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Title: Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band
Author: Rohlfs, Gerhard, 1831-1896
Language: German
As this book started as an ASCII text book there are no pictures available.


*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band" ***


generously made available by the Bibliothèque nationale
de France (BnF/Gallica) at http://gallica.bnf.fr)



Von
TRIPOLIS nach ALEXANDRIEN.



BESCHREIBUNG
der im Auftrage Sr. Majestät des Königs von Preussen
in den Jahren 1868 und 1869 ausgeführten Reise


von


GERHARD ROHLFS.


Mit einer Photographie, zwei Karten, vier Lithographien
und vier Tabellen.


ERSTER BAND.


Bremen, 1871



[Illustration: Marmor-Widder Gefunden in der Oase des Jupiter Ammon 1869.]



Seiner Majestät


DEM KAISER WILHELM VON DEUTSCHLAND
KÖNIG VON PREUSSEN etc. etc.
mit Allerhöchster Bewilligung


in tiefster Ehrfurcht


gewidmet


vom


VERFASSER.



Vorwort.


Seit dem Herbste 1868, in welchem die Reise nach Tripolitanien auf Befehl
des Königs von Preussen unternommen wurde, welche Ereignisse sind da an
uns vorüber gegangen!

Der König von Preussen ist Kaiser von Deutschland geworden; und wenn schon
in den letzten Jahren die Deutschen im Auslande nicht mehr wie Schutzlose
oder als nicht ebenbürtig und gleich berechtigt den übrigen Nationen
gegenüberstanden, um wie viel mehr wird jetzt "Kaiser und Reich", selbst
in den "weitesten Fernen" die Deutschen beschirmen.

Und inmitten dieser gewaltigen Begebenheiten ist auch schon die Nachricht
vom günstigen Resultate der Expedition nach Tripolitanien und nach dem
Inneren von Afrika angelangt: Dr. Nachtigal erreichte mit den Geschenken
glücklich die Hauptstadt von Bornu, Kuka, und wurde, wie zu erwarten
stand, auf's Zuvorkommendste vom Sultan Omar empfangen.

Das vorliegende Buch, Ergebniss der Reise nach Tripolis, und der von hier
aus unternommenen Reise nach Cyrenaica und der Oase des Jupiter Ammon,
sollte ursprünglich Mitte 1870 dem Publicum vorgelegt werden. Die
Kriegsereignisse brachten eine Verzögerung der Herausgabe hervor. Möge
diesem Werke dieselbe günstige Aufnahme und nachsichtige Beurtheilung von
Seiten des Publicums zu Theil werden wie den früheren Arbeiten des
Verfassers.

Gestattet sei mir hier, der Verlagshandlung für die schöne Ausstattung des
Buches meinen Dank auszusprechen, namentlich dafür, dass dieselbe nicht
gescheut hat, ohne den Preis desselben wesentlich zu erhöhen, die
musterhaften Karten von Kiepert, sowie die von G. Hunckel ausgeführten
Chromolithographien beizufügen. Leider konnten die zahlreichen
Photographien, die der Reisende in Cyrenaica aufnehmen liess, nicht
eingeschaltet werden, da der Preis des Buches sich dadurch verfünffacht
haben würde.

_Weimar_, im Januar 1871.

Gerhard Rohlfs



Inhalts-Verzeichniss.


Philippeville, Bone und Tunis
Kurzer geschichtlicher Ueberblick von Tripolis
Tripolitanien
Tripolis
Leptis magna
Bengasi
Berenice, die Hesperiden-Gärten und der Lethefluss
Teucheira, Ptolemais und Reise nach Cyrene
Cyrene



Philippeville, Bone und Tunis.


Es war im Herbste des Jahres 1868, als ich von der preussischen Regierung
den Auftrag bekam, die Geschenke, welche der König für den Sultan von
Bornu bestimmt hatte, nach Tripolis zu übermitteln, um sie von dort aus
mittelst eigener Karavane ins Innere zu befördern. Die mit den letzten
Entdeckungsreisen im Innern von Afrika Vertrauten werden sich erinnern,
dass König Wilhelm, in Anerkennung der grossen Dienste, welche Sultan Omar
von Bornu gegen deutsche Reisende geleistet, beschlossen hatte, diesem
dadurch seine Dankbarkeit zu bezeigen, dass er demselben eine Reihe
passender Geschenke übermachte. Sultan Omar hatte von der englischen
Regierung aus ähnlichem Anlass auch früher schon Geschenke bekommen.

Die preussischen bestanden in einem in Berlin gearbeiteten Thron,
Zündnadelgewehren, Doppelfernglas, Chronometer, Uhren, Bildern der
königlichen Familie, und dazu sollten noch in Tripolis durch Consul Rossi
angeschaffte Sachen kommen, als Rosenessenz, ächte Corallen, Seiden-,
Tuch- und Sammetstoffe. Die von Berlin aus abgegangenen Sachen sollte ich
in Marseille empfangen.

Mein Weg führte mich daher über Frankreich, wo ich namentlich meine
Ausrüstung zu machen hatte, denn nicht nur hatte ich von Tripolis aus den
Abgang der Geschenke einzuleiten, sondern auch die Erlaubniss und Mittel
zu einer Reise durch Cyrenaica und die Jupiter-Ammons-Oase erhalten.

Keine Stadt am mittelländischen Meer nimmt einen so raschen Aufschwung wie
Marseille, besonders hervorgerufen durch den Handel mit der
gegenüberliegenden Colonie. Und was würde Marseille sein, befände sich die
Colonie in einem blühenden Zustande, hätten die Franzosen von Anbeginn der
Eroberung den Grundsatz befolgt: die Araber, vielleicht die Berber, in die
Wüste zu drängen, wohin sie gehören, und so ein freies Terrain für
europäische Cultur und Gesittung geschaffen! Unter diesen Umständen würde
Algerien statt jetzt einige hunderttausend Europäer, einige Millionen
haben. Aber die falschen Grundsätze von Philanthropie, die
civilisatorischen Ideen solcher Leute, welche auf die fanatischen
Eingebornen dieselben Regeln anwenden wollten, welche man auf durch
Jahrhunderte hindurch gereifte Völker anwendet, haben dies alles
verhindert.

Ich will damit nicht sagen, dass die Araber sich nicht civilisiren
liessen; sie haben sicher dieselben Anlagen, Fähigkeiten, Gefühle, wie
wir; aber sie wollen keine Civilisation, ihre Religion erlaubt es nicht.
Und eben deshalb werden sie verschwinden, denn die Civilisation lässt sich
nun einmal nicht aufhalten, und die Völker, welche nicht mit fort wollen,
werden absorbirt oder vernichtet werden. So sehen wir denn auch
unaufhaltsam den Islam seinem Ende entgegen gehen, sowohl Araber als
Türken können sich gegen das Christenthum nicht halten; ohne dass diesen
Völkern ein Zwang angethan wird, gehen sie ihrem Untergange entgegen. Und
selbst in der christlichen Religion sehen wir bei den Völkern, welche
durch die Religion gefesselt sind, ein geistiges Verkommen, einen
Rückschritt; der Franzose sieht und constatirt mit Bangen keine Zunahme
der Bevölkerung, und in Spanien, in Italien, wie sieht es da aus!

Dem Islam gegenüber ist aber selbst die katholische Religion Fortschritt,
deshalb wird auch das mohammedanische Element über kurz oder lang dem
Christenthum in Algerien unterliegen, so sehr sich die französische
Regierung auch Mühe giebt, die Araber zu civilisiren, zu pflegen, zu
begünstigen und auf Kosten der Europäer zu bevorzugen.

Wir fanden in Marseille alles in bester Ordnung, und wie immer die
liebenswürdigste und zuvorkommendste Aufnahme bei unserm deutschen Consul,
Hrn. Schnell.

Wie wenig übrigens sonst von den Marseillern auf deutsche Sitte und
Sprache gegeben wird, geht daraus hervor, dass nicht ein einziges
deutsches Journal im ersten Club der Stadt, dem Cercle des Phocéens,
vorhanden war, von den englischen war nur die Times vorhanden. Die
eigentlichen Marseiller sind eben nur Krämer, keine Kaufleute; der
Grosshandel ist einzig in den Händen eingewanderter Franzosen oder
Schweizer.

Aber grossartig ist die Stadt und hat in Hrn. Maupas, dem vorletzten
Präfecten, einen wahren Haussmann[1] gehabt. Die Präfectur, die neue
Börse, das kaiserliche Palais, das bischöfliche Schloss, ohne viele andere
Gebäude zu nennen, sind alle Prachtbauten, und die neuen Stadttheile, die
Faubourgs mit den beiden grossartigen Häfen Port Napoléon und Joliette
machen Marseille zu einer der glänzendsten Städte des Mittelmeeres.

Und auch die Umgebung hat merkwürdige Veränderungen erlitten. Früher von
kahlen Kalkfelsen bordirt, welche die Meeresufer pittoresk, aber nicht
schön machten, hat man durch sorgfältige Bewässerungen und Auftragen von
Humus grüne, mit Pinien und anderen Bäumen geschmückte Hügel geschaffen,
und der Prado von Marseille ist einer der schönsten der Welt. Wer nach
Marseille kommt, versäume ja nicht, nach der sogenannten Reserve zu gehen,
auf dem Wege nach Toulon längs dem Meere gelegen; eine Restauration, im
grossartigsten Verhältnisse aufgeführt, von der aus man die prachtvollste
Aussicht auf Stadt, Meer und die vorliegenden Inseln hat.

Doch alle diese Einzelheiten sind in den Reisebüchern zu finden, und ich
für meinen Theil hatte Marseille schon so oft gesehen, vom Anfange seines
neuen Daseins an (da wo die prächtigen Häuser unterhalb des bischöflichen
Palais sich hinziehen, hatte ich vor Jahren gebadet), dass ich gar keine
Lust verspürte, den Aufenthalt unnöthig zu verlängern.

Es war mir deshalb sehr erwünscht, dass Consul Schnell sich bereitwilligst
erbot, meine sämmtlichen Kisten nach Malta spediren zu wollen; auf diese
Art wurde es möglich, dass ich gleich am folgenden Tage Passage an Bord
des nach Tunis fahrenden Dampfers nehmen konnte, um so auf diesem Umwege
Malta zu erreichen. Der directe Dampfer sollte erst am 27. November und
mit ihm mein Gepäck abgehen, wir gingen Nachmittags desselben Monats am
20. an Bord. Unser Schiff, Cayd genannt, war kein der Messagerie
gehörender Dampfer, sondern ein von dieser Gesellschaft gemiethetes Boot,
welches der Compagnie der Navigation mixte zugehörte. Klein und mangelhaft
eingerichtet, war das Schiff bis Philippeville mit Passagieren aller
Classen überfüllt, und selbst die erste Classe hatte ein knotiges
Aussehen. Mit Ausnahme eines Engländers, der wie ich nach Tunis wollte und
ein sehr gebildeter und feiner Gentleman war, bestand die ganze Zahl der
Passagiere aus Franzosen. Die zweite Classe war theils mit französischen
Officieren, theils mit Kaufleuten besetzt; das Verdeck war überfüllt mit
Soldaten aller in Algerien üblichen Truppen, mit leichten Frauenzimmern,
welche das Mutterland einer Colonie sandte, und einigen arabischen
Pilgern, welche von Mekka kamen.

Glücklicherweise dauerte die Fahrt nicht lange Zeit, und das Wetter war
andauernd günstig; schon am Sonntag Morgens, den 22. Novbr., waren die
Berge Afrika's in Sicht, und um 2 Uhr lagen wir vor Stora, dem kleinen
Hafenorte von Philippeville. Stora ist für Philippeville derselbe Platz,
der Mers el Kebir für Oran ist, auch die topographische Lage ist fast
dieselbe. Aber sowohl an Wichtigkeit im Verkehr als an Schönheit
übertreffen die beiden Orte der Provinz Oran um ein bedeutendes die der
Provinz Constantine. Die Ausschiffung ging rasch von Statten, da Barken
genug vorhanden waren, und die Araber doch unter französischer Herrschaft
schon ein gutes Theil jener Zudringlichkeit und Unverschämtheit verloren
haben, welche sie da ausgezeichnet, wo sie unter eigener oder türkischer
Herrschaft stehen. Aber nun, wo unser Schiff ruhig auf den glatten Wellen
lag, merkte ich, dass es noch eine berühmte und glänzende Schönheit
beherbergt hatte, die Marquise von G..., eine der ersten Schönheiten am
Hofe Napoleons III. und Ehrendame seiner kaiserl. Gemahlin. Diejenigen,
welche mit dem Hofe Napoleons vertraut sind, werden leicht errathen
können, wer diese hervorragende Schönheit ist, welche hier von ihrem
Gemahl, dem Obersten des 3. Regiments der Chasseurs d'Afrique, empfangen
wurde. Wir liessen uns alle direct nach Philippeville rudern, und die
meisten von uns stiegen im Hôtel d'Orient ab; das heisst, ich schreibe
Hôtel, man denke "Kneipe". In der That merkwürdig genug, wie gleich beim
Betreten der Provinz Constantine die angenehme Erinnerung der so sehr
guten Hôtels in Algier und Oran zu nichte wird. Gerade das Hôtel d'Orient
der Stadt Algier selbst kann mit den grössten Hôtels der grössten Städte
wetteifern, und hier? Ein Zimmer, dessen Wände nur hell getüncht waren,
schmutzige Wäsche, das primitivste Ameublement. Wie wird sich die Marquise
von G..., die so eben aus den glänzendsten Salons von Compiègne kommt,
hier zurecht finden, dachte ich, und doch waren ihre Zimmer, welche sie
mit ihrem Manne innehatte, wohl nicht besser als das meinige. Doch wozu
braucht man Zimmer in einem Lande, wo ewig Frühlingslüfte wehen! Riefs und
ging hinaus auf den Platz, wo die Miliz-Musik gerade eine Pièce aus der
Afrikanerin spielte. Darüber kam der Abend heran und denselben verbrachten
wir, d.h. der Engländer Herr B. vom Foreign Office und ich,
gemeinschaftlich. Wir hatten viele Anknüpfungspunkte zusammen, abgesehen
davon, dass er, wie jeder Engländer, sehr deutsch gesinnt war, kannte er
fast alle meine Bekannten in London und ich die seinigen in Berlin, er war
bei der letzten Reise der Königin nach Berlin in deren Gefolge gewesen.
Wir durchliefen die verschiedenen Cafés, die Strassen und waren Abends
einen Augenblick im Theater, wo zum Besten der Armen ein Ball gegeben
wurde. Herr B. war ein ganz angenehmer Gesellschafter, sprach auch gut
deutsch und französisch, jedoch konnte er es nie lassen, den Engländer
herauszubeissen, wenn's an's Bezahlen ging; dann drang er den Leuten immer
mit Gewalt die doppelte Summe auf, so dass Manche ihn sicher für verrückt
hielten.

Wir weilten noch einen andern Tag in Philippeville; ich verbrachte ihn
damit, die sehr merkwürdigen Alterthümer der Stadt zu besehen. Zum Theil
bestehen dieselben aus grossartigen Cisternen, auf den Anhöhen, welche zu
beiden Seiten die Stadt flankiren, gelegen. Es scheint, dass Philippeville
unter der Römerherrschaft ausschliesslich sein Wasser das ganze Jahr
hindurch aus Cisternen bezog, und selbst heute, wo die Franzosen den Ort
durch eine Wasserleitung versorgt haben, wird noch ein grosser Theil der
Stadt aus den antiken renovirten Wasserbehältern gespeist. Und noch alle
Tage entdeckt man neue Reservoirs. So hat man ganz kürzlich noch hinter
der Commandantur eine der grossartigsten alten Cisternen, vollkommen gut
erhalten, blosgelegt; niemand hatte eine Ahnung davon seit den mehr als 30
Jahren, dass die Franzosen Philippeville besitzen. Die herrlichsten
Bauüberreste von Philippeville finden sich da, wo heute das College
hingebaut ist, und hier hat man auch das archäologische Museum
eingerichtet. Ein Theater, halbzirkelförmig, wie ein ähnliches, aber viel
kleiner, in Verona vorhanden ist, beherbergt jetzt eine Menge werthvoller
Statuen, Sarkophage und Grabsteine, welche mit den zahlreichen, oft gut
erhaltenen Inschriften dem Forscher ein ganzes Blatt aus der Geschichte
vorlegen. Eine fast vollkommen erhaltene Statue eines römischen Imperators
fesselte vor allem unsere Aufmerksamkeit. Herr Roger, der gelehrte
Vorsteher des Museums, glaubt in derselben einen Hadrian zu sehen, Andere
haben einen Caracalla darin erkennen wollen. Ich denke, dass der Grund des
Herrn Roger, ein Vater-, Bruder- und Menschenmörder könne unmöglich eine
so "ausgezeichnete, intelligente und gute Physiognomie gehabt haben,"
nicht stichhaltig ist. Die Geschichte zeigt, dass sehr häufig die
körperlich bestgeformten Menschen die grössten Scheusale waren. Viel
richtiger ist indess Herrn Rogers Behauptung, eine grosse Aehnlichkeit in
den Gesichtszügen der Statue mit den dem Hadrian gewidmeten Münzen
gefunden zu haben. Es sind noch mehrere andere Marmorstatuen aufgestellt,
von denen es jedoch noch unsicherer ist, was sie vorstellen sollen. Ein
einfacher Marmorsarkophag wurde, vollkommen gut erhalten, dicht bei
Philippeville auf dem Wege nach Stora gefunden. Das Skelett befindet sich
im Museum selbst. Andere Sarkophage mit Basreliefs, jedoch ohne Deckel,
sind in grosser Zahl vorhanden. Die Capitäler vom schönsten corinthischen
Laube lassen schliessen, wie reich das alte Rusicade war. Viele dieser
Schätze sind aus der Umgegend hergebracht, zum grössten Theil jedoch in
der Stadt selbst gefunden worden.

In der That muss das alte Rusicade, aus seinen Ruinen zu schliessen, ein
viel bedeutenderer Ort gewesen sein, als wir nach den spärlichen
Ueberlieferungen der Alten glauben sollten. Ptolemäus führt Rusicade nicht
einmal als Colonie auf, aber durch die Peutinger'schen Tafeln erkennen wir
die Bedeutung der Stadt aus den beigemalten Häuschen. Bei Pomp. Mela und
Plinius geschieht ihrer Erwähnung. Nach Vibius soll dicht bei Rusicade der
kleine Fluss Tapsus ins Meer gemündet sein, und dies ist offenbar der
heutige ued Safsaf. Ihr erster Name scheint Thapsa, die Stadt überhaupt
phönicischen Ursprungs gewesen zu sein. Im Alter war sie der Stadt Cirta
von derselben Bedeutung, wie sie es heute als Hafenort für Constantine
ist.

Der Alterthumsforscher findet aber seine eigentlichen Kleinodien im Museum
selbst, und wenn das Gebäude auch schuppenartig aussieht, so birgt es doch
manche Sachen, um welche es die Museen in London und Berlin beneiden
würden. Erst auf Antrieb des Prinzen Napoleon im Jahre 1850 in's Leben
gerufen zu der Epoche, wo dieser gelehrte und die Wissenschaften pflegende
Prinz rein Rundschreiben an die Präfecten von Algerien richtete: "d'aviser
à la conservation des ruines, vestiges et débris de la domination
romaine," hat in der kurzen Zeit von nicht 10 Jahren, unter der
sorgfältigen Hand des Herrn Roger das archäologische Museum einen raschen
und blühenden Aufschwung genommen. Aber um ein solches Werk zu fördern,
gehört auch eben ein Mann dazu, wie es Herr Roger ist. Ich hatte das
Glück, von ihm selbst, der von Stand Architekt und Professor der
Zeichnenkunst am Collegium in Philippeville ist, im Museum herumgeführt zu
werden, und konnte mich überzeugen, mit welcher väterlichen Sorgfalt er
jedes, auch das kleinste Object würdigte.

Und nicht nur hatte er seine Aufmerksamkeit auf alte römische Ueberreste
oder Gegenstände aus der ersten Periode des Christenthums gerichtet; da
finden wir prachtvolle Stalaktiten, Korallen, Krystalle aus der Umgegend
der Stadt, eine Schädelsammlung, ethnographische Gegenstände selbst aus
China; ja in letzter Zeit war es Herrn Roger gelungen, einen echten
Tintoretto, den ein Malteser Marketender im Winde aushängen hatte, für's
Museum zu erstehen, und das zu dem fabelhaft billigen Preise von 3 Francs.
Es soll unzweifelhaft feststehen, dass das Bild von Tintoretto ist, und so
würde es jetzt einen Werth von einigen Tausend Thalern erlangt haben.

Hauptsächlich reich ist die Sammlung von Lampen, einige davon auf dem
Boden mit einem Kreuze versehen, ein Zeichen, dass sie der christlichen
Zeitrechnung angehören; Thränenvasen, Amphoren, Aschenvasen sind in
reichhaltigster Auswahl vorhanden, und täglich werden noch neue gefunden.

Ueberhaupt sind alle Haushaltungsgegenstände vorhanden, Schmucksachen,
Küchengeschirr etc. Dass die Münzen nicht fehlen, versteht sich von
selbst, und besonders ist es der Meeresstrand, der nach heftigen Stürmen
oft eine reiche Ernte giebt für's Museum. Die meisten Münzen sind von
Hadrian, dann von Antonin dem Frommen, Faustin, Maxentius, Constantin dem
Grossen, Constantin dem Jüngern, Marcus Aurelius, Claudius II, Trajan,
Vespasian, Alexander Severus und einzelne von allen Imperatoren. Sehr
zahlreich sind die numidischen Münzen, alle daran kenntlich, dass sie auf
einer Seite ein laufendes Pferd zeigen, meist nach links gerichtet.

Nachmittags besahen wir die Umgegend von Philippeville, welche überall
einen lachenden Garten bildet, und selbst zur Winterzeit hatte der warme
Regen in wenigen Tagen eine so üppige Vegetation hervorgerufen, dass der
Frühling wirklich vor den Thoren zu sein schien. Die Bäume sind meistens
Oliven, Korkeichen und Lentisken, und vom kleinerem Gebüsch findet man die
Zwergpalme und Aloe; Zahlreiche kleine Dörfer umgeben die Stadt, es
scheint aber keines in besonders blühendem Zustande zu sein; wenigstens
sehen die, welche wir besuchten, nur kläglich aus. Will man von der
einheimischen Bevölkerung sprechen, so fällt einem fast die Feder aus der
Hand; die schreckliche Hungersnoth, welche so eben die Araber decimirt hat
und jetzt freilich zu Ende ist, sprach noch aus den Augen fast jedes
Individuums. Zerlumpt, schmutzig, der Körper nur aus Haut und Knochen
bestehend, schleichen sie wie Phantome umher. Aber sie haben schon Alles
vergessen und nichts gelernt, eine nächste Missernte wird ihnen ein
gleiches Schicksal bereiten. Am Hafen lungerten immer Hunderte dieser
halbnackten Kerle herum, und blickten mit stolzer Verachtung auf die
arbeitenden Christen, ohne indess zu stolz zu sein, einem Fremden gleich
die bettelnde Hand entgegenzustrecken.

Hr. B., der Engländer, kehrte noch Nachmittags an Bord zurück, das
Wirthshaus war ihm zu schlecht, und da er seines kranken Zustandes wegen
nicht gehen konnte, also fast die ganze Zeit auf das Hôtel d'Orient
angewiesen war, konnte er auch nichts Besseres thun.

Ich selbst blieb mit meinen Leuten noch bis am andern Morgen und dann
gingen wir zu Fusse nach Stora. Der Weg geht immer längs des Meeres und an
zahlreichen Landhäusern, von hübschen Lustgärten umgeben, vorüber und bei
jeder Drehung des Weges bietet er ein anderes Panorama, dass die vier
Kilometer Entfernung ganz unbemerkt dahin schwinden.

Stora selbst ist ein kleiner Ort von einigen Häusern, und diese sind fast
alle Schnapsläden oder Kaffeehäuser, aber auch eine Kirche und Schule
fehlen nicht, beide hoch über dem Orte gelegen. Der Ort war auch schon in
alten Zeiten besiedelt; eine grossartige Cisterne, von den Römern erbaut
und jetzt renovirt, und eine reizende Marmorfontaine, am Meere gelegen und
von der Cisterne gespeist, bezeugen dies hinlänglich. Noch heute hat die
Cisterne Wasser genug für den ganzen Ort, und die Marmorfontaine strahlt
das Wasser noch ebenso aus, wie zur Zeit der Römer. Von einem hohen
Gewölbe überdacht, ein Gewölbe, welches halb in die Felswand gehauen und
halb aus Ziegeln errichtet ist, aber auch aus den Römerzeiten herstammt,
verbreitet die Fontaine eine so angenehme Kühle, dass ich hier mein
Frühstück auftragen liess und die Zeit verbrachte, bis ich an Bord
zurückging.

Von Zeit zu Zeit kamen die jungen Storenser Mädchen mit ihren
Wasserkrügen, um sie zu füllen, fast alle barfuss und fast alle
italienisches Blut, denn die eigentliche Volksschichte besteht hier meist
aus Maltesern. Sah man aus der künstlichen Grotte heraus, so hatte man das
schönste Bild vor Augen; der ganze herrliche Golf, im Hintergrunde
Philippeville, die auf den Wellen schaukelnden Dampfer, zahlreiche kleine
Fischerboote mit ihren grossen lateinischen Segeln--tagelang hätte ich in
diesem Zauberneste bleiben mögen. Aber die Stunde schlug, der alte
Bootsmann bemächtigte sich des Gepäckes, und wir ruderten wieder auf
unsern Caid los.

Am andern Morgen, der Dampfer war schon gegen Mitternacht angekommen,
lagen wir auf der Rhede von Bone.

Stolz lag die Tochter des alten Ortes Hippo regius vor uns. Hatte der
heilige Augustin wohl geahnt, dass einst nach 1000 Jahren hier wieder das
Evangelium gelehrt werden würde?

Bone liegt jetzt ganz auf der Stelle des alten Hippo, von dem wir wissen,
dass es 5 M. nordwestlich von der Mündung des Ubus- (Seibouse-) Flusses
gelegen war. Der Name Bona, der schon im zwölften Jahrhundert erscheint
und offenbar von [griechisch: hippôn basilikos] gebildet ist, hat jetzt
sich in das französische Bone verwandelt. Von den Tyriern angelegt, ist
der Name Hippo phönicischen Ursprunges. Zuerst den Carthagern botmässig,
wurde von den Römern der Ort Massinissa und seinen Nachfolgern überlassen,
und erhielt zu dieser Epoche den Beinamen regius, theils um nun dies Hippo
von dem nahen Hippo Zaritus zu unterscheiden, theils weil es oft Sitz der
numidischen Könige selbst war. Als die Römer sich später selbst dieses
Landes bemächtigten, blieb Hippo noch eine bedeutende, indess wenig
beachtete Stadt; aber die Häuschen der Peutinger'schen Tafel beweisen auch
hier zur Genüge die Ansehnlichkeit des Ortes.

Der heilige Augustin, der in Tagasta geboren, in Carthago erzogen, hier
als Bischof wirkte, war es, der hauptsächlich die Christen zu jener
heldenmüthigen Vertheidigung gegen den Vandalen Genserich anspornte. Sein
Gebet, nicht in die Hände der Barbaren zu fallen, sollte erfüllt werden:
im 3. Monat der Belagerung starb er. Hippo Regius wurde dem Boden gleich
gemacht; aber Augustin, einer der grössten Kirchenväter, würde allein das
Andenken an Hippo bewahrt haben, wenn nicht in der Neuzeit die
grossartigen Ruinen, die selbst dem Vandalismus nicht erliegen konnten,
Zeugniss von der einstigen Blüthe dieses Ortes gegeben hätten.

Ich nahm sogleich ein Boot und liess mich ans Land setzen, da wir bis
Nachmittag Zeit hatten, und die Strassen der Stadt durchlaufend, kam ich
bald ans andere Ende, wo unter einem alten Aquäduct hindurch und zwischen
lachenden Gärten liegend der Weg zur Pepinière führt. Fast jede Stadt
Algeriens hat eine Pepinière oder Baumpflanzschule. Meist sind dieselben
zu vollkommenen Jardins d'essai ausgebildet, und haben somit für die
Colonisation das Gute, dass die Pflanzer sich nicht mit unnützen Versuchen
abzumühen brauchen. Gedeiht ein Baum gut, oder sieht man namentlich
nützliche Pflanzen im Klima Algeriens anschlagen, so wird das öffentlich
bekannt gemacht und Sämereien oder Stecklinge zur Disposition der Pflanzer
gestellt. Es ist dies gewiss ein sehr nützliches Unternehmen der
Communalbehörden, und namentlich der grosse Garten dieser Art von Algier
selbst hat grosse Verdienste um Einführung früher nicht gekannter
Pflanzen.

Es würde überhaupt zu weit gehen, zu sagen, "der Franzose versteht ganz
und gar nicht zu colonisiren". Der französische Bauer ist, namentlich der
aus dem Norden, ebenso fleissig, wie andere, und die Bearbeitung wird von
den einzelnen ebenso rationell betrieben, wie von uns. Auf den meisten
grösseren Farmen wird jetzt Dampf als Hauptarbeitungsmittel angewendet,
und die Irrigationen, welche man in Algerien findet, sei es durch
Canalisation oder durch das Noria-System, sind bewundernswerth. Will es
trotzdem mit der Colonisation nicht recht vorwärts gehen, so liegt das
theils an der Militär-Administration, theils an der Einrichtung der
Bureaux arabes, welche die Eingeborenen fortwährend auf Kosten der
Europäer bevorzugen. Strassen durchziehen sonst nach allen Richtungen das
Land, und die Hauptörter werden demnächst durch Eisenbahnen miteinander
verbunden sein.

Der Garten ist gross und gut gehalten, und birgt in seinem Innern ein
kleines naturhistorisches Museum, das indess nichts besonderes aufzuweisen
hat. Ein alter römischer Sarkophag, erst kürzlich hieher gebracht, ist die
einzige Reliquie des Alterthums, die man hier aufbewahrt, obschon sonst
die Gegend an Ueberresten der Phönicier, Carthager, Römer und Byzantiner
überreich ist.

Durch einen glücklichen Zufall erfuhr ich, dass General Faidherbe hier
stationirt war, er war es eben, der den Sarkophag hieher hatte
transportiren lassen. Die Bekanntschaft dieses ausgezeichneten, so hoch um
die Geographie von Afrika[2] verdienten Mannes musste also rasch gemacht
werden, und ich liess mich auf das Hôtel der Subdivision, welche Hr.
Faidherbe jetzt commandirte, führen. Ich brauche wohl kaum zu sagen, wie
zuvorkommend ich vom General empfangen wurde, ich durfte ihn natürlich
während der Stunden meines Aufenthaltes nicht mehr verlassen, und nach dem
Frühstück hatte er die Güte, mich nach den sehenswerthesten Ruinen der
Umgegend zu führen, hauptsächlich zu den grossen Cisternen, oder
vielleicht waren es Bäder, an deren oberen Partie man dem heiligen
Augustin ein hübsches Denkmal errichtet hat. General Faidherbe, der lange
Zeit am Senegal Gouverneur war, theilte vollkommen meine Ansicht, dass die
Neger, wenigstens die nördlich vom Aequator, ein viel besseres Naturell
als die Araber hätten, und für Cultur und Civilisation weit empfänglicher
als diese seien. Er hat sich hauptsächlich mit ethnographischen Studien
beschäftigt und wir verdanken ihm manche wichtige Aufschlüsse über die
Pullo und namentlich verschiedene Berberstämme. Herr Faidherbe war so
aufmerksam, mich bis an Bord zurückzubegleiten, und so konnten wir bis zum
letzten Augenblicke zusammen sein. Gastfrei, zuvorkommend und
liebenswürdig, das sind Eigenschaften, welche man nirgends so sehr wie bei
den Franzosen antrifft.

Die Fahrt nach Tunis ging glücklicherweise rasch von Statten, schon andern
Morgens ankerten wir vor der Goletta. Nach einem Augenblick kam der
Canzler des preussischen Consulats an Bord, um mich in Empfang zu nehmen;
denn um nicht die Unannehmlichkeiten der Tuniser Douane durchmachen zu
müssen, hatte ich von Bone aus telegraphirt und um den Consulatskavassen
gebeten. Nicht nur brachte der Canzler einen Kavassen mit, sondern auf
Befehl des Bei von Tunis hatte der Admiral des Hafens von Goletta eine
Barke zur Disposition stellen müssen, um uns an's Land zu rudern. Ohne
weitere Formalitäten konnte also gleich das Ausbarkiren vor sich gehen,
und die zehn Marine-Soldaten brachten uns rasch an's Land. Ich bemerkte
hier, dass die tunisische Flage nicht die des Sultans der Türkei ist,
während dieser nämlich einen weissen Halbmond und Stern im rothen Felde
führt, hat der Bei von Tunis im rothen Felde eine weisse Kugel, und darin
einen rothen Halbmond und einen rothen Stern.

Gelandet, mussten wir dann dem Admiral aufwarten, und machten da zugleich
die Bekanntschaft des englischen Generalconsuls, Hrn. Wood, und des
französischen Viceconsuls von Goletta. In Tunis ist man schon von der
Sitte des Kaffee's und Tschibuks abgekommen, eine Visite verläuft dort bei
den höheren Beamten oder bei dem Bei jetzt mit derselben Steifheit wie bei
uns.

Bei den Türken und namentlich in den türkischen Provinzen herrscht aber
noch die gute alte Sitte einer Tasse Kaffee, und ein Tschibuk oder eine
Wasserpfeife fehlen nie. Es ist dies aber nicht die einzige Umwälzung, die
in Tunis vor sich gegangen. Seit der Mission des Lords Exmouth nach Tunis,
und seit dem Ultimatum, welches die Grossmächte von Aachen aus am 18.
Novbr. 1818 an Tunis richteten, und das im folgenden Jahre am 21. Septbr.
durch die englischen und französischen Admirale Freemantle und Jurien dem
Bei notificirt wurde, schaffte man zuerst die Piraterie ab. Mahmud Bei gab
nach, und seit der Zeit sehen wir gewaltige Veränderungen in der
Regentschaft vor sich gehen.

Es ist wahr, dass mit dem Vorfahren der jetzigen Dynastie, Hussein ben
Ali, welcher am 10. Juli 1705 auf den Thron kam, eine neue Epoche im
Staatsleben der Regentschaft begann; denn vorher, und dies ist wichtig zu
notiren, hatten alle Regenten von Tunisien den Titel Dei geführt, während
Hussein ben Ali zuerst den Titel Bei annahm. Dei nun bedeutet den nicht
vollkommen unabhängigen Herrscher, während Bei, welches ausserdem einen
sehr weiten Begriff hat, als Regent mit Ausschluss eines jeden andern, die
Vollheit der Autorität in sich begreift. Wenn nun auch in der Reihe der
Regenten, welche von Hussein-ben-Ali (der, beiläufig gesagt, der Sohn
eines griechischen Renegaten war) bis auf den jetzigen Bei, Namens Sadduk,
bei Zwistigkeiten, früher mit der Regierung des Deis von Algier, später
mit christlichen Mächten, manchmal die hohe Pforte um Intervention
angegangen wurde, ja im Kriege gegen Russland das tunisische Gouvernement
es sich nicht nehmen liess, der Türkei ein Hülfsheer zu senden, so sieht
man immer doch, dass die Regierung in dem Sultan der Türken nur eine Art
spirituelle Suprematie erkennen, keineswegs aber von ihm abhängig sein
will.

Seit dem Anfang des 18ten Jahrhunderts ist denn auch gar kein Tribut mehr
nach Konstantinopel bezahlt worden, und die Nachfolge in Tunis geht ganz
ohne Einmischung der Pforte vor sich. Nach Eroberung von Algerien hat
keine Macht die Unabhängigkeitsgelüste von Tunis so sehr unterstützt und
befördert wie Frankreich, und keine Macht hat dieselben so viel wie
möglich einzuschränken gesucht als England. Ersteres Land ging dabei von
dem Grundsatz aus, dass ein kleines unabhängiges Land, noch dazu nächster
Nachbar, im gegebenen Augenblick leichter zu nehmen sei, als wenn ein
gewisses Abhängigkeitsverhältniss zu einem andern Staat, und hier zur
Pforte, bestände. Und aus eben diesem Grunde hat England die Beziehungen
von Tunis zur Türkei wieder enger zu machen versucht.

Tunis, das gerne vollkommen unabhängig sein möchte, zugleich aber auch das
Gefährliche einer solchen Lage Frankreich gegenüber erkannt hat, schwankte
in den letzten Jahren von einer Seite zur andern, dazu kam die
schreckliche Finanznoth, welche freilich noch nicht beseitigt ist.

Es scheint aber, dass jetzt die Regierung von Norddeutschland im Verein
mit England und Italien den französischen Planen gewachsen ist, ohne dass
Tunis genöthigt wäre, sich wieder in die Arme der Türkei zu werfen.
Wenigstens wurden die letzten Anschläge der französischen Regierung in
Betreff der Schuldforderung von diesen drei Mächten hintertrieben; ohne
die kräftige Intervention von England, Norddeutschland und Italien wäre
Tunis heute eine französische Präfectur und zwar auf ganz friedlichem Wege
geworden. Wenn man aber bedenkt, wie wichtig strategisch Tunis für das
mittelländische Meer gelegen ist, und was Frankreich durch den Zuwachs
einer solchen Provinz gewonnen hätte, dann kann man sicher nicht genug
darauf bedacht sein, eine Vergrösserung Frankreichs nach dieser Seite hin
zu verhindern.

Ob je Tunis seinem Schicksal entgehen wird, einer europäischen Macht
anheim zu fallen, das bezweifle ich. Eigentliche Civilisation ist hier
ebenso wenig wie in Aegypten und in der Türkei, und es wird von der
Nachwelt gewiss als eines der grössten Wunder betrachtet werden, dass
solche Staaten im 19ten Jahrhundert vor den Thoren Europa's haben
existiren können.

Staunen wir nicht darüber, wenn wir lesen, dass im Jahr 1823 n. Chr. in
Tunis es fast zum Bruch mit der englischen Regierung gekommen wäre, weil
die Juden anfingen, sich europäisch zu kleiden und namentlich sich des
Hutes bedienten, ja im selben Jahre für dasselbe Verbrechen, d.h. einen
schwarzen Cylinder getragen zu haben, zwei Juden in Tunis die Bastonade
bekamen und nur mit Mühe durch Hrn. Nylsen, dem holländischen Consul,
welcher derzeit Toscana vertrat, ihre Freilassung erlangten. Aber solche
Sachen passiren noch alle Tage, wenn auch nicht so eclatant und
öffentlich.

Zwei Wagen, die Hr. Tulin, schwedischer General-Consul und preussischer
Agent, herausgeschickt, brachten uns in anderthalb Stunden von der Goletta
nach Tunis selbst. Der Weg war, da es seit Tagen geregnet hatte,
entsetzlich, und je näher wir der Stadt kamen, desto bodenloser wurde er.
In der Stadt selbst waren denn die Strassen auch ganz ein Schmutzmeer; es
war, als hätte man sie mit Chocolade einen halben Fuss hoch begossen. Eine
mohammedanische Stadt kann ich mir nun einmal nicht ohne Schmutz denken,
und es würde mir selbst befremdend vorgekommen sein, wenn dem nicht so
gewesen wäre; mich amüsirte nur mein Berliner Photograph, der fortwährend
ausrief, dass es unter den Linden doch ganz anders sei. Damit man durch
diese Schmutzüberschwemmung zu Fuss hindurchkommen kann, hat die
europäische Colonie in Tunis ein eigenes Schuhwerk erfinden müssen, hohe
Holzschuhe, welche auf noch höheren eisernen Ringen ruhen, und die man mit
Lederriemen unter sein Schuhwerk bindet.

Leider sollte es mir nur vergönnt sein, in Tunis eine Nacht zu bleiben,
denn die Fahrten der Dampfer waren der Art eingerichtet, dass ich ohne
einen Verzug von zehn Tagen den am folgenden nach Malta abfahrenden nicht
versäumen durfte. Ich machte indess hier die interessante Bekanntschaft
des Herrn von Maltzan, welcher sich Studien halber für längere Zeit in
Tunis aufhielt.

