, die keine Zukunft
haben; daher hat er sich als Empfanghaus eine kolossale Hütte bauen
lassen, in der er auf einer grossen Ochsenhaut an der Erde sass, während
seine Beamten, Soldaten und anderes Volk, dem er gerade Recht sprach,
ihn umstanden oder auf dem Boden hockten. Die Hütte war ringsum in der
Mauer mit Nischen versehen, in denen Pferde und Maulthiere,
wahrscheinlich die Lieblingsthiere des Herrn Statthalters, standen. Er
selbst hatte, wohl meinen Besuch erwartend, eine Art Schlafrock von
europäischem Möbelkattun übergezogen, der indess nicht reiner war als
seine übrigen Kleider.

Sokota ist einer der bedeutendsten Orte in Abessinien, die Zahl seiner
zur Agau-Bevölkerung gehörenden Bewohner mag sich auf 4 bis 5000 Seelen
belaufen. Es liegt auf mehreren Hügeln und wird in der Mitte vom
Bilbis-Flusse durchströmt, der vom Süden kommend dem Tselari zueilt.
Seinem ganzen Laufe nach hat er nur in der Regenzeit Wasser, aber bei
Sokota führt er solches immer. Die Häuser der Stadt sind besser gebaut,
wie die der umliegenden Ortschaften, obgleich auch die besten noch weit
hinter den Gebäuden der Neger Central-Afrika's zurückstehen;
vorherrschende Form ist die runde Hütte, gewöhnlich mit steinerner
Mauer, während die Bedachung nothdürftig aus Stroh hergestellt ist. Das
Geräth im Inneren besteht aus einem Rohrbette, alga oder arat[11]
genannt, einer Mühle zum Mehlmahlen, d.h. einem flachen, etwas
ausgewölbten Stein, auf dem das Getreide mit einem anderen flachen Stein
zerrieben wird, und der so in ein Thongestell eingemauert ist, dass das
Mehl unten in einen Topf fällt. Einige Töpfe, lederne Säcke, eine
Feuerstelle, Vorräthe, in grossen Krügen aufbewahrt, vervollständigen
das Ameublement.

Sokota hat nur Eine Kirche, die wie alle im Rundstyl gebaut und ohne
alle Merkwürdigkeiten ist, sie heisst Mariz-Mobila. Ein eigenes Quartier
von Mohammedanern bewohnt und aus circa 100 Häusern bestehend sagt uns,
dass es in Sokota Industrie und Handel giebt, welche beide Zweige hier
in Abessinien fast ausschliesslich in den Händen der Mohammedaner sind.
Sie bringen von der Küste Salz, Perlen und europäische Stoffe und
exportiren dafür Felle, etwas Kaffee, Wachs und Vieh. Nach unseren
Begriffen ist der Handel indess sehr unbedeutend. Die Mohammedaner
stehen unter keinerlei Zwang, haben ihre Moschee und leben mit den
Christen in bester Eintracht.

Man kann hier alle Tage Eier, Hühner, Milch, Butter, Honig, Mehl und
selbst Honigwein zu kaufen bekommen und in der Regenzeit werden Kohl,
Bohnen und Erbsen gezogen. Alle diese Artikel sind für gewöhnlich sehr
billig, aber jetzt durch die grossen Einkäufe der Engländer zu
unglaublichen Preisen gestiegen. Ich führe nur an, dass man mir hier 5
Eier für einen Maria-Theresia-Thaler anbot, doch war ich natürlich nicht
englisch genug, um auf diesen Handel einzugehen. Die Gerste war so
theuer, dass ich von Sokota an täglich für 2 Maria-Theresia-Thaler
brauchte; für l Maria-Theresia-Thaler bekam man 5 Pfund und manchmal war
auch für solch hohen Preis keine zu haben.

       *       *       *       *       *

Ich blieb zwei Tage in Sokota und genoss während dieser Zeit täglich
zwei Mal den Besuch des Gouverneurs, den ich durch das Geschenk eines
seidenen Ehrenkleides und seidener Hosen im Werthe von circa 20 Thalern
entzückt hatte. Es war dies ein Ehrengeschenk Kaiser Theodor's an Dr.
Schimper gewesen und Letzterer hatte mir diese Kleider als
Merkwürdigkeit gegeben, da sie aber zu schwer zu transportiren,
überdiess von europäischem Atlas fabricirt waren, so hatten sie keinen
Werth für mich. Borah meinte, sobald die Engländer das Land würden
verlassen haben, würde Krieg zwischen Gobesieh und Kassai ausbrechen,
das einzige Mittel zur Beendigung des ewigen Bürgerkrieges sei die
Einmischung der Engländer, nach seinem Dafürhalten würde das ganze Land
gern bereit sein, sich ihnen zu unterwerfen, und selbst Gobesieh und
Kassai würden keine Schwierigkeiten machen, den Besiegern Theodor's zu
gehorchen.

Von Sokota aus folgte der Weg Anfangs dem Bilbis und fiel rasch ab. Bei
dem reizenden Flüsschen Mai-Lomin oder Citronenquell frühstückten wir
und gingen denselben Tag bis Elfenal, das etwas östlich vom Wege liegt.
Den ganzen Tag hatten wir die entzückendste Aussicht auf das
Tselari-Thal, welche ich früher schon so sehr von Attala aus bewundert
hatte; steile Königssteine, wunderliche Felsen, im Hintergrunde der
Aladje-Stock, der Debar Ademhoni und andere kolossale Gebirgsmassen
setzten ein Bild zusammen, wie es kein anderes Land der Welt zu liefern
vermag. Der Tselari fliesst nur drei Meilen von Elfenal in
nordwestlicher Richtung mit senkrechten, tief eingeschnittenen Ufern
vorbei. Dieser Ort, noch zu Wag gehörig, also unter der Botmässigkeit
des Gouverneurs von Sokota, gewährte uns natürlich die gastlichste
Aufnahme, aber er war ärmlich und aus Furcht vor Wanzen hatte ich eine
durchlöcherte Hütte vorgezogen, wurde aber dafür nass bis auf die Haut,
denn jede Nacht gab es Gewitter.

Von hier an änderte sich das Gestein ganz und gar, statt der
vulkanischen Gebilde traf man jetzt vorwiegend Sandstein und Kalk, auch
einige andere Pflanzen kamen vor, eine Art Cactus, ein Kolkal en
miniature, im Ganzen aber entbehrte die Gegend jetzt ganz der Blumen und
des Grases, nur Buschwerk und Bäume, die Blätter zu treiben anfingen,
waren reichlich vorhanden.

Am anderen Tage hatten wir einen recht beschwerlichen Marsch. Wenn
Bergtouren schon in allen Ländern mit grossen Hindernissen verknüpft
sind, so ist dies besonders in Abessinien der Fall, wo es gar keine Wege
giebt, und an jenem Tage hatten wir durch die Schegalo-Schlucht an den
Tselari hinabzusteigen. Der eigentliche Weg in die Schlucht hinab,
wahrscheinlich ein künstlicher, war zwar recht gut, aber ganz mit
scharfen Basaltsteinen überschüttet, die vor Zeiten irgend eine
Wasserfluth hierher gebracht haben muss, da Schegalo wie die Ufer des
Tselari selbst keine vulkanische Steinformation haben. Der eigentliche
Thalweg von Schegalo war entsetzlich, unten oft durch Blöcke versperrt
oder so eng, dass wir abladen mussten, mit senkrechten, oft 100 Fuss
hohen Felswänden aus Sandstein oder Marmor, und vom oberen Anfang bis
zum Tselari mit einem Falle von circa 2500 Fuss. Dazu begegnete uns eine
Karawane von circa 3 bis 4000 Menschen aus Zamra, Samre, Abergale etc.,
die alle nach Sokota zu Markte wollten, nur mit Salz beladen, von dem
manches Maulthier 200 Stück, ein Mann aber nie mehr als 10 oder 12 Stück
trug.

In Schegalo stiess mir zum ersten Mal in Abessinien der Kuka-, Baobab-
oder Adansonien-Baum auf, und zwar stand er gerade in Blüthe. Kolossale
Exemplare bemerkte ich übrigens nicht, kein einziger hatte über 5 Meter
oder 15 Fuss Umfang, während ich in Bornu deren von 15 Meter und mehr
Umfang gesehen habe.

Endlich kamen wir an den Tselari, der hier von Osten nach Westen
fliesst und trübe thonige Wellen fortrollte, aber trotz des trüben
Aussehens war das Wasser ausgezeichnet. Leider konnten wir hier nicht
bleiben, kein Dorf war in der Nähe, und eine von Norden kommende
Schlucht hinaufsteigend, gingen wir an demselben Tage noch bis Zaka,
einem ebenfalls noch zu Wag gehörenden Dorfe. Auf dem ganzen Tagemarsch
von Elfenal an hatten wir, so weit wir sehen konnten, kein einziges Dorf
bemerkt. Obgleich mit einem Boten des Gouverneurs von Sokota versehen,
erfuhren wir hier eine sehr ungastliche Aufnahme, der Abessinier ist
gewohnt, nur in der Nähe zu gehorchen, ein Mal aus dem Bereiche der
Stimme seines Herrn kümmert er sich wenig um ihn. Dasselbe ist mit allen
halbcivilisirten Völkern der Fall, die Türkei, Marokko, Aegypten, Bornu,
welche alle ungefähr auf derselben Stufe der Gesittung stehen, zeigen
dieselbe Erscheinung. Zaka ist ein kleines Dorf am Südabhang eines hohen
Gebirgszuges nördlich vom Tselari.

Nachdem wir dies Gebirge, dessen Nordabhang mit vielen Baobas bewachsen
ist, am anderen Tage umgangen hatten, kamen wir in die grosse
Zamra[12]-Ebene, welche den Eindruck eines so eben trocken gelegten
See's macht. Mitten hindurch fliesst der Zamra-Fluss, derselbe, der
weiter nach Osten Garab Dig Dig genannt wird und von Messino kommt. Die
Zamra-Ebene ist gross, gewellt und spärlich mit Gras, reichlich mit
Mimosenbuschwerk bewachsen, überall liegen Thonschiefer, Alabaster und
Glimmerschiefer offen zu Tage. Wie ganz Abessinien ist sie sehr schwach
bevölkert. Ich traf hier am Flusse, der gleichfalls vom Regen
angeschwollen war, zum ersten Mal den Hadjilidj-Baum, auch trat von hier
an die Kranka-Euphorbie wieder auf und die schlangenartige
Pfeilgift-Euphorbie war jetzt auf Schritt und Tritt zu sehen. Wir
blieben in Fenaroa über Nacht, einem ziemlich grossen Ort an einem
Felsen, dessen Bewohner hauptsächlich von Viehzucht leben.

Ein langweiliger Weg führte uns nach dem bedeutenden Ort Samre, indess
war die Gegend etwas bevölkerter, wir liessen vier oder fünf Orte dicht
am Wege liegen. In Samre war der Zulauf neugieriger Gaffer so gross, wie
ich ihn noch nicht in Abessinien erlebt hatte, und der Dedjetj
(fürstliche Statthalter) Heilo war wieder so unverschämt, gleich meine
Aufwartung zu verlangen, doch hatte meine Antwort dieselbe Wirkung wie
in Sokota. Der Dedjetj besorgte mir eine Hütte, schickte dann einen
fetten Hammel, Butter, Honig, Tetsch und Brod und liess sich
entschuldigen, nicht selbst kommen zu können, da er bettlägerig sei.
Unter diesen Umständen sagte ich ihm meinen Besuch auf den folgenden
Morgen zu und bat zugleich um eine Wache, da ich die steigende
Zudringlichkeit der Leute gar nicht mehr bewältigen konnte und auch
nicht gern durch meine eigenen Diener Gewalt ausüben lassen wollte.
Alsbald kam denn auch ein Prügelmeister, der Weiber, Kinder und müssige
Männer aus dem Hofe meiner Hütte herausprügelte.

Am folgenden Morgen ging ich zum Detjetj Heilo, der an Rheumatismus
darniederlag und als Hauptwärter einen indischen, von der englischen
Armee desertirten Soldaten hatte, dem es hier recht gut zu gehen schien.
Der arme Teufel, wahrscheinlich durch abessinische Frauen zur Desertion
verleitet, wollte sich bei mir entschuldigen und war sehr verdutzt, als
er wahrnahm, dass ich kein Hindustani sprach, denn alle englischen
Offiziere, welche die abessinische Expedition mitmachten, verstehen
diese Sprache, weil die Truppen aus Indien kamen; er beruhigte sich
indess, als er sah, dass ich weiter keine Notiz von ihm nahm. Ein
prächtiges Pantherfell, welches mir der Dedjetj zum Geschenk machte,
erwiederte ich mit meiner eigenen Decke, die ich für 10 Thaler gekauft
hatte, da mir alle Geschenke fehlten, auch gab ich ihm noch etwas Pulver
und Zündhütchen.

Samre liegt auf einem Hügel und hat ein freundliches Aussehen, weil alle
Häuser mit Hecken umgeben sind. Die Agau-Sprache wird zwar hier noch
verstanden, hat aber aufgehört, die herrschende zu sein, und wie der
Zamra-Fluss die politische Grenze von Tigre bildet, so sind auch in
Wirklichkeit die Bewohner hier Tigreaner.

Da die Nachricht eintraf, Sir Ropert Napier sei bereits in Antalo, so
beschloss ich, den Marsch von Samre nach Boye in Einem Tage zu machen
und meine Diener mit den Maulthieren langsamer nachkommen zu lassen. Als
ich Nachmittags in Boye ankam, fand ich im Lager zwar Bekannte, aber von
meiner speciellen Gesellschaft, in deren Begleitung ich die Expedition
mitgemacht hatte, war noch Niemand angekommen, eben so wenig Sir Robert.
Am folgenden Tage langte jedoch Oberst Phayre an, der Chef der
recognoscirenden Abtheilung, und in seiner Gesellschaft der preussische
Officier Herr Stumm und so waren wir, die wir von Senafe an bis Magdala
immer an der Spitze der englischen Armee marschirt waren, wieder vereint
und setzten am folgenden Tage auf der Militärstrasse den Weg nach der
Heimath fort.


  Höhenmessungen mit dem Aneroid.

  Abdikum                9250 engl. Fuss.

  Takaze, Bett           5800  "     "

  Salit                  6200  "     "

  Lalibala               7000  "     "

  Schegalo               6200  "     "

  Bilbala-Gorgis         6170  "     "

  Eisemutsch-Thal        6359  "     "

  Mári-Thal              5200  "     "

  Taba, Ort              6000  "     "

  Siba-Pass              6500  "     "

  Mokogo-Pass            7800  "     "

  Biala-Pass             9000  "     "

  Ohlich, Ort            6200  "     "

  Telela-Pass            7100  "     "

  Sokota                 6500  "     "

  Emenenagerill-Pass     5600  "     "

  Uana-Pass              5550  "     "

  Tselari-Bett           3200  "     "

  Zaka                   4200  "     "

  Zamra, Bett            3150  "     "

  Fenaroa                4500  "     "

  Samre                  6000  "     "



Der Aschangi-See in Abessinien


Der Aschangi-See liegt nach den Messungen von General Merewether und
Herrn Clemens Markham auf dem 12° 8' 26" nördlicher Breite und 39° 8'
28" östlicher Länge v. Gr. und bildet, wie er sich uns präsentirt, ein
von Bergen umschlossenes Becken, welches gerade auf der Wasserscheide
zwischen dem Nil und dem rothen Meere sich befindet. In der That
fliessen alle Bäche von den hohen Bergen, die westlich den See
begrenzen, dem Zerari (oder wie er in anderen Provinzen genannt wird
Zelari) zu, während die von den östlichen, den See eindämmenden Hügeln
kommenden, dem rothen Meere sich zuwenden. Im Norden und Westen von
hohen Bergen umgeben, die im Norden im Sarenga eine Höhe von circa
10,000 Fuss erreichen, da schon die Passhöhe des Ashara-Pass 8547 Fuss
(nach Markham 8920 Fuss) beträgt, während im Westen der eben so hohe
Ofila-Berg sich befindet, ist der See nach Süden und Osten zu von
minder hohen Bergen umschlossen.

Das Gestein der nächsten Berge besteht nach Markham aus
marienglashaltigem Schiefer (micaceous schist) und Kreide; ich selbst
bemerkte indess grosse Lagerungen von Thonschiefer und Sandstein, und
der Grundkern des Gebirges dürfte Granit sein, da in den tief
eingeschnittenen Schluchten derselbe offen zu Tage liegt und auch grosse
Blöcke davon sich überall vorfinden. Munzinger will auch Trachyt bemerkt
haben, ohne indess den Ort anzugeben.

