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Title: Das Nibelungenlied
Author: Unknown
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Das Nibelungenlied" ***


DAS NIBELUNGENLIED

Uebersetzt

von

KARL SIMROCK



Vorrede.

Den Vorwurf, der meinen Uebersetzungen aus dem Mittelhochdeutschen, der
Nibelungen namentlich, gemacht worden ist, als hätten sie den
Originalen Abbruch gethan, könnte ich mir schon gefallen laßen, denn
sie müsten sie, wenn er begründet sein sollte, übertroffen haben.
Leider vermag das keine Uebersetzung, und so werde ich mich statt jenes
schmeichelhaften Tadels mit dem bescheidenen Lobe begnügen müßen,
Unzählige, und vielleicht den Ankläger selbst, den Originalen zugeführt
zu haben. Daß dieß Uebersetzungen, und zwar besonders solche thun, die
Zeile für Zeile, gleichsam Wort für Wort übertragen, ist Goethes
Ausspruch, auf den ich mich schon im Freidank S. XIII. berufen durfte.
"Sie erregen," sagt der Altmeister, "eine unwiderstehliche Sehnsucht
nach dem Original." Weil aber immer etwas hangen bleibt, will ich, die
Anklage ganz aus dem Felde zu schlagen, diese Sehnsucht zu befriedigen
helfen, indem ich das Original neben die Uebersetzung stelle.

Ueber den Schaden, welchen Uebersetzungen anrichten könnten, (seht was
ein storch den foeten schade, noch minre schaden hânt si mîn), habe ich
mich in der Vorrede zur 1. Aufl. mit stärkern Worten ausgesprochen als
ich es hier nach dem Spruche de mortuis nil nisi bene dürfte. Ich laße
aber diese frühe Vorrede auch aus andern Gründen wieder abdrucken, muß
indes bemerken, daß ich jetzt nicht mehr drei, sondern vier Hebungen im
ersten Halbvers annehme. Ferner laß ich, weil darin zweier in der
"Einleitung" mitgetheilter Gedichte und einer "Weihe" gedacht ist, auch
diese folgen; ja vielleicht wird es mir nicht verdacht, wenn ich auch
die Erwiederung Fouqués, an welchen jene "Weihe" gerichtet war, aus dem
Gesellschafter, 1827 Nr. 85 (28. Mai) einrücke.

Um das Auge nicht zu beleidigen, geb ich Urschrift und Uebersetzung mit
der gleichen Schrift, die mir, nachdem einige Zeichen hinzugekommen
sind, auch für das Mittelhochdeutsche die geeignete scheint. Das
Neuhochdeutsche anlangend, so hat Jacob Grimm, der sich in einem Briefe
an F. Pfeiffer beschwert, daß er nicht einmal das ß, wo es organisch
ist, durchzusetzen vermocht habe, dieß durch den Gebrauch der runden
Schrift, die man ausschließlich lateinisch zu nennen pflegt, als ob die
eckige nicht den gleichen Ursprung hätte, selber verwirkt, denn diese
Schrift hat kein ß, und nicht Jeder ist in der Lage, sich eins
schnitzen zu laßen, ja er selber war es nicht immer. Sie hat eigentlich
auch kein k und verführte J. Grimm selbst zu der ungeheuerlichen
Schreibung Cöln, was Zöln gesprochen werden müste, vergl. Cölibat, und
also die Kölner, die sich ihrer bedienen, zu Zölnern und Sündern wider
die deutsche Lautlehre macht. Für das Mittelhochdeutsche hat sie erst
Beneke und in den Nibelungen Lachmann durchgesetzt; jedoch hat Lachmann
die Prachtausgabe seiner Zwanzig Lieder mit eigens dazu gegoßenen
wunderschönen eckigen s.g. deutschen Lettern drucken laßen. Ich selbst
habe sowohl im _Lesebuch_ als im _Wartburgkrieg_ zu der s.g.
lateinischen greifen müßen, weil es da der Mühe nicht lohnte, für die
Umlaute des langen a und o sowie für das weichere z, das wir ß nennen
und schreiben, eigene Zeichen (æ und oe und z) schnitzen und gießen zu
laßen, wie das hier geschehen konnte.

Die Nebeneinanderstellung von Text und Original nöthigte zu genauerm
Anschluß an das Original, das aber erst redigiert werden muste, denn
ich konnte keiner der drei Faßungen (Recensionen), in denen das Gedicht
vorliegt, ausschließlich vertrauen: keine bewahrt allein das Echte, ja
in keiner sind alle Strophen vereinigt, durch deren Verbindung Original
und Uebersetzung nun einige hundert Strophen mehr zählen als die
Handschrift A, deren Text ich zwar zu Grunde legte, von dem ich aber
unzählige Mal abgewichen bin, manchmal vielleicht ohne Noth, aber
schwerlich je ohne Grund. Nur in gleichgültigen Fällen hab ich den Text
vorgezogen, der sich am wohllautendsten übertragen ließ. So ist
allerdings mein Text kein kritischer; aber er wird dem endgültig durch
die Kritik herzustellenden in den meisten Fällen vorgearbeitet haben.

Die bisherigen kritischen Ausgaben haben sich Einer der drei Faßungen
des Textes, welche man mit A, B und C zu bezeichnen pflegt, näher
angeschloßen: die von der Hagensche von 1826 hielt sich an B (St.
Galler Handschrift), die Lachmannsche an A, die Holtzmannsche und
Zarnckesche an C, und indem Jeder die seinige für die echte und
alleinseligmachende erklärte, erwarben sie sich das große Verdienst,
uns von jeder dieser drei Faßungen ein zuverläßiges und anschauliches
Bild vor Augen gestellt, und so der Ermittelung des ursprünglichen
allen dreien zu Grunde liegenden Textes Vorschub geleistet zu haben.
Einen Anfang zu solcher Kritik hat Bartsch (Untersuchungen über das
Nibelungenlied, 1865) gemacht; aber seine Ausgabe, die zu B
zurückgekehrt ist, benutzt die gewonnenen Ergebnisse nur theilweise.
Der Text des ersten Dichters, der die vorhandenen Lieder mit Hülfe des
lateinischen Nibelungenliedes Konrad des Schreibers zu einem Ganzen
verband, wird zwar schwerlich jemals hergestellt werden können, denn
das Gedicht scheint seitdem mehrfache Ueberarbeitungen erfahren zu
haben, theils um die Sprache zu verjüngen, theils um Versbau und Reim
mit den Ansprüchen der neuern Zeit in Uebereinstimmung zu bringen;
offenbar sind auch große Theile des Gedichts aus der knappen Weise des
Volkslieds, die sich z.B. in Lachmanns viertem Liede zeigt, von höfisch
gebildeten Volkssängern in die reichere, glänzendere und gefühlvollere
Darstellung, die wir an den Rüdigern betreffenden Abenteuern bewundern,
umgebildet worden, wenn dieß nicht schon, wie Wackernagel (Sechs
Bruchstücke 1866, S. 30 ff.) annimmt, an den Liedern selbst, vor ihrer
Aufnahme in das Gedicht, geschehen war: wir müßen ihm aber so nahe zu
kommen suchen als möglich.

Daß die strophische Eintheilung schon dem _ersten_ Dichter des Ganzen
vorschwebte, scheint mir keineswegs außer allen Zweifel gestellt, viel
weniger, daß sie auch schon in den Liedern, welche er benutzen konnte,
durchgesetzt war: darum kann ich die Forderung, daß der Sinn nicht aus
einer Strophe in die andere übergehen solle, nicht für haltbar ansehen,
während Mittelreime, ein anderes Lachmannsches Kennzeichen unechter
Strophen, sich schon in den ältesten der Nibelungenstrophe verwandten
Liedern finden, und sich auch Jedem, der in dieser Strophe zu dichten
versucht, von selber aufdrängen. Das neuere Hildebrandslied, Uhland
330, hat dagegen nicht einen einzigen Mittelreim; die aus B
eingeschaltete Warnung vor einer Art Pulververschwörung (28. Abenteuer)
gleichfalls keine und das Abenteuer mit Gelfrat und Else (Str.
1561-1566), das ein ebenso müßiger Einschub ist, hat nur einen, während
Sie in ältern und echten Theilen nicht gar selten sind, wo freilich
Lachmann die ungenauern übersieht, und die, welche nur auf eine Hebung
reimen, gar nicht in Anschlag bringt. Ich denke mir hiernach den
Hergang wie folgt. Zuerst waren nur einzelne Lieder vorhanden, wie wir
in der Edda die ganze Heldensage in Liedern dargestellt finden, die ich
für Uebersetzungen deutscher halte, freilich sehr unvollkommen durch
das Gedächtniss überliefert. Diese Lieder waren in alliterierenden
Langzeilen verfaßt, wie uns davon im Hildebrandslied ein Beispiel
vorliegt. Zugleich waren sie vom heidnischen Geist erfüllt, so daß z.B.
der Drachenkampf, Brunhildens Versenkung in den Todesschlaf und
Wiedererweckung durch Siegfried, der durch die Webelohe ritt, und
manches Andere, christlichen Zuhörern nicht wohl mehr ausführlich
vorgetragen werden konnte, von der Blutrache abgesehen, von der wir
nicht wißen wie frühe sie der christliche Geist in Gattenrache
gemildert habe. Dieses seines heidnischen Inhalts wegen muste das
deutsche Epos so gut als das brittische bei Galfred von Monmouth, das
fränkische bei Pseudoturpin einmal, um von den gröbsten Paganismen
gereinigt zu werden, durch das Mönchslatein hindurchgehen, wie es
selbst der Thiersage nicht erlaßen ward, und wie uns dafür im
Waltharius, im Rudlieb die Beispiele, im lateinischen Nibelungenlied
des Schreibers Konrad die Beweise vorliegen.

Dieses lateinische Nibelungenlied, denn ein Lied darf es seines, unserm
Liede entsprechenden Inhalts wegen heißen, wenn es auch in Prosa
verfaßt war, ward auf Befehl Bischof Pilgrims, der zwischen 970-991
Bischof von Paßau war, also unter den ersten sächsischen Kaisern, wo
die lateinische Klosterdichtung in der Blüthe stand, geschrieben, bald
nach dem Waltharius, den Eckehart I. (+ 973) dichtete, und Eckehart IV.
(+ 1036) auf Befehl Bischof Aribos von Mainz (1021-1031) durchsah und
metrisch verbeßerte. Wir fanden hier schon zwei Bischöfe, die sich der
deutschen Heldensage annahmen; ein dritter war Erkenbald, Bischof von
Straßburg (951-991), welchem Gerald den Waltharius, an dem er irgendwie
betheiligt war, mit einer lateinischen Widmung übersandte (Lat. Ged.
von Grimm und Schmeller, S. 61); der vierte, aber leider der letzte,
war Erzbischof Siegfried von Mainz (1060-1081): ihm ward es schon zum
Vorwurf gemacht, daß ihm die deutsche Heldensage noch in Sinn und
Gemüth lag, indem er lieber die Lieder von Etzel und den Amelungen
singen, als den Augustinus und Gregorius vorlesen hörte. Dieß, wenn ich
nicht irre, von Holtzmann selbst zuerst beigebrachte Zeugniss lehrt,
daß die lateinische Klosterdichtung, die sich so gern mit volksmäßigen
oder, was gleichbedeutend ist, deutschen Gegenständen, Heldensagen,
Thiersagen und Volksmärchen beschäftigte, in der sächsischen Zeit noch
von den höchsten Prälaten begünstigt werden durfte, während es ihnen in
der salischen, wo die Geistlichkeit wieder in deutscher Sprache
biblische, namentlich alttestamentliche Gegenstände, und zwar mit
größerer Inbrunst als in der Otfridischen Zeit, behandelte, zum Vorwurf
gereichte: denn eben jener Bischof Günther von Bamberg, der durch das
Ezzolied bekannt ist, wird nach jenem Zeugnisse von Probst Herman
ermahnt, nicht länger mit einem Manne so unchristlicher Gesinnung zu
verkehren, wie ihm jener Erzbischof Siegfried von Mainz, seiner
Vorliebe für die deutsche Heldensage wegen, zu sein schien.

In der Blüthezeit der lateinischen Klosterdichtung, wo unter den
Ottonen die Literatur in deutscher Sprache fast ganz verstummte, konnte
wohl ein _lateinisches_ Nibelungenlied, und als ein solches wird es
auch ausdrücklich bezeugt, aber schwerlich ein deutsches gedichtet,
d.h. in jener Zeit von einem Geistlichen, wie Pilgrims Schreiber Konrad
gewesen sein wird, niedergeschrieben werden. Daß es uns nicht erhalten
blieb, dürfen wir bedauern; es ist aber schwerlich auf unser
Nationalepos ohne Wirkung geblieben: dem Verfaßer des zweiten Theils,
der ursprünglich den Namen der _Nibelunge nôt_ führte, scheint es
vorgelegen zu haben, denn er entnimmt ihm den Namen des Bischofs
Pilgrim, den wahrscheinlich schon sein Schreiber Konrad seinem Bericht
eingefügt hatte. Aber auch dem Dichter des ersten Theils, der
Siegfrieds Tod heißen könnte, hat es vorgelegen, ja ihm war es am
nöthigsten, weil es ihn lehren konnte wie die Lücken seines Gedichts
auszufüllen seien, die durch Ausscheidung der heidnischen Bestandtheile
in der ersten Hälfte der Sage nothwendig entstehen musten. Neben der
lateinischen Erzählung Konrads benutzten beide auch deutsche Lieder,
jüngere und ältere; aber dem Dichter des zweiten Theils lag eine
größere Fülle von Liedern vor, auch waren sie im Wachsthum wohl nicht
so zurückgeblieben als die des ersten: im zwölften Jahrhundert war die
Siegfriedssage, die am Rheine spielt, wo die Einflüße der welschen
Dichtung auf die heimische Sage nachtheiliger wirkten, fast schon
verblasst, während die Dietrichssage, die im zweiten Teil hervortritt,
an der Donau und am Inn noch fortblühte, namentlich aber auch am Hofe
zu Wien Gehör und Pflege fand.

Die ersten neunzehn Abenteuer bilden den ersten Rheinischen Theil des
Gedichts, das seine eigene Einleitung hat in den ersten zwölf Strophen,
die auf den Inhalt des damals wohl schon vorhandenen zweiten Theils
zwar gelegentlich (Str. l, 5, 6) schon Bezug nehmen, aber doch nur von
dem Hofe zu Worms und den burgundischen Helden handeln. Noch
entschiedener gehört der nun folgende _Traum Kriemhildens_ mit der
Deutung der Mutter Str. 13-18 nur zu diesem ersten Theil; es ist aber
ein Lied für sich, das der Dichter vorfand und einrückte. Keineswegs
bildet es einen Bestandtheil des von Lachmann s. g. ersten Liedes,
vielmehr ist es selber das erste und älteste von allen. Es gehört noch
der Zeit an, wo Reim und Alliteration, wie im Liede von der Samariterin
(Lesebuch 35) und noch bei Otfried, nebeneinander zum Schmuck verwendet
wurden. Sein hohes Alter beweist auch, daß der eddische Mythus von
Odin, der als Falke von Gunnlödh entfliegt und von Riesen in
Adlersgestalt verfolgt wird (vergl. Havamal 104-110 und D 58), in
diesem Traume Kriemhilds nachklingt. Das Bild des Falken für den
Geliebten ist also uralt, und weit über die Grenzen Deutschland hinaus
verbreitet gewesen. Vergl. MSF. S. 230. In der ältesten deutschen
Lyrik, die sich aus dem Epos entwickelt hat, kehrt es bei Dietmar von
Eist:

Es stuont ein vrouwe aleine

Lesebuch 58, und den dem Kürnberg zugeschriebenen Liedern zurück. Weil
aber in letztern zu dem Bilde des Falken auch noch die Nibelungenstrophe
kommt, für die kein älteres Zeugniss vorhanden ist, gerieth man auf den
abenteuerlichen Einfall, den Kürnberg nicht etwa bloß für den Verfaßer
unseres Liedes von Kriemhildens Traum, nein des ganzen Nibelungenliedes,
auszugeben!

Was wißen wir denn von Kürnberg? Nichts als daß er eine Weise erfunden
hat.

Ich stuont mir nehtint spâte an einer zinne. Lesebuch 52.

Es ist eine Frau, die hier spricht, wie auch in dem verwandten Liede
bei Dietmar von Eist, dessen soeben gedacht wurde. Auf der Zinne ihrer
Burg stehend, hörte sie von einem Ritter ein Lied singen _in Kürnberges
wise_. Wise kann zweierlei bedeuten, das Versmaß oder die Melodie; wir
wißen also nicht einmal ob dieser Kürnberg der Dichter oder der
Componist der Weise war, in der sie singen hörte, denn schon im
Ezzoliede, Lesebuch 40, war das Amt des Dichters und Componisten
geschieden:

Ezzo begunde scriben, Wille vant die wîse.

Eine Weise war nach Kürnberg benannt, die Weise in der jene Frau singen
hörte, aber nicht, wie man annimmt, die Weise des Liedes, in welcher
sie uns dieß berichtet, also nicht die Nibelungenstrophe noch die sie
begleitende Melodie. Sie hörte ein Lied singen in Kürnbergs Weise; wie
diese Weise lautete oder wie sie beschaffen war, ob eine Gesangweise
oder ein Versmaß gemeint sei, erfahren wir nicht. Dem Kürnberg gehörte
nur die Weise des Liedes, welches die Frau vor ihrer Burg singen hörte;
ihm die Nibelungenstrophe zuzuschreiben, haben wir also nicht den
entferntesten Grund: wie soll er denn nun gar das Nibelungenlied
verfaßt haben?

Man sagt, die Pariser Handschrift der Minnesänger schreibe dem Kürnberg
die in der Nibelungenstrophe gedichteten ältesten Lieder zu: mithin
habe dieser die bei ihm zuerst auftretende Nibelungenstrophe erfunden.
Aber die Pariser Handschrift ordnet bekanntlich die Lieder nach
Verfaßern und diese Verfaßer wieder nach Ständen, indem sie mit Kaiser
Heinrich beginnt, hierauf Könige, Herzoge, Markgrafen, Grafen, Ritter
folgen läßt und Zuletzt mit bürgerlichen Meistern schließt. Für
Volkslieder, die keinen oder doch keinen namhaften Verfaßer haben,
fehlte ihr eine Rubrik. Solche waren aber die dem von Kürnberg, und
ohne bekannten Verfaßer auch die dem Spervogel zugeschriebenen Lieder
und Sprüche. Mit welchem Leichtsinn der Sammler der Pariser
Liederhandschrift sich aus der Sache zog, sehen wir an den Sprüchen,
die er dem _Spervogel_ zuschreibt. Bekanntlich sind es zwei Weisen, in
welchen die dem Spervogel zugewiesenen Sprüche gedichtet sind, eine
größere und eine kleinere. In der größern, die voransteht, begegnet der
Name Spervogel gleich in dem dritten Spruche: der Sammler, der um einen
Namen verlegen war, griff ihn frisch heraus und setzte ihn über beide
Spruchreihen, die jetzt Spervogel verfaßt zu haben schien, obgleich der
dritte Spruch, in welchem er vorkam:

swer suochet rât und volget des, der habe danc,
alse min geselle _Spervogel_ sanc ic.

deutlich besagte, daß nicht der Verfaßer, sondern einer seiner Freunde
diesen Namen führte. Hätte er weiter lesen wollen und wäre bis zum 7.
Spruche der II. Reihe gelangt, in welchem sich _Heriger_ als Verfaßer
angiebt, so würde er wohl diesem, nicht dem Spervogel beide
Spruchreihen zugeschrieben haben. Mich wundert, daß Haupt, der bei
Kaiser Heinrichs Liedern auf das Zeugniss der Pariser Handschrift kein
Gewicht legt und auch schon für _zweifelhaft_ hält, ob die dem Kürnberg
zugeschriebenen Lieder ihm gehören, bei Spervogel, wo der Leichtsinn
des Sammlers am Tage liegt, seinem Zeugniss vertrauen mag. Vergl. MSF.
S. 238.

Daß dem Dichter in jenem 7. Spruch das Alter nicht, wie Haupt meint,
wegen fremder Entkräftung, vielmehr der eigenen wegen zuwider ist,
zeigt die folgende Strophe, wo er es beklagt, nicht zum Bau eines
Hauses griffen zu haben, als ihm zuerst der Bart entsprang, denn darum
müße er jetzt, im Alter, "mit arbeiten ringen". Um zu zeigen, wie enge
diese beiden Strophen zusammengehören und sich untereinander erläutern,
setze ich die erste, worin der Name Heriger erscheint, hieher, weil da
dem _gransprunge man_ eingeschärft wird, bei Zeiten für sichere
Herberge zu sorgen.

Mich müet das alter sêre,
wan ez _Hergêre_
alle sîne kraft benan.
es sol der gransprunge man
bedenken sich enzite,
swenn er ze hove werde leit,
daz er ze gewissen herbergen rite.

Mit demselben Leichtsinn nun wie bei Spervogel geht der Sammler der
Pariser Handschrift, die man auch die Manessische nennt, zu Werke,
indem er dem Kürnberg eine kleine Sammlung volksmäßiger Lieder
zuschreibt, bloß weil ihm die vierte Strophe den Namen Kürnberg darbot.
Ich will nun die ganze Strophe hiehersetzen, und ihr die wahrscheinlich
zu demselben Liede gehörigen Strophen folgen laßen.

"Ich stuont mir nehtint spâte an einer zinne,
dâ hôrt ich einen rîter vil wol singen
in Kürenberges wîse al ûs der menigin.
er muoz mir diu lant rûmen ald ich geniete mich sîn.'--

"Nu brinc mir her vil balde mîn ros, mîn îsengewant,
wan ich muos einer vrouwen rûmen diu lant.
diu wil mich des betwingen daz ich ir holt si:
si muoz der mîner minne immer darbende sin.

Wîb unde vederspil die werdent lihte zam:
swer si ze rehte lucket sô suochent si den man.
als warb ein schoene rîter umb eine vrouwen guot;
als ich dar an gedenke sô stêt wol hôhe mîn muot.'

_Uebersetzung._

"So spät noch stand ich gestern an einer Zinne,
Da hört ich einen Ritter lieblich singen;
In des Kürnbergs Weise es aus der Menge klang:
Er muß das Land mir räumen, sonst leg ich ihn in meinen Zwang."--

"Nun bringt mein Ross und bringt mir mein Eisengewand,
Denn einer Frauen räumen muß ich dieses Land.
Sie will mich zwingen, daß ich ihr gewogen sei:
Sie bleibt meiner Minne immer ledig und frei.

Ein Weib und ein Federspiel, die werden leichtlich zahm:
Wer sie nur weiß zu locken, so suchen sie den Mann.
So warb ein schöner Ritter um eine Fraue gut;
Wenn ich daran gedenke so trag ich hoch meinen Muth."

In der ersten Strophe hört die fürstliche Frau, die gegen Abend an der
Zinne ihrer Burg steht, einen Ritter aus der davor versammelten Menge
ein Lied singen in der Weise Kürnbergs. Diese mag damals sehr bekannt
gewesen sein, jetzt weiß Niemand mehr von ihr. Die Stimme des Ritters,
ja der Ritter selbst, gefällt aber der Fürstin so sehr, daß sie auf ihn
zu fahnden beschließt: ihm soll nur die Wahl bleiben, ihr Geliebter zu
werden oder ihr das Land zu räumen.

Die zweite Strophe, denn das Gedicht ist ein "Wechsel", sehen wir nun
dem Ritter in den Mund gelegt, der seinem Knappen befiehlt, ihm Ross
und Rüstung herbeizubringen, denn er müße einer Frau das Land räumen,
die ihn zwingen wolle, ihr hold zu sein: er möge aber ihr Geliebter
nicht werden. Man sieht, diese zweite Strophe schließt sich genau an
die erste, obgleich sie in der Handschrift weit von ihr entfernt steht.

Die dritte, welche in der Handschrift den Schluß der fünfzehn Strophen
begreifenden kleinen Liedersammlung bildet, setze ich nach Vermuthung
an den Schluß unseres Liedes. Der Ritter fährt fort zu singen: wir
hören wieder das uns schon aus Kriemhildens Traum bekannte Gleichniss
von dem Falken, mit dem aber hier die Frau, nicht der Mann verglichen
wird: "Frauen und Federspiel sind leicht zu zähmen, wenn man sie nur zu
locken versteht." So hat Er es verstanden, und das verleiht ihm hohen
Muth, daß er gewust hat, sich jene fürstliche Frau geneigt zu machen,
von der er sich jedoch nicht feßeln zu laßen gedenkt.

Noch ein andermal hören wir in den s.g. Kürnbergschen Liedern jenes
erste Lied von Kriemhilds Traum nachklingen. Man könnte zur Noth an
dasselbe Liebesverhältniss denken. Das Lied besteht wieder aus drei
Strophen, die dießmal auch in der Handschrift beisammen stehen. Die
Frau ist es wieder, die spricht; sie klagt um den entschwundenen
Geliebten:

"Es hat mir an dem herzen vil dicke wê getân,
daz mich des geluste des ich niht mohte hân
noch niemer mac gewinnen: daz ist schedelich;
jone mein ich golt noch silber, es ist den liuten gelîch.

Ich zôch mir einen valken, mêre danne ein jâr:
dô ich in gezamete als ich in wolte hân,
und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant,
er huop sich ûs vil hohe und vloug in anderin lant.

Sit sach ich den valken schône vliegen,
er vuorte an sînem vuoze sidine riemen
und was im sîn gevidere alrôt guldin.
Got sende si zesamene die geliep weln gerne sin.'

_Uebersetzung._

"Es hat mir an dem Herzen gar manchmal weh gethan,
Daß mich des gelüstete was mir nicht werden kann
Und was ich nie gewinne: der Schade der ist groß;
Nicht mein' ich Gold noch Silber, von den Leuten red ich bloß.

Ich zog mir einen Falken länger als ein Jahr;
Als er nun gezähmt war nach meinem Willen gar,
Und ich ihm sein Gefieder mit Golde wohl bewand,
Er hob sich auf gewaltig und flog in ein ander Land.

Nun sah ich den Falken herrlich fliegen,
Er führt an seinem Fuße seidene Riemen,
Und strahlt' ihm sein Gefieder ganz von rothem Gold;
Gott sende sie zusammen, die sich lieb sind und hold."

In der ersten Strophe beklagt es die Frau, daß sie sich eines Dinges
hat gelüsten laßen, das sie nicht haben konnte und vielleicht nie
gewinnen mag. Das kann auf das Verhältniss zu jenem Ritter gehen:
ausdrücklich fügt sie hinzu, sie denke dabei an Leute, nicht an Gold
noch Silber.

Das zweite Gesetz erwähnt wieder des Federspiels, indem sie mit dem
entflogenen Falken den entschwundenen Geliebten meint. Das Verhältniss
scheint aber hier, wenn es nicht ein anderes ist, vertrauter und
inniger gedacht als wir es aus dem ersten Liede kennen lernten. Sie
hatte den Falken sich nach Wunsch gezähmt, ja sein Gefieder mit Gold
bewunden, wie König Oswald dem Raben, der an seinem Hofe erzogen war,
die Flügel mit Gold beschlagen ließ ehe er ihn als Boten aussandte.

Hier schließt sich das dritte Gesetz an, denn noch der flüchtige, in
andere Lande entwichene Falke schleppte die alten Feßeln nach: er war
"der freie Vogel nicht mehr, er hatte schon Jemand angehört". Seidene
Riemen führt er am Fuße; sein Gefieder war noch von rothem Gold
bewunden. Die Schlußzeile spricht den Wunsch nach Wiedervereinigung der
Liebenden und somit ein größeres Vertrauen auf den Geliebten aus als
das erste Lied und selbst der Anfang des zweiten erwarten ließ.

Zur Vergleichung mag noch das erwähnte Lied Dietmars von Eist mit dem
Bilde des Falken hier stehen:

Es stuont eine vrouwe alleine
und warte über heide
und warte ir liebes,
so gesach si valken vliegen:

"Sô wol dir valke, daz du bist!
du vliugest swar dir liep ist:
du erkiusest in dem walde
einen boum der dir gevalle.

Alsô hân ouch ich getân:
ich erkôs mir selbe einen man;
den welten mîne ougen;
daz nîdent schoene vrouwen.
ouwê, wan lânt si mir mîn liep?
jo engerte ich ir dekeiner trûtes niet.'

_Uebersetzung._

Es stand eine Frau alleine
Und blickte über Haide,
Und blickte nach dem Lieben,
Da sah sie Falken fliegen.

"So wohl dir, Falke, daß du bist!
Du fliegst wohin dir lieb ist.
Du suchst dir in dem Walde
Einen Baum der dir gefalle.

Also hab auch ich gethan:
Ich ersah mir einen Mann,
Den erwählten meine Augen;
Das neiden andre Frauen.
O weh, so laßt mir doch mein Lieb:
Ich stellte ja nach euern Liebsten nie."

Auch ein verwandtes altitalienisches Sonett hat Haupt beigebracht:

Tapina me, che amava uno sparviero!
  amava'l tanto ch'io me ne moria.
  a lo richiamo ben m'era maniero,
  ed unque troppo pascer no'l dovia.

Or è montato e salito si altero,
  assai più altero ehe far non solia,
  ed è assiso dentro a un verziero
  e un' altra donna l'averà in balia.

Isparvier mio, com'io t'avea nodrito!
  sonaglio d'oro ti facea portare,
  perchè nell' uccellar fossi più ardito.

Or sei salito siccome lo mare,
  ed hai rotti li geti, e se' fuggito
  quand eri fermo nel tuo uccellare.

_Freie Nachbildung._

Ich Arme, einen Sperber lieb zu haben!
  So liebt ich ihn, daß Sehnsucht mich verzehrt.
  An meinem Ruf schien sich sein Herz zu laben;
  Oft hat er Kost aus meiner Hand begehrt.

Nun stieg er auf so stolz und so erhaben,
  Viel stolzer als er mir sich je bewährt.
  In einen Garten flog er überm Graben
  Und eine andre Herrin hält ihn werth.

Wie reicht ich dir, mein Sperber, Leckerbißen!
  Goldene Schellen gab ich dir zu tragen,
  Dich freudiger zur Vogeljagd zu wißen.

Nun flogst du hin und läßest mich verzagen:
  Du hast die Bande frevelhaft zerrißen
  Just da du meisterlich verstandst zu jagen.

       *       *       *       *       *

Die nahe Verwandtschaft der beiden angeblich Kürnbergschen Lieder mit
dem von Kriemhildens Traum hat auf den Gedanken geführt, sie möchten
alle drei demselben Dichter gehören. Ein sehr armer Dichter, der
dreimal dasselbe Motiv gebrauchte! Sie können nicht einmal aus
derselben Zeit herrühren: das von Kriemhilds Traum mag nach seinem an
den Mythus anklingenden Inhalt wie nach der fast ganz alliterierenden
Form leicht ein Jahrhundert älter sein.

Weder der Dichter der beiden Lieder vom Falken noch der von Kriemhilds
Traum kann die Nibelungenstrophe erfunden haben: nur die beiden ersten
Gesetze von Kriemhilds Traum bewahren noch den alten Gliederbau dieser
Strophe, und von den sechs ausgehobenen angeblich Kürnbergschen
Gesetzen nur noch das erste und das letzte. Nach dieser ursprünglichen
Gliederung finden wir in den Nibelungen noch eine Anzahl
alterthümlicher Strophen gebildet, bei dem s.g. Kürnberg noch fünf;
einige so gebaute haben sich auch in dem neuern Volkslied erhalten,
z.B. das bekannte

Die Brünnlein, die da fließen, die soll man trinken,
Und wer einen lieben Buhlen hat, der soll ihm winken u.s.w.

Nach ihr war nur die dritte Langzeile um eine Hebung gekürzt; die drei
andern zeigten noch die vollen acht Hebungen der alten epischen, einst
alliterierten Langzeile; nur fiel in den beiden ersten Zeilen, welche
als Aufgesang anzusehen waren, die letzte Senkung aus und die beiden
letzten Hebungen trugen den Reim, der also nur scheinbar klingend war,
denn auf den spätern klingenden Reim fällt nur Eine Hebung, die zweite
Sylbe ist unbetont. Solche zwei Hebungen tragende Reime waren: zinne:
singen, vliegen: riemen, Kriemhilde: wilde, Uoten: guoten. In den
Anfängen der alten Lieder, die stäts am festesten im Gedächtniss
hafteten, hat sich die alte Gliederung am längsten erhalten, so in den
beiden ersten Strophen des Liedes von Kriemhilds Traum, dann Strophe
1362, wo ein Lied und zugleich ein Abenteuer anfängt.

Dô Etzel sîne botschaft zúo dem Rine sándè,
dô vlugen disiu mære von lándè ze lándè.

ferner Nr. 1653, der Anfang des 16. Lachmannschen Liedes:

die boten vür strichen  mit den m'ærèn,
daz die Niblungen zuo den Hiunen wæren,

endlich Nr. 1571, wo nach dem langen störenden Einschub von Gelfrat und
Else das vierte Lachmannsche Lied wieder einsetzt:

Dô die wegemüeden rúowè genâmèn
unde si dem lande nu näher quâmen u. s. w.

An andern Stellen mag die alte Structur durch die Schönheit der Strophe
geschützt worden sein, wie in den beiden aufeinander folgenden Str.
2132 und 2133.

Der Schreiber der Handschrift A, der keinen Sinn mehr für die alte
Metrik hatte, wie er denn auch zweisilbige stumpfe Wörter in die Cäsur
setzte, die zwei Hebungen tragen soll, und der achten Halbzeile oft nur
drei Hebungen giebt, nahm auch schon an vier Hebungen in der zweiten
und vierten Halbzeile Anstoß und gleich in der ersten Strophe, wo er
sie nicht verkennen konnte, glaubte er den Anfang umbilden zu müßen,
was er sonst nicht gebraucht hätte; in der folgenden Strophe ließ er
die scheinbar klingenden Reime bestehen, weil sich hier die genannten
Halbzeilen auch zu drei Hebungen lesen ließen. Durch diese Umbildung
aber geriethen die alten Schlußreime in die Cäsur:

Es troumde Kriemhilde in tugenden der si phlac
wie si einen valken wilde züge manegen tac,

ein Beweis, daß Mittelreime dem Schreiber dieses Textes nicht anstößig
waren, während Lachmann Kriemhilte und wilden schrieb, "um auch den
Schein eines innern Reimes zu vermeiden". Was freilich 'in tugenden der
si phlac' heißen soll ist nicht leicht zu sagen; wahrscheinlich sollte
damit das

in ir hohen eren

des alten Liedes umschrieben werden, denn _in disen_ höhen êren lautete
es wohl erst, als die zwölf Strophen der einem Theaterzettel ähnlichen
Einleitung davor gerückt wurden.

Daß auch viele nur auf Einer Hebung reimende Langzeilen des Aufgesangs
vier Hebungen tragen, hab ich in meiner Schrift: _Die Nibelungenstrophe
und ihr Ursprung_, Bonn 1858, auf die ich überhaupt hier verweisen muß,
näher ausgeführt, und der aufmerksame Leser wird in der gegenwärtigen
Ausgabe zahlreiche Belege dafür nicht übersehen; am auffallendsten ist,
daß sogar Zusatzstrophen in C wie nach 1662 bei stumpfem Reim im
Aufgesang vier Hebungen zeigen: sie sind ohne Zweifel alt und zu einer
Zeit eingeschoben, wo man noch vier Hebungen an diesen Stellen
erwartete.

Es darf nicht irren, daß uns die Nibelungenstrophe zuerst in _Liedern_
entgegentritt, ja daß sie eine lyrische Gliederung zeigt. Was zuerst
letztere belangt, so würde, wenn die Gliederung ganz wegfiele, mithin
auch die vierte Zeile wie in dem spätern Hildebrandston, nur drei
Hebungen trüge, die Strophe in zwei gleiche Hälften auseinanderfallen.
Strophische Behandlung der Langzeile finden wir aber schon in der Edda,
also noch ehe der Reim an die Stelle der Alliteration trat. Die
Verwendung zu Liedern aber darf nicht befremden, denn diese ältesten
Lieder, z.B. die s.g. Kürnbergschen, zeigen noch epische Eingänge, sie
gehören einer Zeit an, wo sich das Lied eben erst dem mütterlichen
Schooß der Epik entwunden hatte: darum tritt sie, wie ich das
Nibelungenstr. 82 näher ausgeführt habe, anfangs noch in epischen
Formen auf, ja entnimmt ihren Inhalt, wie das Gleichniss von dem
Falken, dem Epos.

Wenn die Nibelungenstrophe keine ursprünglich lyrische war, oder der
epische Volksgesang sich ihrer schon früh bemächtigt hatte, so durfte
sich jeder Sänger ihrer bedienen, und der spätere Gebrauch der
Minnesinger, jedem Liede eigenes Maß und eigene Weise zu widmen, deren
Entleihung dann für unerlaubt galt, konnte auf sie noch keine Anwendung
finden.

Diesen Einwand haben sich diejenigen schon selbst gemacht, die der
Nibelungenstrophe, wie sie in der Pariser Handschrift zuerst erscheint,
in Kürnberg einen Erfinder entdeckt haben wollen, dem sie dann mit
überhöfischer Milde auch noch das ganze Nibelungenlied zum Geschenk
machen, einem modernen Lyriker unser tausendjähriges Nationalepos.

Sie setzen aber diesem Einwand entgegen: wenn die Nibelungenstrophe,
die sie ohne Grund Kürnbergs Weise nennen, eine alte Volksweise
gewesen, so würden andere Dichter sich nicht gescheut haben sie
anzuwenden; sie hätten nicht Variationen dieser Strophe erfunden, sie
nicht mit kleinen Modificationen umgebildet: "denn ein geringer
Unterschied," sagt Bartsch, "brauchte nur da zu sein, um eine
Strophenform neben einer schon vorhandenen als neu erscheinen zu
laßen." Demnach wäre denn die Strophe, deren ursprüngliche Gliederung
wir soeben besprochen haben, von dem erträumten Kürnberg so umgebildet,
daß sie bald die ursprüngliche Gliederung behalten, bald wieder in den
zweiten Vershälften des Aufgesangs nur drei Hebungen, oder gar in der
ersten Zeile des Aufgesangs vier, in der zweiten drei tragen durfte;
und der Dichter des Wolfdietrich und schon der Schreiber der
Nibelungenhandschrift A hätte sie so umgebildet, daß es erlaubt war,
der achten Halbzeile bald drei, bald vier Hebungen zu geben. Hatten
aber wirklich diese und andere Umbildungen der Nibelungenstrophe den
angegebenen Grund, daß man kein "Tönedieb" heißen wollte, so müste man
ja glauben, der vorgebliche Kürnberg hätte selber gefürchtet an sich
zum Dieb zu werden durch Anwendung der selbsterfundenen Strophe, da wir
ja auch bei ihm eine Variation derselben finden, und zwar nach
Bartschens eigener Aufstellung (Deutsche Liederdichter S. 1) eine durch
zwei Strophen belegte Variation.

Für uns, die wir als Grundlage beider Theile des Nibelungenliedes,
neben der lateinischen Faßung Konrad des Schreibers, deren Einwirkung
nicht geläugnet werden kann, eine Sammlung er Volkslieder in der
gemeinsamen alten, aber sich allmählich umbildenden Volksweise
annehmen, deren Näthe hier und da noch deutlich zu erkennen sind, uns
fehlt es an Beispielen unveränderter Anwendung der Nibelungenstrophe
bei verschiedenen Dichtern nicht. Der einzige Unterschied, der sich
hervorthut, ist in demselben Liede die ungleiche Zahl der Hebungen in
den Zeilen des Aufgesangs, und die Freiheit hier mit Auslaßung der
Senkung auf zwei Hebungen zu reimen, was sich in den beiden Zeilen des
Abgesangs niemals ereignen kann. Diese Unterschiede sind aber
unwesentlich, da die ganze Strophe sich aus Sangzeilen von acht
Hebungen hervorgebildet hat, die schon, als sie noch alliterierten, um
eine Hebung gekürzt werden durften. Vergl. Nibelungenstrophe §.9.

Soll der Dichter des Nibelungenlieds alte epische Lieder nicht
eingeflochten, soll er nur aus der vielgestaltigen Sage geschöpft, und
die Lieder, die er etwa schon vorfand, in ein neues Maß umgegoßen
haben, warum nannte er dann seinen Namen nicht, warum trat er
bescheiden hinter seinen Quellen zurück? da er doch bei solcher Annahme
ein größerer Dichter gewesen wäre als Wolfram. Will man vergeßen, indem
man den Kürnberg als den Dichter der Nibelungen ausruft, daß es den
Gedichten des volksmäßigen Sagekreises eigenthümlich ist, im Gegensatz
zu der von Veldeke geimpften höfischen Dichtung, keinen Verfaßer zu
haben? Wen will man nächstens für den Dichter der Gudrun ausgeben, der
noch nicht einmal in allen Theilen Lieder zu Grunde liegen, wer soll
den großen Rosengarten, den Ortnit, den Wolfdietrich, den Alphart
gedichtet haben, und wer das deutsche Waltherslied, aus der die
Eckeharte schöpften? Soll dabei mit derselben Freigebigkeit verfahren
werden, womit man das Nibelungenlied an den von Kürnberg verschenkte,
so werden sich ja wohl Namen finden, die uns ebenso leere Schälle sind.
Könnte nicht Spervogel die Gudrun gedichtet haben?--Wen hat man nicht
schon für den Dichter des Nibelungenliedes ausgegeben? Heinrich von
Ofterdingen, von dem ich im "Wartburtkrieg" erwiesen habe, daß er
keineswegs eine fabelhafte Person war, indem er die echten Strophen des
Räthselspiels verfaßt hat, die den zweiten Theil dieses selbst lange
Zeit unenträthselten Gedichtes bilden, dann seinen Beschützer, den
allerdings fabelhaften Klingsor von Ungerland, der aber nicht aus
Ungerland, sondern aus dem Parzival kam, Konrad von Würzburg, Rudolf
von Ems, für den zwei Hohenemser Handschriften angeführt werden
könnten, Walther von der Vogelweide, und endlich den vielleicht wieder
erdichteten Kürnberg, für dessen Dasein als Dichter oder Componisten
wir nur das schwache Zeugniss eines Liedes haben. Johannes von Müller
rieth auf einen schweizerischen Eschenbach von Unspunnen; warum Niemand
auf den baierischen Wolfram, der unter allen höfischen Dichtern dem
heimischen Sagenkreise am vertrautesten war, dem er seinen Friedebrand
von Schotten, seinen Hüteger, seine Hernant und Herlinde und andere
Helden der Nordseesage entnahm, dessen Reim und Sprache deutsch-epische
Färbung zeigt, der die deutsche Alliteration auf die welsche
Namengebung anwandte, der so oft auf die Heldensage und zweimal sogar
auf einzelne Strophen des Nibelungenlieds (1408 5-8 und 1462) anspielt,
und der vielleicht wirklich einmal die Hand an das Gedicht gelegt hat,
nur gewiss nicht die letzte Hand, denn diese merzte gewisse Wolfram
eigenthümliche Reime sorgfältig aus.

Soll ich mich über das ABC der Handschriften erklären, so gestehe ich A
den Vorzug zu, denn obwohl der Schreiber dieser kürzesten Handschrift
überaus nachläßig war, so gab er doch seine alte und gute Vortage
getreulich wieder ohne sich andere Aenderungen als seiner, eine jüngere
Zeit verrathenden metrischen Irrthümer wegen zu gestatten; höchstens
kommen einige schwache Zusatzstrophen wie Str. 3 auf seine Rechnung,
während C, auf der ältesten und sorgfältigsten Handschrift ruhend, und
gleichfalls von einer trefflichen Vorlage ausgehend dem volksmäßigen
Gedicht einen feinern höfischen Schliff zu verleihen sucht. Doch sind
viele Aenderungen in C wahre Verbeßerungen, wie auch das eine ist, daß
wir das ganze Gedicht nun das _Nibelungenlied_ genannt finden, da der
Name der _Nibelunge nôt_ nur auf den zweiten Theil bezogen werden
konnte, zumal die Burgunden im ersten Theil noch nicht Nibelungen
heißen. Von den Strophen, die C allein hat, ist ein Theil echt und alt
und der Ueberarbeiter wird sie schon in seiner Vorlage gefunden haben:
auf Str. 1518 scheint schon Wolfram anzuspielen. Andere sind sehr
schwach und eine, nach Str. 2305, konnte ich mich nicht entschließen
aufzunehmen, weil sie mir das ganze Gedicht verleidet hätte. Sie mag
indes, damit man nichts vermisse, hier stehen, doch ohne Uebersetzung,
deren ich sie nicht würdig halte.

H. 2428.   Er wiste wol diu mære,   sine liez in niht genesen.
           wie möhte ein untriuwe   immer sterker wesen?
           er vorhte, sô si hête    im sînen lip genomen,
           daz si danne ir bruoder  liese heim ze lande komen.

Wie wir Hagens Charakter kennen, hätte er seinem Herrn Leben und
Freiheit gern durch den eigenen Tod erkauft, und hier soll er den Hort
nicht gezeigt haben, weil er fürchtete, Gunther würde dann allein in
die Heimat entlaßen werden!

B enthält die schwachen Strophen nicht, welche A und C hinzufügen,
entbehrt aber auch die echten und guten, die allein C erhalten hat; für
die, welche B selber hinzuthut, müßen wir ihm dankbar sein. Der
sorgfältige Schreiber der in dieser Reihe voranstehenden St. Galler
Handschrift füllt gerne die Senkungen aus und meidet verkürzte Formen.
Sonst stellt sich diese sehr verbreitete Faßung, deren Text man deshalb
den _gemeinen_ genannt hat, zunächst neben A und berichtigt sie oft.

       *       *       *       *       *

Eine geschichtliche Grundlage des Gedichts hat man in der Thatsache
finden wollen, daß um das Jahr 437 der Burgunderkönig Gundicarius mit
seinem Volke von den Hunnen eine vernichtende Niederlage erlitt. Man
beruft sich auch darauf, daß in der lex Burgundionum drei burgundische
Könige, Godomer, Gislahar und Gundahar wie es scheint als Söhne Gibicas
genannt werden, die man in Gernot, Giselher und Gunther, nach der
Heldensage den Söhnen Gibichs (in den Nibelungen heißt der Vater
Dankrat), wiederfinden will. Vergl. W. Grimms Deutsche Heldensage, 2.
Auflage 1867 S. 12. Aber wann die geschichtlichen Beziehungen in die
Sage eingetreten find, wißen wir nicht: sie drangen gelegentlich in die
ursprünglich mythische Heldensage, wurden aber auch wohl wieder
ausgeschieden, wie wir davon ein Beispiel an Otacher haben, der, ein
geschichtlicher Held, im Hildebrandslied den mythischen Sibich
verdrängt hatte, ihm aber späterhin wieder weichen muste. Manche
Thatsachen, die Geschichte und Heldensage gemein haben, können ebenso
gut auch aus der Sage in die Geschichte gedrungen sein, z. B. was
Jornandes von Ermenrich und Swanhildens Brüdern meldet, Grimms
Heldensage S.2.

Daß Worms im Liede als Sitz der Burgundenkönige erscheint hat man als
der Geschichte nicht widersprechend nachgewiesen, indem wirklich die
später an den Rotten (Rhodanus) gezogenen Burgunden zuerst am
Mittelrhein gewohnt hätten. Eine andere Frage ist, ob dieß veranlaßt
hat, Worms zum Schauplatz der Sage zu machen. Ein mythischer Bezug
hängt nämlich schon in dem ältesten Namen dieser Stadt, und dieß könnte
die Anknüpfung der Heldensage vermittelt haben. Bekanntlich lautete er
einst Borbetomagus. "Da magus Feld bedeutet," hieß es schon Rheinland
76, "so ist dieß nicht sowohl der Name der Stadt als des Gaus, das wir
auch Wormsfeld genannt finden, wie Maifeld und Maiengau wechseln. In
_Borbet_, das uns für den Namen der Stadt übrig bleibt, ist das
anlautende b später zu w geworden;" wir werden aber sogleich sehen wie
w und b mundartlich wechseln. Nehmen wir es indes für Worbet, so
erkennen wir leicht den urkundlich vielfach beglaubigten Namen einer
der tria fata, die, deutschem und keltischem Glauben gemein, uns
(Deutschen) Schwestern, den romanisierten Kelten Mütter oder Matronen
hießen; ausführlich habe ich von ihnen Handbuch der Mythologie §. 103
gehandelt. Im südlichen und nordwestlichen Deutschland, also in unserm
Rheinland kehren diese Schwestern unzählig oft wieder: sie werden noch
jetzt zum Theil mit veränderten Namen als Heilige verehrt: in der
kölnischen Diöcese mit dem Erzbischof Pilgrim (nicht dem Paßauer) unter
dem Namen der drei christlichen Cardinaltugenden Spes, Fides, Caritas;
in der trierischen zu Bornhoven, zu Auw unter verschiedenen; im
südlichen Deutschland in weit entlegenen Landestheilen, Tyrol, Worms
und Straßburg, in Oberbaiern und Niederbaiern unter sich stäts gleich
bleibenden, nur wenig abweichenden Namen, welche sich auf _Einbett_,
_Wilbett_ und _Warbett_ zurückführen laßen. Das gemeinsame _-bett_
kehrt auch sonst gern wieder, wo die drei Schwestern jetzt unter andern
Namen verehrt werden, und selbst in der kölnischen Diöcese ist das z.B.
in Bettenhoven der Fall, so daß selbst unseres Beethovens Name hieher
gehören möchte. Nach Panzer, Baierische Sagen, verehrt man sie als

1. S. Anbetta, S. Gwerbetta, S. Villbetta zu Meransen in
   Tyrol, Panzer I, S. 5.

2. S. Ainbett, S. Wolbett, S. Vilbett zu Schlehdorf in
   Oberbaiern. P. 23.

3. S. Ainpet, S. Gberpet, S. Firpet zu Leutstetten in Oberbaiern.
   P. 31.

4. S. Einbeth, S. Warbeth, S. Wilbeth zu Schildturn in
   Niederbaiern. P. 69.

5. S. Einbede, S. Warbede, S. Villebede zu Worms. P. 206.

6. S. Einbetta, S. Worbetta, S. Wilbetta in Straßburg.
   P. 208.

Die letzte Namensform, unter welchen die mittlere Schwester erscheint,
Worbetta, kann zur Erklärung des alten Namens Borbetomagus verwandt
werden. Wir sahen unter 3, daß in S. Gberpet b statt w eingetreten war;
wandeln wir den urkundlichen Namen Worbetta in derselben Weise, wie
wirklich _Barbeth_ bei Panzer 69 begegnet, so haben wir Borbetta, also
gerade die Namensform, die wir bedürfen. Von Borbet, der mittlern der
drei Schwertern, wird also Worms (Borbetomagus) heißen, und es liegt
nahe, Aehnliches von dem alten Namen der Stadt Metz, Civitas
Mediomatricorum, zu vermuthen: von der mittlern der drei Schwestern,
die den Kelten Mütter hießen, hat auch sie den Namen. Diese mittlere
ist die mächtigere der dreie, ja die eigentliche Gottheit, die sich in
ihren Schwestern nur vervielfältigt. So steht auch in Upsala Thôr als
der mächtigste in der Mitte zwischen Wodan und Fricco, "ita ut
potentissimus", sagt Adam von Bremen, "in medio solium habeat
triclinio; hinc et inde locum possident Wodan et Fricco. Gr. Myth. 102.
Uhland Schriften VI, 176. Da wir diese, die nicht zufällig in allen
sechs Meldungen in der Mitte stehen kann, bei Panzer 61, 275, 297 auch
Held, ja Rachel (die rächende Hel) Panzer 18, 83, 372 genannt finden,
So ergiebt sich, daß sie Hel, die verborgene Göttin, ist, die als
Göttin der Unterwelt ebenso Tod als Leben spendet, indem alles Leben
von ihr ausgeht und wieder in ihren mütterlichen Schooß zurückkehrt.
Dazu stimmt, daß diese drei Schwestern, die wir den Nornen, deutschen
Parzen, gleichstellen dürfen, bei Panzer 53 auch _Hailräthinnen_
genannt finden, weil sie die Schicksale der Menschen beriethen, ja daß
sie nicht nur wider die Pest angerufen wurden, Panzer 23, 70, 110,
sondern auch bei Entbindungen Hülfe gewährten (Panzer 362), wie
Schwangere auch bei den Alten die diva triformis anriefen, Hor. III,
22. Ihre Namen sind mit -bett zusammengesetzt, wie wir auch von
Hünenbetten, von Brunhildebette u.s.w. wißen, was ich Handb. der Myth.
368 auf den heidnischen Opferaltar (piot goth. biuds, oder petti goth.
badi lectisternium) gedeutet habe, der in dem Walde (lucus) stand, der
ihnen einst geheiligt war, und der jetzt der Gemeinde von ihnen
geschenkt sein sollte. Nimmt man diesen zweiten Theil der
Zusammensetzung, -bett, als nur auf ihren Tempel (Hof) bezüglich
hinweg, so erklärt sich die erste Sylbe in Einbett aus Agin, Egin
Schrecken, wie Einhart auch Eginhart heißt. Sie ist die Todesgöttin,
die finstere Seite der Hel. Freundlicher lautet der dritte Name
Wilbett, die willfährige, Wunsch und Willen gewährende, die lichte
Seite der verborgenen Göttin. Nicht so einleuchtend ist der mittlere
Name, Warbett oder Gwerbett, aus Zwist und Streit zu erklären; doch
kann er auf den innern Gegensatz im Wesen der Göttin, die bald lohnend,
bald strafend auftritt, bezogen werden. Die Namen aus der deutschen
Sprache zu deuten, gestattet Cäsars Meldung (B.G. II. 51) über die
Vangionen in Ariovists Heer, womit Tacitus (ipsam Rheni ripam haud
dubie Germanorum populi colunt, Vangiones, Triboci, Nemetes. Germ. 28)
und Plinius IV, 17 stimmt. Sie wohnten, ein deutsches Volk, im
keltischen Lande, weshalb es nicht auffallen kann, wenn der Name ihrer
Hauptstadt Borbetomagus eine vox hybrida ist, da wir -magus als ein
keltisches Wort kennen. Wir sehen aber, wie ich schon Handb. 368
bemerkte, wie irrig die Annahme unserer Rheinischen Alterthumsforscher
über die Matronenculte ist, daß alle diese Gottheiten der celtischen,
nicht der germanischen Sprache angehörten, wogegen sich Grimm schon bei
Gelegenheit der den matronis arvagastiabus und andrustehiabus
gewidmeten Votivsteine aussprach. Ob auch die Namen Kriemhild und
Brunhild, die wir in den Nibelungen in Worms finden, auf die beiden
entgegengesetzten Seiten der Unterweltsgöttin zu deuten seien, getraue
ich mir nicht zu entscheiden; gewiss ist nur, daß -hilde eine Nebenform
von Hel ist: es steht für hilende, wie spilde (Walther 45, 38) für
spilende, und bezeichnet die verhohlene und verhehlende, verborgene und
verbergende Göttin. Wenn in Kriemhild die erste Sylbe nicht aus grîma,
Larve, Helm, Rüstung, sondern aus Grimm, Wuth, atrocitas zu deuten ist,
wie in der Edda nicht sie, sondern ihre Mutter Grimhild heißt, so
möchte sie an die finstere Seite der Göttin gemahnen, obgleich die im
ersten Theil noch holdselig erschienen war, erst im zweiten als ihres
geliebten Gemahls furchtbare Rächerin auftritt.

Kleine Druckversehen, einige fehlende Circumflexe, einige dô für dâ
u.u. bittet man zu verbeßern.

Bonn im Juni 1868.                                         K.S.



Vorrede

zur ersten Auflage der Uebersetzung.

Schon vor manchen Jahren, als ich das Lied der Nibelungen zuerst kennen
lernte und mit Staunen die Wirkungen wahrnahm, die das herrliche
Gedicht auf mein Gemüth hervorbrachte, entstand in mir der Wunsch,
diese reinen kräftigen Töne in neuhochdeutscher Dichtersprache
widerhallen zu hören. Um so mehr wunderte ich mich bei dem Fleiße,
welchen Männer wie Voss, Schlegel, Tieck u.A. ausländischen
Dichterwerken widmeten, ja bei der Pflege, welche sogar einem
niederdeutschen Gedichte zu Theil ward, daß keiner unserer Dichter das
Nibelungenlied einer gleichen Aufmerksamkeit würdigte. Denn Tieck hatte
seinen früher angekündigten Vorsatz einer Uebertragung desselben nicht
zur That reifen laßen und Uebersetzungen von Philologen, wie Von der
Hagen und Büsching, entsprachen den künstlerischen Anforderungen nicht.
Die Hagensche steht namentlich der Sprache der Urschrift für den Zweck
der Verständlichkeit allzunahe, und die Büschingsche ist fast nur eine
prosaische mit beibehaltenen Endreimen. Lange harrte ich daher
vergebens, ob nicht einer unserer gefeierten Sänger, von denen mir
besonders Uhland, Rückert und Gustav Schwab zu einem solchen
Unternehmen berufen schienen, der gegen das Gedicht einreißenden und
durch die bisherigen Bearbeitungen nur gesteigerten Gleichgültigkeit
des größern Publikums steuern werde. Mögen es also die Kunstrichter,
wenn sie können, entschuldigen, daß ein ruhmloser Jünger der Kunst,
dessen Name vor ihren kritischen Stühlen kaum noch erscholl, seine
geringen Kräfte an einer Arbeit versucht hat, deren fast
unüberwindliche Schwierigkeiten so viele erprobte und fähigere Männer
abgeschreckt zu haben scheint.

Eine Rechtfertigung des Unternehmens von Seiten der Nützlichkeit bedarf
es nicht. Es ist albern zu glauben, daß eine Uebersetzung dem Studium
des Originals Abbruch thun werde, vielmehr wird sie es erleichtern und
befördern, und die gegenwärtige ist durch ihre Leichtverständlichkeit
und Wohlfeilheit darauf berechnet, denselben recht viele Theilnehmer zu
gewinnen. Hoffentlich wird Mancher, der bis jetzt die poetische
Schönheit des Gedichts nicht geahnt hatte, und sie nun erst durch die
Uebersetzung kennen lernt, sich das Studium des Originals nicht
verdrießen laßen, während er früher die damit verbundene Anstrengung
scheute, weil er nicht wuste ob er dafür durch einen entsprechenden
geistigen Genuß werde entschädigt werden. Bei diesem Studium selbst
bietet ihm die Uebersetzung abermals ein willkommenes Hülfsmittel dar.
Eben so wenig Berücksichtigung verdient der andere Einwurf, daß sich
das Original ohne Beihülfe einer Uebersetzung verstehen laße, und wenn
Manche (wie A.W. von Schlegel) sogar meinen, es müste dahin kommen, daß
jeder Bürger und Bauer sein Nibelungenlied in der Ursprache lese, wie
jeder Grieche seinen Homer, so sind das Träume, die, wenn sie je in
Erfüllung gehen sollten, nur durch Uebersetzungen, die das Volk erst
belehrten, welchen Schatz es an dem Gedichte besitzt, verwirklicht
werden könnten.

Wenn das Titelblatt die Uebersetzung eines mittelhochdeutschen Gedichts
ankündigt, so kann darunter allerdings nur eine Uebertragung in die
neuhochdeutsche Sprache verstanden werden; allein man darf darum nicht
fordern, daß auch jedes darin zugelaßene Wort neuhochdeutsch sein
solle: vielmehr genügte, im Ganzen die Formen der neuhochdeutschen
Grammatik zu Grunde zu legen, was von den frühern Uebersetzern nicht
geschehen war, und die Anforderung allgemeiner Verständlichkeit nie
unberücksichtigt zu laßen. Man kann auch die neuhochdeutsche Sprache
noch von der Sprache unserer neuern Dichter unterscheiden, in welche
Manches aufgenommen ist, was mehr der mittelhochdeutschen anzugehören
scheint. Eben dieß aber kam mir bei der Uebersetzung wesentlich zu
Gute, indem ohne dieß die kindliche Naivetät, die treuherzige Einfalt
des Ausdrucks verloren gegangen wäre, und die alterthümliche Farbe des
Gedichts völlig hätte verwischt werden müßen. Alles freilich was sich
neuhochdeutsche Dichter der letzten Zeit wohl erlaubt haben, verbot die
Rücksicht auf allgemeine Faßlichkeit zu benutzen; Worte aber wie Degen,
Recke, Minne, und Fügungen wie "Schwester mein", statt meine Schwester
werden nirgend Anstoß erregen. Das beste Muster einer dem
Mittelhochdeutschen angenäherten und doch mit alterthümlichen Anklängen
nicht überladenen Sprache schienen mir Uhlands Romanzen darzubieten,
und man wird finden, daß ich mich bestrebt habe, ihm nachzufolgen;
Tiecks Behandlung aber dünkte mich zu gewaltthätig und namentlich
enthalten seine Romanzen von Siegfried Freiheiten, die weder die
heutige noch die ältere deutsche Sprache verstattete. Dieß mit Achtung
vor dem Genius des Dichters.

Was die Versart der Urschrift betrifft, die sich der Uebersetzer bemüht
hat so genau als möglich nachzubilden, so darf man nicht vergeßen, daß
in den Nibelungen weder wie bei uns heutzutage die Verse nach Füßen
gemeßen, noch wie bei unsern Nachbarn die Sylben gezählt werden.
Vielmehr zählt man bloß die Hebungen, deren in jedem Halbvers drei, in
der zweiten Hälfte des vierten Verses jeder Strophe aber gewöhnlich
vier vorkommen, ohne daß ihnen eine gleiche Anzahl von Senkungen zu
entsprechen brauchte. Es geschieht daher häufig, daß die Hebungen in
aufeinander folgende Sylben zu stehen kommen, wie dieß gleich im
zweiten Verse der Uebersetzung

Von préiswérthen Helden, von kühnem Wágespiel

der Fall ist, obgleich sich dieselbe Erscheinung im Original erst in
der ändern Hälfte des Verses zeigt. Dagegen hat gleich der fünfte Vers:

Es wúchs in Búrgónden   ein édel Mägdelein

die Hebungen auf derselben Stelle wie das Original nebeneinander. Wie
groß daher der Unterschied des eigentlichen Nibelungenverses von dem
sei, was man gewöhnlich dafür ausgiebt, und wie sehr dieses an Wohllaut
und Mannigfaltigkeit von jenem übertroffen wird, kann die Vergleichung
des zweiten der in der "Einleitung" mitgetheilten Gedichte mit der
"Weihe" lehren. Am Schluß der Verse bloß männliche Reime zu gestatten,
wie der Urtext nur "stumpfe" zuläßt und die "klingenden" ausschließt,
war nicht thunlich, weil die Pflicht, so viel als mit der
neuhochdeutschen Sprache verträglich von dem Urtext zu retten, manche
Schlußreime des Originals beizubehalten gebot, diese aber wegen des
kurzen Vocals in der ersten Sylbe, welcher die erste stumm macht, nach
mittelhochdeutscher Verskunst für stumpfe (männliche) Reime galten,
während sie nach den unsrigen für weibliche, oder wenn man so sagen
soll, für klingende gehalten werden.

Hinsichtlich des Textes bedarf es bloß der Angabe, daß ich in der Regel
dem Lachmannschen gefolgt bin, auf welchen sich auch die Strophenzahlen
beziehen; daß ich aber auch weniger alte und verbürgte Strophen anderer
Ausgaben aufgenommen, jedoch mit einem Sternchen bezeichnet habe.

Man wird mir schwerlich vorwerfen können, allzufrei übertragen zu
haben. Worttreue ist keine Pflicht: sie gleicht der Treue Eulenspiegels
zu seinem Meister dem Schneider. Wie vieler Verbeßerungen aber die
Uebersetzung noch fähig wäre, fühlt Niemand lebhafter als ich, der,
obgleich ich das Manuscript kurz vor dem Drucke einer nochmaligen
strengen Durchsicht unterwarf, schon jetzt an dem mir vorliegenden
ersten Aushängebogen wieder Tausenderlei auszustellen hätte ohne darum
an dem Unternehmen irre zu werden; denn wann dürfte bei einem solchen
Werke die kritische Feile ruhn? Die Aufnahme, die diesem ersten
Versuche seitens des großen Publicums zu Theil werden wird, und die
Nachhülfe, die ich von belehrenden Kritiken sachkundiger Männer
erwarte, mögen darüber entscheiden, ob ich ihn dereinst in
vollendeterer Gestalt der Welt vorlegen werde. Möchte der Leser nur
einen Theil des Genußes empfinden, welchen die Arbeit dem Uebersetzer
gewährte!

_Berlin_, den 12. December 1826.

       *       *       *       *       *

Weihe

an Friedrich Baron de la Motte Fouqué.

Vom Ursitz deutscher Völker, aus ferner Heidenzeit
Erklingt uns eine Kunde von Lieb und Heldenstreit;
Sie lebt in zwei Gestalten bei deutschen Stämmen fort
Und sie ist unsres Volkes urerster Schirm und Hort.

Die Eine, werther Sänger, hat Dein Gesang verklärt,
Von Deinem treuen Geiste durchglühet und genährt:
Nun leuchtet in Walhalla, den Asen beigesellt,
Sigurd der Schlangentödter, der edle Norderheld.

Die Andre bringt ein Jünger dafür zum Dank Dir dar,
Ein Lied des Deinen würdig, durch Andrer Sangkunst zwar:
Es wurzelt in dem Boden der starren Heidennacht,
Vom milden Christenhimmel das Laubwerk überdacht.

Wär Deine fromme Treue, die nie von Arg gewust,
Dein Herz voll Kraft und Milde in jeder deutschen Brust,
Der Name flöge wieder bis an die Sternenwand
Siegfrieds des Drachentödters vom Nibelungenland.

_Bonn_, den 4. November 1826.

       *       *       *       *       *

_An Karl Simrock._

Dankesgruß für die Zueignung des Nibelungenliedes.

Wer Lieder wagt zu singen im deutschen Dichterwald
Weckt meist vielfaches Tönen, das rings ihm wiederhallt.
Doch das altgute Spruchwort: "Es schallt vom Wald heraus
Wie's in den Wald hineinschallt," geht hier nicht immer aus.

Schon Mancher hat gesungen in treuer Lieb und Lust,
Und Schmähruf drang entgegen zerstachelnd ihm die Brust:
Da gilts denn freilich Sanglust, wenn fort man singen soll;
Doch Herz quillt immer über, ist nur das Herz recht voll.

So hats der treue Siegfried in Wort und That gemacht;
Lohnt' ihm das Wer mit Undank, des hatt' er wenig Acht,
Er blieb ein treuer Degen wie ehmal so fortan
Und so solls nach ihm machen jedweder echte Mann.

Er frage nach dem Lohn nicht; Gott schickt von selbst ihm Lohn,
Weckt aus verwandten Herzen ihm manch verwandten Ton.
So hast Du mir gesungen: vom Herzen giengs ins Herz:
Wir pilgern treu verbunden durchs Weltthal himmelwärts.

L.M. Fouqué.

       *       *       *       *       *

Einleitung.

_Der Nibelungenhort._

I.

Es war einmal ein König,
Ein König wars am Rhein,
Der liebte nichts so wenig
Als Hader, Gram und Pein.
Es grollten seine Degen
Um einen Schatz im Land
Und wären fast erlegen
Vor ihrer eignen Hand.

Da sprach er zu den Edeln:
"Was frommt euch alles Gold,
Wenn ihr mit euern Schedeln
Den Hort erkaufen sollt?
Ein Ende sei der Plage,
Versenkt es in den Rhein:
Bis zu dem jüngsten Tage
Mags da verborgen sein."

Da senkten es die Stolzen
Hinunter in die Flut;
Es ist wohl gar geschmolzen,
Seitdem es da geruht.
Zerronnen in den Wellen
Des Stroms, der drüber rollt,
Läßt es die Trauben schwellen
Und glänzen gleich dem Gold.

Daß doch ein Jeder dächte
Wie dieser König gut,
Auf daß kein Leid ihn brächte
Um seinen hohen Muth.
So senkten wir hinunter
Den Kummer in den Rhein
Und tränken froh und munter
Von seinem goldnen Wein.


II.

Einem Ritter wohlgeboren   im schönen Schwabenland
War von dem weisen Könige   die Märe wohlbekannt,
Der den Hort versenken ließ   in des Rheines Flut:
Wie er ihm nachspüre   erwog er lang in seinem Muth.

"Darunter lag von Golde   ein Wunschrüthelein;
Wenn ich den Hort erwürbe,   mein eigen müst es sein:
Wer Meister wär der Gerte,   das ist mir wohl bekannt,
Dem wär sie nicht zu Kaufe   um alles kaiserliche Land."

Auf seinem Streitrosse   mit Harnisch, Schild und Schwert
Verließ der Heimat Gauen   der stolze Degen werth:
Nach _Lochheim_ wollt er reiten   bei Worms an dem Rhein,
Wo die Schätze sollten   in der Flut begraben sein.

Der werthe Held vertauschte   sein ritterlich Gewand
Mit eines Fischers Kleide,   den er am Ufer fand,
Den Helm mit dem Barete,   sein getreues Ross
Mit einem guten Schifflein,   das lustig auf den Wellen floß.

Seine Waffe war das Ruder,   die Stange war sein Sper:
So kreuzt er auf den Wellen   manch lieben Tag umher
Und fischte nach dem Horte;   die Zeit war ihm nicht lang;
Er erholte von der Arbeit   sich bei Zechgelag und Gesang.

Um das alte Wormes   und tiefer um den Rhein
Bis sich die Berge senken,   da wächst ein guter Wein:
Er gleicht so recht an Farbe   dem Nibelungengold,
Das in der Flut zerronnen   in der Reben Adern rollt.

Den trank er alle Tage,   beides, spät und früh,
Wenn er Rast sich gönnte   von der Arbeit Müh.
Er war so rein und lauter,   er war so hell und gut,
Er stärkte seine Sinne   und erhöht' ihm Kraft und Muth.

Auch hört er Märe singen,   die sang der Degen nach,
Von Alberich dem Zwerge,   der des Hortes pflag,
Von hohem Liebeswerben,   von Siegfriedens Tod,
Von Kriemhilds grauser Rache   und der Nibelungen Noth.

Da nahm der Degen wieder   das Ruder an die Hand
Und forschte nach dem Horte   am weingrünen Strand.
Mit Hacken und mit Schaufeln   drang er auf den Grund,
Mit Netzen und mit Stangen:   ihm wurden Mühsale kund.

Von des Weines Güte   empfieng er Kraft genug,
Daß er des Tags Beschwerde   wohlgemuth ertrug.
Sein Lied mit stolzer Fülle   aus der Kehle drang,
Daß es nachgesungen   von allen Bergen wiederklang.

So schifft' er immer weiter   zu Thal den grünen Rhein,
Nach dem Horte forschend   bei Hochgesang und Wein.
Am großen Loch bei Bingen   erst seine Stimme schwoll,
Hei! wie ein starkes Singen   an der Lurlei widerscholl!

Doch fand er in der Tiefe   vom Golde keine Spur,
Nicht in des Stromes Bette,   im Becher blinkt' es nur.
Da sprach der biedre Degen:   "Nun leuchtet erst mir ein:
Ich gieng den Hort zu suchen:   der große Hort, das ist der Wein.

"Der hat aus alten Zeiten   noch bewahrt die Kraft,
Daß er zu großen Thaten   erregt die Ritterschaft.
Aus der Berge Schachten   stammt sein Feuergeist,
Der den blöden Sänger   in hohen Thaten unterweist.

"Er hat aus alten Zeiten   mir ein Lied vertraut,
Wie er zuerst der Wogen   verborgnen Grund geschaut;
Wie Siegfried ward erschlagen   um schnöden Golds Gewinn
Und wie ihr Leid gerochen   Kriemhild, die edle Königin.

"Mein Schifflein laß ich fahren,   die Gier des Goldes flieht,
Der Hort ward zu Weine,   der Wein ward mir zum Lied,
Zum Liede, das man gerne   nach tausend Jahren singt
Und das in diesen Tagen   von allen Zungen wiederklingt.

"Ich gieng den Hort zu suchen,   mein Sang, das ist der Hort,
Es begrub ihn nicht die Welle,   er lebt unsterblich fort."
Sein Schifflein ließ er fahren   und sang sein Lied im Land:
Das ward vor allen Königen,   vor allen Kaisern bekannt.

Laut ward es gesungen   im Lande weit und breit,
Hat neu sich aufgeschwungen   in dieser späten Zeit.
Nun mögt ihr erst verstehen,   ein altgesprochen Wort:
"Das Lied der Nibelungen,   das ist der Nibelungenhort."

K. S.

       *       *       *       *       *



Das Nibelungenlied.



Erstes Abenteuer.

Wie Kriemhilden träumte.


Viel Wunderdinge melden   die Mären alter Zeit                        1
Von preiswerthen Helden,   von großer Kühnheit,
Von Freud und Festlichkeiten,   von Weinen und von Klagen,
Von kühner Recken Streiten   mögt ihr nun Wunder hören sagen.

Es wuchs in Burgunden   solch edel Mägdelein,                         2
Daß in allen Landen   nichts Schönres mochte sein.
Kriemhild war sie geheißen,   und ward ein schönes Weib,
Um die viel Degen musten   verlieren Leben und Leib.

Die Minnigliche lieben   brachte Keinem Scham;                        3
Um die viel Recken warben,   Niemand war ihr gram.
Schön war ohne Maßen   die edle Maid zu schaun;
Der Jungfrau höfsche Sitte   wär eine Zier allen Fraun.

Es pflegten sie drei Könige   edel und reich,                         4
Gunther und Gernot,   die Recken ohne Gleich,
Und Geiselher der junge,   ein auserwählter Degen;
Sie war ihre Schwester,   die Fürsten hatten sie zu pflegen.

Die Herren waren milde,   dazu von hohem Stamm,                       5
Unmaßen kühn nach Kräften,   die Recken lobesam.
Nach den Burgunden   war ihr Land genannt;
Sie schufen starke Wunder   noch seitdem in Etzels Land.

In Worms am Rheine wohnten   die Herrn in ihrer Kraft.                6
Von ihren Landen diente   viel stolze Ritterschaft
Mit rühmlichen Ehren   all ihres Lebens Zeit,
Bis jämmerlich sie starben   durch zweier edeln Frauen Streit.

Ute hieß ihre Mutter,   die reiche Königin,                           7
Und Dankrat ihr Vater,   der ihnen zum Gewinn
Das Erbe ließ im Tode,   vordem ein starker Mann,
Der auch in seiner Jugend   großer Ehren viel gewann.

Die drei Könge waren,   wie ich kund gethan,                          8
Stark und hohen Muthes;   ihnen waren unterthan
Auch die besten Recken,   davon man hat gesagt,
Von großer Kraft und Kühnheit,   in allen Streiten unverzagt.

Das war von Tronje Hagen,   und der Bruder sein,                      9
Dankwart der Schnelle,   von Metz Herr Ortewein,
Die beiden Markgrafen   Gere und Eckewart,
Volker von Alzei,   an allen Kräften wohlbewahrt,

Rumold der Küchenmeister,   ein theuerlicher Degen,                  10
Sindold und Hunold:   die Herren musten pflegen
Des Hofes und der Ehren,   den Köngen unterthan.
Noch hatten sie viel Recken,   die ich nicht alle nennen kann.

Dankwart war Marschall;   so war der Neffe sein                      11
Truchseß des Königs,   von Metz Herr Ortewein.
Sindold war Schenke,   ein waidlicher Degen,
Und Kämmerer Hunold:   sie konnten hoher Ehren pflegen.

Von des Hofes Ehre   von ihrer weiten Kraft,                         12
Von ihrer hohen Würdigkeit   und von der Ritterschaft,
Wie sie die Herren übten   mit Freuden all ihr Leben,
Davon weiß wahrlich Niemand   euch volle Kunde zu geben.

In ihren hohen Ehren   träumte Kriemhilden,                          13
Sie zög einen Falken,   stark-, schön- und wilden;
Den griffen ihr zwei Aare,   daß sie es mochte sehn:
Ihr konnt auf dieser Erde   größer Leid nicht geschehn.

Sie sagt' ihrer Mutter   den Traum, Frau Uten:                       14
Die wust ihn nicht zu deuten   als so der guten:
"Der Falke, den du ziehest,   das ist ein edler Mann:
Ihn wolle Gott behüten,   sonst ist es bald um ihn gethan."

"Was sagt ihr mir vom Manne,   vielliebe Mutter mein?                15
Ohne Reckenminne   will ich immer sein;
So schön will ich verbleiben   bis an meinen Tod,
Daß ich von Mannesminne   nie gewinnen möge Noth."

"Verred es nicht so völlig,"   die Mutter sprach da so,              16
"Sollst du je auf Erden   von Herzen werden froh,
Das geschieht von Mannesminne:   du wirst ein schönes Weib,
Will Gott dir noch vergönnen   eines guten Ritters Leib."

"Die Rede laßt bleiben,   vielliebe Mutter mein.                     17
Es hat an manchen Weiben   gelehrt der Augenschein,
Wie Liebe mit Leide   am Ende gerne lohnt;
Ich will sie meiden beide,   so bleib ich sicher verschont!"

Kriemhild in ihrem Muthe   hielt sich von Minne frei.                18
So lief noch der guten   manch lieber Tag vorbei,
Daß sie Niemand wuste,   der ihr gefiel zum Mann,
Bis sie doch mit Ehren   einen werthen Recken gewann.

Das war derselbe Falke,   den jener Traum ihr bot,                   19
Den ihr beschied die Mutter.   Ob seinem frühen Tod
Den nächsten Anverwandten   wie gab sie blutgen Lohn!
Durch dieses Einen Sterben   starb noch mancher Mutter Sohn.

       *       *       *       *       *



Zweites Abenteuer.

Von Siegfrieden.


Da wuchs im Niederlande   eines edeln Königs Kind,                   20
Siegmund hieß sein Vater,   die Mutter Siegelind,
In einer mächtgen Veste,   weithin wohlbekannt,
Unten am Rheine,   Xanten war sie genannt.

Ich sag euch von dem Degen,   wie so schön er ward.                  21
Er war vor allen Schanden   immer wohl bewahrt.
Stark und hohes Namens   ward bald der kühne Mann:
Hei! was er großer Ehren   auf dieser Erde gewann!

Siegfried ward geheißen   der edle Degen gut.                        22
Er erprobte viel der Recken   in hochbeherztem Muth.
Seine Stärke führt' ihn   in manches fremde Land:
Hei! was er schneller Degen   bei den Burgunden fand!

Bevor der kühne Degen   voll erwuchs zum Mann,                       23
Da hatt er solche Wunder   mit seiner Hand gethan,
Davon man immer wieder   singen mag und sagen;
Wir müßen viel verschweigen   von ihm in heutigen Tagen.

In seinen besten Zeiten,   bei seinen jungen Tagen                   24
Mochte man viel Wunder   von Siegfrieden sagen,
Wie Ehr an ihm erblühte   und wie schön er war zu schaun:
Drum dachten sein in Minne   viel der waidlichen Fraun.

Man erzog ihn mit dem Fleiße,   wie ihm geziemend war;               25
Was ihm Zucht und Sitte   der eigne Sinn gebar!
Das ward noch eine Zierde   für seines Vaters Land,
Daß man zu allen Dingen   ihn so recht herrlich fand.

Er war nun so erwachsen,   mit an den Hof zu gehn.                   26
Die Leute sahn ihn gerne;   viel Fraun und Mädchen schön
Wünschten wohl, er käme   dahin doch immerdar;
Hold waren ihm gar viele,   des ward der Degen wohl gewahr.

Selten ohne Hüter   man reiten ließ das Kind.                        27
Mit Kleidern hieß ihn zieren   seine Mutter Siegelind;
Auch pflegten sein die Weisen,   denen Ehre war bekannt:
Drum möcht er wohl gewinnen   so die Leute wie das Land,

Nun war er in der Stärke,   daß er wohl Waffen trug:                 28
Wes er dazu bedurfte,   des gab man ihm genug.
Schon sann er zu werben   um manches schöne Kind;
Die hätten wohl mit Ehren   den schönen Siegfried geminnt.

Da ließ sein Vater Siegmund   kund thun seinem Lehn,                 29
Mit lieben Freunden woll er   ein Hofgelag begehn.
Da brachte man die Märe   in andrer Könge Land.
Den Heimischen und Gästen   gab er Ross und Gewand.

Wen man finden mochte,   der nach der Eltern Art                     30
Ritter werden sollte,   die edeln Knappen zart
Lud man nach dem Lande   zu der Lustbarkeit,
Wo sie das Schwert empfiengen   mit Siegfried zu gleicher Zeit.

Man mochte Wunder sagen   von dem Hofgelag.                          31
Siegmund und Siegelind   gewannen an dem Tag
Viel Ehre durch die Gaben,   die spendet' ihre Hand:
Drum sah man viel der Fremden   zu ihnen reiten in das Land.

Vierhundert Schwertdegen   sollten gekleidet sein                    32
Mit dem jungen Könige.   Manch schönes Mägdelein
Sah man am Werk geschäftig:   ihm waren alle hold.
Viel edle Steine legten   die Frauen da in das Gold,

Die sie mit Borten wollten   auf die Kleider nähn                    33
Den jungen stolzen Recken;   das muste so ergehn.
Der Wirth ließ Sitze bauen   für manchen kühnen Mann
Zu der Sonnenwende,   wo Siegfried Ritters Stand gewann.

Da gieng zu einem Münster   mancher reiche Knecht                    34
Und viel der edeln Ritter.   Die Alten thaten recht,
Daß sie den Jungen dienten,   wie ihnen war geschehn,
Sie hatten Kurzweile   und freuten sich es zu sehn.

Als man da Gott zu Ehren   eine Messe sang,                          35
Da hub sich von den Leuten   ein gewaltiger Drang,
Da sie zu Rittern wurden   dem Ritterbrauch gemäß
Mit also hohen Ehren,   so leicht nicht wieder geschähs.

Sie eilten, wo sie fanden   geschirrter Rosse viel.                  36
Da ward in Siegmunds Hofe  so laut das Ritterspiel,
Daß man ertosen hörte   Pallas und Saal.
Die hochbeherzten Degen   begannen fröhlichen Schall.

Von Alten und von Jungen   mancher Stoß erklang,                     37
Daß der Schäfte Brechen   in die Lüfte drang.
Die Splitter sah man fliegen   bis zum Saal hinan.
Die Kurzweile sahen   die Fraun und Männer mit an.

Der Wirth bat es zu laßen.   Man zog die Rosse fort;                 38
Wohl sah man auch zerbrochen   viel starke Schilde dort
Und viel der edeln Steine   auf das Gras gefällt
Von des lichten Schildes Spangen:   die hatten Stöße zerschellt.

Da setzten sich die Gäste,   wohin man ihnen rieth,                  39
zu Tisch, wo von Ermüdung   viel edle Kost sie schied
Und Wein der allerbeste,   des man die Fülle trug.
Den Heimischen und Fremden   bot man Ehren da genug.

So viel sie Kurzweile   gefunden all den Tag,                        40
Das fahrende Gesinde   doch keiner Ruhe pflag:
Sie dienten um die Gabe,   die man da reichlich fand;
Ihr Lob ward zur Zierde   König Siegmunds ganzem Land.

Da ließ der Fürst verleihen   Siegfried, dem jungen Mann,            41
Das Land und die Burgen,   wie sonst er selbst gethan.
Seinen Schwertgenoßen   gab er mit milder Hand:
So freute sie die Reise,   die sie geführt in das Land.

Das Hofgelage währte   bis an den siebten Tag.                       42
Sieglind die reiche   der alten Sitte pflag,
Daß sie dem Sohn zu Liebe   vertheilte rothes Gold:
Sie könnt es wohl verdienen,   daß ihm die Leute waren hold.

Da war zuletzt kein armer   Fahrender mehr im Land.                  43
Ihnen stoben Kleider   und Rosse von der Hand,
Als hätten sie zu leben   nicht mehr denn einen Tag.
Man sah nie Ingesinde,   das so großer Milde pflag.

Mit preiswerthen Ehren   zergieng die Lustbarkeit.                   44
Man hörte wohl die Reichen   sagen nach der Zeit,
Daß sie dem Jungen gerne   wären unterthan;
Das begehrte nicht Siegfried,   dieser waidliche Mann.

So lange sie noch lebten,   Siegmund und Siegelind,                  45
Wollte nicht Krone tragen   der beiden liebes Kind;
Doch wollt er herrlich wenden   alle die Gewalt,
Die in den Landen fürchtete   der Degen kühn und wohlgestalt.

Ihn durfte Niemand schelten:   seit er die Waffen nahm,              46
Pflag er der Ruh nur selten,   der Recke lobesam.
Er suchte nur zu streiten   und seine starke Hand
Macht' ihn zu allen Zeiten   in fremden Reichen wohlbekannt.

       *       *       *       *       *



Drittes Abenteuer.

Wie Siegfried nach Worms kam.


Den Herrn beschwerte selten   irgend ein Herzeleid.                  47
Er hörte Kunde sagen,   wie eine schöne Maid
Bei den Burgunden wäre,   nach Wünschen wohlgethan,
Von der er bald viel Freuden   und auch viel Leides gewann.

Von ihrer hohen Schöne   vernahm man weit und breit,                 48
Und auch ihr Hochgemüthe   ward zur selben Zeit
Bei der Jungfrauen   den Helden oft bekannt:
Das ladete der Gäste   viel in König Gunthers Land.

So viel um ihre Minne   man Werbende sah,                            49
Kriemhild in ihrem Sinne   sprach dazu nicht Ja,
Daß sie einen wollte   zum geliebten Mann:
Er war ihr noch gar fremde,   dem sie bald ward unterthan.

Dann sann auf hohe Minne   Sieglindens Kind:                         50
All der Andern Werben   war wider ihn ein Wind.
Er mochte wohl verdienen   ein Weib so auserwählt:
Bald ward die edle Kriemhild   dem kühnen Siegfried vermählt.

Ihm riethen seine Freunde   und Die in seinem Lehn,                  51
Hab er stäte Minne   sich zum Ziel ersehn,
So soll er werben, daß er sich   der Wahl nicht dürfe schämen.
Da sprach der edle Siegfried:   "So will ich Kriemhilden nehmen,

"Die edle Königstochter   von Burgundenland,                         52
Um ihre große Schöne.   Das ist mir wohl bekannt,
Kein Kaiser sei so mächtig,   hätt er zu frein im Sinn,
Dem nicht zum minnen ziemte   diese reiche Königin."

Solche Märe hörte   der König Siegmund.                              53
Es sprachen seine Leute:   also ward ihm kund
Seines Kindes Wille.   Es war ihm höchlich leid,
Daß er werben wolle   um diese herrliche Maid.

Es erfuhr es auch die Königin,   die edle Siegelind:                 54
Die muste große Sorge   tragen um ihr Kind,
Weil sie wohl Gunthern kannte   und Die in seinem Heer
Die Werbung dem Degen   zu verleiden fliß man sich sehr.

Da sprach der kühne Siegfried:   "Viel lieber Vater mein,            55
Ohn edler Frauen Minne   wollt ich immer sein,
Wenn ich nicht werben dürfte   nach Herzensliebe frei."
Was Jemand reden mochte,   so blieb er immer dabei.

"Ist dir nicht abzurathen,"   der König sprach da so,                56
"So bin ich deines Willens   von ganzem Herzen froh
Und will dirs fügen helfen,   so gut ich immer kann;
Doch hat der König Gunther   manchen hochfährtgen Mann.

"Und wär es anders Niemand   als Hagen der Degen,                    57
Der kann im Uebermuthe   wohl der Hochfahrt pflegen,
So daß ich sehr befürchte,   es mög uns werden leid,
Wenn wir werben wollen   um diese herrliche Maid."

"Wie mag uns das gefährden!"   hub da Siegfried an:                  58
"Was ich mir im Guten   da nicht erbitten kann,
Will ich schon sonst erwerben   mit meiner starken Hand,
Ich will von ihm erzwingen   so die Leute wie das Land."

"Leid ist mir deine Rede,"   sprach König Siegmund,                  59
"Denn würde diese Märe   dort am Rheine kund,
Du dürftest nimmer reiten   in König Gunthers Land.
Gunther und Gernot   die sind mir lange bekannt.

"Mit Gewalt erwerben   kann Niemand die Magd,"                       60
Sprach der König Siegmund,   "das ist mir wohl gesagt;
Willst du jedoch mit Recken   reiten in das Land,
Die Freunde, die wir haben,   die werden eilends besandt."

"So ist mir nicht zu Muthe,"   fiel ihm Siegfried ein,               61
"Daß mir Recken sollten   folgen an den Rhein
Einer Heerfahrt willen:   das wäre mir wohl leid,
Sollt ich damit erzwingen   diese herrliche Maid.

"Ich will sie schon erwerben   allein mit meiner Hand.               62
Ich will mit zwölf Gesellen   in König Gunthers Land;
Dazu sollt ihr mir helfen,   Vater Siegmund."
Da gab man seinen Degen   zu Kleidern grau und auch bunt.

Da vernahm auch diese Märe   seine Mutter Siegelind;                 63
Sie begann zu trauern   um ihr liebes Kind:,
Sie bangt' es zu verlieren   durch Die in Gunthers Heer.
Die edle Königstochter   weinte darüber sehr.

Siegfried der Degen   gieng hin, wo er sie sah.                      64
Wider seine Mutter   gütlich sprach er da:
"Frau, ihr sollt nicht weinen   um den Willen mein:
Wohl will ich ohne Sorgen   vor allen Weiganden sein.

"Nun helft mir zu der Reise   nach Burgundenland,                    65
Daß mich und meine Recken   ziere solch Gewand,
Wie so stolze Degen   mit Ehren mögen tragen:
Dafür will ich immer   den Dank von Herzen euch sagen."

"Ist dir nicht abzurathen,"   sprach Frau Siegelind,                 66
So helf ich dir zur Reise,   mein einziges Kind,
Mit den besten Kleidern,   die je ein Ritter trug,
Dir und deinen Degen:   ihr sollt der haben genug."

Da neigte sich ihr dankend   Siegfried der junge Mann.               67
Er sprach: "Nicht mehr Gesellen   nehm ich zur Fahrt mir an
Als der Recken zwölfe:   verseht die mit Gewand.
Ich möchte gern erfahren,   wie's um Kriemhild sei bewandt."

Da saßen schöne Frauen   über Nacht und Tag,                         68
Daß ihrer selten Eine   der Muße eher pflag,
Bis sie gefertigt hatten   Siegfriedens Staat.
Er wollte seiner Reise   nun mit nichten haben Rath.

Sein Vater hieß ihm zieren   sein ritterlich Gewand,                 69
Womit er räumen wollte   König Siegmunds Land.
Ihre lichten Panzer   die wurden auch bereit
Und ihre festen Helme,   ihre Schilde schön und breit.

Nun sahen sie die Reise   zu den Burgunden nahn.                     70
Um sie begann zu sorgen   beides, Weib und Mann,
Ob sie je wiederkommen   sollten in das Land.
Sie geboten aufzusäumen   die Waffen und das Gewand.

Schön waren ihre Rosse,   ihr Reitzeug goldesroth;                   71
Wenn wer sich höher dauchte,   so war es ohne Noth,
Als der Degen Siegfried   und Die ihm unterthan.
Nun hielt er um Urlaub   zu den Burgunden an.

Den gaben ihm mit Trauern   König und Königin.                       72
Er tröstete sie beide   mit minniglichem Sinn
Und sprach: "Ihr sollt nicht weinen   um den Willen mein:
Immer ohne Sorgen   mögt ihr um mein Leben sein."

Es war leid den Recken,   auch weinte manche Maid;                   73
Sie ahnten wohl im Herzen,   daß sie es nach der Zeit
Noch schwer entgelten müsten   durch lieber Freunde Tod.
Sie hatten Grund zu klagen,   es that ihnen wahrlich Noth.