Baron von Maltzan, schon seit Jahren an der Nordküste von Afrika und in
Arabien heimisch, ein poetisches Gemüth, was seinen Reisebeschreibungen
allerdings einen eigenen Reiz verleiht, andererseits aber auch eben der
poetischen Auffassung wegen Abbruch thut, hat der Wissenschaft einen
grossen Dienst gethan durch Veröffentlichung seines Werkes über Sardinien.
Offenbar einer der besten Kenner der phönicischen Sprache und Alterthümer,
hat Niemand in Deutschland so sehr auf den Reichthum, den Sardinien in
dieser Hinsicht birgt, aufmerksam gemacht, wie Maltzan.

Zu gleichem Zwecke hielt er sich in Tunis auf; bot doch die Stätte des
alten Carthago eine wahre Fundgrube für unseren gelehrten Phönicier. Zudem
hatte er entdeckt, dass der Sohn des Chasnadar ein ganzes Museum
phönicischer Alterthümer besässe mit kostbaren Inschriften. Nach vielen
Schwierigkeiten gelang es Hrn. von Maltzan, Einsicht dieses Museums zu
bekommen, aber alle seine Bemühungen, Photographieen der interessanten und
wichtigen Inschriften machen zu dürfen, sind bis jetzt gescheitert.

Die Bevölkerung von Tunis machte indess einen ebenso peinlichen Eindruck,
wie die der algerischen Provinz, man sah, dass Cholera und Hungertyphus
hier gewüthet hatten. Dazu die grösste Insolvenz der Regierung, alle
Beamten von oben bis unten, das ganze Heer und die Marine hatten seit zwei
Jahren keinen Lohn erhalten. Diese Thatsachen sprechen laut genug, wie es
um den tunisischen Staat bestellt ist. Möge die Finanzcommission,
zusammengesetzt aus Norddeutschland, England, Frankreich und Italien, von
der man jetzt Rettung und baldiges Eintreffen erwartet, nicht lange auf
sich warten lassen.

Der Rückweg nach Goletta und die Einschiffung ging auf dieselbe Weise von
Statten, nur dass wir diesmal an Bord eines Dampfers kamen, der gerade
doppelten Tonnengehalt hatte, wie die Germania, welche so eben die erste
deutsche Nordpolfahrt zurückgelegt hat.

Man kann sich denken, wie wir an Bord dieser Nussschaale herumgeworfen
wurden, aber wir hatten einen englischen Capitän, der Rio-Janeiro, Canton,
Danzig, Stettin und andere Häfen gesehen hatte, also ein alter Seelöwe
war; und trotz eines Sturmes, welcher auf dem Mittelmeere gar nicht
spasshaft ist, kamen wir gut über.

Aber wie sah es oft in der engen Cajüte aus! Der alte Capitain hatte
nämlich das Steckenpferd, sich eine ganze Menagerie an Bord zu halten,
diese bestand aus seiner Frau, vielen Hunden, Katzen, Hühnern, Vögeln,
Enten und anderen Vier- und Zweifüsslern. Das Sonderbarste war, dass alle
Thiere einen Namen hatten--da war ein Neufundländer Nelson, eine schlaue
Katze, die Napoleon hiess, andere Thiere Wellington, Blücher, Malborough
etc.; bitter beklagte indess der alte Capitän, dass Bismarck desertirt
sei.

Ich konnte Bismarck das nun gar nicht verdenken, denn wenn bei einem
besonders starken Wellenschlage alle diese Thiere mit Bänken und Schüsseln
in der Cajüte umhertanzten, gehörten mehr als starke Nerven dazu, um es
auszuhalten. Abends 8 Uhr am 28. November warfen wir Anker im Hafen von La
Valetta, und waren einige Augenblicke später wieder auf europäischem Grund
und Boden.

       *       *       *       *       *



Kurzer geschichtlicher Ueberblick von Tripolis.


Im freundlichen Imperial-Hôtel in Lavaletta abgestiegen, mussten wir nun
freilich in Malta längere Zeit bleiben, als wir, wenn es nach unserem
Wunsche gegangen wäre, beabsichtigt hatten; aber mit Malta hat der
regelmässige Verkehr ein Ende, wenigstens wenn man nach Tripolis will, und
man muss sich den Launen der türkischen Dampfschiffs-Eigenthümer, sowie
dem Wetter fügen.

Indess kann man die Zeit in Lavalletta und Malta recht gut hinbringen.
Freilich bietet die Stadt für einen Nichtmilitair des Interessanten nicht
viel. Das Palais des Gouverneurs, ehemals das des Grossmeisters der
Johanniter, die Johanniskirche, einige Palläste der ehemaligen Zungen,
besonders das castilianische Hôtel, einige hübsche Promenaden, zwei
Bibliotheken, endlich Oper und einige Clubs gewähren wohl für einige Tage
dem Fremden Unterhaltung, wer aber all dies von früher her schon kennt,
und ich war nun schon verschiedene Male in Lavalletta gewesen, der sehnt
sich nach etwas Anderem. Dazu kömmt nun noch, dass an keinem Orte von
Europa die Familien so abgeschlossen und für den Fremden schwer zugänglich
sind, als in Malta. Längere Zeit unter der Herrschaft der Araber, wie ja
auch heute noch die Volkssprache auf Malta ein arabischer Dialekt ist,
halten die Familien ihr Haus dem Fremden fast so fest verschlossen, wie es
der Mohammedaner einem nicht zu seiner Sippe Gehörigen thut, und trotzdem
ich mehrere Bekannte in Lavalletta hatte, war es mir nie gelungen, Eingang
zu ihren Familien zu bekommen. Natürlich nehme ich die dort residirenden
Engländer hiervon aus, welche auch hier wie überall ihre gastlichen
Eigenschaften beibehalten haben.

Wer nun aber längere Zeit einen gezwungenen Aufenthalt auf diesen Inseln
haben sollte, der bleibe nicht in der Stadt, sondern mache Ausflüge, und
ob er diese zu Fuss mache, oder mit jenem antiken Einspänner ohne
Springfedern, er wird seine Spaziertouren nicht bereuen. Malta hat die
lieblichsten Buchten, viele interessante Ruinen aus phönicischer Zeit, von
denen ich hier nur Hedjer Kim, Mnaidra und die merkwürdige natürliche
Einsenkung Makluba nenne. Auch Gozzo mit seinem ebenfalls aus phönicischer
Zeit stammenden Riesenthurm ist eines Besuches werth; kurz wenn man nicht
seinen Aufenthalt auf Lavalletta selbst beschränkt, kann man 14 Tage recht
gut auf Malta hinbringen.

Erst am 11. December war der "Trabulos Garb", ein türkischer Dampfer,
welcher dem Schich el bled von Tripolis gehört, segelfertig. In den
Wintermonaten ist es gar nicht angenehm und oft sehr gefahrvoll auf dem
Mittelmeere, und Jeder erinnert sich noch wohl der heftigen Stürme, welche
gerade in dem Monat auf unserer Hemisphäre stattfanden. Zudem kam noch,
dass "Trabulos Garb" so eben erst eine unheilvolle Katastrophe erlebt
hatte: Von Smyrna abgehend mit für Tripolitanien bestimmten Soldaten,
sprang der Kessel noch ehe der Dampfer den Hafen verlassen hatte. Der
Maschinist, die Heizer und über 50 Soldaten waren augenblickliche Opfer,
wie viele aber noch später starben infolge von Verwundungen, hat man nie
erfahren können; in dem türkischen Reiche kümmert man sich um dergleichen
nicht. Andererseits bot jedoch jetzt das Dampfschiff eine gewisse
Garantie, denn in den Docks von Lavalletta mit einem neuen Kessel
versehen, durfte man annehmen, dass das Schiff nur seetüchtig entlassen
worden sei. Ueberdies war es das einzige Mittel, um nach Tripolis zu
kommen, wenn man nicht mit einem Segelschiffe, die im Winter jedoch noch
weit gefährlicher und unsicherer sind, die Fahrt hätte machen wollen.

Die Einpackung und Verladung der vielen Kisten hatte unser norddeutscher
Consul, Hr. Ferro, schon besorgt, und überhaupt während der ganzen Zeit
meines Aufenthaltes in Malta sowohl als auch später in Tripolis nicht
aufgehört, auf das Liebenswürdigste sich meiner Sache anzunehmen.

Unsere Ueberfahrt nach Tripolis war eine sehr gute, schon nach 30 Stunden
erreichten wir das afrikanische Ufer. Oea mit seinen grossen Palmenwäldern
lag vor uns, und einen Augenblick später konnten wir schon die einzelnen
Häuser unterscheiden. Angesichts der Stadt, liess ich mit Bewilligung des
Capitains unsere norddeutsche Flagge am Hauptmaste aufhissen, es war das
erste Mal, dass sich dieselbe vor Tripolis zeigte; für meine vielen
Freunde und Bekannten daselbst sollte es zugleich ein verabredetes Zeichen
sein, dass ich mich an Bord befände. Und kaum hatte man unsere Flagge
bemerkt, als sämmtliche Consulatsfahnen an ihren hohen, langen Mastbäumen
emporstiegen. Nirgends ist wohl unsere deutsche Flagge ehrenhafter und
freudiger bei ihrem ersten Erscheinen begrüsst worden; die Stadt hatte ihr
sonntäglichstes Aussehen angenommen. Die Formalitäten des Passes, der
Douane und der Sanitätspolizei waren rasch durchgemacht, und kurz nachdem
wir Anker geschmissen hatten, konnten wir landen.

Die Ankunft des Dampfers, der zugleich die verschiedenen Posten aus Europa
bringt, ist für eine so abgelegene Stadt wie Tripolis immer ein Ereigniss,
und die ganze Stadt findet sich dann am Quai des Hafens versammelt; auf
diese Art konnte ich auf Ein Mal fast meine sämmtlichen Bekannten
begrüssen, fast alle waren auf dem Quai versammelt.

Ich hielt mich nicht lange in der Stadt auf, sondern fuhr gleich nach der
Mschia hinaus, wo Consul Rossi mit bekannter Liebenswürdigkeit seinen
Landsitz zu meiner Disposition gestellt hatte. Tripolis hatte einen
weiteren Schritt in der Civilisation gemacht: es hatte ein Fuhrwerk
bekommen, eine kleine Malteser "Kascha", welche Droschkendienst
verrichtete. Früher hatten nur der Pascha und einige der Consuln Wagen,
jetzt konnte sich jeder, wer einige Piaster über hatte, das Vergnügen des
Fahrens machen, und oft genug sah man elegant gekleidete Judendandi's, die
noch vor wenigen Jahren baarfuss bei jedem Moslim vorbeigehen und sich
jedwede Schmach von einem fanatischen Druisch gefallen lassen mussten, die
Kascha benutzen, und durch Extrabakschische angefeuert, fuhr der Kutscher
sie zum Aerger der Rechtgläubigen in rasender Geschwindigkeit über den
Grossen Platz, zwischen Stadt und Mschia.

Unsere Sachen waren auch bald in dem Landhause des Herrn Rossi, das recht
freundlich und heimisch in einem Palmgarten gelegen ist, angekommen; die
nach Bornu bestimmten Sachen liess ich indess alle in einem eigens dazu
gemietheten Hause in der Stadt. Beim Auspacken fand sich, dass alle
unversehrt, mit Ausnahme einer grossen Glasglocke übergekommen waren. Die
noch fehlenden Sachen: Kameele, Seidenstoffe, Corallen etc., wurden nun
auch gleich eingekauft, da man dergleichen in Tripolis besser, und eigens
für den Geschmack der innern Völker hergerichtet, bekommen kann, als in
Europa. Ich hatte hier wieder Gelegenheit, zu bewundern, wie die
Tripolitaner, seien es Christen oder Juden, es geschickt anzufangen
wissen, einem Fremden gegenüber den Uneigennützigen zu spielen, ohne dabei
im Mindesten ihren oft beträchtlichen Gewinn aus den Augen zu verlieren.
Man sollte in der That meinen, wenn man es mit diesen Leuten zu thun hat,
als ob sie beim Verkauf verlören, und trotzdem, wenn sie Fünfzig auf
Hundert gewinnen, glauben sie schlechte Geschäfte gemacht zu haben--denn
sie _hätten_ ja hundert Procent und mehr gewinnen können. Es ist dies
übrigens so natürlich, dass ich mich gar nicht darüber wundern sollte: Die
Juden und Christen leihen den Arabern ihr Geld zu 5 Procent _monatlich_; 2
Procent oder 1½ Procent _monatlich_ zu nehmen, sind seltene Fälle, ein
solcher Mann ist sicherlich ein Ehrenmann, und wird allgemein wegen seiner
Uneigennützigkeit gelobt. Die meisten, oder man kann fast sagen, alle in
Tripolis lebenden Juden und Christen haben auf diese Weise ihr Geld
verdient, denn der eigentliche reelle Handel wirft in Tripolis keinen
grossen Gewinn ab.

Welch merkwürdige Schicksale hat aber diese Stadt erlebt und welche
Zukunft steht ihr noch bevor, wenn sie einst wie Algerien in die Hände
einer aufgeklärteren Regierung kommen sollte. War nicht das alte Tripolis
jener Dreistädteverein Leptis magna, Oea und Sabratha, einst eine der
blühendsten und reichsten Colonien am Nordgestade Afrika's? Ohne hier
einen Abriss der Geschichte der Stadt geben zu wollen, welche sich auch
gar nicht, was die alte Zeit anbetrifft, von der Geschichte aller Städte
und Colonien Nordafrika's trennen lässt, werden gewiss meine Leser gern
einen Blick in die Vergangenheit thun, um zu sehen, unter welchen
Verhältnissen Tripolis das geworden, was es jetzt ist.

Im heutigen Tripolitanien hausten im Alterthume nach Herodot die
Nasomonen, welche um die grosse Syrte nomadisirten und uns als verwegene
und gefährliche Seeräuber geschildert werden. Unter Augustus bekriegt,
verschwinden sie von der Seeküste und statt ihrer führt Ptolemäus die
Makakutae und die höhlenbewohnenden Lesaniki an, die Nasomonen verlegt er
weiter ins Innere. Westlich von den Nasomonen grenzten die Psylli und von
diesen wieder westlich die Maccae. Im äussersten Westen des heutigen
Tripolitanien waren nach Scylax die Lotophagen. Andere Völkerschaften
werden von Herodot und Ptolemäus im Innern genannt, als die Machlyes,
Auses, Nigintini, Astskures etc. Am bekanntesten von allen waren jedoch
die Garamanten, welche wir heutzutage, wenn auch nicht in Tripolitanien,
so doch im Stamme der Tebu südlich davon deutlich wiedererkennen. Aus
allen Angaben aber müssen wir schliessen, dass die Garamanten früher das
ganze heutige Kaimmakamlik Fesan inne hatten.

Während die Kenntniss von den Garamanten unter den Griechen sich gänzlich
verlor, tauchte dieses Volk unter römischer Herrschaft wieder auf, und wir
finden nun auch zum ersten Mal den Namen Fesan, Phasania genannt, erwähnt.
Plinius führt uns eine Menge Städte und Oerter der Garamanten auf mit der
Hauptstadt Garama. Ob übrigens die Garamanten eine so grosse Ausdehnung
gehabt haben, wie die Alten es annehmen und auch noch einige Gelehrte der
Neuzeit, möchte nicht ganz erwiesen sein, man müsste denn ganz Bornu als
ihnen damals unterworfen betrachten. Die Hauptstadt Garama finden wir im
heutigen Djerma in Fesan wieder, auch Krema in Tibesti erinnert an Garama,
sowie Berdoa an Borde in eben dem Lande.

Zu diesen an der Küste wohnenden Libyern, welche von den Römern Numider
(vom Worte [griechisch: nomades], herumziehende Völker) genannt wurden,
kamen zur Zeit der trojanischen Kriege phönicische Handelsleute: so
entstand Leptis, Oea, Sabratha und die wichtigste Colonie von allen,
Carthago. Während so die Geschichte Tripolis' mit der von Carthago eng
Hand in Hand geht, sehen wir dann, wie Massinissa, ein numidischer König,
sich mit Hülfe der Römer an der Küste ein unabhängiges Königreich gründet.
Nach dem zweiten punischen Kriege war er Herrscher fast des ganzen heutigen
Tripolitanien mit Ausnahme von Cyrenaica. Die Empörung Jugurtha's, des
Enkels von Massinissa, gegen römische Vormundschaft, die Herrschaft Juba's
führten dann diese Länder bald gänzlich in die Gewaltherrschaft der Römer.

Mit dem Einbruche der Vandalen und später der Araber wurde das
Christenthum, welches an der ganzen Nordküste von Afrika in mehr denn 500
Bischofssprengeln gelehrt wurde, zu Grabe getragen; und im Jahre 647
erschien Abd Allah, vom Kalifen Otman geschickt, unter den Mauern
Tripolis'. Im Jahre 680 sehen wir alle Berberstaaten durch Akbah
unterworfen, und im neunten Jahrhundert finden wir die Aglabiten in
Tripolis herrschend. Obgleich nun die Stadt vom tapferen Normannenkönig
Roger im Jahre 1146 den Mohammedanern wieder entrissen wurde, bemächtigten
sich unter Abd el Mumin schon im Jahre 1159 wieder die Almohaden des
Ortes. Darauf unter dem Scepter von Abu Fares von Tunis, eroberten 1510
die Spanier die Stadt unter Peter von Navarra. Dieser schleppte alle
mohammedanischen Einwohner fort, Carl V. erlaubte ihnen jedoch
zurückzukehren und die Stadt, zwar ohne Wälle, wieder aufzubauen. 1530
wurde Tripolis von Carl V. an die Malteser Ritter gegeben, aber schon drei
Jahre darauf vom berüchtigten Seeräuber Barbarossa erobert; dieser wurde
jedoch von Carl wieder vertrieben und bis 1551 blieb sie unter der
Herrschaft des Malteser Kreuzes, um in diesem Jahre für immer durch den
türkischen Admiral Sinan Pascha dem Halbmonde unterworfen zu werden.

Zwar hatten die Türken auch nicht viel Ruhe und Frieden, schon acht Jahre
darauf empörte sich ein Scherif und wurde nur nach vielen Anstrengungen
unterdrückt. Ausserdem kam es jetzt der häufigen Seeräubereien der
Tripolitaner wegen zu häufigen Conflicten mit den christlichen Mächten.
Durch Verträge geschützt waren nur die Engländer und Franzosen, aber auch
diese mussten von Zeit zu Zeit Expeditionen senden, um mit Gewalt die
Aufrechthaltung der Verträge zu erzwingen. So sandte Cromwell im Jahre
1655 den Admiral Blake, um Genugthuung zu fordern; 1675 erschien Sir John
Narborough vor Tripolis, um begangene Verräthereien der Piraten zu
züchtigen. 1683 zerstörte der französische Admiral Duquesne im Wasser von
Tripolis eine grosse Zahl von Piratenschiffen, und zwei Jahre später legte
sich d'Estrées vor die Stadt und bombardirte sie; erst nach Abschluss
eines Vertrages und nach Zahlung von 500,000 Fr. hob d'Estrées die
Belagerung auf.

Im Jahre 1714 trat endlich für Tripolis ein wichtiges Ereigniss ein.
Hammed Caramanli, ein Araberchef, der zugleich Häuptling einer
Reiterabtheilung war, unter dem türkischen Pascha, benutzte dessen Reise
nach Constantinopel, um sich zu empören und unabhängig zu machen. Durch
List hatte er die türkischen Soldaten aus der Stadt zu entfernen gewusst,
und dann zu einem grossen Feste, was an Beamten und Officieren übrig
blieb, eingeladen. Als die Türken sich, der Einladung folgend, zu Hammed
Caramanli begaben, wurde einer nach dem andern beim Eintreten in sein Haus
getödtet, und wer sonst von den Türken noch übrig war, wurde am folgenden
Tage ermordet gefunden. Die Zahl der Eingeladenen zum Festessen betrug
allein 300 Personen, welche alle erdrosselt wurden. Hammed schickte nun
gleich grosse Geschenke, das Eigenthum der ermordeten Personen, nach
Constantinopel, und der Grossherr hatte die Schwäche, seine Regierung
anzuerkennen und zu bestätigen.

Die Caramanli's haben dann die Regierung bis zum Jahre 1835 inne gehabt.

Aber auch unter den Caramanli's gestalteten sich die Verhältnisse mit den
christlichen Mächten nicht gleich von vornherein günstig. 1728 schon sah
Frankreich sich genöthigt unter Grandpré von Neuem eine Flotte gegen
Tripolis zu schicken, welches von seinem alten Piratenunwesen nun ein Mal
nicht lassen wollte. Im Jahre darauf wurde ein neuer Vertrag geschlossen.
1766 musste Prinz Listenois im Auftrage der französischen Regierung für
erlittene Unbill Genugthuung verlangen, und erhielt dieselbe. Im Jahre
1745 war der zweite Sohn Ali seinem Vater Hammed Caramanli gefolgt. Im
Jahre 1790 wurde sein ältester Sohn von seinem jüngsten Sohne Jussuf
getödtet, worüber ein blutiger Civilkrieg ausbrach; Jussuf hatte aber
durch einnehmendes Wesen und Geldbestechungen sich einen so grossen Anhang
zu verschaffen gewusst, dass Ali, um dem Kriege ein Ende zu machen, seinem
Sohne, dem Brudermörder, verzieh und in Gnaden wieder aufnahm. Von anderer
Seite aber drohte ihm Gefahr und hätte bald schon die Regierung der
Caramanli's beendigt. Ein Abenteurer Namens Ali Bugul, landete 1793 in
Tripolis und bemächtigte sich durch Verrath und Ueberrumpelung der Stadt.
Keineswegs von der türkischen Regierung abgeschickt, scheint Ali Bugul
geheime Unterstützung des Kapudan Pascha's gehabt zu haben. Der nach Tunis
geflüchtete Ali Caramanli fand aber Hülfe beim Bei, derselbe kam nach
Tripolis, vertrieb Ali Bugul und setzte die Caramanli wieder ein. Ali
Bugul floh nach Aegypten. Der alte Ali Caramanli nahm aber die
Regentschaft nicht wieder auf, sondern übergab dieselbe seinem zweiten
Sohne Hammed, welcher aber gleich darauf vom Brudermörder Jussuf
vertrieben wurde.

Während der französischen Expedition nach Aegypten, stand Tripolis im
Geheimen zu den Franzosen, General Vaubois auf Malta, wurde während der
Belagerung mit Lebensmitteln unterstützt. Als Jussuf Pascha nachher durch
die Drohungen der Engländer gezwungen, offen den Krieg an Frankreich
erklären musste, instruirte er heimlich seine Corsaren den französischen
Pavillon zu schonen. Ja, es scheint, als ob Napoleon einen Augenblick
daran gedacht habe, seine Armee durch Tripolitanien aus Aegypten zu
ziehen. 1801 wurde von ihm ein gewisser Xavier Naudi, geborner Malteser,
nach Tripolis geschickt, und derselbe schloss mit Jussuf am 18. Juni des
Jahres Frieden. In den Stipulationen war hauptsächlich die freie
Communication von Gütern und Personen zwischen Tripolitanien und Aegypten
betont. Die bald darauf erfolgende Räumung der französischem Truppen
machten jedoch diese Clausel überflüssig.

Im Jahre 1819 wurde durch Freemantle und Jurien de la Gravière der
Regentschaft die Beschlüsse von Aachen mitgetheilt, wie das in Algier und
Tunis geschehen war, und Jussuf, besonders da man das Recht schwarze
Sklaven zu halten und zu kaufen nicht antastete, nahm offen alle
Bedingungen an. Es war hiemit ein grosser Schritt gewonnen. Denn durch
diesen Vertrag bekommen zum ersten Male die Schiffe der kleinen Mächte,
wie Toscana, der Kirchenstaat, die Hansestädte, Hannover und Preussen,
dieselbe Berechtigung wie die Fahrzeuge der Staaten, welche wie
Oesterreich, Frankreich und England Verträge mit den Berberstaaten hatten.
Wenn mit diesem Aachener Vertrage ein für alle Mal die Piraterie
aufgehoben war, so waren damit alle anderen demüthigenden Verträge auch
vernichtet. Ich schreibe das Wort "demüthigend", denn obwohl seit
Jahrhunderten Engländer, sowohl wie Franzosen mittelst ihrer Flotte die
Macht gehabt hätten, längst die Piraterie zu zerstören, und diese
Raubstaaten bei wiederholten Gelegenheiten dem Erdboden hätten
gleichmachen können, so schlossen sie doch selbst die schimpflichsten
Verträge ab, bloss um den Handel der kleinen christlichen Mächte, welche
keine Kriegsflotte zum Schutze ihres Handels hatten, gänzlich zu
vernichten. Was sagt man dazu, dass in dem am 2. Aug. 1729 zwischen
Frankreich und Tripolis geschlossenen Frieden festgesetzt ist: "dass die
Corsaren _französische_ Pässe vom _französischen_ Consul erhalten, um sie
vor den französischen Kriegsschiffen zu sichern, dass sie in den
französischen Häfen Schutz finden können, aber nur Prisen in der
Entfernung von 10 Meilen vom französischen Ufer machen dürfen. Die
französischen Kriegsschiffe dürfen die Piratenschiffe untersuchen, aber
das Durchsuchungsrecht ist auch den Piraten für die französischen
Kauffahrer gewährt." Es versteht sich von selbst, dass alle Schiffe,
welche nicht französisch oder englisch waren, den Piraten als verfallen
betrachtet wurden. Mit dem Jahre 1819 waren solche Zustände glücklicher
Weise überwunden.

Im Anfange der zwanziger Jahre hatte Jussuf eine Rebellion seines Sohnes,
welcher Statthalter in Bengasi war, zu unterdrücken, und übermüthig
geworden, glaubte er nun an Sardinien einen leicht zu besiegenden Gegner
gefunden zu haben. Dieser Staat war interimistisch durch einen Agenten in
Tripolis vertreten, und als dieser sich weigerte, das übliche Geschenk an
den Pascha zu entrichten, liess Jussuf seinen Pavillon herabziehen, und
erklärte Krieg an Sardinien. Es dauerte aber nicht lange, so erschien
Admiral Sivoli mit sardinischen Schiffen vor Tripolis, und Jussuf Pascha,
jetzt eingeschüchtert, wollte durch das englische Consulat unterhandeln,
verlangte aber dummerweise zum Segen des Friedensschlusses gleich von
vornherein die Summe von 30,000 Piastern. "30,000 Kugeln soll er haben,"
antwortete der tapfere Sivoli und die Beschiessung der Stadt begann
sofort. Es versteht sich von selbst, dass die Sardinier nach kurzer Zeit
erlangten, was sie wollten, der Stolz Jussuf's war gebrochen.

Etwas später kam auch ein neapolitanisches Geschwader vor Tripolis, um für
erlittene Unbillen Genugthuung zu verlangen, aber nicht so energisch wie
die Piemontesen, musste es unverrichteter Sache wieder abziehen.

Durch seine eigenen Unterthanen, die nun einmal die gewinnreiche Piraterie
nicht aufgeben wollten, wurde der Regierung Jussuf's die meisten
Unannehmlichkeiten bereitet; so im Jahre 1826, wo drei unter päpstlicher
Flagge fahrende Kauffahrer gekapert wurden. Der Papst selbst ohnmächtig,
seine Unterthanen gegen die mohammedanischen Seeräuber zu schützen, wandte
sich an Frankreich, und das schickte unter Arnous de Saulsays eine Flotte,
welche die Herausgabe der drei Schiffe bewerkstelligte. Da aber Jussuf
Pascha dem päpstlichen Stuhle ausserdem eine starke Entschädigungssumme
zahlen musste, so suchte er sich durch die kleinlichsten Chikanen an dem
derzeitigen französischen Consul zu rächen. Zu der Zeit war im Innern der
englische Reisende Major Laing ermordet worden, und Jussuf Pascha scheute
sich nicht, den französischen Consul der Mitwissenschaft dieses Mordes und
namentlich des Besitzes der Papiere Laing's anzuklagen. Da Herr Rousseau,
der französische Consul, vom Pascha keinen bestimmten Widerruf erlangen
konnte, strich er seinen Pavillon und schiffte sich nach Frankreich ein.
Der darüber zwischen Paris und London ausbrechende diplomatische
Briefwechsel, hatte eine gründliche Untersuchung des Vorganges zur Folge,
bei der sich die Unschuld des französischen Consuls auf's glänzendste
herausstellte. Das französische Gouvernement benutzte diese Gelegenheit
indess, um Tripolis ein für alle Mal eine tüchtige Lection zu geben, und
einen Monat später als die Einnahme Algiers, erschien Gegenadmiral Rosamel
vor der Stadt und legte der Regierung Bedingungen auf, welche aber trotz
der Demüthigung, welche sie enthielten, angenommen wurden. Frankreich trat
hier als Fürsprecher der ganzen Christenheit auf, denn ausser den
Entschuldigungen, welche der Pascha wegen seiner Verläumdungen machen
musste, wurde die unbedingte Aufhebung christlicher Sklaverei und jeder
Piraterie und die Abschaffung gewisser Geschenke, welche einige kleine
Staaten noch leisteten, decretirt.

Zu diesen äusseren Complicationen, welche den Schatz des Paschas
verminderten, und da sie immer mit einer Demüthigung für die Regierung
Tripolis endeten, dessen Ansehen im Inneren der Provinz schwächten, kamen
nun noch Revolten und Empörungen der eigenen Unterthanen, so dass man
jetzt schon den Untergang des alten Jussuf's voraussagen konnte.

Ein gewisser Abd el Djelil, Kaid der uled Sliman, empörte sich offen 1831,
marschirte auf Fesan los, und bemächtigte sich dieses Landes. Jussuf
schickte seine Söhne Ali und Ibrahim ab, um ihn zu verfolgen, als sie aber
den Djebel Ghorian passirten, empörten sich die Bergvölker, und zwangen
sie zu einer eiligen Umkehr nach Tripolis. Um das Unglück des Pascha's
voll zu machen, präsentirte sich 1832 eine englische Flotte unter Dundas,
und verlangte für rückständige Schulden an britische Unterthanen die Summe
von 200,000 spanischen Piastern. Dem Pascha waren nur 48 Stunden Zeit
gegeben. Da es ihm unmöglich war, diese Summe so schnell zusammen zu
bringen, denn seine Geldnoth war so gross geworden, dass er sogar schon
die bronzenen Kanonen des Forts an die christlichen Kaufleute verkauft
hatte, so zog der englische Generalconsul Warrington seine Flagge ein und
begab sich an Bord des Kriegsschiffes. In dieser argen Klemme liess sich
Jussuf verleiten, die Bewohner der Mschia mit einer Kriegssteuer zu
belegen. Diese, die von Alters her immer von allen Steuern frei gewesen
waren und es auch noch sind, wofür sie jedoch kriegpflichtig waren,
antworteten sogleich mit offener Empörung; aber dabei blieben sie nicht
stehen, sie erklärten Jussuf Pascha für abgesetzt, und zu seinem
Nachfolger Mohammed Caramanli! Zu spät war es jetzt, die Ordre für die
Mschia zurückzunehmen, zu spät, dass er seine Söhne nach Sauya schickte,
um sich an die Spitze der Araber im Sahel, welche sich für ihn erklärt
hatten, zu setzen. Nichts half mehr, Die Mschia blieb in Revolte, und
seine Söhne flüchteten sich zu Schiff nach Tripolis zurück. Obgleich er in
dieser Stadt nun noch 1200 treugebliebene Soldaten hatte, sah er doch ein,
dass er den Umständen weichen müsse, und dankte zu Gunsten seines Sohnes
Ali Caramanli ab.[3]

Die Consulate von Europa setzten sich gleich mit Ali in Verbindung, und
auch Major Warrington, der englische Generalconsul, kehrte nach Tripolis
zurück, sobald er die Abdankung Jussuf's erfahren hatte. Statt aber wie
thunlich, seine Residenz in Tripolis (die Stadt war noch immer belagert)
zu nehmen, bezog er sein in der Mschia gelegenes Landhaus, befand sich
also inmitten der Rebellen. Es ist wohl zu natürlich, anzunehmen, dass
dies absichtlich geschah, jedenfalls schöpften die Rebellen dadurch
Hoffnung für ihre Sache, da sie mit Recht glaubten, England unterstütze
ihre Sache. Durch einen gewissen Mohammed bit el mel, der früher Uisir von
Jussuf Pascha gewesen war, und sich in Malta befand, wurden sie überdies
von dieser Insel aus mit Nachdruck unterstützt. Mohammed bit el mel
rüstete sogar ein kleines Geschwader von drei Schiffen aus, man braucht
wohl kaum zu fragen mit wessem Gelde, indess obschon die Schiffe vor
Tripolis erschienen, konnten sie doch nichts Ernstliches ausrichten.

Während so einerseits durch England unterstützt, die Rebellen der Mschia
den Muth nicht verloren und fortwährend die Stadt cernirt hielten, gewann
anderer Seits Ali Pascha Terrain. Abd el Djelil hatte Verhandlungen mit
ihm angeknüpft, ihm sogar einige Soldaten zur Unterstützung nach Tripolis
gesandt, und ein gewisser Rhuma, der im Djebel sich unabhängig erklärt
hatte, bot ebenfalls unter Bedingungen seine Unterwerfung und Hülfe an. In
Bengasi hatte man sich vollkommen dem neuen Pascha unterworfen und Ali der
Stadt seinen Bruder Otman als Gouverneur geschickt. Um die Unterwerfung
der Provinz noch mehr zu beschleunigen, schickte Ali seinen Bruder Ibrahim
zu Rhuma, und vereint brachen diese gegen Sauya auf, wo sich Mohammed
Caramanli, der Rebellen-Pascha aufhielt. Dieser wurde auch geschlagen, und
wenn jetzt die vereinigten Consulate zu Ali Pascha gehalten hätten, wäre
sicher bald die ganze Provinz wieder dem rechtmassigen Nachfolger von
Jussuf Pascha unterworfen worden.

Aber England hat von jeher eine eigene Politik im Orient verfolgt; wobei
die Hauptsache _die_ war, die Türkei _soviel wie möglich zu kräftigen_,
und gewiss war der Plan, Tripolitanien in die Hände der Pforte zu spielen,
schon längst vorbereitet. Dass es sich dabei hauptsächlich darum handelte,
den Einfluss Frankreichs auf der Nordküste von Afrika zu schwächen, liegt
auf der Hand, denn Frankreich hatte eben erst Algerien erobert, früher
schon mal Aegypten besessen, war also mehr als irgend eine andere Macht
von den Bewohnern Nordafrika's gefürchtet.

Tripolis Stadt wurde den Türken ohne Blutvergiessen in die Hände gespielt.
Eine geistige Suprematie der Pforte, hatten auch die Caramanli immer noch
anerkannt, und obgleich sie unabhängig regierten, sie jährlich durch
Absendung von Geschenken nach Constantinopel bethätigt. Jetzt hiess es auf
einmal, es sei Zeit, dass die Pforte intervenire, um dem Streite der
Parteien ein Ende zu machen. Der Sultan kam nur zu gerne dieser
Aufforderung nach und schickte 1834 einen Gesandten, Schekir Bei, nach
Tripolis, um Aufklärung über die Sachlage zu bekommen. Schekir Bei kehrte
nach Constantinopel zurück, und auf seinen Bericht, wurde Ali Caramanli
als Pascha von Tripolis bestätigt, mittelst eines grossherrlichen Firmans,
und die Insurgenten zugleich aufgefordert, sich ihm zu unterwerfen. Diese
aber waren, durch die Anwesenheit des englischen Generalconsulates in
ihrem Hauptquartiere zuversichtlich gemacht, nichts weniger als
entmuthigt, hatten sogar die Kühnheit, gleich nach dem Abgange von Schekir
Bei, die Stadt zu bombardiren.

Auf dieses hin liess nun die türkische Regierung eine Flotte von
Constantinopel mit 6000 Soldaten nach Tripolis abgehen. Den europäischen
Mächten wurde einfach mitgetheilt, es handle sich nur darum, Ali Caramanli
in Tripolis Achtung und Gehorsam zu verschaffen. Die Flotte, von Nedjib
Pascha commandirt, kam vor Tripolis an und der türkische Befehlshaber
setzte sich gleich mit Ali Caramanli in Verbindung. Dieser, mit allen
seinem Range zukommenden Ehren von den Türken behandelt, gab zu, dass die
Soldaten debarquiren und das Fort besetzen durften, und als er dann sich
selbst, um Nedjib Pascha einen Besuch abzustatten, auf's Admiralschiff
begab, am 26. Mai 1835, wurde ihm einfach seine Absetzung vorgelesen und
ihm gesagt, er würde nach Constantinopel transportirt werden. Am selben
Tage noch verlas Nedjib Pascha den Firman, der ihn zum Gouverneur von
Tripolitanien ernannte, liess die Thore der Stadt öffnen, und die
Rebellion der Mschia war wie ausgelöscht, da Mohammed, der Prätendent,
gleich nach Mesurata floh, und sich dort entleibte.

Aber obschon nun die Türken Herren der Stadt und der nächsten Umgebung
derselben waren, hatten sie damit noch keineswegs die ganze Regentschaft
unterworfen. Angesichts der Eroberung Algiers durch eine christliche
Macht, fühlten jedoch alle Mohammedaner der Nordküste Afrikas
instinktartig, dass allein ein Anschluss an die nach ihrem Glauben
allmächtige Dynastie der Osmanli, sie vor einem ähnlichen Schicksale
bewahren könne. Wir können deshalb auch gleiche Phänomene in Tunis
wahrnehmen, wo Unabhängigkeitsgelüste der Furcht vor einer christlichen
Eroberung die Waage halten. Nur in Marokko sehen wir bei dem Volke das
Bewusstsein seiner Kraft unerschüttert, vermehrt durch den festen Glauben
an das Kalifat seiner Sultane. Und selbst die Niederlage von Isly konnte
im marokkanischen Volke niemals den Gedanken aufkommen lassen, sich
Constantinopel in die Arme zu werfen. In Aegypten hingegen war das Volk
durch Unterdrückung und Sklaverei seit Jahren ganz unzurechnungsfähig
geworden; was aber die Herrscher des Landes anbetrifft, so constatiren wir
hier, schon lange vor 1835, in welchem Jahre sich die Pforte
Tripolitaniens bemächtigte, ein allmäliges Fortschreiten auf der Bahn
gänzlicher Unabhängigkeit.

Und so müssen wir denn, wenn wir die grosse Geschwindigkeit bewundern, mit
der die Türken Tripolitanien zu einer der ruhigsten und sichersten Provinz
des ganzen Reiches gemacht haben, auch nie aus den Augen verlieren, dass
die um ihre Religion besorgten Mohammedaner, so sehr sie auch immer
türkische Raublust und Grausamkeit hassten und fürchteten, andererseits
wenigstens, was den grossen Haufen anbetrifft, von der _Nothwendigkeit_
der türkischen Herrschaft überzeugt waren.

Der erste türkische Gouverneur Nedjib Pascha blieb nur 3 Monate auf seinem
Posten, ihm folgte Mehemmed Raïf Pascha, im August 1835. Seine erste
Massregel, welche er verfügte, war die Ausweisung aller noch lebenden
Caramanlis, resp. ihre Verbannung nach Constantinopel. Otman, von seinem
Vorgänger zum Gouverneur von Bengasi gemacht, entzog sich diesem Schicksal
durch seine Flucht nach Malta. Abd el Djelil verhielt sich um diese Zeit
ruhig im Besitze Fesans, und ebenso Rhuma im Djebel, der Bei Otman von
Mesurata schrieb einen Unterwerfungsbrief, aber damit hatte es auch sein
Bewenden. Schon 1836 wurde wieder ein neuer Gouverneur geschickt, da die
Pforte immer zu besorgen schien, dass ihre eigenen Gouverneurs eine
Unabhängigkeitserklärung versuchen würden, es war Taher Pascha, der sich
hauptsächlich durch seine Unverschämtheit gegen die Europäer auszeichnete,
Intriguen mit Tunis unterhielt, und sogar den Bei von Constantine
unterstützen wollte. Zu seiner Zeit fällt denn auch die Absendung einer
anderen türkischen Flotte unter dem Capudan Pascha Ahmed, welche heimlich
wohl Tunesien zur Unterwerfung unter die Pforte verhelfen, dann auch den
Bei von Constantine unterstützen sollte. Das französische Geschwader unter
Lalande vereitelte dies jedoch, und später hatte Prince Joinville den
Auftrag von seiner Regierung an den Bei von Tunis, dass Frankreich auf
alle Fälle den Status quo aufrecht erhalten würde.