Ueber die Entstehung des See's herrschen verschiedene Meinungen: einige
wollen in ihm das Becken eines erloschenen Kraters sehen, während andere
die umgebenden Berge durch eine Naturrevolution sich erheben lassen, um
so ein Becken zu formen und den Abfluss zu hemmen. Die letzte Ansicht
ist die wahrscheinlichere, da die weiten Alluvialufer nach allen Seiten,
mit Ausnahme eines Vorgebirges des Ofila-Berges, das steil und felsig in
den See abfällt, den Gedanken an einen Krater nicht gut aufkommen
lassen. Jedenfalls war, wenn je ein Abfluss existirte, dieser nach Osten
oder Süden, vielleicht ehe die Erdrevolution Statt fand, direct vom
Ofila- und Sarenga-Berge ohne dass ein See vorhanden war. Dass sich das
Niveau des Wassers jetzt nicht erhöht, kann man einestheils durch
allmählige Durchsickerung, welche nach Süden und Osten zu Statt zu
finden scheint, erklären anderentheils durch die Verdunstung, die hier,
dem Hygrometer zufolge, während einer grossen Zeit des Tages, d.h. von
10 Uhr Vormittags bis 4 Uhr Nachmittags, sehr beträchtlich sein muss.

Das Niveau des Sees fand ich zu 7264 Fuss, und an Zeichen ist
abzunehmen, dass dasselbe in und gleich nach der Regenzeit höchstens um
einen oder anderthalb Fuss wächst. Markham fand den See bedeutend höher,
was zum Theil sich aus der Berechnung nach verschiedenen Tabellen
erklären lässt, oder dass irgend eine Ungenauigkeit in der Beobachtung
Statt fand. Ueber die Tiefe des Sees, der vollkommen süsses Wasser hat,
so wie über die Dichtigkeit des Wassers desselben liegen bis jetzt keine
Beobachtungen vor, da die englische Armee auf dem Hinmarsche nach
Magdala zu rasch vorbei ging, um dergleichen Untersuchungen anstellen zu
können. Wir selbst beim Recognoscirungswege weilten nur eine Nacht an
den nördlichen Ufern des Sees. Der Mangel an allen auch noch so kleinen
Schiffen, deren Gebrauch den Uferbewohnern völlig unbekannt ist, trug
natürlich auch dazu bei, dass solche Untersuchungen nicht angestellt
werden konnten. Indess steht zu hoffen, dass uns die Naval-Brigade oder
die Pontonierabtheilung auf dem Heimwege Aufklärung darüber geben
werden. Die Temperatur des Wassers fand ich um 12 Uhr 24,8 C. bei 18,6
Luftwärme.

Der See hat einen Umfang von 11 englischen Meilen und die Gestalt eines
unregelmässigen nach Süden sich ausbiegenden Kreises. Auf allen Seiten,
besonders nach Norden und Nordwesten zu, ist er von flachem
Alluvialboden, welcher sich an die Berge hinaufzieht, umgeben, und
diese flachen Ufer nehmen im Bergbecken einen eben so grossen Raum ein
wie der See selbst. Dieser Boden, der nach dem See zu, fast möchten wir
sagen vegetabilisch wird, so sehr ist er vermischt mit vermodernden
Pflanzentheilen, erlaubt Niemand sich dem Wasser zu nähern, da man schon
auf eine Entfernung von mehreren Schritten, obgleich die Oberfläche
vollkommen hart und wie gefroren aussieht, einsinkt.

Die Bewohner um den See sind Abessinier, aber alle Mohammedaner; dies
spricht noch dafür, dass die eigentliche Wasserscheide durch die
Westgebirge des Sees gebildet wurde, da die Trennung des Christentums
vom Islam hier der Wasserscheide folgt. Bei der Eroberung der östlichen
Provinzen Waag's durch Gobesieh gegen Theodor leisteten die Anwohner des
Aschangi ersterem so gute und wirksame Dienste, dass sie dafür als
Belohnung die Auszeichnung bekamen, einen eigenen Kreis zu bilden,
während sie früher zu Kasta gehört hatten. Sie bezahlen ihre Abgaben,
die in Korn, Vieh und Kriegsdienstleistung bestehen, jetzt direct an
Gobesieh von Waag, während sie früher an Meschascha, den Neffen
Gobesieh's und Fürst von Lasta zahlen mussten. Sie wohnen in kleinen
Weilern; die Häuser derselben sind roh aus unbehauenen Feldsteinen
aufgeführt und rund von Form mit konischen Strohdächern; mehrere solcher
runden Hütten durch eine niedere steinerne Mauer umgeben bilden eine
Familien-Wohnung. Im Inneren sind sie sehr dürftig ausgestattet; einige
Geräthe zum Kochen, grosse thönerne Töpfe oft 5 Fuss hoch zum
Aufbewahren des Korns, eine erhöhte Ruhestätte oft aus Thon, oft aus
Holz und Rohr, mit einem Fell überdeckt, bleierne Gefässe und Schüsseln,
bilden das ganze Ameublement. Das Vieh ist häufig- bei den ärmeren
Leuten Nachts im Wohnhause, bei den Wohlhabenden jedoch immer in
besonderen Räumen. Der Hauptnahrungszweig der Aschangibewohner ist
Ackerbau, der das ganze Jahr hindurch, sei es durch Regen im Sommer, sei
es durch künstliche Irrigation im Winter betrieben wird. Man baut fast
nur Gerste, sehr wenig Weizen und sonst wird ausser Tabak nichts
gezogen. In der Kleidung unterscheiden sich die Bewohner in Nichts von
den übrigen Abessiniern, indess haben viele Männer metallene Ringe,
keilförmig zugebogen um den Arm. Dies ist ein Zeichen, dass sie einen
Galla erlegt haben, denn trotzdem sie Mohammedaner sind, herrscht doch
eine erbitterte Feindschaft zwischen ihnen und den östlich von ihnen
wohnenden Asebo-Galla; mit den umwohnenden Christen leben sie in guten
Beziehungen. Ausser Ackerbau ernähren sie sich aber auch von Viehzucht;
Rinder und Schafheerden und besonders gute Pferde zeichnen das
Aschangi-Thal aus. Die meisten nach Tigre kommenden Pferde, welche als
Lasta- oder Schoa-Pferde, die besonders berühmt sind, aufgekauft werden,
kommen aus Aschangi. Der See, der vielleicht viele Fische birgt (wir
konnten von den Umwohnern merkwürdigerweise nicht in Erfahrung bringen,
ob Fische darin sind oder nicht, und auch Herr Munzinger, der ihn früher
besucht hatte, konnte keinen Aufschluss darüber geben) und auf dem
grosse Schwärme Wasservögel aller Art sieh herumtummeln, scheint gar
nicht von den Anwohnern ausgebeutet zu werden.

An den Ufern finden sich in den grossen wilden Feigenbäumen und Mimosen
grüne Papageien der kleinen Art, ohne langen Schwanz, Nachtigallen und
viele andere Singvögel. Die wohlriechende weisse einfache Rose, Jasmin,
ächte Aloes bilden dann den Hauptbaumwuchs, während die Berge höher
hinauf gut mit Juniperen, Schirmakazien und Kolkolbäumen bewachsen sind.
Von reissenden Thieren scheint nur die Hyäne am Aschangi-See vorzukommen
und auch diese selten, wenigstens wurden wir Nachts nur wenig gestört.
Antilopen, Gazellen, Hasen, Rebhühner, Perlhühner und verschiedene Arten
von Tauben beleben die Wälder und würden den Eingeborenen eine reiche
Nahrungsquelle abwerfen, wenn sie dieselben zu jagen verstünden; aber
fast ohne Feuerwaffen, nur mit Spiessen, langen, etwas krummen
Schwertern und runden ledernen Schilden versehen, bleibt die Jagd
erfolglos.

Dieser reizende See, den Herr Munzinger mit dem Zuger-See vergleicht,
mit einem ewigen Frühlingsklima wie es eine Höhe von 7000 Fuss in diesen
Breiten mit sich bringt, wird sicher, wenn Abessinien einmal erst ein
stabiles Gouvernement und geregelte Beziehungen zu Europa hat, einen
Hauptanziehungspunkt für Touristen und Jäger bilden. Der gutmüthige
obwohl kriegerische Charakter der Anwohner, die bedeutend offener und
zuvorkommender als die nördlichen Tigrenser sind, wird bald durch eine
längere Berührung mit Europäern gewinnen, in der That konnten wir in der
ganzen Handlungsweise der Eingebornen von Aschangi einen grossen
Umschwung in der Gesinnung der Bevölkerung bemerken, in Tigre blos
Duldung und gezwungene Freundschaft, in Waag von Aschangi an offene
Freundschaft und herzliches Entgegenkommen.



Nach Axum über Hausen und Adua.


In Abessinien gewesen sein ohne Axum gesehen zu haben hiesse, um sich
eines alten Sprichwortes zu bedienen, nach Rom gehen und den Papst nicht
sehen. Und so, obgleich ermüdet von der ganzen englischen Expedition,
die der Anstrengungen und Entbehrungen nicht wenige hatte, noch wie
gerädert von der eben vollendeten Tour nach Lalibala, beschloss ich von
Antalo aus, auf welchen Punkt ich von Lalibala und Sókoto herausgekommen
war, nach Axum zu gehen.

Merkwürdigerweise hatte die englische Expedition bis jetzt gar keine
Veranlassung gegeben zu weiteren geographischen Forschungsreisen,
obgleich das Land und Volk namentlich zu kleineren Reisen gerade jetzt
den günstigsten Augenblick bot. Man hätte von Magdala über den
Dembea-See, über Chartum und über andere Punkte Partien schicken können,
aber von alle dem geschah nichts, und nur dem Zufall verdankte ich es,
von Talanta aus von Sir Robert die Erlaubniss zur Abreise von der Armee
zu bekommen; spätere Gesuche um derartige kleinere Ausflüge zu machen
wurden vom englischen Oberkommando abschlägig beschieden. Möglich auch,
dass sich wenige Leute gemeldet haben würden, von denen man derartiges
gerade hätte erwarten dürfen: Markham war, sobald der letzte Schuss von
Magdala gefallen war, wieder zurückgeeilt, Grant ebenfalls, Blanford der
Geologe hatte nach Gondar zu gehen die Absicht, doch ihm wurde eine
Escorte (die er aber gar nicht nöthig gehabt hätte) vom General en chef
verweigert, ebenso dem Oberst Phayre, der die schönen Wegeaufnahmen für
die englische Arme gemacht hatte, kurz die Armee mit allem was
mitgezogen war, eilte so rasch, wie sie gekommen war, wieder ans Meer.

In Antalo angekommen traf ich einer der ersten ein, von denen, die bei
dem Sturm von Magdala gewesen waren; erst am folgenden Tage kam Oberst
Phayre, Herr Lieutenant Stumm und Abtheilungen von Soldaten, welche die
ehemaligen Gefangenen escotirten. Der General en chef war erst in
Attala, also noch drei bis vier Tagemärsche zurück. Herr Stumm
entschloss sich nun schnell sich mir anzuschliessen, indess wurde
ausgemacht, um von Antalo oder vielmehr Boye, denn hier war das
englische Lager, nach Axum zu gehen, dass wir erst in Gesellschaft von
Oberst Phayre noch einige Etappen weit die Militärstrasse benutzen
wollten. Indem wir die Etappen verdoppelten waren wir am 12. Mai in
Agóla und traten von hier aus unseren Tour nach Axum an.

Frühzeitig wie Phayre, dieser unermüdliche Fussgänger, welcher immer um
3 Uhr Morgens seine Märsche antrat, machten auch wir uns um 4 Uhr
Morgens auf den Weg. Im Anfange folgten wir noch dem Militärwege, der
uns in die Dóngolo-Ebene führte, gingen also in N. z. O. R., aber etwa
eine Meile, ehe wir den von Dóngolo kommenden Gonfel-Fluss benutzten,
bogen wir ab und hielten dann N. N. W. R. Die grosse Dóngolo Ebene ist
äusserst fruchtbar und hat herrliche Wiesen, deren Kräuter und Gräser
der letzt gefallene Regen jetzt hervorspriessen machte. Wir liessen
gleich links auf einer kleinen Anhöhe eine halbe Meile[13] vom Wege
entfernt das Dorf Adekau liegen, und von hier an kamen wir in buschiges
Terrain, belebt von einer grossen Anzahl bunter Vögel, Tauben,
Perlhühner, Hasen und von grösserem Wilde, welche hier einen ungestörten
Aufenthalt fanden; aber eine Unmasse kleiner Fliegen, die Begleiterinnen
des weidenden Rindviehs, begannen uns und unsere Pferde auf eine
schreckliche Weise zu quälen, und je heisser es wurde, desto schlimmer
wurden diese Qualen.

Nach einer Weile überschritten wir dann die Grenze von Tará um den
District Eiba zu betreten, hier deutlich gekennzeichnet durch eine tief
von S.O. nach N.W. laufende Schlucht, welche auf den von N. kommenden
Sulloh oder Surohfluss mündet. Dieses stark rieselnde, von buschigen
Ufern eingefasste Wasser verfolgten wir eine Meile nördlich und lagerten
dann unter einem schattigen Oelbaum, um unseren Thieren etwas Ruhe zu
gönnen. Von hier aus biegt der Fluss dann von N. O. kommend ab, wir
selbst aber gingen in N.W. Richtung weiter. Ansteigend kamen wir dann
auf einen Hochkessel von sonderbar geformten Sandsteinfelsen
eingeschlossen; im Westen bilden die Wand hauptsächlich die Berge
Adamesso und Adeitesfei mit Dörfern gleichen Namens. Nach O. zu sind die
Berge weiter entfernt. In der Mitte liegen zahlreiche Dörfer, doch auch
die bevölkerteste Gegend Abessiniens ist arm an Menschen in Vergleich zu
Ländern, die wir gut bevölkert nennen. Wir campirten Abends in Eiba, der
Hauptstadt des Districtes gleichen Namens. Es ist dies ein weitläufiger
Ort aus grossen Gehöften, die oft mehrere Familien einschliessen,
bestehend, die Hälfte, oft zwei Drittel der Häuser sind immer in Ruinen.
Und obgleich hier in Tigre die Häuser jetzt ausschliesslich aus Stein
gebaut sind, so ist doch der Vorrath an Ungeziefer in demselben eben so
gross wie in den südlichen Provinzen. Es unterliegt keinem Zweifel, die
Abessinier sind das schmutzigste Volk von ganz Afrika. Sobald man Tigre
betreten hat, bemerkt man indess eine auffallende Verschiedenheit in der
Construktion der Gebäude, nicht nur dass die Wände alle von Stein gebaut
sind (dies findet man auch auf den hohen südlichen Hochebenen von
Uadela und Talanta), wird die runde Hüttenform mehr und mehr verlassen
und an ihre Stelle tritt das viereckige Haus mit plattem Dache. Meist
nur aus einem Zimmer bestehend, deren innere Möblirung sich in Nichts
von denen der Hütten unterscheidet, sind die Dächer von Balken gebildet,
die ausserdem noch mit Reisern, auf welche man Thon gelegt hat,
überdeckt sind.

In Eiba fanden wir übrigens noch einigermassen gute Aufnahmen, d.h. wir
konnten für Geld etwas haben, und zwar keineswegs billiger als in
Europa.

Die herrlichste Aussicht hat man von hier auf die wunderbar geformten
Felsen Abergale's, welche im W. den Horizont wie ein Wald gothischer
Kirchthürme oder sonstiger eigenthümlicher Gebilde verschliessen. Diese
zackigen Felsen, von denen Gemer-Amba, Dar-Mariam, Korar, Debrar-Abraham
die hervorragendsten sind, tragen sämmtlich, wie das schon der Name
andeutet, Kirchen auf ihren Gipfeln. Nach den Aussagen der Leute von
Eiba sollen dieselben an Pracht und Kunst selbst die in ganz Abessinien
berühmten Kirchen von Lalibala übertreffen. Da unsere Zeit sehr gemessen
war um rechtzeitig bei der Einschiffung der englischen Truppen in Zula
einzutreffen, bedauerten wir beide sehr, diese interessanten
Kirchenberge nicht besuchen zu können, obschon wohl nicht anzunehmen
ist, dass sie auch nur im Entferntesten den Gebäuden Lalibala's gleich
kommen. Die Bewohner in diesem Theile von Abergale sollen ebenfalls
noch heute Troglodyten sein.

Am folgenden Tage hatten wir nur einen kleinen Marsch nach dem 4 Meilen
entfernten Hausen, welches auf einer von O. nach W. streichenden
Sandsteinrippe liegt. Wir mussten dahin zwei kleine Bäche passiren, den
Mai-Gundi und den Abega, die hier von NO. nach SW. laufen. Die zu
passirende Gegend ist gewellt und noch einigermassen der Cultur
zugängig, während nach W. sich bis zu den Bergen Dama Galla ein
unabsehbares Gewirr von steinigen Hügeln erstreckt.

