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Title: Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. - Erster Band enthaltend Kapitel 1 und 2
Author: Macaulay, Thomas Babington Macaulay, Baron, 1800-1859
Language: German
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[Zeichen _wie so_ bedeuten Gesperrt; +wie so+ bedeuten Antiqua
(nicht-Fraktur); =wie so= bedeuten Fettschrift.]



  [Titelbild: T. B. Macaulay.]



  Thomas Babington Macaulay's

  Geschichte von England


  seit der

  Thronbesteigung Jakob's des Zweiten.


  Aus dem Englischen.


  Vollständige und wohlfeilste

  =Stereotyp-Ausgabe.=


  Zweite Auflage

  =Erster Band:=

  enthaltend Kapitel 1 und 2.


  _Mit Macaulay's Portrait_.


  Leipzig, 1856.
  G. H. Friedlein.


       *       *       *       *       *
           *       *       *       *


  Erstes Kapitel.

  Geschichte Englands vor der Restauration.



  =Inhalt.=

                                                               Seite
  Einleitung                                                       5
  Britannien unter den Römern                                      6
  Britannien unter den Sachsen                                     7
  Bekehrung der Sachsen zum Christenthume                          8
  Dänische Invasionen                                             10
  Die Normannen                                                   10
  Die normannische Eroberung                                      12
  Trennung Englands von der Normandie                             13
  Die Vermischung der Volksstämme                                 14
  Englische Eroberungen auf dem Festlande                         15
  Der Krieg der Rosen                                             17
  Aufhören der Leibeigenschaft                                    17
  Wohlthätiges Wirken der römisch-katholischen Religion           18
  Die frühere englische Staatsverfassung als oft
      falsch dargestellt                                          19
  Natur der beschränkten Monarchien des Mittelalters              21
  Hoheitsrechte der früheren englischen Könige                    21
  Beschränkungen der Hoheitsrechte                                22
  Widerstand, die gewöhnliche Schranke der Tyrannei               25
  Eigenthümlicher Charakter der englischen Aristokratie           27
  Regierung der Tudors                                            28
  Die beschränkten Monarchien des Mittelalters sind allgemein
      in absolute Monarchien verwandelt                           30
  Die englische Monarchie als besondere Ausnahme                  31
  Die Reformation und ihre Wirkungen                              31
  Ursprung der Kirche von England                                 35
  Ihr eigenthümlicher Charakter                                   36
  Das Verhältniß, in welchem sie zu der Krone stand               37
  Die Puritaner                                                   40
  Ihr republikanischer Geist                                      41
  Gegen die Regierung Elisabeths erhob sich keine
      systematische parlamentarische Opposition                   41
  Monopolfrage                                                    42
  Schottland und Irland werden wieder mit England Theile ein
      und desselben Reichs                                        43
  Verminderung des Einflusses Englands nach der
      Thronbesteigung Jakobs I.                                   46
  Die Lehre vom göttlichen Rechte                                 47
  Die Kluft zwischen der Kirche und den Puritanern
      wird größer                                                 49
  Thronbesteigung und Charakter Karls I.                          55
  Taktik der Opposition im Hause der Gemeinen                     55
  Bitte um Recht                                                  56
  Die Bitte um Recht wird verletzt                                57
  Charakter und Ansichten Wentworths                              57
  Charakter Laud's                                                58
  Sternkammer und Hohe Commission                                 58
  Schiffsgeld                                                     59
  Widerstand gegen die Liturgie in Schottland                     60
  Ein Parlament wird berufen und aufgelöst                        62
  Das Lange Parlament                                             63
  Erstes Auftreten der beiden großen englischen Parteien          64
  Der irische Aufstand                                            68
  Die Remonstration                                               69
  Anklage der fünf Mitglieder                                     70
  Karls Abreise von London                                        71
  Anfang des Bürgerkrieges                                        73
  Erfolge der Royalisten                                          75
  Erstehen der Independenten                                      75
  Oliver Cromwell                                                 76
  Selbstverläugnungsverordnung                                    76
  Sieg des Parlaments                                             77
  Herrschaft und Charakter der Armee                              77
  Unterdrückung der Aufstände gegen die Soldatenherrschaft        79
  Verfahren gegen den König                                       80
  Seine Hinrichtung                                               82
  Unterwerfung Irlands und Schottlands                            83
  Das Lange Parlament wird vertrieben                             84
  Oliver Cromwells Protektorat                                    86
  Richard, Cromwells Nachfolger                                   89
  Sturz Richards und Wiedereinsetzung des Langen Parlaments       91
  Zweite Vertreibung des Langen Parlaments                        92
  Die Armee von Schottland rückt in England ein                   93
  Monk erklärt sich für ein freies Parlament                      94
  Allgemeine Wahl von 1660                                        95
  Die Restauration                                                96



[_Einleitung._] Es ist meine Absicht, die Geschichte Englands von der
Thronbesteigung König Jakobs II. bis auf eine Zeit herab zu schreiben,
deren sich noch jetzt lebende Menschen erinnern. Ich will die Fehlgriffe
berichten, durch die sich das Haus Stuart in wenig Monaten einen
getreuen Adel und eine anhängliche Geistlichkeit entfremdete; die Bahn
der Revolution verfolgen, die dem langen Kampfe zwischen unsern
souverainen Herrschern und ihren Parlamenten ein Ziel setzte und nicht
minder die Rechte des Volkes als die der regierenden Fürstenfamilie
feststellte; ich will ferner von dem neu errichteten Throne erzählen,
der viel unruhige Jahre hindurch erfolgreich gegen äußere und innere
Feinde vertheidigt ward; erzählen, wie unter dem Schutze desselben die
Ausübung der Gesetze und die Sicherheit des Eigenthums sich mit einer
Freiheit der Discussion und des individuellen Handelns, wie sie früher
nicht gekannt, als vereinbar erwies; wie aus der glücklichen
Vereinbarung von Ordnung und Freiheit eine in den Jahrbüchern der
Geschichte beispiellose bürgerliche Wohlfahrt erblühte, wie unser
Vaterland sich rasch aus einem Zustande schmählicher Abhängigkeit
zu der Autorität eines Schiedsrichters unter den europäischen Mächten
emporschwang; wie mit seinem Reichthume sein kriegerischer Ruhm wuchs;
wie es sich durch kluge und unerschütterliche Zuverlässigkeit nach und
nach einen öffentlichen Credit schuf, der, Wunder bewirkend, den
Staatsmännern früherer Zeiten unglaublich erschienen sein würde;
wie aus einem riesigen Handel eine Seemacht hervorging, mit welcher
verglichen jede andere Seemacht älterer und neuerer Zeit zu völliger
Bedeutungslosigkeit herabsinkt; wie Schottland nach jahrhundertlanger
Feindschaft mit England nicht nur durch die Bande der Gesetze, sondern
durch die noch unauflöslicheren Bande der gemeinsamen Interessen und der
Zuneigung vereinigt ward; wie die britischen Ansiedelungen in Amerika
schnell reicher und mächtiger wurden, als jene Königreiche, welche
Cortez und Pizarro den Ländern Karls V. gewannen; und wie endlich
britische Abenteurer in Asien ein Reich gründeten, das dem Alexanders an
Glanz und Festigkeit nicht nachstand.

Nicht minder habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, große Unglücksfälle,
aus denen Triumphe hervorgingen, zu berichten und große nationale
Verbrechen und Thorheiten, die tiefer erniedrigen, als irgend ein
Mißgeschick; ich werde darthun, daß die Güter, welche wir zu den
höchsten Segnungen zählen, nicht rein wie Gold sind; daß das System,
nach welchem man unsere Freiheiten gegen die Willkür der königlichen
Macht schützte, eine neue Art Mißbräuche erschuf, die man in
unbeschränkten Monarchien nicht kennt; man wird ersehen, daß theils
durch unkluge Einmischung, theils durch thörichte Vernachlässigung,
aus der Blüte des Wohlstandes und der Ausdehnung des Handels nicht nur
unermeßlicher Segen, sondern auch Übel hervorgingen, welche armen und
uncultivirten Gesellschaften fremd sind; wie in zwei bedeutenden
Besitzthümern der Krone dem verübten Unrechte gerechte Vergeltung ward;
wie Unklugheit und Eigensinn die Bande lös'ten, welche die
nordamerikanischen Kolonien mit dem Mutterlande vereinten; wie das mit
dem Fluche der Herrschaft eines Volksstammes über den andern und einer
Konfession über die andere belastete Irland zwar ein Glied des
Staatskörpers blieb, aber welk und ausgerenkt ihm keine Kraft verlieh,
so daß Alle, welche die Größe Englands fürchten oder beneiden,
vorwurfsvoll darauf hindeuten.

Wenn mich nicht alles täuscht, wird trotzdem meine bunte Erzählung in
den religiösen Gemüthern Dankbarkeit und in der Brust der
Vaterlandsfreunde neue Hoffnung erwecken, denn die Geschichte unsers
Vaterlandes, welche die letzten einhundertundsechzig Jahre umschließt,
ist unbedingt die Geschichte der physischen, moralischen und geistigen
Fortbildung. Alle die, welche ihr Zeitalter mit dem idealen, goldenen
vergleichen, mögen von Entartung und Verfall reden; aber keiner, der die
Vergangenheit genau kennt, wird sich geneigt fühlen, unmuthig und
verzweifelnd auf die Gegenwart zu blicken.

Ich würde die Aufgabe, die ich mir gestellt, nur unvollkommen lösen,
wenn ich allein von Schlachten und Belagerungen, von dem Bilden und
Auflösen der Ministerien und von Palastintriguen und Parlamentsdebatten
reden wollte; es wird vielmehr mein Bestreben sein, eben so sorgfältig
die Geschichte des Volks aufzuzeichnen, als die der Regierung; die
Entwickelung der nützlichen und zierenden Künste, die Entstehung
religiöser Sekten und die Veränderungen auf dem Gebiete der
Wissenschaften zu schildern; ein Bild von den Sitten der verschiedenen
Generationen zu liefern, ja selbst der Veränderungen zu erwähnen, die in
Kleidung, häuslicher Einrichtung, bei Gastmählern und öffentlichen
Vergnügungen stattgefunden haben. Den Vorwurf, die Würde der Geschichte
verletzt zu haben, will ich gern ertragen, wenn es mir nur gelingt, den
Engländern des neunzehnten Jahrhunderts ein treues Bild von dem Leben
ihrer Vorfahren zu liefern.

Die Begebenheiten, die ich zu berichten mir vorgenommen, bilden nur den
einzelnen Act eines großen und ereignißreichen Drama's, das Jahrhunderte
umfaßt, und er würde sehr unvollkommen verstanden werden, wenn die
Verwickelung der vorhergehenden Acte nicht allgemein bekannt wäre.
Ich werde deshalb meine Darstellung durch eine flüchtige Skizze der
frühesten Geschichte unseres Vaterlandes einleiten, werde zwar schnell
über manche Jahrhunderte hinweggehen, aber bei den Wechselfällen des
Kampfes länger verweilen, der die Regierung König Jakobs II. auf den
entscheidenden Wendepunkt brachte.[1]

    [Anmerkung 1: In diesem und dem nächsten Kapitel habe ich nur
    selten für nöthig erachtet, Quellen zu citiren, weil ich in diesen
    Kapiteln weder die Ereignisse ausführlich behandelt, noch
    unbekannte Materialien benutzt. Die Thatsachen, deren ich erwähne,
    sind größtentheils solche, die Jeder, der nur einigermaßen in der
    englischen Geschichte bewandert ist, entweder schon kennt, oder er
    wird wenigstens wissen, wo er Belehrung darüber findet. In den
    folgenden Kapiteln aber werde ich die Quellen, aus denen ich
    geschöpft, sorgfältig angeben.]


[_Britannien unter den Römern._] In den ersten Zuständen Britanniens
deutet nichts auf die Größe hin, die es zu erreichen bestimmt war. Als
die Bewohner desselben zuerst den tyrischen Schiffern bekannt wurden,
standen sie wenig über den Eingeborenen der Sandwichinseln. Zwar
unterjochten es die römischen Waffen, aber es erhielt nur eine schwache
Färbung von römischen Künsten und Wissenschaften. Von den westlichen
Provinzen, welche sich die Cäsaren unterwarfen, war es die letzte, aber
auch die erste wieder, die ihnen verloren ging. Man findet in Britannien
nichts von Überresten prächtiger Säulenhallen oder Wasserleitungen;
unter den Meistern lateinischer Dichtkunst und Beredtsamkeit findet man
keinen Schriftsteller britischer Geburt aufgezeichnet; es ist demnach
nicht wahrscheinlich, daß die Inselbewohner je mit der Sprache ihrer
italischen Zwingherren allgemein vertraut gewesen sind. Von dem
atlantischen Meere bis zu den Rheinländern war Jahrhunderte hindurch die
lateinische Sprache die vorherrschende; sie hat die celtische Sprache
verdrängt, hat der deutschen widerstanden und ist noch jetzt die
Grundlage der französischen, spanischen und portugiesischen. Das Latein
scheint auf unserer Insel nie die alte galische Sprache bewältigt zu
haben, auch hat es sich gegen das Germanische nicht behaupten können.

Die unbedeutende und oberflächliche Bildung, welche die Briten von ihren
südlichen Beherrschern empfangen, verlöschten die Drangsale des fünften
Jahrhunderts. In den Königreichen des Festlandes, in die das römische
Reich damals zerfallen war, lernten die Eroberer viel von dem
unterjochten Stamme. In Britannien wurden die Unterjochten eben so
barbarisch, als die Sieger.


[_Britannien unter den Sachsen._] Alle Häuptlinge, Alarich, Theodorich,
Chlodowig, Alboin, die in den festländischen Provinzen des römischen
Reichs deutsche Dynastien gründeten, waren eifrige Christen; das Gefolge
des Ida und des Cerdic aber brachte allen Aberglauben der Elbe nach
ihren Ansiedelungen in Britannien. Während die deutschen Herrscher in
Paris, Toledo, Arles und Ravenna ehrfurchtsvoll den Lehren der Bischöfe
Gehör gaben, Reliquien von Märtyrern verehrten und sich eifrig an den
theologischen Streitfragen von Nicäa betheiligten, übten die Herrscher
von Wessex und Mercia ihre wilden Gebräuche in den Tempeln des Thor und
Wodan.

Die auf den Trümmern des Westreichs gegründeten festländischen
Königreiche unterhielten noch ferner einigen Verkehr mit jenen östlichen
Provinzen, in denen die alte Civilisation, wenn auch nach und nach unter
dem Einflusse schlechter Regierung schwindend, immer noch die Barbaren
in Erstaunen setzte und belehrte, in denen der Hof stets noch den Glanz
des Diocletian und des Constantin entfaltete, die Bildwerke des Polyklet
und die Gemälde des Apelles die öffentlichen Gebäude schmückten, und
fleißige Pedanten, wenn auch ohne Geschmack, Verstand und Geist, die
Meisterwerke des Sophokles, Demosthenes und Plato zu lesen und zu
erklären im Stande waren. Von dieser Verbindung war Britannien völlig
ausgeschlossen; seine Küsten wurden von den cultivirten Bewohnern der
Länder am Bosporus mit jenem unheimlichen Grauen betrachtet, mit welchem
die Meerenge der Scylla und die Stadt der lästrygonischen Kannibalen zu
Homers Zeiten die Ionier erfüllten. Es gab auf unserer Insel eine
Provinz, deren Boden, wie Prokopius erfahren, mit Schlangen bedeckt war
und deren Luft kein Mensch einathmen und in ihr leben konnte. Zu dieser
Einöde wurden die Seelen der Verstorbenen aus dem Frankenlande um
Mitternacht übergeschifft; ein fremder Fischerstamm besorgte dies
unheimliche Geschäft. Deutlich vernahm der Bootsmann die Sprache der
Todten; die Last derselben senkte den Kiel tief in das Wasser, ihre
Gestalten aber blieben dem sterblichen Auge unsichtbar. Wunderdinge
dieser Art erzählt ein geschickter Geschichtsschreiber, der Zeitgenosse
Belisars, Simplicius und Tribonian's, in vollem Ernste dem reichen und
gebildeten Konstantinopel von einem Lande, in welchem der Gründer
Konstantinopels sich den kaiserlichen Purpur angelegt hatte. Von allen
andern Provinzen des westlichen Reichs haben wir eine zusammenhängende
Kunde; nur in Britannien werden zwei Zeitalter der Wahrheit durch ein
Zeitalter der Fabel völlig getrennt. Odoaker und Totila, Euric und
Trasimund, Chlodwig, Fredegunde und Brunhild sind geschichtliche Männer
und Frauen; aber Hengist und Horsa, Vortigern und Rowena, Arthur und
Mordred sind mythische Personen, deren Existenz zu bezweifeln ist und
deren Abenteuer in die Klasse der des Herkules und Romulus zu werfen
sind.


[_Bekehrung der Sachsen zum Christenthume._] Endlich beginnt das Dunkel
sich zu lichten, und das Land, das als Britannien aus dem Gesichtskreise
entschwunden, erscheint als England wieder. Mit der Bekehrung der
sächsischen Ansiedler zum Christenthume begann eine lange Reihe
heilsamer Umgestaltungen, obgleich die Kirche selbst durch den
Aberglauben und die Philosophie, gegen die sie lange und endlich
siegreich gekämpft, tief verderbt war, und den von den alten Schulen
entnommenen Lehrsätzen, sowie den alten Tempeln entlehnten Gebräuchen zu
willig Eingang gestattet hatte. Römische Politik und gothische
Unwissenheit, griechische Spitzfindigkeit und syrische Asketik hatten
vereint zu ihrer Verderbniß gewirkt; aber ihr war noch genug von der
erhabenen Gotteslehre und milden Moral früherer Zeit geblieben, um
manchen Geist zu erheben, manches Herz zu läutern. Ebenso gehörte
Manches, was in späterer Zeit als ihr Hauptmakel betrachtet wurde, im
siebenten Jahrhunderte und noch lange nach demselben zu ihren größten
Verdiensten. So würden Übergriffe der Geistlichkeit in die
Obliegenheiten der bürgerlichen Obrigkeit in unserer Zeit ein großes
Übel sein; aber was unter einer guten Regierung ein Übel ist, kann unter
einer durchaus schlechten zum Segen werden. Es ist besser, wenn die
Menschen durch weise, gut ausgeübte Gesetze und durch eine aufgeklärte
öffentliche Meinung, als durch listige Priester regiert werden; aber es
ist wiederum besser, wenn Priesterlist statt roher Gewalt, wenn ein
Prälat wie Dunstan, statt eines Kriegers wie Penda herrscht. Eine in
Rohheit versunkene Gesellschaft, die nur durch physische Kraft regiert
wird, hat vollen Grund sich zu freuen, wenn ein Stand, dessen Wirken
geistiger und moralischer Natur ist, die Obergewalt erhält. Ohne Zweifel
wird ein solcher Stand seine Macht mißbrauchen; aber selbst eine
gemißbrauchte geistige Macht ist stets edler und besser, als jene, die
sich nur auf die Kraft des Körpers stützt. Die sächsischen Chroniken
erzählen von Tyrannen, die, auf dem Gipfel ihrer Macht angelangt, von
Reue ergriffen, die durch Verbrechen erworbenen Genüsse und Würden
verschmähten, ihre Kronen niederlegten und durch harte Büßungen und
unausgesetzte Gebete die verübten Frevel sühnen wollten: diese
Erzählungen haben einigen Schriftstellern Anlaß zu bitteren,
verachtenden Äußerungen gegeben, Schriftstellern, die sich der
Freisinnigkeit rühmten, im Grunde aber so engherzig waren, als es nur
ein Mönch aus der finstern Zeit sein kann, und an alle Ereignisse in der
Geschichte den Maßstab zu legen pflegten, den die Pariser Gesellschaft
des achtzehnten Jahrhunderts verwendete. Ein System, sollte ich glauben,
das, wenn auch immerhin durch Aberglauben entstellt, dennoch in die
durch rohe Muskelkraft und Geisteskühnheit beherrschten Gesellschaften
starke moralische Schranken einführte, die verwegensten und mächtigsten
Herrscher lehrte, daß sie, gleich ihren niedrigsten Knechten,
verantwortliche Wesen seien, ein solches System hätte verdient, von
Philosophen und Menschenfreunden mit größerer Achtung erwähnt zu
werden. --

Dieselben Bemerkungen gelten auch in Bezug auf die Verachtung, mit der
man im vorigen Jahrhunderte von den Pilgerfahrten, den heiligen
Zufluchtsstätten, den Kreuzzügen und den mönchischen Institutionen des
Mittelalters zu sprechen pflegte. In Zeiten, in denen die Menschen weder
durch Lernbegierde noch durch Gewinn zu reisen veranlaßt wurden, war es
besser, daß der rohe Nordländer Italien und den Osten als Pilger
besuchte, als wenn er nie etwas Anderes als die schmutzigen Wohnungen
und die wilden Wälder, in denen er geboren, gesehen hätte. In Zeiten,
in denen das Leben und die weibliche Ehre täglich der Gefahr ausgesetzt
waren, von Tyrannen und Räubern angegriffen zu werden, war es besser,
daß die Grenzen eines Heiligenschreines mit einer unvernünftigen Scheu
betrachtet wurden, als wenn es gar keine der Rohheit und Freiheit
verschlossene Zufluchtsstätte gegeben hätte. In Zeiten, wo die
Staatsmänner unfähig zur Aufstellung umfassender politischer
Combinationen waren, war es besser, daß die christlichen Völker sich
vereinigt zur Wiedergewinnung des heiligen Grabes erhoben, als wenn sie
von der mahomedanischen Macht eins nach dem andern überwältigt worden
wären. Wenn man auch mit Recht in späterer Zeit die Trägheit und
Üppigkeit der religiösen Orden tadelte, so war es gewiß gut, daß es in
dem Zeitalter der Rohheit und Gewalttätigkeit ruhige Klöster und Gärten
gab, in denen die Künste des Friedens in Sicherheit gepflegt, edle und
zum Nachdenken geneigte Gemüther eine Zufluchtsstätte finden konnten;
wo ein Bruder sich mit dem Abschreiben von Virgil's Äneide, ein anderer
sich mit dem Studium der Analysen des Aristoteles beschäftigte; wo es
dem Kunstsinnigen gestattet war, eine Sammlung Märtyrerlegenden
auszumalen, oder ein Crucifix zu schnitzeln, und denen, die Sinn für
Naturwissenschaft hatten, Versuche über die Eigenschaften der Pflanzen
und Mineralien anzustellen. Wären solche friedlichen Orte nicht hier und
dort unter den Hütten eines elenden Landvolkes und unter den Burgen
eines übermüthigen Adels verstreut gewesen, es würden die Bewohner
Europa's nur Last- und Raub-Thiere gewesen sein. Die Theologen haben die
Kirche oft mit der Arche verglichen, von der wir im Buche der Genesis
lesen: Die Ähnlichkeit mit derselben war nie vollkommener als während
jener bösen Zeit, wo sie allein in Finsterniß und Sturm sich auf den
Wogen, die alle großen Werke antiker Macht und Weisheit begraben hatten,
erhielt, und den schwachen Keim in sich trug, dem eine zweite und
ruhmreichere Civilisation entsprießen sollte.

Selbst die geistliche Obergewalt, die der Pabst sich anmaßte, hat in den
finstern Zeitaltern mehr Gutes als Böses bewirkt. Die Vereinigung der
Nationen des westlichen Europa's zu einem großen Gemeinwesen war ihr
Werk. Was die olympischen Wagenkämpfe und das pythische Orakel den
griechischen Städten, von Trapezunt bis Massalia, das waren Rom und sein
Bischof den Christen der lateinischen Kirche von Calabrien bis zu den
Hebriden. Es erwuchsen so Gefühle umfassenden Wohlwollens; Volksstämme,
durch Meere und Berge von einander getrennt, erkannten ein brüderliches
Band und ein gemeinsames Buch der öffentlichen Gesetze an, und selbst im
Kriege ward die Grausamkeit des Siegers nicht selten durch den Gedanken
gemildert, daß er und seine unterjochten Feinde alle Glieder eines
großen Bundes seien.

Diesem Bunde nun traten unsere sächsischen Vorfahren bei. Es entstand
ein regelmäßiger Verkehr zwischen unsern Küsten und jenem Theile
Europa's, in dem die Spuren der alten Macht und Staatskunst noch
sichtbar waren. Viel edle Denkmäler, die während der Zeit zerstört oder
verunstaltet worden, standen noch in ihrer alten Pracht, und Reisende,
denen Livius und Sallust unverständlich waren, konnten sich aus den
römischen Wasserleitungen und Tempeln einen schwachen Begriff von
römischer Geschichte bilden. Der immer noch von Erz schimmernde Dom des
Agrippa; das Grabmal des Hadrian, der Säulen und Statuen noch nicht
beraubt; das flavische Amphitheater, noch nicht zu einem Steinbruche
herabgesunken, erzählten den Pilgern von Mercia und Northumberland einen
Theil der Geschichte jener großen aufgeklärten Welt, die untergegangen
war. Mit tief eingeprägter Ehrfurcht in den kaum geöffneten Gemüthern
kehrten die Inselbewohner zurück und erzählten den staunenden Bewohnern
der Hütten von London und York, daß ein mächtiges, jetzt erloschenes
Geschlecht bei dem Grabe des heiligen Petrus Gebäude aufgeführt habe,
die vor dem jüngsten Tage nicht untergehen würden. Die Gelehrsamkeit
folgte dem Christenthume; die Dichtkunst und Beredtsamkunst der Zeit des
Augustus ward in den Klöstern von Mercia und Northumberland mit Eifer
geübt, und die Namen des Beda, des Alcuin und des Johannes, auch Erigena
genannt, wurden durch ganz Europa mit Recht gefeiert. In diesem Zustande
befand sich unser Vaterland, als im neunten Jahrhundert die letzte große
Einwanderung der Barbaren des Nordens begann.


[_Dänische Invasionen._] Mehrere Menschenalter hindurch kamen aus
Dänemark und Skandinavien zahllose Seeräuber, die sich durch Kraft,
Muth, schonungslose Grausamkeit und Haß gegen den christlichen Namen
auszeichneten. Kein Land litt durch diese Einfälle so viel, als England,
dessen Küste den Häfen, aus denen sie ausfuhren, nahe lag, und kein
Theil unserer Insel war weit genug vom Meere entfernt, um vor Angriffen
sicher zu sein. Dieselben Grausamkeiten, die den Sieg der Sachsen über
die Celten begleitet, erlitten nach Jahrhunderten die Sachsen von der
Hand der Dänen. Die Gesittung, die sich neu zu heben begann, ward von
dem Schlage getroffen und sank wiederum darnieder. Große Colonien
Abenteurer von der Ostsee ließen sich an den östlichen Küsten nieder,
dehnten sich nach und nach westwärts aus, und, unterstützt durch stete
Verstärkungen von jenseits des Meeres, trachteten sie danach, sich der
Herrschaft des ganzen Reichs zu bemächtigen. Der Kampf zwischen den
beiden wilden germanischen Stämmen dauerte sechs Menschenalter hindurch.
-- Jeder gewann abwechselnd den Sieg. Furchtbare Metzeleien, denen eine
nicht minder furchtbare Rache folgte, verheerte Provinzen, geplünderte
Klöster und zerstörte Städte bilden den größten Theil der Geschichte
jener furchtbaren Zeit. Als endlich der Norden keine Verwüster mehr
aussandte, erlosch nach und nach der gegenseitige Haß der Stämme,
und wechselseitige Verheirathungen fanden häufiger statt. Die Dänen
erlernten die Religion der Sachsen, und somit schwand eine Ursache
tödtlicher Erbitterung. Die dänische und sächsische Sprache, Dialekte
einer ausgebreiteten Mundart, verschmolzen ineinander; noch aber war die
Verschiedenheit zwischen den beiden Völkern nicht völlig verschwunden,
als ein Ereigniß beide in gemeinsamer Knechtschaft und Erniedrigung zu
den Füßen eines dritten Volkes niederbeugte.


[_Die Normannen._] Unter den Volksstämmen der Christenheit behaupteten
um jene Zeit die Normannen den ersten Platz. Muth und Wildheit
zeichneten sie unter den Seeräubern aus, die Skandinavien zur Verheerung
des westlichen Europa's ausgesendet hatte. Ihre Segel bildeten lange den
Schrecken beider Küsten des Kanals. Mehr als einmal drangen ihre Waffen
tief in das Herz des Karolingischen Reiches; sie siegten unter den
Mauern von Mastricht und Paris. Einer der schwachen Erben Karls des
Großen trat endlich den Fremden eine fruchtbare Provinz ab, die ein
mächtiger Strom durchzog, und von dem Meere, ihrem Lieblingselemente,
bespült ward. In dieser Provinz gründeten sie nun einen mächtigen Staat,
der nach und nach seinen Einfluß über die angrenzenden Fürstenthümer
Bretagne und Maine ausdehnte. Die Normannen, ohne den unerschrockenen
Muth abzulegen, der der Schrecken der Länder von der Elbe bis zu den
Pyrenäen gewesen, eigneten sich bald alle, und mehr noch als alle
Kenntniß und Gesittung an, die sie in dem Lande der neuen Ansiedelung
fanden. Einfälle von Außen wehrte ihre Tapferkeit ab, und in dem Innern
ihres Gebiets begründeten sie eine Ordnung, die dem fränkischen Reiche
lange unbekannt gewesen war. Sie traten zu dem Christenthume über, und
mit dem Christenthume lernten sie einen großen Theil von dem, was der
Clerus lehrte. Ihre Muttersprache gaben sie auf, und nahmen die
französische an, in welcher das Latein das vorherrschende Element
bildete. Der neuen Sprache verliehen sie nun bald eine Würde und
Bedeutung, die sie nie zuvor besessen hatte. Dem vorgefundenen
Sprachgemenge gaben sie durch die Schrift eine feste Form, und bedienten
sich ihrer in der Gesetzgebung, in der Poesie, und in dem Roman.
Die thierische Unmäßigkeit, zu der alle andern Zweige der großen
germanischen Familie nur zu sehr sich hinneigten, legten sie ab. Der
verfeinerte Luxus der Normannen bildete einen scharfen Kontrast zu der
rohen Gefräßigkeit und Trunksucht ihrer sächsischen und dänischen
Nachbarn. -- Nicht in Massen von Speisen und in großen Gefäßen mit
starken Getränken entfaltete sich dieser Luxus, sondern in großen und
prächtigen Bauwerken, kostbaren Rüstungen, schönen Pferden, auserlesenen
Falken, wohlgeordneten Turniren, mehr feinen als überladenen
Gastmählern, und in Weinen, die sich mehr durch Wohlgeschmack als
berauschende Kraft auszeichneten. Jener ritterliche Geist, der auf die
Politik, die Moral und Gesittung aller europäischen Nationen einen so
mächtigen Einfluß ausgeübt, stand bei den normannischen Edlen in hoher
Blüthe; sie zeichneten sich durch anmuthige Haltung und einnehmende
Manieren aus; nicht minder auch durch ihre Gewandtheit in
Unterhandlungen, und eine natürliche Beredtsamkeit, die sie eifrig
pflegten. Einer der normännischen Geschichtsschreiber sagt rühmend, daß
die Edlen seines Stammes Redner von der Wiege an seien. Ihren größten
Ruhm aber errangen sie durch ihre kriegerischen Thaten. Vom atlantischen
Ocean bis zum todten Meere waren die Länder Zeugen von den Wundern ihrer
Kriegszucht und Tapferkeit. Ein normännischer Ritter an der Spitze eines
Häufleins Krieger versprengte die Celten von Connaught. Ein Anderer
gründete die Monarchie beider Sicilien, und sah die Kaiser des Ost und
West vor seinen Waffen fliehen. Ein Dritter, der Ulysses des ersten
Kreuzzuges, ward von seinen Gefährten zum Beherrscher von Antiochien
ernannt, und ein Vierter, jener Tankred, dessen Name in Tasso's
erhabenem Gedichte fortlebt, wurde in der ganzen Christenheit als der
tapferste und großmüthigste unter den Kämpfern des heiligen Grabes
gepriesen. Die Nähe eines so bedeutenden Volkes begann schon früh seine
Wirkung auf den Volksgeist in England zu äußern. Englische Prinzen
erhielten, schon vor der Eroberung, ihre Erziehung in der Normandie.
Englische Bisthümer und Landgüter wurden Normannen zu Lehen gegeben. Das
Französisch der Normandie war die gewöhnliche Sprache im Palaste von
Westminster. Der Hof von Rouen scheint dem Eduards des Bekenners
dasselbe gewesen zu sein, was lange Zeit nachher der Hof von Versailles
dem Karls II. war.


[_Die normannische Eroberung._] Durch die Schlacht von Hastings und die
ihr folgenden Ereignisse gelangte nicht nur ein Herzog der Normandie auf
den englischen Thron, es ward auch die ganze Bevölkerung Englands der
Tyrannei des normännischen Stammes preisgegeben. Selten ist die
Unterjochung einer Nation durch die andere, selbst in Asien,
vollständiger gewesen. Die Führer der Eroberer vertheilten das Land
unter sich, starke militärische Einrichtungen, eng mit den Verhältnissen
des Grundeigenthums verbunden, machten es den fremden Siegern möglich
die Landeskinder zu unterdrücken. Ein grausames und rücksichtlos grausam
angewendetes Strafgesetzbuch schützte nicht nur die Vorrechte, sondern
auch die Lustbarkeiten der fremden Unterjocher. Aber dennoch ließ das
unterworfene Volk, obgleich geknechtet und mit Füßen getreten, seinen
Stachel fühlen. Einige kühne Männer, die Lieblingshelden unserer
ältesten Balladen, flüchteten sich in die Wälder und unternahmen von
dort aus, trotz der Feuerglocken- und Forstgesetze, einen Raubkrieg
gegen ihre Unterdrücker. Täglich wurden Meuchelmorde verübt; mancher
Normanne verschwand plötzlich und spurlos; viele der aufgefundenen
Leichen trugen die Spuren der Gewaltthätigkeit. Man drohte den Mördern
mit martervollen Todesstrafen und stellte die strengsten Nachforschungen
an; diese waren aber gewöhnlich ohne Erfolg, denn die ganze Nation hatte
sich zu ihrem Schutze verschworen. Endlich ward für nöthig erachtet,
jedem Distrikte, in welchem eine Person von fränkischer Abkunft
erschlagen aufgefunden wurde, eine schwere Buße aufzuerlegen, und dieser
Bestimmung ließ man bald eine andere folgen, wonach jede ermordete
Person für einen Franken gelten sollte, wenn nicht ihre sächsische
Abkunft erwiesen würde.

In den anderthalb Jahrhunderten nach der Eroberung giebt es eigentlich
keine englische Geschichte. Die fränkischen Könige Englands schwangen
sich zu einer Bedeutung empor, welche die benachbarten Völker mit
Staunen und Schrecken erfüllte. Sie eroberten Irland, ließen sich von
Schottland huldigen, und wurden durch ihre Tapferkeit, Politik und ihre
glücklichen Heirathsbündnisse auf dem Festlande weit mächtiger, als ihre
Lehnsherren, die Könige von Frankreich. Asien und Europa ließen sich
durch die Macht und den Glanz unserer Tyrannen blenden; arabische
Chronisten berichteten mit Widerstreben aber doch mit Bewunderung den
Fall von Acre, die Vertheidigung Joppe's und den siegreichen Kriegszug
nach Ascalon. Noch lange Zeit brachten arabische Mütter mit dem Namen
des löwenherzigen Plantagenet ihre Kinder zum Schweigen. Es schien
selbst einmal, als ob die Linie des Hugo Capet enden solle, wie die
Merowingischen und Karolingischen Linien geendet hatten, und als ob sich
eine einzige große Monarchie von den Orkaden bis zu den Pyrenäen
ausdehnen würde. Nach den meisten Ansichten ist die Größe eines
Herrschers mit der Größe des ihm untergebenen Volkes so eng verbunden,
daß fast jeder englische Geschichtsschreiber die Macht und den Glanz der
fremden Oberherrn mit triumphirender Freude berichtet und den Verfall
dieser Macht und dieses Glanzes als ein Unglück für unser Vaterland
beklagt. Dies ist wahrlich ebenso abgeschmackt, als wenn ein Neger von
Haiti in unserer Zeit mit Nationalstolz die Größe Ludwigs XIV. preisen
und von Blenheim und Ramilies mit patriotischer Trauer und Beschämung
reden wollte.

Der Eroberer und seine Nachkommen bis zur vierten Generation waren keine
Engländer, und fast alle in Frankreich geboren; den größten Theil ihrer
Lebenszeit brachten sie in Frankreich zu; das Französische war ihre
gewöhnliche Sprache; fast jedes hohe Amt, das sie zu besetzen hatten,
ward Franzosen übertragen, und jede auf dem Festlande gemachte neue
Erwerbung entfremdete sie der Bevölkerung unserer Insel immer mehr.
Einer der tüchtigsten von ihnen versuchte es zwar, indem er sich mit
einer englischen Prinzessin vermählte, die Herzen seiner englischen
Unterthanen zu gewinnen; allein der größte Theil seiner Barone
betrachtete diese Verbindung aus demselben Gesichtspunkte, wie man heute
in Virginien die Verbindung eines weißen Pflanzers mit einem
Quadronen-Mädchen betrachten würde. In der Geschichte wird er mit dem
ehrenvollen Beinamen Beauclerc genannt; aber zu seiner Zeit legten ihm
die eigenen Landsleute mit verachtender Anspielung auf seine sächsische
Verbindung einen sächsischen Spottnamen bei. Wäre es, wie es einmal den
Anschein hatte, den Plantagenets gelungen, ganz Frankreich unter ihrer
Herrschaft zu vereinigen, so würde England wahrscheinlich nie zu einer
unabhängigen Existenz gelangt sein. Seine Fürsten, Lords und Prälaten
wären nach Abstammung und Sprache von den Handwerkern und Bauern völlig
verschieden gewesen; die Erträge seiner ausgebreiteten Grundstücke
würden die Feste und Lustbarkeiten an den Ufern der Seine verschlungen
haben, und die edle Sprache eines Milton und Burke würde ein bäuerischer
Dialekt ohne Literatur, ohne festgeregelte Grammatik, ohne geordnete
Orthographie geblieben und verächtlich dem Gebrauche der Bauern
überlassen worden sein. Niemand von englischer Abkunft würde im Stande
gewesen sein eine hohe Stellung zu erlangen, ohne in Sprache und Sitte
ein Franzose zu werden. --


[_Trennung Englands von der Normandie._] Daß England einem solchen
Geschicke entging, hat es einem Ereigniß zu danken, das die
Geschichtsschreiber allgemein als ein unheilvolles geschildert haben.
Das Interesse des Landes stand dem seiner Herrscher so entschieden
entgegen, daß nur die Mißgriffe und Unglücksfälle derselben bessere
Aussichten gewähren konnten. Die Fähigkeiten, und selbst die guten
Eigenschaften seiner sechs ersten fränkischen Könige waren ihm ein
Fluch; die Thorheiten und Fehler des siebenten gereichten ihm zum Segen.
Wenn Johann die großen Eigenschaften seines Vaters, Heinrich Beauclercs,
oder des Eroberers geerbt, auch wenn er nur den kriegerischen Muth von
Stephan oder Richard besessen hatte, und wäre der König von Frankreich
zu gleicher Zeit so unfähig, wie alle anderen Nachfolger Hugo Capets,
so würde das Haus Plantagenet zu der einflußreichsten Höhe in Europa
gelangt sein. Aber gerade in jener Zeit ward Frankreich, zum ersten Male
seit Karls des Großen Tode, von einem kräftigen, fähigen Fürsten
regiert; England aber, seit der Schlacht von Hastings in der Regel von
klugen Staatsmännern und stets von tapfern Kriegern geleitet, fiel der
Botmäßigkeit eines Schwätzers und Feiglings anheim. Von diesem
Augenblicke an ward seine Aussicht lichter. Johann wurde aus der
Normandie verjagt, die normännischen Edelleute mußten zwischen der Insel
und dem Festlande wählen und gemeinschaftlich mit dem Volke, das sie
stets geknechtet und verachtet hatten, von dem Meere eingeschlossen,
kamen sie nach und nach dahin, England als ihr Vaterland und die
Engländer als ihre Landsleute zu betrachten. Beide Volksstämme, einander
so lange feindlich gesinnt, erkannten nun bald, daß sie
gemeinschaftliche Interessen und gemeinschaftliche Feinde hatten; sie
litten beide zugleich unter der Tyrannei eines schlechten Königs, und
beide waren gleich entrüstet über die Bevorzugung, die der Hof den
Eingeborenen von Poitou und Aquitanien angedeihen ließ. Die Urenkel der
Streiter Wilhelms begannen sich denen Harolds freundschaftlich zu
nähern, und das erste Pfand ihrer Versöhnung ward der große
Freiheitsbrief, den sie vereint errungen und zu ihrem gemeinsamen Wohle
entworfen hatten.


[_Die Vermischung der Volksstämme._] Hier beginnt die Geschichte des
englischen Volkes. Die Geschichte der frühern Begebenheiten ist die
Geschichte der von einzelnen Stämmen verübten und erlittenen Übel,
von Volksstämmen, die zwar auf englischem Boden wohnten, aber sich
gegenseitig mit einer Abneigung betrachteten, wie man sie selten bei
Völkern findet, die durch natürliche Grenzen von einander geschieden
sind, denn selbst die gegenseitige Erbitterung im Kriege begriffener
Länder ist jener gegenüber nur schwach zu nennen, die moralisch
getrennte, aber örtlich vermischte Nationen hegen. Dieser Stammeshaß ist
in keinem Lande so arg gewesen, als in England; aber auch nirgends ist
er gründlicher vertilgt. Die Stadien des Prozesses, der die feindlichen
Elemente in eine gleiche Masse verschmolz, sind uns nicht näher bekannt;
aber es ist gewiß, daß die Kluft zwischen Sachsen und Normannen noch
sehr stark hervortrat, als Johann König wurde, daß sie jedoch vor dem
Ende der Regierung seines Enkels fast völlig verschwunden war. Zur Zeit
Richards I. war die gewöhnliche Verwünschung eines edeln Normanns: »ich
will zum Engländer werden!« -- und die gebräuchliche Form einer
unwilligen Weigerung: »haltet Ihr mich für einen Engländer?« Hundert
Jahre später war der Nachkomme eines solchen Edelmanns stolz auf den
Namen eines Engländers.

Die Quellen der bedeutendsten Ströme, die ganzen Ländern Fruchtbarkeit
bringen und reich beladene Flotten zum Meere tragen, müssen in wilden
und unfruchtbaren Bergketten aufgesucht werden, die auf den Landkarten
ungenau angegeben und von Reisenden nur selten erforscht sind. Mit einer
solchen Bergkette läßt sich die Geschichte unseres Vaterlandes während
des dreizehnten Jahrhunderts nicht unpassend vergleichen. Ob auch jener
Abschnitt unserer Annalen unfruchtbar und dunkel ist, so können wir doch
nur in ihm den Ursprung unserer Freiheit, unseres Glücks und unseres
Ruhmes suchen. Damals entstand das große englische Volk, und es begann
der Nationalcharakter desselben jene Eigenthümlichkeiten zu entfalten,
die er seitdem stets bewahrt hat; damals wurden unsere Väter in der
vollsten Bedeutung des Wortes Insulaner, aber nicht nur Insulaner der
geographischen Lage nach, sondern auch in ihrer Politik, ihrer Denkart
und ihren Sitten. Damals trat zuerst bestimmt und klar jene Verfassung
hervor, die seitdem durch alle Wechselfälle ihre Identität bewahrte,
jene Verfassung, von der alle freien Verfassungen der Welt nur
Nachbildungen sind, und die, ungeachtet einiger Mängel, als die Erste
von allen gehalten zu werden, würdig ist, unter der je eine große
Gesellschaft Jahrhunderte hindurch bestanden hat. Damals geschah es,
daß das Haus der Gemeinen, dieses Musterbild aller repräsentativen
Versammlungen der alten und neuen Welt, zu den ersten Sitzungen
zusammentrat, und daß das gemeine Recht zu der Würde einer Wissenschaft
erhoben und ein nicht unwürdiger Rival der kaiserlichen
Rechtsgelehrsamkeit wurde. Damals machte der Muth jener Seeleute, welche
die Mannschaft der rohen Barken der fünf Häfen bildeten, zuerst die
Flagge Englands auf dem Meere furchtbar; es wurden die ältesten
Hochschulen gegründet, die noch jetzt in den beiden großen
Nationalsitzen der Gelehrsamkeit bestehen; es bildete sich die Sprache,
die zwar weniger wohlklingend als die des Südens, aber an Kraft,
Reichthum und Tauglichkeit für die erhabensten Zwecke des Dichters,
des Philosophen und des Redners nur von der Sprache Griechenlands
übertroffen wird; und damals endlich dämmerte der erste schwache Schein
jener edlen Literatur auf, die zu den glänzendsten und unvergänglichen
Schätzen Englands gehört.

Bereits zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts waren die Volksstämme
fast völlig in einander verschmolzen und untrügliche Zeichen deuteten
an, daß aus der Mischung dreier Zweige der großen teutonischen Familie
mit den Urbewohnern Britanniens ein Volk hervorgegangen sei, das keinem
andern der Welt nachstand. Und wahrlich, das England, nach dem Johann
von Philipp August einst vertrieben worden, hatte mit dem England, aus
welchem die Heere Eduards III. zur Eroberung Frankreichs auszogen, fast
nichts gemein.


[_Englische Eroberungen auf dem Festlande._] Es folgte nun ein Zeitraum
von mehr als hundert Jahren, in welchem die Engländer vorzüglich danach
strebten, durch die Gewalt der Waffen auf dem Festlande ein großes Reich
zu gründen. Zwar schien es, daß für die Ansprüche Eduards auf die von
dem Hause Valois in Besitz genommene Erbschaft seine Unterthanen sich
wenig interessirten; aber die Eroberungssucht des Fürsten bemächtigte
sich bald des Volkes. Der Krieg war von jenen Kriegen sehr verschieden,
welche die Plantagenets des zwölften Jahrhunderts gegen die Nachkommen
Hugo Capets unternommen hatten; denn hätte Heinrich II. oder Richard I.
sein Ziel erreicht, so würde England eine französische Provinz geworden
sein. Eduard's III. und Heinrichs V. Glück machte Frankreich für einige
Zeit zu einer englischen Provinz. Mit derselben Geringschätzung, mit der
im zwölften Jahrhunderte die Eroberer vom Festlande die Insulaner
betrachtet, blickten diese nun auf das Volk des Festlandes. Jeder
Freisasse von Kent bis Northumberland erachtete sich einem Stamme
angehörig, der zum Siegen und zum Herrschen geboren, und mit Hohn
blickte er auf das Volk, vor dem seine Ahnen einst gezittert hatten.
Selbst die Ritter von Gascogne und Guienne, die tapfer unter dem
schwarzen Prinzen gefochten hatten, betrachteten die Engländer als Leute
geringerer Art und schlossen sie verächtlich von ehrenvollen und
einträglichen Posten aus. Nach kurzer Zeit schon beachteten unsere
Vorfahren den ursprünglichen Grund des Streites nicht mehr, sie begannen
die französische Krone nur für einen Zubehör der englischen zu halten,
und wenn sie, unter Verletzung des ordentlichen Erbfolgerechts, die
Krone Englands auf das Haus Lancaster übertrugen, so scheinen sie der
Ansicht gewesen zu sein, daß das Recht Richards II. auf die französische
Krone natürlich auch auf dieses Haus übergehe. Sie bethätigten einen
Eifer und eine Kraft, die einen merkwürdigen Contrast zu der Lauheit der
Franzosen bildeten, für die der Ausgang des Kampfes weit wichtiger war.
Die englischen Waffen erfochten in jener Zeit gegen an Zahl überlegene
Heerhaufen Siege, die zu den größten gehören, von denen die Geschichte
des Mittelalters berichtet, und es waren dies in der That Siege, denen
sich eine Nation mit Stolz rühmen darf, weil man sie dem moralischen
Übergewichte der Sieger beizumessen hat, das sich selbst in den
niedrigsten Reihen deutlich zeigte. Die Ritter Englands fanden in denen
Frankreichs würdige Nebenbuhler. Chandos kämpfte mit Du Guesclin als
einem ebenbürtigen Feinde. Aber es fehlte Frankreich an Fußvolk, das den
englischen Bogen und Streitäxten die Spitze zu bieten vermochte. Ein
französischer König ward gefangen nach London gebracht; ein englischer
König ward in Paris gekrönt. Weit über die Pyrenäen und Alpen hinaus
wurde das Banner des heiligen Georg getragen. Im Süden vom Ebro gewannen
die Engländer eine große Schlacht, die das Geschick von Leon und
Castilien für einige Zeit entschied, und die englischen Compagnien
gewannen ein furchtbares Ansehen bei den Kriegerbanden, die ihre Waffen
an die Fürsten und Republiken Italiens verdungen hatten.

In jener kriegerisch bewegten Zeit vernachlässigten jedoch unsere Väter
die Künste des Friedens nicht. Während Frankreich vom Kriege verwüstet
wurde, daß es zuletzt in seiner Zerstörung selbst einen beklagenswerthen
Schutz gegen neue Einfälle fand, sammelten die Engländer ruhig ihren
Erndtesegen ein, verschönerten ihre Städte, und pflegten in Sicherheit
das Recht, den Handel und die Wissenschaften. -- Jener Zeit gehören
viele unserer edelsten Baudenkmäler an. Es entstanden die schönen
Kapellen des Neuen-Collegiums und von St. Georg; das Schiff der
Kathedrale von Winchester und das Chor des Münsters von York; der
Spitzthurm von Salisbury und die majestätischen Thürme von Lincoln. Eine
reiche und kernige Sprache, hervorgegangen aus dem Zusammenflusse der
französischen und deutschen, ward nun ein Gemeingut der Aristokratie und
des Volks. Bald begann der Genius dieses bewundernswerthe Werkzeug zu
würdigen Zwecken zu benutzen. Während englische Heerhaufen, die
verwüsteten Provinzen Frankreichs hinter sich lassend, triumphirend in
Valladolid einzogen und bis vor die Thore von Florenz Schrecken
verbreiteten, schilderten englische Dichter in lebhaften Farben den
mannigfaltigen Wechsel menschlicher Sitten und Schicksale; es strebten
englische Denker nach Wissen oder wagten Zweifel zu hegen, wo die
Bigotterie sich begnügte zu staunen und zu glauben. Dieselbe Zeit, aus
welcher der schwarze Prinz und Derby, Chandos und Hawkwood hervorging,
gebar auch Geoffroy Chaucer und John Wycliffe. --

So glänzend und erhaben war der erste Auftritt des eigentlich so zu
nennenden englischen Volks unter den Nationen der Welt. Aber während wir
die hohen, achtunggebietenden Eigenschaften unserer Voreltern mit
Wohlgefallen betrachten, dürfen wir uns nicht verhehlen, daß das von
ihnen erstrebte Ziel vom Gesichtspunkte der Humanität und der
aufgeklärten Politik ein durchaus verwerfliches ist und daß die
Mißgeschicke, durch die sie nach einem langen und blutigen Kampfe die
Hoffnung auf Gründung eines großen festländischen Reiches aufzugeben
gezwungen wurden, wahrhafte Segnungen, und nur scheinbar Unglücksfälle
waren. Der Geist der Franzosen erwachte endlich; sie begannen den
fremden Eroberern einen kräftigen nationalen Widerstand zu leisten, und
von dieser Zeit an waren die Geschicklichkeit der englischen Feldherren
und der Muth ihrer Soldaten, zum Heile für die Menschheit, ohne Erfolg.
Unsere Vorfahren gaben, nach vielen blutigen Kämpfen, mit schmerzlicher
Reue den Streit auf. Seitdem hat nie mehr eine englische Regierung
ernstlich und beharrlich den Plan verfolgt, große Eroberungen auf dem
Festlande zu machen. Zwar fuhr das Volk fort, Crecy, Poitiers und
Agincourt ein solches Andenken zu bewahren, und man konnte noch viel
Jahre später durch das Versprechen eines Eroberungszuges nach Frankreich
leicht sein Blut wallend machen und ihm Hilfsgelder ablocken; aber zum
Glück hat die Thatkraft unsers Vaterlandes sich edlern Zielen
zugewendet, und es nimmt jetzt in der Geschichte der Menschheit eine
weit ehrenvollere Stellung ein, als wenn es, wie es einmal den Anschein
hatte, durch Waffengewalt ein Übergewicht erlangt hätte, das dem der
frühern römischen Republik ähnlich wäre.


[_Der Krieg der Rosen._] In die Grenzen der Insel wiederum
eingeschlossen, schwang nun das kriegslustige Volk die Waffen, die der
Schrecken Europa's gewesen, im Bürgerkriege. Die englischen Barone
hatten lange die Mittel zur Bestreitung ihres verschwenderischen
Aufwandes aus den unterjochten Provinzen Frankreichs gezogen. Diese
Hilfsquelle war nun versiegt; aber die vom Glücke erzeugte Gewohnheit
der Prunksucht und Üppigkeit dauerte fort, und die großen Lords, die
ihre Gelüste durch Plünderung der Franzosen nicht mehr befriedigen
konnten, beraubten nun mit großem Eifer einer den andern. Das Gebiet,
auf das sie jetzt beschränkt waren, reichte -- wie Comines, der
schärfste Beobachter jener Zeit, sich ausdrückt -- für sie alle nicht
aus. Zwei aristokratische Parteien, angeführt von zwei Zweigen der
königlichen Familie, begannen nun einen langen und schrecklichen Kampf
um die Oberherrschaft. Da die Erbitterung derselben nicht eigentlich aus
dem Streite wegen der Erbfolge hervorgegangen, so dauerte sie noch lange
fort, nachdem jeder Grund zu diesem Streite verschwunden war. Die Partei
der rothen Rose überlebte den letzten Fürsten, der, gestützt auf das
Recht Heinrichs IV., Anspruch auf die Krone machte. Die Partei der
weißen Rose überlebte die Heirath Richmonds mit Elisabeth. Der Führer
beraubt, die irgend einen annehmbaren Rechtstitel aufzuweisen hatten,
schlossen sich die Anfänger Lancasters einer Bastardlinie an, und die
Anhänger Yorks stellten eine Reihe von Betrügern auf. Nachdem viel
ehrgeizige Edelleute auf dem Kampfplatze oder durch die Hand des Henkers
gefallen, nachdem viel berühmte Häuser auf immer aus der Geschichte
verschwunden und die noch übrig gebliebenen großen Familien durch
schwere Unglücksfälle erschöpft und zu klarer Besinnung gekommen waren,
erkannte man endlich von allen Seiten an, daß in dem Hause Tudor alle
Ansprüche der streitenden Plantagenets sich vereinigten.


[_Aufhören der Leibeigenschaft._] Inzwischen trat eine Veränderung ein,
von unendlich größerer Wichtigkeit, als die Erwerbung oder der Verlust
einer Provinz, als die Erhebung oder der Sturz einer Dynastie. Es
verschwand nämlich die Sklaverei mit allen sie begleitenden Übeln. --

Es ist bemerkenswerth, daß die beiden größten und heilsamsten socialen
Umwälzungen, die in England stattgefunden, die nämlich, welche im
dreizehnten Jahrhundert der Willkürherrschaft eines Volksstammes über
den andern und die, welche einige Menschenalter später dem
Eigenthumsrechte des Menschen am Menschen ein Ende machte, still und
unmerklich erregt und vollbracht wurden. Die Beobachter jener Zeit
wurden durch diese Umwälzungen nicht überrascht, und die
Geschichtsschreiber haben ihnen nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Weder
durch gesetzliche Anordnung, noch durch physische Kraft wurden sie
bewirkt; es waren moralische Ursachen, die geräuschlos erst den Abstand
zwischen dem Normann und dem Sachsen, und später zwischen Herrn und
Sklaven verwischten. Den Augenblick genau zu bestimmen, wann diese
Unterschiede aufhörten, könnte niemand wagen, denn es mögen wohl noch
spät im vierzehnten Jahrhunderte einige schwache Spuren der alten
normännischen Sinnesart gefunden werden; auch von den Forschern in der
Zeit der Stuarts schwache Spuren der Leibeigenschaft entdeckt sein, und
ist diese Einrichtung bis zur gegenwärtigen Stunde gesetzlich noch nicht
abgeschafft.


[_Wohlthätiges Wirken der römisch-katholischen Religion._] Es würde im
hohen Grade ungerecht sein, nicht anzuerkennen, daß bei diesen beiden
großen Befreiungswerken die Religion der gewaltigste Hebel gewesen,
und ob ein reinerer Glaube sich wirksamer erwiesen hätte, ist wohl in
Zweifel zu ziehen. Der wohlwollende Geist der christlichen Sittenlehre
ist unbezweifelt den Kastenunterschieden abhold; aber der römischen
Kirche sind sie ganz besonders verhaßt, weil sie mit andern ihrem
Systeme wesentlichen Unterschieden nicht zu vereinbaren sind. So legt
sie jedem Priester eine geheimnißvolle Würde bei, die ihn berechtigt,
von jedem Laien Ehrfurcht zu fordern; auch schließt sie niemanden aus
Gründen der Nationalität oder der Geburt vom Priesterstande aus. Ihre
Lehrsätze, so irrig sie in Bezug auf den priesterlichen Charakter auch
sein mögen, haben schon oft einige der größten Übel gemildert, von denen
die Gesellschaft heimgesucht werden kann. Es darf ein Aberglaube nicht
unbedingt für schädlich gehalten werden, der in Ländern, die unter dem
Fluche der Tyrannei eines Volksstammes über den andern seufzen, eine von
der nationalen Verschiedenheit völlig unabhängige Aristokratie schafft,
das Verhältniß zwischen den Bedrückern und Bedrückten umkehrt und den
erblichen Herrn zwingt, vor dem geistlichen Richterstuhle seines
erblichen Untergebenen das Knie zu beugen. In Ländern, wo die Sklaverei
fortbesteht, zeigt sich noch heutigen Tages das Pabstthum in einem
vortheilhaften Contraste zu andern Formen des Christenthums. Es ist
allgemein bekannt, daß die gegenseitige Abneigung zwischen den
europäischen und afrikanischen Racen in Rio Janeiro bei weitem nicht so
stark ist, als in Washington, und in unserm eigenen Vaterlande äußerte
diese Eigenthümlichkeit des römisch-katholischen Systems zur Zeit des
Mittelalters manche heilsame Wirkung. Es wurden zwar gleich nach der
Schlacht bei Hastings sächsische Prälaten und Äbte gewaltsam von ihren
Ämtern vertrieben und geistliche Abenteurer vom Festlande zu Hunderten
in reiche Pfründen eingesetzt; aber auch damals erhoben fromme
Geistliche normännischer Abkunft gegen eine derartige Verletzung der
Kirchenverfassung ihre Stimmen, lehnten die Annahme der Bischofsmütze
aus den Händen des Eroberers ab und ermahnten ihn, bei dem Heile seiner
Seele, nicht zu vergessen, daß die unterjochten Insulaner seine
Mitchristen seien. Der Erzbischof Anselm war der erste Beschützer,
den die Engländer unter der herrschenden Kaste fanden. In jener Zeit,
wo der englische Name als ein Vorwurf galt und alle bürgerlichen und
militärischen Würden ausschließlich den Landsleuten des Eroberers
gebührend betrachtet wurden, nahm der verachtete Volksstamm mit
lebhafter Freude die Nachricht auf, daß einer der seinigen, Nikolaus
Breakspear, auf den päbstlichen Stuhl erhoben sei und Gesandten, den
edelsten Häusern der Normandie entsprossen, seinen Fuß zum Kusse
gereicht habe. Es war nicht minder ein nationaler als ein religiöser
Drang, der Massen von Menschen zu der Kapelle Becket's trieb, des ersten
Engländers, der den fremden Tyrannen seit der Eroberung furchtbar
geworden. Unter denen, welche jenen Freibrief errangen, der die
Privilegien der normännischen Barone und der sächsischen Freisassen
zugleich sicherte, stand ein Nachfolger Becket's in erster Reihe.
Wieviel die katholische Geistlichkeit später bei der Abschaffung der
Leibeigenschaft mitgewirkt hat, erfahren wir aus dem unverwerflichen
Zeugnisse des Sir Thomas Smith, eines der befähigtesten protestantischen
Räthe Elisabeths. Wenn der sterbende Sklavenbesitzer nach dem letzten
Sacramente verlangte, so beschworen ihn stets seine geistlichen
Beistände bei dem Heile seiner Seele, er möge seine Brüder freigeben,
für die Christus gestorben sei. Die Kirche wendete ihr furchtbares
Getriebe mit einem solchen Erfolge an, daß noch vor dem Eintritte der
Reformation fast alle Leibeigenen im Königreiche frei geworden, mit
Ausnahme der ihr selbst angehörigen, die, wie man ihr nachrühmen muß,
einer sehr milden Behandlung genossen zu haben scheinen.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß nach diesen beiden großen Revolutionen
unsere Vorfahren von allen Völkern in Europa die beste Regierung
besaßen. Das gesellschaftliche System hatte sich drei Jahrhunderte
hindurch ununterbrochen heilsam entwickelt. Es hat unter den ersten
Plantagenets Barone gegeben, die ihrem souverainen Herrscher Trotz zu
bieten vermochten, und Bauern, die mit den Schweinen und Ochsen, welche
sie hüteten, auf eine gleiche Stufe heruntergebracht waren: die maßlose
Gewalt der Barone war nach und nach geschwächt, der Zustand des Bauern
gehoben worden, und zwischen dem Adel- und dem Arbeiterstande hatte sich
eine landbau- und handeltreibende Mittelklasse gebildet. Es mögen nun
immerhin noch mehr Ungleichheiten bestanden haben, als dem Glücke und
der Tugend unseres Geschlechts ersprießlich gewesen; aber niemand konnte
sich der Autorität der Gesetze entziehen, und niemand war völlig von dem
Schutze desselben ausgeschlossen.

Daß die staatlichen Einrichtungen Englands schon in dieser frühen Zeit
von den Engländern mit Stolz und Liebe und von den aufgeklärtesten
Männern der Nachbarvölker mit Bewunderung und Neid betrachtet wurden,
läßt sich klar und deutlich beweisen; aber über die Beschaffenheit
dieser Einrichtungen ist oft unredlich und bitter gestritten worden.


[_Die frühere englische Staatsverfassung als oft falsch dargestellt._]
Die geschichtliche Literatur Englands hat in der That unter einem
Umstande hart gelitten, der nicht wenig zu dem Glücke desselben
beigetragen. So groß die Umgestaltung seines Staatswesens in den letzten
sechs Jahrhunderten auch gewesen ist, sie war doch nur eine Wirkung
allmäligen Fortschreitens, und nicht des Zerstörens und Wiederaufbauens.
Die jetzige Verfassung unseres Vaterlandes verhält sich zu jener, unter
der es vor fünfhundert Jahren blühte, wie der Baum zu dem Sprößlinge,
wie der Mann zu dem Knaben. Die Umwandlung war eine große; aber nie hat
es eine Zeit gegeben, in der nicht der Haupttheil des Bestehenden alt
gewesen wäre. Eine auf diese Weise entstandene Staatsverfassung muß
natürlich viel Unregelmäßigkeiten enthalten; aber neben den Übeln,
die nur aus Unregelmäßigkeiten hervorgehen, besitzen wir viel, was sie
reichlich aufwiegt. Andere Staaten besitzen regelrechter aufgestellte
Verfassungen; aber keinem andern ist es bis jetzt gelungen, Revolution
und Gesetz, Fortschritt und Stehenbleiben, die rüstige Kraft der Jugend
mit der Majestät kaum erdenklichen Alterthums zu vereinigen.

Diese große Segnung hat aber auch ihre Schattenseiten, und eine
derselben ist, daß die Quellen, in denen wir Aufklärung über unsere
frühere Geschichte suchen, vom Parteigeiste vergiftet sind. Es giebt
kein Land, in dem die Staatsmänner so unter dem Einflusse der
Vergangenheit gestanden, und die Geschichtsschreiber sich so von der
Gegenwart leiten ließen. Allerdings besteht zwischen beiden
Erscheinungen ein natürlicher Zusammenhang; denn wenn die Geschichte nur
als eine Schilderung des Lebens und der Sitten, oder als eine Sammlung
von Versuchen betrachtet wird, aus der sich allgemeine Grundsätze der
Staatsweisheit ableiten lassen, wird der Geschichtsschreiber sich eben
nicht stark versucht fühlen, Begebenheiten aus alter Zeit falsch
darzustellen. Wenn aber die Geschichte als ein Archiv mit Urkunden
angesehen, von denen die Rechte der Regierungen und der Völker abhangen,
so wird die Neigung zu fälschen fast unwiderstehlich. Für einen
Franzosen giebt es jetzt kein Interesse, das ihn antriebe, die Macht der
Könige aus dem Hause Valois zu hoch zu erheben oder zu klein
darzustellen. Die Privilegien der allgemeinen Reichsstände, der Stände
von Bretagne und von Burgund sind jetzt Dinge von eben so wenig
praktischer Wichtigkeit, als die Verfassung des jüdischen Sansedrin oder
des Amphiktyonengerichts. Das neue System wird von dem alten durch die
Kluft einer großen Revolution völlig geschieden. Für die englische
Nation giebt es keine solche Kluft, die ihre Existenz in zwei bestimmt
geschiedene Theile trennt. Unsere Gesetze und Gewohnheiten sind nie in
einem allgemeinen, nicht wieder auszugleichenden Umsturze untergegangen;
die im Mittelalter stattgehabten Ereignisse sind für uns immer noch
vollgültig, die größten Staatsmänner nehmen bei den wichtigsten
Veranlassungen Bezug darauf. Als zum Beispiel König Georg III. so krank
wurde, daß er den Verrichtungen seines königlichen Amtes nicht obliegen
konnte, und die Mehrzahl der tüchtigsten Rechtsgelehrten und Politiker
über das unter diesen Umständen einzuschlagende Verfahren sehr
getheilter Meinung waren, erklärten die Häuser des Parlaments, nur dann
zur Berathung irgend eines Regentschaftsplanes zu schreiten, wenn alle
Beispiele, die von der frühesten Zeit an in unsern Annalen zu finden,
zusammengestellt und geordnet seien. Es wurden Ausschüsse ernannt,
welche die alten Urkunden des Reichs prüfen sollten. Der erste Vorgang,
über den Bericht erstattet wurde, war der aus dem Jahre 1217; man legte
den Vorgängen aus den Jahren 1326, 1377 und 1422 große Wichtigkeit bei,
aber als den Fall, der hier mit Recht maßgebend sein könne, hielt man
den von 1455. Und so wurden oft in unserm Vaterlande die theuersten
Parteiinteressen von den Resultaten antiquarischer Forschungen abhängig
gemacht. Die nicht zu vermindernde Folge davon war, daß unsere
Alterthumsforscher ihre Untersuchungen als Parteimänner anstellten.

Man kann sich daher nicht wundern, wenn Diejenigen, welche über die
Grenzen des Hoheitsrechtes und der Freiheit in der alten englischen
Staatsverfassung geschrieben haben, gewöhnlich nicht als Richter,
sondern als eifrige, unredliche Advokaten aufgetreten sind; sie
verhandelten ja nicht über einen spekulativen, sondern über einen
solchen Stoff, der in einem unmittelbaren praktischen Zusammenhange mit
den wichtigsten und aufregendsten Streitfragen ihrer Zeit stand. -- Von
dem Beginne des langen Streites zwischen dem Parlamente und den Stuarts
bis zu der Zeit, wo die Ansprüche der Letztern nicht mehr furchtbar
waren, gab es wenig praktisch wichtigere Fragen als die, ob die
Regierung dieser Familie mit der alten Verfassung des Königreichs in
Übereinstimmung gestanden habe oder nicht. Diese Frage konnte nur
dadurch entschieden werden, daß man die Geschichtsberichte über frühere
Regierungen in Betracht zog. -- Bracton und Fleta, der »Spiegel der
Gerechtigkeit« und die Parlamentsarchive wurden durchforscht, um
Beschönigungen für die Übergriffe der Sternkammer sowohl, als für die
des höchsten Gerichtshofes aufzufinden. Viele Jahre hindurch suchte
jeder whiggistische Geschichtsschreiber eifrig den Beweis zu führen,
daß die altenglische Regierungsform eine republikanische, und jeder
toryistische, daß sie eine despotische gewesen sei.

So gesinnt blickten beide Parteien in die Chroniken des Mittelalters.
Beide fanden sehr leicht, was sie suchten; aber beide wollten hartnäckig
auch nur das sehen, was sie suchten. Die Eiferer für die Stuarts konnten
eben so leicht Beispiele von Bedrückungen der Unterthanen, als die
Vertheidiger der Rundköpfe Beispiele davon auffinden, daß der Krone
entschlossen und erfolgreich Widerstand geleistet worden sei. Die Tories
führten aus alten Schriften fast eben so unterwürfige Ausdrücke an, als
die waren, welche man von der Kanzel von Mainwaring herab hörte, und die
Whigs entdeckten eben so kühne und strenge Worte, als je von Bradshaw's
Richtersitze ertönten. Eine Partei von Schriftstellern stellte
zahlreiche Beispiele von Gelderpressungen auf, die sich Könige ohne
Bewilligung des Parlaments erlaubt hatten; andere führten Fälle an,
in denen das Parlament sich die Macht angeeignet hatte, den König zu
bestrafen. Wer nur die eine Hälfte der Beweise sah, hätte glauben mögen,
die Plantagenets seien unumschränkt wie die türkischen Sultane gewesen;
wer nur die andere sah, hätte schließen können, daß die Plantagenets
eben so wenig wirkliche Macht gehabt, als die Dogen von Venedig, und
beide Folgerungen wären gleich weit von der Wahrheit entfernt gewesen.


[_Natur der beschränkten Monarchien des Mittelalters._] Die alte
englische Verfassung gehörte jener Klasse beschränkter Monarchien an,
die im Mittelalter in Westeuropa entstanden, und, mancher
Verschiedenheiten ungeachtet, dennoch eine große Familienähnlichkeit
unter einander hatten. Eine solche Ähnlichkeit kann nicht befremden. Die
Länder, in denen diese Monarchien entstanden, waren Provinzen eines und
desselben großen kultivirten Reichs gewesen, das fast gleichzeitig von
Stämmen einer und derselben rohen und kriegerischen Nation überfallen
und unterjocht worden war. Sie waren ferner Glieder eines und desselben
großen Bundes gegen den Islam, und standen mit einer und derselben
stolzen und ehrgeizigen Kirche in Gemeinschaft. Ihre Staatsverfassung
nahm nun natürlich eine gleiche Form an. Die Institutionen derselben
entstammten theils dem kaiserlichen, theils dem päbstlichen Rom, theils
dem alten Germanien. Alle hatten Könige, und in allen war die
Königswürde nach und nach streng erblich geworden; alle hatten einen
Adel mit Vorrechten, die ursprünglich auf militärischen Rang basirt
waren. Die Ritterwürde und die Wappenregeln besaßen alle
gemeinschaftlich; ebenso hatten alle reich dotirte kirchliche
Stiftungen, städtische Korporationen mit ausgedehnten Freiheiten,
und Reichsversammlungen, deren Genehmigung zur Gültigkeit vieler
öffentlicher Akte erforderlich war.


[_Hoheitsrechte der frühern englischen Könige._] Von allen diesen
einander ähnlichen Verfassungen ward die englische, schon von einer
frühen Zeit an, mit Recht für die beste gehalten. Die Hoheitsrechte des
Regenten erstreckten sich unzweifelhaft sehr weit. Der Geist der
Religion und des Ritterthums wirkten vereint zur Erhöhung seiner Würde.
Das heilige Öl war auf sein Haupt gegossen worden; den tapfersten und
edelsten Rittern war es keine Erniedrigung, vor seinen Füßen zu knien.
Seine Person war unverletzlich, er allein nur besaß das Recht, die
Stände des Reichs zu berufen und nach Belieben zu entlassen, und alle
legislativen Handlungen derselben bedurften seiner Zustimmung. Er stand
an der Spitze der ausübenden Verwaltung, war das einzige Organ in den
Verhandlungen mit auswärtigen Mächten, der Oberbefehlshaber der Land-
und See-Macht des Staats, der Quell der Gerechtigkeit, der Gnade und der
Ehre. Der Regent besaß weitgreifende Befugnisse zur Regelung des
Handels: er hatte das Recht, Münzen schlagen zu lassen, Maaß und Gewicht
festzustellen und Märkte und Häfen zu gründen. Seine Rechte als
Schirmherr der Kirche waren unermeßlich; seine erblichen Einkünfte, wenn
sie sparsam verwaltet wurden, reichten zur Deckung der gewöhnlichen
Regierungskosten aus. Der ihm eigenthümliche Grundbesitz hatte eine
weite Ausdehnung, und in der Eigenschaft als Oberlehnsherr des gesammten
Grund und Bodens seines Königreichs besaß er manches einträgliche und
furchtbare Recht, das ihn in den Stand setzte, seine Gegner zu
beeinträchtigen und niederzudrücken, Diejenigen aber, die seine Gunst
genossen, ohne eigene Kosten zu bereichern und zu erheben.


[_Beschränkungen der Hoheitsrechte._] Aber seine Macht, wenn auch weit
ausgedehnt, ward dennoch durch drei große verfassungsmäßige Bestimmungen
beschränkt, die so alt waren, daß niemand den Beginn ihrer Existenz
kennt, und so wirksam, daß ihre natürliche, viele Menschenalter hindurch
fortgesetzte Entwickelung die Ordnung der Dinge hervorgebracht hat,
unter der wir jetzt leben.

Erstens konnte der König, ohne die Zustimmung seines Parlaments kein
Gesetz erlassen; zweitens konnte er ohne die Zustimmung desselben keine
Steuern ausschreiben, und drittens war er gehalten, die exekutive Gewalt
nach den Landesgesetzen zu üben; verletzte er diese Gesetze, so waren
seine Räthe und Beamten verantwortlich.

Kein aufrichtiger Tory wird läugnen können, daß diese Prinzipien vor
fünfhundert Jahren die Geltung von Grundgesetzen erlangt hatten;
andererseits wird kein ehrlicher Whig behaupten, daß sie in derselben
frühen Zeit frei von aller Zweideutigkeit gewesen und in allen ihren
Konsequenzen streng durchgeführt seien. Eine Verfassung des Mittelalters
ging nicht, wie im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert, als
selbstständiges Ganze aus einem einzigen Akte hervor, und ward eben so
wenig in einer einzigen Urkunde vollständig niedergelegt; nur in dem
verfeinerten und spekulativen Zeitalter wird das Staatswesen
systematisch geordnet. Der Fortschritt des Staatswesens in ungebildeten
Gesellschaften läßt sich mit dem der Sprache und der Verskunst
vergleichen. Ungebildete Gesellschaften haben oft eine reiche und
kräftige Sprache, aber es fehlt ihnen eine wissenschaftliche Grammatik,
die Definition von Haupt- und Zeitwörtern, die Namen für Deklinationen,
Modi, Tempora und Laute; sie haben eine Verskunst die oft viel Kraft und
Anmuth besitzt; aber sie haben keine Regeln des Versmaßes, und der
Minstrel, dessen nur durch das Ohr geregelte Verse die Hörer entzücken,
würde selbst nicht angeben können, aus wieviel Dactylen und Trochäen
jede seiner Zeilen besteht. Gleich der Beredtsamkeit, die älter als die
Syntaxis, und dem Gesange, der älter als die Prosodie ist, kann ein
Staat lange zuvor, ehe die Grenzen zwischen der gesetzgebenden,
ausübenden und richterlichen Gewalt genau bestimmt sind, einen hohen
Grad der Vortrefflichkeit erlangt haben.

So war es in unserm Vaterlande. Zwar war die Grenzlinie der königlichen
Gewalt im Allgemeinen ziemlich klar, aber nicht überall mit Genauigkeit
und Bestimmtheit angegeben. Deshalb gab es nahe der Grenze einen
streitigen Boden, auf dem stets Eingriffe und Zurückerpressungen
stattfanden, bis endlich nach Jahrhunderten des Kampfes bestimmte und
dauerhafte Grenzmarken errichtet wurden. Es dürfte lehrreich sein,
anzugeben, auf welche Weise und bis zu welcher Ausdehnung unsere frühern
Regenten die drei großen Grundsätze, welche die Freiheiten des Volks
schützten, gewöhnlich zu verletzen pflegten.

Kein englischer König hat je die gesetzgebende Gewalt in ihrem ganzen
Umfange beansprucht. Der gewaltthätigste und herrschsüchtigste
Plantagenet hat sich nie das Recht angemaßt, ohne die Zustimmung seines
großen Rathes anzuordnen, daß eine Jury aus zehn, statt aus zwölf
Personen bestehen, daß das Gedinge einer Witwe das Viertheil statt des
Drittheils betragen, daß der Meineid als ein Todesverbrechen betrachtet,
oder daß der Gebrauch der gleichmäßigen Erbtheilung unter Brüdern in
Yorkshire eingeführt werden solle[2]. Aber dem Könige stand das Recht
zu, Verbrecher zu begnadigen, und es giebt einen Punkt, wo das Recht der
Begnadigung und das Recht der Gesetzgebung in einander zu fließen
scheinen und leicht, wenigstens in einer nicht aufgeklärten Zeit,
verwechselt werden können. Ein Strafgesetz ist thatsächlich aufgehoben,
wenn die durch dasselbe auferlegten Strafen so oft erlassen werden,
als sie verwirkt sind. Der Souverain besaß ohne Zweifel die Befugniß,
unbeschränkt Strafen zu erlassen; demnach war er befugt, ein Strafgesetz
thatsächlich aufzuheben. Es konnte scheinen, als ließe sich kein
begründeter Einwand aufstellen, wenn er das, was ihm thatsächlich
auszuführen zustand, auch formell ausführen wollte. So entstand an der
zweifelhaften Grenze zwischen der vollziehenden und gesetzgebenden
Gewalt mit Hilfe spitzfindiger und höfischer Rechtsgelehrten die große
Anomalie, die unter dem Namen des Begnadigungsrechts bekannt ist.

Seit undenklichen Zeiten ist es in England unbestritten ein
Fundamentalgesetz gewesen, daß der König ohne Bewilligung des
Parlamentes Steuern nicht auferlegen könne. Dieses Gesetz befand sich
unter den Artikeln, zu deren Unterzeichnung Johann von den Baronen
gezwungen wurde. Eduard I. wagte es, diese Bestimmung zu überschreiten;
aber er stieß, obgleich er sehr geschickt, mächtig und bei dem Volke
beliebt war, auf einen Widerstand, dem nachzugeben er für gut befand.
Deshalb gelobte er ausdrücklich für sich und seine Erben, nie wieder
ohne Zustimmung und Willfährigkeit der Stände irgend eine Steuer erheben
zu wollen. Diesen feierlichen Vertrag versuchte sein mächtiger und
siegreicher Enkel zu brechen, aber dem Versuche ward ein kräftiger
Widerstand entgegengesetzt. Entmuthigt gaben die Plantagenets endlich
diesen Punkt auf; aber wenn sie auch offen das Gesetz nicht mehr
verletzten, so wußten sie dennoch durch Umgehung desselben sich
vorkommenden Falls zu temporären Zwecken außerordentlich Beihilfe zu
verschaffen. Das Eintreiben von Steuern war ihnen nicht erlaubt, aber
sie nahmen das Recht in Anspruch, zu bitten und zu borgen; sie baten
dann mitunter in einem Tone, der dem des Befehlens nicht unähnlich war,
und borgten nicht selten, ohne viel an Rückzahlung zu denken. Aber schon
in der Thatsache, daß man für nöthig hielt, diese Erpressungen mit den
Namen freiwilliger Steuern und Darlehn zu bemänteln, liegt der genügende
Beweis, daß die Gültigkeit der großen verfassungsmäßigen Bestimmung
allgemein anerkannt war.

Daß der Grundsatz, »der König von England ist verbunden, das Land den
Gesetzen gemäß zu verwalten, und seine Räthe und Beamten sind
verantwortlich, wenn er wider das Gesetz handelt,« schon in einer sehr
frühen Zeit festgestellt worden, beweisen die strengen Urtheile, die oft
gegen die Günstlinge des Königs erlassen und vollzogen sind; aber dessen
ungeachtet ist es auch erwiesen, daß die Plantagenets oft die Rechte
einzelner Personen verletzten, nur damit die beeinträchtigten Parteien
oft keine Rechtshilfe erlangen konnten. Nach dem Gesetze konnte kein
Engländer auf den alleinigen Befehl des Herrschers verhaftet oder
gefangen gehalten werden; aber es ist thatsächlich, daß der Regierung
mißliebige Personen ohne jede andere Autorität als den königlichen
Befehl eingekerkert wurden. Nach dem Gesetze durfte die Folter, die
Schmach der römischen Rechtspflege, unter allen Umständen bei keinem
englischen Unterthanen angewendet werden; nichtsdestoweniger wurde bei
den Wirren des fünfzehnten Jahrhunderts eine Folterbank in dem Tower
aufgestellt, und gelegentlich unter dem Vorwande politischer
Nothwendigkeit, angewendet. Aus solchen Gesetzwidrigkeiten den Schluß
ziehen zu wollen, die englischen Monarchen seien in der Theorie oder
Praxis unumschränkt gewesen, würde indeß ein großer Irrthum sein. Wir
leben in einer höchst gebildeten bürgerlichen Gesellschaft, in der
mittelst der Presse und der Post Nachrichten so reißend schnell
verbreitet werden, daß jeder Act grober Rechtsverletzung, in welchem
Theile unserer Insel er auch begangen sein mag, in wenig Stunden von
Millionen besprochen wird. Wollte jetzt ein englischer Souverain, der
Habeas Corpus Acte entgegen, einen Unterthanen einkerkern oder einen
Verschwörer auf die Folterbank spannen lassen, die Nachricht davon würde
augenblicklich die ganze Nation electrisiren. Im Mittelalter war der
Zustand der Gesellschaft ein ganz anderer; selten und nur mit großer
Schwierigkeit gelangten die Beeinträchtigungen Einzelner zur Kenntniß
des Publikums. Monate lang konnte Jemand gesetzwidrig in dem Schlosse
von Carlisle oder Norwich gefangen gehalten werden, ohne daß die
leiseste Kunde davon nach London kam; und es ist sehr wahrscheinlich,
daß die Folterbank manches Jahr gebraucht worden, ehe die Mehrzahl des
Volks auch nur geahnt, daß sie je in Anwendung gebracht. Auch waren
unsere Vorfahren durchaus nicht so fest von der Nothwendigkeit
überzeugt, große allgemeine Regeln festzuhalten, als wir; denn wir haben
aus langer Erfahrung gelernt, daß man irgend eine Verletzung der
Verfassung nicht ohne Gefahr unbemerkt könne vorübergehen lassen. Man
theilt jetzt allgemein die Ansicht, daß eine Regierung die strenge Rüge
des Parlamentes verdiene, wenn sie Vollmachten unnöthigerweise
überschreitet; daß sie aber, wenn sie im Drange der Nothwendigkeit und
aus reiner Absicht ihre Vollmachten überschritten hat, ohne Verzug das
Parlament um nachträgliche Genehmigung angehen müsse. Aber so dachten
die Engländer des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts nicht; sie
zeigten wenig Neigung, eines Grundsatzes wegen, und nur seiner selbst
wegen, zu streiten, oder gegen eine Regelwidrigkeit, die nicht zugleich
eine Belästigung war, Beschwerde zu führen. So lange im Allgemeinen die
Verwaltung einen milden und volksthümlichen Charakter trug, gestatteten
sie ihrem Regenten gern einigen Spielraum; ja sie verziehen ihm nicht
nur bei allgemein als gut anerkannten Zwecken eine das Gesetz
überschreitende Gewalt, sie zollten ihm auch noch Beifall, und waren,
so lange sie unter seiner Regierung sich der Sicherheit und Wohlfahrt
erfreuten, nur zu geneigt zu glauben, daß der, den seine Ungunst
getroffen, sie auch verdient habe. Aber diese Nachsicht hatte eine
Grenze, und der König, der zu viel auf die Langmuth des englischen
Volkes baute, handelte nicht weise, denn es gestattete ihm wohl
mitunter, die verfassungsmäßige Linie zu überschreiten, aber es
beanspruchte dann auch für sich selbst das Recht, über diese Linie
hinauszugehen, wenn seine Übergriffe so ernst waren, daß sie Besorgniß
erweckten. Wagte er, nicht zufrieden mit der gelegentlichen Bedrückung
Einzelner, große Massen zu bedrücken, so riefen seine Unterthanen
schleunig die Gesetze an, und war diese Berufung ohne Erfolg, so wandten
sie sich eben so schleunig an den Gott der Schlachten.

    [Anmerkung 2: Dies hat Hallam im ersten Kapitel seiner
    +constitutional History+ vortrefflich auseinandergesetzt.]


[_Widerstand, die gewöhnliche Schranke der Tyrannei im Mittelalter._]
Die Engländer durften aber auch ruhig dem Könige einige Übergriffe
nachsehen, denn sie besaßen für den Fall der Noth einen Zügel, der den
ungestümsten und stolzesten Herrscher bald zur Vernunft brachte,
den Zügel der physischen Gewalt. Einem Engländer des neunzehnten
Jahrhunderts wird es schwer fallen, sich einen Begriff davon zu machen,
wie leicht und schnell vor vierhundert Jahren ein solches Mittel
angewendet wurde. Das Volk versteht seit langer Zeit nicht mehr, die
Waffen zu gebrauchen. Unsern Voreltern war die Stufe der Vollendung
unbekannt, auf der jetzt die Kriegskunst steht, und nur eine besondere
Klasse besitzt die Kenntniß derselben. Hunderttausend Mann gut
disciplinirter und gut geleiteter Truppen halten Millionen von Bauern
und Handwerkern nieder, und einige Regimenter Garden reichen aus, um
allen unzufriedenen Geistern einer großen Hauptstadt Furcht einzuflößen.
Zugleich läßt aber auch die stete Vermehrung des Wohlstandes dem
denkenden Menschen einen Aufstand weit furchtbarer erscheinen, als eine
schlechte Regierung. Es sind ja unermeßliche Summen auf Werke verwendet,
die bei dem Ausbruche einer Revolution in wenig Stunden zu Grunde gehen
würden. Schon die Masse von beweglichen Gütern, die allein in den Läden
und Magazinen von London aufgespeichert liegt, übersteigt diejenige
fünfhundertmal, welche die ganze Insel zur Zeit der Plantagenets
enthielt; stürzte man nun die Regierung durch physische Gewalt,
so würden alle diese beweglichen Güter einer drohenden Gefahr der
Plünderung und Zerstörung ausgesetzt sein. Aber noch größer wäre die
Gefahr für den öffentlichen Credit, mit dem die Existenz Tausender von
Familien unmittelbar zusammenhängt, und mit dem der Credit der ganzen
Handelswelt unzertrennlich verbunden ist. Man kann ohne Übertreibung
behaupten, daß ein Bürgerkrieg, nur eine Woche auf englischem Boden
geführt, jetzt ein Unheil erzeugen würde, das vom Hoangho bis zum
Missouri sich fühlbar macht und Spuren zurückläßt, die nach einem
Jahrhunderte noch sichtbar sind. In einem solchen Zustande der
Gesellschaft muß der Widerstand als ein Heilmittel betrachtet werden,
das bei weitem verzweifelter ist, als jede Krankheit, die den Staat
heimsuchen kann. Zur Zeit des Mittelalters dagegen wandte man den
Widerstand als ein gewöhnliches Heilmittel gegen politische Übel an,
denn es war ein Mittel, das man stets bei der Hand hatte und, wenn auch
für den Augenblick von starker Wirkung, dennoch ohne empfindliche und
dauernde Folgen blieb. Wenn ein bei dem Volke angesehener Führer sein
Banner für eine volksthümliche Sache erhob, so konnte in einem Tage eine
unregelmäßige Armee versammelt sein. Regelmäßige Truppen gab es damals
nicht. Jeder war ein wenig Soldat, aber keiner mehr als das. Der
Nationalreichthum bestand vorzüglich in Viehherden, in der jährlichen
Erndte und in den einfachen, vom Volke bewohnten Gebäuden. Sämmtliche
Hausgeräthe, die Vorräthe in den Kaufläden, und die Maschinen des ganzen
Reichs waren nicht so viel werth, als das Eigenthum einzelner
Kirchspiele unserer Zeit. Das Fabrikwesen war roh, der Credit fast
unbekannt. Die Gesellschaft erholte sich daher von der Erschütterung,
sobald der sie bewirkende Stoß vorüber war. Das Gemetzel auf dem
Schlachtfelde, einige nachfolgende Hinrichtungen und Güterconfiscationen
waren sämmtliche Drangsale eines Bürgerkriegs. Eine Woche später trieb
der Bauer wieder sein Gespann, und der Edelmann ließ wieder seine Falken
über das Feld von Towton oder Bosworth fliegen, als ob kein
ungewöhnliches Ereigniß den gewöhnlichen Lauf des menschlichen Lebens
unterbrochen hätte.

