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Title: Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten - Fünfter Band (der 11)
Author: Macaulay, Thomas Babington Macaulay, Baron, 1800-1859
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten - Fünfter Band (der 11)" ***

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THRONBESTEIGUNG JAKOB'S DES ZWEITEN***


[Zeichen _wie so_ bedeuten Gesperrt; +wie so+ bedeuten Antiqua
(nicht-Fraktur); =wie so= bedeuten Fettschrift.]



Thomas Babington Macaulay's

+Geschichte von England+

seit der

Thronbesteigung Jakob's des Zweiten.


Aus dem Englischen.


+Vollständige und wohlfeilste Stereotyp-Ausgabe.+


Fünfter Band.



=Leipzig, 1854.=
_G. H. Friedlein._


       *       *       *       *       *
           *       *       *       *


Neuntes Kapitel.

  _Jakob II._



=Inhalt.=

                                                               Seite
  Die Tories werden andrer Ansicht in Betreff der
      Rechtmäßigkeit des Widerstandes                              5
  Russell schlägt dem Prinzen von Oranien eine Landung in
      England vor                                                 11
  Heinrich Sidney                                                 11
  Devonshire                                                      12
  Shrewsbury. -- Halifax                                          12
  Danby und der Bischof Compton                                   13
  Nottingham                                                      14
  Lumley                                                          14
  Absendung der Einladung an Wilhelm                              14
  Mariens Verhalten                                               15
  Schwierigkeiten der Unternehmung Wilhelm's                      16
  Jakob's Benehmen nach dem Prozesse der Bischöfe                 19
  Entlassungen und Ernennungen                                    20
  Verfahren der Hohen Commission. Sprat tritt aus                 22
  Unzufriedenheit des Klerus. -- Vorgänge in Oxford               23
  Unzufriedenheit der Gentry                                      23
  Unzufriedenheit der Armee                                       24
  Es werden irische Truppen herübergezogen.
      -- Unwille des Volks                                        25
  Lillibullero                                                    39
  Politische Zustände in den Vereinigten Provinzen                30
  Fehler des Königs von Frankreich                                31
  Sein Streit mit dem Papste bezüglich der Vorrechte
      auswärtiger Gesandter                                       32
  Das Erzbisthum Köln                                             33
  Kluges Verfahren Wilhelm's                                      33
  Seine Rüstungen zu Lande und zur See                            34
  Er erhält zahlreiche Unterstützungszusagen aus England          35
  Sunderland                                                      36
  Wilhelm's Befürchtungen                                         39
  Jakob wird gewarnt                                              40
  Ludwig's Bemühungen, um Jakob zu retten                         41
  Jakob vereitelt dieselben                                       42
  Die französischen Armeen fallen in Deutschland ein              44
  Wilhelm erlangt die Genehmigung der Generalstaaten für
      seine Expedition                                            45
  Britische Abenteurer im Haag                                    46
  Wilhelm's Erklärung                                             47
  Jakob fängt an die Gefahr zu ahnen                              49
  Seine Seemacht                                                  49
  Seine militairischen Mittel                                     50
  Er versucht es, seine Unterthanen mit sich auszusöhnen          51
  Er bewilligt den Bischöfen eine Audienz                         51
  Seine Zugeständnisse werden übel aufgenommen                    53
  Dem Geheimen Rath werden Beweise für die legitime Geburt
      des Prinzen von Wales vorgelegt                             55
  Sunderland's Ungnade                                            56
  Wilhelm nimmt Abschied von den holländischen Generalstaaten     57
  Er schifft sich ein und segelt ab                               58
  Er wird durch einen Sturm zurückgeworfen                        58
  Seine Erklärung kommt in England an                             58
  Jakob befragt die Lords                                         58
  Wilhelm geht zum zweiten Male unter Segel                       60
  Er passirt die Meerenge                                         61
  Seine Landung bei Torbay                                        62
  Sein Einzug in Exeter                                           65
  Unterredung des Königs mit den Bischöfen                        69
  Ruhestörungen in London                                         71
  Angesehene Männer fangen an zu dem Prinzen überzugehen          72
  Lovelace                                                        72
  Colchester                                                      73
  Abingdon                                                        73
  Abfall Cornbury's                                               74
  Petition der Lords um Einberufung eines Parlaments              77
  Der König begiebt sich nach Salisbury                           79
  Seymour                                                         79
  Wilhelm's Hoflager in Exeter                                    79
  Aufstand im Norden                                              80
  Gefecht bei Wincanton                                           82
  Churchill's und Grafton's Abfall                                84
  Rückzug der königlichen Armee von Salisbury                     85
  Abfall des Prinzen Georg und Ormond's                           85
  Flucht der Prinzessin Anna                                      86
  Jakob hält eine Berathung mit den Lords                         88
  Er ernennt Commissare zur Unterhandlung mit Wilhelm             91
  Die Unterhandlung eine Finte                                    91
  Dartmouth weigert sich, den Prinzen von Wales nach Frankreich
      zu senden                                                   93
  Aufregung in London                                             94
  Falsche Proklamation                                            94
  Aufstände in verschiedenen Theilen des Landes                   95
  Clarendon schließt sich in Salisbury dem Prinzen an             97
  Spaltung im Lager des Prinzen                                   97
  Ankunft des Prinzen in Hungerford                               99
  Gefecht bei Reading                                            100
  Ankunft der königlichen Commissare in Hungerford               100
  Unterhandlung                                                  100
  Die Königin und der Prinz von Wales werden nach Frankreich
      geschickt                                                  104
  Lauzun                                                         104
  Anstalten des Königs zur Flucht                                107
  Seine Flucht                                                   108



Die Freisprechung der Bischöfe war nicht das einzige Ereigniß, das den
13. Juni 1688 zu einem wichtigen Datum unsrer Geschichte macht. An dem
nämlichen Tage, während auf hundert Kirchthürmen alle Glocken läuteten,
während von Hydepark bis Mile-End das Volk beschäftigt war, für die
Freudendemonstrationen in der Nacht Reisigbündel zusammenzutragen und
Päpste anzuputzen, wurde ein Actenstück, das für die Freiheiten Englands
kaum minder wichtig war, als die Magna Charta, von London nach dem Haag
gesandt.


[_Die Tories werden andrer Ansicht in Betreff der Rechtmäßigkeit des
Widerstandes._] Der Prozeß der Bischöfe und die Geburt des Prinzen von
Wales hatten in den Gesinnungen vieler Tories einen großen Umschwung
herbeigeführt. In dem Augenblicke, wo ihrer Kirche eine so empörende
Beleidigung und Verhöhnung widerfuhr, mußten sie die Hoffnung auf eine
friedliche Lösung aufgeben. Bisher hatten sie gehofft, daß die Prüfung,
welche ihre Loyalität zu ertragen hatte, wenn auch hart, doch nur
vorübergehend sein werde und daß ihre Leiden ohne Verletzung der
feststehenden Thronfolgeordnung bald gehoben werden würden. Jetzt aber
eröffnete sich ihnen eine ganz andre Aussicht. So weit sie vorwärts
blickten, sahen sie die verkehrte Regierung der letzten drei Jahre durch
ganze Menschenalter sich fortspinnen. Die Wiege des präsumtiven
Thronfolgers war von Jesuiten umgeben und es stand zu befürchten, daß
dem kindlichen Gemüth des Prinzen ein tödtlicher Haß gegen die Kirche,
deren Oberhaupt er dereinst werden sollte, eingeimpft, daß dieser Haß
das leitende Prinzip seines Lebens werden und auf seine Nachkommenschaft
übergehen würde. Und diese unheilvolle Aussicht hatte keine Grenze, sie
reichte über die Lebenszeit des jüngsten Menschen, bis über das
achtzehnte Jahrhundert hinaus. Niemand konnte sagen, wie viele
Generationen protestantischer Engländer noch ein Joch zu tragen haben
würden, das man selbst bei der Voraussicht einer kurzen Dauer schon für
unerträglich hielt. Gab es denn gar kein Heilmittel? Eines gab es noch,
ein rasches, heftiges und entscheidendes, ein Mittel, zu dem die Whigs
nur zu bereitwillig gegriffen hätten, das aber von den Tories jederzeit
und unter allen Umständen als verwerflich betrachtet worden war.

Die größten anglikanischen Gelehrten der damaligen Zeit hatten den Satz
aufgestellt, daß keine Übertretung eines Gesetzes oder eines Vertrags,
kein Übermaß von Härte, Raubsucht oder Willkür von Seiten eines
rechtmäßigen Königs sein Volk zum gewaltsamen Widerstande gegen ihn
berechtigen könne. Einige von ihnen hatten etwas darin gesucht, die
Lehre vom Nichtwiderstande in einer so überspannten Form darzustellen,
daß der gesunde Verstand und die Humanität sich dagegen empören mußten.
Sie bemerkten häufig und mit Nachdruck, daß Nero an der Spitze des
römischen Reiches gestanden habe, als Paulus die Pflicht des Gehorsams
gegen die Obrigkeit einschärfte. Daraus zogen sie den Schluß, daß, wenn
ein englischer König, ohne ein andres Gesetz als seinen Willen, seine
Unterthanen wegen Nichtanbetung von Götzenbildern verfolgte, sie den
Löwen im Tower vorwürfe, sie in getheerte Tücher hüllte und zur
Beleuchtung des St. Jamesparkes anzündete, und wenn er mit diesen
Grausamkeiten fortführe, bis ganze Städte und Grafschaften entvölkert
wären, die Überlebenden trotzdem noch immer verpflichtet sein würden,
sich willig zu unterwerfen und sich ohne Widerstand in Stücken zerreißen
oder lebendig braten zu lassen. Allerdings waren die Gründe, welche zu
Gunsten dieser Behauptung angeführt wurden, unhaltbar, aber der Mangel
vernünftiger Argumente wurde reichlich ersetzt durch die Alles
vermögende Sophistik des Eigennutzes und der Leidenschaft. Viele
Schriftsteller haben ihr Erstaunen darüber ausgedrückt, wie die stolzen
Kavaliere Englands sich für die knechtischeste Theorie, die die Welt je
gesehen hat, so begeistern konnten. Dies kommt daher, weil diese Theorie
dem Kavalier anfangs als der directe Gegensatz des Knechtischen
erschien, denn sie machte ihn nicht zum Sklaven, sondern zum freien
Herrn und Gebieter. Sie gefiel ihm, weil sie dem gefiel, den er als
seinen Beschützer, als seinen Freund, als das Oberhaupt seiner geliebten
Partei und seiner noch mehr geliebten Kirche betrachtete. Unter der
Herrschaft der Republikaner hatte der Royalist Unbilden und Kränkungen
ertragen müssen, welche er nach der Wiedereinsetzung der rechtmäßigen
Regierung hatte vergelten können. Rebellion war daher in seinem Sinne
gleichbedeutend mit Unterwerfung und Erniedrigung, monarchische
Autorität mit Freiheit und Übergewicht. Es war ihm nie eingefallen,
daß eine Zeit kommen könnte, wo ein König, ein Stuart die loyalsten
Geistlichen und Edelleute mit größerer Erbitterung verfolgen würde, als
einst der Rumpf oder der Protector. Eine solche Zeit war gekommen. Jetzt
mußte es sich zeigen, wie die Geduld, welche die Anhänger der
Landeskirche aus den Schriften des Paulus gelernt zu haben vermeinten,
die Probe einer Verfolgung bestehen würde, die noch keineswegs so
schlimm war, wie die eines Nero. Das Ergebniß war so, wie es Jedermann,
der die menschliche Natur nur einigermaßen kannte, vorausgesagt haben
würde. Der Despotismus bewirkte bald, was, der Philosophie und der
Beredtsamkeit nie gelungen wäre. Die Angriffe Locke's hatte Filmer's
System überleben können, aber von dem tödtlichen Schlage, den Jakob ihm
versetzte, erholte es sich nie wieder.

Die Gründe, welche für unwiderleglich erklärt wurden, so lange man damit
beweisen wollte, daß Presbyterianer und Independenten Haft und
Eigenthumsberaubung mit Sanftmuth und Geduld ertragen müßten, schienen
bedeutend an Haltbarkeit zu verlieren, als es sich fragte, ob
anglikanische Bischöfe eingesperrt und die Einkünfte anglikanischer
Collegien eingezogen werden dürften. Es war von den Kanzeln aller
Kathedralen des Landes herab oft wiederholt worden, daß das apostolische
Gebot, der bürgerlichen Obrigkeit zu gehorchen, unbedingt und allgemein
und daß es eine gottlose Anmaßung der Menschen sei, ein im Worte Gottes
ohne alle Beschränkung erlassenes Gebot beschränken zu wollen. Jetzt
aber entdeckten die Geistlichen, deren Scharfsinn durch die drohende
Gefahr, ihrer Ämter und Pfründen entsetzt zu werden, um Papisten Platz
zu machen, bedeutend erhöht wurde, einige Lücken in dem Raisonnement,
das ihnen früher so überzeugend vorgekommen war. Die ethischen
Stellen der heiligen Schrift, meinten sie, dürfe man nicht wie
Parlamentsverordnungen oder wie casuistische Abhandlungen der Gelehrten
deuten. Welcher Christ werde dem Grobian, der ihn auf die rechte Wange
geschlagen, wirklich auch die linke hinhalten? Welcher Christ werde dem
Diebe, der ihm den Rock genommen, auch noch den Mantel geben? Im Alten
wie im Neuen Testament seien durchgängig nur allgemeine Regeln
aufgestellt, ohne die Ausnahmen mit anzuführen. So stehe darin das
allgemeine Gebot, nicht zu tödten, aber ohne einen Vorbehalt zu Gunsten
des Kriegers, der zur Vertheidigung seines Königs und seines Vaterlandes
tödtet. So stehe ferner darin das allgemeine Gebot nicht zu schwören,
aber ohne Vorbehalt zu Gunsten des Zeugen, der vor dem Richter schwört,
daß er die Wahrheit sagen wolle. Die Rechtmäßigkeit des
Vertheidigungskrieges und des gerichtlichen Eides werde aber nur von
einigen obscuren Sectirern bestritten, und sei in den Artikeln der
anglikanischen Kirche ausdrücklich behauptet. Alle die Gründe, welche
bewiesen, daß die Weigerung des Quäkers, Waffen zu tragen oder das
Evangelium zu küssen, unvernünftig und verkehrt sei, könnten auch gegen
Diejenigen gewendet werden, welche den Unterthanen das Recht des
gewaltsamen Widerstandes gegen maßlose Tyrannei absprachen. Wenn man
behaupte, daß die Bibelstellen, welche das Tödten und das Schwören
verboten, trotz ihrer allgemeinen Fassung doch als Unterwerfung unter
das große Gebot ausgelegt werden müßten, welches jedem Menschen
befiehlt, die Wohlfahrt seines Nächsten zu fördern und daß sie bei
solcher Auslegung nicht auf Fälle angewendet werden könnten, in denen
das Tödten und Schwören zum Schutze der theuersten Interessen der
Gesellschaft durchaus nothwendig sei, dann werde man auch schwerlich
leugnen können, daß die Bibelstellen, welche den gewaltsamen Widerstand
gegen Vorgesetzte verbieten, ebenso gedeutet werden dürften. Wenn dem
alten Volke Gottes unter Umständen gestattet worden sei, Menschenleben
zu vernichten und sich durch Eide zu binden, so sei es ihnen unter
Umständen auch erlaubt gewesen, schlechten Fürsten Widerstand zu
leisten. Wenn die alten Väter der Kirche gelegentlich eine Sprache
geführt hätten, aus welcher hervorzugehen schiene, daß sie jeden
gewaltsamen Widerstand mißbilligten, so hätten sie gelegentlich auch
eine Sprache geführt, aus welcher hervorgehe, daß sie allen Krieg und
alle Eide verwarfen. In der That, die Lehre vom passiven Gehorsam, wie
sie unter der Regierung Karl's II. in Oxford gepredigt wurde, kann nur
durch eine einseitige Auslegung, die uns unvermeidlich zu den
Schlußfolgerungen Barclay's und Penn's führen wurde, aus der Bibel
hergeleitet werden.

Es waren jedoch nicht allein dem Wortlaute der heiligen Schrift
entlehnte Gründe, vermittelst deren die anglikanischen Theologen in den
unmittelbar auf die Restauration folgenden Jahren ihren Lieblingssatz zu
beweisen versuchten. Sie hatten sich auch bemüht darzuthun, daß selbst
wenn die Offenbarung darüber schweige, schon die Vernunft den Weisen von
der Thorheit und Verwerflichkeit jedes gewaltsamen Widerstandes gegen
die bestehende Regierung überzeugt haben würde. Es werde allgemein
zugegeben, daß solcher Widerstand, außer im höchsten Nothfalle, nicht zu
rechtfertigen sei. Aber wer könne die Grenze zwischen höchsten
Nothfällen und gewöhnlichen Fällen bestimmen? Gäbe es wohl eine
Regierung, unter der sich nicht Mißvergnügte und Aufwiegler finden
würden, welche sagten und vielleicht auch wirklich glaubten, daß ihre
Beschwerden einen höchsten Nothfall begründeten? Ja, wenn sich eine
klare und bestimmte Regel aufstellen ließe, welche den Menschen verböte,
sich gegen einen Trajan zu empören, ihnen aber erlaubte, sich gegen
einen Caligula aufzulehnen, so würde eine solche Regel allerdings höchst
wohlthätig sein. Aber eine derartige Regel sei nie aufgestellt worden
und könne auch nie aufgestellt werden. Wenn man sage, der Aufruhr sei
unter gewissen Umständen erlaubt, ohne diese Umstände genau zu
bezeichnen, so sei dies eben so gut als wenn man sage, Jedermann dürfe
sich empören, sobald es ihm passend erscheine; eine Gesellschaft aber,
in der sich Jedermann empören könne, wenn er es für zweckmäßig halte,
sei schlechter bestellt als eine unter der Herrschaft des grausamsten
und willkürlichsten Despoten stehende. Daher sei es nothwendig, das
große Prinzip des Nichtwiderstandes in seinem vollen Umfange aufrecht zu
erhalten. Allerdings könnten besondere Fälle eintreten, in denen der
Widerstand eine Wohlthat für die Gesellschaft sein würde; im Ganzen
genommen aber sei es immer besser, wenn das Volk geduldig eine schlechte
Regierung ertrage, als wenn es sich durch Verletzung eines Gesetzes zu
helfen suche, auf dem die Sicherheit jeder Regierung beruhe.

Eine solche Argumentation überzeugte wohl eine herrschende und
glückliche Partei sehr leicht, aber die Prüfung von Geistern, welche
durch königliche Ungerechtigkeit und Undankbarkeit heftig gereizt waren,
hielt sie nicht aus. Es ist allerdings unmöglich, eine strenge Grenze
zwischen rechtmäßigem und unrechtmäßigem Widerstande zu ziehen; aber
diese Unmöglichkeit liegt in dem ganzen Wesen von Recht und Unrecht und
findet sich in fast jedem Zweige der ethischen Wissenschaft. Eine gute
Handlung unterscheidet sich von einer schlechten nicht durch so
deutliche Kennzeichen, wie ein Sechseck von einem Quadrat. Es giebt eine
Grenze, wo Tugend und Laster in einander verschmelzen. Wer hat jemals
eine genaue Grenzlinie zwischen Muth und Unbesonnenheit, zwischen
Vorsicht und Feigheit, zwischen Sparsamkeit und Geiz, zwischen
Freigebigkeit und Verschwendung zu ziehen vermocht? Wer hat jemals sagen
können, wie weit die Nachsicht gegen Verbrecher gehen darf, wo sie
aufhört den Namen Nachsicht zu verdienen, um verderbliche Schwäche zu
werden? Welcher Casuist, welcher Gesetzgeber ist jemals im Stande
gewesen, die Grenzen des Selbstvertheidigungsrechts zu bestimmen? Alle
unsere Juristen sind der Ansicht, daß ein gewisses Maß von Gefahr für
Leben oder Glieder den Menschen berechtige, einen Angreifer
niederzuschießen oder zu erstechen, aber den Versuch, das Maß der Gefahr
in bestimmten Worten zu bezeichnen, haben sie längst als unausführbar
aufgegeben. Sie sagen nur, es dürfe keine unbedeutende, sondern eine
solche Gefahr sein, die einen muthigen Menschen ernstlich um sich
besorgt machen kann; aber wer wird es unternehmen zu sagen, welcher Grad
von Besorgniß wirklich ernst genannt zu werden verdient oder wie der
Geist eines Menschen beschaffen sein muß, um als muthig gelten zu
können? Man muß es allerdings beklagen, daß die Natur der Worte und die
Natur der Dinge eine genauere Gesetzgebung nicht gestattet, und es läßt
sich nicht leugnen, daß oft Jemandem Unrecht geschieht, wenn die
Menschen Richter in ihrer eignen Sache sind und ihr Urtheil
augenblicklich vollziehen. Aber wer könnte deshalb alle und jede
Nothwehr verbieten? Das Recht eines Volks, einer schlechten Regierung
Widerstand zu leisten, ist ganz analog dem Rechte, mit dem der Einzelne
in Ermangelung gesetzlichen Schutzes einen ihn Angreifenden erschlagen
darf. In beiden Fällen muß die Gefahr sehr ernst sein; in beiden Fällen
müssen alle gesetzlichen und friedlichen Vertheidigungsmittel erschöpft
sein, ehe die verletzte Partei zum Äußersten schreitet; in beiden Fällen
ladet man sich eine große Verantwortlichkeit auf; in beiden Fällen ruht
die Beweislast auf Demjenigen, der es gewagt hat, zu einem so
verzweifelten Auskunftsmittel zu greifen, und vermag er sich nicht zu
rechtfertigen, so verwirkt er mit Recht die schwersten Strafen. Aber in
keinem der beiden Fälle können wir das Vorhandensein alles Rechts
leugnen. Ein von Mördern überfallener Mensch ist nicht verpflichtet,
sich ohne von seinen Waffen Gebrauch zu machen, martern und abschlachten
zu lassen, weil noch Niemand im Stande gewesen ist, das Maß der Gefahr,
welches einen Todtschlag rechtfertigt, genau zu bestimmen. Ebenso wenig
ist eine Gesellschaft verpflichtet, Alles was die Tyrannei über sie
verhängen kann, mit passiver Geduld zu ertragen, weil noch Niemand das
Maß der Regierungssünden, das eine Empörung rechtfertigt, genau zu
bestimmen vermochte.

Aber konnte der Widerstand der Engländer gegen einen Fürsten wie Jakob
eigentlich Empörung genannt werden? Die ächten Schüler Filmer's
behaupteten allerdings, daß zwischen unsrem Regierungssystem und dem der
Türkei nicht der geringste Unterschied sei, und wenn der König sich
nicht den Inhalt aller Kaufmannskasten in Lombard Street zueigne und
Stumme mit der seidenen Schnur zu Sancroft und Halifax sende, so
geschehe dies nur, weil Seine Majestät zu mild und gnädig sei, als daß
er seine ganze, ihm vom Himmel ertheilte Macht ausüben sollte. Aber wenn
auch die Tories zuweilen in der Hitze des Wortstreits eine Sprache
führten, welche anzudeuten schien, daß sie diesen überspannten Lehren
Beifall zollten, so verabscheuten sie den Despotismus doch gründlich.
Die englische Regierungsform war nach ihren Begriffen eine beschränkt
monarchische. Aber wie kann eine Monarchie beschränkt genannt werden,
wenn niemals, selbst nicht im äußersten Nothfalle Gewalt angewendet
werden darf, um sie innerhalb der ihr vorgeschriebenen Schranken zu
halten? In Rußland, wo der Herrscher nach der Verfassung des Staats
unbeschränkt war, konnte man vielleicht mit einem Schein von Richtigkeit
behaupten, daß er, welche Übergriffe er sich auch erlaubte, noch immer
nach christlichen Grundsätzen von seinen Unterthanen Gehorsam verlangen
durfte. Bei uns aber stand der Fürst so gut unter dem Gesetze wie das
Volk. Es war daher Jakob, der das Wehe über sich brachte, welches Denen
angedroht ist, die der bestehenden Gewalt Hohn sprechen. Jakob war es,
der sich den Anordnungen Gottes widersetzte, der sich gegen die
rechtmäßige Autorität auflehnte, welcher er nicht allein aus Furcht vor
dem göttlichen Zorne, sondern schon nach eigenem Gewissen hätte
unterthan sein sollen, und der im wahren Sinne der Worte Jesu dem Kaiser
nicht gab was des Kaisers war.

In Folge derartiger Betrachtungen fingen die kundigsten und
aufgeklärtesten Tories an zuzugeben, daß sie in der Lehre vom passiven
Gehorsam doch zu weit gegangen waren. Der Streit zwischen diesen Männern
und den Whigs bezüglich der gegenseitigen Verpflichtungen der Könige und
Unterthanen war jetzt kein Prinzipstreit mehr. Es blieben allerdings
noch einige gerichtliche Streitpunkte zwischen der Partei, welche
jederzeit die Rechtmäßigkeit des gewaltsamen Widerstandes behauptet
hatten, und den Neubekehrten. Das Andenken des gesegneten Märtyrers
wurde von den alten Kavalieren, welche bereit waren, gegen seinen
entarteten Sohn die Waffen zu ergreifen, noch immer so hoch als je
verehrt. Sie sprachen noch immer mit Abscheu von dem langen Parlamente,
von dem Ryehousecomplot und von dem Aufstande im Westen. Aber wie sie
auch über die Vergangenheit denken mochten, ihre Ansicht von der
Gegenwart war entschieden whiggistisch, denn sie waren jetzt der
Meinung, daß äußerster Druck gewaltsamen Widerstand rechtfertigen könne
und daß der Druck, unter dem die Nation eben seufzte, den äußersten Grad
erreicht habe.[1]

Man darf jedoch nicht glauben, daß alle Tories selbst unter den
damaligen Umständen einem Prinzipe entsagten, daß sie von Kindheit auf
als einen wesentlichen Bestandtheil des Christenthums betrachten
gelernt, zu dem sie sich viele Jahre lang mit prahlender Heftigkeit
bekannt und das sie durch Verfolgung zu verbreiten gesucht hatten.
Manche hielten aus wirklicher Überzeugung, Andere aus Scham an dem alten
Glauben fest. Der größere Theil aber selbst von Denen, welche nach wie
vor jeden gewaltsamen Widerstand gegen den Landesherrn für unstatthaft
erklärten, war geneigt, im Falle eines Bürgerkriegs neutral zu bleiben.
Keine Herausforderung sollte sie zum Aufstande bewegen, wenn aber ein
solcher ausbräche, so glaubten sie sich nicht verpflichtet, für
Jakob II. zu kämpfen, wie sie für Karl I. gekämpft haben würden. Paulus
habe den Christen in Rom verboten, sich gegen die Herrschaft Nero's zu
empören; aber es sei kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß, wenn der
Apostel noch gelebt hätte, als die Legionen und der Senat sich gegen den
ruchlosen Kaiser erhoben, er den Brüdern befohlen haben würde, zur
Unterstützung der Tyrannei zu den Waffen zu eilen. Die Pflicht der
verfolgten Kirche sei klar: sie müsse geduldig ausharren und ihre Sache
Gott anheim stellen. Wenn es aber Gott, dessen weise Fürsorge stets das
Böse zum Guten lenkt, gefallen sollte, wie es ihm oft gefallen habe,
sich zur Abstellung ihrer Leiden der Vermittelung solcher Menschen zu
bedienen, deren heftige Leidenschaften ihre Lehren nicht zu bezähmen
vermocht hätten, so könne sie dankbar von ihm eine Befreiung annehmen,
welche auf eigne Hand zu bewerkstelligen ihre Grundsätze ihr nicht
gestatteten. So waren die meisten von den Tories, welche noch immer
jeden Gedanken an einen Angriff auf die Regierung aufrichtig
zurückwiesen, doch keineswegs gemeint, sie zu vertheidigen, und freuten
sich vielleicht, während sie sich ihrer eigenen Gewissensscrupel
rühmten, im Stillen darüber, daß nicht Jedermann so bedenklich war als
sie.

Die Whigs sahen, daß ihre Zeit gekommen war. Ob sie das Schwert gegen
die Regierung ziehen sollten, war schon seit sechs oder sieben Jahren
bei ihnen nur noch eine Frage der Klugheit und jetzt gebot ihnen eben
die Klugheit, einen kühnen Weg einzuschlagen.

    [Anmerkung 1: Dieser Umschwung in den Ansichten eines Theiles der
    Torypartei ist in einem Schriftchen, welches zu Anfang des Jahres
    1689 unter dem Titel erschien: +»A Dialogue betwen Two friends,
    wherein the Church of England is vindicated in joining with the
    Prince of Orange«+ trefflich dargestellt.]


[_Russell schlägt dem Prinzen von Oranien eine Landung in England vor._]
Im Mai, vor der Geburt des Prinzen von Wales und während es noch ungewiß
war, ob die Indulgenzerklärung in den Kirchen verlesen werden würde oder
nicht, hatte sich Eduard Russell nach dem Haag begeben, hatte dem
Prinzen von Oranien den Zustand der Volksstimmung eindringlich
geschildert und Seiner Hoheit gerathen, an der Spitze einer starken
Truppenmacht in England zu erscheinen und das Volk zu den Waffen zu
rufen.

Wilhelm hatte die ganze Bedeutung der Krisis auf den ersten Blick
erkannt. »Jetzt oder nie!« sagte er auf Lateinisch zu Dykvelt.[2] Gegen
Russell sprach er sich vorsichtiger aus, gab zu, daß die Leiden des
Staats von der Art seien, daß sie ein außergewöhnliches Heilmittel
erheischten, sprach aber sehr ernstlich von dem möglichen Scheitern des
Unternehmens und von dem Unheil, welches dadurch über Großbritannien und
über ganz Europa gebracht werden konnte. Er wisse nur zu gut, daß Viele,
die sich jetzt in hochtönenden Worten bereit erklärten, Gut und Blut dem
Vaterlande zu opfern, wieder zaghaft werden würden, wenn ihnen die
Aussicht auf eine Wiederholung der Blutigen Assisen nahe vor Augen
träte, und er könne sich daher nicht mit unbestimmten Versicherungen von
Geneigtheit begnügen, sondern verlange bestimmte Einladungen und
schriftliche Unterstützungszusagen von einflußreichen und bedeutenden
Männern. Russell bemerkte ihm dagegen, daß es gefährlich sein werde,
eine größere Anzahl von Personen in den Plan einzuweihen. Wilhelm
stimmte ihm bei und sagte, daß einige wenige Unterschriften genügen
würden, wenn es die von Staatsmännern wären, welche große Parteien
repräsentirten.[3]

    [Anmerkung 2: +»Aut nunc, aut nunquam.«+ -- Witsen's
    Handschriften, citirt von Wagenaar, Buch 60.]

    [Anmerkung 3: +Burnet, I. 763.+]


[_Heinrich Sidney._] Mit dieser Antwort kehrte Russell nach London
zurück, wo er die Aufregung bedeutend gestiegen und noch täglich
zunehmend fand. Die Einsperrung der Bischöfe und die Entbindung der
Königin erleichterten ihm seine Aufgabe mehr als er es hätte erwarten
können. Er eilte die Stimmen der Oberhäupter der Opposition zu sammeln
und sein Hauptgehülfe bei diesem Geschäft war Heinrich Sidney, der
Bruder Algernon's. Es ist ein bemerkenswerther Umstand, daß Eduard
Russell sowohl als Heinrich Sidney dem Hofstaate Jakob's angehört
hatten, daß Beide theils aus politischen, theils aus Privatgründen seine
Feinde geworden waren und daß Beide das Blut naher Verwandter zu rächen
hatten, welche in einem und demselben Jahre als Opfer seiner
unerbittlichen Strenge gefallen waren. Hier endet jedoch die
Ähnlichkeit. Russel war, bei bedeutenden Fähigkeiten, stolz,
sarkastisch, ruhelos und heftig. Sidney schien bei sanftem Gemüth und
einnehmenden Manieren seine besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse zu
besitzen und in Genußsucht und Indolenz versunken zu sein. Von Gesicht
und Gestalt war er auffallend hübsch. In seiner Jugend war er der
Schrecken der Ehemänner gewesen und selbst jetzt, dem fünfzigsten Jahre
nahe, war er noch der Liebling der Frauen und ein Gegenstand des Neides
für jüngere Männer. Er hatte sich früher in amtlicher Stellung im Haag
aufgehalten und es war ihm gelungen, sich Wilhelm's Vertrauen in hohem
Grade zu erwerben. Viele wunderten sich darüber, denn man hätte glauben
sollen, daß der ernsteste Staatsmann und der ausschweifendste
Müßiggänger nichts mit einander gemein haben könnten. Swift konnte viele
Jahre später nicht begreifen, daß ein Mann, den er nur als einen
wissenschaftlich ungebildeten und frivolen alten Wüstling gekannt hatte,
wirklich in einer großen Revolution eine große Rolle gespielt haben
sollte. Doch selbst ein minder scharfsichtiger Beobachter als Swift
hätte wissen können, daß es einen gewissen instinktartigen Takt giebt,
der oft großen Rednern und Philosophen fehlt, aber oft bei Personen
gefunden wird, die man für einfältige Menschen erklären würde, wenn man
sie nur nach ihren Reden und Schriften beurtheilte. In der That, wer
diesen Takt besitzt, für den ist es in gewissem Sinne ein Vortheil, wenn
ihm die glänzenderen Talente mangeln, die ihn zu einem Gegenstande der
Bewunderung, des Neides und der Furcht machen würden. Sidney war ein
sprechender Beleg für diese Wahrheit. So untüchtig, unwissend und
ausschweifend er zu sein schien, so erkannte er doch ober fühlte er
vielmehr, gegen wen er zurückhaltend sein mußte und gegen wen er ohne
Gefahr mittheilend sein durfte. In Folge dessen leistete er was Mordaunt
mit all' seiner Lebhaftigkeit und all' seinem Erfindungsgeiste oder
Burnet mit all' seinem vielseitigen Wissen und seiner fließenden
Beredtsamkeit nie hätten ausführen können.[4]

    [Anmerkung 4: +Sidney's Diary and Correspondence, edited by
    Blencowe+; +Mackay's Memoirs+ und Swift's Note; +Burnet, I. 763.+]


[_Devonshire._] Bei den alten Whigs konnte es keine Schwierigkeiten
haben. Ihrer Meinung nach hatte es seit vielen Jahren kaum einen
Augenblick gegeben, wo die öffentlichen Rechtsverletzungen nicht den
Widerstand gerechtfertigt hätten. Devonshire, der als ihr Oberhaupt
betrachtet werden konnte, hatte sowohl private als öffentliche Unbilden
zu rächen. Er ging mit ganzem Herzen auf den Plan ein und bürgte für
seine Partei.[5]

    [Anmerkung 5: +Burnet, I. 764+; Chiffrirter Brief an Wilhelm vom
    18. Juni 1688 in Dalrymple.]


[_Shrewsbury. -- Halifax._] Russell theilte den Plan Shrewsbury mit und
Sidney sondirte Halifax. Shrewsbury entschloß sich mit einem Muthe und
einer Entschiedenheit, welche späterhin seinem Character zu fehlen
schienen. Er erklärte sich sofort bereit, sein Vermögen, seine Ehre und
sein Leben aufs Spiel zu setzen. Halifax aber nahm die erste Andeutung
des Vorhabens in einer Weise auf, welche bewies, daß es nutzlos und
vielleicht sogar gefährlich gewesen wäre, sich deutlicher auszusprechen.
Er war in der That auch nicht der Mann zu einem solchen Unternehmen.
Sein Geist war unerschöpflich in subtilen Unterscheidungen und
Einwendungen, sein Temperament friedliebend und nicht waghalsig. Er war
bereit, dem Hofe im Hause der Lords und durch anonyme Schriften bis aufs
Äußerste zu opponiren; aber seine vornehme Ruhe mit dem unsicheren und
bewegten Leben eines Verschwörers zu vertauschen, sich in die Gewalt von
Mitverschwornen zu geben, in beständiger Angst vor Verhaftbefehlen und
Königsboten zu leben, ja vielleicht gar auf dem Schaffot zu enden, oder
in einer Hintergasse im Haag von Almosen zu existiren, dazu hatte er
wenig Lust. Er äußerte daher einige Worte, welche deutlich erkennen
ließen, daß er nicht wünschte, in die Pläne seiner verwegeneren und
ungestümeren Freunde eingeweiht zu werden. Sidney verstand ihn und sagte
nichts mehr.[6]

    [Anmerkung 6: +Ibid.+]


[_Danby und der Bischof Compton._] Hierauf wendete man sich nun zunächst
an Danby und mit weit besserem Erfolg. Für seinen kühnen und
thatkräftigen Geist hatten Gefahr und Aufregung, welche dem zarter
organisirten Gemüth Halifax' unerträglich waren, einen großen Reiz. Die
verschiedenen Charactere der beiden Staatsmänner waren schon in ihren
Gesichtszügen zu erkennen. Halifax' Stirn, Auge und Mund verriethen
einen ausgezeichneten Verstand und einen ungewöhnlichen Sinn für die
Satire; aber sein Gesichtsausdruck war der eines Skeptikers, eines
Sybariten, eines Mannes, der so leicht nicht Alles auf eine Karte setzt
oder für irgend eine Sache zum Märtyrer wird. Wer sein Gesicht kennt,
wird sich nicht wundern können, daß der Schriftsteller, der ihm am
meisten Vergnügen machte, Montaigne war.[7] Danby war ein Skelett; sein
hageres und faltenreiches, obgleich ansprechendes und edles Gesicht
verrieth sowohl seine ausgezeichneten Geistesgaben, als auch seinen
ruhelosen Ehrgeiz. Er hatte sich schon einmal aus der Dunkelheit auf den
Gipfel der Macht emporgeschwungen und war dann plötzlich von seiner Höhe
herabgestürzt. Sein Leben war in Gefahr gewesen und er hatte Jahre lang
im Gefängniß zugebracht. Jetzt war er frei, aber damit war er nicht
zufrieden, er wollte wieder groß werden. Als treuer Anhänger der
anglikanischen Kirche und Feind des französischen Übergewichts konnte er
nicht hoffen, an einem von Jesuiten wimmelnden und dem Hause Bourbon
ergebenen Hofe etwas Großes zu werden. Wenn er aber eine Hauptrolle in
einer Revolution übernahm, welche alle Pläne der Papisten vereiteln, der
langen Vasallenschaft Englands ein Ziel setzen und die königliche Macht
auf ein erlauchtes Paar übertragen sollte, dessen eheliches Band er
geknüpft hatte, so konnte er mit neuem Glanze aus seiner Dunkelheit
hervortreten. Die Whigs, deren Groll ihn neun Jahre früher aus dem Amte
gestoßen hatte, verbanden bei seinem glücklichen Wiedererscheinen gewiß
ihren Beifallsjubel mit dem seiner alten Freunde, der Kavaliere. Schon
hatte er sich mit einem der Ausgezeichnetsten von Denen, welche ihn
vormals angeklagt hatten, mit dem Earl von Devonshire, vollständig
wieder ausgesöhnt. Die beiden Kavaliere waren in einem Dorfe im Peak
zusammengekommen und hatten einander ihrer freundschaftlichen
Gesinnungen versichert. Devonshire hatte offen eingestanden, daß die
Whigs sich einer großen Ungerechtigkeit schuldig gemacht und hatte
erklärt, daß sie jetzt von ihrem Irrthum überzeugt wären. Auch Danby
hatte Mancherlei zurückzunehmen. Er hatte einst wirklich oder vorgeblich
der Lehre vom passiven Gehorsame im weitesten Sinne gehuldigt. Auf seine
Anregung oder mit seiner Genehmigung war ein Gesetz beantragt worden,
das, wenn es angenommen worden wäre, alle Diejenigen, die sich weigerten
eidlich zu erklären, daß sie gewaltsamen Widerstand unter allen
Umständen für unerlaubt hielten, vom Parlament ausgeschlossen haben
würde. Aber sein scharfer Verstand, durch die Sorge um das öffentliche
wie um sein persönliches Wohl vollständig erleuchtet, ließ sich jetzt
nicht mehr durch solche kindische Trugschlüsse täuschen, wenn dies
überhaupt jemals der Fall gewesen war. Er erklärte sofort seinen
Beitritt zu der Verschwörung, und bemühte sich dann, die Mitwirkung
Compton's, des suspendirten Bischofs von London zu gewinnen, was ihm
auch ohne Schwierigkeit gelang. Kein Prälat war von der Regierung so
rücksichtslos und ungerecht behandelt worden als Compton, auch hatte
kein Prälat soviel von einer Revolution zu erwarten als er, denn er war
der Erzieher der Prinzessin von Oranien gewesen und man glaubte
allgemein, daß er ihr Vertrauen in hohem Maße genoß. Er hatte wie seine
Collegen, so lange er noch nicht unterdrückt wurde, entschieden
behauptet, daß es ein Verbrechen sei, sich gegen den Druck aufzulehnen;
seitdem er aber vor der Hohen Commission gestanden, war ein neues Licht
in ihm aufgegangen.[8]

    [Anmerkung 7: In Betreff Montaigne's siehe Halifax' Brief an
    Cotton. Ich weiß nicht, ob Halifax' Kopf in der Westminsterabtei
    nicht ein richtigeres Bild von ihm giebt als alle gemalten oder
    gestochenen Portraits, die ich von ihm gesehen habe.]

    [Anmerkung 8: Siehe Danby's Einleitung zu den Actenstücken, die er
    1710 veröffentlichte, so wie auch +Burnet, I. 764.+]


[_Nottingham._] Danby und Compton wünschten Beide, sich der
Unterstützung Nottingham's zu versichern. Der ganze Plan wurde ihm
mitgetheilt und er billigte denselben. Aber schon nach wenigen Tagen
fing er an besorgt zu werden. Seine Seele war nicht stark genug, um sich
von anerzogenen Vorurtheilen loszureißen. Er ging von einem Geistlichen
zum andern, legte ihnen in allgemeinen Ausdrücken angenommene Fälle von
Tyrannei vor und fragte sie, ob in solchen Fällen der Widerstand erlaubt
sei. Die Antworten, die er erhielt, vermehrten seine Angst. Endlich
sagte er seinen Mitverschwornen, daß er nicht weiter mit ihnen gehen
könne. Wenn sie ihn für fähig hielten, sie zu verrathen, so sollten sie
ihn umbringen, und er werde sie schwerlich deshalb tadeln, denn indem er
zurücktrete, nachdem er so weit gegangen sei, gebe er ihnen eine Art von
Recht über sein Leben. Er versichere aber, daß sie von ihm nichts zu
fürchten hatten; er werde ihr Geheimniß streng bewahren und könne nicht
anders als ihnen den besten Erfolg wünschen, aber sein Gewissen gestatte
ihm nicht, thätigen Antheil an einem Aufstande zu nehmen. Sie vernahmen
sein Bekenntniß mit Argwohn und Verachtung. Sidney, der sehr unbestimmte
Begriffe von Gewissensscrupeln hatte, benachrichtigte den Prinzen, daß
Nottingham Angst bekommen habe. Man ist es jedoch Nottingham schuldig,
zu sagen, daß sein allgemeiner Lebenswandel uns zu dem Glauben
berechtigt, daß er bei dieser Gelegenheit durchaus rechtschaffen, wenn
auch höchst unklug und unentschlossen handelte.[9]

    [Anmerkung 9: +Burnet, I. 764+; Sidney an den Prinzen von Oranien,
    30. Juni 1688, in Dalrymple.]


[_Lumley._] Einen vollständigeren Erfolg hatten die Agenten des Prinzen
bei Lord Lumley, der wohl wußte, daß er trotz des hochwichtigen
Dienstes, den er zur Zeit des Aufstandes im Westen geleistet, in
Whitehall nicht blos als Ketzer, sondern als Renegat verhaßt war, und
der sich daher mehr als die meisten gebornen Protestanten danach sehnte,
zur Vertheidigung des Protestantismus die Waffen zu ergreifen.[10]

    [Anmerkung 10: +Burnet, I. 763+; Lumley an Wilhelm, 31. Mai 1688
    in Dalrymple.]