Nach Taher Pascha folgte August 1838 Hassan Pascha. Derselbe erkannte
Rhuma als Chef vom Djebel an und unterhandelte auch mit Abd el Djelil,
welcher sich anheischig machte dem Gouverneur von Tripolitanien jährlich
25,000 spanische Piaster zu zahlen. Da Hassan Pascha aber auch den
rückständigen Tribut verlangte, wurden die Verhandlungen abgebrochen, und
Abd el Djelil verband sich in Folge davon mit Rhuma. Als aber 1840 schon
in der Person von Asker Pascha wieder ein neuer Pascha als Gouverneur kam,
wurde ein anderer Vertrag mit den beiden Chefs gemacht, in Folge dessen
wie früher Abd el Djelil 25,000 und Rhuma 5000 spanische Piaster der
Regierung entrichten sollte. Aber wie immer sind die Verträge mit den
Arabern leicht gemacht, geschrieben und beschworen, wenn es jedoch zur
Ausführung derselben kömmt, sind sie gegen Gleichgläubige ebenso
wortbrüchig, als gegen Ungläubige. In Algerien haben die Araberchefs fast
alle Zeit ihre Wortbrüchigkeit gegen die Franzosen damit zu beschönigen
versucht, sie seien nicht gebunden, was aber nach den Lehren des Islam
keinenfalls ganz gerechtfertigt ist, dem Kafr ein gegebenes Wort zu
halten; verfolgen wir aber ihre Handlungen in Tripolitanien, so finden wir
da gegen die Türken, welche doch Rechtgläubige sind, ebenso oft
Wortbrüchigkeit.

Und so auch hier, als es zur Zahlung kommen sollte im Jahre 1841, weigerte
sich sowohl Rhuma als auch Abd el Djelil, die eingegangenen
Verpflichtungen zu erfüllen, und es kam von Neuem zum Kriege. Obschon nun
der Vortheil immer auf Seiten der Türken war, welche eine
wohldisciplinirte Truppe mit Feldartillerie versehen, den unregelmässigen
Araber-Reitern entgegensetzen konnten, so war es doch schwer, der beiden
Chefs habhaft zu werden: Das Terrain war diesen vollkommen bekannt, und
überall zahlreiche Ausgänge und Schlupfwinkel, die den Türken gänzlich
unbekannt waren, zudem zog Abd el Djelil bei irgend einer grösseren Gefahr
sich einfach in die Wüste zurück, wohin die türkische Infanterie und
Artillerie nicht folgen konnte.

Was indess die Pforte mit Gewalt nicht erreichen konnte: eine schnelle
Unterwerfung des Landes mittelst der Waffen, erreichte sie mit List, und
England lieh bereitwilligst seine Hand dazu. Im Jahre 1842 schlug der
englische Generalconsul von Tripolis dem an der Syrte herumstreifenden Abd
el Djelil eine Zusammenkunft am Ufer des Meeres in der Nähe von Mesurata
vor, und dieser im Glauben, England wolle ihn unterstützen, wie es ihn
früher in seiner Rebellion gegen Jussuf Caramanli unterstützt hatte, ging
bereitwilligst auf den Vorschlag ein. Zu Abd el Djelil's Verwunderung
unterhielt der Consul ihn nur von der Abschaffung des Sklavenhandels,
versprach ihm aber auch, wenn Abd el Djelil offen den Sklavenhandel in
Fesan unterdrücken würde, er der Unterstützung Englands sicher sein könne.
Welche Versicherungen Abd el Djelil hierauf gegeben hat, sind wir nicht im
Stande zu berichten, wohl aber wissen wir, dass Abd el Djelil gar nicht in
seiner Macht hatte, den Sklavenhandel in Fesan zu ersticken und dass dies
dem englischen Consulate bekannt sein musste.--Kaum hatte er sich vom
englischen Consul beurlaubt, als eine Armee Asker Pascha's, die heimlich
herangerückt war, über sein Lager herfiel, ihn selbst gefangen nahm und
alle seine Truppen auseinander sprengte. Abd el Djelil wurde enthauptet,
und sein Kopf war mehrere Tage aufgepfählt auf dem Hauptthore Tripolis' zu
sehen. Im selben Jahre und Monat Juli wurde Asker Pascha durch den
Gouverneur Mehemmed Emin Pascha abgelöst. Fesan hatte sich gleich nach dem
Tode Djelil's unterworfen, ebenso auch Rhadames und somit hatte der neue
Gouverneur nur noch den letzten Rebellen Rhuma im Djebel zu bekämpfen.
Auch dies wurde durch List bewerkstelligt, indem der Pascha mit Rhuma
Unterhandlungen anfing, und ihn dann mit dem feierlichen Versprechen eines
freien Geleites nach Tripolis einlud. Sobald aber Rhuma, welcher wirklich
der Einladung folgte, in der Stadt war, wurde er gefangen genommen und
nach Constantinopel geschickt. Als hierauf im Djebel seine treuen Anhänger
revoltirten, wurde der General Ahmed Pascha mit einer Armee vom Gouverneur
gegen sie abgeschickt, und als dieser am Fusse des Djebels angekommen, die
Häuptlinge zu einer Besprechung einlud, liess er sie sämmtlich bei dieser
Gelegenheit hinrichten. 60 blutige Häupter konnte er nach Tripolis
schicken. Zitternd und schaudernd unterwarfen sich nach dieser That, im
Mai 1843, die Bewohner des Djebel. Die Türken errichteten dort einige
Forts, legten darin Soldaten und Artillerie, um so für immer jede neue
Revolte gleich im Keime ersticken zu können. Und so geschah es auch im
folgenden Jahre, wo die Djebelbewohner unter Milud, einem alten Anhänger
von Rhuma, noch einmal versuchten das Joch abzuschütteln. Nichts war seit
dem Jahre 1845 mehr im Stande die Macht der Türken in Tripolitanien zu
erschüttern, die ganze Regentschaft war ruhig und unterworfen.

Nach Mehemmed Emin Pascha wurden die Gouverneure nicht mehr so häufig
gewechselt, erst 1846 wurde derselbe durch Ragut Pascha abgelöst. Und
während früher die Besorgniss und das Misstrauen der Pforte so weit ging,
dass den Gouverneuren nie gestattet wurde, Familie und Harem mit nach
Tripolis zu nehmen, wurde auch dieses Verbot aufgehoben, und man fing an
die Gouverneure meist 4 Jahre im Besitze ihres Amtes zu lassen. So notiren
wir denn, 1848 im December den neuen Gouverneur Iset Pascha, im September
1852 Mustafa Nuri Pascha, im October 1855 Osman Pascha, 1859 Mahmud
Pascha, welcher jetzt Marineminister ist, und welcher 1865 von Ali Riza
Pascha, welcher heute noch functionirt, abgelöst wurde. Unter den
Regierungen aller dieser Muschirs blieb das Land ruhig, Sicherheit[4] war
überall, und Revolten scheinen auf immer den unterjochten Bewohnern
Tripolitaniens vergangen zu sein.

       *       *       *       *       *



Tripolitanien.


Unter der türkischen Regierung wird seit 1835 die Regentschaft Tripolis
von einem Generalgouverneur, welcher den Titel Muschir hat, regiert. Man
hat zu diesem Posten sowohl Leute aus dem Civilstande, als auch aus dem
Militairstande genommen, und selbst aus der Marine hat man Admiräle schon
als Gouverneure von Tripolitanien gesehen. Der Gouverneur kann nach
Belieben der Pforte abberufen werden, und im Anfange der Eroberung machte
das türkische Gouvernement oft genug Gebrauch davon, jetzt lässt man, wie
schon gesagt, einen ein Mal installirten Muschir meist vier Jahre auf
seinem Platze, was auch keineswegs, um sich mit allen Verhältnissen des
Landes und der Bewohner bekannt zu machen, zu lange ist. Die Gewalt
desselben ist heute nicht mehr eine unbeschränkte, das Recht über Leben
und Tod steht ihm nicht zu, und in der Verwaltung der Provinz steht ihm
die grosse Midjeles oder eine Rathsversammlung zur Seite. Dieser Rath
umfasst die Personen der ersten Aemter, als Richter, Militaircommandant,
oberster Geistlicher u.s.w. Wegen des Muschir kann man über dies nach
Constantinopel an's Ministerium oder an den Grossherrn selbst appelliren,
was jedoch selten Jemand zu thun wagt. Der Muschir bezieht von
Constantinopel sein bestimmtes Gehalt, welches übrigens je nach seinem
anderen Range variirt, als Gouverneur soll er fünfzigtausend Francs
Einkommen haben.

Das in Tripolis stationirte Militair steht unter einem selbständigen
Commando, und der Oberst-Commandirende hat gewöhnlich den Rang eines
Generallieutenants. Meist sind nicht mehr als 6000 Mann regelmässige
Truppen vorhanden, Infanterie und Artillerie. Diese werden immer aus
anderen Provinzen des Reiches hergezogen, während die in Tripolitanien
ausgehobenen Truppen in den übrigen Theilen des Reiches zur Verwendung
kommen. Während dem Muschir nicht zusteht in die innere Administration der
Truppen einzugreifen, so hat er indess die Macht über ihre Garnisonirung,
und im Falle von Revolten, ertheilt er den Befehl zum Marsch und Angriff.
Die in Tripolitanien bestehende Bürgermiliz, wie die z.B. der Mschia[5],
wo jeder Mann geborner Soldat ist, dann die der Gensd'armen, Kavassen,
Saptién u.s.w., stehen unter dem directen Befehl des Muschir's.

Was die Finanzen anbetrifft, so werden sie unabhängig vom Muschir
verwaltet, und stehen unter der Leitung des Mohasebdji oder Chasnadar,
welcher von dem Finanzministerium in Constantinopel seine Bestallung
erhält, und demselben die Einnahmen abzuliefern hat, ebenso ist auch die
Douane unabhängig vom Generalgouvernement verwaltet.

Die Einkünfte von Tripolitanien sind nicht genau bekannt, indess bringt
das Land reichlich soviel auf, als die Beamten und das dort stationirte
Militair an Gehalt und Sold erfordern, und in den meisten Jahren kann noch
ein hübscher Ueberschuss nach Constantinopel abgeliefert werden.
Durchschnittlich kann man den Ueberschuss auf jährlich 600,000 Francs
anschlagen. Im Kriege gegen Russland erhob die Pforte zudem eine
Extracontribution von 2,608,700 Francs. Die Einkünfte gehen hervor aus den
directen Abgaben, welche von allen Producten des Bodens erhoben werden,
und der Judensteuer, welche den einzelnen Gliedern dieses Glaubens von
ihrem Rharham-Baschi oder Gross-Rabiner zugemessen wird. So zahlt z.B.
jeder Oelbaum und jede Palme 2½ Piaster (und wenn es eine Lakbi gebende
Palme ist, 5 Piaster), jedes Kameel 40 Piaster, jedes Rind 20 Piaster, 10
Schafe; 40 und 20 Ziegen 40 Piaster jährlich. Dass hierbei viele
Umgehungen stattfinden, ist schon an anderen Orten erwähnt worden.

Die indirecten Abgaben, welche meist vom Gouvernement als Monopol dem
Meistbietenden zugeschlagen werden, gehen hervor aus der Douane, die 5
Proc. Eingangszoll und 12 Proc. Ausgangszoll erhebt, aus dem Rechte
Spirituosen zu machen und zu verkaufen, aus der Stempelung des Goldes und
Silbers, welches, gleichviel ob alt oder neu, verarbeitet oder roh,
geaicht sein muss, aus der öffentlichen Wage, da alle Sachen, welche en
gros verkauft werden, durch einen Amin gewogen werden müssen; aus dem
Fischertrage, indem alle Fische, welche auf den Markt gebracht werden, 8
Proc. ihres Werthes abgeben müssen; aus dem Fleische, welches ein Pächter
sowohl der Armee zu einem im Voraus bestimmten Preise das ganze Jahr
liefern muss, als er auch ausserdem von jedem Schafe 2½ Piaster und von
jedem Rinde etwa 10-17½ Piaster, je nach der Grösse beim Schlachten geben
muss, endlich aus dem Tabacks-Monopole und der Hara, d.h. das Vorrecht,
den Dünger und die Unreinlichkeit aus den Städten zu schaffen. Dass die
Einnahmen der indirecten Abgaben gar nicht gering sind, geht aus einer vom
holländischen Generalconsul v. Testa zusammengestellten Tabelle vom Jahre
1851/1852 hervor, nach welcher die gesammten eben aufgeführten Monopole
die Summe von 1,352,000 Francs für's Gouvernement ergeben. Zugleich
ersehen wir aus denselben, dass die Einkünfte, folglich der Reichthum von
Tripolitanien von Jahr zu Jahr zunehmen. Das eben Angeführte gilt für alle
Städte und Orte, nur mit dem Unterschiede, dass die Grösse der erhobenen
Abgaben, je nach dem Gouverneur oder Kaimmakam oder Mudir wechselt, indem
zwar in den Liva auch die Finanzen nicht direct unter dem Kaimmakam
stehen, derselbe aber in der Regel mit dem Kateb el mel oder Zahlmeister,
welcher die Einnahmen unter sich hat, im Bündnisse ist. Ausserdem werden
in den verschiedenen Liva noch andere Abgaben erhoben, so liess sich z.B.
im Jahre 1865 der Kaimmakam von Fesan für jeden durchziehenden Sklaven ein
Kopfgeld von 40 Piaster zahlen und erlaubte seinem Kavass-Bascha oder
Polizeidirector am Thore noch 5 Piaster für jeden durchziehenden Sklaven
zu erheben. Bewaffnete Araber mussten für eine Flinte am Thore auch 2
Piaster zahlen und dieser Brauch ist in Tripolis selbst auch, wenn wir
nicht irren.

Die Exportation von ganz Tripolitanien kann man durchschnittlich jetzt im
Werthe von 10-12 Millionen veranschlagen, die der Importation im Werthe
von 5-6 Millionen, was eine Gesammtsumme von 15-18 Millionen Francs
ergiebt. Mircher, der für die Stadt Tripolis die Gesammtsumme von
5,500,000 Francs angiebt, ist viel zu niedrig in seiner Schätzung. Dann
sind aber auch die anderen Städte, wie Mezurata, Bengasi und Derna gar
nicht bei ihm in Betracht gezogen.

Die Rechnung und das Geld in Tripolitanien sind jetzt eben so wie im
übrigen türkischen Reiche. Die kleinste Münze ist der Para, die jedoch
bloss noch imaginär existirt, man findet dann zehn Para-Stücke, Bu-Aschra-
und zwanzig Para-Stücke, Bu-Aschrin genannt. Zwei Bu-Aschrin machen den
türkischen Piaster und fünf Bu-Aschrin einen tripolitanischen Girsch
(Groschen), 6 Bu-Aschrin nennt man Sbili. Es existiren auch einzelne
Girsch und Sbili-Stücke. 10 Bu-Aschrin werden Baschlik genannt und solche
Stücke existiren auch. 40 Bu-Aschrin oder 20 constantinopolitanische
Piaster machen den Mahbub, solche Stücke existiren als Silbermünze. Als
Goldmünze kommen 5 Mahbub-Stücke und 1 Mahbub-Stücke vor. Man sieht sie
indess selten.

Die Scheidemünzen, Bu-Aschrin, Sbili und Baschlik sind alle von schlechter
Alliage, die Mahbub-Stücke haben denselben Silbergehalt wie die
französischen Silbermünzen.

Englisches und französisches Gold und Silber wird überall zu voll
angenommen, am allgemeinsten ist jedoch der Maria-Theresien-Thaler
verbreitet.

Als Gewicht dienen die Oka und das Rotol von Tripolis. Eine Oka hat 2½
Rotol und 100 Rotol bilden einen Cantar (Quintal), der also 40 Oka hat.
Das Rotol wird in 16 Okia oder Unzen untergetheilt.

Beim Längenmass bedient man sich der türkischen Pic, eine Pic ist gleich
einer Brabanter Elle und 1½ Pic gleich einem Meter und 1-1/3 Pic gleich 1
Yard.

Zum Kornmessen bedient man sich der Marta, wovon 15 Eine Ueba bilden. Zwei
Marta sind gleich einem türkischen Kilo und 280 Kilo entsprechen 100
Hectolitres oder 83 Kilo = 1 Last.

Das Mass für Flüssigkeiten ist die Jarre, welche 6-1/8 Caraffa hat. Eine
Jarre entspricht 10-2/3 Litres.

Die Gerechtigkeitspflege in Tripolitanien wird von einem Kadhi besorgt,
welcher vom Schich ul Islam in Constantinopel ernannt wird. Dieser Kadhi
hat das Recht, die anderen Kadhi der Provinzialstädte zu ernennen, welche
officiell den Titel Naïb haben. In grösseren Sachen und namentlich wo
Türken mit betheiligt sind, wird überall nach hanefischer Form Recht
gesprochen, während alle Fälle zwischen Arabern, welche dem malekitischen
Ritus anhängen, diesem gemäss entschieden werden. Ausserdem giebt es in
allen grösseren Städten und Orten Adulen, welche eine Art von
Rechtsgelehrten sind und auch Vollmachten und Schriften ausfertigen
können, welche notarielle Kraft haben. Für Criminalfälle wird ein vom
Muschir präsidirtes Medjeles thakik zusammengesetzt, das jedoch die Strafe
des Todes nicht aussprechen kann. Ein anderes Medjeles tedjaret besorgt
streitige Fragen in Handelsangelegenheiten, die angesehendsten eingebornen
Kaufleute sind Beisitzer und wenn die Streitfrage zwischen einem
Eingebornen und einem europäischen Kaufmann stattfindet, so sind im
Medjeles tedjaret, auch europäische Kaufleute als Beisitzer. Die in
Tripolitanien ansässigen Europäer sind nur richtbar von ihren resp.
Consulaten. Kommen aber Fälle vor, wo Europäer mit Eingebornen Händel oder
Zwistigkeiten haben, so wird in der Regel die Entscheidung dem Richter
anheimgegeben, der des _Beklagten_ Obrigkeit ist. Sucht also ein
Eingeborner Recht gegen einen Europäer, so muss er sein Recht beim Consul
holen, hat hingegen ein Europäer eine Klage gegen einen Eingebornen, so
muss er beim mohammedanischen Kadhi sein Recht suchen, dass Letzterer, da
er fast immer vom Consul unterstützt wird, meist im Vortheil ist, wird
einleuchtend sein, wenigstens in den meisten Fällen, wo der Europäer
Kläger ist.

Bei der mangelhaften Kenntniss des Bodens von Tripolitanien, kann es uns
nicht einfallen hier eine allgemeine physicalische Geographie des Landes
geben zu wollen, wir beschränken uns auf statistische Angaben und führen
nur an, dass der Raum von der ganzen Regentschaft wenigstens so gross wie
ganz Deutschland ist, falls man Wüste dazu rechnet. In der That ist aber
auch der grösste Theil des Bodens Sherir, Hammada, Sand oder steiniges
jeder Vegetation bares Gebirgsland. Dieses im Süden hauptsächlich in den
Schwarzen Bergen und dem Harudj vertreten, streift von Westen nach Osten
seiner Hauptrichtung nach. Durch eine Hochebene vom Djebel, den man
versucht wäre den östlichsten, letzten Ausläufer des Atlas zu nennen,
finden wir dies Gebirge mit Humus und rothen Thon, folglich mit Vegetation
bedeckt. Von diesem nördlich gelegen besteht die Ebene bis am
Mittelländischen Meere aus Alluvialboden, ebenso scheint es mit dem Boden
um die grosse Syrte zu sein, denn Sebchaboden allein würde schwerlich so
gute Weiden haben, wie sie dort nach den Aussagen der Nomaden sein sollen.
Allerdings ist die Stadt Tripolis gleich hinter den Palmgärten von
Sanddünen umgeben, indess bilden diese Sandanhäufungen nur einen einige
Stunden breiten Gürtel, dahinter hat man bis an's Gebirge Tel-Formation,
den fruchtbarsten Boden. Nach Süden zu erstreckt sich dann der ackerbare
Boden selbst noch über die Berge hin hinaus; im ued Sufedjin wird alle
Jahre noch geackert, nach Westen geht der Tel in den Tunesischen über,
nach Osten zu über das in's Meer stürzende Gebirge hinweg, nach Mesurata
und dem Ufer der Syrte zu.

Eigentliche Flüsse sind in ganz Tripolitanien nicht vorhanden. Die
bekanntesten sind die von Südwesten nach Nordosten in die grosse Syrte
fliessenden ued Sufedjin und ued Semsem. Der Sufedjin bekömmt zum Theil
seine Zuflüsse vom Südrande des Djebel, zum Theil aus dem Rande der
Hammada el hamra, aus letzterer und dem Harudj-Gebirge entspringt der
Semsem. Der ued el Cheil, später im unteren Laufe ued el Bei genannt, wäre
noch zu erwähnen, und wahrscheinlich sind in der sogenannten Syrtenwüste
noch längere Flussläufe, von denen wir hier nur den Harana und Schegga
nennen.

Die in der Wüste vorkommenden uadi, von denen ich in Fesan das Schati, das
uadi schirgi und u. rharbi anführe, möchte ich kaum als solche bezeichnen,
sondern sie wie das von Gatron eher als Depression ohne bestimmte
Abdachung annehmen. Cyrenaica, welches obschon politisch zu Tripolitanien
gehörend, ein Land für sich bildet, soll später besonders beschrieben
werden. An Mineralien hat bis jetzt nichts in der Regentschaft entdeckt
werden können, mit Ausnahme einer ergiebigen Schwefelmine[6] an der
grossen Syrtenküste, dessen Ausbeutung jedoch vom türkischen Gouvernement
untersagt wurde. Natron-Sebcha giebt es in Fesan und zum Theil hat sich
das Natron einen Weg bis Tripolis gebahnt, von wo es bisweilen exportit
wird. Eben so giebt es einige Salpeterminen, die aber auch noch nicht
ausgebeutet sind.

Die Pflanzenwelt ist reich und könnte, bei besserer Bearbeitung des Bodens
das Land mit allen anderen an der Nordküste von Afrika concurriren machen.
Natürlich ist dieselbe, je nach dem Boden sehr verschieden. Während in den
Oasen der Wüste die Producte der heissen Zone Indigo und die
Sudan-Kornarten vortrefflich gedeihen, auf den Bergen und Hochebenen die
Früchte und Kornarten der kalten gemässigten Zone gezogen werden können,
kommen in den Ebenen am Meere und den nördlichen Bergabhängen alle
Früchte, Getreide und Gemüse des gemässigten Klima's trefflich fort. Der
Dattelreichthum des Landes, sowohl die der Oasen, wie die der
Küstenstriche, ist unerschöpflich. Orangen, Citronen sind in all' den
verschiedenen Arten vorhanden und namentlich hat die Blutorange und die
feine Mandarinorange sich Bahn auf europäische Märkte gebrochen. Die
Weintrauben und Feigen des Djebel sind von vorzüglicher Güte und wenn die
Cultur des Oelbaums hinter der von Tunis zurücksteht, so ist der Umstand
Schuld, dass in Cyrenaica, wo dieser Baum so herrlich gedeiht, dieselbe
derart vernachlässigt oder vielmehr ganz aufgegeben ist, dass dort die
Oelbäume nur noch verwildert vorkommen. Baumwolle und Taback kann überall
producirt werden, wird aber bis jetzt nur sporadisch gebaut; Ueberschuss
zur Ausfuhr giebt nur der Getreidebau, obschon wie überall die Bestellung
der Aecker durch die Araber auf die primitivste Art geschieht; von
Kornarten wird nur Weizen und Gerste gebaut. Die Gemüse, welche in Europa
gezüchtet werden, gedeihen auch in Tripolitanien und wenn die
Communication geregelter wäre, könnte im Winter von Tripolis aus der
europäische Markt ebenso gut mit Gemüse versorgt werden, wie es jetzt von
Algerien aus geschieht. Von den wildwachsenden Pflanzen hat man bis jetzt
nur eine Geraniumart benutzt zur Bereitung von Essenz, die überall und
massenhaft wachsende Artemisia könnte auf gleiche Weise mit Vortheil
benutzt werden.

Das Thierreich ist ebenso mannigfach. Die Pferde, meistens Grauschimmel
und von mittlerer Grösse, sind eine durch Berber- und Araber-Pferde
hervorgebrachte Kreuzung. Ausdauernd und schnell in ihren Bewegungen, sind
sie meistens ohne Tücke und zum Reiten vortrefflich geeignet. Die
Tripolitaner Esel, obschon nicht gross, sind berühmt. Das Rind ist kleiner
Art, milcharm, aber so reichlich vorhanden, dass davon exportirt werden
kann. Die Schafe sind alle Fettschwänze, und haben eine ausgezeichnete
Wolle, in die Oasen versetzt, verlieren sie diese jedoch im zweiten Jahre;
die Ziegen sind ebenfalls klein und milcharm, von beiden sind aber auch so
grosse Heerden vorhanden, dass davon exportirt werden kann, überdies kommt
die Wolle auch auf europäische Märkte. Das Kameel, ebenfalls durch die
ganze Regentschaft verbreitet, ist das aus Arabien eingeführte
einhöckrige. Andere Hausthiere und Geflügel sind dieselben wie in Europa.
Von wilden Thieren nennen wir die verschiedenen Antilopenarten, auch
überall verbreitet, Kaninchen, Hasen, Hyänen, Schakal, Füchse, wilde
Katzen, Lynxe, Ratten, Springratten, Stachelschweine und wilde Schweine.
Löwen und Panther kommen _nirgends_ in Tripolitanien vor. Unter den Vögeln
heben wir hervor: Adler, Falken, Fledermäuse, Eulen, Raben, Stieglitze,
Sperlinge, Nachtigallen, Canarienvögel, Schwalben, Tauben verschiedener
Art, Enten, Gänse, Schnepfen, Rebhühner, Wachteln, Bachstelzen, Flamingos
und vor allen den Strauss. Schildkröten verschiedener Art findet man in
der Djefara, Eidechsen, Schlangen, oft wie die Hornviper, sehr giftig,
aber meist kleiner Art, Scorpione und Spinnen, von welcher letzteren eine
in der Wüste vorkommende sehr grosse Art zu erwähnen ist, kommen überall
vor. Heuschrecken, welche oft zur Landplage werden, andererseits als
Nahrung dienen, sind von verschiedenen Arten heimisch, Bienen sind im
wilden Zustande, namentlich in den bewaldeten Bergen, Libellen trifft man
überall, auch an den Quellen in den Oasen, Stechmücken, Fliegen in
unaussprechlicher Zahl, Pferdebremsen, kriechende und hüpfende, den
Menschen anhaftende Parasiten sind sehr verbreitet. Zu bemerken ist
übrigens, dass der Floh die Region der Wüste, wo es nicht regnet, meidet.
In den Sümpfen und den meisten Quellen, selbst die der Oasen nicht
ausgenommen, findet sich der Blutigel. In Fesan ist noch im Behar el daud
ein Wurm zu nennen, den die Eingebornen essen.

Was die Bewohner von Tripolitanien anbetrifft, deren Gesammtzahl
einigermassen genau zu bestimmen, äusserst schwierig ist, so müssen wir
vor allen drei Hauptvölker unterscheiden: Araber, Berber und in Fesan
Mischlinge. Die Araber bewohnen die Städte, grossen Ebenen und die
Cyrenaica, die Berber finden wir im Djebel, Rhadames, Sokna und Audjila
und die Mischlinge, hervorgegangen aus einer Kreuzung von Türken, Arabern,
Berbern, Tebu und anderen Negerstämmen, bewohnen das Kaimmakamlik Fesan.
Die wenigen Türken, welche in Tripolitanien sind, kommen kaum in Betracht,
zudem sind die Truppen oft keine Türken, sondern häufig Araber aus Syrien;
oft Albanesen, Tscherkessen, je nachdem sie aus der einen oder anderen
Provinz kommen. Ganz unstatthaft ist es aber, wie die meisten
Schriftsteller thun wollen, die Städtebewohner unter dem Namen Mauren als
ein besonderes Volk hinstellen zu wollen. Der Name "Mauren oder Mohren",
kam für die Städtebewohner des nördlichen Afrika's zuerst auf, nach der
spanischen Vertreibung, weil die Spanier gewohnt gewesen waren, die
Eindringlinge als aus Mauritanien kommend, den Namen los Moros zu geben.
Aber diese nach Spanien übergewanderten Mauritanier waren Berber und
Araber, Städte- und Landbewohner, vor und nach der Einwanderung und
Vertreibung der Mohammedaner aus Spanien, gab es in Nordafrika wie in
Arabien Stadt- und Landbewohner, aber diese Stadtbewohner immer als eine
besondere Abart mit dem Namen Moros, Maures, Mohren, den sie _selbst gar
nicht kennen_, bezeichnen zu wollen, ist ebenso lächerlich, als wolle man
bei uns z.B. sagen, die Einwohner von Berlin sind keine Deutsche oder
Preussen, sondern Brandenburger. Wir müssen daher nochmal darauf
aufmerksam machen, dass nicht nur die Bewohner von Tripolis, sondern die
aller Küstenstädte bis Tanger an der Strasse von Gibraltar sich selbst
Araber nennen und zum grössten Theile sind; wenn man aber darauf besteht
sie Mohren nennen zu wollen, man diesen Ausdruck mit demselben Rechte auf
alle Bewohner, welche das ehemalige Mauritanien bewohnen, ausdehnen kann,
einerlei, ob es Stadt- oder Landbewohner, Berber oder Araber sind, denn
Mohren oder Mauren als besonderes Volk hat es nie gegeben. Als eigenes
Volk müssen wir noch die Juden, wenn auch nahe verwandt mit den Arabern,
hervorheben, man trifft sie mit Ausnahme der Oasen, überall in den Städten
und selbst im Djebel giebt es Judenniederlassungen. Ebenso falsch ist es
unter "Beduinen" ein _besonderes_ Volk annehmen zu wollen. Der Name
Beduine von Bedui hergeleitet, hat nur das Wandernde in sich, will aber
keineswegs bedeuten, ob dies nur ein wanderndes Berber- oder Araber-Volk
sei. Im Rharb oder im Westen von Afrika kennt man überdies diesen Ausdruck
gar nicht. Ausserdem giebt es Schwarze aus dem ganzen Innern von Afrika,
nirgends aber haben sie sich zu einer besonderen Gemeinde zusammen gethan,
wenn man nicht die kleinen Hüttendörfer nennen will, welche man unter den
Mauern von Tripolis und Bengasi findet und die meistens von Negern bewohnt
sind; es ist dies aber meistens der Auswurf von weggelaufenen Sklaven und
Sklavinnen und auch weisse Vagabonden finden sich unter ihnen.

Wir werden nicht zu tief greifen, wenn wir die Gesammtbevölkerung von
Tripolitanien auf 1 Million Menschen anschlagen.[7] Della Cella schätzte
sie auf 650,000 Seelen. Wenn man aber bedenkt, dass die Zunahme der
Bevölkerung in den mohammedanischen Staaten überhaupt nicht in dem
wachsenden Maasse vor sich geht wie in den christlichen Staaten,
andererseits Pest und Krieg in Anbetracht zieht, welche zehn Jahre das
Land verwüstet haben, so wird man finden, dass die Zahl nicht zu niedrig
ist.

Die Bewohner Tripolitaniens sind sesshaft und umherziehend. Diese, welche
entweder in grösseren Städten, die sämmtlich an den Küsten gelegen sind,
wohnen, oder in kleineren Orten, in von Stein und Thon erbauten Häusern,
oder aber wie im Djebel, in unterirdischen Höhlen, oder wie in manchen
Oasen in aus Palmenzweigen gebauten Hütten, leben von Handel, Industrie,
Manufactur, Gartenbau und dem Acker. Die Nomaden, sämmtlich aus Arabern
bestehend, wohnen in Zelten entweder einzeln oder zu einem Fareg oder
Duar, d.h. Zeltdorfe vereinigt. Die Zelte bestehen meistens aus einem
Gewebe von Ziegenhaar oft mit Kameelhaar untermischt und je nach dem
Stamme sind sie verschieden geformt und haben sie verschiedene Abzeichen
und Farben im Gewebe. Die Nomaden leben hauptsächlich von Viehzucht,
treiben aber auch Ackerbau. Der Kreis ihrer Züge ist überhaupt ein
beschränkter, nicht jeder Stamm kann mit seinen Heerden hingehen, wohin er
will, von Alters her haben sie nach Uebereinkommen ihre bestimmten Grenzen
unter sich, welche nicht übertreten werden. Aber eben da dies Alles nur
auf Uebereinkommen und Herkommen beruht, brechen darüber oft
Streitigkeiten aus, welche zu Krieg zwischen den Triben anwachsen. Obschon
die Polygamie erlaubt ist, so sind doch fast alle Tripolitaner, selbst die
Städtebewohner Monogamen. Das was man über die Stellung der Frauen bei den
Arabern und Berbern im Allgemeinen gesagt hat, ist auch hier in
Tripolitanien ebenso falsch und beruht auf oberflächlicher Beobachtung der
Sitten. Die Frau hat allerdings nicht die hohe und berechtigte Stellung,
welche sie in der christlichen Welt einnimmt, welche Stellung zum Theil
durch den Mariencultus der katholischen und griechischen Kirche
hergekommen, zum Theil in den Anschauungen unserer eigenen heidnischen
Vorführen begründet ist, indess ist sie doch keineswegs so unterdrückt,
wie man nach den Beschreibungen der meisten Reisenden vermuthen sollte.
Dass die Frau das Mehl reibt oder mahlt, dass sie Brod bäckt, dass sie die
Basina und den Kuskussu zubereitet, endlich das nöthige Wasser für die
Familie herbeiholt, wenn oft auf grosse Entfernungen, finde ich ganz
natürlich; was aber die schwere Arbeit anbetrifft, der Ackerbau, die
Ernte, die Viehzucht, so sehen wir damit ausschliesslich die Männer
beschäftigt. Ebenso ist es in den Städten, die Maurerarbeiten, Tischler,
Schlosser, Schmiede und überhaupt alle Handwerke werden von den Männern
wie bei uns betrieben, während der Frau die häuslichen Arbeiten zufallen.
Nur als besonders muss ich hervorheben, dass die Töpferarbeit in Fesan
eine Frauenbeschäftigung ist. Dass aber im Allgemeinen die Frau bei den
ansässigen, wie nomadisirenden Tripolitanern ebenso das Regiment führt wie
bei uns, wird Jedem, der Gelegenheit gehabt hat, in mohammedanischen
Familien eingeführt gewesen zu sein, bekannt sein.

Von Natur sind die Tripolitaner, sowohl Berber als Araber, kriegerisch und
stehen in dieser Beziehung keineswegs hinter den Algerinern, den
tapfersten von allen an der Nordküste von Afrika zurück. Die eiserne Hand
der Türken hat sie aber zahm gemacht, so dass jetzt vollkommene Ruhe und
Sicherheit im Lande ist, nur in der sogenannten grossen Syrtewüste und in
dem Hochlande von Cyrenaica, wo die Herrschaft der Türken noch nicht so
sicher etablirt ist, würde es für einen einzelnen Wanderer gefahrlich
sein. In früheren Zeiten bedeutend fanatischer, wie man aus dem
Reiseberichte von Lyons und später dem von Beechey, ersehen kann, hat auch
in dieser Beziehung die Herrschaft der Türken, welche ja die duldsamsten
von allen Mohammedanern sind, eine grosse Veränderung hervorgerufen. Die
Tripolitaner sind heutzutage, die Rhadamser und Barkenser vielleicht
ausgenommen, die duldsamsten Leute geworden. Namentlich in den Städten und
dies gilt besonders von Tripolis, sind die alten Vorurtheile gegen
Christen und Juden geschwunden. Die Mohammedaner huldigen in ganz
Tripolitanien dem malekitischen Ritus, welcher auch offenbar für
Nomadenvölker der bequemste ist. Malek gewährt den Leuten, welche nach
seiner Weise beten, manche kleine Begünstigungen, so z.B. brauchen die
Reisenden beim Gebet die Sandalen nicht abzubinden (Schuhe müssen jedoch
ausgezogen werden) und da dies immer ein umständliches Zeit raubendes
Geschäft ist, so sind ihm die Wüstensöhne dafür sehr dankbar. Dass
übrigens von malekitischen oder hanbalitischen etc. Moscheen in
Tripolitanien so wenig die Rede ist, wie anderwärts, brauche ich wohl kaum
zu sagen. Hanbalitische--, Moscheen als Solche giebt es nicht. Alle vier
rechten Religionssecten können in einer und derselben Moschee beten, ohne
Unterscheidung und Unterbrechung hervorzurufen. So beruht beim Beten der
einzige Unterschied zwischen dem Hanefi und Maleki beispielsweise darin,
dass erstere die Arme kreuzen, letztere, nachdem Allahou akbar gerufen,
herabhängen lassen. So kommt es denn oft genug vor, dass der Vorbeter
Hanefisch betet und alle Nachbeter Malekitisch das Gebet vollziehen und
umgekehrt. Nur die Chomis oder nicht den vier rechtgläubigen Secten
angehörenden Mohammedaner werden in keiner Moschee geduldet. An religiösen
Gemeinschaften giebt es in Tripolitanien hauptsächlich drei, die Anhänger
Mulei Thaib's, die Mádani oder Anhänger Mohammed el Mádani und die
Anhänger Snussi's.

Mulei Thaib, welcher sein Grab in Uezan in Marokko hat, wo er auch lebte
und wirkte, hat die über ganz Afrika weitverbreitetste Brüderschaft
gegründet. Aus dem Hause der Schürfa und directer Abkömmling von Mulei
Edris, dem Gründer von Fes, stiftete ein anderer seiner Ahnen Mulei Abd
Allah Scherif die berühmte Sauya von Uezan und zugleich auch einen Orden,
der heute noch sehr zahlreich und berühmt in Marokko ist. Mulei Thaib,
Abkömmling des Mulei Abd Allah Scherif, nicht zufrieden mit der localen
Ausdehnung, erneuerte den Orden und gab ihm die grosse Ausdehnung, die er
jetzt noch hat. In Marokko und Algerien sind die Klöster und Mkaddem[8]
Mulei Thaib's unzählig, in Tripolitanien gehören nur die Rhadamser der
Confraterschaft Thaib's an, weiter nach Osten hat er nur noch einzelne
Mitglieder[9].

Die Anhänger von Mohammed el Mádani sind wenig zahlreich; in diesem Orden
sind fast nur gebildete Leute. Die Mitglieder dieser Innung sind
ausschliesslich in Tripolitanien und einigen Ortschaften in Aegypten und
Tunis. Ihr Gründer war ein Wahabite aus Arabien Namens Sidi el Arbi,
flüchtig von seinem Vaterlande, zog er nach Fes und wollte eben seine neue
Lehre dort begründen als er starb; einer seiner Jünger Mohammed el Mádani
(d.h. der aus Medina gebürtige) setzte sein Werk fort und stiftete den
Orden der Mádani. Aber auch in Fes wurde dieser freisinnige Orden nicht
geduldet, ebenso wenig in Algerien, wo er sich im Jahre 1829 befand;
gleichfalls von Tunis vertrieben, liess er sich in Mesurata in
Tripolitanien nieder und konnte hier ungestört lehren und für die
Ausbreitung seiner religiösen Innung sorgen. Von der eigentlichen Lehre
der Wahabiten gänzlich abweichend, glauben sie an ein göttliches Wesen und
an einen Rapport des Menschen mit Gott mittelst des Gebetes und einer
sinnigen Betrachtung, die Einheit Gottes, die Unsterblichkeit der Seele,
Strafe und Belohnung im zukünftigen Leben, ist die Basis ihrer Lehre und
da dies zugleich die Grundlagen der drei semitischen Religionen sind, so
schliessen sie die Christen und Juden als befähigt in's Paradies zu
kommen, nicht aus. Ohne Fanatismus predigen sie die Brüderlichkeit und
Toleranz und obgleich auch sie auf Formen und Cultus halten, ist dies bei
ihnen Nebensache und nicht unbedingt nothwendig, um eine Vereinigung mit
Gott im jenseitigen Leben zu erzielen.

