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Title: Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. - Dritter Band
Author: Macaulay, Thomas Babington Macaulay, Baron, 1800-1859
Language: German
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  Thomas Babington Macaulay's

  Geschichte von England


  seit der

  Thronbesteigung Jakob's des Zweiten.


  Aus dem Englischen.


  +Vollständige und wohlfeilste Stereotyp-Ausgabe.+


  Dritter Band


  Leipzig, 1854.
  _G. H. Friedlein._


       *       *       *       *       *
           *       *       *       *


  Fünftes Kapitel.

  Jakob II.



  =Inhalt.=

                                                               Seite
  Whiggistische Flüchtlinge auf dem Festlande                      5
  Ihre Correspondenten in England                                  5
  Character der Oberhäupter der Flüchtlinge                        6
  Ayloffe                                                          6
  Wade                                                             7
  Goodenough                                                       7
  Rumbold                                                          7
  Lord Grey                                                        8
  Monmouth                                                         9
  Ferguson                                                        10
  Schottische Flüchtlinge                                         13
  Der Earl von Argyle                                             13
  Sir Patrick Hume und Sir Johann Cochrane                        15
  Fletcher von Saltoun                                            16
  Unverständiges Benehmen der schottischen Flüchtlinge            16
  Anstalten zu einem Unternehmen gegen England
      und Schottland                                              17
  Johann Locke                                                    19
  Vorkehrungen der Regierung zur Vertheidigung Schottlands        20
  Unterredung Jakob's mit den holländischen Gesandten             20
  Vergebliche Versuche, Argyle am Absegeln zu verhindern          20
  Argyle's Abreise von Holland                                    22
  Argyle landet in Schottland                                     22
  Argyle's Zwistigkeiten mit seinen Begleitern                    23
  Stimmung der schottischen Nation                                24
  Argyle's Truppe zerstreut                                       27
  Argyle gefangen genommen                                        28
  Argyle's Hinrichtung                                            31
  Rumbold's Hinrichtung                                           32
  Ayloffe's Tod                                                   33
  Verwüstung von Argyleshire                                      34
  Erfolglose Versuche, Monmouth's Abreise von Holland
      zu verhindern                                               35
  Monmouth's Ankunft in Lyme                                      36
  Seine Erklärung                                                 37
  Seine Popularität im Westen Englands                            38
  Zusammenstoß der Rebellen mit der Miliz in Bridport             39
  Gefecht zwischen den Rebellen und der Miliz bei Axminster       41
  Die Nachricht von dem Aufstande kommt nach London               41
  Loyalität des Parlaments                                        41
  Monmouth's Empfang in Taunton                                   44
  Monmouth nimmt den Königstitel an                               46
  Sein Empfang in Bridgewater                                     49
  Vorkehrungen der Regierung zum Widerstande                      50
  Sein Plan auf Bristol                                           53
  Er giebt den Plan auf Bristol auf                               53
  Gefecht bei Philip's Norton                                     54
  Monmouth's Verzagtheit                                          55
  Seine Rückkehr nach Bridgewater                                 56
  Die königliche Armee schlägt bei Sedgemoor ein Lager auf        56
  Schlacht von Sedgemoor                                          59
  Verfolgung der Rebellen                                         63
  Militairische Hinrichtungen                                     64
  Monmouth's Flucht                                               64
  Seine Gefangennehmung                                           65
  Sein Brief an den König                                         67
  Er wird nach London abgeführt                                   67
  Seine Unterredung mit dem Könige                                68
  Seine Hinrichtung                                               71
  Wie das niedere Volk sein Andenken ehrte                        73
  Grausamkeiten der Soldaten im Westen                            75
  Kirke                                                           75
  Jeffreys reist zu den westlichen Assisen ab                     79
  Prozeß der Alice Lisle                                          79
  Die blutigen Assisen                                            82
  Abraham Holmes                                                  85
  Christoph Battiscombe                                           85
  Die Gebrüder Hewling                                            86
  Tutchin's Strafe                                                88
  Deportation von Rebellen                                        87
  Confiscationen und Erpressungen                                 88
  Habgier der Königin und ihrer Hofdamen                          89
  Verfahren gegen Grey, Cochrane, Storey, Wade,
      Goodenough und Ferguson                                     91
  Jeffreys zum Lordkanzler ernannt                                93
  Cornish's Prozeß und Hinrichtung                                94
  Prozeß und Hinrichtung Fernley's und der Elisabeth Gaunt        95
  Prozeß und Hinrichtung Bateman's                                97
  Grausame Verfolgung der protestantischen Dissenters             97



[_Whiggistische Flüchtlinge auf dem Festlande._] Gegen das Ende der
Regierung Karl's II. hatten einige Whigs, welche in das ihrer Partei so
verderblich gewordene Complot verwickelt waren und wußten, daß man ihnen
den Untergang geschworen, in den Niederlanden eine Zufluchtsstätte
gesucht.

Diese Flüchtlinge waren größtentheils Leute von heißblütigem
Temperament, aber schwachem Urtheile, und überdies waren sie von der
sonderbaren Täuschung befangen, die ihrer Lage eigen zu sein scheint.
Ein Politiker, welcher durch eine feindliche Partei in die Verbannung
getrieben wurde, erblickt die Gesellschaft, die er verlassen, in der
Regel in einem falschen Lichte. Jeder Gegenstand erhält durch den
Schmerz, durch die Sehnsucht und durch den Haß eine andre Gestalt und
Färbung. Jede kleine Unzufriedenheit scheint ihm eine Revolution zu
verkünden, jeder Tumult dünkt ihm ein Aufstand. Er ist nicht davon zu
überzeugen, daß sein Vaterland sich nicht eben so schmerzlich nach ihm
sehnt, wie er sich nach demselben sehnt, er bildet sich ein, daß alle
seine alten Gesinnungsgenossen, die noch in der Heimath und im
ungestörten Genusse ihres Vermögens sind, von den nämlichen Gefühlen
gequält werden, welche ihm das Leben zu einer Last machen. Je länger
seine Verbannung dauert, um so größer wird diese Täuschung. Die Zeit,
welche den Feuereifer der zurückgelassenen Freunde dämpft, schürt den
seinigen nur noch mehr an. Mit jedem Monate wird sein sehnsüchtiges
Verlangen nach der Heimath stärker, und mit jedem Monate denkt sein
Vaterland seltener an ihn und vermißt ihn weniger. Diese Täuschung wird
fast zum Wahnsinn, wenn viele Verbannte, die um der nämlichen Sache
willen leiden, an einer fremden Küste beisammenwohnen. Ihre
Hauptbeschäftigung ist, davon zu sprechen, was sie einst waren und was
sie vielleicht noch einmal werden können, einander zum Hasse gegen den
gemeinschaftlichen Feind aufzustacheln und sich gegenseitig mit
überspannten Hoffnungen auf Sieg und Rache zu nähren. So werden sie reif
zu Unternehmungen, welche Jedermann, den die Leidenschaft nicht der
Fähigkeit beraubt hat, die Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, von
vornherein für hoffnungslos erklären würde.


[_Ihre Correspondenten in England._] In dieser Stimmung waren viele der
Verwiesenen, die sich auf dem Continent gesammelt hatten. Der
Briefwechsel, den sie mit England unterhielten, diente größtentheils nur
dazu, ihre Gefühle noch mehr aufzureizen und ihr Urtheil irre zu führen.
Ihre Nachrichten von dem Zustande der öffentlichen Meinung erhielten sie
hauptsächlich von den schlimmsten Mitgliedern der Whigpartei, von
Männern, welche Verschwörer und Pasquillanten von Profession waren, die
von den Gerichten verfolgt wurden, die nur verkleidet durch abgelegene
Gassen schleichen und sich zuweilen Wochen lang auf Böden oder in
Kellern versteckt halten mußten. Die Staatsmänner, welche die Zierden
der Vaterlandspartei gewesen waren, die Staatsmänner, welche später die
Berathungen des Convents leiteten, würden ganz andere Rathschläge
gegeben haben, als Männer wie Johann Wildman und Heinrich Danvers sie
gaben.

Wildman hatte vierzig Jahre früher im Parlamentsheere gedient, sich aber
in dieser Stellung mehr als Wühler, denn als Soldat ausgezeichnet, und
hatte das Waffenhandwerk bald wieder aufgegeben, um andere Zwecke zu
verfolgen, die seinem Character mehr zusagten. Sein Haß gegen die
Monarchie hatte ihn angetrieben, sich in eine lange Reihe von
Verschwörungen einzulassen, zuerst gegen den Protector und dann gegen
die Stuarts. Wildman verband jedoch mit seinem Fanatismus eine zärtliche
Sorge für seine persönliche Sicherheit. Er besaß eine seltene
Geschicklichkeit darin, die Schwelle des Hochverraths nicht zu
überschreiten. Niemand verstand es besser als er, Andere zu
verzweifelten Unternehmungen durch Worte anzureizen, welche vor Gericht
unschuldig, oder schlimmsten Falls doch nur zweideutig erscheinen
konnten. Seine Verschlagenheit war so groß, daß er, obgleich er
beständig complotirte, obgleich er von jeher als Verschwörer bekannt war
und obgleich ihn eine rachsüchtige Regierung lange Zeit mit feindseligem
Argwohn beobachtete, doch immer jeder Gefahr entging und ruhig in seinem
Bette starb, nachdem er zwei Generationen seiner Mitschuldigen am Galgen
hatte enden sehen.[1] Danvers war ein Mensch von gleichem Schlage,
heißblütig, aber kleinmüthig, durch glühende Begeisterung fortwährend
bis an den Rand der Gefahr getrieben, durch die Feigheit aber immer
wieder an diesem Rande zurückgehalten. Er hatte unter einem Theile der
Baptisten großen Einfluß, hatte viel zur Vertheidigung ihrer sonderbaren
Ansichten geschrieben und sich durch den Versuch, das Verbrechen des
Matthias und Johann von Leyden zu beschönigen, den strengen Tadel der
ehrenwerthesten Puritaner zugezogen. Hätte er ein wenig Muth besessen,
so ist es wahrscheinlich, daß er in die Fußtapfen der Elenden getreten
wäre, die er vertheidigte. Er mußte sich damals vor den Beamten der
Justiz verbergen, da wegen einer grobverleumderischen Schrift, als deren
Verfasser die Regierung ihn entdeckt hatte, Verhaftsbefehle gegen ihn
erlassen waren.[2]

    [Anmerkung 1: +Clarendon's History of the Rebellion, book XIV.+;
    +Burnet's Own Times, I. 546, 625+; +Wade's and Ireton's
    Narratives, Lansdowne M.S. 1152+; West's Anklage im Anhange zu
    +Sprat's True Account.+]

    [Anmerkung 2: +London Gazette, Jan. 4. 1684/85+; +Ferguson M.S. in
    Eachard's History, III. 764+; +Grey's Narrative+; +Sprat's True
    Account+; +Danvers's Treatise on Baptism+; +Danvers's Innocency
    and Truth vindicated+; +Crosley's History of the English
    Baptists.+]


[_Character der Oberhäupter der Flüchtlinge._] Man kann leicht denken,
welcher Art die Mittheilungen und Rathschläge waren, die solche Männer
den Geächteten in den Niederlanden zukommen ließen. Nach einigen wenigen
Proben wird man sich eine Vorstellung von dem allgemeinen Character der
Letzteren bilden können.


[_Ayloffe._] Einer der hervorragendsten unter ihnen war Johann Ayloffe,
ein Jurist, der mit den Hyde, und durch die Hyde wieder mit Jakob
verwandt war. Er hatte sich schon frühzeitig durch eine sonderbare
Beleidigung der Regierung bemerkbar gemacht. Zu der Zeit nämlich, als
der Einfluß des Hofes von Versailles allgemeinen Unwillen erregte, hatte
er einen hölzernen Schuh, bei den Engländern das feststehende Sinnbild
der französischen Tyrannei, auf den Präsidentenstuhl des Hauses der
Gemeinen gelegt. Später hatte er an dem whiggistischen Complot Theil
genommen, aber man hat keinen Grund zu der Vermuthung, daß er um den
Plan, die königlichen Brüder zu ermorden, gewußt habe. Er war ein Mann
von Talent und Muth, sein moralischer Charakter aber stand auf keiner
hohen Stufe. Die puritanischen Theologen raunten einander zu, daß er ein
gewissenloser Gallio oder etwas noch Schlimmeres sei und daß bei all
seinem Eifer für die bürgerliche Freiheit die Heiligen wohl daran thun
würden, jeden Umgang mit ihm zu vermeiden.[3]

    [Anmerkung 3: +Sprat's True Account+; +Burnet I. 634+; +Wade's
    Confession, Harl. M.S. 6845.+ Lord Howard von Escrick beschuldigte
    Ayloffe, daß er die Ermordung des Herzogs von York vorgeschlagen
    habe; aber Lord Howard war ein abscheulicher Lügner und diese
    Erzählung war kein Theil seines ursprünglichen Bekenntnisses,
    sondern wurde erst später als Supplement hinzugefügt und verdient
    daher durchaus keinen Glauben.]


[_Wade._] Nathaniel Wade war ebenfalls Jurist, wie Ayloffe. Er hatte
lange in Bristol gewohnt und war in seiner Umgebung als ein heftiger
Republikaner gepriesen worden. Einmal hatte er sich vorgenommen, nach
New-Jersey auszuwandern, wo er Institutionen zu finden hoffte, die
seinem Geschmacke besser zusagten als die englischen. Seine Thätigkeit
bei den Parlamentswahlen hatten die Aufmerksamkeit einiger vornehmen
Whigs auf ihn gelenkt, sie bedienten sich seiner als Anwalt und zogen
ihn endlich zu ihren geheimsten Berathungen. Er war bei dem
Insurrectionsplane stark betheiligt und hatte es unternommen, sich in
seiner eignen Stadt an die Spitze eines Aufstandes zu stellen. Ebenso
war er in das verwerflichere Complot gegen das Leben Karl's und Jakob's
eingeweiht gewesen, aber er erklärte stets, daß er zwar davon gewußt, es
aber durchaus verabscheut und sogar versucht habe, seine Mitverschwornen
von der Ausführung ihres Planes abzubringen. Für einen zu bürgerlichen
Berufsgeschäften herangebildeten Mann besaß Wade in seltenem Maße die
Umsicht und Energie, welche die Haupterfordernisse eines guten Soldaten
sind. Leider aber erwiesen sich seine Grundsätze und sein Muth nicht
stark genug, um ihn nach beendetem Kampfe, als er im Gefängniß zwischen
Tod und Schande zu wählen hatte, aufrecht zu erhalten.[4]

    [Anmerkung 4: +Wade's Confession, Harl. M.S. 6845+; +Lansdowne
    M.S. 1152+; Holloway's Erzählung im Anhange zu +Sprat's True M.S.
    Account+. Wade gestand zu, daß Holloway nur die Wahrheit gesagt
    hatte.]


[_Goodenough._] Ein andrer Flüchtling war Richard Goodenough, der früher
Untersheriff von London gewesen war. Diesen Mann hatte seine Partei
lange zu Dienstleistungen nicht sehr ehrenwerther Art benutzt, besonders
wenn es darauf ankam, Geschworne zu wählen, von denen man hoffen durfte,
daß sie bei politischen Prozessen nicht allzu gewissenhaft sein würden.
Er war tief verwickelt gewesen in die schwarzen und blutigen Anschläge
des Whigcomplots, welche vor den achtungswertheren Whigs sorgfältig
geheim gehalten wurden. Bei ihm konnte man nicht als mildernden Umstand
anführen, daß er durch übergroßen Eifer für das Gemeinwohl irre geleitet
worden sei, denn wir werden später sehen, daß er, nachdem er eine edle
Sache durch seine Verbrechen geschändet, sie schließlich verrieth, um
der wohlverdienten Strafe zu entgehen.[5]

    [Anmerkung 5: +Sprat's True Account+ an mehreren Stellen.]


[_Rumbold._] Ein ganz andrer Character war Richard Rumbold. Er war
Offizier in Cromwell's Leibregiment gewesen, hatte am Tage der großen
Hinrichtung das Schaffot vor dem Bankethause bewacht, bei Dunbar und
Worcester gefochten und stets in hohem Grade die Eigenschaften gezeigt,
durch welche sich das unbesiegbare Heer, in dem er diente, auszeichnete:
einen unerschütterlichen Muth, eine glühende Begeisterung, sowohl in
politischer als in religiöser Hinsicht, und neben dieser Begeisterung
doch die ganze Kraft der Selbstbeherrschung, welche Männern eigen ist,
die in wohldisciplinirten Lagern befehlen und gehorchen gelernt haben.
Nach erfolgter Auflösung der republikanischen Armee wurde Rumbold Mälzer
und betrieb sein Geschäft unweit Hoddesdon in dem Hause, von dem das
Ryehousecomplot seinen Namen hat. Bei den Berathungen der Heftigsten und
Rücksichtslosesten unter den Mißvergnügten war vorgeschlagen, doch nicht
definitiv beschlossen worden, daß bewaffnete Männer in das Roggenhaus
gelegt werden sollten, um die Eskorte anzugreifen, welche Karl und Jakob
von Newmarket nach London begleitete. An diesen Berathungen hatte
Rumbold einen Antheil genommen, von dem er mit Abscheu zurückgebebt sein
würde, wäre nicht durch den Parteigeist sein heller Verstand umnebelt
und sein männliches Herz verdorben gewesen.[6]

    [Anmerkung 6: +Sprat's True Account & Appendix+; Untersuchung
    gegen Rumbold in der +Collection of State Trials+; +Burnet's Own
    Times, I. 633+; Anhang zu +Fox's History No. IV.+]


[_Lord Grey._] Hoch erhaben über die bis jetzt angeführten Verbannten
war Ford Grey, Lord Grey von Mark. Er war ein eifriger Exclusionist
gewesen, hatte Antheil an dem Insurrectionsplane gehabt und war in den
Tower gesperrt worden, wo es ihm jedoch gelang, seine Wächter betrunken
zu machen und auf das Festland zu entkommen. Er besaß hervorragende
Talente und gewinnende Manieren, aber ein großes häusliches Verbrechen
warf einen Flecken auf sein Leben. Seine Gattin war eine Tochter des
edlen Hauses Berkeley, und ihre Schwester, Lady Henriette Berkeley,
durfte mit ihm, als mit einem Blutsverwandten, verkehren und
correspondiren. So entstand eine verhängnißvolle Zuneigung. Der lebhafte
Geist und die heftige Leidenschaft der Lady Henriette durchbrach alle
Schranken der Tugend und Schicklichkeit und eine skandalöse Entführung
enthüllte dem ganzen Königreiche die Schande zweier vornehmen Familien.
Grey nebst einigen von den Helfershelfern, die ihm bei seinem
Liebeshandel gedient hatten, wurden unter der Anklage einer Verbindung
zu gesetzwidrigem Zwecke vor Gericht gestellt und es ereignete sich vor
den Schranken der Kings Bench eine in den Annalen unsrer Justiz ohne
Beispiel dastehende Scene. Der Verführer erschien mit frecher Stirn in
Begleitung seiner Geliebten, und selbst in diesem unerhörten Falle
wichen die großen whiggistischen Lords nicht von der Seite ihres
Freundes. Die, welche er beleidigt, standen ihm gegenüber und wurden
durch seinen Anblick zu Zornesausbrüchen gereizt. Der alte Earl von
Berkeley überhäufte die unglückliche Henriette mit Vorwürfen und
Verwünschungen. Die Gräfin gab unter häufigem Schluchzen ihre
Zeugenaussage ab und fiel endlich in Ohnmacht. Die Geschwornen sprachen
das »Schuldig« aus. Als der Gerichtshof die Sitzung aufhob, forderte
Lord Berkeley alle seine Freunde auf, daß sie ihm beistehen möchten,
seine Tochter zu ergreifen; die Anhänger Grey's schaarten sich um
Letztere, auf beiden Seiten wurden Schwerter gezuckt, es entspann sich
ein Gefecht in Westminster Hall und nur mit Mühe gelang es den Richtern
und Gerichtsdienern, die Streitenden zu trennen. In unsrer Zeit würde
ein solcher Prozeß den Ruf eines der Öffentlichkeit angehörenden Mannes
schänden; damals aber war der Maßstab der Moralität unter den Großen so
niedrig und die Parteiwuth so heftig, daß Grey nach wie vor bedeutenden
Einfluß hatte, wenn auch die Puritaner, welche einen ansehnlichen Theil
der Whigpartei bildeten, ihm mit einiger Kälte begegneten.[7]

Eine Seite von dem Character, oder man sollte vielleicht eher sagen von
dem Schicksale Grey's verdient besondere Erwähnung: man mußte
zugestehen, daß er überall, auf dem Schlachtfelde ausgenommen, einen
hohen Grad von Muth bewies. Mehr als einmal zwang sein würdevolles
Benehmen und die vollkommene Beherrschung aller seiner Fähigkeiten in
schwierigen Lagen, wo sein Leben und seine Freiheit auf dem Spiele
standen, selbst Diejenigen zu lobender Anerkennung, die ihn weder
liebten noch achteten. Als Soldat jedoch zog er sich, vielleicht weniger
durch eigne Schuld als durch unglücklichen Zufall den entehrenden
Vorwurf persönlicher Feigheit zu.

    [Anmerkung 7: +Grey's Narrative+; sein Prozeß in der +Collection
    of State Trials+; +Sprat's True Account.+]


[_Monmouth._] In dieser Beziehung war er ganz verschieden von seinem
Freunde, dem Herzoge von Monmouth. Monmouth war tapfer und unerschrocken
auf dem Schlachtfelde, sonst aber überall weibisch und zaghaft. Seine
Geburt, sein persönlicher Muth und sein einnehmendes Äußere hatten ihm
eine Stellung verschafft, für die er sich durchaus nicht eignete.
Nachdem er den Untergang der Partei, deren nominelles Oberhaupt er
gewesen war, mit angesehen, hatte er sich nach Holland zurückgezogen.
Der Prinz und die Prinzessin von Oranien erblickten nicht mehr einen
Nebenbuhler ihn ihm, und sie gewährten ihm daher eine gastliche
Aufnahme, denn sie hofften, sich durch freundliche Behandlung des
Herzogs Anspruch auf den Dank seines Vaters zu erwerben. Sie wußten, daß
die väterliche Zuneigung noch nicht erloschen war, daß Monmouth noch
immer im Geheimen Geldunterstützungen von Whitehall erhielt und daß Karl
es sehr ungnädig aufnahm, wenn Jemand von seinem Sohne Übles sprach, in
der Hoffnung, sich dadurch bei ihm beliebt zu machen. Man hatte den
Herzog in der Erwartung bestärkt, daß er, wenn anders er keine neue
Veranlassung zu Mißfallen gab, bald in sein Vaterland zurückgerufen und
in alle seine Ehrenstellen und Befehlshaberposten wieder eingesetzt
werden würde. Von solchen Erwartungen beseelt, war er während des
verflossenen Winters der Lebensnerv des Haags gewesen. Auf einer Reihe
von Bällen in dem prächtigen Oraniensaale, dessen Wände in dem
herrlichsten Farbenreichthum eines Jordaens und Hondthorst prangen,
hatte er die hervorragendste Figur gespielt.[8] Er hatte die
holländischen Damen mit dem englischen Contretanz bekannt gemacht und
seinerseits von ihnen auf den Kanälen Schlittschuh laufen gelernt. Die
Prinzessin hatte ihn bei seinen Ausflügen auf dem Eise begleitet, und es
hatte oft die Verwunderung und die Heiterkeit der auswärtigen Gesandten
erregt, wenn sie dort, in kürzeren Röcken, als sie in der Regel von so
vornehmen, das strengste Decorum beobachtenden Damen getragen wurden,
auf einem Beine dahinglitt. Der Einfluß des bezaubernden Engländers
schien den düstern Ernst, der den Hof des Statthalters characterisirte,
verscheucht zu haben, und selbst der finstre, gedankenvolle Wilhelm
wurde heiterer gestimmt, wenn sein glänzender Gast erschien.[9]

Inzwischen vermied Monmouth sorgfältig Alles, was an dem Orte, von woher
er Schutz erwartete, Anstoß erregen konnte. Er verkehrte überhaupt mit
wenigen Whigs und gar nicht mit den heftigen Männern, welche in den
schlimmsten Theil des Whigcomplots verwickelt gewesen waren. Daher
beschuldigten ihn seine ehemaligen Gesinnungsgenossen laut der
Unbeständigkeit und Undankbarkeit.[10]

    [Anmerkung 8: In der Pepys'schen Sammlung befindet sich ein
    Kupferstich, der einen der Bälle darstellt, welche zu jener Zeit
    von Wilhelm und Marien im »Oranje Zaal« gegeben wurden.]

    [Anmerkung 9: +Avaux Neg. Jan. 25. 1685.+ Brief von Jakob an die
    Prinzessin von Oranien vom Januar 1684/85, unter Birch's Auszügen
    im Britischen Museum.]

    [Anmerkung 10: +Grey's Narrative+; +Wade's Confession, Lansdowne
    M.S. 1152.+]


[_Ferguson._] Von keinem der Verbannten wurde diese Anklage mit größerer
Heftigkeit und Bitterkeit erhoben, als von Robert Ferguson, dem Judas in
Dryden's großer Satire. Ferguson war ein Schotte von Geburt, aber er
hatte lange in England gelebt. Zur Zeit der Restauration bekleidete er
eine Pfarrstelle in Kent. Er war als Presbyterianer erzogen, die
Presbyterianer aber hatten ihn aus ihrer Mitte gestoßen und er war zu
den Independenten übergegangen. Dann war er Vorsteher einer von den
Dissenters in Islington errichteten Akademie gewesen, welche mit der
Westminsterschule und dem Charterhouse concurriren sollte, und hatte bei
einer Versammlung in Moorfields vor einem großen Zuhörerkreise
gepredigt. Auch hatte er einige theologische Abhandlungen geschrieben,
die sich vielleicht noch in den staubigen Winkeln einiger alten
Bibliotheken finden; aber obgleich er beständig Bibelstellen im Munde
führte, so überzeugte sich doch Jeder, der in Geldangelegenheiten mit
ihm zu thun bekam, sehr bald, daß er nichts als ein Schwindler war.

Endlich entzog er der Theologie fast ganz seine Aufmerksamkeit, um sie
dem schlechtesten Theile der Politik zuzuwenden. Er gehörte zu der
Klasse, die ein Geschäft daraus machen, erbitterten Parteien in
unruhigen Zeiten Dienste zu leisten, vor denen der Rechtschaffene aus
Abscheu, der Kluge aus Furcht zurückschreckt, zur Klasse der fanatischen
Schurken. Er war heftig, bösartig, unempfänglich für die Wahrheit, ohne
Gefühl für die Schande, von unersättlicher Ruhmsucht erfüllt, fand an
Intriguen, Aufruhr und Unheil lediglich um ihrer selbst willen Vergnügen
und arbeitete viele Jahre in den dunkelsten Minen des Parteiwesens. Er
lebte unter Pasquillanten und falschen Zeugen, verwaltete eine geheime
Kasse, aus welcher Agenten besoldet wurden, die zu schlecht waren, als
daß man sie hätte anerkennen dürfen, und war Vorsteher einer geheimen
Druckerei, aus der fast täglich anonyme Pamphlets hervorgingen. Er
rühmte sich, daß er Schmähschriften um die Terrasse von Windsor herum
ausgestreut und selbst unter das Kopfkissen des Königs gebracht habe.
Bei solcher Lebensweise mußte er zu allerhand Listen seine Zuflucht
nehmen, mußte mehrere Namen führen und hatte einmal in vier
verschiedenen Stadttheilen Londons vier verschiedene Wohnungen. Bei dem
Ryehousecomplot war er stark betheiligt und man hat Grund zu der
Vermuthung, daß er der erste Urheber der blutigen Anschläge war, welche
die ganze Whigpartei so sehr in Mißcredit brachten. Als die Verschwörung
entdeckt war und seinen Genossen bange wurde, nahm er lachend Abschied
von ihnen, indem er ihnen sagte, sie wären Neulinge, er sei an Flucht,
Verstecke und Verkleidung gewöhnt und werde Zeit seines Lebens nie
aufhören, zu conspiriren. Er entkam auf den Continent, aber selbst dort
schien er nicht sicher zu sein. Die englischen Gesandten an den
auswärtigen Höfen waren angewiesen, ein scharfes Auge auf ihn zu haben,
und die Regierung versprach Demjenigen, der ihn ergreifen würde, eine
Belohnung von fünfhundert Pistolen. Es war ihm auch nicht leicht,
unbemerkt zu bleiben, denn sein breiter schottischer Accent, seine lange
und hagere Gestalt, seine hohlen Wangen, seine beständig von der
Perrücke beschatteten stechenden Augen, sein von einem Hautausschlage
geröthetes Gesicht, sein gekrümmter Rücken und sein eigenthümlich
wiegender Gang machten ihn überall, wo er sich zeigte, zu einer
auffallenden Erscheinung. Aber obgleich er anscheinend mit ganz
besondrem Eifer verfolgt wurde, so raunte man sich doch im Stillen zu,
daß dieser Eifer eben nur scheinbar sei und daß die Gerichtsbeamten
geheimen Befehl hätten, ihn nicht zu sehen. Es läßt sich kaum
bezweifeln, daß er wirklich ein erbitterter Unzufriedener war, aber man
hat starken Grund, zu vermuthen, er habe für seine Sicherheit dadurch
gesorgt, daß er in Whitehall vorgab, ein Spion gegen die Whigs zu sein
und daß er der Regierung eben nur so viele Mittheilungen zukommen ließ,
als zur Aufrechterhaltung seines Credits genügten. Diese Annahme erklärt
auf die einfachste Weise das, was seinen Gesinnungsgenossen als eine
unnatürliche Sorglosigkeit und Tollkühnheit erschien. Da ihm selbst
nichts geschehen konnte, stimmte er jedesmal für den gewaltthätigsten
und gefährlichsten Weg und lächelte mitleidig über den Kleinmuth von
Männern, welche die schmachvolle Vorsichtsmaßregel, auf die er sich
verließ, nicht getroffen hatten, und die sich daher zweimal besannen,
ehe sie ihr Leben und Alles, was ihnen noch theurer war als das Leben,
auf eine Karte setzten.[11]

Sobald er in den Niederlanden angekommen war, begann er über neue Pläne
gegen die englische Regierung zu brüten und fand unter seinen
Mitverbannten Männer, die seinen bösen Rathschlägen ein geneigtes Ohr
liehen. Monmouth hielt sich indeß beharrlich fern von ihm, und ohne
Beihülfe der ausgedehnten Popularität des Herzogs war unmöglich etwas
auszurichten. Aber die Ungeduld und Tollkühnheit der Verbannten waren so
groß, daß sie sich nach einem andren Führer umsahen. Sie schickten eine
Gesandtschaft an den einsamen Ort am Ufer des Genfer Sees, wo Edmund
Ludlow, einst ein ausgezeichneter Anführer in der Parlamentsarmee und
ein hervorragendes Mitglied des hohen Gerichtshofes, sich schon seit
vielen Jahren vor der Rache der wiedereingesetzten Stuarts verborgen
hielt. Der ernste greise Rebell weigerte sich jedoch, seine Einsiedelei
zu verlassen. Er habe das Seinige gethan, sagte er; wenn England noch zu
retten sei, so müsse es durch jüngere Männer geschehen.[12]

Die unerwartete Erledigung der Krone veränderte die Gestalt der Dinge.
Jede Hoffnung auf friedliche Rückkehr in ihr Vaterland, welche die
verbannten Whigs vielleicht noch hegten, wurde durch den Tod eines
sorglosen und gutmüthigen Fürsten und durch die Thronbesteigung eines in
jeder Beziehung, ganz besonders aber in der Rache ungemein hartnäckigen
Prinzen vernichtet. Ferguson war in seinem Elemente. So vollständig ihm
altes Talent als Schriftsteller und Staatsmann fehlte, in so hohem Grade
besaß er dagegen die nicht beneidenswerthen Eigenschaften eines
Versuchers. So eilte er jetzt mit der tückischen Geschäftigkeit und
Gewandtheit eines bösen Geistes von einem Verbannten zum andren,
flüsterte jedem etwas ins Ohr und erregte in jeder Brust rachsüchtige
Wuth und wilde Begierden.

Jetzt hoffte er auch von Neuem, daß es ihm doch noch gelingen werde,
Monmouth zu verführen. Die Lage dieses unglücklichen jungen Mannes war
eine ganz andre geworden. Während er im Haag tanzte und Schlittschuh
lief und jeden Tag die Einladung zur Rückkehr nach London erwartete,
stürzte ihn die Nachricht von seines Vaters Tode und von seines
Oheims Thronbesteigung plötzlich ins tiefste Elend. Die in seiner
Nähe Wohnenden konnten in der Nacht nach der Ankunft dieser
Schreckensbotschaft seine Seufzer und sein lautes Jammergeschrei hören.
Er verließ am folgenden Tage den Haag, nachdem er sowohl dem Prinzen als
auch der Prinzessin von Oranien sein Ehrenwort gegeben, daß er durchaus
nichts gegen die englische Regierung unternehmen werde, und nachdem sie
ihn mit Geld zur Bestreitung seiner dringendsten Bedürfnisse versehen
hatten.[13]

Monmouth's Aussichten waren nicht glänzend. Es war nicht wahrscheinlich,
daß er aus der Verbannung zurückgerufen werden würde, und auf dein
Festlande konnte er nicht länger inmitten des Glanzes und der
Festlichkeiten eines Hofes leben. Seine Verwandten im Haag scheinen ihn
wirklich zugethan gewesen zu sein, aber sie konnten ihn fernerhin nicht
offen beschützen, ohne ernste Gefahr, einen Bruch zwischen England und
Holland dadurch herbeizuführen. Wilhelm machte ihm einen gutgemeinten
und verständigen Vorschlag. Der Krieg zwischen dem Kaiser und den
Türken, welcher damals in Ungarn wüthete, wurde von ganz Europa mit fast
eben so großem Interesse verfolgt, als fünfhundert Jahre früher die
Kreuzzüge. Viele tapfere Edelleute, Protestanten sowohl als Katholiken,
fochten als Freiwillige für die gemeinschaftliche Sache des
Christenthums. Der Prinz rieth Monmouth, sich in das kaiserliche Lager
zu begeben, und versicherte ihn, daß es ihm dann nicht an Mitteln fehlen
solle, um mit dem eines vornehmen Engländers würdigem Glanze
aufzutreten.[14] Dies war ein vortrefflicher Rath; der Herzog aber
konnte sich nicht dazu entschließen. Er begab sich nach Brüssel,
begleitet von Henriette Wentworth, Baronesse Wentworth von Nettlestede,
einem Fräulein von hoher Geburt und großem Vermögen, die ihn
leidenschaftlich liebte, ihm ihre jungfräuliche Ehre und die Aussicht
auf eine glänzende Verbindung aufgeopfert hatte, ihm in's Exil gefolgt
war und die er vor Gott als seine rechtmäßige Gattin betrachtete. Unter
dem wohlthuenden Einflusse der weiblichen Freundschaft heilten auch bald
die Wunden seines zerrissenen Herzens. Es schien, als hätte er in der
stillen Zurückgezogenheit das Glück gefunden und vergessen, daß er einst
die Zierde eines glänzenden Hofes und das Oberhaupt einer mächtigen
Partei gewesen war, daß er Armeen befehligt und selbst nach dem Besitze
eines Thrones gestrebt hatte.

Doch man gönnte ihm die Ruhe nicht. Ferguson wendete alle seine
Versuchungskünste an. Grey, der nicht wußte, woher er noch eine Pistole
nehmen sollte und der daher zu jedem, wenn auch noch so verzweifelten
Unternehmen bereit war, unterstützte Ferguson. Man ließ seinen
Kunstgriff unversucht, um Monmouth aus seiner Zurückgezogenheit
hervorzulocken. Auf die ersten Einladungen, die er von seinem ehemaligen
Bundesgenossen erhielt, antwortete er ablehnend. Er erklärte die
Schwierigkeiten einer Landung in England für unüberwindlich,
versicherte, er sei des öffentlichen Lebens überdrüssig, und bat darum,
daß man ihn im ungestörten Genusse seines neugefundenen Glücks lassen
möge. Doch er war nicht der Mann, der geschicktem und anhaltendem
Drängen lange widerstehen konnte. Auch sagt man, daß er durch den
nämlichen mächtigen Einfluß, der ihm seine Zurückgezogenheit so angenehm
machte, überredet worden sei, dieselbe wieder aufzugeben. Lady Wentworth
wollte ihn als König sehen. Ihre Einkünfte, ihre Juwelen und ihr Credit
wurden ihm zur Verfügung gestellt, und obwohl Monmouth's Verstand nicht
überzeugt war, so hatte er doch nicht die Kraft, solchen Bitten zu
widerstehen.[15]

    [Anmerkung 11: +Burnet I. 342. Wood. Ath. Ox.+ unter dem Namen
    Owen; +Absalom and Achitophel, part II.+; +Eachard, III. 682.
    697.+; +Sprat's True Account+ an mehreren Stellen;
    +Nonconformist's Memorial+; +North's Examen, 399.+]

    [Anmerkung 12: +Wade's Confession, Harl. M.S. 6845.+]

    [Anmerkung 13: +Avaux Neg. Feb. 20. 22. 1685+; Monmouth's Brief an
    Jakob aus Ringwood.]

    [Anmerkung 14: +The History of King William the Third, 2d.
    edition, 1703, vol. I. 160.+]

    [Anmerkung 15: +Welwood's Memoirs, App. XV.+; +Burnet I. 630.+
    Grey erzählt die Sache etwas anders, aber er erzählte sie, um sein
    Leben zu retten. Der spanische Gesandte am englischen Hofe, Don
    Pedro de Ronquillo, spöttelt in einem Briefe, den er um diese Zeit
    an den Statthalter der Niederlande schrieb, darüber, daß Monmouth
    von der Freigebigkeit eines verliebten Weibes lebe, und äußert den
    ganz ungegründeten Verdacht, daß des Herzogs Liebe nicht
    uneigennützig sei. +»Hallandose hoy tan falto de medios que ha
    menester transformarse en Amor con Miledi en vista de la necesidad
    de poder subsistir.«+ -- Ronquillo an Grana vom 30. März
    (9. April) 1685.]


[_Schottische Flüchtlinge._] Die englischen Verbannten empfingen ihn mit
großer Freude und erkannten ihn einhellig als ihr Oberhaupt an. Allein
es gab noch eine andre Klasse von Emigranten, welche nicht gemeint
waren, seinen Befehlen zu gehorchen. Regierungsfehler, wie der südliche
Theil unsrer Insel sie nie gekannt, hatte viele Flüchtlinge, deren
maßloser politischer und religiöser Eifer im Verhältniß zu den
Bedrückungen stand, die sie erduldet, aus Schottland auf den Continent
getrieben. Diese Männer aber hatten keine Lust, einem englischen
Anführer zu folgen. Ihr engherziger Nationalstolz verleugnete sich
selbst in Armuth und Verbannung nicht, und sie wollten es nicht zugeben,
daß ihr Vaterland in ihrer Person zu einer Provinz erniedrigt würde.


[_Der Earl von Argyle._] Sie hatten einen eignen Anführer in ihren
Reihen: Archibald, neunten Earl von Argyle, der als Oberhaupt des großen
Stammes der Campbell bei der Bevölkerung der Hochlande unter dem stolzen
Namen Mac Callum More bekannt war. Sein Vater, der Marquis von Argyle,
war das Haupt der schottischen Covenanters gewesen, hatte viel zum
Sturze Karl's I. beigetragen, und die Royalisten waren der Meinung, daß
er dieses Verbrechen dadurch noch nicht gesühnt habe, daß er seine
Einwilligung dazu gab, Karl II. den leeren Königstitel und ein
Staatsgefängniß in der Form eines Palastes zu gewähren. Nach der
Rückkehr der königlichen Familie wurde der Marquis hingerichtet und sein
Marquisat erlosch, aber sein Sohn erhielt die Erlaubniß, das alte
Earlthum zu erben, und er gehörte so noch immer zu dem höchsten Adel
Schottlands. Die politische Haltung des Earl während der zwanzig Jahre,
welche auf die Restauration folgten, war, wie er später meinte, sündlich
gemäßigt gewesen. Zwar hatte er in einigen Fällen der Regierung, unter
deren Joch sein Vaterland seufzte, opponirt; aber sein Widerstand war
schwach und vorsichtig gewesen. Seine Nachgiebigkeit in kirchlichen
Dingen hatte strenge Presbyterianer verdrossen, und er war so weit
entfernt gewesen, irgend eine Neigung zu gewaltsamem Widerstand zu
zeigen, daß, als die Covenanters durch Verfolgung zum Aufstande
getrieben wurden, er eine starke Truppe von Unterthanen ins Feld
stellte, um die Regierung zu unterstützen.

Dies war seine politische Laufbahn gewesen, bis der Herzog von York, mit
der ganzen Autorität eines Königs bekleidet, nach Edinburg kam. Der
despotische Vicekönig überzeugte sich bald, daß er von Argyle keine
ungetheilte Unterstützung zu erwarten hatte. Da der mächtigste Edelmann
des Königreichs nicht gewonnen werden konnte, hielt man es für nöthig,
ihn aus dem Wege zu räumen. Zu dem Ende wurde er auf Verdachtgründe hin,
welche so unhaltbar waren, daß der Geist der Parteilichkeit und Chikane
selbst sich ihrer schämte, wegen Hochverraths in Untersuchung gezogen,
überführt und zum Tode verurtheilt. Die Anhänger der Stuarts
versicherten später, man habe nie beabsichtigt, dieses Urtheil zu
vollziehen, und die Anklage habe nur den Zweck gehabt, um ihn durch die
Angst zur Abtretung seiner ausgedehnten Jurisdiction in den Hochlanden
zu bewegen. Es läßt sich jetzt nicht mehr bestimmen, ob Jakob, wie seine
Feinde argwöhnten, die Absicht hatte, einen Mord zu begehen, oder nur,
wie seine Freunde behaupteten, durch die Androhung eines Mordes ein
Zugeständniß zu erpressen. »Ich kenne das schottische Recht nicht«,
sagte Halifax zum König Karl; »soviel aber weiß ich, daß wir hier in
England aus Gründen wie die, auf welche hin Mylord Argyle verurtheilt
worden ist, keinen Hund hängen würden[16].«

Argyle entkam verkleidet nach England und begab sich von da nach
Friesland. In dieser entlegenen Provinz hatte sein Vater ein kleines Gut
gekauft, das der Familie in bürgerlichen Unruhen als Zufluchtsort dienen
sollte. Unter den Schotten hieß es, daß dieser Ankauf in Folge der
Prophezeiung eines celtischen Sehers geschehen sei, dem die Offenbarung
geworden, daß Mac Callum More dereinst von seinem alten Stammsitze in
Inverary vertrieben werden würde[17]. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß
der kluge Marquis mehr durch die Zeichen der Zeit als durch die Visionen
eines Propheten gewarnt wurde. In Friesland lebte Earl Archibald einige
Zeit so ruhig, daß es nicht allgemein bekannt wurde, wohin er geflohen
war. Er unterhielt an seinem Zufluchtsorte einen regelmäßigen
Briefwechsel mit seinen Freunden in Großbritannien, nahm Theil an der
Whigverschwörung und entwarf mit den Oberhäuptern dieser Verschwörung
den Plan zu einem Einfall in Schottland[18]. In Folge der Entdeckung des
Ryehousecomplots gab er diesen Plan auf; nach der Erledigung der Krone
aber wurde derselbe wieder ein Gegenstand seines Nachdenkens.

Während seines Aufenthalts auf dem Continent hatte er über religiöse
Fragen mehr nachgedacht, als in den vergangenen Jahren seines Lebens.
Dieses Nachdenken hatte in einer Beziehung verderblich auf seinen Geist
eingewirkt. Seine Vorliebe für die synodalische Form der
Kirchenverfassung stieg jetzt bis zur Bigotterie. Wenn er bedachte, wie
lange er sich dem eingeführten Gottesdienste unterworfen hatte, ward er
von Scham und Reue ergriffen und zeigte sich nur zu sehr geneigt, seine
Abtrünnigkeit durch Gewaltschritte und Unduldsamkeit wieder gut zu
machen. Bald fand er indeß Gelegenheit zu beweisen, daß seine Furcht vor
einer höheren Macht und seine Liebe zu derselben ihn zu den
furchtbarsten Kämpfen gestählt hatte, durch welche die menschliche Natur
geprüft werden kann.

Für seine Leidensgefährten war sein Beistand vom höchsten Gewicht.
Obgleich geächtet und geflüchtet, war er doch in gewissem Sinne noch der
mächtigste Unterthan des britischen Reiches. An Reichthum stand er
wahrscheinlich, selbst vor seiner Verurtheilung, nicht nur dem hohen
englischen Adel, sondern auch manchem begüterten Squire von Kent und
Norfolk nach. Aber sein patriarchalisches Ansehen, ein Ansehen, das kein
Reichthum geben und keine Verurteilung entziehen konnte, machte ihn als
Oberhaupt eines Aufstandes wahrhaft furchtbar. Kein südlicher Lord hätte
darauf rechnen können, daß wenn er es wagen würde, sich der Regierung zu
widersetzen, auch nur seine Wildhüter und Jäger treu zu ihm gestanden
wären. Ein Earl von Bedford oder ein Earl von Devonshire konnte sich
nicht anheischig machen, zehn Mann ins Feld zu stellen. Mac Callum More
dagegen konnte, obgleich ohne Mittel und seines Earlthums beraubt, jeden
Augenblick einen ernsten Bürgerkrieg hervorrufen. Er brauchte sich nur
auf der Küste von Lorn zu zeigen und binnen wenigen Tagen hatte er eine
Armee um sich versammelt. Die bewaffnete Macht, die er unter günstigen
Verhältnissen ins Feld stellen konnte, belief sich auf fünftausend
Streiter, die ihm unbedingt gehorchten, an den Gebrauch des Schildes und
des breiten Schwertes gewöhnt waren, einen Kampf mit regulären Truppen
selbst im offenen Felde nicht scheuten und solchen Truppen vielleicht in
den Eigenschaften überlegen waren, welche zur Vertheidigung in Nebel
gehüllter und von reißenden Gießbächen zerklüfteter rauher Gebirgspässe
erforderlich sind. Was eine solche Macht bei umsichtiger Leitung selbst
gegen kriegserfahrene Regimenter und geschickte Anführer auszurichten
vermochte, das zeigte sich wenige Jahre später bei Killiecrankie.

    [Anmerkung 16: Prozeß gegen Argyle in der +Collection of State
    Trials+; +Burnet, I. 521+; +A true and plain Account of the
    Discoveries made in Scotland, 1684+; +The Scotch Mist cleared+;
    +Sir George Mackenzie's Vindication+; +Lord Fonntainhall's
    Chronological Notes.+]

    [Anmerkung 17: Untersuchung gegen Robert Smith im Anhange zu
    +Sprat's True Account+.]

    [Anmerkung 18: +True and plain Account of the Discoveries made in
    Scotland.+]


[_Sir Patrick Hume und Sir Johann Cochrane._] So großen Anspruch aber
auch Argyle auf das Vertrauen der verbannten Schotten hatte, gab es doch
eine Partei unter ihnen, die ihn nicht mit wohlwollendem Auge
betrachtete und sich nur seines Namens und seines Einflusses bedienen
wollte, ohne ihn mit einer wirklichen Gewalt zu betrauen. Das Oberhaupt
dieser Partei war ein Edelmann aus dem schottischen Niederlande, der in
das Whigcomplot verwickelt gewesen und nur mit Mühe der Rache des Hofes
entgangen war: Sir Patrick Hume, von Polwart in Berwickshire. Gegen
seine Rechtschaffenheit sind starke Zweifel erhoben worden, aber ohne
haltbaren Grund. Soviel kann man jedoch nicht in Abrede stellen, daß er
seiner Sache durch Verkehrtheit eben so viel schadete, als es durch
Verrath hätte geschehen können. Er war eben so unfähig zum Führen wie
zum Folgen, eingebildet, streitsüchtig und launenhaft, ein endloser
Schwätzer, zaghaft und langsam bei Unternehmungen gegen den Feind, und
nur thätig gegen seine eigenen Verbündeten. Mit Hume eng verbunden war
ein andrer schottischer Verbannter von hohem Ansehen, der viele von den
nämlichen Fehlern hatte, wenn auch nicht in gleichem Grade: Sir Johann
Cochrane, zweiter Sohn des Earl von Dundonald.


[_Fletcher von Saltoun._] Eine weit höhere Stufe gebührte Andreas
Fletcher von Saltoun, einem Manne, der sich ebensowohl durch
wissenschaftliche Bildung und Beredtsamkeit, als durch Muth,
Uneigennützigkeit und Gemeinsinn auszeichnete, aber ein reizbares und
unlenksames Temperament besaß. Gleich vielen seiner berühmtesten
Zeitgenossen, wie Milton, Harrington, Marvel und Sidney, hatte auch ihm
die schlechte Regierung mehrerer aufeinanderfolgenden Fürsten einen
entschiedenen Widerwillen gegen die erbliche Monarchie eingeflößt.
Jedoch war er kein Demokrat. Er war das Oberhaupt eines alten
normännischen Hauses und stolz auf seine Abkunft, war ein feiner Redner
und Schriftsteller und bildete sich auf seine geistige Überlegenheit
etwas ein. Als Gentleman wie als Gelehrter blickte er mit
Geringschätzung auf das gemeine Volk herab und war so wenig geneigt,
demselben eine politische Macht anzuvertrauen, daß er es sogar unfähig
für den Genuß der persönlichen Freiheit hielt. Merkwürdig ist der
Umstand, daß dieser Mann, der rechtschaffenste, furchtloseste und
unbeugsamste Republikaner seiner Zeit, der Urheber eines Planes war,
welcher dahin zielte, einen großen Theil der arbeitenden Klassen
Schottlands zu Sklaven zu machen. Er hatte große Ähnlichkeit mit jenen
römischen Senatoren, die, während sie den Königstitel haßten, doch mit
unbeugsamem Stolze ihre Standesvorrechte gegen die Eingriffe der Menge
vertheidigten und ihre Sklaven und Sklavinnen durch Block und Peitsche
regierten.

Amsterdam war der Ort, wo sich die schottischen und englischen Führer
der Emigranten versammelten. Argyle kam aus Friesland, Monmouth aus
Brabant dahin. Es zeigte sich sehr bald, daß die Flüchtlinge kaum etwas
Andres gemein hatten als den Haß gegen Jakob und den ungeduldigen Drang,
aus der Verbannung in die Heimath zurückzukehren. Die Schotten waren
eifersüchtig auf die Engländer, die Engländer eifersüchtig auf die
Schotten. Monmouth's hohe Ansprüche verdrossen Argyle, der, stolz auf
seinen alten Adel und auf seine legitime Abstammung von Königen,
durchaus nicht geneigt war, dem Sprossen einer flüchtigen und unedlen
Liebe zu huldigen.


[_Unverständiges Benehmen der schottischen Flüchtlinge._] Doch von allen
Mißhelligkeiten, welche die kleine Schaar der Geächteten entzweiten, war
die ernsthafteste das Zerwürfniß, welches zwischen Argyle und einem
Theile seiner eigenen Begleiter ausbrach. Durch den lang andauernden
Widerstand gegen die Tyrannei war der Geist und das Gemüth einiger der
schottischen Verbannten in einen Zustand krankhafter Gereiztheit
versetzt worden, der ihnen auch die vernünftigste und nothwendigste
Beschränkung unerträglich machte. Sie wußten, daß sie ohne Argyle nichts
vermochten. Aber sie hätten auch wissen sollen, daß sie, wenn sie nicht
kopfüber ins Verderben stürzen wollten, entweder ihren Führer volles
Vertrauen schenken, oder jedem Gedanken an ein militairisches
Unternehmen entsagen mußten. Die Erfahrung hat zur Genüge bewiesen, daß
im Kriege jede Operation, von der größten bis zur kleinsten, unter der
unumschränkten Leitung Eines Geistes stehen und daß jeder ihm
Untergeordnete in seiner Stellung blindlings und willig, ja sogar
solchen Befehlen anscheinend freudig gehorchen muß, die er nicht
gutheißen kann oder deren Beweggründe vor ihm geheimgehalten werden.
Repräsentative Versammlungen, öffentliche Discussionen und alle die
anderen Hemmungsmittel, durch welche die Herrscher in bürgerlichen
Angelegenheiten am Mißbrauch der Gewalt verhindert werden, sind in einem
Feldlager nicht angewandt. Macchiavell schrieb viele von den Unfällen,
welche Venedig und Florenz trafen, mit Recht der eifersüchtigen
Einmischung dieser Republiken in alle Schritte ihrer Generäle zu.[19]
Die holländische Sitte, zu einer Armee Abgeordnete zu senden, ohne deren
Einwilligung kein entscheidender Schlag geführt werden durfte, war fast
eben so verderblich. Allerdings ist es keineswegs ausgemacht, daß ein
Anführer, der im Augenblicke der Gefahr mit dictatorischer Gewalt
bekleidet worden ist, diese Gewalt nach errungenem Siege ruhig wieder
niederlegt, und dies ist einer von den zahlreichen Gründen, warum die
Menschen so lange als möglich zögern sollten, ehe sie sich entschließen,
die öffentliche Freiheit mit dem Schwerte zu vertheidigen. Haben sie
sich aber einmal entschlossen, das Kriegsglück zu versuchen, dann werden
sie auch, wenn sie klug sind, ihrem Führer die unumschränkte Gewalt
übertragen, ohne welche ein Krieg nicht gut geführt werden kann. Möglich
daß er sich, nachdem sie ihm diese Gewalt anvertraut haben, als ein
Cromwell oder ein Napoleon erweist; aber es ist so gut als gewiß, daß,
wenn sie ihm seine Autorität vorenthalten, ihre Unternehmungen enden
werden, wie die Unternehmung Argyle's endete.

Einige von den schottischen Emigranten boten, erhitzt von
republikanischer Begeisterung, und des zur Führung großer
Angelegenheiten erforderlichen Geschicks gänzlich bar, ihre ganze
Thätigkeit und ihren ganzen Scharfsinn auf, nicht um Mittel zu dem
Angriffe zu sammeln, den sie gegen einen furchtbaren Feind
beabsichtigten, sondern um Beschränkungen der Macht ihres Führers und
Bürgschaften gegen seinen Ehrgeiz zu ersinnen. Die selbstgefällige
Beschränktheit, mit der sie darauf beharrten, eine Armee so zu
organisiren, wie eine Republik, würde unglaublich erscheinen, wäre sie
nicht von einem der Ihrigen selbst offen und sogar rühmend geschildert
worden.[20]

    [Anmerkung 19: +Discorsi sopra la prima Deca di Tito Livio, lib.
    II. cap. 33.+]

    [Anmerkung 20: Siehe +Sir Patrick Hume's Narrative+ an d. betr.
    Stellen.]


[_Anstalten zu einem Unternehmen gegen England und Schottland._] Endlich
wurde aller Zwist geschlichtet und beschlossen, daß unverweilt ein
Angriff auf die Westküste Schottlands versucht werden und daß demselben
eine Landung in England auf dem Fuße folgen sollte.

Argyle sollte in Schottland nominell das Commando führen, wurde aber der
Controle eines Ausschusses untergeordnet, der sich die Anordnung der
wichtigsten militairischen Maßregeln vorbehielt. Dieser Ausschuß war
ermächtigt zu entscheiden, wo die Expedition landen sollte, Offiziere zu
ernennen, die Oberaufsicht über die Truppenaushebungen zu führen und
Proviant und Munition zu vertheilen. Dem General blieb somit weiter
nichts überlassen als die Leitung der eigentlichen Kriegsoperationen im
Felde, und er mußte versprechen, daß er selbst im Felde, außer bei
unerwarteten Überfällen, nichts ohne die Zustimmung eines Kriegsrathes
thun werde.

Monmouth sollte in England commandiren. Sein weiches Gemüth hatte, wie
gewöhnlich, Eindrücke von der ihn umgebenden Gesellschaft angenommen.
Ehrgeizige Hoffnungen, welche anscheinend erloschen gewesen waren,
regten sich aufs neue in seiner Brust. Er erinnerte sich der Liebe, mit
der er jederzeit in Stadt und Land von dem Volke begrüßt worden war, und
er erwartete, daß sie sich zu Hunderttausenden erheben würden, um ihn
willkommen zu heißen. Er gedachte der Zuneigung, welche die Soldaten
stets für ihn gehegt hatten, und schmeichelte sich mit der Hoffnung, daß
sie regimenterweise zu ihm übergehen würden. Ermuthigende Zuschriften
kamen ihm in rascher Aufeinanderfolge von London zu. Man versicherte
ihm, daß die Gewaltthätigkeit und Ungerechtigkeit, mit der bei den
letzten Wahlen verfahren worden war, die Nation empört, daß nur die
Besonnenheit der Whighäupter mit Mühe einen blutigen Aufstand am
Krönungstage verhindert habe und daß alle die vornehmen Lords, welche
die Ausschließungsbill unterstützt, es kaum erwarten könnten, sich um
ihn zu schaaren. Wildman, der gern in Gleichnissen Verrath predigte,
ließ ihm sagen, daß gerade vor zweihundert Jahren der Earl von Richmond
mit einer Handvoll Leuten in England gelandet und wenige Tage später auf
dem Felde von Bosworth mit dem von Richard's Haupte genommenem Diademe
gekrönt worden sei. Danvers unternahm es, die City aufzuwiegeln. Man
machte den Herzog glauben, daß sobald er sein Banner aufgepflanzt,
Bedfordshire, Buckinghamshire, Hampshire und Cheshire zu den Waffen
greifen würden.[21] In Folge dessen konnte er es nicht erwarten, das
Unternehmen zu beginnen, vor dem er noch wenige Wochen vorher
zurückgeschreckt war. Seine Landsleute legten ihm keine so unsinnigen
Beschränkungen auf, wie die schottischen Emigranten sie ausgeklügelt
hatten, man verlangte nichts weiter von ihm als das Versprechen, daß er
den Königstitel nicht eher annehmen wolle, als bis seine Ansprüche dem
Urtheile eines freien Parlaments unterbreitet worden seien.

Es ward beschlossen, daß zwei Engländer, Ayloffe und Rumbold, den Earl
von Argyle nach Schottland begleiten und daß Fletcher mit Monmouth nach
England gehen solle. Fletcher hatte dem Unternehmen von vornherein einen
unglücklichen Ausgang prophezeit, aber sein ritterlicher Sinn gestattete
ihm nicht, ein Wagstück abzulehnen, nach welchem seine Freunde begierig
zu verlangen schienen. Als Grey die Äußerungen Wildman's in Bezug auf
Richmond und Richard beistimmend wiederholte, bemerkte der wohlbelesene
und denkende Schotte sehr richtig, es sei ein großer Unterschied
zwischen dem fünfzehnten und dem siebzehnten Jahrhundert. Richmond war
des Beistandes von Baronen gewiß, deren Jeder ein Heer von Lehnsleuten
ins Feld stellen konnte, und Richard hatte nicht ein einziges Regiment
regulärer Soldaten.[22]

Es gelang den Verbannten, theils aus eigenen Mitteln, theils durch
Beiträge von Freunden in Holland eine für beide Expeditionen genügende
Summe aufzubringen. Von London erhielten sie nur sehr wenig. Sie hatten
von dort sechstausend Pfund erwartet; anstatt des Geldes aber kamen
Entschuldigungen von Wildman, welche Allen, die nicht blind sein
_wollten_, die Augen hätten öffnen sollen. Der Herzog deckte den
Ausfall, indem er seine eigenen Juwelen und die der Lady Wentworth
verpfändete. Es wurden Waffen, Munition und Proviant gekauft und mehrere
in Amsterdam liegende Schiffe damit befrachtet [23].

    [Anmerkung 21: +Grey's Narrative+; +Wade's Confession, Harl. MS.
    6845.+]

    [Anmerkung 22: +Burnet, I. 631.+]

    [Anmerkung 23: +Grey's Narrative.+]


[_Johann Locke._] Es ist merkwürdig, daß gerade der ausgezeichnetste und
am gröblichsten beleidigte Mann unter den britischen Verbannten sich von
allen diesen übereilten Beschlüssen fern hielt. Johann Locke haßte
Tyrannei und Verfolgung als Philosoph, aber sein Verstand und sein
Character bewahrten ihn vor der Heftigkeit eines Parteigänger. Er hatte
mit Shaftesbury auf vertrautem Fuße gestanden und sich dadurch das
Mißfallen des Hofes zugezogen. Locke war jedoch so klug und vorsichtig
gewesen, daß es wenig genützt haben würde, wenn man ihn vor die
damaligen Gerichte gestellt hätte, so verderbt und parteiisch diese auch
waren. Nur in einem Punkte war er verwundbar. Er war Mitglied des
Christchurch-Collegiums der Universität Oxford. Es ward beschlossen, von
diesem berühmten Collegium den größten Mann zu vertreiben, dessen es
sich je zu rühmen gehabt hatte. Dies war aber nicht leicht, denn Locke
hatte sich in Oxford sorgfältig gehütet, irgendeine Meinung über die
Tagespolitik zu äußern. Man hatte ihn mit Spionen umgeben. Doctoren der
Theologie und Magister der Philosophie hatten sich nicht geschämt, den
schimpflichsten aller Dienste zu leisten, den Mund eines Collegen zu
bewachen, um etwaige Äußerungen zu seinem Verderben zu hinterbringen.
Das Gespräch in der Halle war absichtlich auf verfängliche Themata
gelenkt worden, wie auf die Ausschließungsbill und auf den Character des
Earl von Shaftesbury, aber vergebens. Locke ließ sich weder ein
unbesonnenes Wort entschlüpfen, noch verstellte er sich, sondern er
beobachtete ein so beharrliches Schweigen und eine so gleichgültige
Ruhe, daß die Werkzeuge der Gewalt zu ihrem Ärger gestehen mußten, nie
habe ein Mann es verstanden, seine Zunge und seine Leidenschaften so
vollkommen zu beherrschen. Als man sah, daß man mit Verrath nichts
ausrichtete, brauchte man willkürliche Gewalt. Nachdem die Regierung es
umsonst versucht hatte, Locke zu einem Fehler zu verleiten, beschloß
sie, ihn ohne einen solchen zu bestrafen. Es kam Befehl von Whitehall,
ihn seines Amtes zu entsetzen, und der Dechant und die Canonici beeilten
sich, diesem Befehle nachzukommen.

Locke reiste zu seiner Erholung auf dem Continent, als er erfuhr, daß er
ohne Untersuchung und selbst ohne Benachrichtigung seiner Heimath und
seines Unterhalts beraubt worden sei. Die Ungerechtigkeit, mit der man
gegen ihn verfahren war, würde es entschuldigt haben, wenn er zu
gewaltsamen Mitteln gegriffen hätte, um sich Recht zu verschaffen. Aber
persönlicher Groll konnte ihn nicht verblenden. Er erwartete nichts
Gutes von den Plänen Derer, die sich in Amsterdam versammelt hatten, und
er zog daher in aller Stille nach Utrecht, wo er sich mit der Abfassung
seines berühmten Briefes über die Toleranz beschäftigte, während seine
Unglücksgefährten auf ihr eignes Verderben hinarbeiteten[24].

    [Anmerkung 24: +Le Clerc's Life of Locke+; +Lord King's Life of
    Locke+; +Lord Grenville's Oxford and Locke.+ Locke darf nicht mit
    dem Anabaptisten Nikolaus Look verwechselt werden, dessen Name in
    +Grey's Confession+ Locke geschrieben ist und der auch in den
    +Lansdowne MS. 1152+, sowie in der Erzählung von Buccleuch im
    Anhange zu Rose's Abhandlung erwähnt wird. Ich würde es kaum für
    nöthig gehalten haben, hierauf aufmerksam zu machen, hätte nicht
    die Ähnlichkeit dieser beiden Namen einen mit der Geschichte jener
    Zeiten so wohlbekannten Mann wie Präsident Onslow irre geführt.
    Siehe seine Anmerkung über Burnet +I. 629.+]


[_Vorkehrungen der Regierung zur Vertheidigung Schottlands._] Die
englische Regierung erhielt in Zeiten Kunde davon, daß unter den
Verbannten etwas im Werke war. Einen Einfall in England scheint man
jedoch zuerst nicht erwartet zu haben; wohl aber fürchtete man, daß
Argyle nächstens bewaffnet unter seinen Clansmännern erscheinen werde.
In Folge dessen erschien eine Verordnung des Inhalts, daß Schottland in
Vertheidigungszustand gesetzt werden solle. Die Miliz erhielt Befehl,
sich bereit zu halten. Alle dem Namen Campbell feindlich gesinnten Clans
wurden in Bewegung gesetzt. John Murray, Marquis von Athol, wurde zum
Lordlieutenant von Argyleshire ernannt und er besetzte mit einer starken
Abtheilung seiner Untergebenen das Schloß von Inverary. Einige
verdächtige Personen wurden eingezogen, andere mußten Bürgschaft
leisten. Kriegsschiffe wurden abgesandt, um in der Nähe der Insel Bute
zu kreuzen, und ein Theil der irländischen Arme wurde nach der Küste von
Ulster dirigirt.[25]

    [Anmerkung 25: +Wodrow, book III. chap. IX.+; +London Gazette, May
    11, 1685+; +Barillon, 11.(21.) Mai.+]


[_Unterredung Jakob's mit den holländischen Gesandten._] Während diese
Vorkehrungen in Schottland getroffen wurden, berief Jakob den Arnold Van
Citters, der lange als Gesandter der Vereinigten Provinzen in England
zugebracht, und Everard Van Dykvelt, der nach Karl's Tode in einer
besonderen Mission zur Beileidsbezeigung und Beglückwünschung von den
Generalstaaten nach London geschickt worden war, in sein Kabinet. Der
König sagte ihnen, daß er aus sicheren Quellen Kenntniß von Anschlägen
gegen seinen Thron erhalten, welche seine verbannten Unterthanen in
Holland schmiedeten. Einige von den Verbannten seien Kehlabschneider,
welche nur die besondere Fügung Gottes verhindert habe, einen
schändlichen Mord zu begehen, und es befinde sich unter ihnen der
Eigenthümer des Ortes, an dem das Gemetzel habe vor sich gehen sollen.
»Von allen Lebenden,« setzte der König hinzu, »hat Argyle die größten
Mittel in den Händen, mir zu schaden, und Holland ist dasjenige Land,
von welchem aus am leichtesten ein Schlag gegen mich geführt werden
kann.« Citters und Van Dykvelt versicherten Seiner Majestät, daß seine
Worte der Regierung, die sie vertraten, unverzüglich mitgeteilt werden
sollten, und daß zuversichtlich Alles gethan werden würde, um ihn
zufrieden zu stellen.[26]

    [Anmerkung 26: +Register of the Proceedings of the States General,
    May 5.(15.) 1685.+]


[_Vergebliche Versuche, Argyle am Absegeln zu verhindern._] Die
Gesandten waren berechtigt, dieses Vertrauen auszusprechen. Der Prinz
von Oranien sowohl als die Generalstaaten wünschten damals sehnlichst,
daß ihre Gastfreundschaft nicht zu Zwecken gemißbraucht werde, über
welche die englische Regierung sich mit Recht beschweren könnte. Jakob
hatte neuerdings eine Sprache geführt, welche der Hoffnung Raum gab, daß
er sich nicht geduldig dem Einflusse Frankreichs unterwerfen werde. Es
war daher wahrscheinlich, daß er sich zu einem engen Bündnisse mit den
Vereinigten Provinzen und mit dem Hause Österreich bestimmen lassen
werde, und man vermied deshalb im Haag mit ängstlicher Sorgfalt Alles,
was irgend Anstoß bei ihm erregen konnte. Auch vereinigte sich bei
dieser Gelegenheit Wilhelm's eigenes Interesse mit dem Interesse seines
Schwiegervaters.

Aber die Lage war von der Art, daß sie rasches und kräftiges
Einschreiten erforderte, und die Natur der batavischen Institutionen
machte ein solches Einschreiten fast unmöglich. Die Union von Utrecht,
welche unter blutigen Revolutionskämpfen und zu dem Zwecke, den
dringendsten Bedürfnissen zu genügen, flüchtig entworfen worden, war
niemals in ruhiger Zeit sorgfältig revidirt und vervollständigt worden.
Jede von den sieben Republiken, weiche diese Union mit einander
verbunden hatte, besaß fast noch alle Souverainetätsrechte
und behauptete diese Rechte beharrlich der Centralregierung
gegenüber. Gleichwie die Bundesgewalt nicht die Mittel hatte, die
Provinzialgewalten zu pünktlichem Gehorsam zu zwingen, so hatten auch
diese nicht die Mittel, die Municipalbehörden zu pünktlichem Gehorsam zu
zwingen. Holland allein enthielt achtzehn Städte, von denen jede in
vieler Beziehung einen unabhängigen und keine Einmischung von Außen
duldenden Staat bildete. Wenn die Behörden dieser Städte vom Haag einen
Befehl erhielten, der ihnen nicht gefiel, so ignorirten sie denselben
entweder ganz, oder kamen ihm doch nur langsam und zögernd nach. Bei
einigen Stadträthen vermochte allerdings der Wille des Prinzen von
Oranien Alles; unglücklicherweise aber war der Ort, wo sich die
britischen Verbannten gesammelt hatten und wo ihre Schiffe ausgerüstet
worden waren, das reiche und stark bevölkerte Amsterdam, und die
Magistratsbeamten von Amsterdam waren die Oberhäupter der gegen die
Bundesregierung und gegen das Haus Nassau feindlich gesinnten Partei.
Die Marineverwaltung der Vereinigten Provinzen war in den Händen fünf
verschiedener Admiralitätsbehörden; eine dieser Behörden hatte ihren
Sitz in Amsterdam, wurde theilweis von der städtischen Behörde ernannt
und scheint ganz von deren Geiste beseelt gewesen zu sein.

Alle Bemühungen der Bundesregierung, Jakob's Wünsche zu erfüllen, wurden
durch die Ausflüchte der Amsterdamer Beamten und durch die Fehlgriffe
des Obersten Bevil Skelton, der eben als Gesandter Englands im Haag
angekommen war, vereitelt. Skelton war zur Zeit der englischen Unruhen
in Holland geboren und man hatte ihn daher als besonders geeignet für
diesen Posten gehalten[27]; allein er war weder für diese noch für
irgend eine andre diplomatische Stellung befähigt. Leute, die einen
Character gut zu beurtheilen verstanden, erklärten ihn für den
seichtesten, unbeständigsten, leidenschaftlichsten, anmaßendsten und
geschwätzigsten Menschen, den es geben könne[28]. Er kümmerte sich nicht
ernstlich um die Schritte der Flüchtlinge, als bis drei für die
Expedition nach Schottland ausgerüstete Schiffe bereits glücklich aus
der Zuydersee ausgelaufen, sämmtliche Waffen, Munition und Mundvorräthe
an Bord gebracht waren und die Passagiere sich eingeschifft hatten.
Anstatt sich nun, wie er hätte thun sollen, an die Generalstaaten zu
wenden, welche dicht neben seiner Wohnung ihre Sitzungen hielten,
schickte er einen Boten an den Magistrat von Amsterdam mit dem Ersuchen,
die verdächtigen Schiffe nicht abfahren zu lassen. Der Magistrat von
Amsterdam antwortete, daß der Eingang der Zuydersee außer dem Bereiche
seiner Jurisdiction liege, und verwies ihn an die Bundesregierung. Es
lag auf der Hand, daß dies eine bloße Ausflucht war und daß durchaus
keine Schwierigkeiten gemacht worden wären, wenn man im Amsterdamer
Stadthause den ernsten Willen gehabt hätte, Argyle am Absegeln zu
verhindern. Jetzt wendete sich Skelton an die Generalstaaten. Sie
zeigten sich vollkommen geneigt, seinem Ansuchen zu willfahren, und da
die Zeit drängte, wichen sie von dem Verfahren ab, das sie sonst in
ihrem Geschäftsgange zu beobachten pflegten. Noch denselben Tag, an
welchem der Oberst sich an sie gewendet, wurde ein in genauer
Übereinstimmung mit seinem Gesuch abgefaßter Befehl der Admiralität von
Amsterdam zugefertigt. In diesem Befehle aber war in Folge unrichtiger
Andeutungen von Seiten Skelton's die Lage der Schiffe nicht genau
bezeichnet. Es hieß darin, sie lägen im Texel, während sie sich bei
Vlieland befanden. Die Admiralität von Amsterdam nahm diesen Fehler zum
Vorwand, um nichts zu thun, und bevor er berichtigt werden konnte, waren
die drei Schiffe abgesegelt.[29]

    [Anmerkung 27: Dies wird in seinem Beglaubigungsschreiben vom 16.
    März 1684/85 erwähnt.]

    [Anmerkung 28: Bonrepeaux an Seignelay vom 4.(14.) Febr. 1686.]

    [Anmerkung 29: +Avaux Neg. April 30. (May 10.), May 1.(11.), May
    5.(15.) 1685+; +Sir Patrick Hume's Narrative+; Brief von der
    Admiralität von Amsterdam an die Generalstaaten vom 20. Juni 1685;
    Memorial Skelton's an die Generalstaaten vom 10. Mai 1685.]


[_Argyle's Abreise von Holland._] Die letzten Stunden, welche Argyle an
der Küste Hollands zubrachte, waren Stunden der größten Angst. In seiner
Nähe lag ein holländisches Kriegsschiff, das mit einer vollen Lage in
einem Augenblicke die ganze Expedition zu Schanden gemacht haben würde.
Auch ruderte ein Boot um seine kleine Flotte herum, in welchem sich
einige Personen mit Fernröhren befanden, die er für Spione hielt. Es
wurde jedoch kein wirklicher Schritt gethan, um ihn zurückzuhalten, und
am Nachmittage des 2. Mai ging er mit günstigem Winde unter Segel.

Die Fahrt war glücklich. Am Sechsten bekam man die Orkneyinseln in
Sicht. Argyle ging sehr unklugerweise auf der Höhe von Kirkwall vor
Anker und gestattete zwei von seinen Begleitern, hier ans Land zu gehen.
Der Bischof gab Befehl, sie festzunehmen. Die Flüchtlinge begannen eine
lange und lebhafte Debatte über diesen Unfall, denn zu Debatten fehlte
es ihnen vom Anfang bis zum Ende der Expedition nie an Energie und
Ausdauer, so zaghaft und unschlüssig sie im Übrigen waren. Einige
stimmten für einen Angriff auf Kirkwall, Andere für unverweilte
Fortsetzung der Reise nach Argyleshire. Endlich ließ der Earl einige an
der Küste der Insel wohnende Gentlemen festnehmen und schlug dann dem
Bischofe die Auswechselung der Gefangenen vor. Der Bischof gab keine
Antwort und die Flotte segelte wieder ab, nachdem sie drei Tage verloren
hatte.


[_Argyle landet in Schottland._] Diese Verzögerung war höchst
gefährlich. Es wurde sehr bald in Edinburg bekannt, daß das Geschwader
der Aufrührer die Orkneyinseln berührt hatte, und man setzte daher
schleunigst Truppen in Bewegung. Als der Earl seine Provinz erreichte,
fand er, daß Vorkehrungen getroffen waren, um seine Landung zu
verhindern. Bei Dunstaffnage schickte er seinen zweiten Sohn Karl ans
Land, um die Campbells zu den Waffen zu rufen. Karl aber kam mit
schlimmen Nachrichten zurück. Die Hirten und Fischer waren wohl bereit,
sich um Mac Callum More zu schaaren, aber von den Häuptlingen der Clans
waren einige gefänglich eingezogen, andere waren geflohen, und die
Zurückgebliebenen hielten es entweder mit der Regierung oder wollten
doch von einem Aufstande nichts wissen und weigerten sich sogar, den
Sohn ihres Stammoberhauptes nur vor sich zu lassen. Von Dunstaffnage
segelte die kleine Flotte weiter nach Campbelltown, unweit der Südspitze
der Halbinsel Kintyre. Hier veröffentlichte der Earl ein Manifest, das
in Holland unter der Leitung des Ausschusses von einem schottischen
Advokaten, Jakob Stewart, abgefaßt war, dessen Feder wenige Monate
darauf zu ganz anderen Dingen verwendet wurde. In diesem Erlasse waren
in einer Sprache, deren starke Ausdrücke zuweilen an possenhafte
Gemeinheit grenzten, viele wahre und einige eingebildete Beschwerden
auseinandergesetzt. Unter Andrem war darin angedeutet, der letzte König
sei an Gift gestorben. Für einen Hauptzweck der Expedition wurde die
völlige Unterdrückung nicht nur des Papismus, sondern auch des
Prälatenthums erklärt, welches die bitterste Wurzel und Frucht des
Papismus genannt war, und alle guten Schotten wurden ermahnt, der Sache
ihres Vaterlandes und ihres Gottes tapfren Beistand zu leihen. So eifrig
Argyle auch für das, was er den reinen Glauben nannte, eingenommen war,
scheute er sich doch nicht, einen halb papistischen, halb heidnischen
Gebrauch in Anwendung zu bringen. Das geheimnißvolle Kreuz von
Eibenholz, das zuerst angezündet und dann in Ziegenblut gelöscht wurde,
ward ausgeschickt, um alle Campbells vom sechzehnten bis zum sechzigsten
Jahre aufzurufen. Die Landenge von Tarbet war zum Sammelplatz bestimmt.
Die Truppe, die sich dort sammelte, war zwar klein im Vergleich zu der,
welche zusammengekommen sein würde, wenn der Muth und die Kraft der
Clans noch ungebrochen gewesen wäre, doch war sie noch immer
achtunggebietend. Sie erreichte die Zahl von achtzehnhundert Mann.
Argyle theilte seine Bergschotten in drei Regimenter und schritt zur
Ernennung der Offiziere.


[_Argyle's Zwistigkeiten mit seinen Begleitern._] Die schon in Holland
begonnenen Zänkereien hatten zwar während des ganzen bisherigen Verlaufs
der Expedition noch nicht aufgehört; in Tarbet aber wurden sie heftiger
als je. Der Ausschuß wollte sich selbst in die patriarchalische
Oberherrschaft des Earl über die Campbells einmischen und ihm nicht
einmal gestatten, den militärischen Rang seiner Stammverwandten nach
eignem Ermessen zu bestimmen. Während diese streitsüchtigen
Friedensstörer ihm seine Macht in den Hochlanden zu entreißen suchten,
unterhielten sie ihre eigne Correspondenz mit dem Niederlande und
wechselten Briefe, die dem nominellen General nie mitgetheilt wurden.
Hume und seine Verbündeten hatten sich die Oberaufsicht über die
Vorräthe vorbehalten und sie führten diesen wichtigen Zweig der
Kriegsverwaltung mit einer Lässigkeit, welche von Treulosigkeit kaum zu
unterscheiden war, ließen die Waffen verderben, vergeudeten die
Lebensmittel und lebten in verschwenderischer Üppigkeit zu einer Zeit,
wo sie allen Untergebenen mit dem Beispiele der Mäßigkeit hätten
vorangehen sollen.

Die große Frage war nun, ob die Hochlande oder die Niederlande[30] der
Schauplatz des Krieges sein sollten. Des Earl's Hauptziel war für jetzt,
seine Autorität über sein eignes Gebiet zu befestigen, die fremden
Clans, welche aus Perthshire in Argyleshire eingedrungen waren, wieder
hinauszutreiben und seinen alten Stammsitz zu Inverary wieder
einzunehmen. Dann konnte er hoffen, vier- bis fünftausend Schwerter zu
seiner Verfügung zu haben, und mit einer solchen Streitmacht würde er im
Stande gewesen sein, diese wilden Gegenden gegen die ganze Macht des
Königreichs Schottland zu vertheidigen, so wie auch eine vortreffliche
Grundlage zu Angriffsoperationen gewonnen haben. Dies scheint der
vernünftigste Weg gewesen zu sein, der ihm offen stand. Rumbold, der
eine ausgezeichnete Kriegsschule durchgemacht hatte und von dem man, da
er Engländer war, erwarten konnte, daß er ein unparteiischer
Schiedsrichter zwischen den schottischen Factionen sein werde, that
Alles, was in seinen Kräften stand, um den Earl zu unterstützen. Hume
und Cochrane aber waren durchaus unfügsam, ihre Eifersucht auf Argyle
war in der That stärker, als der Wunsch, daß die Expedition gelingen
möge. Sie sahen, daß er zwischen seinen Bergen und Seen und an der
Spitze eines hauptsächlich aus Mitgliedern seines eignen Stammes
gebildeten Heeres im Stande sein werde, ihren Widerstand zu brechen und
die volle Autorität eines Generals auszuüben. Sie munkelten, daß die
Niederländer die Einzigen seien, denen die gute Sache wirklich am Herzen
liege, und daß die Campbells weder für die Freiheit, noch für die Kirche
Gottes, sondern lediglich für Mac Callum More die Waffen ergriffen
hätten. Cochrane erklärte, er werde nach Ayrshire gehen, und wenn er
allein, mit nichts als einer Heugabel in der Hand gehen sollte. Nach
langem Widerstreben willigte Argyle endlich gegen seine bessere
Überzeugung darein, daß sein kleines Heer getheilt wurde. Er blieb mit
Rumbold in den Hochlanden und Cochrane und Hume traten an die Spitze des
Korps, das zu einem Einfall in die Niederlande absegelte.

Cochrane's Ziel war Ayrshire; aber die Küste dieser Grafschaft war von
englischen Fregatten bewacht und die Abenteurer mußten daher die Mündung
des Clyde bis Greenock hinauffahren, das damals ein kleines, aus einer
einzigen Reihe von Strohhütten bestehendes Fischerdorf war, jetzt aber
ein großer, blühender Hafen ist, dessen Zolleinnahmen die
Gesammteinkünfte, welche die Stuarts aus dem Königreiche Schottland
zogen, um das Fünffache übersteigen. Bei Greenock stand eine Abtheilung
Miliz; Cochrane aber brauchte Proviant und war daher entschlossen, zu
landen. Hume machte Einwendungen, Cochrane aber bestand fest darauf und
befahl einem Offizier, Namens Elphinstone, mit zwanzig Mann in einem
Boot ans Ufer zu fahren. Aber der streitsüchtige Geist der Führer hatte
alle Reihen angesteckt. Elphinstone antwortete, er sei nur verpflichtet,
vernünftigen Befehlen zu gehorchen, dieser aber sei unvernünftig, kurz,
er werde nicht gehen. Major Fullarton, ein braver Mann, den alle
Parteien achteten, der aber ein spezieller Freund Argyle's war,
unternahm es, mit nur zwölf Mann zu landen und es gelang ihm trotz des
Feuers, das von der Küste aus auf ihn gerichtet wurde. Es entspann sich
ein kleines Gefecht und die Miliz wich zurück. Cochrane rückte in
Greenock ein, verschaffte sich Mehlvorrath, fand aber das Volk nicht
geneigt zum Aufstande.

    [Anmerkung 30: Nämlich die schottischen.      D. Übers.]


[_Stimmung der schottischen Nation._] Die öffentliche Stimmung in
Schottland war in der That nicht so, wie die Verbannten, welche durch
die ihrer Klasse zu jeder Zeit eigne Verblendung bethört waren, sie
erwartet hatten. Die Regierung war zwar gehässig und gehaßt, aber die
Mißvergnügten waren in Parteien gespaltet, welche gegen einander fast
eben so feindselig gesinnt waren, wie gegen ihre Beherrscher, und keine
von diesen Parteien zeigte sonderliche Lust, sich den Einfallenden
anzuschließen. Viele sprachen dem Aufstande jede Aussicht auf Erfolg ab,
und der Muth vieler Anderen war durch lange und grausame Bedrückung
wirksam gebrochen worden. Allerdings gab es noch eine Klasse von
Enthusiasten, welche nicht gewohnt waren, die Aussichten des Gelingens
zu erwägen, und die der Druck nicht gezähmt, sondern im Gegentheil aufs
Äußerste erbittert hatte; aber diese Leute sahen keinen großen
Unterschied zwischen Argyle und Jakob. Ihr Zorn war auf einen solchen
Grad gestiegen, daß das, was jeder Andere glühenden Eifer genannt haben
würde, in ihren Augen laodicäische Lauheit war. Auf der Vergangenheit
des Earl lastete ein Flecken, den sie als die schändlichste Apostasie
betrachteten. Die nämlichen Hochländer, die er jetzt zur Ausrottung des
Prälatenthums aufrief, hatte er wenige Jahre vorher zur Vertheidigung
desselben aufgerufen. Waren Sklaven, die von Religion nichts wußten und
sich nicht um sie kümmerten, welche bereit waren, für Synodalverfassung,
für Episkopat und für Papstthum zu kämpfen, wie es Mac Callum More
gerade zu befehlen geruhte, würdige Bundesgenossen für das auserwählte
Volk Gottes? Das in unschicklichem und intolerantem Tone gehaltene
Manifest erschien diesen Fanatikern als ein feiges und weltliches
Machwerk. Eine Verfassung, wie Argyle sie ihnen gegeben haben würde und
wie sie nachher ein mächtigerer und glücklicherer Befreier ihnen gab,
schien ihnen keines Kampfes werth. Sie verlangten nicht nur
Gewissensfreiheit für sich, sondern auch unumschränkte Herrschaft über
die Gewissen Andrer, nicht blos presbyterianische Lehre, Verfassung und
Gottesdienst, sondern den Covenant in seiner äußersten Strenge. Sie
waren nur dadurch zu befriedigen, daß alle Zwecke, um deretwillen die
bürgerliche Gesellschaft besteht, der Herrschaft eines theologischen
Systems aufgeopfert wurden. Wer da glaubte, daß keine Form des
Kirchenregiments eine Verletzung der Nächstenliebe werth sei, wer
Verständigung und Toleranz empfahl, der schwankte zwischen Jehova und
Baal, wie sie sich ausdrückten. Wer Handlungen, wie die Ermordung des
Kardinals Beatoun und des Erzbischofs Sharpe verdammte, verfiel in die
nämlichen Fehler, um dessentwillen Saul als König über Israel verworfen
worden war. Alle Maßregeln, durch welche unter civilisirten und
christlichen Menschen die Schrecken des Kriegs gemildert werden, waren
dem Herrn ein Gräuel. Pardon durfte weder genommen noch gegeben werden.
Ein rasender Malaye, ein von einem Haufen verfolgter toller Hund: das
waren die Vorbilder, die sich Krieger, welche zu gerechter
Selbstvertheidigung kämpften, zum Muster nehmen sollten. Für Gründe,
durch die sich Staatsmänner und Generäle bei ihren Schritten, leiten
lassen, waren diese Zeloten durchaus unempfänglich. Wenn ein Mann es
wagte, solche Gründe anzuführen, so war dies schon ein hinreichender
Beweis, daß er nicht zu den Gläubigen gehörte. Wenn der göttliche Segen
fehlte, so konnten auch schlaue Politiker, kriegserfahrene Heerführer,
Waffenkisten aus Holland oder Regimenter nicht wiedergeborener Celten
aus den Gebirgen von Lorn wenig ausrichten. War jedoch auf der andren
Seite die Zeit des Herrn wirklich gekommen, so konnte er noch immer wie
vor Alters durch das, was thöricht ist, die Weisen vor der Welt zu
Schanden machen und durch Wenige eben so gut wie durch Viele erretten.
Die breiten Schwerter Athol's und die Bajonette Claverhouse's konnten
durch eben so bescheidene Waffen wie die Schleuder David's oder die
Krüge Gideon's in die Flucht geschlagen werden.[31]

Nachdem Cochrane die Unmöglichkeit erkannt hatte, die Bevölkerung
südlich vom Clyde zum Aufstande zu bewegen, kehrte er zu Argyle zurück,
der sich auf der Insel Bute befand. Der Earl schlug nun abermals vor,
einen Angriff auf Inverary zu versuchen; allein er stieß abermals auf
hartnäckige Opposition. Die Seeleute hielten es mit Cochrane und Hume,
die Hochländer unterwarfen sich unbedingt den Befehlen ihres Anführers.
Es stand zu befürchten, daß es zwischen den beiden Parteien zu
Thätlichkeiten kommen würde, und die Besorgniß vor einem solchen Unglück
bewog den Ausschuß zu einigen Zugeständnissen. Das Schloß Ealan Ghierig,
an der Mündung des Loch[32] Riddan gelegen, wurde zum Hauptwaffenplatz
erwählt. Die Kriegsvorräthe wurden dort ausgeschifft und das Geschwader
dicht an den Wällen an einer Stelle, wo es durch Felsen und Untiefen,
welche ihrer Meinung nach eine Fregatte nicht passiren konnte, geschützt
war, vor Anker gelegt. Dann wurden Außenwerke aufgeworfen und eine
Batterie von einigen von den Schiffen genommenen kleinen Kanonen
aufgefahren. Das Commando in dem Fort ward höchst unklugerweise
Elphinstone übertragen, der schon Beweise gegeben hatte, daß er weit
mehr geneigt war, sich mit seinen Vorgesetzten zu streiten, als gegen
den Feind zu kämpfen.

Jetzt wurde auf einige Stunden ein wenig Energie entwickelt. Rumbold
nahm das Schloß Ardkingglaß. Der Earl scharmützelte erfolgreich mit
Athol's Truppen und war schon im Anrücken gegen Inverary begriffen, als
er in Folge schlimmer Nachrichten von den Schiffen und durch
Parteispaltungen im Ausschusse gezwungen wurde, wieder umzukehren. Die
königlichen Fregatten waren Ealan Ghierig näher gekommen, als man es für
möglich gehalten, und die Herren vom Niederland weigerten sich auf das
Bestimmteste, noch weiter in's Hochland vorzurücken. Argyle eilte zurück
nach Ealan Ghierig. Dort angelangt, schlug er einen Angriff auf die
Fregatten vor. Seine Schiffe waren zwar zu einem solchen Unternehmen
nicht hinreichend, aber sie wären durch eine Flotille von dreißig großen
mit bewaffneten Hochländern wohlbemannten Fischerböten unterstützt
worden. Der Ausschuß wollte jedoch von diesem Plane nichts hören und
vereitelte denselben auch wirklich durch Anzettelung einer Meuterei
unter dem Schiffsvolke.

Jetzt entstand allgemeine Verwirrung und Entmuthigung. Die Mundvorräthe
waren vom Ausschusse so schlecht verwaltet worden, daß es den Truppen an
Lebensmitteln fehlte. Die Hochländer desertirten daher zu Hunderten und
der durch sein Mißgeschick gänzlich zu Boden gedrückte Earl gab dem
Andringen Derer nach, welche noch immer hartnäckig darauf bestanden, daß
er in das Niederland vorrücken solle.

Die kleine Armee brach demgemäß eiligst nach den Ufern des Loch Long
auf, setzte bei Nacht in Böten über die Einfahrt und landete in
Dumbartonshire. Hier erhielten sie am folgenden Morgen die Nachricht,
daß die Fregatten einen Durchgang forcirt hatten, daß sämmtliche Schiffe
des Earls genommen worden waren, und daß Elphinstone ohne Schwertstreich
aus Ealan Ghierig geflohen sei und das Schloß mit allen Vorräthen dem
Feinde überlassen habe.

Es blieb nun weiter nichts übrig, als auf jede Gefahr hin in das
Niederland vorzudringen. Argyle beschloß einen kühnen Handstreich auf
Glasgow zu wagen. Sobald aber dieser Entschluß bekannt wurde, ergriff
dieselben Männer, die ihn bis zu diesem Augenblicke gedrängt hatten, in
das Niederland zu eilen, ein panischer Schrecken, sie stritten, machten
Gegenvorstellungen, und da ihr Streiten und ihre Vorstellungen erfolglos
blieben, entwarfen sie den Plan, sich der Böte zu bemächtigen, auf eigne
Hand zu entfliehen und es ihrem General und seinen Clansleuten zu
überlassen, ohne Hülfe zu siegen oder unterzugehen. Dieser Plan schlug
jedoch fehl, und die Feiglinge, die ihn gefaßt hatten, waren gezwungen,
mit tapferen Männern die Gefahren des letzten Wagnisses zu theilen.

Auf dem Marsche durch die Gegend zwischen Loch Long und Loch Lomond
wurden die Insurgenten fortwährend durch Abtheilungen der Miliz
beunruhigt. Es fanden einige Gefechte statt, in denen der Vortheil auf
Seiten des Earl blieb, aber die vor ihm her fliehenden Trupps
verbreiteten die Nachricht von seinem Heranrücken und bald nach seinem
Übergang über den Fluß Leven stieß er auf ein zahlreiches Corps
regulärer und irregulärer Truppen, welche bereit waren, sich mit ihm zu
messen.

Er war dafür, eine Schlacht anzunehmen, eben so auch Ayloffe. Hume aber
erklärte es für Wahnsinn, mit dem Feinde anzubinden. Er sah ein Regiment
in scharlachrother Uniform, und es konnten noch mehr dahinter stehen:
eine solche Macht angreifen, hieße einem sicheren Tode in den Rachen
eilen. Das Beste sei, sich bis zur Nacht ganz still zu verhalten und
dann dem Feinde wo möglich zu entschlüpfen.

Es entspann sich ein heftiger Wortwechsel, der nur mit Mühe durch
Rumbold's Vermittelung beschwichtigt wurde. Es war Abend geworden, und
die beiden feindlichen Heere lagerten in nicht großer Entfernung von
einander. Der Earl wagte es, einen nächtlichen Angriff vorzuschlagen,
wurde aber auch diesmal wieder überstimmt.

    [Anmerkung 31: Wer etwa glauben sollte, daß ich die Unvernunft und
    Wildheit dieser Menschen übertreibe, dem rathe ich, zwei Bücher zu
    lesen, die ihn überzeugen werden, daß ich die Farben eher
    gemildert als zu stark aufgetragen habe. Die Titel dieser beiden
    Werke sind: +Hind let loose+ und +Faithful Contendings
    displayed.+]

    [Anmerkung 32: See.    D. Übers.]


[_Argyle's Truppe zerstreut._] Nachdem der Beschluß gefaßt war, nicht zu
kämpfen, blieb nichts weiter übrig als den Schritt zu thun, den Hume
anempfohlen hatte. Es war einige Möglichkeit vorhanden, daß der Earl,
wenn er in aller Stille aufbrach und die ganze Nacht durch über Haiden
und Moräste davoneilte, dem Feinde einen Vorsprung von mehreren Meilen
abgewinnen und ohne weitere Behinderung Glasgow erreichen konnte. Man
ließ die Wachtfeuer brennen und setzte sich in Marsch. Doch nun folgte
ein Unglück auf das andre. Die Führer verfehlten den Weg durch die Moore
und führten die Armee in weichen Sumpfboden. Eine militairische Ordnung
konnte bei diesen undisciplinirten und entmuthigten Soldaten unter einem
stockfinstren Himmel und auf einem trügerischen, unebenen Boden nicht
aufrecht erhalten werden. Schrecken auf Schrecken verbreitete sich in
den getrennten Reihen. Was man sah und hörte hielt man für ein Anzeichen
vom Herannahen der Verfolger. Einige von den Officieren trugen noch zur
Vermehrung der Angst bei, während es ihre Pflicht gewesen wäre, sie zu
vermindern. Die Armee war ein demoralisirter Haufe geworden und dieser
schmolz rasch zusammen. Große Massen entflohen unter dem Schutze der
Dunkelheit. Rumbold und einige andere Tapfere, die keine Gefahr
schrecken konnte, verirrten sich und waren nicht im Stande, das
Hauptcorps wieder aufzufinden. Als der Tag anbrach, sammelten sich nur
etwa fünfhundert erschöpfte und entmuthigte Flüchtlinge in Kilpatrick.


[_Argyle gefangen genommen._] An eine Fortsetzung des Kriegs war nicht
mehr zu denken und es lag klar auf der Hand, daß es den Anführern der
Expedition schwer genug werden würde, nur ihr Leben in Sicherheit zu
bringen. Sie entflohen in verschiedenen Richtungen. Hume erreichte
glücklich das Festland. Cochrane wurde ergriffen und nach London
gebracht. Argyle hoffte unter dem Dache eines seiner alten Diener, der
in der Nähe von Kilpatrick wohnte, ein sicheres Asyl zu finden. Allein
er sah sich in dieser Hoffnung getäuscht und war gezwungen, über den
Clyde zu gehen. Er verkleidete sich als Landmann und übernahm die Rolle
eines Führers des Majors Fullarton, dessen muthvolle Treue vor keiner
Gefahr zurückschreckte. Die beiden Freunde reisten mit einander durch
Renfrewshire bis Inchinnan. Hier vereinigen sich der schwarze Cart und
der weiße Cart, bevor sie sich in den Clyde ergießen. Diese beiden
Ströme fließen jetzt durch blühende Städte und treiben die Räder
zahlreicher Fabriken; damals aber ging ihr ruhiger Lauf durch
Moorstrecken und Schafweiden. Die einzige Furth, durch welche die
Reisenden den Fluß passiren konnten, wurde von einer Abtheilung Miliz
bewacht. Fullarton versuchte es, den Verdacht auf sich zu lenken, damit
sein Begleiter unbemerkt entschlüpfen könnte; aber die Frager ahneten,
daß der Führer nicht der ungebildete Landmann sei, der er scheinen
wollte. Sie legten Hand an ihn. Er riß sich los und sprang in's Wasser,
ward aber sofort verfolgt. Eine kurze Zeit vertheidigte er sich gegen
fünf Angreifer; aber er hatte keine anderen Waffen als seine
Taschenpistolen, und diese waren in Folge seines Sprunges ins Wasser so
naß geworden, daß sie versagten. Ein Schwerthieb streckte ihn zu Boden
und er wurde festgenommen.

Er gab sich nun als den Earl von Argyle zu erkennen, wahrscheinlich in
der Hoffnung, daß sein angesehener Name bei denen, die ihn ergriffen
hatten, Ehrfurcht und Mitleid erwecken würde. Sie waren auch wirklich
tief erschüttert, denn sie waren einfache Schotten niederen Standes, und
obgleich im Dienste der Krone bewaffnet, hegten sie doch vielleicht
einige Vorliebe für calvinistische Kirchenverfassung und Gottesdienst
und waren überdies gewohnt, ihren Gefangenen als das Oberhaupt eines
erlauchten Hauses und als einen Vorkämpfer des protestantischen Glaubens
zu verehren. Doch obschon sie sichtbar ergriffen waren und obschon
einige von ihnen sogar weinten, so konnten sie sich doch nicht
entschließen, die versprochene ansehnliche Belohnung fahren zu lassen
und sich der Rache einer unerbittlichen Regierung auszusetzen. Sie
brachten daher ihren Gefangenen nach Renfrew. Der Mann, welcher bei der
Verhaftung die Hauptrolle spielte, hieß Riddell. Aus diesem Grunde war
das ganze Geschlecht der Riddell über ein Jahrhundert lang bei dem
großen Stamme der Campbell verhaßt. Noch Lebende können sich erinnern,
daß ein Riddell, der einen Markt in Argyleshire besuchte, es für rathsam
hielt, einen falschen Namen anzunehmen.

Jetzt begann der glänzendste Theil von Argyle's Laufbahn. Sein
Unternehmen hatte ihm bisher nur Tadel und Spott eingetragen. Sein
großer Fehler war, daß er sich nicht entschieden geweigert hatte, den
Titel eines Generals, ohne die Macht desselben, anzunehmen. Wäre er
ruhig in Friesland geblieben, so würde er in wenigen Jahren mit Ehren in
sein Vaterland zurückgerufen worden sein und hätte dann bald eine
hervorragende Zierde und Stütze der constitutionellen Monarchie erden
können. Hätte er die Expedition nach seinen eigenen Ansichten in's Werk
gesetzt und nur solche Begleiter mitgenommen, welche bereit waren, allen
seinen Befehlen unbedingt zu gehorchen, so hätte er möglicherweise etwas
Großes bewirken können, denn es scheint ihm zu einem Befehlshaber weder
an Muth, noch an Thätigkeit oder Geschicklichkeit gefehlt zu haben,
sondern einzig und allein an Autorität. Er hätte wissen sollen, daß von
allen Mängeln dieser der verderblichste ist. Es haben schon Armeen unter
Anführern gesiegt, welche eben keine hervorragenden Eigenschaften
besaßen. Aber welches Heer, das von einem zanksüchtigen Clubb commandirt
wurde, wäre je der Auflösung und Schande entgangen?