[_Absendung der Einladung an Wilhelm._] Im Monat Juni hatten die ins
Geheimniß Eingeweihten häufige Zusammenkünfte, und am Letzten dieses
Monats, dem Tage, an welchem die Bischöfe für nichtschuldig erklärt
wurden, geschah endlich der entscheidende Schritt. Es wurde eine von
Sidney geschriebene, aber von einer in der Abfassung derartiger Aufsätze
geübteren Person entworfene förmliche Einladung nach dem Haag
abgeschickt. In diesem Schreiben wurde Wilhelm versichert, daß neunzehn
Zwanzigstel des englischen Volks sich nach einer Änderung sehnten und
sich gern zur Herbeiführung einer solchen verbinden würden, wenn sie den
Beistand einer solchen auswärtigen Macht erlangen könnten, welche die
sich in Waffen Erhebenden vor der Gefahr sichere, zerstreut und
niedergehauen zu werden, ehe sie sich in irgend einer militairischen
Ordnung formiren könnten. Wenn Seine Hoheit an der Spitze eines
Truppencorps in England erschiene, würden viele Tausende zu seinen
Fahnen eilen, und er würde bald über eine der regulären Armee Englands
weit überlegene Streitmacht zu verfügen haben. Überdies könne sich die
Regierung selbst auf diese Armee nicht unbedingt verlassen. Die
Offiziere seien unzufrieden und die gemeinen Soldaten theilten den
Widerwillen gegen den Papismus, der in dem Stande, welchem sie
angehörten, allgemein sei. Bei der Seemacht sei die protestantische
Gesinnung noch allgemeiner. Es sei daher von Wichtigkeit, daß ein
entscheidender Schritt geschehe, so lange sich die Dinge in diesem
Zustande befänden. Das Unternehmen würde viel schwieriger sein, wenn es
verschoben würde, bis der König durch Umgestaltung der Wahlkörper und
der Regimenter sich ein Parlament und ein Heer gebildet habe, auf die er
sich verlassen könnte. Die Verschwornen baten demnach den Prinzen
dringend, so schleunig als möglich zu ihnen zu kommen. Sie gaben ihr
Ehrenwort darauf, daß sie sich ihm anschließen würden und machten sich
anheischig, die Mitwirkung einer so großen Anzahl Personen zu erlangen,
als man ohne Gefahr in ein so wichtiges und gefährliches Geheimniß
ziehen könne. Über einen Punkt hielten sie es für ihre Pflicht, Seiner
Hoheit eine Vorstellung zu machen. Er habe die Meinung der großen Masse
der Engländer über die kürzliche Geburt eines Prinzen nicht zu seinem
Vortheile benutzt, sondern im Gegentheil Glückwünsche nach Whitehall
gesandt, wodurch es scheinen müsse, als ob das Kind, welches den Namen
eines Prinzen von Wales bekommen habe, der rechtmäßige Erbe des Thrones
sei. Dies sei ein großer Fehler gewesen und habe den Eifer abgekühlt.
Nicht Einer unter Tausend zweifle daran, daß der Knabe untergeschoben
sei und der Prinz würde seinen Vortheil nicht richtig erkennen, wenn er
nicht die verdächtigen Umstände, welche die Niederkunft der Königin
begleitet hätten, unter den Gründen für seine bewaffnete Erhebung obenan
stelle.[11]

Dieses Schreiben war mit den Namenschiffern der sieben Oberhäupter der
Verschwörung, Shrewsbury, Devonshire, Danby, Lumley, Compton, Russell
und Sidney, unterzeichnet. Herbert übernahm das Amt des Überbringers.
Seine Sendung war mit nicht geringer Gefahr verknüpft. Er legte die
Tracht eines gemeinen Matrosen an und erreichte am Freitag nach dem
Prozesse der Bischöfe die niederländische Küste. Er eilte augenblicklich
zu dem Prinzen. Bentinck und Dyckvelt wurden gerufen und es vergingen
mehrere Tage unter Berathungen. Das erste Resultat dieser Berathungen
war, daß das Gebet für den Prinzen von Wales nicht mehr in der Kapelle
des Prinzen verlesen wurde.[12]

    [Anmerkung 11: Siehe die ausführliche Einladung bei Dalrymple.]

    [Anmerkung 12: Sidney's Brief an Wilhelm, 30. Juni 1688; Avaux,
    11.(21.), 12.(22.) Juli.]


[_Mariens Verhalten._] Von Seiten seiner Gemahlin hatte Wilhelm keine
Opposition zu fürchten. Er übte eine unbeschränkte Gewalt über ihren
Geist aus und, was noch merkwürdiger war, er hatte ihre ganze Zuneigung
gewonnen. Er ersetzte ihr die Eltern, die sie durch den Tod und durch
Entfremdung verloren hatte, die Kinder, die ihren Gebeten versagt
worden, und das Vaterland, aus dem sie verbannt war. Er theilte die
Herrschaft über ihr Herz nur mit ihrem Gott. An ihrem Vater hatte sie
wahrscheinlich nie mit Liebe gehangen, sie hatte ihn in früher Jugend
verlassen, seit vielen Jahren hatte sie ihn nicht gesehen und sein
Benehmen gegen sie seit ihrer Vermählung hatte weder Zärtlichkeit von
seiner Seite verrathen noch in ihr ein derartiges Gefühl erwecken
können. Er hatte alles Mögliche gethan, um ihr häusliches Glück zu
stören und unter ihrem Dache ein förmliches System von Spioniererei,
Aushorcherei und Angeberei eingeführt. Er bezog größere Einkünfte als
irgend einer seiner Vorgänger und bewilligte ihrer jüngeren Schwester
ein regelmäßiges Jahrgehalt von vierzigtausend Pfund;[13] die
muthmaßliche Erbin seines Thrones aber hatte nie die geringste
Geldunterstützung von ihm erhalten und war kaum im Stande, den ihrem
hohen Range unter den europäischen Fürstinnen zukommenden Aufwand zu
machen. Sie hatte es gewagt, sich für ihren alten Freund und Lehrer
Compton bei ihm zu verwenden, der von seinen bischöflichen Functionen
suspendirt worden war, weil er sich geweigert hatte, eine Handlung
empörender Ungerechtigkeit zu begehen, aber ihre Fürsprache war ungnädig
abgewiesen werden.[14] Von dem Tage an, wo es sich klar herausgestellt
hatte, daß sie und ihr Gemahl entschlossen waren, sich bei dem Umsturze
der englischen Verfassung nicht zu betheiligen, war es ein Hauptzweck
der Politik Jakob's gewesen, sie Beide zu kränken. Er hatte die
britischen Regimenter aus Holland zurückberufen, er hatte mit Tyrconnel
und mit Frankreich gegen Mariens Rechte conspirirt und Anstalten
getroffen, um sie wenigstens einer der drei Kronen zu berauben, auf
welche sie bei seinem Tode Anspruch gehabt haben würde. Jetzt glaubte
die große Masse seines Volks und viele Personen von hohem Range und
ausgezeichneten Fähigkeiten, daß er einen unächten Prinzen von Wales in
die königliche Familie eingeschmuggelt habe, um sie eines reichen
Erbtheils zu berauben, und man konnte nicht zweifeln, daß auch sie den
herrschenden Argwohn theilte. Einen solchen Vater konnte sie unmöglich
lieben. Ihre religiösen Grundsätze waren allerdings so streng, daß sie
sich wahrscheinlich bemüht haben würde, das was sie für ihre Pflicht
hielt, auch gegen einen nicht geliebten Vater zu erfüllen. In dem
vorliegenden Falle aber war sie der Meinung, daß Jakob's Anrecht auf
ihren Gehorsam einem geheiligteren Anrechte weichen müsse. In der That
stimmen alle Theologen und Publicisten darin überein, daß, wenn die
Tochter des Fürsten eines Landes mit dem Fürsten eines andren Landes
vermählt ist, sie ihr eignes Volk und ihr Vaterhaus vergessen und im
Falle eines Bruches zwischen ihrem Gemahl und ihren Eltern auf die Seite
des Ersteren treten muß. Dies ist die feststehende Regel, selbst wenn
der Gatte im Unrecht wäre; in Mariens Augen aber war das von Wilhelm
beabsichtigte Unternehmen nicht nur gerecht, sondern heilig.

    [Anmerkung 13: Bonrepaux, 18.(28.) Juli 1687.]

    [Anmerkung 14: Birch's Auszüge im Britischen Museum.]


[_Schwierigkeiten der Unternehmung Wilhelm's._] Obgleich sie es aber
sorgfältig vermied, irgend etwas zu thun oder zu sagen, was die ihm
entgegenstehenden Schwierigkeiten vermehren konnte, so waren diese
Schwierigkeiten doch sehr ernster Art. Sie wurden jedoch selbst von
Einigen von Denen, die ihn einluden hinüberzukommen, nur unvollkommen
begriffen, und sind auch von einigen Geschichtsschreibern der
Unternehmung nur unvollkommen geschildert worden.

Die Hindernisse, welche er auf englischem Boden zu erwarten hatte, waren
zwar die mindest furchtbaren, die der Ausführung seines Planes
entgegenstanden, waren aber doch auch sehr ernst. Er sah wohl ein, daß
es Wahnsinn gewesen wäre, nach dem Beispiele Monmouth's mit einigen
wenigen britischen Abenteurern über das Meer zu fahren und auf eine
allgemeine Erhebung der Bevölkerung zu rechnen. Es war nothwendig und
wurde von Allen, die ihn einluden, als nothwendig erkannt, daß er eine
Armee mitbrachte. Aber wer konnte für den Eindruck stehen, den das
Erscheinen einer solchen Armee machen würde? Die Regierung war
allerdings mit Recht verhaßt, aber ließ sich wohl erwarten, daß das an
die Einmischung festländischer Mächte in englische Streitigkeiten nicht
gewohnte englische Volk einen von fremden Soldaten umgebenen Befreier
mit wohlwollendem Auge betrachten würde? Wenn nur ein Theil der
königlichen Truppen dem Eindringenden entschlossenen Widerstand
entgegensetzte, würde dieser Theil nicht bald die vaterländischen
Sympathien von Millionen auf seiner Seite haben? Eine Niederlage würde
dem ganzen Unternehmen verderblich geworden sein. Ein blutiger Sieg der
Söldlinge der Generalstaaten über die Coldstreamgarden und die Buffs im
Herzen der Insel wäre fast ein eben so großes Unglück gewesen als eine
Niederlage. Ein solcher Sieg würde die schmerzlichste Wunde gewesen
sein, welche je dem Nationalstolze einer der stolzesten Nationen
geschlagen worden. Die so eroberte Krone hätte nie in Ruhe und Frieden
getragen werden können. Der Haß, mit dem man die Hohe Commission und die
Jesuiten betrachtete, wäre durch den viel stärkeren Haß gegen fremde
Eroberer verdrängt worden, und Viele, die seither auf Frankreichs Macht
mit Furcht und Abscheu geblickt hatten, würden gesagt haben, daß wenn
nun einmal ein fremdes Joch getragen werden müsse, das französische
weniger schimpflich sei als das holländische.

Diese Betrachtungen hätten Wilhelm wohl bedenklich machen können, selbst
wenn ihm alle militairischen Hülfsmittel der Vereinigten Provinzen zur
unumschränkten Verfügung gestanden hätten. In Wirklichkeit aber schien
es sehr zweifelhaft, ob er die Unterstützung eines einzigen Bataillons
würde erlangen können. Von allen Schwierigkeiten, mit denen er zu
kämpfen hatte, war die größte, obgleich von den englischen
Geschichtsschreibern wenig beachtete, die, welche in der Verfassung der
batavischen Republik selbst lag. Noch nie hatte ein großer Staat unter
einer so unzweckmäßigen Verfassung eine lange Reihe von Jahren existirt.
Die Generalstaaten konnten ohne die Zustimmung der Staaten jeder
einzelnen Provinz weder Krieg noch Frieden beschließen, weder ein
Bündniß eingehen, noch eine Steuer erheben. Und die Provinzialstaaten
konnten wieder ihre Zustimmung nicht ohne die Zustimmung derjenigen
Municipalitäten geben, welche einen Antheil an der Vertretung hatten.
Jede Municipalität war gleichsam ein souverainer Staat und beanspruchte
als solcher das Recht, mit den fremden Gesandten direct zu verkehren und
mit ihnen die Mittel zur Vereitelung von Plänen zu verabreden, welche
andere Municipalitäten beabchsichtigten. In einigen Stadträthen hatte
die Partei, welche mehrere Generationen hindurch den Einfluß der
Stadthalter mit eifersüchtigem Auge ansah, ein große Masse. An der
Spitze dieser Partei standen die Behörden der stolzen Stadt Amsterdam,
welche damals in ihrer höchsten Blüthe war. Sie hatten seit dem Frieden
von Nymwegen mit Ludwig durch die Vermittelung seines geschickten und
thätigen Gesandten, des Grafen von Avaux, stets einen freundschaftlichen
Verkehr unterhalten. Vorschläge, die der Statthalter als zum Wohle der
Republik unumgänglich nöthig beantragt, die von allen Provinzen außer
Holland und von siebzehn unter den achtzehn holländischen Stadträthen
genehmigt worden, waren schon mehr als einmal durch die einzige Stimme
Amsterdam's verworfen worden. Das einzige verfassungsgemäße Hülfsmittel
in solchen Fällen bestand darin, daß Deputationen von den zustimmenden
Städten der andersmeinenden Stadt einen Besuch machten, um sie womöglich
zu überreden. Die Anzahl der Deputirten war unbeschränkt, sie konnten
ihre Vorstellungen so lange fortsetzen, als es ihnen gutdünkte, und
währenddem mußte die starrsinnige Commun, die sich ihren Gründen nicht
fügen wollte, für ihren Unterhalt sorgen. Dieses abgeschmackte
Zwangsmittel war einmal mit Erfolg gegen die kleine Stadt Gorkum
angewendet worden, machte aber voraussichtlich keinen großen Eindruck
auf das mächtige und reiche Amsterdam, das durch seinen von zahllosen
Masten strotzenden Hafen, durch seine von stattlichen Gebäuden
eingefaßten Kanäle, durch seine prächtige Stadthalle mit Wänden, Decken
und Fußböden von polirtem Marmor, durch seine mit den kostbarsten
Producten Ceylon's und Surinam's gefüllten Waarenmagazine und seine
Börse, in der das endlose Summen aller Sprachen der civilisirten Völker
ertönte, in der ganzen Welt berühmt war.[15]

Die Streitigkeiten zwischen der Majorität, welche den Statthalter
unterstützte, und der Minorität, zu deren Spitze der Magistrat von
Amsterdam stand, waren schon mehrmals so heftig geworden, daß
Blutvergießen unvermeidlich zu sein schien. Einmal hatte der Prinz den
Versuch gemacht, die widerspenstigen Deputirten als Verräther bestrafen
zu lassen. Ein andermal waren ihm die Thore von Amsterdam versperrt und
Truppen zur Vertheidigung der Privilegien des Municipalraths ausgehoben
worden. Es war nicht zu erwarten, daß die obrigkeitliche Behörde dieser
großen Stadt je in eine Expedition willigen würde, welche für Ludwig,
dem sie den Hof machte, im höchsten Grade beleidigend war und
voraussichtlich das ihr verhaßte Haus Oranien zu größerer Macht erhob.
Und doch konnte eine solche Expedition ohne ihre Einwilligung gesetzlich
nicht unternommen werden. Ihren Widerstand durch Waffengewalt zu
brechen, war ein Mittel, daß der entschlossene und kühne Statthalter
unter anderen Umständen nicht gescheut haben würde. In vorliegendem
Falle aber war es von höchster Wichtigkeit, daß er sorgfältig jeden
Schritt vermied, der als tyrannisch dargestellt werden konnte. Er durfte
es nicht wagen, in demselben Augenblicke, wo er gegen seinen
Schwiegervater das Schwert zog, weil dieser die Grundgesetze Englands
verletzt hatte, die Grundgesetze Holland's zu verletzen. Der gewaltsame
Umsturz einer freien Verfassung würde ein sonderbares Vorspiel zur
gewaltsamen Aufrichtung einer andren gewesen sein.[16]

Außerdem gab es noch eine andre Schwierigkeit, welche von den englischen
Geschichtschreibern zu wenig beachtet worden ist, die aber Wilhelm nicht
einen Augenblick aus dem Gesicht verlor. Er konnte das beabsichtigte
Unternehmen nur dann glücklich durchführen, wenn er an das
protestantische Gefühl Englands appellirte und dieses Gefühl so kräftig
anspornte, daß es eine Zeit lang das vorherrschende und fast
ausschließliche Gefühl der Nation würde. Dies würde in der That eine
sehr einfaches Verfahren gewesen sein, hätte seine Politik einzig und
allein dahin gezielt, auf unsrer Insel eine Revolution hervorzurufen und
daselbst zu regieren. Aber er hatte ein andres Endziel vor Augen, das er
nur mit Beihülfe von Fürsten, welche der römischen Kirche aufrichtig
ergeben waren, erreichen konnte. Er wollte das deutsche Reich, den
katholischen König und den heiligen Stuhl mit England und Holland zu
einem Bündnisse gegen das Übergewicht Frankreichs vereinigen, daher war
es nöthig, daß er, während er den gewaltigsten Schlag führte, der je zur
Vertheidigung des Protestantismus geführt worden war, sich das
Wohlwollen von Regierungen zu erhalten suchte, welche den
Protestantismus als eine gefährliche Ketzerei betrachteten.

Dies waren die verwickelten Schwierigkeiten dieses großen Unternehmens.
Staatsmänner des Continents erkannten einen Theil dieser
Schwierigkeiten, britische Staatsmänner einen andren. Nur ein
scharfblickender und gewaltiger Geist übersah sie mit einem einzigen
Blicke und beschloß sie alle zu überwinden. Es war kein leichtes Ding,
die englische Regierung vermittelst einer fremden Heeresmacht zu
stürzen, ohne den Nationalstolz der Engländer zu verwunden. Es war kein
leichtes Ding, von der batavischen Faction, welche Frankreich mit
Vorliebe und das Haus Oranien mit Widerwillen betrachtete, eine
Entscheidung zu Gunsten einer Expedition zu erlangen, die alle Pläne
Frankreichs über den Haufen warf und das Haus Oranien auf den Gipfel der
Größe erheben mußte. Es war kein leichtes Ding, begeisterte Protestanten
zu einem Kreuzzuge gegen den Papismus zu führen, und sich trotzdem die
Freundschaft fast aller papistischen Regierungen und des Papstes selbst
zu erhalten. Doch alles dies führte Wilhelm aus. Er erreichte alle seine
Zwecke, selbst die, welche sich am wenigsten mit einander zu vertragen
schienen, vollständig und zu gleicher Zeit. Die ganze Geschichte der
alten wie der neuen Zeit berichtet keinen zweiten ähnlichen Triumph der
Staatskunst.

Die Aufgabe würde allerdings selbst für einen solchen Staatsmann wie der
Prinz von Oranien zu schwierig gewesen sein, wären nicht seine
Hauptgegner damals in einer Bethörung befangen gewesen, welche von
vielen gerade nicht abergläubischen Leuten als eine besondere göttliche
Strafe betrachtet wurde. Nicht nur der König von England war wie immer
verblendet und verkehrt, sondern selbst die Räthe des klugen Königs von
England waren thöricht geworden. Was Weisheit und Energie irgend
vermögen, das that Wilhelm. Die Hindernisse aber, welche keine Weisheit
oder Energie hätte überwinden können, räumten seine Feinde selbst
geflissentlich aus dem Wege.

    [Anmerkung 15: +Avaux Neg., Oct. 29. (Nov. 8.) 1683+.]

    [Anmerkung 16: In Betreff des Verhältnisses, in welchem der
    Statthalter und die Stadt Amsterdam zu einander standen, siehe
    Avaux an mehreren Stellen.]


[_Jakob's Benehmen nach dem Prozesse der Bischöfe._] An dem wichtigen
Tage, an welchem die Bischöfe freigesprochen und die Einladung nach dem
Haag abgesandt wurde, kehrte Jakob in verdrüßlicher und gereizter
Stimmung von Hounslow nach Westminster zurück. Er bemühte sich diesen
Nachmittag heiter zu scheinen;[17] aber die Freudenfeuer, die Raketen
und vor Allem die wächsernen Päpste, welche in allen Stadttheilen
Londons leuchteten, waren eben nicht geeignet, ihn zu erheitern. Wer ihn
am andren Morgen sah, konnte in seinen Zügen und in seiner Haltung ohne
Mühe die heftigen Gemüthsbewegungen erkennen, die in seiner Brust
tobten.[18] Einige Tage lang schien er sehr ungern von dem Prozeß zu
sprechen, so daß selbst Barillon es nicht wagen durfte, die Sache zur
Sprache zu bringen.[19]

Bald begann es sich klar zu zeigen, daß die Niederlage und Demüthigung
das Herz des Königs nur noch mehr verhärtet hatte. Die ersten Worte, die
über seine Lippen kamen, als er erfuhr, daß die Gegenstände seiner Rache
ihm entschlüpft, waren: »Sie sollen es bereuen!« Schon nach wenigen
Tagen wurde der Sinn dieser Worte, die er seiner Gewohnheit nach sehr
häufig wiederholte, vollkommen klar. Er machte sich Vorwürfe, nicht
darüber, daß er die Bischöfe gerichtlich verfolgt, sondern daß er sie
vor ein Tribunal gestellt hatte, wo die factischen Fragen durch
Geschworne entschieden wurden und die feststehenden Rechtsgrundsätze
auch von den servilsten Richtern nicht gänzlich aus den Augen gelassen
werden konnten. Diesen Fehler beschloß er wieder gut zu machen. Nicht
nur die sieben Prälaten, welche die Petition unterzeichnet hatten,
sondern die gesammte anglikanische Geistlichkeit sollte Ursache haben,
den Tag zu verwünschen, an welchem sie einen Sieg über ihren Landesherrn
davon getragen. Etwa vierzehn Tage nach dem Prozeß wurde eine
Kabinetsordre erlassen, welche allen Diöcesankanzlern und Archidiakonen
anbefahl, in ihren betreffenden Sprengeln eine strenge Untersuchung
vorzunehmen und binnen fünf Wochen der Hohen Commission die Namen aller
derjenigen Pfarrer, Vikare und Curaten aufzugeben, welche die
Indulgenzerklärung nicht verlesen hatten.[20] Der König weidete sich
schon im voraus an dem Entsetzen, mit dem die Ungehorsamen vernehmen
würden, daß sie vor ein Tribunal gestellt werden sollten, von dem sie
keine Gnade zu erwarten hatten.[21] Die Anzahl der Schuldigen betrug
wenig unter, wenn nicht volle zehntausend und nach dem, was im
Magdalenen-Collegium geschehen war, konnte jeder von ihnen mit gutem
Grunde darauf gefaßt sein, daß ihm die Ausübung aller seiner geistlichen
Functionen untersagt, daß er aus seiner Pfründe vertrieben, zur
Bekleidung irgend eines andren Amtes für unfähig erklärt und in die
Kosten des Prozesses verurtheilt würde, der ihn zum Bettler gemacht.

    [Anmerkung 17: Adda, 6.(16.) Juli 1688.]

    [Anmerkung 18: +Reresby's Memoirs+.]

    [Anmerkung 19: Barillon, 2.(12.) Juli 1688.]

    [Anmerkung 20: +London Gazette, July 16. 1688+. Die Kabinetsordre
    ist vom 12. Juli datirt.]

    [Anmerkung 21: Barillon's eigene Worte 6.(16.) Juli 1688.]


[_Entlassungen und Ernennungen._] Dies war die Verfolgung, durch welche
Jakob im Ärger über seine große Niederlage in Westminsterhall die
Geistlichkeit zu züchtigen beschloß. Vor der Hand bemühte er sich, den
Männern des Gesetzes durch rasche und ausgedehnte Vertheilung von
Belohnungen und Strafen zu zeigen, daß consequente und schamlose
Servilität, wenn sie auch nicht zum Ziele führte, ein sicheres Anrecht
auf seine Gunst verleihe und daß Jeder, der nach jahrelanger
Unterwürfigkeit nur einen Augenblick auf den Pfad des Muthes und der
Rechtschaffenheit überzuspringen wagte, sich eines unverzeihlichen
Verbrechens schuldig mache. Die Heftigkeit und Frechheit, welche der
Renegat Williams während des ganzen Prozesses der Bischöfe an den Tag
gelegt, hatte ihn der ganzen Nation verhaßt gemacht.[22] Er wurde mit
dem Baronettitel belohnt. Holloway und Powell hatten ihren Ruf durch die
Erklärung gehoben, daß die Petition ihrer Ansicht nach kein Libell sei.
Sie wurden ihrer Stellen entsetzt.[23] Wright's Schicksal scheint einige
Zeit zweifelhaft gewesen zu sein. Er hatte zwar gegen die Bischöfe
resumirt, hatte es aber geduldet, daß ihr Rechtsbeistand die
Dispensationsgewalt bestritt; er hatte die Petition ein Libell genannt,
es aber sorgfältig vermieden, die Indulgenzerklärung gesetzlich zu
nennen, und während der ganzen Verhandlung hatte er in dem Tone eines
Mannes gesprochen, welcher wußte, daß ein Tag der Rechenschaft kommen
konnte. Allerdings hatte er auch gegründete Ansprüche auf Nachsicht,
denn es war wohl kaum zu erwarten, daß irgend eines Menschen Frechheit
in einer solchen Aufgabe, angesichts einer solchen Barre und eines
solchen Auditoriums von Anfang bis zu Ende hätte aushalten können, ohne
zu erschlaffen. Die Mitglieder der jesuitischen Cabale tadelten ihn
jedoch wegen seines Mangels an Muth; der Kanzler nannte ihn einen Esel
und man glaubte allgemein, daß ein neuer Oberrichter ernannt werden
würde.[24] Aber es fand keine derartige Veränderung statt. Es würde auch
nicht leicht gewesen sein, Wright's Stelle wieder zu besetzen. Die
vielen Juristen, welche in Talenten und Kenntnissen hoch über ihm
standen, waren fast ohne Ausnahme den Plänen der Regierung feindlich
gesinnt; und die sehr wenigen, die ihn in Gewissenlosigkeit und
Frechheit übertrafen, waren fast ohne Ausnahme nur in den untersten
Schichten ihres Standes zu finden und würden unfähig gewesen sein, nur
die gewöhnlichen Geschäfte des Kingsbenchgerichts zu leiten. Williams
vereinigte allerdings alle Eigenschaften in sich, welche Jakob von einem
hohen Gerichtsbeamten verlangte, aber seiner Dienste bedurfte man bei
der Staatsanwaltschaft und wäre er von derselben entfernt worden, so
würde der Krone nicht der Beistand eines Advokaten dritten Ranges
geblieben sein.

Nichts hatte den König mehr in Erstaunen gesetzt und gekränkt, als die
Begeisterung, welche die Dissenters für die Sache der Bischöfe an den
Tag legten. Penn, der, obgleich er selbst seinen Gewissensscrupeln
Reichthum und Ehrenstellen aufgeopfert hatte, zu glauben schien, daß
außer ihm Niemand ein Gewissen habe, schrieb die Unzufriedenheit der
Puritaner dem Neide und dem unbefriedigten Ehrgeize zu. Er meinte, sie
hätten keinen Antheil an den durch die Indulgenzerklärung verheißenen
Wohlthaten gehabt, keiner von ihnen sei zu einem hohen und ehrenvollen
Posten berufen worden, und es sei daher kein Wunder, daß sie auf die
Katholiken eifersüchtig wären. In Folge dessen wurde acht Tage nach dem
hochwichtigen Verdict der Geschwornen in Westminsterhall, Silas Titus,
ein angesehener Presbyterianer, ein heftiger Exclusionist und einer der
Hauptankläger Stafford's, eingeladen, einen Sitz im Geheimen Rathe
einzunehmen. Er gehörte zu Denen, auf welche die Opposition am
sichersten gerechnet hatte. Aber die ihm jetzt angetragene Ehre und die
Aussicht eine bedeutende Summe zu erhalten, die ihm die Krone schuldete,
gewannen die Oberhand über seine Tugend und er wurde zum großen Ärgerniß
aller Klassen von Protestanten vereidigt.[25]

Die Rachepläne des Königs gegen die Kirche gingen nicht in Erfüllung.
Fast sämmtliche Archidiakonen und Diöcesankanzler verweigerten die
verlangten Angaben. Der Tag, an welchem die ganze Masse der Geistlichen
vorgeladen werden sollte, um sich wegen ihres Ungehorsams zu
verantworten, kam heran.

    [Anmerkung 22: In einer der zahlreichen Balladen jener Zeit kommen
    folgende Zeilen vor:

      »Unsere beiden Briten sind Thoren,
      Die sich gegen das Gesetz verschworen,
      Aber das nächste Parlament wird sie kriegen bei den Ohren.«

    Die beiden Briten sind Jeffrey's und Williams, beide aus Wales
    gebürtig.]

    [Anmerkung 23: +London Gazette, July 9. 1688+.]

    [Anmerkung 24: Ellis' Correspondenz, 10. Juli 1688; +Clarendon's
    Diary, Aug. 3. 1688+.]

    [Anmerkung 25: +London Gazette, July 9. 1688+; Adda, 13 (23.)
    Juli; +Evelyn's Diary, July 12+; Johnstone, 8.(18.) Dec. 1687,
    6.(16.) Febr. 1688.]


[_Verfahren der Hohen Commission. Sprat tritt aus._] Die Hohe Commission
trat zusammen. Es zeigte sich, daß kaum ein kirchlicher Beamter eine
Liste eingeschickt hatte. Zu gleicher Zeit wurde der Commission eine
Schrift von der höchsten Bedeutung vorgelegt. Es war ein Schreiben von
Sprat, dem Bischof von Rochester. Zwei Jahre lang hatte er in der
Hoffnung auf ein Erzbisthum den Vorwurf ertragen, daß er die Kirche
verfolge, deren Vertheidigung eine Gewissens- und Ehrenpflicht für ihn
war. Aber seine Hoffnung war getäuscht worden. Er sah, daß er keine
Aussicht hatte, auf den Metropolitenthron von York zu gelangen, wenn er
nicht seinem Glauben entsagte. Er war zu gutherzig, als daß er an der
Tyrannei hätte Gefallen finden können und zu scharfblickend, um nicht
die Anzeichen der kommenden Vergeltung zu erkennen. Daher beschloß er,
seine gehässigen Functionen niederzulegen, und er theilte diesen
Entschluß seinen Collegen in einem Schreiben mit, das gleich allen
Erzeugnissen seiner Prosa in einem sehr eleganten und würdevollen Style
abgefaßt war. Er sagte, es sei ihm nicht möglich, noch länger Mitglied
der Commission zu bleiben. Er habe zwar selbst aus Gehorsam gegen den
königlichen Befehl die Erklärung verlesen, aber er könne es nicht auf
sich nehmen, Tausende von frommen und loyalen Geistlichen, die eine
andre Ansicht von ihrer Pflicht hätten, dazu zu verurtheilen, und da man
beschlossen habe, sie dafür zu bestrafen, daß sie ihrer Überzeugung
gemäß gehandelt, müsse er erklären, daß er lieber mit ihnen leiden, als
zu ihren Leiden beitragen wolle.

Die Commissare lasen das Schreiben mit nicht geringem Erstaunen. Gerade
die Fehler ihres Collegen, die bekannte Lockerheit seiner Grundsätze und
seine bekannte Zaghaftigkeit machten seinen Abfall ganz besonders
beunruhigend. Wenn Männer wie Sprat in der Sprache eines Hampden zu
einer Regierung redeten, so mußte diese Regierung in der That sehr
gefährdet sein. Das vor kurzem noch so übermüthige Tribunal wurde mit
einem Male merkwürdig zahm. Die kirchlichen Beamten, welche seiner
Autorität getrotzt, erhielten nicht einmal einen Verweis. Man hielt es
nicht für rathsam, nur den Verdacht zu äußern, daß ihr Ungehorsam
absichtlich gewesen sei. Es wurde ihnen nur bedeutet, daß ihre Berichte
in vier Monaten fertig sein müßten. Dann ging die Commission bestürzt
auseinander. Sie hatte den Todesstoß empfangen.[26]

    [Anmerkung 26: Sprat's Briefe an den Earl von Dorset; +London
    Gazette, Aug. 23. 1688+.]


[_Unzufriedenheit des Klerus. -- Vorgänge in Oxford._] Während die Hohe
Commission sich vor einem Conflict mit der Kirche scheute, reizte diese
im Bewußtsein ihrer Stärke und von neuer Begeisterung beseelt, die Hohe
Commission durch eine Reihe von Herausforderungen zum Angriff. Bald nach
der Freisprechung der Bischöfe erlag der ehrwürdige Ormond, der
vornehmste Kavalier aus dem großen Bürgerkriege, den Gebrechlichkeiten
seines hohen Alters. Sein Tod wurde sogleich nach Oxford berichtet und
die Universität, deren Kanzler er seit vielen Jahren gewesen war,
versammelte sich augenblicklich, um einen Nachfolger für ihn zu wählen.
Ein Theil war für den beredtsamen und gebildeten Halifax, ein andrer für
den ernsten und orthodoxen Nottingham. Einige erwähnten auch den Earl
von Abingdon, der in ihrer Nähe wohnte und unlängst seiner Stelle als
Statthalter der Grafschaft entsetzt worden war, weil er sich geweigert
hatte, den König in seinen Maßregeln gegen die Landeskirche zu
unterstützen. Die Mehrheit aber, aus hundertachtzig Graduirten
bestehend, stimmte für den jungen Herzog von Ormond, den Enkel ihres
verstorbenen Oberhauptes und Sohn des tapferen Ossory. Die Eil, mit der
sie zu diesem Beschlusse kamen, hatte ihren Grund in der Besorgniß, daß,
wenn sie nur einen Tag zögerten, der König es versuchen möchte, ihnen
einen Kanzler aufzudringen, der ihre Rechte nicht wahren würde. Diese
Besorgniß war auch gegründet, denn kaum zwei Stunden nachdem sie
auseinander gegangen waren, kam ein Befehl von Whitehall, der ihnen
vorschrieb Jeffreys zu wählen. Zum Glück war die Wahl des jungen Ormond
bereits vollendet und nicht mehr rückgängig zu machen.[27] Einige Wochen
darauf wurde der ehrlose Timotheus Hall, der sich durch Verlesung der
Indulgenzerklärung unter der londoner Geistlichkeit ausgezeichnet hatte,
mit dem Bisthum Oxford belohnt, welches seit dem Tode des nicht minder
ehrlosen Parker unbesetzt war. Hall kam nach Oxford, um seinen
Bischofssitz einzunehmen, aber die Canonici seiner Kathedrale weigerten
sich seiner Einsetzung beizuwohnen, die Universität wollte ihn nicht zum
Doctor creiren, nicht ein einziges Mitglied der akademischen Jugend
wendete sich an ihn behufs der Ordination, kein Hut wurde vor ihm
abgenommen und er war in seinem Palaste beständig allein.[28]

Bald darauf kam eine Pfründe zur Erledigung, welche das
Magdalenen-Collegium von Oxford zu vergeben hatte. Hough und seine
vertriebenen Collegen versammelten sich und schlugen einen Candidaten
vor, den der Bischof von Gloucester, in dessen Diöcese die Pfründe lag,
auch ohne Besinnen einsetzte.[29]

    [Anmerkung 27: +London Gazette, July 26. 1688+; Adda, 27. Juli
    (6. Aug.); Neuigkeitsbrief vom 23. Juli in der Mackintosh-Sammlung;
    Ellis Correspondenz, 28., 31. Juli. +Wood's Fasti Oxonienses+.]

    [Anmerkung 28: +Wood's Athenae Oxonienses+; +Luttrell's Diary,
    Aug. 23. 1688.+]

    [Anmerkung 29: Ronquillo, 17.(27.) Sept. 1688; +Luttrell's Diary,
    Sept. 6.+]


[_Unzufriedenheit der Gentry._] Die Gentry war nicht minder
widerspenstig, als der Klerus. Die Assisen dieses Sommers gewährten im
ganzen Lande einen noch nie dagewesenen Anblick. Die Richter waren vor
dem Antritt ihrer Rundreise zum Könige beschieden worden und hatten von
ihm die Weisung erhalten, daß sie den Mitgliedern der großen Jury's und
den Magistratsbeamten im ganzen Reiche die Pflicht einschärfen sollten,
nur solche Mitglieder ins Parlament zu wählen, die seine Politik
unterstützen würden. Sie gehorchten seinem Befehle, ließen sich heftig
über die Geistlichkeit aus, schmähten die sieben Bischöfe, nannten die
denkwürdige Petition ein aufrührerisches Libell, kritisirten Sancroft's
Styl mit großer Schärfe und sagten, Seine Gnaden sollten für ihr
schlechtes Englisch vom Doctor Busby ausgepeitscht werden. Diese
unschicklichen Reden hatten jedoch keine andre Wirkung, als daß sie die
öffentliche Unzufriedenheit noch vermehrten. Alle öffentlichen
Achtungsbezeigungen, welche sonst dem richterlichen Amte und der
königlichen Vollmacht erwiesen worden waren, wurden unterlassen. Die
alte Sitte verlangte eigentlich, daß angesehene und vermögende Männer im
Gefolge des Sheriffs ritten, wenn er die Richter nach der Hauptstadt der
Grafschaft begleitete; jetzt aber hielt es schwer, in irgend einem
Theile des Landes einen solchen Zug zusammen zu bringen. Besonders die
Nachfolger Powell's und Holloway's wurden mit auffallender
Geringschätzung behandelt. Ihnen waren die Assisen von Oxford zugefallen
und sie hatten erwartet, daß sie in jeder Grafschaft von einer Cavalcade
der loyalen Gentry begrüßt werden würden. Als sie sich aber Wallingford
näherten, wo sie ihre Sitzungen für Berkshire eröffnen sollten, kam nur
der Sheriff ihnen entgegen. Auch vor Oxford, der höchst loyalen
Hauptstadt einer höchst loyalen Provinz, wurden sie abermals von dem
Sheriff allein bewillkommnet.[30]

    [Anmerkung 30: Ellis' Correspondenz, 4. 7. Aug. 1688; Bischof
    Sprat's Bericht über die Conferenz vom 6. Nov. 1688.]


[_Unzufriedenheit der Armee._] Die Armee war kaum weniger mißvergnügt,
als die Geistlichkeit und die Gentry. Die Besatzung des Tower hatte auf
das Wohl der gefangenen Bischöfe getrunken. Die in Lambeth stehenden
Fußgarden hatten den Primas bei seiner Rückkehr in seinen Palast mit
allen Zeichen der Ehrerbietung bewillkommnet. Nirgends war die Nachricht
von der Freisprechung mit lauterem Jubel aufgenommen worden, als im
Lager von Hounslow. Die große Truppenmacht, welche der König
zusammengezogen hatte, um seine meuterische Hauptstadt im Schach zu
halten, war in der That meuterischer geworden, als die Hauptstadt
selbst, und wurde vom Hofe mehr gefürchtet, als von den Bürgern. Anfangs
August wurde daher das Lager aufgehoben und die Truppen in verschiedenen
Theilen des Landes einquartirt.[31]

Jakob schmeichelte sich mit der Hoffnung, daß einzelne Bataillone
leichter im Zaume zu halten sein würden, als viele tausend auf einem
kleinen Raume zusammengedrängte Soldaten. Das erste Experiment wurde mit
Lord Lichfield's Infanterieregiment, dem gegenwärtigen zwölften
Linienregiment gemacht. Man hatte dieses Regiment wahrscheinlich deshalb
gewählt, weil es zur Zeit des Aufstandes im Westen in Staffordshire
ausgehoben worden war, einer Provinz, die verhältnißmäßig mehr
Katholiken zählte, als irgend ein andrer Theil Englands. Die
Mannschaften wurden vor dem Könige aufgestellt und ihr Major setzte sie
in Kenntniß, daß Seine Majestät wünschte, sie sollten eine Verpflichtung
unterschreiben, durch die sie sich verbindlich machten, ihn bei der
Ausführung seiner Absichten bezüglich des Testes zu unterstützen, und
daß alle Diejenigen, die sich nicht dazu verstehen wollten, auf der
Stelle den Militairdienst verlassen müßten. Zum großen Erstaunen des
Königs legten ganze Reihen augenblicklich ihre Piken und Musketen
nieder. Nur zwei Offiziere und einige Gemeine, sämmtlich Katholiken,
gehorchten seinem Befehle. Er schwieg eine Weile, dann befahl er den
Leuten, daß sie ihre Waffen wieder aufnehmen sollten, und sagte mit
einem finstren Blicke zu ihnen: »Ein andermal werde ich Euch nicht die
Ehre erzeigen, Euch erst zu fragen.«[32]

Es war klar, daß er die Armee vollständig reorganisiren mußte, wenn er
auf seinen Plänen beharren wollte. Die dazu geeigneten Elemente aber
konnte er auf unsrer Insel nicht finden. Die Mitglieder seiner Kirche
bildeten selbst in den Districten, wo sie am zahlreichsten waren, nur
den bei weitem kleineren Theil der Bevölkerung. Der Haß gegen den
Papismus hatte sich durch alle Klassen seiner protestantischen
Unterthanen verbreitet und war das vorherrschende Gefühl selbst der
Landleute und Handwerker geworden. Aber es gab einen andren Theil seines
Reichs, wo die Hauptmasse der Bevölkerung von einem ganz andren Geiste
beseelt war. Die Zahl der römisch-katholischen Soldaten, welche durch
den guten Sold und die guten Quartiere Englands von jenseit des St.
Georgskanals herübergelockt werden würden, hatte keine Grenze. Tyrconnel
hatte sich seit einiger Zeit bemüht, aus dem Landvolke seiner Heimath
eine Heeresmacht zu bilden, auf die sein Gebieter sich verlassen konnte.
Fast die ganze irische Armee bestand schon aus Papisten von celtischer
Abkunft und Sprache. Barillon hatte dem Könige schon öfters ernstlich
gerathen, diese Armee herüberkommen zu lassen, um der englischen Respekt
einzuflößen.[33]

    [Anmerkung 31: +Luttrell's Diary, Aug. 8, 1688.+]

    [Anmerkung 32: Dies wird uns von drei Schriftstellern erzählt, die
    sich jener Zeit wohl erinnern konnten: von Kennet, Eachard und
    Oldmixon. Siehe auch das +Caveat against the Whigs+.]

    [Anmerkung 33: Barillon, 23. Aug. (2. Sept.), 3.(13.), 6.(16.) u.
    8.(18.) Sept. 1688.]