Am siebenten Morgen   zu Worms an den Strand                         74
Ritten schon die Kühnen;   all ihr Gewand
War von rothem Golde,   ihr Reitzeug wohlbestellt;
Ihnen giengen sanft die Rosse,   die sich da Siegfried gesellt.

Neu waren ihre Schilde,   licht dazu und breit,                      75
Und schön ihre Helme,   als mit dem Geleit
Siegfried der kühne   ritt in Gunthers Land.
Man ersah an Helden   nie mehr so herrlich Gewand.

Der Schwerter Enden giengen   nieder auf die Sporen;                 76
Scharfe Spere führten   die Ritter auserkoren.
Von zweier Spannen Breite   war, welchen Siegfried trug;
Der hatt an seinen Schneiden   grimmer Schärfe genug.

Goldfarbne Zäume   führten sie an der Hand;                          77
Der Brustriem war von Seide:   so kamen sie ins Land.
Da gafften sie die Leute   allenthalben an:
Gunthers Mannen liefen   sie zu empfangen heran.

Die hochbeherzten Recken,   Ritter so wie Knecht,                    78
Liefen den Herrn entgegen,   so war es Fug und Recht,
Und begrüßten diese Gäste   in ihrer Herren Land;
Die Pferde nahm man ihnen   und die Schilde von der Hand.

Da wollten sie die Rosse   ziehn zu ihrer Rast;                      79
Da sprach aber Siegfried alsbald,   der kühne Gast:
"Laßt uns noch die Pferde   stehen kurze Zeit:
Wir reiten bald von hinnen;   dazu bin ich ganz bereit.

"Man soll uns auch die Schilde   nicht von dannen tragen;            80
Wo ich den König finde,   kann mir das Jemand sagen,
Gunther den reichen   aus Burgundenland?"
Da sagt' es ihm Einer,   dem es wohl war bekannt.

"Wollt ihr den König finden,   das mag gar leicht geschehn:          81
In jenem weiten Saale   hab ich ihn gesehn
Unter seinen Helden;   da geht zu ihm hinan,
So mögt ihr bei ihm finden   manchen herrlichen Mann."

Nun waren auch die Mären   dem König schon gesagt,                   82
Daß auf dem Hofe wären   Ritter unverzagt:
Sie führten lichte Panzer   und herrlich Gewand;
Sie erkenne Niemand   in der Burgunden Land.

Den König nahm es Wunder,   woher gekommen sei'n                     83
Die herrlichen Recken   im Kleid von lichtem Schein
Und mit so guten Schilden,   so neu und so breit;
Das ihm das Niemand sagte,   das war König Gunthern leid.

Zur Antwort gab dem König   von Metz Herr Ortewein;                  84
Stark und kühnes Muthes   mocht er wohl sein:
"Da wir sie nicht erkennen,   so heißt Jemand gehn
Nach meinem Oheim Hagen:   dem sollt ihr sie laßen sehn.

"Ihm sind wohl kund die Reiche   und alles fremde Land;              85
Erkennt er die Herren,   das macht er uns bekannt."
Der König ließ ihn holen   und Die in seinem Lehn:
Da sah man ihn herrlich   mit Recken hin zu Hofe gehn.

Warum nach ihm der König,   frug Hagen da, geschickt?                86
"Es werden fremde Degen   in meinem Haus erblickt,
Die Niemand mag erkennen:   habt ihr in fremdem Land
Sie wohl schon gesehen?   das macht mir, Hagen bekannt."

"Das will ich," sprach Hagen.   Zum Fenster schritt er drauf,        87
Da ließ er nach den Gästen   den Augen freien Lauf.
Wohl gefiel ihm ihr Geräthe   und all ihr Gewand;
Doch waren sie ihm fremde   in der Burgunden Land.

Er sprach, woher die Recken   auch kämen an den Rhein,               88
Es möchten selber Fürsten   oder Fürstenboten sein.
"Schön sind ihre Rosse   und ihr Gewand ist gut;
Von wannen sie auch ritten,   es sind Helden hochgemuth."

Also sprach da Hagen:   "Soviel ich mag verstehn,                    89
Hab ich gleich im Leben   Siegfrieden nie gesehn,
So will ich doch wohl glauben,   wie es damit auch steht,
Daß er es sei, der Degen,   der so herrlich dorten geht.

"Er bringt neue Mären   her in dieses Land:                          90
Die kühnen Nibelungen   schlug des Helden Hand,
Die reichen Königssöhne   Schilbung und Nibelung;
Er wirkte große Wunder   mit des starken Armes Schwung.

"Als der Held alleine   ritt aller Hülfe bar,                        91
Fand er an einem Berge,   so hört ich immerdar,
Bei König Niblungs Horte   manchen kühnen Mann;
Sie waren ihm gar fremde,   bis er hier die Kunde gewann.

"Der Hort König Nibelungs   ward hervorgetragen                      92
Aus einem hohlen Berge:   nun hört Wunder sagen,
Wie ihn theilen wollten   Die Niblung unterthan.
Das sah der Degen Siegfried,   den es zu wundern begann.

"So nah kam er ihnen,   daß er die Helden sah                        93
Und ihn die Degen wieder.   Der Eine sagte da:
"Hier kommt der starke Siegfried,   der Held aus Niederland."
Seltsame Abenteuer   er bei den Nibelungen fand.

"Den Recken wohl empfiengen   Schilbung und Nibelung.                94
Einhellig baten   die edeln Fürsten jung,
Daß ihnen theilen möchte   den Schatz der kühne Mann:
Das begehrten sie, bis endlich   ers zu geloben begann.

"Er sah so viel Gesteines,   wie wir hören sagen,                    95
Hundert Leiterwagen   die möchten es nicht tragen,
Noch mehr des rothen Goldes   von Nibelungenland:
Das Alles sollte theilen   des kühnen Siegfriedes Hand.

"Sie gaben ihm zum Lohne   König Niblungs Schwert:                   96
Da wurden sie des Dienstes   gar übel gewährt,
Den ihnen leisten sollte   Siegfried der Degen gut.
Er könnt es nicht vollbringen:   sie hatten zornigen Muth.

"So must er ungetheilet   die Schätze laßen stehn.                   97
Da bestanden ihn die Degen   in der zwei Könge Lehn:
Mit ihres Vaters Schwerte,   das Balmung war genannt,
Stritt ihnen ab der Kühne   den Hort und Nibelungenland

"Da hatten sie zu Freunden   kühne zwölf Mann,                       98
Die starke Riesen waren:   was konnt es sie verfahn?
Die erschlug im Zorne   Siegfriedens Hand
Und siebenhundert Recken   zwang er vom Nibelungenland.

"Mit dem guten Schwerte,   geheißen Balmung.                         99
Vom Schrecken überwältigt   war mancher Degen jung
Zumal vor dem Schwerte   und vor dem kühnen Mann:
Das Land mit den Burgen   machten sie ihm unterthan.

"Dazu die reichen Könige   die schlug er beide todt.                100
Er kam durch Albrichen   darauf in große Noth:
Der wollte seine Herren   rächen allzuhand,
Eh er die große Stärke   noch an Siegfrieden fand.

"Mit Streit bestehen konnt ihn   da nicht der starke Zwerg.         101
Wie die wilden Leuen   liefen sie an den Berg,
Wo er die Tarnkappe   Albrichen abgewann:
Da war des Hortes Meister   Siegfried der schreckliche Mann.

"Die sich getraut zu fechten,   die lagen all erschlagen.           102
Den Schatz ließ er wieder   nach dem Berge tragen,
Dem ihn entnommen hatten   Die Niblung unterthan.
Alberich der starke   das Amt des Kämmrers gewann.

"Er must ihm Eide schwören,   er dien ihm als sein Knecht,          103
Zu aller Art Diensten   ward er ihm gerecht."
So sprach von Tronje Hagen:   "Das hat der Held gethan;
Also große Kräfte   nie mehr ein Recke gewann.

"Noch ein Abenteuer   ist mir von ihm bekannt:                      104
Einen Linddrachen   schlug des Helden Hand;
Als er im Blut sich badete,   ward hörnern seine Haut.
So versehrt ihn keine Waffe:   das hat man oft an ihm geschaut.

"Man soll ihn wohl empfangen,   der beste Rath ist das,             105
Damit wir nicht verdienen   des schnellen Recken Haß.
Er ist so kühnes Sinnes,   man seh ihn freundlich an:
Er hat mit seinen Kräften   so manche Wunder gethan."

Da sprach der mächtge König:   "Gewiss, du redest wahr:             106
Nun sieh, wie stolz er dasteht   vor des Streits Gefahr,
Dieser kühne Degen   und Die in seinem Lehn!
Wir wollen ihm entgegen   hinab zu dem Recken gehn."

"Das mögt ihr," sprach da Hagen,   "mit allen Ehren schon:          107
Er ist von edelm Stamme   eines reichen Königs Sohn;
Auch hat er die Gebäre,   mich dünkt, beim Herren Christ,
Es sei nicht kleine Märe,   um die er hergeritten ist."

Da sprach der Herr des Landes:   "Nun sei er uns willkommen.        108
Er ist kühn und edel,   das hab ich wohl vernommen;
Des soll er auch genießen   im Burgundenland."
Da gieng der König Gunther   hin, wo er Siegfrieden fand.

Der Wirth und seine Recken   empfiengen so den Mann,                109
Daß wenig an dem Gruße   gebrach, den er gewann;
Des neigte sich vor ihnen   der Degen ausersehn
In großen Züchten sah man   ihn mit seinen Recken stehn.

"Mich wundert diese Märe,"   sprach der Wirth zuhand,               110
"Von wannen, edler Siegfried,   ihr kamt in dieses Land
Oder was ihr wollet suchen   zu Worms an dem Rhein?"
Da sprach der Gast zum König:   "Das soll euch unverhohlen sein.

"Ich habe sagen hören   in meines Vaters Land,                      111
An euerm Hofe wären,   das hätt ich gern erkannt,
Die allerkühnsten Recken,   so hab ich oft vernommen,
Die je gewann ein König:   darum bin ich hieher gekommen.

"So hör ich auch euch selber   viel Mannheit zugestehn,             112
Man habe keinen König   noch je so kühn gesehn.
Das rühmen viel der Leute   in all diesem Land;
Nun kann ichs nicht verwinden,   bis ich die Wahrheit befand.

"Ich bin auch ein Recke   und soll die Krone tragen:                113
Ich möcht es gerne fügen,   daß sie von mir sagen,
Daß ich mit Recht besäße   die Leute wie das Land.
Mein Haupt und meine Ehre   setz ich dawider zu Pfand.

Wenn ihr denn so kühn seid,   wie euch die Sage zeiht,              114
So frag ich nicht, ists Jemand   lieb oder leid:
Ich will von euch erzwingen,   was euch angehört,
Das Land und die Burgen   unterwerf ich meinem Schwert."

Der König war verwundert   und all sein Volk umher,                 115
Als sie vernahmen   sein seltsam Begehr,
Daß er ihm zu nehmen   gedächte Leut und Land.
Das hörten seine Degen,   die wurden zornig zuhand.

"Wie sollt ich das verdienen,"   sprach Gunther der Degen,          116
Wes mein Vater lange   mit Ehren durfte pflegen,
Daß wir das verlören   durch Jemands Ueberkraft?
Das wäre schlecht bewiesen,   daß wir auch pflegen Ritterschaft!"

"Ich will davon nicht laßen,"   fiel ihm der Kühne drein,           117
"Von deinen Kräften möge   dein Land befriedet sein,
Ich will es nun verwalten;   doch auch das Erbe mein,
Erwirbst du es durch Stärke,   es soll dir unterthänig sein.

"Dein Erbe wie das meine   wir schlagen gleich sie an,              118
Und wer von uns den Andern   überwinden kann,
Dem soll es alles dienen,   die Leute wie das Land."
Dem widersprach da Hagen   und mit ihm Gernot zuhand.

"So stehn uns nicht die Sinne,"   sprach da Gernot,                 119
"Nach neuen Lands Gewinne,   daß Jemand sollte todt
Vor Heldeshänden liegen:   reich ist unser Land,
Das uns mit Recht gehorsamt,  zu Niemand beßer bewandt."

In grimmigem Muthe   standen da die Freunde sein.                   120
Da war auch darunter   von Metz Herr Ortewein.
Der Sprach: "Die Sühne   ist mir von Herzen leid:
Euch ruft der starke Siegfried   ohn allen Grund in den Streit.

"Wenn ihr und eure Brüder   ihm auch nicht steht zur Wehr,          121
Und ob er bei sich führte   ein ganzes Königsheer,
So wollt ichs doch erstreiten,   daß der starke Held
Also hohen Uebermuth,   wohl mit Recht bei Seite stellt."

Darüber zürnte mächtig   der Held von Niederland:                   122
"Nicht wider mich vermeßen   darf sich deine Hand:
Ich bin ein reicher König,   du bist in Königs Lehn;
Deiner zwölfe dürften   mich nicht im Streite bestehn."

Nach Schwertern rief da heftig   von Metz Herr Ortewein:            123
Er durfte Hagens Schwestersohn   von Tronje wahrlich sein;
Daß er so lang geschwiegen,   das war dem König leid.
Da sprach zum Frieden Gernot,   ein Ritter kühn und allbereit.

"Laßt euer Zürnen bleiben,"   hub er zu Ortwein an,                 124
"Uns hat der edle Siegfried   noch solches nicht gethan;
Wir scheiden es in Güte   wohl noch, das rath ich sehr,
Und haben ihn zum Freunde;   es geziemt uns wahrlich mehr."

Da sprach der starke Hagen   "Uns ist billig leid                   125
und all euern Degen,   daß er je zum Streit
an den Rhein geritten:   was ließ er das nicht sein?
So übel nie begegnet   wären ihm die Herren mein."

Da sprach wieder Siegfried,   der kraftvolle Held:                  126
"Wenn euch, was ich gesprochen,   Herr Hagen, missfällt,
So will ich schauen laßen,   wie noch die Hände mein
Gedenken so gewaltig   bei den Burgunden zu sein."

"Das hoff ich noch zu wenden,"   sprach da Gernot.                  127
Allen seinen Degen   zu reden er verbot
In ihrem Uebermuthe,   was ihm wäre leid.
Da gedacht auch Siegfried   an die viel herrliche Maid.

"Wie geziemt' uns mit euch zu streiten?"   sprach wieder Gernot     128
"Wie viel dabei der Helden   auch fielen in den Tod,
Wenig Ehre brächt uns   so ungleicher Streit."
Die Antwort hielt da Siegfried,   König Siegmunds Sohn, bereit:

Warum zögert Hagen   und auch Ortewein,                             129
Daß er nicht zum Streite   eilt mit den Freunden sein,
Deren er so manchen   bei den Burgunden hat?"
Sie blieben Antwort schuldig,   das war Gernotens Rath.

"Ihr sollt uns willkommen sein,"   sprach Geiselher das Kind,       130
"Und eure Heergesellen,   die hier bei euch find:
Wir wollen gern euch dienen,   ich und die Freunde mein."
Da hieß man den Gästen   schenken König Gunthers Wein.

Da sprach der Wirth des Landes:   "Alles, was uns gehört,           131
Verlangt ihr es in Ehren,   das sei euch unverwehrt;
Wir wollen mit euch theilen   unser Gut und Blut."
Da ward dem Degen Siegfried   ein wenig sanfter zu Muth.

Da ließ man ihnen wahren   all ihr Wehrgewand;                      132
Man suchte Herbergen,   die besten, die man fand:
Siegfriedens Knappen   schuf man gut Gemach.
Man sah den Fremdling gerne   in Burgundenland hernach.

Man bot ihm große Ehre   darauf in manchen Tagen,                   133
Mehr zu tausend Malen,   als ich euch könnte sagen;
Das hatte seine Kühnheit   verdient, das glaubt fürwahr.
Ihn sah wohl selten Jemand,   der ihm nicht gewogen war.

Flißen sich der Kurzweil   die Könge und ihr Lehn,                  134
So war er stäts der Beste,   was man auch ließ geschehn.
Es konnt ihm Niemand folgen,   so groß war seine Kraft,
Ob sie den Stein warfen   oder schoßen den Schaft.

Nach höfscher Sitte ließen   sich auch vor den Fraun                135
Der Kurzweile pflegend   die kühnen Ritter schaun:
Da sah man stäts den Helden   gern von Niederland;
Er hatt auf hohe Minne   seine Sinne gewandt.

Die schönen Fraun am Hofe   erfragten Märe,                         136
Wer der stolze fremde   Recke wäre.
"Er ist so schön gewachsen,   so reich ist sein Gewand!"
Da sprachen ihrer Viele:   "Das ist der Held von Niederland."

Was man beginnen wollte,   er war dazu bereit;                      137
Er trug in seinem Sinne   eine minnigliche Maid,
Und auch nur ihn die Schöne,   die er noch nie gesehn,
Und die sich doch viel Gutes   von ihm schon heimlich versehn.

Wenn man auf dem Hofe   das Waffenspiel begann,                     138
Ritter so wie Knappen,   immer sah es an
Kriemhild aus den Fenstern,   die Königstochter hehr;
Keiner andern Kurzweil   hinfort bedurfte sie mehr.

Und wüst er, daß ihn sähe,   die er im Herzen trug,                 139
Davon hätt er Kurzweil   immerdar genug.
Ersähn sie seine Augen,   ich glaube sicherlich,
Keine andre Freude   hier auf Erden wünscht' er sich.

Wenn er bei den Recken   auf dem Hofe stand,                        140
Wie man noch zur Kurzweil   pflegt in allem Land,
Wie stand dann so minniglich   das Sieglindenkind,
Daß manche Frau ihm heimlich   war von Herzen hold gesinnt.

Er gedacht auch manchmal:   "Wie soll das geschehn,                 141
Daß ich das edle Mägdlein   mit Augen möge sehn,
Die ich von Herzen minne,   wie ich schon längst gethan?
Die ist mir noch gar fremde;   mit Trauern denk ich daran."

So oft die reichen Könige   ritten in ihr Land,                     142
So musten auch die Recken   mit ihnen all zur Hand.
Auch Siegfried ritt mit ihnen:   das war der Frauen leid;
Er litt von ihrer Minne   auch Beschwer zu mancher Zeit.

So wohnt' er bei den Herren,   das ist alles wahr,                  143
In König Gunthers Lande   völliglich ein Jahr,
Daß er die Minnigliche   in all der Zeit nicht sah,
Durch die ihm bald viel Liebes   und auch viel Leides geschah.

       *       *       *       *       *



Viertes Abenteuer.

Wie Siegfried mit den Sachsen stritt.


Da kamen fremde Mären   in König Gunthers Land                      144
Durch Boten aus der Ferne   ihnen zugesandt
Von unbekannten Recken,   die ihnen trugen Haß
Als sie die Rede hörten,   gar sehr betrübte sie das.

Die will ich euch nennen:   es war Lüdeger                          145
Aus der Sachsen Lande,   ein mächtger König hehr;
Dazu vom Dänenlande   der König Lüdegast:
Die gewannen zu dem Kriege   gar manchen herrlichen Gast.

Ihre Boten kamen   in König Gunthers Land,                          146
Die seine Widersacher   hatten hingesandt.
Da frug man um die Märe   die Unbekannten gleich
Und führte bald die Boten   zu Hofe vor den König reich.

Schön grüßte sie der König und sprach:   "Seid willkommen!          147
Wer euch hieher gesendet,   hab ich noch nicht vernommen:
Das sollt ihr hören laßen,"   sprach der König gut.
Da bangten sie gewaltig   vor des grimmen Gunther Muth.

"Wollt ihr uns, Herr, erlauben,   daß wir euch Bericht              148
Von unsrer Märe sagen,   wir hehlen sie euch nicht.
Wir nennen euch die Herren,   die uns hieher gesandt:
Lüdegast und Lüdeger   die suchen heim euer Land.

Ihren Zorn habt ihr verdienet:   wir vernahmen das                  149
Gar wohl, die Herren tragen   euch beide großen Haß.
Sie wollen heerfahrten   gen Worms an den Rhein;
Ihnen helfen viel der Degen:   laßt euch das zur Warnung sein.

"Binnen zwölf Wochen   muß ihre Fahrt geschehn;                     150
Habt ihr nun guter Freunde,   so laßt es bald ersehn,
Die euch befrieden helfen   die Burgen und das Land:
Hier werden sie verhauen   manchen Helm und Schildesrand.

"Oder wollt ihr unterhandeln,   so macht es offenbar;               151
So reitet euch so nahe   nicht gar manche Schar
Eurer starken Feinde   zu bitterm Herzeleid,
Davon verderben müßen   viel der Ritter kühn im Streit."

"Nun harrt eine Weile   (ich künd euch meinen Muth),                152
Bis ich mich recht bedachte,"   sprach der König gut.
"Hab ich noch Getreue,   denen will ichs sagen,
Diese schwere Botschaft   muß ich meinen Freunden klagen."

Dem mächtigen Gunther   war es leid genug;                          153
Den Botenspruch er heimlich   in seinem Herzen trug.
Er hieß berufen Hagen   und Andr' in seinem Lehn
Und hieß auch gar geschwinde   zu Hof nach Gernoten gehn.

Da kamen ihm die Besten,   so viel man deren fand.                  154
Er sprach: "Die Feinde wollen   heimsuchen unser Land
Mit starken Heerfahrten;   das sei euch geklagt.
Es ist gar unverschuldet,   daß sie uns haben widersagt."

"Dem wehren wir mit Schwertern,"   sprach da Gernot,                155
"Da sterben nur, die müßen:   die laßet liegen todt.
Ich werde nicht vergeßen   darum der Ehre mein:
Unsre Widersacher   sollen uns willkommen sein."

Da sprach von Tronje Hagen:   "Das dünkt mich nicht gut;            156
Lüdegast und Lüdeger   sind voll Uebermuth.
Wir können uns nicht sammeln   in so kurzen Tagen,"
So sprach der kühne Recke:   "ihr sollt es Siegfrieden sagen."

Da gab man den Boten   Herbergen in der Stadt.                      157
Wie feind sie ihnen waren,   sie gut zu pflegen bat
Gunther der reiche,   das war wohlgethan,
Bis er erprobt an Freunden,   wer ihm zu Hülfe zög heran.

Der König trug im Herzen   Sorge doch und Leid.                     158
Da sah ihn also trauern   ein Ritter allbereit,
Der nicht wißen konnte,   was ihm war geschehn:
Da bat er König Gunthern,   ihm den Grund zu gestehn.

"Mich nimmt höchlich Wunder,"   sprach da Siegfried,                159
"Wie die frohe Weise   so völlig von euch schied,
Deren ihr so lange   mit uns mochtet pflegen."
Zur Antwort gab ihm Gunther,   dieser zierliche Degen:

"Wohl mag ich allen Leuten   nicht von dem Leide sagen,             160
Das ich muß verborgen   in meinem Herzen tragen:
Stäten Freunden klagen   soll man des Herzens Noth."
Siegfriedens Farbe   ward da bleich und wieder roth.

Er sprach zu dem Könige:   "Was blieb euch je versagt?              161
Ich will euch wenden helfen   das Leid, das ihr klagt.
Wollt ihr Freunde suchen,   so will ich einer sein
Und getrau es zu vollbringen   mit Ehren bis ans Ende mein."

"Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,   die Rede dünkt mich gut;     162
Und kann mir auch nicht helfen   eure Kraft und hoher Muth,
So freut mich doch die Märe,   daß ihr so hold mir seid:
Leb ich noch eine Weile,   ich vergelt es mit der Zeit.

Ich will euch hören laßen,   was mich traurig macht.                163
Von Boten meiner Feinde   ward mir hinterbracht,
Mit Heerfahrten kämen   sie mich zu suchen hie:
Das geschah uns von Degen   in diesen Landen noch nie."

"Das laßt euch nicht betrüben,"   sprach da Siegfried,              164
"Sänftet eur Gemüthe   und thut, wie ich euch rieth:
Laßt mich euch erwerben   Ehre so wie Frommen,
Bevor eure Feinde   her zu diesen Landen kommen.

"Und hätten dreißigtausend   Helfer sich ersehn                     165
Eure starken Feinde,   doch wollt ich sie bestehn,
Hätt ich auch selbst nur tausend:   verlaßt euch auf mich."
Da sprach der König Gunther:   "Das verdien ich stäts um dich."

"So heißt mir eurer Leute   gewinnen tausend Mann,                  166
Da ich von den Meinen   nicht mehr hier stellen kann
Als der Recken zwölfe;   so wehr ich euer Land.
Immer soll getreulich   euch dienen Siegfriedens Hand.

"Dazu soll Hagen helfen   und auch Ortewein,                        167
Dankwart und Sindold,   die lieben Recken dein.
Auch soll da mit uns reiten   Volker der kühne Mann:
Der soll die Fahne führen:   keinen Beßern trefft ihr an.

"Und laßt die Boten reiten heim   in ihrer Herren Land;             168
Daß sie uns bald da sehen,   macht ihnen das bekannt,
So daß unsre Burgen   befriedet mögen sein."
Der König hieß besenden   Freund und Mannen insgemein.

Zu Hofe giengen wieder   Die Lüdeger gesandt;                       169
Sie freuten sich der Reise   zurück ins Heimatland.
Ihnen bot da reiche Gabe   Gunther der König gut
Und sicheres Geleite:   des waren sie wohlgemuth.

"Nun sagt," sprach da Gunther,   "meinen starken Feinden an,        170
Ihre Reise bliebe   beßer ungethan;
Doch wollten sie mich suchen   hier in meinem Land,
Wir zerrännen denn die Freunde,   ihnen werde Noth bekannt."

Den Boten reiche Gaben   man da zur Stelle trug:                    171
Deren hatte Gunther   zu geben genug.
Das durften nicht verschmähen   Die Lüdeger gesandt.
Sie baten um Urlaub   und räumten fröhlich das Land.

Als die Boten waren   gen Dänemark gekommen,                        172
Und der König Lüdegast   den Bericht vernommen,
Was sie am Rhein geredet,   als das ihm ward gesagt,
Seine übermüthge Botschaft   ward da bereut und beklagt.

Sie sagten ihm, sie hätten   manch kühnen Mann im Lehn:             173
"Darunter sah man Einen   vor König Gunthern stehn,
Der war geheißen Siegfried,   ein Held aus Niederland."
Leid wars Lüdegasten,   als er die Dinge so befand.

Als Die vom Dänenlande   hörten diese Mär,                          174
Da eilten sie, der Helfer   zu gewinnen desto mehr,
Bis der König Lüdegast   zwanzigtausend Mann
Seiner kühnen Degen   zu seiner Heerfahrt gewann.

Da besandte sich von Sachsen   auch König Lüdeger,                  175
Bis sie vierzigtausend   hatten und wohl mehr,
Die mit ihnen ritten   gen Burgundenland.
Da hatt auch schon zu Hause   der König Gunther gesandt

Zu seinen nächsten Freunden   und seiner Brüder Heer,               176
Womit sie fahren wollten   im Kriegszug einher,
Und auch mit Hagens Recken:   das that den Helden Noth.
Darum musten Degen   bald erschauen den Tod.

Sie schickten sich zur Reise;   sie wollten nun hindann.            177
Die Fahne muste führen   Volker der kühne Mann,
Da sie reiten wollten   von Worms über Rhein;
Hagen von Tronje   der muste Scharmeister sein.

Mit ihnen ritt auch Sindold   und der kühne Hunold,                 178
Die wohl verdienen konnten   reicher Könge Gold.
Dankwart, Hagens Bruder,   und auch Ortewein
Die mochten wohl mit Ehren   bei dem Heerzuge sein.

"Herr König," sprach da Siegfried,   "bleibet ihr zu Haus:          179
Da mir eure Degen   folgen zu dem Strauß,
So weilt bei den Frauen   und tragt hohen Muth:
Ich will euch wohl behüten   die Ehre so wie das Gut.

"Die euch heimsuchen wollten   zu Worms an dem Rhein,               180
Will euch davor bewahren,   daß sie euch schädlich sei'n:
Wir wollen ihnen reiten   so nah ins eigne Land,
Daß ihnen bald in Sorge   der Uebermuth wird gewandt."

Vom Rheine sie durch Hessen   mit ihren Helden ritten               181
Nach dem Sachsenlande:   da wurde bald gestritten.
Mit Raub und mit Brande   verheerten sie das Land,
Daß bald den Fürsten beiden   ward Noth und Sorge bekannt.

Sie kamen an die Marke;   die Knechte rückten an.                   182
Siegfried der starke   zu fragen da begann:
"Wer soll nun der Hüter   des Gesindes sein?"
Wohl konnte nie den Sachsen   ein Heerzug übler gedeihn.

Sie sprachen: "Laßt der Knappen   hüten auf den Wegen               183
Dankwart den kühnen,   das ist ein schneller Degen:
Wir verlieren desto minder   durch Die in Lüdgers Lehn;
Laßt ihn mit Ortweinen   hie die Nachhut versehn."

"So will ich selber reiten,"   sprach Siegfried der Degen,          184
"Den Feinden gegenüber   der Warte zu pflegen,
Bis ich recht erkunde,   wo die Recken sind."
Da stand bald in den Waffen   der schönen Siegelinde Kind.

Das Volk befahl er Hagen,   als er zog hindann,                     185
Ihm und Gernoten,   diesem kühnen Mann.
So ritt er hin alleine   in der Sachsen Land,
Wo er die rechte Märe   wohl bald mit Ehren befand.

Er sah ein groß Geschwader,   das auf dem Felde zog,                186
Und die Kraft der Seinen   gewaltig überwog:
Es waren vierzigtausend   oder wohl noch mehr.
Siegfried in hohem Muthe   sah gar fröhlich das Heer.

Da hatte sich ein Recke   auch aus der Feinde Schar                 187
Erhoben auf die Warte,   der wohl gewappnet war:
Den sah der Degen Siegfried   und ihn der kühne Mann;
Jedweder auf den andern   mit Zorn zu blicken begann.

Ich sag euch, wer der wäre,   der hier der Warte pflag;             188
Ein lichter Schild von Golde   ihm vor der Linken lag.
Es war der König Lüdegast,   der hütete sein Heer.
Der edle Fremdling sprengte   herrlich wider ihn einher.

Nun hatt auch ihn Herr Lüdegast   sich feindlich erkoren:           189
Ihre Rosse reizten Beide   zur Seite mit den Sporen;
Sie neigten auf die Schilde   mit aller Macht den Schaft:
Da kam der hehre König   darob in großer Sorgen Haft.

Dem Stich gehorsam trugen   die Rosse pfeilgeschwind                190
Die Könige zusammen,   als wehte sie der Wind;
Dann mit den Zäumen wandten   sie ritterlich zurück:
Die grimmen Zwei versuchten   da mit dem Schwerte das Glück.

Da schlug der Degen Siegfried,   das Feld erscholl umher.           191
Aus dem Helme stoben,   als obs von Bränden wär,
Die feuerrothen Funken   von des Helden Hand;
Da stritt mit großen Kräften   der kühne Vogt von Niederland.

Auch ihm schlug Herr Lüdegast   manch grimmen Schlag;               192
Jedweder auf dem Schilde   mit ganzer Stärke lag.
Da hatten es wohl dreißig   erspäht aus seiner Schar:
Eh die ihm Hülfe brachten,   der Sieg doch Siegfrieden war

Mit drei starken Wunden,   die er dem König schlug                  193
Durch einen lichten Harnisch;   der war doch fest genug.
Das Schwert mit seiner Schärfe   entlockte Wunden Blut;
Da gewann König Lüdegast   einen traurigen Muth.

Er bat ihn um sein Leben   und bot ihm all sein Land                194
Und sagt' ihm, er wäre   Lüdegast genannt.
Da kamen seine Recken:   die hatten wohl gesehn,
Was da von ihnen beiden   auf der Warte war geschehn.

Er führt' ihn gern von dannen:   da ward er angerannt               195
Von dreißig seiner Mannen;   doch wehrte seine Hand
Seinen edeln Geisel   mit ungestümen Schlägen.
Bald that noch größern Schaden   dieser zierliche Degen.

Die Dreißig zu Tode   wehrlich er schlug;                           196
Ihrer Einen ließ er leben:   der ritt da schnell genug
Und brachte hin die Märe   von dem, was hier geschehn;
Auch konnte man die Wahrheit   an seinem rothen Helme sehn.

Gar leid wars den Recken   aus dem Dänenland,                       197
Als ihres Herrn Gefängniss   ihnen ward bekannt.
Man sagt' es seinem Bruder:   der fieng zu toben an
In ungestümem Zorne:   ihm war gar wehe gethan.

Lüdegast der König   war hinweggebracht                             198
Zu Gunthers Ingesinde   von Siegfrieds Uebermacht.
Er befahl ihn Hagen:   der kühne Recke gut,
Als er vernahm die Märe,   da gewann er fröhlichen Muth.

Man gebot den Burgunden:   "Die Fahne bindet an."                   199
"Wohlauf," sprach da Siegfried,   "hier wird noch mehr gethan
Vor Abendzeit, verlier ich   Leben nicht und Leib:
Das betrübt im Sachsenlande   noch manches waidliche Weib.

"Ihr Helden vom Rheine,   ihr sollt mein nehmen wahr:               200
Ich kann euch wohl geleiten   zu Lüdegers Schar.
Da seht ihr Helme hauen   von guter Helden Hand:
Eh wir uns wieder wenden,   wird ihnen Sorge bekannt."

Zu den Rossen sprangen Gernot   und Die ihm unterthan.              201
Die Heerfahne faßte   der kühne Spielmann,
Volker der Degen,   und ritt der Schar vorauf.
Da war auch das Gesinde   zum Streite muthig und wohlauf.

Sie führten doch der Degen   nicht mehr denn tausend Mann,          202
Darüber zwölf Recken.   Zu stieben da begann
Der Staub von den Straßen:   sie ritten über Land;
Man sah von ihnen scheinen   manchen schönen Schildesrand.

Nun waren auch die Sachsen   gekommen und ihr Heer                  203
Mit Schwertern wohlgewachsen;   die Klingen schnitten sehr,
Das hab ich wohl vernommen,   den Helden an der Hand:
Da wollten sie die Gäste   von Burgen wehren und Land.

Der Herren Scharmeister   führten das Volk heran.                   204
Da war auch Siegfried kommen   mit den zwölf Mann,
Die er mit sich führte   aus dem Niederland.
Des Tags sah man im Sturme   manche blutige Hand.

Sindold und Hunold   und auch Gernot                                205
Die schlugen in dem Streite   viel der Helden todt,
Eh sie ihrer Kühnheit   noch selber mochten traun:
Das musten bald beweinen   viel der waidlichen Fraun.

Volker und Hagen   und auch Ortwein                                 206
Leschten in dem Streite   manches Helmes Schein
Mit fließendem Blute,   die Kühnen in der Schlacht.
Von Dankwarten wurden   viel große Wunder vollbracht.

Da versuchten auch die Dänen   waidlich ihre Hand;                  207
Von Stößen laut erschallte   mancher Schildesrand
Und von den scharfen Schwertern,   womit man Wunden schlug.
Die streitkühnen Sachsen   thaten Schadens auch genug.

Als die Burgunden   drangen in den Streit,                          208
Von ihnen ward gehauen   manche Wunde weit:
Ueber die Sättel fließen   sah man das Blut;
So warben um die Ehre   diese Ritter kühn und gut.

Man hörte laut erhallen   den Helden an der Hand                    209
Ihre scharfen Waffen,   als Die von Niederland
Ihrem Herrn nachdrangen   in die dichten Reihn;
Die zwölfe kamen ritterlich   zugleich mit Siegfried hinein.

Deren vom Rheine   kam ihnen Niemand nach.                          210
Man konnte fließen sehen   den blutrothen Bach
Durch die lichten Helme   von Siegfriedens Hand,
Eh er Lüdegeren   vor seinen Heergesellen fand.

Dreimal die Kehre   hat er nun genommen                             211
Bis an des Heeres Ende;   da war auch Hagen kommen:
Der half ihm wohl vollbringen   im Kampfe seinen Muth.
Da muste bald ersterben   vor ihnen mancher Ritter gut.

Als der starke Lüdeger   Siegfrieden fand,                          212
Wie er so erhaben   trug in seiner Hand
Balmung den guten   und da so Manchen schlug,
Darüber ward der Kühne   vor Zorn ingrimmig genug.

Da gab es stark Gedränge   und lauten Schwerterklang,               213
Wo ihr Ingesinde   auf einander drang.
Da versuchten desto heftiger   die beiden Recken sich;
Die Scharen wichen beide:   der Kämpen Haß ward fürchterlich.

Dem Vogt vom Sachsenlande   war es wohl bekannt,                    214
Sein Bruder sei gefangen:   drum war er zornentbrannt;
Nicht wust er, ders vollbrachte,   sei der Sieglindensohn.
Man zeihte des Gernoten;   hernach befand er es schon.

Da schlug so starke Schläge   Lüdegers Schwert,                     215
Siegfrieden unterm Sattel   niedersank das Pferd;
Doch bald erhob sichs wieder:   der kühne Siegfried auch
Gewann jetzt im Sturme   einen furchtbaren Brauch.

Dabei half ihm Hagen   wohl und Gernot,                             216
Dankwart und Volker:   da lagen Viele todt.
Sindold und Hunold   und Ortwein der Degen
Die konnten in dem Streite   zum Tode Manchen niederlegen.

Untrennbar im Kampfe   waren die Fürsten hehr.                      217
Ueber die Helme fliegen   sah man manchen Sper
Durch die lichten Schilde   von der Helden Hand;
Auch ward von Blut geröthet   mancher herrliche Rand.

In dem starken Sturme   sank da mancher Mann                        218
Von den Rossen nieder.   Einander rannten an
Siegfried der kühne   und König Lüdeger;
Man sah da Schäfte fliegen   und manchen schneidigen Sper.

Der Schildbeschlag des Königs   zerstob vor Siegfrieds Hand.        219
Sieg zu erwerben dachte   der Held von Niederland
An den kühnen Sachsen;   die litten Ungemach.
Hei! was da lichte Panzer   der kühne Dankwart zerbrach!

Da hatte König Lüdeger   auf einem Schild erkannt                   220
Eine gemalte Krone   vor Siegfriedens Hand:
Da sah er wohl, es wäre   der kraftreiche Mann.
Laut auf zu seinen Freunden   der Held zu rufen begann:

"Begebt euch des Streites,   ihr all mir unterthan!                 221
Den Sohn König Siegmunds   traf ich hier an,
Siegfried den starken   hab ich hier erkannt;
Den hat der üble Teufel   her zu den Sachsen gefandt."

Er gebot die Fahnen   zu senken in dem Streit.                      222
Friedens er begehrte:   der ward ihm nach der Zeit;
Doch must er Geisel werden   in König Gunthers Land:
Das hatt an ihm erzwungen   des kühnen Siegfriedes Hand.

Nach allgemeinem Rathe   ließ man ab vom Streit.                    223
Viel zerschlagner Helme   und der Schilde weit
Legten sie aus Händen;   so viel man deren fand,
Die waren blutgeröthet   von der Burgunden Hand.

Sie fiengen, wen sie wollten:   sie hatten volle Macht.             224
Gernot und Hagen,   die schnellen, hatten Acht,
Daß man die Wunden bahrte;   da führten sie hindann
Gefangen nach dem Rheine   der Kühnen fünfhundert Mann.

Die sieglosen Recken   zum Dänenlande ritten.                       225
Da hatten auch die Sachsen   so tapfer nicht gestritten,
Daß man sie loben sollte:   das war den Helden leid.
Da beklagten ihre Freunde   die Gefallnen in dem Streit.

Sie ließen ihre Waffen   aufsäumen nach dem Rhein.                  226
Es hatte wohl geworben   mit den Gefährten sein
Siegfried der starke   und hatt es gut vollbracht:
Das must ihm zugestehen   König Gunthers ganze Macht.

Gen Worms sandte Boten   der König Gernot:                          227
Daheim in seinem Lande   den Freunden er entbot,
Wie ihm gelungen wäre   und all seinem Lehn:
Es war da von den Kühnen   nach allen Ehren geschehn.

Die Botenknaben liefen;   so ward es angesagt.                      228
Da freuten sich in Liebe,   die eben Leid geklagt,
Dieser frohen Märe,   die ihnen war gekommen.
Da ward von edlen Frauen   großes Fragen vernommen,

Wie es den Herrn gelungen   wär in des Königs Heer.                 229
Man rief der Boten Einen   zu Kriemhilden her.
Das geschah verstohlen,   sie durfte es wohl nicht laut:
Denn Einer war darunter,   dem sie längst ihr Herz vertraut.

Als sie in ihre Kammer   den Boten kommen sah,                      230
Kriemhild die schöne   gar gütlich sprach sie da:
"Nun sag mir liebe Märe,   so geb ich dir mein Gold,
Und thust dus ohne Trügen,   will ich dir immer bleiben hold.

"Wie schied aus dem Streite   mein Bruder Gernot                    231
Und meine andern Freunde?   Blieb uns nicht Mancher todt?
Wer that da das Beste?   das sollst du mir sagen"
Da sprach der biedre Bote:   "Wir hatten nirgend einen Zagen.

"Zuvorderst in dem Streite   ritt Niemand so wohl,                  232
Hehre Königstochter,   wenn ich es sagen soll,
Als der edle Fremdling   aus dem Niederland:
Da wirkte große Wunder   des kühnen Siegfriedes Hand.

"Was von den Recken allen   im Streit da geschehn,                  233
Dankwart und Hagen   und des Königs ganzem Lehn,
Wie wehrlich sie auch stritten,   das war doch wie ein Wind
Nur gegen Siegfrieden,   König Siegmundens Kind.

"Sie haben in dem Sturme   der Helden viel erschlagen;              234
Doch möcht euch dieser Wunder   ein Ende Niemand sagen,
Die da Siegfried wirkte,   ritt er in den Streit.
Den Fraun an ihren Freunden   that er mächtiges Leid.

"Auch muste vor ihm fallen   der Friedel mancher Braut.             235
Seine Schläge schollen   auf Helmen also laut,
Daß sie aus Wunden brachten   das fließende Blut:
Er ist in allen Dingen   ein Ritter kühn und auch gut.

"Da hat auch viel begangen   von Metz Herr Ortewein:                236
Was er nur mocht erlangen   mit dem Schwerte sein,
Das fiel vor ihm verwundet   oder meistens todt.
Da schuf euer Bruder   die allergrößeste Noth,

"Die jemals in Stürmen   mochte sein geschehn;                      237
Man muß dem Auserwählten   die Wahrheit zugestehn.
Die stolzen Burgunden   bestanden so die Fahrt,
Daß sie vor allen Schanden   die Ehre haben bewahrt.

"Man sah von ihren Händen   der Sättel viel geleert,                238
Als so laut das Feld erhallte   von manchem lichten Schwert.
Die Recken vom Rheine   die ritten allezeit,
Daß ihre Feinde beßer   vermieden hätten den Streit.

"Auch die kühnen Tronjer   schufen großes Leid,                     239
Als mit Volkskräften   das Heer sich traf im Streit.
Da schlug so Manchen nieder  des kühnen Hagen Hand,
Es wäre viel zu sagen   davon in der Burgunden Land.

"Sindold und Hunold   in Gernotens Heer                             240
Und Rumold der kühne   schufen so viel Beschwer,
König Lüdger mag es   beklagen allezeit,
Daß er meine Herren   am Rhein berief in den Streit.

"Kampf, den allerhöchsten,   der irgend da geschah,                 241
Vom Ersten bis zum Letzten,   den Jemand nur sah,
Hat Siegfried gefochten   mit wehrlicher Hand:
Er bringt reiche Geisel   her in König Gunthers Land.

"Die zwang mit seinen Kräften   der streitbare Held,                242
Wovon der König Lüdegast   den Schaden nun behält
Und vom Sachsenlande   sein Bruder Lüdeger.
Nun hört meine Märe,   viel edle Königin hehr!

"Gefangen hat sie beide   Siegfriedens Hand:                        243
Nie so mancher Geisel   kam in dieses Land,
Als nun seine Kühnheit   bringt an den Rhein."
Ihr konnten diese Mären   nicht willkommener sein.

"Man führt der Gesunden   fünfhundert oder mehr                     244
Und der zum Sterben Wunden,   wißt, Königin hehr,
Wohl achtzig blutge Bahren   her in unser Land:
Die hat zumeist verhauen   des kühnen Siegfriedes Hand.

"Die uns im Uebermuthe   widersagten hier am Rhein,                 245
Die müßen nun Gefangene   König Gunthers sein;
Die bringt man mit Freuden   her in dieses Land."
Ihre lichte Farb erblühte,   als ihr die Märe ward bekannt.

Ihr schönes Antlitz wurde   vor Freuden rosenroth,                  246
Da lebend war geschieden   aus so großer Noth
Der waidliche Recke,   Siegfried der junge Mann.
Sie war auch froh der Freunde   und that wohl weislich daran.

Die Schöne sprach: "Du machtest   mir frohe Mär bekannt:            247
Ich laße dir zum Lohne   geben reich Gewand,
Und zehn Mark von Golde   heiß ich dir tragen."
Drum mag man solche Botschaft   reichen Frauen gerne sagen.

Man gab ihm zum Lohne   das Gold und auch das Kleid.                248
Da trat an die Fenster   manche schöne Maid
Und schaute nach der Straße,   wo man reiten fand
Viel hochherzge Degen   in der Burgunden Land.

Da kamen die Gesunden,   der Wunden Schar auch kam:                 249
Die mochten grüßen hören   von Freunden ohne Scham.
Der Wirth ritt seinen Gästen   entgegen hocherfreut:
Mit Freuden war beendet   all sein mächtiges Leid.

Da empfieng er wohl die Seinen,   die Fremden auch zugleich,        250
Wie es nicht anders ziemte   dem Könige reich,
Als denen gütlich danken,   die da waren kommen,
Daß sie den Sieg mit Ehren   im Sturme hatten genommen.

Herr Gunther ließ sich Kunde   von seinen Freunden sagen,           251
Wer ihm auf der Reise   zu Tode wär erschlagen,
Da hatt er nicht verloren   mehr als sechzig Mann;
Die muste man verschmerzen,   wie man noch Manchen gethan.

Da brachten die Gesunden   zerhauen manchen Rand                    252
Und viel zerschlagener Helme   in König Gunthers Land.
Das Volk sprang von den Rossen   vor des Königs Saal;
Zu liebem Empfange   vernahm man fröhlichen Schall.

Da gab man Herbergen   den Recken in der Stadt.                     253
Der König seine Gäste   wohl zu verpflegen bat;
Die Wunden ließ er hüten   und warten fleißiglich.
Wohl zeigte seine Milde   auch an seinen Feinden sich.

Er sprach zu Lüdegeren:   "Nun seid mir willkommen!                 254
Ich bin zu großem Schaden   durch eure Schuld gekommen:
Der wird mir nun vergolten,   wenn ich das schaffen kann.
Gott lohne meinen Freunden:   sie haben wohl an mir gethan."

"Wohl mögt ihr ihnen danken,"   sprach da Lüdeger,                  255
"Solche hohe Geisel   gewann kein König mehr.
Um ritterlich Gewahrsam   bieten wir großes Gut
Und bitten, daß ihr gnädiglich   an euern Widersachern thut."

"Ich will euch," sprach er, "Beide   ledig laßen gehn;              256
Nur daß meine Feinde   hier bei mir bestehn,
Dafür verlang ich Bürgschaft,   damit sie nicht mein Land
Räumen ohne Frieden."   Darauf boten sie die Hand.

Man brachte sie zur Ruhe,   wo man sie wohl verpflag.               257
Und bald auf guten Betten   mancher Wunde lag.
Man schenkte den Gesunden   Meth und guten Wein;
Da konnte das Gesinde   nicht wohl fröhlicher sein.

Die zerhaunen Schilde   man zum Verschluße trug;                    258
Blutgefärbter Sättel   sah man da genug.
Die ließ man verbergen,   so weinten nicht die Fraun.
Da waren reisemüde   viel gute Ritter zu schaun.

Seiner Gäste pflegen   hieß der König wohl;                         259
Von Heimischen und Fremden   lag das Land ihm voll;
Er ließ die Fährlichwunden   gütlich verpflegen:
Wie hart war darnieder   nun ihr Uebermuth gelegen!

Die Arzneikunst wusten,   denen bot man reichen Sold,               260
Silber ungewogen,   dazu das lichte Gold,
Wenn sie die Helden heilten   nach des Streites Noth.
Dazu viel große Gaben   der König seinen Gästen bot.

Wer wieder heimzureisen   sann in seinem Muth,                      261
Den bat man noch zu bleiben,   wie man mit Freunden thut.
Der König gieng zu Rathe,   wie er lohne seinem Lehn:
Durch sie war sein Wille   nach allen Ehren geschehn.

Da sprach der König Gernot:   "Laßt sie jetzt hindann;              262
Ueber sechs Wochen,   das kündigt ihnen an,
Sollten sie wiederkehren   zu einem Hofgelag:
Heil ist dann wohl Mancher,   der jetzt schwer verwundet lag."

Da bat auch um Urlaub   Siegfried von Niederland.                   263
Als dem König Gunther   sein Wille ward bekannt,
Bat er ihn gar minniglich,   noch bei ihm zu bestehn;
Wenn nicht um seine Schwester,   so wär es nimmer geschehn.

Dazu war er zu mächtig,   daß man ihm böte Sold,                    264
So sehr er es verdiente.   Der König war ihm hold
Und all seine Freunde,   die das mit angesehn,
Was da von seinen Händen   war im Streite geschehn.

Er dachte noch zu bleiben   um die schöne Maid;                     265
Vielleicht, daß er sie sähe.   Das geschah auch nach der Zeit:
Wohl nach seinem Wunsche   ward sie ihm bekannt.
Dann ritt er reich an Freuden   heim in seines Vaters Land.

Der Wirth bat alle Tage   des Ritterspiels zu pflegen;              266
Das that mit gutem Willen   mancher junge Degen.
Auch ließ er Sitz' errichten   vor Worms an dem Strand
Für Die da kommen sollten   in der Burgunden Land.

Nun hatt auch in den Tagen,   als sie sollten kommen,               267
Kriemhild die schöne   die Märe wohl vernommen,
Er stell ein Hofgelage   mit lieben Freunden an.
Da dachten schöne Frauen   mit großem Fleiße daran,

Gewand und Band zu suchen, das sie wollten tragen.                  268
Ute die reiche   vernahm die Märe sagen
Von den stolzen Recken,   die da sollten kommen:
Da wurden aus dem Einschlag   viele reiche Kleider genommen.

Ihrer Kinder halb bereiten   ließ sie Rock und Kleid,               269
Womit sich da zierten   viel Fraun und manche Maid
Und viel der jungen Recken   aus Burgundenland.
Sie ließ auch manchem Fremden   bereiten herrlich Gewand.

       *       *       *       *       *



Fünftes Abenteuer.

Wie Siegfried Kriemhilden zuerst ersah.


Man sah die Helden täglich   nun reiten an den Rhein,               270
Die bei dem Hofgelage   gerne wollten sein
Und den Königen zu Liebe   kamen in das Land.
Man gab ihrer Vielen   beides, Ross und Gewand.

Es war auch das Gestühle   allen schon bereit,                      271
Den Höchsten und den Besten,   so hörten wir Bescheid,
Zweiunddreißig Fürsten   zu dem Hofgelag:
Da zierten um die Wette   sich die Frauen für den Tag.

Gar geschäftig sah man   Geiselher das Kind.                        272
Die Heimischen und Fremden   empfieng er holdgesinnt
Mit Gernot seinem Bruder   und beider Mannen da.
Wohl grüßten sie die Degen,   wie es nach Ehren geschah.

Viel goldrother Sättel   führten sie ins Land,                      273
Zierliche Schilde   und herrlich Gewand
Brachten sie zu Rheine   bei dem Hofgelag.
Mancher Ungesunde   hieng der Freude wieder nach.

Die wund zu Bette liegend   vordem gelitten Noth,                   274
Die durften nun vergeßen,   wie bitter sei der Tod;
Die Siechen und die Kranken   vergaß man zu beklagen.
Es freute sich ein Jeder   entgegen festlichen Tagen:

Wie sie da leben wollten   in gastlichem Genuß!                     275
Wonnen ohne Maßen,   der Freuden Ueberfluß
Hatten alle Leute,   so viel man immer fand:
Da hub sich große Wonne   über Gunthers ganzes Land.

An einem Pfingstmorgen   sah man sie alle gehn                      276
Wonniglich gekleidet,   viel Degen ausersehn,
Fünftausend oder drüber,   dem Hofgelag entgegen.
Da hub um die Wette   sich viel Kurzweil allerwegen.

Der Wirth hatt im Sinne,   was er schon längst erkannt,             277
Wie von ganzem Herzen   der Held von Niederland
Seine Schwester liebe,   sah er sie gleich noch nie,
Der man das Lob der Schönheit   vor allen Jungfrauen lieh.

Er sprach: "Nun rathet Alle,   Freund oder Unterthan,               278
Wie wir das Hofgelage   am besten stellen an,
Daß man uns nicht schelte   darum nach dieser Zeit;
Zuletzt doch an den Werken   liegt das Lob, das man uns beut."

Da sprach zu dem Könige   von Metz Herr Ortewein:                   279
"Soll dieß Hofgelage   mit vollen Ehren sein,
So laßt eure Gäste   die schönen Kinder sehn,
Denen so viel Ehren   in Burgundenland geschehn.

"Was wäre Mannes Wonne,   was freut' er sich zu schaun,             280
Wenn nicht schöne Mägdelein   und herrliche Fraun?
Drum laßt eure Schwester   vor die Gäste gehn."
Der Rath war manchem Helden   zu hoher Freude geschehn.

"Dem will ich gerne folgen,"   der König sprach da so.              281
Alle, die's erfuhren,   waren darüber froh.
Er entbot es Frauen Uten   und ihrer Tochter schön,
Daß sie mit ihren Maiden   hin zu Hofe sollten gehn.

Da ward aus den Schreinen   gesucht gut Gewand,                     282
So viel man eingeschlagen   der lichten Kleider fand,
Der Borten und der Spangen;   des lag genug bereit.
Da zierte sich gar minniglich   manche waidliche Maid.

Mancher junge Recke   wünschte heut so sehr,                        283
Daß er wohlgefallen   möchte den Frauen hehr,
Das er dafür nicht nähme   ein reiches Königsland:
Sie sahen die gar gerne,   die sie nie zuvor gekannt.

Da ließ der reiche König   mit seiner Schwester gehn                284
Hundert seiner Recken,   zu ihrem Dienst ersehn
Und dem ihrer Mutter,   die Schwerter in der Hand:
Das war das Hofgesinde   in der Burgunden Land.

Ute die reiche   sah man mit ihr kommen,                            285
Die hatte schöner Frauen   sich zum Geleit genommen
Hundert oder drüber,   geschmückt mit reichem Kleid.
Auch folgte Kriemhilden   manche waidliche Maid.

Aus einer Kemenate   sah man sie alle gehn:                         286
Da muste heftig Drängen   von Helden bald geschehn,
Die alle harrend standen,   ob es möchte sein,
Daß sie da fröhlich sähen   dieses edle Mägdelein.

Da kam die Minnigliche,   wie das Morgenroth                        287
Tritt aus trüben Wolken.   Da schied von mancher Noth,
Der sie im Herzen hegte,   was lange war geschehn.
Er sah die Minnigliche   nun gar herrlich vor sich stehn.

Von ihrem Kleide leuchtete   mancher edle Stein;                    288
Ihre rosenrothe Farbe   gab wonniglichen Schein.
Was Jemand wünschen mochte,   er muste doch gestehn,
Daß er hier auf Erden   noch nicht so Schönes gesehn.

Wie der lichte Vollmond   vor den Sternen schwebt,                  289
Des Schein so hell und lauter   sich aus den Wolken hebt,
So glänzte sie in Wahrheit   vor andern Frauen gut:
Das mochte wohl erhöhen   den zieren Helden den Muth.

Die reichen Kämmerlinge   schritten vor ihr her;                    290
Die hochgemuthen Degen   ließen es nicht mehr:
Sie drängten, daß sie sähen   die minnigliche Maid.
Siegfried dem Degen   war es lieb und wieder leid.

Er sann in seinem Sinne:   "Wie dacht ich je daran,                 291
Daß ich dich minnen sollte?   das ist ein eitler Wahn;
Soll ich dich aber meiden,   so wär ich sanfter todt."
Er ward von Gedanken   oft bleich und oft wieder roth.

Da sah man den Sigelindensohn   so minniglich da stehn,             292
Als wär er entworfen   auf einem Pergamen
Von guten Meisters Händen:   gern man ihm zugestand,
Daß man nie im Leben   so schönen Helden noch fand.

Die mit Kriemhilden giengen,   die hießen aus den Wegen             293
Allenthalben weichen:   dem folgte mancher Degen.
Die hochgetragnen Herzen   freute man sich zu schaun:
Man sah in hohen Züchten   viel der herrlichen Fraun.

Da sprach von Burgunden   der König Gernot:                         294
"Dem Helden, der so gütlich   euch seine Dienste bot,
Gunther, lieber Bruder,   dem bietet hier den Lohn
Vor allen diesen Recken:   des Rathes spricht man mir nicht Hohn.

"Heißet Siegfrieden   zu meiner Schwester kommen,                   295
Daß ihn das Mägdlein grüße:   das bringt uns immer Frommen:
Die niemals Recken grüßte,   soll sein mit Grüßen pflegen,
Daß wir uns so gewinnen   diesen zierlichen Degen."

Des Wirthes Freunde giengen dahin,   wo man ihn fand;               296
Sie sprachen zu dem Recken   aus dem Niederland:
"Der König will erlauben,   ihr sollt zu Hofe gehn,
Seine Schwester soll euch grüßen:   die Ehre soll euch geschehn."

Der Rede ward der Degen   in seinem Muth erfreut:                   297
Er trug in seinem Herzen   Freude sonder Leid,
Daß er der schönen Ute   Tochter sollte sehn.
In minniglichen Züchten   empfieng sie Siegfrieden schön.

Als sie den Hochgemuthen   vor sich stehen sah,                     298
Ihre Farbe ward entzündet;   die Schöne sagte da:
"Willkommen, Herr Siegfried,   ein edler Ritter gut."
Da ward ihm von dem Gruße   gar wohl erhoben der Muth.

Er neigte sich ihr minniglich,   als er den Dank ihr bot.           299
Da zwang sie zu einander   sehnender Minne Noth;
Mit liebem Blick der Augen   sahn einander an
Der Held und auch das Mägdelein;   das ward verstohlen gethan.

Ward da mit sanftem Drucke   geliebkost weiße Hand                  300
In herzlicher Minne,   das ist mir unbekannt.
Doch kann ich auch nicht glauben,   sie hättens nicht gethan.
Liebebedürftige Herzen   thäten Unrecht daran.

Zu des Sommers Zeiten   und in des Maien Tagen                      301
Durft er in seinem Herzen   nimmer wieder tragen
So viel hoher Wonne,   als er da gewann,
Da die ihm an der Hand gieng,   die der Held zu minnen sann.

Da gedachte mancher Recke:   "Hei! wär mir so geschehn,             302
Daß ich so bei ihr gienge,   wie ich ihn gesehn,
Oder bei ihr läge!   das nähm ich willig hin."
Es diente nie ein Recke   so gut noch einer Königin.

Aus welchen Königs Landen   ein Gast gekommen war,                  303
Er nahm im ganzen Saale   nur dieser beiden wahr.
Ihr ward erlaubt zu küssen   den waidlichen Mann:
Ihm ward in seinem Leben   nie so Liebes gethan.

Von Dänemark der König   hub an und sprach zur Stund:               304
"Des hohen Grußes willen   liegt gar Mancher wund,
Wie ich wohl hier gewahre,   von Siegfriedens Hand:
Gott laß ihn nimmer wieder   kommen in der Dänen Land."

Da hieß man allenthalben   weichen aus den Wegen                    305
Kriemhild der Schönen;   manchen kühnen Degen
Sah man wohlgezogen   mit ihr zur Kirche gehn.
Bald ward von ihr geschieden   dieser Degen ausersehn.

Da gieng sie zu dem Münster   und mit ihr viel der Fraun.           306
Da war in solcher Zierde   die Königin zu schaun,
Daß da hoher Wünsche   mancher ward verloren;
Sie war zur Augenweide   viel der Recken auserkoren.

Kaum erharrte Siegfried,   bis schloß der Messgesang;               307
Er mochte seinem Heile   des immer sagen Dank,
Daß ihm so gewogen war,   die er im Herzen trug:
Auch war er der Schönen   nach Verdiensten hold genug.

Als sie aus dem Münster   nach der Messe kam,                       308
Lud man wieder zu ihr   den Helden lobesam.
Da begann ihm erst zu danken   die minnigliche Maid,
Daß er vor allen Recken   so kühn gefochten im Streit.

"Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,"   sprach das schöne Kind,     309
"Daß ihr das verdientet,   daß euch die Recken sind
So hold mit ganzer Treue,   wie sie zumal gestehn."
Da begann er Frau Kriemhilden   minniglich anzusehn.

"Stäts will ich ihnen dienen,"   sprach Stegfried der Degen,        310
"Und will mein Haupt nicht eher   zur Ruhe niederlegen,
Bis ihr Wunsch geschehen,   so lang mein Leben währt:
Das thu ich, Frau Kriemhild,   daß ihr mir Minne gewährt."

Innerhalb zwölf Tagen,   so oft es neu getagt,                      311
Sah man bei dem Degen   die wonnigliche Magd,
So sie zu Hofe durfte   vor ihren Freunden gehn.
Der Dienst war dem Recken   aus großer Liebe geschehn.

Freude und Wonne   und lauten Schwerterschall                       312
Vernahm man alle Tage   vor König Gunthers Saal,
Davor und darinnen   von manchem kühnen Mann.
Von Ortwein und Hagen   wurden Wunder viel gethan.

Was man zu üben wünschte,   dazu sah man bereit                     313
In völligem Maße   die Degen kühn im Streit.
Da machten vor den Gästen   die Recken sich bekannt;
Es war eine Zierde   König Gunthers ganzem Land.

Die lange wund gelegen,   wagten sich an den Wind:                  314
Sie wollten kurzweilen   mit des Königs Ingesind,
Schirmen mit den Schilden   und schießen manchen Schaft.
Des halfen ihnen Viele;   sie hatten größliche Kraft.

Bei dem Hofgelage   ließ sie der Wirth verpflegen                   315
Mit der besten Speise;   es durfte sich nicht regen
Nur der kleinste Tadel,   der Fürsten mag entstehn;
Man sah ihn jetzo freundlich   hin zu seinen Gästen gehn.

Er sprach: "Ihr guten Recken,   bevor ihr reitet hin,               316
So nehmt meine Gaben:   also fleht mein Sinn,
Ich will euch immer danken;   verschmäht nicht mein Gut:
Es unter euch zu theilen   hab ich willigen Muth."

Die vom Dänenlande   sprachen gleich zur Hand:                      317
"Bevor wir wieder reiten   heim in unser Land,
Gewährt uns stäten Frieden:   das ist uns Recken noth;
Uns sind von euern Degen   viel der lieben Freunde todt."

Genesen von den Wunden   war Lüdegast derweil;                      318
Der Vogt des Sachsenlandes   war bald vom Kampfe heil.
Etliche Todte   ließen sie im Land.
Da gieng der König Gunther   hin, wo er Siegfrieden fand.

Er sprach zu dem Recken:   "Nun rath mir, wie ich thu.              319
Unsre Gäste wollen   reiten morgen fruh
Und gehn um stäte Sühne   mich und die Meinen an:
Nun rath, kühner Degen,   was dich dünke wohlgethan.

"Was mir die Herrn bieten,   das will ich dir sagen:                320
Was fünfhundert Mähren   an Gold mögen tragen,
Das bieten sie mir gerne   für ihre Freiheit an."
Da sprach aber Siegfried:   "Das wär übel gethan.

"Ihr sollt sie beide ledig   von hinnen laßen ziehn;                321
Nur daß die edeln Recken   sich hüten fürderhin
Vor feindlichem Reiten   her in euer Land,
Laßt euch zu Pfande geben   der beiden Könige Hand."

"Dem Rathe will ich folgen."   So giengen sie hindann.              322
Seinen Widersachern   ward es kundgethan,
Des Golds begehre Niemand,   das sie geboten eh.
Daheim den lieben Freunden   war nach den heermüden weh.

Viel Schilde schatzbeladen   trug man da herbei:                    323
Das theilt' er ungewogen   seinen Freunden frei,
An fünfhundert Marken   und Manchem wohl noch mehr;
Gernot rieth es Gunthern,   dieser Degen kühn und hehr.

Um Urlaub baten alle,   sie wollten nun hindann.                    324
Da kamen die Gäste   vor Kriemhild heran
Und dahin auch, wo Frau Ute   saß, die Königin.
Es zogen nie mehr Degen   so wohl beurlaubt dahin.

Die Herbergen leerten sich,   als sie von dannen ritten.            325
Doch verblieb im Lande   mit herrlichen Sitten
Der König mit den Seinen   und mancher edle Mann:
Die giengen alle Tage   zu Frau Kriemhild heran.

Da wollt auch Urlaub nehmen   Siegfried der gute Held,              326
Verzweifelnd zu erwerben,   worauf sein Sinn gestellt.
Der König hörte sagen,   er wolle nun hindann:
Geiselher der junge   ihn von der Reise gewann.

"Wohin, edler Siegfried,   wohin reitet ihr?                        327
Hört meine Bitte,   bleibt bei den Recken hier,
Bei Gunther dem König   und bei seinem Lehn:
Hier sind viel schöne Frauen,   die läßt man euch gerne sehn."

Da sprach der starke Siegfried:   "So laßt die Rosse stehn.         328
Von hinnen wollt ich reiten,   das laß ich mir vergehn.
Tragt auch hinweg die Schilde:   wohl wollt ich in mein Land:
Davon hat mich Herr Geiselher   mit großen Treuen gewandt."

So verblieb der Kühne   dem Freund zu Liebe dort.                   329
Auch wär ihm in den Landen   an keinem andern Ort
So wohl als hier geworden:   daher es nun geschah,
Daß er alle Tage   die schöne Kriemhild ersah.

Ihrer hohen Schönheit willen   der Degen da verblieb.               330
Mit mancher Kurzweile   man nun die Zeit vertrieb;
Nur zwang ihn ihre Minne,   die schuf ihm oftmals Noth;
Darum hernach der Kühne   lag zu großem Jammer todt.

       *       *       *       *       *



Sechstes Abenteuer.

Wie Gunther um Brunhild gen Isenland fuhr.


Wieder neue Märe   erhob sich über Rhein:                           331
Man sagte sich, da wäre   manch schönes Mägdelein.
Sich eins davon zu werben   sann König Gunthers Muth.
Das dauchte seine Recken   und die Herren alle gut.

Es war eine Königin   geseßen über Meer,                            332
Ihr zu vergleichen   war keine andre mehr.
Schön war sie aus der Maßen,   gar groß war ihre Kraft;
Sie schoß mit schnellen Degen   um ihre Minne den Schaft.

Den Stein warf sie ferne,   nach dem sie weithin sprang;            333
Wer ihrer Minne gehrte,   der muste sonder Wank
Drei Spiel' ihr abgewinnen,   der Frauen wohlgeboren;
Gebrach es ihm an Einem,   so war das Haupt ihm verloren.

Die Königstochter hatte   das manchesmal gethan.                    334
Das erfuhr am Rheine   ein Ritter wohlgethan.
Der seine Sinne wandte   auf das schöne Weib.
Drum musten bald viel Degen   verlieren Leben und Leib.

Als einst mit seinen Leuten   saß der König hehr,                   335
Ward es von allen Seiten   berathen hin und her,
Welche ihr Herr sich sollte   zum Gemahl erschaun,
Die er zum Weibe wollte   und dem Land geziemte zur Fraun.

Da sprach der Vogt vom Rheine:  "Ich will an die See                336
Hin zu Brunhilden,   wie es mir ergeh.
Um ihre Minne wag ich   Leben und Leib,
Die will ich verlieren,   gewinn ich nicht sie zum Weib."

"Das möcht ich widerrathen,"   sprach Siegfried wider ihn:          337
"So grimmiger Sitte   pflegt die Königin,
Um ihre Minne werben,   das kommt hoch zu stehn:
Drum mögt ihrs wohl entrathen,   auf diese Reise zu gehn."

Da sprach der König Gunther:   "Ein Weib ward noch nie              338
So stark und kühn geboren,   im Streit wollt ich sie
Leichtlich überwinden   allein mit meiner Hand."
"Schweigt," sprach da Siegfried,   "sie ist euch noch unbekannt.

"Und wären eurer viere,   die könnten nicht gedeihn                 339
Vor ihrem grimmen Zorne:   drum laßt den Willen sein,
Das rath ich euch in Treuen:   entgeht ihr gern dem Tod,
So macht um ihre Minne   euch nicht vergebliche Noth."

"Sei sie so stark sie wolle,   die Reise muß ergehn                 340
Hin zu Brunhilden,   mag mir was will geschehn.
Ihrer hohen Schönheit willen   gewagt muß es sein:
Vielleicht daß Gott mir füget,   daß sie uns folgt an den Rhein."

"So will ich euch rathen,"   begann da Hagen,                       341
"Bittet Siegfrieden,   mit euch zu tragen
Die Last dieser Sorge;   das ist der beste Rath,
Weil er von Brunhilden   so gute Kunde doch hat."

Er sprach: "Viel edler Siegfried,   willst du mir Helfer sein       342
Zu werben um die Schöne?   Thu nach der Bitte mein;
Und gewinn ich mir zur Trauten   das herrliche Weib,
So verwag ich deinetwillen   Ehre, Leben und Leib."

Zur Antwort gab ihm Siegfried,   König Siegmunds Sohn:              343
"Ich will es thun, versprichst du   die Schwester mir zum Lohn,
Kriemhild die schöne,   eine Königin hehr:
So begehr ich keines Dankes   nach meinen Arbeiten mehr."

"Das gelob ich," sprach Gunther,   "Siegfried, dir an die Hand.     344
Und kommt die schöne Brunhild   hieher in dieses Land,
So will ich dir zum Weibe   meine Schwester geben:
So magst du mit der Schönen   immer in Freuden leben."

Des schwuren sich Eide   diese Recken hehr.                         345
Da schuf es ihnen beiden   viel Müh und Beschwer,
Eh sie die Wohlgethane   brachten an den Rhein.
Es musten die Kühnen   darum in großen Sorgen sein.

Von wilden Gezwergen   hab ich hören sagen,                         346
Daß sie in hohlen Bergen   wohnen und Schirme tragen,
Die heißen Tarnkappen,   von wunderbarer Art;
Wer sie am Leibe trage,   der sei gar wohl darin bewahrt

Vor Schlägen und vor Stichen;   ihn mög auch Niemand sehn,          347
So lang er drin verweile;   hören doch und spähn
Mag er nach feinem Willen,   daß Niemand ihn erschaut;
Ihm wachsen auch die Kräfte,   wie uns die Märe vertraut.

Die Tarnkappe führte   Siegfried mit hindann,                       348
Die der kühne Degen   mit Sorgen einst gewann
Von einem Gezwerge   mit Namen Alberich.
Da schickten sich zur Reise   Recken kühn und ritterlich.

Wenn der starke Siegfried   die Tarnkappe trug,                     349
So gewann er drinnen   der Kräfte genug,
Zwölf Männer Stärke,   so wird uns gesagt.
Er erwarb mit großen Listen   diese herrliche Magd.

Auch war so beschaffen   die Nebelkappe gut,                        350
Ein Jeder mochte drinnen   thun nach seinem Muth,
Was er immer wollte,   daß ihn doch Niemand sah.
Damit gewann er Brunhild,   durch die ihm bald viel Leid geschah.

"Nun sage mir, Siegfried,   eh unsre Fahrt gescheh,                 351
Wie wir mit vollen Ehren   kommen über See?
Sollen wir Ritter führen   in Brunhildens Land?
Dreißigtausend Degen   die werden eilends besandt."

"Wie viel wir Volkes führten,"   sprach Siegfried wider ihn,        352
"So grimmiger Sitte   pflegt die Königin,
Das müste doch ersterben   vor ihrem Uebermuth.
Ich will euch beßer rathen,   Degen ihr kühn und gut.

"In Reckenweise fahren   laßt uns zu Thal den Rhein.                353
Die will ich euch nennen,   die das sollen sein:
Zu uns zwein noch zweie   und Niemand anders mehr,
Daß wir die Frau erwerben,   was auch geschehe nachher.

"Der Gesellen bin ich einer,   du sollst der andre sein,            354
Und Hagen sei der dritte:   wir mögen wohl gedeihn;
Der vierte das sei Dankwart,   dieser kühne Mann.
Es dürfen Andrer tausend   zum Streite nimmer uns nahn."

"Die Märe wüst ich gerne,"   der König sprach da so,                355
"Eh wir von hinnen führen,   des wär ich herzlich froh,
Was wir für Kleider sollten   vor Brunhilden tragen,
Die uns geziemen möchten:   Siegfried, das sollst du mir sagen."

"Gewand das allerbeste,   das man irgend fand,                      356
Trägt man zu allen Zeiten   in Brunhildens Land:
Drum laß uns reiche Kleider   vor der Frauen tragen,
Daß wirs nicht Schande haben,   hört man künftig von uns sagen."

Da sprach der gute Degen:   "So will ich selber gehn                357
Zu meiner lieben Mutter,   ob es nicht mag geschehn,
Daß ihre schönen Mägde   uns schaffen solch Gewand,
Das wir mit Ehren tragen   in der hehren Jungfrau Land."

Da Sprach von Tronje Hagen   mit herrlichen Sitten:                 358
"Was wollt ihr eure Mutter   um solche Dienste bitten?
Laßt eure Schwester hören   euern Sinn und Muth:
Die ist so kunstreich,   unsre Kleider werden gut."

Da entbot er seiner Schwester,   er wünsche sie zu sehn             359
Und auch der Degen Siegfried.   Eh sie das ließ geschehn,
Da hatte sich die Schöne   geschmückt mit reichem Kleid.
Daß die Herren kamen,   schuf ihr wenig Herzeleid.

Da war auch ihr Gesinde   geziert nach seinem Stand.                360
Die Fürsten kamen beide;   als sie das befand,
Erhob sie sich vom Sitze:   wie höfisch sie da gieng,
Als sie den edeln Fremdling   und ihren Bruder empfieng!

"Willkommen sei mein Bruder   und der Geselle sein.                 361
Nun möcht ich gerne wissen,"   Sprach das Mägdelein,
"Was euch Herrn geliebe,   daß ihr zu Hofe kommt:
Laßt mich doch hören,   was euch edeln Recken frommt."

Da sprach König Gunther:   "Frau, ich wills euch sagen.             362
Wir müßen große Sorge   bei hohem Muthe tragen:
Wir wollen werben reiten   fern in fremdes Land
Und hätten zu der Reise   gerne zierlich Gewand."

"Nun sitzt, lieber Bruder,"   sprach das Königskind,                363
"Und laßt mich erst erfahren,   Wer die Frauen sind,
Die ihr begehrt zu minnen   in fremder Könge Land."
Die Auserwählten beide   nahm das Mägdlein bei der Hand:

Hin gieng sie mit den Beiden,   wo sie geseßen war                  364
Auf prächtgen Ruhebetten,   das glaubt mir fürwahr,
Mit eingewirkten Bildern,   in Gold wohl erhaben.
Sie mochten bei der Frauen   gute Kurzweile haben.

Freundliche Blicke   und gütliches Sehn,                            365
Des mochte von den Beiden   da wohl viel geschehn.
Er trug sie in dem Herzen,   sie war ihm wie sein Leben.
Er erwarb mit großem Dienste,   daß sie ihm ward zu Weib gegeben.

Da sprach der edle König:   "Viel liebe Schwester mein,             366
Ohne deine Hülfe   kann es nimmer sein.
Wir wollen abenteuern   in Brunhildens Land;
Da müßen wir vor Frauen   tragen herrlich Gewand."

Da sprach die Königstochter:   "Viel lieber Bruder mein,            367
Kann euch an meiner Hülfe   dabei gelegen sein,
So sollt ihr inne werden,   ich bin dazu bereit;
Versagte sie ein Andrer euch,   das wäre Kriemhilden leid.

"Ihr sollt mich, edler Ritter,   nicht in Sorgen bitten,            368
Ihr sollt nur gebieten   mit herrlichen Sitten:
Was euch gefallen möge,   dazu bin ich bereit
Und thus mit gutem Willen,"   sprach die wonnigliche Maid.

"Wir wollen, liebe Schwester,   tragen gut Gewand:                  369
Das soll bereiten helfen   eure weiße Hand.
Laßt eure Mägdlein sorgen,   daß es uns herrlich steht,
Da man uns diese Reise   doch vergebens widerräth."

Da begann die Jungfrau:   "Nun hört, was ich sage,                  370
Wir haben selber Seide:   befehlt, daß man uns trage
Gestein auf den Schilden,   so schaffen wir das Kleid,
Das ihr mit Ehren traget   vor der herrlichen Maid."

"Wer sind die Gesellen,"   sprach die Königin,                      371
"Die mit euch gekleidet   zu Hofe sollen ziehn?"
"Das bin ich selbvierter;   noch Zwei aus meinem Lehn,
Dankwart und Hagen,   sollen mit uns zu Hofe gehn.

"Nun merkt, liebe Schwester,   wohl, was wir euch sagen:            372
Sorgt, daß wir vier Gesellen   zu vier Tagen tragen
Je der Kleider dreierlei   und also gut Gewand,
Daß wir ohne Schande   räumen Brunhildens Land."

Das gelobte sie den Recken;   die Herren schieden hin.              373
Da berief der Jungfraun   Kriemhild die Königin
Aus ihrer Kemenate   dreißig Mägdelein,
Die gar sinnreich mochten   zu solcher Kunstübung sein.

In arabische Seide,   so weiß als der Schnee,                       374
Und gute Zazamanker,   so grün als der Klee,
Legten sie Gesteine:   das gab ein gut Gewand;
Kriemhild die schöne   schnitts mit eigener Hand.

Von seltner Fische Häuten   Bezüge wohlgethan,                      375
Zu schauen fremd den Leuten,   so viel man nur gewann,
Bedeckten sie mit Seide:   darein ward Gold getragen:
Man mochte große Wunder   von den lichten Kleidern sagen.

Aus dem Land Marocco   und auch von Libya                           376
Der allerbesten Seide,   die man jemals sah
Königskinder tragen,   der hatten sie genug.
Wohl ließ sie Kriemhild schauen,   wie sie Liebe für sie trug.

Da sie so theure Kleider   begehrt zu ihrer Fahrt,                  377
Hermelinfelle   wurden nicht gespart,
Darauf von Kohlenschwärze   mancher Flecken lag:
Das trügen schnelle Helden   noch gern bei einem Hofgelag.

Aus arabischem Golde   glänzte mancher Stein;                       378
Der Frauen Unmuße   war nicht zu klein.
Sie schufen die Gewände   in sieben Wochen Zeit;
Da war auch ihr Gewaffen   den guten Degen bereit.

Als sie gerüstet standen,   sah man auf dem Rhein                   379
Fleißiglich gezimmert   ein starkes Schiffelein,
Das sie da tragen sollte   hernieder an die See.
Den edeln Jungfrauen   war von Arbeiten weh.

Da sagte man den Recken,   es sei für sie zur Hand,                 380
Das sie tragen sollten,   das zierliche Gewand.
Was sie erbeten hatten,   das war nun geschehn;
Da wollten sie nicht länger   mehr am Rheine bestehn.

Zu den Heergesellen   ein Bote ward gesandt,                        381
Ob sie schauen wollten   ihr neues Gewand,
Ob es den Helden wäre   zu kurz oder lang.
Es war von rechtem Maße;   des sagten sie den Frauen Dank.

Vor wen sie immer kamen,   die musten all gestehn,                  382
Sie hätten nie auf Erden   schöner Gewand gesehn.
Drum mochten sie es gerne   da zu Hofe tragen;
Von beßerm Ritterstaate   wuste Niemand mehr zu sagen.

Den edeln Maiden wurde   höchlich Dank gesagt.                      383
Da baten um Urlaub   die Recken unverzagt;
In ritterlichen Züchten   thaten die Herren das.
Da wurden lichte Augen   getrübt von Weinen und naß.

Sie sprach: "Viel lieber Bruder,   ihr bliebet beßer hier           384
Und würbt andre Frauen:   klüger schien' es mir,
Wo ihr nicht wagen müstet   Leben und Leib.
Ihr fändet in der Nähe   wohl ein so hochgeboren Weib."

Sie ahnten wohl im Herzen   ihr künftig Ungemach.                   385
Sie musten alle weinen,   was da auch Einer sprach.
Das Gold vor ihren Brüsten   ward von Thränen fahl;
Die fielen ihnen dichte   von den Augen zuthal.

Da sprach sie: "Herr Siegfried,   laßt euch befohlen sein           386
Auf Treu und auf Gnade   den lieben Bruder mein,
Daß ihn nichts gefährde   in Brunhildens Land."
Das versprach der Kühne   Frau Kriemhilden in die Hand.

Da sprach der edle Degen:   "So lang mein Leben währt,              387
So bleibt von allen Sorgen,   Herrin, unbeschwert;
Ich bring ihn euch geborgen   wieder an den Rhein.
Das glaubt bei Leib und Leben."   Da dankt' ihm schön das Mägdelein.

Die goldrothen Schilde   trug man an den Strand                     388
Und schaffte zu dem Schiffe   all ihr Rüstgewand;
Ihre Rosse ließ man bringen:   sie wollten nun hindann.
Wie da von schönen Frauen   so großes Weinen begann!

Da stellte sich ins Fenster   manch minnigliches Kind.              389
Das Schiff mit seinem Segel   ergriff ein hoher Wind.
Die stolzen Heergesellen   saßen auf dem Rhein;
Da sprach der König Gunther:   "Wer soll nun Schiffmeister sein?"

"Das will ich," sprach Siegfried:   "ich kann euch auf der Flut     390
Wohl von hinnen führen,   das wißt, Helden gut;
Die rechten Wasserstraßen   sind mir wohl bekannt."
So schieden sie mit Freuden   aus der Burgunden Land.

Eine Ruderstange   Siegfried ergriff;                               391
Vom Gestade schob er   kräftig das Schiff.
Gunther der kühne   ein Ruder selber nahm.
Da huben sich vom Lande   die schnellen Ritter lobesam.

Sie führten reichlich Speise,   dazu guten Wein,                    392
Den besten, den sie finden   mochten um den Rhein.
Ihre Rosse standen   still in guter Ruh;
Das Schiff gieng so eben,   kein Ungemach stieß ihnen zu.

Ihre starken Segelseile   streckte die Luft mit Macht;              393
Sie fuhren zwanzig Meilen,   eh niedersank die Nacht,
Mit günstigem Winde   nieder nach der See;
Ihr starkes Arbeiten   that noch schönen Frauen weh.

An dem zwölften Morgen,   wie wir hören sagen,                      394
Da hatten sie die Winde   weit hinweggetragen
Nach Isenstein der Veste   in Brunhildens Land,
Das ihrer Keinem   außer Siegfried bekannt.

Als der König Gunther   so viel der Burgen sah                      395
Und auch der weiten Marken,   wie bald sprach er da:
"Nun sagt mir, Freund Siegfried,   ist euch das bekannt?
Wem sind diese Burgen   und wem das herrliche Land?

"Ich hab all mein Leben,   das muß ich wohl gestehn,                396
So wohlgebauter Burgen   nie so viel gesehn
Irgend in den Landen,   als wir hier ersahn;
Der sie erbauen konnte,   war wohl ein mächtiger Mann."

Zur Antwort gab ihm Siegfried:   "Das ist mir wohlbekannt;          397
Brunhilden sind sie,   die Burgen wie das Land
Und Isenstein die Veste,   glaubt mir fürwahr:
Da mögt ihr heute schauen   schöner Frauen große Schar.

"Ich will euch Helden rathen:   seid all von einem Muth             398
Und sprecht in gleichem Sinne,   so dünkt es mich gut.
Denn wenn wir heute   vor Brunhilden gehn,
So müßen wir in Sorgen   vor der Königstochter stehn.

"Wenn wir die Minnigliche   bei ihren Leuten sehn,                  399
Sollt ihr erlauchte Helden   nur Einer Rede stehn:
Gunther sei mein Lehnsherr   und ich ihm unterthan;
So wird ihm sein Verlangen   nach seinem Wunsche gethan."

Sie waren all willfährig   zu thun, wie er sie hieß:                400
In seinem Uebermuthe   es auch nicht Einer ließ.
Sie sprachen, wie er wollte;   wohl frommt' es ihnen da,
Als der König Gunther   die schöne Brunhild ersah.

"Wohl thu ichs nicht so gerne   dir zu lieb allein,                 401
Als um deine Schwester,   das schöne Mägdelein.
Die ist mir wie die Seele   und wie mein eigner Leib;
Ich will es gern verdienen,   daß sie werde mein Weib."

       *       *       *       *       *



Siebentes Abenteuer.

Wie Gunther Brunhilden gewann.


Ihr Schifflein unterdessen   war auf dem Meer                       402
Zur Burg heran gefloßen:   da sah der König hehr
Oben in den Fenstern   manche schöne Maid.
Daß er sie nicht erkannte,   das war in Wahrheit ihm leid.

Er fragte Siegfrieden,   den Gesellen sein:                         403
"Hättet ihr wohl Kunde   um diese Mägdelein,
Die dort hernieder schauen   nach uns auf die Flut?
Wie ihr Herr auch heiße,   so tragen sie hohen Muth."

Da sprach der kühne Siegfried:   "Nun sollt ihr heimlich spähn      404
Nach den Jungfrauen   und sollt mir dann gestehn,
Welche ihr nehmen wolltet,   wär euch die Wahl verliehn."
"Das will ich," sprach Gunther,   dieser Ritter schnell und kühn.

"So schau ich ihrer Eine   in jenem Fenster an,                     405
Im schneeweißen Kleide,   die ist so wohlgethan:
Die wählen meine Augen,   so schön ist sie von Leib.
Wenn ich gebieten dürfte,   sie müste werden mein Weib."

"Dir hat recht erkoren   deiner Augen Schein:                       406
Es ist die edle Brunhild,   das schöne Mägdelein,
Nach der das Herz dir ringet,   der Sinn und auch der Muth."
All ihr Gebaren dauchte   König Gunthern gut.

Da hieß die Königstochter   von den Fenstern gehn                   407
Die minniglichen Maide:   sie sollten da nicht stehn
Zum Anblick für die Fremden;   sie folgten unverwandt.
Was da die Frauen thaten,   das ist uns auch wohl bekannt.

Sie zierten sich entgegen   den unkunden Herrn,                     408
Wie es immer thaten   schöne Frauen gern.
Dann an die engen Fenster   traten sie heran,
Wo sie die Helden sahen:   das ward aus Neugier gethan.

Nur ihrer Viere waren,   die kamen in das Land.                     409
Siegfried der kühne   ein Ross zog auf den Strand.
Das sahen durch die Fenster   die schönen Frauen an:
Große Ehre dauchte   sich König Gunther gethan.

Er hielt ihm bei dem Zaume   das zierliche Ross,                    410
Das war gut und stattlich,   stark dazu und groß,
Bis der König Gunther   fest im Sattel saß.
Also dient' ihm Siegfried,   was er hernach doch ganz vergaß.

Dann zog er auch das seine   aus dem Schiff heran:                  411
Er hatte solche Dienste   gar selten sonst gethan,
Daß er am Steigreif   Helden gestanden wär.
Das sahen durch die Fenster   die schönen Frauen hehr.

Es war in gleicher Weise   den Helden allbereit                     412
Von schneeblanker Farbe   das Ross und auch das Kleid,
Dem einen wie dem andern,   und schön der Schilde Rand:
Die warfen hellen Schimmer   an der edeln Recken Hand.

Ihre Sättel wohlgesteinet,   die Brustriemen schmal:                413
So ritten sie herrlich   vor Brunhildens Saal;
Daran hiengen Schellen   von lichtem Golde roth.
Sie kamen zu dem Lande,   wie ihr Hochsinn gebot,

Mit Speren neu geschliffen,   mit wohlgeschaffnem Schwert,          414
Das bis auf die Sporen gieng   den Helden werth.
Die Wohlgemuthen führten   es scharf genug und breit.
Das alles sah Brunhild,   diese herrliche Maid.

Mit ihnen kam auch Dankwart   und sein Bruder Hagen:                415
Diese beide trugen,   wie wir hören sagen,
Von rabenschwarzer Farbe   reichgewirktes Kleid;
Neu waren ihre Schilde,   gut, dazu auch lang und breit.

Von India dem Lande   trugen sie Gestein,                           416
Das warf an ihrem Kleide   auf und ab den Schein.
Sie ließen unbehütet   das Schifflein bei der Flut;
So ritten nach der Veste   diese Helden kühn und gut.

Sechsundachtzig Thürme   sahn sie darin zumal,                      417
Drei weite Pfalzen   und einen schönen Saal
Von edelm Marmelsteine,   so grün wie das Gras,
Darin die Königstochter   mit ihrem Ingefinde saß.

Die Burg war erschloßen   und weithin aufgethan,                    418
Brunhildes Mannen   liefen alsbald heran
Und empfiengen die Gäste   in ihrer Herrin Land.
Die Rosse nahm man ihnen   und die Schilde von der Hand.

Da sprach der Kämmrer Einer:   "Gebt uns euer Schwert               419
Und die lichten Panzer."   "Das wird euch nicht gewährt,"
Sprach Hagen von Tronje,   "wir wollens selber tragen."
Da begann ihm Siegfried   von des Hofs Gebrauch zu sagen:

"In dieser Burg ist Sitte,   das will ich euch sagen,               420
Keine Waffen dürfen   da die Gäste tragen:
Laßt sie von hinnen bringen,   das ist wohlgethan."
Ihm folgte wider Willen   Hagen, König Gunthers Mann.

Man ließ den Gästen schenken   und schaffen gute Ruh.               421
Manchen schnellen Recken   sah man dem Hofe zu
Allenthalben eilen   in fürstlichem Gewand;
Doch wurden nach den Kühnen   ringsher die Blicke gesandt.

Nun wurden auch Brunhilden   gesagt die Mären,                      422
Daß unbekannte Recken   gekommen wären
In herrlichem Gewande   gefloßen auf der Flut.
Da begann zu fragen   diese Jungfrau schön und gut:

"Ihr sollt mich hören laßen,"   sprach das Mägdelein,               423
"Wer die unbekannten   Recken mögen sein,
Die ich dort stehen sehe   in meiner Burg so hehr,
Und wem zu Lieb die Helden   wohl gefahren sind hieher."

Des Gesindes sprach da Einer:   "Frau, ich muß gestehn,             424
Daß ich ihrer Keinen   je zuvor gesehn;
Doch Einer steht darunter,   der Siegfrieds Weise hat:
Den sollt ihr wohl empfangen,   das ist in Treuen mein Rath.

"Der andre der Gesellen,   gar löblich dünkt er mich;               425
Wenn er die Macht besäße,   zum König ziemt' er sich
Ob weiten Fürstenlanden,   sollt er die versehn.
Man sieht ihn bei den Andern   so recht herrlich da stehn.

"Der dritte der Gesellen,   der hat gar herben Sinn,                426
Doch schönen Wuchs nicht minder,   reiche Königin.
Die Blicke sind gewaltig,   deren so viel er thut:
Er trägt in seinem Sinne,   wähn ich, grimmigen Muth.

"Der jüngste darunter,   gar löblich dünkt er mich:                 427
Man sieht den reichen Degen   so recht minniglich
In jungfräulicher Sitte   und edler Haltung stehn:
Wir müstens alle fürchten,   wär ihm ein Leid hier geschehn.

"So freundlich er gebahre,   so wohlgethan sein Leib,               428
Er brächte doch zum Weinen   manch waidliches Weib,
Wenn er zürnen sollte;   sein Wuchs ist wohl so gut,
Er ist an allen Tugenden   ein Degen kühn und wohlgemuth."

