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Title: Beobachtungen über Oesterreichs Aufklärung und Litteratur
Author: Blumauer, Aloys, 1755-1798
Language: German
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  Beobachtungen
  über
  Oesterreichs Aufklärung
  und
  Litteratur.

  Von
  Blumauer.

  Wien,
  bey Joseph Edlen von Kurzbeck 1782.



In einem Staate, in dem von jeher Liebe zur Lektüre herrschte, in dem
man von jeher die Schriften aller aufgeklärten Nationen las, um desto
gieriger las, je mehr Schwierigkeiten die Neugierde der Leser reizten,
in dessen aufgeklärterem Theile von jeher Grundsätze und Meinungen
keimten, die jeder denkende Kopf wohl im Stillen hegen, aber nicht
öffentlich ausbrechen lassen konnte, wo Wißbegierde dem starken Damm
seit langer Zeit entgegen arbeitete, und dem Durchbrechen bereits nahe
war; in so einem Staate mußte auf die Wegräumung der Hindernisse, und
die Erweiterung der Preßfreyheit nothwendig eine Ueberschwemmung von
Broschüren folgen.

Auf welchen hohen Grad schon vor dieser Epoche die Schreibbegierde der
Schriftsteller des Landes gestiegen war, bewiesen die zahllosen
Leichengedichte, Reden, Träume u. s. w. auf den Tod der seligen
Kaiserinn, und der nicht zu bändigende Eifer, mit welchem viele
derselben der Verstorbenen noch ins zweyte Jahr hinein nachleyerten. Der
Werth dieser Gedichte, so verschieden er war, und so zweydeutig er
allemal bey blossen Gelegenheitsgedichten seyn muß, eröffnete dennoch
der inländischen Dichtkunst eine nicht zu verachtende Aussicht. Die
Schreiblust war nun einmal rege, und sie schien nur eine kurze Zeit, wie
in einer kurzen Sturm prophezeihenden Windstille zu lavieren, als ihr
der Ruf der erweiterten Preßfreyheit auf einmal in die Segel blies. Die
kleine Schrift: =über die Begräbnisse=, die am ersten von dieser
grösseren Freyheit Gebrauch machte, war der Vorläufer, und gleichsam das
Zeichen zum Angriff, das hundert Federn in Bewegung setzte. Man schrieb
itzt, =von= allem, und =über= alles, man nahm den nächsten besten
Gegenstand her, goß eine bald längere, bald kürzere, bald gesalzene,
bald ungesalzene Brühe darüber, und tischte ihn dem damals noch sehr
heißhungrigem Publikum zur Mahlzeit auf. Nichts war von nun an vor der
rüstigen Feder der Autoren sicher: für 10. Kreuzer konnte man jeden
Gegenstand, er mochte groß oder klein seyn, durchgebeutelt lesen, und
ein vollständiges Verzeichniß all der =Von= und =Ueber=, die damals
erschienen, würde ein Gemälde von der possierlichsten Komposition geben.
Ich will zur Probe nur einige dieser Broschüren hersetzen:

=Ueber die Stubenmädchen in Wien.=

=Ueber die Kammerjungfern.=

=Ueber die Bürgermädchen.=

=Ueber die Halbfräulein.=

=Ueber die Fräulein in Wien.=

=Das Lamentabel der gnädigen Frauen.=

=Ueber die Schwachheiten der gnädigen Frauen des leonischen Adels.=

=Ueber den hohen Adel in Wien.=

=Ueber Doktoren, Chirurgen und Apotheker.=

=Den Hausherren im Vertrauen etwas ins Ohr.=

=Ueber die Kaufleute in Wien.=

=Ueber die Dikasterianten.=

=Ueber die Stutzer in Wien.=

=Ueber die Kaufmannsdiener.=

=Ueber die Schneider.=

=Ueber die Bäcker.=

=Ueber die Peruckenmacher.=

=Ueber die Friseurs.=

=Der ehrliche Wastel mit dem Klingelbeutel.=

=An H. S*. Chef der Maulaffenloge auf dem Graben.=

=Ueber den Kleiderpracht im Prater.=

=Ueber die Unterhaltung bey der Tafel zu Schönbrunn.=

=Ueber den Schwimmer aus Tyrol beym Tabor.=

=Beurtheilung der Feuerwerke des Stuwer und Mellina.=

=Ueber die Hetze.=

=Kasperl, das Insekt unsers Zeitalters.=

=Ueber das Nationaltheater.=

=Ueber den Mißbrauch des Wörtchen Von und Euer Gnaden.=

=Ueber das Gratuliren.=

=Ueber die Kleidertracht.=

=Etwas für die schopfichten Wienerinnen.=

=Philosophie der Modeschnallen.=

=Ueber die Hochzeiten in Wien.=

=Das Gespenst auf dem Hofe.=

=Ueber den grossen Brand der Magdalenakirche.=

=Ueber den Selbstmord bey Gelegenheit des Friseurs, der sich erschoß.=

=Ist der Antichrist blau, oder grün?=

=Ueber die Bruderschaften.=

=Ueber die Kirchenmusik.=

=Ueber die Nonnen.=

=Ueber die Tracht der Ordensgeistlichen.=

=Ueber die Reliquien, Opfer und Mirakelbilder.=

=Von Abschaffung der Weihnachtsmetten.=

=Ueber die Universität in Wien.=

=Die Gelehrten im Nasenlande.=

=Der Glückshafen für gelehrte Maulaffen.=

=Ueber die zehn Kreuzer Autoren.=

=Kaufts allerhand! Kaufts allerhand! Kaufts lang und kurze Waar!=

Alle diese Broschüren, davon die meisten in die Rubrik =Makulatur=
gehören, und noch beyläufig dreymal so viel, erschienen voriges Jahr in
einer Zeit von wenigen Monaten, wurden gekauft und gelesen. -- Sie sind
den Titeln nach ein ziemlich vollständiges Repertorium über =Wien=; aber
wehe dem, der daraus Wien beurtheilen wollte. Die meisten erschienen
blos des Geldes wegen, waren in einem Tage fertig, am zweyten gelesen,
und am dritten vergessen. Man glaube indessen ja nicht, daß man es bey
=einer= Broschüre über =einen= Gegenstand bewenden ließ. Es war beynahe
keiner, über den man nicht wortwechselte. Die Schrift: =Ueber die
Begräbnisse=, die allerdings viel bessere Nachfolger verdient hätte, zog
21 Streitschriften nach sich, bey welcher Gelegenheit der Ehrw. =P. P.
Fast=, Curatus zu =St. Stephan= mit zweyen von Amtswegen verfaßten
Gegenschriften seine rühmliche Schriftstellerlaufbahn eröffnete. =Die
Beyträge zur Schilderung Wiens=, eine in vielem Betracht merkwürdige
Schrift, der zur Empfehlung nichts, als ein den Gegenständen mehr
angemessener Ton fehlte, veranlaßte über 10. Streitschriften, und ihr
haben wir den =katholischen Unterricht= des oberwähnten =P. P. Fast= in
10. Theilen, das Stück zu 7 Kreuzer zu danken, durch welchen der eifrige
Herr Verfasser dem christlichen Fragbüchelunterricht des 16ten
Jahrhunderts, der durch die neuen Normalbücher schon beynahe in
Vergessenheit gesunken war, wieder auf die Beine geholfen hat.(1) Die
Schrift: =über die Stubenmädchen in Wien=, von Herrn =Rautenstrauch= war
eine der glücklichsten Autorspekulationen für ihn, und die Herren,
welche sich an ihn anhiengen. 25 Broschüren schlugen sich =für= und
=wider= diesen Gegenstand, und bewiesen deutlich, was für einen
wichtigen Theil des Publikums die Stubenmädchen ausmachen müssen. Von
dieser Zeit an giengen die Manufakturen der Tagesprodukte unermüdet
fort, und in jedem Monate durfte man auf 50 bis 60 Broschüren sicher
Rechnung machen. Jeder Vorfall, jede Tagesneuigkeit ward zur Broschüre,
und die alles regierende Göttin Gelegenheit, die sonst =Juvenale= und
=Buttlers= zu unsterblichen Werken des Geistes aufrief, amusirte sich in
=Wien= damit, zwey Bogen langen Broschüren das Daseyn zu geben. Die
Schriftsteller schienen den Geschmack des Publikums wohl getroffen zu
haben, sie verlegten sich auf Persönlichkeiten, Familienvorfälle,
u. d. gl., und Dinge, die sonst nur in vertrauten Kreisen und
freundschaftlichen Unterredungen abgehandelt wurden, giengen itzt durch
die Hände eines ganzen Publikums. Aber auch dieser Speisen ward man in
die Länge satt, und als man minder gierig zuzugreifen anfieng, so war es
eine Freude zu sehen, wie mancherley Schilde die Herren aushiengen, wie
einer des andern Küche verlästerte, wie einer den andern =Schmierer=
schalt, und wie jeder gegen den Schwall von Broschüren loszog, den er
mit den seinigen vermehren half. Allein der Käufer wurden demungeachtet
weniger, die Verleger behutsamer und eckler, und vermuthlich würde die
sichtbar zunehmende Lauigkeit des Publikums den Schreibern nach und nach
das Handwerk gelegt haben, hätte nicht die Ankunft des Pabstes dem
ganzen Schriftstellerwesen eine neue Schnellkraft und eine andere
Wendung gegeben.

  (1) Der würdige Herr Probst Anton =Witola= hat in seinem zweyten
  Schreiben =über die Toleranz= diesen katholischen Unterricht nach
  Verdienst kommentirt.