[_Es werden irische Truppen herübergezogen. -- Unwille des Volks._]
Jakob schwankte. Er wollte gern von Truppen umgeben sein, auf die er
sich verlassen konnte; aber er fürchtete den Ausbruch des
Nationalunwillens, den das Erscheinen einer bedeutenden irischen
Militairmacht auf englischem Boden hervorrufen mußte. Wie es gewöhnlich
zu geschehen pflegt, wenn ein schwacher Mann einander entgegengesetzte
Nachtheile vermeiden will, schlug er endlich einen Weg ein, der sie alle
in sich vereinigte. Er zog so viele Irländer herüber, als in der That
nicht hingereicht haben würden, um nur die Hauptstadt oder die
Grafschaft York im Zaume zu halten, die aber doch genügten, um die
Besorgniß und den Unwillen des ganzen Königreiches von Northumberland
bis Cornwall zu erregen. Ein Bataillon nach dem andren, von Tyrconnel
ausgehoben und eingeübt, landete an der Westküste und marschirte nach
der Hauptstadt, und irische Rekruten wurden in bedeutender Anzahl
herübergezogen, um die Lücken in den englischen Regimentern
auszufüllen.[34]

Dies war einer der verderblichsten von den vielen Fehlern, welche Jakob
beging. Er hatte sich schon die Herzen seiner Nation durch Verletzung
ihrer Gesetze, durch Einziehung ihrer Güter und durch Verfolgung ihrer
Religion entfremdet. Von Denen, welche einst die eifrigsten Anhänger der
Monarchie gewesen waren, hatte er schon viele dahin gebracht, daß sie im
Herzen Rebellen waren. Indessen hätte er noch immer mit einiger Aussicht
auf Erfolg den patriotischen Sinn seiner Unterthanen gegen einen
eindringenden Feind aufrufen können. Denn sie waren der Gesinnung wie
der geographischen Lage nach ein Inselvolk, und ganz besonders damals
waren ihre nationalen Antipathien über alle Maßen heftig und lieblos.
Noch nie waren die Engländer an die Gewalt oder Einmischung eines
Fremden gewöhnt gewesen; das Erscheinen einer ausländischen Armee auf
ihrem Boden hätte sie bestimmen können, sich selbst um einen solchen
König zu schaaren, den sie zu lieben keine Ursache hatten. Wilhelm wäre
vielleicht nicht im Stande gewesen, diese Schwierigkeit zu überwinden;
aber Jakob räumte sie selbst aus dem Wege. Selbst die Ankunft einer
Brigade von Ludwig's Musketieren würde keine solche Entrüstung und
Beschämung hervorgerufen haben, als sie unsere Vorfahren beim Anblick
der aus Dublin ankommenden papistischen Colonnen empfanden, die sich mit
militairischem Gepränge auf den Landstraßen fortbewegten. Kein geborener
Engländer betrachtete damals die Ureinwohner Irlands als seine
Landsleute. Sie gehörten nicht zu unsrem Zweige der großen menschlichen
Familie, sie unterschieden sich von uns durch mehr als eine moralische
und intellectuelle Eigenthümlichkeit, welche der Unterschied der Lage
und der Erziehung, so groß derselbe auch sein mochte, nicht genügend
erklärte. Sie hatten ein andres Aussehen und eine andre Muttersprache.
Wenn sie englisch sprachen, war ihre Aussprache fehlerhaft; ihre
Phraseologie war holprig, wie immer bei Denen, welche in einer Sprache
denken und ihre Gedanken in einer andren ausdrücken. Sie waren daher
Ausländer und zwar die am meisten verhaßten und verachteten von allen
Ausländern; am meisten verhaßt deshalb, weil sie seit fünf Jahrhunderten
stets unsere Feinde gewesen waren, und am meisten verachtet, weil wir
sie besiegt, unterjocht und ausgeplündert hatten. Der Engländer verglich
mit Stolz seine Felder mit den öden Sümpfen, aus denen irische Räuber
hervorstürzten, um zu plündern und zu morden, und seine Wohnung mit den
elenden Hütten, in denen die Landleute und die Schweine vom Shannon sich
zusammen im Kothe wälzten. Der Engländer gehörte einer Gesellschaft an,
welche in Reichthum und Civilisation allerdings noch weit unter der
stand, in welcher wir jetzt leben, die aber doch eine der reichsten und
civilisirtesten der damaligen Zeit war; der Irländer dagegen war fast so
roh wie die Wilden von Labrador. Er war ein freier Mann, die Iren waren
die erblichen Leibeigenen seines Stammes. Er verehrte Gott nach einem
reinen und vernünftigen Brauche der Irländer und war in Götzendienerei
und Aberglauben versunken. Er wußte, daß mehr als einmal große Massen
von Iren vor einer kleinen englischen Streitmacht geflohen waren und daß
eine kleine englische Colonie die ganze irische Bevölkerung
niedergehalten hatte, und daraus zog er den selbstgefälligen Schluß, daß
er von Natur ein höher stehendes Wesen sei als der Irländer, denn so
erklärt ein herrschender Stamm immer sein Übergewicht und entschuldigt
damit seine Tyrannei. Jetzt werden die Irländer allgemein als ein Volk
anerkannt, das in Bezug auf Lebhaftigkeit, Mutterwitz und Beredtsamkeit
einen hohen Rang unter den Nationen der Erde einnimmt, und daß sie bei
guter Leitung vortreffliche Soldaten sind, haben sie auf hundert
Schlachtfeldern bewiesen. Gleichwohl ist es gewiß, daß sie vor
anderthalb Jahrhunderten auf unsrer Insel allgemein als ein dummes und
zugleich feiges Volk verachtet wurden. Und ein solches Volk sollte mit
bewaffneter Hand England im Schach halten, während des Letzteren
bürgerliche und kirchliche Verfassung vernichtet wurde. Das Blut der
ganzen Nation kochte bei diesem Gedanken. Von Franzosen oder Spaniern
besiegt zu werden, würde im Vergleich damit noch als ein erträgliches
Loos erschienen sein, denn die Franzosen und Spanier waren wir gewohnt
als unsrer ebenbürtig zu betrachten. Wir hatten zuweilen ihr Glück
beneidet, zuweilen ihre Macht gefürchtet, zuweilen uns zu ihrer
Freundschaft gratulirt. Bei all unsrem schroffen Stolze gaben wir zu,
daß sie große Nationen waren und daß sie sich in den Künsten des Kriegs
und des Friedens ausgezeichneter Männer rühmen konnten. Aber von einer
tief unter uns stehenden Kaste dominirt zu werden, war eine Schmach,
gegen die jede andre Schmach nichts war. Die Engländer fühlten dasselbe,
was die weißen Bewohner von Charleston oder Neworleans fühlen würden,
wenn diese Städte Negergarnisonen erhalten sollten. Die wirklichen
Thatsachen würden schon hingereicht haben, um Besorgniß und Unwillen zu
erregen; die wirklichen Thatsachen aber verschwanden in einer Masse
verworrener Gerüchte, welche unaufhörlich von einem Kaffeehause zum
andren, von einer Bierschenke zur andren flogen und auf jeder Station
ihrer Wanderung immer wunderbarer und erschreckender wurden. Die Zahl
der irischen Truppen, welche an unseren Küsten gelandet waren, konnte
allerdings ernste Besorgnisse wegen der daraus ersichtlichen Zwecke des
Königs erregen, aber sie wurde durch den Schrecken des Publikums um das
Zehnfache vergrößert. Es war wohl kaum anders zu erwarten, als daß der
rohe Kerne von Connaught, mit bewaffneter Hand unter ein fremdes Volk
gestellt, das er haßte und von dem er wieder gehaßt wurde, einige
Excesse beging; aber diese Excesse wurden durch das Gerücht übertrieben
und als Zugabe zu den Gewaltthätigkeiten, die sich der Fremde wirklich
erlaubt hatte, wurden auch die, welche seine englischen Kameraden
begangen, mit auf seine Rechnungen gesetzt. Aus allen Winkeln des
Reiches erscholl ein allgemeiner Schrei gegen die fremden Barbaren, die
sich in Privathäuser eindrängten, Pferde und Wagen wegnähmen, Geld
erpreßten und die Frauen insultirten. Diese Menschen, sagte man, seien
die Söhne Derer, welche vor siebenundvierzig Jahren die Protestanten zu
Tausenden hingeschlachtet hätten. Die Geschichte des Aufstandes von
1641, eine Geschichte, die selbst bei nüchterner Betrachtung wohl
Mitleid und Entsetzen erregen konnte und welche durch nationale und
religiöse Antipathien schrecklich entstellt worden war, bildete jetzt
das Lieblingsthema der Unterhaltung. Grauenvolle Geschichten von
Häusern, welche sammt allen ihren Bewohnern niedergebrannt worden, von
kaltblütig abgeschlachteten Frauen und Kindern, von nahen Verwandten,
welche durch die Folter gezwungen wurden, einander gegenseitig zu
morden, von geschändeten und verstümmelten Leichen, wurden in vollem
Ernste erzählt und mit vollem Glauben und gespannter Aufmerksamkeit
angehört. Dann setzte man hinzu, daß die feigen Wilden, welche
heimtückischerweise alle diese Grausamkeiten an einer nichts Arges
vermuthenden und wehrlosen Colonie verübt hätten, sobald Oliver zu
seinem großen Rachewerk unter ihnen erschienen sei, in panischem
Schrecken die Waffen weggeworfen hätten, und ohne das Glück einer
einzigen Schlacht zu versuchen, in die ihnen gebührende Sklaverei
versunken seien. Viele Anzeichen deuteten darauf hin, daß der
Lordstatthalter eine zweite große Beraubung und Niedermetzelung der
sächsischen Ansiedler beabsichtige. Tausende protestantischer
Colonisten, die sich vor der Ungerechtigkeit und frechen Willkür
Tyrconnel's geflüchtet, hatten durch Schilderung der überstandenen und
der nur zu wahrscheinlich in Aussicht stehenden ferneren Leiden den
Unwillen des Mutterlandes erregt. Wie heftig das Publikum durch die
Klagen dieser Flüchtlinge erbittert wurde, hatte sich noch ganz kürzlich
in unverkennbarer Weise gezeigt. Tyrconnel hatte der königlichen
Genehmigung die Hauptpunkte einer Bill unterbreitet, die das Gesetz
aufhob, auf welchem das Besitzrecht der Hälfte des ganzen irländischen
Grund und Bodens beruhte, und hatte als Bevollmächtigte zwei seiner
katholischen Landsleute, die erst unlängst zu hohen richterlichen Ämtern
befördert worden waren, nach Westminster gesandt: Nugent, Oberrichter
der irischen Kings Bench, eine Verkörperung aller Laster und Schwächen,
welche die Engländer damals für characteristische Eigenschaften der
papistischen Celten hielten, und Rice, ein Baron der irischen
Schatzkammer, der in Talent und Wissen vielleicht der Ausgezeichnetste
seines Stammes und seines Glaubens war. Der Zweck dieser Sendung war
wohl bekannt, und die beiden Richter durften es daher nicht wagen, sich
auf der Straße sehen zu lassen, denn wo sie erkannt wurden, rief
sogleich der Pöbel: »Platz für die irischen Gesandten!« und ihr Wagen
wurde mit höhnischer Feierlichkeit von einem Zuge Ceremonienmeister und
Läufer begleitet, welche Stöcke mit daran gespießten Kartoffeln
trugen.[35]

Die Abneigung der Engländer gegen die Irländer war damals in der That so
groß und so allgemein, daß selbst die ausgezeichnetsten Katholiken sie
theilten. Powis und Bellasyse sprachen sogar im Geheimen Rathe in den
rücksichtslosesten und schärfsten Worten ihren Widerwillen gegen die
Fremdlinge aus.[36] Unter den englischen Protestanten war diese Aversion
noch stärker und vielleicht am stärksten war sie in der Armee. Weder
Offiziere noch Soldaten waren geneigt, den Vorzug, den ihr Gebieter
einem fremden und unterjochten Stamme gab, sich ruhig gefallen zu
lassen. Der Herzog von Berwick, welcher Oberst des damals in Portsmouth
stehenden achten Linieninfanterieregiments war, gab Befehl, daß dreißig
Mann, welche soeben von Irland angekommen waren, eingereiht werden
sollten. Die englischen Soldaten erklärten, daß sie mit diesen
Eindringlingen nicht dienen wollten. Der Oberstlieutenant Johann
Beaumont protestirte für sich und im Namen von fünf Hauptleuten dem
Herzoge ins Gesicht gegen diese Beschimpfung der englischen Armee und
Nation. »Wir haben,« sagte er, »das Regiment auf unsere eigenen Kosten
errichtet, um die Krone Seiner Majestät in Zeiten der Gefahr zu
vertheidigen. Es wurde uns damals nicht schwer, Hunderte von englischen
Rekruten zu finden, und wir können leicht jede Compagnie vollzählig
erhalten, ohne Irländer aufzunehmen. Wir halten es daher für unvereinbar
mit unsrer Ehre, und diese Fremdlinge aufdringen zu lassen, und bitten,
daß es uns gestattet werde, entweder Leute unsrer eignen Nation zu
befehligen, oder unsren Abschied zu nehmen.« Berwick schickte nach
Windsor, um sich Verhaltungsbefehle zu erbitten. Der König war höchlich
entrüstet und sandte sofort eine Abtheilung Reiterei nach Portsmouth mit
dem Befehl, die sechs widerspenstigen Offiziere vor ihn zu bringen. Sie
wurden vor ein Kriegsgericht gestellt, und da sie sich durchaus nicht
fügen wollten, wurden sie zur Ausstoßung aus der Armee verurtheilt, der
höchsten Strafe, welche damals ein Kriegsgericht zuerkennen konnte. Die
ganze Nation zollte den entlassenen Offizieren ihren Beifall und die
herrschende Stimmung wurde durch das ungegründete Gerücht, daß sie
während ihrer Haft mit Härte behandelt worden seien, noch mehr
aufgereizt.[37]

    [Anmerkung 34: +Luttrell's Diary, Aug. 27. 1688+.]

    [Anmerkung 35: +King's State of the Protestants of Ireland+;
    +Secret Consults of the Romish Party in Ireland.+]

    [Anmerkung 36: +Secret Consults of the Romish Party in Ireland.+]

    [Anmerkung 37: +History of the Desertion, 1689+; vergleiche die 1.
    und 2. Ausg. Barillon 8.(18.) Sept. 1688; Citters von demselben
    Datum; +Clarke's Life of James the Second, II, 168+. Der
    Compilator des letztgenannten Werks sagt, Churchill habe das
    Gericht aufgefordert, die sechs Offiziere zum Tode zu
    verurtheilen. Diese Geschichte scheint nicht den Papieren des
    Königs entnommen zu sein und ich halte sie daher für eine der
    zahlreichen Erdichtungen, welche in St. Germain erfunden wurden,
    um einen ohnehin schon hinreichend schwarzen Character noch
    schwärzer darzustellen. Daß Churchill bei dieser Gelegenheit
    großen Unwillen affectirte, um den im Sinne habenden Verrath zu
    verbergen, ist sehr wahrscheinlich. Aber man kann unmöglich
    glauben, daß ein so verständiger Mann die Mitglieder eines
    Kriegsgerichts aufgefordert haben sollte, eine Strafe zu
    verhängen, welche anerkanntermaßen außer dem Bereiche ihrer
    Competenz lag.]


[_Lillibullero._] Die öffentliche Stimmung äußerte sich damals noch
nicht durch die Zeichen, welche jetzt bei uns gebräuchlich sind, durch
große Volksversammlungen und heftige Reden. Dessenungeachtet fand sie
ein Organ. Thomas Wharton, der beim letzten Parlament die Grafschaft
Buckingham vertreten und der sich schon als Freigeist und als Whig
ausgezeichnet, hatte eine satyrische Ballade auf Tyrconnel geschrieben.
In diesem kleinen Gedicht gratulirt ein Irländer einem Landsmanne in
barbarischem Jargon zu dem nahe bevorstehenden Triumphe des Papismus und
des milesischen Stammes. Der protestantische Erbe würde enterbt werden;
die protestantischen Offiziere würden verabschiedet werden; die Magna
Charta und die Maulhelden, welche darauf pochten, würden gehängt werden;
der gute Talbot würde seine Landsleute mit Stellen und Ämtern
überschütten und den Engländern die Kehle abschneiden. Diese Verse, die
sich in keiner Hinsicht über das gewöhnliche Niveau der
Gassenhauerpoesie erhoben, hatten zum Refrain ein Kauderwelsch, das
angeblich im Jahre 1641 das Feldgeschrei der Insurgenten von Ulster
gewesen sein sollte. Die Verse und die Melodie entsprachen ganz der
Stimmung der Nation und die hohlen Reime wurden daher von einem Ende des
Landes zum andren von allen Klassen beständig gesungen. Ganz besonderen
Anklang fanden sie bei der englischen Armee. Mehr als siebzig Jahre nach
der Revolution schilderte ein Schriftsteller mit außerordentlicher Treue
einen Veteranen, der am Boyne und bei Namur gefochten,[38] und ein
characteristischer Zug dieses wackeren alten Kriegers ist seine
Gewohnheit, den Lillibullero zu pfeifen.[39]

Wharton rühmte sich später, daß er einen König aus drei Königreichen
hinausgesungen habe. In Wahrheit aber war der Erfolg des Lillibullero
nicht die Ursache, sondern die Wirkung des aufgeregten Zustandes der
Volksstimmung, der die Revolution erzeugte.

Während Jakob so alle die Nationalgefühle gegen sich aufstachelte, die
seinen Thron hätten retten können, wenn er nicht so verblendet gewesen
wäre, bemühte sich Ludwig auf andre Weise nicht minder wirksam, dem
Prinzen Wilhelm die Ausführung seines Unternehmens zu erleichtern.

    [Anmerkung 38: Der Onkel Tobias in Sterne's Tristram Shandy. Der
    Übers.]

    [Anmerkung 39: Das Lillibullerolied findet sich in den +State
    Poems+. In Percy's +Relics+ findet man den ersten Theil, aber
    nicht den zweiten, der erst nach Wilhelm's Landung hinzugefügt
    wurde. Im +Examiner+ und in verschiedenen Flugschriften aus dem
    Jahre 1712 wird Wharton als Verfasser genannt.]


[_Politische Zustände in den Vereinigten Provinzen._] Die Partei in
Holland, welche Frankreich geneigt war, war eine Minorität, die aber der
Verfassung des Batavischen Staatenbundes gemäß stark genug war, um den
Statthalter an jedem großen Schlage zu verhindern. Diese Minorität sich
zu erhalten, würde für den Hof von Versailles, wenn er klug gewesen
wäre, eine Aufgabe gewesen sein, der unter den damaligen Verhältnissen
alles Andre hätte nachstehen müssen. Ludwig aber hatte sich seit einiger
Zeit wie absichtlich bemüht, sich seine holländischen Freunde zu
entfremden, und es gelang ihm endlich, obwohl nicht ohne Schwierigkeit,
sie zu zwingen, daß sie gerade in dem Augenblicke, wo ihr Beistand von
unschätzbarem Werthe für ihn gewesen sein würde, seine Feinde wurden.

Zwei Dinge waren es, in Bezug auf welche die Bevölkerung der Vereinigten
Provinzen besonders empfindlich war; die Religion und der Handel, und
der französische König griff sie sowohl in ihrer Religion als in ihrem
Handel an. Die Verfolgung der Hugenotten und die Widerrufung des Edicts
von Nantes hatte überall den Schmerz und die Entrüstung der Protestanten
erregt. In Holland aber waren tiefe Gefühle stärker als in irgend einem
andren Lande, denn viele geborne Holländer hatten sich im Vertrauen auf
die wiederholten feierlichen Versicherungen Ludwig's, daß die von seinem
Großvater gewährte Duldung aufrecht erhalten werden sollte, zu
Handelszwecken in Frankreich niedergelassen und ein großer Theil der
Übergesiedelten war daselbst naturalisirt worden. Jetzt brachte jede
Post die Nachricht nach Holland, daß diese Leute ihres Glaubens wegen
mit außerordentlicher Strenge behandelt würden. Dem Einen waren Dragoner
ins Quartier gelegt worden, ein Andrer war nackt an ein Feuer gehalten
worden, bis er halb gebraten war; und Allen war bei strengster Strafe
verboten, ihre gottesdienstlichen Gebräuche auszuüben, oder das Land zu
verlassen, in das sie unter falschen Vorspiegelungen gelockt worden
waren. Die Anhänger des Hauses Oranien äußerten laut ihren Unwillen über
die Grausamkeit und Treulosigkeit des Tyrannen. Die Opposition war
beschämt und entmuthigt. Selbst der Stadtrath von Amsterdam, so sehr
derselbe dem französischen Interesse und der arminianischen Theologie
zugethan, und so wenig er geneigt war, Ludwig zu tadeln oder mit den von
ihm verfolgten Calvinisten zu sympathisiren, durfte es nicht wagen, sich
gegen die allgemeine Stimmung aufzulehnen, denn es gab in dieser großen
Stadt kaum einen einzigen reichen Kaufmann, der nicht einen Verwandten
oder einen Freund unter den Verfolgten hatte. Es wurden den
Bürgermeistern Petitionen mit zahlreichen und sehr angesehenen
Unterschriften überreicht, in denen sie dringend gebeten wurden, dem
Grafen Avaux energische Vorstellungen zu machen. Verschiedene
Bittsteller begaben sich sogar persönlich in das Rathhaus, fielen auf
die Knie, schilderten unter Thränen und Schluchzen die traurige Lage
ihrer Lieben und flehten den Magistrat um seine Verwendung an. Auf allen
Kanzeln ertönten Schmähungen und Klagen, und die Presse ergoß sich in
herzzerreißenden Schilderungen und aufregenden Mahnungen. Avaux erkannte
die ganze Größe der Gefahr. Er berichtete seinem Hofe, daß selbst die
Gutgesinnten -- denn so pflegte er die Feinde des Hauses Oranien zu
nennen -- die allgemeine Stimmung entweder theilten oder durch dieselbe
eingeschüchtert würden, und er rieth ernstlich dazu, auf ihre Wünsche
einige Rücksicht zu nehmen. Er erhielt jedoch kalte und geringschätzende
Antworten von Versailles. Es wurde zwar einigen holländischen Familien,
welche nicht in Frankreich naturalisirt waren, die Rückkehr in ihr
Vaterland gestattet, den naturalisirten Holländern aber verweigerte
Ludwig jedes Zugeständniß. Keine Macht der Erde, sagte er, habe ein
Recht, zwischen ihn und seine Unterthanen zu treten; diese Leute wären
aus eigenem Antriebe seine Unterthanen geworden, und wie er sie
behandle, das gehe keinen Nachbarstaat etwas an. Der Magistrat von
Amsterdam fühlte sich durch den hochmüthigen Undank des Potentaten, den
er gegen die allgemeine Stimmung ihrer eigenen Landsleute kräftig und
rücksichtslos unterstützt hatte, natürlich sehr unangenehm berührt. Bald
folgte eine andre Herausforderung, die sie noch schmerzlicher empfanden.
Ludwig begann ihren Handel anzugreifen. Er erließ zuerst eine
Verordnung, welche die Heringseinfuhr in seine Staaten verbot. Avaux
beeilte sich seinem Hofe zu melden, daß dieser Schritt großen Unwillen
erregt habe, daß in den Vereinigten Provinzen sechzigtausend Menschen
vom Heringsfang lebten und daß die Generalstaaten wahrscheinlich strenge
Repressalien beschließen würden. Der König antwortete, daß er nicht nur
auf dem Verbot beharre, sondern auch die Einfuhrzölle auf viele Waaren,
mit denen Holland einen einträglichen Handel mit Frankreich trieb, zu
erhöhen beabsichtige. Die Folge dieser Mißgriffe, welche trotz
wiederholter Warnungen, wie es scheint aus bloßem übermüthigen Eigensinn
begangen wurden, war, daß sich jetzt, wo die Stimme eines einzelnen
mächtigen Mitgliedes der Batavischen Föderation ein der ganzen Politik
Ludwig's Verderben drohendes Ereigniß hätte abwenden können, eine solche
Stimme nicht erhob. Der Gesandte bemühte sich mit all' seiner
diplomatischen Gewandtheit vergebens, die Partei, mit deren Hülfe er
seit mehreren Jahren den Statthalter in Schach gehalten hatte, zu
ralliiren. Die Arroganz und der Starrsinn seines Gebieters vereitelten
alle seine Anstrengungen.


[_Fehler des Königs von Frankreich._] Endlich sah Avaux sich genöthigt,
die beunruhigende Nachricht nach Versailles zu senden, daß man sich auf
die der französischen Sache so lange ergeben gewesene Stadt Amsterdam
nicht mehr verlassen könne, daß ein Theil der Gutgesinnten um ihre
Religion besorgt sei und daß die Wenigen, deren Gesinnungen unverändert
geblieben wären, es nicht wagen dürften, ihre Gedanken zu äußern. Die
feurige Beredtsamkeit der Prediger, welche gegen die Greuel der
französischen Verfolgung eiferten und die Wehklagen der bankerottirten
Kaufleute, die ihren Untergang den französischen Maßregeln zuschrieben,
hatten das Volk in eine so gereizte Stimmung versetzt, daß kein Bürger
es mehr wagen durfte, sich offen für Frankreich zu erklären, wenn er
sich nicht der Gefahr aussetzen wollte, in den nächsten Kanal geworfen
zu werden. Man erinnerte daran, daß vor nicht mehr als fünfzehn Jahren
das vornehmste Oberhaupt der dem Hause Oranien feindlich gesinnten
Partei im Bereiche des Palastes der Generalstaaten von dem wüthenden
Pöbel in Stücke zerrissen worden war. Ein gleiches Schicksal könnte
nicht unwahrscheinlich auch Diejenigen treffen, welche beschuldigt
werden sollten, daß sie in diesem kritischen Augenblicke den Absichten
Frankreichs gegen ihr Vaterland und gegen den reformirten Glauben
dienten.[40]

    [Anmerkung 40: Siehe die Depeschen des Grafen Avaux. Es würde mir
    kaum möglich sein, alle die Stellen anzuführen, welche mir
    Material zu diesem Theile meiner Geschichte lieferten. Die
    wichtigsten finden sich unter folgenden Daten: 20. Sept., 24.
    Sept., 5. Oct. u. 20. Dec. 1685; 3. Jan. u. 22. Nov. 1686; 2.
    Oct., 6. Nov. u. 19. Nov. 1687; 29. Juli u. 20. Aug. 1688. Lord
    Lonsdale sagt in seinen Memoiren sehr richtig, daß ohne Ludwig's
    thörichtes Verfahren die Stadt Amsterdam die Revolution verhindert
    haben würde.]


[_Sein Streit mit dem Papste bezüglich der Vorrechte auswärtiger
Gesandter._] Während Ludwig auf diese Weise seine Freunde zwang, seine
wirklichen oder vorgeblichen Feinde zu werden, arbeitete er mit nicht
geringerem Erfolge darauf hin, alle Bedenken zu zerstreuen, welche die
römisch-katholischen Fürsten vielleicht noch hätten abhalten können, die
Pläne Wilhelm's zu unterstützen. Es hatte sich zwischen dem Hofe von
Versailles und dem Vatikan ein neuer Streit erhoben, ein Streit, in
welchem sich die Unbilligkeit und der Übermuth des Königs von Frankreich
vielleicht in beleidigenderer Weise zeigte, als bei irgend einem andren
Schritte seiner Regierung.

Seit langer Zeit hatte in Rom die Regel gegolten, daß kein Justiz- oder
Finanzbeamter das Haus eines Gesandten betreten durfte, der einen
katholischen Staat repräsentirte. Im Laufe der Zeit war dieses Vorrecht
so weit ausgedehnt worden, daß nicht nur die Wohnung, sondern auch ein
beträchtlicher Umkreis um dieselbe als unverletzbar betrachtet wurde.
Jeder Gesandte suchte eine Ehre darin, die Grenzen des unter seinem
Schutze stehenden Raumgebiets möglichst zu erweitern, so daß endlich die
halbe Stadt aus privilegirten Bezirken bestand, in denen die päpstliche
Regierung nicht mehr Gewalt hatte als im Louvre oder im Escurial. Jedes
Asyl wimmelte von Schleichhändlern, betrügerischen Bankerotteurs, Dieben
und Mördern; in jedem Asyle waren Massen von gestohlenen oder
eingeschmuggelten Waaren aufgehäuft; aus jedem Asyle zogen des Nachts
Banditen aus, um zu rauben und zu morden. In keiner Stadt der
Christenheit war daher das Gesetz so ohnmächtig und das Verbrechen so
dreist als in der alten Hauptstadt der Religion und Civilisation.
Innocenz dachte darüber, wie es einem Priester und Fürsten geziemte. Er
erklärte, daß er keinen Gesandten mehr aufnehmen werde, der auf diesem
alle Ordnung und Sittlichkeit untergrabenden Rechte bestände. Anfangs
wurde laut darüber gemurrt, aber die Gerechtigkeit seines Entschlusses
war so in die Augen springend, daß alle Regierungen, mit Ausnahme einer
einzigen, ihm nach und nach beipflichteten. Der Kaiser, der unter den
christlichen Monarchen die erste Stelle einnahm, der spanische Hof, der
sich unter allen Höfen durch seine Empfindlichkeit und Zähigkeit in
Sachen der Etikette auszeichnete, entsagten dem verderblichen
Privilegium. Nur Ludwig blieb unbeugsam. Was andere Fürsten thäten,
sagte er, gehe ihn nichts an. Er schickte daher eine Gesandtschaft nach
Rom, die von einer starken Abtheilung Reiterei und Fußvolk begleitet
war. Der Gesandte zog im Triumph nach seinem Palaste, wie ein
siegreicher General durch eine eroberte Stadt marschirt. Der Palast
wurde stark bewacht und Patrouillen machten Tag und Nacht die Runde um
den geschützten Bezirk, wie auf den Wällen einer Festung. Der Papst ließ
sich dadurch nicht einschüchtern. »Sie vertrauen auf Wagen und Rosse,«
sagte er, »wir aber denken an den Namen des Herrn unsres Gottes.« Er
griff energisch zu seinen geistlichen Waffen und belegte das von den
Franzosen besetzte Gebiet mit einem Interdict.[41]

Als dieser Streit den Höhepunkt erreicht hatte, brach noch ein andrer
aus, bei welchem Deutschland eben so stark betheiligt war als der Papst.

    [Anmerkung 41: Prof. Ranke's Römische Päpste, Buch 8; +Burnet I.
    789+.]


[_Das Erzbisthum Köln._] Köln und das umliegende Gebiet wurde von einem
Erzbischof regiert, der zugleich ein Kurfürst des deutschen Reiches war.
Das Recht der Erwählung dieses mächtigen Prälaten stand unter gewissen
Beschränkungen dem Domkapitel zu. Der Erzbischof war zu gleicher Zeit
auch Bischof von Lüttich, von Münster und von Hildesheim, seine
Besitzungen waren bedeutend und enthielten mehrere starke Festungen,
welche im Falle eines Feldzugs am Rhein von höchster Wichtigkeit waren.
In Kriegszeiten konnte er zwanzigtausend Mann ins Feld stellen. Ludwig
hatte keine Mühe gespart, um einen so werthvollen Bundesgenossen zu
gewinnen, und dies war ihm so gut gelungen, daß Köln fast von
Deutschland losgetrennt und ein Außenwerk Frankreichs geworden war.
Viele dem Hofe von Versailles ergebene Priester waren in das Kapitel
gebracht und der Cardinal Fürstenberg, eine notorische Creatur des
Hofes, war zum Coadjutor ernannt worden.

Im Sommer des Jahres 1688 kam das Erzbisthum zur Erledigung. Fürstenberg
war der Candidat des Hauses Bourbon; die Feinde dieses Hauses schlugen
den jungen Prinzen Clemens von Baiern vor. Fürstenberg war bereits
Bischof und konnte daher nur vermittelst einer Dispensation vom Papste,
oder einer Postulation, der sich zwei Drittheile des kölner Domkapitels
anschließen mußten, in eine andre Diöcese versetzt werden. Der Papst
wollte einer Creatur Frankreichs keine Dispensation bewilligen, und der
Kaiser bewog mehr als ein Drittheil des Kapitels, für den bairischen
Prinzen zu stimmen. Inzwischen war auch in den Kapiteln von Lüttich,
Münster und Hildesheim die Majorität gegen Frankreich. Ludwig sah mit
Unwillen und Besorgniß, daß eine ausgedehnte Provinz, die er schon
angefangen hatte als ein Besitzthum seiner Krone zu betrachten, nahe
daran war, nicht allein unabhängig von ihm, sondern sogar ihm feindlich
gesinnt zu werden. In einem mit großer Bitterkeit abgefaßten Schreiben
beklagte er sich über die Ungerechtigkeit, mit der Frankreich bei jeder
Gelegenheit vom heiligen Stuhle behandelt werde, während derselbe doch
der ganzen Christenheit seinen väterlichen Schutz angedeihen lassen
sollte. Viele Anzeichen verriethen, daß er fest entschlossen war, die
Ansprüche seines Candidaten mit bewaffneter Hand gegen den Papst und
dessen Verbündete zu unterstützen.[42]

    [Anmerkung 42: +Burnet I. 758+; Ludwig's Schreiben ist vom 27.
    Aug. (6. Sept.) 1688 datirt. Es findet sich im +Recueil des
    Traités, vol. IV. No. 219+.]


[_Kluges Verfahren Wilhelm's._] So stachelte Ludwig durch zwei einander
entgegengesetzte Fehler den Zorn der beiden Religionsparteien, die sich
in das westliche Europa theilten, zu gleicher Zeit gegen sich auf.
Nachdem er sich die eine große Abtheilung der Christenheit durch
Verfolgung der Hugenotten entfremdet hatte, entfremdete er sich auch die
andre durch Beleidigung des römischen Stuhles. Und diese Mißgriffe that
er in einem Augenblicke, wo kein Fehler ungestraft begangen werden
konnte, und vor den Augen eines Gegners, der keinem Staatsmanne, dessen
Andenken die Geschichte aufbewahrt hat, an Wachsamkeit, Scharfblick und
Energie nachstand. Wilhelm sah mit heimlicher Freude, wie seine Gegner
sich bemühten, ein Hinderniß nach dem andren aus seinem Wege zu
entfernen. Während sie sich die Feindschaft aller Parteien zuzogen,
arbeitete er darauf hin, sie alle zu gewinnen. Mit seltener Klugheit
stellte er den im Sinne habenden Plan den verschiedenen Regierungen in
verschiedenem Lichte dar, und man muß hinzusetzen, daß keine seiner
Darlegungen trotz ihrer Verschiedenheit falsch war. Er forderte die
norddeutschen Fürsten auf, sich zur Vertheidigung der gemeinsamen Sache
aller reformirten Kirchen um ihn zu schaaren, und den beiden
Oberhäuptern des Hauses Österreich stellte er die Gefahr vor, die ihnen
von Seiten des französischen Ehrgeizes drohte, sowie die Nothwendigkeit,
England aus seiner Abhängigkeit zu befreien und es in den europäischen
Staatenbund aufzunehmen.[43] Er verwahrte sich, und zwar aufrichtig,
gegen jede Bigotterie. Der wahre Feind der britischen Katholiken, sagte
er, sei der kurzsichtige und halsstarrige König, der ihnen leicht hätte
gesetzliche Duldung verschaffen können, anstatt dessen aber Gesetz,
Freiheit und Eigenthum mit Füßen getreten hätte, um ihnen ein gehässiges
und unsicheres Übergewicht zu geben. Wenn man Jakob seine schlechte
Regierung ungehindert fortsetzen lasse, müsse dieselbe in nicht zu
ferner Zeit einen allgemeinen Volksaufstand herbeiführen, der eine
grausame Verfolgung der Papisten nach sich ziehen könne. Der Prinz
erklärte es als einen seiner Hauptzwecke, den Greueln einer solchen
Verfolgung vorzubeugen. Wenn sein Plan gelinge, würde er die Macht, die
er dann als Oberhaupt der protestantischen Interessen besitzen müsse,
zum Schutze der Mitglieder der römischen Kirche anwenden. Zwar könnten
die durch Jakob's Tyrannei entzündeten Leidenschaften es ihm vielleicht
unmöglich machen, die Strafgesetze aus dem Gesetzbuche zu streichen;
aber diese Strafgesetze sollten dann wenigstens durch gelinde Ausübung
gemildert werden. Keine Klasse werde aus dem beabsichtigten Unternehmen
mehr Gewinn ziehen, als die friedliebenden und anspruchsloseren
Katholiken, welche nur den Wunsch hegten, ungestört ihrem Berufe
nachgehen und ihren Schöpfer verehren zu dürfen. Die einzigen, welche
dabei verlieren würden, seien die Tyrconnel, die Dover, die Albeville
und anderen politischen Abenteurer, welche zum Dank für Schmeichelei und
schlimmen Rath von ihrem leichtgläubigen Gebieter Statthalterposten,
Regimenter und Gesandtschaften erhalten hätten.

    [Anmerkung 43: Wegen der außerordentlichen Geschicklichkeit, mit
    der er zwei verschiedenen Parteien seine Politik in verschiedenem
    Lichte darstellte, wurde er später vom Hofe von St. Germains
    bitter geschmäht. +»Licet foederatis publicus ille praedo haud
    aliud aperte proponat nisi ut Gallici imperii exuberans amputetur
    potestas; veruntamen sibi, et suis ex haeretica faece complicibus,
    ut pro comperto habemus, longe aliud promittit, nempe ut, exciso
    vel enervato Francorum regno, ubi Catholicarum partium summum jam
    robur situm est, haeretica ipsorum pravitas per orbem Christianum
    universum praevaleat.«+ -- Brief von Jakob an den Papst,
    unzweifelhaft 1689 geschrieben.]


[_Seine Rüstungen zu Lande und zur See._] Während Wilhelm sich bemühte,
die Sympathien der Protestanten sowohl als der Katholiken zu gewinnen,
sorgte er mit nicht geringerer Energie und Klugheit für Anschaffung der
zu seinem Unternehmen erforderlichen militairischen Hülfsmittel. Er
konnte eine Landung in England nicht ohne Genehmigung der Vereinigten
Provinzen bewerkstelligen. Hielt er um diese Genehmigung an bevor sein
Plan zur Ausführung reif war, so konnten seine Absichten durch eine
seinem Hause feindlich gesinnte Partei möglicherweise vereitelt werden
und jedenfalls mußte die ganze Welt Kenntniß davon erhalten. Er beschloß
daher, seine Voranstalten mit größter Eil zu betreiben und nach
Vollendung derselben einen günstigen Augenblick abzuwarten, wo er den
Bund um seine Zustimmung ersuchen konnte. Die Agenten Frankreichs
bemerkten, daß sie ihn noch nie so geschäftig gesehen hatten. Es verging
kein Tag, wo man ihn nicht von seiner Villa nach dem Haag sprengen sah,
und beständig hielt er geheime Berathungen mit seinen ausgezeichnetsten
Anhängern. Vierundzwanzig Schiffe wurden zur Verstärkung der
gewöhnlichen Seemacht der Republik vollständig ausgerüstet. Für diese
Vermehrung der Flotte bot sich zufällig ein vortrefflicher Vorwand dar,
denn es hatten sich kürzlich einige algierische Corsaren in der Nordsee
zu zeigen gewagt. Bei Nymwegen wurde ein Lager gebildet und viele
tausend Mann daselbst zusammengezogen. Um diese Armee zu verstärken,
wurden die Besatzungen aus den Festungen von Holländisch Brabant
genommen; selbst die berühmte Festung Bergopzoom wurde fast ganz
entblößt. Feldgeschütze, Bomben und Munitionswagen wurden aus allen
Arsenalen der Vereinigten Provinzen nach den Hauptquartieren geschafft.
Sämmtliche Bäcker von Rotterdam bucken Tag und Nacht Schiffszwieback;
alle Gewehrfabrikanten von Utrecht reichten nicht hin, um die
Bestellungen auf Pistolen und Flinten auszuführen; alle Sattler von
Amsterdam arbeiteten mit der größten Anstrengung an Kürassen und
Holftern. Die Schiffsmannschaft wurde um sechstausend Matrosen vermehrt
und siebentausend neue Soldaten ausgehoben. Diese konnten allerdings
nicht ohne Genehmigung des Bundes förmlich eingereiht werden; aber sie
wurden inzwischen immer eingeübt und in solcher Kriegszucht gehalten,
daß sie binnen vierundzwanzig Stunden nach erlangter Genehmigung ohne
Schwierigkeit unter die verschiedenen Regimenter vertheilt werden
konnten. Diese Rüstungen erforderten zwar viel baares Geld; aber Wilhelm
hatte auch durch weise Sparsamkeit für den Fall unvorhergesehener großer
Bedürfnisse einen Reserveschatz zurückgelegt, der sich auf ungefähr
zweihundertfünfzigtausend Pfund Sterling belief. Das noch Fehlende wurde
von seinen Anhängern bereitwilligst zugeschossen. Außerdem erhielt er
auch aus England große Massen Gold, man sprach von nicht weniger als
hunderttausend Guineen. Die Hugenotten, welche bedeutende Quantitäten
des edlen Metalls ins Exil mitgenommen hatten, liehen ihm gern Alles,
was sie besaßen, denn sie lebten der frohen Hoffnung, daß sie, wenn sein
Unternehmen gelang, in ihr Vaterland würden zurückkehren dürfen, und
fürchteten, daß sie im Falle des Mißlingens in ihrer Adoptivheimath kaum
noch sicher sein würden.[44]

    [Anmerkung 44: +Avaux Neg., Aug. 2.(12.), 10.(20.), 11.(21.),
    14.(24.), 16.(26.), 17.(27.), Aug. 23. (Sept. 2.) 1688+.]


[_Er erhält zahlreiche Unterstützungszusagen aus England._] Während der
letzten Hälfte des Juli und im Laufe des ganzen August nahmen die
Rüstungen einen raschen, dem ungestümen Wilhelm aber noch immer zu
langsamen Fortgang. Mittlerweile wurde zwischen England und Holland ein
lebhafter Verkehr unterhalten. Da man die gewöhnlichen Mittel zur
Beförderung von Nachrichten und Passagieren nicht mehr für sicher hielt,
fuhr ein leichtes Boot von wunderbarer Schnelligkeit beständig zwischen
Scheveningen und der Ostküste unsrer Insel hin und her.[45] Durch dieses
Fahrzeug erhielt Wilhelm von hochstehenden Männern der Kirche, der
Politik und des Heeres eine Reihe von Zuschriften. Von den sieben
Prälaten, welche die denkwürdige Petition unterzeichnet, hatten zwei,
Lloyd, Bischof von St. Asaph, und Trelawney, Bischof von Bristol,
während ihres Aufenthalts im Tower die Lehre vom Nichtwiderstande noch
einmal in Erwägung gezogen und waren bereit, einen bewaffneten Befreier
willkommen zu heißen. Ein Bruder des Bischofs von Bristol, der Oberst
Karl Trelawney, der eines der tangerschen Regimenter commandirte,
welches jetzt als das vierte Linienregiment bekannt ist, erklärte sich
bereit, für den protestantischen Glauben sein Schwert zu ziehen.
Ähnliche Versicherungen kamen auch von dem rohen Kirke. Churchill
erklärte in einem Briefe, der in ziemlich pathetischem Tone, dem
sicheren Zeichen, daß er einen Schurkenstreich im Sinne hatte,
geschrieben war, er sei entschlossen, seine Pflicht gegen den Himmel und
gegen sein Vaterland zu erfüllen, und lege seine Ehre ganz in die Hände
des Prinzen von Oranien. Wilhelm las dieses Schreiben gewiß mit jenem
bittern und cynischen Lächeln, das seinen Zügen den mindest angenehmen
Ausdruck gab. Er hielt sich nicht für bemüßigt, die Ehre Anderer in
seine Obhut zu nehmen; auch hatten es die strengsten Casuisten nicht für
unrecht erklärt, wenn ein General die Dienste von Überläufern, die er
nur verachten konnte, erbat, benutzte und belohnte.[46]

Churchill's Brief wurde von Sidney überbracht, dessen Stellung in
England gefährlich geworden war und der, nachdem er die Spur seines
Weges durch zahlreiche Vorsichtsmaßregeln verborgen hatte, Mitte August
nach Holland kam.[47] Um die nämliche Zeit schifften Shrewsbury und
Eduard Russell in einem Boote, das sie in aller Stille gemiethet hatten,
durch die Nordsee und erschienen im Haag. Shrewsbury brachte
zwölftausend Pfund Sterling mit, die er auf seine Güter aufgenommen
hatte und bei der Bank von Amsterdam deponirte. Devonshire, Danby und
Lumley blieben in England, wo sie sich, sobald der Prinz den Fuß auf die
Insel setzte, bewaffnet erheben wollten.

    [Anmerkung 45: +Avaux Neg., Sept. 4.(14.) 1688.+]

    [Anmerkung 46: +Burnet I. 765+; Churchill's Brief ist vom 4.
    August 1688 datirt.]