Da sprach die Königstochter:   "Nun bringt mir mein Gewand:         429
Und ist der starke Siegfried   gekommen in mein Land
Um meiner Minne willen,   es geht ihm an den Leib:
Ich fürcht ihn nicht so heftig,   daß ich würde sein Weib."

Brunhild die schöne   trug bald erlesen Kleid.                      430
Auch gab ihr Geleite   manche schöne Maid,
Wohl hundert oder drüber,   sie all in reicher Zier.
Die Gäste kam zu schauen   manches edle Weib mit ihr.

Mit ihnen giengen   Degen aus Isenland,                             431
Brunhildens Recken,   die Schwerter in der Hand,
Fünfhundert oder drüber;   das war den Gästen leid.
Aufstanden von den Sitzen   die kühnen Helden allbereit.

Als die Königstochter   Siegfrieden sah,                            432
Wohlgezogen sprach sie   zu dem Gaste da:
"Seid willkommen, Siegfried,   hier in diesem Land.
Was meint eure Reise?   das macht mir, bitt ich, bekannt."

"Viel Dank muß ich euch sagen,   Frau Brunhild,                     433
Daß ihr mich geruht zu grüßen,   Fürstentochter mild,
Vor diesem edeln Recken,   der hier vor mir steht:
Denn der ist mein Lehnsherr;   der Ehre Siegfried wohl enträth.

"Er ist am Rheine König:   was soll ich sagen mehr?                 434
Dir nur zu Liebe   fuhren wir hierher.
Er will dich gerne minnen,   was ihm geschehen mag.
Nun bedenke dich bei Zeiten:   mein Herr läßt nimmermehr nach.

"Er ist geheißen Gunther,   ein König reich und hehr.               435
Erwirbt er deine Minne,   nicht mehr ist sein Begehr.
Deinthalb mit ihm   that ich diese Fahrt;
Wenn er mein Herr nicht wäre,   ich hätt es sicher gespart."

Sie sprach: "Wenn er dein Herr ist   und du in seinem Lehn,         436
Will er, die ich ertheile,   meine Spiele dann bestehn
Und bleibt darin der Meister,   so werd ich sein Weib;
Doch ists, daß ich gewinne,   es geht euch allen an den Leib."

Da sprach von Tronje Hagen:   "So zeig uns, Königin,                437
Was ihr für Spiel' ertheilet.   Eh euch den Gewinn
Mein Herr Gunther ließe,   so müst es übel sein:
Er mag wohl noch erwerben   ein so schönes Mägdelein."

"Den Stein soll er werfen   und springen darnach,                   438
Den Sper mit mir schießen:   drum sei euch nicht zu jach.
Ihr verliert hier mit der Ehre   Leben leicht und Leib:
Drum mögt ihr euch bedenken,"   sprach das minnigliche Weib.

Siegfried der schnelle   gieng zu dem König hin                     439
Und bat ihn, frei zu reden   mit der Königin
Ganz nach seinem Willen;   angstlos soll er sein:
"Ich will dich wohl behüten   vor ihr mit den Listen mein."

Da sprach der König Gunther:   "Königstochter hehr,                 440
Ertheilt mir, was ihr wollet,   und wär es auch noch mehr,
Eurer Schönheit willen   bestünd ich Alles gern.
Mein Haupt will ich verlieren,   gewinnt ihr mich nicht zum Herrn."

Als da seine Rede   vernahm die Königin,                            441
Bat sie, wie ihr ziemte,   das Spiel nicht zu verziehn.
Sie ließ sich zum Streite   bringen ihr Gewand,
Einen goldnen Panzer   und einen guten Schildesrand.

Ein seiden Waffenhemde   zog sich an die Maid,                      442
Das ihr keine Waffe   verletzen konnt im Streit,
Von Zeugen wohlgeschaffen   aus Libya dem Land:
Lichtgewirkte Borten   erglänzten rings an dem Rand.

Derweil hatt ihr Uebermuth   den Gästen schwer gedräut.             443
Dankwart und Hagen   die standen unerfreut.
Wie es dem Herrn ergienge,   sorgte sehr ihr Muth.
Sie dachten: "Unsre Reise   bekommt uns Recken nicht gut."

Derweilen gieng Siegfried,   der listige Mann,                      444
Eh es wer bemerkte,   an das Schiff heran,
Wo er die Tarnkappe   verborgen liegen fand,
In die er hurtig schlüpfte:   da war er Niemand bekannt.

Er eilte bald zurücke   und fand hier Recken viel:                  445
Die Königin ertheilte   da ihr hohes Spiel.
Da gieng er hin verstohlen   und daß ihn Niemand sah
Von Allen, die da waren,   was durch Zauber geschah.

Es war ein Kreis gezogen,   wo das Spiel geschehn                   446
Vor kühnen Recken sollte,   die es wollten sehn.
Wohl siebenhundert   sah man Waffen tragen:
Wer das Spiel gewänne,   das sollten sie nach Wahrheit sagen.

Da war gekommen Brunhild,   die man gewaffnet fand,                 447
Als ob sie streiten wolle   um aller Könge Land.
Wohl trug sie auf der Seide   viel Golddrähte fein;
Ihre minnigliche Farbe   gab darunter holden Schein.

Nun kam ihr Gesinde,   das trug herbei zuhand                       448
Aus allrothem Golde   einen Schildesrand
Mit hartem Stahlbeschlage,   mächtig groß und breit,
Worunter spielen wollte   diese minnigliche Maid.

An einer edeln Borte   ward der Schild getragen,                    449
Auf der Edelsteine,   grasgrüne, lagen;
Die tauschten mannigfaltig   Gefunkel mit dem Gold.
Er bedurfte großer Kühnheit,   dem die Jungfrau wurde hold.

Der Schild war untern Buckeln,   so ward uns gesagt,                450
Von dreier Spannen Dicke;   den trug hernach die Magd.
An Stahl und auch an Golde   war er reich genug,
Den ihrer Kämmrer Einer   mit Mühe selbvierter trug.

Als der starke Hagen   den Schild hertragen sah,                    451
In großem Unmuthe   sprach der Tronjer da:
"Wie nun, König Gunther?   An Leben gehts und Leib:
Die ihr begehrt zu minnen,   die ist ein teuflisches Weib."

Hört noch von ihren Kleidern:   deren hatte sie genug.              452
Von Azagauger Seide   einen Wappenrock sie trug,
Der kostbar war und edel:   daran warf hellen Schein
Von der Königstochter   gar mancher herrliche Stein.

Da brachten sie der Frauen   mächtig und breit                      453
Einen scharfen Wurfspieß;   den verschoß sie allezeit,
Stark und ungefüge,   groß dazu und schwer.
An seinen beiden Seiten   schnitt gar grimmig der Sper.

Von des Spießes Schwere   höret Wunder sagen:                       454
Wohl hundert Pfund Eisen   war dazu verschlagen.
Ihn trugen mühsam Dreie   von Brunhildens Heer:
Gunther der edle   rang mit Sorgen da schwer.

Er dacht in seinem Sinne:   "Was soll das sein hier?                455
Der Teufel aus der Hölle,   wie schützt' er sich vor ihr?
War ich mit meinem Leben   wieder an dem Rhein,
Sie dürfte hier wohl lange   meiner Minne ledig sein."

Er trug in seinen Sorgen,   das wißet, Leid genug.                  456
All seine Rüstung   man ihm zur Stelle trug.
Gewappnet Stand der reiche   König bald darin.
Vor Leid hätte Hagen   schier gar verwandelt den Sinn.

Da sprach Hagens Bruder,   der kühne Dankwart:                      457
"Mich reut in der Seele   her zu Hof die Fahrt.
Nun hießen wir einst Recken!   wie verlieren wir den Leib!
Soll uns in diesem Lande   nun verderben ein Weib?

"Des muß mich sehr verdrießen,   daß ich kam in dieses Land.        458
Hätte mein Bruder Hagen   sein Schwert an der Hand
Und auch ich das meine,   so sollten sachte gehn
Mit ihrem Uebermuthe   Die in Brunhildens Lehn.

Sie sollten sich bescheiden,   das glaubet mir nur.                 459
Hätt ich den Frieden tausendmal   bestärkt mit einem Schwur,
Bevor ich sterben sähe   den lieben Herren mein,
Das Leben müste laßen   dieses schöne Mägdelein."

"Wir möchten ungefangen   wohl räumen dieses Land,"                 460
Sprach sein Bruder Hagen,   "hätten wir das Gewand,
Des wir zum Streit bedürfen,   und die Schwerter gut,
So sollte sich wohl sänften   der schönen Fraue Uebermuth."

Wohl hörte, was er sagte,   die Fraue wohlgethan;                   461
Ueber die Achsel   sah sie ihn lächelnd an.
"Nun er so kühn sich dünket,   so bringt doch ihr Gewand,
Ihre scharfen Waffen   gebt den Helden an die Hand.

"Es kümmert mich so wenig,   ob sie gewaffnet sind,                 462
Als ob sie bloß da stünden,"   so sprach das Königskind.
"Ich fürchte Niemands Stärke,   den ich noch je gekannt:
Ich mag auch wohl genesen   im Streit vor des Königs Hand."

Als man die Waffen brachte,   wie die Maid gebot,                   463
Dankwart der kühne   ward vor Freuden roth.
"Nun spielt, was ihr wollet,"   sprach der Degen werth,
"Gunther ist unbezwungen:   wir haben wieder unser Schwert."

Brunhildens Stärke   zeigte sich nicht klein:                       464
Man trug ihr zu dem Kreise   einen schweren Stein,
Groß und ungefüge,   rund dabei und breit.
Ihn trugen kaum zwölfe   dieser Degen kühn im Streit.

Den warf sie allerwegen,   wie sie den Sper verschoß.               465
Darüber war die Sorge   der Burgunden groß.
"Wen will der König werben?"   sprach da Hagen laut:
"Wär sie in der Hölle   doch des übeln Teufels Braut!"

An ihre weißen Arme   sie die Ärmel wand,                           466
Sie schickte sich und faßte   den Schild an die Hand,
Sie schwang den Spieß zur Höhe:  das war des Kampfe Beginn.
Gunther und Siegfried bangten  vor Brunhildens grimmem Sinn.

Und wär ihm da Siegfried   zu Hülfe nicht gekommen,                 467
So hätte sie dem König   das Leben wohl benommen.
Er trat hinzu verstohlen   und rührte seine Hand;
Gunther seine Künste   mit großen Sorgen befand.

"Wer wars, der mich berührte?"   dachte der kühne Mann,             468
Und wie er um sich blickte,   da traf er Niemand an.
Er sprach: "Ich bin es, Siegfried,   der Geselle dein:
Du sollst ganz ohne Sorge   vor der Königin sein."

(Er sprach:) "Gieb aus den Händen  den Schild, laß mich ihn tragen  469
Und behalt im Sinne,   was du mich hörest sagen:
Du habe die Gebärde,   ich will das Werk begehn."
Als er ihn erkannte,   da war ihm Liebes geschehn.

"Verhehl auch meine Künste,   das ist uns beiden gut:               470
So mag die Königstochter   den hohen Uebermuth
Nicht an dir vollbringen,   wie sie gesonnen ist:
Nun sieh doch, welcher Kühnheit   sie wider dich sich vermißt."

Da schoß mit ganzen Kräften   die herrliche Maid                    471
Den Sper nach einem neuen Schild,   mächtig und breit;
Den trug an der Linken   Sieglindens Kind.
Das Feuer sprang vom Stahle,   als ob es wehte der Wind.

Des starken Spießes Schneide   den Schild ganz durchdrang,          472
Daß das Feuer lohend   aus den Ringen sprang.
Von dem Schuße fielen   die kraftvollen Degen:
War nicht die Tarnkappe,   sie wären beide da erlegen.

Siegfried dem kühnen   vom Munde brach das Blut.                    473
Bald sprang er auf die Füße:   da nahm der Degen gut
Den Sper, den sie geschoßen   ihm hatte durch den Rand:
Den warf ihr jetzt zurücke   Siegfried mit kraftvoller Hand.

Er dacht: "Ich will nicht schießen   das Mägdlein wonniglich."      474
Des Spießes Schneide kehrt' er   hinter den Rücken sich;
Mit der Sperstange   schoß er auf ihr Gewand,
Daß es laut erhallte   von seiner kraftreichen Hand.

Das Feuer stob vom Panzer,   als trieb' es der Wind.                475
Es hatte wohl geschoßen   der Sieglinde Kind:
Sie vermochte mit den Kräften   dem Schuße nicht zu stehn;
Das war von König Gunthern   in Wahrheit nimmer geschehn.

Brunhild die schöne   bald auf die Füße sprang:                     476
"Gunther, edler Ritter,   des Schußes habe Dank!"
Sie wähnt', er hätt es selber   mit seiner Kraft gethan
Nein, zu Boden warf sie   ein viel stärkerer Mann.

Da gieng sie hin geschwinde,   zornig war ihr Muth,                 477
Den Stein hoch erhub sie,   die edle Jungfrau gut;
Sie schwang ihn mit Kräften   weithin von der Hand,
Dann sprang sie nach dem Wurfe,   daß laut erklang ihr Gewand.

Der Stein fiel zu Boden   von ihr zwölf Klafter weit:               478
Den Wurf überholte   im Sprung die edle Maid.
Hin gieng der schnelle Siegfried,   wo der Stein nun lag:
Gunther must ihn wägen,   des Wurfs der Verholne pflag.

Siegfried war kräftig,   kühn und auch lang;                        479
Den Stein warf er ferner,   dazu er weiter sprang.
Ein großes Wunder war es   und künstlich genug,
Daß er in dem Sprunge   den König Gunther noch trug.

Der Sprung war ergangen,   am Boden lag der Stein:                  480
Gunther wars, der Degen,   den man sah allein.
Brunhild die schöne   ward vor Zorne roth;
Gewendet hatte Siegfried   dem König Gunther den Tod.

Zu ihrem Ingesinde   sprach die Königin da,                         481
Als sie gesund den Helden   an des Kreises Ende sah:
"Ihr, meine Freund und Mannen,   tretet gleich heran:
Ihr sollt dem König Gunther   alle werden unterthan."

Da legten die Kühnen   die Waffen von der Hand                      482
Und boten sich zu Füßen   von Burgundenland
Gunther dem reichen,   so mancher kühne Mann:
Sie wähnten, die Spiele   hätt er mit eigner Kraft gethan.

Er grüßte sie gar minniglich;   wohl trug er höfschen Sinn.         483
Da nahm ihn bei der Rechten   die schöne Königin:
Sie erlaubt' ihm, zu gebieten   in ihrem ganzen Land.
Des freute sich da Hagen,   der Degen kühn und gewandt.

Sie bat den edeln Ritter   mit ihr zurück zu gehn                   484
Zu dem weiten Saale,   wo mancher Mann zu sehn,
Und mans aus Furcht dem Degen   nun desto beßer bot.
Siegfrieds Kräfte hatten   sie erledigt aller Noth.

Siegfried der schnelle   war wohl schlau genug,                     485
Daß er die Tarnkappe   aufzubewahren trug.
Dann gieng er zu dem Saale,   wo manche Fraue saß:
Er sprach zu dem König,   gar listiglich that er das:

"Was säumt ihr, Herr König,   und beginnt die Spiele nicht,         486
Die euch aufzugeben   die Königin verspricht?
Laßt uns doch bald erschauen,   wie es damit bestellt."
Als wüst er nichts von allem,   so that der listige Held.

Da sprach die Königstochter:   "Wie konnte das geschehn,            487
Daß ihr nicht die Spiele,   Herr Siegfried, habt gesehn,
Worin hier Sieg errungen hat   König Gunthers Hand?"
Zur Antwort gab ihr Hagen   aus der Burgunden Land:

Er sprach: "Da habt ihr, Königin,   uns betrübt den Muth:           488
Da war bei dem Schiffe   Siegfried der Degen gut,
Als der Vogt vom Rheine   das Spiel euch abgewann;
Drum ist es ihm unkundig,"   sprach da Gunthers Unterthan,

"Nun wohl mir dieser Märe,"   sprach Siegfried der Held,            489
"Daß hier eure Hochfahrt   also ward gefällt,
Und Jemand lebt, der euer   Meister möge sein.
Nun sollt ihr, edle Jungfrau,   uns hinnen folgen an den Rhein."

Da sprach die Wohlgethane:   "Das mag noch nicht geschehn.          490
Erst frag ich meine Vettern   und Die in meinem Lehn.
Ich darf ja nicht so leichthin   räumen dieß mein Land:
Meine höchsten Freunde   die werden erst noch besandt."

Da ließ sie ihre Boten   nach allen Seiten gehn:                    491
Sie besandte ihre Freunde   und Die in ihrem Lehn,
Daß sie zum Isensteine   kämen unverwandt;
Einem jeden ließ sie geben   reiches, herrliches Gewand.

Da ritten alle Tage   Beides, spat und fruh,                        492
Der Veste Brunhildens   die Recken scharweis zu.
"Nun ja doch," sprach da Hagen,   "was haben wir gethan!
Wir erwarten uns zum Schaden hier   Die Brunhild unterthan."

"Wenn sie mit ihren Kräften   kommen in dieß Land,                  493
Der Königin Gedanken   die sind uns unbekannt:
Wie, wenn sie uns zürnte?   so wären wir verloren,
Und wär das edle Mägdlein uns   zu großen Sorgen geboren!"

Da sprach der starke Siegfried:   "Dem will ich widerstehn.         494
Was euch da Sorge schaffet,   das laß ich nicht geschehn.
Ich will euch Hülfe bringen   her in dieses Land
Durch auserwählte Degen:   die sind euch noch unbekannt.

"Ihr sollt nach mir nicht fragen,   ich will von hinnen fahren;     495
Gott möge eure Ehre   derweil wohl bewahren.
Ich komme bald zurücke   und bring euch tausend Mann
Der allerbesten Degen,   deren Jemand Kunde gewann."

"So bleibt nur nicht zu lange,"   der König sprach da so,           496
"Wir sind eurer Hülfe   nicht unbillig froh."
Er sprach: "Ich komme wieder   gewiss in wenig Tagen.
Ihr hättet mich versendet,   sollt ihr der Königin sagen."

       *       *       *       *       *



Achtes Abenteuer.

Wie Siegfried nach den Nibelungen fuhr.


Von dannen gieng da Siegfried   zum Hafen an den Strand             497
In seiner Tarnkappe,   wo er ein Schifflein fand.
Darin stand verborgen   König Siegmunds Kind:
Er führt' es bald von dannen,   als ob es wehte der Wind.

Den Steuermann sah Niemand,   wie schnell das Schifflein floß       498
Von Siegfriedens Kräften,   die waren also groß.
Da wähnten sie, es trieb es   ein eigner starker Wind:
Nein, es führt' es Siegfried,   der schönen Sieglinde Kind.

Nach des Tags Verlaufe   und in der einen Nacht                     499
Kam er zu einem Lande   von gewaltger Macht:
Es war wohl hundert Rasten   und noch darüber lang,
Das Land der Nibelungen,   wo er den großen Schatz errang.

Der Held fuhr alleine   nach einem Werder breit:                    500
Sein Schiff band er feste,   der Ritter allbereit.
Er fand auf einem Berge   eine Burg gelegen
Und suchte Herberge,   wie die Wegemüden pflegen.

Da kam er vor die Pforte,   die ihm verschloßen stand:              501
Sie bewachten ihre Ehre,   wie Sitte noch im Land.
Ans Thor begann zu klopfen   der unbekannte Mann:
Das wurde wohl behütet;   da traf er innerhalben an

Einen Ungefügen,   der da der Wache pflag,                          502
Bei dem zu allen Zeiten   sein Gewaffen lag.
Der sprach: "Wer pocht so heftig   da draußen an das Thor?"
Da wandelte die Stimme   der kühne Siegfried davor

Und sprach: "Ich bin ein Recke:   thut mir auf alsbald,             503
Sonst erzürn ich Etlichen   hier außen mit Gewalt,
Der gern in Ruhe läge   und hätte sein Gemach."
Das verdroß den Pförtner,   als da Siegfried also sprach.

Der kühne Riese hatte   die Rüstung angethan,                       504
Den Helm aufs Haupt gehoben,   der gewaltge Mann:
Den Schild alsbald ergriffen   und schwang nun auf das Thor.
Wie lief er Siegfrieden   da so grimmig an davor!

Wie er zu wecken wage   so manchen kühnen Mann?                     505
Da wurden schnelle Schläge   von seiner Hand gethan.
Der edle Fremdling schirmte   sich vor manchem Schlag;
Da hieb ihm der Pförtner in Stücke   seines Schilds Beschlag

Mit einer Eisenstange:   so litt der Degen Noth.                    506
Schier begann zu fürchten   der Held den grimmen Tod,
Als der Thürhüter   so mächtig auf ihn schlug.
Dafür war ihm gewogen   sein Herre Siegfried genug.

Sie stritten so gewaltig,   die Burg gab Widerhall:                 507
Man hörte fern das Tosen   in König Niblungs Saal.
Doch zwang er den Pförtner   zuletzt, daß er ihn band;
Kund ward diese Märe   in allem Nibelungenland.

Das Streiten hatte ferne   gehört durch den Berg                    508
Alberich der kühne,   ein wildes Gezwerg.
Er waffnete sich balde   und lief hin, wo er fand
Diesen edeln Fremdling,   als er den Riesen eben band.

Alberich war muthig,   dazu auch stark genug.                       509
Helm und Panzerringe   er am Leibe trug
Und eine schwere Geisel   von Gold an seiner Hand.
Da lief er hin geschwinde,   wo er Siegfrieden fand.

Sieben schwere Knöpfe   hiengen vorn daran,                         510
Womit er vor der Linken   den Schild dem kühnen Mann
So bitterlich zergerbte,   in Splitter gieng er fast.
In Sorgen um sein Leben   gerieth der herrliche Gast.

Den Schild er ganz zerbrochen   seiner Hand entschwang:             511
Da stieß er in die Scheide   eine Waffe, die war lang.
Seinen Kammerwärter   wollt er nicht schlagen todt:
Er schonte seiner Leute,   wie ihm die Treue gebot.

Mit den starken Händen   Albrichen lief er an,                      512
Und erfaßte bei dem Barte   den altgreisen Mann.
Den zuckt' er ungefüge:   der Zwerg schrie auf vor Schmerz.
Des jungen Helden Züchtigung   gieng Alberichen ans Herz.

Laut rief der Kühne:   "Nun laßt mir das Leben:                     513
Und hätt ich einem Helden   mich nicht schon ergeben,
Dem ich schwören muste,   ich war ihm unterthan,
Ich dient euch, bis ich stürbe,"   so sprach der listige Mann.

Er band auch Alberichen   wie den Riesen eh:                        514
Siegfriedens Kräfte   thaten ihm gar weh.
Der Zwerg begann zu fragen:   "Wie seid ihr genannt?"
Er sprach: "Ich heiße Siegfried:   ich wähnt, ich wär euch bekannt."

"So wohl mir diese Kunde,"   sprach da Alberich,                    515
"An euern Heldenwerken   spürt ich nun sicherlich,
Daß ihrs wohl verdientet,   des Landes Herr zu sein.
Ich thu, was ihr gebietet,   laßt ihr nur mich gedeihn."

Da sprach der Degen Siegfried:   "So macht euch auf geschwind       516
Und bringt mir her der Besten,   die in der Veste sind,
Tausend Nibelungen;   die will ich vor mir sehn.
So laß ich euch kein Leides   an euerm Leben geschehn."

Albrichen und den Riesen   löst' er von dem Band.                   517
Hin lief der Zwerg geschwinde,   wo er die Recken fand.
Sorglich erweckt' er   Die in Niblungs Lehn
Und sprach: "Wohlauf, ihr Helden,   ihr sollt zu Siegfrieden gehn."

Sie sprangen von den Betten   und waren gleich bereit:              518
Tausend schnelle Ritter   standen im Eisenkleid.
Er brachte sie zur Stelle,   wo er Siegfried fand:
Der grüßte schön die Degen   und gab Manchem die Hand.

Viel Kerzen ließ man zünden;   man schenkt' ihm lautern Trank.      519
Daß sie so bald gekommen,   des sagt' er Allen Dank.
Er sprach: "Ihr sollt von hinnen   mir folgen über Flut."
Dazu fand er willig   diese Helden kühn und gut.

Wohl dreißig hundert Recken   kamen ungezählt:                      520
Von denen wurden tausend   der besten auserwählt,
Man brachte ihre Helme   und ander Rüstgewand,
Da er sie führen wollte   hin zu Brunhildens Land.

Er sprach: "Ihr guten Ritter,   Eins laßt euch sagen:               521
Ihr sollt reiche Kleider   dort am Hofe tragen,
Denn uns wird da schauen   manch minnigliches Weib:
Darum sollt ihr zieren   mit guten Kleidern den Leib."

Nun möchten mich die Thoren   vielleicht der Lüge zeihn:            522
Wie konnten so viel Ritter   wohl beisammen sein?
Wo nähmen sie die Speise?   Wo nähmen sie Gewand?
Und besäß er dreißig Lande,   er brächt es nimmer zu Stand.

Ihr habt doch wol vernommen,   Siegfried war gar reich.             523
Sein war der Nibelungenhort,   dazu das Königreich.
Drum gab er seinen Degen   völliglich genug;
Es ward ja doch nicht minder,   wie viel man von dem Schatze trug.

Eines frühen Morgens   begannen sie die Fahrt:                      524
Was schneller Mannen hatte   da Siegfried sich geschart!
Sie führten gute Rosse   und herrlich Gewand:
Sie kamen stolz gezogen   hin zu Brunhildens Land.

Da stand in den Zinnen   manch minnigliches Kind.                   525
Da sprach die Königstochter:   "Weiß Jemand, wer die sind,
Die ich dort fließen sehe   so fern auf der See?
Sie führen reiche Segel,   die sind noch weißer als der Schnee."

Da sprach der Vogt vom Rheine:   "Es ist mein Heergeleit,           526
Das ich auf der Reise   verließ von hier nicht weit:
Ich habe sie besendet:   nun sind sie, Frau, gekommen."
Der herrlichen Gäste   ward mit Züchten wahrgenommen.

Da sah man Siegfrieden   im Schiffe stehn voran                     527
In herrlichem Gewande   mit manchem andern Mann.
Da sprach die Königstochter:   "Herr König, wollt mir sagen:
Soll ich die Gäste grüßen   oder ihnen Gruß versagen?"

Er sprach: "Ihr sollt entgegen   ihnen vor den Pallas gehn,         528
Ob ihr sie gerne sehet,   daß sie das wohl verstehn."
Da that die Königstochter,   wie ihr der König rieth;
Siegfrieden mit dem Gruße   sie von den Andern unterschied.

Herberge gab man ihnen   und wahrt' ihr Gewand.                     529
Da waren so viel Gäste   gekommen in das Land,
Daß sie sich allenthalben   drängten mit den Scharen:
Da wollten heim die Kühnen   zu den Burgunden fahren.

Da sprach die Königstochter:   "Dem blieb ich immer hold,           530
Der zu vertheilen wüste   mein Silber und mein Gold
Meinen Gästen und des Königs,   des ich so viel gewann."
Zur Antwort gab ihr Dankwart,   des kühnen Geiselher Mann:

"Viel edle Königstochter,   laßt mich der Schlüßel pflegen;         531
Ich will es so vertheilen,"   sprach der kühne Degen,
"Wenn ich mir Schand erwerbe,   die treffe mich allein."
Daß er milde wäre,   das leuchtete da wohl ein.

Als sich Hagens Bruder   der Schlüßel unterwand,                    532
So manche reiche Gabe   bot des Helden Hand:
Wer Einer Mark begehrte,   dem ward so viel gegeben,
Daß die Armen alle   da in Freuden mochten leben.

Wohl mit hundert Pfunden   gab er ohne Wahl.                        533
Da gieng in reichem Kleide   Mancher aus dem Saal,
Der nie zuvor im Leben   so hehr Gewand noch trug.
Die Königin erfuhr es:   da war es ihr leid genug.

Sie sprach zu dem König:   "Des hätt ich gerne Rath,                534
Daß nichts mir soll verbleiben   von meinem Kleiderstaat
Vor euerm Kämmerlinge:   er verschwendet all mein Gold.
Wer dem noch widerstände,   dem wollt ich immer bleiben hold.

"Er giebt so reiche Gaben:   der Degen wähnet eben,                 535
Ich habe nach dem Tode   gesandt: ich will noch leben
Und kann wol selbst verschwenden   meines Vaters Gut."
Nie hatt einer Königin   Kämmerer so milden Muth.

Da sprach von Tronje Hagen:   "Frau, euch sei bekannt:              536
Der König vom Rheine   hat Gold und Gewand
Zu geben solche Fülle,   daß es nicht Noth ihm thut,
Von hier hinweg zu führen   einen Theil von Brunhilds Gut."

"Nein, wenn ihr mich liebet,"   sprach sie zu den Herrn,            537
"Zwanzig Reiseschreine   füllt ich mir gern
Mit Gold und mit Seide:   das soll meine Hand
Vertheilen, so wir kommen   heim in der Burgunden Land."

Da lud man ihr die Kisten   mit edelm Gestein.                      538
Der Frauen Kämmerlinge   musten zugegen sein:
Sie wollt es nicht vertrauen   Geiselhers Unterthan.
Gunther und Hagen   darob zu lachen begann.

Da sprach die Königstochter:   "Wem laß ich nun mein Land?          539
Das soll hier erst bestimmen   mein und eure Hand."
Da sprach der edle König:   "So rufet wen herbei,
Der euch dazu gefalle,   daß er zum Vogt geordnet sei."

Ihrer nächsten Freunde Einen   die Jungfrau bei sich sah;           540
Es war ihr Mutterbruder,   zu dem begann sie da:
"Nun laßt euch sein befohlen   die Burgen und das Land,
Bis seine Amtleute   der König Gunther gesandt."

Aus dem Gesinde wählte sie   zweitausend Mann,                      541
Die mit ihr fahren sollten   gen Burgund hindann
Mit jenen tausend Recken   aus Nibelungenland.
Sie schickten sich zur Reise:   man sah sie reiten nach dem Strand.

Sie führte mit von dannen   sechsundachtzig Fraun,                  542
Dazu wol hundert Mägdelein,   die waren schön zu schaun.
Sie säumten sich nicht länger,   sie eilten nun hindann:
Die sie zu Hause ließen,   wie Manche hub zu weinen an!

In höfischen Züchten   räumte die Frau ihr Land,                    543
Die nächsten Freunde küssend,   die sie bei sich fand.
Mit gutem Urlaube   kamen sie aufs Meer;
Ihres Vaters Lande   sah die Jungfrau nimmermehr.

Auf ihrer Fahrt ertönte   vielfaches Freudenspiel;                  544
Aller Kurzweile   hatten sie da viel.
Auch hob sich zu der Reise   der rechte Wasserwind.
Sie fuhren ab vom Lande:   das beweinte mancher Mutter Kind.

Doch wollte sie den König   nicht minnen auf der Fahrt:             545
Ihre Kurzweil wurde   bis in sein Haus gespart
Zu Worms in der Veste   zu einem Hofgelag,
Dahin mit ihren Helden   sie fröhlich kamen hernach.

       *       *       *       *       *



Neuntes Abenteuer.

Wie Siegfried nach Worms gesandt wird.


Da sie gefahren waren   voll neun Tage,                             546
Da sprach von Tronje Hagen:   "Nun hört, was ich sage.
Wir säumen mit der Kunde   nach Worms an den Rhein:
Nun sollten eure Boten   schon bei den Burgunden sein."

Da sprach König Gunther:   "Ihr redet recht daran;                  547
Auch hätt uns wohl Niemand   die Fahrt so gern gethan
Als ihr selbst, Freund Hagen:   nun reitet in mein Land,
Unsre Hofreise   macht Niemand beßer da bekannt."

"Nun wißt, lieber Herre,   ich bin kein Bote gut:                   548
Laßt mich der Kammer pflegen   und bleiben auf der Flut.
Ich will hier bei den Frauen   behüten ihr Gewand,
Bis daß wir sie bringen   in der Burgunden Land.

"Nein, bittet Siegfrieden   um die Botschaft dahin:                 549
Der mag sie wohl verrichten   mit zuchtreichem Sinn.
Versagt er euch die Reise,   ihr sollt mit guten Sitten
Bei eurer Schwester Liebe   um die Fahrt ihn freundlich bitten."

Er sandte nach dem Recken:   der kam, als man ihn fand.             550
Er sprach zu ihm: "Wir nahen   uns schon meinem Land;
Da sollt ich Boten senden   der lieben Schwester mein
Und auch meiner Mutter,   daß wir kommen an den Rhein.

"So bitt ich euch, Herr Siegfried,   daß ihr die Reise thut,        551
Ich wills euch immer danken,"   so sprach der Degen gut.
Da weigerte sich Siegfried,   dieser kühne Mann,
Bis ihn König Gunther   sehr zu flehen begann.

Er sprach: "Ihr sollt reiten   um den Willen mein,                  552
Dazu auch um Kriemhild,   das schöne Mägdelein,
Daß es mit mir vergelte   die herrliche Maid."
Als Siegfried das hörte,   da war der Recke bald bereit.

"Entbietet, was ihr wollet,   es soll gemeldet sein:                553
Ich will es gern bestellen   um das schöne Mägdelein.
Die ich im Herzen trage,   verzichtet' ich auf die?
Leisten will ich Alles,   was ihr gebietet, um sie."

"So sagt meiner Mutter,   Ute der Königin,                          554
Daß ich auf dieser Reise   hohes Muthes bin.
Wie wir geworben haben,   sagt meinen Brüdern an;
Auch unsern Freunden werde   diese Märe kund gethan.

Ihr sollt auch nichts verschweigen   der schönen Schwester mein,    555
Ich woll ihr mit Brunhild   stäts zu Diensten sein;
So sagt auch dem Gesinde   und wer mir unterthan,
Was je mein Herz sich wünschte,   daß ich das Alles gewann.

"Und saget Ortweinen,   dem lieben Neffen mein,                     556
Daß er Gestühl errichten   laße bei dem Rhein;
Den Mannen auch und Freunden   sei es kund gethan,
Ich stelle mit Brunhilden   eine große Hochzeit an.

"Und bittet meine Schwester,   werd ihr das bekannt,                557
Daß ich mit meinen Gästen   gekommen sei ins Land,
Daß sie dann wohl empfange   die liebe Traute mein:
So woll ich Kriemhilden   stäts zu Dienst erbötig sein."

Da bat bei Brunhilden   und ihrem Ingesind                          558
Alsbald um den Urlaub   Siegfried, Sigmunds Kind,
Wie es ihm geziemte:   da ritt er an den Rhein.
Es könnt in allen Landen   ein beßrer Bote nicht sein.

Mit vierundzwanzig Recken   zu Worms kam er an;                     559
Ohne den König kam er,   das wurde kund gethan.
Da mühten all die Degen   in Jammer sich und Noth,
Besorgt, daß dort der König   gefunden habe den Tod.

Sie stiegen von den Rossen   und trugen hohen Muth;                 560
Da kam alsbald Herr Geiselher,   der junge König gut,
Und Gernot, sein Bruder,   wie hurtig sprach er da,
Als er den König Gunther   nicht bei Siegfrieden sah:

"Willkommen, Herr Siegfried,   ich bitte, sagt mir an:              561
Wo habt ihr meinen Bruder,   den König, hingethan?
Brunhildens Stärke   hat ihn uns wol benommen;
So wär uns sehr zu Schaden   ihre hohe Minne gekommen."

"Die Sorge laßt fahren:   euch und den Freunden sein                562
Entbietet seine Dienste   der Heergeselle mein.
Ich verließ ihn wohlgeborgen:   er hat mich euch gesandt,
Daß ich sein Bote würde,   mit Mären her in euer Land.

"Nun helft mir es fügen,   wie es auch gescheh,                     563
Daß ich die Königin Ute   und eure Schwester seh;
Die soll ich hören laßen,   was ihr zu wißen thut
Gunther und Frau Brunhild;   um sie beide steht es gut."

Da sprach der junge Geiselher:   "So sprecht bei ihnen an;          564
Da habt ihr meiner Schwester   einen Liebesdienst gethan.
Sie trägt noch große Sorge   um den Bruder mein:
Die Maid sieht euch gerne:   dafür will ich euch Bürge sein."

Da sprach der Degen Siegfried:   "Wo ich ihr dienen kann,           565
Das soll immer treulich   und willig sein gethan.
Wer sagt nun, daß ich komme,   den beiden Frauen an?"
Da warb die Botschaft Geiselher,   dieser waidliche Mann.

Geiselher der junge   sprach zu der Mutter da                       566
Und auch zu seiner Schwester,   als er die beiden sah:
"Uns ist gekommen Siegfried,   der Held aus Niederland;
Ihn hat mein Bruder Gunther   her zum Rheine gesandt.

"Er bringt uns die Kunde,   wie's um den König steht;               567
Nun sollt ihr ihm erlauben,   daß er zu Hofe geht:
Er bringt die rechten Mären   uns her von Isenland."
Noch war den edeln Frauen   große Sorge nicht gewandt.

Sie sprangen nach dem Staate   und kleideten sich drein             568
Und luden Siegfrieden   nach Hof zu kommen ein.
Das that der Degen williglich,   weil er sie gerne sah.
Kriemhild die edle   sprach zu ihm in Güte da:

"Willkommen, Herr Siegfried,   ein Ritter ohne Gleich.              569
Wo blieb mein Bruder Gunther,   der edle König reich?
Durch Brunhilds Stärke, fürcht' ich,   gieng er uns verloren:
O weh mir armen Mägdelein,   daß ich je ward geboren!"

Da sprach der kühne Ritter:   "Nun gebt mir Botenbrot,              570
Ihr zwei schönen Frauen   weinet ohne Noth.
Ich verließ ihn wohlgeborgen,   das thu ich euch bekannt:
Sie haben mich euch beiden   mit der Märe hergesandt.

"Mit freundlicher Liebe,   viel edle Herrin mein,                   571
Entbeut euch seine Dienste   er und die Traute sein.
Nun laßt euer Weinen:   sie wollen balde kommen."
Sie hatte lange Tage   so liebe Märe nicht vernommen.

Mit schneeweißem Kleide   aus Augen wohlgethan                      572
Wischte sie die Thränen;   zu danken hub sie an
Dem Boten dieser Märe,   die ihr war gekommen.
Ihr war die große Trauer   und auch ihr Weinen benommen.

Sie hieß den Boten sitzen:   des war er gern bereit.                573
Da sprach die Minnigliche:   "Es wäre mir nicht leid,
Wenn ich euch geben dürfte   zum Botenlohn mein Gold.
Dazu seid ihr zu vornehm:   so bleib ich sonst denn euch hold.

"Und würden dreißig Lande,"   sprach er, "mein genannt,             574
So empfieng' ich Gabe   doch gern aus eurer Hand."
Da sprach die Wohlgezogne:   "Wohlan, es soll geschehn."
Da hieß sie ihren Kämmerer   nach dem Botenlohne gehn.

Vierundzwanzig Spangen   mit Edelsteinen gut                        575
Gab sie ihm zum Lohne.   So stund des Helden Muth:
Er wollt es nicht behalten:   er gab es unverwandt
Ihren schönen Maiden,   die er in der Kammer fand.

Ihre Dienste bot ihm   die Mutter gütlich an.                       576
"Ich soll euch ferner sagen,"   sprach der kühne Mann,
"Um was der König bittet,   gelangt er an den Rhein:
Wenn ihr das, Fraue, leistet,   er will euch stäts gewogen sein.

"Seine reichen Gäste,   das ist sein Begehr,                        577
Sollt ihr wohl empfangen;   auch bittet er euch sehr,
Entgegen ihm zu reiten   vor Worms ans Gestad.
Das ists, warum der König   euch in Treun gebeten hat."

"Das will ich gern vollbringen,"   sprach die schöne Magd:          578
"Worin ich ihm kann dienen,   das ist ihm unversagt.
Mit freundlicher Treue   wird all sein Wunsch gethan."
Da mehrte sich die Farbe,   die sie vor Freude gewann.

Nie sah man Fürstenboten   beßer wohl empfahn:                      579
Wenn sie ihn küssen durfte,   sie hätt es gern gethan;
Minniglich er anders   doch von der Frauen schied.
Da thaten die Burgunden,   wie da Siegfried ihnen rieth.

Sindold und Hunold   und Rumold der Degen                           580
Großer Unmuße   musten sie da pflegen,
Als sie die Sitze richteten   vor Worms an dem Strand:
Die Schaffner des Königs   man sehr beflißen da fand.

Ortwein und Gere   säumten auch nicht mehr,                         581
Sie sandten nach den Freunden   allwärts umher,
Die Hochzeit anzusagen,   die da sollte sein;
Der zierten sich entgegen   viel der schönen Mägdelein.

Der Pallas und die Wände   waren allzumal                           582
Verziert der Gäste wegen;   König Gunthers Saal
Ward herrlich ausgerüstet   für manchen fremden Mann;
Das große Hofgelage   mit hohen Freuden begann.

Da ritten allenthalben   die Wege durch das Land                    583
Der drei Könge Freunde;   die hatte man besandt,
Die Gäste zu empfangen,   die da sollten kommen.
Da wurden aus dem Einschlag   viel reicher Kleider genommen.

Bald brachte man die Kunde,   daß man schon reiten sah              584
Brunhilds Gefolge:   Gedränge gab es da
Von des Volkes Menge   in Burgundenland.
Hei! was man kühner Degen   da zu beiden Seiten fand!

Da sprach die schöne Kriemhild:   "Ihr, meine Mägdelein,            585
Die bei dem Empfange   mit mir wollen sein,
Die suchen aus den Kisten   ihr allerbest Gewand:
So wird uns Lob und Ehre   von den Gästen zuerkannt."

Da kamen auch die Recken   und ließen vor sich her                  586
Schöne Sättel tragen   von rothem Golde schwer,
Daß drauf die Frauen ritten   von Worms an den Rhein.
Beßer Pferdgeräthe   konnte wohl nimmer sein.

Wie warf da von den Mähren   den Schein das lichte Gold!            587
Viel Edelsteine glänzten   von den Zäumen hold;
Die goldenen Schemel   auf lichtem Teppich gut
Brachte man den Frauen:   sie hatten fröhlichen Muth.

Die Frauenpferde standen   auf dem Hof bereit,                      588
Wie gemeldet wurde,   für manche edle Maid.
Die schmalen Brustriemen   sah man die Mähren tragen
Von der besten Seide,   davon man je hörte sagen.

Sechsundachtzig Frauen   traten da heraus,                          589
Die Kopfgebinde trugen;   zu Kriemhild vor das Haus
Zogen die Schönen   jetzt in reichem Kleid;
Da kam in vollem Schmucke   auch manche waidliche Maid,

Fünfzig und viere   aus Burgundenland:                              590
Es waren auch die besten,   die man irgend fand.
Man sah sie gelblockig   unter lichten Borten gehn.
Was sich bedingt der König,   das sah er fleißig geschehn.

Von kostbaren Zeugen,   den besten, die man fand,                   591
Trugen sie vor den Gästen   manch herrlich Gewand.
Zu ihrer schönen Farbe   stand es ihnen gut:
Wer Einer abhold wäre,   litte wohl an schwachem Muth.

Von Hermelin und Zobel   viel Kleider man da fand.                  592
Da schmückte sich gar Manche   den Arm und auch die Hand
Mit Spangen auf der Seide,   die sie sollten tragen.
Es könnt euch dieß Befleißen   Niemand wohl zu Ende sagen.

Viel Gürtel kunstgeschaffen,   kostbar und lang,                    593
Ueber lichte Kleider   die Hand der Frauen schwang
Um edle Ferransröcke   von Zeug aus Arabia,
Wie man sie besser   in aller Welt nicht ersah.

Man sah in Brustgeschmeide   manch schöne Maid                      594
Minniglich sich schnüren.   Die mochte tragen Leid,
Deren lichte Farbe   das Kleid nicht überschien.
So schönes Ingesinde   hat nun keine Königin.

Als die Minniglichen   nun trugen ihr Gewand,                       595
Die sie da führen sollten,   die kamen unverwandt,
Die hochgemuthen Recken   in großer Zahl daher;
Man bracht auch hin viel Schilde   und manchen eschenen Sper.

       *       *       *       *       *



Zehntes Abenteuer.

Wie Gunther mit Brunhild Hochzeit hielt.


Jenseits des Rheins   sah man dem Gestad                            596
Mit allen seinen Gästen   den König schon genaht.
Da sah man auch am Zaume   leiten manche Maid:
Die sie empfangen sollten,   die waren alle bereit.

Als bei den Schiffen ankam   von Isenland die Schar                 597
Und die der Nibelungen,   die Siegfried eigen war,
Sie eilten an das Ufer;   wohl fliß sich ihre Hand,
Als man des Königs Freunde   jenseits am Gestade fand.

Nun hört auch die Märe   von der Königin,                           598
Ute der reichen,   wie sie die Mägdlein hin
Brachte von der Veste   und selber ritt zum Strand.
Da wurden mit einander   viel Maid' und Ritter bekannt.

Der Markgraf Gere führte   am Zaum Kriemhildens Pferd               599
Bis vor das Thor der Veste;   Siegfried der Degen werth
Durft ihr weiter dienen;   sie war so schön und hehr.
Das ward ihm wohl vergolten   von der Jungfrau nachher.

Ortwein der kühne führte   Ute die Königin,                         600
Und so ritt mancher Ritter   neben den Frauen hin.
Zu festlichem Empfange,   das mag man wohl gestehn,
Wurden nie der Frauen   so viel beisammen gesehn.

Viel hohe Ritterspiele   wurden da getrieben                        601
Von preiswerthen Helden   (wie wär es unterblieben?)
Vor Kriemhild der schönen,   die zu den Schiffen kam.
Da hub man von den Mähren   viel der Frauen lobesam.

Der König war gelandet   mit fremder Ritterschaft.                  602
Wie brach da vor den Frauen   mancher starke Schaft!
Man hört' auf den Schilden   erklingen Stoß auf Stoß.
Hei! reicher Buckeln Schallen   ward im Gedränge da groß!

Vor dem Hafen standen   die Frauen minniglich;                      603
Gunther mit seinen Gästen   hub von den Schiffen sich:
Er führte Brunhilden   selber an der Hand.
Wider einander leuchtete   schön Gestein und licht Gewand.

In höfischen Züchten   hin Frau Kriemhild gieng,                    604
Wo sie Frau Brunhilden   und ihr Gesind empfieng.
Man konnte lichte Hände   am Kränzlein rücken sehn,
Da sich die Beiden küssten:   das war aus Liebe geschehn.

Da sprach wohlgezogen   Kriemhild das Mägdelein:                    605
"Ihr sollt uns willkommen   in diesem Lande sein,
Mir und meiner Mutter,   und Allen, die uns treu
Von Mannen und von Freunden."   Da verneigten sich die Zwei.

Oftmals mit den Armen   umfiengen sich die Fraun.                   606
So minniglich Empfangen   war nimmer noch zu schaun,
Als die Frauen beide   der Braut da thaten kund,
Frau Ute mit der Tochter:   sie küssten oft den süßen Mund.

Da Brunhilds Frauen alle   nun standen auf dem Strand,              607
Von waidlichen Recken   wurden bei der Hand
Freundlich genommen   viel Frauen ausersehn.
Man sah die edeln Maide   vor Frau Brunhilden stehn.

Bis der Empfang vorüber war,   das währte lange Zeit,               608
Manch rosigem Munde war   da ein Kuß bereit.
Noch standen bei einander   die Königinnen reich:
Das freuten sich zu schauen   viel der Recken ohne Gleich.

Da spähten mit den Augen,   die oft gehört vorher,                  609
Man hab also Schönes   gesehen nimmermehr
Als die Frauen beide:   das fand man ohne Lug.
Man sah an ihrer Schöne   auch nicht den mindesten Trug.

Wer Frauen schätzen konnte   und minniglichen Leib,                 610
Der pries um ihre Schöne   König Gunthers Weib;
Doch sprachen da die Kenner,   die es recht besehn,
Man müße vor Brunhilden   den Preis Kriemhilden zugestehn.

Nun giengen zu einander   Mägdelein und Fraun;                      611
Es war in hoher Zierde   manch schönes Weib zu schaun.
Da standen seidne Hütten   und manches reiche Zelt,
Womit man erfüllt sah   hier vor Worms das ganze Feld.

Des Könige Freunde drängten   sich, um sie zu sehn.                 612
Da hieß man Brunhilden   und Kriemhilden gehn
Und all die Fraun mit ihnen   hin, wo sich Schatten fand;
Es führten sie die Degen   aus der Burgunden Land.

Nun waren auch die Gäste   zu Ross geseßen all;                     613
Da gabs beim Lanzenbrechen   durch Schilde lauten Schall.
Das Feld begann zu stäuben,   als ob das ganze Land
Entbrannt wär in der Lohe:   da machten Helden sich bekannt.

Was da die Recken thaten,   sah manche Maid mit an.                 614
Wohl ritt mit seinen Degen   Siegfried der kühne Mann
In mancher Wiederkehre   vorbei an dem Gezelt;
Der Nibelungen führte   tausend Degen der Held.

Da kam von Tronje Hagen,   wie ihm der König rieth;                 615
Der Held mit guter Sitte   die Ritterspiele schied,
Daß sie nicht bestaubten   die schönen Mägdelein:
Da mochten ihm die Gäste   gerne wohl gehorsam sein.

Da sprach der edle Gernot:   "Die Rosse laßt stehn,                 616
Bis es beginnt zu kühlen,   daß wir die Frauen schön
Mit unserm Dank geleiten   bis vor den weiten Saal;
Will dann der König reiten,   find er euch bereit zumal."

Das Kampfspiel war vergangen   über all dem Feld:                   617
Da giengen kurzweilen   in manches hohe Zelt
Die Ritter zu den Frauen   um hoher Lust Gewinn:
Da vertrieben sie die Stunden,   bis sie weiter sollten ziehn.

Vor des Abends Nahen,   als sank der Sonne Licht                    618
Und es begann zu kühlen,   ließ man es länger nicht:
Zu der Veste huben   Fraun und Ritter sich;
Mit Augen ward geliebkost   mancher Schönen minniglich.

Von guten Knechten wurden   viel Pferde müd geritten                619
Vor den Hochgemuthen   nach des Landes Sitten,
Bis vor dem Saale   abstieg der König werth.
Da diente man den Frauen   und hob sie nieder vom Pferd.

Da wurden auch geschieden   die Königinnen reich.                   620
Hin gieng Frau Ute   und Kriemhild zugleich
Mit ihrem Ingesinde   in ein weites Haus:
Da vernahm man allenthalben   der Freude rauschenden Braus.

Man richtete die Stühle:   der König wollte gehn                    621
Zu Tisch mit den Gästen.   Da sah man bei ihm stehn
Brunhild die schöne,   die da die Krone trug
In des Königs Lande:   sie erschien wohl reich genug.

Da sah man schöne Sitze   und gute Tafeln breit                     622
Mit Speisen beladen,   so hörten wir Bescheid.
Was sie da haben sollten,   wie wenig fehlte dran!
Da sah man bei dem König   gar manchen herrlichen Mann.

Des Wirthes Kämmerlinge   im Becken goldesroth                      623
Reichten ihnen Wasser.   Das wär vergebne Noth,
Sagte wer, man hätte   je fleißgern Dienst gethan
Bei eines Fürsten Hochzeit:   ich glaubte schwerlich daran.

Eh der Vogt am Rheine   hier das Wasser nahm,                       624
Zu Gunthern trat da Siegfried,   er durft es ohne Scham,
Und mahnt' ihn seiner Treue,   die er ihm gab zu Pfand,
Bevor er Brunhilden   daheim gesehn in Isenland.

Er sprach zu ihm: "Gedenket,   mir schwur eure Hand,                625
Wenn wir Frau Brunhild   brächten in dieß Land,
Ihr gäbt mir eure Schwester:   wo blieb nun der Eid?
Ihr wißt, bei eurer Reise   war keine Mühe mir leid."

Da sprach der Wirth zum Gaste:   "Recht, daß ihr mich mahnt.        626
Ich will den Eid nicht brechen,   den ich schwur mit Mund und Hand,
Ich helf es euch fügen,   so gut es mag geschehn."
Da hieß man Kriemhilden   zu Hof vor den König gehn.

Mit ihren schönen Maiden   kam sie vor den Saal.                    627
Da sprang von einer Stiege   Geiselher zu Thal:
"Nun heißt wiederkehren   diese Mägdelein:
Meine Schwester soll alleine   hier bei dem Könige sein."

Hin brachten sie Kriemhilden,   wo man den König fand:              628
Da standen edle Ritter   von mancher Fürsten Land.
In dem weiten Saale   hieß man sie stille stehn;
Frau Brunhilden sah man   eben auch zu Tische gehn.

Sie hatte keine Kunde,   was da im Werke war.                       629
Da sprach König Dankrats Sohn   zu seiner Mannen Schar:
"Helft mir, daß meine Schwester   Siegfrieden nimmt zum Mann."
Sie sprachen einhellig:   "Das wäre gar wohl gethan."

Da sprach der König Gunther:   "Schwester, edle Maid,               630
Bei deiner Zucht und Güte   löse meinen Eid.
Ich schwur dich einem Recken,   und nimmst du ihn zum Mann,
So hast du meinen Willen   mit großen Treuen gethan."

Die edle Maid versetzte:   "Lieber Bruder mein,                     631
Ihr sollt mich nicht flehen,   ich will gehorsam sein.
Wie ihr mir gebietet,   so soll es sein gethan:
Dem will ich mich verloben,   den ihr, Herr, mir gebt zum Mann."

Von lieber Augenweide   Ward Siegfrieds Farbe roth:                 632
Zu Diensten sich der Recke   Frau Kriemhilden bot.
Man ließ sie mit einander   in einem Kreise stehn,
Und frug sie, ob sie wolle   diesen Recken ausersehn?

Scheu, wie Mädchen pflegen,   schämte sie sich ein Theil;           633
Jedoch war Siegfrieden   so günstig Glück und Heil,
Daß sie nicht verschmähen   wollte seine Hand.
Auch versprach sich ihr zum Manne   der edle Held von Niederland.

Da er sich ihr verlobte   und sich ihm die Maid,                    634
Ein gütlich Umfangen   war da alsbald bereit
Von Siegfriedens Armen   dem schönen Mägdlein zart:
Die edle Königin küsst' er   in der Helden Gegenwart.

Sich schied das Gesinde.   Als das geschah,                         635
Auf dem Ehrenplatze   man Siegfrieden sah,
Mit Kriemhilden sitzen;   da dient' ihm mancher Mann.
Man sah die Nibelungen   mit ihm den Sitzen sich nahm.

Der König saß zu Tische   bei Brunhild der Maid.                    636
Da sah sie Kriemhilden   (nichts war ihr je so leid)
Bei Siegfrieden sitzen:   zu weinen hub sie an,
Daß ihr manch heiße Thräne   über lichte Wangen rann.

Da sprach der Wirth des Landes:   "Was ist euch, Fraue mein,        637
Daß ihr so trüben laßet   lichter Augen Schein?
Ihr solltet recht euch freuen:   euch ist unterthan
Mein Land und reiche Burgen   und mancher  waidliche Mann."

"Recht weinen sollt ich eher,"   sprach die schöne Maid.            638
"Deiner Schwester wegen   trag ich Herzeleid.
Ich seh sie sitzen neben   dem Eigenholden dein:
Wohl muß ich immer weinen,   soll sie so erniedrigt sein."

Da sprach der König Gunther:   "Schweigt davon jetzt still,         639
Da ich euch ein andermal   die Kunde sagen will,
Warum meine Schwester   Siegfrieden ward gegeben.
Wohl mag sie mit dem Recken   allezeit in Freuden leben."

Sie sprach: "Mich jammern immer   ihre Schönheit, ihre Zucht;       640
Wüst ich, wohin ich sollte,   ich nähme gern die Flucht
Und wollt euch nimmer eher   nahe liegen bei,
Bis ich wüste, weshalb Kriemhild   die Braut von Siegfrieden sei."

Da sprach König Gunther:   "Ich mach es euch bekannt:               641
Er hat selber Burgen   wie ich und weites Land.
Das dürft ihr sicher glauben,   er ist ein König reich:
Drum gönn ich ihm zum Weibe   die schöne Magd ohne Gleich."

Was ihr der König sagte,   traurig blieb ihr Muth.                  642
Da eilte von den Tischen   mancher Ritter gut:
Das Kampfspiel ward so heftig,   daß rings die Burg erklang.
Dem Wirth bei seinen Gästen   ward die Weile viel zu lang.

Er dacht: "Ich läge sanfter   der schönen Frauen bei."              643
Er wurde des Gedankens   nicht mehr im Herzen frei,
Von ihrer Minne müße   ihm Liebes viel geschehn.
Da begann er freundlich   Frau Brunhilden anzusehn.

Vom Ritterspiel die Gäste   bat man abzustehn:                      644
Mit seinem Weibe wollte   zu Bett der König gehn.
Vor des Saales Stiege   begegneten da
Sich Kriemhild und Brunhild;   noch in Güte das geschah.

Da kam ihr Ingesinde;   sie säumten länger nicht:                   645
Ihre reichen Kämmerlinge   brachten ihnen Licht.
Es theilten sich die Recken   in beider Könge Lehn.
Da sah man viel der Degen   hinweg mit Siegfrieden gehn.

Die Helden kamen beide   hin, wo sie sollten liegen.                646
Da dachte Jedweder   mit Minnen obzusiegen
Den minniglichen Frauen:   des freute sich ihr Muth.
Siegfriedens Kurzweil   die wurde herrlich und gut.

Als Siegfried der Degen   bei Kriemhilden lag                       647
Und er da der Jungfrau   so minniglich pflag
Mit seinem edeln Minnen,   sie ward ihm wie sein Leben:
Er hätte nicht die eine   für tausend andre gegeben.

Ich sag euch nicht weiter,   wie er der Frauen pflag.               648
Nun hört diese Märe,   wie König Gunther lag
Bei Brunhild der Frauen;   der zierliche Degen
Hätte leichtlich sanfter   bei andern Frauen gelegen.

Das Volk hatt ihn verlaßen   zumal, so Frau als Mann:               649
Da ward die Kemenate   balde zugethan.
Er wähnt', er solle kosen   ihren minniglichen Leib:
Da währt' es noch gar lange,   bevor sie wurde sein Weib.

Im weißen Linnenhemde   gieng sie ins Bett hinein.                  650
Der edle Ritter dachte:   "Nun ist das alles mein,
Wes mich je verlangte   in allen meinen Tagen."
Sie must ob ihrer Schöne   mit großem Recht ihm behagen.

Das Licht begann zu bergen   des edeln Königs Hand.                 651
Hin gieng der kühne Degen,   wo er die Jungfrau fand.
Er legte sich ihr nahe:   seine Freude die war groß,
Als die Minnigliche   der Held mit Armen umschloß.

Minnigliches Kosen   möcht er da viel begehn,                       652
Ließe das willig   die edle Frau geschehn.
Doch zürnte sie gewaltig:   den Herrn betrübte das.
Er wähnt, er fände Freude,   da fand er feindlichen Haß.

Sie sprach: "Edler Ritter,   laßt euch das vergehn:                 653
Was ihr da habt im Sinne,   das kann nicht geschehn.
Ich will noch Jungfrau bleiben,   Herr König, merkt euch das,
Bis ich die Mär erfahre."   Da faßte Gunther ihr Haß.

Er rang nach ihrer Minne   und zerrauft' ihr Kleid.                 654
Da griff nach einem Gürtel   die herrliche Maid,
Einer starken Borte,   die sie um sich trug:
Da that sie dem König   großen Leides genug.

Die Füß und die Hände   sie ihm zusammenband,                       655
Zu einem Nagel trug sie ihn   und hieng ihn an die Wand.
Als er im Schlaf sie störte,   sein Minnen sie verbot.
Von ihrer Stärke hätt er   beinah gewonnen den Tod.

Da begann zu flehen,   der Meister sollte sein:                     656
"Nun löst mir die Bande,   viel edle Fraue mein.
Ich getrau euch, schöne Herrin,   doch nimmer obzusiegen
Und will auch wahrlich selten   mehr so nahe bei euch liegen."

Sie frug nicht, wie ihm wäre,   da sie in Ruhe lag.                 657
Dort must er hangen bleiben   die Nacht bis an den Tag,
Bis der lichte Morgen   durchs Fenster warf den Schein:
Hatt er je Kraft beseßen,   die ward an seinem Leibe klein.

"Nun sagt mir, Herr Gunther,   ist euch das etwa leid,              658
Wenn euch gebunden finden,"   sprach die schöne Maid,
"Eure Kämmerlinge   von einer Frauen Hand?"
Da sprach der edle Ritter:   "Das würd euch übel gewandt.

"Auch wär mirs wenig Ehre,"   sprach der edle Mann:                 659
"Bei eurer Zucht und Güte   nehmt mich nun bei euch an.
Und ist euch meine Minne   denn so mächtig leid,
So will ich nie berühren   mit meiner Hand euer Kleid."

Da löste sie den König,   daß er nicht länger hieng;                660
Wieder an das Bette   er zu der Frauen gieng.
Er legte sich so ferne,   daß er ihr Hemde fein
Nicht oft darnach berührte:   auch wollte sie des ledig sein.

Da kam auch ihr Gesinde,   das brachte neu Gewand:                  661
Des war heute Morgen   genug für sie zur Hand.
Wie froh man da gebahrte,   traurig war genug
Der edle Wirth des Landes,   wie er des Tags die Krone trug.

Nach des Landes Sitte,   die zu begehen Pflicht,                    662
Unterließ es Gunther   mit Brunhild länger nicht:
Sie giengen nach dem Münster,   wo man die Messe sang.
Dahin auch kam Herr Siegfried;   da hob sich mächtiger Drang.

Nach königlichen Ehren   war da für sie bereit,                     663
Was sie haben sollten,   die Krone wie das Kleid.
Da ließen sie sich weihen:   als das war geschehn,
Da sah man unter Krone   alle Viere herrlich stehn.

Das Schwert empfiengen Knappen,   sechshundert oder mehr,           664
Den Königen zu Ehren   auf meines Worts Gewähr.
Da hob sich große Freude   in Burgundenland:
Man hörte Schäfte brechen   an der Schwertdegen Hand.

Da saßen in den Fenstern   die schönen Mägdelein.                   665
Sie sahen vor sich leuchten   manches Schildes Schein.
Nun hatte sich der König   getrennt von seinem Lehn:
Was man beginnen mochte,   er ließ es trauernd geschehn.

Ihm und Siegfrieden   ungleich stand der Muth:                      666
Wohl wuste, was ihm fehlte,   der edle Ritter gut.
Da gieng er zu dem König,   zu fragen er begann:
"Wie ists euch gelungen   die Nacht, das saget mir an."

Da sprach der Wirth zum Gaste:   "Den Schimpf und den Schaden       667
Hab ich an meiner Frauen   in mein Haus geladen.
Ich wähnte sie zu minnen,   wie schnell sie mich da band!
Zu einem Nagel trug sie mich   und hieng mich hoch an die Wand.

"Da hieng ich sehr in Aengsten   die Nacht bis an den Tag.          668
Eh sie mich wieder löste,   wie sanft sie da lag!
Das sei dir in der Stille   geklagt in Freundlichkeit."
Da sprach der starke Siegfried:   "Das ist in Wahrheit mir leid.

"Das will ich euch beweisen,   verschmerzt ihr den Verdruß.         669
Ich schaffe, daß sie heute Nacht   so nah euch liegen muß,
Daß sie euch ihre Minne   nicht länger vorenthält."
Die Rede hörte gerne   nach seinem Leide der Held.

"Nun schau meine Hände,   wie die geschwollen sind:                 670
Die drückte sie so mächtig,   als wär ich ein Kind,
Daß Blut mir allenthalben   aus den Nägeln drang.
Ich hegte keinen Zweifel,   mein Leben währe nicht lang."

Da sprach der starke Siegfried:   "Es wird noch Alles gut.          671
Uns Beiden war wohl ungleich   heute Nacht zu Muth.
Mir ist deine Schwester   wie Leben lieb und Leib!
So muß nun auch Frau Brunhild   noch heute werden dein Weib.

"Ich komme heut Abend   zu deinem Kämmerlein                        672
Also wohl verborgen   in der Tarnkappe mein,
Daß sich meiner Künste   Niemand mag versehn.
Laß dann die Kämmerlinge   zu ihren Herbergen gehn:

"So lesch ich den Knappen   die Lichter an der Hand:                673
Bei diesem Wahrzeichen   sei dir bekannt,
Daß ich hereingetreten.   Wohl zwing ich dir dein Weib,
Daß du sie heute minnest,   ich verlör' denn Leben und Leib."

"Wenn du sie nicht minnest,"   der König sprach da so,              674
"Meine liebe Fraue:   des Andern bin ich froh;
Was du auch thust und nähmst du   Leben ihr und Leib,
Das wollt ich wohl verschmerzen:   sie ist ein schreckliches Weib."

"Das nehm ich," sprach da Siegfried,   "auf die Treue mein,         675
Daß ich sie nicht berühre;   die liebe Schwester dein
Geht mir über alle,   die ich jemals sah."
Wohl glaubte König Gunther   der Rede Siegfriedens da.

Da gabs von Ritterspielen   Freude so wie Noth.                     676
Den Buhurd und das Lärmen   man allzumal verbot.
Als die Frauen sollten   nach dem Saale gehn,
Geboten Kämmerlinge   den Leuten, nicht im Weg zu stehn.

Von Rossen und von Leuten   räumte man den Hof.                     677
Der Frauen Jedwede   führt' ein Bischof,
Als sie vor den Königen   zu Tische sollten gehn.
Ihnen folgten zu den Stühlen   viel der Degen ausersehn.

Bei seinem Weib der König   in froher Hoffnung saß:                 678
Was Siegfried ihm verheißen,   im Sinne lag ihm das.
Der eine Tag ihn dauchte   wohl dreißig Tage lang:
Nach Brunhildens Minne   all sein Denken ihm rang.

Er konnt es kaum erwarten,   bis vorbei das Mahl.                   679
Brunhild die schöne   rief man aus dem Saal
Und auch Kriemhilden:   sie sollten schlafen gehn:
Hei! was man kühner Degen   sah vor den Königinnen stehn!

Siegfried der Herre   gar minniglich saß                            680
Bei seinem schönen Weibe   mit Freuden ohne Haß.
Sie kos'te seine Hände   mit ihrer weißen Hand,
Bis er ihr vor den Augen,   sie wuste nicht wie, verschwand.

Da sie mit ihm spielte   und sie ihn nicht mehr sah,                681
Zu seinem Ingesinde   sprach die Königin da:
"Mich wundert sehr, wo ist doch   der König hingekommen?
Wer hat seine Hände   mir aus den meinen genommen?"

Sie ließ die Rede bleiben.   Da eilt' er hinzugehn,                 682
Wo er die Kämmerlinge   fand mit Lichtern stehn:
Die lescht' er unversehens   den Knappen an der Hand:
Daß es Siegfried wäre,   das war da Gunthern bekannt.

Wohl wust er, was er wolle:   er ließ von dannen gehn               683
Mägdelein und Frauen.   Als das war geschehn,
Der edle König selber   verschloß der Kammer Thür:
Starker Riegel zweie   die warf er eilends dafür.

Hinterm Bettvorhange   barg er der Kerzen Licht.                    684
Ein Spiel sogleich begannen,   vermeiden ließ sichs nicht,
Siegfried der starke   und die schöne Maid:
Das war dem König Gunther   beides lieb und auch leid.

Da legte sich Siegfried   der Königin bei.                          685
Sie sprach: "Nun laßt es, Gunther,   wie lieb es euch auch sei,
Daß ihr nicht Noth erleidet   heute so wie eh:
Oder euch geschieht hier   von meinen Händen wieder Weh."

Er hehlte seine Stimme,   kein Wörtlein sprach er da.               686
Wohl hörte König Gunther,   obgleich er sie nicht sah,
Daß Heimliches von Beiden   wenig geschehen sei;
Nicht viel bequeme Ruhe   im Bette fanden die Zwei.

Er stellte sich, als wär er   Gunther der König reich;              687
Er umschloß mit Armen   das Mägdlein ohne Gleich.
Sie warf ihn aus dem Bette   dabei auf eine Bank,
Daß laut an einem Schemel   ihm das Haupt davon erklang.

Wieder auf mit Kräften   sprang der kühne Mann,                     688
Es beßer zu versuchen:   wie er das begann,
Daß er sie zwingen wollte,   da widerfuhr ihm Weh.
Ich glaube nicht, daß solche Wehr   von Frauen je wieder gescheh.

Da ers nicht laßen wollte,   das Mägdlein aufsprang:                689
"Euch ziemt nicht zu zerraufen   mein Hemd also blank.
Ihr seid ungezogen:   das wird euch noch leid.
Des bring ich euch wohl inne,"   sprach die waidliche Maid.

Sie umschloß mit den Armen   den theuerlichen Degen                 690
Und wollt ihn auch in Bande   wie den König legen,
Daß sie im Bette läge   mit Gemächlichkeit.
Wie grimmig sie das rächte,   daß er zerzerret ihr Kleid!

Was half ihm da die Stärke,   was seine große Kraft?                691
Sie erwies dem Degen   ihres Leibes Meisterschaft.
Sie trug ihn übermächtig,   das muste nur so sein,
Und drückt ihn ungefüge   bei dem Bett an einen Schrein.

"O weh," gedacht er, "soll ich   Leben nun und Leib                 692
Von einer Maid verlieren,   so mag jedes Weib
In allen künftgen Zeiten   tragen Frevelmuth
Dem Mann gegenüber,   die es sonst wohl nimmer thut."

Der König hörte Alles;   er bangte für den Mann.                    693
Da schämte sich Siegfried,   zu zürnen fieng er an.
Mit ungefügen Kräften   ihr widersetzt' er sich
Und versuchte seine Stärke   an Brunhilden ängstiglich.

Wie sie ihn niederdrückte,   sein Zorn erzwang es noch              694
Und seine starken Kräfte,   daß ihr zum Trotz er doch
Sich aufrichten konnte;   seine Angst war groß.
Sie gaben in der Kammer   sich her und hin manchen Stoß.

Auch litt König Gunther   Sorgen und Beschwer:                      695
Er muste manchmal flüchten   vor ihnen hin und her.
Sie rangen so gewaltig,   daß es Wunder nahm,
Wie Eins vor dem Andern   mit dem Leben noch entkam.

Den König Gunther ängstigte   beiderseits die Noth;                 696
Doch fürchtet' er am meisten   Siegfriedens Tod.
Wohl hätte sie dem Degen   das Leben schier benommen:
Dürft er nur, er wär ihm   gern zu Hülfe gekommen.

Gar lange zwischen Beiden   dauerte der Streit;                     697
Da bracht er an das Bette   zuletzt zurück die Maid:
Wie sehr sie sich auch wehrte,   die Wehr ward endlich schwach.
Gunther in seinen Sorgen   hieng mancherlei Gedanken nach.

Es währte lang dem König,   bis Siegfried sie bezwang.              698
Sie drückte seine Hände,   daß aus den Nägeln sprung
Das Blut von ihren Kräften;   das war dem Helden leid.
Da zwang er zu verläugnen   diese herrliche Maid

Den ungestümen Willen,   den sie erst dargethan.                    699
Alles vernahm der König,   doch hört ers schweigend an.
Er drückte sie ans Bette,   daß sie aufschrie laut:
Des starken Siegfrieds Kräfte   schmerzten übel die Braut.

Da griff sie nach der Hüfte,   wo sie die Borte fand,               700
Und dacht' ihn zu binden:   doch wehrt' es seine Hand,
Daß ihr die Glieder krachten,   dazu der ganze Leib.
Da war der Streit zu Ende:   da wurde sie Gunthers Weib.

Sie sprach: "Edler König,   nimm mir das Leben nicht:               701
Was ich dir that zu Leide,   vergüt ich dir nach Pflicht.
Ich wehre mich nicht wieder   der edeln Minne dein:
Ich hab es wohl erfahren,   daß du magst Frauen Meister sein."

Aufstand da Siegfried,   liegen blieb die Maid,                     702
Als dächt er abzuwerfen   eben nur das Kleid.
Er zog ihr vom Finger   ein Ringlein von Gold,
Daß es nicht gewahrte   die edle Königin hold,

Auch nahm er ihren Gürtel,   eine Borte gut.                        703
Ich weiß nicht, geschah es   aus hohem Uebermuth.
Er gab ihn seinem Weibe:   das ward ihm später leid.
Da lagen bei einander   der König und die schöne Maid.

Er pflag der Frauen minniglich,   wie es geziemend war:             704
Scham und Zorn verschmerzen   muste sie da gar.
Von seinen Heimlichkeiten   ihre lichte Farb erblich.
Hei! wie von der Minne   die große Kraft ihr entwich!

Da war auch sie nicht stärker   als ein ander Weib.                 705
Minniglich umfieng er   ihren schönen Leib;
Wenn sie noch widerstände,   was könnt es sie verfahn?
Das hatt ihr Alles Gunther   mit seinem Minnen gethan.

Wie minniglich der Degen   da bei der Frauen lag                    706
In freundlicher Liebe   bis an den lichten Tag!
Inzwischen war Herr Siegfried   längst schon hindann:
Da ward er wohl empfangen   von einer Frauen wohlgethan.

Er wich allen Fragen aus,   die sie erdacht,                        707
Und hehlt' ihr noch lang,   was er mitgebracht,
Bis er daheim das Kleinod   ihr doch am Ende gab:
Das brachte viel der Degen   mit ihm selber ins Grab.

Dem Wirth am andern Morgen   viel höher stand der Muth,             708
Als am ersten Tage:   da ward die Freude gut
In allen seinen Landen   bei manchem edeln Mann.
Die er zu Hof geladen,   denen ward viel Dienst gethan.

Vierzehn Tage währte   diese Lustbarkeit,                           709
Daß sich der Schall nicht legte   in so langer Zeit
Von aller Lust und Kurzweil,   die man erdenken mag.
Wohl verwandte hohe Kosten   der König bei dem Hofgelag.

Des edeln Wirthes Freunde,   wie es der Herr gewollt,               710
Verschenkten ihm zu Ehren   Kleider und rothes Gold,
Silber auch und Rosse   an manchen fremden Mann.
Die gerne Gaben nahmen,   die schieden fröhlich hindann.

Auch der kühne Siegfried   aus dem Niederland                       711
Mit seinen tausend Mannen   --all das Gewand,
Das sie gebracht zum Rheine,   ward ganz dahin gegeben,
Schöne Ross' und Sättel:   sie wusten herrlich zu leben.

Bevor die reiche Gabe   noch alle war verwandt,                     712
Schon daucht es die zu lange,   die wollten in ihr Land.
Nie sah man ein Gesinde   mehr so wohl verpflegen.
So endete die Hochzeit:   da schied von dannen mancher Degen.

       *       *       *       *       *



Eilftes Abenteuer.

Wie Siegfried mit seinem Weibe heimkehrte.


Als die Gäste waren   gefahren all davon,                           713
Da sprach zu dem Gesinde   König Siegmunds Sohn:
"Wir wollen auch uns rüsten   zur Fahrt in unser Land."
Lieb ward es seinem Weibe,   als ihr die Märe ward bekannt.

Sie sprach zu ihrem Manne:   "Wann sollen wir nun fahren?           714
So sehr damit zu eilen   will ich mich bewahren:
Erst sollen mit mir theilen   meine Brüder dieses Land."
Leid war es Siegfrieden,   als ers an Kriemhilden fand.

Die Fürsten giengen zu ihm   und sprachen alle drei:                715
"Wißt nun, Herr Siegfried,   daß euch immer sei
Unser Dienst mit Treue   bereit bis in den Tod."
Er neigte sich den Herren,   da mans so wohl ihm erbot.

"Wir wolln auch mit euch theilen,"   sprach Geiselher das Kind,     716
"Das Land und die Burgen,   die unser eigen sind,
Und was der weiten Reiche   uns ist unterthan;
Ihr empfangt mit Kriemhild   euer volles Theil daran."

Der Sohn König Siegmunds   sprach zu den Fürsten da,                717
Als er den guten Willen   der Herren hört und sah:
"Gott laß euch euer Erbe   gesegnet immer sein
Und auch die Leute drinnen:   es mag die liebe Fraue mein

"Des Theils wohl entrathen,   den ihr ihr wolltet geben:            718
Wo sie soll Krone tragen,   mögen wirs erleben,
Da muß sie reicher werden,   als wer ist auf der Welt.
Was ihr sonst gebietet,   ich bin euch dienstlich gesellt."

Da sprach aber Kriemhild:   "Wenn ihr mein Land verschmäht,         719
Um die Burgundendegen   es so gering nicht fleht;
Die mag ein König gerne   führen in sein Land:
Wohl soll sie mit mir theilen   meiner lieben Brüder Hand."

Da sprach König Gernot:   "Nimm, die du willst, mit dir.            720
Die gerne mit dir reiten,   du findest Viele hier.
Von dreißighundert Recken   nimm dir tausend Mann
Zu deinem Hausgesinde."   Kriemhild zu senden begann

Nach Hagen von Tronje   und nach Ortwein,                           721
Ob sie und ihre Freunde   Kriemhildens wollten sein.
Da gewann darüber Hagen   ein zorniges Leben:
Er sprach: "Uns kann Gunther   in der Welt an Niemand vergeben.

"Ander Ingesinde   nehmt zu eurer Fahrt;                            722
Ihr werdet ja wohl kennen   der Tronejer Art.
Wir müßen bei den Königen   bleiben so fortan
Und denen ferner dienen,   deren Dienst wir stäts versahn."

Sie ließen es bewenden   und machten sich bereit.                   723
Ihres edeln Ingesindes   nahm Kriemhild zum Geleit
Zweiunddreißig Mägdelein   und fünfhundert Mann;
Eckewart der Markgraf   zog mit Kriemhild hindann.

Da nahmen alle Urlaub,   Ritter so wie Knecht,                      724
Mägdelein und Frauen:   so war es Fug und Recht.
Unter Küssen scheiden   sah man sie unverwandt,
Und jene räumten fröhlich   dem König Gunther das Land.

Da geleiteten die Freunde   sie fern auf ihren Wegen.               725
Allenthalben ließ man   ihnen Nachtherberge legen,
Wo sie die nehmen wollten   in der Könge Land.
Da wurden bald auch Boten   dem König Siegmund gesandt,

Damit er wißen sollte   und auch Frau Siegelind,                    726
Sein Sohn solle kommen   mit Frau Utens Kind,
Kriemhild der schönen,   von Worms über Rhein.
Diese Mären konnten   ihnen nimmer lieber sein.

"Wohl mir," sprach da Siegmund,   "daß ich den Tag soll sehn,       727
Da hier die schöne Kriemhild   soll unter Krone gehn!
Das erhöht im Werthe   mir all das Erbe mein:
Mein Sohn Siegfried   soll nun selbst hier König sein."

Da gab ihnen Siegelind   zu Kleidern Sammet roth                    728
Und schweres Gold und Silber:   das war ihr Botenbrot.
Sie freute sich der Märe,   die sie da vernahm.
All ihr Ingesinde   sich mit Fleiß zu kleiden begann.

Man sagt' ihr, wer da käme   mit Siegfried in das Land.             729
Da hieß sie Gestühle   errichten gleich zur Hand,
Wo er vor den Freunden   sollt unter Krone gehn.
Entgegen ritten ihnen   Die in König Siegmunds Lehn.

Wer beßer wäre empfangen,   mir ist es unbekannt,                   730
Als die Helden wurden   in Siegmundens Land.
Kriemhilden seine Mutter   Sieglind entgegenritt
Mit viel der schönen Frauen;   kühne Ritter zogen mit

Wohl eine Tagereise,   bis man die Gäste sah.                       731
Die Heimischen und Fremden   litten Beschwerde da,
Bis sie endlich kamen   zu einer Veste weit,
Die Santen war geheißen,   wo sie Krone trugen nach der Zeit.

Mit lachendem Munde   Siegmund und Siegelind                        732
Manche liebe Weile   küssten sie Utens Kind
Und Siegfried den Degen;   ihnen war ihr Leid benommen.
All ihr Ingesinde   hieß man fröhlich willkommen.

Da brachten sie die Gäste   vor König Siegmunds Saal.               733
Die schönen Jungfrauen   hub man allzumal
Von den Mähren nieder;   da war mancher Mann,
Der den schönen Frauen   mit Fleiß zu dienen begann.

So prächtig ihre Hochzeit   am Rhein war bekannt,                   734
Doch gab man hier den Helden   köstlicher Gewand,
Als sie all ihr Leben   je zuvor getragen.
Man mochte große Wunder   von ihrem Reichthume sagen.

So saßen sie in Ehren   und hatten genug.                           735
Was goldrothe Kleider   ihr Ingesinde trug!
Edel Gestein und Borten   sah man gewirkt darin.
So verpflag sie fleißig   Sieglind die edle Königin.

Da sprach vor seinen Freunden   der König Siegmund:                 736
"Allen meinen Freunden   thu ichs heute kund,
Daß Siegfried meine Krone   hier hinfort soll tragen."
Die Märe hörten gerne   Die von Niederlanden sagen.

Er befahl ihm seine Krone   mit Gericht und Land:                   737
Da war er Herr und König.   Wem er den Rechtsspruch fand
Und wen er strafen sollte,   das wurde so gethan,
Daß man wohl fürchten durfte   der schönen Kriemhilde Mann.

In diesen hohen Ehren   lebt' er, das ist wahr,                     738
Und richtet' unter Krone   bis an das zehnte Jahr,
Da die schöne Königin   einen Sohn gewann,
An dem des Königs Freunde   ihren Wunsch und Willen sahn.

Alsbald ließ man ihn taufen   und einen Namen nehmen:               739
Gunther, nach seinem Oheim,   des dürft er sich nicht schämen.
Gerieth' er nach den Freunden,   er würd ein kühner Mann.
Man erzog ihn sorgsam:   sie thaten auch recht daran.

In denselben Zeiten   starb Frau Siegelind:                         740
Da nahm die volle Herrschaft   der edeln Ute Kind,
Wie so reicher Frauen   geziemte wohl im Land.
Es ward genug betrauert,   daß der Tod sie hatt entwandt.

Nun hatt auch dort am Rheine,   wie wir hören sagen,                741
Gunther dem reichen   einen Sohn getragen
Brunhild die schöne   in Burgundenland.
Dem Helden zu Liebe   ward er Siegfried genannt.

Mit welchen Sorgen immer   man sein hüten hieß!                     742
Von Hofmeistern Gunther   ihn Alles lehren ließ,
Was er bedürfen möchte,   erwüchs' er einst zum Mann.
Hei, was ihm bald das Unglück   der Verwandten abgewann!

Zu allen Zeiten Märe   war so viel gesagt,                          743
Wie doch so herrlich   die Degen unverzagt
Zu allen Stunden lebten   in Siegmundens Land:
So lebt' auch König Gunther   mit seinen Freunden auserkannt.

Das Land der Nibelungen   war Siegfried unterthan                   744
(Keiner seiner Freunde   je größern Schatz gewann)
Mit Schilbungens Recken   und der Beiden Gut.
Darüber trug der Kühne   desto höher den Muth.

Hort den allermeisten,   den je ein Held gewann,                    745
Nach den ersten Herren,   besaß der kühne Mann,
Den vor einem Berge   seine Hand erwarb im Streit:
Er schlug darum zu Tode   manchen Ritter allbereit.

Vollauf besaß er Ehre,   und hätt ers halb entbehrt,                746
Doch müste man gestehen   dem edeln Recken werth,
Daß er der Beste wäre,   der je auf Rossen saß.
Man scheute seine Stärke,   mit allem Grunde that man das.

       *       *       *       *       *



Zwölftes Abenteuer.

Wie Gunther Siegfrieden zum Hofgelage lud.


Da dacht auch alle Tage   Brunhild die Königin:                     747
"Wie trägt nur Frau Kriemhild   so übermüthgen Sinn!
Nun ist doch unser Eigen   Siegfried ihr Mann:
Der hat uns nun schon lange   wenig Dienste gethan."

Das trug sie im Herzen   in großer Heimlichkeit;                    748
Daß sie ihr fremde blieben,   das war der Frauen leid.
Daß man ihr nicht zinste   von des Fürsten Land,
Woher das wohl käme,   das hätte sie gern erkannt.

Sie versucht' es bei dem König,   ob es nicht geschehn              749
Möchte, daß sie Kriemhild   noch sollte wiedersehn.
Sie vertraut' ihm heimlich,   worauf ihr sann der Muth;
Da dauchte den König   der Frauen Rede nicht gut.

"Wie könnten wir sie bringen,"   sprach der König hehr,             750
"Her zu diesem Lande?   das fügt sich nimmermehr.
Sie wohnen uns zu ferne:   ich darf sie nicht drum bitten."
Da gab ihm Brunhild Antwort   mit gar hochfährtgen Sitten:

"Und wäre noch so mächtig   eines Königs Mann,                      751
Was ihm sein Herr gebietet,   das muß doch sein gethan."
Lächeln muste Gunther   ihrer Rede da:
Er nahm es nicht als Dienst an,   wenn er Siegfrieden sah.

Sie sprach: "Lieber Herre,   bei der Liebe mein,                    752
Hilf mir, daß Siegfried   und die Schwester dein
Zu diesem Lande kommen   und wir sie hier ersehn:
So könnte mir auf Erden   nimmer lieber geschehn.

"Deiner Schwester Güte,   ihr wohlgezogner Muth,                    753
Wenn ich daran gedenke,   wie wohl mirs immer thut;
Wie wir beisammen saßen,   als ich dir ward vermählt!
Sie hat sich mit Ehren   den kühnen Siegfried erwählt."

Da bat sie ihn so lange,   bis der König sprach:                    754
"Nun wißt, daß ich Gäste   nicht lieber sehen mag.
Ihr mögt mich leicht erbitten:   ich will die Boten mein
Zu ihnen beiden senden,   daß sie kommen an den Rhein."

Da sprach die Königstochter:   "So sollt ihr mir sagen,             755
Wann ihr sie wollt besenden,   oder zu welchen Tagen
Die lieben Freunde sollen   kommen in dieß Land;
Die ihr dahin wollt senden,   die macht zuvor mir bekannt."

"Das will ich," sprach der König:   "dreißig aus meinem Lehn        756
Laß ich zu ihnen reiten."   Die hieß er vor sich gehn:
Durch sie entbot er Märe   in Siegfriedens Land.
Da beschenkte sie Frau Brunhild   mit manchem reichen Gewand.

Der König sprach: "Ihr Recken   sollt von mir sagen                 757
Und nichts von dem verschweigen,   was ich euch aufgetragen,
Siegfried dem starken   und der Schwester mein,
Ihnen dürf auf Erden   nimmer Jemand holder sein.

"Und bittet, daß sie beide   uns kommen an den Rhein:               758
Dafür will ich und Brunhild   ihnen stäts gewogen sein.
Vor dieser Sonnenwende   soll er hier Manchen sehn,
Er und seine Mannen,   die ihm Ehre laßen geschehn.

"Vermeldet auch dem König   Siegmund die Dienste mein,              759
Daß ich und meine Freunde   ihm stäts gewogen sei'n.
Und bittet meine Schwester,   daß sie's nicht unterläßt
Und zu den Freunden reitet:   nie ziemt' ihr so ein Freudenfest."

Brunhild und Ute   und was man Frauen fand,                         760
Die entboten ihre Dienste   in Siegfriedens Land
Den minniglichen Frauen   und manchem kühnen Mann.
Nach Wunsch des Königs hoben   sich bald die Boten hindann.

Sie standen reisefertig;   ihr Ross und ihr Gewand                  761
War ihnen angekommen:   da räumten sie das Land.
Sie eilten zu dem Ziele,   dahin sie wollten fahren.
Der König hieß die Boten   durch Geleite wohl bewahren.

Innerhalb zwölf Tagen   kamen sie in das Land,                      762
Zu Nibelungens Veste,   wohin man sie gesandt,
In der Mark zu Norweg   fanden sie den Degen:
Ross und Leute waren   müde von den langen Wegen.

Siegfried und Kriemhilden   war eilends hinterbracht,               763
Daß Ritter kommen waren,   die trügen solche Tracht,
Wie bei den Burgunden   man trug der Sitte nach.
Sie sprang von einem Bette,   darauf die Ruhende lag.

Zu einem Fenster ließ sie   eins ihrer Mägdlein gehn;               764
Die sah den kühnen Gere   auf dem Hofe stehn,
Ihn und die Gefährten,   die man dahin gesandt.
Ihr Herzeleid zu stillen,   wie liebe Kunde sie fand!

Sie sprach zu dem Könige:   "Seht ihr, wie sie stehn,               765
Die mit dem starken Gere   auf dem Hofe gehn,
Die uns mein Bruder Gunther   nieder schickt den Rhein."
Da sprach der starke Siegfried:   "Die sollen uns willkommen sein."

All ihr Ingesinde   lief hin, wo man sie sah.                       766
Jeder an seinem Theile   gütlich sprach er da
Das Beste, was er konnte,   zu den Boten hehr.
Ihres Kommens freute   der König Siegmund sich sehr.

Herbergen ließ man Geren   und Die ihm unterthan                    767
Und ihrer Rosse warten.   Die Boten brachte man
Dahin, wo Herr Siegfried   bei Kriemhilden saß.
Sie sahn den Boten gerne   sicherlich ohne allen Haß.

Der Wirth mit seinem Weibe   erhob sich gleich zur Hand.            768
Wohl ward empfangen Gere   aus Burgundenland
Mit seinen Fahrtgenossen   in König Gunthers Lehn.
Den Markgrafen Gere   bat man nicht länger zu stehn.

"Erlaubt uns die Botschaft,   eh wir uns setzen gehn;               769
Uns wegemüde Gäste,   laßt uns so lange stehn,
So melden wir die Märe,   die euch zu wißen thut
Gunther mit Brunhilden:   es geht ihnen beiden gut.

"Und was euch Frau Ute,   eure Mutter, her entbot,                  770
Geiselher der junge   und auch Herr Gernot
Und eure nächsten Freunde:   die haben uns gesandt
Und entbieten euch viele Dienste   aus der Burgunden Land."

"Lohn ihnen Gott," sprach Siegfried;   "ich versah zu ihnen wohl    771
Mich aller Lieb und Treue,   wie man zu Freunden soll.
So thut auch ihre Schwester;   ihr sollt uns ferner sagen,
Ob unsre lieben Freunde   hohen Muth daheim noch tragen.

"Hat ihnen, seit wir schieden,   Jemand ein Leid gethan             772
Meiner Fraue Brüdern?   Das saget mir an.
Ich wollt es ihnen immer   mit Treue helfen tragen,
Bis ihre Widersacher   meine Dienste müsten beklagen."

Antwort gab der Markgraf   Gere, ein Ritter gut:                    773
"Sie sind in allen Züchten   mit Freuden wohlgemuth.
Sie laden euch zum Rheine   zu einer Lustbarkeit
Sie sähn euch gar gerne,   daß ihr des außer Zweifel seid.

"Sie bitten meine Fraue   auch mit euch zu kommen.                  774
Wenn nun der Winter   ein Ende hat genommen,
Vor dieser Sonnenwende   da möchten sie euch sehn."
Da sprach der starke Siegfried:   "Das könnte schwerlich geschehn."

Da sprach wieder Gere   von Burgundenland:                          775
"Eure Mutter Ute   hat euch sehr gemahnt
Mit Gernot und Geiselher,   ihr sollt es nicht versagen.
Daß ihr so ferne wohnet,   hör ich sie täglich beklagen.

"Brunhild meine Herrin   und ihre Mägdelein                         776
Freuen sich der Kunde,   und könnt es jemals sein,
Daß sie euch wiedersähen,   ihnen schuf es hohen Muth."
Da dauchten diese Mären   die schöne Kriemhilde gut.