Diese zweyte Epoche eröffnete der inländischen Litteratur eine
tröstlichere, hellere Aussicht. Männer von bessern Köpfen standen auf,
und selbst viele von denjenigen, deren Schriften bisher eben so
unbedeutend waren, als die Gegenstände, welche sie behandelten, schienen
nun zu beweisen, daß es ihnen vorher nur an Materie zum Schreiben
gefehlet habe, und daß ihre Schreibsucht ihnen nicht Zeit ließ, auf eine
bessere Wahl der Gegenstände zu denken. Freylich sucht der
Schriftsteller von Beruf nicht erst den Stoff, wenn er sich hinsetzt zu
schreiben, sondern der Stoff sucht ihn, und drängt ihn, wenn er den Mann
findet, an das Pult; er nöthigt ihn, sich der Ideen, die sich über den
einmal gefaßten Gegenstand in ihm entwickeln, zu entledigen, das, was er
gedacht, beobachtet, entdeckt hat, seinen Lesern mitzutheilen, und das
ists, was seinen Beruf zum Schreiben ausmacht. Es giebt zwar, wie
bekannt, einen noch dringenderen Schriftstellerberuf, als diesen, einen
Beruf, den man im Magen fühlt, aber den kennt man leider aus seinen
Früchten, und nie war er vielleicht kenntlicher, als an den unzeitigen
Gewächsen, die er in der ersten Periode der Preßfreyheit, auf dem
österreichischen Boden hervorbrachte. -- Mit des Herrn Landraths =Eybel=
Abhandlung: =Was ist der Pabst?= begann nun die neue bessere Periode der
inländischen Schriftstellerey. Eine deutsche, selbst dem Volk
verständliche Abhandlung über einen Gegenstand, der bisher entweder bloß
lateinisch, oder nur von protestantischen Schriftstellern deutsch, aber
immer nur für Sachkündige allein behandelt worden war, würde auch ohne
die freymüthige Einschränkung der päbstlichen Rechte, die ihren Inhalt
ausmachten, Aufmerksamkeit zu einer Zeit erregt haben, wo der Gedanke
=Pabst= in den Köpfen einer halben Welt, und vor allen in denen des
Wiener Publikums ein ausschließendes Recht zu walten hatte. Schon der
Titel der Schrift war für das Volk, geistlichen und weltlichen,
adelichen und bürgerlichen Standes, eine kühne vermessene Frage,
unerhört in den älteren Katechismen, in welche man sich wohl jede andere
Frage: nur niemals die: =Was ist der Pabst?= erlaubt hatte. Noch weit
unverzeihlicher schien der Inhalt, und fast allgemein war die Empörung
derjenigen, welche in ihren Klöstern eine freylich ganz andere Lehre
über diesen Gegenstand eingesogen hatten. Aber was diese Zeloten am
meisten wider den Verfasser empörte, waren dessen =sieben Kapitel von
Klosterleuten=, die mit seiner Abhandlung über den Pabst zugleich
erschienen, und gegen ihr unmittelbares Interesse gerichtet waren. Da
sie nun gegen diese wenig oder nichts vorbringen konnten, so war es
natürlich, daß ihnen die Schrift über den Pabst zum Ableiter ihrer
Erbitterung dienen mußte. Sie donnerten von der Kanzel herab gegen den
Verfasser, und =P. Merz in Augsburg= hielt in einer öffentlichen
Kontroverspredigt Gericht über ihn. Nichts war bey dieser Gelegenheit
lustiger anzusehen, als wie sich die Eiferer auf der Kanzel wandten, und
krümmten, um dem Verfasser eins anzuhängen, ohne sich gegen die
Grundsätze des Staats und der Censur, welche diese Schrift billigte, zu
verstoßen. Aber noch eifriger, und folglich noch gröber waren sie mit
der Feder. Ein jeder, der dagegen schrieb, nannte seine Lehre =ächt= und
=uralt=, und bedachte unglücklicher Weise nicht, daß die Grundsätze des
Mittelalters freylich, leider! =uralt=, aber die der ersten Kirche noch
=urälter=, und folglich auch =ächter= seyen. Kurz über 70 Schriften
zogen allein für und wider diesen Gegenstand zu Felde, und das Resultat
aller Gegenschriften war, daß sie des Verfassers Abhandlung, statt sie
zu widerlegen, bekannter, gesuchter, und folglich gemeinnütziger
machten. Dieß bewies augenscheinlich der erstaunliche Absatz derselben,
und die Eilfertigkeit, mit welcher sie ins lateinische und französische
übersetzt ward. Sogar der Titel dieser Abhandlung schien Epoche zu
machen; eine Menge Schriften erschienen von nun an in Gestalt von
Fragen, und indeß der Verfasser selbst noch einige Gegenstände des
Kirchenrechts auf diese Art behandelte, wimmelte es von fragenden
Titeln. Man frug:

=Was ist der Verfasser der Abhandlung: Was ist der Pabst?=

=Was ist der Kardinal?=

=Was soll der Pfarrer seyn?=

=Was ist die Religion?=

=Was ist die Kirche?=

=Was ist der Kaiser?=

=Was sind die Pflichten gegen Gott?=

=Was ist der Peter?=

=Was ist der Teufel?=

=Was sind die Wienerschriften überhaupt?=

Und man würde vielleicht noch mehr gefragt haben, wenn das Antworten
nicht so schwer wäre. Wenigstens machte ein Gegner dieser Herren
Fragesteller die =feine= Bemerkung: daß =ein= Narr mehr fragen könne,
als =zehn= Weise beantworten.

Noch eine Schrift, über welche bey Gelegenheit der Ankunft des Pabstes
bis zum Eckel gestritten ward, war: =Die Vorstellung an seine päbstliche
Heiligkeit Pius VI. von Herrn Rautenstrauch=. Der Ehrw. =P. P. Fast=,
der sichs nun einmal zum Geschäft gemacht zu haben scheint auf der
erzbischöflichen Warte die Aspekten der Aufklärung am Wienerhorizonte zu
beobachten, konnte diesen Irrstern nicht unangehalten vorbeylassen. Er
glaubte an demselben durch sein altes Sehrohr eine Menge Flecken
wahrzunehmen, und, ohne erst zu untersuchen, ob diese Flecken nicht etwa
an den Gläsern seines eigenen Tubus befindlich seyen, ereiferte er sich
dagegen in einem Tone, der in den Zeiten, da man mit Fäusten schrieb,
einem =Weislinger= Ehre gemacht haben würde. Herr =Rautenstrauch=, der
keinem seiner Gegner gern das letzte Wort läßt, fieng an Episteln an ihn
zu schreiben, deren keine unbeantwortet blieb; und hieraus entstand
jener artige Briefwechsel, der, wenigstens von Seite des Ehrw. =P. P.
Fasts= einen herrlichen Beytrag zu deutschen _Epistolis obscurorum
virorum_ abgeben würde. Unstreitig bleibt Herrn =Rautenstrauch= bey
diesem ganzen Handel die Ehre einer ungleich grösseren Mässigung, und
die noch grössere, der Verfasser einer Schrift zu seyn, wie seine
=Vorstellung= ist.

Es erschienen in dieser zweyten Schriftstellerperiode, welche den Pabst
zum Gegenstand hatte, noch mehrere sehr gut geschriebene Abhandlungen,
deren Auseinandersetzung mich zu weit führen würde. Genug, aus allen
zusammengenommen, ergiebt sich der Schluß, daß sich von dem jungen
Nachwuchs der Autoren -- derjenigen versteht sich, die nicht Pfuscher
sind -- wenn nicht Schreibbegierde allein sie leiten, und Ueberlegung
die aufbrausende Hitze mässigen wird, noch viel Gutes hoffen läßt.

Mit dem =Institute der Predigerkritiker= begann für =Wien= eine neue
Schriftstellerperiode, die sowohl wegen der Wichtigkeit des
Gegenstandes, als ihrer unstreitigen Gemeinnützigkeit merkwürdig ist.
Wie wichtig die Rolle eines Predigers, und wie groß der Einfluß eines
öffentlichen Redners auf das Volk von jeher gewesen sey, beweiset die
durch alle Nationen und Alter immer gleich fortlaufende Erfahrung von
den Sophisten Griechenlands an, bis auf die herumziehenden Bußprediger
unserer Zeiten. Unzählig sind die Beispiele, daß eine schwärmerische
Rede feige Memmen zu Helden, und gutwillige Schaafe zu reissenden Wölfen
machte. Nicht selten haben Prediger ihre Macht über das menschliche Herz
bis auf einen unerklärbaren Punkt getrieben; und daher kam es, daß man
das, was sie von der Kanzel herab wirkten, so oft Mirakel nannte. Noch
mehr: ein nur mittelmässiger Redner läßt an unmittelbarem Einflusse auf
sein Volk selbst den beßten Schriftsteller weit hinter sich zurück. Nie
wird ein =Raynal= seinen Lesern das werden, was =Ziska= auf seiner Tonne
den Hußiten ward. Der Grund hievon liegt in der Natur der Sache. Der
Redner hat nicht nur alle Vortheile des Schriftstellers, sondern er hat
noch weit mehr, um auf sein Volk zu wirken. Die Art, mit welcher beyde
ihre Gedanken und Empfindungen mittheilen, ist unendlich verschieden.
Das Mittel zur Wirkung ist bey dem Schriftsteller nur der todte
Buchstabe, bey dem Prediger das lebendige Wort: der Prediger ist
gegenwärtig, um jedes seiner Worte durch Ausdruck und Geberde zu
unterstützen, und wirkt also auf zween Sinne zugleich, der
Schriftsteller ist abwesend, bleibt ungesehen, und kann nur auf einen
Sinn wirken. Der Redner wirkt auf Tausende zugleich, und hat da den
wichtigen Vortheil, daß der gerührte Zuhörer den ungerührten bewegt, und
das Beispiel des größeren Theiles den kleineren mitansteckt. Den
Schriftsteller liest jeder allein, und der Leser sieht keine
Mitgerührten um sich, die seine Empfindung unterstützen oder heben
könnten. Der Redner kann fortreissen, wo er will, und zurückhalten, wo
es ihm beliebt, den Lauf des Schriftstellers kann jede Kleinigkeit
hemmen, und seine Ruhepunkte werden mit einem Blick übersprungen. Das
Publikum des Redners ist gleichartiger, es ist ihm mehr bekannt, um auf
selbes zu wirken. Das Publikum des Schriftstellers ist die Welt,
unendlich mannigfaltig an Denkart und Empfindungsvermögen, er kennt
seine Leser nur nach dem allgemeinen Begriffe der Menschen, und hat nur
entfernte, unbestimmte Mittel, um auf sie wirken zu können. Aus dieser
Vergleichung, die allerdings noch weiter geführet werden könnte, wird es
einleuchtend klar, daß der Prediger von ungleich grösserem Einfluß seyn
müsse, als der Schriftsteller, daß dieser nur nach und nach Proselyten
machen, jener aber augenblickliche Empörungen veranlassen, und folglich
gefährlicher werden könne, und daher in einem Staate eine noch weit
strengere Aufsicht verdiene, als selbst der Schriftsteller.

Diese allgemeinen Betrachtungen, die, wie alles Allgemeine, ihre
Ausnahme, und Einschränkungen wohl haben mögen, machen die bisherige
gänzliche Censursfreyheit aller öffentlichen Predigten sehr auffallend,
aber noch auffallender die Klagen derjenigen, die sich berechtigt
glauben, gegen ein Institut zu murren, welches allein diesen Mangel
einer öffentlichen Aufsicht einigermaßen ersetzen kann. Seit der Zeit,
da die Pfarrer den Besitz der Kanzel mit den Mönchen zu theilen
anfiengen, ist eine solche Aufsicht um so nöthiger, da man weiß, was für
Aberglauben und Irrthümer diese Gattung Prediger nicht selten unter dem
Volke verbreitet, und wie oft sie den Predigtstuhl zum Pranger der
Pfarrer, der Obrigkeiten, und selbst ihrer Zunftgenossen, gemacht haben.
Ist also das =Institut der Predigerkritiker= von dieser Seite ein
unentbehrlicher Zaum, so dient selbes zugleich von der andern Seite den
Predigern zum Sporn, mehr Fleiß auf ihre Predigten zu verwenden, und den
Orden selbst zum Antrieb, ihre Subjekte besser zu wählen, und keinem
eine Kanzel zu vertrauen, welcher unfähig ist, derselben Ehre zu machen.
Diese strenge Auswahl ist um so nöthiger, da man leider! aus Erfahrung
weiß, was für Subjekte nicht selten die Kandidaten der meisten
Mönchsorden waren. Wenigstens hat mich selbst ein würdiger Professor
einst versichert, und mit Vorweisung seiner Schullisten überzeugt, daß
er seit vielen Jahren her, von zwey- bis dreyhundert seiner jährlichen
Schüler um die Hälfte des Jahrs immer ein Drittel mit Attestaten der
zweyten oder gar dritten Klasse ausgemustert, und in die Kapuziner- und
Franziskanerklöster abgesetzt habe.