Es sind nun hundertundsechzig Jahre verflossen, seit das englische Volk
gewaltsam eine Regierung gestürzt hat. Während der einhundertundsechzig
Jahre vor der Vereinigung der Rosen regierten neun Könige in England.
Sechs von diesen neun Königen wurden abgesetzt, und fünf verloren mit
der Krone auch das Leben. Hieraus geht klar hervor, daß jeder Vergleich
zwischen unserer alten und neuen Staatsform zu völlig unrichtigen
Schlüssen führen muß, wenn man die Wirkung des den Plantagenets durch
den Widerstand und durch die stete Furcht vor demselben auferlegten
Zwanges nicht streng berücksichtigt. Unsere Vorfahren besaßen ein sehr
kräftiges Schutzmittel gegen die Tyrannei, das uns fehlt, und deshalb
konnten sie ohne Bedenken auf andere Garantien verzichten, denen wir mit
Recht die höchste Wichtigkeit beilegen. Da wir aber die Schranke der
physischen Gewalt einer schlechten Regierung nicht entgegenstellen
können, ohne uns der Gefahr von Übeln auszusetzen, vor denen der Gedanke
allein schon zurückbebt, so handeln wir offenbar sehr klug, wenn wir
alle verfassungsmäßigen Hinderungsmittel einer solchen Regierung
gegenüber stets im Stande der Wirksamkeit erhalten, die Anfänge von
Übergriffen eifersüchtig bewachen, und Abweichungen von der Regel, auch
wenn sie an und für sich unbedenklich erscheinen, nicht ungerügt
hingehen lassen, damit sie nicht die Bedeutung von Präcedenzfällen
erhalten. Eine so scharfe Wachsamkeit war vor vierhundert Jahren
unnöthig. Ein Volk kühner Bogenschützen und Lanzenträger konnte, ohne
große Gefahr für seine Freiheiten, dem Fürsten einige Ungesetzlichkeiten
nachsehen, dessen Regierung im Allgemeinen gut und dessen Thron durch
keine Compagnie geübter Soldaten beschützt war.

Mag immerhin dieses System in Vergleich mit jenen sorgfältig
ausgearbeiteten Verfassungen, an denen die letzten siebzig Jahre so
fruchtbar gewesen, roh erscheinen, so erfreuten sich die Engländer
dennoch unter demselben eines hohen Maßes von Freiheit und Glück.
Obgleich der Staat unter der schwachen Regierung Heinrichs VI. in erster
Zeit durch Parteiungen und zuletzt durch den Bürgerkrieg zerrissen
wurde; obgleich Eduard IV. ein ausschweifender und herrschsüchtiger
Fürst war; obgleich Richard III. als ein Ungeheuer von Schlechtigkeiten
geschildert worden ist, und obgleich die Bedrückungen Heinrichs VII.
großen Mißmuth erregten: so steht es dennoch fest, daß unsere Vorfahren
unter diesen Königen weit besser regiert wurden, als die Belgier unter
Philipp, dem man den Beinamen des Guten gegeben, oder als die Franzosen
unter jenem Ludwig, den man den Vater seines Volkes nannte. Es scheint
selbst, daß unser Vaterland, während die Kriege der Rosen am ärgsten
wütheten, sich in einer glücklichern Lage befunden habe, als die
benachbarten Reiche in den Jahren tiefen Friedens. Comines war einer der
aufgeklärtesten Staatsmänner seiner Zeit; er hatte die reichsten und die
gebildeten Theile des Festlandes besucht, hatte in den reichen Städten
von Flandern, den Manchesters und Liverpools des fünfzehnten
Jahrhunderts, sich aufgehalten, das eben erst durch die Prachtliebe
Lorenzo's neu geschmückte Florenz gesehen, und ebenso Venedig, bevor es
durch die Verbündeten von Cambray gedemüthigt war: dieser ausgezeichnete
Staatsmann erklärte nach reiflicher Erwägung, daß England von allen
Ländern, die er kenne, am besten regiert werde. Die Verfassung desselben
bezeichnete er ausdrücklich als ein gerechtes und heiliges Werk, das
zugleich dem Volke Schutz, und der Hand des Fürsten, der es achte, wahre
Stärke verleihe. Es seien die Unterthanen, sagte er, in keinem andern
Lande so sicher vor Unrecht geschützt. Die aus unsern inneren Kriegen
hervorgegangenen Drangsale erstreckten sich, nach seiner Ansicht, nur
auf den Adel und die kampffähigen Männer; sie hinterließen keine Spuren,
als zerstörte Wohnplätze und entvölkerte Städte, wie er sie an andern
Orten zu sehen gewohnt war.


[_Eigenthümlicher Charakter der englischen Aristokratie._] Es war jedoch
die Wirksamkeit der die königlichen Hoheitsrechte beschränkenden
Bestimmungen nicht allein, wodurch sich England vor den meisten
Nachbarländern vortheilhaft unterschied; das Verhältniß des hohen Adels
zu den übrigen Volksklassen war eine gleich wichtige, wenn auch weniger
beachtete Eigenthümlichkeit. Es gab zwar eine starke erbliche
Aristokratie, aber sie war von allen dergleichen Aristokratien die am
wenigsten anmaßende und ausschließende, denn sie besaß nichts von dem
gehässigen Charakter einer Kaste, sie nahm fortwährend Glieder aus dem
Volke in sich auf, und gab aus ihrer Mitte dem Volke Glieder, die sich
mit ihm mischten. Jeder Gentleman konnte ein Peer werden. Der jüngere
Sohn eines Peers war nur ein Gentleman, und die Enkel von Peers standen
im Range neuernannten Rittern nach. Die Würde des Ritters war Keinem
unerreichbar, der durch Fleiß und Sparsamkeit ein ansehnliches
Grundstück erworben, oder durch Tapferkeit in einer Schlacht oder
Belagerung sich hervorzuthun vermochte. Es gereichte der Tochter eines
Herzogs, selbst eines solchen von königlichem Geblüte, nicht zur Unehre,
wenn sie einen ausgezeichneten Bürgersmann heirathete. Sir John Howard
zum Beispiel heirathete die Tochter des Thomas Mowbray, Herzogs von
Norfolk; Sir Richard Pole heirathete die Gräfin von Salisbury, die
Tochter des Herzogs Georg von Clarence. Eine edle Abkunft stand zwar in
großem Ansehen, aber es gab, zum Glück für unser Vaterland, keinen
nothwendigen Zusammenhang zwischen einer edeln Abkunft und den
Vorrechten der Peerswürde. Nicht nur das Haus der Lords hatte lange
Stammbäume und alte Wappen aufzuweisen, man fand sie auch außer
demselben. Es gab Emporkömmlinge mit den höchsten Titeln, aber es gab
auch Männer ohne Titel, Nachkommen von Rittern, welche die Reihen der
Sachsen bei Hastings durchbrochen oder die Mauern von Jerusalem
erstiegen hatten. Es gab Bohun's, Mowbray's, de Veres, selbst Verwandte
des Hauses Plantagenet, die keinen andern Titel als den des Esquire's
und keine andern bürgerlichen Vorrechte hatten, als die, deren sich
jeder Pächter und Krämer erfreute. Eine Grenzlinie welche, wie in andern
Ländern, den Patrizier vom Plebejer scheidet, gab es bei uns nicht.
Der Freisasse fühlte sich nicht geneigt, unzufrieden auf die Würden zu
blicken, die seinen eigenen Kindern erreichbar waren, und der Edelmann
von hohem Range fühlte sich nicht versucht, einen Stand mit Verachtung
zu behandeln, zu dem seine Kinder hinabsteigen mußten.

Nach den Kriegen der Häuser York und Lancaster wurden die Bande, welche
den Adel und das Volk umschlangen, inniger und zahlreicher, als je. Wie
groß die durch diese Kriege unter der alten Aristokratie angerichtete
Verwüstung war, läßt sich aus einem einzigen Umstande folgern. Im Jahre
1451 berief Heinrich IV. dreiundfünfzig weltliche Lords zum Parlamente;
die Zahl der von Heinrich VII. im Jahre 1485 berufenen weltlichen Lords
betrug nur neunundzwanzig, und von diesen waren mehrere erst kurz vor
der Berufung zur Peerswürde erhoben worden. Im Laufe des folgenden
Jahrhunderts wurden die Reihen des hohen Adels stark aus der Gentry
ergänzt. Zu dieser heilsamen Vermischung der Stände trug besonders die
Verfassung des Hauses der Gemeinen bei. Der abgeordnete Ritter der
Grafschaft war das verbindende Glied zwischen dem Baron und dem Krämer.
Auf denselben Bänken zwischen Goldschmieden, Tuchhändlern und
Gewürzkrämern, welche die Handelsstädte in das Parlament gesandt hatten,
saßen auch Mitglieder, die man in jedem andern Lande für Edelleute und
Erbgutsherrn erachten würde, denn sie waren berechtigt, Gericht zu
halten und Wappen zu führen, und konnten durch viele Generationen zurück
ihre ehrenvolle Abstammung verfolgen. Einige von ihnen waren jüngere
Söhne und Brüder hoher Lords, andere konnten sich sogar von königlicher
Abkunft rühmen. Endlich trat der älteste Sohn eines Earl von Bedford,
dem man als Courtoisie den Titel seines Vaters beigelegt, als Bewerber
um einen Platz im Hause der Gemeinen auf, und seinem Beispiele folgten
andere. Waren die Erben der Großen des Reichs einmal Glieder dieses
Hauses, so nahmen sie sich der Privilegien desselben ebenso eifrig an,
als irgend einer der Bürger, mit denen sie gemischt waren. So ward schon
von frühen Zeiten an unsere Demokratie die am meisten aristokratische,
und unsere Aristokratie die am meisten demokratische von der Welt, eine
Eigenthümlichkeit, die sich bis zu unsern Tagen erhalten, und manche
wichtige moralische und politische Wirkung geäußert hat.


[_Regierung der Tudors._] Die Regierung Heinrichs VII., seines Sohnes
und seiner Enkel war im Allgemeinen willkürlicher, als die der
Plantagenets. Dieser Unterschied läßt sich, bis zu einer gewissen
Grenze, aus dem persönlichen Charakter erklären, denn Muth und
Willenskraft waren Männern und Frauen des Hauses Tudor gemein. Während
eines Zeitraums von einhundertzwanzig Jahren übten sie ihre Macht stets
mit Energie, oft mit Gewaltthätigkeit, mitunter selbst mit Grausamkeit
aus. Nach dem Beispiele der ihnen vorangegangenen Herrscherfamilie
verletzten sie nicht selten die Rechte einzelner Unterthanen, erhoben
zuweilen Steuern unter dem Namen von Anleihen und Geschenken, befreieten
sich von Straferlassen, und wenn sie auch nie aus eigener
Machtvollkommenheit ein bleibendes Gesetz zu geben wagten, so erlaubten
sie sich dennoch bei vorkommenden Fällen, wenn das Parlament nicht
versammelt war, vorübergehenden Bedürfnissen durch vorübergehende
Verfügungen abzuhelfen. Die Bedrückung über einen gewissen Punkt
hinauszutreiben, war indeß den Tudors nicht möglich, da sie keine
bewaffnete Macht besaßen und von einem bewaffneten Volke umgeben waren.
Die Wache des Palastes bestand nur aus wenigen Dienern, welche das
Aufgebot einer einzigen Grafschaft oder eines einzigen Distrikts von
London leicht hätte überwältigen können. Auf solche Weise wurden diese
stolzen Fürsten in stärkere Schranken gehalten, als auferlegte Gesetze
zu ziehen vermögen, in Schranken, die sie zwar nicht hinderten, mitunter
gegen einen Einzelnen willkürlich und selbst grausam zu verfahren, die
aber doch das Volk im Allgemeinen vor dauernden Bedrückungen sicher
stellten.

In dem Bereiche ihres Hofes konnten sie zwar gefahrlos als Tyrannen
auftreten, aber sie mußten doch stets mit Besorgniß auf die Stimmung
des Landes achten. Heinrich VIII. z.B. fand keinen Widerstand, als er
Buckingham und Surrey, Anna Boleyn und Lady Salisbury auf das Schaffot
bringen wollte; als er aber ohne Bewilligung des Parlamentes den
sechsten Theil des Vermögens seiner Unterthanen als Steuer forderte,
fand er sich bald genöthigt, davon abzustehen. Hunderte und Tausende
riefen, daß sie Engländer und nicht Franzosen, freie Männer und nicht
Knechte seien. In Kent mußten die königlichen Kommissäre ihr Leben durch
die Flucht retten; in Suffolk griffen viertausend Männer zu den Waffen,
während die königlichen Statthalter in dieser Grafschaft vergebens ein
Heer zusammenzubringen suchten. Wer sich auch nicht an dem Aufstande
betheiligte, erklärte dennoch, daß er in einem solchen Kampfe nicht
gegen seine Brüder fechten wolle. So stolz und eigensinnig Heinrich auch
war, er mied nicht ohne Grund den Kampf mit dem aufgeregten Geiste der
Nation, denn ihm schwebte das Schicksal seiner Vorgänger, die zu
Berkeley und Pomfret umgekommen waren, vor Augen. Er widerrief nicht nur
seine ungesetzlichen Erlasse, er verzieh nicht nur allen Mißvergnügten;
er entschuldigte sich selbst öffentlich und feierlich deswegen, daß er
die Gesetze verletzt habe.

Sein Benehmen bei diesem Anlasse bezeichnet die ganze Politik seines
Hauses. Die Fürsten dieser Linie besaßen ein hitziges Temperament und
einen hochfliegenden Geist, aber sie kannten den Charakter des Volks,
das sie regierten, und nie trieben sie, wie manche ihrer Vorgänger und
Nachfolger, die Hartnäckigkeit bis zu einem gefährlichen Punkte. Die
Tudors handelten stets so besonnen, daß ihre Macht zwar oft Widerstand
fand, aber nie gestürzt wurde. Die Herrschaft eines Jeden derselben ward
durch starke Ausbrüche der Unzufriedenheit gestört, aber stets gelang es
der Regierung, die Aufständischen entweder zu beruhigen, oder sie zu
besiegen und zu bestrafen. Durch rechtzeitige Zugeständnisse wußte sie
auch mitunter Bürger-Unruhen abzuwenden; in der Regel aber blieb sie
fest, und rief die Nation um Hilfe an. Die Nation folgte dem Rufe,
sammelte sich um den Herrscher, und machte ihm die Unterwerfung der
kleinen Anzahl Mißvergnügter möglich.

Auf diese Weise entwickelte sich die Größe und Blüthe Englands von
Heinrichs III. bis zu Elisabeths Zeit unter einer Verfassung, die den
Keim zu unsern gegenwärtigen Institutionen in sich trug, und, wenn sie
auch nicht genau bestimmt war und streng beobachtet wurde, dennoch durch
die Furcht der Regierenden vor dem Geiste und der Kraft der Regierten
gegen das Ausarten in Despotismus nachdrücklich geschützt ward.

Eine solche Staatsverfassung paßt indeß nur für ein eigenes Stadium in
der Ausbildung der Gesellschaft. Dieselben Ursachen, die in den
friedlichen Künsten eine Theilung der Arbeit bewirken, müssen endlich
auch den Krieg zu einer besondern Wissenschaft und einem besondern
Gewerbe machen. Es kommt eine Zeit, in welcher der Gebrauch der Waffen
die volle Aufmerksamkeit eines besondern Standes zu beanspruchen
beginnt; es zeigt sich bald, daß noch so tapfere Bauern und Bürger
geübten Soldaten gegenüber nicht Stand halten können, Männern, deren
ganzes Leben eine Vorbereitung auf den Tag der Schlacht ist, deren
Nerven durch das stete Vertrautsein mit der Gefahr abgehärtet sind, und
deren Bewegungen die völlige Genauigkeit eines Uhrwerks eigen ist. Man
begreift, daß der Schutz von ganzen Nationen nicht länger mehr sicher
solchen Streitern anvertraut werden könne, die zu einem vierzigtägigen
Feldzuge dem Pfluge oder Webstuhle entnommen sind. Bildet irgend ein
Staat ein großes, stehendes Heer, so müssen die Nachbarstaaten dem
Beispiele nachahmen, wenn sie sich einem fremden Joche nicht unterwerfen
wollen. Wo aber ein großes stehendes Heer vorhanden ist, kann die
beschränkte Monarchie nach Art des Mittelalters nicht länger
fortbestehen; der Regent ist mit einem Male von der Hauptfessel seiner
Macht befreit und wird unvermeidlich absolut, wenn ihm nicht Schranken
angewiesen werden, die einer Gesellschaft als überflüssig erscheinen
würden, in der Jeder vorkommenden Falls, aber Keiner stets Soldat ist.


[_Die beschränkten Monarchien des Mittelalters sind allgemein in
absolute Monarchien verwandelt._] Mit der Gefahr kamen auch die Mittel,
sich vor ihr zu schützen. In den Monarchien des Mittelalters besaßen die
Fürsten die Macht des Schwertes, die Nation aber die Macht des
Geldbeutels, und in demselben Maße, wie die fortschreitende Civilisation
das Schwert des Fürsten der Nation stets furchtbarer ward, so ward der
Geldbeutel der Nation dem Fürsten stets nothwendiger. Die erblichen
Einkünfte des Letztern reichten nicht länger für die Kosten der
Civilverwaltung aus, und es war völlig unmöglich, daß er ohne ein
geregeltes und umfassendes Steuersystem eine große Masse disciplinirter
Truppen in steter Thätigkeit erhalten konnte. Die Politik, welche die
parlamentarischen Versammlungen Europa's hätten befolgen müssen, wäre
gewesen: fest auf ihr verfassungsmäßiges Recht zu bestehen, wonach ihnen
die Bewilligung und das Ablehnen des Geldes zustand, und entschlossen,
so lange die Summen für den Unterhalt der Armeen zu verweigern, bis sie
hinreichende Bürgschaft gegen Despotismus erlangt hätten.

Nach dieser weisen Politik handelte man nur in unserm Vaterlande; in den
benachbarten Königreichen traf man große militärische Einrichtungen,
aber man dachte nicht daran, der öffentlichen Freiheit Schutzwehren zu
errichten, und hieraus folgte, daß überall die alten parlamentarischen
Verfassungen aufhörten. In Frankreich, wo sie stets schwach gewesen,
siechten sie hin, bis sie endlich an völliger Schwäche erstarben. In
Spanien, wo sie so stark gewesen wie nur irgend in Europa, vertheidigten
sie tapfer ihr Leben, aber zu spät. Die Handwerker von Toledo und
Valladolid vertheidigten ohne Erfolg die Privilegien der Castilischen
Cortes gegen die alten geübten Kriegerhaufen Karls V., und ebenso
erfolglos kämpften eine Generation später die Bürger von Saragossa gegen
Philipp II. für die alte Verfassung von Aragonien. So sanken die großen
Nationalversammlungen der festländischen Monarchien eine nach der andern
zu völliger Nichtigkeit herab, Versammlungen, die einst minder stolz und
mächtig gewesen, als jene in Westminster. Wenn sie zusammentraten,
geschah es nur, um einige ehrwürdige Förmlichkeiten zu beobachten,
ungefähr wie jetzt unsere Kirchenversammlungen.


[_Die englische Monarchie als besondere Ausnahme._] In England
gestalteten sich die Dinge anders. Dieses besondere Glück hat es
vorzüglich seiner insularischen Lage zu danken. Für die Würde und selbst
für die Sicherheit der französischen und spanischen Monarchien wurden
schon vor dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts große militärische
Einrichtungen unentbehrlich. Hätte eine dieser beiden Mächte eine
Entwaffnung vorgenommen, so würde sie bald dem Übergewichte der andern
unterworfen gewesen sein. England aber, durch das Meer vor Angriffen von
Außen geschützt und selten in Kriegsunternehmungen auf dem Festlande
begriffen, befand sich noch nicht in der Nothwendigkeit, regelmäßige
Truppen zu halten. Das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert fanden es
noch ohne stehende Heere. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts hatte
die Staatswissenschaft schon beträchtliche Fortschritte gemacht; das
Schicksal der spanischen Cortes und der französischen allgemeinen
Reichsstände war unsern Parlamenten eine ernste Mahnung gewesen,
und noch zu rechter Zeit, die Natur und Größe der Gefahr vollkommen
erkennend, ergriffen sie ein System der Taktik, das nach einem drei
Generationen hindurch dauernden Kampfe endlich dennoch den Sieg errang.

Fast jeder Schriftsteller, der von diesem Kampfe geschrieben, ist
darzuthun bemüht gewesen, daß die Parthei, der er angehörte, es war, die
für die unveränderte Beibehaltung der alten Verfassung kämpfte; aber das
Wahre ist, daß die alte Verfassung nicht unverändert beibehalten werden
konnte. Ein Gesetz, erhaben über alle Berechnungen menschlicher
Weisheit, hat geboten, daß Verfassungen jener besondern Art, wie sie im
vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderte in Europa allgemein gewesen,
nicht länger mehr bestehen sollten. Die Frage war also nicht, ob unsere
Regierungsform eine Veränderung erleiden, sondern welcher Art diese
Veränderung sein müsse. Durch das Erstehen einer neuen und mächtigen
Kraft war das alte Gleichgewicht gestört und alle beschränkten
Monarchien hatten sich eine nach der andern in unbeschränkte verwandelt.
Was an andern Orten geschehen, würde sicher auch bei uns geschehen sein,
wenn das Gleichgewicht nicht dadurch hergestellt worden wäre, daß man
einen großen Theil der Macht von der Krone auf das Parlament übertrug.
Es fehlte nicht viel, so hätten unsern Fürsten Zwangsmittel zu Gebote
gestanden, wie kein Plantagenet oder Tudor sie je besessen, und sie
wären unvermeidlich Despoten geworden, hätte man ihnen nicht zu gleicher
Zeit Beschränkungen auferlegt, denen kein Plantagenet oder Tudor je
unterworfen gewesen.


[_Die Reformation und ihre Wirkungen._] Es scheint demnach gewiß zu
sein, daß das siebzehnte Jahrhundert auch dann nicht ohne heftige Kämpfe
zwischen unsern Königen und ihren Parlamenten vorübergegangen wäre, wenn
nur politische Gründe sie angefacht hätten; aber andere Ursachen,
vielleicht noch gewichtiger, brachten sie hervor. Während die Regierung
der Tudors auf dem Gipfelpunkte ihrer Kraft stand, trat ein Ereigniß
ein, das den Geschicken aller christlichen Völker, und namentlich dem
des englischen Volks, eine neue Richtung gab. Zweimal im Laufe des
Mittelalters hatte sich der Geist Europa's gegen die Herrschaft des
Pabstes erhoben. Die erste Erhebung fand im südlichen Frankreich statt.
Das kräftige Einschreiten Innocenz' III., der Eifer der damals erst
gestifteten Franziskaner- und Dominikaner-Orden und die Rohheit der
Kreuzfahrer, von der Geistlichkeit auf eine unkriegerische Bevölkerung
gehetzt, vernichteten die albigensische Kirche. Die zweite Erhebung
begann in England, und verbreitete sich bis nach Böhmen; aber auch
diesmal gelang es dem Konzil von Kostnitz, indem es einige kirchliche
Mißbräuche, an denen die Christenheit Anstoß nahm, beseitigte, und den
europäischen Fürsten, indem sie schonungslos mit Feuer und Schwert gegen
die Ketzer einschritten, der Bewegung Einhalt zu thun. Auch dies haben
wir nicht sehr zu bedauern. Die Sympathien eines Protestanten werden
sich natürlich zu den Albigensern und Lollards hinneigen; aber ein
gemäßigter und aufgeklärter Protestant wird nach genauer Prüfung doch
wohl in Zweifel ziehen, daß der glückliche Erfolg dieser Sekten
überhaupt Glück und Tugend der Menschen befördert haben würde.
Wie verdorben die römische Kirche damals auch war, so ist es doch
wahrscheinlich, daß eine noch viel verdorbenere an ihre Stelle getreten
sein würde, wenn sie im zwölften, und selbst im vierzehnten Jahrhunderte
noch, gestürzt wäre. Der größte Theil Europa's besaß in jener Zeit nur
wenig Kenntnisse, und die vorhandenen waren Eigenthum der Geistlichkeit.
Von fünfhundert Menschen konnte nicht einer die Psalmen lesen; Bücher
waren selten und theuer; die Buchdruckerkunst kannte man nicht, und
Abschriften der Bibel, bei weitem nicht so schön und deutlich als die,
welche der ärmste Landmann sich jetzt gedruckt verschaffen kann, wurden
zu Preisen verkauft, die selbst der größte Theil der Geistlichen nicht
zu zahlen vermochte. Dem Laienstande war es daher völlig unmöglich,
durch eigene Anschauung die heilige Schrift kennen zu lernen. Wäre nun
das eine geistige Joch abgeworfen gewesen, so hätte man aller
Wahrscheinlichkeit nach ein anderes auferlegt, und die bisher von der
römischen Geistlichkeit ausgeübte Gewalt würde auf eine weit schlimmere
Klasse von Lehrern übergegangen sein. Mit den übrigen Jahrhunderten
verglichen, war das sechzehnte Jahrhundert ein sehr aufgeklärtes; und
dennoch folgte in diesem Zeitalter eine große Anzahl derer, welche sich
von der alten Religion losgesagt, dem ersten besten verlockenden und
scheinheiligen Führer, der sich ihnen darbot, und verfielen bald in noch
gefährlichere Irrthümer als die waren, denen sie entsagt hatten. So war
es dem Matthias und Knipperdolling, den Aposteln der Unzucht, des Raubes
und des Mordes, möglich, eine Zeitlang große Städte zu beherrschen. In
einem noch ungebildeten Zeitalter hätten solche falsche Propheten Reiche
gründen können, und das Christenthum wäre in einen grausamen und
sittenlosen Aberglauben verkehrt worden, schädlicher, nicht nur als das
Pabstthum, sondern auch als der Islam.

Jene große religiöse Umwälzung, die man besonders die Reformation nennt,
begann ungefähr hundert Jahre nach dem Kostnitzer Konzile. Die Zeit war
nun zu Reformationen reif, denn der geistliche Stand besaß nicht mehr
allein und hauptsächlich den Schatz menschlichen Wissens. Die Erfindung
der Buchdruckerkunst hatte den Gegnern der römischen Kirche eine
mächtige Waffe gegeben, die den Vorgängern derselben gefehlt; das
Studium der alten Schriftsteller, die rasche Entwickelung der neuen
Sprachen, die plötzlich in jedem Zweige der Literatur entfaltete
Thätigkeit, der politische Zustand Europas, die Lasterhaftigkeit des
römischen Hofes, die Erpressungen der römischen Kanzlei, die Eifersucht,
welche die Reichthümer und Privilegien der Geistlichkeit in den Laien
erweckten, der Neid, den das Übergewicht Italiens in den diesseits der
Alpen Geborenen erregte, -- dies Alles gab den Predigern der neuen
Gotteslehre einen Vortheil, den sie zweckmäßig zu verwenden wußten.

Man kann ohne Inconsequenz, selbst in Anbetracht des wohlthätigen
Einflusses, den die römische Kirche auf die Menschheit ausübte, die
Reformation als ein unschätzbares Glück betrachten. Das Gängelband,
welches das Kind sichert und aufrecht erhält, ist dem Manne ein
Hinderniß. So können dieselben Hilfsmittel, die auf der einen
Bildungsstufe den menschlichen Geist stützen und entwickeln, auf einer
andern ihm hemmende Bande sein. In der Existenz des Einzelnen wie der
Gesellschaften giebt es einen Punkt, wo die Unterwerfung und der Glaube,
die man in späteren Zeiten mit Recht Knechtssinn und Leichtgläubigkeit
nennen würde, nützliche Eigenschaften sind. Das Kind, das gelehrig und
vertrauensvoll auf die Unterweisungen Älterer hört, wird ohne Zweifel
rasche Fortschritte machen; der Mann aber, der unbedenklich und mit
kindlicher Gelehrigkeit jede Behauptung und jede Glaubensansicht eines
andern und nicht klügern Mannes als er, annimmt, würde verächtlich
erscheinen. Ebenso ist es mit ganzen Gesellschaften. Die Kindheit der
europäischen Nationen verfloß unter der Vormundschaft der Geistlichkeit.
Der Einfluß der geistlichen Orden war lange Zeit so überwiegend, wie es
naturgemäß und mit Recht jede geistige Autorität sein muß. Die Priester,
mit allen ihren Fehlern, bildeten den aufgeklärtesten Theil der
Gesellschaft; es war daher im Ganzen genommen ein Glück, daß man ihnen
gehorchte und sie achtete. Die Übergriffe der kirchlichen Macht in das
Gebiet der weltlichen war so lange mehr segenbringend als schädlich,
als sich die geistliche Gewalt in den Händen der einzigen Klasse befand,
die Geschichte, Philosophie und öffentliches Recht studirt hatte, die
weltliche Gewalt aber in den Händen roher Häuptlinge, die ihre eigenen
Verleihungen und Erlasse nicht lesen konnten. Dies änderte sich jedoch;
die Kenntnisse verbreiteten sich nach und nach unter den Laien, von
denen schon im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts viele in geistiger
Beziehung den aufgeklärtesten ihrer Seelenhirten gleich kamen. Von nun
an wurde jene Autorität, welche ungeachtet mancher Mißbräuche in den
Jahrhunderten der Finsterniß eine gesetzliche und heilsame Vormundschaft
gewesen, eine ungerechte und verderbliche Tyrannei.

Von der Zeit an, wo die Barbaren das weströmische Reich stürzten, bis zu
der Zeit des Wiederemporblühens der Wissenschaften übte die römische
Kirche im Allgemeinen auf Wissenschaft, Civilisation und eine gute
Staatsverfassung einen heilsamen Einfluß aus; aber während der letzten
drei Jahrhunderte ist es ihr Hauptbestreben gewesen, die Entwickelung
des menschlichen Geistes zu hindern. Alle Fortschritte in der
Christenheit, in Wissen, Freiheit, Wohlstand und in den Künsten des
Lebens, sind ungeachtet ihres Entgegenwirkens gemacht worden und haben
stets zu ihrer Macht im entgegengesetzten Verhältnisse gestanden.
Die schönsten und fruchtbarsten Provinzen Europa's sind unter ihrer
Herrschaft in Armuth, politische Knechtschaft und geistige Erstarrung
versunken, während protestantische Länder, die einst als unfruchtbar und
barbarisch sprichwörtlich waren, durch Geschicklichkeit und Fleiß in
Gärten verwandelt wurden, und sich einer langen Reihe von Helden,
Staatsmännern, Philosophen und Dichtern rühmen. Man kann sich ein
Urtheil über die Tendenzen der päpstlichen Herrschaft bilden, wenn man
weiß, was Italien und Schottland von Natur sind und vor vierhundert
Jahren wirklich waren, und wenn man jetzt die Gegend um Rom mit der um
Edinburg vergleicht. Das Herabsinken Spaniens, einst die erste unter den
Monarchien, zu der untersten Stufe der Erniedrigung, und das
Emporsteigen Hollands, ungeachtet mancher natürlichen Hindernisse,
zu einer Höhe, wie sie kein Gemeinwesen von so geringer Ausdehnung je
erreicht hat, beweisen dasselbe. Wer in Deutschland aus einem
katholischen Lande in ein protestantisches, in der Schweiz aus einem
katholischen in einen protestantischen Kanton, und in Irland aus einer
katholischen in eine protestantische Grafschaft kommt, gewahrt, daß er
von einem niedern Grade der Civilisation bei einem höhern Grade
angelangt ist. Dieselben Resultate findet man jenseits des atlantischen
Meeres. Die Protestanten der Vereinigten Staaten haben die Katholiken in
Mexico, Peru und Brasilien weit hinter sich gelassen. Die Katholiken von
Unter-Canada verharren in ihrer Trägheit; die Protestanten aber
erfüllen den ganzen Kontinent um sich her durch Thätigkeit und
Unternehmungsgeist. Die Franzosen haben ohne Zweifel Energie und
Intelligenz an den Tag gelegt, die ihnen, selbst wenn sie in unrechte
Bahnen geleitet wurden, gerechten Anspruch auf den Namen einer großen
Nation geben; aber bei näherer Untersuchung wird sich diese scheinbare
Ausnahme dennoch als eine Bestätigung der Regel bewähren, denn in keinem
Lande, das für römisch-katholisch galt, hat die römisch-katholische
Kirche mehrere Generationen hindurch so wenig in Ansehen gestanden,
als in Frankreich.

Ob England mehr der römisch-katholischen Religion oder der Reformation
verdankt, ist schwer zu bestimmen. Die Vermischung der Volksstämme und
die Abschaffung der Leibeigenschaft ist vorzüglich ein Ergebniß des
Einflusses, den der Clerus des Mittelalters auf den Laienstand ausübte;
die politische und geistige Freiheit hingegen, sammt allen mit ihnen
verbreiteten Segnungen, dankt England hauptsächlich der großen Erhebung
des Laienstandes gegen die Geistlichkeit.

Der Kampf zwischen der alten und neuen Glaubenslehre in unserm
Vaterlande war ein langer, und der Ausgang desselben schien mitunter
zweifelhaft. Es gab zwei extreme Parteien, gleich bereit, mit Gewalt zu
handeln, oder mit unbeugsamer Festigkeit zu dulden. Zwischen diesen
beiden Parteien befand sich eine Zeitlang eine dritte, welche zwar sehr
unlogisch, aber dennoch sehr natürlich die in der Kindheit erhaltenen
Lehren mit den Predigten der neuern Evangelisten vermischt und, obgleich
mit Vorliebe an den alten Observanzen hangend, dennoch die mit diesen
Observanzen verknüpften Mißbräuche verabscheute. Leute von solcher
Denkart folgten willig, fast dankbar, den Anleitungen eines tüchtigen
Führers, der ihnen die Mühe ersparte, selbst zu urtheilen und, mit
starker, fester Stimme das Lärmen des Streitens übertönend, ihnen sagte,
wie sie Gott verehren und was sie glauben müßten. Es kann uns daher
nicht befremden, daß die Tudors einen so großen Einfluß auf die
kirchlichen Angelegenheiten auszuüben vermochten, und daß sie diesen
Einfluß meistens nur in ihrem eigenen Interesse geltend machten.

Heinrich VIII. versuchte eine anglikanische Kirche zu gründen, die sich
von der römisch-katholischen in dem Punkte des Supremats, und nur in
diesem Punkte allein unterschied; der Erfolg war ein außerordentlicher.
Seine Energie des Charakters, seine besonders günstige Stellung zu
fremden Mächten, die ungeheuren Reichthümer, welche durch die Beraubung
der Klöster ihm zufielen, und vorzüglich der Beistand aller Derer, die
zwischen beiden Meinungen schwankten, machten es ihm möglich, beiden
Extremen zu trotzen, die Anhänger der Lehren Luthers als Ketzer
verbrennen und die als Verräther hängen zu lassen, welche die Autorität
des Papstes anerkannten. Aber Heinrichs System starb mit ihm. Wenn er
länger gelebt hätte, würde es ihm schwer geworden sein, eine Stellung zu
behaupten, die von den Anhängern der neuen und der alten Meinungen mit
gleicher Wuth angegriffen wurde. Die Minister, denen die Bewahrung der
königlichen Hoheitsrechte während der Minderjährigkeit seines Sohnes
anvertraut war, konnten es nicht wagen, in einer so kühnen Politik zu
verharren, und eben so wenig unternahm es Elisabeth, zu ihr
zurückzukehren. Es mußte nothwendig eine Wahl getroffen werden: Die
Regierung hatte sich entweder Rom zu unterwerfen, oder die Hilfe der
Protestanten zu erwirken, mit denen sie nur das Eine, den Haß gegen die
päpstliche Gewalt, gemein hatte. Die englischen Reformatoren waren
eifrig bemüht, eben so weit zu gehen, als ihre Brüder auf dem
Continente; einmüthig verdammten sie mehrere Glaubenssätze und Gebräuche
als unchristlich, an denen Heinrich hartnäckig gehalten, und die
Elisabeth nur mit Widerstreben aufgab. Selbst gegen gleichgültige Dinge,
die einen Theil der Verfassung oder des Rituals des mystischen Babylon
gebildet hatten, hegten viele von ihnen einen lebhaften Widerwillen.
Bischof Hooper, der in Gloucester muthig für seinen Glauben starb,
weigerte sich lange Zeit, die bischöflichen Gewänder anzulegen. Bischof
Ridley, ein noch berühmterer Märtyrer, ließ die alten Altäre seiner
Diöcese niederreißen und an Tafeln, die in der Mitte der Kirche
aufgestellt und von den Papisten sehr unehrerbietig Austernbänke genannt
wurden, das heilige Abendmahl austheilen. Bischof Jewel nannte die
geistliche Tracht ein Theaterkleid, einen Narrenanzug, ein Überbleibsel
von den Amonitern, und versprach, Alles aufzubieten, um solche
schmähliche Absurditäten auszurotten. Erzbischof Grindal zögerte lange,
die Mitra anzunehmen, weil er Widerwillen gegen die Weihe hegte, die er
als eine Mummerei betrachtete. Bischof Parkhurst sprach in einem
inbrünstigen Gebet aus, die Kirche von England möge sich die von Zürich
als absolutes Vorbild einer christlichen Verbrüderung nehmen. Bischof
Ponet wollte, daß man die Benennung »Bischof« den Papisten überlassen
und die höchsten Beamten der geläuterten Kirche Superintendenten nennen
sollte. Erwägt man nun, daß alle diese Prälaten nicht der äußersten
Richtung der protestantischen Partei huldigten, so kann man unbezweifelt
annehmen, daß das Werk der Reformation in England ebenso schonungslos
würde betrieben worden sein als in Schottland, wenn man allgemein der
Richtung dieser Partei gefolgt wäre.


[_Ursprung der Kirche von England._] In demselben Maße aber, wie die
Regierung des Beistandes der Protestanten bedurfte, so bedurften die
Protestanten des Schutzes der Regierung. Man gab deshalb viel von beiden
Seiten auf, es kam eine Vereinigung zu Stande, und die Frucht dieser
Vereinigung war die Kirche von England. Viele der wichtigsten
Begebenheiten, die sich seit der Reformation in unserm Vaterlande
zugetragen haben, sind den Eigenthümlichkeiten dieser großen Institution
und den heftigen Leidenschaften zuzuschreiben, die sie in den Gemüthern
von Freunden und Feinden erweckt. Die weltliche Geschichte Englands wird
uns völlig unklar bleiben, wenn wir sie nicht im steten Zusammenhange
mit der Geschichte seiner Kirchenverfassungen studiren.

Der Mann, der am thätigsten bei der Feststellung der Bedingungen jenes
Bündnisses wirkte, aus dem die anglikanische Kirche entstand, war Thomas
Cranmer. Er war der Repräsentant beider Parteien, die damals des
gegenseitigen Beistandes bedurften; er war Theolog und Staatsmann
zugleich. Als Theolog zeigte er sich völlig bereit, die Bahn der
Änderung eben so weit zu verfolgen, als irgend ein schweizerischer oder
schottischer Reformator; als Staatsmann aber strebte er danach, die
Organisation zu bewahren, die Jahrhunderte lang den Zwecken der
römischen Bischöfe so treffliche Dienste geleistet hatte, und von der zu
erwarten stand, daß sie jetzt den Zwecken der englischen Könige und der
Minister derselben eben so ersprießlich sein würde. Sein Charakter und
sein Verstand befähigten ihn vollkommen zu dem Amte des Vermittlers.
Fromm in seinen Worten, ohne Scrupel in seinen Handlungen, im Grunde für
nichts begeistert, kühn in der Theorie, ein Feigling und Mantelträger
bei der Ausführung, ein versöhnlicher Feind und ein lauer Freund, besaß
er alle Eigenschaften, welche zur Aufstellung der Vertragsbedingungen
zwischen den religiösen und weltlichen Feinden des Papismus erforderlich
waren.


[_Ihr eigenthümlicher Charakter._] Noch heute zeigt die Kirche in
Verfassung, Lehren und gottesdienstlichen Gebräuchen die sichtbaren
Spuren des Vergleichs, aus dem sie hervorging; sie ist ein Mittelding
zwischen den Kirchen von Rom und Genf. Ihre von Protestanten verfaßten
Bekenntnisse und Abhandlungen stützen sich auf theologische Grundsätze,
an denen Calvin und Knox kaum ein Wort zu tadeln gehabt hätten. Ihre aus
den alten Brevieren entnommenen Gebete und Danksagungen sind fast alle
der Art, daß Bischof Fisher oder der Cardinal Pole sie aus Herzensgrunde
hätten mitbeten können. Ein Polemiker, der ihre Artikel und Homilien im
arminianischen Sinne auslegt, wird bei billigdenkenden Männern eben so
wenig Recht erhalten, als der, der läugnen wollte, daß in ihrer Liturgie
die Lehre von der Wiedergeburt durch die Taufe zu finden sei.

Die römische Kirche hielt immer noch fest, daß die Bischofswürde eine
göttliche Einsetzung, und gewisse übernatürliche hohe Gaben fünfzig
Generationen hindurch von den elf, die auf dem galiläischen Berge ihre
Ämter empfangen, durch Handauflegen auf die Bischöfe übergegangen seien,
die in Trient sich versammelten. Eine große Anzahl Protestanten aber
hielt die Prälatur geradezu für ungesetzlich, und glaubte in der
heiligen Schrift eine ganz andere Form des kirchlichen Regimentes
ausgesprochen zu finden. Die Gründer der anglikanischen Kirche schlugen
einen Mittelweg ein, indem sie das Episkopat zwar beibehielten, aber den
Einfluß desselben auf das Gedeihen einer christlichen Gesellschaft oder
die Wirksamkeit der Sakramente für unwesentlich erklärten. Cranmer
selbst sprach bei einer wichtigen Gelegenheit als seine Überzeugung aus,
daß es in den ersten christlichen Zeiten keinen Unterschied zwischen
Bischöfen und Priestern gegeben habe, und daß das Händeauflegen völlig
unnütz sei.

In der presbyterianischen Kirche ist die Leitung des öffentlichen
Gottesdienstes größtentheils den Geistlichen überlassen. Ihre Gebete
sind deshalb in zwei Versammlungen an einem Tage oder in einer
Versammlung an verschiedenen Tagen nicht dieselben. In dieser Gemeinde
sind sie inbrünstig, beredt und sinnreich; in jener vielleicht matt
und absurd. Die Priester der römisch-katholischen Kirche hingegen
haben schon seit Jahrhunderten tagtäglich dieselben alten
Glaubensbekenntnisse, Bitten und Danksagungen, in Indien wie in
Lithauen, in Irland wie in Peru, abgesungen. Der in einer todten Sprache
abgehaltene Gottesdienst ist nur den Gelehrten verständlich, und von der
großen Mehrzahl der versammelten Gemeinde kann man sagen, daß sie
demselben mehr als Zuschauer, denn als Zuhörer beiwohnen. Aber auch hier
schlug die englische Kirche wieder den Mittelweg ein, indem sie die
römisch-katholischen Gebetsformen beibehielt, sie in die Volkssprache
übersetzte und die ungelehrte Menge aufforderte, ihre Stimme mit der des
Priesters zu vereinigen.

Dieselbe Politik läßt sich durch alle ihre Systeme verfolgen. Sie
verwarf zwar die Lehre von der Transsubstantiation, und verdammte jede
Anbetung des Brodes und Weines beim Abendmahle als einen Götzendienst;
aber sie verlangte dennoch, zum Ärgerniß der Puritaner, daß ihre Kinder
das Erinnerungszeichen göttlicher Liebe demüthig kniend empfangen
sollten. Sie beseitigte zwar die reichen Bekleidungen, welche die Altäre
des alten Glaubens umgaben; aber das einfache weißleinene Gewand, das
Sinnbild der Reinheit, die ihr als der mystischen Braut Christi zukomme,
behielt sie, zum Schrecken schwacher Gemüther, bei. Sie schaffte
zwar eine Menge pantomimischer Bewegungen ab, die bei dem
römisch-katholischen Gottesdienste verständliche Worte vertreten, aber
sie gab doch manchem strengen Protestanten dadurch Anstoß, daß sie das
eben aus dem Taufsteine besprengte Kind mit dem Zeichen des Kreuzes
segnete. Der römische Katholik betete zu einer Menge Heiliger, unter
denen sich Männer von zweifelhaftem, sogar einige von gehässigem
Charakter befanden; der Puritaner weigert sich, selbst den Apostel der
Heiden, den Jünger, den Jesus liebte, »heilig« zu benennen. Obgleich die
Kirche von England kein geschaffenes Wesen um Schutz anflehte, so setzte
sie doch besondere Tage zur Gedächtnißfeier an die fest, die für den
Glauben Großes gewirkt und gelitten hatten. Die Confirmation und die
Ordination behielt sie als erbauliche Gebräuche bei, aber sie zählte sie
nicht zu den Sakramenten. Die Ohrenbeichte gehörte nicht in ihr System;
aber sie forderte den sterbenden Sünder freundlich auf, seine Vergehen
einem Geistlichen zu bekennen, und ermächtigte ihre Diener, die
scheidende Seele durch eine Absolution zu erleichtern, welche ganz den
Geist des alten Glaubens athmet. -- Man kann im Allgemeinen sagen,
sie wendet sich mehr an den Verstand und weniger an die Sinne und die
Phantasie, als die römische Kirche; aber sie nimmt weniger den Verstand
und mehr die Sinne und die Phantasie in Anspruch, als die
protestantischen Kirchen von Schottland, Frankreich und der Schweiz.


[_Das Verhältniß, in welchem sie zu der Krone stand._] Nichts jedoch
unterschied die englische Kirche so sehr von andern Kirchen, als ihr
Verhältniß zur Monarchie. Der König war ihr Haupt. Die Grenzen der
Macht, die er als ein solches besaß, waren nicht genau angegeben, und
sind auch nie genau angegeben worden. Die Gesetze, durch die er zum
Oberherrn der Kirche ernannt, waren unbestimmt und zu allgemeinen
Ausdrücken abgefaßt. Prüfen wir, um den Sinn dieser Gesetze genau zu
deuten, die Schriften und das Leben der Gründer der englischen Kirche,
so werden wir in noch größere Verlegenheit gerathen, denn diese
schrieben und wirkten in einer Zeit großer geistigen Gährung, in einer
Zeit steten Strebens und Gegenstrebens. Sie standen daher nicht nur
untereinander, sondern oft auch mit sich selbst im Widerspruch. Der
Lehrsatz, daß der König nächst Christus das alleinige Haupt der Kirche
sei, wurde von Allen einmüthig anerkannt; aber diesen Worten wurde von
Verschiedenen, selbst von Einem und Demselben unter verschiedenen
Umständen, eine sehr verschiedene Bedeutung beigelegt. Man schrieb dem
Souverain nicht selten eine Gewalt zu, mit der sich ein Hildebrand
zufrieden erklärt haben würde; dann wieder ward sie dergestalt
eingeschränkt, daß sie nicht viel größer war als jene, welche alte
englische Fürsten beanspruchten, die stete Gemeinschaft mit der
römischen Kirche gepflogen hatten. Das, was Heinrich und seine
vertrauten Räthe unter Suprematie verstanden, war nichts Geringeres, als
die ganze Macht des Papstes; der König sollte der Papst seines Reiches,
der Stellvertreter Gottes, der Ausleger der katholischen Wahrheit, der
Ausfluß der sakramentlichen Gnaden sein. Er maßte sich die rechtsgültige
Entscheidung über wahre Lehre und Ketzerei an, das Entwerfen und
Anordnen von Glaubensbekenntnissen, und religiöse Unterweisungen für das
Volk. Er erklärte, daß alle geistliche und weltliche Gerichtsbarkeit ihm
allein zustehe, und daß er die Macht besitze, die bischöfliche Würde zu
verleihen und zurückzunehmen; er ging selbst so weit, daß er den
Bestallungsdekreten der Bischöfe, wonach diesen ihre Amtsverrichtungen
nur auf so lange übertragen wurden, als er es für gut befinden würde,
sein Siegel beifügte. Nach diesem, von Cranmer aufgestellten Systeme,
war der König nicht nur das geistliche, sondern auch das weltliche
Oberhaupt der Nation, und in dieser doppelten Eigenschaft mußte er seine
Stellvertreter haben. Wie er bürgerliche Beamte zur Bewahrung seiner
Siegel, zur Erhebung seiner Einkünfte und zur Ausübung des Rechts in
seinem Namen bestellte, so ernannte er auch Geistliche verschiedenen
Ranges, um das Evangelium zu predigen und die Sakramente zu ertheilen;
das Auflegen der Hände war dabei nicht nöthig. Nach Cranmer's klar und
deutlich ausgesprochener Meinung konnte der König, kraft seiner ihm von
Gott verliehenen Gewalt, einen Priester bestellen, und der so bestellte
Priester bedurfte keiner weitern Ordination. Trotz der Opposition
einiger eben nicht höfisch ggesinnten Geistlichen, verfuhr Cranmer nach
diesen Ansichten in allen ihren gesetzlichen Consequenzen; er hielt
seine eigenen geistlichen Funktionen für beendet, wie die des Kanzlers
und des Schatzmeisters, sobald die Krone auf ein anderes Haupt übergehe.
-- Demnach holten, bei Heinrichs Tode, der Erzbischof und seine
Suffragane neue Bestallungen ein, die sie ermächtigten, so lange zu
ordiniren und geistliche Verrichtungen vorzunehmen, bis der neue Monarch
anders verfügen würde. Als man den Einwand machte, die Gewalt zu lösen
und zu binden, die der Herr seinen Aposteln verliehen, sei von der
weltlichen Gewalt ganz verschieden, so antworteten die Theologen dieser
Schule, daß die Macht zu lösen und zu binden nicht auf die Geistlichkeit
allein, sondern auf die Gesammtheit der Christen übergegangen sei und
von der höchsten Obrigkeit, als der Repräsentantin der Gesellschaft,
geübt werden müsse. Dem Einwande, der heilige Paulus habe nur von
bestimmten Personen gesprochen, die der heilige Geist zu Aufsehern und
Hirten der Gläubigen erwählt, ward mit der Antwort begegnet: König
Heinrich sei eben der Aufseher und Hirt, den der heilige Geist erwählt
habe, und auf den sich die Worte des heiligen Paulus bezögen.[3]

Diese ausgedehnten Ansprüche erregten bei Protestanten und Katholiken
gleiches Ärgerniß, und dies ward ein noch größeres, als das Supremat,
das Maria dem Papste zurückgegeben, bei der Thronbesteigung Elisabeths
mit der Krone wieder verbunden wurde. Man hielt es für unerhört, daß
eine Frau der erste Bischof der Kirche sein solle, in der, nach dem
Verbote des Apostels, sie nicht einmal ihre Stimme hören lassen dürfe.
Die Königin sah sich daher genöthigt, auf den priesterlichen Charakter,
den ihr Vater sich beigelegt, und der nach Cranmer's Ansicht durch
göttliche Verordnung mit der königlichen Würde unzertrennlich verbunden
sei, ausdrücklich Verzicht zu leisten. Bei der unter ihrer Regierung
stattgefundenen Revision des anglikanischen Glaubensbekenntnisses
erklärte man das Supremat in einer ganz andern Weise, als es an
Heinrich's Hofe zu geschehen pflegte. Cranmer hatte in bestimmten
Ausdrücken erklärt, Gott habe den christlichen Fürsten die ganze Sorge
für das Heil aller Unterthanen, also ebensowohl in Bezug auf die
Ausübung des göttlichen Wortes in der Seelsorge, als in Bezug auf die
Ausübung der staatlichen Gewalt, unmittelbar übertragen.[4] Der
siebenunddreißigste Religionsartikel, der unter Elisabeths Regierung
entworfen ward, erklärt in eben so bestimmten Ausdrücken, daß den
Fürsten die Aufsicht über die Ausübung des göttlichen Wortes nicht
gebühre. Aber dessen ungeachtet besaß die Königin immer noch ein
ausgedehntes und unbestimmt begrenztes Aufsichtsrecht über die Kirche.
Das Parlament hatte ihr das Amt übertragen, Ketzereien und jede Art
kirchlicher Mißbräuche zu verhindern und zu bestrafen, und ihr zugleich
gestattet, diese Gewalt wiederum auf Bevollmächtigte übergehen zu
lassen. Die Bischöfe waren nicht mehr, als ihre Minister. Im elften
Jahrhundert würde die römische Kirche eher ganz Europa in Brand gesetzt
haben, als daß sie der bürgerlichen Macht die unumschränkte Befugniß zur
Ernennung geistlicher Hirten zugestanden hätte. In unserer Zeit würden
die Diener der schottischen Kirche ihre Pfründen bei Hunderten aufgeben,
ehe sie der bürgerlichen Obrigkeit die Gewalt einräumten, Kirchendiener
zu ernennen. Solche Scrupel hegte die englische Kirche nicht. Die
königliche Autorität allein genügte, die Kirchenversammlungen
einzuberufen, zu ordnen, zu vertagen und aufzulösen. Ihre Beschlüsse
hatten ohne die königliche Sanction keine Kraft. Selbst einer ihrer
Glaubensartikel bestimmte, daß ein kirchliches Koncilium ohne königliche
Genehmigung gesetzlich nicht zusammentreten könne. Von allen ihren
Gerichtsstellen konnte man in letzter Instanz an die königliche
Autorität appelliren, selbst wenn es sich um die Feststellung
ketzerischer Ansichten, oder um die Gültigkeit eines ausgetheilten
Sakramentes handelte. Eben so wenig mißgönnte die Kirche unsern Fürsten
diese ausgedehnte Gewalt, die von ihnen in's Leben gerufen, in ihrer
schwachen Kindheit gepflegt, hier vor den Papisten und dort vor den
Puritanern bewahrt, gegen ihr abgeneigte Parlamente geschützt, und an
gelehrten Gegnern, denen zu antworten ihr schwer gefallen wäre, gerächt
worden war. So ward sie durch Dankbarkeit, Hoffnung, Furcht und
gemeinsame Neigung und Abneigung an den Thron gefesselt; alle ihre
Traditionen und Gefühle waren monarchisch. Loyalität wurde unter ihrer
Geistlichkeit zu einem Punkte der Standesehre, zu einem Zeichen, das sie
von Calvinisten und Papisten zugleich unterschied. Calvinisten und
Papisten, obgleich in andern Beziehungen uneinig, betrachteten alle
Eingriffe der weltlichen Macht in das Gebiet der geistlichen mit großer
Eifersucht. Calvinisten wie Papisten behaupteten, daß die Unterthanen
berechtigt seien, gegen gottvergessene Regenten das Schwert zu ziehen.
In Frankreich trotzten Calvinisten Karl IX., Papisten Heinrich IV., und
beide Parteien zusammen Heinrich III. In Schottland nahmen Calvinisten
Maria gefangen; im Norden vom Trent schwangen Papisten die Waffen gegen
Elisabeth. Die Kirche von England aber verdammte Calvinisten und
Papisten, und rühmte sich offen, daß sie keine Pflicht beharrlicher und
dringender einschärfe, als die des Gehorsams gegen die Fürsten.

Die Vortheile, welche der Krone aus dieser innigen Vereinbarung mit der
Staatskirche erwuchsen, waren zwar groß, aber nicht ohne starke
Schattenseiten. Eine große Zahl Protestanten hatte den durch Cranmer
vermittelten Vergleich schon anfangs für eine Erfindung gehalten, um
zweien Herren zu dienen, und für einen Versuch, den Dienst des Herrn mit
dem des Baal zu vereinigen. Unter Eduard VI. hatten die Scrupel dieser
Partei dem regelmäßigen Gange der Regierung mehreremal große Hindernisse
bereitet, und bei der Thronbesteigung Elisabeths mehrten sich diese
Hindernisse. Gewalt gebiert natürlich Gewalt.

    [Anmerkung 3: Siehe eine merkwürdige Schrift, die Stryve als von
    Gardiners eigener Hand verfaßt hält: +Ecclesiastical Memorials+,
    Buch I. Kap. 17.]

    [Anmerkung 4: Dies sind Cranmer's eigene Worte. Siehe den Anhang
    zu Burnets +History of the Reformation, Part I. Book III. No. 21.
    Question 9.+]


[_Die Puritaner._] Nach den von Maria verübten Grausamkeiten war der
Geist des Protestantismus viel heftiger und unduldsamer, als zuvor.
Viele eifrige Anhänger der neuen Glaubensmeinungen waren in jener
schlimmen Zeit nach der Schweiz und nach Deutschland geflüchtet, hatten
dort bei ihren Glaubensbrüdern gastliche Aufnahme gefunden, zu den Füßen
der großen Doctoren von Straßburg, Zürich und Genf gesessen, und waren
einige Jahre hindurch an einen einfachen Gottesdienst und eine
demokratischere Form der Kirchenverwaltung gewöhnt, als in England bis
dahin existirt hatte. Diese Leute kehrten mit der Überzeugung in ihr
Vaterland zurück, daß die unter König Eduard stattgehabte Reform nicht
so gründlich und umfassend gewesen sei, als es die Interessen einer
reinen Religion erforderten. Ihre Bemühungen, von Elisabeth irgend ein
Zugeständniß zu erlangen, blieben ohne Erfolg. Es schien ihnen, daß das
System der Letztern in allem, worin es sich von dem ihres Bruders
unterschied, schlechter sei, als jenes; sie waren wenig geneigt, sich in
Glaubensangelegenheiten irgend einer menschlichen Autorität zu
unterwerfen. Auf ihre eigene Auslegung der Schrift bauend, hatten sie
sich erst kürzlich gegen eine Kirche erhoben, deren Stärke in großem
Alter und in der allgemeinen Anerkennung beruhte; nur durch einen
ungewöhnlichen Aufwand geistiger Kraft war es ihnen gelungen, das Joch
dieses glänzenden und imponirenden Aberglaubens abzuwerfen, und es stand
daher nicht zu erwarten, daß sie unmittelbar nach einer solchen
Emanzipation sich geduldig einer neuen geistigen Tyrannei fügen würden.
Lange gewöhnt, die Angesichter wie vor einem gegenwärtigen Gotte zur
Erde zu neigen, wenn der Priester die Hostie erhob, hatten sie die Messe
als ein götzendienerisches Possenspiel betrachten gelernt; lange
gewöhnt, den Papst als den Nachfolger des ersten der Apostel, als den
Bewahrer der Schlüssel von Erde und Himmel zu betrachten, hatten sie
gelernt, in ihm das Thier, den Antichrist und den Mann der Sünde zu
sehen. Daß sie nun die Huldigung, die sie dem Vatican entzogen,
unmittelbar auf eine neu geschaffene Autorität übertragen, daß sie ihr
eigenes Urtheil der Autorität einer Kirche unterordnen, die sich
ebenfalls nur auf individuelles Urtheil gründete, und daß sie sich
scheuen würden, von Lehren abzuweichen, die selbst von dem, was noch
kürzlich der allgemeine Glaube der westlichen Christenheit gewesen,
abwich, ließ sich nicht erwarten. Es ist leicht zu begreifen, daß kühne
und forschende Geister, triumphirend über die neu errungene Freiheit,
höchst entrüstet sein mußten, wenn eine um manches Jahr jüngere
Institution als sie selbst, eine Institution, die unter ihren eigenen
Augen nach und nach ihre Form von den Leidenschaften und den Interessen
des Hofes erhalten, das hochmüthige Wesen Rom's nachzuahmen begann.


[_Ihr republikanischer Geist._] Da man diese Leute nicht überzeugen
konnte, beschloß man, sie zu verfolgen, und die Verfolgung äußerte ihre
natürlichen Wirkungen: sie fand in ihnen eine Sekte, und machte daraus
eine Partei. Mit ihrem Hasse gegen die Kirche verband sich nun auch der
Haß gegen die Krone. Diese beiden Gefühle vermischten sich, indem eines
die Bitterkeit des andern vermehrte. Die Meinungen der Puritaner über
das gegenseitige Verhältniß zwischen Herrscher und Beherrschten waren
von denen weit verschieden, die in den Homilien eingeschärft wurden.
Die beliebtesten Theologen derselben hatten durch Wort und Beispiel zum
Widerstande gegen Tyrannen und Verfolger ermuthigt; die calvinistischen
Genossen in Frankreich, Holland und Schottland hatten die Waffen gegen
götzendienerische und grausame Regenten ergriffen, und die Ansichten
derselben über Staatsregierung nahmen die Färbung der Ansichten von der
Kirchenregierung an. Einige von den Sarkasmen, die das Volk im gemeinen
Leben gegen die Geistlichkeit richtete, konnten leicht auf das Königthum
gerichtet werden, und manche der Gründe, durch die man bewies, daß die
geistliche Gewalt am besten durch eine Synode ausgeübt werde, führten
anscheinend auch zu dem Schlusse, daß die weltliche Gewalt am besten in
einem Parlamente bewahrt sei.

Wie nun der Priester der Staatskirche aus Interesse, Grundsatz und
Leidenschaft den königlichen Vorrechten ein eifriger Verfechter war,
so stand der Puritaner aus Interesse, Grundsatz und Leidenschaft ihnen
feindlich entgegen. Die mißvergnügten Sektirer hatten eine ausgedehnte
Macht, in jedem Stande fanden sie Anhänger, und unter den
handeltreibenden Klassen der Städte sowie unter den kleinen
Grundbesitzern auf dem Lande die meisten.


[_Gegen die Regierung Elisabeths erhob sich keine systematische
parlamentarische Opposition._] Schon in den ersten Regierungsjahren
Elisabeths bildeten diese Sektirer die Majorität in dem Hause der
Gemeinen, und wenn unsere Vorfahren damals ihre ganze Aufmerksamkeit auf
die innern Angelegenheiten hätten richten können, so unterliegt es
keinem Zweifel, daß der Streit zwischen der Krone und dem Parlamente
sofort begonnen haben würde. Damals aber war keine Zeit für innere
Zwistigkeiten. Es steht überhaupt in Frage, ob selbst die festeste
Vereinigung aller Klassen im Staate die gemeinsame Gefahr, die ihnen
drohte, hätte abwenden können. Das römisch-katholische und das
reformirte Europa führten einen Kampf auf Leben und Tod. Frankreich,
mit sich selbst im Kriege begriffen, konnte für einige Zeit in der
Christenheit nicht in Betracht gezogen werden. Die englische Regierung
stand an der Spitze des protestantischen Interesses, und während sie im
Lande die Presbyterianer verfolgte, ließ sie den presbyterianischen
Kirchen im Auslande einen kräftigen Schutz angedeihen. An der Spitze der
Gegenpartei stand der mächtigste Fürst jener Zeit, ein Fürst, der
Spanien, Portugal, Italien, die Niederlande und Ost- und West-Indien
beherrschte, dessen Armeen mehr als einmal Paris bedrohten, und dessen
Flotten die Küsten von Devonshire und Sussex in Furcht hielten. Lange
hatte es den Anschein, daß die Engländer auf eignem Boden einen
verzweifelten Kampf um Religion und Unabhängigkeit zu bestehen haben
würden, und von der Befürchtung eines argen Verrathes im eignen Lande
waren sie keinen Augenblick frei, denn damals war es auch für viele edle
Charaktere ein Gewissens- und Ehrenpunkt geworden, das Vaterland der
Religion zu opfern. Eine Reihe schwarzer Pläne, von Römisch-Katholischen
gegen das Leben der Königin und die Existenz der Nation ausgebrütet,
hielt die Gesellschaft in steter Besorgniß. Mag immerhin Elisabeth ihre
Fehler gehabt haben, es ist dennoch klar, daß, nach menschlichem
Ermessen, das Schicksal des Reichs und aller reformirten Kirchen von der
Sicherheit ihrer Person und von dem Glücke ihrer Regierung abhing.
Es war daher die erste Pflicht eines Patrioten und Protestanten, die
Autorität derselben zu kräftigen, und diese Pflicht ward treulich
erfüllt. Selbst in der Nacht der Kerker, wohin Elisabeth sie gesendet
hatte, beteten die Puritaner mit ungeheuchelter Inbrunst, daß die
Königin vor dem Dolche des Meuchelmörders geschützt bleiben, daß der
Aufruhr zu ihren Füßen niedergeworfen werden, und ihre Waffen zu Wasser
und zu Lande siegreich sein mögen. Einer der hartnäckigsten Anhänger
jener hartnäckigen Sekte, dem der Scharfrichter eine Hand abhauen mußte,
weil er sich durch seinen maßlosen Eifer zu einem Vergehen hatte
hinreißen lassen, schwenkte unmittelbar nach der Exekution mit der ihm
gebliebenen Hand seinen Hut und rief: Gott erhalte die Königin! Das
Gefühl, das diese Leute bei ihrem Anblicke beseelte, ist auf die
Nachkommen übergegangen, und die Nonconformisten, obgleich sie von ihr
sehr streng behandelt wurden, haben in der Gesammtheit stets ihr
Andenken ehrend bewahrt.[5]

Zeigten sich, während des größern Theils ihrer Regierung, die Puritaner
im Hause der Gemeinen mitunter auch widersetzlich, so versuchten sie
doch nie, in einer systematischen Opposition ihr entgegenzutreten. Als
aber durch die Niederlage der Armada, den glücklichen Widerstand der
Vereinigten Niederlande gegen die spanische Macht, die Befestigung des
Thrones Heinrichs IV. von Frankreich und durch den Tod Philipps II.
Staat und Kirche gegen alle Gefahr von Außen gesichert war, begann
sofort im Innern ein hartnäckiger Kampf, der mehrere Generationen
hindurch dauern sollte.

    [Anmerkung 5: Der puritanische Geschichtsschreiber Neal, nachdem
    er ihre Härte gegen die Sekte getadelt, der auch er angehörte,
    sagt schließlich: Die Königin Elisabeth wird trotz dieser Makel in
    der Geschichte eine weise und staatskluge Fürstin bleiben, denn
    sie befreite ihr Königreich von den Bedrängnissen, in denen es
    sich bei ihrem Regierungsantritte befand, und schützte die
    protestantische Reformation, nach außen hin, gegen die mächtigen
    Angriffe des Papstes, des Kaisers und des Königs von Spanien, im
    Innern gegen die der Königin von Schottland und ihrer papistischen
    Unterthanen. Sie war der Ruhm des Zeitalters, in dem sie lebte,
    und wird die Bewunderung der Nachwelt sein. -- +History of the
    Puritans, Part I. Chap. VIII.+]


[_Monopolfrage._] In dem Parlamente von 1601 lieferte die Opposition,
die seit vierzig Jahren im Stillen Kräfte gesammelt und gespart hatte,
ihre erste große Schlacht, und gewann ihren ersten Sieg. -- Der Boden
war gut gewählt. Die englischen Souveraine sind stets mit der obersten
Leitung der Handelspolizei betraut gewesen; sie besaßen das unantastbare
Recht der Münz-, Gewicht- und Maß-Regulirung, der Bestimmung der
Messen, Märkte und Häfen. Die Grenzlinie ihrer Autorität in
Handelsangelegenheiten war, wie gewöhnlich, sehr undeutlich gezeichnet;
wie gewöhnlich machte sie daher Übergriffe in das Gebiet, das
verfassungsmäßig der Gesetzgebung angehörte. Diese Übergriffe wurden,
wie gewöhnlich, so lange geduldig ertragen, bis sie einen ernsten
Charakter annahmen. Als endlich die Königin sich anmaßte, dutzendweis
Patente zu Monopolen zu ertheilen, daß es kaum noch eine Familie im
Reiche gab, die sich nicht über Bedrückungen und Erpressungen, die
natürlich aus diesem Mißbrauche entstehen mußten, zu beklagen hatte; als
Eisen, Öl, Essig, Kohlen, Salpeter, Blei, Stärke, Garn, Felle, Leder und
Glas mit übermäßig hohen Preisen bezahlt werden mußten -- da versammelte
sich das Haus der Gemeinen in einer sehr zornigen und entschlossenen
Stimmung, und umsonst tadelte eine höfisch gestimmte Minderzahl den
Sprecher, daß er die Handlungen der königlichen Hoheit in Frage stellen
lasse. Die starke und drohende Sprache der mißvergnügten Partei fand in
der Stimme der ganzen Nation ihren Wiederhall. -- Ein wüthender
Volkshaufen umtobte den Wagen des ersten Ministers der Krone,
verwünschte die Monopole, und rief aus, es dürfte nicht geduldet werden,
daß die königlichen Hoheitsrechte die alten Freiheiten Englands
antasteten. Einen Augenblick schien es, als ob die lange und ruhmreiche
Regierung Elisabeths ein schmähliches, unglückliches Ende nehmen solle.
Mit bewunderungswürdiger Klugheit und Fassung lehnte die Königin aber
den Streit ab, stellte sich an die Spitze der reformirten Partei,
entsprach den erhobenen Beschwerden, dankte den Gemeinen in einer
ergreifenden und würdigen Ansprache für die eifrige Sorge um das
öffentliche Wohl, gewann sich die Herzen des Volks wieder, und
hinterließ ihren Nachfolgern ein denkwürdiges Beispiel von dem Verhalten
eines Herrschers öffentlichen Bewegungen gegenüber, denen Widerstand zu
leisten nicht möglich ist.


[_Schottland und Irland werden wieder mit England Theile ein und
desselben Reichs._] Im Jahre 1603 starb die große Königin. In vielen
Beziehungen ist dieses Jahr eine der wichtigsten Epochen unserer
Geschichte. Schottland und Irland wurden damals wieder mit England
vereinigt. Beide Länder waren zwar von den Plantagenets zur Unterwerfung
gebracht, aber keines derselben hatte sich geduldig dem Joche gefügt.
Schottland hatte mit heldenmüthiger Ausdauer seine Unabhängigkeit wieder
erkämpft, war seit der Zeit des Robert Bruce ein besonderes Königreich
gewesen, und ward nun mit dem südlichen Theile der Insel dergestalt
vereinigt, daß sein Nationalstolz mehr befriedigt, als verletzt wurde.
Irland hatte seit der Zeit Heinrichs II. nie die fremden Eroberer
vertreiben können, obgleich es lange und heftig gegen sie gekämpft.
Während des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts war die englische
Macht auf dieser Insel stets gesunken, und in den Tagen Heinrichs VII.
war sie bis zu dem niedrigsten Punkte gelangt. Die irischen Besitzungen
dieses Fürsten bestanden nur aus den Grafschaften Dublin und Louth,
einigen Theilen von Meath und Kildare, und aus einigen an der Küste
zerstreut liegenden Seehäfen. Der größte Theil von Leinster selbst war
noch nicht in Grafschaften eingetheilt. Munster, Ulster und Connaught
standen unter kleinen souverainen Fürsten, die theils Celten, theils
ausgeartete Normannen waren, ihren Ursprung vergessen, und celtische
Sprache und Sitten angenommen hatten. Während des sechzehnten
Jahrhunderts aber war die englische Macht wieder bedeutend gewachsen.
Die halbwilden Häuptlinge, die jenseits der Grenzpfähle regierten,
hatten sich einer nach dem andern den Statthaltern der Tudors
unterworfen. Wenig Wochen vor Elisabeths Tode ward endlich durch
Mountjoy die Eroberung vollendet, die Strongbow vor mehr als vierhundert
Jahren begonnen hatte. Jakob I. hatte kaum den Thron bestiegen, als die
letzten O'Donnell und O'Neill, die bisher in dem Range unabhängiger
Fürsten gestanden, zu Whitehall seine Hand küßten. Von da an gewannen
seine Erlasse in Irland Geltung, seine Richter hielten dort überall ihre
Assisen, und das englische Gesetz trat an die Stelle der Gebräuche, die
unter den eingeborenen Stämmen geherrscht hatten.

Schottland und Irland waren an Umfang einander fast gleich, und beide
zusammen ziemlich so groß wie England; aber sie hatten eine weit
geringere Bevölkerung und standen ihm an Wohlstand und Civilisation
nach. Schottland war durch die Unfruchtbarkeit seines Bodens
zurückgeblieben, und auf Irland ruhete noch immer, obgleich rings von
Licht umgeben, die starre Finsterniß des Mittelalters.

Mit Ausnahme der celtischen Stämme, die dünn zerstreut die Hebriden und
die gebirgigen Theile der nördlichen Grafschaften bewohnten, war die
Bevölkerung Schottlands von demselben Blute wie die Englands, sie redete
dieselbe Sprache, die sich von dem reinsten Englisch nicht mehr
unterschied, als sich die Dialekte von Somersetshire und Lancashire von
einander unterschieden. Die Bevölkerung Irlands dagegen war, mit
Ausnahme der kleinen englischen Kolonie unfern der Küste, celtisch,
und bewahrte noch immer celtische Sprache und Sitte.

Zu der Zeit ihrer Verbindung mit England zeichneten sich beide Nationen
durch angeborenen Muth und durch Intelligenz aus. In Ausdauer,
Selbstbeherrschung, Vorsicht, kurz in allen Eigenschaften, die im Leben
Erfolge sichern, sind die Schotten nie übertroffen worden. Die Iren
hingegen zeichneten sich durch Eigenschaften aus, die mehr interessant
als glücklich machen. Ein feuriges und ungestümes Volk, waren sie leicht
zum Weinen und zum Lachen, zur Wuth und zur Liebe zu bewegen. Von den
Nationen des nördlichen Europa's besaßen sie allein die Empfänglichkeit,
die Lebhaftigkeit und die natürlichen Anlagen zur Pantomime und
Redekunst, die man unter Küstenbewohnern des mittelländischen Meeres
heimisch findet. In geistiger Bildung stand Schottland unbestreitbar
höher. War es auch damals das ärmste Königreich in der Christenheit,
so wetteiferte es dennoch in jedem Zweige des Wissens mit den
begünstigtesten Ländern. Schotten, deren Wohnung und Nahrung so elend
waren, wie die der Isländer zu unserer Zeit, schrieben eben so schöne
lateinische Verse als Vida, und machten wissenschaftliche Entdeckungen,
die einem Galilei zum Ruhme gereicht haben würden. Irland hatte sich
keines Buchanan oder Napier zu rühmen; das Genie, mit dem die Urbewohner
desselben reich begabt waren, gab sich nur in Balladen kund, die
obgleich roh und rauh, dem Kennerauge Spenser's dennoch eine schöne,
reine Poesie zu enthalten schienen.

Schottland bewahrte seine ganze Würde, als es zu einem Theile der
britischen Monarchie umgeschaffen wurde. Nachdem es den englischen
Waffen Generationen hindurch muthigen Widerstand geleistet hatte, ward
es mit seinem überlegenen Nachbar unter den ehrenvollsten Bedingungen
vereinigt.

Es _gab_ einen König, anstatt einen zu _empfangen_; es behielt seine
eigene Verfassung und seine eigenen Gesetze, und seine Gerichtshöfe und
Parlamente blieben von denen zu Westminster völlig unabhängig. Die
Verwaltung Schottland's lag in schottischen Händen, denn es fühlte sich
kein Engländer geneigt, nach dem Norden auszuwandern, um mit dem
schlauesten und beharrlichsten aller Stämme um das zu ringen, was sich
in der ärmsten Schatzkammer zusammenraffen ließ. Dagegen strömten
schottische Abenteurer nach dem Süden, wo sie auf allen Lebensbahnen zu
einem Glücke gelangten, das zwar großen Neid erregte, im Allgemeinen
aber nur der gerechte Lohn der Klugheit und des emsigen Fleißes war.
Dessen ungeachtet erlag Schottland dem Geschicke, dem ein jedes Land,
das mit einem andern an Hilfsquellen reichern zwar verbunden, ihm aber
nicht einverleibt wird, unterworfen ist. War es auch dem Namen nach ein
unabhängiges Königreich, so ward es doch länger als ein Jahrhundert in
vielen Beziehungen nur wie eine unterjochte Provinz behandelt.

Irland ward offen als ein durch das Schwert erkämpftes Besitzthum
regiert. Die rohen National-Institutionen existirten nicht mehr;
die englischen Kolonisten unterwarfen sich den Bestimmungen des
Mutterlandes, ohne dessen Schutz sie nicht bestehen konnten, und suchten
Ersatz darin, daß sie das Volk, unter dem sie sich niedergelassen, mit
Füßen traten. -- Das Parlament, das in Dublin zusammentrat, konnte ohne
vorhergegangene Genehmigung des englischen Geheimen-Raths kein Gesetz
erlassen; die Autorität der englischen Legislatur erstreckte sich über
Irland. Die ausführende Verwaltung war Männern anvertraut, die entweder
England selbst oder dem englischen Bezirke entnommen worden, und in
beiden Fällen wurden diese von der celtischen Bevölkerung als Fremde,
selbst als Feinde betrachtet.

Aber noch ist des Umstandes zu erwähnen, der die Verschiedenheit Irlands
und Schottlands tiefer als ein anderer begründete: Schottland war
protestantisch. Die Erregung des Volksgeistes gegen die
römisch-katholische Kirche hatte sich in keinem andern Theile Europa's
so rasch und heftig gezeigt. Die Reformatoren hatten ihre
götzendienerische Herrscherin besiegt, abgesetzt und eingekerkert; nicht
einmal auf einen Vergleich, wie er in England abgeschlossen, wollten sie
eingehen. Sie hatten die Lehre, die Kirchenzucht und den Gottesdienst
der Calvinisten eingeführt, und machten zwischen Papstthum und Prälatur,
zwischen der Messe und dem allgemeinen Gebetbuche wenig Unterschied. Zu
Schottlands Unglück war der Fürst, den es zur Regierung eines schönern
Erblandes aussandte, durch die Hartnäckigkeit, mit der die schottischen
Theologen die Privilegien der Synode und der Kanzel gegen ihn behauptet,
der von den Schotten geliebten Kirchenverfassung so abhold geworden,
als es seine weibische Natur nur irgend zuließ; und kaum hatte er den
englischen Thron bestiegen, so begann er einen unduldsamen Eifer für das
Regiment und Ritual der englischen Kirche an den Tag zu legen.

Die Iren waren das einzige Volk in dem nördlichen Europa, das der alten
Religion treu geblieben. Dies ist zum Theil dem Umstande beizumessen,
daß sie ihren Nachbarn an Kenntnissen um einige Jahrhunderte
nachstanden. Aber auch andere Ursachen hatten mitgewirkt. Die
Reformation war nicht minder eine rationelle, als eine moralische
Erhebung, nicht nur ein Aufstand der Laien gegen die Geistlichkeit,
sondern auch aller Zweige des großen germanischen Stammes gegen
Fremdherrschaft gewesen. Es ist eine höchst merkwürdige Erscheinung, daß
keine große Gesellschaft, deren Sprache nicht deutschen Ursprungs, je
zum Protestantismus übergetreten ist, und daß überall, wo man eine
Sprache redet, die von der des alten Rom abstammt, die Religion des
neuern Rom bis auf diesen Tag die vorherrschende geblieben. Der
Patriotismus der Iren hatte eine eigene Richtung genommen; -- sie waren
nicht auf Rom, sondern auf England erbittert, und hatten besondere
Gründe die englischen Fürsten zu hassen, welche die Häupter des großen
Schisma gewesen: Heinrich VIII. und Elisabeth. Religiöse und nationale
Begeisterung waren während des fruchtlosen Kampfes, den zwei
Generationen milesischer Fürsten gegen die Tudors unterhalten hatten, in
den Gemüthern des besiegten Volksstammes auf das Innigste verschmolzen.
Der neue Hader zwischen Protestanten und Papisten fachte den alten
zwischen Sachsen und Celten an. Die englischen Eroberer vernachlässigten
dabei alle gesetzlichen Bekehrungsmittel; man sorgte weder für Lehrer,
die der besiegten Nation sich verständlich machen konnten, noch für eine
Übersetzung der Bibel in die ersische Sprache. Die Regierung begnügte
sich mit der Einsetzung einer ausgedehnten Hierarchie protestantischer
Erzbischöfe, Bischöfe und Rectoren, die nichts thaten, und für ihr
Nichtsthun mit dem Raube bezahlt wurden, den man an einer von der großen
Masse des Volks geliebten und verehrten Kirche verübte.

Sowohl in den Zuständen Schottlands als auch Irlands gab es Manches, das
in einem scharfblickenden Staatsmann peinliche Besorgnisse zu erregen
geeignet war. Einstweilen jedoch war ein Anschein von Ruhe da, denn alle
britischen Inseln waren zum ersten Male friedlich unter einem Scepter
vereinigt.

Man würde glauben können, der Einfluß Englands auf die europäischen
Nationen hätte von dieser Epoche an bedeutend zunehmen müssen. Das
Gebiet, das sein neuer König beherrschte, hatte fast den doppelten
Umfang von dem, welches Elisabeth geerbt, und kein Reich der Welt war so
in sich abgeschlossen, so vor Angriffen gesichert, als das seinige.
Die Plantagenets und Tudors hatten sich wiederholt gegen Schottland
vertheidigen müssen, während sie auf dem Festlande in Kriege verwickelt
waren, und der lange Kampf in Irland hatte ihren Hilfsquellen einen
empfindlichen und andauernden Abzug bewirkt; doch selbst unter so
ungünstigen Verhältnissen hatten sich diese Fürsten einer hohen Achtung
in der ganzen Christenheit zu erfreuen gehabt. Deshalb war nicht
grundlos zu erwarten, daß England, Schottland und Irland vereint hätten
einen Staat bilden müssen, der keinem andern seiner Zeit nachstände.


[_Verminderung des Einflusses Englands nach der Thronbesteigung
Jakobs I._] In allen diesen Erwartungen wurde man jedoch arg getäuscht.
Von dem Tage der Thronbesteigung Jakobs I. an sank unser Vaterland von
der Höhe herab, in der es sich bis dahin gehalten, und man begann es als
eine Macht kaum zweiten Ranges zu betrachten. Unter vier auf einander
folgenden Fürsten aus dem Hause Stuart war die große britische Monarchie
viele Jahre hindurch kaum ein wichtigeres Glied in dem europäischen
Staatensysteme, als das kleine Königreich Schottland zuvor gewesen. Dies
ist jedoch nicht zu bedauern. Man kann von Jakob I. wie von Johann
sagen, daß seine Regierung, wäre sie tüchtig und glänzend gewesen, ohne
Zweifel unserm Vaterlande Unheil gebracht hätte, und daß wir seinen
Schwächen und Jämmerlichkeiten mehr verdanken, als der Weisheit und
Kraft viel besserer Regenten. Er kam in einem kritischen Augenblicke zur
Regierung. Der Zeitpunkt, wo entweder der König absolut werden, oder das
Parlament die ganze ausführende Gewalt unter seine Autorität stellen
mußte, rückte schnell heran. Wäre Jakob I. ein tapferer, thätiger und
staatskluger Regent gewesen wie Heinrich IV., Moritz von Nassau oder wie
Gustav Adolph, hätte er sich an die Spitze der Protestanten Europa's
gestellt, hätte er große Siege über Tilly und Spinola erfochten,
Westminster mit der Beute aus baierischen Klöstern und flamländischen
Kathedralen geschmückt, hätte er österreichische und castilianische
Fahnen in der St. Paulskirche aufgehängt und sich, nachdem er große
Thaten ausgeführt, an der Spitze von fünfzigtausend tapfern,
disciplinirten Truppen, die seiner Person treu anhingen, befunden -- das
englische Parlament wäre bald nichts mehr als ein Name gewesen. Zum
Glück war er nicht der Mann, der eine solche Rolle spielen konnte. Er
begann seine Regierung damit, daß er dem Kriege, der viele Jahre lang
zwischen England und Spanien gewüthet hatte, ein Ende machte, und von da
an vermied er Feindseligkeiten mit einer Vorsicht, welche der Hohn
seiner Nachbarn und das Geschrei seiner Unterthanen nicht zu erschüttern
vermochten. Selbst der vereinigte Einfluß seines Sohnes, seines
Günstlings, seines Parlaments und seines Volkes konnte ihm bis zu seinem
letzten Lebensjahre nicht bewegen, den geringsten Schritt zur
Vertheidigung seiner Familie und seiner Religion zu thun. Für die,
welche er regierte, war es gut, daß er in dieser Beziehung ihren
Wünschen kein Gehör gab. Seine friedliche Politik brachte die Wirkung
hervor, daß die Vertheidigung unserer Insel immer noch der Miliz
anvertraut blieb, während Frankreich, Spanien, Italien, Belgien und
Deutschland von gemietheten Soldaten wimmelten.