Das große Unglück, das Argyle betroffen, hatte das Gute, daß es ihm
Gelegenheit verschaffte, durch unverkennbare Beweise zu zeigen, was für
ein Mann er war. Von dem Tage, an welchem er Friesland verließ, bis zu
dem, wo seine Begleiter sich in Kilpatrick von ihm trennten, hatte er
nie frei handeln können. Er hatte die Verantwortlichkeit für eine Reihe
von Maßregeln auf sich nehmen müssen, die sein Verstand mißbilligte.
Jetzt endlich stand er allein. Die Gefangenschaft hatte ihm die edelste
Art der Freiheit wiedergegeben, die Freiheit, sich in allen seinen
Worten und Thaten nur durch seinen eignen Sinn für Recht und
Schicklichkeit leiten zu lassen. Von diesem Augenblick war es als ob
neue Weisheit und Tugend in ihm eingezogen wären. Sein Verstand schien
geschärft und geläutert, sein sittlicher Character gehoben und zugleich
gemildert. Der freche Übermuth der Sieger unterließ nichts, was den auf
seinen alten Adel und auf sein patriarchalisches Ansehen stolzen Mann
kränken und demüthigen konnte. Der Gefangene ward im Triumph durch
Edinburg geschleppt. Er ging zu Fuß und entblößten Hauptes die ganze
stattliche Straße entlang, welche von düsteren und riesenhaften
steinernen Gebäuden beschattet wird und von Holyrood House nach dem
Schlosse führt. Vor ihm her schritt der Henker mit dem fürchterlichen
Werkzeuge, welches zum Viertheilen auf dem Blocke gebraucht wurde. Die
siegreiche Partei hatte nicht vergessen, daß fünfunddreißig Jahre früher
Argyle's Vater an der Spitze der Faction gestanden, welche Montrose dem
Tode überantwortete. Schon vor diesem Ereignisse waren die Häuser Graham
und Campbell einander nicht zugethan, seitdem aber hatten sie beständig
in blutiger Fehde gelegen. Man nahm darauf Bedacht, daß der Gefangene
durch das nämliche Thor und durch die nämlichen Straßen ging, durch
welche Montrose dem gleichen Schicksale entgegen geführt worden war. Die
Truppen, welche den Zug begleiteten, standen unter dem Commando
Claverhouse's, dem Wildesten und Härtesten vom Geschlechte der Graham.
Als der Earl auf dem Schlosse angelangt war, wurden ihm Ketten an die
Füße geschmiedet und ihm angekündigt, daß er nur noch wenige Tage zu
leben habe. Man hatte beschlossen, ihn nicht seines letzten Vergehens
wegen vor Gericht zu stellen, sondern ihn ohne weiteres hinzurichten in
Gemäßheit eines mehrere Jahre vorher gegen ihn gefällten Urtheils, eines
Urtheils von so empörender Ungerechtigkeit, daß selbst die servilsten
und gefühllosesten Juristen jener schlimmen Zeit nicht ohne Beschämung
davon sprechen konnten.

Aber weder die schimpfliche Prozession durch High Street, noch die nahe
Aussicht auf den Tod vermochte Argyle's edle und majestätische Ruhe zu
erschüttern. Seine Standhaftigkeit wurde indeß auf eine noch härtere
Probe gestellt. Auf Befehl des Geheimen Raths ward ihm ein Papier mit
Fragen vorgelegt. Von diesen Fragen beantwortete er diejenigen, die er
ohne Gefahr für seine Freunde beantworten konnte, und weigerte sich mehr
zu sagen. Hierauf sagte man ihm, daß wenn er nicht vollständigere
Antworten gäbe, er auf die Folter gespannt werden würde. Jakob, der es
gewiß sehr bedauerte, daß er sich nicht persönlich an dem Anblicke
Argyle's in den spanischen Stiefeln weiden konnte, hatte die
gemessensten Befehle nach Edinburg gesandt, daß nichts versäumt werden
solle, was dem Verräther Aufschluß über Alle, die bei dem Verrath
betheiligt waren, erpressen könnte. Doch alle Drohungen waren vergebens.
Trotz unmittelbarer Aussicht auf Folterqualen und Tod dachte Mac Callum
More weit weniger an sich selbst als an seine armen Clansleute. »Ich
versuchte es heute,« schrieb er aus seiner Zelle, »für sie zu
unterhandeln, und ich hatte einige Hoffnung. Aber diesen Abend ist der
Befehl gekommen, daß ich Montag oder Dienstag sterben müsse, und ich
soll auf die Folter gelegt werden, wenn ich nicht alle Fragen beantworte
und eidlich erhärte. Doch ich hoffe, Gott wird mich aufrecht erhalten.«

Die Folter wurde nicht angewendet. Vielleicht hatte die Hochherzigkeit
des Opfers die Sieger zu ungewohntem Mitleid gerührt. Er selbst
bemerkte, daß sie anfangs sehr hart gegen ihn gewesen waren, aber bald
anfingen, ihn mit Achtung und Freundlichkeit zu behandeln. Gott, sagte
er, hat ihre Herzen erweicht. Es ist erwiesen, daß er nicht einen seiner
Freunde verrieth, um der äußersten Grausamkeit seiner Feinde zu
entgehen. Am letzten Morgen seines Lebens schrieb er die Worte: »Ich
habe Niemandem zu seinem Nachtheile genannt. Ich danke Gott, daß er mich
so wunderbar aufrecht erhalten hat.«

Er verfaßte seine eigene Grabschrift, ein sinn- und geistvolles kurzes
Gedicht von einfachem und kräftigem Styl und durchaus nicht zu
verachtendem Versbau. In diesen Strophen beklagte er sich, daß, obgleich
seine Feinde ihn wiederholt zum Tode verurtheilt hätten, seine Freunde
doch noch herzloser gewesen wären. Einen Commentar zu diesen Äußerungen
liefert ein Brief von ihm an eine in Holland wohnende Dame. Sie hatte
ihm eine bedeutende Summe Geldes für seine Expedition gegeben und er
meinte, daß sie deshalb gegründeten Anspruch auf eine ausführliche
Darlegung der Ursachen habe, welche das Mißlingen derselben
herbeigeführt. Von Verrath sprach er seine Gehülfen frei, ihre Thorheit,
Unwissenheit und Parteisucht aber schilderte er in Ausdrücken, die sie,
wie ihre eigenen Aussagen später bewiesen, mit vollem Rechte verdienten.
Es stiegen nachher Zweifel in ihm auf, ob er für einen sterbenden
Christen nicht eine zu harte Sprache geführt habe, und er bat daher
seine Freundin noch auf einem besonderen Blatte, daß sie das von diesen
Männern Gesagte als nicht geschrieben betrachten solle. »Nur dabei muß
ich bleiben« setzte er mild hinzu, »daß sie unlenksam waren.«

Den größten Theil der wenigen Stunden, die er noch zu leben hatte,
brachte er im Gebet und in liebevoller Unterhaltung mit einigen
Mitgliedern seiner Familie zu. Er legte keine Reue über sein letztes
Unternehmen an den Tag, beklagte aber mit schmerzlicher Wehmuth seine
frühere Fügsamkeit in geistlichen Dingen gegen das Belieben der
Regierung. Er sagte, seine Strafe sei gerecht; wer so lange sich der
Feigheit und Verstellung schuldig gemacht habe, sei nicht werth, das
Rettungswerkzeug für Staat und Kirche zu sein. Die Sache aber,
wiederholte er sehr häufig, sei Gottes Sache und werde gewiß
triumphiren. »Ich gebe mich nicht für einen Propheten aus,« sagte er,
»aber ich habe eine bestimmte Ahnung, daß die Befreiung sehr nahe ist.«
Es kann nicht Wunder nehmen, daß einige eifrige Presbyterianer sich
diesen Ausspruch merkten und ihn zu einer späteren Zeit göttlicher
Eingebung zuschrieben.

Frommer Glaube und Hoffnung, verbunden mit natürlichem Muthe und
stoischer Gelassenheit hatten sein Gemüth so vollkommen beruhigt, daß er
noch an dem Tage, an dem er sterben sollte, mit Appetit zu Mittag
speiste, sich bei Tische mit Heiterkeit unterhielt und sich dann, wie
gewöhnlich, niederlegte, um einige Stunden zu schlafen, damit Leib und
Seele in voller Kraft wären, wenn er das Schaffot bestiege. Um diese
Zeit kam ein Lord des Geheimen Raths, der wahrscheinlich von Haus aus
Presbyterianer war und sich nur durch Rücksichten des Eigennutzes hatte
verleiten lassen, zur Unterdrückung der Kirche, der er früher selbst
angehörte, beizutragen, mit einer Botschaft von seinen Kollegen in das
Schloß und verlangte den Earl zu sprechen. Man antwortete ihm, daß der
Earl schlafe. Der Geheimerath hielt dies für eine leere Ausflucht und
bestand darauf, eingelassen zu werden. Die Thür der Zelle ward geöffnet
und da lag der Earl auf dem Bett und schlief in seinen Ketten sanft wie
ein unschuldiges Kind. In dem Renegaten regte sich das Gewissen. Mit
zerknirschtem Herzen wendete er sich ab, eilte aus dem Schlosse und
flüchtete sich zu einer dicht nebenan wohnenden Dame seiner
Verwandtschaft. Hier warf er sich auf ein Sopha und überließ sich dem
Schmerze der Beschämung und Reue. Der Ausdruck seines Blickes und seine
Seufzer beunruhigten die Dame, sie glaubte er sei plötzlich krank
geworden, und bat ihn ein Glas Sekt zu trinken. »Nein, nein«, erwiederte
er, »das kann mir nicht helfen.« Sie bat ihn nun, daß er ihr sagen
möchte, was ihn so ergriffen habe. »Ich war in Argyle's Gefängniß«,
sagte er, »und ich habe ihn eine Stunde vor der Ewigkeit so sanft
schlafen sehen, wie nur ein Mensch schlafen kann. Aber was mich
betrifft --«

Der Earl erhob sich nun von seinem Lager und bereitete sich auf den
letzten Gang vor. Er wurde zuerst die High Street hinab nach dem
Sitzungshause des Geheimen Raths gebracht, wo er die kurze Zeit bis zu
seiner Hinrichtung verweilen sollte. Während dieser letzten Frist bat er
um Schreibzeug und schrieb an seine Gattin: »Liebes Weib, Gott ist
unveränderlich. Er ist stets gütig und gnädig gegen mich gewesen und
keine Lage ändert dies. Vergieb mir alle meine Fehler und suche Trost in
Ihm, in dem allein der wahre Trost zu finden ist. Der Herr sei mit Dir,
Er segne und tröste Dich. Lebe wohl.«


[_Argyle's Hinrichtung._] Es war jetzt Zeit, das Haus des Geheimen Raths
zu verlassen. Die Geistlichen, welche den Gefangenen begleiteten, waren
zwar nicht seines Glaubens, aber er hörte sie artig an und ermahnte sie,
ihre Gemeinden vor denjenigen Lehren zu warnen, welche alle
protestantischen Kirchen einstimmig verdammten. Er bestieg das Schaffot,
wo die alte plumpe Guillotine Schottlands, die Jungfrau genannt, ihn
erwartete, und hielt eine Ansprache an das Volk, die mit den
eigenthümlichen Redensarten seiner Sekte durchwebt war, aber den Geist
wahrer Frömmigkeit athmete. Er sagte, er vergebe seinen Feinden, wie er
hoffe, daß ihm vergeben werden würde. Nur ein bittrer Ausdruck
entschlüpfte ihm. Einer der bischöflichen Geistlichen, die ihn
begleiteten, trat an den Rand des Schaffots und rief mit lauter Stimme
aus: »Mylord stirbt als Protestant.« -- »Ja«, sagte der Earl vorgehend,
»und nicht nur als Protestant, sondern mit dem Hasse gegen Papismus,
Prälatenthum und jeden Aberglauben im Herzen.« -- Dann umarmte er seine
Freunde, übergab ihnen einige Zeichen der Erinnerung für seine Gattin
und seine Kinder, kniete nieder, legte das Haupt auf den Block, betete
eine Weile und gab endlich dem Scharfrichter das Zeichen. Sein Kopf
wurde auf die Spitze des Tolbooth gesteckt, wo vordem Montrose's Haupt
verwest war.[33]

    [Anmerkung 33: Die Schriftsteller, denen ich die Erzählung von
    Argyle's Expedition entlehnt habe, sind Sir Patrick Hume, der als
    Augenzeuge spricht, und Wodrow, dem die werthvollsten Materialien,
    darunter des Earls eigene Papiere, zu Gebote standen. Wo die
    Glaubwürdigkeit Argyle's oder Hume's in Frage kommt, da zweifle
    ich nicht, daß Argyle's Erzählung die richtige ist. Siehe auch
    Burnet I. 631 und das Leben Bresson's, herausgegeben von +Dr.+ Mac
    Crie. Die Erzählung des schottischen Aufstandes in Clarke's +Life
    of James the Second+ ist ein lächerlicher Roman, geschrieben von
    einem Jakobiten, der sich nicht einmal die Mühe nahm, eine Karte
    des Kriegsschauplatzes anzusehen.]


[_Rumbold's Hinrichtung._] Der Kopf des wackren und aufrichtigen, wenn
auch nicht tadelfreien Rumbold war bereits auf dem Westthore von
Edinburgh aufgesteckt. Umgeben von parteisüchtigen und feigen
Verbündeten, hatte er sich während des ganzen Feldzugs als ein in der
Schule des großen Protectors gebildeter Soldat gezeigt, hatte im Rathe
die Autorität Argyle's kräftig unterstützt und sich im Felde durch
ruhige Unerschrockenheit ausgezeichnet. Nachdem die Armee sich
zerstreut, wurde er von einer Abtheilung Miliz angegriffen. Er wehrte
sich mit verzweifelter Tapferkeit und würde sich auch durchgeschlagen
haben, hätte man seinem Pferde nicht die Fesseln zerschnitten. Tödtlich
verwundet wurde er nach Edinburg gebracht. Die Regierung hätte ihn gern
in England hinrichten lassen, aber er war dem Tode so nahe daß, wenn er
nicht in Schottland gehängt wurde, er gar nicht gehängt werden konnte,
und des Vergnügens, ihn zu hängen, wollten sich die Sieger nicht
entschlagen. Es ließ sich zwar nicht erwarten, daß sie gegen einen Mann,
der als das Haupt des Ryehousecomplots betrachtet wurde und Eigenthümer
des Hauses war, von welchem dieses Complot seinen Namen erhielt,
besondere Milde üben würden; aber die Rücksichtslosigkeit, mit der sie
den Sterbenden behandelten, muß unsrem humaneren Zeitalter fast
unglaublich erscheinen. Einer der schottischen Geheimräthe sagte ihm, er
sei ein verdammter Schurke. »Ich bin im Frieden mit Gott«, erwiederte
Rumbold gelassen, »wie kann ich da verdammt sein?«

Er wurde in aller Eil vor Gericht gestellt, überführt und verurtheilt,
nach wenigen Stunden in der Nähe des Stadtkreuzes in High Street gehängt
und geviertheilt zu werden. Obgleich er ohne die Unterstützung zweier
Männer nicht stehen konnte, bewahrte er doch seine Seelenstärke bis zum
letzten Augenblicke und erhob unter dem Galgen seine schwache Stimme
gegen Papismus und Tyrannei mit solcher Heftigkeit, daß die Offiziere
die Trommeln rühren ließen, damit das Volk ihn nicht hören konnte. Er
sagte, er sei ein Freund der beschränkten Monarchie, aber er könne
nimmermehr glauben, daß die Vorsehung einige wenige Menschen fertig
gestiefelt und gespornt zum Reiten und Millionen gesattelt und gezäumt,
um geritten zu werden, in die Welt gesandt habe. »Ich lobe und preise
Gottes heiligen Namen dafür«, rief er aus, »daß ich hier stehe nicht
wegen eines begangnen Unrechts, sondern weil ich in einer schlimmen Zeit
seiner Sache treugeblieben bin. Und wäre jedes Haar auf meinem Haupte
ein Mann, ich würde sie alle in diesem Kampfe daran setzen.«

Während der Untersuchung sowohl als noch bei der Hinrichtung sprach er
vom Meuchelmorde mit dem Abscheu, der einem guten Christen und einem
tapfren Soldaten ziemt. Er betheuerte auf das Wort eines dem Tode
verfallnen Mannes, daß er nie den Gedanken gehegt habe, eine solche
Schändlichkeit zu verüben. Aber er gestand offen, daß er im Gespräch mit
seinen Mitverschworenen sein eignes Haus als einen Ort bezeichnet habe,
wo Karl und Jakob mit Vortheil angegriffen werden könnten, und daß zwar
viel über die Sache debattirt, doch nichts beschlossen worden sei. Es
mag auf den ersten Anblick scheinen, als ob dieses Geständniß mit seiner
Erklärung, daß er den Meuchelmord stets verabscheut habe, unvereinbar
wäre; aber er ließ sich hierbei durch eine Unterscheidung täuschen,
welche viele seiner Zeitgenossen irre leitete. Nichts hatte ihn dazu
bewegen können, in die Speisen der beiden Fürsten Gift zu werfen, oder
sie im Schlafe zu erdolchen; aber einen unvermutheten Angriff auf die
den königlichen Wagen umgebenden Leibgarden zu machen, Schwerthiebe und,
Pistolenschüsse zu wechseln und es darauf ankommen zu lassen, ob man
tödten oder getödtet werden würde, dies war in seinen Augen eine
durchaus loyale militärische Operation. Hinterhalte und Überrumpelungen
gehörten zu den gewöhnlichen Vorfällen eines Kriegs. Jeder alte Soldat,
Kavalier oder Rundkopf, war bei solchen Unternehmungen betheiligt
gewesen. Fiel der König in dem Gefecht, so fiel er im ehrlichen Kampfe
und nicht durch Mörderhand. Ganz das nämliche Raisonnement stellten nach
der Revolution Jakob selbst und seine tapfersten und ergebensten
Anhänger auf, um einen ruchlosen Anschlag gegen das Leben Wilhelm's III.
zu rechtfertigen. Ein Trupp Jakobiten wurde abgesandt, um den Prinzen
von Oranien in seinem Winterquartiere anzugreifen. Der geheime Sinn
dieser ganz unverfänglich klingenden Redensart war, daß dem Prinzen auf
der Fahrt von Richmond nach Kensington die Kehle abgeschnitten werden
sollte. Es mag auffallend erscheinen, daß solche Trugschlüsse, die Hefe
der jesuitischen Casuistik, im Stande gewesen sind, Männer von
heldenmüthigem Character, sowohl Whigs als Tories, zu einem Verbrechen
zu verleiten, welchem die göttlichen wie die menschlichen Gesetze ganz
besonders den Stempel der Verruchtheit aufgedrückt haben. Aber kein
Sophismus ist so plump, daß er nicht Gemüther, welche vom Parteigeist
verblendet sind, bethören könnte.[34]

Argyle, welcher Rumbold einige Stunden überlebte, gab kurz vor seinem
Tode noch ein Zeugniß für die Tugenden des tapfren Engländers. »Der arme
Rumbold war mir eine große Stütze und ein braver Mann, und er ist
christlich gestorben.«[35]

    [Anmerkung 34: +Wodrow III. IX. 10.+; +Western Martyrology+;
    +Barnet, I. 633+; +Fox's History, Appendix IV.+ Ich vermag auf
    keine andre als die im Texte angegebene Weise Rumbold's
    Versicherung, daß er nie den Gedanken an einen Mord gehegt habe,
    mit seinem Geständniß, daß er selbst sein Haus als zu einem
    Angriff auf die königlichen Brüder passend bezeichnet habe, in
    Einklang zu bringen. Die Unterscheidung, die ich ihm zuschreibe,
    wurde auch noch von einem andren Ryehouseverschwornen gemacht, dem
    Kapitain Walcot, ebenfalls einem ehemaligen Soldaten der Republik.
    Bei Walcot's Verhör fragte der Kronzeuge: »Ihr habt zugegeben,
    Kapitain, daß Ihr einer von Denen waret, welche gegen die Garden
    kämpfen sollten.« -- »Aus welchem Grunde wollte er denn aber den
    König nicht umbringen?« fragte hierauf der Oberrichter Pemberton.
    »Er sagte«, antwortete West, »es sei ruchlos, einen wehrlosen
    Menschen zu tödten, und dies könne er niemals.«]

    [Anmerkung 35: +Wodrow III. IX. 9.+]


[_Ayloffe's Tod._] Ayloffe zeigte keine geringere Todesverachtung als
Argyle und Rumbold, nur war sein Ende für fromme Gemüther nicht so
erbaulich wie das ihrige. Wenn auch politische Sympathie ihn zu den
Puritanern hingezogen, so hatte er doch keine religiösen Sympathien für
sie und galt auch in ihren Augen für wenig besser als ein Atheist. Er
gehörte zu dem Theile der Whigs, der seine Vorbilder lieber unter den
Patrioten Griechenlands und Roms, als unter den Propheten und Richtern
Israels suchte. Er wurde gefangen genommen und nach Glasgow gebracht.
Hier versuchte er es, sich mit einem kleinen Federmesser zu entleiben,
aber obgleich er sich mehrer Wunden beibrachte, war doch keine davon
tödtlich, und er hatte noch Kraft genug, um eine Reise nach London
auszuhalten. Er ward vor den Geheimen Rath gestellt und vom Könige
selbst verhört, war aber zu hochsinnig, als daß er sich durch
Denuncirung Anderer hätte retten sollen. Unter den Whigs erzählte man
sich, der König habe zu ihm gesagt: »Ihr thätet besser, wenn Ihr offen
gegen mich wäret, Herr Ayloffe; Ihr wißt, daß es in meiner Macht steht,
Euch zu begnadigen.« Der Gefangne sollte hierauf sein düstres Schweigen
gebrochen und geantwortet haben. »In Ihrer Macht mag es stehen, aber in
Ihrem Character liegt es nicht.« Er wurde in Gemäßheit seines früheren
Ächtungsurtheils vor dem Thore des Tempels hingerichtet und starb mit
stoischem Gleichmuth.[36]

    [Anmerkung 36: +Wade's Narrative, Harl. MS. 6845+; +Burnet I.
    634+; Citters' Depesche vom 30. Oct. (9. Nov.) 1685; +Luttrell's
    Diary+ von dem nämlichen Datum.]


[_Verwüstung von Argyleshire._] Inzwischen übten die Sieger eine
erbarmungslose Rache an dem Volke von Argyleshire. Athol ließ viele
Campbells ohne gerichtliche Untersuchung hängen und nur mit Mühe wurde
er durch den Geheimen Rath verhindert, noch mehr Menschenleben zu
opfern. Dreißig Meilen im Umkreise von Inverary wurde das Land
verwüstet. Häuser wurden angezündet, Mühlsteine zertrümmert, Obstbäume
umgehauen und selbst die Wurzelstöcke derselben verbrannt. Die Netze und
Fischerböte, die einzigen Mittel, durch welche viele von den
Küstenbewohnern ihren Unterhalt erwarben, wurden vernichtet, und mehr
als dreihundert Rebellen und Unzufriedene nach den Colonien
transportirt. Viele von ihnen wurden auch zur Verstümmelung verurtheilt.
An einem einzigen Tage schnitt der Henker von Edinburg fünfunddreißig
Gefangenen die Ohren ab; eine Menge Weiber wurden über das atlantische
Meer geschickt, nachdem man sie mit einem glühenden Eisen auf der Wange
gebrandmarkt hatte.[37] Man ging sogar mit dem Plane um, von dem
Parlamente eine Acte zu verlangen, durch welche der Name Campbell
geächtet werden sollte, wie achtzig Jahre früher der Name Mac Gregor
geächtet worden war.

Argyle's Unternehmung hatte im Süden der Insel wenig Aufsehen gemacht.
Die Nachricht von seiner Landung traf unmittelbar vor dem Zusammentritt
des englischen Parlaments in London ein. Der König erwähnte die Sache in
der Thronrede, und die Häuser versicherten ihn, daß sie gegen jeden
Feind zu ihm halten würden. Mehr wurde von ihnen nicht verlangt. Über
Schottland hatten sie keine Gewalt, und ein Krieg, dessen Schauplatz so
weit entfernt und dessen Ausgang fast von vornherein leicht
vorauszusehen war, erregte in London nur geringes Interesse.

    [Anmerkung 37: +Wodrow III. IX. 4+, und +III. IX. 10.+ Wodrow
    führt aus den Acten des Geheimen Rathes die Namen aller der
    Gefangenen auf, welche transportirt, verstümmelt oder gebrandmarkt
    wurden.]


[_Erfolglose Versuche, Monmouth's Abreise von Holland zu verhindern._]
Aber eine Woche vor der schließlichen Zerstreuung von Argyle's Armee
wurde ganz England durch die Nachricht erschüttert, daß ein weit mehr zu
fürchtender Mann in feindlicher Absicht an seiner eignen Küste gelandet
sei. Die Flüchtlinge waren dahin übereingekommen, daß Monmouth sechs
Tage nach der Abfahrt der Schotten von Holland unter Segel gehen sollte.
Er hatte seine Expedition wahrscheinlich deshalb kurze Zeit
aufgeschoben, weil er hoffte, daß, sobald der Krieg in den Hochlanden
ausbrach, die meisten Truppen nach dem Norden gesandt werden und er
daher keine zu seinem Empfange gerüstete Streitmacht vorfinden würde.
Als er endlich abzusegeln wünschte, war der Wind ungünstig und heftig
geworden.

Während seine kleine Flotte im Texel hin und her getrieben wurde, lagen
die holländischen Behörden mit einander im Streit. Auf der einen Seite
standen die Generalstaaten und der Prinz von Oranien, auf der andren der
Magistrat und die Admiralität von Amsterdam.

Skelton hatte den Generalstaaten ein Verzeichniß derjenigen Flüchtlinge
übergeben, deren Aufenthalt in den Vereinigten Provinzen seinem Gebieter
Besorgnisse einflößte. Die Generalstaaten, welche dringend wünschten,
jedes billige Verlangen Jakob's zu erfüllen, sandten Abschriften der
Liste an die Provinzialbehörden, und diese wieder an die
Municipalbehörden. Sämmtlichen Stadtmagistraten wurde bedeutet, daß sie
die erforderlichen Maßregeln ergreifen sollten, um die geächteten Whigs
zu verhindern, die englische Regierung zu beunruhigen. Im Allgemeinen
wurde diesen Befehlen Folge geleistet, und besonders in Rotterdam, wo
der Einfluß Wilhelm's Alles vermögend war, wurde eine Thätigkeit
entwickelt, welche Jakob zu dankbarer Anerkennung veranlaßte. Allein der
Hauptsitz der Emigranten war Amsterdam, und die Regierungsbehörde dieser
Stadt wollte nichts sehen, nichts hören und nichts wissen. Der
Schultheiß, der selbst in täglichem Verkehr mit Ferguson stand,
berichtete nach dem Haag, daß er nicht einen einzigen von den
Flüchtlingen zu finden wisse, und die Bundesregierung mußte sich mit
dieser Entschuldigung begnügen. In Wirklichkeit aber waren die
englischen Verbannten in Amsterdam allgemein bekannt und wurden auf den
Straßen ebenso angestaunt, als wenn sie Chinesen gewesen wären.[38]

Wenige Tage darauf erhielt Skelton von seinem Hofe den Befehl, darum
anzusuchen, daß in Betracht der Gefahren, welche dem Throne seines
Gebieters drohten, die drei im Dienste der Vereinigten Provinzen
stehenden schottischen Regimenter unverzüglich nach Großbritannien
zurückgesandt werden sollten. Er wendete sich an den Prinzen von
Oranien, und dieser übernahm die Erledigung dieser Angelegenheit, sagte
aber voraus, daß Amsterdam einige Schwierigkeiten machen würde. Seine
Besorgniß erwies sich als gegründet. Die Deputirten von Amsterdam
verweigerten ihre Zustimmung und es gelang ihnen, eine Verzögerung
herbeizuführen; aber die Frage war nicht eine von denen, hinsichtlich
derer nach der Verfassung der Republik eine einzelne Stadt die
Verwirklichung des Wunsches der Mehrheit verhindern konnte. Wilhelm's
Einfluß überwog und die Truppen wurden mit großer Eil eingeschifft.[39]

Zu gleicher Zeit bemühte sich Skelton, allerdings mit geringer Einsicht
und Mäßigung, die von den Flüchtlingen ausgerüsteten Schiffe
zurückzuhalten. Er beschwerte sich in heftigen Ausdrücken bei der
Admiralität von Amsterdam. Die Nachlässigkeit der Behörde, sagte er,
habe schon eine Horde von Rebellen in den Stand gesetzt, einen Einfall
in Großbritannien zu machen, ein zweiter derartiger Fehler sei durch
nichts zu entschuldigen, und er verlangte mit peremptorischer
Bestimmtheit, daß ein großes Schiff, der »Helderenbergh«, zurückgehalten
werden solle. Dieses Schiff war angeblich nach den Canarischen Inseln
bestimmt, wahrend es thatsächlich von Monmouth ausgerüstet war,
sechsundzwanzig Kanonen führte und Waffen und Munition geladen hatte.
Die Admiralität von Amsterdam erwiederte, daß die Freiheit des Handels
und der Schifffahrt geringfügiger Gründe wegen nicht beschränkt und der
»Helderenbergh« nicht ohne Befehl der Generalstaaten zurückgehalten
werden könnte. Skelton, dessen unveränderliche Art es gewesen zu sein
scheint, Alles beim unrechten Ende anzugreifen, wendete sich nun an die
Generalstaaten, und diese erließen die nöthigen Befehle. Jetzt aber gab
die Amsterdamer Admiralität vor, es sei keine hinreichende Seemacht im
Texel, um sich eines so großen Schiffes, wie des »Helderenbergh«
bemächtigen zu können, und ließ Monmouth ungehindert absegeln.[40]

Das Wetter war schlecht, die Reise lang und mehrere englische
Kriegsschiffe kreuzten im Kanal. Aber Monmouth entging dem Meere und dem
Feinde. Als er bei den Klippen von Dorsetshire vorüberkam, wurde es für
wünschenswerth erachtet, ein Boot mit einem der Flüchtlinge, Namens
Thomas Dare, ans Ufer zu schicken. Dieser Mann hatte trotz seiner
niedrigen Denkungsart und seines gemeinen Wesens in Taunton großen
Einfluß. Er erhielt die Weisung; durch das Land nach dieser Stadt zu
eilen und seinen Freunden anzukündigen, daß Monmouth bald auf englischem
Boden sein werde.[41]

    [Anmerkung 38: Skelton's Schreiben ist vom 7.(17.) Mai 1686. Es
    findet sich nebst dem Briefe des Schout oder Schultheißen von
    Amsterdam in einer kleinen Schrift, die einige Monate später
    erschien unter dem Titel: +Histoire des Evènemens Tragiques
    d'Angleterre+. Die in diesem Werke angeführten Actenstücke sind,
    so weit ich sie geprüft habe, genau aus den holländischen Archiven
    mitgetheilt, nur mit der Ausnahme, daß Skelton's ziemlich unreines
    Französisch ein wenig verbessert ist. Siehe auch +Grey's
    Narrative+.

    Goodenough sagte in seinem Verhöre nach der Schlacht von
    Sedgemoor: »Der Schout von Amsterdam war ein besondrer Freund
    dieses letzten Planes«. +Lansdowne MS. 1152.+

    Es ist nicht der Mühe werth, die Schriftsteller zu widerlegen,
    welche den Prinzen von Oranien als an Monmouth's Unternehmung
    betheiligt darstellen. Sie stützen sich dabei besonders auf dem
    Umstand, daß die Behörden von Amsterdam keine energischen Schritte
    thaten, um das Absegeln der Expedition zu verhindern. Dieser
    Umstand ist aber gerade der stärkste Beweis, daß das Unternehmen
    von Wilhelm nicht begünstigt wurde. Wer nicht gänzlich unbekannt
    ist mit den Institutionen und der Politik Hollands, wird den
    Statthalter für die Handlungen der Oberhäupter der
    Loevestein'schen Partei nicht verantwortlich halten.]

    [Anmerkung 39: +Avaux, Neg. June 7.(17.), 8.(18.), 14.(24.)
    1685.+; Brief des Prinzen von Oranien an Lord Rochester vom
    9. Juni 1685.]

    [Anmerkung 40: Citters, 9.(19.) und 12.(22.) Juni 1685. Die
    Korrespondenz Skelton's mit den Generalstaaten und der Admiralität
    von Amsterdam befindet sich in den Archiven im Haag. Einige Briefe
    findet man in den +Evènemens Tragiques d'Angleterre+. Siehe auch
    Burnet I. 640.]

    [Anmerkung 41: Wade's Bekenntniß in den +Hardwicke Papers, Harl.
    MS. 6845.+]


[_Monmouth's Ankunft in Lyme._] Am Morgen des siebenten Juni erschien
der »Helderenbergh«, begleitet von zwei kleineren Schiffen, vor dem
Hafen von Lyme. Diese Stadt ist ein kleiner Knäuel von steilen und engen
Gassen und liegt an einer wilden, felsigen, von einer stürmischen See
gepeitschten Küste. Der Ort war damals besonders wegen eines Dammes
bekannt, der aus unbehauenen und nicht durch Mörtel verkitteten Steinen
zur Zeit der Plantagenets errichtet worden war. Dieses alte, unter dem
Namen Cob bekannte Bauwerk verschloß den auf einer Strecke von vielen
Meilen einzigen Hafen, in den sich die Fischer vor den Stürmen des
Kanals flüchten konnten.

Das Erscheinen der drei Schiffe von fremder Bauart und ohne Flagge
machte die Bewohner von Lyme bestürzt, und die Besorgniß nahm zu, als es
sich zeigte, daß die Zollbeamten, welche dem Gebrauche gemäß an Bord
gegangen waren, nicht zurückkamen. Die ganze Bevölkerung eilte auf die
Klippen und blickte lange ängstlich hinaus, konnte aber keine Lösung des
Räthsels finden. Endlich stießen von dem größten der drei Schiffe sieben
Böte ab und ruderten ans Ufer, wo sie ungefähr achtzig wohl bewaffnete
und ausgerüstete Männer aussetzten. Unter ihnen befanden sich Monmouth,
Grey, Fletcher, Ferguson, Wade und Anton Buyse, ein Offizier, der im
Dienste des Kurfürsten von Brandenburg gestanden hatte[42].

Monmouth gebot Ruhe, kniete am Strande nieder, dankte Gott, daß er die
Freunde der Freiheit und des reinen Glaubens vor den Gefahren der See
behütet, und erflehte den göttlichen Segen für das, was noch am Lande zu
thun sei. Dann zog er sein Schwert und führte seine Leute über die
Klippen in die Stadt.

Sobald es bekannt wurde, unter welchem Führer und in welcher Absicht die
Expedition kam, durchbrach die Begeisterung des Volks alle Schranken.
Die kleine Stadt war in der heftigsten Aufregung, die Leute liefen hin
und her und jubelten laut: »Monmouth! Monmouth! die protestantische
Religion!« Mittlerweile ward die Fahne der Abenteurer, eine blaue
Flagge, auf dem Marktplatze aufgepflanzt, die Kriegsvorräthe wurden im
Stadthause untergebracht und vom Kreuze herab eine Erklärung verlesen,
in der die Zwecke der Unternehmung auseinandergesetzt waren[43].

    [Anmerkung 42: Man sehe Bunse's Aussage gegen Monmouth und
    Fletcher in der +Collection of State Trials+.]

    [Anmerkung 43: +Journals of the House of Commons. June 13. 1685.
    Harl. MS. 6845+; +Lansdowne MS. 1152.+]


[_Seine Erklärung._] Diese Erklärung, das Meisterstück von Ferguson's
Genie, war nicht ein ernstes Manifest, wie es von einem Anführer
erlassen werden muß, der für eine große öffentliche Sache das Schwert
zieht, sondern es war nach Inhalt und Sprache ein Libell der gemeinsten
Art[44]. Sie enthielt zwar manche wohlbegründete Angriffe gegen die
Regierung, aber diese Angriffe waren in dem weitschweifigen und
dünkelhaften Style eines schlechten Pamphlets abgefaßt und das Manifest
enthielt andere Beschuldigungen, deren ganze Schmach auf Die
zurückfällt, die sie erhoben. Es wurde mit Bestimmtheit versichert, der
Herzog von York habe London in Brand gesteckt, Godfrey erdrosselt, Esser
die Kehle abgeschnitten und den verstorbnen König vergiftet. Auf Grund
dieser abscheulichen und unnatürlichen Verbrechen, und hauptsächlich der
letztgenannten gräßlichen That, des haarsträubenden, barbarischen
Brudermordes -- so wortreich und glücklich gewählt war Ferguson's
Sprache -- wurde Jakob für einen gefährlichen, blutdürstigen Feind, für
einen Tyrannen, Mörder und Usurpator erklärt. Man werde sich in keine
Unterhandlungen mit ihm einlassen und das Schwert nicht eher wieder in
die Scheide stecken, als bis er seine verdiente Strafe als Verräther
erhalten habe. Die Regierung solle auf Grundlagen basirt werden, die der
Freiheit günstig wären; alle protestantischen Sekten sollten geduldet,
die entzogenen Freibriefe zurückgegeben, alljährlich ein Parlament
gehalten und fernerhin nicht mehr durch königliche Laune prorogirt oder
aufgelöst werden. Das einzige stehende Heer sollte die Miliz sein, die
Miliz sollte von den Sheriffs befehligt und diese von den Freisassen
gewählt werden. Schließlich erklärte Monmouth, er könne es beweisen, daß
er in rechtmäßiger Ehe geboren und daß er dem Geburtsrechte nach König
von England sei, daß er aber für jetzt auf seine Ansprüche verzichten,
sie der Beurtheilung eines freien Parlaments anheim geben und bis dahin
nur als Oberbefehlshaber der gegen Tyrannei und Papismus aufgestandenen
Protestanten betrachtet sein wolle.

    [Anmerkung 44: +Burnet I. 641.+; Goodenough's Geständniß in den
    +Lansdowne MS. 1152.+ Originalabdrücke der Erklärung sind sehr
    selten; einer befindet sich im Britischen Museum.]


[_Seine Popularität im Westen Englands._] So entehrend dieses Manifest
auch für Die war, von denen es ausging, so war es doch zu dem Zwecke,
die Leidenschaften des großen Haufens aufzustacheln, nicht ungeschickt
abgefaßt. Im Westen machte es großen Eindruck. Zwar waren die Gentry und
der Klerus in diesem Theile des Landes mit wenigen Ausnahmen Tories,
aber die Freisassen, die Kaufleute in den Städten, das Landvolk und die
Handwerker waren größtentheils von dem alten Geiste der Rundköpfe
beseelt. Viele von ihnen waren Dissenters und durch kleinliche
Verfolgungen in eine Stimmung versetzt, die sie zu einem verzweifelten
Unternehmen geneigt machte. Die große Masse der Bevölkerung verabscheute
den Papismus und liebte Monmouth. Er war kein Fremder für sie, seine
Reise durch Somersetshire und Devonshire im Sommer 1680 war noch bei
Jedermann in frischem Andenken. Er war bei dieser Gelegenheit von Thomas
Thynne in Longleat Hall, damals und vielleicht jetzt noch dem
prächtigsten Landsitze in England, mit verschwenderischem Aufwande
bewirthet worden. Von Longleat bis Exeter waren alle Hecken und Zäune
mit jauchzenden Zuschauern bedeckt, die Landstraßen mit Zweigen und
Blumen bestreut; die Menge riß in dem Eifer, ihren Liebling zu sehen und
zu berühren, die Umzäunungen der Parke nieder und belagerte die
Schlösser, in denen er bewirthet wurde. Als er in Chard ankam, bestand
sein Gefolge aus fünftausend Reitern; in Exeter hatte sich ganz
Devonshire versammelt, um ihn zu begrüßen. Ganz besonderes Aufsehen
erregte bei dem Triumphzuge eine Schaar von neunhundert jungen Männern
in weißer Uniform, welche vor ihm her in die Stadt marschirten[45]. Der
Wechsel des Geschicks, der die Gentry seiner Sache entfremdet hatte, war
bei dem gemeinen Mann ohne Wirkung geblieben; für diesen war er noch
immer der gute Herzog, der protestantische Herzog, der rechtmäßige
Thronerbe, den eine heimtückische Verschwörung seines Eigenthums beraubt
hatte. Das Volk schaarte sich in Massen um seine Fahne; alle Schreiber,
die er hatte auftreiben können, reichten nicht hin, um die Namen der
Rekruten niederzuschreiben, und noch ehe er vierundzwanzig Stunden auf
englischem Boden war, sah er sich schon an der Spitze von
fünfzehnhundert Mann. Dare langte mit vierzig Reitern von nicht sehr
martialischem Aussehen von Taunton an und brachte ermuthigende
Nachrichten über die öffentliche Stimmung in Somersetshire. Bis jetzt
schien Alles einen glücklichen Erfolg zu versprechen[46].

In Bridport aber sammelte sich eine Streitmacht, um den Insurgenten
Widerstand zu leisten. Am 13. Juni rückte das rothe Regiment der Miliz
von Dorsetshire in jene Stadt ein, und das Regiment von Somersetshire
oder das gelbe Regiment, dessen Oberst, Sir Wilhelm Portman, ein
angesehener Tory war, wurde am folgenden Tage erwartet[47]. Der Herzog
beschloß, sofort loszuschlagen. Schon rüstete sich eine Abtheilung
seiner Truppen zum Aufbruch nach Bridport, da brachte ein unglücklicher
Vorfall das ganze Lager in Verwirrung.

Fletcher von Saltoun war zum Befehlshaber der Reiterei unter Grey
ernannt worden. Er war schlecht beritten, wie sich überhaupt wenige
Pferde im Lager befanden, die nicht vom Pfluge genommen waren. Als er
nach Bridport commandirt wurde, glaubte er, daß der Drang der Umstände
ihn berechtige, ein Dare gehörendes schönes Pferd zu leihen, ohne erst
deshalb um Erlaubniß zu fragen. Dare war entrüstet über diese
Eigenmächtigkeit und überhäufte Fletcher mit groben Beleidigungen.
Fletcher blieb ruhiger als Jeder, der ihn kannte, es erwartet hätte.
Endlich aber wagte es Dare, auf die Geduld, mit der seine
Unziemlichkeiten hingenommen wurden, pochend, gegen den hochadeligen und
stolzen Schotten die Reitgerte zu erheben. Dies brachte Fletcher's Blut
zum Sieden. Er zog ein Pistol hervor und schoß Dare nieder. Eine so
summarische und gewaltthätige Rache würde in Schottland nicht
aufgefallen sein, wo das Gesetz von jeher schwach gewesen war, wo
Derjenige, der sich nicht mit eigner Faust Recht verschaffte, wenig
Aussicht hatte, überhaupt Recht zu bekommen, und wo daher ein
Menschenleben fast eben so wohlfeil war, als in den am schlechtesten
regierten Provinzen Italiens. Im südlichen Theile der Insel aber war das
Volk noch nicht gewohnt, um eines harten Wortes oder einer heftigen
Geberde willen tödtliche Waffen gebrauchen und Blut vergießen zu sehen,
außer im Zweikampf unter Gentlemen mit gleichen Waffen. So erhob sich
denn ein allgemeines Geschrei nach Rache gegen den Fremden, der einen
Engländer ermordet habe, Monmouth konnte sich dem Verlangen nicht
widersetzen und Fletcher, der, nachdem der erste Ausbruch seines Zornes
sich gelegt hatte, von Reue und Angst ergriffen wurde, flüchtete sich
auf den »Helderenbergh«, entkam glücklich auf das Festland und begab
sich nach Ungarn, wo er tapfer gegen den gemeinsamen Feind der
Christenheit focht[48].

    [Anmerkung 45: +Historical Account of the Life and magnanimous
    Actions of the most illustrious Protestant Prince James, Duke of
    Monmouth, 1683.+]

    [Anmerkung 46: +Wade's Confession, Hardwicke Papers+; +Axe
    Papers+; +Harl. MS. 6845.+]

    [Anmerkung 47: +Harl. MS. 6845.+]

    [Anmerkung 48: Buyse's Aussage in der +Collection of State
    Trials+; +Burnet I. 642+; Ferguson's +MS.+, citirt von Eachard.]


[_Zusammenstoß der Rebellen mit der Miliz in Bridport._] Bei der Lage
der Insurgenten war der Verlust eines Mannes von Talent und Energie
nicht leicht zu ersetzen. Am frühen Morgen des folgenden Tages, dem 14.
Juni, brach Grey in Begleitung Wade's mit fünfhundert Mann auf, um
Bridport anzugreifen. Es fand ein verworrenes und unentschieden
bleibendes Gefecht statt, wie es zwischen zwei Haufen von Bauern, die
von Landedelleuten und Advokaten befehligt wurden, nicht anders zu
erwarten war. Eine Zeit lang drängten Monmouth's Leute die Miliz zurück;
dann aber hielt diese wieder Stand und erstere ergriffen in ziemlicher
Verwirrung die Flucht. Grey und seine Reiter hielten nicht eher an, als
bis sie in Lyme wieder in Sicherheit waren; Wade dagegen sammelte das
Fußvolk und führte es in guter Ordnung zurück[49].

Alles murrte laut gegen Grey, und einige von den Abenteurern drangen in
Monmouth, ein strenges Exempel zu statuiren. Monmouth aber wollte davon
nichts hören. Einige Schriftsteller haben diese Nachsicht seiner
Gutmüthigkeit zugeschrieben, die allerdings oft an Schwäche grenzte;
andere vermuthen, daß er nicht hart gegen den einzigen Peer verfahren
wollte, der in seiner Armee diente. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß
der Herzog, der zwar kein ausgezeichneter General war, aber doch
jedenfalls vom Kriege viel mehr verstand als die Priester und Advokaten,
die ihm ihren Rath aufdringen wollten, Rücksichten nahm, an welche
Leute, die in militairischen Angelegenheiten durchaus unerfahren sind,
allerdings nie gedacht hätten. Um einem Manne, der wenig Vertheidiger
gehabt hat, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß bemerkt werden, daß
die Lord Grey während des ganzen Feldzugs zugetheilte Aufgabe von der
Art war, daß er sie, selbst wenn er der kühnste und geschickteste Soldat
gewesen wäre, kaum in einer Weise hätte lösen können, die ihm zum Ruhme
gereichte. Er stand an der Spitze der Reiterei; es ist aber eine
allbekannte Sache, daß ein Kavalerist viel längerer Übung bedarf als ein
Fußsoldat, und daß ein Kavaleriepferd eine noch viel längere Schule
braucht als sein Reiter. Mit einer ungeübten Infanterie, wenn sie von
Begeisterung und physischem Muthe beseelt ist, kann allenfalls etwas
ausgerichtet werden; aber es kann nichts Unbeholfeneres geben als eine
aus Landwirthen und Handelsleuten auf Karrengäulen und Postpferden
bestehende ungeübte Reiterei; und von solcher Art war die, welche Grey
befehligte. Nicht darüber muß man sich wundern, daß diese Leute im Feuer
nicht entschlossen Stand hielten und daß sie nicht tüchtig von ihren
Waffen Gebrauch machten, sondern darüber, daß sie sich überhaupt nur im
Sattel zu erhalten vermochten.

Noch immer langten Rekruten zu Hunderten an, den ganzen Tag wurde
bewaffnet und einexercirt. Inzwischen hatte sich die Nachricht von dem
Aufstande rasch und weit verbreitet. Noch denselben Abend, an welchem
der Herzog gelandet war, schickte der Mayor von Lyme, Gregor Alford, ein
eifriger Tory und ungemein heftiger Verfolger der Nonconformisten, seine
Diener aus, um die Gentry von Somersetshire und Dorsetshire zu
alarmiren, während er selbst zu Pferde nach dem Westen eilte. Spät in
der Nacht hielt er in Honiton an und schickte von dort einige flüchtig
hingeworfene Zeilen mit der schlimmen Botschaft nach London[50]. Dann
eilte er weiter nach Exeter, wo er Christoph Monk, Herzog von Albemarle
fand. Dieser Edelmann, der Sohn und Erbe Georg Monk's, des
Wiederherstellers der Stuarts, war Lordlieutenant von Devonshire und
hielt damals gerade Musterung über die Miliz. Er hatte zur Zeit
viertausend Mann zu seiner Verfügung, und mit dieser Streitmacht glaubte
er den Aufstand mit einem Schlage unterdrücken zu können. Er marschirte
deshalb nach Lyme.

    [Anmerkung 49: +London Gazette, June 18. 1685+; +Wade's
    Confession+; +Hardwicke Papers.+]

    [Anmerkung 50: +Lords' Journals, June 13. 1685.+]


[_Gefecht zwischen den Rebellen und der Miliz bei Axminster._] Als er
aber am Montag Nachmittag den 15. Juni Axminster erreichte, fand er die
Insurgenten schlagfertig aufgestellt, um ihn zu empfangen. Sie zeigten
ihm eine sehr achtunggebietende Fronte; vier Feldstücke waren gegen die
königlichen Truppen gerichtet und die dichten Hecken, welche zu beiden
Seiten die enge Straße beschatteten, waren mit Musketieren besetzt. Die
Vorkehrungen des Feindes beunruhigten jedoch Albemarle weniger als der
Geist, der sich in seinen eigenen Reihen zu äußern begann. Monmouth war
bei dem gemeinen Volke von Devonshire so beliebt, daß die ganze Miliz
wahrscheinlich in Masse zu ihm überging, sobald sie Monmouth's
wohlbekanntes Gesicht und seine Gestalt erblickte.

Albemarle hielt es daher trotz seiner großen Übermacht an Streitkräften
für rathsam, sich zurückzuziehen. Der Rückzug verwandelte sich bald in
wilde Flucht. Die ganze Gegend war mit den Waffen und Uniformstücken
besäet, welche die Fliehenden weggeworfen hatten, und hätte Monmouth die
Verfolgung mit Nachdruck betrieben, so würde er Exeter wahrscheinlich
ohne Schwertstreich genommen haben. Aber er war mit dem errungenen
Vorteile zufrieden und hielt es für wünschenswerth, seine Rekruten erst
besser einzuüben, bevor er sie zu gewagten Unternehmungen verwendete. Er
marschirte daher nach Taunton, wo er am 18. Juni, gerade eine Woche nach
seiner Landung eintraf[51].

    [Anmerkung 51: +Wade's Confession+; +Ferguson MS.+; +Axe Papers+;
    +Harl. MS. 6845+; +Oldmixon, 701, 702.+ Oldmixon, welcher damals
    ein Knabe war, lebte in unmittelbarer Nähe des Schauplatzes der
    Ereignisse.]


[_Die Nachricht von dem Aufstande kommt nach London._] Der Hof und das
Parlament waren über die Nachrichten aus dem Westen nicht wenig
erschrocken. Am Sonnabend den 13. Juni um fünf Uhr Morgens hatte der
König den Brief erhalten, den der Mayor von Lyme von Honiton an ihn
abgesandt. Der Geheime Rath wurde augenblicklich zusammenberufen; es
wurden Befehle gegeben, daß die Infanterieregimenter und die
Reiterschwadronen verstärkt werden sollten, und Commissionen zur
Aushebung neuer Mannschaften ernannt.


[_Loyalität des Parlaments._] Alford's Bericht ward den Lords vorgelegt
und der wesentliche Inhalt desselben den Gemeinen mitgetheilt. Diese
untersuchten die aus dem Westen angelangten Nachrichten und brachten
sogleich eine Bill ein, weiche Monmouth wegen Hochverraths verurtheilte.
Adressen wurden votirt, die den König versicherten, daß seine Peers
sowohl wie auch sein Volk entschlossen seien, ihm mit Gut und Blut gegen
seine Feinde beizustehen. In ihrer nächsten Sitzung verfügten die beiden
Häuser, daß die Erklärung der Rebellen durch den Henker verbrannt werden
solle, und ließen die Verurtheilungsbill in allen Stadien durchgehen.
Die Bill erhielt noch denselben Tag die königliche Genehmigung und auf
Monmouth's Ergreifung wurde eine Belohnung von fünftausend Pfund
gesetzt[52].

Die Thatsache, daß Monmouth gegen die Regierung unter Waffen stand, war
so unbestreitbar, daß die Verurtheilungsbill gegen den schwachen
Widerstand von nur einigen wenigen Peers zum Gesetz erhoben ward und
selbst von whiggistischen Geschichtschreibern nur selten streng getadelt
worden ist. Wenn wir indessen erwägen, wie wichtig es ist, daß
gesetzgeberische und richterliche Functionen getrennt bleiben, wie
wichtig es ferner ist, daß ein bloßes Gerücht, so stark und allgemein es
auch sein mag, nicht als gesetzlicher Schuldbeweis angenommen werde, wie
wichtig es endlich ist, die Regel festzuhalten, daß Niemand zum Tode
verurtheilt werden darf, ohne ihm Gelegenheit zu seiner Vertheidigung
gegeben zu haben, und wie leicht und schnell einmal begangene
Verletzungen großer Grundsätze weiter ausgedehnt werden, so dürften wir
wohl zu der Ansicht geneigt sein, daß sich gegen das vom Parlament
beobachtete Verfahren einige Einwendungen machen ließen. Keinem der
beiden Häuser lag das Mindeste vor, was selbst ein so gewissenloser
Richter wie Jeffreys einer Jury als Beweis für Monmouth's Schuld hätte
darstellen können. Die von den Gemeinen verhörten Boten waren nicht
vereidigt und ihre Mittheilungen konnten daher rein aus der Luft
gegriffen sein, ohne daß sie deshalb wegen Meineids hätten bestraft
werden können. Die Lords, welche, als Gerichtshof, einen Eid hätten
abnehmen können, examinirten keinen Zeugen und hatten keinen andren
Beweis vor sich, als den Brief des Mayors von Lyme, der in den Augen des
Gesetzes gar kein Beweis war. Die äußerste Gefahr rechtfertigt
allerdings zuweilen äußerste Mittel, aber die Verurtheilungsacte war ein
Mittel, das erst in Wirksamkeit gesetzt werden konnte, wenn jede Gefahr
vorüber war, und das daher von dem Augenblicke an, wo es aufhörte,
wirkungslos zu sein, ganz überflüssig wurde. So lange Monmouth unter
Waffen stand, war es unmöglich, ihn hinzurichten, und wurde er besiegt
und gefangen genommen, so hatte es weder Gefahr noch Schwierigkeit, ihn
vor Gericht zu stellen. Später hat man es als einen merkwürdigen Umstand
hervorgehoben, daß sich unter den eifrigen Tories, welche die Bill aus
dem Hause der Gemeinen vor die Schranken der Lords brachten, Sir Johann
Fenwick, Abgeordneter für Northumberland, befand[53]. Dieser Herr hatte
einige Jahre nachher Gelegenheit, über die Sache nachzudenken, und er
kam zu dem Schlusse, daß Verurtheilungsbills durchaus nicht zu
rechtfertigen seien.

Das Parlament gab in dieser Stunde der Gefahr noch andere Beweise von
Loyalität. Die Gemeinen ermächtigten den König, zur Bestreitung
augenblicklicher Bedürfnisse eine außerordentliche Summe von
vierhunderttausend Pfund zu erheben, und damit er das Geld ohne
Schwierigkeit bekomme, sannen sie auf neue Steuern. Der Plan, die in der
Hauptstadt unlängst neuerbauten Häuser zu besteuern, wurde wieder
aufgenommen und von den Landgentlemen eifrig unterstützt. Es wurde nicht
allein beschlossen, daß diese Häuser besteuert werden sollten, sondern
auch, daß eine Bill eingebracht werden sollte, die jede neue
Grundsteinlegung innerhalb des Stadtgebiets von London verbot. Der
Beschluß kam jedoch nicht zur Ausführung. Einflußreiche Männer, welche
in den Vorstädten Grund und Boden besaßen und hofften, daß sich auf
ihren Gütern neue Straßen und Plätze erheben würden, boten Alles auf, um
diesen Plan zu vereiteln. Man sah ein, daß es viel Zeit erfordern würde,
um die Einzelnheiten eines solchen Gesetzes zu reguliren, und die
Bedürfnisse des Königs waren so dringend, daß man es für nöthig
erachtete, die Verhandlungen des Hauses durch eine höfliche Ermahnung
zur Eil zu beschleunigen. Die Idee der Häuserbesteuerung wurde daher
aufgegeben und dagegen für die nächsten fünf Jahre neue Zölle auf
ausländische Seidenstoffe, Leinenwaaren und geistige Getränke
gelegt[54].

Die im Unterhause sitzenden Tories schritten nun zur Einbringung einer
sogenannten Bill zur Sicherung der Person und der Regierung des Königs.
Sie schlugen vor, es solle für Hochverrath erklärt werden, wenn Jemand
sagte, Monmouth sei legitim, oder Worte äußerte, welche darauf
abzielten, die Person oder die Regierung des Souverains verhaßt oder
verächtlich zu machen, oder wenn Jemand im Parlament einen Antrag auf
Abänderung der Thronfolgeordnung stellte. Einige von diesen Bestimmungen
erregte allgemeinen Unwillen und Abscheu. Die Whigs versuchten es trotz
ihrer geringen Zahl und ihrer Schwäche, sich zu verbinden, und sie
wurden durch eine bedeutende Anzahl gemäßigter und einsichtsvoller
Kavaliere verstärkt. Worte, sagte man, könnten leicht von
rechtschaffenen Männern mißverstanden, von Schurken aber falsch
ausgelegt werden; bildliche Ausdrücke könnten wörtlich genommen und
scherzhafte Äußerungen als ernstlich gemeint dargestellt werden. Eine
Partikel, ein Tempus, ein Modus, die Betonung könne den ganzen
Unterschied zwischen Schuld und Unschuld begründen. Sei ja der Erlöser
selbst, in dessen reinem Lebenswandel die Böswilligkeit keinen Anhalt zu
irgend einer Beschuldigung finden konnte, wegen gesprochener Worte in
Untersuchung gezogen worden. Falsche Zeugen hätten eine Sylbe
weggelassen, durch welche klar bewiesen worden wäre, daß jene Worte
bildlich gemeint waren, und hätten so dem Sanhedrin einen Vorwand
geliefert, unter welchem der schändlichste aller Justizmorde verübt
worden sei. Wer könne, mit einem solchen Beispiele vor Augen, behaupten,
daß wenn bloße Reden schon eine Anklage auf Hochverrath begründeten, der
loyalste Unterthan sicher sei? Diese Argumente machten einen so großen
Eindruck, daß im Ausschusse Verbesserungsanträge gestellt wurden, welche
die Härte der Bill bedeutend milderten; die Klausel aber, welche es für
Hochverrath erklärte, wenn ein Mitglied des Parlaments die Ausschließung
eines Prinzen von Geblüt vom Throne beantragte, scheint keine Debatte
hervorgerufen zu haben und wurde angenommen. Sie hatte jedoch nur
insofern eine Bedeutung, als sie ein Beweis für die Unwissenheit und
Unerfahrenheit der heißblütigen Royalisten war, welche das Unterhaus
füllten. Hätten sie nur die ersten Anfangsgründe der Gesetzgebung
gekannt, so würden sie eingesehen haben, daß die Bestimmung, auf die sie
so großes Gewicht legten, überflüssig sein mußte, so lange das Parlament
geneigt war, die Thronfolgeordnung aufrechtzuerhalten, und daß sie
widerrufen werden würde, sobald ein Parlament die Absicht hatte,
dieselbe abzuändern[55].

Die Bill ging in ihrer verbesserten Fassung durch und wurde den Lords
überreicht, aber nicht zum Gesetz erhoben. Der König hatte vom Parlament
eine Geldunterstützung erlangt, wie er sie nur erwarten konnte, und er
sah ein, daß, so lange der Aufstand wüthete, die loyalen Mitglieder des
Adels und der Gentry in ihren Grafschaften mehr nützen könnten, als in
Westminster. Er drängte daher ihre Verhandlungen zu einem baldigen
Schlusse und entließ sie am 3. Juli. An dem nämlichen Tage erhielt ein
Gesetz, welches die mit dem Jahre 1679 erloschene Censur wieder
einführte, die königliche Genehmigung. Dieser Gegenstand wurde mit
wenigen Worten am Ende eines gemischten Gesetzes abgethan, welches
verschiedene erlöschende Gesetze verlängerte. Die Anhänger des Hofes
dachten nicht daran, daß sie einen Sieg errungen hätten und die Whigs
äußerten durchaus keine Unzufriedenheit. Weder bei den Lords noch bei
den Gemeinen kam es zu einer Abstimmung, ja, soweit man es jetzt noch
ersehen kann, nicht einmal zu einer Debatte über eine Frage, welche in
unsrer Zeit das ganze Gebäude der Gesellschaft erschüttern würde. Die
Veränderung war auch in der That unbedeutend und kaum bemerkbar, denn
seit der Entdeckung des Ryehousecomplots hatte die Freiheit, ohne Censur
drucken zu dürfen, nur dem Namen nach bestanden. Seit vielen Monaten war
kaum eine gegen den Hof gerichtete Flugschrift anders als heimlich
gedruckt worden, und heimlich konnten solche Flugschriften nach wie vor
herausgegeben werden[56].

Die Häuser schlossen nun ihre Sitzungen; sie wurden nicht prorogirt,
sondern nur vertagt, damit sie bei ihrem nächsten Zusammentritt die
Geschäfte genau in dem Stande wieder aufnehmen könnten, wie sie
dieselben verlassen hatten[57].

    [Anmerkung 52: +London Gazette, June 18. 1685+; +Lords' and
    Commons' Journals, June 13. & 15.+; Holländische Depesche vom
    16.(26.) Juni.]

    [Anmerkung 53: Oldmixon hat unrecht, wenn er sagt, daß Fenwick die
    Bill überreichte. Aus den Protokollen ergiebt sich, daß sie durch
    Lord Ancram überreicht wurde.]

    [Anmerkung 54: +Commons' Journals, June 17, 18 & 19. 1685+;
    +Reresby's Memoirs.+]

    [Anmerkung 55: +Commons' Journals, June 19. 29. 1685+; +Lord
    Lonsdale's Memoirs. 8. 9.+; +Burnet I. 639.+ Die Bill ist in ihrer
    durch den Ausschuß abgeänderten Fassung in Fox' Geschichtswerke
    Anh. III. zu finden. Wenn Burnet's Bericht genau ist, so waren
    diejenigen Vergehen, welche die amendirte Bill nur als
    Civilvergehen bestraft wissen wollte, in der ursprünglichen Bill
    als Kapitalverbrechen behandelt.]

    [Anmerkung 56: +1 Jac. II. c. 17. Lords' Journals, July 2. 1685.+]

    [Anmerkung 57: +Lords' and Commons' Journals, July 2, 1685.+]


[_Monmouth's Empfang in Taunton._] Während das Parlament auf strenge
Gesetze gegen Monmouth und seine Anhänger sann, fand er in Taunton eine
Aufnahme, die ihn wohl zu der Hoffnung berechtigen konnten, daß sein
Unternehmen gelingen werde. Taunton war wie viele andere Städte im
südlichen England damals viel bedeutender als gegenwärtig. Diese Städte
sind zwar nicht kleiner und ärmer geworden, im Gegentheil, sie sind mit
wenigen Ausnahmen jetzt größer und reicher, besser gebaut und besser
bevölkert als im siebzehnten Jahrhundert. Aber trotz dieser positiven
Fortschritte haben sie doch relativ an Bedeutung verloren. Sie sind von
den Fabrik- und Handelsstädten im Norden, welche zu den Zeiten der
Stuarts kaum erst anfingen, als Sitze des Gewerbfleißes bekannt zu
werden, in Reichthum und Volkszahl weit überflügelt worden. Als Monmouth
in Taunton einzog, war diese Stadt ein ungemein blühender Ort; seine
Märkte waren mit Allem reichlich versorgt und seine Wollenmanufactur
weit und breit berühmt. Die Bevölkerung rühmte sich, in einem Lande zu
leben, wo Milch und Honig flössen, und diese Sprache führten nicht nur
die parteiischen Eingebornen, sondern auch jeder Fremde, der den schönen
Thurm von St. Maria Magdalena bestieg, gestand es zu, daß er zu seinen
Füßen das fruchtbarste Thal Englands erblicke. Die Umgegend war reich an
Obstgärten und grünen Wiesen, zwischen denen in lieblicher Fülle und
Abwechselung Edelhöfe, Hütten und Dorfkirchen zerstreut lagen. Die
Einwohner der Stadt waren schon seit langer Zeit für die
presbyterianische Gottesverehrung und die Whigpolitik eingenommen; in
dem großen Bürgerkriege hatte Taunton durch alle Wechselfälle fest zum
Parlament gehalten, war zweimal von Goring hart belagert und zweimal
durch Robert Blake, den nachmaligen berühmten Admiral der Republik, mit
heldenmüthiger Tapferkeit vertheidigt worden. Ganze Straßen wurden durch
die Bomben und Granaten der Kavaliere in Brand geschossen; der Mangel an
Lebensmitteln wurde so groß, daß der entschlossene Commandant schon die
Absicht angekündigt hatte, die Besatzung auf Pferdefleischrationen zu
setzen; aber weder Feuer noch Hunger hatten den Muth der Stadt brechen
können[58].

Die Restauration hatte in den Gesinnungen der Bewohner von Taunton
nichts geändert. Sie hatten nach wie vor das Jahresfest des glücklichen
Tages gefeiert, an welchem die königlichen Truppen ihre Belagerung
aufgehoben, und ihre starre Anhänglichkeit an die alte Sache hatte in
Whitehall so große Besorgniß und so heftigen Groll erregt, daß auf
königlichen Befehl ihr Wallgraben ausgefüllt und die Wälle bis auf den
Grund zerstört worden waren[59]. Der puritanische Geist war bei ihnen
durch die Lehre und das Beispiel eines der berühmtesten
Dissentergeistlichen, Joseph Alleine's, in seiner ungeschwächten Kraft
erhalten worden. Alleine war der Verfasser eines Tractats, betitelt: +An
Alarm to the Unconverted+, das noch jetzt in England wie in Amerika
populär ist. Aus dem Kerker, in den er von den siegreichen Kavalieren
geworfen wurde, schrieb er an seine lieben Freunde in Taunton viele
Briefe, welche den Geist einer wahrhaft heldenmüthigen Frömmigkeit
athmeten. Sein Leib welkte unter dem Einflusse der Studien,
Anstrengungen und Verfolgungen bald dahin; sein Andenken aber ward von
Denen, die er ermahnt und unterrichtet hatte, noch lange mit
außerordentlicher Liebe und Verehrung bewahrt[60].

Die Kinder der Männer, welche vierzig Jahre früher auf den Wällen von
Taunton gegen die Royalisten gekämpft hatten, bewillkommneten jetzt
Monmouth mit lauten Ausbrüchen der Freude und Zuneigung. Jede Thür und
jedes Fenster war mit Girlanden bekränzt. Niemand zeigte sich auf den
Straßen, ohne einen grünen Zweig, als Zeichen der Volkssache, am Hute.
Die Töchter der angesehensten Familien verfertigten Fahnen für die
Insurgenten. Von diesen Fahnen war besonders eine mit den Zeichen der
königlichen Würde prächtig gestickt und wurde Monmouth durch einen Zug
junger Mädchen überreicht. Er nahm das Geschenk mit der ihm eigenen
liebenswürdigen Artigkeit an. Die Dame, welche den Zug anführte,
beschenkte ihn außerdem noch mit einer kostbaren kleinen Bibel, die er
mit einem Zeichen von Ehrfurcht in Empfang nahm. »Ich komme,« sagte er,
»um die in diesem Buche enthaltenen Wahrheiten zu vertheidigen und sie,
wenn es sein muß, mit meinem Blute zu besiegeln[61].«

Aber während Monmouth sich des Beifalls der Menge erfreute, mußte er mit
Schmerz und Besorgniß bemerken, daß die höheren Klassen fast ohne
Ausnahme seiner Unternehmung feindlich gesinnt waren und daß nur in den
Grafschaften, wo er sich persönlich gezeigt hatte, ein Aufstand erfolgt
war. Es war ihm von Agenten, welche ihre Angaben von Wildman erhalten zu
haben behaupteten, versichert worden, daß der ganze whiggistische Adel
von Kampflust erfüllt sei. Gleichwohl waren bereits über acht Tage
verstrichen, seitdem die blaue Fahne in Lyme aufgepflanzt worden war.
Tagelöhner, kleine Landwirthe, Krämer, Lehrlinge und Dissenterprediger
waren dem Lager der Rebellen zugeströmt, aber nicht ein einziger Peer,
Baronet oder Ritter, nicht ein einziges Mitglied des Unterhauses, und
kaum hin und wieder ein Squire, der sich eines hinreichenden Ansehens
erfreute, um einmal Friedensrichter gewesen zu sein. Ferguson, der seit
dem Tode Karl's von jeher Monmouth's böser Geist gewesen war, hatte eine
Erklärung dieses Umstandes bereit: der Herzog hatte sich durch Ablehnung
des Königstitels in eine falsche Stellung versetzt. Hätte er sich selbst
zum König von England erklärt, so würde seine Sache einen Anschein von
Gesetzlichkeit gehabt haben. Jetzt aber sei es unmöglich, sein Manifest
mit den Grundsätzen der Verfassung in Einklang zu bringen. Es sei klar,
daß entweder Monmouth oder sein Oheim der rechtmäßige König war.
Monmouth wagte es nicht, als rechtmäßiger König aufzutreten, und doch
leugnete er, daß sein Oheim es sei. Diejenigen, welche für Jakob
kämpften, kämpften für die einzige Person, die es wagte, den Thron für
sich in Anspruch zu nehmen, und thaten daher, den Gesetzen des Reiches
gemäß, offenbar ihre Pflicht; Diejenigen aber, welche für Monmouth
kämpften, kämpften für eine unbekannte Verfassung, welche durch eine
noch nicht vorhandene Convention erst entworfen werden sollte. Es sei
also kein Wunder, daß Männer von hohem Range und großem Vermögen sich
von einem Unternehmen fern hielten, welches dem ganzen System, an dessen
Fortbestehen sie das größte Interesse hatten, den Untergang drohte.
Beriefe sich der Herzog auf seine Legitimität und nähme er die Krone an,
so würde er diesen Einwurf mit einem Male entkräften; die Frage würde
dann aufhören, eine Frage zwischen der alten und einer neuen Verfassung
zu sein, sie würde nur eine Erbrechtsfrage zwischen zwei Prinzen werden.

    [Anmerkung 58: Savage's Ausgabe von +Toulmin's History of
    Taunton+.]

    [Anmerkung 59: +Sprat's True Account+; +Toulmin's History of
    Taunton.+]

    [Anmerkung 60: +Life and Death of Joseph Alleine, 1672+;
    +Nonconformists' Memorial.+]

    [Anmerkung 61: +Harl. MS. 7006+; +Oldmixon, 702+; +Eachard III.
    763.+]


[_Monmouth nimmt den Königstitel an._] Mit solchen Gründen war Ferguson
fast unmittelbar nach der Landung ernstlich in den Herzog gedrungen,
sich zum Könige zu proklamiren, und Grey war derselben Meinung. Monmouth
war auch sehr geneigt, diesen Rath zu befolgen; aber Wade und andere
Republikaner hatten sich widersetzt und ihr Oberhaupt hatte mit
gewohnter Fügsamkeit ihren Gründen nachgegeben. In Taunton kam die Sache
auf's Neue in Anregung; Monmouth sprach privatim mit den
Andersdenkenden, versicherte sie, daß er keinen andren Weg sehe, um die
Unterstützung eines Theils der Aristokratie zu gewinnen, und es gelang
ihm, ihre mit Widerstreben ertheilte Zustimmung zu erpressen. So wurde
er denn am Morgen des 20. Juni auf dem Marktplatze von Taunton zum König
ausgerufen, und seine Anhänger wiederholten seinen neuen Titel mit
theilnehmender Freude. Da indessen leicht eine Verwirrung hätte
entstehen können, wenn er König Jakob II. genannt worden wäre, so
bedienten sie sich gewöhnlich der sonderbaren Bezeichnung »König
Monmouth«, und so wurde ihr unglücklicher Liebling in den westlichen
Grafschaften oft noch zu einer Zeit genannt, deren sich jetzt lebende
Personen noch erinnern können[62].

In den nächsten vierundzwanzig Stunden nach erfolgter Annahme des
Königstitels erließ er mehrere Proklamationen, die seinen eigenhändigen
Namenszug an der Spitze trugen. In einer derselben setzte er einen Preis
auf den Kopf seines Nebenbuhlers. In einer andren erklärte er das zur
Zeit in Westminster tagende Parlament für eine ungesetzliche Versammlung
und befahl den Mitgliedern, auseinanderzugehen. Eine dritte verbot dem
Volke, dem Thronräuber Abgaben zu bezahlen. Eine vierte erklärte
Albemarle für einen Verräther[63].

Albemarle sandte diese Proklamationen blos als Beweise von Thorheit und
Frechheit nach London. Sie machten keinen andren Eindruck als den des
Erstaunens und der Verachtung; auch hatte Monmouth keine Ursache zu
glauben, daß die Annahme der Königswürde seine Stellung verbessert habe.
Erst eine Woche war verflossen, seitdem er sich feierlich verpflichtet,
die Krone nicht eher anzunehmen, als bis ein freies Parlament seine
Rechte anerkannt habe; durch Verletzung dieses Versprechens hatte er
sich den Vorwurf des Leichtsinns, wenn nicht der Treulosigkeit
zugezogen. Die Klasse, die er zu gewinnen hoffte, hielt sich noch immer
fern von ihm. Die Gründe, welche die großen whiggistischen Lords und
Gentlemen abhielten, ihn als ihren König anzuerkennen, waren mindestens
eben so triftig als diejenigen, die sie verhindert hatten, sich um ihn
als Oberbefehlshaber zu schaaren. Zwar haßten sie die Person, die
Religion und die Politik Jakob's; aber er war nicht mehr jung und seine
älteste Tochter mit Recht populär. Sie war dem reformirten Glauben
zugethan und mit einem Prinzen vermählt, der das erbliche Oberhaupt der
Protestanten des Continents, der in einer Republik aufgewachsen war und
dem man solche Gesinnungen zutraute, wie sie sich für einen
constitutionellen König ziemten. War es also weise, sich den Schrecken
eines Bürgerkrieges auszusetzen, nur um vielleicht das sogleich zu
bewirken, was die Natur ohne Blutvergießen, ohne eine Rechtsverletzung
aller Wahrscheinlichkeit nach binnen wenigen Jahren herbeiführen würde?
Es waren vielleicht Gründe vorhanden, um Jakob vom Throne zu stürzen;
aber welche Gründe konnte man für Monmouth's Erhebung auf denselben
anführen? Einen Fürsten wegen Unfähigkeit vom Throne auszuschließen,
entsprach ganz den whiggistischen Grundsätzen; aber nach keinem
Grundsatze konnte es gerechtfertigt erscheinen, legitime Erben
auszuschließen, denen man nicht nur nichts vorzuwerfen hatte, sondern
die man sogar für ausgezeichnet befähigt zu den höchsten Staatsämtern
hielt. Daß Monmouth legitim sei, ja daß er sich selbst nur dafür hielt,
konnten einsichtsvolle Männer nicht glauben; er war also nicht nur ein
Usurpator, sondern ein Usurpator von der schlimmsten Sorte, ein
Betrüger. Er konnte seiner Sache nur durch Fälschung und Meineid einen
Schein von Recht geben. Alle rechtschaffenen und verständigen Leute
sträubten sich dagegen, daß ein Betrug, der, wenn er um der Erlangung
eines bürgerlichen Besitzthums verübt worden wäre, Peitsche und Pranger
als Strafe nach sich gezogen hätte, mit der englischen Krone belohnt
werde. Der alte Adel des Reichs konnte den Gedanken nicht ertragen, daß
der Bastard der Lucie Walters hoch über die rechtmäßigen Nachkommen der
Fitzalan und De Vere erhoben werden sollte. Wer nur ein wenig
politischen Scharfblick hatte, mußte einsehen, daß wenn es Monmouth
gelang, die bestehende Regierung zu stürzen, immer noch ein Krieg
zwischen ihm und dem Hause Oranien übrig blieb, ein Krieg, der länger
dauern und mehr Unheil herbeiführen könnte, als der Krieg der Rosen, ein
Krieg, der voraussichtlich die Protestanten Europa's in feindliche
Parteien spaltete, England und Holland gegen einander bewaffnen und
beide Länder zu einer leichten Beute für Frankreich machen konnte. Fast
alle Whighäupter scheinen daher der Ansicht gewesen zu sein, daß
Monmouth's Unternehmen in jedem Falle der Nation zum Unheil gereichen
mußte, daß aber, Alles erwogen, seine Niederlage ein kleineres Unglück
sein werde als sein Sieg.

Die Theilnahmlosigkeit des whiggistischen Adels war es nicht allein, was
die eingefallenen Verbannten enttäuschte. Der Reichthum und Einfluß
Londons hatten in der vorhergehenden Generation hingereicht und konnten
auch diesmal wieder hinreichen, um in einem Bürgerkriege den Ausschlag
zu geben. Die Londoner hatten früher viele Beweise von ihrem Hasse gegen
das Papstthum und von ihrer Zuneigung zu dem protestantischen Herzoge
gegeben, und er hatte daher zu bereitwillig geglaubt, daß sofort nach
seiner Landung ein Aufstand in der Hauptstadt ausbrechen werde. Aber
obgleich ihm gemeldet worden, daß Tausende von Bürgern sich als
Freiwillige hätten einzeichnen lassen, so geschah doch nichts. Die Sache
war einfach die, daß den Wühlern, die ihn zu einem Einfalt in England
gedrängt, die ihm versprochen, sich auf den ersten Wink zu erheben, und
die vielleicht auch, so lange die Gefahr noch fern war, geglaubt hatten,
daß sie den Muth haben würden, ihr Versprechen zu halten, der Muth sank,
als die entscheidende Stunde heranrückte. Wildman's Angst war so groß,
daß er den Verstand verloren zu haben schien. Der feige Danvers
entschuldigte seine Unthätigkeit zuerst, indem er sagte, er werde nicht
eher zu den Waffen greifen, als bis Monmouth zum König ausgerufen sei,
und als dies geschehen war, lenkte er um und erklärte, daß gute
Republikaner jeder Verpflichtung gegen einen Führer entbunden seien, der
so schamlos sein Wort gebrochen habe. Die gemeinsten Exemplare der
menschlichen Natur findet man zu allen Zeiten unter den Demagogen[64].

Den Tag darauf, als Monmouth den Königstitel angenommen hatte,
marschirte er von Taunton nach Bridgewater. Er selbst befand sich, wie
man bemerkte, nicht in der heitersten Stimmung; die jauchzenden Zurufe
der ihm ergebenen Tausende, die sich allenthalben wohin er kam um ihn
drängten, vermochten nicht die düstern Wolken zu verscheuchen, die sich
auf seine Stirn gelagert hatten. Wer ihn vor fünf Jahren auf seinem
Triumphzuge durch Somersetshire gesehen, bemerkte nicht ohne Mitleid die
Spuren von Angst und Besorgniß in den sanften und freundlichen Zügen,
die ihm so viele Herzen gewonnen hatten[65].

In ganz andrer Stimmung, war Ferguson. Dieser Mann verband mit seiner
Verworfenheit merkwürdigerweise eine maßlose Eitelkeit, die fast an
Narrheit grenzte. Der Gedanke, daß er einen Aufstand herbeigeführt und
eine Krone verliehen, hatte ihm den Kopf verrückt. Er stolzirte, das
entblößte Schwert über dem Kopfe schwingend, umher, und rief den
Zuschauern, die sich versammelt hatten, um die Armee von Taunton
abmarschiren zu sehen, in prahlerischem Tone zu: »Seht mich an! Ihr habt
von mir gehört. Ich bin Ferguson, der berühmte Ferguson, der nämliche
Ferguson, für dessen Kopf so viele Hundert Pfund geboten worden sind.«
Und dieser zugleich characterlose und halb verrückte Mensch beherrschte
den Verstand und die Überzeugung des unglücklichen Monmouth[66].

    [Anmerkung 62: +Wade's Confession+; +Goodenough's Confession,
    Harl. MS. 1151+; +Oldmixon, 702.+ Ferguson's Ableugnung verdient
    keinen Glauben. Eine Abschrift der Proklamation befindet sich in
    den +Harl. MS. 7006.+]

    [Anmerkung 63: Abschriften von den drei letzten Proklamationen
    befinden sich im Britischen Museum, +Harl. MS. 7006.+ Die erste
    habe ich nie gesehen, aber sie wird von Wade erwähnt.]

    [Anmerkung 64: +Grey's Narrative+; +Ferguson's MS.+; +Eachard III.
    754.+]

    [Anmerkung 65: +Persecution exposed, by John Whiting.+]

    [Anmerkung 66: +Harl. MS. 6845.+]


[_Sein Empfang in Bridgewater._] Bridgewater war eine von den wenigen
Städten, welche noch einige whiggistische Beamten hatten. Der Mayor und
die Aldermen kamen in ihrer Amtstracht, um den Herzog zu begrüßen,
gingen in Prozession vor ihm her bis zum Hohen Kreuze und proklamirten
ihn hier zum König. Seine Truppen fanden vortreffliche Quartiere und
erhielten von den Bewohnern der Stadt und Umgegend Alles, was sie
brauchten, für wenig oder gar kein Geld. Er selbst nahm seine Residenz
im Schlosse, welches vormals oft mit königlichen Besuchen beehrt worden
war; auf der umliegenden Ebene schlug die Armee ein Lager auf. Sie
bestand jetzt aus ungefähr sechstausend Mann und hätte leicht auf die
doppelte Anzahl gebracht werden können, wenn es nicht an Waffen gefehlt
hätte. Der Herzog hatte vom Festlande nur einen geringen Vorrath von
Piken und Musketen mitgebracht; daher hatten viele von seinen Leuten
keine anderen Waffen, als solche, die sie sich aus den von ihnen beim
Acker- und Bergbau gebrauchten Werkzeugen verfertigen konnten. Die
furchtbarste von diesen rohen Kriegswaffen bestand aus einer
Sensenklinge, welche am Ende einer starken Stange der Länge nach
befestigt war[67]. Die Unterconstabler der Umgegend von Taunton und
Bridgewater erhielten Befehl, überall nach Sensen zu suchen und was sie
davon auftreiben konnten, ins Lager zu bringen; aber selbst durch diese
Maßregel war es nicht möglich, dem Bedarf zu genügen, und eine Menge
Leute, die sich einreihen lasen wollten, mußten zurückgewiesen
werden[68].

Das Fußvolk wurde in sechs Regimenter eingetheilt. Eine große Anzahl der
Freiwilligen hatten in der Miliz gedient und trugen noch ihre rothen
oder gelben Uniformen. Die Reiterei war etwa tausend Mann stark, aber
die meisten von ihnen hatten nur rohe junge Pferde, wie sie damals in
großen Heerden in den Marschen von Somersetshire gezogen wurden, um die
Hauptstadt mit Kutschpferden und Karrengäulen zu versehen. Diese Thiere
waren so untauglich für den Militairdienst, daß sie noch nicht einmal
dem Zaume gehorchten und sobald sie einen Schuß oder Trommelwirbel
hörten, nicht mehr zu regieren waren. Monmouth selbst hatte eine kleine
Leibgarde von vierzig wohlbewaffneten und gutberittenen jungen Männern,
die sich auf ihre eigenen Kosten ausgerüstet hatten. Die Bewohner von
Bridgewater, welche durch einen blühenden Küstenhandel wohlhabend
geworden waren, unterstützten ihn mit einer kleinen Summe Geldes[69].

    [Anmerkung 67: Eine dieser Waffen ist noch im Tower zu sehen.]

    [Anmerkung 68: +Grey's Narrative+; Paschall's Erzählung im Anhange
    zu +Heywood's Vindication.+]

    [Anmerkung 69: +Oldmixon+, 702.]


[_Vorkehrungen der Regierung zum Widerstande._] Während dieser Zeit
wurden die Streitkräfte der Regierung eiligst zusammengezogen. Westlich
von dem Rebellenheere stand Albemarle noch immer mit einer starken
Abtheilung der Miliz von Devonshire. Im Osten hatte sich die Miliz von
Wiltshire unter den Befehlen von Thomas Herbert, Earl von Pembroke,
gesammelt. Im Nordosten stand Heinrich Somerset, Herzog von Beaufort,
unter den Waffen. Beaufort's Macht hatte einige Ähnlichkeit mit der der
großen Barone des fünfzehnten Jahrhunderts. Er war Präsident von Wales
und Lordstatthalter von vier englischen Grafschaften. Seine amtlichen
Rundreisen durch das weite Gebiet, in welchem er die Majestät des
Thrones repräsentirte, standen an Gepränge kaum den Reisen des Königs
nach; sein Hausstand in Badminton war nach der Sitte eines früheren
Zeitalters eingerichtet. Das Land in großer Ausdehnung um seinen
Wohnsitz bewirthschaftete er selbst, und die Arbeiter, welche es
bestellten, bildeten einen Theil seiner Familie. Neun Tafeln waren
täglich in seinem Hause für zweihundert Personen gedeckt. Eine Menge
Gentlemen und Pagen standen unter den Befehlen seines Haushofmeisters,
ein ganzer Trupp Reiterei gehorchte dem Stallmeister. Die Küche, der
Keller, die Hunde und die Pferde des Herzogs waren in ganz England
berühmt; die Gentry viele Meilen im Umkreise war stolz auf den Glanz
ihres mächtigen Nachbarn und zugleich bezaubert von seiner Leutseligkeit
und Gutherzigkeit. Er war ein eifriger Kavalier aus der alten Schule;
daher bot er in der damaligen Krisis seinen ganzen Einfluß und sein
ganzes Ansehen zur Unterstützung der Krone auf und besetzte Bristol mit
den Milizen von Gloucestershire, welche besser disciplinirt zu sein
schienen, als die meisten anderen derartigen Truppen[70].

Auch in den von Somersetshire weiter entfernten Grafschaften waren die
Anhänger des Thrones in voller Thätigkeit. Die Miliz von Sussex begann
unter dem Commando Lord Richard Lumley's, der zwar erst kürzlich dem
katholischen Glauben entsagt hatte, aber seinem katholischen Könige noch
immer treu ergeben war, nach Westen zu marschiren. Jakob Bertin, Earl
von Abingdon, rief die Mannschaften von Oxfordshire zu den Waffen.
Johann Fell, Bischof von Oxford und gleichzeitig auch Dechant des
Christchurch-Collegiums, forderte die Nichtgraduirten seiner Universität
auf, für die Krone die Waffen zu ergreifen. Die Studenten ließen sich in
Massen einreihen, das Christchurch-Collegium allein stellte nahe an
hundert Pikenmänner und Musketiere. Junge Edelleute und studirende
Gentlemen bekleideten die Offiziersposten und der älteste Sohn des
Lordstatthalters wurde zum Obersten ernannt[71].

Hauptsächlich aber verließ sich der König auf seine regulären Truppen.
Churchill war mit den Blauen in den Westen gesandt worden und Feversham
folgte mit allen Streitkräften, welche in der Umgegend von London
entbehrt werden konnten. Nach Holland war ein Courier mit einem Briefe
an Skelton abgegangen, worin dieser beauftragt wurde, die sofortige
Absendung der in holländischem Dienste stehenden drei Regimenter nach
der Themse zu verlangen. Als diese Aufforderung erfolgte, versuchte es
die dem Hause Oranien feindlich gesinnte Partei, mit den Deputirten von
Amsterdam an der Spitze, abermals eine Verzögerung herbeizuführen. Aber
Wilhelm's Energie, der fast eben so viel zu verlieren hatte, als Jakob,
und der Monmouth's Fortschritte mit ernster Besorgniß betrachtete,
unterdrückte die Opposition und in einigen Tagen segelten die Truppen
ab[72]. Die drei schottischen Regimenter waren schon in England; sie
waren in vortrefflichem Zustande in Gravesend angelangt, und Jakob hatte
sie bei Blackheath gemustert. Er erklärte dem holländischen Gesandten
wiederholt, daß er nie in seinem Leben schönere und besser disciplinirte
Soldaten gesehen habe und daß er dem Prinzen von Oranien, sowie den
Generalstaaten für diese werthvolle und rechtzeitige Verstärkung seinen
wärmsten Dank ausspreche. Diese Freude war jedoch nicht ganz ungetrübt.
So trefflich die Leute auch bei der Musterung bestanden, so waren sie
doch nicht ganz frei von dem Einflusse der holländischen Politik und der
holländischen Gottesverehrung geblieben. Einer von ihnen ward erschossen
und ein Andrer ausgepeitscht, weil er auf die Gesundheit des Herzogs von
Monmouth getrunken hatte. Man hielt es daher nicht für rathsam, sie auf
den gefährlichsten Posten zu stellen und behielt sie bis zur Beendigung
des Feldzugs in der Umgegend von London; aber ihre Ankunft setzte den
König in den Stand, einige Infanterie, die er sonst in der Hauptstadt
gebraucht haben würde, nach dem Westen zu schicken[73].

Während die Regierung sich so zum Kampfe mit den Rebellen im offnen
Felde rüstete, wurden auch Vorsichtsmaßregeln andrer Art nicht
verabsäumt. In London allein wurden zweihundert Personen, von denen man
befürchtete, daß sie sich an die Spitze einer whiggistischen Bewegung
stellen könnten, verhaftet. Unter ihnen befanden sich einige sehr
angesehene Kaufleute. Jedermann, der dem Hof mißliebig war, schwebte in
beständiger Angst. Eine drückende Gewitterluft lagerte über der
Hauptstadt. Die Börsengeschäfte stockten und die Theater waren so wenig
besucht, daß eine neue Oper von Dryden, welche mit noch nie dagewesener
Pracht in Scene gesetzt worden war, wieder zurückgezogen wurde, weil die
Einnahme die Kosten der Aufführung nicht gedeckt haben würde[74]. Die
Behörden und die Geistlichkeit waren allenthalben thätig, die Dissenters
wurden überall scharf beobachtet. In Cheshire und Shropshire wüthete
eine heftige Verfolgung, in Northamptonshire wurden zahlreiche
Verhaftungen vorgenommen und das Oxforder Gefängniß war mit Gefangenen
überfüllt. Kein puritanischer Geistlicher, wie gemäßigt seine Meinung
und wie vorsichtig sein Verhalten auch sein mochte, war sicher, daß er
nicht seiner Familie entrissen und, in den Kerker geworfen wurde[75].

Inzwischen zog Monmouth von Bridgewater weiter, auf dem ganzen Marsche
von Churchill beunruhigt, der Alles that, was ein tapferer und
geschickter Offizier mit einer Handvoll Leute nur irgend auszurichten
vermag. Das vom Feinde sowohl als von heftigem Regen arg belästigte
Rebellenheer machte am Abend des 22. Juni in Glastonbury Halt. Die
Häuser des Städtchens waren zur Aufnahme einer so bedeutenden
Streitmacht nicht ausreichend; daher mußte ein Theil der Truppen in den
Kirchen untergebracht werden und die übrigen zündeten zwischen den
Ruinen der ehrwürdigen Abtei, einst dem reichsten Kloster unsrer Insel,
ihre Wachtfeuer an. Von Glastonbury marschirte der Herzog nach Wells,
und von Wells nach Shepton Mallet.[76]

    [Anmerkung 70: +North's Life of Guildford+, 132. Berichte von
    Beaufort's Reise durch Wales und die benachbarten Grafschaften
    stehen in der London Gazette vom Juli 1684. Brief von Beaufort an
    Clarendon vorn 19. Juni 1685.]

    [Anmerkung 71: Bischof Fell an Clarendon, 20. Juni; Abingdon an
    Clarendon, 20., 25. u. 26. Juni 1685; +Lansdowne MS+, 846.]

    [Anmerkung 72: Avaux, 5.(15.) & 6.(16.) Juli 1685.]

    [Anmerkung 73: Citters, 30. Juni (10. Juli), 3.(13.) & 21.(31.)
    Juli 1685; Avaux, 5.(15.) Juli; +London Gazette, July 6.+]

    [Anmerkung 74: Barillon, 6.(16.) Juli 1685; Scotts Vorrede zu
    +Albion and Albanius+.]

    [Anmerkung 75: Abingdon an Clarendon, vom 29. Juni 1685; +Life of
    Philip Henry, by Bates+.]

    [Anmerkung 76: +London Gazette. June 22 & 25. 1685+; +Wade's
    Confession+; +Oldmixon, 703+; +Harl. MS. 6845.+]


[_Sein Plan auf Bristol._] Bis hierher scheint er zu keinem andren
Zwecke von Ort zu Ort gezogen zu sein, als um Truppen zu sammeln; jetzt
aber wurde es nöthig, daß er einen Plan für seine militairischen
Operationen entwarf. Seine erste Idee war, sich Bristols zu bemächtigen,
denn viele von den angesehensten Bewohnern dieser bedeutenden Stadt
waren Whigs. Eine der Verzweigungen des Whigcomplots hatte sich bis
dahin erstreckt, und die Besatzung bestand nur aus Milizen von
Gloucestershire. Wenn Beaufort mit seiner bäuerlichen Mannschaft
überwältigt werden konnte, ehe die regulären Truppen ankamen, so
befanden sich die Rebellen mit einem Male im Besitz reicher Geldmittel;
dadurch mußte das Vertrauen zu Monmouth's Waffen gehoben und seine
Freunde im ganzen Lande ermuthigt werden, sich für ihn zu erklären.
Bristol hatte Befestigungen, die allerdings auf der Nordseite des Avon
gegen Gloucestershire hin schwach, im Süden gegen Somersetshire aber
weit stärker waren. Es wurde daher beschlossen, den Angriff auf der
Nordseite zu unternehmen. Zu dem Ende aber mußte man einen Umweg machen
und bei Keynsham über den Avon gehen. Die Brücke bei Keynsham war jedoch
von der Miliz theilweis zerstört worden und im Augenblicke ungangbar. In
Folge dessen wurde eine Abtheilung vorausgeschickt, um die nöthigen
Reparaturen vorzunehmen. Die anderen Truppen folgten langsamer und
machten am Abend des 24. Juni in Pensford Halt, um auszuruhen. Hier
waren sie nur noch fünf Meilen von der Südseite von Bristol entfernt;
bis zur Nordseite aber, zu der man nur auf dem Umwege über Keynsham
gelangen konnte, war noch ein starker Tagemarsch.[77]

Diese Nacht befand sich Bristol in geräuschvoller Aufregung und
gespannter Erwartung. Die Anhänger Monmouth's wußten, daß er fast unter
den Mauern der Stadt war, und glaubten, daß er noch vor Tagesanbruch bei
ihnen sein werde. Etwa eine Stunde nach Sonnenuntergang brach auf einem
am Kai vor Anker liegenden Kauffahrteischiffe Feuer aus. Ein solcher
Vorfall mußte in einem mit Schiffen angefüllten Hafen nothwendig große
Bestürzung hervorrufen. Der ganze Strom war in Bewegung, das Volk wogte
durch die Straßen und es ließen sich in der Dunkelheit und Verwirrung
aufrührerische Rufe vernehmen. Whigs und Tories behaupteten nachher, das
Feuer sei von Monmouth's Freunden in der Hoffnung angelegt worden, daß,
während die Milizen damit beschäftigt waren, das Umsichgreifen des
Brandes zu verhindern, das Rebellenheer einen kühnen Handstreich wagen
und von der Südseite her in die Stadt eindringen könnten. Wenn dies
wirklich der Plan der Brandstifter war, so hatten sie sich stark
verrechnet, denn Beaufort ließ seine Truppen die ganze Nacht um die
schöne Kirche St. Mary Redcliff, auf der Südseite des Avon, unter den
Waffen stehen, anstatt sie an den Kai zu senden. Er sagte, er wolle eher
ganz Bristol niederbrennen sehen, ja es selbst niederbrennen, als daß er
es von Landesverräthern nehmen ließ. Mit Hülfe einer regulären Reiterei,
welche vor wenigen Stunden von Chippenham aus zu ihm gestoßen war,
konnte er einen Aufstand verhindern; wahrscheinlich aber würde es seine
Kräfte überstiegen haben, zu gleicher Zeit die Mißvergnügten in der
Stadt im Schach zu halten und einen Angriff von Außen abzuwehren. Doch
es erfolgte kein solcher Angriff. Das Feuer, welches in Bristol so große
Aufregung hervorgerufen, wurde in Pensford deutlich gesehen. Monmouth
hielt es jedoch nicht für rathsam, seinen Plan zu ändern; er blieb bis
Sonnenaufgang ganz ruhig und marschirte dann nach Keynsham, wo er die
Brücke bereits reparirt fand. Er beschloß, seiner Armee den Nachmittag
Ruhe zu gönnen und mit Einbruch der Dunkelheit nach Bristol weiter
vorzurücken.[78]

    [Anmerkung 77: +Wade's Confession.+]

    [Anmerkung 78: +Wade's Confession+; +Oldmixon, 703+; +Harl. MS.
    6845+; Ansprache Jeffrey's an die große Jury von Bristol, am 21.
    Sept. 1685.]


[_Er giebt den Plan auf Bristol auf._] Aber es war zu spät. Die
königlichen Truppen waren ganz in der Nähe. Der Oberst Oglethorpe
stürmte an der Spitze von ungefähr hundert Mann Leibgarden nach
Keynsham, zerstreute zwei Reitertrupps der Rebellen, die sich ihm
entgegenwarfen, und zog sich wieder zurück, nachdem er ihnen großen
Schaden zugefügt, selbst aber nur unbedeutenden Verlust erlitten hatte.
Unter diesen Umständen wurde es für nöthig erachtet, den Angriffsplan
auf Bristol aufzugeben.[79]

Aber was war nun zu thun? Verschiedene Pläne wurden vorgeschlagen und
berathen. Es wurde beantragt, Monmouth solle nach Gloucester eilen, dort
über den Severn gehen, die Brücke hinter sich abbrechen und so, auf der
rechten Flanke vom Flusse geschützt, durch Worcestershire nach
Shropshire und Cheshire marschiren. Er war früher einmal durch diese
Grafschaften gereist und daselbst mit der nämlichen Begeisterung
aufgenommen worden, wie in Somersetshire und Devonshire. Sein Erscheinen
regte den Eifer seiner alten Freunde ohne Zweifel von neuem an und seine
Armee konnte binnen wenigen Tagen auf das Doppelte ihrer gegenwärtigen
Stärke anwachsen.

Bei genauerer Überlegung zeigte es sich jedoch, daß dieser Plan, so
vortrefflich er zu sein schien, unausführbar war. Die Rebellen waren für
solche Märsche, wie die eben ausgeführten, zu schlecht mit Fußbekleidung
versorgt, und das tägliche Waten durch tiefen Schmutz unter heftigen
Regengüssen hatte sie erschöpft. Da sie ohne Zweifel bei jedem Haltorte
durch die feindliche Reiterei beunruhigt und aufgehalten werden würden,
durften sie nicht hoffen, Gloucester zu erreichen, ohne von dem
Hauptcorps der königlichen Truppen eingeholt und unter den ungünstigsten
Umständen zu einer Hauptschlacht gezwungen zu werden.

Hierauf wurde vorgeschlagen, in Wiltshire einzurücken. Personen, welche
diese Grafschaft zu kennen behaupteten, versicherten den Herzog, es
würden dort so ansehnliche Verstärkungen zu ihm stoßen, daß er
unbedenklich eine Schlacht annehmen könnte.[80]

Er befolgte diesen Rath und wendete sich nach Wiltshire. Die erste
Stadt, die er aufrief, war Bath. Aber Bath hatte eine starke königliche
Besatzung und Feversham rückte in Eilmärschen heran. Die Rebellen
machten daher keinen Angriffsversuch auf die Wälle, sondern eilten
weiter nach Philip's Norton, wo sie am Abend des 26. Juni Halt machten.

Feversham verfolgte sie dahin, und am frühen Morgen des 27. Juni wurden
sie durch die Nachricht erschreckt, daß er ihnen auf den Fersen sei. Sie
ordneten sich nun und besetzten die nach der Stadt führenden Hecken.

Bald darauf erschien die Vorhut der königlichen Armee, bestehend aus
etwa fünfhundert Mann unter dem Commando des Herzogs von Grafton, eines
jungen Mannes von großer Kühnheit aber rauhen Manieren, der
wahrscheinlich gern zeigen wollte, daß er an den unloyalen Plänen seines
Halbbruders keinen Theil habe. Grafton befand sich bald in einer
tiefliegenden Gasse, mit Zäunen zu beiden Seiten, von denen aus ein
höchst unangenehmes Musketenfeuer unterhalten wurde.

    [Anmerkung 79: +London Gazette, June 29. 1685+; +Wade's
    Confession.+]

    [Anmerkung 80: +Wade's Confession+.]


[_Gefecht bei Philip's Norton._] Er rückte indessen muthig vor bis ans
Thor von Philip's Norton. Hier fand er den Weg durch eine Barrikade
versperrt, von welcher er mit einem dritten Feuer in die volle Fronte
empfangen wurde. Setzt verloren seine Leute den Muth und ergriffen
eiligst die Flucht. Ehe sie aus dem Hohlwege herauskamen, waren mehr als
hundert von ihnen getödtet oder verwundet. Dem Herzoge von Grafton war
von einer feindlichen Reiterabtheilung der Rückzug abgeschnitten; aber
er schlug sich tapfer durch und kam glücklich davon.[81]

Die so zurückgeworfene Vorhut zog sich auf das Hauptcorps der
königlichen Truppen zurück. Die beiden feindlichen Heere standen
einander ganz nahe gegenüber und es wurden einige Schüsse gewechselt,
die wenig oder gar keine Wirkung hatten. Auf keiner Seite war man zu
einer ordentlichen Schlacht geneigt. Feversham wollte erst die Ankunft
seiner Artillerie abwarten und zog sich deshalb nach Bradford zurück;
Monmouth verließ mit Einbruch der Dunkelheit seine Stellung, marschirte
südwärts und erreichte bei Tagesanbruch Frome, wo er Verstärkung zu
finden hoffte.

Frome war seiner Sache zwar eben so eifrig zugethan als Taunton und
Bridgewater, konnte aber nichts zu seiner Unterstützung thun. Die
Bevölkerung hatte sich einige Tage zuvor erhoben und Monmouth's
Erklärung war auf dem Marktplatze angeschlagen worden; aber die
Nachricht von diesem Aufstande war dem Earl von Pembroke zugekommen, der
in geringer Entfernung mit der Miliz von Wiltshire stand; er war
augenblicklich nach Frome marschirt, hatte einen Haufen Landleute, die
sich mit Sensen und Heugabeln ihm widersetzen wollten, in die Flucht
geschlagen, war in die Stadt eingerückt und hatte die Bewohner
entwaffnet. Es gab daher dort keine Waffen mehr und Monmouth war nicht
im Stande, solche zu liefern.[82]

    [Anmerkung 81: +London Gazette, July 2. 1685+; Barillon, 6.(16.)
    Juli; +Wade's Confession+.]