Ganz das Gegentheil dieser vielleicht tolerantesten[10] von allen
Mohammedanern wurde im Anfange der vierziger Jahre die Brüderschaft der
Snussi gegründet. Si Mohammed Snussi in Tlemçen geboren, verliess vom
glühendsten Hasse gegen die Franzosen und Christen sein Geburtsland und
begab sich nach Fes, um dort auf der Hochschule von Karuin die Kenntnisse
zu erwerben, welche er für nothwendig hielt einen Orden zu gründen,
welcher hauptsächlich die immer mehr um sich greifenden Ideen und
Gebräuche der Christen unter den Mohammedanern bekämpfen sollte. Nach
einigen Jahren Aufenthaltes in Fesan und da er sah, dass dort die Gründung
eines neuen Ordens, den anderen dort schon existirenden gegenüber keine
Aussicht auf Erfolg haben würde, besonders da Si Mohammed kein Scherif,
sondern bloss ein Thaleb war, ging er nach Mekka, um seinen Ruf der
Heiligkeit zu vermehren. Er schlug den Landweg ein durch die Wüste und
berührte hiebei Barca und die Uah-Oasen. Frappirt von der
Religionslosigkeit der dortigen Eingebornen, die blos dem Namen nach
Mohammedaner waren, ersah er sogleich, dass hier die Gegend sei, wo er die
Stiftung seines Ordens vornehmen müsse. Seinen Vorsatz nach Mekka führte
er aus und ging dann nach Constantinopel, um sich einen Firman zu
erwirken, damit die Localbehörden seinem Unternehmen keine Schwierigkeiten
in den Weg legten. Nachdem er diesen erlangt hatte, kehrte er zurück und
legte in Sarabub, dem westlichsten Theile der Jupiter-Ammonsoase eine
Sauya an. Obgleich er nie den Zweck aus dem Auge verlor, die christlichen
Ideen zu bekämpfen, war sein Hauptaugenmerk darauf gerichtet Filialsauya
zu errichten, der Kreis seiner Anhänger vermehrte sich, Barca ist ganz dem
Snussi unterworfen, ebenso Audjila und Djalo, in Kufra wurde ein neuer Ort
gegründet und in Uadai, wohin sein Sohn selbst eine Reise machte, der
Orden der Snussi als allein berechtigt, eingeführt, Kauar und Fesan halten
ebenfalls zu den Gebräuchen der Snussi, aber im eigentlichen Tripolitanien
wurde sein Orden nicht ausgebreitet, eine in Rhadames gestiftete Sauya
musste 1864 wieder eingehen. Sein Sohn Sidi el Mabdi, welcher ihm 1860
nachfolgte, scheint nicht den Hass gegen die Christen zu haben, wie sein
Vater, seine Hauptsorge scheint im Sammeln von Reichthümern zu bestehen,
was natürlich bei allen Orden immer die Hauptsache ist.

Das Klima in Tripolitanien ist natürlich sehr verschieden: An der Küste
hat dasselbe grosse Aehnlichkeit mit dem von Unterägypten und dürfte es an
der grossen Syrtenküste noch heisser sein, auf den bewaldeten Bergen ist
das Klima Süditaliens, jedoch ist bei Gebliwinde die Hitze viel
intensiver. Im Winter ist es übrigens häufig, dass Frost und Reif
auftreten. Die grössten Gegensätze finden sich wie überall in der Wüste in
den tripolitanischen Oasen, im Sommer steigt das Thermometer bis über 45°,
im Winter fällt es häufig unter Null. Ja an einzelnen Tagen beträgt der
Unterschied oft 30°, so hat man in Fesan -4° Nachts beobachtet mit einer
nachmittägigen Hitze von +24°. Im Winter ist an der Küste die Feuchtigkeit
ebenso gross wie in Norddeutschland und auf den Bergen oft noch grösser,
namentlich in Cyrenaica. In den Oasen ist selbstverständlich die
Trockenheit der Sahara und selbst grosse Strecken feuchten Bodens wie in
Fesan haben dem grossen Ganzen gegenüber keinen Einfluss. Während im
Winter die Barometerschwankungen an der Küste stark und unregelmässig
sind, bleiben sie im Innern, sowohl Winter wie Sommer unbedeutend und
regelmässig. Ebenso ist es mit den Winden: im Winter, obschon dann
Nordwestwind vorherrschend ist, durchlaufen die Winde oft in einem Tage
die Rose, im Sommer sind sie aber ganz gleichmässig, fast immer von 10 Uhr
Morgens an, von Norden kommend und manchmal nur durch die meistens aus
Südsüdost kommenden glühend heissen Gebli- oder Samumwinde unterbrochen.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass in Tripolitanien ein sehr gesundes
Klima ist, am zuträglichsten ist jedenfalls die köstliche Luft Cyrenaica's
und des Djebel, aber auch an den Küsten in Bengasi, Tripolis und den
anderen Orten weiss man von Epidemien und Endemien nichts. So ist z.B. bis
jetzt _nie_ die Cholera in Tripolitanien gewesen und wenn in früheren
Jahren die Pest aufgetreten ist, so rührt das jedenfalls durch
Einschleppung und mangelhafte sanitätliche Polizeieinrichtung her.
Neuangekommene Europäer haben in den Städten oft Leberleiden, meist aber
aklimatisiren sie sich rasch. Entschieden ungesund ist das Klima in
einigen Theilen von Fesan, wo die Sebcha oder Salzsümpfe in Verbindung mit
faulenden organischen Substanzen im Sommer die bösesten intermittirenden
Fieber hervorrufen.

Tripolitanien, welches unter der türkischen Regierung ein Eyalet oder eine
Provinz ist, hat 7 verschiedene Liva oder Nayet, welche unseren Kreisen
oder Districten entsprechen. Die Zahl und Grösse derselben wechselt aber
häufig nach der Laune des Muschir oder Grossgouverneurs. In den ersten
Jahren wurden die Liva sogar vom Muschir besetzt, heute werden die
Districtsgouverneure jedoch von Constantinopel aus angestellt, in der
Verwaltung jedoch sind sie dem Muschir Tripolitanten verantwortlich.

Die verschiedenen Liva sind: 1. Tripolis selbst mit Umgebung (Mschiah.
Tadjura etc.), 2. Choms, welches die westliche Syrtenküste begreift und
die Gebirgslandschaft von Tarhona, 3. Sauya, die Landschaft westlich von
Tripolis bis nach Tunisien, 4. Djebel, welches das ganze Gebirge südlich
von Tripolis und Misda begreift, 5. Rhadames mit einigen kleinen Oasen in
der Nähe, 6. Fesan und 7. Barca, welches das ganze alte Cyrenaica und die
Audjila-Oasen begreift. Dem Liva steht ein Kaiumakam vor, der meist auch
den Titel Pascha hat, und die Liva sind wieder in verschiedene Mudiriate
abgetheilt, denen ein Mudir vorsteht.

       *       *       *       *       *



Tripolis.


Mein Aufenthalt in Tripolis sollte diesmal ein viel längerer werden, als
ich Anfangs vermuthete; bei meiner Ankunft theilte mir Herr Rossi mit,
dass Mohammed Gatroni, der nach dem Tode Hammed Tanjani's bestimmt war von
der Küste nach dem Innern die Geschenke zu übermitteln, in Fesan nicht
aufzufinden gewesen wäre, und wenn sich dies später auch als irrthümlich
erwies, da eines Tages der Gatroner hoch zu Meheri in Tripolis eingeritten
kam, so hatte ich doch gleich, um auf alle Fälle den Abgang der Karavane
zu sichern, nach Tunis telegraphirt. Herr von Maltzan, der sich dort zu
der Zeit noch aufhielt, hatte mir nämlich später geschrieben, dass Dr.
Nachtigal aus Cöln, welcher Leibarzt beim Bei von Tunis war, geneigt wäre,
die Geschenke nach Bornu zu bringen, und da hiezu nun auch die Erlaubniss
von Berlin aus nöthig war, fragte ich telegraphisch an und erhielt zur
Sendung Dr. Nachtigal's eine zustimmende Antwort. Wenn dieser nun auch
rasch genug eintraf von Tunis, so war seine Ausrüstung doch nicht sobald
gemacht, er musste wieder nach Malta zurück, und da ich auf keinen Fall
Tripolis eher verlassen konnte, als bis die Karavane wirklich abgegangen,
musste ich mich in Geduld fügen; jedenfalls hatte ich Zeit genug, diesmal
die Stadt recht gründlich kennen zu lernen.

Tripolis, welches die meisten Europäer Tripoli (Beehey schreibt Tripoly),
wir Deutschen aber richtiger nach dem Vorgange Carl Ritters Tripolis
schreiben, weil gar kein Grund vorhanden ist das s weg zu lassen, überdies
die heutigen Bewohner es auch mit einem s schreiben ([arabisch: Trablis]
Trablis) ist nach dem Urtheile der besten alten Geographen, und der
meisten neueren Forscher auf der Stelle des alten Oea erbaut. Als dies
unter dem Kalifate von Omar zerstört wurde, erbauten die Araber eine neue
Stadt auf den Trümmern, der sie den Namen des ganzen Districtes gaben. Es
ist kein Beweis vorhanden, dass weder Sabratha noch Oea ihren Namen vor
der barbarischen Invasion geändert hatten. Wir haben aber viele Beispiele,
wo die Araber ganze Provinzen durch eine Stadt bezeichnen, so ist oft
Stambul die ganze Türkei, Fes ganz Marokko für sie. Auch dass Oea von den
Alten nie als Hafen angeführt worden ist, ist kein stichhaltiger Grund, es
kann vielleicht zu der Zeit bei Oea kein natürlicher Hafen wie jetzt bei
Tripolis gewesen sein. Die weit vom Spanischen fort nach Osten
hinziehenden Riffe und Felseilande beweisen, dass meist dies das Ufer war.

Jetzt ist von Alterthümern nichts mehr in der Stadt, als der allerdings
schöne vom Scipio Defritus (nach Barth vom Proconsul Caius Oifitus) in den
Tagen von Antonin dem Marcus Aurelius Antoninus und Lucius Aurelius Verus
errichtete Triumphbogen. Dieser Triumphbogen allein zeugt schon, dass hier
eine Stadt gestanden haben muss, da kann es denn auch nach den Itenerarien
gar keine andere als Oea gewesen sein. Derselbe ist von sehr sorgfältiger
Arbeit aus riesigen Marmorquadern aufgeführt, aber über ein Drittel ist
unter Anhäufung von Schutt und Sand. Auf der Aussenseite sieht man grosse
männliche und weibliche Figuren, welche allegorische Scenen darstellen
oder geschichtliche Ereignisse repräsentiren. Die nach Norden zu
angebrachte Inschrift ist jetzt halb vermauert, überhaupt ist das ganze
umbaut und durchmauert, in früheren Zeiten war sogar eine von einem
Malteser gehaltene Schnapskneipe darin. Diese ist nun zwar entfernt, aber
nicht etwa aus Pietät für ein Kunstwerk aus dem Alterthume, sondern weil
ein altes türkisches Gesetz existirt, wonach Schnapsschenken nur in einer
gewissen Entfernung von einer Moschee angelegt werden dürfen und da hat
man denn ausgefunden, dass obschon Moschee und Kneipe Jahre lang
nebeneinander in Frieden bestanden, die Djemma des Hadj Ali Gordji näher
der Kneipe stände, als erlaubt sei und einfach wurde der Befehl zum
Schliessen gegeben. Der wahre Grund war aber der, dass die Tholba der
Moschee zu viele Gläser Araki umsonst verlangten und da der Inhaber der
Schenke ohne sich selbst Schaden zu thun, diese nicht mehr verabfolgen
wollte, so fand die heilige und gelehrte Corporation schnell einen Grund,
die Schenke gesetzlich dort aus dem Auge zu schaffen. Tout comme chez
nous, dachte ich, als der frühere Besitzer mir dies erzählte.

Andere Alterthümer darf man höchstens noch in den Djemmen suchen, auch
sieht man an vielen Strassenecken eingemauerte Säulen oft mit
corinthischen Capitälern, um die Häuserecken vor Abschleissen zu bewahren.
Einige Steine mit verwischten Inschriften, eine Art von Altarstein mit
einem Sperberbilde im nördlichen Stadtwall, das ist Alles, was Tripolis
dem blossen Auge bietet. Nicht unerwähnt soll jedoch bleiben, dass der
frühere Generalconsul Mr. Warrington beim Bau seines Hauses in der Mschia
dort einige kostbare Glasurnen fand, die jetzt auf dem britischen Museum
in London sind.

Tripolis wird von zwei Seiten vom Meere bespült, im Norden und Osten. Fast
fünfeckig werden die anderen drei Seiten von einer sandigen Ebene umgeben,
nach der Landseite sind keine Gräben, die Mauern aber hoch und steil,
obschon heute so baufällig, dass man sie mit Flintenkugeln
zusammenschiessen könnte. Früher hatte die Stadt zwei starke Forts, am
nordöstlichen Eck das sogenannte spanische, welches im Jahre 1863
explodirte und das im Südostwinkel der Stadt, welches aber schon seit
Jahren zum Schloss des Gouverneurs umgebaut worden ist. Zwei detachirte
Forts, von denen das eine im Norden der Stadt auf einem Felseilande
gelegen unter dem Namen des französischen, das andere östlich am Strande
der Mschia gebaut ist, den Eingang des Hafens beherrschend und das
englische genannt wird, sind vollkommene Ruinen. Aus dieser Beschreibung
wird man ersehen, dass die Stadt, obschon sie von weiten noch recht
stattlich und stark aussieht, nichts weniger als stark ist. Früher nur mit
zwei Thoren versehen, von denen eins sich im Osten auf dem Hafenquai
öffnete, das andere im Süden nach der Mschia hinausführte, hat man jetzt
neben dem Südthor noch ein anderes und auch durch den Westwall ein viertes
Thor durchgebrochen. Der Hafen im Osten der Stadt ist durch die vom
spanischen Forte aus sich in's Meer ziehenden und mit der Küste parallel
lautenden Riffe, der Stadt und der Küste gebildet, so dass nur die Seite
nach Osten offen bleibt. Mit geringer Mühe könnte er zu einem der
geräumigsten und sichersten an der Küste gemacht werden und es scheint
auch als ob von der türkischen Regierung jetzt wirklich etwas dafür gethan
werden soll. Man kann nicht läugnen, dass nach der jetzt erfolgten
Durchstechung des Canals von Suez dies auch seine Bedeutung für Tripolis
und Bengasi haben wird und die Pforte hat das begriffen. Augenblicklich
ist der Hafen nur für kleinere Schiffe zugänglich, Schiffe von mehr als 10
Fuss Tiefgang müssen auf der Rhede ankern.

Die Stadt selbst ist in fünf Quartiere getheilt, von denen das
nordwestlichere mehr von den Juden, das östliche also am Hafen gelegene,
von den Christen bewohnt wird. Früher wohnten die Juden in einer Milha,
hier Harra genannt, abgesperrt, während sie jetzt durcheinander mit
Christen und Mohammedanern wohnen. Die Strassen in Tripolis sind breit und
reinlich (natürlich immer vergleichungsweise mit anderen mohammedanischen
Städten) und einige hat man in letzter Zeit sogar angefangen zu pflastern
und mit Laternen zu versehen. Von jeher erfreute sich Tripolis übrigens
dieses Rufes, Leo beschreibt die Häuser als schön, im Vergleich zu denen
in Tunis, Blaquière geht sogar so weit zu behaupten, die Stadt könne, was
Bauart der Häuser und Reinlichkeit der Strassen anbeträfe, verschiedenen
europäischen Städten, am mittelländischen Meere als Muster dienen. Die
Häuser der Mohammedaner haben meistens ein Stockwerk, sind von aussen
reinlich geweist und alle mit platten Dächern versehen; in der Mitte ist
in jedem Hause ein grosser Hof, zu dem ein gebogener Gang mit doppelten
Thüren von der Strasse aus führt, so dass ein Fremder, wenn auch die
Thüren offen stehen, nie in den Hof des Hauses selbst hineinsehen kann. In
diesem Gange sind immer steinerne Bänke angebracht, wo der Hausherr
geschäftlichen Besuch empfängt und sonst die Sklaven und Diener des Hauses
sich aufhalten. Die meisten Häuser haben auch engvergitterte Fenster nach
der Strasse. Die Zimmer öffnen sich alle auf den Hof durch hohe maurisch
gewölbte Thüren und sind immer lang und schmal. Die oberen Zimmer öffnen
sich auf eine Gallerie, welche inwendig im Hofe herunterläuft und dem
unteren Hofe zugleich Schatten abwirft. Alle mohammedanischen Häuser haben
wenigstens einige europäische Möbeln, die der reichen Kaufleute und
Beamten sind vollkommen europäisch möblirt. Die Häuser der reichen Juden
unterscheiden sich in Nichts von denen der Europäer und die der ärmeren
Juden in Nichts von denen der Mohammadaner, nur dass sie noch schmutziger
sind. In jedem Hause, auch dem kleinsten, ist eine Cisterne, welche das
süsse Regenwasser des Daches auffangt und das meistens für den Consum des
Hauses von Jahr zu Jahr genügt, da für Waschungen, oft auch zum Kochen
benutzt, in jedem Hause ein Brunnen ist, der freilich nur brakisches
Wasser hat.

An öffentlichen Gebäuden hat Tripolis das Schloss des Paschas, ein
unregelmässiges Gebäude ohne jede Schönheit in der Architectur, eine
Kaserne und Harem, sowie zahlreiche Beamtenwohnungen sind damit verbunden.
Von den fünf Hauptmoscheen zeichnet sich keine durch Schönheit aus, auch
nicht die neue von Hadj Ali Gordji, in den dreissiger Jahren erbaut, alle
aber sind im Inneren mit griechischen und römischen Säulen geschmückt, von
denen namentlich die am Ssuk el turk befindliche herrliche Monolithen aus
Porphyr hat. Die christliche Bevölkerung hat zwei Kirchen, eine
katholische und eine griechische. Mit der katholischen ist ein Kloster
verbunden mit Franziscanern. Es ist dies eins der ältesten Klöster, die
koptischen in Aegypten ausgenommen, in Afrika und seine Entstehung datirt
von der Herrschaft der Malteser Ritter über Tripolis. Die Mönche haben
eine Schule für die Kinder der christlichen Bevölkerung, ein Theil von
ihnen versieht den Gottesdienst und andere sind Handwerker. Der Vorsteher
des Klosters, der den Titel Präfect führt, hat Bischofsrang und Gewalt.
Die Einnahme des Klosters beläuft sich auf eine Subvention von 20,000
Francs pro Jahr und Sporteln, welche Taufen, Ehen u.s.w., aufbringen. Mit
dem Kloster ist ein Hospital verbunden, welches von den Schwestern von St.
Joseph geleitet wird. Im Hospitale werden Kranke jeden Glaubens
aufgenommen. Die Türken haben nur ein Militairhospital, welches ausserhalb
der Stadt liegt, sonst aber gut eingerichtet ist, 120 Kranke aufnehmen
kann und unter Umständen auch Civilpersonen geöffnet ist. Für europäische
Fremde ist ein Gasthaus vorhanden, welches indess selbst für die, welche
mit bescheidenen Ansprüchen auftreten, noch viel zu wünschen übrig lässt.
Zahlreiche und gut eingerichtete Funduks sorgen für das zeitweilige
Unterkommen der Mohammedaner. Es giebt keine eigentliche Bazars in
Tripolis, doch bilden ganze Strassen gewisse Märkte, so ist auf dem Stuk
el turk, hauptsächlich für Taback, Opium, Kaffee und feinere Sachen
gesorgt, in anderen Strassen, wie el Kessariah, werden hauptsächlich
einheimische Stoffe und Kleidungsstücke verkauft; die Zünfte der
Schreiner, Schuster, Sattler, Schmiede u.s.w., haben ihre besonderen
Strassen und ausserdem giebt es grosse europäische Kaufläden, wo Alles zu
haben ist. Drei Pharmacien sorgen für die Bedürfnisse des kranken
Publikums, zwei öffentliche Bäder für die Reinlichkeit und dass zahlreiche
Schnapsbuden vorhanden sind, braucht wohl kaum angeführt zu werden.
Ordnung und Sicherheit in der Stadt wird durch Polizisten aufrecht
erhalten, obschon man sie bei Tage kaum bemerkt, sondern sie erst Nachts,
wo sie häufig patrouilliren, wahrnimmt, ausserdem ist eine Hauptwache,
Douanenwache und Schlosswache vorhanden, und alle Thore immer mit
Doppelposten versehen. Als oberste Municipalbehörde fungirt der Schich el
bled, und obschon derselbe keinen Gehalt bezieht, ist sein Posten doch
einer der einträglichsten. Der jetzige Schich el bled ein gewisser Ali
Gergeni soll, da er sich schon länger als zehn Jahre auf diesem Posten
gehalten hat, der reichste Mann von Tripolis sein. Alle europäischen
Nationen mit Ausnahme der deutschen sind durch Consulate vertreten, von
diesen haben die Engländer, Holländer, Franzosen und Italiener
Generalconsulate. Was die Zahl der Bewohner anbetrifft, so mögen gegen
18,000 Seelen in Tripolis[11] sein, von denen 3000 Christen und 4000 Juden
sind. Die Christen sind der Mehrzahl nach Malteser, dann Italiener und
Griechen, alle anderen Nationen sind nur durch einzelne Familien
vertreten.

Die europäische Bevölkerung in Tripolis lebt fast ausschliesslich vom
Handel und dieser dehnt sich von Jahr zu Jahr aus, obschon die Türken
nichts thun ihn zu heben. Der Hafenverkehr weist im Zunehmen begriffen
einen Schiffsverkehr von über 450 Schiffen jährlich auf, von diesen sind
fast dreiviertel unter otomanischer Flagge fahrend, und die übrigen
gehören ihrer Wichtigkeit nach der italienischen, englischen,
Jerusalemer[12], französischen, griechischen und österreichischen Flagge
an. Da die Schiffe alle nur klein sind, so haben sie nicht mehr als (z.B.
ihre Zahl zu 400 angenommen) einen Gesammttonnengehalt von ca. 30,000
Tonnen. 400 Schiffe würden also ungefähr 12 norddeutschen Lloyddampfern
ihren durchschnittlichen Tonnengehalt zu 2500 Tonnen gerechnet,
gleichkommen. 400 Schiffe importiren und exportiren durchschnittlich für
5,250,000 Fr. an Werth, die Importation übertrifft aber in der Regel die
Exportation.

Die hauptsächlichsten Exportationsartikel sind: Korn, Oel, Früchte
(Datteln, Orangen und Citronen), rother Pfeffer, Thiere, Wolle, gegerbte
Felle, Butter, Elfenbein, Wachs, Straussenfedern, Goldstaub, Sklaven,
etwas Gummi arabicum, Senne und Indigo, Natron, Schwämme und
Manufacturwaaren: als Matten, Körbe, Teppiche. Wenn wir annehmen, dass
diese einen Gesammtwerth von 5,000,000 Fr. repräsentirten, so würde das
Korn allein über die Hälfte der Summe ausmachen, dann Oel, Elfenbein,
Sklaven, Goldstaub, Wolle und Thiere die zunächst wichtigen Artikel sein.
An importirten Sachen finden wir Kattunstoffe: als Malte und Mahmudi von
England, Tuch, Seiden- und Sammetstoffe, Kram- und Esswaaren, Kaffee,
Zucker, Färbestoffe, Wein und Spiritus, Tabak, Brennmaterial, Bauholz,
Metalle, Waffen, verarbeitetes Leder, Papier, Nürnbergerwaaren,
Porcellan, ächte Corallen, Glasperlen, Bijouterie, Silber (in Form von
5-Fr.-Stücken und Maria-Theresien-Thaler), Uhren, Möbeln und andere
Manufacturgegenstände. Von diesen Gegenständen sind die Kattune, Tuch- und
Seidenstoffe die wichtigsten, dann kommen zunächst Kram- und Esswaaren,
Glasperlen, Metalle, Zucker und Wein.

Nach Testa betheiligen sich die verschiedenen Häfen am Mittelmeere in
folgendem Verhältnisse: Malta 8/16, die Levante und Alexandrien 3/16,
Livorno und Italien 2/16, Tunis 2/16, Marseille und Algier 1/16.

Ausser dass natürlich täglich gekauft und gehandelt wird, sind zwei grosse
Märkte wöchentlich vor den Thoren der Stadt, am Dienstag vor dem Südthore
und Freitags vor dem Westthore. Tausende von Menschen kommen dann hier
zusammen aus der ganzen Regentschaft, und diese Tage bieten gewiss eins
der bedeutendsten und interessantesten Bilder afrikanischen Lebens, das
man sich nur denken kann. Sklaven werden heute nicht mehr öffentlich
verkauft, aber heimlich und mit Wissen der Consulate, so dass jeder
Europäer Kenntniss davon hat. Man bezahlt in Tripolis eine hübsche Negerin
mit 120 Thaler, eine Fullo mit 150-160 Thaler und eine Tscherkessin mit
300 Thaler und mehr. Junge Negerbursche sind zu dem Preise von 70-90
Thaler zu haben. Pelissier constatirt noch eine Sklaveneinfuhr von 2708
Köpfen, einen Werth von 759,000 Fr. repräsentirend, für das Jahr 1850,
während Testa für dasselbe Jahr nur 1500 Sklaven aufführt mit einem
Gesammtwerthe von 300,000 Fr. (Testa rechnet pro Kopf 200 Fr., was
jedenfalls jetzt viel zu niedrig ist, da ein junger Bursche in Mursuk oft
schon mit 70 Maria-Theresien-Thaler bezahlt wird). Es scheint aber als ob
jetzt energischere Maassregeln, besonders vom englischen Generalconsulate
sollen ergriffen werden.

Der derzeitige Gouverneur von Tripolitanien Ali Riza Pascha ein Algeriner,
ist im Ganzen ein Mann von Bildung, aber obschon er recht gut französisch
spricht, und alles im Schloss bei ihm à la franca ist, so hat er doch
lange nicht das Humane, und ein so gutes Administrationstalent wie sein
Vorgänger Mahmud Pascha; dieser war nach seiner Abberufung von Tripolis
Kaputan Pascha oder Marineminister geworden, welchen Platz er auch noch
heute im türkischen Reiche ausfüllt. Ali Riza Pascha war in Frankreich
erzogen worden, nachdem sein Vater früher Algier aus Franzosenhass
verlassen hatte, und nach Constantinopel übergesiedelt war. Später als er
einsah, dass er nicht gegen den Strom schwimmen konnte, schickte er durch
Vermittlung der französischen Botschaft in Constantinopel seinen Sohn auf
die Artillerieschule nach Frankreich, wo Ali Riza Pascha sich das
Officierspatent erwarb und dann gleich darauf in türkische Dienste trat.
Da er seine Studien in Frankreich gemacht hatte, konnte ihm hier
Avancement nicht fehlen, und im Jahre 1860 hatte er schon den Rang eines
Mareschals. Sein Charakter ist seltsam gemischt, so theilte er z.B.
Morgens Almosen aus an fanatische Druische, welche Spottlieder auf die
Christen und christliche Religion sangen, und ging Abends auf einen Ball
oder in eine Gesellschaft, die irgend ein europäischer Consul gab. Er
versuchte einige Verschönerungen in der Stadt anzubringen, aber seine
Maassregeln waren alle nur halb. Er hatte einen kleinen Thurm mit einer
Uhr bauen lassen, und eine Glocke schlug die Stundenzahl; als nun die
Araber sagten, der Pascha habe eine christliche Glocke (als Abzeichen
einer Kirche in üblen Geruch bei fanatischen Mohammedanern) errichten
lassen, verbot er jedem bei Gefängnissstrafe das Wort "Glocke" zu
gebrauchen, und in den ersten Tagen dieses Uhr-Thurmbaues waren immer
einige Individuen im Gefängniss, welche sich des Wortes Glocke[13]
unvorsichtigerweise bedient hatten.

Ali Riza Pascha gab auch Bälle, ebenso der Schich el bled Ali Gergeni,
aber beide hüteten sich wohl ihre eigenen Frauen dabei erscheinen zu
lassen. Diese durften sich zwar die Herrlichkeiten des Tempels wohl
mitansehen, aber nur von einem Zimmer aus, dessen Thür ein Gitter hatte,
von wo aus sie alles sehen konnten, ohne bemerkt zu werden. Sobald ein
europäischer Consul eine Gesellschaft gab, pflegten Beide nie zu fehlen.

Am meisten Aufsehen machte indess sein Colonisationsversuch von Cyrenaica.
Wenn schon die Alten unglücklich gefahren waren, als sie sich zuerst ca.
640 Jahre vor Christi Geburt bei Plataea, dem heutigen Bomba, unter Battus
niederliessen, so war Ali Riza Pascha dadurch keines Besseren belehrt; er
ging Anfangs 1869 mit zwei ihm von Constantinopel zur Disposition
gestellten Dampfern, welche mit Baumaterial, Lebensmitteln etc. beladen
waren, nach Bengasi und von da nach Bomba und Tokra. Die Colonisten waren
zusammengelaufenes Gesindel, Bettler und obdachlose Leute aus Tunesien,
welche die Hungersnoth nach Tripolitanien getrieben hatte, und dann Leute
aus Sauya, Djebel und Mschia, welche nichts zu verlieren hatten. Für den
Unterhalt dieser Leute glaubte Ali Riza Pascha dadurch zu sorgen, dass er
jedem Familienvater einige Stück Ziegen, Abgabenfreiheit auf gewisse Zeit,
eine pecuniäre Unterstützung (ca. 20 türkische Piaster monatlich, also
einige Groschen mehr als ein preuss. Thaler), Getreide um eine Aussaat zu
machen, dann von der Regierung errichtete Wohnungen gewährte. Europäische
Colonisten schloss er ganz aus, aber mehrere Consuln begleiteten ihn.

Wenn man nun aber die Indolenz der Mohammedaner, den Nomadenhang der
Araber, ihren unabhängigen Charakter in Betracht zieht, so ist es sehr die
Frage, ob diese Colonie mit solchen Leuten reussiren wird. Die Hauptsache
aber, woran das ganze Unternehmen scheitern dürfte, ist die schlechte Wahl
der Oerter, wo Ali Riza seine Colonisten hinführte; ein Blick auf die
Karte von Afrika zeigt uns zwar, dass Bomba und Tabruk die einzigen guten,
natürlichen Häfen an der ganzen Küste zwischen Alexandrien und Goletta
sind, wo Schiffe gegen alle Stürme gesichert ankern können. Und immer im
Winter bei schlechtem Wetter war dies auch die einzige Zufluchtsstätte für
dort in der Gegend auf hohem Meere sich befindende Schiffe gewesen, Ali
Riza Pascha scheint aber vorher nicht gewusst, und es später übersehen zu
haben, dass bei Bomba und Tabruk gar kein fruchtbares Hinterland ist,
sondern gleich Wüste, die Leute also, welche sich dort niederlassen, gar
keine Gelegenheit haben, Aussaaten zu machen, oder selbst nur Viehzucht zu
treiben. Und einen Ort an _dieser_ Küste, mit _solchen_ Menschen, unter
_solchen_ Verhältnissen emporblühen zu sehen, erscheint mehr als
zweifelhaft. Eben die Gründe, dass eine Existenz hier nicht möglich war,
zwang die Griechen diesen Ort zu verlassen, um dann in der Nähe am
Apolloquell die berühmte Cyrene zu gründen.

Obgleich denn auch türkische Zeitungen pomphaft die
Colonisationsangelegenheit beschrieben haben, so liegen uns aus
Privatbriefen Nachrichten vor, dass schon Streitigkeiten mit den dort
nomadisirenden Arabern ausgebrochen seien, hauptsächlich des Süsswassers
wegen, das auch nur spärlich vorhanden ist.

Das gesellschaftliche Leben ist namentlich im Winter recht rege, obschon
es sehr durch die Rivalitäten der verschiedenen Consulate gestört wird, im
Winter 1868/69 wurde es aber noch sehr vermehrt durch den Aufenthalt von
Alexandrine Tinne und später des Baron von Maltzan. Alexandrine Tinne, die
kühne holländische Reisende, war gerade einige Wochen vor mir in Tripolis
eingetroffen, von Malta und Tunis kommend, und bereitete sich vor, ins
Innere zu gehen. Wie immer auf ihren Reisen ohne festen Plan, hatte sie
sich endlich doch entschlossen, nach Fesan und Bornu zu gehen, hatte aber
auch schon damals die Absicht, nach Rhat zu gehen, um die dort hausenden
Tuareg zu besuchen. Vergebens versuchte ich sie von diesem Gedanken
abzubringen, sie glaubte fest, dass, weil Hadj Chnochen, einer der Chefs
der Tuareg, vor Jahren mit Colonel Mircher eine Art von Vertrag gemacht
hätte, sie vollkommen sicher in dieser Gegend voll jener wilden Horden
reisen könne, vergebens beschwor ich sie, jene grossen französischen aus
Eisen gemachten Wasserkisten nicht mitzunehmen, welche allerdings für die
französischen Truppen in Algerien ganz praktisch sein mögen, aber für
einen einzelnen Reisenden die grösste Gefahr herbeiziehen, weil sie eben
die Raubsucht der wilden Stämme erweckt, vergebens suchte ich sie zu
bewegen, bewährte Diener von Tripolis mitzunehmen, statt jener Algeriner
und Tuniser, auf deren Treue sie gar nicht bauen konnte, und welchen sich
merkwürdigerweise eine Menge unnützer Weiber und Kinder zugesellt hatte.
Alexandrine Tinne liess sich nicht rathen, oder glaubte die Gefahren in
den Gegenden, die sie vor hatte zu bereisen, geringer als sie in der That
sind. Armes Mädchen, alle liebten sie in Tripolis; Christen, Juden und
Mohammedanern war sie in der kurzen Zeit ihres dortigen Aufenthaltes eine
Freundin geworden, sie schied wie so viele vor ihr frohen Herzens und mit
kühnem Muthe, und wie so viele vor ihr, sollte sie Tripolis nie
wiedersehen. Jetzt bleichen ihre Gebeine mit denen ihrer einzigen beiden
treuen Diener im weissen Sande von Fesan, nicht alleine, schon zwei
Christen wurden vor langen Jahren auch dort begraben. Friede sei ihrer
aller Asche.

       *       *       *       *       *



Leptis magna.


Tripolis liegt ganz ausser dem Verkehre, die regelmässigen Dampfer, welche
das ferne Alexandria und das noch weitere Constantinopel täglich mit
Triest und Marseille verbinden, berühren Tripolis nie. Von den drei
hauptsächlichen Linien, ohne die vielen Privatdampfer zu nennen, der
Messagerie Imperiale, dem österreichischen Lloyd und der Peninsular and
Oriental Company, kommt kein einziger Dampfer nach dem alten Oea--und
warum auch? Ausser Alexandria giebt es an der ganzen Nordküste von Afrika
keine einzige Stadt, welche auch nur im allerentferntesten einen Vergleich
mit den blühenden Hafenplätzen vom gegenüberliegenden Europa eingehen
könnte.

Der einzige Verkehr von Tripolis nach Europa wird durch das kleine
Dampfschiff Trabulos Garb, welches dann und wann nach Malta fährt,
unterhalten. Es ist aber so schwach, dass es das geringste Unwetter
scheuen muss; ausserdem Eigenthum des Schich el Bled oder des
Stadtvorstehers von Tripolis, hängt es ganz von den Launen dieses Mannes
ab, das Boot gehen zu lassen, oder nicht.

Auf diese Art waren wir in Tripolis festgebannt, da der Dampfer des
schlechten Wetters wegen nicht auslaufen konnte; um aber dennoch wieder
Abwechslung und Nutzen aus diesen gezwungenen Aufenthalt zu ziehen,
beschloss ich nach Lebda zu gehen, dem einzigen Ort, welcher namhafte
Sehenswürdigkeiten bietet auf der langen Strecke von Tripolis nach
Bengasi.

Montag am 21. Januar, Nachmittags, brachen wir auf. Ich hatte alle Kameele
des Königs zur Verfügung, sowie die Leute, welche mit der Karawane nach
Bornu abgehen sollten, an ihrer Spitze den alten Mohammed Gatroni, der
auch noch zuguterletzt nach Tripolis gekommen war und der einen weissen
Meheri ritt, welchen ich ihm bei der Trennung in Bornu zum Geschenk
gemacht hatte. Mohammed Gatroni, das alte Factotum Barths, der Timbuktu
gesehen, Sokoto und Kuka mehreremale durchzogen hatte, war hieher
gekommen, um die Geschenke des Königs für den Sultan von Bornu zu
begleiten. Nach seinen grossen Wanderungen mit Barth war er eine Zeitlang
mit Hrn. v. Beurmann gereist, und hatte schliesslich mich durch die grosse
Wüste bis Bornu, Mandara und Gombe begleitet, sowie endlich im Sommer 1867
meine sämmtlichen Kisten allein durch die Sahara zurückgebracht. Als der
König von Preussen beschloss, die Geschenke des Schich Omar zu erwiedern,
und zugleich seine Zufriedenheit zu bezeigen für die gute Behandlung, die
der Sultan von Bornu den deutschen Reisenden, namentlich Hrn. v. Beurmann
und mir, erwiesen hatte, war der Gatroner ausersehen worden, die Geschenke
zu überbringen; als aber zweifelhafte Briefe über ihn von Mursuk
einliefen, wurden, wie schon angeführt, die Anerbietungen des Dr.
Nachtigal, eines am Tuniser Hofe lebenden Preussen, angenommen, als
Ueberbringer der Geschenke des Königs nach Kuka zu gehen. Kaum war dieser
in Tripolis eingetroffen, als auch der alte Gatroner ankam, es war somit
die beste Sicherheit vorhanden, dass die Geschenke gut übermittelt würden.
Dr. Nachtigals Instrumente waren jedoch noch nicht von Malta angekommen,
und darin bestand der Hauptgrund, um den Dampfer abzuwarten. Denn da unser
Landsmann die Absicht hatte, wo möglich von Bornu aus weiter nach dem
Innern vorzudringen, so wollte ich ihn natürlich nicht zu einer Abreise
ohne Instrumente drängen, wodurch für mich freilich mehr als ein Monat
verloren ging.

Wir waren zu spät aufgebrochen, um Tadjura zu erreichen, welches zwar nur
6 Kilometer von Tripolis entfernt liegt, selbst aber eine Längenausdehnung
von 5 Kilometern besitzt, und wo das Landhaus des italienischen Consuls
uns hinlänglichen Comfort geboten hätte. Vielmehr mussten wir um 5 Uhr
Abends bei bedecktem Himmel und Dunkelheit das Zelt aufschlagen. Wir
hatten nur Melcha erreicht, einen Salzsee, der sich zwischen der Mschia
und Tadjura befindet.

Aber auch hier sollten wir nicht einmal ruhig lagern, denn bald brach ein
solcher Regen über uns aus, von den heftigsten Windstössen begleitet, dass
uns in einem Augenblick die Zelte über den Köpfen weggerissen wurden. Der
Wind blieb fortwährend so stark, dass an ein Wiederaufschlagen nicht zu
denken war, und die Dunkelheit verhinderte jeden Weitermarsch, obgleich
die Häuser nicht fern waren. Das beste blieb also, sich ruhig unter die
umgewehten Zelte zu legen und den Morgen zu erwarten.