Bei Hausen selbst fliesst ein kleiner Bach, der gleich nördlich am Orte
entspringt, und an seinen Ufern unter schattigen Akazien schlugen wir
unser Lager auf. Der Platz war wirklich reizend, der Rasen fing eben an
auszuschlagen, die Mimosen entwickelten ihre jungen fein ausgezackten
Blätter, im Rücken das Dorf, oder die Stadt wenn man will, auf hohen
Sandsteinblöcken gelegen, welche halb durch einen Wald dichten Rohres
versteckt waren, vor uns das klar rieselnde Wasser und dann die
herrliche Aussicht auf Eiba und die wunderlichen Felsen Abergale's. In
Hausen giebt es freilich nichts Bemerkenswerthes; dazu kam, dass der
Dedjat oder Statthalter abwesend, da er zu Kassai gerufen war, und die
Leute zeigten sich so ungastlich und frech, wie man sie nur in Tigre
finden kann. In der That fanden wir hier die Preise des Korns für uns so
unverschämt hoch, dass wir für unser Vieh, wir hatten zusammen 11 Stück,
an Einem Tage 14 Marien-Theresien-Thaler verausgabten. Hausen war in
früheren Zeiten mehrfach Hauptstadt[14] von Tigre gewesen, jetzt ist es
ein elendes Nest. Auch die Kirche hat nichts Bemerkenswerthes, höchstens
dass der hinterste Theil derselben aus dem Fels ausgehauen ist.
Ursprünglich scheint die ganze Kirche auf diese Art erbaut gewesen zu
sein; später zerstört, hat man dann ein Gebäude abessinischer Art daraus
gemacht, welches sich durch nichts als Geschmacklosigkeit auszeichnet.

Froh diesen ungastlichen Ort verlassen zu können, brachen wir am anderen
Tage früh morgens auf; aber kaum hatten wir einige Schritte gemacht, als
ein Unfall andeutete, dass wir keinen angenehmen Tag haben sollten: mein
bestes Maulthier, welches die beiden schwersten Kisten trug, überstürzte
sich beim Ueberspringen eines Grabens, und ich weiss noch nicht wie es
kam, dass weder Maulthier noch Kisten Schaden litten. Dann ging es
weiter; aber wie trostlos, echt abessinisch war die Gegend, Zum besseren
Verständniss führe ich hier an, dass von Adigrat auslaufend die hohen
Berge in Debra-Zion weit nach S. zu vorbiegen, dann sich
wiederzurückziehend, kommen sie mit der Angoba Amba wieder nach S. Von
diesem Zuge aus laufen nach S. zahlreiche kleine Rippen, aber bald ist
das Ganze ein Gewirr von niedrigen Bergen, von Oben und Weitem gesehen
wie eine Ebene, in der That aber durchschnitten genug, um bei den
schlechten Wegen die Geduld des Reisenden auf eine harte Probe zu
setzen.

Unsere Richtung war, die vielen kleineren Biegungen ausgenommen, fast
durchaus WNW. Und so fort kletternd über die unwirtlichen Felsen, ohne
auch für den ganzen Tag auf ein einziges Dorf zu stossen, oder auch nur
von Ferne eines zu sehen, war das einzige Schöne die wunderbaren Formen
der Felsen im Norden. Wer in der That Berge sehen will, muss nach
Abessinien gehen, es giebt keine denkbare Form, die hier nicht zu finden
wäre. Das Gestein, welches wir an diesem Tage erblickten, bestand fast
durchweg aus verschiedenen Schiefern, von denen Thonschiefer und
Glimmerschiefer die vorherrschenden waren, oft marschirten wir indess
über Hügel, die mit kleinen weissen Quarzstücken wie bestreut waren. Die
Vegetation war äusserst spärlich und bestand meist aus verkrüppelten
Mimosen und dem unvermeidlichen Kolkol-Baum. Wir passirten den
Felagelasi, der in den Woreb geht, und hielten dann längere Zeit am
Mai-Metjelorat, der ebenfalls dem Woreb tributär ist Sodann hatten wir
noch den Orei zu passiren, der von dem Tjametfluss durch den
Adergebeto-Berg getrennt ist. Wir hatten den Angeba-Berg endlich
erreicht, aber obschon unser Führer uns gesagt hatte, wir würden ein
Dorf hier finden, sowie Wasser, so erwies sich das als irrig: das Dorf
war hoch am Berge hinauf gelegen, das Wasser eine Stunde weit zurück.
Heftig eintretender Regen nöthigte uns indess unsere Zelte
aufzuschlagen, und in der Nähe fanden wir Hirten, welche aber nichts zu
verkaufen hatten. Das Vieh musste Abends l Stunde weit zum Wasser zurück
geführt werden, und ebendaher mussten wir auch unser Trinkwasser holen;
für uns selbst hatten wir Vorräthe, und ein grossen Haufen Stroh musste
als Viehfutter dienen.

Der folgende Tag war besser, was Gegend und Bevölkerung anbetraf. Aber
wegen des Regens am Tage vorher konnten wir erst um 7 Uhr aufbrechen;
wir umgingen dann den Angeba-Berg und hielten dann im Ganzen NW. z.
N.-Richtung. Grosse Feigenbäume, die hier und da die Gegend beschatten,
Dörfer an den Abhängen der Berge, Viehheerden, welche von singenden,
halbnackten Hirtenburschen durch die Büsche getrieben wurden, lassen die
Zeit rasch verstreichen. Wir passiren um 9-1/2 den von NO. kommenden
Gebre Rhala-Bach mit gutem Wasser, und um 11 Uhr sind wir am Flusse
Fersmai, wo wir in der Nähe eines üppigen Pfefferfeldes einen Halt bis
Nachmittag machen. In gerader W.-Richtung sehen wir von hier den Gipfel
des mächtigen Semaita-Berges über die niedrigen Hügel, die uns umgeben,
hervorragen. Wir gingen denselben Abend noch bis zum Orte Assai, der am
nordöstlichsten Ende des Semaita-Berges selbst liegt. Der Ort hat indess
wie alle eine grosse Ausdehnung woraus es sich erklärt, dass er auf
einigen Karten weit östlich von Semaita verzeichnet ist. Halbwegs
zwischen Semaita und Fersmai liegt östlich vom Wege der Berg und Ort
Gedera.

Wir hatten jetzt nur noch einen Marsch bis Adua, der jetzigen Residenz
von Tigre, wenn von Residenz die Rede sein kann in einem Lande, wo der
Fürst fortwährend im Lager lebt, und heute hier, morgen da campirt. Wir
umgingen nördlich den Semaita-Berg, eine Schlucht übersteigend, die ihn
vom Raya-Berg trennt, und den Gu-Asses, den Gedem-Anharet, endlich den
Aba Gerima links lassend, langten wir nach 3 Stunden vor Adua an.

Obgleich wir von einem unserer Armeedolmetscher, der von Adua war, die
Erlaubniss bekommen hatten, sein Haus zu beziehen, so zogen wir doch
vor, unsere Zelte aufzuschlagen, und fanden auch einen hübschen Platz
unter einem Feigenbaume, welcher Schatten für tausend Menschen bietet.
Gleich darauf brachen wir aber auf, um die Stadt zu besehen. Adua liegt
auf dem linken Ufer eines immer Wasser habenden Rinnsales, der vom
Semaita kommt und Assem heisst. Die Stadt Adua ist ganz verschieden von
allen anderen abessinischen Orten. Mit einer Mauer umgeben macht sie den
Eindruck einer wirklichen Stadt, und die hohen, oft mit einem Stockwerke
versehenen Häuser, welche manchmal sogar kleine maurische Fenster haben,
tragen nicht wenig dazu bei, den städtischen Eindruck zu erhöhen. Aber
selbst die weitläufigen Vorörter mitgerechnet, welche Adua nach Süden
und Osten umgeben, glaube ich nicht, dass die Stadt, wie Ferret und
Gallinier angeben, 4000 Einwohner hat. Wenigstens jetzt glaube ich
nicht zu niedrig zu greifen, wenn ich sie auf circa 2000 Einwohner
schätze.

Unsere Ankunft hatte natürlich eine ungemein grosse Menge neugieriger
und müssiger Menschen versammelt, welche uns lachend und lärmend
nachgingen. Die Strassen sind überdies so eng und schmutzig, dass nur
Menschen passiren können, zwei Maulthiere oder Pferde würden keinen
Platz zum Ausweichen haben. An öffentlichen Gebäuden hat die ummauerte
Stadt (die Vorstädte haben auch Kirchen) nur eine grosse Kirche aus
neuerer Zeit, also im Rotundenstyl gebaut, und mit Stroh gedeckt. Sie
ist der Maria geweiht. Eine grosse Zahl müssiger Priester lagerte im
Hofe, welcher von schönen Oelbäumen beschattet ist. Ueberhaupt zeichnet
sich Adua dadurch aus, dass in den kleinen Höfen, welche bei den Häusern
sich befinden, überall Wein, Granaten, Apfelsinen und Pampelmuse sich
befinden. Offenbar muss der Wein von Deutschen eingeführt sein, die
Aduenser nennen die Weinrebe "Wein". Auch macht die nahe Küste sich hier
bemerkbar, denn Adua ist immer Hauptmittelplatz zwischen dem rothen
Meere und Abessinien gewesen. Hier war der Hauptfabrikort für die feinen
Filigranarbeiten, bis Theodor auf seinem Zuge nach Tigre alle Arbeiter
mit fortführte und dieselben seinem Hofstaate einverleibte. Ein Theil
dieser Leute war eben jetzt wieder zurückgekehrt. Aber auch eine Menge
anderer Handwerker findet man in Adua, welche man in den anderen Orten
Abessinien's vergebens suchen würde. Der Handelsstand und die
Handwerker sind hauptsächlich Mohammedaner, viele von ihnen kommen blos
zeitweise von Massaua nach Adua. Auch einen Griechen trafen wir hier als
Flintenhändler, und ein Araber, der eben erst von Massaua gekommen war,
hatte Cigarren und Wermuth zu verkaufen. Leider hatte ein Engländer, ein
gewisser Lord Adare, Correspondent des Dayly Telegraph während der
Expedition, der gerade einen Tag vor uns nach Adua gekommen war, Alles
aufgekauft, so dass wir uns nichts von diesen Genüssen verschaffen
konnten. Im Uebrigen waren die Aduenser ebenso ungastlich, geizig, frech
und schmutzig wie die übrigen Tigrenser. Es scheint als ob in früheren
Zeiten auch Juden in Adua gewesen seien, welche man in Abessinien unter
dem Namen "Felascha" kennt, heutzutage giebt es keine mehr hier, nur in
einigen Orten in Tembien und in Gondar sollen solche noch vorkommen. Wir
besuchten dann das uns vom Dolmetsch angebotene Haus, aber es war so mit
Wanzen, dieser allgemeinen Plage aller abessinischen Wohnungen,
überfüllt, dass wir gleich jeden Gedanken, uns in Adua selbst
einzurichten, aufgaben. Auch das Haus des Dr. Schimper besuchten wir,
sahen uns aber sehr getäuscht, etwas besseres vorzufinden. Das einzige,
was uns als merkwürdig auffiel, war das Studirzimmer in seiner Hütte,
wie ein Observatorium, oben auf dem platten Dache des Hauses errichtet.
Hier fanden wir den leeren Schrank einer schwäbischen Kukuksuhr, welche
uns der jetzige Inwohner mit vielem Respect als etwas ganz
Aussergewöhnliches zeigte. Dieser Schrank aus Bambus und Leder
verfertigt sah höchst komisch aus, und anfangs wussten wir gar nicht was
wir daraus machen sollten, bis zuletzt der Kopf, worin die Uhr selbst
gewesen sein musste, uns zeigte, wozu er gedient haben müsste.

Dr. Schimper wurde in Adua zurück erwartet, einige seiner alten
ehemaligen Diener lebten dort noch. Es scheint übrigens, dass Dr.
Schimper durch seinen langen Aufenthalt in Abessinien selbst ganz
Abessinier geworden ist, und weil er seit Jahren nichts Anderes gesehen
hat, ausser Stande ist, Vergleiche anstellen zu können; so schien es mir
höchst übertrieben, wenn er behauptete, dass Abessinien über 10,000,000
Einwohner habe; ich mochte dem Lande kaum ein und eine halbe Million
zuschätzen, und Adua ein irdisches Paradies zu nennen, einen Ort, dessen
Umgegend des Baumschmuckes entbehrt, zeigt deutlich genug, wie einseitig
seine Meinung von Abessinien ist.

Zu unseren Zelten zurückgekehrt fanden wir eine ungeheuere Menschenmenge
versammelt, theils neugierige Gaffer, theils Leute, welche allerlei
Gegenstände natürlich zu den unverschämtesten Preisen zum Verkauf
anboten. Auch ein Musikus hatte sich eingestellt, der auf einem
Instrumente spielte und arg seinen Körper dabei verdrehte, unter
Gesängen; kurz es etablirte sich ein vollkommener Jahrmarkt. Ein
Priester, halb angetrunken, brachte uns einige Eier und eine kleine
Flasche mit Araki, in Adua selbst destillirt; wir wollten ihm ein
Gegengeschenk machen, aber er wollte nichts annehmen. Später kam er noch
ein Mal und zwar nüchtern, und wir bekleideten ihn dann mit einem
grossen Fliegennetz, in das wir ein Loch hineingeschnitten hatten, um
den Kopf hindurch zu stecken. Herr Stumm und ich konnten uns des Lachens
kaum enthalten, als wir den Pfaffen so mit einem Bettfliegennetz
bekleidet sahen, und wie er sich vergebens abmühte Aermel zu finden, um
seine Hände frei zu bekommen. Als wir ihm dann sagten, dass unsere Abuna
ähnliche Mäntel trügen, beruhigte er sich und schritt stolz von allen
Aduensern bewundert und angestaunt der Stadt zu. Nachher sollte aber das
Lachen auf seiner Seite sein, er hatte uns nämlich dringend eingeladen,
sein Haus, seinen Garten, seinen Springbrunnen zu besehen, und neugierig
gemacht gingen wir, obschon es spät Abends war, mit nach der Stadt
zurück. Wir fanden ein Haus schmutzig wie alle anderen und von derselben
Einrichtung, einen kleinen Hof, wo in der That Granaten, Orangen und
Weinreben waren, statt des Springbrunnens indess einen einfachen
Ziehbrunnen, der jedoch als etwas Wunderbares gezeigt wurde. Dann
brachte der Priester, und dies war seine Hauptabsicht, ein Löwenfell
hervor, um es Herrn Stumm zu verkaufen, und wusste es so einzurichten,
dass dieser es wirklich für 45 Thaler kaufte; ich denke der Priester
hatte in seinem Leben nie ein so gutes Geschäft gemacht, er war so
entzückt, dass er uns am folgenden Morgen noch sechs Eier zum Geschenk
brachte.

Also am anderen Tage sollten wir das berühmte Axum sehen, die alte
Capitale des Landes, wo nach den Aussagen der Abessinier die Königin
Saba ihren Thron hatte und von wo aus sie die Reise nach Jerusalem
unternahm, um Salomon als Beisteuer zum Tempelbau Gold und Ebenholz zu
bringen. Der Weg von Adua nach Axum ist verhältnissmässig gut, nur zwei
oder drei kurze Strecken sind schlecht. Nachdem man gleich bei Adua den
Assem überschritten, kreuzt man noch die kleinen Flüsse Mai-Goga und
Mai-Schugurti. Die Gegend ist kahl aber stellenweise gut cultivirt.
Rechts hat man nach 3 Meilen auf einem Hügel den Ort Bit Johannes, dann
später dicht vor Axum eine einsame Kirche auf einem hohen Berge,
Pantalem genannt.

Axum, von Alvares Chaxuma genannt, ist jetzt bedeutend heruntergekommen,
obschon es immer noch zu den grösseren Orten Abessiniens gehört. Es
liegt einige hundert Fuss höher als Adua, welches selbst nach einer
durchschnittlichen Berechnung 5500 Fuss über dem Meere liegt. Alvares
erzählt uns, dass hier die Königin Saba, deren wahrer Name Maquerda[15]
gewesen sei, regiert und nach ihr ihr Sohn, den sie mit Salomon gezeugt
hatte. Auch finden wir in seinem interessanten Buche, dass von hier aus
zuerst das Christenthum nach Abessinien verbreitet wurde, und zwar als
auch eine Königin regierte, mit Namen Candace[16] oder Judith. Freilich
finden wir heutzutage nichts von den Wundern, von denen Alvares uns in
seiner Beschreibung von Axum unterhält, und da unmöglich die Gebäude und
Steine in einem Zeiträume von 4000 Jahren können spurlos verschwunden
sein, so ist wohl anzunehmen, dass er seiner Phantasie grossen Spielraum
gelassen hat, ebenso wie er es mit Beschreibung der Kirchen von Lalibala
thut[17]. An Merkwürdigkeiten haben wir nur heutzutage in Axum die alten
Ruinen aus vorchristlicher Zeit und die Kirche. Letztere ist ein Gebäude
ohne alle Kunst, obgleich ganz verschieden von allen anderen Kirchen in
Abessinien, weil sie ganz aus Stein aufgeführt ist. Das Material dazu
haben die alten Ruinen liefern müssen, wie auch die Substructionen,
sowie die steinernen Treppen, welche zur Kirche führen, andeuten, dass
hier früher wohl ein heidnischer Tempel gestanden haben mag. Vor der
Hauptfaçade ist ein Säulengang, die anderen Seiten der Kirche, welche
selbst ein längliches Viereck bildet mit glattem Dache, sind ohne
jeglichen Schmuck. Die fanatischen Bewohner wollten uns nicht erlauben
das Innere zu betreten; hier war der religiöse Fanatismus noch grösser
als die Geldgier. Von den vielen Palästen, dem Löwenhause oder
Ambacabete, den Springbrunnen, von denen Alvares schreibt, konnten wir
keine Spur finden, ebensowenig Inschriften, eine amharische[18] ohne
Bedeutung ausgenommen.