    [Anmerkung 82: +London Gazette, June 29. 1685+; Citters, 30. Juni
    (10. Juli).]


[_Monmouth's Verzagtheit._] Das Rebellenheer befand sich in einer
schlimmen Lage. Der Marsch in der vergangenen Nacht war höchst
beschwerlich gewesen; es hatte in Strömen geregnet und die Wege waren
dadurch zu wahren Morästen geworden. Von der aus Wiltshire versprochenen
Verstärkung hörte man nichts mehr; ein Bote brachte die Nachricht, daß
Argyle's Armee in Schottland zerstreut worden sei, ein andrer
berichtete, daß Feversham, nachdem er seine Artillerie an sich gezogen,
wieder anrücke. Monmouth verstand den Krieg zu gut, als daß er nicht
hatte wissen sollen, daß seine Leute bei all' ihrem Muth und all' ihrem
Eifer doch regulären Truppen nicht gewachsen waren. Er hatte sich bis
jetzt noch immer mit der Hoffnung geschmeichelt, daß einige von den
Regimentern, die er früher befehligt, zu ihm übergehen würden, aber
diese Hoffnung mußte er jetzt aufgeben. Da verließ ihn der Muth; er
hatte kaum noch Kraft genug, um Befehle zu geben. In seiner Noth
beklagte er sich bitter über die bösen Rathgeber, die ihn verleitet
hatten, sein glückliches Asyl in Brabant zu verlassen, und besonders
gegen Wildman brach er in heftige Verwünschungen aus.[83] Jetzt stieg in
seiner schwachen und geängstigten Seele ein schimpflicher Gedanke auf.
Er wollte die Tausende, die auf seinen Ruf und für seine Sache ihre
friedlichen Häuser und Felder verlassen hatten, den Händen der Regierung
preisgeben. Er wollte sich mit seinen vornehmsten Offizieren heimlich
entfernen, wollte einen Seehafen zu erreichen suchen, bevor man seine
Flucht ahnete, wollte auf das Festland entfliehen und in den Armen der
Lady Wentworth seinen Ehrgeiz und seine Schande vergessen. Diesen Plan
besprach er ganz ernstlich mit seinen hauptsächlichsten Rathgebern.
Einige von ihnen, denen um ihr Leben bange war, zollten demselben
Beifall; Grey aber, dem selbst seine Verleumder es zugestehen, daß er
überall unerschrocken war, wo nicht Schwertergeklirr und Kanonendonner
ihn umgaben, widersetzte sich mit großer Entschiedenheit dem feigen
Vorschlage und beschwor den Herzog, lieber jeder Gefahr Trotz zu bieten,
als die aufopfernde Anhänglichkeit des westlichen Landvolks mit Undank
und Verrath zu belohnen.[84]

Der Fluchtplan wurde aufgegeben, aber es war jetzt nicht leicht, irgend
einen Operationsplan zu entwerfen. Nach London zu marschiren, wäre
Wahnsinn gewesen, denn der Weg ging über die Ebene von Salisbury, auf
welcher großen Fläche reguläre Truppen, besonders Kavallerie, gegen
undisciplinirte Haufen zu sehr im Vortheil gewesen sein würden. In
dieser kritischen Lage traf plötzlich die Nachricht ein, daß die
Landbewohner der Marschen in der Umgegend von Axbridge zur Verteidigung
des protestantischen Glaubens aufgestanden seien, daß sie sich mit
Dreschflegeln, Knütteln und Heugabeln bewaffnet hätten und sich zu
Tausenden bei Bridgewater sammelten. Monmouth beschloß, dahin
zurückzukehren und sein Heer mit diesen neuen Verbündeten zu
verstärken.[85]

Die Rebellen marschirten demgemäß nach Wells, wo sie in nicht sehr
heitrer Stimmung ankamen. Sie waren, mit wenigen Ausnahmen, erbitterte
Feinde des Prälatenthums und äußerten ihren Haß in einer Weise, die
ihnen wenig Ehre machte. Sie rissen nicht nur das Bleidach von der
prächtigen Kathedrale, um Kugeln daraus zu gießen, eine Handlung, die
sie allenfalls mit den Bedürfnissen des Kriegs entschuldigen konnten,
sondern zerstörten auch muthwilligerweise die Verzierungen des Gebäudes.
Grey schützte nur mit Mühe den Altar vor den Schändungen einiger Buben,
die an demselben zechen wollten, indem er sich mit gezognem Schwerte
davor stellte.[86]

    [Anmerkung 83: +Harl. MS.+ 6845; +Wade's Confession+.]

    [Anmerkung 84: +Wade's Confession+; +Eachard, III.+, 766.]

    [Anmerkung 85: +Wade's Confession+.]

    [Anmerkung 86: +London Gazette, July 6. 1685+; Citters, 3.(13.)
    Juli; +Oldmixon. 703.+]


[_Seine Rückkehr nach Bridgewater._] Am Donnerstag den 2. Juli zog
Monmouth wieder in Bridgewater ein, aber unter viel weniger erfreulichen
Umständen, als er es vor zehn Tagen verlassen hatte. Die Verstärkung,
die er daselbst fand, war unbedeutend, und die königliche Armee saß ihm
dicht auf den Fersen. Einen Augenblick hatte er die Idee, die Stadt zu
befestigen, und Hunderte von Arbeitern wurden aufgeboten, um Gräben zu
ziehen und Schanzen aufzuwerfen, dann kehrte er wieder zu dem Plane
zurück, nach Cheshire zu marschiren, ein Plan, den er in Keynsham als
unausführbar verworfen und der jetzt, in Bridgewater, sich gewiß nicht
günstiger gestaltet hatte.[87]

    [Anmerkung 87: +Wade's Confession.+]


[_Die königliche Armee schlägt bei Sedgemoor ein Lager auf._] Während er
so zwischen gleich hoffnungslosen Projecten schwankte, kamen ihm die
Streitkräfte des Königs zu Gesicht. Sie bestanden aus ungefähr
zweitausendfünfhundert Mann regulärer Truppen und etwa fünfzehnhundert
Mann Miliz von Wiltshire. Sonntag, den 5. Juli, am frühen Morgen,
verließen sie Somerton und schlugen noch denselben Tag ungefähr drei
Meilen von Bridgewater auf der Ebene von Sedgemoor ihre Zelte auf.

Doctor Peter Mew, Bischof von Winchester, begleitete sie. Dieser Prälat
hatte in seiner Jugend im Dienste Karl's I. gegen das Parlament die
Waffen getragen. Weder seine Jahre, noch sein Beruf hatten seinen
kriegerischen Eifer völlig gedämpft, und er dachte wahrscheinlich, daß
die Anwesenheit eines Vaters der protestantischen Kirche im königlichen
Lager einige rechtschaffene Männer, welche zwischen dem Abscheu vor dem
Papstthum und dem Abscheu vor der Rebellion schwankten, in ihrer
Loyalität befestigen könnte.

Auf dem Thurme der Pfarrkirche zu Bridgewater, welcher der höchste in
ganz Somersetshire sein soll, hat man eine weite Aussicht über die
Umgegend. Monmouth bestieg in Begleitung einiger Offiziere die Gallerie
des viereckigen Thurmes, von wo aus die Spitze desselben sich erhebt,
und beobachtete durch ein Fernrohr die Stellung des Feindes. Unter ihm
lag eine flache Ebene, welche jetzt mit Kornfeldern und Obstpflanzungen
bedeckt ist, damals aber, wie schon ihr Name andeutet,[88] ein trauriger
Morast war. Wenn es stark geregnet hatte und der Parret mit seinen
Nebenflüssen austrat, so wurde diese Ebene häufig überschwemmt. Sie
bildete in der That schon in früheren Zeiten einen Theil des großen
Sumpfes, von dem in unseren ältesten Chroniken gesagt wird, daß er die
Fortschritte zweier aufeinanderfolgenden fremden Erobererstämme
aufgehalten habe. Dieser Sumpf hatte lange die Celten gegen die Angriffe
der Könige von Wessex geschützt und hatte Alfred eine Zuflucht vor den
Verfolgungen der Dänen gewährt. In jenen fernen Zeiten konnte diese
Gegend nur in Böten passirt werden; sie war ein großer See, in welchem
eine Menge kleiner Inseln von veränderlicher und trügerischer
Bodenbeschaffenheit zerstreut umherlagen, die mit üppigem Schilfe
bewachsen waren und auf denen es von Rothwild und wilden Schweinen
wimmelte. Noch zu den Zeiten der Tudors mußte der Reisende, den sein Weg
von Ilchester nach Bridgewater führte, des Wassers halber einen Umweg
von mehreren Meilen machen. Als Monmouth auf Sedgemoor niederblickte,
war es durch die Kunst zum Theil entwässert und von zahlreichen tiefen
Gräben durchschnitten, welche dort »Rhines« genannt werden. Inmitten des
Moors erhoben sich in der nächsten Umgebung die Kirchthürme einige
Dörfer, deren Namen andeuten, daß sie einstmals von den Fluthen bespült
wurden. In einem dieser Dörfer, Weston Zoyland genannt, lag die
königliche Reiterei und Feversham hatte daselbst sein Hauptquartier
aufgeschlagen. Viele noch lebende Personen haben die Tochter der Magd
gekannt, die ihn an jenem Tage bei Tische bediente, und eine große
Schüssel von persischem Porzellan, welche ihm vorgesetzt wurde, wird
noch immer in der Nachbarschaft sorgfältig aufbewahrt. Es muß bemerkt
werden, daß die Bevölkerung von Somersetshire nicht, wie die der
Fabrikdistrikte, aus Einwanderern aus entfernten Orten besteht. Man
findet dort häufig Landwirthe, die noch den nämlichen Boden bebauen, den
ihre Vorfahren bebauten, als die Plantagenets in England herrschten. Die
Traditionen von Somersetshire sind daher für den Geschichtsforscher von
nicht geringem Werthe.[89]

In größerer Entfernung von Bridgewater liegt das Dorf Middlezoy. In
diesem Dorfe und seiner Umgebung war die Miliz von Wiltshire unter
Pembroke's Befehlen einquartirt.

Auf offnem Moore, unweit Chozoy, lagerten mehrere Bataillone regulären
Fußvolks. Wehmüthig blickte Monmouth auf sie herab, denn er erinnerte
sich unwillkürlich daran, daß er vor wenigen Jahren an der Spitze einer
aus den nämlichen Leuten bestehenden Colonne die wilden Enthusiasten,
welche die Bothwelbrücke vertheidigten, in völliger Verwirrung vor sich
her getrieben hatte. Er konnte in den feindlichen Reihen die tapfere
Schaar unterscheiden, welche damals nach dem Namen ihres Obersten
Dumbarton's Regiment hieß, schon längst aber als das erste
Linienregiment bekannt war und in allen vier Welttheilen seinen alten
Ruhm stets bewährt hat. »Ich kenne diese Leute«, sagte Monmouth, »die
werden tüchtig kämpfen. Hätte ich nur sie, so würde Alles gut
gehen!«[90]

Der Anblick des Feindes war indessen nicht ganz entmuthigend. Die drei
Divisionen der königlichen Armee lagen weit von einander entfernt, ihre
Bewegungen hatten einen Anschein von sorgloser und lauer Disciplin und
es wurde berichtet, daß sie sich fortwährend in Zoylandcyder betränken.
Die Unfähigkeit Feversham's, der das Obercommando führte, war
allbekannt, und selbst in diesem kritischen Augenblicke dachte er nur an
Essen und Schlafen. Churchill dagegen war zwar ein Anführer, der weit
schwierigeren Aufgaben als der Zerstreuung eines Haufens schlecht
bewaffneter und ungeübter Bauern gewachsen war; aber das Genie, das
später sechs Marschälle Frankreichs demüthigte, war damals noch nicht an
seinem rechten Platze. Feversham sprach wenig mit Churchill und
ermuthigte ihn nicht, Vorschläge zu machen. Aber obgleich der
Unterbefehlshaber sich seiner Überlegenheit an Fähigkeiten und
Kenntnissen bewußt war, obgleich er sich nur mit Unmuth den Befehlen
eines Vorgesetzten unterwarf, den er verachtete, und obgleich er für die
Armee das Schlimmste befürchtete, so bewahrte er dennoch die ihn
auszeichnende Selbstbeherrschung und verbarg seine Gefühle so gut, daß
Feversham seine folgsame Thätigkeit lobte und sich vornahm, dem Könige
davon zu berichten[91].

Nachdem Monmouth die Stellung der königlichen Truppen beobachtet hatte
und von ihrem Zustande benachrichtigt worden war, glaubte er, daß ein
nächtlicher Angriff mit Erfolg gekrönt werden könnte. Er beschloß, sein
Glück zu versuchen und traf sofort die nöthigen Anstalten.

Es war Sonntag und seine Leute, welche zum größten Theile puritanisch
erzogen waten, brachten daher einen großen Theil des Tages in
Andachtsübungen zu. Das Schloßgebiet, auf dem die Armee lagerte, bot ein
Schauspiel dar, wie es England seit der Auflösung von Cromwell's Heer
nicht wieder gesehen hatte. Die Dissenterprediger, welche gegen den
Papismus zu den Waffen gegriffen hatten, und von denen einige vielleicht
schon im großen Bürgerkriege gekämpft hatten, beteten und predigten in
rothen Röcken und hohen Reitstiefeln, mit langen Schwertern an der
Seite. Auch Ferguson gehörte zu Denen, welche Reden hielten. Er wählte
zum Texte die furchtbare Verwünschung, durch welche die jenseits des
Jordan wohnenden Israeliten sich von der Beschuldigung reinigten, die
ihre Brüder am andren Ufer des Flusses aus Unwissenheit gegen sie
erhoben: »Der starke Gott, der Herr, der starke Gott, der Herr weiß, so
weiß Israel auch. Ist es Aufruhr oder ein Vergehen gegen den Herrn, so
helfe er uns heute nicht[92].«

Daß unter dem Schutze der Nacht ein Angriff versucht werden sollte, war
in Bridgewater kein Geheimniß. Die Stadt war von Frauen angefüllt, die
aus der Umgegend herbeigekommen waren, um ihre Gatten, Söhne, Geliebten
und Brüder noch einmal zu sehen. Es gab an diesem Tage manche
schmerzliche Abschiedsscene und Viele trennten sich, um einander nicht
wiederzusehen. Das Gerücht von dem beabsichtigten Angriff kam auch einem
jungen Mädchen zu Ohren, die eine eifrige Anhängerin des Königs war.
Trotz ihres schüchternen Wesens faßte sie den muthigen Entschluß,
Feversham selbst die Nachricht zu überbringen. Sie stahl sich heimlich
aus Bridgewater fort und begab sich in das königliche Lager. Dieses
Lager aber war nicht der Ort, wo die weibliche Unschuld sicher war.
Selbst die Offiziere, welche die irreguläre Streitmacht, der sie
gegenüberstanden, und den nachlässigen General, unter dessen Befehlen
sie kämpfen sollten, in gleichem Grade verachteten, waren des süßen
Weines voll und daher zu jedem Exceß der Sinnlichkeit und Grausamkeit
geneigt. Einer von ihnen ergriff das junge Mädchen, weigerte sich, auf
ihre Botschaft zu hören und that ihr auf die roheste Weise Gewalt an.
Vor Scham und Wuth der Verzweiflung nahe, entfloh sie wieder und
überließ das gottlose Heer seinem Schicksale[93].

Die Zeit zum Beginn des großen Wagstücks rückte jetzt heran. Die Nacht
war nicht ungünstig für ein solches Unternehmen. Es war zwar Vollmond
und ein glänzendes Nordlicht erschien am Horizont; aber der Sumpfnebel
lag so dicht über Sedgemoor, daß man auf funfzig Schritt die Gegenstände
nicht unterscheiden konnte[94].

    [Anmerkung 88: +Sedgemoor+: Schilf-Moor.]

    [Anmerkung 89: +Matt. West. Flor. Hist. A.D. 788+;
    Handschriftliche Chronik, citirt von Sharon Turner in seiner
    Geschichte der Angelsachsen, Buch IV. Kap. 19; +Drayton's
    Polyolbion, III.+; +Leland's Itinerary+; +Oldmixon, 703.+ Oldmixon
    befand sich damals in Bridgewater und sah wahrscheinlich den
    Herzog auf dem Kirchthurme. Die oben erwähnte Schüssel ist im
    Besitz eines Herrn Stradling, der sich die lobenswerthe Mühe
    gegeben hat, die Überbleibsel und Traditionen des Aufstandes im
    Westen aufzubewahren.]

    [Anmerkung 90: +Oldmixon, 703.+]

    [Anmerkung 91: Churchill an Clarendon, vom 4. Juli 1685.]

    [Anmerkung 92: Paschall's Erzählung in Heywood's Anhang.]

    [Anmerkung 93: +Kennet, ed. 1779, III. 432.+ Ich muß leider
    glauben, daß diese traurige Geschichte wahr ist. Der Bischof
    erklärt, daß sie ihm im Jahre 1718 von einem wackeren Offizier der
    Blauen mitgetheilt worden sei, der bei Sedgemoor mitgefochten und
    selbst das arme Mädchen in völliger Verzweiflung hat fortgehen
    sehen.]

    [Anmerkung 94: Erzählung eines Offiziers von den Gardereitern in
    Kennet, Ausg. v. +1719, III. 432+; +MS. Journal of the Western
    Rebellion, Rept. by Mr. Edward Dummer+; +Dryden's Hind and
    Panther, part. II.+ Die Zeilen von Dryden sind schön:

        Dies war des Himmels heitre Strahlenpracht
        Bei Jakob's letztem Sieg in stiller Nacht,
        Der Liebe seines mächt'gen Schutzherrn Pfand,
        Das Feuerwerk von hehrer Engel Hand.
        Ich selbst das helle Licht vergolden sah
        Die düstren nächt'gen Schatten, fern und nah'.
        Fort trug der Bote eiligst seine Kunde,
        Zu dreier Völker Trost in banger Stunde,
        Doch überall fand er des Himmels Boten schon.]


[_Schlacht von Sedgemoor._] Es schlug elf Uhr, als der Herzog mit seiner
Leibgarde aus dem Schlosse abritt. Er befand sich durchaus nicht in der
Gemüthsstimmung, wie sie einem Manne ziemt, der im Begriffe ist, einen
entscheidenden Schlag zu führen. Selbst die Kinder, die sich
herbeidrängten, um ihn vorüberreiten zu sehen, bemerkten, daß sein
Aussehen traurig und voll düsterer Ahnungen war, und erinnerten sich
dessen noch lange nachher. Seine Armee marschirte auf einem fast sechs
Meilen langen Umwege gegen das königliche Lager von Sedgemoor. Ein Theil
dieses Weges wird noch heute die Kriegsstraße genannt. Das Fußvolk
führte Monmouth persönlich an, und die Reiterei war trotz der
Gegenvorstellungen Derer, die sich des Unfalls bei Bridport erinnerten,
Lord Grey anvertraut worden. Es war Befehl gegeben, das strengste
Stillschweigen zu beobachten, keine Trommel zu rühren und keinen Schuß
abzufeuern. Das Losungswort, an dem die Insurgenten einander im Dunkeln
erkennen sollten, war Soho. Wahrscheinlich war dieses Wort in Anspielung
auf Soho-Fields in London gewählt, wo der Palast des Anführers
stand[95].

Montag den 6. Juli gegen ein Uhr in der Nacht kamen die Rebellen auf dem
offnen Moore an. Aber zwischen ihnen und dem Feinde befanden sich drei
mit Wasser und dünnem Schlamm gefüllte Gräben, und Monmouth wußte, daß
er zwei davon, den sogenannten »schwarzen Graben« und den
»Langmoor-Rhine« passiren mußte. Sonderbarerweise aber hatte ihm keiner
seiner Kundschafter etwas von der Existenz des dritten Grabens gesagt,
welcher »Bussex-Rhine« hieß und das königliche Lager unmittelbar deckte.

Die Munitionswagen blieben am Rande des Moors zurück. Die Reiterei und
das Fußvolk gingen auf einem Damme in einer langen und schmalen Colonne
über den schwarzen Graben. Ein ähnlicher Damm war auch durch den
Langmoor-Rhine geworfen, aber der Führer verirrte sich im Nebel. Es
entstand einiger Aufenthalt und Tumult, ehe man den rechten Weg wieder
fand; endlich wurde der Übergang noch glücklich bewerkstelligt, aber in
der Verwirrung ging ein Pistol los. Einige Wache haltende Gardereiter
hörten den Knall und bemerkten eine große Truppenmasse, die sich im
Nebel vorwärts bewegte. Sie feuerten ihre Karabiner ab und sprengten in
verschiedenen Richtungen davon, um Lärm zu machen. Einige eilten nach
Weston Zoyland, wo die Kavallerie lag. Ein andrer Reiter galoppirte in
das Lager der Infanterie und rief aus voller Kehle, daß der Feind in der
Nähe sei. Die Trommeln des Regiments Dumbarton schlugen Generalmarsch
und die Mannschaft trat sogleich unter's Gewehr. Es war die höchste
Zeit, denn Monmouth stellte seine Armee schon in Schlachtordnung auf. Er
befahl Grey, mit der Reiterei vorzugehen, und folgte selbst an der
Spitze des Fußvolks. Grey stürmte vorwärts, bis er plötzlich ganz
unvermuthet durch den Bussex-Rhine aufgehalten wurde. Jenseit des
Grabens stellte sich die königliche Infanterie eiligst in
Schlachtordnung auf.

»Für wen seid Ihr?« rief ein Offizier von der Fußgarde. »Für den König«,
antwortete eine Stimme in den Reihen der Rebellen-Kavallerie. »Für
welchen König?« wurde hierauf gefragt. Die Antwort war das
Jubelgeschrei: »Für König Monmouth!« vermischt mit dem Feldgeschrei, das
vierzig Jahre früher auf den Fahnen der Parlamentsregimenter stand:
»Gott mit uns!« Die königlichen Truppen gaben nun augenblicklich eine so
kräftige Musketensalve, daß die ganze Reiterei der Aufständischen
alsbald nach allen Richtungen auseinanderstob. Die Welt schrieb diese
schmachvolle Flucht allgemein der Feigherzigkeit Grey's zu. Aber es ist
keineswegs erwiesen, ob Churchill an der Spitze von Leuten, welche noch
nie im Sattel gekämpft hatten, und deren Pferde weder ans Feuer, noch
überhaupt an den Zügel gewohnt waren, besseren Erfolg gehabt haben
würde.

Wenige Minuten nachdem die Reiterei des Herzogs sich über den ganzen
Moor zerstreut hatte, kam seine Infanterie, der die brennenden Lunten
des Regiments Dumbarton als Wegweiser in der Dunkelheit dienten, im
Sturmschritt heran.

Monmouth erschrak nicht wenig, als er sah, daß ein breiter und tiefer
Graben ihn von dem Lager trennte, das er zu überrumpeln gehofft hatte.
Die Insurgenten machten am Rande des Grabens Halt und feuerten; ein
Theil der königlichen Infanterie am anderen Ufer erwiederte das Feuer.
Dreiviertel Stunde lang knatterte das Kleingewehrfeuer ununterbrochen.
Die Landleute von Somersetshire benahmen sich wie alte gediente
Soldaten, nur daß sie zu hoch hielten.

Jetzt aber hatten sich auch die anderen Abtheilungen der königlichen
Armee in Bewegung gesetzt. Die Leibgarben und die Blauen kamen von
Weston Zoyland herangesprengt und zerstreuten in einem Nu die wenigen
Reiter Grey's, die sich wieder zu sammeln versucht hatten. Die
Fliehenden verbreiteten einen panischen Schrecken unter ihren Kameraden
in der Nachhut, welche die Munition zu decken hatten. Die Wagen fuhren
in hastiger Eile davon und hielten nicht eher an, als bis sie mehrere
Meilen vom Schlachtfelde entfernt waren. Bis jetzt hatte Monmouth sich
als tapfrer und befähigter Krieger gezeigt; man hatte ihn zu Fuß
gesehen, wie er, mit einer Lanze in der Hand, seine Infanterie durch
Wort und Beispiel anfeuerte. Aber er war zu erfahren in militärischen
Angelegenheiten, als daß er nicht hätte wissen sollen, daß Alles vorbei
war. Seine Leute hatten den Vortheil, den ihnen die Überrumpelung und
die Dunkelheit gegeben, verloren; sie waren von der Reiterei und den
Munitionswagen im Stiche gelassen, und die königlichen Truppen waren
jetzt in bester Ordnung beisammen. Feversham war durch das Feuer geweckt
worden, war aus dem Bett gesprungen, hatte seine Halsbinde umgelegt,
sich gebührend im Spiegel gemustert, und war endlich herbeigekommen, um
zu sehen, was seine Leute thaten. Inzwischen hatte Churchill, was von
weit größrer Wichtigkeit war, eiligst eine ganz neue Aufstellung der
königlichen Infanterie vorgenommen. Der Morgen brach an; der Ausgang
eines Kampfes im offnen Felde und bei hellem Tageslichte konnte nicht
zweifelhaft sein. Aber Monmouth hätte fühlen sollen, daß er nicht
fliehen durfte, während Tausende, die ihre Zuneigung zu ihm ins
Verderben gestürzt, noch immer mannhaft für seine Sache kämpften. Aber
eitle Hoffnungen und die unüberwindliche Liebe zum Leben behielten bei
ihm die Oberhand. Er sah, daß, wenn er zögerte, die königliche Reiterei
ihm den Rückzug abschneiden würde; er stieg daher zu Pferde und ritt vom
Schlachtfelde.

Doch sein Fußvolk, obgleich von seinem Führer verlassen, hielt noch
tapfer Stand. Die Leibgarden griffen es von der rechten, die Blauen von
der linken Seite an; aber die Bauern von Somersetshire kämpften mit
ihren Sensen und ihren Gewehrkolben wie alte Soldaten gegen die
königlichen Reiter. Oglethorpe machte einen ungestümen Versuch, ihre
Reihen zu durchbrechen, und wurde tapfer zurückgeschlagen. Sarsfield,
ein wackrer irländischer Offizier, dessen Name später eine traurige
Berühmtheit erlangte, griff auf der andren Flanke an. Seine Leute wurden
ebenfalls zurückgeworfen. Er selbst wurde zu Boden geschlagen und blieb
eine Zeit lang für todt liegen. Der Widerstand der tapfren Landleute
konnte jedoch nicht mehr von langer Dauer sein, denn Pulver und Blei
waren völlig ausgegangen. Man hörte den Ruf: »Munition! um Gottes Willen
Munition!« Aber es war keine mehr zur Hand. Jetzt rückte überdies auch
die königliche Artillerie heran, die eine halbe Meile davon auf der
Straße von Weston Zoyland nach Bridgewater gestanden hatte. Die
Ausrüstung des englischen Heeres war damals noch so mangelhaft, daß es
ungeheure Mühe gekostet haben würde, die schweren Geschütze auf den
Platz zu schleppen, wo der Kampf wüthete, hätte nicht der Bischof von
Winchester seine Wagenpferde und seine Geschirre zu diesem Zwecke
hergegeben. Diese Einmischung eines christlichen Prälaten in eine
blutige Angelegenheit ist mit sonderbarer Inconsequenz von einigen
whiggistischen Schriftstellern verdammt worden, während sie nichts
Verbrecherisches in dem Benehmen der zahlreichen puritanischen
Geistlichen finden, welche damals gegen die Regierung unter Waffen
standen. Und als die Kanonen endlich angekommen waren, fehlte es so sehr
an Kanonieren, daß ein Sergeant vom Regimente Dumbarton die Bedienung
mehrerer Geschütze übernehmen mußte[96]. So schlecht indessen die
Geschütze auch bedient wurden, so brachten sie doch das Gefecht rasch zu
Ende. Die Lanzen der aufständischen Bataillone begannen sich zu senken,
die Reihen wurden durchbrochen; die königliche Reiterei machte einen
nochmaligen Angriff und warf Alles vor sich nieder, während zu gleicher
Zeit auch die Infanterie in großen Massen über den Graben kam. Selbst in
dieser höchsten Bedrängniß hielten die Bergleute von Menrix noch tapfer
Stand und verkauften ihr Leben theuer. Aber in wenigen Minuten war die
Niederlage vollständig. Dreihundert königliche Soldaten waren getödtet
oder verwundet, und von den Rebellen lagen mehr als tausend todt auf dem
Moor[97].

So endete der letzte, den Namen einer Schlacht verdienende Kampf, der
auf englischem Boden stattgefunden hat. Der Eindruck, den derselbe bei
den einfachen Bewohnern der Umgegend zurückließ, war tief und
nachhaltig. Allerdings ist dieser Eindruck auch häufig wieder
aufgefrischt worden, denn selbst noch in unseren Tagen haben Pflug und
Spaten nicht selten schauerliche Erinnerungszeichen von dem Gemetzel,
wie Schädel, Gebeine und seltsame Waffen, aus Ackergeräthen verfertigt,
zu Tage gefördert. Alte Landleute erzählten noch vor Kurzem, daß sie in
ihrer Kindheit oft auf dem Moore das Gefecht zwischen König Jakob's und
König Monmouth's Soldaten gespielt und daß die letzteren stets »Soho«
gerufen hätten[98].

Was bei der Schlacht von Sedgemoor am meisten auffällt, ist der Umstand,
daß der Ausgang nur einen Augenblick zweifelhaft sein konnte und daß die
Rebellen so lange Widerstand leisteten. Gegenwärtig würde es als ein
Wunder betrachtet werden, wenn fünf- oder sechstausend Kohlengräber und
Bauern nur einer halb so großen Anzahl von regulärer Kavallerie und
Infanterie eine halbe Stunde lang Stand hielte. Unser Erstaunen wird
sich jedoch vielleicht vermindern, wenn wir berücksichtigen, daß zu den
Zeiten Jakob's II. die Disciplin der regulären Armee außerordentlich
lax, und daß auf der andren Seite das Landvolk daran gewöhnt war, in der
Miliz zu dienen. Der Unterschied zwischen einem Regiment Fußgarden und
einem Regiment eben angeworbener Bauern war daher, obwohl schon sehr
bedeutend, doch keineswegs so groß, als er jetzt ist. Monmouth führte
nicht bloße Pöbelhaufen zum Angriff gegen geübte Soldaten; seine Leute
waren nicht ganz ohne allen militärischen Anstrich, während Feversham's
Truppen im Vergleich zu den englischen Truppen der Jetztzeit fast ein
Pöbelhaufe genannt werden könnten.

Es war vier Uhr, die Sonne ging auf und das geschlagene Heer ergoß sich
massenhaft in die Straßen von Bridgewater. Das Getümmel, das Blut, die
Wunden, die geisterhaften Gestalten, welche zu Boden sanken, um nicht
wieder aufzustehen, verbreiteten Entsetzen und Bestürzung in der Stadt.
Dazu kam noch, daß die Verfolger ihnen auf den Fersen waren. Die
Einwohner, welche den Aufstand begünstigt hatten, erwarteten
ausgeplündert und niedergemetzelt zu werden, und flehten ihre Nachbarn,
die sich zum römisch-katholischen Glauben bekannten oder sich durch
toryistische Gesinnung auszeichneten, um Schutz an. Auch, die heftigsten
whiggistischen Geschichtsschreiber erkennen es an, daß dieser Schutz
freundlich und hochherzig gewährt wurde[99].

    [Anmerkung 95: Es ist von vielen Schriftstellern, unter Anderen
    auch von Penant, behauptet worden, der Soho-Bezirk in London habe
    seinen Namen von jener Parole in Monmouth's Armee bei Sedgemoor.
    Aber man findet die Soho-Fields in Büchern erwähnt, welche vor dem
    Aufstand im Westen gedruckt waren, z.B. in +Chamberlayn's State of
    England, 1684.+]

    [Anmerkung 96: Es existirt eine Verfügung von Jakob, welche
    anbefiehlt, daß dem Sergeanten Weems vom Regiment Dumbarton »für
    die guten Dienste, die er in der Schlacht von Sedgemoor durch
    Abfeuern der großen Kanonen auf die Rebellen geleistet«, vierzig
    Pfund Sterling ausgezahlt werden sollen. +Historical Record of the
    First of Royal Regiment of Foot+.]

    [Anmerkung 97: Jakob's II. Bericht von der Schlacht von Sedgemoor
    in Lord Hardwicke's Staatsschriften; +Wade's Confession+;
    Ferguson's handschriftliche Erzählung in Eachard III. 768;
    Erzählung eines Offiziers von der Leibgarde in Kennet, Ausg. v.
    1719, III. 432; +London Gazette, July 9. 1685+; +Oldmixon, 703+;
    +Paschalle's Narrative+; +Burnet, I. 643+; +Evelyn's Diary, July
    8.+; Citters, 7.(17.) Juli; Barillon 9.(19.) Juli; +Reresby's
    Memoirs+; +the Duke of Buckingham's Battle of Sedgemoor, a Farce+;
    +MS. Journal of the Western Rebellion, kept by Mr. Edward Dummer,
    then serving in the train of artillery employed by Hir Majesty for
    the suppression of the same+. Die letztgenannte Handschrift
    befindet sich in der Pepys'schen Bibliothek und ist von großem
    Werthe, nicht wegen der Erzählung, die wenig Bemerkenswerthes
    enthält, sondern wegen der Pläne, welche die Schlacht in vier oder
    fünf verschiedenen Stadien darstellen.

    »Die Geschichte einer Schlacht«, sagt der größte der jetzt
    lebenden Generale, »ist der Geschichte eines Balles nicht
    unähnlich. Einige mögen sich wohl noch der kleinen Vorfälle
    erinnern, welche den Gewinn oder den Verlust der Schlacht
    herbeiführten; aber kein Einzelner kann sich erinnern, in welcher
    Aufeinanderfolge oder in welchem Augenblicke sie sich ereigneten,
    und davon hängt stets ihr Werth und ihre Bedeutung ab ... Um Ihnen
    zu beweisen, wie wenig man sich auch auf die besten
    Schlachtberichte verlassen kann, will ich nur sagen, daß in dem
    Berichte des Generals * * einige Umstände erwähnt sind, die sich
    nicht so zugetragen haben, wie er sie erzählt. Es ist unmöglich zu
    sagen, wann und in welcher Ordnung jedes wichtige Ereigniß
    eintrat.« -- +Wellington Papers, Aug. 8. & 17. 1815.+

    Die Schlacht, in Bezug auf welche der Herzog von Wellington dies
    schrieb, war die von Waterloo, die wenige Wochen vorher am hellen
    Tage unter seinen eigenen scharfblickenden und erfahrenen Augen
    geschlagen worden war. Wie schwierig muß es daher sein, aus zwölf
    oder dreizehn Rapporten einen Bericht über eine Schlacht zusammen
    zu stellen, die vor mehr als hundertsechzig Jahren in einer
    Dunkelheit geschlagen wurde, daß man nicht fünfzig Schritt weit
    vor sich sehen konnte? Die Schwierigkeit wird dadurch noch
    vergrößert, daß die Augenzeugen, welche die beste Gelegenheit
    hatten, die Wahrheit zu erfahren, durchaus nicht geneigt waren,
    sie zu sagen. Das Dokument, das ich an die Spitze meiner
    Quellenverzeichnisse gestellt habe, war unverkennbar mit der
    größten Parteilichkeit für Feversham geschrieben. Wade schrieb in
    der Angst vor dem Strange. Ferguson, der es überhaupt mit der
    Wahrheit seiner Aussagen nicht genau nahm, log bei dieser
    Gelegenheit wie Bobadil oder Parolles. Oldmixon, der zur Zeit der
    Schlacht in Bridgewater noch ein Knabe war und einen großen Theil
    seines spätren Lebens daselbst zubrachte, stand so unter dem
    Einflusse örtlicher Leidenschaften, daß seine an Ort und Stelle
    vorgenommenen Forschungen ihm nichts nützten. Der Wunsch, die
    Tapferkeit der Landleute von Somersetshire zu preisen, eine
    Tapferkeit, die selbst ihre Feinde anerkannten und welche nicht
    erst durch Übertreibungen und Erdichtungen in ein glänzendes Licht
    gestellt zu werden brauchte, verleitete ihn, einen lächerlichen
    Roman zusammenzusetzen. Das Lob, welches Barillon, ein Franzos,
    der gewöhnt war, ungeübte Schaaren zu verachten, der besiegten
    Armee zollt, hat weit mehr Werth. +»Son infanterie fit fort bien.
    On n'eut de la peine à les rompre, et les soldats combattoient
    avec les crosses de mousquet et les scies, qu'ils avoient au bout
    de grands bastons au lieu de picques.«+

    Jetzt ist durch einen Besuch des Schlachtfeldes nicht viel mehr zu
    lernen, denn die Gestalt der Gegend hat sich zu sehr verändert; so
    ist der alte Bussex-Rhine, an dessen Ufern das Haupttreffen
    stattfand, längst verschwunden. -- Von großem Nutzen ist mir
    Robert's Schlachtbericht gewesen. +Life of Monmouth chap. 22.+
    Seine Erzählung wird in der Hauptsache durch Dummer's Pläne
    bestätigt.]

    [Anmerkung 98: Ich weis dies aus dem Munde von Leuten, welche
    unweit Sedgemoor wohnen.]

    [Anmerkung 99: +Oldmixon, 704.+]


[_Verfolgung der Rebellen._] Die Sieger verfolgten die Fliehenden den
ganzen Tag. Die Bewohner der umliegenden Dörfer erinnerten sich noch
lange des Getöses und der Verwünschungen, womit die Reiterei
vorüberstürmte. Noch vor dem Abend waren fünfhundert Gefangene in der
Pfarrkirche zu Weston Zoyland eingesperrt. Achtzig von ihnen waren
verwundet und fünf starben innerhalb der heiligen Mauern. Eine große
Menge Landleute wurde herbeigetrieben, um die Gefallenen zu begraben,
und einige, deren Parteilichkeit für die Sache der Besiegten bekannt
war, wurden für das grauenvolle Geschäft bestimmt, die Gefangen zu
viertheilen. Die Unterconstabler der benachbarten Kirchspiele mußten
Galgen aufrichten und Ketten herbeischaffen. Währenddem läuteten
fröhlich die Glocken von Weston Zoyland und Chedzoy und die Soldaten
sangen und zechten auf dem Moore mitten unter den Leichen, denn die
Landwirthe der Umgegend hatten, sobald der Ausgang des Gefechts bekannt
war, sich beeilt, den Siegern ganze Fässer ihres besten Obstweines als
Friedensopfer darzubringen.[100]

    [Anmerkung 100: +Locke's Western Rebellion, Stradling's Chilton
    Priory.+]


[_Militärische Hinrichtungen._] Feversham galt für einen gutherzigen
Mann, aber er war ein Ausländer, der die Gesetze der Engländer nicht
kannte und sich um ihre Gefühle nicht kümmerte. Er war an den
kriegerischen Übermuth Frankreichs gewohnt und hatte von seinem hohen
Verwandten, dem Eroberer der Pfalz, nicht erobern, sondern nur verwüsten
und zerstören gelernt. Eine beträchtliche Anzahl Gefangener wurde sofort
zur Hinrichtung ausgewählt. Unter diesen befand sich ein junger Mann,
der wegen seiner Schnelligkeit im Laufen berühmt war. Man machte ihm
Hoffnung, daß er mit dem Leben davon kommen könne, wenn er aus einem
Wettlaufe mit einem Fohlen der Marschen siegreich hervorginge. Der Raum,
den dieser Mann in gleichem Schritt mit dem Pferde durchlief, ist noch
jetzt durch wohlbekannte Markzeichen auf dem Moore angegeben und war
ungefähr dreiviertel Meile lang. Feversham schämte sich nicht, den
unglücklichen Schnellläufer nach vollbrachter Leistung dennoch an den
Galgen zu schicken. Am nächsten Morgen sah man eine lange Reihe von
Galgen auf der Straße von Bridgewater nach Weston Zoyland, und an jedem
derselben hing ein Gefangner. Vier von den Duldern ließ man in ihren
Ketten verfaulen.[101]

    [Anmerkung 101: +Locke's Western Rebellion+; +Stradling's Chilton
    Priory+; +Oldmixon, 704.+]


[_Monmouth's Flucht._] Unterdessen entfloh Monmouth, begleitet von Grey,
Buyse und einigen andren Freunden, vom Schlachtfelde. In Chedzoy machte
er einen Augenblick Halt, um ein frisches Pferd zu besteigen und sein
blaues Knieband und seinen St. Georg[102] zu verbergen. Dann eilte er
weiter nach Bristol Channel. Auf den Anhöhen im Norden des
Schlachtfeldes sah er noch den Blitz und den Rauch der letzten Salve,
die seine verlassenen Getreuen abfeuerten. Vor sechs Uhr war er schon
zwanzig Meilen von Sedgemoor entfernt. Einige von seinen Begleitern
riethen ihm, über den Kanal zu setzen und in Wales eine Zufluchtsstätte
zu suchen, was unzweifelhaft das Klügste gewesen wäre. Er hätte längst
in Wales sein können, ehe die Nachricht von seiner Niederlage dahin
gelangte, und würde in einer so unwirthbaren, vom Sitze der Regierung
weit entfernten Gegend lange unentdeckt geblieben sein. Aber er
beschloß, nach Hampshire zu eilen, in der Hoffnung, sich in den Hütten
der Wilddiebe unter den Eichen des Neuen Waldes so lange verbergen zu
können, bis sich eine günstige Gelegenheit zum Entkommen auf das
Festland darbot. Daher wendete er sich mit Grey und Buyse südöstlich.
Aber der Weg war voll von Gefahren, denn die Flüchtlinge reisten durch
eine Gegend, wo Jedermann den Ausgang der Schlacht schon kannte und kein
Reisender von verdächtigem Aussehen sich einer genauen Untersuchung
entziehen konnte. Sie ritten den ganzen Tag, indem sie Städte und Dörfer
sorgfältig vermieden. Das war auch nicht so schwierig, als es jetzt
scheinen mag, denn damals lebende Leute konnten sich noch sehr gut der
Zeit erinnern, wo sich das Rothwild in einer Reihenfolge von Wäldern von
den Ufern des Avon in Wiltshire bis zur südlichen Küste von Hampshire in
ungestörter Freiheit tummelte.[103] Auf Cranbourne Chase konnten endlich
die Pferde vor Erschöpfung nicht weiter. Man nahm ihnen daher Sattel und
Zaum ab, welche sorgfältig versteckt wurden, und ließ sie laufen.
Monmouth und seine Freunde verschafften sich nun Bauernanzüge, und so
verkleidet wanderten sie zu Fuß durch den Neuen Wald. Sie brachten die
Nacht unter freiem Himmel zu, aber noch vor dem Morgen waren sie auf
allen Seiten umzingelt. Lord Lumley, der mit einer starken Abtheilung
der Miliz von Sussex in Ringwood stand, hatte nach allen Richtungen hin
Detaschements ausgesandt und Sir Wilhelm Portman mit der Miliz von
Somerset vom Meeresufer bis ans nördliche Ende von Dorset eine
Postenkette aufgestellt. Am siebenten um fünf Uhr Morgens wurde Grey,
der sich von seinen Freunden entfernt hatte, von zwei Sussexer Spionen
ergriffen. Er ergab sich in sein Schicksal mit der Ruhe eines Mannes,
dem die Ungewißheit unerträglicher war als die sichere Aussicht auf
seinen Untergang. »Seit unsrer Landung«, sagte er, »habe ich weder eine
einzige ordentliche Mahlzeit, noch eine ruhige Nacht gehabt.« Man konnte
kaum daran zweifeln, daß der Hauptrebell nicht weit entfernt war, und
die Verfolger verdoppelten daher ihre Wachsamkeit und Thätigkeit. Lumley
ließ alle auf dem Haidelande an den Grenzen von Dorsetshire und
Hampshire zerstreut liegenden Hütten genau durchsuchen, und der
Landmann, mit welchem Monmouth die Kleider gewechselt hatte, wurde
entdeckt. Portman kam mit einer starken Abtheilung Reiterei und Fußvolk,
um Lumley bei seinen Nachforschungen zu unterstützen. Bald wurde ihre
Aufmerksamkeit auf eine Stelle gelenkt, die sich zum Versteck für
Flüchtlinge vortrefflich eignete. Es war ein bedeutender Landstrich,
welcher durch ein Gehege von dem offnen Lande getrennt und durch
zahlreiche Hecken in kleine Feldparcellen abgetheilt war. Auf einigen
dieser Felder waren der Roggen, die Erbsen und der Hafer hoch genug, um
einen Menschen zu verbergen; andere waren mit Farrnkraut und
Brombeersträuchern bedeckt. Eine arme Frau berichtete, daß sie in dem
Gehege zwei Fremde gesehen habe, die sich zu verbergen schienen. Die
nahe Aussicht auf eine Belohnung erhöhte den Eifer der Truppen. Es wurde
verabredet, daß jeder Mann, der bei der Durchsuchung seine Pflicht thue,
einen Antheil von den versprochenen fünftausend Pfund bekommen sollte.
Die äußere Umzäunung wurde mit Wachen besetzt und der innre Raum mit
unermüdlicher Sorgfalt durchforscht; mehrere gute Spürhunde durchsuchten
das Gebüsch. Der Abend brach herein, ehe das Geschäft beendigt war, aber
die ganze Nacht hindurch wurde sorgfältig Wache gehalten. Wohl
dreißigmal wagten es die Flüchtlinge, durch die äußere Umzäunung zu
blicken, aber überall fanden sie eine aufmerksam umherspähende
Schildwache. Einmal wurden sie gesehen und auf sie geschossen; dann
trennten sie sich und verbargen sich in verschiedenen Schlupfwinkeln.

    [Anmerkung 102: Die Insignien des Hosenbandordens.      D. Übers.]

    [Anmerkung 103: +Aubrey's Natural History of Wiltshire, 1691.+]


[_Seine Gefangennehmung._] Am nächsten Morgen mit Tagesanbruch begann
das Suchen von neuem und Buyse wurde gefunden. Er gestand, daß er sich
erst vor wenigen Stunden von dem Herzoge getrennt habe. Das Getreide und
das Gesträuch wurde nun mit noch größerer Sorgfalt untersucht. Endlich
wurde eine abgezehrte Gestalt in einem Graben gefunden. Die Verfolger
stürzten sich auf ihre Beute und einige von ihnen wollten feuern, aber
Portman verbot jede Gewaltthätigkeit. Der Gefangne trug die Kleidung,
eines Hirten, sein frühzeitig ergrauter Bart war seit mehreren Tagen
nicht rasirt. Er zitterte heftig und konnte nicht sprechen. Selbst
Diejenigen, die ihn oft gesehen hatten, zweifelten anfangs, ob dies
wirklich der glänzende und liebenswürdige Monmouth sei. Portman
untersuchte seine Taschen und fand darin unter grünen Erbsen, die er in
seinem quälenden Hunger abgepflückt hatte, eine Uhr, eine mit Gold
gefüllte Börse, ein kleines Werk über die Befestigungskunst, ein Album
mit Gedichten, Recepten, Gebeten und Zaubersprüchen, und den St. Georg,
mit dem König Karl II. vor vielen Jahren seinen Lieblingssohn geschmückt
hatte. Es wurden nun sogleich Boten mit der erfreulichen Nachricht nach
Whitehall abgesandt und der Gefangene unter starker Bedeckung nach
Ringwood gebracht.[104]

So war denn Alles verloren und es blieb ihm nichts mehr übrig, als daß
er sich vorbereitete, dem Tode so entgegenzugehen, wie es einem Manne
ziemte, der sich nicht für unwürdig gehalten, die Kronen Wilhelm's des
Eroberers und Richard's Löwenherz, des Helden von Cressy und des Helden
von Agincourt zu tragen. Der Gefangne hätte sich leicht noch anderer
Beispiele aus seiner Familie erinnern können, welche auf seine
gegenwärtige Lage besser paßten. In einem Zeitraume von hundert Jahren
waren zwei Souveraine, deren Blut in seinen Adern floß, darunter ein
zartes Weib, in der nämlichen Lage gewesen, in der er sich jetzt befand.
Sie hatten im Gefängniß und auf dem Schaffot einen Heldenmuth gezeigt,
dessen sie in den Tagen des Glücks nicht fähig gewesen waren, und hatten
ihre großen Fehler und Verbrechen zum Theil gesühnt, indem sie Alles,
was ihre siegreichen Feinde ihnen zufügen konnten, mit christlicher
Ergebung und majestätischer Würde ertrugen. Der Feigheit war Monmouth
nie beschuldigt worden, und hätte es ihm auch an natürlichem Muthe
gefehlt, so ließ sich erwarten, daß dieser Mangel durch den Stolz und
die Verzweiflung ersetzt werden würde. Die Augen der ganzen Welt waren
auf ihn gerichtet; die spätesten Geschlechter sollten es erfahren, wie
er sich in dieser kritischen Lage gezeigt hatte. Er war es den wackeren
Landleuten im Westen schuldig, ihnen zu beweisen, daß sie ihr Blut nicht
für einen ihrer Aufopferung unwürdigen Führer vergossen hatten, und dem
Weibe, die ihm Alles geopfert, war er es schuldig, sich so zu benehmen,
daß sie wohl um ihn weinen durfte, sich seiner aber nicht zu schämen
brauchte. Ihm stand es nicht an, zu jammern und um Gnade zu flehen; auch
mußte ihm schon sein Verstand sagen, daß er durch Klagen und Bitten
nichts erreichen würde. Er hatte etwas gethan, was nie vergeben werden
konnte, und er war in der Gewalt eines Mannes, der nie vergab.

Aber Monmouth's Muth war nicht jener erhabne Muth, der das Resultat der
Überlegung und der Selbstachtung ist; die Natur hatte ihm keines jener
starken Herzen verliehen, denen weder Mißgeschick noch Gefahren ein
Zeichen von Schwäche entreißen können. Sein Muth wuchs und sank nach
Maßgabe der auf ihn einwirkenden äußeren Eindrücke. Auf dem
Schlachtfelde wurde er durch die Aufregung des Kampfes, durch die
Hoffnung auf den Sieg und durch den mächtigen Einfluß der Sympathie
aufrecht erhalten. Alle diese Stützpunkte waren ihm jetzt entzogen. Das
verwöhnte Schooßkind des Hofes und des Volks, daran gewöhnt, überall wo
er sich zeigte, geliebt und vergöttert zu werden, war jetzt von
finsteren Kerkermeistern umgeben, in deren Blicken er sein Schicksal
las. Noch einige Stunden düstrer Abgeschiedenheit, und er mußte eines
gewaltsamen und schimpflichen Todes sterben. Sein Muth war völlig
gebrochen. Das Leben schien ihm werth, durch jede Erniedrigung erkauft
zu werden, und sein stets schwacher, jetzt aber noch durch die Angst
verwirrter Verstand sah nicht ein, daß Demüthigungen ihn herabwürdigen
mußten, aber nicht retten konnten.

    [Anmerkung 104: +Account of the manner of taking the late Duke of
    Monmouth, published by His Majesty's command. Gazette de France,
    July 18.(28.) 1685+; +Eachard III. 770+; +Burnet I. 644+, und
    Dartmouth's Note; Citters, 10.(20.) Juli 1685.]


[_Sein Brief an den König._] Sogleich nach seiner Ankunft in Ringwood
schrieb er an den König. Aus seinem Briefe sprach feige Angst, die kein
Ehrgefühl mehr kennt. Er versicherte in Ausdrücken der heftigsten
Verzweiflung, daß er seinen Verrath bereue und daß es zu der Zeit, als
er seinen Verwandten versprach, keine Unruhen in England hervorzurufen,
sein fester Vorsatz gewesen sei, sein Wort zu halten. Leider hätten
nachher einige abscheuliche Menschen ihn seiner Unterthanentreue
entfremdet, indem sie sein Blut durch Verleumdungen erhitzten und seinen
Verstand durch Sophismen irreleiteten; jetzt aber verabscheue er sie
sowohl als sich selbst. In kläglichen Ausdrücken flehte er um die Gunst
einer Unterredung mit dem Könige. Es handle sich um ein Geheimniß, das
er dem Papiere nicht anvertrauen könne, um ein Geheimniß, das in einem
einzigen Worte enthalten sei und das, wenn er es ihm mittheile, den
Thron gegen jede Gefahr sicherstellen werde. Am folgenden Tage schrieb
er auch noch an die Königin Wittwe und an den Lordschatzmeister, die er
beide dringend bat, sich für ihn zu verwenden.[105]

Das Erstaunen war groß, als es in London bekannt wurde, wie tief er sich
erniedrigt hatte, und Niemand wunderte sich mehr darüber, als Barillon,
der zwei blutige Proscriptionen in England erlebt und zahlreiche Opfer,
sowohl von der Opposition als vom Hofe, gesehen hatte, die sich ohne
weibisches Flehen und Jammern in ihr Schicksal ergaben.[106]

    [Anmerkung 105: Der Brief an den König wurde damals auf besondren
    Befehl gedruckt, der an die Königin Wittwe befindet sich unter Sir
    H. Ellis' Originalbriefen; der an Rochester in Clarendon's
    Correspondenz.]

    [Anmerkung 106: Er schrieb: +»On trouve fort à redire icy qu'il
    ayt fait une chose si peu ordinaire aux Anglois.«+ 13.(23.) Juli
    1685.]


[_Er wird nach London abgeführt._] Monmouth und Grey blieben zwei Tage
in Ringwood und wurden dann unter Bedeckung eines starken Detaschements
regulärer Truppen und Milizen nach London abgeführt. Im Wagen des
Herzogs saß ein Offizier, welcher Befehl hatte, den Gefangnen sofort
niederzustoßen=, wenn er einen Fluchtversuch machen sollte. Auf dem
ganzen Wege war in jeder Stadt die Miliz der Umgegend unter dem Commando
der vornehmsten Gentry versammelt. Die Reise dauerte drei Tage und
endete zu Vauxhall, wo ein von Georg Legge, Lord Dartmouth, befehligtes
Regiment die Gefangenen in Empfang nahm. Sie wurden hierauf zu Wasser in
einer Staatsbarke nach Whitehall gebracht. Lumley und Portman hatten
abwechselnd Tag und Nacht den Herzog bewacht, bis sie ihn wohlbehalten
in den Mauern des Palastes ablieferten.[107]

Sowohl Monmouth's als auch Grey's Benehmen während der Reise erfüllte
jeden Beobachter mit Erstaunen; Monmouth war gänzlich zu Boden
geschmettert; Grey dagegen war nicht nur gefaßt, sondern sogar heiter,
sprach ganz vergnügt von Pferden und Hunden, von Jagd und Wettrennen,
und machte selbst scherzhafte Anspielungen auf die gefährliche Lage, in
der er sich befand.

Man kann den König wegen seines Entschlusses, daß Monmouth den Tod
erleiden sollte, nicht tadeln. Wer sich an die Spitze eines Aufstandes
gegen die bestehende Regierung stellt, setzt sein Leben aufs Spiel, und
Auflehnung gegen die königliche Gewalt war nur der geringste Theil von
Monmouth's Verbrechen. Er hatte seinem Oheim einen Krieg ohne Pardon
erklärt. In dem zu Lyme erlassenen Manifeste war Jakob als Brandstifter,
als Meuchelmörder, der einen Unschuldigen erdrosselt und einem Andren
die Kehle abgeschnitten, und schließlich als Vergifter seines eignen
Bruders der öffentlichen Verwünschung preisgegeben worden. Einen Freund
zu schonen, der sich kein Gewissen daraus gemacht, zu so schändlichen
Mitteln zu greifen, würde ein Act seltner, vielleicht tadelnswerther
Großmuth gewesen sein; ihn aber zu empfangen und dann nicht zu schonen,
dies war ein Frevel an der Humanität und der Schicklichkeit.[108] Der
König beging diesen Frevel. Dem Gefangnen wurden vermittelst einer
seidnen Schnur die Hände auf den Rücken gebunden, und nachdem man ihn
auf diese Weise unschädlich gemacht, wurde er bei dem unversöhnlichen
Verwandten, den er so schwer beleidigt hatte, eingeführt.

    [Anmerkung 107: +Account of the manner of taking The Duke of
    Monmouth+; +London Gazette, July 16. 1685+; Citters, Juli
    14.(24.)]

    [Anmerkung 108: Barillon nahm unverkennbar großes Ärgerniß daran.
    Er schreibt: +»Il se vient de passer icy une chose bien
    extraordinaire et fort opposée à l'usage ordinaire des autres
    nations.«+ 13.(23.) Juli 1685.]


[_Seine Unterredung mit dem Könige._] Monmouth warf sich nieder und
kroch bis zu den Füßen des Königs. Er weinte und versuchte mit seinen
gefesselten Armen die Knie seines Oheims zu umfassen; er flehte um sein
Leben, nur um sein Leben, um sein Leben um jeden Preis. Er gestand, daß
er sich eines großen Verbrechens schuldig gemacht habe, versuchte es
aber, die Schuld auf Andere zu wälzen, namentlich auf Argyle, der eher
seine Füße in die spanischen Stiefeln gesteckt, als sein Leben durch
eine solche Gemeinheit gerettet haben würde. Bei den Banden der
Verwandtschaft, bei dem Gedächtniß des verstorbnen Königs, des besten
und aufrichtigsten Bruders, beschwor der Unglückliche den König, einige
Gnade walten zu lassen. Jakob erwiederte in ernstem Tone, diese Reue
komme zu spät, er bedaure das Unglück, das der Gefangne selbst über sich
gebracht habe, aber der Fall sei nicht geeignet, zur Milde zu stimmen.
Der Herzog habe eine mit den abscheulichsten Verleumdungen angefüllte
Erklärung erlassen und sich den Königstitel angemaßt; für einen unter so
erschwerenden Umständen verübten Verrath könne es diesseit des Grabes
keine Verzeihung geben. Der unglückliche Herzog betheuerte, daß er nie
nach dem Besitz der Krone getrachtet habe, sondern daß er nur durch
Andere zu dem unheilvollen Beginnen verleitet worden sei. Die Erklärung
habe er nicht geschrieben, ja nicht einmal gelesen, er habe sie
unterzeichnet, ohne sie nur anzusehen, sie sei lediglich das Werk
Ferguson's, des blutdürstigen Schurken Ferguson. »Ihr werdet mich doch
nicht glauben machen wollen«, sagte Jakob mit nur zu wohl verdienter
Verachtung, »daß Ihr Euren Namen unter ein Dokument von solcher
Bedeutung setztet, ohne den Inhalt desselben zu kennen?« Jetzt blieb nur
noch eine Stufe der Infamie übrig, und selbst zu dieser stieg der
Gefangne herab. Er war vorzugsweise als Vertheidiger der
protestantischen Religion aufgetreten. Das Interesse dieses Glaubens war
der Vorwand gewesen, unter dem er sich gegen die Regierung seines Vaters
verschwor und die Drangsale eines Bürgerkrieges über sein Vaterland
brachte; dennoch schämte er sich nicht, anzudeuten, daß er geneigt sei,
sich mit der römischen Kirche wieder auszusöhnen. Der König bot ihm
bereitwilligst geistlichen Beistand an, sagte aber kein Wort von
Begnadigung oder Aufschub. »Ich habe also keine Hoffnung?« fragte
Monmouth. Jakob wendete sich schweigend von ihm ab. Der Herzog raffte
nun seinen ganzen Muth zusammen, erhob sich und verließ mit einer
Festigkeit, die er seit seinem Sturze noch nicht gezeigt hatte, das
Gemach.[109]

Nach ihm wurde Grey eingeführt. Er benahm sich mit so edlem Anstande und
solcher Fassung, daß selbst der finstre und rachsüchtige König davon
ergriffen wurde, gestand seine Schuld offen ein, versuchte es nicht,
sich zu entschuldigen, und ließ sich nicht ein einziges Mal herab, um
sein Leben zu bitten. Beide Gefangene wurden zu Wasser in den Tower
geschickt. Es gab keinen Tumult, aber viele Tausende suchten mit
ängstlicher und betrübter Miene einen Blick auf die Gefangenen zu
werfen. Den Herzog verließ seine Festigkeit wieder, sobald er dem Könige
aus dem Gesicht war. Auf dem Wege in sein Gefängniß bejammerte er laut
sein Geschick, klagte seine Anhänger an und bat in erniedrigender Weise
Dartmouth um seine Verwendung. »Ich weiß, Mylord,« sagte er zu ihm, »daß
Sie meinen Vater liebten. Um seinetwillen und um Gotteswillen versuchen
Sie es, Gnade für mich zu erwirken!« Dartmouth antwortete ihm, der König
habe die Wahrheit gesagt: ein Unterthan, der sich den Königstitel
angemaßt, habe sich selbst jeder Hoffnung auf Gnade begeben.[110]

Bald nach seiner Ankunft im Tower wurde Monmouth gemeldet, daß seine
Gemahlin auf königlichen Befehl zu ihm gesandt sei, um ihn zu besuchen.
Sie war begleitet vom Geheimsiegelbewahrer, Earl von Clarendon. Ihr
Gemahl empfing sie sehr kalt und sprach fast nur mit Clarendon, den er
dringend um seine Fürsprache bat. Der Earl machte ihm keine Hoffnung,
und noch den nämlichen Abend kamen zwei Prälaten, Turner, Bischof von
Ely, und Ken, Bischof von Bath und Wells, mit einer feierlichen
Botschaft vom Könige in den Tower. Es war Montag Nacht. Am Mittwoch
Morgen sollte Monmouth sterben.

Er war heftig erschüttert, alles Blut trat aus seinen Wangen, und es
dauerte eine Weile, ehe er sprechen konnte. Den größten Theil der kurzen
Zeit, die ihm noch vergönnt war, verschwendete er in nutzlosen
Versuchen, wenn nicht Begnadigung, doch einen Aufschub zu erlangen. Er
schrieb klägliche Briefe an den König und an mehrere Höflinge, aber
vergebens. Von Seiten des Hofes wurden einige katholische Geistliche zu
ihm gesandt, sie überzeugten sich jedoch bald, daß er zwar gern durch
Abschwörung des Glaubens, als dessen Vertheidiger er sich ganz speciell
erklärt hatte, sein Leben erkaufen würde, daß er aber, wenn er einmal
sterben müßte, eben so gern ohne ihre Absolution als mit derselben
sterben würde.[111]

Ken und Turner waren mit seiner Gemüthsverfassung nicht viel
zufriedener. Die Lehre von der Verwerflichkeit des Widerstandes war nach
ihrer eigenen wie nach der Ansicht ihrer Berufsgenossen das
unterscheidende Merkmal der anglikanischen Kirche. Die beiden Bischöfe
drangen in Monmouth, er solle zugestehen, daß er durch seine bewaffnete
Auflehnung gegen die Regierung eine große Sünde begangen habe; aber sie
fanden ihn in diesem Punkte entschieden heterodox. Und dies war nicht
seine einzige Ketzerei. Er behauptete, sein Verhältniß mit Lady
Wentworth sei in den Augen Gottes tadellos. Er sei schon als Knabe
vermählt worden und habe sich nie um die Herzogin gekümmert; er habe
daher das Glück, das er in seiner Häuslichkeit nicht gefunden, in einer
Reihenfolge lockerer Liebschaften gesucht, welche die Religion und die
Moral verdammten. Henriette habe ihn seinem lasterhaften Lebenswandel
entrissen, ihr sei er beständig treu geblieben. In gemeinschaftlichem
Gebet hätten sie den Himmel um seine göttliche Leitung angefleht und
nach solchem Gebet hätten sie ihre gegenseitige Zuneigung jedesmal
stärker gefunden, so daß sie nicht länger hätten zweifeln können, daß
ihre Verbindung in den Augen Gottes so gut wie eine gesetzliche Ehe sei.
Die beiden Bischöfe waren so entrüstet über diese Auffassung des
ehelichen Verhältnisses, daß sie sich weigerten, dem Gefangenen das
Abendmahl zu reichen. Alles, was sie von ihm erlangen konnten, war das
Versprechen, daß er in der letzten Nacht, die er noch zu leben hatte,
den Himmel um Erleuchtung bitten wolle, wenn er im Irrthum sei.

Am Mittwoch Morgen kam auf sein besonderes Ansuchen +Dr.+ Thomas
Tenison, welcher damals Vikar zu St. Martin war und sich in diesem
wichtigen Amte die hohe Achtung des Publikums erworben hatte, in den
Tower. Der Herzog erwartete von Tenison, dessen gemäßigte Ansichten
bekannt waren, mehr Nachsicht als Ken und Turner gegen ihn zu üben
geneigt waren. Welcher Ansicht aber Tenison auch in Betreff des
Nichtwiderstandes sein mochte, den letztem Aufstand hielt er für
übereilt und strafbar, und Monmouth's Begriff von der Ehe betrachtete er
als einen höchst gefährlichen Irrwahn. Monmouth blieb jedoch hartnäckig
bei seiner Meinung. Er habe Gott gebeten, daß er ihn erleuchten möge,
sagte er; aber seine Ansichten seien unverändert geblieben, und er könne
daher nicht zweifeln, daß es die richtigen seien. Tenison's Ermahnungen
waren indessen in einem milderen Tone gehalten als die der Bischöfe.
Aber auch er war, gleich ihnen, der Meinung, daß er es nicht
verantworten könne, wenn er einem Manne, dessen Bußfertigkeit so
unbefriedigend sei, das Abendmahl reichte.[112]

Die Stunde rückte immer näher heran, jede Hoffnung war geschwunden, und
Monmouth's kleinmüthige Angst hatte sich in gefühllose Verzweiflung
verwandelt. Seine Kinder wurden in Begleitung ihrer Mutter bei ihm
eingeführt, damit er Abschied von ihnen nehme. Er sprach freundlich,
aber ohne Rührung mit seiner Gemahlin. Obgleich sie eine Frau von großer
Seelenstärke war und wenig Ursache hatte, ihn zu lieben, so war ihr
Schmerz doch so heftig, daß keiner der Umstehenden sich der Thränen
enthalten konnte. Er allein blieb ungerührt.[113]

    [Anmerkung 109: +Burnet I. 644+; +Evelyn's Diary, July 15.+; +Sir
    J. Bramston's Memoirs+; +Reresby's Memoirs+; Jakob an den Prinzen
    von Oranien vom 14. Juli 1685; Barillon, 16.(26.) Juli; +Buccleuch
    MS.+]

    [Anmerkung 110: Jakob an den Prinzen von Oranien vom 14. Juli
    1685; Holländische Depesche von dem nämlichen Datum; Luttrell's
    Tagebuch; Dartmouth's Anmerkung in Burnet I. 646.]

    [Anmerkung 111: +Buccleuch MS.+; +Clarke's Life of James the
    Second, II. 37+; +Orig. Mem.+; Citters, 14.(24.) Juli 1685;
    +Gazette de France, Aug. 1.(11.)+]

    [Anmerkung 112: +Buccleuch MS.+; +Clarke's Life of James the
    Second, II. 37. 38+; +Orig. Mem.+; +Burnet, I. 645+; Tenison's
    Bericht in Kennet III. 432, Ausg. v. 1719.]

    [Anmerkung 113: +Buccleuch MS.+]


[_Seine Hinrichtung._] Es war zehn Uhr. Der Wagen des Gouverneurs vom
Tower stand bereit. Monmouth bat seine geistlichen Beistände, daß sie
ihn auf den Richtplatz begleiten möchten; sie willigten ein, sagten ihm
aber, daß er, ihrer Überzeugung nach, dem Tode in einem gefährlichen
Seelenzustande entgegengehe und daß es ihre Pflicht sei, bis zum letzten
Augenblicke Ermahnungen an ihn zu richten. Als er durch die Reihen der
Garden fuhr, begrüßte er sie mit einem Lächeln und bestieg mit festem
Schritte das Schaffot. Tower Hill war bis zu den Spitzen der
Schornsteine mit einer unzähligen Zuschauermenge bedeckt die in
ehrerbietiger, nur durch Weinen und Schluchzen unterbrochener Stille den
letzten Worten des Lieblings des Volkes lauschten. »Ich werde wenig
sagen,« hob er an. »Ich komme hierher, nicht um zu sprechen, sondern um
zu sterben. Ich sterbe als Protestant der englischen Kirche.« Die
Bischöfe unterbrachen ihn, indem sie sagten, daß er kein Mitglied ihrer
Kirche sei, wenn er nicht den Widerstand als sündhaft anerkenne. Er
sprach nun von seiner Henriette. Sie sei eine tugendhafte und
ehrenwerthe junge Dame, sagte er; er liebe sie bis zum letzten
Augenblicke und könne nicht sterben, ohne seine Gefühle zu äußern. Die
Bischöfe unterbrachen ihn abermals und baten ihn, keine solche Sprache
zu führen. Es entspann sich ein kurzer Wortwechsel. Man hat den
Geistlichen zu große Härte gegen den Sterbenden vorgeworfen; aber sie
entledigten sich nur einer ihrer Überzeugung nach heiligen Pflicht.
Monmouth kannte ihre Grundsätze, und wenn er ihre lästige Zusprache
nicht wünschte, so hätte er ihre Begleitung ablehnen sollen. Ihre
gewöhnlichen Argumente für die Verwerflichkeit des Widerstandes äußerten
keine Wirkung auf ihn. Als sie ihn aber an das Unglück erinnerten, das
er über seine wackeren und ihn liebenden Anhänger gebracht, an das
vergossene Blut und an die vielen Seelen, welche unvorbereitet vor den
höchsten Richterstuhl gesandt worden, da ward er tief ergriffen und
sagte mit sanfter Stimme: »Ja, ich gestehe es, es thut mir leid, daß es
geschehen ist.« Sie beteten hierauf lange und inbrünstig mit ihm, und er
stimmte in ihre Gebete ein, bis sie für den König des Himmels Segen
erflehten. Hier schwieg er. »Betet Ihr nicht mit uns für den König,
Sir?« fragte einer der Umstehenden. Monmouth schwieg noch eine Weile und
nach einem heftigen inneren Kampfe sagte er: »Amen«. Vergebens aber
forderten die Prälaten ihn auf, an die Soldaten und das versammelte Volk
einige Worte über die Pflicht des Gehorsams gegen die Regierung zu
richten. »Ich will keine Rede halten,« rief er aus; »nur zehn Worte,
Mylord.« Er wendete sich um, rief seinen Diener und händigte ihm eine
Zahnstocherbüchse ein, das letzte Unterpfand einer unglücklichen Liebe.
»Dies gieb jener Person,« sagte er zu ihm. Hierauf wendete er sich zu
Johann Ketch, dem Scharfrichter, einem Elenden, der schon manch muthiges
und edles Opfer hingeschlachtet und dessen Namen das Volk noch ein und
ein halbes Jahrhundert lang Allen, die ihm in seinem widerlichen Amte
folgten, beilegte[114]. »Hier,« sagte der Herzog, »sind sechs Guineen
für Euch. Aber hackt mich nicht, wie Ihr es bei Lord Russel gethan habt.
Ich habe gehört, daß Ihr drei- oder viermal nach ihm schluget. Mein
Diener soll Euch noch etwas Geld geben, wenn Ihr Eure Sache gut macht.«
Er entkleidete sich sodann, untersuchte die Schneide des Beils, äußerte
die Besorgniß, daß es wohl nicht scharf genug sei, und legte endlich das
Haupt auf den Block. Währenddem riefen die Geistlichen beständig mit
großem Eifer aus: »Gott nehme Eure Reue an! Gott nehme Eure
unvollkommene Reue an!«

Der Henker schickte sich an, sein Geschäft zu verrichten; aber die Worte
des Herzogs hatten ihn aus der Fassung gebracht. Der erste Hieb brachte
ihm nur eine leichte Wunde bei. Der Herzog erhob sich schwankend von dem
Blocke und sah den Scharfrichter vorwurfsvoll an. Dann ließ er das Haupt
wieder auf den Block sinken. Der Scharfrichter schlug noch einmal und
noch einmal; aber noch war der Kopf nicht vom Rumpfe getrennt, der sich
aufs neue bewegte. Ein Geschrei des Entsetzens und des Unwillens erhob
sich unter der Menge. Mit einem Fluche warf Ketch das Beil zu Boden.
»Ich kann es nicht thun«, sagte er, »das Herz bricht mir!« -- »Hebe das
Beil auf, Mensch!« rief der Sheriff. »Werft ihn über das Geländer!«
brüllte der Pöbel. Endlich wurde das Beil wieder aufgehoben und zwei
neue Schläge verlöschten den letzten Lebensfunken; aber der Kopf mußte
noch mit einem Messer vollends von den Schultern getrennt werden. Das
Volk war so außer sich vor Wuth, daß der Scharfrichter in Gefahr war, in
Stücke zerrissen zu werden und daß er unter starker Bedeckung abgeführt
werden mußte[115].

Inzwischen wurden viele Tücher in das Blut des Herzogs getaucht, denn
ein großer Theil der Menge betrachtete ihn als einen Märtyrer, der für
den protestantischen Glauben gestorben war. Kopf und Rumpf wurden in
einen mit schwarzen Sammet bedeckten Sarg gelegt und in aller Stille
unter dem Abendmahlstische der St. Peterskapelle im Tower beigesetzt.
Vier Jahre später wurden die Steinplatten des Altarplatzes wieder
aufgehoben und dicht neben Monmouth's Hülle die Überreste Jeffreys'
gelegt. Es giebt in Wahrheit keine traurigere Grabstätte in der Welt als
dieser kleine Platz. Die dort liegenden Todten erinnern nicht, wie in
der Westminsterabtei und in der Paulskirche, an Genie und Tugend, nicht,
wie in unseren bescheidensten Kirchen und Gottesäckern, an Alles, was
der gesellschaftlichen und häuslichen Liebe am theuersten ist, sondern
an die dunkelsten Seiten des menschlichen Characters und Schicksals, an
den wilden Triumph unerbittlicher Feinde, an die Unbeständigkeit,
Undankbarkeit und Feigheit treuloser Freunde, an all' das Elend
gefallener Größe und verblichenen Glanzes. Dorthin wurden Jahrhunderte
hindurch auf den Schultern rauher Kerkerknechte, ohne Trauergeleite, die
blutenden Überreste von Männern getragen, welche Befehlshaber von
Armeen, Führer von Parteien, Orakel von Senaten und Zierden souverainer
Höfe gewesen waren. Dorthin wurde, unter dem Fenster vorüber, an welchem
Johanna Grey betete, der zerrissene Leichnam Guildford Dudley's
getragen. Dort ruht Eduard Seymour, Herzog von Somerset und Protector
des Reiches, an der Seite des Bruders, den er ermordet. Dort modert der
kopflose Rumpf Johann Fisher's, Bischofs von Rochester und Cardinals von
St. Vitalis, eines Mannes; der zu einer besseren Zeit zu leben und für
eine bessere Sache zu sterben verdient hätte. Dort liegen Johann Dudley,
Herzog von Northumberland und Lordgroßadmiral, und Thomas Cromwell, Earl
von Essex und Lordoberschatzmeister. Dort liegt auch noch ein andrer
Essex, an den die Natur und das Glück ihre herrlichsten Gaben umsonst
verschwendet hatten, den Tapferkeit, Anmuth, Genie, königliche Gunst und
Beifall des Volks zu einem frühzeitigen und schmachvollen Untergange
führten. Nicht weit davon ruhen zwei Oberhäupter des großen Hauses
Howard, Thomas, vierter Herzog von Norfolk, und Philipp, elfter Earl von
Arundel. Zwischen den zahlreichen Gräbern unruhiger und ehrgeiziger
Staatsmänner zerstreut schlummern daselbst auch zartere Dulder:
Margarethe von Salisbury, die letzte des stolzen Namens Plantagenet, und
die beiden schönen Königinnen, welche Heinrich's eifersüchtiger Wuth zum
Opfer fielen. Mit solchem Staub ward Monmouth's Staub vermischt.[116]

Noch wenige Monate, und das friedliche Dorf Toddington in Bedfordshire
sah ein noch erschütternderes Leichenbegängniß. Unweit dieses Dorfes
stand ein altes, stattliches Schloß, der Stammsitz der Wentworth. Das
Querschiff der Pfarrkirche war seit langer Zeit ihr Begräbnißplatz. In
dieser Grabstätte ward im ersten Frühling nach Monmouth's Tode der Sarg
der jungen Baronesse Wentworth von Nettlestede getragen. Ihre Familie
ließ ihr ein prächtiges Mausoleum errichten; aber ein viel einfacheres
Erinnerungszeichen an sie wurde lange mit weit größerer Theilnahme
betrachtet. Ihr Name, von der Hand des Mannes eingeschnitten, den sie
nur zu sehr liebte, war noch mehrere Jahre nachher an einem Baume des
anstoßenden Parkes zu erkennen.

    [Anmerkung 114: Der Name Ketch's wurde in den Spottgedichten jener
    Zeit oft mit dem Namen Jeffreys' in Verbindung gebracht:

        »Jeffreys sitzt auf der Bank, Ketch auf dem Galgen,«

    sagt ein Dichter. Das Jahr darauf nach Monmouth's Hinrichtung
    wurde Ketch seines Amtes entsetzt, weil er einen der Sheriffs
    beleidigt hatte, und ihm folgte ein Metzger, Namens Rose. Aber
    schon nach vier Monaten wurde Rose selbst in Tyburn gehängt und
    Ketch wieder in seine Stelle eingesetzt. +Luttrell's Diary, Jan.
    20. & May 28. 1686.+ Siehe auch eine interessante Note von Dr.
    Grey im Hudibras, Th. II. Ges. 2, Zeile 1534.]

    [Anmerkung 115: Bericht über die Hinrichtung Monmouth's,
    unterzeichnet von den Geistlichen, die ihn begleiteten. +Buccleuch
    MS.+; +Burnet, I. 646+; Citters, 17.(27.) Juli 1685; +Luttrell's
    Diary+; +Evelyn's Diary, July 15+; Barillon, 19.(29.) Juli.]

    [Anmerkung 116: Ich kann nicht umhin, hier meine Entrüstung über
    die barbarische Thorheit auszusprechen, welche diese höchst
    interessante Kirche in ein Gebäude verwandelt hat, das dem
    Versammlungshause in einer Fabrikstadt ähnlich sieht.]


[_Wie das niedere Volk sein Andenken ehrte._] Lady Wentworth war nicht
die Einzige, die das Andenken des Herzogs mit abgöttischer Liebe ehrte.
Er lebte fort in den Herzen des Volks, bis das Geschlecht, das ihn
gesehen hatte, verschwunden war. Bänder, Schnallen und andere
geringfügige Kleinigkeiten, die er an sich getragen, wurden von Denen,
welche bei Sedgemoor unter ihm gefochten hatten, wie kostbare Reliquien
aufbewahrt. Alte Leute, die ihn lange überlebten, sprachen in ihrer
Sterbestunde den Wunsch aus, daß man ihnen diese Kleinigkeiten mit in's
Grab geben möchte. Ein Knopf von Goldlahn, der mit Mühe diesem
Schicksale entging, ist noch in einem Hause zu sehen, von welchem aus
man das Schlachtfeld überblickt. Das Volk hing mit einer solchen
Zärtlichkeit an seinem unglücklichen Lieblinge, daß trotz der
augenfälligsten Beweise, die seinen Tod betätigten, Viele noch immer die
Hoffnung hegten, daß er lebe und bald wieder bewaffnet erscheinen werde.
Es hieß, ein Mann, der dem Herzoge auffallend ähnlich sähe, habe sich
selbst aufgeopfert, um den Helden des Protestantismus zu retten. Bei
jeder politischen Krisis von einiger Wichtigkeit flüsterte das gemeine
Volk sich zu, die Zeit sei nahe und König Monmouth werde sich bald
zeigen. Im Jahre 1686 wurde ein Betrüger, der sich für den Herzog
ausgegeben und in verschiedenen Dörfern von Wiltshire Gelder
eingesammelt hatte, eingefangen und von Newgate nach Tyburn gepeitscht.
Im Jahre 1698, nachdem England schon lange unter einem neuen
Herrscherstamme constitutionelle Freiheit genoß, gab sich der Sohn eines
Gastwirths bei den Freisassen von Sussex für ihren geliebten Monmouth
aus und täuschte Viele, die keineswegs der untersten Klasse angehörten.
Es wurden fünfhundert Pfund Sterling für ihn gesammelt, die Pächter
schenkten ihm ein Pferd, ihre Frauen schickten ihm ganze Körbe voll
Hühner und Enten und man sagte sogar, daß sie auch zärtlichere
Gunstbezeigungen an ihn verschwendeten, denn im Punkte der Galanterie
wenigstens war der Doppelgänger ein nicht unwürdiger Repräsentant des
Originals. Als dieser Mensch wegen seines Betrugs in's Gefängniß
geworfen wurde, verschafften ihm seine Anhänger dort alle möglichen
Genüsse. Viele erschienen bei den Sitzungen der Assisen von Horsham, um
ihn durch ihre Anwesenheit zu ermuthigen. Die Täuschung währte noch
immer fort als Georg III. bereits drei Jahre auf dem Throne saß, bis
Voltaire es endlich für nöthig hielt, allen Ernstes die Muthmaßung zu
entkräften, daß der Mann mit der eisernen Maske der Herzog von Monmouth
sei.[117]

Es dürfte keine minder auffallende Thatsache sein, daß bis auf den
heutigen Tag die Bewohner einiger westlichen Provinzen Englands, sobald
irgend eine ihre Interessen berührende Bill im Hause der Lords zur
Verlesung kommt, sich für berechtigt hielten, auf die Unterstützung des
Herzogs von Buccleuch, eines Nachkommen des unglücklichen Oberhauptes,
für den ihre Vorfahren bluteten, Anspruch zu machen.

Die Geschichte Monmouth's würde allein genügen, um den Vorwurf der
Unbeständigkeit zu widerlegen, der dem gemeinen Volke so oft gemacht
wird. Allerdings ist das niedere Volk zuweilen unbeständig, weil es eben
Menschen sind; daß es aber unbeständig sei im Vergleich zu den höheren
Klassen, zu dem Adel und zu den Fürsten, muß entschieden geleugnet
werden. Man könnte leicht Demagogen namhaft machen, deren Popularität
sich nicht vermindert hat, während Souveraine und Parlamente einer
langen Reihe von Staatsmännern ihr Vertrauen entzogen haben. Als Swift's
Geisteskräfte sich schon viele Jahre überlebt hatten, fuhr das irische
Volk noch immer fort, an seinem Geburtstage Freudenfeuer anzuzünden, zur
Erinnerung an die Dienste, die er, wie sie glaubten, dem Vaterlande zu
der Zeit geleistet hatte, da sein Geist noch in voller Kraft war.
Während sieben Ministerien zur Macht erhoben und in Folge von
Hofintriguen oder Gesinnungsveränderungen der höheren Klassen der
Gesellschaft wieder vertrieben wurden, behauptete der verworfene Wilkie
seine Herrschaft über einen Pöbel, den er brandschatzte und verhöhnte.
Politiker, welche 1807 sich bei Georg III. in Gunst zu setzen suchten,
indem sie Karolinen von Braunschweig vertheidigten, schämten sich nicht,
dreizehn Jahre später die nämliche Fürstin zu verfolgen, um sich bei
Georg IV. einzuschmeicheln. Die ganze Masse der arbeitenden Klassen aber
war im Jahre 1820 noch eben so für sie begeistert wie 1807. So war es
auch mit Monmouth. Im Jahre 1680 war er in gleichem Maße von der Gentry
wie von dem Landvolke des Westens verehrt worden, und als er im Jahre
1685 wieder erschien, war er für die Gentry ein Gegenstand der Abneigung
geworden, während das Landvolk ihm noch immer mit einer den Tod nicht
scheuenden Liebe zugethan war, mit einer Liebe, die weder Mißgeschick
und Fehler, noch die Flucht von Sedgemoor, noch der Brief von Ringwood,
noch die Thränen und schmachvollen Bitten in Whitehall zu ersticken
vermochten. Nicht Unbeständigkeit ist es, was man dem niederen Volke zum
Vorwurf machen kann, sondern nur, daß es in der Wahl seiner Lieblinge
fast stets so unglücklich ist, daß seine Beständigkeit ein Fehler und
keine Tugend wird.

    [Anmerkung 117: +Observator, Aug. 1. 1685+; +Gazette de France,
    Nov. 2. 1686+; Brief von Humphrey Wanley vom 25. Aug. 1698 in der
    Aubrey'schen Sammlung; +Voltaire, Dict. Phil.+ In der Pepys'schen
    Sammlung befinden sich mehrere nach Monmouth's Tode geschriebene
    Balladen, in denen er als noch lebend dargestellt und seine
    baldige Rückkehr prophezeit wird.]


[_Grausamkeiten der Soldaten im Westen._] Während Monmouth's Hinrichtung
die Gemüther der Londoner beschäftigte, mußten die Grafschaften, die
sich gegen die Regierung erhoben hatten, alle Unbilden ertragen, die
eine zügellose Soldateska nur ersinnen kann. Feversham war an den Hof
eingeladen worden, wo ihn Ehren und Gunstbezeigungen erwarteten, die er
wenig verdiente. Er wurde zum Ritter des Hosenbandordens ernannt und
erhielt den Befehlshaberposten über die erste und am besten besoldete
Abtheilung der Leibgarde; aber Hof und Stadt lachte über seine
militairischen Heldenthaten und Buckingham's Witz sprühte seine letzten
schwachen Funken gegen den General aus, der im Bett eine Schlacht
gewonnen hatte.[118]

    [Anmerkung 118: +London Gazette, Aug. 3. 1685+; +The Battle of
    Sedgemoor, a Farce.+]


[_Kirke._] Feversham übertrug das Commando in Bridgewater dem Obersten
Percy Kirke, einem Abenteurer, dessen Laster in der schlechtesten aller
militairischen Schulen, in Tanger, entwickelt worden waren. Kirke hatte
einige Jahre hindurch die Besatzung dieser Stadt commandirt und war
beständig in Feindseligkeiten mit fremden Barbarenstämmen verwickelt
gewesen, welche die Regeln und Gesetze der Kriegführung gebildeter und
christlicher Nationen nicht kannten. Innerhalb der Mauern seiner Festung
war er ein despotischer Fürst und seine Tyrannei wurde nur durch die
Furcht, von der entfernten und sorglosen Regierung zur Verantwortung
gezogen zu werden, einigermaßen in Schranken gehalten. Er konnte sich
daher ohne Gefahr die frechsten Ausschweifungen der Raubgier, der
Sittenlosigkeit und der Grausamkeit erlauben. Er lebte in zügelloser
Üppigkeit und Verschwendung und verschaffte sich durch Erpressungen die
Mittel, um seinen Lüsten zu fröhnen. Keine Waaren konnten verkauft
werden, ohne daß Kirke das Vorkaufsrecht geltend machte, keine
Rechtsfrage konnte entschieden werden, bevor Kirke bestochen war. Einst
ließ er aus bloßer übermüthiger Laune im Keller eines Weinhändlers alten
Fässern den Boden einschlagen; ein andermal vertrieb er alle Juden aus
Tanger und überlieferte zwei von ihnen der spanischen Inquisition, die
sie ohne weiteres verbrannte. Und unter dieser eisernen Herrschaft ward
kaum eine Klage laut, da der Haß durch die Furcht wirksam niedergehalten
wurde. Zwei Personen, die sich widersetzlich gezeigt hatten, wurden
ermordet gefunden, und man war allgemein der Überzeugung, daß sie auf
Kirke's Befehl umgebracht worden waren. Wenn er mit seinen Soldaten
nicht zufrieden war, peitschte er sie mit schonungsloser Strenge,
entschädigte sie aber wieder dafür, indem er ihnen erlaubte, auf der
Wache zu schlafen, betrunken durch die Straßen zu taumeln und Kaufleute
und Handwerker auszuplündern, zu prügeln und auf jede Weise zu quälen.

Als Tanger aufgegeben wurde, kehrte Kirke nach England zurück. Er
behielt das Commando über seine bisherigen Soldaten, welche zuweilen als
das erste Regiment von Tanger, zuweilen auch als das Regiment der
Königin Katharine bezeichnet wurden. Da diese Mannschaft zu dem Zwecke
ausgehoben war, um gegen eine ungläubige Nation Krieg zu führen, so
hatte sie ein christliches Emblem, das Osterlamm, auf ihrer Fahne. In
Anspielung auf dieses Zeichen und in einem bitter ironischen Sinne
wurden diese Leute, die rohesten und wildesten Soldaten der englischen
Armee, Kirke's Lämmer genannt. Das gegenwärtige zweite Linienregiment
führt noch heute dieses alte Fahnenzeichen, das aber durch ehrenvolle,
in Ägypten, Spanien und Asien verdiente Dekorationen in den Schatten
gestellt worden ist.[119]

Ein solcher Befehlshaber und solche Soldaten waren jetzt gegen die
Bevölkerung von Somersetshire losgelassen. Von Bridgewater marschirte
Kirke nach Taunton. Zwei Karren mit verwundeten Rebellen, deren Wunden
nicht verbunden waren, und ein langer Zug von Gefangenen, welche
paarweis zusammengefesselt zu Fuß gingen, begleiteten ihn. Sogleich nach
seiner Ankunft in Taunton ließ er mehrere von diesen ohne jede
gerichtliche Formalität hängen; sie durften nicht einmal von ihren
nächsten Verwandten Abschied nehmen. Der Pfahl, an welchem das Schild
des Gasthofes »zum weißen Hirsche« hing, diente als Galgen. Die
schauerliche Execution soll unter den Fenstern des Zimmers stattgefunden
haben, in welchem die Offiziere des Tanger'schen Regiments zechten, und
bei jedem Toaste soll ein Unglücklicher aufgeknüpft worden sein. Während
die Beine des Verscheidenden im letzten Todeskampfe zuckten, ließ der
Oberst die Trommeln rühren; er sagte, er wolle den Rebellen zu ihrem
Tanze Musik machen. Die Sage erzählt, daß einem der Gefangenen nicht
einmal die Vergünstigung eines schnellen Todes zu Theil wurde; zweimal
wurde er emporgezogen und zweimal wieder abgeschnitten; zweimal ward er
gefragt, ob er seinen Verrath bereue, und zweimal antwortete er, wenn es
noch einmal losginge, werde er das Nämliche thun. Dann wurde er endlich
zum letzten Male aufgeknüpft. Es wurden so viele Leichname geviertheilt,
daß der Henker bis an die Knöchel im Blute stand. Zur Beihülfe hatte er
einen armen Mann, dessen Loyalität verdächtig war und der sein Leben
dadurch loskaufen mußte, daß er die Überreste seiner Freunde in Pech
sott. Dieser Mann, der sich zu einer so grauenvollen Arbeit hergegeben
hatte, kehrte nachher zu seinem Pfluge zurück. Aber er behielt für seine
Lebenszeit ein Kainszeichen, indem er von Stund an im ganzen Dorfe Tom
Boilman (Siedemann) genannt wurde. Die Landleute der dortigen Gegend
erzählten sich noch lange nachher, daß er sich durch seine sündliche und
schändliche That zwar vor der Rache der »Lämmer« schützte, aber der
Rache einer höheren Gewalt nicht entging. Bei einem starken Gewitter
trat er unter eine Eiche und wurde vom Blitze erschlagen.[120]

Die Anzahl der Menschen, welche auf solche Art hingeschlachtet wurden,
läßt sich jetzt nicht mehr ermitteln; neun wurden in die Kirchenregister
von Taunton eingetragen, aber diese Register enthalten nur die Namen
Derer, welche ein christliches Begräbniß erhielten. Die Zahl Derjenigen,
die in Ketten gehängt oder deren Köpfe und Glieder in die umliegenden
Dörfer geschickt wurden, muß viel bedeutender gewesen sein. In London
glaubte man damals, daß Kirke in der Woche nach der Schlacht hundert
Gefangene hinrichten ließ.[121]

Die Grausamkeit war indessen nicht die einzige Leidenschaft dieses
Mannes; er liebte das Geld und war kein Neuling in Erpressungskünsten.
Ein sicheres Geleit mußte man ihm mit dreißig bis vierzig Pfund Sterling
bezahlen, und wenn ein solcher Geleitsbrief auch keine gesetzliche
Gültigkeit hatte, so setzte er den Inhaber wenigstens in den Stand, die
Posten der »Lämmer« ungehindert zu passiren und einen Seehafen zu
erreichen, um ins Ausland entfliehen zu können. Die nach Neuengland
bestimmten Schiffe waren zu jener Zeit so mit Flüchtlingen von Sedgemoor
angefüllt, daß sie Gefahr liefen, mit ihren Wasser- und
Lebensmittelvorräthen nicht auszureichen.[122]

Außerdem war Kirke auch in der ihm eigenen rohen und wilden Art ein
Freund der sinnlichen Genüsse, und es ist sehr wahrscheinlich, daß er
seine Macht zur Befriedigung seiner zügellosen Begierden anwendete. Man
erzählte sich, daß er die Tugend eines schönen Mädchens durch das
Versprechen besiegte, das Leben eines Mannes schonen zu wollen, an dem
sie mit zärtlicher Liebe hing, daß er aber, nachdem sie sich ihm
hingegeben, ihr die leblose Hülle Dessen, dem sie ihre Ehre geopfert
hatte, am Galgen hängend zeigte. Diese Erzählung kann ein unparteiischer
Richter nicht glauben, und sie wird auch durch keine Beweise
unterstützt. Die früheste Autorität dafür ist ein Gedicht von Pomfret.
Die glaubwürdigen Geschichtschreiber jener Zeit erwähnen bei der
Schilderung der Greuelthaten Kirke's dieses scheußliche Verbrechen
entweder gar nicht, oder doch nur als unverbürgtes Gerücht, und
Diejenigen, welche die Geschichte ausführlich erzählen, erzählen sie so
verschiedenartig, daß sie dadurch allen Anspruch auf Glaubwürdigkeit
verliert. Nach Einigen soll sie in Taunton, nach Anderen in Exeter
geschehen sein; nach Einigen war die Heldin der Geschichte ein junges
Mädchen, nach Anderen eine verheirathete Frau, und der Verwandte, dem
sie das entehrende Opfer brachte, wird von Einigen als ihr Vater, von
Anderen als ihr Bruder, von noch Anderen als ihr Gatte bezeichnet.
Endlich ist die Anekdote schon ehe Kirke geboren war, vielen anderen
Unterdrückern zugeschrieben und ein Lieblingsthema für Romanschreiber
und Schauspieldichter geworden. Zwei Staatsmänner des fünfzehnten
Jahrhunderts, Rhynsault, der Günstling Karl's des Kühnen von Burgund,
und Olivier le Dain, der Günstling Ludwig's XI. von Frankreich, werden
des nämlichen Verbrechens beschuldigt. Cintio hat einen Roman daraus
gemacht, Whetstone hat Cintio's Roman als Stoff für das rohe Schauspiel
»Promos und Cassandra« benutzt, und Shakespeare hat die Intrigue der
herrlichen Tragikomödie »Maß für Maß« von Whetstone entlehnt. Wie Kirke
nicht der Erste war, so war er auch nicht der Letzte, dem das Volk diese
haarsträubende Schändlichkeit zur Last legt. Während der Reaction,
welche auf die Schreckensherrschaft der Jakobiner in Frankreich folgte,
wurde eine ganz ähnliche Beschuldigung gegen Joseph Lebon, eines der
abscheulichsten Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses, erhoben; nach
erfolgter Untersuchung aber gestanden selbst seine Ankläger zu, daß sie
ungegründet sei.[123]

Die Regierung war mit Kirke unzufrieden, nicht wegen seiner barbarischen
Behandlung unbemittelter Gefangenen, sondern wegen der uneigennützigen
Milde, die er gegen reiche Delinquenten übte.[124] Er wurde daher bald
aus dem Westen zurückberufen und eine regelmäßigere und zugleich
grausamere Metzelei veranstaltet. Die Rache ward um einige Wochen
aufgeschoben, denn man hielt es für wünschenswerth, die Assisen im
Westen nicht eher beginnen zu lassen, bis die anderen beendigt waren.
Mittlerweile füllten sich die Gefängnisse von Somersetshire und
Dorsetshire mit Tausenden von Gefangenen. Der hauptsächlichste Freund
und Beschützer dieser Unglücklichen in ihrer Bedrängniß war ein Mann,
der ihre religiösen und politischen Ansichten verabscheute, dessen Stand
sie haßten und dem sie ohne Veranlassung von seiner Seite Böses zugefügt
hatten, der Bischof Ken. Dieser menschenfreundliche Prälat bot seinen
ganzen Einfluß auf, um die Kerkermeister zur Milde zu stimmen und
beschränkte seinen bischöflichen Aufwand, damit er im Stande war, die
schlechte und dürftige Kost der Unglücklichen, die seine geliebte
Kathedrale entweiht hatten, einigermaßen zu verbessern. Sein Benehmen
bei dieser Gelegenheit entsprach seinem ganzen Lebenswandel. Allerdings
war sein Verstand durch manchen Aberglauben und manche Vorurtheile
verdunkelt, sein sittlicher Character aber hält bei unparteiischer
Betrachtung einen Vergleich mit jeder Persönlichkeit der
Kirchengeschichte aus und kommt der idealen Vollkommenheit der
christlichen Tugend so nahe, als menschliche Schwäche es immer
gestattet.[125]

    [Anmerkung 119: +Pepys's Diary, kept at Tangier+; +Historical
    Records of The Second or Queen's Royal Regiment of Foot.+]

    [Anmerkung 120: +Bloody Assizes+; +Burnet, I. 647+; +Luttrell's
    Diary, July 15. 1685+; +Locke's Western Rebellion+; +Toulmin's
    History of Taunton, edited by Savage.+]

    [Anmerkung 121: +Luttrell's Diary, July 15. 1685+; +Toulmin's
    History of Taunton.+]

    [Anmerkung 122: +Oldmixon, 705+; +Life and Errors of John Danton,
    chap. VII.+]

    [Anmerkung 123: Das Stillschweigen Oldmixon's und der Herausgeber
    der +Western Martyrologie+ entscheidet meiner Ansicht nach allein
    schon die Frage. Außerdem verdient bemerkt zu werden, daß die
    Geschichte von Rhynsault in Nr. 491 des »Spectator« von Steele
    erzählt wird. Es ist gewiß kaum anzunehmen, daß wenn eine dem
    Verbrechen Rhynsault's so ähnlich sehende Schandthat innerhalb
    Menschengedenkens von einem Offiziere Jakob's II. in England
    verübt worden wäre, Steele, ein sehr vorlauter und ostensibler
    Whig, davon gesprochen haben sollte. In Betreff Lebon's siehe den
    Moniteur vom 4. Messidor des Jahres III.]

    [Anmerkung 124: Sunderland an Kirke vom 14. & 28. Juli 1685.
    »Seine Majestät«, sagte Sunderland, »beauftragt mich, Ihnen sein
    Mißfallen an diesem Verfahren auszudrücken und befiehlt Ihnen,
    darauf bedacht zu sein, daß keine bei der Rebellion betheiligte
    Person übergangen wird.« Um gerecht zu sein, muß hinzugefügt
    werden, daß Kirke in dem nämlichen Schreiben getadelt wird, weil
    er seinen Soldaten erlaube, sich umsonst einzuquartieren.]

    [Anmerkung 125: Es würde mich freuen, wenn ich der im Volke
    verbreiteten Erzählung Glauben schenken könnte, daß Ken
    unmittelbar nach der Schlacht von Sedgemoor die Befehlshaber der
    königlichen Armee auf die Ungesetzlichkeit militairischer
    Hinrichtungen aufmerksam machte. Wäre er zugegen gewesen, so würde
    er ohne Zweifel seinen ganzen Einfluß zu Gunsten des Rechts und
    der Nachsicht geltend gemacht haben; aber es giebt keinen
    glaubwürdigen Beweis dafür, daß er damals überhaupt im Westen war.
    Aus den Protokollen des Hauses der Lords geht hervor, daß er sich
    am Donnerstag vor der Schlacht in Westminster befand. Eben so
    gewiß ist es, daß er am Montag nach der Schlacht Monmouth im Tower
    besuchte.]


[_Jeffreys reist zu den westlichen Assisen ab._] Sein Liebeswerk war
jedoch nicht von langer Dauer; eine schnelle und wirksame Entleerung der
Gefängnisse stand nahe bevor. Anfangs September trat Jeffreys in
Begleitung von vier anderen Richtern die Assisen-Rundreise an, deren
Andenken so lange unter uns fortleben wird, als unsre Nation und unsre
Sprache existiren. Die commandirenden Offiziere in den Bezirken, durch
die sein Weg ihn führte, waren angewiesen, ihm jeden militairischen
Beistand zu leisten, den er verlangte. Obgleich sein hämischer Character
keines Spornes bedurfte, so wurde doch ein solcher angewendet. Die
Gesundheit und die Geisteskräfte des Lordsiegelbewahrers waren
geschwächt. Die Kälte des Königs und der Übermuth des Lordoberrichters
hatten ihn tief gekränkt, und der Rückblick auf seine Vergangenheit, die
zwar mit keinem abscheulichen Verbrechen geschändet, aber doch durch
Feigheit, Selbstsucht und Servilität befleckt war, konnte ihm nur
geringen Trost gewähren. Der unglückliche Mann fühlte sich so tief
gedemüthigt, daß er bei seinem letzten Erscheinen in Westminsterhall
einen Blumenstrauß mitgebracht hatte, um sein Gesicht dahinter zu
verbergen, weil er, wie er später gestand, die Blicke der Richter und
der Zuhörer nicht ertragen konnte. Die Aussicht auf sein nahes Ende
scheint ihn mit ungewöhnlichem Muthe erfüllt zu haben. Er beschloß, sein
Herz zu erleichtern, bat den König um eine Audienz, sprach in ernstem
Tone von den von heftigen und unwillkürlichen Rathschlüssen
unzertrennlichen Gefahren, und tadelte auf das Entschiedenste die
gesetzwidrigen Grausamkeiten, welche die Soldaten in Somersetshire
verübt hatten. Bald darauf verließ er London und starb. Er verschied
wenige Tage nach der Abreise der Richter nach dem Westen. Sofort wurde
Jeffreys gemeldet, daß er als Lohn für treue und energische Dienste das
große Siegel erwarten dürfe.[126]

    [Anmerkung 126: +North's Life of Guildford+, 260. 263. 273;
    +Mackintosh's View of the Reign of James the Second, p. 16, note+;
    Brief von Jeffreys an Sunderland vom 5. Sept. 1685.]