    [Anmerkung 47: +Memoirs of the Duke of Shrewsbury, 1718.+]


[_Sunderland._] Man hat Grund zu glauben, daß Wilhelm um diese Zeit auch
die ersten Beitrittsversicherungen von einer ganz andren Seite erhielt.
Die Geschichte der Intriguen Sunderland's ist in ein Dunkel gehüllt, das
schwerlich je ein Forscher wird aufzuklären vermögen; wenn es aber auch
nicht möglich ist, die ganze Wahrheit zu entdecken, so kann man doch
leicht einige handgreifliche Erdichtungen nachweisen. Die Jakobiten
behaupteten aus naheliegenden Gründen, die Revolution von 1688 sei die
Frucht eines schon vor langer Zeit angezettelten Complots gewesen, und
Sunderland bezeichneten sie als das Haupt der Verschwörung. Sie
behaupteten, er habe in der Verfolgung seines großen Planes seinen nur
zu vetrauensvollen Gebieter angereizt, von Gesetzen zu dispensiren, ein
ungesetzliches Tribunal zu errichten, freies Eigenthum zu confisciren
und die Väter der Landeskirche ins Gefängniß zu werfen. Dieser Roman
stützt sich auf keinen Beweis, und obgleich er bis auf unsre Zeit
nacherzählt worden ist, verdient er doch kaum eine Widerlegung. Nichts
ist gewisser, als daß Sunderland sich einigen der unklügsten Schritte
Jakob's widersetzte, insbesondere der Verfolgung der Bischöfe, welche
eigentlich die entscheidende Krisis herbeiführte. Aber wenn auch diese
Thatsache nicht feststände, so würde noch ein andres Argument den Streit
entscheiden. Welchen denkbaren Grund konnte Sunderland haben, eine
Revolution herbeizuwünschen? Unter dem herrschenden Systeme stand er auf
dem Gipfel des Ansehens und des Glücks. Als Präsident des Geheimen Raths
hatte er den Vorrang vor allen weltlichen Peers, und als erster
Staatssekretär war er das thätigste und mächtigste Mitglied des
Kabinets. Er durfte den Herzogstitel erwarten. Er hatte den
Hosenbandorden erhalten, den noch unlängst der glänzende und
leichtfertige Buckingham getragen, der nach Vergeudung seines
fürstlichen Vermögens und seines reichbegabten Geistes verlassen,
verachtet und mit gebrochenem Herzen ins Grab gesunken war.[48] Geld,
auf das Sunderland mehr Werth legte als auf Gunst- und Ehrenbezeigungen,
strömte ihm in solcher Fülle zu, daß er bei einigermaßen geregelter
Verwaltung seiner Einkünfte hoffen konnte, binnen wenigen Jahren einer
der reichsten Unterthanen in Europa zu werden. Die directen Einkünfte
seiner Stellen waren, obwohl sehr bedeutend, doch nur ein kleiner Theil
seiner Revenüen. Von Frankreich allein bezog er ein regelmäßiges
Jahrgeld von nahe an sechstausend Pfund, abgesehen von bedeutenden
Gelegenheitsgratifikationen. Mit Tyrconnel war er, wie wir wissen, auf
fünftausend Pfund jährlich, oder fünfzigtausend ein für allemal, einig
geworden. Welche Summen er außerdem durch den Handel mit Stellen, Titeln
und Begnadigungen verdiente, kann nur gemuthmaßt werden, aber sie müssen
enorm gewesen sein. Es schien Jakob Vergnügen zu machen, einen Mann, den
er als durch sich bekehrt betrachtete, mit Reichthümern förmlich zu
überschütten. Alle Geldbußen, alles verfallende Eigenthum erhielt
Sunderland. Von jeder Verleihung bekam Sunderland Gebühren. Wenn irgend
ein Bittsteller es wagte, sich direct an den König zu wenden, so erhielt
er von diesem die Antwort: »Haben Sie mit meinem Lordpräsidenten
gesprochen?« Ein beherzter Mann erlaubte sich einmal die Äußerung, der
Lordpräsident verschlinge das ganze Geld des Hofes. »Ja,« erwiederte
Seine Majestät, »aber er verdient es auch.«[49] Wir werden das
Gesammteinkommen des Ministers nicht zu hoch anschlagen, wenn wir es auf
dreißigtausend Pfund jährlich schätzen, und man darf nicht vergessen,
daß ein solches Einkommen damals seltener war als gegenwärtig ein
Einkommen von hunderttausend Pfund. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es
damals nicht einen einzigen Peer gab, dessen Privateinkünfte den
Amtseinkünften Sunderlands gleichgekommen waren.

Hatte nun ein in ungesetzliche und unpopuläre Regierungsmaßregeln so
tief verwickelter Mann, ein Mitglied der Hohen Commission, ein Renegat,
den die Menge auf öffentlichen Plätzen mit dem Geschrei: »Papistischer
Hund!« verfolgte, wohl Aussicht, unter einer neuen Ordnung der Dinge
noch größer und reicher zu werden? Hatte er wohl nur Aussicht, der
verdienten Strafe zu entgehen?

Er hatte gewiß schon seit langer Zeit die Möglichkeit im Auge, daß
Wilhelm und Maria nach dem natürlichen Laufe der Natur und des Gesetzes
einst an die Spitze der englischen Regierung kommen könnten, und
wahrscheinlich hatte er es auch schon versucht, sich durch
Versprechungen und Dienstleistungen, die, wenn sie entdeckt worden
wären, seinen Credit in Whitehall gerade nicht erhöht haben würden, ihre
Gunst zu erwerben. Aber man darf mit Gewißheit behaupten, daß es nicht
sein Wunsch war, sie durch eine Revolution auf den Thron erhoben zu
sehen, und daß er eine solche Revolution nicht im entferntesten
vermuthete, als er gegen Ende Juni 1688 feierlich in den Schooß der
römischen Kirche übertrat.

Kaum jedoch hatte er sich durch dieses unverzeihliche Verbrechen den Haß
und die Verachtung der ganzen Nation zugezogen, so erfuhr er, daß die
bürgerliche und kirchliche Verfassung Englands demnächst durch fremde
und einheimische Waffen vertheidigt werden sollte. Von diesem
Augenblicke an scheinen alle seine Pläne eine Umgestaltung erfahren zu
haben. Angst und Furcht drückten ihn gänzlich darnieder und sprachen so
deutlich aus seinen Gesichtszügen, daß Jedermann sie auf den ersten
Blick darin lesen konnte.[50] Es unterlag kaum einem Zweifel, daß im
Falle einer Revolution die den Thron umgebenden bösen Rathgeber zu
strenger Rechenschaft gezogen werden würden, und er stand unter diesen
bösen Rathgebern obenan. Der Verlust seiner Stellen, seiner Gehalte und
seiner Pensionen war das Geringste, was er zu fürchten hatte. Sein
Stammschloß Althorpe mit seinen großen Waldungen konnte confiscirt
werden. Er konnte viele Jahre im Gefängniß schmachten oder sein Leben in
fremdem Lande als Pensionair der Freigebigkeit Frankreichs beschließen
müssen. Und selbst dies war noch nicht das Schlimmste. Der unglückliche
Staatsmann begann von schrecklichen Visionen verfolgt zu werden; er sah
im Geiste Towerhill mit einer zahllosen Menschenmenge bedeckt, die beim
Anblicke des Apostaten in ein wildes Jubelgeschrei ausbrach, er sah ein
schwarz behangenes Schaffot, er sah Burnet, der das Sterbegebet für ihn
las, und Ketch, auf das Beil gestützt, mit welchem Russell und Monmouth
in so grauenvoller Weise abgeschlachtet worden waren. Wohl gab es noch
einen Ausweg, durch den er sich retten konnte, aber dieser Weg würde
einem edlen Character noch viel schrecklicher gewesen sein, als ein
Kerker oder das Schaffot. Er konnte sich durch einen rechtzeitigen und
nützlichen Verrath von den Feinden der Regierung Verzeihung erwirken. Es
stand in seiner Macht, ihnen in jenem Augenblicke unschätzbare Dienste
zu leisten, denn der König befolgte stets seinen Rath, er hatte großen
Einfluß auf die jesuitische Cabale, und der französische Gesandte
schenkte ihm blindes Vertrauen. An einer des Zweckes, dem sie dienen
sollte, würdigen Vermittlerin fehlte es ihm nicht. Die Gräfin von
Sunderland war ein schlaues Weib, die unter einem Schein von
Frömmigkeit, durch welchen sich viele erfahrene Männer täuschen ließen,
mit großer Thätigkeit verliebte und politische Intriguen betrieb.[51]
Der schöne und leichtfertige Heinrich Sidney war seit geraumer Zeit ihr
begünstigter Anbeter, und ihrem Gatten war es ganz angenehm, sie auf
diese Weise mit dem Hofe im Haag verbunden zu sehen. Wenn er eine
geheime Botschaft nach Holland befördern wollte, sprach er mit seiner
Gattin darüber, diese schrieb an Sidney, und Sidney theilte ihren Brief
dem Prinzen Wilhelm mit. Ein derartiges Schreiben wurde aufgefangen und
Jakob hinterbracht. Sie behauptete keck, es sei gefälscht, und ihr Gatte
vertheidigte sich mit der ihm eigenen Geschicklichkeit, indem er dem
Könige vorstellte, es sei unmöglich, daß irgend ein Mensch so schlecht
sein könne, das zu thun, was er gleichwohl fortwährend that. »Selbst
wenn dies wirklich Lady Sunderland's Hand wäre,« sagte er, »so würde ich
doch nichts damit zu thun haben. Eure Majestät kennt mein häusliches
Mißgeschick. Es ist nur zu bekannt, auf welchem Fuße meine Frau mit
Sidney steht. Wer könnte glauben, daß ich einen Mann zu meinem
Vertrauten machen werde, der meine Ehre an der empfindlichsten Seite
gekränkt hat, den Mann, den ich von Allen am meisten hassen muß?«[52]
Diese Vertheidigung wurde für genügend erachtet und nach wie vor gingen
geheime Nachrichten von dem wissentlich betrogenen Gatten an die
Ehebrecherin, von der Ehebrecherin an den Galan und von dem Galan an die
Feinde Jakob's.

Es ist sehr wahrscheinlich, daß Wilhelm um die Mitte des August die
ersten bestimmten Versicherungen von Sunderland's Unterstützung mündlich
durch Sidney erhielt. Gewiß ist soviel, daß von dieser Zeit an bis zu
dem Augenblicke, wo die Expedition zum Absegeln bereit war, eine
lebhafte Correspondenz zwischen der Gräfin und ihrem Geliebten
unterhalten wurde. Einige von ihren Briefen, welche zum Theil in
Chiffersprache geschrieben waren, sind noch vorhanden. Sie enthalten
Versicherungen von Geneigtheit und Dienstversprechungen nebst dringenden
Bitten um Schutz. Die Schreiberin giebt zu verstehen, daß ihr Gatte
Alles thun werde, was seine Freunde im Haag nur wünschen könnten; sie
hält es für nöthig, daß er auf einige Zeit ins Exil geht, aber sie
hofft, daß seine Verbannung nicht ewig dauern und daß ihm sein Erbgut
erhalten bleiben werde und bittet angelegentlich um Bezeichnung eines
passenden Ortes, wohin er sich zurückziehen könne, bis die erste Wuth
des Sturmes sich gelegt haben würde.[53]

    [Anmerkung 48: +London Gazette, April 25. 28. 1687+.]

    [Anmerkung 49: +Secret Consults of the Romish Party in Ireland+.
    Diese Mittheilung wird durch eine Stelle in einem Schreiben von
    Bonrepaux an Seignelay vom 12.(22.) Sept. 1687 bestätigt. +»Il
    (Sunderland) amassera beaucoup d'argent, le roi son maître lui
    donnant la plus grande partie de celui qui provient des
    confiscations ou des accommodemens que ceux qui ont encourû des
    peines font pour obtenir leur grace.«+]

    [Anmerkung 50: Adda sagt in einer Depesche vom 26. Oct. (5. Nov.)
    1688, daß man Sunderland seine Angst angesehen habe.]

    [Anmerkung 51: Vergleiche Evelyn's Mittheilungen über sie mit dem,
    was die Prinzessin von Dänemark von ihr nach dem Haag schrieb, und
    mit ihren eigenen Briefen an Heinrich Sidney.]

    [Anmerkung 52: Bonrepaux an Seignelay, 11.(21.) Juli 1688.]

    [Anmerkung 53: Siehe ihre Briefe in Sidney's unlängst erschienenem
    Tagebuche und Correspondenz. Fox bezeichnet in seiner Ausgabe der
    Depeschen von Barillon den 30. August n. St. 1688 als den
    Zeitpunkt, von welchem an Sunderland ganz bestimmt ein falsches
    Spiel spielte.]


[_Wilhelm's Befürchtungen._] Der Beistand Sunderland's war höchst
willkommen. Denn je näher der für den großen Schlag bestimmte Zeitpunkt
heranrückte, um so mehr nahm Wilhelm's ängstliche Besorgniß zu. Vor
gewöhnlichen Blicken verbarg er seine Gefühle hinter der eiskalten Ruhe
seines Benehmens; Bentinck aber öffnete er sein ganzes Herz. Die
Vorbereitungen waren noch nicht ganz vollendet, der Plan wurde schon
geahnet und konnte nicht länger verborgen werden. Der König von
Frankreich oder die Stadt Amsterdam konnten noch immer das ganze
Unternehmen vereiteln. Wenn Ludwig eine bedeutende Truppenmacht nach
Brabant schickte, wenn die Partei, welche den Statthalter haßte, das
Haupt erhob, so war Alles vorbei. »Meine Angst und meine Besorgniß,«
schrieb der Prinz, »sind furchtbar. Ich weiß kaum mehr was ich thue.
Noch nie in meinem Leben fühlte ich so stark das Bedürfniß der
göttlichen Leitung.«[54] Bentinck's Gemahlin war um diese Zeit
gefährlich krank, und beide Freunde ängstigten sich sehr um sie. »Gott
halte Sie aufrecht,« schrieb Wilhelm, »und gebe Ihnen die Kraft, Ihren
Theil bei einem Werke zu verrichten, von welchem, soweit Menschen es
beurtheilen können, das Wohl seiner Kirche abhängt.«[55]

    [Anmerkung 54: 19.(29.) August 1688.]

    [Anmerkung 55: 4.(14.) Sept. 1688.]


[_Jakob wird gewarnt._] Es war in der That unmöglich, daß ein so
umfassender Plan, wie der gegen den König von England entworfene war,
viele Wochen lang geheim bleiben konnte. Keine Vorsicht konnte es
verhindern, daß scharfblickende Leute Wilhelm's großartige
Kriegsrüstungen zu Lande und zur See bemerkten und den Zweck dieser
Rüstungen ahneten. Schon Anfang August raunte man einander in London zu,
daß ein großes Ereigniß im Anzuge sei. Der schwache und bestochene
Albeville, der sich damals zu Besuch in England befand, war überzeugt
oder stellte sich wenigstens so, daß die holländische Regierung keine
feindlichen Absichten gegen England hege. Aber während Albeville's
Abwesenheit versah Avaux mit ausgezeichneter Umsicht die Geschäfte eines
französischen und englischen Gesandten zugleich bei den Generalstaaten
und lieferte sowohl Barillon als auch Ludwig ausführliche Nachrichten.
Avaux war fest überzeugt, daß eine Landung in England beabsichtigt
wurde, und es gelang ihm, seinem Gebieter die Richtigkeit dieser
Vermuthung vollkommen einleuchtend zu machen. Jeder Courier, der
entweder vom Haag oder von Versailles nach Westminster kam, brachte
ernste Warnungen mit.[56] Jakob aber war in einer Täuschung befangen,
in der er allem Anscheine nach von Sunderland geschickt erhalten wurde.
Der Prinz von Oranien, sagte der schlaue Minister, werde es nie
wagen, eine überseeische Expedition zu unternehmen und Holland von
Vertheidigungsmitteln zu entblößen. Die Generalstaaten würden sich in
Erinnerung dessen, was sie während des furchtbaren Kampfes von 1672
gelitten und zu fürchten gehabt hätten, gewiß nicht der Gefahr
aussetzen, wieder ein feindliches Heer auf der Ebene zwischen Utrecht
und Amsterdam lagern zu sehen. Es herrsche allerdings große
Unzufriedenheit in England, aber zwischen Unzufriedenheit und Rebellion
liege noch eine große Kluft. Männer von Rang und Vermögen seien nicht so
leicht zu bewegen, ihre Stellung, ihr Eigenthum und ihr Leben auf's
Spiel zu setzen. Wie viele hochstehende Whigs hätten zu der Zeit, als
Monmouth in den Niederlanden war, eine übermüthige Sprache geführt! Und
welcher hochstehende Whig habe sich ihm angeschlossen, als er sein
Banner aufgepflanzt? Es sei leicht erklärlich, warum Ludwig sich
stellte, als ob er diesen leeren Gerüchten Glauben schenke. Er hoffte
ohne Zweifel, den König von England durch Ängstigung zu bestimmen, daß
er in dem kölner Streite auf die Seite Frankreichs trat. Durch solche
Argumente ließ Jakob sich leicht in eine stupide Sicherheit wiegen.[57]
Ludwig's Angst und Unwille nahm dagegen mit jedem Tage zu und der Ton
seiner Briefe wurde immer schärfer und heftiger.[58] Er sagte, er könne
diese Gleichgültigkeit am Vorabende einer großen Krisis nicht begreifen.
Sei denn der König behext? Seien seine Minister blind? Sei es möglich,
daß Niemand in Whitehall merkte, was in England und auf dem Continent
vorging? Eine so thörichte Sicherheit könne doch kaum die Wirkung bloßer
Unvorsichtigkeit sein, dahinter müsse absichtliche Täuschung stecken,
Jakob müsse offenbar in treulosen Händen sein. Barillon wurde dringend
ermahnt, den englischen Ministern nicht vollkommen zu trauen; aber alle
Ermahnungen waren umsonst. Ihn sowohl als Jakob hatte Sunderland mit
einem Zauber umsponnen, den keine Ermahnungen zerstören konnten.

    [Anmerkung 56: Avaux 19.(29.) Juni; 31. Juli (10. Aug,), 11.(21.)
    Aug. 1688; Ludwig an Barillon, 2.(12.), 16.(26.) Aug.]

    [Anmerkung 57: Barillon 20.(30.) Aug., 23. Aug. (2. Sept.) 1688;
    Adda, 24. Aug. (3. Sept.); +Clarke's Life of James the Second, II.
    177. Orig. Mem.+]

    [Anmerkung 58: Ludwig an Barillon, 3.(13.), 8.(18.), 11.(21.)
    Sept. 1688.]


[_Ludwig's Bemühungen, um Jakob zu retten._] Ludwig regte sich
nachdrücklich. Bonrepaux, welcher Barillon an Schlauheit weit überlegen
war und der Sunderland stets mit feindseligem und argwöhnischem Blicke
betrachtet hatte, wurde mit dem Anerbieten einer Unterstützung durch
Schiffe nach London gesandt. Zu gleicher Zeit erhielt Avaux Auftrag, den
Generalstaaten zu erklären, daß Frankreich den König Jakob unter seinen
Schutz genommen habe. Ein starkes Truppencorps wurde zum Aufbruch nach
der holländischen Grenze bereit gehalten. Dieser kühne Versuch, den
verblendeten Tyrannen wider seinen Willen zu retten, wurde im vollen
Einverständniß mit Skelton gemacht, der jetzt Gesandter England's am
Hofe von Versailles war.

Avaux verlangte seinen Instructionen gemäß eine Audienz bei den
Generalstaaten, die ihm bereitwillig zugestanden wurde. Die Versammlung
war ungewöhnlich zahlreich. Man glaubte allgemein, daß er eine Eröffnung
in Bezug auf den Handel machen werde, und der Präsident hatte sich mit
einer in dieser Voraussetzung entworfenen Antwort versehen. Sobald aber
Avaux sich seines Auftrags zu entledigen begann, äußerten sich
unverkennbare Zeichen von Mißbehagen. Diejenigen, von denen man glaubte,
daß sie das Vertrauen des Prinzen von Oranien genossen, schlugen die
Augen nieder. Die Aufregung nahm zu, als der Gesandte ankündigte, daß
sein Gebieter durch die engsten Bande der Freundschaft und Allianz mit
Seiner Großbritannischen Majestät verbunden sei und daß jeder Angriff
auf England als eine Kriegserklärung gegen Frankreich betrachtet werden
würde. Der völlig unvorbereitete Präsident stammelte einige ausweichende
Phrasen hervor und die Conferenz war zu Ende. Zu gleicher Zeit war den
Staaten angekündigt worden, daß Ludwig den Cardinal Fürstenberg und das
kölner Domkapitel unter seinen Schutz genommen habe.[59]

Die Deputirten waren in der größten Bestürzung. Einige empfahlen
Vorsicht und Aufschub. Andere athmeten nichts als Krieg. Fagel sprach
mit Heftigkeit von der französischen Anmaßung und bat seine Collegen
dringend, sich durch Drohungen nicht einschüchtern zu lassen. Er sagte,
die passende Antwort auf eine solche Mittheilung sei die Verstärkung des
Heeres und die Ausrüstung neuer Schiffe. Es wurde augenblicklich ein
Courier abgesandt, um Wilhelm von Minden zu holen, wo er eine wichtige
Besprechung mit dem Kurfürsten von Brandenburg hatte.

    [Anmerkung 59: Avaux, 23. August (2. Sept.), 30. Aug. (9. Sept.)
    1688.]


[_Jakob vereitelt dieselben._] Doch man brauchte nicht ängstlich zu
sein. Jakob schien es darauf anzulegen, sich ins Verderben zu stürzen
und jeder Versuch ihn zurückzuhalten hatte keinen andren Erfolg, als daß
er dem Abgrunde nur noch rascher zueilte. Als sein Thron befestigt, als
sein Volk gehorsam war, als das dienstwilligste aller Parlamente sich
befleißigte, allen seinen billigen Wünschen entgegenzukommen, als
auswärtige Königreiche und Republiken mit einander wetteiferten, ihm zu
huldigen und zu schmeicheln, als es nur von ihm abhing, der
Schiedsrichter der Christenheit zu sein, hatte er sich zum Sklaven und
Söldlinge Frankreichs erniedrigt. Und jetzt, wo es ihm durch eine Reihe
von Verbrechen und Thorheiten gelungen war, sich seine Nachbarn, seine
Unterthanen, seine Soldaten, seine Seeleute und seine Kinder zu
entfremden, und wo ihm kein andrer Ausweg mehr blieb, als der
französische Schutz, bekam er plötzlich einen Anfall von Stolz und
beschloß seine Unabhängigkeit zu behaupten. Die Hülfe, die er zu einer
Zeit, wo er ihrer nicht bedurfte, mit schimpflichen Dankesthränen
angenommen hatte, wies er jetzt, wo er sie nicht entbehren konnte, mit
Verachtung zurück. Nachdem er sich zu einer Zeit, wo er viel eher mit
ängstlicher Sorgfalt auf die Wahrung seiner Würde hätte halten können,
erniedrigt hatte, wurde er undankbar hochmüthig in einem Augenblicke, wo
der Hochmuth ihm zu gleicher Zeit Hohn und Verderben zuziehen mußte. Er
fühlte sich beleidigt durch die freundschaftliche Hülfe, die ihn hätte
retten können. War je ein König so behandelt worden? War er ein Kind
oder ein Schwachkopf, daß Andere für ihn denken mußten? War er ein
Winkelfürst, ein Cardinal Fürstenberg, der fallen mußte, wenn nicht ein
mächtiger Beschützer ihn hielt? Sollte er sich durch einen prahlerischen
Schutz, um den er nie gebeten, sich in den Augen von ganz Europa
herabsetzen lassen? Skelton wurde zurückgerufen, um über sein Verfahren
Rechenschaft zu geben, und wurde sogleich nach seiner Ankunft in den
Tower gesperrt. Citters dagegen wurde in Whitehall gut aufgenommen und
er hatte eine lange Audienz. Er konnte mit mehr Wahrheit, als die
Diplomaten in solchen Fällen überhaupt für nöthig hielten, jede
feindselige Absicht auf Seiten der Generalstaaten leugnen. Denn die
Generalstaaten hatten bis jetzt noch keine öffentliche Kenntniß von
Wilhelm's Plane, und es war keineswegs unmöglich, daß sie selbst jetzt
noch demselben ihre Genehmigung vorenthielten. Jakob erklärte, daß er
den Gerüchten von einer holländischen Invasion nicht den geringsten
Glauben schenke und daß das Benehmen der französischen Regierung ihn
überrascht und verdrossen habe. Middleton erhielt die Weisung, allen
auswärtigen Gesandten zu versichern, daß kein solches Bündniß zwischen
Frankreich und England bestehe, wie der Hof von Versailles zu seinen
Zwecken vorgebe; dem Nuntius sagte der König, Ludwig's Absichten seien
mit Händen zu greifen, sollten aber vereitelt werden. Diese zudringliche
Protection sei zu gleicher Zeit eine Beleidigung und eine Schlinge.
»Mein guter Bruder,« sagte Jakob, »hat vortreffliche Eigenschaften; aber
Schmeichelei und Eitelkeit haben ihm den Kopf verrückt.«[60] Adda, dem
an Cöln mehr gelegen war, als an England, nährte diese sonderbare
Täuschung. Albeville, der jetzt wieder auf seinen Posten zurückgekehrt
war, erhielt Befehl, den Generalstaaten freundschaftliche Versicherungen
zu geben und einige hochtrabende Redensarten hinzuzusetzen, die sich in
dem Munde einer Elisabeth oder eines Oliver nicht übel ausgenommen haben
würden. »Mein Gebieter,« sagte er, »steht durch seine Macht und seinen
Muth hoch über der Stufe, die ihm Frankreich gern anweisen möchte. Es
ist ein kleiner Unterschied zwischen einem König von England und einem
Erzbischof von Cöln.« Bonrepaux wurde in Whitehall sehr kühl
aufgenommen. Die von ihm offerirte Unterstützung an Schiffen wurde zwar
nicht geradezu abgelehnt, aber er mußte wieder abreisen, ohne etwas
festgesetzt zu haben, und die Gesandten der Vereinigten Provinzen wie
des Hauses Österreich wurden benachrichtigt, daß seine Sendung dem
Könige unangenehm gewesen sei und zu keinem Resultate geführt habe. Nach
der Revolution rühmte sich Sunderland, und wahrscheinlich mit Recht, daß
er seinen Gebieter dazu bestimmt habe, die angebotene Unterstützung
Frankreichs zurückzuweisen.[61]

Die unvernünftige Thorheit Jakob's erregte natürlich den Unwillen seines
mächtigen Nachbars. Ludwig beklagte sich, daß die englische Regierung
ihn zum Dank für den größten Dienst, den er ihr hätte leisten können,
angesichts der ganzen Christenheit Lügen gestraft habe. Er bemerkte ganz
richtig, was Avaux in Betreff des Bündnisses zwischen Frankreich und
Großbritannien gesagt habe, sei wenn auch nicht dem Buchstaben nach,
doch im allgemeinen Sinne wahr. Es bestehe allerdings kein in
Paragraphen eingetheilter, unterschriebener, besiegelter und
ratificirter Vertrag, aber Zusicherungen, welche in den Augen von
Ehrenmännern für eben so heilig gälten als Verträge, wären seit mehreren
Jahren zwischen den beiden Höfen gewechselt worden. Ludwig setzte noch
hinzu, daß er, eine so hohe Stellung er auch in Europa einnehme, doch
nie so lächerlich eifersüchtig auf seine Würde sein werde, um in einer
durch die Freundschaft eingegebenen Handlung eine Beleidigung zu
erblicken. Jakob aber sei in einer ganz andren Lage und werde bald den
Werth des so unfreundlich zurückgewiesenen Beistandes schätzen
lernen.[62]

Trotz Jakob's Verblendung und Undankbarkeit würde Ludwig aber doch klug
gethan haben, wenn er auf dem den Generalstaaten angekündigten
Entschlusse beharrt hätte. Avaux, der in Folge seines Scharfblicks und
seines richtigen Urtheils ein Wilhelm's würdiger Gegner war, erkannte
das vollkommen. Das Bestreben der französischen Regierung -- so dachte
der kluge Gesandte -- müsse vor Allem dahin gehen, die beabsichtigte
Landung in England zu verhindern. Um diesen Zweck zu erreichen, müsse
man in die spanischen Niederlande einrücken und die batavischen Grenzen
bedrohen. Der Prinz von Oranien sei allerdings für seinen Lieblingsplan
so sehr eingenommen, daß er denselben ausführen werde, selbst wenn die
weiße Fahne schon auf den Wällen von Brüssel wehte, denn er hatte
wirklich gesagt, wenn die Spanier Ostende, Mons und Namur nur bis zum
nächsten Frühjahr halten könnten, so würde er dann mit einer Streitmacht
von England zurückkehren, welche alles Verlorne bald wieder erobern
werde. Allein dies sei wohl die Meinung des Prinzen, nicht aber die der
Generalstaaten. Diese würden es gewiß nicht so leicht zugeben, daß ihr
Oberbefehlshaber mit der Elite der Armee über die Nordsee fahre, während
ein gewaltiges Heer ihr eignes Gebiet bedrohte.[63]

    [Anmerkung 60: +»Che l'adulazione e la vanità gli avevano tornato
    il capo.«+ -- Adda, 31. Aug. (10. Sept.) 1688.]

    [Anmerkung 61: Citters, 11.(21.) Sept. 1688; Avaux, 17.(27.)
    Sept., 27. Sept. (7. Oct.); Barillon, 23. Sept. (3. Oct.);
    Wagenaar, Buch 60; +Sunderland's Apology+. Es ist oft behauptet
    worden, Jakob habe die Unterstützung eines französischen
    Armeecorps abgelehnt. In Wirklichkeit aber wurde ihm eine solche
    Unterstützung gar nicht angeboten. Die französischen Truppen
    würden auch in der That Jakob viel mehr genützt haben, wenn sie
    die holländischen Grenzen bedroht hätten, als wenn sie über den
    Kanal gekommen wären.]

    [Anmerkung 62: Ludwig an Barillon, 20.(30.) Sept. 1688.]

    [Anmerkung 63: Avaux, 27. Sept. (7. Oct.), 4.(14.) Oct. 1688.]


[_Die französischen Armeen fallen in Deutschland ein._] Ludwig gab die
Haltbarkeit dieser Gründe zu, aber er hatte sich schon zu einem andren
Verfahren entschieden. Vielleicht hatte ihn die Unhöflichkeit und
Verkehrtheit der englischen Regierung gereizt und er ließ sich zu seinem
Nachtheile von seiner aufgebrachten Stimmung leiten. Vielleicht war er
auch durch die Rathschläge seines Kriegsministers Louvois irregeführt,
der großen Einfluß hatte und Avaux nicht mit freundlichem Auge
betrachtete. Kurz, es wurde beschlossen, auf einer von Holland
entfernten Seite einen großen und unerwarteten Schlag zu führen. Ludwig
zog plötzlich seine Truppen aus Flandern und warf sie nach Deutschland.
Ein Armeecorps unter dem nominellen Commando des Dauphins, in Wahrheit
aber geleitet vom Herzoge von Duras und von Vauban, dem Vater der
Befestigungskunst, belagerte Philippsburg. Ein andres unter den Befehlen
des Marquis von Bouffiers nahm Worms, Mainz und Trier. Ein drittes unter
dem Marquis von Humieres, besetzte Bonn. Den ganzen Rhein hinunter, von
Karlsruhe bis Cöln waren die französischen Waffen siegreich. Die
Nachricht von der Einnahme von Philippsburg traf am Allerheiligentage in
Versailles ein, während der Hof gerade in der Kapelle den Gottesdienst
hörte. Der König winkte dem Prediger inne zu halten, kündigte der
Versammlung die frohe Botschaft an und kniete dann nieder, um Gott für
diesen großen Sieg zu danken. Die Anwesenden weinten vor Freude.[64] Die
Nachricht wurde von dem sanguinischen und leicht entzündlichen
französischen Volke mit Jubel begrüßt. Dichter besangen die Triumphe
ihres freigebigen Schutzherrn; Redner priesen auf der Kanzel die
Weisheit und Großmuth des ältesten Sohnes der Kirche. Das Tedeum wurde
mit ungewohntem Pomp gesungen und die feierlichen Töne der Orgel
vermischten sich mit dem Schalle der Cymbeln und dem Geschmetter der
Trompeten. Es war indessen wenig Ursache zur Freude vorhanden. Der große
Staatsmann, der an der Spitze der europäischen Coalition stand, lächelte
im Stillen über die nutzlose Kraftvergeudung seines Feindes. Ludwig
hatte zwar durch sein rasches Handeln einige Vortheile in Deutschland
errungen, aber diese Vortheile konnten ihm nur wenig nützen, wenn
England, nachdem es unter vier aufeinanderfolgenden Königen unthätig und
ruhmlos gewesen, plötzlich wieder seinen früheren Rang in Europa
einnahm. Wenige Wochen genügten zur Ausführung des Unternehmens, von dem
das Schicksal der ganzen Welt abhing, und für einige Wochen waren die
Vereinigten Provinzen noch in Sicherheit.

    [Anmerkung 64: Frau von Sévigné, 24. Oct. (3. Nov.) 1688.]


[_Wilhelm erlangt die Genehmigung der Generalstaaten für seine
Expedition._] Wilhelm betrieb nun seine Rüstungen mit unermüdlicher
Thätigkeit und nicht mehr so heimlich, als er es bisher für nöthig
gehalten hatte. Täglich gingen Unterstützungszusagen von auswärtigen
Höfen ein. Im Haag war die Opposition zum Schweigen gebracht. Umsonst
bot Avaux noch in diesem letzten Augenblicke seine ganze Gewandtheit
auf, um die Partei, welche gegen drei Generationen des Hauses Oranien
gekämpft hatte, zu ermuthigen. Die Häupter dieser Partei sahen zwar den
Statthalter noch immer nicht mit günstigem Auge an, denn sie hatten
Grund zu der Besorgniß, daß er, wenn sein Unternehmen gegen England
gelang, er auch unumschränkter Beherrscher von Holland werden möchte.
Aber die Fehler des Hofes von Versailles und die Geschicklichkeit, mit
der er dieselben benutzt hatte, machten es unmöglich, ferner noch gegen
ihn zu kämpfen. Er sah ein, daß es jetzt Zeit war, um die Genehmigung
der Generalstaaten nachzusuchen. Amsterdam war das Hauptquartier der
seinem Hause, seinem Amte und seiner Person feindlich gesinnten Partei,
und selbst von Amsterdam hatte er diesen Augenblick nichts zu
befürchten. Mit mehreren der vornehmsten Beamten dieser Stadt hatte er
schon zu wiederholten Malen in Anwesenheit Dykvelt's und Bentinck's
geheime Unterredungen gehabt und hatte sie zu dem Versprechen
bewogen, daß sie das große Unternehmen fördern, oder sich demselben
wenigstens nicht widersetzen wollten. Andere waren über Ludwig's
Handelsverordnungen erbittert, noch Andere waren besorgt um ihre von den
französischen Dragonern tyrannisirten Verwandten und Freunde; wieder
Andere fürchteten die Verantwortlichkeit, eine Spaltung herbeizuführen,
welche dem batavischen Bunde verderblich werden konnte, und Einige
endlich fürchteten das gemeine Volk, welches, durch die Ermahnungen
eifriger Prediger aufgestachelt, bereit war, an jedem Verräther des
Protestantismus eine summarische Justiz auszuüben. Daher erklärte sich
die Majorität dieses Stadtraths, der so lange Zeit Frankreich ergeben
gewesen war, zu Gunsten der Unternehmung Wilhelm's. Von diesem
Augenblicke an war jede Besorgniß wegen einer Opposition in irgend einem
Theile der Vereinigten Provinzen gehoben und die Föderation ertheilte
ihm in geheimer Sitzung die volle Genehmigung zu seiner Expedition.[65]

Der Prinz hatte sich bereits für einen zum Unterbefehlshaber trefflich
geeigneten General entschieden. Dies war in der That kein unwichtiger
Gegenstand. Ein zufälliger Schuß oder der Dolch eines Meuchelmörders
konnte in einem Augenblicke die Expedition ihres Anführers berauben, und
für diesen Fall mußte im Voraus ein Nachfolger bestimmt werden, der die
Lücke sofort ausfüllte. Einen Engländer konnte man jedoch dazu nicht
wählen, ohne entweder den Whigs oder den Tories zu nahe zu treten; auch
hatte noch kein damals lebender Engländer bewiesen, daß er das zur
Leitung eines Feldzugs nöthige militairische Geschick besaß. Auf der
andren Seite war es nicht leicht, einem Ausländer den Vorzug zu geben,
ohne das Nationalgefühl der stolzen Insulaner zu verwunden. Einen Mann
gab es in Europa, aber auch nur diesen einen, gegen den sich nichts
einwenden ließ; Friedrich, Graf von Schomberg, ein Deutscher aus einem
edlen Hause der Pfalz. Er galt allgemein für den größten damals lebenden
Meister der Kriegskunst. Seine oftmals durch starke Versuchungen
geprüfte, aber nie erschütterte Rechtschaffenheit und Frömmigkeit hatten
ihm allgemeine Achtung und Vertrauen erworben. Obgleich Protestant,
hatte er mehrere Jahre im Dienste Ludwig's gestanden und durch eine
Reihe glänzender Waffenthaten seinem Gebieter trotz aller Ränke der
Jesuiten den französischen Marschallsstab abgenöthigt. Als die
Verfolgung zu wüthen begann, weigerte sich der tapfere Veteran
standhaft, die königliche Gunst durch Abtrünnigkeit zu erkaufen, legte
ohne Murren alle seine Ehrenstellen und Commando's nieder, verließ sein
zweites Vaterland für immer und zog sich an den berliner Hof zurück. Er
war bereits über siebzig Jahre alt, aber geistig und körperlich noch
sehr rüstig. Er war in England gewesen und dort außerordentlich geliebt
und geehrt worden. Allerdings hatte er eine Empfehlung, der sich damals
wenige Ausländer rühmen konnten: er sprach unsre Sprache, und zwar nicht
nur verständlich, sondern elegant und rein. Er wurde mit Bewilligung des
Kurfürsten von Brandenburg und zur aufrichtigen Freude der Oberhäupter
aller englischen Parteien zu Wilhelm's Stellvertreter ernannt.[66]

    [Anmerkung 65: Witson's MS., angeführt von Wagenaar; Lord
    Lonsdale's Memoiren; Avaux, 4.(14.), 5.(15.) Oct. 1688. Die
    förmliche Erklärung der Generalstaaten, datirt vom 18.(28.) Oct.,
    findet man im IV. Bande des +Recueil des Traités, No. 225+.]

    [Anmerkung 66: +Abrégé de la Vie de Frédéric Duc de Schomberg,
    1690+; Sidney an Wilhelm, 30. Juni 1688; +Burnet I. 677+.]


[_Britische Abenteurer im Haag._] Inzwischen wimmelte es im Haag von
Abenteurern aller der verschiedenen Factionen, welche Jakob's Tyrannei
zu einer sonderbaren Coalition verbunden hatte: alte Royalisten, die ihr
Blut für den Thron vergossen hatten, alte Agitatoren von der
Parlamentsarmee, Tories, welche in den Tagen der Ausschließungsbill
verfolgt worden waren, und Whigs, die wegen ihrer Theilnahme am
Ryehousecomplot sich auf den Continent geflüchtet hatten.

Unter dieser großen Menge zeichnete sich Karl Gerard, Earl von
Macclesfield aus, ein alter Kavalier, der für Karl I. gekämpft und
Karl's II. Exil getheilt hatte; ferner Archibald Campbell, der älteste
Sohn des unglücklichen Argyle, der aber von seinem Vater nichts geerbt
hatte als einen erlauchten Namen und die unwandelbare Liebe eines
zahlreichen Clan; Karl Paulet, Earl von Wiltshire, unzweifelhafter Erbe
des Marquisats von Winchester, und Peregrine Osborne, Lord Dumblane,
unzweifelhafter Erbe des Earlthums Danby. Mordaunt, der vor Begierde
nach Abenteuern brannte, die für sein feuriges Temperament einen
unwiderstehlichen Reiz hatten, war einer der Ersten unter den
Freiwilligen. Fletcher von Saltoun hatte, während er die Grenzen der
Christenheit gegen die Ungläubigen beschützte, erfahren, daß sein
Vaterland wieder einmal Hoffnung auf Befreiung hatte, und er hatte sich
beeilt, sein Schwert anzubieten. Sir Patrick Hume, der seit seiner
Flucht aus Schottland sehr bescheiden und eingezogen lebte, trat jetzt
wieder aus seinem Dunkel hervor; zum Glück aber konnte seine
Redseligkeit diesmal wenig Schaden anrichten, denn der Prinz von Oranien
war durchaus nicht geneigt, der abhängige General einer debattirenden
Gesellschaft zu sein wie die, welche Argyle's Unternehmen zum Verderben
gereicht hatte. Der verschmitzte und ruhelose Wildman, der vor kurzem
die Überzeugung gewonnen, daß England ein unsicherer Aufenthalt für ihn
war und der sich deshalb nach Deutschland begeben hatte, erschien
ebenfalls an Wilhelm's Hofe. Eben so auch Carstairs, ein
presbyterianischer Priester aus Schottland, der an Schlauheit und Muth
keinem Politiker seiner Zeit nachstand. Fagel hatte ihm einige Jahre
vorher wichtige Geheimnisse anvertraut und er hatte sie trotz der
fürchterlichsten Qualen, die ihm der spanische Stiefel und die
Daumschraube bereitet, treu bewahrt. Seine seltene Standhaftigkeit hatte
ihm das Vertrauen und die Achtung des Prinzen in eben so hohem Grade
erworben, als irgend ein Andrer, außer Bentinck, sich derselben
erfreute.[67] Ferguson konnte nicht ruhig bleiben, wenn eine Revolution
im Werke war. Er sicherte sich einen Platz zur Überfahrt auf der Flotte
und entfaltete eine große Thätigkeit unter seinen Mitemigranten; aber er
fand überall Mißtrauen und Verachtung. Unter der Schaar von unwissenden
und heißblütigen Verbannten, welche den schwachen Monmouth ins Verderben
geführt, war er ein großer Mann gewesen; unter den ernsten Staatsmännern
und Generälen aber, welche die Sorgen des entschlossenen und umsichtigen
Wilhelm theilten, war kein Platz für einen niedrigdenkenden, halb
wahnsinnigen und halb schurkischen Agitator.

