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Title: Achtundvierzig Briefe von Johann Gottlieb Fichte und seinen Verwandten
Author: Fichte, Johann Gottlieb, 1762-1814
Language: German
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                         Achtundvierzig Briefe
                                  von
                         Johann Gottlieb Fichte
                                  und
                           seinen Verwandten.


                             Herausgegeben
                                  von
                            Moritz Weinhold.



                (Besonderer Abdruck aus den Grenzboten.)

       Mit dem Brustbilde und der Handschrift von Fichte's Frau.



                                Leipzig,
                           Fr. Wilh. Grunow.
                                 1862.



                                 Herrn
                   Prof. Dr. Immanuel Hermann Fichte
                              in Tübingen

                  dem würdigen Sohne würdiger Eltern.



Vorwort.


Ist seit der Fichte-Feier auch schon mehr als ein Monat verflossen,
so ist doch nicht zu befürchten, daß damit auch schon die Theilnahme
der Gemüther für diesen großen Mann verschwunden sei. Hat doch die
Allgemeinheit, Gehobenheit und Innigkeit der Gedächtnißfeste gezeigt,
daß dieser Mann, wie aus dem Schooße des Volkes herausgewachsen, so auch
ihm an das Herz gewachsen ist; so daß man vertrauen darf, das deutsche
Volk werde ihn so lange in treuem und dankbarem Andenken halten, bis
Das, was tüchtig und ewig an ihm war, wiederum auch ganz in Fleisch und
Blut des Volkes hineingewachsen ist, damit sein Sinn und Geist Blüthen
und Früchte treibe aus dem Marke und Safte des Volkes zum Segen des
Volkes. Es ist die Eigenthümlichkeit wahrhaft großer Männer, daß sie auf
der einen Seite Söhne ihrer Zeit sind, auf der andern aber ihrer Zeit
vorauseilen und als Vorbilder erscheinen oft noch lange nach ihrem Tode.
In dem Sinne hat auch der »Cultus des Genius« sein Recht, wenn er dazu
dient, das Eigenartige, Neue, was in einer ausgezeichneten Persönlichkeit
zuerst Gestalt gewonnen hat, zum Gemeingute Aller zu machen.

Darum glaube ich, es werde eine nochmalige Hinweisung auf Fichte, wenn
schon »nach dem Feste«, doch nicht überhaupt zu spät kommen, zumal da
dieselbe nicht zu den zahlreichen Reden und Meinungsäußerungen über ihn
bloß noch eine hinzufügen, sondern etwas in der That Neues und echt
Fichte'sches bringen will, nämlich eine Reihe von Briefen: zweiunddreißig
von Fichte selbst, elf von seiner Frau, drei von seinem Bruder Gottlob,
einen von seinem Bruder Gotthelf und einen von seiner Mutter. Dieselben
beziehen sich, als Briefe von Verwandten an einander, zunächst
auf Familienangelegenheiten, so jedoch, daß darin auch Fichte's
Lebensschicksale und geistige Bestrebungen in mannigfache Erwähnung
kommen, ja daß sogar einige Ergänzungen zu dem davon bereits Bekannten
geboten werden. Indeß würde mich dies noch nicht zur Veröffentlichung
derselben bewogen haben, wenn ich ihnen nicht noch einen anderen Werth
beilegen zu dürfen glaubte. Sie scheinen mir nämlich einen keineswegs
verächtlichen Beitrag zu Fichte's Charakterschilderung zu liefern,
indem sie manche Züge und Linien enthalten, welche dem großartigen
monumentalen Bilde, das wir Alle von seinem Wesen in uns tragen, in
feiner Nüancirung das Mienenspiel größerer Portraitähnlichkeit leihen,
ohne ihm seine erhabene Idealität zu rauben.

Warum ich aber diese Reliquien nicht schon zu Fichte's Gedächtnißfeier
veröffentlicht, darüber bin ich die Erklärung schuldig: sie liegt ganz
einfach in den Umständen. Es war kaum zwei Wochen vor dem 19. Mai,
als mir, bei Gelegenheit der Erwähnung Fichte's, von einer meiner
Schülerinnen mitgetheilt wurde, ihre Mutter, die Enkelin von einem
Bruder Johann Gottlieb Fichte's, besitze Briefe von ihm. Ich erbat mir
die Mittheilung derselben -- es waren zwei Briefe von J. G. Fichte und
einer von seiner Gattin (Nr. 7, 36, 38 der vollständigen Reihe) -- und
veröffentlichte dieselben in einem Aufsatze »Zur Erinnerung an Johann
Gottlieb Fichte« im »Dresdner Journal« 1862 Nr. 108-111. Darin gab ich
als Einleitung eine kurze Hinweisung auf Fichte's philosophisches
System, welches in seinem theoretischen Theile eine wesentlich
geschichtliche und insofern allerdings auch unvergängliche Bedeutung in
Anspruch nehmen dürfe; sodann aber hob ich den noch größeren und
dauernderen Werth der praktischen Seite seiner Philosophie hervor,
welche recht eigentlich ein Erzeugniß und ein Spiegel seines Charakters
ist, wie er auch selbst in seinem eigenen Leben mit seiner, wesentlich
ethischen, Lehre durchweg übereinstimmte. »So steht Fichte vor uns da
-- ein ganzer, ein deutscher, ein großer Mann, ein hohes Vorbild der
Energie im Denken und im Handeln auch für unsere Zeit. Nur aus einem
solchen Charakter läßt sich auch jener, wenngleich einseitige und darum
falsche, dennoch aber großartige und erhabene theoretische Grundgedanke
erklären.« An die durch die erwähnten Briefe veranlaßten Hindeutungen
auf Fichte's häusliche Verhältnisse und die gemüthliche Seite seines
Wesens fügte ich endlich einige Notizen über eine Wirksamkeit Fichte's,
an die man bei Erwähnung seines Namens gewöhnlich gar nicht denkt, die
aber doch zur Vervollständigung seines Charakterbildes der Erinnerung
wohl werth ist: seine Beziehung zur Poesie. Zu dem in Fichte's Biographie
(»Fichte's Leben und literarischer Briefwechsel. Von seinem Sohne
Immanuel Hermann Fichte.« 2. Aufl. Leipzig 1862. 2 Bde.) darüber
Gesagten gab ich als einen kleinen Nachtrag einige Citate, besonders aus
den Lebensbeschreibungen Adelbert von Chamisso's und Friedrich de la
Motte Fouqué's, zum Beweise, wie bedeutenden Einfluß Fichte namentlich
auf die Dichter des Nordsternbundes in Berlin gehabt; ich schloß mit
den Worten: »Wir sehen, daß Fichte selbst in Kreisen, welche dem
eigentlichen Gebiete seiner Thätigkeit ferner standen, hohe Geltung
und Anerkennung genoß und sich in jeder Beziehung als ein bedeutender,
unvergeßlicher Mann erweist; denn wer den Besten seiner Zeit genug
gethan, der hat gelebt für alle Zeiten.«

Das Interesse, welches für die Sache rege geworden war, bewirkte
weitere Nachforschungen, und das Ergebniß derselben war die Auffindung
einer ganzen fast vergessenen Sammlung von Briefen, welche mir
bereitwillig zur Veröffentlichung überlassen wurden, die denn, nach
Vollendung der nöthigen Vorarbeiten und mit ausdrücklicher Genehmigung
des Herrn Professor Dr. Fichte in Tübingen, zunächst in den »Grenzboten«
Nr. 29-32 erfolgte, woraus nunmehr die vorliegende Separat-Ausgabe
hervorgegangen ist.

Ich habe den Abdruck nach einer diplomatisch genauen Copie der
Originale machen lassen, weil ich zu Aenderungen der darin, allerdings
nicht immer ganz consequent, beobachteten Orthographie und Interpunction
nach unsern Grundsätzen mich nicht berechtigt und es auch nicht für
nöthig hielt, die vorkommenden kleinen Unfertigkeiten und Ungenauigkeiten
eigenmächtig und, wie's geschehen müßte, bisweilen auch willkürlich zu
verbessern. Es mag Manchen interessiren zu sehen, wie Fichte schrieb,
wenn er flüchtig schrieb; unserer Vorstellung von seiner Geistesgröße
wird dadurch Nichts entzogen, daß wir sehen, wie auch Fichte, wie wir
Alle, in eilig geschriebenen vertraulichen Briefen zuweilen einen
falschen Buchstaben machte oder einen Punkt vergaß. Ich erwähne nur
noch, daß Fichte z. B. die geschärften Laute »tz« und »ck«, die er im
Ganzen scheint vermeiden zu wollen, doch bisweilen gebraucht, wie er
auch bald »weißst«, bald »weist« u. dgl. schreibt. Zu den Briefen von
Johanna Maria Fichte bemerke ich, daß darin der letzte Buchstabe des
Alphabets nach geschärften wie nach gedehnten Silben durchweg eine
solche Form hat, als ob »t« und »z« zu einem Buchstaben zusammengezogen
seien, sodaß nur die Wahl blieb, überall »z« oder überall »tz« zu
setzen: ich habe das Erstere gewählt. Außerdem hat in Johanna's Briefen
das »s« immer die französische Form, ebenso die Buchstaben »a, g, u, v,
w«, die auch als große Anfangsbuchstaben sich oft nur wenig von den
kleinen unterscheiden; hierzu vergleiche man die halb französische
Unterschrift des 16. Briefes und den gallicistischen Gebrauch der
Negation nach dem Comparativ im 12. Briefe. --

Diesem Büchlein füge ich als künstlerische Zugabe bei das Bildniß von
Fichte's trefflicher Gattin in wohlgelungenem Kupferstiche nach einer
Zeichnung auf Pergament, welche sich im Besitze derselben Familie
befindet, der die Briefe gehören. Ein zweites Exemplar davon, mit
geringen Abweichungen, besitzt Herr Professor Fichte in Tübingen, und
danach ist der ziemlich rohe Holzschnitt im »Illustrirten Panorama.
Berlin, Brigl. Band III. Lief. 1.« gefertigt. Das daselbst daneben
gestellte Bild Fichte's aus seinen jüngeren Jahren ist nur eine Fiction
des Zeichners; allerdings hat es zu jener Zeichnung in Sachsen ein
Pendant gegeben, jedenfalls aus Fichte's Jenaer Epoche, aber dieses ist
bedauerlicher Weise längst abhanden gekommen und nicht mehr zu erlangen.
Leider ist nicht mehr aufzuklären, ob unser Medaillon-Bild eins von den
zwei oder drei (die Unterscheidung ist nicht ganz deutlich), sonst
unbekannten Portraits ist, welche Fichte in den Briefen an seine Braut
erwähnt, eben so wenig ist der Zeichner bekannt. Die Aehnlichkeit aber
ist von Herrn Professor Fichte, dem Sohne, ausdrücklich anerkannt,
welcher versichert, daß »ihre Gesichtszüge auch in späteren Jahren noch,
besonders was den physiognomischen Ausdruck anbetrifft, ganz damit
übereinstimmten.« Und in der That entspricht dieser Ausdruck auch ganz
der Vorstellung, die wir nach ihren Briefen uns machen, welche wirklich,
wie Gotthelf Fichte sagt, eine schöne Seele verrathen: aus ihrem
Gesichte spricht Zartheit und Innigkeit, ruhig milde Sanftmuth, gepaart
mit einem leisen Anfluge von weiblich naivem Humor. Bemerkenswerth ist,
wie Johanna's Handschrift, die ursprünglich etwas gerundeter und
zierlicher war, einige Jahre nach ihrer Vermählung einen freieren und
kräftigeren Zug annimmt; diesen letzteren, als der fertigen Individualität
entsprechend, habe ich geglaubt für das Facsimile wählen zu müssen,
welches nach dem 38. Briefe gebildet ist. -- Johanna Fichte war keine
Bettina und keine Rahel, aber sie war eine treue, sinnige, gläubige
deutsche Frau, die auch nahe daran war, in ihrem Wirken als Pflegerin
der Kämpfer für Deutschlands Freiheit ihr Leben dem Vaterlande zu
opfern, während der Allwaltende ihr darin ihren Gatten zum
Stellvertreter setzte. --

Der Zweck dieses Schriftchens ist, Fichte zu zeigen, wie er war,
vorzüglich in den Beziehungen zu seiner Familie: bei der Offenheit
seines Herzens verbindet sich dem reinsten Wohlwollen auch hier die bei
ihm überall durchschlagende Ehrlichkeit und Entschiedenheit des Willens.

Es ist die Art edler Charaktere, daß sie uns um so mehr anziehen, je
näher wir ihnen treten. Schon in meiner Studienzeit in Leipzig hatte
ich, veranlaßt durch eine mir übertragene Bearbeitung der Fichte'schen
Philosophie in Herrn Professor Dr. Weiße's philosophischer Gesellschaft,
Fichte's Geist in seiner Stärke und Größe bewundern müssen; je mehr ich
ihn kennen lernte, desto mehr lernte ich ihn auch lieben. Ich hoffe,
auch Andere werden diese Erfahrung an sich machen. Eine glückliche
Fügung verstattet mir, gegenwärtigen kleinen Beitrag zur Verherrlichung
seines Andenkens zu liefern und so ihm meinen Dank abzutragen für Das,
was er mir geworden durch seine Lehre und sein Leben.

Dresden, Michael 1862.

                               ~Julius Moritz Weinhold~,
                _Cand. theol._, Lehrer bei dem königlichen Cadettencorps
                       und an der Wieland'schen Töchterschule &c.

  Der erste Brief ist aus Schulpforta geschrieben, ein halbes Jahr nach
  der am 4. Oct. 1774 erfolgten Aufnahme des damals kaum zwölf und ein
  halbes Jahr alten Knaben. Zu der Schilderung, die wir in seiner
  Lebensbeschreibung (I, 10-17) von seinem Aufenthalte auf dieser
  Fürstenschule erhalten, fügt dieser Brief ein Genrebildchen, welches
  uns bereits in dem jungen Schüler einerseits den ehrlichen, strengen
  Charakter andeutet, andererseits eine zartfühlende Gewandtheit zeigt,
  mit der er das Anerbieten seines Vaters von sich weist, ihm eine
  Sorte seiner Waaren zu liefern, die Gottlieb unter seinen Mitschülern
  vertreiben sollte. An dem Briefe ist auch eine für das sehr jugendliche
  Alter des Schreibers auffallend ausgeschriebene Hand zu bemerken.



1.


        Herzliebster Vater

Euren Brief habe ich erst heute, als den 1 Aprill erhalten. Ich habe
bisher mit Schmerzen gewartet, und fast vor Freuden wurde ich außer mir
als ich hörte es sey ein Brief an mich da, denn ich glaubte gewiß daß
etwas darinn seyn würde. In etlichen Tagen ist der _Examen_ aus welcher
14 Tage währet, und wo wir verschiedene Sachen ausarbeiten müßen,
die nach Dreßden geschickt werden. Wir bekommen auch übermorgen die
_Censuren_, da wir entweder wegen unseres Fleißes gelobt oder wegen
unserer Faulheit gescholten werden. Dieses wird nun alles nach Dreßden
in die Regierung berichtet. Da ich nun gewiß weiß daß ich ein sehr gutes
ja fast das beste Lob bekommen werde, so kostet mich doch auch dieses
entsetzlich Geld. Denn es ist hier die fatale Gewohnheit daß wer eine
gute _Censur_ bekommt den 6. Obersten in seiner Claße und 5. Obersten
am Tische jeden ein ganz Stück Kuchen kauffen muß welches 1 Gr. 3 Pf.
kostet also zusammen 13 Gr. 9 Pf. Ob ich nun gleich dieses _Examen_
5 Gr. 6 Pf. verdient habe, so bleibt doch noch 8 Gr. 3 Pf. welche mir
auch schon mein Ober-Geselle ein sehr hübscher Mensch, geborgt hat. Doch
was ich übrigens verdiene langt kaum zu den vielen Waßer Krügen welche
man hier kaufen muß, denn die Untersten müssen Wasser holen, und mausen
sich einander die Krüge dazu ganz entsetzlich welches ich aber nicht
thun kann, denn es ist und bleibt gestohlen. Doch bey allen diesen
kümmerlichen Dingen danke ich doch noch Gott daß ich keine Schulden als
die vorhinerzählten 8 Gr. 3 Pf. habe. Daß es Euch mein lieber Vater sehr
schwer fallen werde, glaube ich wohl, doch sollte ich denn nicht noch
so ein gutes Andenken bei meinen Freunden haben. Mein unschickliches
Verhalten wegen des Briefes an Herrn Boden, glaube ich durch beygelegten
Brief gut zu machen. An zwey Personen aber kann man auf einmal einen
Brief nicht schreiben. Doch noch eins, was schreibt ihr mir denn von 6.
Geschwistern, ich habe gerechnet und gerechnet, bringe ihrer aber nur 5.
heraus. Ihr schreibt mir von Strumpfbändern, ich weiß aber wohl nicht,
ob es gut gethan seyn würde, denn leider fragt man hier nicht so
viel nach dergleichen Sachen als nach Geld, ich würde auch noch dazu
entsetzlich ausgehöhnt werden, wollt ihr mir aber so gut seyn und mir
ein paar schicken, so wird es mir sehr angenehm seyn, nicht allein weil
ich sie sehr nothwendig brauche, sondern weil es mir auch ein sehr
angenehmes Andenken an Euch verschaffen würde. Ich habe weil ich hier
bin eine beständige Gesundheit gehabt. Grüßt meine liebe Mutter mein
Geschwister und besonders Gottloben und sagt ihn er solle mir doch
schreiben. Ich würde ihm auch schreiben, wenn es jetzo im _Examen_ die
Zeit litte. Lebet wohl.

_P. S._ Warum denn aber zur Oster Meße ihr könnt mir eure Brieffe immer
auf der Post un_francirt_ schicken, denn das bezahl der Hr. _Rector_

Pforte d. 1 Aprill 1775

                                          Johann Gottlieb Fichte

  Wer der im Briefe erwähnte Herr Boden sei, dafür finde ich keinen
  Anhalt. Der erwähnte Obergesell war der spätere Generalsuperintendent
  in Riga Karl Gottlob Sonntag, dessen Aufsicht er übergeben wurde, weil
  er die Behandlung seines ersten Obergesellen nicht länger ertragen
  mochte (I, 12. 14. f.). Die Zahl der Geschwister, über deren Vermehrung
  Fichte sich wundert, betrug überhaupt sieben, wie mir mündlich
  mitgetheilt worden; es waren sechs Brüder und eine Schwester.



2.


                                    Wolfishein d. 13. Mai. 1787.

        Bester Vater,

Ich hoffe, daß Er meinen Brief vom Ende vorigen Monats, im Einschlage
an Herr Burschen schon erhalten hat. Ich habe darinnen von meinen
Befinden, und von meinen Umständen alles gesagt, was zu sagen war. Jetzt
habe ich einen Auftrag an Ihn, den ich so bald, als möglich zu besorgen
bitte.

Ich weiß, daß in Rammenau ein ganzer Busch von =Lerchenbäumen= ist. Im
Gespräch sagte ich das einmal meinem Herrn Principal, und er wünschte
dergleichen Saamen zu haben, und hat mir Auftrag gegeben, ihn welchen zu
verschaffen. Ich bitte Ihn also hiermit, mir bei dem Jäger (wenn er
nicht gerne wollen sollte, so muß er ihn in seinem, und auch in meinen
Namen sehr bitten, und ihm sagen, daß mir eine große sehr große
Gefälligkeit damit geschähe, und daß ich zu allen möglichen Gegendiensten
bereit sey --) =Ein Loth Lerchen Saamen= zu verschaffen, gegen =baare
Bezahlung=, die ich Ihn vor der Hand auszulegen bitte, die ich aber
gleich nach Erhaltung des Saamens überschiken werde: sich aber zugleich
bei eben dem Jäger =genau= und =sorgfältig= zu erkundigen, =wenn=?
(ob im Frühlinge, oder Herbst) und =wie=? (ob dichte, oder dünne)
der Lerchen Saamen gesäet wird, und besonders =was vor Boden=, ob
=leimigten=, oder =schwarzen schweren=, oder =sandigten= erfordert:
und mir =so bald als möglich= mit der Post den Saamen, nebst dieser
Nachricht, genau und deutlich, zu überschiken, und zu melden, was er
kostet.

Hierdurch, bester Vater, geschieht mir eine sehr große Gefälligkeit.
Suche Er also ja mir sowohl den Saamen, als die dazu gehörigen Nachrichten
zu verschaffen. Sollte, wie ich befürchte, der Jäger den Saamen nicht
weggeben wollen, oder dürfen; oder sollte Er es sich nicht getrauen, es
bei ihm dahin zu bringen, so bitte Er doch den Herrn Pfarrer Wagner,
nebst vielen Empfehlungen von mir, die Sache zu übernehmen, der ihn
vielleicht eher erhalten wird. Nur bitte ich mir auf jeden Fall baldige
Antwort aus. Uebrigens ist meine Lage noch ganz die vorige. Ich wünsche,
beste Eltern, daß Sie recht wohl, und glüklich leben, grüße alles mein
Geschwister herzlich, und bin mit der kindlichsten Achtung

                                          Ihr
                                                 Gehorsamer Sohn
                                                    _Fichte_.

Viel Empfehlungen an den Hr. Pfarrer, Frau Mutter, und Herrn Bruder. Ich
bitte auf jeden Fall um baldige Antwort.

  Dieser zweite Brief mit der Aufschrift:

                                     Herrn
                                Herrn _=Fichte=_
                                                 in
                                                    =Rammenau=.,

  ist aus Wolfishein, wo Fichte Hauslehrer gewesen sein muß. Ein
  »Wolfshain« oder »Wolfshayn«, welches wohl hier gemeint ist, liegt
  2¾ Stunden östlich von Leipzig; das dortige Rittergut kaufte um die
  Mitte des vorigen Jahrhunderts Buchdrucker Breitkopf. Außerdem giebt
  es ein »Wolffshain« in der Niederlausitz, 5 St. östlich von Spremberg.
  Ueber diese Zeit seines Lebens berichtet sein Sohn nur (I, 27): »Von
  seinen äußern wechselnden Verhältnissen um diese Zeit wissen wir nur
  Einzelnes und Abgerissenes.« Der in dem Briefe erwähnte Herr Bursche
  wohnte nach anderen Briefen in Pulsnitz und war Seifensieder; der
  Pfarrer Wagner war der um Fichte hoch verdiente Pastor zu Rammenau.
  Hier ist nämlich ein doppelter Irrthum der Biographie zu berichtigen.
  Dieselbe (I, 7 f.) nennt diesen Mann =Diendorf=. -- Es gab aber in
  Rammenau nur einen Pfarrer _M._ Johann Gottfried =Dinndorf= -- so habe
  ich selbst den Namen in dem Kirchenbuche gelesen -- und dieser starb,
  nachdem er ziemlich 53 Jahre sein Amt verwaltet, am 19. März 1764,
  also kaum zwei Jahre nach Fichte's Geburt. Auf ihn folgte zunächst
  _M._ Karl Christoph Nestler, und auf diesen am 5. August 1770 Adam
  Gottlob Wagner. Derselbe war, wie mir Herr Pastor Werner in Rammenau
  mündlich mittheilte, vorher Erzieher auf dem herrschaftlichen Schlosse
  gewesen und daher mit den Ortsverhältnissen und den Dorfbewohnern wohl
  bekannt; und so empfahl er später den etwa zehnjährigen Fichte dem
  Herrn von Miltitz, der gewünscht hatte, eine von Wagners Predigten zu
  hören. Aber selbst hiervon abgesehen, und ein noch geringeres Alter
  angenommen -- wie der Biograph sagt: »der Knabe mochte bereits acht
  oder neun Jahre alt geworden sein« --, kann immer nur an Wagner
  gedacht werden. Auch war derselbe, wie ich selbst von andern
  Seiten in der Lausitz gehört habe, als Prediger berühmt. -- Jene
  Namensverwechslung kann, wie Herr Pastor Werner vermuthet, vielleicht
  dadurch entstanden sein, daß Fichte wohl zuweilen seiner Familie von
  dem alten wackern, zu seiner Zeit noch nicht vergessenen, Dinndorf
  erzählt haben mag, der während seiner langen Amtsführung gar Vieles
  erlebt hatte, z. B. den siebenjährigen Krieg, einen Neubau der Kirche
  u. s. w., und der ein unermüdlich fleißiger Prediger war, denn er
  soll während seines Lebens beinahe 8000 Mal gepredigt haben. -- Der
  damalige Gutsherr von Rammenau wird in der Biographie (I, 7) Graf von
  Hoffmannsegg genannt. Genau genommen aber hieß er damals nur Johann
  Albericus von Hoffmann und war Geheimer Cabinets-Assistenzrath; denn
  erst 1779 wurde er unter dem Namen Hoffmannsegg (er soll einen mit
  einer Egge verbundenen Pflug erfunden haben) in den Reichsgrafenstand
  erhoben. -- Uebrigens ist bemerkenswerth, wie in Fichte's Briefen mit
  der Zeit die Anreden wechseln: im ersten Briefe nennt Fichte seinen
  Vater, »Ihr«, in diesem »Er«, in allen ferneren aber nach unserer
  Weise »Sie«.

  Im Sommer 1788 ging Fichte nach Zürich, wo er anderthalb Jahre
  Erzieher im Hause eines angesehenen Gasthofbesitzers, Namens Ott, war
  (I, 32 f. 39). Ende März des Jahres 1790 reiste er von dort wieder ab
  und traf in der ersten Hälfte des Mai in Leipzig ein, wo er den
  folgenden Brief an seine Eltern schrieb, welchem auf der Rückseite
  desselben Blattes einer an seinen Bruder Gotthelf angefügt ist.



3a.


                                        Leipzig. d. 20. Jun. 90.

        Liebste Eltern,

Ich bin seit 6. Wochen, und drüber, in Leipzig. Wenn ich es Ihnen nicht
eher meldete, so kam es blos daher, weil ich keine Gelegenheit; und wenn
Gelegenheit, keine Zeit hatte.

Ich bin 7. Wochen auf der Reise gewesen: bin sehr gesund und angenehm
gereißt: habe viel schönes gesehen und viel große Männer kennen gelernt.
Jetzt habe ich keine =bestimmten= Aussichten: Hofnungen und Versprechungen
genug, aber noch nichts sicher. Sobald sich welche finden werden; sobald
ich meinen Aufenthalt verändern werde, werde ich nicht ermangeln, es
Ihnen zu melden. Lieber wäre es mir fast, wenn ich etwa ein Jahr in
Leipzig bleiben könnte. Könnte ich dies möglich machen, so würde ich die
vortheilhaftesten Anträge ausschlagen.

Mein Plan ist noch der ehemalige. Nur will ich nicht mehr zu Kindern;
sonst könnte ich längst eine Stelle haben. Ich will reisen, oder an
einen Hof. -- Sollte dies etwa Jemand nicht begreifen können: so --
wundert mich das nicht. Wenn ich es nur begreife.

Ich bin mit höchster Ehre von Zürich abgegangen. Weise ist mehr als je,
mein Freund. Der Hr. von Miltitz ist gut auf mich zu sprechen. Ich
wechsele Briefe von Zürich bis Coppenhagen -- und mit großen Personen.

Ich gehe einen Weg es entweder sehr hoch zu bringen, oder ganz zu
verlieren, sagt ein hiesiger Professor, der mein Freund ist. -- Er hat
recht; aber ich hoffe das erstere; und würde das letztere ertragen.

Den gewöhnlichen Weg schleichen -- mich auf eine Dorfpfarre setzen, kann
ich einmal nicht, und Gott, der mir diesen Sinn gab, weiß, daß ich es
nicht kann.

Ich bitte Sie, mich in Ihrem gütigen Andenken zu behalten, und zu
glauben, daß ich unverändert bin

                                          Ihr
                                                 gehorsamer Sohn
                                                    Gottlieb.

_P. S._ Es thut mir leid, daß ich diesen Brief nicht frankiren kann. Ich
schike ihn durch Einschluß bis Dreßden, gebe ihn also nicht hier auf die
Post. -- Aber über 1 Gr. 3 Pf. darf er nicht kosten, denn er kömmt von
Dreßden.



3b.