Unter diesen Umständen war andern Tags an einen regelrechten Marsch nicht
zu denken, sondern mit Tagesanbruch gingen wir in die Wohnung des
italienischen Consuls, froh ein Unterkommen gefunden zu haben, um unsere
Schäden wieder ausbessern zu können. Der Landsitz des Consuls befindet
sich ganz am Südrande der Oase und ist von hohen Dünen, die Tadjura sowohl
als die Mschia umgeben, durch einen kleinen See getrennt, auf welchem oft
zahlreiche wilde Enten sich herumtummeln. Tadjura selbst ist eigentlich
mit der Mschia und dem Sahel, einer Palmenstrecke zwischen beiden, eine
und dieselbe Oasis; politisch ist es indess insofern von Sahel und Mschia
unterschieden, als die Bewohner der beiden letztgenannten Orte gar keine
Abgaben von ihren Palmen zu geben brauchen, während die von Tadjura von
jedem Palmbaum eine bestimmte Abgabe entrichten müssen. Die Befreiung der
Mschia und des Sahel ergiebt sich daraus, dass die männliche Bevölkerung
kriegspflichtig ist, gewissermaassen also eine Art Militärcolonie
vorstellt. Wenn übrigens die Zahl der Dattelbäume in Tadjura vom
türkischen Gouvernement auf nur 80,000 angegeben wird, so liegt dabei der
Umstand zu Grunde, dass das Geld der als gezählt eingetragenen in den
Staatsschatz abgeliefert werden muss; aber sicher existirt eine eben so
grosse Zahl _nicht_ gezählter Bäume, von denen natürlich auch die Abgabe,
2½ Piaster, erhoben, aber nicht in den öffentlichen Schatz fliesst. Man
wird nicht zu hoch greifen, wenn man die Zahl der Palmen in Tadjura auf
200,000 angiebt.

Wir blieben den ganzen Tag über in Tadjura, um die Zelte trocknen zu
lassen und andere Dinge auszubessern; aber von da an hatten wir wenigstens
günstiges Wetter. Ohne mich bei der Beschreibung des langweiligen Weges
aufzuhalten, führe ich nur an, dass wir am ersten Tage nach unserm Abgange
von Tadjura dicht beim Kasr Djefara am ued msid, am andern Tage am Fusse
des Gebirges, gegenüber der weissschimmernden Kubba Sidi Abd el Ati's
campirten.

Am dritten Tage stiess ich auf das Lager Hammed Bei's, des Gouverneurs von
Choms, welcher gerade von Tripolis gekommen war, wo er bei seinem
Schwiegervater, dem Muschir und Marschall Ali Riza Pascha, die
Ramadhanfestlichkeiten verbracht hatte. Hamed Bei erklärte nun gleich: ich
solle in Choms oder Lebda nicht Zelte schlagen, sondern in seinem Hause
wohnen, und ich nahm, da ich aus der Erfahrung wusste, wie wenig angenehm
und sicher in Lebda das Campiren ist, mit Freuden sein Anerbieten an. Er
brach dann vor mir auf, am Nachmittag aber konnte ich es mir schon in
Choms in seinem gastfreundlichen Hause bequem machen.

Da es noch früh am Tage war, so ging ich gleich mit dem Photographen nach
der Ruinenstätte, um im Voraus diejenigen Plätze zu bestimmen, von wo aus
Aufnahmen erfolgen sollten, und kehrte dann Abends nach Sonnenuntergang in
die Wohnung Hamed Bei's zurück. Hier erwartete uns ein splendides Essen,
und besonders auffallend war, dass Hamed Bei, wir waren doch nur zu zweit
bei Tisch, d.h. er und ich, eine so glänzende Erleuchtung spendete. Da
waren auf den Nebentischen grosse massiv silberne Candelaber, der Esstisch
selbst hatte zwei mit je fünf Kerzen. Das merkwürdigste war, dass mein
Wirth einen ausgezeichneten Tischwein führte, und selbst mit Maass und
Anstand zu essen und zu trinken verstand. Natürlich waren Messer und
Gabeln vorhanden, und die Diener, fünf an der Zahl, so abgerichtet, dass
sie selbst nach jedem Gange die Bestecke und Teller wechselten. Einer von
ihnen war Hauptmann der Infanterie, was nicht hinderte, dass er in Uniform
aufwartete. Hamed Bei selbst, der sehr eifersüchtig darüber wachte, dass
alles europäisch zuging, gab dann und wann befehlende Seitenblicke oder
Fingerzeige, und war wie in Verzweiflung, wenn nicht alles nach seiner
Meinung fränkisch zuging. Dass nun in der Reihenfolge der Gerichte, in
ihrer Zubereitung selbst, nach unsern Begriffen seltsame Anordnungen
vorkamen, kann man sich leicht vorstellen: leben doch in Tripolis die
Europäer selbst eher türkisch als europäisch in ihren Gesellschaften.

In Hamed Bei lernte ich einen der besten Civilisationstürken kennen,
gerade aber ihn hatten die Tripolitaner aus der nächsten Umgebung des
Pascha's zu entfernen gesucht, und dies dadurch erlangt, dass er als
Kaimmakam nach Choms versetzt wurde. Rechtlicher als die meisten Beamten,
war er, sagt man, namentlich dem Schich el bled, oder Stadtvorsteher von
Tripolis, ein Dorn im Auge gewesen, und dieser hatte mittelst seiner
Freunde, des Personals des französischen Consulates, seine Entfernung von
Tripolis verlangt. Man muss aber nicht denken, dass Hamed Bei deshalb nach
unsern Begriffen in Geldsachen ein makelloser Mann gewesen sei; die Leute
in Choms erzählten mir sogar, dass er allein bei den Abgaben von den
Oelbäumen das Doppelte erhebe (statt eines halben Sbili einen ganzen), und
als ich auf dem Rückwege zufällig mit einem der untern Beamten, einem
Abgabensammler, zusammentraf, fügte dieser hinzu: dass Hamed Bei in den
letzten Tagen etwa 18,000 Mahbub--ein Mahbub ist etwas mehr als ein
preuss. Thaler--bei den Abgabensammlungen profitirt habe. Dabei lobte
merkwürdigerweise der Abgabensammler Hamed Bei in solch warmen Ausdrücken,
dass ich nicht umhin konnte zu fragen, ob er selbst nicht auch sein
Profitchen gemacht habe, was er zwar in Abrede stellen wollte, indess
sicher der Fall war. Araber und Türken sind übrigens so an Erpressungen
und Unterschleife gewöhnt, dass sie sich ohne sie gar keine Administration
denken können; Civilisation, rechtliche Verwaltung sind auch überdies
schon bei Völkern unmöglich, die ihre Richtschnur nach dem Koran nehmen;
wer heutzutage noch glauben kann, die Völker civilisiren zu wollen, welche
dem Islam huldigen, der komme und sehe selbst die Türkei, Aegypten und
Tunis, und ich glaube sagen zu dürfen: alle mohammedanischen Staaten sind
heute noch dasselbe, was sie vor hundert Jahren gewesen, d.h. zu einer
Zeit, wo die sogenannten Reformen bei ihnen noch nicht eingeführt waren.
Man kann nicht genug wiederholen, dass gewisse Völker nicht zu civilisiren
sind, eben weil ihre eigene Gesetzgebung keine Civilisation erlaubt.
Würden wir Europäer vielleicht nicht in demselben Fall sein, wenn wir
zufällig uns nicht freigemacht hätten von einer Religion, die für ganz
andere Völker in längst vergangenen Zeiten, zu anderen Bedürfnissen
passte? Denn sicher wird man nicht behaupten wollen, dass die Sitten und
Bedürfnisse, die ganze Anschauungsweise eines Volkes zur Zeit der
Pharaonen, zur Zeit der Cäsaren dieselben waren, wie sie es jetzt sind im
Jahrhundert des Telegraphen und des Dampfwagens. Glücklicherweise für uns
ist unser Christenthum heute aber auch nicht mehr das Christenthum der
ersten Jahrhunderte: wer dieses will, gehe nach Abessinien oder besuche
die Copten oder andere Völker, die streng an den Satzungen der Kirche
festgehalten haben, und sehe, was aus ihnen geworden ist.

Trotz eines heftigen Windes nahmen wir am folgenden Tage vier Ansichten
von Lebda auf: das südliche Stadtthor, die südliche Front der grossen
Basilika, die Ansicht eines grossen Palastes, der wahrscheinlichen Wohnung
des Höchstcommandirenden, und eine Uebersicht vom Hafen, der freilich
jetzt ganz versandet ist.

Lebda fanden wir völlig so, wie wir es verlassen hatten, höchstens um
einige Säulenstümpfe ärmer, die der jetzige Gouverneur von Tripolis, Ali
Riza Pascha, von dort nach Tripolis hatte holen lassen, um damit seine
Anlagen zu verunzieren.

Es wäre gewiss merkwürdig zu wissen, ob die Sandüberschwemmung Lebda's auf
einmal oder nach und nach eingetreten sei. Ich glaube, man muss wohl
beides annehmen; denn nach der ersten Zerstörung von Leptis magna fand
Justinian die Haupt-, d.h. Weststadt so mit Sand überschüttet, dass er die
Wiederherstellung aufgab und seine Hauptsorgfalt auf die Neapolis oder
Oststadt verwendete[14]; es muss also ein aussergewöhnlicher Orkan
geherrscht haben, der nach der Zerstörung durch die Vandalen diesen
Stadttheil mit aufgewühltem Meeressand überschüttete. Kleinere Stürme
fügen noch immer Sand hinzu, und so dürfte einmal eine Zeit kommen, wo
ganz Lebda, wenigstens der westliche Stadttheil, die eigentliche
Hauptstadt, verschwunden sein wird.

Wie indess hier die Sanddünen in geschichtlicher Zeit aus dem Meere
geworfen worden sind, so ist vor Zeiten die ganze grosse Aregformation in
der Sahara ebenfalls ein Meeresproduct, und die Behauptung französischer
Forscher[15] gänzlich unhaltbar, dass die Dünen der Wüste ein
Zersetzungsproduct von Felsen seien. Lebda nun, wie es sich uns heute
zeigt, bildet drei Haupttheile. Die hoch- und dickmaurige Altstadt, auf
beiden Seiten des Flusses gelegen, doch so, dass die Haupthälfte sich auf
dem linken Ufer befand, während auf dem rechten nur Gewölbe gewesen zu
sein scheinen; nahe dem Meere zu, südlich von dem westlichen Hafenfort,
scheint die Stadtmauer der östlichen Stadthälfte zugleich die des Hafens
gewesen zu sein. Wenigstens fällt die Südseite des Forts auf der rechten
Flusszunge direct ins alte Hafenbassin; sie bildet dort schöne Quais,
woran noch die grossen Quadern zur Befestigung der Schiffe vorhanden sind,
und Treppen, welche zum Hafen hinabführten; jetzt natürlich steigt man
mittelst der Treppen auf aufgewehten und aufgeschwemmten Sandboden. Diese
Altstadt enthält fast allein die öffentlichen Gebäude: als Paläste,
Kirchen, das Forum etc., aber alle zur Hälfte, einige ganz, von Sand
überschüttet.

Kaum möchte ich indess glauben, dass das, was Barth als [griechisch: polis]
oder Altstadt bezeichnet, dies wirklich gewesen sei. Ich glaube vielmehr,
dass die westliche Landspitze mit dem heute noch Staunen erregenden
Festungswerke sonst unbewohnt war, denn man findet auf dieser
Landspitze--die auch viel zu eng ist, um nur zwei Reihen von Häusern
aufzunehmen, mögen wir uns die Privatwohnungen der Griechen und Römer noch
so beschränkt denken--gar keine andere Spur von Gebäuden, als solche, die
auf Vertheidigung und Schutz hindeuten, und gerade eben die drei
Ueberreste von Quermauern, welche die Landzunge von der Altstadt trennen,
deuten darauf hin, dass hier das eigentliche Reduit lag. Die kolossalen
Quaderbauten nach dem Meere zu sind vollkommen gut erhalten, leider
erlaubte der Sturm mir nicht, die unterirdischen Kammern, die vom Meer aus
in die untere Partie des Forts münden, zu besuchen; das Meer peitschte mit
solcher Gewalt seine schäumenden Wogen gegen die Oeffnungen, dass es
unmöglich war, hineinzudringen. Die ganze Landzunge ist übrigens nach dem
Meere zu durch eine starke Quadermauer geschützt.

Westlich von der Altstadt findet sich nun ein Ruinenfeld, welches fast bis
nach Choms hinreicht. Von diesem Ort ausgehend, stösst man auf einen fast
50' hohen Obelisken, aus Sandstein erbaut, gut erhalten, der
wahrscheinlich ein Grab ziert. Die zahlreichen Grundmauern von
Privatwohnungen und einige öffentliche Gebäude deuten an, dass hier eine
"Neustadt" war; eine Mauer scheint dieselbe nicht umgeben zu haben.

Aus den Beschreibungen der Alten geht übrigens hervor, dass Leptis
wenigstens vor der Römerherrschaft schlechtweg den Namen Neapolis führte.
Nach Sallust von den Sidoniern gegründet, welche Unruhen halber
ausgewandert waren, entstand die Stadt unter dem Namen Leptis an dem Orte,
wo wir die jetzigen Ruinen vor uns haben, ungefähr zur Zeit als Cyrene
schon aufgehört hatte, von Königen regiert zu werden, sich aber zu einer
Republik constituirt hatte.

Scylax kennt die Stadt dann nur unter dem Namen Neapolis und Strabo und
Ptolemäus schreiben, "Neapolis auch Leptis genannt". Unter den Römern
erhielt sie den einheimischen Namen zurück, und wurde magna genannt, im
Gegensatz zu Leptis bei Carthago.

Leptis magna musste eine sehr reiche Stadt sein, da sie, wie Livius
anführt, täglich ein Talent Silber als Abgabe an Carthago zahlte. Im
Kriege der Römer mit Jugurtha hielt sie zu ersteren, wurde daher sehr
begünstigt und erhielt die Rechte und Begünstigungen einer Colonie, als
solche kennen sie Plinius und Ptolemäus noch nicht, auf den
Peutinger'schen Tafeln ist sie aber als Colonie gezeichnet.

Kaiser Severus that ausserordentlich viel für die Stadt, aber bei dem
Einbruche der Ausurianer ging sie fast ganz zu Grunde, und der spätere
theilweise Wiederaufbau unter Justinian vermochte ihr ihre alte Blüthe
nicht wieder zu geben. Im siebenten Jahrhundert fiel sie dann ein Opfer
der hereinbrechenden Araber, um nicht wieder von ihren Ruinen und den sie
deckenden Sanddünen zu erstehen.

Die eigentliche spätere Neustadt befand sich indess auf dem rechten Ufer
des Lebda durchschneidenden Flusses, und hat einen sehr ausgedehnten
Umfang, auch ist noch überall die Grundmauer ihrer Umgebung deutlich
wahrzunehmen. In späteren Zeiten war sie indess wohl der Hauptsitz der
Bevölkerung, da Septimus Severus seinen Palast sich dort erbaute. Gleich
östlich von diesem Stadttheile zieht sich dann die Nekropole nach SO. hin,
von der Wasserleitung durchschnitten, welche im Hafenquai selbst mündete.

Das besterhaltene Denkmal ist der Hippodrom von Leptis magna, und für eine
Provinzialstadt war er sicher einer der grössten und prächtigsten[16].
Ganz am Ostende aller Baulichkeiten von Lebda gelegen, zieht er sich dicht
am Meere hin, derart, dass die eine Wand durch das Ufer, also
natürlicherweise, gebildet wird, während die andere der ganzen Länge nach
durch einen grossartigen Steinbau, welcher zugleich das Meer abhält,
begrenzt wird.

Das ganze Stadium ist derart angelegt, dass auf eine innere Länge von 550
Schritten das Westende mit einem Tempel anfängt, dessen mächtige
Grundmauern noch erhalten sind. Von diesem Tempel bis zur Spina sind 200
Schritte: es war dies der Raum zum Ablaufen, Aphesis genannt. Die Spina
selbst, überall 5 Schritte breit, beginnt mit einem Rundtempel, halben
Durchmessers, aber nur die Basis dieses Tempels, durch einen Zwischenraum
von der Spina getrennt, ist noch vorhanden. In der Mitte der Spina befand
sich ein anderer Tempel, 120 Schritte vom ersten entfernt. Ueberhaupt
haben beide Häfen einen wahrscheinlich überdachten Säulengang gehabt,
wenigstens finden sich überall die Spuren eines Säulenganges, sowie
zahlreiche Säulenüberreste. Beide Hälften der Spina sind mit Durchgängen
versehen. Dem Rundtempel gegenüber befindet sich am andern Ende der
Taraxippos, oder das Umkehrzeichen, in Form eines Halbkreises von der
Spina getrennt. Der Hippodrom scheint mit keiner Rundung abgeschlossen zu
haben, aber auf der äussersten östlichen Wendung, wo die künstliche Mauer
mit dem natürlichen Erdwall, der auch steinerne Sitze hatte,
zusammenstösst, befindet sich ein solides pyramidenartiges Gebäude, das
vielleicht eine Statue trug.

Gleich südlich vom Stadium erhob sich das Amphitheater, es ist aber nichts
weiter davon übrig, als die kreisrunde Einsendung in den Boden, welche
theils natürlich, theils künstlich ist.

Ich habe mich darauf beschränkt nur eine allgemeine Uebersicht der
Topographie der Stadt zu geben, da mit Ausnahme des Hippodroms eine
Beschreibung der einzelnen Gebäude, ohne sie vorher vom Sande befreit zu
haben, unmöglich wäre. Beim Photographiren der Basilika hatte ich indess
noch das Glück, eine Inschrift zu entdecken, die, wenn auch nicht von
besonderem Interesse, doch neu ist; auch konnte ich mehrere Gemmen kaufen,
sowie einige Münzen. Hamed Bei hatte sogar die Freundlichkeit, mich auf
einen nahe liegenden Berg führen zu lassen, wo er eine Inschrift entdeckt
hatte.

Darüber aber, und weil Hamed Bei mich nicht ohne Frühstück fortlassen
wollte, verlor ich meine Karawane. Ich hatte sie nämlich schon am Morgen
früh fortgeschickt, und dem Gatroner gesagt, nach einem kleinen Tagmarsch
am Wege zu lagern. Da ich aber vom Berge, wo die Inschrift sich befand,
erst Nachmittags herunterkam, überfiel mich beim Weiterreiten schnell die
Nacht, und unmöglich war es, irgend etwas zu unterscheiden. Obgleich ich
mehrmals Doppelschüsse abfeuerte, namentlich so oft ich Wachtfeuer
erblickte, wollte es mir nicht gelingen, den Lagerplatz meiner Leute
ausfindig zu machen, und um 10 Uhr Abends, als mein Esel, der nun den
ganzen Tag im Gange gewesen war, nicht mehr weiter konnte, musste ich mich
endlich entschliessen, ein anderes Lager zu suchen. Zudem musste ich jetzt
meine Karawane längst hinter mir gelassen haben.

Glücklicherweise sah ich bald ein Wachtfeuer, und schickte meinen Neger
dorthin, ein Nachtlager zu erbitten. Es fand sich, dass nicht weit vom Weg
ein einzelnes Araberzelt stand und die Eigenthümer bewilligten auf's
gastlichste meine Bitte. Freilich war von Bequemlichkeit keine Rede, die
Leute waren so arm, dass sie nicht einmal eine Matte besassen, und wenn
nicht ein beständig unterhaltenes Feuer, neben welchem ich mich
ausstreckte, die ganze Nacht etwas Wärme im luftigen Zelte verbreitet
hätte, so würde ich bitter von Kälte gelitten haben. Man kann sich leicht
denken, dass das Abendessen bei diesen armen Leuten nicht besser ausfiel:
etwas Basina (Weizenmehl-Polenta), welche ich mit meinem Wirth aus einer
Schüssel mit den Fingern ass, war alles, was zu haben war. Mein armer Esel
fuhr noch schlimmer: nicht einmal Stroh war für ihn aufzutreiben.

Die armen Leute, von der türkischen Regierung ganz ausgesogen, hatten
übrigens ihr Möglichstes gethan, und so nahm ich am folgenden Morgen mit
Dank von ihnen Abschied, indem ich einem kleinen Kinde im Zelte reichlich
an Geld gab, was ich bei den Eltern verzehrt hatte. Denn dem Araber selbst
Geld für seine Gastfreundschaft anzubieten, wäre gegen alle gute Sitte
gewesen. Mein Esel, der an Altersschwäche litt, wollte gar nicht mehr von
der Stelle, und nachdem ich einige Stunden zu Fuss marschirt war--den Esel
liess ich durch meinen Neger treiben--war ich froh, als ich in einem
Zelte, welches dicht am Wege von Beduinen aufgeschlagen worden, ein Pferd
zur Weiterreise miethen konnte. Hungrig wie ich war, fand ich hier ein
besseres Mahl. Eier, Milch und Gerstenbrod setzten mich in den Stand, noch
an demselben Abend Tadjura, freilich etwas spät, zu erreichen, und hier
kehrte ich im Landhause des italienischen Consuls ein, denn auch mein
Pferd wollte nicht mehr weiter.

In der That ist der Weg von Tripolis bis Lebda bedeutend weiter, als man
nach den Karten glauben sollte, die zahlreichen Krümmungen verlängern die
Strecke sicher um ein Viertel; dazu kommen mehrere Strecken Dünen, auf
denen Thiere und Menschen bald ermüden. Am andern Morgen früh war es nur
noch ein Spazierritt bis zu meiner Wohnung in der Mschia. Meiner Karawane,
der ich vorausgeeilt war, gelang es übrigens schon am folgenden Morgen
einzutreffen; die Kameele hatten sich auf dem Wege ebenso gut gehalten,
wie die Leute.

       *       *       *       *       *



Bengasi.


Ich hatte mich sehr beeilt von Lebda wegzukommen, weil ich vermuthete,
dass bei dem schönen Wetter der Dampfer rasch von Malta zurückkommen
würde, und ich keinenfalls Veranlassung sein wollte den Abgang der
Karawane nach Bornu zu verzögern. Wider Erwarten war das Dampfschiff noch
nicht angekommen, ja ein von Malta eingetroffenes Telegramm besagte, dass
das Schiff erst nach Ende des Carnevals abgehen würde.

Herr Rossi hatte daher gleich einen Saptié (berittener Soldat) nach Lebda
geschickt, mit einem Briefe des Inhalts: ich brauche mit meiner Rückreise
nach Tripolis nicht zu eilen, leider hatte mich dieser Saptié verfehlt. Es
that mir dies um so mehr leid, als ich so die Gelegenheit aus der Hand
gegeben hatte, noch mehrere interessante Ansichten von Lebda
photographiren zu lassen.

Endlich kam nach dem Carneval der lang ersehnte Dampfer an, und nun
konnte, da seit langem alles vorbereitet war, die Karawane abgehen.

Es war dies das erstemal, dass ein officieller Act unter preussischer
Aegide seitens Deutschlands in Tripolis vorgenommen wurde. Wenn auch in
früheren Zeiten fast die Hälfte aller von Tripolis abgegangenen Reisenden
Deutsche gewesen waren, so waren dieselben, wie Barth, Overweg und Vogel,
durch Englands Gelder ausgerüstet, und von der englischen Regierung
abgeschickt, als Engländer betrachtet worden. Die von Moritz v. Beurmann
und mir unternommenen Reisen hatten einen vollkommen privaten Charakter
gehabt; wenn auch bei meiner Reise nach Bornu der König von Preussen sich
mit einer grossmüthigen Unterstützung betheiligt hatte, so war nie von
einem Regierungsunternehmen die Rede gewesen.[17] Ganz anders war es
jetzt: Dr. Nachtigal ging mit einem bestimmten Auftrage in's Innere, einem
Auftrage, der ihm vom König von Preussen, dem Schirmherrn von
Norddeutschland war übermittelt worden. Sein Abgang musste daher mit einer
gewissen Feierlichkeit stattfinden. Zum erstenmale sollte die neue
norddeutsche Fahne in's Herz von Afrika getragen werden, und auf dem
Christenhause in Kuka, der Hauptstadt Bornu's, wehen, wo bis jetzt nur die
englische und die Bremer Flagge war gesehen worden. Die
schwarz-weiss-rothe Flagge sollte, so hoffen und wünschen wir, von hier
noch weiter getragen werden, wo möglich bis an die Ufer des indischen oder
atlantischen Oceans. Ueberdies waren wir während der Zeit unseres
Aufenthaltes in Tripolis von allen Consulaten mit Aufmerksamkeiten aller
Art überhäuft worden. Die einzelnen Familien wetteiferten, um uns unsern
temporären Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

Am Tage des Abganges der Karawane lud ich daher sämmtliche Consuln und die
angesehensten Familien der Stadt ein, beim Abschiede gegenwärtig zu sein.
Die Zelte des Dr. Nachtigal waren schon vorher am Rande der Mschia
aufgeschlagen worden. Kameele und Gepäck lagen daneben. Fast alle kamen
unserer Einladung nach, auch das türkische Gouvernement hatte sich durch
Hammed Bei, dem Schwiegersohn des Gouverneurs, und durch einen in Wien
erzogenen Officier, Masser Bei, Oberst im Generalstab, vertreten lassen.
Dort am Ende des Palmwaldes, am Anfange der Sanddünen, wurde nun den
Tripolitanern ein Piknik gegeben, wobei natürlich der Stoff des Essens
nach arabischer Manier hergerichtet war, d.h. in gerösteten Hammeln und
enorm grossen Kuskussu-Schüsseln bestand; aber auch Wein, freilich nicht
von bester Sorte, wurde geschenkt, so dass die Gesundheit auf den König
Wilhelm vom holländischen Generalconsul, sodann die auf die glückliche
Ueberkunft der deutschen Expedition vom englischen Generalconsul unter
allgemeinem Jubel ausgebracht werden konnten. Schliesslich kamen dann auch
noch die Tripolitaner Stadtmusikanten, eine Flöte, eine Harfe, eine Geige
und eine Trommel heraus, so dass es den tanzlustigen Tripolitanerinnen,
ein Platz war bald gefunden, an Walzern und Polka's nicht fehlte.

Man kann sich denken, mit welchen Augen Araber der Stadt und Umgegend
diesem, für sie nie gesehenen Treiben, zusahen. Wahrscheinlich hielten sie
uns alle für christliche Derwische, und der alte Gatroner, der nie früher
Europäer gesehen hatte als nur vereinzelt, und nie weiter nach Norden in
Afrika gekommen war als Mursuk, schwur beim Haupte des Propheten, er wolle
nach Rückkehr von Bornu nach Prussia selbst, "in scha Allah."

Am andern Morgen früh trat die Karawane ihren ersten Marsch an, nachdem
sie Nachts am Rande der Mschia campirt hatte, die hohen Sanddünen entzogen
sie bald unsern Blicken, und wir unsererseits kehrten nach der Stadt
zurück, und hatten somit die Aufgabe, die Geschenke des Königs für den
Sultan von Bornu von Tripolis aus abzusenden, gelöst.

Es handelte sich jetzt darum, ein Schiff zu finden, um nach Bengasi zu
kommen, denn der Weg um die grosse Syrte war durch die lang anhaltenden
Regen ganz unpassirbar geworden, namentlich wäre es unmöglich gewesen ihn
mit Kameelen zu durchschreiten. Die Ufer der Syrte befanden sich in dem
Zustande, wie sie von Strabo und Mela so treffend beschrieben worden sind.
Uebrigens glaube ich, dass wenn della Cella meint, die Landschaft südlich
von der grossen Syrte habe den Namen Sert oder Sürt als Erinnerung und
Ableitung von Desertum, er darin einfach übersieht, dass der Ausdruck
"surtis" von "surein" ziehen, eben so gut auf's Land passt, wie auf den
Meerbusen selbst. Land und Meer verschwimmen um die Zeit der hohen, durch
den Nord- und Nordwestwind hervorgebrachten Fluthen, und wer um diese Zeit
eine Reise um die grosse Syrte machen wollte, würde rettungslos in die
Tiefe gezogen werden, falls er nicht einige nur den Eingebornen bekannte
Pfade, die hindurchführen sollen, inne hielte. Ueberdies ist das, was wir
auf den Karten unter dem Namen die Syrtenwüste bezeichnen, keineswegs
Desertum, sondern das fruchtbarste Weideland, von vielen Nomaden und ihren
Heerden durchzogen. Der Weg aber bot im Verhältniss zu seiner Länge wenig
interessantes, wenn man nicht von einzelnen Punkten Excursionen in's
Innere machen wollte. Von della Cella, Beechey und Barth, was die Küste
anbelangt, beschrieben, konnte man nur dann hoffen auf diesem Wege neues
zu bringen, falls man über Mittel und Zeit zu Nachgrabungen zu verfügen
hatte.

Da Dampfer nur zufällig nach Bengasi eine Fahrt machen, so konnte ich blos
an Segler denken, aber selbst bei widrigem Winde, wo die Schiffe circa 14
Tage unterwegs sind, war es einer Landreise gegenüber, welche nicht unter
35 Tagen gemacht werden kann, eine bedeutende Zeitersparniss; bei
günstigem Winde segelt man blos drei, manchmal nur zwei Tage. Es traf sich
sehr gut, dass Ali Gergeni, der Scheich el bled von Tripolis, eine Brigg
im Hafen für Bengasi fertig clarirt hatte, aber er wollte sie nur gleich
absegeln lassen, wenn ich die ganze Cajüte miethen würde. Gross und
comfortabel war dieselbe nun zwar nicht, aber dafür theuer. Indess ohne
Wahl, blieb mir nichts anderes übrig. Ausserdem hatte ich für fünf meiner
Leute zu zahlen und für meinen Reitesel, und musste wenigstens für zwanzig
Tage Proviant einnehmen.

Indess konnte ich am Sonnabend Abend, am 20. März, einige Tage nach dem
Abgange der Karawane des Königs, mit allen meinen Leuten an Bord gehen,
und am andern Morgen früh segelten wir mit halbem Winde aus dem Hafen. Die
Brigg hatte ein entsetzliches Aeussere, auf dem Decke lungerten 40 bis 50
zerlumpte Araber, Juden, Levantiner Christen, Greise, Männer, alte Weiber,
Frauen, Kinder, alles Kuddelmuddel durcheinander, mit ihren werthlosen
Habseligkeiten: Töpfen, Matratzen, alten Teppichen und Kisten und Kasten.
Von der Cajüte aus sich bis zum Vordertheile des Schiffes einen Weg zu
bahnen, war kaum möglich, so voll war das Verdeck.

Diese Cajüte, circa 4 Fuss Cubik haltend, denn sie war auch so niedrig,
dass man nur ganz gebückt sich darin halten konnte, hatte ausserdem drei
Cojen, Tische und Stühle fehlten, als in einem Araberschiffe
selbstverständlich, sie hätten auch schwerlich Platz gefunden, dennoch
gelang es, einen Theil meiner Bagage unterzubringen. Und besser, als ich
gedacht hatte, ging die Fahrt von statten, etwas Seekrankheit, etwas
Sturm, etwas Windstille waren unsere Abwechslung, denn unser Reis
(Capitain) war ein erfahrener Mann, und statt sich an der Küste zu halten,
fuhren wir geraden Wegs nach Bengasi über, hatten mithin bald das Ufer
ausser Sicht verloren. Schon am sechsten Tage erblickten wir Land, und
bald darauf tauchte das Minaret auf, dann die Stadt, welche sich von
weitem recht stattlich ausnahm. Viel trugen freilich das Fort an der einen
Seite, die Palmengärten, die schmucken europäischen Häuser, und im
Hintergrunde die bläuliche Bergkette dazu bei.

Aber ohne einen kleinen Schreck sollten wir nicht davon kommen. Schon
hatten wir einen Lootsen an Bord, und derselbe hatte das Commando
übernommen, als nach einigen Windungen zwischen den Klippen das Schiff
aufstiess. Das Wasser war so klar und so wenig tief, dass wir überall
Grund sehen konnten, wir waren auf einen Felsen gerathen, wo nach Aussage
des Lootsen noch 7 Fuss Wasser sei, und unser Reis behauptete, das Schiff
ginge nur 6 Fuss tief. Das konnte nun unter gewöhnlichen Umständen der
Fall sein, aber überladen, wie es war, ging es mindestens 7 Fuss tief.
Grosses Geschrei und Umherstürzen waren die nächste Folge, jeder schrie
und commandirte, aber niemand gehorchte. Und schon glaubte ich, es würde
beim "Gott ist der Grösste, nur bei Gott ist Hülfe", sein Bewenden haben,
als zahlreiche Boote vom Ufer stiessen. Unser Reis, der noch der
Vernünftigste von allen war, liess nun gleich fast alle Passagiere
debarquiren, und dann rasch einen Theil der Ladung nachfolgen, so wurden
wir nach kurzer Zeit flott, und ohne dass die Brigg Schaden genommen
hatte, wurden wir dann in den Hafen bugsirt.

Mittlerweile hatte ich einen meiner Leute mit den debarquirenden
Passagieren an's Land geschickt, um Quartier zu suchen, und die alsbald
auf den Consulaten als Gruss aufsteigenden Flaggen sagten mir, dass man
meine Ankunft erfahren hatte. Nicht lange dauerte es denn auch, so kamen
der englische und französische Consul an Bord, um mich abzuholen, und
gleich darauf waren wir im geräumigen, englischen Consulatsgebäude
untergebracht. Herr Chapman, der den abwesenden Alterthumsforscher, Herrn
Denys, als Consul vertrat, nahm uns mit der liebenswürdigen
Gastfreundschaft auf, welche im Auslande Engländer und Franzosen so sehr
vor den andern Nationen auszeichnen.

Am folgenden Tage wurde dann gleich mit der Ausrüstung begonnen; es waren
Kameele, Sättel, Stricke, Maulkörbe für die Kameele (gegen die von den
Arabern sehr gefürchtete Drias-Pflanze, bis jetzt von allen Reisenden für
das berühmte Silphium gehalten) und vor allen der nothwendige Proviant zu
schaffen. Frühere Reisende in Cyrenaica haben sich damit beholfen, Kameele
zu miethen; ich fand die Preise aber so in die Höhe getrieben, dass ich
mich entschloss, welche zu kaufen, und dies habe ich später auch
keineswegs zu bereuen gehabt. Freilich musste ich auch noch die Zahl der
Diener um einige erhöhen, aber andererseits war ich dafür Herr meiner
Karawane und meiner Bewegungen, konnte zudem annehmen, dass bei dem
reichen Krautwuchse zu der Jahreszeit, wo in Cyrenaica alles grünte und
blühte, die Kameele sich so halten würden, um sie nach beendeter Reise mit
nicht allzugrossem Verluste wieder an den Mann bringen zu können. Fünf
gute Kameele wurden mir also durchs französische Consulat eingekauft, alle
anderen Einkäufe besorgte der Canzler des englischen Consulats. Selbst
wenn man der Sprache, aller Sitten und Gebräuche eines Landes mächtig ist,
ist es für einen Fremden immer am gerathensten, sich dergleichen durch
Ansässige besorgen zu lassen, will man nicht den grössten Prellereien
ausgesetzt sein.

Es kam nun noch die grosse Frage eines Beschützers aufs Tapet: in Bengasi
war man der Ansicht, ein Europäer könne sich unmöglich allein in die
Cyrenaica hineinwagen, das Ansehen der türkischen Regierung sei überall
gleich Null, die Gegend voller Räuber und Strolche, und ohne Begleitung
eines einflussreichen Chefs sei eine Reise aufs Hochland unausführbar. Den
vereinigten Vorstellungen der Europäer glaubte ich nachgeben zu müssen,
und zwei Männer, einer von den Franzosen, der andere von den Engländern
protegirt, kamen nun in Vorschlag. Ich entschied mich für letzteren,
Mohammed Aduli, weil er die meiste Garantie zu bieten schien. Obschon
Fremdling in der Gegend, war er vor Jahren von Mesurata eingewandert, und
hatte dann die geschiedene Frau eines der angesehensten Chefs von Barca
geheirathet. Er war reich, hatte mehrere Häuser in Bengasi und war unter
andern Besitzer des englischen Consulates. Gegen die geringe Miethe von 90
Mahbab jährlich lautete der vor Jahren abgeschlossene Contract, mit dem
Beisatz, dass so lange das englische Gouvernement in Bengasi ein Consulat
habe, dies Haus ihnen für 90 Mb. zur Verfügung stände; an ein Kündigen von
Seiten des Aduli war gar nicht zu denken. Dergleichen Miethscontracte
wurden von den Europäern vor noch 20 Jahren oft mit den eingebornen
Städtern geschlossen, in Tripolis haben fast alle Europäer so gemiethet,
jetzt sind die Mohammedaner gescheidter.--Sein eigentliches Zeltdorf,
oder, wie man in Barca sagt, "Freg", war dicht bei Gaigab, also auch nicht
weit von der alten Cyrene selbst gelegen.

Leider erfuhr ich später, dass Mohammed Aduli derselbe war, der Hammilton
nach Cyrene begleitet hatte, und alle die Beschwerden, welche dieser gegen
ihn vorbringt, kann ich nur unterschreiben. Hatte er später auch
mehreremale Denys begleitet und war bei Porcher und Smith thätig gewesen,
so kann ich doch nur die Erfahrung Hammiltons: "Mohammed serving his own,
utterly neglected my interests" bestätigen. Der Aduli schien eine solche
Reise nur zu seinem eigenen Vortheile zu machen; der zu escortirende
Reisende war für ihn ein bequemes Mittel, auf die billigste Art eine
Geschäftsreise zu erledigen, und andererseits vergrösserte er dadurch noch
seinen Einfluss bei Türken und Arabern. Hernach stellte sich auch heraus,
dass die Gegend gar nicht so gefährlich sei, die Bewohner sind zwar
diebisch, würden aber, so lange man sich innerhalb der türkischen
Castelllinie hält, es kaum wagen, etwas gegen das Leben eines Europäers zu
unternehmen.

Ich blieb nur einige Tage in Bengasi, und hatte mich von Seiten der
Europäer der zuvorkommendsten Aufnahme zu erfreuen. Die verschiedenen
Consulate, die Geistlichen des Franciscanerklosters, die Schwestern und
Privatpersonen, alle boten ihre Dienste an und wetteiferten, mir den
Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Aber auch die türkische
Behörde, obschon der Pascha selbst, wie schon bemerkt, noch nicht
eingetroffen war, zeigte sich anerkennungswerth zuvorkommend. Sie bot mir
Saptién und Empfehlungsbriefe an, da man indess auf dem englischen
Consulate der Meinung war, dass eine türkische Begleitung der Eingebornen
wegen eher schädlich als nützlich sein würde, so lehnte ich dankend das
Anerbieten ab. Auch dies war, wie ich später erfuhr, eine irrige Ansicht,
das türkische Gouvernement ist in seinem Rayon überall respectirt;
übrigens wäre die Mitnahme von Saptién, wenn auch nicht schädlich, doch
ganz überflüssig gewesen.

Seit den ersten Besuchen von europäischen Reisenden hat sich Bengasi
bedeutend gehoben und gebessert. Beechey giebt die Einwohnerzahl nur auf
2000 an, während della Cella früher schon 5000 vorgefunden haben will.
Barth rechnet 10,000 Einw. und Hammilton deren 10-12,000, vertheilt auf
1200 Häuser. Gegenwärtig wird die Stadt etwa 15,000 Einw. haben, von denen
2000 Europäer sind, meist Malteser, Italiener und Griechen. Die übrigen
Eingebornen theilen sich in Mohammedaner arabischen Ursprungs und etwa 2
bis 3000 Juden.

Die Stadt selbst, welche ihren Namen von einem Heiligen Namens Ben Ghasi
oder Ben Rhasi hat, dessen Grabmal sich unfern der Stadt im Norden
befindet, liegt hart am Meere, derart, dass sie auf eine von Norden nach
Süden zu laufende Landzunge gebaut ist, die im W. vom Mittelmeere selbst,
im O. von Lagunen bespült wird. Eine andere gegen die nördliche strebende
von Süden her kommende Landzunge bildet mit der erst erwähnten das Thor
zum Hafen, welcher 6' tief, bei hohem Wasser mit den Lagunen der flachen
Salzsee communicirt. Bei Landwinden aber ist zwischen dem Hafen und den
Seen eine Passage, und im Sommer trocknen diese oft ganz aus. Der Hafen
ist so versandet, und überdies bei starken Stürmen so unsicher, dass im
Winter die Schiffe Bengasi nur selten, und dann auf kurze Zeit, berühren.
Im Sommer ist übrigens auch die Rhede ein guter Ankerplatz. In diesem
Jahre sind Ingenieure von Constantinopel gekommen, um neue Hafenbauten
aufzuführen, und es lässt sich leicht voraussehen, dass die Eröffnung des
Canals von Suez auch hier einen belebenden Einfluss ausüben wird. Mit
einigen kräftigen Baggermaschinen und mit zweckmässig angelegten
Landungsdämmen wird sich leicht und ohne grosse Kosten ein guter Hafen
herstellen lassen.