[_Prozeß der Alice Lisle._] In Winchester öffnete der Oberrichter zum
ersten Male seine richterlichen Vollmachten. Hampshire war zwar nicht
der Kriegsschauplatz gewesen, aber viele von den besiegten Rebellen
hatten sich, wie ihr Oberhaupt, dahin geflüchtet. Zwei von ihnen, Johann
Hickes, ein nonconformistischer Geistlicher, und Richard Nelthorpe, ein
wegen seiner Betheiligung an dem Ryehousecomplot geächteter Advokat,
hatten in dem Hause einer gewissen Alice Lisle, der Wittwe Johann
Lisle's, eine Zufluchtsstätte gefunden. Johann Lisle war Mitglied des
Langen Parlaments und des Hohen Gerichtshofes, in den Tagen der Republik
Commissar für das Große Siegel gewesen und war von Cromwell zum Lord
erhoben worden. Die von dem Protector verliehenen Titel waren von keiner
seit dem Sturze seines Hauses ans Ruder gekommenen Regierung anerkannt
worden, wenn sie auch, selbst von Roylisten, im gewöhnlichen Gespräch
angewendet wurden. Die Wittwe Johann Lisle's wurde daher fast allgemein
Lady Alice genannt. Sie war mit mehreren angesehenen und sogar mit
einigen adeligen Familien verwandt und genoß einer allgemeinen Achtung,
selbst bei den toryistischen Gentlemen ihrer Grafschaft, denn es war
ihnen wohlbekannt, daß sie manche Gewaltthätigkeiten, an denen ihr Gatte
Theil genommen, schmerzlich bedauerte, daß sie um Karl I. bittere
Thränen vergossen und viele Kavaliere in ihrer Noth unterstützt und
getröstet hatte. Die nämliche weibliche Herzensgüte, die sie früher
bewogen hatte, sich bedrängter Royalisten anzunehmen, gestattete ihr
nicht, auch den Unglücklichen, die sie jetzt um Schutz baten, ein Mahl
und eine Freistätte zu verweigern. Sie nahm sie in ihr Haus auf, reichte
ihnen Speise und Trank und gewährte ihnen ein Nachtlager. Am nächsten
Morgen war ihre Wohnung von Soldaten umstellt, es wurde strenge
Haussuchung vorgenommen und Hickes im Malzhause, Nelthorpe im Kamin
versteckt gefunden. Wenn Lady Alice wußte, daß ihre Gäste an dem
Aufstande Theil genommen hatten, so war sie allerdings im strengen Sinne
eines Kapitalverbrechens schuldig, denn das Gesetz über die Hauptschuld
und Mitschuld beim Hochverrath war damals und ist heute noch in einem
der englischen Jurisprudenz nicht zur Ehre gereichendem Zustande. In
Fällen der Felonie wird nach vollbrachter That ein auf Recht und
Vernunft begründeter Unterschied zwischen dem Hauptverbrecher und dem
Mitschuldigen gemacht. Wer Jemanden, den er als Mörder kennt, vor der
Justiz verbirgt, ist zwar straffällig, hat aber nicht die auf einen Mord
gesetzte Strafe verwirkt; Derjenige aber, der Jemanden bei sich
aufnimmt, den er als Hochverräther kennt, ist nach allen unseren
Juristen des Hochverraths schuldig. Es ist überflüssig, die
Ungereimtheit und Grausamkeit eines Gesetzes nachzuweisen, welches
Vergehen, die an den entgegengesetzten Endpunkten der Stufenleiter der
Strafbarkeit liegen, unter der nämlichen Definition begreift und mit der
nämlichen Strafe belegt. Das Gefühl, welches auch den loyalsten
Unterthan es nicht über sich gewinnen läßt, den besiegten und halb todt
gehetzten Rebellen, der ihn um ein Stück Brod und um einen Trunk Wasser
bittet, einem schimpflichen Tode preiszugeben, mag eine Schwäche sein,
aber gewiß ist es eine Schwäche, die mit der Tugend sehr nahe verwandt
ist, eine Schwäche, die wir Menschen, wie wir nun einmal beschaffen
sind, schwerlich aus dem Herzen reißen können, ohne zu gleicher Zeit
viele andere edle und humane Gefühle zu ersticken. Ein weiser und guter
Regent mag es nicht für recht halten, diese Schwäche zu sanctioniren;
aber er wird sie in der Regel hingehen lassen, oder sie doch nur sehr
mild bestrafen. In keinem Falle aber wird er sie als ein Verbrechen der
schwärzesten Art betrachten. Ob Flora Macdonald recht daran that, daß
sie den geächteten Erben der Stuart verbarg; ob ein wackerer Soldat
unsrer Zeit recht daran that, daß er Lavalette bei seiner Flucht
behülflich war, dies sind Fragen, über welche die Casuisten
verschiedener Meinung sein können; solche Handlungen aber in eine
Kategorie mit den Verbrechen eines Guy Faux oder Fieschi zu werfen, ist
ein Frevel an der Humanität und an dem gesunden Menschenverstande.
Gleichwohl sind sie in unsrem Gesetz so klassificirt. Es ist klar, daß
ein solches Gesetz nur durch milde Ausführung desselben erträglich
werden kann, und um gerecht zu sein, muß man sagen, daß seit vielen
Menschenaltern keine englische Regierung, eine einzige ausgenommen,
gegen Personen, die sich der bloßen Aufnahme geschlagener und flüchtiger
Insurgenten schuldig gemacht, mit Strenge verfahren ist. Besonders den
Frauen ist durch eine Art von stillschweigender Bewilligung das Recht
zugestanden, inmitten der Zerstörung und Rache das Mitleid zu üben,
welches die schönste Zierde ihres Characters ist. Seit dem Beginn des
großen Bürgerkrieges sind eine Menge Rebellen, die zum Theil viel
bedeutender waren als Hickes und Nelthorpe, durch weibliche Klugheit und
Hochherzigkeit vor der Strenge siegreicher Regierungen geschützt worden.
Aber kein auf diese Weise hintergangener englischer Regent, mit
alleiniger Ausnahme des gefühllosen und unerbittlichen Jakob, ist so
barbarisch gewesen, nur daran zu denken, eine Dame wegen eines so
verzeihlichen und liebenswürdigen Vergehens einem schmerzvollen und
schimpflichen Tode zu überantworten.

So gehässig das Gesetz an sich schon war, es wurde auf die Spitze
getrieben, um Alice Lisle zu verderben. Sie konnte nach dem von der
höchsten Autorität festgestellten Grundsatze erst nach erfolgter
Überführung der Rebellen, die sie beherbergt hatte, überwiesen
werden.[127] Dennoch wurde sie vor Gericht gestellt, ehe weder Hickes
noch Nelthorpe nur verhört waren. Es war kein leichtes Ding, in einem
solchen Falle ein Verdict im Sinne der Krone zu erlangen. Die Zeugen
machten Ausflüchte und die Jury, welche aus den vornehmsten Gentlemen
von Hampshire bestand, bebten zurück vor dem Gedanken, einen
Nebenmenschen einer Handlung, die ihrer Ansicht nach eher Lob als Tadel
verdiente, auf das Schaffot zu senden. Jeffreys war wüthend. Es war der
erste Fall von Hochverrath auf seiner Rundreise und es hatte ganz den
Anschein, als ob seine Beute ihm entschlüpfen würde. Er raste und
fluchte und schwur in einer Sprache, der sich ein gebildeter Mann nicht
bei einem Wettrennen oder bei einem Hahnenkampfe bedient haben würde.
Ein Zeuge Namens Dunne verlor theils aus Mitleid mit Lady Alice, theils
aus Angst vor den Drohungen und Verwünschungen des Oberrichters völlig
den Kopf und antwortete gar nicht mehr. »Wie schwer es doch hält,« sagte
Jeffreys, »aus einem solchen lügenhaften presbyterianischen Schurken die
Wahrheit heraus zu bekommen!« Nach einer Pause stammelte der Zeuge
einige unzusammenhängende Worte hervor. »Hat die Erde jemals einen
solchen Buben getragen?« rief der Oberrichter mit einem Fluche. »Glaubst
Du, daß es einen Gott giebt? glaubst Du an das Feuer der Hölle? Noch nie
in meinem Leben ist mir ein solcher Zeuge vorgekommen wie Du!« Der arme
Mann war ganz verdutzt und schwieg noch immer. »Ich hoffe, meine Herren
Geschwornen,« donnerte Jeffreys weiter, »daß Sie sich das verruchte
Benehmen dieses Burschen merken werden. Ist es wohl anders möglich, als
daß man diese Menschen und ihre Religion verabscheuen muß? Ein Türke ist
ein Heiliger gegen einen solchen Buben, ein Heide würde sich solcher
Schurkerei schämen. Altmächtiger Jesus, unter was für einem
Otterngezücht leben wir doch!« -- »Ich weiß nicht, was ich sagen soll,
Mylord,« stammelte Dunne. Der Richter brach aufs neue in einen Strom von
Flüchen und Verwünschungen aus. »Kann es wohl je einen frecheren
Hallunken gegeben haben?« brüllte er wieder. »Haltet ihm ein Licht vor,
damit wir sein schamloses Gesicht sehen! Meine Herren Kronanwälte, Sie
werden dafür sorgen, daß eine Anklage auf Meineid gegen diesen Schurken
erhoben wird.« Nach einer solchen Zeugenvernehmung wurde Lady Alice
aufgefordert, sich zu vertheidigen. Sie begann mit der Versicherung, die
auch wahr sein konnte, sie habe zwar gewußt, daß Hickes verfolgt werde,
als sie ihn bei sich aufgenommen, aber weder gewußt noch geahnet, daß er
bei dem Aufstande betheiligt gewesen sei. Er sei ein Geistlicher, ein
Mann des Friedens, es sei ihr daher nicht entfernt in den Sinn gekommen,
daß er gegen die Regierung die Waffen getragen haben könnte, und sie
habe geglaubt, er wolle sich deshalb verbergen, weil wegen Feldpredigens
Verhaftbefehle gegen ihn erlassen worden seien. Der Oberrichter begann
aufs neue zu donnern: »Ich will's Euch besser sagen. Es ist nicht einer
unter diesen lügnerischen, näselnden, scheinheiligen Presbyterianern,
der nicht auf eine oder die andre Art bei der Rebellion die Hand im
Spiele gehabt hätte. Der Presbyterianismus vereinigt alle Schurkereien
in sich, nur der Presbyterianismus hat Dunne zu einem solchen Schufte
machen können. Ein Presbyterianer sein heißt soviel als ein lügenhafter
Bube sein.« In dem nämlichen Style faßte er das Resumé der Anklage
zusammen, tobte noch eine Stunde lang gegen Whigs und Dissenters und gab
der Jury zu bedenken, daß der Gatte der Gefangenen Antheil an der
Ermordung Karl's I. genommen habe, eine Beschuldigung, welche durch
nichts bewiesen war und die, selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, mit
der vorliegenden Sache gar nichts zu thun hatte. Die Geschwornen zogen
sich zurück und blieben lange in Berathung. Der Richter wurde
ungeduldig. Er könne nicht begreifen, sagte er, wie sie in einem so
klaren Falle nur den Gerichtssaal hätten verlassen können. Er schickte
ihnen einen Boten und ließ ihnen sagen, daß, wenn sie nicht
augenblicklich zurückkämen, er die Sitzung aufheben und sie die ganze
Nacht einschließen werde. So gedrängt, kamen sie zurück, aber nur um zu
sagen, daß sie zweifelten, ob die Anklage begründet sei. Jeffreys machte
ihnen die heftigsten Vorwürfe und nach einer nochmaligen kurzen
Berathung sprachen sie mit Widerstreben das Schuldig aus.

Am folgenden Morgen wurde das Urtheil gefällt. Jeffreys sprach sich
dahin aus, daß Alice Lisle noch denselben Nachmittag lebendig verbrannt
werden sollte. Dieses Übermaß von Barbarei erregte das Mitleid und den
Unwillen selbst derjenigen Klasse, die der Krone am ergebensten war. Die
Geistlichen der Kathedrale von Winchester machten dem Oberrichter
Vorstellungen und er wagte es bei all' seiner Brutalität nicht, sich
über einen solchen Gegenstand in einen Streit mit einer Körperschaft
einzulassen, die bei der Torypartei in so hohem Ansehen stand. Er
willigte ein, daß die Hinrichtung fünf Tage verschoben wurde. Während
dieser Zeit boten die Freunde der Gefangenen Alles auf, um von Jakob
ihre Begnadigung zu erwirken; sehr vornehme Damen verwendeten sich für
sie, und auch Feversham, dessen letzter Sieg seinen Einfluß bei Hofe
vergrößert hatte und der, wie man sagte, sich zum Mitleid hatte
bestechen lassen, sprach zu ihren Gunsten. Sogar Clarendon, der Schwager
des Königs, nahm sich ihrer Sache an. Aber es war Alles vergebens. Das
Höchste, was man erlangen konnte, war die Umwandlung des Feuertodes in
Enthauptung. Auf einem auf dem Marktplatze zu Winchester errichteten
Schaffot wurde sie hingerichtet, und sie ertrug ihr Schicksal mit
heiterem Muthe.[128]

    [Anmerkung 127: Siehe die Einleitung zu der Parlamentsacte, welche
    das Urtel umstieß.]

    [Anmerkung 128: Prozeß der Alice Lisle in der +Collection of State
    Trials+; +Stat. 1 Gul. & Mar.+; +Burnet, I. 649+; +Caveat against
    the Whigs.+]


[_Die blutigen Assisen._] In Hampshire war Alice Lisle das einzige
Opfer; aber den Tag nach ihrer Hinrichtung begab sich Jeffreys nach
Dorchester, der Hauptstadt der Grafschaft, in welcher Monmouth gelandet
war, und hier begann das richterliche Gemetzel.

Der Gerichtssaal war auf Befehl des Oberrichters mit rothem Tuche
ausgeschlagen, und die Menge erblickte in dieser Neuerung ein Anzeichen
von blutigen Absichten. Auch erzählte man sich, Jeffreys' blutdürstiger
Mund habe sich zu einem unheilverkündenden Grinsen verzogen, als der
Geistliche, der die Assisenpredigt hielt, den Richtern die Pflicht der
Milde ans Herz legte. Alle diese Umstände erweckten schlimme Ahnungen
hinsichtlich dessen, was folgen sollte.[129]

Es waren mehr als dreihundert Gefangene abzuurteilen. Dies schien ein
schweres Stück Arbeit, aber Jeffreys wußte es sich leicht zu machen. Er
gab zu verstehen, daß die Angeklagten nur dann Aussicht hatten,
Begnadigung oder Strafaufschub zu erlangen, wenn sie ihre Schuld
eingestanden. Neunundzwanzig Personen, die sich für nicht schuldig
erklärten, aber schuldig befunden wurden, ließ Jeffreys sofort
aufknüpfen. Die übrigen Gefangenen bekannten, sich nun massenweise für
schuldig. Zweihundertzweiundneunzig wurden zum Tode verurtheilt. Die
Anzahl Derer, welche in Dorsetshire gehängt wurden, belief sich im
Ganzen auf vierundsiebzig.

Von Dorchester zog Jeffreys weiter nach Exeter. Der Bürgerkrieg hatte
kaum die Grenzen von Dorsetshire berührt und es wurden deshalb hier
verhältnißmäßig nur wenige Personen mit dem Tode bestraft.
Somersetshire, der Hauptsitz des Aufstandes, war für die letzte und
furchtbarste Rache aufgespart. In dieser Grafschaft wurden binnen
wenigen Tagen zweihundertdreiunddreißig Gefangene gehängt, geschleift
und geviertheilt. An jeder Stelle, wo zwei Straßen sich kreuzten, auf
jedem Marktplatze, und auf der Gemeindewiese jedes großen Dorfes, das
Monmouth Soldaten geliefert hatte, verpesteten gefesselte Leichname, die
sich klirrend im Winde schaukelten, oder auf Pfähle gespießte Köpfe und
Glieder die Luft und erfüllten den Reisenden mit Grauen und Entsetzen.
In manchen Dörfern konnten die Leute sich nicht im Gotteshause
versammeln, ohne über dem Portale das gespensterhafte Antlitz eines
Nachbarn grinsen zu sehen. Der Oberrichter war in seinem Element. Je
weiter das Mordwerk gedieh, um so heiterer und lebhafter wurde er. Er
lachte, jubelte, scherzte und schwur in solchem Maße, daß viele Leute
ihn vom Morgen bis zum Abend für betrunken hielten. Aber bei ihm war es
nicht leicht, den durch wilde Leidenschaften erregten Wahnsinn von dem
durch den Branntwein hervorgerufenen zu unterscheiden. Ein Gefangener
behauptete, die gegen ihn aufgetretenen Zeugen verdienten keinen
Glauben, indem einer von ihnen Papist, der andre prostituirt sei. »Wie,
frecher Rebell?« rief der Oberrichter, »Du wagst es, des Königs Zeugen
zu verwerfen? Ich sehe Dich schon mit dem Stricke um den Hals, Schurke!«
Ein Andrer bewies durch Zeugnisse, daß er ein guter Protestant sei.
»Protestant?« rief Jeffreys, »Presbyterianer wollt Ihr sagen! Ich biete
Euch eine Wette darauf an, daß ich einen Presbyterianer vierzig Meilen
weit wittere.« Ein Unglücklicher erweckte selbst das Mitleid erbitterter
Tories. »Mylord,« sagten sie, »dieser arme Mann wird auf Gemeindekosten
unterhalten.« »Seid unbesorgt,« entgegnete der Oberrichter, »ich will
die Gemeinde von der Last befreien.« Seine Wuth richtete sich nicht
gegen die Gefangenen allein. Gentlemen und Adelige von hohem Ansehen und
fleckenloser Loyalität, die es wagten, ihn auf einen mildernden Umstand
aufmerksam zu machen, konnten fast mit Gewißheit darauf rechnen, daß sie
eine Antwort von ihm erhielten, die er in der gemeinen Sprache, welche
er sich in den Bierhäusern von Whitechapel angeeignet hatte, einen
Schlag mit der rauhen Seite seiner Zunge nannte. Lord Stawell, ein
toryistischer Peer, der seinen Abscheu vor der Gewissenlosigkeit, mit
der seine unglücklichen Nachbarn hingeschlachtet wurden, nicht verhehlen
konnte, wurde dadurch bestraft, daß man über seinem Parkthore einen
Leichnam in Ketten aufhängte.[130] Aus derartigen Schauspielen
entsprangen manche schauerliche Geschichten, die sich die Landleute von
Somersetshire noch lange nachher am Weihnachtsfeuer beim Äpfelwein
erzählten. Noch in den letzten vierzig Jahren kannten in einigen
Districten Manche die verwünschten Stellen genau und gingen des Abends
nur mit Widerstreben an denselben vorüber.[131]

Jeffreys rühmte sich mehr Verräther gehängt zu haben, als alle seine
Vorgänger seit der Eroberung. Es ist gewiß, daß die Anzahl der Personen,
die er in einem Monate und in einer Grafschaft hinrichten ließ, bei
weitem die Zahl aller politischen Verbrecher übersteigt, welche seit der
Revolution auf unsrer Insel hingerichtet worden sind. Die Aufstände von
1715 und 1745 waren von längerer Dauer, von größerer Ausdehnung und viel
drohenderem Aussehen als der, welcher bei Sedgemoor niedergeworfen
wurde, und man war nicht allgemein der Ansicht, daß das Haus Hannover
sowohl nach der Rebellion von 1715 als auch nach der von 1745 in der
Milde zu weit gegangen sei. Gleichwohl muß die Anzahl der Hinrichtungen
von 1715 und 1745 zusammengenommen, im Vergleich mit denen, welche die
blutigen Assisen geschändet haben, gering erscheinen. Die Gesammtzahl
der Rebellen, welche Jeffreys auf dieser Rundreise hängen ließ, belief
sich auf dreihundertzwanzig.[132]

Ein solches Gemetzel hätte selbst dann Abscheu erregen müssen, wenn die
Verurtheilten im Allgemeinen hassenswerth gewesen wären. Aber sie waren
zum größten Theil Leute von tadellosem Wandel und wahrer Religiosität.
Sie betrachteten sich selbst und wurden auch von einem großen Theile
ihrer Nachbarn nicht als Missethäter, sondern als Märtyrer betrachtet,
welche die Wahrheit des protestantischen Glaubens mit ihrem Blute
besiegelten. Nur sehr wenige von den Verurtheilten legten Reue über das,
was sie gethan, an den Tag. Viele, die von dem alten puritanischen
Geiste beseelt waren, gingen dem Tode nicht nur standhaft, sondern sogar
freudig entgegen. Vergebens hielten ihnen die Diener der Staatskirche
Sermone über die Sündhaftigkeit des Aufruhrs und über die Wichtigkeit
der priesterlichen Absolution. Der Anspruch des Königs auf unbeschränkte
Autorität in weltlichen Dingen, und der Anspruch des Klerus auf die
geistliche Gewalt, zu verbinden und aufzulösen, erregten den bitteren
Spott der unerschrockenen Sectirer. Einige von ihnen componirten im
Gefängnisse Hymnen, die sie dann auf der verhängnißvollen Schleife
sangen. Christus, riefen sie aus, während sie sich zu dem Gemetzel
entkleideten, werde bald kommen, um Zion zu erlösen und Babylon zu
bekriegen; er werde sein Banner aufpflanzen, in seine Trompete stoßen
und seinen Feinden zehnfältig all' das Böse vergelten, das sie seinen
Dienern zugefügt. Die letzten Worte dieser Leute wurden aufgezeichnet,
ihre Abschiedsbriefe wie kostbare Schätze aufbewahrt, und so entstand
mit Hülfe einiger Erdichtung und Übertreibung ein umfänglicher Nachtrag
zur Marianischen Martyrologie.[133]

    [Anmerkung 129: +Bloody Assizes.+]

    [Anmerkung 130: +Locke's Western Rebellion.+]

    [Anmerkung 131: Dies kann ich aus meinen eigenen
    Jugenderinnerungen bestätigen.]

    [Anmerkung 132: Lord Lonsdale sagt siebenhundert, Burnet
    sechshundert. Ich habe die Listen zu Grunde gelegt, welche die
    Richter an das Schatzamt einsandten und die noch daselbst aus dem
    Briefbuche zu ersehen sind. Man sehe auch die +Bloody Assizes+;
    +Locke's Western Rebellion+; +the Panegyric on Lord Jeffreys+;
    +Burnet I. 648+; +Eachard III. 775+; +Oldmixon, 705.+]

    [Anmerkung 133: Einige Gebete, Ermahnungen und Hymnen dieser
    Dulder findet man in den +Bloody Assizes+.]


[_Abraham Holmes._] Einige Fälle verdienen noch besondere Erwähnung.
Abraham Holmes, ein verabschiedeter Offizier von der Parlamentsarmee und
einer von den Zeloten, welche keinen andren König als den König Jesus
anerkannten, wurde bei Sedgemoor gefangen genommen. Sein Arm war in der
Schlacht furchtbar verstümmelt und zerschmettert worden, und da kein
Wundarzt zur Hand war, schnitt der muthige alte Soldat ihn sich selbst
ab. Er wurde nach London abgeführt und vom Könige selbst im Rathe
verhört, wollte sich aber zu keiner Demüthigung erniedrigen. »Ich bin
ein alter Mann« sagte er, »und die kurze Spanne Zeit, die ich noch zu
leben habe, ist keiner Lüge oder Erniedrigung mehr werth. Ich war stets
ein Republikaner und bin es noch.« Er wurde nach dem Westen
zurückgesandt und gehängt. Das Volk bemerkte mit ängstlicher Scheu und
Verwunderung, daß die Thiere, die ihn zum Galgen schleppen sollten,
störrig wurden und umkehren wollten. Holmes selbst zweifelte nicht
daran, daß der Engel des Herrn, wie vor alter Zeit, mit dem Schwert in
der Hand im Wege stehe, dem menschlichen Auge unsichtbar, aber dem
niederen Thiere sichtbar. »Halt, Ihr Herren!« rief er aus, »laßt mich zu
Fuß gehen. Die Sache hat mehr zu bedeuten als Ihr glaubt. Erinnert Euch,
daß der Esel Den sah, den der Prophet nicht sehen konnte.« Mit festem
Schritte ging er zum Galgen, hielt lächelnd eine Ansprache an das Volk,
betete inbrünstig, Gott möge die Vernichtung des Antichrist und die
Befreiung Englands beschleunigen, und stieg die Leiter hinauf mit der
Entschuldigung, daß er es so ungeschickt mache. »Ihr seht« sagte er,
»daß ich nur einen Arm habe.«[134]

    [Anmerkung 134: +Bloody Assizes+; +Locke's Western Rebellion+;
    +Lord Lonsdale's Memoirs+; Bericht über die Schlacht von Sedgemoor
    in den +Hardwicke Papers+.

    Die Erzählung in +Clarke's life of James the Second+ ist nicht den
    königlichen Handschriften entnommen und widerlegt sich selbst
    hinlänglich.]


[_Christoph Battiscombe._] Nicht weniger muthig starb Christoph
Battiscombe, ein junger Templer von guter Familie und Vermögen, der in
Dorchester, einer freundlichen Provinzialstadt, die auf ihren guten
Geschmack und auf ihre Bildung stolz war, allgemein für das Muster eines
feinen Gentleman galt. Es wurde Alles aufgeboten, um ihn zu retten. Man
glaubte im Westen Englands, er sei mit einer jungen Dame von edlem
Geblüt, der Schwester des Sheriffs, verlobt, diese habe sich Jeffreys zu
Füßen geworfen und ihn um Gnade gebeten, Jeffreys aber habe sie mit
einem abscheulichen Witze von sich gestoßen, den zu wiederholen eine
Verletzung des Anstandes und der Menschlichkeit sein würde. Ihr
Geliebter erlitt in Lyme gläubig und standhaft den Tod.[135]

    [Anmerkung 135: +Bloody Assizes+; +Locke's Western Rebellion+;
    +Humble Petition of Widows and fatherless Children in the West of
    England+; +Panegyric on Lord Jeffreys.+]


[_Die Gebrüder Hewling._] Noch größere Theilnahme erweckte das Schicksal
zweier tapferen Brüder, Wilhelm und Benjamin Hewling. Sie waren beide
jung, hübsch, gebildet und aus anständiger Familie. Ihr Großvater von
mütterlicher Seite hieß Kiffin, war einer der ersten Kaufleute in London
und wurde allgemein als das Oberhaupt der Baptisten betrachtet. Der
Oberrichter benahm sich beim Verhör gegen Wilhelm Hewling mit der ihm
eigenen Rücksichtslosigkeit. »Ihr habt einen Großvater,« sagte er zu
ihm, »der es eben so reichlich verdiente, gehängt zu werden wie Ihr.«
Der arme junge Mann, der erst neunzehn Jahr alt war, ertrug den Tod mit
solcher Ergebung und Standhaftigkeit, daß ein bei der Hinrichtung
anwesender Offizier von der Armee, der sich durch Rohheit und Härte
ausgezeichnet hatte, tief ergriffen wurde und äußerte: »Ich glaube
nicht, daß der Lordoberrichter selbst dabei ungerührt bleiben würde,«
Man hatte gehofft, Benjamin's Begnadigung zu erlangen. _Ein_ so
jugendliches Opfer war sicherlich genug für eine Familie. Jeffreys
selbst war zur Milde geneigt oder stellte sich wenigstens so. Der Grund
davon war der, weil einer seiner Verwandten, von dem er viel zu erwarten
hatte und den er daher nicht so behandeln konnte, wie er derartige
Bittsteller gewöhnlich behandelte, sich für die schwergeprüfte Familie
angelegentlich verwendete. Es wurde ein Aufschub bewilligt, um in London
anzufragen; und die Schwester des Gefangenen begab sich selbst mit einer
Bittschrift nach Whitehall. Viele Hofleute wünschten ihr glücklichen
Erfolg, und Churchill, zu dessen zahlreichen Fehlern wenigstens die
Grausamkeit nicht gehörte, verschaffte ihr eine Audienz. »Ich wünsche
Ihnen von ganzem Herzen den besten Erfolg,« sagte er, während sie sich
zusammen im Vorzimmer befanden, »aber schmeicheln Sie sich nicht mit
Hoffnungen. Dieser Marmor, setzte er hinzu, indem er die Hand auf den
Kaminsims legte, ist nicht härter als der König.« Seine Vermuthung
bestätigte sich, Jakob war unerbittlich. Benjamin Hewling starb mit
unerschrockenem Muthe unter lautem Wehklagen, in welches die um den
Galgen Wache haltenden Soldaten unwillkürlich einstimmten.[136]

Die zum Tode verurtheilten Rebellen waren indessen weniger zu beklagen
als manche von den Überlebenden. Verschiedene Gefangene, welche Jeffreys
des Hochverraths nicht überführen konnte, wurden geringerer Vergehen
schuldig befunden und zu nicht minder furchtbarer Auspeitschung
verurtheilt, als sie früher dem Oates zuerkannt worden war. Eine Frau
ward einiger geringfügiger Worte halber, wie sie in den Bezirken, wo der
Krieg gewüthet hatte, von der Hälfte der Frauen geäußert wurden, dazu
verurtheilt, durch alle Marktorte der Grafschaft Dorset gepeitscht zu
werden. Sie erlitt einen Theil ihrer Strafe noch vor Jeffreys' Rückkehr
nach London; als er aber den Westen verlassen hatte, nahmen die
Kerkerknechte unter stillschweigender Einwilligung der Behörden es auf
sich, sie mit weiteren Qualen zu verschonen.

    [Anmerkung 136: In Bezug auf die Gebrüder Hewling habe ich mich an
    Kiffin's Memoiren und an Mr. Hewling Luson's Erzählung in der
    zweiten Ausgabe der +Hughes Correspondence vol. II. Appendix+
    gehalten. Die Berichte in +Locke's Western Rebellion+ und in dem
    +Panegyric on Jeffreys+ sind voll falscher Angaben. Der Bericht in
    den +Bloody Assizes+ ist zum großen Theile von Kiffin verfaßt und
    stimmt wörtlich mit seinen Memoiren überein.]


[_Tutchin's Strafe._] Eine noch fürchterlichere Strafe wurde über einen
jungen Menschen, Namens Tutchin, verhängt, der ebenfalls wegen
aufrührerischer Reden zur Untersuchung gezogen war. Er wurde, wie
gewöhnlich, in seiner Verteidigung durch gemeine und rohe Scherze vom
Richterstuhle herab unterbrochen. »Ihr seid ein Rebell und Eure ganze
Familie hat seit Adam's Zeiten aus Rebellen bestanden. Wie ich höre,
seid Ihr ein Dichter; ich will um die Wette Verse mit Euch machen.« Das
Urtel gegen den jungen Menschen lautete auf sieben Jahr Gefängniß,
während welcher Zeit er jedes Jahr durch alle Marktorte der Grafschaft
gepeitscht werden sollte. Die Frauen auf den Galerien brachen in Thränen
aus; der Gerichtsschreiber erhob sich in großer Aufregung und sagte:
»Mylord, der Gefangene ist noch sehr jung und es giebt viele Marktorte
in unsrer Grafschaft. Nach diesem Urtel wird er sieben Jahre lang alle
vierzehn Tage ausgepeitscht werden.« »Ein junger Mensch mag er sein,«
erwiederte Jeffreys, »aber nichts desto weniger ist er ein alter
Schurke. Meine Damen, Sie kennen den Buben nicht so wie ich. Die Strafe
ist eigentlich noch lange nicht hart genug für ihn; keine Macht Englands
soll sie abändern.« Tutchin bat in seiner Verzweiflung, und
wahrscheinlich im vollen Ernst, um die Gunst gehängt zu werden. Zu
seinem Glück erkrankte er an den Pocken und wurde von den Ärzten
aufgegeben. Da es sehr zweifelhaft war, ob das Urtel würde vollzogen
werden können, so ließ sich der Oberrichter durch eine Bestechungssumme,
die dem Gefangenen zum armen Manne machte, zur Zurücknahme desselben
bewegen. Der von Haus aus nicht sehr sanfte Character Tutchin's wurde
durch dieses Erlebniß bis zur Überspanntheit verbittert und er machte
sich späterhin als einer der heftigsten und unversöhnlichsten Feinde des
Hauses Stuart und der Torypartei bemerkbar.[137]

    [Anmerkung 137: Siehe Tutchin's eigne Erzählung seines Prozesses
    in den +Bloody Assizes.+]


[_Deportation von Rebellen._] Die Anzahl der Gefangenen, welche Jeffreys
zur Deportation verurtheilte, belief sich auf achthunderteinundvierzig.
Diese Leute, die noch viel unglücklicher waren als ihre dem Tode
überantworteten Leidensgefährten, wurden in Trupps abgetheilt und
Personen verliehen, welche bei Hofe in Gunst standen. Die Bedingungen
der Verleihung waren, daß die Verurtheilten als Sklaven über's Meer
transportirt würden, daß sie vor Ablauf von zehn Jahren nicht
freigelassen werden dürften, und daß der Ort der Verbannung irgend eine
westindische Insel sein müßte. Dieser letzte Punkt war mit raffinirter
Bosheit hinzugefügt worden, um das Elend der Gefangenen zu vermehren. In
Neuengland oder Neujersey würden sie eine ihnen freundlich gesinnte
Bevölkerung und ein der Gesundheit nicht nachtheiliges Klima gefunden
haben. Daher beschloß man, sie nach solchen Kolonien zu senden, wo ein
Puritaner keine besondere Theilnahme erwarten durfte und ein in der
gemäßigten Zone geborner Arbeiter für seine Gesundheit nicht viel Gutes
zu hoffen hatte. Der Stand des Sklavenmarktes war aber von der Art, daß
diese Unglücklichen trotz der langen Seereise und obgleich sie
voraussichtlich bald krank wurden, immer noch einen bedeutenden Werth
hatten. Nach Jeffreys' Schätzung war jeder von ihnen, nach Abzug aller
Unkosten, im Durchschnitt zehn bis fünfzehn Pfund Sterling werth. Es
fanden sich daher viele Bewerber für die Verleihung dieser Sklaven.
Einige Tories im Westen waren der Meinung, daß sie sich durch ihre
Leiden und Drangsale während der Insurrection gegründete Ansprüche auf
einen Antheil an dem Nutzen, der ihnen von den Schmarotzern zu Whitehall
gierig weggefischt worden sei, erworben hätten. Die Höflinge aber trugen
den Sieg davon.[138]

Das Elend der Verbannten kam dem der Negersklaven, welche jetzt von
Congo nach Brasilien verschifft werden, vollkommen gleich. Aus den
besten jetzt noch zugänglichen Quellen geht hervor, daß mehr als ein
Fünftel von den Deportirten vor Beendigung ihrer Reise den Haifischen
vorgeworfen wurden. Die Menschenladungen waren in den Kielräumen kleiner
Schiffe dicht zusammengedrängt, und die Unglücklichen, von denen viele
noch an ungeheilten Wunden litten, hatten so wenig Spielraum, daß sie
sich nicht alle zu gleicher Zeit niederlegen konnten, ohne auf einander
zu liegen. Auf das Verdeck durften sie niemals kommen; die Luken
waren beständig von Schildwachen besetzt, die mit Seitengewehr und
Muskete bewaffnet waren. Unten im Kerker herrschte Finsterniß,
pestilentialischer Geruch, Jammer, Krankheit und Tod. Von neunundneunzig
Verurtheilten, die auf einem Schiffe transportirt wurden, starben
zweiundzwanzig vor der Ankunft in Jamaika, obgleich die Reise
ungewöhnlich rasch von Statten ging, und als die Überlebenden den Ort
ihrer Bestimmung erreichten, waren sie nur noch Skelette. Mehrere Wochen
lang hatten sie so kärgliche Rationen von grobem Schiffszwieback und
fauligem Wasser bekommen, daß Einer mit leichter Mühe fünfmal so viel
hätte zu sich nehmen können. Sie kamen daher in einem solchen Zustande
an, daß der Kaufmann, an den sie consignirt waren, es für nöthig hielt,
sie erst zu mästen, bevor er sie verkaufte.[139]

    [Anmerkung 138: Sunderland an Jeffreys, 14. Sept. 1685; Jeffreys
    an den König, 19. Sept. 1685, im Staatsarchive.]

    [Anmerkung 139: Die beste Schilderung der Leiden der zur
    Deportation verurtheilten Rebellen findet sich in einer
    interessanten Erzählung, geschrieben von Johann Coad, einem
    rechtschaffnen und gottesfürchtigen Zimmermanne, der sich Monmouth
    angeschlossen hatte, bei Philips Norton schwer verwundet, von
    Jeffreys verurtheilt und nach Jamaika transportirt wurde. Das
    Originalmanuscript ward mir von Herrn Phippard, dem es gehört,
    freundlichst geliehen.]


[_Confiscationen und Erpressungen._] Unterdessen wurde das Eigenthum
sowohl der hingerichteten Rebellen, als auch der noch unglücklicheren,
die unter der tropischen Sonne dahinwelkten, von einer Menge gieriger
Kläger in Beschlag genommen und zerstückelt. Nach dem Gesetz ist ein
wegen Hochverraths verurtheilter Unterthan seines ganzen Vermögens
verlustig, und dieses Gesetz wurde nach Beendigung der blutigen Assisen
mit einer eben so grausamen als lächerlichen Strenge durchgeführt. Die
gebeugten Wittwen und die verlassenen Waisen der Arbeiter, deren
Leichname noch an den Kreuzwegen am Galgen hingen, wurden von den
Agenten des Schatzamtes aufgefordert, Rechenschaft darüber abzulegen,
wohin ein Korb, eine Gans, eine Speckseite, ein Fäßchen Äpfelwein, ein
Sack Bohnen oder ein Bündel Heu gekommen sei.[140] Während die niederen
Beamten der Regierung die Familien der hingeschlachteten Landleute
ausplünderten, sammelte der Oberrichter durch Ausplündrung einer höheren
Klasse von Whigs bedeutende Schätze. Er trieb einen ausgedehnten Handel
mit Begnadigungen. Das einträglichste Geschäft dieser Art machte er mit
einem Gentleman, Namens Edmund Prideaux. Es steht fest, daß Prideaux
nicht gegen die Regierung gekämpft hatte, und sein einziges Verbrechen
bestand wahrscheinlich in der Ererbung eines großen Vermögens, das ihm
sein Vater, ein ausgezeichneter Jurist, der unter dem Protector ein
hohes Amt bekleidet, hinterlassen hatte. Der Unglückliche schmachtete
lange im Kerker und verstand sich endlich aus Furcht vor dem Galgen
dazu, für seine Freilassung fünfzehntausend Pfund Sterling zu bezahlen.
Diese bedeutende Summe eignete sich Jeffreys zu. Er kaufte sich dafür
ein Landgut, welches das Volk nach jenem verfluchten Acker, der um den
Preis unschuldigen Blute's erkauft ward, Hakeldama nannte.[141]

In diesem Erpressungsgeschäft wurde er von dem Schmarotzerschwarm, der
mit ihm zu schwelgen und zu jubeln pflegte, wacker unterstützt. Das Amt
dieser Menschen bestand darin, daß sie den Verurtheilten, die von der
Angst vor dem Tode gequält wurden, und den Ältern, welche für das Leben
ihrer Kinder zitterten, als Unterhändler ansehnliche Geldversprechungen
zu erpressen suchten. Einen Theil der Beute überließ Jeffreys seinen
Agenten. Einem seiner Zechgenossen soll er, wie man sagt, die
Begnadigung eines reichen Hochverräthers bei einem Gelage über den Tisch
zugeworfen haben. Es war nicht rathsam, sich einer andren Fürsprache als
der seiner Creaturen zu bedienen, denn er war sehr eifersüchtig auf die
Erhaltung seines einträglichen Begnadigungsmonopols. Man vermuthete
sogar, daß er einige Personen lediglich deshalb an den Galgen schickte,
weil sie sich auf von ihm unabhängigen Wegen an die königliche Gnade
gewendet hatten.[142]

    [Anmerkung 140: Unter den Papieren des Schatzamtes vom Herbst 1685
    befinden sich mehrere Briefe, welche Nachforschungen nach
    derartigen Kleinigkeiten anbefehlen.]

    [Anmerkung 141: +Commons' Journals, Oct. 9., Nov. 10. & Dec. 26.
    1690+; +Oldmixon, 706+; +Panegyric on Jeffreys.+]

    [Anmerkung 142: +Life and Death of Lord Jeffreys+; +Panegyric on
    Jeffreys+; +Kiffin's Memoirs.+]


[_Habgier der Königin und ihrer Hofdamen._] Einige Höflinge fanden
dessenungeachtet Mittel und Wege, um einen kleinen Gewinnantheil von dem
Handel zu ziehen, und ganz besonders zeichneten sich die Hofdamen der
Königin durch ihre Geldgier und Hartherzigkeit aus. Die Schuld an dieser
Schmach fällt zum Theil auf ihre Gebieterin, denn sie wurden lediglich
durch ihre Stellung an deren Hofe in den Stand gesetzt, sich durch einen
so abscheulichen Handel zu bereichern, und es unterliegt keinem Zweifel,
daß die Königin demselben durch ein Wort oder einen Wink hätte Einhalt
thun können. Allein sie bestärkte sie vielmehr darin durch ihr eignes
Beispiel, wenn nicht durch ausdrückliche Ermächtigung. Sie scheint der
zahlreichen Klasse von Menschen angehört zu haben, die im Unglück besser
sind als im Glück. So lange ihr Gemahl ein Unterthan und ein Verbannter
war, von jedem Staatsamte ausgeschlossen und in dringender Gefahr,
seines Geburtsrechts beraubt zu werden, gewannen ihr die
Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit ihres Auftretens selbst die Herzen
Derer, die ihren Glauben am meisten verabscheuten. Als aber ihr
Glücksstern aufging, verschwand ihre Gutherzigkeit. Die sanfte und
leutselige Herzogin wurde eine lieblose und hochmüthige Königin.[143]
Das Mißgeschick, das in der Folge über sie kam, hat zwar einige
Teilnahme für sie erweckt; aber diese Theilnahme würde viel größer sein,
wenn es sich nachweisen ließe, daß sie in den Tagen ihrer Größe nur ein
einziges Opfer von der schrecklichsten Proscription, die England je
gesehen hat, rettete, oder nur zu retten versuchte. Leider aber that
sie, so viel bekannt ist, für die Rebellen nichts weiter, als daß sie
darum anhielt, daß ihr von den zur Deportation Verurtheilten Hundert
geschenkt werden möchten.[144] Der Gewinn, den ihr diese Menschenladung
abwarf, kann nach reichlichem Abzug für Diejenigen, welche auf der
Überfahrt vor Hunger und an Krankheiten starben, auf mindestens tausend
Guineen angeschlagen werden. Wir dürfen uns demnach nicht wundern, daß
ihre Hofdamen das Beispiel ihrer unfürstlichen Habgier und ihrer
unweiblichen Grausamkeit nachahmten. So erpreßten sie tausend Pfund von
einem Kaufmanne in Bridgewater, Namens Roger Hoare, der einen Beitrag
zur Kriegskasse der Rebellenarmee gegeben hatte. Die Beute aber, nach
der sie sich am gierigsten zeigten, war eine, von der man hätte denken
sollen, daß auch der unedelste Character sie verschonen würde. Von den
Mädchen, welche Monmouth in Taunton eine Fahne überreichten, hatten
schon einige ihr Vergehen schwer büßen müssen. Eine von ihnen war in ein
Gefängnis geworfen worden, in welchem eine ansteckende Krankheit
wüthete. Sie ward von derselben ergriffen und starb. Eine Andre kam in
den Gerichtssaal, um Jeffreys um Gnade zu bitten. »Fort mit ihr,
Kerkermeister!« brüllte der Richter mit seiner finstren Miene, die schon
stärkere Gemüther als das ihrige mit Schrecken erfüllt hatte. Sie brach
in Thränen aus, zog ihre Haube über das Gesicht, verließ mit dem
Kerkermeister den Gerichtssaal, wurde krank von dem Schrecken und war in
wenigen Stunden eine Leiche. Die meisten der jungen Mädchen, die an dem
Zuge Theil genommen hatten, waren jedoch noch am Leben. Einige davon
waren unter zehn Jahr alt; alle hatten auf Befehl ihrer Lehrerinnen
gehandelt, ohne zu wissen, daß sie etwas Unrechtes thaten. Die
Ehrendamen der Königin baten ihre Gebieterin um die Erlaubniß, den
Eltern der armen Kinder Geld erpressen zu dürfen, und sie wurde ihnen
bewilligt. Es wurde der Befehl nach Taunton geschickt, alle diese jungen
Mädchen zu verhaften und ins Gefängniß zu werfen. Sir Franz Warre von
Hestercombe, der toryistische Abgeordnete für Bridgewater, wurde mit der
Eintreibung der Lösegelder beauftragt. Er sollte mit Entschiedenheit
erklären, daß die Ehrenfräulein keinen Aufschub gestatten könnten,
sondern entschlossen seien, die Sache bis zur Ächtung zu treiben, wenn
nicht eine angemessne Summe erlegt werde, und daß unter dieser
angemessnen Summe siebentausend Pfund zu verstehen seien. Warre lehnte
jedoch jede Theilnahme an einer so schmachvollen Unterhandlung ab. Die
Ehrendamen wendeten sich nun an Wilhelm Penn, und dieser übernahm den
Auftrag. Ein wenig von der starrsinnigen Scrupulosität, die er oft in
Betreff des Hutabnehmens gezeigt hatte, würde bei dieser Gelegenheit
nicht am unrechten Orte gewesen sein. Wahrscheinlich beschwichtigte er
die Mahnungen seines Gewissens dadurch, daß er sich einredete, es werde
von dem zu erpressenden Gelde nichts in seine eigne Tasche fließen, daß
die Damen leicht einen weniger humanen Diener finden würden, wenn er
sich weigerte, ihren Auftrag zu übernehmen, und daß er endlich durch
Willfährigkeit einen größren Einfluß bei Hofe erlangen werde, welcher
Einfluß ihn schon in den Stand gesetzt hatte und auch fernerhin in den
Stand setzen konnte, seinen unterdrückten Brüdern viel zu nützen. Die
Ehrendamen mußten sich übrigens schließlich mit weniger als einem
Drittel der verlangten Summe begnügen.[145]

Kein andrer englischer Souverain hat so starke Beweise von einer
grausamen Natur gegeben, als Jakob II. Seine Grausamkeit war jedoch
nicht gehässiger als seine Gnade, oder vielleicht richtiger gesagt,
seine Gnade und seine Grausamkeit waren von der Art, daß sie einander
gegenseitig schändeten. Unser Entsetzen über das Schicksal der einfachen
Bauern, der jungen Burschen und zarten Frauen, gegen die er mit
unerbittlicher Strenge verfuhr, steigert sich noch, wenn wir sehen, wem
und aus welchen Rücksichten er Verzeihung gewährte.

Das Verfahren, welches ein Fürst nach Unterdrückung eines Aufstandes bei
der Auswahl der zu bestrafenden Rebellen beobachten muß, ist vollkommen
klar. Die Rädelsführer, die Männer von Ansehen, Vermögen und Bildung,
welche durch ihre Macht und ihre Kunstgriffe die Menge verführten, sind
Diejenigen, über welche strenges Gericht zu halten ist. Das getäuschte
Volk kann, nachdem das Blutbad auf dem Schlachtfelde vorüber ist, kaum
zu mild behandelt werden. Diese Regel aber, welche doch augenfällig der
Gerechtigkeit und Menschlichkeit entspricht, wurde nicht allein nicht
befolgt, sondern sogar umgekehrt. Während Die, welche hätten verschont
werden sollen, zu Hunderten hingeschlachtet wurden, verschonte man die
Wenigen, die man gerade der äußersten Strenge des Gesetzes hätte
überlassen sollen. Diese verkehrte Milde hat manche Schriftsteller in
Verwunderung gesetzt, andere zu lächerlichen Lobhudeleien verleitet. Sie
war weder unerklärlich, noch lobenswerth; sie konnte in jedem einzelnen
Falle ganz leicht auf einen schmutzigen oder einen boshaften Beweggrund,
entweder auf Geldgier oder auf Blutdurst zurückgeführt werden.

    [Anmerkung 143: +Burnet I. 368+; +Evelyn's Diary, Feb. 4.
    1684--85, July 13. 1686.+ In einer damaligen Satire kommen die
    Zeilen vor:

        Als Herzogin sie sanft und mild sich zeigte,
        Als Königin sie einem Teufel glich.]

    [Anmerkung 144: Sunderland an Jeffreys, 14. Septbr. 1685.]

    [Anmerkung 145: +Locke's Western Rebellion+; +Toulmin's History of
    Taunton, ed. by Savage+; Briefe des Herzogs von Somerset an Sir F.
    Warre; Brief Sunderland's an Penn vom 13. Febr. 1685--86 aus dem
    Staatsarchive in Mackintosh's Sammlung.]


[_Verfahren gegen Grey, Cochrane, Storey, Wade, Goodenough und
Ferguson._] Bei Grey war kein mildernder Umstand vorhanden. Seine
Talente und Kenntnisse, der erbliche Rang, den er im Staate einnahm, und
der hohe Befehlshaberposten, den er in der Rebellenarmee bekleidet
hatte, würden ihn einer gerechten Regierung als viel straffälliger
bezeichnet haben als Alice Lisle, Wilhelm Hewling oder irgend einen von
den Hunderten unwissender Landleute, deren Köpfe und Glieder in
Somersetshire ausgestellt wurden. Aber Grey's Besitzungen waren groß und
unveräußerliches, erbliches Eigenthum seiner Familie. Er bezog nur den
Nießbrauch seiner Güter auf Lebenszeit und mehr als diese Rente konnte
er nicht verwirken. Starb er, so fiel Alles seinem nächsten Erben zu.
Wenn er begnadigt wurde, konnte er ein bedeutendes Lösegeld bezahlen,
und man gestattete ihm daher, sich dadurch loszukaufen, daß er dem
Lordschatzmeister eine Verschreibung auf vierzigtausend Pfund und
anderen Höflingen kleinere Summen einhändigte.[146]

Sir Johann Cochrane hatte unter den schottischen Rebellen die nämliche
Stellung eingenommen, wie Grey im Westen Englands. Es schien
unglaublich, daß Cochrane von einem so beispiellos rachsüchtigen Fürsten
Verzeihung erhalten würde. Aber er war der jüngere Sohn einer reichen
Familie, und man konnte daher nur wenn man ihn verschonte, Geld für ihn
erlangen. Sein Vater, Lord Dundonald, bot den Priestern des königlichen
Hauses ein Geschenk von fünftausend Pfund an und die Begnadigung wurde
ihm dafür bewilligt.[147]

Samuel Storey, ein bekannter Aufwiegler, welcher Kriegscommissar bei der
Rebellenarmee gewesen war und das unwissende Volk von Somersetshire
durch heftige Reden aufgestachelt hatte, in denen Jakob als Brandstifter
und Giftmischer dargestellt war, wurde ebenfalls begnadigt, denn Storey
konnte Jeffreys bei der Erpressung der fünfzehntausend Pfund von
Prideaux wichtige Dienste leisten.[148]

Von allen Verräthern waren Wade, Goodenough und Ferguson am wenigsten
berechtigt, Gnade zu erwarten. Diese drei Häupter des Aufstandes waren
zusammen vom Schlachtfelde von Sedgemoor geflohen und hatten glücklich
die Küste erreicht. Aber in der Nähe des Ortes, wo sie sich
einzuschiffen gedachten, hatten sie eine kreuzende Fregatte gefunden.
Sie hatten sich hierauf getrennt und Wade und Goodenough waren bald
entdeckt und nach London gebracht worden. Obgleich sie aber tief in das
Ryehousecomplot verwickelt und unter den Häuptern des Aufstandes im
Westen eine hervorragende Stellung eingenommen hatten, wurde ihnen
dennoch das Leben geschenkt, weil sie Aufschlüsse geben konnten, welche
den König in den Stand setzten, einige Personen, die er haßte, die er
aber noch nie eines Verbrechens hatte bezichtigen können, zum Tode zu
verurtheilen und auszuplündern.[149]

Auf welche Weise Ferguson davon kam, war und ist noch jetzt ein
Geheimniß. Er war von allen Feinden der Regierung ohne allen Zweifel der
strafbarste. Er war der erste Anstifter des Planes zur Ermordung der
königlichen Brüder; er hatte ferner die Erklärung verfaßt, die an
Frechheit, Gehässigkeit und Lügenhaftigkeit selbst unter den
Schmähschriften jener stürmischen Zeit ihres Gleichen nicht hatte, und
endlich war er Derjenige, der den Herzog von Monmouth erst zu dem
Einfalle in England und dann zu der Usurpation der Krone aufreizte. Es
ließ sich wohl erwarten, daß man auf den Erzverräther, wie er oft
genannt wurde, mit ganz besondrem Eifer fahnden werde, und einer
sorgfältigen Nachforschung konnte ein Mann von so auffallendem Äußeren
und Sprachdialecte schwerlich entgehen. In den Kaffeehäusern von London
erzählte man als ganz gewiß, daß Ferguson festgenommen sei, und diese
Nachricht fand bei Männern Glauben, welche die beste Gelegenheit hatten,
die Wahrheit zu erfahren. Das Nächste was man von ihm hörte, war, daß er
unangefochten auf dem Continent lebe. Man hatte ihn stark in dem
Verdachte, daß er eine regelmäßige Verbindung mit der Regierung
unterhalten, gegen die er gleichwohl beständig complotirte, daß er von
den Unternehmungen seiner Genossen, die er fortwährend zu den
übereiltesten Schritten drängte, gerade so viel nach Whitehall
berichtete, damit sein Hals nicht in Gefahr kam, und daß daher Befehl
gegeben wurde, ihn entschlüpfen zu lassen.[150]

Jetzt hatte Jeffrey's sein Werk beendigt und er kehrte zurück, um seinen
Lohn zu verlangen. Er kam wieder in Windsor an, nachdem er im ganzen
Westen Haufen von Leichen, und Trauer und Schrecken zurückgelassen
hatte. Der Haß, den die Bevölkerung von Somersetshire gegen ihn hegte,
hat in unsrer Geschichte nicht seines Gleichen. Weder die Zeit, noch
politische Veränderungen vermochten denselben zu ersticken, er pflanzte
sich fort von Geschlecht zu Geschlecht und wüthete noch heftig gegen
seine unschuldigen Nachkommen. Viele Jahre nach seinem Tode, als sein
Name und Titel längst erloschen waren, wurde seine Enkelin, die Gräfin
von Pomfret, auf einer Reise im Westen vom Pöbel insultirt und sah, daß
sie sich nicht mit Sicherheit unter die Nachkommen Derer wagen konnte,
welche die blutigen Assisen erlebt hatten.[151]

Am Hofe aber fand Jeffreys die herzlichste Aufnahme. Es war ein Richter
ganz nach dem Sinne seines Gebieters. Jakob hatte seine Rundreise mit
Interesse und mit großem Vergnügen verfolgt; in seinem Empfangzimmer und
an seiner Tafel hatte er oft von dem Gemetzel, das gegenwärtig unter
seinen mißvergnügten Unterthanen angerichtet wurde, mit einer
Schadenfreude gesprochen, über welche die fremden Gesandten erstaunten.
Er hatte mit eigner Hand Berichte über seines Lordoberrichters Feldzug
im Westen, wie er es scherzend nannte, aufgezeichnet. Einige hundert
Rebellen, schrieb Se. Majestät in den Haag, seien verurtheilt werden;
einige davon seien bereits gehängt, eine größere Anzahl sollte dies noch
werden, und der Rest solle nach den Kolonien geschickt werden. Umsonst
wendete sich Ken schriftlich an ihn, um Gnade für das irregeleitete Volk
zu erflehen, und schilderte mit ergreifender Beredtsamkeit die
entsetzliche Lage seines Sprengels. Er sagte, man könne auf keiner
Heerstraße gehen, ohne ein schreckliches Schauspiel zu erblicken, und
die Luft von Somersetshire sei mit Todesdünsten geschwängert. Der König
las das Schreiben, blieb aber so hart, wie der marmorne Kaminsims in
Whitehall, wie Churchill gesagt hatte.

    [Anmerkung 146: +Burnet, I. 646+, und Sprecher Onslow's Note;
    Clarendon an Rochester vom 8. Mai 1686.]

    [Anmerkung 147: +Burnet, I. 634.+]

    [Anmerkung 148: +Calamy's Memoirs+; +Commons' Journals, Dec. 26.
    1690+; Sunderland an Jeffreys vom 14. Sept. 1685; Protokolle des
    Geheimen Raths vom 26. Febr. 1685--86.]

    [Anmerkung 149: +Lansdowne MS. 1152+; +Harl. MS. 6845+; +London
    Gazette, July 20. 1685.+]

    [Anmerkung 150: Viele Schriftsteller haben ohne den mindesten
    Grund behauptet, daß Ferguson von Jakob einen Pardon erhalten
    habe. Einige sind sogar so weit gegangen, diesen Pardon, der
    übrigens, wenn er wirklich ertheilt worden wäre, nichts weiter
    beweisen würde, als daß Ferguson ein Spion des Hofes war, als
    Beleg für die Großmuth und Nachsicht des Fürsten anzuführen,
    der Alice Lisle enthaupten und Elisabeth Gaunt verbrennen ließ.
    Ferguson wurde nicht allein nicht speziell begnadigt, sondern
    sogar von der im nächsten Frühjahr verkündeten Amnestie
    ausdrücklich ausgeschlossen. (London Gazette vom 15. März
    1685/86.) Wenn Jakob, wie das Publikum vermuthete und wie es
    auch wahrscheinlich ist, stillschweigend Nachsicht gegen Ferguson
    übte, so schämte er sich derselben nicht ohne Grund und hielt sie
    möglichst geheim. Die damals in London umlaufenden Gerüchte werden
    im Observator vom 1. August 1685 erwähnt.

    Sir Johann Reresby, der gut unterrichtet sein konnte, behauptet
    mit Bestimmtheit, daß Ferguson drei Tage nach der Schlacht von
    Sedgemoor eingefangen wurde. Aber Reresby irrte sich ganz gewiß im
    Datum und er kann sich daher wohl auch in der ganzen Geschichte
    geirrt haben. Aus der London Gazette und aus Goodenough's
    Geständniß (+Lansdowne MS. 1152.+) geht klar hervor, daß Ferguson
    vierzehn Tage nach der Schlacht noch nicht gefangen war und daß
    man vermuthete, er halte sich noch irgendwo in England verborgen.]

    [Anmerkung 151: +Granger's Biographical History, »Jeffreys'«.+]


[_Jeffreys zum Lordkanzler ernannt._] In Windsor wurde das große Siegel
den Händen Jeffreys' übergeben, und in der nächsten Nummer der London
Gazette feierlich verkündet, daß diese Ehre eine Belohnung für die
vielen ausgezeichneten und treuen Dienste sei, die er der Krone
geleistet.[152]

Später, als die Leute aller Parteien mit Schaudern von den blutigen
Assisen sprachen, versuchten der schändliche Richter und der gottlose
König sich dadurch zu rechtfertigen, daß Jeder die Schuld auf den Andren
schob. Jeffreys versicherte im Tower, daß er selbst bei dem grausamsten
Verfahren nie die ausdrücklichen Befehle seines Gebieters überschritten
habe, ja sogar noch hinter denselben zurückgeblieben sei. Ebenso hätte
Jakob in St. Germain gern glauben gemacht, daß er selbst zur Milde
geneigt gewesen sei und daß die Gewaltthätigkeiten seines Dieners ihm
unverdienten Tadel zugezogen hätten. Doch keiner der beiden hartherzigen
Männer kann auf Kosten des Andren freigesprochen werden. Die
Vertheidigung Jakob's kann durch Dokumente von seiner eignen Hand als
thatsächlich falsch nachgewiesen werden, und Jeffreys' Vertheidigung
ist, selbst wenn sie sich auf wahre Thatsachen gründete, völlig
werthlos.

    [Anmerkung 152: +Burnet, I. 648.+ Jakob an den Prinzen von
    Oranien, 10. u. 24. September 1685; +Lord Lonsdale's Memoirs+;
    +London Gazette, Oct. 1. 1685.+]


[_Cornish's Prozeß und Hinrichtung._] Das Gemetzel im Westen war
vorüber; nun sollte es in London beginnen. Es war der Regierung
namentlich darum zu thun unter den großen whiggistischen Kaufleuten der
City Schlachtopfer zu finden. Diese hatten unter der letzten Regierung
einen sehr gefürchteten Theil der Opposition gebildet. Sie waren reich,
und ihr Reichthum war nicht, wie der vieler Edelleute und Landgentlemen,
durch Fideicommisse gegen Confiscation gesichert. Bei Grey und anderen
Männern von ähnlicher Stellung war es unmöglich, den Blutdurst und die
Habgier zugleich zu befriedigen; ein reicher Kaufmann konnte gehängt und
auch ausgeplündert werden. Obgleich aber die Handelsfürsten im
Allgemeinen dem Papismus und der Willkürherrschaft feind waren, so waren
sie doch zu gewissenhaft oder zu ängstlich gewesen, als daß sie sich
hätten des Hochverraths schuldig machen sollen. Einer der angesehensten
unter ihnen war Heinrich Cornish. Er war unter der früheren Verfassung
der City Alderman gewesen und hatte zu der Zeit, als die Angelegenheit
der Ausschließungsbill die öffentliche Meinung beschäftigte, das Amt
eines Sheriffs bekleidet. Seiner politischen Ansicht nach war er ein
Whig und in seinen religiösen Ansichten neigte er sich zum
Presbyterianismus hin; aber er war äußerst besonnen und gemäßigt. Es ist
kein irgend glaubwürdiger Beweis dafür vorhanden, daß er je auch nur die
Grenze des Hochverraths berührte. In der That hatte er als Sheriff sich
nur sehr ungern dazu verstanden, einen so heftigen und characterlosen
Menschen wie Goodenough als Bevollmächtigten zu gebrauchen. Nach der
Entdeckung des Ryehousecomplots hegte man in Whitehall große Hoffnung,
daß sich Cornish's Theilnahme an demselben herausstellen werde; aber
diese Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Einer der Mitverschworenen,
Johann Rumsey, war zwar bereit Alles zu beschwören; aber ein Zeuge
genügte nicht, und ein zweiter war nicht aufzutreiben. Seitdem waren
über zwei Jahre vergangen. Cornish glaubte sich vollkommen sicher; aber
der Tyrann hatte ein scharfes Auge auf ihn. Goodenough, den die nahe
Aussicht auf den Tod schreckte und der noch einen Groll gegen seinen
ehemaligen Vorgesetzten hegte, weil er bei diesem nie in besondrer Gunst
gestanden hatte, erklärte sich bereit, das noch fehlende Zeugniß zu
ergänzen. Cornish wurde auf der Börse, während er Geschäfte abschloß,
verhaftet, ins Gefängniß geworfen, daselbst einige Tage in Einzelhaft
gehalten und dann völlig unvorbereitet vor die Schranken der Old Bailey
geführt. Die Anklage gegen ihn stützte sich lediglich auf die Aussagen
Rumsey's und Goodenough's. Beide waren eingestandenermaßen in das
Complot verwickelt, als dessen Theilnehmer sie den Gefangenen
beschuldigten. Beide wurden durch die stärksten Motive der Hoffnung und
Angst angetrieben, ihn als schuldig darzustellen, und außerdem lagen
Beweise dafür vor, daß Goodenough auch unter dem Einflusse persönlicher
Feindschaft stand. Endlich widersprach Rumsey's Angabe der Geschichte,
die er erzählt hatte, als er gegen Lord Russell zeugte. Aber alle diese
Umstände wurden vergebens geltend gemacht. Auf der Richterbank saßen
drei Richter, welche mit Jeffreys im Westen gewesen waren, und Leute,
die ihr Verhalten beobachteten, hatten bemerkt, daß sie von dem Gemetzel
in Taunton in einer übermüthigen und gereizten Stimmung zurückgekehrt
waren. Es ist in der That nur zu wahr, daß die Neigung zum Blutvergießen
eine Neigung ist, die selbst solche Menschen, welche von Natur durchaus
nicht blutdürstig sind, durch die Gewohnheit sehr schnell annehmen
können. Anwälte und Richter vereinigten sich in dem Bemühen, den
unglücklichen Whig niederzuschmettern, die von einem höfischen Sheriff
ernannte Jury gab bereitwilligst ein »Schuldig« ab und trotz des
unwilligen Murrens von Seiten des Publikums erlitt Cornish am zehnten
Tage nach seiner Verhaftung den Tod. Damit kein entehrender Umstand
fehlte, wurde der Galgen an der Stelle errichtet, wo Kingstreet in
Cheapside einmündet, dem Hause gegenüber, in welchem Cornish lange in
allgemeiner Achtung gelebt hatte, angesichts der Börse, an der er stets
in hohem Ansehen gestanden, und Guildhall's, wo er sich als ein Führer
des Volks ausgezeichnet hatte. Er starb muthig und mit vielen Äußerungen
von Frömmigkeit, legte aber in Blicken und Geberden eine so heftige
Entrüstung über die barbarische Ungerechtigkeit, mit der man gegen ihn
verfahren war, an den Tag, daß seine Feinde ein verleumderisches Gerücht
über ihn aussprengten. Sie sagten, er sei betrunken, oder nicht bei
Sinnen gewesen, als er aufgeknüpft wurde. Wilhelm Penn aber, der nahe
bei dem Galgen gestanden und der entschieden für die Regierung
eingenommen war, versicherte nachher, er habe in Cornish's Benehmen
nichts weiter als den natürlichen Unwillen eines schuldlosen Mannes, der
unter der Form des Gesetzes ermordet wird, finden können. Der Kopf des
gemordeten Magistratsbeamten wurde über Guildhall aufgepflanzt.[153]

    [Anmerkung 153: Cornish's Prozeß in der +Collection of State
    Trials+; +Sir J. Hawles's Remarks on Mr. Cornish's Trial+;
    +Burnet. I. 651+; +Bloody Assizes+; +Stat. 1. Gul. & Mar.+]


[_Prozeß und Hinrichtung Fernley's und der Elisabeth Gaunt._] So schwarz
dieser Fall auch war, es war noch nicht der schwärzeste, der die
damalige Herbstsession der Old Bailey schändete. Unter den bei dem
Ryehousecomplot Betheiligten war auch ein gewisser Jakob Burton. Er war
nach seinem eignen Geständniß dabei zugegen gewesen, als der Mordplan
von seinen Mitverschwornen berathen wurde. Nach Entdeckung des Complots
wurde auf seine Festnehmung eine Belohnung gesetzt. Eine alte Matrone,
baptistischen Glaubens, Namens Elisabeth Gaunt, rettete ihn vom Tode.
Diese Frau verband mit den eigenthümlichen Manieren und Redensarten,
durch welche sich damals ihre Secte auszeichnete, eine barmherzige
Menschenliebe. Der Zweck ihres ganzen Lebens war die Unterstützung der
Unglücklichen jedes Glaubensbekenntnisses, und sie war als eine
regelmäßige Besucherin der Gefängnisse allgemein bekannt. Ihre
politische und religiöse Meinung sowohl als ihr mitleidiges Herz trieben
sie an, Alles, was in ihren Kräften stand, für Burton zu thun. Sie
verschaffte ihm ein Boot, das ihn nach Gravesend mitnahm, wo er an Bord
eines nach Amsterdam bestimmten Schiffes ging. Im Augenblicke der
Abreise gab sie ihm noch eine für ihre Verhältnisse sehr bedeutende
Summe Geldes. Nachdem Burton einige Zeit in der Verbannung gelebt hatte,
kehrte er mit Monmouth nach England zurück, focht bei Sedgemoor und
flüchtete sich dann nach London in das Haus eines Barbiers in
Whitechapel, Namens Johann Fernley. Fernley war sehr arm, wurde von
Gläubigern gedrängt und wußte, daß auf Burton's Einlieferung von der
Regierung hundert Pfund Sterling ausgesetzt waren. Aber der wackere Mann
war nicht im Stande, einen Menschen zu verrathen, der in der äußersten
Gefahr unter sein schützendes Dach gekommen war. Unglücklicherweise
wurde es bald ruchbar, daß Jakob's Zorn weit heftiger gegen Diejenigen
entbrannt war, welche Rebellen beherbergten, als gegen die Rebellen
selbst. Er hatte öffentlich erklärt, daß das Verbergen von Verräthern
vor seiner Rache die unverzeihlichste Form des Hochverraths sei. Burton
wußte dies. Er stellte sich daher freiwillig der Regierung und
denuncirte Fernley und Elisabeth Gaunt. Sie wurden verhaftet, die
Untersuchung gegen sie eingeleitet, und der Schurke, dem sie das Leben
gerettet, hatte den Muth und die Frechheit, als Hauptzeuge gegen sie
aufzutreten. Sie wurden für schuldig befunden und Fernley zum Galgen,
Elisabeth Gaunt aber zum Scheiterhaufen verurtheilt. Selbst nach all'
den Gräuelscenen jenes Schreckensjahres hielten Viele es für unmöglich,
daß diese Urtheile vollzogen werden könnten. Aber der König kannte kein
Erbarmen. Fernley wurde gehängt und Elisabeth Gaunt an dem nämlichen
Tage, an welchem Cornish in Cheapside den Tod erlitt, in Tyburn lebendig
verbrannt. Sie hinterließ einige Aufzeichnungen, die zwar nicht in einem
eleganten Style, aber doch so geschrieben waren, daß viele Tausende sie
mit tiefer Rührung und zugleich mit Entsetzen lasen. »Mein Vergehen«,
sagte sie, »war eines, das ein Fürst wohl hätte verzeihen können. Ich
half nur einer unglücklichen Familie, und dafür muß ich nun sterben!«
Sie beklagte sich über die Rücksichtslosigkeit der Richter, über die
Härte des Kerkermeisters und über die Tyrannei des Größten von Allen,
der sie und so viele Andere dem Tode überliefert. Insofern diese
Menschen nur ihr persönlich Unrecht gethan hätten, vergäbe sie ihnen,
als unversöhnliche Feinde der guten Sache aber, die schon wieder
aufleben und gedeihen werde, überlasse sie sie dem Richterspruche des
Königs der Könige. Sie bewahrte bis zum letzten Augenblicke eine ruhige
Fassung, welche die Zuschauer an die heldenmüthigsten Beispiele von
Todesverachtung erinnerte, die sie in Fox gelesen hatten. Wilhelm Penn,
für den Schauspiele, welche zartfühlende Menschen in der Regel meiden,
einen ganz besondren Reiz gehabt zu haben scheinen, eilte von Cheapside,
wo er Cornish hatte hängen sehen, nach Tyburn, um Elisabeth Gaunt
verbrennen zu sehen. Er erzählte nachher, daß alle Umstehenden in
Thränen ausgebrochen seien, als sie ruhig das Stroh um sich herum so
ordnete, daß ihre Leiden möglichst abgekürzt werden möchten. Es wurde
viel davon gesprochen, daß, während der abscheulichste Justizmord verübt
ward, der jene Schreckenszeit schändete, ein Sturm losbrach, wie man ihn
seit dem großen Orkane, der um das Todesbett Oliver Cromwell's wüthete,
nicht wieder erlebt hatte. Die bedrückten Puritaner zählten nicht ohne
finstre Genugthuung die umgeworfenen Häuser und verschlagenen Schiffe
zusammen und fanden einigen Trost in dem Gedanken, daß der Himmel seinen
Zorn über die Ungerechtigkeiten, unter denen die Erde seufzte, so
sprechend äußere. Seit jenem fürchterlichen Tage hat in England kein
Weib wieder eines politischen Verbrechens wegen den Tod erlitten.[154]

    [Anmerkung 154: Prozeß Fernley's und der Elisabeth Gaunt in der
    +Collection of State Trials+; +Burnet I. 649+; +Bloody Assizes+;
    +Sir J. Bramston's Memoirs+; +Luttrell's Diary, Oct. 23. 1685.+]


[_Prozeß und Hinrichtung Bateman's._] Man war der Meinung, daß
Goodenough's Begnadigung noch nicht hinreichend gesühnt sei. Die
Regierung wollte noch ein Opfer niederen Standes vernichten, einen
Wundarzt, Namens Bateman. Er war Arzt bei Shaftesbury und ein eifriger
Exclusionist gewesen; es ist möglich, daß er in das Whigcomplot
eingeweiht war, so viel aber steht fest, daß er nicht zu den leitenden
Häuptern der Verschwörung gehörte, denn in der großen Menge von
Aussagen, welche die Regierung veröffentlichte, war sein Name nur einmal
genannt, und zwar nicht in Verbindung mit irgend einem an Hochverrath
grenzenden Verbrechen. Aus seiner Anklageacte und den auf uns gekommenen
spärlichen Angaben über seinen Prozeß scheint klar hervorzugehen, daß er
der Betheiligung an dem Plane, die königlichen Brüder zu ermorden, nicht
einmal beschuldigt wurde. Die Gehässigkeit, mit der ein so unbedeutender
und eines so geringfügigen Vergehens schuldiger Mann dem Tode
überliefert wurde, während viel straffälligere und wichtigere
Hochverräther sich dadurch loskauften, daß sie als Zeugen gegen ihn
auftraten, schien einer Erklärung zu bedürfen, und man fand auch eine
solche, die aber schmachvoll genug war. Als Oates nach seiner
Auspeitschung besinnungslos und Aller Meinung nach schon halb todt nach
Newgate gebracht worden war, hatte Bateman ihn zur Ader gelassen und ihn
verbunden. Das war ein unverzeihliches Verbrechen. Bateman wurde
verhaftet und in Anklagestand versetzt. Die gegen ihn auftretenden
Zeugen waren ehrlose Menschen, die jeden möglichen Eid ablegten, wenn
sie dadurch ihr Leben retten konnten. Keiner von ihnen war schon
begnadigt, und das Volk pflegte zu sagen, daß sie wie abgerichtete
Seeraben mit dem Stricke um den Hals nach Beute fischten. Der durch
Krankheit geistig und körperlich angegriffene Gefangne war nicht im
Stande, vernehmlich zu sprechen, noch zu verstehen, was um ihn her
vorging. Sein Sohn und seine Tochter standen vor Gericht an seiner
Seite; sie lasen so gut sie konnten einige Angaben vor, die er
niedergeschrieben hatte, und befragten die Entlastungszeugen. Doch es
half ihnen nichts, ihr Vater wurde verurtheilt, gehängt und
geviertheilt.[155]

    [Anmerkung 155: Bateman's Prozeß in der +Collection of State
    Trials+; +Sir John Hawles's Remarks+. Es ist der Mühe werth,
    Thomas Lee's Aussagen bei dieser Gelegenheit mit seinem früher
    amtlich veröffentlichten Geständnisse zu vergleichen.]


[_Grausame Verfolgung der protestantischen Dissenters._] Noch nie,
selbst nicht unter Laud's tyrannischer Herrschaft, war die Lage der
Puritaner so traurig gewesen, als zu jener Zeit. Nie war so eifrig
spionirt worden, um religiöse Versammlungen zu entdecken, nie hatten
Behörden, Mitglieder der großen Jury, Pfarrer und Kirchenälteste eine
solche Wachsamkeit entwickelt. Viele Dissenters wurden vor die
geistlichen Gerichtshöfe geladen; Andere hielten es für nöthig, die
Nachsicht der Regierungsagenten durch Geschenke zu erkaufen, welche zum
Beispiel in Fässern Wein und in mit Guineen gefüllten Handschuhen
bestanden. Die Separatisten konnten nicht gemeinschaftlich beten, ohne
Vorsichtsmaßregeln zu beobachten, wie sie von Falschmünzern und
Diebshehlern angewendet werden. Die Versammlungsorte wurden häufig
gewechselt; der Gottesdienst wurde zuweilen kurz vor Tagesanbruch,
zuweilen mitten in der Nacht gehalten; um das Gebäude, in welchem die
kleine Heerde versammelt war, wurden Wachen ausgestellt, um sogleich
Lärm zu machen, wenn ein Unbekannter sich näherte. Der Geistliche wurde
verkleidet durch den Garten und durch eine Hinterthür eingeführt; in
einigen Häusern waren Fallthüren, durch die er bei vorkommender Gefahr
verschwinden konnte. Wo Nonconformisten nebeneinander wohnten, waren oft
die Wände durchbrochen und verborgene Communicationsthüren angebracht.
Kein Psalm wurde gesungen und allerhand künstliche Mittel angewendet, um
zu verhindern, daß die Stimme des Predigers in Momenten feuriger
Inbrunst außerhalb der Mauern gehört werden konnte. Doch bei aller
dieser Vorsicht war es oft unmöglich, die Wachsamkeit der Späher zu
täuschen. Besonders in den Vorstädten Londons wurde das Gesetz mit der
äußersten Strenge durchgeführt. Mehrere reiche Leute wurden angeklagt,
daß sie Conventikel hielten, ihre Häuser streng durchsucht und
sie mit Geldstrafen bis zu mehreren tausend Pfund belegt. Die
leidenschaftlicheren und furchtloseren Sectirer, welche so aus ihrem
schützenden Obdache vertrieben wurden, versammelten sich dann unter
freiem Himmel, und beschlossen, Gewalt mit Gewalt zu erwiedern. Ein
Richter von Middlesex, der erfahren hatte, daß in einer Sandgrube,
ungefähr zwei Meilen von London, eine nächtliche Betversammlung
stattfinden sollte, drang mit einer starken Abtheilung Constabler in die
Versammlung ein und verhaftete den Prediger. Aber die aus zweihundert
Köpfen bestehende Gemeinde befreite ihren Geistlichen wieder und schlug
den Beamten mit seinen Schergen in die Flucht.[156] Dies war jedoch ein
ungewöhnlicher Fall, denn im Allgemeinen schien der puritanische Geist
damals viel wirksamer eingeschüchtert, als zu irgend einer früheren oder
späteren Zeit. Die toryistischen Tagesschriftsteller rühmten sich, daß
nicht ein Fanatiker zur Vertheidigung seiner religiösen Ansichten die
Zunge oder die Feder zu rühren wage. Dissenterprediger vom tadellosesten
Lebenswandel und von ausgezeichneter Bildung und Gelehrsamkeit durften
es nicht wagen, auf die Straße zu gehen, wenn sie sich nicht
Beleidigungen und Mißhandlungen aussetzen wollten, welche von Denen,
deren Pflicht es war, Ruhe und Frieden aufrecht zu erhalten, nicht nur
nicht verhindert, sondern sogar begünstigt wurden. Einige berühmte
Theologen saßen im Gefängniß, unter ihnen Richard Baxter; Andere, die
ein Vierteljahrhundert lang die Unterdrückung ertragen hatten, verloren
endlich den Muth und verließen das Land. Unter diesen befand sich Johann
Howe. Eine Menge Leute, welche früher Conventikel zu besuchen pflegten,
gingen in die Pfarrkirchen. Man machte die Bemerkung, daß die
Schismatiker, welche durch die Angst angetrieben worden waren, sich
scheinbar der Staatskirche anzubequemen, leicht an der Schwierigkeit,
mit der sie die Collecte fanden, und an der linkischen Art zu erkennen
waren, mit der sie sich bei dem Namen Jesu verneigten.[157]

Noch viele Jahre lang erinnerten sich die Nonconformisten des Herbstes
1685 als einer Zeit der Noth und des Schreckens. Dennoch waren in jenem
Herbste schon die ersten schwachen Anzeichen eines Schicksalswechsels zu
bemerken, und noch vor Ablauf von achtzehn Monaten bewarben sich der
unduldsame König und die unduldsame Kirche eifrigst um die Unterstützung
der Partei, welche beide so tief gekränkt hatten.

    [Anmerkung 156: Citters, 13.(23.) Oct. 1685.]

    [Anmerkung 157: +Neal's History of the Puritans, Calamy's Account
    of the ejected ministers+, und +The Nonconformist Memorial+
    enthalten zahlreiche Beispiele von der Härte dieser Verfolgungen.
    Howe's Abschiedsbrief an seine Gemeinde findet man in der
    interessanten Lebensbeschreibung dieses großen Mannes von Rogers.
    Howe beklagt sich darin, daß er es nicht wagen dürfe, sich auf den
    Straßen Londons zu zeigen und daß der Mangel an frischer Luft und
    Bewegung seine Gesundheit angegriffen habe. Die lebendigste
    Schilderung des Elends der Nonconformisten aber giebt ihr Todfeind
    Lestrange im Observator vom September und October 1685.]


       *       *       *       *       *
           *       *       *       *


  Sechstes Kapitel.

  Jakob II.



  =Inhalt.=

                                                               Seite
  Jakob's Macht auf dem höchsten Gipfel                            5
  Seine auswärtige Politik                                         6
  Seine Pläne in Betreff der inneren Verwaltung                    6
  Die Habeas-Corpus-Acte                                           6
  Das stehende Heer                                                6
  Pläne zu Gunsten der römisch-katholischen Religion               8
  Verletzung der Testacte. -- Halifax fallt in Ungnade            11
  Allgemeine Unzufriedenheit                                      12
  Verfolgung der französischen Hugenotten                         13
  Eindruck dieser Verfolgung in England                           15
  Zusammentritt des Parlaments, Rede des Königs                   15
  Es bildet sich eine Opposition im Hause der Gemeinen            16
  Ansichten auswärtiger Regierungen                               17
  Comité der Gemeinen wegen der Thronrede                         18
  Niederlage der Regierung                                        21
  Zweite Niederlage der Regierung                                 22
  Der König giebt den Gemeinen einen Verweis                      22
  Coke wird wegen Verletzung der dem Könige schuldigen
      Achtung von den Gemeinen mit Gefängnißstrafe belegt         23
  Opposition gegen die Regierung im Hause der Lords.
      Der Earl von Devonshire                                     24
  Der Bischof von London                                          25
  Viscount Mordaunt                                               25
  Prorogation des Parlaments                                      27
  Prozeß Lord Gerard's und Hampden's                              27
  Delamere's Prozeß                                               28
  Eindruck seiner Freisprechung                                   30
  Parteien am Hofe                                                31
  Stimmung der protestantischen Tories                            31
  Veröffentlichung hinterlassener Papiere Karl's II.              32
  Stimmung der achtungswerthen Katholiken                         33
  Cabale heftiger Katholiken                                      34
  Castelmaine                                                     34
  Jermyne. -- White. -- Tyrconnel                                 35
  Gesinnung der fremden Gesandten                                 37
  Spaltung zwischen dem Papste und der Gesellschaft Jesu          38
  Der Jesuitenorden                                               39
  Pater Petre                                                     43
  Stimmung und Ansichten des Königs                               43
  Sunderland bestärkt den König in seinen Irrthümern              45
  Treulosigkeit Jeffreys'. -- Godolphin und die Königin           47
  Liebeshändel des Königs                                         48
  Katharine Sedley                                                48
  Intriguen Rochester's zu Gunsten der Katharine Sedley           49
  Sinken von Rochester's Einfluß                                  52
  Castelmaine wird nach Rom gesandt                               53
  Die Hugenotten werden von Jakob übel behandelt                  53
  Das Dispensationsrecht. -- Absetzung widerspenstiger
      Richter                                                     56
  Prozeß Sir Eduard Hales'                                        58
  Römische Katholiken werden zum Besitz geistlicher
      Pfründen ermächtigt                                         59
  Die Dechanei von Christchurch wird einem Katholiken
      verliehen                                                   60
  Besetzung von Bisthümern                                        60
  Entschluß Jakob's, sein kirchl. Supremat geg. die Kirche
      zu gebrauchen                                               61
  Die ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten                       51
  Er errichtet einen neuen Gerichtshof der Hohen Commission       63
  Verfahren gegen den Bischof von London                          66
  Die öffentliche Schaustellung römisch-katholischer
      Gebräuche und Trachten erregt Unzufriedenheit               67
  Tumulte                                                         68
  Es wird bei Hounslow ein Lager gebildet                         69
  Samuel Johnson                                                  70
  Hugo Speke                                                      71
  Prozeß gegen Johnson                                            72
  Eifer der anglikanischen Geistlichkeit gegen den Papismus       73
  Streitschriften                                                 73
  Die römisch-katholischen Theologen besiegt                      74
  Zustand Schottlands. -- Queensberry                             76
  Abfall Perth's und Melfort's                                    77
  Begünstigung der katholischen Religion in Schottland            78
  Aufstände in Edinburg                                           78
  Zorn des Königs                                                 79
  Seine Pläne in Betreff Schottlands                              79
  Eine Deputation schottischer Geheimräthe begiebt sich
      nach London                                                 80
  Ihre Unterhandlungen mit dem Könige                             81
  Zusammentritt der schottischen Stände                           81
  Sie zeigen sich widerspenstig                                   81
  Sie werden vertagt. -- Willkürherrschaft in Schottland          84
  Irland. -- Zustand des irischen Rechts in Glaubenssachen        86
  Feindseligkeit der Stämme                                       86
  Das eingeborne Landvolk. -- Der eingeborne Adel                 87
  Zustand der englischen Colonie                                  89
  Verfahren, welches Jakob hätte beobachten sollen                90
  Seine Fehlgriffe                                                92
  Clarendon's Ankunft in Irland als Lordlieutenant                93
  Seine Kränkungen. -- Schrecken unter den Colonisten             94
  Tyrconnel's Ankunft in Dublin als General                       96
  Seine Parteilichkeit und Willkür                                97
  Er sucht die Ansiedlungsacte aufzuheben                         98
  Er kehrt nach England zurück                                    98
  Der König ist unzufrieden mit Clarendon                         98
  Angriff der jesuitischen Cabale gegen Rochester                 99
  Jakob's Versuche, Rochester zu bekehren                        101
  Rochester's Entlassung                                         104
  Entlassung Clarendon's                                         105
  Tyrconnel Lordstellvertreter                                   105
  Besorgnisse der englischen Ansiedler in Irland                 107
  Eindruck des Sturzes der Hyde                                  107



[_Jakob's Macht auf dem höchsten Gipfel._] Jakob stand jetzt -- 1685 --
auf dem Gipfel der Macht und des Glücks. Er hatte seine Feinde in
England und in Schottland besiegt und sie mit einer Strenge bestraft,
die sie zwar zum bittersten Haß gereizt, aber doch zu gleicher Zeit
ihren Muth wirksam gebrochen hatte. Die Whigpartei schien erloschen zu
sein und die Bezeichnung »Whig« wurde nur noch in tadelndem Sinne
gebraucht. Das Parlament war dem Könige ergeben und es stand in seiner
Macht, dieses Parlament bis ans Ende seiner Regierung beizubehalten. Die
Kirche versicherte ihn lauter als je ihrer Anhänglichkeit und hatte
während des letzten Aufstandes diesen Versicherungen entsprechend
gehandelt. Die Richter waren seine Werkzeuge, und wollten sie es nicht
mehr sein, so konnte er sie nach Belieben absetzen. Alle
Staatskörperschaften waren mit seinen Kreaturen angefüllt, seine
Einkünfte überstiegen bei weitem die seiner Vorgänger. Sein Stolz hob
sich gewaltig. Er war nicht mehr der nämliche Mann, der wenige Monate
zuvor aus Besorgniß, daß sein Thron in einer Stunde umgestürzt werden
könnte, mit unköniglichem Flehen auswärtige Hülfe erbeten und mit
Thränen des Dankes angenommen hatte. Visionen von Herrschaft und Ruhm
zogen an seiner Seele vorüber, er sah sich schon im Geiste als den
Schiedsrichter Europa's, als Beschützer vieler durch eine allzumächtige
Monarchie unterdrückter Staaten. Schon im Monat Juni hatte er die
Vereinigten Provinzen versichert, daß, sobald die Angelegenheiten
Englands geordnet seien, er der Welt zeigen werde, wie wenig er
Frankreich fürchte. In Übereinstimmung mit diesen Versicherungen schloß
er kaum einen Monat nach der Schlacht von Sedgemoor mit den
Generalstaaten einen Defensivvertrag, der ganz im Geiste der
Tripelallianz gefaßt war. Es wurde im Haag sowohl wie in Versailles als
ein bedeutungsvoller Umstand betrachtet, daß Halifax, der stete Todfeind
des französischen Übergewichts, der seit dem Beginn der gegenwärtigen
Regierung nicht ein einziges Mal in einer wichtigen Angelegenheit zu
Rathe gezogen worden war, bei dieser Gelegenheit die Hauptrolle spielte
und das Organ des Königs zu sein schien. Nicht minder bedeutsam war der
Umstand, daß Barillon nicht vorher benachrichtigt worden war, so daß
sowohl diesen als seinen Gebieter die Mittheilung nicht wenig
überraschte. Ludwig war sehr betroffen und äußerte große und
wohlbegründete Besorgnisse wegen der ferneren Pläne eines Fürsten, der
noch vor Kurzem sein Söldling und Vasall gewesen war. Es ging stark die
Rede, daß Wilhelm von Oranien damit beschäftigt sei, ein großes Bündniß
zu Stande zu bringen, welches beide Linien des Hauses Österreich, die
Vereinigten Provinzen, das Königreich Schweden und das Kurfürstenthum
Brandenburg umfassen sollte. Jetzt schien es, als würde der König und
das Parlament von England an der Spitze dieses Bündnisses stehen[1].

    [Anmerkung 1: +Avaux Neg. Aug. 6.(16.) 1685+; Depesche von Citters
    an seine Collegen vom 14.(24.) August, den Vertrag enthaltend;
    Ludwig an Barillon, 14.(24.) und 20.(30.) August.]


[_Seine auswärtige Politik._] Es wurden auch in der That Unterhandlungen
eröffnet, die auf ein solches Resultat hinzielten. Spanien schlug ein
enges Bündniß mit Jakob vor, und er lieh diesem Vorschlage ein geneigtes
Ohr, obwohl es auf der Hand lag, daß ein solches Bündniß gleichbedeutend
mit einer Kriegserklärung gegen Frankreich gewesen wäre. Er verschob
jedoch seine definitive Entscheidung bis nach der Wiedereinberufung des
Parlaments. Das Schicksal der ganzen Christenheit hing von der Stimmung
ab, in der er das Haus der Gemeinen finden würde. Waren sie geneigt auf
seine Ideen bezüglich der inneren Verwaltung einzugehen, so hinderte ihn
nichts, sich mit Energie und Nachdruck in den großen Streit zu mischen,
der auf dem Continent bald zur Entscheidung kommen mußte; zeigten sie
sich dagegen widerspenstig, so mußte er jeden Gedanken daran, als
Schiedsrichter zwischen streitende Nationen zu treten, aufgeben, mußte
aufs neue den Beistand Frankreichs erbitten und sich dessen Vorschriften
unterwerfen, mußte zu einem Potentaten dritten oder vierten Ranges
herabsinken und sich für die Verachtung, mit der das Ausland auf ihn
niederblickte, durch Triumphe über das Gesetz und die öffentliche
Meinung im eigenen Lande entschädigen.


[_Seine Pläne in Betreff der inneren Verwaltung._] Es hatte in der That
den Anschein, als ob es nicht leicht sein würde, mehr zu verlangen, als
die Gemeinen zu bewilligen geneigt waren. Sie hatten schon genugsam
bewiesen, daß sie seine Prärogative ungeschmälert aufrecht zu erhalten
wünschten und daß sie es mit seinen Eingriffen in die Rechte des Volks
nicht so genau nehmen würden. Elf Zwölftel der Mitglieder waren entweder
vom Hofe abhängig oder eifrige Kavaliere vom Lande. Es gab nur Weniges,
was eine solche Versammlung dem Souverain beharrlich verweigern konnte,
und zum Glück für die Nation war dieses Wenige gerade das, auf was Jakob
sich capricirte.


[_Die Habeas-Corpus-Acte._] Einer seiner Hauptzwecke war die Aufhebung
der Habeas-Corpus-Acte, die er haßte, wie ein Tyrann naturgemäß den
stärksten Zügel hassen mußte, den je eine Gesetzgebung der Tyrannei
anlegte. Dieser Gedanke beschäftigte seinen Geist bis zum letzten
Augenblicke und ist auch in den Instructionen ausgesprochen, die er in
der Verbannung für seinen Sohn niederschrieb[2]. Aber obgleich die
Habeas-Corpus-Acte während der Herrschaft der Whigs erlassen war, so war
sie doch den Tories nicht weniger theuer als jenen. Es ist auch in der
That nicht zu verwundern, daß dieses große englische Gesetz von allen
Engländern ohne Unterschied der Partei hoch geschätzt wird, denn es ist
ein Gesetz, das nicht auf Umwegen, sondern unmittelbar die Sicherheit
und das Glück jedes Bewohners des Königreichs erhöht[3].

    [Anmerkung 2: Instructionen mit der Überschrift: »Für meinen Sohn,
    den Prinzen von Wales, 1692« in den Stuart-Papieren.]

    [Anmerkung 3: »Die Habeas-Corpus-Acte,« sagte Johnson, der
    eingefleischteste Tory, zu Boswell, »ist der einzige Vorzug, den
    unsre Verfassung vor den Verfassungen anderer Staaten hat.«]


[_Das stehende Heer._] Jakob hatte noch einen andren Plan, welcher der
Partei, die ihn auf den Thron erhoben und auf demselben erhalten hatte,
verhaßt war: die Bildung eines großen stehenden Heeres. Er hatte den
letzten Aufstand benutzt, um die ihm von seinem Bruder hinterlassene
Streitmacht bedeutend zu verstärken. Die Truppentheile, welche jetzt
als die sechs ersten Regimenter Gardedragoner bezeichnet werden,
so wie das dritte und vierte Dragonerregiment und die neun
Linieninfanterieregimenter, vom siebenten bis fünfzehnten
einschließlich, waren eben erst errichtet worden[4]. Durch diese
Vermehrungen, verbunden mit der Zurückberufung der Garnison von Tanger,
war die Stärke der regulären Truppen Englands binnen wenigen Monaten
von sechstausend auf nahe an zwanzigtausend Mann gestiegen. Noch kein
englischer König hatte in Friedenszeiten über eine solche Heeresmacht zu
verfügen gehabt, dennoch aber war Jakob noch nicht damit zufrieden. Er
äußerte sehr oft, daß man sich auf die Treue der Milizen nicht verlassen
könne, daß sie mit allen Leidenschaften des Standes, dem sie angehörten,
sympathisirten, daß bei Sedgemoor in dem Rebellenheere sich mehr Miliz
als im königlichen Lager befunden hätte und daß, wenn der Thron nur
durch das Aufgebot der Grafschaften vertheidigt worden wäre, Monmouth im
Triumph von Lyme nach London marschirt sein würde.

So groß auch die Einkünfte im Vergleich mit denen früherer Könige waren,
so reichten sie doch kaum hin, um diesen neuen Mehraufwand zu
bestreiten. Ein großer Theil des Ertrags der neuen Abgaben wurde durch
den Bedarf der Flotte absorbirt. Am Ende der vorigen Regierung hatte der
Gesammtaufwand für die Armee, mit Einschluß der in Tanger stehenden
Regimenter, nicht ganz dreihunderttausend Pfund betragen; jetzt wollten
dazu sechshunderttausend noch nicht ausreichen[5]. Sollte eine weitere
Vermehrung erfolgen, so mußte man einen neuen Credit vom Parlament
verlangen, und es war nicht wahrscheinlich, daß dieses sich dazu geneigt
zeigte. Schon der Ausdruck »stehendes Heer« war der ganzen Nation
verhaßt, und Niemandem mehr als den Kavalieren, welche das Unterhaus
füllten. Nach ihren Begriffen war das stehende Heer gleichbedeutend mit
Rumpfparlament, mit Protector, mit Beraubung der Kirche, Säuberung der
Universitäten, Abschaffung der Pairie und der Ermordung des Königs, mit
dem unheimlichen Regimente der Heiligen, mit Frömmelei und Ascetik, mit
Geldstrafen und Sequestrationen, mit den Insulten, die sich
Generalmajore, welche aus der Hefe des Volks hervorgegangen waren, gegen
die ältesten und vornehmsten Familien des Reichs erlaubt hatten.
Überdies gab es kaum einen Baronet oder Squire im Parlamente, der nicht
einen Theil des Ansehens, das er in seiner Grafschaft genoß, seiner
Stellung in der Miliz verdankt hätte. Wenn diese Nationalstreitmacht
beseitigt wurde, so mußte die englische Gentry nothwendig viel von ihrem
Ansehen und ihrem Einflusse verlieren. Es war daher wahrscheinlich, daß
es dem Könige schwerer werden würde, die Mittel zum Unterhalt seiner
Armee, als die Aufhebung der Habeas-Corpus-Acte zu erlangen.

    [Anmerkung 4: Siehe die +Historical Records of Regiments+,
    herausgegeben unter der Oberleitung des Generaladjutanten.]

    [Anmerkung 5: Barillon, 3.(13.) Dec. 1685. Er hatte den Gegenstand
    gründlich studirt. +»C'est un detail,«+ schreibt er, +»dont j'ai
    connoissance.«+ Aus den Rechnungsbüchern des Schatzamts ergiebt
    sich, daß der Aufwand für die Armee auf das Jahr 1687 am 1. Januar
    auf 623,104 L. 9 s. 11 d. angeschlagen war.]


[_Pläne zu Gunsten der römisch-katholischen Religion._] Die beiden
erwähnten Pläne waren jedoch einem andren untergeordnet, an dem der
König mit ganzer Seele hing, der aber sowohl den Torygentlemen, welche
bereit waren, für seine Rechte mit ihrem Blute einzustehen, als auch der
Kirche, welche seit drei unter bürgerlichen Unruhen verflossenen
Menschenaltern in der treuen Anhänglichkeit an sein Haus nie gewankt
hatte, und selbst der Armee verhaßt war, auf die er im äußersten
Nothfalle rechnen mußte.

Seine Religion war noch immer geächtet, manch' strenges Gesetz gegen die
römischen Katholiken stand im Gesetzbuche und war vor nicht gar langer
Zeit mit rücksichtsloser Härte angewendet worden. Die Testacte schloß
alle der anglikanischen Kirche nicht Angehörenden von jedem bürgerlichen
und militairischen Amte aus, und eine spätere Verordnung, welche
erlassen worden war, als die Erdichtungen des Oates die Nation wüthend
gemacht hatten, bestimmte, daß in keinem der beiden Parlamentshäuser
Jemand sitzen dürfe, der nicht die Lehre von der Transsubstantiation
feierlich abgeschworen hatte. Es war natürlich und recht, daß der König
für die Kirche, der er angehörte, vollständige Duldung wünschte, und man
hat keinen Grund daran zu zweifeln, daß er mit ein wenig Geduld,
Klugheit und Billigkeit diese Duldung auch erlangt haben würde.

Der heftige Widerwille und die Furcht, womit das englische Volk den
Glauben des Königs betrachtete, durfte nicht ausschließlich und nicht
hauptsächlich theologischer Erbitterung zugeschrieben werden. Daß man
auch in der römischen Kirche selig werden könne, ja daß einzelne
Mitglieder dieser Kirche zu den ausgezeichnetsten Vorbildern
christlicher Tugend gehörten, wurde von allen Theologen der
anglikanischen Kirche wie von den angesehensten Nonconformisten
zugegeben. Dagegen ist es notorisch, daß die Strafgesetze gegen den
Papismus von Vielen, welche Arianismus, Quäkerthum und Judenthum vom
geistlichen Gesichtspunkte betrachtet für gefährlicher hielten als den
Papismus, deshalb aber doch nicht geneigt waren, ähnliche Gesetze gegen
Arianismus, Quäkerthum und Judenthum zu erlassen, energisch vertheidigt
wurden.

Es läßt sich leicht erklären, warum der römische Katholik mit weniger
Nachsicht behandelt wurde als Leute, die von der Lehre der nicäischen
Väter nichts wissen wollten, ja selbst als solche Leute, welche nicht
einmal durch die Taufe in den christlichen Bund aufgenommen waren. Es
herrschte unter den Engländern die feste Überzeugung, daß der römische
Katholik, sobald die Interessen seiner Religion im Spiele waren, sich
aller gewöhnlichen Regeln der Moral entbunden glaube, ja daß er es sogar
für verdienstlich halte, diese Regeln zu verletzen, wenn er dadurch eine
Benachtheiligung oder eine Schmach von der Kirche, deren Mitglied er
war, abwenden könnte. Diese Ansicht hatte auch wirklich einen Schein von
Begründung. Man konnte es unmöglich leugnen, daß ausgezeichnete
römisch-katholische Casuisten zur Verteidigung der Doppelsinnigkeit, des
stillschweigenden Vorbehalts, des Meineides und selbst des Mordes
geschrieben hatten. Auch waren, wie man sagte, die Theorien dieser
abscheulichen Sophistenschule nicht ohne praktische Resultate geblieben.
Das Blutbad der Bartholomäusnacht, die Ermordung des ersten Wilhelm von
Oranien, die Ermordung Heinrich's III. von Frankreich, die zahlreichen
Verschwörungen gegen das Leben der Königin Elisabeth und ganz besonders
die Pulververschwörung wurden beständig als Beweise für die enge
Beziehung zwischen verderblicher Theorie und verderblicher Praxis
angeführt. Man behauptete, daß jedes dieser Verbrechen von
römisch-katholischen Priestern angestiftet oder doch gebilligt worden
sei. Die Briefe, welche Eberhard Digby im Tower mit Citronensaft an
seine Gattin geschrieben, waren unlängst veröffentlicht worden und
wurden häufig angeführt. Er war ein Gelehrter und ein Gentleman, im
gewöhnlichen Leben durchaus rechtschaffen und von dem Gefühle der
Pflichten gegen Gott durchdrungen. Dennoch, war er tief in den Anschlag
verwickelt, den König, die Lords und die Gemeinen in die Luft zu
sprengen, und hatte am Rande der Ewigkeit erklärt, daß es ihm
unbegreiflich sei, wie ein römischer Katholik einen solchen Plan für
sündhaft halten könne. Aus allen diesen Dingen zog das Volk den Schluß,
daß der allgemeine Character eines Papisten noch so tadellos sein könne,
er doch jeder Arglist und Grausamkeit fähig sei, wenn das Wohl und die
Ehre seiner Kirche in's Spiel komme.