                       =Meinem Bruder Gotthelf.=

        Lieber Bruder,

Daß ich wieder in meinem Vaterlande bin, wirst du nun wißen. -- Ich bin
gesund, -- gesünder, als ich vielleicht je war; das thut das Reisen --
muthig, voll Lust und Hofnung. Aussichten, wie ich sie wünsche, habe ich
genug, aber ich erwarte sie mit Geduld, und Ergebung. Was mir am meisten
fehlt, sind Freunde. Mit gewöhnlichen Studenten mag ich keinen Umgang
haben; meine alten Freunde sind alle weg: ich wünsche also oft Dich zu
mir, um so ein Gespräch zu führen, wie wir es im Jahr 88 oft hatten. Mit
den wenigsten Menschen komme ich im vertrauten Umgange zu rechte. In Dir
hatte mir die Natur einen Freund gegeben, wie ich ihn bedarf. Warum
musten so verschiedene Lebensarten, und solche Entfernungen uns trennen?

Erseze, was dem mündlichen Umgange fehlt, durch Briefe. Schreib mir oft,
und so viel Du willst und kannst. Ich werde Deine Briefe gern lesen, und
beantworten. -- Da Du aber nicht postmäßig schreiben kannst, und da ich
wünsche, daß Du mir große Briefe schriebest, so gieb sie den Fuhrleuten.
Ich wohne auf der =Fleischer Gaße, in Weinholds Hause, 1. Treppe hoch,
vorn heraus=.

Ich muß mich jezt mit Bücherschreiben ernähren; wenn ich leben will. Das
ist mir denn nun keine angenehme Arbeit. Will ich was gutes, nüzliches,
schönes schreiben, wie ich wohl möchte, und könnte, so erfordert es viel
Zeit, und -- der Buchhändler will nichts nüzliches. Schreibe ich, wie
der Buchhändler es gern hat, leichte Waare, Mode Zeug, so macht mir das
weder Ehre, noch Vergnügen.

Zur Zeit ist noch nichts erschienen, aber auf die Michaelis-Meße wird
einiges von mir die Preße verlassen.

Sehen möchte ich Dich, und die übrigen aus dem Hause, die mich lieben,
wohl gern einmal. Aber -- ich hänge in Ansehung des Reisens von meinem
Beutel ab, und der verträgt jetzt keine Reise. Auf Michaelis =vielleicht=
komme ich -- nicht nach Rammenau; dahin in meinem Leben schwerlich
wieder -- sondern in eure Nähe, wo mich sehen können, die mich sehen
wollen.

Leb recht wohl. Ich bin Dein

                                  Dich herzlich liebender Bruder
                                             Gottlieb.

  »Weise« ist ohne Zweifel der Kreissteuerrath Weiße, sein treuer
  Beschützer, der ihm auch die Stelle in der Schweiz verschafft hatte.
  Der Freiherr von Miltitz war der Edelmann, der so väterlich für
  Fichte's Ausbildung sorgte. Derselbe nahm den Knaben Fichte zuerst
  mit nach seinem Schlosse =Siebeneichen= bei Meißen an der Elbe,
  welches in der Biographie (I, 9) auch ganz richtig beschrieben ist,
  obwohl daselbst »Oberau« genannt ist, was aber östlich abseits der
  Elbe liegt. Herr Pastor Carl Gottfried Beer in Niederau schreibt mir
  darüber: »Auf Park und Schloß zu Oberau paßt die Beschreibung gar
  nicht. -- Oberau und Niederau gehörten früher mit zu dem manchmal so
  genannten Miltitzer Ländchen, und die letzten Besitzer dieses Namens
  haben auch in Oberau gewohnt.« Sodann wurde Fichte dem Prediger in
  Niederau anvertraut, bei dem er seine schönsten Jugendjahre verlebte.
  Der Biograph sagt: »Leider wissen wir den Namen des trefflichen Mannes
  nicht, wol aber erinnern wir uns, daß Fichte noch in seinen spätern
  Jahren mit Rührung und herzlichem Danke des frommen Predigerpaars
  gedachte.« Herr Pfarrer Beer, den ich um Auskunft ersuchte, macht mir
  die dankenswerthe Mittheilung: »Der Pfarrer hieß Gotthold Leberecht
  Krebel, starb 1795, nachdem er 31 Jahr, von 1764 an, Pastor der
  Gemeinde zu Niederau gewesen. -- In meinem Garten stehen zwei Linden
  und hinter demselben dicht an der Mauer noch zwei. Von diesen sagte
  mir mein alter ehrwürdiger Schulmeister, den ich 1823 bei Antritt
  meines Amts in Niederau fand: Diese Linden hat ein Knabe gepflanzt,
  der bei dem seligen Krebel in Kost und Lehre gewesen ist; der Knabe
  hat Fichte geheißen. So erzählte mein alter Hase, der übrigens weiter
  nichts von Fichte und dessen Schicksalen gehört oder gelesen hatte.«
  Nach »Sachsens Kirchen-Galerie« 1. Band (Dresden, Schmidt 1837),
  S. 125 -- wo übrigens, wie ich nachträglich finde, auch schon Pastor
  Krebel als derjenige genannt ist, bei dem Fichte einen Theil seiner
  Knabenjahre verlebte -- war dieser Johann Georg Haase, geb. 1764 in
  Würschnitz bei Radeberg, seit 1787 Lehrer in Niederau: also erst
  nachdem Fichte längst weg war, wie auch die Perfect-Form der
  Zeitwörter in seinem angeführten Berichte bestätigt. In Bezug endlich
  auf den Freiherrn von Miltitz, dessen Name in der Biographie auch
  nicht genauer bezeichnet ist, bemerkt Herr Pastor Beer: »Im Jahre 1774
  hat der _P._ Krebel aufgezeichnet: Am 5. März verstarb zu Pisa Herr
  Ernst Haubold von Miltitz &c. und ist zu Livorno christlich beerdigt
  worden. Ein Vierteljahr darauf starb des gedachten Herrn von M.
  einzige Tochter im fünften Lebensjahre, und ist auf dem Kirchhofe zu
  Oberau beerdigt worden. -- Der genannte Herr von M. war nur 34½ Jahr
  alt geworden; zur Pflege seiner Gesundheit nach Italien gegangen,
  hatte er daselbst einer langwierigen Krankheit unterliegen müssen.
  Dieser ist wahrscheinlich der Gönner, der sich um Fichte so verdient
  gemacht hat.« -- Nach dem Kirchenbuche zu Rammenau war ein Pathe des
  1766 in der katholischen Hofkirche zu Dresden getauften Johann
  Centurius von Hoffmannesegg: »der hochwohlgeborene Herr Ernst Haubold
  von Miltitz, Erb-, Lehn- und Gerichtsherr zu Oberau, Niederau,
  Siebeneichen und Bazdorf, Churfürstl. Sächß. Obrist-Lieutenant und
  Amts-Hauptmann des Meißnischen Creyßes«. Dieser kann aber wohl kaum
  ein und derselbe mit dem obigen sein, sondern vielleicht der
  gleichnamige Vater desselben. -- Wie sehr ihm Freunde fehlten, spricht
  Fichte auch in einem Briefe nach der Schweiz vom 8. Juni aus (I, 71);
  in demselben Briefe (I, 74) macht er den Buchhändlern ähnliche
  Vorwürfe wie hier. Das Werk, was er zum Drucke vorbereitete, war eine
  Schrift über Kants Kritik der Urtheilskraft, die aber nie gedruckt
  ward (I, 96 f. 99 f. 105 f. 108 f. 111 ff.), deren Ausarbeitung seinen
  durch das Studium der Kant'schen Philosophie bewirkten Uebergang von
  Spinoza'schem Determinismus zur Anerkennung persönlicher Freiheit
  bezeichnet.

  Gotthelf ist sein Liebling unter seinen Brüdern, neben dem nur noch
  Gottlob öfters erwähnt wird; seiner -- nächst seinem stets am höchsten
  verehrten Vater -- gedenkt er auch in dem Tagebuche über seine Reise
  nach Warschau besonders herzlich (I, 119); ihn macht er schon hier
  sanft auf einen Fehler aufmerksam; ihn sucht er, wie wir später sehen
  werden, ganz zu sich heran zu bilden. An ihn ist auch der folgende
  Brief gerichtet, in welchem er mit größter Offenheit über die -- an
  sich wohl ganz erklärlichen, ja von einem beschränkten Standpunkte aus
  sogar natürlichen -- Erwartungen und Zumuthungen von Seiten seiner
  Familie (an denen namentlich seine Mutter wesentlichen Antheil hatte;
  vgl. unten den 12. Brief) seinem Herzen Luft macht, welches hier,
  erfreulicher Weise nur vorübergehend, einen ziemlich hohen Grad von
  bitterer Gereiztheit zeigt, da er wie Faust »in seinem dunkeln Drange
  sich seines rechten Weges wohl bewußt« war. Diesem Bruder hatte er
  auch, wie der Anfang dieses Briefes anzudeuten scheint, seine
  Vertheidigung gegen jene Anforderungen aufgetragen, welche freilich
  nicht gelang.



4.


                                    Leipzig, d. 3. Jenner. 1791.

Erst gestern, mein lieber Bruder, habe ich Deinen Brief erhalten, und
heute antworte ich Dir, weil morgen Posttag ist. Schon fing ich an zu
glauben, mein lezter Brief sei zu hart gewesen; er reute mich, und ich
war im Begrif in einem gelindern Tone mich zu beklagen.

Dank Dir, Bruder, daß Du Deine Aufträge so richtig ausgerichtet hast,
daß er mich eben nicht mehr reuen darf. -- Doch reut er mich auch noch.
Ich habe Worte verlohren.

Ich fragte nicht etwan an, =ob= man meine Maasregeln billigte? Es
scheint, man hat meinen Brief falsch verstanden. Das weiß ich allemal
schon vorher, daß nie etwas wird gebilligt werden, was ich thue; und
dies ist nun eben auch mein geringster Kummer. Aber wie wäre auch das zu
billigen, daß ich schon wieder nicht in meinem =Dienste= geblieben bin;
daß ich wieder keinen =Herrn= habe? Die Leute haben in ihrer Art ganz
Recht. -- Ich fragte nur, ob man mir etwan =deswegen= nicht schriebe,
=weil= man meine Maasregeln nicht billigte? Daß es mich verdroß, daß
man that, als ob ich gar nicht mehr in der Welt war, läugne ich nicht.
Daß Du selbst, Bruder, so in ganzem Ernste die Nachlässigkeit im
Briefschreiben auf mich zurükschieben; daß Du das ohne Erröthen
niederschreiben; daß Du Deine Feder dazu leihen konntest, wundert mich
doch. »=Ich würde nicht geschrieben haben, wenn man mich nicht aufgesucht
hätte=« -- Ei! wer ist denn so klug, daß er weiß, was ich gethan haben
=würde=? Ich kann im Gegentheil versichern, daß ich darum keinen Tag
eher, und keinen später geschrieben hatte. Ich schrieb, sobald ich
=konnte= (im eigentlichen Sinne des Wortes =konnte=) Hätte ich eher
gekonnt, so hätte ich es eher gethan: hätte ich auch dann noch nicht
gekonnt, so hätte es auch dann bleiben müßen. Wer hat denn aber seitdem
auf 3. bis 4. Briefe aus der Schweiz -- auf den, den ich sogleich nach
meiner Ankunft in Leipzig schrieb, nicht geantwortet? mir nicht einmal
einen Empfangsschein zugeschikt? Wüste ich nicht sicher, daß sie richtig
abgegeben wären, so müste ich fest glauben, sie seien untergeschlagen.

Denen es so sehr leid thut, daß ich nicht mehr in der Schweiz bin, will
ich den Gefallen auch thun. =Ich reise Anfangs Aprills wieder in die
Schweiz zurük, um nie wieder nach Sachsen zu kommen.= -- Was will man
denn wohl mit diesem Bedauern? mit diesem Verheimlichen? Du hättest mich
Dir sehr verbindlich gemacht, wenn Du mir die Ursachen davon geschrieben
hättest. Nimmt man vielleicht die Maske, als ob es einem um meine
Wohlfahrt sei? O, wer kann denn über meine Wohlfahrt aus seinem engen
Gesichtspuncte so dreist urtheilen? Wer weiß denn die Gründe meines
Abgehens in der Schweiz? wer weiß denn das, was mich bewogen hat, wieder
nach Leipzig zu gehn? wer weiß denn, wie es mir in Leipzig geht? Man muß
scharfsinniger sein, als ich bis jetzt gewust habe. -- Oder ist es ihnen
nur darum zu thun, mich recht weit von sich zu wißen? O! ich mag weit
oder nahe sein, so sind sie immer sehr sicher, daß ich mich ihnen nicht
nahe. Laß sie glauben, ich bin gar tod; das ist noch weiter als die
Schweiz. -- Oder ist ihnen nur das zuwider, daß sie nicht mit mir,
nach ihrer Art, Staat machen können? Mögen sie doch immer sagen,
ich sei irgendwo ein Dorf Pfarrer. Ich werde nicht kommen, und ihnen
widersprechen. -- Beßer konnte man nicht sagen, daß man sich meiner
schäme. Aber laß sie es immer sagen. Ich will mich ihrer nicht schämen.

Daß man mein Glück wünscht, würde mich noch mehr freuen, wenn man mir
zugleich, -- mir, der ich schon längst mündig bin, der ich wohl etwas
von der Welt kennen sollte, der ich wenigstens eben so viel weiß, als
sie -- erlauben wollte, es nach meiner Art zu suchen.

Dies in Antwort auf Deine Aufträge. Richte es so pünctlich aus, als Du
Dich derjenigen an mich erledigt zu haben scheinst. Jezt blos an Dich.

Ich habe in meinem lezten Briefe auf niemand weniger gezielt, als
auf Dich. Du bist jung und =Dir= war eine solche Nachläßigkeit im
Briefschreiben eher zu verzeihen. Daß ein Brief an mich entworfen
gewesen ist, glaube ich. Aber warum nicht fortgeschickt? Daß ich in
Dreßden sei, war ein sehr albernes Gerücht, und es war übereilt ihm zu
glauben. Da ich mich nicht scheue, irgend jemand unter die Augen zu
gehen, so würde ich von Dreßden aus nicht ermangelt haben, meinen
Aufenthalt zu wißen zu thun. Eben so sicher war darauf zu rechnen, daß,
wenn ich meinen Aufenthalt auf eine andere Art verändert hätte, ich es
eben so richtig würde gemeldet haben, als ich meine Ankunft in Leipzig
meldete. Sind also alles dies nicht leere Entschuldigungen, wie ich
nicht glauben will, so gründen sich doch alle diese Muthmaaßungen auf
eine sehr verkehrte Meinung von meinem Character, und diese freut micht
nicht. In Dreßden bin ich vorigen August 2. Tage gewesen. Ich habe nicht
geglaubt Ursache zu haben, mich vor irgend jemand zu versteken.

Daß ich Dich, mein Bruder, noch liebe wie sonst, versichere ich Dich mit
eben der Offenheit, mit der ich Dir es frei heraussagen würde, wenn Du
bei mir verloren hättest. Ich denke der Tage, da ich in Dir die einzige
gute Seele fand, die mich liebte, und mit der ich ein Wort reden konnte,
wie ichs reden mochte. Gott erhalte Dein Herz unverdorben! und dann
erhalte mir Deine Freundschaft auch in der Entfernung; ob es gleich
nicht scheint, daß wir einander in diesem Leben wiedersehen werden.

In Absicht des Briefwechsels werde ich es immer halten, wie jezt. So
oft Du mir schreibst, erhältst Du den nächsten Posttag Antwort. Schreibst
Du mir nicht, so hast Du freilich auch auf keine Zeile von mir zu
rechnen. Worum Du mich fragst, werde ich Dir stets, so viel es sicher,
und gut ist, beantworten. Worüber Du mich nicht fragst, darüber sage ich
nichts. So hast Du z. B. jezt auf keine Nachricht über meine Lage,
Pläne, Aussichten zu rechnen, weil Du mich nicht darum gefragt hast.
Verändert sich mein Aufenthalt, so schike ich Dir meine Adresse, =wenn
du es verlangst=. So wollte ich Dir z. B. wohl rathen, wenn Dir oder
irgend jemand in unserer Familie an fortdauernder Verbindung mit mir
gelegen ist, mir noch vor Ende des Merzes zu schreiben. Sonst gehe ich
aus Sachsen, ohne daß irgend jemand von euch erfährt, wo ich bin.

Mein guter Vater -- Du weißt es, wie sehr ich ihn immer geliebt habe --
dauert mich, daß ich ihm, deßen Leben so leidenvoll war, nicht einst den
Rest seiner Tage versüßen, und seinen vortreflichen Umgang genießen
soll: Du dauerst mich, daß ich nicht etwas beitragen sollte, Deinen
Geist bilden zu helfen und wo möglich, Deine Schiksale etwas zu
verbeßern. Aber es ist nicht zu ändern. Du bist jung; Dich seh' ich
vielleicht noch hienieden wieder. Meinen geliebten Vater höchst
wahrscheinlich nur in beßern Welten, in denen seine Thränen abtroknen
und sein Leiden enden wird. Die Augen gehn mir über. Grüße diesen
theuern Vater herzlich, und sage ihm, aber =allein=, wie ich gegen ihn
denke: aber er solle mir verzeihen, daß ich nicht anders handeln könne.

Ueber Deine Zunahme freue ich mich; ich sehe zum Theil aus Deinem
Briefe, daß sie nicht bloße leere Einbildung ist. Aber, erlaube einem
ältern Dich herzlich liebenden Bruder Dir zu sagen, daß wahre Weißheit
immer bescheiden ist; und daß jede List das Herz verderbt. Ich habe mein
ganzes Moralsystem geändert. Doch davon ein andermal; wenn du =auf obige
Bedingungen= den Briefwechßel fortsezen willst. -- Grüße meine Eltern
und Geschwister herzlich. Ich bin Dein Dich liebender Bruder.

                                                   J. G. Fichte.

Meine Adreße ist bis Ende Merzes =Leipzig, auf der Schloßgaße neben dem
Petrino in Brauns Hause 3. Treppen=.

  Demselben Bruder gilt der nächste Brief, welcher besonders darum
  interessant ist, weil er außer verschiedenen schon angeregten
  Beziehungen auch Fichte's Studium der Philosophie und seine
  Herzensverhältnisse bespricht.

  Ueber die hier berührte frühere Neigung zu Charlotte Schlieben (so
  scheint der Name gelesen werden zu müssen) ist sonst Nichts bekannt.
  Seine Gönnerin, die »Dame aus Weimar« schwieg, nach einem Briefe vom
  1. August, worin ihr Name auch nicht genannt wird (I, 77), »seit ein
  paar Monaten« über ihr »Project«, ihn »an einen gewissen sehr guten
  Hof zu bringen«. Wie sehr aber sein Gemüth noch immer durch den Mangel
  eines bestimmten, festen Wirkungskreises beunruhigt in unstetem
  Schwanken gehalten wurde zu einer Zeit, wo seine Verheirathung bereits
  beschlossen war, wie schon im vorigen Briefe angedeutet und in diesem
  deutlich ausgesagt ist, wie er auch am 7. Febr. und noch am 1. März an
  seine zukünftige Gattin schreibt (I, 98 f.), das beweist der Schluß
  dieses Schreibens. Sicherlich bedarf es, zumal bei einem so auf
  sich selbst gestellten Charakter, wie ihn Fichte besaß, keiner
  Entschuldigung, sondern fordert vielmehr achtungsvolle Anerkennung,
  daß sein Mannesstolz es nicht ertragen mochte, eine andere Seele an
  sein unbestimmtes Schicksal zu fesseln oder in gemächlicher Ruhe sich
  vom Vermögen seiner Frau zu nähren. Wohl aber ist dabei zu beachten,
  daß nicht jugendlich blinde Leidenschaft ihn zu der vier Jahre älteren
  Braut zog, sondern die mit näherer Bekanntschaft sich steigernde und
  mit verständiger Besonnenheit verbundene Werthschätzung (I, 39 ff.).
  Die »gewisse Begebenheit«, die er hier als nächste Veranlassung der
  erneuerten Kämpfe nennt, dürfte wohl die in dem Briefe an seine Braut
  vom 1. März 1791 (I, 99 f.) allerdings etwas dunkel beschriebene
  Anklage wegen Entlarvung eines Betrügers sein.



5.


                                       Leipzig d. 5. Merz. 1791.

        Mein lieber Bruder,

Erst vor zwei Stunden habe ich Deinen Brief erhalten (denn entweder Du
datirst Deine Briefe falsch, oder giebst sie erst spät auf die Post).
Jezt habe ich die erste freie Stunde, und sogleich seze ich mich her,
Dir zu antworten, und wenn die paar Stunden die von jezt bis zum Abgange
der Post mein sind, zulangen, so geht noch heute mein Brief ab. Endlich
habe ich einen Brief von Dir gelesen, wie ich sie von Dir zu lesen
wünsche...... [Lücke] .. Freund. Ich weiß, Bruder, daß Du mich liebst,
und ich fühle immer mehr den Vortheil, einen Freund zu haben, den die
Natur selbst für uns bildete, und den sie uns so wunderbar ähnlich
schuf. Ich werde Dich immer lieben; nichts hat mein Herz gegen Dich
erkältet, denn die letztern Vorfälle habe ich nicht auf Rechnung Deines
Herzens, sondern auf Rechnung Deiner Jugend, und Deines Mangels an Welt-
und Menschen-Kenntnis geschrieben. Und wenn =ich= solche Fehler nicht
verzeihen könnte?

Habt Ihr nicht einen Brief von mir erhalten, der ohngefähr im Februar
vorigen Jahres aus Zürich geschrieben war, und worinn ich meinen
Entschluß wieder nach Sachsen zu kommen, ankündigte? Ich hoffe nicht,
daß Fritsche aus seiner sehr knauserigen Oekonomie auch diesen
zurükbehalten hat. Hat er das, so habe ich freilich bisher Unrecht zu
haben =geschienen=; aber es nicht =gehabt=. Aber da niemand allwißend
ist, so bitte ich, =aber nur in diesem Falle=, um Verzeihung. -- Ich
werde inzwischen die Sache mit den Briefen untersuchen. Ich verlies
Zürich, weil es mir, wie ich mehrmals nach Hause geschrieben habe, in
dem Hause, in welchem ich war, nicht ganz gefiel. Ich hatte von Anfange
an eine Menge Vorurtheile zu bekämpfen; ich hatte mit starrköpfigten
Leuten zu thun. Endlich, da ich durchgedrungen, und sie gewaltiger Weise
gezwungen hatte, mich zu verehren, hatte ich meinen Abschied schon
angekündigt; welchen zu widerrufen =ich= zu stolz, und =sie= zu
furchtsam waren, da sie nicht wißen konnten, ob ich ihre Vorschläge
anhören würde. Ich hätte sie aber angehört. Uebrigens bin ich mit großer
Ehre von ihnen weggegangen: man hat mich dringend empfohlen; und noch
jezt stehe ich mit dem Hause im Briefwechsel.

Ich ging mit den weitaussehendsten Aussichten und Plänen von Zürich:
nicht um in Sachsen zu bleiben, sondern um in Leipzig den Erfolg meiner
großen Pläne abzuwarten. Ich hatte ... [Lücke] .... und war daselbst
höher ... [Lücke] ... Auf meiner Reise lernte ich große Personen kennen,
die alle mich zu ehren schienen. Bewegungsgründe genug, um mir viel
zuzutrauen. Ich war von Zürich aus dringend an den _Premier Ministre_ in
Dänemark, Graf von Bernstorf, an den großen Klopstok, u. s. w. empfohlen.
Ich erwartete nichts weniger, als eine Minister Stelle in Coppenhagen.
-- Zu gleicher Zeit schrieb mir eine vornehme Dame aus Weimar: sie
arbeite, und habe Hofnung, mich an einen Hof zu bringen. -- Im kurzen
scheiterten alle diese Aussichten, und ich war der Verzweiflung nahe.
Aus Verdruß warf ich mich in die =Kantische= Philosophie (vielleicht ist
Dir der Name einmal in einem der Bücher, die Du liesest, vorgekommen)
die eben so herzerhebend, als kopfbrechend ist. Ich fand darin eine
Beschäftigung, die Herz und Kopf füllte; mein ungestümer Ausbeitungs
Geist schwieg: das waren die glücklichsten Tage, die ich je verlebt
habe. Von einem Tage zum andern verlegen um Brod war ich dennoch damals
vielleicht einer der glüklichsten Menschen auf dem weiten Runde der
Erden. -- Ich fing eine Schrift an, über diese Philosophie, die zwar
warscheinlich nicht herauskommen wird, weil ich sie nicht vollendet
habe; der ich aber doch glükliche Tage, und eine sehr vortheilhafte
Revolution in meinem Kopfe, und Herzen verdanke.

Eine neue Periode! Unter den Häusern, mit denen ich in Zürich sehr
genau bekannt war, war das, eines Mannes von ohngefähr 70. Jahren, der
mit dem besten Herzen viel Kenntniße und eine ungeheure Welt- und
Menschenkenntniß vereinigte. Dieser Mann wurde durch einen vertrauten
Umgang mit mir in die schönen Zeiten seiner Jugend zurükversezt. Er
liebte mich, als ein Vater; und verehrte mich höher, als es meine
Verdienste, oder seine Jahre eigentlich erlaubten. Dieser Mann hatte
eine einzige Tochter, die unter seinen Augen aufgewachsen war; die noch
nichts gefühlt hatte, als innige Verehrung dieses Vaters, und die von
Jugend auf gewohnt war, alles mit den Augen ihres Vaters anzusehen. War
es ein Wunder, daß, =ganz ohne mein Zuthun=, der Liebling des Vaters
auch der der Tochter wurde? Welche Mansperson ist nicht scharfsinnig
genug, Empfindungen von der Art bald zu entdeken, die noch dazu mir eben
nicht verholen wurden? Mein Herz war leer, Charlotte Schlieben war schon
längst daraus vertilgt. Ich ließ mich lieben, ohne es eben zu sehr zu
begehren. -- Ich reis'te von Zürich ab, nachdem wir einander unbestimmte
Versprechungen gemacht, und einen beständigen Briefwechsel verabredet
hatten. Dieser Briefwechsel wurde von Ihrer Seite immer dringender, und
zärtlicher. Endlich -- und das fiel in jene Periode meiner Philosophie,
meiner hohen Seelenruhe und meiner gänzlichen Gleichgültigkeit gegen
allen Glanz der Welt -- schrieb sie mir, ich solle, da meine Aussichten
scheiterten, zu ihr nach Zürich kommen; das Haus ihres Vaters, und ihre
Arme stünden mir offen. Ich besann mich in meiner damaligen Stimmung
keinen Augenblick Ja zu sagen. Noch erwartet sie mich in der Mitte des
Aprills, und will sich sogleich bei meiner Ankunft mit mir verheirathen.
Ihr Vater hat mich in dem zärtlichsten Briefe eingeladen. Sie selbst ist
die edelste, treflichste Seele; hat Verstand, mehr als ich, und ist
dabei sehr liebenswürdig; liebt mich, wie wohl wenig Mannspersonen
geliebt worden sind. Sie ist nicht ohne Vermögen, und ich hätte die
Aussicht einige Jahre in Ruhe mein Studiren abzuwarten, bis ich entweder
als Schriftsteller, oder in einem öffentlichen Amte, welches ich durch
die Empfehlung einer Menge großer Männer in der Schweiz, die sehr viel
von mir halten, und die Correspondenz in alle Länder Europas haben, wohl
erhalten könnte, selbst ein Hauswesen unterhalten könnte. -- Ich bin
seit Michaelis fest entschloßen gewesen, diesen Antrag zu ergreifen; und
noch da ich meinen leztern Brief schrieb, war ich der Meynung, und
schrieb daher, daß ich zu Ostern nach der Schweiz gehen würde. Aber von
einer andern Seite hat eine gewiße Begebenheit wieder meinen ganzen
Durst in die Welt hinaus aufgewekt; ich liebe die Sitten der Schweizer
nicht, und würde ungern unter ihnen leben, es ist immer eine gewagte
Sache, sich zu verheirathen, ohne ein Amt zu haben; und endlich fühle
ich zu viel Kraft und Trieb in mir, um mir durch eine Verheirathung
gleichsam die Flügel abzuschneiden, mich in ein Joch zu feßeln, von dem
ich nie wieder loskommen kann, und mich nun so gutwillig zu entschließen,
mein Leben, als ein Alltags Mensch vollends zu verleben. -- Ich bin also
seit einiger Zeit sehr unentschloßen, ob ich gehen werde.