Ebenso scheinen Alvares Aussagen von den anderen Ruinen entweder sehr
übertrieben zu sein, oder der Vandalismus der Bewohner müsste dieselben
zerstört haben, denn selbst wenn dieselben auseinander gefallen wären,
so müssten die Bruchstücke heutzutage zu finden sein, da der Stein,
dessen man sich zu diesen Bauten bedient hat, sehr gut der Witterung
wiedersteht. Der Stein, welcher eine Art von Granit ist[19], muss aus
einer anderen Gegend hergeholt sein, denn in der Umgegend von Axum
findet man nur Sandstein, Kalk und Schiefer[20].--Dicht bei einem
ungeheuren Feigenbaum, der in seinem Umfange dem ausserhalb der Stadt
Adua stehenden gleichkommt, und in Axum den Namen "Baum des Pharao"
führt, findet man den berühmten Obelisk von reinster und schönster
Arbeit, als ob er gestern aus der Hand des Meisters hervorgegangen wäre.
Aber die Zeit, welche den Obelisk selbst nicht angreifen konnte, so
scharf sind noch heute alle Ecken, Umrisse und Zeichnungen, hat eine
Senkung des Erdbodens bewirkt, welche ihn in eine merkwürdig geneigte
Stellung gebracht hat, vielleicht nur noch einige Regenzeiten und der
Mittelpunkt der Lothrechten wird sich ausserhalb der Basis befinden, und
dann wird auch der letzte Zeuge der Wunderbauten Axums gleich seinen
Brüdern in Stücken auf dem Boden liegen. Ferret und Gallinier erwähnen
nichts von dieser geneigten Stellung dieses Obelisken, den sie 80 Fuss
hoch schätzen, während Alvares dessen Höhe auf 66 Ellen oder Bracia
angiebt. Auch letzterer, der genau das ganze Ruinenfeld beschreibt,
erwähnt nichts von einer schiefen Stellung, ebensowenig Th. von Heuglin.

Leider war unsere Zeit zu kurz gemessen, als dass uns genug übrig blieb,
um die Königsgräber und die von Salt und v. Heuglin genau beschriebene
griechische Inschrift zu besichtigen. Nach Salt sind diese Bauten nicht
vor der Zeit der Ptolemäer errichtet und sollen von einem gewissen König
Acizane circa 300 Jahre nach Chr. durch nach Abessinien gekommene
christliche Arbeiter hergestellt sein. Dapper in seiner Liste der
Abessinischen Könige führt ihn nicht auf.

Selbigen Tages kamen wir Abends wohlbehalten in Adua an, und verbrachten
den folgenden Tag damit, unsere Einkäufe für die Rückreise zu machen, da
wir auf die Vorräthe im Lande gar nicht rechnen konnten. Die Kirche in
Adua, die uns an dem Tage geöffnet wurde, bot nichts bemerkenswerthes,
es ist ein Gebäude der Neuzeit.

Eine zahlreiche Menschenmenge hatte sich am 20. eingefunden, um Abschied
von uns zu nehmen, und vielleicht weggeworfene oder vergessene Sachen
sich anzueignen. Wie gross die Armuth ist, kann man überdies daraus
sehen, dass den ganzen Tag unter den Pferden und Maulthieren alte Weiber
und Kinder herumhockten, um etwa zu Boden fallende Körner aufzusammeln.

Unser Weg führte uns in ONO.-Richtung; den erhabenen Semaita-Berg wieder
rechts lassend; aber so zerrissen und wunderbar geformt die Gegend
nördlich von Adua auch ist, so war die Strasse doch im Allgemeinen gut.
Zudem war sie sehr belebt, da gerade an diesem Tage der wöchentliche
Markt in Adua abgehalten wurde, und nun aus der ganzen Umgegend Alt und
Jung herbeiströmte um Einkäufe für die Woche zu machen.--Sobald man den
Reberen-Pass überstiegen hat, laufen die Gewässer alle nach NW. um dem
Mareb tributär zu werden. Bei einer Quelle Mai-Schuha wurde ein kurzer
Halt gemacht. Wie wenig sicher indess die Gegend ist, ersahen wir
daraus, dass ein einzelner Mann trotz der wegen des Marktes belebten
Gegend fast vor unseren Augen ausgeplündert wurde, wahrscheinlich war es
ein Wiedervergeltungsact eines fremden Dorfes, weil Niemand sich
hineinmischte. Als wir alle anderen Leute theilnahmlos, den Mann von
vier anderen ausziehen sahen, hielten wir es auch nicht für geboten uns
ins Mittel zu legen, und wie Adam im Naturkleide konnte er dann
abziehen.

Der hohe zweigipflige Gendepta-Berg wird nun umgangen, so dass wir ihn
westlich liegen lassen, und sodann passiren wir noch mehrere Rinnsale,
die alle mittelst des Ungea dem Mareb zu gehen. Eine niedere Kette,
welche wir dann mittelst des Damitjel-Passes übersteigen, und auf deren
linken oder nördlichen Verlängerung die Michaels-Kirche liegt, führt uns
in den District von Antidjo. Hier war es, wo Dr. Schimper zur Zeit, als
Ubie König von Tigre war, als Gouverneur die Provinz regierte, und einer
meiner Burschen aus einem der Dörfer dieser Provinz gebürtig, erzählte
mir, dass damals Weinbau, Feigenzucht und viel Gemüse dort gezogen wäre.
Krieg, Zerstörung und Indolenz der Bewohner haben dies kleine Paradies
zu Nichts herabgebracht, aber die Lage ist wunderschön, und gewiss würde
Alles dort gedeihen. Bei unserer Anwesenheit in Intidjo, wir lagerten am
Dagassoni-Bache, fanden wir blos eine gute Zwiebelzucht, sonst war von
Gemüsebau nichts zu sehen.

Als Dr. Schimper bei Theodor's Zuge nach Tigre ihm folgen musste,
verlor er seine Provinz, welche vom derzeitigen Herrscher Kassa von
Tigre einem Verwandten gegeben wurde. Hoffen wir, dass Schimper, welcher
mit kräftigen Empfehlungsbriefen des commandirenden englischen Generals
an Kassa, die englische Armee bei Adebaga verliess, um in Adua seinen
Wohnsitz aufzuschlagen, bald wieder als Statthalter in seine ehemalige
Provinz zurückkehren möge.

Wir hatten indess keine angenehme Nacht im Intidjo-Thale, schwarze
Wolken hatten sich im Südosten um den colossalen Oger-Berg
zusammengezogen und zögerten auch nicht sich über uns zu entladen.

Obgleich wir am folgenden Tage nicht so weit zu marschiren hatten, so
war der Weg doch ungleich schwieriger und an Reiten fast gar nicht zu
denken. Ueber den Urea-Pass führte uns ein mit grossen Steinen bedeckter
Weg in das steil abfallende Sseriro-Thal hinab, und dann die
Ntabaras-Schlucht westlich lassend fanden wir uns am Rande des weiten
Thales, in welchem Debra-Damo, eines der berühmtesten Klöster
Abessiniens, liegt.

Die Stelle, wo wir hinabsteigen mussten, bestand aus glatt abgewaschenem
Sandstein, der so weiss war, dass man in der Sonne kaum die Augen offen
halten konnte, als ob man auf einem Gletscher gewesen wäre. Der Weg
aufwärts machte uns aber noch weit mehr zu schaffen; endlich lagerten
wir am Fusse der eigentlichen Bergfeste, die so steil nach allen Seiten
abfällt, dass man in einem Korbe hinaufgezogen werden muss, wenn man sie
besuchen will. Es leben einige Mönche auf diesem Berge, welche ihre
Bedürfnisse meist von unten beziehen, indess auch etwas Ackerbau oben
treiben, und einiges Vieh halten. Die Mönche sind sehr schwierig,
Fremden die Erlaubnis zum Heraufziehen zu ertheilen, und da unsere Zeit
so schon fast abgelaufen war, um noch mit der englischen Armee
Abessinien verlassen zu können, standen wir von jedem Besuche ab uns
Aufgang zu verschaffen.

Da indess vor Nacht noch viel Zeit war, so benutzte Herr Stumm dieselbe
um einige Tauben, die sich in zahlloser Menge in den grossen Sycomoren
herumtummelten, zu erlegen, eine willkommene Zuthat zu unserer ohnedies
schmalen Küche, da im Lande Alles aufgezehrt zu sein schien.

Der letzte Tag war ohne Interesse, wir kamen in NNO.-Richtung bald auf
die englische Heerstrasse, so dass wir noch am selben Abend in
Gunna-Gunna inmitten des englischen Lagers campiren konnten. Wie immer
fanden wir die gastfreundlichste Aufnahme und da die Armee schon seit
einigen Tagen in europäischen Genüssen schwelgte, die wir fast fünf
Monate lang entbehrt hatten, kann man sich denken, dass wir bei Claret
und Ale, Cigarren und sogar mit glänzender Beleuchtung und auf Stühlen
sitzend einen vergnügten Abend zubrachten.



Damiette.


Welcher von den vielen Reisenden und Besuchern, die jetzt jedes Jahr
sich über Aegypten ergiessen, und das Land des Nils zu einem Modeland,
wie die Ufer des Rheins, gemacht haben, denkt daran nach Damiette zu
gehen? Fast niemand. Und warum? Weil die Stadt eben ausserhalb der
grossen Verkehrsstrassen liegt, welche in Aegypten sowohl wie auch
anderwärts seit Einführung der Eisenbahn ganz andere Wege eingeschlagen
haben. Während früher die Abendländer in Damiette ans Land stiegen, ist
jetzt Alexandria Hauptausschiffungsort geworden, und auch diese Stadt
wird dem schnell emporblühenden Port Said weichen, wenn der Kanal fertig
sein und die Eisenbahn direct von dort bis Suez führen wird.

Nach einem Aufenthalt von einigen Tagen in Port Said, einer der jüngsten
und doch schon bedeutendsten Städte in Aegypten, ein Aufenthalt, der um
so angenehmer war, als ich im lukullischen Hause unseres norddeutschen
Consuls; des Herrn Bronn, die Strapazen der abessinischen Expedition und
die gluthglühende Sonne des rothen Meeres vergessen konnte, machte ich
mich auf, Damiette zu besuchen. Von Port Said aus kann man mittelst des
mittelländischen Meeres dahin kommen, oder direct durch den See Menzale
fahren, welcher vom mittelländischen Meere nur durch eine schmale
Landzunge, die manchmal nur einen Kilometer breit ist, öfters auch
Durchgänge hat, zum Binnen-See abgetrennt ist.

Eine Art von Dahabie war schnell gemiethet, wenn ich nicht irre für den
Preis von 40 Francs, und wenn der Wind günstig blies, so konnte ich
hoffen in 12 Stunden von Port Said aus das Täamiatis zu erreichen. Da
aber manchmal widriger Wind eintritt, und so die Fahrt um das doppelte
und dreifache verzögert, so versorgte mich Herr Consul Bronn noch
reichlich aus seiner Küche und seinem Keller. Da gab es Büchsen mit
eingemachten Fleischen, Fischen, Ragouts, Gemüsen, Früchten, die nie
fehlenden Sardinenschachteln, endlich Orangen, Malaga-Trauben, Mandeln
und Käse; von Weinen, welche bekanntlich das grosse Haus Bazaine aus
Marseille nach dem Canal liefert, hatte Herr Bronn Claret und Sparkling
Hock eingepackt, und damit nichts fehlte, lagen oben auf dem Korbe,
welcher ausserdem ein completes Reisenecessaire enthielt, zwei frische
Brode; ein grosser Krug Süsswasser completirte das Ganze. In der That,
es war Essen und Trinken genug für 10 Mann auf zwei Tage.

Das Consulatsboot, eine schlanke Gig, fuhr im Consulat vor, ein kleiner
Dock direct vom Canal aus mündet zum Güterausladen in den grossen Hof
des Consulates selbst ein. Die norddeutsche Flagge wurde gehisst und mit
einer steifen Nordwestbriese ging es canalaufwärts, wo etwa eine halbe
Stunde entfernt die Schiffe lagen, welche nach Damiette clarirt waren.
Alles war rasch an Bord des ägyptischen Schiffes gebracht, und nach
einem herzlichen Lebewohl wurde ich hineingetragen, das Wasser war
nämlich so seicht, dass das plumpe Araberschiff nicht dicht an den Damm
des Canals, der den Menzale-See durchschneidet, heran kommen konnte.
Dasselbe hatte blos zwei Mann Besatzung, war etwa 20 Fuss lang auf 8
Fuss Breite, ganz flach und ging vielleicht 1-1/2 Fuss tief, nach hinten
befand sich eine Art von Cajüte, worin die Mannschaft des Schiffes ihre
Vorräthe hatte. Grosse Segel hingen nach allen Seiten von einem
schwindelhohen Mastbaum herab, so dass man staunte, dass das Schiff
davon nicht kopfschwer wurde, freilich war es sehr breit. Die Mannschaft
bestand, wie gesagt, aus dem Reis oder Capitän, welcher zugleich die
Person eines Ober- und Untersteuermanns in sich vereinigte, und aus
einem Behari oder Matrosen, der alle andern Persönlichkeiten bis zum
Schiffsjungen, den die Araber Mudju nennen, repräsentirte. Vom Consul
selbst hergeführt, kann man sich denken, dass ich von der gesammten
Mannschaft mit gehörigem Respect aufgenommen wurde, denn im Orient gilt
ein Consul mehr als ein Bascha, theils weil er nicht nur Strafen
verhängen kann wie jener, sondern auch manchmal wirksamer Schutz gegen
die Willkür der mohammedanischen Behörden selbst den Arabern angedeihen
lässt.

Es war halb 8 Uhr als wir vom Ufer stiessen, im wahren Sinne des Wortes,
denn der Wind war gerade conträr, wenn auch nicht heftig, und da die
Mannschaft wahrscheinlich die Kunst des Lavirens nicht kannte, das ganze
Fahrzeug auch zu ungeschickt dazu war, so konnte sie dasselbe nur mit
langen Stangen langsam weiter stossen. Glücklicherweise hatte ich
Lectüre bei mir, denn so viel merkte ich gleich, dass wir jedenfalls
nicht in einem Tag hinkommen würden. Man richtete es sich indess so
bequem wie möglich ein, mit mir war blos noch der kleine Neger Noël,
also zu viert waren wir im ganzen. Gegen Mittag wurde der Wind
nördlicher, und nun fingen sie doch an ihn selbst aufzufangen und zu
benutzen, aber langsam ging es trotzdem.

Und dann wurde manchmal angehalten, wir fanden uns in einer jener
Fischerflotillen, und da musste Es ssalamu alikum ausgetauscht werden,
wobei dann gewöhnlich ein paar Fische zum Geschenk abfielen. Kein See
ist vielleicht so fischhaltig wie der Menzale, fast durchweg nur 2 Fuss
tief (wesshalb ich auch nicht für nöthig hielt, wie bei andern Seereisen
sonst immer, einen Schwimmgürtel umzubinden) hat er ausgezeichnete
Brütestellen für die Fische. Auch mehren sich diese in dem ewig
lauwarmen Wasser derart, dass uns mehreremal einige ins Boot sprangen.
Der Hauptfisch im Menzale ist nämlich ein gewisser von den Aegyptern
Snamura genannter, welcher immer in grossen Sätzen aus dem Wasser
herausspringt, und dessen Rogen getrocknet einen Haupthandelsartikel
nach Kleinasien und der europäischen Türkei bildet. Der Snamura-Rogen
wird von einem türkischen Effendi ebenso hoch geschätzt wie von unseren
Feinschmeckern der Caviar. Ueberhaupt zieht der Pascha, Namens Henang
Bey, welcher das Privilegium des Fischfanges auf dem Menzale-See
geniesst, einen ungeheuren Vortheil daraus, denn Tausende von Centnern
trockener Fische werden von hier aus in den ganzen Orient geschickt.
Mehr als hunderte von Fischerbooten sind alle Tage mit dem Fischfang
beschäftigt, und ein paar tausend Fischer haben hier ihre Arbeit. Um
nicht jeden beliebigen fischen zu lassen, hält der Bascha eine eigene
kleine Flotille mit Polizisten, welche Tag und Nacht auf der See herum
patrouilliren müssen.

Von zahlreichen kleinen flachen Inseln bedeckt, welche kaum einige Fuss
aus dem Niveau des Wassers hervorragen, von denen mehrere sogar bewohnt
sind, hat der See eine Länge von 10 Meilen auf 3 Meilen Breite.