    [Anmerkung 67: +Burnet I. 584+; +Mackay's Memoirs.+]


[_Wilhelm's Erklärung._] Der Unterschied zwischen der Expedition von
1685 und der von 1688 zeigte sich schon deutlich genug in der
Verschiedenheit der Manifeste, welche die Führer der beiden
Unternehmungen erließen. Für Monmouth hatte Ferguson ein abgeschmacktes
und gemeines Libell über den Brand von London, die Ermordung Godfrey's
und Essex' und die Vergiftung Karl's geschmiert. Wilhelm's Erklärung war
von dem Großpensionär Fagel verfaßt, der als ausgezeichneter Publicist
bekannt war. Obgleich gehaltvoll und wohldurchdacht, war sie doch in
ihrer ursprünglichen Form zu weitschweifig; aber sie wurde von Burnet,
der populär zu schreiben verstand, abgekürzt und ins Englische
übersetzt. Sie begann mit einer feierlichen Einleitung, in welcher
gesagt war, daß in jedem Staate die strenge Beobachtung des Gesetzes für
das Wohl der Nationen wie für die Sicherheit der Regierung gleich
nothwendig sei. Der Prinz von Oranien habe daher mit tiefer Betrübniß
gesehen, daß die Grundgesetze eines Reiches, mit dem er durch Bande des
Bluts und durch Verheirathung so eng verbunden sei, durch den Rath
schlimmer Rathgeber gröblich und systematisch verletzt worden seien. Das
Recht von Parlamentsacten zu dispensiren, sei bis zu einem solchen
Punkte ausgedehnt worden, daß die ganze legislative Gewalt auf die Krone
übertragen worden sei. Von den Gerichten habe man dem Geiste der
Verfassung widerstreitende Erkenntnisse erlangt, indem man einen Richter
nach dem andren abgesetzt, bis die Bank nur aus Männern bestanden habe,
welche bereit gewesen seien, den Befehlen der Regierung blindlings zu
gehorchen. Trotz der wiederholten Versicherungen des Königs, daß er die
Staatsreligion aufrechterhalten werde, seien anerkannten Feinden dieser
Religion nicht nur bürgerliche Ämter, sondern auch geistliche Pfründen
verliehen worden. Trotz ausdrücklicher Gesetze sei das Kirchenregiment
einem Collegium übertragen worden, das eine neue Hohe Commission sei und
in diesem Collegium sitze ein erklärter Papist. Gute Unterthanen seien
deshalb, weil sie sich weigerten, ihre Pflicht und ihre Eide zu
verletzen, der Magna Charta der englischen Freiheiten zum Hohn aus ihrem
Eigenthum vertrieben worden. Dagegen seien Leute, welche dem Gesetze
nach die Insel gar nicht betreten dürften, zur Verderbniß der Jugend an
die Spitze von Seminarien gestellt worden. Grafschaftsstatthalter,
stellvertretende Statthalter und Friedensrichter seien massenhaft
abgesetzt worden, weil sie sich geweigert hätten eine verderbliche und
verfassungswidrige Politik zu unterstützen. Die Freiheiten fast jedes
Boroughs im Lande seien verletzt worden. Die Gerichtshöfe seien in einem
Zustande, daß ihre Erkenntnisse selbst in Civilklagen kein Vertrauen
mehr einflößten und daß ihre Servilität in Criminalsachen das Königthum
mit unschuldigem Blute befleckt habe. Alle diese Mißbräuche, deren das
englische Volk müde sei, sollten nun, wie es scheine, durch ein Heer
irischer Papisten vertheidigt werden. Und dies sei noch nicht Alles. Die
willkürlichsten Fürsten hätten es einem Unterthanen nie als ein
Verbrechen angerechnet, wenn er bescheiden und friedlich seine
Beschwerden angebracht und um Abhülfe gebeten habe. Aber das
Petitioniren werde jetzt in England als ein schweres Vergehen
betrachtet. Die Väter der Kirche seien wegen keines andren Verbrechens,
als weil sie dem Landesherrn eine in den ehrerbietigsten Ausdrücken
abgefaßte Petition überreicht, ins Gefängniß geworfen und ihnen der
Prozeß gemacht worden, und jeden Richter, der sich zu ihren Gunsten
ausgesprochen, habe man ohne weiteres abgesetzt. Die Einberufung eines
freien und gesetzlichen Parlaments könne allerdings diesen Übeln wirksam
abhelfen, aber die Nation dürfe nicht hoffen ein solches Parlament zu
erhalten, wenn nicht der ganze Geist der Verwaltung ein andrer werde. Es
sei offenbar die Absicht des Hofes durch neu organisirte Wahlkörper und
papistische Wahlbeamte eine Versammlung zusammenzubringen, welche nur
dem Namen nach ein Haus der Gemeinen sein werde. Endlich erregten
gewisse Umstände den dringenden Verdacht, daß das Kind, welches den
Namen eines Prinzen von Wales erhalten habe, nicht wirklich von der
Königin geboren sei. Aus diesen Gründen habe der Prinz, eingedenk seiner
nahen Verwandtschaft mit dem königlichen Hause und dankbar für die
Zuneigung, die das englische Volk seiner geliebten Gemahlin und ihm
selbst stets bewiesen habe, sich entschlossen, der Aufforderung vieler
geistlichen und weltlichen Lords und vieler anderer Personen aus allen
Ständen Folge zu leisten und an der Spitze einer zur Begegnung
gewaltsamen Widerstandes hinreichenden Streitmacht nach England
hinüberzugehen. Jeden Gedanken an Eroberung wies er entschieden zurück.
Er erklärte, daß seine Truppen während ihres Aufenthalts auf der Insel
unter strengster Kriegszucht gehalten und daß sie sobald die Nation von
der Tyrannei befreit sei, wieder zurückgeschickt werden sollten. Sein
einziger Zweck sei die Versammlung eines freien und gesetzlichen
Parlaments, und er verpflichtete sich feierlich, alle öffentlichen und
privaten Fragen der Entscheidung eines solchen Parlaments zu überlassen.

Sobald Exemplare von dieser Erklärung im Haag ausgegeben waren, begannen
auch schon Zeichen von Meinungsverschiedenheit sichtbar zu werden. Der
im Unheilstiften unermüdliche Wildman bewog einige seiner Landsleute,
unter Anderen den starrsinnigen und leichtfertigen Mordaunt, zu der
Erklärung, daß sie auf solche Gründe hin die Waffen nicht ergreifen
würden. Das Manifest sei nur darauf berechnet, den Kavalieren und den
Geistlichen zu gefallen. Die Gewaltthätigkeiten gegen die Kirche und der
Prozeß der Bischöfe seien zu sehr in den Vordergrund gestellt und es sei
gar nichts von der Tyrannei gesagt, mit der die Tories vor ihrem Bruche
mit dem Hofe die Whigs behandelt hätten. Wildman legte hierauf einen von
ihm selbst verfaßten Gegenentwurf vor, der, wenn er angenommen worden
wäre, der ganzen anglikanischen Geistlichkeit und vier Fünftheilen des
grundbesitzenden Adels mißfallen haben würde. Die Whighäupter opponirten
ihm energisch. Russell insbesondere erklärte, daß, wenn ein so
verkehrter Weg eingeschlagen würde, es mit der Coalition, von welcher
allein die Nation Befreiung erwarten könne, vorbei sei. Der Streit wurde
endlich durch einen Machtspruch Wilhelm's geschlichtet, der mit
gewohntem richtigen Takt entschied, daß das Manifest im Wesentlichen so
wie Fagel und Burnet es entworfen hatten, beibehalten werden solle.[68]

    [Anmerkung 68: +Burnet I., 775, 780+.]


[_Jakob fängt an die Gefahr zu ahnen._] Während dies in Holland geschah,
hatte Jakob endlich die ihm drohende Gefahr erkannt. Von verschiedenen
Seiten kamen Nachrichten, die man nicht unbeachtet lassen konnte, bis
endlich eine Depesche von Albeville jedem Zweifel ein Ende machte. Als
der König sie gelesen hatte, sollen seine Wangen sich entfärbt haben und
er soll eine Weile sprachlos geblieben sein.[69] Er hatte in der That
auch Ursache zu erschrecken. Der erste Ostwind sollte eine feindliche
Flotte an die Küsten seines Reiches bringen. Ganz Europa, mit Ausnahme
einer einzigen Macht, erwartete ungeduldig die Nachricht von seinem
Sturze, und den Beistand dieser einzigen Macht hatte er thörichterweise
abgelehnt. Ja, er hatte sogar die freundschaftliche Intervention, die
ihn hätte retten können, mit Beleidigungen vergolten. Die französischen
Armeen, welche zur Einschüchterung der Generalstaaten hätten verwendet
werden können, wenn er nicht so verblendet gewesen wäre, belagerten
Philippsburg und hielten Mainz besetzt. In wenigen Tagen mußte er
vielleicht auf englischem Boden für seine Krone und für das Geburtsrecht
seines Sohnes kämpfen.

    [Anmerkung 69: +Eachard's History of the Revolution, II. 2+.]


[_Seine Seemacht._] Anscheinend standen ihm allerdings große Mittel zu
Gebote. Die Flotte war in einem viel besseren Zustande als zur Zeit
seiner Thronbesteigung, und diese Verbesserung muß zum Theil seinen
eigenen Anstrengungen zugeschrieben werden. Er hatte keinen
Lordgroßadmiral oder Admiralitätsrath ernannt, sondern die Hauptleitung
der Marineangelegenheiten in seiner eignen Hand behalten und Pepys hatte
ihn dabei kräftig unterstützt. Ein Sprichwort sagt, daß der Blick eines
Meisters sicherer ist, als der eines Stellvertreters, und in einer Zeit
der Bestechung und der Unterschleife kann man annehmen, daß ein
Verwaltungszweig, dem der Souverain selbst, sei er auch von noch so
beschränkten Gaben, genaue persönliche Aufmerksamkeit zuwendet, von
Mißbräuchen verhältnißmäßig ziemlich frei bleiben wird. Ein
geschickterer Marineminister als Jakob würde nicht schwer zu finden
gewesen sein; schwerlich aber würde man unter den damaligen
Staatsmännern einen Marineminister gefunden haben, der nicht Vorräthe
nutzlos vergeudet, von Lieferanten Bestechungen angenommen und der Krone
Kosten für Reparaturen aufgebürdet haben würde, welche nie gemacht
worden waren. Der König war in der That fast der Einzige, von dem man
überzeugt sein konnte, daß er den König nicht bestehlen würde. Daher
waren denn auch während der letzten drei Jahre auf den Schiffswerften
viel weniger Veruntreuungen und Diebereien vorgekommen als früher. Es
waren wirklich seetüchtige Schiffe gebaut worden und durch eine
zweckmäßige Verordnung waren die Gehalte der Kapitaine erhöht, zu
gleicher Zeit aber auch ihnen streng verboten worden, ohne besondere
königliche Erlaubniß Waaren von einem Hafen zum andren zu führen. Die
Wirkung dieser Reformen machte sich schon bemerkbar, und es wurde Jakob
nicht schwer, in kurzer Zeit eine ansehnliche Flotte auszurüsten.
Dreißig Linienschiffe dritten und vierten Ranges wurden unter dem
Commando Lord Dartmouth's in der Themse versammelt. Dartmouth's
Loyalität war über jeden Zweifel erhaben, und er galt für eben so
geschickt und kenntnißreich in seinem Fache als irgend einer der
patrizischen Seeleute, die sich damals ohne ordentliche seemännische
Erziehung und Ausbildung zu den höchsten Schiffscommando's
emporschwangen und welche zu gleicher Zeit Flaggenoffiziere zur See und
Infanterieobersten im Landheere waren.[70]

    [Anmerkung 70: +Pepys's Memoirs relating to the Royal Navy, 1690+;
    +Clarke's Life of James the Second, II. 186. Orig. Mem.+; Adda,
    24. Sept. (4. Oct.); Citters, 21. Sept. (1. Oct.)]


[_Seine militairischen Mittel._] Die reguläre Armee war die stärkste,
die je ein König von England zu seiner Verfügung gehabt hatte, und sie
wurde rasch noch verstärkt. Alle vorhandenen Regimenter wurden um neue
Compagnien vermehrt und neue Regimenter ausgehoben. Die Stärke des
englischen Heeres wurde dadurch um viertausend Mann erhöht; dreitausend
Mann wurden eiligst aus Irland gesendet und eine gleiche Anzahl erhielt
Befehl, aus Schottland nach dem Süden zu marschiren. Jakob schätzte die
Streitmacht, die er den Einfallenden entgegenstellen konnte, auf
vierzigtausend Mann, ungerechnet die Miliz.[71]

Flotte und Landheer waren sonach mehr als ausreichend, um eine
holländische Invasion zurückzuschlagen. Konnte man sich aber auf die
Flotte und auf die Armee verlassen? Mußte man nicht befürchten, daß die
Milizen zu Tausenden zu der Fahne ihres Befreiers übergehen würden? Die
Partei, welche vor einigen Jahren für Monmouth das Schwert gezogen,
konnte es gewiß kaum erwarten, den Prinzen von Oranien willkommen zu
heißen. Und was war aus der Partei geworden, welche siebenundvierzig
Jahre lang das Bollwerk der Monarchie gewesen? Wo waren jetzt die
tapferen Gentlemen, welche stets bereit gewesen waren, ihr Blut für die
Krone zu vergießen? Mißhandelt und verhöhnt, von der Richterbank
vertrieben und aller militairischen Commando's beraubt, sahen sie die
Gefahr ihres undankbaren Gebieters mit unverhohlener Schadenfreude. Wo
waren die Priester und Prälaten, welche auf zehntausend Kanzeln die
Pflicht des Gehorsams gegen den gesalbten Stellvertreter Gottes
gepredigt hatten? Einige waren eingekerkert. Andere ausgeplündert. Alle
waren unter das eiserne Regiment der Hohen Commission gestellt worden
und hatten beständig gefürchtet, daß eine neue Laune der Tyrannei sie
ihrer Pfründen berauben und ohne ein Stück Brot lassen würde. Daß die
Männer der Staatskirche den Grundsatz, auf den sie immer das größte
Gewicht gelegt hatten, so vollständig vergessen würden, um sich dem
thätigen Widerstande anzuschließen, schien auch jetzt noch unglaublich.
Aber konnte ihr Unterdrücker erwarten, daß er bei ihnen noch den Geist
finden werde, der unter der vorhergehenden Generation die Armeen Essex'
und Waller's besiegt, und sich nur nach einer verzweifelten Gegenwehr
dem Genie und der Kraft Cromwell's unterworfen hatte?

    [Anmerkung 71: +Clarke's Life of James the Second. II. 186. Orig.
    Mem.+; Adda, 24. Sept. (4. Oct.); Citters, 21. Sept. (1. Oct.)]


[_Er versucht es, seine Unterthanen mit sich auszusöhnen._] Der Tyrann
wurde von der Angst überwältigt. Er sagte nicht mehr, daß Nachgiebigkeit
die Fürsten jederzeit ins Verderben gestürzt habe, und gab gezwungen zu,
daß er sich herablassen müsse, den Tories noch einmal zu
schmeicheln.[72] Man hat Grund zu der Annahme, daß um diese Zeit Halifax
eingeladen wurde, wieder ein Ministerium zu übernehmen und daß er auch
nicht abgeneigt dazu war. Die Rolle eines Vermittlers zwischen den
Throne und der Nation war diejenige, zu der er sich am besten eignete
und nach der er am eifrigsten strebte. Warum die betreffende
Unterhandlung mit ihm abgebrochen wurde, ist nicht bekannt, aber es ist
nicht unwahrscheinlich, daß die Dispensationsfrage das unübersteigliche
Hinderniß war. Sein Widerwille gegen diese Befugniß war vor drei Jahren
die Veranlassung zu seiner Ungnade gewesen, und es war seitdem nichts
geschehen, was geeignet gewesen wäre ihn andren Sinnes zu machen. Jakob
seinerseits hatte sich fest vorgenommen, in diesem Punkte kein
Zugeständniß zu machen.[73] In anderen Dingen war er minder starrsinnig.
Er erließ eine Proklamation, in der er feierlich versprach, die
anglikanische Kirche zu schützen und die Uniformitätsacte aufrecht zu
erhalten. Er erklärte sich bereit, um der Eintracht willen große Opfer
zu bringen. Er wolle nicht mehr darauf beharren, daß Katholiken ins
Unterhaus zugelassen würden und er hege das gute Vertrauen zu seinem
Volke, daß es einen solchen Beweis von seinem aufrichtigen Willen, ihren
Wünschen zu entsprechen, gebührend anerkennen werde. Drei Tage später
kündigte er an, daß es seine Absicht sei, alle Magistratsbeamten und
stellvertretenden Lieutenants, welche entlassen worden waren, weil sie
seine Politik nicht hatten unterstützen wollen, wieder anzustellen. Den
Tag nach dem Erscheinen dieser Ankündigung wurde Compton's Suspension
wieder aufgehoben.[74]

    [Anmerkung 72: Adda, 28. Sept. (8. Oct.) 1688. In dieser Depesche
    ist Jakob's Angst vor einem allgemeinen Abfalle seiner Unterthanen
    kräftig geschildert.]

    [Anmerkung 73: Die spärlichen Aufschlüsse, welche wir über diese
    Unterhandlung haben, verdanken wir Reresby. Seine Quelle war eine
    Dame, die er nicht nennt und der man gewiß nicht unbedingt glauben
    durfte.]

    [Anmerkung 74: +London Gazette, Sept. 24., 27., Oct. 1. 1688+.]


[_Er bewilligt den Bischöfen eine Audienz._] Zu gleicher Zeit gab der
König allen damals in London anwesenden Bischöfen eine Audienz. Sie
hatten um eine solche nachgesucht, um ihm in seiner kritischen Lage
ihren Rath anzubieten. Der Primas führte das Wort. Er bat ehrerbietig
darum, daß die Verwaltung den Händen gehörig qualificirter Personen
übergeben, daß alle unter dem Vorwande des Dispensationsrechts
vorgenommenen Acte widerrufen, daß die kirchliche Commission
abgeschafft, daß die dem Magdalenen-Collegium zugefügte Unbill wieder
gutgemacht und daß die alten Privilegien der Municipalkörperschaften
wiederhergestellt werden möchten. Er gab sehr deutlich zu verstehen, daß
es ein wünschenswerthes Mittel gebe, durch welches der Thron vollkommen
gesichert und das erschütterte Reich wieder beruhigt werden könne. Wenn
Seine Majestät die zwischen der römischen und anglikanischen Kirche
obschwebenden Streitpunkte nochmals in Erwägung ziehen wolle, so würde
er durch die Gründe, welche sie ihm vorzutragen wünschten, unter Gottes
Beistande vielleicht zu der Überzeugung gebracht werden, daß es seine
Pflicht sei, zu dem Glauben seines Vaters und seines Großvaters
zurückzukehren. Bis hierher, fuhr Sancroft fort, habe er die Ansicht
seiner Collegen ausgesprochen. Aber es sei noch ein Punkt, über den er
sich nicht mit ihnen berathen habe, auf den er jedoch den König
aufmerksam machen zu müssen glaube. Allerdings sei er auch das einzige
Mitglied seines Standes, welches diesen Gegenstand berühren dürfe, ohne
sich dem Verdachte eines eigennützigen Beweggrundes auszusetzen. Der
erzbischöfliche Stuhl von York war seit drei Jahren erledigt. Der
Erzbischof bat den König dringend, er möge denselben schleunigst mit
einem frommen und gelehrten Geistlichen besetzen, und fügte hinzu, es
werde sich unter den eben Anwesenden leicht, ein solcher Mann finden.
Der König verstand es sich hinreichend zu beherrschen, um für diesen
bitteren Rath zu danken und zu versprechen, daß er denselben in Erwägung
ziehen wolle.[75] Von dem Dispensationsrecht aber wollte er durchaus
nichts nachlassen. Keine gesetzlich unqualificirte Person wurde von
irgend einem bürgerlichen oder militairischen Amte entfernt. Aber einige
von Sancroft's Vorschlägen wurden befolgt. Binnen zweimal vierundzwanzig
Stunden war der Gerichtshof der Hohen Commission abgeschafft.[76] Es
ward beschlossen, der Hauptstadt ihren vor sechs Jahren entzogenen
Freibrief zurückzugeben und der Kanzler selbst mußte das ehrwürdige
Pergament feierlich nach der Guildhall tragen.[77] Acht Tage später
erfuhr das Publikum, daß der Bischof von Winchester, der vermöge seiner
amtlichen Stellung Visitator des Magdalenen-Collegiums war, vom Könige
beauftragt sei, alle Mißstände in diesem Collegium abzustellen. Zu
dieser letzten Demüthigung hatte sich der König nicht ohne langen
inneren Kampf und bitteren Schmerz entschlossen. Er verstand sich in der
That erst dazu, nachdem der apostolische Vikar Leyburn, der sich bei
jeder Gelegenheit als einsichtsvoller und rechtschaffener Mann benommen
zu haben scheint, erklärt hatte, daß seiner Ansicht nach den
vertriebenen Collegiaten und ihrem Präsidenten Unrecht gethan worden sei
und daß ihre Wiedereinsetzung aus religiösen wie aus politischen Gründen
erfolgen müsse.[78] Nach wenigen Tagen erschien eine Proklamation,
welche die entzogenen Privilegien aller Municipalkörperschaften
wiederherstellte.[79]

    [Anmerkung 75: +Tanner MSS+; +Burnet I. 784+. Burnet hat, wie ich
    glaube, diese Audienz mit einer andren verwechselt, welche einige
    Wochen später stattfand.]

    [Anmerkung 76: +London Gazette, Oct. 8. 1688.+]

    [Anmerkung 77: +Ibid.+]

    [Anmerkung 78: +Ibid. Oct. 15, 1688+; Adda, 12.(22.) Oct. Obgleich
    der Nuntius im Allgemeinen Gewaltmaßregeln abgeneigt war, so
    scheint er doch gegen die Wiedereinsetzung Hough's opponirt zu
    haben, wahrscheinlich aus Rücksicht auf die Interessen Giffard's
    und der anderen Katholiken, welche Mitglieder des
    Magdalenen-Collegiums waren. Leyburn erklärte selbst: +»Nel
    sentimento che fosse stato uno spoglio, e che il possesso in cui
    si trovano ora li Cattolici fosse violento ed illegale, onde non
    era privar questi di un dritto acquisto, ma rendere agli altri
    quello era stato levalo con violenza.«+]

    [Anmerkung 79: +London Gazette, Oct. 18. 1688+.]


[_Seine Zugeständnisse werden übel aufgenommen._] Jakob schmeichelte
sich mit der Hoffnung, daß die ausgedehnten Zugeständnisse, die er im
Laufe eines Monats gemacht, ihm die Herzen seines Volks wieder gewinnen
würden. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß diese Zugeständnisse,
wenn sie gemacht worden wären, als noch kein Grund zu der Befürchtung
eines Einfalls von Seiten Hollands vorhanden war, viel zur Versöhnung
der Tories beigetragen haben würden. Aber Fürsten, welche der Angst
zugestehen, was sie der Gerechtigkeit verweigert haben, dürfen keinen
Dank erwarten. Seit drei Jahren war der König gegen alle Vorstellungen
und Bitten taub gewesen. Jeder Minister, der sich erlaubt hatte, seine
Stimme zu Gunsten der bürgerlichen und kirchlichen Verfassung des Reichs
zu erheben, war in Ungnade gefallen. Ein ausgezeichnet loyales Parlament
hatte es gewagt, bescheiden und ehrerbietig gegen eine Verletzung der
Grundgesetze Englands zu protestiren; es hatte dafür einen strengen
Verweis erhalten und war prorogirt und aufgelöst worden. Ein Richter
nach dem andren war des Hermelins beraubt worden, weil er sich geweigert
hatte, Erkenntnisse abzugeben, welche dem gemeinen Rechte und dem
Gesetzbuche zuwiderliefen. Die achtungswerthesten Kavaliere waren von
jeder Theilnahme an der Verwaltung der Grafschaften ausgeschlossen
worden, weil sie sich geweigert hatten, die öffentlichen Freiheiten zu
verrathen. Geistliche waren zu Dutzenden abgesetzt worden, weil sie ihre
Eide nicht brechen wollten. Prälaten, deren unerschütterlicher Treue der
König seine Krone verdankte, hatten ihn auf den Knien gebeten, daß er
ihnen nicht befehlen möchte, die Gesetze Gottes und des Landes zu
verletzen. Ihre bescheidene Bittschrift war als ein aufrührerisches
Libell betrachtet worden. Sie waren hart angelassen, bedroht, ins
Gefängniß geworfen, gerichtlich verfolgt worden und waren mit genauer
Noth dem gänzlichen Verderben entronnen. Jetzt endlich begann die
Nation, da sie sah, daß das Recht durch die Macht mit Füßen getreten und
selbst Bitten als ein Verbrechen betrachtet wurden, auf den Gedanken zu
kommen, das Kriegsglück zu versuchen. Der Tyrann erfuhr, daß ein
bewaffneter Befreier zur Hand sei, der von Whigs und Tories, von
Dissenters und Anglikanern freudig begrüßt werden würde. Da wurde mit
einem Male Alles anders. Die nämliche Regierung, welche treue und
eifrige Dienste mit Beraubung und Verfolgung vergolten, die Regierung,
welche auf gewichtige Gründe und rührende Bitten nur mit Beleidigungen
und Schmähungen geantwortet hatte, wurde in einem Augenblicke merkwürdig
freundlich. Jede Nummer der Gazette brachte die Abstellung einer neuen
Beschwerde. Man sah es also deutlich, daß man sich auf die Billigkeit,
die Humanität und das verpfändete Wort des Königs nicht verlassen konnte
und daß er nur so lange gut regieren würde, als er gewaltsamen
Widerstand fürchtete. Seine Unterthanen waren daher durchaus nicht
geneigt, ihm ein Vertrauen wieder zu schenken, das er sich völlig
verscherzt hatte, oder den Druck zu lindern, der ihm die einzigen guten
Maßregeln seiner ganzen Regierung abgepreßt hatte. Die allgemeine
Ungeduld, mit der man die Ankunft der Holländer erwartete, nahm mit
jedem Tage zu. Das Volk verwünschte den Wind, der um diese Zeit
beharrlich aus dem Westen kam, die Flotte des Prinzen am Auslaufen
hinderte und zugleich immer neue Regimenter von Dublin nach Chester
brachte. Man sagte, es sei papistisches Wetter. In Cheapside standen
fortwährend Massen von Menschen, welche nach der Wetterfahne auf der
Spitze des schlanken Thurmes der Bowkirche blickten und den Himmel um
protestantischen Wind baten.[80]

Die allgemeine Stimmung wurde noch mehr erbittert durch einen Vorfall,
der zwar rein zufällig war, aber leicht erklärlicherweise der Perfidie
des Königs zugeschrieben wurde. Der Bischof von Winchester kündigte an,
daß er auf königlichen Befehl die vertriebenen Mitglieder des
Magdalenen-Collegiums wieder einzusetzen gedenke. Er bestimmte zu der
Feierlichkeit den 21. October und traf am 20. in Oxford ein. Die ganze
Universität war in erwartungsvoller Spannung. Die vertriebenen
Collegiaten waren aus allen Theilen des Landes herbeigekommen, um ihre
geliebte Heimath wieder in Besitz zu nehmen. Dreihundert berittene
Gentlemen geleiteten den Visitator nach seiner Wohnung. Während seines
Zuges durch die Stadt, gingen alle Glocken und High Street war mit einer
jubelnden Zuschauermenge gefüllt. Er begab sich zur Ruhe. Am andren
Morgen versammelte sich eine freudig bewegte Menge an den Eingängen des
Magdalenen-Collegiums; aber der Bischof erschien nicht. Bald erfuhr man,
daß er durch einen königlichen Boten aus dem Schlafe geweckt und
aufgefordert worden war, unverzüglich nach Whitehall zu kommen. Diese
rücksichtslose Täuschung erregte große Verwunderung und Angst; in
einigen Stunden aber trafen Nachrichten ein, welche Gemüthern, die nicht
ohne Grund das Schlimmste zu glauben geneigt waren, die Sinnesänderung
des Königs genügend zu erklären schienen. Die holländische Flotte war
ausgelaufen, aber durch einen Sturm zurückgetrieben worden. Das Gerücht
vergrößerte den Unfall. Eine Menge Schiffe sollten zu Grunde gegangen
und tausende von Pferden umgekommen sein. Jeder Gedanke an ein
Unternehmen gegen England müsse, wenigstens für dieses Jahr aufgegeben
werden. Hier mache die Nation wieder eine schöne Erfahrung. So lange
Jakob einen nahe bevorstehenden Einfall und Aufstand erwartet, habe er
Befehl zur Wiedereinsetzung Derer gegeben, die er gesetzwidrig beraubt;
sobald er sich aber wieder für sicher gehalten habe, sei dieser Befehl
widerrufen worden. Obgleich diese Beschuldigung damals allgemein
geglaubt und später von Schriftstellern wiederholt wurde, welche hätten
gut unterrichtet sein können, war sie doch völlig ungegründet. Es ist
erwiesen, daß die Nachricht von dem Mißgeschick der holländischen Flotte
auf keinem Wege früher nach Westminster gelangen konnte, als einige
Stunden nachdem der Bischof von Winchester den Befehl erhalten hatte,
der ihn von Oxford zurückrief. Der König hatte jedoch wenig Recht, sich
über den Argwohn seines Volkes zu beschweren. Es war lediglich seine
Schuld, wenn es zuweilen ohne genaue Untersuchung der Beweise etwas
seiner unehrlichen Politik zuschrieb, was in Wirklichkeit nur Folge
eines Zufalls oder eines Versehens war. Daß Leute, welche
gewohnheitsmäßig ihr Wort brechen, auch dann keinen Glauben finden, wenn
sie es einmal wirklich zu halten gedenken, ist ein Theil ihrer gerechten
und natürlichen Strafe.[81]

Es ist bemerkenswerth, daß Jakob sich bei dieser Gelegenheit eine
unverdiente Beschuldigung lediglich durch das eifrige Bestreben zuzog,
sich von einer andren eben so unverdienten zu reinigen. Der Bischof war
so eilig von Oxford zurückberufen worden, um einer außerordentlichen
Staatsrathssitzung, oder vielmehr einer nach Whitehall berufenen
Versammlung von Notablen beizuwohnen. Außer den wirklichen Mitgliedern
des Geheimen Raths nahmen an dieser feierlichen Sitzung alle geistlichen
und weltlichen Lords Theil, welche zufällig in der Hauptstadt oder doch
in der Nähe derselben waren, außerdem die Richter, die Kronanwälte, der
Lordmayor und die Aldermen von London. Petre hatte den Wink bekommen, er
werde wohl daran thun, wenn er wegbliebe. Es würden auch in der That
wenige Peers Lust gehabt haben, neben ihm zu sitzen. In der Nähe des
obersten Sitzes war ein Staatssessel für die Königin Wittwe bereit
gestellt. Auch die Prinzessin Anna war zur Theilnahme an der Sitzung
eingeladen worden, hatte sich aber mit Unwohlsein entschuldigt.

    [Anmerkung 80: +»Vento Papista«+, sagt Adda unterm 24. Oct. (3.
    Nov.) 1688. Der Ausdruck »protestantischer Wind« scheint zuerst
    auf den Wind angewendet worden zu sein, welcher Tyrconnel eine
    Zeitlang verhinderte, seine Statthalterschaft in Irland
    anzutreten. Siehe den ersten Theil des »Lillibullero.«]

    [Anmerkung 81: Alle hierauf bezüglichen Beweise sind in Howell's
    Ausgabe der Staatsprozesse zusammengestellt.]


[_Dem Geheimen Rath werden Beweise für die legitime Geburt des Prinzen
von Wales vorgelegt._] Jakob sagte dieser zahlreichen Versammlung, daß
er es für nöthig halte, Beweise für die Geburt seines Sohnes
beizubringen. Die Einflüsterungen böser Menschen hätten die öffentliche
Meinung in einer solchen Ausdehnung vergiftet, daß Viele den Prinzen von
Wales für ein untergeschobenes Kind hielten. Die Vorsehung aber habe es
mit weiser Hand gefügt, daß kaum je ein andrer Prinz in Anwesenheit so
vieler Augenzeugen zur Welt gekommen sei. Diese Zeugen traten nun auf
und gaben ihre Aussagen ab. Nachdem sie sämmtlich zu Protokoll genommen
waren, erklärte Jakob mit großer Feierlichkeit, daß die ihm zur Last
gelegte Beschuldigung durchaus falsch sei und daß er lieber einen
tausendfachen Tod sterben als einem seiner Kinder Unrecht thun würde.

Alle Anwesenden schienen befriedigt zu sein. Die Zeugenaussagen wurden
sogleich veröffentlicht und einsichtsvolle und unparteiische Personen
erkannten die Glaubwürdigkeit derselben an.[82] Aber die Verständigen
bilden immer eine Minorität, und unparteiisch war damals kaum irgend
Jemand. Die ganze Nation war überzeugt, daß jeder aufrichtige Papist es
für seine Pflicht hielt, einen falschen Eid zu schwören, wenn er dadurch
dem Interesse seiner Kirche diente, und Leute, welche ursprünglich
Protestanten, um des Gewinnes willen aber scheinbar zum Papismus
übergetreten waren, verdienten womöglich noch weniger Glauben als
aufrichtige Papisten. Die Aussagen aller Derjenigen, welche diesen
beiden Klassen angehörten, wurden daher von vornherein als null und
nichtig betrachtet, und dadurch wurde das Gewicht des Beweises, von dem
sich Jakob viel versprochen hatte, bedeutend verringert. Was übrig blieb
wurde boshaft bekrittelt. Gegen jeden der protestantischen Zeugen,
welche etwas Wesentliches ausgesagt, hatte man etwas einzuwenden. Der
Eine war notorisch ein habgieriger Schmarotzer; der Andre hatte zwar
seinen Glauben nicht abgeschworen, war aber nahe verwandt mit einem
Apostaten. Die Leute fragten, wie sie von Anfang an gefragt hatten,
warum, wenn Alles mit rechten Dingen zugegangen sei, der König nicht
dafür gesorgt habe, daß die Geburt genügender bewiesen werden könne, da
er doch gewußt habe, daß Viele an der wirklichen Schwangerschaft der
Königin zweifelten? Lag etwa nichts Verdächtiges in der falschen
Berechnung der Zeit, sowie in der Abwesenheit der Prinzessin Anna und
des Erzbischofs von Canterbury? Warum war kein Prälat der Landeskirche
anwesend? Warum war der holländische Gesandte nicht zugezogen worden?
Warum vor Allem hatten die Hyde, diese loyalen Diener der Krone, diese
treuen Söhne der Kirche und natürlichen Wächter der Interessen ihrer
Nichten, sich nicht unter den Schwarm von Papisten mischen dürfen,
welcher in und neben dem Schlafgemache der Königin versammelt war? Warum
mit einem Worte befand sich in der langen Liste der Anwesenden nicht ein
einziger Name, der das Vertrauen und die Achtung des Publikums genoß?
Die wahre Antwort auf diese Fragen war, daß der König einen beschränkten
Verstand und einen despotischen Character besaß und daß er mit Freuden
eine Gelegenheit ergriffen hatte, um seine Geringschätzung der Meinung
seiner Unterthanen an den Tag zu legen. Der große Haufe aber, dem diese
Erklärung nicht genügte, schrieb das, was lediglich die Wirkung von
Thorheit und Verkehrtheit war, einer vorsätzlichen bösen Absicht zu. Und
diese Meinung beschränkte sich nicht allein auf den großen Haufen. Lady
Anna sprach am Morgen nach der Staatsrathssitzung bei ihrer Toilette so
höhnisch von den Zeugenaussagen, daß selbst die Kammerfrauen, welche sie
ankleideten, sich Scherze darüber erlaubten. Einige von den Lords,
welche in der Sitzung zugegen gewesen waren und befriedigt zu sein
schienen, waren in der That keineswegs überzeugt. Lloyd, Bischof von St.
Asaph, dessen Frömmigkeit und Gelehrsamkeit allgemeine Achtung gebot,
glaubte bis ans Ende seines Lebens, daß ein Betrug gespielt worden sei.

    [Anmerkung 82: Sie finden sich mit ausführlichen Erläuterungen in
    Howell's Ausgabe der Staatsprozesse.]


[_Sunderland's Ungnade._] Die vor dem Geheimen Rathe abgegebenen
Zeugenaussagen waren erst wenige Stunden in den Händen des Publikums,
als sich das Gerücht verbreitete, daß Sunderland aller seiner Stellen
entsetzt worden sei. Die Nachricht von seiner Ungnade scheint die
Kaffeehauspolitiker überrascht zu haben, kam aber Denen, welche die
Vorgänge im Palaste beobachtet hatten, nicht unerwartet. Verrath hatte
man weder durch rechtlichen noch durch greifbaren Beweis auf ihn bringen
können; Diejenigen aber, die ihn scharf im Auge hielten, hatten ihn
stark in dem Verdachte, daß er auf diesem oder jenem Wege mit den
Feinden der Regierung, bei der er eine so hohe Stellung einnahm,
Verbindungen unterhielt. Mit frecher Stirn wünschte er alles zeitliche
und ewige Verderben auf sich herab, wenn er schuldig sei. Er betheuerte,
sein einziger Fehler bestehe darin, daß er der Krone zu eifrig gedient
habe. Habe er der königlichen Sache nicht Bürgschaften gegeben? Habe er
nicht jede Brücke abgebrochen, über die er im Fall eines Unglücks seinen
Rückzug hätte bewerkstelligen können? Habe er nicht fortwährend das
Dispensationsrecht aufs äußerste vertheidigt, in der Hohen Commission
gesessen, den Verhaftsbefehl gegen die Bischöfe unterzeichnet und sei er
nicht mit eigner Lebensgefahr unter dem Gezisch und den Verwünschungen
der Tausende, welche damals Westminsterhall füllten, als Zeuge gegen sie
aufgetreten? Habe er nicht den glänzendsten Beweis von seiner Treue
gegeben, indem er seinem Glauben entsagt und öffentlich zu einer der
Nation verhaßten Kirche übergetreten sei? Was habe er von einer
Veränderung zu hoffen? Habe er nicht Alles zu fürchten? So plausible
diese Gründe waren und obgleich sie mit der schlauesten Gewandtheit
hervorgehoben wurden, sie vermochten den Eindruck, der von hundert
verschiedenen Seiten gleichzeitig aufgetauchten Einflüsterungen und
Gerüchte nicht zu verwischen. Der König wurde von Tag zu Tag kälter.
Sunderland versuchte es nun, sich an die Königin anzulehnen, erlangte
auch eine Audienz bei Ihrer Majestät und befand sich gerade in ihrem
Zimmer, als Middleton eintrat und ihm auf Befehl des Königs die Siegel
abverlangte. An diesem Abend hatte der gefallene Minister die letzte
Privatunterredung mit dem Fürsten, dem er geschmeichelt und den er
hintergangen hatte. Die Unterredung war höchst merkwürdig. Sunderland
spielte den verleumdeten Tugendhelden mit seltener Vollendung. Er sagte,
er bedaure den Verlust des Staatssekretariats und der Präsidentschaft im
Geheimen Rathe nicht, wenn ihm nur die Achtung seines Herrn und
Gebieters bliebe. »Machen Sie mich nicht zum unglücklichsten Unterthan
Ihres Reichs, Sire, indem Sie mir die Erklärung verweigern, daß Sie mich
von Illoyalität freisprechen.« Der König wußte nicht was er denken
sollte. Ein bestimmter Schuldbeweis lag nicht vor und die Energie und
der Pathos, womit Sunderland log, hätte einen schärferen Verstand als
der war, mit dem er es zu thun hatte, täuschen können. Bei der
französischen Gesandtschaft fanden seine Versicherungen noch immer
Glauben. Dort erklärte er, daß er noch einige Tage in London bleiben und
sich am Hofe zeigen werde; dann wolle er sich auf seinen Landsitz in
Althorpe zurückziehen und seinen zerrütteten Finanzen durch Sparsamkeit
wieder aufzuhelfen suchen. Sollte eine Revolution ausbrechen, so müsse
er nach Frankreich flüchten; seine schlecht vergoltene Loyalität lasse
ihm keine andre Zufluchtsstätte übrig.[83]

Die Sunderland abgenommenen Staatssiegel wurden Preston übergeben.
Dieselbe Nummer der Gazette, welche diesen Ministerwechsel ankündigte,
enthielt auch die officielle Nachricht von dem Unfalle, der die
holländische Flotte betroffen.[84] Dieser Unfall war zwar ernster Art,
aber doch bei weitem nicht so schlimm, als der König und seine wenigen
durch ihre Wünsche irregeleiteten Anhänger zu glauben geneigt waren.

    [Anmerkung 83: Barillon, 8.(18.), 15.(25.), 18.(28.) Oct., 25.
    Oct. (4. Nov.), 27. Oct. (6. Nov.), 29. Oct. (8. Nov.) 1688; Adda,
    26. Oct. (5. Nov.).]

    [Anmerkung 84: +London Gazette, Oct. 29. 1688+.]


[_Wilhelm nimmt Abschied von den holländischen Generalstaaten._] Am 16.
October nach englischer Zeitrechnung wurde eine feierliche Sitzung der
Staaten von Holland gehalten. Der Prinz erschien, um von ihnen Abschied
zu nehmen. Er dankte ihnen für die freundliche Fürsorge, mit der sie
über ihn gewacht, als er eine verlassene Waise gewesen, für das
Vertrauen, das sie ihm während seiner Verwaltung geschenkt und für den
Beistand, den sie ihm in dieser wichtigen Krisis gewährt hätten. Er bat
sie überzeugt zu sein, daß er das Wohl seines Vaterlandes stets im Auge
gehabt und es zu fördern gesucht habe. Er verlasse sie jetzt vielleicht
auf immer. Wenn er im Kampfe für den reformirten Glauben und für die
Unabhängigkeit Europa's fallen sollte, so empfehle er sein geliebtes
Weib ihrer Fürsorge. Der Großpensionair antwortete mit gebrochener
Stimme und kein Mitglied des ernsten Senates konnte sich der Thränen
enthalten. Aber Wilhelm's eiserner Stoicismus verleugnete sich nie; er
stand ruhig und ernst unter seinen weinenden Freunden, als ob er sie nur
zu einem kurzen Ausfluge nach seinen Jagdgründen bei Loo hätte verlassen
wollen.[85]

Die Deputirten der vornehmsten Städte begleiteten ihn bis zu seiner
Yacht. Selbst die Vertreter von Amsterdam, das so lange der Hauptsitz
der Opposition gegen seine Verwaltung gewesen war, schlossen sich dieser
Höflichkeitsbezeigung an. In allen Kirchen des Haags wurden an diesem
Tage öffentliche Gebete für ihn gehalten.

    [Anmerkung 85: Protokolle der Staaten von Holland und
    Westfriesland; +Burnet, I. 782+.]


[_Er schifft sich ein und segelt ab._] Am Abend kam er in Helvoetsluys
an und begab sich an Bord einer Fregatte, die »Brill« genannt.
Unmittelbar darauf wurde seine Flagge aufgehißt. Sie zeigte das Wappen
des Hauses Nassau, verbunden mit dem englischen. Die in drei Fuß hohen
Buchstaben eingestickte Devise war glücklich gewählt. Das Haus Oranien
führte seit langer Zeit die elliptische Devise: »Ich werde
aufrechterhalten« (+Je maintiendrai+); der fehlende Nachsatz wurde jetzt
durch die Worte ergänzt: »Die Freiheiten Englands und die
protestantische Religion.«


[_Er wird durch einen Sturm zurückgeworfen._] Der Prinz befand sich kaum
einige Stunden an Bord, so wurde der Wind günstig. Am neunzehnten stach
die Flotte in See und legte vor einer steifen Brise ungefähr den halben
Weg zwischen den Küsten Hollands und Englands zurück. Plötzlich aber
sprang der Wind um, blies stark aus Westen und schwoll zu einem heftigen
Sturme an. Die zerstreuten Schiffe erreichten mit genauer Noth die
holländische Küste wieder. Die »Brill« langte am einundzwanzigsten vor
Helvoetsluys an. Die Schiffsgenossen des Prinzen hatten mit Bewunderung
bemerkt, daß weder Gefahr noch Mißgeschick nur einen Augenblick seine
ernste Ruhe gestört hatten. Obgleich er seekrank war, weigerte er sich
doch ans Land zu gehen, denn er sah ein, daß sein Bleiben an Bord Europa
am deutlichsten zeigen werde, daß der ihn betroffene Unfall die
Ausführung seines Vorhabens nur um kurze Zeit verzögern könne. In
einigen Tagen war die Flotte wieder beisammen. Ein einziges Schiff war
gescheitert, aber nicht ein Soldat oder Matrose wurde vermißt. Nur
einige Pferde waren umgekommen, aber diesen Verlust ersetzte der Prinz
auf der Stelle wieder und noch ehe die London Gazette die Nachricht von
seinem Unfalle verbreitet hatte, war er schon wieder segelfertig.[86]

    [Anmerkung 86: +London Gazette, Oct. 29. 1688+; +Burnet, I. 782+;
    Bentinck an seine Gattin, 21.(31.) Oct., 22. Oct.(1. Nov.), 24.
    Oct. (3. Nov.), 27. Oct. (6. Nov.) 1688.]