Gehe ich aber nicht, so weiß ich nicht, was ich anfangen werde. Ich habe
mehreren Männern hier in Leipzig, die sich für mich intereßiren, gesagt:
daß ich ihnen für ihre Güte danke; weil ich auf Ostern anderweitige
Aussichten habe. Ich darf ferner dann nicht in Leipzig bleiben, weil
meine Geliebte mich hier zu gut zu finden weiß; weil ich mich der
Fortdauer eines Briefwechsels ausseze, der mir sehr beschwerlich werden
würde; weil ich ihr die in meiner Seele vorgegangene Veränderung nicht
plözlich sagen, sondern sie allmählich darauf vorbereiten will. -- Muß
ich aber Leipzig verlaßen, so bleibt mir nichts übrig, als Dreßden.
Davon unten ein mehreres.

  Der Schluß des Schreibens fehlt.

  Der nächste, ebenfalls nicht ganz vollständig erhaltene Brief führt
  die Aufschrift:

                                  Dem
                             Herrn _Fichte_
                                 Krämer
                                              in
                                                 _Rammenau_
                                             _p. Bischofswerda_.

        d. Einschluß bis Querfurt.

  und stammt aus dem Jahre 1792, da Fichte am 1. Juli 1791 nach
  Königsberg und im Herbste (September?) dieses Jahres in das gräflich
  Krockowsche Haus in der Nähe von Danzig gekommen war.



6.


                           Theuerste Eltern;

Ich habe Ihnen schon verwichnen Herbst von Königsberg aus geschrieben,
ich ersehe aber aus der erst vor zwei Tagen eingelaufenen Antwort meines
Correspondenten in Sachsen, daß Sie diesen Brief erst im Februar dieses
Jahres können erhalten haben. Meine Lage hat sich seitdem sehr geändert,
und ich ergreife die erste Gelegenheit, da ich nach Sachsen schreibe, um
Sie davon zu benachrichtigen. Ich habe nemlich meinen Ekel gegen das
Hofmeister Leben noch einmal überwunden, und lebe seit October vorigen
Jahrs =in Krockow, bei Neustadt, in West Preußen= hart an der Ost See,
6. Meilen westwärts Danzig als Führer des Sohns des Königl. Preußischen
Obrist Grafen von Krockow. Diesmal hat mich meine Entschließung nicht
gereut, und wird mich warscheinlich nie reuen. Ich bin in einem Hause,
das in seiner Art einzig ist, weil es in unsrer Gräfinn durch eine
wohlthätige Göttin beseelt wird, geehrt, und geliebt; habe Aussichten,
wenn ich je daran denken sollte, mich fest zu sezen, so gut sie einer
haben kann; und beschäftige mich neben zu mit Schriftsteller Arbeiten.
Macht Ihnen also das Glük Ihres Sohns Freude, so erhalten Sie hierdurch
die Versicherung, daß ich jetzt so glüklich lebe als ..... [ist
abgerissen] .....

Ich hoffe, daß Sie alle sich wohl befinden, und sich meiner
freundschaftlich erinnern. Wollen Sie mich davon benachrichtigen, so
geben Sie Ihre Briefe unter der Addreße =Krockow, bei Neustadt in
West-Preußen= etwa in Frankfurt an der Oder auf die Post -- aber
postmäßig gepakt, und gut gesiegelt und überschrieben. -- Ich werde
nicht unterlaßen Ihnen von Zeit zu Zeit mit so wenig Kosten als möglich,
Nachricht von mir zu geben.

Mein ganzes Geschwister, besonders Gotthelfen, versichre ich meines
brüderlichen freundschaftlichen Andenkens. Dies einzige thut mir leid,
daß ich keine Aussicht habe, eines von Ihnen so bald wieder zu sehen.
Ich werde meine vielen Wanderschaften warscheinlich in West-Preußen auf
eine geraume Zeit beschließen. -- Auch den Herrn Pastor Wagner bitte ich
freundschaftlich von mir zu grüßen. Es ist jezt meine angelegenste
Sorge, und vielleicht begünstigt sie das Schicksal, meine wirthschaftlichen
Umstände auf so eine Fuß zu setzen, daß ich vorerst meine Schulden
([Zusatz am Rande:] die sich in manchen Ländern der Erde höher belaufen,
als man glauben sollte) bezahlen, und dann die heilige Pflicht meiner
geliebten Eltern Schiksal wenigstens in etwas zu versüßen, beobachten
kann.

Leben Sie recht wohl, und versichern Sie sich der kindlichen Liebe
Dankbarkeit und Ergebenheit .... [abgerissen]

  Der folgende Brief mit der Aufschrift: »Meinen theuersten Eltern«,
  also ebenfalls durch Einschluß befördert, ist geschrieben aus dem
  Hause seines spätern Schwiegervaters, der Klopstock's Schwester zur
  Frau hatte, des Waagmeisters Rahn in Zürich, dessen Tochter Johanna
  Maria er schon vier Jahre früher, als er in Zürich als Erzieher lebte,
  kennen gelernt und lieb gewonnen hatte (I, 38 ff. 148; vgl. Fichte's
  eigene Aeußerungen über sie II, 154. 220. 256. 432. 503 ff., und ihre
  Briefe an Charlotte von Schiller II, 402 ff.). Er hoffte schon im
  April 1791 sie wiederzusehen und sich ehelich mit ihr zu verbinden;
  aber Verluste, die Rahn an seinem Vermögen erlitt, zerstörten diesen
  Plan. Der Biograph scheint mit den Worten: »Jetzt nach manchen
  vereitelten Planen eilte er mit Sehnsucht dahin« (I, 116) die
  Vermuthung aussprechen zu wollen, Fichte habe die Reise nach der
  Schweiz wirklich gemacht oder begonnen; mir ist dies aber ganz
  unwahrscheinlich, da Fichte nach obigem Briefe am 5. März noch in
  Leipzig war und am 28. April bereits von da nach Osten und Norden
  abreiste (I, 118).



7.


        Theuerste Eltern,

Ich bin nach einer langen Reise glüklich und gesund in Zürich
angekommen, und habe meine Geliebte, ihren Vater, ihre Familie voll
Liebe, Freundschaft und Achtung für mich getroffen. Ein Umstand hat
unsre wirkliche Verbindung aufgehalten, und hält sie leider! noch auf.
Der Herr Pastor Wagner wird Ihnen den erklären, und Sie vielleicht um
eine schriftliche Einwilligung in unsre Ehe bitten, die Sie mir mündlich
schon gegeben haben.

Meine Geliebte grüßt Sie mit dem kindlichsten Herzen, und wünscht nichts
inniger, als daß auch sie einst dazu beitragen könne, Ihnen den Abend
des Lebens zu versüßen -- Ich überzeuge mich immer mehr, welch' eine
vortrefliche Person sie ist, und erfahre zugleich in welch' eine
ausgebreitete und große Verbindung mit allem was in Teutschland
angesehen, und gros ist, ich durch diese Heyrath komme -- ich, der ich
schon auf meinen Reisen nicht unwichtige Freundschaften geschlossen
habe.

Ich und meine Geliebte grüßen herzlich alle meine Geschwister, die ich
bitte sich unsrer freundschaftlich zu erinnern.

Nächstens schreibe ich Ihnen mehr. Jezt geht die Post ab.

    Zürich, im Waaghause
      d. 26. Jun. 1793.

                                         Ihr
                                           gehorsamer Sohn
                                             J. Gottlieb Fichte.

  Was Fichte's Verehelichung aufhielt, waren die Schwierigkeiten der
  damaligen Züricher Gesetze bei der Verheirathung und Niederlassung
  eines Ausländers (I, 155. II, 154), weswegen Fichte auch unter dem 16.
  Juli an den Oberhofprediger Reinhard in Dresden schrieb mit der Bitte
  um Ausfertigung eines Erlaubnißscheines vom sächsischen Kirchenrathe
  zu seiner Trauung (II, 418).

  Nicht lange aber dauerte es, bis Fichte den Ruf als Professor nach
  Jena erhielt, wo er Sonntag, den 18. Mai 1794 ankam und schon am 23.
  seine öffentlichen Vorlesungen, sowie Montag, den 26. Morgens von 6-7
  Uhr seine Privatvorlesungen eröffnete. So sehr ihn nun auch dieses
  neue Amt in Anspruch nahm, so fand er dennoch Zeit, an seinen schon
  oben erwähnten Bruder Gotthelf zu denken und mit einer Art von
  väterlicher Fürsorge ihm die Wege zu höherer geistiger Ausbildung zu
  zeigen. An diesen ist denn nun eine ganze Reihe von Briefen gerichtet,
  welche im höchsten Grade anziehend wie belehrend sind durch die
  psychologische Einsicht und die pädagogische Weisheit, womit der
  ältere Bruder den jüngeren nach der Eigenthümlichkeit seines Wesens,
  seiner Anlagen und seiner Fehler beurtheilt und auf die Mittel zur
  Verbesserung seiner schlechten Angewöhnungen und seiner Mängel
  aufmerksam macht. Die Klarheit und Richtigkeit dieser Beobachtungen
  und Bemerkungen ist so einleuchtend, daß darüber nichts weiter zu
  sagen ist. Hervorzuheben aber ist namentlich noch erstens die von
  trügerischen Einbildungen und unbesonnenen Hoffnungen reine
  Nüchternheit, womit Fichte seinem Bruder gleich von vorn herein
  ankündigt, daß der ganze Bildungs- und Studienplan unter den
  obwaltenden Verhältnissen, bei dem vorgerückten Alter (genau findet
  sich dasselbe nicht angegeben) u. s. w. nicht mehr als eben nur ein
  Versuch sein könne. Hervorzuheben ist ferner auch die unerbittliche
  Entschiedenheit, womit er ihm immer und immer wieder das nothwendig
  Abzulegende wie das unumgänglich zu Erstrebende vorhält, -- eine
  Entschiedenheit, die freilich auch heutzutage in manchen Kreisen
  der Erziehung um so weniger gern gesehen wird, mit je größerer
  Ueberzeugungstreue und Festigkeit sie auftritt, -- eine Entschiedenheit,
  deren Berechtigung auch damals dem Bruder, gegen den sie geltend
  gemacht wurde, nicht immer so ganz einleuchten mochte, so wie sie ja
  selbst der Gattin Fichte's, deren höchst liebenswürdige Briefe ich mit
  beifüge, zuweilen zu hart erschien (vgl. besonders den Brief Nr. 14).
  So anziehend aber diese echt weibliche Milde ist, so achtungswerth ist
  des Mannes Strenge, der als Erzieher auch gegen den Bruder von den
  ernsten Anforderungen nichts nachließ, wo er nichts nachlassen durfte.



8.


Meinem Bruder Gotthelf.

                                         Jena, d. 24. Jun. 1794.

        Mein lieber Bruder,

Du hast in den Punkten, die ich Dir bei deiner Prüfung vorgelegt,
manches nicht aus dem richtigen Gesichtspunkte angesehen. -- Dahin
gehören die =gelehrten Sprachen=. In Erlernung derselben hat ein schon
gebildeter Kopf allerdings Vortheile, die das Kind nicht hat; er faßt
besser die allgemeinen Begriffe, die dazu nöthig sind; aber er hat auch
=Nachtheile=. Das mechanische Lernen bloßer Schalle, wie die Wörter
sind, ist ihm etwas troknes. Einen Nachtheil hat er, an dessen
Ueberwindbarkeit ich ganz zweifle: die =Verhärtung der Sprachorgane= zur
Hervorbringung der richtigen Töne, besonders in der Französischen
Sprache; wobei Du noch einen Nachtheil mehr hast, als andere, da Dein
mütterlicher Dialekt das verdorbene Sächsisch, und noch dazu das
höchstverdorbene Ober Lausitzer Sächsische ist. Ich selbst, der ich doch
von meiner ersten Kindheit an aus der Gegend gekommen, habe Mühe gehabt,
selbst meine teutsche Mundart so zu reinigen, daß man mir mein
Geburtsland nicht mehr anhöre; Du wirst das nie können. Französisch gut
sprechen habe ich nie lernen können; eben um dieser Muttersprache
Willen; und Du wirst nie auch soweit kommen, um einem Franzosen Dich
verständlich zu machen, aus Gründen, die ich Dir mündlich entwikeln
will: (nicht bloß der Gaum, und die Zunge, auch das =Ohr= wird
verhärtet; man hört den rechten Ton gar nicht.) -- Ferner ist ein
Hauptpunkt das feinere Betragen der großen Welt, das einem Gelehrten,
der zur höhern Klasse gehören, und nicht unter den gemeinen gelehrten
Handwerkern verbleiben will, schon jezt nöthig ist, und immer nöthiger
wird. Denn der Gelehrten Stand fängt an sich auf eine immer höhere
Stuffe empor zu arbeiten; und ehe Du auftrittst, wird die Sache wieder
weit höher getrieben seyn. Wem es in diesem Punkte fehlt, den macht man
lächerlich, eben darum, weil man die Uebermacht des Gelehrten unwillig
mit ansieht; und nun ist er um alle seine Brauchbarkeit. Du kannst Dir
das gar nicht so ganz denken, weil es gänzlich außer Deiner Sphäre
liegt. -- Ein solches feines Betragen nun lernt in spätern Jahren sich
nie; denn die Eindrüke der ersten Erziehung sind unaustilgbar. (Mir
sieht man die meinige jezt vielleicht nicht mehr an; aber das macht mein
sehr frühes Leben im Miltizschen Hause, mein Leben in Schulpforta, unter
meist besser erzognen Kindern, mein frühes Tanzenlernen u. s. w. Und
dennoch hatte ich noch nach meinem Abgange von der Universität einige
bäurische Manieren; die bloß das sehr viele Reisen, das viele
Hofmeisterieren, in verschiedenen Ländern, und Häusern, und besonders
die größte Aufmerksamkeit auf mich selbst vertilgt haben. Und weiß ich
denn, ob sie ganz vertilgt sind? --) Das also ist der Hauptpunkt, über
den wir nie kommen werden; und das -- gesteh ich -- thut mir weh, weil
ich die Wichtigkeit davon einsehe, die Du nicht siehst.

Dennoch glaub ich muß die Probe gemacht werden. Gesezt, es geht nicht,
so kann es nicht schaden, daß Du wenigstens mit einigen Seiten der
höhern Stände bekannt werdest, und eine solche Bekanntschaft kann Dir
in mancher Art nüzlich werden. Hierbei also kommt es auf die Frage an:
=ob Du Dir Seelenstärke genug zutraust=, um, wie es seyn muß, ohne
Beklemmung in Deinen jetzigen Stand wieder zurük zu treten? Ich stelle
mir, =bei gehöriger Seelen Größe=, einen solchen Zustand, als sehr
angenehm vor. Man kennt dann die Unannehmlichkeiten der höhern Stände
aus Erfahrung, und ist in dem seinigen desto zufriedener.

Komm also zu mir; denn ob ich gleich dadurch, daß ich Dich spreche, kaum
in irgend etwas näher von Deinem Zustande werde belehrt werden, als ich
es schon jezt bin, so freue ich mich doch theils darauf, Dich zu sehen;
theils erwarte ich von Dir einige Winke, =wohin= ich Dich zuerst thun
müße. Das allererste muß seyn, Deinen Körper, und Deine Sitten zu bilden
([Zusatz am Rande:] ehe dieses geschehen ist, kann ich Dich auch nicht
einmal bei mir haben, weil dadurch auf einer Universität, bei Studenten,
auf mich selbst ein übles Licht fallen würde): und nebenbei zu versuchen,
ob das Gedächtniß, und die Zunge die Sprachen faßt. Dies kann ein paar
Jahre dauren. Und Du brauchst vor der Hand weniger einen Lehrer, als
eine =Erzieherin=. Um einem jungen Menschen Sitten beizubringen, ist das
weibliche Geschlecht schlechthin unentbehrlich. Ferner muß das in einer
=Stadt=, und zwar in einer schon etwas großen Stadt geschehen, und da
kenne ich denn weder =Stadt=, noch =Haus=, in die ich Dich thun könnte.
Hier in der Nähe wünschte ich es nicht: sonst wäre allenfals =Weimar=
der Ort. =Tanzen= lernen müstest Du vor allen Dingen. Wenn Du dann so
gebildet wärest, daß Du ohne Anstoß in Gesellschaft erscheinen könntest,
so nähme ich Dich in mein Haus: und =dann= wollten wir wohl sehen. --
Aber ob es dahin je kommen werde, das ist eben die Frage.

Was Du mir über den Aufwand schreibst, den mir dieses verursachen
könnte, das muß ich Dir beantworten. -- Du irrst, wenn Du glaubst, daß
er gering seyn werde; weil Du die Sache nur =einseitig=; nur von der
Seite des =Lernens= ansiehst; und auch über diesen Punkt nicht weißt,
=wie viel= zu lernen ist, wovon Du noch gar keinen Begriff hast. Aber es
ist überhaupt am Wenigsten vom Lernen; es ist von ganzer =sittlicher
Bildung= die Rede; und diese kostet um so mehr Zeit, und Geld, wenn man
schon so lange her =verbildet= ist. Du wirst aus dem, was ich oben über
diese erste Vorbereitung gesagt habe, ohngefähr einen Schluß machen
können. Aber das thut nichts zur Sache. Was ich mir vornehme, das
=muß= seyn; und dazu =muß= das Geld =mir= werden; das wißt ihr ja aus
vielfältiger Erfahrung. Ueberhaupt erheitern sich meine Aussichten über
diesen Punkt: ich werde eine gute Einnahme, aber freilich auch eine
starke =Ausgabe= haben; denn das geht hier zu Jena stets mit einander,
und ist nicht zu trennen. -- Aber arbeiten muß ich schon jezt, und werde
ich müßen, wie noch nicht leicht ein Mensch gearbeitet hat.

Vom =wiedergeben= an mich, wovon Du auch redest, kann nie die Frage
seyn: und ich will Dir im Fall der Möglichkeit sogleich jetzo feierlich
eine Anweisung geben. Ich würde auf jeden Fall für unsere Eltern etwas
gethan, gesorgt haben, ihnen ein bequemeres, freudenvolleres Alter zu
verschaffen -- besonders unserm guten Vater, der in seinem mühevollen
Leben ein frohes Alter gar wohl verdient hätte. An diesen gieb zurük,
wenn Dir Dein Plan gelingt; ich will unsern Eltern in Dir noch einen
Sohn geben, der für sie thue, was =ich= vor der Hand nicht thun kann.

Ich erwarte Dich. Tritt nicht im Gasthofe ab, sondern komm gerade zu
mir: auf der =Bachgaße=, in der Spachmeisterin [so steht, ziemlich
deutlich, geschrieben; es soll wohl Sprachmeisterin heißen] Dyrr Hause
wohne ich. Ich weiß nicht, ob ich Dich die Nacht werde logiren können,
da ich jezt mir ein eigenes Hauswesen einrichte, ein paar Profeßoren den
Tisch bei mir haben, und ich vor jetzt nur zwei Stuben inne habe. Aber
wir werden ja sehen! -- Ich bin von 7. Uhr früh Morgens Vormittags immer
zu Hause, und ich werde sorgen, daß ich gegen den 7. Jul. nicht .....
[dringende?] Arbeit habe. Ich habe diese zwar immer; aber ich muß voraus
arbeiten wenn =ich= kann. -- Ferner wünschte ich nicht, daß Du weder auf
dem Wege hierher, noch in der Stadt, noch in meinem Hause verbreitest,
in welcher Beziehung Du mit mir stehst. Ich habe dazu meine Ursachen.
Wenn Du bei mir bist, so wird sich dann alles finden. Wenn Du aber als
mein Bruder erscheinst, so verlangen die Häuser, mit denen ich näher
bekannt bin, und es sind deren viele, daß ich Dich mit ihnen bekannt
mache: und das könnte weder Dir, noch ihnen, noch mir angenehm seyn. --

  Der Brief hat keine Unterschrift, vielleicht ist noch ein Blatt
  angefügt gewesen.

  In Bezug auf Fichte's Hauswesen, welches in dem Briefe berührt wird,
  mag daran erinnert werden, daß seine Gattin nebst seinem Schwiegervater
  erst im Laufe des Sommers (nicht vor Ende Juli) ihm nach Jena
  nachfolgte, und daß er unterdeß sich eine Köchin hielt, mit der er
  ziemlich zufrieden war (I, 217). Daher kommt es auch, daß, wie die
  späteren Briefe zeigen, Fichte's Frau seinen Bruder noch nicht kannte,
  obschon dieser jedenfalls im Juli bei ihm in Jena gewesen ist.

  Die Schlußbemerkungen, wie auch die Randnotiz in der Mitte des
  Schreibens, zeigen, wie überaus sorgfältig, fast ängstlich, Fichte
  auf seinen gesellschaftlichen Ruf bedacht war. Bei ihm, der nicht
  blos Vorlesungen halten, sondern auf das ganze Wesen und Leben der
  Studirenden einwirken und sie aus der damals herrschenden studentischen
  Rohheit und Zügellosigkeit auch sittlich heben wollte, bei ihm
  versteht sich von selbst, daß er nicht in leerer Eitelkeit sich seines
  ungebildeten Bruders schämte, sondern höhere Rücksichten nahm.



9.


        =Meinem Bruder Gotthelf.=

                                         Jena, d. 4. August. 94.

Ich hätte Dir, und Deinetwegen nach Meisen schon lange geschrieben, wenn
ich Zeit gehabt hätte. Aber Du kannst mir's glauben, daß ich oft auch zu
einem Briefe die nöthige Zeit nicht habe.

Mit Anfange des Septembers dieses Jahres bist Du Kostgänger bei dem
ConRektor auf der Stadtschule zu Meisen, Herr _M._ Thieme, der in allen
Stüken für Dich sorgen wird. Du hast bei ihm alle Bedürfniße des Lebens,
und Unterricht in der Lateinischen, und Französischen Sprache, und in
der Geschichte. -- _M._ Kenzelmann wird immer Dein Freund seyn, und Dir
rathen. -- Richte Dich also ein, daß Du mit Anfange des Septembers in
Meisen bist. Was an den ConRektor zu bezahlen ist, ist schon bezahlt. --
Für Kleider, -- wobei Dir ohne Zweifel _M._ Kenzelmann mit seinem Rathe
an die Hand gehen wird; meinen Wunsch weißt Du; ja nicht =kostbar=, und
=theuer=, aber =modisch= -- und Büchern, wozu Dir nemlich der Herr C. R.
Thieme rathen wird, versorge Dich selbst aus dem Dir abgetretnen Gelde
([Zusatz am Rand:] auch bezahlst Du davon den Tanzmeister, den Dir Hrr.
Thieme zuweisen wird.). Ich denke, das soll langen. Wegen der Herrschaft,
denke ich, halten wir es so. -- Du bist verreis't, -- wer weiß es denn,
wo Du hin verreist bist; Du bist ja bisher immer auf dem Handel gewesen;
die andern Brüder sind auch auswärts, -- wer weiß denn, wo Du bist? Nur
hättest Du dann immer =schweigen= müßen. Habt ihr nicht =schweigen
können=, so ist die Sache freilich übel; und in diesem Falle bitte ich
Dich, mir sogleich zu schreiben, damit ich meine Maasregeln zu nehmen
wiße.

Gelingt dann Dein Vornehmen, so werde ich die Sache schon selbst
abzumachen wißen ([Zusatz am Rande:] bis dahin giebst Du Dein
=Schuzgeld=, wie vorher). =Gelingt es nicht=, so kannst Du ohne
Nachtheil, und Nachrede in Deinen vorigen Stand zurüktreten. Gelingt
es nicht, sagte ich -- denn ich muß frei mit Dir reden, mein liebster
Bruder. So ein Gedanke scheint Dir gar nicht einzufallen; ich muß
demnach selbst Dich darauf aufmerksam machen. Du hältst den Sieg
schon für errungen: aber er ist es noch gar nicht. Wir wollen es erst
versuchen; und ich habe nie Dir mehr versprochen, und kann Dir, wenn ich
vernünftig bin, nicht mehr versprechen, als =daß ich den Versuch machen=
will

1.) Wenn Du nicht wenigstens =hinlängliche Feinheit= der Sitten Dir
erwirbst, so kann, und will, und werde ich nichts für Dich thun; aus
Gründen, die ich Dir mündlich, und schriftlich mitgetheilt habe. Ob Du
das wirst, wißen wir beide noch nicht, weder ich, noch Du; Du kannst
höchstens .... [behaupten?], daß Du es =willst=, Du weißt aber noch
nicht, ob Du es =können= wirst; und ich eben so wenig.

2.) Steht Dir noch ein HauptUmstand, sowohl zur Verfeinerung Deiner
Sitten, als zur Erwerbung gründlicher Kenntniße im Wege, über den ich
endlich, nachdem ich mündlich Dir schon Winke genug gegeben, und ich an
Deinem Briefe doch noch nicht die geringste Aenderung spüre, freimüthig
mit Dir reden muß. -- Du traust Dir viel zu viel zu; hast eine viel zu
hohe Meinung von Dir: =und Du wirst daher diejenigen Männer=, denen ich
Dich jezt übergeben muß, =nicht achten=; -- =deswegen ihnen nicht
folgen=, weil Du Dich für klüger hältst; und =so wirst Du natürlich
weder Deine Sitten bilden, noch etwas lernen=. Ich weiß sehr wohl,
lieber Bruder, daß Du gegenwärtig auf keinen Menschen etwas giebst, als
auf mich; giebst Du nun nur wirklich etwas auf mich, und glaubst Du, daß
ich es redlich mit Dir meine, so lies aufmerksam, was ich Dir sagen
will, und -- richte Dich darnach.

Du hast Kopf, d. h. =Fähigkeit= etwas zu lernen, aber darum =weißt Du
noch nichts=: und, -- glaube es mir, -- der Schüler der untersten Klaße
weiß weit mehr als Du. Daß es so ist, ist Dir keine Schande; aber, wenn
Du das vergißest, so ist es Dir eine Schande. -- Du hast die, mit
welchen Du bisher gelebt hast, übersehen, weil sie auch nicht studiert.
-- Einige Studierte, z. B. den Herrn Pfarrer, seinen Bruder, u. s. f.
glaubst Du auch übersehen zu haben; aber da kann ich Dir aus dem Traume
helfen. 1.) Du glaubtest z. B. nicht, was die Kirche, und der Pfarrer
mit ihr glaubt; und darum hieltest Du Dich für aufgeklärter, als sie;
theils weil ich z. B. es auch nicht glaube. Aber das ist sehr zweierlei;
Du hast keine Einsicht =in die Gründe=, die ich habe, es nicht zu glauben;
noch Einsicht =in die Gründe=, die der =Pfarrer hat, es zu glauben=.
2.) Du verstehst keinen Gelehrten, noch kannst Du ihn verstehen, weil es
Dir an den nöthigen Vorerkenntnißen fehlt. Was Du also nicht verstehst,
hältst Du, wenn es nicht Jemand sagt, der bei Dir in Autorität steht,
für dummes Zeug: das mag es denn auch wohl seyn: aber Du wenigstens
kannst es nicht dafür erklären, denn Du verstehst es nicht. -- Um Dir
ein recht auffallendes Beispiel darüber anzuführen. Kenzelmann hat etwas
über den Ausdruck =Denkfreiheit= auf dem Titel einer gewißen Schrift
gesagt: ich weiß nicht, was es ist, denn =begreiflicher Weise= (hier
siehst Du wieder Deine Unwißenheit -- Du hältst es für möglich, daß er
mir darüber geschrieben haben könne, weil Du mit den Sitten der feinern
Welt unbekannt bist; aber nach ihnen ist es =unmöglich=, daß er mir
darüber geschrieben haben könne, =weil ich mich nicht als Verfaßer
genannt habe=.) hat er mir nicht darüber geschrieben; aber ich errathe
es sogleich, weil ein Studierter den andern auf einen Wink versteht. Da
glaubst Du nun, ihm aus dem Traume helfen zu können; und verstehst
nicht, was er tadelt. Es betrift den Ausdruck =Denkfreiheit=. Das
=Denken= ist doch wohl etwas innerliches, unsichtbares. Wie kann mir
denn jemand die Freiheit nehmen, in =meinem Herzen= zu denken, was ich
will? und wer hat denn jemals =diese= Freiheit unterdrücken =wollen=,
oder =können=? Das ohngefähr hat K. sagen wollen. Es sollte demnach
heißen, =Freiheit seine Gedanken mündlich oder schriftlich oder durch
den Druck mitzutheilen=. -- Nun hat er zwar nicht ganz Recht: denn in
der Schrift selbst ist der Ausdruck Denkfreiheit so erklärt worden; und
es ist nicht nöthig viel Worte zu machen, wo man mit einem einzigen
auslangt. -- Aber was Du sagst, paßt gar nicht auf seine Frage, und Du
hast ihn daher gar nicht verstanden.