Abends wurde an solch einer kleinen Insel angelegt, weil die Mannschaft
ihre Fische, die sie am Tage zum Geschenk bekommen hatten, backen
wollte. Dieses Eiland bestand fast ganz aus kleinen leeren Kalkmuscheln,
in der Mitte wuchs indess etwas Grün, und mittelst einiger trockener
Sprickeln hatten sie bald ein gutes Feuer, worin sie die Fische, nachdem
sie dieselben vorher ausgenommen hatten, hineinwarfen, und so in einigen
Minuten auf die primitivste Art brieten. Hernach ging es weiter, und da
wir kein Mondlicht hatten, auch keine Kerzen bei uns führten, so legten
wir uns zum Schlafe nieder, freilich nicht eben weich, denn das Schiff
hatte nichts als die harten Dielen, wenn nicht Schmutz und Staub von 20
Jahren etwas Weiche geschafft hätten. Ob der gelehrsame Reis und der
wohlgehorchende Behari eigentlich die ganze Nacht durchgefahren waren,
kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen; der Reis Abd-Allah behauptete es
indess beim Kopfe des Propheten, und so musste man es wohl glauben. Es
kam mir indess vor, als die aufgehende Sonne uns weckte, als seien wir
gar nicht von der Stelle gekommen. Bis 3 Uhr Nachmittags dauerte es noch
ehe wir Damiette erreichten, um 9 Uhr Morgens hatten wir indess aus
einem dichten Palmenwalde die hohen feinen Minarets, welche die Araber
Smah[21] nennen, herausragen gesehen.

       *       *       *       *       *

Wenn auch vor Damiette waren wir doch nicht in der Stadt, ein schmaler
Kanal führte vom Menzale-See zum Damm, der die fruchtbaren Niederungen
des Nils abtrennt, und hinter ihnen liegt erst Damiette selbst am Nil.
Unglücklicherweise hatte der Nordwestwind alles Wasser weggetrieben, so
dass unser plumpes Schiff das Ufer nicht erreichen konnte, nichts blieb
übrig als entweder den zwei Fuss tiefen Schlamm zu durchwaten oder bis
am Abend im Schiffe zu bleiben, wo nach Aussage der Leute das Wasser
höher werden würde. Aber ich zog doch lieber vor einen Kilometer im
Schlamm zu stelzen, als angesichts der Stadt länger im Schiffe zu
bleiben; nur rasch meine Kleider abwerfend, sprang ich hinaus und
arbeitete mich glücklich an den Damm. Freilich war dies, da man bei
jedem Schritt bis über die Knie einsank und förmlich festklebte, keine
leichte Arbeit, aber nach einer Stunde hatten wir festen Fuss und
konnten uns in den Wellen des Nils den Menzale-Schlamm abwaschen. Die
Koffer wurden gegen ein hohes Bakschisch von der Mannschaft des Schiffes
an das Land getragen, dann gleich auf einen Esel gelegt, und fort ging
es zur Stadt.

Man hat die Wahl in Damiette zwischen zwei Hotels, wovon das eine
ziemlich mitten in der Stadt liegt und von einem Griechen gehalten ist.
Das andere, mehr eine Art Pension, liegt ausserhalb der Stadt nördlich
und gehört Herrn Guérin, der, wie der Name andeutet, Franzose ist. Man
kann sich wohl denken, dass ich letzteres als Absteigequartier vorzog,
zumal ich einen Empfehlungsbrief für den Besitzer mitbrachte. Reizend in
einem Palmengarten gelegen, zwischen denen Oliven, Orangen und
europäische Fruchtbäume herrlich gedeihen, von den üppigsten
Gemüseculturen fast aller Zonen umgeben, die Wege von Jasmin und Rosen
besäumt, kann man sich keinen angenehmeren Aufenthalt denken als dieses
ländliche Hotel, Reinliche Zimmer, freundliche Wirthe und, was
erstaunenswerth ist in Aegypten, billige Preise, ist dies Hotel in
Damiette so zu sagen eine Ausnahme. Zwei Familien, je aus Mann und Frau
bestehend, wirtschafteten hier gemeinsam und lebten in vollkommenster
Harmonie, ja das Merkwürdige dabei war noch, dass der Hauptinhaber Herr
Guérin Jude ist, seine Frau eine Christin, während das andere Ehepaar
ein umgekehrtes Verhältniss zeigt. Da nach Damiette sehr wenig Fremde
kommen, so existirt natürlich keine Table d'Hôte, und man isst, wenn man
nicht ausdrücklich es verlangt, mit der Familie à la française.

Obgleich sehr wenig Europäer in Damiette wohnen, hat die Stadt ein
aussergewöhnlich reinliches Aeussere, die Strassen sind
verhältnissmässig breit, viel reiner als die in Cairo und Alexandria,
und die Hauptstrasse, welche die Stadt der Länge nach durchschneidet,
mit ihren Buden und Gewölben an beiden Seiten, ist orientalisch schön.
Die Stadt kann gegenwärtig 45 bis 50,000 Einwohner zählen, war aber
früher bedeutend grösser.

In alten Zeiten galt Damiette als der Schlüssel Aegyptens und lag dann
unmittelbar am mittelländischen Meere, während es heute durch die
Ausschwemmungen des Nils, der fortwährend nach Norden Erdreich ansetzt,
12-15 Kilometer davon entfernt ist. Damiette liegt auf dem rechten Ufer
des östlichen Nilarmes, auf einer Landzunge, welche den Nil vom
Menzale-See trennt, es wird zur Provinz Mennfieh gerechnet. Eine ganze
Tragödie spielte sich hier zur Zeit der Kreuzzüge ab, als der heilige
Ludwig in der Nähe der Stadt geschlagen und gefangen genommen wurde.
Aber schon vor ihm hatte man die Wichtigkeit Damiette's erkannt, und die
Franzosen debarkirten zuerst im Jahre 1218, dann eroberten am 5.
November 1219 Graf Wilhelm von Holland und Johann von Brienne, König von
Jerusalem, die Stadt, mussten aber bei der Regierung des Sultans
Mel-ed-Din sie wieder räumen, und Friedrich der II., der ein Hülfsheer
im Jahre 1221 sandte, konnte nur noch Zeuge vom Abzüge des christlichen
Heeres sein.

Im Jahre 1249 landete dann Ludwig der Heilige, eroberte die Stadt nach
zwei Tagen, schleifte sie und liess durch Versenkungen den Hafen
schliessen. Aber obgleich Ludwig noch zwei Schlachten gegen die
Mohammedaner gewann, erlitt er eine empfindliche Niederlage vom Sultan
Moadem-Turanscha im folgenden Jahre am 8. Februar dicht bei der Stadt
Mansura. Ein Vertrag, den er mit diesem Emir abschloss, konnte nicht zur
Ausführung kommen, da derselbe gleich darauf von seinen eigenen
Mammeluken ermordet wurde. Der Bruder Ludwigs, der Graf von Artois, war
ebenfalls unglücklich in seinen Unternehmungen, und am 5. April 1250
gerieth Ludwig der Heilige bei Mansura mit seinen Brüdern Alphons und
Karl in Gefangenschaft, und konnte nur dadurch seine Befreiung erlangen,
dass er Damiette, welches mittlerweile etwas weiter südlich wieder
aufgebaut worden war, abtrat und noch 100,000 Mark Silber zahlte.

Im Jahre 1798 wurde Damiette dann unter Kleber von den Franzosen erobert
und den Türken eine empfindliche Niederlage beigebracht, Sidney Smith
entriss es aber den Franzosen wieder und gab es den Türken zurück,
welche es bis zum 26. Juli 1803 behielten. An diesem Tage schlug
Mehemmed-Ali im Verein mit Bardissi unter den Mauern Damiette's die
Türken, welche von Kursuf commandirt waren, und weihte damit die
Unabhängigkeit Aegyptens der Pforte gegenüber ein.

Heutzutage ist Damiette[22] eine friedliche Stadt, und nirgends in ganz
Aegypten sind die Einwohner so vorurtheilsfrei und zuvorkommend. Die
Hauptbevölkerung besteht natürlich aus Mohammedanern, welche wie die
christlichen Kopten die Urbevölkerung ausmachen; Levantiner, meist
griechischen Glaubens, bilden dann zunächst das Hauptcontingent, und von
eingewanderten Europäern bilden die Mehrzahl die Griechen, auch einige
wenige Italiener und Franzosen giebt es, Engländer und Deutsche sind
augenblicklich nicht da. Man glaube aber deshalb nicht, dass wir keinen
Consul hätten, die schwarzweissrothe Flagge weht auf der ganzen Erde,
und wo der Deutsche heutzutage hinkommt, überall giebt sie ihm kräftigen
Schutz.

"Ich muss Herrn Surur", so heisst unser Consul, der nebenbei gesagt der
reichste Mann der Stadt und ein eingewanderter Levantiner ist, "doch
einen Besuch machen", dachte ich, und that es. Er wohnt am ganz
entgegengesetzten Ende in einer prachtvollen Villa ausserhalb der Stadt.
Zu meinem Bedauern fand ich den Consul verreist um eines seiner vielen
Güter zu inspiciren, welche er rechts und links am untern Nil liegen
hat. Aber den letzten Tag Abends kam der Kanzler des Consulats und bat
mich doch noch den folgenden Tag zu bleiben, Herr Surur wünsche mich
auch gern mit dem spanischen und englischen Consul bekannt zu machen.
"Das ist er ja selbst", erwiederte ich, wissend, dass Herr Surur auch
zugleich England und Spanien vertritt. "Das ist ganz recht", erwiederte
der Kanzler, "aber da er Ihnen in preussischer Uniform einen Gegenbesuch
machen wird, würde er Sie hernach sehr gern auch noch in englischer und
spanischer Uniform empfangen, er hat auch für jedes Land besondere
Empfangzimmer." Mir kam die Sache so sonderbar komisch vor, dass ich
fast Lust hatte meine Reisedispositionen umzuändern, um diesen
Sonderling, welcher schon seit 1812 jene drei Länder in Damiette
repräsentirt, kennen zu lernen; aber ich dachte, dann kommen noch
spanische und englische Gegenbesuche, die norddeutsche, englische und
spanische Diners zur Folge haben werden, und so ist's besser gleich
abzubrechen. Folglich erklärte ich dem Herrn Kanzler: ich könne meine
Reiseplane nicht mehr umändern, und bat ihn, mich dem guten Andenken des
Herrn Consuls zu empfehlen.

Herr Guérin, mein Wirth, erzählte mir nun noch folgendes, was mir
nachher von vielen Seiten bestätigt wurde: trotzdem überlasse ich die
Verantwortung dieser Erzählung den europäischen Bewohnern Damiette's;
sie hat Aehnlichkeit mit der von Bismarck, wenn er in seiner Eigenschaft
als Bundeskanzler, Ministerpräsident, Minister der auswärtigen
Angelegenheiten, Präsident von Lauenburg etc. etc. mit sich selbst
correspondirt. "Herr Surur ist der älteste Consul auf der ganzen Erde,
sehr geizig, aber wenn es darauf ankommt seine respectiven Souveräne zu
repräsentiren, dann geht es bei ihm im Hause so hoch her wie nur
irgendwo. Nur von England bezahlt, hat er für dieses die grösste
Vorliebe, obgleich er alle Abend für die Königin Isabella dreimal zu
Gott betet, während Wilhelm und Victoria nur einmal in seinem Gebete
genannt werden, denn Herr Surur ist eifriger Katholik und muss deshalb
doch der katholischen Fürstin einen kleinen Vorzug geben. Officiell
empfangt er dreimal des Jahres, an welchen Tagen dann auch grosse
Gala-Diners bei ihm stattfinden. An einem solchen Tage macht er sich
aber zuerst selbst die förmlichsten Besuche; wenn z. B. der Königin
Victoria Geburtstag ist, wirft er sich in preussische Consulatsuniform
und stattet dem englischen Empfangssalon, wo inmitten auf einem Divan
die grossbrittanische Consulatsuniform prangt, einen Besuch ab, sodann
eine steife Referenz machend, puppt er sich in einen spanischen Consul
um und wiederholt die Visite. Aber damit nicht zufrieden, macht er
Nachmittags als englischer Consul seinen beiden Collegen Gegenbesuch,
das heisst, er betritt feierlichst in grande tenue anglaise den
norddeutschen und spanischen Salon.

Sein stärkstes Stück soll indess das Danksagungsschreiben gewesen sein,
welches er an König Wilhelm für Ernennung zum norddeutschen Bundesconsul
geschickt hat, und was in so schwülstigen Formen abgefasst war, dass das
Generalconsulat in Alexandria, wie man sagt, es nicht hat passiren
lassen. "Schade", erwiederte ich, "unser König ist dadurch um einen
heitern Augenblick gekommen. Und wissen Sie denn auch, was er von
Bismarck denkt?" "O ja; er hat gleich erklärt, da Bismarck nur auf die
Vergrösserung Deutschlands sänne, er auch täglich ein Extragebet halte
für Vergrösserung Deutschlands, denn als norddeutscher Consul müsse er
officiell mit den Wünschen des Ministeriums des Auswärtigen
übereinstimmen".

Doch es würde zu weit führen, hier alle Anekdoten und Sonderbarkeiten,
die man sich nicht nur in Damiette, sondern in ganz Aegypten über Consul
Surur erzählt, wiederzugeben. Nur so viel noch, dass man andererseits
auch sagt, dass er vollkommen energisch ist, und vorkommenden Falles
den Türken schon oft gezeigt hat, dass man keinen seiner Schützlinge
ungestraft beleidigen darf. Sein Sohn ist amerikanischer Consul, und ein
Schwiegersohn vertritt andere Länder, so dass fast die ganze Welt von
dieser Familie repräsentirt wird.

Es gibt in Damiette eine grosse Anzahl von Moscheen, mehr als 20 hohe
Minarets zählte ich, die meisten Djemma,[23] so nennen die Araber ihre
Bethäuser, sind aber ohne Minarets. Eine von ihnen ist sehr berühmt und
noch heutzutage ein besuchter Wallfahrtsort; es geschehen dort Wunder.
Gegen ein hohes Bakschisch (Trinkgeld) konnte ich Einlass bekommen,
nachdem meine Stiefeln vorher mit ein paar Strohschuhen waren umhüllt
worden, damit mein ungläubiger Fuss nicht die heiligen Räume beflecke.
Die Moschee ist gross und ehemals eine christliche Kirche gewesen,
vielleicht in noch älterer Zeit ein römischer oder griechischer Tempel,
denn die Säulen sind zusammengesucht, von der verschiedensten Ordnung
und von verschiedenstem Gestein. Hier sieht man eine korinthische,
kannelirte aus Sandstein, dort dorische aus Marmor, auch Granitarbeiten
fehlen nicht. Das wunderbarste ist aber eine Säule, welche von Blut ganz
roth angelaufen ist; diese Säule, die von Mekka gekommen sein soll, wird
von sterilen Frauenzimmern so lange geleckt mit der Zunge bis aus
dieser Blut tritt, und dann soll dies Schwangerschaft hervorrufen
(wahrscheinlich haben die mohammedanischen Pfaffen oder Thalba (pl. von
Thaleb) aber noch andere Mittel zu Gebote, denn wenn die Frauen sich die
Zunge wundgeleckt haben, müssen sie zu einem Thaleb ins Zimmer treten,
und erhalten dort Mittel zur Heilung der Zunge.) Ich fand zwei junge
Frauenzimmer mit dem widerlichen Acte der Säulenleckung beschäftigt,
die, wie gesagt, ganz roth war, und unverschleiert, erhoben sie ein
entsetzliches Geschrei, als die Blicke eines Ungläubigen sie trafen. Der
mich herumführende Thaleb beruhigte sie indess, indem er ihnen etwas
zuflüsterte, wahrscheinlich theilte er ihnen mit durch andere Mittel die
Macht des bösen Auges von ihnen abwenden zu wollen.

Aber noch zwei andere merkwürdigere Säulen zeigte man mir, reiche dicht
neben einander stehen und direct vom Himmel gekommen sein sollen. Diese
haben die wunderthätige Kraft, dass sie schwangere Frauen, die nicht
niederkommen können, entbinden machen; zu dem Ende müssen sich die
Frauen zwischen beiden hindurchquetschen, und nachdem ich den geringen
Abstand der beiden Säulen von einander sah, konnte ich mir recht gut
denken, dass, wenn die Damen von Damiette hochschwanger den Pass passirt
haben, sie sicher weiter keinen Geburtshelfer nöthig haben würden.

Für die Christen in Damiette giebt es ausser den koptischen Kirchen eine
katholische Kirche, welche von Vätern des heiligen Grabes bedient wird,
dann eine griechische, der ein Erzbischof, ein Diaconus und vier
Priester vorstehen. Den schönsten Blick auf die Stadt hat man von Süden,
nahe vom Gebäude der Compagnie des Canals von Suez aus. Dieses Gebäude,
welches die Compagnie, man weiss nicht weshalb, hier hat bauen lassen,
steht jetzt ganz leer, einige Räume ausgenommen, die vermiethet sind.
Vom Nil aus kann man auch die ganze Stadt in einem Halbkreis vor sich
liegen sehen, und von Westen betrachtet, gleicht sie eher einer
italienischen als einer ägyptischen Stadt. Hohe mehrstöckige Häuser, mit
Fenstern und Balcons, alle den reichen Damietter Kaufleuten zugehörend,
unmittelbar an's Wasser stossend, deuten nichts weniger an, als dass
hier die Harem der Reichen münden. Und doch ist es so, die Jalousien
sind so eingerichtet, dass die Frauen und jungen Mädchen das rege
Treiben auf dem Nil sehen können, ohne gesehen zu werden. Besonders
schön ist das Gebäude des persischen Consuls, den die Damietter Consul
el Agam ([Arabic: el-Agam] heissen sie Persien) nennen.