Gere war ihr Vetter:   der Wirth ihn sitzen hieß;                   777
Den Gästen hieß er schenken,   nicht länger man das ließ.
Da kam dazu auch Siegmund:   als der die Boten sah,
Freundlich sprach der König   zu den Burgunden da:

"Willkommen uns, ihr Recken   in König Gunthers Lehn.               778
Da sich Kriemhilden   zum Weibe hat ersehn
Mein Sohn Siegfried,   man sollt euch öfter schaun
In diesem Lande, dürften wir   bei euch auf Freundschaft vertraun.

Sie sprachen: Wenn er wolle,   sie würden gerne kommen.             779
Ihnen ward mit Freuden   die Müdigkeit benommen.
Man hieß die Boten sitzen;   Speise man ihnen trug:
Deren schuf da Siegfried   den lieben Gästen genug.

Sie musten da verweilen   volle neun Tage.                          780
Darob erhoben endlich   die schnellen Ritter Klage,
Daß sie nicht wieder reiten   durften in ihr Land.
Da hatt auch König Siegfried   zu seinen Freunden gesandt:

Er fragte, was sie riethen:   er solle nach dem Rhein.              781
"Es ließ mich entbieten   Gunther der Schwager mein,
Er und seine Brüder,   zu einer Lustbarkeit:
Ich möcht ihm gerne kommen,   liegt gleich sein Land mir so weit.

"Sie bitten Kriemhilden,   mit mir zu ziehn.                        782
Nun rathet, liebe Freunde,   wie kommen wir dahin?
Und sollt ich Heerfahrten   durch dreißig Herren Land,
Gern dienstbereit erwiese   sich ihnen Siegfriedens Hand."

Da sprachen seine Recken:   "Steht euch zur Fahrt der Muth          783
Nach dem Hofgelage,   wir rathen, was ihr thut:
Ihr sollt mit tausend Recken   reiten an den Rhein:
So mögt ihr wohl mit Ehren   bei den Burgunden sein."

Da sprach von Niederlanden   der König Siegmund:                    784
"Wollt ihr zum Hofgelage,   was thut ihr mirs nicht kund?
Ich will mit euch reiten,   wenn ihrs zufrieden seid;
Hundert Degen führ ich,   damit mehr ich eur Geleit."

"Wollt ihr mit uns reiten,   lieber Vater mein,"                    785
Sprach der kühne Siegfried,   "des will ich fröhlich sein.
Binnen zwölf Tagen   räum ich unser Land."
Die sie begleiten sollten,   denen gab man Ross' und Gewand.

Als dem edeln König   zur Reise stand der Muth,                     786
Da ließ man wieder reiten   die schnellen Degen gut.
Seiner Frauen Brüdern   entbot er an den Rhein,
Daß er gerne wolle   bei ihrem Hofgelage sein.

Siegfried und Kriemhild,   so hörten wir sagen,                     787
Beschenkten so die Boten,   es mochten es nicht tragen
Die Pferde nach der Heimat:   er war ein reicher Mann.
Ihre starken Säumer   trieb man zur Reise fröhlich an.

Da schuf dem Volke Kleider   Siegfried und Siegemund.               788
Eckewart der Markgraf   ließ da gleich zur Stund
Frauenkleider suchen,   die besten, die man fand
Und irgend mocht erwerben   in Siegfriedens ganzem Land.

Die Sättel und die Schilde   man da bereiten ließ.                  789
Den Rittern und den Frauen,   die er sich folgen hieß,
Gab man, was sie wollten;   nichts gebrach daran.
Er brachte seinen Freunden   manchen herrlichen Mann.

Nun wandten sich die Boten   zurück und eilten sehr.                790
Da kam zu den Burgunden   Gere, der Degen hehr,
Und wurde schön empfangen:   sie schwangen sich zu Thal
Von Rossen und von Mähren   dort vor König Gunthers Saal.

Die Jungen und die Alten   kamen, wie man thut,                     791
Und fragten nach der Märe.   Da sprach der Ritter gut:
"Wenn ichs dem König sage,   wird es auch euch bekannt."
Er gieng mit den Gesellen   dahin, wo er Gunthern fand.

Der König vor Freude   von dem Seßel sprang;                        792
Daß sie so bald gekommen,   sagt' ihnen Dank
Brunhild die Schöne.   Zu den Boten sprach er da:
"Wie gehabt sich Siegfried,   von dem mir Liebe viel geschah?"

Da sprach der kühne Gere:   "Er ward vor Freuden roth,              793
Er und eure Schwester.   So holde Mär entbot
Seinen Freunden nimmer   noch zuvor ein Mann,
Als euch der edle Siegfried   und sein Vater hat gethan."

Da sprach zum Markgrafen   des reichen Königs Weib:                 794
"Nun sagt mir, kommt uns Kriemhild?   Hat noch ihr schöner Leib
Die hohe Zier behalten,   deren sie mochte pflegen?"
Er sprach: "Sie kommen beide;   mit ihnen mancher kühne Degen."

Ute ließ die Boten   alsbald vor sich gehn.                         795
Da wars an ihrem Fragen   leichtlich zu verstehn,
Was sie zu wißen wünsche:   "War Kriemhild noch wohlauf?"
Er gab Bescheid, sie kam auch   nach kurzer Tage Verlauf.

Da blieb auch nicht verhohlen   am Hof der Botensold,               796
Den ihnen Siegfried schenkte,   die Kleider und das Gold:
Die ließ man alle schaun   in der drei Fürsten Lehn.
Da musten sie ihm Ehre   wohl für Milde zugestehn.

"Er mag," sprach da Hagen,   "mit vollen Händen geben:              797
Er könnt es nicht verschwenden,   und sollt er ewig leben.
Den Hort der Nibelungen   beschließt des Königs Hand;
Hei! daß er jemals käme   her in der Burgunden Land!"

Da freuten sich die Degen   am Hof im Voraus,                       798
Daß sie kommen sollten.   Beflißen überaus
Sah man spät und frühe   Die in der Könge Lehn.
Welch herrlich Gestühle   ließ man vor der Burg erstehn!

Hunold der kühne   und Sindold der Degen                            799
Hatten wenig Muße:   des Amtes muste pflegen
Truchseß auch und Schenke   und richten manche Bank;
Auch Ortwein war behülflich:   des sagt' ihnen Gunther Dank.

Rumold der Küchenmeister,   wie herrscht' er in der Zeit            800
Ob seinen Unterthanen,   gar manchem Keßel weit,
Häfen und Pfannen;   hei! was man deren fand!
Denen ward da Kost bereitet,   die da kamen in das Land.

Der Frauen Arbeiten   waren auch nicht klein:                       801
Sie bereiteten die Kleider,   darauf manch edler Stein,
Des Stralen ferne glänzten,   gewirkt war in das Gold;
Wenn sie die anlegten,   ward ihnen Männiglich hold.

       *       *       *       *       *



Dreizehntes Abenteuer.

Wie sie zum Hofgelage fuhren.


All ihr Bemühen   laßen wir nun sein                                802
Und sagen, wie Frau Kriemhild   und ihre Mägdelein
Hin zum Rheine fuhren   von Nibelungenland.
Niemals trugen Rosse   so viel herrlich Gewand.

Viel Saumschreine wurden   versendet auf den Wegen.                 803
Da ritt mit seinen Freunden   Siegfried der Degen
Und die Königstochter   in hoher Freuden Wahn;
Da war es ihnen Allen   zu großem Leide gethan.

Sie ließen in der Heimat   Siegfrieds Kindelein                     804
Und Kriemhildens bleiben;   das muste wohl so sein.
Aus ihrer Hofreise   erwuchs ihm viel Beschwer:
Seinen Vater, seine Mutter   ersah das Kindlein nimmermehr.

Mit ihnen ritt von dannen   Siegmund der König hehr.                805
Hätt er ahnen können,   wie es ihm nachher
Beim Hofgelag ergienge,   er hätt es nicht gesehn:
Ihm konnt an lieben Freunden   größer Leid nicht geschehn.

Vorausgesandte Boten   verhießen sie bei Zeit.                      806
Entgegen ritten ihnen   in herrlichem Geleit
Von Utens Freunden viele   und König Gunthers Lehn.
Der Wirth ließ großen Eifer   für die lieben Gäste sehn.

Er gieng zu Brunhilden,   wo er sie sitzen fand:                    807
"Wie empfieng euch meine Schwester,  da ihr kamet in dieß Land?
So will ich, daß ihr Siegfrieds   Gemahl empfangen sollt."
"Das thu ich", sprach sie, "gerne:  ich bin ihr billiglich hold."

Da sprach der mächtige König:   "Sie kommen morgen fruh;            808
Wollt ihr sie empfangen,   so greift nur bald dazu,
Daß sie uns in der Veste   nicht überraschen hie:
Mir sind so liebe Gäste   nicht oft gekommen wie sie."

Ihre Mägdelein und Frauen   ließ sie da zur Hand                    809
Gute Kleider suchen,   die besten, die man fand,
Die ihr Ingesinde   vor Gästen mochte tragen.
Das thaten sie doch gerne:   das mag man für Wahrheit sagen.

Sie zu empfangen eilten   auch Die in Gunthers Lehn;                810
All seine Recken   hieß er mit sich gehn.
Da ritt die Königstochter   hinweg in stolzem Zug.
Die lieben Gäste grüßte   sie alle freudig genug.

Mit wie hohen Ehren   da empfieng man sie!                          811
Sie dauchte, daß Frau Kriemhild   Brunhilden nie
So wohl empfangen habe   in Burgundenland.
Allen, die es sahen,   war hohe Wonne bekannt.

Nun war auch Siegfried kommen   mit seiner Leute Heer.              812
Da sah man die Helden   sich wenden hin und her
Im Feld allenthalben   mit ungezählten Scharen.
Vor Staub und Drängen konnte   sich da Niemand bewahren.

Als der Wirth des Landes   Siegfrieden sah                          813
Und Siegmund den König,   wie gütlich sprach er da:
"Nun seid mir hochwillkommen   und all den Freunden mein;
Wir wollen hohen Muthes   ob eurer Hofreise sein."

"Nun lohn euch Gott," sprach Siegmund,   der ehrbegierge Mann.      814
"Seit mein Sohn Siegfried   euch zum Freund gewann,
Rieth mir all mein Sinnen,   wie ich euch möchte sehn."
Da sprach König Gunther:   "Nun freut mich, daß es geschehn."

Siegfried ward empfangen,   wie man das wohl gesollt,               815
Mit viel großen Ehren;   ein Jeder ward ihm hold.
Des half mit Rittersitten   Gernot und Geiselher;
Man bot es lieben Gästen   so gütlich wohl nimmermehr.

Nun konnten sich einander   die Königinnen schaun.                  816
Da sah man Sättel leeren   und viel der schönen Fraun
Von der Helden Händen   gehoben auf das Gras:
Wer gerne Frauen diente,   wie selten der da müßig saß!

Da giengen zu einander   die Frauen minniglich.                     817
Darüber höchlich freuten   viel der Ritter sich,
Daß der Beiden Grüßen   so minniglich ergieng.
Man sah da manchen Recken,   der Frauendienste begieng.

Das herrliche Gesinde   nahm sich bei der Hand;                     818
Züchtiglich sich neigen   man allerorten fand
Und minniglich sich küssen   viel Frauen wohlgethan.
Das sahen gerne Gunthers und   Siegfrieds Mannen mit an.

Sie säumten da nicht länger   und ritten nach der Stadt.            819
Der Wirth seinen Gästen   zu erweisen hat,
Daß man sie gerne sähe   in der Burgunden Land.
Manches schöne Kampfspiel   man vor den Jungfrauen fand.

Da ließ von Tronje Hagen   und auch Ortewein,                       820
Wie sie gewaltig waren,   wohl offenkundig sein.
Was sie gebieten mochten,   das ward alsbald gethan.
Man sah die lieben Gäste   viel Dienst von ihnen empfahn.

Man hörte Schilde hallen   vor der Veste Thor                       821
Von Stichen und von Stößen.   Lange hielt davor
Der Wirth mit seinen Gästen,   bis alle waren drin,
In mancher Kurzweil giengen   ihnen schnell die Stunden hin.

Vor den weiten Gästesaal   sie nun in Freuden ritten.               822
Viel kunstvolle Decken,   reich und wohlgeschnitten,
Sah man von den Sätteln   den Frauen wohlgethan
Allenthalben hangen;   da kamen Diener heran.

Zu Gemache wiesen   sie die Gäste da.                               823
Hin und wieder blicken   man Brunhilden sah
Nach Kriemhild der Frauen;   schön war sie genug:
Den Glanz noch vor dem Golde   ihre hehre Farbe trug.

Da vernahm man allenthalben   zu Worms in der Stadt                 824
Den Jubel des Gesindes.   König Gunther bat
Dankwart, seinen Marschall,   es wohl zu verpflegen:
Da ließ er die Gäste   in gute Herbergen legen.

Draußen und darinnen   beköstigte man sie:                          825
So wohl gewartet wurde   fremder Gäste nie.
Was Einer wünschen mochte,   das war ihm gern gewährt:
So reich war der König,   es blieb Keinem was verwehrt.

Man dient' ihnen freundlich   und ohn allen Haß.                    826
Der König zu Tische   mit seinen Gästen saß;
Siegfrieden ließ man sitzen,   wie er sonst gethan.
Mit ihm gieng zu Tische   gar mancher waidliche Mann.

Zwölfhundert Recken   setzten sich dahin                            827
Mit ihm an der Tafel.   Brunhild die Königin
Gedachte, wie ein Dienstmann   nicht reicher möge sein.
Noch war sie ihm günstig,   sie ließ ihn gerne gedeihn.

Es war an einem Abend,   da so der König saß,                       828
Viel reiche Kleider wurden   da vom Weine naß,
Als die Schenken sollten   zu den Tischen gehn:
Da sah man volle Dienste   mit großem Fleiße geschehn.

Wie bei Hofgelagen   Sitte mochte sein,                             829
Ließ man zur Ruh geleiten   Fraun und Mägdelein.
Von wannen wer gekommen,   der Wirth ihm Sorge trug;
In gütlichen Ehren   gab man Allen genug.

Die Nacht war zu Ende,   sich hob des Tages Schein,                 830
Aus den Saumschreinen   mancher Edelstein
Erglänzt' auf gutem Kleide;   das schuf der Frauen Hand.
Aus der Lade suchten sie   manches herrliche Gewand.

Eh es noch völlig tagte,   kamen vor den Saal                       831
Ritter viel und Knechte:   da hob sich wieder Schall
Vor einer Frühmesse,   die man dem König sang.
So ritten junge Helden,   der König sagt' ihnen Dank.

Da klangen die Posaunen   von manchem kräftgen Stoß;                832
Von Flöten und Drommeten   ward der Schall so groß,
Worms die weite Veste   gab lauten Widerhall.
Auf die Rosse sprangen   die kühnen Helden überall.

Da hob sich in dem Lande   ein hohes Ritterspiel                    833
Von manchem guten Recken:   man fand ihrer viel,
Deren junge Herzen   füllte froher Muth.
Unter Schilden sah man   manchen zieren Ritter gut.

Da ließen in den Fenstern   die herrlichen Fraun                    834
Und viel der schönen Maide   sich im Schmucke schaun.
Sie sahen kurzweilen   manchen kühnen Mann:
Der Wirth mit seinen Freunden   zu reiten selber begann.

So vertrieben sie die Weile,   die dauchte sie nicht lang.          835
Da lud zu dem Dome   mancher Glocke Klang:
Den Frauen kamen Rosse,   da ritten sie hindann;
Den edeln Königinnen   folgte mancher kühne Mann.

Sie stiegen vor dem Münster   nieder auf das Gras.                  836
Noch hegte zu den Gästen   Brunhild keinen Haß.
Sie giengen unter Krone   in das Münster weit.
Bald schied sich diese Liebe:   das wirkte grimmiger Neid.

Als die Messe war gesungen,   sah man sie weiter ziehn              837
Unter hohen Ehren.   Sie giengen heiter hin
Zu des Königs Tischen.   Ihre Freude nicht erlag
Bei diesen Lustbarkeiten   bis gegen den eilften Tag.

Die Königin gedachte:   "Ich wills nicht länger tragen.             838
Wie ich es fügen möge,   Kriemhild muß mir sagen,
Warum uns so lange   den Zins versaß ihr Mann:
Der ist doch unser Eigen:   der Frag ich nicht entrathen kann."

So harrte sie der Stunde,   bis es der Teufel rieth,                839
Daß sie das Hofgelage   und die Lust mit Leide schied.
Was ihr lag am Herzen,   zu Lichte must es kommen:
Drum ward in manchen Landen   durch sie viel Jammer vernommen.

       *       *       *       *       *



Vierzehntes Abenteuer.

Wie die Königinnen sich schalten.


Es war vor einer Vesper,   als man den Schall vernahm,              840
Der von manchem Recken   auf dem Hofe kam:
Sie stellten Ritterspiele   der Kurzweil willen an.
Da eilten es zu schauen   Frauen viel und mancher Mann.

Da saßen beisammen   die Königinnen reich                           841
Und gedachten zweier Recken,   die waren ohne Gleich.
Da sprach die schöne Kriemhild:   "Ich hab einen Mann,
Dem wären diese Reiche   alle billig unterthan."

Da sprach zu ihr Frau Brunhild:   "Wie könnte das wohl sein?        842
Wenn Anders Niemand lebte   als du und er allein,
So möchten ihm die Reiche   wohl zu Gebote stehn:
So lange Gunther lebte,   so könnt es nimmer geschehn."

Da sprach Kriemhild wieder:   "Siehst du, wie er steht,             843
Wie er da so herrlich   vor allen Recken geht,
Wie der lichte Vollmond   vor den Sternen thut!
Darob mag ich wohl immer   tragen fröhlichen Muth."

Da sprach wieder Brunhild:   "Wie waidlich sei dein Mann,           844
Wie schön und wie bieder,   so steht ihm doch voran
Gunther der Recke,   der edle Bruder dein:
muß vor allen Königen,   das wiße du wahrlich, sein."

Da sprach Kriemhild wieder:   "So werth ist mein Mann,              845
Daß er ohne Grund nicht   solch Lob von mir gewann.
An gar manchen Dingen   ist seine Ehre groß.
Glaubst du das, Brunhild?   er ist wohl Gunthers Genoß!"

"Das sollst du mir, Kriemhild,   im Argen nicht verstehn;           846
Es ist auch meine Rede   nicht ohne Grund geschehn.
Ich hört' es Beide sagen,   als ich zuerst sie sah,
Und als des Königs Willen   in meinen Spielen geschah.

"Und da er meine Minne   so ritterlich gewann,                      847
Da sagt' es Siegfried selber,   er sei des Königs Mann:
Drum halt ich ihn für eigen:   ich hört' es ihn gestehn."
Da sprach die schöne Kriemhild:   "So wär mir übel geschehn.

"Wie hätten so geworben   die edeln Brüder mein,                    848
Daß ich des Eigenmannes   Gemahl sollte sein?
Darum will ich, Brunhild,   gar freundlich dich bitten,
Laß mir zu Lieb die Rede   hinfort mit gütlichen Sitten."

Die Königin versetzte:   "Sie laßen mag ich nicht:                  849
Wie thät ich auf so manchen   Ritter wohl Verzicht,
Der uns mit dem Degen   zu Dienst ist unterthan?"
Kriemhild die Schöne   hub da sehr zu zürnen an.

"Dem must du wohl entsagen,   daß er in der Welt                    850
Dir irgend Dienste leiste.   Werther ist der Held
Als mein Bruder Gunther,   der Degen unverzagt.
Erlaß mich der Dinge,   die du mir jetzo gesagt.

"Auch muß mich immer wundern,   wenn er dein Dienstmann ist         851
Und du ob uns Beiden   So gewaltig bist,
Warum er dir so lange   den Zins verseßen hat;
Deines Uebermuthes   wär ich billig nun satt."

"Du willst dich überheben,"   sprach da die Königin.                852
"Wohlan, ich will doch schauen,   ob man dich fürderhin
So hoch in Ehren halte,   als man mich selber thut."
Die Frauen waren beide   in sehr zornigem Muth.

Da sprach wieder Kriemhild:   "Das wird dir wohl bekannt:           853
Da du meinen Siegfried   dein eigen hast genannt,
So sollen heut die Degen   der beiden Könge sehen,
Ob ich vor der Königin   wohl zur Kirche dürfe gehn.

"Ich laße dich wohl schauen,   daß ich edel bin und frei,           854
Und daß mein Mann viel werther   als der deine sei.
Ich will damit auch selber   nicht bescholten sein:
Du sollst noch heute sehen,   wie die Eigenholde dein

"Zu Hof geht vor den Helden   in Burgundenland.                     855
Ich will höher gelten,   als man je gekannt
Eine Königstochter,   die noch die Krone trug."
Unter den Frauen hob sich   der Haß da grimm genug.

Da sprach Brunhild wieder:   "Willst du nicht eigen sein,           856
So must du dich scheiden   mit den Frauen dein
Von meinem Ingesinde,   wenn wir zum Münster gehn."
"In Treuen," sprach da Kriemhild,   "also soll es geschehn."

"Nun kleidet euch, ihr Maide,"   hub da Kriemhild an:               857
"Ob ich frei von Schande   hier nicht verbleiben kann,
Laßt es heute schauen,   besitzt ihr reichen Staat;
Sie soll es noch verläugnen,   was ihr Mund gesprochen hat."

Ihnen war das leicht zu rathen;   sie suchten reich Gewand.         858
Wie bald man da im Schmucke   viel Fraun und Maide fand!
Da gieng mit dem Gesinde   des edeln Wirths Gemahl;
Zu Wunsch gekleidet ward auch   die schöne Kriemhild zumal

Mit dreiundvierzig Maiden,   die sie zum Rhein gebracht;            859
Die trugen lichte Zeuge,   in Arabien gemacht.
So kamen zu dem Münster   die Mägdlein wohlgethan.
Ihrer harrten vor dem Hause   Die Siegfrieden unterthan.

Die Leute nahm es Wunder,   warum das geschah,                      860
Daß man die Königinnen   so geschieden sah,
Und daß sie bei einander   nicht giengen so wie eh.
Das gerieth noch manchem Degen   zu Sorgen und großem Weh.

Nun stand vor dem Münster   König Gunthers Weib.                    861
Da fanden viel der Ritter   genehmen Zeitvertreib
Bei den schönen Frauen,   die sie da nahmen wahr.
Da kam die edle Kriemhild   mit mancher herrlichen Schar.

Was Kleider je getragen   eines edeln Ritters Kind,                 862
Gegen ihr Gesinde   war alles nur wie Wind.
Sie war so reich an Gute,   dreißig Königsfraun
Mochten die Pracht nicht zeigen,   die da an ihr war zu schaun.

Was man auch wünschen mochte,   Niemand konnte sagen,               863
Daß er so reiche Kleider   je gesehen tragen,
Als da zur Stunde trugen   ihre Mägdlein wohlgethan.
Brunhilden wars zu Leide,   sonst hätt es Kriemhild nicht gethan.

Nun kamen sie zusammen   vor dem Münster weit.                      864
Die Hausfrau des Königs   aus ingrimmem Neid
Hieß da Kriemhilden   unwirsch stille stehn:
"Es soll vor Königsweibe   die Eigenholde nicht gehn."

Da sprach die schöne Kriemhild,   zornig war ihr Muth:              865
"Hättest du noch geschwiegen,   das wär dir wohl gut.
Du hast geschändet selber   deinen schönen Leib:
Mocht eines Mannes Kebse   je werden Königesweib?"

"Wen willst du hier verkebsen?"   sprach des Königs Weib.           866
"Das thu ich dich," sprach Kriemhild:   "deinen schönen Leib
Hat Siegfried erst geminnet,   mein geliebter Mann:
Wohl war es nicht mein Bruder,   der dein Magdthum gewann.

"Wo blieben deine Sinne?   Es war doch arge List:                   867
Was ließest du ihn minnen,   wenn er dein Dienstmann ist?
Ich höre dich," sprach Kriemhild,   "ohn alle Ursach klagen."
"In Wahrheit," sprach da Brunhild,  "das will ich doch Gunthern sagen."

"Wie mag mich das gefährden?   Dein Uebermuth hat dich betrogen:    868
Du hast mich mit Reden   in deine Dienste gezogen,
Daß wiße du in Treuen,   es ist mir immer leid:
Zu trauter Freundschaft bin ich   dir nimmer wieder bereit."

Brunhild begann zu weinen;   Kriemhild es nicht verhieng,           869
Vor des Königs Weibe   sie in das Münster gieng
Mit ihrem Ingesinde.   Da hub sich großer Haß;
Es wurden lichte Augen   sehr getrübt davon und naß.

Wie man da Gott auch diente   oder Jemand sang,                     870
Brunhilden währte   die Weile viel zu lang.
War allzutrübe   der Sinn und auch der Muth:
Des muste bald entgelten   mancher Degen kühn und gut.

Brunhild mit ihren Frauen   gieng vor das Münster stehn.            871
Sie gedachte: "Ich muß von Kriemhild   mehr zu hören sehn,
Wes mich so laut hier zeihte   das wortscharfe Weib:
Und wenn er sichs gerühmt hat,  gehts ihm an Leben und Leib!"

Nun kam die edle Kriemhild   mit manchem kühnen Mann.               872
Da begann Frau Brunhild:   "Haltet hier noch an.
Ihr wolltet mich verkebsen:   laßt uns Beweise sehn,
Mir ist von euern Reden,   das wißet, übel geschehn."

Da sprach die schöne Kriemhild:   "Was laßt ihr mich nicht gehn?    873
Ich bezeug es mit dem Golde,   an meiner Hand zu sehn.
Das brachte mir Siegfried,   nachdem er bei euch lag."
Nie erlebte Brunhild   wohl einen leidigen Tag.

Sie sprach: "Dieß Gold das edle,   das ward mir gestohlen           874
Und blieb mir lange   Jahre übel verhohlen:
Ich komme nun dahinter,   wer mir es hat genommen."
Die Frauen waren beide   in großen Unmuth gekommen.

Da sprach wieder Kriemhild:   "Ich will nicht sein der Dieb.        875
Du hättest schweigen sollen,   wär dir Ehre lieb.
Ich bezeug es mit dem Gürtel,   den ich umgethan,
Ich habe nicht gelogen:   wohl wurde Siegfried dein Mann."

Von Niniveer Seide   sie eine Borte trug                            876
Mit edelm Gesteine,   die war wohl schön genug.
Als Brunhild sie erblickte,   zu weinen hub sie an.
Das muste Gunther wißen   und alle Die ihm unterthan.

Da sprach des Landes Königin:   "Sendet her zu mir                  877
Den König vom Rheine:   hören soll er hier,
Wie sehr seine Schwester   schändet meinen Leib:
Sie sagt vor allen Leuten,   ich sei Siegfriedens Weib."

Der König kam mit Recken:   als er weinen sah                       878
Brunhild seine Traute,   gütlich sprach er da:
"Von wem, liebe Fraue,   ist euch ein Leid geschehn?"
Sie sprach zu dem König:   "Unfröhlich muß ich hier stehn.

Aller meiner Ehren   hat die Schwester dein                         879
Mich berauben wollen.   Geklagt soll dir sein,
Sie sagt: ich sei die Kebse   von Siegfried ihrem Mann."
Da sprach König Gunther:   "So hat sie übel gethan."

"Sie trägt hier meinen Gürtel,   den ich längst verloren,           880
Und mein Gold das rothe.   Daß ich je ward geboren,
Des muß mich sehr gereuen:   befreist du, Herr, mich nicht
Solcher großen Schande,   ich minne nie wieder dich."

Da sprach König Gunther:   "So ruft ihn herbei:                     881
Hat er sichs gerühmet,   das gesteh er frei,
Er woll es denn läugnen,   der Held von Niederland."
Da ward der kühne Siegfried   bald hin zu ihnen gesandt.

Als Siegfried der Degen   die Unmuthvollen sah                      882
Und den Grund nicht wuste,   balde sprach er da:
"Was weinen diese Frauen?   das macht mir bekannt:
Oder wessentwegen   wurde hier nach mir gesandt"

Da sprach König Gunther:   "Groß Herzleid fand ich hier.            883
Eine Märe sagte   mein Weib Frau Brunhild mir:
Du habest dich gerühmet,   du wärst ihr erster Mann.
So spricht dein Weib Frau Kriemhild:   hast du, Degen, das gethan?"

"Niemals," sprach da Siegfried;   "und hat sie das gesagt,          884
Nicht eher will ich ruhen,   bis sie es beklagt,
Und will davon mich reinigen   vor deinem ganzen Heer
Mit meinen hohen Eiden,   ich sagte Solches nimmermehr."

Da sprach der Fürst vom Rheine:   "Wohlan, das zeige mir.           885
Der Eid, den du geboten,   geschieht der allhier,
Aller falschen Dinge   laß ich dich ledig gehn."
Man ließ in einem Ringe   die stolzen Burgunden stehn.

Da bot der kühne Siegfried   zum Eide hin die Hand.                 886
Da sprach der reiche König:   "Jetzt hab ich wohl erkannt,
Ihr seid hieran unschuldig   und sollt des ledig gehn:
Des euch Kriemhild zeihte,   das ist nicht von euch geschehn."

Da sprach wieder Siegfried:   "Und kommt es ihr zu Gut,             887
Daß deinem schönen Weibe   sie so betrübt den Muth,
Das wäre mir wahrlich   aus der Maßen leid."
Da blickten zu einander   die Ritter kühn und allbereit.

"Man soll so Frauen ziehen,"   sprach Siegfried der Degen,          888
"Daß sie üppge Reden   laßen unterwegen;
Verbiet es deinem Weibe,   ich will es meinem thun.
Solchen Uebermuthes   in Wahrheit schäm ich mich nun."

Viel schöne Frauen wurden   durch Reden schon entzweit.             889
Da erzeigte Brunhild   solche Traurigkeit,
Daß es erbarmen muste   Die in Gunthers Lehn.
Von Tronje Hagen sah man   zu der Königin gehn.

Er fragte, was ihr wäre,   da er sie weinend fand.                  890
Sie sagt' ihm die Märe.   Er gelobt' ihr gleich zur Hand,
Daß es büßen sollte   der Kriemhilde Mann,
Oder man treff ihn nimmer   unter Fröhlichen an.

Ueber die Rede kamen   Ortwein und Gernot,                          891
Allda die Helden riethen   zu Siegfriedens Tod.
Dazu kam auch Geiselher,   der schönen Ute Kind;
Als er die Rede hörte,   sprach der Getreue geschwind:

"O weh, ihr guten Knechte,   warum thut ihr das?                    892
Siegfried verdiente   ja niemals solchen Haß,
Daß er darum verlieren   Leben sollt und Leib:
Auch sind es viel Dinge,   um die wohl zürnet ein Weib."

"Sollen wir Gäuche ziehen?"   sprach Hagen entgegen:                893
"Das brächte wenig Ehre   solchen guten Degen.
Daß er sich rühmen durfte   der lieben Frauen mein,
Ich will des Todes sterben   oder es muß gerochen sein."

Da sprach der König selber:   "Er hat uns nichts gethan             894
Als Liebes und Gutes:   leb er denn fortan.
Was sollt ich dem Recken   hegen solchen Haß?
Er bewies uns immer Treue,   gar williglich that er das."

Da begann der Degen   von Metz Herr Ortewein:                       895
"Wohl kann ihm nicht mehr helfen   die große Stärke sein.
Will es mein Herr erlauben,   ich thu ihm alles Leid."
Da waren ihm die Helden   ohne Grund zu schaden bereit.

Dem folgte doch Niemand,   außer daß Hagen                          896
Alle Tage pflegte   zu Gunthern zu sagen:
Wenn Siegfried nicht mehr lebte,   ihm würden unterthan
Manches Königs Lande.   Da hub der Held zu trauern an.

Man ließ es bewenden   und gieng dem Kampfspiel nach.               897
Hei! was man starker Schäfte   vor dem Münster brach
Vor Siegfriedens Weibe   bis hinan zum Saal!
Mit Unmuth sah es Mancher,   dem König Gunther befahl.

Der König sprach: "Laßt fahren   den mordlichen Zorn.               898
Er ist uns zu Ehren   und zum Heil geborn;
Auch ist so grimmer Stärke   der wunderkühne Mann,
Wenn ers inne würde,   so dürfte Niemand ihm nahn."

"Nicht doch," sprach da Hagen,   "da dürft ihr ruhig sein:          899
Wir leiten in der Stille   alles sorglich ein.
Brunhildens Weinen   soll ihm werden leid.
Immer sei ihm Hagen   zu Haß und Schaden bereit."

Da sprach der König Gunther:   "Wie möcht es geschehn?"             900
Zur Antwort gab ihm Hagen:   "Das sollt ihr bald verstehn:
Wir laßen Boten reiten   her in dieses Land,
Uns offnen Krieg zu künden,   die hier Niemand sind bekannt.

"Dann sagt ihr vor den Gästen,   ihr wollt mit euerm Lehn           901
Euch zur Heerfahrt rüsten.   Sieht er das geschehn,
So verspricht er euch zu helfen;   dann gehts ihm an den Leib,
Erfahr ich nur die Märe   von des kühnen Recken Weib."

Der König folgte leider   seines Dienstmanns Rath.                  902
So huben an zu sinnen   auf Untreu und Verrath,
Eh es wer erkannte,   die Ritter auserkoren:
Durch zweier Frauen Zanken   gieng da mancher Held verloren.

       *       *       *       *       *



Fünfzehntes Abenteuer.

Wie Siegfried verrathen ward.


Man sah am vierten Morgen   zweiunddreißig Mann                     903
Hin zu Hofe reiten:   da ward es kund gethan
Gunther dem reichen,   es droh ihm neuer Streit.
Die Lüge schuf den Frauen   das allergrößeste Leid.

Sie gewannen Urlaub,   an den Hof zu gehn.                          904
Da sagten sie, sie ständen   in Lüdegers Lehn,
Den einst bezwungen hatte   Siegfriedens Hand
Und ihn als Geisel brachte   König Gunthern in das Land.

Die Boten grüßte Gunther   und hieß sie sitzen gehn.                905
Einer sprach darunter:   "Herr König, laßt uns stehn,
Daß wir die Mären sagen,   die euch entboten sind.
Wohl habt ihr zu Feinden,   das wißt, mancher Mutter Kind.

"Euch wiedersagen Lüdegast   und König Lüdeger:                     906
Denen schuft ihr weiland   grimmige Beschwer;
Nun wollen sie mit Heereskraft   reiten in dieß Land."
Gunther begann zu zürnen,   als wär es ihm unbekannt.

Man ließ die falschen Boten   zu den Herbergen gehn.                907
Wie mochte da Siegfried   der Tücke sich versehn,
Er oder anders Jemand,   die man so listig spann?
Doch war es ihnen selber   zu großem Leide gethan.

Der König mit den Freunden   gieng raunend ab und zu:               908
Hagen von Tronje   ließ ihm keine Ruh,
Noch wollt es Mancher wenden   in des Königs Lehn;
Doch nicht vermocht er Hagen   von seinen Räthen abzustehn.

Eines Tages Siegfried   die Degen raunend fand.                     909
Da begann zu fragen   der Held der Niederland:
"Wie traurig geht der König   und Die ihm unterthan?
Das helf ich immer rächen,   hat ihnen wer ein Leid gethan."

Da sprach König Gunther:   "Wohl hab ich Herzeleid:                 910
Lüdegast und Lüdeger   drohn mir wieder Streit.
Mit Heerfahrten wollen sie   reiten in mein Land."
Da sprach der kühne Degen:   "Dem soll Siegfriedens Hand

"Nach allen euern Ehren   mit Kräften widerstehn;                   911
Von mir geschieht den Degen,   was ihnen einst geschehn.
Ihre Burgen leg ich wüste   und dazu ihr Land,
Eh ich ablaße:   des sei mein Haupt euer Pfand.

"Ihr mit euern Mannen   nehmt der Heimat wahr;                      912
Laßt mich zu ihnen reiten   mit meiner Leute Schar.
Daß ich euch gerne diene,   laß ich euch wohl sehn:
Von mir soll euern Feinden,   das wißet, übel geschehn."

"Nun wohl mir dieser Märe,"   der König sprach da so,               913
Als wär er seiner Hülfe   alles Ernstes froh.
Tief neigte sich in Falschheit   der ungetreue Mann.
Da sprach der edle Siegfried:   "Laßt euch keine Sorge nahn."

Sie schickten mit den Knechten   zu der Fahrt sich an:              914
Siegfrieden und den Seinen   ward es zum Schein gethan.
Da hieß er sich rüsten   Die von Niederland:
Siegfriedens Recken   suchten ihr Streitgewand.

Da sprach der starke Siegfried:   "Mein Vater Siegmund,             915
Bleibt ihr hier im Lande:   wir kehren bald gesund,
Will Gott uns Glück verleihen,   wieder an den Rhein.
Ihr sollt bei dem König   unterdessen fröhlich sein."

Da wollten sie von dannen:   die Fähnlein band man an.              916
Umher standen Viele,   die Gunthern unterthan
Und hatten nicht erfahren,   wie es damit bewandt.
Groß Heergesinde war es,   das da bei Siegfrieden stand.

Die Panzer und die Helme   man auf die Rosse lud;                   917
Aus dem Lande wollten   viel starke Recken gut.
Da gieng von Tronje Hagen   hin, wo er Kriemhild fand;
Er bat sie um Urlaub:   sie wollten räumen das Land.

"Nun wohl mir," sprach Kriemhild,   "daß ich den Mann gewann."      918
Der meine lieben Freunde   so wohl beschützen kann,
Wie hier mein Herr Siegfried   an meinen Brüdern thut:
Darum trag ich," sprach die Königin,   "immer fröhlichen Muth.

"Lieber Freund Hagen,   nun hoff ich, ihr gedenkt,                  919
Daß ich euch gerne diene;   ich hab euch nie gekränkt.
Das komme mir zu Gute   an meinem lieben Mann:
Laßt es ihn nicht entgelten,   was ich Brunhilden gethan.

"Des hat mich schon gereuet,"   sprach das edle Weib,               920
"Auch hat er so zerbleuet   zur Strafe mir den Leib,
Daß ich je beschwerte   mit Reden ihr den Muth,
Er hat es wohl gerochen,   dieser Degen kühn und gut."

Da sprach er: "Ihr versöhnt euch   wohl nach wenig Tagen.           921
Kriemhild, liebe Herrin,   nun sollt ihr mir sagen,
Wie ich euch dienen möge   an Siegfried euerm Herrn.
Ich gönn es niemand beßer   und thu es, Königin, gern."

"Ich wär ohn alle Sorge,"   sprach da das edle Weib,                922
"Daß man ihm im Kampfe   Leben nähm und Leib,
Wenn er nicht folgen wollte   seinem Uebermuth;
So wär immer sicher   dieser Degen kühn und gut."

"Fürchtet ihr, Herrin,"   Hagen da begann,                          923
"Daß er verwundet werde,   so vertraut mir an,
Wie soll ichs beginnen,   dem zu widerstehn?
Ihn zu schirmen will ich immer   bei ihm reiten und gehn."

Sie sprach: "Du bist mir Sippe,   so will ich dir es sein:          924
Ich befehle dir auf Treue   den holden Gatten mein.
Daß du mir behütest   den geliebten Mann."
Was beßer wär verschwiegen,   vertraute da sie ihm an.

Sie sprach: "Mein Mann ist tapfer,   dazu auch stark genug.         925
Als er den Linddrachen   an dem Berge schlug,
Da badet' in dem Blute   der Degen allbereit,
Daher ihn keine Waffe   je versehren mocht im Streit.

"Jedoch bin ich in Sorgen,   wenn er im Kampfe steht                926
Und aus der Helden Hände   mancher Sperwurf geht,
Daß ich da verliere   meinen lieben Mann.
Hei! was ich Sorgen   oft um Siegfried gewann!

"Mein lieber Freund, ich meld es   nun auf Gnade dir,               927
Daß du deine Treue   bewähren mögst an mir,
Wo man mag verwunden   meinen lieben Mann.
Das sollst du nun vernehmen:   es ist auf Gnade gethan.

"Als von des Drachen Wunden   floß das heiße Blut,                  928
Und sich darinne badete   der kühne Recke gut,
Da fiel ihm auf die Achseln   ein Lindenblatt so breit:
Da kann man ihn verwunden;   das schafft mir Sorgen und Leid."

Da sprach von Tronje Hagen:   "So näht auf sein Gewand              929
Mir ein kleines Zeichen   mit eigener Hand,
Wo ich ihn schirmen müße,   mag ich daran verstehn."
Sie wähnt' ihn so zu fristen;   auf seinen Tod wars abgesehn.

Sie sprach: "Mit feiner Seide   näh ich auf sein Gewand             930
Insgeheim ein Kreuzchen:   da soll, Held, deine Hand
Mir den Mann behüten,   wenns ins Gedränge geht,
Und er vor seinen Feinden   in den starken Stürmen steht."

"Das thu ich," sprach da Hagen,   "viel liebe Herrin mein."         931
Wohl wähnte da die Gute,   sein Frommen sollt es sein:
Da war hiemit verrathen   der Kriemhilde Mann.
Urtaub nahm da Hagen:   da gieng er fröhlich hindann.

Was er erfahren hatte,   bat ihn sein Herr zu sagen.                932
"Mögt ihr die Reise wenden,   so laßt uns reiten jagen.
Ich weiß nun wohl die Kunde,   wie ich ihn tödten soll.
Wollt ihr die Jagd bestellen?"   "Das thu ich," sprach der König, "wohl."

Der Dienstmann des Königs   war froh und wohlgemuth.                933
Gewiss, daß solche Bosheit   kein Recke wieder thut
Bis zum jüngsten Tage,   als da von ihm geschah,
Da sich seiner Treue   die schöne Königin versah.

Früh des andern Morgens   mit wohl tausend Mann                     934
Ritt Siegfried der Degen   mit frohem Muth hindann:
Er wähnt', er solle rächen   seiner Freunde Leid.
So nah ritt ihm Hagen,   daß er beschaute sein Kleid.

Als er ersah das Zeichen,   da schickt' er ungesehn,                935
Andre Mär zu bringen,   zwei aus seinem Lehn:
In Frieden sollte bleiben   König Gunthers Land;
Es habe sie Herr Lüdeger   zu dem König gesandt.

Wie ungerne Siegfried   abließ vom Streit,                          936
Eh er gerochen hatte   seiner Freunde Leid!
Kaum hielten ihn zurücke   Die Gunthern unterthan.
Da ritt er zu dem König,   der ihm zu danken begann:

"Nun lohn euch Gott, Freund Siegfried,   den willigen Sinn,         937
Daß ihr so gerne thatet,   was mir vonnöthen schien:
Das will ich euch vergelten,   wie ich billig soll.
Vor allen meinen Freunden   vertrau ich euch immer wohl.

"Da wir uns der Heerfahrt   so entledigt sehn,                      938
So laßt uns nun Bären   und Schweine jagen gehn
Nach dem Odenwalde,   wie ich oft gethan."
Gerathen hatte Hagen das,   dieser ungetreue Mann.

"Allen meinen Gästen   soll man das nun sagen,                      939
Ich denke früh zu reiten:   die mit mir wollen jagen,
Die laßt sich fertig halten;   die aber hier bestehn,
Kurzweilen mit den Frauen:   so sei mir Liebes geschehn."

Mit herrlichen Sitten   sprach da Siegfried:                        940
"Wenn ihr jagen reitet,   da will ich gerne mit.
So sollt ihr mir leihen   einen Jägersmann
Mit etlichen Bracken:   So reit ich mit euch in den Tann."

"Wollt ihr nur Einen?"   frug Gunther zuhand;                       941
"Ich leih euch, wollt ihr, viere,   denen wohl bekannt
Der Wald ist und die Steige,   wo viel Wildes ist,
Daß ihr des Wegs unkundig   nicht ledig wieder heimwärts müßt."

Da ritt zu seinem Weibe   der Degen unverzagt.                      942
Derweil hatte Hagen   dem König gesagt,
Wie er verderben wolle   den herrlichen Degen.
So großer Untreue   sollt ein Mann nimmer pflegen.

Als die Ungetreuen   beschloßen seinen Tod,                         943
Da wusten sie es Alle.   Geiselher und Gernot
Wollten nicht mit jagen.   Weiß nicht, aus welchem Groll
Sie ihn nicht verwarnten;   doch des entgalten sie voll.

       *       *       *       *       *



Sechzehntes Abenteuer.

Wie Siegfried erschlagen ward.


Gunther und Hagen,   die Recken wohlgethan                          944
Gelobten mit Untreuen   ein Birschen in den Tann.
Mit ihren scharfen Spießen   wollten sie jagen Schwein'
Und Bären und Wisende:   was mochte Kühneres sein?

Da ritt auch mit ihnen   Siegfried mit stolzem Sinn.                945
Man bracht ihnen Speise   aller Art dahin.
An einem kühlen Brunnen   ließ er da das Leben:
Den Rath hatte Brunhild,   König Gunthers Weib, gegeben.

Da gieng der kühne Degen   hin, wo er Kriemhild fand.               946
Schon war aufgeladen   das edle Birschgewand
Ihm und den Gefährten:   sie wollten über Rhein.
Da konnte Kriemhilden   nicht leider zu Muthe sein.

Seine liebe Traute   küsst' er auf den Mund:                        947
"Gott laße mich dich, Liebe,   noch wiedersehn gesund
Und deine Augen mich auch;   mit holden Freunden dein
Kürze dir die Stunden:   ich kann nun nicht bei dir sein."

Da gedachte sie der Märe,   sie durft es ihm nicht sagen,           948
Nach der sie Hagen fragte:   da begann zu klagen
Die edle Königstochter,   daß ihr das Leben ward:
Ohne Maßen weinte   die wunderschöne Fraue zart.

Sie sprach zu dem Recken:   "Laßt euer Jagen sein:                  949
Mir träumte heunt von Leide,   wie euch zwei wilde Schwein
Ueber die Haide jagten:   da wurden Blumen roth.
Daß ich so bitter weine,   das thut mir armem Weibe Noth.

"Wohl muß ich fürchten   Etlicher Verrath,                          950
Wenn man den und jenen   vielleicht beleidigt hat,
Die uns verfolgen könnten   mit feindlichem Haß.
Bleibt hier, lieber Herre,   mit Treuen rath ich euch das."

Er sprach: "Liebe Traute,   ich kehr in kurzer Zeit;                951
Ich weiß nicht, daß hier Jemand   mir Haß trüg oder Neid.
Alle deine Freunde   sind insgemein mir hold;
Auch verdient' ich von den Degen   wohl nicht anderlei Sold."

"Ach nein, lieber Siegfried:   wohl fürcht ich deinen Fall.         952
Mir träumte heunt von Leide,   wie über dir zu Thal
Fielen zwei Berge,   daß ich dich nie mehr sah:
Und willst du von mir scheiden,   das geht mir inniglich nah."

Er umfieng mit Armen   das zuchtreiche Weib,                        953
Mit holden Küssen herzt' er   ihr den schönen Leib.
Da nahm er Urlaub   und schied in kurzer Stund:
Sie ersah ihn leider   darnach nicht wieder gesund.

Da ritten sie von dannen   in einen tiefen Tann                     954
Der Kurzweile willen;   manch kühner Rittersmann
Ritt mit dem König;   hinaus gesendet ward
Auch viel der edeln Speise,   die sie brauchten zu der Fahrt.

Manch Saumross zog beladen   vor ihnen überrhein,                   955
Das den Jagdgesellen   das Brot trug und den Wein,
Das Fleisch mit den Fischen   und Vorrath aller Art,
Wie sie ein reicher König   wohl haben mag auf der Fahrt.

Da ließ man herbergen   bei dem Walde grün                          956
Vor des Wildes Wechsel   die stolzen Jäger kühn,
Wo sie da jagen wollten,   auf breitem Angergrund.
Auch Siegfried war gekommen:   das ward dem Könige kund.

Von den Jagdgesellen   ward umhergestellt                           957
Die Wart an allen Enden:   da sprach der kühne Held,
Siegfried der starke:   "Wer soll uns in den Wald
Nach dem Wilde weisen,   ihr Degen kühn und wohlgestalt?"

"Wollen wir uns scheiden,"   hub da Hagen an,                       958
"Eh wir beginnen   zu jagen hier im Tann:
So mögen wir erkennen,   ich und der Herre mein,
Wer die besten Jäger   bei dieser Waldreise sei'n.

"Leute so wie Hunde,   wir theilen uns darein:                      959
Dann fährt, wohin ihm lüstet,   Jeglicher allein"
Und wer das Beste jagte,   dem sagen wir den Dank."
Da weilten die Jäger   bei einander nicht mehr lang.

Da sprach der edle Siegfried:   "Der Hunde hab ich Rath             960
Bis auf einen Bracken,   der so genoßen hat,
Daß er die Fährte spüre   der Thiere durch den Tann.
Wir kommen wohl zum Jagen!"   sprach der Kriemhilde Mann.

Da nahm ein alter Jäger   einen Spürhund hinter sich                961
Und brachte den Herren,   eh lange Zeit verstrich,
Wo sie viel Wildes fanden:   was des erstöbert ward,
Das erjagten die Gesellen,   wie heut noch guter Jäger Art.

Was da der Brack ersprengte,   das schlug mit seiner Hand           962
Siegfried der kühne,   der Held von Niederland.
Sein Ross lief so geschwinde,   daß ihm nicht viel entrann:
Das Lob er bei dem Jagen   vor ihnen allen gewann.

Er war in allen Dingen   mannhaft genug.                            963
Das erste der Thiere,   die er zu Tode schlug,
War ein starker Büffel,   den traf des Helden Hand:
Nicht lang darauf der Degen   einen grimmen Leuen fand.

Als den der Hund ersprengte,   schoß er ihn mit dem Bogen           964
Und dem scharfen Pfeile,   den er darauf gezogen;
Der Leu lief nach dem Schuße   nur dreier Sprünge lang.
Seine Jagdgesellen,   die sagten Siegfrieden Dank.

Einen Wisend schlug er wieder   darnach und einen Elk,              965
Vier starker Auer nieder   und einen grimmen Schelk,
So schnell trug ihn die Mähre,   daß ihm nichts entsprang:
Hinden und Hirsche   wurden viele sein Fang.

Einen großen Eber   trieb der Spürhund auf.                         966
Als der flüchtig wurde,   da kam in schnellem Lauf
Alles Jagens Meister   und nahm zum Ziel ihn gleich.
Anlief das Schwein im Zorne   diesen Helden tugendreich.

Da schlug es mit dem Schwerte   der Kriemhilde Mann:                967
Das hätt ein andrer Jäger   nicht so leicht gethan.
Als er nun gefällt lag,   fieng man den Spürhund.
Seine reiche Beute wurde   den Burgunden allen kund.

Da sprachen seine Jäger:   "Kann es füglich sein,                   968
So laßt uns, Herr Siegfried,   des Wilds ein Theil gedeihn:
Ihr wollt uns heute leeren   den Berg und auch den Tann."
Darob begann zu lächeln   der Degen kühn und wohlgethan.

Da vernahm man allenthalben   Lärmen und Getos.                     969
Von Leuten und von Hunden   ward der Schall so groß,
Man hörte widerhallen   den Berg und auch den Tann.
Vierundzwanzig Meuten   hatten die Jäger losgethan.

Da wurde viel des Wildes   vom grimmen Tod ereilt.                  970
Sie wähnten es zu fügen,   daß ihnen zugetheilt
Der Preis des Jagens würde:   das konnte nicht geschehn,
Als bei der Feuerstätte   der starke Siegfried ward gesehn.

Die Jagd war zu Ende,   doch nicht so ganz und gar,                 971
Zu der Feuerstelle   brachte der Jäger Schar
Häute mancher Thiere   und des Wilds genug.
Hei! was des zur Küche   des Königs Ingesinde trug!

Da ließ der König künden   den Jägern wohlgeborn,                   972
Daß er zum Imbiß wolle;   da wurde laut ins Horn
Einmal gestoßen:   so machten sie bekannt,
Daß man den edeln Fürsten   nun bei den Herbergen fand.

Da sprach ein Jäger Siegfrieds:   "Mit eines Hornes Schall          973
Ward uns kund gegeben,   Herr, daß wir nun all
Zur Herberge sollen:   erwiedre ichs, das behagt."
Da ward nach den Gesellen   mit Blasen lange gefragt.

Da sprach der edle Siegfried:   "Nun räumen wir den Wald."          974
Sein Ross trug ihn eben;   die Andern folgten bald.
Sie ersprengten mit dem Schalle   ein Waldthier fürchterlich,
Einen wilden Bären;   da sprach der Degen hinter sich:

"Ich schaff uns Jagdgesellen   eine Kurzweil.                       975
Da seh ich einen Bären:   den Bracken löst vom Seil.
Zu den Herbergen   soll mit uns der Bär:
Er kann uns nicht entrinnen,   und flöh er auch noch so sehr."

Da lös'ten sie den Bracken:   der Bär sprang hindann.               976
Da wollt ihn erreiten   der Kriemhilde Mann.
Er kam in eine Bergschlucht:   da konnt er ihm nicht bei:
Das starke Thier wähnte   von den Jägern schon sich frei.

Da sprang von seinem Rosse   der stolze Ritter gut                  977
Und begann ihm nachzulaufen.   Das Thier war ohne Hut,
ES konnt ihm nicht entrinnen:   er fieng es allzuhand;
Ohn es zu verwunden,   der Degen eilig es band.

Kratzen oder beißen   konnt es nicht den Mann.                      978
Er band es an den Sattel;   auf saß der Schnelle dann
Und bracht es an die Feuerstatt   in seinem hohen Muth
Zu einer Kurzweile,   dieser Degen kühn und gut.

Er ritt zur Herberge   in welcher Herrlichkeit!                     979
Sein Sper war gewaltig,   stark dazu und breit;
Eine schmucke Waffe hieng ihm   herab bis auf den Sporn;
Von rothem Golde führte   der Held ein herrliches Horn.

Von beßerm Birschgewande   hört ich niemals sagen.                  980
Einen Rock von schwarzem Zeuge   sah man ihn tragen
Und einen Hut von Zobel,   der reich war genug.
Hei! was edler Borten   an seinem Köcher er trug!

Ein Vlies von einem Panther   war darauf gezogen                    981
Des Wohlgeruches wegen.   Auch trug er einen Bogen:
Mit einer Winde   must ihn ziehen an,
Wer ihn spannen wollte,   er hätt es selbst denn gethan.

Von fremden Tierhäuten   war all sein Gewand,                       982
Das man von Kopf zu Füßen   bunt überhangen fand.
Aus dem lichten Rauchwerk   zu beiden Seiten hold
An dem kühnen Jägermeister   schien manche Flitter von Gold.

Auch führt' er Balmungen,   das breite schmucke Schwert:            983
Das war solcher Schärfe,   nichts blieb unversehrt,
Wenn man es schlug auf Helme:   seine Schneiden waren gut.
Der herrliche Jäger   trug gar hoch seinen Muth.

Wenn ich euch der Märe   ganz bescheiden soll,                      984
So war sein edler Köcher   guter Pfeile voll,
Mit goldenen Röhren,   die Eisen händebreit.
Was er traf mit Schießen,   dem war das Ende nicht weit.

Da ritt der edle Ritter   stattlich aus dem Tann.                   985
Gunthers Leute sahen,   wie er ritt heran.
Sie liefen ihm entgegen   und hielten ihm das Ross:
Da trug er an dem Sattel   einen Bären stark und groß.

Als er vom Ross gestiegen,   löst' er ihm das Band                  986
Vom Mund und von den Füßen:   die Hunde gleich zur Hand
Begannen laut zu heulen,   als sie den Bären sahn.
Das Thier zu Walde wollte:   das erschreckte manchen Mann.

Der Bär durch die Küche   von dem Lärm gerieth:                     987
Hei! was er Küchenknechte   da vom Feuer schied!
Gestürzt ward mancher Keßel,   verschleudert mancher Brand;
Hei! was man guter Speisen   in der Asche liegen fand!

Da sprang von den Sitzen   Herr und Knecht zumal.                   988
Der Bär begann zu zürnen;   der König gleich befahl
Der Hunde Schar zu lösen,   die an den Seilen lag;
Und war es Wohl geendet,   sie hätten fröhlichen Tag.

Mit Bogen und mit Spießen,   man säumte sich nicht mehr,            989
Liefen hin die Schnellen,   wo da gieng der Bär;
Doch wollte Niemand schießen,   von Hunden wars zu voll.
So laut war das Getöse,   daß rings der Bergwald erscholl.

Der Bär begann zu fliehen   vor der Hunde Zahl;                     990
Ihm konnte Niemand folgen   als Kriemhilds Gemahl.
Er erlief ihn mit dem Schwerte,   zu Tod er ihn da schlug.
Wieder zu dem Feuer   das Gesind den Bären trug.

Da sprachen, die es sahen,   er wär ein starker Mann.               991
Die stolzen Jagdgesellen   rief man zu Tisch heran.
Auf schönem Anger saßen   der Helden da genug.
Hei! was man Ritterspeise   vor die stolzen Jäger trug!

Die Schenken waren säumig,   sie brachten nicht den Wein;           992
So gut bewirthet mochten   sonst Helden nimmer sein.
Wären manche drunter   nicht so falsch dabei,
So wären wohl die Degen   aller Schanden los und frei.

Des wurde da nicht inne   der verrathne kühne Mann,                 993
Daß man solche Tücke   wider sein Leben spann.
Er war in höfschen Züchten   alles Truges bar;
Seines Todes must entgelten,   dem es nie ein Frommen war.

Da sprach der edle Siegfried:   "Mich verwundert sehr,              994
Man trägt uns aus der Küche   doch so viel daher,
Was bringen uns die Schenken   nicht dazu den Wein?
Pflegt man so der Jäger,   will ich nicht Jagdgeselle sein.

"Ich möcht es doch verdienen,   bedächte man mich gut."             995
Von seinem Tisch der König   sprach mit falschem Muth:
"Wir büßen euch ein andermal,   was heut uns muß entgehn;
Die Schuld liegt an Hagen,   der will uns verdursten sehn."

Da sprach von Tronje Hagen:   "Lieber Herre mein,                   996
Ich wähnte, das Birschen   sollte heute sein
Fern im Spechtsharte:   den Wein hin sandt ich dort.
Heute giebt es nichts zu trinken,   doch vermeid ich es hinfort."

Da sprach der edle Siegfried:   "Dem weiß ich wenig Dank:           997
Man sollte sieben Lasten   mit Meth und Lautertrank
Mir hergesendet haben;   konnte das nicht sein,
So sollte man uns näher   gesiedelt haben dem Rhein."

Da sprach von Tronje Hagen:   "Ihr edeln Ritter schnell,            998
Ich weiß hier in der Nähe   einen kühlen Quell:
Daß ihr mir nicht zürnet,   da rath, ich hinzugehn."
Der Rath war manchem Degen   zu großem Leide geschehn.

Siegfried den Recken   zwang des Durstes Noth;                      999
Den Tisch hinwegzurücken   der Held alsbald gebot:
Er wollte vor die Berge   zu dem Brunnen gehn.
Da war der Rath aus Arglist   von den Degen geschehn.

Man hieß das Wild auf Wagen   führen in das Land,                  1000
Das da verhauen hatte   Siegfriedens Hand.
Wer es auch sehen mochte,   sprach großen Ruhm ihm nach.
Hagen seine Treue   sehr an Siegfrieden brach.

Als sie von dannen wollten   zu der Linde breit,                   1001
Da sprach von Tronje Hagen:   "Ich hörte jederzeit,
Es könne Niemand folgen   Kriemhilds Gemahl,
Wenn er rennen wolle;   hei! schauten wir das einmal!"

Da sprach von Niederlanden   der Degen kühn und gut:               1002
"Das mögt ihr wohl versuchen:   wenn ihr mit mir thut
Einen Wettlauf nach dem Brunnen?   Soll das geschehn,
So habe der gewonnen,   den wir den vordersten sehn."

"Wohl, laßt es uns versuchen,"   sprach Hagen der Degen.           1003
Da sprach der starke Siegfried:   "So will ich mich legen,
Verlier ich, euch zu Füßen   nieder in das Gras."
Als er das erhörte,   wie lieb war König Gunthern das!

Da sprach der kühne Degen:   "Noch mehr will ich euch sagen:       1004
Gewand und Gewaffen   will ich bei mir tragen,
Den Wurfspieß samt dem Schilde   und all mein Birschgewand."
Das Schwert und den Köcher   um die Glieder schnell er band.

Die Kleider vom Leibe   zogen die Andern da:                       1005
In zwei weißen Hemden   man beide stehen sah.
Wie zwei wilde Panther   liefen sie durch den Klee;
Man sah bei dem Brunnen   den schnellen Siegfried doch eh.

Den Preis in allen Dingen   vor Manchem man ihm gab.               1006
Da löst' er schnell die Waffe,   den Köcher legt' er ab,
Den starken Spieß lehnt' er   an den Lindenast.
Bei des Brunnens Fluße   stand der herrliche Gast.

Die höfsche Zucht erwies da   Siegfried daran;                     1007
Den Schild legt' er nieder,   wo der Brunnen rann;
Wie sehr ihn auch dürstete,   der Held nicht eher trank
Bis der König getrunken;   dafür gewann er übeln Dank.

Der Brunnen war lauter,   kühl und auch gut;                       1008
Da neigte sich Gunther   hernieder zu der Flut.
Als er getrunken hatte,   erhob er sich hindann:
Also hätt auch gerne   der kühne Siegfried gethan.

Da entgalt er seiner höfschen Zucht;   den Bogen und das Schwert   1009
Trug beiseite Hagen   von dem Degen werth.
Dann sprang er zurücke,   wo er den Wurfspieß fand,
Und sah nach einem Zeichen   an des Kühnen Gewand.

Als der edle Siegfried   aus dem Brunnen trank,                    1010
Er schoß ihn durch das Kreuze,   daß aus der Wunde sprang
Das Blut von seinem Herzen   an Hagens Gewand.
Kein Held begeht wohl wieder   solche Unthat nach der Hand.

Den Gerschaft im Herzen   ließ er ihm stecken tief.                1011
Wie im Fliehen Hagen   da so grimmig lief,
So lief er wohl auf Erden   nie vor einem Mann!
Als da Siegfried Kunde   der schweren Wunde gewann,

Der Degen mit Toben   von dem Brunnen sprang;                      1012
Ihm ragte von der Achsel   eine Gerstange lang.
Nun wähnt' er da zu finden   Bogen oder Schwert,
Gewiß, so hätt er Hagnen   den verdienten Lohn gewährt.

Als der Todwunde   da sein Schwert nicht fand,                     1013
Da blieb ihm nichts weiter   als der Schildesrand.
Den rafft' er von dem Brunnen   und rannte Hagen an:
Da konnt ihm nicht entrinnen   König Gunthers Unterthan.

Wie wund er war zum Tode,   so kräftig doch er schlug,             1014
Daß von dem Schilde nieder   wirbelte genug
Des edeln Gesteines;   der Schild zerbrach auch fast:
So gern gerochen hätte   sich der herrliche Gast.

Da muste Hagen fallen   von seiner Hand zu Thal;                   1015
Der Anger von den Schlägen   erscholl im Wiederhall.
Hätt er sein Schwert in Händen,   so wär er Hagens Tod.
Sehr zürnte der Wunde,   es zwang ihn wahrhafte Noth.

Seine Farbe war erblichen;   er konnte nicht mehr stehn.           1016
Seines Leibes Stärke   muste ganz zergehn,
Da er des Todes Zeichen   in lichter Farbe trug.
Er ward hernach betrauert   von schönen Frauen genug.

Da fiel in die Blumen   der Kriemhilde Mann.                       1017
Das Blut von seiner Wunde   stromweis nieder rann.
Da begann er die zu schelten,   ihn zwang die große Noth
Die da gerathen hatten   mit Untreue seinen Tod.

Da sprach der Todwunde:   "Weh, ihr bösen Zagen,                   1018
Was helfen meine Dienste,   da ihr mich habt erschlagen?
Ich war euch stäts gewogen   und sterbe nun daran.
Ihr habt an euern Freunden   leider übel gethan.

"Die sind davon bescholten,   so viele noch geborn                 1019
Werden nach diesem Tage:   ihr habt euern Zorn
Allzusehr gerochen   an dem Leben mein.
Mit Schanden geschieden   sollt ihr von guten Recken sein."

Hinliefen all die Ritter,   wo er erschlagen lag.                  1020
Es war ihrer Vielen   ein freudeloser Tag.
Wer Treue kannt und Ehre,   der hat ihn beklagt:
Das verdient' auch wohl um Alle   dieser Degen unverzagt.

Der König der Burgunden   klagt' auch seinen Tod.                  1021
Da sprach der Todwunde:   "Das thut nimmer Noth,
Daß der um Schaden weine,   von dem man ihn gewann:
Er verdient groß Schelten,   er hätt es beßer nicht gethan."

Da sprach der grimme Hagen:   "Ich weiß nicht, was euch reut:      1022
Nun hat doch gar ein Ende,   was uns je gedräut.
Es gibt nun nicht manchen,   der uns darf bestehn;
Wohl mir, daß seiner Herrschaft   durch mich ein End ist geschehn."

"Ihr mögt euch leichtlich rühmen,"   sprach Der von Niederland.    1023
"Hätt ich die mörderische   Weis an euch erkannt,
Vor euch behütet hätt ich   Leben wohl und Leib.
Mich dauert nichts auf Erden   als Frau Kriemhild mein Weib.

"Nun mög es Gott erbarmen,   daß ich gewann den Sohn,              1024
Der jetzt auf alle Zeiten   den Vorwurf hat davon,
Daß seine Freunde Jemand   meuchlerisch erschlagen:
Hätt ich Zeit und Weile,   das müst ich billig beklagen.

"Wohl nimmer hat begangen   so großen Mord ein Mann,"              1025
Sprach er zu dem König,   "als ihr an mir gethan.
Ich erhielt euch unbescholten   in großer Angst und Noth;
Ihr habt mir schlimm vergolten,   daß ich so wohl es euch bot."

Da sprach im Jammer weiter   der todwunde Held:                    1026
"Wollt ihr, edler König,   noch auf dieser Welt
An Jemand Treue pflegen,   so laßt befohlen sein
Doch auf eure Gnade   euch die liebe Traute mein.

"Es komm ihr zu Gute,   daß sie eure Schwester ist:                1027
Sei aller Fürsten Tugend   helft ihr zu jeder Frist.
Mein mögen lange harren   mein Vater und mein Lehn:
Nie ist an liebem Freunde   einem Weibe so leid geschehn."

Er krümmte sich in Schmerzen,   wie ihm die Noth gebot,            1028
Und sprach aus jammerndem Herzen:   "Mein mordlicher Tod
Mag euch noch gereuen   in der Zukunft Tagen:
Glaubt mir in rechten Treuen,   daß ihr euch selber habt erschlagen.

Die Blumen allenthalben   waren vom Blute naß.                     1029
Da rang er mit dem Tode,   nicht lange that er das,
Denn des Todes Waffe   schnitt ihn allzusehr.
Da konnte nicht mehr reden   dieser Degen kühn und hehr.

Als die Herren sahen   den edlen Helden todt,                      1030
Sie legten ihn auf einen Schild,   der war von Golde roth.
Da giengen sie zu Rathe,   wie sie es stellten an,
Daß es verhohlen bliebe,   Hagen hab es gethan.

Da sprachen ihrer Viele:   "Ein Unfall ist geschehn;               1031
Ihr sollt es alle hehlen   und Einer Rede stehn:
Als er allein ritt jagen,   der Kriemhilde Mann,
Erschlugen ihn Schächer,   als er fuhr durch den Tann."

Da sprach von Tronje Hagen:   "Ich bring ihn in das Land.          1032
Mich soll es nicht kümmern,   wird es ihr auch bekannt,
Die so betrüben konnte   der Königin hohen Muth;
Ich werde wenig fragen,   wie sie nun weinet und thut."

Von denselben Brunnen,   wo Siegfried ward erschlagen,             1033
Sollt ihr die rechte Wahrheit   von mir hören sagen.
Vor dem Odenwalde   ein Dorf liegt Odenheim.
Da fließt noch der Brunnen,   kein Zweifel kann daran sein.

       *       *       *       *       *



Siebzehntes Abenteuer.

Wie Siegfried beklagt und begraben ward.


Da harrten sie des Abends   und fuhren über Rhein;                 1034
Es mochte nie von Helden   ein schlimmer Jagen sein.
Ihr Beutewild beweinte   noch manches edle Weib:
Sein muste bald entgelten   viel guter Weigande Leib.

Von großem Uebermuthe   mögt ihr nun hören sagen                   1035
Und schrecklicher Rache.   Bringen ließ Hagen
Den erschlagen Siegfried   von Nibelungenland
Vor eine Kemenate,   darin sich Kriemhild befand.

Er ließ ihn ihr verstohlen   legen vor die Thür,                   1036
Daß sie ihn finden müße,   wenn morgen sie herfür
Zu der Mette gienge   frühe vor dem Tag,
Deren Frau Kriemhild   wohl selten eine verlag.

Da hörte man wie immer   zum Münster das Geläut:                   1037
Kriemhild die schöne   weckte manche Maid.
Ein Licht ließ sie sich bringen,   dazu auch ihr Gewand;
Da kam der Kämmrer Einer   hin, wo er Siegfrieden fand.

Er sah ihn roth von Blute,   all sein Gewand war naß:              1038
Daß sein Herr es wäre,   mit Nichten wust er das.
Da trug er in die Kammer   das Licht in seiner Hand,
Bei dem da Frau Kriemhild   viel leide Märe befand.

Als sie mit den Frauen   zum Münster wollte gehn,                  1039
"Frau," sprach der Kämmerer,   "wollt noch stille stehn:
Es liegt vor dem Gemache   ein Ritter todtgeschlagen."
"O weh," sprach da Kriemhild,   "was willst du solche Botschaft sagen?"

Eh sie noch selbst gesehen,   es sei ihr lieber Mann,              1040
An die Frage Hagens   hub sie zu denken an,
Wie er ihn schützen möchte:   da ahnte sie ihr Leid.
Mit seinem Tod entsagte   sie nun aller Fröhlichkeit.

Da sank sie zur Erden,   kein Wort mehr sprach sie da;             1041
Die schöne Freudenlose   man da liegen sah.
Kriemhildens Jammer   wurde groß und voll;
Sie schrie nach der Ohnmacht,   daß all die Kammer erscholl.

Da sprach ihr Gesinde:   "Es kann ein Fremder sein."               1042
Das Blut ihr aus dem  Munde   brach vor Herzenspein.
"Nein, es ist Siegfried,   mein geliebter Mann:
Brunhild hats gerathen   und Hagen hat es gethan."

Sie ließ sich hingeleiten,   wo sie den Helden fand;               1043
Sein schönes Haupt erhob sie   mit ihrer weißen Hand.
So roth er war von Blute,   sie hat ihn gleich erkannt:
Da lag zu großem Jammer   der Held von Nibelungenland.

Da rief in Jammerlauten   die Königin mild:                        1044
"O weh mir dieses Leides!   Nun ist dir doch dein Schild
Mit Schwertern nicht verhauen!   dich fällte Meuchelmord.
Und wüst ich, wer der Thäter wär,  ich wollt es rächen immerfort."

All ihr Ingesinde   klagte laut und schrie                         1045
Mit seiner lieben Frauen;   heftig schmerzte sie
Ihr edler Herr und König,   den sie da sahn verlorn.
Gar übel hatte Hagen   gerochen Brunhildens Zorn.

Da sprach die Jammerhafte:   "Nun soll Einer gehn                  1046
Und mir in Eile wecken   Die in Siegfrieds Lehn
Und soll auch Siegmunden   meinen Jammer sagen,
Ob er mir helfen wolle   den kühnen Siegfried beklagen."

Da lief dahin ein Bote,   wo er sie liegen fand,                   1047
Siegfriedens Helden   von Nibelungenland.
Mit den leiden Mären   die Freud er ihnen nahm;
Sie wollten es nicht glauben,   bis man das Weinen vernahm.

Auch kam dahin der Bote,   wo der König lag.                       1048
Siegmund der Herre   keines Schlafes pflag,
Als ob das Herz ihm sagte,   was ihm wär geschehn,
Er sollte seinen lieben Sohn   lebend nimmer wiedersehn.

"Wacht auf, König Siegmund,   mich hieß nach euch gehn             1049
Kriemhild, meine Herrin;   der ist ein Leid geschehn,
Das ihr vor allem Leide   wohl das Herz versehrt;
Das sollt ihr klagen helfen,   da es auch euch widerfährt."

Auf richtete sich Siegmund   und sprach: "Was beklagt              1050
Denn die schöne Kriemhild,   wie du mir hast gesagt?"
Der Bote sprach mit Weinen:   "Sie hat wohl Grund zu klagen
Es liegt von Niederlanden   der kühne Siegfried erschlagen."

Da sprach König Siegmund:   "Laßt das Scherzen sein                1051
Mit so böser Märe   von dem Sohne mein
Und sagt es Niemand wieder,   daß er sei erschlagen,
Denn ich könnt ihn nie genug   bis an mein Ende beklagen."

"Und wollt ihr nicht glauben,   was ihr mich höret sagen,          1052
So vernehmet selber   Kriemhilden klagen
Und all ihr Ingesinde   um Siegfriedens Tod."
Wie erschrak da Siegmund:   es schuf ihm wahrhafte Noth.

Mit hundert seiner Mannen   er von dem Bette sprang.               1053
Sie zuckten zu den Händen   die scharfen Waffen lang
Und liefen zu dem Wehruf   jammersvoll heran.
Da kamen tausend Recken,   dem kühnen Siegfried unterthan.

Als sie so jämmerlich   die Frauen hörten klagen,                  1054
Da kam Vielen erst in Sinn,   sie müsten Kleider tragen.
Wohl mochten sie vor Schmerzen   des Sinnes Macht nicht haben:
Es lag in ihrem Herzen   große Schwere begraben.

Da kam der König Siegmund   hin, wo er Kriemhild fand.             1055
Er sprach: "O weh der Reise   hierher in dieses Land!
Wer hat euch euern Gatten,   wer hat mir mein Kind
So mordlich entrißen,   da wir bei guten Freunden sind?"

"Ja, kennt ich Den,"   versetzte die edle Königin,                 1056
"Hold würd ihm nimmer   mein Herz noch mein Sinn:
Ich rieth' ihm so zum Leide,   daß all die Freunde sein
Mit Jammer weinen müsten,   glaubt mir, von wegen mein."

Siegmund mit Armen   den Fürsten umschloß;                         1057
Da ward von seinen Freunden   der Jammer also groß,
Daß von dem lauten Wehruf   Palas und Saal
Und Worms die weite Veste   rings erscholl im Widerhall.

Da konnte Niemand trösten   Siegfriedens Weib,                     1058
Man zog aus den Kleidern   seinen schönen Leib,
Wusch ihm seine Wunde   und legt' ihn auf die Bahr;
Allen seinen Leuten   wie weh vor Jammer da war!

Es sprachen seine Recken   aus Nibelungenland:                     1059
"Immer ihn zu rächen   bereit ist unsre Hand.
Er ist in diesem Hause,   von dem es ist geschehn."
Da eilten sich zu waffnen   die Degen in Siegfrieds Lehn.

Die Auserwählten kamen   in ihrer Schilde Wehr,                    1060
Elfhundert Recken;   die hatt in seinem Heer
Siegmund der König:   seines Sohnes Tod
Hätt er gern gerochen,   wie ihm die Treue gebot.

Sie wusten nicht, wen sollten   sie im Streit bestehn,             1061
Wenn es nicht Gunther wäre   und Die in seinem Lehn,
Die zur Jagd mit Siegfried   geritten jenen Tag.
Kriemhild sah sie gewaffnet:   das schuf ihr großes Ungemach.

Wie stark auch ihr Jammer,   wie groß war ihre Noth,               1062
Sie besorgte doch so heftig   der Nibelungen Tod
Von ihrer Brüder Mannen,   daß sie dawider sprach:
Sie warnte sie in Liebe,  wie immer Freund mit Freunden pflag.

Da sprach die Jammerreiche:   "Herr König Siegmund,                1063
Was wollt ihr beginnen?   Euch ist wohl nicht kund,
Es hat der König Gunther   so manchen kühnen Mann:
Ihr wollt euch all verderben,   greift ihr solche Recken an."

Mit auferhobnen Schilden   that ihnen Streiten Noth.               1064
Die edle Königstochter   bat und gebot,
Daß es meiden sollten   die Recken allbereit.
Daß sie's nicht laßen wollten,   das war ein grimmiges Leid.

Sie sprach: "Herr König Siegmund,   steht damit noch an,           1065
Bis es sich beßer fügte:   so will ich meinen Mann
Euch immer rächen helfen.   Der mir ihn hat benommen,
Wird es mir bewiesen,   es muß ihm noch zu Schaden kommen.

"Es sind der Uebermüthigen   hier am Rhein so viel,                1066
Daß ich euch zum Streite   jetzt nicht rathen will:
Sie haben wider Einen   immer dreißig Mann;
Laß ihnen Gott gelingen,   wie sie uns haben gethan.

"Bleibt hier im Hause   und tragt mit mir das Leid,                1067
Bis es beginnt zu tagen,   ihr Helden allbereit:
Dann helft ihr mir besargen   meinen lieben Mann."
Da sprachen die Degen:   "Liebe Frau, das sei gethan."

Es könnt euch des Wunders   ein Ende Niemand sagen,                1068
Die Ritter und die Frauen,   wie man sie hörte klagen,
Bis man des Wehrufs   ward in der Stadt gewahr.
Die edeln Bürger kamen   daher in eilender Schar.

Sie klagten mit den Gästen:   sie schmerzte der Verlust.           1069
Was Siegfried verschulde,   war ihnen unbewust,
Weshalb der edle Recke   Leben ließ und Leib.
Da weinte mit den Frauen   manchen guten Bürgers Weib.

Schmiede hieß man eilen   und würken einen Sarg                    1070
Von Silber und von Golde,   mächtig und stark,
Und ließ ihn wohl beschlagen   mit Stahl, der war gut.
Da war allen Leuten   das Herz beschwert und der Muth.

Die Nacht war vergangen:   man sagt', es wolle tagen.              1071
Da ließ die edle Königin   hin zum Münster tragen
Diesen edeln Todten,   ihren lieben Mann.
Mit ihr giengen weinend,   was sie der Freunde gewann.

Da sie zum Münster kamen,   wie manche Glocke klang!               1072
Allenthalben hörte   man der Pfaffen Sang.
Da kam der König Gunther   hinzu mit seinem Lehn
Und auch der grimme Hagen;   es wäre klüger nicht geschehn.

Er sprach: "Liebe Schwester,   o weh des Leides dein;              1073
Daß wir nicht ledig mochten   so großen Schadens sein!
Wir müßen immer klagen   um Siegfriedens Tod."
"Daran thut ihr Unrecht,"   sprach die Frau in Jammersnoth.

"Wenn euch das betrübte,   so wär es nicht geschehn.               1074
Ihr hattet mein vergeßen,   das muß ich wohl gestehn,
Als ich so geschieden ward   von meinem lieben Mann.
Wollte Gott vom Himmel,   mir selber war es gethan."

Sie hielten sich am Läugnen.   Da hub Kriemhild an:                1075
"Wer unschuldig sein will,   leicht ist es dargethan,
Er darf nur zu der Bahre   hier vor dem Volke gehn:
Da mag man gleich zur Stelle   sich der Wahrheit versehn."

Das ist ein großes Wunder,   wie es noch oft geschieht,            1076
Wenn man den Mordbefleckten   bei dem Todten sieht,
So bluten ihm die Wunden,   wie es auch hier geschah;
Daher man nun der Unthat   sich zu Hagen versah.

Die Wunden floßen wieder   so stark als je vorher.                 1077
Die erst schon heftig klagten,   die weinten nun noch mehr.
Da sprach König Gunther:   "Nun hört die Wahrheit an:
Ihn erschlugen Schächer;   Hagen hat es nicht gethan."

Sie sprach: "Diese Schächer   sind mir wohl bekannt:               1078
Nun laß es Gott noch rächen   von seiner Freunde Hand!
Gunther und Hagen,   ja ihr habt es gethan."
Da wollten wieder streiten   Die Siegfrieden unterthan.

Da sprach aber Kriemhild:   "Ertragt mit mir die Noth."            1079
Da kamen auch die Beiden,   wo sie ihn fanden todt,
Gernot ihr Bruder   und Geiselher das Kind.
Sie beklagten ihn in Treuen;   ihre Augen wurden thränenblind.

Sie weinten von Herzen   um Kriemhildens Mann.                     1080
Man wollte Messe singen:   zum Münster heran
Sah man allenthalben   Frauen und Männer ziehn,
Die ihn doch leicht verschmerzten,   weinten alle jetzt um ihn.

Geiselher und Gernot   sprachen: "Schwester mein,                  1081
Nun tröste dich des Todes,   es muß wohl also sein.
Wir wollen dirs ersetzen,   so lange wir leben."
Da wust ihr auf Erden   Niemand doch Trost zu geben.

Sein Sarg war geschmiedet   wohl um den hohen Tag;                 1082
Man hob ihn von der Bahre,   darauf der Todte lag.
Da wollt ihn noch die Königin   nicht laßen begraben:
Es musten alle Leute   große Mühsal erst haben.

In kostbare Zeuge   man den Todten wand.                           1083
Gewiss daß man da Niemand   ohne Weinen fand.
Aus ganzem Herzen klagte   Ute das edle Weib
Und all ihr Ingesinde   um Siegfrieds herrlichen Leib.

Als die Leute hörten,   daß man im Münster sang                    1084
Und ihn besargt hatte,   da hob sich großer Drang:
Um seiner Seele willen   was man da Opfer trug!
Er hatte bei den Feinden   doch guter Freunde genug.

Kriemhild die arme   zu den Kämmerlingen sprach:                   1085
"Ihr sollt mir zu Liebe   leiden Ungemach:
Die ihm Gutes gönnen   und mir blieben hold,
Um Siegfriedens Seele   verteilt an diese sein Gold."

Da war kein Kind so kleine,   mocht es Verstand nur haben,         1086
Das nicht zum Opfer gienge,   eh er ward begraben.
Wohl an hundert Messen   man des Tages sang.
Von Siegfriedens Freunden   hob sich da mächtiger Drang.

Als die gesungen waren,   verlief die Menge sich.                  1087
Da sprach wieder Kriemhild:   "Nicht einsam sollt ihr mich
Heunt bewachen laßen   den auserwählten Degen:
Es ist an seinem Leibe   all meine Freude gelegen.

"Drei Tag und drei Nächte   will ich verwachen dran,               1088
Bis ich mich ersättige   an meinem lieben Mann.
Vielleicht daß Gott gebietet,   daß mich auch nimmt der Tod:
So wäre wohl beendet   der armen Kriemhilde Noth."

Zur Herberge giengen   die Leute von der Stadt.                    1089
Die Pfaffen und die Mönche   sie zu verweilen bat
Und all sein Ingesinde,   das sein billig pflag.
Sie hatten üble Nächte   und gar mühselgen Tag.

Ohne Trank und Speise   verblieb da mancher Mann.                  1090
Wers nicht gern entbehrte,   dem ward kund gethan,
Man gab ihm gern die Fülle:   das schuf Herr Siegmund.
Da ward den Nibelungen   viel Noth und Beschwerde kund.

In diesen dreien Tagen,   so hörten wir sagen,                     1091
Muste mit Kriemhilden   viel Mühsal ertragen,
Wer da singen konnte.   Was man auch Opfer trug!
Die eben arm gewesen,   die wurden nun reich genug.

Was man fand der Armen,   die es nicht mochten haben,              1092
Die ließ sie mit dem Golde   bringen Opfergaben
Aus seiner eignen Kammer:   er durfte nicht mehr leben,
Da ward um seine Seele   manches Tausend Mark gegeben.

Güter und Gefälle   vertheilte sie im Land,                        1093
So viel man der Klöster   und guter Leute fand.
Silber gab man und Gewand   den Armen auch genug.
Sie ließ es wohl erkennen,   wie holde Liebe sie ihm trug.

An dem dritten Morgen   zur rechten Messezeit                      1094
Sah man bei dem Münster   den ganzen Kirchhof weit
Von der Landleute   Weinen also voll:
Sie dienten ihm im Tode,   wie man lieben Freunden soll.

In diesen vier Tagen,   so hört ich immerdar,                      1095
Wol an dreißigtausend Mark   oder mehr noch gar
Ward um seine Seele   den Armen hingegeben,
Indes war gar zerronnen   seine große Schöne wie sein Leben.

Als vom Gottesdienste   verhallt war der Gesang,                   1096
Mit ungefügem Leide   des Volkes Menge rang.
Man ließ ihn aus dem Münster   zu dem Grabe tragen.
Da hörte man auch anders   nichts als Weinen und Klagen.

Das Volk mit lautem Wehruf   schloß im Zug sich an:                1097
Froh war da Niemand,   weder Weib noch Mann.
Eh er bestattet wurde,   las und sang man da:
Hei! was man guter Pfaffen   bei seiner Bestattung sah!

Bevor da zu dem Grabe   kam das getreue Weib,                      1098
Rang sie mit solchem Jammer   um Siegfriedens Leib,
Daß man sie mit Wasser   vom Brunnen oft begoß:
Ihres Herzens Kummer   war über die Maßen groß.

Es war ein großes Wunder,   daß sie zu Kräften kam.                1099
Es halfen ihr mit Klagen   viel Frauen lobesam.
"Ihr, meines Siegfrieds Mannen,"   sprach die Königin,
"Erweist mir eine Gnade   aus erbarmendem Sinn.

"Laßt mir nach meinem Leide   die kleinste Gunst geschehn",        1100
Daß ich sein schönes Angesicht   noch einmal dürfe sehn,"
Da bat sie im Jammer   so lang und so stark,
Daß man zerbrechen muste   den schön geschmiedeten Sarg.

Hin brachte man die Königin,   wo sie ihn liegen fand.             1101
Sein schönes Haupt erhob sie   mit ihrer weißen Hand
Und küsste so den Todten,   den edeln Ritter gut:
Ihre lichten Augen   vor Leide weinten sie Blut.

Ein jammervolles Scheiden   sah man da geschehn.                   1102
Man trug sie von dannen,   sie vermochte nicht zu gehn.
Da lag ohne Sinne   das herrliche Weib:
Vor Leid wollt ersterben   ihr viel wonniglicher Leib.

Als der edle Degen   also begraben war,                            1103
Sah man in großem Leide   die Helden immerdar,
Die ihn begleitet hatten   aus Nibelungenland:
Fröhlich gar selten   man da Siegmunden fand.

Wohl Mancher war darunter,   der drei Tage lang                    1104
Vor dem großen Leide   weder aß noch trank;
Da konnten sie's nicht länger   dem Leib entziehen mehr:
Sie genasen von den Schmerzen,   wie noch Mancher wohl seither.

Kriemhild der Sinne ledig   in Ohnmächten lag                      1105
Den Tag und den Abend   bis an den andern Tag.
Was Jemand sprechen mochte,   es ward ihr gar nicht kund.
Es lag in gleichen Nöthen   auch der König Siegmund.

Kaum daß ihn zur Besinnung   zu bringen noch gelang.               1106
Seine Kräfte waren   von starkem Leide krank:
Das war wohl kein Wunder.   Die in seiner Pflicht
sprachen: "Laßt uns heimziehn:   es duldet uns hier länger nicht."

       *       *       *       *       *



Achtzehntes Abenteuer.

Wie Siegmund heimkehrte und Kriemhild daheim blieb.


Der Schwäher Kriemhildens   gieng hin, wo er sie fand.             1107
Er sprach zu der Königin:   "Laßt uns in unser Land:
Wir sind unliebe Gäste,   wähn ich, hier am Rhein.
Kriemhild, liebe Fraue,   nun folgt uns zu dem Lande mein.

"Daß man in diesen Landen   uns so verwaiset hat                   1108
Eures edeln Mannes   durch böslichen Verrath,
Ihr sollt es nicht entgelten:   hold will ich euch sein
Aus Liebe meines Sohnes   und des edeln Kindes sein.

"Ihr sollt auch, Frau, gebieten   mit all der Gewalt,              1109
Die Siegfried euch verstattete,   der Degen wohlgestalt.
Das Land und auch die Krone   soll euch zu Diensten stehn.
Euch sollen gern gehorchen   Die in Siegfriedens Lehn."

Da sagte man den Knechten:   "Wir reiten heim vor Nacht."          1110
Da sah man nach den Rossen   eine schnelle Jagd:
Bei den verhaßten Feinden   zu leben war ein Leid.
Den Frauen und den Maiden   suchte man ihr Reisekleid.

Als König Siegmund gerne   weggeritten wär,                        1111
Da bat ihre Mutter   Kriemhilden sehr,
Sie sollte bei den Freunden   im Lande doch bestehn.
Da sprach die Freudenarme:   "Das könnte schwerlich geschehn.

"Wie vermocht ichs, mit den Augen   den immer anzusehn,            1112
Von dem mir armen Weibe   so leid ist geschehn?"
Da sprach der junge Geiselher:   "Liebe Schwester mein,
Du sollst bei deiner Treue   hier mit deiner Mutter sein.

"Die dir das Herz beschwerten   und trübten dir den Muth,          1113
Du bedarfst nicht ihrer Dienste,   du zehrst von meinem Gut."
Sie sprach zu dem Recken:   "Wie könnte das geschehn?
Vor Leide müst ich sterben,   wenn ich Hagen sollte sehn."

"Dessen überheb ich dich,   viel liebe Schwester mein.             1114
Du sollst bei deinem Bruder   Geiselher hier sein;
Ich will dir wohl vergüten   deines Mannes Tod."
Da sprach die Freudenlose:   "Das wäre Kriemhilden Noth."

Als es ihr der Junge   so gütlich erbot,                           1115
Da begannen auch zu flehen   Ute und Gernot
Und ihre treuen Freunde,   sie möchte da bestehn:
Sie hätte wenig Sippen   unter Siegfriedens Lehn.

"Sie sind euch alle fremde,"   sprach da Gernot.                   1116
"Wie stark auch einer gelte,   so rafft ihn doch der Tod.
Bedenkt das, liebe Schwester,   und tröstet euern Muth:
Bleibt hier bei euern Freunden,   es geräth euch wahrlich gut."

Da gelobte sie dem Bruder,   im Lande zu bestehn.                  1117
Man zog herbei die Rosse   Denen in Siegmunds Lehn,
Als sie reiten wollten   gen Nibelungenland;
Da war auch aufgeladen   der Recken Zeug und Gewand.

Da gieng König Siegmund   vor Kriemhilden stehn                    1118
Und sprach zu der Frauen:   "Die in Siegfrieds Lehn
Warten bei den Rossen:   reiten wir denn hin,
Da ich gar so ungern   hier bei den Burgunden bin."

Frau Kriemhild sprach: "Mir rathen   hier die Freunde mein,        1119
Die besten, die ich habe,   bei ihnen soll' ich sein.
Ich habe keinen Blutsfreund   in Nibelungenland."
Leid war es Siegmunden,   da er dieß an Kriemhild fand.

Da sprach König Siegmund:   "Das laßt euch Niemand sagen:          1120
Vor allen meinen Freunden   sollt ihr die Krone tragen
Nach rechter Königswürde,   wie ihr vordem gethan:
Ihr sollt es nicht entgelten,   daß ihr verloren habt den Mann.

"Fahrt auch mit uns zur Heimat   um euer Kindelein:                1121
Das sollt ihr eine Waise,   Frau, nicht laßen sein.
Ist euer Sohn erwachen,   er tröstet euch den Muth.
Derweil soll euch dienen   mancher Degen kühn und gut."

Sie sprach: "Mein Herr Siegmund,   ich kann nicht mit euch gehn.   1122
Ich muß hier verbleiben,   was halt mir mag geschehn,
Bei meinen Anverwandten,   die mir helfen klagen."
Da wollten diese Mären   den guten Recken nicht behagen.