So lange Du nun nicht bescheiden wirst, und erkennst, daß Du schlechthin
nichts weißt, aber etwas lernen sollst: und daß jeder Gelehrte Dich
lehren könne, so ist Dir nicht zu helfen. Beurtheilen, ob etwas nöthig
sey zu lernen oder nicht kannst Du gleichfalls nicht; denn Du weißt
nicht, wozu das unscheinbare, und geringfügige in der Zukunft dienen
könne, da Du die Wißenschaft nicht übersiehst. -- Denke, daß Du, als Du
die Buchstaben kennen lerntest, hättest sagen wollen: wozu das, zu
lernen was A. und B. ist, u. s. f. so könntest Du heute noch nicht
lesen. -- Dergleichen Dinge werden Dir gar viele vorkommen, die zuletzt
doch so nöthig sind, als das A. B. C. ob sie gleich unscheinbar
aussehen.

Ferner habe ich bemerkt, daß Du die Wißenschaft für viel zu leicht
hältst, und daß Du glaubst, daß das alles auf den ersten Anlauf gelernt
sey. Das ist nun der Fall gar nicht; und wenn Du Dich nicht mit Geduld
ausrüstest, so kann nichts werden.

Also =lege ab die große Meinung von Dir, und folge Deinen Führern auf
der Bahn der Wißenschaften= ~blindlings~. Zu seiner Zeit wollen wir
zusammen =selbst prüfen=, jezt bist Du dazu noch gar nicht reif.

Ich habe diejenigen, welche die Aufsicht über Dich führen, gebeten, mir
=freimüthig= zu melden, wie es mit Dir geht. Ich habe ihnen ferner Winke
über diesen Deinen Fehler gegeben. Ich werde also sehr bestimmt
erfahren, wie Du Dich hältst. Von Dir selbst erwarte ich, daß Du mir
alle 8. Tage =unfrankirt= schreibst, sobald Du in Meisen seyn wirst, und
mir meldest, =was= Du studirst, wie es Dir von Statten geht, Deine
Gesinnungen, Gedanken, Zweifel dabei u. s. f. Dabei sey -- darum
beschwöre ich Dich um Deines eigenen Besten Willen, -- offen und
freimüthig gegen mich. Wenn Du dann auch etwas ungeschicktes schreibst
und ich es Dir widerlege, -- was ist denn das weiter? Das bleibt unter
uns. Es ist beßer, daß ich Dir es verweise, denn daß es bei Dir bleibe.
Ich will nie ein anderes Verhältniß zu Dir haben, als das eines ältern,
weisern Freundes.

Ich bestimme Dir, -- wenn alles gut geht -- ein Jahr in Meisen. Könntest
Du in einem halben Jahre leisten, was zu leisten ist; so ersparst Du mir
freilich keine kleine Summe. -- Doch ist eigentlich hiervon nicht die
Rede. Werde nur, was Du werden sollst.

Das von der Probst-Stelle zu W. ist nicht klug ausgesonnen. Ich bin
zuförderst kein =Theolog=. Ich kann Profeßor der Philosophie mit Ehren
seyn: wäre es nicht thörigt von mir, wenn ich etwas nehmen wollte, dem
ich nur nothdürftig vorstehen könnte. -- Dann glaubt man denn, daß ich
mich in Wittenberg verbessern würde? Man hat doch drollige Begriffe,
scheint es, von einem Jenaischen Profeßor. -- So auch dem, was die Fr.
v. Kleist, der ich übrigens für ihr Andenken sehr verbunden bin, gesagt
hat. -- »Ich würde nicht lange in Jena seyn, sondern bald weiter gerufen
werden.« Ich möchte wohl wißen, wer mir etwas anbieten könnte, wodurch
ich mich verbeßerte. Wer in Jena arbeiten will, der kann es so hoch
bringen, als auf irgend einer teutschen Universität. Arbeitlosere
Stellen giebt es freilich; aber ich habe noch nicht Zeit, mich zur Ruhe
zu sezen. -- Doch wünschte ich wohl, daß ich gerufen würde; um es
ausschlagen zu können. =Das unter uns= wie sich versteht. -- Ueberhaupt
sey in Meisen vorsichtig in deinen Aeußerungen über mich. Du weißt
nichts; damit ist es zu Ende.

Grüße herzlich meine Eltern, und Geschwister.

                                               Der Deinige
                                                              F.

  Daß die »Probst-Stelle zu Wittenberg« für Fichte geeignet sein könnte,
  war wohl nur ein Gedanke der Seinigen; von einem wirklichen Anerbieten
  ist nichts bekannt. -- Zu dem Namen v. Kleist vgl. den 45. Brief.



10.


                                           Jena, d. 13. Fbr. 94.

        Mein lieber Bruder,

Dein Lehrer hatte mir schon vor einigen Wochen Deinethalben
geschrieben. Ich bin so überhäuft mit Arbeiten gewesen, daß ich ihm
nicht eher, als bis jetzt antworten konnte; ich hoffe aber, daß dadurch
für Dich kein Nachtheil entstanden seyn soll.

Die Methode, die der Herr Konrektor mit dem Decliniren, und Conjugiren
einschlägt ist die einzige für Dich zweckmäßige. Mag es immer
Kopfbrechens kosten. Decliniren, und Konjugiren ist das wenigste: die
Uebung der angestrengten Aufmerksamkeit, des geschwinden Besinnens
u. s. w. -- diese ist wichtig.

Dich an Arbeiten gewöhnen, ist gleichfalls eine Hauptsache. Fahre so
fort, wie Du mir schreibst, daß Du handelst. Ich wünschte auch zu wißen,
was Du in Geschichte, und Geographie gelernt hast.

Ich sehe, daß Du noch immer so sehr unorthographisch schreibst. Suche
Dich darüber zu belehren; und gib acht auf Dich, bei jeder Zeile die Du
schreibst; sonst wirst Du Zeitlebens nicht orthographisch schreiben
lernen; und das =paßirt gar nicht=. -- Ferner schreibst Du doch auch
gar zu schlecht. Ich wünschte, daß Du Deine Hand übtest. Berufe darin
Dich nicht etwa auf mich. Es ist etwas anderes eine flüchtige aber
=ausgeschriebene= Hand zu schreiben. Die Deinige ist nicht ausgearbeitet.
Ich sehe ein, daß Dir das etwas schwer werden wird, weil Deine Hände
durch Handarbeit steif geworden sind; aber Du mußt nur desto =mehr=
schreiben.

Des P. Wagners Vortrag habe ich selbst einmal genoßen. Er ist allerdings
sehr faßlich. Aber sey darum dennoch versichert, daß der jezige
Unterricht dennoch der zwekmäßigste für Dich ist, eben darum, weil er
Dir die Sache schwer macht. Es ist nicht um die Sache; es ist um die
Kraftübung. Leb recht wohl, und schreibe mir bald wieder.

                                                         Fichte.

  Aufschrift:

                              Herrn _Fichte_
                                                in
                                                      _Meissen_.



11.


                                      _Jena_ d. 25. _Nov._ 1794.

        Theurer Bruder!

Mein theurer Mann, welcher Sie herzlich grüßt, hat mir aufgetragen
Ihnen zu schreiben; dies Geschäft hab ich gern übernommen, nicht daß ich
gerne Briefe schreibe, (denn seitdem ich nicht mehr an meinem Fichte zu
schreiben habe, ist mir das Schreiben höchst unangenehm.) sondern weil
=Sie= der Bruder meines Lieben Mannes sind; und weil ich glaube daß Sie
auch ein Edler, rechtschaffener Mann sind; da habe ich sie nun schon
recht lieb, ohne Sie eigentlich zu kennen; auch freue ich mich auf die
Zeit, wo Sie zu uns kommen, und bey uns wohnen, recht innig; da ist mein
guter rechtschaffener Vatter, seine Kinder, und Sie unser Bruder; da
werden wir oft, so stille, geräuschlose Freuden, welche dem Herzen
wohlthun, in unserm Hause mit einander genießen; wie wir lezten Sonnabend
eine hatten; es war nämlich meines guten Vatters 75. Geburtstag. Der
Himmel war uns so günstig, daß wir spazieren fuhren, in der lieben Natur
herum schwärmten; und am Abend, unter herzlichen vertraulichen Gesprächen
bey einander saßen, wo uns denn innig wohl war; auch ist mein theurer
Fichte, so ganz zu diesen herzlichen Vertraulichkeiten gemacht; daß man
sich in Ihn verlieben muß; nun stellen Sie Sich vor, wie's mir armen
Geschöpfe dann geht? da ich Ihn schon sonst herzlich Liebe; meine Liebe
geht dann in Anbetung über.

Ich merke nun wohl, daß ich Ihnen beständig von meinem Lieben Mann
vorgeschwazt habe; Sie lieben ihn ja auch, drum kann Ihnen das nicht
unangenehm seyn; und ich wünsche Ihnen theurer Bruder, zu seiner Zeit,
auch eine weibliche Seele, die Sie so =einzig= liebt; und wenn Sie
wollen, so wollen wir Diese zu seiner Zeit, ja zu seiner Zeit, vergeßen
Sie dieses nicht, gemeinschaftlich suchen. Nun will, und muß ich Ihnen
Behüte Gott sagen; denn ich habe mehrere Briefe zu schreiben, Dieser muß
mich für die unangenehmen welche ich noch zu schreiben habe schadlos
halten; Leben Sie wohl! mein guter Vatter grüßt Sie herzlich; das
gleiche thut Ihre Schwester

                                               Johanna _Fichte_.

Wir haben Ihren 2. Brief auch erhalten. Mein Mann wird Ihnen nächstens
schreiben.

  Aufschrift:

                             _Herrn Fichte_:
                                                in
                                                      _Meissen_.
    bei Herrn ConRektor =Thieme=.
      frey

  (Nur »_Herrn Fichte_:« und »frey« von Johanna's Hand, das Andere von
  J. G. F.)

  Der folgende Brief, die Perle unter denen von Johanna's Hand ist mit
  der Offenheit, mit der hier ein weibliches Gemüth über sich selbst
  spricht, und mit dem leichten Anklang von Humor, so wie mit der
  überströmenden Fülle kindlich einfachen Sinnes und reinster Liebe,
  ein köstliches Cabinetsstück, ein wahres Meisterwerk.



12.


                                     _Jena d. 27. Decemb: 1794._

        Lieber theurer Bruder!

Ich habe eine Menge Briefe vor mir, die ich beantworten soll, und Ihrer
sey der erste, den ich beantworte, weil Sie mir die liebste Persohn
sind. Hören Sie Lieber, ich bin gar nicht Ihrer Meinung, daß ein schön
geschriebenner Brief, eine schöne Seele verathe; (nicht, daß nicht
beydes neben einander bestehen könne,) aber die Erfahrung hat mir schon
zur Genüge gelehrt, daß es oft nicht bei einander ist; und wenn ich
Ihnen allso, welches ich nicht weiß, einen schönen Brief geschrieben
habe, Sie daraus gar nicht so gütig schließen müßen, daß ich eine schöne
Seele habe; überhaupt sehe ich aus Ihr. Lieben Brief, daß Sie mich viel
beßer glauben als ich nicht bin; und das sezt mich in große Verlegenheit,
wenn Sie mit solch guter Meinung zu uns kommen, und dann durch die
Erfahrung belehrt sehen, daß ich das bey weitem nicht bin, was Sie
glaubten, daß ich sein würde, und auch sein könnte, so muß ich in Ihren
Augen gewaltig verliehren; und das würde mir dann weh thun; auch müßen
Sie nicht glauben eine schöne Schwester bekommen zu haben; denn ich weiß
wohl, die Lieben Männer sehn auch das gern, drum laßen Sie Sich nun
erzehlen wie ich aussehe: vors erste bin ich klein, und war im 16. Jahre
sehr fett, da ich seit der Zeit nun um ein merkliches gemagert bin, so
hat die einmahl zu stark ausgedehnte Haut, viele Runzeln bekommen, dazu
gab mir die Natur ein wiedrig langes Kinn; und was nun das ärgste von
allem ist, so hab ich wegen heftigen Zahnschmerzen, (welches fast alle
Leute in der Schweiz haben,) mir meine obern Zähne ausziehen laßen; nun
überlaße ich Ihrer eignen Einbildungskraft, mich so comisch
darzustellen, als ich wirklich bin.

Nachdem, was Sie mein Lieber, was mein Mann, mir von unsern Vatter
gesagt hat, fühl ich viele Achtung für Ihn, und ich bitte Sie, ihn
herzlich in meinem Namen zu grüßen; ich hätte schon an Ihn geschrieben,
hielte mich nicht der Gedanke, der guten Mutter davon ab, denn ich muß
Ihnen gestehen, daß, nachdem, was ich von ihr gehört, ich Sie wirklich
fürchte; Wir wollen Sie [soll natürlich heißen: sie] Lieber Bruder, als
gute Kinder ehren, und nicht vergeßen was sie während ihrem mühsamen
Leben, an ihren Kindern gethan hat; auch kennen wir ihre Erziehung
nicht, wißen nicht, wie das alles so kam; und vielleicht nach ihrer Lage
kommen mußte.

Ja Lieber, es wird einst auch ein gutes Geschöpf für Sie dasein, daß
Sie aufrichtig Lieben wird; und ich will es denn zu seiner Zeit mit
Ihnen suchen; ich biete mich darum zu Ihrer _Rath_geberin, über diesen
wichtigen Schritt, an, weil wir Weiber tiefer in die Seele unsers
Geschlechts hineinbliken, als oft die klügsten Männer nicht thun; und
denn, weil ich Sie gerne glüklich sehn möchte ..... [diese Punkte stehen
im Originale] Sie sind mein Lieber Bruder, und wollen, und werden gewis
ein brafer Mann werden, und darum lieb ich Sie sehr.

Sagen Sie mir nichts guter Lieber, von unsern gegenseitigen
Verhältnißen, von Wohlthaten, wie Sie es nennen wir wollen wie gute
Kinder sein, welche mit einander theilen, und durch dieses theilen,
ihrem eignen Herzen eine Wohlthat erzeigen.

Mein theurer Vatter, welcher, ich darf es sagen, an Güte des Herzens uns
alle übertrift, grüßt Sie von ganzer Seele, und freut sich recht darauf
Sie kennen zu lernen; Er wird Sie, wie seinen Sohn lieben. Er hat ein
Herz daß lieben kann, und dem nicht wohl ist, wenns nicht lieben kann.

Wenn Sie ein Freund der Natur sind so werden Sie auch an mir eine
Freundin der Natur finden, denn kann ich orndlich schwärmen, aber doch
nicht mehr in dem Grade, wie ichs konnte; dieses Gefühl hat sich ein
wenig bey mir verlohren, und es ärgert mich sehr.

Leben Sie wohl Lieber theurer Bruder! Schreiben Sie bald, und vergeßen
Sie nicht, wie Sie aufrichtig Liebt Ihre Schwester

                                                _Johanna Fichte_

  Aufschrift:

                            _Herrn Fichte_:
               abzugeben beym _Herrn_ Conrector _Thieme_
                                                   in _=Meisen=_

    =Frey=:

  Einerseits zur Bestätigung, anderseits zur Erklärung und Milderung
  des Urtheils über die Mutter vergleiche man, was oben zum 4. Briefe
  bemerkt wurde, so wie die folgenden Briefe Nr. 19. 21. 42. 45. 47.
  Nach reiflicher Ueberlegung habe ich geglaubt, auch diese Stellen
  nicht zurückhalten zu müssen, weder aus übertrieben vorsichtiger und
  zaghafter Pietät gegen Fichte, noch selbst gegen seine Mutter, die
  trotz der vielleicht scharfen und grellen Beleuchtung, welche auf sie
  fallen mag, doch nicht in einem schlechten Lichte erscheint. Für das
  Verständniß von Fichte's eigenem Wesen aber scheint mir die Kenntniß
  seiner Stellung in seiner Familie und der Beziehungen zu seinen
  Angehörigen nicht unwichtig, weil die rücksichtslose Entschiedenheit
  und die zuweilen bis an Schroffheit grenzende Strenge seines
  Charakters, das oft stolz sich Abschließende und kalt Zurückweisende
  seines Wesens gegen heterogene, anders geartete Persönlichkeiten, zum
  Theil wohl -- ich sage nicht ihre Entschuldigung, deren scheint mir es
  nicht zu bedürfen, wohl aber ihren Erklärungsgrund mit in dem
  Gegensatze haben kann, in dem er schon frühzeitig zu einem Theile
  seiner Umgebung sich befand. Nicht minder als die positiven müssen
  auch die negativen Einflüsse bei dem Entwicklungsgange eines
  Charakters in Anschlag gebracht werden.

  Dürfen wir aus den spärlichen Andeutungen ein bescheidenes Urtheil
  wagen, so war Fichte's Mutter wohl, zum Unterschiede -- vielleicht
  auch zu einer nothwendigen Ergänzung -- von ihrem weichherzigen und
  wohl bis an's Unpraktische gutmüthigen Gatten, eine wesentlich
  energische, positive, thatkräftig auftretende Frau von etwas zusammen
  geraffter, gedrungener, kantiger Natur, die ihre gut gemeinten,
  verständigen Ansichten in eigensinniger, rechthaberischer Weise
  geltend machte, vielleicht um so heftiger und, daß ich so sage,
  verbissener, je weniger sie alle Mal sogleich einen Erfolg davon sah:
  so daß sie schließlich eine von jenen Frauen wurde, als deren
  hervorstechendste Seite die Zanksucht sich zeigt, während sie doch im
  innersten Grunde ihres Wesens wohlmeinend und herzensgut sind. Etwas
  davon, obwohl in vollkommen gereinigter und idealisirter Weise, war
  auch in ihrem großen Sohne, der auch leiblich ihr Abbild war. Herr
  Professor I. H. Fichte schreibt mir, daß ihm seine Großmutter noch aus
  seiner »eignen Kinderzeit als stattliche, untersetzte Frau von mäßiger
  Größe, bei auffallender Aehnlichkeit mit den Gesichtszügen ihres
  Sohnes, Johann Gottl. Fichte, gar wohl in der Erinnerung« lebe. Daß
  gerade zwei solche harte, feste Charaktere, innerlich und ursprünglich
  verwandt, doch leicht dazu kommen konnten, sich gegenseitig abzustoßen,
  liegt auf der Hand und ist psychologisch vollständig erklärbar,
  namentlich wenn, wie hier, der Vater, passiv sich verhaltend, den Sohn
  nachsichtig gewähren ließ, wo die praktische, resolute Mutter meinte,
  den Sohn nach einer langen, mühsamen Vorbereitung zur Erfassung
  einer geordneten, den nöthigen Lebensunterhalt sicher eintragenden
  Berufsthätigkeit drängen zu müssen. Ihr Verhältniß zu den übrigen
  Kindern ist aus den vorliegenden Quellen natürlich nicht so deutlich
  erkennbar, und jedenfalls überhaupt minder klar durchgebildet gewesen.

  Wir haben hier ganze, volle, markige Menschen vor uns, die in einen,
  wir können wohl sagen echt tragischen, Conflict kommen, weil sie nicht
  blos jeder nach seiner Meinung, sondern auch jeder in seiner Weise
  Recht haben, so aber, daß nach allgemeineren, freieren Gesichtspunkten
  wiederum jedem auch ein gewisses, mehr oder minder großes Unrecht
  anhaftet, weil er seinen eigenen, individuellen Standpunkt zum
  absoluten, allein berechtigten machen und dem des Andern nicht auch
  eine theilweise Berechtigung zugestehen will. Tragisch ist dieser
  Conflict, weil er der Idee nach, welche die Harmonie und den Frieden
  fordert, nicht bestehen sollte, und weil er, wie die Dinge nun einmal
  liegen, doch eben unvermeidlich ist, und weil schließlich auf der
  einen oder der andern Seite eine Niederlage erfolgen muß, welche, in
  ihrer Gesammtwirkung das genaue Maß der Schuld überschreitend, das
  Mitleid und den Antheil des Herzens rege macht und einige wehmüthige
  Klänge selbst in den Siegesjubel auf der andern Seite mischt. Es
  braucht wohl kaum ausdrücklich hinzugefügt zu werden, daß jene
  Differenz im vorliegenden Falle nicht wirklich zu einer äußerlichen
  Katastrophe kam (war doch Fichte, dem geistig doch der Sieg bleiben
  mußte, wie er ihm auch von der Geschichte zugesprochen ist, für seine
  Mutter bis an das Ende ihres und seines Lebens in treuer Sorge
  thätig): es ist dieses nur eine innerliche Auseinandersetzung gewesen.

  Wem das Ganze als eine ungehörige Abschweifung in das ästhetische
  Gebiet erscheint, der möge Nachsicht üben. Ich glaubte nicht anders
  jenen beiden wackern Menschen gerecht werden zu können, wenn ich
  einmal wagte, von ihnen zu reden; und was mich dazu bestimmte, habe
  ich oben ausgesprochen. -- Indessen will ich auch nicht unterlassen
  hinzuzufügen, daß mir Herr Pastor Werner in Rammenau sagte, im Dorfe
  gelte Fichte's Mutter mehr für eine stille Frau, von der man nicht
  Viel wisse, wogegen sein Vater als »der alte Bandmacher« noch vielfach
  genannt werde. Dies ist allerdings keine Bestätigung der psychologischen
  Hypothese, wie ich sie auf Grund des vorliegenden Materials aufgestellt
  habe; es ist aber auch -- scheint mir -- keine unbedingte Widerlegung,
  sondern läßt sich, zumal wenn man den verwischenden Einfluß der Zeit
  in Anschlag bringt, sehr wohl damit vereinigen. --

  Es gereicht mir zu hoher Befriedigung, daß die hier dargelegte
  Ansicht nachträglich noch von competentester Seite her authentische
  Bestätigung findet. Herr Prof. Fichte in Tübingen schreibt mir am
  7. Juli d. J. über diese ihm mitgetheilte Stelle: .... »Damit komme
  ich auf meine Großmutter und auf dasjenige, was Sie mit gewiß sehr
  richtiger psychologischer Conjecturalkritik über dieselbe schreiben.
  Was ich selbst über sie und über ihr Verhältniß zu Mann und Kindern
  aus eigener Erinnerung und aus den Mittheilungen meiner seligen Mutter
  weiß, ist folgendes. Sie war noch im Alter (im Jahre 1805 und 1811
  besuchte mein Vater mit uns seine Eltern und so schwebt mir das Bild
  der Großmutter noch in lebhafter Erinnerung vor) eine gerade, stämmig
  untersetzte Frau, mittlerer Größe, mit Gesichtszügen, die ganz
  auffallend denen ihres Erstgebornen glichen. Sie galt in der Familie
  wegen ihres Verstandes und der Energie ihres Willens als die
  eigentliche Herrscherinn, und ohne Zweifel hat mein Vater =ihr= das
  Feste, Unerschütterliche seines Charakters als Erbstück zu danken.
  Deshalb wurde sie aber auch gefürchtet in der Familie, und meiner
  Mutter Aeußerung, sowie die meines Vaters erklären sich daraus
  vollständig. Sie war dabei eine Frau von strenger Religiosität, und
  mein Vater, der wenigstens in den spätern Jahren, wie ich es selbst
  erlebt habe, seine Mutter mit kindlicher Ehrfurcht als ein ihm
  ehrwürdiges Wesen behandelte, hat gegen meine Mutter ausdrücklich
  erwähnt, wie viel er den ersten religiösen Eindrücken verdanke, welche
  die Mutter ihm eingeflößt. Doch war das Verhältniß zwischen Mutter und
  Sohn in seinen Studienjahren allerdings, wie ich aus vielen einzelnen
  Andeutungen in übriggebliebenen Tagebuchresten und Briefconcepten
  schließen konnte, ein getrübtes. Der Grund lag aber gerade in ihrer
  Vorliebe für diesen ältesten Sohn, den sie sich nicht anders denken
  konnte, denn als Prediger, und in dessen ganz abweichender und
  excentrischer Laufbahn sie nur die bedenklichste Abweichung vom Pfade
  des Frommen und Guten erblicken konnte; kurz, sie verstanden einander
  nicht, es kam zu heftigen Scenen, weshalb er einige Jahre hindurch
  sogar den Besuch zu Hause gemieden zu haben scheint, und so
  erklärt sich mir z. B., daß er bei seiner allerdings abenteuerlich
  erscheinenden Wanderung nach Warschau (Bd. I. S. 119 Aufl. II.) in
  Bischofswerda blieb und brieflich seinen Vater und seine Brüder zu
  sich beschied. Späterhin hat sich dies Verhältniß, wie ich selbst
  gesehen habe, völlig wieder hergestellt..... Aber leider waren auch in
  der Familie innere Mißhelligkeiten, unter denen der Großvater sehr
  viel litt« .....

  Die beiden folgenden Briefe tragen kein Datum, scheinen aber im März
  1795 geschrieben zu sein, sie zeigen, wie Gotthelf's Reise nach Jena,
  worauf die gutmüthige und weichere Johanna schon im November 1794
  hindeutet und worauf sie ihn immer wieder vertröstet, nach Fichte's
  klarer und kälterer Einsicht seinen Zwecken gemäß noch weit
  hinausgeschoben werden mußte.



13.


                          Mein lieber Bruder,

Es ist mir nicht möglich gewesen, Dir eher auf Deinen letzten Brief zu
antworten. Ich habe Dir schon mehrmals gesagt, daß selbst ein kleines
Briefchen nicht allemal so gar leicht von mir geschrieben werden kann,
weil oft selbst die wenigen dazu erforderlichen Minuten mir fehlen.

Was du mir über Deine Lage schreibst, kann ich zum Theil wohl glauben.
Ich habe manches der Art vorhergesehen, weil ich unsere Schulleute gar
wohl kenne, und nicht erwarten konnte, daß Dein Lehrer von der =beinah'
allgemeinen Regel= eine Ausnahme machen würde. -- Erkenne aus diesem
Ausdruke, daß der Sache nicht wohl zu helfen war, wenn der Zwek erreicht
werden sollte.

Das Hauptübel, mein lieber Bruder, liegt in dem Misverhältnisse Deines
=Alters= zu Deiner =Lage=; ich habe das alles vorhergesehen, und
größtentheils es Dir vorhergesagt. Du mustest diesen Uebeln Dich
freiwillig unterwerfen. -- Dazu kommt Deine bis jetzt gewohnte Lebens
Art. Es ist kein geringes aus dem beständigen Leben in einer Familie,
aus fortdauernder Gesellschaft, sich in die Einsamkeit eines
Studierzimmers, und ohne Welt- und Menschenkenntniß, ein Jüngling an
Jahren, und ein Kind an Einsicht sich unter fremde Leute eines ganz
andern Standes wagen. -- Die unangenehmste Nachricht in Deinem Briefe
war mir dein Hang zur Hypochondrie. Ich weiß aber besser, daß es nicht
dies, sondern Sehnsucht nach Deiner vorigen Art zu seyn, Sehnsucht nach
Hause, u. s. f. ist. Darin wirst Du mir widersprechen; aber Du kannst
das nicht beurtheilen; es ist Sehnsucht, die nicht zum Bewußtseyn kommt.

Du irrst Dich gänzlich, wenn Du glaubst, daß Du schon jezt mit Nutzen
nach Jena kommen könntest; und das ist ein Beweiß, daß Dir noch bis jezt
über diejenigen Dinge, die ich Dir gleich anfangs sagte, und schrieb,
noch kein Licht aufgegangen ist; daß nemlich zu einem Gelehrten
=positive= Kenntniße gehören. Mein Umgang kann Dir hierin nicht viel
nützen. Denn =theils= habe ich des Tages gar sehr wenig Zeit übrig,
=theils= verstehst Du mich nur halb; =theils= kommen die Dinge, die Dir
jetzt zu lernen nöthig sind, in meinen Gesprächen nicht vor: ich habe
nicht Zeit Dich darin zu unterrichten, und bin auch selbst kein großer
Held darin. Endlich aber verhindert es besonders meine jezige Lage ganz
und gar Dich, ehe Deine Sitten mehr Feinheit haben, in mein Haus zu
nehmen. Ich habe meine sehr triftigen Gründe, zu wollen, daß nichts was
mir angehört, auf irgend eine Art dem Tadel des Publicums ausgesezt
sey. -- Du kannst für Deine Sitten höchstens Schüchternheit, und das
Complimentirbuch der kleinstädtischen Welt angenommen haben: das ist für
den Anfang nicht übel. Aber darauf muß eine anständige Freimüthigkeit,
und eine gewisse Leichtigkeit gesezt werden, und diese kannst Du in
Deiner gegenwärtigen Lage nicht annehmen, und ich weiß gar wohl warum.
-- Ferner weiß ich sehr sicher, daß Du die schöne Rammenauische Sprache
noch immer nicht abgelegt hast, und daß diese erst weg wäre, wünsche ich
gar sehr.