Auf der andern linken Seite des Nils sind ausser Kasernen keine Gebäude,
mehrere grosse, halbverfallene Moscheen deuten aber an, dass früher hier
die Stadt sich auch ausdehnte. Von vollkommener Ebene umgeben und im
fruchtbaren Nil-Alluvium liegend, bringt die Gegend hauptsächlich Reis
hervor, der an Vorzüglichkeit jedem der Erde gleich steht; es wird
damit, sowie mit getrockneten Fischen, vom Menzale-See nach der Türkei
und Syrien ein grosser Export getrieben. Renommirt sind auch noch die
Datteln, welche für die besten in ganz Unterägypten gehalten werden. In
neuerer Zeit endlich hat sich Frucht- und Gemüsebau sehr entwickelt, da
Port Said gänzlich mit diesen beiden Artikeln von Damiette versorgt
wird. Bei Hochwasser können Briggs bis 400 Tonnen vom Meer bis zur Stadt
gelangen, bei niedrigem Wasser nur kleinere Schiffe. Eine regelmässige
Dampfschifflinie verbindet Damiette mit Mansura, welche Stadt etwa 80
Meilen nilaufwärts liegt.

Nach einem viertägigen Aufenthalt miethete ich ein Schiff, da die
regelmässigen Dampfer gerade nicht liefen, und fuhr mit gutem Nordwind
nach Mansura, welches wir in 18 Stunden, immer rechts und links die
lachenden Ufer des Nils geniessend, erreichten. Leider erlaubte der
Fanatismus der dortigen Bewohner nicht die Moschee zu betreten, in
welcher das Gefängniss des heiligen Ludwig gezeigt wird, und so nahm
ich, ohne mich in der Stadt aufzuhalten, die Bahn, und fuhr mit dem
ersten Zuge nach der Kalifenstadt zurück.



Malta.


Es kann oft vorkommen, dass ein Reisender, welcher von Europa sich nach
Tripolitanien oder Tunisien begiebt oder umgekehrt, dazu genöthigt wird,
tagelang, welches oft zu Wochen anwächst, auf diesem Felsen mitten im
Mittelmeere zuzubringen: und selbst in diese Lage gebracht, berichten
wir nun wie am besten und nützlichsten und zugleich auch am
interessantsten die Zeit hinzubringen sei. Durch die Kenntniss der
arabischen Sprache konnte ich mich mit den Maltesern selbst in
Verbindung setzen und so nach und nach herauslocken, was auf den Inseln
am sehenswerthesten ist. Freilich waren sie oft darüber so erstaunt mich
fe'l maltese sprechen zu hören, dass sie sich gerade so anstellten, wie
die Beduinen einem Europäer gegenüber, welcher sie plötzlich in ihrer
Sprache anredet, d.h. sie trauten ihren Ohren nicht, wollten nicht
glauben, dass es ihre Sprache sei, bis wiederholte Fragen ihnen endlich
die Laute ohrgerecht machten.

Indem ich im Allgemeinen hier anführe, dass die Inselgruppe, die wir
schlechtweg Malta zusammen nennen, aus der grössten Malta, der mittleren
kleinsten Comino und der zweiten Gozzo, dann einigen Felsen als
Cominetto und Filfela besteht, halte ich es für überflüssig, über Lage,
Grösse und Einwohnerzahl mich auslassen zu müssen, was in jedem
Handbuche der Geographie nachgesehen werden kann.

Kein Land der Welt hat wohl so oft seinen Besitzer geändert, wie Malta,
welches von Homer unter dem Namen von Hyperien, endlich mit der
Herrschaft der Phönizier Ogygien, dann endlich von Griechen, die später
sich der Insel bemächtigten, Melita genannt wurde, aus dem der jetzige
Name Malta entstanden ist. Die kolossalen Bauüberreste, die an mehreren
Orten auf der Insel gefunden werden, deuten darauf hin, dass Malta von
Völkern bewohnt wurde, welche die Griechen mit dem Namen Pelasger
bezeichneten, nach ihnen finden wir Spuren der phönizischen Herrschaft.
Im Jahre 736 v. Chr. bemächtigten sich die Griechen der Inseln, welche
dann 528 v. Chr. in die Hände der Carthager fielen. Im Jahre 242 v. Chr.
mussten die Carthaginienser, wie alle anderen Inseln so auch Malta an
Rom abtreten, welches sich bis 454 hier behauptete, worauf dann die
Vandalen und Gothen und im Jahre 533 Belisar sich Malta's bemächtigte.
Nach dem lateinischen Kaiserreiche zankten sich Araber, dann wieder
Griechen, und wieder Araber um die Herrschaft, bis 1090 Graf Roger mit
den Normannen die Inseln nahm, welche dann 1186 durch die Heirath
Kaiser Heinrichs des VI. mit Constantia, der letzten Entsprossenen von
Roger dem deutschen Reiche einverleibt wurden um nach 72 Jahren in die
Hände von Frankreich zu fallen. Zwei Jahre nach der sicilianischen
Vesper kamen dann die Inseln unter spanische Herrschaft und unter Carl
dem V. wurden sie für ewig den von Rhodus vertriebenen Rittern von
Johannes dem Täufer im Jahre 1530 geschenkt. Erst unter Hompesch dem
letzten und 69sten Grossmeister dieses Ordens kam Malta wieder in die
Macht der Franzosen, um 1802 in die der Engländer zu fallen, unter deren
Oberhoheit die Inseln heute noch stehen.

Es ist wohl nicht nöthig anzuführen, dass die Grossmeisterschaft Paul
des I. von Russland nur eine Comödie war, dass die eigentliche
Ordenseinrichtung mit der Capitulation von Hompesch erlosch. Aber noch
heute hört man oft von Reclamationen ehemaliger Ritter, um Rückgabe der
Güter, welche das englische Gouvernement jetzt im Besitze hat, die
indess rechtmässig Eigenthum der Ritter sind.

Fast alle Reisende werden Zeit genug haben Lavalletta die Hauptstadt von
Malta zu besehen, selbst wenn sie nur einen Tag dort verweilen sollten.
Ich beschränke mich daher darauf nur die Merkwürdigkeiten derselben
aufzuzählen. Von dem bedeutendsten Grossmeister, der je regierte, im
Jahre 1566 gegründet und nach ihm genannt, liegt die Stadt auf einer
Halbinsel so günstig, dass auf beiden Seiten die prächtigsten und
sichersten Häfen, von den Engländern schlechtweg "Doks" genannt, sich
befinden.

Das Fort St. Elmo, welches Lavalette so tapfer 1515 gegen die türkische
Armee des Sultan Selim vertheidigte, das Palais des ehemaligen
Grossmeisters, jetzt Wohnung des Gouverneurs mit einer reichen Sammlung
von Rüstungen und Waffen, die inwendig überaus reiche Kirche von St.
Giovanni, die Bibliothek mit einigen Antiken aus der Zeit der Phönizier
und Carthager, endlich das neue Opernhaus, sind die hauptsächlichsten
Monumente, die Lavalletta zieren. Dazu kommen noch mehrere grossartige
Gebäude, sogenannte Aubergen der früheren Ritter, welche nämlich in acht
Sprachen getheilt waren, deren jede Corporation ihre eigene Wohnung
hatte. Drei dieser Corporationen kamen auf Frankreich, die der Provence,
die der Auvergne und die des eigentlichen Frankreich, eine auf Italien,
eine auf England-Baiern, eine auf Deutschland und zwei auf Spanien, d.h.
auf Aragonien und Castilien. Die Auberge der Castilianer-Ritter zeichnet
sich vor allen durch Grossartigkeit und Pracht aus. Ein hübscher
Spaziergang nach der Vorstadt Floriana hinaus, das ist alles, was der
Fremde als sehenswerth in Lavalletta ausserdem mitnehmen kann.

So wechselvoll sich nun uns die Herren von Malta präsentiren, so stabil
scheint das Leben in Lavalletta seit Zeiten geblieben zu sein; der
Malteser, wenn auch nicht Abkömmling der Araber, hat doch unter der
Herrschaft dieses Volkes, und namentlich früher unter der Ritterschaft
durch die vielen "Caravanen" (so der officielle Ausdruck in den Akten
der Ritter für Piraterie gegen mohammedanische Schiffe) in Sprache fast
alles, in Sitten und Gebräuchen sehr viel von den Abkömmlingen Ismael's
angenommen. Das Haus eines Maltesers ist fast jedem Fremden
verschlossen, und wenn auch viel von der Leichtfertigkeit der hübschen
Malteserinnen, deren weisser Teint namentlich gelobt wird, die Rede ist,
so kann das nur auf das Malteser Geschlecht unter sich selbst Bezug
haben: der Fremde wird sehr schwer in eine Malteser Familie Eingang
finden. Als eigenthümlich fand ich jetzt die Einrichtung von sogenannten
smoking rooms oder Rauchzimmer; ausser den zahllosen Kneipen gab es
früher nur zwei anständige Kaffeehäuser, welche aber auch jetzt zu
wahren Brandy shops gesunken sind, dafür hat man nun Rauchzimmer
erfunden, wo mit Anstand stehend geraucht und Branntwein und Sodawasser
getrunken wird. Ausserdem giebt es gute Clubs oder andere
Vereinigungsorte, in welche jeder Fremde durch seinen Consul sich
einführen lassen kann. Die Hotels, das Imperial-Hotel als erstes, lassen
alle viel zu wünschen übrig.

Doch verlassen wir die Stadt Valletta und gehen ins Innere, so führt uns
der Weg zunächst nach der so ziemlich im Centrum von Malta liegenden
ehemaligen Hauptstadt Civita vecchia, auch città notabile genannt. Bei
den Arabern hiess sie die "Stadt" medina schlechtweg und vom
Malteser-Volk wird sie auch heute noch so genannt. Die Stadt selbst ist
heute klein, von nur einigen hundert Einwohnern, aber dicht dabei liegt
der grosse Ort Rabatto.

An Merkwürdigkeiten hat man dicht bei der Stadt einen alten Kirchhof, in
dem Mumien gefunden worden sind, ganz nach Art der Aegypter, einige gute
Exemplare davon sind auf der Bibliothek. Viel merkwürdiger ist indess
die grosse Ausdehnung der Todtenstadt oder Catakomben; frühere
Todtenbehausungen. dienten sie den ersten Christen als Wohnungen. Für
die Malteser ist das grösste Heiligthum die Grotte von St. Paul, auch in
der Nähe von città vecchia. Im Grunde derselben wird ein Altar gezeigt,
wo Paulus die Messe gelesen haben soll; auch befindet sich daselbst eine
gute Statue dieses Apostels von Melchior Caffa. Die Felswand der Grotte
ist ein Febrifugum, nach Aussage der Eingebornen, wenn pulverisirt
genossen.

Ich brauche wohl kaum zu sagen, wie ungegründet der Glaube (wenn man bei
Glauben überhaupt von Gründen reden darf) der Malteser ist, St. Paul in
Malta scheitern zu lassen.

Es ist nicht daran zu zweifeln, dass als Paulus von Caesarea nach Rom
fuhr an eine Insel Namens Mileta geworfen wurde, aber eine Insel
gleichen Namens existirte auch im adriatischen Meere. Von der Nordküste
Creta's, wo man gelandet war, abfahrend, überfiel das Schiff ein
heftiger Sturm, aber es heisst ausdrücklich im _adriatischen Meere_.
Dann giebt es keine Sandbänke um Malta, wo die Paulus führenden Seeleute
hätten Blei senken können, um Malta fällt das Meer überall steil ab zu
einer Tiefe, die weder für damalige Senkbleie erreichbar war, noch
weniger ein Stranden erlaubt; ausserdem ist der Ort, wo St. Paul
gestrandet sein soll, d.h. in der Paul's Bucht, der
allerunwahrscheinlichste, denn von Creta kommend hätte er an die
Ostseite der Insel geworfen werden müssen. Es liessen sich noch andere
Gründe anführen, was jedoch nur ermüdend sein würde, und warum auch,
respectiren wir im Gegentheil die Pietät der Malteser für den grossen
Heidenapostel.

Auf dem Wege nach città vecchia hat man noch das hübsche Landhaus des
Gouverneurs zu besuchen, welches mit seinen dunklen Cypressen und
duftenden Orangen einen wohlthuenden Eindruck auf das von dem ewigen
Einerlei ermattete Auge macht. Denn, wenn auch Malta nicht ohne Cultur,
vielmehr jedes Stückchen bebaut ist, so hat man alle Felder mit hohen
Steinmauern umgeben, so dass man nichts als Steine erblickt. Bäume giebt
es aber fast gar nicht auf den Inseln, namentlich keine Gruppen, nur hie
und da einzelne Feigen-, Johannisbrodbäume und Oliven. Und doch wie
fleissig ist die Insel bebaut, wie ist jedes Fleckchen benutzt, die
Erde, um den Felsen zu bedecken, hat man oft aus Sicilien holen müssen.
Aber gerade die Baumlosigkeit der Insel macht alle Mühe und Anstrengung
zu Nichte, von heftigen Regen wird der Humus wieder abgeschwemmt, und
so bleibt das Land ewig ein halbnackter Felsen. Und auch für den
Pflanzenwuchs ist die Baumlosigkeit beeinträchtigend, denn Malta hat im
Sommer vollkommen afrikanisches Klima, und auch im Winter sieht man nie
Schnee oder Eis. Sagt nicht Duveyrier so trefflich in seinem Buche der
Tuareg "die Vorsehung versorgte die Oasen mit Dattelbäumen, nicht nur um
aus den Dattelbäumen allein Nutzen zu ziehen, sondern um im Schatten
derselben Korn bauen zu können", er "nennt die Palmwälder" die
"Treibhäuser der heissen Gegenden", und das ist auch vollkommen wahr.
Aber der Malteser hängt so fest an seinen Gewohnheiten, dass er lieber
fortfährt Erde aus Sicilien zu holen, als Bäume zu pflanzen, ja er hat
sich noch nicht einmal von dem Pfluge losmachen können, den Abraham bei
den Arabern einführte, und die Araber vielleicht mit nach Malta
brachten. Giebt es noch sonst auf der Erde ein christliches Volk, das
mit Abrahams Pflug den Boden bestellt, wie die Semiten? Doch ich muss um
Verzeihung bitten, während ich dies schreibe, fällt mir ein, dass ich
gerade aus dem christlichen Abessinien gekommen bin, und die Abkömmlinge
der Königin von Saba sind auch heute noch nicht weiter.

Wir waren bis civita vecchia zu Fusse gegangen, da wir aber noch am
selben Tage weiter bis Melleha wollten, ein Ort, welcher in einer Bucht
am Nordwestende der Insel liegt, und wo man glaubt, dass sich die
berühmte Calypsogrotte befindet, so nahmen wir in der Stadt einen
Wagen. Auch in diesem Locomobile sind die Malteser so stabil geblieben,
dass man glauben sollte, sie hätten ihre Wagen nach den alten
Circuswagen direct abmodellirt; ohne Federn und nur von zwei Rädern
getragen, entbehren die echten hier einheimischen Wagen sogar der Sitze,
man legt sich hinein, wie zu Zeiten der Wettkämpfe die Kämpfer und
Wagenlenker darin gestanden haben mochten. Freilich sind die Fiaker von
Lavalette insofern bequemer, als sie Sitze haben, im Uebrigen aber auch
ganz die Form der Wagen unserer klassischen Vorfahren beibehalten haben.
Hier auf dem Lande war nur ein recht alter Wagen aufzutreiben, und uns
hineinlegend fuhren wir ab.

Auf dem Wege nach der Calypsogrotte passirt man die nicht minder
interessanten Gräber von Ben-Djemma (Bengemma). Es steht wohl
unzweifelhaft fest, dass es keine Wohnungen von Lebendigen waren,
sondern Todtengräber, an mehreren anderen Stellen der Inseln findet man
ähnliche, wenn auch nicht in so grosser Zahl. Als wir übrigens in
Melleha ankamen, war es stockfinstere Nacht geworden, und wir waren
froh, sogleich ein Unterkommen zu finden. Es ist auffallend genug, dass
obgleich in der Hauptstadt Lavaletta die Gasthöfe nur mittelmässig nach
unseren Begriffen sind, man in den kleinsten Orten äusserst gute
Aubergen antrifft. So auch hier. Reinliche Zimmer und Betten, einige
Eier, ein Kaninchen, eine Flasche Marsalawein, was wollte man mehr. Dazu
die freundlichste Aufnahme. Man muss überhaupt ins Land selbst
hineingehen um den Malteser kennen zu lernen. Wie schlecht urtheilt man
über ihn, wenn man ihn nur in Aegypten, Tripolitanien, Tunisien und
Algerien gesehen hat! Wie oft habe ich selbst davon zurückgestanden,
mich mit einem Malteser im Auslande einzulassen, und erzählen einem
nicht alle englischen Consuln, dass gerade ihre maltesischen Unterthanen
ihnen am Meisten zu thun machen! Das ist auch in der That der Fall. Und
die Malteser haben wohl recht, wenn sie dies so erklären: die Guten
bleiben in ihrem Vaterlande, die Schlechten wandern aus.