Sie sprachen einhellig:   "So möchten wir gestehn,                 1123
Es sei in dieser Stunde   uns erst ein Leid geschehn.
Wollt ihr hier im Lande   bei unsern Feinden sein,
So könnte Helden niemals   eine Hoffahrt übler gedeihn."

"Ihr sollt ohne Sorge   Gott befohlen fahren:                      1124
Ich schaff euch gut Geleite   und heiß euch wohl bewahren
Bis zu euerm Lande;   mein liebes Kindelein
Das soll euch guten Recken   auf Gnade befohlen sein."

Als sie das recht vernahmen,   sie wolle nicht hindann,            1125
Da huben Siegfrieds Mannen   all zu weinen an.
Mit welchem Herzensjammer   nahm da Siegmund
Urlaub von Kriemhilden!   Da ward ihm Unfreude kund.

"Weh dieses Hofgelages!"   sprach der König hehr.                  1126
"Einem König und den Seinen   geschieht wohl nimmermehr
Einer Kurzweil willen,   was uns hier ist geschehn:
Man soll uns nimmer wieder   hier bei den Burgunden sehn."

Da sprachen laut die Degen   in Siegfriedens Heer:                 1127
"Wohl möchte noch die Reise   geschehen hieher,
Wenn wir den nur fanden,   der uns den Herrn erschlug.
Sie haben Todfeinde   bei seinen Freunden genug."

Er küsste Kriemhilden:   kläglich sprach er da,                    1128
Als er daheim zu bleiben   sie so entschloßen sah:
"Wir reiten arm an Freuden   nun heim in unser Land!
All mein Kummer   ist mir erst jetzo bekannt."

Sie ritten ungeleitet   von Worms an den Rhein:                    1129
Sie mochten wohl des Muthes   in ihrem Sinne sein,
Wenn sie in Feindschaft   würden angerannt,
Daß sich schon wehren solle   der kühnen Niblungen Hand.

Sie erbaten Urlaub   von Niemanden sich.                           1130
Da sah man Geiselheren   und Gernot minniglich
Zu dem König kommen;   ihnen war sein Schade leid:
Das ließen ihn wohl schauen   die kühnen Helden allbereit.

Da sprach wohlgezogen   der kühne Gernot:                          1131
"Wohl weiß es Gott im Himmel,   an Siegfriedens Tod
Bin ich ganz unschuldig:   ich hört auch niemals sagen,
Wer ihm Feind hier wäre:   ich muß ihn billig beklagen."

Da gab ihm gut Geleite   Geiselher das Kind.                       1132
Er bracht ohne Sorgen,   die sonst bei Leide sind,
Den König und die Recken   heim nach Niederland.
Wie wenig der Verwandten   man dort fröhlich wiederfand!

Wie's ihnen nun ergangen ist,   weiß ich nicht zu sagen.           1133
Man hörte hier Kriemhilden   zu allen Zeiten klagen,
Daß ihr Niemand tröstete   das Herz noch den Muth
Als ihr Bruder Geiselher:   der war getreu und auch gut.

Brunhild die schöne   des Uebermuthes pflag:                       1134
Wie viel Kriemhild weinte,   was fragte sie darnach!
Sie war zu Lieb und Treue   ihr nimmermehr bereit;
Bald schuf auch ihr Frau Kriemhild   wohl so ungefüges Leid.

       *       *       *       *       *



Neunzehntes Abenteuer.

Wie der Nibelungenhort nach Worms kam.


Als die edle Kriemhild   so verwitwet ward,                        1135
Blieb bei ihr im Lande   der Markgraf Eckewart
Zurück mit seinen Mannen,   wie ihm die Treu gebot.
Er diente seiner Frauen   willig bis an seinen Tod.

Zu Worms am Münster wies man   ihr ein Gezimmer an,                1136
Weit und geräumig,   reich und wohlgethan,
Wo mit dem Gesinde   die Freudenlose saß.
Sie gieng zur Kirche gerne,   mit großer Andacht that sie das.

Wo ihr Freund begraben lag,   wie fleißig gieng sie                1137
Sie that es alle Tage   mit trauerndem Sinn
Und bat seiner Seele   Gott den Herrn zu pflegen:
Gar oft bejammert wurde   mit großer Treue der Degen.

Ute und ihr Gesinde   sprachen ihr immer zu,                       1138
Und doch im wunden Herzen   fand sie so wenig Ruh,
Es konnte nicht verfangen   der Trost, den man ihr bot.
Sie hatte nach dem Freunde   die allergrößeste Noth,

Die nach liebem Manne   je ein Weib gewann:                        1139
Ihre große Treue   ersah man wohl daran.
Sie klagt' ihn bis zu Ende,   da sie zu sterben kam.
Bald rächte sie gewaltig   mit großer Treue den Gram.

Sie saß in ihrem Leide,   das ist alles wahr,                      1140
Nach ihres Mannes Tode   bis in das vierte Jahr
Und hatte nie zu Gunthern   gesprochen einen Laut
Und auch Hagen ihren Feind   in all der Zeit nicht erschaut.

Da sprach von Tronje Hagen:   "Könnte das geschehn,                1141
Daß ihr euch die Schwester   gewogen möchtet sehn,
So käm zu diesem Lande   der Nibelungen Gold:
Des mögt ihr viel gewinnen,   wird uns die Königin hold."

"Wir wollen es versuchen,"   sprach der König hehr.                1142
"Es sollen für uns bitten   Gernot und Geiselher,
Bis sie es erlangen,   daß sie das gerne sieht."
"Ich glaube nicht," sprach Hagen,   "daß es jemals geschieht."

Da befahl er Ortweinen   hin an Hof zu gehn                        1143
Und dem Markgrafen Gere:   als das war geschehn,
Brachte man auch Gernot   und Geiselhern das Kind:
Da versuchten bei Kriemhilden   sie es freundlich und gelind.

Da sprach von Burgunden   der kühne Gernot:                        1144
"Frau, ihr klagt zu lange   um Siegfriedens Tod.
Der König will euch zeigen,   er hab ihn nicht erschlagen:
Man hört zu allen Zeiten   euch so heftig um ihn klagen."

Sie sprach: "Des zeiht ihn Niemand,   ihn schlug Hagens Hand.      1145
Wo er verwundbar wäre,   macht ich ihm bekannt.
Wie konnt ich michs versehen,   er trüg ihm Haß im Sinn!
Sonst hätt ichs wohl vermieden,"   sprach die edle Königin,

"Daß ich verraten hätte   seinen schönen Leib:                     1146
So ließ' ich nun mein Weinen,   ich unselig Weib!
Hold werd ich ihnen nimmer,   die das an ihm gethan!"
Zu flehn begann da Geiselher,   dieser waidliche Mann.

Sie sprach: "Ich muß ihn grüßen,   ihr liegt zu sehr mir an.       1147
Von euch ist's große Sünde:   Gunther hat mir gethan
So viel Herzeleides   ganz ohne meine Schuld:
Mein Mund schenkt ihm Verzeihung,   mein Herz ihm nimmer die Huld."

"Hernach wird es beßer,"   ihre Freunde sprachen so.               1148
"Wenn ers zu Wege brächte,   daß wir sie sähen froh!"
"Er mags ihr wohl vergüten,"   sprach da Gernot.
Da sprach die Jammersreiche:   "Seht, nun leist ich eur Gebot:

"Ich will den König grüßen."   Als er das vernahm,                 1149
Mit seinen besten Freunden   der König zu ihr kam.
Da getraute Hagen   sich nicht, zu ihr zu gehn:
Er kannte seine Schuld wohl:   ihr war Leid von ihm geschehn.

Als sie verschmerzen wollte   auf Gunther den Haß,                 1150
Daß er sie küssen sollte,   wohl ziemte sich ihm das.
Wär ihr mit seinem Willen   so leid nicht geschehn,
So dürft er dreisten Muthes   immer zu Kriemhilden gehn.

Es ward mit so viel Thränen   nie eine Sühne mehr                  1151
Gestiftet unter Freunden.   Sie schmerzt' ihr Schade sehr.
Doch verzieh sie allen   bis auf den Einen Mann:
Niemand hätt ihn erschlagen,   hätt es Hagen nicht gethan.

Nun währt' es nicht mehr lange,   so stellten sie es an,           1152
Daß die Königstochter   den großen Hort gewann
Vom Nibelungenlande   und bracht ihn an den Rhein:
Ihre Morgengabe war es   und must ihr billig eigen sein.

Nach diesem fuhr da Geiselher   und auch Gernot.                   1153
Achtzighundert Mannen   Frau Kriemhild gebot,
Daß sie ihn holen sollten,   wo er verborgen lag
Und sein der Degen Alberich   mit seinen besten Freunden pflag.

Als man des Schatzes willen   vom Rhein sie kommen sah,            1154
Alberich der kühne   sprach zu den Freunden da:
"Wir dürfen ihr wohl billig   den Hort nicht entziehn,
Da sein als Morgengabe   heischt die edle Künigin.

"Dennoch sollt es nimmer,"   sprach Alberich, "geschehn,           1155
Müsten wir nicht leider   uns verloren sehn
Die gute Tarnkappe   mit Siegfried zumal,
Die immer hat getragen   der schönen Kriemhild Gemahl.

"Nun ist es Siegfrieden   leider schlimm bekommen,                 1156
Daß die Tarnkappe   der Held uns hat genommen,
Und daß ihm dienen muste   all dieses Land."
Da gieng dahin der Kämmerer,   wo er die Schlüßel liegen fand.

Da standen vor dem Berge,   die Kriemhild gesandt,                 1157
Und mancher ihrer Freunde:   man ließ den Schatz zur Hand
Zu dem Meere bringen   an die Schiffelein
Und führt' ihn auf den Wellen   bis zu Berg in den Rhein.

Nun mögt ihr von dem Horte   Wunder hören sagen:                   1158
Zwölf Leiterwagen konnten   ihn kaum von dannen tragen
In vier Tag und Nächten   aus des Berges Schacht,
Hätten sie des Tages   den Weg auch dreimal gemacht.

Es war auch nichts anders   als Gestein und Gold.                  1159
Und hätte man die ganze Welt   erkauft mit diesem Gold,
Um keine Mark vermindern   möcht es seinen Werth.
Wahrlich Hagen hatte   nicht ohne Grund sein begehrt.

Der Wunsch lag darunter,   ein golden Rüthelein:                   1160
Wer es hätt erkundet,   der möchte Meister sein
Auf der weiten Erde   wohl über jeden Mann.
Von Albrichs Freunden zogen   mit Gernot Viele hinan.

Als Gernot der Degen   und der junge Geiselher                     1161
Des Horts sich unterwanden,   da wurden sie auch Herr
Des Landes und der Burgen   und der Recken wohlgestalt:
Die musten ihnen dienen   zumal durch Furcht und Gewalt.

Als sie den Hort gewannen   in König Gunthers Land,                1162
Und sich darob die Königin   der Herrschaft unterwand,
Kammern und Thürme   die wurden voll getragen;
Man hörte nie von Schätzen   so große Wunder wieder sagen.

Und wären auch die Schätze   noch größer tausendmal,               1163
Und wär der edle Siegfried   erstanden von dem Fall,
Gern wäre bei ihm Kriemhild   geblieben hemdebloß.
Nie war zu einem Helden   eines Weibes Treue so groß.

Als sie den Hort nun hatte,   da brachte sie ins Land              1164
Viel der fremden Recken;   wohl gab der Frauen Hand,
Daß man so große Milde   nie zuvor gesehn.
Sie übte hohe Güte:   das muste man ihr zugestehn.

Den Armen und den Reichen   zu geben sie begann.                   1165
Hagen sprach zum König:   "Läßt man sie so fortan
Noch eine Weile schalten,   so wird sie in ihr Lehn
So manchen Degen bringen,   daß es uns übel muß ergehn."

Da sprach König Gunther:   "Ihr gehört das Gut:                    1166
Wie darf ich mich drum kümmern,   was sie mit ihm thut?
Ich konnt es kaum erlangen,   daß sie mir wurde hold;
Nicht frag ich, wie sie theilet   ihr Gestein und rohes Gold."

Hagen sprach zum König:   "Es vertraut ein kluger Mann             1167
Doch solche Schätze billig   keiner Frauen an:
Sie bringt es mit Gaben   wohl noch an den Tag,
Da es sehr gereuen   die kühnen Burgunden mag."

Da sprach König Gunther:   "Ich schwur ihr einen Eid,              1168
Daß ich ihr nie wieder   fügen wollt ein Leid,
Und will es künftig meiden:   sie ist die Schwester mein."
Da sprach wieder Hagen:   "Laßt mich den Schuldigen sein."

Sie nahmen ihre Eide   meistens schlecht in Hut:                   1169
Da raubten sie der Witwe   das mächtige Gut.
Hagen aller Schlüßel   dazu sich unterwand.
Ihr Bruder Gernot zürnte,   als ihm das wurde bekannt.

Da sprach der junge Geiselher:   "Viel Leides ist geschehn         1170
Von Hagen meiner Schwester:   dem sollt ich widerstehn:
Wär er nicht mein Blutsfreund,   es gieng' ihm an den Leib."
Wieder neues Weinen   begann da Siegfriedens Weib.

Da sprach König Gernot:   "Eh wir solche Pein                      1171
Um dieses Gold erlitten,   wir solltens in den Rhein
All versenken laßen:   so gehört' es Niemand an."
Sie kam mit Klaggebärde   da zu Geiselher heran.

Sie sprach: "Lieber Bruder,   du sollst gedenken mein,             1172
Lebens und Gutes   sollst du ein Vogt mir sein."
Da sprach er zu der Schwester:   "Gewiss, es soll geschehn,
Wenn wir wiederkommen:   eine Fahrt ist zu bestehn."

Gunther und seine Freunde   räumten das Land,                      1173
Die allerbesten drunter,   die man irgend fand;
Hagen nur alleine   verblieb um seinen Haß,
Den er Kriemhilden hegte:   ihr zum Schaden that er das.

Eh der reiche König   wieder war gekommen,                         1174
Derweil hatte Hagen   den ganzen Schatz genommen:
Er ließ ihn bei dem Loche   versenken in den Rhein.
Er wähnt', er sollt ihn nutzen;   das aber konnte nicht sein.

Bevor von Tronje Hagen   den Schatz also verbarg,                  1175
Da hatten sie's beschworen   mit Eiden hoch und stark,
Daß er verhohlen bliebe,   so lang sie möchten leben:
So konnten sie's sich selber   noch auch Jemand anders geben.

Die Fürsten kamen wieder,   mit ihnen mancher Mann.                1176
Kriemhild den großen Schaden   zu klagen da begann
Mit Mägdlein und Frauen;   sie hatten Herzensnoth.
Da stellten sich die Degen,   als sännen sie auf seinen Tod.

Sie sprachen einhellig:   "Er hat nicht wohlgethan."               1177
Bis er zu Freunden wieder   die Fürsten sich gewann,
Entwich er ihrem Zorne:   sie ließen ihn genesen;
Aber Kriemhild konnt ihm   wohl nicht feinder sein gewesen.

Mit neuem Leide wieder   belastet war ihr Muth,                    1178
Erst um des Mannes Leben   und nun, da sie das Gut
Ihr so gar benahmen:   da ruht' auch ihre Klage,
So lang sie lebte, nimmer   bis zu ihrem jüngsten Tage.

Nach Siegfriedens Tode,   das ist alles wahr,                      1179
Lebte sie im Leide   noch dreizehen Jahr,
Daß ihr der Tod des Recken   stäts im Sinne lag:
Sie wahrt' ihm immer Treue;   das rühmen ihr die Meisten nach.

Eine reiche Fürstenabtei   hatte Frau Ute                          1180
Nach Dankrats Tod gestiftet   von ihrem Gute
Mit großen Einkünften,   die es noch heute zieht:
Dort zu Lorsch das Kloster,   das man in hohen Ehren sieht.

Dazu gab auch Kriemhild   hernach ein großes Theil                 1181
Um Siegfriedens Seele   und aller Seelen Heil
Gold und Edelsteine   mit williger Hand;
Getreuer Weib auf Erden   ward uns selten noch bekannt.

Seit Kriemhild König Gunthern   wieder schenkte Huld               1182
Und dann doch den großen Hort   verlor durch seine Schuld,
Ihres Herzeleides   ward da noch viel mehr:
Da zöge gern von dannen   die Fraue edel und hehr.

Nun war Frau Uten   ein Sedelhof bereit                            1183
Zu Lorsch bei ihrem Kloster,   reich, groß und weit,
Dahin von ihren Kindern   sie zog und sich verbarg,
Wo noch die hehre Königin   begraben liegt in einem Sarg.

Da sprach die Königswitwe:   "Liebe Tochter mein,                  1184
Hier magst du nicht verbleiben:   bei mir denn sollst du sein,
Zu Lorsch in meinem Hause,   und läst dein Weinen dann."
Kriemhild gab zur Antwort:   "Wo ließ' ich aber meinen Mann?"

"Den laß nur hier verbleiben,"   sprach Frau Ute.                  1185
"Nicht woll es Gott vom Himmel,"   sprach da die Gute.
"Nein, liebe Mutter,   davor will ich mich wahren:
"ein Mann muß von hinnen   in Wahrheit auch mit mir fahren."

Da schuf die Jammersreiche,   daß man ihn erhub                    1186
Und sein Gebein, das edle,   wiederum begrub
Zu Lorsch bei dem Münster   mit Ehren mannigfalt:
Da liegt im langen Sarge   noch der Degen wohlgestalt.

Zu denselben Zeiten,   da Kriemhild gesollt                        1187
Zu ihrer Mutter ziehen,   wohin sie auch gewollt,
Da muste sie verbleiben,   weil es nicht sollte sein:
Das schufen neue Mären,   die da kamen über Rhein.

       *       *       *       *       *



Zwanzigste Abenteuer.

Wie König Etzel um Kriemhilden sandte.


Das war in jenen Zeiten,   als Frau Helke starb                    1188
Und der König Etzel   um andre Frauen warb,
Da riethen seine Freunde   in Burgundenland
Zu einer stolzen Witwe,   die war Frau Kriemhild genannt.

Seit ihm die schöne Helke   erstarb, die Königin,                  1189
Sie sprachen: "Sinnt ihr wieder   auf edler Frau Gewinn,
Der höchsten und der besten,   die je ein Fürst gewann,
So nehmet Kriemhilden;   der starke Siegfried war ihr Mann."

Da sprach der reiche König:   "Wie gienge das wohl an?             1190
Ich bin ein Heide,   ein ungetaufter Mann,
Sie jedoch ist Christin   sie thut es nimmermehr.
Ein Wunder müst es heißen,   käm sie jemals hieher."

Die Schnellen sprachen wieder:   "Vielleicht, daß sie es thut      1191
Um euern hohen Namen   und euer großes Gut.
Man soll es doch versuchen   bei dem edeln Weib:
Euch ziemte wohl zu minnen   ihren wonniglichen Leib."

Da sprach der edle König:   "Wem ist nun bekannt                   1192
Unter euch am Rheine   das Volk und auch das Land?"
Da sprach von Bechlaren   der gute Rüdiger:
"Kund von Kindesbeinen   sind mir die edeln Könige hehr,

"Gunther und Gernot,   die edeln Ritter gut;                       1193
Der dritte heißt Geiselher:   ein Jeglicher thut,
Was er nach Zucht und Ehren   am besten mag begehn:
Auch ist von ihren Ahnen   noch stäts dasselbe geschehn."

Da sprach wieder Etzel:   "Freund, nun sage mir,                   1194
Ob ihr wohl die Krone   ziemt zu tragen hier;
Und hat sie solche Schöne,   wie man sie zeiht,
Meinen besten Freunden   sollt es nimmer werden leid."

"Sie vergleicht sich an Schöne   wohl der Frauen mein,             1195
Helke der reichen:   nicht schöner könnte sein
Auf der weiten Erde   eine Königin:
Wen sie erwählt zum Freunde,   der mag wohl trösten den Sinn."

Er sprach: "So wirb sie, Rüdiger,   so lieb als ich dir sei.       1196
Und darf ich Kriemhilden   jemals liegen bei,
Das will ich dir lohnen,   so gut ich immer kann;
Auch hast du meinen Willen   mit großer Treue gethan.

"Von meinem Kammergute   laß ich so viel dir geben,                1197
Daß du mit den Gefährten   in Freude mögest leben;
Von Rossen und von Kleidern,   was ihr nur begehrt,
Des wird zu der Botschaft   euch die Genüge gewährt."

Zur Antwort gab der Markgraf,   der reiche Rüdiger:                1198
"Begehrt' ich deines Gutes,   das ziemte mir nicht sehr.
Ich will dein Bote gerne   werden an den Rhein
Mit meinem eignen Gute;   ich hab es aus den Händen dein."

Da sprach der reiche König:   "Wann denkt ihr zu fahren            1199
Nach der Minniglichen?   So soll euch Gott bewahren
Dabei an allen Ehren   und auch die Fraue mein;
Und möge Glück mir helfen,   daß sie uns gnädig möge sein."

Da sprach wieder Rüdiger:   "Eh wir räumen dieses Land,            1200
Müßen wir uns rüsten   mit Waffen und Gewand,
Daß wir vor den Königen   mit Ehren dürfen stehn:
Ich will zum Rheine führen   fünfhundert Degen ausersehn.

"Wenn man bei den Burgunden   mich und die Meinen seh,             1201
Daß dann einstimmig   das Volk im Land gesteh,
Es habe nie ein König   noch so manchen Mann
So fern daher gesendet,   als du zum Rheine gethan.

"Und wiß, edler König,   stehst du darob nicht an,                 1202
Sie war dem besten Manne,   Siegfrieden unterthan,
Siegmundens Sohne;   du hast ihn hier gesehn:
Man mocht ihm große Ehre   wohl in Wahrheit zugestehn."

Da sprach der König Etzel:   "War sie dem Herrn vermählt,          1203
Sie war so hohes Namens   der edle Fürst erwählt,
Daß ich nicht verschmähen   darf die Königin.
Ob ihrer großen Schönheit   gefällt sie wohl meinem Sinn."

Da sprach der Markgraf wieder:   "Wohlan, ich will euch sagen,     1204
Wir heben uns von hinnen   in vierundzwanzig Tagen.
Ich entbiet es Gotelinden,   der lieben Fraue mein,
Daß ich zu Kriemhilden   selber wolle Bote sein."

Hin gen Bechelaren   sandte Rüdiger                                1205
Boten seinem Weibe,   der Markgräfin hehr,
Er werbe für den König   um eine Königin:
Der guten Helke dachte   sie da mit freundlichem Sinn.

Als die Botenkunde   die Markgräfin gewann,                        1206
Leid war es ihr zum Theile,   zu sorgen hub sie an,
Ob sie wohl eine Herrin   gewänne so wie eh.
Gedachte sie an Helke,   das that ihr inniglich weh.

Nach sieben Tagen Rüdiger   ritt aus Heunenland,                   1207
Worüber frohgemuthet   man König Etzeln fand.
Man fertigte die Kleider   in der Stadt zu Wien;
Da wollt er mit der Reise   auch nicht länger mehr verziehn.

Zu Bechlaren harrte   sein Frau Gotelind                           1208
Und die junge Markgräfin,   Rüdigers Kind,
Sah ihren Vater gerne   und Die ihm unterthan;
Da ward ein liebes Harren   von schönen Frauen gethan.

Eh der edle Rüdiger   aus der Stadt zu Wien                        1209
Ritt nach Bechlaren,   da waren hier für ihn
Kleider und Gewaffen   auf Säumern angekommen.
Sie fuhren solcherweise,   daß ihnen wenig ward genommen.

Als sie zu Bechlaren   kamen in die Stadt,                         1210
Für seine Heergesellen   um Herbergen bat
Der Wirth mit holden Worten:   die gab man ihnen da.
Gotelind die reiche   den Wirth gar gerne kommen sah.

Auch seine liebe Tochter,   die Marfgräfin jung,                   1211
Ob ihres Vaters Kommen   war sie froh genung,
Aus Heunenland die Helden,   wie gern sie die sah!
Mit lachendem Muthe   sprach die edle Jungfrau da:

"Willkommen sei mein Vater   und Die ihm unterthan."               1212
Da ward ein schönes Danken   von manchem werthen Mann
Freundlich geboten   der jungen Markgräfin.
Wohl kannte Frau Gotlind   des edeln Rüdiger Sinn.

Als sie des Nachts nun   bei Rüdigern lag,                         1213
Mit holden Worten fragte   die Markgräfin nach,
Wohin ihn denn gesendet   der Fürst von Heunenland?
"Meine Frau Gotlind," sprach er,   "ich mach es gern euch bekannt.

"Meinem Herren werben   soll ich ein ander Weib,                   1214
Da ihm ist erstorben   der schönen Helke Leib.
Nun will ich nach Kriemhilden   reiten an den Rhein:
Die soll hier bei den Heunen   gewaltge Königin sein."

"Das wollte Gott!" sprach Gotlind,   "möcht uns dies Heil geschehn,1215
Da wir so hohe Ehren   ihr hören zugestehn.
Sie ersetzt uns Helken   vielleicht in alten Tagen;
Wir mögen bei den Heunen   sie gerne sehen Krone tragen."

Da sprach Markgraf Rüdiger:   "Liebe Fraue mein,                   1216
Die mit mir reiten sollen   von hinnen an den Rhein,
Denen sollt ihr freundlich   bieten euer Gut:
Wenn Helden reichlich leben,   so tragen sie hohen Muth."

Sie sprach: "Da ist nicht Einer,   wenn er es gerne nähm,          1217
Ich wollt ihm willig bieten,   was Jeglichem genehm,
Eh ihr von hinnen scheidet   und Die euch unterthan."
Da sprach der Markgraf wieder:   "Ihr thut mir Liebe daran."

Hei! was man reicher Zeuge   von ihrer Kammer trug!                1218
Da ward den edeln Recken   Gewand zu Theil genug
Mit allem Fleiß gefüttert   vom Hals bis auf die Sporen;
Die ihm davon gefielen,   hatte Rüdger sich erkoren.

Am siebenten Morgen   von Bechlaren ritt                           1219
Der Wirth mit seinen Degen.   Sie führten Waffen mit
Und Kleider auch die Fülle   durch der Baiern Land.
Sie wurden auf der Straße   von Räubern selten angerannt.

Binnen zwölf Tagen   kamen sie an den Rhein.                       1220
Da konnte diese Märe   nicht lang verborgen sein:
Dem König und den Seinen   ward es kund gethan,
Es kämen fremde Gäste.   Der Wirth zu fragen begann,

Ob sie Jemand kennte?   das sollte man ihm sagen.                  1221
Man sah die Saumrosse   schwere Lasten tragen:
Wie reich die Helden waren,   ward daran erkannt.
Herberge schuf man ihnen   in der weiten Stadt zuhand.

Als die Gäste waren   in die Stadt gekommen,                       1222
Ihres Aufzugs hatte man   mit Neugier wahrgenommen.
Sie wunderte, von wannen   sie kämen an den Rhein.
Der Wirth fragte Hagen,   wer die Herren möchten sein?

Da sprach der Held von Tronje:   "Ich sah sie noch nicht;          1223
Wenn ich sie erschaue,   mag ich euch Bericht
Wohl geben, von wannen   sie ritten in dies Land.
Sie wären denn gar fremde,   so sind sie gleich mir bekannt."

Herbergen hatten   die Gäste nun empfahn.                          1224
Der Bote hatte reiche   Gewänder angethan
Mit seinen Heergesellen,   als sie zu Hofe ritten.
Sie trugen gute Kleider,   die waren zierlich geschnitten.

Da sprach der schnelle Hagen:   "So viel ich mag verstehn,         1225
Da ich seit langen Tagen   den Herrn nicht hab ersehn,
So sind sie so zu schauen,   als wär es Rüdiger
Aus der Heunen Lande,   dieser Degen kühn und hehr."

"Wie sollt ich das glauben,"   der König sprachs zuhand,           1226
"Daß der von Bechelaren   kam in dieses Land?"
Kaum hatte König Gunther   das Wort gesprochen gar,
So nahm der kühne Hagen   den guten Rüdiger wahr.

Er und seine Freunde   liefen ihm entgegen:                        1227
Da sprangen von den Rossen   fünfhundert schnelle Degen.
Wohl empfangen wurden   die von Heunenland;
Niemals trugen Boten   wohl so herrlich Gewand.

Da rief von Tronje Hagen   mit lauter Stimme Schall:               1228
"Nun sei'n uns hochwillkommen   diese Degen all,
Der Vogt von Bechelaren   mit seiner ganzen Schar."
Man empfieng mit Ehren   die schnellen Heunen fürwahr.

Des Königs nächste Freunde   drängten sich heran:                  1229
Da hub von Metzen Ortewein   zu Rüdigern an:
"Wir haben lange Tage   hier nicht mehr gesehn
Also liebe Gäste,   das muß ich wahrlich gestehn!"

Sie dankten des Empfanges   den Recken allzumal.                   1230
Mit dem Heergesinde   giengen sie zum Saal,
Wo sie den König fanden   bei manchem kühnen Mann.
Der stand empor vom Sitze:   das ward aus höfscher Zucht gethan.

Wie freundlich dem Boten   er entgegengieng                        1231
Und allen seinen Degen!   Gernot auch empfieng
Den Gast mit hohen Ehren   und Die ihm unterthan.
Den guten Rüdger führte   der König an der Hand heran.

Er bracht' ihn zu dem Sitze,   darauf er selber saß.               1232
Den Gästen ließ er schenken   (gerne that man das)
Von dem guten Methe   und von dem besten Wein,
Den man mochte finden   in den Landen um den Rhein.

Geiselher und Gere   waren auch gekommen,                          1233
Dankwart und Volker,   die hatten bald vernommen
Von den werthen Gästen.   Sie waren wohlgemuth:
Sie empfiengen vor dem König   die Ritter edel und gut.

Da sprach von Tronje Hagen   zu Gunthern seinem Herrn:             1234
"Mit Dienst vergelten sollten   stäts eure Degen gern,
Was uns der Markgraf   zu Liebe hat gethan;
Des sollte Lohn empfangen   der schönen Gotlinde Mann."

Da sprach der König Gunther:   "Ich laße nicht das Fragen:         1235
Wie beide sich gehaben,   das sollt ihr mir sagen,
Etzel und Frau Helke   in der Heunen Land?"
Der Markgraf gab zur Antwort:   "Ich mach es gern euch bekannt."

Da erhob er sich vom Sitze   und Die ihm unterthan                 1236
Und sprach zu dem König:   "Laßt mich Erlaub empfahn,
Daß ich die Märe sage,   um die mich hat gesandt
Etzel der König   hieher in der Burgunden Land."

Er sprach: "Was man uns immer   durch euch entboten hat,           1237
Erlaub ich euch zu sagen   ohne der Freunde Rath.
Die Märe laßt vernehmen   mich und die Degen mein:
Euch soll nach allen Ehren   zu werben hier gestattet sein."

Da sprach der biedre Bote:   "Euch entbietet an den Rhein          1238
Seine treuen Dienste   der große König mein,
Dazu den Freunden allen,   die euch zugethan;
Auch wird euch diese Botschaft   mit großer Treue gethan.

"Euch läßt der edle König   klagen seine Noth:                     1239
Sein Volk ist ohne Freude,   meine Frau die ist todt,
Helke die reiche,   meines Herrn Gemahl:
An der sind schöne Jungfraun   nun verwaist in großer Zahl,

"Edler Fürsten Kinder,   die sie erzogen hat;                      1240
Darum hat im Lande   nun große Trauer Statt:
Sie haben leider Niemand mehr,   der sie so treulich pflegt,
Drum wähn ich auch, daß selten   des Königs Sorge sich legt."

"Nun lohn ihm Gott," sprach Gunther,   "daß er die Dienste sein    1241
So williglich entbietet   mir und den Freunden mein.
Ich hörte gern die Grüße,   die ihr mir kund gethan;
Auch wollen sie verdienen   Die mir treu und unterthan."

Da sprach von Burgunden   der edle Gernot:                         1242
"Die Welt mag wohl beklagen   der schönen Helke Tod
Um manche höfsche Tugend,   der sie gewohnt zu pflegen."
Das bestätigte Hagen   und mancher andre Degen.

Da sprach wieder Rüdiger,   der edle Bote hehr:                    1243
"Erlaubt ihr mir, Herr König,   so sag ich euch noch mehr,
Was mein lieber Herre   euch hieher entbot:
Er lebt in großem Kummer   seit der Königin Helke Tod.

"Man sagte meinem Herren,   Kriemhild sei ohne Mann,               1244
Da Siegfried gestorben:   und sprach man wahr daran,
Und wollt ihr ihrs vergönnen,   so soll sie Krone tragen
Vor König Etzels Recken:   das gebot mein Herr ihr zu sagen."

Da sprach König Gunther   mit wohlgezognem Muth:                   1245
"Sie hört meinen Willen,   wenn sie es gerne thut.
Das will ich euch berichten   von heut in dreien Tagen:
Wenn sie es nicht weigert,   wie sollt ichs Etzel versagen?"

Man ließ Gemach bescheiden   den Gästen allzuhand.                 1246
Sie fanden solche Pflege,   daß Rüdiger gestand,
Er habe gute Freunde   in König Gunthers Lehn.
Gerne dient' ihm Hagen:   ihm war einst Gleiches geschehn.

So verweilte Rüdiger   bis an den dritten Tag.                     1247
Der Fürst berief die Räthe,   wie er weislich pflag,
Und fragte seine Freunde,   ob sie es gut gethan
Däuchte, daß Kriemhild   Herrn Etzeln nähme zum Mann.

Da riethen sie es alle;   nur Hagen stands nicht an.               1248
Er sprach zu König Gunther,   diesem kühnen Mann:
"Habt ihr kluge Sinne,   so seid wohl auf der Hut,
Wenn sie auch folgen wollte,   daß ihr doch nimmer es thut."

"Warum," sprach da Gunther,   "ließ' ich es nicht ergehn?          1249
Was künftig noch der Königin   Liebes mag geschehn,
Will ich ihr gerne gönnen:   sie ist die Schwester mein.
Wir müsten selbst drum werben,   sollt es ihr zur Ehre sein."

Da sprach aber Hagen:   "Das sprecht ihr unbedacht.                1250
Wenn ihr Etzeln kenntet   wie ich und seine Macht,
Und ließt ihr sie ihn minnen,   wie ich euch höre sagen,
Das müstet ihr vor Allen   mit großem Rechte beklagen."

"Warum?" sprach da Gunther,   "leicht vermeid ich das,             1251
Ihm je so nah zu kommen,   daß ich durch seinen Haß
Leid zu befahren hätte,   würd er auch ihr Mann."
Da sprach wieder Hagen:   "Mich dünkt es nimmer wohlgethan."

Da lud man Gernoten   und Geiselhern heran,                        1252
Ob die Herren beide   däuchte wohlgethan,
Wenn Frau Kriemhild nähme   den mächtgen König hehr.
Noch widerrieth es Hagen   und auch anders Niemand mehr.

Da sprach von Burgunden   Geiselher der Degen:                     1253
"Nun mögt ihr, Freund Hagen,   noch der Treue pflegen:
Entschädigt sie des Leides,   das ihr ihr habt gethan.
Was ihr noch mag gelingen,   das säht ihr billig neidlos an."

"Wohl habt ihr meiner Schwester   gefügt so großes Leid,"          1254
Sprach da wieder Geiselher,   der Degen allbereit,
"Ihr hättets wohl verschuldet,   wäre sie euch gram:
Noch Niemand einer Frauen   so viel der Freuden benahm."

"Daß ich das wohl erkenne,   das sei euch frei bekannt.            1255
Und soll sie Etzeln nehmen   und kommt sie in sein Land,
Wie sie es fügen möge,   viel Leid thut sie uns an.
Wohl kommt in ihre Dienste   da mancher waidliche Mann."

Dawider sprach zu Hagen   der kühne Gernot:                        1256
"Es mag dabei verbleiben   bis an Beider Tod,
Daß wir niemals kommen   in König Etzels Land.
Laßt uns ihr Treue leisten:   zu Ehren wird uns das gewandt."

Da sprach Hagen wieder:   "Das laß ich mir Niemand sagen;          1257
Und soll die edle Kriemhild   Helkens Krone tragen,
Viel Leid wird sie uns schaffen,   wo sie's nur fügen kann:
Ihr sollt es bleiben laßen,   das ständ euch Recken beßer an."

Im Zorn sprach da Geiselher,   der schönen Ute Kind:               1258
Wir wollen doch nicht alle   meineidig sein gesinnt.
Was ihr geschieht zu Ehren,   laßt uns froh drum sein.
Was ihr auch redet, Hagen,   ich dien ihr nach der Treue mein."

Als das Hagen hörte,   da trübte sich sein Muth.                   1259
Geiselher und Gernot,   die stolzen Ritter gut,
Und Gunther der reiche   vereinten endlich sich,
Wenn es Kriemhild wünsche,   sie wolltens dulden williglich.

Da sprach Markgraf Gere:   "So geh ich ihr zu sagen,               1260
Daß sie den König Etzel   sich laße wohlhagen.
Dem ist so mancher Recke   mit Furchten unterthan,
Er mag ihr wohl vergüten,   was sie je Leides gewann."

Hin gieng der schnelle Degen,   wo er Kriemhilden sah.             1261
Sie empfieng ihn gütlich;   wie balde sprach er da:
"Ihr mögt mich gern begrüßen   und geben Botenbrot,
Es will das Glück euch scheiden   nun von all eurer Noth.

"Es hat um eure Minne,   Frau, hiehergesandt                       1262
Der Allerbesten einer,   der je ein Königsland
Gewann mit vollen Ehren   und Krone durfte tragen:
Es werben edle Ritter:   das läßt euch euer Bruder sagen."

Da sprach die Jammerreiche:   "Verbiete doch euch Gott             1263
Und allen meinen Freunden,   daß sie keinen Spott
Mit mir Armen treiben:   was sollt ich einem Mann,
Der je Herzensliebe   von gutem Weibe gewann?"

Sie widersprach es heftig.   Da traten zu ihr her                  1264
Gernot ihr Bruder   und der junge Geiselher.
Sie baten sie in Minne   zu trösten ihren Mut.
Und nehme sie den König,   es gerath ihr wahrlich gut.

Bereden mochte Niemand   doch die Königin                          1265
Noch einen Mann zu minnen   auf Erden fürderhin.
Da baten sie die Degen:   "So laßt es doch geschehn,
Wenn ihr denn nicht anders wollt,   daß euch der Bote möge sehn."

"Das will ich nicht versagen,"   sprach die Fraue hehr.            1266
Ich empfange gerne   den guten Rüdiger
Ob seiner höfschen Sitte:   wär er nicht hergesandt,
Jedem andern Boten,   dem blieb' ich immer unbekannt."

Sie sprach: "So schickt den Degen   morgen früh heran              1267
Zu meiner Kemenate.   Ich bescheid ihn dann:
Wes ich mich berathen,   will ich ihm selber sagen."
So war ihr jetzt erneuert   das große Weinen und Klagen.

Da wünschte sich auch anders nichts   der edle Rüdiger,            1268
Als daß er schauen dürfte   die Königin hehr.
Er wuste sich so weise:   könnt es irgend sein,
So müst er sie bereden,   diesen Recken zu frein.

Früh des andern Morgens   nach dem Messgesang                      1269
Kamen die edeln Boten;   da hub sich großer Drang.
Die mit Rüdigeren   zu Hofe sollten gehn,
Die sah man wohlgekleidet,   manchen Degen ausersehn.

Kriemhilde die arme,   in traurigem Muth                           1270
Harrte sie auf Rüdiger,   den edeln Boten gut.
Er fand sie in dem Kleide,   das sie für täglich trug:
Dabei hatt ihr Gesinde   reicher Kleider genug.

Sie gieng ihm entgegen   zu der Thüre hin                          1271
Und empfieng Etzels Recken   mit gütlichem Sinn.
Nur selbzwölfter trat er   herein zu der Fraun;
Man bot ihm große Ehre;   wer möcht auch beßre Boten schaun?

Man hieß den Herren sitzen   und Die in seinem Lehn.               1272
Die beiden Markgrafen   sah man vor ihr stehn,
Eckewart und Gere,   die edeln Ritter gut.
Um der Hausfrau willen   sahn sie Niemand wohlgemuth.

Sie sahen vor ihr sitzen   manche schöne Maid.                     1273
Da hatte Frau Kriemhild   Jammer nur und Leid.
Ihr Kleid war vor den Brüsten   von heißen Thränen naß.
Das sah der edle Markgraf,   der nicht länger vor ihr saß.

Er sprach in großen Züchten:   "Viel edles Königskind,             1274
Mir und den Gefährten,   die mit mir kommen sind,
Sollt ihr, Frau, erlauben,   daß wir vor euch stehn
Und euch melden, weshalb   unsre Reise sei geschehn."

"Ich will euch gern erlauben,"   sprach die Königin,               1275
"Was ihr wollt, zu reden;   also steht mein Sinn,
daß ich es gerne höre:   ihr seid ein Bote gut."
Da merkten wohl die Andern   ihren abgeneigten Muth.

Da sprach von Bechelaren   der Markgraf Rüdiger:                   1276
"Euch läßt entbieten, Herrin,   Etzel der König hehr
Große Lieb und Treue   hierher in dieses Land;
Er hat um eure Minne   viel gute Recken gesandt.

"Er entbeut euch freundlich   Liebe sonder Leid;                   1277
Er sei stäter Freundschaft   nun euch hinfort bereit
Wie Helken einst, der Königin,   die ihm am Herzen lag:
Ihr sollt die Krone tragen,   deren sie vor Zeiten pflag."

Da sprach zu ihm die Königin:   "Markgraf Rüdiger,                 1278
Wenn meines Herzeleides   Jemand kundig war,
Der würde mir nicht rathen   zu einem zweiten Mann:
Ich verlor der Besten Einen,   die je ein Weib noch gewann."

"Was tröstet mehr im Leide",   sprach der kühne Mann,              1279
"Als freundliche Liebe?   Wer die gewähren kann
Und hat sich den erkoren,   der ihm zu Herzen kommt,
Der erfährt wohl, daß im Leide   nichts so sehr als Liebe frommt.

"Und geruht ihr zu minnen   den edeln Herren mein,                 1280
Zwölf reicher Kronen   sollt ihr gewaltig sein.
Dazu von dreißig Fürsten   giebt euch mein Herr das Land,
Die alle hat bezwungen   seine vielgewaltge Hand.

"Ihr sollt auch Herrin werden   über manchen werthen Mann,         1281
Die meiner Frauen Helke   waren unterthan,
Und viel der schönen Maide,   einst ihrem Dienst gesellt,
Von hoher Fürsten Stamme,"   sprach der hochbeherzte Held.

"Dazu giebt euch der König,   gebot er euch zu sagen,              1282
Wenn ihr geruht die Krone   bei meinem Herrn zu tragen,
Gewalt die allerhöchste,   die Helke je gewann:
Alle Mannen Etzels   werden euch da unterthan."

"Wie möchte jemals wieder,"   sprach die Königin,                  1283
"Eines Helden Weib zu werden   gelüsten meinem Sinn?
Mir hat der Tod an Einem   so bittres Leid gethan,
Daß ichs bis an mein Ende   nimmermehr verschmerzen kann."

Die Heunen sprachen wieder:   Viel reiche Königin,                 1284
Das Leben geht bei Etzeln   so herrlich euch dahin,
Daß ihr in Wonnen schwebet,   weigert ihr es nicht;
Mancher ziere Degen   steht in des reichen Königs Pflicht.

"Helkens Jungfrauen   und eure Mägdelein,                          1285
Sollten die beisammen   je Ein Gesinde sein,
Dabei möchten Recken   wohl werden wohlgemuth.
Laßt es euch rathen, Fraue,   es bekommt euch wahrlich gut."

Sie sprach mit edler Sitte:   "Nun laßt die Rede sein              1286
Bis morgen in der Frühe,   dann tretet zu mir ein,
Daß ich auf die Werbung   euch gebe den Bescheid."
Da musten Folge leisten   die kühnen Degen allbereit.

Als zu den Herbergen   sie kamen allzumal,                         1287
Nach Geiselhern zu senden   die edle Frau befahl
Und nach ihrer Mutter:   den Beiden sagte sie,
Ihr gezieme nur zu weinen   und alles Andere nie.

Da sprach ihr Bruder Geiselher:   "Mir ahnt, Schwester mein,       1288
Und gerne mag ichs glauben,   dein Leid und deine Pein
Wird König Etzel wenden;   und nimmst du ihn zum Mann,
Was Jemand anders rathe,   so dünkt es mich wohlgethan."

"Er mag dirs wohl ersetzen,"   sprach wieder Geiselher.            1289
"Vom Rotten bis zum Rheine,   von der Elbe bis ans Meer
Weiß man keinen König   gewaltiger als ihn.
Du magst dich höchlich freuen,   heischt er dich zur Königin."

Sie sprach: "Lieber Bruder,   wie räthst du mir dazu?              1290
Weinen und Klagen   das käm mir eher zu.
Wie sollt ich vor den Recken   da zu Hofe gehn?
Hatt ich jemals Schönheit,   um die ists lange geschehn."

Da redete Frau Ute   der lieben Tochter zu:                        1291
"Was deine Brüder rathen,   liebes Kind, das thu.
Folge deinen Freunden,   so mag dirs wohlergehn.
Hab ich dich doch so lange   in großem Jammer gesehn."

Da bat sie, daß vom Himmel   ihr würde Rath gesandt:               1292
Denn hätte sie zu geben   Gold, Silber und Gewand
Wie einst, da er noch lebte,   ihr Mann der Degen hehr,
Sie erlebe doch nicht wieder   so frohe Stunden nachher.

Sie dacht in ihrem Sinne:   "Und sollt ich meinen Leib             1293
Einem Heiden geben?   Ich bin ein Christenweib;
Des müst ich billig Schelte   von aller Welt empfahn;
Gäb er mir alle Reiche,   es bliebe doch ungethan."

Da ließ sie es bewenden.   Die Nacht bis an den Tag                1294
Die Frau in ihrem Bette   voll Gedanken lag.
Ihre lichten Augen   trockneten ihr nicht,
Bis sie hin zur Mette   wieder gieng beim Morgenlicht.

Nun waren auch die Könige   zur Messezeit gekommen.                1295
Sie hatten ihre Schwester   an die Hand genommen
Und riethen ihr zu minnen   den von Heunenland.
Niemand doch die Fraue   ein wenig fröhlicher fand.

Da ließ man zu ihr bringen,   die Etzel hingesandt,                1296
Die nun mit Urlaub wollten   räumen Gunthers Land,
Wie es gerathen möge,   mit Nein oder Ja!
Da kam zu Hofe Rüdiger:   die Gefährten mahnten ihn da,

Recht zu erforschen   des edeln Fürsten Muth                       1297
Und zeitig das zu leisten;   das dauchte Jeden gut;
Ihre Wege wären ferne   wieder in ihr Land.
Man brachte Rüdigeren   hin, wo er Kriemhilden fand.

Da bat alsbald der Recke   die edle Königin                        1298
Mit minniglichen Worten,   zu künden ihren Sinn,
Was sie entbieten wolle   in König Etzels Land.
Der Held mit seinem Werben   bei ihr nur Weigerung fand.

"Sie wolle nimmer wieder   minnen einen Mann."                     1299
Dawider sprach der Markgraf:   "Das wär nicht recht gethan:
Was wolltet ihr verderben   so minniglichen Leib?
Ihr werdet noch mit Ehren   eines werthen Recken Weib."

Nichts half es, was sie baten,   bis daß Rüdiger                   1300
Insgeheim gesprochen   mit der Königin hehr,
Er hoff ihr zu vergüten   all ihr Ungemach.
Da ließ zuletzt ein wenig   ihre hohe Trauer nach.

Er sprach zu der Königin:   "Laßt euer Weinen sein;                1301
Hättet ihr bei den Heunen   Niemand als mich allein,
Meine getreuen Freunde   und Die mir unterthan,
Er sollt es schwer entgelten,   hätt euch Jemand Leid gethan."

Davon ward erleichtert   der Frauen wohl der Muth.                 1302
Sie sprach: "So schwört mir, Rüdiger,   was mir Jemand thut,
Ihr wollt der Erste werden,   der rächen will mein Leid."
Da sprach zu ihr der Markgraf:   "Dazu bin ich, Frau, bereit."

Mit allen seinen Mannen   schwur ihr da Rüdiger,                   1303
Ihr immer treu zu dienen,   und daß die Recken hehr
Ihr nichts versagen wollten   in König Etzels Land,
Was ihre Ehre heische:   das gelobt' ihr Rüdigers Hand.

Da gedachte die Getreue:   "Wenn ich gewinnen kann                 1304
So viel stäter Freunde,   so seh ichs wenig an,
Was auch die Leute reden,   in meines Jammers Noth.
Vielleicht wird noch gerochen   meines lieben Mannes Tod."

Sie gedachte: "Da Herr Etzel   der Recken hat so viel,             1305
Denen ich gebiete,   so thu ich, was ich will.
Er hat auch solche Schätze,   daß ich verschenken kann;
Mich hat der leide Hagen   meines Gutes ohne gethan."

Sie sprach zu Rüdigeren:   "Hätt ich nicht vernommen,              1306
Daß er ein Heide wäre,   so wollt ich gerne kommen,
Wohin er geböte,   und nähm ihn zum Mann."
Da sprach der Markgraf wieder:   "Steht darauf, Herrin, nicht an.

"Er ist nicht gar ein Heide,   des dürft ihr sicher sein:          1307
Er ist getauft gewesen,   der liebe Herre mein,
Wenn er auch zu den Heiden   wieder übertrat:
Wollt ihr ihn, Herrin, minnen,   so wird darüber noch Rath.

"Ihm dienen so viel Recken   in der Christenheit,                  1308
Daß euch bei dem König   nie widerfährt ein Leid.
Ihr mögt auch leicht erlangen,   daß der König gut
Zu Gott wieder wendet   so die Seele wie den Muth."

Da sprachen ihre Brüder:   "Verheißt es, Schwester mein,           1309
Und all euern Kummer   laßt in Zukunft sein."
Des baten sie so lange,   bis sie mit Trauer drein
Vor den Helden willigte,   den König Etzel zu frein.

Sie sprach: "Ich muß euch folgen,   ich arme Königin!              1310
Ich fahre zu den Heunen,   wann es geschehe, hin,
Wenn ich Freunde finde,   die mich führen in sein Land."
Darauf bot vor den Helden   die schöne Kriemhild die Hand.

Der Markgraf sprach: "Zwei Recken   stehn in eurem Lehn,           1311
Dazu hab ich noch manchen:   so kann es wohl geschehn,
Daß wir euch mit Ehren   bringen überrhein,
Ich laß euch nun nicht länger   hier bei den Burgunden sein.

"Fünfhundert Mannen hab ich   und der Freunde mein:                1312
Die sollen euch zu Diensten   hier und bei Etzeln sein,
Was ihr auch gebietet;   ich selber steh euch bei
Und will michs nimmer schämen,   mahnt ihr mich künftig meiner Treu.

"Eure Pferdedecken   haltet euch bereit;                           1313
Was Rüdiger gerathen hat,   wird euch nimmer leid.
Und sagt es euern Mägdlein,   die ihr euch gesellt,
Uns begegnet unterwegs   mancher auserwählte Held."

Sie hatten noch Geschmeide,   das sie zu Siegfrieds Zeit           1314
Beim Reiten getragen,   daß sie mit mancher Maid
Mit Ehren reisen mochte,   so sie wollt hindann.
Hei! was man guter Sättel   den schönen Frauen gewann!

Hatten sie schon immer   getragen reich Gewand,                    1315
So wurde des zur Reise   die Fülle nun zur Hand,
Weil ihnen von dem König   so viel gepriesen ward;
Sie schloßen auf die Kisten,   so lang versperrt und gespart.

Sie waren sehr geschäftig   wohl fünftehalben Tag                  1316
Und suchten aus dem Einschlag,   so viel darinne lag.
Ihre Kammer zu erschließen   hub da Kriemhild an,
Sie Alle reich zu machen,   Die Rüdigern unterthan.

Sie hatte noch des Goldes   von Nibelungenland:                    1317
Das sollte bei den Heunen   vertheilen ihre Hand.
Sechshundert Mäule mochten   es nicht von dannen tragen.
Die Märe hörte Hagen   da von Kriemhilden sagen.

Er sprach: "Mir wird Kriemhild   doch nimmer wieder hold:          1318
So muß auch hier verbleiben   Siegfriedens Gold.
Wie ließ' ich meinen Feinden   wohl so großes Gut?
Ich weiß gar wohl, was Kriemhild   noch mit diesem Schatze thut.

"Brächte sie ihn von hinnen,   ich glaube sicherlich,              1319
Sie würd ihn nur vertheilen,   zu werben wider mich.
Sie hat auch nicht die Rosse,   um ihn hinwegzutragen:
Behalten will ihn Hagen,   das soll man Kriemhilden sagen."

Als sie vernahm die Märe,   das schuf ihr grimme Pein.             1320
Es ward auch den Königen   gemeldet allen drein:
Sie gedachten es zu wenden.   Als das nicht geschah,
Rüdiger der edle   sprach mit frohem Muthe da:

"Reiche Königstochter,   was klagt ihr um das Gold?                1321
Euch ist König Etzel   so zugethan und hold,
Ersehn euch seine Augen,   er giebt euch solchen Hort,
Daß ihr ihn nie verschwendet;   das verbürgt euch, Frau, mein Wort."

Da sprach zu ihm die Königin:   "Viel edler Rüdiger,               1322
Nie gewann der Schätze   eine Königstochter mehr
Als die, deren Hagen   mich ohne hat gethan."
Da kam ihr Bruder Gernot   zu ihrer Kammer heran.

Mit des Königs Macht den Schlüßel   stieß er in die Thür.          1323
Kriemhildens Schätze   reichte man herfür,
An dreißigtausend Marken   oder wohl noch mehr,
Daß es die Gäste nähmen:   des freute Gunther sich sehr.

Da sprach von Bechelaren   der Gotelinde Mann:                     1324
"Und gehörten all die Schätze   noch Kriemhilden an,
Die man jemals brachte   von Nibelungenland,
Nicht berühren sollt es   mein noch der Königin Hand.

"Heißt es aufbewahren,   da ichs nicht haben will.                 1325
Ich bracht aus unserm Lande   des Meinen her so viel,
Wir mögens unterweges   entrathen wohl mit Fug:
Wir haben zu der Reise   genug und übergenug."

Zwölf Schreine hatten   noch ihre Mägdelein                        1326
Des allerbesten Goldes,   das irgend mochte sein,
Bewahrt aus alten Zeiten:   das nun verladen ward
Und viel der Frauenzierde,   die sie brauchten auf der Fahrt.

Die Macht des grimmen Hagen   bedauchte sie zu stark.              1327
Des Opfergoldes hatte   sie wohl noch tausend Mark:
Das gab sie für die Seele   von ihrem lieben Mann.
Das dauchte Rüdigeren   mit großen Treuen gethan.

Da sprach die arme Königin:   "Wo sind die Freunde mein,           1328
Die da mir zu Liebe   im Elend wollen sein
Und mit mir reiten sollen   in König Etzels Land?
Die nehmen meines Goldes   und kaufen Ross' und Gewand."

Alsbald gab ihr Antwort   der Markgraf Eckewart:                   1329
"Seit ich als Ingesinde   euch zugewiesen ward,
Hab ich euch stäts getreulich   gedient," sprach der Degen,
"Und will bis an mein Ende   des Gleichen immer bei euch pflegen.

"Ich führ auch mit der Meinen   fünfhundert Mann,                  1330
Die biet ich euch zu Dienste   mit rechten Treuen an.
Wir bleiben ungeschieden,   es thu es denn der Tod."
Der Rede dankt' ihm Kriemhild,   da ers so wohl ihr erbot.

Da brachte man die Rosse:   sie wollten aus dem Land.              1331
Wohl huben an zu weinen   die Freunde all zur Hand.
Ute die reiche   und manche schöne Maid
Bezeigten, wie sie trugen   um Kriemhilden Herzeleid.

Hundert schöner Mägdelein   führte sie aus dem Land;               1332
Die wurden wohl gekleidet,   jede nach ihrem Stand.
Aus lichten Augen fielen,   die Thränen ihnen nieder;
Manche Freud erlebten   sie auch bei König Etzel wieder.

Da kam der junge Geiselher   und König Gernot,                     1333
Mit ihrem Heergesinde,   wie es die Zucht gebot:
Die liebe Schwester wollten sie   begleiten durch das Land;
Sie hatten im Gefolge   wohl tausend Degen auserkannt.

Da kam der schnelle Gere   und auch Ortewein;                      1334
Rumold der Küchenmeister   der ließ sie nicht allein.
Sie schufen Nachtlager   der Frauen auf den Wegen:
Als Marschall sollte Volker   ihrer Herberge pflegen.

Bei Abschiedsküssen hatte   man Weinen viel vernommen,             1335
Eh sie zu Felde waren   von der Burg gekommen.
Ungebeten gaben Viele   Geleit ihr durch das Land.
Vor der Stadt schon hatte   sich König Gunther gewandt.

Eh sie vom Rheine führen,   hatten sie vorgesandt                  1336
Ihre schnellen Boten   in der Heunen Land,
Dem Könige zu melden,   daß ihm Rüdiger
Zum Gemahl geworben   die edle Königin hehr.

Die Boten fuhren schnelle:   Eil war ihnen Noth                    1337
Um die große Ehre   und das reiche Botenbrot.
Als sie mit ihren Mären   waren heimgekommen,
Da hatte König Etzel   so Liebes selten vernommen.

Der frohen Kunde willen   ließ der König geben                     1338
Den Boten solche Gaben,   daß sie wohl mochten leben
Immerdar in Freuden   hernach bis an den Tod:
Mit Wonne war verschwunden   des Königs Kummer und Noth.

       *       *       *       *       *



Einundzwanzigstes Abenteuer.

Wie Kriemhild zu den Heunen fuhr.


Die Boten laßt reiten,   so thun wir euch bekannt,                 1339
Wie die Königstochter   fuhr durch das Land,
Und wo von ihr Geiselher   schied mit Gernot;
Sie hatten ihr gedienet,   wie ihre Treue gebot.

Sie kamen an die Donau   gen Bergen nun geritten.                  1340
Da begannen sie um Urlaub   die Königin zu bitten,
Weil sie wieder wollten   reiten an den Rhein.
Da mocht es ohne Weinen   von guten Freunden nicht sein.

Geiselher der schnelle   sprach zu der Schwester sein:             1341
"Schwester, wenn du jemals   bedürfen solltest mein,
Was immer dich gefährde,   so mach es mir bekannt,
Dann reit ich dir zu dienen   hin in König Etzels Land."

Die Verwandten alle  küsste sie auf den Mund.                      1342
Minniglich sich scheiden   sah man da zur Stund
Die schnellen Burgunden   von Rüdigers Geleit.
Da zog mit der Königin   manche wohlgethane Maid,

Hundert und viere;   sie trugen schön Gewand                       1343
Von buntgewebten Zeugen;   manch breiten Schildesrand
Führte man der Königin   nach auf ihren Wegen.
Da bat auch um Urlaub   Volker der zierliche Degen.

Ueber die Donau kamen   sie jetzt gen Baierland:                   1344
Da sagte man die Märe,   es kämen angerannt
Viel unkunder Gäste.   Wo noch ein Kloster steht
Und der Innfluß mündend   in die Donau niedergeht,

In der Stadt zu Paßau   saß ein Bischof.                           1345
Herbergen leerten sich   und auch des Fürsten Hof:
Den Gästen entgegen   giengs auf durch Baierland,
Wo der Bischof Pilgerin   die schöne Kriemhild fand.

Den Recken in dem Lande   war es nicht zu leid,                    1346
Als sie ihr folgen sahen   so manche schöne Maid.
Da kos'ten sie mit Augen   manch edeln Ritters Kind.
Gute Herberge   wies man den Gästen geschwind.

Dort zu Pledelingen   schuf man ihnen Ruh;                         1347
Das Volk allenthalben   ritt auf sie zu.
Man gab, was sie bedurften,   williglich und froh:
Sie nahmen es mit Ehren;   so that man bald auch anderswo.

Der Bischof mit der Nichte   ritt auf Paßau an.                    1348
Als es da den Bürgern   der Stadt ward kund gethan,
Das Schwesterkind des Fürsten,   Kriemhild wolle kommen,
Da ward sie wohl mit Ehren   von den Kaufherrn aufgenommen.

Als der Bischof wähnte,   sie blieben nachts ihm da,               1349
Sprach Eckewart der Markgraf:   "Unmöglich ist das ja:
Wir müßen abwärts reiten   in Rüdigers Land:
Viel Degen harren unser:   ihnen allen ist es bekannt."

Nun wust auch wohl die Märe   die schöne Gotelind:                 1350
Sie rüstete sich fleißig   und auch ihr edel Kind.
Ihr hatt entboten Rüdiger,   ihn bedünk es gut,
Wenn sie der Königstochter   damit tröstete den Muth

Und ihr entgegenritte   mit seiner Mannen Schar                    1351
Hinauf bis zur Ense.   Als das im Werke war,
Da sah man allenthalben   erfüllt die Straßen stehn:
Sie wollten ihren Gästen   entgegen reiten und gehn.

Nun war gen Everdingen   die Königin gekommen.                     1352
Man hatt im Baierlande   von Schächern wohl vernommen,
Die auf den Straßen raubten,   wie es ihr Gebrauch:
So hätten sie die Gäste   mögen schädigen auch.

Das hatte wohl verhütet   der edle Rüdiger:                        1353
Er führte tausend Ritter   oder wohl noch mehr.
Da kam auch Gotelinde,   Rüdigers Gemahl,
Mit ihr in stolzem Zuge   kühner Recken große Zahl.

Ueber die Traune kamen sie   bei Ense auf das Feld;                1354
Da sah man aufgeschlagen   Hütten und Gezelt,
Daß gute Ruhe fänden   die Gäste bei der Nacht.
Für ihre Kost zu sorgen   war der Markgraf bedacht.

Von den Herbergen   ritt ihrer Frau entgegen                       1355
Gotelind die schöne.   Da zogen auf den Wegen
Mit klingenden Zäumen   viel Pferde wohlgethan.
Sie wurde wohl empfangen;   lieb that man Rüdigern daran.

Die sie zu beiden Seiten   begrüßten auf dem Feld                  1356
Mit kunstvollem Reiten,   das war mancher Held.
Sie übten Ritterspiele;   das sah manch schöne Maid.
Auch war der Dienst der Helden   den schönen Frauen nicht leid.

Als zu den Gästen kamen   Die in Rüdigers Lehn,                    1357
Viel Schaftsplitter sah man   in die Lüfte gehn
Von der Recken Händen   nach ritterlichen Sitten.
Da wurde wohl zu Danke   vor den Frauen geritten.

Sie ließen es bewenden.   Da grüßte mancher Mann                   1358
Freundlich den andern.   Nun führten sie heran
Die schöne Gotelinde,   wo sie Kriemhild sah.
Die Frauen dienen konnten,   hatten selten Muße da.

Der Vogt von Bechelaren   ritt zu Gotlinden hin.                   1359
Wenig Kummer schuf es   der edeln Markgräfin,
Daß sie wohl geborgen   ihn sah vom Rheine kommen.
Ihr war die meiste Sorge   mit großer Freude benommen.

Als sie ihn hatt empfangen,   hieß er sie auf das Feld             1360
Mit den Frauen steigen,   die er ihr sah gestellt.
Da zeigte sich geschäftig   mancher edle Mann:
Den Frauen wurden Dienste   mit großem Fleiße gethan.

Da ersah Frau Kriemhild   die Markgräfin stehn                     1361
Mit ihrem Ingesinde:   sie ließ nicht näher gehn:
Sie zog mit dem Zaume   das Ross an, das sie trug,
Und ließ sich aus dem Sattel   heben schleunig genug.

Den Bischof sah man führen   seiner Schwester Kind,                1362
Ihn und Eckewarten,   hin zu Frau Gotelind.
Es muste vor ihr weichen,   wer im Wege stund.
Da küsste die Fremde   die Markgräfin auf den Mund.

Da sprach mit holden Worten   die edle Markgräfin:                 1363
"Nun wohl mir, liebe Herrin,   daß ich so glücklich bin,
Hier in diesem Lande   mit Augen euch zu sehn:
Mir könnt in diesen Zeiten   nimmer lieber geschehn."

"Nun lohn euch Gott," sprach Kriemhild,   "viel edle Gotelind.     1364
So ich gesund verbleibe   mit Botlungens Kind,
Mag euch zu Gute kommen,   daß ihr mich habt gesehn."
Noch ahnten nicht die Beiden,   was später muste geschehn.

Mit Züchten zu einander   gieng da manche Maid;                    1365
Zu Diensten waren ihnen   die Recken gern bereit.
Sie setzten nach dem Gruße   sich nieder auf den Klee:
Da lernten sich kennen,   die sich fremd gewesen eh.

Man ließ den Frauen schenken.   Es war am hohen Tag;               1366
Das edle Ingesinde   der Ruh nicht länger pflag.
Sie ritten, bis sie fanden   viel breiter Hütten stehn:
Da konnten große Dienste   den edeln Gästen geschehn.

Ueber Nacht da pflegen   sollten sie der Ruh.                      1367
Die von Bechelaren   schickten sich dazu,
Nach Würden zu bewirthen   so manchen werthen Mann.
So hatte Rüdiger gesorgt,   es gebrach nicht viel daran.

Die Fenster an den Mauern   sah man offen stehn;                   1368
Man mochte Bechelaren   weit erschloßen sehn.
Da ritten ein die Gäste,   die man gerne sah;
Gut Gemach schuf ihnen   der edle Rüdiger da.

Des Markgrafen Tochter   mit dem Gesinde gieng                     1369
Dahin, wo sie die Königin   minniglich empfieng.
Da war auch ihre Mutter,   Rüdigers Gemahl:
Liebreich empfangen wurden   die Jungfrauen allzumal.

Sie fügten ihre Hände   in Eins und giengen dann                   1370
Zu einem weiten Saale,   der war gar wohlgethan,
Vor dem die Donau unten   die Flut vorübergoß.
Da saßen sie im Freien   und hatten Kurzweile groß.

Ich kann euch nicht bescheiden,   was weiter noch geschah.         1371
Daß sie so eilen müsten,   darüber klagten da
Die Recken Kriemhildens;   wohl war es ihnen leid.
Was ihnen guter Degen   aus Bechlarn gaben Geleit!

Viel minnigliche Dienste   der Markgraf ihnen bot.                 1372
Da gab die Königstochter   zwölf Armspangen roth
Der Tochter Gotlindens   und also gut Gewand,
Daß sie kein beßres brachte   hin in König Etzels Land.

Obwohl ihr war benommen   der Nibelungen Gold,                     1373
Alle, die sie sahen,   machte sie sich hold
Noch mit dem kleinen Gute,   das ihr verblieben war.
Dem Ingesind des Wirthes   bot sie große Gaben dar.

Dafür erwies Frau Gotlind   den Gästen von dem Rhein               1374
Auch so hohe Ehre   mit Gaben groß und klein,
Daß man da der Fremden   wohl selten einen fand,
Der nicht von ihr Gesteine   trug oder herrlich Gewand.

Als man nach dem Imbiß   fahren sollt hindann,                     1375
Ihre treuen Dienste   trug die Hausfrau an
Mit minniglichen Worten   Etzels Gemahl.
Die liebkos'te scheidend   der schönen Jungfrau zumal.

Da sprach sie zu der Königin:   "Dünkt es euch nun gut,            1376
So weiß ich, wie gern es   mein lieber Vater thut,
Daß er mich zu euch sendet   in der Heunen Land."
Daß sie ihr treu gesinnt war,   wie wohl Frau Kriemhild das fand!

Die Rosse kamen aufgezäumt   vor Bechelaren an.                    1377
Als die edle Königin   Urlaub hatt empfahn
Von Rüdigers Weibe   und von der Tochter sein,
Da schieden auch mit Grüßen   viel der schönen Mägdelein.

Sie sahn einander selten   mehr nach diesen Tagen.                 1378
Aus Medelick auf Händen   brachte man getragen
Manch schönes Goldgefäße   angefüllt mit Wein
Den Gästen auf die Straße   und hieß sie willkommen sein.

Ein Wirth war da geseßen,   Astold genannt,                        1379
Der wies sie die Straße   ins Oesterreicherland
Gegen Mautaren   an der Donau nieder:
Da ward viel Dienst erboten   der reichen Königin wieder.

Der Bischof mit Liebe   von seiner Nichte schied.                  1380
Daß sie sich wohl gehabe,   wie sehr er ihr das rieth,
Und sich Ehr erwerbe,   wie Helke einst gethan.
Hei! was sie großer Ehren   bald bei den Heunen gewann!

An die Traisem kamen   die Gäst in kurzer Zeit.                    1381
Sie zu pflegen fliß sich   Rüdigers Geleit,
Bis daß man die Heunen   sah reiten über Land:
Da ward der Königstochter   erst große Ehre bekannt.

Bei der Traisem hatte   der Fürst von Heunenland                   1382
Eine reiche Veste,   im Lande wohl bekannt,
Mit Namen Traisenmauer:   einst wohnte Helke da
Und pflag so hoher Milde,   als wohl nicht wieder geschah,

Es sei denn von Kriemhilden;   die mochte gerne geben.             1383
Sie durfte wohl die Freude   nach ihrem Leid erleben,
Daß ihre Güte priesen,   die Etzeln unterthan.
Das Lob sie bei den Helden   in der Fülle bald gewann.

König Etzels Herrschaft   war so weit erkannt,                     1384
Daß man zu allen Zeiten   an seinem Hofe fand
Die allerkühnsten Recken,   davon man je vernommen
Bei Christen oder Heiden;   die waren all mit ihm gekommen.

Bei ihm war allerwegen,   so sieht mans nimmermehr,                1385
So christlicher Glaube   als heidnischer Verkehr.
Wozu nach seiner Sitte   sich auch ein Jeder schlug,
Das schuf des Königs Milde,   man gab doch Allen genug.

       *       *       *       *       *



Zweiundzwanzigstes Abenteuer.

Wie Kriemhild bei den Heunen empfangen ward.


Sie blieb zu Traisenmauer   bis an den vierten Tag.                1386
Der Staub in den Straßen   derweil nicht stille lag:
Aufstob er allenthalben   wie in hellem Brand.
Da ritten Etzels Leute   durch das Oesterreicherland.

Es war dem König Etzel   gemeldet in der Zeit,                     1387
Daß ihm vor Gedanken   schwand sein altes Leid,
Wie herrlich Frau Kriemhild   zöge durch das Land.
Da eilte hin der König,   wo er die Minnigliche fand.

Von gar manchen Sprachen   sah man auf den Wegen                   1388
Vor König Etzeln reiten   viel der kühnen Degen,
Von Christen und von Heiden   manches breite Heer.
Als sie die Herrin fanden,   sie zogen fröhlich einher.

Von Reußen und von Griechen   ritt da mancher Mann;                1389
Die Polen und Walachen   zogen geschwind heran
Auf den guten Rossen,   die sie herrlich ritten.
Da zeigte sich ein Jeder   in seinen heimischen Sitten.

Aus dem Land zu Kiew   ritt da mancher Mann                        1390
Und die wilden Peschenegen.   Mit Bogen hub man an
Zu schießen nach den Vögeln,   die in den Lüften flogen;
Mit Kräften sie die Pfeile   bis zu des Bogens Ende zogen.

Eine Stadt liegt an der Donau   im Oesterreicherland,              1391
Die ist geheißen Tulna.   Da ward ihr bekannt
Manche fremde Sitte,   die sie noch niemals sah.
Da empfiengen sie gar Viele,   denen noch Leid von ihr geschah.

Es ritt dem König Etzel   ein Ingesind voran,                      1392
Fröhlich und prächtig,   höfisch und wohlgethan,
Wohl vierundzwanzig Fürsten,   mächtig und hehr:
Ihre Königin zu schauen,   sie begehrten sonst nichts mehr.

Ramung, der Herzog   aus Walachenland,                             1393
Mit siebenhundert Mannen   kam er vor sie gerannt.
Wie fliegende Vögel   sah man sie alle fahren.
Da kam der Fürst Gibeke   mit viel herrlichen Scharen.

Hornbog der schnelle   ritt mit tausend Mann                       1394
Von des Königs Seite   zu seiner Fraun heran.
Sie prangten und stolzierten   nach ihres Landes Sitten.
Von den Heunenfürsten   ward auch da herrlich geritten.

Da kam vom Dänenlande   der kühne Hawart                           1395
Und Iring der schnelle,   vor allem Falsch bewahrt;
Von Thüringen Irnfried,   ein waidlicher Mann:
Sie empfiengen Kriemhilden,   daß sie viel Ehre gewann,

Mit zwölfhundert Mannen,   die zählte ihre Schar.                  1396
Da kam der Degen Blödel   mit dreitausend gar,
König Etzels Bruder   aus dem Heunenland:
Der ritt in stolzem Zuge,   bis er die Königin fand.

Da kam der König Etzel   und Herr Dieterich                        1397
Mit seinen Helden allen.   Da sah man ritterlich
Manchen edeln Ritter   bieder und auch gut.
Davon ward Kriemhilden   gar wohl erhoben der Muth.

Da sprach zu der Königin   der edle Rüdiger:                       1398
"Frau, euch will empfangen   hier der König hehr.
Wen ich euch küssen heiße,   dem sei der Kuss gegönnt:
Wißt, daß ihr Etzels Recken   nicht alle gleich empfangen könnt."

Da hob man von der Mähre   die Königin hehr.                       1399
Etzel der reiche   nicht säumt' er länger mehr:
Er schwang sich von dem Rosse   mit manchem kühnen Mann;
Voller Freuden kam er   zu Frau Kriemhilden heran.

Zwei mächtige Fürsten,   das ist uns wohlbekannt,                  1400
Giengen bei der Frauen   und trugen ihr Gewand,
Als der König Etzel   ihr entgegen gieng
Und sie den edlen Fürsten   mit Küssen gütlich empfieng.

Sie schob hinauf die Binden:   ihre Farbe wohlgethan               1401
Erglänzt' aus dem Golde.   Da sagte mancher Mann,
Frau Helke könne schöner   nicht gewesen sein.
Da stand in der Nähe   des Königs Bruder Blödelein.

Den rieth ihr zu küssen   Rüdiger der Markgraf reich               1402
Und den König Gibeke,   Dietrichen auch zugleich:
Zwölf der Recken küsste   Etzels Königin;
Da blickte sie mit Grüßen   noch zu manchem Ritter hin.

Während König Etzel   bei Kriemhilden stand,                       1403
Thaten junge Degen   wie Sitte noch im Land:
Waffenspiele wurden   schön vor ihr geritten;
Das thaten Christenhelden   und Heiden nach ihren Sitten.

Wie ritterlich die Degen   in Dietrichens Lehn                     1404
Die splitternden Schäfte   in die Lüfte ließen gehn
Hoch über Schilde   aus guter Ritter Hand!
Vor den deutschen Gästen   brach da mancher Schildesrand.

Von der Schäfte Krachen   vernahm man lauten Schall.               1405
Da waren aus dem Lande   die Recken kommen all
Und auch des Königs Gäste,   so mancher edle Mann:
Da gieng der reiche König   mit der Königin hindann.

Sie fanden in der Nähe   ein herrlich Gezelt.                      1406
Erfüllt war von Hütten   rings das ganze Feld;
Da war nach den Beschwerden   Rast für sie bereit.
Da geleiteten die Helden   darunter manche schöne Maid

Zu Kriemhild der Königin,   die dort darnieder saß                 1407
Auf reichem Stuhlgewande;   der Markgraf hatte das
So prächtig schaffen laßen,   sie fandens schön und gut.
Da stand dem König Etzel   in hohen Freuden der Muth.

Was sie zusammen redeten,   das ist mir unbekannt;                 1408
In seiner Rechten ruhte   ihre weiße Hand.
So saßen sie in Minne,   als Rüdiger der Degen
Dem König nicht gestattete,   Kriemhildens heimlich zu pflegen.

Da ließ man unterbleiben   das Kampfspiel überall;                 1409
Mit Ehren ward beendet   der laute Freudenschall.
Da giengen zu den Hütten   Die Etzeln unterthan;
Herberge wies man ihnen   ringsum allenthalben an.

Den Abend und nachtüber   fanden sie Ruhe da,                      1410
Bis man den lichten Morgen   wieder scheinen sah.
Da kamen hoch zu Rosse   viel Helden ausersehn;
Hei! was sah man Kurzweil   zu des Königs Ehren geschehn!

Nach Würden es zu schaffen   der Fürst die Heunen bat.             1411
Da ritten sie von Tulna   gen Wien in die Stadt.
In schönem Schmucke fand man   da Frauen ohne Zahl.
Sie empfiengen wohl mit Ehren   König Etzels Gemahl.

In Ueberfluß und Fülle   war da für sie bereit,                    1412
Wes sie nur bedurften.   Viel Degen allbereit
Sahn froh dem Fest entgegen.   Herbergen wies man an;
Die Hochzeit des Königs   mit hohen Freuden begann.

Man mochte sie nicht alle   herbergen in der Stadt:                1413
Die nicht Gäste waren,   Rüdiger die bat,
Daß sie Herberge   nahmen auf dem Land.
Wohl weiß ich, daß man immer   den König bei Kriemhilden fand.

Dietrich der Degen   und mancher andre Held                        1414
Die hatten ihre Muße   mit Arbeit eingestellt,
Auf daß sie den Gästen   trösteten den Muth;
Rüdger und seine Freunde   hatten Kurzweile gut.

Die Hochzeit war gefallen   auf einen Pfingstentag,                1415
Wo der König Etzel   bei Kriemhilden lag
In der Stadt zu Wiene.   Fürwahr so manchen Mann
Bei ihrem ersten Manne   sie nicht zu Diensten gewann.

Durch Gabe ward sie Manchem,   der sie nicht kannte, kund.         1416
Darüber zu den Gästen   hub Mancher an zur Stund:
"Wir wähnten, Kriemhilden   benommen wär ihr Gut,
Die nun mit ihren Gaben   hier so große Wunder thut."

Diese Hochzeit währte   siebzehn Tage lang.                        1417
Von keinem andern König   weiß der Heldensang,
Der solche Hochzeit hielte:   es ist uns unbekannt.
Alle, die da waren,   die trugen neues Gewand.

Sie hatte nie geseßen   daheim in Niederland                       1418
Vor so manchem Recken;   auch ist mir wohlbekannt,
War Siegfried reich an Schätzen,   so hatte er doch nicht
So viel der edeln Recken,   als sie hier sah in Etzels Pflicht.

Wohl gab auch nie ein König   bei seiner Hochzeit                  1419
So manchen reichen Mantel,   lang, tief und weit,
Noch so gute Kleider,   als man hier gewann,
Die Kriemhildens willen   alle wurden vertan.

Ihre Freunde wie die Gäste   hatten Einen Muth:                    1420
Sie dachten nichts zu sparen,   und wärs das beste Gut.
Was Einer wünschen mochte,   man war dazu bereit;
Da Standen viel der Degen   vor Milde bloß und ohne Kleid.

Wenn sie daran gedachte,   wie sie am Rheine saß                   1421
Bei ihrem edeln Manne,   ihre Augen wurden naß;
Doch hehlte sie es immer,   daß es Niemand sah,
Da ihr nach manchem Leide   so viel der Ehren geschah.

Was Einer that aus Milde,   das war doch gar ein Wind              1422
Gegen Dietrichen:   was Botlungens Kind
Ihm gegeben hatte,   das wurde gar verwandt.
Da begieng auch große Wunder   des milden Rüdiger Hand.

Auch aus Ungarlande   der Degen Blödelein                          1423
Ließ da ledig machen   manchen Reiseschrein
Von Silber und von Golde:   das ward dahin gegeben.
Man sah des Königs Helden   so recht fröhlich alle leben.

Des Königs Spielleute,   Werbel und Schwemmelein,                  1424
Wohl an tausend Marken   nahm Jedweder ein
Bei dem Hofgelage   (oder mehr als das),
Als die schöne Kriemhild   bei Etzeln unter Krone saß.

Am achtzehnten Morgen   von Wien die Helden ritten.                1425
In Ritterspielen wurden   der Schilde viel verschnitten
Von Speren, so da führten   die Recken an der Hand:
So kam der König Etzel   mit Freuden in der Heunen Land.

In Heimburg der alten   verblieb man über Nacht.                   1426
Da konnte Niemand wißen   recht des Volkes Macht,
Mit welchen Heerkräften   sie ritten durch das Land.
Hei! was schöner Frauen   man in seiner Heimat fand!

In Misenburg der reichen   fieng man zu segeln an.                 1427
Verdeckt ward das Wasser   von Ross und auch von Mann,
Als ob es Erde wäre,   was man doch fließen sah.
Die wegemüden Frauen   mochten sich wohl ruhen da.

Zusammen war gebunden   manches Schifflein gut,                    1428
Daß ihnen wenig schaden   Woge mocht und Flut;
Darüber ausgebreitet   manch köstlich Geleit,
Als ob sie noch immer   beides hatten, Land und Feld.

Nun ward auch in Etzelnburg   die Märe kund gethan:                1429
Da freute sich darinnen   beides, Weib und Mann.
Etzels Ingesinde,   des einst Frau Helke pflag,
Erlebte bei Kriemhilden   noch manchen fröhlichen Tag.

Da stand ihrer harrend   gar manche edle Maid,                     1430
Die seit Helkens Tode   getragen Herzeleid.
Sieben Königstöchter   Kriemhild noch da fand;
Durch die so ward gezieret   König Etzels ganzes Land.

Herrat die Jungfrau   noch des Gesindes pflag,                     1431
Helkens Schwestertochter,   in der viel Tugend lag,
Dietrichs Verlobte,   eines edeln Königs Sproß,
Die Tochter Nentweinens,   die noch viel Ehren genoß.

Auf der Gäste Kommen   freute sich ihr Muth;                       1432
Auch war dazu verwendet   viel kostbares Gut.
Wer könnt euch des bescheiden,   wie der König saß seitdem?
Den Heunen ward nicht wieder   eine Königin so genehm.

Als der Fürst mit seinem Weibe   geritten kam vom Strand,          1433
Wer eine Jede führte,   das ward da wohl benannt
Kriemhild der edeln:   sie grüßte desto mehr.
Wie saß an Helkens Stelle   sie bald gewaltig und hehr!

Getreulichen Dienstes   ward ihr viel bekannt.                     1434
Die Königin vertheilte   Gold und Gewand,
Silber und Gesteine:   was sie des überrhein
Zum Heunenlande brachte,   das muste gar vergeben sein.

Auch wurden ihr mit Diensten   ergeben allzumal                    1435
Die Freunde des Königs   und denen er befahl,
Daß Helke nie die Königin   so gewaltiglich gebot,
Als sie ihr dienen musten   bis an Kriemhildens Tod.

Da stand in solchen Ehren   der Hof und auch das Land,             1436
Daß man zu allen Zeiten   die Kurzweile fand,
Wonach einem Jeden   verlangte Herz und Muth;
Das schuf des Königs Liebe,   dazu der Königin Gut.

       *       *       *       *       *



Dreiundzwanzigstes Abenteuer.

Wie Kriemhild ihr Leid zu rächen gedachte.


In so hohen Ehren,   das ist alles wahr,                           1437
Wohnten sie beisammen   bis an das siebte Jahr.
Eines Sohns war genesen   derweil die Königin:
Das schien König Etzel   der allergröste Gewinn.

Bis sie es erlangte,   ließ sie nicht ab davon,                    1438
Die Taufe must empfangen   König Etzels Sohn
Nach christlichem Brauche:   Ortlieb ward er genannt.
Darob war große Freude   über Etzels ganzem Land.

Der Zucht, deren jemals   zuvor Frau Helke pflag,                  1439
Fliß sich Frau Kriemhild   darauf gar manchen Tag.
Es lehrte sie die Sitte   Herrat die fremde Maid;
Die trug noch in der Stille   um Helke schmerzliches Leid.

Vor Heimischen und Fremden   gestanden allesamt                    1440
Beßer und milder   hab eines Königs Land
Nie eine Frau beseßen:   das hielten sie für wahr.
Des rühmten sie die Heunen   bis an das dreizehnte Jahr.

Nun wuste sie, daß Niemand   ihr feindlich sei gesinnt,            1441
Wie oft wohl Königinnen   der Fürsten Recken sind,
Und daß sie täglich mochte   zwölf Könge vor sich sehn.
Sie vergaß auch nicht des Leides,   das ihr daheim war geschehn.

Sie gedacht auch noch der Ehren   in Nibelungenland,               1442
Die ihr geboten worden   und die ihr Hagens Hand
Mit Siegfriedens Tode   hatte gar benommen,
Und ob ihm das nicht jemals   noch zu Leide sollte kommen.

"Es geschäh, wenn ich ihn bringen   möcht in dieses Land."         1443
Ihr träumte wohl, ihr gienge   bei Etzel an der Hand
Geiselher ihr Bruder;   sie küsst' ihn allezeit
In ihrem sanften Schlafe:   das ward zu schmerzlichem Leid.

Der üble Teufel war es wohl,   der Kriemhilden rieth,              1444
Daß sie in Freundschaft   von König Gunther schied
Und ihn zur Sühne küsste   in Burgundenland.
Aufs Neu begann zu triefen   von heißen Thränen ihr Gewand.

Es lag ihr an dem Herzen   beides, spat und fruh,                  1445
Wie man mit Widerstreben   sie doch gebracht dazu,
Daß sie minnen muste   einen heidnischen Mann:
Die Noth hatt ihr Hagen   und Herr Gunther angethan.

Wie sie das rächen möchte,   dachte sie alle Tage:                 1446
"Ich bin nun wohl so mächtig,   wem es auch missbehage,
Daß ich meinen Feinden   mag schaffen Herzeleid:
Dazu wär ich dem Hagen   von Tronje gerne bereit.

"Nach den Getreuen jammert   noch oft die Seele mein;              1447
Doch die mir Leides thaten,   möcht ich bei denen sein,
So würde noch gerochen   meines Friedels Tod.
Kaum kann ich es erwarten,"   sprach sie in des Herzens Noth.

Es liebten sie Alle,   die dem König unterthan,                    1448
Die Recken Kriemhildens;   das war wohlgethan.
Ihr Kämmerer war Eckewart:   drum ward er gern gesehn:
Kriemhildens Willen   konnte Niemand widerstehn.

Sie gedacht auch alle Tage:   "Ich will den König bitten,"         1449
Er möcht ihr vergönnen   mit gütlichen Sitten,
Daß man ihre Freunde   brächt in der Heunen Land.
Den argen Willen Niemand   an der Königin verstand.

Als eines Nachts Frau Kriemhild   bei dem König lag,               1450
Umfangen mit den Armen   hielt er sie, wie er pflag
Der edeln Frau zu kosen,   sie war ihm wie sein Leib,
Da gedachte ihrer Feinde   dieses herrliche Weib.

Sie sprach zu dem König:   "Viel lieber Herre mein,                1451
Ich wollt euch gerne bitten,   möcht es mit Hulden sein,
Daß ihr mich sehen ließet,   ob ich verdient den Sold,
Daß ihr meinen Freunden   wäret inniglich hold."

Da sprach der mächtge König,   arglos war sein Muth:               1452
"Des sollt ihr inne werden:   was man den Helden thut
Zu Ehren und zu Gute,   mir geschieht ein Dienst daran,
Da ich von Weibesminne   nie beßre Freunde gewann."

Noch sprach zu ihm die Königin:   "Ihr wißt so gut wie ich,        1453
Ich habe hohe Freunde:   darum betrübt es mich,
Daß mich die so selten   besuchen hier im Land:
Ich bin allen Leuten   hier nur als freundlos bekannt."

Da sprach der König Etzel:   "Viel liebe Fraue mein,               1454
Däucht' es sie nicht zu ferne,   so lüd ich überrhein,
Die ihr da gerne sähet,   hieher zu meinem Land."
Sie freute sich der Rede,   als ihr sein Wille ward bekannt.

Sie sprach: "Wollt ihr mir Treue   leisten, Herre mein,            1455
So sollt ihr Boten senden   gen Worms überrhein.
So entbiet ich meinen Freunden   meinen Sinn und Muth:
So kommen uns zu Lande   viel Ritter edel und gut."

Er sprach: "Wenn ihr gebietet,   so laß ich es geschehn.           1456
Ihr könntet eure Freunde   nicht so gerne sehn,
Der edeln Ute Kinder,   als ich sie sähe gern:
Es ist mir ein Kummer,   daß sie so fremd uns sind und fern."

Er sprach: "Wenn dirs gefiele,   viel liebe Fraue mein,            1457
Wollt ich als Boten senden   zu den Freunden dein
Meine Fiedelspieler   gen Burgundenland."
Die guten Spielleute   ließ man bringen gleich zur Hand.

Die Knappen kamen beide,   wo sie den König sahn                   1458
Sitzen bei der Königin.   Da sagt' er ihnen an,
Sie sollten Boten werden   nach Burgundenland.
Auch ließ er ihnen schaffen   reiches herrliches Gewand.

Vierundzwanzig Recken   schnitt man da das Kleid.                  1459
Ihnen ward auch von dem König   gegeben der Bescheid,
Wie sie Gunthern laden sollten   und Die ihm unterthan.
Frau Kriemhild mit ihnen   geheim zu sprechen begann.

Da sprach der reiche König:   "Nun hört, wie ihr thut:             1460
Ich entbiete meinen Freunden   alles, was lieb und gut,
Daß sie geruhn zu reiten   hieher in mein Land.
Ich habe noch gar selten   so liebe Gäste gekannt.

"Und wenn sie meinen Willen   gesonnen sind zu thun,               1461
Kriemhilds Verwandte,   so mögen sie nicht ruhn
Und mir zu Liebe kommen   zu meinem Hofgelag,
Da meiner Schwäger Freundschaft   mich so sehr erfreuen mag."

Da sprach der Fiedelspieler,   der stolze Schwemmelein:            1462
"Wann soll euer Gastgeber   in diesen Landen sein?
Daß wirs euern Freunden   am Rhein mögen sagen."
Da sprach der König Etzel:   "In der nächsten Sonnenwende Tagen."

"Wir thun, was ihr gebietet,"   sprach da Werbelein.               1463
Kriemhild ließ die Boten   zu ihrem Kämmerlein
Führen in der Stille   und besprach mit ihnen da,
Wodurch noch manchem Degen   bald wenig Liebes geschah.

Sie sprach zu den Boten:   "Ihr verdient groß Gut,                 1464
Wenn ihr besonnen   meinen Willen thut
Und sagt, was ich entbiete   heim in unser Land:
Ich mach euch reich an Gute   und geb euch herrlich Gewand.

"Wen ihr von meinen Freunden   immer möget sehn                    1465
Zu Worms an dem Rheine,   dem sollt ihrs nie gestehn,
Daß ihr mich immer sähet   betrübt in meinem Muth;
Und entbietet meine Grüße   diesen Helden kühn und gut.

"Bittet sie zu leisten,   was mein Gemahl entbot,                  1466
Und mich dadurch zu scheiden   von all meiner Noth.
Ich scheine hier den Heunen   freundlos zu sein.
Wenn ich ein Ritter hieße   ich käme manchmal an den Rhein.

"Und sagt auch Gernoten,   dem edeln Bruder mein,                  1467
Daß ihm auf Erden Niemand   holder möge sein:
Bittet, daß er mir bringe   hierher in dieses Land
Unsre besten Freunde:   so wird uns Ehre bekannt.

"Sagt auch Geiselheren,   ich mahn ihn daran,                      1468
Daß ich mit seinem Willen   nie ein Leid gewann:
Drum sähn ihn hier im Lande   gern die Augen mein;
Auch will ich all mein Leben   ihm zu Dienst verpflichtet sein.

"Sagt auch meiner Mutter,   wie mir Ehre hier geschieht;           1469
Und wenn von Tronje Hagen   der Reise sich entzieht,
Wer ihnen zeigen solle   die Straßen durch das Land?
Die Wege zu den Heunen   sind von frühauf ihm bekannt."