[_Seine Erklärung kommt in England an._] Seine Erklärung gelangte nur
einige Stunden vor seiner Ankunft nach England. Am 1. November begannen
die londoner Politiker heimlich davon zu flüstern, sie ging von Hand zu
Hand und wurde in die Briefkästen des Postamts geworfen. Einer der
Agenten wurde verhaftet und die Packete, die er zu besorgen hatte, nach
Whitehall gebracht. Der König las die Proklamation und sie machte einen
erschütternden Eindruck auf ihn. Sein erster Gedanke war, das Papier vor
jedem menschlichen Blicke zu verbergen. Er ließ daher sämmtliche ihm
überbrachte Exemplare bis auf eines verbrennen, und dieses eine wagte er
kaum aus den Händen zu geben.[87]

    [Anmerkung 87: Citters, 2.(12.) Nov. 1688; Adda, 2.(12.) Nov.]


[_Jakob befragt die Lords._] Der Paragraph des Manifestes, der ihn am
meisten beunruhigte, war der, in welchem gesagt war, daß einige von den
geistlichen und weltlichen Peers den Prinzen von Oranien zu einem
Einfall in England aufgefordert hätten. Halifax, Clarendon und
Nottingham, welche gerade in London waren, wurden sogleich in den Palast
beschieden und über diesen Punkt befragt. Halifax weigerte sich anfangs,
eine Antwort zu geben, obgleich er sich seiner Unschuld bewußt war.
»Eure Majestät fragt mich, ob ich einen Hochverrath begangen habe,«
sagte er. »Wenn ich eines solchen verdächtig bin, so lassen Sie mich vor
den Gerichtshof meiner Peers stellen. Kann Eure Majestät der Antwort
eines Angeklagten, dessen Leben auf dem Spiele steht, Glauben schenken?
Selbst wenn ich Seine Hoheit ersucht hätte herüberzukommen, würde ich
mich ohne Bedenken für nichtschuldig erklären.« Der König erwiederte
ihm, daß er ihn durchaus nicht als einen Angeklagten betrachte, sondern
ihn nur gefragt habe, wie ein Gentleman einen Andren, der verleumdet
worden sei, frage, ob die Verleumdung irgend eine Begründung habe. »In
diesem Falle,« sagte Halifax, »nehme ich als Gentleman, der mit einem
Gentleman spricht, keinen Anstand, bei meiner Ehre, die mir eben so
heilig ist als ein Eid, zu versichern, daß ich den Prinzen von Oranien
nicht veranlaßt habe herüberzukommen.«[88] Clarendon und Nottingham
sagten das Nämliche. Noch mehr wünschte der König, die Gesinnung der
Prälaten zu ergründen. Wenn diese ihm feindlich gesinnt waren, dann war
sein Thron wirklich in Gefahr. Aber das konnte nicht sein. Daß ein
Bischof der anglikanischen Kirche sich gegen seinen Souverain empören
sollte, war etwas Unerhörtes. Compton wurde ins königliche Kabinet
gerufen und gefragt, ob der Prinz den geringsten Grund zu seiner
Behauptung habe. Der Bischof war in Verlegenheit, denn er gehörte zu den
Sieben, welche die Einladung unterzeichnet hatten, und sein nicht sehr
weites Gewissen wollte ihm wahrscheinlich nicht gestatten, eine positive
Unwahrheit zu sagen. »Sire,« antwortete er, »ich bin fest überzeugt, daß
es unter meinen Amtsbrüdern keinen giebt, der in dieser Angelegenheit
nicht eben so schuldlos wäre, als ich selbst.« Die Zweideutigkeit war
gut ersonnen; ob aber der Unterschied zwischen der Sünde einer solchen
Zweideutigkeit und der Sünde einer Lüge irgend eines Aufwandes von
Erfindungsgeist werth war, mag vielleicht bezweifelt werden. Der König
war zufriedengestellt. »Ich spreche Sie Alle vollkommen frei,« sagte er;
»aber ich halte es für nöthig, daß Sie öffentlich die ehrenrührige
Beschuldigung zurückweisen, die Ihnen in der Erklärung des Prinzen zur
Last gelegt wird.« Der Bischof bat natürlich darum, das Papier lesen zu
dürfen, dem er widersprechen sollte; der König aber wollte ihn keinen
Blick darauf werfen lassen.

Am folgenden Tage erschien eine Proklamation, in der einem Jeden, der es
wagen sollte, Wilhelm's Manifest zu verbreiten, oder es auch nur zu
lesen, die härtesten Strafen angedroht wurden.[89] Der Primas und die
wenigen in London anwesenden geistlichen Peers waren vor den König
beschieden worden. Preston war, mit der Erklärung des Prinzen in der
Hand, bei der Audienz zugegen. »Mylords,« sagte der König, »hören Sie
folgende Stelle. Dieselbe geht Sie an.« Preston las nun den Paragraph
vor, in welchem die geistlichen Peers erwähnt waren. »Ich glaube kein
Wort von dem Allen,« fuhr der König fort; »ich bin von Ihrer Unschuld
überzeugt; aber ich halte es für nöthig Ihnen mitzutheilen, wessen Sie
beschuldigt sind.«

Der Primas erklärte dem Könige mit vielen Versicherungen der
Ehrerbietung, daß Seine Majestät ihm nur Gerechtigkeit widerfahren
lasse. »Ich bin als treuer Unterthan Eurer Majestät geboren,« sagte er,
»und ich habe meine Unterthanentreue zu wiederholten Malen eidlich
bekräftigt. Ich kann nur einen König auf einmal haben. Ich habe den
Prinzen nicht eingeladen herüberzukommen, und ich glaube nicht, daß ein
einziger von meinen Amtsbrüdern es gethan hat.« -- »Ich weiß gewiß, daß
ich es nicht gethan habe,« sagte Crewe von Durham. »Ich auch,« setzte
Cartwright von Chester hinzu. Crewe und Cartwright konnte man wohl
glauben, denn sie hatten Beide in der Hohen Commission gesessen. Als
Compton an die Reihe kam, umging er die Frage mit einer Gewandtheit, um
die ihn ein Jesuit hätte beneiden können. »Ich gab schon gestern Eurer
Majestät meine Antwort.«

Jakob wiederholte ihnen immer und immer wieder, daß er sie alle
vollkommen freispreche. Trotzdem dürfte es aber doch für ihn nützlich
und zu ihrer Ehrenrettung nöthig sein, daß sie sich öffentlich
rechtfertigten. Er verlangte daher von ihnen die schriftliche Erklärung,
daß sie den Plan des Prinzen verabscheuten. Sie schwiegen, ihr
Stillschweigen wurde als Zustimmung betrachtet und sie durften sich
entfernen.[90]

    [Anmerkung 88: Ronquillo, 12.(22.) Nov. 1688. +»Estas
    respuestas,«+ sagt Ronquillo, +»son ciertas, aunque mas las
    encubrian en la corte.«+]

    [Anmerkung 89: +London Gazette, Nov. 5. 1688.+ Die Proklamation
    ist vom 2. Nov. datirt.]

    [Anmerkung 90: +Tanner MSS.+]


[_Wilhelm geht zum zweiten Male unter Segel._] Unterdessen schwamm
Wilhelm's Flotte auf der Nordsee. Am Abend des Donnerstag, den 2.
November, ging er wieder unter Segel. Der Wind blies frisch aus Osten.
Zwölf Stunden lang steuerte die Flotte in nordwestlicher Richtung. Die
von dem englischen Admiral auf Recognoscirung ausgesandten leichten
Fahrzeuge brachten Nachrichten, welche die vorherrschende Ansicht, daß
der Feind in Yorkshire zu landen versuchen werde, bestätigten. Plötzlich
aber machte die ganze Flotte auf ein vom Schiffe des Prinzen gegebenes
Signal eine Wendung und steuerte nach dem britischen Kanal. Der nämliche
Wind, der die Reise der Angreifer begünstigte, verhinderte Dartmouth,
aus der Themse auszulaufen. Seine Schiffe mußten Raaen und Stengen
einziehen, und zwei von seinen Fregatten, welche die hohe See gewonnen
hatten, wurden von dem heftigen Sturme arg zugerichtet und in den Fluß
zurückgetrieben.

Inzwischen segelte die holländische Flotte rasch vor dem Winde und
erreichte die Meerenge am Samstag den 3. November ungefähr um zehn Uhr
Morgens. Wilhelm selbst fuhr mit der »Brill« voraus, und mehr als
sechshundert Fahrzeuge folgten ihm mit vollen Segeln. Die
Transportschiffe befanden sich in der Mitte, und die Kriegsschiffe, über
fünfzig an Zahl, bildeten den äußeren Wehrgürtel. Herbert befehligte die
ganze Flotte unter dem Titel eines Generallieutenant-Admirals. Sein
Schiff segelte unter der Nachhut und viele englische Seeleute, die von
Haß gegen den Papismus erfüllt und durch hohen Sold angelockt waren,
dienten unter ihm. Es hatte dem Prinzen viele Mühe gekostet einige hohe
holländische Offiziere dazu zu bewegen, daß sie sich dem Oberbefehl
eines Ausländers unterwarfen. Diese Anordnung aber war höchst weise. Auf
der Flotte des Königs herrschte große Unzufriedenheit und ein glühender
Eifer für den protestantischen Glauben. Aber innerhalb der Erinnerung
alter Seeleute hatten die holländische und die englische Flotte dreimal
mit heldenmüthiger Tapferkeit und wechselndem Glücke um die Herrschaft
auf der See gekämpft. Unsere Seeleute hatten den Besen noch nicht
vergessen, mit dem Van Tromp den Kanal zu fegen gedroht hatte, und eben
so wenig das Feuer, welches De Ruyter auf den Werften des Medway
angezündet. Hätten sich die beiden rivalisirenden Nationen noch einmal
auf dem Elemente begegnet, auf welchem jede von ihnen die Herrschaft für
sich in Anspruch nahm, so würde die gegenseitige Erbitterung keinen
andren Gedanken haben aufkommen lassen. Eine blutige und hartnäckige
Schlacht würde stattgefunden haben und eine Niederlage wäre für Wilhelm
der Todesstoß gewesen. Selbst ein Sieg würde alle seine tief
durchdachten politischen Pläne zerstört haben. Er hatte daher
wohlweislich beschlossen, die Verfolger, falls er mit ihnen
zusammentreffen sollte, in ihrer Muttersprache zu begrüßen und sie durch
einen Admiral, unter dem sie gedient hatten, und den sie hochachteten,
bitten zu lassen, daß sie nicht gegen alte Kameraden für papistische
Tyrannei fechten sollten. Eine solche Aufforderung konnte möglicherweise
einem Zusammenstoße vorbeugen. Erfolgte aber dennoch ein solcher, so
standen wenigstens zwei englische Befehlshaber einander gegenüber, und
der Stolz der Inselbewohner wurde nicht verwundet, wenn sie erfuhren,
daß Dartmouth vor Herbert hatte die Flagge streichen müssen.[91]

    [Anmerkung 91: Avaux, 12.(22.) Juli u. 14.(24.) Aug. 1688. Herr de
    Jonge, der mit den Nachkommen des holländischen Admirals Evertson
    verwandt ist, hat die Gefälligkeit gehabt, mir einige aus
    Familienpapieren entnommene interessante Notizen mitzutheilen. In
    einem vom 6.(16.) Sept. 1688 datirten Briefe an Bentinck legt
    Wilhelm ein großes Gewicht auf die Nothwendigkeit, einen
    Zusammenstoß zu vermeiden und bittet Bentinck darum, dies Herbert
    vorzustellen. +»Ce n'est pas le tems de faire voir sa bravoure, ni
    de se battre si l'on le peut éviter. Je luy l'ai déjà dit, mais il
    sera nécessaire que vous le répétiez, et que vous le luy fassiez
    bien comprendre.«+]


[_Er passirt die Meerenge._] Zum Glück war Wilhelm's Vorsicht
überflüssig. Bald nach Mittag passirte er die Meerenge. Seine Flotte
breitete sich auf eine Meile Entfernung von Dover im Norden und von
Calais im Süden aus. Die Kriegsschiffe auf der äußersten Rechten und der
äußersten Linken begrüßten beide Festungen gleichzeitig. Die Truppen
traten auf dem Verdeck unters Gewehr, und das Geschmetter der Trompeten,
der Klang der Cymbeln und der Trommelwirbel wurden an der englischen und
der französischen Küste zu gleicher Zeit deutlich gehört. Eine unzählige
Menge Neugieriger verdunkelte das weiße Gestade von Kent. Eine nicht
minder zahlreiche Menge bedeckte die Küste der Picardie. Rapin de
Thoyras, der durch Verfolgung aus seinem Vaterlande vertrieben, in der
holländischen Armee Dienste genommen hatte und den Prinzen nach England
begleitete, schilderte viele Jahre später das Schauspiel als das
prächtigste und erhabenste, das je ein menschliches Auge gesehen. Bei
Sonnenuntergang befand sich die Flotte auf der Höhe von Beachy Head.
Jetzt wurden die Lichter angezündet. Das Meer strahlte davon viele
Meilen im Umkreise. Aber die Blicke aller Steuermänner waren die ganze
Nacht hindurch auf drei kolossale Laternen gerichtet, welche am Spiegel
der »Brill« leuchteten.[92]

Unterdessen war von Dover ein Courier nach Whitehall abgeschickt worden
mit der Nachricht, daß die holländische Flotte die Meerenge passirt habe
und westwärts steure. Dies machte eine sofortige Abänderung aller
militairischen Anordnungen nöthig. Nach allen Richtungen hin wurden
Eilboten ausgesandt, die Offiziere mitten in der Nacht aus den Betten
geholt. Am Sonntag Morgen um drei Uhr fand in Hyde Park eine große
Musterung bei Fackelschein statt. In der Voraussetzung, daß Wilhelm in
Yorkshire landen werde, hatte der König mehrere Regimenter nach dem
Norden geschickt. Es wurden unverzüglich Expresse abgefertigt, um sie
zurückzurufen. Alle Truppen bis auf diejenigen, welche zur
Aufrechthaltung der Ruhe in der Hauptstadt nöthig waren, wurden nach dem
Westen beordert. Salisbury war zum Sammelplatz bestimmt; da man es aber
für möglich hielt, daß Portsmouth der erste Angriffspunkt werden könnte,
so brachen drei Bataillone Garden und ein starkes Kavalleriecorps nach
dieser Festung auf. In einigen Stunden erfuhr man, daß Portsmouth sicher
sei, und die Truppen erhielten deshalb sofort den Befehl, umzukehren und
nach Salisbury zu eilen.[93]

    [Anmerkung 92: +Rapin's History+; +Whittle's Exact Diary+. Ich
    habe einen aus der damaligen Zeit herrührenden Plan von der
    Ordnung gesehen, in welcher die Flotte segelte.]

    [Anmerkung 93: Adda, 5.(15.) Nov. 1688; Neuigkeitsbrief in der
    Mackintosh-Sammlung; Citters, 6.(16.) Nov.]


[_Seine Landung bei Torbay._] Als der Sonntag, der 4. November, anbrach,
hatte die holländische Flotte die Klippen der Insel Wight in Sicht.
Dieser Tag war zu gleicher Zeit Wilhelm's Geburtstag und Hochzeitstag.
Während der ersten Stunden des Morgens wurden die Segel losgemacht und
auf den Schiffen Gottesdienst gehalten. Am Nachmittag und die Nacht
durch steuerte die Flotte in der bisher verfolgten Richtung weiter.
Torbay war der Ort, wo Wilhelm zu landen gedachte. Der Morgen des 5.
November war trübe und nebelig, so daß der Steuermann der »Brill« die
Seezeichen nicht erkennen konnte und die Flotte zu weit westlich führte.
Die Gefahr war groß. Dem Wind entgegen wieder umzukehren war unmöglich.
Der nächste Hafen war Plymouth, aber dort lag eine Garnison unter dem
Commando des Lord Bath. Diese konnte sich der Landung möglicherweise
widersetzen und ein Unfall konnte schlimme Folgen haben. Überdies konnte
man kaum daran zweifeln, daß die königliche Flotte jetzt die Themse
verlassen hatte und mit vollen Segeln dem Kanal zusteuerte. Russell
erkannte die ganze Größe der Gefahr und sagte zu Burnet: »Sie können
immer beten, Doctor. Es ist Alles vorbei.« In diesem Augenblicke sprang
der Wind um, es erhob sich eine leichte Südbrise, der Nebel zerstreute
sich, die Sonne schien, und bei dem matten Lichte eines
Herbstnachmittags wendete sich die Flotte, umschiffte das hohe Cap Berry
Head und lief wohlbehalten in den Hafen von Torbay ein.[94]

Seit der Zeit, als Wilhelm auf diesen Hafen blickte, hat sich die
Gestalt desselben sehr verändert. Das Amphitheater, welches das weite
Becken umgiebt, bietet jetzt überall Zeichen von Wohlstand und
Civilisation dar. Am nordöstlichen Ende ist ein großer Badeort
entstanden, dessen milder italienischer Himmel Gäste aus den
entferntesten Theilen der Insel anzieht, denn hier blüht die Myrthe im
Freien und selbst der Winter ist milder als in Northumberland der April.
Die Einwohnerzahl beläuft sich auf ungefähr zehntausend Seelen. Die
neuerbauten Kirchen und Kapellen, die Bäder und Leseinstitute, die
Gasthöfe und öffentlichen Gärten, das Krankenhaus und das Museum, die
sich terrassenförmig an der Küste hinaufziehenden weißen Straßen, die
hinter Buschwerk und Blumenbeeten hervorschimmernden freundlichen
Landhäuser gewähren einen Anblick, wie ihn England im siebzehnten
Jahrhunderte nirgends aufweisen konnte. Auf der andren Seite der Bucht
liegt, durch Berry Head geschützt, der lebhafte Marktort Brixham, der
wohlhabendste Sitz unsres Fischhandels. Zu Anfang des gegenwärtigen
Jahrhunderts wurde hier ein Molo und ein Hafen angelegt, die sich aber
für den zunehmenden Verkehr bald als ungenügend erwiesen. Die
Bevölkerung beträgt etwa sechstausend Seelen und der Schiffsverkehr
beläuft sich auf mehr als zweihundert Segel. Der Tonnengehalt der
ein- und auslaufenden Schiffe übertrifft sehr oft den des Hafens von
Liverpool zu den Zeiten der Stuarts. Als aber die holländische Flotte in
der Torbay vor Anker ging, war sie nur als ein Hafen bekannt, in den
sich zuweilen die Schiffe vor den Stürmen des atlantischen Oceans
flüchteten. Das Gewühl des Handels und des Vergnügens störte noch nicht
die Ruhe ihrer stillen Ufer und nur spärliche Bauer- und Fischerhütten
lagen zerstreut umher auf dem Boden, der jetzt mit belebten Marktorten
und prächtigen Lusthäusern bedeckt ist.

Die Landleute an der Küste von Devonshire gedachten noch in Liebe des
Namens Monmouth und verabscheuten den Papismus. Sie kamen daher ans Ufer
herbeigeströmt, um Lebensmittel und Dienstleistungen anzubieten. Die
Ausschiffung begann unverzüglich. Sechzig Böte brachten die Truppen ans
Ufer. Zuerst wurde Mackay mit den britischen Regimentern ans Land
gesetzt. Ihm folgte bald nachher der Prinz. Er landete an der Stelle, wo
sich gegenwärtig der Quai von Brixham befindet. Die Gegend hat jetzt ein
ganz andres Aussehen. Wo wir jetzt einen mit Fahrzeugen angefüllten
Hafen und einen von Käufern und Verkäufern wimmelnden Marktort
erblicken, brachen sich damals die Wogen an einer öden Küste; aber ein
Stück von dem Felsen, auf den der Befreier beim Aussteigen aus seinem
Boote trat, ist sorgsam aufbewahrt und in der Mitte des geräuschvollen
Quais als ein Gegenstand der öffentlichen Verehrung aufgestellt worden.

Sobald der Prinz den Fuß auf festen Boden gesetzt hatte, verlangte er
Pferde, und zwei Thiere, wie die kleinen Gutsbesitzer sie damals zu
reiten pflegten, wurden aus dem nächsten Dorfe herbeigeschafft. Wilhelm
und Schomberg bestiegen dieselben und ritten fort, um die Gegend zu
recognosciren.

Sobald Burnet ans Land gestiegen war, eilte er zu dem Prinzen, und es
fand ein ergötzliches Gespräch zwischen ihnen statt. Burnet ergoß sich
in freudige Beglückwünschungen und fragte dann begierig, was Seine
Hoheit zu thun gedenke. Militairs haben selten Lust, sich über
kriegerische Angelegenheiten mit Geistlichen zu berathen, und Wilhelm
betrachtete die Einmischung von Laien in Kriegsfragen mit noch größerem
Widerwillen als andere Soldaten bei solchen Gelegenheiten. Aber er war
in diesem Augenblicke gerade besonders gutgelaunt, und anstatt daher
durch einen kurzen, dem Gespräch sofort ein Ende machenden Verweis sein
Mißfallen zu äußern, reichte er seinem Kaplan freundlich die Hand und
antwortete auf dessen Frage mit einer andren, indem er sagte: »Nun,
Doctor, was halten Sie jetzt von der Prädestination?« Der Tadel war so
mild, daß Burnet, der eben nicht sehr feinfühlend war, ihn gar nicht
fühlte. Er antwortete mit großer Wärme, daß er nie vergessen werde, wie
sichtbar der Himmel ihr Unternehmen begünstigt habe.[95]

Am ersten Tage hatten die ausgeschifften Truppen manche
Unannehmlichkeiten zu ertragen. Der Boden war vom Regen erweicht, und
die Bagage war noch auf den Schiffen. Hohe Offiziere mußten in
durchnäßten Kleidern auf der feuchten Erde schlafen und der Prinz selbst
hatte kein besseres Obdach als eine gewöhnliche Hütte. Auf dem
Strohdache derselben wurde sein Banner aufgepflanzt und einige Betten,
die man von seinem Schiffe mitgebracht hatte, wurden auf den Boden
gebreitet.[96] Die Ausschiffung der Pferde machte einige
Schwierigkeiten, und es hatte ganz den Anschein, als würde dieses
Geschäft mehrere Tage Zeit wegnehmen. Am folgenden Morgen aber
erheiterte sich die Aussicht. Der Wind legte sich und das Wasser der Bai
war eben wie ein Spiegel. Einige Fischer zeigten eine Stelle, wo sich
die Schiffe der Küste bis auf sechzig Fuß nähern konnten. Dies geschah
und in drei Stunden wurden mehrere hundert Pferde wohlbehalten ans Land
geschafft.

Die Ausschiffung war kaum beendigt, so erhob sich der Wind von neuem und
schwoll bald zu einem heftigen Weststurme an. Der zur Verfolgung den
Kanal herabkommende Feind war durch den nämlichen Witterungswechsel,
welcher dem Prinzen die Landung ermöglichte, aufgehalten worden. Seit
zwei Tagen lag die königliche Flotte auf windstiller See angesichts
Beachy Head. Endlich konnte Dartmouth wieder unter Segel gehen. Er fuhr
bei der Insel Wight vorüber und eines seiner Schiffe bekam die
Mastspitzen der bei Torbay liegenden Holländer in Sicht. Gerade in
diesem Augenblicke erhob sich der ihm widrige Sturm, der ihn zwang, sich
in den Hafen von Portsmouth zu flüchten.[97] Jakob, der in
Schifffahrtsangelegenheiten wohl ein Urtheil hatte, erklärte damals, er
sei fest überzeugt, daß sein Admiral Alles gethan habe, was in eines
Menschen Macht stehe und daß er nur der unüberwindlichen Feindschaft des
Windes und der Wogen gewichen sei. Zu einer späteren Zeit begann der
unglückliche Fürst mit schlechtem Grunde Dartmouth des Verraths oder
wenigstens eines Mangels an Energie zu beschuldigen.[98]

Das Wetter hatte in der That die protestantische Sache so auffallend
begünstigt, daß manche Leute, deren Frömmigkeit größer war als ihr
Verstand, fest glaubten, die gewöhnlichen Gesetze der Natur seien um der
Erhaltung der Freiheit und der Religion Englands willen außer Kraft
gesetzt worden. Gerade vor hundert Jahren, sagten sie, sei die für
unüberwindlich gehaltene Armada durch den Zorn Gottes vernichtet worden.
Die bürgerliche Freiheit und die göttliche Wahrheit seien abermals in
Gefahr gewesen, und wieder hätten die gehorsamen Elemente für die gute
Sache gekämpft. Der Wind habe kräftig aus Osten geblasen, als der Prinz
den Kanal hinabzusegeln wünschte, sei nach Süden umgesprungen, als er
habe in die Torbai einfahren wollen, habe sich für die Dauer der
Ausschiffung gelegt und sei sobald die Ausschiffung vollendet gewesen,
wieder zu einem Sturme angeschwollen, der den Verfolgern gerade ins
Gesicht wehte. Auch unterließ man nicht, auf das sonderbare
Zusammentreffen Gewicht zu legen, daß der Prinz unsere Küsten gerade an
dem Tage erreicht hatte, an welchem die anglikanische Kirche die
wunderbare Errettung des königlichen Hauses und der drei Stände von dem
schwärzesten Complot, das die Papisten jemals ersonnen, durch Gebet und
Dankgottesdienst feierte. Carstairs, dessen Winke bei dem Prinzen stets
beachtet wurden, rieth dazu, daß sogleich nach bewerkstelligter Landung
ein öffentlicher Dankgottesdienst für den sichtbaren Schutz, den der
Himmel dem Unternehmen habe angedeihen lassen, gehalten werden solle.
Der Rath wurde befolgt und hatte außerordentlich gute Wirkung. Die
Truppen, die sich nun als Günstlinge des Himmels betrachten lernten,
wurden von neuem Muthe beseelt und das englische Volk faßte die
günstigste Meinung von einem General und einer Armee, welche den
Pflichten der Religion so große Aufmerksamkeit schenkten.

Am Dienstag den 6. November begann Wilhelm's Armee landeinwärts zu
marschiren. Einige Regimenter rückten bis Newton Abbot vor. Ein im
Mittelpunkte dieses Städtchens errichteter Denkstein bezeichnet noch die
Stelle, wo die Erklärung des Prinzen den Bewohnern feierlich vorgelesen
wurde. Die Truppen konnten sich nur langsam vorwärts bewegen, denn der
Regen fiel in Strömen und die Straßen Englands befanden sich damals noch
in einem Zustande, der Leuten, welche die vortrefflichen
Communicationswege Hollands gewohnt waren, entsetzlich vorkam. Wilhelm
nahm auf zwei Tage sein Hauptquartier in Ford, einer Besitzung der alten
und vornehmen Familie von Courtenay, unweit Newton Abbot. Er fand hier
eine prächtige Wohnung und glänzende Bewirthung, aber es ist auffallend,
daß der Hausherr, obgleich ein eifriger Whig, nicht der Erste sein
wollte, der Leben und Eigenthum aufs Spiel setzte, und sich sorgfältig
hütete, irgend etwas zu thun, was, im Fall der König die Oberhand
behielt, als ein Verbrechen angesehen werden konnte.

    [Anmerkung 94: +Burnet, I. 788+; Auszüge aus den Legge'schen
    Papieren in der Mackintosh-Sammlung.]

    [Anmerkung 95: Ich glaube, wer Burnet's Bericht von dieser
    Unterredung mit dem Bericht Dartmouth's vergleicht, kann nicht
    zweifeln, daß ich den Vorgang richtig dargestellt habe.]

    [Anmerkung 96: Ich habe eine Abbildung der Ausschiffung aus der
    damaligen Zeit gesehen. Einige Männer bringen eben die Betten des
    Prinzen in die Hütte, auf deren Dache seine Fahne weht.]

    [Anmerkung 97: +Burnet, I. 789+; Legge-Papiere.]

    [Anmerkung 98: Unterm 9. Nov. 1688 schrieb Jakob an Dartmouth:
    »Niemand hätte anders zu Werke gehen können als Sie es gethan
    haben. Ich bin überzeugt, daß alle erfahrenen Seeleute der
    nämlichen Meinung sein müssen.« Siehe dagegen +Clarke's Life of
    James, II. 207. Orig. Mem.+]


[_Sein Einzug in Exeter._] In Exeter herrschte inzwischen große
Aufregung. Sobald der Bischof Lamplugh erfuhr, daß die Holländer in der
Torbai angekommen waren, eilte er in Todesangst nach London. Der Dechant
entfloh aus der Dechanei. Die Behörden waren für den König, die große
Masse der Einwohner für den Prinzen. Alles gerieth in die größte
Bestürzung, als am Morgen des 8. November ein Truppencorps unter
Mordaunt's Commando vor der Stadt erschien. Mit Mordaunt zugleich kam
Burnet, dem Wilhelm aufgetragen hatte, die Geistlichkeit der Kathedrale
vor Beleidigungen und Insulten zu schützen.[99] Der Mayor und die
Aldermen hatten die Thore schließen lassen, öffneten sie aber auf die
erste Aufforderung. Die Dechanei wurde zum Empfang des Prinzen
eingerichtet. Am folgenden Tage, Freitag den neunten, kam er an. Die
Behörden waren dringend aufgefordert worden, ihn am Thore der Stadt mit
Gepränge zu empfangen, hatten dies aber beharrlich verweigert. Der Pomp
dieses Tages konnte sie auch entbehren. Ein solches Schauspiel hatte
Devonshire noch nie gesehen. Viele kamen eine halbe Tagereise weit
herbei, um den Vorkämpfer ihres Glaubens zu begrüßen. Alle umliegenden
Dörfer sandten ihre Einwohnerschaft. Eine große Volksmenge,
hauptsächlich aus jungen Landleuten bestehend, die ihre Knotenstöcke
schwangen, hatte sich auf dem Gipfel des Haldonhügels versammelt, wo die
von Chudleigh kommende Armee zum ersten Male das reiche Thal der Exe und
die beiden massiven Thürme erblickte, welche aus der über der Hauptstadt
des Westens lagernden Rauchwolke emporragten. Der ganze Weg den Abhang
hinunter über die Ebene bis aus Ufer des Flusses war in seiner ganzen
Länge mit Zuschauern bedeckt. Vom Westthore bis zum Domplatze war das
Gedränge und der Jubel allenthalben so groß, daß anwesende Londoner sich
dabei an den Umzug des Lordmayors erinnerten. Die Häuser waren festlich
geschmückt und alle Thüren, Fenster, Balcons und Dächer mit Zuschauern
besetzt. Ein an kriegerischen Pomp gewöhntes Auge würde jedoch an dem
Schauspiele mancherlei zu tadeln gefunden haben, denn mehrere
beschwerliche Tagemärsche bei Regenwetter und auf Straßen, wo ein
Fußgänger bei jedem Schritte bis über die Knöchel in den Schmutz
einsank, hatten das Aussehen der Mannschaften und ihrer Monturstücke
eben nicht verbessert. Die Bevölkerung von Devonshire aber, welche an
den Glanz wohlgeordneter Feldlager durchaus nicht gewöhnt war, wurde von
Freude und Ehrfurcht überwältigt. Beschreibungen des kriegerischen
Schauspiels wurden im ganzen Lande verbreitet, und sie enthielten
Vieles, was wohl geeignet war, den Geschmack des gemeinen Volks an
Wunderdingen zu befriedigen. Denn die holländische Armee, aus Männern
zusammengesetzt, die unter verschiedenen Himmelsstrichen geboren waren
und unter verschiedenen Fahnen gedient hatten, gewährte Inselbewohnern,
welche größtentheils sehr undeutliche Begriffe von fremden Ländern
hatten, einen zugleich grotesken, prächtigen und furchtbaren Anblick.
Voran ritt Macclesfield an der Spitze von zweihundert Gentlemen meist
britischer Abkunft, mit blitzenden Helmen und Brustharnischen, auf
flämischen Schlachtrossen reitend. Jeder von ihnen hatte einen aus den
Zuckerplantagen der Küste von Guiana mitgebrachten Neger bei sich. Die
Bürger von Exeter, welche noch nie so viele Exemplare der afrikanischen
Menschenrace beisammengesehen hatten, betrachteten mit Staunen die
schwarzen Gesichter, welche durch gestickte Turbane und weiße Federn
noch mehr hervorgehoben wurden. Dann kam eine Schwadron schwedischer
Reiter mit gezogenen breiten Schwertern in schwarzer Rüstung und
Pelzmänteln. Sie erweckten ganz besonderes Interesse, denn man sagte,
daß sie aus einem Lande stammten, wo das Meer zugefroren und es die
Hälfte des ganzen Jahres hindurch Nacht sei, und daß sie die riesigen
Bären, deren Felle sie trugen, selbst erlegt hätten. Hierauf folgte,
umgeben von einer eleganten Truppe Gentlemen und Pagen das hoch
getragene Banner des Prinzen. Auf den breiten Falten desselben las die
Menge, welche Fenster und Dächer besetzt hielt, mit Wonne die
denkwürdige Inschrift: »Die protestantische Religion und die Freiheiten
Englands.« Der Jubel steigerte sich noch, als der Prinz selbst, mit
Brust- und Rückenharnisch und einer weißen Feder geschmückt auf seinem
weißen Streitrosse erschien. Mit welchem kriegerischen Anstande er sein
Pferd lenkte, wie sinnend und gebieterisch der Ausdruck seiner breiten
Stirn und seines Falkenauges war, kann man noch heute an Kneller's
Portrait von ihm sehen. Einmal milderten sich seine ernsten Gesichtszüge
zu einem Lächeln, als eine alte Frau, vielleicht eine von den eifrigen
Puritanerinnen, welche durch achtundzwanzig Jahre der Verfolgung im
festen Glauben auf den Trost Israels ausgeharrt hatte, vielleicht die
Mutter eines Rebellen, der in der blutigen Schlacht von Sedgemoor oder
bei dem noch fürchterlicheren Gemetzel der blutigen Assisen umgekommen
war, sich hervordrängte, sich mitten unter die gezogenen Schwerter und
bäumenden Rosse stürzte, die Hand des Befreiers berührte und ausrief,
daß sie jetzt glücklich sei. Nicht weit von dem Prinzen ritt ein Mann,
der mit ihm die aufmerksamen Blicke der Menge theilte. Das, sagte man,
sei der große Graf Schomberg, der erste Soldat in Europa, seitdem
Turenne und Condé nicht mehr wären, der Mann, dessen Genie und
Tapferkeit die portugiesische Monarchie auf dem Schlachtfelde von Montes
Claros gerettet, der Mann, der sich noch höheren Ruhm dadurch erworben,
daß er um seines Glaubens willen den Stab eines Marschalls von
Frankreich niedergelegt. Man hatte nicht vergessen, daß die beiden
Helden, welche, durch ihren gemeinsamen Protestantismus unauflöslich
aneinander gekettet, jetzt zusammen in Exeter einzogen, vor zwölf Jahren
einander unter den Mauern von Mastricht gegenüberstanden und daß damals
der Feuereifer des jungen Prinzen dem kalten Wissen des Veteranen, der
jetzt als Freund an seiner Seite ritt, nicht gewachsen war. Dann kam
eine lange Colonne des bärtigen Fußvolks der Schweizer, die sich seit
zwei Jahrhunderten in allen festländischen Kriegen durch vorzügliche
Tapferkeit und Disciplin ausgezeichnet, aber bis diesen Augenblick noch
nie auf englischem Boden gesehen worden waren. Hinter ihnen folgte eine
Reihe von Truppencorps, welche nach ihren Anführern Bentinck, Solms und
Ginkell, Talmash und Mackay genannt wurden. Mit besonderem Vergnügen
mochten die Engländer ein tapferes Regiment betrachten, das noch den
Namen des verehrten und bedauerten Ossory führte. Der Eindruck des
ganzen Schauspiels wurde noch erhöht durch die Erinnerung an die
denkwürdigen Ereignisse, an denen viele von den Kriegern, welche jetzt
durch das Westthor einmarschirten, Theil genommen. Denn sie hatten ganz
andren Dienst gesehen, als den der Miliz von Devonshire oder des Lagers
von Hounslow. Einige von ihnen hatten den ungestümen Angriff der
Franzosen auf dem Schlachtfelde von Seneff zurückgeschlagen, und Andere
hatten an jenem hochwichtigen Tage, an welchem die Belagerung von Wien
aufgehoben wurde, für das Christenthum mit den Ungläubigen die Schwerter
gekreuzt. Selbst die Sinne der Menge wurden durch die Einbildungskraft
getäuscht. Neuigkeitsbriefe verbreiteten nach allen Gegenden des Reichs
fabelhafte Berichte von der Gestalt und Körperkraft der Eingedrungenen.
Es wurde versichert, daß sie mit wenigen Ausnahmen sechs Fuß lang seien
und daß sie so große Lanzen, Schwerter und Musketen trügen, wie man sie
noch nie in England gesehen hätte. Das Erstaunen der Menge verminderte
sich nicht, als die Artillerie ankam, bestehend aus einundzwanzig
kolossalen ehernen Geschützen, deren jedes von sechzehn Lastpferden mit
Mühe fortgeschleppt wurde. Große Bewunderung erregte ein sonderbares,
auf Rädern ruhendes Gebäude. Es war eine ambulante Feldschmiede mit
allen zur Ausbesserung von Waffen und Fuhrwerken nöthigen Werkzeugen und
Materialien versehen. Nichts aber wurde mit so großem Erstaunen
betrachtet, als die Brücke von Böten, welche zum Übersetzen der Wagen
mit großer Leichtigkeit über die Exe geschlagen und dann eben so schnell
wieder auseinandergenommen wurde, um weiter transportirt zu werden. Wenn
man dem Gerücht glauben durfte, war sie nach einem Muster angefertigt,
welches die an der Donau gegen die Türken kämpfenden Christen erfunden
hatten. Die Fremden erweckten eben so große Zuneigung als Bewunderung.
Ihr umsichtiger Führer sorgte dafür, die Einquartierungen so zu
vertheilen, daß die Bewohner von Exeter und der umliegenden Ortschaften
so wenig als möglich belästigt wurden. Es wurde die strengste
Kriegszucht gehandhabt, und nicht allein Plünderung und
Gewaltthätigkeiten wirksam verhindert, sondern auch den Truppen
eingeschärft, daß sie sich gegen Jedermann, weß Standes er auch sei,
artig zu benehmen hätten. Diejenigen, die sich ihre Vorstellungen von
einer Armee nach dem Verfahren Kirke's und seiner Lämmer gebildet
hatten, waren ganz erstaunt, Soldaten zu sehen, welche niemals eine
Hausfrau barsch anfuhren und kein Ei nahmen ohne es zu bezahlen. In
Anerkennung dieses gesitteten Benehmens lieferte das Volk den Truppen
Lebensmittel im Überfluß und zu mäßigem Preise.[100]

Sehr viel hing von dem Verfahren ab, welches in dieser wichtigen Krisis
die Geistlichkeit der anglikanischen Kirche beobachtete, und die
Mitglieder des Kapitels von Exeter waren die Ersten, welche aufgefordert
wurden, ihre Gesinnungen offen zu erklären. Burnet kündigte den
Canonici, welche durch die Flucht des Dechanten ihres Vorgesetzten
beraubt waren, an, daß sie hinfüro das Gebet für den Prinzen von Wales
nicht mehr sprechen dürften und daß zu Ehren der glücklichen Ankunft des
Prinzen von Oranien ein feierlicher Gottesdienst gehalten werden müßte.
Die Canonici fanden es nicht für gut, in ihren Chorstühlen zu
erscheinen; aber einige von den Chorsängern und Pfründnern waren
anwesend. Wilhelm begab sich mit militairischem Gepränge in die
Kathedrale. Als er die prächtige Vorhalle betrat, ließ die berühmte
Orgel, welche kaum von einer einzigen von denjenigen übertroffen wird,
die der Stolz seines Geburtslandes sind, Triumphklänge ertönen. Er
bestieg den Bischofssitz, einen prachtvollen Thron mit reichem
Schnitzwerk aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Burnet stand am Fuße
desselben und zu beiden Seiten versammelte sich ein zahlreiches Gefolge
von Kriegern und Kavalieren. Die weißgekleideten Sänger stimmten das
Tedeum an. Als der Gesang, zu Ende war, las Burnet die Erklärung des
Prinzen vor; kaum aber hatte er die ersten Worte derselben gesprochen,
so drängten sich Geistliche und Sänger eiligst aus dem Chore. Am
Schlusse rief Burnet mit lauter Stimme: »Gott erhalte den Prinzen von
Oranien!« und viele Stimmen antworteten feierlich: »Amen!«[101]

Am Sonntag, den 11. November, predigte Burnet vor dem Prinzen in der
Kathedrale und sprach über die sichtbare Gnade, welche Gott der
englischen Kirche und Nation gewährt. Um dieselbe Zeit ereignete sich in
einem bescheideneren Gotteshause ein sonderbarer Vorfall. Ferguson hatte
sich vorgenommen, in dem presbyterianischen Versammlungshause zu
predigen. Der Geistliche und die Ältesten wollten dies nicht zugeben;
aber der heftige und halbwahnsinnige Schurke, der wahrscheinlich die
Zeiten Fleetwood's und Harrison's zurückgekehrt glaubte, erbrach die
Thür, schritt mit dem Schwert in der Hand durch die Versammlung, bestieg
die Kanzel und hielt eine heftige Schmährede gegen den König. Die Zeit
für solche Albernheiten war vorüber und der Skandal erregte nur Spott
und Widerwillen.[102]

    [Anmerkung 99: +Burnet, I. 790.+]

    [Anmerkung 100: Siehe in Whittle's Tagebuch die Expedition Seiner
    Hoheit und den um diese Zeit erschienenen Brief von Exon. Ich habe
    selbst zwei geschriebene Neuigkeitsbriefe gesehen, in denen der
    Einzug des Prinzen in Exeter geschildert war. Einige Monate darauf
    schrieb ein schlechter Dichter ein Theaterstück betitelt: »Die
    letzte Revolution.« Eine Scene spielt in Exeter. »Bataillone von
    der Armee des Prinzen auf ihrem Marsche in die Stadt treten mit
    wehenden Fahnen, unter Trommelwirbel und Zujauchzen der Bürger
    auf.« Ein Edelmann, Namens Misopapas spricht:

              »Mylord, könnt Ihr Euch denken,
      Wie furchtbar Schuld und Angst dem Hof geschildert
      Eure Truppen? Man übertreibt die Zahl
      Wie die Gestalt. Sechs Fuß soll jeder sein, gehüllt
      In Bärenhaut, der Schweizer, Schwed' und Brandenburger.«

    In einem Liede, das kurz nach dem Einzuge in Exeter erschien, sind
    die Irländer im Vergleich mit den Riesen, welche Wilhelm
    commandirte, als wahre Zwerge geschildert:

      »O, Berwick, wehe Deinen Mannen,
      Im Kampf mit dem Viaggio!
      Gleich Zwergen wird man sie verhöhnen
      Vor Brandenburgs und Schwedens Söhnen.
          Coraggio. Coraggio!«

    Addison erwähnt in seinem +Freeholder+ den außerordentlichen
    Eindruck, den diese romantischen Schilderungen machten.]