Der vorletzte Gouverneur von Bengasi hat sehr viel zur Verschönerung der
Stadt gethan; während früher die Stadt ganz des Schmuckes irgend eines
Thurmes entbehrte, hat er für die Haupt-Moschee ein hohes, schlankes
Minaret bauen lassen, das schon von weitem den Schiffern vom Meer aus die
Stadt Bengasi verkündet. Der Hauptbazar in der Mitte der Stadt, elegant
und zweckmässig angelegt, ist auch seine Schöpfung. Und die Hauptsache
ist, dass alle Waaren vorhanden sind; in der That giebt es heute keinen
Artikel, der nicht in Bengasi zu haben wäre. Die Strassen in der Stadt
sind zwar nicht gepflastert, aber passirbar, zudem gerade und für den
Verkehr hinlänglich breit. Die Häuser sind solide aus Steinen gebaut, und
auch äusserlich die meisten mit Kalk beworfen; alle sind numerirt, sehr
viele haben eine zweite Etage, namentlich fast alle die, welche in dem
letzten Decennium von den Europäern oder türkischen Beamten gebaut worden
sind, die innere Einrichtung ist wie überall im Süden: in der Mitte ein
viereckiger freier Platz und lange schmale Zimmer mit Thüren und Fenstern,
welche sich auf den Hof öffnen. Jedes Haus hat einen Brunnen, das Wasser
aber, welches man schon bei 6 Fuss Tiefe findet, ist brakisch. Die Häuser
der Europäer, auch alle mit einem freien Hofraum im Innern versehen, haben
geräumige hohe Zimmer, und die meisten besitzen allen Comfort, wie man ihn
nur in Europa wünschen kann. Drei grössere Moscheen, zwei Synagogen und
eine katholische Kirche sind für den Gottesdienst vorhanden. Die Moscheen
bieten äusserlich nichts bemerkenswerthes, doch dürften im Innern viele
römische und griechische Alterthümer vermauert sein, leider wurde es mir
nicht erlaubt, eine zu besuchen.

Die neue katholische Kirche (für den derzeitigen Gottesdienst dient ein
grosser Saal des Klosters) wird, wie das grosse Kloster, ganz von Mönchen
gebaut werden, nur die gröbsten Arbeiten werden von arabischen
Hilfsarbeitern geleistet. Sie wird ganz aus behauenen Quadern von
Kalkstein und im romanischen Styl errichtet. Diese fleissigen
Franciscaner, erst vor wenigen Jahren von dem uralten Kloster von Tripolis
als Filiale nach Bengasi geschickt, sorgen ausserdem für die Erziehung der
Kinder der christlichen Bevölkerung. Dicht beim Kloster ist auch das von
ihnen erbaute Hospital der französischen Schwestern, welche zugleich eine
Töchterschule haben, und durch Arzneivertheilung an Arme ohne Unterschied
der Religion von den Arabern die christlichen Marabutia (Heiligen) genannt
werden. Auch diese sind nur eine Zweiganstalt von der grossen in Tripolis.

Ohne Mauern, hat man zum Schutze der Stadt im Anfange dieses Jahrhunderts
ein Castell erbaut, das zugleich die Mündung des Hafens schützen soll.
Aber obgleich äusserlich sauber gehalten, ist dieses Fort baufällig und
würde europäischer Artillerie, einerlei, ob neuester oder älterer
Construction, keinen Widerstand entgegensetzen können. In diesem Castell
hat die Regierung ihren Sitz, ausserdem befinden sich Harem, Casernen,
Gefängnisse etc. darin. Eine neue grosse Caserne, es sind in der Regel nur
500 Mann Infanterie in Bengasi, liegt dicht beim Castell und daneben das
türkische Militärhospital. Als vorzüglich muss noch die
Sanitätseinrichtung hervorgehoben werden, wenn auch die Direction nicht
mehr von einem deutschen Arzte, wie zur Zeit Hammiltons, geleitet wird, so
ist dieselbe jetzt unter der intelligenten Aufsicht eines türkischen
Arztes nicht minder gut, und lässt nichts für den gesundheitlichen Zustand
von Stadt und Hafen zu wünschen übrig.

Der Regierung steht ein von Tripolis abhängiger, jedoch von Constantinopel
ernannter Kaimmakam vor, welcher zumeist als Gouverneur des ganzen Ejalet
Barca, dessen Hauptstadt Bengasi ist, regiert. Ihm zur Seite stehen für
die geistlichen Angelegenheiten ein Mufti, für die richterlichen ein
Khadi, welche ihre Ernennung von Tripolis erhalten. Ein Midjelis oder Rath
aus den vornehmeren Kaufleuten der Stadt gebildet, und worin in neuester
Zeit auch Juden und Rajas sitzen, hat berathende Stimme. Die Stellung der
Europäer der türkischen Regierung gegenüber, ist wie in den übrigen
Provinzen des osmanischen Reichs. Die Einkünfte und Ausgaben von Bengasi
und Barca auch nur annähernd anzugeben, ist ganz unmöglich, sie schwanken
überdies sehr, je nachdem ein anderer Gouverneur an der Spitze steht, oder
je nachdem man Razzien, um den Tribut von den Nomaden einzuziehen,
unternimmt. Die verschiedenen zu erhebenden Abgaben werden, wie in
Tripolis, an Meistbietende verpachtet, und Christen und Juden sind davon
nicht ausgeschlossen.

Die Consuln und angesehenen Franken wohnen in der Nähe des Hafens, die
Mohammedaner und Juden wohnen durcheinander, ohne dass, wie man das in den
meisten anderen Städten des Orients antrifft, die Juden ein eigenes
Viertel, Melha genannt, bewohnen. Dass es an zahlreichen Kaffeehäusern,
sowohl europäischen wie türkischen, nicht fehlt, dass eine Legion von
Schenken schlechte griechische und sicilianische Weine, starke Araki und
Branntweine verkaufen, braucht wohl kaum angeführt zu werden. Bei den
öffentlichen Gebäuden haben wir übrigens ein Bad anzuführen vergessen, das
aber keineswegs empfehlungswerth ist, und wo namentlich die verschiedenen
erwärmten Stuben fehlen, welche zu den heissen Bädern so nothwendig sind.
Da das Wasser aus den beiden einzigen öffentlichen Brunnen zu den Bädern
geholt wird, diese aber stark brakisch sind, und nur zum Viehtränken
benutzt werden können, so wird das Unangenehme des Badens noch vermehrt.
Das Trinkwasser für die Bewohner wird in Fässern und Girben (Schläuchen)
von aussen weit hergeholt, und macht so den Einwohnern eine grosse
jährliche Ausgabe.

Die Einwohner, Araber ihrer Abkunft nach, haben sich sehr stark mit
Negerblut vermischt, sind daher sehr hässlich im Ganzen genommen.
Möglicherweise sind auch Berberüberreste mit untermengt, sie verstehen und
sprechen aber nur arabisch, und zwar haben sie den maghrebinischen
Dialekt; auch im Schreiben hat bei ihnen das [Arabic] q nur einen Punkt,
und das [Arabic] f den Punkt unten. Sie befolgen den malekitischen Ritus,
obschon in der Hauptmoschee, wo hauptsächlich das türkische
Beamtenpersonal vertreten ist, hanefitisch gebetet wird. Sie sind
fanatischer als die Tripoliner (man unterscheidet Tripoliner, den Städter,
vom Tripolitaner, dem Bewohner der ganzen Provinz), was hauptsächlich
seinen Grund darin hat, dass sie so häufig mit den freien, unabhängigen
Bewohnern der Hochsteppen verkehren, überdies sind sie unwissender, und
noch nicht in so innigen Beziehungen mit den Europäern, als die
Tripoliner. Ihre Tracht ist die der übrigen Tripolitaner, aber auch hier
verdrängt nach und nach das mehr zum Arbeiten geeignete europäische Costüm
das malerische, aber die freien Bewegungen hindernde, orientalische. Ein
reicher arabischer Kaufmann hält es heute für unumgänglich nothwendig,
französische Glanzstiefelchen zu tragen, und ein Paletot ist nichts
seltenes mehr, auch haben die meisten schon ihr weites Hemd gegen ein
europäisches vertauscht. Was nun gar die arbeitende Classe anbetrifft, ich
meine die Diener, Taglöhner der Stadt und die am Hafen beschäftigten
Maschapsträger, so ist da die enge Hose, ein europäisches, wo möglich
buntes Hemd, und, wenns erschwungen werden kann, europäisches Schuhzeug,
ganz eingebürgert; nur der leidige Fez will sich noch immer nicht
verlieren.

Man glaubt aber nicht, welche Revolution bei diesen Völkern ein
Kleiderwechsel macht, und gewiss hat die türkische Regierung bei den
Reformen Recht gehabt, ihren Beamten als ersten Schritt zur Civilisation
vorzuschreiben, europäische Kleidung anzulegen. Sie hat dadurch dem Volke
ein tägliches und sichtliches Zeichen gegeben, dass sie gewillt ist, mit
den alten Sitten und Gebräuchen zu brechen und europäische Einrichtung und
Gesetze anzunehmen. Bei diesen Völkern ist alles nur äusserlich, ihre
ganze Religion ist nur äusserliches Ceremonienwesen, und man kann sich
denken, wie hart es für die mohammedanischen Mucker war, mit ansehen zu
müssen, dass die vornehmen Leute, die Beamten, ja der Beherrscher der
Gläubigen selbst, christliche Kleidung anlegten. Welche Anzahl von
Vorschriften und Gesetzen hatten sie nicht früher, um die Juden und
Christenhunde zu verhindern, sich wie sie, die Rechtgläubigen, zu kleiden?
Ja in einigen mohammedanischen Staaten, Marokko z.B., existiren
dergleichen Gesetze noch heute. Die Franzosen aber, diese Araberbewunderer
en gros, haben sicher grosses Unrecht, dass sie ihren arabischen Beamten
in Algerien nicht von vornherein befahlen, französische Uniform anzulegen.
Sie hätten dadurch die Schafe von den Wölfen am besten unterscheiden
lernen können. Ein Beduinenchef in der Provinz Oran, diesem ewigen Krater
der Revolution und des Krieges, der mit Vergnügen monatlich als Agha oder
Kaid aus den Händen der französischen Regierung seinen Gehalt
entgegennimmt, bis er glaubt genug zu haben, um zu revolutioniren, ein
solcher Beduine würde sich eher erschiessen, als französische Uniform
anziehen, aber dann fort mit ihm! Und nur solche angestellt, die, wenn sie
besoldet sind, sich auch nicht schämen, die Jacke ihrer Herren zu tragen.
Mit diesem einfachen Mittel würden die Franzosen alle ihre Araberchefs
zwingen, Farbe zu bekennen. Aber nein, die französische Regierung thut
gerade das Gegentheil, um dieser Bevölkerung, welche eben ihrer Religion
wegen sich nie civilisiren kann, zu schmeicheln, steckt sie ihre eigenen
Soldaten unter dem pomphaften Namen Zouave in türkische Pumphosen.

Die Frauen haben mehr ihre nationale Tracht bewahrt. Ob sie auch so
hässlich sind, wie die Männer, konnte ich wegen meines kurzen Aufenthalts
nicht erfahren; die jungen Mädchen, welche bis 8 oder 9 Jahren
unverschleiert auf der Strasse sich zeigten, sahen nicht viel versprechend
aus.

Ganz anders verhält es sich mit den Juden, Männer und Frauen sind
durchgängig schön zu nennen. Ob dies noch die Abkömmlinge der hier im
Alterthum so zahlreich vertretenen Juden sind, ist schwer zu entscheiden,
aber nicht unwahrscheinlich. Sie selbst haben keine Erinnerung oder
Ueberlieferung; es ist übrigens sehr gut möglich, dass sich in ihren alten
Chroniken Andeutungen davon finden, aber die eingeborenen Juden sind auch
viel zu fanatisch, um einem Fremden einen Blick in ihre synagogischen
Bücher zu gestatten. Wir wissen, dass unter der römischen Herrschaft die
Juden allein das Recht hatten, Geld ausser Land zu schicken, ihren Tribut
nach Jerusalem. Heute wiederholt sich noch ähnliches, zwar schicken die
Juden das Geld nicht mehr nach Jerusalem, aber dieses sendet von Zeit zu
Zeit Rabbiner durch die Welt, welche sammeln müssen. Auf unserer Fahrt von
Tripolis leistete uns ein solcher Jerusalemer Rabbiner Gesellschaft; er
hatte in Tripolitanien gesammelt und wollte dann sein Geschäft in Bengasi
und Derna fortsetzen, er war noch dazu mein Landsmann, denn obschon in der
Stadt Davids geboren, war er Unterthan des norddeutschen Bundes.

An Gärten besitzt Bengasi nur einen Palmhain, der sich nordwärts von der
Stadt hinzieht. Obst und Gemüse gedeihen sehr schlecht, und um sie nur
einigermaassen wachsen zu machen, sind die Gärten alle auf Matten
gebettet. Das heisst, man hat das jetzige Terrain weggegraben, Matten
gelegt und dann Dünger und guten Boden aufgetragen. Die Matten sollen
offenbar einestheils das Aufsteigen des Salzwassers, anderntheils das
Durchsickern der fruchtbaren Düngerjauche verhindern, und müssen daher
immer erneuert werden. Ob sie aber diesen Zweck damit erreichen, habe ich
nicht gut absehen können. Die Palme gedeiht an und für sich gut in
salzhaltigem Terrain, ebenso die Olive, wie einige prächtige Bäume im
englischen Consulate beweisen. Obst dagegen, namentlich Orangen, die gar
nicht fortkommen wollen, und Gemüse können fast gar nicht gezogen werden.
Alles Obst und Gemüse kommt daher von Derna, Candia, Malta und Tripolis.
Sehr gut gedeiht aber noch Klee und Luzerne; die fruchtbare Ebene, die
sich etwas weiter weg um die Stadt zieht, versorgt mehr als reichlich die
Stadt mit Vieh und Korn.

Was den Handel anbetrifft, so hebt sich derselbe zusehends. In den letzten
Jahren war der Hafen durchschnittlich von 300 Schiffen besucht. Natürlich
beschränkt sich die Schifffahrt fast nur auf das mittelländische Meer, und
grössere Schiffe als Zweimaster kommen nie nach Bengasi. Es lässt sich
nicht leugnen, dass der wieder angeknüpfte Verkehr mittelst Karawanen nach
Uadai dazu beigetragen hat, den Austausch mit dem Innern von Afrika zu
beleben. Die grosse Menge von Sklaven, welche von dort kommen, abgesehen
von dem Elfenbein und den Straussenfedern, werden hauptsächlich hier gegen
europäische Producte verwerthet. Es ist überhaupt erstaunlich, wie in den
letzten Jahren der Sklavenhandel schwunghaft betrieben worden ist, und
hauptsächlich trug der Umstand dazu bei, dass den englischen Consulaten,
die früher die einzigen von allen in dieser Angelegenheit den Türken und
Arabern den Fuss auf den Nacken hielten, die Weisung von Constantinopel
aus zugegangen war, so viel wie möglich sich der Einmischung zu enthalten.
In diesem Jahre nun hat die Botschaft Englands in Stambul neuen Befehl
gegeben, streng über die Verträge gegen den Sklavenhandel zu wachen. Die
Consulate der anderen Mächte bekümmern sich gar nicht um dergleichen.

Ueber die Aus- und Einfuhr liegen keine statistischen Nachweise vor, beide
steigen jedoch von Jahr zu Jahr, so dass man die Exportation jetzt auf
etwa 1,500,000 Fr., die Importation auf 1,000,000 Fr. veranschlagen kann.
Ausgeführt wird besonders Korn, Schafe, Rindvieh, Federvieh, Butter,
Wolle, Eier, Honig, Häute, Elfenbein und Straussenfedern. Nach Aegypten
werden auch alljährlich viele Kameele exportirt, deren Zucht in den
grossen Ebenen südlich von Bengasi ganz vortrefflich gedeiht. Der Import
umfasst alle europäischen Fabrikate, Tuche, Baumwollstoffe, schlechte
Seiden und Sammetstoffe, Nürnberger Waaren, Lichter, Seifen und Oele,
südliche Weine und Alcohol, Früchte und Gemüse. Theils bleibt dies für den
Consum in der Stadt, theils wird die Waare von hier weiter nach dem Innern
expedirt.

       *       *       *       *       *



Berenice, die Hesperiden-Gärten und der Lethefluß.


Wenig nur ist heute von diesem alten Sitze der Hellenen übrig, an dem
Meere sich hinziehende Quaderbauten, in den Häusern verbaute Steine,
Capitäler von Säulen, Schafte ohne Capitäler, Sarkophage, einige
verstümmelte, schlecht erhaltene Statuen (zu Barths Zeit wurden drei
ausgegraben), das ist es, was im heutigen Bengasi vom alten Euesperides
oder Berenice noch zu finden ist. Aber selbst Reste einer Necropolis sind
nur spärlich vorhanden, hie und da kleine Hypogeen, welche ursprünglich
Steinbrüche gewesen zu sein scheinen, und dann erst später zu
Todtenkammern weiter ausgearbeitet wurden, ist alles was in der nächsten
Umgebung von Bengasi an Bauüberresten vorliegt. Höchst wahrscheinlich
bestatteten hier die Bewohner ihre Todten in freien Sarkophagen, da das
Terrain für in Felsen gearbeitete Gruben, wie man sie bei Cyrene, bei
Ptolemais und Temheira findet, sich nicht als passend erwies. Auch
begruben vielleicht die Juden, und diese machten seit Beginn dieses
Jahrtausends die Hauptbevölkerung von Berenice aus, ihre Todten wohl nicht
wie die übrigen Bewohner Cyrenaicas, und was daher weniges an Sarkophagen
und anderen Grabmonumenten oberhalb des Bodens vorhanden gewesen sein
dürfte, wurde längst als Baumaterial verschleppt.

Als die alten Griechen den Apolloquell von Cyrene entdeckt hatten,
breiteten sie sich rasch über das ganze Land aus, und höchst
wahrscheinlich wurde Euesperides, eine der fünf Städte, welche die
Pentapolis bildeten, schon sehr frühzeitig gegründet. Wann dies nun
geschehen, ist nicht genau zu ermitteln. Frühzeitig mit den umwohnenden
Libyern im Kriege, theilt uns Thucydides mit, dass sie 413 v. Chr. von
einer libyschen Belagerung durch eine Flotte von Peloponesiern, welche,
nach Sicilien bestimmt, ans libysche Ufer waren verschlagen worden,
befreit wurde. Dergleichen geschichtliche Anhaltspunkte liegen mehrere
vor.

Ob nun die Stadt den Namen von den hochberühmten Gärten bekommen habe,
indem die ganze Gegend wegen ihrer Fruchtbarkeit den Namen "die Gärten der
Hesperiden" vorher hatte, und dann erst später die gegründete Stadt
Euesperidae, Euesperitae ([griechisch: euesperidai] und [griechisch:
euesperitai]) genannt wurde, ist auch nicht festzustellen. Das Eu wurde
später weggelassen, schon Scylax hat es nicht mehr, noch später wird die
Singularform Esperis gefunden, und die Römer setzten ein H vor. Zur Zeit
des Ptolemäus Euergetes, welcher die Tochter des Magas, Namens Berenice,
geheirathet hatte, verwandelte man zu Ehren dieser Frau den Namen der
Stadt in Berenice; es scheint aber, dass noch lange die Bewohner den alten
Namen beibehielten. Pomponius Mela, in der Mitte des ersten Jahrhunderts,
kennt nur den Namen Hesperis, ebenso Plinius, der ungefähr um dieselbe
Zeit schrieb; aber hundert Jahre später hält der Alexandrinische Geograph
es schon für nothwendig, wenn er von Berenice spricht, hinzuzufügen, dass
dies derselbe Ort sei, der früher Hesperides geheissen habe.

Im Mittelalter will Edrisi den Namen Berenice noch vorgefunden haben,
ebenso Leo Afrikanus. Im Anfang des 17. Jahrhunderts finden wir bei
Olivier den corrumpirten Namen Berrich, und Marmol nennt, um dieselbe Zeit
Berbick. Heutzutage ist der alte Name gänzlich aus dem Gedächtnisse der
Bewohner entschwunden, Bengasi verdankt, wie schon angeführt, einem
mohammedanischen Heiligen seinen Namen.

Dass aber das alte Hesperis auf dem Platze des heutigen Bengasi steht,
leuchtet auf den ersten Blick hervor. Von der ganzen Gegend hat sich
nichts verändert, nur dass die Seen im Osten der Stadt mehr versandet
sind. Wir wissen, dass Berenice auf der in das Vorgebirge Pseudoponias
auslaufenden Landzunge lag, östlich davon der Tritonis-See mit einer
kleinen Insel, welche nach Strabo oft mit dem Lande zusammenhängt, und den
der Aphrodite geheiligten Tempel barg. Diese ganze Beschreibung, wie
Strabo sie uns giebt, passt heute noch so genau, wie man aus der
vorhingegebenen Topographie von Bengasi ersehen kann, dass es um so mehr
zu verwundern ist, wenn Bourville im See Haua-Bu-Chosch im S.O. vom
heutigen Bengasi den Triton-See, und in einer Oertlichkeit Siana die
Gärten der Hesperiden erkennen will. Wenn nun aber auch, mit Ausnahme von
Bourville, ältere und neuere Gelehrte im heutigen Bengasi das alte
Berenice, im östlichen Salzsee den Tritonis, und in dem kleinen, jetzt von
einem Marabut und einigen Araberhäusern gekrönten Hügel, die ehemalige
Venus-Insel wieder erkennen, so sind grössere Meinungsverschiedenheiten
wegen der hesperidischen Gärten und des Lethe-Flusses vorhanden.

Wir können wohl die Ansicht Thriges und Malte-Bruns u.a. übergehen, nach
denen der Name der Gärten der Hesperiden eine blosse symbolische Idee
gewesen wäre, eben so verwerflich ist die Gosselinsche Meinung, die Oasen
der Wüste als die hesperidischen Gärten anzusehen. So viel steht fest,
dass die Alten mit dem Namen der Gärten der Hesperiden bestimmt
beschriebene Oertlichkeiten verbanden; so finden wir, abgesehen von den
uns zunächst angehenden, eine hesperische Insel an der Mündung des
heutigen Ued Elkus von Marokko, und noch später sehen wir, wie die
Hesperiden-Gärten auf Inseln im atlantischen Ocean verlegt werden. Was
unsere Hesperiden-Gärten in Cyrenaica anbetrifft, so erfahren wir zunächst
aus einer Beschreibung des Scylax, dass dieselbe auf die Umgegend von
Bengasi, mithin Berenice, gar nicht passt. Ausserdem giebt er mit präcisen
Worten dieselben als beim Vorgebirge Phycus, mehr beim heutigen
Marsa-Sussa gelegen, an. Die Küste wird als unnahbar, wie sie es dort in
der That ist, beschrieben, die Ausdehnung des Garten genau angegeben, und
die Obstsorten und Bäume, welche dort wachsen sollen, aufgezählt. Nach
Pacho entspricht die Gegend beim Cap Razat (so ist auf den Karten der
Neuzeit Phycus genannt, obschon die Eingebornen jenen Namen nicht kennen,
sondern die Spitze Ras-el-Fig, was offenbar von Phycus hergeleitet ist,
nennen), vollkommen dieser Beschreibung, er kehrt daher auch ohne weiteres
der Gegend bei Bengasi den Rücken, und verlegt, sich auf Scylax stützend,
die Gärten dorthin.

In der That ist es heute schwer, irgend eine Stelle in unmittelbarer Nähe
von Bengasi zu finden, die wir mit dem Namen der Hesperiden-Gärten
bezeichnen könnten. Es sind allerdings eigenthümliche Einsenkungen in dem
felsigen Boden in der Nahe der Stadt, einige sind mit Wasser gefüllt,
andere enthalten Gärten, und die, wenn sie auch nicht alle die Bäume
hervorbringen, welche wir bei Scylax aufgezählt finden: Erdbeer, Maulbeer,
Myrten, Lorbeer, Epheu, Oliven-, Mandel- und Nuss-Baum, doch eine
auffallende üppige Vegetation zeigen. Beechey will nun, trotz der genauen
Orteangabe bei Scylax, diese Einsenkungen der Beschreibung desselben von
den Gärten passend finden, und stützt sich dabei besonders auf die von
Scylax angegebene Entfernung von den Hesperiden-Gärten nach Ptolemais.
Diese Entfernung von sechshundert und zwanzig Stadien zwischen den beiden
Oertlichkeiten, passt aber auch auf die zwischen Ptolemais und Phycus.

Wir dürfen daher weder mit Pacho auf Scylax gestützt, die Gärten nach
Phycus legen, noch ist es nöthig mit Beechey, ebenfalls sich auf Scylax
stützend, dieselben in den Felsvertiefungen der Gegend von Bengasi
erblicken zu wollen. Wir können eben nur annehmen, da jetzt ein bestimmter
Ort bei Bengasi, der wegen besonderer Schönheit und Ueppigkeit der
Pflanzen den Namen der hesperidischen Gärten verdiene, nicht vorhanden
ist, dass die ganze Gegend im Laufe der Jahrhunderte in pflanzlicher
Beziehung eine Umwandlung erlitten hat. Dies sehen wir nicht nur hier,
sondern überall in Nordafrika lässt sich durch das massenhafte Entholzen,
durch Waldbrände, eine Verwüstung ganzer Gegenden nachweisen. Dass aber
die Hesperiden-Gärten in nächster Umgebung von Berenice gewesen sein
müssen, dafür ist namentlich der Ausspruch Plinius entscheidend[18]:
"Nicht weit von der Stadt (Berenice) ist der Fluss Lethon und der heilige
Hain, wo die Garten der Hesperiden liegen sollen." Ferner sagt Ptolemäus:
die Barciten hätten östlich von den Gärten der Hesperiden gewohnt. Kurz
alle andern alten Schriftsteller, welche die Sache behandeln, verlegen die
Gärten in die Nähe der Stadt. Barth, kurz darüber hinweggehend, sagt nur,
dass bei Bengasi nach dem gemeinsamen Zeugnisse der Alten sich die
Hesperiden-Gärten befunden, aber er glaubt auch, dass die Ansicht
Beecheys, der aus der Beschreibung von Scylax, jene Felseinsenkungen bei
Bengasi, als die Hesperiden-Gärten ansehen will, eine irrige sei.

Beechey (den Mitgliedern seiner Expedition) gebührt aber unstreitig das
Verdienst, zuerst die Spuren des Lethe wieder gefunden zu haben. Wie die
Gärten der Hesperiden für verschiedene Oertlichkeiten reclamirt wurden, so
beanspruchten auch noch andere Gegenden den Ruhm, diesen Strom der
Vergessenheit bei sich zu haben, man fand ihn in Thessalien, und auch die
Lydier nahmen ihn für ihre Heimath in Anspruch. Die gewichtigsten Autoren
der Alten verlegten ihn nach Cyrenaica. Und noch heute können wir im Laufe
eines Uadi (zuerst von Beechey wieder entdeckt) im Osten der Stadt den
Fluss so erkennen, wie ihn die Alten beschrieben haben. Dies Uadi, aus
einer weiten Höhlung hervortretend, in der am Anfange das Wasser nur flach
ist, im Innern jedoch breit und tief sein soll, zieht sich von Osten nach
Westen hin, wird aber auf 1 K.-M. Entfernung vom Salzsee, dem alten
Tritonis, durch eine Felsbarrière abgeschlossen. In derselben Richtung
weiter gehend nach dem See zu, stösst man dann gleich auf eine Quelle von
Süsswasser, welche einen kleinen immer fliessenden Faden von Wasser in den
See giebt. Nach der Regenzeit soll, wie die Eingebornen sagen, das Wasser
weiter aufwärts der Quelle aus dem Boden kommen, was allerdings darauf
schliessen lässt, dass die Quelle mit dem aus der Höhlung kommenden
Wasser, trotz der Barrière, unterirdisch communicirt, und darauf hin bei
den Alten die Vermuthung oder den Glauben nahe legten, von dem
Verschwinden und Wiedererscheinen des Lethon.

Wir finden also auch hier den Lethe noch so, wie ihn die alten Geographen
beschrieben haben, nur vielleicht, weil die ganze Gegend trockener
geworden zu sein scheint, nicht so bedeutend. Strabo lässt den Lethon in
den Hafen der Hesperiden fliessen, Plinius verlegt ihn in die
Nachbarschaft von Berenice, Scylax erwähnt eines Flusses unter dem Namen
Eoceus[19] bei Berenice, Lucan verlegt ihn in die Nähe der
Hesperiden-Gärten und des See's Tritonis, obgleich er diesen einen Platz
an der kleinen Syrte anweist, Ptolemäus endlich giebt den Lethefluss als
zwischen Berenice und Arsinoe fliessend an.

In der Topographie von Bengasi haben wir also weit mehr Anhaltspunkte für
die alte Stätte von Berenice und den damit verbundenen Oertlichkeiten, als
in noch etwa vorhandenen baulichen Ueberresten. Es ist dies in der That
auf den ersten Blick überraschend genug, dass von einer so blühenden Stadt
wie Berenice, so wenig Steine und Denkmäler übrig geblieben sind. Es
erklärt sich dies aber wiederum aus der grossen Anzahl von Juden, welche
unter Ptolemäus Soter nach Berenice geführt, wohl keine so festen und
dauerhaften Bauten aufführten wie die Griechen. Und obgleich den Juden
unter römischer Herrschaft manchmal ihre Privilegien entrissen wurden,
entwickelten sie sich derart, dass sie in dieser Stadt den eigentlichen
Kern der Bevölkerung bildeten, Cäsar, später Antonius, protegirten sie
sehr, erlaubten ihnen vollkommene Freiheit für ihren Cultus, und ihre
Genossenschaft wurde von einem eigenen Archonten regiert. Bald wurden sie
so stark, dass sie unter Trajan und Hadrian in ihrem Fanatismus die
Griechen niedermetzelten, so dass man gezwungen war, neue Colonien nach
Cyrenaica abzusenden, um das Land wieder zu bevölkern. Bei der grossen
Zerstörung, die dann später über ganz Cyrenaica einbrach, gingen auch die
Juden von Berenice mit zu Grunde. Ob die Bewohner der heutigen blühenden
Judencolonie directe Abkömmlinge der hier im Alterthume so zahlreich
vertretenen Juden sind, ist schwer zu entscheiden, aber _nicht
wahrscheinlich_.

       *       *       *       *       *



Teucheira, Ptolemais und Reise nach Cyrene.


Alles war geordnet und marschfertig am 4. März, nur Mohammed Aduli, der
als Führer und Sicherheitsmann uns begleiten sollte, machte Einwendungen
so rasch aufzubrechen, zuerst schlechtes Wetter vorschützend, dann, indem
er noch allerlei an der Ausrüstung auszusetzen hatte, namentlich aber
darauf bestand, es müssten Maulkörbe für die Kameele gekauft werden, wegen
der Drias-Pflanze. Als aber auch diese rasch herbeigeschafft waren,
überdies alle meinten, dass wir in dieser Jahreszeit von der Drias für
unsere Kameele nichts würden zu fürchten haben, konnte er keine Gründe zum
Verzögern mehr vorbringen, und es stellte sich nun heraus, dass er
hauptsächlich deshalb noch gerne einige Tage in Bengasi geblieben wäre,
weil er selbst seine Einkäufe noch nicht beendigt hatte.

Um 1 Uhr Nachmittags war alles gepackt, und meine Leute trieben die
Kameele vor sich her, zu denen noch mehrere schwerbeladene des Aduli
gestossen waren, welche auf diese Weise auch frei von Abgaben die Stadt
verlassen konnten. Ich selbst ritt mit dem englischen und französischen
Consul, welche mich bis Tokra begleiten wollten, hinterdrein, und uns die
ersten 3 Stunden nordöstl. haltend, zwischen den Seen und Palmgärten,
waren wir bald in der grossen Ebene, welche zwischen Hochland und dem
Meere liegt, und die hier äusserst fruchtbar und breit ist. Sobald wir die
Seen vorbei hatten, hielten wir 80° Richtung, und stiessen nun häufig auf
jene Felseinsenkungen, welche von einigen auch als hesperidische Gärten
beschrieben und gehalten worden sind. Es war in der That ein
eigenthümlicher Anblick, in einer vollkommenen freilich gut bewachsenen
Ebene mit einem Male vor einem solchen mit steilen Rändern eingefassten
Kessel zu stehen, dessen Grund die üppigsten Bäume und Küchengewächse
enthielt, und die meist so tief waren, dass die Kronen der Bäume nicht
über dem Rande hervorstanden. Dann ging unsere Richtung wieder N.-O., die
Gegend wurde, je weiter wir zogen, desto üppiger, und gegen Abend waren
wir schon so in Buschwerk, meist Lentisken, Myrthen und eine
weissdornähnliche Staude, dass man jede Fernsicht verlor. Um 7 Uhr Abends
hielten wir vor einem Fereg der Braghta, welches Schützlinge und Freunde
vom französischen Konsulate zu sein schienen, denn wir wurden ganz
ausgezeichnet aufgenommen.

Der Regen war immer in Strömen vom Himmel gekommen, und es kam uns daher
recht gut zu Statten, dass man uns in ein grosses durchwärmtes Zelt
führte, wo man weiche Teppiche ausgebreitet hatte, und auch unsere Diener
alle, wir mochten in allem dreissig Personen sein, ein gutes Unterkommen
fanden. Dass Schaffleisch, Basina, Kuskussu und grosse Milchschüsseln
nicht fehlten, braucht wohl kaum gesagt zu werden; aber ebenso waren die
Teppiche und das Zelt voll jener hüpfenden und kriechenden Thierchen, so
dass an Schlaf nicht viel zu denken war. Der Fereg, wo wir lagerten, hiess
Thuil, nach einem Castell, Kasr Thuil, in der Nähe so genannt. Beechey und
Barth erkennen in diesem Kasr Thuil das von Edrisi beschriebene Fort Kafes
wieder.

Am anderen Morgen hatten wir gleich schlechtes Wetter, und die Gegend
behielt so ziemlich denselben Charakter, nur dass die Vegetation üppiger,
der Boden, je weiter wir nach Nordosten vordrangen, fetter wurde. Die
Berge näherten sich uns so, dass die Ebene zwischen ihnen und der See
immer schmäler wurde. Wir behielten die See fast immer in Sicht. Der Boden
selbst besteht überall aus rothem Thon, weshalb die Araber auch Barca el
hamra sagen. Viel Felsblöcke und Steingeröll liegt manchmal auf diesem
fruchtbaren Boden, obgleich die Pflanzen üppig dazwischen emporschiessen.
Das Gebirge, dessen steile Abhänge gut bewachsen sind, hat überall eine
gleichförmige Höhe, und besteht nicht aus Bergen, sondern bildet ein Ufer.
Die Araber nennen den ganzen Zug Erköb, d.h. der Aufgang. Die Ruinen von
Thürmen, Castellen und einzelnen Wohnungen wurden immer häufiger. So
passirten wir gleich nach der ersten Stunde eine Ruine Gasr Haddib, die
etwas östlich vom Wege liegen blieb, und nach zwei anderen Stunden
passirten wir ein weitläufiges Ruinenfeld, von den Eingeborenen Um es
Schip genannt. Die Ausdehnung der Bauten, die vielen Häuserruinen lassen
schon gleich den Gedanken aufkommen, dass hier eine Stadt gewesen sein
müsse, und mit den Distanzen übereinstimmend (die Peutingersche Tafel hat
bis Adrianopel von Berenice 28, und von Adrianopel bis Tauchira 25 M.),
müssen wir hier die vom Kaiser Hadrian erbaute und nach ihm benannte Stadt
Adrianopolis legen. In Folge der Judenkriege gegründet, um die
heruntergekommene Cyrenaica wieder zu bevölkern, scheint der Ort zu
Edrisi's Zeit Soluk geheissen zu haben, welchen Namen Barth in Tanseruch
oder Tansluluk wiedererkennen will. Ich konnte diese Namen nicht erfragen,
und Beechey, welcher auch hieher Adrianopolis legt, führt nur an, dass die
in der Nähe befindlichen Seen Zeiana oder Aziana heissen, und will damit
den Namen der Stadt in Verbindung bringen. Hammilton nennt ebenfalls den
See Ez zajana, und schliesst auf Adrianopolis. Auch Pacho verlegt die
Stadt Adrianopolis hieher. Ausgezeichnete Gebäude sind keine mehr
vorhanden, wenn man nicht eines Castells, aus schönen Quadern erbaut,
erwähnen will, und das jedenfalls zum Schutze der Stadt mitangelegt worden
war.

Nach zwei anderen Stunden erreichten wir die Landschaft Bir Shus, wo unter
alten Ruinen bedeutende Araberansiedelungen und Gärten, die ersten
Nicht-Nomaden seit Bengasi sich befinden. Etwas südwestlich von hier sind
Ruinen, die Beechey Mabli oder Nabli nennen hörte und glaubt dieselben auf
Neapolis zurückführen zu müssen, Barth hörte sie Mebrig nennen.

Eine halbe Stunde später waren wir am ersten jetzt freilich trockenen
Flussbett, uadi Bu Djarar, welches von der östlichen Bergwand
herunterkömmt, und hatten nunmehr die zahlreichen Fereg der uled Auergehr
erreicht. Erst als es schon ganz dunkel war, um 7½ Uhr Abends, waren wir
zwischen den Ruinen von Teucheira. Aber welche Noth, um ein Unterkommen zu
finden, rechts und links Gräber, Steinbrüche, überall Ruinen, dazu
stockfinstere Nacht, mussten wir froh sein, an einer steilen Wand etwas
Schutz zu finden, wo wir unsere Zelte aufschlagen konnten. Und bei immer
vom Himmel giessenden Regen ging das natürlich nur sehr mangelhaft, und
mehrere Male mussten wir alle Nachts wieder auf, um die umgesunkenen Zelte
frisch aufzuschlagen. Da mein Zelt nur für eine Person eingerichtet war,
so liess ich darin den Photograph und meinen deutschen Diener campiren und
Mr. Chapman, Mr. Robert und ich legten uns in das etwas grössere der
Diener. Aber welch angenehme Nacht verbrachten sie, welche auf eine
Vergnügungstour bis Tokra gehofft hatten. Zum Glück hatten wir kalte
Küche, Wein und Schnaps, mit denen die freundlichen Mönche in Bengasi mich
beim Abschiede beschenkt hatten; Feuer anmachen war aber ganz unmöglich.
Aber mit der Nacht hatte das Wetter ausgetobt; als am anderen Morgen uns
die Sonne Licht brachte, fanden wir, dass wir in einem grossen Steinbruche
seien, dessen steile Wände überall Gräber und Höhlen enthielten; zu
demselben führte nur Ein Eingang, die Stadt selbst aber hatten wir im
Dunkeln schon passirt.

Tokra, wie die heutigen Bewohner es nennen, was offenbar von Tauchira
herkommt, ist heute fast ganz unbewohnt. Der Name Taucheira wurde von den
Schriftstellern, die später als Ptolemaeus und Scylax darüber berichteten
in Teucheira umgewandelt. Unter Ptolemaeus Philadelphus erhielt die Stadt
den Namen Arsinoë, und unter Marcus Antonius endlich wurde sie Cleopatris
genannt. Gegründet zur Zeit des Königs Arkesilaos von Cyrene, und im
Anfange abhängig von dieser Stadt, wurde Teucheira bald darauf Barke
unterthan. Wir wissen jedoch wenig von der Geschichte dieser Stadt;
Herodot sagt, sie habe gleiche Gesetze mit der Stadt Cyrene gehabt; man
rechnete sie zu den fünf Hauptstädten des Landes Pentapolitanien, und von
den Römern wurde sie zur Colonie erhoben. Procop theilt uns mit, dass sie
von Justinian ebenfalls aufs Neue mit Mauern umgeben wurde, und Edrisi
beschreibt sie uns als eine mit Berbern bevölkerte Stadt. Jetzt ist die
Stadt gänzlich verödet, Araber, vom Stamme der Braghta haben jedoch ihre
Ackergründe in der Stadt und Umgegend, und halten sich bis zur Ernte hier
auf, später ziehen sie dann mit ihren Heerden auf die Hochebene. Auch eine
Sauya der Snussi befindet sich hier, in allerneuester Zeit angelegt.