So einleuchtend nun die Nothwendigkeit irgend einer Art von öffentlicher
Aufsicht über die Prediger jedem unbefangenem Kopfe seyn muß, so nichtig
sind andererseits die Gründe, welche die Vertheidiger einer
unbeschränkten Kanzelfreyheit diesem Institute entgegen stellen. Alle
ihre Gründe, in so mancherley Formen sie dieselben auch einkleiden,
laufen immer in den Punkt zusammen: =daß eine öffentliche profane Kritik
das Ansehen des Worts Gottes entkräfte, und der Ehrerbietung, die man
den Verkündern desselben schuldig ist, zuwider sey=. Zween Einwürfe, die
kaum einer Widerlegung werth sind. Erstens, ist wohl das alles Gottes
Wort, was ein Prediger spricht? ich traue jedem Prediger zu viel
Ehrerbietung gegen seinen göttlichen Lehrer zu, als daß ich je glauben
wollte, daß einer kühn genug sey, dem allerweisesten Wesen seine oft so
unlogischen Schlüsse, seine Läppereyen, seine lieblosen Ausfälle, und
seinen Legendenkram als eigen Wort unterzuschieben. Sind zweytens selbst
ihre Auslegungen des göttlichen Wortes immer logischrichtig, und dem
Menschenverstande gemäß? man lese die =wöchentlichen Wahrheiten= der
Kritiker, und man wird fast in jedem Stücke Beyträge zur Verneinung
dieser Frage finden. Man halte die Textverdrehungen eines Bruder
=Gerundio=(2) ja nicht für übertrieben. So ungereimt selbe sind, so
gewöhnlich sind sie nicht nur bey spanischen, sondern auch bey deutschen
Predigern. Man höre zum Beweis ein Beyspiel aus einer Wienerpredigt,
welches eine kaum fünf Jahr alte Thatsache ist. Es war eine
Fastenpredigt, in welcher der Prediger seine Zuhörer zur Enthaltung von
Fleischspeisen ermahnte, und ihnen den Abscheu vor den Fastenspeisen
benehmen wollte. Unter andern Beweisen führte er das Beyspiel des jungen
Tobias an: wie derselbe mit dem Engel in die Ferne gegangen sey, ein
Mittel für das verlorne Augenlicht seines Vaters zu suchen, und wie er,
als ihm der Engel einen grossen Fisch gezeigt, vor demselben aus Furcht
zurück gebebt, von dem Engel aber ermuntert worden sey, ihn herzhaft
anzugreifen. »Also,« fuhr der Prediger ohne zu lachen fort, »also auch
ihr, meine Zuhörer, fürchtet euch nicht vor dem Fisch, ergreifet ihn
herzhaft, er wird euch nicht beissen, u. s. w.«. Jede Textverdrehung ist
kraftlos für den Verstand, und leitet zu Trugschlüssen, die den Mann,
der sie einsieht, empören, statt ihn zu überzeugen, jedes
Legendenmärchen macht den Prediger in den Augen des vernünftigen
Zuhörers entweder zum Heuchler, den er verachten, oder zum
leichtgläubigen Kinde, das er bemitleiden muß. Und dieß ist, womit
Prediger selbst ihr Wort entkräften: die Kritik thut das Gegentheil, sie
will, daß Gottes Wort in dem Munde der Prediger nicht kraftlos werden
soll. Und wie kann endlich eine öffentliche Rüge der Kanzelgebrechen der
Ehrerbietung zuwider seyn, die man den Predigern schuldig ist? Jede
Ehrerbietung, die nicht persönliches Verdienst zum Grunde hat, wird
Satyre für den, dem sie erwiesen wird; man ehret den Mann des Kleides
wegen. Die Kritik will den Predigern nicht ihre Ehre nehmen, sie will
ihnen Ehre geben: und giebt sie nicht dem Ehre, dem Ehre gebührt? -- --

  (2) Franz =Isla=, ein spanischer Jesuit, auf dem der Geist des
  =Cervantes= ruhte, stellte im Jahr 1758. in seinem Kanzeldonquischotte,
  den er Bruder =Gerundio= nannte, den Predigern seiner Zeit
  ihr eigenes Ebenbild zum Spektakel dar. Dieses vortrefliche
  Buch, welches =Bertuch= unter dem Titel: =Geschichte des
  berühmten Predigers Bruder Gerundio von Campazas. Leipzig 1773.
  2 Bände gr. 3.= ins Deutsche übersetzt hat, ist die angenehmste und
  lehrreichste Lektüre für Prediger aller Nationen und Zeiten.

Genug zur Apologie eines Institutes, dessen bescheidener Tadel nur dann
aufhören kann, wenn die Prediger aufhören werden, ihm Stoff zum Tadel zu
geben. -- Das Institut selbst war eigentlich eine bessere Nachahmung
eines ähnlichen Institutes in Prag, =die Geisel der Prediger= genannt,
das aber, weil es seinem Endzwecke in der Ausführung minder entsprach,
aufhörte. Die blosse Ankündigung dieses Instituts in =Wien= erregte
schon Aufstand. Der verjährte Besitz einer bisherigen gänzlichen
Unfehlbarkeit auf der Kanzel sollte nun dem Urtheile weltlicher Richter
ausgesetzt seyn? =P. Pochlin=, Lehrer der Beredsamkeit in dem
erzbischöflichen Alumnate war der erste, der die blosse Ankündigung als
eine Herausforderung ansah, und dem Feind, den er noch nicht kannte,
beherzt vor die Stirne trat. Mit einem Feind anbinden wollen, den man
noch nicht kennt, heißt nach der Regel der Kriegskunst -- Tollkühnheit,
bey =P. Pochlin= war es, wie man aus seinem Fehdebrief, den er im
=Wienerdiarium= seinen Gegnern zusandte, schliessen konnte, Selbstgefühl
seiner Stärke, und Bewußtseyn seiner Unfehlbarkeit. Er lud seine
sämmtlichen Gegner nach =Vösendorf= ein, um sich da mit ihnen auf der
Kanzel zu messen, und das ungefähr in den Ausdrücken, deren sich einst
der grosse =Goliath= gegen den kleinen =David= bediente. Die Gegner
erschienen, die Predigt begann, und der Riese fiel noch vor dem ersten
Stein aus der Schleuder seiner Kritiker. Er raffte sich auf, und zog nun
als Schriftsteller aus, und fiel wieder, schwerer als zuvor. Er kam nun
in Person eines Fleischhackers, und that zum drittenmal einen Fall, der
nun deutlich bewies, daß es den Kritikern weit weniger Ehre gemacht
habe, über so einen Gegner zu siegen, als es ihnen gemacht haben würde,
wenn sie nach dem Fehdehandschuh eines Mannes, der so wenig Ritter war,
gar nie gegriffen hätten.

So verdächtig nun =P. Pochlin= selbst durch diese Art zu streiten seine
eigene Sache gemacht hatte, so fand er doch bald an dem mehrgedachten
=P. P. Fast= einen würdigen Gehilfen. Dieser eifrige Mann, der den
bisherigen Papierverderbern getreulich geholfen hatte, das weisse Papier
zu vertheuren, und das gedruckte wohlfeiler zu machen, fand die
Wachsamkeit der Censur über die Predigerwahrheiten unzureichend, und
hielt es für Pflicht, über dieselben eine Art von Superrevisionsgericht
zu halten. Es that dieß, und thut es noch itzt in seiner =katholischen
Prüfung= der Predigerwahrheiten, die bereits auf 9. Stücke gediehen, und
in seiner bekannten =Urmanier= geschrieben ist.

Noch weit mehr ward dieses Institut von der Kanzel herab angegriffen. Es
ward bald der allgemeine Gegenstand der öffentlichen Kanzelreden, und
die meisten Prediger zeigten selbst bey dieser Gelegenheit deutlich, wie
sehr es ihnen zur Gewohnheit geworden sey, die geheiligte Stätte zum
Tummelplatz persönlicher Leidenschaften zu machen, und wie wenig die
Heiligkeit des Ortes vor Entheiligung sichere. Kurz, sie bewiesen
selbst, wie sehr sie einer öffentlichen Aufsicht vonnöthen haben. Das
Auffallendste bey dieser Sache war, daß Männer, die im Predigeramte
beynahe grau geworden, die ein Recht zu haben glauben, sich jüngern
Predigern zu Lehrern und Mustern aufwerfen zu dürfen, gerade die
lautesten Beweise von jugendlicher Hitze, und gereizter Leidenschaft
gaben, und bey dem ersten Anlasse des kleinsten Tadels so ganz
vergassen, daß Sanftmuth und Bescheidenheit die wesentlichsten
Eigenschaften eines Verkünders der Lehre =Christi= seyen. Kurz, Männer,
die von Amts wegen uns ermahnen, =Unbilden= mit Geduld zu leiden,
konnten die =Wahrheit= nicht vertragen, und zeigten uns von Neuem die
leidige, weite Kluft, welche die Worte von den Werken trennet.