Der außerordentliche Erfolg der Fabeln des Oates ist namentlich dem
Vorherrschen dieser Ansicht zuzuschreiben. Umsonst berief sich der
angeklagte römische Katholik auf die Rechtschaffenheit,
Menschenfreundlichkeit und Loyalität, die er während seines ganzen
Lebens bewiesen habe; umsonst berief er sich auf zahlreiche achtbare
Zeugen seines Glaubens, um die abenteuerlichen Romane zu widerlegen,
welche der ehrloseste aller Menschen erdichtet; umsonst rief er noch mit
dem Stricke um den Hals die ganze Rache des Gottes, vor dem er in
wenigen Augenblicken erscheinen sollte, auf sich herab, wenn er irgend
etwas Böses gegen seinen Fürsten oder seine protestantischen Landsleute
beabsichtigt hätte. Die Zeugen, die er zu seiner Entlastung aufrief,
bewiesen nur, wie wenig ein Papisteneid werth war; gerade seine Tugenden
erweckten den Verdacht seiner Schuld, und der Umstand, daß er den Tod
und das jüngste Gericht vor Augen sah, machte es nur um so
wahrscheinlicher, daß er leugnen werde, was er nicht gestehen konnte,
ohne der heiligsten Sache zu schaden. Unter den Unglücklichen, die wegen
der Ermordung Godfrey's verurtheilt wurden, befand sich auch ein
Protestant von nicht sehr achtungswerthem Character, Namens Heinrich
Berry. Es ist ein bedeutungsvoller und authentisch erwiesener Umstand,
daß Berry's letzte Worte mehr dazu beitrugen, den Glauben an das Complot
zu erschüttern, als die Erklärungen, welche die frommen und ehrenwerthen
römischen Katholiken, die das nämliche Loos traf, in der Todesstunde
abgaben[6].

Und nicht allein von dem unwissenden Pöbel, nicht allein von den
Eiferern, in denen der Fanatismus alle Vernunft und Menschenliebe
erstickt hatte, wurde der Katholik als ein Mensch betrachtet, den gerade
die Zartheit seines Gewissens zum falschen Zeugen, zum Brandstifter und
zum Mörder machen konnte, als ein Mensch, der vor keiner Schandthat
zurückbebte und sich durch keinen Eid gebunden glaubte, sobald seine
Kirche im Spiele war. Wenn es damals zwei Männer gab, die ihr Verstand
wie ihr Gemüth zur Duldsamkeit geneigt machte, so waren es gewiß
Tillotson und Locke. Dennoch sagte Tillotson, den seine Nachsicht gegen
verschiedene Klassen von Schismatikern und Ketzern den Vorwurf der
Heterodoxie zugezogen hatte, dem Hause der Gemeinen auf der Kanzel, daß
es ihre Pflicht sei, wirksame Maßregeln gegen die Verbreitung einer
Religion zu treffen, welche verderblicher sei als völlige
Irreligiosität, einer Religion, die von ihren Bekennern Dienste fordere,
welche den ersten Grundsätzen der Moral zuwiderliefen, sein Herz,
versicherte er aus aufrichtiger Überzeugung, sei zur Milde geneigt, aber
seine Pflicht gegen die Gesammtheit zwinge ihn, in diesem einen Punkte
streng zu sein. Er erklärte, daß seiner Ansicht nach Heiden, welche den
Namen Christi nie gehört hätten und nur durch das Licht der Natur
geleitet würden, vertrauenswürdigere Mitglieder der bürgerlichen
Gesellschaft seien, als Menschen, die in der Schule der papistischen
Casuisten gebildet wären[7]. Locke behauptete in der berühmten Schrift,
durch die er zu beweisen versuchte, daß selbst die rohesten Formen des
Götzendienstes nicht durch Strafbestimmungen verboten werden dürften,
daß eine Kirche, welche die Menschen lehre, Ketzern gegenüber ihr Wort
nicht zu halten, keinen Anspruch auf Duldung habe[8].

Unter solchen Umständen konnte ein englischer Katholik seinen
Glaubensgenossen gewiß keinen größeren Dienst erzeigen, als wenn er das
Publikum überzeugte, daß seine Kirche, was auch einige heftige Männer in
Zeiten stürmischer Aufregung geschrieben oder gethan haben mochten,
keineswegs der Ansicht huldige, daß irgend ein Zweck mit der
Sittlichkeit unvereinbare Mittel heiligen könne. Und es stand in Jakob's
Macht, diesen großen Dienst zu leisten. Er war König und mächtiger als
irgend ein englischer König, dessen sich die ältesten Leute erinnern
konnten, gewesen war. Von ihm hing es ab, ob der Vorwurf, der auf seiner
Religion haftete, beseitigt oder verewigt werden sollte.

Hätte er sich den Gesetzen gefügt, hätte er seine Versprechungen
erfüllt, hätte er sich der Anwendung jedes unrechtmäßigen Mittels zur
Verbreitung seiner eigenen religiösen Glaubenssätze enthalten, hätte er
die Wirkung der Strafbestimmungen durch einen ausgedehnten Gebrauch
seines unbestreitbaren Begnadigungsrechtes aufgehoben, zu gleicher Zeit
aber sich sorgfältig vor jeder Verletzung der bürgerlichen oder
kirchlichen Verfassung des Reiches gehütet, so würde in den Gesinnungen
seines Volkes bald ein Umschwung eingetreten sein. Ein so sprechender
Beweis gewissenhafter Redlichkeit von Seiten papistischer Fürsten,
gegenüber einer protestantischen Nation, würde die allgemeinen
Befürchtungen bald beschwichtigt haben. Wenn das Volk gesehen hätte, daß
man einem Katholiken ohne alle Gefahr die Leitung der ganzen ausübenden
Verwaltung, den Oberbefehl über Armee und Flotte, die Einberufung und
Auflösung der gesetzgebenden Versammlung, die Ernennung der Bischöfe und
Dechanten der englischen Kirche anheim geben konnte, so würde es bald
von der Befürchtung zurückgekommen sein, daß Unheil daraus entstehen
könne, wenn ein Katholik als Hauptmann einer Compagnie oder als Alderman
eines Stadtbezirks fungirte. Es ist sehr wahrscheinlich, daß binnen
wenigen Jahren die von der Nation so lange verabscheute Secte mit
allgemeinem Beifall zu Staatsämtern wie in's Parlament zugelassen worden
wäre.

Versuchte es dagegen Jakob, das Interesse seiner Kirche durch Verletzung
der Grundgesetze seines Reiches und der feierlichen Versprechungen, die
er wiederholt im Angesicht der ganzen Welt gegeben, zu fördern, so stand
kaum zu bezweifeln, daß die Beschuldigungen, welche gegen die
römisch-katholische Religion an der Tagesordnung waren, von allen
Protestanten für vollkommen begründet gehalten werden würden. Denn wenn
je ein römischer Katholik Ursache hatte, Ketzern sein Wort zu halten, so
hatte Jakob Ursache, der anglikanischen Geistlichkeit sein Wort zu
halten. Ihr verdankte er seine Krone, ohne ihre beharrliche Opposition
gegen die Ausschließungsbill würde er ein Verbannter gewesen sein. Er
hatte wiederholt und feierlich seine Verpflichtungen gegen sie anerkannt
und gelobt, daß er sie in allen ihren gesetzlichen Rechten schützen
werde. Wenn er sich durch solche Verpflichtungen nicht gebunden
erachtete, so war es klar, daß keine Pflicht der Dankbarkeit oder der
Ehre ihn binden konnte, wenn sein Aberglaube in's Spiel kam. Es war dann
unmöglich, daß sein Volk ihm traute, und wenn es ihm nicht trauen
konnte, welchem Mitgliede seiner Kirche sollte es dann trauen? Man hielt
ihn nicht für heimtückisch von Natur oder aus Gewohnheit. Seinem
gedankenlosen Wesen und seiner Rücksichtslosigkeit gegen die Gefühle
Anderer verdankte er einen viel höheren Ruf von Aufrichtigkeit, als er
ihn irgendwie verdiente. Seine Lobhudler pflegten ihn gern Jakob den
Gerechten zu nennen. Wenn es sich nun aber zeigte, daß er, indem er
Katholik wurde, zu gleicher Zeit auch ein Heuchler und Wortbrüchiger
geworden war, welche Folgerungen mußte dann wohl aus dem Allen eine
Nation ziehen, die ohnehin schon zu dem Glauben geneigt war, daß der
Papismus einen verderblichen Einfluß auf den sittlichen Character
ausübe?

    [Anmerkung 6: +Burnet I. 447.+]

    [Anmerkung 7: Tillotson's Predigt vor dem Hause der Gemeinen am 5.
    Nov 1678.]

    [Anmerkung 8: +Locke, First Letter on Toleration.+]


[_Verletzung der Testacte._] Aus diesen Gründen waren viele der
vornehmsten Katholiken jener Zeit, unter ihnen der Papst selbst, der
Meinung, daß das Interesse ihrer Kirche auf unsrer Insel durch eine
gemäßigte und der Verfassung entsprechende Politik am wirksamsten
gefördert werden würde. Aber solche Argumente machten keinen Eindruck
auf den beschränkten Verstand und den herrschsüchtigen Character des
Königs. In seinem Eifer, die gesetzlichen Ausschließungen aufzuheben,
unter denen die Bekenner seiner Religion litten, schlug er ein Verfahren
ein, welches die aufgeklärtesten und tolerantesten Protestanten seiner
Zeit überzeugte, daß solche Ausschließungen für das Wohl des Staates
nothwendig waren. Die englischen Katholiken verdankten seiner Politik
drei Jahre eines rechtswidrigen und übermütigen Triumphes, und
hundertvierzig Jahre der Unterjochung und Erniedrigung.

Viele Mitglieder seiner Kirche bekleideten Offiziersstellen in den neu
errichteten Regimentern. Diese Verletzung des Gesetzes ließ man eine
Zeit lang ungerügt hingehen, weil man nicht Lust hatte, jede
Regelwidrigkeit von Seiten eines Königs zu moniren, der sich plötzlich
genöthigt sah, seine Krone und sein Leben gegen Rebellen zu
vertheidigen. Jetzt aber war die Gefahr vorüber, die Aufrührer waren
besiegt und bestraft, ihr mißlungener Versuch hatte die Regierung, die
sie zu stürzen hofften, nur noch mehr gekräftigt. Dennoch vergab Jakob
noch immer Stellen an unbefähigte Personen, und bald ging die Rede, daß
er beschlossen habe, sich nicht mehr an die Testacte zu binden, daß er
hoffe, das Parlament zur Aufhebung dieses Gesetzes zu bewegen, daß er
aber, wenn das Parlament sich widerspenstig zeigen sollte, dennoch
seinen Willen durchsetzen werde.


[_Halifax fällt in Ungnade._] Sobald dies bekannt wurde, mahnte ihn ein
dumpfes Murren, der Vorläufer eines Gewittersturmes, daß der Geist, dem
sein Großvater, sein Vater und sein Bruder hatten weichen müssen, nur
schlummere, aber noch nicht erloschen sei. Der Widerstand zeigte sich
zuerst im Kabinet. Halifax versuchte es gar nicht, seinen Unmuth und
seine Besorgniß zu verhehlen; im geheimen Rathe sprach er furchtlos die
Gefühle aus, von denen, wie es sich sehr bald zeigte, die ganze Nation
durchdrungen war. Da keiner seiner Collegen ihn unterstützte, ließ man
den Gegenstand fallen. Nach der Sitzung aber wurde er in's königliche
Kabinet berufen und er hatte zwei lange Conferenzen mit seinem Gebieter.
Jakob versuchte die Wirkung von Schmeicheleien und Complimenten, aber
vergebens, Halifax weigerte sich auf das Bestimmteste zu versprechen,
daß er im Hause der Lords für die Abschaffung der Testacte oder der
Habeas-Corpus-Acte stimmen werde.

Einige Männer aus der Umgebung des Königs riethen ihm, am Vorabende der
Einberufung des Parlaments nicht den beredtesten und vollendetsten
Staatsmann des Jahrhunderts in das Lager der Opposition zu treiben. Sie
stellten ihm vor, daß Halifax die Ehre und das Einkommen seines Amtes
liebe, daß, so lange er Lordpräsident sei, er schwerlich mit seiner
ganzen Kraft gegen die Regierung auftreten werde, daß aber die
Entlassung von seinem hohen Posten so viel heiße, als ihn aller
Rücksichten entbinden. Der König aber beharrte auf seinem Vorsatze,
Halifax wurde benachrichtigt, daß man seiner Dienste nicht mehr bedürfe,
und sein Name in dem Geheimrathsbuche gestrichen[9].

    [Anmerkung 9: Geheimrathsbuch. Der Name wurde gestrichen am 21.
    Oct. 1685. Halifax an Chesterfield; Barillon, 19.(29.) Oct.]


[_Allgemeine Unzufriedenheit._] Seine Entlassung machte nicht allein im
England, sondern in Paris, in Wien und im Haag großes Aufsehen, denn es
war wohl bekannt, daß er stets darauf hingearbeitet hatte, den Einfluß
des Hofes von Versailles auf die Angelegenheiten Englands zu
neutralisiren. Ludwig freute sich über die Nachricht; die Gesandten der
Vereinigten Provinzen und des Hauses Österreich dagegen priesen die
Weisheit und die Tugenden des entlassenen Staatsmannes in einer Weise,
welche in Whitehall großes Ärgerniß erregte. Ganz besonders aufgebracht
war Jakob gegen den Sekretär der kaiserlichen Gesandtschaft, der sich
nicht scheute zu sagen, daß die wichtigen Dienste, welche Halifax in der
Debatte über die Ausschließungsbill geleistet habe, mit grobem Undanke
vergolten würden[10].

Es zeigte sich bald, daß Halifax viele Nachfolger haben werde. Ein Theil
der Tories, mit ihrem alten Führer Danby an der Spitze, begann eine
whiggistische Sprache zu führen; selbst die Prälaten gaben nicht
undeutlich zu verstehen, daß es einen Punkt gebe, wo die dem Fürsten
schuldige Loyalität höheren Rücksichten weichen müsse. Die
Unzufriedenheit der Generäle war noch größer und besorgnißerregender.
Schon zeigten sich die ersten Symptome jener Stimmung, welche drei Jahre
später so viele hohe Offiziere antrieb, die königliche Fahne zu
verlassen. Männer, welche sich sonst aus nichts ein Gewissen machten,
wurden jetzt mit einem Male auffallend bedenklich. Churchill äußerte
schüchtern, daß der König doch etwas zu weit gehe. Kirke, der eben von
seiner Schlächterei im Westen zurückgekehrt war, schwur, daß er am
protestantischen Glauben festhalten werde, und selbst wenn er den
Glauben, in welchem er erzogen worden, abschwören sollte, so werde er
doch nie ein Papist werden. Er habe sich bereits vergeben; wenn er
überhaupt seinem Glauben je entsage, so sei er durch ein dem Kaiser von
Marokko gegebenes feierliches Versprechen verbunden, Muselmann zu
werden[11].

    [Anmerkung 10: Barillon, 26. Oct, (5. Nov.) 1685; Ludwig an
    Barillon 27. Oct, (6. Nov.) und 6/16. Nov.]

    [Anmerkung 11: Ein interessanter Bericht über das erste Erscheinen
    der Symptome von Unzufriedenheit unter den Tories findet sich in
    einem Briefe von Halifax an Chesterfield, geschrieben im October
    1635. +Burnet I. 684.+]


[_Verfolgung der französischen Hugenotten._] Während die schon in
mannichfacher Beziehung aufgeregte Nation mit ängstlicher Spannung dem
Wiederzusammentritt der Parlamentshäuser entgegensah, kamen Nachrichten
aus Frankreich, welche die Aufregung noch vermehrten.

Der lange und heldenmüthige Kampf, den die Hugenotten gegen die
französische Regierung bestanden hatten, war durch Richelieu's
Geschicklichkeit und Energie zu einem endlichen Schlusse gebracht
worden. Dieser große Staatsmann besiegte sie, sicherte ihnen aber die
ihnen durch das Edict von Nantes verliehene Gewissensfreiheit zu. Es
wurde ihnen unter einigen leichten Beschränkungen gestattet, Gott nach
ihrem Ritual zu verehren und zur Vertheidigung ihrer Lehre zu schreiben.
Alle Civil- und Militairämter standen ihnen offen und geraume Zeit
hindurch war ihre Ketzerei kein praktisches Hinderniß für sie, um sich
in der Welt emporzuschwingen. Einige von ihnen befehligten Armeecorps,
Andere standen an der Spitze wichtiger Zweige der Civilverwaltung.
Endlich aber trat eine Veränderung ein. Ludwig XIV. hegte schon seit
langer Zeit eine politische und religiöse Abneigung gegen die
Calvinisten. Als eifriger Katholik verabscheute er ihre theologischen
Dogmen, und als Fürst, der die Willkürherrschaft liebte, verabscheute er
die republikanischen Theorien, welche in die Genfer Theologie verwoben
waren. Er verkürzte nach und nach alle Rechte, welche die Schismatiker
genossen. Er mischte sich in die Erziehung der protestantischen Kinder,
confiscirte Besitzungen, welche protestantischen Consistorien durch
Erbschaft zugefallen waren, und schloß unter nichtigen Vorwänden
protestantische Kirchen. Die protestantischen Geistlichen wurden von den
Steuereinnehmern gequält, den protestantischen Magistratspersonen die
Adelstitel entzogen, und den protestantischen Hofbeamten angekündigt,
daß Seine Majestät ihrer Dienste nicht mehr bedürfe. Es wurde Befehl
gegeben, daß kein Protestant mehr im Justizfache angestellt werden
solle. Die unterdrückte Secte ließ einige schwache Anzeichen von dem
Geiste blicken, der im vorhergehenden Jahrhundert der ganzen Macht des
Hauses Valois Trotz geboten hatte. Es erfolgten Metzeleien und
Hinrichtungen. In die Städte, wo sich viele Ketzer befanden und auf die
Güter des ketzerischen Adels wurden Dragoner gelegt, und die Grausamkeit
und Zügellosigkeit dieser rohen Missionare wurde von der Regierung
gutgeheißen oder doch nur sehr mild getadelt. Indessen war das Edict von
Nantes, obgleich es in seinen wesentlichsten Punkten factisch verletzt
wurde, nicht förmlich aufgehoben, und der König erklärte wiederholt in
feierlichen öffentlichen Erlassen, daß er entschlossen sei, es aufrecht
zu erhalten. Aber die Fanatiker und Schmeichler, denen er ein geneigtes
Ohr lieh, gaben ihm Rathschläge, die er zu befolgen nur zu bereit war.
Sie stellten ihm vor, daß seine strenge Politik außerordentlich
erfolgreich gewesen sei, daß sein Wille wenig oder gar keinen Widerstand
gefunden habe, daß schon Tausende von Hugenotten bekehrt worden seien,
und wenn er noch den letzten entscheidenden Schritt thue, so würden sich
die bis jetzt noch hartnäckig Widerstrebenden bald fügen, Frankreich von
dem Flecken der Ketzerei vollkommen gereinigt sein und sein Beherrscher
sich eine himmlische Krone verdienen, nicht minder ruhmvoll als die des
heiligen Ludwig. Diese Gründe schlugen durch. Der letzte Streich wurde
geführt, das Edict von Nantes wurde widerrufen und eine Menge
Verordnungen gegen die Sectirer erschienen in rascher Aufeinanderfolge.
Knaben und Mädchen wurden ihren Eltern entrissen und in Klöster
geschickt, um dort erzogen zu werden. Alle calvinistischen Geistlichen
wurden aufgefordert, entweder ihren Glauben abzuschwören, oder binnen
vierzehn Tagen das Land zu verlassen. Den anderen Bekennern, des
reformirten Glaubens wurde verboten, das Königreich zu verlassen, und um
ihre Flucht zu verhindern, wurden die Häfen und Grenzen streng bewacht.
Man glaubte, daß die auf solche Art von ihren gefährlichen Hirten
getrennten Heerden bald in ihre wahre Hürde zurückkehren würden. Aber
trotz aller Wachsamkeit der militairischen Polizei fand eine bedeutende
Auswanderung statt; es wurde berechnet, daß binnen wenigen Monaten
funfzigtausend Familien Frankreich für immer verließen. Auch waren diese
Flüchtlinge keineswegs Leute, die ein Land leicht entbehren kann, denn
die Mehrzahl von ihnen waren Personen von aufgeklärter Bildung, von
großer Betriebsamkeit und von strengen Sitten. Es befinden sich Namen
darunter, die in Krieg, Wissenschaft, Literatur und Kunst eine
hervorragende Stellung einnahmen. Einige von den Verbannten boten
Wilhelm von Oranien ihre Schwerter an und zeichneten sich durch die
Erbitterung aus, mit der sie nachher gegen ihren Unterdrücker kämpften.
Andere rächten sich durch noch furchtbarere Waffen und reizten durch die
holländische, englische und deutsche Presse dreißig Jahre lang die
öffentliche Meinung Europa's gegen die französische Regierung auf. Ein
friedlicher gesinnter Theil errichtete in der östlichen Vorstadt Londons
Seidenmanufacturen; ein andrer Theil unterrichtete die Sachsen in der
Verfertigung von Stoffen und Hüten, für welche Frankreich bis dahin das
Monopol gehabt hatte. Noch Andere pflanzten die ersten Weinstöcke in der
Nähe des Caps der guten Hoffnung[12].

Unter gewöhnlichen Umständen würden die Höfe von Spanien und Rom einem
Fürsten, der so nachdrücklich gegen die Ketzerei zu Felde zog, den
lebhaftesten Beifall gezollt haben. Aber die Ungerechtigkeit und der
Hochmuth Ludwig's hatten einen solchen Haß erregt, daß, als er zum
Verfolger wurde, die Höfe von Spanien und Rom für die religiöse Freiheit
Partei nahmen und laut die Grausamkeit mißbilligten, eine wilde und
freche Soldateska gegen ein harmloses Volk zu hetzen[13]. Das ganze
protestantische Europa brach in einen Schrei des Schmerzes und der Wuth
aus. Nach England kam die Nachricht von der Zurücknahme des Edicts von
Nantes ungefähr eine Woche vor dem Tage, bis zu welchem das Parlament
vertagt war. Es wurde nun klar, daß der Geist Gardiner's und Alba's noch
immer der Geist der römisch-katholischen Kirche war. Ludwig stand Jakob
an Hochherzigkeit und Humanität nicht nach und war ihm in allen
Fähigkeiten und Kenntnissen eines Staatsmannes jedenfalls weit
überlegen. Wie Jakob, hatte auch Ludwig zu wiederholten Malen
versprochen, die Rechte seiner protestantischen Unterthanen zu achten.
Dennoch trat Ludwig jetzt ganz offen als Verfolger des reformirten
Glaubens auf. Konnte man wohl zweifeln, daß Jakob nur auf eine günstige
Gelegenheit wartete, um dieses Beispiel nachzuahmen? Schon bildete er,
dem Gesetz zum Hohn, eine Militairmacht, die zum großen Theile von
römisch-katholischen Offizieren befehligt ward. Lag wohl etwas
Unvernünftiges in der Befürchtung, daß diese Armee zu gleichen Zwecken
verwendet werden sollte, wie die fränzösischen Dragoner?

    [Anmerkung 12: Die damals in verschiedenen Sprachen erschienenen
    Schriften über diese Verfolgung sind unzählig. Eine ungemein
    klare, elegante und geistvolle Übersicht findet sich in Voltaire's
    Zeitalter Ludwigs XIV.]

    [Anmerkung 13: +»Misionarios embotados«+, sagt Ronquillo.
    +»Apostoli armati«+, sagt Innocenz. In der Mackintosh-Sammlung
    befindet sich ein interessanter Brief über diesen Gegenstand von
    Ronquillo, d. d. 26. März (5. April) 1686. Siehe +Venior,
    Relatione di Francia+, 1689, angeführt von Prof. Ranke in seinen
    »Römischen Päpsten«, Buch VIII.]


[_Eindruck dieser Verfolgung in England._] Jakob war über das Verfahren
des Hofes von Versailles fast eben so erstaunt als seine Unterthanen. Es
schien in der That als hätte dieser Hof es darauf abgesehen gehabt, ihn
in Verlegenheit zu setzen und ihm zu schaden. Er war eben im Begriff,
von einer protestantischen gesetzgebenden Versammlung volle Duldung für
die Katholiken zu verlangen, und es konnte ihm daher nichts
unwillkommener sein, als die Nachricht, daß die Regierung eines
Nachbarstaates so eben den Protestanten die Duldung entzogen habe. Sein
Verdruß wurde noch vermehrt durch eine Rede, die der Bischof von Valence
zur selben Zeit im Namen der gallikanischen Geistlichkeit an Ludwig XIV.
richtete. Der gottesfürchtige Souverain von England, sagte der Redner,
blicke auf den allerchristlichsten König und hoffe auf seine
Unterstützung gegen eine ketzerische Nation. Es wurde bemerkt, daß
namentlich die Mitglieder des Hauses der Gemeinen sich bemühten,
Exemplare dieser Rede zu erlangen und daß sie von alten Engländern mit
Unwillen und Besorgniß gelesen wurde[14]. Jakob wünschte sehr, den
Eindruck, den diese Dinge gemacht hatten, zu verwischen und ebenso wäre
es ihm durchaus nicht unlieb gewesen, wenn er bei dieser Gelegenheit
Europa hätte zeigen können, daß er nicht der Sklave Frankreichs sei. Er
erklärte daher öffentlich, daß er das Verfahren gegen die Hugenotten
mißbillige, gewährte den Verbannten eine Unterstützung aus seiner
Privatchatoulle und forderte durch ministerielle Ausschreiben seine
Unterthanen auf, seine Freigebigkeit nachzuahmen. In wenigen Monaten
zeigte es sich schon, daß all' dieses Mitleid nur erheuchelt war, um dem
Parlamente zu schmeicheln, daß er die Flüchtlinge mit tödtlichem Hasse
betrachtete und daß er nichts mehr bedauerte, als daß er nicht das
Nämliche thun konnte, was Ludwig gethan hatte.

    [Anmerkung 14: +»Mi dicono che tutti questi parlamentarii ne hanno
    voluto copia, il che assolutamente avrà causate pessime
    impressioni.«+ Adda v. 9.(19.) Nov. 1685, Siehe auch +Evelyn's
    Diary, Nov. 3.+]


[_Zusammentritt des Parlaments, Rede des Königs._] Am 9. November traten
die Häuser zusammen. Die Gemeinen wurden vor die Schranken der Lords
beschieden und der König hielt eine Thronrede, die er selbst verfaßt
hatte. Er wünschte seinen getreuen Unterthanen zu der Unterdrückung des
Aufstandes im Westen Glück, setzte aber hinzu, daß die Schnelligkeit,
mit der dieser Aufstand zu einer furchtbaren Ausdehnung angewachsen sei,
wie die lange Dauer desselben Jedermann überzeugen müsse, wie wenig man
sich auf die Miliz verlassen könne. Er habe daher die reguläre Armee
vergrößert, die Unterhaltungskosten derselben würden hinfüro mehr als
das Doppelte der bisherigen betragen und er hoffe, daß die Gemeinen ihm
die Mittel zur Bestreitung dieses Mehraufwandes bewilligen würden.
Hierauf kündigte er der Versammlung an, daß er einige Offiziere
angestellt habe, welche zwar den Testeid nicht geleistet hätten, die er
aber als des öffentlichen Vertrauens würdige Männer kenne. Er fürchte,
daß ränkesüchtige Menschen diese Unregelmäßigkeit benutzen möchten, um
das gute Einvernehmen zwischen ihm und seinem Parlamente zu stören; aber
er wolle ihnen offen sagen, daß er entschlossen sei, sich nicht von
Männern zu trennen, auf deren Treue er sich verlassen könne und deren
Hülfe er vielleicht bald bedürfen werde[15].

    [Anmerkung 15: +Lords' Journals, Nov. 9. 1685. »Vengo
    assicurato«+, sagt Adda, +»che S. M. stessa abbia composto il
    discorso.«+ -- Depesche vom 16.(26.) Nov. 1685.]


[_Es bildet sich eine Opposition im Hause der Gemeinen._] Diese
deutliche Erklärung, daß er die Gesetze verletzt habe, welche die Nation
als die Hauptbollwerke der Staatsreligion betrachtete, und daß er
entschlossen sei, in der Verletzung dieser Gesetze zu beharren, war
nicht geeignet, die aufgeregte Stimmung seiner Unterthanen zu
beschwichtigen. Die Lords, welche selten geneigt sind, in der Opposition
gegen eine Regierung voranzugehen, beschlossen, ihm ihren förmlichen
Dank für die gesprochenen Worte auszudrücken; die Gemeinen aber zeigten
eine minder willfährige Stimmung. Als sie in ihren Saal zurückgekehrt
waren, trat eine lange andauernde Stille ein und tiefe Betrübniß sprach
aus den Zügen vieler der ehrenwerthesten Mitglieder. Endlich erhob sich
Middleton und trug darauf an, daß sich das Haus augenblicklich zu einem
Comité zur Berathung über die Thronrede constituiren solle; aber Sir
Edmund Jennings, ein eifriger Tory von Yorkshire, von dem man
vermuthete, daß er die Gesinnungen Danby's aussprach, protestirte gegen
diesen Schritt und verlangte Zeit zur Überlegung. Sir Thomas Clarges,
der Oheim des Herzogs von Albemarle von mütterlicher Seite und seit
langer Zeit im Parlament als geschäftskundiger Mann und wachsamer
Aufseher über die Verwendung der öffentlichen Gelder bekannt, trat auf
die nämliche Seite. Die Stimmung des Hauses war nicht zu verkennen. Sir
Johann Ernley, Kanzler der Schatzkammer, bestand darauf, daß der
Aufschub zweimal vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen dürfe, aber er
wurde überstimmt und man beschloß, die Berathung drei Tage zu
verschieben[16].

Die Zwischenzeit wurde von den leitenden Gegnern des Hofes wohl
angewendet. Sie hatten in der That kein leichtes Stück Arbeit zu
bewältigen: in drei Tagen sollte eine Vaterlandspartei organisirt
werden. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe kann in unsrer Zeit nicht
gehörig gewürdigt werden, denn man darf sagen, daß in unsrer Zeit die
ganze Nation bei jeder Berathung der Lords wie der Gemeinen zugegen ist.
Was die Häupter der Ministerialpartei und der Opposition nach
Mitternacht sagen, wird von der ganzen Hauptstadt bei Tagesanbruch, von
den Bewohnern von Northumberland und Cumberland am Nachmittag und in
Irland und den schottischen Hochlanden am andren Morgen gelesen. Daher
sind in unseren Tagen die Stadien der Gesetzgebung, die Regeln der
Debatte, die Taktik der Factionen, die Ansichten, der Character und die
Ausdrucksweise jedes thätigen Mitgliedes der beiden Häuser
Hunderttausenden bekannt. Jeder, der jetzt ins Parlament kommt, besitzt,
was man im siebzehnten Jahrhundert einen reichen Schatz
parlamentarischer Kenntnisse genannt haben würde. Diese Kenntnisse
konnte man sich damals nur durch praktische parlamentarische Thätigkeit
erwerben. Der Unterschied zwischen einem alten und einem neuen Mitgliede
war daher eben so groß als zwischen einem Veteranen und einem eben vom
Pfluge kommenden Rekruten, und Jakob's Parlament enthielt eine ganz
ungewöhnliche Menge neuer Mitglieder, welche keine politische
Kenntnisse, wohl aber eine Menge leidenschaftlicher Vorurtheile von
ihren Landsitzen mit nach Westminster gebracht hatten. Diese Herren
haßten die Papisten, aber nicht minder haßten sie die Whigs und
betrachteten den König mit einer abergläubischen Ehrfurcht. Aus solchen
Elementen eine Opposition zu bilden, war eine Aufgabe, welche die größte
Geschicklichkeit und zarteste Schonung erforderte. Einige Männer von
großem Gewicht nahmen jedoch das schwierige Werk in Angriff und führten
es mit gutem Erfolge durch. Mehrere erfahrene whiggistische
Staatsmänner, welche keinen Sitz in diesem Parlamente hatten, gaben
nützliche Winke und Rathschläge; an dem Tage vor der Eröffnung der
Debatte wurden viele Versammlungen gehalten, in denen die Leiter die
Neulinge instruirten, und es zeigte sich bald, daß diese Bemühungen
nicht vergebens gewesen waren[17].

    [Anmerkung 16: +Commons' Journals+; +Bramston's Memoirs+; Jakob
    von Leeuwen an die Generalstaaten, 10.(20.) Nov. 1685. Leeuwen war
    Sekretär bei der holländischen Gesandtschaft und führte in
    Citters' Abwesenheit die Correspondenz. In Betreff Clarges' siehe
    Burnet I. 98.]

    [Anmerkung 17: Barillon, 16.(26.) Nov. 1685.]


[_Ansichten auswärtiger Regierungen._] Die fremden Gesandtschaften waren
alle in heftiger Aufregung. Sie erkannten sehr wohl, daß wenige Tage die
große Frage entscheiden würden, ob der König von England der Vasall des
Königs von Frankreich war oder nicht. Die Gesandten des Hauses
Österreich wünschten sehnlich, daß Jakob sein Parlament zufrieden
stellen möchte. Innocenz hatte zwei Männer nach London geschickt, welche
beauftragt waren, durch Zureden und gutes Beispiel auf Mäßigung zu
dringen. Einer von diesen war Johann Leyburn, ein englischer
Dominikaner, der Sekretär beim Cardinal Howard gewesen war und der bei
einiger Gelehrsamkeit und einem reichen Schatze natürlichen Verstandes
der besonnenste, geschickteste und verschwiegenste Mann war, den es
geben konnte. Er war unlängst zum Bischof von Adrumetum geweiht und zum
apostolischen Vikar in Großbritannien ernannt worden. Ferdinand, Graf
von Adda, ein Italiener von nicht gerade ausgezeichneten Geistesgaben,
aber von sanftem Character und einnehmendem Wesen, war zum Nuntius
ernannt worden. Jakob nahm diese Würdenträger sehr freundlich auf. Seit
mehr als einem halben Jahrhundert hatte kein römisch-katholischer
Bischof geistliche Functionen auf der Insel verwaltet, und während der
hundertsiebenundzwanzig Jahre seit dem Tode Maria's war kein päpstlicher
Nuntius bei uns empfangen worden. Leyburn erhielt eine Wohnung in
Whitehall und einen Jahrgehalt von tausend Pfund. Adda nahm noch keinen
öffentlichen Character an, galt für einen vornehmen Fremden, der zu
seinem Vergnügen nach London gekommen war, erschien täglich bei Hofe und
wurde mit großer Auszeichnung behandelt. Beide päpstliche Gesandte
thaten ihr Möglichstes, um das Gehässige, das von ihrer amtlichen
Stellung unzertrennlich war, zu mildern und den unbesonnen Eifer Jakob's
zu dämpfen. Der Nuntius insbesondere erklärte, daß nichts der römischen
Kirche nachtheiliger sein könne, als ein Bruch zwischen dem Könige und
dem Parlamente[18].

Barillon war auf der entgegengesetzten Seite thätig. Die Instructionen,
welche er bei dieser Gelegenheit von Versailles erhielt, verdienen
aufmerksam studirt zu werden, denn sie geben den Schlüssel zu der
Politik, die sein Gebieter während der letzten zwanzig Jahre vor unsrer
Revolution systematisch gegen England verfolgte. Die Nachrichten von
Madrid, schrieb Ludwig, lauteten sehr beunruhigend; man hege dort die
sichere Hoffnung, daß Jakob sich mit dem Hause Österreich eng verbinden
werde, sobald er die Gewißheit habe, daß sein Parlament ihm nicht zu
schaffen machen werde. Unter diesen Umständen lag es augenscheinlich im
Interesse Frankreichs, daß das Parlament sich widerspenstig zeigte, und
Barillon erhielt daher Befehl, mit aller möglichen Vorsicht gegen
etwaige Entdeckung die Rolle eines Friedensstörers zu spielen. Bei Hofe
sollte er keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um den religiösen Eifer
und den Herrscherstolz Jakob's aufzustacheln, zu gleicher Zeit aber
dürfte es auch wünschenswerth sein, daß er geheime Verbindungen mit den
Mißvergnügten unterhalte. Allerdings seien diese Verbindungen gefährlich
und erforderten die äußerste Gewandtheit; aber es werde dem Gesandten
auf diese Weise vielleicht gelingen, ohne sich und seine Regierung zu
compromittiren, den Eifer der Opposition für die Gesetze und Freiheiten
Englands zu beleben und dabei zu verstehen zu geben, daß diese Gesetze
und Freiheiten von seinem Gebieter nicht mißfällig betrachtet
würden[19].

    [Anmerkung 18: +Dodd's Church History+; Leeuwen, 17.(27.) Nov.
    1685; Barillon, 24. Dec. 1685. Barillon sagt von Adda: +»On
    l'avoit fait prévenir que la sureté et l'avantage des Catholiques
    consistoient dans une réunion entière de Sa Majesté Britannique et
    de son parlement.«+ Briefe von Innocenz an Jakob vom 27. Juli
    (6. Aug.) und 23. Sept. (3. Octbr.) 1685; Depeschen von Adda vom
    9.(19.) u. 16.(26.) Nov. 1685. Die höchst interessante
    Correspondenz Adda's, aus den päpstlichen Archiven abgeschrieben,
    befindet sich im Britischen Museum, nachträgliche Handschriften
    Nr. 15395.]

    [Anmerkung 19: Diese höchst merkwürdige Depesche trägt das Datum
    vom 9.(19.) Nov. 1685 und findet sich im Anhange zu Fox'
    Geschichte.]


[_Comité der Gemeinen wegen der Thronrede._] Als Ludwig diese
Instructionen ertheilte, ahnete er gewiß nicht, wie bald und vollständig
seine Befürchtungen durch Jakob's Hartnäckigkeit und Dummheit gehoben
werden würden. Am 12. November trat das Haus der Gemeinen zu einem
Comité zur Berathung der Thronrede zusammen. Der Staatsanwalt Heneage
Finch nahm den Präsidentenstuhl ein. Die Debatte wurde von den
Oberhäuptern der neuen Vaterlandspartei mit seltenem Takt und Geschick
geleitet. Niemandem entschlüpfte ein Ausdruck, der Mangel an Achtung vor
dem Souverain oder Sympathie für die Rebellen verrathen hätte. Der
Aufstand im Westen wurde stets mit Abscheu erwähnt und von Kirke's oder
Jeffreys' Grausamkeiten kein Wort gesagt. Es wurde zugegeben, daß die
durch die letzen Unruhen verursachten bedeutenden Ausgaben den König
berechtigten, eine fernerweite Creditbewilligung zu verlangen, gegen die
Vermehrung der Armee und die Verletzung der Testacte aber wurden sehr
ernste Einwürfe erhoben.

Den Gegenstand der Testacte übergingen die Höflinge mit geflissentlichem
Stillschweigen, dagegen aber hoben sie mit ziemlichem Nachdrucke die
großen Vorzüge eines stehenden Heeres vor einer Miliz hervor. Einer von
ihnen fragte höhnisch, ob die Vertheidigung des Königs etwa den
Rindfleischessern überlassen bleiben solle. Ein Andrer äußerte, daß er
wohl wissen möchte, wie sich die Milizen von Devonshire, welche vor
Monmouth's Sensenmännern in wilder Verwirrung geflohen seien, den
Haustruppen Ludwig's gegenüber Stand gehalten haben würden. Diese
Argumente aber machten auf Kavaliere, die sich noch immer mit bittrem
Grolle des strengen Regiments des Protectors erinnerten, wenig Eindruck.
Der vornehmste toryistische Landedelmann Englands, Eduard Seymour, gab
dem allgemeinen Gefühle energischen Ausdruck. Er gestand zu, daß sich
die Miliz nicht in einem befriedigenden Zustande befinde, behauptete
aber, daß sie reorganisirt werden könne. Allerdings würde diese
Reorganisation Geld kosten, aber er für seine Person wolle lieber eine
ganze Million zum Unterhalte eines Heeres geben, von dem er nichts zu
fürchten habe, als eine halbe Million für eine Armee, von der er
jederzeit Schlimmes befürchten müsse. Führe man eine gute Disciplin bei
der Miliz ein und verstärke die Flotte, so werde das Land vollkommen
geschützt sein. Ein stehendes Heer sei im besten Falle nichts als ein
Blutegel der Staatseinkünfte, der Soldat werde jeder nützlichen Arbeit
entzogen, er producire nichts, sondern verzehre nur die Früchte des
Gewerbfleißes Anderer und dominire dabei über Diejenigen, die ihn
erhalten müßten. Unter jetzigen Umständen aber drohe der Nation nicht
nur ein stehendes Heer, sondern ein papistisches stehendes Heer, ein
stehendes Heer, das von Männern commandirt werde, welche sehr
liebenswürdige und achtbare Leute sein könnten, aber grundsätzlich
Feinde der Verfassung des Reiches seien. Sir Wilhelm Twisden,
Abgeordneter für die Grafschaft Kent, sprach in gleichem Sinne mit
großer Energie und unter lautem Beifalle. Sir Richard Temple, einer von
den wenigen Whigs, die in jenem Parlamente saßen, paßte seine Rede
geschickt der vorherrschenden Stimmung seiner Zuhörer an und machte sie
darauf aufmerksam, daß ein stehendes Heer nach den gemachten Erfahrungen
der rechtmäßigen Autorität der Fürsten eben so gefährlich sei als der
Freiheit der Völker. Sir Johann Maynard, der gelehrteste Jurist der
damaligen Zeit, nahm ebenfalls an der Debatte Theil. Er war jetzt über
achtzig Jahre alt und konnte sich noch sehr gut der politischen
Zwistigkeiten unter der Regierung Jakob's I. erinnern. Er hatte im
Langen Parlamente gesessen und auf der Seite der Rundköpfe gestanden,
hatte aber stets zur Milde und Mäßigung gerathen und sich bemüht, eine
allgemeine Aussöhnung herbeizuführen. Seine vom Alter noch nicht
geschwächten ausgezeichneten Fähigkeiten und seine juristischen
Kenntnisse, durch die er lange Zeit ganz Westminsterhall imponirt hatte,
sicherten ihm eine sehr gewichtige Stimme im Hause der Gemeinen. Auch er
erklärte sich gegen die Vermehrung des stehenden Heeres.

Nach lebhaften Debatten wurde beschlossen, der Krone einen Credit zu
bewilligen, zu gleicher Zeit aber auch eine Bill zur zweckmäßigeren
Organisirung der Miliz einzubringen. Dieser letzte Beschluß war
gleichbedeutend mit einer Erklärung gegen das stehende Heer. Der König
war höchst unzufrieden, und man sprach schon davon, daß, wenn es so
fortgehe, die Session nicht von langer Dauer sein werde[20].

Am nächsten Morgen begann der Kampf von neuem. Die Sprache der
Vaterlandspartei war auffallend kühner und schärfer als am vorigen Tage.
Der die Geldbewilligung betreffende Paragraph in der Thronrede des
Königs ging dem auf den Test bezüglichen voraus. Aus diesem Grunde
schlug Middleton vor, den auf die Geldbewilligung bezüglichen zuerst im
Comité zu berathen. Die Opposition verlangte die umgekehrte Reihenfolge;
sie behauptete, das vernünftige, und verfassungsmäßige Verfahren sei,
erst dann Geld zu bewilligen, wenn den Beschwerden abgeholfen worden,
diesem Gebrauche aber würde man untreu, wenn man sich sklavisch an die
Reihenfolge binde, in der der König die Gegenstände in der Thronrede
erwähnt habe.

Es wurde nun über die Frage abgestimmt, ob Middleton's Antrag angenommen
werden solle. Der Präsident ersuchte die mit »Nein« Stimmenden, sich in
das Vorzimmer zu begeben. Dies verdroß sie heftig und sie beschwerten
sich laut über seine Servilität und Parteilichkeit, da sie wußten, daß
sie nach der damals geltenden verwickelten und subtilen Regel, welche in
unsrer Zeit durch einen verständigeren und zweckmäßigeren Gebrauch
ersetzt worden ist, berechtigt waren, auf ihren Plätzen zu bleiben. Auch
waren überhaupt alte parlamentarischen Taktiker jener Zeit der Ansicht,
daß die im Saale zurückbleibende Partei einen Vortheil gegen die sich
entfernende voraus hatte, denn die Einrichtung mit den Bänken war damals
noch so mangelhaft, daß Niemand, der so glücklich gewesen war, einen
guten Platz zu erlangen, ihn gern einbüßte. Trotzdem sah man zum großen
Ärger der Minister viele Mitglieder, auf deren Stimme der Hof
zuversichtlich gerechnet hatte, auf die Thür zu gehen. Unter ihnen
befand sich der Kriegszahlmeister Karl Fox, Sohn des Sekretärs beim
Hofmarschallgericht, Sir Stephan Fox. Der Zahlmeister hatte sich durch
seine Freunde überreden lassen, während eines Theils der Debatte
hinauszugehen; aber es quälte ihn eine unerträgliche Angst. Er kehrte
daher in das Präsidentenzimmer zurück, hörte einen Theil der Debatte mit
an, entfernte sich dann wieder, und nachdem er eine oder zwei Stunden
zwischen seinem Gewissen und seinem Jahrgehalt von fünftausend Pfund
geschwankt hatte, faßte er einen mannhaften Entschluß und eilte gerade
noch zur rechten Zeit, um seine Stimme abzugeben, in den Saal zurück.
Zwei Offiziere von der Armee, der Oberst Johann Darey, Sohn des Lord
Conyers, und der Hauptmann Jakob Kendall, begaben sich ebenfalls ins
Vorzimmer. Middleton ging an die Schranke hinab und setzte sie heftig
zur Rede, wobei er sich vorzugsweise an Kendall wendete, einen
unbemittelten Anhänger des Hofes, der auf Befehl des Königs von einem
bestochenen Wahlkörper in Cornwall ins Parlament geschickt worden war
und kürzlich hundert zur Deportation verurtheilte Rebellen zum Geschenk
erhalten hatte. »Sir«, fragte Middleton, »commandiren Sie nicht eine
Abtheilung Reiterei in Seiner Majestät Diensten?« -- »Allerdings,
Mylord«, antwortete Kendall, »aber mein älterer Bruder ist eben
gestorben und hat mir siebenhundert Pfund jährlich hinterlassen.«

    [Anmerkung 20: +Commons' Journals, Nov. 12. 1685+; Leeuwen,
    13.(23.) Nov.; Barillon, 16.(26.) Nov.; +Sir John Bramston's
    Memoirs+. Der beste Bericht über die Verhandlungen des Hauses der
    Gemeinen vom Nov. 1685 hat eine ziemlich merkwürdige Geschichte.
    Es befinden sich zwei geschriebene Copien davon im Britischen
    Museum (Harl. 7187 & Lansd. 253). In diesen Copien sind die Namen
    der Sprecher ausgeschrieben. Der Verfasser der 1702 erschienenen
    Lebensbeschreibung Jakob's, nahm diesen Bericht auf, gab aber nur
    die Anfangsbuchstaben der Redner an. Die Herausgeber von
    +Chandler's Debates+ und der +Parliamentary History+ riethen von
    diesen Anfangsbuchstaben auf die Namen und riethen zuweilen
    falsch. So schreiben sie eine ausgezeichnete Rede, welche später
    erwähnt werden wird, Waller zu, während sie von Windham, dem
    Abgeordneten von Salisbury, gehalten wurde. Zu meinem Bedauern
    sah ich mich gezwungen, die Meinung aufzugeben, daß die letzten
    öffentlich gesprochenen Worte Wallers so ehrenvoll für ihn waren.]


[_Niederlage der Regierung._] Als die Stimmenzähler ihr Geschäft beendet
hatten, ergaben sich hundertzweiundachtzig bejahende und
hundertdreiundachtzig verneinende Stimmen. Also in einem Unterhause,
welches durch gewissenlose Anwendung von Ränken, Bestechungen und
Gewaltmaßregeln zusammengebracht war und von dem Jakob gesagt hatte, daß
elf Zwölftel der Mitglieder so seien, wie er sie selbst gewählt haben
würde, in einem solchen Unterhause erfuhr der Hof in einer Lebensfrage
eine Niederlage[21].

In Folge dieser Abstimmung wurden die Ausdrücke, deren sich der König
rücksichtlich des Testes bedient hatte, am 13. November in Erwägung
gezogen. Nach einer langen Discussion wurde beschlossen, ihm eine
Adresse zu überreichen, worin er erinnert werden sollte, daß er dem
Gesetze nach hinfüro keine Beamten mehr anstellen dürfe, welche den
Zulässigkeitseid verweigerten und durch die er zugleich aufgefordert
werden sollte, Verfügungen zu treffen, welche geeignet wären, die
Besorgnisse und das Mißtrauen seines Volks zu zerstreuen[22].

Dann wurde der Antrag gestellt, daß die Lords ersucht werden sollten,
sich der Adresse anzuschließen. Ob dieser Antrag ehrlicherweise von der
Opposition gestellt wurde, in der Hoffnung, daß der Anschluß der Peers
der Gegenvorstellung mehr Gewicht geben werde, oder ob er
arglistigerweise von der Hofpartei ausging, welche hofften, dadurch
einen Bruch zwischen den beiden Häusern herbeizuführen, läßt sich nicht
mehr ermitteln. Der Antrag wurde indessen verworfen.[23]

Das Haus constituirte sich hierauf zu einem Comité, um über den Betrag
des zu bewilligenden Credits zu berathen. Der König brauchte
vierzehnhunderttausend Pfund, aber die Minister sahen wohl ein, daß sie
eine so große Summe vergebens fordern würden. Der Kanzler der
Schatzkammer sprach von zwölfhunderttausend Pfund. Die Häupter der
Opposition erwiederten, daß sie durch Bewilligung eine solchen Summe die
beständige Dauer des gegenwärtigen Militairetats votiren würden; sie
seien nicht geneigt, mehr zu geben, als hinreiche, um die regulären
Truppen so lange auf dem Kriegsfuße zu erhalten, bis die Miliz neu
organisirt werden könne, und schlügen deshalb vierhunderttausend Pfund
vor. Die Höflinge waren entrüstet über diesen Vorschlag, den sie als
unwürdig des Hauses und respectwidrig gegen den König bezeichneten; aber
sie stießen auf nachdrücklichen Widerstand. Einer der Abgeordneten aus
dem Westen, Johann Windham, der Salisbury vertrat, zeichnete sich
besonders aus. Er sagte, er habe die stehenden Heere von jeher mit
Besorgniß und Widerwillen betrachtet, und neuerdings gemachte
Erfahrungen hätten ihn in dieser Ansicht bestärkt. Dann wagte er es, ein
Thema zu berühren, das bis jetzt geflissentlich umgangen worden war. Er
schilderte die traurige Lage der westlichen Grafschaften. Das Volk,
sagte er, sei müde der Bedrückungen durch die Truppen, müde der freien
Einquartierungen, der Räubereien und der noch ruchloseren Vergehen,
welche das Gesetz Felonien nenne, gegen die man aber, wenn sie von
dieser Klasse von Verbrechern begangen würden, keine Abhülfe erlangen
könne. Die Diener des Königs hätten zwar dem Hause gesagt, daß
vortreffliche Verordnungen in Betreff des Benehmens der Armee erlassen
worden seien, allein Niemand könne behaupten, daß diese Verordnungen
auch befolgt würden. Was müsse man nothwendig daraus schließen? Beweise
nicht der Widerspruch zwischen den väterlichen Verordnungen des Thrones
und der unerträglichen Tyrannei der Soldaten, daß die Armee schon jetzt
für den Fürsten sowohl als für das Volk zu stark sei? Die Gemeinen
könnten also sicherlich, ohne sich selbst zu wiedersprechen, ihr volles
Vertrauen in die guten Absichten Seiner Majestät ausdrücken und dennoch
jede Vermehrung einer Armee verweigern, die Seine Majestät offenbar
nicht zu zügeln vermöchte.

    [Anmerkung 21: +Common's Journals, Nov. 13. 1685+; +Bramston's
    Memoirs+; +Reresby's Memoirs+; Barillon, 16.(26.) Nov.; Leeuwen,
    13.(23.) Nov.; +Memoirs of Sir Stephen Fox, 1717+; +The Case of
    the Church of England fairly stated+; +Burnet I. 666+, und
    Präsident Onslow's Note.]

    [Anmerkung 22: +Commons' Journals, Nov. 1685+; +Harl. MS. 7187+;
    +Lansd. MS. 253.+]

    [Anmerkung 23: Der Widerspruch zwischen den Zeugnissen über diesen
    Gegenstand ist auffallend und nach reiflicher Erwägung muß ich
    gestehen, daß sie einander die Wage zu halten scheinen. In Jakob's
    Lebensbeschreibung (1702) wird der Antrag als vom Hofe ausgegangen
    dargestellt, und diese Ansicht wird durch eine bemerkenswerthe
    Stelle in den Stuart-Papieren bestätigt, welche von dem
    Prätendenten selbst corrigirt wurde. (+Clarke's Life of James the
    Second, II. 55.+) Dagegen stellen Reresby, der anwesend war, und
    Barillon, der gut unterrichtet sein konnte, den Antrag als von der
    Opposition ausgegangen dar. Die Harley- und Lansdowne-Manuscripte
    differiren gerade in dem einzigen Worte, auf das Alles ankommt.
    Bramston war leider an jenem Tage nicht in der Sitzung. Jakob Van
    Leeuwen erwähnt zwar des Antrags und der Abstimmung, setzt aber
    kein Wort hinzu, das auf den Stand der Parteien das mindeste Licht
    werfen könnte. Auch muß ich gestehen, daß ich nicht im Stande bin,
    aus den Namen der Stimmenzähler, Sir Joseph Williamson und Sir
    Franz Russell für die Majorität, Lord Ancram und Sir Heinrich
    Goodricke für die Minorität, einen irgend zuverlässigen Schluß zu
    ziehen. Ich möchte es für wahrscheinlich halten, daß Lord Ancram
    mit dem Hofe und Sir Heinrich Goodricke mit der Opposition
    gegangen sind.]


[_Zweite Niederlage der Regierung._] Der Antrag, daß die zu bewilligende
Summe vierhunderttausend Pfund nicht übersteigen solle, fiel mit zwölf
Stimmen durch. Dieser Sieg der Minister war jedoch nicht viel besser als
eine Niederlage. Die Häupter der Vaterlandspartei, durchaus nicht
entmuthigt, zogen sich ein wenig zurück, hielten dann wieder Stand und
schlugen siebenhunderttausend Pfund vor. Das Comité schritt zur
Abstimmung und die Hofpartei wurde mit zweihundertzwölf Stimmen gegen
hundertsiebzig geschlagen[24].

    [Anmerkung 24: +Commons' Journals, Novbr. 16, 1685+; +Harl. MS.
    7187+; +Lansd. MS. 235.+]


[_Der König giebt den Gemeinen einen Verweis._] Am folgenden Tage
begaben sich die Gemeinen mit ihrer Adresse in Bezug auf den Test in
Prozession nach Whitehall. Der König empfing sie auf dem Throne. Die
Adresse war in ehrerbietiger und herzlicher Sprache abgefaßt, denn die
große Mehrheit Derer, die dafür gestimmt hatten, war eifrig und sogar
abergläubisch loyal und hatte schon zur Einflechtung einiger
schmeichelhaften Redensarten und zur Vermeidung jedes von den Höflingen
für anstößig gehaltenen Wortes bereitwilligst ihre Zustimmung gegeben.
Jakob's Antwort war ein kalter und mürrischer Verweis. Er sprach sein
entschiedenes Mißfallen und Erstaunen aus, daß die Gemeinen die
Ermahnungen, die er ihnen gegeben, so wenig berücksichtigt hätten. »Doch
was Sie auch thun mögen,« setzte er hinzu, »ich werde alle Ihnen
gegebenen Versprechungen unverbrüchlich halten.«[25]

Mißvergnügt, aber auch ein wenig eingeschüchtert, versammelten sich die
Gemeinen wieder in ihrer Kammer. Für die meisten von ihnen war der König
noch immer ein Gegenstand kindlicher Verehrung. Drei weitere Jahre voll
Ungerechtigkeiten und voll Beleidigungen, welche noch kränkender waren
als Ungerechtigkeiten, reichten kaum hin, das Band zu zerreißen, welches
die Kavaliergentry an den Thron fesselte.

Der Sprecher wiederholte den wesentlichen Inhalt der königlichen
Antwort. Es trat eine feierliche Stille ein, dann wurde, wie gewöhnlich,
die Tagesordnung verlesen und das Haus bildete sich zum Comité behufs
der Berathung der Bill wegen Reorganisation der Miliz.

    [Anmerkung 25: +Commons' Journals, Nov. 17, 18. 1685.+]


[_Coke wird wegen Verletzung der dem Könige schuldigen Achtung von den
Gemeinen mit Gefängnißstrafe belegt._] In wenigen Stunden aber lebte der
Oppositionsgeist wieder auf. Als gegen das Ende der Sitzung der Sprecher
seinen Stuhl wieder eingenommen hatte, stellte Wharton, der kühnste und
thätigste der Whigs, den Antrag, daß ein Tag bestimmt werden solle, um
die Antwort Seiner Majestät in Erwägung zu ziehen. Johann Coke,
Abgeordneter für Derby, unterstützte Wharton, obgleich er ein bekannter
Tory war. »Ich hoffe,« sagte er, »daß wir alle Engländer sind und uns
durch einige hohe Worte nicht von unsrer Pflicht zurückschrecken lassen
werden.«

Das war männlich, aber nicht klug gesprochen. Das ganze Haus gerieth in
stürmische Aufregung. »Schreibt seine Worte nieder!« »Vor die Barre!«
»In den Tower!« erscholl es von allen Seiten. Die Nachsichtigsten
schlugen vor, dem Beleidiger einen Verweis zu geben; die Minister aber
bestanden mit Heftigkeit darauf, daß er in Haft geschickt werden solle.
Das Haus, sagte er, möge Beleidigungen gegen sich selbst verzeihen, habe
aber nicht das Recht, eine Beleidigung der Krone zu vergeben. Coke wurde
in den Tower geschickt. Die Übereilung eines Einzelnen zerstörte das
ganze von den Häuptern der Opposition so geschickt entworfene
Operationssystem. Umsonst versuchte es in diesem Augenblicke Eduard
Seymour, seine Anhänger wieder zu sammeln, forderte sie auf, einen Tag
zur Berathung über die königliche Antwort zu bestimmen und sprach die
zuversichtliche Erwartung aus, die Discussion werde mit derjenigen
Achtung geführt werden, welche Unterthanen ihrem Herrscher schuldig
seien. Die Mitglieder waren durch das Mißfallen des Königs so sehr
eingeschüchtert und über Coke's Rücksichtslosigkeit so aufgebracht, daß
eine Abstimmung nicht rathsam gewesen wäre[26].

Das Haus vertagte sich und die Minister schmeichelten sich mit der
Hoffnung, daß der Geist der Opposition bezwungen sei. Aber am
nächstfolgenden Tage, dem 19. November, zeigten sich neue beunruhigende
Symptome. Die Zeit war gekommen, um die aus allen Theilen Englands
eingegangenen Petitionen gegen die letzten Wahlen in Erwägung zu ziehen.
Als Seymour sich in der ersten Zusammenkunft des Parlaments über die
Gewalt und Hinterlist beschwert, wodurch die Regierung die Wahlkörper in
dem freien Ausdrucke ihrer Meinung behindert habe, hatte er keine
Unterstützung gefunden. Viele aber, welche damals von seiner Seite
gewichen waren, hatten sich später ein Herz gefaßt und hatten mit Johann
Lowther, dem Abgeordneten von Cumberland, an der Spitze, vor dem
Auseinandergehen auf Untersuchung der Mißbräuche angetragen, welche das
Volk so heftig aufgeregt hätten. Jetzt war das Haus in einer viel
mißmuthigeren Stimmung und es erhoben sich zahlreiche Stimmen mit kühnen
Drohungen und Anklagen. Man sagte den Ministern, die Nation erwarte
kräftige Abhülfe und werde sie erlangen. Inzwischen wurde geschickt
darauf hingedeutet, daß die beste Genugthuung, welche ein durch
ordnungswidrige Mittel ins Parlament gewählter Gentleman dem Publikum
geben könne, darin bestehe, daß er seine übel erworbene Macht zur
Verteidigung der Religion und der Freiheiten seines Vaterlandes anwende.
Kein Mitglied, das in dieser Krisis seine Pflicht thue, habe etwas zu
fürchten. Es könne sein, daß man ihm seinen Sitz im Hause vorenthalten
müsse, aber der ganze Einfluß der Opposition werde dann aufgeboten
werden, um seine Wiedererwählung durchzusetzen.[27]

    [Anmerkung 26: +Commons' Journals, Nov. 18. 1685+; +Harl. MS.
    7187+; +Lansd. MS. 253+; +Burnet I. 667.+]

    [Anmerkung 27: +Lonsdale's Memoirs.+ Burnet sagt uns (I. 667), daß
    nach Coke's Verhaftung im Hause der Gemeinen eine heftige Debatte
    über die Wahlen stattgefunden habe. Dies muß also am 19. November
    gewesen sein, denn Coke wurde am Abend des 18. in den Tower
    geschickt und am 20. wurde das Parlament prorogirt. Burnet's
    Angabe wird auch durch die Protokolle bestätigt, aus denen
    hervorgeht, daß am 19. über mehrere Wahlen debattirt wurde.]


[_Opposition gegen die Regierung im Hause der Lords. Der Earl von
Devonshire._] An dem nämlichen Tage zeigte es sich auch klar, daß der
Oppositionsgeist sich von den Gemeinen in das Haus der Lords und selbst
bis auf die Bank der Bischöfe verbreitet hatte. Wilhelm Cavendish, Earl
von Devonshire, stellte sich im Oberhause an die Spitze, und er war ganz
dazu geeignet. In Reichthum und Einfluß stand er keinem andren
englischen Edelmanne nach, und er galt allgemein für den feinsten
Gentleman seiner Zeit. Seine Prachtliebe, sein ausgezeichneter
Geschmack, seine Talente, seine klassische Bildung, seine Hochherzigkeit
und sein liebenswürdiges, herablassendes Benehmen wurden selbst von
seinen Feinden anerkannt; leider aber konnten seine Lobredner nicht
behaupten, daß seine Sittlichkeit von der damals so weit verbreiteten
Ansteckung frei geblieben sei. Obwohl ein Feind des Papismus und der
willkürlichen Gewalt, hegte er doch eine entschiedene Abneigung gegen
jede Überstürzung, war, als die Ausschließungsbill fiel, zu einem
Vergleiche bereit gewesen und hatte sich nie an den gesetzwidrigen und
übereilten Plänen betheiligt, welche die Whigpartei in einen so üblen
Geruch gebracht hatten. Aber wenn er auch das Verfahren seiner Freunde
zum Theil mißbilligte, so erfüllte er deshalb doch mit gewissenhaftem
Eifer die schwierigsten und gefährlichsten Pflichten der Freundschaft.
Er hatte neben Russell an den Schranken gestanden, hatte an dem
schauerlichen Morgen der Hinrichtung mit innigen Umarmungen und unter
heißen Thränen von ihm Abschied genommen und sich sogar erboten, ihm mit
Gefahr seines eignen Lebens zur Flucht zu verhelfen.[28] Dieser große
Edelmann trug jetzt darauf an, daß ein Tag zur Berathung über die
Thronrede festgesetzt werden sollte. Auf der andren Seite wurde
behauptet, die Lords hätten sich durch ihr Dankvotum für die Thronrede
bereits jede Möglichkeit, Beschwerden dagegen zu erheben, abgeschnitten.
Aber dieser Einwand wurde von Halifax mit Verachtung zurückgewiesen.
»Solche Dankesbezeigungen«, sagte er mit dem sarkastischen Scherze,
durch den er sich auszeichnete, »schließen keine Billigung in sich. Wir
sind unsrem gnädigen Herrn und Gebieter stets dankbar, wenn er mit uns
zu sprechen geruht, und ganz besonders dankbar sind wir ihm, wenn er,
wie im vorliegenden Falle, gerade heraus spricht und uns offen sagt, was
wir zu gewärtigen haben«.[29]

    [Anmerkung 28: +Burnet, I. 560+; +Funeral Sermon of the Duke of
    Devonshire, preached by Kennet, 1708+; +Travels of Cosmo III. in
    England.+]

    [Anmerkung 29: +Bramston's Memoirs+. Burnet irrt sich sowohl in
    der Zeit, wo diese Bemerkung gemacht wurde, als auch in der
    Person, von der sie herrührt. In Halifax' Brief an einen Dissenter
    findet sich eine interessante Anspielung auf diese Discussion.]


[_Der Bischof von London._] Doctor Heinrich Compton, Bischof von
London, sprach nachdrücklich zu Gunsten des Antrags. Obgleich dieser
Mann nicht mit ausgezeichneten Fähigkeiten begabt, noch in seinen
Berufswissenschaften gründlich bewandert war, so wurde er doch stets
mit Ehrerbietung von dem Hause angehört, denn er war einer der wenigen
Geistlichen jener Zeit, die sich adeligen Blutes rühmen konnten. Er
selbst und seine ganze Familie hatten ausgezeichnete Beweise ihrer
Loyalität gegeben. Sein Vater, der zweite Earl von Northumberland, hatte
für König Karl I. tapfer gefochten und war, von Parlamentssoldaten
umzingelt, mit dem Schwerte in der Hand gefallen, weil er sich weigerte,
Pardon zu geben oder anzunehmen. Der Bischof selbst hatte vor seiner
Ordination in der Garde gedient, und obgleich er sich im Allgemeinen
nach Kräften bemühte, die einem Prälaten ziemende Würde und Ruhe zu
bewahren, so zuckten doch gelegentlich einige Blitze seines
militairischen Geistes hervor. Er hatte die religiöse Erziehung der
beiden Prinzessinnen geleitet und diese wichtige Aufgabe in einer Weise
gelöst, die alle guten Protestanten zufrieden stellte und ihm einen
bedeutenden Einfluß auf die Gemüther seiner Zöglinge, namentlich der
Prinzessin Anna sicherte. Jetzt erklärte er, er sei ermächtigt, die
Gesinnung seiner Amtsbrüder auszusprechen und ihrer wie seiner eignen
Ansicht nach sei die ganze bürgerliche und kirchliche Verfassung des
Reiches in Gefahr.[30]

    [Anmerkung 30: +Wood, Ath. Ox.+; +Gooch's Funeral Sermon on Bishop
    Compton.+]


[_Viscount Mordaunt._] Eine der merkwürdigsten Reden jenes Tages wurde
von einem jungen Manne gehalten, dessen excentrische Laufbahn später
ganz Europa in Erstaunen setzen sollte. Es war Karl Mordaunt, Viscount
von Mordaunt, viele Jahre später weit und breit bekannt als Earl von
Peterborough. Er hatte schon zahlreiche Beweise seines Muthes, seiner
Befähigung und jener sonderbaren Verschrobenheit des Geistes gegeben,
durch welche sein Muth und seine Fähigkeiten für sein Vaterland völlig
nutzlos wurden. Schon hatte er sich als Schöngeist und Gelehrter, als
Soldat und als Seemann ausgezeichnet, und er hatte sich sogar
vorgenommen, mit Bourdaloue und Bossuet in die Schranken zu treten.
Obgleich ein erklärter Freidenker, hatte er doch auf der See ganze
Nächte durchwacht, um Predigten auszuarbeiten, und war nur mit großer
Mühe daran gehindert worden, die Mannschaft eines Kriegsschiffes durch
seine frommen Vorträge zu erbauen.[31] Er sprach jetzt zum ersten Male
mit der ihm eigenen Beredsamkeit, Lebhaftigkeit und Keckheit zu den
Lords. Er tadelte die Gemeinen, daß sie nicht kühner aufgetreten seien.
»Sie haben nicht den Muth gehabt, mit der Sprache herauszugehen,« sagte
er. »Sie haben von Besorgnissen und Mißtrauen gesprochen. Was haben
Besorgniß und Mißtrauen hiermit zu thun? Besorgniß und Mißtrauen sind
Gefühle, mit denen wir zukünftigen und noch ungewissen Übeln
entgegensehen. Das Übel aber, mit dem wir es hier zu thun haben, ist
weder ein zukünftiges, noch ein ungewisses. Ein stehendes Heer existirt,
und es ist von Papisten befehligt. Wir haben keinen auswärtigen Feind,
auch keinen Aufstand im Lande. Wozu wird also diese Streitmacht anders
unterhalten als zu dem Zwecke, unsere Gesetze umzustoßen und jene
Willkürherrschaft einzuführen, welche die Engländer mit Recht
verabscheuen?«[32]

Jeffreys sprach gegen den Antrag in der rohen und gemeinen Sprache, in
der er Meister war; aber er überzeugte sich bald, daß es nicht so leicht
war, die stolzen und mächtigen Barone Englands in ihrem eigenen Saale
einzuschüchtern, als Advokaten, deren Existenz von seiner Gunst abhing,
und Gefangene, deren Kopf in seiner Gewalt war, niederzudonnern. Ein
Mann, der sein ganzes Leben damit hingebracht hat, anzugreifen und zu
dominiren, spielt in der Regel eine jämmerliche Figur, wenn er mit
energischem Nachdruck angegriffen wird, mögen seine Talente und sein
Muth noch so groß sein, denn da er nicht gewohnt ist, sich vertheidigen
zu müssen, wird er verlegen, und das Bewußtsein, daß Alle, die er
gekränkt und beleidigt hat, sich über seine Verlegenheit freuen,
verwirrt ihn immer mehr. Jeffreys wurde jetzt zum ersten Male, seit er
ein großer Mann war, auf gleichem Fuße von Gegnern angegriffen, die ihn
nicht fürchteten. Zum allgemeinen Ergötzen sprang er plötzlich vom
höchsten Übermuth zur tiefsten Erniedrigung über und konnte sich nicht
enthalten, aus Wuth und Ärger zu weinen.[33] Es fehlte in der That
nichts zu seiner Demüthigung, denn das Haus war mit etwa hundert Peers
gefüllt, eine größere Anzahl, als selbst an dem hochwichtigen Tage der
Ausschließungsbill abgestimmt hatten. Auch der König war anwesend. Sein
Bruder pflegte seiner Zeit den Sitzungen der Lords zum Vergnügen
beizuwohnen und sagte oft, eine parlamentarische Debatte sei eben so
unterhaltend wie eine Komödie. Jakob kam jedoch nicht, um sich zu
amüsiren, sondern in der Hoffnung, daß die Discussion durch seine
Anwesenheit in den Schranken der Mäßigung zurückgehalten werden würde.
Er sah sich aber getäuscht. Das Haus sprach seine Meinung so kräftig
aus, daß die Höflinge nach einer überaus kühnen Schlußrede von Halifax
es nicht wagten, eine Abstimmung zu verlangen. Einer der nächsten Tage
wurde zur Erwägung der Thronrede festgesetzt und der Wunsch
ausgesprochen, daß jeder nicht zu weit von Westminster entfernt wohnende
Peer auf seinem Platze sein möchte.[34]

    [Anmerkung 31: +Teonge's Diary.+]

    [Anmerkung 32: Barillon giebt uns die beste Auskunft über diese
    Debatte. Ich will seinen Bericht über Mordaunt's Rede hier im
    Auszuge anführen. +»Milord Mordaunt, quoique jeune, parla avec
    éloquence et avec force. Il dit que la question n'étoit pas
    réduite, comme la Chambre des Communes le prétendoit, à guérir des
    jalousies et défiances, qui avoient lieu dans les choses
    incertaines; mais que ce qui se passoit ne l'étoit pas, qu'il y
    avoit une armée sur pied qui subsistoit, et qui étoit remplie
    d'officiers Catholiques, qui ne pouvoit être conservée, que pour
    le renversement des loix, et que la subsistance de l'armée, quand
    il n'y a aucune guerre ni au dedans ni au dehors, étoit
    l'établissement du gouvernement arbitraire, pour lequel les
    Anglois ont une aversion si bien fondée.«+]

    [Anmerkung 33: Er war sehr leicht zu Thränen zu rühren. »Wenn er
    kühn angegriffen wurde,« sagt der Verfasser der +Panegyric+, »kann
    er sich der Thränen nicht enthalten.« An einer andren Stelle heißt
    es: »Man spricht immer von seinem trotzigen und anmaßenden Wesen;
    konnte ein so hochstehender Mann seine Demuth besser beweisen als
    durch Weinen und Schluchzen?« In der Antwort auf die Lobrede wird
    gesagt: »Der Umstand, daß er seine Thränen nicht zurückhalten
    konnte, machte ihn unfähig zum Heuchler.«]

    [Anmerkung 34: +Lords' Journals, Nov. 19. 1685+; Barillon, 23.
    Nov. (3. Dec.); Holländische Depesche vom 20.(30.) Nov.;
    +Luttrell's Diary, Nov. 19.+; +Burnet, I. 665.+ Halifax'
    Schlußrede wird von dem Nuntius in seiner Depesche vom 16.(26.)
    Nov. erwähnt. Etwa einen Monat später stellt Adda dem Talent
    Halifax' ein glänzendes Zeugniß aus: +»Da questo uomo che ha gran
    credito nel parlamento, e grande eloquenza, non si possono
    attendere che fieri contradizioni, e nel partito Regio non vi è un
    uomo da contrapporsi.«+ 21.(31.) Dec.]


[_Prorogation des Parlaments._] Am folgenden Morgen kam der König in
seinen Staatskleidern in das Haus der Lords. Der Thürsteher mit dem
schwarzen Stabe beschied die Gemeinen vor die Schranken und der Kanzler
kündigte ihnen an, daß das Parlament bis zum 10. Februar prorogirt
sei.[35] Die Mitglieder, welche gegen den Hof gestimmt hatten, wurden
aus dem Staatsdienste entlassen; Karl Fox ward seines Zahlmeisteramtes
enthoben; der Bischof von London hörte auf, Dechant der königlichen
Kapelle zu sein und wurde aus der Liste der Geheimen Räthe gestrichen.

Durch diese Prorogation wurde ein Prozeß von der höchsten Wichtigkeit
beendigt. Thomas Grey, Earl von Stamford, der Sprosse eines der
vornehmsten Häuser Englands, war unlängst unter einer auf Hochverrath
lautenden Anklage verhaftet und im Tower in strenges Gewahrsam gebracht
worden. Er war der Betheiligung an dem Ryehousecomplot angeklagt. Die
große Jury der City von London hatte die Anklage begründet gefunden und
sie vor die Schranken der Lords gebracht, der einzige Gerichtshof, bei
dem ein weltlicher Peer während der Parlamentssession wegen eines
Verbrechens, das über einem gewöhnlichen Vergehen steht, angeklagt
werden kann. Der 1. December war zur Verhandlung anberaumt und schon
Befehl gegeben, daß Westminster mit Sitzen und Behängen versehen werden
sollte. In Folge der Prorogation aber wurde dieser Prozeß auf
unbestimmte Zeit vertagt und Stamford erlangte bald seine Freiheit
wieder.[36]

Außerdem waren beim Schlusse der Session noch drei andere hochangesehene
Whigs in Haft. Karl Gerard, Lord Gerard von Bramdon, der älteste Sohn
des Earl von Macclesfield, Johann Hampden, Enkel des berühmten Führers
des Langen Parlaments, und Heinrich Booth, Lord Delamere. Gerard und
Hampden waren der Theilnahme an dem Ryehousecomplot, Delamere der
Unterstützung des Aufstandes im Westen angeklagt.

    [Anmerkung 35: +Lords'+ und +Commons' Journals, Nov. 20. 1685.+]

    [Anmerkung 36: +Lords' Journals. Nov. 11, 17, 18. 1685.+]


[_Prozeß Lord Gerard's und Hampden's._] Es war nicht die Absicht der
Regierung, Gerard oder Hampden mit dem Tode zu bestrafen. Grey hatte
sich Schonung ihres Lebens ausbedungen, ehe er einwilligte, als Zeuge
gegen sie aufzutreten.[37] Aber man hatte einen noch gewichtigeren
Grund, um Nachsicht gegen sie zu üben. Sie waren die Erben großer
Besitzungen, aber ihre Väter lebten noch. Der Hof konnte daher durch
Confiscation sehr wenig gewinnen, um so mehr aber durch Auflegung eines
Lösegeldes. Gerard wurde verhört, und nach den dürftigen Nachrichten,
welche auf uns gekommen sind, scheint er sich mit viel Geist und
Nachdruck vertheidigt zu haben. Er berief sich auf die Anstrengungen und
Opfer, die seine Familie zu Gunsten Karl's I. aufgewendet habe und
bewies, daß Rumsey durchaus keinen Glauben verdiene, da er Russell und
Cornish durch zwei ganz von einander abweichende Aussagen gemordet habe.
Die Jury gab nach einigem Zögern ihr »Schuldig« ab. Nach langer Haft
durfte Gerard sich loskaufen.[38] Hampden hatte die politische Meinung
und einen großen Theil der Fähigkeiten seines Großvaters geerbt, in
Betreff der Biederkeit und des Muthes aber, durch welche Letzterer sich
ausgezeichnet hatte, war er aus der Art geschlagen. Man ließ den
Gefangenen mit raffinirter Grausamkeit lange in quälender Ungewißheit,
um seine Familie zur Bezahlung einer großen Summe für seine Begnadigung
zu bewegen. Die beständige Todesangst hatte seinen Muth völlig
gebrochen, und als er vor den Schranken der Old Bailey erschien,
bekannte er sich nicht nur für schuldig, sondern entehrte auch seinen
berühmten Namen durch kriechende Unterwürfigkeit und demüthige Bitten.
Er versicherte, daß er in den Mordplan nicht eingeweiht gewesen sei,
gestand aber, daß er Revolutionsideen gehegt habe, äußerte tiefe Reue
über sein Vergehen, erflehte die Fürsprache der Richter und gelobte,
daß, wenn die königliche Gnade ihm zu Theil würde, er während seines
ganzen Lebens seine Dankbarkeit für diese große Güte an den Tag legen
wolle. Die Whigs waren empört über seinen Kleinmuth und erklärten laut,
daß er weit mehr Tadel verdiene als Grey, der, obgleich er als
Königszeuge aufgetreten sei, doch einen gewissen Anstand dabei
beobachtet habe. Hampden's Leben wurde geschont, aber seine Familie
bezahlte dem Kanzler mehrere Tausend Pfund, und einige Höflinge niederen
Ranges erpreßten kleinere Summen von ihm. Der unglückliche Mann hatte
noch Ehrgefühl genug, um die Erniedrigung, zu der er sich herabgelassen,
schmerzlich zu empfinden. Er überlebte den Tag seiner Schande mehrere
Jahre. Er lebte noch so lange, um seine Partei triumphiren zu sehen,
noch einmal ein einflußreiches Mitglied derselben zu werden, eine hohe
Stellung im Staate einzunehmen und seine Verfolger vor sich zittern zu
sehen. Aber sein Glück wurde durch eine quälende Erinnerung verbittert.
Er erlangte nie seinen heiteren Sinn wieder und starb endlich von seiner
eignen Hand.[39]

    [Anmerkung 37: +Burnet, I. 646.+]

    [Anmerkung 38: +Bramston's Memoirs+; +Luttrell's Diary.+]

    [Anmerkung 39: Der Prozeß in der +Collection of State Trials+;
    +Bramston's Memoirs+; +Burnet, I. 647+; +Lords' Journals, Dec. 20.
    1689.+]


[_Delamere's Prozeß._] Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß Delamere
die königliche Gnade erlangt haben würde, wenn er ihrer bedurft hätte.
Soviel ist wenigstens gewiß, daß jeder Vortheil, den der Buchstabe des
Gesetzes der Regierung gewährte, ohne Bedenken und ohne Scham gegen ihn
benutzt wurde. Er befand sich in einer ganz andren Lage als Stamford.
Die Anklage gegen Letzteren war während der Parlamentssession vor die
Schranken der Lords gebracht worden und konnte daher vor dem
Wiederzusammentritt des Parlaments nicht weiter verfolgt werden; dann
konnten alle Peers ihre Stimmen abgeben, um sowohl über das Rechtliche
als über das Thatsächliche zu entscheiden. Delamere's Anklage aber war
erst nach der Prorogation als begründet erkannt worden.[40] Er stand
daher unter der Jurisdiction des Gerichtshofes des Lordgroßrichters.
Dieser Gerichtshof, welcher, so lange das Parlament nicht versammelt
ist, über alle von weltlichen Peers begangenen Kapitalverbrechen
(+treasons and felonies+) zu erkennen hat, war damals so
zusammengesetzt, daß kein Gefangener, der eines politischen Vergehens
angeklagt war, ein unparteiisches Urtel zu erwarten hatte. Der König
ernannte den Lordgroßrichter und dieser ernannte nach seinem Gutdünken
gewisse Peers, welche über ihren angeklagten Collegen richten sollten.
Die Zahl derselben war unbestimmt und eine Appellation gegen ihren
Ausspruch nicht statthaft. Eine einfache Majorität, vorausgesetzt, daß
sie aus zwölf Personen bestand, genügte zur Schuldigerklärung. Über die
Rechtsfrage entschied nur der Lordgroßrichter, und die beisitzenden
Lords bildeten eine bloße Jury, die über den Thatbestand zu entscheiden
hatte. Jeffreys wurde zum Lordgroßrichter ernannt. Er wählte dreißig
Peers und seine Wahl war für den Mann wie für seine Zeit bezeichnend.
Alle Dreißig waren entschiedene politische Gegner des Gefangenen.
Fünfzehn davon waren Regimentsobersten und konnten vom Könige nach
Belieben ihres einträglichen Commando's enthoben werden. Unter den
übrigen Fünfzehn befanden sich der Lordschatzmeister, der erste
Staatssekretär, der Obersthofmeister, der Haushofmeister, der Hauptmann
der königlichen Leibgarde, der Kammerherr der Königin und andere
Personen, welche durch starke Bande des Interesses an den Hof geknüpft
waren. Dessenungeachtet hatte Delamere einige große Vortheile über die
untergeordneteren Angeklagten, welche vor die Old Bailey gefordert
waren. Hier waren die Geschwornen heftige Parteigänger, welche von
höfischen Sheriffs auf einen Tag aus der Masse der Gesellschaft genommen
wurden, um sogleich darauf wieder unter dieser Masse zu verschwinden,
durch keine Rücksichten des Schamgefühls gebunden, und da sie wenig
daran gewöhnt waren, Beweise sorgfältig zu erwägen, so folgten sie
unbedenklich den Weisungen der Richter. Beim Gerichtshofe des
Lordgroßrichters dagegen war jeder beisitzende Lord ein Mann von einiger
Geschäftserfahrung. Jeder von ihnen nahm eine hohe Stellung in der
Gesellschaft ein, jeder mußte einzeln aufstehen und vor einem
zahlreichen Zuhörerkreise auf Ehre und Gewissen sein Urtheil abgeben,
und dieses Urtheil wurde mit seinem Namen versehen, der ganzen Welt
bekannt gemacht und lebte in der Geschichte fort. Dazu kam noch, daß,
obgleich die ausgewählten Adeligen sämmtlich Tories und fast
durchgehends öffentliche Beamte waren, doch schon viele von ihnen
angefangen hatten, mit Besorgniß die Schritte des Königs zu betrachten
und zu fürchten, daß sie wohl bald in den nämlichen Fall kommen könnten
wie Delamere.

Jeffreys benahm sich wie gewöhnlich übermüthig und ungerecht. Allerdings
hatte er einen alten Groll, der seinen Eifer aufstachelte. Er war
Oberrichter von Chester gewesen, als Delamere, damals Mr. Booth, diese
Grafschaft im Parlamente vertrat. Booth hatte sich bei den Gemeinen
bitter beschwert, daß die theuersten Interessen seiner Wähler einem
trunksüchtigen Narren anvertraut seien.[41] Der rachsüchtige Richter
schämte sich nun nicht, Kunstgriffe zu Hülfe zu nehmen, die selbst bei
einem gewöhnlichen Advokaten strafbar gewesen wären. Er erinnerte die
beisitzenden Lords in sehr bezeichnender Sprache daran, daß Delamere im
Parlamente sich der Verurtheilungsbill gegen Monmouth widersetzt habe,
eine Beschuldigung, die weder bewiesen war, noch bewiesen werden konnte.
Doch Jeffreys war nicht der Mann, der eine Versammlung von Peers
einschüchtern konnte, wie er gewöhnliche Geschworne einzuschüchtern
pflegte. Der Beweis für die Krone würde auf der Rundreise im Westen oder
in den Assisenverhandlungen der City wahrscheinlich für vollkommen
genügend erachtet worden sein, konnte aber nicht einen Augenblick
Männern imponiren wie Rochester, Godolphin und Churchill, die überdies
auch, bei allen ihren Fehlern, noch nicht so verdorben waren, daß sie
den einfachsten Regeln der Gerechtigkeit zuwider einen Nebenmenschen
hätten zum Tode verurtheilen können. Grey, Wade und Goodenough wurden
als Zeugen vorgeführt, konnten aber nur das wiederholen, was sie
Monmouth und Wildman's Emissären hatten sagen hören. Der Hauptzeuge für
die Anklage, ein Schurke, Namens Saxton, der an dem Aufstande Theil
genommen hatte, und sich jetzt bemühte, seine Begnadigung zu erlangen,
indem er gegen alle der Regierung mißliebige Personen eidliches Zeugniß
ablegte, war durch eine Menge unverwerflicher Beweise überführt, eine
Reihe von Lügen ausgesagt zu haben. Sämmtliche beisitzende Lords, von
Churchill an, der als jüngster Baron zuerst sprach, bis hinauf zu dem
Lordschatzmeister, erklärten bei ihrer Ehre, daß Delamere nicht schuldig
sei. Der Ernst und das Gepränge des ganzen Gerichtsverfahrens machte
selbst auf den Nuntius, der an die Ceremonien Roms gewöhnt war, welche
an Feierlichkeit und Glanz Alles übertreffen, was die übrige Welt
aufweisen kann, einen tiefen Eindruck.[42] Der König, welcher anwesend
war und gegen ein so offenbar gerechtes Urtheil nichts einwenden konnte,
gerieth in Wuth gegen Saxton und gelobte, daß der Schurke zuerst wegen
Meineids vor Westminsterhall an den Pranger gestellt und dann in den
Westen geschickt werden solle, um wegen Verraths gehängt, gcschleift und
geviertheilt zu werden.[43]

    [Anmerkung 40: +Lords' Journals, Nov. 9, 10, 16. 1685.+]

    [Anmerkung 41: Siehe über die Verderbtheit der Richter in Lord
    Delamere's Werken, 1694.]

    [Anmerkung 42: +»Fa una funzione piena di gravità, di ordine, e di
    gran speciosità.«+ Adda vom 15.(25.) Jan. 1686.]

    [Anmerkung 43: Der Prozeß in der +Collection of State Trials+.
    Leeuwen, 15.(25.) und 19.(29.) Januar 1686.]


[_Eindruck seiner Freisprechung._] Die Freude des Publikums über
Delamere's Freisprechung war groß. Die Schreckensherrschaft war also
vorüber, die Unschuldigen begannen wieder freier zu athmen und die
falschen Ankläger zu zittern. Einen bei dieser Gelegenheit geschriebenen
Brief kann man kaum lesen, ohne zu Thränen gerührt zu werden. Russell's
Wittwe erfuhr in ihrer Abgeschiedenheit die frohe Nachricht mit
verschiedenartigen Gefühlen. »Ich danke Gott,« schrieb sie, »daß er dem
Blutvergießen in diesem unglücklichen Lande Einhalt gethan hat. Aber
während ich mich mit den Fröhlichen freuen sollte, suche ich einen
einsamen Winkel auf, um darin zu weinen. Ich fühle, daß ich keiner
Freude mehr fähig bin, denn jeder neue Umstand, und gerade die
Vergleichung meiner kummervollen Nacht nach solch' einem Tage, mit ihren
Tagen der Freude, zerreißt mein gebrochenes Herz, ich mag die Sache
betrachten, von welcher Seite ich will. Obwohl ich weit entfernt bin,
ihren Tagen ein Ende zu wünschen, wie das der meinigen, so kann ich doch
nicht umhin, es zuweilen zu beklagen, daß das meinige nicht war wie das
ihrige«.[44]

Jetzt trat ein entscheidender Wendepunkt ein. Der Tod Stafford's, den
das gemeine Volk, dessen Wuth er geopfert worden war, mit Äußerungen der
innigsten Theilnahme und Reue angesehen hatte, bezeichnet das Ende der
einen Proscription, die Freisprechung Delamere's bezeichnet das Ende der
andren. Die Verbrechen, welche Shaftesbury's stürmisches Tribunat
geschändet hatten, waren furchtbar gesühnt, das Blut unschuldiger
Papisten war mehr als zehnfältig durch das Blut eifriger Protestanten
gerächt. Auch eine andre große Reaction hatte begonnen. Die Parteien
erfuhren eine schnelle Umgestaltung, alte Verbündete trennten sich und
alte Feinde verbanden sich. Unzufriedenheit verbreitete sich rasch durch
alle Reihen der unlängst noch herrschenden Partei; eine allerdings noch
schwache und unbestimmte Hoffnung auf Sieg und Rache beseelte die andre,
welche kurz zuvor schon vernichtet zu sein schien. Unter solchen
Umständen ging das ereignißvolle und sturmbewegte Jahr 1685 zu Ende und
das Jahr 1686 begann.

    [Anmerkung 44: Lady Russell an +Dr.+ Fitzwilliam vom 15. Jan.
    1686.]


[_Parteien am Hofe._] Die Prorogation hatte den König von den sanften
Vorstellungen der beiden Häuser befreit, aber er mußte noch andere
Vorstellungen anhören, welche Ähnliches bezweckten, wenn sie auch in
einem noch vorsichtigeren und unterwürfigeren Tone ausgesprochen wurden.
Einige Männer, die ihm mit einem nur zu großen, ihrem eigenen Rufe wie
dem öffentlichen Wohle nachtheiligen Eifer gedient hatten, begannen von
schlimmen Ahnungen ergriffen zu werden und wagten es bei Gelegenheit,
einen kleinen Theil ihrer Gefühle schwach anzudeuten.


[_Stimmung der protestantischen Tories._] Seit vielen Jahren waren der
Eifer des englischen Tory für die erbliche Monarchie und sein Eifer für
die Staatskirche nebeneinander aufgewachsen und hatten sich gegenseitig
gekräftigt. Nie war es ihm in den Sinn gekommen, daß diese beiden
unzertrennlich und sogar identisch scheinenden Gefühle sich eines Tages
nicht nur als verschieden, sondern sogar als unverträglich erweisen
könnten. Seit dem Beginn des Streites zwischen den Stuarts und den
Gemeinen waren die Sache der Krone und die Sache der Hierarchie allem
Anscheine nach Eins gewesen. Die Kirche hatte Karl I. als ihren Märtyrer
betrachtet. Wenn Karl II. gegen sie complottirt hatte, so hatte er es
nur im Geheimen gethan. Öffentlich hatte er sich stets als ihren
dankbaren und ergebenen Sohn erklärt, hatte an ihren Altären gekniet und
es war ihm bei aller seiner Sittenlosigkeit gelungen, der großen Masse
ihrer Anhänger einzureden, daß er eine aufrichtige Vorliebe für sie
hege. Welche Kämpfe der ehrliche Kavalier daher auch gegen Whigs und
Rundköpfe zu bestehen gehabt hatte, er war bisher wenigstens nicht durch
Kämpfe in seiner eigenen Brust beunruhigt worden. Er hatte den Pfad der
Pflicht klar vor sich gesehen. Er mußte im Glück wie im Unglück der
Kirche und dem Könige treu bleiben. Wenn nun aber diese beiden erhabenen
und ehrwürdigen Mächte, welche bisher so eng mit einander verbunden zu
sein schienen, daß wer der einen treu war, der andren nicht untreu
werden konnte, durch tödtliche Feindschaft getrennt wurden, welchen Weg
sollte dann der orthodoxe Royalist gehen? Konnte es eine schwerere
Prüfung für ihn geben, als die ihm dann bevorstehende: zwischen zwei
gleich heiligen Pflichten, zwischen zwei gleich starken Sympathien hin
und her geworfen zu werden? Wie sollte er dem Kaiser geben was des
Kaisers war, ohne Gott einen Theil dessen zu entziehen, was Gottes war?
Wer diese Gefühle hegte, konnte den Streit zwischen dem Könige und dem
Parlamente in der Testfrage nicht ohne tiefe Betrübniß und düstere
Ahnungen verfolgt haben. Wenn Jakob wenigstens jetzt noch bewogen werden
konnte, sein Verfahren zu überlegen, die Häuser wieder einzuberufen und
sich ihren Wünschen zu fügen, so konnte noch Alles gut gehen.

Dies waren die Gedanken zweier Verwandten des Königs, der Earls von
Clarendon und von Rochester. Die Macht und die Gunst dieser beiden
Edelleute schienen in der That groß zu sein. Der jüngere Bruder war
Lordschatzmeister und Premierminister, der ältere war, nachdem er einige
Monate das Geheimsiegel verwahrt hatte, zum Lordlieutenant von Irland
ernannt worden. Der ehrwürdige Ormond trat auf die nämliche Seite.
Middleton und Preston, welche als Führer des Hauses der Gemeinen
neuerdings aus Erfahrung gelernt hatten, wie theuer die Staatskirche der
loyalen Gentry Englands war, stimmten ebenfalls für gemäßigte
Beschlüsse.

Gleich zu Anfang des neuen Jahres erfuhren diese Staatsmänner und die
große Partei, die sie repräsentirten, eine tiefe Kränkung. Daß der
verstorbene König im Herzen ein Katholik gewesen, war zwar seit einigen
Monaten vermuthet und leise angedeutet, aber doch noch nicht förmlich
angekündigt worden. Allerdings mußte diese Eröffnung auch großes
Ärgerniß erregen. Karl hatte sich unzählige Male für einen Protestanten
erklärt und hatte das Abendmahl stets von Bischöfen der Staatskirche
empfangen. Diejenigen Protestanten, die im Unglück treu zu ihm gehalten
und ihm noch immer ein liebevolles Andenken bewahrten, mußten mit Scham
und Unwillen erfüllt werden, wenn sie erfuhren, daß sein ganzes Leben
eine Lüge gewesen war, daß er, während er vorgab, ihrem Bunde
anzugehören, in Wirklichkeit sie als Ketzer betrachtete, und daß die
Demagogen, die ihn als einen verkappten Papisten dargestellt, die
Einzigen gewesen waren, die seinen Character richtig beurtheilt hatten.
Selbst Ludwig begriff den Stand der öffentlichen Meinung Englands
hinreichend, um einzusehen, daß die Enthüllung der Wahrheit schaden
könne und hatte daher aus eigenem Antriebe versprochen, Karl's Übertritt
streng geheim zu halten.[45] So lange Jakob's Macht noch neu war, hatte
er es für rathsam gehalten, in diesem Punkte vorsichtig zu sein, und es
nicht gewagt, seinen Bruder nach dem Gebrauche der römischen Kirche
begraben zu lassen. Eine Zeit lang stand es daher einem Jeden frei, zu
glauben, was er wollte. Die Papisten nahmen den verewigten Fürsten als
ihren Proselyten in Anspruch, die Whigs verwünschten ihn als einen
Heuchler und Renegaten, die Tories hielten das Gerücht von seinem Abfall
für eine Verleumdung, deren Verbreitung aus verschiedenen Gründen im
gemeinschaftlichen Interesse der Papisten und der Whigs lag.

    [Anmerkung 45: Ludwig an Barillon, 10.(20.) Febr. 1685/86.]


[_Veröffentlichung hinterlassener Papiere Karl's II._] Jakob that nun
einen Schritt, der die ganze anglikanische Partei bestürzt machte. In
Karl's Cassette hatten sich zwei Aufsätze gefunden, in denen in
gedrängter Kürze die Gründe entwickelt waren, welche die Katholiken in
ihrer Polemik gegen die Protestanten geltend zu machen pflegten, und sie
waren als von Karl eigenhändig geschrieben erkannt worden. Diese Papiere
zeigte Jakob triumphirend mehreren Protestanten und erklärte, daß seines
Wissens sein Bruder als Katholik gelebt habe und gestorben sei.[46]
Einer der Männer, denen die Handschriften vorgelegt wurden, war der
Erzbischof Sancroft. Er las sie tief bewegt und sagte nichts. Dieses
Stillschweigen war einzig und allein die natürliche Wirkung eines
Kampfes zwischen Respect und Verdruß. Jakob aber glaubte, der Primas sei
vor der unwiderstehlichen Gewalt der angeführten Gründe verstummt und
forderte Se. Gnaden dringend auf, mit Hülfe der ganzen Bischofsbank eine
befriedigende Antwort zu entwerfen. »Legen Sie mir eine gründliche, in
schicklichem Tone gehaltene Antwort vor,« sagte er, »und sie kann die
von Ihnen so sehr gewünschte Wirkung haben, mich zum Übertritt in den
Schooß Ihrer Kirche zu bestimmen.« Der Erzbischof entgegnete gelassen,
daß seiner Meinung nach eine solche Antwort leicht zu schreiben sei,
lehnte aber die Polemik unter dem Vorwande der Ehrfurcht vor dem
Gedächtniß seines entschlafenen Gebieters ab. Diesen Grund hielt der
König für die Ausflucht eines geschlagenen Disputanten.[47] Wäre er mit
der polemischen Literatur der letzten hundertfünfzig Jahre vertraut
gewesen, so würde er gewußt haben, daß die Aufsätze, auf die er so
großes Gewicht legte, von jedem fünfzehnjährigen Knaben des Gymnasiums
von Douay hätten verfaßt werden können, und daß sie nichts enthielten,
was nach der Überzeugung aller protestantischen Geistlichen nicht schon
zehntausendmal widerlegt und entkräftet war. In seinem unwissenden
Enthusiasmus befahl er, daß diese Abhandlungen mit der prächtigsten
typographischen Ausstattung gedruckt werden sollten, und fügte
denselben, eine durch seine eigenhändige Unterschrift bekräftigte
Erklärung bei, daß die Originale von seines Bruders eigener Hand seien.
Er vertheilte die ganze Auflage unter seine Höflinge und unter die
geringeren Leute, die sich um seinen Wagen drängten. Ein Exemplar
schenkte er einem jungen Frauenzimmer niederen Standes, von der er
glaubte, daß sie seine religiöse Überzeugung theile, und versicherte
sie, daß sie durch die Lectüre höchlich erbaut und getröstet werden
würde. Zum Lohn für seine Güte überreichte sie ihm einige Tage darauf
einen Brief, durch den sie ihn beschwor, das mystische Babylon zu
verlassen und den Becher der Hurerei von seinen Lippen zu stoßen.[48]

    [Anmerkung 46: +Evelyn's Diary, Oct. 2. 1685.+]

    [Anmerkung 47: +Clarke's Life of James the Second, II. 9. Orig.
    Mem.+]

    [Anmerkung 48: Leeuwen, vom 1.(11.) und 12.(22.) Jan. 1686. So
    lang und abgeschmackt der Brief auch war, hielt man ihn doch für
    werth, als ein Zeichen der Zeit den Generalstaaten übersandt zu
    werden.]