[_Die Lehre vom göttlichen Rechte._] Da der König kein stehendes Heer
besaß und nicht einmal versuchte, ein solches zu bilden, so hätte er
klug gethan, jeden Konflikt mit dem Volke zu vermeiden. Aber seine
Unbedachtsamkeit war so groß, daß er nicht nur die Mittel, die ihn
allein wahrhaft unumschränkt machen konnten, versäumte, sondern daß er
auch stets in der verletzendsten Weise Ansprüche machte, an die keiner
seiner Vorgänger auch nur im Traume gedacht hatte. Damals tauchten jene
seltsamen Theorien auf, welche Filmer später in ein System brachte und
der heftigsten Klasse von Tories und Hochkirchenmännern zur Loosung
wurden. Man behauptete in vollem Ernste, daß das höchste Wesen die
erbliche Monarchie, im Gegensatze zu andern Regierungsformen, besonders
wohlgefällig betrachte; daß das Gesetz der Erbfolge nach der Ordnung der
Erstgeburt eine göttliche Einrichtung, und älter als die christliche
Religion, selbst als die mosaische Gesetzgebung sei; daß keine
menschliche Macht, selbst die der ganzen gesetzgebenden Gewalt, keine
Dauer unrechtmäßigen Besitzes, und wenn sie zehn Jahrhunderte ausmache,
dem gesetzlichen Fürsten seine Rechte rauben könne; daß seine Gewalt
nothwendig stets despotisch sei; daß die das Hoheitsrecht beschränkenden
Gesetze, sowohl in England wie in andern Ländern, nur eine vom Souverain
freiwillig ertheilte Concession sei, die er nach Belieben zurückziehen
könne; und daß endlich jeder Vertrag, den der König mit seinem Volke
abschließt, nur eine Erklärung seiner augenblicklichen Absichten und
nicht eine Verbindlichkeit sei, deren Erfüllung gefordert werden könne.
Obwohl diese Theorie die Grundlagen der Regierung befestigen sollte, so
ist es doch augenscheinlich, daß sie nur dazu beitrug, sie völlig wanken
zu machen. Ließ das göttliche und unabänderliche Gesetz der Erstgeburt
Frauen zu, oder schloß es dieselben aus? In der einen wie in der andern
Voraussetzung wären die Hälfte der europäischen Regenten Usurpatoren,
die trotz der Befehle des Himmels regierten und von den rechtmäßigen
Erben außer Besitz gebracht werden könnten. Diese widersinnigen Theorien
fanden keine Begründung in dem alten Testamente, denn wir lesen darin,
daß das auserwählte Volk getadelt und bestraft ward, weil es einen König
haben wollte, und daß es später den Befehl erhielt, ihm den Gehorsam zu
verweigern. Die ganze Geschichte jenes Volks unterstützt nicht nur die
Ansicht von der göttlichen Einsetzung des Erstgeburtsrechts nicht, sie
scheint vielmehr anzudeuten, daß der Himmel die jüngern Brüder unter
seinen besondern Schutz genommen habe. Isaak war nicht der älteste Sohn
Abrahams, Jakob nicht der Isaaks, Juda nicht der Jakobs, David nicht der
Isais, Salomon nicht der Davids. In den Ländern, wo die Vielweiberei
herrscht, wird die Altersordnung unter den Kindern selten streng
beobachtet. Durch die Stellen des neuen Testamentes, welche die
Regierung als eine Anordnung Gottes bezeichnen, ward Filmers System eben
so wenig unterstützt, denn die Regierung, unter der die Autoren des
neuen Testaments lebten, war keine erbliche Monarchie. Die römischen
Kaiser waren vom Senate ernannte Magistratspersonen, und keiner
derselben behauptete, kraft des Rechtes der Geburt zu regieren; weder
Tiberius, dem Zins zu zahlen Christus gebot, noch Nero, dem zu gehorchen
Paulus den Römern befahl, waren der patriarchalischen Regierungstheorie
nach faktisch Usurpatoren. Im Mittelalter würde man die Lehre vom
unveräußerlichen Erbrechte für ketzerisch gehalten haben, denn sie war
mit den großen Ansprüchen der römischen Kirche völlig unvereinbar. Auch
den Gründern der englischen Kirche war sie unbekannt. Die Homilie über
die vorsätzliche Empörung hatte den Gehorsam gegen die eingesetzte
Obrigkeit kräftig, und wahrlich zu kräftig, eingeprägt; aber sie machte
weder zwischen erblichen und Wahlmonarchien, noch zwischen Monarchien
und Republiken einen Unterschied. Die meisten Vorgänger Jakobs würden
gewißlich aus persönlichen Beweggründen der patriarchalischen
Regierungstheorie abgeneigt gewesen sein. Wilhelm der Rothe,
Heinrich I., Stephan, Johann, Heinrich IV., Heinrich V., Heinrich VI.,
Richard III. und Heinrich VII., alle hatten regiert, ohne sich an die
strenge Ordnung der Erbfolge zu kehren. Über die Legitimität Maria's und
Elisabeths schwebte ein ernster Zweifel ob. Daß Katharina von Aragonien
und Anna Boleyn beide rechtmäßige Frauen Heinrichs VIII. gewesen, war
unmöglich, und die höchste Autorität des Reichs hatte beide Fälle
geleugnet. Die Tudors betrachteten das Erbfolgegesetz so wenig als eine
göttliche unantastbare Einsetzung, daß sie stets daran zu ändern
suchten. Heinrich VIII. erlangte einen Parlamentsbeschluß, wonach er
ermächtigt war, testamentarisch über die Krone zu verfügen, und wirklich
machte er auch zum Nachtheile der königlichen Familie von Schottland ein
Testament. Eduard VI. nahm sich, ohne Ermächtigung vom Parlamente,
ein ähnliches Recht, und die bedeutendsten Reformatoren billigten es.
Elisabeth, überzeugt, daß ihr eigener Rechtsanspruch ernsten
Anfechtungen ausgesetzt war, und nicht geneigt, ihrer Nebenbuhlerin und
Feindin, der Königin von Schottland, auch nur das Recht der Anwartschaft
zu belassen, wußte das Parlament zur Beschließung eines Gesetzes zu
bewegen, wonach Jeder, der die Befugniß des regierenden Herrschers, mit
Genehmigung der Reichsstände die Thronfolge zu ändern, anfechten würde,
den Tod des Verräthers erleiden solle. Aber die Lage Jakobs war eine
ganz andere, als die Elisabeths. Wenn auch an Fähigkeiten ihr
nachstehend, und weniger bei dem Volke beliebt, wenn auch von den
Engländern als ein Fremder betrachtet und durch das Testament Heinrichs
VIII. vom Throne ausgeschlossen, war der König von Schottland dennoch
der unzweifelhafte Erbe Wilhelms des Eroberers und Egberts. Deshalb
hatte er ein naheliegendes Interesse, wenn er die abergläubische Ansicht
einschärfte, die Geburt verleihe Rechte, die über dem Gesetze ständen,
und das Gesetz könne diese Rechte nicht ändern. Diese Ansicht war
übrigens seinem Verstande und seinem Charakter entsprechend, auch fand
sie nicht nur bald viel Vertheidiger unter denen, die um seine Gunst
buhlten, sondern machte auch schnelle Fortschritte unter den Geistlichen
der Staatskirche.

So wurden die Ansprüche des Monarchen gerade in der Zeit, wo sich im
Parlamente und im Lande der republikanische Geist stark zu regen begann,
so ausgedehnt, daß sie selbst dem hochfahrendsten und eigenmächtigsten
seiner Vorgänger auf dem Throne mißfallen haben würden.

Jakob rühmte sich stets seiner Fertigkeit in dem, was er
Königskunstgriff nannte; und doch läßt sich kaum ein Verfahren denken,
das allen Regeln der Kunst eines Herrschers so zuwider wäre, als das
seine. Weise Regenten haben stets die Politik befolgt, Handlungen der
Gewalt unter populären Formen zu verbergen. Augustus und Napoleon
schufen auf diese Weise absolute Monarchien, indeß die Volksmenge sie
nur für hervorragende Bürger hielt, denen man zeitweilig die höchste
Gewalt übertragen. Die Politik Jakobs stand zu der dieser beiden Männer
im schroffsten Gegensatze. Er reizte und beunruhigte seine Parlamente
durch die wiederholte Erklärung, daß sie ihre Privilegien nur so lange
als es ihm beliebe besäßen, und daß sie eben so wenig die Rechtmäßigkeit
seiner eigenen Handlungen als die der Gottheit zu beurtheilen befugt
seien. Und dennoch beugte er sich ihnen, gab einen Minister nach dem
andern ihrer Rache preis, und ließ sich durch sie zu Handlungen bewegen,
die seinen Lieblingswünschen durchaus nicht entsprachen. Der Unwille
über seine Ansprüche wuchs gleichzeitig mit der Verachtung, die seine
Zugeständnisse erregten. Seine Vorliebe für unwürdige Günstlinge und die
Nachsicht mit der Tyrannei und Raubsucht derselben erhielten die
Unzufriedenheit beständig wach; seine Feigheit, sein kindisches Wesen,
seine Pedanterie, das Widrige in Person und Manieren und seine
provinzielle Sprache machten ihn zum Gegenstande des Gespötts. Selbst in
seinen Vorzügen und Talenten zeigte sich stets das Unkönigliche. In dem
Verlaufe seiner Regierung verloren alle jene ehrwürdigen
Ideenverbindungen, die so lange die Stütze des Thrones gewesen, nach und
nach ihre Kraft. Seit zweihundert Jahren waren alle Herrscher Englands,
mit Ausnahme des unglücklichen Heinrich VI., charakterfeste, stolze,
muthige und wirklich fürstliche Männer gewesen, und fast alle hatten
mehr als gewöhnliche Fähigkeiten besessen; es war daher kein
bedeutungsloser Umstand, daß gerade am Vorabend des entscheidenden
Kampfes zwischen unsern Regenten und ihren Parlamenten das Königthum
stammelnd, geifernd, unmännlich weinend, vor einem gezogenen Degen
bebend und bald im Tone des Narren, bald in dem eines Schulmeisters
redend, der Welt sich zeigen sollte.


[_Die Kluft zwischen der Kirche und den Puritanern wird größer._]
Inzwischen waren die religiösen Zwistigkeiten, die seit der Zeit
Eduard VI. die Protestanten bewegt hatten, furchtbarer als je geworden.
Die Kluft zwischen der ersten Generation der Puritaner einerseits und
Cranmer und Jewel andererseits, war in Vergleich zu der, welche die
dritte Generation der Puritaner von Laud und Hammond trennte, eine
kleine. So lange Maria's Grausamkeiten noch in frischer Erinnerung
standen, die Macht der katholischen Partei noch Besorgnisse erweckte,
und so lange Spanien ein Übergewicht hatte und nach der
Universalherrschaft trachtete, waren sich alle reformirten Sekten eines
starken, gemeinsamen Interesses und eines gemeinsamen Todfeindes bewußt.
Ihre Erbitterung untereinander war im Vergleich zu der, die sie gegen
Rom hegten, nur schwach zu nennen. Conformisten und Nichtconformisten
hatten einen aufrichtigen Bund zur Erwirkung äußerst strenger Gesetze
gegen die Papisten geschlossen. Als aber mehr denn ein halbes
Jahrhundert ungestörten Besitzes der Staatskirche Zuversicht eingeflößt,
als neun Zehntheile des Volks aufrichtig dem Protestantismus anhingen,
als England mit aller Welt in Frieden stand, als eine Gefahr, den
Papismus der Nation durch fremde Waffen aufgedrängt zu sehen, nicht mehr
zu fürchten war, und als die letzten Bekenner, die vor Bonner gestanden,
dahin waren, änderte sich die Stimmung der anglikanischen Geistlichkeit.
Ihre Abneigung gegen die römisch-katholische Lehre und Kirchendisziplin
war bedeutend schwächer geworden; ihre Abneigung gegen die Puritaner
aber wuchs mit jedem Tage. Die Streitigkeiten, die von Beginn an die
protestantische Partei zerrissen hatten, gestalteten sich der Art, daß
keine Hoffnung auf Aussöhnung blieb, und zu den alten Streitfragen
gesellten sich neue von noch größerer Wichtigkeit.

Zwar hatten die Gründer der anglikanischen Kirche das Episkopat als eine
alte, gute und passende kirchliche Einrichtung beibehalten, aber sie
hatten nicht erklärt, daß diese Form der Kirchenverwaltung eine von Gott
eingesetzte sei. Wie gering Cranmer das Amt eines Bischofs hielt, haben
wir bereits gesehen. Jewel, Cooper, Whitgift und andere hervorragende
Religionslehrer unter der Regierung Elisabeths vertheidigten die
Prälatur als etwas Unschädliches und Nützliches, das der Staat
einzuführen befugt sei, und wenn es einmal eingeführt, auf die Achtung
jedes Bürgers Anspruch habe, aber nie läugneten sie, daß eine
christliche Gemeinde ohne Bischof eine reine Kirche sein könne, sie
betrachteten vielmehr die Protestanten auf dem Festlande als Glieder
einer Glaubensfamilie, der sie selbst angehörten. Wohl waren die
Engländer in England gehalten, die Autorität des Bischofs ebenso
anzuerkennen, wie ihnen die Autorität des Sheriffs und des Coroners
anzuerkennen oblag, aber diese Verpflichtung war nur eine örtliche. Ging
ein Mitglied der englischen Kirche, ja selbst ein englischer Prälat,
nach Holland, so fügte er sich ohne Bedenken der holländischen
Staatskirche. Die Botschafter Elisabeths und Jakobs gingen im Auslande
mit vollem Gepränge zu demselben Gottesdienste, den Elisabeth und Jakob
in der Heimath übten, und mieden es sorgfältig, um den schwächern
Brüdern kein Ärgerniß zu geben, ihre Privatkapellen nach anglikanischer
Art auszuschmücken. Im Jahre 1603 erkannte die Kirchenversammlung der
Provinz Canterbury die Kirche von Schottland, welche damals bischöfliche
Beaufsichtigung und Ordination noch nicht kannte, feierlich als einen
Theil der heiligen, allgemeinen Kirche Christi an.[6] Man hielt selbst
presbyterianische Geistliche zu Sitz und Stimme in ökumenischen
Konzilien als berechtigt. Als die Generalstaaten der Vereinigten
Niederlande eine Synode von nicht bischöflich ordinirten Lehrern in
Dortrecht versammelten, betheiligten sich ein englischer Bischof und ein
englischer Dechant im Auftrag des Oberhauptes der englischen Kirche an
den Sitzungen dieser Gottesgelehrten, predigten und stimmten mit ihnen
über die wichtigsten theologischen Fragen ab.[7] Es befanden sich auch
viel englische Pfründen in den Händen von Geistlichen, die früher in der
auf dem Festlande üblichen Weise der Calvinisten zu ihrem Amte geweiht
waren, und man hatte die Reordination durch einen Bischof in solchen
Fällen nicht für nöthig, selbst für ungesetzlich gehalten.

Aber eine neue Art von Theologen begann in der englischen Kirche bereits
aufzutauchen. Nach der Ansicht derselben war das Amt des Bischofs zur
Wohlfahrt einer christlichen Gemeinschaft und zur Förderung der
Wirksamkeit der feierlichsten Religionsgebräuche wesentlich. Es gehören
zu jenem Amte gewisse hohe und heilige Vorrechte, die menschliche Macht
weder verleihen noch entziehen könne. Eine Kirche, sagten sie, welche
die apostolische Nachfolge abschaffte, könne eben so gut auch die Lehre
von der Dreieinigkeit oder der Menschwerdung abschaffen, und die
römische Kirche, welche bei allen ihren Verderbnissen die apostolische
Nachfolge beibehalten, sei der ursprünglichen Reinheit näher, als jene
reformirten Gemeinden, welche vorschnell, dem göttlichen Muster geradezu
entgegen, ein von Menschen ersonnenes System aufgestellt hätten.

Zur Zeit Eduards VI. und Elisabeths hatten die Vertheidiger des
anglikanischen Rituals, sich gewöhnlich mit dem Ausspruche begnügt,
daß das Ritual ohne Sünde angewendet werden könne, und jeder, der sich
weigere, es auf Verordnung der Obrigkeit anzuwenden, sei ein
störrischer, ungehorsamer Unterthan. Die neu erstehende Partei aber, die
für die Institutionen der Kirche einen himmlischen Ursprung bezeichnete,
begann ihren religiösen Handlungen eine Würde und Bedeutung beizulegen.
Man deutete an, daß der Fehler des eingeführten Gottesdienstes, wenn er
überhaupt einen habe, in seiner zu großen Einfachheit bestehe, und daß
die Reformatoren in dem Eifer des Streites mit Rom viel alte Ceremonien
abgeschafft, die man füglich hätte beibehalten können. Man zollte
gewissen Tagen und Orten wiederum eine mystische Verehrung; Gebräuche,
die man lange außer Anwendung gesetzt und als abergläubische Spielereien
betrachtet, wurden wieder hervorgerufen; Gemälden und Schnitzwerken,
welche der Zerstörungswuth der ersten Generation der Protestanten
entkommen waren, ließ man nun wieder eine Verehrung angedeihen, die
Viele für götzendienerisch hielten.

Die Reformatoren verabscheuten keinen Theil des alten Kirchensystems
mehr, als die dem Cölibate gezollte Hochachtung. Sie waren der Ansicht,
daß schon der Apostel Paulus die römische Lehre über diesen Punkt als
die des Teufels prophetisch verdammt habe, und sprachen gern und viel
über die Verbrechen und Ärgernisse, welche diese schreckliche Anklage zu
begründen den Anschein hatten. Luther hatte seine Ansicht, indem er eine
Nonne heirathete, sehr klar an den Tag gelegt. Einige der
ausgezeichnetsten Bischöfe und Priester, die unter der Regierung Maria's
den Feuertod erlitten, hatten Frauen und Kinder hinterlassen. Jetzt aber
tauchte das Gerücht auf, der alte Mönchsgeist lasse sich in der
englischen Kirche wieder verspüren, höhern Orts hege man Abneigung gegen
verheirathete Priester, Laien, die Protestanten seien, hätten in Bezug
auf das Cölibat Entschlüsse gefaßt, die fast Gelübden glichen, und
selbst ein Diener der Staatskirche habe ein Nonnenkloster gegründet,
in welchem ein Verein gottgeweihter Jungfrauen um Mitternacht Psalmen
sängen.[8]

Dies war jedoch nicht Alles. Eine Klasse von Fragen, über welche bei den
Gründern der anglikanischen Kirche und der ersten Generation der
Puritaner wenig oder gar keine Meinungsverschiedenheit herrschte, rief
nach und nach einen heftigen Streit hervor. Die Controversen, welche die
protestantische Partei in ihrer Kindheit schon entzweit, hatten sich
fast ausschließlich auf Kirchenregiment und Kirchengebräuche bezogen,
und über Punkte der metaphysischen Theologie war es zwischen den
streitenden Parteien zu einem ernsten Kampfe nicht gekommen. Die Lehren
von Erbsünde, Glauben, Gnade, Prädestination und Gnadenwahl, an denen
die Häupter der Hierarchie festhielten, waren die, welche man gewöhnlich
calvinisch nannte. Der Erzbischof Whitgift, ihr Lieblingsprälat, entwarf
im Verein mit dem Bischof von London und andern Theologen gegen das Ende
der Regierung Elisabeths die berühmte Schrift, die unter dem Namen der
»Lambeth-Artikel« bekannt ist. Es werden darin die stärksten
calvinistischen Lehren mit einer Bestimmtheit behauptet, die vielen
Calvinisten unserer Zeit anstößig sein würde. Ein Geistlicher, der
entgegengesetzter Ansicht war und sich hart über Calvin äußerte, wurde
von der Universität Cambridge dieser Vermessenheit wegen angeklagt, und
entging der Strafe nur dadurch, daß er sich öffentlich zu den Lehren von
der Verdammniß und dem endlichen Beharren bekannte, und seine Reue über
die Beleidigung aussprach, die er frommen Männern durch seine Angriffe
auf den großen französischen Reformator zugefügt habe. Zwischen
Cranmer's und Lauds Schulen steht jene theologische, deren Haupt Hooker
war, in der Mitte, und die Arminianer haben Letztern in der neueren Zeit
als ihren Genossen betrachtet; aber dennoch erklärte Hooker Calvin für
einen Mann, der allen andern Theologen, die Frankreich je
hervorgebracht, an Weisheit überlegen sei, für einen Mann, dem Tausende
ihre Kenntniß der göttlichen Wahrheit verdankten, er selbst aber,
Calvin, sei nur Gott zu Danke verpflichtet. Als in Holland der
arminianische Streit begann, standen die englische Regierung und die
englische Kirche der calvinistischen Partei kräftig bei, und jene
Flecken, welche durch die Einkerkerung des Grotius und den Justizmord
des Barneveldt auf dieser Partei haften, trägt auch zum Theil der
englische Name.

Vor dem Zusammentritt der holländischen Synode hatte indeß jene Partei
der anglikanischen Geistlichkeit, die dem calvinistischen
Kirchenregimente und dem calvinistischen Gottesdienste besonders abhold
war, angefangen, die calvinistische Metaphysik mißfällig zu betrachten,
und dieses Mißfallen ward natürlich durch die auffallende
Ungerechtigkeit, Anmaßung und Grausamkeit der in Dortrecht
vorherrschenden Partei noch vermehrt. Die arminianische Lehre, nicht so
streng logisch als die der früheren Reformatoren, aber den
Volksbegriffen von der göttlichen Gerechtigkeit und Güte entsprechender,
fand eine rasche und weite Verbreitung. Auch der Hof ward bald davon
ergriffen. Ansichten, die zur Zeit der Thronbesteigung Jakobs kein
Geistlicher aussprechen durfte, ohne den Verlust seines Priesterrockes
befürchten zu müssen, gaben jetzt den besten Anspruch auf Beförderung.
Ein Geistlicher jener Zeit, der von einem schlichten Landedelmann
befragt ward, was die Arminianer denn eigentlich behaupteten, gab die
eben so wahre als witzige Antwort: sie behaupten die besten Bisthümer
und Dekaneien Englands.

Zu gleicher Zeit, als ein Theil des anglikanischen Clerus die
ursprünglich eingenommene Stellung nach einer Richtung hin verließ, wich
ein Theil der Puritaner gerade in entgegengesetzter Richtung von den
Grundsätzen und Gewohnheiten seiner Väter ab. Die von den Separatisten
erlittene Verfolgung war zwar hart genug gewesen, um zu erbittern, aber
zu gelind, um zu vernichten; man hatte sie nicht bis zur Unterwürfigkeit
gezähmt, sondern bis zur Wildheit und Unbeugsamkeit emporgestachelt. Wie
alle unterdrückten Sekten, hielten auch sie ihre eigenen Rachegefühle
für fromme Regungen, erhöhten durch Lesen und Nachdenken den Hang, über
ihre Leiden zu brüten, und bildeten sich ein, wenn sie sich bis zum
Hasse gegen ihre Feinde aufgeregt, daß sie die Feinde des Himmels
haßten. Wenn sich auch im neuen Testamente nur wenig fand, was selbst
bei unredlich verfälschter Auslegung dem Ergeben gehässiger
Leidenschaften scheinbar Nachsicht gewährte, so enthielt doch das alte
Testament die Geschichte eines Volks, das von Gott zum Zeugen seiner
Einheit und zum Diener seiner Rache auserwählt worden, und dem er
besonders mancherlei Dinge zu thun befohlen, die, ohne sein
ausdrückliches Geheiß verübt, die gräßlichsten Verbrechen gewesen wären.
In einer solchen Geschichte Vieles zu finden, was sich durch Verdrehung
den betreffenden Wünschen entsprechend machen ließ, konnte erbitterten
und düstern Gemüthern nicht schwer fallen. Bei den extremen Puritanern
begann sich nun eine Vorliebe für das alte Testament zu bilden, die sich
in ihrer ganzen Denkart und in allen ihren Gebräuchen zeigte, wenn sie
es auch sich selbst nicht offen eingestehen mochten. Der hebräischen
Sprache zollten sie eine Verehrung, die sie der Sprache versagten, in
welcher uns die Unterredungen Jesu und die Briefe des Paulus überliefert
worden; ihren Kindern gaben sie in der Taufe nicht die Namen
christlicher Heiligen, sondern die hebräischer Patriarchen und Krieger;
den wöchentlichen Festtag, den die Kirche von den ältesten Zeiten an zum
Andenken an die Auferstehung des Herrn begeht, verwandelten sie,
ungeachtet der ausdrücklichen und wiederholten Erklärungen Luthers und
Calvins, in einen jüdischen Sabbath; Rechtsgrundsätze suchten sie in den
mosaischen Bestimmungen, und Vorgänge, die ihrem gewöhnlichen Verhalten
als Muster dienen sollten, in den Büchern der Richter und Könige; ihre
Gedanken und Gespräche dreheten sich meistens um Handlungen, die man
sicherlich nicht als nachahmungswürdige Beispiele für uns
niedergeschrieben hat. Der Prophet, der einen gefangenen König in Stücke
hieb, der ungehorsame Feldherr, der das Blut einer Königin den Hunden
gab, das Weib, das ungeachtet eines gegebenen Versprechens und der
morgenländischen Gastfreundschaft zum Trotz, mit einem Nagel das Gehirn
des flüchtigen Bundesgenossen durchbohrte, der an ihrem Tische gesessen
und unter ihrem Zelte schlief, diese alle wurden den unter der Tyrannei
von Fürsten und Prälaten leidenden Christen als Muster aufgestellt.
Moral und Sitten wurden von einem Codex abhängig gemacht, der dem der
Synagoge in ihrem schlechtesten Zustande glich. Kleidung, Haltung,
Sprache, Studien und Vergnügungen dieser strengen Sekte waren nach
Grundsätzen geregelt, ähnlich denen der Pharisäer, die im Stolze auf
ihre rein gewaschenen Hände und breiten Gedenkzettel den Erlöser als
einen Sabbathschänder und Säufer schmähten. Einen Maibaum mit Kränzen zu
schmücken, die Gesundheit eines Freundes zu trinken, einen Falken fangen
zu lassen, einen Hirsch zu jagen, Schmachtlocken zu tragen, die
Halskrause zu stärken, das Spinett zu schlagen oder die Königin der Feen
zu lesen, war eine Sünde. Vorschriften dieser Art, die dem freien und
fröhlichen Geiste Luthers unerträglich, und dem hellen philosophischen
Verstande Zwingli's verächtlich erschienen sein würden, breiteten ein
mehr als mönchisches Duster über das ganze Leben. Die Gelehrsamkeit und
Redekunst, durch die sich die großen Reformatoren so hoch auszeichneten,
und denen sie größtentheils ihre Erfolge verdankten, betrachtete die
neue Schule der Protestanten mit Argwohn, wenn nicht selbst mit
Abneigung. -- Einige der Rigorösesten trugen sogar Bedenken, aus der
lateinischen Grammatik Unterricht ertheilen zu lassen, weil die Namen
Mars, Bacchus und Apollo darin vorkamen. Die schönen Künste waren so gut
wie verpönt; der feierliche Klang der Orgel erschien abergläubisch; die
leichte Musik von Ben Jonson's Maskenspielen galt für unsittlich; die
eine Hälfte der schönen Gemälde in England war götzendienerisch, die
andere unanständig. Den extremen Puritaner konnte man sofort an seinem
Gange, seiner Kleidung, seinem glatten Haare, der kalten Feierlichkeit
seines Gesichts, dem emporgekehrten Weißen der Augen, der näselnden
Sprache und vor Allem an seiner eigenthümlichen Ausdrucksweise erkennen.
Bei jeder Gelegenheit wendete er Bilder und Styl der heiligen Schrift
an. Hebräismen, gewaltsam in die englische Sprache verflochten, und
Metaphern, der kühnsten lyrischen Poesie eines fernen Zeitalters und
Landes entlehnt, und auf die gewöhnlichsten Angelegenheiten des
englischen Lebens angewendet, waren die hervorragendsten
Eigenthümlichkeiten dieses Sprachgemisches, das mit vollem Rechte den
Spott der Prälatisten sowohl als der Freigeister nach sich zog.

Das politische und religiöse Schisma, das im sechzehnten Jahrhunderte
sich gebildet hatte, ward im ersten Viertheile des siebzehnten
Jahrhunderts stets größer. In Whitehall waren Theorien Mode, die sich
dem türkischen Despotismus näherten; der größte Theil des Unterhauses
huldigte Theorien, die sich dem Republikanismus zuneigten. Die eifrigen
Prälatisten, die bis auf den letzten Mann für das Hoheitsrecht kämpften,
und die eifrigen Puritaner, welche eben so heftig für die Privilegien
des Parlaments stritten, standen sich mit einer viel größern Erbitterung
gegenüber, als in der vorangegangenen Generation je zwischen Katholiken
und Protestanten geherrscht hat.

Bei dieser Gemüthsstimmung der Menschen ward das Land nach einem
langjährigen Frieden in einen Krieg verwickelt, der große Anstrengungen
nöthig machte. Durch diesen Krieg ward die große constitutionelle Krisis
beschleunigt. Der König brauchte eine starke Militär-Macht, diese konnte
er ohne Geld nicht erlangen, und Geld war ohne Zustimmung des Parlaments
auf gesetzlichem Wege nicht zu erheben. Hieraus ging hervor, daß er
entweder im Sinne des Hauses der Gemeinen regieren, oder eine Verletzung
der Grundgesetze des Landes wagen mußte, die man seit mehreren Hundert
Jahren nicht mehr kannte. Die Plantagenets und Tudors hatten zwar bei
vorkommenden Gelegenheiten einen Ausfall in ihren Einkünften durch
freiwillige oder gezwungene Anleihen gedeckt, aber diese Aushilfsmittel
waren immer nur vorübergehend. Die regelmäßigen Bedürfnisse eines langen
Kriegs durch regelmäßige Steuern, ohne Einwilligung der Stände des
Reichs ausgeschrieben, zu decken, war ein Verfahren, dessen Ausführung
selbst Heinrich VIII. nicht gewagt haben würde. So schien die
entscheidende Stunde zu nahen, in der entweder das englische Parlament
das Schicksal der festländischen Senate theilen, oder das höchste
Übergewicht im Staate erlangen müsse.

    [Anmerkung 6: +Canon 55. of 1603.+]

    [Anmerkung 7: Joseph Hall, damals Dechant von Worcester und später
    Bischof von Norwich, war einer jener Abgeordneten. In seiner
    Selbstbiographie sagt er: »Meine Unwürdigkeit wurde zu einem
    Theilnehmer an dieser ehrenwerthen, wichtigen und
    verehrungswürdigen Versammlung ernannt.« Diese Demuth wird
    Hochkirchenmännern nicht recht am Platze erscheinen.]

    [Anmerkung 8: +Peckard's Life of Ferrar.+ Das arminianische
    Nonnenkloster, oder eine kurze Beschreibung der vor Kurzem
    gestifteten klösterlichen Anstalt, das arminianische Nonnenkloster
    genannt, zu Little Gidding in Huntingdonshire, 1641.]


[_Thronbesteigung und Charakter Karls I._] In dieser verhängnißvollen
Zeit starb Jakob, und Karl I. bestieg nach ihm den Thron. Die Natur
hatte ihn mit einem größern Verstande, mit einem stärkern Willen und
einem strengern, festern Charakter begabt, als seinen Vater. Die
politischen Theorien desselben hatte er nicht nur geerbt, er war auch
weit mehr als jener geneigt, sie praktisch auszuführen. Er war wie jener
ein eifriger Anhänger der bischöflichen Kirche, außerdem, was der Vater
nie gewesen, ein eifriger Arminianer, und sah, obgleich kein Papist,
dennoch einen Papisten lieber, als einen Puritaner. Man würde ungerecht
sein, wollte man läugnen, daß Karl einige der Eigenschaften eines guten,
ja selbst eines großen Fürsten besaß. Er schrieb und sprach nicht mit
der Genauigkeit eines Professors, wie sein Vater, sondern wie ein
intelligenter, wohlunterrichteter Edelmann. Sein Geschmack in Literatur
und Kunst war vortrefflich, seine Manieren waren würdevoll, wenn auch
nicht gewinnend, und sein häusliches Leben tadellos. Treulosigkeit war
der Hauptgrund zu seinem Mißgeschick, und bildet den schwärzesten Fleck
auf seinem Andenken, denn er besaß wirklich einen unheilbaren Hang,
dunkle und krumme Wege zu gehen. Es erscheint seltsam, daß sein Gewissen
ihn dieses großen Lasters wegen nie plagte, während es bei unbedeutenden
Gelegenheiten sich ziemlich empfindsam zeigte; man muß indeß mit gutem
Grunde annehmen, daß er nicht nur aus Neigung und Gewohnheit, sondern
aus Grundsatz treulos war. Man möchte glauben, er habe von den
Theologen, die er hoch schätzte, gelernt, daß zwischen ihm und seinen
Unterthanen kein gegenseitiger Vertrag bestehe, daß er sich seiner
despotischen Autorität, auch wenn er wollte, nicht entäußern dürfe, und
daß in jedem seiner Versprechen der stillschweigende Vorbehalt liege, es
im Falle der Nothwendigkeit wieder brechen zu können, und daß ihm allein
die Entscheidung zustehe, ob dieser Nothfall eingetreten sei.


[_Taktik der Opposition im Hause der Gemeinen._] Und nun begann das
gewagte Spiel, das über das Geschick des englischen Volks entschied.
Auf Seite des Hauses der Gemeinen ward mit Eifer, aber auch mit
bewunderungswürdiger Geschicklichkeit, Ruhe und Ausdauer, gespielt. An
der Spitze der Versammlung standen große Staatsmänner, die weit zurück
und weit hinaus zu blicken vermochten, und diese waren entschlossen, den
König in eine Lage zu versetzen, daß er entweder nach den Wünschen des
Parlamentes regieren, oder die heiligsten Grundsätze der Verfassung
gewaltsam antasten müsse. Aus diesem Grunde bewilligten sie ihm nur
kärgliche Geldunterstützungen. Der König erkannte, daß er entweder im
Einverständnisse mit dem Hause der Gemeinen, oder mit allen Gesetzen im
Widerspruche regieren müßte, und sein Entschluß stand bald fest: er
löste sein erstes Parlament auf und erhob aus eigner Machtvollkommenheit
Steuern. Nun berief er ein zweites Parlament, und fand es noch
unbeugsamer als das erste. Wiederum nahm er zu dem Mittel der Auflösung
seine Zuflucht, erhob, ohne den leisesten Anschein eines gesetzlichen
Rechts, neue Steuern, und ließ die Führer der Opposition einkerkern.
Eine neue Beschwerde, welche die eigenthümlichen Gefühle und
Gewohnheiten des englischen Volks zu einer kaum erträglichen Last
machten und die allen scharfblickenden Männern als eine furchtbare
Vorbedeutung erschien, erregte zu derselben Zeit allgemeine
Unzufriedenheit und Unruhe: es wurden Compagnien Soldaten bei dem Volke
einquartiert und das Kriegsrecht verdrängte an einigen Orten die alten
Rechte des Reichs.


[_Bitte um Recht._] Der König berief ein drittes Parlament, und bald
ward er gewahr, daß ihm die Opposition stärker und heftiger
entgegentrat, als je. Nun entschloß er sich, die Taktik zu ändern. Statt
den Forderungen der Gemeinen hartnäckig entgegen zu sein, ging er nach
manchem Streite und manchen Ausflüchten auf einen Vergleich ein, der,
wenn er ihm treulich nachgekommen wäre, ein dauerndes Ungemach
abgewendet haben würde. Das Parlament bewilligte eine namhafte
Geldunterstützung; der König bestätigte feierlich das berühmte Gesetz,
das unter dem Namen der Bitte des Rechts bekannt ist, und die zweite
große Urkunde der Freiheiten Englands bildet. Durch die Bestätigung
dieses Gesetzes legte er sich zugleich die Verpflichtung auf, nie wieder
ohne Bewilligung der Häuser Geld zu erheben, nie wieder eine Person,
wenn nicht der Rechtsgang dabei beobachtet, einzukerkern, und nie wieder
das Volk den Kriegsgerichten zu unterwerfen.

Der Tag, an welchem nach langem Zögern dieses wichtige Aktenstück
feierlich die königliche Sanktion erhielt, war ein Tag der Freude und
der Hoffnung. Die an den Schranken des Hauses der Lords versammelten
Gemeinen erhoben ein lautes Jubelgeschrei, als der Sekretär die Worte
der Formel ausgesprochen, durch welche seit Jahrhunderten unsere Fürsten
den Wünschen der Reichsstände ihre Zustimmung zu ertheilen pflegten.
-- Die Stimme der Hauptstadt und der Nation war der Wiederhall dieses
Jubels; aber schon nach drei Wochen zeigte es sich, daß Karl nicht die
Absicht hatte, den geschlossenen Vertrag zu halten. Das von den
Volksvertretern bewilligte Geld ward erhoben; das Versprechen, durch
welches die Bewilligung erlangt, ward gebrochen. Es entspann sich ein
heftiger Kampf. Das Parlament ward in einer Weise aufgelös't, die
deutlich das Mißfallen des Königs bekundete. Einige der hervorragendsten
Mitglieder wurden eingekerkert, und eins derselben, Sir Johann Elliot,
starb im Gefängnisse nach jahrelangen Leiden.

Karl wagte indeß nicht, die zur Fortführung des Kriegs erforderlichen
Steuern aus eigener Machtvollkommenheit ferner zu erheben; er beeilte
sich demnach, Frieden mit seinen Nachbarn zu schließen, und befaßte sich
von da an nur mit Britanniens politischen Angelegenheiten.

Eine neue Ära begann. Viele englische Könige hatten nur bei gewissen
Gelegenheiten verfassungswidriger Handlungen sich schuldig gemacht, aber
keiner hatte es noch unternommen, sich systematisch zu einem Despoten zu
machen, und das Parlament bis zu einem Nichts herabzubringen. Und dies
war das Ziel, nach welchem Karl unverkennbar strebte. Die Häuser wurden
vom März 1629 bis zum April 1640 nicht wieder zusammenberufen. Unsere
Geschichte wies keinen Zeitraum von elf Jahren nach, der zwischen einem
und dem nächsten Parlamente gelegen; nur ein Mal hat es einen halb so
langen Zwischenraum gegeben. Diese Thatsache allein widerlegt die
Behauptung, daß Karl nur in die Fußtapfen der Plantagenets und Tudors
getreten sei.


[_Die Bitte um Recht wird verletzt._] Durch Zeugnisse der eifrigsten
Anhänger des Königs ist bewiesen, daß er die Bestimmungen in der Bitte
um Recht in diesem Abschnitte seiner Regierung nicht nur bei einzelnen
Gelegenheiten, sondern fortwährend und systematisch verletzte; daß er
die Einkünfte größtentheils ohne gesetzliche Ermächtigung erhoben, und
daß er der Regierung mißliebige Personen, ohne gerichtliche Vorladung
und Verhör, Jahre lang im Kerker hat schmachten lassen.

Für solche Handlungen muß die Geschichte den König als persönlich
verantwortlich erachten. Seit der Zeit seines dritten Parlaments war er
selbst sein erster Premierminister; nur einige Personen, deren Charakter
und Fähigkeiten seinen Plänen entsprachen, standen an der Spitze
verschiedener Verwaltungszweige.


[_Charakter und Absichten Wentworths._] Thomas Wentworth, erst zum Lord
Wentworth und dann zum Earl von Strafford ernannt, ein äußerst fähiger,
beredter und muthiger Mann, aber grausamen und herrschsüchtigen
Charakters, war in politischen und militärischen Angelegenheiten der
vertrauteste Rath des Königs. Früher eins der bedeutendsten Glieder der
Oppositionspartei, hegte er gegen die, deren Sache er verlassen, jene
eigenthümliche Abneigung, die in allen Zeiten die Apostaten
charakterisirt hat. Da die Gefühle, die Hilfsquellen und die Politik der
Partei, der er noch vor Kurzem angehört, ihm genau bekannt waren, hatte
er einen umfassenden, tief durchdachten Plan entworfen, der die kluge
Taktik der leitenden Staatsmänner im Hause der Gemeinen fast vereitelt
hätte. Dieses Plans erwähnte er in seiner vertraulichen Correspondenz
unter der bezeichnenden Benennung: »Durch.« Er beabsichtigte, in England
Alles, und mehr noch als das, zu thun, was Richelieu in Frankreich
gethan; Karl zu einem so unumschränkten Monarchen zu machen, wie nur
irgend einer auf dem Festlande existirte; das Vermögen und die
persönliche Freiheit des ganzen Volks unter die Verfügung der Krone zu
stellen; die Gerichtshöfe aller selbstständigen Macht selbst in
gewöhnlichen civilrechtlichen Angelegenheiten zwischen Privatleuten zu
berauben, und mit schonungsloser Härte alle die zu bestrafen, die bei
Handlungen der Regierung sich unzufrieden zeigten, oder bei irgend einem
Gerichtshofe um Abstellung derselben einkamen.[9]

Dies war sein Ziel, und den einzigen Weg, der zu diesem Ziele führte,
kannte er genau. Hätte er bei seiner wirklich klaren, zusammenhängenden
und bestimmten Anschauungsweise nicht ein seinem Vaterlande und seinen
Mitmenschen so verderbliches Ziel verfolgt, er würde die gerechtesten
Ansprüche auf hohe Bewunderung gehabt haben. Daß es nur ein einziges
Werkzeug gab, seine großen und kühnen Pläne auszuführen, und daß dieses
Werkzeug ein stehendes Heer sei, sah er klar ein. Mit der ganzen Energie
seines kräftigen Geistes strebte er nun nach der Errichtung eines
solchen Heeres. In Irland, wo er Vicekönig war, gelang ihm wirklich die
Einführung eines militärischen Despotismus, nicht nur über die
eingeborene Bevölkerung, sondern auch über die englischen Colonisten,
und er konnte sich mit Recht rühmen, daß der König auf dieser Insel so
unumschränkt sei, als nur irgend ein Fürst der Welt.[10]

    [Anmerkung 9: Die Correspondenz Wentworths scheint mir das im Text
    Gesagte völlig zu bestätigen. Alle Stellen abzuschreiben, die mich
    zu dem erlangten Schlusse geführt, würde eben so unmöglich sein,
    als es nicht leicht ist, eine bessere Auswahl zu treffen, als Mr.
    Hallam bereits getroffen hat. Aber ich mache den Leser besonders
    auf die vortreffliche Schrift aufmerksam, die Wentworth über die
    Angelegenheiten der Pfalz verfaßte. Sie ist vom 31. März 1637
    datirt.]

    [Anmerkung 10: Dies sind Wentworths eigene Worte. Siehe seinen
    Brief an Laud vom 16. Decbr. 1634.]


[_Charakter Laud's._] Die Verwaltung der Kirche leitete indeß
hauptsächlich Wilhelm Laud, der Erzbischof von Canterbury. Mehr als alle
Prälaten der anglikanischen Kirche ist Laud von den Grundsätzen der
Reformation abgewichen, und Rom nahegetreten. Seine theologischen
Ansichten entfernten sich von denen der Calvinisten mehr, als selbst die
der holländischen Arminianer. Seine maßlose Vorliebe für Ceremonien,
seine Verehrung der Festtage, Vigilien und geheiligten Orte, seine übel
verhehlte Abneigung gegen die Ehe der Priester, sein glühender und von
Eigennutz nicht völlig freier Eifer, mit dem er den Anspruch des Clerus
auf das ehrerbietige Benehmen der Laien vertrat, würden ihm den Haß der
Puritaner zugezogen haben, auch wenn er nur gesetzliche und milde Mittel
zur Erreichung seiner Pläne verwendet hätte. Aber sein Verstand war ein
beschränkter, und mit der Welt hatte er nur in geringem Verkehre
gestanden. Er war heftig und reizbar von Natur, lebhaft empfindlich,
wenn es seine eigene Würde galt, kalt für die Leiden Anderer, und zu dem
bei abergläubischen Menschen gewöhnlichen Irrthume geneigt, die eigenen
mürrischen und gehässigen Launen für die Regungen eines gottesfürchtigen
Eifers zu halten. Jeder Winkel des Reichs ward unter seiner Leitung
einer unausgesetzten und scharfen Beaufsichtigung unterworfen; jeder
kleine Separatisten-Verein ward ausgespürt und aufgelöst, selbst die
Privatandachtsübungen der Familien entgingen den Späherblicken seiner
Kundschafter nicht. Die Furcht vor seiner Härte war so groß, daß der
tödtliche Haß gegen die allgemeine Kirche, der sich unzähliger Herzen
bemächtigt, unter dem äußern Scheine voller Übereinstimmung mit
derselben allgemein verborgen ward. Selbst an dem Vorabende der für ihn
und seinen Stand so verhängnißvollen Unruhen konnten ihm die Bischöfe
mehrerer umfangreichen Diöcesen noch berichten, daß in ihren Sprengeln
auch nicht ein Dissidenter mehr zu finden sei.


[_Sternkammer und Hohe Commission._] Die Gerichtshöfe gewährten den
Unterthanen gegen die bürgerliche und geistliche Tyrannei jener Periode
keinen Schutz. Die Richter des gemeinen Rechts, die ihre Stellen nur so
lange bekleideten, als es dem Könige beliebte, zeigten sich in
empörender Weise willfährig; aber ungeachtet ihrer Willfährigkeit waren
sie dennoch nicht so bereitwillige und wirksame Werkzeuge der
Willkür-Gewalt, als eine Klasse von Gerichtshöfen, die noch jetzt, nach
mehr als zweihundert Jahren, in dem Andenken des Volks tief verabscheut
wird. An der Spitze dieser Gerichtshöfe, durch Macht und Ehrlosigkeit
gleich ausgezeichnet, standen die Sternkammer und die Hohe Commission;
die Erstere war ein politisches, die Letztere ein religiöses
Inquisitionsgericht, und keins von Beiden war aus der alten Verfassung
Englands hervorgegangen. Die Sternkammer war von den Tudors umgestaltet,
und die Hohe Commission hatten sie erschaffen. War die Gewalt dieser
Höfe schon vor der Thronbesteigung Karls ausgedehnt und furchtbar
gewesen, so zeigte sie sich jetzt in einer Gestalt, daß jene nur gering
erscheint. Von dem gewaltigen Geiste des Primas hauptsächlich geleitet,
und von der parlamentarischen Aufsicht befreit, bethätigten sie eine
Raubgier, eine Grausamkeit und eine boshafte Energie, die man in frühern
Zeiten nie gekannt hatte. Mit Hilfe derselben war es der Regierung
möglich, nach Willkür Geldstrafen aufzuerlegen, einzukerkern, an den
Pranger zu stellen und zu verstümmeln. Zu York hatte ein besonderer Rath
unter dem Präsidium Wentworths seinen Sitz, der, im Widerspruch mit dem
Gesetz und nur durch die eigene Machtvollkommenheit des Königs ernannt,
eine fast maßlose Gewalt über die nördlichen Grafschaften ausübte. Alle
diese Gerichtshöfe, der Autorität von Westminsterhall Hohn und Trotz
bietend, verübten täglich Excesse, welche selbst von den
hervorragendsten Royalisten hart getadelt wurden. Nach Clarendons
Bericht gab es kaum einen bedeutenden Mann im Königreiche, der die Härte
und Gier der Sternkammer nicht aus eigener Erfahrung kennen gelernt; die
Hohe Commission verfuhr in einer Weise, daß ihr kaum noch ein Anhänger
im Lande geblieben, und durch die Tyrannei des Raths von York war
nördlich vom Trent die Magna Charta zu einem todten Buchstaben geworden.

Bis auf einen Punkt war nun die englische Regierung eben so despotisch,
als die französische; aber dieser eine Punkt enthielt eine hohe
Bedeutung: es gab noch kein stehendes Heer, und folglich auch keine
Sicherheit dafür, daß nicht das ganze Gebäude der Tyrannei an einem Tage
zertrümmert werden könne. Wollte aber der König aus eigener
Machtvollkommenheit Steuern zum Unterhalte eines Heeres auferlegen, so
hatte man, aller Wahrscheinlichkeit nach, sofort den heftigen Ausbruch
eines Aufstandes zu fürchten. Durch diese Schwierigkeit ward Wentworth
mehr als durch jede andere in Verlegenheit gesetzt. Man griff nun
begierig zu einem Auskunftsmittel, das Finch, der Lord Siegelbewahrer,
in Übereinstimmung mit andern der Regierung dienenden Rechtsgelehrten,
empfohlen hatte.


[_Schiffsgeld._] Es hatten nämlich die alten englischen Könige die
Bewohner nicht nur der in der Nähe Schottlands liegenden Grafschaften
zur Vertheidigung der Grenze unter die Waffen gerufen, sondern auch die
Grafschaften an dem Meere aufgeboten, Schiffe zur Vertheidigung der
Küste auszurüsten; statt der Schiffe hatte man mitunter Geld genommen.
Diesen alten Gebrauch beschloß man jetzt, nach einem langen Zeitraume,
nicht nur wieder einzuführen, sondern auch auszudehnen. Früher hatten
die Fürsten nur zur Zeit des Krieges Schiffsgeld erhoben -- jetzt
forderte man es in einer Zeit tiefen Friedens ein. Wenn früher die
Fürsten, selbst in den gefährlichsten Kriegen, das Schiffsgeld nur in
den Küstengegenden erhoben hatten, so nahm man es jetzt von den
Grafschaften des Binnenlandes. Früher hatte man das Schiffsgeld
eingefordert, um eine Vertheidigung des Landes zur See zu bewirken;
jetzt trieb man es ein, wie die Royalisten selbst zugestehen, nicht um
eine Flotte zu unterhalten, sondern um dem Könige Gelder zu verschaffen,
deren Betrag er nicht nur nach Belieben ausdehnen, sondern auch zu jedem
beliebigen Zwecke verwenden konnte.

Die ganze Nation gerieth in Aufregung und Entrüstung. John Hampden, ein
reicher Gentleman aus guter Familie in Buckinghamshire, der in seiner
nähern Umgebung hoch geachtet, aber in weitern Kreisen des Königreichs
noch wenig bekannt war, hatte zuerst den Muth, der ganzen Gewalt der
Regierung entgegenzutreten und auf eigene Kosten und Gefahr die
Hoheitsrechte zu bestreiten, die der König in Anspruch nahm. Der Fall
ward den Richtern der Schatzkammer zur Entscheidung vorgelegt; wie
abhängig und knechtisch auch die Richter waren, es lagen so starke
Gründe gegen die Ansprüche der Krone vor, daß die Majorität gegen
Hampden so klein als nur möglich ausfiel -- aber es war immer eine
Majorität. Die Ausleger der Gesetze hatten erklärt, daß der königliche
Machtspruch eine große, ergiebige Steuer auferlegen könne, und Wentworth
bemerkte sehr richtig, ihr Urtheil sei nur durch Gründe zu
rechtfertigen, die direct zu einem Schlusse führten, den zu ziehen sie
nicht gewagt haben würden. -- War es gesetzmäßig, daß zur Unterhaltung
einer Flotte ohne Zustimmung des Parlamentes Geld erhoben werden konnte,
so ließ sich schwer in Abrede stellen, daß auch Geld zum Unterhalte
einer Armee ohne Zustimmung des Parlaments erhoben werden dürfe.

Dieser Richterspruch vermehrte die Erbitterung des Volks. Ein
Jahrhundert früher würde eine minder große Erbitterung einen allgemeinen
Aufstand bewirkt haben; aber die Unzufriedenheit äußerte sich jetzt
nicht so rasch als in früherer Zeit durch Empörung, denn Reichthum und
Gesittung der Nation waren seit lange in stetem Wachsen gewesen, und
seit siebzig Jahren, seit der Zeit nämlich, als die großen nordischen
Grafen die Waffen gegen Elisabeth ergriffen, hatte kein Bürgerkrieg
stattgefunden. So lange die englische Nation existirte, war nie eine so
lange Zeit ohne innern Zwist verflossen. Das Volk hatte sich an den
Betrieb friedlicher Gewerbe gewöhnt, und so erbittert es auch war, so
zögerte es doch lange, ehe es zum Schwerte griff.

Unter diesen Umständen schwebten die Freiheiten unsers Vaterlandes in
der größten Gefahr. Die Gegner der Regierung begannen an dem Schicksale
ihres Vaterlandes zu verzweifeln, und mancher von ihnen hielt die
Wildnisse Amerika's für die einzige Zufluchtsstätte bürgerlicher und
geistiger Freiheit. Einige entschlossene Puritaner, welche für ihre
Religion weder das Toben des Oceans, die Beschwerden des uncivilisirten
Lebens, die Klauen wilder Thiere, noch die Tomahawks wilder Menschen
fürchteten, hatten dort inmitten der Urwälder Dörfer angebaut, die jetzt
große, reiche Städte sind, und durch alle Schicksalswechsel Spuren des
ihren Gründern angestammten Charakters bewahrt haben. Die Regierung sah
mit gehässigen Blicken auf diese jungen Colonien und suchte gewaltsam
dem Strome der Auswanderung nach denselben zu steuern; sie konnte aber
nicht verhindern, daß die Einwohnerschaft Neu-Englands aus allen Theilen
des alten Englands durch unerschrockene und gottesfürchtige Männer
ansehnlich vermehrt wurde. Jetzt jubelte Wentworth ob des nahen
Gelingens seines »Durch«. Wahrscheinlich hätten nur wenig Jahre zur
Ausführung seines großen Planes genügt, und wäre strenge Sparsamkeit
beobachtet, jeder Krieg mit auswärtigen Mächten vermieden, so hätte man
nicht nur die Schulden der Krone bezahlen, sondern auch Fonds zum
Unterhalte einer großen Militärmacht beschaffen können, und diese Macht
konnte bald den widerspenstigen Geist der Nation zügeln.


[_Widerstand gegen die Liturgie in Schottland._] In dieser Krisis ward
die ganze Gestalt der öffentlichen Angelegenheiten durch einen Akt
wahnsinniger Bigotterie plötzlich verändert. Wäre der König weise
gewesen, so hätte er so lange eine vorsichtige und milde Politik gegen
Schottland verfolgt, bis er der Herr des Südens geworden; denn von allen
seinen Reichen war in Schottland die größte Gefahr vorhanden, daß ein
Funke zur Flamme, und eine Flamme zu einer Feuersbrunst werden konnte.
Eine constitutionelle Opposition, wie man sie ihm in Westminster
entgegenstellte, hatte er allerdings in Edinburg nicht zu fürchten, da
das Parlament seines nördlichen Königreichs ein ganz anderer Körper als
der war, der in England denselben Namen führte. Es war schlecht
zusammengesetzt, ward wenig geachtet und hatte nie einem seiner
Vorgänger ernste Schranken gezogen. Die drei Stände beriethen in einem
Hause; die Bevollmächtigten der Flecken betrachtete man nur als von den
großen Edelleuten abhängige Personen, und kein Gesetz konnte eingebracht
werden, bevor nicht die Lords der Artikel, -- ein Ausschuß, den die
Krone in der That, wenn auch nicht der Form nach ernannte -- ihre
Billigung ausgesprochen hatten. War nun auch das schottische Parlament
ein fügsames, so hatte sich doch das schottische Volk stets als ein
unruhiges und unlenksames gezeigt. Es hatte seinen ersten Jakob in dem
Schlafzimmer niedergemetzelt, mehr als einmal die Waffen gegen Jakob II.
erhoben, Jakob III. auf dem Schlachtfelde erschlagen, durch Ungehorsam
Jakob V. das Herz gebrochen, Maria entthront und eingekerkert, hatte den
Sohn derselben gefangen gehalten, und war noch eben so unbändig als
sonst. Alle seine Gewohnheiten waren roh und kriegerisch. An der ganzen
südlichen Grenze, sowie auf der ganzen Landstrecke zwischen den Hoch-
und Niederlanden wüthete beständig ein Raubkrieg; in jedem Landestheile
war man gewohnt, den Beschwerden über erlittenes Unrecht mit kräftiger
Faust abzuhelfen, und wie groß auch die frühere Anhänglichkeit der
Nation an die Stuarts gewesen sein mochte, sie war während der langen
Abwesenheit derselben erkaltet. Der mächtigste Einfluß auf die
öffentliche Stimmung theilte sich unter zwei Klassen von Mißvergnügten:
unter die der Grundherren und die der Prediger -- Grundherren, von
demselben Geiste beseelt, der so oft die alten Douglas zum Widerstande
gegen das königliche Haus angetrieben, und Prediger, welche Knox's
repulikanische Ansichten und den Starrsinn desselben geerbt hatten.
Sowohl die nationalen als die religiösen Gefühle der Bevölkerung waren
gleich tief verletzt worden; alle Stände klagten, daß ihr Vaterland,
einst so ruhmvoll um seine Unabhängigkeit gegen die fähigsten und
muthigsten Plantagenets kämpfend, jetzt durch seine eigenen Fürsten eine
englische Provinz, wenn auch nicht dem Namen nach, doch in der That
geworden sei. Die calvinistische Lehre und Kirchenordnung hatte in
keinem andern Theile Europa's einen so starken Haltpunkt in der
öffentlichen Meinung gewonnen; die große Masse des Volks sah auf die
römische Kirche mit einem Hasse, der mit vollem Rechte ein grimmiger zu
nennen war, und die Kirche von England, die täglich der von Rom
ähnlicher zu werden schien, war der Gegenstand einer nicht minder großen
Abneigung.

Das anglikanische System über die ganze Insel auszudehnen, war schon
lange der Wunsch der Regierung gewesen, und in dieser Absicht hatte sie
bereits verschiedene, jedem Presbyterianer höchst ärgerliche Änderungen
vorgenommen. Eine Neuerung aber, die kühnste von allen, weil sie von dem
Volke unmittelbar aufgefaßt werden mußte, hatte man noch nicht versucht.
Es war nämlich der öffentliche Gottesdienst in der bei dem Volke gern
gesehenen Weise bisher abgehalten; Karl und Laud beschlossen aber jetzt,
den Schotten die englische Liturgie oder vielmehr eine Liturgie
aufzudringen, die nach dem Urtheile aller strengen Protestanten nicht
nur von der englischen abwich, sondern auch in den abweichenden Punkten
schlechter war, als jene.

Diesem rein aus tyrannischem Übermuthe und in sträflicher Unkenntniß
oder noch strafwürdigerer Verachtung der Volksgefühle unternommenen
Schritte verdankt unser Vaterland seine Freiheit. Der erste Gottesdienst
mit den neuen Ceremonien hatte einen Aufruhr zur Folge, und der Aufruhr
ward schnell zu einer Revolution. Ehrgeiz, Vaterlandsliebe und
Fanatismus brausten auf in einem gewaltig reißenden Strome; die ganze
Nation stand unter den Waffen. Zwar war die Macht Englands, wie sich
einige Jahre später auswies, stark genug, um Schottland im Zügel zu
halten; aber ein großer Theil des englischen Volks theilte die
religiösen Gefühle der Aufständischen, und viele Engländer, denen
Wechselgesänge, Kniebeugen, Altäre und Chorhemden keine Scrupel
erregten, sahen mit Freuden auf die Fortschritte einer Empörung,
die Aussicht auf Vereitelung der Willkürpläne des Hofes und auf die
Einberufung eines Parlaments bot.

Für diesen unklugen Einfall, der solche Wirkungen hervorbrachte, ist
Wentworth nicht verantwortlich zu machen,[11] denn er verwirrte in der
That alle seine Pläne. Eine Nachgiebigkeit anzurathen, lag jedoch nicht
in seiner Natur. Es ward versucht, den Aufstand durch das Schwert zu
dämpfen; aber die militärischen Kräfte und Talente des Königs waren dem
Unternehmen nicht gewachsen. Unter diesen Umständen und im Widerspruche
mit den Gesetzen neue Steuern aufzuerlegen, wäre Wahnsinn gewesen; es
blieb keine andere Aussicht als ein Parlament, und im Frühjahr 1640 ward
ein solches einberufen.

    [Anmerkung 11: Siehe seinen Brief an den Grafen von
    Northumberland, d. d. 30. Juli 1638.]


[_Ein Parlament wird berufen und aufgelös't._] Bei der Aussicht auf
Wiederherstellung einer verfassungsmäßigen Regierung und auf Abhilfe der
Beschwerden war die Stimmung der Nation eine bessere geworden. Das neue
Haus der Gemeinen zeigte sich gemäßigter und ehrerbietiger gegen den
Thron, als alle, die sich seit dem Tode Elisabeths versammelt hatten.
Die ausgezeichnetsten Royalisten haben die Mäßigung dieser Versammlung
hoch gepriesen, aber den Häuptern der Opposition scheint sie nicht wenig
Sorge und eine große Enttäuschung bereitet zu haben. Karl blieb indeß
seiner eben so unpolitischen als unedeln Gewohnheit treu, den Wünschen
seines Volks so lange sich abhold zu zeigen, bis diese Wünsche drohend
ausgesprochen wurden. Kaum legten die Gemeinen die Neigung an den Tag,
die Beschwerden, unter denen das Land elf Jahre lang gelitten, in
Betracht zu ziehen, als der König das Parlament mit allen Zeichen des
Mißfallens auflös'te.

Zwischen der Auflösung dieser auf so kurze Zeit einberufenen Versammlung
und der Constituirung jenes ewig merkwürdigen Körpers, der unter dem
Namen des Langen Parlaments bekannt ist, lagen wenig Monate, in denen
das Joch der Nation sich herber als je gestaltete, der Volksgeist aber
sich zorniger als je dagegen erhob. Der Geheime Rath ließ Mitglieder des
Hauses der Gemeinen wegen ihres parlamentarischen Verhaltens zur
Rechenschaft ziehen, und als sie sich weigerten Rede zu stehen, in's
Gefängniß werfen. Das Schiffsgeld ward mit größerer Strenge
eingetrieben; man bedrohte den Lord Mayor und die Sheriffs von London
mit Gefängniß, weil sie nicht streng genug die Gelder eingezogen hatten;
es fanden gewaltsame Aushebungen von Soldaten statt, deren Unterhalt
ihre Grafschaften bestreiten mußten. Die stets ungesetzlich gewesene
Folter, und erst kürzlich noch von den servilsten Richtern jener Zeit
für ungesetzlich erklärt, ward in England im Monat Mai 1640 zum letzten
Male angewendet.

Von dem Ausgange der Kriegsoperationen des Königs gegen die Schotten
hing nun Alles ab. Jener Geist, der den eigentlichen Soldaten von dem
Volke trennt und ihn an seine Führer bindet, zeigte sich äußerst
spärlich in seinen Truppen. Das Heer, größtentheils aus Rekruten
zusammengesetzt, die sich nach dem Pfluge zurücksehnten, von dem man sie
gewaltsam fortgerissen, und die im ganzen Lande vorherrschenden
religiösen und politischen Ansichten theilend, war dem Könige
gefährlicher als dem Feinde. Die von den Führern der englischen
Opposition ermuthigten Schotten fanden bei den englischen Truppen nur
schwachen Widerstand, sie gingen über den Tweed und den Tyne, und
lagerten sich an den Grenzen von Yorkshire. Und nun artete das Murren
der Unzufriedenheit in einen Tumult aus, der alle Gemüther, eines
ausgenommen, mit Schrecken erfüllte. Strafford beharrte noch immer bei
dem »Durch«, und selbst in diesem verhängnißvollen Augenblicke zeigte er
sich so grausam und despotisch, daß nicht viel fehlte, und seine eigenen
Lanzknechte hätten ihn in Stücke zerrissen.

Noch gab es indessen ein Auskunftsmittel, das dem Könige, wie er sich
schmeichelte, die Schmach ersparen könnte, einem andern Hause der
Gemeinen gegenüberzutreten. Dem Hause der Lords war er weniger
abgeneigt. Die Bischöfe hingen an ihm und die weltlichen Lords, wenn
auch im Allgemeinen mit seiner Verwaltung nicht einverstanden, mußten
sich doch als Stand so sehr bei der Aufrechterhaltung der Ordnung und
dem Verbleiben der alten Einrichtungen interessiren, daß ein Drängen
nach ausgedehnten Reformen ihrerseits nicht zu fürchten war. Wider die
Gewohnheit, die seit Jahrhunderten ununterbrochen bestanden, rief er nur
die Lords zu einem großen Rathe zusammen; die Lords aber waren zu klug,
als daß sie die verfassungswidrigen Funktionen übernahmen, die er ihnen
zugedacht hatte. Ohne Geld, ohne Credit und ohne Autorität, selbst in
seinem eigenen Lager, fügte er sich dem Drange der Nothwendigkeit. Die
Häuser wurden zusammenberufen und die Wahlen bewiesen, daß Mißtrauen und
Haß gegen die Regierung seit dem Frühjahre gefährliche Fortschritte
gemacht hatten.


[_Das lange Parlament._] Im November 1640 trat jenes berühmte Parlament
zusammen, das, ungeachtet mancher Irrthümer und Mißgeschicke, gerechten
Anspruch auf die Hochachtung und Dankbarkeit aller derer hat, die in
irgend einem Theile der Welt sich der Segnungen einer constitutionellen
Regierung erfreuen.

Im Laufe des folgenden Jahres stellte sich in den Häusern keine
Meinungsverschiedenheit von großer Wichtigkeit heraus. Die bürgerliche
und geistliche Verwaltung war zwölf Jahre hindurch so bedrückend und so
verfassungswidrig ausgeübt worden, daß selbst diejenigen Klassen,
die gewöhnlich auf Ordnung und Autorität halten, mit großem Eifer
volksthümliche Reformen zu fördern und die Werkzeuge der Tyrannei vor
Gericht zu stellen bemüht waren. Eine Verordnung ward erlassen, wonach
zwischen einem und dem nächsten Parlamente nicht mehr als drei Jahre
liegen durften und erfolgte das Ausschreiben unter dem großen Siegel
nicht zur gehörigen Zeit, so waren die Wahlbeamten befugt, auch ohne ein
solches Ausschreiben die Wahlkörper behufs Wahl der Vertreter
einzuberufen. Die Sternkammer, die Hohe Kommission und der Rath von York
wurden aufgehoben. Männer, die grausam verstümmelt in tiefen Kerkern
schmachteten, wurden freigelassen. An den ersten Dienern der Krone nahm
das Volk schonungslose Rache; der Lord Siegelbewahrer, der Primas, der
Lord Statthalter wurden in Anklagestand versetzt; Finch rettete sich
durch die Flucht, Laud ward in den Tower geworfen und Strafford ward vor
Gericht gestellt und laut eines Parlamentsbeschlusses zum Tode
verurtheilt. An demselben Tage, an dem dieser Beschluß durchging,
stimmte der König einem Gesetze bei, durch das er sich verpflichtete,
das bestehende Parlament weder zu vertagen, noch zu prorogiren oder
aufzulösen, wenn es nicht selbst seine Zustimmung dazu gäbe.

Im September 1641, nach einer zehnmonatlichen angestrengten Arbeit,
vertagten sich die Häuser auf kurze Zeit und der König besuchte
Schottland, das er nur mit Mühe durch die Verzichtleistung auf alle
seine kirchlichen Reformpläne und durch die mit großer Überwindung
ertheilte Bestätigung einer Akte, die das Episcopat in Widerspruch mit
Gottes Wort erklärte, beruhigte.


[_Erstes Auftreten der beiden großen englischen Parteien._] Die Ferien
des englischen Parlamentes dauerten sechs Wochen. Der Tag des
Wiederzusammentritts der Häuser bildet eine der merkwürdigsten Epochen
unserer Geschichte. Von diesen Tage an existiren die beiden großen
corporativen Parteien, die seitdem stets das Land abwechselnd regiert
haben, obgleich der Unterschied, der damals augenscheinlich hervortrat,
in einem gewissen Sinne immer bestanden hat und auch immer bestehen muß,
denn er entspringt den Verschiedenheiten des Temperaments, der
Intelligenz und des Interesses, die man in allen Gesellschaften findet
und so lange finden wird, bis der menschliche Geist aufhört, sich durch
den Reiz der Gewohnheit und Neuheit in entgegengesetzte Richtungen
leiten zu lassen. Wir finden diesen Unterschied nicht nur in der
Politik, sondern auch in der Literatur, in Kunst und Wissenschaft, in
Chirurgie, Mechanik, dem Seewesen, der Landwirthschaft, und selbst in
der Mathematik. Überall begegnen wir einer Menschenklasse, die mit
Vorliebe an allem Alten hängt, und selbst dann noch mit banger Besorgniß
und bösen Ahnungen in die Neuerung willigt, wenn überwiegende Gründe für
deren Wohlthätigkeit vorliegen. Ebenso finden wir überall eine zweite
Menschenklasse, die sanguinischer Hoffnung und kühner Pläne voll die
Unvollkommenheiten des Bestehenden rasch erfaßt, über die Gefahren und
Widerwärtigkeiten der Neuerungen leicht hinweggeht, und nur zu geneigt
ist, jede Veränderung für eine Verbesserung zu halten. In den Neigungen
beider Klassen liegt etwas, das man billigen muß; aber die Höhepunkte
Beider findet man in der Nähe der gemeinschaftlichen Grenze, der extreme
Theil der einen besteht aus abergläubischen, einfältigen Narren; der
extreme Theil der andern aus seichten und unbesonnenen Empirikern.

Daß sich schon in unsern ersten Parlamenten ängstlich auf Erhaltung des
Bestehenden bedachte Mitglieder von andern, eifrig nach Reformen
strebenden unterscheiden ließen, ist nicht zu bezweifeln; so lange aber
die Sitzungen des gesetzgebenden Körpers nur von kurzer Dauer waren,
konnten diese Gruppen keine bestimmte und bleibende Form annehmen, sich
anerkannten Führern nicht unterordnen, und sich weder durch Namen und
Zeichen noch durch Losungsworte unterscheiden. Der Unwille über die seit
vielen Jahren erlittene widergesetzliche Unterdrückung war während der
ersten Monate des langen Parlaments so groß und allgemein, daß das Haus
der Gemeinen wie ein Mann handelte. Ohne Streit verschwand Mißbrauch auf
Mißbrauch. Eine geringe Minorität des repräsentativen Körpers wünschte
die Sternkammer und die Hohe Commission beizubehalten; aber
eingeschüchtert durch die Begeisterung und das numerische Übergewicht
der Reformer begnügte sie sich, im Stillen den Verlust von Institutionen
zu beklagen, die mit irgend einer Aussicht auf Erfolg sich offen nicht
vertheidigen ließen. Die Royalisten fanden es in einer spätern Zeit für
zweckmäßig, den Ursprung der zwischen ihnen und ihren Gegnern
eingetretenen Spaltung weiter hinauszuverlegen, und die Akte, die dem
Könige das Auflösen oder Vertagen des Parlamentes verbietet, die Akte
über die dreijährige Frist zwischen zwei Parlamenten, sowie die Anklage
der Minister und den Antrag auf Straffords Verurtheilung, jener Faktion
beizumessen, die später gegen den König Krieg führte. Ein unredlicherer
Kunstgriff läßt sich nicht denken. Die eifrigste Förderung dieser
strengen Maßregel war von Männern ausgegangen, die später unter den
Cavalieren in erster Reihe standen. Kein Republikaner hätte härter über
Karls so lange schlecht verwaltete Regierung gesprochen, als Colepepper,
und die merkwürdigste Rede zu Gunsten der Dreijährigkeits-Akte hatte
Digby gehalten. Die Anklage des Lord Siegelbewahrers hatte Falkland
beantragt, und die Forderung, den Lord Statthalter in engem Gewahrsam zu
halten, war an den Schranken des Lords von Hyde gestellt. Erst dann, als
das Gesetz in Betreff der Verurtheilung Strafford's vorgeschlagen wurde,
ließen sich die Zeichen einer ernsten Uneinigkeit erkennen und selbst
gegen dieses Gesetz, das nichts als die äußerste Nothwendigkeit
rechtfertigen konnte, stimmten etwa sechzig Mitglieder des Hauses der
Gemeinen. Es ist gewiß, daß Hyde nicht bei der Minorität war, und daß
Falkland nicht nur mit der Majorität stimmte, sondern auch kräftig zu
Gunsten der Bill sprach. Selbst die kleine Anzahl, die Zweifel darüber
hegte, ob eine die Todesstrafe aussprechende Verfügung rückwirkend sein
könne, hielten es für nöthig gegen Straffords Charakter und Verwaltung
den größten Abscheu auszudrücken.

Unter dieser scheinbaren Einmüthigkeit verbarg sich indeß ein großes
Schisma, und als im October 1641 das Parlament nach kurzen Ferien wieder
zusammentrat, standen zwei Parteien einander feindlich gegenüber, dem
Wesen nach dieselben, die unter verschiedenen Namen seitdem stets um die
Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gestritten haben und noch
streiten. Man bezeichnete sie einige Jahre hindurch mit den Namen:
Cavaliere und Rundköpfe; später nannte man sie Tories und Whigs, und wie
es scheint, werden diese letztern Namen sobald nicht veralten.

Auf jede dieser berühmten Faktionen eine Schmähschrift oder eine Lobrede
zu verfassen, würde nicht schwer sein, denn Jeder, der noch einigermaßen
urtheilsfähig und redlich ist, muß eingestehen, daß dem Rufe der Partei,
der er angehört, nicht zu vertilgende Flecken ankleben und daß seine
Gegenpartei sich vieler ausgezeichneten Namen, vieler heroischen Thaten
und vieler großen, dem Staate geleisteten Dienste rühmen kann. Die
Wahrheit ist, daß England beider Parteien, obgleich sie sich oft
bedeutend geirrt, nicht hätte entbehren können. Wenn wir in den
Institutionen desselben Freiheit und Ordnung mit den aus Neuerung und
Verjährung entspringenden Vortheilen bis zu einem Umfange vereinigt
finden, der andernorts unbekannt ist, so können wir diese glückliche
Eigenthümlichkeit den heftigen Kämpfen und den abwechselnden Siegen
zweier wetteifernden Verbindungen von Staatsmännern zuschreiben: der
einen, die für Autorität und Alterthum, der andern, die für Freiheit und
Fortschritt eiferte.

Man darf den Umstand nicht übersehen, daß der Unterschied zwischen den
beiden Hauptabtheilungen englischer Politiker stets mehr ein Unterschied
des Grades als des Grundsatzes gewesen ist. Gewisse Grenzen, zur Rechten
wie zur Linken, wurden sehr selten überschritten. Eine kleine Anzahl
Enthusiasten auf der einen Seite hätte bereitwillig alle unsere Rechte
und Freiheiten dem Könige zu Füßen gelegt; auf der andern Seite gab es
ebenfalls einzelne Enthusiasten, die gern ihr Lieblingsphantom, das
einer Republik, durch endlose Bürgerkriege verfolgt hätten. Aber die
große Mehrzahl der Anhänger der Krone war dem Despotismus nicht
zugethan, und die große Mehrzahl der Kämpfer für die Volksrechte wollte
die Anarchie nicht. Im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts stellten beide
Parteien zweimal den gegenseitigen Kampf ein, um ihre Kräfte zur
Durchführung einer gemeinschaftlichen Sache zu vereinigen. Ihre erste
Vereinigung stellte die erbliche Monarchie wieder her; ihre zweite
rettete die verfassungsmäßige Freiheit.

Ferner muß bemerkt werden, daß diese Parteien nie die ganze Nation
umfaßt, und daß selbst beide zusammen nie eine Mehrzahl von der Nation
gebildet haben; stets befand sich zwischen ihnen eine große Masse,
die nicht beständig einer oder der andern anhing, und bald in träger
Neutralität verharrte, bald hin und her schwankte. Diese Masse ist in
wenigen Jahren mehr als einmal von einem Extreme zu dem andern, und dann
wieder zurück gegangen. Mitunter wechselte sie ihre Parteistellung nur
deshalb, weil sie stets dieselben Männer zu unterstützen müde war;
mitunter, weil sie vor ihrem eigenen Zuweitgehen erschrak, und nicht
selten auch, weil sie Unmöglichkeiten erwartet hatte und sich getäuscht
sah. Neigte sie sich aber mit ihrem ganzen Gewicht nach der einen oder
andern Richtung hin, war ein Widerstand für diese Zeit unmöglich.

Bei dem ersten Auftreten der rivalisirenden Parteien in bestimmter
Gestalt schienen ihre Kräfte ziemlich gleich vertheilt zu sein. Auf der
Seite der Regierung stand eine große Mehrzahl des Adels und jener
reichen Gentlemen aus guter Familie, denen, um adelig zu sein, nichts
fehlte als der Name; diese bildeten mit ihren Anhängern, über deren
Beistand sie bestimmen konnten, eine nicht unbedeutende Macht im Staate.
Auf derselben Seite standen der ganze Clerus, beide Universitäten und
jene Laien alle, die fest der bischöflichen Regierung und dem
anglikanischen Ritual anhingen. Diesen achtbaren Klassen hatten sich
einige Bundesgenossen von minderer Bedeutung angeschlossen. Alle,
die aus dem Vergnügen ein Geschäft machten, oder durch Galanterie,
Kleiderprunk und Geschmack an den leichten Künsten sich hervorthun
wollten, veranlaßte die puritanische Strenge, zu der Partei des Königs
zu treten. Mit diesen gingen nun wiederum alle diejenigen, die davon
lebten, Andern Zeitvertreib zu schaffen; der Maler, der komische
Dichter, der Seiltänzer und der Possenreißer (lustige Andreas). Diese
Künstler wußten recht gut, daß sie nur unter einem stolzen und üppigen
Despotismus gedeihen konnten, unter der strengen Herrschaft der
Rigoristen aber Hunger leiden mußten. Dasselbe Interesse leitete alle
Katholiken. Die Königin, eine Tochter Frankreichs, bekannte sich zu
ihrem Glauben; von dem Gemahle derselben wußte man, daß er seine Gattin
eben so sehr liebte, als er sie fürchtete, und daß er, obgleich
unbezweifelt Protestant aus Überzeugung, dennoch die Bekenner der alten
Religion nicht mit Abneigung betrachtete, sondern ihnen gern eine
größere Duldung gewährte, als er den Presbyterianern zu bewilligen
bereit war. Wenn die Opposition den Sieg davon trug, so wären
wahrscheinlich die unter der Regierung Elisabeths erlassenen Blutgesetze
streng geübt worden; die Römisch-Katholischen hatten daher die
triftigsten Gründe, sich der Sache des Hofes zuzuwenden. Verfuhren sie
im Allgemeinen auch mit einer Vorsicht, durch die sie den Vorwurf der
Feigheit und Lauheit auf sich zogen, so ist es dennoch wahrscheinlich,
daß sie bei dieser großen Zurückhaltung nicht minder das Interesse des
Königs als ihr eigenes im Auge hatten, und es wäre wahrlich nicht
heilbringend für ihn gewesen, wenn sie sich unter seinen Freunden
besonders bemerkbar gemacht hätten.

Die Opposition fand ihre Hauptstärke in den kleinen Freisassen auf dem
Lande und den Krämern der Städte; aber diese wurden von einer zu
fürchtenden Minorität der Aristokratie geleitet, zu der die reichen und
mächtigen Grafen von Northumberland, Bedford, Warwick, Stamford und
Essex gehörten. In denselben Reihen befanden sich sämmtliche
protestantischen Nonconformisten und die mehrsten derjenigen Mitglieder
der Staatskirche, die noch immer an den calvinistischen Meinungen
hingen, welche die Prälaten und die niedere Geistlichkeit vor vierzig
Jahren allgemein getheilt hatten. Auch die städtischen Corporationen
standen, mit geringen Ausnahmen, auf Seite derselben Partei. In dem
Hause der Gemeinen hatte die Opposition das Übergewicht, jedoch ein
nicht entschiedenes.

Keiner der beiden Parteien fehlte es für die Maßregeln, die sie
ergriffen zu sehen wünschten, an triftigen Gründen. Das Raisonnemenent
der aufgeklärtesten Royalisten kann in Folgendem zusammengefaßt werden:
»Es ist wahr, daß große Mißbräuche stattgefunden haben, aber sie sind
beseitigt. Es ist wahr, daß theure Rechte verletzt worden sind, aber man
hat ihnen wieder volle Geltung und neue Bürgschaften dafür gegeben. Man
hat zwar die Versammlungen der Reichsstände gegen alle frühern Gebräuche
und gegen den Geist der Verfassung elf Jahre lang ausgesetzt, jetzt aber
steht fest, daß in Zukunft nie drei Jahre ohne ein Parlament
verstreichen sollen. Die Sternkammer, die Hohe Commission und der Rath
von York haben uns gedrückt und ausgeplündert; diese verhaßten
Gerichtshöfe existiren nicht mehr. Der Lord Statthalter gedachte einen
Militairdespotismus einzuführen; er hat diesen Verrath mit seinem Kopfe
gebüßt. Der Primas befleckte unsern Gottesdienst mit papistischen
Gebräuchen und strafte die Zweifel unsers Gewissens mit papistischer
Grausamkeit; er erwartet im Tower das Urtheil seiner Pairs. Der Lord
Siegelbewahrer bestätigte einen Plan, nach dem das Eigenthum aller
Engländer der Gnade der Krone unterworfen werden sollte; er ist
beschimpft, zu Grunde gerichtet und gezwungen worden, Zuflucht in einem
fremden Lande zu suchen. Die Diener der Tyrannei haben ihre Verbrechen
gebüßt -- die Opfer der Tyrannei haben für ihre Leiden Entschädigung
erhalten. Es würde nicht weise sein, wollten wir unter diesen Umständen
ferner noch auf einem Verfahren beharren, das damals gerechtfertigt und
nothwendig war, als wir nach einem langen Zwischenraume wieder
zusammentraten und die ganze Verwaltung nur aus Mißbräuchen bestehend
vorfanden; jetzt müssen wir uns hüten, unsern Sieg über den Despotismus
nicht so weit zu verfolgen, daß wir der Anarchie anheimfallen. Die
schlechten Einrichtungen, unter denen das Vaterland noch vor Kurzem
seufzte, ohne gewaltige, die Grundlagen der Regierung erschütternde
Maßregeln zu beseitigen, stand nicht in unserer Macht; jetzt aber, da
diese Einrichtungen gestürzt sind, dürfen wir nicht zögern, dasselbe
Gebäude zu stützen, das zu zertrümmern noch vor kurzer Frist unsere
Pflicht war. Unsere Weisheit muß künftig darin bestehen, daß wir
mißtrauisch die Neuerungspläne in's Auge fassen und alle jene
Hoheitsrechte, die das Gesetz im Interesse des allgemeinen Besten dem
Souverain verliehen, vor Beeinträchtigung wahren.«

Dies waren die Ansichten der Männer, als deren Führer der vortreffliche
Falkland zu betrachten ist. Auf der andern Seite behaupteten nicht
geringer befähigte und redliche Männer mit nicht minder ernstem
Nachdrucke, daß die Bürgschaften für die Freiheiten des englischen
Volkes mehr scheinbare als wirkliche seien, und daß der Hof seine
Willkürpläne sofort wieder aufnehmen würde, wenn die Wachsamkeit der
Gemeinen nachließe. Es sei wahr, sagten Pym, Hollis und Hampden, daß
viele gute Gesetze erlassen wären, aber hätten diese Gesetze genügt, den
König zu beschränken, so würden seine Unterthanen nur wenig Ursache zu
Klagen über seine Verwaltung gehabt haben, und die neuen Gesetze,
meinten sie, hätten sicherlich keine geringere Autorität, als die Magna
Charta und die Bitte um Recht; aber weder die Magna Charta, wenn auch
durch die Verehrung geheiligt, die man ihr vier Jahrhunderte lang
gezollt, noch die Bitte um Recht, die Karl selbst nach reiflicher
Erwägung und aus wichtigen Gründen genehmigt, sei für den Schutz des
Volkes wirksam genug befunden worden. Erschlaffte nur einmal der Zügel
der Furcht, ließe man den Geist der Opposition nur einmal einschlummern,
so würden sich alle Bürgschaften für die englischen Freiheiten in eine
einzige auflösen, in das königliche Wort, und daß man diesem nicht viel
trauen dürfe, sei durch eine lange und bittere Erfahrung bewiesen.


[_Der irische Aufstand._] Noch beharrten beide Parteien in einer
feindseligen Vorsicht, noch hatten sie ihre Kraft nicht gemessen, als
eine Kunde anlangte, welche Beider Leidenschaften entflammte und Beide
in ihren Ansichten bestärkte. Es hatten nämlich die großen Häuptlinge
von Ulster, die sich bei Jakobs Regierungsantritte der königlichen
Autorität nach langem Kampfe gebeugt, der erniedrigenden Abhängigkeit
müde, sich gegen die englische Regierung verschworen, und waren des
Hochverraths für schuldig erklärt worden. Ihre unermeßlichen Besitzungen
fielen nun der Krone anheim und wurden bald von Tausenden englischer und
schottischer Auswanderer bevölkert. Die neuen Ansiedler überragten an
Civilisation und geistiger Bildung die Eingeborenen, und mißbrauchten
nicht selten diese Überlegenheit. Der Haß, den die Verschiedenheit des
Stammes erzeugt, ward durch die Verschiedenheit der Religion noch
vermehrt. Unter Wentworth's eiserner Herrschaft hatte sich zwar kaum ein
leises Murren vernehmen lassen; als aber dieser starke Druck aufgehoben,
als Schottland das Beispiel eines erfolgreichen Widerstandes geliefert,
und als England mit eigenen Zwistigkeiten zu thun hatte, da brach die
verhaltene Wuth der Iren in schrecklichen Gewaltthätigkeiten aus.
Die Eingeborenen erhoben sich gegen die Colonisten. Ein Krieg, dem
nationaler und religiöser Haß einen besonders furchtbaren Charakter
verliehen, verwüstete Ulster und breitete sich über die benachbarten
Provinzen aus. Das Schloß von Dublin hielt man kaum noch für sicher.
Jede Post brachte Gräuelberichte nach London, die, wenn sie auch nicht
übertrieben gewesen wären, dennoch Mitleid und Schrecken erregen mußten.
Diese bösen Botschaften nun entzündeten bis zum höchsten Grade den Eifer
der beiden großen Parteien, die in Westminster zum Kampfe gerüstet
einander gegenüber standen. Die Anhänger des Königs behaupteten, es sei
die Pflicht eines jeden guten Engländers und Protestanten, in einer
solchen Krise die Macht des Souveräns zu stärken; die Opposition dagegen
war der Ansicht, es lägen jetzt mehr als je triftige Gründe vor, ihm
Hindernisse und Schranken entgegenzusetzen. Die Gefahr des Gemeinwesens
war allerdings Grund genug, einem des Vertrauens würdigen Oberhaupte
ausgedehnte Gewalt zu verleihen; aber der Umstand, daß dieses Oberhaupt
dem Lande feindlich gesinnt war, gab einen eben so triftigen Grund
dafür, ihm die Macht zu entziehen. Eine große Armee aufzustellen, war
von jeher des Königs Hauptbestreben gewesen, und jetzt mußte ein solches
Heer gesammelt werden. War man nun nicht auf neue Bürgschaften bedacht,
so stand zu befürchten, daß die zur Bezwingung Irlands aufgestellten
Streitkräfte gegen die Freiheit Englands verwendet werden würden. Aber
auch dies war noch nicht Alles. Es hatte sich ein gräßlicher Verdacht,
wenn auch ungerecht, doch nicht ganz unnatürlich, vieler Gemüther
bemächtigt. Die Königin nämlich war eine erklärte Anhängerin der
römisch-katholischen Kirche; den König hielten die Puritaner, weil er
sie stets schonungslos verfolgt hatte, nicht für einen aufrichtigen
Protestanten, und seine Zweideutigkeit war so allgemein bekannt, daß es
keine Verrätherei mehr gab, deren seine Unterthanen, nur bei einigem
Anscheine von Grund, ihn nicht für fähig gehalten hätten. Leise tauchte
das Gerücht auf, der Aufstand der Römisch-Katholischen von Ulster sei
nichts als ein Theil eines großen Werkes der Finsterniß, daß man in
Whitehall vorbereitet habe.


[_Die Remonstration._] Am 22. November 1641 fand nach einem Vorspiele
von einigen Wochen der erste große parlamentarische Kampf zwischen den
Parteien statt, die seitdem stets um die Regierung der Nation gestritten
haben und noch darum streiten. Die Opposition stellte den Antrag, das
Haus der Gemeinen möge dem Könige eine Vorstellung übergeben, in der die
Fehler, die er seit seiner Thronbesteigung in der Verwaltung begangen,
aufgezählt würden, und die zugleich das Mißtrauen ausdrücke, mit dem das
Volk seine Politik betrachte. Dieselbe Versammlung, die noch vor wenig
Monaten einstimmig die Abschaffung der Mißbräuche gefordert hatte, war
jetzt in zwei heftig erbitterte Parteien von fast gleicher Stärke
getheilt. Nach einer mehrstündigen heißen Debatte ward die beantragte
Remonstration mit nur elf Stimmen angenommen.

Der conservativen Partei war das Ergebniß dieses Kampfes ungemein
günstig. Daß sie binnen kurzer Zeit das Übergewicht im Unterhause
erlangen würde, war unzweifelhaft, wenn nicht eine große Unbesonnenheit
es verhinderte. Des Oberhauses hatte sie sich schon bemächtigt; es
fehlte nichts zur völligen Sicherung ihres Erfolgs, als daß der König in
seinem ganzen Verhalten Achtung vor den Gesetzen und gewissenhafte Treue
gegen seine Unterthanen an den Tag legte.

Seine ersten Maßregeln versprachen Gutes. Wie es schien, hatte er die
Nothwendigkeit eines vollständigen Wechsels des Systems erkannt und sich
klüglich dem zugewendet, was nicht länger vermieden werden konnte. Offen
erklärte er seinen Entschluß, daß er in Übereinstimmung mit den Gemeinen
regieren und deshalb nur Männer zu seinen Räthen wählen wolle, in deren
Fähigkeiten und Charakter sie volles Vertrauen setzten. Und diese Wahl
fiel auch wirklich nicht übel aus. Falkland, Hyde und Colepepper, drei
Männer, die sich durch den Eifer für Abstellung von Mißbräuchen und
Bestrafung schlechter Minister hervorgethan, wurden eingeladen, die
Stellung als vertraute Räthe der Krone einzunehmen, und sie erhielten
auch von Karl die feierliche Versicherung, daß er ohne ihr Mitwissen
keinen Schritt unternehmen wolle, der in irgend einer Weise das
Unterhaus verletze.