Dies sind meine Gedanken wegen Deines Anherkommens. Dies ist vor der
Hand unmöglich, und bleibt unmöglich, bis ich Dich selbst geprüft habe,
und Dich dazu fähig finde. Deinen Wunsch aber von Meissen wegzuseyn,
überhaupt misbillige ich nicht: wenn ich nur wüste, wo ich Dich hinthun
sollte. Es sind mir zwei Gedanken eingefallen; =entweder= als Externus
nach Schul-Pforte. Hierbei würdest Du den Vortheil haben, mit jungen
Leuten Deines gleichen bekannt zu werden, welches ein großer Vortheil
für das ganze Leben ist; aber leider -- würde Dir dabei Deine Unwissenheit
in demjenigen, wovon dort alles Ansehen abhängt, im Wege stehen, und es
würde eine sehr große Klugheit von Deiner Seite erfordern, Dich zu
behaupten, theils wäre auch dort für die Bildung feiner Sitten nicht
viel besser gesorgt, als in Meissen. Jedoch, Du wärst mir in der Nähe,
und ich könnte vielleicht durch meinen Einfluß und Namen bei den
umliegenden Familien etwas vermögen. ([Zusatz am Rande:] Dieser ganze
Plan stößt sich besonders daran, ob Du auch genug gelernt haben magst,
um in Pforte recipirt zu werden.) =Oder=, es ist mir eingefallen Dich
zum Pastor =Bischoff= zu thun, der seine schlechte Stelle mit einer sehr
guten, auch nicht allzu weit von hier, vertauscht hat. Ich werde in
einigen Wochen selbst zu ihm reisen, und die Lage selbst vollkommen
prüfen, ehe ich ihm einen Gedanken davon äußere. =In der Mitte künftigen
Monats sollst Du etwas bestimmtes von mir erfahren.=

Wie stehts mit dem Tanzen? Ferner, wie steht es mit Deiner Kleidung,
Deinen Büchern, Deiner Börse? -- Schreib mir das recht ausführlich,
damit ich meine Maasregeln darnach nehmen könne. Deinen Lehrer grüße von
mir, und sage ihm: ich bedauere, daß ich ihm Dein Viertel-Jahr-Geld
nicht habe schiken können. Es sey mir nicht möglich gewesen, und ich
müste ihn bitten zu warten, bis Monat May, wo ich es ihm richtig, und
mit Dank übersenden werde.

Bruder Christian hat von Finsterwalde aus an mich geschrieben und mir
seine Verheirathung gemeldet. Wenn Du ihm etwa schreibst, so versichre
ihn meines herzlichen Antheils. Ich werde ihm schreiben, sobald ich Zeit
haben werde. Eben so an Bruder Gottlob, und meine Eltern.

        Dein treuer Bruder
                                                         Fichte.



14.


Lieber theurer Bruder! Ich kann meines Mannes Brief nicht vortgehn
laßen ohne Ihnen auch ein paar Zeihlen zu schreiben, ohne Ihnen zu sagen
daß mein theurer Vatter Sie innig liebt, und herzlich grüßt, daß Er und
ich aufrichtig wünschen daß Sie bald bei uns sein mögen; faßen Sie Muth
Theurer, die Zeit daß Sie bei uns Leben, wird ja auch nicht mehr so
lange dauern, und denn werden Sie Sich das überstanden zu [hier steht,
durchstrichen, »haben«] freuen haben.

Daß wir Ihnen so wenig schreiben, ist gewis nicht mangel Liebe, sondern
mangel an Zeit, das ist im ganzen ein wirwarvolles Leben hier, daß wenig
wahren Genuß schaft, und viel Zeit raubt; Sie werd einmahl selber sehn;
ich wünsche nur daß Sie bald kommen, und kann nicht so ganz einsehn
warum mein Mann es so aufschiebt, die Lebensart ist hier nicht gar fein,
so daß gewis ein jeder sich bald hineinfindt; ich wünschte nur auch Sie
einmahl zu sehn Lieber Bruder! Warum können, und sollen Sie uns denn nie
besuchen? Sie und ich, wir wollten, unsern Fichte denn schon bekehren,
ich glaube immer Er nimt die Sache viel zu strenge. Leben Sie wohl!
Guter theurer Bruder, von ganzem Herzen

                                                   Ihre Fichtin.

  In dem nächsten Briefe klingt in bemerkenswerther Weise aus Johanna's
  durch und durch christlichem Gemüthe eine ergebungsvolle Stimmung
  heraus, das Gefühl, daß wir auf Erden schon Bürger des Himmels seien,
  in welchem erst unsere wahre und ewige Heimath sei. So schreibt auch
  später, gegen Ende des Jahres 1806, Fichte aus Königsberg an seine
  Gattin: »Ich habe meine Entschiedenheit für das Leben, die in meinem
  Innern nie zweideutig war, nun auch äußerlich realisirt. Du bist der
  Erde ohnedies abgestorben, wie das Weib mag, der Mann nie darf noch
  soll. Du wirst mit dem bescheidenen Platze, den ich mir behalten habe
  in der letztern, vergnügt sein« (I, 371). Als äußerliche Veranlassung
  zur Offenbarung dieser Denkart in diesem Briefe müssen wohl die bis
  zu gewaltsamen Angriffen gehenden Anfeindungen und Beleidigungen
  betrachtet werden, mit denen Fichte von den Ordensverbindungen
  der Studenten verfolgt wurde, die er als die Quellen vielfacher
  Unsittlichkeit erkannt und darum veranlassen wollte sich aufzulösen.



15.


                                       _Jena d. 8. Aprill 1795._

        Theurer Bruder!

Schon lange wollt ich Ihnen schreiben, schon lange einliegendes schiken;
und immer, und immer gabs Hindernisse: Sie sind eine gar zu gute Seele,
da Ihnen mein Geschreibsel angenehm sein kann; freuen thut's mich
freylich; da ich mich nun ganz treuherzig hinsezen kann, wenn ich Ihnen
schreibe; da ich denken darf, der gute Bruder versteht Dich schon, wie
du es meinst, daß ichs gut mit Ihnen meine, das weiß ich, das sagt mir
mein Herz, daß Sies aber auch gleich so einsehen, das macht Ihnen Ehre.

Mein Lieber Mann, wird in ein paar Tagen, zu _Pastor_ Bischoff reisen,
um wie er =hoft=, sich zu erholen, und um zu arbeiten; damit er künftig
Sommer nicht so stark arbeiten müsse; ich bleibe bey meinem Vatter,
welcher sich nicht ganz wohl befindt, und der Haushaltung, welche man
nicht gut allein laßen kann; auch muß verschiedenes im Hause ausgebeßert,
und verändert werden; so siehts nun bey uns aus Lieber Bruder; was man
im ganzen in _Jena_ für eine Art zu leben führt, werden Sie einst selber
sehn; es ist wie überhaubt in der Welt, häußliches Glück, können wir uns
nur selber schaffen, Stöhrungen von außen, muß man sich nicht laßen zu
Herzen gehn; dies ist auch hier höchst nothwendig; so geht ein Jahr,
nach dem andern hin, bis wir am Ziehle unsrer Laufbahn hienieden sind;
wohl uns, wenn wir viel Gutes, und nicht Böses thaten.

Ich freue mich, daß Sie so Muthvoll, Ihre Zeit, (ich hoffe, und wünsche
daß sie nicht mehr lange daure) ausharren; wir wollen uns nachher mit
Ihnen drüber freun.

Mein guter Vatter, und Mann grüßen Sie herzlich, Leben Sie wohl, und
errinnern Sie Sich dann und wann Ihrer Schwester

                                               _Johanna Fichte._

  Aufschrift:

                            _Herrn Fichte_:
                                                      in
                                                      _Meissen_.
    bei dem Herrn Con Rektor _Thieme_.

        =Inliegend ein Friedrichd'Or=

                     (Nur: »_Herrn Fichte_« von Johanna's Hand.)

  Die erwähnten Mißhelligkeiten bewogen Fichte, Jena auf einige Zeit zu
  verlassen und den Sommer in Osmannstädt zuzubringen (I, 260); darauf
  beziehen sich die folgenden Briefe, von denen der erste der Zeitangabe
  ermangelt.



16.


        Theurer Bruder!

Wir werden wahrscheinlich diesen Sommer auf dem Lande Leben, und Sie
werden denn zu uns kommen, worauf ich mich herzlich freue; ich werde
Ihnen so bald möglich das bestimmtere drüber schreiben. Leben Sie wohl!
In Eyl Ihre Schwester

                                           _Jo. Fichte nee Rahn_

  Aufschrift:

                   _Herrn =Fichte=_:
               Bey dem _H: Conrector Thieme_
                                                in
                                                      _Meissen_.

    Einliegend einen _Friedrichs'dor_:



17.


                                       Jena, d. 27. April. 1795.

Da ich durch eine Veranlaßung, worüber mündlich, diesen Sommer frei
bekomme, und ihn auf dem Lande zubringen werde, habe ich mich
entschlossen, Dich zu mir zu nehmen. Komm daher, sobald Du willst,
und kannst. Wenn Du über Leipzig, und Naumburg reisest, so brauchst Du
gar nicht nach Jena, sondern hast von Naumburg aus über =Auerstedt= zu
reisen, und da nach dem Dorfe =Oßmannstedt= zu fragen, welches zwischen
=Auerstedt= und =Weimar= an der Straße, wie man mir sagt, liegt. In
Oßmannstedt auf dem Schloße trifst Du mich. Ich habe daßelbe, welches
sehr schön ist, und in einer angenehmen Gegend liegt, für diesen Sommer
gemiethet. Da ich Dich bald zu sprechen hoffe, so halte ich nicht für
nöthig, Dir noch irgend etwas zu schreiben, wozu ich ohnedies jezt nicht
Zeit hätte.

Ich bin jezt selbst mit meiner Caße etwas dürftig eingerichtet. Ich
hoffe daher, daß die inliegenden 2. Dukaten hinlänglich seyn werden, um
Dir das nöthige zu Deinem Abgange von _Meisen_ zu verschaffen, und um
damit die Reise anher zu machen.

Lebe wohl. Es wird sich sehr freuen Dich zu sehen

                                      Dein
                                           Dich liebender Bruder
                                                    F.

  Aufschrift:

                              Herrn _Fichte_:
                                                 in
                                                       _Meissen_

    Hierin 2. Ducaten

  Auf einer leeren Seite des 17. Briefes befindet sich ein Herzenserguß
  Gotthelf's, der in merkwürdiger Art beweist, wie Fichte seinen Bruder
  von Anfang an nur allzu richtig beurtheilt hatte, als er in seine
  ausreichende Entwicklungsfähigkeit einigen Zweifel setzte -- ein
  Mißtrauen, dessen Richtigkeit sich bestätigt hatte, als der Professor
  den Schüler persönlich prüfte. (In welchem Monat Gotthelf nach
  Osmannstädt kam, ist nicht angegeben.)



18.


Das Glück ist sehr veränderlich. Als ich diesen Brief von meinem Bruder
erhielt, so schätze ich mich für außerordentlich glüklich und dachte,
von nun an sey mein Glük so fest gegründet, daß es gar nicht mehr wanken
könnte. Und siehe! -- nie wankte es mehr als eben da, denn dieses war
der Anfang, zu meiner jetzigen mißlichen Lage: wäre ich nicht so zeitig
aus Meißen weg gekommen, so hätte wohl etwas mit mir werden können. Ich
hätte alsdann doch die Lateinische Sprache so ziemlich gelernt gehabt,
hätte auch einen Anfang in der Französischen, und vielleicht auch in
der Griechischen gemacht gehabt, wäre zu einer weit gelegenern Zeit zu
meinem Bruder gekommen, als ich so zu ihm kam, er hätte vielleicht, wenn
er vom Anfang an eine bessere Meinung für mich gefaßt gehabt hätte, mich
nicht so kalt behandelt, und ich wäre also auch nicht genöthigt gewesen,
mich gegen ihn zurükzuhalten, und also hätte die Sache vielleicht ganz
anders gehen können, als sie leider jetzt geht. Indessen ist es nun
einmal nicht anders, und ich wenigstens kann die Sache nicht ändern, ich
habe auch die Teufeleien nicht vorher sehen können. Gute Nacht.

                                                         Fichte.

  Was Gotthelf hier noch zu seiner Entschuldigung anführt, hat um so
  weniger Grund, als er ja, wie aus den vorigen Briefen vielfach
  ersichtlich ist, selbst die Zeit nicht hatte erwarten können, wo er
  Meißen verlassen und nach Jena kommen durfte. Der trotz des bittern
  Ernstes fast komische Schluß aber bekundet doch den Humor und die
  ausreichende »Seelenstärke« (vgl. oben den 8. Brief), womit er die
  Enttäuschung zu ertragen und sich in einen andern Wirkungskreis zu
  finden vermochte. Dasselbe bezeugt der folgende Brief, der anderseits
  einen Beweis liefert, mit welchem Geschicke J. Gottlieb Fichte auch
  praktische Dinge zu behandeln wußte und mit welcher Energie er einige
  bei seinem Aufenthaltswechsel eingetretene Mißverhältnisse ordnete.



19.


                                      Jena, d. 14. November. 95.

Deine Gesinnung, mein lieber Bruder, die in Deinem Briefe sich zeigt,
freut mich, und ich wünsche Dir von Herzen Glük dazu. Auch ist es mir
sehr angenehm, daß diejenigen, die Dich umgeben, gleichfals in die Lage
sich geschikt haben.

An sich -- ich gestehe es Dir aufrichtig -- sehe ich auch dabei kein
Unglük, wenn Du Soldat würdest; es versteht sich auf einige Zeit. Wenn
Du Dich appliciertest, könntest Du eine Unter Offizier, eine Fourier
Stelle, u. s. w. erhalten: (nur wäre dabei zu wünschen, und nöthig, daß
Du eine beßere festere Hand schriebest.) Auch dieser Stand giebt eine
eigne Bildung, eine eigne Bearbeitung, eine Gefügigkeit in die Welt, die
Dir besonders, so wie ich Dich kenne, sehr nüzlich seyn würde. Da aber
allerdings dadurch Dein anderweitiger Plan aufgehalten würde, und was
die Hauptsache dabei ist, da Du eine Abneigung gegen diesen Stand hast,
so billige ich auch die Weise, wie Du Dich davon befreien willst.
Ich würde Deinen Brief noch eher beantwortet haben, wenn nicht die
Ueberlegung, ob ich Dir mit Vernunft =jetzo= die begehrten 30. Rthr
schiken könnte, mich einige Zeit aufgehalten. Meine Lage ist die: Ich
habe zwar eine gute Einnahme gehabt; aber durch Vergeßlichkeiten war
eine solche Unordnung in meinem Hause eingerißen, daß ich an ~100 rthlr.~
Schulden habe bezahlen müßen, =auf die ich nicht gerechnet, und von
denen ich kein Wörtlein= gewußt; überhaupt, daß ich seit 14. Tagen
über 200 rthr. Schulden bezahlt habe. Bedenke selbst welche Unordnung
besonders der erste Umstand in einer Haushaltung verursacht, in der ich
schlechterdings, es koste was es wolle, von nun an strenge Ordnung haben
will. So unbedeutend nun 30. rthr. an sich mir seyn mögen, so sehe ich
doch nicht mit Sicherheit vorher, daß ich sie, bis ich wieder Geld
bekomme

                   *       *       *       *       *

Ich hatte den Brief so weit geschrieben, als mir eine unerwartete
Schuld einging, die jenes _deficit_ ersezt und mich in den Stand
sezt, Deinem Begehren selbst zu willfahren. Ich mag den Brief nicht
umschreiben; und so mag denn der Anfang stehen bleiben, um Dir einen
Beweiß zu geben, daß Du nicht etwa unbedachter Weise auf mich rechnest.
Ich wollte Dir rathen, die 30. thr. in Deiner Gegend, auf mein Wort
zu borgen; allenfalls auch auf einen Wechsel von mir, zahlbar zur
Jubilate-Messe. Ich kann es jezt baar schicken; und so ist es besser.

Aber so erneure ich denn auch meine Versicherung, daß auf mich gar nicht
zu rechnen ist. Habe ich etwas übrig, so kann ich es dann wohl zum
Vortheil der Meinigen anwenden; aber mein eignes Hauswesen in Unordnung
bringen, oder mich in Schulden steken, das thue ich jezt, und in
Ewigkeit nicht. --

Ich hoffe, daß der Hauskauf schon gemacht ist. Mit der Werbung wird es
nun wohl auch nicht mehr so große Noth haben, weil Sachsen Friede
geschlossen hat.

Ein Wink, den Du mir über die Lage der Unsrigen giebst, betrübt mich:
ärgert, und empört mich. Ich kann diese zanksüchtigen Menschen recht
herzlich haßen. Es bleibt dabei, daß ich künftigen Herbst meinen Vater
zu sehen hoffe, sehr darauf mich freue den lieben, guten, würdigen zu
sehen: aber ich werde nie über eine Schwelle treten, innerhalb welcher
es solche Menschen giebt.

                              Der Deinige
                                                         Fichte.

N. Sch. Ich denke Dir dieses Geld keineswegs zu =schenken=; sondern ich
denke es Dir nur zu borgen: und es mag auf dem Hause, unter uns, stehen
bleiben.

Beantworte mir doch nach genauer Erkundigung folgende Fragen: Sind bei
Euch auf gute Art, und wohlfeil liegende Gründe zu erkaufen: z. B.
Bauergüter, die von Hofdiensten frei gemacht werden könnten; oder
beträchtliche Stüke von den herrschaftl. Gründen: Wir möchten es, um
gewißer Ursachen Willen, gern wißen.

Meine Frau grüßt Dich herzlich; und dankt für Deinen Brief.

  Aufschrift:

                        An Herrn
                _Samuel Gotthelf Fichte_
                                       in
                                _Rammenau b. Bischofswerda_
                                    über _Leipzig_ u. _Dresden_.

    Inliegend 5 Stück _Carolin_.

  Die beigegebenen rührenden Zeilen Johanna's nehmen Bezug auf den am
  29. Sept. erfolgten Tod des Vaters Hartmann Rahn.



20.


Ich kann doch den Brief meines Lieben Mannes nicht abgehen lassen, ohne
Ihnen auch zu schreiben. Ich freue mich herzlich, daß Sie so glüklich
angekommen sind, daß Sie alle Lieben so wohl fanden; und Ihr lieber
Brief an mich, voll wahrer Lebensweisheit ist; Sie haben den wirklichen
Punkt gefunden, um in der Welt glüklich zu seyn, halten Sie ihn ja fest,
denn ohne diesen einzigen wahren Gesichtspunct, können wir nie glüklich
sein.

Ich bin ziemlich wohl; aber der Verlust meines theuren, redlichen, mir
unvergeßlichen Vatters, macht mich sehr betrübt; ich fühl auch besonders
izt, seinen ganzen _Werth_, den ganzen Umfang seines edlen Herzens; wie
grenzenlos Er mich liebte, was Er für ein herrlicher Mann war; wie oft
sagte Er zu mir; ach wüßt ich nur was zu erfinden, um dem guten Fichte,
ein glükliches Schiksahl, zu machen; auch hatte er mancherley Pläne,
ihrenthalben entworfen, aber der Tod rafte ihn weg. Er wird nicht wieder
zu uns kommen, zu ihm aber kommen wir. Das ist auch der einzige Gedanke,
welcher mich einigermasen tröstet; und die freudige Ueberzeugung, daß
ihm izt unaussprechlich wohl ist; Daß er nun schon so manches weiß, was
wir nur hoffend glauben; daß seine Seele, erlößt von der gebrechlichen
irdischen Hülle, nun ganz andre Vortschritte macht; was mag das für eine
Freude gewesen sein, als er meine theure Edle Mutter wieder fand, die
hatte auch ein Herz, wie man nur sehr wenige findt; auch nahm sein
Verlangen nach ihr, mit dem Tode sehr zu, es war gleichsam, eine
Vorempfindung, daß Er sie nun bald sehen werde. Ach theurer, Lieber
Bruder laßen Sie uns Edel und groß sein, und im Guten, immer stärkere
Vortschritte machen, damit wir auch zu diesen Edlen kommen. Gott sey mit
Ihnen! Es liebt Sie von ganzem Herzen,

                             Ihre Schwester
                                                  Johanna Fichte
                                                     g. _Rahn_

Tausend herzliche Grüße, an die lieben Eltern, und Geschwister, mögen
Sie Alle recht glüklich und braf sein.

  Es folgen nun der Zeit nach eine Reihe von Briefen vom 8. Juni 1797
  bis zum 9. December 1798 an den Bruder Gotthelf, die hauptsächlich auf
  Geldverhältnisse und Geschäftssachen sich beziehen, da Gotthelf und
  Gottlob ein Haus gekauft hatten und darin die Bandweberei betrieben,
  wozu Johann Gottlieb Fichte ihnen verschiedene Geldsummen schickte,
  wofür er sich einen Gewinnantheil ausbedungen hatte. Namentlich wollte
  er, daß davon seinem unermüdet thätigen Vater Etwas zu Gute kommen
  sollte. Von anderen seiner Verwandten scheint Fichte mitunter in nicht
  ganz zarter und bescheidener Weise in Anspruch genommen worden zu
  sein, so daß er ihnen zuweilen etwas derbe Zurück- und Zurechtweisungen
  ertheilt.

  Beachtenswerth ist vorzüglich, wie eingehend Fichte sich nach den
  Specialitäten des Geschäfts erkundigt, die wandelbaren Werthe der
  verschiedenen Geldsorten in Anschlag bringt u. s. w., und wie er, der
  Philosoph, seinen Brüdern, den Geschäftsmännern, vielfach Rathschläge
  giebt. Man wird dabei an das Wort erinnert, daß der Philosoph auch
  der beste Schuster sein würde, sofern er nämlich prüft und entdeckt,
  worauf es ankommt, und also jede Sache, die er in Angriff nimmt, mit
  Verständniß und mit Erkenntniß des Zweckes behandelt.

  Ich theile aus diesen Briefen nur mit, was als irgendwie
  charakteristisch von wirklich allgemeinerem Interesse sein kann,
  indem ich das rein Geschäftsmäßige und Kaufmännische übergehe und
  durch Punkte andeute.



21.


                                            Jena, d. 8. Jun. 97.

        Lieber Bruder,

Ich trug Bedenken, Dir das Geld geradezu durch die Post zu übersenden,
weil ich das ungeheure Porto fürchtete, und wollte deswegen sehen, ob
es etwa durch Wechselbriefe zu übermachen wäre. Ich erfahre so eben auf
meine Nachfrage auf der hiesigen sächß. Post, daß

    50. Carolins, oder 300 rthr. Sächsisch,

als soviel ich hierdurch übersende, nicht mehr als 30. bis 32. Gr.
Porto machen, und dies halte ich denn doch für Kleinigkeit, und trage
kein Bedenken, auch diese Unkosten zu verursachen.

Ich erwarte mit umlaufender Post den Empfangsschein, weil ich nicht
weiß, wie viel der kleinen Nebenpost, durch die das Geld zu erhalten
ist, zuzutrauen werde.

Ich erwarte die Auszahlung von 4. pro Cent, welche ich selbst an meine
Frau, deren Schwester dieses Geld gehört, =aus meinem Beutel bezahle --
abgeredeter Maassen an meinen Vater, als eine kleine Pension= -- ~ganz
allein zu seiner eigenen Erleichterung bei seinem Alter~; =besonders,
daß er nicht mehr so schwere Lasten trage=.

Du, und Bruder Gottlob steht mir für dieses Geld; und ich =erwarte
darüber des nächstens eine Verschreibung eures Vermögens; insoweit es
dafür nöthig ist=. Der Schein wird ausgestellt nicht auf 300. thlr.
sächsisch, weil dieser Werth wandelbar ist, sondern auf 50. Stük neue
französische _Louisd'or_. -- Der Schein wird auf =jährige Aufkündigung=
gemacht.

Ihr verwendet dieses Geld so, daß es so viel möglich auch meinen übrigen
Brüdern mit zu Nutz komme: -- es versteht sich, daß dies, da ihr beide
allein mir dafür steht, nach eurer eignen Einsicht geschieht. -- ... ...

So viel über dieses Geschäft. Was den übrigen Inhalt Deines Briefs
anbetrift, so wäre darüber viel zu sagen. Was darin unsere Mutter
anbetrift, hat mich gerührt; und ich beklage die gute Frau. Gott, der
ein anderes Gericht führt, als wir, wird ihr vergeben. Was Du von den
übrigen Gliedern unserer Familie, den Vater, und Dich ausgenommen,
sagst, hat mich befremdet. Diese drolligen Geschöpfe haben also
geglaubt, daß ich, nach ihrem ehemaligen niederträchtigen Betragen gegen
mich, noch Pflichten gegen sie hätte, über deren Beobachtung =sie=
Richter wären, und nach denselben mich beurtheilen dürften? Daß ich
jetzt durch meinen Besuch diese Pflichten gegen sie erfüllt habe, und
daß nunmehr erst sie =ihre= Niederträchtigkeit =mir= verzeihen könnten?
und Du, mein besserer, und wie ich glaubte, vernünftigerer Bruder,
trägst kein Bedenken, mir dies zu schreiben, als ob Du halb, und halb
derselben Meinung zugethan wärest?

Grüsse mir herzlich den Vater, und lebe wohl.

        Dein treuer Bruder
                                                   J. G. Fichte.

... ... ...

Indem ich den Brief schliessen will, fällt mir ein, daß es doch sichrer
ist, ihn anderwärts hin, als nach Rammenau, zu addressiren; und ich
schike ihn daher durch Einschlag an Bursche zu Pulßnitz.

  Das Specielle, was Fichte's Mutter betrifft, ist nirgends genau
  bezeichnet und kann deshalb nicht aufgeklärt werden. Nach einer Stelle
  am Schlusse des Briefes muß Fichte einige seiner Verwandten besucht
  haben; die folgenden Briefe aber lehren, daß er in Rammenau nicht
  gewesen ist.

  Der nächste Brief ist nach dem bezeichneten Alter seines Sohnes, der
  am 18. Juli geboren wurde, vielleicht an demselben 11. October 1797
  geschrieben, wie der an des Kindes Pathen Johann Erich von Berger
  gerichtete (II, 479), oder doch an einem der nächsten Tage.



22.


        Mein lieber Bruder,

Ich habe bis jezt so viel Arbeit gehabt, daß ich nicht habe schreiben
können. Deiner Bitte um Geld konnte ich nicht willfahren, weil ich das
verlangte nicht entbehren konnte. Ich habe das Haus, das ich in Jena
bewohnte, und welches Du kennst, gekauft. Das kostet mehr, als das
Deinige. Nun ist das zwar nicht von meinem, sondern von meiner Frau
Gelde geschehen: aber theils habe ich Vorschüsse machen müssen: theils
lasse ich auch fortgesezt darin bauen, und dies geht von meinem Gelde.
Da kannst Du nun berechnen, ob viel baares Geld bei mir seyn mag.
Ferner, habe ich diesen Sommer Kindtaufe gehabt. Ja: es ist mir ein
herrlicher, gesunder, starker Knabe gebohren, der jezt in die 13. Woche
geht. Sage das unsern guten Eltern, die ich dadurch zu GroßEltern
gemacht habe.

Ueber eine Reise nach Hause habe ich hin und her gedacht: aber es ist
nicht möglich gewesen. =Zeit= ist mir das edelste Gut, und ich konnte
ihrer für diesmal nicht so viel verlieren, als dazu gehört hätte. =Gewiß
versprochen= habe ich es nicht. -- Ich hoffe, es künftige Ostern möglich
zu machen. Vertröste den guten, trefflichen Vater. Gewiß werde ich ihn
sehen, und mehrmals, hoffe ich, sehen. Meine Frau will sich's nicht
ausreden lassen, mich, mit ihrem Kinde, zu begleiten. Ich gestehe, daß
ich dies in mancher Rüksicht nicht gern sehe; und auch das hat mich
bisher abgehalten.

Ferner ist solch eine Reise unter hundert, und mehr Thalern nicht
gemacht und auch diese habe ich nicht so geradezu zu verlieren. Die
glückliche Zeit ist vorbei, da ich meinen Stab nahm, und zu Fusse ging,
durch die weite Welt. Jezt bin ich allenthalben gefesselt.

    Lebe recht wohl.
                                           Dein treuer Bruder
                                                              F.



23.