[_Stimmung der achtungswerthen Katholiken._] Diese Dinge machten die der
Staatskirche angehörenden Tories sehr besorgt; nicht weniger unzufrieden
damit war der achtungswerthere Theil des katholischen Adels. Es wäre in
der That zu entschuldigen gewesen, wenn die Leidenschaft sie bei dieser
Gelegenheit taub gemacht hätte gegen die Stimme der Klugheit und
Gerechtigkeit, denn sie hatten viel gelitten. Die Eifersucht der
Protestanten hatte sie des Ranges entsetzt, zu dem sie geboren waren,
hatte den Erben von Baronen, welche die Magna Charta unterzeichnet die
Thüren des Parlamentshauses verschlossen, hatte das Commando über eine
Compagnie Infanterie als einen zu hohen Posten für die Nachkommen von
Generälen erklärt, welche bei Flodden und Saint-Quentin gesiegt hatten.
Es gab kaum einen dem alten Glauben anhängenden vornehmen Peer, dessen
Ehre, Vermögen und Leben nicht in Gefahr gewesen wäre, der nicht Monate
lang im Tower zugebracht, der nicht oft das Schicksal Stafford's für
sich selbst gefürchtet hätte. Männern, die so lange und so herzlos
unterdrückt worden waren, hätte man es wohl verzeihen können, wenn sie
die erste Gelegenheit, um zu gleicher Zeit Ansehen zu erlangen und Rache
zu üben, begierig ergriffen hätten. Aber weder Fanatismus, noch Ehrgeiz,
weder der Groll wegen früher erlittenen Unrechts, noch der durch
plötzliches Glück verursachte Rausch konnte den ausgezeichnetsten
Katholiken die Einsicht nehmen, daß das Glück, dessen sie sich endlich
erfreuten, nur vorübergehend war und daß es ihnen verderblich werden
könnte, wenn sie nicht einen weisen Gebrauch davon machten. Schmerzliche
Erfahrungen hatten sie belehrt, daß die Abneigung der Nation gegen ihren
Glauben nicht eine bloße Laune sei, die der Befehl eines Fürsten
vertreiben könne, sondern vielmehr ein tiefwurzelndes Gefühl, das
Erzeugniß von fünf Generationen, durch alle Klassen und Parteien
verbreitet und mit den Grundsätzen der Tories nicht minder eng
verflochten, als mit denen der Whigs. Allerdings lag es in der Macht des
Königs, durch Ausübung seines Begnadigungsrechts die Wirkung des
Strafgesetzes zu suspendiren. Es konnte ihm durch behutsames Verfahren
mit der Zeit gelingen, vom Parlamente die Aufhebung der Gesetze zu
erwirken, welche die Bekenner seines Glaubens für nicht zulässig zu
öffentlichen Ämtern erklärten. Aber wenn er es versuchte, die
protestantische Gesinnung Englands durch rohe Gewaltmittel zu ersticken,
so ließ sich leicht voraussehen, daß dem heftigen Drucke auf eine so
starke und elastische Feder ein eben so heftiger Rückschlag folgen
werde. Durch voreilige Versuche, den Weg in den Geheimen Rath und in das
Haus der Lords zu erzwingen, konnten die katholischen Peers ihre
Schlösser und ihre großen Besitzungen verlieren und in die Lage kommen,
daß sie ihr Leben als Verräther auf Towerhill oder als Bettler an den
Thüren italienischer Klöster enden mußten.

So dachte Wilhelm Herbert, Earl von Powis, welcher damals allgemein als
das Haupt der römisch-katholischen Aristokratie betrachtet wurde und
der, nach Oates' Aussage, für den Fall des Gelingens der papistischen
Verschwörung zum Premierminister bestimmt war. Johann Lord Bellasyse
hatte ganz die nämliche Ansicht von der Sache. Er hatte in seiner Jugend
tapfer für Karl I. gefochten, war nach der Restauration mit hohen
Ehrenstellen und Commandos belohnt worden und hatte diese nach Erlassung
der Testacte niedergelegt. Mit diesen ausgezeichneten Führern stimmten
alle vornehmsten und reichsten Mitglieder ihrer Kirche überein,
ausgenommen Lord Arundell von Wardour, ein alter Mann, der schon anfing
kindisch zu werden.


[_Cabale heftiger Katholiken._] Es gab jedoch am Hofe eine kleine Anzahl
Katholiken, an deren Herzen vergangene Unbill nagte, denen ihre
neuerliche Erhebung den Kopf verrückt hatte, die es nicht erwarten
konnten, die höchsten Ehrenstufen im Staate zu erklimmen und denen der
Gedanke an einen Tag der Wiedervergeltung wenig Sorge machte, da sie
nicht viel zu verlieren hatten.


[_Castelmaine._] Einer von diesen war Roger Palmer, Earl von Castelmaine
in Irland, Gemahl der Herzogin von Cleveland. Es war notorisch, daß er
seinen Titel mit seiner eignen und seiner Gemahlin Entehrung erkauft
hatte. Er besaß nur ein unbedeutendes Vermögen und sein von Natur
unfreundlicher Character war durch häusliche Zwistigkeiten, durch
öffentliche Vorwürfe und durch die in den Tagen des papistischen
Complots erduldeten Leiden noch mehr verbittert worden. Nachdem er lange
in Gefangenschaft zugebracht, war ihm endlich der Prozeß auf Tod und
Leben gemacht worden. Zu seinem Glück wurde er erst als die Wuth des
Volks sich einigermaßen gelegt hatte und der Credit der falschen Zeugen
erschüttert war, vor Gericht gestellt. So war er mit knapper Noth dem
Tode entgangen.[49]

    [Anmerkung 49: Siehe seinen Prozeß in der +Collection of State
    Trials+ und sein 1681 gedrucktes merkwürdiges Manifest.]


[_Jermyn._] Mit Castelmaine eng befreundet war einer der bevorzugtesten
von den hundert Liebhabern seiner Frau, Heinrich Jermyn, den Jakob
kürzlich mit dem Titel Lord Dover zum Peer erhoben hatte. Jermyn hatte
sich vor mehr als zwanzig Jahren durch seine Liebeshändel und
verzweifelten Duelle ausgezeichnet, war jetzt durch das Spiel zu Grunde
gerichtet und strebte eifrig danach, seinen zerrütteten Finanzen durch
einträgliche Stellen, von denen ihn das Gesetz ausschloß, wieder
aufzuhelfen.[50]

    [Anmerkung 50: +Mémoires de Grammont+; +Pepys's Diary, Aug. 19.
    1662+; Bonrepaux an Seignelay, 1.(11.) Febr. 1686.]


[_White._] Zu der nämlichen Partei gehörte ein ränkevoller
unternehmender Irländer, Namens White, der viel im Auslande zugebracht,
dem Hause Österreich als ein Zwitterding von Gesandten und Spion gedient
hatte und für seine Dienste mit dem Titel eines Marquis von Albeville
belohnt worden war.[51]

    [Anmerkung 51: Bonrepaux an Seignelay, 1.(11.) Febr. 1686.]


[_Tyrconnel._] Bald nach der Prorogation erhielt diese verwegene Partei
eine wichtige Verstärkung. Richard Talbot, Earl von Tyrconnel, der
Heftigste und Unbeugsamste von Allen, welche die Freiheiten und die
Religion Englands haßten, kam von Dublin am Hofe an. Talbot stammte aus
einer alten normännischen Familie, die lange in Leinster ansässig
gewesen, dort in Verfall gerathen war, die Sitten der Celten angenommen
hatte, gleich diesen der alten Religion anhing und sich bei dem
Aufstande von 1641 denselben angeschlossen hatte. In seiner Jugend war
er einer der bekanntesten Schwindler und Raufbolde Londons gewesen. Als
Karl und Jakob in Flandern in der Verbannung lebten, war er ihnen als
ein Mann vorgestellt worden, der zu dem abscheulichen Dienste, den
Protector zu ermorden, geschickt und bereit war. Bald nach der
Restauration versuchte es Talbot, durch einen noch schändlicheren Dienst
die Gunst der königlichen Familie zu erlangen. Man bedurfte eines
Vorwandes, um den Herzog von York deshalb zu rechtfertigen, daß er das
Eheversprechen brach, durch welches er von Anna Hyde den höchsten Beweis
von weiblicher Liebe erlangt hatte. Talbot unternahm es in Verbindung
mit einigen seiner ausschweifenden Genossen, einen solchen Vorwand zu
liefern. Es wurde verabredet, die junge Dame als ein Geschöpf ohne
Tugend, Scham und Ehrgefühl darzustellen und einen langen Roman von
zärtlichen Zusammenkünften und heimlichen Gunstbezeigungen zu erdichten.
Talbot insbesondere erzählte, wie er bei einem seiner heimlichen Besuche
so unglücklich gewesen sei, das Dintenfaß des Kanzlers über einen Stoß
von Papieren zu schütten und wie geschickt sie der Entdeckung dadurch
vorgebeugt habe, daß sie die Schuld an dem Unfalle auf ihren Affen
schob. Diese Geschichten, die, selbst wenn sie wahr gewesen wären, nur
über die Lippen des gemeinsten Menschen hätten kommen können, waren
reine Erfindungen. Talbot war auch bald genöthigt, dies einzugestehen,
und er that es ohne zu erröthen. Die verleumdete Dame wurde Herzogin von
York. Wäre ihr Gemahl ein wirklich rechtschaffener und ehrenwerther Mann
gewesen, so würde er die Schurken, die sie verleumdet hatten, mit
Entrüstung und Verachtung aus seiner Nähe verbannt haben. Aber es war
eine characteristische Eigenheit Jakob's, daß er eine auch noch so
schändliche und gemeine Handlung nicht für verwerflich hielt, wenn sie
in der Absicht begangen war, seine Gunst zu gewinnen. Talbot hatte nach
wie vor Zutritt bei Hofe, erschien täglich mit frecher Stirn vor der
Fürstin, die er hatte ins Verderben stürzen wollen und erhielt bald den
einträglichen Posten eines Hauptkupplers ihres Gemahls. Nicht lange
darauf wurde Whitehall plötzlich durch die Nachricht erschreckt, daß
Dick Talbot, wie er gewöhnlich genannt wurde, einen Plan zur Ermordung
des Herzogs von Ormond geschmiedet habe. Der Bravo wurde in den Tower
geschickt, aber schon nach wenigen Tagen stolzirte er wieder in den
Galerien umher und beförderte Briefchen zwischen seinem Gebieter und den
schamlosesten Hoffräuleins. Vergebens drangen ergraute und besonnene
Rathgeber in die königlichen Brüder, diesen abscheulichen Menschen nicht
zu begünstigen, dessen einzige Empfehlung sein einnehmendes Äußere und
sein guter Geschmack in der Kleidung sei; Talbot war nicht nur
willkommen im Palaste, wenn die Flasche oder der Würfelbecher die Runde
machten, sondern er wurde auch in Staatsangelegenheiten aufmerksam
angehört. Er spielte die Rolle eines irischen Patrioten und vertheidigte
mit großer Unverschämtheit und zuweilen mit Erfolg die Sache seiner
Landsleute, deren Vermögen confiscirt worden war, ließ sich aber
jederzeit seine Dienste gut bezahlen und erwarb sich theils durch den
Handel mit seinem Einflusse, theils durch das Spiel, theils durch
Kuppelei ein Vermögen von dreitausend Pfund jährlicher Einkünfte. Denn
unter dem äußeren Scheine des Leichtsinns, der Verschwendung, der
Sorglosigkeit und der maßlosesten Unverschämtheit, war er der feilste
und schlaueste Mensch, den es geben konnte. Jetzt war er nicht mehr jung
und büßte mit schweren körperlichen Leiden die Ausschweifungen seiner
Jugend; aber weder Alter noch Krankheit hatten eine wesentliche Änderung
in seinem Character und in seinen Sitten hervorgebracht. So oft er den
Mund öffnete, tobte, fluchte und schwur er noch immer mit so rasender
Heftigkeit, daß flüchtige Beobachter ihn für den unbändigsten Wüstling
hielten. Der große Haufe begriff nicht, daß ein Mann, der selbst im
nüchternen Zustande sich prahlerischer und wüthender geberdete, als
Andere in der Trunkenheit, und der vollkommen unfähig zu sein schien,
irgend eine Gefühlsregung zu verbergen oder ein Geheimniß zu bewahren,
in der Wirklichkeit ein kaltherziger, weitsehender und wohlberechnender
Speichellecker sein könne. Gleichwohl war Talbot solch ein Mensch. Seine
Heuchelei war von weit höherer und seltenerer Art als die, welche in
Barebone's Parlament florirt hatte. Denn nicht Derjenige ist ein
vollendeter Heuchler, der seine Lasterhaftigkeit hinter einem Schein von
Tugend zu verbergen weiß, sondern Der, welcher das Laster, das er sich
nicht scheut offen zur Schau zu tragen, als Larve zur Verhüllung
schwärzerer und einträglicherer Laster benutzt, welche zu verbergen in
seinem Interesse liegt.

Nachdem Talbot von Jakob zum Earl von Tyrconnel erhoben war, hatte er
während der neun Monate zwischen dem Tode Karl's und dem Beginn der
Lordstatthalterschaft Clarendon's die Truppen in Irland befehligt. Als
der neue Lordlieutenant im Begriff war, sich von London nach Dublin zu
begeben, wurde der General von Dublin nach London berufen. Dick Talbot
war lange Zeit wohlbekannt gewesen auf dem ganzen Wege, den er
zurückzulegen hatte; es gab zwischen Chester und der Hauptstadt kein
Gasthaus, in welchem er nicht Händel gehabt hätte. Wohin er kam, preßte
er dem Gesetze zum Hohn Pferde, fluchte über die Köche und Postillone,
und veranlaßte durch seine unverschämten Rodomontaden fast Aufläufe. Die
Reformation, sagte er zu dem Volke, habe Alles ruinirt, aber es würden
schon wieder gute Zeiten kommen, die Katholiken würden bald wieder
obenauf sein und dann sollten die Ketzer für Alles bezahlen. So
unaufhörlich tobend und lästernd wie ein Besessener kam er am Hofe
an.[52] Sobald er angelangt war, verband er sich auf das Engste mit
Castelmaine, Dover und Aldeville. Diese Leute schrieen einstimmig nach
Krieg gegen die Kirchen- und Staatsverfassung. Sie sagten ihrem
Gebieter, daß er es seiner Religion und der Würde seiner Krone schuldig
sei, sich durch das Geschrei der ketzerischen Demagogen nicht irre
machen zu lassen und dem Parlament gleich anfangs zu verstehen zu geben,
daß er trotz aller Opposition der Herr zu bleiben gedenke und die
Opposition nichts Andres bewirken werde, als ihn zu einem harten Herrn
zu machen.

    [Anmerkung 52: +Mémoires de Grammont+; +Life of Edward, Earl of
    Clarendon+; Correspondenz Heinrich's Earl von Clarendon an
    mehreren Stellen, besonders der Brief vom 29. Dec. 1685; Sheridan
    Mspte. unter den Stuart-Papieren; Ellis' Correspondenz vom 12.
    Jan. 1686.]


[_Gesinnung der fremden Gesandten._] Jede der beiden Parteien, in die
der Hof gespalten war, hatte eifrige ausländische Verbündete. Die
Gesandten Spaniens, des deutschen Reichs und der Generalstaaten waren
jetzt eben so eifrig bemüht, Rochester zu unterstützen, wie sie früher
Halifax unterstützt hatten. Barillon bot seinen ganzen Einfluß in
entgegengesetzter Richtung auf, und er wurde darin von einem im Range
unter ihm stehenden, in Talenten aber ihm weit überlegenen andren
französischen Agenten unterstützt: von Bonrepaux. Barillon war zwar
nicht ohne diplomatische Befähigung und besaß in hohem Grade die
Liebenswürdigkeit und die feine Bildung, durch die sich der damalige
französische Adel auszeichnete. Aber sein Verstand war den Anforderungen
seines wichtigen Postens nicht gewachsen. Er war phlegmatisch und bequem
geworden, liebte gesellige Vergnügungen und Tafelfreuden mehr als die
Geschäfte und entwickelte bei wichtigen Vorgängen gewöhnlich erst dann
eine energische Thätigkeit, wenn er Ermahnungen und selbst Verweise aus
Versailles erhalten hatte.[53] Bonrepaux hatte sich durch die Umsicht
und Thätigkeit, die er als Sekretär bei der Marineverwaltung gezeigt,
aus der Dunkelheit emporgeschwungen und er galt für eingeweiht in die
Geheimnisse der Handelspolitik. Zu Ende des Jahres 1685 wurde er mit
mehreren besonderen Aufträgen von hoher Wichtigkeit nach London
geschickt. Er sollte einen Handelsvertrag anbahnen, sollte den Zustand
der englischen Flotten und Werfte ermitteln und darüber berichten, und
endlich den hugenottischen Flüchtlingen, von denen man voraussetzte, sie
würden durch Mangel und Verbannung so zahm geworden sein, daß sie fast
jede Bedingung der Wiederaussöhnung dankbar annehmen würden, gewisse
Vorschläge machen. Der neue Gesandte war plebejischen Ursprungs, seine
Gestalt war zwergartig, sein Gesicht lächerlich häßlich und sein Dialect
der seiner gascognischen Heimath; aber sein heller Verstand, sein
seltener Scharfblick und sein witziger Geist befähigten ihn ganz
vorzüglich für seinen Posten. Trotz seiner niederen Herkunft und seines
abstoßenden Äußeren war er sehr bald als ein höchst angenehmer
Gesellschafter und gewandter Diplomat bekannt. Während er mit der
Herzogin von Mazarin scherzte, mit Waller und St. Evremond
wissenschaftliche Fragen erörterte und mit La Fontaine correspondirte,
wußte er sich eine genaue Kenntniß der englischen Staatsangelegenheiten
zu erwerben. Seine Geschicklichkeit im Seewesen empfahl ihn Jakob, der
schon seit vielen Jahren den Geschäften der Admiralität eine große
Aufmerksamkeit zugewendet hatte und diese Geschäfte so gut verstand, als
er überhaupt etwas zu verstehen fähig war. Sie unterhielten sich Tag für
Tag offen über den Zustand der Schiffe und der Werfte. Das Resultat
dieses intimen Verkehrs war, wie es sich erwarten ließ, daß der kluge
und wachsame Franzose Jakob's Fähigkeiten und Character gründlich
verachten lernte. Er sagte, die Welt habe seine Großbritannische
Majestät weit überschätzt, denn sie besitze weniger Befähigung und nicht
mehr Tugenden als Karl.[54]

Obgleich die beiden Gesandten Ludwig's den nämlichen Zweck verfolgten,
so schlugen sie doch wohlweislich verschiedene Wege ein. Sie theilten
sich in den Hof; Bonrepaux verkehrte hauptsächlich mit Rochester und
dessen Umgebungen, Barillon stand namentlich mit der entgegengesetzten
Partei in Verbindung. Die Folge davon war, daß sie zuweilen das nämliche
Ereigniß von verschiedenen Gesichtspunkten betrachteten. Die besten
Aufschlüsse, die es über den Streit giebt, welcher damals Whitehall
bewegte, findet man in ihren Depeschen.

    [Anmerkung 53: Siehe seine spätere Correspondenz an mehreren
    Stellen; St. Evremond desgl.; die Briefe der Frau von Sévigné zu
    Anfang des Jahres 1689. Auch vergleiche man die Instructionen für
    Tallard nach dem Frieden von Ryswick, in den französischen
    Archiven.]

    [Anmerkung 54: Memoiren St. Simon's, 1697, 1719; St. Evremond; La
    Fontaine; Bonrepaux an Seignelay, 28. Jan. (7. Febr.) und 8.(18.)
    Febr. 1686.]


[_Spaltung zwischen dem Papste und der Gesellschaft Jesu._] Wie jede der
beiden Parteien am Hofe Jakobs an auswärtigen Fürsten eine Stütze hatte,
so wurde auch jede von ihnen durch eine kirchliche Autorität, vor der
Jakob große Achtung hatte, unterstützt. Der Papst war für ein
gesetzliches und gemäßigtes Verfahren und die Organe seiner Ansichten
waren der Nuntius und der apostolische Vikar.[55] Auf der andren Seite
stand eine Körperschaft, deren Gewicht sogar dem Gewichte des Papstthums
gleichkam: der mächtige Jesuitenorden.

Daß sich bei dieser Gelegenheit diese beiden großen geistlichen Mächte,
welche einst untrennbar verbunden zu sein schienen, feindlich
gegenüberstanden, ist ein sehr wichtiger und bemerkenswerther Umstand.
Während eines Zeitraums von mehr als tausend Jahren war die
Ordensgeistlichkeit die Hauptstütze des heiligen Stuhles gewesen. Dieser
Stuhl hatte sie gegen bischöfliche Einmischung beschützt und den ihnen
gewährten Schutz hatten sie reichlich vergolten. Ohne ihre Anstrengungen
wäre der Bischof von Rom wahrscheinlich nur das Ehrenoberhaupt einer
großen Prälaten-Aristokratie gewesen. Mit Hülfe der Benedictiner war
Gregor VII. im Stande, zu gleicher Zeit die fränkischen Kaiser und die
weltliche Priesterschaft zu bekämpfen. Mit Hülfe der Dominikaner und
Franziskaner vernichtete Innocenz III. die albigensischen Sectirer.

    [Anmerkung 55: Adda, 16.(26.) Nov., 7.(17.) Dec. und 21.(31.) Dec.
    1685. Adda giebt in diesen Depeschen gewichtige Gründe für einen
    Vergleich durch Abschaffung der Strafgesetze und Beibehaltung des
    Eides. Er nennt den Streit mit dem Parlamente eine +»gran
    disgrazia«+, und deutet wiederholt an, der König habe durch ein
    verfassungsgemäßes Verfahren für die Katholiken viel erlangen
    können, der Versuch aber, ihre Lage durch gesetzwidrige Mittel zu
    verbessern, werde wahrscheinlich großes Unheil über sie bringen.]


[_Der Jesuitenorden._] Im sechzehnten Jahrhundert wurde das Papstthum,
das damals von neuen und furchtbareren Gefahren als je zuvor bedroht
war, durch einen neuen religiösen Orden gerettet, der mit glühender
Begeisterung erfüllt und mit außerordentlichem Geschick organisirt war.
Als die Jesuiten zur Rettung des Papstthums erschienen, schwebte es in
der größten Gefahr, aber von diesem Augenblicke an wendete sich das
Glück. Der Protestantismus, der während eines ganzen Menschenalters
Alles mit sich fortgerissen hatte, wurde in seinem Fortschreiten
gehemmt, und mit reißender Schnelligkeit vom Fuße der Alpen bis an die
Küsten der Ostsee zurückgetrieben. Der Orden bestand noch keine hundert
Jahre, so hatte er schon die ganze Welt mit Denkmalen großer Thaten und
Leiden für den Glauben erfüllt. Keine religiöse Gemeinschaft konnte eine
Liste so mannigfach ausgezeichneter Männer aufweisen, keine andre hatte
das Feld ihrer Thätigkeit zu solchem Umfange erweitert und doch hatte in
keiner jemals eine so vollkommene Einheit des Denkens und Handelns
geherrscht. Es gab keine Gegend des Erdballs, kein Gebiet des
wissenschaftlichen oder praktischen Lebens, auf dem nicht Jesuiten zu
finden waren. Sie leiteten die Beschlüsse der Könige; sie entzifferten
lateinische Inschriften; sie beobachteten die Bahnen der Trabanten des
Jupiter; sie gaben ganze Bibliotheken heraus: Polemik, Casuistik,
Geschichte, Werke über Optik, alcäische Oden, Ausgaben der Kirchenväter,
Madrigals, Katechismen und Libelle. Die höhere Erziehung der Jugend fiel
fast ausschließlich in ihre Hände und wurde von ihnen mit
ausgezeichnetem Geschick geleitet. Sie hatten genau den Punkt entdeckt,
bis zu welchem man mit der geistlichen Bildung gehen kann, ohne geistige
Emancipation fürchten zu müssen. Selbst ihre Feinde mußten zugestehen,
daß sie in der Kunst, das jugendliche Gemüth zu leiten und zu bilden
nicht ihres Gleichen hatten. Daneben pflegten sie auch mit großem Eifer
und Erfolg die Kanzelberedtsamkeit. Mit noch größerem Eifer und noch
größerem Erfolge aber widmeten sie sich dem Dienste des Beichtstuhls.
Durch das ganze katholische Europa waren sie im Besitz der Geheimnisse
jeder Regierung und fast jeder hochstehenden Familie. Unter zahllosen
Gestalten, als elegante Kavaliere, als einfache Landleute und als
puritanische Prediger, schlichen sie aus einem protestantischen Lande in
das andre. Sie wanderten nach Ländern, zu deren Erforschung weder
merkantilische Habsucht noch wissenschaftliche Neugierde je einen
Fremden veranlaßt hatte. Man fand sie in Mandarinentracht in Peking als
Aufseher der Sternwarte; man fand sie mit dem Spaten in der Hand in
Paraguay, wo sie den Wilden in den Anfangsgründen des Ackerbaues
unterrichteten. Doch wo sie auch sein und was sie auch treiben mochten,
ihr Geist war stets und überall der nämliche: unbegrenzte Hingebung für
die gemeinsame Sache und unbedingter Gehorsam gegen die Centralgewalt.
Keiner von ihnen hatte seinen Aufenthaltsort oder seinen Beruf selbst
gewählt. Ob der Jesuit unter dem Polarkreis oder unter dem Äquator
leben, ob er seine Tage damit hinbringen sollte, im Vatikan Gemmen zu
ordnen und Handschriften zu vergleichen, oder damit, die Wilden der
südlichen Hemisphäre zu bitten, daß sie einander nicht auffressen
mochten, dies waren Fragen, deren Entscheidung er mit tiefster
Unterwürfigkeit Anderen überließ. Brauchte man ihn in Lima, so schwamm
er mit der nächsten Flotte auf dem Atlantischen Meere; wurde er in
Bagdad gebraucht, so watete er mit der nächsten Karawane durch den Sand
der Wüste. Bedurfte man seiner Dienste in einem Lande, wo sein Leben
unsicherer war als das eines Wolfes, wo es ein Verbrechen war, ihn zu
beherbergen, und wo die auf den öffentlichen Plätzen aufgesteckten Köpfe
und Glieder seiner Brüder ihm sagten, was er zu gewärtigen habe, so ging
er ohne Murren und ohne Zaudern seinem Schicksale entgegen. Dieser
heldenmüthige Geist der Aufopferung ist noch jetzt nicht erloschen. Als
in unseren Tagen eine neue und furchtbare Seuche die Runde um die Welt
machte, als in mehreren großen Städten die Furcht alle Bande, die eine
Gesellschaft zusammenhalten, zerrissen, als die weltlichen Geistlichen
ihre Heerden verlassen hatten, als ärztlicher Verstand nicht mit Geld zu
erkaufen war und selbst die stärksten natürlichen Neigungen der Liebe
zum Leben gewichen waren, fand man den Jesuiten an dem Krankenlager, das
Bischof und Pfarrer, Arzt und Wärterin, Vater und Mutter verlassen
hatten, zu den verpesteten Lippen herabgeneigt, um den schwachen Hauch
der letzten Beichte zu erhaschen und dem verscheidenden bußfertigen
Sünder das Bild des sterbenden Erlösers bis zum letzten Augenblicke
vorzuhalten.

Aber mit der der Gesellschaft Jesu eigenen bewundernswerthen Energie,
Uneigennützigkeit und Selbstverleugnung waren große Fehler vermischt. Es
wurde, und nicht ohne Grund, behauptet, daß der glühende Gemeinsinn, der
den Jesuiten gleichgültig gegen seine Ruhe, seine Freiheit und sein
Leben machte, ihn auch eben so gleichgültig gegen Wahrheit und Mitleid
mache, daß kein Mittel ihm unerlaubt scheine, wenn es das Interesse
seiner Religion fördern konnte, und daß er unter dem Interesse seiner
Religion nur zu oft das Interesse seines Ordens verstehe. Es wurde
behauptet, daß seine Mitwirkung bei den abscheulichsten Intriguen und
Verschwörungen, von denen die Geschichte erzählt, deutlich zu erkennen
sei, daß er, nur in der Anhänglichkeit an seine Gesellschaft
unwandelbar, in manchen Ländern der gefährlichste Feind der Freiheit, in
anderen der gefährlichste Feind der Ordnung gewesen sei. Die großen
Siege, die er in der Sache der Kirche errungen zu haben sich rühmte,
waren nach der Meinung vieler ausgezeichneter Mitglieder dieser Kirche
mehr scheinbar als wirklich. Er hatte sich zwar mit anscheinend
wundervollem Erfolge bemüht, die Welt ihren Gesetzen zu unterwerfen,
aber indem er dies gethan, hatte er zugleich die Gesetze gelockert, um
sie dem Geiste der Welt anzupassen. Anstatt sich zu bestreben, die
menschliche Natur auf die hohe, durch göttliche Lehre und göttliches
Beispiel bezeichnete Stufe zu erheben, hatte er diese Stufe erniedrigt,
bis sie sich unter dem Durchschnittsniveau der menschlichen Natur
befand. Er prahlte mit Massen von Bekehrten, welche in den fernen
Gegenden des Ostens getauft worden waren; aber es wurde berichtet, daß
Vielen dieser Bekehrten die Facta, auf die sich die ganze Glaubenslehre
des Evangeliums gründet, arglistig verschwiegen worden seien und daß
Andere sich dadurch vor Verfolgung schützen könnten, daß sie vor den
Bildern falscher Götter niederknieten, während sie im Stillen
Paternosters und Ave-Marias beteten. Und solche Kunstgriffe sollten
nicht blos in heidnischen Ländern angewendet worden sein. Es war kein
Wunder, daß Leute aller Stände, und besonders die der höchsten, sich zu
den Beichtstühlen der jesuitischen Tempel drängten, denn Niemand verließ
diese Beichtstühle unbefriedigt. Hier war Allen der Priester Alles. Er
zeigte eben nur so viel Strenge, damit die vor seinem geistlichen
Richterstuhle Knieenden nicht in eine Dominikaner- oder
Franziskanerkirche getrieben wurden. Wenn er ein wahrhaft frommes Gemüth
vor sich hatte, sprach er in dem heiligen Tone der ersten Kirchenväter;
aber bei dem sehr großen Theile der Menschen, welche Religion genug
haben, damit sie sich ängstigen, wenn sie etwas Böses gethan haben, aber
nicht genug, um das Böse zu meiden, befolgte er ein ganz andres System.
Da er sie nicht von der Schuld freisprechen konnte, so war es sein
Geschäft, sie vor der Reue zu bewahren. Er verfügte über einen
unerschöpflichen Vorrath schmerzstillender Mittel für verwundete
Gewissen. In den casuistischen Werken, die von seinen Brüdern
geschrieben und mit Bewilligung seiner Vorgesetzten gedruckt waren,
fanden sich Tröstungen für Sünder jeder Gattung. Der Bankerottirer wurde
belehrt, wie er, ohne eine Sünde zu begehen, sein Vermögen vor seinen
Gläubigern verheimlichen könne. Der Dienstbote wurde belehrt, wie er,
ohne eine Sünde zu begehen, mit dem Silberzeuge seines Herrn durchgehen
könne. Der Kuppler wurde versichert, daß ein Christ sich ohne Schuld
seinen Lebensunterhalt verschaffen könne, indem er zwischen einer
verheiratheten Frau und ihren Liebhabern Briefe und Aufträge befolgte.
Der stolze und empfindliche französische Edelmann wurde durch eine
Entscheidung zu Gunsten des Zweikampfes beruhigt. Der an eine gemeinere
und mehr im Dunklen schleichende Rache gewöhnte Italiener erfuhr zu
seiner Freude, daß er, ohne ein Verbrechen zu begehen, aus dem
Hinterhalte auf seinen Feind schießen könne. Dem Betruge war ein
Spielraum gelassen, der groß genug war, um den ganzen Werth menschlicher
Verträge und menschlichen Zeugnisses zu vernichten. In der That, die
menschliche Gesellschaft hielt nur deshalb noch zusammen, das Leben und
Eigenthum genoß nur deshalb noch einige Sicherheit, weil die gesunde
Vernunft und das natürliche Humanitätsgefühl die Menschen abhielt, das
zu thun, was sie nach den Versicherungen der Gesellschaft Jesu mit gutem
Gewissen hätte thun können.

Der Character dieser berühmten Brüder war ein wunderliches Gemisch von
Gutem und Bösem und in dieser Mischung lag das Geheimniß ihrer
gigantischen Macht. Eine solche Macht hätten bloße Heuchler eben so
wenig als strenge Moralisten je erlangen können. Sie war nur Männern
erreichbar, die für die Verfolgung eines großen Zieles wahrhaft
begeistert und dabei gewissenlos in der Wahl der Mittel waren.

Anfangs waren die Jesuiten zu besondrem Gehorsam gegen den Papst
verpflichtet gewesen. Es war nicht weniger ihre Aufgabe gewesen, jede
Empörung im Schooße der Kirche zu unterdrücken, als die Angriffe ihrer
erklärten Feinde abzuwehren. Ihre Lehre war im höchsten Grade das, was
diesseits der Alpen ultramontan genannt worden ist und wich von der
Lehre Bossuet's eben so sehr ab, wie von der Lehre Luther's. Sie
verdammten die gallikanischen Freiheiten, den Anspruch öcumenischer
Concile auf die Beaufsichtigung des römischen Stuhles und den Anspruch
der Bischöfe auf unabhängigen Auftrag von Oben. Lainez erklärte in
Trient im Namen der ganzen Brüderschaft unter dem Beifalle der Creaturen
Pius' IV. und dem Murren der französischen und spanischen Prälaten, daß
Christus die Herrschaft über die Gläubigen dem Papste allein übertragen
habe, daß in dem Papste allein alle priesterliche Autorität vereinigt
sei und daß er allein den Priestern und Bischöfen eine geistliche
Autorität verleihen könne.[56] Viele Jahre lang hatte die Einigkeit
zwischen den Päpsten und dem Orden ungeschwächt fortbestanden. Wäre
diese Einigkeit zu der Zeit, als Jakob II. den Thron bestieg, noch nicht
zerrissen gewesen, hätten die Jesuiten sowohl als der Papst ihren
Einfluß zu Gunsten einer gemäßigten und verfassungtreuen Politik
aufgeboten, so würde die große Revolution, welche in kurzer Zeit die
ganze Gestalt der europäischen Angelegenheiten veränderte,
wahrscheinlich nicht stattgefunden haben. Aber schon vor der Mitte des
siebzehnten Jahrhunderts war die auf ihre Dienste stolze und auf ihre
Macht bauende Gesellschaft des Joches überdrüssig geworden. Es stand
eine Generation von Jesuiten auf, die lieber von dem französischen als
von dem römischen Hofe Schutz und Leitung annehmen wollte, und diese
Stimmung gewann nicht wenig an Stärke, als Innocenz XI. den päpstlichen
Thron bestieg.

Die Jesuiten waren damals in einen erbitterten Kampf gegen einen Feind
verwickelt, den sie anfangs verachtet hatten, endlich aber mit Achtung
und Furcht zu betrachten genöthigt worden waren. Gerade als sie sich auf
dem Gipfel des Glücks befanden, wurden sie von einer Handvoll Gegner
herausgefordert, welche zwar keinen Einfluß auf die Beherrscher dieser
Welt ausübten, aber stark an religiösem Glauben und an geistiger Energie
waren. Es folgte ein langer, denkwürdiger und ruhmvoller Kampf des
Geistes gegen die Macht. Die Jesuiten riefen Kabinette, Tribunale und
Universitäten zu ihrem Beistande auf und sie gaben dem Rufe Gehör. Port
Royal appellirte nicht umsonst an die Herzen und an den Verstand von
Millionen. Die Dictatoren der Christenheit sahen sich plötzlich in der
Lage von Angeklagten. Sie wurden beschuldigt, den Maßstab der
evangelischen Sittlichkeit systematisch zu dem Zwecke herabgedrückt zu
haben, um ihren eigenen Einfluß zu erhöhen, und diese Beschuldigung
wurde in einer Weise hingestellt, welche mit einem Male die
Aufmerksamkeit der ganzen Welt fesselte, denn der Hauptankläger war
Blaise Pascal. Er besaß Geistesgaben, wie sie selten einem Menschenkinde
verliehen worden sind, und die Heftigkeit seines Feuereifers hatte sich
in grausamen Kasteiungen und Nachtwachen, unter denen sein erschöpfter
Leib in ein frühes Grab sank, nur zu wohl erprobt. Sein Geist war der
Geist des heiligen Bernhard, aber die Feinheit seines Witzes, die
Reinheit, Kraft und Einfachheit seiner Rhetorik haben nie ihres Gleichen
gehabt, außer unter den großen Meistern der attischen Beredtsamkeit.
Ganz Europa las und staunte, lachte und weinte. Die Jesuiten versuchten
zu antworten, aber ihre schwachen Entgegnungen wurden vom Publikum mit
Hohngeschrei aufgenommen. Es fehlte ihnen allerdings an keinem der
Talente und an keiner der Fertigkeiten, die dem Menschen durch
ausgezeichneten Unterricht eingelernt werden können; aber ein solcher
Unterricht kann wohl die Anlagen gewöhnlicher Köpfe entwickeln, das
angeborne Genie aber wird er eher ersticken, als entfalten. Es ward
allgemein anerkannt, daß in dem wissenschaftlichen Streite die
Jansenisten den vollständigsten Sieg davongetragen hatten. Den Jesuiten
blieb nichts weiter übrig, als die Secte zu unterdrücken, die sie nicht
widerlegen konnten. Ludwig XIV. war jetzt ihre Hauptstütze; sie hatten
seine Überzeugungen von Jugend auf nach ihren Willen geleitet und er
hatte von ihnen gelernt, den Jansenismus eben so sehr wie den
Protestantismus und noch weit mehr als den Atheismus zu verabscheuen.
Innocenz XI. dagegen neigte sich zu den jansenistischen Ansichten. Die
Folge von dem Allen war, daß sich die Gesellschaft Jesu in einer Lage
erblickte, an die ihre Gründer nie gedacht hatten. Die Jesuiten waren
dem Papste entfremdet und eng verbunden mit einem Fürsten, der sich zum
Beschützer der gallikanischen Freiheiten und zum Feinde der
ultramontanen Forderungen erklärte. So wurde der Orden in England ein
Werkzeug für Ludwig's Pläne und arbeitete mit einem Erfolge, den die
Katholiken nachher lange und bitter bereuten, darauf hin, die Kluft
zwischen dem Könige und dem Parlamente zu erweitern, die Thätigkeit des
Nuntius zu durchkreuzen, die Macht des Lordschatzmeisters zu untergraben
und die verzweifelten Pläne Tyrconnel's zu unterstützen.

So standen denn auf der einen Seite die Hyde mit der ganzen
Masse der toryistischen Anhänger der Staatskirche, Powis mit den
achtungswerthesten Edelleuten und Gentlemen von des Königs Glauben, die
Generalstaaten, das Haus Österreich und der Papst; auf der andren Seite
einige römisch-katholische Abenteurer mit zerrüttetem Vermögen und
beflecktem Rufe, unterstützt von Frankreich und den Jesuiten.

    [Anmerkung 56: +Fra Paolo, lib. VII.+; +Pallavicino, lib. XVIII.
    chap. 15.+]


[_Pater Petre._] Der Hauptrepräsentant der Jesuiten in Whitehall war ein
englischer Ordensbruder, der eine Zeit lang als Viceprovinzial gedient
hatte, von Jakob mit besonderer Gunst beehrt und erst kürzlich noch zum
Kabinetssekretär ernannt worden war. Dieser Mann, Namens Eduard Petre,
stammte aus einer achtbaren Familie. Er besaß einnehmende Manieren, eine
gewandte und zum Herzen dringende Redeweise, war aber schwach und eitel,
habsüchtig und ehrgeizig. Von allen bösen Rathgebern, denen der König
ein geneigtes Ohr lieh, hatte er vielleicht den größten Antheil am
Untergange des Hauses Stuart gehabt.


[_Stimmung und Ansichten des Königs._] Der starrsinnige und
herrschsüchtige Character des Königs kam Denjenigen, die ihm riethen
fest zu bleiben, in nichts nachzugeben und sich gefürchtet zu machen,
sehr zu Statten. In seinem beschränkten Kopfe hatte sich eine
Staatsmaxime eingenistet, die durch keine Vernunftgründe daraus zu
vertreiben war. Er war überhaupt nicht gewohnt, auf Vernunftgründe zu
hören. Seine Methode der Beweisführung, wenn man es so nennen darf, war
von der Art, wie man sie bei beschränkten und eigenwilligen Personen,
welche nur Untergebene um sich zu haben gewohnt sind, sehr häufig
findet. Er stellte eine Behauptung auf, und wenn verständigere Leute
sich herausnahmen, ihm zu beweisen, daß er im Irrthum war, so
wiederholte er seine Behauptung mit den nämlichen Worten und glaubte auf
diese Weise alle Einwendungen entkräftet zu haben.[57] »Ich mag keine
Zugeständnisse machen«, sagte er oft: »mein Vater machte auch
Zugeständnisse und er wurde enthauptet«.[58] Wenn es auch wahr gewesen
wäre, daß Karl I. sich durch seine Nachgiebigkeit ins Verderben
gestürzt, so würde doch jeder verständige Mann eingesehen haben, daß
eine einzige Erfahrung selbst in viel weniger verwickelten
Wissenschaften als die Staatswissenschaft ist, nicht genügt, um eine
allgemeine Regel festzustellen, daß seit Erschaffung der Welt nicht zwei
politische Experimente unter völlig gleichen Bedingungen gemacht worden
sind und daß man auf keinem andren Wege aus der Geschichte
Staatsklugheit schöpfen kann, als indem man eine große Anzahl Fälle
prüft und mit einander vergleicht. Wenn indessen der einzelne Fall, auf
den der König sich stützte, überhaupt etwas bewies, so bewies er nur,
daß der König Unrecht hatte. Es dürfte kaum einem Zweifel unterliegen,
daß, wenn Karl dem Kurzen Parlamente, welches im Frühjahr 1640
zusammentrat, aus freiem Antriebe nur die Hälfte der Zugeständnisse
gemacht hätte, die er wenige Monate später dem Langen Parlamente machte,
er als ein mächtiger König gelebt haben und gestorben sein würde. Auf
der andren Seite kann es nicht im geringsten bezweifelt werden, daß,
wenn er sich geweigert hätte, dem Langen Parlamente irgend ein
Zugeständniß zu machen, und er zur Vertheidigung des Schiffsgeldes und
der Sternkammer die Waffen ergriffen hätte, er Hyde und Falkland neben
Hollis und Hampden in den feindlichen Reihen gesehen haben würde. In
Wahrheit aber würde er gar nicht im Stande gewesen sein zu den Waffen zu
greifen, denn es würden sich keine zwanzig Kavaliere seiner Fahne
angeschlossen haben. Nur seinen ausgedehnten Zugeständnissen verdankte
er die Unterstützung der großen Masse von Kavalieren und Gentlemen, die
so lange und so tapfer für seine Sache fochten. Doch es wäre ganz
umsonst gewesen, Jakob diese Dinge vorzustellen.

Außerdem war sein Geist noch in einem andren unseligen Irrthum befangen,
den er sich nicht nehmen ließ, bis er ihn ins Unglück gestürzt hatte. Er
glaubte steif und fest er könne thun was er wolle, die Mitglieder der
Staatskirche würden nach ihren Grundsätzen handeln. Es war, wie er
wußte, von zehntausend Kanzeln herab gepredigt und von der Universität
Oxford feierlich erklärt worden, daß selbst eine so fürchterliche
Tyrannei wie die der verderbtesten Cäsaren den Widerstand der
Unterthanen gegen die königliche Autorität nicht rechtfertige, und er
war schwach genug, hieraus den Schluß zu ziehen, daß die ganze
Hauptmasse der toryistischen Gentlemen und Geistlichen sich geduldig von
ihm ausplündern, bedrücken und verhöhnen lassen würde, ohne nur die Hand
gegen ihn zu erheben. Man sollte es kaum für möglich halten, daß ein
Mann, der sein fünfzigstes Lebensjahr zurückgelegt hatte, noch nicht
dahinter gekommen war, daß die Menschen zuweilen etwas thun, obgleich
sie es als unrecht erkennen. Jakob brauchte nur in sein eignes Herz zu
blicken, um hinreichende Beweise dafür zu erhalten, daß selbst ein
starkes religiöses Pflichtgefühl den schwachen Menschen nicht immer
abhält, trotz aller göttlichen Gebote und auf die Gefahr der
furchtbarsten Strafen hin, seinen Leidenschaften zu fröhnen. Er mußte
wissen, daß er, obgleich er den Ehebruch für eine Sünde hielt, dennoch
ein Ehebrecher war; aber nichts vermochte ihn zu überzeugen, daß ein
Mensch, der den Aufruhr laut für sündlich erklärte, je einmal im
Nothfalle selbst ein Aufrührer werden konnte. Die Kirche Englands war
seiner Ansicht nach ein passives Opfer, das er ohne die mindeste Gefahr
nach Gutdünken mißhandeln und quälen konnte, und er sah seinen Irrthum
nicht eher ein, als bis die Universitäten Anstalt trafen, aus ihrem
Silbergeschirr Geld schlagen zu lassen, damit sie die Kriegskasse seiner
Feinde unterstützen konnten, und bis ein lange Zeit durch seine
Loyalität ausgezeichneter Bischof den Priesterrock abwarf, das Schwert
um die Lenden gürtete und das Commando eines Insurgentenregiments
übernahm.

    [Anmerkung 57: Ganz dieselbe Methode befolgte auch seine Tochter
    Anna, und Marlborough sagt, sie habe das von ihrem Vater gelernt.
    -- +Vindication of the Duchess of Marlborough.+]

    [Anmerkung 58: Wie zur Zeit des Prozesses der Bischöfe sagte Jacob
    beständig zu Adda, alles Unglück Karl's I. sei +»per la troppa
    indulgenza«+ über ihn gekommen. Depesche vom 29. Juni (9. Juli)
    1688.]


[_Sunderland bestärkt den König in seinen Irrthümern._] In diesen
unseligen Täuschungen wurde der König arglistigerweise durch einen
Minister bestärkt, der Exclusionist gewesen war und sich noch immer
einen Protestanten nannte, den Earl von Sunderland. Die Beweggründe und
die Handlungsweise dieses grundsatzlosen Staatsmannes sind oft irrig
dargestellt worden. Er wurde bei seinen Lebzeiten von den Jakobiten
beschuldigt, daß er schon vor dem Regierungsantritte Jakob's eine
Revolution zu Gunsten des Prinzen von Oranien hervorzurufen beabsichtigt
und daß er zu dem Ende eine Reihe von Gewaltmaßregeln gegen die
staatliche und kirchliche Verfassung des Reichs anempfohlen habe. Diese
grundlose Fabel ist bis auf unsere Tage von unwissenden Schriftstellern
nacherzählt worden. Aber kein gut unterrichteter Geschichtsforscher,
welches auch seine vorgefaßte Meinung sein mochte, hat sich entschließen
können, daran zu glauben, denn es liegt durchaus kein Beweis dafür vor,
und einsichtsvolle Männer würden sich kaum durch irgend einen Beweis
überzeugen lassen, daß Sunderland absichtlich Schuld und Schande auf
sich lud, um eine Veränderung herbeizuführen, durch die er offenbar
unmöglich etwas gewinnen konnte und durch die er in der That nachher
unermeßlichen Reichthum und Einfluß verlor. Auch ist nicht der mindeste
Grund zu einer so sonderbaren Annahme vorhanden, denn das Wahre liegt
klar auf der Hand. So krumm auch die Wege dieses Mannes waren, das
Gesetz, welches sie ihm vorzeichnete, war sehr einfach. Sein Verfahren
muß dem abwechselnden Einflusse der Habgier und der Furcht auf einen für
diese beiden Leidenschaften sehr empfänglichen und mehr scharfsichtigen
als weitsehenden Geist zugeschrieben werden. Er wollte mehr Macht und
mehr Geld haben. Mehr Macht konnte er nur auf Unkosten Rochester's
erlangen, und das klar vorliegende Mittel zur Erreichung dieses Zweckes
war, daß er das Mißfallen des Königs an Rochester's gemäßigten
Rathschlägen nährte. Geld war am leichtesten und am reichlichsten vom
Hofe von Versailles zu erlangen, und Sunderland eilte, sich diesem Hofe
zu verkaufen, er hatte keine heiteren und anständigen Laster, gegen Wein
und Frauenschönheit war er sehr gleichgültig; aber er besaß eine
zügellose, unersättliche Begierde nach Reichthum. Eine maßlose Spielwuth
beherrschte ihn und war durch ungeheure Verluste nicht vermindert
worden. Er war der Erbe eines großen Vermögens, hatte lange Zeit
einträgliche Ämter bekleidet und kein Mittel gescheut, wodurch er sie
noch einträglicher machen konnte; aber sein Unglück am Spieltisch war so
groß, daß seine Güter von Tag zu Tag mit immer neuen Schulden belastet
wurden. In der Hoffnung, sich aus seinen Verlegenheiten zu reißen,
verrieth er Barillon alle gegen Frankreich gerichteten Pläne, die im
englischen Kabinet geschmiedet worden waren, und gab zu verstehen, daß
in solchen Zeiten ein Staatssekretär Dienste leisten könne, welche gut
zu bezahlen von Ludwig sehr weise gehandelt sein würde. Der Gesandte
sagte seinem Gebieter, daß sechstausend Guineen die kleinste
Gratification sei, die man einem so einflußreichen Minister anbieten
könne. Ludwig willigte ein bis zu fünfundzwanzigtausend Kronen zu gehen,
was ungefähr so viel als fünftausendsechshundert Pfund Sterling war. Man
kam überein, daß Sunderland jährlich diese Summe erhalten und dagegen
seinen ganzen Einfluß aufbieten sollte, um die Wiedereinberufung des
Parlaments zu hintertreiben.[59]

Er trat deshalb der jesuitischen Cabale bei und wußte den Einfluß
derselben so geschickt zu benutzen, daß er zum Nachfolger Halifax' in
der hohen Stellung eines Lordpräsidenten ernannt wurde, ohne deshalb den
viel einflußreicheren und einträglicheren Posten als Staatssekretär
aufgeben zu müssen.[60] Er sah jedoch wohl ein, daß er nie hoffen konnte
einen überwiegenden Einfluß bei Hofe zu erlangen, so lange er noch für
ein Mitglied der Staatskirche galt. Ihm war jede Religion gleich, und er
pflegte in Privatzirkeln oft von den heiligsten Dingen mit einer
empörenden Geringschätzung zu sprechen. Er beschloß daher, dem Könige
das Vergnügen und den Ruhm zu verschaffen, eine Bekehrung zu Stande
gebracht zu haben. Die Sache mußte indessen mit Vorsicht und Geschick
angegriffen werden. Niemand ist völlig gleichgültig gegen die Meinung
seiner Nebenmenschen, und wenn sich auch Sunderland aus der Schande
wenig machte, so fürchtete er doch das Schimpfliche eines öffentlichen
Abfalles. Er spielte seine Rolle mit seltener Gewandtheit. Der Welt
zeigte er sich als Protestanten; im königlichen Kabinet nahm er die
Miene eines ernsten Wahrheitsforschers an, der schon fast dahin gebracht
war, sich für römisch-katholisch zu erklären, und in Erwartung weiterer
Erleuchtung vorläufig schon geneigt war, den Bekennern des alten
Glaubens jeden in seiner Macht stehenden Dienst zu leisten. Jakob, der
nie sehr scharfsichtig, in religiösen Dingen aber völlig blind war, ließ
sich trotz Allem, was er von menschlicher Schurkerei, der Schurkerei der
Höflinge im Allgemeinen und der Schurkerei Sunderland's im Besonderen
erfahren hatte, zu dem Glauben verlocken, daß die göttliche Gnade das
falscheste und verstockteste aller menschlichen Herzen gerührt habe.
Viele Monate lang wurde der schlaue Minister am Hofe für einen
hoffnungsvollen Katechumenen gehalten, ohne daß er deshalb in den Augen
des Publikums als Renegat erschien.[61]

Er machte den König in Zeiten darauf aufmerksam, daß es zweckmäßig sein
dürfte, einen geheimen Ausschuß von Katholiken zu bilden, der in allen
die Interessen ihres Glaubens berührenden Angelegenheiten Rath zu
ertheilen habe. Dieser Ausschuß versammelte sich bald in Chiffinch's
Privatwohnung, bald in den amtlichen Gemächern Sunderland's, der,
obgleich dem Namen nach noch Protestant, an allen ihren Berathungen
Theil nahm und bald ein entschiedenes Übergewicht über die anderen
Mitglieder erlangte. Jeden Freitag speiste die jesuitische Cabale bei
dem Staatssekretär. Bei Tafel herrschte eine sehr freie Unterhaltung und
die Schwächen des Fürsten, den die Verbündeten zu leiten hofften, wurden
dabei nicht geschont. Dem Petre versprach Sunderland den Cardinalshut,
Castelmaine eine glänzende Gesandtschaft in Rom, Dover ein einträgliches
Commando in der Garde und Tyrconnel eine hohe Stellung in Irland. So
durch die stärksten Bande des Interesses mit einander verbunden, gingen
diese Männer ans Werk, die Macht des Schatzmeisters zu stürzen.[62]

    [Anmerkung 59: Barillon, 16.(26.) Nov. 1685; Ludwig an Barillon,
    26. Nov. (6. Dec.) In einem höchst interessanten Schriftstück, das
    1687 so gut als gewiß von Bonrepaux verfaßt wurde und sich jetzt
    in den französischen Archiven befindet, wird Sunderland
    folgendermaßen geschildert: +»La passion qu'il a pour le jeu, et
    les pertes considérables qu'il y fait, incommodent fort ses
    affaires. Il n'aime pas le vin; et il haït les femmes.«+]

    [Anmerkung 60: Aus dem Geheimrathsbuche geht hervor, daß er seinen
    Präsidentenposten am 4. Dec. 1685 antrat.]

    [Anmerkung 61: Bonrepaux ließ sich nicht so leicht täuschen als
    Jakob: +»En son particulier il (Sunderland) n'en professe aucune
    (religion), et on parle fort librement. Ces sortes de discours
    seroient en exécration en France. Ici ils sont ordinaires parmi un
    certain nombre de gens du pais.«+ Bonrepaux an Seignelay, 25. Mai
    (4. Juni) 1687.]

    [Anmerkung 62: +Clarke's Life of James the Second, II. 74, 77.
    Orig. Mem.+; +Sheridan MS.+; +Barillon, March 19.(29.) 1686.+]


[_Treulosigkeit Jeffreys'._] Es waren im Kabinet zwei protestantische
Mitglieder, welche an dem Kampfe keinen thätigen Antheil nahmen.
Jeffreys wurde um diese Zeit von einer schmerzhaften inneren Krankheit
gequält, die sich durch Unmäßigkeit verschlimmert hatte. Bei einem
Gastmahle, das ein reicher Alderman einigen Regierungshäuptern gab,
waren der Lordschatzmeister und der Lordkanzler dermaßen betrunken, daß
sie sich fast splitternackt auskleideten und nur mit Mühe abgehalten
werden konnten, auf einen Schildpfahl zu klettern, auf dem sie die
Gesundheit Sr. Majestät ausbringen wollten. Der fromme Schatzmeister kam
mit dem bloßen Skandale davon, der Kanzler aber bekam einen heftigen
Anfall seines Übels. Eine Zeit lang glaubte man sein Leben sei in
ernster Gefahr. Jakob zeigte sich sehr beunruhigt durch den Gedanken an
den Verlust eines Ministers, der sich so gut in ihn zu schicken wußte,
und sagte, in gewissem Sinne mit Recht, daß ein solcher Mann nicht
leicht zu ersetzen sei. Als Jeffreys wieder genesen war, versprach er
beiden streitenden Parteien seine Unterstützung und wartete es ab,
welche von ihnen sich als siegreich erweisen würde. Einige merkwürdige
Beweise von seiner Doppelzüngigkeit sind noch vorhanden. Wir haben schon
erwähnt, daß die ehemals in London sich aufhaltenden zwei französischen
Agenten sich in den englischen Hof getheilt hatten. Bonrepaux verkehrte
beständig mit Rochester, Barillon mit Sunderland. In einer und derselben
Woche erfuhr Ludwig durch Bonrepaux, der Kanzler sei ganz befreundet mit
dem Schatzmeister, und durch Barillon, der Kanzler habe sich mit dem
Sekretär[63] verbündet.

    [Anmerkung 63: +Reresby's Memoirs+; +Luttrell's Diary, Feb. 2.
    1685/86+; Barillon, 4.(14.) Feb., 28. Jan. (7. Feb.); Bonrepaux,
    25. Jan. (4. Feb.)]


[_Godolphin und die Königin._] Der vorsichtige und schweigsame Godolphin
that sein Möglichstes, um neutral zu bleiben. Seine Ansichten und
Wünsche waren allerdings für Rochester; aber sein Amt nöthigte ihn,
beständig in der Nähe der Königin zuzubringen, und daher wollte er
natürlich nicht gern auf gespanntem Fuße mit ihr stehen. Man hat in der
That Grund zu glauben, daß er mit einer romantischeren Zuneigung an ihr
hing, als sie gewöhnlich in dem Herzen ergrauter Staatsmänner Platz
findet, und Umstände, deren Erwähnung jetzt nöthig wird, hatten sie
gänzlich der jesuitischen Cabale in die Arme geworfen.[64]

    [Anmerkung 64: Dartmouth's Note zu Burnet I. 621. In einer
    zeitgenössischen Satyre heißt es von Godolphin:

        »Mit staatsklugem Kopf er sich in Alles schickte,
        Wenn man ihm Muff und Handschuh nicht entrückte.«]


[_Liebeshändel des Königs._] Der König stand trotz seines unfreundlichen
Charakters und seiner ernsten Haltung doch nicht viel weniger unter der
Herrschaft weiblicher Reize, als ehedem sein lebhafterer und
liebenswürdigerer Bruder. Allerdings fragte Jakob nicht viel nach der
Schönheit, durch die sich die begünstigten Damen Karl's auszeichneten.
Barbara Palmer, Eleonore Gwynn und Louise von Quérouaille gehörten zu
den schönsten Frauen ihrer Zeit. Jakob hatte schon in früher Jugend um
der unschönen Gesichtszüge der Anna Hyde willen seiner Freiheit entsagt,
war unter seinen Rang herabgestiegen und hatte sich dadurch das
Mißfallen seiner Familie zugezogen. Zum großen Ergötzen des Hofes hatte
er sich bald von seiner simplen Gemahlin durch eine noch simplere
Geliebte, Arabella Churchill, abziehen lassen. Seine zweite Gemahlin
hatte häufig Ursache, sich über seine Unbeständigkeit zu beklagen,
obgleich sie zwanzig Jahr jünger als er und von Gesicht wie von Gestalt
nicht häßlich war. Aber die stärkste von allen seinen unerlaubten
Neigungen war die, welche ihn an Katharine Sedley fesselte.


[_Katharine Sedley._] Diese Dame war die Tochter des Sir Karl Sedley,
eines der glänzendsten aber sittenlosesten Schöngeister der
Restauration. Die Schamlosigkeit seiner Schriften wird nicht durch
besondere Eleganz und Lebendigkeit der Sprache aufgewogen; aber der
Zauber seiner Conversation wurde selbst von ernsten Männern, die seinen
Character nicht achteten, anerkannt. Es wurde als eine besondere Gunst
betrachtet, im Theater neben ihm zu sitzen und sein Urtheil über ein
neues Stück zu hören.[65] Dryden hatte ihm die Ehre erzeigt, ihn zu
einer Hauptperson in dem Gespräch über dramatische Dichtkunst zu machen,
Sedley's Lebenswandel war von der Art, daß er selbst zu jener Zeit
Ärgerniß erregte. Einmal zeigte er sich nach einem schwelgerischen
Gelage ohne eine Spur von Kleidungsstück auf dem Balcon eines Gasthauses
unweit Coventgarden und haranguirte das vorübergehende Volk in einer so
unanständigen und gottlosen Sprache, daß er deshalb gerichtlich
verfolgt, zu einer schweren Geldbuße verurtheilt wurde und vom
Gerichtshofe der Kings Bench einen sehr nachdrücklichen Verweis
erhielt.[66] Seine Tochter hatte seine Talente und seine Schamlosigkeit
geerbt. Körperliche Reize besaß sie nicht, außer einem Paar blitzender
Augen, deren Glanz jedoch Männern von wirklich feinem Geschmack frech
und unweiblich vorkam. Von Gestalt und Gesicht war sie hager. Karl fand
zwar Gefallen an ihrer Unterhaltung, lachte aber über ihre Häßlichkeit
und sagte die Priester müßten sie seinem Bruder als Bußmittel empfohlen
haben. Sie wußte sehr wohl, daß sie nicht hübsch war und scherzte selbst
über ihre Häßlichkeit. Sonderbarerweise aber schmückte sie sich trotzdem
sehr gern und machte sich oft lächerlich, wenn sie mit Schönpflästerchen
beklebt, geschminkt, in brüsseler Spitzen gekleidet, von Diamanten
strahlend und alle Reize eines achtzehnjährigen Mädchens affectirend, im
Theater erschien.[67]

Welcher Art ihr Einfluß auf Jakob war, ist nicht leicht zu erklären. Er
war nicht mehr jung und ein religiöser Mann, oder wenigstens bereit, für
seine Religion Anstrengungen und Opfer aufzuwenden, vor denen die
meisten von Denjenigen, die man religiös nennt, zurückschrecken würden.
Es muß auffallend erscheinen, daß irgend welche Reize im Stande waren,
ihn zu einem Lebenswandel zu verleiten, den er als höchst strafbar
betrachtet haben muß; und in diesem Falle konnte man nicht einmal
begreifen, wo der Reiz lag. Katharine selbst war erstaunt über die
Heftigkeit seiner Leidenschaft. »Meine Schönheit kann es nicht sein«,
sagte sie, »denn er muß doch sehen, daß ich eben nicht schön bin; und
mein Geist kann es auch nicht sein, denn er hat nicht genug, um zu
bemerken, daß ich welchen habe.«

Zur Zeit seines Regierungsantritts machte das Gefühl der auf ihn
lastenden neuen Verantwortlichkeit den König besonders empfänglich für
religiöse Eindrücke. Er faßte und äußerte viele gute Vorsätze, sprach
öffentlich mit großer Strenge von den gottlosen und ausschweifenden
Sitten der Zeit und versprach privatim der Königin und seinem
Beichtvater, daß er Katharine Sedley nicht mehr sehen wolle. Er ersuchte
seine Maitresse schriftlich, die Gemächer, die sie in Whitehall
bewohnte, zu verlassen und ein Haus am St. James Square zu beziehen, das
auf seine Kosten prachtvoll für sie eingerichtet worden war. Zu gleicher
Zeit versprach er ihr einen hohen Jahrgehalt aus seiner Chatulle. Die
kluge, energische, unerschrockene und sich ihrer Macht bewußte Katharine
aber weigerte sich das Feld zu räumen. Schon nach wenigen Monaten raunte
man sich zu, daß Chiffinch's Dienste wieder in Anspruch genommen würden
und daß die Maitresse häufig durch die verborgene Thür aus- und eingehe,
durch welche Pater Huddleston die Hostie an Karl's Bett gebracht hatte.
Die protestantischen Minister des Königs hofften wahrscheinlich, die
Verblendung ihres Gebieters für dieses Weib könne ihn von der weit
gefährlicheren Verblendung heilen, die ihn antrieb, ihre Religion
anzugreifen. Sie besaß alle die Talente, die sie befähigen konnten, mit
seinen Gefühlen und seinen Gewissensscrupeln Scherz zu treiben und ihm
die Schwierigkeiten und Gefahren, in die er sich kopfüber stürzte, mit
den grellsten Farben auszumalen.

    [Anmerkung 65: Pepys, 4. Oct. 1664.]

    [Anmerkung 66: Pepys, 1. Juli 1663.]

    [Anmerkung 67: Siehe Dorset's satyrische Verse auf sie.]


[_Intriguen Rochester's zu Gunsten der Katharine Sedley._] Rochester,
der Vorkämpfer der Kirche, bemühte sich, ihren Einfluß zu vergrößern.
Ormond, der gewöhnlich als die personificirte Sittenreinheit und
Hochsinnigkeit des englischen Kavaliers betrachtet wird, unterstützte
ebenfalls diesen Plan. Selbst Lady Rochester schämte sich nicht, das
Ihrige dazu beizutragen und zwar in der abscheulichsten Weise. Ihre
Aufgabe bestand darin, die Eifersucht der beleidigten Gemahlin auf eine
ganz unschuldige junge Dame zu lenken. Dem ganzen Hofe fiel die Kälte
und Härte auf, mit der die Königin dem armen Mädchen begegnete, auf
welche der Verdacht geworfen war, aber die Ursache der üblen Laune Ihrer
Majestät war ein Geheimniß. Eine Zeit lang wurde die Intrigue glücklich
und unentdeckt fortgesponnen. Katharine sagte dem Könige oft keck ins
Gesicht, was die protestantischen Lords des Geheimen Raths nur in den
zartesten Ausdrücken leise anzudeuten wagten. Seine Krone, sagte sie,
sei in Gefahr, der alte kindische Arundell und der großsprecherische
Tyrconnel würden ihn ins Verderben führen. Es ist leicht möglich, daß
sie durch ihre Liebkosungen noch das erreicht haben würde, was dem
vereinten Zureden der Lords und Gemeinen, des Hauses Österreich und des
heiligen Stuhles nicht gelingen wollte, hätte nicht ein sonderbarer
Unfall die ganze Gestalt der Dinge verändert. Jakob beschloß in einem
Anfalle von Zärtlichkeit, seine Geliebte zur Gräfin von Dorchester zu
erheben. Katharine erkannte die ganze Gefährlichkeit eines solchen
Schrittes und lehnte die gehässige Ehre ab. Ihr Geliebter aber beharrte
darauf und drückte ihr selbst das Diplom in die Hand. Endlich nahm sie
es unter einer Bedingung an, welche ihr Vertrauen auf ihre Macht und
seine Schwäche beweist. Er mußte ihr das feierliche Versprechen geben,
nicht daß er sie nie verlassen, sondern nur daß er ihr in diesem Falle
seinen Entschluß selbst ankündigen und ihr eine Abschiedszusammenkunft
gewähren wolle.

Sobald die Nachricht von ihrer Erhebung bekannt wurde, kam der ganze
Palast in Aufruhr. Das heiße italienische Blut kochte in den Adern der
Königin. Stolz auf ihre Jugend und ihre Reize, auf ihren hohen Rang und
ihre makellose Tugend konnte sie sich nicht ohne tiefen Schmerz und Zorn
um einer solchen Nebenbuhlerin willen verlassen und beleidigt sehen.
Rochester, der sich vielleicht erinnerte, wie geduldig sich Katharine
von Braganza nach kurzem Widerstreben darein gefügt hatte, die Maitresse
Karl's höflich zu behandeln, hatte erwartet, daß auch Marie von Modena
nach ein wenig Murren und Schmollen so fügsam sein werde. Aber dem war
nicht so. Sie versuchte es gar nicht, die Heftigkeit ihrer empörten
Gefühle vor den Augen der Welt zu verbergen. Tag für Tag bemerkten die
Höflinge, welche herbeikamen, um sie speisen zu sehen, daß die Schüsseln
unberührt von ihrer Tafel wieder abgetragen wurden. Im Beisein
sämmtlicher Minister und Gesandten ließ sie ihren Thränen freien Lauf,
und zum Könige sprach sie mit wilder Heftigkeit. »Lassen Sie mich!« rief
sie aus, »Sie haben Ihre Dirne zur Gräfin gemacht, machen Sie sie auch
zur Königin, setzen Sie ihr meine Krone aufs Haupt. Nur gestatten Sie
mir, mich in einem Kloster zu verbergen, damit ich sie nicht mehr sehe.«
Dann fragte sie ihn ein wenig ruhiger, wie er sein Benehmen mit seinen
religiösen Ansichten vereinigen könne. »Sie sind bereit«, sagte sie, »um
Ihres Seelenheils willen Ihr Königreich aufs Spiel zu setzen, und doch
werfen Sie Ihre Seele um eines solchen Geschöpfes willen weg.« Pater
Petre stimmte auf den Knieen liegend in diese Vorstellungen ein. Dies
war seine Pflicht, und er erfüllte sie nur um so eifriger, da sie mit
seinem Interesse zusammenfiel. Der König fuhr noch eine Zeit lang fort
zu sündigen und zu bereuen. In seinen Stunden der Zerknirschung legte er
sich strenge Bußübungen auf. Marie bewahrte die Geißel, mit der er das
ihr zugefügte Leid an seinen eigenen Schultern schonungslos gerächt
hatte, sorgfältig auf bis an ihr Ende und vermachte sie dem Kloster von
Chaillot. Nur Katharinen's Entfernung konnte diesem Kampfe zwischen
schmachvoller Liebe und schmachvollem Aberglauben ein Ziel setzen. Jakob
bat sie und befahl ihr schriftlich, abzureisen. Er leugnete es nicht,
daß er ihr versprochen habe, persönlich Abschied von ihr zu nehmen.
»Aber«, setzte er hinzu, »ich weiß nur zu gut, welche Gewalt sie über
mich ausüben. Ich werde nicht Seelenstärke genug haben, um meinen
Vorsatz auszuführen, wenn ich Sie sehe.« Er bot ihr eine Yacht an, damit
sie mit allen Ehren und Bequemlichkeiten nach Flandern gehen könne, und
drohte ihr, daß er sie mit Gewalt entfernen lassen werde, wenn sie nicht
gutwillig gehe. Einmal suchte sie ihn dadurch zu erweichen, daß sie sich
krank stellte. Dann nahm sie die Miene einer Märtyrin an und nannte sich
unverschämterweise eine Dulderin für die protestantische Religion. Dann
sprach sie wieder in dem Style Johann Hampden's. Sie forderte den König
heraus, sie fortbringen zu lassen, sie werde den Rechtsweg gegen ihn
einschlagen, so lange die Magna Charta und die Habeas-Corpus-Acte im
Lande Gesetzeskraft hätten, werde sie leben, wo es ihr gefalle. »Und
vollends nach Flandern!« rief sie, »dahin gehe ich nimmermehr! Eines
habe ich von meiner Freundin, der Herzogin von Mazarin gelernt, und das
ist, mich nie einem Lande anzuvertrauen, wo es Klöster giebt.« Endlich
wählte sie Irland als Verbannungsort, wahrscheinlich, weil der Bruder
ihres Gönners Rochester dort Vicekönig war. Nach langem Zögern reiste
sie endlich ab und räumte so der Königin das Feld.[68]

Die Geschichte dieser merkwürdigen Intrigue würde unvollständig sein,
wenn wir nicht hinzusetzten, daß noch eine religiöse Betrachtung
existirt, die der Lordschatzmeister mit eigner Hand an dem Tage
niederschrieb, an welchem sein Versuch, den König durch eine Concubine
am Gängelbande zu führen, von Bonrepaux nach Versailles berichtet wurde.
Kein Werk Ken's oder Leighton's athmet den Geist einer glühenderen und
exaltirteren Frömmigkeit als diese Herzensergießung. Heuchelei kann man
hier nicht vermuthen, denn der Aufsatz war offenbar nur für den
Verfasser selbst bestimmt und wurde erst veröffentlicht, als dieser
schon über hundert Jahre im Grabe lag. So viel wunderbarer als Dichtung
ist oft die Geschichte, so wahr ist es, daß die Natur Launen hat, welche
die Kunst nicht nachzuahmen wagt. Ein dramatischer Dichter würde es
schwerlich wagen, einen am Abend seines Lebens stehenden ernsten Fürsten
auf die Bühne zu bringen, der bereit wäre, seine Krone den Interessen
seines Glaubens zu opfern, der unermüdlich dahin wirkte, Proselyten zu
machen, und der bei alledem eine Gemahlin, mit Jugend und Schönheit
begabt, um einer verworfenen Maitresse willen, die keines von beiden
besitzt, verließe und beleidigte. Womöglich noch weniger würde ein
dramatischer Dichter es wagen, einen Staatsmann auf der Bühne
darzustellen, der sich zu dem gemeinen und entehrenden Amte eines
Kupplers hergäbe, sich in diesem schmachvollen Geschäft durch seine
Gattin unterstützen ließe und sich dabei doch in seinen Mußestunden in
ein stilles Kämmerlein zurückzöge, um hier im Verborgenen sein Herz in
reuigen Thränen und frommen Stoßseufzern gegen Gott auszuschütten.[69]

    [Anmerkung 68: Die Hauptquellen für die Geschichte dieser Intrigue
    sind die Depeschen von Barillon und Bonrepaux vom Anfang des
    Jahres 1686. Siehe Barillon, 25. Jan. (4. Febr.), 28. Jan. (7.
    Febr.), 1.(11.) Febr., 8.(18.) Febr. u. 19.(29.) Febr., und
    Bonrepaux unter den vier erstgenannten Daten. Ferner +Evelyn's
    Diary, Jan. 19+; +Reresby's Memoirs+; +Burnet, I. 682+; +Sheridan
    MS.+; +Chaillot MS.+ und Adda's Depeschen vom 22. Jan. (1. Febr.)
    u. 29. Jan. (8. Febr.) 1686. Adda schreibt wie ein frommer, aber
    schwacher und unwissender Mann. Er kannte jedenfalls Jakob's
    vergangenes Leben nicht.]

    [Anmerkung 69: Die Betrachtung ist datirt vom 25. Jan. (4. Febr.)
    1685/86. Bonrepaux sagt in seiner Depesche von dem nämlichen Tage:
    +»L'intrigue avoit été conduite par Milord Rochester et sa femme
    ... Leur projet étoit de faire gouverner le Roy d'Angleterre par
    la nouvelle comtesse. Ils s'étoint assurés d'elle.«+ Während
    Bonrepaux dies schrieb, schrieb Rochester Folgendes: »O Gott,
    lehre mich meine Tage so zählen, daß ich mein Herz zur Weisheit
    lenke. Lehre mich die Tage zählen, die ich in Eitelkeit und
    Müßiggang vergeudet, und lehre mich die zählen, die ich in Sünde
    und Schmach verbracht habe. O Gott, lehre mich auch die Tage
    meiner Trübsal zählen und Dir für Alles danken, was mir von Deiner
    Hand zugekommen ist. Lehre mich aber auch die Tage der irdischen
    Größe zählen, von der mir ein so großes Theil geworden ist, und
    lehre mich sie als Tage der Eitelkeit und der Seelenpein
    betrachten.«]


[_Sinken von Rochester's Einfluß._] Der Schatzmeister überzeugte sich
bald, daß er durch Anwendung schimpflicher Mittel zur Erreichung eines
lobenswerthen Zweckes nicht nur ein Verbrechen, sondern auch einen
Fehler begangen hatte. Die Königin war jetzt seine Feindin. Sie stellte
sich zwar als höre sie die Hyde, die ihr Benehmen so gut als möglich zu
entschuldigen suchten, freundlich an und behauptete sogar, daß sie zu
Gunsten derselben ihren Einfluß verwende; aber sie hätte mehr als ein
Weib oder weniger sein müssen, um wirklich die Verschwörung verzeihen zu
können, welche die Familie der ersten Gemahlin ihres Gatten gegen ihre
Ehre und ihr häusliches Glück angestiftet hatte. Die Jesuiten stellten
dem Könige auf das Eindringlichste vor, welcher Gefahr er mit genauer
Noth entgangen war. Sie sagten, sein Ruf, sein Frieden, sein Seelenheil
sei durch die Ränke seines Premierministers gefährdet worden. Der
Nuntius, welcher gern dem Einflusse der heftigen Partei
entgegengearbeitet und sich den gemäßigten Mitgliedern des Kabinets
angeschlossen hätte, konnte sich ehrenhafter und schicklicher Weise bei
dieser Gelegenheit nicht von Pater Petre trennen. Jakob selbst konnte,
als das Meer zwischen ihm und den Reizen lag, die ihn so unwiderstehlich
bezaubert hatten, nur mit Unwillen und Verachtung auf Diejenigen
blicken, die ihn vermittelst seiner Laster hatten leiten wollen. Das
Geschehene mußte nothwendig die Wirkung haben, seine eigne Kirche in
seiner Achtung zu erhöhen, die englische Kirche dagegen zu erniedrigen.
Die Jesuiten, die man als die unsichersten aller geistlichen Führer
darzustellen gewohnt war, als Sophisten, welche das ganze System der
evangelischen Moral hinweg philosophirten, als Speichellecker, die ihren
Einfluß hauptsächlich der Nachsicht verdankten, mit der sie die Sünden
der Großen behandelten, hatten ihn durch so scharfen und kühnen Tadel,
wie ihn David von Nathan, und Herodes von dem Täufer hören mußte, von
einem schuldvollen Leben zurückgebracht. Dagegen hatten eifrige
Protestanten, deren Lieblingsthema die Lockerheit der papistischen
Casuisten und die Verwerflichkeit des Grundsatzes war, Böses zu thun,
damit Gutes daraus hervorgehe, es versucht, auf einem Wege, den alle
Christen für höchst strafbar hielten, Vortheile für ihre Kirche zu
erlangen. Der Sieg der Cabale und der bösen Rathgeber war daher
vollkommen. Der König wurde kalt gegen Rochester; die Höflinge und die
fremden Gesandten bemerkten bald, daß der Lordschatzmeister nur noch dem
Namen nach Premierminister war. Er bot nach wie vor noch täglich seinen
Rath an, und erfuhr die Kränkung, ihn täglich zurückgewiesen zu sehen.
Dennoch konnte er sich nicht entschließen, den äußeren Schein von Macht
und die Einkünfte, welche er unmittelbar und mittelbar aus seinem hohen
Amte zog, aufzugeben. Er bemühte sich daher nach Kräften, seinen Verdruß
vor den Blicken des Publikums zu verbergen. Aber seine heftigen
Leidenschaften und seine Unmäßigkeit machten ihn für die Rolle eines
Heuchlers untauglich. Sein finstres Gesicht, wenn er aus dem
Geheimrathszimmer kam, verrieth deutlich seine Unzufriedenheit mit dem,
was in der Sitzung vorgegangen war, und wenn die Flasche einigemale die
Runde gemacht hatte, entschlüpften ihm Worte, aus denen man seinen Ärger
leicht errathen konnte.[70]

Er hatte auch in der That Ursache, sich unbehaglich zu fühlen.
Unbesonnene und unpopuläre Maßregeln folgten rasch auf einander, jeder
Gedanke, zur Politik der Tripleallianz zurückzukehren, war aufgegeben.
Der König erklärte den Gesandten der Continentalmächte, mit denen er
sich noch kürzlich zu verbinden beabsichtigt hatte, ausdrücklich, daß
alle seine Ansichten sich geändert hätten und daß England auch
fernerhin, wie unter seinem Großvater, seinem Vater und seinem Bruder,
von keiner Bedeutung für das übrige Europa sein solle. »Ich bin nicht in
der Lage,« sagte er zu dem spanischen Gesandten, »mich um das, was
auswärts vorgeht, zu kümmern. Ich habe beschlossen, die fremden
Angelegenheiten ihren eigenen Gang gehen zu lassen, meine Macht im
Inlande zu befestigen und etwas für meine Religion zu thun.« Einige Tage
darauf kündigte er die nämlichen Entschließungen auch den Generalstaaten
an.[71] Von diesem Augenblicke an bis ans Ende seiner schmachvollen
Regierung machte er keinen ernsten Versuch mehr, sich der Abhängigkeit
zu entreißen, obgleich er bis zuletzt jedesmal in Wuth gerieth, wenn man
ihn einen Vasallen nannte.

Die beiden Ereignisse, welche dem Publikum bewiesen, daß Sunderland und
seine Partei gesiegt hatten, waren die Prorogation des Parlaments vom
Februar bis zum Mai und die Abreise Castelmaine's nach Rom mit dem
Gehalte eines Gesandten ersten Ranges.[72]

Bisher waren alle Geschäfte der englischen Regierung am päpstlichen Hofe
von Johann Caryl versehen worden. Dieser Gentleman war unter seinen
Zeitgenossen als ein vermögender und fein gebildeter Mann, so wie als
Verfasser zweier beifällig aufgenommenen Schauspiele bekannt, einer
Tragödie in Versen, welche durch Betterton's Spiel und Vortrag beliebt
geworden war, und eines Lustspiels, das seinen ganzen Werth einigen von
Molière entlehnten Scenen verdankt. Diese Stücke sind längst vergessen;
aber was Caryl selbst nicht für sich thun konnte, das hat ein
gewaltigeres Genie für ihn gethan. Eine halbe Zeile im »Lockenraub« hat
seinen Namen unsterblich gemacht.

    [Anmerkung 70: +»Je vis Milord Rochester comme il sortoit du
    conseil fort chagrin; et, sur la fin du souper, il lui en
    échappe quelque chose.«+ Bonrepaux, 18.(28.) Febr. 1686. Siehe
    auch Barillon, 1.(11.) u. 4.(14.) März.]

    [Anmerkung 71: Barillon, 22. März (1. April) u. 12.(22.) April
    1686.]

    [Anmerkung 72: +London Gazette, Feb. 11. 1685/86+; +Luttrell's
    Diary, Feb. 8.+; Leeuwen, 9.(19.); +Clarke's Life of James the
    Second, II. 75. Orig. Mem.+]


[_Castelmaine wird nach Rom gesandt._] Caryl, der wie alle übrigen
achtbaren Katholiken, ein Feind aller Gewaltmaßregeln war, hatte seine
schwierige Aufgabe in Rom mit großer Einsicht und richtigem Takt gelöst.
Er besorgte die ihm übertragenen Geschäfte vortrefflich, bekleidete aber
keine öffentliche Stellung und vermied sorgfältig allen Aufwand. Sein
Posten bürdete daher der Regierung fast gar keine pekuniäre Last auf und
erregte fast gar kein Murren. Jetzt wurde seine Stelle höchst
unklugerweise durch eine kostspielige und glänzende Gesandtschaft
ersetzt, die dem englischen Volke ein Dorn im Auge und dem römischen
Hofe durchaus nicht willkommen war. Castelmaine hatte den Auftrag, für
seinen Verbündeten Petre einen Cardinalshut zu verlangen.


[_Die Hugenotten werden von Jakob übel behandelt._] Um die nämliche Zeit
begann der König in unzweideutiger Weise seine wirklichen Gesinnungen
gegen die verbannten Hugenotten zu zeigen. So lange er noch gehofft
hatte, sein Parlament in Fügsamkeit hineinzuschmeicheln und das
Oberhaupt einer europäischen Coalition gegen Frankreich zu werden, hatte
er sich gestellt, als ob er die Widerrufung des Edicts von Nantes
tadelte und er die Unglücklichen bemitleidete, welche durch Verfolgung
aus ihrem Vaterlande vertrieben worden waren. Er hatte bekannt machen
lassen, daß mit seiner Genehmigung in allen Kirchen des Reichs eine
Collecte für sie veranstaltet werden solle. Die betreffende Ankündigung
war in Ausdrücken abgefaßt, die den Stolz eines weniger empfindlichen
und eitlen Fürsten als Ludwig verletzt haben würden. Aber jetzt war
Alles anders. Die Grundsätze des Vertrags von Dover waren wieder die
Grundsätze der auswärtigen Politik Englands. Man entschuldigte sich
demüthig wegen der Unhöflichkeit, der sich die englische Regierung durch
Begünstigung der verbannten Franzosen gegen Frankreich schuldig gemacht.
Der Aufruf, welcher Ludwig mißfallen hatte, ward widerrufen[73], und den
hugenottischen Geistlichen eingeschärft, in ihren öffentlichen Vorträgen
mit Ehrerbietung von ihrem Unterdrücker zu sprechen, indem man sie
widrigenfalls zur Verantwortung ziehen werde. Jakob zeigte nicht nur
keine Theilnahme mehr für die Dulder, sondern erklärte sogar, daß er
ihnen die schlimmsten Pläne zutraue und gestand, daß er sich durch
Unterstützung derselben eines Fehlers schuldig gemacht habe. Einer der
ausgezeichnetsten unter den Flüchtlingen, Namens Johann Claude, hatte
auf dem Festlande ein kleines Buch drucken lassen, in welchem er die
Leiden seiner Glaubensbrüder mit ergreifender Beredtsamkeit schilderte.
Barillon verlangte, daß diesem Buche irgend ein Schandmahl aufgedrückt
werde. Jakob willigte ein und erklärte in voller Staatsrathssitzung, es
sei sein Wille, daß Claude's Libell vor der königlichen Börse durch
Henkershand verbrannt werden solle. Darüber erschrak sogar Jeffreys und
wagte es, dem Könige vorzustellen, daß ein solches Verfahren ohne
Beispiel sei, daß das Buch in einer fremden Sprache geschrieben und auf
einer fremden Presse gedruckt sei, daß es lediglich Vorgänge bespreche,
die sich in einem fremden Lande zugetragen, und daß noch nie eine
englische Regierung von derartigen Schriften Notiz genommen habe. Jakob
wollte jedoch von einer weitläufigen Erörterung der Frage nichts wissen.
»Mein Entschluß steht fest,« sagte er. »Es ist Mode geworden, die Könige
unehrerbietig zu behandeln, und sie müssen einander beistehen. Ein König
sollte stets für den andren Partei nehmen, und ich habe besondere
Gründe, dem Könige von Frankreich diesen Beweis von Achtung zu geben.«
Die Räthe schwiegen nun still. Der Befehl wurde unverzüglich erlassen
und Claude's Flugschrift nicht ohne lautes Murren Vieler, welche stets
für unerschütterlich loyal gegolten hatten, den Flammen übergeben[74].

Die verheißene Collecte wurde unter verschiedenen Vorwänden lange
hinausgeschoben. Der König hätte gar zu gern sein Wort gebrochen, aber
es war so feierlich gegeben, daß er sich doch schämte, es
zurückzunehmen[75]. Es wurde indessen nichts versäumt, was den Eifer der
Gemeinden abkühlen konnte. Man hatte erwartet, daß das Volk, wie es in
solchen Fällen üblich ist, von den Kanzeln herab zur Mildthätigkeit
aufgefordert werden würde; aber Jakob war entschlossen, keine
Demonstrationen gegen seinen Glauben und gegen seinen Verbündeten zu
dulden. Der Erzbischof von Canterbury erhielt daher Befehl, die
Geistlichen in Kenntniß zu setzen, daß sie den Erlaß einfach vorzulesen
und sich alles Predigens über die Leiden der französischen Protestanten
zu enthalten hätten[76]. Dessenungeachtet gingen so reiche Beiträge ein,
daß nach Abzug aller Kosten die Summe von vierzigtausend Pfund Sterling
in die Londoner Kammer bezahlt wurde. Es hat vielleicht keine der
großartigen Sammlungen unsrer Zeit in einem ähnlichen Verhältniß zu dem
Nationalvermögen gestanden[77].

Der König ärgerte sich heftig über das glänzende Ergebniß der Sammlung,
die in Folge seines eignen Aufrufs veranstaltet worden war. Er sagte, er
wisse wohl, was diese Freigebigkeit zu bedeuten habe, es sei nichts als
whiggistischer Trotz gegen ihn und seine Religion[78]. Er hatte bereits
beschlossen, daß das Geld Denen, welche die Geber unterstützen wollten,
nicht zu Gute kommen solle. Schon seit mehreren Wochen verhandelte er
über diesen Gegenstand mit der französischen Gesandtschaft und hatte
sich unter Genehmigung des Hofes von Versailles zu einem Verfahren
entschieden, welches mit den Grundsätzen der Toleranz, deren Freund er
später zu sein behauptete, nicht wohl in Einklang zu bringen ist. Die
Flüchtlinge waren eifrig der calvinistischen Kirchenzucht und
Gottesverehrung zugethan. Jakob befahl daher, daß Keiner ein Stück Brod
oder einen Korb Kohlen erhalten solle, der nicht zuvor das Abendmahl
nach anglikanischem Ritus empfangen habe[79]. Es ist sonderbar, wie ein
Fürst, welcher vorgab, daß er die Testacte als eine gewaltsame
Verletzung der Gewissensfreiheit betrachte, eine so inhumane Verordnung
ersinnen konnte; denn so wenig es zu rechtfertigen sein mag, das
Sakrament zum Prüfstein der Tauglichkeit für Civil- und Militairämter zu
machen, ist es doch jedenfalls noch viel weniger zu rechtfertigen, eine
solche Bedingung vorzuschreiben, um danach zu bestimmen, wer in der
äußersten Bedrängniß der Mildthätigkeit würdig ist. Auch konnte Jakob
nicht den Grund für sich anführen, der zur theilweisen Entschuldigung
fast aller anderen Verfolger geltend gemacht werden kann, denn der
Glaube, dessen Bekenntniß er den Flüchtlingen bei Strafe des Verhungerns
anbefahl, war nicht sein eigner Glaube. Sein Verfahren gegen sie war
daher viel weniger zu rechtfertigen als das des Königs von Frankreich,
denn dieser unterdrückte sie in der Hoffnung, sie von verdammenswerther
Ketzerei zum wahren Glauben zurückzubringen, während Jakob sie nur in
der Absicht unterdrückte, um sie zum Übertritt von einer
verdammenswerthen Ketzerei zur andren zu zwingen.

Zur Vertheilung der eingegangenen Unterstützungsgelder wahren mehrere
Commissare ernannt worden, unter denen sich auch der Kanzler befand. Als
sie zum ersten Male zusammenkamen, kündigte ihnen Jeffreys den
königlichen Entschluß an. Die Flüchtlinge, sagte er, seien in zu großer
Mehrzahl Feinde der Monarchie und des Episcopats. Wenn sie Unterstützung
wünschten, so müßten sie Mitglieder der englischen Kirche werden und das
Abendmahl aus den Händen seines Kaplans empfangen. Viele Verbannte,
welche mit Gefühlen des innigsten Dankes und der Hoffnung gekommen
waren, um eine Unterstützung zu erbitten, vernahmen das harte Urtheil
und gingen mit gebrochenem Herzen wieder von dannen[80].

    [Anmerkung 73: Leeuwen, 23. Febr. (5. März) 1686.]

    [Anmerkung 74: Barillon, 26. April (6. Mai) u. 3.(13.) Mai 1686;
    Citters, 7.(17.) Mai; +Evelyn's Diary, May 5+; +Luttrell's Diary+
    unter demselben Datum; Geheimrathsbuch unterm 2. Mai.]

    [Anmerkung 75: Lady Russell an Dr. Fitzwilliam, 22. Jan. 1686;
    Barillon, 15.(25.) Febr. u. 22. Febr. (4. März) 1686. Barillon
    sagt: +»Ce prince témoigne une grande aversion pour eux, et aurait
    bien voulu se dispenser de la collecte, qui est ordonnée en leur
    faveur: mais il n'a pas cru que cela fût possible.«+]

    [Anmerkung 76: Barillon, 22. Febr. (4. März) 1686.]

    [Anmerkung 77: Bericht der Commissare v. 15. März 1688.]

    [Anmerkung 78: +»Le Roi d'Angleterre connait bien que les gens mal
    intentionnés pour lui sont les plus prompts et les plus disposés à
    donner considérablement... Sa Majesté Britannique connoit bien
    qu'il auroit été à propos de ne point ordonner de collecte, et que
    les gens mal intentionnés contre la réligion Catholique et contre
    lui se servent de cette occasion pour témoigner leur zèle.«+
    -- Barillon, 19.(29.) April 1686.]

    [Anmerkung 79: Barillon, 15.(25.) Febr., 22. Febr. (4. März),
    19.(29.) April 1686; Ludwig an Barillon, 5.(15.) März.]

    [Anmerkung 80: Barillon, 19.(29.) April 1686; Lady Russell an Dr.
    Fitzwilliam, 14. April. »Er schickte Viele mit gebrochenem Herzen
    wieder fort,« schreibt sie.]


[_Das Dispensationsrecht._] Jetzt rückte der Monat Mai heran, der zum
Wiederzusammentritt der Kammern festgesetzt war; aber sie wurden aufs
neue bis zum November prorogirt[81]. Es war kein Wunder, daß der König
nicht wieder mit ihnen zu thun haben wollte, denn er hatte beschlossen,
hinfüro eine Politik zu befolgen, von der er wohl wußte, daß sie ihnen
im höchsten Grade zuwider war. Er hatte von seinen Vorgängern zwei
Hoheitsrechte geerbt, deren Grenzen nie mit strenger Genauigkeit
bestimmt worden waren und die, wenn sie unbeschränkt ausgeübt worden
wären, schon an sich hingereicht haben würden, die ganze Verfassung des
Staates und der Kirche umzustürzen. Dies waren das Dispensationsrecht
und das kirchliche Supremat. Kraft des Dispensationsrechts beabsichtigte
der König, römische Katholiken nicht allein zu bürgerlichen und
militairischen, sondern auch zu kirchlichen Ämtern zuzulassen; vermöge
des kirchlichen Supremats hoffte er die anglikanische Geistlichkeit zu
Werkzeugen der Vernichtung ihrer eigenen Religion zu machen.

Dieser Plan entwickelte sich ganz allmälig. Es wurde nicht für rathsam
gehalten, von allem Anfang an den Katholiken insgesammt eine
Dispensation von allen den Gesetzen, welche Strafen und Eide
auferlegten, zu gewähren, denn daß eine solche Dispensation gesetzwidrig
war, stand zu fest. Die Cabale hatte 1672 eine allgemeine
Indulgenzerklärung erlassen, gegen welche die Gemeinen bei ihrem
Zusammentritt sofort protestirt hatten. Karl II. hatte sie in seiner
Gegenwart kassiren lassen und die Häuser sowohl mündlich als durch eine
schriftliche Botschaft versichert, daß der Schritt, der zu so vielen
Klagen Anlaß gegeben habe, nie als geschehen betrachtet werden solle.
Man würde schwerlich an irgend einem Gerichtshofe einen renommirten
Anwalt gefunden haben, der die Vertheidigung eines Hoheitsrechtes
übernommen hätte, auf welches der Souverain wenige Jahre zuvor im vollen
Parlament auf seinem Throne feierlich verzichtet hatte. Weniger klar
aber war es, daß der König nicht aus besonderen Gründen Einzelnen eine
ausnahmsweise Dispensation bewilligen könne. Jakob strebte daher
zunächst danach, von den Gerichtshöfen des gemeinen Rechts die
Anerkennung zu erlangen, daß er wenigstens das Dispensationsrecht in
diesem Umfange besitze.

    [Anmerkung 81: +London Gazette, May 13. 1685.+]


[_Absetzung widerspenstiger Richter._] Aber obwohl seine Forderungen im
Vergleich zu denen, die er wenige Monate später stellte, mäßig waren, so
sah er doch bald, daß er die Meinung von beinahe ganz Westminsterhall
gegen sich hatte. Vier von den Richtern gaben ihm zu verstehen, sie
könnten in diesem Falle seinen Wünschen nicht dienen, und es ist
bemerkenswerth, daß alle vier heftige Tories waren und daß sich Männer
unter ihnen befanden, welche Jeffreys auf seiner blutigen Rundreise
begleitet und für die Hinrichtung Cornish's und der Elisabeth Gaunt
gestimmt hatten. Jones, der Oberrichter der Common Pleas, ein Mann, der
noch nie vor irgend einer, wenn auch noch so grausamen und servilen
Beihülfe zurückgeschreckt war, führte jetzt im königlichen Kabinet eine
Sprache, deren sich die Lippen des makellosesten Magistratsbeamten
unsrer Geschichte nicht hätten zu schämen brauchen. Es wurde ihm kurz
und bündig erklärt, daß er entweder seine Ansicht oder seine Stelle
aufgeben müsse. »An meiner Stelle«, antwortete er, »ist mir wenig
gelegen. Ich bin im Dienste der Krone alt und schwach geworden, aber ich
sehe zu meiner tiefen Betrübniß, daß Eure Majestät mich für fähig
halten, ein Urtheil abzugeben, das nur ein unwissender oder ein ehrloser
Mann abgeben könnte.« -- »Ich bin überzeugt«, sagte der König, »daß ich
zwölf Richter finde, die in dieser Angelegenheit ganz meines Sinnes
sind.« -- »Zwölf Richter Ihres Sinnes mögen Eure Majestät wohl finden«,
erwiederte Jones, »schwerlich aber zwölf Rechtsgelehrte[82].« Er wurde
nebst Montague, erstem Baron der Schatzkammer, und zwei jüngeren
Richtern, Neville und Charlton, entlassen. Einer der neuen Richter war
Christoph Milton, der jüngere Bruder des großen Dichters. Man weiß von
diesem Christoph Milton wenig mehr, als daß er zur Zeit des
Bürgerkrieges Royalist gewesen war und sich jetzt auf seine alten Tage
zum Papismus hinneigte. Es ist nicht erwiesen, daß er sich je mit der
römischen Kirche völlig aussöhnte; gewiß aber ist es, daß er Bedenken
trug, sich der anglikanischen Kirche anzuschließen, weshalb er ein
starkes Interesse an der Aufrechthaltung des Dispensationsrechts
hatte[83].

Der König fand seine Rechtsbeistände ebenso widerspenstig als seine
Richter. Der erste Anwalt, welcher erfuhr, daß man von ihm die
Vertheidigung des Dispensationsrechts erwarte, war der Staatsprokurator
Heneage Finch. Er weigerte sich entschieden und wurde am folgenden Tage
seines Amtes entsetzt[84]. Der Generalfiskal Sawyer erhielt Befehl,
Vollmachten auszufertigen, kraft deren Mitglieder der römischen Kirche
Pfründen inne haben durften, welche der englischen Kirche gehörten.
Sawyer war bei einigen der härtesten und am wenigsten zu
rechtfertigenden Verfolgungen der damaligen Zeit stark betheiligt
gewesen, und die Whigs verabscheuten in ihm einen Mann, der sich mit dem
Blute Russell's und Sydney's befleckt hatte; bei dieser Gelegenheit aber
bewies er keinen Mangel an Ehrenhaftigkeit oder Characterstärke. »Sire«,
sagte er, »dies heißt nicht blos von einem Gesetze dispensiren, sondern
das ganze von der Thronbesteigung der Königin Elisabeth bis auf den
heutigen Tag gültige Gesetzbuch umstoßen. Ich darf es nicht thun und
bitte Eure Majestät zu erwägen, ob solch ein Angriff auf die Rechte der
Kirche mit Ihren neulichen gnädigen Versprechungen im Einklange
steht[85].« Sawyer würde so gut wie Finch augenblicklich entlassen
worden sein, wenn die Regierung einen Nachfolger für ihn hätte finden
können; allein dies war kein leichtes Ding. Es war für den Schutz der
Rechte der Krone nöthig, daß wenigstens einer ihrer Anwälte ein
gelehrter, fähiger und erfahrener Mann war; aber kein solcher ließ sich
bereit finden, das Dispensationsrecht zu vertheidigen. Der Generalfiskal
durfte daher seinen Posten noch einige Monate beibehalten. Thomas Powis,
ein unbedeutender Mann, der sich nur durch seine Servilität zu einem so
hohen Posten empfahl, wurde zum Staatsprokurator ernannt.