Hätte er dieses Versprechen gehalten, so würde ohne allen Zweifel die
Reaktion, die bereits im Fortschreiten begriffen, bald so stark geworden
sein, als es die besten Royalisten nur immer wünschen konnten. Die
heftigen Mitglieder der Opposition begannen schon an dem glücklichen
Erfolge ihrer Partei zu verzweifeln, für ihre eigene Sicherheit zu
fürchten und von dem Verkaufen ihrer Güter und der Übersiedelung nach
Amerika zu sprechen. Daß die helle Aussicht, die sich dem Könige bereits
eröffnet, sich plötzlich verdunkelte, daß sein Leben durch
Widerwärtigkeit getrübt und endlich gewaltsam verkürzt wurde, ist nur
seiner eigenen Treulosigkeit und Verhöhnung der Gesetze beizumessen.

Daß er beide Parteien, in die das Haus der Gemeinen sich theilte, haßte,
ist wahrscheinlich, und man kann sich darüber nicht wundern, denn in
beiden Parteien waren Freiheits- und Ordnungsliebe, wenn auch in
verschiedenen Verhältnissen, stets gemischt vorhanden. Die Rathgeber,
die zu berufen ihn die Nothwendigkeit gezwungen, waren durchaus nicht
Männer nach seinem Herzen; sie hatten an der Verurtheilung seiner
Tyrannei, an der Schmälerung seiner Macht und der Bestrafung seiner
Werkzeuge Theil genommen. Nun waren sie allerdings bereit, durch streng
gesetzliche Mittel seine streng gesetzlichen Rechte zu vertheidigen,
aber sie würden vor dem Gedanken zurückgeschaudert sein, Wentworths
Pläne des »Durch« wieder in Angriff zu nehmen. Aus diesem Grunde hielt
sie der König für Verräther, die sich nur durch den Grad ihrer
aufrührerischen Bosheit von Pym und Hampden unterschieden.


[_Anklage der fünf Mitglieder._] Einige Tage nach dem den Häuptern der
constitutionellen Royalisten geleisteten Versprechen, daß kein wichtiger
Schritt ohne ihr Mitwissen gethan werden solle, faßte er die
verhängnißvollste Entschließung seines ganzen Lebens, verbarg sie ihnen
sorgfältig und brachte sie in einer Weise zur Ausführung, die sie mit
Scham und Schrecken erfüllte. Er gab dem Kronanwalt Auftrag, Pym,
Hollis, Hampden und andere Mitglieder des Hauses der Gemeinen vor den
Schranken des Hauses der Lords als Hochverräther anzuklagen. Noch nicht
zufrieden mit dieser schweren Verletzung der Magna Charta und des
ununterbrochenen Gebrauchs von Jahrhunderten, erschien er in
Person, unter Begleitung von Bewaffneten, um in den Mauern des
Parlamentsgebäudes selbst die Führer der Opposition zu verhaften.

Der Versuch mißlang, denn die angeklagten Mitglieder hatten kurz vor
Karls Erscheinen das Haus verlassen. Sowohl im Parlamente als im Lande
folgte nun ein plötzlicher und heftiger Umschwung der Stimmung. Die
gelindeste Ansicht, welche die parteilichsten Verfechter des Königs über
sein Verhalten bei dieser Gelegenheit je gehegt haben, ist die, daß er
schwach genug gewesen sei, sich von den schlechten Rathschlägen seiner
Frau und seiner Höflinge zu einer unerhörten Unbesonnenheit hinreißen zu
lassen. Die allgemeine Stimme aber klagte ihn laut eines weit schwerern
Vergehens an. In demselben Augenblicke, in dem seine Unterthanen, lange
durch seine schlechte Verwaltung ihm entfremdet, mit Gefühlen des
Vertrauens und der Liebe zu ihm zurückkehren wollten, führte er einen
tödtlichen Streich auf ihre theuersten Rechte, auf die Vorrechte des
Parlaments, überhaupt auf das ganze Prinzip der Geschwornengerichte, und
zeigte, daß er eine Opposition gegen seine Willkürpläne für eine nur
durch Blut zu sühnende Schuld betrachte. Er war nicht nur seinem großen
Rathe und seinem Volke, sondern auch seinen eigenen Anhängern untreu
geworden, und hatte einen Schritt zu thun gewagt, der wahrscheinlich
einen blutigen Kampf an dem Stuhle des Sprechers hervorgerufen haben
würde, wenn ihn ein unvorhergesehener Zufall nicht verhindert hätte. Es
fühlten jetzt die einflußreichsten Männer im Unterhause, daß nicht nur
ihre Macht und Popularität, sondern auch ihre Güter und Köpfe von dem
Ausgange des Kampfes, in den sie verwickelt waren, abhingen. Der
gesunkene Eifer der dem Hofe entgegenstehenden Partei erhob sich
plötzlich wieder zu neuem Leben. Die ganze Nacht, die auf den Frevel
folgte, stand die City von London unter Waffen. Die der Hauptstadt
zuführenden Straßen waren nach wenig Stunden schon mit Schaaren von
Freisassen bedeckt, welche mit den Zeichen der Parlamentssache an den
Hüten nach Westminster eilten. Die Opposition im Hause der
Gemeinen wurde plötzlich unwiderstehlich und setzte, bei einem
Stimmenverhältnisse von mehr als zwei gegen eine, Beschlüsse von
beispielloser Heftigkeit durch. Die Wache in Westminsterhall wurde von
starken Abtheilungen der Landmiliz besetzt und regelmäßig abgelös't.
Eine wüthende Menge belagerte täglich die Thüren des königlichen
Palastes, ihre Schmähungen und Flüche drangen bis in das Audienzgemach,
und die Hofdiener konnten den Andrang kaum von den königlichen Zimmern
abhalten. Wäre Karl noch länger in der stürmisch aufgeregten Hauptstadt
geblieben, die Gemeinen würden wahrscheinlich einen neuen Vorwand
gefunden haben, um ihn, unter Beobachtung äußerer Formen der
Ehrerbietung, zum Staatsgefangenen zu machen.


[_Karls Abreise von London._] Er verließ London, um nicht eher dorthin
zurückzukehren, bis der Tag einer furchtbaren und denkwürdigen
Abrechnung gekommen war. Es begann eine Unterhandlung, die mehrere
Monate dauerte. Anklagen und Gegenanklagen wechselten zwischen den
streitenden Parteien; jede friedliche Schlichtung war unmöglich
geworden. Auch den König ereilte endlich die sichere Strafe, die den
steten Verrath treffen muß. Umsonst verpfändete er jetzt sein
königliches Wort, umsonst rief er den Himmel zum Zeugen der
Aufrichtigkeit seiner Versicherungen an; das Mißtrauen seiner Gegner war
weder durch Schwüre noch durch Verträge zu verbannen, denn sie hegten
die Überzeugung, daß ihre Sicherheit von seiner völligen Hilflosigkeit
abhinge, und aus diesem Grunde bestanden sie darauf, er solle nicht nur
auf die Vorrechte verzichten, die er sich durch die Verletzung alter
Gesetze und seiner eigenen noch kürzlich geleisteten Versprechen
angemaßt hatte, sondern auch auf andere, in deren Besitz die englischen
Könige seit undenklichen Zeiten waren und noch bis auf den heutigen Tag
sind. Es sollte ohne Zustimmung der Häuser kein Minister ernannt, kein
Pair gewählt werden, und vor Allem sollte der Souverain sich der
höchsten Militairgewalt entäußern, die seit einer Zeit, deren sich
niemand mehr erinnert, der königlichen Würde angehört hatte.

Daß Karl auf solche Forderungen eingehen würde, so lange er noch irgend
ein Widerstandsmittel besaß, ließ sich nicht erwarten; aber es würde
auch schwer sein, den Nachweis zu liefern, daß die Häuser mit Sicherheit
weniger hätten fordern können. Die große Mehrzahl der Nation hielt fest
an der erblichen Monarchie; der republikanisch Gesinnten waren nur noch
wenige, und diese wagten nicht, ihre Meinung laut auszusprechen. Die
Abschaffung des Königthums war daher eine Unmöglichkeit; aber zugleich
war es klar, daß man in den König kein Vertrauen setzen durfte. Es
hätten Diejenigen, die sein Streben nach ihrer Vernichtung aus jüngster
Erfahrung kannten, widersinnig gehandelt, wenn sie sich damit begnügt
hätten, ihm eine andere Bitte um Recht einzureichen, und von ihm neue,
denen ähnliche Versprechungen anzunehmen, die er wiederholt gegeben und
nicht gehalten hatte. Nur der Mangel einer Armee hatte ihn verhindert,
die alte Reichsverfassung völlig umzustürzen. Die Wiedereroberung
Irlands hatte die Aufstellung einer großen regelmäßigen Armee nöthig
gemacht, es wäre daher reiner Wahnsinn gewesen, hätte man die volle
Militairgewalt, wie sie seine Vorfahren besaßen, in seinen Händen lassen
wollen.

Befindet sich ein Land in der Lage, in der sich damals England befand,
wird das königliche Amt mit Liebe und Verehrung, aber die dasselbe
verwaltende Person mit Haß und Mißtrauen betrachtet, so sollte man
meinen, daß der einzuschlagende Ausweg nicht fern läge: die Würde des
Amtes aufrecht zu halten, und die Person zu beseitigen. Diesen Weg
wählten unsere Vorfahren 1399 und 1689. Hätte im Jahre 1642 ein Mann
gelebt, der eine Stellung wie Heinrich von Lancaster zur Zeit der
Entthronung Richards II., oder wie der Prinz von Oranien zur Zeit der
Thronentsetzung Jakobs II. einnahm, so ließe sich annehmen, daß die
Häuser die Dynastie gewechselt, aber keine förmliche Veränderung der
Verfassung ausgeführt haben würden, und der neue König, durch ihre Wahl
zu dem Throne berufen und abhängig von ihrer Unterstützung, hätte
nothwendig in Übereinstimmung mit ihren Wünschen und Ansichten regieren
müssen. Aber die Partei des Parlaments zählte keinen Prinzen von
königlichem Geblüte zu ihren Anhängern, und wenn sie auch Männer von
hohem Range und ausgezeichneten Fähigkeiten besaß, so war doch keiner
unter ihnen, der die übrigen dergestalt überragte, daß man ihn als
Throncandidaten aufstellen konnte. Da es einen König geben mußte, und
ein neuer nicht zu finden war, so stellte sich die Nothwendigkeit
heraus, Karl den königlichen Titel zu belassen, und es blieb nur der
eine Ausweg übrig, den Titel von den Hoheitsrechten zu trennen.

Schien auch die Änderung, welche die Häuser an unsern Institutionen
vorzunehmen beschlossen, eine weitumfassende, als man sie genau in
Vertragsartikel geordnet hatte; so ging sie doch in der That um nicht
viel weiter als jene Änderung, welche in der nächsten Generation die
Revolution hervorbrachte. Der Souverain ward in der Revolution
allerdings nicht durch ein Gesetz der Macht beraubt, seine Minister zu
wählen; aber es steht auch fest, daß es seit der Revolution keinem
Minister möglich war, länger als sechs Monate im Amte zu bleiben, wenn
das Haus der Gemeinen widersprach. Der Souverain hat zwar noch immer die
Gewalt Pairs zu ernennen, und die noch viel wichtigere des Schwertes;
aber er ist seit der Revolution bei Ausübung dieser Gewalten stets von
Räthen umgeben gewesen, die das Vertrauen der Volksvertreter besaßen.
Die Führer der Rundköpfe vom Jahre 1642 und die Staatsmänner, die
vielleicht ein halbes Jahrhundert später die Revolution hervorriefen,
verfolgten in der That genau dasselbe Ziel, und dieses Ziel war, den
Streit zwischen der Krone und dem Parlamente dadurch zu Ende zu bringen,
daß man dem Letztern die Oberaufsicht über die executive Verwaltung
zuertheilte. Die Staatsmänner der Revolution bewirkten dies indirekt
durch einen Dynastie-Wechsel. Die Rundköpfe von 1642 mußten einen
direkten Weg zum Ziele einschlagen, da sie den Dynastie-Wechsel nicht
bewirken konnten.

Es darf uns jedoch nicht befremden, wenn die Forderungen der Opposition,
die eine vollständige und förmliche Übertragung aller der Krone bisher
angehörigen Befugnisse auf das Parlament umfaßten, jene große Partei
abschreckten, deren charakteristische Merkmale Achtung vor gesetzlicher
Autorität und Furcht vor gewaltsamen Neuerungen waren. Diese Partei
hatte noch kürzlich die Hoffnung gehegt, die Erlangung des Übergewichts
in dem Hause der Gemeinen durch friedliche Mittel zu bewirken; in dieser
Hoffnung aber war sie getäuscht. Karl hatte durch seine Treulosigkeit
die alten Feinde unversöhnlich gemacht, eine Anzahl gemäßigter und im
Übertritte zu ihm begriffener Männer in die Reihen der Mißvergnügten
zurückgetrieben, und seine besten Freunde so tief gekränkt, daß sie sich
eine Zeit lang beschämt und entrüstet zurückzogen. Jetzt aber mußten die
constitutionellen Royalisten unter zwei Gefahren wählen, und sie hielten
es für Pflicht, eher zu einem Fürsten zu stehen, dessen bisheriges
Verfahren sie verabscheuten und dessen Worten sie wenig Vertrauen
schenkten, als eine Entwürdigung des königlichen Amtes und eine völlige
Umgestaltung der Reichsverfassung zu dulden. Mit diesen Gefühlen traten
viele Männer, deren Tugenden und Fähigkeiten einer jeden Sache zur Ehre
gereicht haben würden, auf die Seite des Königs.


[_Anfang des Bürgerkriegs._] Im August 1642 griff man endlich zum
Schwerte, und fast in jeder Grafschaft des Königreichs standen zwei
bewaffnete Parteien einander feindlich gegenüber. Welche von den
streitenden Parteien anfangs die furchtbarste war, läßt sich schwer
bestimmen. Die Häuser geboten über London und die umliegenden
Grafschaften, über die Flotte, die Themseschifffahrt und die meisten
großen Städte und Seehäfen; fast alle Kriegsvorräthe im Königreiche
standen zu ihrer Verfügung, so daß sie Zölle sowohl von Waaren, aus
fremden Ländern eingeführt, als auch von einigen wichtigen Erzeugnissen
inländischer Industrie erheben konnten. Der König war mit Artillerie und
Munition schlecht versehen. Die Steuern, welche er aus den von seinen
Truppen besetzten Landbezirken zog, lieferten einen weit geringern
Ertrag, als der, den das Parlament allein aus der City von London erhob.
Zwar ist es nicht zu läugnen, daß die Freigebigkeit seiner reichen
Anhänger ihn mit Geldmitteln unterstützte, daß viele von ihnen ihr
Grundeigenthum mit Schulden belasteten, ihre Juwelen verpfändeten und
ihre silbernen Geräthe und Taufbecken zu Gelde machten, um ihm zu
helfen; allein die Erfahrung hat vollständig bewiesen, daß die
freiwillige Aufopferung Einzelner, selbst in den Zeiten der größten
Aufregung, gegen eine strenge regelmäßige Besteuerung, die willige und
zähe Zahler zugleich drückt, nur eine dürftige finanzielle Hilfsquelle
ist.

Karl besaß jedoch einen Vortheil, der nicht nur den Mangel an Vorräthen
und Geld mehr als aufgewogen haben würde, wenn er ihn gut benützt hätte,
sondern ihm auch, ungeachtet der schlechten Führung, einige Monate lang
die Überlegenheit im Kriege gab. Seine Truppen kämpften anfangs viel
besser, als die des Parlaments. Bestanden auch beide Armeen fast nur aus
Leuten, die nie ein Schlachtfeld gesehen hatten, so war dennoch der
Unterschied ein großer. In den Reihen der Parlamentstruppen standen eine
Menge Miethlinge, die Mangel und Müßiggang bewogen hatten, sich anwerben
zu lassen. Hampdens Regiment hielt man für eins der Besten; aber selbst
dieses Regiment schildert Cromwell nur als eine zusammengelaufene Bande
von unbeschäftigten Kellnern und Bedienten. Die Armee des Königs dagegen
bestand größtentheils aus muthigen, begeisterten Gentlemen, gewohnt, den
Tod der Schande vorzuziehen, im Fechten und im Gebrauche der Feuerwaffe
geübt, als kecke Reiter vertraut mit der männlichen und gefahrvollen
Lust der Jagd, die man passend ein Bild des Krieges genannt hat. Solche
Männer, ihre Leibrosse unter sich und kleine Schaaren kommandirend, die
aus ihren jüngern Brüdern, ihren Stallknechten, Wildhütern und Jägern
zusammengestellt waren, zeigten sich schon am ersten Tage des Feldzugs
befähigt, in einem Gefecht mit Ehren zu bestehen. Zwar brachten es diese
tapfern Freiwilligen nie zu der Ausdauer, dem pünktlichen Gehorsam und
der maschinenmäßigen Präzision in den Bewegungen, die den regulären
Soldaten eigen sind; aber man stellte sie anfangs Feinden entgegen, die
eben so undisziplinirt wie sie, und bei weitem nicht so unternehmend,
stark und beherzt waren. Aus diesem Grunde fochten die Cavaliere eine
Zeit lang fast immer mit Glück.

Auch in der Wahl eines Generals war das Parlament unglücklich gewesen.
Der Rang und Reichthum des Grafen Essex machten ihn zu einem der
bedeutendsten Glieder der Parlamentspartei. Er hatte ruhmvoll auf dem
Continente gefochten, und bei dem Beginne des Krieges ward er als
Militair so hoch geachtet, wie nur irgend ein Mann im Lande; aber bald
zeigte es sich, daß er dem Posten des Oberbefehlshabers nicht gewachsen
war. Er hatte wenig Energie und durchaus keinen erfinderischen Geist, so
daß ihn die im pfälzischen Kriege erlernte regelmäßige Taktik nicht vor
dem Schimpfe bewahrte, sich von einem Anführer wie Ruprecht, der keinen
höhern Ruhm als den eines kühnen Parteigängers beanspruchen konnte,
überrumpeln und zersprengen zu lassen.

Ebenso wenig waren die Offiziere, denen man unter Essex die Hauptposten
anvertraut hatte, geeignet, das zu ersetzen, was ihm fehlte. Das
Parlament kann man dafür nicht verantwortlich machen. In einem Reiche,
in dem seit Menschengedenken kein großer Landkrieg geführt war, suchte
man vergebens nach Generalen von erprobter Kunst und Tapferkeit, mußte
daher anfangs unerprobten Männern vertrauen und gab natürlich von diesen
denen den Vorzug, die sich entweder durch ihre Stellung, oder durch ihre
im Parlamente entwickelten Fähigkeiten hervorgethan hatten. Aber auch
nicht eine einzige Wahl war eine glückliche zu nennen; weder die großen
Herren noch die großen Redner zeigten sich als gute Soldaten. Der Graf
von Stamford, einer der bedeutendsten Männer des hohen Adels, ward bei
Stratton von den Royalisten geschlagen; Nathaniel Fiennes, der an
Fähigkeiten in bürgerlichen Angelegenheiten keinem seiner Zeitgenossen
nachstand, bedeckte sich durch die kleinmüthige Übergabe von Bristol mit
Schmach. Von allen Staatsmännern, die in jener Zeit hohe Militairposten
empfingen, scheint Hampden allein auch im Felde die Fähigkeit und
Energie gezeigt zu haben, durch die er sich in der Politik auszeichnete.


[_Erfolge der Royalisten._] Nach Verlauf eines Jahres waren alle
Kriegsvortheile entschieden auf Seiten der Royalisten. In den westlichen
und nördlichen Grafschaften hatten sie gesiegt, sie hatten dem
Parlamente Bristol, die zweite Stadt des Königreichs, entrissen, und
mehrere Schlachten gewonnen, ohne eine einzige ernste oder schimpfliche
Niederlage zu erleiden. Unter den Rundköpfen dagegen begann das
Mißgeschick Uneinigkeit und Unzufriedenheit hervorzurufen; das Parlament
ward bald durch Komplote, bald durch Tumulte in einer steten Aufregung
erhalten, so daß man es für nöthig erachtete, London gegen die
königliche Armee zu befestigen, und einige mißvergnügte Bürger an ihren
eigenen Hausthüren aufzuhängen. Mehrere der bekanntesten Pairs, die bis
dahin zu Westminster geblieben waren, flüchteten an den Hof, damals zu
Oxford, und unbezweifelt würde Karl im Triumphe nach Whitehall marschirt
sein, wenn zu dieser Zeit die Operationen der Cavaliere durch
scharfsinnige und energische Köpfe geleitet worden wären.

Aber der König ließ den günstigen Augenblick vorübergehen, und dieser
Augenblick kam nie wieder. Im August 1643 belagerte er die Stadt
Gloucester, die von den Einwohnern und der Garnison mit einer
Hartnäckigkeit vertheidigt ward, wie sie die Anhänger des Parlamentes
seit dem Beginn des Krieges nicht gezeigt hatten. Dieses Beispiel
erweckte den Eifer Londons, und die Miliz der City erklärte sich bereit,
nach allen Orten zu gehen, wo man ihrer Dienste bedürfe. Man sammelte
schnell eine beträchtliche Streitmacht, und ließ sie nach dem Westen
ausrücken. Man entsetzte Gloucester. In allen Theilen des Königreichs
verloren die Royalisten den Muth, die Parlamentspartei ward von neuem
begeistert, und die abtrünnigen Lords, welche jüngst von Westminster
nach Oxford geflohen waren, kehrten eilig von Oxford nach Westminster
zurück.


[_Erstehen der Independenten._] Neue beunruhigende Symptome zeigten
sich nun in dem kranken Staatskörper. Von Anfang an hatte die
Parlamentspartei Männer gehabt, die Pläne zu verwirklichen suchten, vor
denen die Mehrzahl dieser Partei zurückgebebt wäre. Diese Männer waren
Independenten in religiöser Beziehung. Sie waren der Ansicht, jede
christliche Gemeinde sei nach Christus die höchste Gerichtsstelle in
geistlichen Angelegenheiten, Berufungen an Provinzial- und
National-Synoden seien der heiligen Schrift eben so sehr entgegen, als
Berufungen an den erzbischöflichen Gerichtshof oder den Vatican, und
Papstthum, Prälatur und Presbyterianismus seien nur drei Formen einer
und derselben großen Apostasie. In der Politik waren die Independenten,
um sie mit der Benennung ihrer Zeit zu bezeichnen, Wurzel- und
Zweig-Männer, oder, um einen verwandten Ausdruck unserer Zeit
anzuwenden, Radicale. Mit der Beschränkung der Macht des Monarchen nicht
zufrieden, wollten sie auf den Trümmern des alten englischen Staats eine
Republik errichten. An Zahl wie an Einfluß waren sie anfangs zwar
unbedeutend gewesen, aber bevor noch der Krieg zwei Jahre gedauert,
hatten sie sich, wenn auch nicht zu der größten, doch zu der mächtigsten
Partei im Lande ausgebildet. Die alten parlamentarischen Führer hatte
theils der Tod geraubt, theils hatten sie selbst das öffentliche
Vertrauen verscherzt. Pym war mit fürstlichen Ehren neben den
Plantagenets zur Gruft bestattet; Hampden war seiner würdig gefallen,
indem er bei einem vergeblichen Versuche, den kühnen Reitern Ruprechts
standzuhalten, seinen Leuten ein heldenmüthiges Beispiel geben wollte;
Bedford war der Sache untreu geworden; Northumberland war als ein lauer
Anhänger bekannt, und Essex sammt seinen Unterbefehlshabern hatte wenig
Kraft und Befähigung zur Leitung der Kriegsoperationen bewiesen. Unter
diesen Umständen begann die feurige, entschlossene und hartnäckige
Independenten-Partei sowohl im Lager als im Hause der Gemeinen ihr Haupt
zu erheben.


[_Oliver Cromwell._] Die Seele dieser Partei war Oliver Cromwell. Er war
zu friedlichen Beschäftigungen erzogen, hatte aber doch, schon über
vierzig Jahre alt, eine Stelle in der Parlamentsarmee angenommen. Kaum
Soldat geworden, erkannte er mit dem hellen Blicke des Genie's, was
Essex und Genossen, trotz aller ihrer Erfahrung, nicht erkannt hatten.
Ihm ward sofort klar, worin die Stärke der Royalisten bestand, und
welche Mittel zur Bewältigung derselben anzuwenden seien. Er erkannte,
daß eine Reorganisation des Parlamentsheeres nothwendig, und daß zu
diesem Zwecke reiches und vortreffliches Material vorhanden sei, wenn
auch nicht so glänzendes, aber doch zuverlässigeres als das, aus dem die
tapfern Schwadronen des Königs gebildet waren. Es mußten Rekruten
beschafft werden, die nicht nur als Miethlinge dienten, sondern aus
anständigen Lebensverhältnissen kamen, und einen ernsten Charakter,
Gottesfurcht und Eifer für die öffentliche Freiheit besaßen. Solche
Männer stellte er in die Reihen seines eigenen Regimentes, und indem er
sie einer strengen, bis dahin in England unbekannten Disziplin
unterwarf, wirkte er zugleich durch Reizmittel von außerordentlicher
Kraft auf ihre geistige und sittliche Natur.

Die Ereignisse des Jahres 1644 lieferten den vollständigen Beweis von
der Überlegenheit seines Geistes. Im Süden, unter Essex' Oberbefehl,
erlitten die Truppen des Parlaments eine schimpfliche Niederlage nach
der andern; im Norden aber ward durch den Sieg bei Marston Moor ein
reicher Ersatz für alles Das geboten, was andernorts verloren ging. Den
Royalisten war dieser Sieg kein härterer Schlag, als der Partei, die in
Westminster bis dahin das Übergewicht gehabt, denn man wußte allgemein,
daß die Energie Cromwells und der ausdauernde Muth der von ihm
gebildeten Truppen die Schlacht, welche die Presbyterianer schimpflich
verloren, wieder gewonnen hatten.


[_Selbstverleugnungsverordnung._] Die Selbstverleugnungsverordnung und
die neue Organisation der Armee waren Folgen dieser Begebenheiten. Essex
und die meisten derjenigen Männer, die unter ihm hohe Posten eingenommen
hatten, wurden unter schicklichen Vorwänden und mit allen Zeichen der
Achtung entlassen; die Führung des Kriegs ward andern Händen übergeben.
Fairfax, ein tapferer Soldat, aber ein Mann von mittelmäßigen
Fähigkeiten und unentschlossenem Charakter, wurde dem Namen nach
Generalissimus der Armee, Cromwell aber war das eigentliche Haupt
derselben.

Cromwell organisirte nun eilig die ganze Armee nach denselben
Grundsätzen, nach denen er die Organisation seines eigenen Regimentes
bewirkt hatte, und mit der Vollendung dieses Werkes war auch der Ausgang
des Krieges entschieden. Die Cavaliere standen nun einem natürlichen
Muthe gegenüber, der nicht geringer als ihr eigener war, einem höhern
Enthusiasmus, als sie selbst besaßen, und einer Disziplin, die ihnen
durchaus mangelte. Daß die Soldaten des Fairfax und Cromwell von anderer
Zucht seien, als die des Essex, wurde bald sprichwörtlich.


[_Sieg des Parlaments._] Der erste große Zusammenstoß der Royalisten und
der neuorganisirten Armee der beiden Häuser hatte bei Naseby statt; der
Sieg der Rundköpfe war vollständig und entscheidend, und andere Triumphe
reiheten sich ihm in kurzer Zeit an. Wenig Monate genügten, und die
Autorität des Parlaments war vollständig im ganzen Königreiche
hergestellt. Karl flüchtete zu den Schotten, und diese lieferten ihn
seinen englischen Unterthanen in einer Weise aus, die ihrem
Nationalcharakter wenig Ehre machte.

Noch war der Ausgang des Krieges zweifelhaft, und schon hatte das
Parlament den Primas hinrichten, den Gebrauch der Liturgie, soweit sich
seine Autorität erstreckte, verbieten lassen, und Jedermann
aufgefordert, jene berühmte Urkunde zu unterschreiben, die unter dem
Namen der feierlichen Ligue und des Covenants bekannt ist. Nach
beendigtem Kampfe ward das Werk der Neuerung und Rache mit erhöhtem
Eifer fortgesetzt. Man veränderte die Kirchenverfassung des Königreichs
und verjagte die meisten Mitglieder des alten Klerus aus ihren Pfründen.
Den Royalisten, die schon durch die dem Könige gewährten reichen
Unterstützungen verarmt waren, wurden so hohe Geldbußen auferlegt, daß
sie völlig zu Grunde gingen. Viele Güter wurden confiscirt und viele
geächtete Cavaliere fanden es gerathen, den Schutz einflußreicher
Mitglieder der siegenden Partei mit großen Kosten zu erkaufen.
Ausgedehnte Besitzungen der Krone, der Bischöfe und Kapitel zog man ein
und vergab sie entweder an Andere, oder verkaufte sie öffentlich, so daß
in Folge dieser Beraubungen ein großer Theil des Bodens von England auf
einmal feilgeboten wurde. Da nur wenig Geld vorhanden, der Markt
überfüllt, der Besitztitel unsicher und die Furcht vor mächtigen
Kauflustigen der freien Mitbewerbung hinderlich war, waren die Preise
oft nur dem Namen nach vorhanden. Spurlos verschwanden auf diese Weise
viele alte und ehrenwerthe Familien, und viele bis dahin unbekannte
Leute wurden in kurzer Zeit reich.

Während aber die Häuser in dieser Art ihre Autorität geltend machten,
ward sie plötzlich ihren Händen entrissen. Das Parlament hatte diese
Autorität dadurch erlangt, daß man eine Gewalt erschaffen, der keine
Schranken gesetzt werden konnten. Im Sommer 1647, nachdem ungefähr zwölf
Monate verflossen, seit der letzte feste Platz der Cavaliere sich dem
Parlamente ergeben, mußte das Parlament sich seinen eigenen Soldaten
unterwerfen.


[_Herrschaft und Charakter der Armee._] Nun folgte ein Zeitraum von
dreizehn Jahren, in dem England, wenn auch unter verschiedenen Namen und
Formen, in der That durch das Schwert regiert ward. Weder vor noch nach
dieser Zeit ist in unserm Vaterlande die bürgerliche Gewalt einer
Militairdictatur unterworfen gewesen.

Die Armee, die nun die Hauptmacht im Staate bildete, war von allen denen
sehr verschieden, die wir seitdem kennen gelernt haben. Die Löhnung des
gemeinen Soldaten ist jetzt der Art, daß sie nur die unterste Klasse der
Arbeiter Englands reizen kann, ihren Stand aufzugeben. Der Gemeine ist
von dem höhern Offizier durch eine fast unübersteigliche Schranke
getrennt. Von allen denen, die im Militairdienste avancirt sind, hat die
größere Mehrzahl die Stellen erkauft. Die entfernten Besitzungen
Englands sind so zahlreich und ausgedehnt, daß jeder in den Kriegsdienst
Eintretende fürchten muß, entweder viele Jahre im Exile, oder einige
Jahre unter Himmelsstrichen zu verleben, die auf Gesundheit und Kraft
eines Europäers nachtheilig einwirken. Die Armee des langen Parlaments
war für den Dienst im Inlande bestimmt; die Löhnung des gemeinen
Soldaten war bedeutend höher als der Lohn, den die große Masse des
Volkes durch Arbeit verdiente, und jeder, der sich durch Einsicht und
Tapferkeit auszeichnete, hatte Hoffnung auf höhere Stellungen. So kam
es, daß in den Reihen des Heeres Leute standen, die an Stand und Bildung
die große Masse überragten, nüchtern, sittlich, fleißig und zu denken
gewöhnt waren, Leute, die weder aus Hang zur Veränderung und
Zügellosigkeit, noch durch die Kniffe der Werbeoffiziere veranlaßt,
sondern aus religiösem und politischem Eifer und mit dem Streben nach
Auszeichnung und Beförderung die Waffen ergriffen hatten. Diese Soldaten
sprachen in ihren feierlichen Beschlüssen mit Stolz aus, daß sie weder
durch Zwang, noch aus Gewinnsucht Dienste genommen, daß sie nicht
Janitscharen seien, sondern freigeborene Engländer, die aus eigenem
Antriebe für die Freiheit und die Religion Englands ihr Leben
einsetzten, und deren Recht und Pflicht es wäre, die Wohlfahrt der
Nation, die sie gerettet hätten, zu bewachen.

Einem aus solchen Elementen hervorgegangenen Heere konnte man ohne
Nachtheil für die Wirksamkeit desselben einige Freiheiten nachsehen, die
bei andern Truppen alle Disziplin aufgelöst haben würden. Gewöhnlich
werfen Soldaten, die politische Klubs bilden, Abgeordnete erwählen und
Beschlüsse über wichtige politische Fragen fassen, jeden Zwang ab, hören
auf eine Armee zu sein und werden die schlechtesten und gefährlichsten
Pöbelhaufen. In unserer Zeit würde es nicht gerathen sein, religiöse
Zusammenkünfte in irgend einem Regimente zu gestatten, bei denen ein
Korporal, der in der Bibel belesen, die Andachtsübungen seines weniger
aufgeklärten Obersten leitete, oder einen vom Glauben abgefallenen Major
Zurechtweisungen ertheilte. Aber die Krieger, die Cromwell gebildet,
waren so einsichtsvoll, so ernst und so mächtig ihrer selbst, daß,
unbeschadet der militairischen Organisation, eine politische und
religiöse in ihrem Lager bestehen konnte. Leute, die außer dem Dienste
als Demagogen und als Prediger im freien Felde verrufen waren,
zeichneten sich durch Beharrlichkeit, Liebe zur Ordnung und durch
strengen Gehorsam sowohl auf der Wache und bei den Exercitien, als auf
dem Kampfplatze aus.

Im Kriege war dieser wunderbaren Armee nicht zu widerstehen. Das System
Cromwells hatte den unbeugsamen Muth, der dem englischen Volke eigen
ist, nicht nur geregelt, es feuerte ihn auch an. Andere Führer haben
eine eben so strenge Ordnung eingeflößt und ihren Leuten nicht minder
glühenden Eifer eingeflößt, aber nur in seinem Lager fand man strenge
Disziplin und feurigen Enthusiasmus gepaart Mit der Genauigkeit von
Maschinen, obgleich wie Kreuzfahrer fanatisirt, rückten seine Truppen
zum Siege. Von der Reorganisation bis zu seiner Auflösung hat das Heer
weder auf den britischen Inseln noch auf dem Festlande einen Feind
gefunden, der seinem Angriffe widerstehen konnte. In England,
Schottland, Irland und Flandern haben die puritanischen Soldaten, wenn
auch oft mit Schwierigkeiten und nicht selten gegen eine dreifach
überlegene Macht kämpfend, nicht nur stets den Sieg errungen, sie haben
auch jedes ihnen entgegenstehende Heer völlig geschlagen und vernichtet,
so daß sie zuletzt den Tag der Schlacht als einen Tag unfehlbaren Siegs
betrachteten und mit stolzer Zuversicht den berühmtesten Bataillonen
Europa's entgegenrückten. Turenne staunte über das wilde Jubelgeschrei,
mit dem seine englischen Verbündeten zum Kampfe gingen, und als er
erfuhr, daß die Lanzenträger Cromwells stets mit hoher Freude dem Feinde
in's Angesicht sähen, sprach er die höchste Zufriedenheit des wahren
Soldaten aus. Auch in den verbannten Cavalieren regte sich der
Nationalstolz, als sie eine Brigade ihrer Landsleute, von den Feinden an
Zahl überlegen und von ihren Verbündeten verlassen, die schönste
spanische Infanterie in wirrer Flucht vor sich hinjagen und den Weg zu
einer Schanze brechen sahen, die so eben erst die tüchtigsten Marschälle
von Frankreich für unüberwindlich erklärt hatten.

Aber die Hauptauszeichnung der Armee Cromwells vor andern Armeen waren
die strenge Moralität und Gottesfurcht, die sich in allen Reihen zeigte.
Selbst die eifrigsten Royalisten haben zugegeben, daß in diesem
seltsamen Lager nie ein Schwur gehört, nie Trunkenheit und Spiel
gesehen, und daß in der langen Zeit der Soldatenherrschaft das Eigenthum
friedlicher Bürger und die Ehre der Frauen stets heilig gehalten worden
sind. Die etwa vorkommenden Excesse waren von denen, die siegreiche
Armeen gewöhnlich auszuüben pflegen, sehr verschieden. Es hatte sich
keine Magd über rohe Galanterie der Rothröcke zu beklagen, und kein
Goldschmied, daß aus seinem Laden eine Unze Silber genommen sei; aber
eine pelagianische Predigt, oder ein Fenster, auf dem die Jungfrau mit
dem Kinde abgebildet war, regten die puritanischen Reihen dergestalt
auf, daß die Offiziere nur mit großer Anstrengung sie wieder beruhigen
konnten. Die Musketiere und Dragoner von gewaltsamen Angriffen auf die
Kanzeln der Geistlichen abzuhalten, deren Reden nicht, wie man sich zu
jener Zeit ausdrückte, schmackhaft waren, bot für Cromwell eine der
Hauptschwierigkeiten dar, und viele unserer Kathedralen tragen jetzt
noch die Zeichen des Hasses, mit dem jene strengen Geister auf jede Spur
des Papstthums blickten.


[_Unterdrückung der Aufstände gegen die Soldatenherrschaft._] Es war
selbst für diese Armee keine leichte Aufgabe, das englische Volk im
Zaume zu halten. Sobald die Nation, an eine solche Knechtung nicht
gewöhnt, den ersten Druck der militairischen Tyrannei fühlte, begann sie
einen heftigen Kampf dagegen. Selbst in den Grafschaften, die während
des letzten Krieges dem Parlamente die unterwürfigsten gewesen waren,
brachen Aufstände los. Das Parlament verabscheute in der That seine
alten Vertheidiger mehr als seine alten Feinde, und mit Karl auf
Unkosten der Truppen einen Vergleich zu schließen, war sein lebhaftester
Wunsch. In Schottland erstand zu derselben Zeit eine Koalition zwischen
den Royalisten und einer großen Zahl Presbyterianer, welche die Lehren
der Independenten verabscheuten. Bald kam der Sturm zum Ausbruch. In
Norfolk, Suffolk, Essex, Kent und Wales erfolgten Aufstände. Die
Themseflotte zog plötzlich die königliche Flagge auf, stach in See und
bedrohte die südliche Küste. Eine große schottische Heeresabtheilung
überschritt die Grenze und rückte bis nach Lancashire vor. Daß alle
diese Bewegungen von einem großen Theile der Lords und der Gemeinen mit
stillem Wohlgefallen betrachtet wurden, läßt sich nicht mit Unrecht
vermuthen.

Aber so war das Joch der Armee nicht abzuwerfen. Während Fairfax die
Erhebungen in der Umgebung der Hauptstadt niederdrückte, schlug Cromwell
die Insurgenten von Wales, zerstörte ihre festen Plätze und rückte gegen
die Schotten vor. Gegen die angreifenden Truppen waren die seinigen nur
gering an Zahl, aber er war nicht gewohnt, seine Feinde zu zählen. Die
schottische Armee ward völlig vernichtet. Nun erfolgte eine Veränderung
in der schottischen Regierung; in Edinburg setzte man eine dem Könige
feindliche Verwaltung ein, und Cromwell, mehr als je von seinen Soldaten
geliebt, kehrte triumphirend nach London zurück.


[_Verfahren gegen den König._] Nun bildete sich ein Plan zu einer festen
Form aus, den Niemand bei dem Beginne des Bürgerkrieges auch nur
anzudeuten gewagt haben würde und der mit der feierlichen Ligue und dem
Covenant eben so im Widerspruche stand, als mit den alten Gesetzen von
England. Seit mehrern Monaten hatten die finstern Krieger, welche die
Nation beherrschten, eine furchtbare Rache an dem gefangenen Könige
ersonnen. Wann und wie dieser Plan zuerst entstanden, ob er von dem
Generale in die Reihen der Soldaten, oder von diesen zu dem Generale
seinen Weg gefunden, ob er der Politik beizumessen ist, welche den
Fanatismus als ihr Werkzeug benutzte, oder dem Fanatismus, der die
Politik jäh mit sich fortriß, sind Fragen, die sich selbst heute noch
nicht mit voller Sicherheit beantworten lassen. Im Allgemeinen aber läßt
sich annehmen, daß der, der zu leiten schien, in der Wirklichkeit folgen
mußte, und daß er bei diesem, wie einige Jahre später bei einem andern
Anlasse, sein eigenes Urtheil und seine eigenen Neigungen den Wünschen
des Heeres zum Opfer brachte; denn die von ihm erschaffene Macht konnte
er selbst nicht immer zügeln, und um nach der Regel befehlen zu können,
mußte er mitunter auch gehorchen. Er gab öffentlich die Erklärung ab,
daß er weder die Sache angeregt habe, noch um die ersten Schritte wisse,
daß er dem Parlamente die Ausführung des Streichs nicht habe anrathen
können, aber daß er seine eigenen Gefühle der Macht der Verhältnisse
untergeordnet, von der er geglaubt, sie deute die Zwecke der Vorsehung
an. Man hat gewöhnlich diese Bekenntnisse für Beweise der Heuchelei
gehalten, die man ihm beizumessen pflegte; aber selbst die, die ihn für
einen Heuchler halten, werden es gewiß nicht wagen, ihn einen Narren zu
nennen, und deshalb werden sie darthun müssen, daß er zu irgend einem
Zwecke das Heer heimlich reizte, den Weg zu betreten, den er offen zu
empfehlen nicht wagte. Die Annahme wäre widersinnig, daß er, dem selbst
die achtbarsten Feinde weder muthwillige Grausamkeit noch unversöhnliche
Rachsucht beigemessen haben, den wichtigsten Schritt seines Lebens aus
reiner Bosheit gethan haben solle. Er war viel zu klug, um nicht wissen
zu können, daß er durch das Einwilligen, das geheiligte Blut zu
vergießen, eine That verübe, die nichts sühnen konnte, und welche nicht
nur die Royalisten, sondern auch neun Zehntheile der Parlamentspartei
mit Schmerz und Abscheu erfüllen würde. Mögen Andere Phantomen
nachgehangen haben, er dachte sicher weder an eine Republik nach antikem
Muster, noch an das tausendjährige Reich der Heiligen. Wenn er selbst
schon danach strebte, eine neue Dynastie zu gründen, so wäre Karl I.
offenbar ein weniger zu fürchtender Mitbewerber gewesen, als Karl II.
Von dem Augenblicke an, in dem Karl I. starb, würde jeder Cavalier seine
Loyalität unverkürzt auf Karl II. übertragen haben. Karl I. war ein
Gefangener, Karl II. lebte in der Freiheit. Karl I. war selbst bei denen
ein Gegenstand des Mißtrauens und der Abneigung, die bei dem Gedanken an
seine Ermordung zurückbebten; Karl II. würde alle die Theilnahme für
sich gehabt haben, die unglückliche Jugend und Unschuld erregen. Es läßt
sich unmöglich annehmen, daß dem scharfsinnigsten Politiker jener Zeit
so naheliegende und inhaltschwere Betrachtungen entgangen sein sollten.
Das Wahre ist, daß Cromwell eine Zeit lang die Absicht hegte, zwischen
dem Throne und dem Parlamente zu vermitteln und unter der Sanktion des
königlichen Namens den zerrütteten Staat durch die Macht des Schwertes
wieder aufzubauen. An dieser Absicht hielt er so lange fest, bis er
durch den widerstrebenden Geist seiner Soldaten und die unheilbare
Treulosigkeit des Königs sie aufzugeben gezwungen ward. Eine Partei im
Lager forderte den Kopf des Verräthers, der mit Agag zu unterhandeln
vorschlug. Es wurden Verschwörungen angezettelt, mit Anklagen laut
gedroht, und eine Meuterei brach aus, die Cromwell mit aller seiner
Kraft und Entschlossenheit kaum zu unterdrücken vermochte. Stellte er
auch durch eine kluge Vereinigung von Strenge und Milde die Ordnung
wieder her, so entging es ihm doch nicht, daß es im höchsten Grade
schwierig und gefährlich sei, die Wuth von Kriegern bezähmen zu wollen,
die den gefallenen Tyrannen nicht nur als ihren eigenen Feind, sondern
auch als den Feind Gottes betrachteten.

Um diese Zeit stellte sich klarer als je heraus, daß man dem Könige
nicht trauen dürfe. Die eigenen Laster hatten Karl völlig umstrickt,
wobei allerdings auch Laster waren, die in schwierigen Lagen doppelt
stark hervorzutreten pflegen. Die List ist dem Schwachen das
natürlichste Vertheidigungsmittel, und ein Fürst, der auf dem Gipfel
seiner Macht Täuschungen aus Gewohnheit ausübte, wird in schwierigen
Lebenslagen und Bedrängnissen sich wahrlich der Aufrichtigkeit nicht
befleißigen. So gewissenlos Karl in der Kunst zu heucheln war, eben so
unglücklich war er auch darin, denn keinem Staatsmanne sind soviel
Betrügereien und Unwahrheiten unwiderleglich nachgewiesen, als ihm.
Er erklärte öffentlich die Häuser zu Westminster als ein gesetzliches
Parlament, und gleichzeitig gab er im geheimen Rathe die Erklärung ab,
daß diese Anerkennung nichtig sei. Er verwahrte sich öffentlich, daß er
nie daran denke, fremde Hilfe gegen sein Volk in das Land zu rufen;
heimlich suchte er Hilfe bei Frankreich, Dänemark und Lothringen.
Er leugnete öffentlich, daß er Papisten in seine Dienste nähme;
gleichzeitig sandte er seinen Generalen im Geheimen die Weisung, jeden
Papisten, der dienen wolle, anzunehmen. Er nahm öffentlich zu Oxford das
Sakrament darauf, daß er das Papstthum in England nie begünstigen wolle;
im Geheimen gab er seiner Gattin die Versicherung, daß er das Papstthum
in England dulden werde, und Lord Glamorgan ermächtigte er zu dem
Versprechen, daß das Papstthum in Irland eingeführt werden solle; dann
versuchte er, sich auf Kosten dieses Bevollmächtigten rein zu waschen:
Glamorgan empfing von der Hand des Königs geschriebene Verweise, die zum
Lesen für Andere bestimmt waren; aber auch lobende Anerkennungen, die
nur er allein lesen solle. Und wahrlich, es beherrschte in der That die
Falschheit den ganzen Charakter des Königs dergestalt, daß seine
treuesten Freunde sich nicht enthalten konnten, sich gegenseitig mit
bitterm Schmerze und tiefer Scham über seine unredliche Politik zu
beklagen. Seine Niederlagen, äußerten sie, verursachten ihnen weniger
Kummer als seine Intriguen. Seit dem Beginne seiner Gefangenschaft
suchte er jeden Theil der siegreichen Partei durch Schmeicheleien und
Umtriebe zu berücken, aber keiner seiner Versuche war je so unglücklich
ausgefallen, als der, Cromwell durch Schmeicheleien zu täuschen und zu
stürzen.

Cromwell mußte indeß einen Entschluß fassen. Sollte er bei dem ohne
Zweifel vergeblichen Versuche, einen König zu retten, der durch keinen
Vertrag zu binden war, die Anhänglichkeit seiner Partei und Armee, seine
eigene Größe, ja selbst sein Leben preisgeben? Nach vielem Kämpfen und
Schwanken, vielleicht auch nach vielem Beten, ward der Entschluß
festgestellt. Karl blieb seinem Schicksale überlassen. Die kriegerischen
Heiligen beschlossen nun, daß der König, den alten Reichsgesetzen und
der fast allgemeinen Gesinnung der Nation zum Trotz, sein Verbrechen mit
dem Leben büßen solle. Eine Zeit lang glaubte er einen Tod sterben zu
müssen, wie seine unglücklichen Vorgänger, Eduard II. und Richard II.
Einen solchen Verrath hatte er indeß nicht zu fürchten, denn die, welche
ihn unter ihren Händen hatten, waren keine nächtlichen Meuchelmörder;
was sie thaten, sollte ein Schauspiel für Himmel und Erde sein und ein
ewiges Andenken bleiben. Das Ärgerniß, das sie gaben, hatte für sie den
höchsten Reiz. Daß die alte Verfassung und die öffentliche Meinung
Englands mit dem Königsmorde im schroffsten Widerspruche standen, ließ
einer Partei, die eine vollständige politische und sociale Revolution
bewirken wollte, den Mord in einem verführerischen Lichte erscheinen.
Die Erreichung dieses Zweckes machte das Zerbrechen jedes einzelnen
Theils der Staatsmaschine nöthig, und diese Nothwendigkeit berührte sie
mehr angenehm, als schmerzlich. Die Gemeinen stimmten für den Abschluß
eines Vergleichs mit dem Könige; die Soldaten schlossen die Majorität
gewaltsam aus. Die Lords verwarfen einstimmig den Vorschlag, den König
vor Gericht zu stellen; ihr Haus ward sofort geschlossen. Kein
ordentlicher Gerichtshof wollte die Verantwortung auf sich nehmen,
den zu richten, der die Quelle der Gerechtigkeit repräsentirte.


[_Seine Hinrichtung._] Da ward ein revolutionaires Tribunal errichtet,
und dieses Tribunal erklärte Karl für einen Tyrannen, für einen
Verräther, einen Mörder und einen öffentlichen Feind. Vor Tausenden von
Zuschauern, dem Banketsaale seines Palastes gegenüber ließ man seinen
Kopf von dem Rumpfe trennen.

Aber bald zeigte es sich, daß die politischen und religiösen Eiferer,
denen diese That beizumessen ist, nicht nur ein Verbrechen, sondern auch
ein Versehen begangen hatten. Dem Fürsten nämlich, der dem Volke bisher
nur durch seine Fehler bekannt gewesen, hatten sie Gelegenheit geboten,
auf einer großen Bühne, Angesichts aller Nationen und Zeiten,
Eigenschaften zu zeigen, die unwiderstehlich Bewunderung und Zuneigung
erwecken müssen: den hohen Muth eines Helden, und die Geduld und
Sanftmuth eines reuigen Christen; sie hatten selbst ihre Rache in einer
Weise ausgeübt, daß derselbe Mann, der sein ganzes Leben hindurch nur
auf die Vernichtung der Freiheiten Englands gesonnen, als ein Märtyrer
eben dieser Freiheiten zu sterben schien. Nie hat ein Demagog so auf den
öffentlichen Geist gewirkt, als dieser gefangene König, der selbst auf
dem höchsten Gipfel des Unglücks seine volle königliche Würde bewahrte,
dem Tode furchtlos in's Angesicht sah und den Gefühlen seines
unterdrückten Volkes Ausdruck verlieh, indem er muthig seine
Rechtfertigung vor einem dem Gesetze unbekannten Gerichtshofe
verweigerte, von der Soldatengewalt an die Grundsätze der Verfassung
appellirte, nach dem Rechte fragte, mit dem das Haus der Gemeinen seiner
achtbarsten Glieder und das der Lords seiner legislativen Funktionen
beraubt sei, und den weinenden Zuhörern sagte, er vertheidige nicht nur
seine, sondern auch ihre Sache. Seine lange schlechte Regierung, seine
unzähligen Treulosigkeiten waren nun vergessen, und in den Gemüthern des
größten Theils seiner Unterthanen lebte sein Andenken mit dem an die
freien Institutionen fort, die er lange zu vernichten bemüht gewesen
war, denn diese freien Institutionen waren mit ihm untergegangen, und
seine Stimme allein hatte sie unter dem schmerzlichen Schweigen eines
durch Waffengewalt unterdrückten Staates vertheidigt. Eine Reaktion, zu
Gunsten der Monarchie und des vertriebenen Königshauses, trat an diesem
Tage ein und schritt so lange fort, bis der Thron in seiner vollen alten
Würde wieder aufgebaut war.

Anfangs schien es jedoch, als ob die Mörder des Königs in dem blutigen
Sakramente, das sie eng mit einander verbunden und für immer von der
großen Masse ihrer Landsleute getrennt hatte, neue Willenskraft fänden.
England ward zu einer Republik umgeschaffen, und das Haus der Gemeinen,
auf eine kleine Zahl von Gliedern beschränkt, ward dem Namen nach die
höchste Staatsgewalt; in der That aber regierten die Armee und ihre
ersten Führer. Cromwells Wahl war getroffen, er hatte sich die Herzen
seiner Soldaten bewahrt und fast alle übrigen Klassen seiner Mitbürger
sich entfremdet. Man konnte nicht sagen, daß er außerhalb der Grenzen
seiner Lager und festen Plätze Anhänger habe. Die Elemente jener Macht,
die seit dem Beginne des Bürgerkriegs sich unter einander selbst
bekämpft hatten, als sämmtliche Cavaliere, die große Mehrzahl der
Rundköpfe, die anglikanische, presbyterianische und römisch-katholische
Kirche, England, Schottland und Irland, alle hatten sich nun gegen ihn
verbunden. Aber Cromwells Genie und Entschlossenheit waren so gewaltig,
daß er Alles vernichtete, was ihm auf der Bahn entgegentrat, die er
eingeschlagen hatte, um sich zu einen unumschränktern Gebieter seines
Vaterlandes zu machen, als irgend einer der gesetzlichen Könige
desselben gewesen, und um es gefürchteter und geachteter hinzustellen,
als es Generationen hindurch unter der Regierung legitimer Fürsten
gestanden hatte.

England kämpfte schon nicht mehr; aber die beiden andern Königreiche,
die unter dem Scepter der Stuarts gestanden, hegten gegen die neue
Republik eine feindliche Gesinnung. Die irischen Katholiken und die
schottischen Presbyterianer sahen gleich gehässig auf die
Independenten-Partei. Beide Länder, erst kürzlich noch aufständisch
gegen Karl I., huldigten jetzt der Autorität Karls II.


[_Unterwerfung Irlands und Schottlands._] Aber nichts konnte der Kraft
und Geschicklichkeit Cromwells Widerstand leisten. Er besiegte in wenig
Monaten Irland so vollständig, wie es in den fünfhundert Jahren, die
seit der Landung der ersten normannischen Ansiedler verflossen, nie
besiegt gewesen. Dem Kampfe der Volksstämme und Religionen, der so lange
die Insel zerrüttet, wollte er dadurch ein Ziel setzen, daß er der
englischen und protestantischen Bevölkerung die entschieden wichtigste
Stellung anwies. Um diesen Zweck zu erreichen, zügelte er den wilden
Fanatismus seiner Anhänger nicht mehr, führte einen Krieg, der dem
Israels gegen die Kananiter glich, vernichtete die Götzendiener mit der
Schärfe des Schwertes, daß große Städte fast keine Einwohner mehr
hatten, trieb Tausende nach dem Festlande oder ließ sie nach Westindien
führen, und füllte die dadurch entstandene Lücke mit Ansiedlern
sächsischen Blutes und calvinistischen Glaubens aus. Daß das eroberte
Land unter dieser eisernen Regierung sich eines zunehmenden Wohlstandes
zu erfreuen schien, klingt seltsam, aber es ist wahr. Gegenden, die noch
vor kurzer Zeit so unwirthbar gewesen, als jene, in denen die ersten
weißen Ansiedler von Connecticut mit den rothen Männern kämpften,
glichen nach wenig Jahren Kent und Norfolk. Überall erstanden neue
Gebäude, Straßen und Pflanzungen; der Ertrag der Güter vermehrte sich
schnell, und bald klagten die englischen Grundbesitzer über die
Konkurrenz irischer Produkte auf den Märkten, und forderten
Schutzgesetze.

Der siegreiche Feldherr, der nun auch dem Namen nach war, was er schon
längst in Wirklichkeit gewesen, Lord General der republikanischen Heere,
wandte sich von Irland nach Schottland, wo der junge König war, der zur
presbyterianischen Kirche übergetreten, den Covenant unterzeichnet,
und als Lohn dafür von den strengen Puritanern, die zu Edinburg die
Regierung leiteten, die Erlaubniß erhalten hatte, die Krone zu tragen,
und unter ihrer Oberaufsicht still und ernst einen Hof zu halten. Diese
Scheinloyalität dauerte nicht lange; Cromwell vernichtete in zwei großen
Schlachten die ganze Kriegsmacht Schottlands. Karl rettete sich durch
die Flucht vor dem Schicksale, das seinen Vater betroffen. Zum ersten
Male war nun das alte Königreich der Stuarts völlig zur Unterwürfigkeit
gebracht, und von der Unabhängigkeit, die einst gegen die tüchtigsten
Plantagenets so tapfer vertheidigt worden, blieb keine Spur. Das
englische Parlament gab Schottland Gesetze, englische Richter hielten
dort Assisen, und selbst die hartnäckige Kirche, die ihre
Selbstständigkeit gegen so viele Regierungen bewahrt, wagte nicht einmal
leise zu murren.


[_Das lange Parlament wird vertrieben._] Zwischen den Kriegern, die
Irland und Schottland unterjocht, und den Politikern, die in Westminster
beriethen, hatte bis zu dieser Frist wenigstens ein Schein von
Übereinstimmung stattgefunden; aber den Bund, den die Gefahr
geschlossen, löste der Sieg wieder auf. Das Parlament vergaß, daß es nur
eine Kreatur der Armee war, und die Armee war jetzt weniger als sonst
geneigt, sich den Verordnungen des Parlaments zu fügen. Es hatte auch in
der That der geringe Mitgliederbestand, den man verächtlich den Rumpf
des Hauses der Gemeinen nannte, nicht mehr Anspruch auf die Achtung, die
Volksvertretern gebührt, als die Befehlshaber in der Armee. Der Streit
ward bald zu einem entscheidenden Ende geführt. Cromwell füllte das Haus
mit Bewaffneten, der Sprecher ward von seinem Stuhle geworfen, der Stab
vom Tische genommen, der Saal geleert und die Thür verschlossen. Die
Nation, die keiner der streitenden Parteien hold war, aber ohne es zu
wollen, die Tüchtigkeit und Energie des Feldherrn achten mußte, sah
geduldig, vielleicht auch mit Wohlgefallen zu.

König, Lords und Gemeine waren nach und nach bewältigt und vernichtet
und Cromwell erschien nun als der einzige Erbe der Machtbefugnisse die
jene zusammen besessen hatten; aber die Armee selbst, der er seine
ausgedehnte Autorität verdankte, legte ihm gewisse Beschränkungen auf.
Dieser sonderbare Körper bestand größtentheils aus eifrigen
Republikanern, die ihr Vaterland frei zu machen wähnten, indem sie es
der Knechtschaft überlieferten. Das von ihnen allgemein verehrte Buch
enthielt ein Beispiel, dessen sie häufig erwähnten. Es murrte die
unwissende und undankbare Nation gegen ihre Befreier, wie einst ein
anderes auserwähltes Volk gegen den Mann gemurrt, der es auf mühseligen
und traurigen Pfaden aus der Knechtschaft in ein Land geführt, wo Milch
und Honig floß; und dennoch hatte dieser Führer seine Brüder wider ihren
Willen befreit, auch eben so wenig Anstand genommen, diejenigen zum
abschreckenden Beispiele furchtbar zu züchtigen, welche die dargebotene
Freiheit verachteten, und sich nach den Fleischtöpfen, den Frohnvögten
und Götzenbildern Egyptens zurücksehnten. Das Ziel der kriegerischen
Heiligen, die Cromwell umgaben, war die Gründung einer freien, frommen
Republik. Zur Erreichung dieses Ziels waren sie bereit alle Mittel,
selbst gewaltthätige und ungesetzliche, ohne Bedenken anzuwenden. Es lag
daher die Möglichkeit vor, mit ihrer Hilfe eine dem Wesen nach absolute
Monarchie zu errichten, aber eben so auch die Wahrscheinlichkeit, daß
sie ihre Hilfe sofort einem Herrscher entziehen würden, der selbst unter
streng constitutionellen Formen, den Namen und die Würde eines Königs
anzunehmen wagte.

Cromwell dachte anders; er war nicht mehr, was er gewesen, und die
Veränderung in seinen Ansichten nur als eine Wirkung selbstsüchtigen
Ehrgeizes ansehen zu wollen, würde ungerecht sein. Er brachte, als er zu
dem langen Parlamente trat, wenig Bücherkenntniß aus seiner ländlichen
Einsamkeit mit, und besaß weder Erfahrung in wichtigen Angelegenheiten,
wohl aber eine durch lange Tyrannei der Regierung und der Hierarchie
gereizte Stimmung. Während der folgenden dreizehn Jahre hatte er eine
politische Schule nicht gewöhnlicher Art durchgemacht. In einer Reihe
von Revolutionen hatte er bedeutende Rollen gespielt; er war lange die
Seele und zuletzt das Haupt einer Partei gewesen; er hatte Heere
befehligt, Schlachten gewonnen, Verträge abgeschlossen, und Königreiche
unterjocht, beruhigt und geordnet. Es wäre in der That seltsam gewesen,
wenn er stets dieselben Ansichten behalten, die er damals besessen
hatte, als sein Geist sich nur mit den Feldern und der Religion
beschäftigte, als ein Viehmarkt oder eine fromme Versammlung in
Huntingdon die Hauptereignisse waren, die in den einförmigen Lauf seines
Lebens Abwechselung brachten. Er sah ein, daß manche jener früheren
Neuerungspläne, für die er eiferte, mochten sie nun an sich gut oder
schlecht sein, der allgemeinen Stimmung des Landes nicht entsprachen,
und daß er, wenn er auf diesen Plänen beharrte, stets mit Unruhen zu
schaffen haben würde, die nur durch unausgesetzte Anwendung des
Schwertes unterdrückt werden könnten. Deshalb beabsichtigte er, in allen
wesentlichen Punkten jene alte Verfassung wieder herzustellen, welche
der große Theil des Volks stets geliebt hatte, und nach der es sich
jetzt sehnte. Das Verfahren, das später Monk anwendete, konnte Cromwell
noch nicht beobachten. Der große Königsmörder ward durch die Erinnerung
an einen furchtbaren Tag von dem Hause Stuart für immer getrennt; ihm
blieb nichts, als den alten englischen Thron zu besteigen und im Sinne
der alten englischen Staatsverfassung zu regieren. Gelang ihm dies, so
durfte er hoffen, daß die Wunden des zerfleischten Staatskörpers bald
wieder verharrschen würden; es hätten sich viele redliche und besonnene
Männer um ihn gesammelt, und diejenigen Royalisten, die mehr an den
Institutionen als den Personen, mehr an dem königlichen Amte als an
König Karl I. oder Karl II. hingen, würden bald die Hand des Königs
Oliver geküßt haben. Es würden die Peers, die still auf ihren Landgütern
wohnten und mürrisch die Theilnahme an öffentlichen Angelegenheiten
verweigerten, mit Freuden ihre alten Functionen wieder übernommen haben,
wenn sie das Ausschreiben eines im Besitz des Thrones befindlichen
Königs zu ihrem Hause gerufen hätte; Northumberland und Bedford,
Manchester und Pembroke würden stolz gewesen sein, wenn sie dem Manne,
der die Aristokratie wiederhergestellt, Krone und Sporen, Scepter und
Reichsapfel hätten vorantragen können; das Volk würde nach und nach
durch ein Gefühl der Loyalität mit der neuen Dynastie verbunden worden
sein und bei dem Tode des Gründers dieser Dynastie wäre die königliche
Würde unter allgemeiner Billigung auf seine Nachkommen übergegangen.

Die scharfsinnigsten Royalisten hielten dafür, daß diese Ansichten
richtig seien, und daß, wenn Cromwell nur nach seinem Urtheile hätte
verfahren können, die vertriebene Dynastie nie wieder zur Regierung
gelangt wäre; aber sein Plan widersprach völlig den Gefühlen jener
Klasse, der einzigen, die er nicht zu reizen wagte. Den Soldaten war der
Name des Königs verhaßt. Einige derselben haßten selbst eine Verwaltung,
die sich in den Händen einer einzelnen Person befand; und war der große
Theil auch geneigt, den General, als den gewählten ersten Beamten einer
Republik, gegen alle Factionen zu schützen, die seine Autorität nicht
anerkennen würden, so wollten sie doch nicht zugeben, daß er sich den
Königstitel beilege, oder daß die Würde, die nur der gerechte Lohn für
seine persönlichen Verdienste sei, für erblich in seiner Familie erklärt
werde. Ihm blieb nun nichts weiter übrig, als der neuen Republik eine
der alten Monarchie so ähnliche Verfassung zu geben, als es die Armee
nur irgend gestattete. Damit nun seine Erhebung zur Macht nicht als ein
Akt persönlichen Ehrgeizes erscheinen möchte, berief er einen Rath, der
theils aus Personen zusammengesetzt war, auf deren Unterstützung er
zählen, theils aus solchen, deren Opposition er ohne Gefahr Trotz bieten
konnte. Nachdem diese, von ihm Parlament genannte Versammlung, von dem
Volke aber nach einem seiner hervorragendsten Mitglieder »Barebones
Parlament« getauft, sich eine Zeit lang der allgemeinen Verachtung
ausgesetzt hatte, gab sie dem General die von demselben empfangenen
Vollmachten zurück und überließ ihm allein, einen Verfassungsplan zu
entwerfen.


[_Oliver Cromwell's Protektorat._] Sein Plan hatte Anfangs nur eine
große Ähnlichkeit mit der alten Verfassung; nach Verlauf einiger Jahre
aber glaubte er weiter gehen und fast alle Theile des alten Systems
unter neuen Namen und Formen wiederherstellen zu dürfen. Der Königstitel
ward nicht wieder verwendet, aber die Vorrechte des Königs wurden einem
Lord Groß-Protektor bewilligt. Man nannte den Souverain nicht »Se.
Majestät«, sondern »Se. Hoheit.« Man krönte und salbte ihn nicht in der
Westminsterabtei, aber man ließ ihn feierlich den Thron besteigen, mit
einem Staatsschwerte umgürtet und einem Purpurmantel angethan, und in
der Westminsterabtei schenkte man ihm eine prachtvolle Bibel. Man hatte
sein Amt nicht für erblich erklärt, aber ihm erlaubt, seinen Nachfolger
zu ernennen, und Niemand zweifelte, daß er seinen Sohn wählen würde.

Ein Haus der Gemeinen war ein nothwendiger Bestandtheil der neuen
Verfassung. Bei der Gestaltung dieses Instituts zeigte der Protektor
Weisheit und Gemeinsinn, die seine Zeitgenossen nicht gebührend
gewürdigt haben. Waren die Fehler des alten Vertretungssystems auch
nicht so bedeutend, als sie später wurden, so hatten sie scharfblickende
Männer dennoch schon bemerkt. Cromwell reformirte dieses System nach
denselben Grundsätzen, nach denen Pitt einhundertdreißig Jahre später es
zu verbessern versuchte, und nach denen es endlich in unserer Zeit
wirklich verbessert wurde. Den kleinen Flecken entzog man mit noch
schonungsloserer Strenge als 1832 das Wahlrecht und die Zahl der
Grafschaftsmitglieder ward vergrößert. Nur wenig Städte, die nicht
vertreten waren, hatten sich bis dahin zu einer Bedeutung erhoben;
zu diesen wenigen gehörten Manchester, Leeds und Halifax, und diese
erhielten Vertreter. Die Zahl der Mitglieder, die für die Hauptstadt
wählten, wurde vermehrt. Das Wahlrecht ward dergestalt geordnet, daß
jeder Besitzende, mochte sein Eigenthum in Freisassengütern bestehen
oder nicht, eine Stimme in der Grafschaft hatte, in der er angesessen
war. Nur wenig Schotten und wenige der englischen Colonisten von Irland
wurden zu der Versammlung berufen, die in Westminster allen Theilen der
britischen Inseln Gesetze geben sollte.

Ein Haus der Lords zu errichten, war eine schwierigere Aufgabe. Die
Demokratie kann die Stütze der Verjährung entbehren, die Monarchie hat
oft ohne sie bestanden, aber ein Patrizierstand ist das Werk der Zeit.
Cromwell fand einen reichen, hoch geehrten und in allen untern
Volksklassen so populären Adel vor, als nur je der Adel gewesen ist.
Wenn er als König von England, gemäß dem alten Brauche des Königreichs,
die Pairs zu dem Parlamente berufen hätte, es würden viele derselben
ohne Zweifel dem Rufe gefolgt sein; dies durfte er nicht, und daß er den
Häuptern erlauchter Familien in seinem neuen Senate Sitze anbot, blieb
ohne Erfolg, denn sie sahen ein, daß sie einer neuerstandenen
Versammlung nicht beitreten konnten, ohne auf ihr Geburtsrecht zu
verzichten und ihren Stand zu verrathen. Der Protektor sah sich nun
genöthigt, sein Oberhaus mit neuen Männern zu besetzen, die sich in der
letzten Zeit der Aufregung hervorgethan hatten. Diese seiner
Einrichtungen, die allen Parteien mißfiel, war die unglücklichste. Die
nach allgemeiner Gleichheit strebende Partei -- Levellers -- zürnte ihm
darüber, daß er eine bevorzugte Klasse schuf; die Menge, welche für die
großen geschichtlichen Namen des Landes Achtung und Liebe hegte,
verlachte sonder Scheu ein Haus der Lords, das glückliche Kärrner und
Schuhmacher zu Gliedern zählte und wenige der alten Adeligen, die sich
fast alle verächtlich davon abwandten, berufen hatte.

Die Art und Weise der Einrichtung von Cromwells Parlamenten war
praktisch von untergeordneter Bedeutung, da er die Mittel besaß, auch
ohne die Unterstützung und ungeachtet der Opposition derselben die
Verwaltung zu führen. Eine verfassungsmäßige Regierung, und an Stelle
der Schwertherrschaft die der Gesetze zu stellen, scheint in seinem
Wunsche gelegen zu haben. Aber ihm ward bald klar, daß er nur bei einer
unumschränkten Verwaltung sicher sein konnte, da Royalisten und
Presbyterianer ihn haßten. Das erste Haus der Gemeinen, auf seinen
Befehl vom Volke gewählt, zog seine Autorität in Frage; es ward
aufgelöst, ohne daß es auch nur eine Akte durchgebracht hatte. Sein
zweites Haus der Gemeinen, das ihn zwar als Protektor anerkannte und ihn
gern zum Könige gemacht haben würde, weigerte sich dessenungeachtet
hartnäckig, seine neuen Lords anzuerkennen. Ihm blieb nichts übrig, als
das Parlament aufzulösen. Als er schied, rief er aus: Gott sei Richter
zwischen Euch und mir!

Diese Zerwürfnisse hatten jedoch durchaus keinen Einfluß auf die
energische Verwaltung des Protektors. Dieselben Soldaten, die ihm das
Tragen des Königstitels nicht gestatten wollten, unterstützten ihn bei
Ausführung solcher Gewaltmaßregeln, wie sie je ein englischer König nur
versucht hat. So war die Regierung der Form nach republikanisch, in
Wahrheit aber eine durch die Weisheit, Mäßigung und Großherzigkeit des
Despoten gemilderte Despotie. Das Land war in Militairbezirke getheilt,
die unter den Befehlen von Generalmajors standen. Jede aufständische
Bewegung ward im Keime erstickt und bestraft. Die Macht des Schwertes in
einer so starken, unbeugsamen und erfahrenen Hand dämpfte den Muth der
Cavaliere und der Levellers. Die loyale Gentry erklärte, sie sei zwar
immer noch bereit, für die alte Verfassung und Dynastie das Leben
einzusetzen, wenn nur eine schwache Hoffnung auf Erfolg vorhanden wäre;
aber an der Spitze von Dienern und Pächtern sich den Lanzen von Brigaden
entgegenzustellen, die in hundert Schlachten und Belagerungen siegreich
gewesen, sei eine unsinnige Verschwendung unschuldigen und
schätzenswerthen Blutes. Da sich von offenem Widerstande nichts hoffen
ließ, begannen Royalisten und Republikaner schwarze Mordpläne zu
ersinnen; aber des Protektors Kundschafter waren gut, und seine
Wachsamkeit ward nicht lästig; nur in der Mitte der blanken Schwerter
und Harnische seiner getreuen Garden verließ er die Mauern seines
Palastes.

Wäre Cromwell ein grausamer, ausschweifender und raublustiger Regent
gewesen, so hätte die Nation vielleicht in der Verzweiflung Muth
gefunden und sich durch eine krampfhafte Anstrengung von der
Militairherrschaft zu befreien gesucht; aber waren auch die
Bedrückungen, unter denen das Land seufzte, stark genug, um ernstliche
Unzufriedenheit zu erregen, so konnten sie doch die große Masse nicht
bewegen, Leben, Vermögen und die Wohlfahrt der Familien einer
furchtbaren Macht gegenüber auf das Spiel zu setzen. Die Last der
Steuern war, wenn auch drückender als unter den Stuarts, mit den
Nachbarstaaten verglichen und nach den Hilfsquellen Englands beurtheilt,
eine leichte zu nennen. Das Eigenthum war sicher, und selbst der
Cavalier, wenn er die neue Verfassung unangetastet ließ, genoß in
Frieden, was ihm die bürgerlichen Unruhen gelassen hatten. Nur in
Fällen, in denen es sich um die Sicherheit der Person und der Regierung
des Protektors handelte, wurden die Gesetze überschritten; aber in
Streitsachen zwischen Privaten ward die Justiz mit einer Strenge und
Unparteilichkeit geübt, wie man sie zuvor nie gekannt. Seit der
Reformation hatten unter keiner englischen Regierung so wenig religiöse
Verfolgungen stattgefunden. Betrachtete man auch die unglücklichen
Katholiken als dem Bereiche der christlichen Kirche nicht mehr
angehörig, so gestattete man dennoch dem gestürzten anglikanischen
Klerus, seinen Gottesdienst unter der Bedingung abzuhalten, daß seine
Predigten alle Politik ausschlössen. Es durften selbst die Juden, denen
seit dem dreizehnten Jahrhundert der öffentliche Gottesdienst untersagt
gewesen, sich trotz der Opposition neidischer Kaufleute und fanatischer
Theologen in London eine Synagoge bauen.

Des Protektors auswärtige Politik zwang zugleich auch diejenigen, die
ihn am meisten haßten, gegen ihren Willen ihm Anerkennung zu zollen. Die
Cavaliere konnten kaum den Wunsch unterdrücken, daß der, der soviel zur
Vermehrung des Nationalruhmes gethan, ein legitimer König gewesen sei,
und die Republikaner waren zu dem Eingeständnisse gezwungen, daß der
Tyrann nur für sich allein das Recht usurpire, mitunter dem Vaterlande
Unrecht zu thun, und daß er ihm für die geraubte Freiheit Ruhm
zurückgegeben habe. Nach einem halben Jahrhundert, während dessen
England kaum ein bedeutenderes Gewicht in der Politik Europa's gehabt,
als Venedig und Sachsen, erhob es sich plötzlich zu der gefürchtetsten
Macht der Welt, schrieb den Vereinigten Niederlanden Friedensbedingungen
vor, rächte an den Seeräubern der Berberei die der ganzen Christenheit
zugefügte Schmach, besiegte Spanien zu Land und zu Meer, bemächtigte
sich einer der schönsten westindischen Inseln und gewann an der
flämischen Küste einen festen Platz, der den Nationalstolz für den
Verlust von Calais tröstete. Es war die erste Macht auf dem Weltmeere;
es stand an der Spitze des protestantischen Interesses; Cromwell ward
von allen in katholischen Königreichen zerstreuten reformirten Kirchen
als Schirmherr anerkannt; die Hugenotten von Languedoc, die Hirten, die
sich in ihren Alpendörfchen zu einem ältern Protestantismus als den von
Augsburg bekannten, wurden durch den Schrecken allein vor Verfolgung
gesichert, den sein großer Name verbreitete. Selbst der Papst mußte
papistischen Fürsten Menschlichkeit und Mäßigung einschärfen, denn eine
Stimme, die selten vergebens drohte, hatte erklärt, daß die englischen
Kanonen in der Engelsburg gehört werden sollten, wenn man dem Volke
Gottes nicht Duldung angedeihen lasse. Es gab in der That Nichts, was
Cromwell wegen seiner und seiner Familie hätte mehr wünschen können, als
einen allgemeinen europäischen Religionskrieg, denn in diesem Falle wäre
er der Führer der protestantischen Armeen, und das Herz Englands wäre
mit ihm gewesen; man hätte seine Siege mit einer allgemeinen
Begeisterung begrüßt, wie sie das Land seit der Vernichtung der Armada
nicht geäußert, und der Flecken, den eine durch die Stimme der ganzen
Nation verdammte Handlung auf seinem strahlenden Ruhme zurückgelassen,
würde durch sie verlöscht worden sein. Zu seinem Unglücke bot sich ihm
keine Gelegenheit, außer gegen die britischen Inseln, sein
bewundernswürdiges Feldherrntalent zu entwickeln.

Seine Gewalt, den Unterthanen ein Gegenstand der Abneigung, der
Bewunderung und der Furcht zugleich, stand, so lange er lebte, fest.
Seine Regierung war nur bei Wenigen beliebt, aber die, denen sie am
meisten verhaßt war, haßten sie nicht so sehr, als sie sie fürchteten.
Wäre die Regierung eine schlechtere gewesen, ihre Stärke hätte sie
wahrlich nicht vor dem Sturze sichern können. Aber sie enthielt Mäßigung
genug, um Bedrückungen zu vermeiden, welche die Menschen zur Wuth
treiben, und besaß eine Kraft und Energie, die zu bekämpfen nur Menschen
wagen konnten, welche die Unterdrückung bereits zum Wahnsinn getrieben.


[_Richard, Cromwells Nachfolger._] Man hat oft behauptet, und
anscheinend nur aus wenigen Gründen, daß Cromwell zu einer seinem Ruhme
günstigen Zeit gestorben sei, und daß er, bei längerer Lebenszeit,
wahrscheinlich minder ehrenvoll und glücklich geendet haben würde.
Soviel steht fest, daß ihn seine Soldaten bis zu dem letzten Momente
ehrten, daß ihm die ganze Bevölkerung der britischen Inseln gehorchte,
daß ihn alle auswärtigen Mächte fürchteten, daß er mit einem Gepränge,
wie London es zuvor nie gesehen, neben den alten Souverainen Englands
zur Gruft bestattet wurde, und daß ihm sein Sohn Richard so ruhig in der
Regierung folgte, wie je ein Prinz von Wales einem Könige gefolgt ist.

Die Verwaltung Richard Cromwells hatte fünf Monate lang einen so
friedlichen und regelmäßigen Gang, daß ganz Europa der Meinung war,
seine Stellung am Staatsruder sei eine durchaus feste. Seine Lage war
wirklich in manchen Beziehungen vortheilhafter, als die seines Vaters;
er war noch zu jung, um Feinde zu haben, und an seinen Händen klebte
noch kein Bürgerblut. Die Cavaliere selbst gestanden ein, daß er ein
braver, gutmüthiger Gentleman sei. Die presbyterianische Partei, gleich
mächtig an Zahl wie an Reichthum, hatte mit dem nun verstorbenen
Protektor in tödtlicher Feindschaft gestanden, dem gegenwärtigen aber
zeigte sie eine geneigte Stimmung. Diese Partei hatte stets den Wunsch
genährt, es möge die alte Reichsverfassung mit einigen genauern
Bestimmungen und einigen stärkern Bürgschaften für die öffentliche
Freiheit wieder hergestellt werden, aber sie hatte mancherlei Gründe,
die Wiedereinsetzung der alten Herrscherfamilie zu fürchten. Für diese
Politiker war Richard der rechte Mann, denn seine Humanität, seine
Freimüthigkeit und Bescheidenheit, die Mittelmäßigkeit seiner Talente
und die Fügsamkeit, mit der er sich der Leitung klügerer Leute, als er,
überließ, machten ihn ganz vorzüglich geeignet, das Oberhaupt einer
beschränkten Monarchie zu sein.

Es schien wirklich eine Zeit lang, als ob er unter der Leitung fähiger
Rathgeber das durchführen werde, was sein Vater umsonst begonnen hatte.
Es ward ein Parlament berufen und die Ausschreiben dazu erließ man in
der alten Form. Den kleinen Flecken gab man das ihnen vor Kurzem
entzogene Wahlrecht zurück; Manchester, Leeds und Halifax schickten
ferner nicht mehr Mitglieder ab, und die Grafschaft York ward wiederum
auf zwei Abgeordnete beschränkt. Es muß einer Generation, welche durch
die Fragen über Reform des Parlaments fast bis zum Wahnsinn aufgeregt
ward, außergewöhnlich erscheinen, daß große Städte und Grafschaften sich
dieser Änderung nicht nur geduldig, sondern auch gern fügten; aber
wenn auch damals schon denkende Männer die Fehler des alten
Repräsentativ-Systems und die daraus früher oder später entspringenden
ernsten praktischen Übel erkannten, so waren doch diese praktischen Übel
noch nicht empfindlich fühlbar gewesen. Hatte Oliver Cromwell sein
Repräsentativ-System auch nach den richtigsten Grundsätzen gebildet, so
war es doch nicht volksthümlich; sowohl die Begebenheiten, aus denen es
hervorgegangen, als die Folgen, die es bewirkt, konnten die öffentliche
Meinung nicht für dasselbe gewinnen. Es war der Militairgewalt
entsprungen, und hatte nur Streit erregt. Der Regierung durch das
Schwert überdrüssig, sehnte sich die ganze Nation nach der Regierung
durch das Gesetz. Deshalb gewährte die Wiederherstellung selbst der
Anomalien und Mißbräuche, die mit den Gesetzen streng übereinstimmten
und durch das Schwert vernichtet gewesen waren, allgemeine Befriedigung.

Im Hause der Gemeinen gab es eine starke, theils aus offenen
Republikanern, theils aus geheimen Royalisten bestehende Opposition;
aber eine große, fest entschlossene Majorität schien dem Plane geneigt,
die alte Verfassung unter einer neuen Dynastie wieder herzustellen.
Richard ward feierlich als die erste obrigkeitliche Person im Staate
anerkannt. Die Gemeinen erklärten sich nicht nur bereit, mit den von
Oliver Cromwell ernannten Lords gemeinschaftlich die Staatsgeschäfte zu
verhandeln, sondern nahmen auch den Beschluß an, daß diejenigen
Adeligen, die zur Zeit der Unruhen der Sache der öffentlichen Freiheit
angehangen, ohne neue Ernennung im Oberhause des Parlaments zu sitzen
das Recht haben sollten.

Bis hierher waren die Staatsmänner, deren Rath Richard befolgte,
glücklich gewesen. Fast alle Theile der Staatsverwaltung hatte man eben
so eingerichtet, wie sie bei dem Beginne des Bürgerkrieges gewesen.
Hätten der Protektor und das Parlament ungestört fortschreiten dürfen,
so läßt sich kaum bezweifeln, daß unter dem Hause Cromwell schon eine
ähnliche Ordnung der Dinge erstanden wäre, wie sie später unter dem
Hause Hannover begründet ward. Aber es gab im Staate eine andere Macht,
vollkommen fähig, gegen Protektor und Parlament aufzutreten. Richard
besaß nämlich über die Armee keine andere Autorität als die, welche er
aus dem großen ererbten Namen herleitete. Er hatte sie nie zum Siege
geführt, hatte selbst nie die Waffen getragen, alle seine Neigungen und
Gewohnheiten waren friedlicher Art, und seine religiösen Ansichten und
Gesinnungen erfreuten sich des Beifalls der militairischen Heiligen
nicht. Daß er ein guter Mensch war, hat er durch Demuth und
Leutseligkeit, während er auf dem Gipfel menschlicher Größe stand,
und durch freudige Ergebung bei Leiden und Unglücksfällen treffender
dargethan, als durch tiefe Seufzer und lange Reden; aber das damals in
jeder Wachtstube übliche fromme Geschwätz war ihm dergestalt zum Ekel,
daß er seine Abneigung dagegen nicht immer verbergen konnte. Die
Offiziere, welche den größten Einfluß auf die in der Nähe stationirten
Truppen ausübten, gehörten nicht zu seinen Freunden; sie waren durch
Muth und Tapferkeit auf dem Schlachtfelde ausgezeichnete Männer, aber es
fehlte ihnen jene Klugheit, jener bürgerliche Muth, die Eigenschaften,
die ihrem verstorbenen Führer in so hohem Grade eigen waren. Einige von
ihnen waren achtungswerthe, aber fanatische Independenten und
Republikaner. Das Haupt dieser Klasse war Fleetwood. Andere wieder
strebten danach, das zu werden, was Oliver Cromwell gewesen; sein
rasches Emporkommen, sein Glück und sein Ruhm, seine feierliche
Inauguration in den Hallen von Westminster, und seine prachtvolle
Bestattung in der Abtei hatten die Phantasie derselben entflammt; sie
waren von eben so guter Herkunft, eben so gut erzogen, als er, und
begriffen nun nicht, warum sie nicht eben so würdig wären, mit dem
Purpur bekleidet zu werden und das Schwert des Staates zu tragen. Das
Ziel ihres maßlosen Ehrgeizes verfolgten sie nicht, wie er, mit Geduld,
Wachsamkeit, Scharfsinn und Entschlossenheit, sondern mit jener Ungeduld
und Unentschiedenheit, welche die hochfliegende Mittelmäßigkeit
charakterisiren. Unter diesen matten Copien eines großen Originals
zeichnete sich Lambert am auffälligsten aus.


[_Sturz Richards, und Wiedereinsetzung des Langen Parlaments._]
Denselben Tag, an dem Richard den Thron bestiegen, traten die Offiziere
zu einer Verschwörung gegen ihren neuen Gebieter zusammen. Das gute
Einvernehmen zwischen ihm und seinem Parlamente beschleunigte das
Herannahen der Krisis. In dem Lager entstanden Unruhe und Erbitterung,
sowohl die religiösen Gefühle als die des Standes der Armee waren tief
verletzt, und es schien, als sollten sich die Independenten den
Presbyterianern, und die Männer des Schwerts den Männern der Robe
unterwerfen. Zwischen den Unzufriedenen in der Armee und der
republikanischen Minorität in dem Hause der Gemeinen bildete sich eine
Koalition. Selbst wenn Richard das scharfe Urtheil und den eisernen Muth
seines Vaters ererbt hätte, so bleibt es dennoch zweifelhaft, ob er
diese Koalition besiegt haben würde; es ist vielmehr gewiß, daß seine
Einfachheit und Sanftmuth den Erfordernissen der Zeit nicht entsprachen.
Er fiel ohne Widerstand und ohne Ruhm; die Armee benutzte ihn als
Werkzeug zur Auflösung des Parlamentes und schob ihn dann verächtlich
bei Seite. Um ihre republikanischen Verbündeten zufrieden zu stellen,
erklärten die Offiziere die Vertreibung des Rumpfparlamentes für
ungesetzlich und luden diese Versammlung ein, ihre Amtsgeschäfte wieder
zu beginnen. Der alte Sprecher und eine beschlußfähige Anzahl Mitglieder
traten wieder zusammen, und unter schlecht verhehltem Hohne und
Verwünschungen Seitens der Nation wurden sie zur ersten Macht des
Staates ausgerufen. Auch ward ausdrücklich erklärt, daß es weder einen
ersten Beamten, noch ein Haus der Lords ferner geben solle.


[_Zweite Vertreibung des Langen Parlaments._] Ein solcher Zustand der
Dinge konnte nicht von langer Dauer sein. An demselben Tage, an dem das
Lange Parlament wieder in's Leben trat, lebten auch die alten
Zwistigkeiten mit der Armee wieder auf. Es vergaß der Rumpf abermals,
daß er sein Dasein dem Belieben der Soldaten verdankte, und begann
wieder, sie als Untergebene zu behandeln. Wiederum schloß man die Thüren
des Hauses der Gemeinen durch militairische Gewalt, und eine von den
Offizieren ernannte provisorische Regierung übernahm die Leitung der
Staatsgeschäfte.