                                        Jena, d. 2. Jänner 1798.

        Lieber Bruder,

Meine Frau hat es sich nicht wollen nehmen lassen, an unsern guten Vater
zu schreiben. Es ist beiliegender Brief, den ich durch Dich überschike.

Es wundert uns nicht wenig, daß wir die Papiere über das übersendete
Geld, die nach wenigen Wochen folgen sollten, nicht erhalten haben.

Br. Christian hat mir abermals geschrieben. Sein Brief traf zu einer
Zeit ein, da ich ihm nicht antworten konnte, weil ich keine Zeit hatte.
Auch jetzt habe ich sehr wenig Zeit: ich bitte also =Dich=, ihn zu
benachrichtigen, =daß es gänzlich ausser meiner Macht liege, ihm in
seinem Begehren zu willfahren, und daß er eine völlig unrichtige
Vorstellung von meiner Lage zu haben scheine=.

Wie geht es euch allen, und wie geht es besonders Dir, und Bruder
Gottlob bei eurem Unternehmen geht; ob ihr Hofnung habt, etwas vor euch
zu bringen? -- ob ihr auch dem Vater das accordirte gebt, und ob es ihm
in der That zu einiger Erleichterung dient? Besonders auf das letzte
wünsche ich eine bestimmte Antwort.

    Lebe recht wohl.
                                           Dein treuer Bruder
                                                              F.



24.


                                        Jena, d. 21. August. 98.

Mehrere Gründe haben mich verhindert, Deinen Brief früher zu beantworten.
Ich hoffe, daß es jezt mit euerm Unternehmen besser geht. Daß Ihr den
Vater mit hineingezogen, ist mir nicht ganz recht. Er hat nun gesorgt,
und gearbeitet genug, und meine Absicht war nicht, daß die kleine Pension,
die ich ihm zu geben vermochte, als ein Theil des Handelscapitals
betrachtet würde, sondern daß er sie in guter Musse genösse.

Nehmt euch ja in Acht, daß das Kapital nicht schwindet. Es gehört, wie
ich mehrmals gesagt, nicht mein; auch nicht einmal meiner Frau, sondern
einer armen unverheiratheten Schwester derselben. Ich würde es ersetzen
müssen, und, wenn ich auch nicht sonst Ursache hätte, bedächtig mit dem
meinigen umzugehen, schon dadurch in die Unmöglichkeit versezt werden,
euch weiter zu unterstützen.

Aber ich habe Ursache, die Zeiten des Wohlstandes behutsam zu nutzen.
Meine Besoldung ist so gering, daß ich durch sie kaum Holz und Licht
bestreiten kann. Ich muß von meiner Arbeit leben; und daß diese mir
etwas eintrage, hängt von dem Flor dieser Universität ab. Dieser aber
könnte in ein paar Jahren ganz sinken, denn schon jezt hat der Kaiser
von Rußland alle seine hier studirenden Unterthanen, deren Anzahl sich
bis in die 80. belief, zurükberufen, und es ist zu fürchten, daß andere
Regierungen diesem Beispiele folgen.

Wenn einer von euch etwas vom Landbaue verstünde, so würde ich ihn zu
mir nehmen und mir Ländereien ankaufen. So könnte ich es etwa mit der
Zeit zum Besitze eines Rittergutes bringen. Aber auch dies kann ich
vor der Hand nicht, weil ich nicht weiß, ob ich noch lange in diesen
Gegenden bleiben werde. Ich habe nemlich Vocationen, die annehmbar sind,
wenn Jena in Verfall kommt; bei denen ich mich aber verschlimmere, wenn
die Lage bleibt, wie sie jezt ist. Kurz, mein ganzer Zustand ist
schwankend.

... ... ...

Die herzlichsten Grüße von mir und meiner Frau an Eltern und Geschwister.

                                         Dein
                                                 treuer Bruder
                                              J. Gottlieb Fichte

  Die hier erwähnten Vocationen beziehen sich ohne Zweifel auf die
  beabsichtigte neue Organisation der Universität zu Mainz, bei der man
  Fichte in's Auge gefaßt hatte (I, 299 ff.).



25.


                                         Jena, d. 16ten 7br. 98.

        Lieber Bruder,

Deine Briefe habe ich erhalten. Wenn du, wie ich hoffe, diesen Brief zu
rechter Zeit erhältst, d. i. wenigstens den 20sten dieses (Donnerstags)
so sey den 21sten (Freytag) bei guter Zeit in Dresden, und frage mir im
Gasthofe zum (goldnen glaube ich) =Engel= nach. Der Wirth heißt Eichhof.
Bin ich etwa nicht da, so werde ich doch dort meine Addresse lassen. --
Richte Dich so ein, daß Du die Nacht von Hause abwesend seyn kannst, und
sey gut angezogen, denn wir wollen den andern Tag wohin reisen.

Uebrigens sey ohne Sorge, und laß Dich ja auf nichts ein, ehe ich Dich
gesprochen habe.

Meine Frau grüßt Dich, und die Eltern, so wie ich gleichfals

                                                     Der Deinige
                                                          F.

  Was das Ziel und der Zweck der hier verabredeten Reise war, ist
  unbekannt.



26.


                                            Jena, d. 15. 8br 98.

... ... ...

Ich habe Deinen Brief erst diesen Augenblik erhalten und antworte
sogleich indem ich nur noch ½. Stunde bis zu Abgang der Post habe. Daß
Du den Donnerstag oder Freitag das Geld haben werdest, ist so ziemlich
unmöglich, denn jezt ist Montag Abends.

Ich habe theils bis jezt mit meinen Laubthalern noch keinen
vortheilhaften Wechsel machen können; theils wollte ich noch alles
_piano_ gehen lassen, bis wir Kunden haben. Ich habe darüber an einen
Kaufmann, dem ich zugleich die Mustercharte eingeschikt, geschrieben.
Die Aspekten für jeden Handel standen in Leipzig auf der Messe sehr
traurig. Um jedoch nicht Schaden zu machen, und den Credit auf die Wage
zu setzen, schike ich sogleich Geld. Solltest Du mehr brauchen, so
schreibe mir.

Grüsse mir Eltern und Geschwister herzlich.

Die Post geht ab, und ich habe keinen Augenblik mehr Zeit. Ich werde Dir
aber nächstens weitläufiger schreiben.

                                             Dein treuer Bruder
                                                              F.

  Aufschrift:

                  Herrn Samuel Gotthelf Fichte
                                  zu           _Rammenau_
                                        _p. Bischofswerda_, über
                                               _Dresden_.

    frei

    ... ...

  Die folgenden Briefe vornehmlich zeigen uns den idealistischen
  Philosophen auch als praktischen Geschäftsmann.



27.


                                           Jena, d. 26. 8br. 98.

        Lieber Bruder!

Ich möchte, daß Du noch vor der Frankfurter Messe einen Brief von mir
hättest, damit Du allenthalben Deine Maasregeln darnach nehmen könntest,
drum schreibe ich Dir jezt.

Das nothwendigste zuerst. Die Mustercharte habe ich an einen gewissen
Kaufmann in Eisenach geschikt. Er hat mir geantwortet, daß ich mich
nicht besser hätte addressiren können, als an ihn, daß er in einiger
Zeit nach Jena kommen und mit mir mündlich weiter aus der Sache sprechen
werde; daß die Waare zwar gut gearbeitet -- dies bezieht sich wohl
besonders auf die Schurichschen Wollen Proben, die noch jedermann,
der sie bei mir gesehen, äusserst wohlgefallen haben, -- daß =sie aber
viel zu theuer sey=. Ueber den lezten Punct erwarte ich seine weitere
Erklärung, und Deine Antwort, ob sie, im Falle einer grossen Lieferung,
wohlfeiler abgelassen werden könne.

Ich habe an unserm soeben gewesenen Jahrmarkte meiner Frau den Auftrag
gegeben, sich in den Bandbuden umzusehen, Preiß, und Güte der Waaren zu
erkundigen, und zu erforschen, woher die Kleinhändler ihre Waaren
beziehen. Da hat nun meine Frau 3 Stükel (das Stük hält 16. Ellen und
das Band 24. Faden.) schmales weisses Band (doch nicht so schmal als
unsere Pfennigschnür) für 8. Gr. gekauft, und erfahren, daß hier herum
alles aus =Erfurt= gezogen wird, wo sich bis 15. grosse Bandfabriken
befinden sollen, deren Unternehmer viele hunderttausend im Vermögen
hätten (sagen nemlich die =Kleinhändler=). So habe ich selbst auf der
Leipziger Messe eine mächtige, und sehr gut gefüllte Erfurter Bude (sie
steht mitten auf dem Markte) gesehen. -- Es ist mir selbst warscheinlich,
daß die Erfurter das Garn wohlfeiler haben, als es in unserer Gegend
ist, indem in dem Erfurter Gebiet viel gesponnen wird, aber sonst keine
Leinweberei ist, und die Lebensmittel gar wohlfeil sind. Auf diese
Vergleichung bezieht sich vielleicht des Eisenacher Kaufmanns Ausspruch.
Ich werde über alles dieses mich näher erkundigen. Alle diese Umstände
nun rathen uns vor der Hand gar sehr das _piano_ gehen an; denn was
hilft es eine Menge Waare zu verfertigen, wenn man nicht den Preis
halten kann, und sie verschleudern kann.

Kurz -- über alles dies werde ich sehr genaue Erkundigungen einziehen;
ebenso, wie über den muthmaaßlichen Erfolg des Beziehens der Leipziger
Messe. Sehen wir nicht die Möglichkeit, etwas dort zu machen, vorher
ein, so rathe ich nicht dazu: denn die Unkosten einer solchen Messe
mögen, nach den Klagen aller Kaufleute, und nach der unverhältnißmässigen
Theurung aller Waaren in Leipzig gegen andere Meßorte, (z. B. Naumburg,
unsern Jahrmarkt) wozu die Krämer geradezu dies als Grund anführen, sehr
gros seyn. Eine Bude zwar ist, an einem sehr vortheilhaften Platze,
besprochen. Das Standgeld beträgt die Messe über nur 12 Gr. aber eine
Bude müste angekauft werden.

... ...

Wechselbriefe kann ich nicht schiklich bekommen. =Dresden= ist viel zu
wenig Handelsort.

Auf Leipzig kann ich sehr leicht assigniren. Jezt zu andern Punkten.

... ... ...

Grüße Eltern, und Geschwister, und lebe recht wohl.

                                            Dein treuer Bruder
                                                              F.

d. 3. 9br.

Dieser Brief ist, um meiner vielen Geschäfte willen, liegen geblieben.
Ich hoffe aber, daß du ihn noch vor der Messe erhältst. ... ...



28.


                                           Jena, d. 18. 9br. 98.

        Lieber Bruder,

So eben kehre ich meine Chatoulle bis auf den Boden, in welche ich
alles Gold und sächsische Geld, das ich seit meiner Rükkehr eingenommen,
geworfen, und noch überdieß wechseln lassen, und finde nicht mehr, als
das auf beiliegenden Zettel bemerkte, ... ...

... ... ...

Ueberhaupt, -- plagt mich das Geldschiken bloß um der nicht
beizutreibenden Geldsorten willen; aber, sobald etwas nothwendig
gebraucht wird, oder wo ein Vortheil zu machen ist, so schreibe ja
sogleich. Ich kann Dir vieles, was ich versprochen hatte, heute nicht
schreiben, weil ich in Arbeiten vergraben bin. Ich werde bei der ersten
Gelegenheit, da ich ein wenig freie Luft habe, schreiben.

Melde mir ausführlich, wie Deine Messe abgelaufen. Die Aussicht für den
Handel ist überhaupt höchst betrübt, durch das schändliche Verfahren der
Engländer, und die Dummheit der Deutschen. Ich habe wieder etwas
aufgetrieben, das unserer Bandfabrik vielleicht Kunden verschaft.

Ferner habe ich vor einigen Tagen eine Sammlung von physikalischen
Experimenten in die Hände bekommen, die ich dir bei Gelegenheit zusenden
werde. Es ist da manches über Färberei, wovon ich nicht weiß, ob es Dir
nützen kann; aber es ist da ein Rezept zu schnellen =Bleichen=, das
einige Anlage, und etwas Menschenverstand erfordert, und Dir gewiß
nüzlich seyn könnte. Ich werde es selbst noch besser durchdenken, und
dann mit meinen Bemerkungen es Dir schiken; kaufe daher nur nicht so
viel weisses Garn, sondern rohes.

Ich habe noch mancherlei sehr =sichere= Gedanken zur Verbesserung der
Bandfabriken, von denen ich nur zweifle, ob ich sie Dir schriftlich
vortragen kann. Hierüber ein andermal.

Die alte Uhr ist, glaub ich des Postgeldes nicht werth. Sonst konnte
ich sie durch Schütteln, und Rütteln zum Gehen bringen; da ich sie das
leztemal sah, half auch dieses Mittel nicht mehr. Beruhige den guten
Vater. Eine Uhr soll er sicher von mir bekommen; ob es grade die aus dem
alten Eisen seyn wird, kann ich nicht versprechen. Lebe wohl, und grüsse
Eltern, und Geschwister. Dein treuer Bruder

                                                        J. G. F.

Du schreibst in Deinem lezten Briefe, daß Du 90 Thlr. in Frankfurt
zu bezahlen habest. Und da möchte denn meine Frau, der dies auffiel,
wissen, wofür? -- und =ich= möchte es auch wissen.

  Aufschrift:

    Herrn Samuel Gotthelf Fichte
                 zu
                                _Rammenau_
                   über =Dreßden=, und =Bischofswerda=

    ... ...



29.


                                            Jena, d. 4. Xbr. 98.

Der Kaufmann, dessen ich neuerlich erwähnte, Hr. _Streiber_, ist hier
gewesen. Es hat sich ergeben, daß derselbe =selbst eine Wollenbandfabrik=
hat. Sein Tadel der zu großen Theure bezog sich auf die wollenen Bänder.
Er könne sie weit wohlfeiler liefern. Er versende sie, -- und habe
ehemals auch leinene aus =Elberfeld= -- nach der Schweiz, Italien,
Spanien. Er wolle, wenn wir die =Preise halten= könnten (woran er
zweifle,) uns welche abnehmen.

Vorläufig soll ich =beiliegende Proben= überschiken: und Du sollst die
beiden bemeldeten Fragen beantworten. Thue dies nur -- aber nicht mit
Deiner gewöhnlichen =schlechten= Schreiberei, denn das flös't keinen
Respekt für den grossen Fabrikanten ein -- auf dem beiliegenden Zettel
selbst. Die Proben sollen zurükgesandt werden. Du mußt Dir sonach
die Muster =merken=. Ist der Preis acceptabel, so will er auf diese
Sorten Bestellung machen. -- Nun sehe ich freilich, daß beide Proben
viertrittig sind, und in der _B._ auch wollenes Garn ist. Du wirst sie
also schwerlich machen können. Aber doch möchte ich nicht, daß wir
gleich die erste Bestellung abweisen müßten. Es ist um der Zukunft
willen. Stühle mit mehreren Tritten wirst Du ohnedies anlegen müssen,
wenn ich Dir Kunden verschaffen soll. -- Antworte hierauf sobald Du
kannst. Es ist mir hierbei folgendes eingefallen.

1.). Streibers Bänder, von denen ich Dir nächstens eine Mustercharte,
und Preistabelle zuschiken werde (da wirst Du zugleich sehen, =wie eine
Mustercharte aussehen= muß, und dergl. mußt Du Dir zulegen) sind weit
dünner, und ich glaube im ganzen viel schlechter, als =Schurigs=, aber
sie nehmen sich viel besser aus; sie sind sehr schön gefärbt, und wohl
zugerichtet. Ob sie viel wohlfeiler sind, wirst Du sehen; ich vermuthe;
denn Streiber sagt mir, daß sie auf Mühlen verfertigt werden, die zum
Theil bis 30. Gänge haben. Vielleicht nun könntest Du dergleichen in
Deiner Gegend, und zu Frankfurt häufig absetzen, etwas darauf verdienen,
sie creditirt bekommen, und mit leinenen Bändern Deiner Fabrik bezahlen.
Dies wäre, scheint es mir, ein profitabler Handel. Sobald ich Dir die
Mustercharte zugeschikt haben werde, nimm darüber Deinen Entschluß.

2.). Ich habe neulich Gelegenheit gehabt, einem Griechischen Kaufmanne
zu Chemniz einen Dienst zu erweisen, den er mir hoch anrechnet. Ich
werde ihm dafür auftragen, uns Kunden für Bänder zu verschaffen. Halt
daher eine Mustercharte in Bereitschaft.

3.). Kann ich durch Streibern genau erfahren, wie =unsre= Preise sich
zu den Preisen anderer Bandmacher, z. B. der Westphälischen, Erfurter,
u. s. f. verhalten, und wo etwa ein Vortheil zu machen ist. Er hat
nach Proben, Preisen, Garnpreisen geschrieben. Er glaubt, daß die
=Braunschweiger= Garne wohlfeiler seyen, als die, deren Du Dich
bedienst. Wäre dies beträglich, so könnten wir ja dergl. kommen lassen,
indem der Transport doch so gar viel nicht ausmachen kann. Berechne
daher, wie hoch Dir, in der Regel =100 Ellen Dresd.= (so müssen wir
rechnen, denn Weise, Gebind, und dergl. ist verschieden, und giebt
keinen gemeingültigen Maasstab) =weises Garn=, und =rohes Garn= kommen;
ferner, wie viel ein Geselle die Woche, wenn er fleisig ist, verdienen
kann, (auch dies müssen wir so berechnen) und melde mir dies; damit ich
einen Ueberschlag machen, und sehen kann, wo etwas zu ersparen ist.

Soviel für jetzo.

Grüsse Eltern, und Geschwister, und lebe wohl. Dein treuer Bruder

                                                              F.

  Mit dieser sorgfältigsten Pünktlichkeit behandelte er die
  Geschäftsdetails selbst noch zu einer Zeit, wo ganz andere
  Angelegenheiten seine Thätigkeit in Anspruch nahmen -- nämlich der
  bekannte Atheismus-Streit, den er im folgenden Briefe mit prächtigem
  Humor bespricht.



30.


                                            Jena d. 9. Xbr., 98.

In diesem Augenblike nur das höchstnöthige. Ich werde sehen, ob ich zu
diesem Briefe zurük kommen kann.

... ... ...

2.). =Meine= Einnahmen, die ich der Compagnie bestimme, sind ziemlich
unsicher. Sie hängen davon ab, ob ich künftigen Sommer ein oder mehrere
Bücher schreibe; ob ich durch Reisen viel verthue, und dergl.: Doch
-- ein halbes oder ganzes Hundert kann ich im Fall der Noth immer
herbeischaffen.

... ...

Darnach nimm nur Deine Maasregeln. Denn in diesen Detail hineinzugehen,
vermag ich nicht, weil ich dies nicht genug verstehe.

3.). Wegen des =Standes= einer Bude, (keine Bude selbst, diese müßte
besonders angeschaft werden) ist mir etwas über die Topographie von
Leipzig entfallen, darüber ich aber warscheinlich allhier selbst
Auskunft erhalten kann.

                                               d. 5. Jänner. 99.

So lange ist dieser Brief liegen geblieben, weil mir unsre guten
Landsleute, die Chursächsischen, Beschäftigung vollauf gegeben. Ich habe
seitdem über den Plaz der Bude mich erkundiget. Er ist gelegen.

Von Hrr. Streiber habe ich beiliegende Westphälinger (Elberfeldische)
Leinenband Proben, und Preistabelle erhalten; die ich Dir zur Einsicht
und Berechnung, ob wir Preis halten können, mittheilen soll. Die
Preistabelle lautet zu deutsch: _N. 12_ (bezieht sich auf die
beiliegende Mustercharte) das Duzend Stükel von 19. Pariser Ellen 5.
_Livres_ (Ein Livre ist 6 Gr. sächs. wenn der Laubthaler 1 Thlr.
12 Gr. sächs. steht,) daß also von der geringsten Sorte 19 Ellen 60 Pf.
kämen. Die zweite Ziffer z. B. _N. 14_. -- 5 _Livres_, 10 -- bedeutet
_sous_, und der _Livre_ hat 20 _sous_. und nun kannst Du selbst
berechnen. Ich sehe klar ein, daß =unsre= Bänder viel wohlfeiler sind.
Nur arbeiten wir blos =glatte=, und wie diese =modellirten= gemacht
sind, sehe ich gar nicht ein, und glaube, daß wir sie nicht machen
können. Jedoch dürfte mir es etwa auch da gehen, wie mit den Herrnhuter
Bändern, wo ich meinen Bandverstand garstig blamirt habe.

Zum Hauskauf wollte ich jetzo, ob mir gleich der Gedanke mit dem Beigute
nicht mißfällt, nicht rathen; wenn Du nicht etwa sonst woher ein starkes
Capital auftreiben kannst. Es wird immer möglicher, daß sich mein
Aufenthaltsort verändert, und daß ich dann selbst Geld bedürfte.

Meinen Vorschlag eines Tauschhandels hat Streiber mit Freuden
aufgenommen, aber noch nicht =seine= Mustercharte eingeschikt.

Proben eines Handelsbuches, einen Contract, und dergl. soviel mir auch
natürl. selbst daran liegt, kann ich gegenwärtig nicht einschiken. Ich
habe wohl andere Dinge zu denken. Dies muß warten auf ruhigere Zeiten.

Sollte nicht auch in der Lausitz der Ruf erschollen seyn, daß die
Chursächs. Regierung mich für einen Atheisten erklärt habe, und daß ich
wenigstens zu Asche verbrannt, und dann des Landes verwiesen werden
würde? Ich sage das nur deswegen, damit, wenn bei Euch das Gerücht
erschallt, ihr, und besonders unsere guten Eltern nicht erschreken. Es
wird so schlimm nicht werden. In vier Tagen oder 8. erhaltet ihr eine
vorläufige Vertheidigungsschrift an das Publicum. Nun hat zwar der
Churfürst, nicht zufrieden, mich in =seinem= Lande verschrieen, und
meine Schriften confiscirt zu haben, mich auch noch bei =meinem= Herzoge
verklagt, und ich muß nun auch da mich vertheidigen. Aber ich denke,
es soll mir auch hier nicht schwerer fallen, als dort. -- Dies zur
Nachricht, wenn man bei Euch schon etwas weiß. Weiß man aber nichts, so
seyd ihr nicht die ersten, die es ausbreiten; denn Geräusch, und Lärm
ist nie gut.

Lebe recht wohl.

                                                              F.

N. Sch. Wegen der Appretur habe ich bei unserm Professor der Künste
erkundigt. Das was jene Fabricanten haben, wird allerdings =Leim= seyn,
und zwar, wie er in den Läden heißt: =Fischleim=. Er wird aus den
feinsten Schafknochen gekocht, und ist theuer; kann aber sehr vermischt,
und sparsam gebraucht werden. Der Professor redete von =Selbstkochen=;
welches mir aber keineswegs einleuchtet.

Deine leztern Briefe gefallen mir. Sie sind gründlich, klar und gesezt.

  Der nächste Brief ist ohne Datum. An wen der darin eingeschlossene
  Brief gerichtet war, ist nicht bekannt.



31.


Meine Arbeiten haben mich absolut verhindert, eher zu schreiben, und
auch noch jezt muß ich kurz seyn.

1.). Meiner Frauen Geld aus der Schweiz ist =nicht= beizutreiben, indem
der Schuldner die Waaren, für die er schuldig ist, noch nicht verkauft
haben will, mit Schaden verkauft haben will, und dergl.

2.). Was wir gegenwärtig aufbringen konnten, hast Du; =ob= und =wenn=
ich wieder etwas auftreiben werde, da es mir ziemlich schlimm geht, ich
meine meisten Schriften größtentheils an die Verleger verschenkt habe,
und selbst das, was man mir schuldig ist, nicht beitreiben kann -- da
ferner unserer Universität wohl schlimmere Zeiten bevorstehen möchten,
-- weiß ich nicht. Du mußt daher alle =Erweiterungspläne= aufgeben, und
blos zu behaupten suchen, was Du hast.

3.). Es folgen die Proben, und Preistabelle der Streiberischen Bänder.
Die Preise, welche schon jetzt niedriger seyen, als die eurigen, würden
nächstens noch herunter gehen, schreibt Streiber.

4.). Beiliegender Bindfaden ist ein Pariser =Stab=, der auf der Probe
und Preistabelle der Elberfelder Bänder gemeint ist. Es heißt im
Originale _aune_ (sprich _Ohne_) _de Paris_. -- und ich habe den Fehler
gemacht, indem _aune_ sonst eine Elle heißt.

5.). Streiber hat schon vor länger als 8. Wochen beiliegende Bestellung
gemacht: -- um einen =Anfang zu machen=, um zu sehen wie die Waare im
Stüke ausfällt, schreibt er. -- Ich habe dies lächerlich gefunden, um
eines Duzend Willen anzuscheeren: und daher die Bestellung Dir nicht
eher geschikt, und ihm nicht geantwortet. Thue jezt, was Du willst. Die
Fracht (von 1. Duzend Stükel!) will er tragen. Ich halte Streibern für
einen Narren

Lebe wohl, und grüsse herzlich Eltern, und Geschwister.

Den beigeschloßenen Brief gieb =sogleich= auf die Post. Der arme Teufel,
der mich dauert, dem ich aber nicht helfen kann, erwartet Antwort.

                                Dein treuer Bruder
                                                   J. G. Fichte.

  In Folge der erwähnten Anklage ging Fichte Anfang Juli 1799 nach
  Berlin und kehrte erst zu Ende des Jahres zurück, um mit seiner
  Familie ganz dahin überzusiedeln (I, 309 f. II, 277. 284). Unterdeß
  war sein vertrautester Bruder Gotthelf gestorben, weshalb der nächste
  Brief an denjenigen unter seinen Brüdern gerichtet ist, der ihm nach
  jenem der liebste war, nämlich Gottlob.



32.


                                     Jena, d. 20. Februar. 1800.

        Lieber Bruder,

Was Du mir in Deinem leztern Briefe über die Aufführung unsers
verstorbenen Bruders meldest, will ich vor der Hand auf sich beruhen
lassen.

Daß, in Absicht der Hanthirung, und meiner Forderungen, alles von allen
Seiten verworren genug ist, ersehe ich gar deutlich: was aber meine
Anwesenheit in Rammenau dabei fruchten könne, nicht. Auch ist, Deinem
letztern zu Folge, =unsre= Zusammenkunft bei Deiner Frankfurter Reise
von Schwierigkeiten begleitet, welche die Vortheile, die ich mir davon
verspreche, wohl niederwiegen möchten. Ich gebe also diese Zusammenkunft
auf, indem ich einen andern Versuch mache, ins klare zu kommen.

Dieser Brief trift Dich ohne Zweifel noch vor Deiner Abreise nach
Frankfurt; mich aber trift keiner von Dir mehr in Jena; indem ein
blosser Zufall mich noch diesen Monat hier zurükgehalten, und verhindert
hat, nach =Berlin= zu gehen, wohin ich längstens binnen 14. Tagen mit
meiner Familie auf immer abgehen werde.

                              Dein getreuer Bruder
                                                   J. G. Fichte.

  Aufschrift:

                       An Joh. Gottlob Fichte
                                                 zu
                                                       =Elster=.

  Fichte wurde sodann zum Professor in Erlangen ernannt, wo er aber nur
  im Sommer 1805 lehrte, weil 1806 die kriegerischen Ereignisse ihn
  anderwärtshin führten, während gleich von vorn herein bestimmt worden
  war, daß er im Wintersemester in Berlin Vorträge halten durfte. Von da
  aus ist der folgende Brief seiner Frau geschrieben, in welchem sie in
  diesen gefahrvollen Zeiten auf zartfühlende Weise sich für ihre und
  ihres Kindes Zukunft besorgt zeigt. Das erwähnte Unwohlsein Fichte's
  war eine heftige Kolik (II, 405).



33.


                                    _Berlin d: 26: Jenner 1806:_

Theure Eltern, ich bitte Sie um eine Gefälligkeit daß Sie nämlich die
Güte hätten mir bey dem _Prediger_ meines Lieben Mannes Taufschein
auszuwirken, denn da ich in die hiesige Witwen_Caa_ße legen will, so
brauch ich ihn dazu unumgänglich ich laße mir zu dem Ende hin Geld aus
der Schweiz kommen, welches ich noch da stehn habe; mein Mann weiß
nichts davon daß ich in die Witwen_Caa_ße lege, denn es scheint mir sehr
unherzlich mit meinem guten lieben Mann davon zu reden, wovon man nach
seinem Hinsterben leben solle, und darum rede ich nicht darüber, sondern
danke Gott daß mir noch etwas Geld geblieben ist, damit ich es selbst
bestreiten kann; auf der andern Seite halt ichs für meine Pflicht zu
thun, denn die Menschen sind sterblich, und auch ich bin sterblich, was
sollte denn aus unserm armen Kinde werden? sterbe aber auch ich, so
bekommt unser Kind, bis in sein 25. Jahr, die Hälfte von dem, was ich
als Witwe bekommen hätte.