    [Anmerkung 101: +Expedition of the Prince of Orange+; +Oldmixon,
    755+; +Whittle's Diary; Eachard, III. 911+; +London Gazette, Nov.
    15. 1688.+]

    [Anmerkung 102: +London Gazette, Nov. 15. 1688+; +Expedition of
    the Prince of Orange.+]


[_Unterredung des Königs mit den Bischöfen._] Während dieser Vorgänge in
Devonshire herrschte in London große Gährung. Die Erklärung des Prinzen
war trotz aller Vorsichtsmaßregeln jetzt in Jedermanns Händen. Am 6.
November beschied Jakob, der noch immer nicht wußte, auf welchem Theile
der Küste die Eroberer gelandet waren, den Primas nebst drei anderen
Bischöfen, Compton von London, White von Peterborough und Sprat von
Rochester, zu einer Conferenz in sein Privatkabinet. Der König hörte die
warmen Loyalitätsversicherungen der Prälaten gnädig an und gab ihnen
sein Wort darauf, daß er sie nicht in Verdacht habe. »Aber wo ist die
Rechtfertigung, die Sie mir bringen sollten?« fragte er dann. »Sire,«
antwortete Sancroft, »wir haben keine solche mitgebracht, denn wir
drängen uns nicht danach, uns vor der Welt rein zu waschen. Es ist uns
nichts Neues, daß wir verleumdet und fälschlich angeklagt werden. Unser
Gewissen und Eure Majestät sprechen uns frei: dies genügt uns.« -- »Ja,«
entgegnete der König, »aber eine Erklärung von Ihnen ist um meinetwillen
nothwendig.« Hierauf zeigte er den Prälaten ein Exemplar von dem
Manifeste des Prinzen und sagte: »Lesen Sie, wie hier von Ihnen
gesprochen ist« -- »Sire,« versetzte einer von den Bischöfen, »nicht
Einer unter Fünfhundert hält dieses Manifest für ächt.« -- »Nein!« rief
der König mit Heftigkeit; »dann würden diese Fünfhundert den Prinzen
herbeirufen, um mich zu ermorden!« -- »Das wolle Gott verhüten!«
erwiederten die Prälaten einstimmig. Aber der niemals helle Verstand des
Königs war jetzt völlig verwirrt. Es war eine seiner Eigenheiten, daß,
wenn man seiner Ansicht nicht beipflichtete, er glaubte, man ziehe seine
Wahrhaftigkeit in Zweifel. »Dieses Papier wäre nicht ächt?« rief er aus,
indem er die Blätter umwendete. »Verdiene ich keinen Glauben? Hat mein
Wort gar keinen Werth?« -- »Jedenfalls, Sire,« sagte einer der Bischöfe,
»ist dies keine geistliche Angelegenheit, sondern sie gehört in das
Bereich der Civilgewalt. Gott hat Eurer Majestät das Schwert in die Hand
gegeben, und es kommt uns nicht zu, in Ihre Functionen einzugreifen.«
Dann sagte der Erzbischof mit der sanften und gemäßigten Ironie, welche
die schmerzlichsten Wunden schlägt, der König müsse ihn entschuldigen,
wenn er zu keinem politischen Schriftstück seine Hand leihe. »Ich und
meine Amtsbrüder, Sire,« setzte er hinzu, »haben für unsre Einmischung
in Staatsangelegenheiten schon hart genug büßen müssen, und wir werden
uns vor einem derartigen Wiederholungsfalle sorgfältig hüten. Wir
unterschrieben einst eine durchaus harmlose Petition, wir überreichten
dieselbe auf die ehrerbietigste Weise, und wir mußten erfahren, daß wir
ein schweres Verbrechen begangen hatten. Nur durch Gottes gnädigen
Schutz wurden wir vom Untergange gerettet. Und, Sire, der Grund, den
Eurer Majestät Fiskal und Prokurator damals anführten, war der, daß wir
außerhalb des Parlaments Privatleute seien und daß Privatleute eine
strafbare Anmaßung begingen, wenn sie sich in die Politik mischten. Sie
griffen uns mit einer solchen Heftigkeit an, daß ich meinestheils mich
für verloren hielt.« -- »Ich danke Ihnen für diese Lection, Mylord von
Canterbury,« sagte der König; »ich hätte gedacht, daß Sie sich nicht für
verloren halten würden, wenn Sie in meine Hände fielen.« Eine solche
Sprache würde einem milden Herrscher ganz wohl angestanden haben, aber
sie klang sehr sonderbar aus dem Munde eines Fürsten, der eine Frau
lebendig verbrannt hatte, weil sie einen seiner fliehenden Feinde bei
sich aufgenommen, und dessen eigner Neffe in nutzloser Verzweiflung
seine Knie flehend umschlungen hatte. Der Erzbischof ließ sich dadurch
nicht zum Schweigen bringen. Er fuhr in seiner Rede fort und zählte die
Beleidigungen auf, welche die Creaturen des Hofes der Kirche Englands
zugefügt, wobei die Verhöhnung seiner eigenen Schreibart besonders
hervorgehoben wurde. Der König wußte nichts weiter zu erwiedern, als daß
es unnütz sei vergangene Beschwerden wieder aufzuwärmen und daß er
geglaubt habe, diese Dinge seien völlig vergessen. Während er selbst nie
die geringste Beleidigung vergaß, war es ihm unbegreiflich, wie Andere
nur einige Wochen lang die empfindlichste Beleidigung, die er jemals
zugefügt, im Gedächtniß behalten konnten.

Endlich kam das Gespräch wieder auf den Punkt, von dem es ausgegangen
war. Der König bestand darauf, daß die Bischöfe öffentlich ihren Abscheu
gegen das Unternehmen des Prinzen erklären sollten. Unter zahlreichen
Versicherungen der unterwürfigsten Loyalität weigerten sie sich dessen
beharrlich. Der Prinz, sagten sie, behaupte sowohl von weltlichen als
von geistlichen Peers eingeladen worden zu sein. Die Beschuldigung sei
gemeinsam, warum solle also nicht auch die Rechtfertigung gemeinsam
sein? »Ich errathe Alles,« sagte der König; »einige weltliche Peers sind
bei Ihnen gewesen und haben Sie überredet, mir in dieser Angelegenheit
einen Strich durch die Rechnung zu machen.« Die Bischöfe versicherten
feierlich, daß dem nicht so sei. Aber es würde sonderbar aussehen,
bemerkten sie, wenn in einer Frage, bei welcher hochwichtige politische
und militairische Rücksichten im Spiele seien, die weltlichen Peers
völlig übergangen würden und die Prälaten allein eine hervorragende
Rolle spielen sollten. »Ich will es nun einmal so,« entgegnete Jakob.
»Ich bin Ihr König und ich muß wissen, was das Zweckmäßigste ist. Ich
will meinen eigenen Weg gehen, und ich verlange von Ihnen, daß Sie mich
unterstützen.« Die Bischöfe versicherten ihn, daß sie vollkommen bereit
seien, ihn im Bereiche ihres Wirkungskreises zu unterstützen, als
christliche Geistliche mit ihren Gebeten und als Peers des Königreichs
mit ihrem parlamentarischen Rathe. Jakob, der weder die Gebete von
Ketzern, noch den Rath von Parlamenten brauchte, sah sich bitter
getäuscht. Nach einem langen Wortwechsel sagte er endlich: »Genug, ich
will Sie nicht weiter belästigen. Da Sie mir nicht beistehen wollen, muß
ich mich auf mich selbst und auf meine eigenen Waffen beschränken.«[103]

    [Anmerkung 103: +Clarke's Life of James the Second, II. 210+;
    +Sprat's Narrative+; Citters, 6.(16.) Nov. 1688.]


[_Ruhestörungen in London._] Kaum hatten die Bischöfe den König
verlassen, so brachte ein Courier die Nachricht, daß der Prinz von
Oranien am vorigen Tage in Devonshire gelandet sei. Während der
nächstfolgenden Woche war London in gewaltiger Aufregung. Am Sonntag,
den 11. November, verbreitete sich das Gerücht, daß in dem unter dem
Patronat des Königs zu Clerkenwell errichteten Kloster Messer, Bratroste
und Siedekessel versteckt wären, welche zur Folterung von Ketzern hätten
dienen sollen. Zahlreiche Menschenmassen belagerten das Gebäude und
schickten sich eben an, es zu demoliren, als eine Truppenabtheilung
ankam. Die Menge wurde auseinandergetrieben und mehrere von den
Aufwieglern wurden niedergemacht. Die Leichen der Gefallenen wurden von
einem Todtenschau-Gericht[104] untersucht, und dieses gab einen
Ausspruch ab, der für die allgemeine Volksstimmung sehr bezeichnend war.
Die Jury erklärte sich dahin, daß gewisse loyale und wohlgesinnte
Personen, welche ausgegangen seien, um eine Versammlung von
Landesverräthern und öffentlichen Feinden in einem Meßhause aufzuheben,
vorsätzlich von den Soldaten ermordet wären, und dieses sonderbare
Verdict war von sämmtlichen Geschwornen unterzeichnet. Die Mönche von
Clerkenwell, welche diese Symptome der Volksstimmung natürlich nicht
wenig beunruhigte, sorgten ängstlich für die Sicherung ihres Eigenthums.
Es gelang ihnen auch, den größten Theil ihres Mobiliars fortzuschaffen,
ehe dieses Vorhaben ruchbar geworden war. Endlich aber wurde der
Verdacht des Pöbels doch rege, die beiden letzten Lastwagen wurden in
Holborn angehalten und Alles was sich darauf befand, auf offener Straße
verbrannt. Die Angst unter den Katholiken war so groß, daß alle ihre
Gotteshäuser mit Ausnahme derjenigen, welche der königlichen Familie und
den auswärtigen Gesandten gehörten, geschlossen wurden.[105]

Im Ganzen hatten jedoch die Dinge bis jetzt noch kein für Jakob
ungünstiges Aussehen. Die Eingedrungenen befanden sich schon über eine
Woche auf englischem Boden und noch hatte sich keine hervorragende
Persönlichkeit ihnen angeschlossen. Weder im Norden noch im Osten war
ein Aufstand ausgebrochen; kein Diener der Krone schien noch seiner
Pflicht untreu geworden zu sein; die königliche Armee sammelte sich
rasch in Salisbury, und wenn sie auch dem Heere Wilhelm's in der
Kriegszucht nachstand, so war sie doch an Zahl demselben überlegen.

    [Anmerkung 104: In England muß der Coroner bei unnatürlichen
    Todesfällen eine Jury von zwölf Personen versammeln, welche
    darüber zu entscheiden hat, ob ein Verbrechen begangen worden ist,
    um in diesem Falle bei den zuständigen Gerichten Anzeige zu
    machen. -- Der Übers.]

    [Anmerkung 105: +Luttrell's Diary+; Neuigkeitsbrief in der
    Mackintosh-Sammlung; Adda, 16.(26.) Nov. 1688.]


[_Angesehene Männer fangen an zu dem Prinzen überzugehen._] Der Prinz
war ohne Zweifel überrascht und gekränkt durch die Lauheit Derer, die
ihn nach England eingeladen hatten. Das Volk von Devonshire hatte ihn
zwar mit allen Zeichen der Freude empfangen, aber kein Adeliger, kein
angesehener Gentleman war bis jetzt in sein Hauptquartier gekommen. Die
Erklärung dieser auffallenden Erscheinung ist wahrscheinlich in dem
Umstande zu suchen, daß er in einem Theile der Insel gelandet war, wo
man ihn nicht erwartet hatte. Im Norden hatten seine Freunde alle
Anstalten zu einem Aufstande getroffen, in der Voraussetzung, daß er
bald mit einer Armee bei ihnen sein werde. Seine Freunde im Westen aber
hatten gar nichts vorbereitet und waren natürlich betroffen, als sie
plötzlich aufgefordert wurden, sich an die Spitze einer so wichtigen und
gefährlichen Bewegung zu stellen. Dazu kam noch, daß sie die traurigen
Folgen eines Aufstandes: Galgen, abgeschlagene Köpfe, zerrissene
Glieder, Familien, die noch um tapfere Dulder trauerten, welche ihr
Vaterland aufrichtig aber nicht mit Klugheit geliebt, frisch im
Gedächtniß, ja dicht vor Augen hatten. Nach einer so schrecklichen und
so neuen Warnung war einige Unschlüssigkeit natürlich. Ebenso natürlich
aber war es auch, daß Wilhelm, der im Vertrauen auf die ihm aus England
zugekommenen Versprechungen, nicht nur seinen eignen Ruf und sein
persönliches Glück, sondern auch das Wohl und die Unabhängigkeit seines
Vaterlandes aufs Spiel gesetzt hatte, sich bitter gekränkt fühlte. Er
war in der That so aufgebracht, daß er schon davon sprach, sich nach
Torbay zurückzuziehen, seine Truppen wieder einzuschiffen, nach Holland
heimzukehren und Die, welche ihn verrathen hatten, ihrem verdienten
Schicksale zu überlassen. Endlich am Montag, den 12. November, schloß
sich ein in der Nähe von Crediton wohnender Gentleman, Namens
Burrington, der Fahne des Prinzen an, und diesem Beispiele folgten bald
mehrere von seinen Nachbarn.


[_Lovelace._] Schon waren aber auch Männer von wichtigerer Bedeutung aus
verschiedenen Theilen des Landes nach Exeter aufgebrochen. Der erste von
diesen war Johann Lord Lovelace, ein Mann, der sich durch feinen
Geschmack, durch Prachtliebe und durch die tollkühne und maßlose
Heftigkeit seines Whiggismus auszeichnete. Er war fünf- oder sechsmal
wegen politischer Vergehen in Haft gewesen. Das letzte ihm zur Last
gelegte Verbrechen war, daß er die Rechtsgültigkeit eines von einem
römisch-katholischen Friedensrichter angestellten Verhaftbefehls
verächtlich geleugnet hatte. Er war vor den Geheimen Rathe gefordert und
streng verhört worden, aber mit geringem Erfolge. Er weigerte sich
entschieden, sich schuldig zu bekennen und die Zeugenbeweise gegen ihn
waren ungenügend. Er wurde entlassen, aber ehe er sich entfernte, rief
Jakob ihm mit großer Heftigkeit zu: »Mylord, dies ist nicht der erste
Streich, den Sie mir gespielt haben.« -- »Sire,« entgegnete Lovelace
unerschrocken, »ich habe weder Eurer Majestät noch sonst Jemandem je
einen Streich gespielt. Wer mich dessen bei Eurer Majestät angeklagt
hat, ist ein Lügner.« Bald darauf war Lovelace von Denen, welche den
Plan zu einer Revolution entworfen hatten, ins Vertrauen gezogen
worden.[106] Sein Schloß, das seine Vorfahren von der Beute
indisch-spanischer Galleonen erbaut, stand auf den Trümmern eines Hauses
Unserer Lieben Frau in dem schönen Thale, durch welches die Themse, noch
nicht durch die Nähe einer großen Hauptstadt verunreinigt, noch mit der
Ebbe und Fluth des Meeres fallend und steigend, unter Buchenwäldern
zwischen den lieblichen Anhöhen von Berkshire dahin strömt. Unter dem
von italienischen Malern decorirten Prunksaale befand sich ein gewölbtes
Souterrain, in welchem hin und wieder Gebeine von vorzeitlichen Mönchen
gefunden worden waren. In diesem finstren Gemache hatten eine Anzahl
eifriger und verwegener Gegner der Regierung während der angstvollen
Zeit, als England mit Ungeduld auf protestantischen Wind wartete, viele
nächtliche Zusammenkünfte gehalten.[107] Jetzt war der Augenblick zum
Handeln gekommen, Lovelace brach mit siebzig wohl bewaffneten und
berittenen Begleitern nach dem Westen auf. Er erreichte ohne
Schwierigkeit Gloucestershire. Aber Beaufort, der Statthalter dieser
Grafschaft, verwendete sein hohes Ansehen und seinen ganzen Einfluß zu
Gunsten der Krone. Die Miliz war aufgeboten und eine starke Abtheilung
derselben nach Cirencester verlegt worden. Als Lovelace hier ankam,
wurde er bedeutet, daß ihm der Durchzug nicht gestattet werden könne. Er
mußte daher entweder von seinem Vorhaben abstehen, oder sich
durchschlagen. Er beschloß das Letztere zu versuchen und seine Freunde
und Untergebenen schlugen sich tapfer. Es fand ein hitziges Gefecht
statt. Die Miliz verlor einen Offizier und sechs oder sieben Mann;
endlich aber wurde Lovelace's Truppe überwältigt und er selbst gefangen
genommen und nach Gloucester Castle geschickt.[108]

    [Anmerkung 106: Johnstone, 27. Febr. 1688; Citters unter demselben
    Datum.]

    [Anmerkung 107: +Lyson's Magna Britannia, Berkshire.+]

    [Anmerkung 108: +London Gazette, Nov. 15. 1688+; +Luttrell's
    Diary.+]


[_Colchester._] Andere waren glücklicher. An dem Tage, an welchem das
Scharmützel bei Circencester stattfand, kam Richard Savage, Lord
Colchester, Sohn und Erbe des Earls Rivers und durch eine unerlaubte
Liebe Vater jenes unglücklichen Dichters[109], dessen Verbrechen und
Mißgeschicke eine der dunkelsten Seiten der Literaturgeschichte füllen,
mit sechzig bis siebzig Reitern in Exeter an. Mit ihm zugleich traf der
kühne und unruhige Thomas Wharton ein. Wenige Stunden später kam Eduard
Russell, Sohn des Earls von Bedford und Bruder des tugendhaften
Edelmanns, dessen Blut auf dem Schaffot geflossen war. Kurz darauf wurde
die Ankunft eines andren noch wichtigeren Mannes gemeldet.

    [Anmerkung 109: Richard Savage. -- Der Übers.]


[_Abingdon._] Colchester, Wharton und Russell gehörten der Partei an,
welche dem Hofe von jeher opponirt hatte. Jakob Bertin, Earl von
Abingdon dagegen war stets als eine Stütze der Willkürherrschaft
betrachtet worden. Er war in den Tagen der Ausschließungsbill Jakob treu
geblieben, war als Lordlieutenant von Oxfordshire mit Energie und
Strenge gegen die Anhänger Monmouth's verfahren und hatte zur Feier der
Niederlage Argyle's Freudenfeuer angezündet. Aber die Furcht vor dem
Papismus hatte ihn zur Opposition und Empörung getrieben. Er war der
erste Peer des Reichs, der im Hauptquartier des Prinzen von Oranien
erschien.[110]

Doch von Denen, die sich offen gegen seine Autorität auflehnten, hatte
der König weniger zu befürchten, als von der im Dunklen schleichenden
Verschwörung, deren Verzweigungen sich durch seine Armee und bis in
seine Familie erstreckten. Als die Seele dieser Verschwörung muß
Churchill betrachtet werden, der in Bezug auf Scharfblick und
Gewandtheit seines Gleichen nicht hatte, den die Natur mit einer
gewissen kaltblütigen Unerschrockenheit ausgestattet, die sich weder im
Kampfe noch im Lügen je verleugnete, und welcher dabei einen hohen
militairischen Rang einnahm und sich der Gunst der Prinzessin Anna in
hohem Grade erfreute. Für ihn war jedoch die Zeit zu dem entscheidenden
Schlage noch nicht gekommen. Indessen brachte er doch schon jetzt durch
die Vermittelung eines untergeordneten Werkzeugs der Sache des Königs
eine gefährliche, wenn nicht tödtliche Wunde bei.

    [Anmerkung 110: +Burnet, I. 790+; +Life of William, 1703.+]


[_Abfall Cornbury's._] Eduard Viscount Cornbury, der älteste Sohn des
Earls von Clarendon, war ein junger Mann von unbedeutenden Geistesgaben,
von lockeren Grundsätzen und heftigem Temperament. Man hatte ihn von
Jugend auf gelehrt, seine Verwandtschaft mit der Prinzessin Anna als die
Grundlage seines zukünftigen Glücks zu betrachten, und ihm eingeschärft,
daß er ihr fleißig den Hof machen solle. Seinem Vater war es nie in den
Sinn gekommen, daß die angestammte Loyalität der Hyde im Hause der
Lieblingstochter des Königs gefährdet sein könnte; aber in diesem Hause
führten die Churchill die unumschränkte Herrschaft und Cornbury wurde
ihr Werkzeug. Er commandirte eines von den nach dem Westen gesandten
Dragonerregimentern. Man hatte es so einzurichten gewußt, daß er am 14.
November einige Stunden lang der höchste Offizier zu Salisbury war, so
daß alle dort versammelten Truppen unter seinem Oberbefehl standen. Es
muß auffallend erscheinen, daß zu einem so kritischen Zeitpunkte die
Armee, auf welche Alles ankam, nur einen Augenblick dem Commando eines
jungen Obersten überlassen werden konnte, der weder Talent noch
Erfahrung hatte. Es kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß diese
Anordnung das Resultat eines geschickt angelegten Planes war, und eben
so wenig kann man darüber in Zweifel sein, welchem Kopfe und welchem
Herzen dieser Plan zuzuschreiben ist.

Plötzlich erhielten drei von den in Salisbury stehenden
Kavallerieregimentern Befehl zum Abmarsch nach dem Westen. Cornbury
stellte sich an ihre Spitze und führte sie zuerst nach Blandford und
dann nach Dorchester. Von Dorchester brachen sie nach einer kurzen Rast
von einigen Stunden nach Axminster auf. Einige von den Offizieren
begannen Verdacht zu schöpfen und verlangten eine Erklärung dieser
sonderbaren Bewegungen. Cornbury antwortete, er habe Befehl, einen
nächtlichen Angriff auf eine Truppenabtheilung zu machen, die der Prinz
von Oranien bei Honiton postirt habe. Doch der Argwohn war einmal rege,
es wurden weitere Fragen gestellt, aber ausweichend beantwortet. Endlich
wurde Cornbury geradezu aufgefordert, seine Instruction vorzuzeigen. Er
sah ein, daß es ihm nicht nur unmöglich sein würde, mit allen drei
Regimentern überzugehen, sondern daß er sich auch selbst in einer höchst
gefährlichen Lage befand. In Folge dessen stahl er sich mit einigen
wenigen Begleitern fort in das holländische Hauptquartier. Der größte
Theil seiner Truppen kehrte nach Salisbury zurück; ein andrer Theil
aber, der von dem Hauptcorps detaschirt worden war und die Absichten des
Befehlshabers nicht ahnete, marschirte bis Honiton. Hier sahen sie sich
inmitten eines zu ihrem Empfange vollständig gerüsteten starken
Armeecorps. Widerstand war unmöglich. Ihr Anführer drang in sie, unter
Wilhelm zu dienen. Es wurde ihnen ein Monatssold als Geschenk angeboten,
und die Meisten nahmen dies an.[111]

Die Nachricht von diesen Vorgängen kam am Fünfzehnten nach London. Jakob
war am Morgen dieses Tages sehr heiterer Laune gewesen. Der Bischof
Lamplugh hatte eben nach seiner Ankunft von Exeter dem Hofe seine
Aufwartung gemacht und war sehr gnädig empfangen worden. »Mylord,« sagte
der König zu ihm, »Sie sind ein ächter alter Kavalier.« Lamplugh erhielt
zum Lohn für seine Loyalität sofort das schon seit mehr als dritthalb
Jahren erledigte Erzbisthum York. Am Nachmittage, als der König sich
eben zu Tisch setzte, kam ein Expresser mit der Nachricht von Cornbury's
Abfall. Jakob erhob sich von der Tafel, ohne die Speisen zu berühren,
genoß nichts als eine Brotrinde und ein Glas Wein und zog sich in sein
Privatkabinet zurück. Er erfuhr später, daß nach seinem Weggange aus dem
Speisesaale mehrere anwesende Lords, in die er das größte Vertrauen
setzte, sich in der anstoßenden Gallerie die Hände geschüttelt und
einander beglückwünscht hatten. Als die Botschaft der Königin
mitgetheilt wurde, brach sie mit ihren Damen in Thränen und Wehklagen
aus.[112]

Der Schlag war allerdings hart. Zwar belief sich der unmittelbare
Verlust der Krone und der unmittelbare Gewinn der Feinde auf kaum
zweihundert Mann und eben so viele Pferde. Aber wo konnte der König von
nun an hoffen, diejenigen Gesinnungen zu finden, welche die Stärke der
Staaten und der Armeen bilden? Cornbury war der Erbe eines Hauses, das
sich stets durch seine Anhänglichkeit an die Monarchie ausgezeichnet
hatte. Sein Vater Clarendon und sein Oheim Rochester waren Männer, deren
Loyalität für unerschütterlich galt. Wie stark mußte das Gefühl sein,
gegen welches die am tiefsten wurzelnden angeerbten Vorurtheile nicht
Stand hielten, das Gefühl, das einen jungen Offizier von vornehmer
Geburt zu einer durch Vertrauensbruch und grobe Falschheit
verschlimmerten Desertion bewegen konnte? Daß Cornbury kein besonders
talentvoller und unternehmender Mann war, machte den Vorfall nur noch
beunruhigender. Man konnte unmöglich daran zweifeln, daß er irgendwo
einen mächtigen und gewandten Verführer hatte. Wer dieser Verführer war,
das sollte sich bald zeigen. Mittlerweile aber konnte Niemand im
königlichen Lager sicher sein, daß er nicht von Verräthern umgeben war.
Politische Stellung, mititairischer Rang, Kavalierehre, Soldatenehre,
die stärksten Betheuerungen, das reinste Adelsblut boten keine
Sicherheit mehr. Jedermann konnte mit Grund zweifeln, ob nicht jeder
Befehl, den er von seinem Vorgesetzten erhielt, den Zwecken des Feindes
dienen sollte. Der pünktliche Gehorsam, ohne den eine Armee nichts als
ein zügelloser Pöbelhaufe ist, mußte nothwendig vorbei sein. Welche
Disciplin konnte man von Soldaten erwarten, welche eben einer Schlinge
entgangen waren, indem sie sich weigerten, ihren commandirenden Offizier
zu einer geheimen Expedition zu folgen, und indem sie auf Vorzeigung
seiner Befehle drangen?

Cornbury wurde bald durch eine Menge in Rang und Fähigkeiten hoch über
ihm stehender Überläufer unterstützt; einige Tage lang aber stand er
ganz allein mit seiner Schande da und wurde von Vielen, welche nachher
seinem Beispiele folgten und ihn darum beneideten, daß er zuerst den
entehrenden Schritt gethan, heftig geschmäht. Unter diesen war sein
eigner Vater. Der erste Ausbruch von Clarendon's Zorn und Schmerz war
ergreifend. »O Gott!« rief er aus, »daß einer meiner Söhne ein Rebell
werden mußte!« Vierzehn Tage später entschloß er selbst sich dazu, ein
Rebell zu werden. Man würde ihm jedoch Unrecht thun, wollte man ihn für
einen bloßen Heuchler erklären. In Revolutionen lebt der Mensch schnell;
die Erfahrung von Jahren drängt sich in wenigen Stunden zusammen; alte
Gewohnheiten im Denken und Handeln werden gewaltsam gebrochen; man wird
mit Neuerungen, die auf den ersten Anblick Entsetzen und Abscheu
erwecken, binnen wenigen Tagen vertraut, man findet sie erträglich, ja
anziehend. Viele weit tugendhaftere und muthigere Männer als Clarendon
waren vor dem Schlusse jenes denkwürdigen Jahres zu Handlungen bereit,
die sie am Anfange desselben für ruchlos und entehrend erklärt haben
würden.

Der unglückliche Vater tröstete sich so gut er konnte und hielt um eine
Privataudienz beim Könige an. Sie wurde ihm bewilligt. Jakob sagte mit
mehr als gewöhnlicher Freundlichkeit, daß er Cornbury's Verwandte
aufrichtig bedaure und sie von aller Schuld an dem Verbrechen ihres
entarteten Familienmitgliedes durchaus freispreche. Clarendon kehrte
nach Hause zurück und wagte es kaum, seinen Freunden ins Auge zu
blicken. Bald aber erfuhr er zu seinem Erstaunen, daß der Schritt, den
er anfangs für seine Familie auf immer entehrend gehalten hatte, von
vielen hochstehenden Personen gelobt wurde. Seine Nichte, die Prinzessin
von Dänemark, fragte ihn, warum er sich so zurückziehe. Er antwortete
ihr, daß die Schändlichkeit seines Sohnes ihn völlig zu Boden drücke.
Anna schien diesen Kummer durchaus nicht zu begreifen. »Das Volk,« sagte
sie, »ist der Herrschaft des Papismus müde. Ich glaube, daß Viele von
der Armee das Nämliche thun werden.«[113]

Der König rief nun in seiner Angst alle noch in London anwesenden hohen
Offiziere zusammen. Churchill, welcher kurz vorher zum Generallieutenant
befördert worden war, erschien mit der heiteren Ruhe, die weder Gefahr
noch Schande je zu erschüttern vermochten. Heinrich Fitzroy, Herzog von
Grafton, der sich unter den natürlichen Kindern Karl's II. durch seine
Verwegenheit und Thätigkeit auszeichnete, wohnte der Zusammenkunft bei.
Grafton war Oberst des ersten Regiments der Fußgarden. Er scheint damals
ganz unter Churchills Einfluß gestanden zu haben und war bereit, bei der
ersten günstigen Gelegenheit die königliche Fahne zu verlassen. Außerdem
waren noch zwei andere Hochverräther anwesend, Kirke und Trelawney,
welche die damals unter der Bezeichnung der tangerschen Regimenter
bekannten zwei wilden und zügellosen Heerhaufen befehligten. Sie hatten
Beide, wie alle anderen protestantische Offiziere der Armee, die
Parteilichkeit, welche der König für die Mitglieder seiner eigenen
Kirche an den Tag legte, schon seit langer Zeit mit großem Mißfallen
betrachtet, und Trelawney erinnerte sich mit bitterem Grolle der
Verfolgung seines Bruders, des Bischofs von Bristol. Jakob hielt eine
Ansprache an die Versammlung, die eines besseren Mannes und einer
besseren Sache würdig gewesen wäre. Es könnte sein, sagte er, daß einige
von seinen Offizieren Gewissensbedenken hätten, für ihn zu kämpfen. Wenn
dem so wäre, sei er bereit, ihre Patente zurückzunehmen. Aber er
beschwöre sie als Gentlemen und Soldaten, das schmachvolle Beispiel
Cornbury's nicht nachzuahmen. Alle schienen tief ergriffen zu sein, am
tiefsten Churchill. Er war der Erste, der mit vortrefflich gespielter
Begeisterung gelobte, daß er sein Blut bis auf den letzten Tropfen für
seinen huldvollen Gebieter zu vergießen bereit sei. Grafton ergoß sich
in ähnliche laute Betheuerungen und seinem Beispiele folgten auch Kirke
und Trelawney.[114]

    [Anmerkung 111: +Clarke's Life of James the Second, II. 215. Orig.
    Mem.+; +Burnet, I. 790+; +Clarendon's Diary, Nov. 15. 1688+;
    +London Gazette, Nov. 17.+]

    [Anmerkung 112: +Clarke's Life of James the Second, II. 218+;
    +Clarendon's Diary, Nov. 15. 1688+; Citters, 16.(26.) Nov.]

    [Anmerkung 113: +Clarendon's Diary, Nov. 15, 16, 17, 20. 1688.+]

    [Anmerkung 114: +Clarke's Life of James the Second, II. 219. Orig.
    Mem.+]


[_Petition der Lords um Einberufung eines Parlaments._] Durch diese
Versicherungen getäuscht, schickte der König sich zum Aufbruch nach
Salisbury an. Vor seiner Abreise wurde er benachrichtigt, daß eine
beträchtliche Anzahl weltlicher und geistlicher Peers ihn um eine
Audienz bitten ließen. Sie kamen mit Sancroft an ihrer Spitze um eine
Petition zu überreichen, in der sie um Einberufung eines freien und
gesetzlichen Parlaments und um Einleitung von Unterhandlungen mit dem
Prinzen von Oranien baten.

Die Geschichte dieser Petition ist interessant. Die Idee scheint zwei
wichtigen Parteihäuptern, welche lange Nebenbuhler und Feinde gewesen
waren, Rochester und Halifax, zu gleicher Zeit gekommen zu sein. Sie
zogen Beide unabhängig von einander die Bischöfe deshalb zu Rathe. Diese
zollten dem Vorschlage warmen Beifall. Es wurde nun darauf angetragen,
eine Generalversammlung der Peers anzuberaumen, um über die Form der dem
Könige zu überreichenden Adresse zu berathen. Es war gerade Terminzeit
der Gerichtshöfe, und zu dieser Zeit war Westminsterhall jeden Tag von
hochgestellten und vornehmen Männern angefüllt, wie gegenwärtig die
Clubs in Pall Mall und St. James Street. Nichts war leichter, als daß
die dort versammelten Lords sich zu einer Berathung in ein Nebenzimmer
begaben. Allein es erhoben sich unerwartete Schwierigkeiten. Halifax
wurde zuerst kalt und dann sogar der Sache abgeneigt. Es lag in seiner
Natur, gegen Alles Einwendungen zu entdecken und in gegenwärtigem Falle
wurde seine Erfindungsgabe durch die Eifersucht noch besonders
geschärft. Der Plan, der seinen Beifall gehabt hatte, so lange er ihn
als seinen eigenen betrachtete, begann ihm zu mißfallen, sobald er
entdeckte, daß es auch der Plan Rochester's war, der ihm so lange
hinderlich im Wege gestanden und ihn endlich verdrängt hatte, und gegen
den er eine so starke Abneigung empfand, als er bei seinem sanften
Character überhaupt gegen Jemanden empfinden konnte. Nottingham stand
damals bedeutend unter Halifax' Einflusse. Sie erklärten Beide, daß sie
die Adresse nicht unterzeichnen würden, wenn Rochester sie mit
unterzeichnete. Clarendon's Vorstellungen blieben erfolglos. »Es ist
nicht meine Absicht,« sagte Halifax, »Mylord Rochester zu beleidigen,
aber er ist Mitglied der kirchlichen Commission gewesen, die Proceduren
dieses Gerichtshofes werden bald einer strengen Untersuchung unterzogen
werden, und es ist unpassend, daß ein Mann, der einen Sitz darin
eingenommen hat, sich an unseren Maßregeln betheiligt.« Nottingham
sprach unter lebhaften Versicherungen seiner persönlichen Hochachtung
für Rochester die nämliche Ansicht aus. Die Autorität der beiden
dissentirenden Lords hielt mehrere andere Kavaliere ab, die Petition zu
unterschreiben; aber die Hyde und die Bischöfe blieben bei ihrem
Vorhaben. Es kamen neunzehn Unterschriften zusammen und die Petenten
begaben sich +in pleno+ zu dem Könige.[115]

Er nahm ihre Adresse sehr ungnädig auf. Er versicherte zwar, daß er
selbst den Zusammentritt eines freien Parlaments dringend wünsche und
versprach ihnen auf sein königliches Wort, ein solches einzuberufen,
sobald der Prinz von Oranien die Insel wieder verlassen haben würde.
»Aber,« setzte er hinzu, »wie kann ein Parlament frei sein, so lange ein
Feind im Lande ist und nahe an hundert Stimmen gewinnen kann?« Zu den
Prälaten sprach er mit besonderer Gereiztheit. »Neulich,« sagte er,
»konnte ich Sie nicht dazu bewegen, Sich gegen die Invasion zu erklären;
jetzt aber sind Sie völlig bereit, Sich gegen mich zu erklären. Damals
wollten Sie Sich nicht in die Politik mischen; heute tragen Sie kein
Bedenken mehr, Sich in dieselbe zu mischen. Sie haben den Geist der
Empörung unter Ihren Heerden erregt, und jetzt schüren Sie ihn noch an.
Sie würden Ihre Zeit besser anwenden, wenn Sie sie lehrten mir zu
gehorchen, anstatt daß Sie mich lehren wollen zu regieren.« Sehr
aufgebracht war er auch gegen seinen Neffen Grafton, dessen Name
unmittelbar unter Sancroft's Namen stand, und er sagte mit großer
Heftigkeit zu dem jungen Manne: »Sie verstehen nichts von Religion, Sie
kümmern Sich auch gar nicht darum, und doch wollen Sie behaupten, daß
Sie ein Gewissen haben!« -- »Es ist wahr, Sire,« erwiederte Grafton mit
schamloser Offenheit, »ich habe sehr wenig Gewissen; aber ich gehöre
einer Partei an, die sehr viel hat«.[116]

So gereizt die Sprache des Königs gegen die Bischöfe selbst war, so
wurde sie doch noch viel bitterer, nachdem sie sich entfernt hatten. In
der Hoffnung, sein pflichtvergessenes und undankbares Volk zufrieden zu
stellen, sagte er, habe er schon viel zu viel gethan. Der Gedanke an
Zugeständnisse sei ihm von jeher verhaßt gewesen, doch er habe sich
überreden lassen, und jetzt habe er wie sein Vater gesehen, daß
Zugeständnisse die Unterthanen nur noch anspruchsvoller machten. Er
wolle nun aber nichts mehr bewilligen, kein Atom, welche letzten zwei
Worte er seiner Gewohnheit nach mehrere Male mit Heftigkeit wiederholte.
Er wolle den Angreifern nicht nur keine Eröffnungen machen, sondern auch
keine von ihnen annehmen. Sollten die Holländer Parlamentaire schicken,
so würde der erste ohne Antwort zurückgeschickt und der zweite gehängt
werden.[117]

    [Anmerkung 115: +Clarendon's Diary vom 8. bis 17. Nov. 1688.+]

    [Anmerkung 116: +Clarke's Life of James the Second, II. 212. Orig.
    Mem.+; +Clarendon's Diary, Nov. 17. 1688+; Citters, 20.(30.) Nov.;
    +Burnet, I. 791+; +Some Reflections upon the most Humble Petition
    to the King's most Excellent Majesty, 1688+; +Modest Vindication
    of the Petition+; +First Collection of Papers relating to English
    Affairs, 1688.+]

    [Anmerkung 117: Adda, 19.(29.) Nov. 1688.]


[_Der König begiebt sich nach Salisbury._] In dieser Stimmung reiste
Jakob nach Salisbury ab. Sein letzter Act vor seiner Abreise war die
Ernennung eines Rathes von fünf Lords, die ihn während seiner
Abwesenheit in London vertreten sollten. Zwei davon waren Papisten und
deshalb gar nicht befähigt zu diesem Amte. Ihnen zur Seite stand
Jeffreys, zwar ein Protestant, aber von der Nation mehr verabscheut, als
irgend ein Papist. Gegen die übrigen zwei Mitglieder des Collegiums,
Preston und Godolphin, war nichts Erhebliches einzuwenden. An dem Tage,
an welchem der König London verließ, wurde der Prinz von Wales nach
Portsmouth geschickt. Diese Festung hatte eine starke Besatzung und
Berwick war Gouverneur. Die von Dartmouth commandirte Flotte lag nahe
zur Hand, und so hoffte man, wenn die Dinge eine unglückliche Wendung
nahmen, den kleinen Prinzen ohne Schwierigkeit von Portsmouth nach
Frankreich bringen zu können.[118]

Am Neunzehnten traf der König in Salisbury ein und stieg im
bischöflichen Palaste ab. Von allen Seiten kamen ihm nun in rascher
Aufeinanderfolge schlimme Nachrichten zu. Die westlichen Grafschaften
hatten sich endlich erhoben. Sobald Cornbury's Abfall bekannt wurde,
faßten sich viele reiche Grundeigenthümer ein Herz und eilten nach
Exeter. Unter ihnen befand sich Sir Wilhelm Portman von Bryanstone,
einer der angesehensten Männer von Dorsetshire, und Sir Franz Warre von
Hestercombe, der in Somersetshire großen Einfluß hatte.[119]

    [Anmerkung 118: +Clarke's Life of James, 220, 221.+]

    [Anmerkung 119: +Eachard's History of the Revolution.+]


[_Seymour._] Der Bedeutendste von den Neuangekommenen aber war Seymour,
der unlängst eine Baronetschaft geerbt hatte, welche jedoch seinen Rang
wenig erhöhte, und der in Folge seiner Geburt, seines politischen
Ansehens und seiner parlamentarischen Talente entschieden der erste
Torygentleman Englands war. Bei seiner ersten Audienz soll er seinen
characteristischen Stolz in einer Weise geäußert haben, die den Prinzen
überraschte und ergötzte. »Soviel ich weiß, Sir Eduard,« sagte Wilhelm,
der sehr artig zu sein glaubte, »gehören Sie zur Familie des Herzogs von
Somerset?« -- »Entschuldigen Sie, Sire,« entgegnete Sir Eduard, der nie
vergaß, daß er das Oberhaupt der älteren Linie der Seymour war, »der
Herzog von Somerset ist ein Mitglied meiner Familie«.[120]

    [Anmerkung 120: Seymour's Antwort an Wilhelm wird von vielen
    Schriftstellern mitgetheilt. Sie hat große Ähnlichkeit mit einer
    Anekdote, die man sich von der Familie Manriquez erzählt. Sie soll
    zu ihrer Devise die Worte gewählt haben: +»Nos no descendemos de
    los Reyes, sino los Reyes descienden de nos.« -- Carpentariana.+]


[_Wilhelm's Hoflager in Exeter._] Das Hauptquartier Wilhelm's fing nun
an das Aussehen eines Hofes zu gewinnen. Mehr als sechzig angesehene und
vermögende Männer wohnten in Exeter und die tägliche Schaustellung von
glänzenden Livreen und sechsspännigen Equipagen auf dem Domplatz verlieh
diesem stillen Orte etwas von dem in Whitehall herrschenden Glanze und
Leben. Das gemeine Volk konnte es kaum erwarten, die Waffen zu
ergreifen, und man hätte mit Leichtigkeit mehrere Bataillone Infanterie
bilden können. Schomberg aber, der auf frisch vom Pfluge genommene
Soldaten wenig Werth legte, war der Meinung, daß, wenn das Unternehmen
nicht ohne solche Hülfe gelingen könne, es überhaupt gar nicht gelingen
würde, und Wilhelm, der das Kriegshandwerk eben so genau kannte als
Schomberg, theilte diese Ansicht. Es wurden daher nur wenige neue
Regimenter errichtet und nur auserlesene Rekruten dazu genommen.

Man hielt es jetzt für wünschenswerth, daß der Prinz die sämmtlichen in
Exeter anwesenden Edelleute und Gentlemen öffentlich empfing. Er hielt
eine kurze, aber würdevolle und wohl durchdachte Anrede an sie. Er
sagte, er kenne nicht alle um ihn Versammelten persönlich, aber er habe
eine Liste ihrer Namen und wisse, wie hoch sie in der Achtung ihres
Vaterlandes ständen. Er tadelte mit milden Worten ihr spätes Erscheinen,
sprach aber die zuversichtliche Hoffnung aus, daß es noch nicht zu spät
sei, das Königreich zu retten. »Somit,« schloß er, »heißen wir Euch,
Gentlemen, Freunde und Mitprotestanten, sowie Eure Begleiter an unsrem
Hofe und in unsrem Lager herzlich willkommen.«[121]

Seymour, ein seit langer Zeit an die Parteitaktik gewöhnter Staatsmann
von scharfem Blicke, erkannte sogleich, daß die Partei, welche sich um
den Prinzen zu schaaren begonnen hatte, der Organisation bedurfte. Bis
jetzt, sagte er, sei sie nur ein Sandhaufen, kein gemeinsamer Zweck sei
öffentlich und feierlich angekündigt worden, Niemand habe sich noch zu
etwas verpflichtet. Sobald die Versammlung in der Dechanei wieder
auseinander gegangen war, ließ er Burnet rufen und schlug ihm vor, daß
ein Bund gebildet werden und alle englischen Anhänger des Prinzen eine
Urkunde unterzeichnen sollten, durch welche sie sich zur Treue gegen
ihren Führer und gegen einander verpflichteten. Burnet theilte diesen
Vorschlag dem Prinzen und Shrewsbury mit, die ihn Beide billigten. Es
wurde eine Versammlung in der Kathedrale gehalten und Burnet legte einen
Entwurf vor, der angenommen und eifrig unterzeichnet wurde. Die
Unterzeichner verpflichteten sich, die in der Erklärung des Prinzen
dargelegten Zwecke einmüthig zu verfolgen, ihm und sich selbst
gegenseitig beizustehen, gegen Jeden, der ein Attentat auf seine Person
unternehmen sollte, exemplarische Rache zu üben und selbst wenn ein
solches Attentat unglücklicherweise gelingen sollte, in ihrem
Unternehmen zu beharren, bis die Freiheiten und die Religion des Volks
wirksam gesichert seien.[122]

Um die nämliche Zeit kam ein Bote vom Earl von Bath, der in Plymouth
commandirte, in Exeter an. Bath erklärte, daß er seine Person, seine
Mannschaft und die Festung, deren Gouverneur er war, dem Prinzen zur
Verfügung stelle. So hatten die Angreifenden keinen einzigen Feind mehr
im Rücken.[123]

    [Anmerkung 121: +Fourth Collection of Papers, 1688+; Brief von
    Exon; +Burnet, I. 792.+]

    [Anmerkung 122: +Burnet, I. 792+; +History of the Desertion+;
    +Second Collection of Papers, 1688.+]

    [Anmerkung 123: Brief von Bath an den Prinzen von Oranien vom 18.
    Nov. 1688; Dalrymple.]