    [Anmerkung 82: +Reresby's Memoirs+; +Eachard, III. 797+; +Kennet,
    III. 451.+]

    [Anmerkung 83: +London Gazette, Apr. 22. & 29. 1686+; Barillon,
    19.(29.); +Evelyn's Diary, June 2.+; +Luttrell, June 8.+; +Dodd's
    Church History.+]

    [Anmerkung 84: +North's Life of Guildford, 288.+]

    [Anmerkung 85: +Reresby's Memoirs.+]


[_Prozeß Sir Eduard Hales'._] Die einleitenden Anstalten waren nun alle
getroffen. Man hatte einen Generalprokurator, der das Dispensationsrecht
zu vertheidigen bereit war, und zwölf Richter, die sich zu Gunsten
desselben aussprechen wollten. Die Frage wurde daher eiligst zur
Verhandlung gebracht. Sir Eduard Hales, ein Gentlemen aus Kent, war zu
einer Zeit, da es für einen nur einigermaßen bekannten Mann nicht
gerathen war, sich offen für einen Papisten zu erklären, zum Papismus
übergetreten. Er hatte die Sache geheim gehalten, und, wenn er gefragt
wurde, stets mit einer Feierlichkeit, die seinem Character wenig Ehre
machte, versichert, daß er Protestant sei. Nachdem Jakob den Thron
bestiegen, war Verstellung nicht mehr nöthig. Sir Eduard Hales erklärte
öffentlich seinen Übertritt und wurde mit dem Commando eines
Infanterieregiments belohnt. Diese Stelle bekleidete er bereits drei
Monate, ohne den Eid geleistet zu haben, und er hatte dadurch eine
Geldstrafe von fünfhundert Pfund verwirkt, die ein Kläger durch eine
Schuldklage eintreiben konnte. Ein Bedienter wurde veranlaßt, eine Klage
auf diese Summe beim Gerichtshofe der Kings Bench anhängig zu machen.
Sir Eduard leugnete die ihm zur Last gelegten Facta nicht, berief sich
aber darauf, daß er Patente habe, die ihn zur Bekleidung seines Postens
trotz der Testacte ermächtigten. Der Kläger erhob dagegen einen
Rechtseinwand, das heißt, er gab die factische Richtigkeit von Sir
Eduard's Vertheidigungsgrund zu, leugnete aber, daß dies eine genügende
Antwort sei. So entstand eine einfache Rechtsfrage, welche der
Gerichtshof zu entscheiden hatte. Ein Advokat, der anerkanntermaßen ein
Werkzeug der Regierung war, trat für den Scheinkläger auf und erhob
einige schwache Einwendungen gegen den Vertheidigungsgrund des
Angeklagten. Der neue Generalprokurator replicirte. Der Generalfiskal
nahm keinen Theil an der Verhandlung. Das Urteil wurde von dem
Lordoberrichter, Sir Eduard Herbert, gefällt. Er erklärte, daß er die
Frage allen zwölf Richtern vorgelegt habe und daß nach der Meinung von
elfen der König in besonderen Fällen und aus besonderen hochwichtigen
Gründen von Strafgesetzen dispensiren dürfe. Der Einzige, welcher nicht
dieser Ansicht war, Baron Street, wurde seines Amtes nicht entsetzt. Er
war ein Mann von so schlechten Sitten, daß seine eigenen Verwandten
jeden Umgang mit ihm vermieden und daß dem Prinzen von Oranien zur Zeit
der Revolution gerathen wurde, ihn nicht vor sich zu lassen. Nach
Street's Character kann man unmöglich glauben, daß er gewissenhafter
gewesen sei als seine Collegen, und nach Jakob's Character kann man
unmöglich glauben, daß er einen widerspenstigen Baron der Schatzkammer
auf seinem Posten gelassen haben würde. Es kann also kaum einem Zweifel
unterliegen, daß der andersstimmende Richter ebenso wie der Kläger und
dessen Rechtsbeistand im Einverständniß mit der Regierung handelte. Es
war nöthig, ein großes Übergewicht an Autorität zu Gunsten des
Dispensationsrechts zu erlangen; nicht minder wichtig aber war es auch,
daß das für diesen Fall sorgfältig auserwählte Richtercollegium als
unabhängig erschien. Einem Richter, den am wenigsten achtungswerthen von
den zwölfen, gestattete man daher, oder befahl man wahrscheinlich, seine
Stimme gegen das Hoheitsrecht abzugeben.[86]

Die auf solche Weise von den Gerichtshöfen anerkannte Befugniß der Krone
durfte nun auch nicht müßig liegen. Innerhalb eines Monats nach
erfolgter Entscheidung der Kings Bench wurden vier römisch-katholische
Lords als Mitglieder des Geheimen Raths vereidigt. Zwei davon, Powis und
Bellasyse, gehörten zur gemäßigten Partei und nahmen ihre Sitze
wahrscheinlich mit Widerstreben und mit schlimmen Vorahnungen ein. Die
anderen beiden, Arunell und Dover, hegten keine derartigen
Besorgnisse.[87]

    [Anmerkung 86: Siehe die Erzählung des Falles in der +Collection
    of State Trials+; Citters, 4.(14.) Mai und 22. Juni (2. Juli)
    1686; +Evelyn's Diary, June 27.+; +Luttrell's Diary, June 21.+
    Hinsichtlich Street's sehe man +Clarendon's Diary, Dec. 27.
    1688.+]

    [Anmerkung 87: +London Gazette, July 19. 1686.+]


[_Römische Katholiken werden zum Besitz geistlicher Pfründen
ermächtigt._] Das Dispensationsrecht wurde zu gleicher Zeit auch zu dem
Zwecke benutzt, um römische Katholiken zu kirchlichen Ämtern zuzulassen.
Der neue Prokurator fertigte bereitwilligst die Vollmachten aus, von
denen Sawyer nichts hatte wissen wollen. Eine dieser Vollmachten wurde
zu Gunsten eines Elenden, Namens Eduard Sclater, ausgestellt, welcher
zwei Pfründen hatte, die er um jeden Preis und unter allen Umständen
behalten wollte. Am Palmsonntage des Jahres 1686 reichte er das
Abendmahl seinen Pfarrkindern nach dem Ritus der anglikanischen Kirche,
und am Ostersonntage, also nur sieben Tage später, war er in der Messe.
Die königliche Dispensation ermächtigte ihn, die Einkünfte seiner
Pfründen fortzubeziehen. Auf die Vorstellungen der Gönner, denen er
seine Anstellung verdankte, antwortete er mit frechem Trotze, und
während der Katholicismus noch die Oberhand hatte, ließ er eine
abgeschmackte Schrift zur Rechtfertigung seines Abfalls erscheinen. Doch
wenige Wochen nach der Revolution sah eine zahlreiche Versammlung in der
Marienkirche im Savoy ihn wieder in den Schooß der verlassenen Kirche
aufnehmen. Er las seinen Widerruf unter strömenden Thränen ab und hielt
eine heftige Schmährede gegen die papistischen Priester, deren
Kunstgriffe ihn verführt hätten.[88]

Nicht weniger schmachvoll war das Verfahren Obadja Walker's. Er war ein
bejahrter Priester der anglikanischen Kirche und an der Universität
Oxford als gelehrter Mann bekannt. Unter der vorigen Regierung hatte man
ihn in dem Verdachte gehabt, daß er sich zum Papismus hinneige, er hatte
sich aber äußerlich der Staatsreligion gefügt und war daher endlich zum
Rector des Universitycollegiums ernannt worden. Bald nach Jakob's
Thronbesteigung entschloß sich jedoch Walker, die bisher getragene Maske
abzulegen. Er besuchte den öffentlichen anglikanischen Gottesdienst
nicht mehr und hörte mit einigen Fellows und Untergraduirten, die er
bekehrt hatte, täglich in seiner Privatwohnung die Messe. Eine der
ersten Amtshandlungen des neuen Staatsprokurators war die Ausstellung
einer Urkunde, welche Walker und seine Proselyten ermächtigte, ihre
Pfründen trotz ihres Abfalles beizubehalten. Es wurden sogleich
Bauhandwerker bestellt, um zwei Reihen Zimmer in eine Betkapelle
umzuwandeln, und nach wenigen Wochen wurde am Universitycollegium
öffentlich katholischer Gottesdienst gehalten. Ein Jesuit wurde als
Kaplan angestellt und mit königlicher Genehmigung eine Druckerei zur
Herausgabe katholischer Tractate errichtet. Zwei und ein halbes Jahr
lang fuhr Walker fort, mit der ganzen Erbitterung eines Renegaten gegen
den Protestantismus zu Felde zu ziehen; als sich aber das Glück wendete,
bewies er, daß er nicht den Muth eines Märtyrers besaß. Er wurde vor die
Schranken des Hauses der Gemeinen gestellt, um sich wegen seines
Benehmens zu verantworten, und war schamlos genug zu erklären, daß er
nie seinen Glauben gewechselt, daß er im Herzen die Glaubenslehren der
römischen Kirche nie gebilligt und nie den Versuch gemacht habe, irgend
einen Andren in den Schooß dieser Kirche zu ziehen. Es war gewiß nicht
der Mühe werth, die heiligsten Verpflichtungen und Versprechungen mit
Füßen zu treten, um solche Convertiten zu machen.[89]

    [Anmerkung 88: Siehe die offenen Briefe in Gurch's +Collectanea
    Curiosa+. Das Datum ist der 3. Mai 1686. +Sclater's Consensus
    Veterum+; Gee's Erwiederung, betitelt: +Veteres Vindicati+; +Dr.+
    Anton Horneck's Bericht über Sclater's Widerruf der Irrthümer des
    Papismus vom 5. Mai 1689; +Dodd's Church History VIII. II. 3.+]

    [Anmerkung 89: +Gutch's Collectanea Curiosa+; +Dodd, VIII. II.
    3.+; +Wood, Ath. Ox.+; +Ellis's Correspondence, Feb. 27. 1686+;
    +Commons' Journals, Oct. 26, 1689.+]


[_Die Dechanei von Christchurch wird einem Katholiken verliehen._] Bald
ging der König noch einen Schritt weiter. Sclater und Walker war nur
gestattet worden, die ihnen zu der Zeit, als sie noch für Protestanten
galten, verliehenen Anstellungen beizubehalten, nachdem sie Papisten
geworden waren. Aber ein hohes Amt der Staatskirche einem erklärten
Feinde derselben zu verleihen, war eine noch viel frechere Verletzung
der Gesetze und des königlichen Wortes. Jakob war aber nichts zu frech.
Die Dechanei des Christchurchcollegiums war erledigt. Dieses Amt war in
Rang und Einkünften eines der höchsten an der Universität Oxford. Der
Dechant hatte unter seiner Leitung eine größere Anzahl junger Leute mit
vornehmen Verbindungen und glänzenden Aussichten, als in irgend einem
andren Collegium zu finden waren. Außerdem war er erster Geistlicher an
einer Kathedrale. In beiden Eigenschaften hätte er nothwendig ein
Mitglied der Staatskirche sein sollen. Trotzdem wurde kraft des
Dispensationsrechts Johann Massey ernannt, der notorisch ein Mitglied
der römischen Kirche war und der keine andre Empfehlung für sich hatte
als eben diese. Bald war in den Räumen des Christchurchcollegiums ein
Altar errichtet, an welchem täglich Messe gelesen wurde.[90] Der König
sagte dem Nuntius, was in Oxford geschehen sei, solle bald auch in
Cambridge geschehen.[91]

    [Anmerkung 90: +Gutch's Collectanea Curiosa+; +Wood's Athenae
    Oxonienses+; +Dialogue between a Churchman and a Dissenter,
    1689.+]

    [Anmerkung 91: Adda, 9.(19.) Juli 1686.]


[_Besetzung von Bisthümern._] Doch selbst dies war nur ein kleines Übel
im Vergleich zu dem, welches die Protestanten mit gutem Grunde
befürchteten. Es war nur zu wahrscheinlich, daß die ganze Oberleitung
der anglikanischen Kirche binnen Kurzem in die Hände ihrer Todfeinde
übergehen werde. Drei wichtige Bischofssitze, der von York, der von
Chester und der von Oxford, waren unlängst zur Erledigung gekommen. Das
Bisthum von Oxford erhielt Samuel Parker, ein Schmarotzer, dessen
Glaube, wenn er überhaupt einen hatte, der römische war und der sich nur
deshalb einen Protestanten nannte, weil er eine Frau auf dem Halse
hatte. »Ich möchte einen erklärten Katholiken ernennen«, sagte der König
zu Adda; »aber es ist noch nicht die Zeit dazu. Parker ist uns zugethan,
seiner Gesinnung nach ist er einer der Unsrigen, und nach und nach wird
er seine Geistlichen herumbringen.«[92] Das Bisthum von Chester, welches
durch den Tod Johann Pearson's, eines in der Philologie und in der
Theologie berühmten Mannes, erledigt worden war, bekam Thomas
Cartwright, ein noch viel niedrigerer Schmarotzer als Parker. Das
Erzbisthum von York blieb mehrere Jahre unbesetzt. Da kein triftiger
Grund zu finden war, warum ein so wichtiger Posten unbesetzt gelassen
wurde, so argwöhnte man, daß der König die Ernennung nur bis zu einer
Zeit verschieben wolle, wo er es wagen durfte, die Mitra einem erklärten
Papisten aufs Haupt zu setzen. Es ist in der That sehr wahrscheinlich,
daß die anglikanische Kirche nur durch die Einsicht und den richtigen
Takt des Papstes vor dieser Schmach bewahrt wurde. Ohne besonderen
Dispens von Rom konnte kein Jesuit Bischof werden und Innocenz war durch
nichts zu bewegen, dem Pater Petre einen solchen Dispens zu ertheilen.

    [Anmerkung 92: Adda, 30. Juli (9. Aug.) 1686.]


[_Entschluß Jakob's, sein kirchliches Supremat gegen die Kirche zu
gebrauchen._] Jakob machte gar kein Geheimniß aus seiner Absicht, alte
Befugnisse, die er als Oberhaupt der Staatskirche besaß, energisch und
systematisch zur Vernichtung derselben anzuwenden. Er sprach es
unverhohlen aus, daß nach einer weisen Fügung der Vorsehung die
Suprematsacte das Mittel sein werde, um den Bruch, den sie
herbeigeführt, wieder zu heilen. Heinrich und Elisabeth hätten sich eine
Herrschaft angemaßt, welche von Rechtswegen dem heiligen Stuhle zukomme.
Diese Herrschaft sei durch Erbfolge auf einen rechtgläubigen Fürsten
gekommen und dieser werde sie als ein anvertrautes Gut dem heiligen
Stuhle aufbewahren. Das Gesetz ermächtige ihn, kirchliche Mißbräuche zu
beseitigen, und der erste kirchliche Mißbrauch, den er beseitigen wolle,
sei die Freiheit, die sich die anglikanische Geistlichkeit anmaße, ihre
eigne Religion zu vertheidigen und die römischen Glaubenslehren
anzugreifen.[93]

    [Anmerkung 93: +»Ce prince m'a dit que Dieu avoit permis que
    toutes les loir qui ont été faites pour établir la réligion
    Protestante, et détruire la réligion Catholique, servent
    présentement de fondement à ce qu'il veut faire pour
    l'établissement de la vraie réligion, et le mettent en droit
    d'exercer un pouvoir encore plus grand que celui qu'ont les rois
    Catholiques sur les affaires ecclésiastiques dans les autres
    pays.«+ -- Barillon, 12.(22.) Juli 1686. Zu Adda sagte Seine
    Majestät einige Tage später: +»Che l'autorità concessale dal
    parlamento sopra l'Ecclesiastico senza alcun limite con fine
    contrario fosse adesso per servire al vantaggio de' medesimi
    Cattolici.«+ -- 23. Juli (2. Aug.).]


[_Die ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten._] Dabei stieß er jedoch auf
eine große Schwierigkeit. Die durch Erbschaft auf ihn gekommene
kirchliche Oberhoheit war keineswegs die große und furchtbare
Prärogative, welche Elisabeth, Jakob I. und Karl I. besessen hatten. Die
Verordnung, welche der Krone ein fast unbeschränktes Oberaufsichtsrecht
über die Kirche ertheilte, war zwar niemals förmlich aufgehoben worden,
hatte aber doch einen großen Theil ihrer Kraft verloren. Das Gesetz
selbst bestand noch, aber es war nicht mehr von einer achtunggebietenden
Sanction oder von einem wirksamen Procedursystem begleitet, und daher
war es wenig mehr als ein todter Buchstabe.

Das Gesetz, welches Elisabeth die geistliche Oberherrschaft wieder
verlieh, die ihr Vater sich angemaßt und ihre Schwester niedergelegt
hatte, enthielt eine Klausel, durch welche der Regent ermächtigt wurde,
ein Tribunal einzusetzen, das alle kirchlichen Vergehen untersuchen,
abstellen und bestrafen sollte. Kraft dieser Klausel war der Gerichtshof
der Hohen Commission errichtet worden. Dieser Gerichtshof war viele
Jahre lang der Schrecken der Nonconformisten und wurde unter Laud's
Verwaltung ein Gegenstand der Furcht und des Hasses selbst für
Diejenigen, welche die Landeskirche am meisten liebten. Als das Lange
Parlament zusammentrat, wurde die Hohe Commission allgemein als das
drückendste der vielen Joche betrachtet, unter denen die Nation seufzte.
Es wurde daher etwas hastig ein Gesetz erlassen, welches der Krone nicht
allein die Befugniß entzog, Visitatoren zur Beaufsichtigung der Kirche
zu ernennen, sondern auch alle geistlichen Gerichte ohne Unterschied
abschaffte.

Nach der Restauration erinnerten sich die Kavaliere, welche das
Unterhaus füllten, trotz ihrer Begeisterung für die Hoheitsrechte, doch
mit Bitterkeit der Tyrannei der Hohen Commission und waren durchaus
nicht geneigt, eine so verhaßte Einrichtung wieder ins Leben zu rufen.
Zu gleicher Zeit aber waren sie nicht ohne Grund der Meinung, daß das
Gesetz, das alle christlichen Gerichtshöfe beseitigt hatte, ohne etwas
Andres an deren Stelle zu setzen, doch ernste Einwendungen zulasse. Sie
hoben daher dieses Gesetz, mit Ausnahme des auf die Hohe Commission
bezüglichen Theiles, wieder auf. So wurden die Archidiakonalgerichte,
die Consistorialgerichte, der erzbischöfliche Gerichtshof, der
Gerichtshof der Privilegirten und der Gerichtshof der Delegirten wieder
eingeführt; das Gesetz aber, welches Elisabeth und ihre Nachfolger
ermächtigt hatte, Commissare mit visitatorischer Gewalt über die Kirche
zu ernennen, wurde nicht allein nicht wieder hergestellt, sondern sogar
in den bestimmtesten Ausdrücken für gänzlich abgeschafft erklärt. Es ist
daher so klar, als nur irgend ein Punkt des Verfassungsrechts sein kann,
daß Jakob II. nicht befugt war, eine Commission mit Visitations- und
Regierungsgewalt über die Kirche Englands zu ernennen.[94] Wenn dem aber
so war, so half es ihm wenig, daß die Suprematsacte ihn in hochtrabenden
Worten ermächtigte, vorhandene Mängel dieser Kirche zu verbessern. Nur
eine so gewaltige Maschine, wie die vom Langen Parlamente zerstörte war,
konnte die anglikanische Geistlichkeit zwingen, sein Werkzeug zur
Vernichtung der anglikanischen Glaubenslehre und Kirchenzucht zu werden.
Daher nahm er sich schon im April 1686 vor, einen neuen Gerichtshof der
Hohen Commission zu errichten. Der Plan wurde jedoch nicht sogleich
verwirklicht. Er stieß auf den Widerspruch jedes Ministers, der nicht
Frankreich und den Jesuiten ergeben war. Die Rechtsgelehrten
betrachteten ihn als eine rücksichtslose Verletzung des Gesetzes und die
Theologen als einen offnen Angriff auf die Kirche. Der Streit würde
vielleicht noch länger gedauert haben, wäre nicht ein Ereigniß
eingetreten, das den Stolz des Königs kränkte und seinen Zorn
entflammte. Er hatte als erster Bischof Verordnungen erlassen, die es
den Geistlichen der Landeskirche zur Pflicht machten, sich in ihren
Vorträgen jeder Berührung der streitigen Lehrpunkte zu enthalten. Also
während an jedem Sonn- und Festtage in allen königlichen Palästen zur
Vertheidigung des katholischen Glaubens gepredigt wurde, war es der
Landeskirche, der Kirche der großen Mehrheit der Nation, verboten, ihre
Grundsätze zu erörtern und zu vertheidigen. Der Geist des gesammten
Klerus empörte sich gegen diese Ungerechtigkeit. Wilhelm Sherlock, ein
ausgezeichneter Theolog, der mit scharfer Feder gegen die Whigs und
Dissenters geschrieben hatte und dafür von der Regierung mit dem
Vorsteheramte des Tempels und mit einem Jahrgehalte belohnt worden, war
einer der Ersten, der sich das königliche Mißfallen zuzog. Sein Gehalt
wurde ihm entzogen und er erhielt einen strengen Verweis.[95] Johann
Sharp, Dechant von Norwich und Rector von St. Giles in the Fields,
erregte bald darauf noch größeres Ärgerniß. Er war ein gelehrter und
wahrhaft gottesfürchtiger Mann, ein berühmter Kanzelredner und ein
musterhafter Seelenhirt. Seiner politischen Meinung nach war er, wie die
meisten seiner Amtsbrüder, ein Tory und war eben erst zum königlichen
Kaplan ernannt worden. Er erhielt einen anonymen Brief, dessen Schreiber
eines seiner Pfarrkinder zu sein vorgab und sagte, er sei durch die
Beweisgründe der katholischen Theologen so schwankend geworden, daß er
gern Gewißheit darüber erlangen möchte, ob die anglikanische Kirche
wirklich ein Zweig der wahren Kirche Christi sei. Kein Geistlicher, in
dem nicht jedes Gefühl für religiöse Pflicht und Amtsehre erstickt war,
konnte eine solche Anfrage unbeantwortet lassen. Am nächstfolgenden
Sonntage hielt Sharp eine lebendige Predigt gegen die hohen Prätensionen
des römischen Stuhles. Einige seiner Äußerungen wurden übertrieben und
verdreht von Ohrenbläsern nach Whitehall berichtet; es wurde fälschlich
behauptet, er habe verächtlich von den theologischen Untersuchungen
gesprochen, die in der Geldkasse des verstorbenen Königs gefunden und
von dem gegenwärtigen Könige veröffentlicht worden waren. Compton, der
Bischof von London, erhielt von Sunderland den Befehl, Sharp bis auf
weitere königliche Entschließung zu suspendiren. Der Bischof war in der
größten Verlegenheit. Sein kürzliches Auftreten im Hause der Lords hatte
ihm das entschiedene Mißfallen des Hofes zugezogen; schon war sein Name
aus der Liste der Geheimen Räthe gestrichen, schon war er seines Amtes
an der königlichen Kapelle entsetzt. Er wollte nicht gern neuen Anstoß
geben; aber der Act, der ihm anbefohlen wurde, war ein gerichtlicher
Act. Er erkannte die Ungerechtigkeit desselben, und die besten Rathgeber
versicherten ihm, daß es auch ungesetzlich sei, eine Strafe zu
verhängen, ohne daß dem Betroffenen Gelegenheit zu seiner Vertheidigung
gegeben worden war. Er stellte daher dem Könige diese Bedenken in den
bescheidensten Ausdrücken vor und ersuchte Sharp privatim, vorläufig
nicht zu predigen. So vernünftig jedoch Compton's Bedenken und so
demüthig seine Entschuldigungsgründe gehalten waren, Jakob war höchlich
entrüstet. Welche Unverschämtheit, die natürliche Gerechtigkeit und das
positive Gesetz einem ausdrücklichen Befehle des Souverains
gegenüberzustellen! Sharp wurde vergessen und die ganze Rache der
Regierung fiel auf den Bischof.[96]

    [Anmerkung 94: Diese ganze Frage ist ausgezeichnet klar und
    unwiderlegbar in einer damals unter dem Titel: +»The King's Power
    in Matters Ecclesiastical fairly stated«+ erschienenen kleinen
    Schrift abgehandelt. Siehe auch die kurze, aber kräftige
    Beweisführung des Erzbischofs Sancroft in seiner Biographie von
    Doyle, I. 229.]

    [Anmerkung 95: Brief von Jakob an Clarendon v. 18. Febr. 1685/86.]

    [Anmerkung 96: Den besten Bericht über diesen Vorgang findet man
    in Sharp's Lebensbeschreibung, herausgegeben von seinem Sohne.
    Citters, 29. Juni (9. Juli) 1686.]


[_Er errichtet einen neuen Gerichtshof der Hohen Commission._] Der König
vermißte schmerzlicher als je das gefürchtete Zwangsmittel, welches
ehedem die widerspenstigen Geistlichen gebändigt hatte. Er wußte
wahrscheinlich, daß der Bischof Williams wegen einiger Worte des
Unwillens gegen die Regierung seines Vaters durch die Hohe Commission
aller seiner kirchlichen Würden und Ämter enthoben worden war. Der Plan,
dieses furchtbare Tribunal wieder ins Leben zu rufen, wurde eifriger als
je betrieben. Im Juli wurde London plötzlich durch die Neuigkeit
erschreckt, daß der König in offenem Widerspruch mit zwei in den
bestimmtesten Ausdrücken abgefaßten Parlamentsverordnungen, das ganze
Kirchenregiment in die Hände von sieben Commissaren gelegt habe.[97] Die
Worte, in denen der Umfang der Gerichtsbarkeit dieser Beamten bezeichnet
war, waren unbestimmt und ließen sich fast zu jeder beliebigen Tragweite
ausdehnen. Alle Collegien und Bildungsanstalten, selbst die durch
Privatwohlthätigkeit gegründeten, wurden unter die Oberaufsicht dieser
neuen Behörde gestellt. Alle Diejenigen, deren Lebensunterhalt von
Stellen bei der Kirche oder an akademischen Anstalten abhing, vom
Erzbischof bis herab zum jüngsten Curaten, vom Vicekanzler von Oxford
und Cambridge bis herab zum bescheidensten Lehrer, der den Corderius
las, waren nun der königlichen Gnade preisgegeben. Stand einer von
diesen vielen Tausenden in dem Verdacht irgend einer der Regierung
mißfälligen Handlung oder Äußerung, so konnte die Commission ihn vor
sich laden. Ihr Verfahren gegen ihn war durch keine Vorschriften
geregelt, sie war zu gleicher Zeit Ankläger und Richter. Der Angeklagte
erhielt keine Abschrift von der Anklage, er wurde nur verhört, und waren
seine Antworten nicht befriedigend, so konnte er seines Amtes entsetzt,
davon vertrieben und zu jeder ferneren Anstellung unfähig erklärt
werden. Zeigte er sich widerspenstig, so konnte er excommunicirt, das
heißt mit anderen Worten aller bürgerlichen Rechte beraubt und auf
Lebenszeit eingesperrt werden. Auch konnte er nach Belieben des
Gerichtshofes in alle Kosten des Prozesses verurtheilt werden, der ihn
zum Bettler machte. Von einer Appellation war keine Rede. Die Commission
hatte Befehl, sich bei der Ausübung ihrer Functionen durch kein Gesetz,
das mit diesen Anordnungen unvereinbar war oder zu sein schien, irre
machen zu lassen. Damit endlich Niemand zweifeln konnte, daß man
beabsichtigte, den gefürchteten Gerichtshof wieder einzuführen, von dem
das Lange Parlament die Nation befreit hatte, sollte das neue Tribunal
sich eines Siegels bedienen, das genau die nämliche Devise und die
nämliche Umschrift hatte wie das Siegel der ehemaligen Hohen
Commission.[98]

Der oberste Commissar war der Kanzler. Seine Anwesenheit und seine
Zustimmung waren zu jedem gerichtlichen Schritte erforderlich. Jedermann
wußte, wie ungerecht, rücksichtslos und unmenschlich er sich bei
Gerichtshöfen gezeigt hatte, wo er bis zu einem gewissen Grade durch die
bekannten Gesetze Englands beschränkt worden war. Es war daher unschwer
vorauszusehen, wie er sich in einer Stellung zeigen würde, in der es ihm
völlig freistand, sich seine eigenen Procedurformen und Beweisregeln
nach Belieben zu bilden.

Von den anderen sechs Commissaren waren drei Prälaten und drei Laien.
Obenan stand der Name des Erzbischofs Sancroft. Dieser war jedoch der
festen Überzeugung, daß das ganze Gericht ungesetzlich sei, daß alle
Aussprüche desselben nichtig seien und daß er sich durch Theilnahme an
demselben eine schwere Verantwortlichkeit aufbürden werde. Er beschloß
daher, dem königlichen Rufe nicht Folge zu leisten. Allerdings handelte
er bei dieser Gelegenheit nicht mit dem Muthe und der Aufrichtigkeit,
die er zwei Jahre später bewies, als er aufs Äußerste getrieben wurde.
Er entschuldigte sich mit Geschäften und angegriffener Gesundheit und
setzte hinzu, die übrigen Mitglieder des Collegiums seien zu tüchtige
Männer, als daß sie seines Beistandes bedürfen könnten. Diese leeren
Ausflüchte ziemten sich in einer so hochwichtigen Angelegenheit nicht
für den Primas von ganz England; auch schützten sie ihn nicht vor der
königlichen Ungnade. Sancroft's Name wurde zwar nicht aus der Liste der
Geheimen Räthe gestrichen, aber zum großen Verdruß der Freunde der
Kirche wurde er nicht mehr zur Teilnahme an den Staatsrathssitzungen
aufgefordert. »Wenn er zu kränklich oder zu beschäftigt ist, um in die
Commission gehen zu können«, sagte der König, »so ist es nicht mehr als
billig, ihn auch von dem Besuche des Geheimen Raths zu befreien.«[99]

Auf keine derartigen Schwierigkeiten stieß die Regierung bei Nathaniel
Crewe, Bischof des großen und reichen Bisthums Durham, ein Mann von
adeliger Abkunft, der in seinem Berufe so hoch gestiegen war, daß er
kaum wünschen konnte, noch höher zu steigen, aber gemeinen Sinnes, eitel
und feigherzig. Er war zum Dechant der königlichen Kapelle ernannt
worden, als der Bischof von London aus dem Palaste verbannt wurde. Die
Ehre, ein Mitglied der Hohen Commission zu werden, verrückte Crewe den
Kopf. Umsonst machten ihn einige seiner Freunde darauf aufmerksam,
welchen Gefahren er sich durch Betheiligung an einem gesetzwidrigen
Gerichtshofe aussetzte. Er schämte sich nicht zu antworten, daß er ohne
das königliche Lächeln nicht leben könne, und sprach frohlockend die
Hoffnung aus, sein Name werde in der Geschichte fortleben, eine
Hoffnung, die allerdings zum Theil in Erfüllung gegangen ist.[100]

Der dritte geistliche Commissar war Thomas Sprat, Bischof von Rochester.
Er war ein Mann, dessen Talenten die Nachwelt kaum hat Gerechtigkeit
widerfahren lassen. Zum Unglück für seinen Ruhm sind seine Verse
gewöhnlich in die Sammlungen britischer Dichter aufgenommen worden,
und wer ihn nach seinen Versen beurtheilt, muß ihn für einen
sklavischen Nachbeter halten, der, ohne einen Funken von Cowley's
bewunderungswürdigem Genie zu besitzen, gerade das in Cowley's Manier
am wenigsten Empfehlenswerthe nachahmte; wer aber Sprat's prosaische
Schriften kennt, wird eine ganz andre Meinung von seinem Talent haben.
Er war in der That ein großer Meister unsrer Sprache und besaß zu
gleicher Zeit die Beredtsamkeit des Redners, des Polemikers und des
Historikers. Sein sittlicher Character würde wenig Tadel erfahren haben,
hätte er einem weniger heiligen Stande angehört; aber das Schlimmste,
was man ihm nachsagen kann, ist, daß er gleichgültig, genußsüchtig und
weltlich war. Doch solche Fehler werden zwar bei Männern weltlichen
Berufs gewöhnlich nicht für so schlimm gehalten, sind aber bei einem
Prälaten sehr anstößig. Das Erzbisthum York war erledigt; Sprat hoffte
es zu erhalten, und dies bewog ihn, einen Sitz bei der neuen geistlichen
Behörde anzunehmen. Aber er war viel zu gutherzig, um Härte zu üben, und
viel zu klug, um nicht einzusehen, daß ihn in Zukunft ein Parlament zur
ernsten Rechenschaft ziehen konnte. Er nahm daher die Stelle an, bemühte
sich aber, so mild als möglich aufzutreten und sich so wenig als möglich
Feinde zu machen.[101]

Die anderen drei Commissare waren der Lordschatzmeister, der
Lordpräsident und der Oberrichter der Kings Bench. Rochester mißbilligte
die Sache und murrte dagegen, verstand sich aber dennoch zur Mitwirkung,
so viel er auch am Hofe ertragen mußte, konnte er sich doch nicht
entschließen, denselben zu verlassen. So sehr er der Kirche zugethan
war, konnte er es doch nicht über sich gewinnen, ihr seinen weißen Stab,
sein Patronat, seinen Gehalt von achttausend Pfund und die noch viel
bedeutenderen Nebeneinkünfte seines Amtes aufzuopfern. Er entschuldigte
sein Benehmen gegen Andere und vielleicht auch gegen sich selbst damit,
daß er sagte, er könne als Mitglied der Hohen Commission viel Schlimmes
verhüten und es werde sich, wenn er die Stelle ablehne, anstatt seiner
leicht ein der protestantischen Kirche weniger ergebener Mann finden.
Sunderland war der Repräsentant der jesuitischen Cabale. Herbert's
kürzlicher Ausspruch in der Frage des Dispensationsrechts ließ erwarten,
daß er sich keiner Dienstleistung, die der König von ihm verlangen
könnte, entziehen werde.

    [Anmerkung 97: Barillon, 21. Juli (1. Aug.) 1686; Citters,
    16.(26.) Juli; +Privy Council Book, July 17.+; +Ellis
    Correspondence, July 17.+; +Evelyn's Diary, July 14.+; +Luttrell's
    Diary, Aug. 5. 6.+]

    [Anmerkung 98: Die Devise war eine Rose und eine Krone. Vor der
    Devise stand der Anfangsbuchstabe des königlichen Namens, dahinter
    der Buchstabe +R.+ Die Umschrift lautete: +»Sigillum
    commissariorum regiae mejestatis ad causas ecclesiasticas.«+]

    [Anmerkung 99: Anhang zu Clarendon's Tagebuch; Citters, 8.(18.)
    Oct. 1686; Barillon, 11.(21.) Oct.; +Doyle's Life of Sancroft.+]

    [Anmerkung 100: +Burnet, I. 676.+]

    [Anmerkung 101: +Burnet, II. 629+; Sprat's Briefe an Dorset.]


[_Verfahren gegen den Bischof von London._] Sobald die Commission
eröffnet war, wurde der Bischof von London vor das neue Tribunal
geladen. Er erschien. »Ich bitte Sie«, sagte Jeffreys, »um eine directe
und bestimmte Antwort: warum haben Sie +Dr.+ Sharp nicht suspendirt?«

Der Bischof verlangte die schriftliche Vollmacht der Commission zu
sehen, um zu erfahren, auf welche Autorität hin er so gefragt werde.
»Wenn Sie unsre Autorität in Zweifel ziehen«, erwiederte Jeffreys, »so
werde ich einen andren Weg mit Ihnen einschlagen. Was unsre Vollmacht
betrifft, so bin ich überzeugt, daß Sie dieselbe bereits gesehen haben.
Jedenfalls können Sie sie im ersten besten Kaffeehause für einen Penny
lesen.« Diese unverschämte Antwort des Kanzlers erregte den Unwillen der
anderen Commissare und er war genöthigt, einige ungeschickte
Entschuldigungen vorzubringen. Dann kehrte er zu dem Punkte zurück, von
dem er ausgegangen war. »Dies«, sagte er, »ist kein Gerichtshof, bei dem
schriftliche Anklagen niedergelegt werden. Unser Verfahren ist
summarisch und mündlich. Die Frage ist einfach die: warum haben Sie dem
Könige nicht gehorcht?« Nicht ohne Schwierigkeit erlangte Compton einen
kurzen Aufschub und die Gestattung eines Rechtsbeistandes. Nachdem der
Fall vorgetragen war, sah Jedermann ein, daß der Bischof nur seine
Pflicht gethan hatte. Der Schatzmeister, der Oberrichter und Sprat waren
für die Freisprechung. Darüber gerieth der König in Zorn. Es schien, als
ob die Hohe Commission ihn ebenso im Stiche lassen werde, wie ihn sein
toryistisches Parlament im Stiche gelassen hatte. Er stellte daher
Rochester die einfache Alternative, daß er entweder den Bischof für
schuldig zu erklären oder das Schatzamt zu verlassen habe. Rochester war
erbärmlich genug nachzugeben. Compton wurde aller seiner geistlichen
Functionen entsetzt und die Verwaltung seines großen Sprengels seinen
Richtern, Sprat und Crewe, übertragen. Er bewohnte jedoch nach wie vor
seinen Palast und bezog seine Einkünfte fort, denn man wußte sehr wohl,
daß, wenn man den Versuch gemacht hätte ihn seiner Emolumente zu
berauben, er sich unter den Schutz des gemeinen Rechts begeben haben
würde, und Herbert selbst erklärte, daß nach diesem Rechte das Urtheil
gegen die Krone ausfallen müßte. Diese Erwägung bestimmte den König inne
zu halten. Nur wenige Wochen waren verflossen, seitdem er die
Gerichtshöfe von Westminsterhall neu zusammengesetzt hatte, um eine
Entscheidung zu Gunsten seines Dispensationsrechts zu erlangen, und er
überzeugte sich jetzt, daß er ohne eine nochmalige Sichtung nicht im
Stande sein würde, einen Ausspruch zu Gunsten des Verfahrens seiner
kirchlichen Commission zu erlangen. Er beschloß daher, die Einziehung
der Revenuen widerspenstiger Geistlicher kurze Zeit aufzuschieben.[102]

    [Anmerkung 102: +Burnet I. 677.+; Barillon, Sept. 6.(16.) 1686.
    Der öffentliche Prozeß befindet sich in der +Collection of State
    Trials+.]


[_Die öffentliche Schaustellung römisch-katholischer Gebräuche und
Trachten erregt Unzufriedenheit._] Die Stimmung der Nation war
allerdings auch von der Art, daß sie ihn wohl zum Einhalten bestimmen
konnte. Seit einigen Monaten war die Unzufriedenheit in fortwährendem
und reißend schnellem Wachsen begriffen. Die Feier des katholischen
Gottesdienstes war lange Zeit durch eine Parlamentsacte verboten
gewesen. Seit mehreren Generationen hatte kein römisch-katholischer
Geistlicher es wagen dürfen, sich mit den Zeichen seines Amtes
öffentlich blicken zu lassen. Gegen die Ordensgeistlichen und
insbesondere gegen die nie ruhenden und verschmitzten Jesuiten war eine
Reihe strenger Verordnungen erlassen worden. Jeder Jesuit, der dieses
Land betrat, setzte sich der Gefahr aus, gehängt, geschleift und
geviertheilt zu werden. Auf seine Entdeckung war eine Belohnung
ausgesetzt; auf ihn fand die allgemeine Regel, daß Niemand sein eigner
Ankläger sein könne, keine Anwendung. Wer in dem Verdachte stand, ein
Jesuit zu sein, konnte befragt, und wenn er sich zu antworten weigerte,
auf Lebenszeit eingesperrt werden.[103] Obgleich nun diese Gesetze nur
in solchen Fällen, wo man eine besondere Gefahr vermuthete, streng
gehandhabt worden waren und die Jesuiten keineswegs von England fern
gehalten hatten, so hatten sie doch die größte Vorsicht nöthig gemacht.
Jetzt aber wurde jede Verstellung bei Seite geworfen. Unverständige
Mitglieder der Kirche des Königs suchten, durch ihn ermuthigt, etwas
darin, Gesetzen, welche noch unbestreitbare Gültigkeit hatten, und
Gefühlen, welche jetzt im Geiste der Nation tiefer wurzelten als je
zuvor, Hohn zu sprechen. In allen Gegenden des Landes entstanden
römisch-katholische Kapellen; Mönchskutten, Gürtelschnuren und
Rosenkränze zeigten sich fortwährend auf den Straßen und setzten eine
Bevölkerung in Erstaunen, deren älteste Leute noch nie eine
Klostertracht, außer auf der Bühne, gesehen hatten. In Clerkenwall wurde
auf der Stelle des ehemaligen Klosters St. Johann ein neues Kloster
erbaut; die Franziskaner bezogen ein Haus in Lincoln's Inn Fields, die
Carmeliter eins in der City; eine Gesellschaft Benedictinermönche
quartierte sich im St. Jamespalast ein und im Savoy wurde ein geräumiges
Haus mit Kirche und Schule für die Jesuiten erbaut.[104] Die
Geschicklichkeit und Sorgfalt, mit der diese Väter seit mehreren
Generationen die Erziehung, der Jugend geleitet, hatte selbst die
weisesten Protestanten wider ihren Willen zu lobender Anerkennung
genöthigt. Bacon hatte die in den Jesuitencollegien angewendete
Unterrichtsmethode für die beste erklärt, die man bis jetzt kenne und
sein lebhaftes Bedauern darüber ausgesprochen, daß ein so vorzügliches
System geistiger und sittlicher Erziehung den Interessen einer
verderbten Religion diene.[105] Es war nicht unwahrscheinlich, daß die
neue Akademie im Savoy unter königlichem Patronate eine gefährliche
Nebenbuhlerin für die großen Anstalten von Eton, Westminster und
Winchester wurde. In der That zählte die Schule kurz nach ihrer
Eröffnung bereits vierhundert Knaben, von denen ungefähr die Hälfte
Protestanten waren. Die protestantischen Zöglinge hatten nicht nöthig
die Messe zu besuchen, aber es unterlag keinem Zweifel, daß der Einfluß
tüchtiger, der römisch-katholischen Kirche ergebener und mit allen
Künsten, welche das Vertrauen und die Zuneigung der Jugend gewinnen,
vertrauter Lehrer viele Convertiten machen werde.

    [Anmerkung 103: +27 Eliz. c. 2.+; +2 Jac. 1. c. 4.+; +3 Jac. 1. c.
    5.+]

    [Anmerkung 104: +Clarke's Life of James the Second, II. 79, 80.
    Orig. Mem.+]

    [Anmerkung 105: +De Augmentis, I. VI. 4.+]


[_Tumulte._] Diese Dinge riefen eine große Aufregung unter dem niederen
Volke hervor, auf welches sinnliche Wahrnehmungen stets einen größeren
Eindruck machen als Einwirkungen auf den Verstand. Tausende von
einfachen und unwissenden Leuten, für welche die Dispensationsgewalt und
die kirchliche Commission Worte ohne Bedeutung waren, sahen mit
Besorgniß und Unwillen an den Ufern der Themse ein Jesuitencollegium
sich erheben, Mönche in Kutte und Kaputze am Strande umhergehen und
Schaaren von Andächtigen nach den Tempeln strömen, in denen geschnitzte
Bilder angebetet wurden. Es brachen in verschiedenen Gegenden des Landes
Aufstände aus. In Coventry und Worcester wurde der katholische
Gottesdienst gewaltsam unterbrochen.[106] In Bristol führte der
angeblich von der Behörde unterstützte Pöbel ein gottloses und
unschickliches Schauspiel auf, in welchem die Jungfrau Maria durch einen
Hanswurst dargestellt und eine karrikirte Hostie in Prozession
umhergetragen wurde. Die Garnison mußte ausrücken, um den Pöbel zu
zerstreuen. Dieser aber, schon damals, wie noch heute einer der
wildesten des ganzen Reichs, leistete Widerstand, so daß es zu
Thätlichkeiten kam und schwere Verletzungen vorfielen.[107] In der
Hauptstadt war die Aufregung groß, und in der eigentlichen City größer
als in Westminster, denn die Bewohner von Westminster waren an den
Anblick der Privatkapellen der römisch-katholischen Gesandten gewöhnt,
die City aber war seit Menschengedenken durch keine götzendienerische
Schaugebung befleckt worden. Jetzt aber errichtete der Gesandte des
Kurfürsten von der Pfalz auf Anregung des Königs in Lime Street eine
Kapelle. Die Oberhäupter der Korporation, obgleich Männer, die wegen
ihres bekannten Toryismus zu ihren Ämtern erwählt waren, protestirten
gegen dieses Verfahren, das, wie sie sagten, von den gelehrtesten Herren
von der langen Robe für ungesetzlich erklärt würde. Der Lordmayor wurde
vor den Geheimen Rath gefordert. »Bedenkt wohl was Ihr thut«, sagte der
König zu ihm: »gehorcht mir und kümmert Euch weder um die Herren von der
langen Robe noch um die Herren von der kurzen Robe.« Hierauf nahm der
Kanzler das Wort und gab dem unglücklichen Mayor mit der ächten
Beredtsamkeit der Old-Bailey-Barre einen Verweis. Die Kapelle wurde
geöffnet, und bald gerieth die ganze Nachbarschaft in Aufruhr. Große
Volkshaufen rotteten sich in Cheapside zusammen, um das neue Meßhaus
anzugreifen. Die Priester wurden insultirt, ein Kruzifix wurde aus der
Kapelle geholt und auf den Gemeindebrunnen gepflanzt. Der Lordmayor kam
herbei, um den Aufstand zu dämpfen, wurde aber mit dem Geschrei: »Keine
hölzernen Götter!« empfangen. Jetzt wurde die Miliz aufgeboten, um den
Haufen zu zerstreuen, aber sie theilte die Ansichten des Volks und man
hörte in ihren Reihen Äußerungen wie diese: »Wir können mit gutem
Gewissen nicht für den Papismus kämpfen.«[108]

Der Kurfürst von der Pfalz war, wie Jakob, ein eifriger Katholik und,
ebenfalls wie Jakob, Beherrscher eines protestantischen Volks; aber in
Character und Verstand glichen sie einander nur wenig. Der Kurfürst
hatte versprochen, die in seinen Besitzungen anerkannte Landeskirche zu
achten. Er hatte gewissenhaft Wort gehalten und sich durch die
übereilten Reden von Predigern, welche in ihrem Haß gegen seinen Glauben
gelegentlich die seiner Person schuldige Achtung aus den Augen setzten,
nie zu irgend einer Gewaltthätigkeit hinreißen lassen.[109] Er vernahm
mit Bedauern, daß die unverständige Handlungsweise seines Vertreters die
Londoner heftig verdrossen hatte, und erklärte, was ihm sehr zur Ehre
gereichte, daß er lieber dem ihm als souverainen Fürst zustehenden
Vorrechte entsagen, als den Frieden einer großen Stadt gefährden wolle.
»Auch ich«, schrieb er an Jakob, »habe protestantische Unterthanen, und
ich weiß, wie vorsichtig und rücksichtsvoll ein katholischer Fürst in
solcher Stellung handeln muß.« Anstatt dieses menschenfreundliche und
besonnene Benehmen lobend anzuerkennen, spöttelte Jakob in Anwesenheit
des Gesandten über den Brief. Es wurde beschlossen, daß der Kurfürst in
der City eine Kapelle haben solle, mochte er wollen oder nicht, und daß,
wenn die Milizen sich weigerten ihre Pflicht zu thun, sie durch die
Garden ersetzt werden sollten.[110]

Diese Ruhestörungen übten einen ernsten Einfluß auf den Handel aus. Der
holländische Gesandte schrieb an die Generalstaaten, daß die
Börsengeschäfte stockten. Die Zollcommissare berichteten dem Könige, daß
in dem auf die Eröffnung der Kapelle in Lime Street folgenden Monate die
Einnahme im Themsehafen sich um einige tausend Pfund verringert
habe.[111] Mehrere Aldermen, welche zwar entschiedene Royalisten und
unter der neuen Gemeindeverfassung angestellt, aber an der commerciellen
Wohlfahrt ihrer Vaterstadt ein starkes Interesse hatten und weder den
Papismus noch das Kriegsgesetz liebten, reichten ihre Entlassung ein.
Aber der König war entschlossen nicht nachzugeben.

    [Anmerkung 106: Citters, 14.(24.) Mai 1686.]

    [Anmerkung 107: Citters, 18.(28.) Mai 1686; Adda, 19.(29.) Mai.]

    [Anmerkung 108: +Ellis Correspondence, April 27. 1686+; Barillon,
    19.(29.) April; Citters, 20.(30.) April; +Privy Council Book,
    March 26.+; +Luttrell's Diary+; Adda, 26. Feb. (8 März), 26. März
    (5. April), 2.(12.) April u. 23. April (3. Mai).]

    [Anmerkung 109: +Burnet's Travels.+]

    [Anmerkung 110: Barillon, 27. Mai (6. Juni) 1686.]

    [Anmerkung 111: Citters, 25. Mai (4. Juni) 1686.]


[_Es wird bei Hounslow ein Lager gebildet._] Er bildete auf der Haide
von Hounslow ein Lager und zog daselbst auf einem Umkreis von ungefähr
dritthalb Meilen vierzehn Infanteriebataillone und zweiunddreißig
Reiterschwadronen, in Summa etwa dreizehntausend Mann, zusammen.
Sechsundzwanzig Geschütze und eine Menge mit Waffen und Munition
beladene Wagen fuhren vom Tower durch die City nach Hounslow.[112] Die
Londoner betrachteten diese in ihrer Nähe versammelte große Truppenmacht
anfangs mit Entsetzen, das sich jedoch bei genauerem Bekanntwerden mit
derselben bald verminderte. Ein Ausflug nach Hounslow wurde ihr
Lieblingsvergnügen an Sonn- und Feiertagen. Das Lager gewährte den
Anblick eines großen Jahrmarkts. In buntem Gemisch mit den Musketieren
und Dragonern wogten eine Menge eleganter Herren und Damen von Soho
Square, Gauner und geschminkte Dirnen von Whitefriars, Kranke in
Sänften, Mönche in Kutte und Kaputze, Lakaien in glänzenden Livreen,
Hausirer, Apfelsinenmädchen, muthwillige Lehrbuben und gaffende Bauern
beständig in den langen Zeltgassen auf und ab. In einigen Zelten hörte
man den Lärm wüster Trinkgelage, in anderen die Flüche von Spielern. Der
Platz war eigentlich nur eine heitere Vorstadt von London. Der König
hatte sich, wie es sich zwei Jahre später genugsam zeigte, vollständig
verrechnet. Er hatte vergessen, daß die Nachbarschaft verschiedene
Wirkungen ausübt. Er hatte gehofft, seine Armee werde London Schrecken
einjagen, und das wirkliche Resultat seiner Maßregel war, daß die
Gefühle und Ansichten der Londoner sich vollständig auch seiner Armee
bemächtigten.[113]

Das Lager war in der That kaum gebildet, so hörte man auch schon von
Schlägereien zwischen den protestantischen und papistischen
Soldaten.[114] Eine kleine Schrift, betitelt: »Ergebene und herzliche
Ansprache an alle englischen Protestanten in der Armee«, war eifrig in
den Reihen verbreitet worden. Der Verfasser ermahnte die Truppen auf das
Nachdrücklichste, daß sie ihre Waffen nicht zur Vertheidigung des
Meßbuches, sondern der Bibel, der Magna Charta und der Bitte um Recht
gebrauchen sollten. Er war ein Mann, der schon dem Zorne der Gewalt
anheim gefallen war. Sein Character war interessant und seine Geschichte
ziemlich lehrreich.

    [Anmerkung 112: +Ellis Correspondence, June 26. 1686+; Citters,
    2.(12.) Juli; +Luttrell's Diary, July 19.+]

    [Anmerkung 113: Siehe die damals erschienenen Gedichte: +Hounslow
    Heath+ und +Caesar's Ghost+; +Evelyn's Diary, June 2. 1686.+ Eine
    Ballade in der Pepys'schen Sammlung enthält folgende Zeilen:

        Der Platz gefiel mir gar zu schön,
        Nie sah ein Lager ich so fein,
        Kein Mädchen durft' vorübergeh'n,
        Gleich schenkt' man ihr ein Gläschen Wein.]

    [Anmerkung 114: +Luttrell's Diary, June 18. 1686.+]


[_Samuel Johnson._] Er hieß Samuel Johnson, war Priester der
anglikanischen Kirche und Kaplan bei Lord Russell gewesen. Johnson
gehörte zu den Leuten, die von ihren Gegnern tödtlich gehaßt und von
ihren Verbündeten mehr geachtet als geliebt werden. Seine Sitten waren
tadellos, seine Religiosität tief und glühend, seine Gelehrsamkeit und
seine Talente nicht zu verachten, sein Urtheil schwach und sein
Character gallig, unruhig und unbeugsam starrsinnig. Er war den eifrigen
Anhängern der Monarchie besonders seines Standes wegen verhaßt, denn ein
republikanischer Geistlicher war ein seltsames, fast unnatürliches
Wesen. Unter der vorigen Regierung hatte Johnson ein Werk herausgegeben,
betitelt: +Julian the Apostate+. Der Zweck dieses Buches war zu
beweisen, daß die Christen des vierzehnten Jahrhunderts den Grundsatz
der Verwerflichkeit des Widerstandes nicht befolgten. Es ließen sich
leicht aus Chrysostomus und Hieronymus Stellen anführen, die in einem
von dem Geiste der gegen die Ausschließungsbill predigenden
anglikanischen Theologen völlig verschiedenen Sinne geschrieben waren.
Johnson ging indessen noch weiter. Er suchte die gehässige Beschuldigung
wieder hervor, welche Libanius aus leicht erklärlichen Gründen gegen die
Soldaten Julian's erhoben hatte, und gab zu verstehen, daß der
Wurfspieß, der den kaiserlichen Renegaten tödtete, nicht von einem
Feinde, sondern von einem Rumbold oder Ferguson aus den eigenen Reihen
der Römer geschleudert worden sei. Dies führte eine heftige Polemik
herbei. Whiggistische und toryistische Disputanten stritten sich heftig
über eine dunkle Stelle, in der Gregor von Nazianz einen frommen Bischof
lobt, der im Begriff stand, Jemanden zu prügeln. Die Whigs behaupteten,
der heilige Mann habe den Kaiser schlagen wollen, die Tories meinten, er
habe es höchstens auf einen Hauptmann der Garde abgesehen gehabt.
Johnson schrieb nun eine Replik gegen seine Angreifer, worin er eine
sehr geistreich durchgeführte Parallele zwischen Julian und Jakob,
welcher damals Herzog von York war, zog. Julian hatte sich mehrere Jahre
gestellt als ob er den Götzendienst verabscheute, während er im Herzen
selbst ein Götzendiener war. Julian hatte, wenn es seinem Interesse
entsprach, gelegentlich Achtung vor den Rechten der Überzeugung
geheuchelt. Julian hatte Städte, welche der wahren Religion aufrichtig
zugethan waren, durch Entziehung ihrer Municipalfreiheiten bestraft. Und
Julian war von seinen Schmeichlern der Gerechte genannt worden. Jakob
fühlte sich schwer beleidigt. Johnson wurde als Pasquillant verfolgt,
schuldig befunden und zu einer Geldbuße verurtheilt, die er nicht
bezahlen konnte. Er wurde daher eingesperrt und es hatte ganz den
Anschein, als ob seine Haft nur mit seinem Leben enden werde.[115]

    [Anmerkung 115: Siehe Johnson's Denkwürdigkeiten als Einleitung zu
    der Folioausgabe seiner Lebensbeschreibung, seinen »Julian« und
    seine Antworten an seine Gegner. Außerdem auch +Hickes's Jovian+.]


[_Hugo Speke._] Über der Zelle, die er im Kingsbenchgefängnisse
bewohnte, saß ein andrer Verbrecher, dessen Character wohl verdient
studirt zu werden. Dies war Hugo Speke, ein junger Mann aus guter
Familie, aber von merkwürdig verderbten und gemeinem Character. Seine
Neigung zu Unfug und zu dunklen, krummen Wegen war fast eine krankhafte
Manie. Unheil zu stiften, ohne entdeckt zu werden, war sein Geschäft und
sein Vergnügen, und er besaß ein seltenes Geschick darin, ehrliche
Fanatiker zu Werkzeugen seiner kaltblütigen Bosheit zu benutzen. So
hatte er vermittelst einer seiner Strohmänner den Versuch gemacht, Karl
und Jakob des Verbrechens zu beschuldigen, Essex im Tower ermordet zu
haben. Bei dieser Gelegenheit war man dem Treiben Speke's auf die Spur
gekommen, und obgleich es ihm gelang, den größten Theil der Schuld auf
den von ihm Bethörten zu wälzen, kam er doch nicht ungestraft davon. Er
saß jetzt im Gefängniß, aber sein Vermögen erlaubte ihm anständig zu
leben und seine Haft war so mild, daß er mit einem seiner Genossen, der
eine geheime Druckerei betrieb, einen regelmäßigen Verkehr unterhalten
konnte.

Johnson war ganz der Mann, wie Speke ihn für seine Zwecke brauchen
konnte: eifrig und furchtlos, ein gelehrter und gewandter Polemiker, und
dabei einfältig wie ein Kind. Es bildete sich ein intimes
Freundschaftsverhältniß zwischen den beiden Gefangenen. Johnson schrieb
eine Reihe bitterer und heftiger Artikel, welche Speke zum Druck
beförderte. Als das Lager von Hounslow gebildet war, drang Speke in
Johnson, eine Ansprache zu schreiben, welche die Truppen zur Meuterei
reizen könne. Die Schrift wurde sogleich verfaßt und in vielen tausend
Exemplaren gedruckt, welche in Speke's Zelle gebracht wurden, der sie
von hier aus durch das ganze Land und namentlich unter die Soldaten
verbreitete. Eine solche Herausforderung würde selbst eine mildere
Regierung als die damals in England herrschende war, zu heftigem Zorne
gereizt haben. Es wurde eine strenge Untersuchung eingeleitet und ein
untergeordneter Agent, der zur Verbreitung der Ansprache verwendet
worden war, rettete sich dadurch, daß er Johnson denuncirte, der aber
nicht der Mann war, sich durch Denuncirung Speke's zu retten.


[_Prozeß gegen Johnson._] Man machte Johnson den Prozeß und erlangte
ohne Schwierigkeit seine Schuldigerklärung. Julian Johnson, wie er
gewöhnlich genannt wurde, ward verurtheilt, dreimal am Pranger
ausgestellt und von Newgate nach Tyburn gepeitscht zu werden. Der
Richter, Sir Franz Withins, sagte dem Verurtheilten, er solle dem
Generalfiskal für seine große Nachsicht danken, denn er habe das
Vergehen als einen Hochverrath behandeln können. »Ich bin ihm keinen
Dank schuldig«, erwiederte Johnson furchtlos. »Soll ich, dessen einziges
Verbrechen darin besteht, die Kirche und die Gesetze vertheidigt zu
haben, mich noch dafür bedanken, daß ich wie ein Hund gepeitscht werden
soll, während papistische Scribenten täglich ungestraft die Kirche
beleidigen und die Gesetze übertreten dürfen?« Er sprach mit einer
solchen Energie, daß die Richter sowohl als die Kronanwälte es für
nöthig hielten, sich zu vertheidigen, indem sie versicherten, sie wüßten
von keinen solchen papistischen Schriften, deren der Gefangene erwähnt
habe. Augenblicklich brachte er einige römisch-katholische Bücher und
Zierrathen zum Vorschein, welche damals mit königlicher Bewilligung
überall frei verkauft wurden, las die Titel der Bücher laut vor und warf
dem Kronanwalt einen Rosenkranz über den Tisch zu. »Und jetzt«, rief er
dann mit lauter Stimme, »erhebe ich diese Anklage vor Gott, vor diesem
Gerichtshofe und vor dem englischen Volke. Wir werden bald sehen, ob der
Herr Generalfiskal seine Pflicht thut.«

Es wurde beschlossen, daß Johnson vor der Vollziehung der Strafe seiner
Priesterwürde entkleidet werden sollte. Die Prälaten, denen die
Verwaltung der Londoner Diöcese von der hohen Commission übertragen war,
forderten ihn vor sich in das Kapitelhaus der St. Paulskathedrale. Sein
Benehmen während der Ceremonie machte einen tiefen Eindruck auf alle
Anwesenden. Als ihm sein heiliges Gewand ausgezogen wurde, rief er aus:
»Ihr nehmt mir meinen Rock, weil ich mich bemüht habe, Euch den Eurigen
zu erhalten.« Das Einzige was ihn bei der ganzen Ceremonie wirklich zu
betrüben schien, war der Augenblick als man ihm die Bibel aus der Hand
riß. Er sträubte sich schwach das heilige Buch herzugeben, küßte es und
brach in Thränen aus. »Die Hoffnungen, die ich ihm verdanke«, sagte er,
»könnt Ihr mir nicht rauben.« Es wurden einige Versuche gemacht, um den
Erlaß der Peitschenstrafe für ihn zu erwirken. Ein römisch-katholischer
Priester bot für die Summe von zweihundert Pfund seine Fürsprache an.
Das Geld würde aufgebracht und der Priester that sein Möglichstes, aber
vergebens. »Mr. Johnson«, sagte der König, »hat den Muth eines
Märtyrers, und er soll deshalb auch einer werden.« Wilhelm III. sagte
einige Jahre später von einem der giftigsten und unerschrockensten
Jakobiten: »Er hat sich vorgenommen ein Märtyrer zu werden, und ich habe
mir vorgenommen, seine Hoffnung zu vereiteln.« Diese beiden Äußerungen
würden allein hinreichen, um den großen Unterschied in dem Geschick der
beiden Fürsten zu erklären.

Der für die Auspeitschung festgesetzte Tag erschien. Man bediente sich
einer neunschwänzigen Katze und der Verurtheilte erhielt mit derselben
dreihundertsiebzehn Hiebe, ohne eine Miene zu verziehen. Er sagte
nachher, der Schmerz sei fürchterlich gewesen, aber er habe sich,
während er von dem Karren fortgezogen wurde, der Geduld erinnert, mit
der das Kreuz einst den Calvarienberg hinauf getragen ward, und dieser
Gedanke habe ihn so gestärkt, daß er, wenn er nicht befürchtet hätte,
sein Benehmen könnte als eitle Prahlerei ausgelegt werden, mit eben so
fester und freudiger Stimme als ob er sich im Kreise seiner Gemeinde
befände, einen Psalm gesungen haben würde. Man kann sich des Wunsches
nicht enthalten, daß ein solcher Heldenmuth weniger mit
Leidenschaftlichkeit und Unduldsamkeit hätte gepaart sein sollen.[116]

    [Anmerkung 116: Johnson's Lebensbeschreibung als Einleitung zu
    seinen Werken; +Secret History of the happy Revolution+, von Hugo
    Speke; +Collection of State Trials+; Citters, 23. Nov. (3. Dec.)
    1686. Citters giebt die beste Darstellung des Prozesses. Ich habe
    einen Bogen gesehen, der seine Erzählung bestätigt.]


[_Eifer der anglikanischen Geistlichkeit gegen den Papismus._] Unter den
anglikanischen Geistlichen fand Johnson keine Theilnahme. Er hatte den
Aufruhr zu rechtfertigen versucht, er hatte sogar eine Billigung des
Königsmordes angedeutet, und so viel sie auch beleidigt und gereizt
wurden, hielten sie doch noch immer fest an der Lehre vom
Nichtwiderstande. Aber sie sahen mit Schmerz und Besorgniß die
Fortschritte der Religion, die sie als einen schädlichen Aberglauben
betrachteten, und während sie jeden Gedanken an eine Vertheidigung ihres
Glaubens durch das Schwert aufgaben, griffen sie mannhaft zu Waffen
andrer Art.


[_Streitschriften._] Gegen die Irrthümer des Papstthums zu predigen,
betrachteten sie jetzt als eine Pflicht und eine Ehrensache. Die
Londoner Geistlichkeit, welche damals in Hinsicht des Talents und des
Einflusses obenan stand, gab ein Beispiel, das von ihren weniger
gebildeten Amtsbrüdern im ganzen Lande wacker nachgeahmt wurde. Hätten
nur einzelne kühne Männer sich diese Freiheit herausgenommen, so würden
sie wahrscheinlich sofort vor die kirchliche Commission citirt worden
sein; aber es war kaum möglich ein Vergehen zu bestrafen, das jeden
Sonntag von Tausenden von Geistlichen, von Barwick bis Penzance,
begangen wurde. Die Pressen von London, Oxford und Cambridge ruhten
keinen Augenblick. Das Gesetz, welches die literarischen Erscheinungen
einer Censur unterwarf, war kein ernstes Hinderniß für die Anstrengungen
der protestantischen Polemiker, denn es enthielt eine Ausnahmsbestimmung
zu Gunsten der beiden Universitäten und gestattete die Veröffentlichung
aller theologischen Werke, die der Erzbischof von Canterbury genehmigt
hatte. Es stand daher nicht in der Macht der Regierung, den
Vertheidigern der Staatskirche Schweigen zu gebieten. Sie bildeten eine
zahlreiche, unerschrockene und wohlgeordnete Schaar von Streitern und es
befanden sich unter ihnen ausgezeichnete Redner, erfahrene Dialectiker
und in den Schriften der Kirchenväter wie in allen Theilen der
Kirchengeschichte gründlich bewanderte Gelehrte. Einige von ihnen
kehrten später die furchtbaren Waffen, die sie gegen den gemeinsamen
Feind geschwungen hatten, gegen einander und brachten durch ihr heftiges
Streiten und ihr übermüthiges Triumphiren Schmach über die Kirche, die
sie gerettet hatten. Gegenwärtig aber bildeten sie eine fest
zusammenhaltende Phalanx. In erster Linie erblickte man eine Reihe
standhafter und geschickter Veteranen: Tillotson, Stillingfleet,
Sherlock, Prideaux, Whitby, Patrick, Tenison und Wake. Die
ausgezeichnetsten Baccalaureen der Philosophie, deren Studienziel die
Diakonatsweihe war, bildeten die Nachhut. Unter den Kämpfern, welche
Cambridge ins Feld stellte, ragte einer der vorzüglichsten Schüler des
großen Newton hervor, Heinrich Wharton, der einige Monate früher der
beste Disputant seines Jahrescursus gewesen war und dessen bald darauf
erfolgender frühzeitiger Tod von allen Parteien als ein unersetzlicher
Verlust für die Wissenschaft beklagt wurde.[117] Oxford war nicht minder
stolz auf einen jungen Mann, der sein großes Talent in diesem Streite
zum ersten Male versuchte und der nachher vierzig ereignisvolle Jahre
hindurch Kirche und Staat beunruhigte: Franz Atterbury. Von solchen
Männern wurde jede Streitfrage zwischen den Papisten und den
Protestanten bald in einem populären Style, den jeder Knabe und jede
Frau verstehen konnte, bald mit der scharfsinnigsten Logik, bald mit
einem ungeheuren Aufwand von Gelehrsamkeit erörtert. Die Anmaßungen des
heiligen Stuhles, die Autorität der Überlieferungen, das Fegefeuer, die
Transsubstantiation, das Meßopfer, die Anbetung der Hostie, die
Verweigerung des Kelches an Laien, die Beichte, die Buße, der Ablaß, die
letzte Ölung, die Anrufung der Heiligen, die Anbetung von Bildern, der
Cölibat der Geistlichen, die Klostergelübde, die Anwendung einer dem
Volke nicht verständlichen Sprache beim öffentlichen Gottesdienste, die
Verderbtheit des römischen Hofes, die Geschichte der Reformation, der
Character der wichtigsten Reformatoren: dies Alles wurde ausführlich
erörtert. Eine große Anzahl abgeschmackter Sagen von Wundern, welche
Heilige und Reliquien bewirkt, wurden aus dem Italienischen übersetzt
und als Belege für den Pfaffentrug, der den größten Theil der
Christenheit genarrt, veröffentlicht. Von den Schriften, welche von
anglikanischen Geistlichen während der kurzen Regierung Jakob's II.
erschienen, sind wahrscheinlich viele verloren gegangen. Diejenigen, von
denen sich in unseren großen Bibliotheken noch Exemplare befinden,
bilden eine Masse von nahe an zwanzigtausend Seiten.[118]

    [Anmerkung 117: Siehe die Vorrede zu Heinrich Wharton's
    hinterlassenen Predigten.]

    [Anmerkung 118: Dies kann ich aus meinen eigenen Nachforschungen
    bestätigen. Im Britischen Museum befindet sich eine vorzügliche
    Sammlung. Birch sagt uns in seiner Lebensbeschreibung Tillotson's,
    daß der Erzbischof Wake nicht einmal im Stande gewesen sei, einen
    vollständigen Katalog aller in dieser Streitsache erschienenen
    Schriften anzufertigen.]


[_Die römisch-katholischen Theologen besiegt._] Die römischen Katholiken
ließen sich nicht ohne Widerstand besiegen. Einer von ihnen, Namens
Heinrich Hill, war zum Buchdrucker des königlichen Hauses und der
Hofkapelle ernannt und vom Könige an die Spitze einer großen Officin in
London gestellt worden, aus der Hunderte von theologischen Abhandlungen
hervorgingen. Obadja Walker's Presse in Oxford war nicht weniger thätig.
Aus diesen Anstalten ging jedoch außer einigen schlechten Übersetzungen
der herrlichen Werke Bossuet's nichts hervor, was nur den geringsten
Werth gehabt hätte. Kein verständiger und wahrheitsliebender Katholik
konnte in der That leugnen, daß die Vorkämpfer seiner Kirche in jedem
Talent und Wissen vollständig besiegt waren. Den fähigsten von ihnen
würde von der andren Seite kaum der dritte Rang eingeräumt worden sein.
Viele von ihnen wußten das was sie sagen wollten, nicht auf die rechte
Weise zu sagen. Sie waren wegen ihres Glaubens von den englischen
Schulen und Universitäten ausgeschlossen gewesen und hatten bis zur
Thronbesteigung Jakob's England nie als einen angenehmen oder auch nur
sicheren Aufenthalt betrachtet. Daher hatten sie den größten Theil ihres
Lebens auf dem Continente zugebracht und ihre Muttersprache fast völlig
verlernt. Wenn sie predigten, erregte ihr ausländischer Accent das
spöttische Lächeln der Zuhörer und ihre Orthographie glich der der
Waschweiber. Ihre Sprache war durch ausländische Redensarten entstellt
und wollten sie einmal recht beredtsam sein, so ahmten sie so gut sie
konnten den Styl nach, der auf den italienischen Akademien, deren
Rhetorik den höchsten Grad der Verderbtheit erreicht hatte, für schön
galt. Disputanten, welche mit solchen Nachtheilen zu kämpfen hatten,
würden selbst wenn sie die Wahrheit auf ihrer Seite gehabt hätten, kaum
im Stande gewesen sein, Männern die Spitze zu bieten, deren Styl sich
durch einfache Reinheit und Eleganz in hohem Grade auszeichnete.[119]

Die Lage Englands im Jahre 1686 kann nicht besser geschildert werden,
als mit den Worten des französischen Gesandten. »Die Unzufriedenheit,«
schrieb er, »ist groß und allgemein, aber die Furcht vor noch
schlimmeren Übeln hält Jeden zurück, der etwas zu verlieren hat. Der
König äußert unverhohlen seine Freude darüber, daß er sich in der Lage
befindet, kühne Streiche führen zu können. Er hört es gern, wenn man ihm
dazu gratulirt. Er hat mit mir darüber gesprochen und mir versichert,
daß er nicht nachgeben wird.«[120]

    [Anmerkung 119: Kardinal Howard sprach sich in Rom gegen Burnet
    sehr streng über diesen Gegenstand aus. (Burnet I. 662.) Eine
    interessante Stelle ähnlichen Inhalts findet sich auch in einer
    Depesche von Barillon, aber ich habe die Nachweisung verlegt.

    Einer der katholischen Geistlichen, die an dieser Polemik Theil
    nahmen, ein Jesuit, Namens Andreas Pulton, den Oliver in seiner
    Geschichte des Ordens für einen Mann von ausgezeichneter
    Befähigung erklärt, gesteht seine Mängel selbst offen ein: »Da
    A. P. achtzehn Jahre außerhalb seines Vaterlandes zugebracht hat,
    so macht er auf Vollkommenheit in der englischen Ausdrucksweise
    und Rechtschreibung noch keinen Anspruch.« Seine Orthographie ist
    in der That erbärmlich; in einem seiner Briefe schreibt er
    +wright+ für +write+ und +woed+ für +would+. Er forderte Tenison
    auf, lateinisch mit ihm zu diputiren, damit sie mit gleichen
    Waffen kämpften. In einer zeitgenössischen Satire, betitelt +»The
    Advice«+ finden sich folgende zwei Zeilen:

      Laßt Pulton in Busby's Schule die Ruthe geben,
      Damit er sich im Druck nicht mehr zum Narren macht.

    Ein andrer römischer Katholik, Namens Wilhelm Clench, schrieb eine
    Abhandlung über die Suprematie des Papstes und widmete sie der
    Königin in italienischer Sprache. Folgende Probe seines Styls mag
    genügen: +»O del sagro marito fortunata consorte! O dolce
    alleviamento d'affari alti! O grata ristoro di pensieri noiosi,
    nil cui pello latteo, lucente specchio d'illibata matronal
    pudicizia, nil cui seno odorato, como in porto d'amor, si ritira
    il Giacomo! O beata regia coppia! O felice incerto tra
    l'invincibil iconi e le candide aquile!«+

    Clench's Englisch ist nicht besser wie sein Toskanisch. Zum
    Beispiel: +»Peter signifies an inexpugnable rock, able to evacuate
    all the plots of hell's divan, and naufragate all the lurid
    designs of empoisoned heretics.«+ Eine andre katholische Schrift,
    betitelt: +The Church of England truly represented+, beginnt damit
    uns zu sagen, »daß das Irrlicht der Reformation, das durch viele
    Plünderungen und Räubereien zu einem Kometen angewachsen,
    gereinigt von dem Schmutze, den es zwischen den Alpenseen
    angenommen habe, in England eingeführt worden sei.«]

    [Anmerkung 120: Barillon, 19.(29.) Juli 1686.]


[_Zustand Schottlands._] Mittlerweile waren in anderen Theilen des
Reichs Ereignisse von ernster Wichtigkeit eingetreten. Die Lage der
bischöflichen Protestanten Schottlands war von der ihrer englischen
Glaubensbrüder weit verschieden. Im Süden der Insel war die
Staatsreligion auch die Volksreligion und besaß eine von der
Unterstützung der Regierung völlig unabhängige Kraft. Die aufrichtigen
Conformisten waren viel zahlreicher als die Papisten und die
protestantischen Dissenters zusammengenommen. Die Landeskirche
Schottlands war die Kirche einer kleinen Minorität. Die Bevölkerung des
Niederlandes hielt zum größten Theil fest an der presbyterianischen
Kirchenverfassung. Die große Masse der schottischen Protestanten
verabscheute das Prälatenthum als eine schriftwidrige und zugleich
ausländische Einrichtung. Die Schüler Knox' betrachteten es als ein
Überbleibsel von den Gräueln des großen Babylon. Es erinnerte ein auf
das Andenken Wallace's und Bruce's stolzes Volk schmerzlich daran, daß
Schottland, seitdem seinen Herrschern ein schöneres Erbtheil zugefallen,
nur noch dem Namen nach unabhängig sei. Auch stand die bischöfliche
Verfassung in den Augen des Volks mit allen den Übeln, welche eine
fünfundzwanzigjährige schlechte und grausame Verwaltung heraufbeschworen
hatte, in der engsten Verbindung. Dennoch erhielt sich diese Verfassung,
wenn auch auf einer schmalen Grundlage und unter furchtbaren Stürmen,
noch immer aufrecht; sie schwankte zwar zuweilen, wurde aber durch die
weltliche Obrigkeit gestützt und verließ sich bei eintretender ernster
Gefahr auf die Macht Englands. Die Archive des schottischen Parlaments
wimmeln von Gesetzen, welche Denen mit Strafe drohen, die in irgend
einer Richtung die vorgezeichnete Grenze überschritten. Nach einem zu
Knox' Zeiten erlassenen Gesetze, das ganz seinen Geist athmete, war es
ein schweres Vergehen, die Messe zu hören und im zweiten
Wiederholungsfalle war es ein Kapitalverbrechen.[121] Eine neuerdings
auf Andringen Jakob's erlassene Verordnung setzte die Todesstrafe auf
das Predigen in irgend einem presbyterianischen Conventikel und sogar
auf den bloßen Versuch eines solchen unter freiem Himmel abgehaltenen
Conventikels.[122] Das heilige Abendmahl war zwar nicht, wie in England,
zu einem bürgerlichen Prüfstein herabgewürdigt worden; aber es konnte
Niemand ein Amt bekleiden, im Parlament sitzen, oder nur an der Wahl
eines Mitgliedes theilnehmen, ohne an Eidesstatt eine Erklärung zu
unterschreiben, welche in den stärksten Ausdrücken die Grundsätze der
Papisten wie der Covenanters verdammte.[123]

    [Anmerkung 121: Parlamentsacten vom 24. Aug. 1560 u. 15. Dec.
    1567.]

    [Anmerkung 122: Desgl. vom 8. Mai 1685.]

    [Anmerkung 123: Desgl. vom 31. Aug. 1681.]


[_Queensberry._] Im schottischen Geheimen Rathe gab es zwei Parteien,
welche Denen entsprachen, die in Whitehall einander kämpfend
gegenüberstanden. Wilhelm Douglas, Herzog von Queensberry, war
Lordschatzmeister und wurde seit einigen Jahren als erster Minister
betrachtet. Er war durch Verwandtschaft, durch Ähnlichkeit der Meinungen
und durch Ähnlichkeit des Characters mit dem Schatzmeister Englands eng
verbunden. Beide waren Tories; Beide hatten ein heißblütiges Temperament
und starke Vorurtheile; Beide waren bereit, ihren Gebieter bei jedem
Angriff auf die bürgerlichen Freiheiten seines Volks zu unterstützen;
Beide waren aufrichtige Anhänger der Staatskirche. Queensberry hatte dem
Hofe in Zeiten angekündigt, daß er sich an keiner Neuerung betheiligen
könne, die etwa in Betreff dieser Kirche beabsichtigt werden dürfte.
Dagegen befanden sich unter seinen Collegen einige ebenso grundsatzlose
Männer als Sunderland. Der Geheime Rath von Edinburg war in der That ein
Vierteljahrhundert lang eine Pflanzschule aller öffentlichen und
Privatlaster und einige von den Staatsmännern, deren Character dort
gebildet war, besaßen eine Hartherzigkeit und einen Starrsinn, von denen
Westminster selbst in jener schlimmen Zeit kaum ähnliche Beispiele
aufweisen konnte.


[_Abfall Perth's und Melfort's._] Der Kanzler, Jakob Drummond, Earl von
Perth, und sein Bruder, der Staatssekretär Johann Lord Melfort, suchten
Queensberry zu verdrängen. Der Kanzler hatte bereits ein unbestreitbares
Recht auf die königliche Gunst. Er hatte eine kleine stählerne
Daumenschraube eingeführt, welche so fürchterliche Schmerzen
verursachte, daß sie schon Männern, bei denen Seiner Majestät
Lieblingsinstrument, der spanische Stiefel, vergebens angewendet worden
war, Geständnisse abgepreßt hatte.[124] Aber es war wohl bekannt, daß
selbst die Grausamkeit kein so sicherer Weg zu Jakob's Herzen war als
Abfall vom Glauben. Zu diesem nahmen daher Perth und Melfort mit einer
frechen Gemeinheit, der kein englischer Staatsmann gleichzukommen hoffen
durfte, ihre Zuflucht. Sie erklärten, daß die in der Cassette Karl's II.
gefundenen Papiere sie Beide zum wahren Glauben bekehrt hätten und sie
begannen zu beichten und die Messe zu hören.[125] Wie wenig die
Überzeugung mit Perth's Religionswechsel zu thun hatte, bewies er
deutlich, indem er wenige Wochen später in directem Widerspruch mit den
Vorschriften der Kirche, in deren Schooß er eben erst übergetreten war,
seine leibliche Cousine zur Gattin nahm, ohne eine Dispensation
abzuwarten. Als der gute Papst dies erfuhr, sagte er mit wohlbegründeter
Verachtung und Entrüstung, dies sei eine sonderbare Bekehrung.[126]
Jakob aber war leichter zufrieden zu stellen. Die beiden Renegaten
stellten sich ihm in Whitehall vor und empfingen so warme Versicherungen
seiner Gunst, daß sie es wagten, directe Beschuldigungen gegen den
Schatzmeister zu erheben. Die Grundlosigkeit dieser Beschuldigungen war
jedoch so in die Augen springend, daß Jakob sich genöthigt sah, den
verklagten Minister freizusprechen, und Viele waren der Meinung, daß der
Kanzler durch seinen boshaften Eifer, seinen Nebenbuhler zu stürzen,
sich selbst gestürzt habe. Einige Andere urtheilten richtiger. Halifax,
gegen den Perth einige Besorgniß äußerte, antwortete spöttisch lächelnd,
es habe keine Gefahr. »Sei guten Muths, Mylord,« setzte er hinzu; »Dein
Glaube hat Dir geholfen.« Die Prophezeiung bestätigte sich, Perth und
Melfort kehrten als die wahren Oberhäupter der Regierung ihres
Vaterlandes nach Edinburg zurück.[127] Noch ein andres Mitglied des
schottischen Geheimen Rathes, Alexander Stuart, Earl von Murray,
Nachkomme und Erbe des Regenten, schwor ebenfalls den Glauben ab, dessen
erster Vorkämpfer sein erlauchter Ahnherr gewesen war, und erklärte sich
zum Mitgliede der römischen Kirche. So ergeben Queensberry von jeher der
Sache der Hoheitsrechte gewesen war, gegen Nebenbuhler, welche bereit
waren, die Gunst des Hofes um solchen Preis zu verkaufen, konnte er sich
nicht behaupten. Er mußte eine Reihe von Kränkungen und Demüthigungen
ertragen, ähnlich denen, welche um die nämliche Zeit seinem Freunde
Rochester das Leben zu verbittern begannen.

    [Anmerkung 124: +Burnet, I. 584.+]

    [Anmerkung 125: +Ibid. I. 652, 653.+]

    [Anmerkung 126: +Ibid. I. 678.+]

    [Anmerkung 127: +Burnet, I. 653.+]


[_Begünstigung der katholischen Religion in Schottland._] Es erschienen
königliche Erlasse, welche die Papisten ermächtigten, Ämter zu
bekleiden, ohne den Testeid zu leisten, und die Geistlichkeit erhielt
strengen Befehl, sich in ihren Predigten aller Reflexionen über den
römisch-katholischen Glauben zu enthalten. Der Kanzler nahm es auf sich,
zu den wenigen Buchdruckern und Buchhändlern, die sich damals in
Edinburg befanden, die Diener des Geheimen Raths mit dem Befehle zu
senden, kein Werk ohne seine Genehmigung zu veröffentlichen. Man wußte
sehr wohl, daß dieser Befehl bezweckte, die Verbreitung protestantischer
Schriften zu verhindern. Ein achtbarer Buchhändler sagte den Boten, daß
er in seinem Laden ein Buch habe, das sich in sehr harten Worten über
den Papismus äußere, und fragte, ob er es verkaufen dürfe. Sie
verlangten es zu sehen, und er zeigte ihnen eine Bibel.[128] Eine ganze
Schiffsladung Heiligenbilder, Rosenkränze, Kreuze und Rauchfässer
langten unter der Adresse des Lord Perth in Leith an. Die Einfuhr
solcher Artikel war seit geraumer Zeit verboten gewesen; jetzt aber
ließen die Zollbeamten diese Zierrathen und Geschirre des Aberglaubens
passiren.[129]

    [Anmerkung 128: Fountainhall, 28. Jan. 1685/86.]

    [Anmerkung 129: +Ibid. 11. Jan. 1685/86.+]


[_Aufstände in Edinburg._] Bald darauf erfuhr man, daß im Hause des
Kanzlers eine papistische Kapelle eingerichtet worden war und daß
regelmäßig Messe darin gelesen wurde. Der Pöbel stand auf und griff das
Gebäude an, in welchem der Götzendienst gefeiert ward. Die eisernen
Fenstergitter wurden herausgerissen und Lady Perth nebst einigen
Freundinnen wurden mit Koth beworfen. Einer der Ruhestörer wurde
ergriffen und der Geheime Rath befahl, ihn auspeitschen zu lassen. Seine
Kameraden aber befreiten ihn und prügelten den Henker. Die Stadt war die
ganze Nacht in Aufruhr. Die Studenten der Universität mischten sich
unter den Haufen und reizten ihn zum Tumult auf. Eifrige Bürger tranken
auf die Gesundheit der studirenden Jugend und auf den Untergang der
Papisten und ermuthigten einander zum Widerstand gegen die Truppen.
Diese standen bereits unter den Waffen. Unter ihnen zeichnete sich
besonders aus das Dragonerregiment Claverhouse's, der Schrecken und
Abscheu von ganz Schottland. Sie wurden mit einem Steinhagel empfangen,
der einen Offizier verwundete. Alsbald erfolgte der Befehl zum Feuern,
und es fielen mehrere Bürger. Der Aufruhr war ernst; aber die von
Rachsucht und Ehrgeiz entflammten Gebrüder Drummond schilderten ihn
maßlos übertrieben. Queensberry bemerkte, daß ihre Berichte einen Jeden,
der nicht Augenzeuge gewesen war, zu dem Glauben bringen mußten, es habe
in Edinburg ein eben so furchtbarer Aufstand wie der des Masaniello
gewüthet. Sie dagegen beschuldigten ihn nicht nur, daß er das Verbrechen
der Aufrührer zu gering anschlage, sondern sogar, daß er es gefördert
habe, und boten Alles auf, um einen Beweis für seine Schuld zu erlangen.
Einem der verhafteten Rädelsführer wurde seine Begnadigung angeboten,
wenn er gestehen wolle, daß Queensberry ihn aufgehetzt habe; aber die
nämliche religiöse Begeisterung, welche den unglücklichen Gefangenen zu
verbrecherischer Gewaltthat getrieben, hielt ihn ab, sein Leben durch
eine Verleumdung zu erkaufen. Er und mehrere seiner Mitschuldigen wurden
gehängt. Ein Soldat, der während des Kampfes ausgerufen haben sollte, er
möchte sein Schwert lieber einem Papisten durch den Leib stoßen, wurde
erschossen. So war die Ruhe in Edinburg wieder hergestellt, aber die
Verurtheilten wurden als Märtyrer betrachtet und der papistische Kanzler
wurde der Gegenstand eines tödtlichen Hasses, der in nicht langer Zeit
reichliche Befriedigung finden sollte.[130]

    [Anmerkung 130: Fountainhall, 31. Jan. u. 1. Feb. 1685/86;
    +Burnet, I. 678+; Prozesse David Mowbray's und Alexander Keith's
    in der +Collection of State Trials+; Bonrepaux, 11.(21.) Feb.]


[_Zorn des Königs._] Der König war höchlich entrüstet. Er erhielt die
Nachricht von dem Aufstande in dem Augenblicke, als es der Königin mit
Hülfe der Jesuiten eben gelungen war, über Lady Dorchester und ihre
protestantischen Verbündeten zu triumphiren. Er sagte, die Unzufriedenen
sollten erfahren, daß die Auflehnung gegen seinen Willen keine andre
Wirkung habe, als ihn noch entschlossener zu machen.[131] Er sandte an
den schottischen Geheimen Rath den Befehl, die Schuldigen mit der
äußersten Strenge zu bestrafen und mit der Anwendung des spanischen
Stiefels nicht sparsam zu sein.[132] Er stellte sich als ob er von der
Unschuld des Schatzmeisters vollkommen überzeugt sei und schrieb einen
sehr freundlichen Brief an ihn; aber die freundlichen Worte waren von
unfreundlichen Handlungen begleitet. Die Verwaltung des schottischen
Schatzamts wurde trotz der ernsten Gegenvorstellungen Rochester's, der
das Schicksal seines Verwandten wahrscheinlich für einen Vorläufer
seines eignen hielt, einer Commission übertragen.[133] Allerdings wurde
Queensberry zum ersten Commissar und zum Präsidenten des Geheimen Raths
ernannt, aber sein Fall blieb trotz dieses lindernden Balsams immer ein
Fall. Auch wurde er seines Postens als Commandant des Schlosses von
Edinburg enthoben und sein Nachfolger in diesem Vertrauensposten war der
Herzog von Gordon, ein römischer Katholik.[134]

    [Anmerkung 131: Ludwig an Barillon, 18.(28.) Febr. 1686.]

    [Anmerkung 132: Fountainhall, 16. Feb.; +Wodrow, III. X. 3.+ »Wir
    verlangen,« geruhten Seine Majestät zu schreiben, »daß Sie kein
    gesetzliches Verhörmittel, wie Folter und andere, sparen.«]

    [Anmerkung 133: Bonrepaux, 18.(28.) Feb. 1686.]

    [Anmerkung 134: Fountainhall, 11. März 1686; Adda, 1.(11.) März.]


[_Seine Pläne in Betreff Schottlands._] Jetzt kam ein Schreiben aus
London, welches dem schottischen Geheimen Rathe die Absichten des Königs
klar vor Augen legte. Es war sein Wille, daß alle römischen Katholiken
von der Wirkung der Gesetze, welche wegen Nichtconformität Strafen und
Ausschließungen verhängten, befreit sein und daß dagegen die
Verfolgungen gegen die Covenanters ohne Milderung fortgesetzt werden
sollten.[135] Dieser Plan stieß im Geheimen Rathe auf kräftigen
Widerstand. Einige Mitglieder wollten von einer Lockerung der
bestehenden Gesetze nichts wissen. Andere waren zwar einer solchen
Lockerung nicht abgeneigt, aber sie sahen doch ein, daß es unerhört sein
würde, römische Katholiken zu den höchsten Ehrenämtern zuzulassen und
dabei das Gesetz aufrecht zu erhalten, welches den Besuch
presbyterianischer Conventikel mit dem Tode bestrafte. Die Antwort des
Raths lautete daher nicht so unterwürfig als gewöhnlich. Der König gab
in seiner Rückäußerung seinen pflichtvergessenen Räthen einen scharfen
Verweis und entbot drei von ihnen, den Herzog von Hamilton, Sir Georg
Lockhardt und General Drummond, zu sich nach Westminster.

    [Anmerkung 135: Dieser Brief ist vom 4. März 1686.]


[_Eine Deputation schottischer Geheimräthe begiebt sich nach London._]
Hamilton's Talente und Kenntnisse waren zwar keineswegs so bedeutend,
daß sie einem Unbekannten genügt haben würden, um sich zu einer hohen
Stellung emporzuschwingen, erschienen aber immerhin bei einem Manne, der
erster Peer von Schottland war, sehr achtungswerth. Lockhardt hatte
lange für einen der ersten Juristen, Logiker und Redner gegolten, die
sein Vaterland hervorgebracht, und genoß dabei das Ansehen, welches
große Besitzungen verleihen, denn er hatte ein so bedeutendes Vermögen,
wie es damals nur sehr wenige schottische Edelleute besaßen.[136] Er war
unlängst zum Präsidenten des Sessionsgerichtshofes[137] ernannt worden.
Drummond, ein jüngerer Bruder Perth's und Melfort's, war Commandant der
in Schottland stehenden Truppen. Er war ein leichtfertiger und weltlich
gesinnter Mann, aber ein gewisses Ehrgefühl, das seinen beiden Brüdern
fehlte, hielt ihn vom öffentlichen Glaubensabfall zurück. Er lebte und
starb -- wie einer seiner Landsleute sich sehr bezeichnend ausdrückt --
als ein schlechter Christ, aber als guter Protestant.[138]

Jakob gefiel die ehrerbietige Sprache der drei Räthe, als sie zuerst vor
ihm erschienen. Er äußerte sich gegen Barillon sehr günstig über sie und
rühmte besonders Lockhardt als den talentvollsten und beredtesten aller
lebenden Schotten. Doch bald zeigten sie sich minder gefügig, als man
von ihnen erwartet hatte, und es hieß bei Hofe, daß sie durch die
Gesellschaft, mit der sie in London verkehrt hatten, verdorben worden
seien. Hamilton ging viel mit eifrigen Anhängern der Staatskirche um,
und es stand zu befürchten, daß Lockhardt in Folge seiner Verwandtschaft
mit der Familie Wharton in noch schlimmere Gesellschaft gerathen sei. Es
war in der That wohl natürlich, daß die ernste und beharrliche, aber
dabei Maß haltende Unzufriedenheit, welche England durchdrang, auf
Staatsmänner, welche eben aus einem Lande kamen, wo die Opposition in
andrer Form als in der des Aufruhrs seit langer Zeit fast unbekannt und
wo Alles entweder gesetzlose Wuth oder kriechende Unterwürfigkeit war,
einen tiefen Eindruck machte und daß sie ermuthigt werden mußten, es mit
dem verfassungsmäßigen Widerstande gegen den königlichen Willen zu
versuchen. Zwar erklärten sie sich bereit, den römischen Katholiken
große Erleichterungen zu gewähren, aber nur unter zwei Bedingungen:
erstens daß eine ähnliche Nachsicht auch auf die calvinistischen
Sectirer ausgedehnt werde, und zweitens daß sich der König durch ein
feierliches Versprechen verpflichte, nichts zum Nachtheile der
protestantischen Religion zu unternehmen.

    [Anmerkung 136: Barillon, 19.(29.) April 1686; +Burnet, I. 370.+]

    [Anmerkung 137: +Court of session+, der höchste schottische
    Civilgerichtshof, dem englischen +Court of Chancery+ und +Court of
    Common Pleas+ entsprechend.      D. Übers.]

    [Anmerkung 138: Die Worte finden sich in einem Briefe von
    Johnstone an Waristoun.]


[_Ihre Unterhandlungen mit dem Könige._] Beide Bedingungen waren
durchaus nicht nach Jakob's Sinne. Nach einem mehrtägigen Streite
verstand er sich indessen mit Widerstreben dazu, den Presbyterianern
einige Duldung zu gewährleisten; die volle Freiheit aber, die er für
Mitglieder seiner Kirche beanspruchte, wollte er ihnen unter keinen
Umständen bewilligen.[139] Auf die zweite Bedingung, welche die
schottischen Räthe stellten, weigerte er sich entschieden einzugehen. Er
sagte, die protestantische Religion sei eine falsche und er könne
durchaus nicht versprechen, daß er seine Macht nicht zum Nachtheile
einer falschen Religion anwenden werde. Die Unterhandlungen über diesen
Punkt dauerten lange und führten zu keinem für irgend eine der beiden
Parteien befriedigenden Ergebnisse.[140]

    [Anmerkung 139: Einige Worte von Barillon verdienen angeführt zu
    werden. Sie würden allein schon genügen, um eine Frage zu
    entscheiden, zu deren Verwirrung Unwissenheit und Parteigeist viel
    beigetragen haben. +»Cette liberté accordée aux nonconformistes a
    faite une grande difficulté, et a été débattue pendant plusieurs
    jours. Le Roy d'Angleterre avoit fort envie que les Catholiques
    eussent seuls la liberté de l'exercice de leur réligion.«+
    19.(29.) April 1686.]

    [Anmerkung 140: Barillon, 19.(29.) April; Citters, 13.(23.),
    20.(30.) April u. 9.(19.) Mai.]


[_Zusammentritt der schottischen Stände._] Inzwischen rückte die zum
Zusammentritt der schottischen Stände festgesetzte Zeit heran, und die
drei Räthe mußten daher London verlassen, um ihren parlamentarischen
Pflichten in Edinburg nachzukommen. Bei dieser Gelegenheit erfuhr
Queensberry eine neue Kränkung. In der letzten Session hatte er als
Lordobercommissar fungirt und als solcher die Majestät des abwesenden
Königs vertreten. Diese Würde, die höchste, nach der ein schottischer
Edelmann streben konnte, wurde jetzt dem Renegaten Murray übertragen.


[_Sie zeigen sich widerspenstig._] Am 29. April eröffnete das Parlament
in Edinburg seine Sitzungen. Es wurde ein Schreiben des Königs verlesen,
worin er die Stände ermahnte, seinen römisch-katholischen Unterthanen
Erleichterungen zu verschaffen, und ihnen dafür freien Handel mit
England und eine Amnestie für politische Vergehen anbot. Es wurde ein
Ausschuß ernannt, um die Antwort zu entwerfen. Dieser Ausschuß, obgleich
von Murray selbst ernannt und aus Geheimen Räthen und Höflingen
zusammengesetzt, entwarf eine Erwiederung, die zwar voll Versicherungen
der Pflichttreue und Ehrerbietung war, aber bei alledem unverkennbar den
Entschluß verrieth, dem Verlangen des Königs nicht zu entsprechen. Die
Stände, hieß es darin, würden, so weit als ihr Gewissen es ihnen
gestatte, den Wünschen Seiner Majestät in Betreff seiner
römisch-katholischen Unterthanen entgegenkommen. Diese Ausdrücke
befriedigten den Kanzler durchaus nicht, aber er mußte sich damit
begnügen und es kostete ihm sogar einige Mühe, das Parlament zur Annahme
derselben zu überreden. Einige eifrige Protestanten erhoben Einwürfe
gegen die Erwähnung des römisch-katholischen Glaubens. Es gebe gar keine
solche Religion, meinten sie, sondern es gebe nur einen
götzendienerischen Abfall, den die Gesetze mit dem Stricke bestraften
und dem christliche Männer keinen beschönigenden Namen geben dürften.
Einen solchen Afterglauben Katholicismus nennen, hieße die ganze Frage,
welche zwischen Rom und der reformirten Kirche schwebe, aufgeben. Das
Anerbieten des freien Handelsverkehrs mit England wurde als eine
schimpfliche Beleidigung angesehen. »Unsere Väter,« sagte einer der
Redner, »verkauften ihren König für sündliches Gold und die Schmach
jenes abscheulichen Handels ist noch nicht verwischt. Man soll nicht von
uns sagen, daß wir unsren Gott verschachert haben!« Sir Johann Lauder
von Fountainhall, einer der Senatoren des Justizcollegiums, schlug die
Worte vor: »die Personen, welche gewöhnlich römische Katholiken genannt
werden.« -- »Wollen Sie Seiner Majestät einen Spottnamen geben?« rief
der Kanzler. Die vom Ausschuß entworfene Antwort wurde angenommen, aber
eine bedeutende und achtbare Minorität stimmte gegen die vorgeschlagenen
Worte als zu höfisch.[141] Es wurde bemerkt, daß die Abgeordneten der
Städte fast einhellig gegen die Regierung waren. Bisher waren, diese
Mitglieder im Parlament von geringer Bedeutung gewesen und nur als der
Schweif mächtiger Edelleute betrachtet worden. Jetzt zeigten sie zum
ersten Male eine Unabhängigkeit, eine Entschiedenheit und einen
Gemeingeist, welche den Hof beunruhigten.[142]

Die Antwort mißfiel Jakob dermaßen, daß er den Abdruck derselben in der
Gazette nicht gestattete. Er sollte bald erfahren, daß ein Gesetz, wie
er es angenommen zu sehen wünschte, nicht einmal vorgeschlagen werden
würde. Die Artikel-Lords, denen es oblag, die Gesetze zu entwerfen, über
welche die Stände nachher zu berathen hatten, waren thatsächlich von ihm
selbst ernannt, aber sogar sie zeigten sich widerspenstig. Als sie sich
versammelten, traten die kürzlich von London zurückgekommenen drei Räthe
an die Spitze der Opposition gegen den königlichen Willen. Hamilton
erklärte geradezu, er könne nicht thun, was verlangt werde; er sei ein
treuer und loyaler Unterthan, aber das Gewissen ziehe eine Grenze.
»Gewissen?« rief der Kanzler; »Gewissen ist ein unbestimmtes Wort, das
Alles und auch Nichts bedeutet.« -- »Wenn das Gewissen,« fiel Lockhardt
ein, der als Abgeordneter der großen Grafschaft Lanark im Parlamente
saß, »ein leeres Wort ist, so wollen wir es mit einem andren Ausdruck
vertauschen, der hoffentlich etwas bedeutet. Lassen Sie uns dafür sagen;
Die Grundgesetze Schottlands.« Diese Worte veranlaßten eine heftige
Debatte. General Drummond, welcher Perthshire vertrat, erklärte sich mit
Hamilton und Lockhardt einverstanden, und die meisten der anwesenden
Bischöfe traten auf die nämliche Seite.[143]

Es war klar, daß Jakob selbst im Artikel-Ausschuß über keine Majorität
zu gebieten hatte. Die Nachricht verdroß und reizte ihn. Er führte eine
heftige und drohende Sprache und bestrafte einige seiner widerspenstigen
Diener in der Hoffnung, daß die übrigen es sich würden zur Warnung
dienen lassen. Mehrere Mitglieder des Raths wurden entlassen und
mehreren wurden Gehalte entzogen, welche einen großen Theil ihres
Einkommens bildeten. Das ausgezeichnetste Opfer war Sir Mackenzie von
Rosehaugh. Er hatte lange das Amt des Lordadvokaten bekleidet und an den
Verfolgungen der Covenanters einen solchen Antheil genommen, daß er noch
heutigen Tages in den Augen des ernsten und gottesfürchtigen
schottischen Landvolks eine Stelle einnimmt, welche von der nicht
beneidenswerthen Höhe Claverhouse's nicht weit entfernt ist. Mackenzie's
juristische Kenntnisse waren nicht die glänzendsten, aber als Gelehrter,
als Schöngeist und als Redner stand er bei seinen Landsleuten in hohem
Ansehen, und sein Ruf hatte sich in die Londoner Kaffeehäuser und in
die Oxforder Kreuzgänge verbreitet. Die noch vorhandenen gerichtlichen
Vorträge von ihm beweisen, daß er ein talentvoller Mann war; nur
werden sie durch etwas beeinträchtigt, was er wahrscheinlich für
ciceronischen Schwung hielt, durch Interjectionen, welche mehr Kunst
als Leidenschaft verrathen, und durch weitschweifige Umschreibungen,
in denen sich Epipheta über Epipheta zu einem ermüdenden Klimax
aufeinanderhäufen. Jetzt hatte er sich zum ersten Male bedenklich
gezeigt und wurde deshalb trotz seiner Ansprüche auf den Dank der
Regierung seines Amtes entsetzt. Er zog sich aufs Land zurück und ging
bald darauf nach London, um sich zu rechtfertigen, wurde aber vom Könige
nicht vorgelassen[144]. Während der König es auf diese Weise versuchte,
die Artikel-Lords durch Einschüchterung zum Gehorsam zu zwingen,
ermuthigte sie die öffentliche Meinung zur Beharrlichkeit. Die äußersten
Anstrengungen des Kanzlers konnten es nicht verhindern, daß das
Nationalgefühl sich auf der Kanzel und durch die Presse äußerte. Eine
Abhandlung, die in so kühnem und scharfem Tone gehalten war, daß kein
Buchdrucker den Druck derselben zu übernehmen wagte, wurde im Manuscript
weitverbreitet. Die auf der entgegengesetzten Seite erscheinenden
Schriften hatten bei weitem geringere Wirkung, obgleich sie auf
Staatskosten verbreitet wurden und obgleich den schottischen
Vertheidigern der Regierung ein sehr einflußreicher englischer
Bundesgenosse zur Seite stand: Lestrange, der nach Edinburg geschickt
worden war und Gemächer in Holyrood House bewohnte.[145]

Nach einer dreiwöchentlichen Debatte kamen die Lords der Artikel endlich
zu einem Entschlusse. Sie schlugen vor, daß es den römischen Katholiken
erlaubt sein sollte, ihren Gottesdienst in Privathäusern abzuhalten;
aber es zeigte sich bald, daß selbst diese Maßregel, soweit sie auch
hinter den Forderungen und Erwartungen des Königs zurückblieb, von den
Ständen entweder gar nicht oder doch nur mit starken Beschränkungen und
Modificationen angenommen werden würde.

Während der Dauer dieses Kampfes herrschte in London eine ängstliche
Spannung. Jeder Bericht, jede Zeile von Edinburg wurde begierig gelesen.
Einmal ging das Gerücht, Hamilton habe nachgegeben und die Regierung
werde jeden Punkt durchsetzen. Dann kam wieder die Nachricht, daß die
Opposition sich aufs neue gesammelt habe und hartnäckiger sei als je. In
dem kritischesten Augenblicke erhielt das Postamt den Befehl, alle
Briefbeutel aus Schottland nach Whitehall zu senden, und eine ganze
Woche lang wurde nicht ein einziger Privatbrief, der von jenseit des
Tweed kam, in London ausgegeben. In unsrer Zeit würde eine solche
Unterbrechung des schriftlichen Verkehrs die ganze Insel in Verwirrung
bringen; damals aber war der Handel und die Correspondenz zwischen
England und Schottland so gering, daß die Nachtheile wahrscheinlich viel
unbedeutender waren als die, welche gegenwärtig durch eine kurze
Verzögerung in der Ankunft der indischen Post entstehen. Während so die
gewöhnlichen Wege, auf denen man Nachrichten erhalten konnte,
verschlossen waren, beobachtete die Menge in den Galerien von Whitehall
mit gespannter Aufmerksamkeit die Mienen des Königs und seiner Minister,
und man bemerkte mit großer Befriedigung, daß nach jedem aus dem Norden
kommenden Expressen die Feinde des protestantischen Glaubens immer
finsterer aussahen.