Nun wusten nicht die Boten,   warum das möge sein,                 1470
Daß sie diesen Hagen   von Tronje nicht am Rhein
Bleiben laßen sollten.   Bald ward es ihnen leid:
Durch ihn war manchem Degen   mit dem grimmen Tode gedräut.

Botenbrief und Siegel   ward ihnen nun gegeben;                    1471
Sie fuhren reich an Gute   und mochten herrlich leben.
Urlaub gab ihnen Etzel   und sein schönes Weib;
Ihnen war auch wohlgezieret   mit guten Kleidern der Leib.

       *       *       *       *       *



Vierundzwanzigstes Abenteuer.

Wie Werbel und Schwemmel die Botschaft brachten.


Als Etzel seine Fiedler   hin zum Rheine sandte,                   1472
Da flogen diese Mären   von Lande zu Lande:
Mit schnellen Abgesandten   bat er und entbot
Zu seinem Hofgelage;   da holte Mancher sich den Tod.

Die Boten ritten hinnen   aus der Heunen Land                      1473
Zu den Burgunden,   wohin man sie gesandt
Zu dreien edeln Königen   und ihrer Mannen Heer:
Daß sie zu Etzeln kämen;   da beeilten sie sich sehr.

Zu Bechlaren ritten   schon die Boten ein.                         1474
Ihnen diente man da gerne   und ließ auch das nicht sein:
Ihre Grüße sandten   Rüdger und Gotelind
Den Degen an dem Rheine   und auch des Markgrafen Kind.

Sie ließen ohne Gaben   die Boten nicht hindann,                   1475
Daß desto sanfter führen   Die Etzeln unterthan.
Uten und ihren Söhnen   entbot da Rüdiger,
Ihnen so gewogen hätten   sie keinen Markgrafen mehr.

Sie entboten auch Brunhilden   Alles, was lieb und gut,            1476
Ihre stäte Treue   und dienstbereiten Muth.
Da wollten nach der Rede   die Boten weiter ziehn;
Gott bat sie zu bewahren   Gotlind die edle Markgräfin.

Eh noch die Boten völlig   durchzogen Baierland,                   1477
Werbel der Schnelle   den guten Bischof fand.
Was der da seinen Freunden   hin an den Rhein entbot,
Davon hab ich nicht Kunde;   jedoch sein Gold also roth

Gab er den Boten milde.   Als sie wollten ziehn,                   1478
"Sollt ich sie bei mir schauen,"   sprach Bischof Pilgerin,
"So wär mir wohl zu Muthe,   die Schwestersöhne mein:
Ich mag leider selten   zu ihnen kommen an den Rhein."

Was sie für Wege fuhren   zum Rhein durch das Land,                1479
Kann ich euch nicht bescheiden.   Ihr Gold und ihr Gewand
Blieb ihnen unbenommen;   man scheute Etzels Zorn:
So gewaltig herrschte   der edle König wohlgeborn.

Binnen zwölf Tagen   kamen sie an den Rhein,                       1480
Gen Worms in die Veste,   Werbel und Schwemmelein.
Da sagte mans dem König   und seinen Mannen an,
Es kämen fremde Boten;   Gunther zu fragen begann.

Da sprach der Vogt vom Rheine:   "Wer macht uns bekannt,           1481
Von wannen diese Gäste   ritten in das Land?"
Davon wuste Niemand,   bis die Boten sah
Hagen von Tronje:   der begann zu Gunthern da:

"Wir hören Neues heute,   dafür will ich euch stehn:               1482
Etzels Fiedelspieler   die hab ich hier gesehn;
Die hat eure Schwester   gesendet an den Rhein:
Ihres Herren Willen   sollen sie uns willkommen sein."

Sie ritten ohne Weilen   zu dem Saal heran:                        1483
So herrlich fuhr wohl nimmer   eines Fürsten Fiedelmann.
Des Königs Ingesinde   empfieng sie gleich zur Hand;
Herberge gab man ihnen   und bewahrte ihr Gewand.

Ihre Reisekleider waren   reich und so wohlgethan,                 1484
Sie mochten wohl mit Ehren   sich so dem König nahn;
Doch wollten sie nicht länger   sie dort am Hofe tragen.
"Ob Jemand sie begehre?"   ließen da die Boten fragen.

Da waren auch bedürftige   Leute bei der Hand,                     1485
Die sie gerne nahmen:   denen wurden sie gesandt.
Da schmückten mit Gewanden   so reich die Gäste sich,
Wie es Königsboten   herrlich stand und wonniglich.

Da gieng mit Urlaube   hin, wo der König saß                       1486
Etzels Ingesinde:   gerne sah man das.
Herr Hagen gleich den Boten   vom Sitz entgegen sprang,
Sie freundlich zu begrüßen:   des sagten ihm die Knappen Dank.

Da hub er um die Kunde   sie zu befragen an,                       1487
Wie Etzel sich gehabe   und Die ihm unterthan.
Da sprach der Fiedelspieler:   "Nie beßer stands im Land,
Das Volk war niemals froher,   das sei euch wahrlich bekannt."

Er führte sie dem Wirthe zu;   der Königssaal war voll:            1488
Da empfieng man die Gäste,   wie man immer soll
Boten freundlich grüßen   in andrer Könge Land.
Werbel der Recken   viel bei König Gunthern fand.

Der König wohlgezogen   zu grüßen sie begann:                      1489
"Willkommen, beide Fiedler,   die Etzeln unterthan,
Mit euern Heergesellen:   wozu hat euch gesandt
Etzel der reiche   zu der Burgunden Land?"

Sie neigten sich dem König.   Da sprach Werbelein:                 1490
"Euch entbietet seine Dienste   der liebe Herre mein
Und Kriemhild eure Schwester   hieher in dieses Land:
Sie haben uns euch Recken   auf gute Treue gesandt."

Da sprach der reiche König:   "Der Märe bin ich froh.              1491
Wie gehabt sich Etzel,"   der Degen fragte so,
"Und Kriemhild meine Schwester   in der Heunen Land?"
Da sprach der Fiedelspieler:   "Das mach ich gern euch bekannt.

"Beßer wohl gehabten   sich Könge nirgend mehr                     1492
Und fröhlicher, das wißet, als die Fürsten hehr
Und ihre Degen alle,   Freund und Untertan.
Sie freuten sich der Reise,   da wir schieden hindann,"

"Nun Dank ihm für die Dienste,   die er mir entbeut,               1493
Ihm und meiner Schwester:   gern erfahr ich heut,
Daß sie in Freuden leben,   der König und sein Lehn;
Meine Frage war nach ihnen   in großen Sorgen geschehn."

Die beiden jungen Könige   waren auch gekommen,                    1494
Die hatten diese Märe   eben erst vernommen.
Geiselher der junge   die Boten gerne sah
Aus Liebe zu der Schwester;   gar minniglich sprach er da:

"Ihr Boten sollt uns beide   hochwillkommen sein;                  1495
Kämet ihr geritten nur öfter   an den Rhein,
Ihr fändet hier der Freunde,   die ihr gerne möchtet sehn.
Euch sollte hier zu Lande   wenig Leides geschehn."

"Wir versehn uns alles Guten   zu euch," sprach Schwemmelein;      1496
"Ich könnt euch nicht bedeuten   mit den Worten mein,
Wie minnigliche Grüße   euch Etzel hat gesandt
Und eure edle Schwester,   die da in hohen Ehren stand.

"An eure Lieb und Treue   mahnt euch die Königin                   1497
Und daß ihr stäts gewogen   war euer Herz und Sinn.
Zuvörderst euch, Herr König,   sind wir hieher gesandt,
Daß ihr geruht zu reiten   zu ihnen in der Heunen Land.

"Es soll auch mit euch reiten   euer Bruder Gernot.                1498
Etzel der reiche   euch Allen das entbot,
Wenn ihr nicht kommen wolltet,   eure Schwester sehn,
So möcht er doch wohl wißen,   was euch von ihm war geschehn,

"Daß ihr ihn also meidet   und auch sein Reich und Land.           1499
Wär euch auch die Königin   fremd und unbekannt,
So möcht er selbst verdienen,   ihr kämet ihn zu sehn:
Wenn ihr das leisten wolltet,   so wär ihm Liebes geschehn."

Da sprach der König Gunther:   "Nach der siebten Nacht             1500
Will ich euch bescheiden,   wes ich mich bedacht
Hab im Rath der Freunde;   geht derweilen hin
Zu eurer Herberge   und findet gute Ruh darin."

Da sprach wieder Werbel:   "Könnt es nicht geschehn,               1501
Daß wir unsre Fraue,   die reiche Ute, sehn,
Eh wir müden Degen   fragten nach der Ruh?"
Da sprach wohlgezogen   der edle Geiselher dazu:

"Das soll euch Niemand wehren;   wollt ihr vor sie gehn,           1502
So ist auch meiner Mutter   Will und Wunsch geschehn,
Denn sie sieht euch gerne   um die Schwester mein,
Frau Kriemhilde:   ihr sollt ihr willkommen sein."

Geiselher sie brachte   hin, wo er Uten fand.                      1503
Die sah die Boten gerne   aus der Heunen Land
Und empfieng sie freundlich   mit wohlgezognem Muth.
Da sagten ihr die Märe   die Boten höfisch und gut.

"Meine Frau läßt euch entbieten,"   sprach da Schwemmelein,        1504
"Dienst und stäte Treue,   und wenn es möchte sein,
Daß sie euch öfter sähe,   so glaubet sicherlich,
Wohl keine andre Freude   auf Erden wünschte sie sich."

Da sprach die Königin Ute:   "Dass kann nun nicht sein.            1505
So gern ich öfter sähe   die liebe Tochter mein,
So wohnt zu fern uns leider   die edle Königin:
Nun geh ihr immer selig   die Zeit mit Etzeln dahin.

"Ihr sollt mich wißen laßen,   eh ihr von hinnen müßt,             1506
Wenn ihr reiten wollet;   ich sah in langer Frist
Boten nicht so gerne,   als ich euch gesehn."
Da gelobten ihr die Knappen,   ihr Wille solle geschehn.

Zu den Herbergen giengen   Die von Heunenland.                     1507
Der reiche König hatte   die Freunde nun besandt.
Gunther der edle   fragte Mann für Mann,
Was sie darüber dächten?   Wohl Manche huben da an,

Er möge wohl reiten   in König Etzels Land.                        1508
Das riethen ihm die Besten,   die er darunter fand.
Hagen nur alleine,   dem war es grimmig leid.
Zum König sprach er heimlich:   "Mit euch selbst seid ihr im Streit.

Ihr habt doch nicht vergeßen,   was ihr von uns geschehn:          1509
Vor Kriemhilden müßen   wir stäts in Sorge stehn.
Ich schlug ihr zu Tode   den Mann mit meiner Hand:
Wie dürften wir wohl reiten   hin in König Etzels Land?"

Da sprach der reiche König:   "Meiner Schwester Zürnen schwand.    1510
Mit minniglichem Kusse,   eh sie verließ dieß Land,
Hat sie uns verziehen,   was wir an ihr gethan,
Es wäre denn, sie stände   bei euch, Herr Hagen, noch an."

"Nun laßt euch nicht betrügen,"   sprach Hagen, "was auch sagen    1511
Diese Heunenboten:   wollt ihrs mit Kriemhild wagen,
Da verliert ihr zu der Ehre   Leben leicht und Leib:
Sie weiß wohl nachzutragen,   dem König Etzel sein Weib!"

Da sprach vor dem Rathe   der König Gernot:                        1512
"Ihr mögt aus guten Gründen   fürchten dort den Tod
In heunischen Reichen;   ständen wir drum an
Und mieden unsre Schwester,   das wär übel gethan."

Da sprach zu dem Degen   der junge Geiselher:                      1513
"Da ihr euch, Freund Hagen,   schuldig wißt so sehr,
So bleibt hier im Lande,   euer Heil zu weisen;
Nur laßt, die sichs getrauen,   mit uns zu den Heunen fahren."

Darob begann zu zürnen   von Tronje der Held:                      1514
"Ich will nicht, daß euch Jemand   sei bei der Fahrt gesellt,
Der an den Hof zu reiten   sich mehr getraut als ich:
Wollt ihrs nicht bleiben laßen,   ich beweis' es euch sicherlich."

Da sprach der Küchenmeister   Rumold der Degen:                    1515
"Der Heimischen und Fremden   mögt ihr zu Hause pflegen
Nach euerm Wohlgefallen:   da habt ihr vollen Rath;
Ich glaube nicht, daß Hagen   euch noch je vergeiselt hat.

"Wollt ihr nicht Hagen folgen,   so räth euch Rumold,              1516
Der ich euch dienstlich   gewogen bin und hold,
Daß ihr im Lande bleibet   nach dem Willen mein
Und laßt den König Etzel   dort bei Kriemhilden sein.

"Wo könntet ihr auf Erden   so gut als hier gedeihn?               1517
Ihr mögt vor euern Feinden   daheim geborgen sein,
Ihr sollt mit guten Kleidern   zieren euern Leib,
Des besten Weines trinken   und minnen manches schöne Weib.

"Dazu giebt man euch Speise,   so gut sie in der Welt              1518
Ein König mag gewinnen.   Euer Land ist wohl bestellt:
Der Hochzeit Etzels mögt ihr euch   mit Ehren wohl begeben
Und hier mit euern Freunden   in guter Kurzweile leben.

"Und hättet ihr nichts Anderes   davon zu zehren hier,             1519
Ich gab euch Eine Speise   die Fülle für und für,
In Oel gesottne Schnitten.   Das ist, was Rumold räth,
Da es gar so ängstlich,   ihr Herrn, dort bei den Heunen steht.

"Hold wird euch Frau Kriemhild   doch nimmer, glaubet mir;         1520
Auch habt ihr und Hagen   es nicht verdient an ihr.
Und wollt ihr nicht verbleiben,   wer weiß, wie ihrs beklagt:
Ihr werdets noch erkennen,   ich hab euch Wahrheit gesagt.

"Drum rath ich euch zu bleiben.   Reich ist euer Land:             1521
Ihr könnt hier beßer lösen,   was ihr gabt zu Pfand,
Als dort bei den Heunen:   wer weiß, wie es da steht?
Verbleibt hier, ihr Herren:   das ist, was Rumold euch rath."

"Wir wollen nun nicht bleiben,"   sprach da Gernot.                1522
"Da es meine Schwester   so freundlich uns entbot
Und Etzel der reiche,   was führen wir nicht hin?
Die nicht mit uns wollen,   mögen bleiben immerhin."

"In Treuen," sprach da Rumold,   "ich will der Eine sein,          1523
Der um Etzels Hofgelag   kommt nimmer überrhein.
Wie setzt' ich wohl das Beßre   aufs Spiel, das ich gewann?
Ich will mich selbst so lange   am Leben laßen, als ich kann."

"So denk ichs auch zu reiten,"   sprach Ortwein der Degen:         1524
"Ich will der Geschäfte   zu Hause mit euch pflegen."
Da sprachen ihrer Viele,   sie wollten auch nicht fahren:
"Gott woll euch, liebe Herren,   bei den Heunen wohl bewahren."

Der König Gunther zürnte,   als er ward gewahr,                    1525
Sie wollten dort verbleiben,   der Ruhe willen zwar:
"Wir wollens drum nicht laßen,   wir müßen an die Fahrt;
Der waltet guter Sinne,   der sich allezeit bewahrt."

Zur Antwort gab da Hagen:   "Laßt euch zum Verdruß                 1526
Meine Rede nicht gereichen:   was auch geschehen muß,
Das rath ich euch in Treuen,   wenn ihr euch gern bewahrt,
Daß ihr nur wohlgerüstet   zu dem Heunenlande fahrt.

"Wenn ihrs euch unterwindet,   so entbietet euer Heer,             1527
Die Besten, die ihr findet   und irgend wißt umher,
Aus ihnen Allen wähl ich dann   tausend Ritter gut:
So mag euch nicht gefährden   der argen Kriemhilde Muth."

"Dem Rathe will ich folgen,"   sprach der König gleich.            1528
Da sandt er seine Boten   umher in seinem Reich.
Bald brachte man der Helden   dreitausend oder mehr.
Sie dachten nicht zu finden   so großes Leid und Beschwer.

Sie ritten hohes Muthes   durch König Gunthers Land.               1529
Sie verhießen Allen   Ross' und Gewand,
Die ihnen geben wollten   zum Heunenland Geleit.
Da fand viel gute Ritter   der König zu der Fahrt bereit.

Da ließ von Tronje Hagen   Dankwart den Bruder sein                1530
Achtzig ihrer Recken   führen an den Rhein.
Sie kamen stolz gezogen;   Harnisch und Gewand
Brachten viel die schnellen   König Gunthern in das Land.

Da kam der kühne Volker,   ein edler Spielmann,                    1531
Mit dreißig seiner Degen   zu der Fahrt heran.
Ihr Gewand war herrlich,   ein König mocht es tragen.
Er wollte zu den Heunen,   ließ er dem Könige sagen.

Wer Volker sei gewesen,   das sei euch kund gethan.                1532
Es war ein edler Herre;   ihm waren unterthan
Viel der guten Recken   in Burgundenland;
Weil er fiedeln konnte,   war er der Spielmann genannt.

Hagen wählte tausend,   die waren ihm bekannt;                     1533
Was sie in starken Stürmen   gefrommt mit ihrer Hand
Und sonst begangen hatten,   das hatt er oft gesehn:
Auch alle Andern musten   ihnen Ehre zugestehn.

Die Boten Kriemhildens   der Aufenthalt verdroß;                   1534
Die Furcht vor ihrem Herren   war gewaltig groß:
Sie hielten alle Tage   um den Urlaub an.
Den gönnt' ihnen Hagen nicht:   das ward aus Vorsicht gethan.

Er sprach zu seinem Herren:   "Wir wollen uns bewahren,            1535
Daß wir sie reiten laßen,   bevor wir selber fahren
Sieben Tage später   in König Etzels Land:
Trägt man uns argen Willen,   das wird so beßer gewandt.

"So mag sich auch Frau Kriemhild   bereiten nicht dazu,            1536
Daß uns nach ihrem Rathe   Jemand Schaden thu.
Will sie es doch versuchen,   so fährt sie übel an:
Wir führen zu den Herren   manchen auserwählten Mann."

Die Sättel und die Schilde   und all ihr Gewand,                   1537
Das sie führen wollten   in König Etzels Land,
War nun bereit und fertig   für manchen kühnen Mann.
Etzels Spielleute   rief man zu Gunthern heran.

Da die Boten kamen,   begann Herr Gernot:                          1538
"Der König will leisten,   was Etzel uns entbot.
Wir wollen gerne kommen   zu seiner Lustbarkeit
Und unsre Schwester sehen;   daß ihr des außer Zweifel seid."

Da sprach der König Gunther:   "Wißt ihr uns zu sagen,             1539
Wann das Fest beginnt,   oder zu welchen Tagen
Wir erwartet werden?"   Da sprach Schwemmelein:
"Zur nächsten Sonnenwende   da soll es in Wahrheit sein."

Der König erlaubte das,   war noch nicht geschehn,                 1540
Wenn sie Frau Brunhilden   wünschten noch zu sehn,
Daß sie mit seinem Willen   sprächen bei ihr an.
Dem widerstrebte Volker:   da war ihr Liebes gethan.

"Es ist ja Frau Brunhild   nun nicht so wohlgemuth,                1541
Daß ihr sie schauen möchtet,"   sprach der Ritter gut.
"Wartet bis morgen,   so läßt man sie euch sehn."
Sie wähnten sie zu schauen,   da konnt es doch nicht geschehn.

Da ließ der reiche König,   er war den Boten hold,                 1542
Aus eigner hoher Milde   daher von seinem Gold
Auf breiten Schilden bringen;   wohl war er reich daran.
Ihnen ward auch reiche Schenkung   von seinen Freunden gethan.

Geiselher und Gernot,   Gere und Ortewein,                         1543
Wie sie auch milde waren,   das leuchtete wohl ein:
So reiche Gaben boten   sie den Boten an,
Daß sie's vor ihrem Herren   nicht getrauten zu empfahn.

Da sprach zu dem König   der Bote Werbelein:                       1544
"Herr König, laßt die Gaben   nur hier im Lande sein.
Wir könnens nicht verführen,   weil uns der Herr verbot,
Daß wir Geschenke nähmen:   auch thut es uns wenig Noth."

Da ward der Vogt vom Rheine   darüber ungemuth,                    1545
Daß sie verschmähen wollten   so reichen Königs Gut.
Da musten sie empfahen   sein Gold und sein Gewand,
Daß sie es mit sich führten   heim in König Etzels Land.

Sie wollten Ute schauen   vor ihrer Wiederkehr.                    1546
Die Spielleute brachte   der junge Geiselher
Zu Hof vor seine Mutter;   sie entbot der Königin,
Wenn man ihr Ehre biete,   so bedünk es sie Gewinn.

Da ließ die Königswitwe   ihre Borten und ihr Gold                 1547
Vertheilen um Kriemhildens,   denn der war sie hold,
Und König Etzels Willen   an das Botenpaar.
Sie mochtens wohl empfahen:   getreulich bot sie es dar.

Urlaub genommen hatten   nun von Weib und Mann                     1548
Die Boten Kriemhildens;   sie fuhren froh hindann
Bis zum Schwabenlande:   dahin ließ Gernot
Seine Helden sie begleiten,   daß sie nirgend litten Noth.

Als die von ihnen schieden,   die sie sollten pflegen,             1549
Gab ihnen Etzels Herschaft   Frieden auf den Wegen,
Daß ihnen Niemand raubte   ihr Ross noch ihr Gewand.
Sie ritten sehr in Eile   wieder in der Heunen Land.

Wo sie Freunde wusten,   da machten sie es kund,                   1550
In wenig Tagen kämen   die Helden von Burgund
Vom Rhein hergezogen   in der Heunen Land.
Pilgerin, dem Bischof,   ward auch die Märe bekannt.

Als sie vor Bechlaren   die Straße niederzogen,                    1551
Da ward um die Märe   Rüdger nicht betrogen,
Noch Frau Gotelinde,   die Markgräfin hehr.
Daß sie sie schauen sollten,   des freuten beide sich sehr.

Die Spielleute spornten   die Rosse mächtig an.                    1552
Sie sanden König Etzeln   in seiner Stadt zu Gran,
Gruß über Grüße,   die man ihm her entbot,
Brachten sie dem Könige:   vor Liebe ward er freudenroth.

Als Kriemhild der Königin   die Märe ward bekannt,                 1553
Ihre Brüder wollten   kommen in ihr Land,
Da ward ihr wohl zu Muthe:   sie gab den Boten Lohn
Mit reichlichen Geschenken;   sie hatte Ehre davon.

Sie sprach: "Nun sagt mir beide,   Werbel und Schwemmelein,        1554
Wer will von meinen Freunden   beim Hofgelage sein,
Von den höchsten, die wir luden   hieher in dieses Land?
Sagt an, was sprach wohl Hagen,   als ihm die Mähre ward bekannt?"

"Er kam zu ihrem Rathe   an einem Morgen fruh;                     1555
Wenig gute Sprüche   redet' er dazu,
Als sie die Fahrt gelobten   nach dem Heunenland:
Die hat der grimme Hagen   die Todesreise genannt.

"Es kommen eure Brüder,   die Könge alle drei,                     1556
In herrlichem Muthe.   Wer mehr mit ihnen sei,
Darüber ich des Weitern   euch nicht bescheiden kann.
Es will mit ihnen reiten   Volker der kühne Fiedelmann."

"Des mag ich leicht entbehren,"   sprach die Königin,              1557
"Daß ich auch Volkern sähe   her zu Hofe ziehn;
Hagen bin ich gewogen,   der ist ein Degen gut:
Daß wir ihn schauen sollen,   des hab ich fröhlichen Muth."

Hin gieng die Königstochter,   wo sie den König sah.               1558
Wie ininnigliche Worte   sprach Frau Kriemhild da:
"Wie gefallen euch die Mären,   viel lieber Herre mein?
Wes mich je verlangte,   das soll nun bald vollendet sein."

"Dein Will ist meine Freude,"   der König sprach da so:            1559
"Ich wär der eignen Freunde   nicht so von Herzen froh,
Wenn sie kommen sollten   hieher in unser Land.
Durch deiner Freunde Liebe   viel meiner Sorge verschwand."

Des Königs Amtleute   befahlen überall                             1560
Mit Gestühl zu schmücken   Pallas und Saal
Für die lieben Gäste,   die da sollten kommen.
Durch die ward bald dem König   viel hoher Freude benommen.

       *       *       *       *       *



Fünfundzwanzigstes Abenteuer.

Wie die Könige zu den Heunen fuhren.


Wie man dort gebarte,   vernahmt ihr nun genug.                    1561
Wohl kamen nie gefahren   in solchem stolzen Zug
So hochgemuthe Degen   in eines Königs Land;
Sie hatten, was sie wollten,   beides, Waffen und Gewand.

Der Vogt vom Rheine kleidete   aus seinem Heergeleit               1562
Der Degen tausend sechzig,   so gab man uns Bescheid,
Und neuntausend Knechte   zu dem Hofgelag;
Die sie zu Hause ließen,   beweinten es wohl hernach.

Da trug man ihr Geräthe   zu Worms übern Hof.                      1563
Wohl sprach da von Speier   ein alter Bischof
Zu der schönen Ute:   "Unsre Freunde wollen fahren
Zu dem Gastgebote:   möge Gott sie da bewahren."

Da sprach zu ihren Söhnen   Ute, die Fraue gut:                    1564
"Ihr solltet hier verbleiben,   Helden hochgemuth.
Geträumt hat mir heute   von ängstlicher Noth,
Wie all das Gevögel   in diesem Lande wäre todt."

"Wer sich an Träume wendet,"   sprach dawider Hagen,               1565
"Der weiß noch die rechte   Kunde nicht zu sagen,
Wie es mög am Besten   um seine Ehre stehn:
Es mag mein Herr nur immer   mit Urlaub hin zu Hofe gehn.

"Wir wollen gerne reiten   in König Etzels Land:                   1566
Da mag wohl Köngen dienen   guter Helden Hand,
So wir da schauen sollen   Kriemhildens Hochzeit."
Hagen rieth die Reise;   doch ward es später ihm leid.

Er hätt es widerrathen,   nur daß Gernot                           1567
Mit ungefügen Reden   ihm Spott entgegenbot.
Er mahnt' ihn an Siegfried,   Frau Kriemhildens Mann:
Er sprach: "Darum steht Hagen   die große Reise nicht an."

Da sprach von Tronje Hagen:   "Nicht Furcht ist's, daß ich's thu.  1568
Gebietet ihr es, Helden,   so greift immer zu:
Gern will ich mit euch reiten   in König Etzels Land."
Bald ward von ihm zerhauen   mancher Helm und Schildesrand.

Die Schiffe standen fertig   zu fahren überrhein;                  1569
Was sie an Kleidern hatten,   trugen sie darein.
Sie fanden viel zu schaffen   bis zur Abendzeit;
Sie huben sich von Hause   zur Reise freudig bereit.

Sie schlugen auf im Grase   sich Hütten und Gezelt                 1570
Jenseits des Rheines,   wo das Lager war bestellt.
Da bat noch zu verweilen   Gunthern sein schönes Weib;
Sie herzte nachts noch einmal   des Mannes waidlichen Leib.

Flöten und Posaunen   erschollen morgens fruh                      1571
Den Aufbruch anzukündigen:   da griff man bald dazu.
Wem Liebes lag im Arme,   herzte des Freundes Leib;
Mit Leid trennte Viele   des König Etzel Weib.

Der schönen Ute Söhne   die hatten einen Mann,                     1572
Der kühn war und bieder;   als man die Fahrt begann,
Sprach er zu dem Könige   geheim nach seinem Muth.
Er sprach: "Ich muß wohl trauern,   daß ihr die Hofreise thut."

Er war geheißen Rumold,   ein Degen auserkannt.                    1573
Er sprach: "Wem wollt ihr laßen   Leute nun und Land?
Daß Niemand doch euch Recken   wenden mag den Muth!
Die Mären Kriemhildens   dauchten mich niemals gut."

"Das Land sei dir befohlen   und auch mein Söhnelein;              1574
Und diene wohl den Frauen:   das ist der Wille mein.
Wen du weinen siehest,   dem tröste Herz und Sinn;
Es wird uns nichts zu Leide   Kriemhild thun, die Königin."

Eh man schied von dannen,   berieth der König hehr                 1575
Sich mit den höchsten Mannen;   er ließ nicht ohne Wehr
Das Land und die Burgen:   die ihrer sollten pflegen,
Zum Schutze ließ er denen   manchen auserwählten Degen.

Die Rosse standen aufgezäumt   den Mannen wie den Herrn:           1576
Mit minniglichem Kusse   zog da Mancher fern,
Dem noch in hohem Muthe   lebte Seel und Leib;
Das muste bald beweinen   manches waidliche Weib.

Wehruf und Weinen   hörte man genug;                               1577
Auf dem Arm die Königin   ihr Kind dem König trug:
"Wie wollt ihr so verwaisen   uns beide auf ein Mal?
Verbleibet uns zu Liebe,"   sprach sein jammerreich Gemahl.

"Frau, ihr sollt nicht weinen   um den Willen mein,                1578
Ihr mögt hier ohne Sorgen   in hohem Muthe sein:
Wir kommen bald euch wieder   mit Freuden wohl gesund."
Sie schieden von den Freunden   minniglich zur selben Stund.

Als man die schnellen Recken   sah zu den Rossen gehn,             1579
Fand man viel der Frauen   in hoher Trauer stehn.
Daß sie auf ewig schieden,   sagt' ihnen wohl der Muth:
Zu großem Schaden kommen,   das thut Niemanden gut.

Die schnellen Burgunden   begannen ihren Zug.                      1580
Da ward in dem Lande   das Treiben groß genug;
Beiderseits des Rheines   weinte Weib und Mann.
Wie auch das Volk gebarte,   sie fuhren fröhlich hindann.

Niblungens Helden   zogen mit ihnen aus                            1581
In tausend Halsbergen:   die hatten dort zu Haus
Viel schöne Fraun gelaßen   und sahn sie nimmermehr.
Siegfriedens Wunden   die schmerzten Kriemhilden sehr.

Nur schwach in jenen Zeiten   war der Glaube noch:                 1582
Es sang ihnen Messe   ein Kaplan jedoch:
Der kam gesund zurücke,   obwohl aus großer Noth;
Die andern blieben alle   dort im Heunenlande todt.

Da lenkten mit der Reise   auf den Mainstrom an                    1583
Hinauf durch Ostfranken   Die Gunthern unterthan.
Hagen war ihr Führer,   der war da wohlbekannt.
Ihr Marschall war Dankwart,   der Held von Burgundenland.

Da sie von Ostfranken   durch Schwalefelde ritten,                 1584
Da konnte man sie kennen   an den herrlichen Sitten,
Die Fürsten und die Freunde,   die Helden lobesam.
An dem zwölften Morgen   der König an die Donau kam.

Da ritt von Tronje Hagen   den andern all zuvor:                   1585
Er hielt den Nibelungen   zumal den Muth empor.
Bald sprang der kühne Degen   nieder auf den Strand,
Wo er sein Ross in Eile   fest an einem Baume band.

Die Flut war ausgetreten,   die Schifflein verborgen:              1586
Die Nibelungen kamen   da in große Sorgen,
Wie sie hinüber sollten:   das Wasser war zu breit.
Da schwang sich zur Erde   mancher Ritter allbereit.

"Uebel," sprach da Hagen,   "mag dir wohl hier geschehn,           1587
König an dem Rheine;   du magst es selber sehn:
Das Wasser ist ergoßen,   zu stark ist seine Flut:
Ich fürchte, wir verlieren   noch heute manchen Recken gut."

"Hagen, was verweist ihr mir?"   sprach der König hehr,            1588
"Um eurer Hofzucht willen   erschreckt uns nicht noch mehr.
Ihr sollt die Furt uns suchen   hinüber an das Land,
Daß wir von hinnen bringen   beides, Ross' und Gewand."

"Mir ist ja noch," sprach Hagen,   "mein Leben nicht so leid,      1589
Daß ich mich möcht ertränken   in diesen Wellen breit:
Erst soll von meinen Händen   ersterben mancher Mann
In König Etzels Landen,   wozu ich gute Lust gewann.

"Bleibet bei dem Wasser,   ihr stolzen Ritter gut.                 1590
So geh ich und suche   die Fergen bei der Flut,
Die uns hinüber bringen   in Gelfratens Land."
Da nahm der kühne Hagen   seinen festen Schildesrand.

Er war wohl bewaffnet:   den Schild er bei sich trug;              1591
Sein Helm war aufgebunden   und glänzte hell genug.
Ueberm Harnisch führt' er   eine breite Waffe mit,
Die an beiden Schärfen   aufs allergrimmigste schnitt.

Er suchte hin und wieder   nach einem Schiffersmann.               1592
Da hört' er Wasser rauschen;   zu lauschen hub er an.
In einem schönen Brunnen   that das manch weises Weib:
Die gedachten da im Bade   sich zu kühlen den Leib.

Hagen ward ihrer inne,   da schlich er leis heran;                 1593
Sie eilten schnell von hinnen,   als sie den Helden sahn.
Daß sie ihm entrannen,   des freuten sie sich sehr.
Da nahm er ihre Kleider   und schadet' ihnen nicht mehr.

Da sprach das eine Meerweib,   Hadburg war sie genannt:            1594
"Hagen, edler Ritter,   wir machen euch bekannt,
Wenn ihr uns dagegen   die Kleider wiedergebt,
Was ihr auf dieser Reise   bei den Heunen erlebt."

Sie schwammen wie die Vögel   schwebend auf der Flut.              1595
Da daucht ihn ihr Wißen   von den Dingen gut:
So glaubt' er um so lieber,   was sie ihm wollten sagen.
Sie beschieden ihn darüber,   was er begann sie zu fragen.

Sie sprach: "Ihr mögt wohl reiten   in König Etzels Land:          1596
Ich setz euch meine Treue   dafür zum Unterpfand:
Niemals fuhren Helden   noch in ein fremdes Reich
Zu so hohen Ehren:   in Wahrheit, ich sag es euch."

Der Rede war da Hagen   im Herzen froh und hehr!                   1597
Die Kleider gab man ihnen   und säumte sich nicht mehr.
Als sie umgezogen   ihr wunderbar Gewand,
Vernahm er erst die Wahrheit   von der Fahrt in Etzels Land.

Da sprach das andre Meerweib   mit Namen Siegelind:                1598
"Ich will dich warnen, Hagen,   Aldrianens Kind.
Meine Muhme hat dich   der Kleider halb belogen:
Und kommst du zu den Heunen,   so bist du übel betrogen.

"Wieder umzukehren,   wohl wär es an der Zeit,                     1599
Dieweil ihr kühnen Helden   also geladen seid,
Daß ihr müßt ersterben   in der Heunen Land:
Wer da hinreitet,   der hat den Tod an der Hand."

Da sprach aber Hagen:   "Ihr trügt mich ohne Noth:                 1600
Wie sollte das sich fügen,   daß wir alle todt
Blieben bei dem Hofgelag   durch Jemandes Groll?"
Da sagten sie dem Degen   die Märe deutlich und voll.

Da sprach die Eine wieder:   "Es muß nun so geschehn,              1601
Keiner wird von euch allen   die Heimat wiedersehn
Als der Kaplan des Königs:   das ist uns wohlbekannt,
Der kommt geborgen wieder   heim in König Gunthers Land."

Ingrimmen Muthes   sprach der kühne Hagen:                         1602
"Das ließen meine Herren   schwerlich sich sagen,
Wir verlören bei den Heunen   Leben all und Leib;
Nun zeig uns übers Wasser,   allerweisestes Weib."

Sie sprach: "Willst du nicht anders   und soll die Fahrt geschehn, 1603
So siehst du überm Wasser   eine Herberge stehn:
Darin ist ein Ferge   und sonst nicht nah noch fern."
Weiter nachzufragen,   des begab er nun sich gern.

Dem unmuthsvollen Recken   rief noch die Eine nach:                1604
"Nun wartet, Herr Hagen,   euch ist auch gar zu jach;
Vernehmt noch erst die Kunde,   wie ihr kommt durchs Land.
Der Herr dieser Marke   der ist Else genannt.

"Sein Bruder ist geheißen   Gelfrat der Held,                      1605
Ein Herr im Baierlande:   nicht so leicht es hält,
Wollt ihr durch seine Marke:   ihr mögt euch wohl bewahren
Und sollt auch mit dem Fergen   gar bescheidentlich verfahren.

"Der ist so grimmes Muthes,   er läßt euch nicht gedeihn,          1606
Wollt ihr nicht verständig   bei dem Helden sein.
Soll er euch überholen,   so bietet ihm den Sold;
Er hütet dieses Landes   und ist Gelfraten hold.

"Und kommt er nicht bei Zeiten,   so ruft über Flut                1607
Und sagt, ihr heißet Amelrich;   das war ein Degen gut,
Der seiner Feinde willen   räumte dieses Land:
So wird der Fährmann kommen,   wird ihm der Name genannt."

Der übermüthge Hagen   dankte den Frauen hehr                      1608
Des Raths und der Lehre;   kein Wörtlein sprach er mehr.
Dann gieng er bei dem Wasser   hinauf an dem Strand,
Wo er auf jener Seite   eine Herberge fand.

Laut begann zu rufen   der Degen über Flut:                        1609
"Nun hol mich über, Ferge,"   sprach der Degen gut,
"So geb ich dir zum Lohne   eine Spange goldesroth;
Mir thut das Ueberfahren,   das wiße, wahrhaftig Noth."

Es brauchte nicht zu dienen   der reiche Schiffersmann,            1610
Lohn nahm er selten   von Jemandem an;
Auch waren seine Knechte   zumal von stolzem Muth.
Noch immer stand Hagen   dießseits allein bei der Flut.

Da rief er so gewaltig,   der ganze Strom erscholl                 1611
Von des Helden Stärke,   die war so groß und voll:
"Mich Amelrich hol über;   ich bin es, Elses Mann,
Der vor starker Feindschaft   aus diesen Landen entrann."

Hoch an seinem Schwerte   er ihm die Spange bot,                   1612
Die war schön und glänzte   von lichtem Golde roth,
Daß er ihn überbrächte   in Gelfratens Land.
Der übermüthge Ferge   nahm selbst das Ruder an die Hand.

Auch hatte dieser Ferge   habsüchtgen Sinn:                        1613
Die Gier nach großem Gute   bringt endlich Ungewinn;
Er dachte zu verdienen   Hagens Gold so roth,
Da litt er von dem Degen   hier den schwertgrimmen Tod.

Der Ferge zog gewaltig   hinüber an den Strand.                    1614
Welcher ihm genannt war,   als er den nicht fand,
Da hub er an zu zürnen:   als er Hagen sah,
Mit grimmem Ungestüme   zu dem Helden sprach er da:

"Ihr mögt wohl sein geheißen   mit Namen Amelrich;                 1615
Doch seht ihr dem nicht ähnlich,   des ich versehen mich.
Von Vater und von Mutter   war er der Bruder mein:
Nun ihr mich betrogen habt,   so müßt ihr dießhalben sein."

"Nein! um Gotteswillen,"   sprach Hagen dagegen.                   1616
"Ich bin ein fremder Recke,   besorgt um andre Degen.
So nehmet denn freundlich   hin meinen Sold
Und fahrt uns hinüber:   ich bin euch wahrhaftig hold."

Da sprach der Ferge wieder:   "Das kann einmal nicht sein.         1617
Viel der Feinde haben   die lieben Herren mein.
Drum fahr ich keinen Fremden   hinüber in ihr Land:
Wenn euch das Leben lieb ist,   so tretet aus an den Strand."

"Das thu ich nicht," sprach Hagen,   "traurig ist mein Muth.       1618
Nehmt zum Gedächtniß   die goldne Spange gut
Und fahrt uns über, tausend Ross'   und auch so manchen Mann."
Da sprach der grimme Ferge:   "Das wird nimmer gethan."

Er hob ein starkes Ruder,   mächtig und breit,                     1619
Und schlug es auf Hagen   (es ward ihm später leid),
Daß er im Schiffe nieder   strauchelt' auf die Knie.
Solchen grimmen Fergen   fand der von Tronje noch nie.

Noch stärker zu erzürnen   den kühnen Fremdling, schwang           1620
Er seine Ruderstange,   daß sie gar zersprang,
Auf das Haupt dem Hagen;   er war ein starker Mann:
Davon Elses Ferge   bald großen Schaden gewann.

Mit grimmigem Muthe   griff Hagen gleich zur Hand                  1621
Zur Seite nach der Scheide,   wo er ein Waffen fand:
Er schlug das Haupt ihm nieder   und warf es auf den Grund.
Bald wurden diese Mären   den stolzen Burgunden kund.

Im selben Augenblicke,   als er den Fährmann schlug,               1622
Glitt das Schiff zur Strömung;   das war ihm leid genug.
Eh er es richten konnte,   fiel ihn Ermüdung an:
Da zog am Ruder kräftig   König Gunthers Unterthan.

Er versucht' es umzukehren   mit manchem schnellen Schlag,         1623
Bis ihm das starke Ruder   in der Hand zerbrach.
Er wollte zu den Recken   sich wenden an den Strand;
Da hatt er keines weiter:   wie bald er es zusammen band

Mit seinem Schildriemen,   einer Borte schmal.                     1624
Hin zu einem Walde   wandt er das Schiff zu Thal.
Da fand er seinen Herren   sein harren an dem Strand;
Es giengen ihm entgegen   viel der Degen auserkannt.

Mit Gruß ihn wohl empfiengen   die edeln Ritter gut:               1625
Sie sahen in dem Schiffe   rauchen noch das Blut
Von einer starken Wunde,   die er dem Fergen schlug:
Darüber muste Hagen   fragen hören genug.

Als der König Gunther   das heiße Blut ersah                       1626
In dem Schiffe schweben,   wie bald sprach er da:
"Wo ist denn, Herr Hagen,   der Fährmann hingekommen?
Eure starken Kräfte haben   ihm wohl das Leben benommen."

Da sprach er mit Verläugnen:   "Als ich das Schifflein fand        1627
Bei einer wilden Weide,   da löst' es meine Hand.
Ich habe keinen Fergen   heute hier gesehn;
Leid ist auch Niemand   von meinen Händen geschehn."

Da sprach von Burgunden   der König Gernot:                        1628
"Heute muß ich bangen   um lieber Freunde Tod,
Da wir keinen Schiffmann   hier am Strome sehn:
Wie wir hinüber kommen,   darob muß ich in Sorgen stehn."

Laut rief da Hagen:   "Legt auf den Boden her,                     1629
Ihr Knechte, das Geräthe:   ich gedenke, daß ich mehr
Der allerbeste Ferge war,   den man am Rheine fand:
Ich bring euch hinüber   gar wohl in Gelfratens Land."

Daß sie desto schneller   kämen über Flut,                         1630
Trieb man hinein die Mähren;   ihr Schwimmen ward so gut,
Daß ihnen auch nicht eines   der starke Strom benahm.
Einige trieben ferner,   als sie Ermüdung überkam.

Sie trugen zu dem Schiffe   ihr Gut und ihre Wehr,                 1631
Nun einmal ihre Reise   nicht zu vermeiden mehr.
Hagen fuhr sie über;   da bracht er an den Strand
Manchen zieren Recken   in das unbekannte Land.

Zum ersten fuhr er über   tausend Ritter hehr                      1632
Und seine sechzig Degen;   dann kamen ihrer mehr:
Neuntausend Knechte,   die bracht er an das Land.
Des Tags war unmüßig   des kühnen Tronejers Hand.

Das Schiff war ungefüge,   stark und weit genug:                   1633
Fünfhundert oder drüber   es leicht auf einmal trug
Ihres Volks mit Speise   und Waffen über Flut:
Am Ruder muste ziehen   des Tages mancher Ritter gut.

Da er sie wohlgeborgen   über Flut gebracht,                       1634
Da war der fremden Märe   der schnelle Held bedacht,
Die ihm verkündet hatte   das wilde Meerweib:
Dem Kaplan des Königs gieng es   da schier an Leben und Leib.

Bei seinem Weihgeräthe   er den Pfaffen fand,                      1635
Auf dem Heiligthume   sich stützend mit der Hand:
Das kam ihm nicht zu Gute,   als Hagen ihn ersah;
Der unglückselge Priester,   viel Beschwerde litt er da.

Er schwang ihn aus dem Schiffe   mit jäher Gewalt.                 1636
Da riefen ihrer Viele:   "Halt, Hagen, halt!"
Geiselher der junge   hub zu zürnen an;
Er wollt es doch nicht laßen,   bis er ihm Leides gethan.

Da sprach von Burgunden   der König Gernot:                        1637
"Was hilft euch wohl, Herr Hagen,   des Kaplanes Tod?
Thät dieß anders Jemand,   es sollt ihm werden leid.
Was verschuldete der Priester,   daß ihr so wider ihn seid?"

Der Pfaffe schwamm nach Kräften:   er hoffte zu entgehn,           1638
Wenn ihm nur Jemand hülfe:   das konnte nicht geschehn,
Denn der starke Hagen,   gar zornig war sein Muth,
Stieß ihn zu Grunde wieder;   das dauchte Niemanden gut.

Als der arme Pfaffe   hier keine Hülfe sah,                        1639
Da wandt er sich ans Ufer;   Beschwerde litt er da.
Ob er nicht schwimmen konnte,   doch half ihm Gottes Hand,
Daß er wohlgeborgen   hinwieder kam an den Strand.

Da stand der arme Priester   und schüttelte sein Kleid.            1640
Daran erkannte Hagen,   ihm habe Wahrheit,
Unmeidliche, verkündet   das wilde Meerweib.
Er dachte: "Diese Degen   verlieren Leben und Leib."

Als sie das Schiff entladen   und ans Gestad geschafft,            1641
Was darauf beseßen   der Könge Ritterschaft,
Schlug Hagen es in Stücke   und warf es in die Flut;
Das wunderte gewaltig   die Recken edel und gut.

"Bruder, warum thut ihr das?"   sprach da Dankwart,                1642
"Wie sollen wir hinüber   bei unsrer Wiederfahrt,
Wenn wir von den Heunen   reiten an den Rhein?"
Hernach sagt' ihm Hagen,   das könne nimmermehr sein.

Da sprach der Held von Tronje:   "Ich thats mit Wohlbedacht:       1643
Haben wir einen Feigen   in dieses Land gebracht,
Der uns entrinnen möchte   in seines Herzens Noth,
Der muß an diesen Wogen   leiden schmählichen Tod."

Sie führten bei sich Einen   aus Burgundenland,                    1644
Der ein gar behender Held   und Volker ward genannt.
Der redete da launig   nach seinem kühnen Muth:
Was Hagen je begangen,   den Fiedler dauchte das gut.

Als der Kaplan des Königs   das Schiff zerschlagen sah,            1645
Ueber das Wasser   zu Hagen sprach er da:
"Ihr Mörder ohne Treue,   was hatt ich euch gethan,
Daß mich unschuldgen Pfaffen   eur Herz zu ertranken sann?"

Zur Antwort gab ihm Hagen:   "Die Rede laßt beiseit:               1646
Mich kümmert, meiner Treue,   daß ihr entkommen seid
Hier von meinen Händen,   das glaubt ohne Spott."
Da sprach der arme Priester:   "Dafür lob ich ewig Gott.

"Ich fürcht euch nun wenig,   des dürft ihr sicher sein:           1647
Fahrt ihr zu den Heunen,   so will ich über Rhein.
Gott laß euch nimmer wieder   nach dem Rheine kommen,
Das wünsch ich euch von Herzen:   schier das Leben habt ihr mir genommen."

Da sprach König Gunther   zu seinem Kapellan:                      1648
"Ich will euch alles büßen,   was Hagen euch gethan
Hat in seinem Zorne,   komm ich an den Rhein
Mit meinem Leben wieder:   des sollt ihr außer Sorge sein.

"Fahrt wieder heim zu Lande;   es muß nun also sein.               1649
Ich entbiete meine Grüße   der lieben Frauen mein
Und meinen andern Freunden,   wie ich billig soll:
Sagt ihnen liebe Märe,   daß wir noch alle fuhren wohl."

Die Rosse standen harrend,   die Säumer wohl geladen;              1650
Sie hatten auf der Reise   bisher noch keinen Schaden
Genommen, der sie schmerzte,   als des Königs Kaplan:
Der must auf seinen Füßen   sich zum Rheine suchen Bahn.

       *       *       *       *       *



Sechsundzwanzigstes Abenteuer.

Wie Dankwart Gelfraten erschlug.


Als sie nun alle waren   gekommen an den Strand,                   1651
Da fragte König Gunther:   "Wer soll uns durch das Land
Die rechten Wege weisen,   daß wir nicht irre gehn?"
Da sprach der kühne Volker:   "Laßt mich das Amt nur versehn."

"Nun haltet an," sprach Hagen,   "sei's Ritter oder Knecht:        1652
Man soll Freunden folgen,   das bedünkt mich recht.
Eine ungefüge Märe   mach ich euch bekannt:
Wir kommen nimmer wieder   heim in der Burgunden Land.

"Das sagten mir zwei Meerfraun   heute morgen fruh,                1653
Wir kämen nimmer wieder.   Nun rat ich, was man thu:
Waffnet euch, ihr Helden,   ihr sollt euch wohl bewahren:
Wir finden starke Feinde   und müßen drum wehrhaft fahren.

"Ich wähnt auf Lug zu finden   die weisen Meerfraun:               1654
Sie sagten mir, nicht Einer   werde wiederschaun
Die Heimat von uns Allen   bis auf den Kapellan;
Drum hätt ich ihm so gerne   heut den Tod angethan."

Da flogen diese Mären   von Schar zu Schar einher.                 1655
Bleich vor Schrecken wurden   Degen kühn und hehr,
Als sie die Sorge faßte   vor dem herben Tod
Auf dieser Hofreise:   das schuf ihnen wahrlich Noth.

Bei Möringen waren   sie über Flut gekommen,                       1656
Wo dem Fährmann Elsen   das Leben ward benommen.
Da sprach Hagen wieder:   "Da ich mir so gewann
Unterwegs der Feinde,   so greift man ehstens uns an.

"Ich erschlug den Fährmann   heute morgen fruh;                    1657
Sie wißen nun die Kunde.   Drum eilt und greifet zu,
Wenn Gelfrat und Elsen   heute hier besteht
Unser Ingesinde,   daß es ihnen übel ergeht.

"Sie sind gar kühn, ich weiß es,   es wird gewiss geschehn.        1658
Drum laßt nur die Rosse   in sanftem Schritte gehn,
Daß nicht Jemand wähne,   wir flöhn vor ihrem Heer."
"Dem Rathe will ich folgen,"   sprach der junge Geiselher.

"Wer zeigt nun dem Gesinde   die Wege durch das Land?"             1659
Sie sprachen: "Das soll Volker:   dem sind hie wohlbekannt
Die Straßen und die Steige,   dem stolzen Fiedelmann."
Eh mans von ihm verlangte,   kam er gewaffnet heran.

Der schnelle Fiedelspieler:   den Helm er überband;                1660
Von herrlicher Farbe   war all sein Streitgewand.
Am Schaft ließ er flattern   ein Zeichen, das war roth.
Bald kam er mit den Königen   in eine furchtbare Noth.

Gewisse Kunde hatte   Gelfrat nun bekommen                         1661
Von des Fergen Tode;   da hatt es auch vernommen
Else der starke:   beiden war es leid.
Sie besandten ihre Helden:   die traf man balde bereit.

Darauf in kurzen Zeiten,   nun hört mich weiter an,                1662
Sah man zu ihnen reiten,   denen Schade war gethan,
In starkem Kriegszuge   ein ungefüges Heer:
Wohl siebenhundert stießen   zu Gelfrat oder noch mehr.

Als das den grimmen Feinden   nachzuziehn begann,                  1663
Die Herren, die es führten,   huben zu jagen an
Den kühnen Gästen hinterdrein.   Sie wollten Rache haben:
Da musten sie der Freunde   hernach noch manchen begraben.

Hagen von Tronje   richtete das ein                                1664
(Wie konnte seiner Freunde   ein beßrer Hüter sein?),
Daß er die Nachhut hatte   und Die ihm unterthan
Mit Dankwart seinem Bruder;   das war gar weislich gethan.

Ihnen war der Tag zerronnen,   den hatten sie nicht mehr.          1665
Er bangte vor Gefahren   für seine Freunde sehr.
Sie ritten unter Schilden   durch der Baiern Land:
Darnach in kurzer Weile   die Helden wurden angerannt.

Beiderseits der Straße   und hinter ihnen her                      1666
Vernahm man Hufe schlagen;   die Haufen eilten sehr.
Da sprach der kühne Dankwart:   "Gleich fallen sie uns an:
Bindet auf die Helme,   das dünkt mich räthlich gethan."

Sie hielten ein mit Reiten,   als es muste sein.                   1667
Da sahen sie im Dunkel   der lichten Schilde Schein.
Nicht länger stille schweigen   mochte da der Hagen:
"Wer verfolgt uns auf der Straße?"   Das muste Gelfrat ihm sagen.

Da sprach zu ihm der Markgraf   aus der Baiern Land:               1668
"Wir suchen unsre Feinde,   denen sind wir nachgerannt.
Ich weiß nicht, wer mir heute   meinen Fergen schlug:
Das war ein schneller Degen;   mir ist leid um ihn genug."

Da sprach von Tronje Hagen:   "War der Ferge dein?                 1669
Er wollt uns nicht fahren;   alle Schuld ist mein:
Ich erschlug den Recken;   fürwahr, es that mir Noth:
Ich hatte von dem Degen   schier selbst den grimmigen Tod.

"Ich bot ihm zum Lohne   Gold und Gewand,                          1670
Daß er uns überführe,   Held, in euer Land.
Darüber zürnt' er also,   daß er nach mir schlug
Mit starker Ruderstange:   da ward ich grimmig genug.

"Ich griff nach dem Schwerte   und wehrte seinem Zorn              1671
Mit einer schweren Wunde:   da war der Held verlorn.
Ich steh euch hier zur Sühne,   wie es euch dünke gut."
Da gieng es an ein Streiten:   sie hatten zornigen Muth.

"Ich wuste wohl," sprach Gelfrat,   "als hier mit dem Geleit       1672
Gunther zog vorüber,   uns geschäh ein Leid
Von Hagens Uebermuthe.   Nun büßt ers mit dem Leben:
Für des Fergen Ende   soll er selbst hier Bürgschaft geben."

Ueber die Schilde neigten   da zum Stich den Sper                  1673
Gelfrat und Hagen;   sich zürnten beide schwer.
Dankwart und Else   zusammen herrlich ritten;
Sie erprobten, wer sie waren:   da wurde grimmig gestritten.

Wer je versuchte kühner   sich und die Gunst des Glücks?           1674
Von einem starken Stoße   sank Hagen hinterrücks
Von der Mähre nieder   durch Gelfratens Hand.
Der Brustriem war gebrochen:   so ward im Fallen bekannt.

Man hört' auch beim Gesinde   krachender Schäfte Schall.           1675
Da erholte Hagen   sich wieder von dem Fall,
Den er auf das Gras gethan   von des Gegners Sper:
Da zürnte der von Tronje   wider Gelfraten sehr.

Wer ihnen hielt die Rosse,   das ist mir unbekannt.                1676
Sie waren aus den Sätteln   gekommen auf den Sand,
Hagen und Gelfrat:   nun liefen sie sich an.
Ihre Gesellen halfen,   daß ihnen Streit ward kund gethan.

Wie heftig auch Hagen   zu Gelfraten sprang,                       1677
Ein Stück von Ellenlänge   der edle Markgraf schwang
Ihm vom Schilde nieder;   das Feuer stob hindann.
Da wäre schier erstorben   König Gunthers Unterthan.

Er rief mit lauter Stimme   Dankwarten an:                         1678
"Hilf mir, lieber Bruder,   ein schneller starker Mann
Hat mich hier bestanden:   der läßt mich nicht gedeihn."
Da sprach der kühne Dankwart:   "So will ich denn Schiedsmann sein."

Da sprang der Degen näher   und schlug ihm solchen Schlag          1679
Mit einer scharfen Waffe,   daß er todt da lag.
Else wollte Rache   nehmen für den Mann:
Doch er und sein Gesinde   schied mit Schaden hindann.

Sein Bruder war erschlagen,   selber ward er wund.                 1680
Wohl achtzig seiner Degen   wurden gleich zur Stund
Des grimmen Todes Beute:   da muste wohl der Held
Gunthers Mannen räumen   in geschwinder Flucht das Feld.

Als Die vom Baierlande   wichen aus dem Wege,                      1681
Man hörte nachhallen   die furchtbaren Schläge:
Da jagten die von Tronje   ihren Feinden nach;
Die es nicht büßen wollten,   die hatten wenig Gemach.

Da sprach beim Verfolgen   Dankwart der Degen:                     1682
"Kehren wir nun wieder   zurück auf unsern Wegen
Und laßen wir sie reiten:   sie sind vom Blute naß.
Wir eilen zu den Freunden:   in Treuen rath ich euch das."

Als sie hinwieder kamen,   wo der Schade war geschehn,             1683
Da sprach von Tronje Hagen:   "Helden, laßt uns sehn,
Wen wir hier vermissen,   oder wer uns verlorn
Hier in diesem Streite   gieng durch Gelfratens Zorn."

Sie hatten vier verloren;   der Schade ließ sich tragen.           1684
Sie waren wohl vergolten;   dagegen aber lagen
Deren vom Baierlande   mehr als hundert todt.
Den Tronejern waren   von Blut die Schilde trüb und roth.

Ein wenig brach aus Wolken   des hellen Mondes Licht;              1685
Da sprach wieder Hagen:   "Hört, berichtet nicht
Meinen lieben Herren,   was hier von uns geschah:
Bis zum Morgen komme   ihnen keine Sorge nah."

Als zu ihnen stießen,   die da kamen von dem Streit,               1686
Da klagte das Gesinde   über Müdigkeit:
"Wie lange sollen wir reiten?"   fragte mancher Mann.
Da sprach der kühne Dankwart:   "Wir treffen keine Herberg an.

"Ihr müst alle reiten   bis an den hellen Tag."                    1687
Volker der schnelle,   der des Gesindes pflag,
Ließ den Marschall fragen:   "Wo kehren wir heut ein?
Wo rasten unsre Pferde   und die lieben Herren mein?"

Da sprach der kühne Dankwart:   "Ich weiß es nicht zu sagen:       1688
Wir können uns nicht ruhen,   bis es beginnt zu tagen;
Wo wir es dann finden,   legen wir uns ins Gras."
Als sie die Kunde hörten,   wie leid war Etlichen das!

Sie blieben unverrathen   vom heißen Blute roth,                   1689
Bis daß die Sonne   die lichten Stralen bot
Dem Morgen über Berge,   wo es der König sah,
Daß sie gestritten hatten:   sehr im Zorne sprach er da:

"Wie nun denn, Freund Hagen?   Verschmähtet ihr wohl das,          1690
Daß ich euch Hülfe brachte,   als euch die Ringe naß
Wurden von dem Blute?   Wer hat euch das gethan?"
Da sprach er: "Else that es:   der griff nächten uns an.

"Seines Fergen wegen   wurden wir angerannt.                       1691
Da erschlug Gelfraten   meines Bruders Hand.
Zuletzt entrann uns Else,   es zwang ihn große Noth:
Ihnen hundert, uns nur viere   blieben da im Streite todt."

Wir können euch nicht melden,   wo man die Nachtruh fand.          1692
All den Landleuten   ward es bald bekannt,
Der edeln Ute Söhne   zögen zum Hofgelag.
Sie wurden wohl empfangen   dort zu Paßau bald hernach.

Der werthen Fürsten Oheim,   der Bischof Pilgerin,                 1693
Dem wurde wohl zu Muthe,   als seine Neffen ihn
Mit so viel der Recken   besuchten da im Land:
Daß er sie gerne sähe,   ward ihnen balde bekannt.

Sie wurden wohl empfangen   von Freunden vor dem Ort.              1694
Nicht all verpflegen mochte   man sie in Paßau dort:
Sie musten übers Wasser,   wo Raum sich fand und Feld:
Da schlugen auf die Knechte   Hütten und reich Gezelt.

Sie musten da verweilen   einen vollen Tag                         1695
Und eine Nacht darüber.   Wie schön man sie verpflag!
Dann ritten sie von dannen   in Rüdigers Land;
Dem kamen auch die Mären:   da ward ihm Freude bekannt,

Als die Wegemüden   Nachtruh genommen                              1696
Und sie dem Lande waren   näher gekommen,
Sie fanden auf der Marke   schlafen einen Mann,
Dem von Tronje Hagen   ein starkes Waffen abgewann.

Eckewart geheißen   war dieser Ritter gut.                         1697
Der gewann darüber   gar traurigen Muth,
Daß er verlor das Waffen   durch der Helden Fahrt.
Rüdgers Grenzmarke,   die fand man übel bewahrt.

"O weh mir dieser Schande,"   sprach da Eckewart.                  1698
"Schwer muß ich beklagen   der Burgunden Fahrt.
Als ich verlor Siegfrieden,   hub all mein Kummer an;
O weh, mein Herr Rüdiger,   wie hab ich wider dich gethan!"

Wohl hörte Hagen   des edeln Recken Noth:                          1699
Er gab das Schwert ihm wieder,   dazu sechs Spangen roth.
"Die nimm dir, Held, zu Lohne,   willst du hold mir sein;
Du bist ein kühner Degen,   lägst du hier noch so allein."

"Gott lohn euch eure Spangen,"   sprach da Eckewart;               1700
"Doch muß ich sehr beklagen   zu den Heunen eure Fahrt.
Ihr erschlugt Siegfrieden;   hier trägt man euch noch Haß:
Daß ihr euch wohl behütet,   in Treuen rath ich euch das."

"Nun, mög uns Gott behüten,"   sprach Hagen entgegen.              1701
"Keine andre Sorge   haben diese Degen
Als um die Herberge,   die Fürsten und ihr Lehn,
Wo wir in diesem Lande   heute Nachtruh sollen sehn.

"Vermüdet sind die Rosse   uns auf den fernen Wegen,               1702
Die Speise gar zerronnen,"   sprach Hagen der Degen:
"Wir findens nicht zu Kaufe:   es wär ein Wirth uns Noth,
Der uns heute gäbe   in seiner Milde das Brot."

Da sprach wieder Eckewart:   "Ich zeig euch solchen Wirth,         1703
Daß Niemand euch im Hause   so gut empfangen wird
Irgend in den Landen,   als hier euch mag geschehn,
Wenn ihr schnellen Degen   wollt zu Rüdigern gehn.

"Der Wirth wohnt an der Straße,   der beste allerwärts,            1704
Der je ein Haus beseßen.   Milde gebiert sein Herz,
Wie das Gras mit Blumen   der lichte Maimond thut,
Und soll er Helden dienen,   so ist er froh und wohlgemuth."

Da sprach der König Gunther:   "Wollt ihr mein Bote sein,          1705
Ob uns behalten wolle   bis an des Tages Schein
Mein lieber Freund Rüdiger   und Die mir unterthan?
Das will ich stäts verdienen,   so gut ich irgend nur kann."

"Der Bote bin ich gerne,"   sprach da Eckewart,                    1706
Mit gar gutem Willen   erhob er sich zur Fahrt
Rüdigern zu sagen,   was er da vernommen.
Dem war in langen Zeiten   so liebe Kunde nicht gekommen.

Man sah zu Bechlaren   eilen einen Degen,                          1707
Den Rüdger wohl erkannte;   er sprach: "Auf diesen Wegen
Kommt Eckewart in Eile,   Kriemhildens Unterthan."
Er wähnte schon, die Feinde   hätten ihm ein Leid gethan.

Da gieng er vor die Pforte,   wo er den Boten fand.                1708
Der nahm sein Schwert vom Gurte   und legt' es aus der Hand.
Er sprach zu dem Degen:   "Was habt ihr vernommen,
Daß ihr so eilen müßet?   hat uns Jemand was genommen?"

"Geschadet hat uns Niemand,"   sprach Eckewart zuhand;             1709
"Mich haben drei Könige   her zu euch gesandt,
Gunther von Burgunden,   Geiselher und Gernot;
Jeglicher der Recken   euch seine Dienste her entbot.

"Das selbe thut auch Hagen,   Volker auch zugleich,                1710
Mit Fleiß und rechter Treue;   dazu bericht ich euch,
Was des Königs Marschall   euch durch mich entbot,
Es sei den guten Degen   eure Herberge Noth."

Mit lachendem Munde   sprach da Rüdiger:                           1711
"Nun wohl mir dieser Märe,   daß die Könige hehr
Meinen Dienst verlangen:   dazu bin ich bereit.
Wenn sie ins Haus mir kommen,   des bin ich höchlich erfreut."

"Dankwart der Marschall   hat euch kund gethan,                    1712
Wer euch zu Hause   noch heute zieht heran:
Sechzig kühner Recken   und tausend Ritter gut
Mit neuntausend Knechten."   Da ward ihm fröhlich zu Muth.

"Wohl mir dieser Gäste,"   sprach da Rüdiger,                      1713
"Daß mir zu Hause kommen   diese Recken hehr,
Denen ich noch selten   hab einen Dienst gethan.
Entgegen reitet ihnen,   sei's Freund oder Unterthan."

Da eilte zu den Rossen   Ritter so wie Knecht:                     1714
Was sie der Herr geheißen,   das dauchte Alle recht.
Sie brachten ihre Dienste   um so schneller dar.
Noch wust es nicht Frau Gotlind,   die in ihrer Kammer war.

       *       *       *       *       *



Siebenundzwanzigstes Abenteuer.

Wie sie nach Bechlaren kamen.


Hin gieng der Markgraf,   wo er die Frauen fand,                   1715
Sein Weib und seine Tochter.   Denen macht' er da bekannt
Diese liebe Märe,   die er jetzt vernommen,
Daß ihrer Frauen Brüder   zu ihrem Hause sollten kommen.

"Viel liebe Traute,"   sprach da Rüdiger,                          1716
"Ihr sollt sie wohl empfangen,   die edeln Könge hehr,
Wenn sie und ihr Gesinde   vor euch zu Hofe gehn;
Ihr sollt auch freundlich grüßen   Hagen in Gunthers Lehn.

"Mit ihnen kommt auch Einer   mit Namen Dankwart;                  1717
Ein Andrer heißt Volker,   an Ehren wohlbewahrt.
Die Sechse sollt ihr küssen,   ihr und die Tochter mein,
Und sollt in höfschen Züchten   diesen Recken freundlich sein."

Das gelobten ihm die Frauen   und warens gern bereit.              1718
Sie suchten aus den Kisten   manch herrliches Kleid,
Darin sie den Recken   entgegen wollten gehn.
Da mocht ein groß Befleißen   von schönen Frauen geschehn.

Gefälschter Frauenzierde   gar wenig man da fand;                  1719
Sie trugen auf dem Haupte   lichtes goldnes Band,
Das waren reiche Kränze,   damit ihr schönes Haar
Die Winde nicht verwehten;   sie waren höfisch und klar.

In solcher Unmuße   laßen wir die Fraun.                           1720
Da war ein schnelles Reiten   über Feld zu schaun
Von Rüdigers Freunden,   bis man die Fürsten fand.
Sie wurden wohl empfangen   in des Markgrafen Land.

Als sie der Markgraf   zu sich kommen sah,                         1721
Rüdiger der schnelle   wie fröhlich sprach er da:
"Willkommen mir, ihr Herren   und Die in euerm Lehn.
Hier in diesem Lande   seid ihr gerne gesehn."

Da dankten ihm die Recken   in Treuen ohne Haß.                    1722
Daß sie willkommen waren,   wohl erzeigt' er das.
Besonders grüßt' er Hagen,   der war ihm längst bekannt;
So that er auch mit Volkern,   dem Helden aus Burgundenland.

Er begrüßt' auch Dankwarten.   Da sprach der kühne Degen:          1723
"Wollt ihr uns hier versorgen,   wer soll dann verpflegen
Unser Ingesinde   aus Worms an dem Rhein?"
Da begann der Markgraf:   "Diese Angst laßet sein.

"All euer Gesinde   und was ihr in das Land                        1724
Mit euch geführet habet,   Ross, Silber und Gewand,
Ich schaff ihm solche Hüter,   nichts geht davon verloren,
Das euch zu Schaden brächte   nur um einen halben Sporen.

"Spannet auf, ihr Knechte,   die Hütten in dem Feld;               1725
Was ihr hier verlieret,   dafür leist ich Entgelt:
Zieht die Zäume nieder   und laßt die Rosse gehn."
Das war ihnen selten   von einem Wirth noch geschehn.

Des freuten sich die Gäste.   Als das geschehen war                1726
Und die Herrn von dannen ritten,   legte sich die Schar
Der Knecht im Grase nieder:   sie hatten gut Gemach.
Sie fandens auf der Reise   nicht beßer vor oder nach.

Die Markgräfin eilte   vor die Burg zu gehn                        1727
Mit ihrer schönen Tochter.   Da sah man bei ihr stehn
Die minniglichen Frauen   und manche schöne Maid:
Die trugen viel der Spangen   und manches herrliche Kleid.

Das edle Gesteine   glänzte fern hindann                           1728
Aus ihrem reichen Schmucke:   sie waren wohlgethan.
Da kamen auch die Gäste   und sprangen auf den Sand.
Hei! was man edle Sitten   an den Burgunden fand!

Sechsunddreißig Mägdelein   und viel andre Fraun,                  1729
Die wohl nach Wunsche waren   und wonnig anzuschauen,
Giengen den Herrn entgegen   mit manchem kühnen Mann.
Da ward ein schönes Grüßen   von edeln Frauen gethan.

Die Markgräfin küsste   die Könge alle drei;                       1730
So that auch ihre Tochter.   Hagen stand dabei.
Den hieß ihr Vater küssen:   da blickte sie ihn an:
Er dauchte sie so furchtbar,   sie hätt es lieber nicht gethan.

Doch muste sie es leisten,   wie ihr der Wirth gebot.              1731
Gemischt ward ihre Farbe,   bleich und auch roth.
Auch Dankwarten küsste sie,   darnach den Fiedelmann:
Seiner Kraft und Kühnheit wegen   ward ihm das Grüßen gethan.

Die junge Markgräfin   nahm bei der Hand                           1732
Geiselher den jungen   von Burgundenland;
So nahm auch ihre Mutter   Gunthern den kühnen Mann.
Sie giengen mit den Helden   beide fröhlich hindann.

Der Wirth gieng mit Gernot   in einen weiten Saal.                 1733
Die Ritter und die Frauen   setzten sich zumal.
Man ließ alsdann den Gästen   schenken guten Wein:
Gütlicher bewirthet   mochten Helden nimmer sein.

Mit zärtlichen Augen   sah da Mancher an                           1734
Rüdigers Tochter,   die war so wohlgethan.
Wohl kos't' in seinem Sinne   sie mancher Ritter gut;
Das mochte sie verdienen:   sie trug gar hoch ihren Muth.

Sie gedachten, was sie wollten;   nur konnt es nicht geschehn.     1735
Man sah die guten Ritter   hin und wieder spähn
Nach Mägdelein und Frauen:   deren saßen da genug.
Dem Wirth geneigten Willen   der edle Fiedeler trug.

Da wurden sie geschieden,   wie Sitte war im Land:                 1736
Zu andern Zimmern giengen   Ritter und Fraun zur Hand.
Man richtete die Tische   in dem Saale weit
Und ward den fremden Gästen   zu allen Diensten bereit.

Den Gästen gieng zu Liebe   die edle Markgräfin                    1737
Mit ihnen zu den Tischen:   die Tochter ließ sie drin
Bei den Mägdlein weilen,   wo sie nach Sitte blieb.
Daß sie die nicht mehr sahen,   das war den Gästen nicht lieb.

Als sie getrunken hatten   und gegeßen überall,                    1738
Da führte man die Schöne   wieder in den Saal.
Anmuthge Reden   wurden nicht gescheut:
Viel sprach deren Volker,   ein Degen kühn und allbereit.

Da sprach unverhohlen   derselbe Fiedelmann:                       1739
"Viel reicher Markgraf,   Gott hat an euch gethan
Nach allen seinen Gnaden:   er hat euch gegeben
Ein Weib, ein so recht schönes,   dazu ein wonnigliches Leben.

"Wenn ich ein König wäre,"   sprach der Fiedelmann,                1740
"Und sollte Krone tragen,   zum Weibe nähm ich dann
Eure schöne Tochter:   die wünschte sich mein Muth.
Sie ist minniglich zu schauen,   dazu edel und gut."

Der Markgraf entgegnete:   "Wie möchte das Wohl sein,              1741
Daß ein König je begehrte   der lieben Tochter mein?
Wir sind hier beide heimatlos,   ich und mein Weib,
Und haben nichts zu geben:   was hilft ihr dann der schöne Leib?"

Zur Antwort gab ihm Gernot,   der edle Degen gut:                  1742
"Sollt ich ein Weib mir wählen   nach meinem Sinn und Muth,
So wär ich solches Weibes   stäts von Herzen froh."
Darauf versetzte Hagen   in höfischen Züchten so:

"Nun soll sich doch beweiben   mein Herr Geiselher:                1743
Es ist so hohen Stammes   die Markgräfin hehr,
Daß wir ihr gerne dienten,   ich und all sein Lehn,
Wenn sie bei den Burgunden   unter Krone sollte gehn."

Diese Rede dauchte   den Markgrafen gut                            1744
Und auch Gotelinde;   wohl freute sich ihr Muth.
Da schufen es die Helden,   daß sie zum Weibe nahm
Geiselher der edle,   wie er es mocht ohne Scham.

Soll ein Ding sich fügen,   wer mag ihm widerstehn?                1745
Man bat die Jungfraue,   hin zu Hof zu gehn.
Da schwur man ihm zu geben   das schöne Mägdelein,
Wogegen er sich erbot,   die Wonnigliche zu frein.

Man beschied der Jungfrau   Burgen und auch Land.                  1746
Da sicherte mit Eiden   des edeln Königs Hand
Und Gernot der Degen,   es werde so gethan.
Da sprach der Markgraf:   "Da ich Burgen nicht gewann,

"So kann ich euch in Treuen   nur immer bleiben hold.              1747
Ich gebe meiner Tochter   an Silber und an Gold,
Was hundert Saumrosse   nur immer mögen tragen,
Daß es wohl nach Ehren   euch Helden möge behagen."

Da wurden diese beiden   in einen Kreis gestellt                   1748
Nach dem Rechtsgebrauche.   Mancher junge Held
Stand ihr gegenüber   in fröhlichem Muth;
Er gedacht in seinem Sinne,   wie noch ein Junger gerne thut.

Als man begann zu fragen   die minnigliche Maid,                   1749
Ob sie den Recken wolle,   zum Theil war es ihr leid;
Doch dachte sie zu nehmen   den waidlichen Mann.
Sie schämte sich der Frage,   wie manche Maid hat gethan.

Ihr rieth ihr Vater Rüdiger,   daß sie spräche ja,                 1750
Und daß sie gern ihn nähme:   wie schnell war er da
Mit seinen weißen Händen,   womit er sie umschloß,
Geiselher der junge!   Wie wenig sie ihn doch genoß!

Da begann der Markgraf:   "Ihr edeln Könge reich,                  1751
Wenn ihr nun wieder reitet   heim in euer Reich,
So geb ich euch, so ist es   am schicklichsten, die Magd,
Daß ihr sie mit euch führet."   Also ward es zugesagt.

Der Schall, den man hörte,   der muste nun vergehn.                1752
Da ließ man die Jungfrau   zu ihrer Kammer gehn
Und auch die Gäste schlafen   und ruhn bis an den Tag.
Da schuf man ihnen Speise:   der Wirth sie gütlich verpflag.

Als sie gegeßen hatten   und nun von dannen fahren                 1753
Wollten zu den Heunen:   "Davor will ich euch wahren,"
Sprach der edle Markgraf,   "ihr sollt noch hier bestehn;
So liebe Gäste hab ich   lange nicht bei mir gesehn."

Dankwart entgegnete:   "Das kann ja nicht sein:                    1754
Wo nähmt ihr die Speise,   das Brot und auch den Wein,
Das ihr doch haben müstet   für solch ein Heergeleit?"
Als das der Wirth erhörte,   er sprach: "Die Rede laßt beiseit.

"Meine lieben Herren,   ihr dürft mir nicht versagen.              1755
Wohl geb ich euch die Speise   zu vierzehen Tagen,
Euch und dem Gesinde,   das mit euch hergekommen.
Mir hat der König Etzel   noch gar selten was genommen."

Wie sehr sie sich wehrten,   sie musten da bestehn                 1756
Bis an den vierten Morgen.   Da sah man geschehn
Durch des Wirthes Milde,   was weithin ward bekannt:
Er gab seinen Gästen   beides, Ross' und Gewand.

Nicht länger mocht es währen,   sie musten an ihr Ziel.            1757
Seines Gutes konnte   Rüdiger nicht viel
Vor seiner Milde sparen:   wonach man trug Begehr,
Das versagt' er Niemand:   er gab es gern den Helden hehr.

Ihr edel Ingesinde   brachte vor das Thor                          1758
Gesattelt viel der Rosse;   zu ihnen kam davor
Mancher fremde Recke,   den Schild an der Hand,
Da sie reiten wollten   mit ihnen in Etzels Land.

Der Wirth bot seine Gaben   den Degen allzumal,                    1759
Eh die edeln Gäste   kamen vor den Saal.
Er konnte wohl mit Ehren   in hoher Milde leben.
Seine schöne Tochter   hatt er Geiselhern gegeben;

Da gab er Gernoten   eine Waffe gut genug,                         1760
Die hernach in Stürmen   der Degen herrlich trug.
Ihm gönnte wohl die Gabe   des Markgrafen Weib;
Doch verlor der gute Rüdiger   davon noch Leben und Leib.

Er gab König Gunthern,   dem Helden ohne Gleich,                   1761
Was wohl mit Ehren führte   der edle König reich,
Wie selten er auch Gab empfieng,   ein gutes Streitgewand,
Da neigte sich der König   vor des milden Rüdger Hand.

Gotelind bot Hagnen,   sie durfte es ohne Scham,                   1762
Ihre freundliche Gabe:   da sie der König nahm,
So sollt auch er nicht fahren   zu dem Hofgelag
Ohn ihre Steuer:   der edle Held aber sprach:

"Alles, was ich je gesehn,"   entgegnete Hagen,                    1763
"So begehr ich nichts weiter   von hinnen zu tragen
Als den Schild, der dorten   hängt an der Wand:
Den möcht ich gerne führen   mit mir in der Heunen Land."

Als die Rede Hagens   die Markgräfin vernahm,                      1764
Ihres Leids ermahnt' er sie,   daß ihr das Weinen kam.
Mit Schmerzen gedachte   sie an Nudungs Tod,
Den Wittich hatt erschlagen;   das schuf ihr Jammer und Noth.

Sie sprach zu dem Degen:   "Den Schild will ich euch geben.        1765
Wollte Gott vom Himmel,   daß der noch dürfte leben,
Der einst ihn hat getragen!   er fand im Kampf den Tod.
Ich muß ihn stäts beweinen:   das schafft mir armem Weibe Noth!"

Da erhob sich vom Sitze   die Markgräfin mild:                     1766
Mit ihren weißen Händen   hob sie herab den Schild
Und trug ihn hin zu Hagen:   der nahm ihn an die Hand.
Die Gabe war mit Ehren   an den Recken gewandt.

Eine Hülle lichten Zeuges   auf seinen Farben lag.                 1767
Beßern Schild als diesen   beschien wohl nie der Tag.
Mit edelm Gesteine   War er so besetzt,
Man hätt ihn im Handel   wohl auf tausend Mark geschätzt.

Den Schild hinwegzutragen   befahl der Degen hehr.                 1768
Da kam sein Bruder Dankwart   auch zu Hofe her.
Dem gab reicher Kleider   Rüdigers Kind genug,
Die er bei den Heunen   hernach mit Freuden noch trug.

Wie viel sie der Gaben   empfiengen insgemein,                     1769
Nichts würd in ihre Hände   davon gekommen sein,
Wars nicht dem Wirth zu Liebe,   der es so gütlich bot.
Sie wurden ihm so feind hernach,  daß sie ihn schlagen musten todt.

Da hatte mit der Fiedel   Volker der schnelle Held                 1770
Sich vor Gotelinde   höfisch hingestellt.
Er geigte süße Töne   und sang dazu sein Lied:
Damit nahm er Urlaub,   als er von Bechlaren schied.

Da ließ die Markgräfin   eine Lade näher tragen.                   1771
Von freundlicher Gabe   mögt ihr nun hören sagen:
Zwölf Spangen, die sie aus ihr nahm,   schob sie ihm an die Hand:
"Die sollt ihr führen, Volker,   mit euch in der Heunen Land

"Und sollt sie mir zu Liebe   dort am Hofe tragen:                 1772
Wenn ihr wiederkehret,   daß man mir möge sagen,
Wie ihr gedient mir habet   bei dem Hofgelag."
Wie sie ihn gebeten,   so that der Degen hernach.

Der Wirth sprach zu den Gästen:   "Daß ihr nun sichrer fahrt,      1773
Will ich euch selbst geleiten:   so seid ihr wohl bewahrt,
Daß ihr auf der Straße   nicht werdet angerannt."
Seine Saumrosse   die belud man gleich zur Hand.

Der Wirth war reisefertig   und fünfhundert Mann                   1774
Mit Rossen und mit Kleidern:   die führt' er hindann
Zu dem Hofgelage   mit fröhlichem Muth;
Nach Bechelaren kehrte   nicht Einer all der Ritter gut.

Mit minniglichen Küssen   der Wirth von dannen schied;             1775
Also that auch Geiselher,   wie ihm die Liebe rieth.
Sie herzten schöne Frauen   mit zärtlichem Umfahn:
Das musten bald beweinen   viel Jungfrauen wohlgethan.

Da wurden allenthalben   die Fenster aufgethan,                    1776
Als mit seinen Mannen   der Markgraf ritt hindann.
Sie fühlten wohl im Herzen   voraus das herbe Leid:
Drum weinten viel der Frauen   und manche waidliche Maid.

Nach den lieben Freunden   trug Manche groß Beschwer,              1777
Die sie in Bechelaren   ersahen nimmermehr.
Doch ritten sie mit Freuden   nieder an dem Strand
Dort im Donauthale   bis in das heunische Land.

Da sprach zu den Burgunden   der milde Markgraf hehr,              1778
Rüdiger der edle:   "Nun darf nicht länger mehr
Verhohlen sein die Kunde,   daß wir nach Heunland kommen.
Es hat der König Etzel   noch nie so Liebes vernommen."

Da ritt manch schneller Bote   ins Oesterreicherland:              1779
So ward es allenthalben   den Leuten bald bekannt,
Daß die Helden kämen   von Worms über Rhein.
Dem Ingesind des Königs   konnt es nicht lieber sein.

Die Boten vordrangen   mit diesen Mären,                           1780
Daß die Nibelungen   bei den Heunen wären:
"Du sollst sie wohl empfangen,   Kriemhild, Fraue mein:
Nach großen Ehren kommen   dir die lieben Brüder dein."

Als die Königstochter   vernahm die Märe,                          1781
Zum Theil wich ihr vom Herzen   ihr Leid, das schwere.
Aus ihres Vaters Lande   zog Mancher ihr heran,
Durch den der König Etzel   bald großen Jammer gewann.

"Nun wohl mir diese Freude,"   sprach da Kriemhild.                1782
"Hier bringen meine Freunde   gar manchen neuen Schild
Und Panzer glänzend helle:   wer nehmen will mein Gold
Und meines Leids gedenken,   dem will ich immer bleiben hold."

Sie gedachte heimlich:   "Noch wird zu Allem Rath.                 1783
Der mich an meinen Freuden   so gar gepfändet hat,
Weiß ich es zu fügen,   es soll ihm werden leid
Bei diesem Gastgebote:   dazu bin ich gern bereit.

"Ich will es also Schaffen,   daß meine Rach ergeht                1784
Bei diesem Hofgelage,   wie es hernach auch steht,
An seinem argen Leibe,   der mir hat benommen
So viel meiner Wonne:   des soll mir nun Entgeltung kommen."

      *      *      *      *      *



Achtundzwanzigstes Abenteuer.

Wie Kriemhild Hagen entpfieng.


Als die Burgunden   kamen auf das Feld,                            1785
Auf schlug man drei Königen   gar herrlich Gezelt.
Sie stießen ein die Fahnen   von eitel Golde roth.
Da wusten nicht die Herren,   wie ihnen nah war der Tod.

Da stieg zu den Zinnen   Frau Kriemhild hinan                      1786
Und sah auf dem Felde   reiten manchen Mann.
Des freute sich heimlich   das wunderschöne Weib:
"Nun endlich wird gerochen   des kühnen Siegfriedes Leib,

"Der mir so mörderlich   zu Tode ward geschlagen;                  1787
Ich kann bis an mein Ende   ihn nie genug beklagen.
O weh der großen Ehren,   die ich muß verloren schaun:
So tapfrer Mann lag nimmer   noch im Arm einer Fraun.

"Seine große Tugend   schafft mir Herzeleid:                       1788
Wenn ich daran gedenke,   wie er zu jener Zeit
Hin ritt mit so gesundem Leib,   so mehrt sich meine Klage:
Mir darf Niemand rügen   das große Leid, das ich trage.

"Gott hatt ihn mir zu Manne   aus aller Welt erkoren.              1789
Wär Einem Mann die Tugend   Tausender angeboren,
Viel größere doch Siegfried   ganz alleine trug."
Sehr klagt' um ihn die Königin,   zu dem Herzen sie sich schlug.

Alsbald ward dem Berner   die Märe kund gethan.                    1790
Da kam er geschwinde   über den Hof heran;
Er hatte Hilbranden   der Sitte nach bei sich.
"Viel edle Königstochter,   das ließet ihr billiglich,

"Daß man euch weinen sähe   bei dieser Lustbarkeit.                1791
Ihr habt hieher beschieden   aus fremden Landen weit
Viel der werthen Recken   und manchen Biedermann:
Daß man euch nun weinen sieht,   das steht euch gar übel an."

"Ich mahne dich der Treue,"   sprach sie, "Hildebrand,             1792
Hast du je Gab empfangen   aus meiner milden Hand,
So räche mich an Hagen:   ich gebe dir mein Gold
Und bin mit guten Treuen   bis an mein Ende dir hold."

Da sprach zu ihr der Berner:   "Ihr seid ein übel Weib,            1793
Daß ihr den Freunden rathet   an Leben und Leib,
Und habt so manchen Boten   hin an den Rhein gesandt,
Bis sie euch nun kamen   zu Haus mit wehrlicher Hand.

"Höret, Meister Hildebrand,   so lieb als ich euch sei:            1794
Empfangt mir vom Rheine   die Könige alle drei
Und heißt sie hier zu Felde   liegen bis an den Tag,
So warn ich sie mit Treue,   so gut ich immer vermag."

Da ritt wohlgezogen   Meister Hildebrand,                          1795
Bis er die drei Könige   von dem Rheine fand.
Er sprang vom Pferde ritterlich   und ließ sich auf die Knie:
Die drei Könige vom Rheine   so empfing und grüßt' er sie.

"Willkommen seid, Herr Gunther,   König an dem Rhein;              1796
So sei auch Herr Gernot,   der liebe Bruder dein,
Und Geiselher der junge   und Hagen, ein starker Mann,
Und noch manch schneller Recke,   die ich nicht alle nennen kann.

"Euch entbeut der Berner,   der liebe Herre mein,                  1797
Seine Huld und Freundschaft   und will euch hülfreich sein.
Er räth euch, hier im Felde   zu liegen bis zum Tag:
Dann warnt er euch mit Treuen,   so gut er immer vermag.

"Mög euch Gott behüten   hier vor aller Noth:                      1798
Schon vor vierthalb Jahren   war euch bereit der Tod.
Geschworen hat Frau Kriemhild,   eure Schwester, manchen Eid,
daß sie an euch will rächen   all ihr großes Herzeleid.

"Er entbeut euch, daß ihr meidet,   so lieb euch sei das Leben,    1799
Den Neubau an der Donau,   wo euch Herberg ist gegeben:
Das sollt ihr mir glauben,   und käm darein ein Heer,
Ihr müstet All ersterben   und Keiner käme zur Wehr.

"Wißt, in drei schönen Rohren,   die hohl von innen sind,          1800
Schwefel und Kohlen   mischten sie falsch gesinnt:
Das wird angezündet,   wenn sie zu Tische gehn.
Davor sollt ihr euch hüten   ihr stolzen Degen ausersehn."

Des erschrak der König,   die Rede war ihm leid.                   1801
"Nun lohne Gott dir, Hildebrand,   daß du uns gabst Bescheid
Und daß du hast gewarnet   manch heimatlosen Mann.
Ich seh, wir treffen Treue   bei den Heunen wenig an."

Des erlachten die Jungen   und hielten es für Spott.               1802
Da sprachen die Weisen:   "Davor behüt uns Gott.
Wir sind in großer Treue   geritten in das Land;
Sie hat uns manchen Boten   hin nach dem Rheine gesandt."

Da sprach wohlgezogen   der König Gernot:                          1803
"Meine Schwester Kriemhild hat uns   geladen in den Tod.
Zu großer Treue ritten   wir her in diese Statt,
Da meine schöne Schwester   uns vom Rhein geladen hat."

Da sprach der Fiedelspieler,   der kühne Volker:                   1804
"Ich kam der Gabe willen   vom Rhein geritten her.
Nun will ich drauf verzichten,"   so sprach der Fiedelmann:
"Ich fiedle mit dem Schwerte   das allerbeste, das ich kann.

"Erklingen meine Töne,   so weichen sie zurück,                    1805
Und wollen sie's nicht laßen,   so fügt es leicht das Glück,
Ich schlag Einem ritterlich   einen schnellen Geigenschlag,
Hat er einen treuen Freund,   daß es der beweinen mag."

Als Hildebrand der alte   von dannen wollte gehn,                  1806
Geiselher der junge   hieß ihn noch stille stehn.
Er gab ihm einen Mantel,   den er ihm zu Ehren trug;
Für dreißig Mark Goldes   hatt er Pfands daran genug.

An sich nahm den Mantel   Meister Hildebrand                       1807
Und ritt hin wohlgezogen,   wo er den Berner fand.
"Schaut den reichen Mantel,   der hier an mir zu sehn:
Den gab mir Geiselher das Kind,   als ich von ihm wollte gehn."

Als die Burgunden   kamen in das Land,                             1808
Da erfuhr es von Berne   der alte Hildebrand.
Er sagt' es seinem Herren.   Dietrichen war es leid;
Er hieß ihn wohl empfangen   der kühnen Ritter Geleit.

Da ließ der starke Wolfhart   die Pferde führen her;               1809
Dann ritt mit dem Berner   mancher Degen hehr,
Sie zu begrüßen,   zu ihnen auf das Feld.
Sie hatten aufgeschlagen   da manches herrliche Zelt.

Als sie von Tronje Hagen   aus der Ferne sah,                      1810
Wohlgezogen sprach er   zu seinen Herren da:
"Nun hebt euch von den Sitzen,   ihr Recken wohlgethan,
Und geht entgegen denen,   die euch hier wollen empfahn.

"Dort kommt ein Heergesinde,   das ist mir wohl bekannt;           1811
Es sind viel schnelle Degen   von Amelungenland.
Sie führt Der von Berne,   sie tragen hoch den Muth:
Laßt euch nicht verschmähen   die Dienste, die man euch thut."

Da sprang von den Rossen   wohl nach Fug und Recht                 1812
Mit Dietrichen nieder   mancher Herr und Knecht.
Sie giengen zu den Gästen,   wo man die Helden fand,
Und begrüßten freundlich   Die von der Burgunden Land.

Als sie der edle Dietrich   ihm entgegen kommen sah,               1813
Liebes und Leides   zumal ihm dran geschah.
Er wuste wohl die Märe;   leid war ihm ihre Fahrt:
Er wähnte, Rüdger wüst es   und hätt es ihnen offenbart.