Nun ein paar Worte von der Predigerkritik selbst! Der Endzweck dieses
Institutes ist zweyfach. Es soll ein Zaum und ein Sporn für die
Prediger, und ein Belehrungs- und Verwahrungsmittel für die Zuhörer
seyn. Der erste Endzweck fordert freymüthigen, bescheidenen Tadel, ohne
Ansehung der Person, wo was zu tadeln ist, und gerechtes unpartheyisches
Lob dessen, was Lob verdient. Der zweyte Endzweck fordert Aufklärung
über Dunkelheiten, Zurechtweisung irriger Meinungen, Unterscheidung
zwischen wesentlichen und unwesentlichen, nützlichen und schädlichen,
abergläubischen und erbaulichen Religionsgebräuchen, genaue Kenntniß der
geistlichen und weltlichen Gewalt, und der Gränzlinie zwischen beyden,
und endlich das Zutrauen der Leser, dazu nur aufrichtige Wahrheitsliebe,
Mässigung und Bescheidenheit ein gegründetes Recht geben können. Daß die
Predigerkritiker viele dieser Forderungen erfüllen, ist unläugbar, aber
auch eben so unläugbar ist es, daß sie noch weit mehr leisten könnten,
als sie wirklich leisten. Wenigstens weiß ich nicht, was oft ein ganzer
Bogen voll Persönlichkeiten von sich und den Predigern zur Erreichung
des doppelten Endzweckes beytragen soll. Wozu die ewigen Repliken auf
jeden Ausfall eines Predigers? Das Publikum weiß ohnehin, daß Prediger
Menschen sind, und das alte Sprichwort: =Wie man= =in den Wald schreyt,
so hallts wieder= -- so sehr es in der Schriftstellerwelt Mode ist --
soll wenigstens hier nicht statt haben. Der Schriftsteller, der von der
Güte seiner Absichten überzeugt ist, hält sich bloß an die Sache, geht
festen Schritts seinen Weg fort, und sieht nicht um nach dem Gebelle,
das sich von dieser oder jener Seite hören läßt. Nebst einer grösseren
Mäßigung wäre den Verfassern auch oft mehr Klugheit in Ausrottung der
Vorurtheile, und Betreibung des Aufklärungsgeschäftes zu empfehlen. Sie
scheinen hierinn oft zu hastig, und schneiden einen Knoten mitten
entzwey, den sie nach und nach auflösen sollten. Das Werk der Aufklärung
ist seiner Natur nach allmähligen Ganges: das Verlernen von Dingen, die
einmal fest in den Kopf gehämmert sind, fodert viel mehr Zeit, als das
Lernen; und Aberglaube und Vorurtheil, die leisen Ganges geschlichen
kamen, und nach und nach unvermerkt Platz griffen, lassen sich nicht auf
einmal aus ihrer Veste jagen, sie müssen so fortgeführt werden, wie sie
gekommen sind. -- Diese Erinnerungen schienen mir nöthig zu seyn, für
ein Institut, das alles erfüllen muß, was man seiner Natur nach davon
erwarten kann.

Die übrigen kleineren Schriften dieser dritten Periode waren meist ein
leidiges Durcheinander. Gegenstände der Religion fiengen wieder mit
allerley =Von= und =Ueber= abzuwechseln an, und viele Schriften schienen
nur der einmal in Gang gebrachten Schreibegewohnheit der Hände ihr
Daseyn zu danken. Und da, wie natürlich, der Kopf den Händen nicht immer
folgen kann, so paßten einige jede Gelegenheit ab, und suchten ihre
Schreibmaterialien auf der Gasse. So bald der Pöbel was zu sprechen
hatte, hatten sie was zu schreiben, und wie der Hunger gierig an einer
harten Brodkruste nagt, so nagte ihre Schreibsucht heißhungrig an jedem
Gassenspektakel. Die öffentliche Arbeit der geschornen Verbrecherinnen
war ihnen ein willkommener Stoff. Sogar die Musen mußten sich von ihnen
zu diesem Gegenstande brauchen lassen, aber die Lieder, welche sie zur
Welt brachten, sahen leider eben so aus, wie die Musen, welche sie zu
Gesängen begeistert hatten. Wobey sie noch die lächerliche Irrung
begiengen, die Criminalverbrechen mit den Polizeybetretungen zu
vermengen, und alle geschorne Verbrecherinnen für Gassenphrynen
auszugeben, vermuthlich weil sie von ihren Gegenständen begeistert, es
ihnen nicht ansahen, daß so eine Vermuthung die gröbste Satyre auf ihr
eigenes männliches Geschlecht sey.

Dem unbefangenen Beobachter, der nun den gegenwärtigen Zustand des
Schriftstellerwesens mit dem vorigen zusammenhält, und den Bezug
desselben auf Religion, Staat, und Wissenschaften beobachtet, stellen
sich von selbst folgende Beobachtungen dar.

Widerspruch war von jeher die Quelle neuer Entdeckungen in dem Reiche
der Wissenschaften. Geschwindere Aufklärung, tiefere und gründlichere
Kenntnisse, festere Ueberzeugung bey denen, auf deren Seite die Wahrheit
ist, waren von jeher die unmittelbaren Folgen desselben. Der menschliche
Geist gleicht einem Feuersteine, aus dem nur auf den Gegenschlag des
Feuerstahles Licht fährt. Auf die nämliche Art, wie die Wilden in
Amerika Feuer machen, erhielten die Europäer Aufklärung und Licht, sie
rieben Geist auf Geist, wie jene Holz auf Holz. Widerspruche erzeugt
Anstrengung des Geistes, öffnet neue Aussichten, treibt den Geist in
unbekannte Gegenden, und verlängert und verstärkt die Kette des
menschlichen Wissens. Die Geschichte aller Wissenschaften bestättiget
diese Wahrheit. Wo man am meisten widersprach, rückte man am
geschwindesten vorwärts, daher der in Vergleichung mit anderen
Wissenschaften kaum glaubliche Vorsprung, den schon die Griechen in der
Philosophie machten. Wie eine Sekte gegen die andere verlor, gewann die
Philosophie. Eben so im Fache der Religion. Die beßten Schriften der
Kirchenlehrer haben wir den Einwürfen ihrer Gegner zu danken; und daß in
den finstern Zeiten des Christenthums der Widerspruch seine wohlthätige
Wirkung verlor, das machten die römischen Censuren und Interdikte, die
den menschlichen Verstand in Fesseln legten, und zur Unthätigkeit
verdammten.

Wenn man nun diese Beobachtungen auf den Widersprechungsgeist unserer
Zeloten, die sich gegen jeden neuen Vorschritt der Aufklärung, gegen
jede zum Wohl der Menschheit gemachte Verordnung so sehr ereifern,
anwendet, so ergiebt sich der Schluß, daß diese Herren Widersprecher
selbst durch die Blössen, die sie in ihren Widersprüchen nothwendig
geben müssen, und durch die tiefere Erörterung gewisser Dinge, die sie
selbst veranlassen, sich ihren eigenen Fall bereiten, und an ihrer
eigenen Grube arbeiten. Nichts ist lichtscheuer, als Aberglaube und
Vorurtheil: sie bestanden von jeher nur durch den Schleyer von
Ehrerbietung, der sie umgab, und der den Verstand des Layen immer in
einer ehrfurchtsvollen Entfernung davon zurückhielt: ihre Vertheidiger
selbst halfen den Schleyer wegziehen, und die Art, mit welcher sie für
ihre Götzen sprachen, brachte dieselben vollends um das Bischen
Ehrwürdigkeit, das ihnen der sonst tolerante Menschenverstand noch
gelassen hatte. Indessen hat die Wahrheit Ursache, selbst ihren Gegnern
zu danken, daß sie ihr durch ihre Widersprüche Gelegenheit verschaften,
mit den Stralen ihres hellen Antlitzes die in heiligen Nebel gehüllten
Popanzen, Aberglaube und Vorurtheil näher beleuchten zu dürfen.

Eine zweite Bemerkung, die sich jedem Beobachter des inländischen
Schriftstellerwesens von selbst aufdringt, ist diese: daß die
Schriftstellerschaft -- zumal in =Wien= -- von ihrer eigenthümlichen
Würde sehr viel verloren, und zu einem beynahe verächtlichen Handwerk
herabgesunken ist. So viel _Officia sordida_ die Römer hatten, und so
eine Menge Schrifterlinge auch die Klagen eines =Juvenal= und =Horaz=
bey ihnen vermuthen lassen, so fiel es ihnen doch nie ein, diese Gattung
Beschäftigung unter die _Officia sordida_ zu zählen; bey uns aber ist
das Barometer der öffentlichen Hochachtung für die Schriftstellerey
bereits auf so einen Grad gefallen, daß dieselbe, wenn man eine
Klassifikation aller Beschäftigungen, nach Grundsätzen des römischen
Rechts festsetzen wollte, sehr wahrscheinlicher Weise unter die _Officia
Sordida_ zu stehen kommen würde. Die Ursache dieses auffallenden
Unterschiedes scheint theils in dem Zahlverhältniß der schlechten
Schriften gegen die guten, theils in der Beschaffenheit der Personen zu
liegen, welche sich mit Schreiben abgeben.

Unstreitig überwiegt bey jeder schreibenden Nation die Anzahl der
schlechten und mittelmässigen Schriften weit die Anzahl der guten;
steigt aber die erstere so hoch, daß die letztere daneben zu
verschwinden anfängt, so muß die Achtung für die kleinere Zahl in eben
dem Grade abnehmen, wie das Uebergewicht der grösseren zunimmt. Der Grad
des Verhältnisses zwischen beyden, ist immer der Maaßstaab des
allgemeinen Urtheils, und das lesende Publikum gleicht einem Fischer,
der, wenn er unter zehnmaligen Angelwerfen nicht einmal ein Fischchen
fängt, diese Wasserstelle für fischlos hält, und weiter geht. Daß dieß
der Fall der Wienerschriften sey, bedarf leider! keines Beweises. Von
dem ersten April des vorigen Jahres an bis Ende September des
gegenwärtigen, folglich in einer Zeit von 18 Monaten erschienen =bloß
allein in Wien= 1170. Schriften, die Nachdrücke fremder Werke nicht
mitgerechnet. Welch eine Zahl! und doch würde das Publikum noch um ein
Paar hundert mehr zu sehen gekriegt haben, wenn es bloß auf den guten
Willen der Autoren angekommen wäre. Angenommen nun, daß von diesen
eilfhundert zwey und siebzig Schriften drey Viertheile -- welches doch
für jeden Kenner derselben das allerglimpflichste _Postulatum_ seyn muß
-- mittelmäßiges, oder schlechtes Zeug waren, so entsteht daraus ein
Verhältniß von 293 guten, gegen 879 entbehrlichen, oder gar schlechten
Produkten. Wenn wir nun weiter annehmen wollen, daß eine Schrift in die
andere gerechnet, nicht mehr, als 10 Kreutzer gekostet habe -- welches
man in Rücksicht so vieler periodischen Schriften, und so vieler
größeren Werke leicht annehmen kann, und wenn wir ferner voraussetzen,
daß von jeder Schrift im Durchschnitt nur 200 gekauft worden sind, -- so
geben uns die sämmtlichen bisher erschienenen Schriften eine Summe von
baaren 39066 Gulden 40 Kreutzern. Wenn wir nun von dieser Summe drey
Viertheile, welche auf Rechnung der entbehrlichen Schriften kommen,
abziehen, so ergiebt sich daraus an unnütz verschwendetem Gelde eine
Summe von 29299 Gulden 30 Kreutzern. Man rechne hiezu noch den mit
Lesung dieser Schriften erlittenen Zeitverlust, und addire damit das
_Lucrum cessans_ von Ideen und Kenntnissen, mit welchen man während
dieser Zeit den Verstand aus bessern Schriften hätten bereichern können,
und urtheile dann, ob man dem Publikum die Verachtung und
Geringschätzung so ganz und gar verargen könne, mit welcher dasselbe auf
die heutigen Schriftstellerprodukte herabsieht. Indessen würde das
Publikum sehr voreilig und ungerecht handeln, wenn es diese ganze
unnütze Ausgabe bloß auf Rechnung der Autoren schreiben und glauben
wollte, daß diese beträchtliche Summe von 29299 Gulden, nach Abzug der
Druckkosten, ein reiner unverdienter Gewinn der Autoren gewesen sey.
Nach dem hiesigen Verlegerfuß, der gerade für jene Autoren der
schlechteste ist, die des Geldes am meisten bedürfen, fallen von jeder
Schrift im Durchschnitt sicher zwey Drittheile reinen Gewinnstes in den
Säckel derjenigen, die bey fremden Geistesgeburten Hebammendienste
verrichten, das ist, die, um ein Geisteskind in die Welt zu setzen, ihre
Hände, Maschinen und Windeln herleihen, oder sich wohl gar für den
blossen Aufenthalt fremder Kinder in ihrem Gewölbe einen grössern Zins,
als je in =Wien= für eine Wohnung gezahlt wird, abreichen lassen. Nach
diesem Zweydrittelfuß also kömmt von den obenangeführten
unnützverwendeten 29299 Gulden ein sicherer Betrag von 19533 Gulden auf
Rechnung der Verleger. Eine Summe, die jene große Bereitwilligkeit
allerdings begreiflich macht, mit welcher dieselben noch immer
fortfahren, jeder unreifen Geburt ohne Rücksicht auf derselben künftiges
Schicksal an das Tageslicht zu helfen, und sich der Schuld zu frühe
entbundener Autoren theilhaftig zu machen.