Das Drückende dieser Lage und die Befürchtung, es könne noch schlimmer
werden, bewirkte indeß eine Verbindung zwischen den Cavalieren und den
Presbyterianern. Einige Presbyterianer hatten zwar schon vor dem Tode
Karls I. zu einer ähnlichen Vereinbarung sich geneigt gezeigt, aber erst
nach dem Falle Richard Cromwells eiferte die ganze Partei für die
Wiederherstellung des Königshauses. Für die Wiederherstellung der alten
Verfassung unter einer Dynastie gab es keine begründete Hoffnung mehr;
man mußte daher zwischen den Stuarts und der Armee wählen. Die
vertriebene Königsfamilie hatte sich großer Vergehen schuldig gemacht,
aber sie hatte diese Vergehen hart gebüßt, und man durfte hoffen, daß
sie in der Schule des Unglücks heilsame Lehren erhalten habe; es ließ
sich annehmen, daß das Schicksal Karls I. für Karl II. ein warnendes
Beispiel sein würde. Aber es waren auch, ohne Rücksicht hierauf, die dem
Lande drohenden Gefahren der Art, daß man zu ihrer Abwendung wohl einige
Ansichten aufgeben und sich einigen Wagnissen aussetzen konnte. England
schien der gehässigsten und erniedrigendsten aller Regierungsformen
anheim zu fallen bestimmt zu sein, einer Form, die alle Übel des
Despotismus mit allen Schrecken der Anarchie vereinigte. Alles Andere
war dem Joche vorzuziehen, das eine Reihenfolge unfähiger und
unrühmlicher Tyrannen auferlegte, welche nach Art der Dey's der Berberei
durch unausgesetzte Militairrevolutionen endlich zur Regierung
gelangten. Lambert konnte der erste dieser Despoten werden, aber nach
Verlauf eines Jahres hätte er wahrscheinlich Desborough, und später
Desborough dem Harrison weichen müssen. So oft der Kommandostab aus
einer schwachen Hand in die andere übergegangen wäre, so oft würde die
Nation den Erpressungen ausgesetzt gewesen sein, welche die Geschenke
für die Truppen nöthig machten. Wenn die Presbyterianer hartnäckig auf
ihrer Trennung von den Royalisten bestanden, wäre der Staat verloren
gewesen, und ob es den vereinigten Anstrengungen Beider gelungen wäre,
ihn zu retten, war sehr zweifelhaft, denn die Furcht vor der
unbesiegbaren Armee hatte sich aller Bewohner der Insel bemächtigt, und
die Cavaliere, durch hundert verlorene Schlachten belehrt, wie wenig die
numerische Überlegenheit gegen die Disziplin vermag, waren selbst noch
mehr eingeschüchtert, als die Rundköpfe.


[_Die Armee von Schottland rückt in England ein._] So lange die Soldaten
unter sich einig blieben, waren alle Complote und Aufstände der
Mißvergnügten ohne Wirkung. Aber wenig Tage nach der zweiten Vertreibung
des Rumpf-Parlaments liefen Nachrichten ein, welche die Herzen Aller,
die entweder der Monarchie oder der Freiheit anhingen, mit Freude
erfüllten. Jene ungeheure Streitmacht, welche Jahre lang wie ein
einziger Mann gehandelt und dadurch so unüberwindlich geworden war,
hatte sich endlich in Zwiespalt aufgelöst. Die schottische Armee, welche
der Republik große Dienste geleistet, befand sich in dem Zustande voller
Kraft; mit einem dem ähnlichen Unwillen, den die an der Donau und am
Euphrat stehenden römischen Legionen bei der Nachricht empfanden, daß
die prätorianischen Garden das Reich zum Verkauf feilgeboten, hatte sie
sich von der Revolution fern gehalten und sie beobachtet. Sie fand es
unerträglich, daß einige Regimenter, weil sie in der Nähe von
Westminster cantonnirten, und nur deshalb sich anmaßten, im Laufe eines
halben Jahres mehrere Regierungen zu ernennen und wieder abzusetzen.
Wäre die Regelung der Staatsangelegenheiten durch Soldaten am rechten
Platze gewesen, so hätten diejenigen, welche im Norden des Tweed die
englische Autorität aufrecht erhielten, dasselbe Recht abzustimmen
gehabt, als die, welche den Tower von London besetzt hielten. Die in
Schottland stehenden Truppen scheinen weniger vom Fanatismus ergriffen
gewesen zu sein, als irgend ein anderer Theil der Armee, und Georg Monk
selbst, ihr General, war der vollständige Gegensatz von einem Zeloten.
Bei dem Beginne des Bürgerkriegs hatte er zu Gunsten des Königs die
Waffen getragen, war von den Rundköpfen gefangen worden, hatte dann von
dem Parlamente eine Offizierstelle angenommen und sich, ohne den
geringsten Anspruch auf Heiligkeit, durch Muth und militairische
Fähigkeiten zu hohen Kommandostellen emporgeschwungen. Beiden
Protektoren hatte er nützliche Dienste geleistet, er war ruhig
geblieben, als die Offiziere zu Westminster Richard stürzten und das
Lange Parlament wieder einsetzten, und hätte ihm die provisorische
Regierung nicht Grund zu Unwillen und Besorgniß gegeben, so würde er
vielleicht eben so ruhig bei der zweiten Vertreibung des Langen
Parlaments geblieben sein, denn er war von Natur vorsichtig, etwas
langsam und durchaus nicht geneigt, sichere und mäßige Vortheile der
Möglichkeit zu opfern, selbst einen glänzenden Erfolg zu bewirken. Die
Furcht, durch die Unterwerfung unter die neuen Herrscher des Staats in
seiner Sicherheit gefährdet zu werden, scheint ihn mehr zum Angriffe
getrieben zu haben, als die Hoffnung, durch ihren Sturz zu einer Größe
sich zu erheben. Was auch immerhin seine Gründe sein mochten -- er trat
als der Verfechter der unterdrückten bürgerlichen Gewalt auf,
verweigerte die Anerkennung der angemaßten Autorität der provisorischen
Regierung und rückte an der Spitze von siebentausend alten Soldaten
gegen England vor.

Dies war das Zeichen zu einem allgemeinen Ausbruche: überall weigerte
sich das Volk, Steuern zu zahlen; zu Tausenden versammelten sich die
Arbeiter der City und riefen laut nach einem freien Parlamente; die
Flotte segelte in die Themse und erklärte sich gegen die Tyrannei der
Soldaten; die Soldaten, frei von der Aufsicht eines überwiegenden
Geistes, theilten sich in Parteien; aus Furcht allein zu stehen und so
das Racheziel der unterdrückten Nation zu werden, beeilte sich jedes
einzelne Regiment, einen Separatfrieden zu schließen. Lambert, der nach
Norden der schottischen Armee entgegen geeilt war, gerieth, von seinen
Truppen verlassen, in Gefangenschaft. Seit dreizehn Jahren hatte die
bürgerliche Gewalt in jedem Streite der militairischen erliegen müssen;
jetzt beugte sich die militairische vor der bürgerlichen Gewalt. Das
allgemein gehaßte und verachtete Rumpfparlament, aber der einzige
politische Körper im Lande, der noch einen Schein von gesetzlicher
Autorität trug, kehrte in das Haus zurück, aus dem man es zweimal
schimpflich vertrieben hatte.

Monk rückte indeß London näher. Überall, wohin er kam, eilte ihm die
Gentry entgegen und bat ihn flehentlich, er möge seine Macht zur
Wiederherstellung des Friedens und der Freiheit der zerrütteten Nation
verwenden. Der General, kaltblütig, schweigsam und ohne Eifer für irgend
eine politische oder religiöse Verfassung, beobachtete eine
unerschütterliche Zurückhaltung. Was damals seine Pläne waren, und ob er
überhaupt Pläne hatte, läßt sich nicht bestimmen; aber es war
ersichtlich sein Hauptziel, sich so lange als möglich die freie Wahl
zwischen zwei Verfahrungsarten zu erhalten, die gewöhnliche Politik von
Männern, die sich mehr durch Klugheit, als durch Scharfsinn auszeichnen.
Es ist wahrscheinlich, daß er seinen Entschluß erst nach einigen Tagen
Aufenthaltes in der Hauptstadt festgestellt hat. Das ganze Volk rief
nach einem freien Parlamente, und es ist nicht zu bezweifeln, daß ein
solches die verbannte Königsfamilie sofort zurückgerufen hätte. Der
Rumpf und die Soldaten waren dem Hause Stuart noch immer feindlich
gesinnt, und der Rumpf wiederum ward allgemein verachtet und gehaßt.
Man hatte zwar die Macht der Soldaten immer noch zu fürchten, aber die
herrschende Zwietracht hatte diese Macht bedeutend geschwächt, und dabei
war sie ohne Führer. In vielen Theilen des Landes hatten sich die
Soldaten einander feindlich gegenüber gestanden, und noch Tags zuvor,
ehe Monk London erreichte, hatte auf dem Strande ein Kampf zwischen
Reiterei und Fußvolk stattgefunden. Eine einige Armee hatte lange Zeit
eine durch Zwiespalt zerrüttete Nation niedergedrückt; jetzt war die
Nation einig und die Armee durch Zwiespalt zerrüttet.


[_Monk erklärt sich für ein freies Parlament._] Die Verstellung oder
Unschlüssigkeit Monks hielt eine Zeit lang alle Parteien in einer
peinlichen Ungewißheit. Endlich brach er das Schweigen, indem er sich
für ein freies Parlament erklärte.

Diese Erklärung versetzte die Nation in einen wahren Freudentaumel;
überall wo er sich zeigte, drängte sich die jubelnde Menge um ihn und
segnete seinen Namen; alle Glocken Englands stimmten in diesen Jubel mit
ein; in den Straßen floß das Bier, und mehrere Nächte hindurch erhellten
unzählige Freudenfeuer London und die Umgegend von fünf Meilen.
Diejenigen presbyterianischen Mitglieder des Hauses der Gemeinen, die
man mehrere Jahre zuvor durch Waffengewalt vertrieben hatte, kehrten zu
ihren Sitzen zurück und es empfingen sie die lauten Begrüßungen der
Menge, die Westminsterhall und den Schloßhof anfüllte. Die Häupter der
Independenten wagten kaum noch sich in den Straßen zu zeigen, sie waren
selbst in ihren Wohnungen nicht mehr sicher. Man ergriff nun Maßregeln
zur Gründung einer zeitweiligen Regierung; es wurden Befehle zu einer
allgemeinen Wahl erlassen und das denkwürdige Parlament, das durch
zwanzig bewegte Jahre alle Wechsel des Glücks erfahren, seinen Souverain
besiegt, von seinen Dienern geknechtet und zweimal vertrieben, und
zweimal wieder eingesetzt worden, sprach endlich feierlich seine eigene
Auflösung aus.


[_Allgemeine Wahl von 1660._] Das Ergebniß der Wahlen entsprach dem,
was man von der Stimmung der Nation erwarten konnte. Das neue Haus der
Gemeinen war, mit geringen Ausnahmen, aus Männern zusammengesetzt, die
ergeben an der königlichen Familie hingen. Die Presbyterianer bildeten
die Mehrheit.

Es schien fast gewiß, daß nun eine Restauration stattfinden würde; aber
es stand noch zu fürchten, daß sie keine friedliche sein würde. Die
Stimmung der Soldaten war finster und wild, sie haßten den Königstitel,
den Namen Stuart, verabscheuten den Presbyterianismus, aber mehr noch
die Prälatur. Indem sie mit Bitterkeit das Ende ihrer langen Herrschaft
und den Beginn eines Lebens voll Elend und ruhmlosen Mühens herannahen
sahen, schrieben sie ihr Unglück der Schwäche und dem Verrathe einiger
Generale zu. Eine Stunde ihres theuren Oliver Cromwell hätte selbst
jetzt noch den erloschenen Ruhm neu anfachen können. Waren sie auch
verrathen, uneinig und ohne einen Führer, der ihr Vertrauen besaß,
so mußte man sie dennoch fürchten. Der Wuth und Verzweiflung von
funfzigtausend Männern entgegenzutreten, die noch nie einem Feinde den
Rücken gewendet hatten, war keine leichte Aufgabe. Monk und seine
politischen Genossen sahen wohl ein, daß diese Krisis eine sehr
gefährliche sein würde. Indem sie jede List anwendeten, die
mißvergnügten Soldaten zu beruhigen und unter sich zu entzweien, trafen
sie auch zugleich für den Fall eines Zusammenstoßes die kräftigsten
Vorsichtsmaßregeln. Die in London garnisonirende schottische Armee
erhielt man durch Belobungen, Versprechen und Geschenke in einer
günstigen Stimmung. Die reichsten Bürger von London gewährten den
Rothröcken alles, sie spendeten so freigebig ihre besten Weine, daß man
ganze Haufen dieser frommen Krieger oft in einem Zustande fand, der
weder ihrem religiösen, noch ihrem militairischen Charakter große Ehre
machte. Monk wagte es, einige widerspenstige Regimenter aufzulösen,
während die provisorische Regierung mit Hilfe der Gentry und der
Behörden die größten Anstrengungen zur Organisirung der Miliz machte.
Bald stand diese Streitmacht, die mindestens einhundertzwanzigtausend
Mann stark war, in jeder Grafschaft marschfertig. Über zwanzigtausend
gut bewaffnete und ausgerüstete Bürger ward in Hyde-Park Heerschau
gehalten, wobei diese in einen Enthusiasmus ausbrachen, der zu der
Hoffnung berechtigte, daß sie im Fall der Noth tapfer für ihre Läden und
Häuser kämpfen würden. Die ganze Flotte hielt es mit der Nation. Es war
eine Zeit der Aufregung und der Angst, aber auch eine Zeit der Hoffnung.
Man war allgemein der Ansicht, daß England, wenn auch durch einen
verzweifelten und blutigen Kampf, frei werden, und daß die, die so lange
Zeit durch das Schwert geherrscht, jetzt durch das Schwert umkommen
würden.

Glücklicherweise wurden die Gefahren eines Zusammenstoßes abgewendet.
Dadurch, daß Lambert aus dem Kerker entwich und seine Kameraden unter
die Waffen rief, entstand zwar ein Augenblick ernster Gefahr, und die
Flamme des Bürgerkrieges loderte sogleich empor, aber man erstickte sie
durch schnelle und kräftige Maßregeln, so daß sie sich nicht verbreiten
konnte, und nahm den unglücklichen Nachahmer Cromwells von Neuem
gefangen. Das Mißglücken dieses Unternehmens entmuthigte die Soldaten,
so daß sie sich traurig ihrem Schicksale unterwarfen.


[_Die Restauration._] Das neue Parlament, oder richtiger gesagt der
Convent, denn die Zusammenberufung hatte ohne königliche Ausschreiben
stattgefunden, trat in Westminster zusammen, und die Lords kehrten
wieder in den Saal zurück, von dem sie seit länger denn elf Jahren mit
Gewalt fern gehalten worden waren. Beide Häuser luden sogleich den König
ein, in sein Reich zurückzukehren. Mit einem nie gesehenen Gepränge ward
er wiederum proklamirt. Eine glänzende Flotte holte ihn von Holland und
schiffte ihn an der Küste von Kent aus. Die Felsen von Dover waren mit
Tausenden von Zuschauern bedeckt, unter denen sich wohl nicht einer
befand, der nicht vor Freude weinte. Seine Reise nach London war ein
ununterbrochener Triumphzug. Von Rochester an war die ganze Straße mit
Buden und Zelten bedeckt, daß sie einem endlosen Markte glich; überall
flatterten Fahnen, überall ertönten Glocken und Musik, überall floß der
Wein und das Bier auf das Wohl dessen, der Friede, Gesetz und Freiheit
zurückbrachte. Aber inmitten der allgemeinen Freude gewährte ein
düsterer Fleck einen drohenden Anblick. Zur Begrüßung des Herrschers
hatte man die Armee auf Blackheath aufgestellt; ob er auch lächelte,
sich verbeugte, den Obristen und Majoren seine Hand zum Kusse bot --
sein freundliches Entgegenkommen war vergebens. Die Haltung der Soldaten
blieb eine düstere und drohende, und hätten sie ihren Gefühlen freien
Lauf gelassen, so würde das Freudenfest, bei dem auch sie wider Willen
betheiligt waren, ein schreckliches und blutiges Ende genommen haben.
Aber es herrschte keine Einigkeit mehr unter ihnen, das Vertrauen zu den
Führern und zu einander selbst hatten Zwietracht und Abtrünnigkeit
geraubt. Die ganze Macht der City von London stand unter den Waffen,
zahlreiche Milizkompagnien, geführt von loyalen Edelleuten und
Gentlemen, waren aus verschiedenen Theilen des Landes gekommen, um den
König zu bewillkommnen. Dieser große Tag ging in Frieden zu Ende, und
der zurückgerufene Wanderer konnte sicher ruhen in dem Palaste seiner
Vorfahren.


       *       *       *       *       *
           *       *       *       *


  Zweites Kapitel.

  Geschichte Englands unter Karl II.



  =Inhalt.=

                                                               Seite
  Das Verfahren zur Wiederherstellung des Hauses Stuart
      wird mit Unrecht getadelt                                    5
  Beseitigung der Lehnspflichten der Ritterschaft                  6
  Auflösung des Heeres                                             7
  Wiederausbruch der Streitigkeiten zwischen den Rundköpfen
      und Cavalieren                                               7
  Religiöse Uneinigkeit                                            9
  Unpopularität der Puritaner                                     11
  Charakter Karls II.                                             15
  Charakterschilderung des Herzogs von York und des Earl
      von Clarendon                                               18
  Allgemeine Wahl von 1661                                        20
  Gewaltsamkeiten der Cavaliere in dem neuen Parlamente           21
  Verfolgung der Puritaner                                        21
  Eifer der Geistlichkeit für die erbliche Monarchie              22
  Veränderung in den Sitten der Gesellschaft                      23
  Verworfenheit der Politiker                                     25
  Zustand von Schottland                                          26
  Zustand von Irland                                              28
  Die Regierung in England wird unpopulär                         29
  Krieg mit den Holländern                                        31
  Opposition in dem Hause der Gemeinen                            32
  Sturz Clarendons                                                33
  Zustand der europäischen Staatsangelegenheiten und
      Überlegenheit Frankreichs                                   35
  Charakter Ludwigs XIV.                                          36
  Die Tripleallianz                                               38
  Die Vaterlandspartei                                            38
  Verbindung zwischen Karl II. und Frankreich                     39
  Pläne Ludwigs in Bezug auf England                              40
  Vertrag von Dover                                               42
  Natur des englischen Cabinets                                   43
  Die Cabale                                                      44
  Zahlungseinstellung der Schatzkammer                            46
  Krieg mit den Vereinigten Provinzen und große Gefahr
      derselben                                                   46
  Wilhelm, Prinz von Oranien                                      47
  Versammlung des Parlaments                                      48
  Indulgenzerklärung                                              49
  Cassirung der Indulgenzakte, Annahme der Testakte               50
  Auflösung der Cabale                                            51
  Verwickelte Lage der Vaterlandspartei                           53
  Verkehr dieser Partei mit der französischen Gesandtschaft       53
  Frieden von Nimwegen                                            54
  Große Unzufriedenheit in England                                54
  Danby's Sturz                                                   56
  Die papistische Verschwörung                                    56
  Erste allgemeine Wahl von 1679                                  58
  Heftigkeit des neuen Hauses der Gemeinen                        60
  Temple's Regierungssystem                                       60
  Charakter des Halifax                                           63
  Charakter Sunderlands                                           65
  Prorogation des Parlaments                                      66
  Habeas-Corpus-Akte                                              66
  Zweite allgemeine Wahl von 1679                                 67
  Popularität Monmouths                                           67
  Lawrence Hyde                                                   70
  Sidney Godolphin                                                70
  Heftigkeit der Parteien bei der Frage der Ausschließungsbill    71
  Die Namen Whig und Tory                                         71
  Zusammentritt des Parlaments und Durchgang der
      Ausschließungsbill im Hause der Gemeinen                    72
  Die Lords verwerfen die Ausschließungsbill                      73
  Hinrichtung Staffords                                           73
  Allgemeine Wahlen von 1681                                      74
  Das Parlament zu Oxford gehalten und aufgelöst                  74
  Toryreaction                                                    75
  Verfolgung der Whigs                                            76
  Der Freibrief der City wird zurückgenommen                      77
  Verschwörung der Whigs                                          77
  Entdeckung der Whigverschwörung                                 79
  Strenge der Regierung                                           79
  Entziehung von Privilegien                                      79
  Einfluß des Herzogs von York                                    80
  Halifax opponirt ihm                                            81
  Lord Guildford                                                  82
  Politik Ludwigs                                                 84
  Stand der Parteien am Hofe Karls zur Zeit seines Todes          85



[_Das Verfahren zur Wiederherstellung des Hauses Stuart wird mit Unrecht
getadelt._] Englands Geschichte bietet während des siebzehnten
Jahrhunderts das Bild der Umgestaltung einer, nach Art des Mittelalters
geschaffenen beschränkten Monarchie in eine, der höheren geistigen
Entwickelung der bürgerlichen Gesellschaft angemessenere beschränkte
Monarchie, deren Schutz und Vertheidigung nicht blos in den Händen des
Adels liegt, und deren finanzielle Bedürfnisse nicht ferner von dem
Ertrage der Krongüter bestritten werden müssen. Die Staatsmänner welche
im Jahre 1642 die Spitze des Langen Parlaments bildeten, suchten diese
Umwandlung dadurch herbeizuführen, daß sie den Reichsständen die Wahl
der Minister, die Oberaufsicht über die gesammte Administration sowie
den Oberbefehl über das Heer übertrugen; so vortrefflich dieser Plan
aber auch immer durchdacht war, der Gang des herrschenden Bürgerkrieges
ließ ihn nicht zur gewünschten Ausführung kommen. Es ist Thatsache,
daß die Häuser endlich triumphirten, sie hatten aber vorher einen Kampf
bestehen müssen, durch den sie zur Bildung einer Gewalt gezwungen
wurden, die zu überwachen sie nicht mächtig genug waren, und welche gar
bald die Herrschaft über alle Parteien und Stände des Landes sich
anzueignen begann. So lange der weise und hochherzige Cromwell den
Oberbefehl führte, waren die von einer Militairherrschaft
unzertrennlichen Übel weniger fühlbar; als aber das Heldenschwert,
welches er mit Kraft und Muth geführt, seiner Hand entsank, als Führer
an die Spitze des Heeres traten, welche weder seinen Verstand noch seine
Humanität, weder seine Fähigkeiten noch seine Tugenden besaßen, da
schien der Augenblick nicht fern zu sein, wo Freiheit und Ordnung zu
ruhmlosem Untergange übereinander stürzen würden.

Zu dieser Katastrophe sollte es jedoch nicht kommen. Oft haben der
Freiheit huldigende Schriftsteller die Restauration ein unglückliches
Ereigniß genannt, sie haben die Beschränktheit und Niederträchtigkeit
der Convention verdammt, welche die vertriebene Königsfamilie aus der
Verbannung rief, ohne neue Garantien gegen schlechte Staatsverwaltung in
der Hand zu haben; aber Alle, welche dieser Ansicht sind, haben nicht
die Eigenthümlichkeit der Krisis durchschaut, welche nach Richard
Cromwells Absetzung eintrat. England war von der Gefahr bedroht, unter
den Despotismus von bedeutungslosen Menschen zu gerathen, welche die
Willkür der Soldateska heute emporhob, und morgen wieder in das Nichts
zurückwarf. Jeder einsichtsvolle Vaterlandsfreund erkannte die
Nothwendigkeit, der Soldatenherrschaft ein Ende zu machen, doch war die
Lösung dieser Aufgabe höchst schwierig, so lange die Soldaten unter sich
einig blieben. Bald aber schimmerte ein Hoffnungsstrahl; es kam zu
Mißverständnissen und Streitigkeiten unter den Generalen, ein Heerführer
bekämpfte den andern, und die Armeen standen einander erbittert
gegenüber. Jetzt galt es, den kritischen Moment rasch zu fassen und zu
benutzen, die Zukunft unseres Vaterlandes hing davon ab, und wahrlich!
es haben unsere Voreltern nicht gesäumt, im verhängnißvollen Augenblicke
zur That zu schreiten. Alle Streitigkeiten über Reformen, welche unserer
Verfassung nöthig waren, wurden bis zu geeigneterer Zeit vertagt,
Cavalier und Rundkopf, Episcopale und Presbyterianer, sie alle standen
fest und einig zur Unterdrückung der militärischen Tyrannei und
Aufrechthaltung der alten Gesetze des Landes. Mit Recht konnte die Frage
über Vertheilung der Gewalt zwischen Monarchen, Adel und Gemeinen bis zu
der nothwendigen Entscheidung unbeantwortet bleiben, ob künftighin
Englands Regierung in der Hand des Königs und des Volkes, oder in der
bewaffneten Faust der Soldateska liegen solle. Es war ein Glück, daß die
Staatsmänner der Convention nicht durch lange Reden über
Regierungsprinzipien, durch Entwerfung einer neuen Constitution, oder
durch Eröffnung von Conferenzen die Zeit verloren; oder daß man
wochenlang zwischen Westminster und den Niederlanden Boten mit Plänen
und Gegenplänen, Fragen von Hyde und Antworten von Prynne hin und her
gesandt. Wäre es geschehen, so würde die Coalition, welche die Erhaltung
der öffentlichen Sicherheit bezweckte, ihrer Auflösung entgegen gegangen
sein; es wären Streitigkeiten zwischen den Königlich Gesinnten und den
Presbyterianern ausgebrochen; die militairischen Factionen hätten sich
wahrscheinlich geeinigt und die getäuschten Freunde der Freiheit würden
unter einer Regierung, unvollkommener als die des unfähigsten Königs aus
dem Stamme der Stuarts, schmerzlich empfunden haben, daß die günstige
Gelegenheit zur Abhilfe vorübergegangen sei.


[_Beseitigung der Lehnspflichten der Ritterschaft._] So wurde denn durch
allgemeine Übereinkunft der beiden mächtigen Parteien die alte
Staatsverfassung in der Form wiederhergestellt, welche sie vor achtzehn
Jahren, wo König Karl I. die Hauptstadt verließ, gehabt hatte, und alle
Acte des Langen Parlaments, welche der König genehmigt hatte, behielten
ihre volle Geltung. Ebenso wurde auch von dem wieder eingesetzten Könige
eine neue Concession bewilligt, welche für die Cavaliere von größerer
Wichtigkeit war als für die Rundköpfe. Vor Jahrhunderten schon hatte man
als das geeignetste Mittel der Nationalvertheidigung das militairische
Lehnswesen eingeführt, das Nützliche aber was diese Einrichtung in sich
trug, war im Laufe der Zeit verschwunden, und nichts als Beschwerden und
leere Formen davon zurückgeblieben. Wer von der Krone ein Landgut gegen
ritterliche Dienstleistung in Lehn trug -- und in dieser Weise war der
größte Theil des Grundeigenthums von England vergeben -- hatte bei der
Besitznahme eine bedeutende Geldsumme zu erlegen, konnte jedoch nicht
den geringsten Theil des erworbenen Eigenthums ohne höhere Erlaubniß
verkaufen. Starb er und der Erbe der Güter befand sich noch in den
Jahren der Unmündigkeit, so übernahm der König die Vormundschaft, und
erhielt für die Dauer derselben nicht allein einen bedeutenden Theil des
Güterertrags, sondern der Unmündige war auch verpflichtet, bei
Vermeidung schwerer Strafe, nach dem Willen des königlichen Vormunds und
nur in angemessenen Rangverhältnissen Ehebündnisse zu schließen. Daher
kam es, daß eine Menge mittelloser Abenteurer den Hof belagerten, in der
Hoffnung, zum Lohne für Unterwürfigkeit und Schmeichelei ein solches
reiches Mündel durch die Gnade des Königs zu erlangen. Mit der Monarchie
endigten auch diese Mißbräuche, und alle Gutsherren des Landes wünschten
natürlich dringend, daß mit der Wiedererstehung derselben sie nicht etwa
wiederkehren möchten; deshalb wurden sie durch ein Statut feierlich
beseitigt, und mit Ausnahme einiger ehrendienstlichen Handlungen, welche
noch jetzt bei der Krönung von einigen Vasallen der Person des Königs
geleistet werden müssen, entschwanden diese alten, ritterdienstlichen
Lehen für immer.


[_Auflösung des Heeres._] Jetzt sollte das Heer aufgelöst werden.
Funfzigtausend alte, kriegstüchtige Soldaten wurden verabschiedet und
gerechtfertigt schien die allgemeine Furcht, daß diese große Menge
brodlos gewordener Menschen Verbrechen und Unglück in bedeutender Zahl
hervorrufen, und der Mangel sie zu Mord und Plünderung treiben würde;
aber man hatte sich getäuscht, denn schon nach wenigen Monaten war die
furchtbare Armee friedlich im Volke verschwunden und selbst die
königlich Gesinnten mußten zugestehen, daß die entlassenen Kriegsleute
als brave und tüchtige Arbeiter sich allgemeiner Achtung zu erfreuen
hatten, und daß sie das Volk, wie man gefürchtet, weder durch Raub und
Plünderung noch durch Bettelei belästigten. Ja es ging die gute Meinung,
welche man von diesen entlassenen Soldaten hegte, soweit, daß wenn z.B.
ein Bäcker, Maurer oder Fuhrman sich durch Fleiß und Redlichkeit
bemerkbar machte, man unverholen aussprach, er müsse einst zu Oliver
Cromwells alten Soldaten gehört haben. --

Obgleich die militairische Despotie geschwunden war, hatte sie doch im
Volke tiefe Erinnerungen zurückgelassen. Man sprach mit Abscheu und
Verachtung von den stehenden Heeren, und merkwürdig ist es, daß diese
Empfindungen unter den Cavalieren stärker waren als unter den
Rundköpfen. Es war ein Glück, daß als England unter der blutigen
Regierung des Schwertes stand, dasselbe nicht von dem angestammten
Fürsten, sondern den Männern der Revolution geführt wurde, obschon diese
weder das Leben des Königs noch die Kirche schonten. Die Freiheit
unseres Vaterlandes wäre dahin gewesen, wenn König Karl mit seinem guten
Rechte an der Spitze einer so höchst vortrefflichen Armee stand, wie die
Cromwells war. Der monarchischen Partei war das einzige Mittel, wodurch
die Monarchie in eine absolute umgeändert werden konnte, zum Glück ein
Gegenstand der Furcht und des Schreckens, und nach der Ansicht der
Königlichen und Prälatisten nicht zu trennen von Fürstenmord und
Feldkanzelgeschrei. Die Tories eiferten noch ein Jahrhundert nach
Cromwells Tode gegen die Vermehrung des stehenden Heeres, und rühmten
die Vorzüge einer Nationalbewaffnung. War es doch noch im Jahre 1786
einem Minister, der das Vertrauen der Tories in hohem Grade besaß,
unmöglich, die Befestigung der Meeresküsten bei ihnen durchzusetzen,
immer war ihnen das stehende Heer ein Gegenstand des Ärgernisses, bis
endlich die französische Revolution ihren Ansichten einen Umschwung gab.


[_Wiederausbruch der Streitigkeiten zwischen den Rundköpfen und
Cavalieren._] Die Coalition, welche den König wieder auf den Thron
erhoben, hörte mit der Gefahr auf, die sie in's Leben gerufen; aber
wiederum traten zwei feindliche Parteien auf den Kampfplatz. Ihre
einzige übereinstimmende Handlung war die Bestrafung einiger
Unglücklichen, auf denen zu jener Zeit der allgemeine Haß ruhte.
Cromwell war nicht mehr, und diejenigen, welche einst zitternd vor ihm
flohen, hatten die elende Genugthuung, den Leichnam des größten Mannes,
der England je beherrschte, aus der Erde zu reißen, ihn zu verstümmeln,
aufzuhängen und zu verbrennen. Auch von den republikanischen Häuptern
fielen zwar wenige, aber immer noch zu viel der Rache anheim, bald aber,
nachdem sie von dem Blute der Königsmörder gesättigt waren, wandten sich
die Sieger gegen einander. Obschon die Rundköpfe nicht in Abrede
stellten, daß der hingerichtete König viele Vorzüge besessen, und das
Urtheil, welches ein gesetzwidriger Gerichtshof über ihn gesprochen, als
ein ungerechtes verdammten, so behaupteten sie doch, daß er bei seiner
Verwaltung sich Handlungen gegen die Verfassung erlaubt habe, und daß
die Häuser in ihrem vollen Rechte gewesen seien, als sie die Waffen
gegen ihn erhoben. Sie erklärten ferner, der gefährlichste Feind der
Monarchie sei der Schmeichler, welcher das Gesetz den Prärogativen
untergeordnet wissen wolle, der jede königliche Handlung gutheiße,
selbst wenn sie Eingriffe in die Rechte Anderer enthalte, und nicht
allein Cromwell und Harrison sondern auch Pym und Hampden mit den Namen
Verräther belege. Wünsche der König eine friedliche und glückliche
Regierung, so müsse er auch denen vertrauen, welche zwar die Waffen zur
Vertheidigung der verletzten Privilegien des Parlaments ergriffen, sich
aber doch der wüthenden Soldateska entgegen stellten, als es die Rettung
seines Vaters galt, und deren Anstrengungen die königliche Familie ihre
Zurückrufung hauptsächlich zu danken habe.

Weit verschieden von dieser Ansicht war die des Adels. Bei allen
Wechselfällen welche das Fürstenhaus betroffen, waren sie achtzehn Jahre
hindurch diesem treuergeben geblieben. Sollten sie, da sie das
Mißgeschick ihres Fürsten getheilt, nicht auch seinen Triumph theilen?
War nicht ein Unterschied zwischen ihnen und dem unloyalen Unterthan,
welcher das Schwert gegen die heiligen Rechte seines Fürsten gezogen,
und sich als ein Anhänger Richard Cromwells nicht eher an der
Restauration der Stuarts betheiligte, bis er erkannte, daß nur dadurch
das Volk von der gefürchteten Militairherrschaft zu retten sei? Und wenn
auch die Dienste, welche ein solcher Mann zuletzt geleistet, Verzeihung
des Geschehenen erheischten, waren diese Dienste in die Wagschale zu
legen gegen die Aufopferungen und Mühseligkeiten der wackeren Cavaliere,
die in unerschütterlicher Treue bei der Dynastie verharrt? War es
möglich, ihn in gleiche Linie zu stellen mit Männern, welche nicht
nöthig hatten, die Gnade des Königs anzurufen, weil sie dieselbe in
jedem Augenblicke einer vieljährigen Vergangenheit verdient hatten?
Durfte er im Genuß eines Vermögens gelassen werden, welches aus dem
Eigenthume der zu Grunde gerichteten Vertheidiger des Thrones bestand?
Mußte er sich nicht glücklich schätzen, Leben und Eigenthum, welche so
oft der Gerechtigkeit verfallen waren, gesichert zu sehen, und Theil zu
haben an den Segnungen einer milden Regierung, der er so lange feindlich
gegenübergestanden? War es billig, ihn für seine Verrätherei zum
Nachtheile von Männern zu belohnen, deren einziger Vorwurf nur in der
Treue liegen konnte, mit welcher sie fest an ihrem Huldigungseide
gehalten hatten? Durfte der König seine alten Feinde mit Reichthümern
überschütten, die man seinen alten Freunden geraubt? Konnte man zu
Männern Vertrauen haben, welche gegen ihren König aufgestanden, und das
Schwert gegen ihn erhoben, ja ihn eingekerkert hatten, und die jetzt,
anstatt reuig und zerknirscht das Haupt zu beugen, mit keckem Trotz ihre
Handlungen vertheidigten und als hohen Beweis ihrer Loyalität anführten,
daß sie ihre Hand nicht zum Königsmorde bieten wollten? Allerdings
hätten sie bei Wiederaufrichtung des Thrones thätige Hilfe geleistet;
aber wer anders als sie habe ihn denn vorher umgestürzt? und noch jetzt
huldigten sie ja Grundsätzen, welche gar leicht zur Wiederholung einer
solchen That führen könnten. Daß die königliche Gnade einige von denen
berühren möchte, welche sich bei Wiederherstellung des Thrones besonders
nützlich gezeigt, fand man zwar angemessen, aber die Pflicht der
Gerechtigkeit und Dankbarkeit sowie die Staatsklugheit geböten, daß der
König seine Gnade über die treuen Männer ausschütte, welche in den Tagen
des Glücks wie der Gefahr zu ihm und seinem Hause gestanden. Aus diesen
Gründen beanspruchte der Adel natürlich Entschädigung für seine Leiden
und besondere Rücksicht bei Austheilung der königlichen Gnadenbeweise.
Einige exaltirte Männer dieser Partei gingen sogar noch weiter und
verlangten ausgedehnte Proskriptionslisten.


[_Religiöse Uneinigkeit._] Noch erbitterter wurde der politische Kampf
durch einen religiösen Streit. Der König fand die Kirche in einem
eigenthümlichen Zustande. Kurze Zeit vor dem Beginn des Bürgerkrieges
hatte Karl I., wenn auch mit Widerstreben, einer von Falkland
unterstützten Bill seine Zustimmung gegeben, wodurch die Bischöfe ihres
Sitzes im Hause der Lords beraubt worden; das Episcopat aber und die
Liturgie waren niemals durch ein Gesetz aufgehoben worden. Das lange
Parlament hatte jedoch Verordnungen erlassen, welche im Kirchenregiment
und öffentlichen Gottesdienste eine förmliche Revolution hervorgerufen.
Im Prinzip war das neue System kaum weniger erastianisch als das,
welches es verdrängte. Die Kammern, namentlich durch die Rathschläge des
äußerst klugen Selden veranlaßt, hatten den Entschluß gefaßt, die
weltliche Gewalt vollständig über die geistliche zu stellen. Sie hatten
sich geweigert die Erklärung zu geben, daß irgend eine Form der
Kirchenverfassung göttlichen Ursprungs sei, und ebenso bestimmt, daß von
allen geistlichen Gerichtshöfen eine Appellation in letzter Instanz an
das Parlament gehen solle. Mit diesem höchst wichtigen Vorbehalt
beschloß man in England ein Kirchenregiment einzuführen, welches dem
bereits in Schottland vorhandenen vollständig glich. Die Autorität von
Konzilien, die in regelmäßiger Stufenfolge sich eines über das andere
erhoben, setzte man an die Stelle der Autorität der Bischöfe und
Erzbischöfe, die Liturgie machte dem presbyterianischen Directorium
Platz. Die neuen Regulative waren jedoch kaum abgefaßt, als die
Independenten sich zu außerordentlichem Einflusse im Staate erhoben. Die
Independenten waren nicht geneigt, Verordnungen, welche die Klassen-,
Provinzial- und Nationalsynoden betrafen, durchzusetzen, und sie sind
deshalb nie zu vollständiger Ausführung gebracht worden. Das
presbyterianische System wurde ausnahmsweise nur in Middlesex und
Lancashire im ganzen Umfange ausgeübt, in den übrigen fünfzig
Grafschaften scheint fast jedes einzelne Kirchspiel ohne Verbindung mit
den benachbarten geblieben zu sein. Die Geistlichen bildeten zwar in
einigen Bezirken freiwillige Verbindungen unter sich, zu dem Zwecke
gegenseitigen Beistands und Rathes; diese Vereine besaßen aber keine
zwingende Kraft. Da jetzt weder Bischöfe noch Presbyterien die Patrone
der geistlichen Pfründen zügelten, so würde es in deren Macht gestanden
haben, die Seelsorge den verrufensten Menschen zu übergeben, wenn nicht
das energische Einschreiten Cromwells diese Willkür unmöglich gemacht
hätte. Er gründete auf seine eigene Autorität eine Behörde von
Bevollmächtigten, welche den Namen »Prüfer« (+Triers+) führten und von
denen die meisten Independenten-Geistliche waren. Außerdem hatten einige
wenige presbyterianische Pfarrer sowie einige Laien in diesem Kollegium
Sitz und Stimme. Das Zeugniß, welches diese Prüfer gaben, vertrat die
Stelle sowohl der Einsetzung als der Einführung, und Niemand konnte eine
geistliche Pfründe erhalten, wenn er nicht ein solches Zeugniß besaß.
Ohne Zweifel war dies eine Handlung des Despotismus, wie sie wohl selten
von einem Beherrscher Englands ausgegangen, aber bei der allgemeinen
Überzeugung, daß ohne eine solche Maßregel das Land von liederlichen und
unwissenden Menschen überschwemmt werden müsse, welche den Namen von
Geistlichen trügen und deren Einkommen verzehrten, erhoben mehrere
Männer, die in hoher Achtung standen, ihre Stimme, und, obgleich keine
Freunde Cromwells, erklärten sie laut, daß er in diesem Falle als ein
öffentlicher Wohlthäter gehandelt habe. Die Kandidaten, welche die
Prüfer zur Bekleidung eines geistlichen Amtes fähig befunden, nahmen
ihre Pfarreien in Besitz, bebauten ihre Ländereien, erhoben den Zehnten,
beteten ohne Buch und Chorhemd und ertheilten das Abendmahl an
Kommunikanten, welche an langen Tafeln saßen.

In solch heilloser Verwirrung befand sich Englands Kirchenverfassung.
Das Episcopat war die Regierungsform, welche die alten bis dahin noch
nicht aufgehobenen Gesetze vorschrieben; eine Parlamentsverordnung hatte
die presbyterianische Form festgestellt, aber weder das alte Gesetz noch
die parlamentarische Verordnung waren thatsächlich in Kraft. Die Kirche
in ihrem wahren Zustande erschien als ein unregelmäßiger Körper,
zusammengefügt aus einigen wenigen Presbyterien und einer Menge von
Independenten-Gemeinden, welche sämmtlich durch die Autorität der
Regierung nieder- und zusammengehalten wurden.

Von denen, welche bei der Zurückführung des Königs hauptsächlich
mitgewirkt hatten, wünschten Viele dringend Synoden und das Directorium.
Andere eiferten dafür, durch einen Vergleich die religiösen
Streitigkeiten, welche England so lange bewegt hatten, zu beendigen.
Zwischen den bigotten Anhängern Lauds und Calvins konnte weder Friede
noch Waffenstillstand bestehen; aber es war möglich, die gemäßigten
Episcopalen von Ushers Schule und die gemäßigten Presbyterianer von der
Schule Baxters zu einer Verständigung zu bewegen. Die gemäßigten
Episcopalen würden zugestehen, daß ein Bischof gesetzmäßig durch ein
Konzil unterstützt werden könne, und die gemäßigten Presbyterianer
würden nicht in Abrede stellen, daß jede Provinzialversammlung
gesetzmäßig einen beständigen Präsidenten haben und daß dieser
gesetzmäßig »Bischof« genannt werden könne. Man könne eine revidirte
Liturgie annehmen, welche das extemporirte Gebet nicht ausschlösse,
einen Taufdienst, bei welchem man das Zeichen des Kreuzes nach Ermessen
in Anwendung bringen könne oder nicht; eine Austheilung des Abendmahls,
bei welcher es den Gläubigen unbenommen bleiben sollte zu sitzen, wenn
ihr Gewissen es ihnen nicht gestatte zu knieen. Dieser Plan aber stimmte
nicht mit den Ansichten der Cavaliere überein. Die wirklich religiösen
Mitglieder dieser Partei waren dem ganzen System ihrer Kirche auf das
Gewissenhafteste zugethan. Diese war ihrem gemordeten König theuer
gewesen und hatte sie selbst getröstet, als das Unglück hereinbrach.
Ihr Gottesdienst, der während einer schweren Prüfungszeit in heimlicher
Kammer so oft das gramerfüllte Herz gestärkt, er war ihnen so lieb
geworden, daß sie sich nicht entschließen konnten, auch nur eine einzige
Response aufzugeben. Andere königlich Gesinnte, welche weniger fromm
waren, hielten es mit der Episcopalkirche, blos weil sie eine Feindin
ihrer Feinde war. Gebete und Ceremonien beurtheilten sie nicht nach dem
Troste, welcher ihnen daraus erwuchs, sondern nach dem Ärgerniß, welches
den Rundköpfen dadurch verursacht wurde, und da es ihnen nicht einfiel,
durch Nachgiebigkeit Einigung herbeiführen zu wollen, so war eine solche
zur Unmöglichkeit geworden. Sie waren gegen die Nachgiebigkeit
hauptsächlich deshalb eingenommen, weil sie keine Einigung wünschten.


[_Unpopularität der Puritaner._] So tadelnswerth diese Gefühle auch
immer sein mochten, so waren sie doch nicht nur natürlich, sondern auch
wohl zu entschuldigen. Die Puritaner hatten unstreitig in den Tagen
ihrer Macht Veranlassung zur Gereiztheit gegeben. Aus ihrer eigenen
Unzufriedenheit, ihrem eigenen Siege und der Vernichtung jener stolzen
Hierarchie, unter deren schwerem Joche sie geschmachtet, mußten sie
gelernt haben, daß im siebzehnten Jahrhundert die Macht der bürgerlichen
Obrigkeit in England nicht ausreiche, die Gemüther der Menschen zur
Übereinstimmung mit ihrem theologischen Systeme abzurichten. In Alles
sich einmischend, bewiesen sie sich dabei so unduldsam, als Laud es nur
jemals gewesen war. Unter Androhung schwerer Strafen verboten sie nicht
allein in den Kirchen, sondern selbst für Privathäuser den Gebrauch des
allgemeinen Gebetbuches. Wenn ein frommes Kind am Krankenlager der
Eltern eine der schönen Kollekten las, welche seit Jahrhunderten den
Kummer christlicher Herzen gelindert hatten, so wurde diese Handlung der
kindlichen Liebe für ein Verbrechen erklärt. Mit schwerer Ahndung wurden
diejenigen bedroht, welche es wagen würden, die calvinistische Form des
Gottesdienstes zu tadeln. Geachtete Geistliche wurden zu Tausenden nicht
nur von ihren Pfründen vertrieben, sondern auch oft den Mißhandlungen
eines fanatischen Pöbels preisgegeben; Gotteshäuser und Grabstätten,
treffliche Kunstwerke und seltene Überbleibsel des Alterthums wurden mit
roher Hand verunstaltet oder vernichtet. Eine Verordnung des Parlaments
verfügte, daß sämmtliche Gemälde der königlichen Gallerie, welche Jesus
oder die heilige Jungfrau mit dem Kinde darstellten, in's Feuer geworfen
werden sollten. Gleiches Schicksal erlitten die Werke der
Bildhauerkunst. Nymphen und Grazien, welche unter ionischen Meißeln
entstanden waren, wurden den Händen puritanischer Steinmetzen übergeben,
welche sie anständig machen mußten. Gegen leichtsinnige Vergehen aber
kämpfte die herrschende Partei mit einem Eifer, der ebenso wenig durch
Humanität als durch gesundem Menschenverstand gemäßigt war. Man erließ
strenge Gesetze gegen das Wetten und eine Verordnung verhängte die
Todesstrafe über den Ehebruch. Der unerlaubte Umgang der Geschlechter,
selbst wenn weder Verführung und Gewaltthätigkeit dabei vorkam, noch die
Sittlichkeit beleidigt oder das eheliche Recht verletzt war, galt für
ein schweres Verbrechen. Öffentliche Lustbarkeiten, von den
Maskenspielen in den Häusern der Vornehmen bis zu den Ringstechen und
ländlichen Jahrmarktspossen herab, wurden auf das Ernstlichste verfolgt.
So bestimmte eine Verordnung, daß in England künftig alle Maibäume
umgehauen werden sollten; eine andere untersagte theatralische
Vorstellungen. Die Schauspielhäuser sollten niedergerissen und die
Schauspieler gestäupt werden, die Zuschauer aber in eine Geldstrafe
verfallen. Seiltanz, Puppenspiel, Kegeln und Pferderennen wurden ungern
gesehen; der entsetzlichste Gräuel aber, welcher den Zorn der Sektirer
auf den höchsten Punkt trieb, war die Bärenhetze, damals eine
Lieblingsunterhaltung für Vornehme und Geringe. Es ist bemerkenswerth,
daß die Abneigung gegen diese Lustbarkeit nicht aus dem Gefühle
hervorging, welches in unserer Zeit die Gesetzgebung bewog, sich in's
Mittel zu legen, um die Thiere gegen die muthwillige Grausamkeit der
Menschen in Schutz zu nehmen. Der Puritaner verabscheute die Bärenhetze
nicht, weil dabei der Bär gemartert wurde, sondern weil die Zuschauer
daran Vergnügen fanden. Er hatte sich die zwiefache Freude ersonnen,
nicht nur den Bären, sondern auch den Zuschauer zu quälen.[1]

Den deutlichsten Begriff von der Denkungsweise der Rigoristen giebt
vielleicht ihr Verhalten in Bezug auf das Weihnachtsfest. Seit
undenklichen Zeiten war Weihnachten die Zeit der Freude und häuslichen
Liebe, in welcher die Familien sich vereinigten, die entfernt lebenden
Kinder in's Vaterhaus zurückkehrten, alle Streitigkeiten ausgeglichen,
die Häuser mit Immergrün geschmückt und die Tische mit den besten
Speisen besetzt wurden. Die Weihnachtszeit stimmt das Herz sanft und
öffnet es fremden Leiden, wenn nicht alle Menschenliebe aus ihm gewichen
ist. Zu dieser Zeit gestattete man den Armen, theilzunehmen an den
Genüssen des Reichen, dessen Freigebigkeit in Betracht der kurzen Tage
und der rauhen Witterung um so höheren Werth hatten. Der Unterschied
zwischen den Herren und Pächtern, den Vorgesetzten und Untergebenen trat
in dieser Zeit weniger hervor, als im übrigen Theile des Jahres. Doch
der großen Freude ist auch stets der Muthwille nahe; im Ganzen genommen
aber war der Geist, in dem der festliche Tag gefeiert wurde, eines
christlichen Festes nicht unwürdig. Zwar gebot das Lange Parlament im
Jahre 1644, daß man den 25. December streng als Fasttag behandeln,
und daß Jedermann an diesem Tage um Vergebung der großen Nationalsünde
bitten solle, welche das Volk seit Menschengedenken an demselben
begangen, indem es sich unter dem Mistelzweige getummelt, wilden
Schweinskopf verzehrt und Ale, mit gerösteten Äpfeln dazu, genossen.
Keine öffentliche Maßregel jener Zeit rief in den niederen Klassen eine
größere Entrüstung hervor, als diese, und beim nächsten Weihnachtsfeste
brachen an verschiedenen Orten gefährliche Empörungen aus. Die
Konstabler wurden mißhandelt, die Obrigkeiten verhöhnt, man stürmte die
Häuser bekannter Zeloten und in allen Gotteshäusern wurde offen das
verbotene Gebet des Tages abgehalten.

So war der Geist der extremen Puritaner, sowohl der Presbyterianer wie
der Independenten. Wenngleich Cromwell auch nicht geneigt war, sich in
Alles, was geschah, einzumischen oder wohl gar Verfolgungen eintreten zu
lassen, so stand er doch an der Spitze einer Partei und war folglich ein
Sklave derselben, weshalb er auch nicht vollständig nach eigener Ansicht
und Neigung regieren konnte. Viele Obrigkeiten machten sich selbst unter
seiner Herrschaft in ihren Bezirken so verhaßt, wie Sir Hudibras. Sie
störten alle Vergnügungen in der Nachbarschaft, trieben mit roher Gewalt
festliche Versammlungen auseinander und warfen die Fiedler in das
Gefängniß. Noch unsinniger und gefährlicher war der Eifer der Soldaten.
Erschienen sie in einem Dorfe, so mußte alles Tanzen und Glockenläuten
unterbleiben und jedes Fest hatte ein Ende. In London unterbrachen sie
zu verschiedenen Malen theatralische Vorstellungen, welche durch kein
Verbot des gutmüthigen und einsichtsvollen Protektors gestört worden
waren.

Eine solche Tyrannei mußte Furcht und Haß erzeugen, und mit ihnen
mischte sich die tiefste Verachtung. Seit den Zeiten Elisabeths waren
die Eigenthümlichkeiten des Puritaners, sein Aussehen, seine Kleidung,
seine Sprachweise, seine seltsamen Gewissensskrupel Gegenstände des
Spottes gewesen, aber diese Sonderbarkeiten erschienen viel widerlicher
bei einer Partei, welche die Regierung eines mächtigen Reiches führte,
als bei einer machtlosen verfolgten Gemeinde. Wenn es schon lächerlich
erschien, das geistliche Kauderwelsch auf der Bühne aus dem Munde von
+Tribulation Wholesome+ (heilsame Trübsal) und +Zeal-of-the-Land Busy+
(geschäftiger Landeseifer) zu hören, so klang es noch viel lächerlicher,
wenn sich Heerführer und hohe Staatsbeamte desselben bedienten. Hierbei
ist noch zu erwähnen, daß während der Revolution einige Sekten in's
Leben getreten waren, deren Überspanntheit Alles, was man bis dahin in
England gesehen, übertraf. Ludwig Muggleton, ein wahnsinniger Schneider,
zog in den Bierhäusern herum, und Ale trinkend verkündete er ewige
Qualen allen denjenigen, welche an seiner Versicherung zweifelten, daß
das höchste Wesen nur sechs Fuß hoch sei und die Entfernung der Sonne
von der Erde genau vier Meilen betrage.[2] Die größte Heiterkeit
erregte Georg Fox durch seine Behauptung, daß es eine Verletzung der
christlichen Aufrichtigkeit sei, die einzelne Person in der Mehrheit
anzureden, und eine heidnische Verehrung des Janus und Wodan, wenn man
vom Januar und dem Tage Wodans (der Mittwoche) spreche. Wenige Jahre
später nahmen einige angesehene Männer seine Lehre an und sie gelangte
zu nicht unbedeutendem öffentlichen Ansehen. Für die verächtlichsten
Fanatiker jedoch galten zur Zeit der Restauration in der Meinung des
Volkes die Quäker. Die Puritaner Altenglands behandelten sie mit großer
Strenge und in Neuengland wurden sie auf das Heftigste verfolgt. Das
Volk aber, welches sich selten um genaue Unterscheidungen kümmert,
verwechselte die Puritaner oft mit den Quäkern. Beide waren Schismatiker
und haßten das Episcopat wie die Liturgie; beide hatten lächerliche
Manieren hinsichtlich ihrer Kleidung, ihrer Gewohnheiten und
Vergnügungen. Obgleich ihre Meinungen völlig von einander abwichen, so
wurden sie doch von dem Volke als scheinheilige Schismatiker in eine
Kategorie geworfen, und was sie Lächerliches oder Gehässiges an sich
hatten, vermehrte die Verachtung und den Widerwillen, welche die Menge
gegen beide fühlte.

Vor dem Beginn der Bürgerkriege waren selbst diejenigen, denen die
Ansichten und Gewohnheiten der Puritaner am meisten zuwider waren, zu
der Anerkennung gezwungen, daß ihre Moralität im Wesentlichen tadellos
sei; doch jetzt wurde dieses Lob nicht mehr gezollt, zum Unglück aber
auch nicht mehr verdient. Immer war es das Schicksal der Sekten, so
lange sie verfolgt und unterdrückt wurden, im Rufe der Heiligkeit zu
stehen; sobald sie aber mächtig sich erhoben, verschwand auch die hohe
Achtung, welche ihnen bis dahin geworden war. Die Erklärung liegt nicht
fern. Nur selten wird Jemand einer geächteten, religiösen Gesellschaft
beitreten, den nicht Gewissensgründe dahin führen, und deshalb besteht
ein solcher Verein mit nur wenigen Ausnahmen aus Persönlichkeiten, die
von der Wahrheit und Richtigkeit ihres Glaubens völlig durchdrungen
sind. Die strengste Zucht, welche in einer solchen Gesellschaft
gehandhabt werden kann, ist ein sehr schwaches Werkzeug der Läuterung im
Vergleich mit etwas heftiger Verfolgung. Es ist bestimmt wahr, daß zur
Zeit als Diokletian die Christen verfolgte, nur Wenige sich taufen
ließen, welche nicht die ernste, religiöse Überzeugung dazu bewog,
und daß aus gleichem Grunde Viele sich protestantischen Gemeinden
anschlossen, auf die Gefahr hin von Bonner verbrannt zu werden. Aber
wenn eine Sekte zu Ansehen und Macht gelangt, wenn ihre Gunst den Weg
bahnt zu Ehrenstellen und Reichthümern, so werden sich immer habsüchtige
und ehrgeizige Menschen herandrängen, ihre Sprache reden, ihre Gebräuche
annehmen, ihre Eigenthümlichkeiten nachahmen, überhaupt in allen äußeren
Zeichen des Eifers ihre ehrenwerthen Mitglieder sehr bald übertreffen.
Die strengste Wachsamkeit der kirchlichen Leiter und ihre schärfste
Unterscheidungsgabe wird nicht hinreichen, das Eindringen solcher
heuchelnden Gesellen zu verhindern. Es ist nicht möglich, das Unkraut
vom Weizen zu sichten, aber bald fängt die Welt an einzusehen, daß die
frommen Herren nicht besser sind als andere Leute und schließt dann
nicht ganz unrichtig, daß, wenn sie nicht besser sind, sie wohl
schlechter sein müssen. So dauert es gar nicht lange, daß die äußeren
Zeichen, welche man früher als Eigenthümlichkeiten der Heiligkeit
betrachtete, als charakteristische Kennzeichen eines Schurken betrachtet
werden.

So erging es den englischen Nichtconformisten. Während sie unterdrückt
waren, hatte sich ihre Gemeinschaft rein erhalten; als sie aber
übermächtig wurden im Lande, da durfte Niemand der Hoffnung leben, ohne
ihren Einfluß zu Ehren und Ansehen zu gelangen; ihre Gunst aber war nur
dadurch zu gewinnen, daß man gewisse Zeichen und Losungsworte der
geistlichen Brüderschaft mit ihnen wechselte. Einer der ersten
Beschlüsse von Barebones Parlament, welches von allen das am meisten
puritanische war, bestand darin, daß Niemand in den Dienst des Staates
treten sollte, bevor das Haus sich von seiner Frömmigkeit genügend
überzeugt habe. Was damals für ein Zeichen wahrer Gottseligkeit galt,
der dunkle Anzug, das saure Ansehen, das kurzgeschorne Haar, das
näselnde Gewinsel, die mit Bibelstellen durchwebte Rede, der Abscheu vor
Schauspielen, Karten und Falkenbeize, wurde sehr leicht von Männern
nachgeahmt, denen jede Religion gleichgültig war. Die aufrichtigen
Puritaner verschwanden bald in einer Masse von weltlichen Leuten, die
zum Theil der schlechtesten Sorte angehörten. Denn der anerkannteste
Wüstling, der unter dem königlichen Banner gefochten hatte, konnte mit
Recht für tugendhaft gelten, denen gegenüber, welche, während sie von
süßen Erfahrungen und trostgewährenden Traktätleins sprachen, in steter
Ausübung von Betrug, Raub und geheimer Wollust lebten. Das Volk bildete
sich leider ein zu rasches Urtheil über die ganze Körperschaft nach dem
Betragen dieser elenden Heuchler; die Gottesverehrung, die Sitten, die
Redeweise der Puritaner wurden nach der öffentlichen Meinung mit den
abscheulichsten und niedrigsten Ausschweifungen in Verbindung gebracht.
Als die Restauration begonnen hatte, und man ohne Gefahr seine
Feindschaft gegen die Partei aussprechen durfte, welche so lange im
Lande geherrscht, da tönte aus allen Gegenden des Königreichs _ein_
Schrei des Hasses gegen den Puritanismus, welcher häufig durch die
Stimmen jener Schurken verstärkt wurde, deren Lasterhaftigkeit den
puritanischen Namen in Verruf gebracht hatte.

So waren die beiden großen Parteien, welche nach langen Feindseligkeiten
sich auf einen Augenblick zur Wiederherstellung der Monarchie die Hand
gereicht, einander jetzt wiederum, sowohl in politischer wie religiöser
Beziehung, gänzlich entfremdet. Die Masse des Volkes hielt zu den
Royalisten. Vergessen waren die Verbrechen Straffords und Lauds, die
Gräuelthaten der Sternkammer und der hohen Kommission, und Niemand
gedachte mehr der großen Dienste, welche das Lange Parlament in dem
ersten Jahre seines Bestehens dem Staate geleistet hatte. An die
Ermordung Karls I., die finstere Tyrannei des Rumpfs und die
Gewaltthätigkeiten des Heeres dachte man mit Entrüstung, und die Massen
waren geneigt, Alle, welche dem vorigen Könige Widerstand
entgegengesetzt, für dessen Tod und die daraus hervorgegangenen
unglücklichen Folgen verantwortlich zu machen.

Das Haus der Gemeinen war in einer Zeit gewählt worden, als noch die
Presbyterianer herrschten, und so vertrat es in keiner Art die
allgemeine Stimmung des Volks, zeigte aber eine starke Neigung, der
unduldsamen Loyalität der Edelleute ernsthaft entgegen zu treten. Als
ein Mitglied öffentlich erklärte, daß Alle, welche gegen Karl I. die
Waffen ergriffen, eben solche Verrätherei begangen wie diejenigen,
welche ihn hingerichtet, wurde dasselbe zur Ordnung gerufen, und erhielt
von dem Sprecher einen Verweis. Ohne Zweifel war es der allgemeine
aufrichtige Wunsch des Hauses, die kirchlichen Streitigkeiten so zu
ordnen, daß die gemäßigten Puritaner dadurch zufriedengestellt würden;
eine solche Erledigung wünschte aber weder der Hof noch das Volk.

    [Anmerkung 1: Wie wenig das Mitleid dabei im Spiele war, erkennt
    man zur Genüge aus einer Schrift, betitelt: +A perfect Diurnal of
    some Passages of Parliament, and from other Parts of the Kingdom,
    from Monday July 24th, to Monday July 31st, 1643+. »Als die
    Königin aus Holland zurückkehrte, brachte sie außer einem Haufen
    von schlechtem Gesindel, welches das Aussehen von Menschenfressern
    hatte, eine Anzahl wilder Bären mit. Ihr werdet aus dem Weiteren
    ersehen, zu welchem Zwecke. Man ließ diese Bären bei Newark
    zurück, um sie Sonntags in die Landstädte zu bringen und dort zu
    hetzen. Solcher Art ist die Religion, welche die, von denen hier
    die Rede ist, unter uns einführen wollen. Wagte es Jemand, ihre
    schändlichen Entheiligungen zu hindern oder sich nur Bemerkungen
    darüber zu erlauben, so wurde er unverzüglich als Rundkopf oder
    Puritaner bezeichnet und war in Gefahr geplündert zu werden.
    Einige von Oberst Cromwells Soldaten, welche zufällig am Sonntag
    nach der Stadt Uppingham in Rutland kamen, sahen die eben
    stattfindende Bärenhetze, und veranlaßten, daß das Spiel sofort
    unterbrochen und die Bären an einen Baum gebunden und erschossen
    wurden.« Dieses war durchaus kein vereinzeltes Beispiel. Der
    Sheriff von Surrey, Oberst Pride, befahl, daß die Bären im Garten
    von Southwark getödtet werden sollten. Ein loyaler Satyriker läßt
    ihn diesen Befehl folgendermaßen vertheidigen: »Am meisten liegt
    mir die Tödtung dieser Bären am Herzen, wodurch ich mir den Haß
    des Volkes zugezogen, das mich mit allen Benennungen des
    Regenbogens beehrt. Aber erschlug nicht David einen Bären? Tödtete
    nicht der Lord Statthalter Ireton einen Bären? Tödtete nicht ein
    anderer Lord von den Unsrigen fünf Bären?« +Last Speech and dying
    Words of Thomas Pride.+]

    [Anmerkung 2: Man sehe Penns +New Witnesses proved Old Heretics+
    und Muggletons Werke an mehreren Stellen.]


[_Charakter Karls II._] Der neueingesetzte König besaß um diese Zeit die
Liebe des Volkes in höherem Maaße, als jemals einer seiner Vorgänger.
Das Unglück, welches sein Haus betroffen, der heldenmüthige Tod seines
Vaters, die vielen Leiden und romantischen Abenteuer, welche er erlebt,
machten ihn zum Gegenstande allgemeiner Theilnahme. Durch seine Rückkehr
wurde England von einer drückenden Knechtschaft erlöst. Herbeigerufen
durch die Stimmen der beiden streitenden Parteien, war er der geeignete
Mann, um als Schiedsrichter zwischen sie zu treten, und in gewisser
Beziehung war er wohl befähigt, diese Aufgabe zu lösen. Die Natur hatte
ihn mit vorzüglichen Anlagen und einem glücklichen Temperament
ausgestattet, und von seiner Erziehung ließ sich erwarten, daß sie
seinen Verstand entwickelt und ihn zur Ausübung jeder Tugend des
öffentlichen und Privatlebens befähigt habe. Der Wechsel des Glücks war
ihm nicht unbekannt, und beide Seiten der menschlichen Natur hatte er
beobachten lernen. In früher Jugend hatte ihn das Schicksal aus dem
Königsschlosse hinausgeworfen in ein Leben der Verbannung, der Gefahren
und Entbehrungen; in einem Alter der geistigen und körperlichen
Kraftfülle, in dem das erste Aufbrausen der jugendlichen Leidenschaften
sich bereits gelegt, ward er zurückgerufen von seinen unstäten
Wanderungen, um Englands mächtige Krone zu tragen. Bittere Erfahrungen
hatten ihm bewiesen, wie oft die zur Schau getragene Ergebenheit der
Hofleute Bosheit, Verrätherei und Undank verbirgt; dagegen waren ihm in
der Hütte der Armuth die überzeugendsten Beweise von wahrem Seelenadel
gegeben worden. Als hohe Belohnung jedem versprochen ward, der ihn
seinen Feinden verrathen würde, und man denjenigen, welcher ihm
hilfreich beistehen wollte, mit dem Tode bedrohte, da hatten arme
Landleute und die niedrigsten seiner Diener mit rührender Aufopferung
dem unglücklichen Fürsten zur Seite gestanden, und ihn mit derselben
tiefen Ehrerbietung behandelt, als ob die Krone seiner Väter noch in
vollem Glanze auf seinem Haupte strahlte. Es stand zu erwarten, daß ein
junger Mann, dem es weder an Fähigkeiten noch an liebenswürdigen
Eigenschaften gebrach, durch die gemachten Erfahrungen zu einem großen
und ausgezeichneten König herangebildet worden sei. Karl besaß, neben
gefälligen Formen für die Gesellschaft, feine und einnehmende Manieren
und nicht wenig Talent für lebendige Unterhaltung; aber dabei war er dem
Sinnengenusse im höchsten Grade ergeben, sowie ein Freund des Müßiggangs
und der Leichtfertigkeit, ohne Kraft sich zu beherrschen, ohne hohen
Begriff von menschlicher Tugend und Zuneigung, ohne Drang nach Ruhm, und
unempfindlich gegen jeden Tadel. Nach seiner Ansicht war jeder käuflich,
nur daß er sich oft in höheren Preis stellte, als ein anderer, und wenn
der Handel recht hartnäckig und geschickt betrieben ward, so gab es für
denselben verschiedene und wohlklingende Namen. Die höchste
Geschicklichkeit, mit welcher kluge Männer den Preis ihrer Fähigkeiten
zu steigern wußten, ward Rechtschaffenheit, die raffinirteste
Gewandtheit, mit der liebenswürdige Frauen den Preis ihrer Reize zu
erhöhen verstanden, Sittsamkeit genannt. Vaterlandsliebe, Familienliebe,
Freundesliebe, Liebe zu Gott, dies Alles waren leere Phrasen, zarte und
schickliche Benennungen für die Selbstliebe. Bei einer solchen Ansicht
von den Menschen war es Karl natürlich sehr gleichgültig, wie diese über
ihn dachten. Ehre und Schande waren ihm dasselbe, was dem Blinden Licht
und Dunkelheit sein mag. Man hat seine Verachtung der Schmeichelei hoch
gerühmt, aber sie erscheint des Lobes nicht würdig, wenn man sie in
Zusammenhang mit den übrigen Eigenschaften seines Charakters bringt.
Man kann sowohl über der Schmeichelei stehen, wie unter ihr, wer dem
Schmeichler nicht traut, wird auch keinem Andern trauen; wer keinen
Begriff von _wahrem_ Ruhme hat, wird auch den _scheinbaren_ verachten.

Bei Karls Gemüthsart ist es rühmlich zu erwähnen, daß er trotz der
schlechten Meinung, welche er von den Menschen hatte, doch nie ein
Menschenfeind wurde. Er fand in den Menschen wenig was ihm nicht
hassenswerth dünkte, und doch haßte er sie nicht, er war sogar
menschenfreundlich genug, daß es ihm Kummer verursachte, wenn er ihre
Leiden sah, oder ihre Klagen hören mußte. Diese Art von
Menschenfreundlichkeit aber, welche bei einem Privatmann recht schön und
lobenswerth sein mag, indem dessen Macht, Nutzen oder Schaden zu
bringen, auf einen engen Kreis beschränkt wird, ist bei Herrschern
häufiger ein Laster gewesen als eine Tugend. Mehr als ein wohlgesinnter
Fürst hat ganze Provinzen dem Raube und der Unterdrückung preisgegeben,
blos weil es ihn unangenehm berührte, andere als glückliche Gesichter
auf seinen Spaziergängen und an seiner Tafel zu sehen. Keiner ist
geeignet, das Scepter eines großen Staats zu führen, welcher Bedenken
trägt, zum Besten der Massen mit denen er niemals in Berührung kommt,
die Wenigen, welche Zutritt bei ihm haben, zu kränken. Die leichtsinnige
Schwäche, welche Karl besaß, war so groß, wie sie vielleicht noch nie
bei einem Manne von seinem Verstande gefunden wurde; obgleich nichts
weniger als ein Schwachkopf, war er doch ein Sklave. Nichtswürdige
Männer und feile Frauen, deren Erbärmlichkeit er völlig durchschaute,
von denen er wußte, daß er ebensowenig ihre Liebe wie sie sein Vertrauen
besaßen, konnten mit Leichtigkeit ihm Alles abschmeicheln was sie
wünschten: Titel, Ehrenstellen, Güter, Staatsgeheimnisse und
Begnadigungen. Obgleich er viel austheilte, genoß er doch niemals das
Vergnügen, welches die Freigebigkeit verursacht, und ebensowenig erntete
er den Ruhm derselben. Er gab nie aus freiem Antriebe, aber es war ihm
unangenehm das Erbetene zu versagen. Eine natürliche Folge davon war,
daß im Allgemeinen nicht diejenigen, welche sie verdienten, oder die in
seiner Gunst standen, Empfänger dieser Gnadenbeweise waren, sondern daß
sie den unverschämtesten und zudringlichsten Bewerbern zu Theil wurden,
denen es gelungen war, sich eine Audienz zu verschaffen.

Die Beweggründe, welche das politische Verhalten Carls II. leiteten,
waren ganz anderer Natur als diejenigen, welche die Handlungen seines
Vorgängers wie seines Nachfolgers auf dem Throne bestimmten. Er war
nicht der Mann, den eine patriarchalische Regierungstheorie oder die
Lehre vom göttlichen Recht anziehen konnte. Durchaus frei von Ehrgeiz,
verabscheute er alle Geschäfte, und ehe er sich der Mühe unterzogen
hätte, die Zügel der Regierung selbst in die Hand zu nehmen, würde er
lieber auf die Krone Verzicht geleistet haben. Seine Arbeitsscheu sowie
seine Unkenntniß der Staatsgeschäfte waren so groß, daß selbst die
Schreiber, welche Gelegenheit hatten ihn im Geheimen Rathe zu
beobachten, über seine kindische Ungeduld und seine läppischen
Bemerkungen oft nur mit Mühe das Lachen unterdrücken konnten. Seine
Schritte wurden weder von der Dankbarkeit noch von der Rache geleitet,
denn auf sein Gemüth konnten empfangene Beleidigungen ebensowenig wie
geleistete Dienste einen anderen als einen schwachen und rasch
vorübergehenden Eindruck machen. Es war nur sein Wunsch, ein König zu
sein wie es später Ludwig XV. von Frankreich war, ein Herrscher, der zur
Befriedigung seiner Privatneigungen rücksichtslos den Staatsschatz
benutzen und durch Ehrenstellen und Geld Personen an sich fesseln
konnte, die geeignet waren seinen Müßiggang zu theilen, und welcher,
wenn auch die schlechteste Verwaltung den Staat an den Rand des
Verderbens gebracht, immer noch die mißliebige Wahrheit aus dem Bereiche
seines Serails fern halten und nichts sehen und hören wollte, was ihn in
seiner üppigen Trägheit hätte stören können. Zu diesen Zwecken, aber
auch _nur_ zu diesen Zwecken, wünschte er eine willkürliche Gewalt,
vorausgesetzt daß sie ohne Anstrengung und Gefahr erlangt werden konnte.
Bei den religiösen Streitfragen, welche Zwiespalt unter den Protestanten
hervorriefen, blieb sein Gewissen vollkommen unberührt, denn seine
Ansichten schwankten fortwährend zwischen Unglauben und Pabstthum. Wenn
aber auch sein Gewissen bei dem Kampfe der Episcopalen und
Presbyterianer unberührt blieb, so war es doch anders mit seinen
Neigungen. Gerade diejenigen Laster, gegen welche der Puritanismus die
wenigste Nachsicht zeigte, übte er am fleißigsten, und als Mann von
guter Erziehung, der mit großem Scharfblick die lächerlichen Seiten
einer Sache erkannte, ließ er es nicht an verächtlichen Scherzen über
die puritanischen Abgeschmacktheiten fehlen. Es ist indessen nicht zu
leugnen, daß er einige Ursache hatte mit dieser Secte unzufrieden zu
sein. In einem Alter wo die Leidenschaften am ungestümsten herrschen,
und der Leichtsinn am ehesten zu entschuldigen ist, hatte Karl einige
Monate in Schottland gelebt, dem Namen nach als König, in der That aber
ein Staatsgefangener unter der Obhut der schroffen Presbyterianer. Nicht
genug, daß sie ihm zumutheten ihren Gottesdienst zu üben und ihr
Covenant zu unterschreiben, bewachten sie jeden seiner Schritte, und
überhäuften ihn mit Strafpredigten, wenn er sich eine jugendliche
Thorheit zu Schulden kommen ließ. Er wurde gezwungen endlose Gebete und
Predigten anzuhören, und konnte sich noch glücklich schätzen, wenn er
nicht von einem fanatischen Kanzelredner, auf seine eigenen Schwächen
rücksichtslos sowie auf das tyrannische Regiment seines unglücklichen
Vaters und den papistischen Götzendienst der Mutter aufmerksam gemacht
wurde. Er hatte diese Zeit seines Lebens in so traurigen Verhältnissen
zugebracht, daß das Unglück, welches ihn zu neuer Wanderung hinaustrieb,
ihm eher eine Befreiung als ein Mißgeschick dünken mußte. Beherrscht von
diesen Gefühlen, war es Karls eifrigster Wunsch, die Partei zu
vernichten, welche seinem Vater so heftigen Widerstand entgegengestellt
hatte.


[_Charakterschilderung des Herzogs von York und des Earl von
Clarendon._] Nach demselben Ziele strebte des Königs Bruder, Jacob,
Herzog von York. Obgleich in hohem Grade der Sinnenlust ergeben, war
Jacob fleißig, methodisch, und liebte Autorität und Beschäftigung. Sein
Verstand war höchst einfach und beschränkt, sein Charakter starr,
hartnäckig und unversöhnlich. Daß dieser Fürst kein Wohlgefallen an den
freien Institutionen Englands und an der Partei finden konnte, welche
für diese Institutionen die wärmste Theilnahme hegte, leuchtet ein.
Obgleich ein Mitglied der anglikanischen Kirche hatte der Herzog doch
schon gewisse Neigungen gezeigt, welche die guten Protestanten ernstlich
beunruhigten.

Der Mann, dessen Schultern in jener Zeit den größten Theil der
Regierungslast zu tragen hatten, war Eduard Hyde, Kanzler des Reichs,
welcher bald zum Earl von Clarendon erhoben ward. Wenn auch Clarendon
als Schriftsteller unsere Achtung mit Recht verdient, so müssen wir doch
auch die großen Fehler erwähnen, welche er sich als Staatsmann zu
Schulden kommen ließ. Diese Fehler werden allerdings zum Theil
entschuldigt und erklärt durch die ungünstige Lage, in der er sich
befand. Im ersten Jahre des Langen Parlaments zeichnete er sich höchst
ehrenvoll unter den Senatoren aus, welche ernstlich bemüht waren, den
Beschwerden der Nation abzuhelfen. Eine der schlimmsten von diesen
Beschwerden, welche das Concil von York betraf, wurde hauptsächlich
durch seine Bemühungen beseitigt. Beim Eintritt der großen Spaltung, als
die Reformpartei und die Partei der Conservativen sich gegen einander
schaarten, trat er mit vielen weisen und braven Männern auf die Seite
der Conservativen. Von jetzt an theilte er die Schicksale des Hofs,
genoß König Carls I. volles Vertrauen, soweit der zurückhaltende
Charakter und die gewundene Politik dieses Monarchen solches einem
Minister überhaupt gewähren konnten, und ging später mit Carl II. in die
Verbannung, wo er dessen politisches Verhalten leitete.

Nachdem die Restauration durchgeführt war, gelangte Hyde zur Stellung
eines Premierministers, und einige Monate nachher wurde allgemein
bekannt, daß er zu dem regierenden Hause in ein engverwandtschaftliches
Verhältniß getreten, indem durch eine bisher geheimgehaltene Vermählung
seine Tochter Herzogin von York und deren Nachkommenschaft dadurch zur
Thronfolge berechtigt worden sei. In Folge dieser hohen Verbindung
gewann Hyde eine Bedeutung, welche ihn über die ältesten und
angesehensten Geschlechter des Adels erhob, und in mancher Hinsicht war
er auch dieser hervorragenden Stellung vollkommen gewachsen, indem nicht
nur in Abfassung wichtiger Staatsschriften, sondern auch in Rath und
Parlament er sehr anerkennungswerthe diplomatische Befähigung zeigte.
Genau bekannt mit den allgemeinen Grundsätzen der Staatskunst, verstand
es Niemand besser wie er, die Verschiedenheiten der Charaktere mit
geübtem Auge zu erkennen, und dabei besaß er nicht nur ein starkes
Gefühl für sittliche und religiöse Verpflichtungen, sondern auch eine
tiefe Ehrfurcht gegen die Gesetze des Vaterlandes und aufrichtige
Achtung für die Ehre und das Ansehen der Krone. Dabei war er stolz und
anmaßend; jeder Widerstand reizte ihn. Es ist kaum möglich, daß ein
Diplomat, den die bürgerlichen Wirren in die Verbannung getrieben, und
der eine Reihe von Jahren in derselben zugebracht, in dem Augenblicke,
wo ein Umschwung der politischen Verhältnisse ihn wieder an die Spitze
der Regierung zurückruft, die Zügel derselben mit sicherer und gewandter
Hand zu führen vermag. Auch mit Clarendon war dies der Fall. Als er, dem
Zwange der Nothwendigkeit weichend, England verlassen hatte, erbittert
durch den heftigen Kampf, welcher dem Sturze seiner Partei und seines
Glücks voranging, betrachtete er Alles, was sich in dem Zeitraume von
1646 bis zum Jahre 1660 in seinem Vaterlande ereignete, vom fernen
Continente aus in falschem Lichte. Seine Ansichten von dem Stande der
Dinge regelte er nach den Mittheilungen aufgeregter Parteimänner, deren
zerrüttete Vermögensverhältnisse ihren Geist mit Wuth und Verzweiflung
erfüllten. Den günstigen Stand der Ereignisse beurtheilte er nicht nach
dem Maaße, in welchem sie die Wohlfahrt und den Ruhm seines Volkes
vermehrten, sondern nur nach der Aussicht, die sie ihm zur Rückkehr
boten, und sein Wunsch, den er durchaus nicht verhehlte, war, daß
niemals Ruhe und Friede in England einziehen möge, bis die alte
Königsfamilie den Thron ihrer Väter wieder in Besitz genommen habe. Als
er endlich zurückkehrte, wurde ihm, ohne daß er Zeit gehabt hatte, sich
von dem Stande der Dinge durch eigne Anschauung zu unterrichten, und zu
ermitteln welche Veränderungen vierzehn ereignißvolle Jahre in dem
Charakter und den Gesinnungen des englischen Volks herbeigeführt, sofort
die Leitung des Staates übergeben. In solchem Falle würde wohl selbst
ein Minister von größter Umsicht und bei aller Geneigtheit gute Lehre
anzunehmen, in ernste Irrthümer verfallen sein; Takt aber, und
Gelehrigkeit lagen nicht in Clarendons Charakter. Er sah in England noch
das England, wie es zur Zeit seiner Jugend war, und sein Antlitz
verfinsterte sich bei Wahrnehmung aller der Veränderungen, welche die
Ereignisse der letzten Jahre hervorgerufen. Obgleich er nicht daran
dachte, gegen die alte, unbezweifelte Macht des Hauses der Gemeinen
aufzutreten, so blickte er doch mit dem höchsten Mißfallen auf die
zunehmende Gewalt desselben. Die königlichen Rechte, um die er so
Manches erlitten, und durch welche er endlich zu Glück und hohen Ehren
gekommen war, sie galten ihm heilig; gegen die Rundköpfe aber fühlte er
eine sowohl persönliche wie politische Abneigung. Als treuer Anhänger
der anglikanischen Kirche hatte er wiederholt in Fällen, wo die
Interessen dieser Kirche es erheischten, sich von den besten Freunden
getrennt, und sein Eifer für das Episcopat und das gemeinschaftliche
Gebetbuch vereinigte sich mit einem racheglühenden Hasse gegen die
Puritaner, der weder dem Staatsmanne noch dem Christen zur Ehre
gereichte.

Während der Zeit als das Haus der Gemeinen, welches die Königsfamilie
zurückrief, versammelt war, war eine Wiederherstellung des alten
kirchlichen Systems unausführbar. Nicht allein, daß der Hof seine Pläne
völlig geheim hielt, der König hatte auch in feierlichster Weise
Zusicherungen ertheilt, durch welche die Gemüther der gemäßigten
Presbyterianer vollkommen beruhigt wurden. Er hatte vor seiner
Wiedererhebung das Versprechen gegeben, allen Unterthanen völlige
Gewissensfreiheit zu gestatten, und indem er dieses Versprechen jetzt
erneute, fügte er die Versicherung hinzu, daß er mit allen Kräften dahin
wirken würde, zwischen den streitenden Parteien eine Vereinigung
herbeizuführen. Er erklärte, es sei sein Wunsch, daß Bischöfe und
Synoden die geistliche Gerichtsbarkeit unter sich theilen, und daß eine
Anzahl gelehrter Theologen, zur Hälfte aus Presbyterianern bestehend,
eine Revision der Liturgie vornehmen sollten. Die Fragen in Betreff des
Chorhemds, des Knieens beim Abendmahle, des Bekreuzigens bei der Taufe,
sollte selbst für ängstliche Gewissen in befriedigender Weise gelöst
werden. Auf diese Art hatte der König die Wachsamkeit derjenigen, welche
er hauptsächlich fürchtete, eingeschläfert, und als dieses geschehen
war, hob er das Parlament auf. Zu einer Acte, durch welche mit wenigen
Ausnahmen alle Diejenigen, die in den letzten Unruhen politischer
Vergehen schuldig geworden waren, begnadigt werden sollten, hatte er
bereits seine Zustimmung gegeben. Von den Gemeinen war ihm eine
lebenslängliche Bewilligung von Steuern zugesprochen worden, deren
jährlicher Betrag auf eine Million zweimalhunderttausend Pfund geschätzt
ward. Diese Summe, nebst den erblichen Einkünften der Krone, reichte
damals vollkommen hin, um in Friedenszeiten die Bedürfnisse der
Regierung zu bestreiten. Für ein stehendes Heer wurde nichts bewilligt,
die Nation erschrak schon bei Erwähnung desselben, und die geringste
Hinweisung darauf würde die Gemüther aller Parteien auf's heftigste
erbittert und beunruhigt haben.


[_Allgemeine Wahl von 1661._] Zu Anfang des Jahres 1661 fand eine
allgemeine Wahl statt. Das Volk war in hohem Grade von loyaler
Begeisterung erfüllt, und die ganze Hauptstadt war in der lebendigsten
Thätigkeit wegen der Vorbereitungen zur prachtvollsten Krönung, von der
man jemals gehört. Das Resultat bestand darin, daß man Abgeordnete in's
Parlament sandte, wie sie England bisher noch nie gesehen hatte. Ein
großer Theil der glücklichen Bewerber waren Männer, welche für Krone und
Kirche gekämpft, und die schweren Beschimpfungen und Demüthigungen noch
nicht vergessen hatten, die ihnen die Rundköpfe angethan. Als die
Mitglieder zusammenkamen, traten die Leidenschaften, unter deren
Einflusse jeder Einzelne stand, heftiger hervor. Mehrere Jahre hindurch
war das Haus der Gemeinen eifriger für das Königthum eingenommen als der
König selbst, und günstiger gestimmt für das Episcopat als die Bischöfe.
Carl und Clarendon waren über die Vollständigkeit ihres Erfolgs fast
bestürzt, ihre Lage hatte Ähnlichkeit mit der Ludwigs XVIII. und des
Herzogs von Richelieu, als im Jahre 1815 die Kammer versammelt war.
Hätte der König auch wirklich die Absicht gehabt, die Versprechungen,
welche er den Presbyterianern gemacht, zu erfüllen, es würde jetzt gar
nicht mehr in seiner Macht gestanden haben. Nur seinen eifrigen
Bemühungen ist es zuzuschreiben, daß der siegreiche Adel verhindert
wurde, die Indemnitätsacte zu vernichten und erbarmungslose Rache
auszuüben für die erduldeten Leiden.


[_Gewaltsamkeiten der Cavaliere in dem neuen Parlamente._] Die Gemeinen
eröffneten ihre Thätigkeit mit den Beschlüssen, daß jedes Mitglied bei
Strafe der Ausstoßung das Abendmahl nach der Form genießen müsse, welche
die alte Liturgie vorschrieb, und daß der Covenant durch Henkershand im
Hofe des Palastes verbrannt werden sollte. Es wurde eine Acte
durchgesetzt, welche die Macht des Schwertes nicht nur einzig und allein
dem König zusprach, sondern auch bestimmte, daß in keinem auch noch so
extremen Falle die beiden Häuser berechtigt sein sollten, dem König
gewaltsamen Widerstand entgegen zu setzen. Eine zweite Acte, welche
ebenfalls durchging, forderte von jedem öffentlichen Beamten einen Eid,
daß er Widerstand gegen das Ansehen des Königs unter allen Umständen für
ungesetzlich halte. Einige exaltirte Männer bemühten sich, eine Bill zur
Geltung zu bringen, welche alle Gesetze, die das Lange Parlament
geschaffen, mit einem Male aufheben und die Sternkammer nebst der Hohen
Commission wieder herstellen sollte; bei aller Heftigkeit der Reaction
aber gelang es ihr doch nicht, dies durchzusetzen. Das Gesetz, daß nach
Verlauf von drei Jahren ein Parlament gehalten werden mußte, blieb in
Kraft, die strengen Klauseln aber welche die Wahlbeamten anwiesen,
zur bestimmten Zeit, auch ohne königliches Ausschreiben, die Wahl
vorzunehmen, wurden aufgehoben. Die Bischöfe kehrten auf ihre Sitze im
Oberhause zurück; die alte Kirchenverfassung und die alte Liturgie
wurden ohne jede Beschränkung, welche auch nur die vernünftigsten
Presbyterianer zu versöhnen geeignet gewesen wäre, wieder hergestellt.
Zum ersten Male wurde jetzt die bischöfliche Ordination unerläßliche
Bedingung für diejenigen, welche ein geistliches Amt bekleiden wollten.
Fast zweitausend Prediger, denen ihr Gewissen nicht gestattete sich zu
fügen, wurden an einem Tage abgesetzt, und frohlockend erinnerte die
herrschende Partei die Dulder daran, daß das Lange Parlament, als es auf
dem Gipfel seiner Macht gestanden, eine noch viel größere Anzahl von
königlich gesinnten Geistlichen vertrieben habe. Dieser Vorwurf war
allerdings nicht ungegründet, aber das Lange Parlament hatte den
Vertriebenen wenigstens eine Unterstützung zukommen lassen, welche sie
vor bitterem Mangel schützte; die Gerechtigkeit und Humanität des Adels
aber, welcher von Haß bethört war, reichten nicht aus, um dieses
Beispiel nachzuahmen.