"Willkommen mir, ihr Herren,   Gunther und Geiselher,              1814
Gernot und Hagen,   Herr Volker auch so sehr,
Und Dankwart der schnelle:   ist euch das nicht bekannt?
Schwer beweint noch Kriemhild   Den von Nibelungenland."

"Sie mag noch lange weinen,"   so sprach da Hagen:                 1815
"Er liegt seit manchem Jahr   schon zu Tod erschlagen.
Den König der Heunen   mag sie nun lieber haben:
Siegfried kommt nicht wieder,   er ist nun lange begraben."

"Siegfriedens Wunden   laßen wir nun stehn:                        1816
So lange lebt Frau Kriemhild,   mag Schade wohl geschehn."
So redete von Berne   der edle Dieterich:
"Trost der Nibelungen,   davor behüte du dich!"

"Wie soll ich mich behüten?"   sprach der König hehr.              1817
"Etzel sandt uns Boten,   was sollt ich fragen mehr?
Daß wir zu ihm ritten   her in dieses Land.
Auch hat uns manche Botschaft   meine Schwester Kriemhild gesandt."

"So will ich euch rathen,"   sprach wieder Hagen,                  1818
"Laßt euch diese Märe   doch zu Ende sagen
Dieterich den Herren   und seine Helden gut,
Daß sie euch wißen laßen   der Frau Kriemhilde Muth."

Da giengen die drei Könige   und sprachen unter sich,              1819
Herr Gunther und Gernot   und Herr Dieterich:
"Nun sag uns, von Berne   du edler Ritter gut,
Was du wißen mögest   von der Königin Muth."

Da sprach der Vogt von Berne:   "Was soll ich weiter sagen?        1820
Als daß ich alle Morgen   weinen hör und klagen
Etzels Weib Frau Kriemhild   in jämmerlicher Noth
Zum reichen Gott vom Himmel   um des starken Siegfried Tod."

"Es ist halt nicht zu wenden,"   sprach der kühne Mann,            1821
Volker der Fiedler,   "was ihr uns kund gethan.
Laßt uns zu Hofe reiten   und einmal da besehn,
Was uns schnellen Degen   bei den Heunen möge geschehn."

Die kühnen Burgunden   hin zu Hofe ritten:                         1822
Sie kamen stolz gezogen   nach ihres Landes Sitten.
Da wollte bei den Heunen   gar mancher kühne Mann
Von Tronje Hagen schauen,   wie der wohl wäre gethan.

Es war durch die Sage   dem Volk bekannt genug,                    1823
Daß er von Niederlanden   Siegfrieden schlug,
Aller Recken stärksten,   Frau Kriemhildens Mann:
Drum ward so großes Fragen   bei Hof nach Hagen gethan.

Der Held war wohlgewachsen,   das ist gewisslich wahr.             1824
Von Schultern breit und Brüsten;   gemischt war sein Haar
Mit einer greisen Farbe;   von Beinen war er lang
Und schrecklich von Antlitz;   er hatte herrlichen Gang.

Da schuf man Herberge   den Burgundendegen;                        1825
Gunthers Ingesinde   ließ man gesondert legen.
Das rieth die Königstochter,   die ihm viel Haßes trug:
Daher man bald die Knechte   in der Herberg erschlug.

Dankwart, Hagens Bruder,   war da Marschall;                       1826
Der König sein Gesinde   ihm fleißig anbefahl,
Daß er es die Fülle   mit Speise sollte pflegen.
Das that auch gar willig   und gern dieser kühne Degen.

Kriemhild die schöne   mit dem Gesinde gieng,                      1827
Wo sie die Nibelungen   mit falschem Muth empfieng:
Sie küsste Geiselheren   und nahm ihn bei der Hand.
Als das Hagen sah von Tronje,   den Helm er fester sich band.

"Nach solchem Empfange,"   so sprach da Hagen,                     1828
"Mögen wohl Bedenken   die schnellen Degen tragen;
Man grüßt die Fürsten ungleich   und den Unterthan:
Keine gute Reise haben wir   zu dieser Hochzeit gethan."

Sie sprach: "Seid willkommen   dem, der euch gerne sieht:          1829
Eurer Freundschaft willen   kein Gruß euch hier geschieht.
Sagt, was ihr mir bringet   von Worms überrhein,
Daß ihr mir so höchlich   solltet willkommen sein?"

"Was sind das für Sachen,"   sprach Hagen entgegen,                1830
"Daß euch Gaben bringen   sollten diese Degen?
So reich wär ich gewesen,   hätt ich das gedacht,
Daß ich euch meine Gabe   zu den Heunen hätt gebracht."

"Nun frag ich um die Märe   weiter bei euch an,                    1831
Der Hort der Nibelungen,   wohin ward der gethan?
Der war doch mein eigen,   das ist euch wohl bekannt:
Den solltet ihr mir haben   gebracht in König Etzels Land."

"In Treuen, Frau Kriemhild,   schon mancher Tag ist hin,           1832
Den Hort der Nibelungen,   seit ich des ledig bin,
Ihn ließen meine Herren   senken in den Rhein:
Da muß er auch in Wahrheit   bis zum jüngsten Tage sein."

Die Königin versetzte:   "Ich dacht es wohl vorher.                1833
Ihr habt mir noch wenig   davon gebracht hieher,
Wiewohl er war mein eigen   und ich sein weiland pflag;
Nach ihm und seinem Herren   hab ich manchen leiden Tag."

"Ich bring euch den Teufel!"   sprach wieder Hagen,                1834
"Ich hab an meinem Schilde   so viel zu tragen
Und an meinem Harnisch;   mein Helm der ist licht,
Das Schwert an meiner Seite:   drum bring ich ihn euch nicht."

"Es war auch nicht die Meinung,   als verlangte mich nach Gold:    1835
So viel hab ich zu geben,   ich entbehre leicht den Sold.
Eines Mords und Doppelraubes,   die man an mir genommen,
Dafür möcht ich Arme   zu lieber Entgeltung kommen."

Da sprach die Königstochter   zu den Recken allzumal:              1836
"Man soll keine Waffen   tragen hier im Saal;
Vertraut sie mir,   ihr Helden, zur Verwahrung an."
"In Treuen," sprach da Hagen,   "das wird nimmer gethan.

"Ich begehre nicht der Ehre,   Fürstentochter mild,                1837
Daß ihr zur Herberge   tragt meinen Schild
Und ander Streitgeräthe;   ihr seid hier Königin.
So lehrte mich mein Vater,   daß ich selbst ihr Hüter bin."

"O Weh dieses Leides!"   sprach da Kriemhild:                      1838
"Warum will mein Bruder   und Hagen seinen Schild
Nicht verwahren laßen?   Gewiss, sie sind gewarnt:
Und wüst ich, wer es hat gethan,   der Tod der hielt' ihn umgarnt."

Im Zorn gab ihr Antwort   Dietrich sogleich:                       1839
"Ich bin es, der gewarnt hat   die edeln Fürsten reich
Und Hagen den kühnen,   der Burgunden Mann:
Nur zu, du Braut des Teufels,   du thust kein Leid mir drum an."

Da schämte sich gewaltig   die edle Königin:                       1840
Sie fürchtete sich bitter   vor Dietrichs Heldensinn.
Sie gieng alsdann von dannen,   kein Wort mehr sprach sie da,
Nur daß sie nach den Feinden   mit geschwinden Blicken sah.

Da nahmen bei den Händen   zwei der Degen sich,                    1841
Der Eine war Hagen,   der Andere Dietrich.
Da sprach wohlgezogen   der Degen allbereit:
"Eure Reise zu den Heunen   die ist in Wahrheit mir leid,

"Da die Königstochter   so gesprochen hat."                        1842
Da sprach von Tronje Hagen:   "Zu Allem wird schon Rath."
So sprachen zu einander   die Recken wohlgethan.
Das sah der König Etzel,   der gleich zu fragen begann:

"Die Märe wust ich gerne,"   befrug der König sich,                1843
"Wer der Recke wäre,   den dort Herr Dietrich
So freundlich hat empfangen;   er trägt gar hoch den Muth:
Wie auch sein Vater heiße,   er mag wohl sein ein Recke gut."

Antwort gab dem König   ein Kriemhildens-Mann:                     1844
"Von Tronje ist er geboren,   sein Vater hieß Aldrian;
Wie zahm er hier gebare,   er ist ein grimmer Mann:
Ich laß euch das noch schauen,   daß ich keine Lüge gethan."

"Wie soll ich das erkennen,   daß er so grimmig ist?"              1845
Noch hatt er nicht Kunde   von mancher argen List,
Die wider ihre Freunde   die Königin spann,
Daß aus dem Heunenlande   ihr auch nicht Einer entrann.

"Wohl kannt ich Hagen,   er war mein Unterthan:                    1846
Lob und große Ehre   er hier bei mir gewann.
Ich macht' ihn zum Ritter   und gab ihm mein Gold;
Weil er sich getreu erwies,   war ich immer ihm hold.

"Daher ist mir von Hagen   Alles wohlbekannt.                      1847
Zwei edle Kinder bracht ich   als Geisel in dieß Land,
Ihn und von Spanien Walther:   die wuchsen hier heran.
Hagen sandt ich wieder heim;   Walther mit Hildegund entrann."

So bedacht er alter Zeiten   und was vordem geschehn.              1848
Seinen Freund von Tronje   hatt er hier gesehn,
Der ihm in seiner Jugend   oft große Dienste bot;
Jetzt schlug er ihm im Alter   viel lieber Freunde zu Tod.

       *       *       *       *       *



Neunundzwanzigstes Abenteuer.

Wie Hagen und Volker vor Kriemhildens Saal saßen.


Da schieden auch die beiden   werthen Recken sich,                 1849
Hagen von Tronje   und Herr Dieterich.
Ueber die Achsel blickte   Gunthers Unterthan
Nach einem Heergesellen,   den er sich bald gewann.

Neben Geiselheren   sah er Volkern stehn,                          1850
Den kunstreichen Fiedler:   den bat er mitzugehn,
Weil er wohl erkannte   seinen grimmen Muth:
Er war an allen Tugenden   ein Ritter kühn und auch gut.

Noch ließ man die Herren   auf dem Hofe stehn.                     1851
Die Beiden ganz alleine   sah man von dannen gehn
Ueber den Hof hin ferne   vor einen Pallas weit:
Die Auserwählten scheuten   sich vor Niemandes Streit.

Sie setzten vor dem Hause sich   genüber einem Saal,               1852
Der war Kriemhilden,   auf eine Bank zu Thal.
An ihrem Leibe glänzte   ihr herrlich Gewand;
Gar Manche, die das sahen,   hätten gern sie gekannt.

Wie die wilden Thiere   gaffte sie da an,                          1853
Die übermüthgen Helden,   mancher Heuneumann.
Da sah sie durch ein Fenster   Etzels Königin:
Das betrübte wieder   der schönen Kriemhilde Sinn.

Sie gedacht ihres Leides;   zu weinen hub sie an.                  1854
Das wunderte die Degen,   die Etzeln unterthan,
Was ihr bekümmert hätte   so sehr den hohen Muth?
Da sprach sie: "Das that Hagen,   ihr Helden kühn und auch gut."

Sie sprachen zu der Frauen:   "Wie ist das geschehn?               1855
Wir haben euch doch eben   noch wohlgemuth gesehn.
Wie kühn er auch wäre,   der es euch hat gethan,
Befehlt ihr uns die Rache,   den Tod müst er empfahn."

"Dem wollt ich immer danken,   der rächte dieses Leid:             1856
Was er nur begehrte,   ich wär dazu bereit.
"Ich fall euch zu Füßen,"   so sprach des Königs Weib:
"Rächt mich an Hagen:   er verliere Leben und Leib."

Da rüsteten die Kühnen sich,   sechzig an der Zahl:                1857
Kriemhild zu Liebe   wollten sie vor den Saal
Und wollten Hagen schlagen,   diesen kühnen Mann,
Dazu den Fiedelspieler;   das ward einmüthig gethan.

Als so gering den Haufen   die Königin ersah,                      1858
In grimmem Muthe sprach sie   zu den Helden da:
"Von solchem Unterfangen   rath ich abzustehn:
Ihr dürft in so geringer Zahl   nicht mit Hagen streiten gehn.

"So kühn auch und gewaltig   Der von Tronje sei,                   1859
Noch ist bei weitem stärker,   der ihm da sitzet bei,
Volker der Fiedler:   das ist ein übler Mann:
Wohl dürft ihr diesen Helden   nicht zu so wenigen nahn."

Als sie die Rede hörten,   rüsteten sich mehr                      1860
Vierhundert Recken.   Der Königin hehr
Lag sehr am Herzen   die Rache für ihr Leid.
Da wurde bald den Degen   große Sorge bereit.

Als sie ihr Gesinde   wohlbewaffnet sah,                           1861
Zu den schnellen Recken   sprach die Königin da:
"Nun harrt eine Weile:   ihr sollt noch stille stehn.
Ich will unter Krone   hin zu meinen Feinden gehn.

"Hört mich ihm verweisen,   was mir hat gethan                     1862
Hagen von Tronje,   Gunthers Unterthan.
Ich weiß ihn so gemuthet,   er läugnets nimmermehr:
So will ich auch nicht fragen,   was ihm geschehe nachher."

Da sah der Fiedelspieler,   ein kühner Spielmann,                  1863
Die edle Königstochter   von der Stiege nahn,
Die aus dem Hause führte.   Als er das ersah,
Zu seinem Heergesellen   sprach der kühne Volker da:

"Nun schauet, Freund Hagen,   wie sie dorther naht,                1864
Die uns ohne Treue   ins Land geladen hat.
Ich sah mit einer Königin   nie so manchen Mann
Die Schwerter in den Händen   also streitlustig nahn.

"Wißt ihr, Freund Hagen,   daß sie euch abhold sind?               1865
So will ich euch rathen,   daß ihr zu hüten sinnt
Des Lebens und der Ehre;   führwahr, das dünkt mich gut:
Soviel ich mag erkennen,   ist ihnen zornig zu Muth.

"Es sind auch Manche drunter   von Brüsten stark und breit:        1866
Wer seines Lebens hüten will,   der thu es beizeit.
Ich seh sie unter Seide   die festen Panzer tragen.
Was sie damit meinen,   das hör ich Niemanden sagen."

Da sprach im Zornmuthe   Hagen der kühne Mann:                     1867
"Ich weiß wohl, das wird Alles   wider mich gethan,
Daß sie die lichten Waffen   tragen an der Hand;
Von denen aber reit ich   noch in der Burgunden Land.

"Nun sagt mir, Freund Volker,   denkt ihr mir beizustehn,          1868
Wenn mit mir streiten wollen   Die in Kriemhilds Lehn?
Das laßt mich vernehmen,   so lieb als ich euch sei.
Ich steh euch mit Diensten   immer wieder treulich bei."

"Sicherlich, ich helf euch,"   so sprach da Volker.                1869
"Und säh ich uns entgegen   mit seinem ganzen Heer
Den König Etzel kommen,   all meines Lebens Zeit
Weich ich von eurer Seite   aus Furcht nicht eines Fußes breit."

"Nun lohn euch Gott vom Himmel,   viel edler Volker!               1870
Wenn sie mit mir streiten,   wes bedarf ich mehr?
Da ihr mir helfen wollet,   wie ich jetzt vernommen,
So mögen diese Recken   fein behutsam näher kommen."

"Stehn wir auf vom Sitze,"   sprach der Fiedelmann,                1871
"Vor der Königstochter,   so sie nun kommt heran.
Bieten wir die Ehre   der edeln Königin!
Das bringt uns auch beiden   an eignen Ehren Gewinn."

"Nein! wenn ihr mich lieb habt,"   sprach dawider Hagen.           1872
"Es möchten diese Degen   mit dem Wahn sich tragen,
Daß ich aus Furcht es thäte   und dächte wegzugehn:
Von dem Sitze mein ich   vor ihrer Keinem aufzustehn.

"Daß wir es bleiben laßen,   das ziemt uns ganz allein.            1873
Soll ich dem Ehre bieten,   der mir feind will sein?
Nein, ich thu es nimmer,   so lang ich leben soll:
In aller Welt, was kümmr ich   mich um Kriemhildens Groll?"

Der vermeßne Hagen legte   über die Schenkel hin                   1874
Eine lichte Waffe,   aus deren Knaufe schien
Mit hellem Glanz ein Jaspis,   grüner noch als Gras.
Wohl erkannte Kriemhild,   daß Siegfried einst sie besaß.

Als sie das Schwert erkannte,   das schuf ihr große Noth.          1875
Der Griff war von Golde,   der Scheide Borte roth.
Ermahnt war sie des Leides,   zu weinen hub sie an;
Ich glaube, Hagen hatt es   auch eben darum gethan.

Volker der kühne   zog näher an die Bank                           1876
Einen starken Fiedelbogen,   mächtig und lang,
Wie ein Schwert geschaffen,   scharf dazu und breit.
So saßen unerschrocken   diese Recken allbereit.

Die kühnen Degen beide   dauchten sich so hehr,                    1877
Aus Furcht vor Jemandem   wollten sie nimmermehr
Vom Sitz sich erheben.   Ihnen schritt da vor den Fuß
Die edle Königstochter   und bot unfreundlichen Gruß.

Sie sprach: "Nun sagt, Herr Hagen,   wer hat nach euch gesandt,    1878
Daß ihr zu reiten wagtet   her in dieses Land,
Da ihr doch wohl wustet,   was ihr mir habt gethan?
Wart ihr bei guten Sinnen,   ihr durftets euch nicht unterfahn."

"Nach mir gesandt hat Niemand,"   sprach er entgegen,              1879
"Her zu diesem Lande   lud man drei Degen,
Die heißen meine Herren:   ich steh in ihrem Lehn;
Bei keiner Hofreise   pfleg ich daheim zu bestehn."

Sie sprach: "Nun sagt mir ferner,   was thatet ihr das,            1880
Daß ihr es verdientet,   wenn ich euch trage Haß?
Ihr erschlugt Siegfrieden,   meinen lieben Mann,
Den ich bis an mein Ende   nicht gut beweinen kann."

"Wozu der Rede weiter?"   sprach er, "es ist genug:                1881
Ich bin halt der Hagen,   der Siegfrieden schlug,
Den behenden Degen:   wie schwer er das entgalt,
Daß die Frau Kriemhild   die schöne Brunhilde schalt!

"Es wird auch nicht geläugnet,   reiche Königin,                   1882
Daß ich an all dem Schaden,   dem schlimmen, schuldig bin.
Nun räch es, wer da wolle,   Weib oder Mann.
Ich müst es wahrlich lügen,   ich hab euch viel zu Leid gethan."

Sie sprach: "Da hört ihr, Recken,   wie er die Schuld gesteht      1883
An all meinem Leide:   wie's ihm deshalb ergeht,
Darnach will ich nicht fragen,   ihr Etzeln unterthan."
Die übermüthgen Degen   blickten all einander an.

Wär da der Streit erhoben,   so hätte man gesehn,                  1884
Wie man den zwei Gesellen   müß Ehre zugestehn:
Das hatten sie in Stürmen   oftmals dargethan.
Was jene sich vermeßen,   das gieng aus Furcht nun nicht an.

Da sprach der Recken Einer:   "Was seht ihr mich an?               1885
Was ich zuvor gelobte,   das wird nun nicht gethan.
Um Niemands Gabe laß ich   Leben gern und Leib.
Uns will hier verleiten   dem König Etzel sein Weib."

Da sprach ein Andrer wieder:   "So steht auch mir der Muth.        1886
Wer mir Thürme gäbe   von rothem Golde gut,
Diesen Fiedelspieler   wollt ich nicht bestehn
Der schnellen Blicke wegen,   die ich hab an ihm ersehn.

"Auch kenn ich diesen Hagen   von seiner Jugendzeit:               1887
Drum weiß ich von dem Recken   selber wohl Bescheid.
In zweiundzwanzig Stürmen   hab ich ihn gesehn;
Da ist mancher Frauen   Herzeleid von ihm geschehn.

"Er und Der von Spanien   traten manchen Pfad,                     1888
Da sie hier bei Etzeln   thaten manche That
Dem König zu Liebe.   Das ist oft geschehn:
Drum mag man Hagen billig   große Ehre zugestehn.

"Damals war der Recke   an Jahren noch ein Kind,                   1889
Da waren schon die Knaben   wie jetzt kaum Greise sind.
Nun kam er zu Sinnen   und ist ein grimmer Mann;
Auch trägt er Balmungen,   den er übel gewann."

Damit wars entschieden,   Niemand suchte Streit.                   1890
Das war der Königstochter   im Herzen bitter leid.
Die Helden giengen wieder;   wohl scheuten sie den Tod
Von den Helden beiden:   das that ihnen wahrlich Noth.

Wie oft man verzagend   Manches unterläßt,                         1891
Wo der Freund beim Freunde   treulich steht und fest!
Und hat er kluge Sinne,   daß er nicht also thut,
Vor Schaden nimmt sich Mancher   durch Besonnenheit in Hut.

Da sprach der kühne Volker:   "Da wir nun selber sahn,             1892
Daß wir hie Feinde finden,   wie man uns kund gethan,
So laß uns zu den Königen   hin zu Hofe gehn,
So darf unsre Herren   mit Kampfe Niemand bestehn."

"Gut, ich will euch folgen,"   sprach Hagen entgegen.              1893
Da giengen hin die Beiden,   wo sie die zieren Degen
Noch harrend des Empfanges   auf dem Hofe sahn.
Volker der kühne   hub da laut zu reden an.

Er sprach zu seinen Herren:   "Wie lange wollt ihr stehn           1894
Und euch drängen laßen?   ihr sollt zu Hofe gehn
Und von dem König hören,   wie der gesonnen sei."
Da sah man sich gesellen   der kühnen Helden je zwei.

Dietrich von Berne   nahm da an die Hand                           1895
Gunther den reichen   von Burgundenland;
Irnfried nahm Gernoten,   diesen kühnen Mann;
Da gieng mit seinem Schwäher   Geiselher zu Hof heran.

Wie bei diesem Zuge   gesellt war Jeglicher,                       1896
Volker und Hagen,   die schieden sich nicht mehr
Als noch in Einem Kampfe   bis an ihren Tod.
Das musten bald beweinen   edle Fraun in großer Noth.

Da sah man mit den Königen   hin zu Hofe ziehn                     1897
Ihres edeln Ingesindes   tausend Degen kühn;
Darüber sechzig Recken   waren mitgekommen:
Die hatt aus seinem Lande   der kühne Hagen genommen.

Hawart und Iring,   zwei Degen auserkannt,                         1898
Die giengen mit den Königen   zu Hofe Hand in Hand;
Dankwart und Wolfhart,   ein theuerlicher Degen,
Die sah man großer Hofzucht   vor den übrigen pflegen.

Als der Vogt vom Rheine   in den Pallas gieng,                     1899
Etzel der reiche   das länger nicht verhieng:
Er sprang von seinem Sitze,   als er ihn kommen sah.
Ein Gruß, ein so recht schöner,   nie mehr von Köngen geschah.

"Willkommen mir, Herr Gunther   und auch Herr Gernot               1900
Und euer Bruder Geiselher,   die ich hieher entbot
Mit Gruß und treuem Dienste   von Worms überrhein,
Und eure Degen alle   sollen mir willkommen sein.

"Laßt euch auch Willkommen,   ihr beiden Recken, sagen,            1901
Volker der kühne   und dazu Herr Hagen,
Mir und meiner Frauen   hier in diesem Land:
Sie hat euch manche Botschaft   hin zum Rheine gesandt."

Da sprach von Tronje Hagen:   "Das haben wir vernommen.            1902
Wär ich um meine Herren   gen Heunland nicht gekommen,
So wär ich euch zu Ehren   geritten in das Land."
Da nahm der edle König   die lieben Gäste bei der Hand.

Und führte sie zum Sitze   hin, wo er selber saß.                  1903
Da schenkte man den Gästen,   fleißig that man das,
In weiten goldnen Schalen   Meth, Moraß und Wein
Und hieß die fremden Degen   höchlich willkommen sein.

Da sprach König Etzel:   "Das muß ich wohl gestehn,                1904
Mir könnt in diesen Zeiten   nichts Lieberes geschehn
Als durch euch, ihr Recken,   daß ihr gekommen seid;
Damit ist auch der Königin   benommen Kummer und Leid.

"Mich nahm immer Wunder,   was ich euch wohl gethan,               1905
Da ich der edeln Gäste   so Manche doch gewann,
Daß ihr nie zu reiten   geruhtet in mein Land;
Nun ich euch hier ersehen hab,   ist mirs zu Freuden gewandt."

Da versetzte Rüdiger,   ein Ritter hochgemuth:                     1906
"Ihr mögt sie gern empfahen,   ihre Treue die ist gut:
Der wißen meiner Frauen   Brüder schön zu pflegen.
Sie bringen euch zu Hause   manchen waidlichen Degen."

Am Sonnewendenabend   waren sie gekommen                           1907
An Etzels Hof, des reichen.   Noch selten ward vernommen,
Daß ein König seine Gäste   freundlicher empfieng;
Darnach er zu Tische   wohlgemuth mit ihnen gieng.

Ein Wirth bei seinen Gästen   sich holder nie betrug.              1908
Zu trinken und zu eßen   bot man da genug:
Was sie nur wünschen mochten,   das wurde gern gewährt.
Man hatte von den Helden   viel große Wunder gehört.

Der reiche Etzel hatte   an ein Gebäude weit                       1909
Viel Fleiß und Müh gewendet   und Kosten nicht gescheut:
Man sah Pallas und Thürme,   Gemächer ohne Zahl
In einer weiten Veste   und einen herrlichen Saal.

Den hatt er bauen laßen   lang, hoch und weit,                     1910
Weil ihn so viel der Recken   heimsuchten jederzeit.
Auch ander Ingesinde,   zwölf reiche Könge hehr
Und viel der werthen Degen   hatt er zu allen Zeiten mehr,

Als je gewann ein König,   von dem ich noch vernahm.               1911
Er lebte so mit Freunden   und Mannen wonnesam:
Gedräng und frohen Zuruf   hatte der König gut
Von manchem schnellen Degen;   drum stand wohl hoch ihm der Muth.

       *       *       *       *       *



Dreißigstes Abenteuer.

Wie Hagen und Volker Schildwacht standen.


Der Tag war nun zu Ende,   es nahte sich die Nacht.                1912
Den reisemüden Recken   war die Sorg erwacht,
Wann sie ruhen sollten   und zu Bette gehn.
Zur Sprache bracht es Hagen:   Bescheid ist ihnen geschehn.

Zu dem Wirthe sprach da Gunther:   "Gott laß euchs wohlgedeihn:    1913
Wir wollen schlafen gehen,   mag es mit Urlaub sein.
Wenn ihr das gebietet,   kommen wir morgen fruh."
Der Wirth entließ die Gaste   wohlgemuth zu ihrer Ruh.

Von allen Seiten drängen   man die Gäste sah.                      1914
Volker der kühne   sprach zu den Heunen da:
"Wie dürft ihr uns Recken   so vor die Füße gehn?
Und wollt ihr das nicht meiden,   so wird euch übel geschehn.

"So schlag ich Dem und Jenem   so schweren Geigenschlag,           1915
Hat er einen Treuen,   daß ders beweinen mag.
Nun weicht vor uns Recken,   fürwahr, mich dünkt es gut:
Es heißen Alle Degen   und haben doch nicht gleichen Muth."

Als in solchem Zorne   sprach der Fiedelmann,                      1916
Hagen der kühne   sich umzuschaun begann.
Er sprach: "Euch räth zum Heile   der kühne Fiedeler.
Geht zu den Herbergen,   ihr in Kriemhildens Heer.

"Was ihr habt im Sinne,   es fügt sich nicht dazu:                 1917
Wollt ihr was beginnen,   so kommt uns morgen fruh
Und laßt uns Reisemüden   heut in Frieden ruhn.
Ich glaube, niemals werden   es Helden williger thun."

Da brachte man die Gäste   in einen weiten Saal,                   1918
Zur Nachtruh eingerichtet   den Recken allzumal
Mit köstlichen Betten,   lang zumal und breit.
Gern schuf ihnen Kriemhild   das allergrößeste Leid,

Schmucker Decken sah man   von Arras da genug                      1919
Aus lichthellem Zeuge   und manchen Ueberzug
Aus Arabischer Seide,   so gut sie mochten sein,
Verbrämt mit goldnen Borten,   die gaben herrlichen Schein.

Viel Bettlaken fand man   von Hermelin gemacht                     1920
Und von schwarzem Zobel,   worunter sie die Nacht
Sich Ruhe schaffen sollten   bis an den lichten Tag.
Ein König mit dem Volke   wohl nimmer herrlicher lag.

"O weh des Nachtlagers!"   sprach Geiselher das Kind,              1921
"Und weh meiner Freunde,   die mit uns kommen sind.
Wie gut es meine Schwester   uns auch hier erbot,
Wir gewinnen, fürcht ich, alle   von ihrem Haße den Tod."

"Nun laßt euer Sorgen,"   sprach Hagen der Degen,                  1922
"Ich will heunte selber   der Schildwache pflegen
Und getrau euch zu behüten   bis morgen an den Tag:
Seit des ohne Sorge:   so entrinne, wer da mag."

Da neigten sich ihm Alle   und sagten ihm Dank.                    1923
Sie giengen zu den Betten.   Da währt' es nicht lang,
Bis in Ruhe lagen   die Helden wohlgethan.
Hagen der kühne   sich da zu waffnen begann.

Da sprach der Fiedelspieler,   Volker der Degen:                   1924
"Verschmäht ihrs nicht, Hagen,   so will ich mit euch pflegen
Heunt der Schildwache   bis morgen an den Tag."
Da dankte Volkeren   der Degen gütlich und sprach:

"Nun lohn euch Gott vom Himmel,   viel lieber Volker!              1925
Zu allen meinen Sorgen   wünsch ich mir Niemand mehr
Als nur euch alleine,   befahr ich irgend Noth.
Ich will es wohl vergelten,   es verwehr es denn der Tod."

Da kleideten die Beiden   sich in ihr licht Gewand,                1926
Jedweder faßte   den Schild an seine Hand,
Sie giengen aus dem Hause   vor die Thüre stehn
Und hüteten der Gäste;   das ist mit Treuen geschehn.

Volker der schnelle   lehnte von der Hand                          1927
Seinen Schild den guten   an des Saales Wand.
Dann wandt er sich zurücke,   wo seine Geige war,
Und diente seinen Freunden:   es ziemt ihm also fürwahr.

Unter des Hauses Thüre   setzt' er sich auf den Stein.             1928
Kühnrer Fiedelspieler   mochte nimmer sein.
Als der Saiten Tönen   ihm so hold erklang,
Die stolzen Heimatlosen   die sagten Volkern den Dank.

Da tönten seine Saiten,   daß all das Haus erscholl;               1929
Seine Kraft und sein Geschicke   die waren beide voll.
Süßer und sanfter   zu geigen hub er an:
So spielt' er in den Schlummer   gar manchen sorgenden Mann.

Da sie entschlafen waren   und Volker das befand,                  1930
Da nahm der Degen wieder   den Schild an die Hand
Und gieng aus dem Hause   vor die Thüre stehn,
Seine Freunde zu behüten   vor Denen in Kriemhilds Lehn.

Wohl der Nacht inmitten,   wenn es erst da geschah,                1931
Volker der kühne   einen Helm erglänzen sah
Fernher durch das Dunkel:   Die Kriemhild unterthan,
Hätten an den Gästen   gerne Schaden gethan.

Bevor diese Recken   Kriemhild hatt entsandt,                      1932
Sie sprach: "Wenn ihr sie findet,   so seid um Gott ermahnt,
Daß ihr Niemand tödtet   als den einen Mann,
Den ungetreuen Hagen;   die Andern rühret nicht an."

Da sprach der Fiedelspieler:   "Nun seht, Freund Hagen,            1933
Uns ziemt, diese Sorge   gemeinsam zu tragen.
Gewaffnet vor dem Hause   seh ich Leute stehn:
So viel ich mag erkennen,   kommen sie uns zu bestehn."

"So schweigt," sprach da Hagen,   "laßt sie erst näher her.        1934
Eh sie uns inne werden,   wird ihrer Helme Wehr
Zerschroten mit den Schwertern   von unser Beider Hand:
Sie werden Kriemhilden   übel wieder heimgesandt."

Der Heunenrecken Einer   das gar bald ersah,                       1935
Die Thüre sei behütet:   wie schnell sprach er da:
"Was wir im Sinne hatten,   kann nun nicht geschehn:
Ich seh den Fiedelspieler   vor dem Hause Schildwacht stehn.

"Er trägt auf dem Haupte   einen Helm von lichtem Glanz,           1936
Der ist hart und lauter,   stark dazu und ganz.
Auch loh'n die Panzerringe   ihm, wie das Feuer thut.
Daneben steht auch Hagen:   die Gäste sind in guter Hut."

Da wandten sie sich wieder.   Als Volker das ersah,                1937
Zu seinem Heergesellen   in Zorn sprach er da:
"Nun laßt mich von dem Hause   zu den Recken gehn:
So frag ich um die Märe   Die in Kriemhildens Lehn."

"Nein, wenn ihr mich lieb habt,"   sprach Hagen entgegen,          1938
"Kämt ihr aus dem Hause,   diese schnellen Degen
Brächten euch mit Schwertern   leicht in solche Noth,
Daß ich euch helfen müste,   wärs aller meiner Freunde Tod.

"Wenn wir dann Beide   kämen in den Streit,                        1939
So möchten ihrer zweie   oder vier in kurzer Zeit
Zu dem Hause springen   und schüfen solche Noth
Drinnen an den Schlafenden,   daß wir bereuten bis zum Tod."

Da sprach wieder Volker:   "So laßt es nur geschehn,               1940
Daß sie inne werden,   wir haben sie gesehn:
So können uns nicht läugnen   Die Kriemhild unterthan,
Daß sie gerne treulos   an den Gästen hätten gethan."

Da rief der Fiedelspieler   den Heunen entgegen:                   1941
"Wie geht ihr so bewaffnet,   ihr behenden Degen?
Wollt ihr morden reiten,   ihr Kriemhild unterthan?
So nehmt mich zur Hülfe   und meinen Heergesellen an,"

Niemand gab ihm Antwort;   zornig war sein Muth:                   1942
"Pfui, feige Bösewichter,"   sprach der Degen gut,
"Im Schlaf uns zu ermorden,   schlicht ihr dazu heran?
Das ward so guten Helden   bisher noch selten gethan."

Bald ward auch die Märe   der Königin bekannt                      1943
Vom Abzug ihrer Boten:   wie schwer sie das empfand!
Da fügte sie es anders;   gar grimmig war ihr Muth.
Da musten bald verderben   viel der Helden kühn und gut.

       *       *       *       *       *



Einunddreißigstes Abenteuer.

Wie die Herren zur Kirche giengen.


"Mir wird so kühl der Harnisch,"   sprach da Volker:               1944
"Die Nacht, wähn ich, wolle   nun nicht währen mehr.
Ich fühl es an den Lüften,   es ist nicht weit vom Tag."
Da weckten sie gar Manchen,   der da im Schlafe noch lag.

Da schien der lichte Morgen   den Gästen in den Saal.              1945
Hagen begann zu fragen   die Recken allzumal,
Ob sie zum Münster wollten   in die Messe heut.
Nach christlichen Sitten   erscholl der Glocken Geläut.

Der Gesang war ungleich;   kein Wunder möcht es sein,              1946
Daß Christen mit Heiden   nicht stimmten überein.
Da wollten zu der Kirche   Die in Gunthers Lehn:
Man sah sie von den Betten   allzumal da erstehn.

Da schnürten sich die Recken   in also gut Gewand,                 1947
Daß nie Helden wieder   in eines Königs Land
Beßre Kleider brachten.   Hagen war es leid;
Er sprach: "Ihr thätet beßer,   ihr trügt hier anderlei Kleid.

"Nun ist euch doch allen   die Märe wohl bekannt:                  1948
Drum statt der Rosenkränze   nehmt Waffen an die Hand;
Statt wohlgesteinter Hüte   die lichten Helme gut,
Da wir so wohl erkennen   der argen Kriemhilde Muth.

"Wir müßen heute streiten,   das will ich euch sagen.              1949
Statt seidner Hemden sollt ihr   Halsbergen tragen
Und statt der reichen Mäntel   gute Schilde breit:
zürnt mit euch Jemand,   daß ihr wehrhaftig seid.

"Meine lieben Herren,   Freund und Mannen mein,                    1950
Tretet in die Kirche   mit lauterm Herzen ein
Und klagt Gott dem reichen   eure Sorg und Noth:
Denn wißt unbezweifelt,   es naht uns allen der Tod.

"Ihr sollt auch nicht vergeßen,   was je von euch geschah,         1951
Und fleht vor eurem Gotte   andächtig da.
Laßt euch alle warnen,   gute Recken hehr:
Es wend es Gott im Himmel,   so hört ihr keine Messe mehr,"

So giengen zu dem Münster   die Fürsten und ihr Lehn.              1952
Auf dem heiligen Friedhof,   da hieß sie stille stehn
Hagen der kühne,   damit man sie nicht schied.
Er sprach: "Noch weiß ja Niemand,  was von den Heunen geschieht.

"Setzt, meine Freunde,   die Schilde vor den Fuß                   1953
Und lohnt es, beut euch Jemand   feindlichen Gruß,
Mit tiefen Todeswunden:   das ist, was euch Hagen räth.
So werdet ihr befunden,   wie's euch am löblichsten steht."

Volker und Hagen   die beiden stellten da                          1954
Sich vor das weite Münster:   was darum geschah,
Sie wolltens dazu bringen,   daß sich die Königin
Mit ihnen drängen müße;   wohl war gar grimmig ihr Sinn.

Da kam der Wirth des Landes   und auch sein schönes Weib;          1955
Mit reichem Gewände   war ihr geziert der Leib
Und manchem schnellen Degen,   der im Geleit ihr war.
Da flog der Staub zur Höhe   vor der Königin Schar,

Als der reiche König   so gewaffnet sah                            1956
Die Fürsten und ihr Ingesind,   wie bald sprach er da:
"Was seh ich meine Freunde   unter Helmen gehn?
Leid war mir meiner Treue,   wär ihnen Leid hier geschehn.

"Das wollt ich ihnen büßen,   wie sie es däuchte gut.              1957
Wenn ihnen wer beschwerte   das Herz und den Muth,
So laß ich sie wohl schauen,   es sei mir wahrlich leid:
Was sie gebieten mögen,   dazu bin ich gern bereit."

Zur Antwort gab ihm Hagen:   "Uns ist kein Leid geschehn.          1958
Es ist der Herren Sitte,   daß sie gewaffnet gehn
Bei allen Gastgeboten   zu dreien vollen Tagen.
Was uns hier geschähe,   wir würden es Etzeln klagen."

Wohl vernahm die Königin   Hagens Rede da.                         1959
Wie feindlich sie dem Degen   unter die Augen sah!
Sie wollte doch nicht melden   den Brauch in ihrem Land,
Wie lang bei den Burgunden   sie den auch hatte gekannt.

Wie grimm und stark die Königin   ihnen abhold wäre,               1960
Hätte Jemand Etzeln   gesagt die rechte Märe,
Er hätt es wohl gewendet,   was nun doch geschah:
In ihrem hohen Uebermuth   verschwiegen sie es Alle da.

Da schritt mit vielem Volke   Kriemhild zur Kirchenthür:           1961
Doch wollten diese Beiden   weichen nicht vor ihr
Zweier Hände Breite:   das war den Heunen leid.
Da muste sie sich drängen   mit den Helden allbereit.

Etzels Kämmerlinge   die dauchte das nicht gut:                    1962
Wohl hätten sie den Recken   gern erzürnt den Muth,
Wenn sie es wagen dürften   vor dem König hehr.
Da gab es groß Gedränge   und doch nichts anderes mehr.

Als nach dem Gottesdienste   man auf den Heimweg sann,             1963
Da kam hoch zu Rosse   mancher Heunenmann.
Auch war bei Kriemhilden   manche schöne Maid;
Wohl Siebentausend zählte   der Königin Heergeleit.

Kriemhild mit ihren Frauen   in den Fenstern saß                   1964
Bei Etzeln dem reichen;   gerne sah er das.
Sie wollten reiten sehen   die Helden auserkannt:
Hei! was man fremder Recken   vor ihnen auf dem Hofe fand!

Nun war auch mit den Rossen   der Marschall gekommen.              1965
Der kühne Dankwart hatte   mit sich genommen
Der Herren Ingesinde   von Burgundenland:
Die Rosse wohlgesattelt   man den kühnen Niblungen fand.

Als zu Rossen kamen   die Fürsten und ihr Herr,                    1966
Da begann zu rathen   der kühne Volker,
Sie sollten buhurdieren   nach ihres Landes Sitten.
Da wurde von den Helden   bald gar herrlich geritten.

Was der Held gerathen,   Niemanden wohl verdroß;                   1967
Der Buhurd und der Waffenklang   wurden beide groß.
In dem weiten Hofe   kam da mancher Mann;
Etzel mit Kriemhild   es selbst zu schauen begann.

Auf den Buhurd kamen   sechshundert Degen.                         1968
Dietrichens Recken,   den Gästen entgegen.
Mit den Burgunden wollten   sie sich im Spiel ergehn;
Wollt es ihr Herr vergönnen,   so wär es gerne geschehn.

Hei! Was gute Recken   ritten da heran!                            1969
Dietrich dem Helden   ward es kund gethan.
Mit Gunthers Ingesinde   das Spiel er verbot;
Er schonte seiner Leute:   das that ihm sicherlich Noth.

Als Dietrichs Gefolge   so vermied den Streit,                     1970
Da kamen von Bechlaren   Rüdigers Geleit,
Fünfhundert unter Schilden,   vor den Saal geritten.
Leid wars dem Markgrafen:   er hätt es gern nicht gelitten.

Er kam zu ihnen eilends   gedrungen durch die Schar                1971
Und sagte seinen Mannen:   sie würden selbst gewahr,
Daß im Unmuth wären   Die Gunthern unterthan:
Wenn sie das Kampfspiel ließen,   so wär ihm Liebes gethan.

Als von ihnen schieden   die Helden allbereit,                     1972
Da kamen die von Thüringen,   hörten wir Bescheid,
Und vom Dänenlande   der Kühnen tausend Mann.
Von Stichen sah man fliegen   viel der Splitter hoch hinan.

Irnfried und Hawart   ritten zum Buhurd hin;                       1973
Ihrer harrten Die vom Rheine   mit hochfährtgem Sinn
Zum Lanzenspiel mit Denen   vom Thüringerland:
Durchbohrt von Stichen wurde   mancher schöne Schildesrand.

Da kam der Degen Blödel,   dreitausend in der Schar.               1974
Etzel und Kriemhild   nahmen sein wohl war,
Da vor ihnen Beiden   das Ritterspiel geschah.
Die Königin es gerne   aus Haß der Burgunden sah.

Sie gedacht in ihrem Sinne,   schier wärs auch so geschehn:        1975
"Und thäten sie wem Leides,   so dürft ich mich versehn,
Daß es zum Ernste käme:   an den Feinden mein
Würd ich dann gerochen;   des wollt ich ohne Sorge sein."

Schrutan und Gibeke   ritten zum Buhurd auch,                      1976
Hornbog und Ramung,   nach heunischem Gebrauch.
Sie hielten vor den Helden   aus Burgundenland:
Die Schäfte flogen wirbelnd   über des Königssaales Wand.

Wie sie da Alle ritten,   das war doch eitel Schall.               1977
Von Stößen auf die Schilde   das Haus und den Saal
Hörte man ertosen   durch manchen Gunthers-Mann.
Das Lob sich sein Gesinde   mit großen Ehren gewann.

Da ward ihre Kurzweil   so stark und so groß,                      1978
Daß den Satteldecken   der blanke Schweiß entfloß
Von den guten Rossen,   so die Helden ritten.
Sie versuchten an den Heunen   sich mit hochfährtgen Sitten.

Da sprach der kühne Volker,   der edle Spielmann:                  1979
"Zu feig sind diese Degen,   sie greifen uns nicht an.
Ich hörte immer sagen,   daß sie uns abhold sein:
Nun könnte die Gelegenheit   ihnen doch nicht günstger sein."

"Zu den Ställen wieder,"   sprach der König hehr,                  1980
"Ziehe man die Rosse;   wir reiten wohl noch mehr
In den Abendstunden,   wenn die Zeit erschien.
Ob dann den Burgunden   den Preis wohl giebt die Königin?"

Da sahn sie Einen reiten   so stattlich daher,                     1981
Es thats von allen Heunen   kein Anderer mehr.
Er hatt in den Fenstern   wohl ein Liebchen traut:
Er ritt so wohl gekleidet   als eines werthen Ritters Braut.

Da sprach wieder Volker:   "Wie blieb' es ungethan?                1982
Jener Weiberliebling   muß einen Stoß empfahn.
Das mag hier Niemand wenden,   es geht ihm an den Leib:
Nicht frag ich, ob drum zürne   dem König Etzel sein Weib."

"Nicht doch," sprach der König,   "wenn ichs erbitten kann:        1983
Es schelten uns die Leute,   greifen wir sie an:
Die Heunen laßt beginnen;   es kommt wohl bald dahin."
Noch saß König Etzel   am Fester bei der Königin.

"Ich will das Kampfspiel mehren,"   sprach Hagen jedoch:           1984
"Laßt diese Frauen   und die Degen noch
Sehn, wie wir reiten können:   das ist wohlgethan;
Man läßt des Lobs doch wenig   die Recken Gunthers empfahn."

Volker der schnelle   ritt wieder in den Streit.                   1985
Das schuf da viel der Frauen   großes Herzeleid.
Er stach dem reichen Heunen   den Sper durch den Leib:
Das sah man noch beweinen   manche Maid und manches Weib.

Alsbald rückt' auch Hagen   mit seinen Helden an:                  1986
Mit sechzig seiner Degen   zu reiten er begann
Dahin, wo von dem Fiedler   das Spiel war geschehn.
Etzel und Kriemhild   konnten Alles deutlich sehn.

Da wollten auch die Könige   den kühnen Fiedler gut                1987
Unter den Feinden   nicht laßen ohne Hut.
Da ward von tausend Helden   mit großer Kunst geritten.
Sie thaten, was sie lüstete,   mit gar hochfährtgen Sitten.

Als der reiche Heune   zu Tode war geschlagen,                     1988
Man hörte seiner Freunde   Wehruf und Klagen.
All das Gesinde fragte:   "Wer hat das gethan?"
"Das hat gethan der Fiedler,   Volker der kühne Spielmann."

Nach Schwertern und Schilden   riefen gleich zur Hand              1989
Des Markgrafen Freunde   von der Heunen Land:
Zu Tode schlagen wollten   sie den Fiedelmann.
Der Wirth von seinem Fenster   daher zu eilen begann.

Da hob sich von den Heunen   allenthalben Schall.                  1990
Abstiegen mit dem Volke   die Könge vor dem Saal;
Zurück die Rosse stießen   Die Gunthern unterthan.
Da kam der König Etzel   den Streit zu schlichten heran.

Einem Vetter dieses Heunen,   den er da bei ihm fand,              1991
Eine scharfe Waffe   brach er ihm aus der Hand
Und schlug sie all zurücke:   er war in großem Zorn.
"Wie hätt ich meine Dienste   an diesen Helden verlorn!

"Wenn ihr diesen Spielmann   hättet drum erschlagen,               1992
Ich ließ' euch alle hängen!   das will ich euch sagen.
Als er erstach den Heunen,   sein Reiten wohl ich sah,
Daß es wider seinen Willen   nur durch Straucheln geschah.

"Ihr sollt meine Gäste   mit Frieden laßen ziehn."                 1993
So ward er ihr Geleite.   Die Rosse zog man hin
Zu den Herbergen.   Sie hatten manchen Knecht,
Der ihnen war zu Diensten   mit allem Fleiße gerecht.

Der Wirth mit seinen Freunden   gieng zum Saal zurück:             1994
Da regte sich kein Zürnen   mehr vor seinem Blick.
Man richtete die Tische,   das Wasser man auch trug.
Da hatten Die vom Rheine   der starken Feinde genug.

Unlieb war es Etzeln,   doch folgte manche Schar                   1995
Den Fürsten, die mit Waffen   wohl versehen war,
Im Unmuth auf die Gäste,   als man zu Tische gieng,
Den Freund bedacht zu rächen,   wenn es günstge Zeit verhieng.

"Daß ihr in Waffen lieber   zu Tische geht als bloß,"              1996
Sprach der Wirth des Landes,   "die Unart ist zu groß;
Wer aber an den Gästen   den kleinsten Frevel wagt,
Der büßt es mit dem Haupte:   das sei euch Heunen gesagt."

Bevor da niedersaßen   die Herren, das währte lang,                1997
Weil zu sehr mit Sorgen   jetzt Frau Kriemhild rang.
Sie sprach: "Fürst von Berne,   heute muß ich flehn
Zu dir um Rath und Hülfe:   meine Sachen ängstlich stehn."

Zur Antwort gab ihr Hildebrand,   eine Recke tugendlich:           1998
"Wer schlägt die Nibelungen,   der thut es ohne mich,
Wie viel man Schätze böte;   es wird ihm wahrlich leid.
Sie sind noch unbezwungen,   die schnellen Ritter allbereit."

"Es geht mir nur um Hagen,   der hat mir Leid gethan,              1999
Der Siegfrieden mordete,   meinen lieben Mann.
Wer den von ihnen schiede,   dem wär mein Gold bereit:
Entgält es anders Jemand,   das wär mir inniglich leid."

Da sprach Meister Hildebrand:   "Wie möchte das geschehn,          2000
Den ihnen zu erschlagen?   Ihr solltet selber sehn:
Bestünde man den Degen,   leicht gäb es eine Noth,
Daß Arme so wie Reiche   dabei erlägen im Tod."

Da sprach dazu Herr Dietrich   mit zuchtreichem Sinn:              2001
"Die Rede laßt bleiben,   reiche Königin;
Mir ist von euern Freunden   kein solches Leid geschehn,
Daß ich sollt im Streite   die kühnen Degen bestehn.

"Die Bitte ehrt euch wenig,   edel Königsweib,                     2002
Daß ihr den Freunden rathet   an Leben und an Leib.
Sie kamen euch auf Gnade   hieher in dieses Land;
Siegfried bleibt ungerochen   wohl von Dietrichens Hand."

Als sie keine Untreu   bei dem Berner fand,                        2003
Alsobald gelobte sie   Blödeln in die Hand
Eine weite Landschaft,   die Nudung einst besaß;
Hernach erschlug ihn Dankwart,   daß er der Gabe gar vergaß.

Sie sprach: "Du sollst mir helfen,   Bruder Blödelein.             2004
Hier in diesem Hause   sind die Feinde mein,
Die Siegfrieden schlugen,   meinen lieben Mann:
Wer mir das rächen hülfe,   dem war ich immer unterthan."

Zur Antwort gab ihr Blödel,   der ihr zur Seite saß:               2005
"Ich darf euern Freunden   nicht zeigen solchen Haß,
Weil sie mein Bruder Etzel   so gerne leiden mag:
Wenn ich sie bestünde,   der König säh es mir nicht nach."

"Nicht also, Herr Blödel,   ich bin dir immer hold:                2006
Ich gebe dir zum Lohne   mein Silber und mein Gold
Und eine schöne Witwe,   Nudungens Weib:
So magst du immer kosen   ihren minniglichen Leib.

"Das Land zu den Burgen,   Alles geb ich dir,                      2007
So lebst du, theurer Ritter,   in Freuden stäts mit ihr,
Wenn du die Mark gewinnest,   die Nudung einst besaß.
Was ich dir hier gelobe,   mit Treuen leist ich dir das."

Als Blödel bieten hörte   des Lohnes also viel                     2008
Und ihrer Schöne willen   die Frau ihm wohlgefiel,
Im Kampf verdienen wollt er   das minnigliche Weib.
Da muste dieser Recke   verlieren Leben und Leib.

Er sprach zu der Königin:   "Geht wieder in den Saal.              2009
Eh man es inne werde,   erheb ich großen Schall.
Hagen muß es büßen,   was er euch hat gethan:
Ich bring euch gebunden   König Gunthers Unterthan."

"Nun waffnet euch," sprach Blödel,   "ihr all in meinem Lehn,      2010
Wir wollen zu den Feinden   in die Herberge gehn.
Mir will es nicht erlaßen   König Etzels Weib:
Wir Helden müßen alle   verwagen Leben und Leib."

Als den Degen Blödel   entließ die Königin,                        2011
Daß er den Streit begänne,   zu Tische gieng sie hin
Mit Etzeln dem Könige   und manchem Unterthan.
Sie hatte schlimme Räthe   wider die Gäste gethan.

Wie sie zu Tische giengen,   das will ich euch sagen:              2012
Man sah reiche Könige   die Krone vor ihr tragen;
Manchen hohen Fürsten   und viel der werthen Degen
Sah man großer Demuth   vor der Königin pflegen.

Der König wies den Gästen   die Sitze überall,                     2013
Den Höchsten und den Besten   neben sich im Saal.
Den Christen und den Heiden   die Kost er unterschied;
Man gab die Fülle beiden,   wie es der weise König rieth.

In der Herberge   aß ihr Ingesind:                                 2014
Von Truchsäßen ward es   da allein bedient;
Die hatten es zu speisen   großen Fleiß gepflogen.
Die Bewirtung und die Freude   ward bald mit Jammer aufgewogen.

Da nicht anders konnte   erhoben sein der Streit,                  2015
Kriemhilden lag im Herzen   begraben altes Leid,
Da ließ sie zu den Tischen   tragen Etzels Sohn:
Wie könnt ein Weib aus Rache   wohl entsetzlicher thun?

Da kamen vier gegangen   aus Etzels Ingesind                       2016
Und brachten Ortlieben,   das junge Königskind,
Den Fürsten an die Tafel,   wo auch Hagen saß.
Das Kind must ersterben   durch seinen mordlichen Haß.

Als der reiche König   seinen Sohn ersah,                          2017
Zu seiner Frauen Brüdern   gütlich sprach er da:
"Nun schaut, meine Freunde,   das ist mein einzig Kind
Und das eurer Schwester,   von dem ihr Frommen einst gewinnt.

"Geräth er nach dem Stamme,   er wird ein starker Mann,            2018
Reich dazu und edel,   kühn und wohlgethan.
Erleb ich es, ich geb ihm   zwölf reicher Könge Land:
So thut euch wohl noch Dienste   des jungen Ortliebens Hand.

"Darum bät ich gerne   euch, lieben Freunde mein,                  2019
Wenn ihr heimwärts reitet   wieder an den Rhein,
Daß ihr dann mit euch nehmet   eurer Schwester Kind;
Und seid auch dem Knaben   immer gnädig gesinnt.

"Erzieht ihn nach Ehren,   bis er geräth zum Mann:                 2020
Hat euch in den Landen   Jemand ein Leid gethan,
So hilft er euch es rächen,   erwuchs ihm erst der Leib."
Die Rede hörte Kriemhild   mit an, König Etzels Weib.

"Ihm sollten wohl vertrauen   alle diese Degen,                    2021
Wenn er zum Mann erwüchse,"   sprach Hagen entgegen;
"Doch ist der junge König   so schwächlich anzusehn:
Man soll mich selten schauen   nach Hof zu Ortlieben gehn."

Der König blickt' auf Hagen;   die Rede war ihm leid.              2022
Wenn er auch nichts erwiederte,   der König allbereit,
Es betrübt' ihn in der Seele   und beschwert' ihm den Muth.
Da waren Hagens Sinne   zu keiner Kurzweile gut.

Es schmerzte wie den König   sein fürstlich Ingesind,              2023
Was Hagen da gesprochen   hatte von dem Kind.
Daß sie's vertragen sollten,   gieng ihnen allen nah;
Noch konnten sie nicht wißen,   was von dem Recken bald geschah.

Gar Manche, die es hörten   und ihm trugen Groll,                  2024
Hätten ihn gern bestanden;   der König selber wohl,
Wenn er mit Ehren dürfte:   so käm der Held in Noth.
Bald that ihm Hagen Aergeres,   er schlug ihn ihm vor Augen todt.

       *       *       *       *       *



Zweiunddreißigstes Abenteuer.

Wie Blödel mit Dankwart in der Herberge Stritt.


Blödels Recken standen   gerüstet allzumal.                        2025
In tausend Halsbergen   erreichten sie den Saal,
Wo Dankwart mit den Knechten   an den Tischen saß.
Da hob sich unter Helden   der allergrimmigste Haß.

Als der Degen Blödel   vor die Tische gieng,                       2026
Dankwart der Marschall   ihn freundlich empfieng:
"Willkommen hier im Hause,   mein Herr Blödelein:
Mich wundert euer Kommen:   sagt, was soll die Märe sein?"

"Du brauchst mich nicht zu grüßen,"   sprach da Blödelein,         2027
"Denn dieses mein Kommen   muß dein Ende sein
Um Hagen deinen Bruder,   der Siegfrieden schlug.
Des entgiltst du bei den Heunen   und andre Helden genug."

"Nicht doch, mein Herr Blödel,"   sprach da Dankwart,              2028
"So möchte sehr uns reuen   zu Hofe diese Fahrt.
Ich war ein Kind, als Siegfried   Leben ließ und Leib:
Nicht weiß ich, was mir wolle   dem König Etzel sein Weib."

"Ich weiß dir von der Märe   nicht mehr zu sagen;                  2029
Es thatens deine Freunde,   Gunther und Hagen.
Nun wehrt euch, ihr Armen,   ihr könnt nicht länger leben,
Ihr müßt mit dem Tode   hier ein Pfand Kriemhilden geben."

"Wollt ihrs nicht laßen?"   sprach da Dankwart,                    2030
"So gereut mich meines Flehens:   hätt ich das gespart!"
Der schnelle kühne Degen   von dem Tische sprang,
Eine scharfe Waffe zog er,   die war gewaltig und lang.

Damit schlug er Blödeln   einen schwinden Schwertesschlag,         2031
Daß ihm das Haupt im Helme   vor den Füßen lag.
"Das sei die Morgengabe,"   sprach der schnelle Degen,
"Zu Nudungens Witwe,   die du mit Minne solltest pflegen.

"Vermähle man sie morgen   einem andern Mann:                      2032
Will er den Brautschatz,   wird ihm wie dir gethan."
Ein getreuer Heune   hatt ihm das hinterbracht,
Wie die Königstochter   auf ihr Verderben gedacht.

Da sahen Blödels Mannen,   ihr Herr sei erschlagen;                2033
Das wollten sie den Gästen   länger nicht vertragen.
Mit aufgehobnen Schwertern   auf die Knappen ein
Drangen sie mit Ingrimm:   das muste Manchen gereun.

Laut rief da Dankwart   all die Knappen an:                        2034
"Ihr seht wohl, edle Knechte,   es ist um uns gethan,
Nun wehrt euch, ihr Armen,   wie euch zwingt die Noth,
Daß ihr ohen Schanden   erliegt in wehrlichem Tod."

Die nicht Schwerter hatten,   die griffen vor die Bank,            2035
Vom Boden aufzuheben   manchen Schemel lang.
Die Burgundenknechte   wollten nichts vertragen:
Mit schweren Stühlen sah man   starker Beulen viel geschlagen.

Wie grimm die armen Knappen   sich wehrten in dem Strauß!          2036
Sie trieben zu dem Hause   die Gewaffneten hinaus:
Fünfhundert oder drüber   erlagen drin dem Tod.
Da war das Ingesinde   vom Blute naß und auch roth.

Diese schwere Botschaft   drang in kurzer Zeit                     2037
Zu König Etzels Recken:   ihnen wars grimmig leid,
Daß mit seinen Mannen   Blödel den Tod gewann;
Das hatte Hagens Bruder   mit den Knechten gethan.

Eh es vernahm der König,   stand schon ein Heunenheer              2038
In hohem Zorn gerüstet,   zweitausend oder mehr.
Sie giengen zu den Knechten,   es muste nun so sein,
Und ließen des Gesindes   darin nicht Einen gedeihn.

Die Ungetreuen brachten   vors Haus ein mächtig Heer.              2039
Die landlosen Knechte   standen wohl zu Wehr.
Was half da Kraft und Kühnheit?   sie fanden doch den Tod.
Darnach in kurzer Weile   hob sich noch grimmere Noth.

Nun mögt ihr Wunder hören   und Ungeheures sagen:                  2040
Neuntausend Knechte   lagen todt geschlagen,
Darüber zwölf Ritter   in Dankwartens Lehn.
Man sah ihn weltalleine   noch bei seinen Feinden stehn.

Der Lärm war beschwichtigt,   das Tosen eingestellt.               2041
Ueber die Achsel blickte   Dankwart der Held:
Er sprach: "O weh der Freunde,   die ich fallen sah!
Nun steh ich leider einsam   unter meinen Feinden da."

Die Schwerter fielen heftig   auf des Einen Leib:                  2042
Das muste bald beweinen   manches Helden Weib.
Den Schild rückt' er höher,   der Riemen ward gesenkt:
Mit rothem Blute sah man   noch manchen Harnisch getränkt.

"O weh mir dieses Leides!"   sprach Aldrianens Kind.               2043
"Nun weicht, Heunenrecken,   und laßt mich an den Wind,
Daß die Lüfte kühlen   mich sturmmüden Mann."
Da drang er auf die Thüre   unter Schlägen herrlich an.

Als der Streitmüde   aus dem Hause sprang,                         2044
Wie manches Schwert von Neuem   auf seinem Helm erklang!
Die nicht gesehen hatten   die Wunder seiner Hand,
Die sprangen da entgegen   dem aus Burgundenland.

"Nun wollte Gott," sprach Dankwart,   "daß mir ein Bote käm,       2045
Durch den mein Bruder Hagen   Kunde vernähm,
Daß ich vor diesen Recken   steh in solcher Noth.
Der hülfe mir von hinnen   oder fände selbst den Tod."

Da sprachen Heunenrecken:   "Der Bote must Du sein,                2046
Wenn wir todt dich tragen   vor den Bruder dein.
Dann sieht erst sein Herzeleid   Gunthers Unterthan.
Du hast dem König Etzel   hier großen Schaden gethan."

Er sprach: "Nun laßt das Dräuen   und weicht zurück von mir,       2047
Sonst netz ich noch Manchem   mit Blut den Harnisch hier.
Ich will die Märe selber   hin zu Hofe tragen
Und will meinen Herren   meinen großen Kummer klagen."

Er verleidete so sehr sich   dem Volk in Etzels Lehn,              2048
Daß sie ihn mit Schwertern   nicht wagten zu bestehn:
Da schoßen sie der Spere   so viel ihm in den Rand,
Er must ihn seiner Schwere   wegen laßen aus der Hand.

Sie wähnten ihn zu zwingen,   weil er den Schild nicht trug;       2049
Hei, was er tiefer Wunden   durch die Helme schlug!
Da muste vor ihm Straucheln   mancher kühne Mann,
Daß sich viel Lob und Ehre   der kühne Dankwart gewann.

Von beiden Seiten sprangen   die Gegner auf ihn zu.                2050
Wohl kam ihrer Mancher   in den Kampf zu fruh.
Da gieng er vor den Feinden,   wie ein Eberschwein
Im Walde thut vor Hunden:   wie möcht er wohl kühner sein?

Sein Weg war stäts aufs Neue   genetzt mit heißem Blut.            2051
Wie konnte je ein Recke   allein wohl so gut
Mit so viel Feinden streiten,   als hier von ihm geschehn?
Man sah Hagens Bruder   herrlich hin zu Hofe gehn.

Truchsäßen und Schenken   vernahmen Schwerterklang:                2052
Gar mancher die Getränke   aus den Händen schwang
Oder auch die Speisen,   die man zu Hofe trug.
Da fand er vor der Stiege   noch starker Feinde genug.

"Wie nun, ihr Truchsäßen?"   sprach der müde Degen,                2053
"Nun solltet ihr die Gäste   gütlich verpflegen
Und solltet den Herren   die edle Speise tragen
Und ließet mich die Märe   meinen lieben Herren sagen."

Wer da den Muth gewonnen   und vor die Stieg ihm sprang,           2054
Deren schlug er etlichen   so schweren Schwertesschwang,
Daß ihm aus Schreck die Andern   ließen freie Bahn.
Da hatten seine Kräfte   viel große Wunder gethan.

       *       *       *       *       *



Dreiunddreißigstes Abenteuer.

Wie Dankwart die Märe seinen Herren brachte.


Als der kühne Dankwart   unter die Thüre trat                      2055
Und Etzels Ingesinde   zurückzuweichen bat,
Mit Blut war beronnen   all sein Gewand;
Eine scharfe Waffe   trug er bloß an seiner Hand.

Gerade in der Stunde,   als Dankwart trat zur Thür,                2056
Trug man Ortlieben   im Saale für und für
Von einem Tisch zum andern   den Fürsten wohlgeboren:
Durch seine schlimme Botschaft   gieng das Kindlein verloren.

Hellauf rief da Dankwart   einem Degen zu:                         2057
"Ihr sitzt, Bruder Hagen,   hier zu lang in Ruh.
Euch und Gott vom Himmel   klag ich unsre Noth:
Ritter und Knechte   sind in der Herberge todt."

Der rief ihn hin entgegen:   "Wer hat das gethan?"                 2058
"Das that der Degen Blödel   und Die ihm unterthan.
Auch hat ers schwer entgolten,   das will ich euch sagen:
Mit diesen Händen hab ich   ihm sein Haupt abgeschlagen."

"Das ist ein kleiner Schade,"   sprach Hagen unverzagt,            2059
"Wenn man solche Märe   von einem Degen sagt,
Daß er von Heldenhänden   zu Tode sei geschlagen:
Den sollen desto minder   die schönen Frauen beklagen.

"Nun sagt mir, lieber Bruder,   wie seid ihr so roth?              2060
Ich glaube gar, ihr leidet   von Wunden große Noth.
Ist der wo hier im Lande,   von dem das ist geschehn?
Der üble Teufel helf ihm denn:   sonst muß es ihm ans Leben gehn."

"Ihr seht mich unverwundet:   mein Kleid ist naß von Blut.         2061
Das floß nur aus Wunden   andrer Degen gut,
Deren ich so Manchen   heute hab erschlagen,
Wenn ichs beschwören sollte,   ich wüste nicht die Zahl zu sagen."

Da sprach er: "Bruder Dankwart,   so hütet uns die Thür            2062
Und laßt von den Heunen   nicht Einen Mann herfür.
So red ich mit den Recken,   wie uns zwingt die Noth:
Unser Ingesinde   liegt ohne Schuld von ihnen todt."

"Soll ich Kämmrer werden?"   sprach der kühne Mann,                2063
"Bei so reichen Königen steht   mir das Amt wohl an:
Der Stiege will ich hüten   nach allen Ehren mein."
Kriemhildens Recken   konnte das nicht leider sein.

"Nun nimmt mich doch Wunder,"   sprach wieder Hagen,               2064
"Was sich die Heunen   hier in die Ohren sagen:
Sie möchten sein entbehren,   der dort die Thür bewacht
Und der die Hofmären   den Burgunden hat gebracht.

"Ich hörte schon lange   von Kriemhilden sagen,                    2065
Daß sie nicht ungerochen   ihr Herzleid wolle tragen.
Nun trinken wir die Minne   und zahlen Etzels Wein:
Der junge Vogt der Heunen   muß hier der allererste sein."

Ortlieb das Kind erschlug da   Hagen der Degen gut,                2066
Daß vom Schwerte nieder   zur Hand ihm floß das Blut
Und das Haupt herabsprang   der Köngin in den Schoß.
Da hob sich unter Degen   ein Morden grimmig und groß.

Darauf dem Hofmeister   der des Kindes pflag,                      2067
Mit beiden Händen schlug   er einen schnellen Schlag,
Daß vor des Tisches Füße   das Haupt ihm niederflog:
Es war ein jämmerlicher Lohn,   den er dem Hofmeister wog.

Er sah vor Etzels Tische   einen Spielmann:                        2068
Hagen in seinem Zorne   lief zu ihm heran.
Er schlug ihm auf der Geigen   herab die rechte Hand.
"Das habe für die Botschaft   in der Burgunden Land."

"Ach meine Hand," sprach Werbel,   Etzels Spielmann:               2069
"Herr Hagen von Tronje,   was hatt ich euch gethan?
Ich kam in großer Treue   in eurer Herren Land:
Wie kläng ich nun die Töne,   da ich verlor meine Hand?"

Hagen fragte wenig,   und geigt' er nimmermehr.                    2070
Da kühlt' er in dem Hause   die grimme Mordlust sehr
An König Etzels Recken,   deren er viel erschlug:
Er bracht in dem Saale   zu Tod der Recken genug.

Volker sein Geselle   von dem Tische sprang,                       2071
Daß laut der Fiedelbogen   ihm an der Hand erklang.
Ungefüge siedelte   Gunthers Fiedelmann:
Hei! was er sich zu Feinden   der kühnen Heunen gewann!

Auch sprangen von den Tischen   die drei Könge hehr.               2072
Sie wolltens gerne schlichten,   eh Schadens würde mehr.
Doch strebten ihre Kräfte   umsonst dawider an,
Da Volker mit Hagen   so sehr zu wüten begann.

Nun sah der Vogt vom Rheine,   er scheide nicht den Streit:        2073
Da schlug der König selber   manche Wunde weit
Durch die lichten Panzer   den argen Feinden sein.
Der Held war behende,   das zeigte hier der Augenschein.

Da kam auch zu dem Streite   der starke Gernot:                    2074
Wohl schlug er den Heunen   manchen Helden todt
Mit dem scharfen Schwerte,   das Rüdeger ihm gab:
Damit bracht er Manche   von Etzels Recken ins Grab.

Der jüngste Sohn Frau Utens   auch zu dem Streite sprang:          2075
Sein Gewaffen herrlich   durch die Helme drang
König Etzels Recken   aus der Heunen Land;
Da that viel große Wunder   des kühnen Geiselher Hand.

Wie tapfer alle waren,   die Könge wie ihr Lehn,                   2076
Jedennoch sah man Volkern   voran all Andern stehn
Bei den starken Feinden;   er war ein Degen gut:
Er förderte mit Wunden   Manchen nieder in das Blut.

Auch wehrten sich gewaltig   Die in Etzels Lehn.                   2077
Die Gäste sah man hauend   auf und nieder gehn
Mit den lichten Schwertern   durch des Königs Saal.
Allenthalben hörte man   von Wehruf größlichen Schall.

Da wollten die da draußen   zu ihren Freunden drin:                2078
Sie fanden an der Thüre   gar wenig Gewinn;
Da wollten die da drinnen   gerne vor den Saal:
Dankwart ließ keinen   die Stieg empor noch zu Thal.

So hob sich vor den Thüren   ein ungestümer Drang                  2079
Und von den Schwerthieben   auf Helme lauter Klang.
Da kam der kühne Dankwart   in eine große Noth:
Das berieth sein Bruder,   wie ihm die Treue gebot.

Da rief mit lauter Stimme   Hagen Volkern an:                      2080
"Seht ihr dort, Geselle,   vor manchem Heunenmann
Meinen Bruder stehen   unter starken Schlägen?
Schützt mir, Freund, den Bruder,   eh wir verlieren den Degen."

Der Spielmann entgegnete:   "Das soll alsbald geschehn."           2081
Dann begann er fiedelnd   durch den Saal zu gehn:
Ein hartes Schwert ihm öfters   an der Hand erklang.
Vom Rhein die Recken sagten   dafür ihm größlichen Dank.

Volker der kühne   zu Dankwarten sprach:                           2082
"Ihr habt erlitten heute   großes Ungemach.
Mich bat euer Bruder,   ich sollt euch helfen gehn;
Wollt ihr nun draußen bleiben,   so will ich innerhalben stehn."

Dankwart der schnelle   stand außerhalb der Thür:                  2083
So wehrt' er von der Stiege,   wer immer trat dafür.
Man hörte Waffen hallen   den Helden an der Hand;
So that auch innerhalben   Volker von Burgundenland.

Da rief der kühne Fiedelmann   über die Menge laut:                2084
"Das Haus ist wohl verschlossen,   ihr, Freund Hagen, schaut
Verschränkt ist so völlig   König Etzels Thür,
Von zweier Helden Händen   gehn ihr wohl tausend Riegel für."

Als von Tronje Hagen   die Thüre sah in Hut,                       2085
Den Schild warf zurücke   der schnelle Degen gut:
Nun begann er erst zu rächen   seiner Freunde Leid.
Seines Zornes must entgelten   mancher Ritter kühn im Streit.

Als der Vogt von Berne   das Wunder recht ersah,                   2086
Wie der starke Hagen   die Helme brach allda,
Der Fürst der Amelungen   sprang auf eine Bank.
Er sprach: "Hier schenkt Hagen   den allebittersten Trank."

Der Wirth war sehr in Sorgen,   sein Weib in gleicher Noth.        2087
Was schlug man lieber Freunde   ihm vor den Augen todt!
Er selbst war kaum geborgen   vor seiner Feinde Schar.
Er saß in großen Aengsten:   was half ihm, daß er König war?

Kriemhild die reiche   rief Dietrichen an:                         2088
"Hilf mir mit dem Leben,   edler Held, hindann,
Bei aller Fürsten Tugend   aus Amelungenland:
Denn erreicht mich Hagen,   hab ich den Tod an der Hand."

"Wie soll ich euch helfen,"   sprach da Dietrich,                  2089
"Edle Königstochter?   ich sorge selbst um mich.
Es sind so sehr im Zorne   Die Gunthern unterthan,
Daß ich zu dieser Stunde   Niemand Frieden schaffen kann."

"Nicht also, Herr Dietrich,   edler Degen gut:                     2090
Laß uns heut erscheinen   deinen tugendreichen Muth
Und hilf mir von hinnen,   oder ich bleibe todt.
Bring mich und den König   aus dieser angstvollen Noth."

"Ich will es versuchen,   ob euch zu helfen ist,                   2091
Jedoch sah ich wahrlich   nicht in langer Frist
In so bitterm Zorne   manchen Ritter gut:
Ich seh ja durch die Helme   von Hieben springen das Blut."

Mit Kraft begann zu rufen   der Ritter auserkorn,                  2092
Daß seine Stimme hallte   wie ein Büffelhorn
Und daß die weite Veste   von seiner Kraft erscholl.
Dietrichens Stärke   die war gewaltig und voll.

Da hörte König Gunther   rufen diesen Mann                         2093
In dem harten Sturme.   Zu horchen hub er an:
"Dietrichens Stimme   ist in mein Ohr gekommen,
Ihm haben unsre Degen   wohl der Seinen wen benommen.

"Ich seh ihn auf dem Tische   winken mit der Hand.                 2094
Ihr Vettern und Freunde   von Burgundenland,
Haltet ein mit Streiten:   laßt hören erst und sehn,
Was hier Dietrichen   von meinen Mannen sei geschehn."

Als so der König Gunther   bat und auch gebot,                     2095
Da senkten sie die Schwerter   in des Streites Noth.
Das war Gewalt bewiesen,   daß Niemand da mehr schlug.
Er fragte den von Berne   um die Märe schnell genug.

Er sprach: "Viel edler Dietrich,   was ist euch geschehn           2096
Hier von meinen Freunden?   Ihr sollt mich willig sehn:
Zur Sühne und zur Buße   bin ich euch bereit.
Was euch Jemand thäte,   das war mir inniglich leid."

Da sprach der edle Dietrich:   "Mir ist nichts geschehn!           2097
Laßt mich aus dem Hause   mit euerm Frieden gehn
Von diesem harten Streite   mit dem Gesinde mein.
Dafür will ich euch Degen   stäts zu Dienst beflißen sein."

"Was müßt ihr also flehen?"   sprach da Wolfhart,                  2098
"Es hält der Fiedelspieler   die Thür nicht so verwahrt,
Wir erschließen sie so mächtig,   daß man ins Freie kann."
"Nun schweig," sprach da Dietrich,   "du hast den Teufel gethan."

Da sprach der König Gunther:   "Das sei euch freigestellt:         2099
Führt aus dem Hause,   so viel euch gefällt,
Ohne meine Feinde:   die sollen hier bestehn.
Von ihnen ist mir Leides   bei den Heunen viel geschehn."

Als das der Berner hörte,   mit einem Arm umschloß                 2100
Er die edle Königin;   ihre Angst war groß;
Da führt er an dem andern   Etzeln aus dem Haus.
Auch folgten Dietrichen   sechshundert Degen hinaus.

Da begann der Markgraf,   der edle Rüdiger:                        2101
"Soll aber aus dem Hause   noch kommen Jemand mehr,
Der euch doch gerne diente,   so macht es mir kund:
So walte stäter Friede   in getreuer Freunde Bund."

Antwort seinem Schwäher   gab Geiselher zuhand:                    2102
"Frieden und Sühne   sei euch von uns bekannt;
Ihr haltet stäte Treu,   ihr und euer Lehn,
Ihr sollt mit euren Freunden   ohne Sorgen hinnen gehn."

Als Rüdiger der Markgraf   räumte Etzels Saal,                     2103
Fünfhundert oder drüber   folgten ihm zumal.
Das ward von den Helden   aus Treue gethan,
Wodurch König Gunther   bald großen Schaden gewann.

Da sah ein Heunenrecken   König Etzeln gehn                        2104
Neben Dietrichen:   des wollt er Frommen sehn.
Dem gab der Fiedelspieler   einen solchen Schlag,
Daß ihm gleich am Boden   das Haupt vor Etzels Füßen lag.

Als der Wirth des Landes   kam vor des Hauses Thor,                2105
Da wandt er sich und blickte   zu Volkern empor:
"O weh mir dieser Gäste:   wie ist das grimme Noth,
Daß alle meine Recken   vor ihnen finden den Tod!"

"Ach weh des Hofgelages!"   sprach der König hehr:                 2106
"Da drinnen ficht Einer,   der heißt Volker,
Wie ein wilder Eber   und ist ein Fiedelmann;
Ich dank es meinem Heile,   daß ich dem Teufel entrann.

"Seine Weisen lauten übel,   sein Bogenstrich ist roth;            2107
Mir schlagen seine Töne   manchen Helden todt.
Ich weiß nicht, was uns Schuld giebt   derselbe Fiedelmann,
Daß ich in meinem Leben   so leiden Gast nicht gewann."

Zur Herberge giengen   die beiden Recken hehr,                     2108
Dietrich von Berne   und Markgraf Rüdiger.
Sie selber wollten gerne   des Streits entledigt sein
Und geboten auch den Degen,   daß sie den Kampf sollten scheun.

Und hätten sich die Gäste   versehn der Leiden,                    2109
Die ihnen werden sollten   noch von den Beiden,
Sie wären aus dem Hause   so leicht nicht gekommen,
Eh sie eine Strafe   von den Kühnen hätten genommen.

Sie hatten, die sie wollten,   entlaßen aus dem Saal:              2110
Da hob sich innerhalben   ein furchtbarer Schall.
Die Gäste rächten bitter   ihr Leid und ihre Schmach.
Volker der kühne,   hei, was der Helme zerbrach!

Sich kehrte zu dem Schalle   Gunther der König hehr:               2111
"Hört ihr die Töne, Hagen,   die dorten Volker
Mit den Heunen fiedelt,   wenn wer zur Thüre trat?
Es ist ein rother Anstrich,   den er am Fiedelbogen hat."

"Es reut mich ohne Maßen,"   sprach Hagen entgegen,                2112
"Daß ich je mich scheiden   mußte von dem Degen.
Ich war sein Geselle,   er der Geselle mein,
Und kehren wir je wieder heim,   wir wollens noch in Treuen sein.

"Nun schau, hehrer König,   Volker ist dir hold:                   2113
Wie will er verdienen   dein Silber und dein Gold!
Sein Fiedelbogen schneidet   durch den harten Stahl,
Er wirft von den Helmen   die hellen Zierden zu Thal.

"Ich sah nie Fiedelspieler   noch so herrlich stehn,               2114
Als diesen Tag von Volker   dem Degen ist geschehn.
Seine Weisen hallen   durch Helm und Schildesrand:
Gute Rosse soll er reiten   und tragen herrlich Gewand."

So viel der Heunendegen   auch waren in dem Saal,                  2115
Nicht Einer blieb am Leben   von ihnen allzumal.
Da war der Schall beschwichtigt,   als Niemand blieb zum Streit.
Die kühnen Recken legten   da ihre Schwerter beiseit.

       *       *       *       *       *



Vierunddreißigstes Abenteuer.

Wie sie die Todten aus dem Saale warfen.


Da setzten sich aus Müdigkeit   die Herrn und ruhten aus.          2116
Volker und Hagen   die giengen vor das Haus
Ueber den Schild sich lehnend   in ihrem Uebermuth:
Da pflagen launger Reden   diese beiden Helden gut.

Da sprach von Burgunden   Geiselher der Degen:                     2117
"Noch dürft ihr, lieben Freunde,   nicht der Ruhe pflegen:
Ihr sollt erst die Todten   aus dem Hause tragen.
Wir werden noch bestanden,  das will ich wahrlich euch sagen.

"Sie sollen untern Füßen   uns hier nicht länger liegen,           2118
bevor im Sturm die Heunen   mögen uns besiegen,
Wir haun noch manche Wunde,   die gar sanft mir thut.
Des hab ich," sprach da Geiselher,   "einen willigen Muth."

"O wohl mir solches Herren,"   sprach Hagen entgegen.              2119
"Der Rath geziemte Niemand   als einem solchen Degen,
Wie unsern jungen Herren   wir heute hier gesehn:
Ihr Burgunden möget   all darob in Freuden stehn.

Da folgten sie dem Rathe   und trugen vor die Thür                 2120
Siebentausend Todte,   die warfen sie dafür.
Vor des Saales Stiege   fielen sie zu Thal:
Da erhoben ihre Freunde   mit Jammern kläglichen Schall.

Auch war darunter Mancher   nur so mäßig wund,                     2121
Käm ihm sanftre Pflege,   er würde noch gesund;
Doch von dem hohen Falle   fand er nun den Tod.
Das klagten ihre Freunde;   es zwang sie wahrhafte Noth.

Da sprach der Fiedelspieler,   der Degen unverzagt:                2122
"Nun seh ich wohl, sie haben   mir Wahrheit gesagt:
Die Heunen sind feige,   sie klagen wie ein Weib,
Da sie nun pflegen sollten   der Schwerverwundeten Leib."

Da mocht ein Markgraf wähnen,   er meint es ernst und gut:         2123
Ihm war der Vettern Einer   gefallen in das Blut;
Den dacht' er wegzutragen   und wollt ihn schon umfahn:
Da schoß ob ihm zu Tode   den der kühne Spielmann.

Als das die Andern sahen,   sie flohen von dem Saal.               2124
Dem Spielmann zu fluchen   begannen sie zumal.
Einen Sper hob Volker   vom Boden, scharf und hart,
Der von einem Heunen   zu ihm hinauf geschoßen ward.

Den schoß er durch den Burghof   zurück kräftiglich                2125
Ueber ihre Häupter.   Das Volk Etzels wich
Erschreckt von dem Wurfe   weiter von dem Haus.
Vor seinen Kräften hatten   alle Leute Schreck und Graus,

Da stand vor dem Hause   Etzel mit manchem Mann.                   2126
Volker und Hagen   huben zu reden an
Mit dem Heunenkönig   nach ihrem Uebermuth.
Das schuf bald große Sorge   diesen Helden kühn und gut.

"Wohl wär es," sprach da Hagen,   "des Volkes Trost im Leid,       2127
Wenn die Herren föchten   allen voran im Streit,
Wie von meinen Herren   hier Jeglicher thut:
Die hauen durch die Helme,   daß von den Schwertern fließt das Blut."

So kühn war König Etzel,   er faßte seinen Schild.                 2128
"Nun hütet eures Lebens,"   sprach da Kriemhild,
"Und bietet Gold den Recken   auf dem Schildesrand,
Denn erreicht euch Hagen,   ihr habt den Tod an der Hand."

So kühn war der König,   er ließ nicht vom Streit,                 2129
Wozu so mächtge Fürsten   nun selten sind bereit.
Man must ihn bei den Riemen   des Schildes ziehn hindann.
Hagen der grimme   ihn mehr zu höhnen begann:

"Eine nahe Sippe war es,"   sprach Hagen gleich zur Hand,          2130
"Die Etzeln zusammen   und Siegfried verband:
Er minnte Kriemhilden,   eh sie gesehen dich:
Feiger König Etzel,   warum räthst du wider mich?"

Diese Rede hörte   die edle Königin,                               2131
Darüber ward unmuthig   Kriemhild in ihrem Sinn,
Daß er sie schelten durfte   vor manchem Etzelsmann.
Wider die Gäste   hub sie aufs Neu zu werben an.

Sie sprach: "Wer von Tronje   den Hagen mir schlüge                2132
Und sein Haupt als Gabe   her vor mich trüge,
Mit rothem Golde füllt' ich   ihm Etzels Schildesrand;
Auch gäb ich ihm zum Lohne   viel gute Burgen und Land."

"Ich weiß nicht, was sie zaudern,"   sprach der Fiedelmann.        2133
"Nie sah ich, daß Helden   so verzagt gethan,
Wo man bieten hörte   also reichen Sold.
Wohl sollt ihnen Etzel   nimmer wieder werden hold.

"Die hier mit Schimpf und Schanden   eßen des Königs Brot          2134
Und jetzt im Stich ihn laßen   in der größten Noth,
Deren seh ich Manchen   so recht verzagt da stehn
Und thun doch so verwegen:   sie können nie der Schmach entgehn."

Der mächtige Etzel hatte   Jammer und Noth:                        2135
Er beklagte seiner Mannen   und Freunde bittern Tod.
Von manchen Landen standen   ihm Recken viel zur Seit
Und weinten mit dem König   sein gewaltiges Leid.

Darob begann zu spotten   der kühne Volker:                        2136
"Ich seh hier übel weinen   gar manchen Recken hehr.
Sie helfen schlecht dem König   in seiner großen Noth.
Wohl eßen sie mit Schanden   nun schon lange hier sein Brot."

Da gedachten wohl die Besten:   "Wahr ists, was Volker sagt."      2137
Von Niemand doch von allen   ward es so schwer beklagt
Als von Markgraf Iring,   dem Herrn aus Dänenland,
Was sich nach kurzer Weite   wohl nach der Wahrheit befand.

       *       *       *       *       *



Fünfunddreißigstes Abenteuer.

Wie Iring erschlagen ward.


Da rief der Markgraf Iring   aus der Dänen Land:                   2138
"Ich habe nun auf Ehre   die Sinne lang gewandt;
Auch ist von mir das Beste   in Stürmen oft geschehn:
Nun bringt mir mein Gewaffen:   so will ich Hagen bestehn."

"Das möcht ich widerrathen,"   hub da Hagen an,                    2139
"Sonst finden mehr zu klagen   Die Etzeln unterthan.
Springen eurer zweie   oder drei in den Saal,
Die send ich wohlverhauen   die Stiege wieder zu Thal."

"Ich wills darum nicht laßen,"   sprach wieder Iring:              2140
"Wohl schon oft versucht ich   ein gleich gefährlich Ding.
Wohl will ich mit dem Schwerte   allein dich bestehn,
Und wär von dir im Streite   mehr als von Jemand geschehn."

Da ward gewaffnet Iring   nach ritterlichem Brauch                 2141
Und Irnfried der kühne   von Thüringen auch
Und Hawart der starke   wohl mit tausend Mann:
Sie wollten Iring helfen,   was der Held auch begann.

Da sah der Fiedelspieler   ein gewaltig Heer,                      2142
Das mit Iringen   gewaffnet zog einher.
Sie trugen aufgebunden   die lichten Helme gut.
Da ward dem kühnen Volker   darüber zornig zu Muth.

"Seht ihr, Freund Hagen,   dort Iringen gehn,                      2143
Der euch im Kampf alleine   gelobte zu bestehn?
Wie ziemt Helden Lüge?   Führwahr, ich tadl es sehr.
Es gehn mit ihm gewaffnet   tausend Recken oder mehr."

"Nun straft mich nicht Lügen,"   sprach Hawarts Unterthan,         2144
"Ich will gerne leisten,   was ich euch kund gethan.
Mein Wort soll um Feigheit   nicht gebrochen sein:
Sei Hagen noch so gräulich,   ich besteh ihn ganz allein."

Zu Füßen warf sich Iring   den Freunden und dem Lehn,              2145
Daß sie allein ihn ließen   den Recken bestehn.
Das thaten sie doch ungern,   ihnen war zu wohl bekannt
Der übermütige Hagen   aus der Burgunden Land.

Doch bat er sie so lange,   bis es zuletzt geschah.                2146
Als das Ingesinde   seinen Willen sah,
Und daß er warb nach Ehre,   da ließen sie ihn gehn.
Da ward von den Beiden   ein grimmes Streiten gesehn.

Iring der Däne   hielt hoch empor den Sper,                        2147
Sich deckte mit dem Schilde   der theure Degen hehr:
So lief er auf im Sturme   zu Hagen vor den Saal.
Da erhob sich von den Degen   ein gewaltiger Schall.

Die Spere schößen beide   kräftig aus der Hand                     2148
Durch die festen Schilde   auf ihr licht Gewand,
Daß die Spersplitter   hoch in die Lüfte flogen.
Da griffen zu den Schwertern   die grimmen Degen verwegen.

Die Kraft des kühnen Hagen   war ohne Maßen voll;                  2149
Doch schlug nach ihm Iring,   daß all die Burg erscholl.
Der Saal und die Thürme   erhallten von den Schlägen.
Es konnte seinen Willen   doch nicht vollführen der Degen.

Iring ließ Hagen   unverwundet stehn:                              2150
Auf den Fiedelspieler   begann er loszugehn.
Er wähnt', er sollt ihn zwingen   mit seinen grimmen Schlägen,
Doch wuste sich zu schirmen   dieser zierliche Degen.

Da schlug der Fiedelspieler,   daß von des Schildes Rand           2151
Das Gespänge wirbelte   von Volkers starker Hand.
Den ließ er wieder stehen;   es war ein übler Mann:
Jetzt lief er auf Gunther,   den Burgundenkönig, an.

Da war nun Jedweder   zum Streite stark genug.                     2152
Wie Gunther auf Iring   und der auf Gunther schlug,
Das brachte nicht aus Wunden   das fließende Blut.
Ihre Rüstung wehrt' es,   die war zu fest und zu gut.

Gunthern ließ er stehen   und lief Gernoten an.                    2153
Das Feuer aus den Ringen   er ihm zu haun begann.
Da hätte von Burgunden   der starke Gernot
Iring den kühnen   beinah gesandt in den Tod.

Da sprang er von dem Fürsten;   schnell war er genug.              2154
Der Burgunden viere   der Held behend erschlug,
Des edeln' Heergesindes   aus Worms an dem Rhein.
Darüber mochte Geiselher   nicht wohl zorniger sein.

"Gott weiß, Herr Iring,"   sprach Geiselher das Kind,              2155
"Ihr müßt mir entgelten,   die hier erlegen sind
Vor euch in dieser Stunde."   Da lief er ihn an
Und schlug den Danenhelden,   daß er zu straucheln begann.

Er schoß vor seinen Händen   nieder in das Blut,                   2156
Daß sie alle wähnten,   dieser Degen gut
Schlug im Streit nicht wieder   einen Schlag mit seinem Schwert.
Doch lag vor Geiselheren   Iring da noch unversehrt.

Von des Helmes Schwirren   und von des Schwertes Klang             2157
Waren seine Sinne   so betäubt und krank,
Daß sich der kühne Degen   des Lebens nicht besann.
Das hatt ihm mit den Kräften   der kühne Geiselher gethan.

Als ihm aus dem Haupte   das Schwirren jetzt entwich,              2158
Von dem mächtgen Schlage   war das erst fürchterlich,
Da gedacht er:   "Ich lebe und bin auch nirgend wund:
Nun ist mir erst die Stärke   des kühnen Geiselher kund!"