Noch mehr als das bloße auffallende Verhältniß der schlechten Schriften
gegen die guten schadet der Würde der Schriftstellerey die bekannte
Beschaffenheit derjenigen, die sich mit Schreiben abgeben. Lesen und
Schreiben können machte sonst die erforderlichen Eigenschaften des
gemeinen Mannes aus, der bloß von Handarbeit lebt; itzt scheinen sie
hinreichend, den Beruf des Schriftstellers zu machen, und so ist die
Schriftstellerey zu einem Handwerk geworden, in dem jeder pfuscht, der
gesunde und schreibfähige Hände hat. Pfuscherey veranlaßte von jeher den
Verfall der Künste und Handwerke. Die wohlfeile, wiewohl schlechte Waare
des Pfuschers, verschlägt die besser gearbeitete Waare des
kunstgerechten Meisters, und dieser, weil ihm Niemand den grösseren
Aufwand von Zeit und Mühe auf seine Arbeit bezahlen will, muß entweder
darben, oder mit zum Pfuscher werden. Geschieht das, so nimmt mit der
Güte der Arbeit ihr Werth ab, das Handwerk fällt, und mit selbem die
Achtung, die man sonst dafür hatte. Der Einwohner des Landes sieht, daß
er bey aller Wohlfeile der Waaren verliert, daß er nun alle Jahr neu
anschaffen muß, was ihm sonst vier bis fünf Jahre gedauert hatte; er
will wieder gute Waare, findet sie in seinem Lande nicht, kauft
auswärts, und trägt das Geld aus dem Lande. Das ist beyläufig das
Schicksal unserer inländischen Schriftstellerey. Es waren Zeiten, wo es
bey uns wenig oder gar keine Schriftsteller gab, und der Lesebegierige
mußte sich auswärts Nahrung seines Geistes suchen. Jetzt haben wir
Schriftsteller die Menge, aber der Fall ist noch immer der nämliche, und
wird es so lange bleiben, so lange zwey Drittheile der gesammten
Schriftstellerzunft blosse Pfuscher sind. Bey den Handwerken hat man um
den bösen Folgen der Pfuscherey vorzubeugen, die Zunft- und
Innungsrechte eingeführt, welche den kunstgerechten Meister in dem
ausschliessenden Besitz seiner Kunst handhabten, und den Pfuschern das
Handwerk legten; die Schriftstellerey war in diesem Punkte von Anbeginn
vogelfrey und ohne Schutz, und die Kritiker, die sich freylich manchmal
des bedrängten Autorwesens annahmen, und sich den Eingriffen der
Afterautoren entgegen stellten, waren von jeher eine viel zu schwache
Schutzwehre, ein Volk von ihrem Gebiete hindan zu halten, welches nur zu
gut wußte, daß die Waffen der Vertheidiger desselben nur Gänsespuhlen
sind, und ihre Worte zwar den Ton, aber nicht das Vermögen einer
gesetzgebenden Gewalt haben. Und dieser wehrlose Zustand der
Schriftsteller ist es, der das Gebiet der Wissenschaften zum Tummelplatz
jedes noch so unverschämten Federfechters macht, und der so viele
litterarische Kleinhändler veranlaßte, ihre kurze Waare an allen Orten
auszukramen. Der Name =Schriftsteller= hat durch die Leute, die ihn
tragen, bereits so viel von seiner ursprünglichen Würde verloren, daß er
anfängt entehrend zu werden, und wenns noch länger so fortgeht, Gefahr
läuft, in Oesterreich eben so gut ein Schimpfname zu werden, als es der
Name: _Fur_ bey den Römern ward. Bald wird ein Autor, dem sein guter
Name lieb ist, Anstand nehmen, mit Leuten dieses Gelichters einerley
Kleid zu tragen, und in einer Gesellschaft zu erscheinen, die so übel
berüchtigt ist. Er wird sich zurückziehen, und dem Pfuschergesindel ein
Gebiet überlassen, von dem der gesittete Mann wie von einer
Jedermannsschenke spricht. Das Publikum kann diesem Uebel allein
zuvorkommen. Es ist der einzige Herr, den das Autorvolk als seinen
Richter anerkennt, der einzige, dessen Gesetzen sich Schriftsteller und
Pfuscher unterwerfen muß. Es herrschet unumschränkt über alle Werke des
Geistes, und entscheidet über des Schriftstellers Leben und Tod. Wenn
nun dieses Publikum, das im Schauspielhause seine Rechte so streng und
unerbittlich ausübt, so leicht zum Mißfallen gereizt wird, und so
geschwind fertig ist, ein langweiliges Stück, oder einen schlechten
Schauspieler auf der Bühne auszuzischen; wenn dieses Publikum auf der
grösseren Bühne der Litteratur eben so wenig seiner Rechte vergässe, die
unberufenen Gauckler auf derselben nicht duldete, ihre Bockssprünge und
Balgereyen nicht belachte, und das Possenspiel, das diese
Schriftstellerbande wöchentlich zweymal im =Wienerdiarium= ankündiget,
nicht theuer bezahlte, so würde die Pfuscherey von selbst aufhören, und
die Schriftsteller würden ihr voriges Ansehen wieder erhalten.

Ueberhaupt trägt die hier eingerissene Mode alles, was man gedacht,
beobachtet, oder entdeckt hat, flugs in Broschüren, oder kleinen
fliegenden Blättern, in die Welt zu schicken, vieles zur Verkleinerung
der Ehre unserer Litteratur bey. Diese Methode ist allerdings sehr
nützlich, um richtige Begriffe und Meinungen von gewissen Gegenständen
beym Volke in Umlauf zu bringen, aber von allen Sachen ohne Unterschied
so was Summarisches auf einen, oder zween Bogen hinschreiben, heißt die
Wissenschaften sehr geringfügig behandeln. Was ist leichter, als ein
paar Bogen mit hundertmal gesagtem Zeuge vollzuschreiben, das Ding
gedruckt unter einem Titel, der oft das Beste am ganzen Werk ist, am
nächst besten Gewölbfenster eines Verlegers aushängen zu lassen: und
dann auszurufen:

                     _Anch'io son pittore!_

Ich will damit, daß ich den Greul der Autorpfuscherey gerügt habe, nicht
sagen, daß ein junger fähiger Kopf, der was gelernet hat, es aus eigenem
Antrieb nie wagen soll, sein Glück auf dieser Bahne zu versuchen; es
wäre lächerlich, wenn er um sein Talent gemeinnützig zu machen, auf eine
dringende Sendung warten wollte, um sich, im Fall es ihm mißlänge,
darauf berufen zu können. Ein Pfuscher ist nur der, der es nicht beym
ersten verunglückten Versuche bewenden läßt. Denn leider! giebt es
Versuche, die einen traurigen Beweiß von ihres Urhebers gänzlichem
Mangel aller Autorfähigkeit abgeben, und denen man es auf den ersten
Blick ansieht, daß aus den Begriffen, die in des Verfassers Kopf
herumtreiben, nie was werden =wird=, und nie was werden =kann=;

               _licet nonum premantur in annum._

Und solche Versuche, zumal wenn sie wiederholt werden, kann weder
Sendung noch irgend ein anderes Mittel vor dem verdienten Vorwurfe der
Pfuscherey schützen.

Noch eine Bemerkung, die bey der Vergleichung unserer Litteratur mit der
auswärtigen mancherley Aufschlüsse geben kann, ist diese, daß in =Wien=
ein grosser Theil der besten Köpfe =gar nicht= schreibt; indessen
auswärts fast kein Stand, kein Amt, keine öffentliche Bedienstung ist,
die nicht den Namen Schriftsteller zum Nebencharakter hat. Diese
Ungleichheit läßt sich theils aus der verschiedenen Grundverfassung der
Stände, theils aus der Verschiedenheit des hier und dort herrschenden
Tones erklären. Bey uns nährt fast jedes Amt seinen Mann hinreichend,
und er hat nicht nöthig die Schriftstellerey zur Nebenquelle seiner
Einkünfte zu machen; auswärts ist die Autorschaft bey den meisten --
zumal geistlichen Aemtern -- zu einer Art von nothwendiger
Nebenindustrie geworden, die nicht wenigen helfen muß, ihr jährliches
Einkommen mit ihren Bedürfnissen in das gehörige Verhältniß zu bringen.
Im Ausland ist die Schriftstellerey der gewöhnlichste, sicherste Weg zu
Beförderungen, bey uns war sie es wenigstens allgemein nicht. Auswärts
ist Lesebegierde und Liebe zu den Wissenschaften ein herrschender Ton,
bey uns sind beyde nichts weniger, als das, und scheinen leider! noch
größtentheils als eine gelehrte Handwerkssache betrachtet zu werden.
Auch scheint der Schriftstellername im Ausland ein viel ehrenvolleres
Prädikat zu seyn, als er es bey uns -- einst wegen Mangel an
Schriftstellern =war=, und itzt -- wegen Ueberfluß an selben =ist=. All
dieses zusammengenommen mag hinreichend seyn jene -- zwar für den Staat,
nicht aber für die Litteratur -- tröstliche Bemerkung aufzuklären, daß
=Wien= eine weit grössere Anzahl vortreflicher Köpfe, als vortreflicher
Schriftsteller habe, daß mancher Schriftsteller hier oft weit mehr
solche Leser finde, zu denen er in die Schule gehen könnte, als solche,
die von ihm lernen, und daß man also sehr weit irre gehen würde, wenn
man den Grad der allgemeinen Aufklärung in =Wien= bloß nach den
Schriften dieser Stadt bestimmen wollte, eine Bemerkung, welche -- so
wahr sie ist -- meines Wissens noch jeder fremde Reisende, der von
=Wien= schrieb, zu machen vergessen hat.