Die Bewohner von Lavaletta machen indess eine Ausnahme, der Fremde muss
sich sehr in Acht nehmen, nicht von ihnen übervortheilt zu werden, für
alles verlangen sie mindestens den dreifachen Werth. Auch sonst sind sie
bei den Engländern in Verruf: Sehr begünstigt, da sie frei von allen
Abgaben sind, überdies alle Privilegien eines Freihafens geniessen, kann
kein Gouverneur es ihnen Recht machen, und die Blätter von Lavaletta
lassen es sich angelegen sein, die Regierung in den Augen des Volkes so
schlecht wie möglich zu machen.

Am anderen Morgen war das Erste, dass wir zur Grotte der Calypso
wanderten, welche dem Orte in einer Kalksteinfelswand gegenüber liegt.
Von den Malteser-Inseln behaupten auch die Bewohner Gozzo's die
Calypso-Grotte zu besitzen, ausserdem haben verschiedene Gelehrte diesen
berühmten Aufenthalt Odysseus' nach anderen Inseln hin verlegen wollen.
Die meisten und besten Geographen stimmen aber darin überein, dass
Malta der wahre Ort sei, ob man indess diese Grotte gerade die gewesen
ist, worin Calypso den vielduldenden Wanderer festhielt, wage ich nicht
zu behaupten. Jedenfalls ist es nicht die Grotte, welche auf Gozzo
gezeigt wird.

Die Grotten, welche wir vor uns hatten, waren in den Fels gehauene
Zimmer von verschiedener Grösse, und es scheint, als ob eine Hauptgrotte
vor diesen Zimmern existirt hat, welche indess weggestürzt zu sein
scheint. Das Merkwürdigste war, dass mehrere dieser Zimmer noch heute
bewohnt sind, wie ich denn später noch an mehreren Orten constatiren
konnte, dass in Malta Troglodyten sind, was für unser neunzehntes
Jahrhundert in Europa immerhin auffallend genug ist.

Ein heftig ausbrechender Regen nöthigte uns zur Umkehr nach Lavalletta,
da derselbe aber nur einen Tag anhielt, konnten wir schon gleich darauf
unsere Wanderungen wieder antreten. Es galt eine andere merkwürdige
Höhle zu besuchen, die am Südende der Insel liegt und den Namen Erhassan
hat. Man gelangt dahin am besten über den kleinen Zorrik. Diese Höhle
ist vollkommen Naturwerk, indem die untere Partie wahrscheinlich vom
Meere ausgewaschen, weggesunken, der obere Felsboden aber stehen
geblieben ist. Der Zugang ist sehr schwer und für Damen wohl kaum
erreichbar, auch muss man sich in der Höhle selbst sehr in Acht nehmen,
da viele Irrgänge vorkommen. Licht muss man auf alle Fälle mitnehmen,
und wer sich weit in die Höhle hinein wagen will, thut wohl, Stricke
mitzunehmen, um sich daran zurückleiten zu können. Zimmer, welche an den
Seiten eingehauen sind, deuten darauf hin, dass auch diese Grotte
bewohnt war.

Dicht bei Zorik ist noch eine andere Einsenkung, welche den Namen
Makluba (umgestülpt) führt. Auch dieses sonderbare Loch über 100' tief
und an der Basis einen eben so grossen Durchmesser habend, muss durch
einen Einsturz hervorgerufen sein, die Wände sind überall senkrecht und
das Gestein ist wie immer Kalk.

Geht man von Zorik nach Westen, so kommt man nach einer halben Stunde an
den kleinen Ort Krendi und hier befinden sich zwischen Krendi und dem
Meere sehr merkwürdige Bauüberreste der Phönizier, Hedjer-Kim oder
Hedjer-Aim[24] von den Maltesern genannt. Kolossale Quadern, welche zu
diesen Bauten benutzt sind, bilden diese meist doppelten Rundtempel, die
Mauern sind gut erhalten, und selbst noch einige Altäre sieht man. Auf
vielen Steinen findet man die äussere Wand mit Sternen bedeckt, andere
zeigen Kreise, ammonsartig in sich selbst gedreht. Mehrere Gegenstände,
auch eine Inschrift, die man durch Nachgrabungen gefunden hat, befinden
sich auf dem kleinen Museum der Bibliothek, jedoch scheinen die
Ausgrabungen nur oberflächlich vorgenommen zu sein.

An anderen Sehenswürdigkeiten hat die Insel Malta noch dicht beim Marsa
Scirocco (Bucht an der Ostküste) einen Tempel, der den Namen
Hercules-Tempel führt, dann das Bosquet, ein Lustgarten der alten
Johanniterritter, zwischen Città notabile und dem Meere gelegen, beide
diese hatten wir nicht Gelegenheit zu sehen.

Da indess noch immer kein Dampfer nach Tripoli abgehen wollte, so wagten
wir es nach Gozzo zu gehen. Ich sage wagen, nicht als ob es gefährlich
sei die enge Strasse zu überfahren, sondern weil möglicherweise während
unserer Anwesenheit auf Gozzo bei der so wechselvollen Winterzeit Sturm
hätte ausbrechen können, und dann vielleicht die Communication
abgeschnitten gewesen wäre, wir also den Dampfer hätten vergessen
können.

Man fährt von Lavalletta am besten bis Marfa dem äussersten
Nordwestpunkte von Malta. Auf dem Wege dahin passirt man Musta, ein
kleiner Ort von einigen Hundert Einwohnern, die sich aber eine so
prächtige und grossartige Kirche erst vor wenigen Jahren erbaut haben,
dass jede Hauptstadt in Europa stolz darauf sein könnte; die grosse
Kuppel, das Ganze ist ein Kuppelbau, ist sicher nicht viel kleiner, als
die der St. Paulskirche, und ganz aus Steinen aufgewölbt.

In Marfa angekommen, welches 14 engl. Meilen von Lavalletta entfernt
ist, fand es sich, dass kein einziges Boot zum Ueberfahren vorhanden
war; ein alter dort stationirter Soldat wusste aber bald Rath; er
machte ein recht qualmendes Feuer und auf dies Signal hin sahen wir von
dem gegenüber liegenden Orte auf Gozzo, Mai-Djiar (Miggiar wie die
Engländer schreiben) bald ein Schiffchen absegeln, welches mit günstigem
Winde schon nach einer halben Stunde in Marfa war. Zurück nach Mai-Djiar
ging es freilich nicht so schnell, da wir Anfangs den Wind nur halb
benutzen und bei Comino und Cominetto angekommen, nur noch durch Rudern
weiter kommen konnten; indess waren wir auch nach anderthalb Stunden in
Gozzo und eine kleine Stunde später im Hauptorte Rabatte, nicht mit dem
Rabatto bei der Stadt città vecchia zu verwechseln, im Hotel Calypso
einquartirt.

Dies Hotel entsprach ganz den Erinnerungen an den Namen Calypso, für
einen so kleinen Ort wie Rabatto war es ein kleiner Zauberort und wir
konnten, es war schon Nacht geworden wie wir ankamen, es hier recht gut
bis zum andern Morgen aushalten.

Mit Tagesanbruch machten wir uns dann auf den Weg um die grösste
Sehenswürdigkeit der Malteser-Inseln, die Riesenthürme zu besuchen. Und
in der That, man fand sich keineswegs getäuscht. Aus Riesenquadern
aufgeführt, befindet man sieh vor zwei runden Tempeln, fast wie eine
Brille jeder gestaltet, doch so, dass je vor der grossen Brille noch je
zwei kleinere sich befinden. Die Aehnlichkeit dieser Bauten mit der von
Hedj-Kim und Mnaidra ist unverkennbar. Auch hier scheinen die Wandungen
inwendig mit Sternen überdeckt gewesen zu sein und mehrere
spiralförmige Zeichen sieht man noch heute. Einige Figuren, durch
Ausgrabungen gewonnen, befinden sich in Lavalletta, in einer hat man
eine Isis erkennen wollen. Didot hat eine genaue Beschreibung des
Thurmes der Riesen gegeben.

Wir waren kaum mit der Besichtigung dieser merkwürdigen Denkmäler der
Phönizier fertig, als ein Wagen vorfuhr und der Commandant von Gozzo,
ein junger englischer Offizier, dem ich Abends zuvor ein
Empfehlungsschreiben geschickt hatte, ausstieg um mich abzuholen. Erst
jedoch forderte er mich auf die Calypso-Grotte zu besehen, welche auf
dem nördlichen Theile von Gozzo sich befindet. Wir gingen auch hin, aber
nichts ist unwahrscheinlicher, als dass hier Odysseus sich in den Armen
Calypsos befunden haben soll. Das Hereinklettern in diese Höhle durch
unzählige davorliegende Felsblöcke lebensgefährlich gemacht, nahm fast
eine Viertelstunde in Anspruch, und als wir endlich darin waren, standen
wir, obgleich mit Licht versehen, von jedem weiteren Versuche ab in das
Labyrinth von halbverschütteten Gängen einzudringen.

Unser Weg führte uns nun zu Wagen rasch nach dem kleinen Fort Chambray,
welches die Rhede von Mai-Djaro beherrscht und nachdem wir mit unserm
liebenswürdigen Commandanten noch gefrühstückt hatten, setzte uns die
Barke diesmal mit günstigem Winde in einer halben Stunde nach Malta
über.

Im Hafen von St. Paul fanden wir einen Wagen, so dass wir noch selbigen
Tages, wenn auch etwas spät Lavalletta erreichen konnten und gerade an
dem Tage konnten wir das seltene Schauspiel gemessen den Aetna in seiner
feurigsten Thätigkeit zu sehen: seit 130 Jahren hatten die Malteser
ihrer Aussage nach kein solches Schauspiel erlebt.



Die grosse Bodeneinsenkung in Nordafrika.


Schon vieler Orten hat man die Beobachtung gemacht, dass gewisse
Strecken Landes niedriger als die Meeresoberfläche gelegen sind. Wer
weiss nicht, dass der See Genezareth und das noch tiefere durch den
Jordan mit ihm verbundene todte Meer, oder wie die heutigen Umwohner es
bezeichnend nennen "behar-el-Loth", tiefer gelegen ist als das nahe
Mittelmeer? Die Einsenkung des todten Meeres, welches den bedeutenden
Niveauunterschied von über 1200 Fuss zum Mittelländischen Meere hat,
fällt fast in geschichtliche Zeit, wie die jüdischen Traditionen
berichten. Wenn nun auch die Depression, welche hier beschrieben werden
soll, bei weitem nicht so tief unter das Meeresniveau sinkt, wie das
oben genannte Jordan-Thal, so ist dieselbe doch wegen ihrer grossen
Ausdehnung, einer jetzt bekannten Längenausdehnung von ca. 10
geographischen Graden, von Osten nach Westen gerechnet, dann auch, weil
dadurch zum ersten Male die Bodengestaltung eines grossen Landstriches
von Nordafrika näher festgestellt wird, wichtig genug, um eine nähere
Besprechung zu verdienen.

Falls man den schmalen Küstenstrich durchstechen und das tiefer liegende
Land dem Meere zugänglich machen wollte, würde dies eine tief
eingreifende Einwirkung auf Boden, Pflanzen und animalisches Leben
hervorrufen und es mag daher jetzt, wo bei der nahen Eröffnung des
Suezcanals ganz Nordost-Afrika in viel innigere Beziehungen zu Europa
treten wird, nicht müssig sein, diese Aegypten so nahen Gegenden näher
ins Auge zu fassen.

Was nun zuerst die Lage und Oertlichkeit der Einsenkung anbetrifft, so
finden wir dieselbe im Westen beginnend, südlich von der inselartigen
Cyrenaica, unfein vom Ufer des Mittelländischen Meeres, welches hier an
der Nordküste von Afrika eine weite Bucht bildet, die grosse Syrte
genannt. Die erste merkliche Depression wurde beim Bir-Ressam
beobachtet, der in gerader Linie vom Mittelländischen Meere nur ca. 15
deutsche Meilen entfernt ist. Hier wurde die bedeutende Tiefe von ca.
104 Meter constatirt, die bedeutendste, welche überhaupt bemerkt worden
ist. Diese zeigt sich gleichmässig noch einige Stunden nach SSO. weiter
fort. So wurde Nachts und am folgenden Morgen in Gor-n-Nus, welches
einen halben Tagemarsch süd-süd-östlich vom Bir-Ressam liegt, gleicher
Barometerstand beobachtet. Wenn angeführt worden ist, dass bei
Bir-Ressam die Einsenkung im Westen beginne, so ist das natürlich dahin
zu verstehen, dass dieselbe dort zuerst beobachtet wurde; es ist sehr
gut möglich, sogar wahrscheinlich, dass dieselbe noch weiter nach Westen
sich ausdehnt und das ganze Terrain, welches auf den Karten unter dem
Namen "Syrien-Wüste" verzeichnet steht, tiefer als das Meer liegt, von
dem es blos durch ein schmales Küstengebirge oder durch ausgeworfene
Dünen getrennt ist.--Erst das Harudj-Gebirge scheint die eigentliche
Grenze, das Ufer des afrikanischen Continents hier zu sein. Die
Syrten-Wüste ist nie von einem Europäer durchkreuzt worden, längs der
Küste d.h. von Tripolis nach Bengasi zogen nur della Cella, Beechey und
Barth.

Mehrere Tagemärsche süd-süd-östlich von Bir-Ressam stösst man auf die
ersten Oasen Audjila und Djalo, und immerfort befindet man sich unter
dem Spiegel des Meeres; erstere Oase ist ca. 52 Meter, die letztere ca.
31 Meter tiefer als das Mittelmeer gelegen. Einen Tagemarsch weiter von
Djalo nach Nordost zu, kommt man nach Uadi (ausgetrocknetes Rinnsal).
Von einem schrecklichen, mehrere Tage anhaltenden Samum überfallen, der
zu einem achttägigen Aufenthalte zwang, konnte man hier, während der
glühende, widerstandslose Orkan am heftigsten tobte, einen niedrigsten
Barometerstand beobachten. Seinen tiefsten Stand erreichte das Aneroid
mit 756 M. M. Aus 32 während der acht Tage zu verschiedenen Tageszeiten
angestellten Beobachtungen ergab sich, dass Uadi gerade auf gleicher
Höhe mit dem Meere sich befinden müsse, denn diese 32 Beobachtungen
ergaben im Mittel 762 M. M. Aber wenn man bedenkt, dass über die Hälfte
der Beobachtungen während eines widerstandslosen Oceans stattfanden, so
wird man zugeben, dass man den durchschnittlichen Barometerstand auch
hier mindestens auf 765 M. M. annehmen kann, was eine Tiefe von circa 31
Meter ergeben würde.

Von hier bis zur Oase des Jupiter Ammon sind noch zehn bis zwölf
Tagemärsche, wovon die erste Hälfte des Weges jeder Spur von Wasser
entbehrt und durch die trostloseste Wüste verläuft, welche überhaupt
existirt Die Rhartdünen, dann die Gerdobaebene zeigen dem Dahinziehenden
die grössten Feinde der Wüste: gänzlichen Wassermangel und fast immer
absolute Trockenheit der Luft. Gleich beim Eintritt der Rhartdünen lässt
man etwas links gegen vierzig zu Mumien ausgetrocknete Leichen liegen,
welche erst kürzlich in einem heftigem Samum vom Führer irregeleitet und
nachher schmachvoll verlassen wurden. Und merkwürdiger Weise hätte
dieser selbe Führer, Hammeda aus Audjila, welcher unsere Karavane von
Bengasi nach Audjila zu führen hatte, auch uns fast ins Verderben
geleitet, indem er uns durch eine Luftspiegelung getäuscht, freilich
dicht vor Audjila, vom Wege abführte. Es braucht wohl kaum gesagt zu
werden, dass derselbe sofort entlassen wurde. Die Rhartdünen und die
Gerdoba dürften eine durchschnittliche Tiefe von 10 Meter haben, doch
giebt es Dünen, die relativ bedeutend höher, aber auch eben so viele
eigenthümliche, kesselartige Einsenkungen, die 20 oder 30 Meter relativ
tiefer als die eben angegebene allgemeine Tiefe sind.

Bei dem Brunnen Tarfaya tritt man dicht aus libysche Wüstenplateau
heran, welches im Allgemeinen die geringe Höhe von 100 bis 115 Meter
absolut hat. Gleich südlich von diesem Plateau, das mit einem steilen
Ufer aus Kalkstein abfällt, zieht sich nun eine Reihe von Seen hin bis
zur eigentlichen Oase des Jupiter Ammon. Diese Seen, manchmal weithin
von Sebcha (Sand- und Schlickboden, stark mit Salzen untermischt und
manchmal so hart an der Oberfläche getrocknet, dass beladene Kameele
darüber marschiren können, manchmal aber auch so nachgiebig, dass
unvorsichtig sich Hineinwagende rettungslos versinken) eingeschlossen,
liegen 40-50 Meter tiefer als der Spiegel des Meeres. Seit Jahrtausenden
existirend und südlich meist von Sanddünen begrenzt, welche unmittelbar
die Seen böschen, sind ein neuer Beleg, wie wenig man das Versanden des
Kanals von Suez zu befürchten haben wird. Wie gering sind überdies die
Sandanhäufungen auf dem Isthmus, gegen die gewaltigen Dünen der
libyschen Wüste, und seit undenklichen Zeiten wehen sie Sand gegen diese
kleinen Seen, ohne bis jetzt im Stande gewesen zu sein, sie gänzlich in
Sebcha zu verwandeln. Die hauptsächlichsten Seen, von Westen nach Osten
gerechnet, sind: der Faredga oder Sarabub, der Lueschka, der
Nocta-Sauya, der Araschieh und Schiatasee.