Ich bitte Sie mir den Taufschein gleich anfangs des künftigen _Monat_hs
zu schiken, denn sonst muß ich wieder ein halbesjahr warten, und den
Brief an mich zu _addressie_ren, weil ich Ihnen die Gründe warum mein
Lieber Mann nichts davon weiß, schon gesagt habe.

Wenn Sie lieber Vater keine Zeit, noch Lust haben mir zu schreiben, so
schieben Sie's doch ja nicht auf mir den Taufschein zu schiken, sondern
schiken ihn mir nur ohne Brief.

Ich habe Ihnen vor etlichen _Mona_then geschrieben, haben Sie meinen
Brief erhalten?

Mein Lieber Mann grüßt Sie alle herzlich; er ist izt Gottlob wieder
wohl, war es aber vor einiger Zeit nicht; bei dieser naßen ungesunden
Witterung sind hier viele Menschen krank, und sterben auch eine Menge.

Unser _Hermann_, der Gottlob gesund ist, empfiehlt sich seinen Lieben
Groß Eltern.

Leben Sie wohl, Gott sey mit Ihnen, ich grüße alle welche sich meiner
errinnern freundlich, und bin von _Her_zen Ihre

                                              _Fichte. g: Rahn._

  Aufschrift:

              _Herrn Fichte_ dem Vater
                                          zu
                                                _=Rammenau=_
                                                  Bey _Dresden_.

    _=frey=_

  Im October 1806 wich Fichte mit dem Geheimrath Hufeland, wie
  sämmtliche Behörden und alle Männer von Ansehen, vor den siegreichen
  Feinden aus Berlin und ging nach Königsberg, wo ihm provisorisch eine
  Professur zugewiesen wurde; während seine Gattin zur Hütung des Hauses
  zurückblieb, dann aber nachfolgen sollte, als sein Aufenthalt in
  Königsberg dauernd werden zu wollen schien. So schmerzlich aber war
  ihr die Trennung von ihrem geliebten Manne, daß sie trotz ihrer
  starken und duldungswilligen Seele darüber im November in eine
  ernstliche Krankheit verfiel (I, 374 f.).



34.


                                    _Berlin_ d. 13: _Feb_: 1807.

Theure Eltern, so eben erhalte ich den Brief aus _Elstra_, ich eile
sogleich Ihnen Nachricht von uns zu geben, und _addressiere_ den Brief
an Sie, damit Sie geschwinder Nachricht erhalten; mein Lieber Mann ist
vor Ankunft der Franzosen hier, nach Königsberg, mit einem Freunde
verreist, und hat dort eine _Pro_feßur bis zur Wiederherstellung der
Ruhe erhalten, und lißt _Co_llegien; die lezte Nachricht von ihm ist,
daß er Gottlob gesund ist; ich erhalte leider sehr wenige Briefe von
ihm, und kann nur selten schreiben, weil die dorthin gehend. _Po_sten
nicht gehn: Sie stellen Sich meine Lage vor; ich wollte gleich
mitreisen, wurde aber aus manchen Ursachen zurükgelaßen, mit unserm
Kinde; nun wünscht mein Mann sehnlichst daß ich nachkomme, es hat aber
bis izt noch nicht sein können, weil ich keinen _Pas_ bekommen konnte,
weil die Straßen nicht sicher sind, und andres mehr auch weil die Reise
viel kostet.

Dieses Zurükbleiben ist die Ursache, daß ich tödlich krank gewesen bin,
nun mich aber Gottlob wieder erhole: ich stand viel Angst aus, durch die
Zeitumstände, grämte mich, hat viel Sorgen, und Verdruß, so daß ich troz
alles Quämpfen darnieder geworfen wurde; mein Schmerz war um so viel
größer, da ich unser Kind unter Fremde zurüklassen mußte, wenn ich
gestorben wäre. Gott hat mir wieder geholfen, und wird auch weiters
helfen, deßen tröste ich mich. Ich werde zu meinem Mann reisen, so bald
es nur immer möglich ist und Ihnen vor meiner Abreise noch gewis
schreiben.

Der Gnädige Gott sey mit Ihnen und schüze Sie vor jeder Gefahr, dieses
wünscht von ganzem Herzen, Ihre Sie herzlichliebende

                                                 Johanna Fichte.

Ich _franciere_ diesen Brief nicht, damit er sicher gehe, und grüße Alle
alle von ganzem Herzen.

  Aufschrift:

        _=Herr Fichte der Vater=_
                   zu
                         _=Rammenau=_
         nahe =bey= _=Dresden=_.

  Ende August 1807 kehrte aber Fichte selbst nach Berlin zurück, wo er
  alsbald, im September, von Beyme aufgefordert wurde, sein Nachdenken
  auf die zweckmäßigste Ausführung des Plans zu richten, in der
  Hauptstadt eine Universität zu gründen, -- ein Auftrag, der ihn
  bekanntlich zu jenem originellen Organisations-Vorschlag einer
  »Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandesgebrauchs« veranlaßte,
  der leider unausgeführt blieb. Fichte aber hielt im Winter 1807-8
  seine Reden an die Deutschen, die er sogleich auch durch den Druck
  veröffentlichte. Sie sind die Schrift, von welcher er in einem
  ferneren Briefe spricht.



35.


                                         Berlin, d. 10. Mäy. 08.

        Lieber Vater,

Schon vorigen Winter, sogleich nach dem Eintreffen Ihres Briefes an
meine Frau, hatte ich Ihnen geantwortet. In Hofnung, daß bis dahin in
unsrer gemeinschaftlichen Lage einige vortheilhafte Veränderungen
vorgehen würden, hat meine Frau bis jezt diesen Brief nicht abgehen
laßen.

Das einzige vortheilhafte, was seitdem vorgefallen, ist die ziemliche
Wiederherstellung meines =Herrmann=. Es war derselbe damals durch einen
Fall auf das Knie an dem Einen Beine ganz gelähmt, und hat, bei übrigens
vortreflicher Gesundheit, 10. Wochen im Bette liegen müßen. Jezt geht er
wieder; nur noch nicht auf Steinpflaster; es wird, was die Hauptsache
ist, keine Folge übrig bleiben. Ich befinde mich dermalen mit ihm, und
meiner Frau, die nach einem sehr harten Krankenlager im Jahre 6. den
ganzen vorigen Winter gekränkelt, und vor einer Woche wieder recht
ernsthaft krank gewesen, auf ein paar Wochen auf einem Gesundbrunnen bei
Berlin, um sie alle wiederherzustellen, und mit frischen Kräften in den
beginnenden Sommer einzutreten.

Ich für meine Person bin immer gesund, und kräftig gewesen. Man
organisirt an einer allhier zu Berlin zu errichtenden Universität; mir
sind die bedeutendsten Aufträge in dieser Rüksicht ertheilt worden.

Ich hatte erst den Vorsatz diesen Sommer in =Dresden= mit Frau und Kind
zuzubringen; hatte auch schon an =Fritsche= über die zu treffenden
Vorkehrungen geschrieben; auch von meiner Behörde den Urlaub dazu
eingeholt. Ich sehe aber, daß es für wichtige Zweke beßer ist, wenn ich
hier bleibe, und Kollegia lese, und ich bin entschloßen, dem allgemeinen
Besten dieses freiwillige Opfer zu bringen.

Auch hatte ich, nachdem jener Plan schon aufgegeben war, den Vorsatz
in dieser ersten Hälfte des Mäy für meine Person allein (eine Reise
mit Frau und Kind ist unter den jetzigen Umständen, da die ehemals
begütertsten leiden, für mich zu kostspielig) Sie zu besuchen. Die
Krankheit meiner Frau, die unter solchen Umständen nicht ohne eine
nachtheilige Gemüthsbewegung mich von sich laßen würde, hat auch diesen
Plan vereitelt; wie die gegenwärtige Kurzeit vorbei seyn wird, werde ich
durch meine Vorlesungen an Berlin gefeßelt seyn. Ich hoffe jedoch im
=Herbste= Ferien zu finden und vielleicht erlaubt es sodann der
öffentliche Wohlstand Frau und Kind mit zu bringen.

Ich gebe soeben Ordre an meinen Verleger, daß Ihnen meine neueste
Schrift von Leipzig aus überschikt werde. Ich habe diesmal nicht über so
viele Exemplare zu befehlen, daß ich auch an den Herrn Pastor Wagner,
den ich herzlichst zu grüßen bitte, eins beilegen könnte. Sie leihen es
ihm vielleicht zum Durchlesen.

Unser aller herzlichste Grüße an Mutter, und Geschwister.

  [Von Johanna Fichte:]

Ich grüße Sie theure Eltern von ganzer Seele und empfehle mich Ihrem
Andenken.

Gott schenkt mir izt wieder Gesundheit, worüber ich mich freue, da es
bey unserm Guten theuren Fichte sein kann. Leben Sie wohl, Ihre

                                                      Johanna F.

  Von ihrer und ihres Sohnes Krankheit schreibt auch Johanna Fichte in
  einem Briefe an Charlotte von Schiller (II, 408 vgl. 470). -- Die
  beabsichtigte Reise in die Heimath unterblieb; denn Fichte selbst
  erkrankte, wie der Biograph sagt, »im Frühling des Jahres 1808« (I,
  426) oder, wie Fichte's Gattin schreibt, »seit Mitte Juli« (II, 408)
  oder, wie er selbst im nächstfolgenden Schreiben sagt, »im August«. Es
  war eben eine langsame, wohl allmählich sich entwickelnde Krankheit,
  die in rheumatischen Lähmungen nebst schmerzhaften Augenentzündungen
  bestand und deren Nachwirkungen selbst der wiederholte Gebrauch des
  Teplitzer Bades nicht gänzlich hob.



36.


                                      Berlin, d. 10. März, 1809.

Ich bin, mein theurer Vater, nicht ohne Sorge über Ihrer aller Befinden,
auch ob Sie meinen lezten Brief vom Mäy vorigen Jahres nebst dem
überschikten Buche erhalten hätten, gewesen, bis Ihr leztes Schreiben
vom 6ten Februar, das aber bei mir sehr spät eingelaufen, und
vermuthlich in Pulßnitz über 6. Wochen gelegen, mich darüber beruhigt
hat.

Ich trug den Vorsatz den Sommer vorigen Jahres einen Abstecher nach
Dreßden zu machen, und hierbei auch Sie nebst den meinigen zu besuchen.
Besonders eine Krankheit, die den August v. J. anhob, und von der ich
erst jezt mich zu erholen suche, bei der ich niemals in Lebensgefahr
gewesen, übrigens aber hart mitgenommen worden, hat mich daran verhindert.
Dermalen erwarten wir hier die Rükkehr unsers guten Königs, und der
Regierung. Ich werde diesen Sommer kaum meine gewohnte Thätigkeit wieder
anfangen können. Vielleicht schiken mich die Aerzte zur Wiederherstellung
meiner Gesundheit in Bäder, und auf Reisen; und so hoffe ich denn diesen
Sommer den Besuch bei Ihnen nachzuholen, den ich den vorigen versäumt
habe.

Frau und Kind befinden sich wohl. Die erstere denkt Ihrer alle Tage,
nicht ohne Sorgen, besonders wegen des befürchteten nahen Ausbruchs
eines neuen Kriegs, der zunächst die dortige Gegend treffen könnte.
Ich hoffe aber fest, daß die Oesterreicher durch musterhaftes Betragen
sich der großen Angelegenheit, für die sie kämpfen, würdig machen, und
dadurch die von jedem Kriege unabtrennlichen Uebel sehr mildern werden.

Näher gehen mir die Uebel, die Sie schon erlitten haben, und die Folgen
davon. Obwohl der König für mich, und andere außer Dienst gekommene
Gelehrte alles thut, was die eigne beschränkte Lage des Staats
verstattet, so bin ich dennoch durch eine dreivierteljährige Krankheit,
in der ich nichts habe arbeiten (es wird darum zu Ostern nichts von mir
erscheinen) noch verdienen können, dagegen ungewöhnlich hohe Ausgaben
gehabt, in Umstände gekommen, daß ich dermalen baares Geld nicht
entbehren kann. Aber Bruder =Gottlob= hat seit dem Jahre 1805. keinen
Termin abgetragen; auch hat er seitdem kein Lebenszeichen von sich
gegeben, und keine Anfrage an mich ergehen lassen; ob ich etwa die
Fortsetzung der Zahlungen verlangte. Wie es mit Abtragung der bedungenen
Zinsen an Sie von jeher gehalten worden, ist mir gleichfalls nicht
unbekannt. Ich hoffe daher nicht, daß es ihn übereilen heißt, wenn ich
von ihm fordere, daß er so schleunig als möglich einen Termin von
50. Rthlr. an Sie auszahle.

Die meinigen grüßen herzlichst. Ihr Sohn

                                                       _Fichte_.

  Auf die Hoffnung, die sich Fichte von den Oesterreichern machte, nimmt
  Adelbert von Chamisso in einem 1808 aus Berlin an Friedrich de la
  Motte Fouqué gerichteten Briefe Bezug mit den Worten: »Der alte Fichte
  ist wieder hier. Er baut sehr auf die Oestreicher, die ihm sehr
  herrlich erschienen sind, und er will die hohe Meinung theilen, die
  sie von ihrem Kaiser haben.«

  Die treue Fürsorge für seinen alten Vater, der allzu bereitwillig
  seinen Kindern zu überlassen pflegte, was ihm persönlich zugedacht
  war, wird bestätigt durch den beigeschlossenen Brief an den Bruder,
  der von früher her pecuniäre Verpflichtungen hatte.



37.


                                       Berlin, d. 10. März 1809.

        Lieber Bruder,

Ich hoffe, Du wirst es selbst billig finden, wenn ich Dich auffordere,
so schleunig, als es Dir irgend möglich ist, an unsern Vater einen der
seit 1805. ausgesezten Termine von 50. Rthlr. auszuzahlen. Ich ersehe
aus deßen Schreiben, wie das auch ohnedies zu erwarten war, daß derselbe
durch den französischen Krieg und die Kriegssteuer in seiner Nahrung
sehr zurükgesezt worden; so daß ich selbst aus meinem Beutel einen
Vorschuß machen würde, wenn ich nicht durch dreivierteljährige Krankheit
und Verdienstlosigkeit selber in eine enge Lage gekommen wäre. --
Uebrigens gebe ich Dir es auf Deine eigne Ehrliebe, und Gewißen, daß von
der nur zu großen Gutwilligkeit unsers Vaters gegen seine Kinder hier
kein Gebrauch gemacht, sondern ihm die Summe =wirklich und in der That
baar= ausgezahlt werde.

Die Pappiere meiner Berechnung mit Dir sind, nebst andern Manuskripten,
in Erlangen liegen geblieben, von woher ich sie nicht so schnell haben
kann. Ich lade Dich darum ein, so schnell, als möglich mir Deine
Berechnung mit mir einzusenden, damit ich Dir über alles abgezahlte eine
Generalquittung geben könne. Meinen herzlichsten Gruß an die Deinigen
von mir und den meinigen.

                                    Dein treuer Bruder
                                                       _Fichte_.

  Aufschrift:

                             Meinem Bruder
                  Johann Gottlob Fichte
                                         zu
                                             _Elstra_.

    d. Einschluß.

  Aus dem folgenden Briefe seiner Gattin, der in wenigen Zügen ein
  reizendes Familienbild entwirft, erfahren wir, daß Fichte schon im
  Sommer 1809 mit einigem Erfolg das Bad besucht hatte.



38.


                                         Berlin d: 18: Demb 1809

Theure SchwiegerEltern wir grüßen Sie herzlich, und wünschen zu wißen
wie Sie Sich befinden, und wie's Ihnen geht; mein Mann ist Gottlob
gesund, nur ist seine Linkehand, noch so wie Sie sie im Sommer sahn, und
das Rechtebein schmerzt auch dann und wann, er wird künftigen Sommer
wieder nach _Töplitz_ gehn müßen, um völlig _curiert_ zu werden; da
werden wir das Vergnügen haben Sie zu besuchen. Sein Geist ist heiter,
so daß er wieder arbeiten kann, und izt Vorlesungen hält, die auch wohl
gedruckt werden werden.

Unser _Hermann_ ist Gottlob auch gesund, lernt braf, und grüßt seine
lieben GroßEltern herzlich; er hat 4: _Th_ von seinem Taschengeld dieses
Jahr erspahrt, um sie seinen GroßEltern schiken zu können, damit Sie
sich eine kleine Weinachtsfreude machen, und auch ein gläschen guten
Wein zu Ihrer Erquikung trinken, thun Sie das doch ja mit der guten
Grosmutter, die wir herzlich grüßen, und gedenken Sie dabei unser.

Gott schenke Ihnen einen gesunden frohen Winter, und laße freudig in's
NeueJahr eintreten: das wünscht von ganzem Herzen Ihre Sie aufrichtig
liebende

                                                  Johanna Fichte
                                                     g: _Rahn_

  Zum zweiten Male ging Fichte im Jahre 1810 nach Teplitz und auf der
  Rückreise besuchte er seinen Geburtsort.



39.


                                       Dresden, d. 7. Jun. 1810.

      Mein lieber Vater,

Gestern Abend sind wir hier zu Dresden angekommen, um übermorgen nach
Teplitz, zur völligen Wiederherstellung meiner Gesundheit reisen. Ich
bin jezt doch noch zu angegriffen, um die Reise nach Rammenau machen zu
können; ich werde aber bei meiner Rükkehr aus den Böhmischen Bädern,
etwa im =August=, ganz gewiß meine lieben Eltern besuchen

Ich bin =im ganzen= sehr gesund, nur ist der Gebrauch des einen Beins
noch schwierig. Meine Frau, und mein Herrmann sind gleichfalls wohl. Wir
bitten Sie herzlich, das beiliegende als ein kleines Feyertagsgeschenk
anzunehmen.

Meine Frau, und mein Sohn grüßen herzlich.

                                      Ihr Sie liebender Sohn
                                                Gottlieb Fichte.



40.


                                    Teplitz, d. 7. August, 1810.

                          Mein theurer Vater,

Ich werde, wenn alles nach meiner Berechnung geht, künftigen Montag
d. 13. Abends mit den meinigen, Sie besuchen; auch d. 14ten noch
größtentheils bei Ihnen zuzubringen. Das Nachtlager jedoch werde ich,
um Ihnen nicht unangenehme Weitläuftigkeiten, und Zurüstungen zu
verursachen, zu Bischofswerda im Gasthofe nehmen

Ich hoffe Sie alle in der besten Gesundheit anzutreffen, und dann
mündlich das mehrere. Jezt nimmt meine Frau, die lieber schreibt, denn
ich, die Feder.

  [Der nächste Satz von Johanna:]

Ich grüße Sie alle von ganzem Herzen, und hoffe Sie bald zu umarmen,
Leben Sie wohl, auf ein glükliches Wiedersehn

                                                       _Fichte_.

  Aufschrift:

              Herrn Christian _=Fichte=_
                                          zu
                                             _=Rammenau=_
                                             _p. Bischofswerda_.

  Noch in demselben Jahre erlitt sein Vater einen Unfall, wobei
  namentlich auch Johanna sich zärtlich besorgt zeigt. Die im nächsten
  Briefe und später erwähnte Hannchen war Fichte's Nichte, die er zu
  sich genommen.



41.


                                   Berlin, d. 1. Dezember. 1810.

        Lieber Vater,

Die Nachricht von Ihrem Falle hat mich schmerzlich betrübt, so wie uns
Alle. Ich hoffe aber, daß dies, bei Ihrer übrigen Gesundheit von keinen
weitern übeln Folgen seyn soll. Um mich desto fester zu versichern, daß
Sie sich an Pflege und Heilmittel nichts abgehen laßen, sende ich
sogleich jezt das Quartal auf Weyhnachten. Bei uns steht alles beim
Alten. Daher übergebe ich meiner Frau die Feder, die schon noch Worte
finden wird.

  [Von Johanna:]

Ich übernehme die Feder gerne, um Ihnen zu sagen, daß wir sie inständig
bitten, sich ja zu schonen, und zu pflegen; die gute Großmutter, die
ich auch herzlich grüße, versteht ja das so schön, und thut gewis alles
mögliche um Sie wieder herzustellen. Ich danke Gott daß mein Mann in der
Lage ist, Ihnen diese Kleinigkeit schiken zu können; und hoffe auch von
der Güte Gottes, daß er Sie erhalte, und daß wir Sie künftigen Sommer
fröhlich wiedersehn.

Wir sind Gottlob alle gesund, auch Hannchen ist gesund, dann und wann
hat sie ein wenig Kopfweh, dann schik ich sie in's Beth, wenn sie genug
geschlafen hat, so steht sie wieder gesund auf. Wir grüßen Sie alle von
ganzem Herzen, und wünschen bald frohe Nachricht von Ihnen.

Leben Sie wohl! Ihre treue Johanna Fichte g: _Rahn_

  Weit bedenklicher aber erkrankte der alte Vater in der Mitte des
  Jahres 1812, ohne sich wieder zu erholen. Rührend und erbaulich ist
  wiederum die christlich ergebene Gesinnung in Johanna's Briefen an den
  Sterbenden.



42.


                                        Berlin d: 17: July 1812.

Sie stellen sich leicht vor Theurer Guter Greis, mit welcher innigen
Wehmuth, wir die Nachricht von Ihrem schweren Krankenlager vernommen
haben; Gott stärke Sie, Gott stehe Ihnen bey; und wenn es sein gnädiger
Wille ist, so erhalte er Sie uns noch lange; ist es sein Wille nicht, so
laße er Sie in Ruh, und Frieden hinüber gehn, ins beßere Vaterland, wo
wir Gott näher kommen, und ihn würdiger anbethen, und preisen können,
und wo wir uns alle wiederfinden werden; ich freue mich mit inniger
Wonne der seligen Zeit, wo auch wir hinnüber gehn werden, um einer
nähern, innigern Anschauung, und Anbethung Gottes gewürdigt zu werden.

Was die irdischen Angelegenheiten betrift, so wird mein Mann es nicht
erlauben, daß der guten Großmutter, das Geringste genommen werde;
sondern Sie soll bis am Ende ihres Lebens im Besitz alles deßen bleiben,
was Sie hinterlaßen; und weil mein Mann durch den verstorbenen Bruder
das Haus gekauft hat, so kämm es ja ihm zu, und er hat ein Recht darüber
zu sprechen; auch werden wir der guten Großmutter, wie bis izt, ein
bestimmtes an Geld schiken, so daß sie ruhig leben kann; und Sie Guter
Großvater sich auch darüber keine Sorge machen, der gütige Gott wird
auch sie nicht verlaßen, und wir wollen als rechtschaffne Kinder =gewis=
immer für sie sorgen.

_Hermann_ und Handchen grüßen Sie auch von ganzem Herzen; sie wollen für
Sie bethen; und ist es Gottes Wille, so werden Sie sie auch noch auf
dieser Welt sehn, sie wachsen beyde, sind stark, gesund, und gute
Kinder. Ich hoffe daß Sie die 20: _Th._ welche im Anfange dieses Monats
geschikt wurden nun erhalten haben. Mein Mann hoff ich schreibt auch
noch: drum sag ich Ihnen von ganzem Herzen lebe wohl; wo nicht in dieser
Welt, so sehn wir uns in der andern wieder. Der gnädige Gott sey mit
Ihnen: das ist der innigste Wunsch

                                   Ihrer Johanna Fichte

  [Von J. G. Fichte:]

Ich hoffe, mein theurer Vater, daß Sie Sich noch wieder erholen, und
noch bei uns bleiben werden, und ich Sie noch sehen werde. Ich kann mich
mit dem Gedanken Ihres möglichen Verlustes nicht vertraut machen.

Was meine Frau in dem vorstehenden schreibt, ist auf die Voraussetzung
gegründet, daß, im Falle des Abgangs des Vaters mit Tode, die Geschwister
sollten theilen wollen. Ich hoffe, dies fällt keinem Menschen ein. Ich
denke wohl, es versteht sich von selbst, daß, da alles von der Mutter
herkommt, sie alles, was da ist, fortgenießt, bis an das, Gott gebe noch
recht lang entfernte, Ende ihres Lebens. Außer dem hätte wohl auch ich
in diesem Falle ein Wort mit zu sprechen.

Ich ersuche darum durch dieses die Mutter dringend, nichts von der
Verlassenschaft wegbringen zu lassen; ich mache Bruder =Gottlob=,
der mir schreibt, er werde ohne meine Einwilligung nichts thun ganz
besonders darüber verantwortlich. Ich will überhaupt aus brüderlicher
Liebe und Achtung hoffen, daß diese Vorstellungen ganz überflüßig sind,
indem es gar niemanden eingefallen anders zu handeln.

                                                        _Fichte_

Falls doch Gott über Sie beschließen sollte, theurer Vater, diese Zeilen
aber Sie noch bei Leben antreffen, so nehme ich hierdurch mit der Liebe
und Verehrung, die ich immer für Sie getragen habe, Abschied, bis zum
Wiedersehen in einer beßern Welt.

                                                          _F._

  [Ein beigelegtes Blatt:]

Wir wußten nicht aus den vorigen Briefen, daß auch die gute Großmutter
krank ist, sondern erfahren's erst izt, durch Ihren letzten Brief, guter
Großvater; Sie können Sich unsern Schmerz vorstellen, Sie nun beyde
leidend zu wißen; wir hoffen doch daß Sie jemand bey Sich haben, der Sie
wartet und pflegt; wie gerne wollten wir es thun, wenn wir bey Ihnen
währen: der gütige Gott steh Ihnen bey, und das wird er thun, das ist
mein, und unser aller, einziger Trost; meines Mannes Beruf Vorlesungen
zu halten, meiner zur Wirthschaft, und Einquartierung, zu sehn, und zu
dierigen [dirigiren]; _Hermanns_ seiner Vorlesungen zu hören, Handchen
ihre Hausgeschäfte zu thun, dieses alles bindet uns bis im Herbst am
Hause; vom 15: August hören die Vorlesungen auf, dann soll mein Mann 4:
Wochen im Hause Baaden, so spricht der Doctor, so geht noch eine lange
Zeit hin, vielleicht erholen Sie Sich mit Gottes Hilfe wieder, wie wir
sehnlichst wünschen.

Es ist Ihnen vielleicht eine Herzensangelegenheit Handchen, etwas zu
vermachen; so haben Sie nur die Güte es uns zu schreiben, oder
schriftlich Ihren Willen dem Prediger zu übergeben; ich sage dieses
nur, damit doch gewis Ihre Herzenswünsche erfüllt werden. Dieses
blätchen leg ich noch bey, nadem der Brief schon geschrieben war, eh wir
Ihren letzten erhielten. Der Gnädige Gütige Gott sey mit Ihnen; in einer
beßern Welt finden wir uns wieder wo alle Sorge, und Müh ein Ende hat.

  [Von Johanna's Hand:]

Hier schiken wir Ihnen noch 10: _Th:_ damit Sie Sich ja pflegen können.

  Aufschrift von Johanna F.:

                _Herrn Christian =Fichte=_
                                    in
                                _Rammenau_ bey _Bischoffswerda_.

    Nebst ein Päkchen mit
    10: _Th:_ =Sächsisch=



43.


                                     _Berlin_ d: 10: August 1812

Wollte Gott, theurer, innigst geliebter Grosvater, wir könnten etwas
zur Erleichterung Ihrer vielen Leiden beytragen; ach laßen Sie uns doch
schreiben wie es Ihnen geht; die weite Entfernung von Ihnen, ist uns izt
besonders drükkend, da wir so gerne zu Ihnen eilten, und wenns möglich
wäre Ihnen hälfen; die Hülfe steht allein bey Gott, mög er sich doch
erbarmen und Ihnen helfen; das ist unser innigstes Gebeth. Mein Mann
grüßt Sie auch von ganzem Herzen, er ist Gott sey Dank gesund, so wie
auch _Hermann_ und Hannchen; alle verlangen auf glükliche Nachricht von
Ihnen.

Diesen Brief überbringt Ihnen _Herr_ Eysener, den ich bitten werde uns
zu schreiben, wie es Ihnen geht.