Ich will hier eben nicht untersuchen, ob es für jeden guten Kopf Pflicht
sey, seine Talente so viel möglich gemeinnützig zu machen, ob bey einer
so grossen Ungleichheit der Geistesgaben, bey deren Austheilung die
Natur meist eben so willkührlich, als bey Vertheilung der Glücksgüter zu
Werke zu gehen scheint, der Aermere an Geist nicht ein Recht auf die
Geistesfreygebigkeit des andern habe, ob sich der Reichere, der mit
Schätzen kargt, bey deren Vertheilung er nichts verliert, nicht einer
noch grösseren Filzigkeit schuldig mache, als der Geitzhals, der nicht
freygebig seyn kann, ohne selbst weniger zu haben, und ob der mit seinem
Wissen kargende Geist sich der Gelegenheit nicht selbst beraube, eine
Wohlthätigkeit der edelsten, höchsten Art auszuüben, eine
Wohlthätigkeit, die, je mehr man sie verschwendet, desto mehr
vervielfältiget wird, die sich über Millionen Menschen zugleich
verbreitet, und von Jahrhundert zu Jahrhundert auf ganze Nationen und
Menschenalter sich forterbt. Zugegeben, daß all dieß nur für sehr wenige
Fälle entscheidend seyn könne, um die Schriftstellerey zur Pflicht zu
machen, so ist doch gewiß, daß der Einwurf: =es werde ohnehin genug
geschrieben=, im allgemeinen eben so wenig für das Gegentheil
entscheide. Die vortreflichsten Werke der größten Geister erschienen zu
einer Zeit, da man viel schrieb, und der menschliche Geist würde, im
ganzen genommen, wenigstens um zwey Drittheile ärmer seyn, wenn die
reichsten Geister aller Zeiten, während sie die minder Bemittelten unter
sich kleine, oder gar falsche Münze mit vollen Händen auswerfen sahen,
mit ihren Gold- und Silberstücken hätten zurückhalten wollen.

Ich weiß, wie leicht dergleichen allgemein gesagte Wahrheiten
mißverstanden werden können, und was für Unheil sie anrichten würden,
wenn selbe Leute auf sich anwenden wollten, denen sie nicht gesagt sind.

=Ich ersuche daher alle und jede -- die vielleicht eben itzt, trotz
ihrer Geistesarmuth, im Begriff sind, die vorräthige kleine Münze in
allen Winkeln ihres Verstandeskasten zusammenzusuchen, um uns dieselbe
in papierenen Beuteln an die Köpfe zu werfen -- sich ja in keinen
Aufwand zu setzen, sondern zu bedenken, daß alle Gold- Silber- und
Kupfermünzen, welche ihre Eigenthümer vorlängst in Umlauf gebracht
haben, bereits vielmal bezahlt sind, und daß es unchristlich sey, eine
fremde Waare, die schon mehr, als hundertmal bezahlt worden, sich wieder
von neuem bezahlen zu lassen. Und da der Geister, welche Gold machen
können, ohnehin so wenig, und der gelehrten Beutelmacher so viele sind,
so gelanget in unsern goldarmen und beutelreichen Zeiten an die
sämmtlichen Herren, in deren Köpfen kein eigenes Gold geprägt, wohl aber
das fremde in Rauch aufgelöst wird, unsere flehentliche Bitte, daß
dieselbe doch geruhen möchten, die ohnehin schreckliche Menge der
goldleeren oder -- wie der Landmann sich ausdrückt -- lichten Beuteln zu
beherzigen, und dieselben nicht ferner mit neuen zu vermehren,
sintemalen sonst diese ihrer Bestimmung nach, so edle Ideenbehältnisse
noch immerfort das klägliche Schicksal würden erfahren müssen, von
unbarmherzigen Händen in Tabackbeutel, und Käs- und Gewürzfuterale
verwandelt zu werden. Wovor sie der Himmel bewahren, und mit seiner
Allmacht gnädigst beschützen wolle!=

Noch ein Umstand, der unsere Litteratur in ihrem Fortgange zurückhält,
ist die unter uns eingerissene Gewohnheit, fremde auswärtige Journale
und Magazine mit inländischen eigenen Produkten und Beyträgen zu
bereichern, und den ohnehin grossen Mangel unserer Litteratur an derley
kleineren Arbeiten noch mehr zu vergrössern. Es war eine Zeit, wo die
wenigen inländischen Gelehrten in den periodischen Blättern unsers
Landes keine anständige Gesellschaft fanden, in der sie mit Ehren
erscheinen konnten, und sich also eine bessere in auswärtigen Blättern
suchen mußten, nicht selten nöthigte sie auch die grössere Strenge der
Censur, Aufsätze, die hier bedenklich waren, auswärtigen Blättern zu
überlassen, und einige unter ihnen suchten -- was vormals kaum zu
verdenken war -- eine Ehre darinn, in den gelehrten Blättern einer
Litteratur zu erscheinen, die der unsrigen, ihres grossen Vorsprungs
wegen, von jeher den Ton angab. In wie weit diese Ursachen, die unsere
Litteratur um so manches schätzbare Eigenthum brachten, noch itzt
fortwähren, will ich nicht untersuchen, gewiß ist es indessen, daß wir
sehr viel dabey verlieren, und so lang diese Gewohnheit währet, nie ein
gutes periodisches Blatt werden aufweisen können. -- Das Verhältniß, in
welches wir uns selbst durch unsere Beyträge mit den Auswärtigen setzen,
ist auffallend ungleich und gegen alle Regeln eines gesellschaftlichen
Vertrags: wir geben ihnen Beyträge, sie geben uns keine, wir schenken
ihnen unsere Arbeiten, um selbe wieder von ihnen um unser Geld kaufen zu
können. Was Wunder also, daß wir ihnen damit willkommen sind? Würde
dadurch unsere eigene Litteratur nicht zurückgesetzt, so möchte dieß
alles noch hingehen, aber seinem Vaterlande den Rock ausziehen, um ihn
andern, die so viele Röcke haben, zu schenken, ist der Ahndung jedes
Patrioten werth. Nie wird unsere Litteratur vorwärts rücken, nie wird
sie sich ihren Schwestern bemerkenswerth und nothwendig machen, wenn
nicht Gemeingeist unter ihren Schriftstellern herrscht. -- Und doch, wie
leicht könnte sie das? Ist nicht =Wien= der Mittelpunkt, um den sich
Deutschlands kleinere und größere Planeten drehen? Ist es nicht -- zumal
itzt -- das Augenmerk von ganz Europa? Haben Philosophie und
Wissenschaften daselbst nicht einen viel weiteren Wirkungskreis? Ist
Aufklärung nicht in vollem Gange, und stehen nicht Männer, wie manches
weit hellere Land sie nicht hat, an ihrer Spitze? Sieht nicht alles auf
uns, und haben nicht selbst auswärtige Schriftsteller bekennet: wenn die
deutsche Litteratur, wie sie itzt ist, noch weiter rücken soll, so müsse
sie von =Wien= aus weiter geführt werden? -- Aber wenn unsere besseren
Schriftsteller nur für das Ausland arbeiten, wenn sie die kleineren
Bäche ihres Mutterlandes in ausländische Flüsse leiten, wenn Dichter
ihre auf mütterlichem Boden erzeugten Blumen in auswärtige Beete
verpflanzen, wenn selbst der Inländer die Manufakturen und
Staatsvorfälle seines Landes erst aus =Schlözers= Staatsanzeigen, und
die Talente seiner Landesleute aus fremden Journalen kennen lernen muß,
so läßt sich von der inländischen Litteratur nie ein wahres Fortkommen
hoffen, und wenn sich auch im Ausland hundert allzeitfertige Verleger
fänden, die -- wie itzt erst unlängst einer -- alle unsere
Zehnkreuzerbroschüren nachdruckten.

Ueberhaupt stehen alle übrigen Verfassungen unsers Landes auf einer
ungleich höheren Stuffe der Vollkommenheit, als der Zustand unserer
Litteratur, und die in so manchem Betracht kolossalische Grösse unseres
Staates macht mit der litterarischen Kleinheit desselben einen sehr
auffallenden Kontrast. Der österreichische Staat, der sich sonst überall
in männlicher Stärke darstellet, wird im Fache der Litteratur noch stets
für unmündig angesehen, und muß sich noch immer gefallen lassen, von
fremden ungebetenen Geistesvormündern, theuer bezahlte Leitung
anzunehmen. Das Lesen ist einmal bey uns zum Bedürfniß geworden, fast
jeder nur halb bemittelte Privatmann hält sich -- wärs auch nur um ein
paar Zimmerwände damit zu tapeziren -- eine kleine Bibliothek, wer nur
lesen kann, hat wenigstens ein halbes Duzend Bücher, und dieser
Handlungsartikel, der nun bey uns so wichtig zu werden anfängt, ist
gerade der einzige, der uns den Ausländern am meisten zinsbar macht. Für
die mehresten Handlungszweige haben wir inländische Manufakturen, die
das Geld im Land erhalten, und uns die Waaren der Ausländer entbehrlich
machen sollten, unsere Büchermanufakturen aber, welche den edlen Zweck
haben, für die Geistesbedürfnisse des Landes zu sorgen, sind leider!
noch in sehr mißlichem Stande, und die beträchtlichen Summen, die wir
jährlich den Niederdeutschen, den Engländern, Franzosen und Holländern,
baar bezahlen müssen, beweisen deutlich, wie unentberlich uns ihre
gelehrten Waaren sind, und wie wenig noch unsere Manufakturen zureichen,
um uns mit ihnen durch Tauschhandel in ein Gleichgewicht setzen zu
können. Ueberhaupt scheint mir, habe man die Litteratur selten oder gar
nie von dieser Seite betrachtet, und doch liesse sich meines Erachtens
arithmetisch beweisen, daß der Gegenstand wichtig genug ist, um in
Betrachtung gezogen zu werden. Wenigstens lehrt uns die Erfahrung
unseres eigenen Schadens, daß diejenigen Mächte, welche früher, als wir
anfiengen, die Litteratur und Wissenschaften ihres Landes zu
begünstigen, und zu heben, sich nicht verrechnet haben, wenn sie von
ihrer Bemühung nebst dem unsichtbaren Zuwachs von Ruhm und Ansehen, auch
einen sehr sichtbaren und handgreiflichen Zuwachs von fremdem Gelde
erwarteten; und lag auch diese Absicht nicht in dem Plan ihrer zum
Besten der Wissenschaften gemachten Einrichtungen, so mußte sie doch der
Erfolg davon überzeugen, daß die Summen, welche sie dazu verwendet
hatten, auf sehr gute sowohl unsichtbare als sichtbare Zinsen ausgelegt
waren. Und wenn man das allgemeine Verhältniß der Staaten untereinander
als eine immerwährende Ebbe und Flut betrachtet, in welcher eine Masse
die andere drängt, und wie eine Macht abläuft, die andere vordringt, wo
jede Blösse, jeder Abgang, jedes noch so unbeträchtliche _minus_ das
allgemeine Gleichgewicht stört; wenn man annimmt, daß diese Massen des
Staates unaufhörlich gegen einander streiten und wirken, um sich ins
Gleichgewicht zu setzen, so ist es gewiß, daß auch die Wissenschaften
auf jene Waage gehören, auf welcher ein Staat sein Gewicht gegen den
andern abwägt, und daß sie sowohl von Seite der Ehre als des Gewinns
einen nicht unbeträchtlichen Theil davon ausmachen.