Was an Bauwerken von der Stadt noch über ist, ist unbedeutend. Am besten
erhalten ist die Mauer, aus grossen Quadern an der Basis errichtet; oben
aber aus den verschiedensten Steinen erbaut. Und diese spätere
Wiederaufrichtung rührt offenbar von Justinian her, da man alles Mögliche
dazu benutzte, was an Baumaterial zur Hand war, und so auch viele, mit
jedoch unbedeutenden Inschriften versehene Steine eingemauert hat. Fast
wie ein Viereck auf das Meeresufer erbaut, sind die Mauern der drei Seiten
fast gleich lang, aber keineswegs gerade, sondern winklich und mit 26
viereckigen Thürmen versehen. Oft 15-18' hoch und 6' breit, ist die Mauer
oft nur 3' hoch, ja an manchen Stellen bezeichnet nur hoher Schutt und
umherliegende Steine die frühere Richtung. Beechey, der die Mauerlänge[20]
genau gemessen, giebt dieselbe zu 8600' an. Zwei Hauptthore, an der
westlichen und östlichen Seite, von Thürmen flankirt, und durch eine
schnurgerade Strasse verbunden, führen in die Stadt. Nach der Seeseite hin
scheint keine Mauer gewesen zu sein, auch ist nichts von einem Hafen zu
bemerken, wenn nicht vielleicht ein grosser Steinbruch in der
nordwestlichen Ecke der Stadt, der bis aufs Niveau des Meeres ausgegraben
war, Schiffen einen Schutz gegen Stürme bot. Dass dieser Steinbruch heute
versandet, also höher als das Meer ist, muss uns nicht wundern, trotzdem
auch hier das Gesetz der Senkung der Küste sich beobachtet. Der Hafen von
Leptis magna ist heute auch ganz versandet, communicirte aber sonst gewiss
mit dem Meere, und bei Leptis sinkt das Ufer auch.

Im Innern der Stadt lassen sich die meisten geraden, jedoch nicht breiten
Strassen deutlich erkennen, an Gebäuden treten nur zwei noch in die Augen,
von denen das eine, ziemlich in der Mitte gelegen, zahlreiche Quadern hat,
welche mit einem Lorbeerkranze umgebene Inschriften haben. Alles ist
indess so durcheinander geworfen und verschüttet, dass ich kaum zu sagen
wage, wozu dies Gebäude bestimmt gewesen sei. Ein anderes, ebenfalls
viereckiges Gebäude, weiter nach Westen zu gelegen, scheint eine Kirche
gewesen zu sein; viele Friese, mit Weinreben und Trauben geschmückt,
liessen Pacho es für einen dem Bachus geheiligten Tempel halten. Spuren
von Theater, Bädern, Stadien lassen sich nicht erkennen, es ist aber mehr
als wahrscheinlich, dass eine Stadt wie Teucheira nichts der Art
entbehrte, sondern, dass Alles nur unter dem oft sehr hohen Schutte
verborgen ist.

Die Necropolis ist bedeutend, und lässt sich daraus schon schliessen, wie
bevölkert einst Teucheira gewesen sein muss. Indess finden wir hier nichts
Besonderes; man hat vielmehr die Steinbrüche zu Todtenkammern benutzt,
derart, dass wenn ein solcher Steinbruch ausgebeutet erachtet wurde, man
in die steilen Wände Todtenkammern anlegte. Das aus den Todtenkammern
herausgeholte Material wurde natürlich auch noch zum Bauen benutzt. Alle
Wände sind mit Inschriften wie bedeckt, welche aber gar kein
geschichtliches Interesse haben, sondern nur Grablegenden sind, und alle
in griechischer, aus ptolemäischer Zeit stammender Sprache abgefasst sind.
Im Osten der Stadt sind zwischen den Steinbrüchen auch andere Gräber, und
in diesem Gebiete hat der Engländer Denys lohnende Nachgrabungen gemacht.
Die anderen Gräber, welche theils eingerichtet sind, um Leichname
aufzunehmen, theils Aschenurnen enthielten, sind natürlich alle leer.

Der Regen hörte nicht auf wolkenbruchartig zu fallen; trotzdem gingen am
folgenden Mittag der französische und englische Consul mit ihren Leuten
zurück und wir blieben allein. Die Braghta waren übrigens recht gefällig
und gutmüthig, sie brachten uns, natürlich zum Verkauf, Schafe, Ziegen,
Butter und Milch in so grosser Menge, dass letztere selbst von unseren
einheimischen Dienern nicht bewältigt werden konnte. Die Braghta bewohnen,
wenn sie unten sind, die Gräber, sind aber so voll Ungeziefer, dass es
unmöglich ist, in ein Grab einzudringen. Der unglückliche Berliner
Photograph, der diesen Umstand nicht kannte, und in eins der Gräber
gegangen war, kam schwarz bedeckt und schreiend herausgestürzt, und lief
wie wüthend zwischen hohe Gras- und Buschfelder, um die kleinen schwarzen
Peiniger abzustreifen, obschon er damit nur den kleinsten Theil los
wurde.--Immer hoffend, dass das Wetter besser werden würde, um einige
Photographien zu machen, blieben wir, es gelang auch, in einigen trocknen
Momenten einige Ansichten aufzunehmen, später erwiesen sie sich aber als
nicht gelungen.

Aduli's Stute hatte Nachts geworfen, und ich hatte mich schon darauf
gefasst gemacht, eine neue Scene mit ihm zu haben, da ich dachte, dies
würde ein guter Vorwand für ihn sein, um noch einen Tag länger zu bleiben,
als ich sah, dass er ganz gelassen das junge Füllen aufs Kameel band; und
als 9½ Uhr das Wetter etwas lichter wurde, verliessen wir unseren
Steinbruch. Die Berge, schön bewaldet und immer mannichfaltiger in ihren
Formen, blieben ungefähr in gleicher Entfernung, d.h. circa 1 Stunde vom
Meere, allmählich sich so demselben nähernd, dass sie dicht hinter
Tolmetta direct ans Wasser stossen. Die Gegend ist entzückend, reich an
Vegetation, und voll von niedrigen Wildthieren, auch der Mensch fehlt
nicht, wie die oft aus dem dicken Buschwerk auftauchenden Fereg der Araber
beweisen.

Immer Nordost haltend, liessen wir nach der ersten Stunde den kleinen
Ndjila-See mit Süsswasser rechts liegen, hier hausen die uled Duerdja, und
bald darauf passirten wir einen ihrer grossen Fereg, Um el Hadjel oder
Rebhuhnheim genannt. Um 12 Uhr erreichten wir den antiken Brunnen Erdana,
und waren bald darauf im Landstrich, Schübka genannt, von dem
Vorhergehenden in Nichts unterschieden, nur zahlreicher mit Ruinen von
Thürmen und einzelnen Gebäuden bedeckt. Um 1½ Uhr passirten wir den
kleinen Ued Asra, und eine halbe Stunde später ein anderes Uadi, das mir
meine Begleiter jedoch nicht zu nennen wussten, uns aber auf die neuen
Arabergräber Sidi Chaluf führte, wo wir um 2½ Uhr in einem Steinbruche, wo
auch einige Grabnischen waren, unsere Zelte aufschlugen. Auch hier waren
die Araber vom Stamme der Auergehr sehr freundlich, und wir konnten für
Geld alles von ihnen bekommen. Leider hatten die Engländer die Preise
überall so verdorben, dass man Schafe oder Ziegen nicht billiger als bei
uns haben konnte. Nachts hatten wir blinden Lärm, einer meiner Leute,
welcher Wache hielt, hatte eine Hyäne zu sehen geglaubt, und gefeuert; es
stellte sich aber heraus, dass es das Füllen von Adulis Stute gewesen war;
glücklicherweise hatte er vorbeigeschossen. Dies hatte aber zur Folge,
dass die uns zunächst campirenden Auergehr herbeikamen, indem sie
glaubten, wir seien von Räubern angegriffen worden. Die Auergehr sind sehr
zahlreich, stehen aber in einem abhängigen Verhältniss zu den uled Agail,
welche bei Tolmetta herum hausen. Diese Art Abhängigkeit, die man bei
allen Arabern, ob sie in Marokko oder in Arabien selbst sind, findet, ist
mehr ein freiwilliges Verhältniss, basirt auf geistige Oberherrschaft und
Ueberlegenheit. So auch hier, die uled Agail sind Marabutin, die Auergehr
einfache Araber. Auch bei den Berbern finden wir derartige Verhältnisse.

Die Gegend wurde von nun an noch üppiger, fetter rother Thon erlaubte die
herrlichsten Culturen, aber je mehr wir uns Tolmetta näherten, desto enger
wurde die Ebene, desto höher aber auch die Berge. Zahlreiche Rinnsale,
welche aus den Schluchten des Gebirges kommen, erhöhen den Reiz der
Landschaft, so dass man kaum merkt, wie die Zeit vergeht. Ruinen aller Art
sind am Wege, Castelle, Spuren von einzelnen Häusern und kleineren
Oertern. Dabei sieht man längs den Bergen die Fereg der Auergehr, die
Derssa und der Orrfa, und in der Nähe von Tolmetta, die der Agail. Die
Vegetation besteht wie immer meist aus Lentisken, doch kommen hie und da
auch Johannisbrod- und Lorbeerbäume vor.

Nachdem wir den Brunnen Bu Shiaf, ein Uadi gleichen Namens, dann die Ebene
Bu Traba, durch ein Rinnsal von der Ebene Chat getrennt passirt hatten,
waren wir vor Tolmetta, nachdem wir vorher noch den ued Bu Mscheif
übergangen hatten, welcher sogar etwas Wasser hielt. Ptolemais lag endlich
vor uns, eingeschlossen, wie es ist, im S.-W. vom uadi Chambs, im N.-O.
vom uadi Shoana, im N.-W. vom Meere, und im S.-O. vom Maigel-Gebirge.
Schon lange vorher hatte die bedeutende Stadt sich angekündigt, durch die
grossen Steinbrüche, aus denen noch die tiefen Räderspuren der mit Quadern
schwerbeladenen Wagen nach der Stadt führen, und deren Wände wie in den
Steinbrüchen von Tokra zu Grabnischen verarbeitet, und mit Inschriften
bedeckt sind.

Bald darauf zogen wir durch das hohe Westthor von Ptolemais ein, und
wollten bei den Ruinen einer christlichen Kirche unsere Zelte aufschlagen,
als mehrere Beduinen auf uns losstürzten und sagten, dies sei ihr Terrain,
und sie würden nicht leiden, dass wir dort campirten. Da ihr Grund ein
triftiger war, nämlich zwischen den Ruinen und in der Nähe überall
halbreife Saatfelder standen: so zogen wir weiter nach der See zu, und
nahmen für den ersten Tag Quartier in einem Steinbruche, in dem sich
früher das Amphitheater befunden hatte. Die Spuren davon liessen sich noch
sehr deutlich erkennen, obschon es keineswegs gross gewesen sein kann.
Fast ganz in den Fels selbst hineingehauen, waren nur an wenigen Stellen
Mauerwerke angebracht, und diese meistens abgefallen. Aber auch von hier
wurden wir vertrieben, und zwar aus demselben Grunde, weil überall
Kornfelder in der Nähe waren, von denen die Eigenthümer fürchteten, sie
möchten von unserem Vieh beschädigt werden. Gern hätte nun der Aduli ganz
die Stadt verlassen, um an den Bergen zu lagern, wo allerdings
ausgezeichnetes Gras für die Thiere gewesen wäre; ich wollte aber auf alle
Fälle in der Stadt selbst bleiben, und zog deshalb nach dem Hafen hinab,
wo dicht am Strande und bei den Ruinen eines alten Forts unser Lager
eingerichtet wurde.

Ptolemais, das namenlose, erhielt seinen Namen wahrscheinlich vom
Philadelphus, nach Anderen von Euergetes. Bis zu der Zeit aber hatte es
nur den Titel: Hafen von Barce, wie denn auch Scylax des Ortes nur erwähnt
als "Hafen bei Barce". Als diese Stadt in Verfall, und in die Hände der
Libyer kam, zogen sich die Bewohner nach Ptolemais, und bald erwuchs dann
dieser Ort zu einem der blühendsten in Cyrenaica empor. Mit einem für die
damaligen Bedürfnisse ausgezeichneten Hafen versehen, welcher durch die
Insel Ilos, dieselbe, welche Ptolemaeus Myrmen nennt, noch besonderen
Schutz erhielt, sank Ptolemais erst mit dem allgemeinen Verfall des
römischen Reiches, und Hauptursache ihres Unterganges war Wassermangel, da
die Gelder zur Unterhaltung der Cisternen und Wasserleitungen fehlten. Wie
überall, suchte auch Justinian hier noch ein Mal aufzuhelfen, indem er die
Wasserleitungen wieder herstellen liess; Ptolemais erlag dem Andrange der
Barbaren so gut, wie die anderen Städte. Indess scheint selbst nach der
Invasion der Mohammedaner die Stadt nicht ganz ihre Bedeutung verloren zu
haben; nach Edrisi war Tolmetta noch ein sehr fester, mit Steinmauern
umgebener Platz, wohl geschützt, und stark von Schiffen besucht. Edrisi
berichtet über die Export- und Import-Artikel, und sagt, der Hauptverkehr
fände mit Alexandria statt. Auch zu Abu el Fedas Zeit war Tolmetta noch
stark bevölkert und besonders von Juden.

Zu unserer Zeit ist Ptolemais oder Tolmetta, wie die heutigen Herren des
Bodens, die uled Agail sagen, ganz unbewohnt; nur zur Zeit des Korns haben
diese Marabutin ihre Zelte theils zwischen den Ruinen, theils in den
Steinbrüchen, und an den Abhängen der Berge. Obgleich ganz frei, und
gewiss sehr kriegerisch, scheinen sie doch sehr gutmüthig zu sein, sie
halfen uns beim Photographiren, brachten uns Lebensmittel, und obschon sie
zahlreich den ganzen Tag um unsere Zelte herumhockten, betrugen sie sich
doch anständig. Unwissend schienen sie übrigens im höchsten Grade zu sein;
ausser Arabern kannten sie nur Türken, Franzosen und Engländer, und
letztere beiden seien dem Sultan tributpflichtig. Die christlichen Consuln
in den Städten seien auch Beamte des Sultans, und blos dazu da, um zu
überwachen, dass die Pascha und Bei nicht zu viel Geld unterschlügen. Im
Uebrigen schienen sie ohne Fanatismus zu sein, selbst eine Sauya der
Snussi hatte sich in Tolmetta noch nicht ein Mal etabliren können,
hauptsächlich wohl, weil die Agail, als Marabutin, sich für besser
hielten, als Snussi, der blosser Schriftgelehrter gewesen war. Keiner
erschien indess, der nicht immer mit Flinte und Säbel bewaffnet gewesen
wäre, ihre Frauen waren, wie immer auf dem Lande, unverschleiert und
hatten vollkommene Freiheit mit uns zu handeln.

Unser zweites Lager war ausgezeichnet hübsch placirt; gerade der Insel
Ilos gegenüber, auf der noch jetzt Spuren von Mauerwerk zu erkennen sind,
hatten wir hinter uns die ganze Stadt, wie sie sich vom Meere aus
allmählich an die Bergabhänge hinaufzog.

Die bedeutendsten Ruinen vom alten Ptolemais, soweit sie offen zu Tage
liegen, sind, ausser dem schon erwähnten Amphitheater, eine Kirche aus dem
zweiten oder dritten Jahrhundert, vom Westthore aus kommend nach links zu
gelegen. Verfolgt man dann die Strasse, die noch heute quer durch die
Stadt führt, so stösst man, ungefähr in der Mitte der Stadt, auf eine
grosse Cisterne, noch vollkommen gut erhalten. Dieselbe hat 9 Gewölbe,
welche von oben Licht und Luft bekommen. Umgeben war diese Cisterne von
einer Reihe ionischer Säulen, die auf einem 4' hohen Unterbau ruhten, nur
drei von diesen Säulen sind noch erhalten. Dicht dabei südlich, sieht man
die Umrisse eines kleinen Theaters. Etwas weiter nach Osten zu, sieht man
viele Säulen mit korinthischen Capitälern auf dem Boden liegen, und Barth
vermuthet, dass hier die Königshalle, [griechisch: stoa basileios], gewesen
sei, welche Synesius als Gerichtshalle erwähnt. Ein aus der Cisterne nach
Norden führender Aquaeduct leitet zu einem grossen Bade, von dem zwei
Gewölbe noch vollkommen gut erhalten sind. Ein anderes kleineres Theater
liegt auf dem Wege zwischen Cisterne und Bad; ist aber ebenso verfallen
wie die übrigen, so dass blos aus den halbmondförmigen Umrissen die
einstige Bestimmung zu erkennen ist. Am bemerkenswerthesten ist weiter
nach Osten zu ein grosses massives Gebäude, was jedenfalls wohl zur Zeit
der Römerherrschaft als Caserne diente. Die Inschriften, welche sich
früher an der Nordwand dieses Gebäudes befanden, und die nach Frankreich
gebracht, von Latonne ergänzt worden sind, enthielten Vorschriften von
Anastasius I., die Verwaltung und militairische Einrichtung betreffend.
Wie gut einst die Stadt mit Wasser versehen war, beweisen die anderen
Cisternen, welche noch in Ptolemais zu finden sind. Eine davon, sehr
bedeutend und zu unserer Zeit noch mit Wasser gefüllt, befindet sich im
nordwestlichen Stadttheil. Ueberhaupt bestätigen die zahlreichen Säulen,
die man überall herumliegen sieht, sowie die vielen Grundmauern aus
Quadersteinen, dass das Urtheil der Alten, welche die Stadt als gross und
ausgezeichnet schildern, keineswegs übertrieben ist. Der Hafen wird durch
eine Felsspitze gebildet, die vom westlichen Ende der Stadt ins Meer geht,
die Insel Ilos giebt Schutz nach Norden. Vielleicht war auch an der
Westseite der Spitze ein Ankerplatz, denn circa 3000' westlich von dieser
läuft noch eine andere Felsspitze ins Meer, und zwischen beiden scheint
ein Quai gewesen zu sein, freilich ausserhalb der Stadt.

Nach Osten zu, durch den Suana-Fluss begrenzt, von dem die Stadt ausserdem
durch eine Mauer getrennt war, finden wir hier noch die Reste einer
Quaderbrücke. Zwar ist dieselbe für Fussgänger noch zu passiren; aber doch
so zerfallen, dass Fuhrwerke sie nicht mehr benutzen können. Aber das
Suana-Thal ist eines der lieblichsten, weshalb ich denn auch eine
Photographie davon aufnahm. Neugierige Araber standen staunend um die
Maschine, von der sie alle Augenblicke erwarteten, dass irgend eine
Explosion daraus hervorgehen müsse, aber auch diese, obschon sie sehr
misstrauisch schienen, störten keineswegs unsere Arbeiten. Es scheint,
dass sowohl die Regenwasser des ued Suana, als die des uadi Chambs
hauptsächlich dazu dienten, die Cisternen zu speisen, ausserdem finden
sich Reservoirs am Abhange des Maigel-Berges, welche zu gleichem Zwecke
die Wasser auffangen mussten, um sie den grossen Cisternen in der Stadt
zuzuführen.

Das Gebirge tritt hier nun dicht an die Stadt, und hat, obschon von
Schluchten durchbrochen, fast überall gleiche Höhe; um dieselbe zu messen,
bestieg ich den südwestlich vom Maigel-Berg belegenen Chambs-Berg, welcher
mir der höchste von allen schien. Dicht mit Juniperen und Lentisken
bewachsen, fast undurchdringlich wegen des vielen dornigen Untergestrüpps,
war der Aufgang sehr beschwerlich. Das Gestein des Berges besteht
durchweg, wie in ganz Cyrenaica aus Kalk, während am Meeresstrande die
Hügel, welche zum Theil auch als Grabkammern oder Steinbrüche benutzt
sind, grobkörniger Sandstein ist. Aus diesem Grunde findet man in
Teucheira und Ptolemais auch so viele Bauten aus Sandstein. Die Höhe des
Berges fand ich zu 320 Meter, alle anderen nächsten waren etwas niedriger.

Die Gräber von Ptolemais erstrecken sich westlich und östlich von der
Stadt, und hat man auch hier hauptsächlich die steilen Wände der
Steinbrüche benutzt, um in diesen Grabkammern und Grabnischen anzubringen.
Wie in Teucheira, sind sie ohne Kunst gearbeitet; man findet aber auch
hier zahlreiche jedoch nichtssagende Inschriften. In einem Steinbruche,
gleich westlich von der Stadt, findet man indess drei durch Kunst
ausgezeichnet gearbeitete Gräber; man hat nämlich in der Mitte drei
Felsblöcke stehen gelassen und diese zu Einem grossen Grabe mit
verschiedenen Kammern verarbeitet. In Teucheira findet man auch solch
einen Grab-Felsblock, und lebhaft erinnerten mich diese isolirten
verarbeiteten Steinblöcke an die eigenthümlichen Kirchen von Lalibala in
Abessinien, welche einer ähnlichen Arbeit ihren Ursprung verdanken. Der
mittelste dieser Felsblöcke nun ist ausserdem von einem monumentalen Bau
in römisch dorischem Stile erbaut, und viereckig von Gestalt, hat derselbe
im Innern drei Abtheilungen, von denen die seitlichen bis obenhin zu
Grabkammern dienten, während die mittlere zugleich als Eingang benutzt
wurde; im Sous-Terrain aber auch Leichen aufnehmen konnte. Eine kleine
Inschrift, die Barth an der Nordseite gesehen haben will, konnte ich nicht
mehr entdecken. Das ganze Grab ist überhaupt in sehr zerfallenem Zustande,
und rundherum mit mächtigen herabgestürzten und herabgefallenen Quadern
umgeben. Einige Reisende, unter anderen della Cella, haben dies Grabmal
einem Ptolemäer zuschreiben wollen, ohne indess Gründe für diese
Behauptung bringen zu können.

Das immer schlechter werdende Wetter hatte uns wieder vom Hafen
vertrieben, da kein Zelt dem Sturmregen Widerstand zu leisten vermochte,
und wir hatten uns in den eben beschriebenen Steinbruch mit den drei
Gräbern geflüchtet. Einen dieser Grabblöcke fanden wir, da er
wahrscheinlich lange nicht als Wohnung war benutzt worden, ohne
Ungeziefer, und flüchteten uns hinein. Die Eingebornen hatten ebenfalls
mit ihren flachen Zelten sich in die Steinbrüche geflüchtet, so dass hier
nun auf einmal trotz des noch immer anhaltenden Regens ein reges Leben und
Treiben herrschte. Nachts indess tobte der Sturm mit solcher Wuth, dass
selbst unser Felsgrab erschüttert schien; endlich aber brach ein besserer
Morgen an. Wir machten nun sogleich Anstalt zum Aufbruch, aber ehe Aduli,
der überall mit den Eingebornen handelte, fertig wurde, verging geraume
Zeit. In der That schien Aduli nur eine Handelsreise zu machen, hier
verkaufte er Schuhe, dort Cattunstoffe, hier Gewürze, dort Zucker, welches
er alles zollfrei aus der Stadt herausgebracht hatte, und dafür tauschte
er Honig, Butter, Felle und Korn ein, und hoffte dies auf gleiche Weise
ohne Abgaben in die Stadt zurückzubringen. Dazu hatte er immer eine ganze
Schaar von Leuten, welche, wie er, auf meine Kosten lebte, und da, mit
Ausnahme meines deutschen Dieners und eines von Tripolis mitgebrachten
Negers, Namens Bu-Bekr, alle meine anderen Diener unnütze Subjecte waren,
konnte ich nichts machen.

Endlich hatte der Aduli seinen Markt geschlossen, und um 9 Uhr Morgens
verliessen wir unsere Grabwohnung, und schlugen denselben Weg ein, den
früher Barth genommen hatte, um aufs Hochland zu kommen. Im Anfange
südöstlich haltend, um ans Schaba-Thal zu kommen, mittelst welches wir den
Aufsteig machen wollten, waren wir bald darin engagirt. Das Schaba-Thal
ist sehr eng, vielfach gewunden und nur circa eine Kameelstunde lang;
jedoch kann es ohne grosse Schwierigkeit zu jeder Jahreszeit benutzt
werden, was nach Regengüssen, wo der rothe Thon schlüpfrig und glatt wird,
für Karawanen von besonderer Wichtigkeit ist. Die Bergwände, obschon
steil, sind ausgezeichnet bewachsen, verwilderte Olivenbäume, Karuben und
Lentisken bilden hier den hauptsächlichsten Baumwuchs. Das Thal ist jedoch
so eng, dass es keine Siedelung erlaubt; selbst Hirten scheinen sich nicht
darin aufzuhalten. Oben angekommen, hat man die erste Stufe erreicht, circa
300 Meter hoch. Diese Ebene ist nur circa 1½ Stunden breit, hat auch
herrlichen rothen Thonboden, ist aber ebenso vernachlässigt, wie das ganze
andere Land. Wir hielten durch die erste Stufe Ost-Richtung, ebenso durch
die zweite, welche eine Höhe von 340 Meter hat und durchschnittlich vier
Stunden breit ist. Diese Terrassen streichen hier von N.-O. nach S.-W. Die
zweite wird im Osten von einem Gebirgszuge abgegrenzt, der gleichfalls von
N.-O. nach S.-W. streicht, und dessen höchste Punkte im Norden im Dj.
Dendach, und südwestlich von ihm dem Dj. Saffuat el Merdj sich uns
präsentiren. Am Fusse des letzteren liegt ein grosser See, circa 2½ Stunde
lang und 1 Stunde breit mit Süsswasser, Moaudj genannt. Kleinere Tümpel
und Seen findet man auf dieser ganzen Stufe, welche keinen Abfluss zu
haben scheinen. Das Erdreich ist auch hier fetter rother Thonboden, und
die grössere Vegetation hauptsächlich Wachholder und Arbuten. Blumen in
prächtigen Farben und unvergleichlicher Fülle bedecken in dieser
Jahreszeit den Boden, und geben den unzähligen wilden Bienenschwärmen, die
mit ihrem Summen die Luft erfüllen, die süsse Nahrung. Aber schlecht
bevölkert, wie das ganze Land, findet man nur hie und da einen Fereg der
Auama, Genossen der uled Brassa oder der Abid, Genossen der Auergehr.

Als wir um 12½ Uhr diese Stufe betraten, und in östl. Richt. durchzogen,
hatten wir um 2½ Uhr eine kleine Kubba, die des Sidi Said von den Agail
zur Seite, aber trotz dieses Wahrzeichens erklärte nun der Aduli, den Weg
nicht zu wissen, und ritt abseits, um aus irgend einem Fareg einen
Wegweiser zu holen. Er kam denn auch bald zurück, aber statt eines Mannes
brachte er drei Leute, so dass unsere ohne das schon mit unnützen Leuten
reiche Karawane noch drei andere dazu bekam; er versteht sich von selbst,
dass ich auch diese zahlen und beköstigen musste, aber gerade dadurch
machte sich der Aduli beliebt bei den Triben, indem er ihnen auf Kosten
seiner Reisenden dergleichen Verdienste zukommen liess. Wie mag er den
armen Denys, welcher der Sprache gar nicht mächtig war, geplündert haben!
Durch einen dichten, aber nicht hohen Wachholderwald dahinziehend,
einreichten wir um 4 Uhr Nachmittags Mrsihd, eine alte Ruine eines
früheren römischen Wartthurms, und wie alle Bauten dieser Art ein aus
Quadern aufgeführtes Viereck. Dass aber auch noch andere Ansiedelungen
hier waren, geht aus den zahlreichen Grabkammern in der Nähe hervor,
welche überall in die Felsen gearbeitet waren. Auch vorher hatten wir
schon ein Ruinenfeld passirt, doch konnten meine Leute mir den Namen
desselben nicht nennen. Auf den Wartthurm öffuet sich ein von N.-O.
kommendes Thal, und etwas nach thalaufwärts gehend, campirten wir dann in
demselben. Trotzdem wir nun schon recht hoch waren, hatten wir doch eine
recht warme Nacht, da der Himmel ganz bedeckt war, und noch lange sass ich
Abends an einem grossen Feuer jenes duftenden Wachholderholzes, welches
die Alten schon so hoch schätzten, und das auch auf dem grossen Atlas und
in Abessinien und im Gora-Gebirge vorkommt.

Früh 7 Uhr zogen wir am anderen Morgen das Mrsihd-Thal vollends hinauf,
und erreichten nach 40 Minuten den Höhepunkt desselben, wo das Aneroid uns
die Höhe von 1260 Fuss zeigte; somit waren wir zwar nun auf dem Plateau
angekommen, aber noch keineswegs auf dem höchsten Punkte. Uebrigens muss
man sich das Hochland auch keineswegs durchweg eben vorstellen; sondern
als ein Gewirr von Thälern und Bergen, welche aber alle über 1200' hoch
ihren niedrigsten Punkt haben. Die Vegetation, obschon dieselbe hier
später ist, bleibt im Ganzen noch dieselbe, Juniperen, Oelbäume, Caruben
und Lentisken, dann erstaunlich viel Rosmarin, welche den Bienen den so
sehr gerühmten aromatischen Beigeschmack zum Honig liefern; aber alle
diese Pflanzen finden sich auch an den Abhängen der Berge.

Wenn aber am Tage vorher das Land überreich an Sümpfen und Tümpeln war, so
fehlten diese hier nun gänzlich, und merklich litt die Ueppigkeit der
Vegetation darunter. Einige Thäler hatten trotzdem die kräftigsten
Oelbäume, nicht etwa wilde, selbst nicht einmal verwilderte waren sie zu
nennen, denn sie hingen gerade jetzt voll der besten Oliven, die Niemand
zu sammeln kam. Es ist wohl kaum zu zweifeln bei dem hohen Alter, welches
der Oelbaum erreichen kann, dass diese Pflanzungen noch von den Alten
herrührten. Manchmal sollen indess doch von den Küstenbewohnern einige
herauf kommen, um die Oliven zu sammeln; dies Jahr schien noch Niemand
gekommen zu sein.

Den ganzen Tag, obgleich wir mit geringer Unterbrechung bis 5¼ Uhr Abends
marschirt waren, sahen wir kein einziges Zeichen von Bevölkerung, das
heisst Zelte oder Häuser, nur zwei kleine Ziegenheerden will ich
ausnehmen, die unweit von uns am Wege weideten, und bei unserer Annäherung
eilig ins Dickicht getrieben wurden. Auch der Anbau von Korn war so
spärlich und vereinzelt, dass man die kleinen Felder hätte zählen können.
Trotzdem überall der fetteste und beste Boden war, der nur auf die Hand
des Menschen zu warten schien, um hundertfach das zurückzugeben, was man
ihm anvertraut hätte, war alles eine Wildniss. Als neu wurde mir nun zum
ersten Male die Drias-Pflanze (von allen Reisenden für Sylphium gehalten)
gezeigt, von der wir unten noch weiter zu reden haben werden. Dann fiel
mir die Menge der Maulwurfshaufen auf, die sonst in Tripolitanien nicht
vorkommen. Die Araber nennen den Maulwurf hier mit den bezeichnenden Namen
Buamian, Vater der Blinden. Wild war nur spärlich vorhanden, es scheint
als ob selbst die Thiere dies nur von Todten bewohnte Land meiden.

Während wir im Mrsihd-Thal Ostrichtung verfolgt hatten, zogen wir, oben
angekommen, nördlich in einer Mulde weiter, die den Namen Rharheb führt,
und wo wir um 9 Uhr einen Marabut gleichen Namens (Kubba) passirten. Etwas
weiter läuft dann die von S.-O. von Merdj kommende Heerstrasse ein,
dieselbe, welche vor 1000 Jahren Griechen und Römer benutzten. Nachdem um
9 Uhr 20 Minuten ein anderer Pass überschritten war, kamen wir in das
Biada-Thal, indem wir die tiefeingeschnittenen Wagenspuren der Alten
verfolgten. Um 11¾ hatten wir, N.-N.-O. haltend, den Dj Hoaisch zur
Linken, und gleich darauf die Ruinen des Gasr el Rih. Um 12 Uhr 20 Minuten
kreuzten wir den von Teknis kommenden, nach der Küste führenden
Karawanenweg, und den Pass von Rih überschreitend, gingen wir nordwärts
durchs Schami-Thal weiter. Von 1 Uhr an wieder N.-N.-O. haltend,
überstiegen wir um 2 Uhr einen Pass, der uns ins Scharaya-Thal führte,
welches eine Stunde lang mittelst eines anderen Passes ins Mrair-Thal
übergeht. Um 3¼ kreuzten wir einen zweiten, von Djerdjerum an der Küste
nach Merauan ins Innere führenden Weg, und kamen dann ins Thal Ibrahim,
von dem aus wir links den Berg Schan-o-Gasserein liegen liessen. Das uadi
Ibrahim öffnet sich aufs Magade-Thal, wo wir um 5 Uhr Abends, in der Nähe
von Wassertümpeln lagerten, nachdem wir den ganzen Tag fast ohne Wasser
gewesen waren.

Nachts hatten wir, trotzdem es am Tage sehr kalt gewesen war, ein starkes
Gewitter mit Regen, und zogen am anderen Morgen um 7 Uhr durchnässt in
N.-N.-O. Richtung weiter, welches überhaupt, die vielen Biegungen
abgerechnet, unsere Hauptrichtung blieb. Wir waren nun über 550 Meter hoch
auf dem Beida-Berge, alle anderen Berge scheinen ziemlich gleiche Höhe zu
haben, und die Thäler senken sich bis auf relativ c. 150 Meter. Als neue
Pflanzen treten hier der Lauristinus auf, jetzt gerade in voller Blüthe,
und in prächtigen Exemplaren bis 20' Höhe vorhanden, dann einzelne
Exemplare von der Steineiche. Nachdem wir noch das Thal Sgenniet und dann
den Berg Mcheilil passirt hatten, sahen wir Gasr Bengedem vor uns. Auf dem
Mcheilil-Berg fanden wir die Ueberreste eines alten Sarazenenschlosses.
Dieser ganze Weg nach Bengedem dauerte nur 3½ Stunde, aber auch hier
begegnete uns kein Mensch, und das einzige Zeichen von Bevölkerung war die
Sauya der Snussi, Bu Toda genannt, die wir vom Lj. Beida in geringer
Nordrichtung c. 2 Stunden entfernt liegen sahen.

Obschon wir nur einen kleinen Marsch gemacht hatten, blieben wir doch bei
Gasr Bengedem liegen, um zu photographiren, und diese ganze Gegend näher
in Augenschein zu nehmen.

Das Gasr Bengedem oder Benegedem stammt offenbar aus der Römerzeit, und
hörte mit zu jener Vertheidigungslinie, welche dieselben gezogen hatten,
um die Colonie vor den Einfällen der Nomaden zu sichern. Bengedem war
gewiss eines der bedeutendsten Forts, wenn nicht das grösste von denen,
welche die Vertheidigungslinie bildeten. 80 Schritte lang und 40 Schritte
breit, haben die beiden Längsseiten viereckige flankirende Thürme. An
manchen Stellen erreichen die gut erhaltenen Wände noch die Höhe von 40'.
Aus grossen behauenen Quadern aufgeführt, ohne Mörtel, haben die
Aussenwände, soweit dieselben nicht absichtlich zerstört worden sind,
nicht im Mindesten von der Witterung gelitten. Im Innern führt eine Treppe
auf die Mauer, welche oben dünner, ringsum vertheidigt werden konnte.
Spuren eines Aussenwalls ziehen sich rings um das Castell, und erhöhten so
die ursprüngliche Festigkeit desselben. Die bedeutenden Ruinen in der
Umgegend von einzelnen Häusern deuten an, dass hier eine
Hauptniederlassung war, und Pacho könnte Barth gegenüber doch wohl Recht
haben, indem er hier Balakrai vermuthet. Die Entfernung von Cyrene, die
Pentinger auf 12 M., und die nach Ptolemais, die Ptolemaeus auf 15 M.
angiebt, würde ungefähr stimmen. Eine grosse Menge von Höhlen, theils
natürliche, theils künstliche, ausser vielen aus späterer Zeit
herrührenden Grabkammern, beweisen, dass selbst in vorgriechischer Zeit
hier libysche Völker eine Niederlassung gehabt haben müssen, denn viele
der Höhlen haben ganz und gar die Einrichtung von Wohnungen.

Die Eingeborenen vom Stamme der Brassa, mit denen der Aduli gleich wieder
Handelsverbindungen angeknüpft hatte, waren sehr zudringlich. Ihr Fereg
hatten sie in einiger Entfernung vom Gasr, und den ganzen Tag thaten sie
nichts, als um uns herumhocken und um Essen betteln. Wir hatten deshalb
auch Nachts eine verstärkte Wache nöthig, um uns vor Diebereien zu hüten,
wie denn überhaupt immer Nachts gewacht wurde.

Den folgenden Morgen stiegen wir in nördlicher Richtung vom Berge des Gasr
Bengedem hinab, und kamen nach einer Stunde ins Thal Saharis. Von O.-N.-O.
erhält dies Thal nun das bedeutende Kuf-Thal, und in dies münden von O.
das uadi Djras und das uadi Bu Heisa, welches letztere von Safsaf und Ain
Schehad (Cyrene) kommen soll. Das Kuf-Thal ist eines der wildesten und
romantischsten, die man sich denken kann: steile, oft senkrechte,
fünfhundert Fuss hohe Kalksteinwände, überall mit ungeheuren Höhlen, die
oft am Fusse der Wände, oft in der Mitte, oft fast oben am Rande sich
zeigen, machen einem glauben, man sei in der Teufelsschlucht. Jedenfalls
waren diese Höhlungen meist alle bewohnt, und einige sind es noch jetzt
zur Zeit der Honigernte; denn an diesen steilen Wänden haben die Bienen
ihre Bauten. Viele Höhlen, oft hundert Fuss hoch über der Thalsohle, sind
durch Aussengänge mit einander verbunden, und scheinen so ganzen Stämmen
als Wohnplatz gedient zu haben. Ausserdem findet man die herrlichsten
Tropfsteinhöhlen, von denen die von den Eingebornen Rhorhardieh genannte,
die grösste und schönste ist. Die üppigste, immer grüne Vegetation von
Lentisken, Myrthen, Caruben und Wachholder, ferner die jetzt massenweise
auftretende Steineiche machen dies Thal mit seinem wilden Charakter zu
einem der schönsten, wie man es nur vielleicht in den Pyrenäen, in
Calabrien, im grossen Atlas ähnlich findet. Aber wie immer fehlt alles
menschliche Leben; in der That haben wir, die grosse Sahara ausgenommen,
kein Land gesehen, das so dünnbevölkert ist, und doch ist der Boden so
reich und ergiebig wie eine jungfräuliche Erde eben sein kann. Am Boden
des Thales finden wir dann noch einen fast undurchdringlichen Wald von
mastbaumhohen Thuya-Bäumen, aber Niemand ist jetzt da, um sie zu fällen
und zu verwerthen.

Dass dieser Weg unserer Gofla grosse Schwierigkeit machte, braucht wohl
kaum gesagt zu werden. Das Kameel, obschon es wegen seiner breiten
Fusssohlen auch in den Bergen sicher geht, liebt freie Gegenden, und hier
waren wir in einem wirklichen Urwalde; da waren Baumstämme, die das Alter
oder der Wind umgeworfen hatte, zu umgehen, vom Wasser glatt gewaschene
Felsplatten zu übersteigen, und oft war das Gebüsch so niedrig und dick,
dass die beladenen Kameele mit Gewalt durchgeschoben werden mussten.