Zu beiden Seiten hört' er   seine Feinde stehn.                    2159
Sie hättens wißen sollen,   so wär ihm mehr geschehn.
Auch hatt er Geiselheren   vernommen nahe bei:
Er sann, wie mit dem Leben   den Feinden zu entkommen sei.

Wie tobend der Degen   aus dem Blute sprang!                       2160
Er mochte seiner Schnelle   wohl sagen großen Dank.
Da lief er aus dem Hause,   wo er Hagen fand,
Und schlug ihm schnelle Schläge   mit seiner kraftreichen Hand.

Da gedachte Hagen:   "Du must des Todes sein.                      2161
Befriede dich der Teufel,   sonst kannst du nicht gedeihn."
Doch traf Iring Hagnen   durch seines Helmes Hut.
Das that der Held mit Maske;   das war eine Waffe gut.

Als der grimme Hagen   die Wund an sich empfand,                   2162
Da schwenkte sich gewaltig   das Schwert in seiner Hand.
Es muste vor ihm weichen   Hawarts Unterthan:
Hagen ihm die Stiege   hinab zu folgen begann.

Uebers Haupt den Schildrand   Iring der kühne schwang.             2163
Und war dieselbe Stiege   drei solcher Stiegen lang,
Derweil ließ ihn Hagen   nicht schlagen einen Schlag.
Hei, was rother Funken   da auf seinem Helme lag!

Doch kam zu den Freunden   Iring noch gesund.                      2164
Da wurde diese Märe   Kriemhilden kund,
Was er dem von Tronje   hatt im Streit gethan;
Dafür die Königstochter   ihm sehr zu danken begann.

"Nun lohne Gott dir, Iring,   erlauchter Degen gut,                2165
Du hast mir wohl getröstet   das Herz und auch den Muth:
Nun seh ich blutgeröthet   Hagens Wehrgewand!"
Kriemhild nahm ihm selber   den Schild vor Freud aus der Hand.

"Ihr mögt ihm mäßig danken,"   begann da Hagen,                    2166
"Bis jetzt ist viel Großes   nicht davon zu sagen;
Versucht' er es zum andern Mal,   er wär ein kühner Mann.
Die Wunde frommt euch wenig,   die ich noch von ihm gewann.

"Daß ihr von meiner Wunde   mir seht den Harnisch roth,            2167
Das hat mich noch erbittert   zu manches Mannes Tod.
Nun bin ich erst im Zorne   auf ihn und manchen Mann;
Mir hat der Degen Iring   noch kleinen Schaden gethan."

Da stand dem Wind entgegen   Iring von Dänenland;                  2168
Er kühlte sich im Harnisch,   den Helm er niederband.
Da priesen ihn die Leute   für streitbar und gut:
Darüber trug der Markgraf   nicht wenig hoch seinen Muth.

Da sprach Iring wieder:   "Nun, Freunde, sollt ihr gehn            2169
Und neue Waffen holen:   ich will noch einmal sehn,
Ob ich bezwingen möge   den übermüthgen Mann."
Sein Schild war verhauen,   einen beßern er gewann.

Gewaffnet war der Recke   bald in noch festre Wehr.                2170
Er griff in seinem Zorne   nach einem starken Sper,
Damit wollt er Hagen   zum drittenmal bestehn.
Es brächt ihm Ehr und Frommen,   ließ' er das sich vergehn.

Da wollte sein nicht harren   Hagen der Degen.                     2171
Mit Schüßen und mit Hieben   lief er ihm entgegen
Die Stiege bis zu Ende;   zornig war sein Muth.
Da kam dem Degen Iring   seine Stärke nicht zu gut.

Sie schlugen durch die Schilde,   daß es zu lohn begann            2172
Mit feuerrothem Winde.   Hawarts Unterthan
Ward von Hagens Schwerte   da gefährlich wund
Durch Helm und durch Schildrand;   er ward nicht wieder gesund.

Als Iring der Degen   der Wunde sich besann,                       2173
Den Schild rückte näher   dem Helm der kühne Mann.
Ihn dauchte voll der Schaden,   der ihm war geschehn;
Bald that ihm aber größern   der in König Gunthers Lehn.

Hagen vor seinen Füßen   einen Wurfspieß liegen fand:              2174
Auf Iringen schoß er   den von Dänenland,
Daß man ihm aus dem Haupte   die Stange ragen sah.
Ein grimmes Ende ward ihm   von dem Uebermüthgen da.

Iring must entweichen   zu seinen Dänen hin.                       2175
Eh man den Helm dem Degen   mochte niederziehn,
Brach man den Sper vom Haupte,   da naht' ihm der Tod.
Das beweinten seine Freunde:   es zwang sie wahrhafte Noth.

Da kam die Königstochter   auch zu ihm heran:                      2176
Iring den starken   hub sie zu klagen an.
Sie beweinte seine Wunden:   es war ihr grimmig leid.
Da sprach vor seinen Freunden   dieser Recke kühn im Streit:

"Laßt eure Klage bleiben,   viel hehre Königin.                    2177
Was hilft euer Weinen?   Mein Leben muß dahin
Schwinden aus den Wunden,   die an mir offen stehn.
Der Tod will mich nicht länger   euch und Etzeln dienen sehn."

Zu Thüringern und Dänen   sprach er hingewandt:                    2178
"Die Gaben, so die Königin   euch beut, soll eure Hand
Nicht zu erwerben trachten,   ihr lichtes Gold so roth
Und besteht ihr Hagen,   so müßt ihr schauen den Tod."

Seine Farbe war erblichen,   des Todes Zeichen trug                2179
Iring der kühne;   ihnen war es leid genug.
Es konnte nicht gesunden   der Held in Hawarts Lehn:
Da must es an ein Streiten   von den Dänenhelden gehn.

Irnfried und Hawart   sprangen vor das Haus                        2180
Wohl mit tausend Helden:   einen ungestümen Braus
Vernahm man allenthalben,   kräftig und groß.
Hei! was man scharfer Spere   auf die Burgunden schoß!

Irnfried der kühne   lief den Spielmann an,                        2181
Wodurch er großen Schaden   von seiner Hand gewann.
Der edle Fiedelspieler   den Landgrafen schlug
Durch den Helm den festen:   wohl war er grimmig genug.

Da schlug dem grimmen Spielmann   Irnfried einen Schlag,           2182
Daß er den Ringpanzer   dem Helden zerbrach
Und sich sein Harnisch färbte   von Funken feuerroth.
Dennoch fiel der Landgraf   vor dem Spielmann in den Tod.

Zusammen waren Hagen   und Hawart gekommen.                        2183
Da mochte Wunder schauen,   wer es wahrgenommen.
Die Schwerter fielen kräftig   den Helden an der Hand:
Da muste Hawart sterben   vor dem aus Burgundenland.

Die Thüringer und Dänen   sahn ihre Herren todt.                   2184
Da hub sich vor dem Hause   noch grimmere Noth,
Eh sie die Thür gewannen   mit kraftreicher Hand.
Da ward noch verhauen   mancher Helm und Schildesrand.

"Weichet," sprach da Volker,   "laßt sie zum Saal herein:          2185
Was sie im Sinne haben,   kann dennoch nicht sein.
Sie müßen bald ersterben   allzumal darin:
Sie ernten mit dem Tode,   was ihnen beut die Königin,"

Als die Uebermüthigen   drangen in den Saal,                       2186
Das Haupt ward da Manchem   so geneigt zu Thal,
Daß er ersterben muste   vor ihren schnellen Schlägen.
Wohl stritt der kühne Gernot;   so that auch Geiselher der Degen.

Tausend und viere   die kamen in das Haus:                         2187
Da hörte man erklingen   den hellen Schwertersaus.
Sie wurden von den Gästen   alle drin erschlagen:
Man mochte große Wunder   von den Burgunden sagen.

Darnach ward eine Stille,   als der Lärm verscholl.                2188
Das Blut allenthalben   durch die Lücken quoll
Und zu den Riegelsteinen   von den todten Degen:
Das hatten die vom Rheine   gethan mit kräftigen Schlägen.

Da saßen wieder rufend   die aus Burgundenland,                    2189
Sie legten mit den Schilden   die Waffen aus der Hand.
Da stand noch vor dem Hause   der kühne Spielmann,
Erwartend, ob noch Jemand   zum Streite zöge heran.

Der König klagte heftig,   dazu die Königin;                       2190
Mägdelein und Frauen   härmten sich den Sinn.
Der Tod, wähn ich, hatte   sich wider sie verschworen:
Drum giengen durch die Gäste   noch viele der Recken verloren.

       *       *       *       *       *



Sechsunddreißigstes Abenteuer.

Wie die Königin den Saal verbrennen ließ.


"Nun bindet ab die Helme,"   sprach Hagen der Degen:               2191
"Ich und mein Geselle   wollen euer pflegen.
Und versuchten es noch einmal   Die Etzeln unterthan,
So warn ich meine Herren,   so geschwind ich immer kann."

Da band den Helm vom Haupte   mancher Ritter gut.                  2192
Sie setzten auf die Leichen   sich nieder, die ins Blut
Waren zum Tode   von ihrer Hand gekommen.
Da ward der edeln Gäste   mit Erbittrung wahrgenommen.

Noch vor dem Abend   schuf der König hehr                          2193
Und Kriemhild die Königin,   daß es der Heunen mehr
Noch versuchen musten;   man sah vor ihnen stehn
Wohl an zwanzigtausend:   die musten da zum Kampfe gehn.

Da drang zu den Gästen   ein harter Sturm heran.                   2194
Dankwart, Hagens Bruder,   der kraftvolle Mann,
Sprang von seinen Herren   zu den Feinden vor das Thor.
Sie versahn sich seines Todes;   doch sah man heil ihn davor.

Das harte Streiten währte,   bis es die Nacht benahm.              2195
Da wehrten sich die Gäste   wie Helden lobesam
Wider Etzels Recken   den sommerlangen Tag.
Hei! was guter Helden   im Tod vor ihnen erlag!

Zu einer Sonnenwende   der große Mord geschah:                     2196
Ihres Herzens Jammer   rächte Kriemhild da
An ihren nächsten Freunden   und manchem andern Mann,
Wodurch der König Etzel   nie wieder Freude gewann.

Sie hatte nicht gesonnen  auf solche Mörderschlacht.               2197
Als sie den Streit begonnen,   hatte sie gedacht,
Hagen sollt alleine   dabei sein Ende sehn.
Da schuf der böse Teufel,   über Alle must es ergehn.

Der Tag war zerronnen;   ihnen schuf nun Sorge Noth.               2198
Sie gedachten, wie doch beßer   war ein kurzer Tod,
Als sich so lang zu quälen   in ungefügem Leid.
Da wünschten einen Frieden   die großen Ritter allbereit.

Sie baten, daß man brächte   den König vor den Saal.               2199
Die blutrothen Helden,   geschwärzt vom rostgen Stahl,
Traten aus dem Hause   und die drei Könge hehr.
Sie wusten nicht, wem klagen   ihres großen Leids Beschwer.

Etzel und Kriemhild   kamen beide her;                             2200
Das Land war ihnen eigen,   drum mehrte sich ihr Heer.
Er sprach zu den Gästen:   "Sagt, was begehrt ihr mein?
Wollt ihr Frieden haben?   das könnte nun schwerlich sein

"Nach so großem Schaden,   als ihr mir habt gethan.                2201
Es kommt euch nicht zu Statten,   so lang ich athmen kann:
Mein Kind, das ihr erschluget,   und viel der Freunde mein,
Fried und Sühne soll euch   stäts dafür geweigert sein."

Antwort gab ihm Gunther:   "Uns zwang wohl große Noth.             2202
All mein Gesinde lag   vor deinen Helden todt
In der Herberge:   verdient ich solchen Sold?
Ich kam zu dir auf Treue   und wähnte, du warst mir hold."

Da sprach von Burgunden   Geiselher das Kind:                      2203
"Ihr Helden König Etzels,   die noch am Leben sind,
Wes zeiht ihr mich, ihr Degen?   was hatt ich euch gethan,
Der ich die Fahrt so gütlich   zu diesem Lande begann?"

Sie sprachen: "Deiner Güte   ist all die Burg hier voll            2204
Mit Jammer gleich dem Lande;   wir gönnten dir es wohl,
Wärst du nie gekommen   von Worms überrhein.
Das Land ist gar verwaiset   durch dich und die Brüder dein."

Da sprach im Zornmuthe   Gunther der Held:                         2205
"Wünscht ihr noch dieß Morden   im Frieden eingestellt
Mit uns Heimatlosen,   das ist uns beiden gut;
Es ist gar unverschuldet,   was uns König Etzel thut."

Der Wirt sprach zu den Gästen:   "mein und euer Leid               2206
Sind einander ungleich:   die große Noth im Streit,
Der Schaden und die Schande,   die ich von euch gewann,
Dafür soll euer Keiner   mir lebend kommen hindann."

Da sprach zu dem König   der starke Gernot:                        2207
"So soll euch Gott gebieten,   daß ihr die Lieb uns thut:
Weichet von dem Hause   und laßt uns zu euch gehn.
Wir wissen wohl, bald ist es   um unser Leben geschehn.

"Was uns geschehen könne,   das laßt schnell ergehn:               2208
Ihr habt so viel Gesunde,   die dürfen uns bestehn
Und geben uns vom Streite   Müden leicht den Tod:
Wie lange solln wir Recken   bleiben in so grimmer Noth?"

Von König Etzels Reden   war es fast geschehn,                     2209
Daß sie die Helden ließen   aus dem Saale gehn.
Als das Kriemhild hörte,   es war ihr grimmig leid.
Da war den Heimathlosen   mit Nichten Sühne bereit.

"Nein, edle Recken,   worauf euch sinnt der Muth,                  2210
Ich will euch treulich raten,   daß ihr das nimmer thut,
Daß ihr die Mordgierigen   laßt vor den Saal;
Sonst müßen eure Freunde   leiden tödtlichen Fall.

"Und lebten nur alleine,   die Utens Söhne' sind,                  2211
Und kämen meine edeln   Brüder an den Wind.
Daß sie die Panzer kühlten,   ihr alle wärt verloren:
Es wurden kühnre Degen   noch nie auf Erden geboren."

Da sprach der junge Geiselher:   "Viel schöne Schwester mein,      2212
Wie hätt ich dir das zugetraut,   daß du mich überrhein
Her zu Lande ladetest   in diese große Noth:
Wie möcht ich an den Heunen   hier verdienen den Tod?

"Ich hielt dir stäte Treue,   that nie ein Leid dir an:            2213
Ich kam auch her zu Hilfe   geritten in dem Wahn,
Du wärst mir gewogen,   viel liebe Schwester mein,
Nun schenk uns deine Gnade,   da es anders nicht mag sein."

"Ich schenk euch keine Gnade,   Ungnad ich selbst gewann:          2214
Mir hat von Tronje Hagen   so großes Leid gethan
Daheim, und hier zu Lande   erschlug er mir mein Kind:
Das müßen schwer entgelten,   die mit euch hergekommen sind."

Wollt ihr mir aber Hagen   allein zum Geisel geben,                2215
So will ichs nicht verweigern,   daß ich euch laße leben.
Denn meine Brüder seid ihr,   der gleichen Mutter Kind:
So red ich um die Sühne   mit den Helden, die hier sind."

"Nicht woll es Gott vom Himmel,"   sprach da Gernot.               2216
"Und waren unser tausend,   wir wollten alle todt
Vor deinen Freunden liegen   eh wir dir Einen Mann
Hier zu Geisel gäben:   das wird nimmer gethan."

"Wir müsten doch ersterben,"   sprach da Geiselher,                2217
"So soll uns Niemand scheiden   von ritterlicher Wehr.
Wer gerne mit uns stritte,   wir sind noch immer hie:
Verrieth ich meine Treue   an einem Freunde doch nie."

Da sprach der kühne Dankwart,   es ziemt' ihm wohl zu sagen:       2218
"Noch steht nicht alleine   hier mein Bruder Hagen.
Die uns den Frieden weigern,   beklagen es noch schwer,
Des sollt ihr inne werden,   ich sags euch wahrlich vorher."

Da sprach die Königstochter:   "Ihr Helden allbereit,              2219
Nun geht der Stiege näher   und rächt unser Leid.
Das will ich stäts verdienen,   wie ich billig soll:
Der Uebermuth Hagens,   dessen lohn ich ihm wohl.

"Laßt keinen aus dem Hause   der Degen allzumal:                   2220
So laß ich an vier Enden   anzünden hier den Saal.
So wird noch wohl gerochen   all mein Herzeleid."
König Etzels Recken   sah man bald dazu bereit.

Die noch draußen standen,   die trieb man in den Saal              2221
Mit Schlägen und mit Schüßen:   da gab es lauten Schall.
Doch wollten sich nicht scheiden   die Fürsten und ihr Heer:
Sie ließen von der Treue   zu einander nicht mehr.

Den Saal in Brand zu stecken   gebot da Etzels Weib.               2222
Da quälte man den Helden   mit Feuersglut den Leib.
Das Haus vom Wind ergriffen   gerieth in hohen Brand.
Nie wurde solcher Schrecken   noch einem Volksheer bekannt.

Da riefen Viele drinnen:   "O weh dieser Noth!                     2223
Da möchten wir ja lieber   im Sturm liegen todt.
Das möge Gott erbarmen;   wie sind wir all verlorn!
Wie grimmig rächt die Königin   an uns allen ihren Zorn!"

Da sprach darinnen Einer:   "Wir finden hier den Tod               2224
Vor Rauch und vor Feuer:   wie grimm ist diese Noth!
Mir thut vor starker Hitze   der Durst so schrecklich weh,
Ich fürchte, mein Leben   in diesen Nöthen zergeh!"

Da sprach von Tronje Hagen:   "Ihr edlen Ritter gut,               2225
Wen der Durst will zwingen,   der trinke hier das Blut.
Das ist in solcher Hitze   beßer noch als Wein;
Es mag halt zu trinken   hier nichts Beßeres sein."

Hin gieng der Recken Einer,   wo er einen Todten fand:             2226
Er kniet' ihm zu der Wunde,   den Helm er niederband.
Da begann er zu trinken   das fließende Blut.
So wenig ers gewohnt war,   er fand es köstlich und gut.

"Nun lohn euch Gott, Herr Hagen,"   sprach der müde Mann,          2227
"Daß ich von eurer Lehre   so guten Trank gewann.
Man schenkte mir selten   noch einen beßern Wein.
So lang ich leben bleibe   will ich euch stäts gewogen sein."

Als das die Andern hörten,   es däuchte ihn so gut,                2228
Da fanden sich noch Viele,   die tranken auch das Blut.
Davon kam zu Kräften   der guten Recken Leib:
Des entgalt an lieben Freunden   bald manches waidliche Weib.

Das Feuer fiel gewaltig   auf sie in den Saal:                     2229
Sie wandten mit den Schilden   es von sich ab im Fall.
Der Rauch und auch die Hitze   schmerzten sie gar sehr.
Also großer Jammer   geschieht wohl Helden nimmer mehr.

Da sprach von Tronje Hagen:   "Stellt euch an die Wand;            2230
Laßt nicht die Brände fallen   auf eurer Helme Band
Und tretet sie mit Füßen   tiefer in das Blut.
Eine üble Hochzeit ist es,   zu der die Königin uns lud."

Unter solchen Nöthen   zerrann zuletzt die Nacht.                  2231
Noch hielt vor dem Hause   der kühne Spielmann Wacht
Und Hagen sein Geselle,   gelehnt auf Schildesrand,
Noch größern Leids gewärtig   von Denen aus Etzels Land.

Daß der Saal gewölbt war,   half den Gästen sehr;                  2232
Dadurch blieben ihrer   am Leben desto mehr,
Wiewohl sie an den Fenstern   von Feuer litten Noth.
Da wehrten sich die Degen,   wie Muth und Ehre gebot.

Da sprach der Fiedelspieler:   "Gehn wir in den Saal:              2233
Da wähnen wohl die Heunen,   wir seien allzumal
Von der Qual erstorben,   die sie uns angethan:
Dann kommen doch noch Etliche   zum Streit mit ihnen heran."

Da sprach von Burgunden   Geiselher das Kind:                      2234
"Ich wähn, es wolle tagen,   sich hebt ein kühler Wind.
Nun laß uns Gott vom Himmel   noch liebre Zeit erleben!
Eine arge Hochzeit hat uns   meine Schwester Kriemhild gegeben."

Da sprach wieder Einer:   "Ich spüre schon den Tag.                2235
Wenn es denn uns Degen   nicht beßer werden mag,
So bereitet euch, ihr Recken,   zum Streit, das ist uns Noth:
Da wir doch nicht entrinnen,   daß wir mit Ehren liegen todt."

Der König mochte wähnen,   die Gäste wären todt                    2236
Von den Beschwerden allen   und von des Feuers Noth,
Da lebten doch so Kühner   noch drin sechshundert Mann,
Daß wohl nie ein König   beßre Degen gewann.

Der Heimathlosen Hüter   hatten wohl gesehn,                       2237
Daß noch die Gäste lebten,   was ihnen auch geschehn
Zu Schaden war und Leide,   den Herrn und ihrem Lehn.
Man sah sie in dem Hause   noch gar wohl geborgen gehn.

Man sagte Kriemhilden,   noch Viele lebten drin.                   2238
"Wie wäre das möglich,"   sprach die Königin,
"Daß noch Einer lebte   nach solcher Feuersnoth?
Eher will ich glauben,   sie fanden Alle den Tod."

Noch wünschten zu entkommen   die Fürsten und ihr Lehn,            2239
Wenn an ihnen Gnade   noch jemand ließ' ergehn.
Die konnten sie nicht finden   in der Heunen Land:
Da rächten sie ihr Sterben   mit gar williger Hand.

Schon früh am andern Morgen   man ihnen Grüße bot                  2240
Mit heftigem Angriff;   wohl schuf das Helden Noth.
Zu ihnen aufgeschoßen   ward mancher scharfe Sper;
Doch fanden sie darinnen   die kühnen Recken wohl zur Wehr.

Dem Heergesinde Etzels   war erregt der Muth,                      2241
Daß sie verdienen wollten   Frau Kriemhildens Gut
Und alles willig leisten,   was der Fürst gebot:
Da muste bald noch Mancher   von ihnen schauen den Tod.

Von Verheißen und von Gaben   mochte man Wunder sagen:             2242
Sie ließ ihr Gold, das rothe,   auf Schilden vor sich tragen;
Sie gab es Jedem willig,   Der es wollt empfahn.
Nie wurden wider Feinde   so große Schätze verthan.

Gewaffnet trat der Recken   eine große Macht zur Thür.             2243
Da sprach der Fiedelspieler.   "Wir sind noch immer hier:
So gern sah ich Helden   zum Streiten nimmer kommen,
Als die das Gold des Königs   uns zu verderben genommen."

Da riefen ihrer Viele:   "Nur näher zu dem Streit!                 2244
Da wir doch fallen müßen,   so thun wirs gern bei Zeit.
Hier wird Niemand bleiben,   als wer doch sterben soll."
Da staken ihre Schilde   gleich von Sperschüßen voll.

Was soll ich weiter sagen?   Wohl zwölfhundert Degen               2245
Versuchtens auf und nieder   mit starken Schwertesschlägen.
Da kühlten an den Feinden   die Gäste wohl den Muth.
Kein Friede war zu hoffen,   drum sah man fließen das Blut

Aus tiefen Todeswunden:   Deren wurden viel geschlagen.            2246
Man hörte nach den Freunden   Jeglichen klagen.
Die Biedern starben alle   dem reichen König hehr:
Da hatten liebe Freunde   nach ihnen Leid und Beschwer.

       *       *       *       *       *



Siebenunddreißigstes Abenteuer.

Wie Rüdiger erschlagen ward.


Die Heimathlosen hatten   am Morgen viel gethan.                   2247
Der Gemahl Gotlindens   kam zu Hof heran
Und sah auf beiden Seiten   des großen Leids Beschwer:
Darüber weinte inniglich   der getreue Rüdiger.

"O weh, daß ich das Leben,"   sprach der Held, "gewann             2248
Und diesem großen Jammer   nun Niemand wehren kann.
So gern ich Frieden schüfe,   der König gehts nicht ein,
Da ihm das Unheil stärker,   immer stärker bricht herein."

Zu Dietrichen sandte   der gute Rüdiger,                           2249
Ob sie's noch könnten wenden   von den Köngen hehr?
Da entbot ihm Der von Berne:   "Wer möcht ihm widerstehn?
Es will der König Etzel   keine Sühne mehr sehn."

Da sah ein Heunenrecke   Rüdigern da stehn                         2250
Mit weinenden Augen,   wie er ihn oft gesehn.
Er sprach zu der Königin:   "Nun seht, wie er da steht
Den ihr und König Etzel   vor allen Andern habt erhöht

"Und dem doch alles dienet,   die Leute wie das Land.              2251
Wie sind so viel der Burgen   an Rüdigern gewandt,
Deren er so manche   von dem König haben mag!
Er schlug in diesen Stürmen   noch keinen löblichen Schlag.

"Mich dünkt, ihn kümmert wenig,   was hier mit uns geschieht,      2252
Wenn er nach seinem Willen   bei sich die Fülle sieht.
Man rühmt, er wäre kühner,   als Jemand möge sein:
Das hat uns schlecht bewiesen   in dieser Noth der Augenschein."

Mit traurigem Muthe   der vielgetreue Mann,                        2253
Den er so reden hörte,   den Heunen sah, er an.
Er dachte: "Das entgiltst du;   du sagst, ich sei verzagt:
Da hast du deine Mären   zu laut bei Hofe gesagt."

Er zwang die Faust zusammen:   da lief er ihn an                   2254
Und schlug mit solchen Kräften   den Heunischen Mann,
Daß er ihm vor die Füße   niederstürzte todt.
Da war gemehrt aufs Neue   dem König Etzel die Noth.

"Fahr hin, verzagter Bösewicht,"   sprach da Rüdiger,              2255
"Ich hatte doch des Leides   genug und der Beschwer.
Daß ich hier nicht fechte,   was rügst du mir das?
Wohl trüg auch ich den Gästen   mit Grunde feindlichen Hass,

"Und alles, was ich könnte,   thät ich ihnen an,                   2256
Hätt ich nicht hieher geführt   Die Gunthern unterthan.
Ich war ihr Geleite   in meines Herren Land:
Drum darf sie nicht bestreiten   meine unselge Hand."

Da sprach zum Markgrafen   Etzel der König hehr:                   2257
"Wie habt ihr uns geholfen,   viel edler Rüdiger!
Wir hatten doch der Todten   so viel in diesem Land,
Daß wir nicht mehr bedurften:  mit Unrecht schlug ihn eure Hand."

Da sprach der edle Ritter:   "Er beschwerte mir den Muth           2258
Und hat mir bescholten   die Ehre wie das Gut,
Des ich aus deinen Händen   so große Gaben nahm,
Was nun dem Lügenbolde   übel auch zu Statten kam."

Da kam die Königstochter,   die hatt es auch gesehn,               2259
Was von des Helden Zorne   dem Heunen war geschehn.
Sie beklagt' es ungefüge,   ihre Augen wurden naß.
Sie sprach zu Rüdigern:   Wie verdienten wir das,

"Daß ihr mir und dem König   noch mehrt unser Leid?                2260
Ihr habt uns, edler Rüdiger,   verheißen allezeit,
Ihr wolltet für uns wagen   die Ehre wie das Leben;
Auch hört ich viel der Recken   den Preis des Muthes euch geben."

"Ich mahn euch nun der Treue,   die mir schwur eure Hand,          2261
Da ihr mir zu Etzeln riethet,   Ritter auserkannt,
Daß ihr mir dienen wolltet   bis an unsern Tod.
Des war mir armen Weibe   noch niemals so bitter Noth."

"Das kann ich nicht läugnen,   ich schwur euch, Königin,           2262
Die Ehre wie das Leben   gäb ich für euch dahin:
Die Seele zu verlieren   hab ich nicht geschworen.
Zu diesem Hofgelage   bracht ich die Fürsten wohlgeboren."

Sie sprach: "Gedenke, Rüdiger,   der hohen Eide dein               2263
Von deiner stäten Treue,   wie du den Schaden mein
Immer wolltest rächen   und wenden all mein Leid."
Der Markgraf entgegnete:  "Ich war euch stäts zu Dienst bereit."

Etzel der reiche   hub auch zu flehen an.                          2264
Da warfen sie sich beide   zu Füßen vor den Mann.
Den guten Markgrafen   man da in Kummer sah;
Der vielgetreue Recke   jammervoll begann er da:

"O weh mir Unselgem,   muß ich den Tag erleben!                    2265
Aller meiner Ehren   soll ich mich nun begeben,
Aller Zucht und Treue,   die Gott mir gebot;
O weh, Herr des Himmels,   daß mirs nicht wenden will der Tod!

"Welches ich nun laße,   das Andre zu begehn,                      2266
So ist doch immer übel   und arg von mir geschehn.
Was ich thu und laße,   so schilt mich alle Welt.
Nun möge mich erleuchten,   der mich dem Leben gesellt!"

Da baten ihn so dringend   der König und sein Weib,                2267
Daß bald viel Degen musten   Leben und Leib
Von Rüdgers Hand verlieren   und selbst Der Held erstarb.
Nun mögt ihr bald vernehmen,   welchen Jammer er erwarb.

Er wuste wohl nur Schaden   und Leid sei sein Gewinn.              2268
Er hätt es auch dem König   und der Königin
Gern versagen wollen:   der Held besorgte sehr,
Erschlug er ihrer Einen,   daß er der Welt ein Greuel wär.

Da sprach zu dem Könige   dieser kühne Mann:                       2269
"Herr Etzel, nehmt zurücke,   was ich von euch gewann,
Das Land mit den Burgen;   bei mir soll nichts bestehn:
Ich will auf meinen Füßen   hinaus in das Elend gehn.

"Alles Gutes ledig   räum ich euer Land,                           2270
Mein Weib und meine Tochter   nehm ich an die Hand,
Eh ich so ohne Treue   entgegen geh dem Tod:
Das hieß' auf üble Weise   verdienen euer Gold so roth."

Da sprach der König Etzel:   "Wer aber hülfe mir?                  2271
Mein Land mit den Leuten,   das alles geb ich dir,
Daß du mich rächest, Rüdiger,   an den Feinden mein:
Du sollst neben Etzeln   ein gewaltger König sein."

Da sprach wieder Rüdiger:   "Wie dürft ich ihnen schaden?          2272
Heim zu meinem Hause   hab ich sie geladen;
Trinken und Speise   ich ihnen gütlich bot,
Dazu meine Gabe;   und soll ich sie nun schlagen todt?

"Die Leute mögen wähnen,   ich sei zu verzagt.                     2273
Keiner meiner Dienste   war ihnen je versagt:
Sollt ich sie nun bekämpfen,   das wär nicht wohl gethan.
So reute mich die Freundschaft,   die ich an ihnen gewann.

"Geiselher dem Degen   gab ich die Tochter mein:                   2274
Sie konnt auf Erden nimmer   beßer verwendet sein,
Seh ich auf Zucht und Ehre,   auf Treu oder Gut.
Nie ein so junger König   trug wohl tugendreichern Muth."

Da sprach wieder Kriemhild:   "Viel edler Rüdiger,                 2275
Nun laß dich erbarmen   unsres Leids Beschwer,
Mein und auch des Königs;   gedenke wohl daran,
Daß nie ein Wirth auf Erden   so leide Gäste gewann."

Da begann der Markgraf   zu der Köngin hehr:                       2276
"Heut muß mit dem Leben   entgelten Rüdiger,
Was ihr und der König   mir Liebes habt gethan:
Dafür muß ich sterben,   es steht nicht länger mehr an.

"Ich weiß, daß noch heute   meine Burgen und mein Land             2277
Euch ledig werden müßen   von dieser Helden Hand.
So befehl ich euch auf Gnade   mein Weib und mein Kind
Und all die Heimathlosen,   die da zu Bechlaren find."

"Nun lohne Gott dir, Rüdiger!"   der König sprach da so;           2278
Er und die Königin,   sie wurden beide froh.
"Uns seien wohlbefohlen   alle Leute dein;
Auch trau ich meinem Heile,   du selber werdest glücklich sein."

Da setzt' er auf die Wage   die Seele wie den Leib.                2279
Da begann zu weinen   König Etzels Weib.
Er sprach: "Ich muß euch halten   den Eid, den ich gethan.
O weh meiner Freunde!   wie ungern greif ich sie an."

Man sah ihn von dem König   hinweggehn trauriglich.                2280
Da fand er seine Recken   nahe stehn bei sich:
Er sprach: "Ihr sollt euch waffnen,   ihr All in meinem Lehn:
Die kühnen Burgunden   muß ich nun leider bestehn."

Nach den Gewaffen riefen   die Helden allzuhand,                   2281
Ob es Helm wäre   oder Schildesrand,
Von dem Ingesinde   ward es herbeigetragen.
Bald hörten leide Märe   die stolzen Fremdlinge sagen.

Gewaffnet ward da Rüdiger   mit fünfhundert Mann;                  2282
Darüber zwölf Recken   zu Hülf er sich gewann.
Sie wollten Preis erwerben   in des Sturmes Noth:
Sie wusten nicht die Märe,   wie ihnen nahe der Tod.

Da sah man unterm Helme   den Markgrafen gehn.                     2283
Scharfe Schwerter trugen   Die in Rüdgers Lehn,
Dazu vor den Händen   die lichten Schilde breit.
sah der Fiedelspieler:   dem war es ohne Maßen leid.

Da sah der junge Geiselher   seinen Schwäher gehn                  2284
Mit aufgebundnem Helme.   Wie mocht er da verstehn,
Wie er damit es meine,   es sei denn treu und gut?
Da gewann der edle König   von Herzen fröhlichen Muth.

"Nun wohl mir solcher Freunde,"   sprach da Geiselher,             2285
"Wie wir gewonnen haben   auf der Fahrt hieher.
Meines Weibes willen   ist uns Hülfe nah:
Lieb ist mir, meiner Treue,   daß diese Heirath geschah."

"Wes ihr euch wohl tröstet"   sprach der Fiedelmann:               2286
"Wann saht ihr noch zur Sühne   so viel der Helden nahn
Mit aufgebundnen Helmen,   die Schwerter in der Hand?
Er will an uns verdienen   seine Burgen und sein Land."

Eh der Fiedelspieler   die Rede sprach vollaus,                    2287
Den edeln Markgrafen   sah man schon vor dem Haus.
Seinen Schild den guten   setzt' er vor den Fuß:
Da must er seinen Freunden   versagen dienstlichen Gruß.

Rüdiger der edle   rief da in den Saal:                            2288
"Ihr Kühnen Nibelungen,   nun wehrt euch allzumal.
Ihr solltet mein genießen,   ihr entgeltet mein:
Wir waren ehmals Freunde:   der Treue will ich ledig sein."

Da erschraken dieser Märe   die Nothbedrängten Schwer.             2289
Ihnen war der Trost entsunken,   den sie gewähnt vorher,
Da sie bestreiten wollte,   dem Jeder Liebe trug.
Sie hatten von den Feinden   schon Leid erfahren genug.

"Das verhüte Gott vom Himmel!"   sprach Gunther der Degen,         2290
"Daß ihr eurer Freundschaft,  trätet so entgegen
Und der großen Treue,   darauf uns sann der Muth:
Ich will euch wohl vertrauen,   daß ihr das nimmermehr tuth.

"Es ist nicht mehr zu wenden,"   sprach der kühne Mann:            2291
"Ich muß mit euch streiten,   wie ich den Schwur gethan.
Nun wehrt euch, kühne Degen,   wenn euch das Leben werth,
Da mir die Königstochter   nicht andre Willkür gewährt."

"Ihr widersagt uns nun zu spät,"   sprach der König hehr.          2292
"Nun mög euch Gott vergelten,   viel edler Rüdiger,
Die Treu und die Liebe,   die ihr uns habt gethan,
Wenn ihr bis ans Ende   auch halten wolltet daran.

"Wir wollen stäts euch danken,   was ihr uns habt gegeben,         2293
Ich und meine Freunde,   laßet ihr uns leben,
Der herrlichen Gaben,   als ihr uns brachtet her
In Etzels Land mit Treue:   des gedenket, edler Rüdiger."

"Wie gern ich euch das gönnte,"   sprach Rüdiger der Degen,        2294
"Daß ich euch meiner Gabe   die Fülle dürfte wägen
Nach meinem Wohlgefallen;   wie gerne that ich das,
So es mir nicht erwürbe   der edeln Königin Haß!"

"Laßt ab, edler Rüdiger,"   sprach wieder Gernot,                  2295
"Nie ward ein Wirth gefunden,   der es den Gästen bot
So freundlich und so gütlich,   als uns von euch geschehn.
Des sollt ihr auch genießen,   so wir lebendig entgehn."

"Das wollte Gott," sprach Rüdiger,   "viel edler Gernot,           2296
"Daß ihr am Rheine wäret,   und ich wäre todt.
So rettet' ich die Ehre,   da ich euch soll bestehn!
Es ist noch nie an Degen   von Freunden übler geschehn."

"Nun lohn euch Gott, Herr Rüdiger,"   sprach wieder Gernot,        2297
"Eurer reichen Gabe.   Mich jammert euer Tod,
Soll an euch verderben   so tugendlicher Muth.
Hier trag ich eure Waffe,   die ihr mir gabet, Degen gut.

"Sie hat mir noch nie versagt   in all dieser Noth:                2298
Es fiel vor ihrer Schärfe   mancher Ritter todt.
Sie ist stark und lauter,   herrlich und gut:
Gewiss, so reiche Gabe   kein Recke je wieder thut.

"Und wollt ihr es nicht meiden   und wollt ihr uns bestehn,        2299
Erschlagt ihr mir die Freunde,   die hier noch bei mir stehn,
Mit euerm Schwerte nehm ich   Leben euch und Leib.
So reut ihr mich, Rüdiger,   und euer herrliches Weib."

"Das wolle Gott, Herr Gernot,   und möcht es geschehn,             2300
Daß hier nach euerm Willen   Alles könnt ergehn
Und euern Freunden bleiben   Leben möcht und Leib,
Euch sollten wohl vertrauen   meine Tochter und mein Weib."

Da sprach von Burgunden   der schönen Ute Kind:                    2301
"Wie thut ihr so, Herr Rüdiger?   Die mit mir kommen sind,
Die sind euch all gewogen;   ihr greift übel zu:
Eure schöne Tochter   wollt ihr verwitwen allzufruh.

"Wenn ihr und eure Recken   mich wollt im Streit bestehn,          2302
Wie wär das unfreundlich,   wie wenig ließ' es sehn,
Daß ich euch vertraute   vor jedem andern Mann,
Als ich eure Tochter   mir zum Weibe gewann."

"Gedenkt eurer Treue,"   sprach da Rüdiger.                        2303
Und schickt euch Gott von hinnen,   viel edler König hehr,
"So laßt es nicht entgelten   die liebe Tochter mein:
Bei aller Fürsten Tugend   geruht ihr gnädig zu sein."

"So sollt ichs billig halten,"   sprach Geiselher das Kind;        2304
"Doch meine hohen Freunde,   die noch im Saal hier sind,
Wenn die von euch ersterben,   so muß geschieden sein
Diese stäte Freundschaft   zu dir und der Tochter dein."

"Nun möge Gott uns gnaden,"   sprach der kühne Mann.               2305
Da hoben sie die Schilde   und wollten nun hinan
Zu streiten mit den Gästen   in Kriemhildens Saal.
Laut rief da Hagen   von der Stiege her zu Thal:

"Verzieht noch eine Weile,   viel edler Rüdiger,"                  2306
Also sprach da Hagen:   "wir reden erst noch mehr,
Ich und meine Herren,   wie uns zwingt die Noth.
Was hilft es Etzeln, finden   wir in der Fremde den Tod?

"Ich steh in großen Sorgen,"   sprach wieder Hagen,                2307
"Der Schild, den Frau Gotlind   mir gab zu tragen,
Den haben mir die Heunen   zerhauen vor der Hand;
Ich bracht ihn doch in Treuen   her in König Etzels Land.

"Daß es Gott vom Himmel   vergönnen wollte,                        2308
Daß ich so guten Schildrand   noch tragen sollte,
Als du hast vor den Händen,   viel edler Rüdiger:
So bedürft ich in dem Sturme   keiner Halsberge mehr."

"Wie gern wollt ich dir dienen   mit meinem Schilde,               2309
Dürft ich dir ihn bieten   vor Kriemhilde.
Doch nimm ihn hin, Hagen,   und trag ihn an der Hand:
Hei! dürftest du ihn führen   heim in der Burgunden Land!"

Als er den Schild so willig   zu geben sich erbot,                 2310
Die Augen wurden Vielen   von heißen Thränen roth.
Es war Die letzte Gabe:   es dürft hinfort nicht mehr
Einem Degen Gabe bieten   von Bechlaren Rüdiger.

Wie grimmig auch Hagen,   wie hart auch war sein Muth,             2311
Ihn erbarmte doch die Gabe,   die der Degen gut
So nah seinem Ende   noch hatt an ihn gethan.
Mancher edle Ritter   mit ihm zu trauern begann.

"Nun lohn euch Gott im Himmel,   viel edler Rüdiger.               2312
Es wird eures Gleichen   auf Erden nimmermehr,
Der heimathlosen Degen   so milde Gabe gebe.
So möge Gott gebieten,   daß eure Milde immer lebe."

"O weh mir dieser Märe,"   sprach wieder Hagen.                    2313
"Wir hatten Herzensschwere   schon so viel zu tragen:
Das müße Gott erbarmen,   gilts uns mit Freunden Streit!"
Da sprach der Markgraf wieder:   "Das ist mir inniglich leid."

"Nun lohn ich euch die Gabe,   viel edler Rüdiger:                 2314
Was euch auch widerfahre   von diesen Recken hehr,
Es soll euch nicht berühren   im Streit meine Hand,
Ob ihr sie all erschlüget   Die von der Burgunden Land."

Da neigte sich ihm dankend   der gute Rüdiger.                     2315
Die Leute weinten alle:   Daß nicht zu wenden mehr
Dieser Herzensjammer,   das war zu große Noth.
Der Vater aller Tugend   fand an Rüdiger den Tod.

Da sprach von der Stiege   Volker der Fiedelmann:                  2316
"Da mein Geselle Hagen   euch trug den Frieden an,
So biet ich auch so stäten   euch von meiner Hand.
Das habt ihr wohl verdient an uns,   da wir kamen in das Land.

"Viel edler Markgraf,   mein Bote werdet hier:                     2317
Diese rothen Spangen   gab Frau Gotlinde mir,
Daß ich sie tragen sollte   bei dieser Lustbarkeit:
Ich thu es, schauet selber,   daß ihr des mein Zeuge seid."

"Wollt es Gott vom Himmel,"   sprach da Rüdiger,                   2318
"Daß euch die Markgräfin   noch geben dürfte mehr.
Die Märe sag ich gerne   der lieben Trauten mein,
Seh ich gesund sie wieder:   Des sollt ihr außer Zweifel sein."

Nach diesem Angeloben   Den Schild hob Rüdiger,                    2319
Sein Muth begann zu toben:   nicht länger säumt' er mehr.
Auf lief er zu den Gästen   wohl einem Recken gleich.
Viel kraftvolle Schläge   schlug da dieser Markgraf reich.

Volker und Hagen   traten beiseit,                                 2320
Wie ihm verheißen hatten   die Degen allbereit.
Noch traf er bei den Thüren   so manchen Kühnen an,
Daß Rüdiger die Feindschaft   mit großen Sorgen begann.

Aus Mordbegierde ließen   ihn ins Haus hinein                      2321
Gernot und Gunther;   das mochten Helden sein.
Zurück wich da Geiselher:   fürwahr, es war ihm leid;
Er versah sich noch des Lebens,   drum mied er Rüdigern im Streit.

Da sprangen zu den Feinden   Die in Rüdgers Lehn.                  2322
Hinter ihrem Herren   sah man sie kühnlich gehn.
Schneidende Waffen   trugen sie an der Hand:
Da zerbrachen viel der Helme   und mancher herrliche Rand.

Da schlugen auch die Müden   noch manchen schnellen Schlag         2323
Auf die von Bechlaren,   der tief und eben brach
Durch die festen Panzer   und drang bis auf das Blut.
Sie frommten in dem Sturme   viel Wunder herrlich und gut.

Das edle Heergesinde   war alle nun im Saal.                       2324
Volker und Hagen   die sprangen hin zumal:
Sie gaben Niemand Frieden   als dem Einen Mann.
Das Blut von ihren Hieben   von den Helmen niederrann.

Wie da der Schwerter Tosen   so grimmig erklang,                   2325
Daß unter ihren Schlägen   das Schildgespänge sprang!
Die Schildsteine rieselten   getroffen in das Blut.
Da fochten sie so grimmig,   wie man es nie wieder thut.

Der Vogt von Bechlaren   schuf hin und her sich Bahn,              2326
Wie Einer der mit Ungestüm   im Sturme werben kann.
Des Tages ward an Rüdiger   herrlich offenbar,
Daß er ein Recke wäre,   kühn und ohne Tadel gar.

Hier standen diese Recken,   Gunther und Gernot,                   2327
Sie schlugen in dem Streite   viel der Helden todt.
Geiselhern und Dankwart   am Heile wenig lag:
Da brachten sie noch Manchen   hin zu seinem jüngsten Tag.

Wohl erwies auch Rüdiger,   daß er stark war genug,                2328
Kühn und wohl gewaffnet:   hei, was er Helden schlug!
Das sah ein Burgunde,   da schuf der Zorn ihm Noth:
Davon begann zu nahen   des edeln Rüdiger Tod.

Gernot der starke   rief den Helden an.                            2329
Er sprach zum Markgrafen:   "Ihr wollt mir keinen Mann
Der Meinen leben laßen,   viel edler Rüdiger.
Das schmerzt mich ohne Maßen:   ich ertrag es nicht länger mehr.

"Nun mag euch eure Gabe wohl   zu Unstatten kommen,                2330
Da ihr mir der Freunde   habt so viel genommen.
Nun bietet mir die Stirne,   ihr edler kühner Mann:
So verdien ich eure Gabe,   so gut ich immer nur kann."

Bevor da der Markgraf   zu ihm gedrungen war.                      2331
Ward noch getrübt vom Blute   manch lichter Harnisch klar.
Da liefen sich einander   die Ehrbegiergen an:
jedweder sich zu schirmen   vor starken Wunden begann.

Doch schnitten ihre Schwerter,   es schützte nichts dagegen.       2332
Da schlug den König Gernot   Rüdiger der Degen
Durch den steinharten Helm,   daß niederfloß das Blut:
Das vergalt alsbald ihm   dieser Ritter kühn und gut.

Hoch schwang er Rüdgers Gabe,   die in der Hand ihm lag;           2333
Wie wund er war zum Tode,   er schlug ihm einen Schlag
Auf des Helmes Bänder   und durch den festen Schild,
Davon ersterben muste   der gute Rüdiger mild.

So reicher Gabe übler   gelohnt ward nimmermehr.                   2334
Da fielen beid erschlagen,   Gernot und Rüdiger,
Im Sturm gleichermaßen   von beider Kämpfer Hand.
Da erst ergrimmte Hagen,   als er den großen Schaden fand.

Da sprach der Held von Tronje:   "Es ist uns schlimm bekommen.     2335
So großen Schaden haben wir   an den Zwein genommen,
Daß wir ihn nie verwinden,   ihr Volk noch ihr Land.
Uns Heimathlosen bleiben   nun Rüdgers Helden zu Pfand."

Da wollte Keiner weiter   dem Andern was vertragen:                2336
Mancher ward darnieder   unverletzt geschlagen,
Der wohl noch wär genesen:   ob ihm war solcher Drang,
Wie heil er sonst gewesen,   daß er im Blute doch ertrank.

"Weh mir um den Bruder!   der fiel hier in den Tod.                2337
Was mir zu allen Stunden   für leide Märe droht!
Auch muß mich immer reuen   mein Schwäher Rüdiger:
Der Schad ist beidenthalben   und großen Jammers Beschwer."

Als der junge Geiselher   sah seinen Bruder todt,                  2338
Die noch im Saale waren,   die musten leiden Noth.
Der Tod suchte eifrig,   wo sein Gesinde wär:
Deren von Bechelaren   entgieng kein Einziger mehr.

Gunther und Hagen   und auch Geiselher,                            2339
Dankwart und Volker,   die guten Degen hehr,
Die giengen zu der Stelle,   wo man sie liegen fand:
Wie jämmerlich da weinten   diese Helden auserkannt!

"Der Tod beraubt uns übel,"   sprach Geiselher das Kind.           2340
"Nun laßt euer Weinen   und gehn wir an den Wind,
Daß sich die Panzer kühlen   uns streitmüden Degen:
Es will nicht Gott vom Himmel,   daß wir länger leben mögen."

Den sitzen, den sich lehnen   sah man manchen Mann.                2341
Sie waren wieder müßig.   Die Rüdgern unterthan
Waren all erlegen;   verhaßt war das Getos.
So lange blieb es stille,   daß es Etzeln verdroß.

"O weh dieses Leides!"   sprach die Königin.                       2342
"Sie sprechen allzulange;   unsre Feinde drin
Mögen wohl heil verbleiben   vor Rüdigers Hand:
Er will sie wiederbringen   heim in der Burgunden Land.

"Was hilfts, König Etzel,   daß wir an ihn vertan,                 2343
Was er nur begehrte?   Er that nicht wohl daran:
Der uns rächen sollte,   der will der Sühne pflegen."
Da gab ihr Volker Antwort,   dieser zierliche Degen:

"Dem ist nicht also leider,   viel edel Königsweib.                2344
Und dürft ich Lügen strafen   ein so hehres Weib,
So hättet ihr recht teuflisch   Rüdigern verlogen.
Er und seine Degen   sind um die Sühne gar betrogen.

"So williglich vollbracht er,   was ihm sein Herr gebot,           2345
Daß er und sein Gesinde   hier fielen in den Tod.
Nun seht euch um, Frau Kriemhild,   wem ihr gebieten wollt:
Euch war bis an sein Ende   Rüdiger getreu und hold.

"Wollt ihr mir nicht glauben,   so schaut es selber an."           2346
Zu ihrem Herzeleide   ward es da gethan:
Man trug ihn hin erschlagen,   wo ihn der König sah.
König Etzels Mannen   wohl nimmer leider geschah.

Da sie den Markgrafen   todt sahn vor sich tragen,                 2347
Da vermöcht euch kein Schreiber   zu schildern noch zu sagen
Die ungebärdge Klage   so von Weib als Mann,
Die sich aus Herzensjammer   da zu erzeigen begann.

König Etzels Jammern   war so stark und voll,                      2348
Wie eines Löwen Stimme   dem reichen König scholl
Der Wehruf der Klage;   auch ihr schufs große Noth;
Sie weinten übermäßig   um des guten Rüdger Tod.

       *       *       *       *       *



Achtunddreißigstes Abenteuer.

Wie Dietrichens Recken alle erschlagen wurden.


Der Jammer allenthalben   zu solchem Maße schwoll,                 2349
Daß von der Wehklage   Pallas und Thurm erscholl.
Da vernahm es auch ein Berner,   Dietrichs Unterthan:
Der schweren Botschaft willen   wie eilends kam er heran!

Da sprach er zu dem Fürsten:   "Hört mich, Herr Dieterich,         2350
Was ich noch je erlebte,   so herzensjämmerlich
Hört ich noch niemals klagen,   als ich jetzt vernahm.
Ich glaube, daß der König   nun selber zu der Hochzeit kam,

"Wie wären sonst die Leute   all in solcher Noth?                  2351
Der König oder Kriemhild   Eins ward dem Tod
Von den kühnen Gästen   in ihrem Zorn gesellt.
Es weint übermäßig   mancher auserwählte Held."

Da sprach der Vogt von Berne:  "Ihr Getreun in meinem Lehn,        2352
Seid nicht allzu eilig:   was hier auch ist geschehn
Von den Heimathlosen,   sie zwang dazu die Noth:
Nun laßt sie des genießen,   daß ich ihnen Frieden bot."

Da sprach der kühne Wolfhart:   "Ich will zum Saale gehn,          2353
Der Märe nachzufragen,   was da sei geschehn,
Und will euch dann berichten,   viel lieber Herre mein,
Wenn ich es dort erkunde,   wie die Sache möge sein."

Da sprach der edle Dietrich:   "Wenn man sich Zorns versieht       2354
Und ungestümes Fragen   zur Unzeit dann geschieht,
Das betrübt den Recken   allzuleicht den Muth:
Drum will ich nicht, Wolfhart,   daß ihr die Frage da thut."

Da bat er Helfrichen   hin zu gehn geschwind,                      2355
Ob er erkundgen möge   bei Etzels Ingesind
Oder bei den Gästen,   was da wär geschehn.
Da wurde nie bei Leuten   so großer Jammer gesehn.

Der Bote kam und fragte:   "Was ist hier geschehn?"                2356
Da ward ihm zum Bescheide:   "Nun must uns auch zergehn
Der Trost, der uns geblieben   noch war in Heunenland:
Hier liegt erschlagen Rüdiger   von der Burgunden Hand.

"Nicht Einer ist entkommen,   der mit ihm gieng hinein."           2357
Das konnte Helfrichen   nimmer leider sein.
Wohl mocht er seine Märe   noch nie so ungern sagen:
Er kam zu Dietrichen   zurück mit Weinen und Klagen.

"Was bringt ihr uns für Kunde?"   sprach da Dieterich,             2358
"Wie weint ihr so heftig,   Degen Helferich?"
Da sprach der edle Recke:   "Wohl hab ich Grund zu klagen.
Den guten Rüdger haben   die Burgunden erschlagen."

Da sprach der Held von Berne:   "Das wolle nimmer Gott.            2359
Eine starke Rache wär es   und des Teufels Spott.
Wie hätt an ihnen Rüdiger   verdient solchen Sold?
Ich weiß wohl die Kunde,   er ist den Fremdlingen hold."

Da sprach der kühne Wolfhart:   "Und wär es geschehn,              2360
So sollt es ihnen Allen   an Leib und Leben gehn.
Wenn wirs ertragen wollten,   es brächt uns Spott und Schand,
Uns bot so große Dienste   des guten Rüdiger Hand."

Der Vogt von Amelungen   erfragt' es gern noch mehr.               2361
In ein Fenster setzt' er sich,   ihm war das Herz so schwer.
Da hieß er Hildebranden   zu den Gästen gehn,
Bei ihnen zu erforschen,   was da wäre geschehn.

Der sturmkühne Recke,   Meister Hildebrand,                        2362
Weder Schild noch Waffen   trug er an der Hand.
Er wollt in seinen Züchten   zu den Gästen gehn;
Von seiner Schwester Kinde   must er sich gescholten sehn.

Da sprach der grimme Wolfhart:   "Geht ihr dahin so bloß,          2363
So kommt ihr ungescholten   nimmer wieder los:
So müst ihr dann mit Schanden   thun die Wiederfahrt;
Geht ihr dahin in Waffen,  so weiß ich, daß es Mancher spart."

Da rüstete der Alte   sich nach des Jungen Rath.                   2364
Eh Hildbrand es gewahrte,   standen in ihrem Staat
Die Recken Dietrichs alle,   die Schwerter in der Hand.
Leid war das dem Helden,   er hätt es gern noch abgewandt.

Er frag, wohin sie wollten.   "Wir wollen mit euch hin;            2365
Ob von Tronje Hagen   wohl dann noch ist so kühn,
Mit Spott zu euch zu reden,   wie ihm zu thun gefällt?"
Als er die Rede hörte,   erlaubt' es ihnen der Held.

Da sah der kühne Volker   wohlgewaffnet gehn                       2366
Die Recken von Berne   in Dietrichens Lehn,
Die Schwerter umgegürtet,   die Schilde vor der Hand:
Er sagt' es seinen Herren   aus der Burgunden Land.

Da sprach der Fiedelspieler:   "Dorten seh ich nahn                2367
Recht in Feindesweise   Die Dietrich unterthan,
Gewaffnet unter Helmen:   sie wollen uns bestehn.
Nun wird es an das Ueble   mit uns Fremdlingen gehn."

Es währte nicht lange,   so kam auch Hildebrand:                   2368
Da setzt' er vor die Füße   seinen Schildesrand
Und begann zu fragen   Die Gunthern unterthan:
"O weh, ihr guten Degen,   was hatt euch Rüdiger gethan?

"Mich hat mein Herr Dietrich   her zu euch gesandt,                2369
Ob erschlagen liege, Helden,   von eurer Hand
Dieser edle Markgraf,   wie man uns gab Bescheid?
Wir könnten nicht verwinden   also schweres Herzeleid."

Da sprach der grimme Hagen:   "Die Mär ist ungelogen,              2370
Wie gern ichs euch gönnte,   wärt ihr damit betrogen,
Rüdigern zu Liebe:   so lebt' er uns noch,
Den nie genug beweinen   mögen Fraun und Mannen doch."

Als sie das recht vernahmen,   Rüdiger sei todt,                   2371
Da beklagten ihn die Recken,   wie ihre Treu gebot.
Dietrichens Mannen   sah man die Thränen gehn
Uebern Bart zum Kinne:   viel Leid war ihnen geschehn.

Siegstab der Herzog   von Bern sprach zuhand:                      2372
"O weh, wie all die Güte   hier gar ein Ende fand,
Die uns Rüdiger hier schuf   nach unsers Leides Tagen:
Der Trost der Heimathlosen   liegt von euch Degen erschlagen."

Da sprach von Amelungen   der Degen Wolfwein:                      2373
"Und wenn ich vor mir liegen   hier säh, den Vater mein,
Mir würde nimmer leider   als um Rüdgers Tod.
O weh, wer soll nun trösten   die Markgräfin in ihrer Noth?"

Do sprach im Zornmuthe   der kühne Wolfhart:                       2374
"Wer leitet nun die Recken   auf mancher Heerfahrt,
Wie von dem Markgrafen   so oft geschehen ist?
O weh, viel edler Rüdiger,   daß du uns so verloren bist!"

Wolfbrand und Helferich   und auch Helmnot                         2375
Mit allen ihren Freunden   beweinten seinen Tod.
Nicht mehr fragen mochte   vor Seufzen Hildebrand:
So thut denn, ihr Degen,   warum mein Herr uns gesandt.

"Gebt uns den todten   Rüdiger aus dem Saal,                       2376
An dem all unsre Freude   erlitt den Jammerfall.
Laßt uns ihm so vergelten,   was er an uns gethan
Hat mit großer Treue   und an manchem fremden Mann.

"Wir sind hier auch Vertriebene   wie Rüdiger der Degen.           2377
Wie laßt ihr uns warten?   Laßt uns ihn aus den Wegen
Tragen und im Tode   lohnen noch dem Mann:
Wir hätten es wohl billig   bei seinem Leben gethan."

Da sprach der König Gunther:   "Nie war ein Dienst so gut,         2378
Als den ein Freund dem Freunde   nach dem Tode thut.
Das nenn ich stäte Treue,   wenn man das leisten kann:
Ihr lohnt ihm nach Verdienste,   er hat euch Liebes gethan."

"Wie lange solln wir flehen?"   sprach Wolfart der Held."          2379
"Da unser Trost der beste   liegt von euch gefällt,
Und wir ihn nun leider   nicht länger mögen haben,
Laßt uns ihn hinnen tragen,   daß wir den Recken begraben."

Zur Antwort gab ihm Volker:   "Man bringt ihn euch nicht her,      2380
Holt ihn aus dem Hause,   wo der Degen hehr
Mit tiefen Herzenswunden   gefallen ist ins Blut:
So sind es volle Dienste,   die ihr hier Rüdigern thut."

Da sprach der kühne Wolfhart:   "Gott weiß, Herr Fiedelmann,       2381
Ihr müßt uns nicht noch reizen;   ihr habt uns Leid gethan.
Dürft ichs vor meinem Herren,   so kämt ihr drum in Noth;
Doch müßen wir es laßen,   weil er den Streit uns verbot."

Da sprach der Fiedelspieler:   "Der fürchtet sich zu viel,         2382
Der, was man ihm verbietet,   Alles laßen will:
Das kann ich nimmer heißen   rechten Heldenmuth."
Die Rede dauchte Hagnen   von seinem Heergesellen gut.

"Wollt ihr den Spott nicht laßen,"   fiel ihm Wolfhart ein,        2383
"Ich verstimm euch so die Saiten,   daß ihr noch am Rhein,
Wenn je ihr heimreitet,   habt davon zu sagen.
Euer Ueberheben   mag ich mit Ehren nicht ertragen."

Da sprach der Fiedelspieler:   "Wenn ihr den Saiten mein           2384
Die guten Töne raubtet,   eures Helmes Schein
Müste trübe werden   dabei von meiner Hand,
Wie ich halt auch reite   in der Burgunden Land."

Da wollt er zu ihm springen   doch blieb nicht frei die Bahn.      2385
Hildebrand sein Oheim   hielt ihn mit Kräften an.
"Ich seh, du willst wüthen   in deinem dummen Zorn;
Nun hätten wir auf immer   meines Herren Huld verlorn."

"Laßt los den Leuen, Meister,   er hat so grimmigen Muth;          2386
Doch kommt er mir zu nahe,"   sprach Volker der Degen gut,
"Hätt er mit seinen Händen   die ganze Welt erlagen,
Ich schlag ihn, daß er nimmermehr   ein Widerwort weiß zu sagen."

Darob ergrimmte heftig   den Bernern der Muth.                     2387
Den Schild ruckte Wolfhart,   ein schneller Recke gut,
Gleich einem wilden Leuen   lief er auf ihn an.
Die Schar seiner Freunde   ihm rasch zu folgen begann.

Mit weiten Sprüngen setzt' er   bis vor des Saales Wand;           2388
Doch ereilt' ihn vor der Stiege   der alte Hildebrand:
Er wollt ihn vor ihm selber   nicht laßen in den Streit.
Zu ihrem Willen fanden   sie gern die Gäste bereit.

Da sprang hin zu Hagen   Meister Hildebrand:                       2389
Man hörte Waffen klingen   an der Helden Hand.
Sie waren sehr im Zorne,   das zeigte sich geschwind:
Von der Beiden Schwertern   gieng der feuerrothe Wind.

Da wurden sie geschieden   in des Streites Noth:                   2390
Das thaten die von Berne,   wie Kraft und Muth gebot.
Als sich von Hagen wandte   Meister Hildebrand,
Da kam der starke Wolfhart   auf den kühnen Volker gerannt.

Auf den Helm dem Fiedler   schlug er solchen Schwang,              2391
Daß des Schwertes Schärfe   durch die Spangen drang.
Das vergalt mit Ungestüm   der kühne Fiedelmann:
Da schlug er Wolfharten,   daß er zu sprühen begann.

Feuers aus den Panzern   hieben sie genug;                         2392
Grimmen Haß Jedweder   zu dem Andern trug.
Da schied sie von Berne   der Degen Wolfwein;
Wär er kein Held gewesen,   so konnte das nimmer sein.

Gunther der kühne   mit williger Hand                              2393
Empfieng die hehren Helden   aus Amelungenland.
Geiselher der junge   die lichten Helme gut
Macht' er in dem Sturme   Manchem naß und roth von Blut.

Dankwart, Hagens Bruder,   war ein grimmer Mann:                   2394
Was er zuvor im Streite   Herrliches gethan
An König Etzels Recken,   das schien nun gar ein Wind:
Nun erst begann zu toben   des kühnen Aldrians Kind.

Ritschart und Gerbart,   Helfrich und Wichart                      2395
In manchen Stürmen hatten   die selten sich gespart:
Das ließen sie wohl schauen   die in Gunthers Lehn.
Da sah man Wolfbranden   in dem Sturme herrlich gehn.

Da focht, als ob er wüthe,   der alte Hildebrand.                  2396
Viel gute Recken musten   vor Wolfhartens Hand
Auf den Tod getroffen   sinken in das Blut:
So rächten Rüdgers Wunden   diese Recken kühn und gut.

Da focht der Herzog Siegstab,   wie ihm der Zorn gebot.            2397
Hei! was harter Helme   brach in des Sturmes Noth
An seinen Feinden   Dietrichens Schwestersohn!
Er konnt in dem Sturme   nicht gewaltiger drohn.

Volker der Starke,   als er das ersah,                             2398
Wie Siegstab der kühne   aus Panzerringen da
Bäche Blutes holte,   das schuf dem Biedern Zorn:
Er sprang ihm hin entgegen:   da hatte hier bald verlorn

Von dem Fiedelspieler   das Leben Siegstab:                        2399
Volker ihm seiner Künste   so vollen Anteil gab,
Er fiel von seinem Schwerte   nieder in den Tod.
Der alte Hilbrand rächte das,   wie ihm sein Eifer gebot.

"O weh des lieben Herren,"   sprach Meister Hildebrand,            2400
"Der uns hier erschlagen   liegt von Volkers Hand!
Nun soll der Fiedelspieler   auch länger nicht gedeihn."
Hildebrand der kühne   wie könnt er grimmiger sein.

Da schlug er so auf Volker,   daß von des Helmes Band              2401
Die Splitter allwärts stoben   bis zu des Saales Wand,
Vom Helm und auch vom Schilde   dem kühnen Spielmann;
Davon der starke Volker   nun auch sein Ende gewann.

Da drangen zu dem Streite   Die in Dietrichs Lehn:                 2402
Sie schlugen, daß die Splitter   sich wirbelnd musten drehn
Und man der Schwerter Enden   in die Höhe fliegen sah.
Sie holten aus den Helmen   heiße Blutbäche da.

Nun sah von Tronje Hagen   Volker den Degen todt:                  2403
Das war ihm bei der Hochzeit   die allergröste Noth,
Die er gewonnen hatte   an Freund und Unterthan!
O weh, wie grimmig Hagen   den Freund zu rächen begann!

"Nun soll es nicht genießen   der alte Hildebrand:                 2404
Mein Gehilfe liegt erschlagen   von des Helden Hand,
Der beste Heergeselle,   den ich je gewann."
Den Schild rückt' er höher,   so gieng er hauend hindann.

Helferich der starke   Dankwarten schlug:                          2405
Gunthern und Geiselhern   war es leid genug,
Als sie ihn fallen sahen   in der starken Noth;
Doch hatten seine Hände   wohl vergolten seinen Tod.

So viel aus manchen Landen   hier Volks versammelt war,            2406
Viel Fürsten kraftgerüstet   gegen die kleine Schar,
Wären die Christenleute   nicht wider sie gewesen,
Durch ihre Tugend mochten sie   vor allen Heiden wohl genesen.

Derweil schuf sich Wolfhart   hin und wieder Bahn,                 2407
Alles niederhauend,   was Gunthern unterthan.
Er machte nun zum dritten Mal   die Runde durch den Saal:
Da fiel von seinen Händen   gar mancher Recke zu Thal.

Da rief der starke Geiselher   Wolfharten an:                      2408
"O weh, daß ich so grimmen   Feind je gewann!
Kühner Ritter edel,   nun wende dich hieher!
Ich will es helfen enden,   nicht länger trag ich es mehr."

Zu Geiselheren wandte   sich Wolfhart in den Streit.               2409
Da schlugen sich die Recken   manche Wunde weit.
Mit solchem Ungestüme   er zu dem König drang,
Daß unter seinen Füßen   übers Haupt das Blut ihm sprang.

Mit schnellen grimmen Schlägen   der schönen Ute Kind              2410
Empfieng da Wolfharten,   den Helden hochgesinnt.
Wie stark auch war der Degen,   wie sollt er hier gedeihn?
Es konnte nimmer kühner   ein so junger König sein.

Da schlug er Wolfharten   durch einen Harnisch gut,                2411
Daß ihm aus der Wunde   niederschoß das Blut:
Zum Tode war verwundet   Dietrichens Unterthan.
Wohl must er sein ein Recke,   der solche Werke gethan.

Als der kühne Wolfhart   die Wund an sich empfand,                 2412
Den Schild ließ er fallen:   höher in der Hand
Hob er ein starkes Waffen,   das war wohl scharf genug:
Durch Helm und Panzerringe   der Degen Geiselhern schlug.

Den grimmen Tod einander   hatten sie angethan.                    2413
Da lebt' auch Niemand weiter,   der Dietrich unterthan.
Hildebrand der alte   Wolfharten fallen sah:
Gewiss vor seinem Tode   solch Leid ihm nimmer geschah.

Erstorben waren Alle   Die in Gunthers Lehn                        2414
Und Die in Dietrichens.   Hilbranden sah man gehn,
Wo Wolfhart war gefallen   nieder in das Blut.
Er umschloß mit Armen   den Degen bieder und gut.

Er wollt ihn aus dem Hause   tragen mit sich fort;                 2415
Er war zu schwer doch, laßen   must ihn der Alte dort.
Da blickt' aus dem Blute   der todwunde Mann:
Er sah wohl, sein Oheim   hülfe gern ihm hindann.

Da sprach der Todwunde:   "Viel lieber Oheim mein,                 2416
Mir kann zu dieser Stunde   eure Hülfe nicht gedeihn.
Nun hütet euch vor Hagen,   fürwahr, ich rath euch gut:
Der tragt in seinem Herzen   einen grimmigen Muth.

"Und wollen meine Freunde   im Tode mich beklagen,                 2417
Den nächsten und den besten   sollt ihr von mir sagen,
Daß sie nicht um mich weinen,   das thu nimmer Noth:
Von eines Königs Händen   fand ich hier herrlichen Tod.

"Ich hab auch so vergolten   mein Sterben hier im Saal,            2418
Das schafft noch den Frauen   der guten Ritter Qual.
Wills Jemand von euch wißen,   so mögt ihr kühnlich sagen:
Von meiner Hand alleine   liegen hundert wohl erschlagen.

Da gedacht auch Hagen   an den Fiedelmann,                         2419
Dem der alte Hildebrand   das Leben abgewann:
Da sprach er zu dem Kühnen:   "Ihr entgeltet nun mein Leid.
Ihr habt uns hier benommen   manchen Recken kühn im Streit."

Er schlug auf Hildebranden   daß man wohl vernahm                  2420
Balmungen dröhnen,   den Siegfrieden nahm
Hagen der kühne,   als er den Helden schlug.
Da wehrte sich ser Alte:   er war auch streitbar genug.

Wolfhartens Oheim   ein breites Waffen schwang                     2421
Auf Hagen von Tronje,   das scharf den Stahl durchdrang:
Doch konnt er nicht verwunden   Gunthers Unterthan.
Da schlug ihm Hagen wieder   durch einen Harnisch wohlgetan.

Als da Meister Hildebrand   die Wunde recht empfand,               2422
Besorgt' er größern Schaden   noch von Hagens Hand.
Den Schild warf auf den Rücken   Dietrichs Unterthan:
Mit der starken Wunde   der Held vor Hagen entrann.

Da lebt' auch von allen   den Degen Niemand mehr                   2423
Als Gunther und Hagen,   die beiden Recken hehr.
Mit Blut gieng beronnen   der alte Hildebrand:
Er brachte leide Märe,   da er Dietrichen fand.

Schwer bekümmert sitzen   sah er da den Mann:                      2424
Noch größern Leides Kunde   nun der Fürst gewann.
Als er Hildebranden   im Panzer sah so roth,
Da fragt' er nach der Ursach,   wie ihm die Sorge gebot.

"Nun sagt mir, Meister Hildebrand,   wie seid ihr so naß           2425
Von dem Lebensblute?   oder wer that euch das?
Ihr habt wohl mit den Gästen   gestritten in dem Saal?
Ihr ließt es billig bleiben,   wie ich so dringend befahl."

Da sagt' er seinem Herren:   "Hagen that es mir:                   2426
Der schlug mir in dem Saale   diese Wunde hier,
Als ich von dem Recken   zu wenden mich begann.
Kaum daß ich mit dem Leben   noch dem Teufel entrann."

Da sprach der von Berne:   "Gar recht ist euch geschehen,          2427
Da ihr mich Freundschaft hörtet   den Recken zugestehn
Und doch den Frieden brachet,   den ich ihnen bot:
Wär mirs nicht ewig Schande,   ihr solltets büßen mit dem Tod."

"Nun zürnt mir, Herr Dietrich,   darob nicht allzusehr:            2428
An mir und meinen Freunden   ist der Schade gar zu schwer.
Wir wollten Rüdger gerne   tragen aus dem Saal:
Das wollten uns nicht gönnen   die, welchen Gunther befahl."

"O weh mir dieses Leides!   Ist Rüdiger doch todt?                 2429
Das muß mir sein ein Jammer   vor all meiner Noth.
Gotelind die edle   ist meiner Base Kind:
O weh der armen Waisen,   die dort zu Bechlaren sind!"

Herzeleid und Kummer   schuf ihm sein Tod:                         2430
Er hub an zu weinen:   den Helden zwang die Noth.
"O weh der treuen Hülfe,   die mir an ihm erlag,
König Etzels Degen,   den ich nie verschmerzen mag.

"Könnt ihr mir, Meister Hildebrand,   rechte Kunde sagen,          2431
Wie der Recke heiße,   der ihn hat erschlagen?"
Er sprach "Das that mit Kräften   der starke Gernot;
Von Rüdigers Händen   fand auch der König den Tod."

Er sprach zu Hilbranden:   "So sagt den Meinen an,                 2432
Daß sie alsbald sich waffnen,   so geh ich selbst hinan.
Und befehlt, daß sie mir bringen   mein lichtes Streitgewand:
Ich selber will nun fragen   die Helden aus Burgundenland."

Da sprach Meister Hildebrand:   "Wer soll mit euch gehn?           2433
Die euch am Leben blieben,   die seht ihr vor euch stehn:
Das bin ich ganz alleine;   die Andern die sind todt."
Da erschrak er dieser Märe,   es schuf ihm wahrhafte Noth,

Daß er auf Erden nimmer   noch solches Leid gewann.                2434
Er sprach: "Und sind erstorben   all Die mir unterthan,
So hat mein Gott vergeßen,   ich, armer Dietrich!
Ich herrscht' ein mächtger König   einst hehr und gewaltiglich."

Wieder sprach da Dietrich:   "Wie könnt es nur geschehn,           2435
Daß sie all erstarben,   die Helden ausersehn,
Vor den Streitmüden,   die doch gelitten Noth?
Mein Unglück schufs alleine,   sonst verschonte sie der Tod!

"Wenn dann mein Unheil wollte,   es sollte sich begeben,           2436
So sprecht, blieb von den Gästen   Einer noch am Leben?"
Da sprach Meister Hildebrand:   "Das weiß Gott, Niemand mehr
Als Hagen ganz alleine   und Gunther der König hehr."

"O weh, lieber Wolfhart,   und hab ich dich verloren,              2437
So mag mich bald gereuen,   daß ich je ward geboren.
Siegstab und Wolfwein   und auch Wolfbrand:
Wer soll mir denn helfen   in der Amelungen Land?

"Helferich der kühne,   und ist mir der erschlagen,                2438
Gerbart und Wichard,   wann hör ich auf zu klagen?
Das ist aller Freuden   mir der letzte Tag.
O weh, daß vor Leide   Niemand doch ersterben mag!"

       *       *       *       *       *



Neununddreißigstes Abenteuer.

Wie Gunther, Hagen und Kriemhild erschlagen wurden.


Da suchte sich Herr Dietrich   selber sein Gewand;                 2439
Ihm half, daß er sich waffnete,   der alte Hildebrand.
Da klagte so gewaltig   der kraftvolle Mann,
Daß von seiner Stimme   das Haus zu schüttern begann.

Dann gewann er aber wieder   rechten Heldenmuth.                   2440
Im Grimm ward gewaffnet   da der Degen gut.
Seinen Schild, den festen,   den nahm er an die Hand:
Sie giengen bald von dannen,   er und Meister Hildebrand.

Da sprach von Tronje Hagen:   "Dort seh ich zu uns gehn            2441
Dietrich den Herren:   der will uns bestehn
Nach dem großen Leide,   das wir ihm angethan.
Nun soll man heute schauen,   wen man den Besten nennen kann.

"Und dünkt sich denn von Berne   der Degen Dieterich               2442
Gar so starkes Leibes   und so fürchterlich.
Und will ers an uns rächen   was ihm ist geschehn,"
Also sprach da Hagen,   "ich bin wohl Mann ihn zu bestehn."

Die Rede hörte Dietrich   mit Meister Hildebrand.                  2443
Er kam, wo er die Recken   beide stehen fand
Außen vor dem Hause,   gelehnt an den Saal.
Seinen Schild den guten,   den setzte Dietrich zu Thal.

In leidvollen Sorgen   sprach da Dietrich:                         2444
"Wie habt ihr so geworben,   Herr Gunther, wider mich,
Einen Heimathlosen?   Was that ich euch wohl je,
Daß alles meines Trostes   ich nun verwaiset mich seh?

"Ihr fandet nicht Genüge   an der großen Noth,                     2445
Als ihr uns Rüdigeren,   den Recken, schluget todt:
Ihr missgönntet sie mir alle,   Die mir unterthan.
Wohl hätt ich solchen Leides   euch Degen nimmer gethan.

"Gedenkt an euch selber   und an euer Leid,                        2446
Eurer Freunde Sterben   und all die Noth im Streit,
Ob es euch guten Degen   nicht beschwert den Muth.
O weh, wie so unsanft   mir der Tod Rüdigers thut!

"So leid geschah auf Erden   Niemanden je.                         2447
Ihr gedachtet wenig   an mein und euer Weh.
Was ich Freuden hatte,   das liegt von euch erschlagen:
Wohl kann ich meine Freunde   nimmer genug beklagen."

"Wir sind wohl nicht so schuldig,"   sprach Hagen entgegen.        2448
"Zu diesem Hause kamen   alle eure Degen
Mit großem Fleiß gewaffnet   in einer breiten Schar.
Man hat euch wohl die Märe   nicht gesagt, wie sie war."

"Was soll ich andere glauben?   mir sagt Hildebrand:               2449
Euch baten meine Recken   vom Amelungenland,
Daß ihr ihnen Rüdigern   gäbet aus dem Haus:
Da botet ihr Gespötte nur   meinen Recken heraus."

Da sprach der Vogt vom Rheine:   "Sie wollten Rüdgern tragen,      2450
Sagten sie, von hinnen:   das ließ ich versagen
Etzeln zum Trotze,   nicht aber deinem Heer,
Bis darob zu schelten   Wolfhart begann, der Degen hehr."

Da sprach der Held von Berne:   "Es sollte nun so sein.            2451
Gunther, edler König,   bei aller Tugend dein
Ersetze mir das Herzeleid,   das mir von dir geschehn;
Versühn es, kühner Ritter,   so laß ichs ungerochen gehn.

"Ergieb dich mir zum Geisel   mit Hagen deinem Mann:               2452
So will ich euch behüten,   so gut ich immer kann,
Daß euch bei den Heunen   hier Niemand Leides thut.
Ihr sollt an mir erfahren,   daß ich getreu bin und gut."

"Das verhüte Gott vom Himmel,"   sprach Hagen entgegen,            2453
"Daß sich dir ergeben   sollten zwei Degen,
Die noch in voller Wehre   dir gegenüber stehn,
Das wär uns Unehre:   die Feigheit soll nicht geschehn."

"Ihr solltets nicht verweigern,"   sprach wieder Dietrich.         2454
"Gunther und Hagen,   ihr habt so bitterlich
Beide mir bekümmert   das Herz und auch den Muth,
Wollt ihr mir das vergüten,   daß ihr es billiglich thut.

"Ich geb euch meine Treue,   und reich euch drauf die Hand,        2455
Daß ich mit euch reite   heim in euer Land.
Ich geleit euch wohl nach Ehren,   ich stürbe denn den Tod,
Und will um euch vergeßen   all meiner schmerzhaften Noth."

"Begehrt es nicht weiter,"   sprach wieder Hagen:                  2456
"Wie ziemt es, wenn die Märe   wär von uns zu sagen,
Daß zwei so kühne Degen   sich ergäben eurer Hand?
Sieht man bei euch doch Niemand   als alleine Hildebrand."

Da sprach Meister Hildebrand:   "Gott weiß, Herr Hagen,            2457
Den Frieden, den Herr Dietrich   euch hat angetragen,
Es kommt noch an die Stunde   vielleicht in kurzer Frist,
Daß ihr ihn gerne nähmet,   und er nicht mehr zu haben ist."

"Auch nähm ich eh den Frieden,"   sprach Hagen entgegen,           2458
"Eh ich mit Schimpf und Schande   so vor einem Degen
Flöhe, Meister Hildebrand,   als ihr hier habt gethan:
Ich wähnt auf meine Treue,   ihr stündet beßer euerm Mann."

Da sprach Meister Hildebrand:   "Was verweiset ihr mir das?        2459
Nun wer wars, der auf dem Schilde   vor dem Wasgensteine saß,
Als ihm von Spanien Walther   so viel der Freunde schlug?
Wohl habt ihr an euch selber   noch zu rügen genug."

Da sprach der edle Dietrich:   "Wie ziemt solchen Degen            2460
Sich mit Worten schelten   wie alte Weiber pflegen?
Ich verbiet es, Meister Hildebrand   sprecht hier nicht mehr.
Mich heimathlosen Recken   zwingt so große Beschwer.

"Laßt hören, Freund Hagen,"   sprach da Dieterich,                 2461
"Was spracht ihr zusammen,   ihr Helden tugendlich,
Als ihr mich gewaffnet   sahet zu euch gehn?
Ihr sagtet, ihr alleine   wolltet mich im Streit bestehn."

"Das wird euch Niemand läugnen,"   sprach Hagen entgegen,          2462
"Wohl will ichs hier versuchen   mit kräftigen Schlägen,
Es sei denn, mir zerbreche   das Nibelungenschwert:
Mich entrüstet, daß zu Geiseln   unser beider ward begehrt."

Als Dietrich erhörte   Hagens grimmen Muth,                        2463
Den Schild behende zuckte   der schnelle Degen gut.
Wie rasch ihm von der Stiege   entgegen Hagen sprang!
Niblungs Schwert das gute   auf Dietrichen laut erklang.

Da wuste wohl Herr Dietrich,   daß der kühne Mann                  2464
Grimmen Muthes fechte;   zu schirmen sich begann
Der edle Vogt von Berne   vor ängstlichen Schlägen.
Wohl erkannt er Hagen,   er war ein auserwählter Degen.

Auch scheut' er Balmungen,   eine Waffe stark genug.               2465
Nur unterweilen Dietrich   mit Kunst entgegenschlug
Bis daß er Hagen   im Streite doch bezwang.
Er schlug ihm eine Wunde   die gar tief war und lang.

Der edle Dietrich dachte:   "Dich schwächte lange Noth;            2466
Mir brächt es wenig Ehre,   gäb ich dir den Tod.
So will ich nur versuchen,   ob ich dich zwingen kann,
Als Geisel mir zu folgen."   Das ward mit Sorgen gethan.

Den Schild ließ er fallen:   seine Stärke, die war groß;           2467
Hagnen von Tronje   mit den Armen er umschloß.
So ward von ihm bezwungen   dieser kühne Mann.
Gunther der edle   darob zu trauern begann.

Hagnen band da Dietrich   und führt' ihn, wo er fand               2468
Kriemhild die edle,   und gab in ihre Hand
Den allerkühnsten Recken,   der je Gewaffen trug.
Nach ihrem großen Leide   ward sie da fröhlich genug.

Da neigte sich dem Degen   vor Freuden Etzels Weib:                2469
"Nun sei dir immer selig   das Herz und auch der Leib.
Du hast mich wol entschädigt   aller meiner Noth:
Ich will dirs immer danken,   es verwehr es denn der Tod."

Da sprach der edle Dietrich:   "Nun laßt ihn am Leben,             2470
Edle Königstochter:   es mag sich wohl begeben,
Daß euch sein Dienst vergütet   das Leid, das er euch that:
Er soll es nicht entgelten,   daß ihr ihn gebunden saht."

Da ließ sie Hagnen führen   in ein Haftgemach,                     2471
Wo Niemand ihn erschaute   und er verschloßen lag.
Gunther der Edle   hub da zu rufen an:
"Wo blieb der Held von Berne?   Er hat mir Leides gethan."

Da gieng ihm hin entgegen   von Bern Herr Dieterich.               2472
Gunthers Kräfte waren   stark und ritterlich;
Da säumt' er sich nicht länger,   er rannte vor den Saal.
Von ihrer Beider Schwertern   erhob sich mächtiger Schall.

So großen Ruhm erstritten   Dietrich seit alter Zeit,              2473
In seinem Zorne tobte   Gunther zu sehr im Streit:
Er war nach seinem Leide   von Herzen feind dem Mann.
Ein Wunder must es heißen,   daß da Herr Dietrich entrann.

Sie waren alle Beide   so stark und muthesvoll,                    2474
Daß von ihren Schlägen   Pallas und Thurm erscholl,
So hieben sie mit Schwertern   auf die Helme gut.
Da zeigte König Gunther   einen herrlichen Muth.

Doch zwang ihn Der von Berne,   wie Hagnen war geschehn.           2475
Man mochte durch den Panzer   das Blut ihm fließen sehn
Von einem scharfen Schwerte:   das trug Herr Dieterich
Doch hatte sich Herr Gunther   gewehrt, der müde, ritterlich.

Der König ward gebunden   von Dietrichens Hand,                    2476
Wie nimmer Könige sollten   leiden solch ein Band.
Er dachte, ließ' er ledig   Gunthern und seinen Mann,
Wem sie begegnen möchten,   die müsten all den Tod empfahn.

Dietrich von Berne   nahm ihn bei der Hand,                        2477
Er führt' ihn hin gebunden,   wo er Kriemhilden fand.
Ihr war mit seinem Leide   des Kummers viel benommen.
Sie sprach: "König Gunther,   nun seid mir höchlich willkommen."

Er sprach: "Ich müst euch danken,   viel edle Schwester mein,      2478
Wenn euer Gruß in Gnaden   geschehen könnte sein.
Ich weiß euch aber, Königin,   so zornig von Muth,
Daß ihr mir und Hagen   solchen Gruß im Spotte thut."

Da sprach der Held von Berne:   "Königstochter hehr,               2479
So gute Helden sah, man   als Geisel nimmermehr
Als ich, edle Königin,   bracht in eure Hut.
Nun komme meine Freundschaft   den Heimathlosen zu Gut."

Sie sprach, sie thät es gerne.   Da gieng Herr Dieterich           2480
Mit weinenden Augen   von den Helden tugendlich.
Da rächte sich entsetzlich   König Etzels Weib:
Den auserwählten Recken   nahm sie Leben und Leib.

Sie ließ sie gesondert   in Gefängniss legen,                      2481
Daß sich nie im Leben   wiedersahn die Degen,
Bis sie ihres Bruders Haupt   hin vor Hagen trug.
Kriemhildens Rache   ward an Beiden grimm genug.

Hin gieng die Königstochter,   wo sie Hagen sah;                   2482
Wie feindselig sprach sie   zu dem Recken da:
"Wollt ihr mir wiedergeben,   was ihr mir habt genommen,
So mögt ihr wohl noch lebend   heim zu den Burgunden kommen."

Da sprach der grimme Hagen:   "Die Red ist gar verloren,           2483
Viel edle Königstochter.   Den Eid hab ich geschworen,
Daß ich den Hort nicht zeige:   so lange noch am Leben
Blieb Einer meiner Herren,   so wird er Niemand gegeben."

"Ich bring es zu Ende,"   sprach das edle Weib.                    2484
Dem Bruder nehmen ließ sie   Leben da und Leib.
Man schlug das Haupt ihm nieder:   bei den Haaren sie es trug
Vor den Held von Tronje:   da gewann er Leids genug.

Als der Unmuthvolle   seines Herren Haupt ersah,                   2485
Wider Kriemhilden   sprach der Recke da:
"Du hasts nach deinem Willen   zu Ende nun gebracht;
Es ist auch so ergangen,   wie ich mir hatte gedacht.

"Nun ist von Burgunden   der edle König todt,                      2486
Geiselher der junge   dazu Herr Gernot.
Den Hort weiß nun Niemand   als Gott und ich allein:
Der soll dir Teufelsweibe   immer wohl verhohlen sein."

Sie sprach: "So habt ihr üble   Vergeltung mir gewährt;            2487
So will ich doch behalten   Siegfriedens Schwert.
Das trug mein holder Friedel,   als ich zuletzt ihn sah,
An dem mir Herzensjammer   vor allem Leide geschah."

Sie zog es aus der Scheide,   er konnt es nicht wehren.            2488
Da dachte sie dem Recken   das Leben zu versehren.
Sie schwang es mit den Händen,   das Haupt schlug sie ihm ab.
Das sah der König Etzel,   dem es großen Kummer gab.

"Weh!" rief der König,   "wie ist hier gefällt                     2489
Von eines Weibes Händen   der allerbeste Held,
Der je im Kampf gefochten   und seinen Schildrand trug!
So feind ich ihm gewesen bin,   mir ist leid um ihn genug."

Da sprach Meister Hildebrand:   "Es kommt ihr nicht zu gut,        2490
Daß sie ihn schlagen durfte;   was man halt mir thut,
Ob er mich selber brachte   in Angst und große Noth,
Jedennoch will ich rächen   dieses kühnen Tronjers Tod."

Hildebrand im Zorne   zu Kriemhilden sprang:                       2491
Er schlug der Königstochter   einen Schwertesschwang.
Wohl schmerzten solche Dienste   von dem Degen sie;
Was könnt es aber helfen,   daß sie so ängstlich schrie?

Die da sterben sollen,   die lagen all umher:                      2492
Zu Stücken lag verhauen   die Königin hehr.
Dietrich und Etzel   huben zu weinen an
Und jämmerlich zu klagen   manchen Freund und Unterthan.

Da war der Helden Herrlichkeit   hingelegt im Tod:                 2493
Die Leute hatten alle   Jammer und Noth.
Mit Leide war beendet   des Königs Lustbarkeit,
Wie immer Leid die Freude   am lezten Ende verleiht.

Ich kann euch nicht bescheiden,   was seither geschah,             2494
Als daß man immer weinen  Christen und Heiden sah,
Die Ritter und die Frauen   und manche schöne Maid:
Sie hatten um die Freunde   das allergrößeste Leid.

Ich sag euch nun nicht weiter   von der großen Noth:               2495
Die da erschlagen waren,   die laßt liegen todt.
Wie es im Heunenlande   dem Volk hernach gerieth,
Hie hat die Mär ein Ende:   das ist _das Nibelungenlied_.

       *       *       *       *       *

Statt der letzten fünf Strophen hat b folgende sechs, die beiden letzten
übereinstimmend mit A.

Hildebrand im Zorne   zu Kriemhilden sprang.
Er schlug der Königstochter   einen schweren Schwertesschwang,
Mitten wo die Borte   den Leib ihr hatt umgeben.
Davon die Königstochter   verlieren must ihr werthes Leben.

Das Schwert schnitt so heftig   daß sie nichts empfand,
Das sie unsanft hätte   berührt;  sie sprach zuhand:
"Dein Waffen ist erblindet,   du sollst es von dir legen:
Es ziemt nicht, daß es trage   solch ein zierlicher Degen."

Da zog er von dem Finger   ein golden Ringelein
Und warfs ihr vor die Füße:   "Hebt ihr das Fingerlein
Vom Boden auf, so spracht ihr   die Wahrheit, edel Weib."
Sie bückte sich zum Golde:   da brach entzwei ihr werther Leib.

So war auch erlegen   Kriemhild, o weh der Noth:
Wie so gar unmüßig   war da der Tod.
Dietrich und Etzel   huben zu weinen an,
Und inniglich klagen   sah man so Weib als Mann.

Da war der Helden Herrlichkeit   hingelegt im Tod,
Die Leute hatten alle   Jammer und Noth.
Mit Leid war beendet   des Königs Lustbarkeit,
Wie immer Leid die Freude   am letzten Ende verleiht.

Ich kann euch nicht bescheiden   was seither geschah,
Als daß man Fraun und Ritter   immer weinen sah,
Dazu die edeln Knechte,   um lieber Freunde Tod.
Hier hat die Mär ein Ende:   das ist die Nibelungennoth.





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