Es würde mich zu weit führen, wenn ich diese auf wahre Verhältnisse
gegründete allgemeine Beobachtungen fortsetzen, dem Faden aller daraus
möglichen Folgerungen nachgehen, und die Anwendung derselben auf jeden
Zweig der Litteratur und alle damit verbundene Gegenstände und
Einrichtungen auseinandersetzen wollte. Jeder Geist, der Licht genug in
sich hat, aus einer allgemeinen Wahrheit, wie die Sonne aus ihrem
Mittelpunkte den ganzen Umkreis der ihn umgebenden Gegenstände zu
beleuchten, kann das von selbst. Genug, daß sich daraus der wahre Schluß
ergiebt, daß zum Besten der Wissenschaften nie zu viel gethan werden
kann, und daß ein Staat, der bereits auf einer gewissen Stuffe von
Grösse und Vollkommenheit steht, den Gipfel derselben nur durch den
höchstmöglichen Grad von Aufklärung erreichen könne.

So schwer es auch immer seyn mag, den allgemeinen Grad der Aufklärung
eines grossen Staates zu bestimmen, so wird der aufmerksame Beobachter,
der dem Wechsel der menschlichen Meinungen und herrschenden Begriffe
nachspürt und die gegenwärtige Beschaffenheit derselben mit der
vorhergegangenen zusammenhält, gleichwohl Data finden, aus denen sich,
wo nicht die Stuffe der Aufklärung, doch sicher das Mehr oder Weniger
derselben berechnen läßt. Gewiß ist es, daß die Toleranzedikte und
kirchlichen Verordnungen unseres weisen Monarchen, die erweiterte
Zensursfreyheit, und selbst die dadurch veranlaßte Menge von kleineren
Gelegenheitsschriften vieles zur allgemeinen Aufklärung beytragen
mußten.

Denn die Toleranzedikte hatten gleich diese Wirkung, daß sie einen
grossen Theil unsers Volkes, wenn gleich nicht über alle, doch
wenigstens über viele Gegenstände die althergebrachten Vorurtheile
erkennen machten.

Die durch die Toleranzedikte veranlaßten Hirtenbriefe einiger -- obschon
weniger -- wahrhaft eifriger Bischöfe waren ein näherer Schritt zur
Verbannung dieser nämlichen Vorurtheile, die Jahrhunderte lang den Geist
der Gläubigen eben so sehr, als die Religion selbst, abgewürdiget
hatten. Freylich hatten diese Briefe den Klosterglauben -- das ist,
denjenigen Glauben, welchen der Mönchsgeist zur Beschäftigung seiner
übervollen Musse, und zur Handhabung seiner Privatvortheile auszuhecken,
und mit allen Auswüchsen einer gewaltsam verdrehten Phantasie zu
durchweben für gut befunden hat -- wider sich, und mußten ihn wider sich
haben; allein was auch dieser Klosterglaube dagegen vorbringen mag, so
ist doch gewiß, daß jeder nur halb gesunde Menschenverstand, wenn sich
ihm am Scheideweg auf einer Seite die Religion, in dem vielfärbigen, mit
Flitterwerk beladenen Gewande, womit sie der Mönch behänget, und diese
Religion auf der andern Seite, wie der vortrefliche =Salzburger
Hirtenbrief= sie schildert, in ihrem einfachen, weißen, makellosen
Kleide zur Wahl darstellte, nicht einen Augenblick Anstand nehmen würde,
von dem ersten Bild sich wegzuwenden, und das letzte mit Inbrunst zu
umfangen. Ueberhaupt wäre nichts geschickter, um den Abstand gewisser
mönchischer und leider! auch -- nicht mönchischer -- Lehren, jedem noch
so trüben Blicke anschaulich zu machen, als wenn man die vortrefflichen
Grundsätze dieses Hirtenbriefes jenen entgegensetzte, und es wäre zu
wünschen, daß irgend ein aufgeklärter Theolog die Mühe auf sich nähme,
den auffallenden Abstand beyder Lehren in einer ausführlichen Parallele
zu zeigen.

Die kaiserlichen Verordnungen, welche die Bischöfe des Landes in ihre
ursprünglichen Rechte wieder einsetzten, verschaften denselben alle nur
mögliche Gelegenheit, sich um die allgemeine Aufklärung verdient zu
machen. Sie haben nun Mittel, deren weiser Gebrauch sie an dem Geiste
der Gläubigen ihres Kirchensprengels nothwendig zu Wohlthätern machen
muß. Und wenn gleich viele Bedenken tragen, Gebrauch von Rechten zu
machen, die ihren Vorfahren, einst so heilig, und mit ihrem Amte so
wesentlich verflochten schienen, so läßt sich doch von dem Beyspiel der
Wenigen, die bereits anfiengen, sich ihrer hergestellten Macht zum Wohl
ihrer geistlichen Unterthanen zu bedienen, noch immer einige Wirksamkeit
auf die Uebrigen hoffen, welche lieber Sachwalter einer fremden Gewalt,
als Verwalter ihrer eigenen sind; und wird auch diese Erwartung
vereitelt, so bleibt doch der tröstliche Gedanke zur Aussicht, daß jene
Urkunden wiedererlangter Rechte, welche die gegenwärtigen Besitzer in
ihren Archiven mit der Ueberschrift: ἀνέχου και ἀπέχου versiegelt und
unberührt liegen liessen, ein zurückgelegter Schatz für ihre Nachfolger
sind, welche nicht Anstand nehmen werden, mit diesen für das Wohl der
Menschheit so wichtigen Geschenken zum Besten der Religion, des Staates
und der allgemeinen Aufklärung zu wuchern.

Die Aufhebung einiger Ordensgemeinden, die Verminderung und
Einschränkung der übrigen Mönche, die Verpflichtung derselben, ihre
wissenschaftliche Ausbildung einer öffentlichen Aufsicht zu unterwerfen,
sind eben so viele günstige Vorboten der Aufklärung, deren wohlthätigen
Einfluß die kommenden Generationen mit Dankbarkeit segnen werden. Der
Mönchsgeist war von jeher ein Melthau für die Blüthe der Wissenschaften,
und der ungünstige Einfluß desselben benahm fast allen Zweigen der
Gelehrsamkeit Saft, Fruchtbarkeit und Gedeihen. Unmöglich konnten auf
einem so engumzäunten Boden die Sprößlinge der Wissenschaften zu Bäumen
heranwachsen, und ihre Aeste in die Lüfte verbreiten, und wem ist nicht
aus der Geschichte bekannt, zu was für verwachsenen, dornichten, und an
der Erde hinkriechenden Gesträuchen Philosophie, Theologie und
Kirchenrecht auf mönchischem Grund und Boden geworden sind? Es ist nicht
nöthig die Ursache dieses allgemeinen Mißwachses in der bestimmten, kaum
zu vermuthenden Absicht zu suchen, vermöge welcher die Mönche darum alle
Keime der Aufklärung sollen erstickt haben, um die allgemeine Lichtmasse
der Staaten in einer zu ihrem Vortheil verhältnißmässigen Dämmerung zu
erhalten -- eine Beschuldigung, die ihnen öfter gemacht, als erwiesen
worden ist. -- Genug, daß sich die Unmöglichkeit des Gedeihens der
Wissenschaften aus der Natur der Klosterverfassungen ergiebt. Wie kann
ein Mönch, dem gleich bey seinem Eintritt in den Orden das
=Selbstdenken= zur Sünde, und die Verleugnung seines besseren Wissens
zur Pflicht gemacht wird, der in dem größten Geisteszwang erzogen, und
von strengen Asceten -- seinen einzigen ersten Wegweisern -- gelehrt
wird, durch beständiges Abstumpfen seines Verstandes, und gänzliche
Verachtung alles irdischen Wissens seine höchste Vollkommenheit zu
erreichen, der in einer Lage lebt, die sich mit seinem Denk- und
Empfindungsvermögen so wenig verträgt, der, wenn sein Geist was immer
für eine Wahrheit verfolgt, alle Augenblicke Gefahr läuft, mit dem
nächsten Schluß, den er daraus zieht, gegen ein Gelübd, eine Regel, oder
eine Ordensmeinung anzustossen, der endlich, wenn er es auch wagt, sich
aufzuklären, von seinen Mitbrüdern gehasset, verfolgt, und als ein
Geistes-Apostat angesehen wird, wie kann so ein Mann Muth, und
Thätigkeit genug behalten, das ganze weite Gebiet des menschlichen
Wissens zu umfassen, und seinen Geist unaufgehalten über alle Zweige
desselben zu verbreiten? All dieß zusammengenommen, ist meines Erachtens
hinreichend, sich die Unbrauchbarkeit der Mönche zu vielen Zweigen der
Gelehrsamkeit zu erklären, und den Grund anzugeben, warum die Sprossen
der meisten Wissenschaften in ihren Händen entweder welken, oder
verkrümmt und verbogen werden mußten, ohne daß man nöthig hat, zu einer
Beschuldigung von vorsetzlicher Absicht seine Zuflucht zu nehmen, die
vielleicht ihrem Herzen zu viel Schande, und ihrem Kopfe zu viel Ehre
machen würde. Genug, daß weder die eine, noch ander Ursache in Zukunft
mehr Statt haben wird, und daß die über das Mönchswesen ergangenen
Verordnungen bereits ihre wohlthätigen Wirkungen äussern, und manchen
fähigen Kopf, dem sonst vor allem irdischen Wissen graute, veranlassen,
sich nun auch mit der in Klöstern sonst so sehr verabscheuten _sapientia
terrena_, und _prudentia carnis_ abzugeben, um sich auch durch solche
Kenntnisse in Rücksicht seiner künftigen ungewissen Bestimmung sicher zu
stellen.