[_Verfolgung der Puritaner._] Bald erschienen Strafgesetze gegen die
Nichtconformisten, die in der puritanischen Gesetzgebung vergebens ihres
Gleichen suchten, welche der König aber unmöglich genehmigen konnte,
ohne Zusagen zu brechen, die er bei dem wichtigen Wendepunkte seines
Schicksals denjenigen gegeben, in deren Händen dasselbe damals lag.
Erschreckt und tief bekümmert eilten die Presbyterianer an die Stufen
des Thrones, rühmten ihre jüngst geleisteten Dienste und beriefen sich
auf das wiederholt verpfändete königliche Wort. Der König schwankte,
seine eigne Handschrift, sein eignes Siegel, sie konnte er nicht
abläugnen, und er fühlte nur zu wohl, welchen großen Dank er den
Bittstellern schuldig war. Dringenden Bitten zu widerstehen war er nicht
gewöhnt, ebensowenig war er verfolgungssüchtig, und wenn auch gegen die
Puritaner eingenommen, so konnte diese Abneigung doch nur ein schwaches
Gefühl genannt werden neben dem bitteren Hasse, von welchem Laud
durchdrungen war. Er war überdies der römisch-katholischen Kirche
gewogen, und sah wohl ein, daß es nicht möglich sein würde, den
Bekennern derselben Freiheit des Gottesdienstes zu gewähren, ohne
dieselbe Begünstigung auch auf die protestantischen Dissenters zu
übertragen. Zwar versuchte er es den unduldsamen Glaubenseifer des
Hauses der Gemeinen zu beschränken, aber dieses stand unter dem
Einflusse tieferer Überzeugungen und heftigerer Leidenschaften, als der
König. Nach einigem scheinbaren Sträuben gab er nach, und genehmigte mit
einem Anschein von Bereitwilligkeit eine Reihe gehässiger Maßregeln
gegen die Separatisten. Es galt für ein Verbrechen, dem Gottesdienste
der Dissenters beizuwohnen, ein gewöhnlicher Friedensrichter konnte ohne
Jury verurtheilen, und über denjenigen, welcher zum dritten Male das
Verbot übertrat, die Deportation auf sieben Jahre verhängen. Mit
überlegter Grausamkeit ward festgesetzt, daß der Übertreter des Gesetzes
nicht nach Neu-England transportirt werden sollte, wo er die Aussicht
hatte, gleichgesinnte Freunde anzutreffen, und kehrte er vor Ablauf der
festgesetzten Verbannungszeit in sein Vaterland zurück, so sollte er der
Todesstrafe verfallen sein. Ein neuer, unsinniger Eid wurde von den
Geistlichen verlangt, welche man ihrer Pfründen beraubt hatte, weil sie
sich nicht conformiren wollten, und Alle die sich weigerten diesen Eid
zu leisten, durften nicht auf fünf Meilen in die Nähe einer Stadt
kommen, welche von einer Gemeindecorporation verwaltet wurde, oder im
Parlamente vertreten war, oder auch einer Stadt, wo sie als Geistliche
ihren Wohnsitz gehabt. Die Magistratspersonen, welche diese strengen
Bestimmungen in Ausführung zu bringen hatten, waren fast durchgängig von
Parteigeist erfüllte Männer, entflammt durch die Erinnerung an Leiden,
welche sie während der Republick erduldet hatten. Die Kerker waren daher
sehr bald mit Dissenters überfüllt, und unter diesen Unglücklichen
befanden sich nicht wenige, deren Genie und Tugend eine Zierde jeder
christlichen Gesellschaft gewesen sein würden.


[_Eifer der Geistlichkeit für die erbliche Monarchie._] Die englische
Kirche erkannte den Schutz, dessen sie sich von Seiten der Regierung
erfreute, dankbar an. Sie hatte seit dem Anfange ihres Bestehens
Anhänglichkeit an die Monarchie gezeigt, aber während des
Vierteljahrhunderts, welches der Restauration folgte, überstieg ihr
Eifer für königliches Ansehen und erbliches Recht jede Grenze. Sie hatte
mit dem Hause der Stuarts gelitten, und war mit ihm wieder zu Geltung
gekommen; sie war mit ihm durch gemeinschaftliche Interessen,
Freundschaften und Feindschaften eng verknüpft. Es schien unmöglich,
daß jemals eine Zeit eintreten könnte, wo die Bande, welche sie mit den
Nachkommen des erlauchten Märtyrers vereinte, zerrissen, wo die
Loyalität, deren sie sich rühmte, aufhören würde, ihr eine angenehme und
vortheilhafte Pflicht zu sein. Sie pries deshalb in den widerlichsten
Phrasen jenes Vorrecht, welches stets bemüht war sie zu vergrößern und
zu vertheidigen, und verdammte auf das Behaglichste die Ruchlosigkeit
derjenigen, welche durch Bedrückung, die sie selbst nicht zu erwarten
hatte, zum Aufruhr verleitet wurden. Die Verwerfung des Widerstandes war
ihr Lieblingsthema, und diese Lehre trug sie ohne jede Einschränkung vor
und entwickelte sie bis zu den äußersten Consequenzen. Ihre Anhänger
wiederholten unaufhörlich, daß selbst wenn England das Unglück haben
sollte von einem König wie Busiris oder Phalaris heimgesucht zu werden,
welcher zum Hohne der Gesetze ohne alle rechtlichen Gründe täglich
hunderte von unschuldigen Opfern zu Folterqualen und Tod verdammte,
überhaupt kein Fall denkbar sei, wo alle Stände des Königreichs
insgesammt berechtigt sein würden, dem Tyrannen physische Gewalt
entgegenzustellen. Glücklicherweise gewährt der menschliche Charakter
hinreichende Bürgschaft, daß derartige Theorien eben nur Theorien
bleiben werden. Als der Tag der Prüfung kam, da standen die Männer,
welche laut und aufrichtig diese grenzenlose Loyalität zur Schau
getragen hatten, fast in allen Grafschaften Englands dem Throne mit den
Waffen in der Hand gegenüber.

Im ganzen Königreiche wechselte jetzt das Grundeigenthum seine Besitzer.
Die Verkäufe der Nationalgüter, welche das Parlament nicht bestätigt
hatte, erklärten die Gerichtshöfe für ungültig. Der König, die Bischöfe,
die Dechanten, die Capitel, der hohe und niedere royalistische Adel:
sie alle traten wieder in den Besitz ihrer eingezogenen Güter, und
verdrängten selbst diejenigen Käufer, welche die angemessensten Preise
dafür bezahlt hatten. Die Verluste, welche dem Adel während des
Übergewichtes seiner Gegner erwachsen waren, wurden theilweise ersetzt,
aber eben nur theilweise. Die allgemeine Amnestie schloß alle Klagen
über entzogene Nutzungen aus, und eine Menge von Royalisten, welche zur
Abzahlung von auferlegten Geldstrafen an das Parlament, oder um sich die
Gunst mächtiger Rundköpfe zu erkaufen, Grundeigenthum unter dem
wirklichen Werthe veräußert hatten, mußten die gesetzlichen Folgen ihrer
Handlungsweise tragen.


[_Veränderung in den Sitten der Gesellschaft._] Während die erwähnten
Veränderungen stattfanden, trat ein anderer noch bedeutungsvollerer
Wechsel in den Sitten und Gebräuchen der Gesellschaft ein.
Leidenschaften und Neigungen, welche die strenge Herrschaft der
Puritaner gezügelt hatte, so daß dieselben, wenn es überhaupt geschah,
nur mit großer Vorsicht befriedigt werden konnten, brachen jetzt, wo das
Hemmniß beseitigt war, mit maßloser Gewalt hervor. Man suchte
unsittliche Vergnügungen und strafbare Genüsse mit einer Begierde,
welche nach den Gesetzen der Natur nur in Folge langer und erzwungener
Enthaltsamkeit entstehen kann. Durch die öffentliche Meinung wurde
dieses Treiben nicht beschränkt. Die Nation, voll Widerwillen gegen die
gottseligen Reden, argwöhnisch gegen alle Ansprüche auf Heiligkeit, und
dabei immer noch leidend unter den Nachwehen der erlittenen Tyrannei von
Gebietern, welche sauer waren im Leben und heiß im Gebet, blickte eine
Zeit lang wohlgefällig auf die angenehmeren und freundlicheren Laster.
Noch weniger Beschränkungen erlaubte sich die Regierung. Es gab in der
That keine Ausschweifung, welche nicht durch die unverhohlene
Lasterhaftigkeit des Königs und seiner Günstlinge sanktionirt worden
wäre. Nur einige bejahrte Räthe Carls I. bewahrten noch den sittlichen
Ernst, welcher dreißig Jahre früher in Whitehall geherrscht hatte. Zu
ihnen gehörten Clarendon selbst, sowie seine Freunde Thomas Wriothesley,
Earl von Southampton, Lord-Schatzmeister, sowie Jacob Butler, Herzog von
Ormond, der, nachdem er unter wechselnden Verhältnissen ritterlich für
seines Königs Sache in Irland gekämpft hatte, dieses Königreich jetzt
als Statthalter regierte. Aber weder das Andenken an die Verdienste
dieser Männer noch ihre hohe Stellung im Staate schützte sie vor den
Sarkasmen, welche neumodische Laster so gern auf veraltete Tugend
schleudern. Der Ruf feiner Bildung und angenehmer Manieren war kaum zu
erlangen, wenn man sich nicht zur Verletzung der Schicklichkeit
entschloß. Bedeutende und vielseitige Talente unterstützten die
Verbreitung dieses moralischen Übels nach Kräften. Die Moralphilosophie
hatte in neuerer Zeit eine Gestalt angenommen, welche ganz geeignet war,
einer Generation zu gefallen, welche der Monarchie wie dem Laster mit
gleichem Eifer ergeben war. Thomas Hobbes hatte in einer bestimmteren
und glänzenderen Sprache, als je ein anderer metaphysischer
Schriftsteller sie gebraucht, die Behauptung aufgestellt, der Wille des
Fürsten sei der Maßstab für Recht und Unrecht, und jeder gute Unterthan
müsse bereit sein, auf Befehl des Königs zum Papstthum, Mahomedanismus
oder Heidenthume überzutreten. Tausende, welche das wirklich Gediegene
in seinen Ansichten nicht zu würdigen verstanden, begrüßten freudig eine
Theorie, welche zu gleicher Zeit das königliche Ansehen erhöhte, die
Bande der Moralität lockerte, und die Religion zu einer bloßen
Staatsangelegenheit herabwürdigte. Der Hobbismus wurde bald ein
wesentlicher Bestandtheil des Charakters eines vollendeten Gentleman.
Die leichteren Zweige der Literatur erhielten einen starken Anstrich von
der herrschenden Sittenlosigkeit; die Dichtkunst wurde eine Kupplerin
der gemeinsten Begierden; der Witz, anstatt Schuld und Irrthum zu
züchtigen, wandte seine verletzenden Pfeile gegen Unschuld und Wahrheit.
Die wiederhergestellte Kirche machte zwar einen Versuch gegen die
herrschende Sittenlosigkeit anzukämpfen, aber es geschah ohne alle
Energie und mit getheiltem Herzen. Obgleich die Würde ihres Charakters
es erheischte, die irrenden Kinder zu ermahnen, so geschahen diese
Ermahnungen doch auf höchst lässige Weise. Ihre Aufmerksamkeit war nach
einer anderen Seite hin beschäftigt, ihre ganzen Kräfte concentrirten
sich in der Absicht, die Puritaner zu vernichten, und ihre Jünger zu
zwingen, dem Kaiser zu geben was des Kaisers sei. Sie war beraubt und
niedergehalten worden durch die Partei, welche strenge Sittlichkeit
predigte; Wüstlinge hatten sie wieder zu Ehren und Ansehen gebracht. Ob
auch die Männer der Lust und Mode nicht geneigt waren, ihre Lebensweise
nach den Vorschriften der Kirche einzurichten, so ließen sie sich doch
jeden Augenblick willig finden, für ihre Kathedralen und Paläste, für
jeden Buchstaben ihrer Gesetze und jeden Faden ihrer Gewänder bis an die
Knie im Blute zu kämpfen. Der ausschweifende Edelmann besuchte zwar
Bordelle und Spielhäuser, aber er mied wenigstens die Conventikel; wenn
auch sein Mund nur gotteslästerliche und unzüchtige Reden führte, so
machte er das einigermaßen durch seinen Eifer wieder gut, Baxter und
Howe in den Kerker zu werfen, weil sie Predigten und Gebete abgehalten
hatten. So bekämpfte der Klerus längere Zeit die Schismatiker mit einem
Eifer, der ihm wenig Muße ließ dem Laster entgegen zu treten. Die
Zweideutigkeiten Ethereges und Wycherley's wurden in Anwesenheit und mit
besonderer Genehmigung des Kirchenoberhauptes in weiblichen
Versammlungen von Frauen öffentlich vorgetragen, während der Verfasser
von des »Pilgers Reise« für das Verbrechen, den Armen das Evangelium
verkündet zu haben, im Kerker schmachtete. Es ist eine feststehende und
lehrreiche Thatsache, daß zu der Zeit, als die politische Macht der
anglikanischen Kirche ihren Höhepunkt erreicht hatte, die Moral der
Nation sich auf der niedrigsten Stufe befand.


[_Verworfenheit der Politiker._] Kaum ein Rang und Beruf entging der
Ansteckung durch die allgemeine Unsittlichkeit, diejenigen aber, welche
sich hauptsächlich mit Politik beschäftigten, bildeten vielleicht den
schlechtesten Theil der verderbten Gesellschaft, indem sie nicht blos
unter den schädlichen Einflüssen standen, welche die Nation im
Allgemeinen berührten, sondern noch einer besonderen Verderbniß der
schlimmsten Art ausgesetzt waren. Ihr Charakter hatte sich mitten unter
häufigen Revolutionen und Contrerevolutionen herangebildet; im Laufe
weniger Jahre hatten sie den wiederholten Wechsel der kirchlichen und
bürgerlichen Verfassung ihres Vaterlandes beobachtet. Sie hatten
gesehen, wie die bischöfliche Kirche die Puritaner verfolgte, wie die
puritanische Kirche die Bischöflichen verfolgte, und wie die
bischöfliche Kirche dann wieder die Puritaner verfolgte. Sie hatten die
Vernichtung und Wiedererstehung der erblichen Monarchie gesehen, hatten
beobachtet, wie das Lange Parlament dreimal die Oberherrschaft im Staate
errang, und dreimal unter Verwünschungen und Hohngelächter von Millionen
wieder zusammenstürzte. Sie hatten erlebt, wie eine neue Dynastie sich
rasch auf den Gipfel der Macht und des Ruhmes erhob, um bald darauf ohne
allen Kampf wieder vom Thronsessel herabgeschleudert zu werden. Sie
hatten gesehen, wie ein neues System der Volksvertretung entworfen,
versucht und wieder aufgegeben worden war. Sie hatten ein neues Haus der
Lords eben so schnell entstehen wie vergehen sehen. Sie hatten gesehen,
wie Massen von Eigenthum auf gewaltsame Weise bald den Edelleuten, bald
den Rundköpfen zur Beute wurden. Unter solchen Umständen konnte Niemand
als Staatsmann sich bewegen und gedeihen, der sich nicht willig finden
ließ, je nach den Verhältnissen die Farbe zu wechseln. Nur in stiller
Zurückgezogenheit war es möglich, für die Dauer den Charakter eines
guten Royalisten oder eines starren Republikaners zu behaupten. Wer
unter solchen Zeitverhältnissen bürgerliche Größe zu erlangen wünscht,
muß jeden Gedanken an konsequentes Festhalten aufgeben. Anstatt inmitten
unaufhörlicher Veränderungen nach Unveränderlichkeit zu streben, muß er
beständig umherspähen, um die ersten Kennzeichen einer nahenden Reaktion
zu entdecken und muß den richtigen Augenblick erfassen, um eine verlorne
Sache aufzugeben. Nachdem er fest zu einer Partei gehalten, so lange sie
die Oberhand hatte, muß er sie plötzlich verlassen, wenn sie in
schwierige Lagen kommt, muß sich gegen sie waffnen, sie verfolgen, und
mit den neuen Bundesgenossen eine neue Bahn einschlagen, auf der ihm
Macht und Glück entgegenleuchten. Seine Lage bildet in ihm nothwendig
eine besondere Klasse von Fähigkeiten, wie eine besondere Klasse von
Lastern bis zur höchsten Vollkommenheit aus. Schnelligkeit im Beobachten
verbindet sich mit Fruchtbarkeit an Hilfsmitteln. Ohne Mühe eignet er
sich den Ton jeder Sekte oder Faktion an, mit der ihn der Zufall
zusammenführt. Er erkennt die Zeichen der Zeit mit einem Scharfblick,
den die Menge wunderbar findet, mit einem Scharfblick, ähnlich dem eines
alten Polizeimannes, welcher die schwächsten Anzeichen eines Verbrechen
aufzufinden versteht, oder eines Mohawk-Kriegers, der in den Wäldern
eine Spur verfolgt.

Bei Staatsmännern von derartiger Bildung wird man aber freilich nur
selten Redlichkeit und Ausdauer, oder eine von denjenigen Tugenden
antreffen, welche dem edlen Stamme der Wahrheit entsprossen sind. Er
besitzt weder Glauben an eine Lehre, noch Eifer für eine Angelegenheit.
Vor seinen Augen sind so viele alte Institutionen untergegangen, daß er
keine Achtung vor langem Bestehen kennt. Er hat so viele neue
Einrichtungen, welche zu großen Erwartungen berechtigten, entstehen und
Enttäuschung hervorbringen sehen, daß er keine Hoffnung auf den
Fortschritt setzt; und diejenigen, welche ängstlich bemüht sind _zu
erhalten_, verlacht er nicht minder wie die, welche es sich angelegen
sein lassen _zu verbessern_. Es giebt im Staate nichts, zu dessen
Erhaltung oder Vernichtung er nicht ohne alle Gewissensbisse und ohne
Erröthen mitwirken könnte; treu zu bleiben seinen Überzeugungen und
seinen Freunden, ist in seinen Augen Beschränktheit und Verkehrtheit;
die Politik ist für ihn nicht eine Wissenschaft, die sich mit dem Wohle
der Völker beschäftigt, sondern ein aufregendes Spiel des Zufalls und
der Geschicklichkeit, in welchem der begünstigte Spieler ein Landgut,
eine Adelskrone oder wohl gar eine Königskrone gewinnen, aber auch durch
eine unüberlegte Bewegung Gut und Leben verlieren kann. Der Ehrgeiz,
welcher in friedlichen Tagen bei guten Menschen eine halbe Tugend ist,
wird jetzt, jedem edleren und menschenfreundlicheren Gefühle entfremdet,
eine selbstsüchtige Begierde, fast so unedel, als die Habsucht. Unter
den Staatsmännern, welche von der Restauration bis zum Regierungsantritt
des Hauses Hannover sich an der Spitze der großen Parteien des
Vaterlandes befunden haben, lassen sich nur sehr Wenige auffinden, deren
Ruf nicht durch Eigenschaften befleckt ist, denen man in unserem
Zeitalter die Namen von grober Untreue und Verdorbenheit geben würde. Es
ist schwerlich eine Übertreibung, wenn man sagt, daß öffentliche Männer
ohne alle Grundsätze, welche in neuerer Zeit an den Staatsgeschäften
Theil genommen haben, als uneigennützig und gewissenhaft betrachtet zu
werden verdienten, wollte man sie nach dem Maaßstabe beurtheilen, der in
der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts geltend war.


[_Zustand von Schottland._] Während diese Veränderungen der Politik,
Religion und Sittlichkeit in England stattfanden, war die königliche
Autorität ohne Schwierigkeit in allen übrigen Theilen der britischen
Inseln wieder hergestellt worden. Schottland hatte die Restauration der
Stuarts mit Freuden begrüßt, da man durch sie die Wiederherstellung der
nationalen Unabhängigkeit erwartete. Und wirklich wurde das von Cromwell
aufgelegte Joch dem Anscheine nach beseitigt; die Stände versammelten
sich wiederum in dem alten Saale zu Edinburg, und die Senatoren des
Justizkollegiums verwalteten wieder das schottische Recht in der
früheren Form; aber die Unabhängigkeit des kleinen Königreichs bestand
mehr dem Namen nach, als in der Wirklichkeit, indem der König, so lange
er England auf seiner Seite hatte, eine Unzufriedenheit in den anderen
Gebietstheilen nicht zu fürchten brauchte. Er befand sich jetzt in
solcher Lage, daß er den Versuch, der seinen Vater in's Verderben
stürzte, wiederholen konnte, ohne dessen Schicksal fürchten zu müssen.
Karl I. hatte es versucht, seine eigene Religion durch königliche Gewalt
den Schotten zu einem Zeitpunkte aufzudringen, da sowohl diese Religion,
als auch die königliche Macht in England unpopulär waren, und nicht
genug, daß ihm diese Absicht völlig mißglückte, kosteten die Unruhen,
welche daraus entstanden, ihm zuletzt sogar noch Krone und Leben.
Die Zeiten hatten sich geändert; England schwärmte für Monarchie und
Prälatenthum, und deshalb konnte der Plan, dessen Anwendung vor einem
Menschenalter höchst unklug gewesen sein würde, ohne erhebliche Gefahr
für den Thron wieder aufgenommen werden. Die Regierung beschloß, in
Schottland eine bischöfliche Kirche zu errichten; dieser Plan wurde aber
von jedem vernünftigen Schotten gemißbilligt. Einige, mit Eifer für die
Prärogative des Königs eingenommene schottische Staatsmänner waren als
Presbyterianer erzogen, und wenn sie auch nicht durch Gewissensfragen
beunruhigt wurden, so hatten sie doch eine Vorliebe für die Religion
ihrer Kindheit, und wußten wohl, wie tief dieselbe in den Herzen ihrer
Landsleute wurzelte. Mit Entschiedenheit erklärten sie sich gegen den
Plan, als sie aber einsahen, daß es nichts fruchtete, fehlte es ihnen an
der nöthigen Energie, um bei einer Opposition zu verharren, die ihren
Landesherrn beleidigen mußte, und Mehre waren sogar ruchlos und
niederträchtig genug, das Christenthum in einer Form zu _verfolgen_,
welche sie in ihrem Gewissen für die reinste hielten. Die Einrichtung
des schottischen Parlaments war der Art, daß es schwerlich selbst
schwächeren Königen, als dem damals ziemlich machtlosen Karl, einen
ernstlichen Widerstand entgegen gestellt haben würde. Das Episkopat ward
daher durch Gesetze eingeführt, und was die Form des Gottesdienstes
anlangte, so wurde dem Gutdünken des Klerus ein weiter Spielraum
bewilligt. In einigen Kirchen wendete man die englische Liturgie an; in
anderen wählten die Geistlichen aus dieser Liturgie diejenigen Gebete
und Danksagungen aus, die aller Wahrscheinlichkeit nach dem Volke am
wenigsten anstößig sein würden. Im Allgemeinen aber wurde am Schlusse
des öffentlichen Gottesdienstes der Lobgesang angestimmt und bei der
Taufe das apostolische Glaubensbekenntniß gesprochen. Der größte Theil
des schottischen Volkes haßte die neue Kirche als eine abergläubische
und ausländische, besudelt mit den Verderbnissen Roms, und als ein
Zeichen der englischen Oberherrschaft. Trotzdem kam es zu keinem
allgemeinen Aufstande; es war das Land nicht mehr, das es vor
zweiundzwanzig Jahren gewesen. Unglücklicher Krieg und Fremdherrschaft
hatten den Muth des Volkes gebrochen. Die Aristokratie, welche bei den
mittleren und niederen Schichten des Volkes in hohem Ansehen stand,
hatte die Bewegung gegen Karl I. geleitet, gegen Karl II. zeigte sie
sich unterwürfig. Auf die Hilfe der englischen Puritaner konnte man
nicht rechnen, sie waren eine schwache Partei, geächtet durch Gesetz und
öffentliche Meinung. Nur mit Unmuth fügte sich daher die Masse des
schottischen Volkes; bestürmt von bösen Ahnungen des Gewissens, wohnten
sie dem Gottesdienste des bischöflichen Klerus oder derjenigen
presbyterianischen Geistlichen bei, die sich hatten bereit finden
lassen, von der Regierung eine halbe Duldung anzunehmen, die man
Indulgenz nannte. Es gab aber besonders in dem westlichen Unterlande
entschlossene und kühne Männer, welche der Meinung waren, die Pflicht,
den Covenant zu halten, stehe höher, als die Pflicht, der Obrigkeit zu
gehorchen. Dem Gesetz trotzend, ließen diese Leute sich nicht abhalten,
Versammlungen zu veranstalten, um Gott nach ihrer Weise zu verehren. In
der Indulgenz erblickten sie keineswegs eine Art Entschädigung für die
Unbilden, welche die Kirche von der Obrigkeit erlitten, sondern ein
neues und um so hassenswürdiges Unrecht, da man ihm das Ansehen einer
Wohlthat geben wollte. Verfolgung, meinten sie, könne nur den Körper
tödten, die schmachvolle Indulgenz aber vernichte die Seele. Als man sie
aus den Städten vertrieb, sammelten sie sich in den Wäldern und
Gebirgen; wurden sie von der bürgerlichen Macht angegriffen, so setzten
sie der Gewalt unbedenklich Gewalt entgegen. Bei jedem Konventikel
erschienen sie bewaffnet, und mehrmals erregten sie offenen Aufruhr. Sie
wurden zwar ohne große Mühe besiegt, aber durch Niederlagen und Strafen
stählte sich nur ihr Muth. Gehetzt wie wilde Thiere, gefoltert bis ihre
Gebeine zermalmt waren, hundertweise in den Kerker geworfen, zu
Zwanzigen aufgeknüpft, heute der Rohheit englischer Soldaten
preisgegeben, morgen der Willkür hochländischer Räuberbanden überlassen,
vertheidigten sie sich immer noch mit so entsetzlicher Wuth, daß der
kühnste und mächtigste Unterdrücker Ursache hatte, ihren durch die
Verzweiflung angefachten Muth zu fürchten.


[_Zustand von Irland._] So war unter der Regierung Karls II. der Zustand
von Schottland; aber Irland war nicht minder zerrüttet. Auf dieser Insel
bestanden Fehden, welche sich mit den heftigsten Feindschaften der
englischen Politiker nicht vergleichen ließen. Die Feindseligkeiten
zwischen den irischen Cavalieren und den irischen Rundköpfen waren fast
vergessen über der grimmigeren Feindschaft, welche zwischen der
englischen und der celtischen Race wüthete. Die Kluft zwischen den
Episkopalen und Presbyterianern verschwand, wenn man sie mit der
verglich, welche Beide von den Papisten trennte. In den letzten
bürgerlichen Unruhen war ein großer Theil des irischen Grundeigenthums
von dem unterjochten Volke auf die Sieger übergegangen. Auf die Gunst
der Krone konnten sowohl von den alten wie von den neuen Besitzern nur
wenige Anspruch machen, denn die Plünderer wie die Geplünderten waren in
der Mehrzahl Rebellen. Die Regierung wurde des Streites der beiden
ergrimmten Parteien über entgegengesetzte Ansprüche und gegenseitige
Beschuldigungen bald müde und überdrüssig. Diejenigen Kolonisten, unter
welche Cromwell das eroberte Land vertheilt hatte, und deren Abkömmlinge
man noch immer Cromwellianer nannte, gaben zu bedenken, daß die
englische Nation unter jeder Dynastie, und die protestantische Religion
in jeder Form, von den Ureinwohnern auf das Heftigste angefeindet würde.
Sie schilderten mit Übertreibung die Gräuel, welche den Aufstand von
Ulster geschändet hatten, sie beschworen den König, die Politik des
Protektors mit Entschiedenheit zu verfolgen, und schämten sich nicht es
auszusprechen, daß der Frieden in Irland nur dann bestehen könne, wenn
der alte Volksstamm der Iren völlig vertilgt sein werde. Die Katholiken
stellten ihr Vergehen möglichst gering dar und jammerten kläglich über
die Härte ihrer Strafe, die auch in der That eben nicht gelind gewesen
war. Sie baten Karl, die Unschuldigen nicht mit den Schuldigen zu
verwechseln und erinnerten ihn, daß ein großer Theil der Schuldigen
ihren Fehler dadurch gut gemacht, daß sie zu ihrer Pflicht zurückgekehrt
waren und seine Rechte gegen die Henker seines Vaters in Schutz nahmen.
Um die zwei zudringlichen Parteien, von denen keine auf seine Liebe
Anspruch hatte, los zu werden, diktirte der Hof einen Vergleich,
und befreite sich dadurch von der Plage. Das grausame, aber höchst
praktische und energische System, durch welches Cromwell Irland durchweg
englisch machen wollte, wurde aufgegeben, und die Cromwellianer
veranlaßt, ein Drittel ihrer Erwerbungen herauszugeben. Das übergebene
Land wurde willkürlich unter diejenigen Bewerber vertheilt, welche die
Regierung begünstigen wollte. Eine Masse von Leuten aber, welche
versicherten, daß sie sich keiner Illoyalität schuldig gemacht, und
einzelne Personen, die sich rühmten, ihre Loyalität auf das Glänzendste
bewiesen zu haben, erhielten weder Zurückerstattung noch Entschädigung,
und erfüllten Frankreich und Spanien mit lauten Klagen über die
Ungerechtigkeit und Undankbarkeit der Stuarts.


[_Die Regierung in England wird unpopulär._] Selbst in England hatte um
diese Zeit die Regierung aufgehört populär zu sein. Unter den
Royalisten, und zwischen ihnen und dem Hofe, waren Zwistigkeiten
entstanden; die besiegte und niedergetretene Partei aber, von der man
glaubte, daß sie vernichtet sei, die jedoch eine zähe Lebenskraft besaß,
erhob von Neuem das Haupt, und trat wiederum gerüstet hervor. Wenn auch
die Verwaltung ohne Tadel gewesen wäre, so konnte doch die Begeisterung,
mit der die Rückkehr des Königs und das Ende der Militärherrschaft
begrüßt wurde, nicht von Dauer sein, denn es ist in der menschlichen
Natur begründet, daß auf übermäßige Erregung immer Abspannung folgt.
Die Art aber wie der Hof seinen Sieg mißbrauchte, führte eine rasche und
vollständige Abkühlung herbei. Jeder Gemäßigte erschrak vor der
Anmaßung, Hartherzigkeit und Treulosigkeit, mit der man die
Nichtconformisten behandelte. Durch die Strafgesetze war die
unterdrückte Partei vollständig von den heuchlerischen Mitgliedern
gereinigt worden, welche sie in Mißcredit gebracht hatten; jetzt stand
sie wieder als würdige und fromme Gemeinschaft da. Der Puritaner als
Sieger, Gebieter, Verfolger und Sequestrator war ein Gegenstand des
Hasses gewesen, aber der verrathene und gemißhandelte Puritaner,
verlassen von allen falschen Freunden, die im Glücke ihn umgaben,
vertrieben von seinem Hause, mit schweren Strafen bedroht, wenn er es
wagte, seinem Gewissen gemäß zu beten und das Abendmahl zu empfangen,
aber immer noch unerschütterlich in seinem Entschlusse, nur Gott,
und nicht den Menschen zu gehorchen, war, trotz einiger unangenehmen
Erinnerungen, jedem redlichen Gemüth ein Gegenstand des Mitgefühls und
der Hochachtung. Diese Gefühle steigerten sich, als das Gerücht umlief,
daß der Hof nicht gesonnen sei, die Katholiken ebenso streng zu
behandeln, wie es den Presbyterianern widerfahren war. Es tauchte ein
unbestimmter Verdacht auf, daß der König und der Herzog nicht aufrichtig
protestantisch gesinnt seien. Viele, denen die Verschlossenheit und
Heuchelei der Pharisäer der Republik widerlich gewesen war, empfanden
jetzt noch größeren Abscheu vor der schamlosen Üppigkeit des Hofes und
der Cavaliere, und neigten sich zu dem Zweifel hin, ob nicht die
finstere Grübelei von »Preise Gott, Barebone« der abscheulichen
Gottlosigkeit und den Ausschweifungen der Buckinghams und Sedley's
vorzuziehen sei. Selbst sittenlose Menschen, denen es nicht gänzlich an
Einsicht und Sinn für das Gemeinwohl fehlte, beklagten, daß die
Regierung Dinge von höchster Wichtigkeit als Kleinigkeiten betrachte,
dagegen Angelegenheiten ohne Bedeutung zu ernsten Geschäften mache. Man
könne es einem Könige vergeben, wenn er seine Mußestunden durch Wein,
Witz und Schönheit erheitere; aber unerträglich sei es, wenn er zu einem
bloßen Tagediebe und Wollüstlinge sich erniedrige, wodurch das Interesse
des Staates vernachlässigt sowie der Staatsdienst und die Finanzen in
Noth und Unordnung gebracht würden, während liederliche Weiber und
Schmarotzer sich bereicherten.

Eine große Menge von Royalisten stimmten in diese Klagen ein, und
setzten manche heftige Bemerkung über die Undankbarkeit des Königs
hinzu. Freilich würde das ganze Einkommen desselben nicht hingereicht
haben, sie alle nach Maaßgabe ihres Verdientes, wie sie es
veranschlagten, zu belohnen, denn jedem Gentleman mit zerrüttetem
Vermögen, der unter Ruprecht oder Derby gefochten hatte, erschienen
seine Dienste ungemein wichtig und seine ertragenen Leiden
außerordentlich hart. Ein Jeder hatte sich geschmeichelt, daß, wie es
auch immer den Übrigen ergehen möchte -- wenigstens _er_ für Alles,
was die bürgerlichen Unruhen ihm geraubt, eine reichliche Entschädigung
erhalten, und der Herstellung der Monarchie die Verbesserung seiner
eigenen zerrütteten Glücksumstände folgen würde. Keiner von diesen
Erwartungsvollen vermochte seinen Unmuth zurückzuhalten, als er sah,
daß er unter der Herrschaft des Königs eben so arm war, wie zur Zeit des
Rumpfs, oder unter dem Protektor. Die Rücksichtslosigkeit und Üppigkeit
des Hofes erregte den heftigsten Unwillen dieser loyalen Veteranen. Sie
behaupteten nicht mit Unrecht, daß die Hälfte der Summen, welche der
König an Concubinen und Hofnarren verschwende, die Herzen von vielen
hundert alten Cavalieren erfreuen würde, welche, nachdem sie ihre Wälder
gelichtet, und ihr Silbergeschirr eingeschmolzen, um seinem Vater zu
unterstützen, jetzt in ärmlichen Kleidern herumgingen, und nicht wüßten,
wie sie ihren Hunger stillen sollten.

Um dieselbe Zeit fielen plötzlich die Renten. Das Einkommen jedes
Grundeigenthümers verminderte sich um fünf Schillinge auf das Pfund.
Der Nothruf der Landleute ließ sich aus jeder Grafschaft des Königreichs
vernehmen, und, wie immer, ward die Regierung für diese Noth
verantwortlich gemacht. Der niedere Adel, gezwungen seine Ausgaben auf
einige Zeit zu beschränken, blickte mit Entrüstung auf den Glanz und die
zunehmende Verschwendung in Whitehall, und war fest überzeugt, das Geld,
welches zur Aufrechthaltung seines Wohlstandes bestimmt gewesen, sei
durch einen unbegreiflichen Proceß in die Taschen der königlichen
Günstlinge gewandert.

Die Menschen waren jetzt in einer Stimmung, in der jeder öffentliche Akt
Unzufriedenheit erregte. Karl hatte sich mit der Prinzessin Katharina
von Portugal vermählt; diese Verbindung mißfiel aber allgemein, und das
Murren ward noch hörbarer, als es sich herausstellte, daß der König
muthmaßlich keine legitimen Nachkommen erhalten werde. Dünkirchen, das
Cromwell Spanien entrissen, wurde an Ludwig XIV., Frankreichs König,
verkauft, was allgemeinen Unwillen erregte. Die Engländer beobachteten
bereits nicht ohne Besorgniß die Zunahme der französischen Macht, und
betrachteten das Haus der Bourbons mit denselben Empfindungen, welche
ihre Großväter gegen das Haus Österreich gehegt hatten. War es
wohlgethan, fragte man, der Macht einer schon so gewaltigen Monarchie
einen Zuwachs zu geben? -- Außerdem ward Dünkirchen von dem Volke nicht
nur als Waffenplatz und als ein Schlüssel zu den Niederlanden, sondern
auch als eine Trophäe englischer Tapferkeit geschätzt. Dünkirchen war
für die Zeiten Karls, was Calais einer früheren Generation gewesen,
und was der Felsen von Gibraltar, -- so ritterlich unheilvolle Jahre
hindurch gegen die Flotten und Heere einer mächtigen Allianz
vertheidigt, -- für uns ist. Die Rücksicht auf finanzielle Ursachen wäre
ein Entschuldigungsgrund gewesen, wenn ihn eine sparsame Regierung
geltend gemacht hätte; es war aber kein Geheimniß, daß die Kosten,
welche Dünkirchen veranlaßte, ohne Bedeutung erschienen gegenüber den
Summen, welche am Hofe in Ausschweifungen und Thorheiten vergeudet
wurden. Es schien unerhört, daß ein Souverain, der in allen seinen
Vergnügungen einer beispiellosen Verschwendung huldigte, den Knauser
spielen wollte, wenn es die Wohlfahrt und Ehre des Vaterlandes galt.

Die allgemeine Unzufriedenheit nahm zu, als es sich zeigte daß, während
man Dünkirchen unter dem Vorwande der Sparsamkeit aufgab, die Festung
Tanger, welche zur Mitgift der Königin Katharina gehörte, mit ungeheuren
Kosten hergestellt und unterhalten wurde. An diesen Platz knüpften sich
keine Erinnerungen des Nationalstolzes, und derselbe konnte in keiner
Art das National-Interesse fördern. Durch ihn wurde England in einen
ruhmlosen, nachtheiligen und unabsehbaren Krieg mit halbwilden
arabischen Stämmen verwickelt, und er lag in einem für die Gesundheit
und Kraft des englischen Volks höchst nachtheiligen Klima.


[_Krieg mit den Holländern._] Das Murren aber, welches diese Fehlgriffe
hervorriefen, war nicht zu vergleichen mit dem lauten Geschrei, das bald
darauf sich erhob. Die Regierung begann einen Krieg mit den Vereinigten
Provinzen. Das Haus der Gemeinen bewilligte mit größter Bereitwilligkeit
unerhörte Summen, größer als die, welche die Flotten und Heere Cromwells
zu einer Zeit kosteten, da seine Macht in aller Welt gefürchtet war. Die
Verschwendung, Unredlichkeit und Unfähigkeit seiner Nachfolger waren so
groß, daß diese Freigebigkeit sich schlimmer als nutzlos erwies. Die
feigen Höflinge, ohne alle Befähigung den großen Männern
entgegenzutreten, welche damals die holländischen Waffen befehligten,
-- einem Staatsmann, wie de Witte, und einem General wie de Ruyter --
suchten sich schnell zu bereichern, während die halbverhungerten
Matrosen in Empörung ausbrachen, die Werfte unbeschützt, und die Schiffe
leck und ohne Takelwerk waren. Jetzt beschloß man, die Offensive
aufzugeben; aber sehr bald kam die Überzeugung, daß bei einer solchen
Verwaltung selbst ein Vertheidigungskrieg nicht durchzuführen sei. Die
holländische Flotte lief in die Themse ein, und vernichtete bei Chatham
sämmtliche Kriegsschiffe. Es wurde erzählt, daß gerade an dem Tage
dieser harten Demüthigung der König mit den Damen seines Serails bei
Tafel gesessen, und sich damit amüsirt habe, eine Motte im Speisesaale
herumzujagen. Das Andenken an Cromwell fand jetzt seine gerechte
Anerkennung. Überall rühmte man seine Tapferkeit, seine Umsicht und
seinen Patriotismus. Man erinnerte sich, wie unter seiner Herrschaft
alle auswärtigen Mächte vor Englands Namen gezittert hatten, wie die
jetzt so kecken Generalstaaten sein Haupt vor ihm gebeugt, wie bei der
Nachricht von seinem Tode Amsterdam illuminirt worden, wie bei einer
Errettung aus großer Gefahr, und daß die Kinder an den Kanälen
umherliefen, vor Freude jauchzend, daß der Teufel gestorben sei. Selbst
Royalisten erklärten unverholen, die Rettung des Staates sei nur dadurch
zu bewerkstelligen, daß man die alten Krieger der Republik zu den Waffen
rufe. Bald fühlte die Hauptstadt alle Drangsale einer Blokade.
Feuerungsmaterial war kaum zu erlangen. Tilbury Fort, wo einst Elisabeth
mit männlichem Muthe gegen Spanien und Parma schnöden Spott
geschleudert, wurde von den Holländern insultirt. Es war das erste, aber
auch das letzte Mal, wo Londons Bürger den Donner fremder Geschütze
vernahmen. Im Staatsrathe wurde der ernstliche Vorschlag gemacht, beim
Anrücken des Feindes den Tower preiszugeben. Das Volk durchzog in Masse
die Straßen, und rief, daß England verrathen und verkauft sei. Die
Paläste und Equipagen der Minister wurden vom Pöbel angegriffen, und es
erhielt ganz den Anschein, daß die Regierung zugleich mit der Invasion
auch einen Volksaufstand zu fürchten haben werde. Die größte Gefahr zog
allerdings bald vorüber; es wurde ein Vertrag abgeschlossen, ganz
abweichend von denen, welche Cromwell zu unterzeichnen pflegte, und noch
einmal kehrte der Frieden einer Nation zurück, die sich in einer ebenso
gereizten und niedergedrückten Stimmung befand, wie in den Tagen des
Schiffsgeldes.

Die Unzufriedenheit, welche die schlechte Verwaltung hervorrief, ward
noch durch Unfälle vermehrt, die auch die beste Verwaltung nicht hätte
beseitigen können. Während der schimpfliche Krieg mit Holland geführt
wurde, erfuhr London zwei Unglücksfälle, von denen in so kurzem
Zeitraume noch nie eine Stadt betroffen worden war. Eine Seuche, an
Furchtbarkeit alle überbietend, welche im Laufe von drei Jahrhunderten
die Insel heimgesucht hatten, kostete binnen sechs Monaten mehr als
hunderttausend Menschen das Leben, und kaum hatte der Leichenwagen seine
Thätigkeit beendet, als eine Feuersbrunst, wie sie seit dem Brande Roms
unter Nero Europa nicht erlebt, die ganze City, vom Tower bis zum
Tempel, und von dem Flusse bis zu den Bezirken von Smithfield in einen
Aschenhaufen verwandelte.


[_Opposition in dem Hause der Gemeinen._] Hätte man, während die Nation
unter so viel Schande und Drangsal fast erlag, eine allgemeine Wahl
vorgenommen, so würden nach aller Wahrscheinlichkeit die Rundköpfe
wieder zur Herrschaft im Staate gelangt sein; das Parlament war aber
noch immer das Cavalierparlament, welches in dem ersten Loyalitätstaumel
gewählt worden, der auf die Restauration folgte. Es ward jedoch bald
offenbar, daß keine gesetzgebende Versammlung in England, wäre sie auch
noch so loyal, sich begnügen würde, blos das zu sein, was dergleichen
Versammlungen zur Zeit der Tudors gewesen waren. Vom Tode Elisabeths bis
zum Beginn des Bürgerkrieges hatten die Puritaner, welche in dem
volksvertretenden Körper überwiegend waren, durch eine geschickte
Anwendung der Macht des Geldes Übergriffe in das Gebiet der exekutiven
Regierung gethan. Die Herren, welche nach Ausführung der Restauration
das Unterhaus einnahmen, haßten zwar die Puritaner, waren aber gar nicht
böse, die Früchte der puritanischen Staatskunst zu erben. Allerdings
hatten sie den besten Willen, die Gewalt, welche ihnen im Staate
geworden, zu dem Zwecke zu verwenden, ihrem König sowohl daheim, wie im
Auslande, Macht und Ansehen zu verschaffen; sie waren aber auch
entschlossen, ihre eigene Macht nicht aufzugeben. Die große englische
Revolution des siebzehnten Jahrhunderts, nämlich die Übertragung der
Oberleitung der ausführenden Verwaltung von der Krone auf das Haus der
Gemeinen, war während des ganzen langen Bestehens dieses Parlaments in
ruhigem, aber schnellem und entschlossenem Fortschreiten. Karl gerieth
durch seine Thorheiten und Laster beständig in Geldverlegenheit. Nur
durch die Gemeinen konnte er auf gesetzlichem Wege Geld erlangen, und es
ließ sich nicht verhindern, daß sie selbst einen Preis für ihre
Bewilligung festsetzten. Dieser bestand darin, daß es ihnen erlaubt sei,
sich in alle Prärogativen des Königs zu mischen, ihm die Zustimmung zu
Gesetzen, welche er mißbilligte, abzuzwingen, Cabinete aufzulösen, den
Gang der auswärtigen Politik vorzuschreiben und selbst die Kriegsführung
zu leiten. Der königlichen Würde und der Person des Souverains
versprachen sie laut und offenherzig die treueste Anhänglichkeit.
Clarendon aber waren sie keine Unterthanentreue schuldig, und so griffen
sie ihn mit einer so heftigen Entrüstung an, wie ihre Vorgänger einst
Strafford.


[_Sturz Clarendons._] Die guten Eigenschaften, wie die Fehler dieses
Staatsmannes beförderten gleichmäßig seinen Sturz. Er war das Haupt der
Verwaltung, und wurde deshalb selbst für solche Handlungen
verantwortlich gemacht, denen er in der Rathsversammlung lebhaften, wenn
auch nutzlosen Widerstand entgegengestellt hatte. Die Puritaner und
Alle, welche diese bemitleideten, hielten ihn für einen
unverbesserlichen Zeloten, für einen zweiten Laud, nur mit mehr Verstand
begabt als dieser. Er hatte stets behauptet, daß man die Amnestieakte
streng handhaben müsse, und obgleich dieser Theil seines Verhaltens
höchst ehrenwerth für ihn erschien, so verfeindete derselbe ihn doch mit
allen Royalisten, welche ihren zerrütteten Verhältnissen durch Klagen
gegen die Rundköpfe wegen erlittener Verluste und entzogener Nutzungen
wieder aufzuhelfen wünschten. Die Presbyterianer Schottlands
beschuldigten ihn des Sturzes ihrer Kirche, die irländischen Papisten
warfen ihm den Verlust ihrer Güter vor. Als Vater der Herzogin von York
hatte er gegründete Ursachen, eine unfruchtbare Königin zu wünschen, und
kam daher in den Verdacht, absichtlich eine solche empfohlen zu haben.
Den Verkauf Dünkirchens machte man ihm mit Recht zum Vorwurf; die Schuld
an dem holländischen Kriege aber ward ihm mit weniger Grund zur Last
gelegt. Sein reizbares Temperament, sein stolzes Benehmen, die maßlose
Sucht, Reichthümer zu erwerben, die prahlerische Art mit der er
dieselben wieder verschwendete, seine mit den Meisterstücken van Dyks
gefüllte Gemäldegallerie -- dem früheren Eigenthume verarmter Cavaliere,
-- sein Palast, dessen lange stattliche Fronte sich der bescheidenen
Wohnung des Königs gegenüber erhob, unterwarfen ihn vielem
wohlverdienten, jedoch auch manchem ungerechten Tadel. Als die
holländische Flotte in der Themse ankerte, richtete sich die Wuth des
Pöbels hauptsächlich gegen den Kanzler. Man warf ihm die Fenster ein,
vernichtete die Bäume seines Gartens, und errichtete vor dem Eingange
seines Palastes einen Galgen. Am verhaßtesten war er dem Hause der
Gemeinen. Er war nicht fähig, zu erkennen, daß die Zeit schnell
heranrückte, wo dieses Haus, wenn es überhaupt fortbestand, die
Oberherrschaft im Staate erlangen, daß die Leitung desselben ein
wichtiger Zweig der Staatsgeschäfte werden, und daß es unmöglich sein
würde, ohne den Beistand von Männern, welche das Vertrauen des Hauses
besaßen, das Ruder des Staatsschiffs zu führen. Er ließ sich nicht davon
abbringen, das Parlament als eine Corporation zu betrachten, die in
keiner Hinsicht von jenem Parlamente abweiche, welches vor vierzig
Jahren existirte, als er im Temple dem Studium der Rechtswissenschaft
oblag. Zwar beabsichtigte er nicht, die gesetzgebende Versammlung der
Vorrechte zu berauben, welche die alte Verfassung Englands ihr
bewilligt; aber die neue Ausdehnung derselben, wenn auch natürlich und
unvermeidlich, und nur durch ihre völlige Vernichtung abzuwenden,
erfüllte ihn mit Widerwillen und Unruhe. Nie würde er sich entschlossen
haben, das große Siegel unter eine Verordnung zur Erhebung von
Schiffsgeld zu drücken, oder im Rathe seine Zustimmung dazu zu geben,
daß ein Mitglied des Parlaments auf Grund von Äußerungen während der
Debatte in den Tower geschickt werden könne; als aber die Gemeinen zu
wissen verlangten, wozu das Geld, welches sie für den Krieg bewilligt,
verwendet worden sei, als sie anfingen die schlechte Verwaltung der
Flotte zu untersuchen, da gerieth er vor Unwillen außer sich. Er war der
Ansicht, daß dergleichen Nachforschungen außerhalb ihrer Berechtigung
lägen und gab zwar zu, daß das Haus eine sehr loyale Versammlung sei,
die der Krone recht ersprießliche Dienste geleistet, und daß seine
Absichten ganz vortrefflich sein könnten, aber in weiteren und engeren
Kreisen sprach er unverholen sein Bedauern aus, daß der Monarchie
aufrichtig ergebene Gentlemen mit solcher Unbedachtsamkeit die Vorrechte
des Souverains antasteten. Wenn auch anderer Gesinnung als die
Mitglieder des Langen Parlaments, handelten sie doch -- sagte er -- wie
dieses Parlament, indem sie Angelegenheiten zu den ihrigen machten,
welche, außerhalb des Wirkungskreises der Reichsstände, nur lediglich
der Autorität der Krone unterlägen. Er versicherte, der Staat werde sich
nie einer guten Regierung erfreuen, bis die Abgeordneten der
Grafschaften sich damit begnügten, nicht mehr zu sein, als ihre
Vorgänger zur Zeit Elisabeths. Alle Vorschläge, welche von Männern, die
ihre Zeit besser erkannt hatten als er, zu dem Zwecke gemacht wurden,
ein Einverständniß zwischen dem Hofe und den Gemeinen herbeizuführen,
wies er als unreife Projecte, die mit den alten englischen
Staatsverhältnissen nicht harmonirten, verächtlich zurück. Junge
Sprecher, welche im Unterhause zu Ansehen und Auszeichnung gelangten,
behandelte er abstoßend, und machte sich dieselben fast ohne Ausnahme
dadurch zu unversöhnlichen Feinden. Ohne Zweifel war einer seiner
größten Fehler die maßlose Verachtung der Jugend, und es war dieselbe um
so weniger zu rechtfertigen, da seine eigene diplomatische Erfahrung in
englischen Regierungsangelegenheiten, durchaus in keinem Verhältnisse zu
seinen Jahren stand, indem er einen großen Theil seines Lebens im
Auslande zugebracht und von der Welt, in der er sich nach seiner
Rückkehr bewegte, nicht so viel wußte, als Leute, welche dem Alter nach
seine Söhne sein konnten.

Aus diesen Gründen war er den Gemeinen verhaßt, und aus anderen Gründen
auch bei Hofe nicht beliebt. Seine Moral wie seine Politik erinnerten an
eine frühere Generation. Selbst als junger Student der Rechte, wo er mit
so vielen witzigen und vergnügungslustigen Menschen umging, hatten ihn
sein natürlicher Ernst und seine frommen Grundsätze fast ganz vor der
Ansteckung der Modethorheiten bewahrt; um so weniger war er geeignet,
im höheren Alter und bei schwankender Gesundheit noch ein Wüstling zu
werden. Mit bitterem und verächtlichem Widerwillen betrachtete er die
Lasterhaftigkeit der ausgelassenen Jugend, sowie er nicht minder die
tiefste Abneigung gegen die theologischen Irrthümer der Sectirer hegte.
Er benutzte jede Gelegenheit, um seinen Haß gegen Possenreißer,
Schwelger und Buhlerinnen auszusprechen, welche den Palast erfüllten,
und die Warnungen, die er gegen den König aussprach, waren nicht nur
sehr scharf, sondern auch, was Karl noch ärgerlicher war, sehr lang. Es
fand sich Niemand, der einem Minister beistand, dem man den doppelten
Vorwurf machte, Fehler zu besitzen, welche die Wuth des Volkes
erweckten, und Tugenden, welche dem Monarchen beschwerlich und
unangenehm waren. Southampton war gestorben; Ormond stand dem Freunde
mannhaft und treu, aber fruchtlos zur Seite. Der Kanzler fiel in die
tiefste Ungnade. Der König nahm ihm das Siegel ab, die Gemeinen
versetzten ihn in Anklagestand, sein Kopf war nicht mehr sicher, er
entfloh aus England und wurde durch eine Akte zu ewiger Verbannung
verurtheilt; die aber, welche seinen Fall herbeigeführt, begannen sich
um die Trümmer seiner Gewalt zu streiten.

Durch Clarendon's Hinopferung war der öffentliche Rachedurst etwas
abgekühlt; doch war die Entrüstung über die Verschwendung und
Nachlässigkeit der Regierung, so wie über den schlechten Ausgang des
letzten Krieges noch keineswegs beschwichtigt. Die Räthe des Königs,
denen das Schicksal des Kanzlers vorschwebte, fürchteten für ihre eigene
Sicherheit. Sie beschworen deshalb den Herrscher, die Aufregung, welche
im Parlamente wie im ganzen Lande herrschte, zu besänftigen und einen
Schritt zu thun, der in der Geschichte des Hauses Stuart ohne Beispiel
ist und der Klugheit und Hochherzigkeit eines Cromwell würdig gewesen
wäre.


[_Zustand der europäischen Staatsangelegenheiten und Überlegenheit
Frankreichs._] Wir sind jetzt bei dem Punkte angekommen, wo die
Geschichte der großen, englischen Revolution anfängt, sich mit der
Geschichte der auswärtigen Staatsangelegenheiten zu verflechten. Die
spanische Macht war seit vielen Jahren im Abnehmen begriffen. Spanien
besaß zwar in Europa noch Mailand, die beiden Sicilien, Belgien und die
Franche Comté, und in Amerika lagen seine Besitzungen zu beiden Seiten
des Äquators noch weit über die beiden Grenzen der heißen Zone hinaus;
allein dieser große Körper war gelähmt, und nicht nur ohne Macht, andere
Staaten zu belästigen, sondern auch außer Stande, ohne Unterstützung
einen Angriff auszuhalten. Frankreich war jetzt ohne Zweifel die
bedeutendste Macht Europa's. Seit jener Zeit haben seine Hilfsquellen
unbedingt zugenommen, aber nicht so schnell wie die Hilfsquellen
Englands. Auch darf man nicht vergessen, daß vor einhundertachtzig
Jahren das russische Kaiserreich -- jetzt eine Monarchie ersten Ranges
-- ebensoweit außer dem Bereich der europäischen Politik lag, wie
Abyssinien oder Siam, daß das brandenburgische Haus damals kaum
bedeutender war, als jetzt das Haus Sachsen, und daß die Republik der
Vereinigten Staaten von Amerika zu jener Zeit noch nicht existirte. Die
Bedeutung Frankreichs hat sich demnach, obgleich sie noch immer sehr
groß ist, relativ vermindert. Zu den Zeiten Ludwigs XIV. war Frankreichs
Gebiet noch nicht ganz so ausgebreitet wie gegenwärtig, aber es war ein
großes, abgeschlossenes, fruchtbares Land, zum Angriff wie zur
Vertheidigung trefflich geeignet, in einem glücklichen Klima gelegen,
und bewohnt von einem tapferen, gewerbfleißigen und geistreichen Volke.
Der Staat gehorchte völlig der Leitung eines einzigen Geistes. Die
großen Lehen, welche in Allem -- den Namen ausgenommen -- souveraine
Fürstenthümer gewesen, waren Eigenthum der Krone geworden. Nur wenige
hochbetagte Leute erinnerten sich noch der letzten Versammlung der
Generalstaaten. Den Widerstand, den die Hugenotten, der Adel und die
Parlamente der königlichen Macht entgegengestellt, war durch die beiden
großen Cardinäle vernichtet, welche vierzig Jahre lang die Nation
beherrscht hatten. Die Regierung war jetzt despotisch, aber wenigstens
im Verkehr mit den höheren Ständen war dieser Despotismus ebenso mild
als großmüthig, und gemäßigt durch ritterliche Gesinnungen und feine
Sitte. Die Mittel, über welche der Souverain gebieten konnte, waren für
jene Zeit von ungeheurer Bedeutung. Sein Einkommen, erhöht durch eine
allerdings etwas harte und ungeregelte Besteuerung, welche drückend auf
dem Landmann lastete, überstieg bei weitem das jedes anderen Herrschers;
seine vorzüglich disciplinirte und von den größten damals lebenden
Generälen befehligte Armee zählte bereits mehr als hundertzwanzigtausend
Mann. Eine solche regulaire Truppenmacht war seit dem Untergange des
römischen Kaiserreiches in Europa nicht gesehen worden. Unter den
Seemächten nahm Frankreich zwar nicht den ersten Rang ein; aber wenn es
auch Rivalen auf dem Meere hatte, so wurde es doch von keinem
übertroffen. Seine Macht während der letzten vierzig Jahre des
siebzehnten Jahrhunderts war so bedeutend, daß ein einzelner Feind ihm
unmöglich widerstehen konnte und daß zwei mächtige Coalitionen, zu denen
sich die halbe christliche Welt gegen Frankreich verbunden hatte, nichts
auszurichten vermochten.


[_Charakter Ludwigs XIV._] Die Achtung, welche Frankreichs Macht und
Bedeutung einflößten, wurden noch durch die persönlichen Eigenschaften
seines Königs erhöht. Kein Souverain hat jemals die Majestät eines
großen Staates mit mehr Würde und Anstand vertreten, als er. Er war sein
eigener Premierminister, und besorgte die Obliegenheiten dieser
schwierigen Stellung mit einer Gewandtheit und einem Fleiße, die man in
der That kaum von einem Manne hätte erwarten sollen, der schon in den
Jahren der Kindheit Frankreichs Krone trug und von Schmeichlern umgeben
war, ehe er noch sprechen konnte. Er besaß in ausgezeichnetem Grade zwei
für einen Fürsten unschätzbare Talente, nämlich seine Diener passend zu
wählen, und sich selbst den größeren Theil des Ruhmes ihrer Thätigkeit
anzueignen. In seinem Verkehr mit auswärtigen Mächten zeigte er einigen
Großmuth, aber keine Gerechtigkeit. Unglückliche Bundesgenossen, welche
mit der einzigen Hoffnung auf sein Mitleid sich ihm zu Füßen warfen,
beschützte er mit einer chevaleresken Uneigennützigkeit, die sich besser
für einen irrenden Ritter schickte, als für einen Staatsmann; die
heiligsten Bande der Treue aber galten ihm nichts, und er zerriß sie
ohne Scham und Scheu, sobald sie seinem Interesse, oder dem was er Ruhm
nannte, widerstritten. Doch diese Treulosigkeit und Gewaltthätigkeit
waren weniger verletzend als der Übermuth, mit dem er seine Nachbarn
unaufhörlich an seine eigene Erhabenheit und ihre Bedeutungslosigkeit
erinnerte. Damals zeigte er noch nicht die finstre Frömmigkeit, welche
in späterer Zeit dem französischen Hofe das Aussehen eines Klosters gab;
er war im Gegentheil ebenso ausschweifend, wenn auch nicht so kindisch
und träge wie sein Bruder von England. Doch war er ein aufrichtiger
Katholik, und nicht nur sein Gewissen, sondern auch seine Eitelkeit
veranlaßten ihn, seine Gewalt nach Art seiner berühmten Vorgänger,
Chlodwig, Karl der Große und Ludwig der Heilige, zur Verherrlichung und
Ausbreitung des wahren Glaubens zu verwenden.

Unsere Väter blickten freilich mit ernster Besorgniß auf Frankreichs
wachsende Macht. Aber diese an sich völlig gerechtfertigte Empfindung
war nicht frei von anderen, weniger lobenswerthen Gefühlen. Frankreich
war unser Erbfeind. Gegen Frankreich hatten wir die ruhmvollsten
Schlachten geschlagen, von denen unsere Geschichte erzählte. Zweimal war
Frankreich von den Plantagenets erobert worden, und den Verlust
Frankreichs hatte man lange als ein großes Nationalunglück betrachtet.
Noch trugen unsere Souveraine den Titel eines Königs von Frankreich,
noch prangten die französischen Lilien, verbunden mit unseren eigenen
Löwen, im Wappenschilde des Hauses Stuart. Die Furcht vor Spanien hatte
im sechzehnten Jahrhundert das feindselige Verhältniß unterbrochen, das
von Alters her zwischen uns und Frankreich bestand. Die Furcht aber,
welche Spanien einflößte, machte bald einem verächtlichen Mitleide
Platz, und Frankreich trat wieder als alter Nationalfeind hervor. Der
Verkauf Dünkirchens war die am allgemeinsten verschrieene Maßregel des
wieder eingesetzten Königs gewesen, und Anhänglichkeit an Frankreich
stand an der Spitze aller Verbrechen, deren die Gemeinen Clarendon
beschuldigten. Selbst in Geringfügigkeiten zeigte sich die allgemeine
Stimmung. Wenn in den Straßen von Westminster eine Rauferei zwischen den
Dienern der französischen und spanischen Gesandtschaften stattfand,
so gab das Volk, obgleich an jeder thätlichen Theilnahme kräftigst
gehindert, doch die unzweideutigsten Zeichen, daß der alte Haß noch
nicht erloschen war.

Frankreich und Spanien lagen eben in ernstem Streite mit einander. Eine
der Hauptabsichten der Politik Ludwigs war sein ganzes Leben hindurch
die Ausdehnung seiner Besitzungen bis an den Rhein. Aus diesem Grunde
hatte er Spanien den Krieg erklärt und befand sich jetzt auf dem Wege
der Eroberung. Die Vereinigten Provinzen gewahrten mit Besorgniß die
Fortschritte seiner Waffen. Diese berühmte Föderation hatte den Gipfel
der Macht, der Wohlfahrt und des Glückes erreicht. Das batavische
Gebiet, den Wogen entrissen und durch menschliche Kunst gegen sie
vertheidigt, war an Ausdehnung dem Fürstenthum Wales ziemlich gleich;
aber dieser enge Raum glich einem geschäftigen und dicht bevölkerten
Bienenstock, in welchem unaufhörlich neuer Reichthum geschaffen wurde
und eine Masse alter Schätze aufgehäuft waren. Der Anblick von Holland,
die vortreffliche Bodenkultur, die zahllosen Kanäle, die immer thätigen
Mühlen, die endlosen Flotten von Barken, das rasche Aufblühen großer
Städte, die beständig mit zahllosen Masten bespickten Häfen, die
geräumigen stattlichen Häuser, die prachtvollen Villas, die
reichgeschmückten Zimmer, die Gemäldesammlungen, die Landhäuser, die
Tulpenbeete: dies Alles übte auf die englischen Reisenden einen Zauber
aus, wie ihn der erste Anblick Englands auf einen Norweger oder Canadier
hervorbringen mag. Cromwell hatte die Generalstaaten gezwungen sich vor
ihm zu beugen; nach der Restauration aber hatten sie sich gerächt, mit
Erfolg gegen Karl Krieg geführt, und einen ehrenvollen Frieden
geschlossen. In so hohem Ansehen jedoch die reiche Republik in Europa
stand, Ludwigs Macht war ihr überlegen. Nicht ohne guten Grund fürchtete
sie, daß er sein Gebiet bald bis an ihre Grenzen ausdehnen werde, und
sie hatte wohl Ursache, die unmittelbare Nachbarschaft eines ebenso
mächtigen und ehrgeizigen, als gewissenlosen Monarchen zu scheuen. Es
war jedoch schwer ein Mittel aufzufinden, welches die Gefahr beseitigen
konnte. Die Holländer allein konnten Frankreich nicht die Wage halten,
und von der Rheinseite her war keine Hilfe zu erwarten. Ludwig hatte
verschiedene deutsche Fürsten für sich gewonnen, und der Kaiser selbst
war durch die Unzufriedenheit der Ungarn beschäftigt. England hatte sich
durch die Erinnerung an neuerdings erfahrene und erduldete schwere
Beleidigungen von den Vereinigten Provinzen getrennt, und seine Politik
war seit der Restauration so arm an Weisheit und Muth gewesen, daß man
kaum auf eine wirksame Unterstützung von seiner Seite hoffen konnte.

Das Schicksal Clarendons und die überhandnehmende üble Stimmung des
Parlaments bestimmten die Räthe Karls, plötzlich eine Politik zu
ergreifen, welche die Nation in das freudigste Erstaunen versetzte.


[_Die Tripleallianz._] Der englische Resident zu Brüssel, Sir William
Temple, einer der erfahrensten Diplomaten und beliebtesten
Schriftsteller jener Zeit, hatte seinem Hofe bereits vorgeschlagen, daß
es eben so vortheilhaft als erwünscht sei, mit den Generalstaaten in
Vernehmen zu treten, um der anwachsenden Macht Frankreichs einen Damm
entgegen zu setzen. Längere Zeit hatte man seine Winke unberücksichtigt
gelassen, jetzt aber hielt man es für angemessen, ihnen Folge zu
leisten, und er bekam den Auftrag, mit den Generalstaaten deshalb zu
unterhandeln. Er begab sich nach dem Haag, und kam bald zu einem
Verständniß mit Johann de Witt, dem damaligen Premierminister Hollands.
Schweden war, trotz seiner unbedeutenden Hilfsquellen, vierzig Jahre
vorher durch das Genie Gustav Adolfs zu einem hohen Ansehen unter den
europäischen Mächten gelangt, und hatte diese Stellung bis jetzt
behauptet. Es wurde veranlaßt, sich bei dieser Gelegenheit mit England
und den Niederlanden zu verbinden. So ward jene Koalition gebildet, die
unter dem Namen der Tripleallianz bekannt ist. Ludwig ließ wohl Verdruß
und Gereiztheit merken, wagte es aber nicht, sich neben der Feindschaft
Spaniens auch noch die der Verbündeten zuzuziehen. Er gab daher willig
einen bedeutenden Theil des Gebietes auf, das seine Heere bereits
erobert hatten, der Friede ward in Europa hergestellt, und die englische
Regierung, noch kürzlich ein Gegenstand allgemeiner Verachtung, wurde
einige Monate lang von den auswärtigen Mächten mit fast eben so hoher
Achtung angesehen, als man früher dem Protektor gezollt hatte.

In England war die Tripleallianz höchst populär. Sie befriedigte sowohl
den Nationalhaß wie den Nationalstolz, setzte dem Übermuthe eines
mächtigen und ehrgeizigen Nachbars ein Ziel, und verband auf das
Innigste die wichtigsten protestantischen Staaten. Cavaliere und
Rundköpfe waren vollkommen zufrieden, aber die Freude der Rundköpfe war
noch größer als die der Cavaliere, denn England hatte sich jetzt mit
einem Lande von republikanischer Verfassung und presbyterianischer
Religion gegen einen Staat verbündet, der von einem absoluten Fürsten
regiert ward, welcher der römisch-katholischen Kirche ergeben war.
Das Haus der Gemeinen zollte dem Vertrage lauten Beifall, und einige
rücksichtslose Unzufriedene nannten ihn die einzige gute Maßregel,
welche seit der Rückkehr des Königs ausgeführt worden sei.


[_Die Vaterlandspartei._] Dem Könige aber war diese Billigung des
Parlaments und Volks höchst gleichgültig. In der Tripleallianz sah er
blos ein vorübergehendes Mittel zur Beschwichtigung der herrschenden
Unzufriedenheit, welche einen ernsten Charakter anzunehmen schien. Er
bekümmerte sich weder um die Selbstständigkeit und Sicherheit, noch um
die Würde der Nation, über die er herrschte, und hatte angefangen, die
verfassungsmäßigen Beschränkungen lästig zu finden. Schon hatte sich im
Parlamente eine fest zusammenhaltende Partei gebildet, welche man die
Vaterlandspartei nannte. Diese bestand aus allen öffentlichen Männern,
welche sich zum Puritanismus und Republikanismus hinneigten, und von
denen Viele zwar der englischen Kirche und erblichen Monarchie zugethan,
aber aus Furcht vor dem Papstthum und Entrüstung über die Verschwendung,
Üppigkeit und Treulosigkeit des Hofes zur Opposition genöthigt waren.
Die Macht dieses Vereins von Staatsmännern war in stetem Wachsthum;
alljährlich kamen einige von den Mitgliedern, welche durch die loyale
Aufregung des Jahres 1661 in das Parlament gekommen waren, in Wegfall,
und die erledigten Plätze wurden durch weniger fügsame Personen besetzt.
Karl betrachtete sich nicht als König, so lange noch eine Versammlung
von Unterthanen, ehe sie seine Schulden bezahlte, seine Rechnungen
verlangen und darauf bestehen konnte, daß er erklärte, wer von seinen
Maitressen oder lustigen Gesellschaftern das Geld weggefischt habe,
welches zur Ausrüstung und Bemannung der Flotte bestimmt gewesen war.
Wenn er auch nicht gerade nach Ruhm geizte, so verdrossen ihn doch die
Spöttereien, welche bisweilen in den Verhandlungen der Gemeinen
vorkamen, und bei einer Gelegenheit versuchte er durch ein sehr schlecht
gewähltes Mittel diese Redefreiheit zu beschränken. Sir John Coventry,
ein Landedelmann, hatte in der Debatte auf die Liederlichkeit des Hofes
angespielt. Jede frühere Regierung würde ihn vor den Geheimen Rath
gefordert und in den Tower geschickt haben; jetzt aber wählte man einen
anderen Weg. Man sandte heimlich eine Rotte von Raufbolden ab, welche
dem Beleidiger die Nase aufschlitzen mußten. Diese gemeine Rache
verursachte, anstatt dem Geiste der Opposition zu schaden, eine solche
Aufregung, daß der König sich zu der harten Demüthigung genöthigt sah,
die Werkzeuge seiner Rache durch eine Akte zu verurtheilen, welche ihm
das Begnadigungsrecht entzog.

Wie sehr er aber auch gegen die verfassungsmäßigen Schranken eingenommen
war, was sollte er thun, um sich von ihnen zu befreien? Er konnte sich
nur vermittelst einer großen stehenden Armee zum Despoten machen, aber
eine solche existirte nicht. Seine Einkünfte erlaubten ihm zwar einige
reguläre Truppen zu halten, aber diese, wenn auch stark genug,
um Mißtrauen und Besorgniß im Hause der Gemeinen wie im Volke
hervorzurufen, waren kaum hinreichend, um Whitehall und den Tower gegen
einen Aufstand des Londoner Pöbels zu vertheidigen. Solche Aufstände
waren allerdings bedenklicher Art, denn es wurde berechnet, daß in der
Hauptstadt und ihren Vorstädten nicht weniger als zwanzigtausend alte
Cromwellsche Soldaten lebten.


[_Verbindung zwischen Karl II. und Frankreich._] Da der König die
Absicht hatte, sich von der Aufsicht des Parlaments zu befreien, und er
zu diesem Unternehmen keine angemessene Hilfe im Innern zu finden hoffen
konnte, so war es natürlich, daß er den Blick zu diesem Behufe nach dem
Auslande richtete. Die Macht und der Reichthum des französischen Königs
konnten der schwierigen Aufgabe gewachsen sein, die unbeschränkte
Monarchie in England einzuführen. Ein solcher Bundesgenosse verlangte
aber jedenfalls starke Beweise der Dankbarkeit für einen derartigen
Dienst, Karl hätte zu der Bedeutung eines großen Vasallen herabsteigen,
und Krieg und Frieden nach Vorschrift der Regierung beschließen müssen,
welche ihm ihren Schutz gewährte. Seine Stellung zu Ludwig würde große
Ähnlichkeit mit der gehabt haben, in der sich jetzt der Rajah von
Nagpore und der König von Oude zur britischen Regierung befinden. Diese
Fürsten sind verpflichtet, die Ostindische Kompagnie in allen Angriffs-
und Vertheidigungskriegen zu unterstützen, und nur solche diplomatische
Verbindungen zu unterhalten, welche die Ostindische Kompagnie erlaubt.
Dafür sichert sie die Kompagnie gegen Empörung. So lange sie ihren
Verpflichtungen gegen die überlegene Macht treulich nachkommen, läßt man
sie über große Einkünfte verfügen, erlaubt ihnen, ihre Paläste mit
schönen Frauen anzufüllen, sich in der Gesellschaft ihrer Lieblinge dumm
zu schwelgen, und jeden Unterthanen, der ihnen mißfällt, ungestraft zu
unterdrücken. Ein solches Leben mußte einem Manne von Hochherzigkeit und
gewaltigem Geiste unerträglich sein; aber für den üppigen, trägen,
abgespannten, jeder Vaterlandsliebe und alles Bewußtseins persönlicher
Würde ermangelnden Karl hatte eine solche Aussicht durchaus nichts
Mißfälliges. Daß der Herzog von York zu dem Plane, die Würde der Krone,
welche er vermutlich einst selbst tragen würde, zu erniedrigen, die Hand
geboten haben sollte, mag auffallend erscheinen, denn seine Gemüthsart
war hochfahrend und herrschsüchtig, und er zeigte in der That ohne
Unterbrechung durch Aufwallungen und gelegentliche Weigerungen seinen
Haß gegen das französische Joch; er war jedoch durch Aberglauben fast
ebenso verdorben, wie sein Bruder durch Nichtsthun und Üppigkeit. Jacob
war damals schon Katholik. Frömmelei war die vorherrschende Richtung
seines beschränkten halsstarrigen Geistes geworden und so mit seiner
Herrschsucht verwachsen, daß diese beiden Leidenschaften kaum mehr zu
unterscheiden waren. Es war sehr unwahrscheinlich, daß er ohne fremde
Hilfe im Stande sein würde, das Übergewicht, oder auch nur Duldung für
seinen Glauben zu erlangen, und bei seiner Gemüthsverfassung sah er in
keinem Schritte etwas Erniedrigendes, wenn dadurch das Wohl der wahren
Kirche befördert werden konnte.

Die Unterhandlung, welche eröffnet wurde, dauerte mehrere Monate. Die
Hauptagentin zwischen den Höfen von England und Frankreich war die
schöne, anmuthige und geistreiche Henriette, Herzogin von Orleans, Karls
Schwester, Ludwigs Schwägerin, und der Liebling Beider. Der König von
England erbot sich, den katholischen Glauben anzunehmen, die
Tripleallianz aufzulösen und sich mit Frankreich gegen Holland zu
verbinden, wenn Frankreich sich verpflichten wolle, ihm die nöthige
militärische und pekuniäre Hilfe zu leisten, welche nöthig sei, um sich
vom Parlamente unabhängig zu machen. Ludwig bemühte sich anfangs, diese
Vorschläge mit scheinbarer Kälte anzuhören, und ging endlich in einer
Weise darauf ein, als ob er eine große Gunst gewährte; der Weg aber, den
er einzuschlagen gesonnen war, konnte ihm nur Gewinn bringen.


[_Pläne Ludwigs in Bezug auf England._] Es scheint gewiß, daß es nie
seine ernstliche Absicht war, mit bewaffneter Hand in England
Despotismus und Papstthum einzuführen. Er mußte leicht einsehen, daß ein
derartiges Unternehmen höchst schwierig und gewagt war, indem es auf
Jahre hinaus alle Kräfte Frankreichs in Anspruch nehmen, und den
vortheilhafteren Vergrößerungsplänen, die er im Sinne hatte, hinderlich
sein würde. Zwar hätte er gern das Verdienst und den Ruhm erwerben
mögen, gegen angemessene Bedingungen seiner Kirche einen bedeutenden
Dienst zu leisten, er hatte aber keine Lust, seinen Vorfahren
nachzuahmen, welche im zwölften und dreizehnten Jahrhundert den Kern des
französischen Adels in Syrien und Egypten dem Tode entgegengeführt, und
es war ihm wohlbekannt, daß ein Kreuzzug gegen den Protestantismus in
England mit denselben Gefahren verbunden sein würde, wie die
Unternehmungen, welche die Heere Ludwigs VII. und Ludwigs IX.
verschlungen hatten. Es war für ihn keine Ursache vorhanden, den Stuarts
Absolutismus zu wünschen, und die englische Verfassung betrachtete er
durchaus nicht mit ähnlichen Gefühlen, durch welche späterhin Fürsten
veranlaßt wurden, gegen die freien Institutionen benachbarter Völker
Krieg zu führen. Dermalen hat jede große Partei, welche volksthümliche
Regierung wünscht, ihre Verbindungen in jedem civilisirten Staate. Jeder
wichtige Vortheil, den diese Partei erringt, giebt das Signal zu einer
allgemeinen Bewegung. Es ist nicht auffällig, wenn Regierungen, denen
eine gemeinschaftliche Gefahr droht, sich zu gegenseitiger Sicherung
verbinden; aber im siebzehnten Jahrhundert gab es keine derartige
Gefahr. Zwischen der öffentlichen Meinung in England und der von
Frankreich lag eine große Kluft. Unsere Einrichtungen wie unsere
Parteien verstand man in Paris ebenso wenig wie in Konstantinopel. Es
ist zu bezweifeln, ob eins von den vierzig Mitgliedern der französischen
Akademie ein englisches Werk in seiner Bibliothek hatte und Shakespeare,
Johnson oder Butler auch nur dem Namen nach kannte. Einige Hugenotten,
auf welche der Empörungsgeist ihrer Vorfahren übergegangen war, mochten
vielleicht Sympathien für ihre Glaubensbrüder, die englischen Rundköpfe,
hegen, aber die Hugenotten waren nicht mehr gefürchtet. Die Franzosen,
der Mehrzahl nach Katholiken, und stolz auf die Erhabenheit ihres
Monarchen wie auf ihre eigene Loyalität, betrachteten unsere
Anstrengungen gegen Papstthum und Willkürherrschaft nicht blos ohne
Bewunderung und Theilnahme, sondern mit entschiedener Mißbilligung und
Abneigung. Man würde sich deshalb irren, wollte man das Verfahren
Ludwigs Befürchtungen beimessen, welche nur entfernt denjenigen
ähnelten, die in unserem Jahrhundert die heilige Allianz bestimmten,
sich in die inneren Unruhen Spaniens und Neapels zu mischen.

Nichtsdestoweniger waren ihm die Vorschläge des Hofes von Whitehall
äußerst willkommen. Er sann bereits auf großartige Pläne, welche Europa
über vierzig Jahre lang in Gährung erhalten sollten. Es war sein Wunsch,
die Vereinigten Provinzen zu demüthigen, und Belgien, die Franche Comté
und Lothringen an Frankreich zu bringen. Dies war aber noch nicht Alles.
Der König von Spanien, ein schwacher, kränklicher Knabe, starb aller
Wahrscheinlichkeit nach ohne Leibeserben. Seine älteste Schwester war
die Königin von Frankreich. Somit lag die Vermuthung sehr nahe, daß die
Zeit nicht mehr fern sei, wo das Haus der Bourbons seine Rechte an das
große Reich erheben werde, in welchem die Sonne nie unterging. Der
Vereinigung zweier so mächtigen Kronen auf einem Haupte würde sich ohne
Zweifel eine kontinentale Koalition widersetzt haben; aber jeder solchen
Koalition war Frankreich allein hinreichend gewachsen. England konnte
den Stand der Dinge ändern, von der Stellung, welche es in einer solchen
Krisis einnahm, hing das Schicksal der Welt ab, und es war zur Genüge
bekannt, daß Parlament und Volk von England eifrig der Politik anhingen,
deren Werk die Tripleallianz war. Es konnte daher für Ludwig nichts
erfreulicher sein, als in Erfahrung zu bringen, daß die Fürsten des
Hauses Stuart seine Hilfe wünschten und dieselbe durch unbegrenzte
Ergebenheit zu erkaufen geneigt wären. Er entschloß sich, die günstige
Gelegenheit nicht vorübergehen zu lassen, und bildete sich selbst einen
Plan, den er ohne Abweichung verfolgt hat, bis die Revolution von 1688
alle seine politischen Pläne über den Haufen warf. Er erklärte sich
bereit, die Absichten des englischen Hofes zu befördern, und versprach
kräftigen Beistand, spendete auch bisweilen so viel Unterstützung, als
zur Aufrechterhaltung der Hoffnung nothwendig war, und er ohne Gefahr
und Unbequemlichkeit missen konnte. Auf diese Art wurde es ihm möglich,
mit viel geringeren Kosten als der Bau und die Einrichtung von
Versailles oder Marly erforderten, England fast zwanzig Jahre hindurch
zu einem eben so unbedeutenden Gliede des europäischen Staatenkörpers zu
machen, wie die Republik San Marino. --

Seine Absicht war nicht etwa, unsere Verfassung umzustürzen, sondern nur
die verschiedenen Elemente, aus denen sie bestand, in einem bleibenden
Zustande von Aufregung zu erhalten, und zwischen den Börsenmännern und
den Männern des Schwertes eine tödtliche Feindschaft hervorzurufen.
Zu diesem Zwecke bestach und stachelte er beide Parteien abwechselnd,
verlieh gleichzeitig den Ministern der Krone und den Häuptern der
Opposition Pensionen, ermuthigte den Hof, den rebellischen Übergriffen
des Parlaments entgegen zu treten, und verrieth dem Parlament die
Willkürpläne des Hofes.

Einer von den Kunstgriffen, welche er anwandte, um sich Einfluß auf die
englischen Rathbeschlüsse zu verschaffen, verdient besonders erwähnt zu
werden. Obgleich Karl der Liebe, im höheren Sinne dieses Wortes, unfähig
war, so beherrschte ihn doch jedes Weib, dessen Reize seine Begierden
erregten, und dessen Manieren und Beredtsamkeit ihm die Zeit verkürzten.
Man würde mit Recht einen Ehemann verspotten, der sich von einer Frau
von Stand und gutem Rufe halb soviel gefallen ließe, als Englands König
von den lockeren Dirnen ertrug, die, während sie seiner Freigebigkeit
Alles verdankten, mit den Höflingen fast unter seinen Augen buhlten.
Geduldig ließ er sich die Zanksüchtigkeit Barbara Palmers, und die
naseweise Lustigkeit der Eleonore Gwynn gefallen. Ludwig war der höchst
richtigen Meinung, der beste Gesandte, den er nach London schicken
könne, sei eine schöne, lebenslustige und listige Französin, und eine
solche war Louise von Querouaille, von unsern derben Vorfahren Madame
Carwell genannt. Sie verdrängte bald alle Nebenbuhlerinnen, ward zur
Herzogin von Portsmouth erhoben, mit Reichthümern überschüttet, und
behauptete eine Herrschaft, die erst mit dem Tode Karls zu Ende ging.


[_Vertrag von Dover._] Die wichtigsten Bedingungen des Bündnisses
zwischen den beiden Kronen waren in einem geheimen Vertrage enthalten,
welcher im Mai 1670 zu Dover ratificirt wurde, zehn Jahre nach dem Tage,
an welchem Karl in demselben Hafen unter dem Jubel und den
Freudenthränen seines zu vertrauensvollen Volkes gelandet war.

In diesem Vertrage erklärte Karl, sich öffentlich zur katholischen
Religion zu bekennen, seine Waffen mit denen Ludwigs zur Unterdrückung
der Vereinigten Provinzen zu verbinden und die ganze Land- und Seemacht
Englands aufbieten zu wollen, um die Rechte der Bourbons auf die große
spanische Monarchie zu unterstützen. Ludwig dagegen verpflichtete sich,
bedeutende Subsidien zu zahlen, und gab das Versprechen, bei etwaigem
Ausbruch einer Empörung in England auf eigene Kosten eine Armee zum
Beistande seines Bundesgenossen zu stellen.

Dieser Vertrag ward unter düsteren Auspicien abgeschlossen. Sechs Wochen
nach seiner Unterzeichnung und Besiegelung war die liebenswürdige
Prinzessin nicht mehr, deren Einfluß auf Bruder und Schwager so
verderblich für ihr Vaterland gewesen. Durch ihren Tod entstand ein
entsetzlicher Argwohn, welcher die neugestiftete Freundschaft zwischen
den Stuarts und den Bourbons zu lösen drohte; nach kurzer Zeit aber
wiederholten die Verbündeten ihre Versicherungen unverminderter
Willfährigkeit.

Der Herzog von York, zu bornirt, um die Gefahr zu erkennen, oder zu
fanatisch, sich deshalb Sorgen zu machen, verlangte mit Ungestüm, daß
der Artikel, welcher die katholische Religion betraf, unverzüglich in
Ausführung gebracht werde, aber Ludwig war scharfsinnig genug,
einzusehen, daß diese Handlung eine Explosion in England verursachen
werde, stark genug, um diejenigen Theile seines Planes zu zerstören,
welche ihn am meisten interessirten. Es wurde daher der Beschluß gefaßt,
daß Karl noch ferner für einen Protestanten gelten, und an hohen Festen
das Abendmahl nach dem Ritual der englischen Kirche empfangen solle;
sein gewissenhafterer Bruder besuchte seitdem die königliche Kapelle
nicht mehr.

Um diese Zeit verschied die Herzogin von York, die Tochter des
verbannten Earl von Clarendon. Sie war vor einigen Jahren im Geheimen
zur katholischen Kirche übergetreten, und hinterließ zwei Töchter, Maria
und Anna, welche später nach einander Königinnen von England geworden
sind. Dieselben wurden auf besonderen Befehl des Königs protestantisch
erzogen, denn der König erkannte sehr wohl, daß es eine vergebliche Mühe
sein würde, sich für ein Mitglied der anglikanischen Kirche auszugeben,
wenn Kinder, die aller Wahrscheinlichkeit nach Erben des Thrones werden
mußten, mit seiner Bewilligung eine katholische Erziehung genossen.

Die vornehmsten Beamten der Krone waren damals Männer, deren Namen mit
Recht eine nicht beneidenswerthe Berühmtheit erlangt haben; jedoch
müssen wir auch vorsichtig sein, und ihr Andenken nicht mit einer
Schmach beladen, die mit Recht ihrem Gebieter gebührt. Der Vertrag von
Dover war hauptsächlich ein Werk des Königs. Er conferirte darüber mit
französischen Geschäftsträgern, schrieb in Betreff desselben viele
eigenhändige Briefe, brachte selbst die entehrendsten Punkte, welche er
enthielt, in Vorschlag, und verheimlichte sorgfältig mehrere dieser
Artikel der Mehrzahl seiner Cabinetsräthe.