    [Anmerkung 141: Fountainhall, 6. Mai 1686.]

    [Anmerkung 142: +Ibid.+ 15. Juni 1686.]

    [Anmerkung 143: Citters, 11.(21.) Mai 1686. Citters versicherte
    die Generalstaaten, daß er seine Mittheilungen aus bester Quelle
    habe. Ich will einen Theil davon hier anführen. Es ist zugleich
    ein ergötzliches Pröbchen von dem buntscheckigen Style der
    damaligen holländischen Diplomaten.

    +»Des konigs missive, boven en behalven den Hoog Commissaris
    aensprake, aen het parlement afgesonden, gelyck dat altoos
    gebruyckelyck is, waerby Syne Majesteyt nu in genere versocht
    hieft de mitigatie der rigoureuse ofte sanglante wetten van het
    Ryck jegens het Pausdom, in het Generale Comitée des Articles
    (soo men hat daer naemt) na ordre gestelt en gelesen synde, in 't
    voteren, den Hertog van Hamilton onder anderen klaer nyt seyde dat
    hy daertoe niet soude verstaen, dat hy anders genegen was den
    Konig in allen voorval getrouw te dienen volgens het dictamen
    syner conscientie: 't gene reden gaf aen de Lord Cancelier de
    Grave Perts te seggen dat het woort conscientie niets en beduyde,
    en alleen een individuum vagum was, waerop der Chevalier Lockhardt
    dan verder gingh; wil man nit verstaen de betyckenis van het
    woordt conscientie, soo sal ik in fortioribus seggen dat wy meynen
    volgens de fondamentale welten van het ryck.«+

    In dem +»Hind Let Loose«+ kommt eine interessante Stelle vor, der
    ich ohne jene Depesche von Citters keinen Glauben geschenkt haben
    würde. »Sie können das Wort Gewissen nicht einmal aussprechen
    hören.« Jemand, der die Ansicht des Geheimen Raths über diesen
    Punkt genau kannte, sagte zu einem Herrn, der vor demselben
    erscheinen wollte: »Sprecht um des Himmels willen vor den Lords
    nicht vom Gewissen, denn sie können dieses Wort nicht hören.«]

    [Anmerkung 144: Fountainhall, 17. Mai 1686.]

    [Anmerkung 145: +Wodrow, III. X. 3.+]


[_Sie werden vertagt._] Endlich kam zur allgemeinen Freude die
Nachricht, daß der Kampf zu Ende sei, daß die Regierung mit ihren
Maßregeln nicht habe durchdringen können und daß der Lordobercommissar
das Parlament vertagt habe.[146]

    [Anmerkung 146: Citters, 28. Mai (7. Juni), 1.(11.) u. 4.(14.)
    Juni 1686; Fountainhall, 15. Juni; +Luttrell's Diary, June 2.
    16.+]


[_Willkürherrschaft in Schottland._] Wäre Jakob nicht gegen alle
Warnungen taub gewesen, so würden diese Ereignisse genügt haben, ihn zu
warnen. Wenige Monate früher hatte das fügsamste aller englischen
Parlamente sich geweigert, seinem Willen zu gehorchen. Aber das
willfährigste englische Parlament konnte im Vergleich mit jedem
schottischen Parlamente aus irgend einer Zeit eine unabhängige und
muthige Versammlung genannt werden, und der knechtische Sinn der
schottischen Parlamente war stets in höchster Potenz bei den Lords der
Artikel zu finden. Doch selbst die Artikel-Lords zeigten sich
widerspenstig. Es war klar, daß alle diejenigen Klassen, alle diejenigen
Institutionen, welche bis dahin für die kräftigsten Stützen der
monarchischen Gewalt gegolten hatten, als Elemente der Opposition
betrachtet werden mußten, wenn der König auf seiner wahnsinnigen Politik
beharrte. Aber alle diese Warnungszeichen gingen spurlos an ihm vorüber;
auf jede Beschwerde hatte er nur die eine Antwort: er werde niemals
nachgeben, denn Zugeständnisse hätten seinen Vater ins Verderben
gestürzt, und sein unbeugsamer Starrsinn wurde von der französischen
Gesandtschaft und der jesuitischen Cabale laut gepriesen.

Er erklärte jetzt, daß er schon zu genädig gewesen sei, indem er sich
herabgelassen habe, die Zustimmung der schottischen Stände zu seinen
Wünschen zu verlangen. Sein Hoheitsrecht werde ihn nicht nur in den
Stand setzen, Diejenigen zu beschützen, denen er gewogen sei, sondern
auch Die zu bestrafen, die sich gegen ihn aufgelehnt hätten. Er war fest
überzeugt, daß seine Dispensationsgewalt von keinem schottischen
Gerichtshofe in Zweifel gezogen werden würde. Es gab damals eine
schottische Suprematsacte, welche dem Souverain eine Gewalt über die
Kirche verlieh, welche selbst Heinrich VIII. befriedigt haben würde. In
Folge dessen wurden Papisten in Menge zu Ämtern und Ehrenstellen
zugelassen. Der Bischof von Dunkeld, der als Lord des Parlaments der
Regierung opponirt hatte, wurde willkürlich von seinem Sitze vertrieben
und ein Nachfolger für ihn ernannt. Queensberry wurde aller seiner Ämter
entsetzt und ihm befohlen, daß er so lange in Edinburg bleiben müsse,
bis die Rechnungen des Schatzamts aus der Zeit seiner Verwaltung geprüft
und richtig befunden worden seien.[147] Da die Abgeordneten der Städte
als der unlenkbarste Theil des Parlaments erkannt worden waren, beschloß
man, in jedem Wahlorte des ganzen Landes eine völlige Umgestaltung
vorzunehmen. Eine ähnliche Veränderung war erst kürzlich in England
durch richterliche Erkenntnisse bewirkt worden; in Schottland aber wurde
ein bloßer Befehl des Fürsten für genügend erachtet. Alle Wahlen der
Magistratsbeamten und der Stadträthe wurden untersagt und der König
maßte sich das Recht an, die wichtigsten Municipalbehörden selbst zu
ernennen.[148] In einem formellen Schreiben an den Geheimen Rath
kündigte er seine Absicht an, in seinem Holyroodpalaste eine
römisch-katholische Kapelle einzurichten, und er gab Befehl, daß die
Richter angewiesen werden sollten, alle gegen die Papisten gerichteten
Gesetze, bei Strafe seines allerhöchsten Mißfallens, für null und
nichtig zu erklären. Indessen beruhigte er die protestantischen
Episcopalen durch die Zusicherung, daß er zwar entschlossen sei, die
römisch-katholische Kirche gegen sie in Schutz zu nehmen, sich aber
ebenso auch vorgenommen habe, sie gegen jeden Übergriff seitens der
Fanatiker zu beschützen. Perth schlug eine in den kriechendsten
Ausdrücken abgefaßte Antwort auf diese Mittheilung vor. Der Geheime Rath
enthielt jetzt viele Papisten; die noch darin sitzenden protestantischen
Mitglieder waren durch des Königs Hartnäckigkeit und Strenge
eingeschüchtert worden, und nur ein schwaches Murren ließ sich dann und
wann noch vernehmen. Hamilton ließ sich einige Andeutungen gegen die
Dispensationsgewalt entschlüpfen, die er aber schleunigst wieder
wegerklärte. Lockhardt sagte, er wolle eher seinen Kopf verlieren, als
einen Brief wie der vom Kanzler entworfene unterschreiben, aber er sagte
dies wohlweislich so leise, daß es nur von Freunden gehört wurde.
Perth's Worte wurden mit unbedeutenden Abänderungen angenommen und den
königlichen Befehlen Folge geleistet; aber eine dumpfe Unzufriedenheit
verbreitete sich unter jener Minorität der schottischen Nation, mit
deren Hülfe die Regierung bisher die Majorität niedergehalten
hatte.[149]

    [Anmerkung 147: Fountainhall, 12. Juni 1686]

    [Anmerkung 148: +Ibid.+ 16. Sept. 1686.]

    [Anmerkung 149: Fountainhall, 16. Sept.; +Wodrow, III. X. 3.+]


[_Irland._] Wenn der Geschichtsschreiber dieser unruhigen Regierung den
Blick nach Irland wendet, wird seine Aufgabe ganz besonders schwierig
und kitzlig. Er schreitet -- um mich des schönen Bildes zu bedienen, das
ein römischer Dichter in ähnlichem Falle gebraucht hat -- auf einer
dünnen Schicht Asche dahin, unter der die Lava noch glüht. Das
siebzehnte Jahrhundert hat in jenem unglücklichen Lande dem neunzehnten
ein verhängnißvolles Erbtheil schlimmer Leidenschaften hinterlassen. Das
Unrecht, das die sächsischen Vertheidiger von Londonderry und die
celtischen Vertheidiger von Limerick einander angethan, hat keiner der
beiden genannten Stämme dem andren jemals aufrichtig verziehen. Bis auf
den heutigen Tag sind die vielen edlen Eigenschaften, welche die Kinder
der Sieger auszeichnen, mit einem mehr als spartanischen Trotze
vermischt, während bei den Kindern der Besiegten nur zu oft ein als
Furcht und Haß zusammengesetztes Zelotengefühl zu erkennen ist. Keiner
der beiden feindlichen Stämme kann von jedem Tadel freigesprochen
werden; der Hauptvorwurf aber trifft den kurzsichtigen und starrköpfigen
Fürsten, der in einer Lage, wo er sie hätte versöhnen können, seine
ganze Macht aufbot, ihren gegenseitigen Haß noch mehr zu schüren, bis er
sie endlich zu einem Kampf auf Leben und Tod zwang.


[_Zustand des irischen Rechts in Glaubenssachen._] Die Mißstände, unter
denen die Mitglieder seiner Kirche in Irland litten, waren von denen,
welche er in England und Schottland abzustellen versuchte, weit
verschieden. Das irische Gesetzbuch, welches später durch eine ebenso
barbarische Unduldsamkeit wie die der grauesten Vorzeit befleckt wurde,
enthielt damals kaum eine einzige Bestimmung und nicht eine einzige
bindende Bestimmung, welche über die Papisten als solche irgend eine
Strafe verhängt hätte. Auf unsrer Seite des St. Georgskanals drohte
jedem Priester, der einen Neubekehrten in den Schooß der römischen
Kirche aufnahm, die Strafe, gehängt, geschleift und geviertheilt zu
werden. Jenseit des Kanals war er keiner solchen Gefahr ausgesetzt. Ein
Jesuit, der in Dover landete, setzte sein Leben aufs Spiel; in Dublin
ging er vollkommen sicher einher. Bei uns konnte Niemand ein Amt
bekleiden, oder sich nur als Advokat oder als Schullehrer seinen
Unterhalt erwerben, wenn er nicht zuvor den Suprematseid leistete; in
Irland war kein öffentlicher Beamter verbunden, diesen Eid zu leisten,
wenn derselbe nicht ausdrücklich von ihm verlangt wurde.[150] Es war
daher Niemand, den die Regierung anstellen wollte, dieses Grundes wegen
von irgend einem Amte ausgeschlossen. Die Abendmahlsprobe und die
Erklärung gegen die Transsubstantiation waren unbekannt und das
Parlament keiner Religionssecte verschlossen.

    [Anmerkung 150: Die Bestimmungen der irischen Suprematsacte, 2.
    Elis. Kap. 1. sind im wesentlichen dieselben wie die der
    englischen Suprematsacte, 1. Elis. Kap. 1., aber die englische
    wurde bald für mangelhaft befunden und der Mangel durch eine
    bindendere Acte, 5. Elis. Kap. 1. ersetzt. Ein solches
    Ergänzungsgesetz wurde in Irland nicht erlassen. Daß die im Texte
    erwähnte Auslegung auch auf die irische Suprematsacte angewendet
    wurde, erfahren wir vom Erzbischof King: +State of Ireland, chap.
    II. sec. 9.+ Er nennt diese Auslegung jesuitisch, ich kann sie
    nicht in diesem Lichte sehen.]


[_Feindseligkeit der Stämme._] Es könnte demnach scheinen, daß sich der
irische Katholik in einer Lage befunden hätte, um die ihn seine
englischen und schottischen Brüder wohl beneiden durften. In der
Wirklichkeit aber war seine Lage trauriger und erbitternder als die
ihrige, denn wurde er auch nicht als Katholik verfolgt, so wurde er doch
als Irländer bedrückt. In seinem Vaterlande trennte dieselbe
Scheidelinie, welche die Confessionen trennte, auch die Stämme, und er
gehörte dem überwundenen, unterjochten und mit Füßen getretenen Stamme
an. Auf dem nämlichen Boden wohnten zwei Bevölkerungen, örtlich mit
einander vermischt, aber moralisch und politisch gesondert. Der
Glaubensunterschied war keineswegs der einzige und vielleicht nicht
einmal der Hauptunterschied, der zwischen ihnen stattfand. Sie waren
verschiedenen Stämmen entsprossen, sie sprachen verschiedene Sprachen,
sie hatten verschiedene Nationalcharactere, die einander so ganz
entgegengesetzt waren, als nur irgend zwei Nationalcharactere in Europa,
und endlich standen sie auch auf weit verschiedenen Stufen der Bildung.
Zwischen zwei solchen Bevölkerungen konnte unmöglich eine große
Sympathie herrschen, und Jahrhunderte von Drangsal und Unbill hatten
sogar eine starke Antipathie erzeugt. Das Verhältniß der Minderheit zu
der Mehrheit glich dem, in welchem das Heer Wilhelm's des Eroberers zu
den sächsischen Bauern, oder die Mannschaft des Cortez zu den Indianern
von Mexiko stand.

Der Name Iren wurde damals ausschließlich den Celten und denjenigen
Familien gegeben, welche, obgleich nicht celtischen Ursprungs, doch im
Laufe der Zeiten celtische Sitten und Gebräuche angenommen hatten. Diese
Leute, an Zahl wahrscheinlich etwas unter eine Million Seelen stark,
waren mit wenigen Ausnahmen Anhänger der römischen Kirche. Unter ihnen
wohnten etwa zweihunderttausend Ansiedler, die auf ihr sächsisches Blut
und auf ihren protestantischen Glauben stolz waren.[151]

    [Anmerkung 151: +Political Anatomy of Ireland.+]


[_Das eingeborne Landvolk._] Das große numerische Übergewicht wurde auf
der andren Seite durch eine große Überlegenheit an Intelligenz,
Thatkraft und Organisation mehr als aufgewogen. Die englischen Ansiedler
scheinen in Kenntnissen, Energie und Ausdauer eher über als unter dem
Durchschnittsmaße der Bevölkerung des Mutterlandes gestanden zu haben.
Das eingeborne Landvolk dagegen befand sich fast in einem Zustande von
Wildheit. Sie arbeiteten nicht eher, als bis sie den Stachel des Hungers
fühlten, und waren mit geringeren Bequemlichkeiten zufrieden, als man
sie in glücklicheren Ländern den Hausthieren gewährt. Schon war die
Kartoffel, ein Knollengewächs, das fast ohne Kunst, Betriebsamkeit und
Kapital erbaut werden kann, die Hauptnahrung des gemeinen Volks
geworden.[152] Von einem so genährten Volke waren Fleiß und Sorge für
die Zukunft nicht zu erwarten. Schon wenige Meilen von Dublin sah der
Reisende auf dem fruchtbarsten und üppigsten Boden der Welt mit
wahrhaftem Ekel die erbärmlichen Höhlen, aus denen ihm schmutzige und
halbnackte Barbaren wild anstarrten.[153]

    [Anmerkung 152: +Political Anatomy of Ireland, 1672+; +Irish
    Hudibras, 1689+; +John Dunton's Account of Ireland, 1699.+]

    [Anmerkung 153: Clarendon an Rochester vom 4. Mai 1686.]


[_Der eingeborne Adel._] Der eingeborne Adel besaß noch in nicht
gewöhnlichem Maße seinen Geburtsstolz, hatte aber den Einfluß verloren,
den Reichthum und Macht verleihen. Seine Ländereien hatte Cromwell unter
seine Anhänger vertheilt. Es war zwar ein Theil des von ihm in Beschlag
genommenen großen Gebiets nach der Wiedereinsetzung des Hauses Stuart
den früheren Eigenthümern zurückgegeben worden, aber den bei weitem
größten Theil hatten noch immer englische Emigranten unter Garantie
einer Parlamentsacte im Besitz. Diese Acte war ein Vierteljahrhundert in
Kraft gewesen und während dieser Zeit hatten unzählige Verpfändungen,
Verträge, Verkäufe und Verpachtungen stattgefunden. Die alte irische
Gentry war über die ganze Welt zerstreut. An allen Höfen und in allen
Armeen des Continents wimmelte es von Abkömmlingen milesischer
Häuptlinge. Die beraubten Eigenthümer, welche in der Heimath
zurückgeblieben waren, brüteten finster über ihren Verlust, sehnten sich
nach dem ihnen entrissenen Reichthum und Ansehen und nährten wilde
Hoffnungen auf eine neue Umwälzung. Eine dieser Klasse angehörende
Person wurde von ihren Landsleuten als ein Gentleman geschildert, der
reich sein würde, wenn es nach Recht und Gerechtigkeit ginge, der ein
schönes Gut hätte, wenn er es nur bekommen könnte.[154] Er ergriff
selten einen friedlichen Beruf, denn er betrachtete den Handel als eine
entehrendere Erwerbsquelle als den Raub. Zuweilen wurde er ein
Freibeuter; zuweilen fristete er auch sein Leben dem Gesetze zum Trotz
durch das, was man +coshering+ nannte, das heißt, indem er sich von den
ehemaligen Pächtern seiner Familie füttern ließ, welche bei allem Elend
ihrer eigenen Lage doch dem Manne, den sie noch immer als ihren
rechtmäßigen Grundherrn betrachteten, einen Theil ihres kümmerlichen
Erwerbs nicht abschlagen konnten.[155] Der eingeborne Gentleman, der so
glücklich gewesen war, etwas von seinem Grundbesitze zu behalten oder
zurückzubekommen, lebte nur zu oft wie der Häuptling eines
Indianerstammes und entschädigte sich für die Demüthigungen, die er von
dem herrschenden Stamme ertragen mußte, dadurch, daß er seine Vasallen
despotisch behandelte, sich einen rohen Harem hielt und sich täglich
durch geistige Getränke um Verstand und Vernunft brachte.[156] Eine
politische Bedeutung hatte er nicht. Zwar war er durch kein Gesetz vom
Hause der Gemeinen ausgeschlossen, aber er hatte fast eben so wenig
Aussicht, einen Sitz in demselben zu erhalten, als ein Farbiger, in den
Senat der Vereinigten Staaten gewählt zu werden. Es war in der That seit
der Restauration nur ein einziger Papist in das irische Parlament
gewählt worden. Die ganze gesetzgebende und ausübende Gewalt war in den
Händen der Ansiedler, und das Übergewicht des herrschenden Stammes wurde
durch ein stehendes Heer von siebentausend Mann aufrecht erhalten, auf
dessen Eifer für das sogenannte Interesse Englands man zuversichtlich
rechnen konnte.[157]

Eine genaue Untersuchung würde ergeben haben, daß weder das Irenthum,
noch das Engländerthum einen völlig homogenen Körper bildete. Der
Unterschied zwischen den Iren celtischen Geblüts und den von den
Begleitern Strongbow's und De Burgh's abstammenden war noch nicht ganz
verwischt; die Fitz erlaubten sich zuweilen mit Geringschätzung von den
O und Mac zu sprechen, und die O und Mac vergalten diese Geringschätzung
zuweilen mit Haß. Unter der vorhergehenden Generation weigerte sich
einer der mächtigsten der O'Neill, einem römisch-katholischen Gentleman
alt-normännischer Abkunft ein Zeichen von Achtung zu geben. »Sie sagen,
die Familie sei schon seit vierhundert Jahren hier. Das bleibt sich
gleich, ich hasse den Bauerklotz, als ob er erst gestern hierhergekommen
wäre.«[158] Es scheint jedoch, daß solche Gesinnungen selten waren und
daß die Fehde, welche lange zwischen den eingeborenen Celten und den
entarteten Engländern gewüthet hatte, von der heftigeren Fehde, welche
beide Racen von den neuen protestantischen Ansiedlern trennte, in den
Hintergrund gedrängt worden war.

    [Anmerkung 154: Bischof Malony's Brief an Bischof Tyrrel vom 8.
    März 1689.]

    [Anmerkung 155: +Statute 10 & 11 Charles I. chap. 16+; +King's
    State of the Protestants of Ireland, chap. II. sec. 8.+]

    [Anmerkung 156: +King, chap. II. sec. 8.+ Miß Edgeworth's »König
    Corny« gehört einer späteren und viel civilisirteren Generation
    an; aber wer dieses treffliche Charactergemälde studirt hat, wird
    sich ungefähr denken können, was für ein Mann König Corny's
    Großvater gewesen sein mußte.]

    [Anmerkung 157: +King, chap. III. sec. 2.+]

    [Anmerkung 158: +Sheridan MS.+; Vorrede zum ersten Bande der
    +Hibernia Anglicana, 1690+; +Secret Consults of the Romish Party
    in Ireland, 1689.+]


[_Zustand der englischen Kolonie._] Auch die Kolonie hatte ihre inneren,
theils nationalen, theils religiösen Zwistigkeiten. Die Mehrzahl waren
Engländer, aber eine starke Minorität war aus dem Süden Schottlands. Die
eine Hälfte der Ansiedler gehörte der Staatskirche an, die andre Hälfte
waren Dissenters. In Irland aber waren Schotte und Southron (Südländer)
durch ihren gemeinsamen sächsischen Ursprung, und Anglikaner und
Presbyterianer durch ihren gemeinsamen Protestantismus eng mit einander
verbunden. Alle Kolonisten hatten eine gemeinsame Sprache und ein
gemeinsames pekuniäres Interesse. Sie waren umgeben von gemeinsamen
Feinden und konnten sich nur durch gemeinsame Vorkehrungen und
Anstrengungen gegen die Angriffe derselben sichern. Daher waren denn
auch die wenigen in Irland gegen protestantische Nonconformisten
erlassenen Strafgesetze ein todter Buchstabe.[159] Die Bigotterie des
starrsten Anglikaners widerstand dem Einflusse der Versetzung über den
Georgskanal nicht. Sobald der Kavalier in Irland ankam und sich
überzeugte, daß er ohne den herzlichen und muthigen Beistand seiner
puritanischen Nachbarn mit seiner ganzen Familie der Gefahr ausgesetzt
war, von papistischen Räubern ermordet zu werben, so schwand sein Haß
gegen den Puritanismus unwillkürlich mehr und mehr und erlosch endlich
ganz. Ausgezeichnete Männer beider Parteien machten die Bemerkung, daß
ein Protestant, der in Irland ein Hochtory genannt wurde, in England als
ein gemäßigter Whig betrachtet worden wäre.[160]

Die protestantischen Nonconformisten ihrerseits ertrugen mit mehr
Geduld, als man hätte erwarten sollen, den Anblick der absurdesten
kirchlichen Verfassung, welche die Welt je gesehen. Vier Erzbischöfe und
achtzehn Bischöfe führten die Aufsicht über eine Anzahl von Anglikanern,
welche ungefähr den fünften Theil der Gemeindemitglieder des Londoner
Kirchspiels betrug. Ein großer Theil der Pfarrgeistlichen waren
Pluralisten[161] und wohnten entfernt von ihren Gemeinden. Einige von
ihnen bezogen von ihren Pfründen ein Einkommen von nahe an tausend Pfund
jährlich, ohne daß sie jemals eine geistliche Function verrichteten.
Dennoch war diese verkehrte Institution den in Irland angesiedelten
Puritanern bei weitem nicht so verhaßt, als den englischen Sectirern die
englische Landeskirche. Denn in Irland waren die religiösen Spaltungen
den nationalen untergeordnet, und obgleich der Presbyterianer als
Theolog die Hierarchie der Staatskirche verwerfen mußte, so sah er doch
wieder mit einer Art von Wohlgefallen auf diese Hierarchie, wenn er sie
als eine glänzende und prunkende Trophäe des Sieges betrachtete, den der
große Stamm, dem er entsprossen war, errungen hatte.[162]

So hatten die Leiden des irischen Katholiken mit denen des englischen
Katholiken kaum etwas gemein. Der Katholik von Lancashire oder von
Staffordshire brauchte nur Protestant zu werden, um sogleich seinen
Nachbarn in jeder Beziehung gleich zu stehen; wenn aber die Katholiken
von Munster oder Connaught auch Protestanten geworden wären, so würden
sie deshalb doch ein unterworfenes Volk geblieben sein. Alle Übel,
welche der römische Katholik in England zu ertragen hatte, entsprangen
aus harten Gesetzen und hätten durch eine liberalere Gesetzgebung
beseitigt werden können; die Ungleichheit zwischen den beiden
Bevölkerungen Irlands aber war weder durch eine Gesetzgebung entstanden,
noch konnte sie durch eine solche gehoben werden. Die Herrschaft, welche
eine dieser beiden Bevölkerungen über die andre ausübte, war die
Herrschaft des Wohlstandes über die Armuth, der Bildung über die
Unwissenheit, des civilisirten über den nicht civilisirten Menschen.

    [Anmerkung 159: »Wenn auch nicht durch das Gesetz, so doch durch
    beiderseitiges Einverständniß bestand völlige Gewissensfreiheit.«
    +King, chap. III. sec. 1.+]

    [Anmerkung 160: In einem Briefe an Jakob, der unter Bischof
    Tyrrel's Papieren gefunden wurde und der das Datum des 14. Aug.
    1686 trägt, kommen einige bemerkenswerthe Äußerungen vor. »Es
    giebt wenig oder gar keine Protestanten in diesem Lande, die nicht
    mit den Whigs gegen den gemeinsamen Feind verbunden wären.« Dann
    wieder: »Diejenigen, welche hier (in England) für Tories galten,
    nahmen jenseit des Wassers öffentlich Partei für die Sache der
    Whigs.« Das Nämliche sagte Swift einige Jahre später zum König
    Wilhelm: »Ich erinnere mich, bei meinem letzten Besuche in England
    dem Könige gesagt zu haben, daß die strengsten Tories bei uns ganz
    leidliche Whigs sein würden.« Brief über den Abendmahlseid.]

    [Anmerkung 161: Geistliche, welche mehrere weit von einander
    entfernte Pfründen inne haben, die sie zum Theil oder auch
    sämmtlich verwalten lassen.    D. Übers.]

    [Anmerkung 162: Den Reichthum und die Nachlässigkeit der
    anglikanischen Geistlichen Irlands erwähnt der Lordlieutenant
    Clarendon, einer der unverwerflichen Zeugen, in den stärksten
    Ausdrücken.]


[_Verfahren, welches Jakob hätte beobachten sollen._] Jakob selbst
schien beim Beginn seiner Regierung diese Wahrheiten vollkommen erkannt
zu haben. Die Verwirrungen in Irland, sagte er, entspringen nicht aus
der Spaltung zwischen Katholiken und Protestanten, sondern aus der
Spaltung zwischen Irländern und Engländern.[163] Die Folgerungen, die er
aus diesem ganz richtigen Vordersatze hätte ziehen können, lagen nahe
genug; zum Unglück für ihn und für Irland entgingen sie ihm.

Wenn nur der nationale Haß hätte gemildert werden können, so unterliegt
es kaum einem Zweifel, daß auch die religiöse Erbitterung, welche nicht
wie in England durch harte Strafgesetze und durch strenge Testacte wach
erhalten wurde, von selbst erloschen sein würde. Die Dämpfung eines
nationalen Hasses wie der, welcher die beiden Irland bewohnenden
Volksstämme gegen einander beseelte, konnte allerdings nicht das Werk
einiger Jahre sein. Indessen war es ein Werk, zu dem ein weiser und
guter Fürst viel hätte beitragen können, und Jakob würde es mit
Vortheilen unternommen haben, wie sie keinem seiner Vorgänger oder
seiner Nachfolger zur Seite standen. Als Engländer und zugleich Katholik
gehörte er halb der herrschenden, halb der unterworfenen Kaste an und
war daher ganz besonders zu einem Vermittler zwischen beiden geeignet.
Es ist auch nicht schwer, den Weg zu bezeichnen, den er hätte
einschlagen sollen. Er hätte die Unverletzbarkeit der bestehenden
Vertheilung des Grundbesitzes beschließen und diesen Beschluß in einer
Weise ankündigen sollen, welche die Besorgnisse der neuen Eigenthümer
beruhigte und die etwaigen kühnen Hoffnungen der alten Eigenthümer
niederschlug. Ob bei dem großen Besitzwechsel Ungerechtigkeiten
vorgekommen wären oder nicht, war unwesentlich; dieser Besitzwechsel,
mochte er nun gerecht oder ungerecht gewesen sein, hatte vor so langer
Zeit stattgefunden, daß ein Umstoß desselben die Grundlagen der
Gesellschaft erschüttert haben würde. Es muß für alle Rechte eine
Verjährungsfrist geben. Nach fünfunddreißig Jahren factischen Besitzes,
nach fünfundzwanzig Jahren eines durch das Gesetz feierlich verbürgten
Besitzes, nach zahllosen Verpachtungen und Pachtveränderungen,
Verpfändungen und Vermächtnissen war es zu spät, nach Mängeln in den
Rechtstiteln zu suchen. Es hätte deshalb immer etwas geschehen können,
um die verwundeten Gefühle der irischen Gentry zu heilen und ihrem
gesunkenen Wohlstande wieder aufzuhelfen. Die Ansiedler lebten in sehr
guten Verhältnissen. Sie hatten ihre Besitzungen durch Bauten,
Anpflanzungen und Einzäunungen bedeutend verbessert; die Grundrente
hatte sich im Laufe weniger Jahre verdoppelt, der Handel blühte und die
Staatseinkünfte, die sich jährlich auf ungefähr dreihunderttausend Pfund
beliefen, deckten nicht nur reichlich alle Verwaltungskosten, sondern
ergaben auch noch einen Überschuß, der nach England geschickt wurde. Es
unterlag keinem Zweifel, daß das nächste in Dublin zusammenkommende
Parlament, obgleich es fast ausschließlich das englische Interesse
vertrat, in Anerkennung des königlichen Versprechens, dieses Interesse
in allen seinen gesetzlichen Rechten zu wahren, bereit sein würde, dem
Könige eine sehr bedeutende Summe zu bewilligen, um damit solche
eingeborene Familien, welche rechtswidrig beraubt worden waren,
wenigstens theilweis zu entschädigen. Auf diese Weise schlichtete in
unsrer Zeit die französische Regierung die Streitigkeiten, welche durch
die ausgedehnteste Güterconfiscation, die jemals in Europa
stattgefunden, hervorgerufen worden waren. So würde auch Jakob, wenn er
sich durch seine loyalsten protestantischen Rathgeber hätte leiten
lassen, eines der Hauptübel, welche auf Irland lasteten, wenigstens
bedeutend gemildert haben.[164]

Nachdem er dies gethan, hätte er darauf hinarbeiten müssen, die
feindlichen Stämme durch unparteiische Beschützung ihrer Rechte und
durch Zügelung der Übergriffe Beider mit einander auszusöhnen. Er hätte
den Eingebornen, der sich dem zügellosen Übermuthe der Barbarei hingab,
mit gleicher Strenge bestrafen sollen, wie den Ansiedler, der das
Übergewicht der Civilisation mißbrauchte. So weit die rechtmäßige
Autorität der Krone reichte -- und sie reichte in Irland weit -- hätte
Niemand, den seine Rechtschaffenheit und Geschicklichkeit für ein Amt
befähigten, wegen seiner Herkunft oder seines Glaubens für irgend eine
öffentliche Anstellung untauglich gehalten werden sollen. Ein
römisch-katholischer König mit einem zu seiner freien Verfügung
stehenden reichen Staatseinkommen, hatte sich wahrscheinlich ohne große
Schwierigkeit der Mitwirkung der katholischen Prälaten und Priester bei
dem großen Versöhnungswerke versichert halten können. Vieles hätte
allerdings noch immer dem heilenden Einflusse der Zeit überlassen
bleiben müssen. Die Eingebornen hatten immer noch von den Ansiedlern
Betriebsamkeit, Sorge für die Zukunft, die Künste des Lebens und die
englische Sprache zu lernen gehabt. Es konnte keine Gleichheit
stattfinden zwischen Menschen, die in Häusern, und Menschen, die in
Ställen wohnten, zwischen Menschen, die sich von Brod, und Menschen, die
sich von Kartoffeln nährten, zwischen Menschen, welche die edle Sprache
großer Philosophen und Dichter sprachen, und Menschen, die sich in
verkehrtem Stolze rühmten, daß sie ihren Mund nicht zu einem
Kauderwelsch verzerren könnten, in welchem die »Fortschritte der
Wissenschaft« und das »Verlorne Paradies« geschrieben waren.[165] Man
kann indessen mit gutem Grunde annehmen, daß, wenn die eben geschilderte
versöhnende Politik von der Regierung beharrlich verfolgt worden wäre,
alle Schranken nach und nach gefallen und daß von der Feindseligkeit,
welche der Fluch Irlands gewesen ist, nicht mehr Spuren zurückgeblieben
sein würden, als von der gleich erbitterten Feindschaft, welche einst in
England zwischen den Sachsen und den Normannen wüthete.

    [Anmerkung 163: Clarendon erinnert den König hieran in einem vom
    14. März 1685/86 datirten Briefe und setzt hinzu: »Dies ist
    unstreitig eine ganz richtige Ansicht.«]

    [Anmerkung 164: Clarendon empfahl dringend dieses Verfahren und
    war der Meinung, daß das irische Parlament das Seinige dazu
    beitragen würde. Siehe seinen Brief an Ormond vom 28. Aug. 1686.]

    [Anmerkung 165: Es war ein O'Neill von hohem Ansehen, welcher
    einst sagte, daß es sich nicht für ihn zieme, den Mund zu
    verzerren, um englisch zu plappern. -- Vorrede zur +Hibernia
    Anglicana+.]


[_Seine Fehlgriffe._] Leider wurde Jakob nicht ein Vermittler, sondern
im Gegentheil der heftigste und rücksichtsloseste Parteigänger. Anstatt
den gegenseitigen Haß der beiden Bevölkerungen zu besänftigen,
entflammte er ihn zu einer bisher nie gekannten Gluth. Er beschloß, ihre
Stellung zu einander umzukehren und die protestantischen Ansiedler unter
die Füße der papistischen Celten zu werfen. Ein Mitglied der
Staatskirche sein und englisches Blut in den Adern haben, machte in
seinen Augen unfähig zur Bekleidung bürgerlicher wie militairischer
Ämter. Er sann auf den Plan, die Hälfte des ganzen Grund und Bodens der
Insel wieder zu confisciren und neu zu vertheilen, und diese Idee gab er
so deutlich zu verstehen, daß die eine Partei bald von einer Angst
ergriffen wurde, die er nachher umsonst zu beschwichtigen, die andre von
Hoffnungen erfüllt wurde, die er nachher vergebens niederzuschlagen sich
bemühte. Dies war aber erst der kleinste Theil seiner Schuld und seiner
Verkehrtheit. Er faßte den wohlüberlegten Entschluß, nicht allein die
Ureinwohner Irlands in den ungetheilten Besitz ihres Landes zu setzen,
sondern sich ihrer auch als Werkzeuge zur Aufrichtung einer
Willkürherrschaft in England zu bedienen. Der Erfolg war so, wie er ihn
hätte voraussehen können. Die Kolonisten widersetzten sich mit der
hartnäckigen Kühnheit ihres Stammes, und das Mutterland betrachtete ihre
Sache mit Recht als ihre eigene. Es erfolgte nun ein verzweifelter Kampf
um einen furchtbaren Einsatz. Alles was einer Nation theuer ist, stand
auf beiden Seiten auf dem Spiele, und wir können weder die Irländer noch
die Engländer tadeln, daß sie in dieser äußersten Gefahr dem Gesetze der
Selbsterhaltung folgten. Der Kampf war fürchterlich, aber kurz; der
schwächere Theil unterlag. Sein Schicksal war hart; indessen war die
Grausamkeit, mit der er behandelt wurde, wenn auch nicht zu
rechtfertigen, doch zu entschuldigen, denn es traf ihn zwar Alles, was
die Tyrannei ihm nur zufügen konnte, aber nicht mehr, als er selbst dem
Gegner zugefügt haben würde, wenn er ihn überwunden hätte. Die Folge des
unsinnigen Versuchs, England mit Hülfe von Irland zu unterjochen, war
die, daß die Irländer die Holzhauer und Wasserträger der Engländer
wurden. Die alten Grundeigenthümer verloren bei dem Versuche, das
Verlorene wieder zu erobern, auch noch den größten Theil dessen, was
ihnen geblieben war. Das vorübergehende Übergewicht des Papismus rief
eine solche Reihe von barbarischen Gesetzen gegen den Papismus hervor,
daß dadurch das irische Gesetzbuch in der ganzen Christenheit
sprichwörtlich verrufen wurde. Dies waren die herben Früchte von Jakob's
Politik.

Wir haben bereits gesehen, daß einer seiner ersten Schritte, nachdem er
König geworden, die Zurückberufung Ormond's aus Irland war. Ormond war
das Oberhaupt des englischen Interesses in diesem Lande, er war ein
eifriger Anhänger des protestantischen Glaubens und seine Macht
überstieg bei weitem die eines gewöhnlichen Lordlieutenants, erstens
deshalb, weil er der vornehmste und reichste Ansiedler, und zweitens
weil er nicht nur das Haupt der Civilverwaltung, sondern auch der
Befehlshaber der Truppen war. Der König war damals nicht geneigt, die
Regierung ausschließlich irischen Händen zu überlassen; man hatte ihn in
der That äußern hören, ein eingeborner Vicekönig würde bald ein
unabhängiger Herrscher werden.[166] Für den Augenblick beschloß er
daher, die Macht, welche Ormond besessen hatte, zu theilen, die
Civilverwaltung einem englischen und protestantischen Lordlieutenant und
das Commando der Armee einem irischen und römisch-katholischen General
zu übertragen. Der Lordlieutenant war Clarendon, der General war
Tyrconnel.

Tyrconnel stammte, wie wir schon gesagt haben, aus einer der entarteten
Familien der alten Colonie, welche gewöhnlich mit der ursprünglichen
Bevölkerung Irlands zusammengeworfen wurde. Zuweilen sprach er zwar in
einem Anfalle von Prahlsucht mit normännischem Übermuthe von den
celtischen Barbaren; in Wirklichkeit aber hatten die Eingebornen alle
seine Sympathieen.[167] Die protestantischen Ansiedler haßte er, und sie
erwiederten seinen Haß. Clarendon's Neigungen waren ganz andrer Art,
aber er war nach Character, aus Interesse und aus Prinzip ein
willfähriger Höfling. Sein Muth war gering, seine Vermögensumstände
nicht glänzend, und die politischen Lehren, welche die anglikanische
Kirche damals nur zu eifrig gepredigt, hatten sich seinem Geiste tief
eingeprägt. Seine Fähigkeiten waren jedoch nicht zu verachten und unter
einem guten Könige würde er wahrscheinlich ein vortrefflicher Vicekönig
gewesen sein.

    [Anmerkung 166: Sheridan-Handschr. unter den Stuart-Papieren. Ich
    muß hier die Gefälligkeit anerkennen, mit der mich Mr. Glover in
    meinen Nachforschungen nach diesem werthvollen Manuscripte
    unterstützt hat. Aus den Instructionen, welche Jakob 1692 für
    seinen Sohn aufsetzte, geht hervor, daß er bis zuletzt der Meinung
    war, Irland könne nicht ohne Gefahr einem irischen Lordlieutenant
    anvertraut werden.]

    [Anmerkung 167: Sheridan-Handschr.]


[_Clarendon's Ankunft in Irland als Lordlieutenant._] Es vergingen etwa
drei Vierteljahre zwischen der Zurückberufung Ormond's und der Ankunft
Clarendon's in Dublin. In der Zwischenzeit wurde der König durch ein
Collegium von Lordrichtern repräsentirt; die militairische Verwaltung
aber war in Tyrconnel's Händen. Die Absichten des Hofes begannen sich
allmälig schon zu enthüllen. Es kam von Whitehall ein königlicher Befehl
zur Entwaffnung des Volks. Diesen Befehl vollzog Tyrconnel, soweit er
die Engländer betraf, mit aller Strenge. Obgleich das Land durch
Räuberbanden unsicher gemacht wurde, bekam ein protestantischer
Gentleman kaum die Erlaubniß, ein Paar Pistolen behalten zu dürfen. Dem
eingebornen Landvolke dagegen wurden die Waffen gelassen.[168] Die
Freude der Colonisten war daher groß, als endlich im December 1685
Tyrconnel nach London berufen und Clarendon noch Dublin abgesandt wurde.
Doch es zeigte sich bald, daß der wahre Sitz der Regierung nicht Dublin,
sondern London war. Jede Post, die über den St. Georgskanal kam, brachte
Nachrichten von dem unbegrenzten Einflusse, den Tyrconnel auf die
irischen Angelegenheiten ausübte. Es hieß, er solle Marquis, ja sogar
Herzog werden, er solle den Oberbefehl über die Truppen erhalten und
beauftragt werden, die Armee und die Gerichtshöfe neu zu
organisiren.[169]

    [Anmerkung 168: Clarendon an Rochester, 19. Jan. 1685/86; +Secret
    Consults of the Romish Party in Ireland, 1690.+]

    [Anmerkung 169: Clarendon an Rochester, 27. Febr. 1685/86.]


[_Seine Kränkungen._] Clarendon fühlte sich tief gekränkt, als er sah,
daß er nur ein untergeordnetes Mitglied der Verwaltung war, deren
Oberhaupt zu sein er erwartet hatte. Er beschwerte sich darüber, daß
Alles was er thue von seinen Verleumdern entstellt und daß die
wichtigsten Beschlüsse in Bezug auf das von ihm verwaltete Land Wochen
lang bevor man dem Lordstatthalter nur eine Andeutung davon gegeben
habe, in Westminster gefaßt, öffentlich bekannt gemacht, in den
Kaffeehäusern besprochen und in hunderten von Privatbriefen mitgetheilt
würden. Sein persönliches Ansehen, sagte er, komme dabei wenig in
Betracht, aber es sei keine Kleinigkeit, wenn der Vertreter der Majestät
des Thrones zum Gegenstande der Verachtung des Volks gemacht werde.[170]

    [Anmerkung 170: Clarendon an Rochester und Sunderland, 2. März
    1685/86, und an Rochester, 14. März.]


[_Schrecken unter den Colonisten._] Ein panischer Schrecken verbreitete
sich wie ein Lauffeuer unter den englischen Ansiedlern, als sie sahen,
daß der Vicekönig, ihr Landsmann und protestantischer Glaubensbruder,
nicht im Stande war, ihnen den Schutz zu gewähren, den sie von ihm
erwartet hatten. Sie lernten durch eigene bittere Erfahrung, was es
heißt, eine unterjochte Kaste zu sein. Die Eingebornen überhäuften sie
mit Anklagen auf Hochverrath und Aufruhr. Der eine Protestant hatte mit
Monmouth correspondirt, der andre hatte vor vier oder fünf Jahren
einmal, als die Ausschließungsbill berathen wurde, sich unehrerbietig
über den König geäußert, und das Zeugniß ehrloser Menschen war zur
Erhärtung jeder derartigen Beschuldigung stets bei der Hand. Der
Lordlieutenant sprach die Befürchtung aus, daß, wenn dieses Treiben
nicht aufhöre, in Dublin bald eine ganz ähnliche Schreckensherrschaft
bestehen werde, wie er sie in London erlebt habe, als Jedermanns Kopf
und Ehre in der Gewalt eines Oates und Bedloe waren.[171]

Bald darauf wurde Clarendon durch eine kurze und bündige Depesche von
Sunderland in Kenntniß gesetzt, daß eine unverzüglich vorzunehmende
vollständige Umänderung in der Civil- und Militairverwaltung Irlands
beschlossen worden sei und daß eine große Anzahl römischer Katholiken
sofort im Staatsdienste angestellt werden sollten. Seine Majestät, wurde
höchst ungnädig hinzugesetzt, habe sich in dieser Angelegenheit mit
Männern besprochen, welche competentere Rathgeber seien, als sein
unerfahrener Lordlieutenant es füglich sein könne.[172]

Schon bevor dieses Schreiben dem Vicekönig zukam, war die darin
enthaltene Nachricht auf verschiedenen Wegen nach Irland gelangt. Der
Schrecken der Ansiedler war unbeschreiblich. In Folge der bedeutenden
Übermacht der eingebornen Bevölkerung mußte ihre Lage in der That sehr
traurig werden, wenn jene mit der ganzen Staatsgewalt gegen sie
bewaffnet wurde, und nichts Geringeres drohte ihnen. Die englischen
Bewohner Dublins gingen mit niedergeschlagenem Blicke auf den Straßen
aneinander vorüber; die Börsengeschäfte geriethen ins Stocken, die
Grundeigenthümer beeilten sich, ihre Besitzungen um jeden Preis zu
verkaufen und den Erlös nach England zu schicken; die Kaufleute begannen
ihre Außenstände einzuziehen und Anstalten zur Liquidation ihrer
Geschäfte zu treffen. Der Schrecken äußerte bald seine Wirkung auf die
Staatseinkünfte.[173] Clarendon bemühte sich, den geängstigten
Ansiedlern ein Vertrauen einzuflößen, von dem er selbst weit entfernt
war. Er versicherte sie, daß ihr Eigenthum nicht angetastet werden
solle, und daß er bestimmt wisse, der König sei fest entschlossen, die
Ansiedelungsacte, welche ihre Rechte auf den Grund und Boden
gewährleistete, aufrecht zu erhalten, seine Briefe nach England aber
lauteten ganz anders. Er wagte es sogar, mit dem Könige zu rechten, und
ohne die Absicht Seiner Majestät, Katholiken anzustellen, geradezu zu
tadeln, sprach er doch die entschiedene Ansicht aus, daß die
anzustellenden Katholiken wenigstens Engländer sein müßten.[174]

Jakob's Antwort war in einem trocknen und kalten Tone gehalten. Er
erklärte, daß es nicht seine Absicht sei, die englischen Ansiedler ihres
Grundeigenthums zu berauben, daß er aber einen großen Theil derselben
als seine Feinde betrachte und daß, wenn er so bedeutenden Grundbesitz
in den Händen seiner Freunde lasse, es um so nöthiger sei, die Civil-
und Militairverwaltung in die Hände von Freunden zu legen.[175]

Demgemäß wurden mehrere römische Katholiken als Mitglieder des Geheimen
Raths vereidigt und den Corporationen Befehl gegeben, die Katholiken zu
städtischen Ämtern zuzulassen.[176] Viele Offiziere von der Armee wurden
willkürlich ihrer Posten und dadurch ihres Brodes beraubt. Umsonst
verwendete sich der Lordlieutenant für einige von ihnen, die er als gute
Soldaten und loyale Unterthanen kannte. Es befanden sich alte Kavaliere
darunter, welche tapfer für die Monarchie gefochten und noch die Narben
ehrenvoller Wunden an sich trugen. Ihre Stellen wurden mit Männern
besetzt, die keine andre Empfehlung hatten, als ihre Religion. Man
sagte, daß einige von den neuen Hauptleuten und Lieutenants Kuhhirten,
andere Bedienten, noch andere berüchtigte Räuber gewesen seien. Mehrere
waren so sehr an die Holzschuhe gewöhnt, daß sie in ihren militairischen
Reiterstiefeln gar possierlich einherstolperten und watschelten. Nicht
wenige von den verabschiedeten Offizieren traten in holländische Dienste
und hatten vier Jahre später das Vergnügen, ihre Nachfolger in
schimpflicher Flucht vor sich her durch die Fluthen des Boyne zu
treiben.[177]

Clarendon's Verlegenheit und Angst wurde noch vermehrt durch
Nachrichten, die er auf Privatwegen erhielt. Ohne seine Zustimmung und
ohne sein Vorwissen wurde Anstalt getroffen, die ganze celtische
Bevölkerung des Landes, dessen Statthalter er dem Namen nach war, zu
bewaffnen und einzuüben. Tyrconnel leitete von London aus die Operation
und die Prälaten seiner Kirche waren seine Agenten. Jeder Priester war
angewiesen, ein genaues Verzeichniß aller seiner waffenfähigen
männlichen Pfarrkinder anzufertigen und seinem Bischofe zu
übersenden.[178]

Schon hatte sich das Gerücht verbreitet, Tyrconnel werde bald mit
außerordentlichen und selbstständigen Vollmachten ausgerüstet nach
Dublin zurückkehren, und dieses Gerücht gewann täglich an Bestand. Der
Lordlieutenant, den keine Demüthigung dazu bewegen konnte, den Pomp und
die Einkünfte seiner Stelle aufzugeben, erklärte, daß er sich freudig
dem königlichen Willen fügen und sich in allen Dingen als ein treuer und
gehorsamer Unterthan erweisen werde. Er sagte, er habe nie in seinem
Leben mit Tyrconnel Streit gehabt und er hoffe zuversichtlich, daß er
sich auch in Zukunft nicht mit ihm veruneinigen werde.[179] Clarendon
schien ganz vergessen zu haben, daß einmal ein Complot gegen den Ruf
seiner unschuldigen Schwester im Gange gewesen war und daß Tyrconnel an
diesem Complot sehr starken Antheil gehabt hatte. Eine solche
Beleidigung gehört gewiß nicht zu denen, welche Männer von Ehrgefühl am
leichtesten verzeihen. Aber an dem verderbten Hofe, an welchem die Hyde
so lange ihr Glück gemacht hatten, wurden derartige Beleidigungen gern
vergeben und vergessen, nicht aus Großmuth oder Nächstenliebe, sondern
aus reiner Characterlosigkeit und Mangel an Sittlichkeitsgefühl.

    [Anmerkung 171: Clarendon an Sunderland, 26. Febr. 1685/86.]

    [Anmerkung 172: Sunderland an Clarendon, 11. März 1685/86.]

    [Anmerkung 173: Clarendon an Rochester, 14. März; 1685/86.]

    [Anmerkung 174: Clarendon an Jakob, 4. März 1685/86.]

    [Anmerkung 175: Jakob an Clarendon, 6. April 1686.]

    [Anmerkung 176: Sunderland an Clarendon, 22. Mai 1686; Clarendon
    an Ormond, 30 Mai; Clarendon an Sunderland, 6 u. 11. Juli.]

    [Anmerkung 177: Clarendon an Rochester und Sunderland, 1. Juni
    1686; an Rochester, 12. Juni; +King's State of the Protestants of
    Ireland, chap. II. sec. 6, 7+; +Apology for the Protestants of
    Ireland, 1689.+]

    [Anmerkung 178: Clarendon an Rochester, 15. Mai 1686.]

    [Anmerkung 179: Clarendon an Rochester, 11. Mai 1686.]


[_Tyrconnel's Ankunft in Dublin als General._] Im Juni 1686 kam
Tyrconnel an. Seine Vollmacht autorisirte ihn nur zur Übernahme des
militairischen Kommandos, aber er brachte königliche Instructionen mit,
welche alle Zweige der Verwaltung berührten, und er nahm ohne Weiteres
die wirkliche Regierung der Insel in seine Hand. Am Tage nach seiner
Ankunft erklärte er gerade zu, daß eine große Anzahl Katholiken als
Offiziere angestellt und daß ihnen durch Entlassung von mehr
Protestanten Platz gemacht werden müsse. Er betrieb die Reorganisation
der Armee mit rastlosem Eifer. Dies war auch in der That die einzige
Oberbefehlshaberfunction, der er gewachsen war, denn er besaß wohl Muth
in Händeln und Zweikämpfen, aber vom eigentlichen Militairdienste
verstand er nichts. Sogleich bei der ersten Musterung, die er hielt,
sahen Alle, die sich in seiner Nähe befanden, deutlich, daß er nicht
wußte, wie man ein Regiment aufmarschiren ließ.[180]

    [Anmerkung 180: Clarendon an Rochester, 11. Mai 1686.]


[_Seine Parteilichkeit und Willkür._] Engländer auszumerzen und Irländer
an deren Stelle zu setzen, dies war nach seiner Ansicht der Anfang und
das Ende aller Militairverwaltung. Er hatte die Frechheit, sogar den
Hauptmann der Leibgarde des Lordlieutenants zu verabschieden, was
Clarendon erst erfuhr, als er einen ihm völlig unbekannten Katholiken
neben seinem Staatswagen reiten sah.[181] Die Veränderung beschränkte
sich nicht allein auf die Offiziere, auch die Reihen der Soldaten wurden
völlig aufgelöst und neu zusammengesetzt. Aus einem einzigen Regimente
wurden vier- bis fünfhundert Soldaten hauptsächlich aus dem Grunde
verabschiedet, weil sie das erforderliche Maß nicht hatten. Aber das
ungeübteste Auge sah auf den ersten Blick, daß die Leute größer und
besser gebaut waren, als ihre Nachfolger, deren wildes und unsauberes
Aussehen den Beschauer anekelte.[182] Die neuen Offiziere erhielten
Befehl, keinen Mann protestantischen Glaubens in die Armee aufzunehmen;
anstatt daß die Werbecommandos nach altem Brauche auf die Messen und
Märkte zogen, um Freiwillige herbeizutrommeln, suchten sie jetzt die
Orte auf, wohin die römischen Katholiken zu Andachtszwecken
wallfahrteten. Binnen wenigen Wochen hatte der General mehr als
zweitausend Eingeborene in die Reihen des Heeres aufgenommen, und seine
Umgebungen versicherten mit Bestimmtheit, daß zu Weihnachten nicht ein
einziger Mann englischer Abkunft mehr in der ganzen Armee zu finden sein
werde.[183]

Bei allen Fragen, welche im Geheimen Rathe zur Verhandlung kamen, zeigte
Tyrconnel die nämliche Willkür und Parteilichkeit. Johann Keating,
Oberrichter der Common Pleas, ein Mann, der sich durch Tüchtigkeit,
Rechtschaffenheit und Loyalität auszeichnete, stellte mit großer Milde
vor, daß der General billigerweise für seine Kirche nicht mehr verlangen
könne, als vollkommene Gleichstellung. Es sei gewiß nur des Königs
Wille, sagte er, daß kein des öffentlichen Vertrauens würdiger Mann
deshalb ausgeschlossen werden solle, weil er ein römischer Katholik sei,
und daß kein des Vertrauens Unwürdiger deshalb angestellt werden solle,
weil er ein Protestant sei. Tyrconnel begann alsbald zu fluchen und zu
schwören. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, rief er aus; »ich
möchte alle Katholiken herein haben.«[184] Die verständigeren Irländer
seines eigenen Glaubens waren entrüstet über seine rücksichtslose
Heftigkeit und wagten es, ihm Vorstellungen zu machen; aber er gebot
ihnen mit Verwünschungen Schweigen.[185] Seine Brutalität war so groß,
daß Viele ihn für wahnsinnig hielten. Sie war indessen noch nicht so
auffallend, als die schamlose Zungenfertigkeit, mit der er Lügen
aussprach. Schon lange zuvor hatte er sich den Spottnamen des »Lügners
Dick Talbot« zugezogen und selbst in Whitehall wurde jede abgeschmackte
Lüge eine von Dick Talbot's Wahrheiten genannt. Jetzt bewies er täglich,
daß er diesen nicht beneidenswerthen Ruf wohl verdiente. Das Lügen war
bei ihm in der That fast eine Krankheit. Nachdem er den Befehl zur
Entlassung englischer Offiziere gegeben, war er im Stande, sie in sein
Kabinet zu rufen, sie seines Vertrauens und seiner Freundschaft zu
versichern und den Himmel anzurufen, daß er ihn vernichten und
zerschmettern möge, wenn er nicht aufs Beste für ihr Wohl sorgen sollte.
Oft erfuhren Diejenigen, denen er auf solche Weise seine Gunst
zugeschworen hatte, noch vor dem Abende, daß sie entlassen waren.[186]

    [Anmerkung 181: +Secret Consults of the Romish Party in Ireland.+]

    [Anmerkung 182: Clarendon an Rochester, 26. Juni und 4. Juli 1686;
    +Apology for the Protestants of Irland, 1689.+]

    [Anmerkung 183: Clarendon an Rochester, 4. u. 22. Juli 1686; an
    Sunderland, 6. Juli; an den König, 14. Aug.]

    [Anmerkung 184: Clarendon an Rochester, 19. Juni 1686.]

    [Anmerkung 185: Clarendon an Rochester, 22. Juni 1686.]

    [Anmerkung 186: Sheridan-Handschr.; +King's State of the
    Protestants of Ireland, III. 3. 8.+ Ein schlagendes Beispiel von
    Tyrconnel's schamloser Lügenhaftigkeit findet sich in dem Briefe
    Clarendon's an Rochester vom 22. Juli 1686.]


[_Er sucht die Ansiedlungsacte aufzuheben._] Bei seiner Ankunft
versicherte er, obgleich er auf die Ansiedlungsacte entsetzlich fluchte
und das englische Interesse ein abscheuliches, ein schuftiges, ein
verfluchtes Ding nannte, dennoch überzeugt zu sein, daß die Vertheilung
des Grundeigenthums nach so langen Jahren nicht mehr abgeändert werden
könne.[187] Als er jedoch einige Wochen in Dublin war, zog er andere
Saiten auf. Er begann am Rathstische heftige Reden zu halten über die
Nothwendigkeit, das Land den früheren Eigenthümern zurückzugeben. Bis
jetzt hatte er jedoch noch nicht die Zustimmung seines Gebieters zu
diesem unheilvollen Plane erlangt. Das Nationalgefühl hatte in Jakob's
Gemüth noch einen schwachen Kampf gegen den Aberglauben zu bestehen. Er
war ein Engländer und ein englischer König und er konnte nicht ohne
einige schlimme Ahnungen in die Zerstörung der größten Colonie willigen,
die England jemals angelegt hatte. Die englischen Katholiken, die er zu
Rathe zu ziehen pflegte, waren fast einhellig für die Aufrechthaltung
der Ansiedlungsacte. Nicht nur der rechtschaffene und gemäßigte Powis,
sondern selbst der ausschweifende und starrsinnige Dover gaben
verständigen und patriotischen Rath.

    [Anmerkung 187: Clarendon an Rochester, 8. Juni 1686.]


[_Er kehrt nach England zurück._] Tyrconnel durfte kaum hoffen, von
ferne den Eindruck zu neutralisiren, den solche Rathschläge nothwendig
auf den König machen mußten. Er beschloß daher, die Sache seiner Kaste
persönlich zu verfechten, und kehrte deshalb Ende August nach England
zurück.

Der Lordlieutenant fürchtete seine Abwesenheit eben so sehr als seine
Anwesenheit. Es war allerdings peinlich, Tag für Tag die gerunzelte
Stirn eines Feindes vor Augen zu haben; nicht minder quälend aber war
das Bewußtsein, daß ein Feind täglich dem Könige Verleumdungen und bösen
Rath zuflüsterte. Clarendon ward durch mannichfache Kränkungen zu Boden
gedrückt. Er machte eine Rundreise durch das Land und mußte sehen, daß
die irische Bevölkerung ihn allenthalben mit Verachtung behandelte. Die
katholischen Priester ermahnten ihre Gemeinden, ihm keine
Ehrenbezeigungen zu erweisen; die eingeborne Gentry blieb zu Hause,
anstatt ihm entgegenzukommen und ihre Achtung zu bezeigen, und das
eingeborne Landvolk sang überall ersische Lieder zum Lobe Tyrconnels,
der, wie sie nicht zweifelten, bald wieder erscheinen werde, um die
Demüthigung ihrer Unterdrücker zu vervollständigen.[188]

    [Anmerkung 188: Clarendon an Rochester, 23. Sept. und 2. Oct.
    1686; +Secret Consults of the Romish Party in Ireland, 1690.+]


[_Der König ist unzufrieden mit Clarendon._] Der Vicekönig war von
seiner unerfreulichen Reise kaum wieder in Dublin angekommen, so erhielt
er Briefe, die ihm ankündigten, daß er sich das ernste Mißfallen des
Königs zugezogen habe. Seine Majestät, hieß es in den Briefen, erwarte
von seinen Dienern, daß sie seinen Befehlen nicht blos nachkämen,
sondern daß sie denselben aus voller Seele und mit heiterer Miene
gehorchten. Der Lordlieutenant habe sich zwar nicht geweigert, bei der
Reform des Heeres und der Civilverwaltung mitzuwirken, aber seine
Mitwirkung sei gezwungen und lässig gewesen, seine Blicke hätten seine
Gedanken verrathen und Jedermann habe gesehen, daß er die Politik
mißbillige, zu deren Ausführung er verwendet werde.[189] In großer Angst
schrieb er einen Brief, um sich zu vertheidigen; allein es wurde ihm
kalt darauf erwiedert, daß seine Vertheidigung ungenügend sei. Er
erklärte nun in den demüthigsten Ausdrücken, daß er es nicht versuchen
wolle, sich zu rechtfertigen, daß er mit jedem Urtheile des Königs, wie
es auch ausfallen möge, zufrieden sein werde, daß er sich in den Staub
werfe und um Verzeihung bitte, daß er der aufrichtigste aller reuigen
Sünder sei, daß er es als seinen höchsten Ruhm betrachte, für seinen
Herrn und König zu sterben, daß es ihm aber unmöglich sei, unter der
Ungnade seines Fürsten zu leben. Dies war auch keineswegs bloße
eigennützige Heuchelei, sondern, wenigstens zum Theil, unverstellter
Sklavensinn und feige Angst, denn in vertraulichen Briefen, welche nicht
für das Auge des Königs bestimmt waren, jammerte er gegen seine Familie
ganz in dem nämlichen Tone. Er sei unglücklich, er sei wie vernichtet,
der Zorn des Königs sei ihm unerträglich, und wenn dieser Zorn sich
nicht beschwichtigen lasse, habe das Leben keinen Werth mehr für
ihn.[190] Die Angst des armen Mannes nahm noch zu, als er erfuhr, daß
man in Whitehall beschlossen habe, ihn zurückzurufen und seinen
Nebenbuhler und Verleumder Tyrconnel zu seinem Nachfolger zu
ernennen.[191] Dann schien sich der Horizont wieder auf einen Augenblick
aufzuhellen, der König war in besserer Laune und Clarendon schmeichelte
sich einige Tage mit der Hoffnung, daß die Fürsprache seines Bruders den
erwünschten Erfolg gehabt habe, und daß die Krisis vorüber sei.[192]

    [Anmerkung 189: Clarendon an Rochester, 6. Oct. 1686.]

    [Anmerkung 190: Clarendon an den König und an Rochester, 23. Oct.
    1686.]

    [Anmerkung 191: Clarendon an Rochester, 29. u. 30. Oct, 1686.]

    [Anmerkung 192: Clarendon an Rochester, 27. Nov. 1686.]


[_Angriff der jesuitischen Cabale gegen Rochester._] In Wirklichkeit
aber hatte die Krisis erst begonnen. Während Clarendon sich an Rochester
zu lehnen versuchte, war dieser selbst schon nicht mehr im Stande, sich
noch länger zu halten. Wie in Irland der ältere Bruder, obgleich er
seine Ehrengarde, seinen Staatsdegen und den Titel Excellenz behielt,
thatsächlich durch den Befehlshaber der Armee verdrängt war, so sank in
England der jüngere Bruder, obgleich er seinen weißen Stab behielt und
kraft seines hohen Amtes den Vorrang vor dem höchsten Erbadel hatte,
rasch zu einem bloßen Finanzsekretär herab. Das Parlament wurde abermals
im Widerspruch mit den wohlbekannten Wünschen des Schatzmeisters auf
einen entfernten Termin prorogirt. Man benachrichtigte ihn nicht einmal
davon, daß eine neue Prorogation stattfinden solle, sondern überließ es
ihm, die Neuigkeit aus der Gazette zu erfahren. Die wirkliche Leitung
der Regierungsangelegenheiten war in die Hände der Cabale übergegangen,
welche Freitags bei Sunderland speiste. Das Kabinet versammelte sich
nur, um die von auswärtigen Höfen eingegangenen Depeschen vorlesen zu
hören, und diese Depeschen enthielten nichts, was man nicht schon an der
Börse gewußt hätte, denn alle englischen Gesandten hatten Befehl
erhalten, in ihre officiellen Schreiben nur das gewöhnliche
Vorzimmergeklatsch aufzunehmen, wichtige Geheimnisse aber für
Privatmittheilungen aufzusparen, welche an Jakob selbst, oder an
Sunderland oder an Petre gerichtet werden mußten.[193] Die siegende
Partei war indessen noch immer nicht zufrieden. Diejenigen, denen der
König das meiste Vertrauen schenkte, versicherten ihn, daß die
Hartnäckigkeit, mit der die Nation sich seinen Plänen widersetze,
lediglich Rochester zur Last falle. Wie könne das Volk glauben, daß sein
Fürst unerschütterlich fest entschlossen sei, auf dem eingeschlagenen
Wege fortzuschreiten, wenn es zu seiner Rechten einen Mann erblicke, der
anscheinend in Macht und Vertrauen der Erste unter seinen Räthen sei und
doch anerkanntermaßen diesen Weg entschieden mißbillige? Jedem Schritte,
der zu dem Zwecke gethan worden sei, die anglikanische Kirche
herabzusetzen und die römische Kirche zu erheben, habe sich der
Schatzmeister widersetzt. Allerdings habe er, wenn er die Nutzlosigkeit
seines Widerstandes eingesehen, sich mit Unmuth gefügt und zuweilen
sogar bei der Ausführung der Pläne, gegen die er am eifrigsten gekämpft,
hülfreiche Hand geleistet; allerdings habe er sich, obgleich ihm die
kirchliche Commission zuwider gewesen sei, dazu verstanden, eine Stelle
in derselben anzunehmen; allerdings habe er, nachdem er erklärt, daß er
in dem Benehmen des Bischofs von London nichts Tadelnswerthes finden
könne, mit Verdruß und Widerstreben für seine Absetzung gestimmt. Aber
dies sei nicht genug. Ein Fürst, der ein so wichtiges und schwieriges
Unternehmen durchzuführen habe, wie das von Jakob begonnene sei, habe
das Recht, von seinem ersten Minister nicht blos eine unwillige und
mürrische Zustimmung, sondern eine eifrige und kräftige Mitwirkung zu
erwarten. Während dem König täglich solcher Rath von Denen ertheilt
wurde, in die er das meiste Vertrauen setzte, erhielt er zu gleicher
Zeit durch die Pennypost eine Menge anonyme Briefe, welche von
Verleumdungen gegen den Lordschatzmeister strotzten. -- Dieses
Angriffssystem war von Tyrconnel erfunden und stand in vollkommenem
Einklange mit jedem Theile seines ehrlosen Wandels.[194]

Der König war unschlüssig. Er scheint wirklich zu seinem Schwager eine
aufrichtige persönliche Zuneigung, die Folge naher Verwandtschaft,
langjährigen vertraulichen Umgangs und vieler gegenseitiger
Gefälligkeiten, gehegt zu haben, und es ließ sich daher mit
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß Rochester, so lange er sich, wenn auch
zögernd und murrend, dem königlichen Willen fügte, dem Namen nach
Premierminister bleiben werde. Sunderland gab daher mit raffinirter
Schlauheit seinem Gebieter zu verstehen, daß es zweckmäßig sein dürfte,
von Rochester den einzigen Beweis von Gehorsam zu verlangen, den er --
dies war so gut als gewiß -- niemals geben würde. Gegenwärtig -- so
lautete die Sprache des listigen Staatssekretärs -- sei es unmöglich,
mit dem ersten Diener des Königs über den Gegenstand zu sprechen, der
Seiner Majestät am meisten am Herzen liege. Es sei traurig, sich sagen
zu müssen, daß in einer so wichtigen Krisis religiöse Vorurtheile die
Regierung einer so werthvollen Stütze beraubten. Vielleicht würden sich
diese Vorurtheile nicht als unüberwindlich erweisen. Dann deutete der
Verführer an, daß seines Wissens Rochester unlängst einige Bedenken über
die zwischen den Protestanten und Katholiken obschwebenden Streitpunkte
geäußert habe.[195]

    [Anmerkung 193: Barillon, 13.(23.) Sept. 1686; +Clarke's Life of
    James the Second, II. 99.+]

    [Anmerkung 194: Sheridan-Handschr.]

    [Anmerkung 195: +Clarke's Life of James the Second, II. 100.+]


[_Jakob's Versuche, Rochester zu bekehren._] Dies war genug. Der König
griff den Wink begierig auf und begann sich mit der Hoffnung zu
schmeicheln, daß er vielleicht nicht nur der unangenehmen Nothwendigkeit
überhoben werden würde, einen Freund von sich zu entfernen, sondern sich
sogar einen geschickten Gehilfen zur Ausführung des unternommenen großen
Werkes sichern könnte. Nebenbei erhob ihn auch der Gedanke an das
Verdienst und den Ruhm, einen Mitmenschen vom Verderben zu retten. Er
scheint in der That um diese Zeit einen ganz besonders heftigen Anfall
von religiösem Eifer gehabt zu haben, und dies ist um so auffallender,
da er eben erst nach einer kurzen Pause der Selbstbeherrschung in
Ausschweifungen zurückverfallen war, welche alle christlichen Theologen
als sündhaft verwerfen und die bei einem schon bejahrten Manne, der eine
liebenswürdige junge Gattin hat, selbst von weltlich gesinnten Menschen
unschicklich genannt werden. Lady Dorchester war von Dublin
zurückgekommen und war wieder die Maitresse des Königs. Eine politische
Bedeutung hatte ihre Rückkehr nicht. Die Erfahrung hatte sie von der
Nutzlosigkeit des Versuchs überzeugt, ihren Geliebten von dem Verderben
zu retten, in das er sich kopfüber stürzte. Sie überließ daher seine
politische Leitung den Jesuiten und diese gestatteten ihr dagegen, daß
sie dem Könige Geld ablockte. Übrigens war sie nur eine von mehreren
leichtfertigen Frauen, welche damals mit seiner geliebten Kirche die
Herrschaft über ihn theilten.[196] Er schien beschlossen zu haben, die
Vernachlässigung seines eignen Seelenheils durch Sorge für die Seelen
Anderer einigermaßen wieder gut zu machen. Daher ging er mit wirklichem
guten Willen, aber mit dem guten Willen eines harten, strengen und
gebieterischen Characters an das Werk seinen Schwager zu bekehren. Jede
dem Schatzmeister gewährte Audienz wurde mit Abhandlungen über die
Autorität der Kirche und über den Bilderdienst ausgefüllt. Rochester
hatte sich vorgenommen, seinem Glauben nicht untreu zu werden; aber er
trug kein Bedenken, sich zu seiner Selbstvertheidigung eben so
schimpflicher Kunstgriffe zu bedienen, als sie gegen ihn angewendet
wurden. Er bemühte sich wie ein Mann zu sprechen, der noch nicht mit
sich im Klaren ist, sagte daß er nichts mehr wünsche, als eines Besseren
belehrt zu werden, wenn er sich irren sollte, las papistische Bücher und
hörte papistische Theologen bereitwillig an. Er hatte verschiedene
Unterredungen mit Leyburn, dem apostolischen Vikar, mit Godden, dem
Kaplan und Almosenier der Königin Wittwe und mit Bonaventura Giffard,
einem in den Schulen von Douay für die Polemik gebildeten Theologen. Es
wurde verabredet, daß eine förmliche Disputation zwischen diesen
Gelehrten und einigen protestantischen Geistlichen stattfinden solle.
Der König forderte Rochester auf, beliebige Theologen der Staatskirche
zu wählen, nur mit zwei Ausnahmen: Diese waren Tillotson und
Stillingfleet. Tillotson, der populärste Prediger der damaligen Zeit und
von Character der harmloseste Mensch, hatte mit einigen Whigführern in
vertrautem Umgange gestanden, und Stillingfleet, der als ein vollendeter
Meister in allen Waffen der Polemik bekannt war, hatte sich durch
Herausgabe einer Entgegnung auf die in der Cassette Karl's II.
gefundenen Papiere noch mißliebiger gemacht. Rochester wählte die beiden
königlichen Kaplane, welche gerade den Dienst hatten. Der eine von ihnen
war Simon Patrick, dessen Bibelerklärungen noch jetzt in keiner
theologischen Bibliothek fehlen dürfen; der andre war Jane, ein heftiger
Tory, einer von den Verfassern des Beschlusses, durch welchen die
Universität Oxford die schlimmsten Thorheiten Filmer's feierlich in sich
aufgenommen hatte. Die Disputation fand am dreizehnten November in
Whitehall statt. Rochester, der es nicht bekannt werden lassen wollte,
daß er eingewilligt habe, die Argumente der papistischen Priester auch
nur anzuhören, bedang sich Geheimhaltung aus. Es sollte kein Zuhörer
weiter anwesend sein als der König. Der Gegenstand der Disputation
war die wirkliche Anwesenheit Christi beim Abendmahle. Die
römisch-katholischen Theologen übernahmen die Last der Beweisführung.
Patrick und Jane sprachen wenig; auch hatten sie gar nicht nöthig viel
zu sagen, denn der Earl unternahm es selbst die Lehre seiner Kirche zu
vertheidigen und er wurde seiner Gewohnheit nach bald warm, verlor seine
Ruhe und fragte mit großer Heftigkeit, ob man etwa hoffe, daß er auf so
unhaltbare Gründe hin, seinen Glauben wechseln werde. Dann fiel ihm aber
ein, was er riskirte; er fing wieder an sich zu verstellen, jagte den
Disputanten Schmeicheleien über ihre Gewandtheit und Gelehrsamkeit und
verlangte Zeit, um das Gesagte zu überlegen.[197]

So beschränkt Jakob auch war, mußte er doch merken, daß dies eine bloße
Komödie war. Er sagte Barillon, Rochester's Sprache sei nicht die eines
Mannes, der den aufrichtigen Willen habe, zur Wahrheit zu gelangen.
Indessen konnte sich der König doch noch nicht entschließen, seinem
Schwager die einfache Alternative zu stellen: Übertritt oder Entlassung;
drei Tage nach der Conferenz aber machte Barillon dem Schatzmeister
einen Besuch und rückte nach vielen Umschweifen und wiederholten
Versicherungen der freundschaftlichsten Theilnahme mit der unangenehmen
Wahrheit heraus. »Meinen Sie damit«, sagte Rochester, den die unklaren
und umständlichen Phrasen, in denen das Ansinnen an ihn gestellt wurde,
irre machten, »daß ich meine Stelle verliere, wenn ich nicht Katholik
werde?« -- »Davon spreche ich nicht«, erwiederte der vorsichtige
Diplomat; »ich komme nur als Freund zu Ihnen, um die Hoffnung
auszusprechen, daß Sie darauf bedacht sein werden, Ihre Stelle zu
behalten.« -- »Aber jedenfalls«, sagte Rochester, »ist der einfache und
klare Sinn von dem Allen, daß ich entweder Katholik werden oder abtreten
muß.« Er richtete noch mehrere Fragen an Barillon, um dahinter zu
kommen, ob die Eröffnung ihm auf höheren Befehl gemacht worden war,
konnte aber nur unbestimmte und geheimnißvolle Antworten erlangen.
Endlich erklärte er Barillon mit einer affectirten Zuversicht, die er
weit entfernt war zu fühlen, er müsse sich durch leeres oder böswilliges
Gerede haben täuschen lassen. »Ich sage Ihnen«, setzte er hinzu, »daß
der König mich nicht entlassen und daß ich eben so wenig freiwillig
abtreten werde. Ich kenne ihn und er kennt mich; ich fürchte Niemanden.«
Der Franzos antwortete hierauf, er sei außerordentlich erfreut, dies zu
hören, und der einzige Beweggrund seiner Einmischung in die Sache sei
die aufrichtige Besorgniß um das Wohl und das Ansehen seines
vortrefflichen Freundes des Schatzmeisters. So trennten sich die beiden
Staatsmänner, und jeder schmeichelte sich, den andren dupirt zu
haben.[198]

Inzwischen hatte sich trotz der dringend anempfohlenen Geheimhaltung
dennoch in ganz London die Nachricht verbreitet, der Lordschatzmeister
habe eingewilligt, sich in den papistischen Glaubenslehren unterrichten
zu lassen. Man hatte Patrick und Jane durch die verborgene Thür, welche
in Chiffinch's Gemächer führte, in den Palast gehen sehen und einige
römisch-katholische Höflinge hatten aus Indiscretion oder mit Absicht
Alles was sie wußten und noch mehr als das erzählt. Die anglikanischen
Tories sahen mit ängstlicher Spannung ausführlicheren Nachrichten
entgegen. Schon der Gedanke war ihnen schmerzlich, daß ihr Oberhaupt
sich nur gestellt haben könnte, als sei er in seiner Überzeugung
schwankend geworden; daß er sich aber bis zum Renegaten erniedrigen
werde, konnten sie nicht glauben. Gepeinigt von seinen heftigen
Leidenschaften und seinen niedrigen Begierden, geängstigt durch den
Tadel des Publikums und durch Barillon's Andeutungen, voll Furcht sein
Ansehen und seinen Posten zu verlieren, eilte der unglückliche Minister
wieder in das königliche Kabinet. Er war entschlossen, seine Stelle
durch jede Schlechtigkeit zu behaupten, eine einzige ausgenommen. Er
wollte vorgeben, er sei in seiner religiösen Überzeugung wankend
geworden und sei ein halber Konvertit, er wollte seine kräftige
Unterstützung der Politik, der er bisher opponirt hatte, versprechen;
würde er aber aufs Äußerste getrieben, so wollte er sich weigern, seinen
Glauben zu wechseln. Er sagte daher zuerst dem Könige, daß die
Angelegenheit, für welche Seine Majestät sich so lebhaft interessire,
keineswegs ruhe, daß Jane und Giffard eben damit beschäftigt seien, über
die zwischen den beiden Kirchen streitigen Punkte Bücher zu Rathe zu
ziehen, und daß nach Beendigung dieser Nachforschung eine zweite
Conferenz wünschenswerth sein werde. Dann beklagte er sich bitter
darüber, daß die ganze Stadt bereits wisse, was doch sorgfältig hätte
verschwiegen werden sollen, und daß einige Personen, die in Folge ihrer
Stellung gut unterrichtet sein könnten, sonderbare Dinge in Bezug auf
die Absichten des Königs erzählten. »Man flüstert einander zu,« sagte
er, »daß, wenn ich nicht thäte, was Eure Majestät von mir verlangt, ich
nicht länger in meiner gegenwärtigen Stellung bleiben dürfte.« Der König
erwiederte mit einigen freundschaftlichen Gemeinplätzen, daß man den
Leuten nicht wehren könne zu reden, daß man aber solch' leeres Geschwätz
nicht beachten dürfe. Diese hohlen Phrasen waren nicht geeignet, das
ängstliche Gemüth des Ministers zu beruhigen. Er gerieth in eine heftige
Aufregung und begann seine Stelle zu vertheidigen, als ob sein Leben
davon abgehangen hätte. »Eure Majestät sieht, daß ich Alles, was in
meiner Macht steht, thue, Ihnen zu gehorchen. Ich will in der That Alles
thun, was ich kann, um Ihnen in Allem gehorsam zu sein, ich will Ihnen
dienen, ganz nach Ihrem Sinne. Ja,« rief er in einem verzweifelten
Ausbruche von niedriger Feigheit, »ich will mich sogar bemühen, zu
glauben, was Sie wünschen. Aber nur das sagen Sie mir nicht, daß ich
Alles verlieren muß, wenn ich mich bei dem Versuche, meine Ansicht zu
ändern, überzeuge, daß mir dies unmöglich ist. Denn ich muß Eurer
Majestät offen sagen, daß hierbei noch andere Rücksichten obwalten.« --
»So, so. Sie müssen also?« versetzte der König mit einem Fluche, denn
ein einziges freimüthiges und männliches Wort, das inmitten dieser
kriechenden Demuthversicherungen entschlüpft war, reichte hin, um seinen
Zorn zu reizen. »Ich hoffe, Sire,« entgegnete der arme Rochester, »daß
ich Sie nicht beleidigt habe. Eure Majestät würde sicherlich keine gute
Meinung von mir haben, wenn ich nicht so gesprochen hätte.« Der König
beherrschte sich, versicherte daß er sich nicht beleidigt fühle und
rieth dem Schatzmeister, unbekümmert um müßiges Gerede wieder mit Jane
und Giffard zu conferiren.[199]

    [Anmerkung 196: Barillon, 13.(23.) Sept. 1686; Bonrepaux, 4. Juni
    1687.]

    [Anmerkung 197: Barillon, 2.(12.) Dec. 1686; +Burnet I. 684+;
    +Clarke's Life of James the Second, II. 100+; +Dodd's Church
    History+. Ich habe es versucht aus diesen einander
    widersprechenden Materialien eine möglichst richtige Erzählung zu
    entwerfen. Aus Rochester's eigenen Papieren scheint mir klar
    hervorzugehen, daß er bei dieser Gelegenheit keineswegs so
    starrsinnig war, als er von Burnet und dem Biographen Jakob's
    dargestellt wird.]

    [Anmerkung 198: Aus +Rochester's Minutes, d. d. 3. Dec. 1686.+]

    [Anmerkung 199: Aus +Rochester's Minutes, d. d. 4. Dec. 1686.+]


[_Rochester's Entlassung._] Von dieser Unterredung an verstrichen noch
vierzehn Tage, ehe der entscheidende Schlag fiel. Diese vierzehn Tage
brachte Rochester mit Intriguiren und Flehen hin. Er bemühte sich, die
Katholiken, welche bei Hofe den meisten Einfluß hatten, zu seinen
Gunsten zu stimmen. Seinem Glauben, sagte er, könne er nicht untreu
werden; sonst aber wolle er Alles thun, was sie nur verlangen könnten.
Wenn er nur seine Stelle behielte, würden sie bald sehen, daß er ihnen
als Protestant mehr nützen könne, denn als Mitglied ihrer Kirche.[200]
Seine Gemahlin, welche damals krank darniederlag, hatte angeblich
bereits die tief gekränkte Königin um die Ehre eines Besuchs bitten
lassen und das Mitleid Ihrer Majestät zu erwecken versucht.[201] Aber
die Hyde erniedrigten sich umsonst. Dem Petre waren sie ganz besonders
ein Dorn im Auge und er arbeitete daraufhin, sie zu stürzen.[202] Am
Abend des 17. December wurde der Earl in das königliche Kabinet
beschieden. Jakob war ungewöhnlich ergriffen und weinte sogar. Diese
Scene mußte allerdings Erinnerungen in ihm wecken, die wohl im Stande
sind, auch das härteste Gemüth zu erweichen. Er sprach sein Bedauern
aus, daß seine Regentenpflichten ihm nicht gestatteten, seinen
persönlichen Neigungen zu folgen; es sei durchaus nöthig, daß die
Männer, denen die Oberleitung seiner Angelegenheiten übertragen sei,
seine Ansichten und Gesinnungen theilten. Er räumte ein, daß er große
persönliche Verpflichtungen gegen Rochester habe und daß die Art und
Weise, wie die Finanzen in neuerer Zeit verwaltet worden seien, ganz
seinen Beifall gehabt habe; das Amt eines Lordschatzmeisters aber sei
von so hoher Wichtigkeit, daß es überhaupt nicht einem Einzelnen
übertragen werden sollte und von einem katholischen Könige nicht mit
Sicherheit einem eifrigen Anhänger der anglikanischen Kirche anvertraut
werden könne. »Denken Sie noch besser darüber nach, Mylord,« fuhr er
fort; »lesen Sie wiederholt die Papiere aus meines Bruders Cassette; ich
will Ihnen etwas mehr Zeit zur Überlegung gönnen, wenn Sie es wünschen.«
Rochester sah, daß Alles vorbei war und daß er nichts Besseres thun
konnte, als aus seinem Schiffbruche soviel Geld und soviel Ansehen als
möglich zu retten. Beides gelang ihm. Er erhielt aus dem Ertrage des
Postamts einen Jahrgehalt von viertausend Pfund auf doppelte Lebenszeit.
Aus den Besitzungen von Hochverräthern hatte er sich große Summen zu
erwerben gewußt und insbesondere Grey's Verschreibung auf vierzigtausend
Pfund eingesteckt, sowie auch den ganzen Antheil der Krone an Grey's
ausgedehnten Gütern erhalten.[203] Noch nie war ein Minister unter so
günstigen Bedingungen aus dem Amte geschieden. Auf den Beifall der
wahren Freunde der Staatskirche hatte er allerdings sehr geringen
Anspruch. Um seine Stelle zu retten, hatte er in dem Tribunale gesessen,
das zu dem Zwecke, sie zu verfolgen, gesetzwidrig errichtet worden war;
um seine Stelle zu retten, hatte er ehrloserweise für die Absetzung
eines ihrer ausgezeichnetsten Diener gestimmt, hatte sich gestellt, als
zweifle er an ihrer Rechtgläubigkeit, hatte mit anscheinendem Interesse
Lehrer angehört, die sie schismatisch und ketzerisch nannten, und hatte
sich erboten, ihren Todfeinden bei deren Plänen gegen dieselbe kräftigen
Beistand zu leisten. Der höchste Ruhm, auf den er Anspruch machen
konnte, war der, daß er vor dem Übermaß von Gewissenlosigkeit und
Gemeinheit zurückgeschreckt war, um schnöden Gewinns willen öffentlich
den Glauben abzuschwören, in welchem er erzogen war, den er für den
wahren hielt und dessen er sich so lange gerühmt hatte. Dennoch wurde er
von der großen Masse der Anglikaner gepriesen, als ob er der muthigste
und makelloseste aller Märtyrer gewesen wäre. Das Alte und das Neue
Testament, die Martyrologien von Eusebius und von Fox wurden
durchstöbert, um Parallelen für seine heldenmüthige Frömmigkeit zu
finden. Er war ein Daniel in der Löwengrube, ein Sadrach im feurigen
Ofen, ein Petrus im Kerker des Herodes, ein Paulus vor den Schranken
Nero's, ein Ignatius im Amphitheater, ein Latimer auf dem
Scheiterhaufen. Unter den vielen Thatsachen, welche beweisen, daß der
Maßstab der Ehre und Tugend unter den Staatsmännern jener Zeit ein sehr
niedriger war, ist die durch Rochester's Standhaftigkeit erregte
Bewunderung vielleicht die entscheidendste.

    [Anmerkung 200: Barillon, 20.(30.) Dec. 1686.]

    [Anmerkung 201: +Burnet, I. 684.+]

    [Anmerkung 202: Bonrepaux, 25. Mai (4. Juni) 1687.]

    [Anmerkung 203: +Rochester's Minutes, Dec. 19. 1686+; Barillon,
    30. Dec. (9. Jan.) 1686/87; +Burnet, I. 685+; +Clarke's Life of
    James the Second, II. 102+; +Treasury Warrant Book, Dec. 29.
    1686.+]


[_Entlassung Clarendon's._] In seinem Sturze riß er auch Clarendon mit
zu Boden. Am 7. Januar 1687 verkündete die Gazette der Bevölkerung von
London, daß das Schatzamt einer Commission zur Verwaltung übertragen
sei.


[_Tyrconnel Lordstellvertreter._] Am 8. Januar kam in Dublin eine
Depesche an, welche formell anzeigte, daß Tyrconnel in einem Monate die
Regierung von Irland übernehmen werde. Nicht ohne große Schwierigkeiten
hatte dieser Mann die zahlreichen Hindernisse bewältigen können, die
seinem Ehrgeize im Wege standen. Es war wohl bekannt, daß die
Vernichtung der englischen Colonie in England das Ziel war, nach dem
sein Sinn strebte. Er hatte deshalb einige Bedenken des Königs zu
zerstreuen und den Widerstand nicht nur aller protestantischen
Mitglieder der Regierung sowie der gemäßigten und achtbaren Häupter des
Katholicismus, sondern selbst mehrerer Mitglieder der jesuitischen
Cabale zu besiegen.[204] Sunderland erschrak vor dem Gedanken an eine
religiöse, politische und sociale Revolution in Irland. Der Königin war
Tyrconnel persönlich zuwider. Powis wurde daher als der für das
Vicekönigthum am besten geeignete Mann betrachtet. Er war von erlauchter
Abkunft und ein aufrichtiger Katholik, galt aber bei alledem auch in den
Augen der aufrichtigsten Protestanten allgemein für einen braven Mann
und einen guten Engländer. Doch aller Widerstand zerschellte an
Tyrconnel's Energie und List. Er schmeichelte, tobte und bestach
unermüdlich. Petre's Beistand gewann er durch Schmeichelei; Sunderland
wurde durch Versprechungen und zugleich durch Drohungen mürbe gemacht.
Für seine Unterstützung wurde ein hoher Preis geboten, bestehend in
einer Leibrente von fünftausend Pfund auf die Staatseinkünfte Irlands,
ablösbar durch einmalige Bezahlung einer Summe von fünfzigtausend Pfund.
Würde dieses Anerbieten zurückgewiesen, so drohte Tyrconnel, es dem
Könige zu verrathen, daß der Lordpräsident einmal beim Freitagsdiner
Seine Majestät als einen Schwachkopf geschildert habe, der entweder
durch ein Weib oder durch einen Priester geleitet werden müsse.
Sunderland erklärte sich in Todesangst bereit, Tyrconnel das
militairische Obercommando, einen kolossalen Gehalt, kurz alles Mögliche
zu verschaffen, nur nicht das Vicekönigthum; aber jeder Vergleich wurde
verworfen, und er mußte nachgeben. Maria von Modena selbst blieb nicht
frei von dem Verdachte, daß sie sich habe bestechen lassen. Es existirte
in London eine berühmte Perlenschnur, die auf zehntausend Pfund
geschätzt wurde. Sie hatte dem Prinzen Ruprecht gehört, und dieser hatte
sie der Margarethe Hughes hinterlassen, einer Courtisane, die in den
letzten Jahren seines Lebens eine unbegrenzte Herrschaft über ihn
ausgeübt. Tyrconnel rühmte sich laut, daß er mit dieser Perlenschnur die
Unterstützung der Königin erkauft habe. Manche betrachteten jedoch diese
Geschichte als eine von Dick Talbot's Wahrheiten und hielten sie für
eben so unbegründet wie die Verleumdungen, welche er sechsundzwanzig
Jahre früher erfunden hatte, um den guten Ruf der Anna Hyde zu
untergraben. Den römisch-katholischen Höflingen gegenüber pflegte er von
der Unsicherheit ihrer Ämter, Titel und Einkünfte zu sprechen. Der König
könne morgen sterben und sie seien dann einer feindlichen Regierung und
einem feindlichen Pöbel preisgegeben; könnte man aber in Irland den
alten Glauben zur Herrschaft bringen und in jenem Lande das
protestantische Interesse vernichten, so hätten sie doch im schlimmsten
Falle ein Asyl, wohin sie sich zurückziehen und von wo aus sie mit
Vortheil entweder unterhandeln oder sich vertheidigen könnten. Ein
papistischer Priester wurde durch das Versprechen der Mitra von
Waterford gewonnen, um in St. James gegen die Ansiedelungsacte zu
predigen, und seine Predigt war nicht ohne Wirkung, wenn sie auch von
dem englischen Theile der Zuhörer mit Unwillen angehört würde. Der
Kampf, den in Jakob's Brust der Patriotismus eine Weile gegen die
Bigotterie zu bestehen gehabt hatte, war vorüber. »In Irland ist ein
Werk zu verrichten,« sagte er, »dem kein Engländer gewachsen ist.«[205]

Alle Hindernisse waren endlich beseitigt und im Februar 1687 begann
Tyrconnel mit der Macht und den Einkünften eines Lordlieutenants, aber
mit dem bescheideneren Titel eines Lordstellvertreters sein Geburtsland
zu regieren.

    [Anmerkung 204: Bischof Malony sagt in einem Briefe an Bischof
    Tyrrel: »Nie wird ein Katholik oder ein Engländer an Ihre
    Wiedereinsetzung denken oder einen Schritt dazu thun oder
    gestatten, daß der König einen Schritt dazu thut, sondern er wird
    Sie in Ihrer bisherigen Lage und unter dem Joche Ihrer Feinde
    lassen; ebensowenig wird ein Engländer, gleichviel ob Katholik
    oder nicht, welchem Stande und Range er auch angehören möchte,
    Anstand nehmen, dem geringsten eigenen Interesse in England ganz
    Irland aufzuopfern, und lieber ganz Irland von Engländern irgend
    welcher Religion, als von Irländern bewohnt sehen.«]

    [Anmerkung 205: Den besten Aufschluß über diese Vorgänge geben die
    Sheridan-Handschr.]


[_Besorgnisse der englischen Ansiedler in Irland._] Seine Ankunft
verbreitete Schrecken unter der ganzen englischen Bevölkerung. Ein
großer Theil der angesehensten Bewohner von Dublin, Gentlemen, Kaufleute
und Gewerbtreibende, begleiteten Clarendon über den St. Georgskanal oder
folgten ihm sehr bald nach. Es sollen binnen wenigen Tagen
fünfzehnhundert Familien ausgewandert sein. Der Schrecken war auch nicht
unbegründet. Das Werk, die Colonisten unter die Füße der Eingebornen zu
werfen, wurde eifrig betrieben. In kurzer Zeit war fast jeder
Geheimrath, Richter, Sheriff, Mayor, Alderman und Friedensrichter ein
Celte und Katholik. Bald schien Alles zu einer allgemeinen Wahl und zur
Zusammensetzung eines Unterhauses reif zu sein, das zur Aufhebung der
Ansiedlungsacte geneigt war.[206] Die, welche kurz zuvor die Herren der
Insel gewesen waren, klagten jetzt laut in ihrer Herzensangst, daß sie
zur Beute und zum Gespött ihrer Leibeigenen und ihres Gesindes geworden
wären, daß ungestraft Häuser angezündet und Vieh gestohlen würde, daß
die neuen Soldaten plündernd, schimpfend, schändend und verstümmelnd im
Lande umherstreiften und die Protestanten mit Betttüchern prellten oder
bei den Haaren aufknüpften und durchpeitschten, daß man sich vergebens
auf das Gesetz berufe, daß irische Richter, Sheriffs, Geschworne und
Zeugen sich alle verbunden hätten, um die irischen Verbrecher zu
schützen und daß selbst ohne eine Parlamentsacte der gesammte Grund und
Boden bald in andere Hände übergehen werde, indem bei jeder unter
Tyrconnel's Verwaltung erhobenen Ausweisungsklage für die Eingebornen
und gegen den Engländer entschieden worden sei.[207]

Während Clarendon's Aufenthalt in Dublin war das Geheimsiegel in den
Händen einer Commission gewesen. Seine Freunde hofften, daß er es bei
seiner Zurückkunft nach London wieder erhalten werde. Aber der König und
die jesuitische Cabale hatten sich vorgenommen, daß die Ungnade der Hyde
vollständig sein sollte. Lord Arundell von Wardour, ein Katholik,
erhielt das Geheimsiegel, Bellasyse, auch ein Katholik, wurde erster
Lord des Schatzes, und Dover, gleichfalls Katholik, erhielt einen Sitz
im Schatzamt. Die Ernennung eines zu Grunde gerichteten Spielers zu
einem solchen Posten würde allein schon hingereicht haben, um das
Publikum aufzubringen. Der ausschweifende Etherege, welcher damals als
englischer Gesandter in Regensburg lebte, konnte sich nicht enthalten,
mit einem höhnischen Lächeln die Hoffnung auszusprechen, daß sein alter
Zechbruder Dover das Geld des Königs fester halten werde als sein
eignes. Damit die Finanzen durch unfähige und unerfahrene Papisten nicht
zerrüttet werden möchten, wurde der dienstwillige, umsichtige und
verschwiegene Godolphin zum Schatzcommissar ernannt, blieb aber nach wie
vor Kammerherr der Königin.[208]

    [Anmerkung 206: Sheridan-Handschr.; +Oldmixon's Memoirs of
    Ireland+; +King's State of the Protestants of Ireland+, +chap. 3+;
    +Apology for the Protestants of Ireland, 1689.+]

    [Anmerkung 207: +Secret Consults of the Romish Party in Ireland+,
    1690.]

    [Anmerkung 208: +London Gazette+, +Jan. 6.+ und +March 14.+
    1686/87; +Evelyn's Diary+, +March 10.+ Etherege's Brief an Dover
    befindet sich im Britischen Museum.]


[_Eindruck des Sturzes der Hyde._] Die Entlassung der beiden Brüder
bildet eine wichtige Epoche in Jakob's Regierung. Von diesem Augenblicke
an war es klar, daß er in Wirklichkeit nicht Gewissensfreiheit für seine
eigenen Glaubensgenossen, sondern die Freiheit zur Verfolgung
Andersgläubiger wollte. Während er vorgab, die Religionseide zu
verabscheuen, hatte er selbst einen eingeführt. Er hatte gesagt, es sei
hart, es sei abscheulich, fähige und loyale Männer blos deshalb, weil
sie Katholiken seien, vom Staatsdienste auszuschließen, und jetzt
verabschiedete er selbst einen Schatzmeister, dessen Befähigung und
Loyalität er anerkannte, lediglich deshalb, weil er Protestant war. Man
sprach laut davon, daß eine allgemeine Proscription bevorstehe, und daß
jeder Staatsdiener sich werde darauf gefaßt machen müssen, entweder sein
Seelenheil zu verwirken, oder seine Stelle zu verlieren.[209] Wer konnte
in der That hoffen, da stehen zu bleiben, wo die Hyde gefallen waten?
Sie waren die Schwäger des Königs, die Oheime und natürlichen Vormunde
seiner Kinder, von früher Jugend auf seine Freunde, seine treuen
Anhänger in Unglück und Gefahr und seine gehorsamen Diener, seit er auf
dem Throne saß. Ihr einziges Verbrechen war ihre Religion und wegen
dieses Verbrechens waren sie entlassen worden. Man sah sich in großer
Angst nach Hülfe um und bald richteten sich Aller Blicke auf einen Mann,
den eine seltene Vereinigung von persönlichen Eigenschaften und
zufälligen Umständen zum Befreier bezeichnete.

    [Anmerkung 209: +»Pare che gli animi sono inaspriti della voce che
    corre per il popolo, d'esser cacciato il detto ministro per non
    essere Cattolico perciò tirarsi al esterminio de' Protestanti.«+
    -- Adda, 31. Dec. (10. Jan.) 1687.]



  Druck von Philipp Reclam jun. in Leipzig.


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Druckfehler und Unregelmässigkeiten

Die Formen »funfzig« und »Urtel« sind ungeändert. Mehrere doppelte
Punkte wie

  [_Sir Patrick Hume und Sir Johann Cochrane._].

sind leise korrigiert.

V. Kapitel

  Bei dem Ryehousecomplot war er stark betheiligt  [betheilgt]
  welche aus Perthshire in Argyleshire eingedrungen waren  [Pertshire]
  [Anm. V.39] 8.(18.),  [8.(18).,]
  [Anm. V.40] ... Evènemens  Tragiques d'Angleterre+  [Evénemens]
  seine Reise durch Somersetshire  und Devonshire  [Somersethire]
  jede neue Grundsteinlegung innerhalb des Stadtgebiets  [Sadtgebiets]
  [Anm. V.52] +Lords' and Commons' Journals  June 13. & 15.+  [Jurnals,]
  welche in der Umgegend  von London entbehrt werden konnten  [Umgend]
  Die Rebellen marschirten  demgemäß nach Wells  [maschirten]
  Die Landleute von Somersetshire  benahmen sich  [Somersethire]
  die Bergleute von Menrix [_ungeändert: Englisch hat »Mendip«_]
  [Anm. V.97] +Burnet, I. 643+  [I., 643]
    ... employed by Hir Majesty  [_ungeändert_]
  das unwissende Volk von Somersetshire  [Somersethire]
  daß er unangefochten auf dem Continent lebe  [Cotinent]
  Ich half nur einer unglücklichen Familie  [Famile]

VI. Kapitel

  über die Thronrede constituiren solle  [constiturien]
  von einem bestochenen Wahlkörper in Cornwall  [Cornwallis]
  [Anm. VI.20] Windham, dem Abgeordneten von Salisbury  [Salesbury]
  Powis mit den achtungswerthesten Edelleuten  [Povis]
  [Anm. VI.78] à donner considérablement... [_letzes . unsichtbar_]
  die Vertheidigung eines Hoheitsrechtes  [Hoheisrechtes]
  Entschluß Jakob's, sein kirchliches Supremat  [Suppremat]
  [Anm. VI.101: ... +Burnet, II. 629+  [_ungeändert: I?_]
  In Clerkenwall wurde auf der Stelle  [_ungeändert_]
  von Barwick bis Penzance  [_ungeändert_]
  daß er nicht nachgeben wird.«[120]  [« _fehlt_]
  [Anm. VI.119: ... (Burnet I. 662.)  [Burnet I, 662.]
  irgend einem presbyterianischen Conventikel  [prespyterianischen]
  daß er schon zu genädig gewesen sei  [_ungeändert_]
  in Irland gegen protestantische Nonconformisten  [Noncorformisten]
  [Anm. VI.161: ... oder auch sämmtlich verwalten lassen  [sämmlich]
  [Anm. VI.204: ... irgend welcher Religion  [Religon]





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