Gottes Güte ist groß, vielleicht hilft er Ihnen bald, und denn sehn wir
uns in diesem Leben noch wieder, wo nicht, in einer beßern Welt, wo kein
Leiden, kein Schmerz mehr trennt, wo wir Gott inniger anbethen können.

Leben Sie wohl, theurer geliebter Greis; Gottes Gnade sey mit Ihnen.

                        Von ganzen Herzen
                                  Ihre Johanna Fichte:
                                                       g: _Rahn_

  Aufschrift:

                                          _Herrn =Fichte=_
                                                   =durch Güte=.

  Den am 13. September erfolgten Tod des am 7. August 1737 gebornen,
  also über 75 Jahre alten Vaters meldet ein Brief Gottlob's, dessen
  Schluß fehlt. --



44.


                                      Elstra, d. 14. _Sept._ 12.

        Lieber Bruder

Unser guter Vater hat nun alle seine Leiden überstanden, er beschloß
sein Leben gestern Abends halb 7 Uhr. Seine Krankheit war sehr hart,
die Angst und Schmertz Gefühle verfolgten ihn bis an die letzte Minute
des Todtes, er mußte alle schmertzhafte Zufälle empfinden, welche
der Gewöhnliche Gang der Geschwulst mit sich bringt; noch 4 Tage vor
seinem Ende zeigte sich durch Blut und Materie Auswurf, daß er ein
LungenGeschwüre gehabt hatte, welche den sehr schweren und kurtzen Athem
(von welchen ich Dir schon geschrieben) verursacht hatte; denn außer
diesen würde er diese Angst nicht empfunden haben. Zu Deiner und der
Deinigen Beruhigung muß ich Dich damit trösten, daß wir zu seiner
Erquikung und Erleichterung alle nur mögliche Mühe angewendet und keine
Kosten gesparet haben, wir haben _D._ Bentsche in Bischofswerda, den in
unserer Gegend berühmtesten Arzt gebraucht, der hat ihn von Zeit zu Zeit
selbst besuchet und ihn unter der Menge seiner übrigen Patienten am
vorzüglichsten behandelt. Ich habe seit 6 Wochen, anfänglich die
mehresten Nächte, späterhin die mehresten Tage und Nächte und seit
8 Tagen alle Tage und Nächte bei ihm zugebracht, und Verrichtungen wo
nur Liebe und Pflicht Gefühl allen Ekel unterdrücken müssen welches man
umsonst von fremden Leuten verlangen würde (das heißt bey uns zu Lande)
selbst übernommen.

Auch Schwester Hanne hat sich seiner die letzten 8 Tage und Nächte
treulich angenommen, sie hat ihn helfen pflegen, tragen, heben bey seinen
sehr starken Durchfall ihn zu jeder Minute Reinlichkeit verschaffen
helfen, die Aufgesprungenen geschwollenen Glieder geschmiert und
Umschläge gemacht, dem Waßer welches durch den geschwollenen Weg von
selbst nicht mehr ging geholfen, und alle mögliche Verrichtungen zu
seiner Linderung übernommen.

Verzeihe mir diese Gründliche Erzählung, es geschieht aus keiner neben
Absicht, es fühle bloß an mir selbst, daß einen Kinde Deiner Art mit
dieser Ausführlichkeit gedienet seyn muß.

Den 16. d. zu Mittage in der 2 Stunde wird sein erblaßter Körper zur
Ruhe befördert, nach hiesiger Landessitte mit Predigt und Paredation,
zum Leichentext habe ich gewählet: Mache dich auf, werde Licht, den dein
Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn ist über Dir, Dieser scheint
mir auf des seel. Vaters denkenten forschenten Geist mehr zu paßen alle
sonst gewöhnliche, und ich glaube den H. Pfarre damit volle Arbeit zu
geben.

Der H. Pfarr hat sich des seel. Vaters treulich angenommen, ihn fleißig
besuchet und mit Trostgründen aus der Religion welche vernünftig und den
Kenntnißen des Vaters angemeßen waren, unterstüzt. Wer durch diese
Veränderung am meisten verlohren hat, ist = die gute alte Mutter, sie
hatt ihren besten Freund, ihren Begleiter im Alter verlohren, das
tröstet und richtet sie noch etwas auf, daß Du und Deine liebe Frau ihr
kräftigen Beystand versprochen habet, was meine Lage und Kräffte thun
können, werde ich auch thun, daran zweifelst Du gewiß nicht.

Nur ist heute mein Kopf zu sehr voll, und kan vor heute nicht die
vernünftigsten und tauglichsten Pläne, was mit den Hauße werden soll,
und wie die Ernährung der Mutter am zwekmäßigsten bestimmt werden kann,
in Vorschlag bringen. Die bisherige Einrichtung kan nicht fortgesezt
werden, die Mutter würde, ohne daß sie Ruhe und Glük genießen könte,
dabey sehr viel zusetzen. Kosten vor Holtz und Licht, allerhand Abgaben,
Zechen und Dienste, Einquartirung und dergl. sind Dinge welche jährlich
eine sehr große Summe erfordern, und welche die Mutter mit ihren
KramLaden, zu welchen sie ohnedies ihr Alter und schweres Gehör von
Zeit zu Zeit immer unfähiger macht nicht erwerben kan. Ich spüre das
C......... glaubet, oder wenn ich mich in sein Selbst denken will,
träumet Besitzer zu werden, den KramLaden zu übernehmen, und freilich
auf solche Art der Mutter die gleich erzählten Beschwerden abnehmen
will, mit den grösten Leidwesen sehe ich aber, das C......... einen
siechen Körper und einen schwachen Geist besizt, und auch die Frau
unthätig und ungeschikt ist, er besizt ein kleines Vermögen, und wir
wollen doch seine Pläne, da er doch unser Bruder ist anhören, doch
versteht sich, das wir zu seinen (weil er sich selbst nicht kennt oder
kennen will) oder unsern Schaden nicht übereilt zu Werke gehen können,
Doch können wir diese Veränderung auch nicht gantz in die Länge hinaus
verschieben. Ich werde Dir mit Hr. Eißnern wieder schreiben und Deinen
Herrmann und Hannen etliche Stük alte Silber Müntzen welche der seel.
Vater ihnen als ein Andenken zu schiken befohlen hat einsiegeln.

  Der hier erwähnte Pfarrer war _M._ Christian Gottlieb Köthe. --

  Nun war's an unserem Fichte, für seine Mutter zu sorgen und sie
  vor etwaigen Benachtheiligungen zu schützen; und er erfüllte im
  Sinne eines treuen Sohnes diese Pflicht mit seiner gewohnten
  Nachdrücklichkeit. Vergl. oben die Auseinandersetzung zum 12. Briefe.



45.


                                         Berlin, d. 19. 8br. 12.

        Lieber Bruder,

Weit entfernt, daß Dein so eben erhaltener Brief v. 6. Oktober mich
befremden sollte, hebt er vielmehr einen Anstoß, den ich an Deinem
frühern genommen, wo Du die Schwierigkeiten für die Mutter, die
Wirthschaft zu behaupten, aus einander setzest, und dafür hältst, dieser
C......... könne doch etwa Vorschläge machen, auf die zu hören sey. Es
ist mir sehr lieb, daß ich mit der Beantwortung dieses Punctes gewartet,
bis Dein heutiger Brief zeigt, daß Du über dieses Subjekt -- es ist mir
schon früher vorgekommen, als ob Du ihn ungerechter Weise in Schutz
nähmest -- ganz so denkst, wie ich seit der Zeit von ihm gedacht habe,
da ich schon an ihm als kleinen Knaben Proben einer unbegreiflichen
Bosheit gefunden habe.

Weiß denn der thörigte nicht, daß, wenn alles andere wegfällt, ich
1.) das Kaufgeld, womit der seel. Gotthelf das Haus vom Vater erkauft,
hergegeben, und daß mir dasselbe, nachdem durch des Bruders Tod der
Vater wieder Eigenthümer geworden, nie zurückgezahlt worden, 2.) daß,
als die Schwägerin sich zu Rammenau aufhielt, von meinem in der
Gotthelfischen Verlassenschaft befindlichen Gelde in dem Hause gebauet
worden, worüber ich noch eigenhändige Rechnung des Vaters besitze
3.) daß mehreres unter den Mobilien mein ist 4.) daß ich in den lezten
2 Jahren den Eltern über 200 Rthr. geschikt, welche ich, sobald man mich
reizt, als ein =Darlehn= betrachten werde. Begreift er nicht, daß alle
diese Summen aus der Verlassenschaft erst an mich zurükgezahlt werden
müssen, ehe eine Erbschaft da ist: und kann er nicht berechnen, was in
diesem Falle übrig bleiben werde? -- Verstehe mich wohl Bruder. Es fällt
mir nicht ein, diese Umstände gegen meine übrigen Geschwister geltend zu
machen, wenn sie sich ordentlich und vernünftig betragen, und durch
Unvernunft meinen Unwillen nicht reizen. Es ist wohl klar, daß ich mit
einem Häuschen in Rammenau nichts anzufangen weiß, und daß alle die
Gegenstände, die etwa in dieser Erbschaft vorkommen könnten, mir nicht
des Holens werth sind. Aber das will ich, daß man die Mutter bis an ihr
Ende ruhig genießen laße, was entweder das ihrige ist, oder das meinige.
Nach ihrem, Gott gebe noch lang entfernten Tode, wird sich schon alles
finden.

Um der Sache kurz und gut ein Ende zu machen, geht zugleich mit diesem
Briefe an Dich ein Schreiben an den Herrn Rittmeister =von Kleist=, in
welchem ich ihm die Sache vorlege, und ihn um Schutz für meine Mutter,
und um Bezähmung des schlechten Burschen bitte.

Die Mutter wird sich meiner oben erwähnten Ansprüche wohl erinnern. Ich
berufe in diesem Schreiben an Kleist mich um der Kürze willen auf ihr
Zeugniß, ohnerachtet ich alle diese Umstände auch durch schriftliche
Documente erweisen kann. Ich bitte sie, daß sie befragt dieses Zeugniß,
das zu ihrem eignen Besten dient, ablege.

                   *       *       *       *       *

Es ist mir noch ein andrer Gedanke gekommen, wie für die Mutter am
besten gesorgt werden könnte. Es muß aber erst in dieser Sache Ordnung
seyn, ehe ich darüber eine Aeußerung machen kann. Ich ersuche Dich
darum, mir nach Endigung der Sache wieder zu schreiben.

... ... ...

                   *       *       *       *       *

So viel über diese unangenehmen Dinge. Jezt zu etwas das Herz näher
angehenden. Schreibe mir doch, so viel Du kannst, von den lezten Stunden
unsres verehrten treflichen Vaters; auch von dem Leichenbegängnisse, von
der Predigt, deren sehr gut gewählten Text Du mir überschriebest.

Lebe recht wohl. Die meinigen grüßen (die =meinigen=, sage ich; und dazu
zähle ich auch recht sehr Hannchen, als ein Vermächtniß des herrlichen
Vaters.)

Grüße herzlich die Deinigen von uns.

                                              Dein treuer Bruder
                                                 J. G. Fichte.

  Aufschrift:

                     Herrn _Gottlob Fichte_,
                                             Bürger
                                                    zu
                                                       _Elstra_.

    d. Einschluß.

  In diesem und in dem 48. Briefe wird Rittmeister von Kleist, (vgl.
  den 9. Brief) als Gutsherr von Rammenau erwähnt. Die Sache hängt so
  zusammen: Des oben, zum 2. Briefe, erwähnten Johann Albericus Sohn
  Johann Centurius Reichsgraf von Hoffmannsegg verkaufte das Gut an
  seinen Schwager Friedrich von Kleist, königl. sächs. Kreisdirector in
  Querfurth und Dahme, so wie königl. preuß. Rittmeister und Ritter des
  Malteser- oder St. Johannisorden, welcher es von 1795 an bis zu seinem
  am 9. Febr. 1820 erfolgten Tode besaß. Sodann fiel es wieder an den
  früheren Besitzer Johann Centurius v. H. zurück, dessen Sohn Conradin
  Centurius Graf von Hoffmannsegg der jetzige Besitzer ist.

  Die Drangsale des nun ausbrechenden großen Krieges spiegeln sich auch
  in dem engen Rahmen der Leiden, die er Fichte's Mutter brachte.



46.


                                     Elstra, d. 30. Octbr. 1813.

        Mein lieber Bruder,

Unsere liebe Mutter wollte schon längst Dir und den Deinigen ihr
Befinden zu wißen thun leider aber gehen die Posten noch nicht dahin;
ich bediene mich der Gelegenheit diesen Brief mit einen Bekanten welcher
nach Frankfurth zur Meße reiset zu geben. Ich hoffe daß unser Bruder in
Finsterwalde doch endlich wird Gelegenheit gefunden haben meinen Brief,
vom 19. July, (worinnen Dir unsere Mutter den Empfang von 20 Rthr. von
den Studenten Ritschel bescheinigte) zu übersenden.

Unsere gute Mutter hat durch den Krieg diesen Sommer durch wieder viel
gelitten so wohl an ihrer Gesundheit als an ihren Vermögen, sie hatt
viel Einquartirung gehabt und durch Plünderung ist ihr vieles entwendet
worden.

Den 14 _Sept._ befürchteten die Rammenauer ihren Untergang durch
Kanonenfeuer, die Mutter wurde mit im Busch zu gehen veranlaßte, wo sie
bey kalter und naßer Witterung bis zum 17. aushalten muste, doch wurde
ihr noch nicht gerathen ihr Hauß zu bewohnen, sondern sie muste sich in
einem Hauße nicht weit vom Walde aufhalten. Diese Zeit über war alle
Communication unterbrochen, den 21., da die Franzosen Rammenau räumten,
und unsere gantze Gegend von Rußen überschwemmet war, nahm ich mir vor
sie aufzusuchen, und fand sie in diesen Hause; da ich urtheilen konnte
daß sie von Marodörs in Rammenau weit mehr beunruhigt würde als in
Elstra, (den sie hatte sogar im Busche und auch in diesem Hauße keine
Lebensmittel vorm Plündern erhalten können) so that ich ihr den
Vorschlag sie zu mir zu nehmen, allein zum Transport waren weder
Menschen noch Vieh zu haben, ich bediente mich also des Schubkarrens.
Ihre Gesundheit war durch Furcht, Unordnung, entbehrung ihrer gewohnten
Lebensmittel zerrüttet, ich glaubte gewiß daß sie sich beßern würde,
doch hatt sich ihre Gesundheit bis jezt noch nicht wieder eingefunden,
sie ist schwach und matt, und was der Hauptfehler ist, sie kan fast gar
nichts genießen, der Magen nimmt nichts an keine Poteille Wein ist in
unsrer gantzen Gegend nicht mehr zu haben, alle Vorräthe sind ruinirt
und verwüstet, keine Zufuhre ist nicht möglich.

Den 24. Octbr ist sie, mit einer Gelegenheitsfuhre zu Hauße gefahren,
denn es ist etwas ruhiger geworden, die Salvegarden halten die
herumstreifeten Kosaken im Zaume. Das Hauß unserer Mutter ist zum Glük
nicht so total runirt als sehr viele andere, (zwei oder 3 Fenster sind
eingeschlagen,) viele Häuser in Rammenau sind gantz unbewohnbar gemacht
geworden; viele Ortschaften sind, ohne das sie weg gebrannt sind, ganz
runirt, da giebt es Bauern, besonders an der Straße von Bautzen nach
Dresden, die kein Brodt, keinen Saamen, kein Vieh, kein Geschirre gar
nichts, alle kranke Körper haben, z. B. vom 16. bis 28 May, sind bloß
im Bauzner und Görlitzer Kreyse 71 Dörfer in Asche gelegt wurden, das
Unglük hatt aber seit dieser Zeit täglich continuirt

Unsere liebe Mutter läßet Dich, Deine liebe Frau Deinen lieben Herrmann
und Hannen von Hertzen grüßen und wünschet daß diese Krieges Uebel von
Euch entfernt bleiben mögen, auch grüße Diese alle von mir und den
Meinigen hertzlich.

Lebe gesund mit den Deinigen. Ich bin

                                             Dein treuer Bruder.
                                                   J. G. F.

  Auch von der alternden Mutter ist uns ein Brief aufbehalten, mit
  sicherer Hand in regelmäßigen Zügen geschrieben.



47.


                                            d. 2. _Decbr._ 1813.

        Innig geliebte Tochter,

Ich habe sogleich Ihr werthes Schreiben vom 20 _Nov._ mit inl. zwey
Stük _Louisdor_ richtig erhalten, ich danke Ihnen von Hertzen; nicht mit
Gleichgültigkeit, sondern mit inniger Rührung, mit Gebeth und Dank zu
Gott erkenne ich die göttliche Wohlthat daß mir die Vorsehung so eine
gute Seele zur Tochter gegeben hat. Ich fühle und bedaure, daß Sie mich
nicht blos mit Entbehrlichkeit unterstützen, sondern, da ich den Druk
der Zeit, und die vielen Aufopferungen kenne, und den sichern Schluß
machen kan, daß auch mein lieber Sohn in seinem Erwerb beträchtlich
zurük gesezt ist, so kan ich einsehen, daß Sie, aus Liebe zu mir,
manches entbehren werden.

Ihre guten Nachrichten, daß Sie Gott, bey den überhandnehmenden
Krankheiten gesund erhalten, und daß Sie ihren lieben Sohn bey sich
haben, freuet und tröstet mich.

Meine Gesundheitsumstände haben sich nicht gebeßert, meine Kräffte
nehmen allmählich ab, ich spüre daß ich seit etlichen Wochen viel
schwächer geworden, auch finden sich von Zeit zu Zeit, immer mehr
unangenehme körperliche Empfindungen, ich liege nicht beständig ich
mache mir Bewegung, ich habe einen Stuhl im Gange vor welchen ich
zubereite, bey dieser Lebensart bleiben meine Glieder und mein Blut in
wohlthätigerer Bewegung, den Kram habe ich abgegeben, indem mein Körper
darzu nicht mehr fähig ist (und daß besonders bey kalter Jahreszeit.)
Nur bedaure ich, wenn ich nach Gottes Willen noch eine Zeit lang leben
soll, daß mein Magen so sehr schwach ist, ich kan fast gar nichts
genießen, mich damit zu stärken und zu erquiken. Die gewaltthätigen
kriegerischen Eräugniße, welche sehr schädlich auf meine schwachen
Geisteskräfte wirkten, haben sich, (Gott sey es Dank) vermindert, ich
habe just heute, einen Rußen, zum Glük einen gesitteten, zur
Einquartirung.

Bei allen Unangenehmen was mich dieses Jahr betroffen hat ist mir immer
sehr bange um Sie und die Ihrigen gewesen, und habe zu Gott um Ihre
Erhaltung geseufzet. Ich freue mich, und danke es Gott von Hertzen, daß
er größeres Unglük in Gnaden von uns abgewendet hat.

Da es die Zeit nicht gestattet daß Harrtmanns ihrer Tochter Nachricht
mit beylegen könnten, so sagen Sie Hannchen zu ihrem Troste folgendes:

1) Ihre Wohnung stehet noch unversehrt, ob es schon in Pulßnitz
fürchterlich zugieng (die Stadt wurde sieben mahl genommen und
wiedergenommen) so brach doch kein Feuer aus.

2) Wegen der Plünderungen hatten sie Schuz, sie musten vor Militair
baken und hatten Salvegarden im Hause, dabey gieng es drum nicht so
genau ab, es ward ihnen noch manches genommen und die Umzäunung des
Gartens ward im Biviak verbrandt.

3) Ihr Bruder ist in seinen Lernen sehr gestört worden, er hat in
Dresden bei der Blokade müßen Hunger leiden, ist alsdenn eine Zeit bey
seinen Aeltern gewesen, und ist jetzo wieder in Dresden.

4) Die Epidemie hatt sie noch nicht ergriffen, vor wenigen Tagen war die
gantze Familie noch gesund.

5) Dore bey ihren Aeltern.

Gott nehme Sie alle in seinen Schuz, vielleicht erlebe ich noch die
Freude daß Sie mich vor meinem Ende künftiges Früjahr noch einmal
besuchen

Ihre treue liebende Mutter

                               Maria Dorothea verwittwete Fichte

  Die ganze Reihenfolge der Briefe schließt, nach dem Hinscheiden der
  greisen Mutter und dem bald darauf, am 27. Januar 1814, erfolgten Tode
  des rüstigen Sohnes, mit einem Briefe des Bruders an die hinterlassene
  Wittwe.



48.


                                     Elstra, d. 11 _Febr._ 1814.

        Theuerste Frau Schwägerin

Ich kan Ihnen das, was ich und die Meinigen über den Todt meines lieben
Bruders, (der nicht blos ein Großer, sondern auch ein Nachahmungswürdiger
guter Mann war,) empfinde, mit Worten nicht schildern, und Niemand wird
wohl die unheilbaren Wunden, welche Ihnen die Vorsehung geschlagen hat,
mehr fühlen als ich, doch der Trostspruch eines Hiobs im Unglük kan mich
und Sie aufrichten und erhalten. Gott wird Ihnen beistehen; Ihr Verlust
ist zwar auf dieser Welt nicht zu ersetzen, doch wird Sie und Ihren Sohn
die gerechte Preusische Regierung, welche unsern Verewigten Freund
schäzte, nicht verlaßen.

Ihren gerechten Anspruch, welchen Sie an der Maße der Verlaßenschaft
unserer seel. Eltern machen, und welcher sich laut Ihres werthen
Schreibens vom 1 _Febr._ auf Einhundert Thaler beläuft wird Ihnen von
meinem Geschwister nicht erschwert oder verkürzet werden.

Gerichtskosten wird die Herrschaft viel machen, sie hat vorjetzo alles
im Beschlag genommen, und wird uns die Freiheit nicht wieder geben, daß
wir vor uns verkaufen und unter einander theilen können; dieses Recht
kam der Herrschaft zu, und sie hat dieses vor ganz nothwendig glauben
mußen, weil wir Geschwister in aller Welt zerstreut sind, und über
dieses wird sie Ansprüche an zwei Brüdern machen, welche Kraft ihrer
Lehr Briefe und Kundschaften ihr Unterkommen finden konnten, ohne sich
von der Erbunterthänigkeit los zu kaufen; und wenn die Herrschaft alle
nur möglich zu machende Kosten abgezogen hat so macht sie noch 5 _pr.
C._ Abzug von der Maße. Häuser zu verkaufen ist jezt ein sehr ungünstiger
Zeitpunkt, und das Haus auf beßere Zeiten aufzubehalten ist nicht rathsam,
die gar nicht zu berechneten Kriegsunkosten, und die Reparaturen, welche
der Krieg verursacht hat, (die Gartenzäumung ist gantz verbrannt worden,
und eine bedeutente Haußrepratur giebt es auch) würden, uns in diesen
Falle einen beträchtlichen Theil von den daraus gelößten Gelde rauben.

In Rücksicht Ihrer Anforderung glaube ich bestimmt daß dieses das beste
Mittel wäre, wenn Sie Ihre Forderung von der Obrigkeit unter welcher sie
stehen authorisiren liesen, und an den H. v. Kleist, als Erb-Lehn- und
Gerichts-Herr auf Rammenau übersendeten, nur wünschte ich wenn Sie mir
eine Abschrift davon übersendeten, ich werde mir es zur heiligsten
Pflicht machen diese Ansprüche zu unterstützen und sollte, wie ich nicht
glauben will, der H. v. Kleist auch _pr. C._ von den Ihrigen abziehen,
so würde ich wenn ich es nicht hintertreiben könnte, solches auf die
Maße wenden.

Ich empfehle Sie mit Ihren lieben Sohne den Schutze Gottes und bethe
daß Gott ferneres Unglük in Gnaden von Ihnen abwenden möge und Sie
gesund und bei dem Leben erhalten, damit Sie vorjetzo eine Stütze Ihres
lieben Sohne seyn mögen, welcher in etlichen Jahren zuverläßig Ihre
Stütze werden wird.

Meine Frau und Tochter welche äuserst betrübt über Ihr Unglük sind,
laßen Sie von Hertzen grüßen.

                          Ihr getreuer Freund
                              J. Gottl. F.

  So scheiden wir denn von dem großen Manne, den wir von dem Anfange
  seiner Laufbahn bis zu seinem Ende in den verschiedenartigen
  Beziehungen zu seiner Familie begleitet und auch von dieser Seite neu
  lieben gelernt haben, wir scheiden von seinem guten, milden Vater,
  von seiner wackeren Mutter -- den Vollendeten; wir scheiden auch von
  Denen, deren Lebensgang wir nur zum Theil in die Sonnenbahn jenes
  leuchtenden Genius hereintreten sehen, von seinen ihm theils
  ähnlichen, theils unähnlichen Geschwistern; wir scheiden endlich auch
  von dem Charakter, der nach ihm selbst uns am innigsten anzieht, von
  seiner edlen Gattin, die ihn um fünf Jahre überlebte, aufgehend in der
  Liebe zu ihrem Sohne, dem würdigen Erben seines Namens, in dem Geist
  und Seele des Vaters und der Mutter sich verschmolzen haben.



                   Druck von C. E. Elbert in Leipzig.



  [ Im folgenden werden alle geänderten Textzeilen angeführt, wobei
    jeweils zuerst die Zeile wie im Original, danach die geänderte Zeile
    steht.

                                      Wolfishein d. 13. Mai. 787.
                                      Wolfishein d. 13. Mai. 1787.

    (1, 32 f. 39). Ende März des Jahres 1790 reiste er von dort wieder ab
    (I, 32 f. 39). Ende März des Jahres 1790 reiste er von dort wieder ab

    Fichte's Ausbildung sorgte Derselbe nahm den Knaben Fichte zuerst
    Fichte's Ausbildung sorgte. Derselbe nahm den Knaben Fichte zuerst

    eigene Aeußerungen über sie II, 154. 220. 256. 432. 503 ff, und ihre
    eigene Aeußerungen über sie II, 154. 220. 256. 432. 503 ff., und ihre

    beifüge, zuweilen zu hart erschien (vgl. besonders den Brief N. 14).
    beifüge, zuweilen zu hart erschien (vgl. besonders den Brief Nr. 14).

    Kiudern ist aus den vorliegenden Quellen natürlich nicht so deutlich
    Kindern ist aus den vorliegenden Quellen natürlich nicht so deutlich

  umliegenden Familien etwas vermögen. ([Zusatz am Rande]: Dieser ganze
  umliegenden Familien etwas vermögen. ([Zusatz am Rande:] Dieser ganze

    wozu Gottlob Fichte ihnen verschiedene Geldsummen schickte,
    wozu Johann Gottlieb Fichte ihnen verschiedene Geldsummen schickte,

    geschrieben, wie der au des Kindes Pathen Johann Erich von Berger
    geschrieben, wie der an des Kindes Pathen Johann Erich von Berger

  Die Aspekten für jeden Handel standen in Leipzig auf der Messe dsehr
  Die Aspekten für jeden Handel standen in Leipzig auf der Messe sehr

  traurig. Um jedoch nicht Schaden zu machen, un den Credit auf die Wage
  traurig. Um jedoch nicht Schaden zu machen, und den Credit auf die Wage

  Ich habe au unserm soeben gewesenen Jahrmarkte meiner Frau den Auftrag
  Ich habe an unserm soeben gewesenen Jahrmarkte meiner Frau den Auftrag

  rechnen, denn Weife, Gebind, und dergl. ist verschieden, und giebt
  rechnen, denn Weise, Gebind, und dergl. ist verschieden, und giebt

    Adalbert von Chamisso in einem 1808 aus Berlin an Friedrich de la
    Adelbert von Chamisso in einem 1808 aus Berlin an Friedrich de la

    ist wieder hier Er baut sehr auf die Oestreicher, die ihm sehr
    ist wieder hier. Er baut sehr auf die Oestreicher, die ihm sehr

  nähern, innigern Anschauuug, und Anbethung Gottes gewürdigt zu werden.
  nähern, innigern Anschauung, und Anbethung Gottes gewürdigt zu werden.

    Nun war's an unserem Fichte, für seine Mutter zu sorgeu und sie
    Nun war's an unserem Fichte, für seine Mutter zu sorgen und sie

    In diesem und in dem 48. Briefe wird Rittmeister vou Kleist, (vgl.
    In diesem und in dem 48. Briefe wird Rittmeister von Kleist, (vgl.

  1) Ihre Wohnuug stehet noch unversehrt, ob es schon in Pulßnitz
  1) Ihre Wohnung stehet noch unversehrt, ob es schon in Pulßnitz

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