Froh waren wir, als wir um 10 Uhr die Passhöhe erreichten, und von nun an
auf einem Bergrücken blieben. Bald darauf hatten wir die Kubba des
Marabuts Abd el Uahed vor uns, auch von alten Ruinen, jedoch ohne
Bedeutung, umgeben. Von hier an waren nun Ruinen unsere steten Begleiter,
und eine tief in Fels eingeschnittene alte Fahrstrasse, rechts und links
von Hunderten von Sarkophagen bordirt, führte uns auf die Hauptstadt vom
alten Pentapolitanien zu. Aber eigenthümlich, ohne Menschen zu sehen, ohne
Wohnungen anzutreffen; sollte man nicht glauben, im Lande der Todten zu
sein? Auf Schritt und Tritt Todtengrüfte, Grabnischen, hier die Tausende
von Sarkophagen, die ungeheuren Necropolen, gegen die die eigentlichen
Städteruinen verschwindend klein sind, lassen wirklich den Gedanken, im
Reiche der Todten zu sein, aufkommen.

Gegen Mittag erreichten wir die Ruinen, welche die Eingebornen unter dem
Namen uadi Amer bezeichnen, und die mehrere Stunden weit sich nach N.-O.
hin ausdehnen, und bei einem Orte Beludj enden. Barth verlegt hieher
Balakrai, und meint auch, dass eine der zwanzig von Ptolemaeus erwähnten
Städte, vielleicht Eraga, hier zu suchen sei. Beludj erreichten wir um 2
Uhr 40 Minuten, und immer auf einem Bergrücken weiter ziehend, liessen wir
dann die Sauya beida (Jaura Sidi Schenut nach Barth, was wohl Sauya Sidi
Snussi heissen soll) links liegen, und kamen um 4 Uhr bei dem weissen Dome
des Marabut Sidi Raffa, an, welcher ebenfalls von vielen Ruinen umgeben
ist. Eine halbe Stunde später hatten wir den höchsten Punkt des
Bergrückens mit 620 Meter erreicht. Etwas später hatten wir von hier eine
weite Aussicht aufs Meer durch eine breite nach Norden zu sich öffnende
Thalschlucht, Shissu genannt, und dann campirten wir um 5 Uhr auf gleicher
Höhe mit der Schlucht bei Djenin, wo wir eine fliessende Quelle fanden.
Auch hier fanden wir Spuren früherer Ansiedelungen; grosse künstliche
Höhlen umgeben die Quelle nach Osten, und in und bei derselben waren
Mauerarbeiten, welche wohl einst den Abfluss des Wassers zur Befruchtung
der Felder regulirt hatten.

Nachts war auf dieser Höhe die Kälte so gross, dass wir am anderen Morgen
die Zelte weiss bereift fanden, und die Mündungen der Wasserschläuche hart
gefroren waren. Das Thermometer zeigte vor Sonnenaufgang -1°.

Von hier bis Cyrene sind nur noch 2 Stunden. Wir lassen rechts den Hügel
Ras el Trabe liegen, welcher bekannt ist als Grenze zwischen den Brassa
und Hassa, welche letztere von hier nach N.-O. hin nomadisiren. Die Ebene
Ambsa, mit dem Grabe des Marabut Bel Kassem, brachte uns dann vor die
Ruinen der Stadt, welche wir um 10 Uhr beim Hügel Mgatter betraten.

       *       *       *       *       *



Cyrene.


Durchs Ostthor zogen wir in die Stadt ein, verfolgten die Battus-Strasse
bis an den Punkt, wo sich die Aussicht aufs Meer öffnet, und nahmen dann
unser Quartier in einer der Kammern, welche im Felsen ausgearbeitet sind,
und auch früher wohl als Wohnungen dienten. Die Apolloquelle war auch in
unserer Nähe, und diese ist es, welche heute der ganzen Oertlichkeit den
Namen giebt; die Araber nennen sie ain Schehad. Keineswegs ist damit
gesagt, dass die heutigen Bewohner und die der Umgegend gänzlich den Namen
"Cyrene" verloren hätten, derselbe findet sich wieder in der Quelle im
uadi bel Ghadir, welche viele Aehnlichkeit mit der Apolloquelle hat, und
fast ebenso mächtig ist; dieselbe heisst ain Krennah.

Cyrene wurde sowohl unter den Ptolemäern als die Hauptstadt der fünf
Städte: Cyrene, Barca, Teucheira, Hesperis und Apollonia angesehen, als
auch unter den Römern, welche das ganze Land unter dem Namen Cyrenaica
zusammenfassten.

Von dorischen Colonisten von der Insel Thera unter Battus im Jahre 631[21]
v. Chr. gegründet, wuchs Cyrene bald zur wichtigsten Colonie der Griechen
an der Nordküste von Afrika heran. Battus führte auf Befehl des
delphischen Orakels zuerst seine Laudsleute nach Plataea (dem heutigen
Bomba); musste aber aus Mangel an Nahrungsmitteln diese Insel nach zwei
Jahren, und nachdem ein anderes Mal das Orakel war consultirt worden,
verlassen, und siedelte nun nach dem festen Lande Libyens, nach dem
wohlbewaldeten Asiris über. Aber auch hier blieben sie nur sechs Jahre, da
nach Ablauf dieser Zeit, eingeborne Libyer sie nach dem Orte der
Apolloquelle führten, wo dann bestimmt die Stadt gegründet wurde.

Es scheint, dass die neuen Ankömmlinge sich im Anfange mit den Libyern,
und hier waren es vorzugsweise die Asbysten, gut vertrugen; sogar
Heirathen mit Libyschen Frauen wurden eingegangen; eingeborne Libyer
jedoch waren von den öffentlichen Aemtern ausgeschlossen. Mit Battus I.
bekam Cyrene den ersten König, und blieb unter dieser Regierungsform circa
200 Jahre, in welcher Zeit acht Könige regierten. Besonders zeichnete sich
aus nach dem ersten, welcher später als Heros verehrt wurde, der dritte
König, Battus II. Unter ihm kamen zahlreiche Zuzüge aus Griechenland:
hiedurch wurden jedoch die Libyer beeinträchtigt, und ihr König Adikran
rief den ägyptischen König Apries zu Hülfe. Bei Thestis in der Gegend von
Irasa kann es 570 zur Schlacht, und die Aegypter und Libyer wurden
vollkommen besiegt. Sein Nachfolger Arkesilaos II., mit dem Beinamen der
Böse, hatte nur Unglück. Mit seinen Brüdern in Streit, gingen diese Barca
gründen, und verbanden sich mit dem libyschen Könige gegen Arkesilaos II.
Dieser schlug anfangs die Libyer bei Leucon oder Leucoë in Marmarica;
wurde dann aber in einen Hinterhalt gelockt und verlor 7000 seiner Leute.
Sein Bruder Learchos tödtete ihn dann, wurde aber selbst wieder von Eryxo,
der Wittwe des Arkesilaos, umgebracht. Unter seinem Sohne, der als Battus
III. folgte, schickten die Cyrener nach Delphi und baten um neue Gesetze.
Demonan, der Mantineer, kam zu ihnen, und beschränkte besonders die
königliche Gewalt. Dessen Sohn Arkesilaos III. wollte jedoch die
königliche Gewalt zurück haben, und wurde darin von seiner Mutter
Pheretime unterstützt; geschlagen, floh er nach Samos, und kam dann mit
einem bedeutenden Heere nach Cyrene zurück. Wieder geschlagen, floh er
nach Barca, und wurde von den Bewohnern dieser Stadt getödtet. Seine
Mutter floh zum persischen Statthalter Argandes in Aegypten, welcher ihr
zu Hülfe kam, und nach neunmonatlicher Belagerung Barca einnahm. Der Sohn
von Pheretime, Battus IV., der Schöne genannt, folgte, und nach ihm kam
der letzte König Arkesilaos IV., dessen Siege in den pythischen Spielen
Pindar besingt, auf den Thron. Höchst wahrscheinlich wurde unter ihm
Hesperis gegründet. Da er zu despotisch regierte, so wurde er etwa um 440
gestürzt, und der königlichen Herrschaft damit ein Ende gemacht. Sein Sohn
Battus, der nach Hesperis floh, wurde dort ermordet, und sein Kopf ins
Meer geworfen.

Unter der republikanischen Regierungsform erlebte Cyrene die höchste
Blüthe und den grössten Wohlstand, obwohl es an inneren Zerwürfnissen
nicht fehlte. So treten verschiedene Tyrannen auf, unter anderen Ariston
und Nikokrates, um sich der höchsten Gewalt zu bemächtigen. Um alle
inneren Streitigkeiten durch eine gute Gesetzgebung zu ebenen, wandten
sich die Bewohner Cyrenes an Plato, und baten um Gesetze. Plato lehnte
jedoch ab, ihr Gesetzgeber zu werden, weil es ihnen zu gut gehe: "Kein
Mensch sei schwieriger zu beherrschen, als der, welcher sich einbilde, es
ginge ihm gut, und Niemand sei leichter geneigt sich leiten zu lassen, als
der vom Schicksal gebeugte." Alexander dem Grossen, als er Zeus Ammon
besuchte, unterwarfen sie sich freiwillig und schickten ihm kostbare
Geschenke. Nach seinem Tode, durch neue innere Streitigkeiten entzweit,
wurden sie durch Ptolemaeus, dem Sohne des Lagos, Aegypten unterworfen, im
Jahre 321 v. Chr., und das Land wurde nun nach den fünf Hauptstädten
Pentapolitanien genannt. Apion, Sohn von Ptolemaeus Physon, überliess dann
mittelst Testament das Land an die Römer im Jahre 96, und im Jahre 67
wurde es mit Kreta zusammen zu einer Provinz formirt. Unter Constantin
wurden sie getrennt, und Cyrenaica als eigne Provinz unter dem Namen Libya
superior eingerichtet.

Als unter Trajans Regierung die Juden den grossen Aufstand machten, und
200,000 Römer und Cyrenaeer ermordeten, fing der Verfall Cyrenes an. Das
römische Reich vermochte den wiederholten Einfällen der Barbaren keinen
Widerstand entgegenzusetzen; dazu kamen Heuschrecken, Pest und Erdbeben,
welche Leiden im fünften Jahrhundert von Bischof Sinesius beklagt wurden.
616 vernichtete dann der Perser Chosroes die schwache griechische Colonie
der Art, dass die Araber, als sie 647 in Cyrenaica einfielen, kaum noch
Widerstand fanden. Wie alle Länder, welche unter die Herrschaft des Islam
kamen, fiel auch Cyrenaica unter den Arabern in einen vollkommenen
Barbarismus zurück, und das Land wurde, vollkommen vernachlässigt, bald zu
einer Wildniss. Seine neuere Geschichte ist denn eng mit der von Tripolis
verknüpft, und als dies 1835 ein türkisches Paschalik wurde, fiel auch
Cyrenaica unter die Herrschaft der Pforte, und wird jetzt als Kaimmakamlik
unter dem Namen Barca zu Tripolitanien gerechnet.

Wie hoch einst Wissenschaft und Kunst in Cyrene blühten, geht aus der Zahl
bedeutender Männer, welche diese Stadt hervorbrachte, hervor: wir nennen
nur Aristippus, den Gründer einer eigenen philosophischen Schule, sowie
Cameades, ebenfalls Weltweiser, dann den Astronomen Eratosthenes, der sich
besonders durch geographische Werke auszeichnete, und als Director der
Bibliothek von Alexandrien starb. Endlich der Dichter Kallimachos, welcher
von den Battiaden abstammte, und dann der berühmte Bischof von Ptolemais,
der Redner und Schriftsteller Synesius.

Vor allem war uns jetzt daran gelegen, die Stadt selbst und die Necropolis
kennen zu lernen, und die Hauptpunkte und Denkmäler zu fixiren für die
Photographien.

Auf zwei Bergen gelegen, die nach Nordwesten hin abfallen, wird Cyrene
mittelst eines Radius, welcher den Namen der Battus-Strasse hat, in zwei
Theile getheilt. Nach allen Seiten hin von grossen Gräberstädten umgeben,
ist zum Theil die Mauer, welche die eigentliche Stadt umgab, noch gut
erhalten, und namentlich an der ganzen Südseite und im Osten bei einer
durchschnittlichen Höhe von 4-5' und Breite von 6' ganz deutlich zu
verfolgen. Betritt man von Osten die Stadt mittelst der Hauptstrasse,
welche von Barca herführt, so hat man gleich rechts vom Thore die
unordentlich durcheinandergeschmissenen Steinhaufen einer Kirche, dass es
eine solche war, geht aus der Anordnung der noch vorhandenen Grundmauern
hervor, obschon merkwürdigerweise der Altar nach Westen gestanden zu haben
scheint, oder aber zwei Hauptaltäre, einer im Osten und einer im Westen,
vorhanden gewesen sein müssen. Verschiedene Spitzbögen, welche noch
stehen, lassen erkennen, wie hoch der Schutt hier liegen muss, da eben nur
die obersten Spitzen der Bogen herausgucken.

Wenden wir uns dann rechts zur östlichen Hälfte der Stadt, so stossen wir
zuerst aufs Hippodrom, welches, die Rundung nach Süden habend, in gerader
nördlicher Richtung erbaut ist. Die Sitze sind noch sehr gut erhalten,
aber alles ist überwachsen, und in der Rennbahn selbst ist die Spina kaum
zu erkennen, da der ganze innere Raum als Acker benutzt wird. Die Länge
des Hippodroms beträgt heute circa 300 Schritte, die Breite circa 60
Schritte. Gleich westlich vom Hippodrom finden wir auf dem höchsten Punkte
dieses Stadttheiles die Ruinen eines Tempels, der offenbar der ältesten
Zeit angehört. Aus colossalen Steinen erbaut, haben die jetzigen Reste
eine Länge von fast 90 Schritt auf 30 Schritt Breite. Von Westen nach
Osten gelegen, hat der Tempel, wie durch die Nachgrabungen von Porcher und
Smith jetzt zu Tage liegt, 17 Säulen auf der Längsseite und 8 Säulen auf
der Breitseite, so dass 36 Säulen den Peristyl bilden. Durch zwei Säulen
und zwei Mauervorsprünge kommt man von Osten in den Pronaos, der von der
Cella durch zwei Mauervorsprünge, welche die Thür bilden, geschieden wird.
An den Längsseiten in der Cella findet man je zehn Piedestale, welche
korinthische Säulen tragen, ganz östlich im Hintergrunde ist ein grosser
cubischer Marmorblock, der wahrscheinlich die Bildsäule trug. Der
Agisthodom ist von der Cella vollkommen durch eine Mauer geschieden, und
ist nach Osten durch keine Mauervorsprünge, aber durch drei Säulen
begrenzt. Die Säulen des Säulenganges haben wenigstens 6' Durchmesser
gehabt, sind aber stark verwittert. Die Quadern des eigentlichen
Tempelbaues sind colossal; es giebt Steine von 20 Schritt Länge und 8
Schritt Breite. Smith und Porcher, die hier die sorgfältigsten
Ausgrabungen machten, fanden nichts, woraus man auf den Eigenthümer des
Tempels hätte schliessen können. Der Eingang befindet sich, wie in allen
Tempeln in Cyrene, auf der östlichen Hälfte. Wenn Barth hier auf der
östlichen Hälfte Cyrenes die Acropolis vermuthete, so schloss er dies wohl
nur aus den colossalen Quadern; wie wir aber später sehen werden, befand
sich diese auf der westlichen Stadthälfte.

Ungefähr 300 Schritte nördlich von diesem Tempel finden wir die Ruinen
eines anderen, etwas kleineren Tempels, welcher auf der höchsten Spitze
dieses Stadttheiles erbaut war. Auch von Osten nach Westen erbaut und aus
Pronaes und Cella bestehend, ist derselbe so vernichtet und zerstört, dass
eine genauere Beschreibung unmöglich ist. Dieser Tempel hatte auch einen
Peristyl, die Zahl der Säulen aber anzugeben, war mir nicht möglich; die
Säulen, von denen Bruchstücke überall umher lagen, waren dorischer
Ordnung, sind aber so verwittert, dass man den Durchmesser nur muthmaassen
kann.

Wenn wir die Battus-Strasse als die scheidende Linie für die zwei
Stadthälften annehmen, so haben wir damit alles, was auf der östlichen
Hälfte bemerkenswerthes zu Tage liegt, gesehen, und wenden uns nun zum
westlichen Stadttheile, der ungleich reicher mit öffentlichen Gebäuden
geziert war, überhaupt der Mittelpunkt des öffentlichen Lebens gewesen
ist, weil er die Apolloquellen, diesen ersten Besiedelungspunkt der alten
Griechen, enthält.

Wenn wir wieder vom Ostthore der Stadt ausgehen und uns links wenden,
sobald wir die von Norden nach Süden ziehende Strasse passirt, so kommen
wir zuerst an zwei Ruinenhaufen, die, was die ursprüngliche Anlage
anbetrifft, sehr wenig mehr zu erkennen übrig lassen; aber von den dort
aufgefundenen Statuen, Bacchus und Venus, können wir schliessen, dass der
östliche der Venus und der westliche dem Bacchus gewidmet waren. Diese und
andere Statuen sind alle ins British-Museum gekommen. Wie denn überhaupt,
seit Bourville, Smith, Porcher und Denys hier gegraben haben, ohne neue
ausserordentliche Nachgrabungen nichts mehr zu finden ist, und die meisten
Ruinen, die schon so sehr durch die Barbaren gelitten hatten, nun vollends
dem Untergange geweiht sind. Gleich westlich vom Orte, wo Bacchus gefunden
wurde, ist ein Theater mit unverhältnissmässig breiten Sitzreihen und
kleiner Cavea. Barth, der die Orchestra gemessen, giebt die Breite
derselben auf 60' und die Tiefe auf 76' an, und meint, dass dies Theater
nicht zu scenischen Darstellungen, sondern zu musikalischen Aufführungen
gedient habe. Dicht an der Strasse gelegen, noch mehr nach Westen, stossen
wir auf ein zweites grösseres Theater, mit doppelt so grosser Cavea, wie
das eben beschriebene. Viele Säulen korinthischer Ordnung, die
umherliegen, deuten darauf hin, dass die Sitzreihen mit einer Colonnade
dieser Säulen umschlossen gewesen sind.

Südwestlich vom Bacchus-Tempel ist ein anderer grosser Ruinenhaufen, wo
vor mehr als 50 Jahren Beechey den Torso eines römischen Kaisers
vermuthete. Nachgrabungen, welche mehrere grosse Bäume blosslegten,
liessen Porcher und Smith vermuthen, hier habe der Palast des römischen
Gouverneurs gestanden. della Cella erwähnt hier einer Inschrift "Porticus
cesarei" und hält das Gebäude für ein Caesareum; Barth meint, dass hier in
der römischen Zeit, vielleicht auch schon in der ptolemaeischen, ein
Marktplatz gewesen sei. Porcher und Smith fanden hier, ausser einer
weiblichen Statue, diejenige von Antoninus Pius und anderen römischen
Kaisern.

Circa 250 Schritt von der Battus-Strasse südlich, wenn man das grössere
Theater hat liegen lassen, ist noch ein grosser Bau mit einer grossen
Säulenhalle nach Nord gegen Ost, welches die Front gewesen ist. Die
Säulenhalle, welche doppelt ist, lässt noch jetzt in der Reihe dreissig
Säulenplätze erkennen. Das massive Gebäude dahinter zeigt eine Menge
kleiner Zimmer von 6' Tiefe auf 4' Breite, und es ist wohl nicht
unwahrscheinlich, dass hier die Verkaufshalle war.

Weiter nach Westen zugehend, finden wir uns auf circa 100 Schritt
Entfernung von diesen Ruinen durch eine von Thürmen flankirte, von Norden
nach Süden streichende Mauer aufgehalten. Beim uadi Bel Rhadir, welches
südlich die ganze Westseite der Stadt begrenzt, mit einem starken Thurme
anfangend, ist diese innere Mauer jedenfalls ein Theil der Acropolis,
welche auf dem westlichen Hügel, als dem höchsten und wichtigsten, gelegen
haben muss. Die Mauer hat eine durchschnittliche Dicke von 12' und ist an
einigen Stellen über 20' hoch; Beecheys Ansicht, dass sie eine
Wasserleitung gewesen sei, ist unhaltbar, da nirgends andere Baulichkeiten
vorhanden sind, die das Wasser hätten herführen können. Auf der Spitze des
westlichen Berges sind ausser einer grossen Masse von bequemen Steinen,
welche bezeugen, dass auch hier alles bebaut war, keine weiteren
hervorragenden Ruinen zu finden, und selbst von Ringmauern ist nach Westen
und Süden, wo dieselben auch kaum nothwendig waren, nichts zu erkennen;
nach Norden zu, obschon auch da der Berg fast steil abfällt, scheint die
Acropolis aber auch noch durch eine Mauer geschützt worden zu sein,
wenigstens finden sich Spuren darin vor.

Wenn wir vom höchsten Punkte des westlichen Stadttheiles nach Nordwest
gehen, so führt uns die Neigung von selbst auf das grosse Stadttheater,
welches am Abhange des Berges selbst gebaut ist. Obgleich stark
durchwachsen, sind nur wenige Sitzreihen ausser der Loge, überhaupt
scheinen die meisten Theater wohl mehr durch die Natur, als durch
Menschenhand zerstört zu sein. Hier hat nun wohl ein allgemeiner Rutsch
stattgefunden, da Proscenium und Orchester, welche künstlich an dem unten
steilen Berg hinaufgebaut waren, weggesunken sind. Aus dorischen
Säulenüberresten ersieht man, dass diese nach aussen zu durch Säulen
geschmückt gewesen sind. Das Koilon ist ungleichmässig durch ein Diagon
geschieden, da der unteren Sitzreihen heute noch 30 (und früher wohl noch
mehrere waren, weil in der ganzen Arena alles mit Schutt und Steinen
angefüllt ist), während die obere Hälfte nur acht aufweist. 6 Treppen
durchschneiden die zwei ein halb Fuss breiten Sitzreihen in gerader Linie
von oben bis unten. Wenn auf diese Art die Zuschauer hauptsächlich von
oben ins Theater gelangten, so scheint doch auch noch ein anderer Zugang
zwischen Proscenium und Koilon von Osten her existirt zu haben; vielleicht
war gar ein von Osten kommender Durchgang, der jetzt verschüttet ist,
vorhanden. Von den Sitzreihen des Theaters hat man die umfassendste
Aussicht über die vorliegenden Plateaus hinweg bis zur See. Wie über eine
Landkarte schweift der Blick über das Land bis nach Apollonia hin, und von
hier sahen, wie Barth so schön sagt, die alten Cyrenen ihre Handelsschiffe
heranschwimmen, und erfreuten sich des wunderbar gestalteten
Terrassenlandes. _Beechey_, welcher dies Theater für ein Amphitheater
hielten, weil allerdings das Koilon unverhältnissmässig gross und
umfassend zum Proscenium ist, ist aber jedenfalls im Unrecht; denn war es
schon eine Riesenarbeit, Proscenium und Scena künstlich zu erbauen an dem
steilen Bergabhang, so wäre es selbst heute fast unmöglich, die andere
Seite des Amphitheaters hier künstlich aufzubauen.

Vom Theater nach Osten schreitend, übergeht man eine Terrasse, und kommt
an drei Bogengänge, die jetzt vermauert, ursprünglich offen gewesen sein
mögen, oder nach Norden zu einen freien Umgang gehabt haben, der jetzt
weggestürzt ist. Immer breiter werdend, dehnt sich die Terrasse da, wo sie
an die nach Nordwesten laufende Battus-Strasse stösst, welche hier auch
der natürlichen Spalte zwischen dem Ost- und West-Hügel der Stadt folgt,
zu einer Plattform aus, welche den Apollo-Tempel trug. Durch die
Ausgrabungen von Porcher und Smith ist unwiderruflich festgestellt, dass
der Tempel, welcher sich vis-à-vis der Quelle des Apollo befand, diesem
Gotte selbst gewidmet war. Beechey hielt denselben, weil er eine, wie er
glaubte, auf Diana bezügliche Inschrift[22] fand, und ausserdem eine
weibliche Statue in sitzender Stellung, für der Diana geweiht. Aber schon
die Lage bringt es mit sich, dass dieser Tempel dem Apollo gewidmet war,
und zwei Inschriften, welche Porcher und Smith hier fanden, endlich die
ausgezeichnet erhaltene Marmorstatue von Apollo cytharoedes[23], welche
sie ausgruben, und die gleichfalls in das British-Museum gekommen ist.
Obgleich einige Piedestale der Säulen noch am Platze sind, so lässt sich
doch trotz der Ausgrabungen nichts Bestimmtes über den Bau des
Apollo-Tempels sagen. Wahrscheinlich war er in dorischer Ordnung
errichtet, und hatte seine Richtung fast von West nach Ost. Er hatte nur
Pronaes und Cella, und ein grosses Piedestal in dem westlichen Theile der
Cella lässt erkennen, dass der Eingang, wie übrigens in fast allen Tempeln
in Cyrene, von Osten war.

Gegenüber dem Tempel nun haben wir gleich den berühmten Apolloquell, heute
ain Schehed genannt, welcher einst die Veranlassung zur Gründung der Stadt
Cyrene und der später so blühenden Colonie war. Aus einem senkrechten Fels
hervorsprudelnd, bemerkt man oberhalb der Front einen Giebeleinschnitt,
Beweis, dass hier einst der Quell mit einer Tempelfaçade geschmückt
gewesen ist; und rechts an einem Felsvorsprung liest man die bekannte auf
eine Renovirung der Quelle bezügliche Inschrift:

    L[griechisch: IGDIONYSIOSSÔTA
    IEREITEUÔNTANKRANAN
    EGESKEUASE]

Von einem Bassin ausserhalb der Felswand kommt man in eine ziemlich
geräumige Grotte, welche rechts eine geräumigere künstliche, und in zwei
Abtheilungen getheilte Höhle hat. Ursprünglich waren dies wohl Zimmer für
die Priester, jetzt sind sie verschlammt und zum Theil unter Wasser.
Beechey fand darin die Bruchstücke von Altartischen mit Figuren. Von der
Grotte aus kann man nach Süden zu die Quelle fast 700 Schritt weit
verfolgen durch einen künstlich angelegten Gang, fast überall 5' hoch und
4' breit. Stellenweise findet man die Wände mit Namensinschriften bedeckt.
Zuletzt wird der Gang so niedrig, dass man gehend nicht weiterkommen kann,
es ist auch wohl kaum anzunehmen, dass die Quelle noch bedeutend weiter
nach Süden zu entspringt, da sie jedenfalls unter dem Höhenpunkt des
westlichen Berges von Cyrene ihren Ursprung nimmt. Das Wasser der Quelle
fanden wir zu 13°C. Dass aber die alten Einwohner nicht allein ihren
Wasserbedarf, so reichlich und zulänglich auch die Apolloquelle ist, von
hier hatten, geht aus der ungeheuren Cysterne hervor, welche man am
südwestlichen Ende der Stadt antrifft. Aus drei nebeneinander gebauten
Reservoirs bestehend, haben dieselben eine Länge von 260 Schritt auf eine
Breite von c. 175 Schritten. Das eine Reservoir ist überwölbt mit
Quadersteinen, welche fast alle mit Buchstaben und Zeichen bezeichnet
sind, wahrscheinlich im Voraus, um sie später leichter zu vermauern. Zwei
der Reservoirs scheinen keine Gewölbe gehabt zu haben, da die Trümmer oder
Steine fehlen, womit sie gewölbt gewesen wären, und dies lehrt uns wohl,
dass diese Cysternen erst in späterer Zeit angelegt, aber nicht vollendet
worden sind. Auch einer anderen Quelle, welche gewiss in früherer Zeit von
grosser Bedeutung war, müssen wir noch erwähnen, welche im uadi Bel Rhadir
entspringt. Heute noch von den Einwohnern ain Krenah genannt, würde uns
dies fast auf die Vermuthung führen, dass dies die Quelle Kyre gewesen
sei, wo zuerst die alten Griechen ihre Ansiedelungen gemacht haben, wenn
nicht der Apolloquell bedeutend stärker an Wasser und so recht im
Mittelpunkt der Stadt und der hauptsächlichen öffentlichen Gebäude gelegen
wäre. Ain Krenah, welches offenbar von Cyre, Cyrene, hergeleitet ist,
entspringt auch aus einer Grotte, hat künstliche Reservoirs und alte
steinerne Wassercanäle, um das Wasser zu vertheilen. Ebenfalls aus einem
steil abfallenden Felsen des uadi Bel Rhadir, welches sich am Südende der
Stadt hinzieht, entspringend, ist dies der lieblichste und anmuthigste
Punkt der Gegend. Vor der Quelle befindet sich eine geräumige Plattform,
welche nach dem Abgrunde zu, den hier die malerische Schlucht bildet, von
einer colossalen Quadermauer gestützt ist. Das ganze Thal hat die üppigste
Vegetation und die Quelle selbst ist von Myrthen und Oleanderbäumen dicht
beschattet.

Von ganz besonderem Interesse für den Forscher ist die unendliche
Todtenstadt, welche nach allen Seiten hin die Stadt umgiebt. Die Zahl der
freien Gräber und Sarkophage, die Zahl der Höhlen, welche Todtenkammern
enthalten, ist so bedeutend, dass man glauben sollte, die Stadt sei nur
von Todten bewohnt gewesen. Freilich ist nichts mehr unentweiht; kein
Grab, keine Kammer, die nicht erbrochen wäre, und das, was die Hand der
Barbaren unberührt gelassen hatte, als Inschriften und Malereien, ist von
den letzten Reisenden fortgenommen und nach Paris und London gewandert.
Und im Ganzen können wir auch nur zufrieden damit sein, denn wenn Pacho,
della Cella noch hie und da schöne Wandgemälde vorfanden, wer hätte für
ihre Erhaltung garantirt!

Die vollendetsten Todtengewölbe und Grabkammern findet man am Nordabhange
der Berge von Cyrene, auf dem Wege nach Apollonia und im uadi Bel Rhadir.
Offenbar gaben ursprünglich bestehende Höhlen Veranlassung zu dieser Art
Beerdigung. Wir finden hier die einfachsten Gräber, ohne jeglichen
Schmuck, und die vollendetsten mit Tempelfaçaden, Vorkammern, Hauptgängen
und Seitenkammern. Besonders grossartig, wenn auch nicht schön, sind die
Katakomben am Nordabhange, von den Eingebornen Knissieh genannt. In dieser
Räumlichkeit, wo wir später des Photographirens halber unsere Wohnung
aufschlugen, ist sicher Platz für einige 1000 Leichen. Mehrere 100 Schritt
weit ziehen sich die Grabkammern in das Innere des Felsens, und oft sind
die Gräber so, dass man von einem aus in eine untere oder obere Etage
kommt, und nun wieder eine ganze Gräberreihe vor sich hat. Aber auch hier
ist alles durchwühlt, und kein Grab unbeschädigt; oft watet man Fusstief
in Todtenstaub und zwischen Gerippen.

Die vollendetsten Gräber sind in Bel Rhadir; hier finden wir die meisten
Façaden mit Säulen oder Halbsäulen geschmückt. Ein Grabmal auch in den
lebendigen Fels getrieben, und zwischen dem Apolloquell und dem grossen
Theater gelegen, dürfte vielleicht das Grab des Battus gewesen sein; ein
Marokkaner, welcher darin seine Wohnung genommen hatte, erlaubte uns
leider den Zutritt nicht. Ganz recht hat Barth, wenn er sagt, es giebt
auch auf Speculation gebaute Grabkammern, die vielleicht noch gar nicht
benutzt wurden. In der That findet man an der Nordseite der Berge ganze
Reihen solcher uniformen Gräber, inwendig vollkommen leer, ohne Deckel und
meist Raum für je 6 Gräber habend, zwei hintereinander und drei
übereinander. Die Form der Sarkophage ist eben so wechselvoll; vom
einfachsten, wie man sie zu Tausenden an jedem zur Stadt führenden Wege
findet, bis zum kunstvollsten, oft tempelartig ausgearbeiteten. Die Sitte
des Verbrennens scheint nie in Cyrene geherrscht zu haben; wenigstens
bemerkten wir nirgends Nischen zum Aufbewahren von Urnen; ebenso scheinen
Särge aus Thon nicht benutzt worden zu sein; auch Grabaltäre hat man in
Cyrene nicht gefunden, mit Ausnahme in der Knissieh, wo auch noch zwei
hübsch verzierte Statuen liegen.

Während der ganzen Zeit unseres Aufenthaltes waren die Eingebornen recht
freundlich gegen uns; sie brachten uns Ziegen, Honig, Milch und Butter zum
Verkauf, und obgleich auch hier der photographische Apparat mit sehr
misstrauischen Augen betrachtet wurde, störten sie uns doch nie bei
unseren Arbeiten. Selbst Sidi Mustafa der Eukadem der Sauya der Snussi,
welche ihre Gebäude seitwärts, dicht bei der Apolloquelle, erbaut haben,
bot uns seine Dienste an; sich uns selbst zu zeigen, hielt er sich aber zu
heilig, und wir hatten auch keine Veranlassung, seine Nähe zu suchen. Das
Wetter aber war während der ganzen Zeit unseres Aufenthaltes in der Stadt
und Necropolis entsetzlich: kein Tag ohne Regen und Sturm, und des Morgens
vor Sonnenaufgang so kalt, dass der Thermometer meist unter Null war. So
mussten wir denn die Augenblicke zum Photographiren förmlich abstehlen,
und oft wenn wir durch bodenlose Wege und über glatte Abhänge ans Ziel
gekommen waren, nöthigte uns das Wetter zur schleunigsten Heimkehr ins
Grab, wo ein loderndes Feuer unsere kalten Gliedmassen erwärmte. Trotzdem
konnten wir von dieser berühmten Stadt über zwanzig Ansichten ermöglichen,
welche dem, welcher mit den Schwierigkeiten, im Freien zu photographiren,
und als Dunkelkammer nur ein wackliches Zelt zur Disposition zu haben,
vertraut ist, gewiss genügend sein werden[24]. Leider gingen einige
Glasplatten verloren.

Unsere Absicht von hier aus Apollonia zu besuchen, konnten wir des
entsetzlichen Wetters wegen nicht ausführen, obgleich jener Ort nur circa
4 Stunden von Cyrene entfernt ist. Die steilen Bergabhänge waren aber
durch den anhaltenden Winterregen für Kameele ganz unzugänglich geworden.
Aus gleichem Grunde mussten wir auch verzichten, nach dem etwas
entfernteren Derna zu gehen; unser einziger offner Weg war aber der auf
der Hochebene, rückwärts nach Bengasi. Ehe wir jedoch diese Reise
antreten, werfen wir einen Gesammtüberblick über Cyrenaica.



Fußnoten:


[1] Präfect von Paris.

[2] General Faidherbe ist Ehrenmitglied fast aller geographischen
Gesellschaften, auch unserer Berliner.

[3] Ein Sohn des von Bengasi nach Aegypten geflüchteten Sohnes Jussuf
Caramanli, der wie wir früher gesehen, revoltirt hatte.

[4] Dass in einer vom eigentlichen Tripolitanien so weit entfernten
Provinz Alexandrine Tinne ermordet werden konnte, ist nicht im Stande die
gute Mannszucht im eigentlichen Tripolitanien als schlecht darzustellen.
In Europa kommen auch Raubmorde vor und die Tinne zu ermorden war für
diese Halbbarbaren gewiss verlockender, als die Familie Klink, die durch
Traupmann ein Ende fand.

[5] Die Mschia, welche circa 8000 Gärten mit 3000 Brunnen hat, ist, wie
schon bemerkt, ganz Abgaben frei, dahingegen muss jeder Brunnen oder
Garten einen Krieger, im Falle der Muschir ihrer bedarf, stellen.

[6] Ein Franzose, Mr. Robert, hatte zur Zeit Abd el Djelil's von den
Arabern die Erlaubniss bekommen, den Schwefel ausbeuten zu dürfen, zu dem
Zwecke hatte sich schon eine Gesellschaft in Marseille gebildet. Als man
aber anfangen wollte, hatte Abd el Djelil seinen Tod gefunden und so
unterblieb die Ausbeutung. Im Jahre 1846 hatte sich aber eine andere
gegründet, mit der ersten vereinigt, welche den Titel hatte Compagnie
Anglo-Française pour l'exploitation des mines de soufre d'Afrique, aber
nun wollte die Pforte die Ausbeutung nicht gestatten, musste der
Gesellschaft indess eine Abfindungssumme von 350,000 Francs zahlen im
selben Jahre.

[7] Klöden hat die sehr hohe Zahl 1,500,000 Einwohner.

[8] Mkaddem, Vorsteher, Verwalter.

[9] Ganz Tuat ist Thaibisch und selbst in Timbuctu ist ein Filialsauya des
Thaib.

[10] Mit Ausnahme der Buabin von Bab er Lab in Persien gestiftet, welche
offen auf eine Vereinigung mit der christlich semitischen Religion
streben; in Algerien besteht ausserdem die tolerante Brüderschaft der
Tedjadjna, v. Duveyrier, les touareg etc. und noch viele andere.

[11] Ritter: 25,000 Ew., Barth: 13-14,000 Ew., Mircher: 15-18,000 Ew.,
Vatonne: 30,000 Ew. (mit der Mschia), Hoffmann: 30-35,000 Ew., Testa:
10,000 Ew., Klöden: 10,000 Ew., Maltzan: 15-18,000 Ew.

[12] Die Pforte verleiht dem Patriarch von Jerusalem das Recht, unter
seiner Flagge, welche weiss ist, durch ein rothes Kreuz geviertelt und in
den vier weissen Feldern wieder je ein rothes Kreuz hat, Schiffspatente zu
verkaufen; dies wird häufig von katholischen Rhedern benutzt, und der
Jerusalemer Pavillon ist auf dem mittelländischen Meere von allen Mächten,
auch von der Pforte, als neutral respectirt.

[13] In Tripolis und dem Rharb sagt man [arabisch: kudas] kudas für Glocke,
eigentlich heisst das aber Messe und Glocke [arabisch: el djars] el djars.

[14] Siehe Barths Wanderungen.

[15] Siehe Mission de Rhadames.

[16] Barths Wanderungen.

[17] Die letzte auf Regierungskosten ausgerüstete Entdeckungsreise war die
nach Aegypten, abgerechnet die von Minutoli und Ehrenberg u.a. nach der
Jupiter Ammons-Oase und Cyrenaica. Bekanntlich wurde nur die Ammons-Oase
erreicht.

[18] Nec procul ante oppidum fluvius Lethon, lucus sacer, ubi Hesperidum
horti memorantur. Nat. hist. V. c. 5.

[19] Dapper nennt den Lethe des Ptolemäus Milel-Fluss.

[20] Barth 3500 Schritt, della Cella 2 M.

[21] Siehe Gottschick. Geschichte der Gründung und Blüthe des hellenischen
Staates in Cyrenaica. Leipzig, Teubner 1858.

[22] Die Inschrift bezieht sich auf Archippe aus der Ptolemäischen
Dynastie:

    [griechisch: ARCHIPPANPTOLEMAIOU
    EUINIERITEUOUSANPTOLE]

[23] Unter anderen fanden Smith und Porcher eine männliche Statue,
wahrscheinlich Hadrian, dann einen Minervakopf, den Kopf des ersten
römischen Proprätors Gnaeus Corn. Lentulus Marcellinus, einen
Bronce-Portrait-Kopf, kleinere Broncegegenstände und Lampen von
Terracotta. Von den kleinen Broncefiguren eine Figur von Jupiter Ammon und
eine Gruppe, die Cyrene, wie sie einen Löwen erdrosselt, darstellend.

[24] Der Photograph E. Salingré aus Berlin, hat die Photographien in gross
Quartformat, 40 an der Zahl abgezogen, und dieselben sind käuflich bei ihm
zu haben.



[Transkriptionsnotiz: Die folgenden Druckfehler der Originalvorlage
wurden in diesem Etext korrigiert:

Seite 42: "zn" korrigiert zu "zu"
Seite 110: "übererall" korrigiert zu "überall"
Seite 120: "hei" korrigiert zu "bei"]





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