[_Natur des englischen Cabinets._] Wenige Vorfälle in der Geschichte
Englands sind merkwürdiger, als der Ursprung und das Wachsthum der
Macht, welche das Cabinet jetzt besitzt. Seit frühester Zeit
unterstützte die Beherrscher Englands ein Geheimer Rath, welchem das
Gesetz viele bedeutende Befugnisse und Pflichten übertrug. Jahrhunderte
hindurch berathschlagte dieses Collegium über die bedeutungsvollsten und
kitzlichsten Staatsangelegenheiten; doch änderte sich allmälig sein
Charakter. Es wurde zu ausgedehnt für rasche That und Geheimhaltung. Die
Stellung eines Geheimen Rathes wurde oft als ehrende Auszeichnung an
Leute vergeben, denen man nichts anvertraute, und um deren Meinung man
sich nicht kümmerte. Der Souverain beschränkte sich bei wichtigen
Angelegenheiten auf den Rath eines kleinen Kreises leitender Minister.
Die Vortheile und Nachtheile dieses Verfahrens sind von Bacon schon
frühzeitig mit seiner bekannten, treffenden und scharfsinnigen
Urtheilsgabe geschildert worden, aber erst nach Beendigung der
Restauration zog der innere Rath die öffentliche Aufmerksamkeit auf
sich. Die Politiker der alten Schule betrachteten das Cabinet als eine
nicht verfassungsmäßige und gefährliche Behörde. Gleichwohl gewann es an
Bedeutung, zog endlich die höchste ausübende Gewalt an sich, und wird
jetzt seit mehreren Menschenaltern für einen wesentlichen Bestandtheil
unserer Staatsverfassung angesehen. Seltsamer Weise ist das Cabinet dem
Gesetze aber noch immer unbekannt, die Namen der Personen des hohen und
niedern Adels, aus denen es besteht, werden dem Publikum nie amtlich
bekannt gemacht, es führt keine Protokolle über seine Versammlungen und
Beschlüsse, und keine Parlamentsakte hat seine Existenz anerkannt.


[_Die Cabale._] Einige Jahre hindurch gebrauchte man im Volke das Wort
Cabal gleichbedeutend mit Cabinet. Durch ein sonderbares Zusammentreffen
bestand nämlich das Cabinet im Jahre 1671 aus fünf Personen, von deren
Namen die Anfangsbuchstaben das Wort Cabal bildeten, es waren Clifford,
Arlington, Buckingham, Ashley und Lauderdale. Durch diese Anwendung
erhielt das Wort eine so üble Bedeutung, daß es seitdem nur als ein
Vorwurf gebraucht wird.

Sir Thomas Clifford war Schatzkommissarius, und hatte sich im Hause der
Gemeinen sehr bemerkbar gemacht. Er war von den Mitgliedern der Cabale
das Ehrenwertheste, denn bei einem lebhaften und herrschsüchtigen
Charakter besaß er ein starkes, wenngleich auf beklagenswerthe Weise
irregeleitetes Gefühl für Ehre und Pflicht.

Heinrich Bennet, Lord Arlington, zu jener Zeit Staatssekretair, hatte
seit angetretenem Mannesalter auf dem Continent gelebt, und sich jene
kosmopolitische Gleichgültigkeit gegen Verfassungen und Religionen zu
eigen gemacht, welche man oft bei Leuten findet, deren Leben in
unregelmäßiger diplomatischer Thätigkeit verflossen ist. Die
Verfassungsform, welche ihm am meisten zusagte, war die französische;
gab es eine Kirche, für welche er einige Vorliebe hegte, so war es die
katholische. Bei einigem Unterhaltungstalente, sowie ziemlicher
Befähigung zu den gewöhnlichen Geschäften seines Amtes, hatte Arlington
im Laufe seines an Reisen und Unterhandlungen reichen Lebens die Kunst
erlernt, seine Rede und sein Benehmen der Gesellschaft anzupassen, in
der er sich eben bewegte. Seine Lebhaftigkeit im Unterhaltungszimmer
amüsirte den König, seine Würde bei Verhandlungen und Zusammenkünften
imponirte dem Publikum, und es war ihm geglückt, sowohl durch geleistete
Dienste, wie auch durch erregte Hoffnungen, sich einen bedeutenden
Anhang zu verschaffen.

Buckingham, Ashley und Lauderdale waren Männer, welche die
Unsittlichkeit, die unter den Staatsmännern jener Zeit epidemisch war,
in der schlimmsten Form, und durch große Verschiedenheit des
Temperaments und der geistigen Anlagen modifizirt, besaßen. Buckingham
war vom Vergnügen übersättigt, und hatte sich zum Zeitvertreib
den Ehrgeiz erwählt. Wie er mit Architektur und Musik, mit
Lustspielschreiben und mit Forschen nach dem Steine der Weisen sich zu
unterhalten versucht hatte, so wollte er sich jetzt durch geheime
Unterhandlungen und durch einen holländischen Krieg amüsiren. Er war
bereits, mehr aus Unbeständigkeit und Lust zur Veränderung, als aus
einem ernsteren Grunde, allen Parteien treulos geworden. Einmal stand er
auf der Seite der Cavaliere, ein andermal war ein Verhaftsbefehl gegen
ihn erlassen, weil er einen verrätherischen Verkehr mit dem Überreste
der republikanischen Armee in der City unterhielt. Jetzt war er wieder
Höfling, und bemüht, die Gnade des Königs durch Dienstleistungen zu
erwerben, vor denen die Ausgezeichnetsten unter denen, welche für das
königliche Haus gekämpft und gelitten hatten, sich mit tiefem Abscheu
abgewandt haben würden.

Ashley, mit einem entschiedeneren Charakter und ungestümeren Ehrgeize,
hatte gleiche Unzuverlässigkeit gezeigt, aber es war dieselbe nicht
Folge des Leichtsinns, sondern der berechneten Selbstsucht. Er hatte
einer Reihe von Regierungen gedient, und sie verrathen, aber für seine
Verräthereien immer den glücklichen Zeitpunkt so gut gewählt, daß alle
Revolutionen sein Glück beförderten. Das Volk, voller Bewunderung über
ein Glück, welches, sonst in fortwährendem Wechsel begriffen, hier so
dauernd anhielt, schrieb ihm eine fast wunderbare Sehergabe zu, und
verglich ihn mit dem israelitischen Staatsmanne von dem wir lesen, daß
sein Rath gewesen sei, als wenn ein Mann das Orakel Gottes befragt
hätte.

Lauderdale, laut und plump, in der Freude wie im Zorn, war unter dem
Scheine von polternder Freimüthigkeit vielleicht der unehrlichste in der
ganzen Cabal. In dem schottischen Aufruhr von 1638 war er ein
hervorragender, eifriger Anhänger des Covenants gewesen. Man
beschuldigte ihn, bei dem Verkaufe Karls I. an das englische Parlament
schwer betheiligt gewesen zu sein, und er wurde daher von den guten
Cavalieren für einen noch verächtlicheren Verräther gehalten als
diejenigen, welche im hohen Gerichtshofe gesessen hatten. Oft sprach er
mit lauter Heiterkeit von den Tagen, da er ein Sectirer und Rebell
gewesen war. Der Hof benutzte ihn jetzt als Hauptwerkzeug bei dem
Vorhaben, dem widerstrebenden Volke das Episkopat aufzudringen, und er
schämte sich nicht, in dieser Angelegenheit Schwert, Strick und Folter
mit schonungslosem Eifer anzuwenden. Wer ihn aber genauer kannte, wußte
auch, daß die letzten dreißig Jahre seine Gesinnungen unverändert
gelassen hatten, daß er noch jetzt das Andenken Karls I. verachtete und
noch immer die presbyterianische Kirchenform jeder andern vorzog.

Bei aller Gewissenlosigkeit Buckinghams, Ashley's und Lauderdale's wagte
man es doch nicht, ihnen das Vorhaben des Königs, zur katholischen
Kirche überzutreten, anzuvertrauen. Man zeigte ihnen einen falschen
Vertrag, in welchem der die Religion betreffende Artikel fehlte; im
echten Vertrage befinden sich blos die Namen und Siegel von Clifford und
Arlington. Diese beiden Staatsmänner nahmen Partei für die alte Kirche,
welche Parteilichkeit der brave, heftige Clifford auch bald darauf
ehrlich aussprach, die aber der überlegendere, weniger edle Arlington
verhehlte, bis die Furcht vor dem nahen Tode ihm Offenheit abzwang.
Die drei andern Cabinetsminister waren jedoch nicht leicht zu täuschen,
und vermutheten wahrscheinlich mehr, als man ihnen mitgetheilt hatte.
Übrigens waren sie bei allen politischen Übereinkünften mit Frankreich
in's Geheimniß gezogen, und schämten sich nicht, kostbare
Gnadengeschenke von Ludwig anzunehmen.

Karls nächste Absicht war jetzt von den Gemeinen Zugeständnisse zu
erhalten, die zur Realisirung des geheimen Vertrags dienen sollten. Die
Cabale, welche sich im Besitze der Gewalt befand, als die Regierung in
einem Zustande des Übergangs war, vereinigte in sich zwei verschiedene
Gattungen von Lastern, welche zwei verschiedenen Zeitaltern und zwei
verschiedenen Systemen angehörten. Wie diese fünf bösen Räthe zu den
letzten englischen Staatsmännern gehörten, welche die ernstliche Absicht
hatten, das Parlament zu vernichten, so waren sie auch die ersten
englischen Staatsmänner, welche dasselbe zu bestechen versuchten, und
ihre Politik zeigt zugleich die letzte Spur von Straffords »Durch« und
die erste Spur von jener systematischen Bestechung, welche nach der Zeit
Walpole's ausgeübt wurde. Sehr bald erkannten sie aber, daß, obgleich
das Haus der Gemeinen fast durchgängig aus Cavalieren bestand, und
französisches Gold und Stellen an die Mitglieder verschwendet wurden,
doch keine Aussicht war, auch nur die am wenigsten gehässigen Punkte des
Vertrags von Dover durch die Majorität unterstützt zu sehen; man mußte
also nothwendig zum Betrug greifen. Der König heuchelte daher großen
Eifer für die Grundsätze der Tripleallianz und erklärte, daß um den
französischen Ehrgeiz zu zügeln, eine Vermehrung der Flotte nöthig sei.
Die Gemeinen ließen sich fangen, und bewilligten achthunderttausend
Pfund. Sofort wurde das Parlament vertagt, und der jeder Controle
entledigte Hof begann unverzüglich mit der Ausführung seines großen
Planes.


[_Zahlungseinstellung der Schatzkammer._] Die finanziellen
Verlegenheiten waren sehr ernster Natur. Ein Krieg mit Holland mußte
ungeheure Kosten erfordern, und die gewöhnlichen Einkünfte reichten eben
nur hin, um die Bedürfnisse der Regierung im Frieden zu bestreiten. Die
achthunderttausend Pfund, welche man den Gemeinen abgeschwindelt hatte,
waren nicht genügend, die Kosten der Flotte und des Heeres auch nur auf
ein einziges Kriegsjahr zu decken, und nach der traurigen Lehre, die das
Lange Parlament gegeben, wagte es selbst die Cabale nicht, wieder ein
Boden- oder Schiffsgeld einzuführen. In dieser Verlegenheit empfahlen
Ashley und Clifford einen niederträchtigen Verrath an dem öffentlichen
Vertrauen. Die Goldschmiede Londons trieben damals nicht blos Handel mit
edlen Metallen, sondern auch Geldwechsel, und waren daran gewöhnt,
der Staatskasse große Summen vorzustrecken, für welche Darlehen sie
Anweisungen auf das Einkommen erhielten, welche nach der Steuererhebung
mit den Zinsen bezahlt wurden. In dieser Art waren eine Million und
dreihunderttausend Pfund der Ehre des Staates anvertraut worden. Da
erschien plötzlich die Bekanntmachung, daß es nicht möglich sei, das
Capital zu zahlen, und daß die Creditoren sich mit den Zinsen begnügen
müßten. In Folge dessen konnten dieselben ihren eigenen Verpflichtungen
nicht nachkommen, die Börse gerieth in Aufruhr, mehrere große
Handelshäuser machten Bankerott, Schreck und Jammer kamen über die ganze
Gesellschaft. Inzwischen ging man rasch dem Despotismus entgegen.
Proklamationen, welche von Parlamentsakten dispensirten oder
Vorschriften machten, die nur dem Parlamente zustanden, erschienen in
rascher Aufeinanderfolge. Das bedeutendste dieser Edicte war die
Indulgenzerklärung. In diesem Aktenstücke wurden die Strafgesetze gegen
die Katholiken durch königlichen Machtspruch noch einmal beseitigt, und
um die wahre Absicht der Maßregel zu verschleiern, hob man gleichzeitig
auch die Gesetze gegen die protestantischen Nichtconformisten auf.


[_Krieg mit den Vereinigten Provinzen und große Gefahr derselben._]
Wenige Tage nach dem Bekanntwerden der Indulgenzerklärung wurde den
Vereinigten Provinzen der Krieg erklärt. Zur See fochten die Holländer
mit Ehren, zu Lande aber wurden sie anfänglich durch unwiderstehliche
Gewalt bezwungen. Ein großes französisches Heer ging über den Rhein,
eine Festung nach der andern ergab sich. Die Sieger besetzten drei von
den sieben Provinzen des Bundes. Man sah die Lagerfeuer des Feindes von
dem Dache des Rathhauses zu Amsterdam. Zu gleicher Zeit wurde die von
außen so hart bedrängte Republick auch von inneren Zwistigkeiten
heimgesucht. Die Regierung befand sich in den Händen einer geschlossenen
Oligarchie mächtiger Bürger. Es gab eine große Menge selbstgewählter
Stadträthe, welche innerhalb ihrer Bezirke viele Souverainetätsrechte
ausübten; diese Räthe schickten Abgeordnete an die Provinzialstaaten,
und die Provinzialstaaten wieder Beauftragte an die Generalstaaten. Eine
erbliche, höchste Obrigkeit war kein wesentlicher Theil dieser
Staatseinrichtung. Doch hatte eine, an berühmten Männern auffallend
fruchtbare Familie allmälig eine bedeutende und zugleich ziemlich
unbestimmte Gewalt erlangt. Wilhelm, dieses Namens der Erste, Prinz von
Nassau-Oranien und Statthalter von Holland, hatte an der Spitze des
denkwürdigen Aufstandes gegen Spanien gestanden, sein Sohn Moritz war
Generalkapitain und oberster Minister der Staaten gewesen, hatte sich
durch ausgezeichnete Befähigung und vortreffliche Dienste, sowie durch
einige verrätherische und unmenschliche Handlungen zu königlicher Macht
emporgeschwungen, und diese Macht zum Theil seiner Familie hinterlassen.
Der Einfluß der Statthalter war ein Gegenstand höchster Eifersucht für
die städtische Oligarchie, aber die Armee, sowie die große Menge von
Bürgern, denen jede Theilnahme an der Regierung entzogen war,
betrachteten die Bürgermeister und Deputirten mit einer Abneigung,
ähnlich der, welche die Legionen und der große Haufe in Rom gegen den
Senat fühlten, und zollten dem Hause Oranien eine so treue Ergebenheit
wie die Legionen und die Massen dem Hause Cäsars. Der Statthalter stand
an der Spitze des Heeres der Republik, verfügte über alle militärischen
Commandos, hatte bedeutenden Einfluß auf die Civilgewalt, und umgab sich
mit einem fast königlichen Glanze.

Prinz Wilhelm II. hatte bei der oligarchischen Partei auf heftigen
Widerstand gestoßen, er starb 1650, während großer bürgerlicher Unruhen,
ohne Kinder zu hinterlassen. Die Mitglieder seiner Familie befanden sich
einige Zeit ohne Haupt, und die von ihm ausgeübte Gewalt wurde unter die
Stadträthe, Provinzialstaaten und Generalstaaten vertheilt.

Wenige Tage nach Wilhelms Tode gebar seine Witwe, Marie, Tochter
Karls I. von England, einen Sohn, welcher bestimmt war, den Ruhm und die
Macht des Hauses Nassau auf den höchsten Gipfel zu treiben, die
Vereinigten Provinzen vor Unterdrückung zu bewahren, die Macht
Frankreichs zu brechen und der englischen Verfassung eine solide
Grundlage zu geben.


[_Wilhelm Prinz von Oranien._] Dieser Prinz mit dem Namen Wilhelm
Heinrich, war von seiner Geburt an ein Gegenstand ernster Sorge für die
zur Zeit in Holland herrschende Partei, und loyaler Ergebenheit für die
Anhänger seines Hauses. Als der Besitzer eines großen Vermögens, als das
Haupt eines der erlauchtesten Häuser Europa's, als ein souverainer Fürst
des deutschen Reiches, als ein Prinz von königlichem Geblüte Englands,
vor Allem aber als ein Sprößling der Schöpfer der batavischen Freiheit,
genoß er der höchsten Achtung. Aber das mächtige Amt, welches seine
Familie einst als erblich betrachtete, wurde nicht wieder besetzt,
und nach dem Willen der aristokratischen Partei sollte nie wieder ein
Statthalter gewählt werden. Die Stelle der ersten Magistratsperson
vertrat zum großen Theile der Großpensionair der Provinz Holland, Johann
de Witt, dessen Klugheit, Festigkeit und Redlichkeit ihn zu einem hohen
Ansehen im Rathe der municipalen Oligarchie erhoben hatten.

Die französische Invasion brachte eine vollständige Umwandlung hervor.
Das leidende, und von Schrecken erfüllte Volk wüthete furchtbar gegen
die Regierung, und fiel in seiner Tollheit über die tapfersten
Heerführer und die geschicktesten Staatsmänner der Regierung her. De
Ruyter wurde von dem Pöbel insultirt, und de Witt vor dem Thore des
Palastes der Generalstaaten im Haag in Stücke zerrissen. Der Prinz von
Oranien war an dem Morde unschuldig, aber bei dieser Gelegenheit, sowie
zwanzig Jahre später bei einer anderen beklagenswerthen Veranlassung,
beurtheilte er die Verbrechen, welche in seinem Interesse verübt wurden,
so nachsichtig, daß dadurch sein Ruhm befleckt wurde. Er trat ohne
Nebenbuhler an die Spitze der Regierung. Wenn auch noch jung, hob sein
feuriger unbeugsamer Geist, obgleich unter einer kalten, düsteren
Außenseite verborgen, gar bald den Muth seiner zagenden Landsleute.
Jeder Versuch seines Oheims, sowie des französischen Königs, ihn durch
die glänzendsten Versprechungen der Sache der Republik abwendig zu
machen, war vergeblich. Gegen die Generalstaaten führte er eine
schwungreiche, begeisternde Sprache. Er wagte sogar ihnen einen
Vorschlag zu machen, der einen Anstrich von antikem Heroismus hatte,
und der, wenn er zur Ausführung gekommen wäre, der edelste Stoff für ein
Epos sein würde, der im Bereiche der neueren Geschichte existirte. Er
erklärte den Abgeordneten, daß, selbst wenn ihr Heimathsland und die
Wunder, mit denen menschlicher Kunstfleiß es bedeckt, von dem Ocean
verschlungen wären, noch nicht Alles verloren sei. Die Holländer könnten
Holland überleben; Freiheit und reine Gottesverehrung, würden sie auch
von Tyrannen und Fanatikern aus Europa verbannt, könnten in Asiens
entferntesten Inseln eine Freistätte finden. Die Schiffe, welche in den
Häfen der Republik ankerten, würden ausreichen, um zweihunderttausend
Auswanderer nach dem indischen Archipel zu bringen, dort könne die
holländische Republik ein neues, glorreiches Dasein beginnen, und unter
dem Kreuze des Südens, umgeben von Zuckerrohr und Muscatbäumen, die
Börse eines reicheren Amsterdam und den Lehrstuhl eines gelehrteren
Leyden errichten. Der Nationalgeist erhob sich gewaltig. Die
Bedingungen, welche die Verbündeten anboten, wurden kurz zurückgewiesen,
die Dämme wurden durchstochen, und das ganze Land in einen ungeheuren
See verwandelt, aus dem die Städte mit ihren Mauern und Thürmen wie
Inseln hervorragten. Die Feinde retteten sich nur durch den eiligsten
Rückzug vor Vernichtung; Ludwig aber, welcher es zuweilen für
vortheilhaft hielt, sich an der Spitze des Heeres zu zeigen, jedoch
einen Palast bequemer fand als ein Kriegslager, war bereits heimgekehrt,
um in den neuangelegten Alleen von Versailles sich der Schmeicheleien
der Dichter und des Lächelns seiner Damen zu erfreuen.

Bald folgte der Ebbe die Fluth. Der Erfolg des Seekrieges war
zweifelhaft geblieben; zu Lande hatten die Vereinigten Provinzen
Aufschub erlangt, und ein Aufschub, wenn auch noch so kurz, war von
unübersehbarer Wichtigkeit. Beunruhigt durch die weitaussehenden Pläne
Ludwigs, griffen beide Linien des mächtigen österreichischen Hauses zu
den Waffen. Spanien und Holland vergaßen die alten gegenseitigen
Beschwerden und Demüthigungen, und söhnten sich angesichts der
gemeinschaftlichen Gefahr wieder aus. Aus allen Gegenden Deutschlands
marschirten Truppen nach dem Rheine. Die Fonds der englischen Regierung,
welche man durch Beraubung der Staatsgläubiger zusammen gebracht, waren
erschöpft, von der City ließ sich kein Darlehn erwarten, und der Versuch
durch königlichen Machtspruch Steuern zu erheben, würde unverzüglich
eine Revolution hervorgerufen haben. Ludwig aber, der jetzt mit dem
halben Europa in Krieg verwickelt war, befand sich nicht in der
Verfassung, die Mittel zur Bezwingung des englischen Volkes
herbeizuschaffen. So war es nothwendig, das Parlament einzuberufen.


[_Versammlung des Parlaments._] Im Frühlinge des Jahres 1673
versammelten sich also die Häuser nach einer Unterbrechung von beinahe
zwei Jahren. Clifford, jetzt Pair und Lord Schatzmeister, und Ashley,
jetzt Lord Kanzler und Earl von Shaftesbury, waren die Männer, auf
welche der König hinsichtlich der Leitung des Parlaments sich verließ.
Die Vaterlandspartei zögerte nicht, sofort die Politik der Cabale
anzugreifen, dieser Angriff geschah aber nicht stürmisch, sondern durch
langsames und wohlberechnetes Vorrücken. Die Gemeinen gaben zuerst
Hoffnung, daß sie die auswärtige Politik des Königs unterstützen
wollten, verlangten aber, daß er diese Hilfe dadurch erkaufen sollte,
daß er das ganze System seiner innern Politik fallen lasse. Vor Allem
verlangten sie die Zurücknahme der Indulgenzerklärung.


[_Indulgenzerklärung._] Der unpopulärste Schritt, den die Regierung
jemals gethan hatte, war unbedingt die Bekanntmachung dieser Erklärung.
Die verschiedenartigsten Gefühle waren verletzt durch eine an sich zwar
freisinnige, aber in höchst despotischer Weise ausgeführte Maßregel.
Die Feinde religiöser, und die Freunde bürgerlicher Freiheit waren eng
verbunden, und aus diesen beiden Klassen bestanden neunzehn
Zwanzigtheile der Nation. Der eifrige Anhänger der Staatskirche
beschwerte sich über die Bevorzugung, welche dem Papisten wie dem
Puritaner zu Theil geworden sei. Der Puritaner freute sich zwar über das
Aufhören der Verfolgung, die ihn gedrückt hatte, war aber eben nicht
besonders dankbar für eine Duldung, welche er mit dem Antichrist theilen
sollte. Alle Engländer jedoch, welche Freiheit und Gerechtigkeit
achteten, erkannten mit Besorgniß den tiefen Eingriff, den die
Prärogative in das Gebiet der Gesetzgebung gethan hatte.

Der Wahrheit die Ehre zu geben, darf nicht geleugnet werden, daß die
constitutionelle Frage nicht ganz frei von Dunkelheit war. Unsere alten
Könige besaßen das unbestrittene Recht, die Wirkung von Strafgesetzen zu
suspendiren, die Gerichtshöfe hatten dieses Recht anerkannt und die
Parlamente es nicht angefochten. Daß ein derartiges Recht der Krone
zustehe, wagten, selbst von der Landpartei, in Betracht der Ereignisse
und Autoritäten nur Wenige in Abrede zu stellen. Gleichwohl war es klar
daß, wenn diese Prärogative keine Grenze hatte, die englische Regierung
von reinem Despotismus fast gar nicht unterschieden werden konnte.
Daß es eine Grenze gebe, gestand der König sammt seinen Ministern ein,
die Frage war nur, ob die Indulgenzerklärung innerhalb oder außerhalb
derselben liege, und keine Partei vermochte eine Grenzlinie zu
bestimmen, welche die Prüfung bestand. Einige Gegner der Regierung
beschwerten sich, daß durch die Erklärung nicht weniger als vierzig
Gesetze suspendirt würden; warum aber nicht vierzig sogut wie eins? Ein
Redner sprach unverhohlen aus, daß der König verfassungsmäßig zwar von
schlechten Gesetzen dispensiren könne, nicht aber von guten. Das
Ungereimte einer solchen Unterscheidung liegt auf der Hand. Die Ansicht,
welche im Hause der Gemeinen angenommen schien, war wohl im Allgemeinen
die, daß das Dispensationsrecht sich blos auf weltliche Punkte
erstrecke, und nicht auf Gesetze, die man zur Sicherheit der
Landeskirche erlassen. Da aber der König das Oberhaupt der Kirche war,
so schien es, daß wenn er überhaupt die dispensirende Gewalt besitze,
er sie wohl auch da haben konnte, wo die Kirche in's Spiel kam. Die
Versuche der Hofleute, die Grenzen dieser Prärogative zu bezeichnen,
mißlangen eben so vollständig wie früher die der Opposition.[3]

Die Wahrheit ist, daß die Dispensationsbefugniß eine große Anomalie in
Staatssachen war. In der Theorie war sie mit den Grundsätzen gemischter
Verfassung nicht zu vereinigen, aber sie war in einer Zeit entstanden,
wo das Volk sich wenig um Theorien kümmerte. In der Praxis hatte man
diese Befugniß niemals auf gröbliche Art gemißbraucht, sie war deshalb
geduldet worden, und endlich allmälig zu einer Art Verjährung gekommen.
Nach einem langen Zwischenraume wurde sie endlich in einem
fortgeschrittenen Zeitalter bei einer wichtigen Veranlassung und zwar in
früher nicht gekannter Ausdehnung, zu einem allgemein verabscheuten
Zwecke in Anwendung gebracht. Sie wurde einer strengen Untersuchung
unterworfen, und wenn man auch nicht gleich wagte sie geradezu für
verfassungswidrig zu erklären, so kam man doch zu der Erkenntniß, daß
sie in directem Widerspruche mit der Verfassung stehe, und wenn sie
willkürlich blieb, die englische Regierung aus einer beschränkten
Regierung in eine absolute verwandeln würde.

    [Anmerkung 3: Das Vernünftigste was über diesen Gegenstand im
    Hause der Gemeinen gesprochen wurde, rührte von Sir William
    Coventry her. »Unsere Voreltern haben niemals eine Linie gezogen,
    um die Souverainetätsrechte und die Freiheit zu begrenzen.«]


[_Cassirung der Indulgenzakte. Annahme der Testakte._] Durch solche
Befürchtungen veranlaßt, stellten die Gemeinen in Abrede, daß es ein
Dispensationsrecht des Königs gebe, zwar nicht rücksichtlich aller
Strafgesetze, sondern blos soweit diese die kirchlichen Angelegenheiten
beträfen, und sie gaben dem König nicht undeutlich zu verstehen, daß sie
nur bei Aufgabe dieses Rechtes ihm Bewilligungen für den holländischen
Krieg machen würden. Für den Augenblick schien er geneigt, Alles zu
wagen, bis ihm Ludwig dringend rieth, sich der Nothwendigkeit zu fügen
und einen günstigeren Zeitpunkt abzuwarten, wo die französischen Heere,
jetzt zu schwerem Kriege auf dem Festlande verwendet, benutzt werden
könnten, um die Unzufriedenheit in England zu unterdrücken. In der
Cabale selbst wurden Zeichen von Uneinigkeit und Verrätherei sichtbar.
Shaftesbury erkannte mit seinem zum Sprichwort gewordenen Scharfblick,
daß eine heftige Reaction bevorstehe, und Alles einer Krisis gleich der
von 1640 zuschreite. Er beschloß, daß diese ihn nicht in Straffords Lage
finden sollte, machte deshalb eine plötzliche Wendung und erkannte im
Hause der Lords an, daß die Erklärung gesetzwidrig sei. Der König, von
seinen Verbündeten sowie von seinem Kanzler verlassen, fügte sich, nahm
die Indulgenzerklärung zurück und versprach feierlich, daß sie niemals
in Anwendung gebracht werden solle.

Selbst diese Concession war ungenügend. Die Gemeinen waren noch nicht
damit zufrieden, ihren Souverain zur Vernichtung der Indulgenz gezwungen
zu haben, sie nöthigten ihm auch seine ungern ertheilte Zustimmung ab zu
einem wichtigen Gesetze, welches bis zur Regierung Georgs IV. geltend
geblieben ist. Dieses Gesetz unter der Benennung »Testakte« bekannt,
bestimmte, daß alle mit militairischen oder bürgerlichen Ämtern
bekleideten Personen den Suprematseid leisten, eine Erklärung gegen die
Transsubstantiation unterschreiben und öffentlich das Abendmahl nach den
Gesetzen der englischen Kirche empfangen sollten. Die Einleitung des
Gesetzes spricht nur in feindseligen Ausdrücken gegen die Papisten, die
folgenden Paragraphen aber waren den Papisten kaum weniger ungünstig als
der strengsten Klasse von Puritanern. Diese jedoch, durch die offenbare
Hinneigung des Hofes zum Papstthum erschreckt, und von einigen Anhängern
der Hochkirche zu der Hoffnung beredet, daß nach der wirksamen
Entwaffnung der Katholischen den protestantischen Nichtconformisten
Hilfe werden solle, erhoben nur geringen Widerspruch, und auch der
König, der sich in größter Geldverlegenheit befand, konnte nicht wagen
seine Genehmigung vorzuenthalten. Die Akte wurde vollzogen und in Folge
davon der Herzog von York genöthigt, den hohen Posten eines Lord
Großadmirals aufzugeben.


[_Auflösung der Cabale._] Noch hatten die Gemeinen sich nicht gegen den
holländischen Krieg erklärt. Nachdem aber der König aus Dankbarkeit für
die ihn sehr vorsichtig gespendeten Summen den ganzen Plan seiner
inneren Politik fallen gelassen, traten sie heftig gegen seine
auswärtige Politik auf. Sie verlangten, daß Buckingham und Lauderdale
für immer aus dem Rathe entfernt würden, und bildeten einen Ausschuß,
welcher ermitteln sollte, ob es angemessen sei, Arlington unter Anklage
zu stellen. Nach kurzer Zeit existirte die Cabale nicht mehr. Clifford,
der Einzige von den Fünfen, der mit einigem Grund für einen rechtlichen
Mann gelten konnte, verweigerte den neuen Religionseid, legte seinen
weißen Stab nieder und zog sich auf seine Güter zurück. Arlington
vertauschte den Posten eines Staatssecretairs mit einer ruhigen,
ehrenvollen Anstellung im königlichen Hause. Shaftesbury und Buckingham
versöhnten sich mit der Opposition und erschienen an der Spitze der
stürmischen Demokratie der City. Lauderdale hingegen blieb Minister der
schottischen Angelegenheiten, mit denen das englische Parlament nichts
zu schaffen hatte.

Jetzt drängten die Gemeinen den König, mit Holland Frieden zu schließen
und erklärten ohne Hehl, daß sie durchaus keine Mittel zu diesem Kriege
bewilligen würden, wenn der Feind sich nicht hartnäckig weigere, auf
annehmbare Bedingungen einzugehen. Karl begriff, daß er nun jeden
Gedanken an die Ausführung des Vertrags von Dover bis auf einen
geeigneteren Zeitpunkt fallen lassen müsse, und schmeichelte der Nation
durch den Anschein, als wolle er zur Politik der Tripleallianz
zurückkehren. Temple, welcher seit der Macht der Cabale in
Zurückgezogenheit unter seinen Büchern und Blumen lebte, wurde aus der
Einsamkeit hervorgeholt, und durch seine Vermittlung ein Separatfrieden
mit den Vereinigten Provinzen geschlossen. Er wurde darauf Gesandter im
Haag, und seine Anwesenheit galt dort als ein sicheres Pfand der
Aufrichtigkeit seines Hofes.

Die oberste Leitung der Geschäfte war jetzt in den Händen Sir Thomas
Osborns, eines Baronets aus Yorkshire, der im Hause der Gemeinen ein
seltenes Talent für Geschäft und Debatte gezeigt hatte. Osborn wurde
Lord Schatzmeister und bald darauf Earl von Danby. Er war kein Mann von
achtungswerthem Charakter, insofern man ihn nach dem Maßstabe der
Sittlichkeit beurtheilen wollte. Begierig nach Reichthümern und
Auszeichnungen, war er, selbst verdorben, auch noch ein Verführer
Anderer. Die Cabale hatte ihm die Kunst hinterlassen, Parlamente zu
bestechen, eine damals noch unausgebildete Kunst, der man die hohe
Vollendung noch nicht ansah, zu der sie sich in dem folgenden
Jahrhundert emporschwang. Er verbesserte den Entwurf der ersten Erfinder
bedeutend. Dieselben hatten blos Sprecher erkauft, Danby aber bezahlte
Jeden, der eine Stimme hatte. Doch darf dieser neue Minister nicht mit
den Unterhändlern von Dover in eine Reihe gestellt werden. Er besaß die
Empfindungen eines Engländers und Protestanten, und niemals vergaß er
über die eigenen Interessen ganz die seines Vaterlandes und seiner
Religion. Er war allerdings eifrig bemüht, die königliche Prärogative zu
erhöhen, doch benutzte er dazu Mittel, welche von denen sehr verschieden
waren, die Arlington und Clifford im Sinne gehabt hatten. Nie dachte er
daran, durch Hilfe fremder Truppen und Erniedrigung des Königreichs
dasselbe zu dem Range eines abhängigen Fürstenthums herabsinken zu
lassen. Sein Plan war, um die Monarchie wieder diejenigen Klassen zu
schaaren, welche während der Unruhen des letzten Menschenalters ihre
treuen Bundesgenossen gewesen, durch die neuerlichen Laster und
Irrthümer des Hofes aber mit Unwillen zurückgetreten waren. Mit Hilfe
des alten Cavalier-Interesses, des hohen und niedern Adels, des Klerus
und der Universitäten konnte es nach seiner Meinung möglich sein, Karl
zwar nicht zu einem unbeschränkten, aber doch zu einem kaum weniger
mächtigen Souverain als Elisabeth war, zu machen.

Von diesen Ansichten durchdrungen beschloß Danby der Partei der
Cavaliere den ausschließlichen Besitz aller politischen Macht sowohl der
executiven wie der gesetzgebenden, zu sichern. Es wurde daher im Jahre
1675 im Hause der Lords eine Bill vorgelegt, welche bestimmte, daß
Niemand ein Amt versehen oder in einem Hause des Parlaments sitzen
solle, der nicht vorher die eidliche Erklärung gegeben, daß er
Widerstand gegen die königliche Macht unbedingt für strafbar halte, und
nie den Versuch machen werde, sich an der Verfassung des Staates oder
der Kirche zu vergreifen. Mehrere Wochen hindurch erhielten die durch
diesen Antrag hervorgerufenen Verhandlungen, Abstimmungen und Proteste
das Land in großer Aufregung. Die Opposition im Hause der Lords, an
deren Spitze zwei Mitglieder der Cabale standen, welche Frieden mit dem
Volke zu machten wünschten, Buckingham und Shaftesbury, war
außerordentlich heftig und hartnäckig, und hatte guten Erfolg. Die Bill
wurde nicht verworfen, aber verzögert, verstümmelt und endlich bei Seite
gelegt.

Auf solche Willkür und Abgeschlossenheit gründete sich Danby's innere
Politik; seine Ansichten über äußere Politik machten ihm mehr Ehre, sie
waren das Gegentheil von denen der Cabale, und glichen fast ganz denen
der Vaterlandspartei. Er klagte bitter über die Erniedrigung, in welche
man England versetzt, und erklärte in größter Aufregung, daß es sein
sehnlichster Wunsch sei, den Franzosen durch Prügel die nöthige Achtung
einzuflößen. Er war so wenig Herr seiner Gefühle, daß er bei einem
großen Gastmahle, wo die höchsten Würdenträger des Staats und der Kirche
anwesend waren, sein Glas auf das Verderben Aller leerte, die nicht für
einen Krieg gegen Frankreich gestimmt wären. Es wäre ihm sehr erwünscht
gewesen, hätte sich sein Vaterland mit den Mächten vereinigt, welche
sich damals gegen Ludwig verbunden hatten, und zu dem Zwecke war er
geneigt, Temple, den Stifter der Tripleallianz, an die Spitze des
Departements der auswärtigen Angelegenheiten zu stellen. Aber die Macht
des Premierministers hatte ihre Grenzen. In seinen vertraulichsten
Briefen beklagt er sich, daß die Verblendung seines Herrn England
hindere den ihm gebührenden Platz unter den Nationen Europa's
einzunehmen. Karl besaß eine unersättliche Gier nach französischem
Golde, und hatte noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben eines Tages
mit Hilfe der französischen Waffen eine absolute Monarchie zu errichten
-- diese beiden Gründe waren für ihn hinreichend, um ein gutes Vernehmen
mit dem Hofe von Versailles zu unterhalten.

So verfolgte der Souverain ein System auswärtiger Politik, dem des
Ministers diametral entgegen. Allerdings besaßen weder der Souverain
noch der Minister den Charakter danach, irgend einen Plan stätig zu
verfolgen, jeder gab bei Gelegenheit dem Drängen des Andern nach, und
ihre abweichenden Neigungen und gegenseitigen Zugeständnisse verliehen
der ganzen Verwaltung einen sonderbaren Anstrich. Aus Leichtsinn und
Indolenz erlaubte der König zuweilen, daß Danby Maßregeln traf, welche
Ludwig bitter beleidigen mußten; ebenso fügte sich Danby ehe er seinen
hohen Posten aufgegeben hätte, bisweilen lieber in Gefälligkeiten, die
ihm schwere Sorge und Schande verursachten. Der König wurde dahin
gebracht, seine Erlaubniß zu einer Vermählung zwischen Maria, der
ältesten Tochter und muthmaßlichen Erbin des Herzogs von York, und
Wilhelm von Oranien, dem Todfeinde Frankreichs und erblichen Kämpfer der
Reformation, zu geben; ja der tapfre Earl von Ossory, Ormonds Sohn,
eilte den Holländern zum Beistande mit einigen britischen Truppen
herbei, welche an dem blutigsten Tage des ganzen Krieges den Ruf des
kühnsten Muthes trefflich bewährten. Auf der anderen Seite mußte der
Schatzmeister bei einigen schimpflichen Geldgeschäften, die zwischen
seinem Gebieter und dem Hofe von Versailles abgemacht wurden, nicht nur
die Augen zudrücken, sondern auch -- obgleich mit Verdruß und
Widerstreben -- dabei mitwirken.


[_Verwickelte Lage der Vaterlandspartei._] Mittlerweile wurde die
Vaterlandspartei durch zwei gewaltige Gefühle nach zwei verschiedenen
Richtungen hin getrieben. Die Leiter des Volks hatten Furcht vor der
Größe Ludwigs, der nicht nur der ganzen Stärke der continentalen Allianz
Widerstand leistete, sondern sogar Boden gewann; ebenso wagten sie es
aber auch nicht, ihrem eigenen Könige die Mittel zur Demüthigung
Frankreichs anzuvertrauen, damit dieselben nicht zur Vernichtung der
Freiheit Englands verwendet würden. Der Widerstreit zwischen diesen
beiden Befürchtungen, welche vollkommen gerechtfertigt waren, ließ die
Opposition eben so haltlos und wankelmüthig erscheinen, wie die des
Hofes. Die Gemeinen forderten Krieg mit Frankreich, bis der König, von
Danby zur Nachgiebigkeit vermocht, sich zu fügen schien, und eine Armee
auszuheben begann. Als sie aber sahen, daß man mit den Werbungen
fortschritt, wurde ihre Furcht vor Ludwig durch eine noch näher liegende
Furcht verdrängt. Sie glaubten nämlich, daß diese neuen Truppen in einem
Dienste verwendet werden möchten, für den Karl größere Theilnahme hegte
als für die Vertheidigung Flanderns, verweigerten deshalb alle
Geldbewilligungen, und verlangten jetzt ebenso laut die Entlassung der
Truppen, als sie kurz vorher die Bildung einer Armee gefordert hatten.
Diejenigen Geschichtschreiber, welche sich über diese Unbeständigkeit
mit strengem Tadel ausgesprochen, scheinen nicht die gehörige Rücksicht
auf die verzweifelte Lage von Leuten genommen zu haben, welche von dem
Glauben durchdrungen waren, ihr Fürst vereinige sich mit einer
auswärtigen feindlichen Macht zur Unterdrückung ihrer Freiheiten. Ihm
militairische Hilfsmittel verweigern hieß den Staat wehrlos machen; gab
man ihm dieselben, so benutzte er sie vielleicht gegen den Staat. Bei
solcher Bewandtniß kann die Unentschlossenheit nicht als Beweis von
Mangel an Ehrgefühl oder gar von Schwäche betrachtet werden.


[_Verkehr dieser Partei mit der französischen Gesandtschaft._] Dieser
Argwohn wurde von dem französischen König eifrig genährt. Er hatte
England geraume Zeit in Unthätigkeit erhalten, indem er den Thron gegen
das Parlament zu unterstützen versprach, aber jetzt gewann er die
beunruhigende Überzeugung, daß die patriotischen Rathschläge Danby's im
Cabinet Anklang fanden, und nun begann er das Parlament gegen den Thron
zu hetzen. Ludwig und die Vaterlandspartei trafen in einem, aber auch
nur in diesem einen Punkte zusammen, nämlich in dem tiefen Mißtrauen
gegen Karl. Hätte die Vaterlandspartei die Überzeugung erhalten können,
daß ihr Souverain wirklich einen Krieg gegen Frankreich im Sinne hatte,
so würde sie ihn auf's Eifrigste unterstützt haben. Hätte Ludwig die
Gewißheit gehabt, daß die neuen Rüstungen nur der Verfassung von England
galten, so würde er sie nicht zu verhindern gesucht haben. Die
Charakterlosigkeit Karls aber und seine Treulosigkeit waren so groß,
daß die französische Regierung und die englische Opposition -- sonst in
allen Ansichten von einander abweichend -- wenigstens darin
übereinstimmten, daß seinen Worten nicht zu trauen sei, und beide den
Wunsch theilten, ihn ohne Geld und Heer zu lassen. Es fanden
Verhandlungen statt zwischen Barillon, dem französischen Gesandten, und
solchen englischen Staatsmännern, welche stets Abneigung und Furcht vor
dem französischen Übergewicht gezeigt und in der That auch aufrichtig
empfunden hatten. Das redlichste Mitglied der Vaterlandspartei, Lord
Wilhelm Russel, Sohn des Earl von Bedford, besprach sich unbedenklich
mit einem fremden Gesandten zu dem Zweck, seinem eigenen Souveraine
Verlegenheiten zu bereiten. Soweit ging Russels Fehltritt. Seine
Grundsätze sowohl wie sein großes Vermögen erheben ihn über den Verdacht
schmutziger Absichten; allein man hat nur zu viel Grund anzunehmen, daß
mehrere seiner Verbündeten weniger Bedenklichkeit zeigten. Man würde
ihnen Unrecht thun, wollte man sie der Niederträchtigkeit beschuldigen,
Geld angenommen zu haben, um ihrem Vaterlande zu schaden, sie meinten
ihm im Gegentheil nützlich zu sein; es ist aber nicht in Abrede zu
stellen, daß sie unehrenhaft und unzart genug waren, von einem fremden
Fürsten dafür Bezahlung anzunehmen, daß sie dem eigenen Lande dienten.
Einer von denen, welche diese erniedrigende Anklage mit Recht trifft,
war ein Mann, der nach der Meinung des Volkes der personifizirte
Gemeinsinn war, und welcher trotz einiger großen moralischen und
geistigen Schwächen mit Recht ein Held, ein Philosoph und ein Patriot
genannt zu werden verdient. Es erregt schmerzliche Empfindungen, einen
derartigen Namen auf der Liste der Pensionaire Frankreichs zu finden,
und doch liegt einiger Trost in dem Gedanken, daß in unserer Zeit ein
öffentlicher Charakter der nicht einer Versuchung widerstände, welcher
die Tugend und der Stolz Algernon Sidney's unterlagen, als alles
Pflicht- und Schamgefühls bar betrachtet werden würde.


[_Frieden von Nimwegen._] Die Folge dieser Intriguen war, daß England,
wenn es gleich bei Gelegenheit eine drohende Haltung zeigte, unthätig
blieb, bis der continentale Krieg nach fast siebenjähriger Dauer 1678
durch den Frieden von Nimwegen sein Ende fand. Die Vereinigten
Provinzen, 1672 am äußersten Rande des Verderbens stehend, erlangten
ehrenvolle und vortheilhafte Bedingungen. Daß sie mit genauer Noth dem
Untergange entrannen, wurde allgemein der Geschicklichkeit und
Tapferkeit des jungen Statthalters zugeschrieben. Er besaß in Europa
einen bedeutenden Ruf, und insbesondere bei den Engländern, welche ihn
als einen ihrer eigenen Prinzen betrachteten, und denen es Freude
machte, in ihm den Gemahl ihrer zukünftigen Königin zu sehen. Frankreich
erwarb mehrere wichtige Städte in Belgien und die bedeutende Provinz
Franche Comté; die sinkende spanische Monarchie aber hatte fast den
ganzen Verlust zu tragen.


[_Große Unzufriedenheit in England._] Kaum waren die Feindseligkeiten
auf dem Festlande einige Monate vorüber, so trat eine große Krisis in
der englischen Politik ein, welche durch den Gang der Verhältnisse seit
bereits achtzehn Jahren vorbereitet worden war. Das ganze Capital von
Popularität, welches der König beim Antritt seiner Regierung besaß, war
verschwendet, und dem loyalen Enthusiasmus tiefe Abneigung gefolgt. Die
öffentliche Meinung war die Strecke zurückgegangen, die sie zwischen
1640 und 1660 durchlaufen hatte, und befand sich noch einmal auf
demselben Standpunkte, den sie einnahm, als das Lange Parlament
zusammentrat.

Die herrschende Unzufriedenheit bestand aus einem Gemisch der
verschiedenartigsten Empfindungen. Eins dieser Gefühle war verletzter
Nationalstolz. Die damalige Generation kannte England, wie es, auf
gleiche Bedingungen mit Frankreich verbündet, Siegerin über Holland und
Spanien, Beherrscherin des Meeres, der Schrecken Roms, der Schutzgeist
des protestantischen Europa's war. Seine Hilfsquellen waren nicht
schwächer geworden, und es stand zu erwarten, daß unter dem Scepter
eines legitimen Königs, der die Liebe und den völligen Gehorsam seiner
Unterthanen besaß, es in Europa zum Wenigsten eben so hervorragend
dastehen müsse, wie unter der Herrschaft eines Usurpators, der mit
größter Wachsamkeit und Energie ein rebellisches Volk niederzuhalten
hatte. Und doch war es durch die Schwäche und Erbärmlichkeit seines
Oberhauptes so tief gesunken, daß jedes deutsche oder italienische
Ländchen, welches fünftausend Soldaten in's Feld schicken konnte,
ein wichtigeres Glied unter den Nationen Europa's bildete.

Mit der bitteren Empfindung nationaler Demüthigung verband sich die
Besorgniß um die bürgerliche Freiheit. Unbestimmte Gerüchte, um so
beunruhigender weil sie unbestimmt waren, schrieben dem Hofe einen
überdachten Plan gegen alle constitutionellen Rechte der Engländer zu;
man raunte sich sogar in's Ohr, daß die Ausführung dieses Planes mit
Hilfe fremder Waffen geschehen solle. Selbst den Cavalieren kochte bei
dem Gedanken an solche Einmischung das Blut in den Adern, und einige,
die stets die Lehre von der Unzulässigkeit des Widerstandes im Munde
hatten, murrten jetzt, daß diese Lehre auch eine Grenze habe! Wollte man
eine fremde Macht herüberführen, um der Nation Zwang anzuthun, so
möchten sie nicht für die eigene Geduld einstehen!

Weder Nationalstolz noch Besorgniß um die öffentliche Freiheit aber
hatten auf die Stimmung des Volkes einen solchen Einfluß, wie der Haß
gegen die römisch-katholische Kirche. Dieser Haß war eine herrschende
Leidenschaft des Volkes geworden und bei Unwissenden und Profanen eben
so gewaltig wie bei den Protestanten von Überzeugung. Die
Unmenschlichkeiten während der Regierung Maria's, Unmenschlichkeiten,
die selbst bei der unbefangensten, klarsten Darstellung Grauen erregen
und in den volksthümlichen Erzählungen von Märtyrern weder genau, noch
vorurtheilslos berichtet wurden, die Verschwörung gegen Elisabeth, und
namentlich die Pulververschwörung hatten in der Erinnerung des Volkes
ein nicht zu löschendes, bitteres Gefühl hinterlassen, das durch
jährliche Erinnerungsfeste, Gebete, Freudenfeuer und Prozessionen immer
wieder neue Nahrung erhielt.

Es ist hierbei nicht zu vergessen, daß diejenigen Klassen, welche dem
Throne insbesondere anhingen, der Klerus und der grundbesitzende Adel,
hauptsächlich Ursache hatten, die katholische Kirche zu hassen. Der
Klerus zitterte für seine Pfründen, der Adel mit Grundbesitz für seine
Abteien und hohen Zehnten. So lange die Regierung der Heiligen noch in
frischem Andenken war, hatte der Haß gegen das Papstthum in etwas dem
Hasse gegen den Puritanismus Platz gemacht; aber während der achtzehn
Jahre, welche seit der Restauration verflossen waren, hatte die
Feindseligkeit gegen den Puritanismus abgenommen, wogegen die Abneigung
gegen das Papstthum gewachsen war. Zwar waren die Bedingungen des
Vertrags von Dover nur Wenigen genauer bekannt, aber einige Andeutungen
doch laut genug geworden. Der allgemeine Glaube war, daß ein großer,
vernichtender Schlag gegen den Protestantismus geführt werden solle.
Viele hatten den König in Verdacht, daß er sich Rom zuwende, sein Bruder
und muthmaßlicher Thronerbe war als ein bigotter Katholik bekannt. Die
erste Herzogin von York war als Katholikin gestorben, und Jacob hatte
darauf, trotz der Gegenvorstellungen des Hauses der Gemeinen, die
Prinzessin Maria von Modena, auch eine Katholikin, geheirathet; wenn aus
dieser Ehe Söhne hervorgingen, so stand zu fürchten, daß dieselben als
Katholiken erzogen werden möchten, und dann eine lange Reihe von Fürsten
auf dem Throne sitzen würden, welche Feindschaft gegen die herrschende
Staatskirche im Herzen trügen; man hatte neuerdings die Verfassung
verletzt, um die Katholiken gegen das Strafgesetz in Schutz zu nehmen;
der Bundesgenosse, dessen Politik England seit Jahren beherrscht hatte,
war nicht blos ein Katholik, sondern auch ein Verfolger des
Protestantismus. Unter allen diesen Umständen war es zu rechtfertigen,
wenn der gemeine Mann eine Wiederkehr der Zeiten jener Fürstin
fürchtete, welche er die blutige Maria nannte.

Die Nation war demgemäß in einer Stimmung, bei der jeder Funke zur
Flamme werden konnte. Da wurde mit einem Male an zwei Stellen Feuer an
die ungeheure Masse des Zündstoffes gelegt, und augenblicklich stand
Alles in Flammen.


[_Danby's Sturz._] Der französische Hof, welcher Danby als seinen
bittersten Feind kannte, ersann den listigen Plan, ihn dadurch zu
stürzen, daß er ihn für seinen Freund gelten ließ. Ludwig bewies dem
Hause der Gemeinen mit Hilfe Ralphs von Montague, eines unredlichen,
schamlosen Menschen, der als Gesandter in Frankreich gewesen war, daß
der Schatzmeister bei einem Geldgesuche sich betheiligt, welches der Hof
von Whitehall an den von Versailles gerichtet. Diese Entdeckung hatte
ihre berechneten Folgen, indem der Schatzmeister, nicht seiner
Verbrechen sondern seiner Verdienste wegen, nicht als Theilhaber an
einer strafbaren Verhandlung, sondern als entschiedener Gegner
derselben, der Verfolgung des Parlaments anheim fiel. Seine Zeitgenossen
kannten die Umstände nicht, welche in den Augen der Nachwelt die ihm zur
Last gelegte Schuld so sehr verringert erscheinen lassen, sie sahen in
ihm einen Mäkler, welcher England an Frankreich verkauft hatte. Seine
Größe war offenbar vorüber, und sein Kopf in nicht geringer Gefahr.


[_Die papistische Verschwörung._] Die Aufregung, welche die erwähnte
Entdeckung verursachte, war jedoch unbedeutend im Vergleich zu der
heftigen Bewegung, die das Gerücht hervorrief, es sei ein großes
papistisches Complot entdeckt worden. Ein gewisser Titus Oates,
Geistlicher der englischen Kirche, war von seinen kirchlichen
Vorgesetzten gezwungen worden, wegen unordentlichen Lebenswandels und
heterodoxer Lehre seine Pfründe zu verlassen, und führte seitdem ein
lasterhaftes und unstätes Leben. Er hatte sich einmal als Katholiken
bekannt und auf dem Kontinent einige Zeit in englischen Kollegien des
Jesuitenordens zugebracht. In diesen Seminarien hatte er viel wirres
Geschrei vernommen über die geeignetsten Mittel, England wieder in den
Schooß der wahren Kirche zurückzuführen. Aus den Andeutungen, welche ihm
hier geworden, setzte er nun einen schauderhaften Roman zusammen, der
mehr den Phantasieen eines Fieberkranken als Ereignissen glich, die sich
jemals in der Wirklichkeit zugetragen. Der Papst, versicherte er, hätte
die Regierung Englands den Jesuiten in die Hände gegeben. Diese hätten
durch Bestallungen, ausgefertigt unter dem Siegel ihrer Gesellschaft,
katholische Priester sowie Personen des hohen und niederen Adels zu den
höchsten Posten in Kirche und Staat bestimmt. Schon einmal hätten die
Papisten London niedergebrannt, sie hätten bereits einen zweiten Versuch
dazu gemacht, und gingen jetzt mit dem Plane um, alle Schiffe auf der
Themse anzuzünden. Auf ein gegebenes Zeichen würden sie über die
Protestanten herfallen und sie niedermachen, zu gleicher Zeit würde eine
französische Armee an der Küste von Irland erscheinen. Alle leitenden
Staatsmänner und Geistlichen Englands sollten umgebracht werden, und zur
Ermordung des Königs habe man drei oder vier Pläne entworfen; er sollte
erdolcht, oder durch Medizin vergiftet oder mit silbernen Kugeln
erschossen werden. Die öffentliche Meinung war so empfindlich und
reizbar, daß diese Lügen bei dem gemeinen Manne leicht Eingang fanden,
und zwei einander rasch folgende Vorgänge erregten selbst bei besonnenen
Männern einen Argwohn, daß die Erzählung, wenn auch entstellt und
übertrieben, doch nicht ganz ohne Grund sein möge.

Eduard Coleman, ein sehr thätiger, aber nicht eben achtungswerther
katholischer Intriguant, befand sich unter den angeklagten Personen. Man
forschte nach seinen Papieren, und es zeigte sich, daß er so eben den
größten Theil derselben vernichtet hatte, einige aber, die gerettet
worden waren, enthielten Stellen, welche befangenen Gemüthern die
Anschuldigung Oates' zu rechtfertigen schien. Ruhig und vorurtheilsfrei
betrachtet, sprachen diese Stellen freilich blos die Hoffnung aus,
welche der Stand der Dinge, die Neigungen Karls, die noch stärkeren
Neigungen Jacobs und die, zwischen dem französischen und englischen Hofe
bestehenden Verbindungen sehr natürlich in der Brust eines Katholiken
erwecken mußten, der den Interessen seiner Kirche eifrig ergeben war.
Unser Vaterland aber hatte damals keine Lust, Schreiben von Papisten
unbefangen zu deuten, und es wurde nicht ganz ohne rechtlichen Anschein
geschlossen, daß, wenn die als unwichtig übersehenen Papiere so
bedenklichen Inhalts wären, diejenigen Documente, welche man in das
Feuer geworfen, vermuthlich das Geheimniß eines großen Verbrechens
enthalten haben müßten.

Nach einigen Tagen wurde bekannt, daß Sir Edmondsbury Godfrey, ein
vorzüglicher Friedensrichter, welcher die Aussagen des Oates gegen
Coleman niedergeschrieben, verschwunden sei. Durch die angestellten
Nachforschungen entdeckte man Godfrey's Leichnam auf einem Felde in der
Nähe Londons, und es unterlag keinem Zweifel, daß er zwar gewaltsam
getödtet, nicht aber von Räubern angegriffen worden sei. Sein Schicksal
ist bis auf diesen Tag ein Geheimniß geblieben. Manche glauben, er habe
sich selbst entleibt, Andere sagen, er sei durch einen Privatfeind
ermordet worden; am unwahrscheinlichsten aber ist die Annahme, die dem
Hofe feindliche Partei habe ihn getödtet, um der Verschwörungsgeschichte
einen Anhalt zu geben. Im Ganzen genommen scheint die Annahme am
richtigsten zu sein, daß einige erhitzte Katholiken durch die
lügenhaften Beschuldigungen Oates' und die Beleidigungen der Menge zur
höchsten Wuth gereizt, zwischen dem meineidigen Ankläger und der
schuldlosen Gerichtsperson nicht genau unterschieden, und eine Rache
ausübten, von der die Geschichte verfolgter Sekten nur zu viele
Beispiele darbietet. Ist es so gewesen, dann muß der Mörder in einer
späteren Zeit seine Schlechtigkeit und Thorheit bitter bereut haben. Die
Hauptstadt und die ganze Nation waren von Haß und Furcht erfüllt. Die
Strafgesetze, welche in ihrer Strenge etwas gemäßigt worden waren,
wurden von Neuem verschärft, überall waren Richter in Thätigkeit, Häuser
zu durchsuchen und Papiere in Beschlag zu nehmen; die Gefängnisse waren
mit Katholiken angefüllt. London gewährte das Bild einer Stadt im
Belagerungszustande. Die Miliz war jede Nacht unter den Waffen;
Vorkehrungen wurden getroffen, die großen Durchgänge zu verbarrikadiren,
Patrouillen durchzogen die Straßen nach allen Richtungen. Rings um
Whitehall waren Kanonen aufgefahren, und kein Bürger glaubte sich
sicher, wenn er nicht unter dem Mantel einen mit Blei gefüllten kleinen
Dreschflegel trug, um den katholischen Meuchelmördern den Kopf
einzuschlagen. Die Leiche des ermordeten Friedensrichters war mehrere
Tage der Neugierde der Masse ausgestellt, und wurde dann mit unsinnigen
und seltsamen Ceremonien, welche mehr Haß und Rachedurst, als Schmerz
und religiöse Hoffnung andeuteten, zu Grabe gebracht. Die Häuser
verlangten, daß man in den Gewölben, über denen sie saßen, eine Wache
legen sollte, damit sie keine zweite Pulververschwörung zu fürchten
hätten. Alle ihre Maßregeln stimmten mit diesem Verlangen überein. Seit
der Regierung Elisabeths hatten die Mitglieder des Hauses der Gemeinen
immer den Suprematseid leisten müssen, einige Katholiken aber hatten es
verstanden, diesem Eide eine solche Auslegung zu geben, daß sie ihn ohne
Bedenken leisten konnten. Es wurde jetzt ein noch strengerer Eid
hinzugefügt, und die katholischen Lords sahen sich zum ersten Male von
ihren Sitzen im Parlament ausgeschlossen. Strenge Maßregeln gegen die
Königin wurden beschlossen. Einen Staatssecretair ließen die Gemeinen
in's Gefängniß bringen, weil er Bestallungen für gewisse Personen,
welche keine guten Protestanten waren, contrasignirt hatte, den Lord
Schatzmeister beschuldigten sie des Hochverraths; ja sie vergaßen die
während und nach dem Bürgerkriege offen bekannte Lehre soweit, daß sie
einen Versuch machten, den Oberbefehl der Miliz den Händen des Königs zu
entreißen. In solchem Zustand hatte eine achtzehnjährige schlechte
Regierung das loyalste Parlament gebracht, das je in England bestanden
hatte.

Auffallend ist es, daß der König selbst in dieser höchsten Noth es
wagte, Berufung an sein Volk einzulegen, denn das Volk war noch
erhitzter als seine Repräsentanten. Das Unterhaus, so unzufrieden es
auch war, enthielt eine größere Zahl von Cavalieren, als nach aller
Wahrscheinlichkeit jemals wieder darin sitzen würden, aber man gedachte
durch eine Auflösung die Anklage gegen den Lord Schatzmeister zu
sistiren, durch welche alle strafwürdigen Geheimnisse der französischen
Allianz an's Licht kommen, und dem König persönliche Verlegenheit und
Widerwärtigkeit bereiten mußten. Das Parlament wurde daher im Januar des
Jahres 1679 aufgelöst. -- Es hatte seit Anfang des Jahres 1661
bestanden, -- und eine allgemeine Wahl wurde angeordnet.


[_Erste allgemeine Wahl von 1679._] Während mehrerer Wochen wurde der
Wahlkampf im ganzen Lande mit beispielloser Heftigkeit und
Hartnäckigkeit geführt, bedeutendere Summen als je zuvor wurden auf
denselben verwandt, und ganz neue Kunstgriffe in Anwendung gebracht. Die
Verfasser von Flugschriften aus damaliger Zeit erwähnen als etwas ganz
Außergewöhnliches, daß mit großen Kosten Pferde zur Beförderung der
Wähler gemiethet wurden. Der Kunstgriff, Freisassengüter zu zerstückeln,
um die Wahlstimmen zu vervielfältigen, verdankt jenem merkwürdigen
Kampfe seine Entstehung. Dissenterprediger, welche sich vor der
Verfolgung in stille, entlegene Winkel geflüchtet hatten, kamen jetzt
aus ihren Schlupfwinkeln hervor und wanderten auf den Dörfern umher,
um den Eifer des zerstreuten Volkes Gottes wieder anzufachen. Die Fluth
stieg hoch gegen die Regierung. Die meisten der neugewählten Mitglieder
kamen in einer Stimmung nach Westminster, welche nicht sehr von der
ihrer Vorgänger abwich, welche Strafford und Laud in den Tower gesperrt
hatten.

Mittlerweile wurden die Gerichtshöfe, welche auch während der
politischen Unruhen Zufluchtsstätten für die Schuldlosen aller Parteien
sein sollen, durch niedrigere Leidenschaften und gemeinere Bestechungen
entehrt, als selbst bei den Wahlumtrieben vorkamen. Die Erzählung des
Oates, hätte sie auch vermocht das ganze Lande in wilde Aufregung zu
bringen, würde ohne ein anderes Zeugniß nicht hingereicht haben, den
unbedeutendsten der Angeklagten zu verderben, indem nach dem alten
englischen Rechte zwei Zeugen erforderlich sind, um eine Anklage auf ein
schweres Verbrechen zu begründen. Indeß der günstige Erfolg des ersten
Schurken blieb nicht ohne seine natürlichen Folgen. Binnen wenigen
Wochen hatte sich derselbe aus Armuth und Dunkelheit zu Reichthum und
Macht emporgeschwungen, welche ihn Prinzen und Edelleuten gefährlich
machten, und eine Berühmtheit erlangt, die für gemeine Seelen den ganzen
Reiz des wahren Ruhmes hat. Er blieb nicht lange ohne Beihilfe und
Genossenschaft. Ein schlechter Mensch, mit Namen Carstairs, der in
Schottland sein Leben dadurch fristete, daß er verkleidet Conventikel
besuchte, und dann die Prediger denuncirte, ging voran. Bedloe, ein
bekannter Schwindler, folgte, und bald drangen aus allen Bordellen,
Spielhöllen und Bierhäusern Londons käufliche Zeugen hervor, um
Katholiken durch ihre erlogenen Aussagen um's Leben zu bringen. Einer
wußte eine Geschichte von einer Armee zu erzählen, die aus
dreißigtausend Mann als Pilger verkleideten Soldaten bestehend sich in
Corunna versammeln, und von da nach Wales segeln sollte; einem Anderen
hatte man die Heiligsprechung und fünfhundert Pfund geboten, wenn er den
König ermorden wollte; ein Dritter hatte beim Besuche eines Speisehauses
in Coventgarden gehört, wie ein angesehener, katholischer Banquier in
Gegenwart aller Gäste und Kellner gelobte, den ketzerischen Tyrannen
um's Leben zu bringen. Oates, um von seinen Nachfolgern nicht
übertroffen zu werden, fügte seiner ursprünglichen Geschichte einen
bedeutenden Nachtrag hinzu. Er besaß die beispiellose Unverschämtheit,
unter Anderem zu versichern, er habe einst, als er hinter einer offenen
Thür gestanden, die Königin sagen hören, sie sei entschlossen in die
Ermordung ihres Gemahls zu willigen. Selbst solche Erfindungen glaubte
das Volk, und der Richterstand des Landes that als glaube er sie auch.
Die höchsten Justizpersonen des Reichs waren bestochen, unmenschlich und
furchtsam, und die Leiter der Vaterlandspartei unterstützten nach
Kräften die herrschende Verblendung. Die achtbarsten Mitglieder
derselben waren in der That selbst so befangen, daß sie den größeren
Theil der Beweise für die Verschwörung nicht bezweifelten. Männer wie
Shaftesbury und Buckingham wußten natürlich, daß die ganze Sache ein
Roman sei, aber ein Roman, der ihnen zusagte, denn ihrem verhärteten
Gewissen war der Tod eines unschuldigen Menschen eben so gleichgültig,
als der Tod eines Feldhuhns. Die Geschwornen standen unter dem Einflusse
der Gefühle, welche damals die ganze Nation beherrschten, und wurden von
der Richterbank ermuthigt, diesen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Das
Volk überschüttete Oates und sein Gelichter mit Beifall, schrie und
lärmte gegen die Zeugen, welche zu Gunsten der Angeklagten auftraten und
jubelte vor Freude, wenn eine Verurtheilung ausgesprochen ward.
Vergeblich wiesen die Dulder auf die Unbescholtenheit ihres früheren
Lebens hin, denn die öffentliche Meinung war von dem Vorurtheile
befangen, daß ein Katholik, je gewissenhafter er sei, um so eher gegen
die protestantische Regierung complottiren werde. Vergebens behaupteten
sie noch in dem Augenblicke, wo der Karren unter ihren Füßen weggezogen
ward, ihre völlige Unschuld, denn es galt die Meinung, daß ein guter
Katholik alle Unwahrheiten, durch die er seiner Kirche diente, nicht nur
als verzeihlich sondern sogar als verdienstlich ansehe.


[_Heftigkeit des neuen Hauses der Gemeinen._] Während unter der Form der
Gerechtigkeit unschuldiges Blut in Strömen vergossen wurde, trat das
neue Parlament zusammen, und die Heftigkeit der überwiegenden Partei war
so groß, daß selbst Männer, deren Jugend unter Revolutionen verstrichen
war, Männer, die sich der Verurtheilung Straffords, des Attentats auf
die fünf Mitglieder, der Beseitigung des Hauses der Lords und der
Hinrichtung des Königs erinnerten, mit größter Besorgniß auf den Zustand
der Dinge blickten. Die Anklage Danby's wurde wieder aufgenommen. Er bat
um die königliche Gnade, aber die Gemeinen wiesen dieses Gesuch mit
Verachtung zurück und verlangten die Fortsetzung des Processes. Um Danby
war es ihnen übrigens eigentlich gar nicht zu thun; sie waren überzeugt,
daß das einzige wirksame Mittel, die Freiheit und Religion Englands zu
retten, darin bestehe, daß man den Herzog von York vom Throne
ausschließe.

Der König befand sich in großer Verlegenheit. Er hatte seinen Bruder,
dessen Anblick allein schon das Volk zu wahnsinniger Wuth entflammte,
veranlaßt, auf einige Zeit nach Brüssel zu gehen, aber dieses
Zugeständniß schien keinen besonders günstigen Eindruck gemacht zu
haben. Die Partei der Rundköpfe hatte offenbar das Übergewicht. Zu
dieser Partei gehörten Millionen, welche zur Zeit der Revolution auf
Seiten der Prärogative gestanden. Unter den alten Cavalieren fürchteten
Viele das Papstthum; und Andere, die sich noch immer mit Bitterkeit der
Undankbarkeit des Fürsten erinnerten, dem sie so viel geopfert, blickten
auf sein Unglück eben so gleichgültig hin, wie er einst auf das ihrige.
Selbst die anglikanische Geistlichkeit, durch den Abfall des Herzogs von
York gekränkt und beunruhigt, unterstützte die Opposition insoweit, daß
sie in das allgemeine Geschrei gegen die Römisch-Katholischen von Herzen
einstimmte.


[_Temple's Regierungssystem._] In dieser höchsten Bedrängniß nahm der
König seine Zuflucht zu Sir William Temple. Von allen Staatsmännern
jener Zeit hatte Temple sich den Ruf eines redlichen Mannes erhalten.
Die Tripleallianz war sein Werk, er hatte sich geweigert, an der Politik
der Cabale Theil zu nehmen, und so lange dieses Cabinet die
Angelegenheiten des Staates leitete, war er in stiller Zurückgezogenheit
geblieben. Auf den Ruf Danby's war er aus seiner Einsamkeit
hervorgetreten, hatte den Frieden zwischen Holland und England
vermittelt, und große Thätigkeit bei dem Zustandebringen der Vermählung
der Prinzessin Maria mit ihrem Vetter, dem Prinzen von Oranien,
entwickelt. So sah Jedermann in ihm den Schöpfer des wenigen Guten,
das die Regierung seit der Restauration vollbracht, und von den vielen
Verbrechen und Irrthümern der letzten achtzehn Jahre konnte ihm keines
zur Last gelegt werden. Sein Privatleben, wenngleich nicht streng, war
anständig, seine Manieren waren volksthümlich, und es war nicht möglich
ihn durch Titel oder Geld zu bestechen. Etwas fehlte allerdings an dem
Charakter dieses vortrefflichen Staatsmannes: seine Vaterlandsliebe
besaß keinen hohen Wärmegrad. Seine persönliche Ruhe und Würde ging ihm
über Alles, und er schrak mit kleinmüthiger Furcht vor jeder
Verantwortlichkeit zurück. Seine Gewohnheiten waren nicht geeignet,
ihn in den Parteikämpfen Englands eine Rolle spielen zu lassen. Er war
fünfzig Jahre alt geworden, ohne jemals im Parlamente gesessen zu haben,
und seine Geschäftserfahrungen hatte er fast ausschließlich fremden
Höfen gesammelt. Man hielt ihn mit Grund für einen der ersten Diplomaten
Europa's, aber die Talente und Fertigkeiten eines Diplomaten sind
himmelweit verschieden von denjenigen, welche einen Staatsmann
befähigen, in aufgeregter Zeit das Haus der Gemeinen zu leiten.

Der Plan, den er in Anregung brachte, verrieth viel Geist. Wenn auch
kein tiefer Denker, so hatte er doch mehr als die meisten
Geschäftsmänner über die allgemeinen Regierungsgrundsätze nachgedacht,
und sein geistiger Blick war durch Geschichtsstudien und Aufenthalt im
Auslande sehr umfassend geworden. Er scheint klarer als die meisten
seiner Zeitgenossen den Grund der Schwierigkeiten erkannt zu haben,
welche die Regierung bedrängten. Der Charakter der englischen
Staatsverfassung fing an, sich zu verändern, das Parlament erhob, wenn
auch langsam, doch unaufhörlich, seine Macht über die der Prärogative.
Die Grenze zwischen der gesetzgebenden und der executiven Gewalt war in
der Theorie so genau abgemessen wie jemals, aber in der Praxis schwand
sie mehr und mehr. Nach der Theorie der Verfassung hatte der König
selbst seine Minister zu wählen; das Haus der Gemeinen aber hatte nach
einander Clarendon, die Cabale und Danby von der Leitung der
Staatsgeschäfte entfernt. Nach der Theorie der Verfassung hatte der
König allein das Recht, über Krieg und Frieden zu entscheiden; er war
durch das Haus der Gemeinen gezwungen worden, Frieden mit Holland zu
schließen, und es hätte ihn fast dazu getrieben, Krieg mit Frankreich zu
beginnen. Nach der Theorie der Verfassung stand dem Könige allein die
Entscheidung in Fällen zu, wo es sich um Begnadigungen handelte; er
hatte aber eine solche Furcht vor dem Hause der Gemeinen, daß er es
nicht wagen durfte, Männer vom Galgen zu retten, von denen er gar wohl
wußte, daß sie als unschuldige Opfer des Meineids fielen. Es scheint,
daß Temple die Absicht hatte, der Gesetzgebung ihre unzweifelhaft
verfassungsmäßigen Gewalten zu belassen, und sie zugleich, wenn möglich,
zu verhindern, Übergriffe in das Gebiet der ausübenden Verwaltung zu
thun. Zu diesen Zwecke beschloß er, zwischen den Landesherrn und das
Parlament einen Körper zu stellen, welcher im Stande wäre, die
Heftigkeit ihres Zusammenstoßes zu mildern. Es existirte ein altes,
ehrenwerthes, von dem Gesetze sanctionirtes Institut, das nach seiner
Meinung zu diesem Zwecke umgestaltet werden konnte. Er beschloß, dem
Geheimen Rathe einen neuen Charakter und eine neue Bestimmung in der
Verfassung zu verleihen. Die Zahl der Räthe wurde auf dreißig bestimmt,
funfzehn davon sollten die ersten Beamten des Staates, der Rechtspflege
und der Kirche sein, die anderen funfzehn sollten aus Adeligen und
Herren bestehen, die sich in keinem Amte befanden, aber ein großes
Vermögen besaßen und eines hohen Ansehens genossen. Ein engeres
Kabinet sollte nicht bestehen. Diese dreißig sollten mit allen
Staatsgeheimnissen betraut und zu jeder Versammlung berufen werden, der
König aber sich verpflichten, bei allen Gelegenheiten ihrem Rathe Folge
zu leisten.

Temple scheint von der Ansicht ausgegangen zu sein, durch diese
Einrichtung sei die Nation gegen die Tyrannei der Krone, und diese gegen
die Übergriffe des Parlaments geschützt. Einmal war es nicht
wahrscheinlich, daß Pläne, wie sie die Cabale gefaßt hatte, in einer
Versammlung von dreißig Männern, die zur Hälfte durch keine Bande des
Interesses an den Hof geknüpft waren, auch nur in Vorschlag gebracht
werden könnten, und dann ließ sich hoffen, daß ein solcher Rath den
Gemeinen eine Bürgschaft gegen schlechte Regierung sein, und sie sich
mehr als bisher geschehen auf ihre streng gesetzgebenden Functionen
beschränken und es für weniger nöthig erachten würden, ihren Blick auf
alle Theile der executiven Verwaltung zu richten.

Dieser Plan, obschon in verschiedener Hinsicht der Fähigkeiten seines
Schöpfers nicht unwürdig, war im Princip mangelhaft. Die neue Behörde
war halb Kabinet, halb Parlament, und wie jede Entdeckung in der
Mechanik oder Politik, welche zu zwei von einander abweichenden Zwecken
benutzt werden soll, konnte sie keinen erreichen. Für eine gute Behörde
war sie zu groß und zu getheilt, sie war zu eng mit der Krone verknüpft,
um dieselbe überwachen zu können, und enthielt genug populäre Elemente,
sie zu einem nicht eben guten Staatsrathe zu machen, unfähig Geheimnisse
zu bewahren, difficile Verhandlungen zu leiten, und Krieg zu führen.
Und doch war das populäre Element nicht hinreichend, um das Volk gegen
fehlerhafte Verwaltung zu schützen. Der Plan konnte deshalb, selbst wenn
man die Absicht gehabt hätte, ihn die Probe bestehen zu lassen, sich
nicht vortheilhaft bewähren, ihn aber die Probe bestehen zu lassen, dazu
fehlte der gute Wille. Der König war unzuverlässig und treulos, das
Parlament ohne Besonnenheit und Billigkeit, und die Personen, aus denen
man den neuen Rath bilden wollte, obschon vielleicht die besten, welche
in jener Zeit zu haben waren, trotzdem noch immer unbrauchbar genug.

Der Beginn des neuen Systems erregte allgemeine Freude, denn das Volk
war der Meinung, jede Veränderung müsse auch eine Verbesserung sein;
auch war es mit einigen neuen Ernennungen zufrieden gestellt.
Shaftesbury, zur Zeit sein Liebling, wurde Lord Präsident, und Russel
nebst einigen anderen hervorragenden Mitgliedern der Vaterlandspartei
für den Geheimen Rath vereidet. Aber nach Verlauf von wenig Tagen war
Alles wieder in Verwirrung. Das Unpraktische des aus so vielen
Mitgliedern bestehenden Kabinets war so hervortretend, daß Temple selbst
einwilligte eine der von ihm festgestellten Grundregeln zu verletzen und
ein kleines Kollegium zu bilden, welches die wirkliche Leitung aller
Geschäfte besorgte. Dasselbe bestand neben ihm aus drei anderen
Ministern, Arthur Capel, Earl von Essex, Georg Savile, Viscount Halifax,
und Robert Spencer, Earl von Sunderland.

Über den Earl von Essex, damaligen ersten Schatzcommissar, genügt es zu
sagen, daß er ein Mann von soliden, wenn auch nicht hervorragenden
Gaben, und ernster, melancholischer Gemüthsart war. Er hatte der
Vaterlandspartei angehört und wünschte damals aufrichtig, eine
Versöhnung zwischen dieser Partei und dem Throne zu vermitteln, welche
auch für den Staat günstig wäre.


[_Charakter des Halifax._] Halifax war unter den Staatsmännern jener
Zeit an Genie der vorzüglichste. Er war fruchtbaren, hellen und
umfassenden Geistes. Seine feine, verständliche und lebendige
Beredtsamkeit, getragen von dem Silbertone seines Sprachorgans, war der
Stolz des Hauses der Lords. Seine Conversation war reich an Gedanken,
Phantasie und Witz, und seine politischen Abhandlungen sind es werth,
wegen ihres wissenschaftlichen Verdienstes studirt zu werden, und
berechtigen ihn in vollem Maße, unter den Klassikern Englands genannt zu
werden. Mit der Bedeutung, zu der so große und vielseitige Talente ihn
erhoben, vereinigte er den ganzen Einfluß, den Rang und Reichthum
verliehen. Doch hatte er in seinem politischen Wirken weniger glückliche
Erfolge als Andere, welche sich nicht so bedeutender Vorzüge rühmen
konnten. Und in der That hinderten ihn die genialen Eigenthümlichkeiten,
welche seinen Schriften so hohen Werth verleihen, sehr oft in den
Streitigkeiten des praktischen Lebens. Er betrachtete die Ereignisse des
Tages nicht immer aus dem Gesichtspunkte, wie sie sich Jemandem
darstellen, der an ihnen lebhaften Antheil nimmt, sondern aus dem, in
welchem sie nach Jahren dem philosophischen Schriftsteller erscheinen.
Bei dieser Richtung des Geistes konnte er unmöglich lange mit irgend
einem Vereine von Männern im Einverständniß bleiben. Alle Vorurtheile,
alle Übertreibungen der beiden großen Parteien erregten seinen Spott;
er verabscheute die elenden Kunstgriffe und das widerliche Geschrei der
Demagogen; aber er verachtete noch mehr die Lehre vom göttlichen Recht
und dem passiven Gehorsam. Ohne Rücksicht auf die Parteien spottete er
über die Bigotterie des Puritaners wie über die des Anhängers der
Hofkirche. Es war ihm unerklärlich, wie Jemand gegen Verehrung der
Heiligen und Chorhemden Bedenken tragen, oder einen Andern verfolgen
könne, weil er solche Bedenken trug. Seiner Gesinnung nach war er das,
was man in neuerer Zeit conservativ nennt, in der Theorie war er
Republikaner. Selbst wenn seine Furcht vor Anarchie und seine Verachtung
des verblendeten großen Haufens ihn veranlaßten, eine Zeitlang den
Vertheidigern der willkürlichen Gewalt beizustehen, so hielt doch sein
Verstand immer zu Locke und Milton. Freilich waren seine Witze über
erbliche Monarchie bisweilen der Art, daß sie sich besser für den
Theilnehmer eines Kalbskopf-Clubs als für ein Mitglied des Geheimen
Rathes der Stuarts geschickt hätten. In der Religion war er nichts
weniger als ein Eiferer, so daß er von lieblosen Leuten Atheist genannt
wurde; doch diesen Vorwurf wies er mit Abscheu zurück, und er scheint in
der That trotz des Ärgernisses, das er bisweilen durch Anwendung seiner
seltenen Gaben auf witzige Erörterungen ernster Gegenstände gab,
durchaus nicht ohne Empfänglichkeit für religiöse Eindrücke gewesen zu
sein.

Er war das Haupt derjenigen Staatsmänner, welche die beiden großen
Parteien verächtlich »Trimmer« nannten; anstatt aber über diesen
Spottnamen entrüstet zu sein, betrachtete er ihn als einen Ehrentitel,
und vertheidigte mit großem Eifer die Würde desselben. »Das Gute hält
zwischen den Extremen die Mitte«, pflegte er zu sagen. »Die gemäßigte
Zone befindet sich zwischen dem Klima, wo die Menschen geröstet werden,
und dem, in welchem sie erfrieren. Die englische Kirche hält die Mitte
zwischen der anabaptistischen Überspanntheit und der papistischen
Trägheit. Die englische Verfassung hält die Mitte zwischen türkischem
Despotismus und polnischer Anarchie. Tugend ist blos das rechte Maß
zwischen den Neigungen, von denen jede, wenn man ihr zu sehr nachhängt,
ein Laster wird; ja die Vollkommenheit des höchsten Wesens sogar besteht
in dem genauesten Gleichgewicht von Eigenschaften, deren keine
überwiegen dürfte, ohne die ganze moralische und physische Weltordnung
zu stören.«[4] So war Halifax ein Trimmer aus Grundsatz; er war es aber
auch nach der Verfassung von Kopf und Herzen. Sein Geist war scharf,
skeptisch, unerschöpflich fruchtbar an Unterscheidungen und
Einwendungen, sein Geschmack fein, sein Sinn für das Komische bedeutend,
sein Charakter friedlich und zur Versöhnung geneigt, aber dabei stolz
und ebensowenig zur Feindschaft als zur enthusiastischen Bewunderung
fähig. Ein solcher Mann konnte ebenfalls unmöglich auf die Dauer bei
irgend einem Vereine politischer Bundesgenossen ausharren; doch darf man
ihn nicht nach dem großen Haufen der Renegaten beurtheilen. Denn ob er
gleich, wie diese, von einer Seite auf die andere trat, so fand dieser
Übertritt doch stets nach entgegengesetzter Richtung wie die ihrige
statt. Er hatte nichts mit denen gemein, welche von einem Extrem zum
andern überspringen und die von ihnen verlassene Partei mit einem Hasse
betrachten, welcher den gegen beständige Feinde weit übertrifft, er
hielt die Mitte zwischen den feindlichen Parteien, und hütete sich, die
Grenze zu überschreiten, welche dieselben trennte. Die Partei, der er
sich eine Zeitlang anschloß, war diejenige, welche ihm eben am wenigsten
zusagte, weil es die Partei war, von der er die nächste Kenntniß hatte.
Er zeigte daher stets Strenge gegen seine heftigen Genossen, und stand
jederzeit in freundlichem Vernehmen mit seinen gemäßigten Gegnern. Jede
Partei konnte am Tage ihres übermüthigen und rachsüchtigen Triumphes
seines Tadels sich versichert halten, und jeder besiegten und verfolgten
Partei war er ein Beistand. Es darf zu seiner steten Ehre nicht
unerwähnt bleiben, daß er bemüht war, die Opfer zu retten, deren
Schicksal einen unverlöschlichen Flecken auf den Namen der Whigs sowohl
wie der Tories geworfen hat.

Er hatte sich durch seine Opposition so bemerkbar gemacht, und dadurch
das königliche Mißfallen in so hohem Grade auf sich gezogen, daß er
nicht ohne viele Umständlichkeiten und Streitigkeiten in den Rath der
Dreißig gelangte, kaum hatte er aber am Hofe Fuß gefaßt, so machten ihn
die Liebenswürdigkeit seines Auftretens und seiner Unterhaltung zum
Günstling. Die heftige Mißstimmung des Volkes beunruhigte ihn ernstlich,
er glaubte, daß wohl die Freiheit vorläufig gesichert sei, die
öffentliche Ordnung und gesetzliche Gewalt aber in Gefahr wären. Aus
diesem Grunde stellte er sich, nach seiner gewöhnlichen Art, auf die
Seite der Schwächeren. Möglicherweise war seine Bekehrung nicht ganz
frei von Eigennutz, denn obgleich Studium und Nachdenken ihn von manchen
gewöhnlichen Vorurtheilen zurückgebracht hatten, so war er doch ein
Sklave niederer Gelüste geblieben. An Geld litt er keinen Mangel,
und man kann ihn nicht beschuldigen, daß er es jemals auf Wegen sich
verschafft hätte, welche auch von dem strengsten Richter jener Zeit für
verwerflich erklärt worden wären, aber Rang und Macht hatten für ihn
viel Lockendes. Er versicherte zwar, daß Titel und hohe Ämter nur Köder
für Thoren seien, daß er Geschäfte, Pracht und Pomp verachte und es sein
innigster Wunsch sei, aus dem lauten Treiben und Glanze von Whitehall in
die stillen Wälder sich zurückzuziehen, welche seinen alten Sitz von
Rufford umgaben, aber sein Benehmen stand zu diesen Erklärungen in
vollem Widerspruch. In Wahrheit wünschte er von Hofleuten und
Philosophen bewundert zu werden, weil er zu hohen Würden sich
emporgeschwungen hatte und er dieselben doch zugleich verachtete.

    [Anmerkung 4: Man wird erkennen, daß ich Halifax für den
    Verfasser, oder wenigstens für einen der Verfasser der Schrift:
    +»Character of a Trimmer«+ halte, welche eine Zeitlang seinem
    Vetter Sir William Coventry zugeschrieben wurde.]