Schon vor dem Schiatasee hat man mit dem von Palmen reichlich
bestandenen Gaigab-Sebcha die Ammonsoase erreicht, vielleicht auch
rechneten die Alten Tarfaya dazu. Die weiter östlich liegende Oase mit
See Maragi ist schon bewohnt und die Hypogeen in den Felsen zeugen, dass
die Alten ebenfalls hier Niederlassungen hatten.

Wenn man mit Tarfaya die Schrecken der eigentlichen Wüste glücklich
überwunden hat, und nun von einem tiefblauen See zum andern dahinzieht,
welche von schlanken Palmen umgeben, manchmal auch weithin von
silberglänzenden Salzflächen eingeschlossen sind, so wird diese
bezaubernde Gegend an Wechsel und Schönheit nur noch von der
eigentlichen Oase des Jupiter Ammon übertroffen: Hohe phantastisch
gestaltete Felsen, unzugänglich weil von Geistern gehütet, eine lange
Silberfläche erstarrten Salzes, dunkel bordirt von ehrwürdigen
Palmenbäumen, dann ein langer See auf dem sich Tausende von wilden Enten
und Gänsen herumtummeln, endlich die schön cultivirten Gärten der Oase,
reich an Oelbäumen, Orangen, Granaten und anderen Obstsorten, und
überall gegen die brennende Sonne von den weitästigen Palmenkronen
geschützt; rieselnde Bäche von Süsswasser, grosse aus der Tiefe
aufsprudelnde Quellen, oft wie der berühmte Sonnenquell noch von
künstlichen Quadern umgeben, dazwischen die hochaufsteigenden Städte
Siuah und Agermi, welche letztere die alte Acropolis der Ammonier war
und noch heute die Reste des grossen Tempels des Jupiter Ammon
birgt--das ist in Kürze das Bild dieser berühmtesten aller Oasen.

In Siuah und Agermi ergaben drei und zwanzig zu verschiedenen
Tageszeiten angestellte Beobachtungen eine Tiefe von ca. 52 Meter. Noch
zehn Tagemärsche weiter, bis zum Brunnen Morharha, wurde die Depression
verfolgt, und überall blieb hier eine gleichmässige Tiefe von circa 50
Meter. Vom Brunnen Morharha nördlich gehend, kommt man dann gleich auf
das aus Kalkstein bestehende libysche Wüstenplateau, welches auch hier
kaum breiter als zwölf deutsche Meilen ist und die Einsenkung vom
Mittelmeere trennt. Wie weit sich diese nun nach Osten erstreckt, ist
heute noch nicht bekannt, jedenfalls nicht weit, da sie von Unterägypten
durch die den Nil im Westen einschliessenden Gebirge getrennt wird. Noch
weniger ist festzustellen oder auch nur zu muthmaassen, wie weit die
Depression nach Süden hinzieht, noch nie ist es einem Eingebornen
gelungen, von der Jupiter-Ammon-Oase aus nach Süden vorzudringen,
geschweige denn einem Europäer, und wenn man von Audjila und Djalo
südwärts nach Kufra und Uadjanga geht, so wissen doch die Eingeborne
wenig über die Bodenverhältnisse zu sagen. Kufra ist von Audjila durch
eine Sherir (mit kleinen Steinen bedeckte Ebene) getrennt, die aber nach
den Aussagen der Modjabra, so nennen sich die Bewohner von Djalo,
keineswegs höher gelegen ist als ihre Ortschaften, und Kufra geben sie
geradezu als tiefer liegend an. Wir wissen indess durch Aussagen, dass
in Uadjanga Felsen sind, aber alles Land östlich von Kufra und Uadjanga
bis an die Uah Oasen ist für uns vollkommen terra incognita. Dass
übrigens den Alten, obschon ihnen keine Messinstrumente zu Gebote
standen, der Umstand nicht unbekannt war, dass die Jupiter-Ammon-Oase
tiefer als das Meer gelegen war, wissen wir aus Aristoteles, welcher
aussagt, dass die Oase durch Austrocknung des Meeres entstanden und
niedriger als Unter-Aegypten gelegen sei. Ferner ersehen wir aus Strabo,
dass Eratosthenes von Cyrene auf die grosse Zahl von Schneckengehäusen,
Muscheln und Salzablagerungen auf dem Wege nach dem Tempel der Ammonier
den Schluss zog, dieser ganze Landstrich sei vom Meere bedeckt gewesen,
und derselbe behauptet sogar, dass das Zurückweichen des Meeres und die
Hebung des Bodens in naturhistorischer Zeit stattgefunden habe, er nimmt
schliesslich an, dass die Oase einst am Mittelländischen Meere gelegen
haben müsste.[25] Strabo scheint hierin derselben Ansicht gewesen zu
sein. Die heutigen Bewohner, Berber ihres Ursprungs und ihrer Sprache
nach, obschon stark untermischt mit Arabern und Negern, wissen von einer
solchen Einsenkung nichts, jedoch hat in der Neuzeit der Franzose
Caillaud auf die Tiefe der Jupiter-Ammon-Oase aufmerksam gemacht. Im
Jahre 1819 beobachtete er dort einen Barometerstand von 766 M.M.,
während unsere 23 Beobachtungen das Mittel von 767 M.M., also eine
Tiefe von circa 10 Meter mehr, ergeben haben.

Auf dieser ganzen Strecke beobachtet man auch heute noch zahlreiche
Spuren des Meeres, die genannten Seen enthalten heute noch die Cardium
und Crithium-Muscheln, ebenfalls im Mittelmeere heimisch, und der Boden
ist überall mit Muscheln, besonders Ostreaarten, wie bedeckt. Wir können
aber hier ganz deutlich zwei Perioden nachweisen. Wie man nun auch
feststellen mag, ob sich der Boden hier gesenkt hat und dann das Meer
verdunstet ist, oder ob sich der Küstensaum, der von Unter-Aegypten nach
Cyrenaica als Kalkrippe sich hinzieht, aus dem Meere herausgehoben und
erst dann das Hinterland, vom Meere abgeschnitten, sein Wasser
verdunstet hat--so viel beweisen die Millionen Meeresüberreste, dass
hier einst das Meer gewesen ist. Aber zu einer noch früheren Periode
muss der Grund auch bewachsen gewesen sein, denn überall trifft man
versteinerte Baumstämme, oft ganze Wälder, und zwar gerade von den
Bäumen, die in der Nordwüste noch jetzt am häufigsten sind, Palmen und
Tamarisken.

Als vor Kurzem zuerst über diese grosse Einsenkung berichtet wurde, las
man in verschiedenen französischen Blättern, Lesseps ginge damit um, den
Nil in diese Depression abzuleiten, um das Land zu befruchten, noch
andere wollten ihn gar einen Kanal machen lassen, von der grossen Syrte
aus direct nach dem Rothen Meere. Es ist wohl kaum nöthig zu sagen, dass
Lesseps an solche unsinnige Projecte nicht denkt. Ein Kanal von der
grossen Syrte aus würde, abgesehen davon, dass der Suezkanal jetzt
fertig ist, kaum den Weg abkürzen. Und wie wurden die Projectenmacher
denn den Nil vermeiden? Würde man darüber oder darunter schiffen oder
vielleicht den Nil in den Kanal münden lassen? Man würde damit den
fruchtbarsten Theil von Unterägypten, das Delta, zur Wüste machen.
Ebenso lächerlich ist die Idee, den Nil zur Befruchtung in diese
Niederung ableiten zu wollen, mehrere Nil würden nicht ausreichen, um
dies von Salz durchtränkte Terrain süss zu machen, und der Nil hat nun
eben nicht überflüssig Wasser, als dass man nur daran denken könnte,
einen so grossen Theil der Wüste damit zu entsalzen.

Ganz anders verhält es sich, falls man die Dämme durchstechen wollte,
welche jetzt das Mittelländische Meer von dieser grossen Niederung
trennen, und am leichtesten könnte dies von der grossen Syrte aus
geschehen. Man denke sich Cyrenaica als Insel oder nur durch einen
schmalen Isthmus mit Aegypten zusammenhängend, im Süden ein Meer welches
die grössten Schiffe bis Fesan, vielleicht bis Uadjanga würde bringen
können. Welche Umwälzung! Damit würde Innerafrika erschlossen sein,
Innerafrika, welches an Naturproducten weder hinter Indien noch den
fruchtbarsten Provinzen von Amerika zurücksteht. Natürlich müsste vor
der Hand erst festgestellt werden, wie weit die Depression nach Süden
geht, die Syrtenwüste und die libysche Wüste müssten einer genauen
Untersuchung und Messung unterzogen werden. Denn nur, wenn man einen
grossen See bis an das Harudjgebirge, bis Kufra oder Uadjanga bilden
könnte, würde ein Durchstich lohnend sein. Vergeblich aber ist es, blos
um einen schmalen Arm zu füllen, einen Durchstich zu beginnen, kaum
würden die Wasser Kraft genug haben, durch die Ausdünstung an beiden
Seiten der Wüstenufer eine spärliche, unnütze Vegetation hervorzurufen
und für Handel und Schifffahrt gar kein Gewinn dabei herauskommen. Aber
auch ohne menschliches Zuthun wird mit der Zeit diese Gegend wieder
unter Wasser sein, die grossen Wellenbewegungen der harten Erdkruste
sind nirgends deutlicher zu beobachten, als an diesem Theile des
Mittelländischen Meeres, seit 30 Jahren hat sich von Tripolis bis nach
Bengasi das Ufer fast um einen Fuss gesenkt, die alten Quais von Oea
(Tripolis) Leptis magna und Berenice (Bengesi) sind längst unter Wasser,
und während vor 25 Jahren ein für Jedermann passirbarer Weg ausserhalb
der Mauern von Tripolis längs des Meeres ging, ist heute selbst bei
niedrigstem Wasserstande dort keine Passage mehr.



FUSSNOTEN:


[1] Mit Ausnahme der Spanier, welche in der Provinz Oran angesiedelt
sind und die, weil im beständigen Rapport mit ihrem Vaterlande, Sprache,
Sitten und Tracht Spaniens treu beibehalten haben.

[2] Ich dachte wahrscheinlich, dass ich dummes Zeug niederschrieb, denn
zu lesen war mir unmöglich.

[3] Man hat dabei verschiedene Ausdrücke; ein Back ist ein geflochtener
Korb oder Sack, der 10,000 Muscheln enthält, ein Head sind 2000
Muscheln. Die Muscheln werden von den Europäern Cowries, von den
Haussa-Negern Kurdi, von den Kanúri-Negern Kúngena, von den Arabern
El-Oda genannt. Während die meisten Neger sie einfach zählen, theilen
sie die Kanúri-Neger in sogenannte Pfunde zu je 32 Muscheln, indem ein
Mar.-Ther.-Thlr. dann durchschnittlich zu 150 Pfund gerechnet wird.

[4] Dies ist eine blos wörtliche Uebersetzung, die Kanúri oder Bewohner
Bornus haben indess auch eigene Namen für die drei Stadttheile:
Weststadt = _Kuka-gárfote_, Mittelstadt = _Kuka-ṅgimsegeni_, Oststadt
= _Kuka-gérgedi_.

[5] Die meisten grösseren Geschenke, welche der Sultan Omar von Bornu
besitzt, sind von der Königin Victoria: ein Wagen, sehr schöne Waffen,
Uhren, Zelte, Teppiche, und dergleichen mehr. Als _Gegengeschenk_ sandte
Sultan Omar einst einen _Elephantenschwanz_ und einen _Giraffenschwanz_
als _höchstes Freundschaftszeichen_, welches der Bornukönig giebt. Unser
"König von Norddeutschland" ward nicht so glücklich bedacht; er musste
sich mit einem silbernen Pferdegeschirr und einigen Thierfellen,
darunter ein gesprenkeltes Löwenfell, begnügen, weil gerade keine
Elephanten und Giraffen in der Nähe der Hauptstadt waren.

[6] Barth giebt in seinem Vocabularium dies Wort unter den zwölf grossen
Hofämtern von Bornu, er specificirt aber dieselben nicht und aus ihm
können wir nicht erfahren, was yéri-ma ist; mir wurde es als der Titel
des Thronfolgers genannt von einem Manne, der selbst Höfling war und gut
arabisch sprach.

[7] Obschon weder im Crowther noch in meinem eigenen Vocabularium diese
Wörter zu finden sind, halte ich sie doch für richtig, da sie mir von
einem ganz zuverlässigen Manne, dem ehemaligen Diener Barth's, der jetzt
in Lokódza ist, übersetzt wurden.

[8] Der Name ist serki und die Genitivform ist aus dem Haussa in diese
Sprache übergegangen.

[9] Als ich die englische Expedition nach Abessinien begleitete und mit
der vordersten Recognoscirungs-Abtheilung nach Magdala gekommen war,
trennte ich mich dort eine Zeit lang von der Armee, um auf dem Rückweg
ein noch unbekanntes Stück des Landes zu durchziehen, indem ich mich
nördlich über Lalibala nach Sokota wandte, und von letzterem Orte der
von Beke 1843 begangenen Route über Samre nach Antalo zu folgen, wo ich
mich wieder dem englischen Expeditionscorps anschloss.

[10] Sir Robert Napier hatte also Unrecht, als er dem Fürsten Kassai von
Tigre bis Hausen entgegen ging, und durch diesen Beweis vom Mangel an
Kenntniss der Sitten dieser Völker kühn gemacht, konnte Kassai dann die
Unverschämtheit haben, den Besuch Napier's in Hausen in seinem Zelte
zuerst zu erwarten, was jedoch nicht Statt fand; dem Rechte nach aber
hätte Kassai auf die englische Militärstrasse selbst kommen und Sir
Robert Napier aufsuchen müssen, denn dieser war als Repräsentant der
Königin von England vollkommen gleich mit ihr oder dem Negus Negassi,
also höher stehend als Kassai von Tigre.

[11] alga ist Amharisch, arat Tigrisch.

[12] Das Z. ist immer wie das deutsche S auszusprechen.

[13] Bei Meilen sind immer englische gemeint.

[14] In Dapper's "Beschreibung von Afrika" wird angeführt, dass Alvares
selbst Tigre und Ausen, d.h. unser Hausen, als gleichbedeutend nehme.

[15] Dapper nennt sie Makeda oder Makaada und den Sohn Melilech.

[16] Ihr Vater Baazene regierte 27 Jahre, während welcher Zeit Christus
geboren sein soll, danach müsste das Christenthum also sehr früh in
Abessinien eingeführt sein.

[17] Wir finden freilich in Salt's Reisen Stellen aus Chroniken, welche
andeuten, dass die heidnischen Bauten absichtlich zerstört sind, er
führt an:

  "Im Jahre 1070 Frau Gadit aus Amhara kam und zerstörte die Denkmäler."

ferner:

  "Der Abuna David schaffte fort und brach hier Stücke, er glaubte bei
  sich, dass es dem Herrn gefalle, dass er so handeln solle."

[18] Die von Henglin gegebene ist noch so wie er sie abgebildet in
seiner "Reise nach Abessinien etc."

[19] Nach v. Heuglin Trachyt.

[20] v. Henglin hat indess in der Nähe von Axum die Bruchstellen
gesehen, wir hielten uns nur ein paar Stunden dort auf.

[21] Man hört in Aegypten auch das Wort Menara [Arabic: menara] doch
selten.

[22] Jetzt werden vom Vicekönig Ismael wieder Befestigungen angelegt.

[23] Die Aegypter sagen indes Gemma, da sie das [Arabic: G] wie ein G
aussprechen.

[24] Ein anderer Tempel ganz in der Nähe und von selber Construction
heisst Mnaidra.

[25] Siehe darüber G. Parthey's Orakel und die Oase des Ammon.



Druck von J.B. Hirschfeld in Leipzig.

In unserem Verlage ist _erschienen_:


GERHARD ROHLFS.

Reise durch Marokko, Uebersteigung des grossen Atlas, Exploration der
Oasen von Tafilet, Tuat und Tidikelt und Reise durch die grosse Wüste
über Rhadames nach Tripoli.

Mit einer Karte von Nord-Afrika

von

#Dr. A. Petermann.#

Zweite Auflage.

Preis: 1 Thlr. 20 Ngr.

       *       *       *       *       *

Ferner erschien:

GERHARD ROHLFS.

Im Auftrage Sr. Majestät des Königs von Preussen mit dem Englischen
Expeditionscorps in Abessinien. Mit dem Portrait des General #Napier#
und einer Karte von Abessinien von #Dr. A. Petermann#.

Preis: 1 Thlr. 15 Ngr.

       *       *       *       *       *

Bremen.

#J. Kühtmann's Buchhandlung.#

       *       *       *       *       *

Druck v. Hirschfeld, Leipzig.





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Land und Volk in Afrika, Berichte aus den Jahren 1865-1870" ***

Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.



Home