Die erweiterte Censursfreyheit, und das dadurch dem Widerspruche, und
den Meinungen der Schriftsteller eröffnete Feld versprach der
allgemeinen Aufklärung eine nicht minder gesegnete Erndte, und
vielleicht ist diese zum Besten des menschlichen Verstandes gemachte
Verordnung die erste, die, so neu sie noch ist, schon wirkliche Früchte
aufzuweisen hat. Denn ausser den sichtbaren, schon oben bemerkten
heilsamen Folgen, welche die Kämpfe so vieler eifrigen Gegner zum Besten
der Wahrheit mit sich brachten, giebt es noch manche tröstliche
Beobachtung, die sich über den Fortgang der allgemeinen Aufklärung
machen läßt. Allerdings geht es mit der Zurechtweisung des menschlichen
Geistes sehr langsam, und eine durchaus aufgeklärtere Denkungsart läßt
sich höchstens erst von der zweyten Generation, wenn unsere itzigen
Kinder Väter seyn werden, erwarten. Auch ist es in Bestimmung dieser
Sache viel leichter, die zum Fortgang der Aufklärung gegebenen Ursachen
und Anläße herzurechnen, als die Wirkung derselben zu bestimmen. Die
entscheidendsten Data, um wie viel heller das Volk über gewisse
Gegenstände denke, liessen sich unstreitig aus den Verkauflisten der
Rosenkranzkrämer, Bilderilluminierer und Skapulierhändler, aus den
Rechnungen der Wirthe an größeren Wahlfahrtsorten, aus den neuesten
Bruderschaftslisten, und dem täglichen Absatz der wächsernen Opfer und
der sogenannten Kerzelweiber herhohlen. Indessen giebt es für den
aufmerksamen Beobachter noch andere Data, aus welchen er den höheren
Grad der Aufklärung so ziemlich richtig berechnen kann. Es giebt unter
dem Volke bey besonderen Anlässen und Erscheinungen gewisse Aeußerungen
von dem -- was ich _aura popularis_ nennen würde, wenn es die römischen
Sprachgesetzgeber nicht in einem andern Verstande gebraucht hätten -- in
denen immer der Grad des allgemeinen Vorurtheiles für gewisse
Gegenstände sichtbar wird. Man erinnere sich des Aufsehens und der fast
allgemeinen Empörung, welche die Schrift: =über die Begräbnisse= in
bürgerlichen und adelichen Gesellschaften, in Schenken und Koffeehäusern
erregte, und halte den unbefremdeten Blick und die Gleichgültigkeit
dagegen, mit welcher das Volk itzt ungleich stärkere Doses von Wahrheit
als bewährte Hausmittel in sich schlürft, und man wird finden, daß das
Volk durch die kleineren Schriften dieser Art zu einer Bekanntschaft mit
gewissen Gegenständen gelanget ist, die durch eine Reihe von Jahren kaum
zu erwarten war. Das Lesen so vieler Schriften, das vielfältige
Raisonniren darüber, mußte dasselbe nach und nach mit Ideen vertraut
machen, die es sonst gar nicht, oder nur im Vorbeygehen zu denken
gewohnt war. Und hätten die Schriftsteller nicht selbst so oft ihr Ziel
aus dem Gesichte verloren, hätten sie ihre Begriffe nicht selbst
verwirrt, und einer des anderen Arbeit vernichtet, so würde die
Aufklärung ihr Gebiet noch weiter ausgedehnt, und ihre Macht selbst bis
auf Handlungen erstreckt haben. Das Volk würde eingesehen haben, daß man
ihm wohl will, daß man ihm nur die Schlacken, nicht das Gold nehmen, und
seine Begriffe läutern, nicht umstürzen wolle, daß man ihm nichts nehme,
ohne dafür etwas besseres zu geben, und daß der Zweck einer wahren
Aufklärung nur darin bestehe, das eigne Wohl des Bürgers mit seinen
Pflichten gegen Gott und den Staat in das engste und genaueste
Verhältniß zu bringen.

Möchten doch alle, die sich berufen glauben, an der allgemeinen
Aufklärung zu arbeiten, dieß beherzigen, möchten doch die hartnäckigen
Zeloten und die zu hitzigen Neuerer den Mittelweg nicht verkennen, auf
welchem die Wahrheit einhergeht, möchten sie doch ihre Geisteskräfte
nicht an unnützem Privatgezänke versplittern, möchten doch die
Schriftsteller unseres Landes ihre Mitbürger die Vortheile kennen und
benützen lehren, welche ihnen die weisen Verordnungen ihres Monarchen
bereiten, möchten doch alle, denen die Natur ein höheres
Erkenntnißvermögen gab, mit vereinigten Kräften an dem Werke einer
wahren Aufklärung arbeiten, und bedenken, was für ein grosser,
seelenerhebender Gedanke das sey, der Wohlthäter eines Volkes und ganzer
Generationen von Menschenaltern zu werden!



  [ Im folgenden werden alle geänderten Textzeilen angeführt, wobei
    jeweils zuerst die Zeile wie im Original, danach die geänderte Zeile
    steht.

  in dessen aufgeklärterem Theile von jeher Grundsätze und Meinnngen
  in dessen aufgeklärterem Theile von jeher Grundsätze und Meinungen

  rüstigen Feder der Autoren sicher: für 10. Kreuzer kounte man jeden
  rüstigen Feder der Autoren sicher: für 10. Kreuzer konnte man jeden

  Alle diese Brochüren, davon die meisten in die Rubrik =Makulatur=
  Alle diese Broschüren, davon die meisten in die Rubrik =Makulatur=

  Klosterleuten=, die mit seiner Abhandlung über den Pabst zngleich
  Klosterleuten=, die mit seiner Abhandlung über den Pabst zugleich

  den Hußiten ward. Der Grund hievon liegt in der Natur der Sache Der
  den Hußiten ward. Der Grund hievon liegt in der Natur der Sache. Der

  gegenwätig, um jedes seiner Worte durch Ausdruck und Geberde zu
  gegenwärtig, um jedes seiner Worte durch Ausdruck und Geberde zu

  es ihm bliebt, den Lauf des Schriftstellers kann jede Kleinigkeit
  es ihm beliebt, den Lauf des Schriftstellers kann jede Kleinigkeit

  unendlich manigfaltig an Denkart und Empfindungsvermögen, er kennt
  unendlich mannigfaltig an Denkart und Empfindungsvermögen, er kennt

  Ausnahme, und Enschränkungen wohl haben mögen, machen die bisherige
  Ausnahme, und Einschränkungen wohl haben mögen, machen die bisherige

  Predigigern. Man höre zum Beweis ein Beyspiel aus einer Wienerpredigt,
  Predigern. Man höre zum Beweis ein Beyspiel aus einer Wienerpredigt,

  als Schriftsteller aus, und fiel wider, schwerer als zuvor. Er kam nun
  als Schriftsteller aus, und fiel wieder, schwerer als zuvor. Er kam nun

  entwey, den sie nach und nach auflösen sollten. Das Werk der Aufklärung
  entzwey, den sie nach und nach auflösen sollten. Das Werk der Aufklärung

  Schreibmaterialien auf der Gasse. So bald er Pöbel was zu sprechen
  Schreibmaterialien auf der Gasse. So bald der Pöbel was zu sprechen

  diese Wahrheit. Wo man am meisten wiedersprach, rückte man am
  diese Wahrheit. Wo man am meisten widersprach, rückte man am

  das Barometer der öffentlichen Hochachtnng für die Schriftstellerey
  das Barometer der öffentlichen Hochachtung für die Schriftstellerey

  Schriftstellerey zu einen Handwerk geworden, in dem jeder pfuscht, der
  Schriftstellerey zu einem Handwerk geworden, in dem jeder pfuscht, der

  anschaffen muß, was was ihm sonst vier bis fünf Jahre gedauert hatte; er
  anschaffen muß, was ihm sonst vier bis fünf Jahre gedauert hatte; er

  bey uns wenig oder gar keine Schrifsteller gab, und der Lesebegierige
  bey uns wenig oder gar keine Schriftsteller gab, und der Lesebegierige

  Schrittstellerzunft blosse Pfuscher sind. Bey den Handwerken hat man um
  Schriftstellerzunft blosse Pfuscher sind. Bey den Handwerken hat man um

  Ueberhaupt trägt die hier eirgerissene Mode alles, was man gedacht
  Ueberhaupt trägt die hier eingerissene Mode alles, was man gedacht,

  Auch scheint der Schrifstellername im Ausland ein viel ehrenvolleres
  Auch scheint der Schriftstellername im Ausland ein viel ehrenvolleres

  man den Grad der allgemeinen Aufklärrung in =Wien= bloß nach den
  man den Grad der allgemeinen Aufklärung in =Wien= bloß nach den

  Aufwand zu sezen, sondern zu bedenken, daß alle Gold- Silber- und
  Aufwand zu setzen, sondern zu bedenken, daß alle Gold- Silber- und

  haben, bereits vielmal bezahlt sind, und das es unchristlich sey, eine
  haben, bereits vielmal bezahlt sind, und daß es unchristlich sey, eine

  fortwähren will ich nicht untersuchen, gewiß ist es indessen, daß wir
  fortwähren, will ich nicht untersuchen, gewiß ist es indessen, daß wir

  Staatsvorfälle seines Landes erst aus =Schlözers= Staatsanzeigeu, und
  Staatsvorfälle seines Landes erst aus =Schlözers= Staatsanzeigen, und

  lesen kann, hatt wenigstens ein halbes Duzend Bücher, und dieser
  lesen kann, hat wenigstens ein halbes Duzend Bücher, und dieser

  jede Blösse, jeder Abgang, jedes noch so unbeträchtliche _minis_ das
  jede Blösse, jeder Abgang, jedes noch so unbeträchtliche _minus_ das

  Zweig der Litteratur und alle damit verbundene Gegeästände und
  Zweig der Litteratur und alle damit verbundene Gegenstände und

  denjenigeu Glauben, welchen der Mönchsgeist zur Beschäftigung seiner
  denjenigen Glauben, welchen der Mönchsgeist zur Beschäftigung seiner

  den auffallenden Abstand beyder Lehren in einer ausführlichen Paralelle
  den auffallenden Abstand beyder Lehren in einer ausführlichen Parallele

  Die Aufhebung einiger Ordensgemeinden, die Verminderung nnd
  Die Aufhebung einiger Ordensgemeinden, die Verminderung und

  aus der Geschite bekannt, zu was für verwachsenen, dornichten, und an
  aus der Geschichte bekannt, zu was für verwachsenen, dornichten, und an

  Wissenschaften aus der Natur der Klosterverfassungen ergiebt Wie kann
  Wissenschaften aus der Natur der Klosterverfassungen ergiebt. Wie kann

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