[_Charakter Sunderlands._] Sunderland war Staatssekretair. Dieser Mann
war ein verkörpertes Bild der politischen Sittenlosigkeit seiner Zeit.
Er besaß einen durchdringenden Verstand, ein geschäftiges, boshaftes
Temperament, ein fühlloses Herz und einen gemeinen Sinn. Sein Charakter
hatte eine Schule von Lastern durchgemacht, welche darin zur üppigsten
Reife gediehen waren. Bei seinem Eintritt in das öffentliche Leben hatte
er verschiedene Jahre auf auswärtigen diplomatischen Stationen
zugebracht, und einige Jahre als Gesandter in Frankreich gelebt. Jeder
Beruf ist seinen besonderen Versuchungen unterworfen, und es wird
Niemand in seinem Rechte verletzt, wenn man behauptet, daß die
Diplomaten, als Klasse betrachtet, sich von jeher durch ihre
Geschmeidigkeit, durch die Geschicklichkeit, mit der sie sich des
Vertrauens derjenigen bemächtigen, mit denen sie zu thun haben, und
durch die Leichtigkeit mit der sie den Ton jeder Gesellschaft, in der
sie sich bewegen, zu treffen wissen, mehr ausgezeichnet haben, als durch
edlen Enthusiasmus oder strenge Rechtschaffenheit, und die Beziehungen
zwischen Karl und Ludwig waren von der Art, daß kein englischer Cavalier
lange als Gesandter in Frankreich sein konnte, ohne alle patriotischen
und redlichen Gesinnungen zu verlieren. Sunderland ging aus dieser bösen
Schule, in der er gebildet worden, listig, geschmeidig, schamlos, frei
von jedem Vorurtheile und aller Grundsätze bar hervor. Seine erbliche
Verbindung machte ihn zum Cavalier, sonst aber hatte er nichts mit den
Cavalieren gemein. Sie waren mit vollem Herzen monarchisch gesinnt und
verdammten in der Theorie jeden Widerstand, aber in ihrer Brust schlugen
trotzige englische Herzen, welche wirklichen Despotismus nicht geduldet
hätten. Er hingegen fand ein schwaches, berechnetes Gefallen an
republikanischen Staatseinrichtungen, das sich mit der vollkommenen
Bereitwilligkeit vertrug, im praktischen Leben das ergebenste Werkzeug
willkürlicher Macht zu sein. Gleich anderen vollendeten Schmeichlern und
Unterhändlern war er weit geschickter in der Kunst, Charaktere zu
durchschauen und auf ihre Schwächen Pläne zu gründen, als er vermochte,
die Gefühle der Massen zu erkennen, und den Heranzug großer Umwälzungen
vorauszusehen. Äußerst gewandt in der Intrigue, war es selbst für kluge
und erfahrungsreiche Männer, welche seine Treulosigkeit im Voraus
kannten, keine leichte Aufgabe, dem Zauber seiner Manieren zu
widerstehen und seinen Versicherungen der Ergebenheit zu mißtrauen. Aber
bei seiner Anstrengung, Einzelne zu studiren und für sich einzunehmen,
vergaß er die Stimmung des Volkes zu beobachten, weshalb er sich in
Bezug auf die wichtigsten Ereignisse seiner Zeit sehr oft täuschte. Jede
wichtige Bewegung und jeder Umschlag der öffentlichen Meinung
überraschte ihn, und die Welt, der es unbegreiflich war, wie ein so
ausgezeichneter Mann oft Dinge nicht erkannte, die der Kaffeehauspolitik
klar waren, hielt seine Maßregeln bisweilen für tief durchdachte Pläne,
während es in der That nur gewaltige Fehler waren.

Seine vorzüglichsten Fähigkeiten zeigten sich bei Privatunterhandlungen.
Im königlichen Kabinet, sowie in kleineren Kreisen besaß er einen
außerordentlichen Einfluß, in der Rathsversammlung aber war er
schweigsam und im Hause der Lords kam kein Laut über seine Lippen.

Die vier vertrauten Räthe der Krone erkannten sehr bald, daß sie eine
verantwortliche und gehässige Stellung einnahmen. Die übrigen
Rathsmitglieder murrten über eine Bevorzugung, die sich mit den
Versprechungen des Königs nicht vereinigen ließ, und einige derselben,
mit Shaftesbury an der Spitze, machten im Parlamente wieder die
eifrigste Opposition. Die Aufregung, welche die letzten Veränderungen
beseitigt hatten, trat heftiger als jemals hervor. Der bestürzte Karl
versprach den Gemeinen umsonst jede Sicherstellung der protestantischen
Religion, die sie nur immer verlangten, unter der einzigen Bedingung,
daß sie sich nicht an der Thronfolgeordnung vergriffen; sie wollten von
keinem Vergleiche hören, Ausschließungsbill war ihr Ruf, nichts als
Ausschließungsbill! Der König verfügte sich daher, einige Wochen nach
seiner öffentlichen Versicherung, keinen Schritt ohne Wissen seines
Geheimen Raths zu thun, in das Haus der Lords, ohne dem Rathe das
Geringste davon mitgetheilt zu haben, und vertagte das Parlament.


[_Prorogation des Parlaments._] Der Tag dieser Prorogation, der 26. Mai
1679, bildet einen wichtigen Abschnitt in unserer Geschichte, indem an
demselben die Habeas-Corpus-Akte die königliche Zustimmung empfing. Seit
der Magna Charta war das Recht in Betreff der persönlichen Freiheit der
Engländer in seinen materiellen Bestandtheilen fast dasselbe, was es zu
unserer Zeit ist, aber in Ermangelung eines thatkräftigen Systems, und
einer geschickten Handhabung desselben hatte es sich bis jetzt ohne
Wirkung gezeigt. Man brauchte kein neues Recht, sondern nur ein gutes
gründliches Schutzmittel, und solches war die Habeas-Corpus-Akte.


[_Habeas-Corpus-Akte._] Der König würde ohne Zweifel die Genehmigung
dieses Gesetzes mit Freuden versagt haben, aber er beabsichtigte über
die Successionsfrage vom Parlamente an das Volk zu appelliren, und
durfte es in diesem äußerst wichtigen Moment nicht wagen, eine Bill
zurückzuweisen, welche so außerordentlich populär war.

An diesem Tage wurde die englische Presse auf eine kurze Zeit frei. In
früheren Zeiten standen die Drucker unter strenger Beaufsichtigung des
Gerichtshofes der Sternkammer. Das Lange Parlament hatte dieselbe zwar
aufgelöst, aber trotz der philosophischen und dringenden Einwürfe
Miltons die Censur eingeführt und aufrecht erhalten. Kurz nach der
Restauration ging eine Akte durch, welche den Druck nicht genehmigter
Bücher untersagte, und man hatte beschlossen, daß diese Akte bis zum
Schluß der ersten Session des nächsten Parlaments in Kraft bleiben
solle. Dieser Zeitpunkt war jetzt da, und die Presse wurde in dem
Augenblicke frei, als der König die Häuser vertagte.


[_Zweite Allgemeine Wahl von 1679._] Kurz nach der Prorogation fand die
Auflösung und eine allgemeine Neuwahl statt. Der Eifer und die Macht der
Opposition waren außerordentlich, und das Geschrei nach der
Ausschließungsbill ertönte lauter wie früher; auch vereinigte sich mit
diesem Geschrei ein anderes, welches das Blut der Menge in Aufregung
versetzte, aber von allen vernünftigen Freunden der Freiheit mit Schmerz
und Besorgniß vernommen wurde. Es wurden nicht blos die Rechte des
Herzogs von York, eines ausgemachten Katholiken, sondern auch die seiner
beiden Töchter, aufrichtiger und eifriger Protestantinnen, angegriffen,
und mit Bestimmtheit behauptet, der älteste natürliche Sohn des Königs
sei von ehelicher Geburt und der gesetzmäßige Erbe der Krone.


[_Popularetät Monmouths._] Als Karl noch auf dem Continent als Wanderer
lebte, lernte er im Haag Lucie Walters, ein wallisisches Mädchen kennen,
welche zwar außerordentlich schön, aber dabei beschränkten Geistes und
sittenlos war. Sie wurde seine Maitresse, und bald darauf Mutter eines
Sohnes, gegen dessen Echtheit ein eifersüchtiger Liebhaber wohl Bedenken
erhoben haben würde, denn die Dame hatte verschiedene Anbeter, und es
wurde behauptet, daß sie gegen keinen derselben unerbittlich sei. Karl
glaubte jedoch ihren Worten, und äußerte gegen den kleinen Jakob Crofts,
wie das Kind genannt wurde, eine ungemeine Zärtlichkeit, welche bei
diesem kalten, sorglosen Charakter höchst überraschend erscheint. Bald
nach der Restauration kam der junge Liebling, welcher in Frankreich die
Erziehung eines vollkommenen Gentleman genossen, nach Whitehall. Er
bezog eine Wohnung im Palaste, erhielt Pagen zur Bedienung, und genoß
verschiedene Bevorzugungen, welche bisher nur Prinzen von Geblüt zu
Theil geworden waren. Noch in zarter Jugend vermählte man ihn mit Anna
Scott, der Erbin des edlen Hauses der Buccleuch. Er nahm den Namen
seiner Gemahlin an, und trat durch diese Verbindung in den Besitz sehr
bedeutender Güter, so daß man das Vermögen, welches er besaß, auf nicht
weniger als zehntausend Pfund jährlicher Einkünfte schätzte. Er wurde
mit Titeln und Gunstbezeugungen, von einträglicherer Art als Titel,
förmlich überschüttet. Man ernannte ihn zum Herzog von Monmouth in
England, zum Herzog von Buccleuch in Schottland, zum Ritter des
Hosenbandordens, Stallmeister, Befehlshaber der ersten Abtheilung der
Leibgarde, Oberrichter von Eyre, südlich vom Trent, und Kanzler der
Universität Cambridge. Im Volke gönnte man ihm dieses Glück. Er besaß
ein höchst einnehmendes Äußeres, dabei war er von sanftem Gemüth und
liebenswürdigem leutseligen Wesen. Obgleich ein Wüstling, gewann er doch
die Herzen der Puritaner und wenn es auch allgemein bekannt war, daß er
um den abscheulichen Angriff auf Sir John Coventry gewußt, wurde es ihm
doch nicht schwer, die Vergebung der Vaterlandspartei zu erhalten.
Selbst strenge Sittenrichter räumten ein, daß an einem derartigen Hofe
von einem Kinde, das mit einem Kinde vermählt worden sei, strenge
eheliche Treue sich nicht erwarten lasse, und selbst Vaterlandsfreunde
entschuldigten den heftigen Knaben, der eine Beleidigung gegen seinen
Vater mit übertriebener Rache vergalt. Bald aber wurde der Schatten,
den Liebschaften und nächtliche Streiche auf seinen Charakter geworfen,
durch ehrenvolle Handlungen verwischt. Als Karl und Ludwig sich gegen
Holland waffneten, befehligte Monmouth die englischen Hilfstruppen,
welche nach dem Continent geschickt wurden, und zeigte sich als tapferer
Soldat und als tüchtiger Offizier. Bei seiner Zurückkunft war er der
populärste Mann im Königreiche. Man gewährte ihm Alles, mit Ausnahme der
Krone, und selbst diese schien für ihn nicht völlig unerreichbar zu
sein. Die Unterscheidung, welche man höchst unkluger Weise zwischen ihm
und Männern des höchsten Adels machte, war von üblen Folgen gewesen. Man
hatte ihn als Knaben aufgefordert, im Audienzzimmer bedeckt zu bleiben,
während Howards und Seymours mit entblößtem Haupte neben ihm standen.
Starb ein fremder Fürst, so trug Monmouth als Trauerkleid den langen
Purpurmantel, den kein anderer Unterthan als der Herzog von York und
Prinz Ruprecht anlegen durften. Natürlich mußten diese Dinge ihn
bestimmen, sich als einen legitimen Prinzen des Hauses Stuart zu
betrachten. Karl war noch in reiferem Alter seinen leichtsinnigen
Vergnügungen ergeben, ohne dabei auf seine Würde Rücksicht zu nehmen.
Es ließ sich wohl annehmen, daß er als Jüngling von zwanzig Jahren eine
förmliche Ehe mit einer Dame eingegangen, deren Schönheit ihn bezaubert
und die auf leichtere Bedingungen nicht zu gewinnen war. Als Monmouth
noch ein Kind war, und der Herzog von York noch für einen Protestanten
gehalten wurde, ging schon das Gerücht, nicht blos im Volke, sondern
auch in Kreisen, welche wohl unterrichtet sein konnten, daß der König
mit Lucie Walters vermählt, und wenn Jedem sein Recht würde, ihr Sohn
Prinz von Wales sei. Man sprach viel von einem schwarzen Kästchen, in
welchem nach dem Glauben des Volks der Ehevertrag enthalten sein sollte.
Als Monmouth aus den Niederlanden heimkehrte, von wo er einen hohen Ruf
rücksichtlich seiner Tapferkeit und Führung mitbrachte, und als es
bekannt wurde, daß der Herzog von York Mitglied einer von der Menge
gehaßten Kirche sei, gewann diese müßige Geschichte Bedeutung, obgleich
nicht der geringste Beweis dafür vorhanden war. Gegen sie sprach die
feierliche Erklärung des Königs, welche er vor seinem Rathe abgegeben
und die auf seinen Befehl zur Kenntniß des Volkes gebracht worden war.
Aber die Menge, stets eingenommen für romantische Abenteuer, lieh der
Geschichte von der heimlichen Ehe und dem schwarzen Kästchen ein
geneigtes Ohr. Einige Häupter der Oppositionspartei wiederholten ihr
Verfahren, welches sie bei der gehässigeren Fabel des Oates beobachtet:
sie unterstützten eine Geschichte, die sie im Herzen verachten mußten.
Den Antheil, den die niederen Volksklassen an dem Manne nahmen, in
welchem sie den Vertheidiger der wahren Religion und legitimen Erben des
englischen Thrones erblickten, wußte man durch alle möglichen
Kunstgriffe aufrecht zu erhalten. Als Monmouth um Mitternacht in London
ankam, erhielten die Wächter von den Behörden Befehl, das frohe Ereigniß
in den Straßen der City auszurufen. Das Volk verließ seine Lagerstätten,
Freudenfeuer flammten, die Fenster wurden erleuchtet, die Kirchen
geöffnet und festliches Glockengeläute ertönte von allen Thürmen. Wenn
er sich auf der Reise befand, kam man ihm mit nicht geringerer Pracht
und Begeisterung entgegen, als sie bei Umzügen der Herrscher durch ihr
Reich zur Schau getragen werden. Von einem Schlosse zum anderen gaben
ihm lange berittene Züge bewaffneter Gentlemen und Freisassen das
Ehrengeleite, und aus den Städten strömte die ganze Bevölkerung zu
seinem Empfange herbei. Die Wähler drängten sich an seine Seite, mit der
lauten Versicherung, daß er über ihre Stimmen zu verfügen habe. Sein
Stolz war zu einer solchen Höhe gestiegen, daß er nicht nur in seinem
Wappen die Löwen von England und die französischen Lilien, jedoch _ohne_
den linken Querbalken -- nach der Heraldik ein Zeichen illegitimer
Geburt -- führte, sondern es sogar wagte, des »Königs Krankheit«
(Scropheln, Kröpfe) durch Berührung zu heilen. Zu gleicher Zeit
verabsäumte er keinen Kunstgriff der Herablassung, der ihm die Liebe der
Massen erwerben konnte. Er stand bei den Kindern der Landleute Gevatter,
machte ländliche Lustbarkeiten mit, versuchte sich im Ringkampf oder mit
dem Kampfstock und erreichte beim Wettlauf das Ziel eher in seinen
Stiefeln, als flinke Läufer dasselbe in Schuhen.

Es ist eine seltsame Erscheinung, daß an zwei großen Wendepunkten
unserer Geschichte die Häupter der protestantischen Partei in gleichen
Irrthum verfielen und durch denselben ihr Vaterland und ihre Religion in
große Gefahr brachten. Als Eduard VI. gestorben war, erklärten sie sich
für die Lady Johanna, welche keinen Schein eines Geburtsrechts besaß,
und stellten sie nicht allein ihrer Feindin Maria entgegen, sondern auch
der Elisabeth, der wahren Hoffnung Englands und der protestantischen
Kirche. Hierdurch wurden die geachtetsten Protestanten mit Elisabeth an
der Spitze gezwungen, sich mit den Katholiken zu vereinigen. In
derselben Art griff hundertdreißig Jahre später ein Theil der
Opposition, indem er Monmouth als Thronfolger aufstellte, nicht nur die
Rechte Jakobs an, den sie als einen Feind ihres Glaubens und ihrer
Freiheiten kannten, sondern auch die des Prinzen und der Prinzessin von
Oranien, welche sowohl durch ihre Stellung, wie durch persönliche
Vorzüge zu Vertheidigern aller freien Verfassungen und reformirten
Kirchen ausersehen waren.

Nach wenigen Jahren zeigte sich die Thorheit dieses Verfahrens. Vor der
Hand beruhte auf der Popularetät Monmouths größtentheils die Stärke der
Opposition. Die Wahlen fielen gegen den Hof aus, der Tag, an welchem die
Häuser zusammentreten sollten, rückte heran, und es wurde nöthig, daß
sich der König über den einzuschlagenden Weg entschied. Seine Räthe
vermeinten die ersten, leisen Symptome eines Umschwungs der öffentlichen
Stimmung zu erkennen, und lebten der Hoffnung, daß eine bloße
Verzögerung des Anpralls den Sieg herbeiführen würde. Daher faßte er den
Entschluß, ohne die Dreißig um Rath zu fragen, das neue Parlament noch
vor Beginn seiner Thätigkeit zu prorogiren. Dem Herzog von York, der von
Brüssel zurückgekehrt war, wurde Befehl gegeben, nach Schottland zu
gehen, und die Verwaltung dieses Königreichs zu übernehmen.

Temple's Verfassungsplan war jetzt natürlich aufgegeben und bald
vergessen. Der Geheime Rath wurde wieder was er früher war, Shaftesbury
und seine politischen Glaubensgenossen verließen ihre Sitze. Temple
selbst kehrte, nach seiner Gewohnheit bei unruhigen Zeiten, zu seinem
Garten und seinen Büchern zurück. Essex verließ das Schatzamt und schloß
sich der Opposition an; Halifax aber, ärgerlich und voller Besorgniß
über die Voreiligkeit seiner alten Bundesgenossen, und Sunderland, der
niemals einen Posten aufgab so lange er ihn behalten konnte, verblieben
im königlichen Dienste.

In Folge der Entlassungen, welche in dieser Conjunctur stattfanden,
war wiederum einer Reihe von Bewerbern der Weg zur Größe gebahnt. Zwei
Staatsmänner, welche sich nachmals auf den höchsten Gipfel der Macht,
den ein britischer Unterthan erreichen kann, emporschwangen, zogen bald
die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Es waren dies Lawrence Hyde und
Sidney Godolphin.


[_Lawrence Hyde._] Lawrence Hyde war der zweite Sohn des Kanzlers
Clarendon und Bruder der verstorbenen Herzogin von York. Er besaß
vorzügliche Eigenschaften, welche durch parlamentarische und
diplomatische Erfahrungen ausgebildet waren, aber seine
Charakterlosigkeit verringerte die Kraft seiner Fähigkeiten. Obgleich
Diplomat und Höfling, hatte er nie seine Gemüthsbewegungen in der
Gewalt. Stolz und unverschämt im Glück, war er nicht im Stande, seine
tiefe Niedergeschlagenheit zu verbergen, wenn ihn ein Unfall traf,
wodurch seinen Feinden der Triumph verdoppelt wurde. Unbedeutende
Angriffe genügten, seinen Zorn rege zu machen, und dann ließ er sich zu
den bittersten Bemerkungen hinreißen, welche er allerdings mit der
Abkühlung auch wieder vergaß, die aber nicht so bald aus dem
Gedächtnisse Anderer entwichen. Sein scharfer, Alles schnell
durchschauender Verstand würde ihn zu einem vollendeten Staatsmann
gemacht haben, wäre er nicht so dünkelhaft und reizbar gewesen. Seine
Schriften verrathen eine tüchtige Rednergabe, aber seine Empfindlichkeit
machte es ihm unmöglich, seine Talente in der Debatte zur Geltung zu
bringen, denn nichts war leichter als ihn aufzubringen, und von dem
Augenblick an, wo die Leidenschaftlichkeit in ihm die Oberhand gewann,
war er der Gnade von Gegnern preisgegeben, deren Fähigkeiten tief unter
den seinigen standen.

Wie die meisten leitenden Staatsmänner jener Zeit, war er ein
consequenter heftiger und erbitterter Parteimann, ein Cavalier der alten
Schule, ein eifriger Vertheidiger des Thrones und der Kirche und dabei
von Feindschaft gegen Republikaner und Nichtconformisten erfüllt.
Er besaß deshalb einen bedeutenden Kreis von persönlichen Anhängern;
namentlich der Clerus erblickte in ihm einen Mann, auf den man fest
rechnen konnte, und gewährte seinen Schwächen eine Nachsicht, deren er
auch in der That bedurfte, denn er war ein starker Trinker, und wenn er
wüthend wurde, was sehr oft geschah, fluchte er wie ein Lastträger.

Er war Essex' Nachfolger im Schatzamte. Es darf nicht vergessen werden,
daß die Stelle eines ersten Lords der Schatzkammer damals noch nicht die
Bedeutung und das Ansehen hatte, wie in der Jetztzeit. Wenn es einen
Lord Schatzmeister gab, so war dieser hohe Beamte in der Regel
Premierminister; wurde aber der weiße Stab einer Commission verliehen,
so stand der erste Commissar noch unter dem Range eines
Staatssekretairs. Erst seit Walpole's Zeit betrachtete man den ersten
Lord des Schatzes als das Haupt der ausführenden Verwaltung.


[_Sidney Godolphin._] Godolphin war als Page in Whitehall erzogen
worden, und hatte schon zeitig die Gewandtheit und Selbstbeherrschung
eines alten Hofmanns sich zu eigen gemacht. Er war fleißig, besaß einen
hellen Verstand, und bedeutende Kenntniß des Finanzwesens, daher war er
für jede Regierung ein höchst brauchbarer Mann, in dessen Ansichten und
Charakter sich nichts befand, was ihn hätte hindern können, irgend einer
Regierung gute Dienste zu leisten. Karl pflegte von ihm zu sagen:
»Sidney Godolphin ist niemals im Wege und niemals vom Wege.« Diese
treffende Bemerkung erklärt die großen Erfolge in Godolphins Leben.

Er schloß sich zu verschiedenen Zeiten den beiden großen Parteien an,
ohne jedoch jemals die Leidenschaft einer derselben zu theilen. Gleich
den meisten Leuten, welche vorsichtigen Charakters und im Besitze
bedeutender Glücksgüter sind, hatte er eine entschiedene Neigung alles
Bestehende zu unterstützen. Er war kein Freund von Revolutionen, und aus
derselben Ursache, welche ihm die Revolutionen verhaßt machte, liebte er
auch die Contrerevolutionen nicht. Er besaß eine ernste und gemessene
Haltung, aber seine persönlichen Neigungen waren niedrig und
leichtfertig. Die meiste Zeit, die ihm die Staatsgeschäfte übrig ließen,
verbrachte er bei Wettrennen, Hahnkämpfen und Kartenspiel. Er saß jetzt
unter Rochester im Schatzamte, und machte sich durch Fleiß und
Kenntnisse sehr bemerkbar.

Ehe das neue Parlament zu neuer Thätigkeit zusammentreten konnte,
verging ein volles Jahr, ein ereignißvolles Jahr, welches in unserer
Sprache und unseren Sitten unverlöschliche Spuren zurückgelassen hat.
Niemals waren früher politische Streitigkeiten mit soviel Freimuth
geführt worden, nie hatten politische Klubs von so ausgebildeter
Organisation und so gewaltigem Einflusse existirt. Die eine Frage der
Ausschließung beschäftigte alle Gemüther, und sämmtliche Pressen und
Kanzeln des Reiches betheiligten sich an dem Streite. Von den Einen
wurde erklärt, daß die Verfassung und Religion des Staates unter einem
der katholischen Kirche ergebenen Herrscher gefährdet seien, die Anderen
behaupteten, daß wenn die Reihe an Jakob komme, die Krone zu tragen,
dieses Recht von Gott stamme, und selbst dann nicht vertilgt werden
könne, wenn alle Zweige der gesetzgebenden Gewalt sich dagegen
vereinigten.


[_Heftigkeit der Parteien bei der Frage der Ausschließungsbill._] Jede
Grafschaft wie jede Stadt und jede Familie war in gewaltiger Aufregung.
Nachbarliche Artigkeit und Gastfreundschaft wurden gestört, die engsten
Bande der Geselligkeit und Verwandtschaft lösten sich auf. Selbst
Schulknaben bildeten wüthende Parteien, und der Herzog von York wie der
Earl von Shaftesbury besaßen eifrige Anhänger in den Schulstuben von
Westminster und Eton. Die Theater dröhnten von dem Geschrei der
streitenden Parteien. Aufgeregte Protestanten brachten die Päpstin
Johanna auf die Bühne, und wohlbezahlte Poeten würzten ihre Prologe und
Epiloge mit Lobeserhebungen des Königs und des Herzogs. Die
Mißvergnügten bestürmten den Thron mit Bitten um sofortige Einberufung
des Parlaments. Die Loyalen sandten Addressen, voller Ausdrücke der
tiefsten Verachtung gegen diejenigen, welche es wagten dem Souverain
Vorschriften zu machen. Die Bürger Londons liefen zu Tausenden zusammen,
um den Papst im Bilde zu verbrennen. Die Regierung stellte Cavallerie
bei Templebar und schweres Geschütz um Whitehall auf. In diesem Jahre
vermehrte sich unsere Sprache um zwei Worten: +mob+ (Pöbel) und +sham+
(Lüge, Betrug), bemerkenswerthe Erinnerungszeichen einer Zeit des
Aufruhrs und Betrugs. Die Gegner des Hofes nannte man: Birminghams,
Petitionäre und Ausschließungsmänner (+exclusionists+) die auf des
Königs Seite standen: Anti-Birminghams, Verabscheuer (+abhorrers+) und
Rennthiere (+tantivies+).


[_Die Namen Whig und Tory._] Diese Bezeichnungen kamen bald aus der
Mode, aber zu jener Zeit entstanden zwei Spottnamen, welche zwar
anfänglich zur Verhöhnung benutzt, bald aber mit Stolz angenommen
wurden, noch jetzt täglich in Anwendung sind, soweit die englische Zunge
verbreitet ist, und die so lange unvertilgbar bleiben werden, als die
englische Literatur besteht. Es ist ein bemerkenswerther Umstand, daß
einer dieser Spottnamen schottischen, der andere irländischen Ursprungs
ist. In Schottland wie in Irland hatten sich in Folge der schlechten
Regierung Banden von verzweifelten Menschen gebildet, deren Wildheit
noch durch Fanatismus erhöht wurde. Einige der verfolgten Anhänger des
Covenants, durch den härtesten Druck zur Verzweiflung getrieben,
mordeten den Primas von Schottland, ergriffen gegen die Regierung die
Waffen und fochten mit einigem Erfolg gegen die Truppen des Königs.
Sie wurden erst besiegt, nachdem Monmouth mit einigen englischen
Streitkräften sie an der Bothwellbrücke auseinander gesprengt hatte.
Diese Zeloten bestanden zum größten Theile aus Landleuten des westlichen
Unterlands, welche gewöhnlich Whigs hießen. So verband sich die
Benennung Whig mit dem Begriffe eines presbyterianischen Eiferers in
Schottland, und wurde auf diejenigen englischen Politiker übertragen,
welche geneigt waren, dem Hofe zu opponiren, und protestantische
Nichtconformisten mit Rücksicht zu behandeln. Die Moorgegenden Irlands
boten zu gleicher Zeit papistischen Flüchtlingen, welche Ähnlichkeit mit
denen hatten, welche man später Weißburschen (+white-boys+) nannte,
einen Zufluchtsort. Diese Leute hießen damals Tories. Mit dem Namen Tory
bezeichnete man daher diejenigen Engländer, welche sich sträubten zur
Ausschließung eines katholischen Prinzen vom Throne beizutragen.

Die Wuth der feindlichen Parteien würde schon stark genug gewesen sein,
wenn man dieselbe sich selbst überlassen hätte, so aber wurde sie von
dem gemeinschaftlichen Feinde beider absichtlich noch mehr
aufgestachelt. Ludwig unterließ noch immer nicht, sowohl den Hof wie die
Opposition zu bestechen, und beiden zu schmeicheln. Er rieth Karl, fest
zu bleiben, Jakob, eine Revolution in Schottland zu erregen, und
ermuthigte die Whigs, nicht zu wanken, sondern mit Zuverlässigkeit auf
Frankreichs Schutz zu rechnen.

Bei allem diesen bewegten Treiben konnte es einem scharfblickenden Auge
nicht verborgen bleiben, daß die öffentliche Meinung allmälig sich einer
Umwandlung näherte. Die Verfolgung der Katholiken hatte noch nicht
aufgehört, aber die Verurtheilungen verstanden sich nicht mehr -- wie
früher -- von selbst. Eine neue Rotte falscher Zeugen, unter ihnen ein
Schuft Namens Dangerfield, der sich am meisten hervorthat, peinigte die
Gerichtshöfe; aber obgleich die Lügen dieser Menschen besseren Klang
hatten als die des Oates, so fanden sie doch weniger Glauben. Die
Geschwornen waren nicht mehr so befangen, wie zur Zeit des allgemeinen
Entsetzens, welches der Ermordung Godfrey's folgte, und die Richter,
während der Wahnsinnsperiode gefügige Werkzeuge des Volkes, hatten jetzt
den Muth, zum Theil das auszusprechen, was sie von Anfang für wahr
gehalten.


[_Zusammentritt des Parlaments, und Durchgang der Ausschließungsbill im
Hause der Gemeinen._] Endlich, im Oktober des Jahres 1680, trat das
Parlament zusammen. Die Whigs bildeten bei den Gemeinen eine so große
Majorität, daß die Ausschließungsbill alle ihre Stadien ohne Beschwerde
durchlief. Der König wußte kaum, auf welche Mitglieder seines eigenen
Kabinets er zählen dürfe; Hyde hatte seine Toryansichten treulich
festgehalten, und im Interesse der erblichen Monarchie eine beharrliche
Thätigkeit entwickelt; Godolphin jedoch, in dem ängstlichen Bestreben
nach Ruhe, und der Ansicht, daß diese nur durch Zugeständnisse
herbeizuführen sei, wünschte, daß die Bill durchgehen möchte.
Sunderland, stets falsch und verblendet, unfähig die Symptome der
nahenden Reaction zu erkennen und voller Eifer die Partei, welche nach
seiner Meinung unwiderstehlich war, zu versöhnen, beschloß gegen den Hof
zu stimmen. Die Herzogin von Portsmouth beschwor ihren königlichen
Geliebten, sich nicht mit Gewalt dem Verderben preiszugeben. Wenn es
wirklich einen Punkt gab, bei welchem derselbe Regungen des Gewissens
oder der Ehre in sich fühlte, so war es die Successionsfrage; es schien
jedoch einige Tage, als ob er nachgeben würde. Er schwankte, fragte nach
der Höhe der Summe, welche ihm die Gemeinen für seine Einwilligung
zahlen würden, und gestattete, daß eine Unterhandlung mit den leitenden
Whigs begann. Ein schweres gegenseitiges Mißtrauen aber, Jahre lang im
Wachsthum begriffen, und durch die Kunstgriffe Frankreichs sorgfältig
unterhalten, ließ keinen Vergleich zu Stande kommen, auf beiden Seiten
fehlte das gegenseitige Vertrauen. Das ganze Volk blickte jetzt voll
banger Erwartung auf das Haus der Lords. Die Pairs waren zahlreich
versammelt, der König selbst anwesend, die Debatte lang, ernsthaft und
bisweilen stürmisch. Mehrere erfaßten den Griff des Degens auf eine Art,
welche an die aufgeregten Parlamente Heinrichs III. und Richards II.
erinnerte.


[_Die Lords verwerfen die Ausschließungsbill._] Der falsche Sunderland
schloß sich an Shaftesbury und Essex an; der geistreiche Halifax aber
warf alle Opposition darnieder. Verlassen von seinen wichtigsten
Collegen und einer Menge gewandter Gegner preisgegeben, führte er die
Sache des Herzogs von York in einer Folge von Reden, welche noch nach
vielen Jahren als Meisterwerke der Logik, Genialität und Beredtsamkeit
galten. Es ist ein seltener Fall, daß die Macht der Rede einen Umschwung
in der Abstimmung hervorbringt, aber das Zeugniß der Zeitgenossen
beweist zur Evidenz, daß bei dieser Gelegenheit durch die
außerordentliche Redekunst des Halifax die Stimmen geändert wurden.
Die Bischöfe, treu ihrer Lehre, unterstützten das Prinzip des
Erblichkeitsrechts, und die Bill wurde mit großer Majorität
verworfen.[5]

    [Anmerkung 5: Ein anwesender Pair hat den Erfolg von Halifax'
    Redekunst in Worten beschrieben, welche ich mittheilen will, weil
    sie, obgleich schon längst gedruckt, vermuthlich nur wenigen
    selbst der aufmerksamsten und wißbegierigsten Leser der Geschichte
    bekannt sind:

    »Von außerordentlicher Beredtsamkeit und großen Mitteln waren die
    Feinde des Herzogs, welche die Bill vertheidigten, aber ein edler
    Lord trat auf, der an diesem Tage mit aller Macht der Rede in
    Beweisführung, in Gründen aus dem öffentlichen wie aus dem
    Privatinteresse der Menschen, in Ehre, Gewissen und Anstand sich
    selbst und jeden Andern übertraf. Zuletzt siegte er durch sein
    Verfahren und seine Talente, und wurden durch ihn Witz und Bosheit
    der anderen Partei zu nichte gemacht.«

    Diese Stelle ist einer Denkschrift Heinrichs, Earls von
    Peterborough entlehnt, die sich in einem Buche unter dem Titel:
    +»Succinct Genealogies, by Robert Halstead« Fol. 1685+, findet.
    Der Name Halstead ist fingirt. Die wahren Verfasser sind der Earl
    von Peterborough selbst und sein Kaplan. Das Buch ist höchst
    selten, da bloß vierundzwanzig Exemplare davon gedruckt wurden,
    von denen zwei das britische Museum besitzt. Von diesen beiden
    gehörte eines Georg IV. und das andere Mr. Grenville.]


[_Hinrichtung Staffords._] Die im Hause der Gemeinen vorherrschende
Partei erlitt durch diese Niederlage eine bittere Kränkung, doch fand
sie darin einigen Trost, daß Blut von Katholiken fließen mußte. William
Howard, Viscount Stafford, einer der Unglücklichen, welche bei dem
Complot betheiligt sein sollten, wurde vor die Schranken seiner Pairs
gestellt, auf die Beschuldigung Oates' und zweier andern falschen Zeugen
Dugdale und Turberville wegen Hochverraths verurtheilt und hingerichtet.
Aber die näheren Umstände seines Prozesses und seiner Hinrichtung
konnten den Führern der Whigpartei zu einer warnenden Lehre dienen. Eine
große und ehrenwerthe Minorität des Hauses der Lords erklärte den
Gefangenen für unschuldig. Die Volksmasse, welche noch vor wenigen
Monaten die letzten, vor der Hinrichtung gegebenen Versicherungen der
Opfer des Oates mit Spott und Hohngeschrei aufgenommen hatte, sprach nun
laut seine Überzeugung aus, daß an Stafford ein Mord begangen worden
sei. Als er in den letzten Augenblicken seine Unschuld betheuerte, rief
man ihm zu: »Gott segne Euch, Mylord. Wir glauben Euch, Mylord!« Ein
scharfsichtiger Beobachter konnte leicht voraussehen, daß für das damals
vergossene Blut bald anderes nachfließen werde.


[_Allgemeine Wahlen von 1681._] Der König wollte das Mittel einer
Auflösung nochmals versuchen. Er berief ein Parlament für den März des
Jahres 1681 nach Oxford. Seit den Zeiten der Plantagenets waren die
Häuser stets zu Westminster versammelt gewesen, außer wenn Seuchen in
London herrschten, aber so ungewöhnliche Zeitumstände erheischten auch
außerordentliche Vorsichtsmaßregeln. Wurde das Parlament an seinem
gewöhnlichen Versammlungsorte gehalten, so konnte das Haus der Gemeinen
sich für permanent erklären und Londons Magistrat und Bürgerschaft zu
Hilfe rufen. Die Miliz konnte zum Schutze Shaftesbury's herbeieilen, wie
sie vor vierzig Jahren zur Vertheidigung Pyms und Hampdens aufgestanden
war, die Wachen konnten entwaffnet, der Palast erobert und der König von
den Rebellen zum Gefangenen gemacht werden; solche Gefahren waren in
Oxford nicht möglich. Die Universität hielt es mit der Krone und der
Adel der Umgegend gehörte fast durchgängig den Tories an, die Opposition
hatte demnach hier mehr zu fürchten, als der König.

Der Wahlkampf war heftig. Im Hause der Gemeinen bildeten die Whigs noch
immer eine Majorität, es war aber nicht zu verkennen, daß der Tory-Geist
allenthalben im Lande rasch um sich griff. Man sollte glauben, der
scharfblickende, gewandte Shaftesbury hätte den eintretenden Wechsel
bemerken und zu dem, vom Hofe gebotenen Vergleiche seine Einwilligung
geben müssen, aber er schien seine frühere Taktik nicht mehr verfolgen
zu wollen. Anstatt Vorsichtsmaßregeln zu treffen, um bei schlimmem
Erfolge sich den Rückzug zu sichern, nahm er eine Position, in welcher
er siegen oder seinen Untergang finden mußte. Vielleicht war ihm der
Kopf, so vortrefflich er auch war, durch die Gunst des Volkes, durch das
Glück und durch die Aufregung des Kampfes schwindelnd geworden,
vielleicht hatte er auch seine Partei so aufgestachelt, daß er sie nicht
mehr beherrschen konnte und in wildem Laufe von denen mit fortgerissen
wurde, die er zu leiten glaubte.


[_Das Parlament zu Oxford gehalten und aufgelöst._] So kam der
ereignißvolle Tag heran. Die Versammlung zu Oxford hatte mehr
Ähnlichkeit mit einem polnischen Reichstage als einem englischen
Parlament. Die Mitglieder der Whigpartei kamen in Begleitung einer
großen Anzahl wohl bewaffneter und berittener Pächter und Dienstleute,
welche trotzige Blicke mit den königlichen Garden wechselten. Die
kleinste Veranlagung konnte bei dieser Gährung eine Revolution
hervorrufen, nur wagte es keine Partei, den ersten Schlag zu führen.
Noch einmal versprach der König, mit Ausnahmen der Ausschließungsbill in
Alles zu willigen, die Gemeinen aber wollten nichts annehmen als eben
die Ausschließungsbill. Nach Verlauf von wenigen Tagen war das Parlament
wieder aufgelöst.


[_Toryreaction._] Der König hatte gesiegt, und die Reaction, welche
einige Monate vor dem Zusammentreten der Häuser zu Oxford ihren Anfang
nahm, machte rasche Fortschritte. Die Nation war dem Papstthum
allerdings noch immer feindlich gesinnt, aber wenn die Leute auf die
Complotgeschichte zurückblickten, so erkannten sie doch, daß ihr
protestantischer Eifer sie zu Thorheiten und Verbrechen veranlaßt hatte,
und es schien ihnen unbegreiflich, daß sie sich durch alberne Mährchen
verleiten ließen, das Blut ihrer Mitbürger und Mitchristen zu verlangen.
Freilich mußten die loyalsten Männer zugestehen, daß Karls Verwaltung
oft heilloser Art gewesen sei, aber Leute, die von seinem Verkehr mit
Frankreich nicht so genau unterrichtet waren, als wir es jetzt sind, und
auf welche die Heftigkeit der Whigs einen widerwärtigen Eindruck machte,
rechneten die großen Zugeständnisse her, welche in den letzten Jahren
das Parlament von ihm erlangt, und die noch bedeutenderen
Zugeständnisse, zu denen er sich bereit gezeigt. Er hatte die Gesetze
sanktionirt, welche die Katholischen von dem Hause der Lords, dem
Geheimen Rathe und jedem bürgerlichen und militairischen Amte
ausgeschlossen, und ebenso die Habeas-Corpus-Akte genehmigt. Waren keine
größeren Bürgschaften da gegen die Gefahren, welche der Verfassung und
der Kirche von einem katholischen Souverän drohten, so trug nicht Karl
die Schuld, denn er hatte das Parlament aufgefordert, dergleichen
Bürgschaften in Vorschlag zu bringen, sondern jene Whigs, welche von
keinem Ersatzmittel für die Ausschließungsbill hören wollten. -- Eins
nur hatte der König seinem Volke abgeschlagen: er hatte sich geweigert,
seinen Bruder des Geburtsrechtes zu berauben, aber ließ sich nicht
annehmen, daß diese Weigerung aus ehrenwerthen Gründen stattgefunden?
welche egoistischen Motive konnte selbst der Parteigeist dem Herzen des
Königs zu Grunde legen? die Ausschließungsbill beeinträchtigte durch
nichts die Hohheitsrechte des regierenden Königs und verminderte
ebensowenig seine Revenüen, ja, er hätte sogar durch ihre Genehmigung
eine bedeutende Vermehrung seines Einkommens erzielen können. Und konnte
es ihm nicht gleichgültig sein, wer nach ihm die Krone trug? Ja, wenn
bei ihm persönliche Vorliebe in's Spiel kam, so wußte man, daß dieselbe
mehr für den Herzog von Monmouth als für den Herzog von York vorhanden
war. Das Verfahren des Königs ließ sich daher auf das Natürlichste
dadurch erklären, daß trotz seines unstäten Charakters und seiner
leichtfertigen Moral, er doch in diesem Falle von Pflicht und Ehre sich
habe leiten lassen. Und war es so, konnte ihn die Nation dann zu einer
Handlung zwingen, die er für verbrecherisch und ehrlos hielt? Auf sein
Gewissen einen Zwang auszuüben, geschähe es auch durch streng
verfassungsmäßige Mittel, hielten eifrige Royalisten für unedel und
pflichtwidrig, aber _solche_ Mittel waren nicht die einzigen, welche die
Whigs anzuwenden gedachten. Bereits zeigten sich Vorboten eines
herannahenden Bürgerkriegs, und Männer, welche zu den Zeiten der
bürgerlichen Unruhen und der Republik sich allgemein verhaßt gemacht
hatten, traten jetzt aus der Verborgenheit hervor, in die sie sich nach
der Restauration vor dem allgemeinen Unwillen geflüchtet hatten, gingen
überall mit zuversichtlichen und geschäftigen Mienen herum und schienen
einen zweiten Sieg der Heiligen schon im Voraus zu feiern. Ein zweites
Naseby, ein zweiter hoher Gerichtshof, eine zweite Republik, ein
nochmaliger Usurpator auf dem Throne, ein abermaliges Hinauswerfen der
Lords aus ihrem Saale, eine zweite Säuberung der Universitäten, eine
wiederholte Beraubung und Verfolgung der Kirche, eine neue Herrschaft
der Puritaner -- auf solche Resultate schien die verzweifelte Politik
der Opposition hinzuarbeiten.

Solche Gefühle belebten die höheren und mittleren Klassen, welche sich
in großer Zahl um den Thron schaarten. Der König befand sich in
ähnlicher Lage wie sein Vater kurz nach dem Erlasse der großen
Remonstration. Die Reaction von 1641 hatte man in ihrem Fortschritte
gehemmt. Als sein ihm lange entfremdetes Volk mit versöhnlichen Herzen
im Begriff war, zu ihm zurückzukehren, hatte Karl I. durch treulose
Verletzung der Grundgesetze des Reiches das öffentliche Vertrauen auf
immer verscherzt. Hätte Karl II. ebenso gehandelt, hätte er die Führer
der Whigpartei gesetzwidrig verhaften und vor einem Tribunale, das keine
legale Gerichtsbarkeit über sie besaß, des Hochverraths beschuldigen
lassen, so würden sie ohne Zweifel das verlorne Übergewicht bald wieder
erlangt haben. Es war ein Glück für ihn, daß er bei dieser Krisis sich
rathen ließ, eine Politik zu verfolgen, die seinen Absichten ganz
entsprechend war. Er entschloß sich, dem Gesetze Folge zu leisten,
zugleich aber auch den kräftigsten und schonungslosesten Gebrauch von
demselben gegen seine Widersacher zu machen. Er war nicht verpflichtet,
vor Ablauf der nächsten drei Jahre ein Parlament einzuberufen, und
befand sich eben in keiner Geldverlegenheit, denn der Betrag der
Steuern, welche ihm auf Lebenszeit bewilligt waren, überstieg das
angenommene Bedürfniß. Er lebte mit aller Welt in Frieden, konnte seine
Ausgaben beschränken, indem er den kostspieligen und nutzlosen Posten zu
Tanger aufgab, und wußte, daß er auf Geldhilfe von Seiten Frankreichs
rechnen durfte. Es blieb ihm daher die nöthige Zeit, und fehlte ihm
nicht an Mitteln, die Opposition in aller gesetzlichen Form systematisch
zu bekämpfen. Die Richter konnte er willkürlich entlassen, die
Geschwornen wurden von den Sheriffs ernannt, und in fast allen
Districten Englands erwählte er die Sheriffs. Zeugen desselben
Gelichters, welchem diejenigen angehört hatten, auf deren Aussagen die
Katholiken das Schaffot besteigen mußten, waren bereit, auch die Whigs
auf die Richtstätte zu liefern.


[_Verfolgung der Whigs._] Als erstes Opfer fiel College, ein lauter,
wilder Demagog von niedrigem Herkommen und schlechter Erziehung. Er war
seines Handwerks ein Tischler, und hatte den Ruhm, der Erfinder des
protestantischen Dreschflegels zu sein.[6] Als das Parlament in Oxford
gewesen, sollte er dort den Plan gehabt haben, einen Angriff auf die
Garde des Königs zu machen. Gegen ihn zeugten Dugdale und Turberville,
dieselben Schurken, welche wenige Monate früher falsches Zeugniß gegen
Stafford abgelegt. Einer Jury von Landedelleuten gegenüber konnte kein
Exclusionist auf Gnade rechnen; er wurde für schuldig erklärt. Der
Ausspruch der Geschwornen wurde von den Massen, welche das Gerichtshaus
von Oxford füllten, mit enthusiastischem Gebrüll begrüßt, so
unmenschlich wie das, welches er mit seinen Genossen ausgestoßen, wenn
man unschuldige Katholiken zum Henkerstode verurtheilte. Seine
Hinrichtung gab das Zeichen zu einer neuen Justiz-Schlächterei, nicht
weniger schändlich als die, an der er früher selbst betheiligt gewesen
war.

Die Regierung war durch diesen ersten Triumph so kühn geworden, daß sie
jetzt ihr Absehen auf einen Feind von ganz anderer Art richtete. Man
beschloß Shaftesbury auf Leben und Tod anzuklagen, und es wurden Beweise
gesammelt, um gegen ihn einen Prozeß auf Hochverrath einzuleiten. Aber
die Thatsachen, welche es zu beweisen galt, mußten in London geschehen
sein. Die Sheriffs von London, von den Bürgern gewählt, waren eifrige
Whigs. Sie ernannten eine große, aus Whigs bestehende Jury, welche den
Antrag auf Anklage zurückwies; allein diese Niederlage entmuthigte die
Rathgeber des Königs keineswegs, sondern bestimmte sie vielmehr, auf
einen neuen, kühnen Plan zu sinnen.

    [Anmerkung 6: Dies erwähnt das interessante Werk, unter dem Titel:
    +»Ragguaglio della solenne Comparsa fatta in Roma gli otto di
    Gennaio, 1687, dall' illustrissimo et excellentissimo signor Conte
    di Castelmaine.«+]


[_Der Freibrief der City wird zurückgenommen._] Der Freibrief der
Hauptstadt stand ihnen im Wege, und dieser Freibrief mußte vernichtet
werden. Es wurde erklärt, daß die City von London durch einige
Ungesetzlichkeiten ihre munizipalen Privilegien verwirkt habe und die
ganze Corporation einer Untersuchung vor dem Gerichtshofe der
Kings-Bench zu übergeben sei. Zugleich handhabte man die Gesetze, welche
bald nach der Restauration gegen Nichtconformisten entstanden waren und
während der Herrschaft der Whigs geruht hatten, mit außerordentlicher
Strenge.


[_Verschwörungen der Whigs._] Die Whigs aber hatten den Muth noch nicht
verloren. Befanden sie sich auch in schlimmer Lage, so bildeten sie doch
noch immer eine zahlreiche und mächtige Partei, und da ihre Anhänger
größtentheils in bedeutenderen Städten, und namentlich in der Hauptstadt
lebten, so erregten sie mehr Lärm und Aufsehen, als ihre wirkliche
Stärke rechtfertigte. Aufgeregt durch das Andenken an vergangene
Triumphe und das Gefühl der jetzigen Unterdrückung, überschätzten sie
sowohl ihre Macht wie ihre Leiden. Sie vermochten nicht, die Existenz
jener klaren und Alles bewältigenden Nothwendigkeit nachzuweisen, welche
allein das gewaltsame Mittel der Auflehnung gegen eine gesetzmäßig
bestehende Regierung zu rechtfertigen vermag. Welchen Argwohn sie auch
immer in sich trugen, sie konnten keinen Beweis dafür liefern, daß ihr
Souverain mit Frankreich ein Bündniß gegen die Religion und die
Freiheiten Englands geschlossen habe. Was davon bekannt war, reichte
nicht aus, um die Anwendung des Schwertes zu rechtfertigen. Wurde die
Ausschließungsbill verworfen, so hatten es die Lords in der Ausübung
eines Rechts gethan, das so lange bestand wie die Verfassung; hatte der
König das Parlament von Oxford aufgelöst, so geschah es vermittelst
eines Hohheitsrechtes, das nicht in Abrede gestellt werden konnte. Wenn
der Hof nach der Auflösung zu einigen strengen Maßregeln griff, so
verstießen dieselben doch nicht gegen die Bestimmungen der Gesetze und
gegen die Praxis, welche von den Unzufriedenen noch kürzlich selbst
ausgeübt worden war. Verfolgte der König seine Widersacher, so geschah
es nach aller Form und vor den ordentlichen Gerichtshöfen. Die
Zeugnisse, welche für die Krone sprachen, waren wenigstens ebenso
geltend als diejenigen, auf welche hin die Opposition noch vor kurzem
Englands edelstes Blut vergossen hatte. Ein angeklagter Whig hatte jetzt
von Richtern, Advokaten, Sheriffs, Geschwornen und Zuschauern keine
üblere Behandlung zu erwarten, als diejenige war, welche die Whigs noch
jüngst als angemessen für einen angeklagten Papisten hielten. Man hatte
die Privilegien der City Londons angegriffen, doch war es nicht mit
bewaffneter Hand, oder durch Ausübung einer nicht zu rechtfertigenden
Prärogative geschehen, sondern in Übereinstimmung mit dem ordentlichen
Gerichtsgebrauch von Westminsterhall. Auf den Befehl des Königs waren
weder neue Steuern erhoben, noch ein Gesetz außer Kraft gesetzt worden;
die Habeas-Corpus-Akte wurde geachtet und selbst die Testakte in
Ausführung gebracht. Es war daher der Opposition unmöglich, den König
einer so schlechten Regierung zu beschuldigen, daß ein Aufstand sich
hätte rechtfertigen lassen. Und gesetzt seine Regierung wäre noch
mangelhafter gewesen, ein Aufstand würde immer verbrecherisch geblieben
sein, da keine Aussicht vorhanden war ihn mit Erfolg durchzuführen.
Die Lage der Whigs im Jahre 1682 war eine andere als die der Rundköpfe
vierzig Jahre früher. Diejenigen, welche gegen Karl I. zu den Waffen
griffen, thaten es unter der Autorität eines Parlaments, welches das
Gesetz versammelt hatte und ohne seine eigene Zustimmung nicht aufgelöst
werden konnte. Die Widersacher Karls II. bestanden aus Privatleuten.
Fast alle Hilfsmittel des Königreichs in Militair und Flotte befanden
sich in den Händen derjenigen, welche Karl I. entgegenstanden, jetzt
besaß Karl II. diese Hilfsmittel. Die Hälfte der Nation hatte das Haus
der Gemeinen gegen Karl I. unterstützt; die Zahl der Kriegslustigen
gegen Karl II. war in großer Minorität. Es unterlag daher keinem
Zweifel, daß sie nicht im Stande sein würden, eine Erhebung
durchzuführen, und ebenso wahrscheinlich mußte ein Scheitern derselben
die Übel, über welche sie klagten, nur vergrößern. Die wahre Politik der
Whigs wäre gewesen, sich mit Ergebung in das Mißgeschick zu fügen,
welches eine natürliche Folge und wohlverdiente Strafe ihrer Verirrungen
war, geduldig auf eine Änderung der Volksstimmung zu warten, die nicht
ausbleiben konnte, dem Gesetze sich zu fügen, und den, wenn auch
unvollkommenen doch keineswegs nichtigen Schutz zu beanspruchen, den das
Gesetz der Unschuld gewähren muß. Zu ihrem Unglück schlugen sie einen
anderen Weg ein. Gewissenlose heißblütige Führer der Partei bildeten und
verarbeiteten Widerstandspläne, und wurden zwar nicht mit Beifall, doch
mit dem Scheine des Einverständnisses von bessern Männern angehört, als
sie selbst waren. Man beschloß zu gleicher Zeit in London, in Cheshire,
zu Bristol und zu Newcastle Aufstände ausbrechen zu lassen, und hatte
mit den mißvergnügten schottischen Presbyterianern Verbindungen
angeknüpft, welche unter einer Tyrannei schmachteten, wie sie England in
den trübsten Zeiten nicht erduldet. Indem so die Führer der Opposition
Pläne wegen offener Rebellion besprachen, aber immer noch durch Furcht
und Gewissen sich von der entscheidenden That abhalten ließen, verfielen
einige ihrer Genossen auf einen ganz besonderen Plan. Für wilde,
charakterlose Menschen, welche der Fanatismus dem Wahnsinn nahe
gebracht, schien es der einfachste und sicherste Weg, die Freiheiten
Englands und den Protestantismus dadurch zu retten, daß man den König
und seinem Bruder einen Hinterhalt legte, und Beide ermordete. Bereits
waren Ort und Zeit bestimmt und die Einzelheiten der Ermordung häufig
besprochen worden, wenn auch noch nicht bis zur Ausführung geordnet. Nur
Wenige waren in diesen Plan eingeweiht, und namentlich wurde er vor dem
rechtschaffenen, menschenfreundlichen Russell und vor Monmouth geheim
gehalten, der zwar nicht eben ein zartes Gewissen hatte, aber doch mit
Entsetzen vor dem Verbrechen des Vatermords zurückgebebt sein würde. So
existirten zwei Verschwörungen, eine in der andern. Das größere Complot
der Whigs ging dahin, das Volk zum Aufruhr gegen die Regierung zu
verleiten, das kleinere Complot aber, das Ryehousecomplot
(Roggenhauscomplot) genannt, welches nur aus wenigen Personen bestand,
beabsichtigte den Meuchelmord des Königs und seines muthmaßlichen
Thronfolgers.


[_Entdeckung der Whigverschwörung._] Beide Complots wurden verrathen.
Feige Verräther eilten sich selbst zu retten, indem sie Alles und noch
mehr als das, anzeigten was in den Berathungen der Partei erwähnt worden
war. Es ist Thatsache, daß nur eine sehr kleine Zahl der Mißvergnügten
daran dachte, zum Mittel des Meuchelmordes zu schreiten, da aber zwei
Verschwörungen sich vereinigten, so war es der Regierung leicht, sie zu
vermischen.


[_Strenge der Regierung._] Die zu rechtfertigende Entrüstung, welche das
Ryehousecomplot hervorrief, traf längere Zeit die gesammte Whigpartei.
Der Konig hatte jetzt völlige Freiheit, für Jahre des Zwanges und der
Demüthigung sich zu rächen. Shaftesbury war allerdings dem, durch seine
vielfache Treulosigkeit wohlverdienten Schicksale entgangen. Er hatte
den Untergang seiner Partei herannahen sehen, hatte einen vergeblichen
Versuch gemacht, sich mit den königlichen Brüdern zu versöhnen, und war
nach Holland geflüchtet, wo er bald darauf unter dem großmüthigen
Schutze einer Regierung starb, der er manch bitteres Leid zugefügt.
Monmouth warf sich seinem Vater zu Füßen und erhielt Gnade,
compromittirte sich aber sehr bald wieder, und hielt es für klug, in ein
freiwilliges Exil zu gehen. Essex tödtete sich im Tower mit eigener
Hand. Russel, der keines hochverrätherischen Verbrechens schuldig
gewesen zu sein scheint, und Sidney, dessen Schuld gesetzlich nicht
bewiesen werden konnte, wurden trotz Recht und Gerechtigkeit enthauptet.
Russel starb mit christlicher Ergebung, Sidney mit stoischem Muthe.
Einige betheiligte Politiker von niederem Range wurden zum Galgen
verurtheilt. Viele flüchteten aus dem Lande. Eine Menge Prozesse
entstanden wegen unterlassener Anzeige von Verrath, wegen
Schmähschriften oder Verschwörungen. Verurtheilungen wurden ohne Mühe
von den torystischen Geschwornen erlangt und strenge Strafen von den
höfischen Richtern verhängt. Mit diesen Criminalprozessen vereinigten
sich nicht minder furchtbare Civilprozesse. Es wurden Personen verklagt,
die den Herzog von York beschimpft hatten, und Entschädigungen, welche
einer lebenslänglichen Kerkerhaft gleichkamen, wurden von dem Kläger
gefordert, und ohne Bedenken zuerkannt. Der Gerichtshof der Kings-Bench
erklärte, daß die Freiheiten der City Londons der Krone verfallen seien.
Dieser bedeutende Sieg machte die Regierung so übermüthig, daß sie die
Institutionen anderer Corporationen angriff, an deren Spitze Whigbeamten
standen, oder welche whigistische Mitglieder in das Parlament gewählt
hatten.


[_Entziehung von Privilegien._] Stadt für Stadt wurde gezwungen, ihre
Privilegien aufzugeben, und die neuen Freibriefe, welche an Stelle
derselben verliehen wurden, gaben den Tories überall die Herrschaft.

Wie wenig auch diese Maßregeln zu entschuldigen waren, so hatten sie
doch den Schein der Gesetzlichkeit, und wurden zugleich von einer
Handlung begleitet, welche die Befürchtungen zu nichte machen sollten,
mit denen viele loyale Leute der Thronbesteigung eines katholischen
Souverains entgegen sahen. Lady Anna, jüngere Tochter des Herzogs von
York aus erster Ehe, wurde mit Georg, einem Prinzen aus dem
rechtgläubigen Hause Dänemark, vermählt. Der torystische Adel sammt dem
Klerus hatten jetzt Ursache zu der Hoffnung, daß die englische Kirche,
ohne Verletzung der Thronfolgeordnung, vollständig gesichert sei. Der
König und sein Erbe standen in ziemlich gleichem Alter, beide näherten
sich dem Abend des Lebens. Der König erfreute sich einer vortrefflichen
Gesundheit, und aller Wahrscheinlichkeit nach konnte Jakob, wenn er
überhaupt auf den Thron gelangte, nur kurze Zeit regieren. Über diese
Zeit hinaus bot sich die zufriedenstellende Aussicht auf eine lange
Reihe protestantischer Souveraine.

Die Freiheit, ohne Censur zu drucken, gereichte der überwundenen Partei
zu wenig oder keinem Vortheil, denn die Stimmung der Richter und
Geschwornen war der Art, daß kein Schriftsteller, den die Regierung
wegen eines Libells verfolgte, die geringste Hoffnung hatte,
freigesprochen zu werden. Die Furcht vor Bestrafung brachte daher
dieselbe Wirkung hervor, welche die Censur selbst erzielt haben würde.
Indessen erdröhnten die Kanzeln von Reden gegen die Sünde der Rebellion.
Die Abhandlungen, in denen Filmer die Behauptung aufstellte, erbliche
Despotie sei die von Gott verordnete Regierungsform, beschränkte
Monarchie hingegen ein verderblicher Unsinn, waren kürzlich erschienen
und von der Mehrzahl der Tories wohl aufgenommen worden. An demselben
Tage, an welchem Russel auf dem Schaffot starb, erklärte sich die
Universität von Oxford für diese wunderlichen Lehren in einem
feierlichen öffentlichen Akte und ließ die politischen Schriften von
Buchanan, Milton und Baxter mitten auf dem Schulhofe verbrennen.

Hierdurch wurde der König ermuthigt die Grenzen zu überschreiten, welche
er einige Jahre lang respectirt hatte, und den klaren Buchstaben des
Gesetzes zu verletzen. Das Gesetz verordnete, daß zwischen der Auflösung
eines Parlaments und der Zusammenberufung eines anderen nicht mehr als
drei Jahre verstreichen dürften, aber drei Jahre waren nach Auflösung
des Parlaments von Oxford vorüber, und es erfolgten keine Neuwahlen.
Dieser Verfassungsbruch war um so weniger zu entschuldigen, da der König
keinen Grund hatte, sich vor einem neuen Hause der Gemeinen zu fürchten.
Die Grafschaften waren größtentheils auf seiner Seite, und die
Landstädte, welche früher unter der Herrschaft der Whigs standen, waren
so umgestaltet, daß man überzeugt sein konnte, sie würden nur dem Hofe
ergebene Leute wählen.


[_Einfluß des Herzogs von York._] Bald darauf kam abermals eine
Verletzung des Gesetzes vor, und zwar zu Gunsten des Herzogs von York.
Dieser Prinz war seiner Religion sowie seines harten, rauhen Charakters
wegen nichts weniger als populär, so daß man es als Nothwendigkeit
betrachtete ihn so lange aus den Augen des Volks zu bringen, als die
Ausschließungsbill im Parlamente verhandelt wurde, damit sein
öffentliches Erscheinen der Partei, die ihm sein Geburtsrecht entziehen
wollte, nicht zum Nutzen gereichen könne. Man hatte ihn deshalb
entsendet, Schottlands Regierung zu übernehmen, wo der alte, ungestüme
Tyrann Lauderdale im Begriff war zu sterben. Jetzt wurde selbst
Lauderdale übertroffen. Die Regierung Jakobs charakterisirte sich durch
gehässige Gesetze, unmenschliche Strafen und Urtheile, deren
Ungerechtigkeit selbst in jenem Zeitalter beispiellos war. Der
schottische Geheime Rath hatte die Macht, Staatsverbrecher der Folter zu
unterwerfen, dieser Anblick aber war so haarsträubend, daß wenn die
spanischen Stiefeln gebracht wurden, selbst die ergebensten und
herzlosesten Hofleute das Zimmer verließen. Der Sessionstisch war in
Folge dessen zuweilen ganz unbesetzt, und man erachtete es später für
nothwendig, besonders zu verordnen, daß die Räthe bei solchen
Gelegenheiten ihre Plätze nicht verlassen dürften. Was den Herzog von
York betraf, so schien ihm das entsetzliche Schauspiel, welche die
verworfensten Menschen jener Zeit nicht ohne Mitleid und Grausen ansehen
konnten, zu amüsiren. Er besuchte nicht nur die Rathssitzungen, wenn
gefoltert wurde, sondern betrachtete auch die Qualen der unglücklichen
Opfer mit einer Aufmerksamkeit und einem Behagen, mit denen man ein
interessantes, wissenschaftliches Experiment zu verfolgen pflegt.
So verlebte er seine Zeit in Edinburg, bis das Resultat des Kampfes
zwischen dem Hofe und den Whigs nicht mehr zu bezweifeln war; dann
kehrte er nach England zurück, obgleich noch immer durch die Testakte
von aller öffentlichen Thätigkeit ausgeschlossen. Anfänglich wagte der
König zwar nicht, gegen ein Gesetz zu handeln, in welchem die große
Mehrzahl seiner loyalsten Unterthanen eine hauptsächliche Bürgschaft für
ihre Religion und ihre bürgerlichen Rechte sah; als aber eine
Reihenfolge von Versuchen bewies, daß die Nation geduldig genug war,
fast Alles über sich ergehen zu lassen was der Regierung zu thun
beliebte, so erlaubte sich Karl im Interesse seines Bruders eine
Ausnahme vom Gesetz zu machen. Der Herzog kehrte auf seinen Sitz im
Rathe zurück, und übernahm die Leitung des Seewesens.


[_Halifax opponirt ihm._] Diese verfassungswidrige Handlung veranlaßte
freilich einige Unzufriedenheit unter den gemäßigten Tories, und fand
sogar bei den Ministern des Königs keinen einstimmigen Beifall. Halifax
besonders, zur Zeit Marquis und Lord des Geheimsiegels, zeigte von dem
Tage an, wo die Tories mit seiner Beihilfe das Übergewicht erlangten,
eine Hinneigung zur Partei der Whigs. Nachdem man die Ausschließungsbill
verworfen hatte, verlangte er von dem Hause der Lords vorbeugende
Schritte gegen die Gefahr, welche die Freiheiten sowie die Religion des
englischen Volkes unter der kommenden Regierung treffen könnte; mit
Besorgniß erkannte er erst jetzt die Heftigkeit einer Reaktion, welche
zum Theil von ihm selbst ausgegangen war. Er machte kein Hehl aus der
Verachtung, welche die erbärmlichen Lehren der Universität Oxford in ihm
hervorgerufen. Das Bündniß mit Frankreich war ihm ein Greuel, und er
mißbilligte ernstlich die lange Aussetzung des Parlaments, so wie er
auch den Barbarismus tadelte, mit dem man die gestürzte Partei
behandelte. Er, der unter der siegreichen Herrschaft der Whigs sich
nicht gescheut hatte, Stafford für unschuldig zu erklären, wagte es, als
diese Partei niedergeworfen und hilflos war, Russel in Schutz zu nehmen.
In einer der letzten Rathssitzungen, bei welchen Karl gegenwärtig war,
ereignete sich eine merkwürdige Scene. Der Freibrief für Massachusetts
war verwirkt, und es entstand die Frage, wie diese Colonie künftig
verwaltet werden sollte. Die übereinstimmende Meinung des Collegiums
war, daß die vollständige Gewalt, die gesetzgebende wie die executive,
von der Krone ausgeübt werden solle. Halifax war anderer Meinung, und
sprach mit großem Eifer gegen unumschränkte Monarchie und zu Gunsten
repräsentativer Verfassung. Es sei ein Irrthum, versicherte er, wenn man
sich dem Glauben hingäbe, daß eine dem englischen Volksstamme
entsprungene und von englischen Gefühlen durchdrungene Nation es längere
Zeit ertragen würde, englische Institutionen zu entbehren. Das Leben,
sagte er, würde werthlos sein in einem Lande, wo Freiheit und Eigenthum
der Willkür eines despotischen Herrschers preisgegeben wären. Der Herzog
von York war über diese Sprache höchst erbittert, und machte seinen
Bruder auf das Wagniß aufmerksam, einen Mann im Amte zu lassen, der die
gefährlichen Ansichten Marvells und Sidney's vollkommen zu theilen
scheine.

In neuerer Zeit ist Halifax von einigen Schriftstellern der Vorwurf
gemacht worden, daß er im Ministerium geblieben, während er das System,
nach welchem die inneren wie die äußeren Angelegenheiten behandelt
wurden, mißbilligte; doch ist dieser Tadel nicht gerechtfertigt. Man
darf nicht vergessen, daß der Begriff »Ministerium« in dem Sinne wie er
jetzt genommen wird, zu damaliger Zeit unbekannt war[7]. Die Sache
selbst existirte gar nicht, denn sie ist das Produkt eines Zeitalters,
in welchem sich die parlamentarische Regierung vollständig entwickelt
hatte. Jetzt bilden die ersten Diener der Krone einen geschlossenen
Körper und man nimmt an, daß unter ihnen ein freundschaftliches
Vertrauen besteht und sie über die Hauptgrundsätze einig sind, nach
denen die executive Verwaltung geleitet werden soll. Findet eine leichte
Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen statt, so wird sie bald
ausgeglichen; wenn aber Einer in einer Lebensfrage mit den Anderen nicht
übereinstimmt, so ist es seine Pflicht abzutreten. So lange er sein Amt
verwaltet, trifft auch ihn die Verantwortlichkeit für die Maßregeln, von
denen er seinen Collegen abzurathen sich bemüht hat. Im siebzehnten
Jahrhundert bestand unter den Leitern der verschiedenen
Verwaltungszweige, kein collegialisches Verhältniß dieser Art. Jeder
hätte für seine eigenen Handlungen einzustehen, für die Anwendung,
welche er von dem anvertrauten Amtssiegel gemacht, für Dokumente, die er
unterzeichnet, für die Rathschläge, welche er dem König ertheilt. Ein
Staatsmann hatte blos zu verantworten was er selbst gethan, oder wozu
Andere durch ihn veranlaßt worden waren. Wenn er sich bemühte, nicht den
Unterhändler bei unredlichen Angelegenheiten abzugeben, und als
Rathgeber immer nur das Rechte empfahl, so hatte er keinen Tadel zu
fürchten. Man würde es für eine unbegreifliche Bedenklichkeit erklärt
haben, wenn er sein Amt deshalb niedergelegt hätte, weil seine
Rathschläge in Dingen, die nicht in sein Departement gehörten, von
seinem Souverain unberücksichtigt geblieben wären, wenn er zum Beispiel
aus dem Admiralitätsrathe geschieden wäre, weil die Finanzen sich in
Unordnung, oder aus dem Schatzamte, weil die auswärtigen Angelegenheiten
sich in keinem befriedigenden Zustande befanden. Es war daher durchaus
nicht selten, zu gleicher Zeit Männer in hohen Ämtern zu sehen, welche
offenbar eben so weit von einander abwichen, wie Pulteney von Walpole,
oder Fox von Pitt.

    [Anmerkung 7: +North's Examen+, 69.]


[_Lord Guildford._] Die besonnenen und verfassungsmäßigen Rathschläge
Halifax' wurden, -- aber ohne Kraft und Entschlossenheit, -- von Franz
North, Lord Guildford unterstützt, welchem kürzlich das Amt eines
Großsiegelbewahrers anvertraut worden war. Guildfords Charakter ist mit
großer Ausführlichkeit von seinem Bruder, Roger North, geschildert
worden, einem höchst intoleranten Lord und sehr gezierten und
pedantischen Schriftsteller, aber aufmerksamen Beobachter aller kleinen
Umstände, welche den Menschen bezeichnen. Auffallend ist es, daß der
Biograph, trotzdem daß er unter dem Einflusse der stärksten,
brüderlichen Parteilichkeit stand, und obgleich er sich offenbar
anstrengte, ein vortheilhaftes Bild zu liefern, doch nicht im Stande
war, den Lord Siegelbewahrer anders als einen unedlen Menschen
hinzustellen. Doch besaß Guildford einen klaren Verstand, sein Fleiß war
groß, und seine Kenntnisse in Literatur und Wissenschaft nicht
unerheblich, sowie seine rechtswissenschaftliche Bildung mehr als
gewöhnlich. Seine Fehler bestanden in Egoismus, Feigheit und Gemeinheit.
Er war nicht unempfänglich für weibliche Schönheit und liebte den
starken Genuß des Weines, aber weder Schönheit noch Wein konnten den
vorsichtigen und geizigen Wüstling jemals, selbst nicht in frühen
Jugendjahren, zu einer Anwandlung von Hochherzigkeit verlocken. Obgleich
von edler Abstammung erhob er sich aus seiner Stellung nur durch
niederträchtiges Kriechen vor Allen, die in den Gerichtshöfen einigen
Einfluß hatten. Er wurde Oberrichter im Gerichtshofe der Common Pleas,
und als solcher Theilnehmer an einigen der schändlichsten Justizmorde,
welche die Geschichte kennt. Er besaß Einsicht genug, um zu wissen, daß
Oates und Bedloe Lügner waren, aber das Parlament und das Land befanden
sich in Aufregung, die Regierung hatte sich dem Drange gefügt, und North
war nicht der Mann, der um der Gerechtigkeit und Menschlichkeit willen
einen guten Posten aufgab. Während er also heimlich eine Widerlegung des
ganzen Romans von dem papistischen Complot niederschrieb, behauptete er
öffentlich, daß die Wahrheit dieser Geschichte sonnenklar sei,
und schämte sich nicht, vom Richterstuhle herab den unglücklichen
Katholiken, die auf Leben und Tod angeklagt vor ihm standen, wüthende
Blicke zuzuschleudern. Er hatte zuletzt die höchste richterliche
Stellung erreicht, aber ein Jurist, der nach jahrelanger Ausübung seines
Berufs in vorgerücktem Alter zur Politik übergeht, wird selten als
Staatsmann zu hoher Auszeichnung gelangen, und Guildford bestätigte
diese allgemeine Regel. Er kannte seine Schwächen so genau, daß er
niemals anwesend war, wenn seine Collegen über auswärtige
Angelegenheiten beriethen. Selbst bei Fragen, welche seinem Berufe
galten, hatte seine Meinung im Geheimen Rathe weniger Bedeutung als die
irgend eines früheren Großsiegelbewahrers. Übrigens benutzte er den
geringen Einfluß, den er besaß, so weit er den Muth dazu hatte,
wenigstens im Interesse der Gesetze.

Der vorzüglichste Widersacher des Halifax war Lawrence Hyde, der vor
kurzem zum Earl von Rochester erhoben worden war. Von allen Tories besaß
Rochester die größte Intoleranz, und war nicht leicht zu einem
Vergleiche zu bringen. Die gemäßigten Mitglieder seiner Partei beklagten
sich, daß das Schatzamt, so lange er als erster Commissar darin
fungirte, alle Stellen an laute Schreier vergebe, deren alleiniger
Anspruch auf Beförderung darin bestand, daß sie unaufhörlich auf den
Untergang des Whiggismus tranken und Freudenfeuer anzündeten, um die
Ausschließungsbill zu verbrennen; der Herzog von York aber, welchem ein
Charakter gefiel, der soviel Ähnlichkeit mir dem seinigen hatte,
unterstützte seinen Schwager auf das leidenschaftlichste und
beharrlichste.

Die Anstrengungen der rivalisirenden Minister, einander zu schlagen und
zu verdrängen, erhielten den Hof in beständiger Unruhe. Halifax lag den
König an, ein Parlament zu berufen, eine vollständige Amnestie zu
bewilligen, den Herzog von York jeder Theilnahme an der Regierung zu
entheben, Monmouth aus dem Exil zurückzurufen, jede Verbindung mit
Ludwig abzubrechen und eine enge Allianz mit Holland -- nach Art der
Tripleallianz -- zu schließen. Der Herzog von York dagegen scheute das
Zusammenkommen eines Parlaments, sah auf die gestürzte Partei der Whigs
noch immer mit dem alten Hasse herab, bildete sich noch immer ein, daß
der vor beinahe funfzehn Jahren zu Dover entworfene Plan ausführbar sei,
warnte fast täglich seinen Bruder, einen Mann, der im Herzen
Republikaner war, in dem Besitze des Geheimsiegels zu lassen, und
empfahl mit allem Eifer Rochester zu der hohen Stelle eines Lord
Schatzmeisters.

Während die beiden Parteien in der Weise kämpften, behauptete Godolphin,
vorsichtig, schweigsam und fleißig, Neutralität zwischen ihnen.
Sunderland intriguirte mit seiner bekannten nie ruhenden Falschheit
gegen beide. Mit Ungnade seiner Stelle enthoben, weil er für die
Ausschließungsbill gestimmt, war er zu Kreuze gekrochen, indem er sich
der Fürsprache der Herzogin von Portsmouth bediente und dem Herzog von
York demüthigst sich näherte. Jetzt war er wieder Staatssecretair.


[_Politik Ludwigs._] Auch Ludwig war weder nachlässig noch müßig. Zu
dieser Zeit begünstigte Alles seine Pläne. Er war vor dem deutschen
Reiche sicher, welches damals an der Donau mit den Türken kämpfte,
und Holland konnte ohne Bundesgenossen nicht daran denken, ihm
entgegenzutreten; er hatte deshalb freien Willen, seinem Ehrgeiz und
seiner Anmaßung den Zügel schießen zu lassen. Er eroberte Dixmuyden und
Courtray, bombardirte Luxemburg und beanspruchte von der Republik Genua
die schmählichsten Demütigungen. Die französische Macht erhob sich zu
jener Zeit auf die bedeutendste Höhe, die sie in dem Jahrtausend
zwischen den Regierungen Karls des Großen und Napoleons jemals
erreichte. Es war nicht abzusehen, wo ihre Eroberungen aufhören würden,
wenn es England in einem Zustande von Abhängigkeit erhalten konnte, und
es war daher eine wichtige Angelegenheit für den Versailler Hof, die
Einberufung eines Parlaments sowie die Versöhnung der englischen
Parteien zu verhindern. Zu diesem Zwecke wurden Versprechungen,
Drohungen und Bestechungen nach Kräften angewendet. Karl wurde bisweilen
durch die Hoffnung auf Subsidien angelockt, und dann wieder durch die
Mittheilung erschreckt, daß, wenn er die Häuser versammle, man die
geheimen Artikel des Vertrags von Dover zur öffentlichen Kenntniß
bringen werde. Mehrere Geheime Räthe wurden durch Bestechung gewonnen,
und als ein ähnlicher Versuch bei Halifax mißglückte, wandte die
französische Gesandtschaft ihren ganzen Einfluß und alle Kräfte an,
um den unbestechlichen Mann von seinem Posten zu verdrängen; aber
geistreicher Witz und die vielseitigsten Talente hatten ihn seinem
Gebieter so unentbehrlich gemacht, daß dieser Versuch fruchtlos
vorüberging.[8]

Halifax war nicht zufrieden bei der Defensive stehen zu bleiben, sondern
beschuldigte Rochester öffentlich der untreuen Verwaltung. Es fand eine
Untersuchung statt, bei der es sich zeigte, daß dem öffentlichen Schatze
durch schlechte Verwaltung des ersten Lords des Schatzes vierzigtausend
Pfund verloren gegangen waren. Durch diesen Vorfall wurde er gezwungen,
nicht nur seine Hoffnungen auf den weißen Stab fahren zu lassen, sondern
auch von der Leitung des Finanzwesens auf den, allerdings im Range
höheren, aber weniger bedeutenden und einträglichen Posten des Lord
Präsidenten überzugehen. »Ich habe schon Leute die Treppe hinunterwerfen
sehen -- meinte Halifax -- aber Mylord Rochester ist der Erste, den ich
jemals die Treppe hinaufwerfen sah.« Godolphin, jetzt Pair, wurde erster
Schatzcommissair.

    [Anmerkung 8: Lord Preston, damals Gesandter in Paris, schrieb von
    dort an Halifax folgendes: »Ich finde, daß Ew. Herrlichkeit noch
    immer so unglücklich sind, von diesem Hofe nicht mit günstigen
    Augen angesehen zu werden, und Herr Barillon darf Ihnen nicht
    freundlich zulächeln, da sein Hof die Stirn in Falten zieht. Sehr
    wohl bekannt sind Ew. Herrlichkeit Eigenschaften, welche zu Furcht
    und dadurch zu Haß gegen Sie Veranlassung geben und Sie können
    glauben, Mylord, wenn alle ihre Gewalt im Stande ist Sie nach
    Rufford zu bringen, so wird man dieselbe zu diesem Zweck in
    Anwendung bringen. Zwei Punkte heben sie, wie ich vernehme,
    besonders gegen Sie hervor: Ihre Verschwiegenheit nämlich, und den
    Umstand, daß Sie der Bestechung nicht zugänglich sind. Es ist mir
    bekannt, daß sie gegen diese zwei Dinge sich ausgesprochen haben.«
    Das Datum des Briefes ist vom 5. October N. St. 1683.]


[_Stand der Parteien am Hofe Karls zur Zeit seines Todes._] Der Kampf
war noch immer nicht zu Ende, der Ausgang war von dem Willen Karls
abhängig, und Karl konnte zu keinem Entschlusse kommen. In seiner
Verlegenheit versprach er Jedem was ihm einfiel. Einmal wollte er mit
Frankreich zusammenhalten, dann wollte er wieder jede Verbindung mit
Ludwig auflösen; jetzt wollte er nichts wieder von einem Parlamente
hören und gleich darauf wollte er befehlen, daß ein Ausschreiben für ein
solches ergehen solle; dem Herzog von York versprach er Halifax zu
entlassen. Öffentlich zeigte er die heftigste Erbitterung gegen
Monmouth, und im Geheimen versicherte er ihn seiner unwandelbaren
Zuneigung. Wie lange, im Fall er länger gelebt, diese Unentschiedenheit
gewährt haben und zu welchem Entschluß er endlich gekommen sein würde,
darüber lassen sich nur Vermuthungen hegen. Früh im Jahre 1685, als die
feindlichen Parteien mit ängstlicher Sorge seiner Entschließung harrten,
starb er, und es öffnete sich eine neue Scene. In einigen Monaten
verwischten die Übergriffe der Regierung den Eindruck, den die
Übergriffe der Opposition auf die öffentliche Stimmung hervorgebracht
hatten. Der heftigen Reaktion, welche die Partei der Whigs niederwarf,
folgte eine noch stärkere Reaktion in umgekehrter Richtung, und
deutliche Symptome ließen erwarten, daß der große Kampf zwischen den
Prärogativen der Krone und den Gerechtsamen des Parlaments nahe daran
sei, zu einem definitiven Resultat zu gelangen. --


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Druckfehler und Unregelmässigkeiten

Rechtschreibungsformen wie »funfzig« : »fünfzig«, »Urtel« : »Urtheil«
und »Partein« : »Parteien« sind ungeändert, sowie Wörter in »-löst« :
»-lös't«. Die Namen »Jacob« : »Jakob«, »Carl« : »Karl«, und »Russell« :
»Russel« sind ebenso ungeändert (auch wenn es um die selbe Person
handelt).


_Besondere Fehler_

  von Heinrichs III. bis zu Elisabeths Zeit
    [_ungeändert: fehler für_ Heinrichs VII. ?]
  Unter Eduard VI. hatten die Scrupel dieser Partei  [Eduard IV.]
  weder Tiberius, dem Zins zu zahlen Christus gebot, noch Nero, dem
    zu gehorchen Paulus den Römern befahl, waren der patriarchalischen
    Regierungstheorie nach faktisch Usurpatoren.
    [_ungeändert: übersetzungsfehler für_
    sowohl Tiberius ... als auch Nero ...
    (both Tiberius ... and Nero ... were ... usurpers)]
  seine unglücklichen Vorgänger, Eduard II. und Richard II.
    [Richard III.]

I. Kapitel

  In den ersten Zuständen Britanniens  [Britaniens]
  Endlich beginnt das Dunkel sich zu lichten  [beginnnt]
  die Pariser Gesellschaft des achtzehnten Jahrhunderts  [Jahrhunders]
  Ein grausames und rücksichtlos grausam angewendetes Strafgesetzbuch
    [_fehler für_ rücksichtslos?]
  Dieselbe Zeit, aus welcher der schwarze Prinz  [Zeit, welcher]
  völlig unabhängige Aristokratie schafft  [Aristokartie]
  vor dem geistlichen Richterstuhle  [Richterstule]
  Erbtheilung unter Brüdern in Yorkshire eingeführt werden  [Yorkshier]
  ohne Verzug das Parlament um nachträgliche Genehmigung  [Parlement]
  [Anm. I.2: ... seiner +constitutional History+  [_ungeändert_]
  zerstörte Wohnplätze und entvölkerte Städte  [zestörte]
  deren sich jeder Pächter und Krämer erfreute  [Pachter]
  trat ein Ereigniß ein, das den Geschicken  [daß]
  Der größte Theil Europa's besaß in jener Zeit
    [Euro-/ropa's _am Linienende_]
  dieselben alten Glaubensbekenntnisse, Bitten und Danksagungen
    [Glaubensbekenntnisse Bitten]
  Sie standen daher nicht nur untereinander, sondern oft auch
    [nicht untereinander]
  konnte ihm bis zu seinem letzten Lebensjahre nicht bewegen
    [_fehler für_ ihn?]
  seine Rechte rauben könne  [könnne]
  Lehre und Kirchendisziplin war bedeutend schwächer geworden  [georden]
  daß eine christliche Gemeinde ohne Bischof  [Gemeine]
  einen Mann, der allen andern Theologen  [alle]
  das ungeachtet eines gegebenen Versprechens
    [ge-/gegebenen _am Linienende_]
  die Namen Mars, Bacchus und Apollo  [Bachus]
  jeder kleine Separatisten-Verein ward ausgespürt
    [_fehler für_ aufgespürt?]
  wie man sie ihm in Westminster entgegenstellte  [entgegenstellt]
  von dem man sie gewaltsam fortgerissen  [gewalsam]
  Die Anklage des Lord Siegelbewahrers  [der]
  weder die großen Herren noch die großen Redner  [Herrrn]
  Nathaniel Fiennes, der an Fähigkeiten  [Fiennes der]
  Im Süden, unter Essex' Oberbefehl  [Essex, Oberbefehl]
  einen vom Glauben abgefallenen Major Zurechtweisungen ertheilte
    [_fehler für_ einem?]
  und der mit der feierlichen Ligue und dem Covenant  [und mit der]
  [_Seine Hinrichtung._]  [_. fehlt_]
  alle hatten sich nun gegen ihn verbunden.  [_. fehlt_]
  um sich zu einen unumschränktern Gebieter  [_fehler für_ einem?]
  »Barebones Parlament« getauft  [Barebone's]
  an der Spitze des protestantischen Interesses  [protestanischen]
  Das Haupt dieser Klasse war Fleetwood.  [Fleetword]
  und später Desborough dem Harrison weichen müssen  [Harrisson]

II. Kapitel

  [Inhalt]
  Die Namen Whig und Tory ... 71  [_fehlt in Inhaltsverzeichniss_]

  an der Spitze einer so höchst vortrefflichen Armee stand
    [_ungeändert: fehler für_ gestanden hätte ?]
  nur in Middlesex und Lancashire  [Middlessex]
  Einer der ersten Beschlüsse von Barebones Parlament  [Barebone's]
  der unduldsamen Loyalität der Edelleute  [Loyaletät]
  [Anm. II.1]  to Monday July 31st, 1643  [31st,1643]
  sondern auch in Rath und Parlament  [Parlement]
  Zwar versuchte er es den unduldsamen Glaubenseifer  [_ungeändert_]
  argwöhnisch gegen alle Ansprüche  [arwöhnisch]
  sowie seine Freunde Thomas Wriothesley  [Whriotesley]
  jedem edleren und menschenfreundlicheren Gefühle entfremdet
    [menschenfreundlicherem]
  den Ausschweifungen der Buckinghams und Sedley's  [Seydley's]
  wenn er seine Mußestunden  [Musestunden]
  höchst nachtheiligen Klima  [nachtheiligem]
  sein Haupt vor ihm gebeugt
    [_ungeändert: fehler für »ihr Haupt« oder »das Haupt«?_]
  im Parlamente wie im ganzen Lande herrschte  [Lande, herrschte]
  zeigte er einigen Großmuth  [einige]
  wie auf ihre eigene Loyalität  [Loyaletät]
  die naseweise Lustigkeit der Eleonore Gwynn  [Gwyne]
  während großer bürgerlicher Unruhen  [bürgerlichen]
  Der Prinz von Oranien war an dem Morde unschuldig  [Oranien, war]
  selbst wenn ihr Heimathsland und die Wunder
    [_fehler für_ Heimathland?]
  den protestantischen Nichtconformisten  [Nichtconfirmisten]
  Dankbarkeit für die ihn sehr vorsichtig gespendeten Summen
    [_fehler für_ ihm?]
  mit Hilfe Ralphs von Montague  [Mantague]
  es sei ein großes papistisches Complot entdeckt worden  [endeckt]
  In solchem Zustand  [_fehler für_ solchen?]
  Als Monmouth noch ein Kind war  [Monmuth]
  Die Regierung stellte Cavallerie bei Templebar  [_ungeändert_]
  der Ermordung Godfrey's  [Godefrey's]
  stets falsch und verblendet  [alsch]
  [Anm. II.5] den Erfolg von Halifax' Redekunst  [Halifax Redekunst]
  wurden trotz Recht und Gerechtigkeit enthauptet  [wurde]





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. - Erster Band enthaltend Kapitel 1 und 2" ***

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