[_Aufstand im Norden._] Während der Westen sich so gegen den König
erhob, stand hinter ihm auch schon der ganze Norden in Flammen. Am
Sechzehnten griff Delamere in Cheshire zu den Waffen. Er rief seine
Pächter zusammen, forderte sie auf, ihm beizustehen, versprach ihnen,
daß, wenn sie im Kampfe fielen, die Pachtungen ihren Hinterlassenen aufs
neue bewilligt werden sollten, und ermahnte Jeden, der ein gutes Pferd
habe, entweder selbst ins Feld zu ziehen, oder einen Ersatzmann zu
stellen.[124] Er erschien mit funfzig bewaffneten und berittenen Männern
in Manchester und bevor er Boaden Downs erreichte, hatte sich seine
Truppe verdreifacht.

Die benachbarten Grafschaften waren in heftiger Gährung. Es war
festgesetzt worden, daß Danby York nehmen und Devonshire in Nottingham
erscheinen sollte. In Nottingham erwartete man keinen Widerstand zu
finden, in York aber lag eine kleine Garnison unter dem Commando Sir
John Reresby's. Danby ging mit großer Klugheit und Umsicht zu Werke. Auf
den 22. November war eine Versammlung der Gentry und der Freisassen von
Yorkshire ausgeschrieben, um eine Adresse wegen der Lage der Dinge an
den König zu berathen. Alle Statthaltersubstituten der drei Bezirke,
mehrere Kavaliere und eine Menge reicher Esquires und wohlhabender
Freisassen hatten sich zu dieser Versammlung in der Provincialhauptstadt
eingefunden. Vier Abtheilungen Miliz waren zur Aufrechthaltung der Ruhe
und Ordnung commandirt. Das Rathhaus war gedrängt voll Freisassen und
die Berathung hatte eben begonnen, als sich plötzlich der Ruf vernehmen
ließ, die Papisten hätten sich erhoben und metzelten die Protestanten
nieder. Die Papisten von York waren viel wahrscheinlicher darauf
bedacht, sich zu verbergen, als einen Feind anzugreifen, der ihnen um
das Hundertfache überlegen war. Aber damals konnte eine Geschichte von
Papistenwuth noch so übernatürlich und wunderbar sein, sie fand dennoch
bereitwilligen Glauben. Die Versammlung ging erschreckt auseinander. Die
ganze Stadt war in Aufruhr. In diesem Augenblicke ritt Danby an der
Spitze von etwa hundert Reitern der Miliz entgegen und erhob den Ruf:
»Keinen Papismus! ein freies Parlament! die protestantische Religion!«
Die Miliz stimmte ein. In einem Nu war die Garnison überrumpelt und
entwaffnet. Der Gouverneur wurde in Gewahrsam gebracht, die Thore
geschlossen und überall Schildwachen ausgestellt. Man ließ den Pöbel
ungehindert eine katholische Kapelle niederreißen; sonst aber scheint
kein Unfug verübt worden zu sein. Am folgenden Morgen war die Guildhall
von den vornehmsten Gentlemen der Grafschaft und den höchsten
Magistratsbeamten der Stadt angefüllt. Der Lordmayor wurde zum
Vorsitzenden ernannt. Danby schlug eine Erklärung vor, in der die Gründe
dargelegt werden sollten, welche die Freunde der Verfassung und der
protestantischen Religion bewogen hatten, zu den Waffen zu greifen.
Diese Erklärung wurde mit allgemeinem Beifall angenommen und war binnen
wenigen Stunden von sechs Peers, fünf Baronets, sechs Rittern und vielen
hochangesehenen Gentlemen unterzeichnet.[125]

Inzwischen verließ Devonshire an der Spitze einer starken Truppe von
Freunden und Untergebenen den Palast, den er eben in Chatsworth bauen
ließ, und erschien bewaffnet in Derby. Hier übergab er der städtischen
Behörde in aller Form eine Schrift, in der die Beweggründe seines
Unternehmens auseinandergesetzt waren. Dann marschirte er nach
Nottingham, das bald das Hauptquartier des Aufstandes im Norden wurde.
Hier erließ er eine in kühnen und harten Ausdrücken abgefaßte
Proklamation. Das Wort Rebellion, hieß es darin, sei ein Popanz, der
keinen verständigen Mann schrecken könne. Sei es Rebellion, die Gesetze
und den Glauben zu vertheidigen, zu deren Aufrechthaltung jeder
englische König sich eidlich verpflichte? Wie dieser Eid neuerdings
gehalten worden sei, darüber werde hoffentlich bald ein freies Parlament
entscheiden. Die Insurgenten erklärten, daß sie es, bis diese
Entscheidung erfolge, nicht für Rebellion, sondern nur für rechtmäßige
Nothwehr hielten, sich einem Tyrannen zu widersetzen, der kein andres
Gesetz kenne, als seinen Willen. Im Norden gewann der Aufstand mit jedem
Tage eine größere Ausdehnung. Vier mächtige und reiche Earls,
Manchester, Stamford, Rutland und Chesterfield, begaben sich nach
Nottingham, wo sich ihnen Lord Cholmondely und Lord Grey de Ruthyn
anschlossen.[126]

Währenddem kamen die feindlichen Heere im Süden einander immer näher.
Als der Prinz von Oranien erfuhr, daß der König in Salisbury angekommen
war, hielt er es für an der Zeit, Exeter zu verlassen. Er stellte diese
Stadt und ihre Umgegend unter das Commando Sir Eduard Seymour's und
brach Mittwoch den 21. November in Begleitung vieler der angesehensten
Gentlemen der westlichen Grafschaften nach Axminster auf, wo er mehrere
Tage blieb.

Der König wünschte sehnlichst, daß es zu einem Kampfe kommen möchte, was
offenbar in seinem Interesse lag. Jede Stunde entriß ihm etwas von
seiner Stärke und vermehrte die seiner Feinde. Überdies war es sehr
wichtig, daß seine Truppen sich ans Feuer gewöhnten. Eine große
Schlacht, welchen Ausgang sie auch nehmen mochte, konnte die Popularität
des Prinzen nur vermindern. Dies Alles erkannte Wilhelm sehr wohl und er
nahm sich deshalb vor, einen Zusammenstoß so lange als möglich zu
vermeiden. Als Schomberg die Nachricht erhielt, daß der Feind anrücke
und zu einer Schlacht entschlossen sei, soll er mit der Gelassenheit
eines sich seiner Geschicklichkeit bewußten Taktikers gesagt haben: »Das
wird lediglich von uns abhängen.« Es war indessen nicht möglich, alles
Scharmützeln zwischen den Vorposten der beiden Armeen zu verhindern.
Wilhelm wünschte, daß bei diesen Scharmützeln nichts geschah, was den
Stolz der Nation, die er befreien wollte, verletzen oder ihr Rachegefühl
aufstacheln könnte. Daher stellte er mit bewundernswerther Klugheit
seine britischen Regimenter dahin, wo die Wahrscheinlichkeit eines
Zusammenstoßes am größten war. Die Vorposten der königlichen Armee waren
Irländer, und in Folge dessen hatten die Eingedrungenen bei den kleinen
Gefechten dieses kurzen Feldzugs die aufrichtige Sympathie aller
Engländer für sich.

    [Anmerkung 124: +First Collection of Papers, 1688+; +London
    Gazette, Nov. 22.+]

    [Anmerkung 125: +Reresby's Memoirs+; +Clarke's Life of James, II.
    231. Orig. Mem.+]

    [Anmerkung 126: +Cibber's Apology+; +History of the Desertion+;
    +Luttrell's Diary+; +Second Collection of Papers, 1688+.]


[_Gefecht bei Wincanton._] Das erste derartige Treffen fand bei
Wincanton statt. Mackay's Regiment, das aus britischen Soldaten bestand,
lag in der Nähe einer Abtheilung irischer Truppen des Königs, welche ihr
Landsmann, der tapfere Sarsfield, befehligte. Mackay schickte ein
kleines Detachement unter einem Lieutenant Namens Campbell aus, um
Bagagepferde herbeizuschaffen. In Wincanton fand Campbell was er
brauchte, und als er eben die Stadt wieder verließ, um zur Armee
zurückzukehren, rückte eine starke Abtheilung von Sarsfield's Truppen
heran. Die Irländer waren ihren Gegnern um das Vierfache überlegen,
dennoch aber entschloß sich Campbell bis zum Äußersten zu kämpfen. Mit
einem Häuflein tapferer Männer stellte er sich auf der Straße auf, und
seine übrigen Soldaten besetzten die Hecken zu beiden Seiten der Straße.
Der Feind kam heran. »Halt!« rief Campbell, »für wen seid Ihr.« -- »Ich
bin für König Jakob,« antwortete der Anführer der feindlichen Truppe.
»Und ich für den Prinzen von Oranien,« versetzte Campbell. »Wir wollen
Euch beprinzen!« rief der Irländer mit einem Fluche. »Feuer!«
commandirte Campbell, und augenblicklich knatterte ein wohlgezieltes
Feuer hinter den Hecken hervor. Die königlichen Truppen erhielten drei
kräftige Salven, ehe sie das Feuer erwiedern konnten. Endlich gelang es
ihnen, eine der Hecken zu nehmen, und sie würden die ihnen
entgegenstehende kleine Schaar überwältigt haben, hätte nicht das
Landvolk, das die Irländer gründlich haßte, falschen Lärm gemacht, daß
noch mehr Truppen des Prinzen anrückten. Sarsfield rief seine Leute ab
und zog sich zurück und Campbell setzte mit den Bagagepferden seinen
Marsch ungehindert fort. Dieses Gefecht, das zwar dem Muthe und der
Disciplin der Armee des Prinzen Ehre machte, wurde durch die Fama zu
einem Siege vergrößert, den britische Protestanten über eine bedeutende
Übermacht von papistischen Barbaren davongetragen, welche aus Connaught
herübergeholt worden seien, um unsre Insel zu unterdrücken.[127]

Wenige Stunden nach diesem Scharmützel ereignete sich ein Vorfall, der
jeder Wahrscheinlichkeit eines ernsten Kampfes zwischen den beiden
Armeen ein Ende machte. Churchill und einige von seinen Hauptcomplicen
befanden sich in Salisbury. Zwei der Verschwornen, Kirke und Trelawney,
hatten sich nach Warminster begeben, wo ihre Regimenter standen. Alles
war reif zur Ausführung des lange erwogenen Verraths.

Churchill rieth dem Könige, Warminster zu besuchen und die dort
stehenden Truppen zu inspiciren. Jakob willigte ein und sein Wagen hielt
schon am Thore des bischöflichen Palastes, als er mit einem Male
heftiges Nasenbluten bekam. Er mußte die Reise aufschieben und sich
einer ärztlichen Behandlung unterziehen. Drei Tage vergingen, ehe die
Blutung völlig gestillt war und während dieser drei Tage kamen ihm
beunruhigende Gerüchte zu Ohren.

Eine so weitverzweigte Verschwörung wie die, an deren Spitze Churchill
stand, konnte unmöglich lange streng geheim gehalten werden. Man hatte
zwar keine Beweise, die einer Jury oder einem Kriegsgericht hätten
vorgelegt werden können, aber es circulirten sonderbare Gerüchte im
Lager. Feversham, der das Obercommando führte, meldete, daß ein
schlechter Geist in der Armee herrsche. Man machte den König darauf
aufmerksam, daß gewisse Personen seiner nächsten Umgebung nicht seine
Freunde seien und daß es nur ein Schritt weiser Vorsicht sein würde,
wenn er Churchill und Grafton unter Bedeckung nach Portsmouth sendete.
Jakob verwarf diesen Rath. Neigung zum Argwohn gehörte nicht zu seinen
Fehlern. Im Gegentheil, er setzte ein so großes Vertrauen in
Versicherungen der Treue und Anhänglichkeit, wie man es wohl von einem
gutmüthigen und unerfahrenen jungen Menschen, nicht aber von einem in
Jahren vorgerückten Staatsmann hätte erwarten sollen, der die Welt
kennen gelernt, der von schurkischen Ränken und Intriguen viel zu leiden
gehabt hatte und dessen eigner Character keineswegs ein vortheilhaftes
Muster der menschlichen Natur war. Es dürfte schwer sein, einen zweiten
Mann zu finden, der sein Wort so leichtsinnig brach, als Jakob und der
dabei so schwer zu dem Glauben zu bringen war, daß Andere ihr Wort gegen
ihn brechen könnten. Nichtsdestoweniger machten ihn die ihm zukommenden
Berichte über die Stimmung seiner Armee sehr besorgt. Er sehnte sich
jetzt nicht mehr nach einer Schlacht, ja er begann sogar an den Rückzug
zu denken. Samstag Abend, den 24. November berief er einen Kriegsrath
zusammen, dem auch diejenigen Offiziere beiwohnten, gegen die er
ernstlich gewarnt worden war. Feversham sprach sich dahin aus, daß der
Rückzug wünschenswerth sei. Churchill stimmte für das Gegentheil. Die
Berathung dauerte bis Mitternacht. Endlich erklärte der König, daß er
sich zu dem Rückzuge entschieden habe.

    [Anmerkung 127: +Whittle's Diary+; +History of the Desertion+;
    +Luttrell's Diary.+]


[_Churchill's und Grafton's Abfall._] Churchill bemerkte oder glaubte
zu bemerken, daß man ihm nicht traute und vermochte trotz seiner nicht
gewöhnlichen Selbstbeherrschung seine Angst nicht zu verbergen. Er
entfloh daher noch vor Tagesanbruch mit Grafton ins Lager des
Prinzen.[128]

Er ließ eine schriftliche Erklärung zurück, welche in dem anständigen
Tone gehalten war, den er bei aller Strafbarkeit und Ehrlosigkeit doch
stets beobachtete. Er erkannte an, daß er der Gunst des Königs Alles
verdanke. Interesse und Dankbarkeit, sagte er, zogen ihn nach der
nämlichen Seite hin. Unter keiner andren Regierung könne er hoffen so
einflußreich und mächtig zu werden, als er es gewesen sei; aber alle
solche Rücksichten müßten einer höheren Pflicht weichen. Er sei
Protestant und sein Gewissen gestatte ihm nicht, gegen den
Protestantismus das Schwert zu ziehen. Übrigens aber werde er stets
bereit sein, zur Vertheidigung der geheiligten Person und der
gesetzlichen Rechte seines gnädigen Gebieters Gut und Leben
aufzuopfern.[129]

Am nächsten Morgen war im königlichen Lager Alles in der größten
Bestürzung. Die Freunde des Königs waren wie vernichtet und seine Feinde
konnten ihre Freude nicht unterdrücken. Jakob's Bestürzung wurde noch
durch Nachrichten vermehrt, welche denselben Tag von Warminster
einliefen. Kirke, welcher dort commandirte, hatte Befehlen, die er von
Salisbury erhalten, den Gehorsam verweigert. Es konnte keinem Zweifel
mehr unterliegen, daß auch er mit dem Prinzen von Oranien im Bunde
stand. Es hieß, er sei schon mit allen seinen Truppen zum Feinde
übergegangen, und obgleich dieses Gerücht falsch war, fand es doch
einige Stunden lang vollen Glauben.[130] Jetzt ging dem unglücklichen
Könige wieder ein neues Licht auf. Er glaubte zu errathen, warum man ihn
vor einigen Tagen gedrängt hatte, Warminster zu besuchen. Er würde dort
hülflos in der Gewalt der Verschwörer und in der Nähe der feindlichen
Vorposten gewesen, Die, welche es versucht hätten ihn zu vertheidigen,
würden leicht überwältigt und er als Gefangener in das Hauptquartier der
feindlichen Armee gebracht worden sein. Vielleicht wäre ein noch
schwärzerer Verrath verübt worden, denn Menschen, die einmal ein
strafbares und gefährliches Unternehmen begonnen haben, sind nicht mehr
Herren ihrer selbst und werden oft durch ein Verhängniß, das einen Theil
ihrer verdienten Strafe bildet, zu Verbrechen getrieben, an die sie
vorher nur mit Schaudern hätten denken können. Gewiß war es das Werk
irgend eines Schutzheiligen, daß ein der katholischen Kirche ergebener
König in dem Augenblicke, wo er blindlings der Gefangenschaft, ja
vielleicht dem Tode entgegenzueilen im Begriffe war, plötzlich durch
eine Unpäßlichkeit aufgehalten wurde, die er damals als ein Unglück
betrachtete.

    [Anmerkung 128: +Clarke's Life of James, II. 222. Orig. Mem.+:
    Barillon, 21. Nov. (1. Dec.) 1688; +Sheridan MS.+]

    [Anmerkung 129: +First Collection of Papers+, 1688.]

    [Anmerkung 130: Brief von Middleton an Preston aus Salisbury vom
    25. Nov. »Schurkerei über Schurkerei,« sagt Middleton, »die letzte
    immer größer als die vorhergehende.« +Clarke's Life of James, II.
    224. 225, Orig. Mem.+]


[_Rückzug der königlichen Armee von Salisbury._] Dies Alles bestärkte
Jakob in dem am vorhergehenden Abend gefaßten Entschlusse. Es wurde
Befehl zum unverweilten Rückzuge gegeben. Ganz Salisbury war in Aufruhr.
Das Lager wurde mit der Verwirrung einer Flucht abgebrochen. Kein Mensch
wußte mehr, wem er trauen und wem er gehorchen sollte. Die materielle
Stärke der Armee hatte sich nur unbedeutend vermindert, aber ihre
moralische Kraft war vernichtet. Viele, die sich geschämt haben würden,
mit dem Übertritt zu dem Prinzen voranzugehen, folgten nun bereitwillig
einem Beispiele, das sie nie gegeben haben würden, und viele Andere, die
zu ihrem Könige gehalten haben würden, so lange er muthig gegen den
Feind vorzurücken schien, hatten keine Lust, bei einer zurückweichenden
Fahne zu bleiben.[131]

Jakob ging an diesem Tage bis Andover. Sein Schwiegersohn, Prinz Georg,
und der Herzog von Ormond begleiteten ihn. Beide gehörten zu den
Verschwornen und würden wahrscheinlich mit Churchill geflohen sein,
hätte dieser es in Folge der Vorgänge im Kriegsrathe nicht für rathsam
gehalten, seine Abreise zu beschleunigen. Dem Prinzen Georg kam seine
Geistesbeschränktheit in diesem Falle besser zu statten, als es Klugheit
gethan haben würde. Wenn ihm eine Nachricht gemeldet wurde, pflegte er
auf Französisch auszurufen: +»Est-il possible?«+ (ist es möglich?) Diese
Phrase war ihm jetzt sehr nützlich. +»Est-il possible?«+ rief er, als
man ihn benachrichtigte, daß Churchill und Grafton vermißt wurden. Und
als die schlimme Botschaft von Warminster kam, rief er abermals:
+»Est-il possible?«+

    [Anmerkung 131: +History of the Desertion+; +Luttrell's Diary.+]


[_Abfall des Prinzen Georg und Ormond's._] Prinz Georg und Ormond wurden
in Andover eingeladen, mit dem Könige zu Abend zu speisen. Dies muß eine
traurige Mahlzeit gewesen sein. Der König war von seinem Unglück zu
Boden gedrückt, und sein Schwiegersohn war der langweiligste
Gesellschafter, den es geben konnte. Karl II. sagte einmal: »Ich habe
den Prinzen Georg nüchtern gesehen und habe ihn betrunken gesehen, aber
mag er nüchtern oder betrunken sein, es ist nichts an ihm.«[132] Ormond,
der während seines ganzen Lebens schweigsam und zurückhaltend gewesen,
war in einem solchen Augenblicke gewiß auch nicht heiter. Sogleich nach
beendeter Mahlzeit ging der König zur Ruhe. Für den Prinzen und Ormond
standen schon Pferde bereit; sobald sie sich von der Tafel erhoben
hatten, saßen sie auf und sprengten davon. In ihrer Begleitung befand
sich der Earl von Drumlanrig, der älteste Sohn des Herzogs von
Queensberry. Der Abfall dieses jungen Kavaliers war kein unwichtiges
Ereigniß, denn Queensberry war das Oberhaupt der protestantischen
Episcopalen Schottlands, einer Klasse, im Vergleich zu welcher die
entschiedensten englischen Tories whiggistisch genannt werden konnten,
und Drumlanrig selbst war Oberstlieutenant von Dundee's Regiment, eines
Corps, das die Whigs noch mehr haßten, als Kirke's Lämmer. Dieses neue
Unglück wurde dem Könige am nächsten Morgen gemeldet. Er war von der
Nachricht weniger ergriffen, als man hatte erwarten sollen. Der Schlag,
der ihn vierundzwanzig Stunden früher getroffen, hatte ihn auf fast
jedes nur mögliche Unglück vorbereitet, und er konnte dem Prinzen Georg,
der kaum zurechnungsfähig war, unmöglich ernstlich zürnen, daß er den
Kunstgriffen eines Verführers wie Churchill erlegen war. »Wie?« rief
Jakob, »ist +Est-il possible+ auch fort? Nun, im Grunde würde ein guter
Dragoner ein größerer Verlust gewesen sein.«[133] Der Zorn des Königs
schien sich in der That, und nicht ohne Grund, damals auf eine einzige
Person zu concentriren. Von glühendem Rachedurst gegen Churchill
erfüllt, reiste er weiter nach London und erfuhr bei seiner Ankunft
daselbst ein neues Verbrechen des Erzverräthers. Seit einigen Stunden
wurde die Prinzessin Anna vermißt.

    [Anmerkung 132: Dartmouth's Note zu Burnet, I. 643.]

    [Anmerkung 133: +Clarendon's Diary, Nov. 26+; +Clarke's Life of
    James, II. 224+; Prinz Georg's Brief an den König ist oft gedruckt
    worden.]


[_Flucht der Prinzessin Anna._] Anna, welche keinen andren Willen als
den der Churchill hatte, war vor acht Tagen durch sie bewogen worden,
eigenhändig dem Prinzen Wilhelm zu versichern, daß sie sein Unternehmen
billige. Sie schrieb ihm, daß sie ganz in den Händen ihrer Freunde sei
und ganz nach deren Bestimmung entweder im Palaste bleiben oder in der
Stadt einen Zufluchtsort suchen werde.[134] Am Sonntag, den 25. November
mußte sie und Diejenigen, welche für sie dachten und handelten,
plötzlich einen Entschluß fassen. An diesem Nachmittag brachte ein
Courier von Salisbury die Nachricht, daß Churchill verschwunden sei, daß
Grafton ihn begleitet habe, daß auch Kirke untreu geworden und die ganze
königliche Armee im vollen Rückzüge begriffen sei. Wie gewöhnlich, wenn
wichtige Nachrichten, gleichviel ob gute oder schlimme, in der Stadt
anlangten, so versammelte sich auch an diesem Abende eine große
Menschenmenge in den Gallerien von Whitehall. Neugierde und ängstliche
Spannung sprach aus allen Gesichtern. Die Königin ergoß sich in wohl zu
entschuldigende Äußerungen des Unwillens über den Hauptverräther und
schonte dabei auch seine allzu parteiische Gebieterin nicht ganz. An den
Zugängen des Palastflügels, den Anna bewohnte, wurden die Schildwachen
verstärkt. Die Prinzessin war in der größten Angst. In wenigen Stunden
mußte ihr Vater in Westminster eintreffen. Daß er sie persönlich mit
Strenge behandeln würde, war nicht anzunehmen, aber sie durfte nicht
hoffen, daß er ihr fernerhin den Umgang mit ihrer Freundin gestatten
werde. Es war kaum daran zu zweifeln, daß Sara festgenommen und einem
strengen Verhör durch gewandte und rücksichtslose Inquisitoren
unterworfen werden würde. Jedenfalls wurden ihre Papiere mit Beschlag
belegt, und vielleicht fand man darunter Beweise, die ihr Leben in
Gefahr brachten. In diesem Falle war das Schlimmste zu fürchten. Die
Rache des unerbittlichen Königs kannte keinen Unterschied des
Geschlechts; um viel geringfügigerer Vergehen willen als diejenigen,
deren Lady Churchill möglicherweise überführt werden konnte, hatte er
Frauen aufs Schaffott und auf den Scheiterhaufen geschickt. Ihre starke
Zuneigung zu Lady Churchill verlieh dem Geiste der Prinzessin eine
ungewöhnliche Energie. Es gab kein Band, das sie um des Gegenstandes
ihrer abgöttischen Liebe willen nicht zerrissen, keine Gefahr, der sie
sich für sie nicht ausgesetzt haben würde. »Eher springe ich aus dem
Fenster,« rief sie aus, »als daß ich mich von meinem Vater hier finden
lasse!« Die Freundin übernahm es, ihre Flucht zu bewerkstelligen. Sie
berieth sich in aller Eil mit einigen Oberhäuptern der Verschwörung und
binnen wenigen Stunden waren alle Anstalten zur Flucht getroffen. Am
Abend zog sich Anna wie gewöhnlich in ihre Gemächer zurück. Sobald es
völlig dunkel geworden war, stand sie auf und schlich leise, von ihrer
Freundin Sara und einigen Kammerfrauen begleitet, im Morgenrock und
Hausschuhen die Hintertreppe hinunter. Die Flüchtlinge gelangten
unangefochten auf die Straße, wo ein Miethwagen sie erwartete. Zwei
Männer bewachten die bescheidene Equipage: Compton, Bischof von London,
der alte Lehrer der Prinzessin, und der prachtliebende, talentvolle
Dorset, den die Größe der öffentlichen Gefahr aus seiner üppigen Ruhe
aufgerüttelt hatte. Der Wagen fuhr sogleich nach Aldersgate Street, wo
damals der städtische Palast der Bischöfe von London im Schatten ihrer
Kathedrale stand. Hier brachte die Prinzessin die Nacht zu. Am folgenden
Morgen reiste sie nach dem Eppingwalde ab, wo Dorset ein altes Schloß
besaß, das schon vor langer Zeit zerstört worden ist. In dieser
gastlichen Wohnung, viele Jahre lang der Lieblingsaufenthalt von
Schöngeistern und Dichtern, hielten die Flüchtlinge eine kurze Rast. Sie
konnten es nicht ohne Gefahr versuchen, Wilhelm's Hauptquartier zu
erreichen, denn der Weg dahin führte durch eine von königlichen Truppen
besetzte Gegend. Es wurde daher beschlossen, daß Anna sich zu den
Insurgenten im Norden begeben sollte. Compton legte für diese Zeit
seinen geistlichen Character völlig ab. Gefahr und Kampf hatten in
seiner Brust wieder das ganze kriegerische Feuer entzündet, das ihn
achtundzwanzig Jahre früher beseelte, als er unter der Leibgarde diente.
In einem Büffelwams und Reiterstiefeln, das Schwert an der Seite und
Pistolen in den Holstern, ritt er vor dem Wagen der Prinzessin her.
Lange vor ihrer Ankunft in Nottingham war sie bereits von einer
Leibwache von Gentlemen umgeben, die sie aus eignem Antriebe
begleiteten. Sie ersuchten den Bischof, sich als Oberst an ihre Spitze
zu stellen, und er erfüllte ihren Wunsch mit einer Bereitwilligkeit,
welche bei den strengen Kirchenmännern großes Ärgerniß erregte und
seinem Rufe selbst in den Augen der Whigs keinen Vortheil brachte.[135]

Als am Morgen des Sechsundzwanzigsten Anna's Gemächer leer gefunden
wurden, war die Bestürzung in Whitehall groß. Während ihre Kammerfrauen
jammernd und händeringend durch die Höfe des Palastes liefen, während
Lord Carven, der die Leibgarde zu Fuß commandirte, die Wachen in der
Gallerie ausfragte, während der Kanzler die Papiere der Churchill
versiegelte, stürzte die Amme der Prinzessin in die königlichen Gemächer
und rief aus, ihre geliebte Herrin sei von den Papisten ermordet worden.
Die Nachricht gelangte nach Westminsterhall. Hier erzählte man sich,
Ihre Hoheit sei gewaltsam in ein Gefängniß gebracht worden. Als es nicht
mehr geleugnet werden konnte, daß sie freiwillig entflohen war, wurden
eine Menge Geschichten zur Motivirung ihrer Flucht erdichtet. Sie sei
gröblich beleidigt und bedroht, ja sogar von ihrer gefühllosen
Stiefmutter geschlagen worden, obgleich sie sich in Umständen befand, in
denen eine Frau Anspruch auf eine besonders zarte Behandlung hat. Das
durch eine mehrjährige schlechte Regierung argwöhnisch und reizbar
gemachte Volk wurde durch diese Verleumdungen so aufgebracht, daß die
Königin ihres Lebens kaum sicher war. Viele Katholiken und mehrere
protestantische Tories von erprobter Loyalität eilten in den Palast, um
sie im Fall eines Ausbruchs vertheidigen zu können. Inmitten dieses
Schreckens und Entsetzens kam die Nachricht von der Flucht des Prinzen
Georg. Dem Courier, welcher diese schlimme Botschaft überbrachte, folgte
der König selbst auf dem Fuße. Es war bereits völlig dunkel, als der
König ankam und von dem Verschwinden seiner Tochter unterrichtet wurde.
Nach Allem, was er schon gelitten hatte, preßte dieser neue Schlag ihm
einen Jammerschrei aus. »Gott stehe mir bei!« rief er aus; »meine
eigenen Kinder haben mich verlassen!«[136]

    [Anmerkung 134: Der vom 18. Nov. datirte Brief ist in Dalrymple zu
    finden.]

    [Anmerkung 135: +Clarendon's Diary, Nov. 25, 26. 1688+; Citters,
    26. Nov. (6. Dec.); +Ellis Correspondence, Dec. 19.+; +Duchess of
    Marlborough's Vindication+; +Burnet, I. 792+; Compton, an den
    Prinzen von Oranien, 2. Dec. 1688 in Dalrymple. Das militairische
    Kostüm des Bischofs wird in unzähligen Flugschriften und
    Spottgedichten erwähnt.]

    [Anmerkung 136: Dartmouth's Note zu Burnet I. 792: Citters, 26.
    Nov. (6. Dec.) 1688; +Clarke's Life of James, II. 226. Orig.
    Mem.+; +Clarendon's Diary, Nov. 26.+; +Revolution Politics.+]


[_Jakob hält eine Berathung mit den Lords._] Noch denselben Abend hielt
er mit seinen ersten Ministern eine bis spät in die Nacht dauernde
Berathung. Es wurde beschlossen, daß er alle zur Zeit in London
anwesenden geistlichen und weltlichen Lords am folgenden Tage zu sich
entbieten und sie feierlich um Rath fragen sollte. Demgemäß versammelten
sich die Lords am Dienstag Nachmittag, den 27. November, im Speisesaale
des Palastes. Die Versammlung bestand aus neun Prälaten und zwischen
dreißig und vierzig weltlichen Edelleuten, sämmtlich Protestanten. Auch
die beiden Staatssekretäre, Middleton und Preston, waren anwesend,
obgleich sie nicht Peers des Reichs waren. Der König selbst präsidirte.
Die Spuren schwerer körperlicher und geistiger Leiden waren in seinen
Gesichtszügen und in seiner Haltung deutlich zu erkennen. Er eröffnete
die Verhandlung mit der Erwähnung der Petition, die ihm kurz vor seiner
Abreise nach Salisbury überreicht worden war. Der Inhalt dieser Petition
war die Bitte um Einberufung eines freien Parlaments. In seiner
damaligen Lage, sagte er, habe er es nicht für zweckmäßig gehalten, der
Bitte zu willfahren. Während seiner Abwesenheit von London aber seien
wichtige Veränderungen eingetreten; auch habe er bemerkt, das sein Volk
überall den Zusammentritt der Kammern sehnlichst wünsche. Daher habe er
seine getreuen Peers zu sich entboten, um ihren Rath zu hören.

Es trat eine Pause ein. Dann sagte Oxford, dem sein in Alter und Glanz
unerreichter Stammbaum ein gewisses Übergewicht in der Versammlung gab,
seiner Ansicht nach müßten die Lords, welche die von Seiner Majestät
erwähnte Petition unterzeichnet hätten, ihre Meinungen jetzt
aussprechen.

Diese Worte bestimmten Rochester zu reden. Er vertheidigte die Petition
und erklärte, daß er noch immer nirgends eine Hoffnung für den Thron und
das Land sehe, als in einem Parlament. Er wage es nicht zu behaupten,
daß in einer so unheilvollen Bedrängniß selbst dieses Mittel wirksamen
Erfolg haben werde; aber er wisse kein andres vorzuschlagen. Er setzte
hinzu, daß es rathsam sein dürfte, Unterhandlungen mit dem Prinzen von
Oranien zu eröffnen. Nach ihm sprachen Jeffreys und Godolphin, und Beide
erklärten sich mit ihm einverstanden.

Jetzt stand Clarendon auf und ergoß sich zum Erstaunen Aller, die sich
seiner lauten Loyalitätsversicherungen und der heftigen Äußerungen von
Scham und Schmerz erinnerten, die ihm noch vor wenigen Tagen die
Nachricht von dem Abfalle seines Sohnes entrissen hatte, in eine
Schmährede gegen Tyrannei und Papismus. »Noch in diesem Augenblicke,«
sagte er, »errichtet Seine Majestät in London ein Regiment, in welches
keine Protestanten aufgenommen werden.« -- »Das ist nicht wahr!« rief
Jakob mit Heftigkeit aus. Clarendon bestand auf seiner Behauptung und
verließ dieses beleidigende Thema nur um auf ein noch beleidigenderes
überzugehen. Er beschuldigte den unglücklichen König des Kleinmuths.
Warum sei er nicht in Salisbury geblieben? warum habe er nicht das Glück
einer Schlacht versucht? Könne man es dem Volke verargen, daß es sich
dem Angreifer unterwarf, wenn es seinen König an der Spitze seiner Armee
davonlaufen sehe? Jakob fühlte diese Vorwürfe tief und vergaß sie nicht
so bald. In der That, selbst Whigs hielten Clarendon's Sprache für
unpassend und unedel. Halifax sprach in einem ganz andren Tone. Seit
mehreren Jahren der Gefahr hatte er mit bewundernswürdigem Talent die
bürgerliche und kirchliche Verfassung seines Vaterlandes gegen die
Prärogative vertheidigt. Aber sein klarer, für Begeisterung durchaus
unempfänglicher und Extremen entschieden abgeneigter Verstand begann
sich gerade in dem Augenblicke, wo die großsprecherischen Royalisten,
welche noch vor Kurzem die Trimmers als wenig besser denn Rebellen
verwünscht hatten, sich überall zum Aufstande erhoben, zur Sache des
Königthums hinzuneigen. Er setzte seine Ehre darein, in diesem
kritischen Augenblicke der Friedensstifter zwischen dem Throne und der
Nation zu werden. Seine Talente und sein Character befähigten ihn zu
diesem Amte und wenn sein Versuch scheiterte, so ist dies Ursachen
zuzuschreiben, gegen die keine menschliche Geschicklichkeit etwas
auszurichten vermochte, ganz besonders der Thorheit, Wortbrüchigkeit und
Hartnäckigkeit des Fürsten, den er zu retten versuchte.

Halifax sprach manche bittere Wahrheit aus, aber mit einer so zarten
Rücksicht, daß er sich den Vorwurf der Schmeichelei von Leuten zuzog,
welche viel zu niedrigdenkend waren, als daß sie hätten begreifen
können, daß Worte, die mit Recht Schmeichelei genannt werden mögen, wenn
man sie an einen Mächtigen richtet, einer gefallenen Größe gegenüber ein
Tribut der Humanität sind. Er erklärte es unter vielen Versicherungen
von Theilnahme und Ehrerbietung als seine Ansicht, daß der König sich zu
großen Opfern entschließen müsse. Es sei nicht genug, daß er ein
Parlament einberufe und mit dem Prinzen von Oranien in Unterhandlung
trete. Wenigstens einige von den Beschwerden, über welche die Nation
klage, müßten augenblicklich abgestellt werden, ohne darauf zu warten,
bis die Häuser oder der Anführer des feindlichen Heeres die Abstellung
verlangten. Nottingham erklärte sich in eben so ehrerbietiger Sprache
mit Halifax vollkommen einverstanden. Es waren drei Hauptzugeständnisse,
zu denen die Lords den König zu bewegen suchten. Er sollte, sagten sie,
alle Katholiken sofort aus dem Staatsdienste entlassen, sich ganz von
Frankreich lossagen und Denen, welche bewaffnet gegen ihn aufgestanden,
unbedingte Amnestie zusichern. Man sollte denken, daß der letzte von
diesen drei Vorschlägen keinen Einwand zugelassen hätte. Denn hatten
auch Einige von Denen, die sich gegen den König zusammengeschaart, so
gegen ihn gehandelt, daß er sich dadurch bitter gekränkt fühlen mußte,
so war es doch viel wahrscheinlicher, daß er bald von ihrer Gnade
abhängen würde, als sie je von der seinigen. Es wäre geradezu kindisch
gewesen, mit Wilhelm Unterhandlungen zu eröffnen und zu gleicher Zeit
Männern, welche Wilhelm nicht im Stiche lassen konnte, ohne eine
Schändlichkeit gegen sie zu begehen, mit Rache zu drohen. Aber der
umwölkte Verstand und der unversöhnliche Character Jakob's sträubten
sich lange gegen die Gründe der Männer, die ihn zu überzeugen suchten,
daß er wohl daran thun werde, Kränkungen zu verzeihen, die er nicht
bestrafen konnte. »Ich kann es nicht thun,« rief er aus; »ich muß ein
Exempel statuiren, vor Allem an Churchill, den ich so hoch erhoben habe.
Er, und nur er allein hat dies Alles gethan. Er hat meine Armee
verführt, er hat meine Tochter verführt und er würde mich ohne den
besonderen Schutz Gottes dem Prinzen von Oranien überliefert haben. Sie
sind auffallend besorgt um die Sicherheit von Verräthern, Mylords;
keiner von Ihnen aber kümmert sich um meine Sicherheit.« Als Antwort auf
diesen Ausbruch ohnmächtigen Zornes stellten Diejenigen, welche zur
Amnestie gerathen hatten, mit tiefster Ehrerbietung, aber mit
Entschiedenheit vor, daß ein von mächtigen Feinden angegriffener Fürst
nur durch einen Sieg oder durch Nachgiebigkeit gerettet werden konnte.
»Wenn Eure Majestät nach Allem was geschehen ist noch von den Waffen
Rettung erwartet, so sind wir fertig, wo nicht, können Sie nur dadurch
gerettet werden, daß Sie die Zuneigung Ihres Volks wieder zu gewinnen
suchen.« Nach einer langen und lebhaften Debatte hob der König die
Versammlung auf, indem er sagte: »Mylords, Sie haben Sich viel Freiheit
herausgenommen, aber ich zürne Ihnen deshalb nicht. In einem Punkte bin
ich zu einem Entschlusse gekommen. Ich werde ein Parlament einberufen.
Die anderen Rathschläge, die Sie mir gegeben haben, sind von ernster
Bedeutung, und Sie werden Sich nicht wundern, wenn ich mir eine Nacht
zur Überlegung vorbehalte, ehe ich mich entscheide.«[137]

    [Anmerkung 137: +Clarke's Life of James, II. 236: Orig. Mem.+;
    +Burnet I. 794+; +Luttrell's Diary+; +Clarendon's Diary, Nov. 27.
    1688.+ Citters, 27. Nov. (7. Dec.) und 30. Nov. (10. Dec.).
    Citters schöpfte seine Angaben offenbar aus Mittheilungen von
    einem der anwesenden Lords. Da der Gegenstand wichtig ist, will
    ich einige kurze Stellen aus seinen Depeschen hier anführen. Der
    König sagte, +»Dat het by na voor heem unmogelyck was te
    pardoneren persoonen wie so hoog in syn reguarde schuldig stonden,
    vooral seer uytvarende tegens den Lord Churchill wien hy hadde
    groot gemaakt, en nogtans meynde de eenigste oorsake van alle dese
    desertie en van de retraite van hare Coninglycke Hoogheden te
    wesen.«+ Einer von den Lords, wahrscheinlich Halifax oder
    Nottingham, +»seer hadde geurgeert op de securiteyt van de lords
    die nu met syn Hoogheyt geengageert staan. Soo hoor ick,«+ sagt
    Citters, +»dat syn Majesteyt onder anderen soude gesegt hebben:
    »»Men spreekt al voor de securiteyt voor andere, en niet voor de
    myne.«« -- Waar op een der Pairs resolut dan met groot respect
    soude geantwoordt hebben dat, so de difficulteyt dan nog te
    surmonteren was, dat het den moeste geschieden door de meeste
    condescendance, en hoe meer die was, en hy genegen om aan de natic
    contentement te geven, dat syne securyteyt ook des te grooter
    soude wesen.«+]


[_Er ernennt Commissare zur Unterhandlung mit Wilhelm._] Anfangs schien
Jakob die ausbedungene Bedenkzeit vortrefflich anwenden zu wollen: der
Kanzler erhielt die Weisung, Ausschreiben zur Einberufung eines
Parlaments auf den 13. Januar zu erlassen. Halifax wurde ins königliche
Kabinet beschieden, hatte eine lange Audienz und sprach mit mehr
Freimuth, als er in Anwesenheit einer zahlreichen Versammlung zu zeigen
für schicklich gehalten hatte. Es wurde ihm angekündigt, daß er zu einem
der Commissare ernannt sei, welche mit dem Prinzen von Oranien
unterhandeln sollten. Nottingham und Godolphin waren ihm beigegeben. Der
König erklärte, daß er im Interesse des Friedens große Opfer zu bringen
bereit sei. Halifax antwortete ihm darauf, daß es auch ohne Zweifel
großer Opfer bedürfen werde. »Eure Majestät,« sagte er, »darf nicht
erwarten, daß Diejenigen, welche die Macht in Händen haben, auf
Bedingungen eingehen werden, welche die Gesetze in die Gewalt der
Prärogative geben.« Mit dieser deutlichen Erklärung seiner Ansichten
nahm er den Auftrag an, den der König ihm ertheilen wollte.[138] Jetzt
wurden die vor wenigen Stunden noch hartnäckig verweigerten
Zugeständnisse auf das Bereitwilligste gewährt. Es wurde eine
Proklamation erlassen, durch welche der König nicht nur Allen, die sich
gegen ihn empört hatten, unbedingte Verzeihung zusicherte, sondern sie
sogar als wählbar für das bevorstehende Parlament erklärte. Nicht einmal
die Niederlegung der Waffen wurde als Bedingung der Wählbarkeit
gestellt. Dieselbe Nummer der Gazette, welche den bevorstehenden
Zusammentritt der Häuser anzeigte, enthielt auch die Ankündigung, daß
Sir Eduard Hales, der als Papist, als Renegat, als Hauptvorkämpfer für
die Dispensationsgewalt und als der strenge Kerkermeister der Bischöfe
einer der unpopulärsten Männer des ganzen Reichs war, nicht mehr
Gouverneur des Tower sei und seinen kürzlichen Gefangenen Bevil Skelton,
der zwar in der Achtung seiner Landsleute eben nicht hoch stand, aber
wenigstens nicht gesetzlich vom Staatsdienste ausgeschlossen war, zum
Nachfolger erhalten habe.[139]

    [Anmerkung 138: Brief des Bischofs von St. Asaph an den Prinzen
    von Oranien vom 17. Dec. 1688.]

    [Anmerkung 139: +London Gazette, Nov. 29., Dec. 3. 1688+;
    +Clarendon's Diary, Nov. 29, 30+]


[_Die Unterhandlung eine Finte._] Diese Zugeständnisse hatten jedoch nur
den Zweck, die Lords und die Nation über die wahren Absichten des Königs
zu täuschen. Im Stillen hatte er sich vorgenommen, selbst in dieser
äußersten Bedrängniß nicht nachzugeben. An dem nämlichen Tage, an
welchem er das Amnestiedecret erließ, sprach er seine wirklichen
Gesinnungen offen gegen Barillon aus. »Diese Unterhandlung,« sagte
Jakob, »ist eine bloße Finte. Ich muß Commissare an meinen Neffen
senden, damit ich Zeit gewinne, um meine Frau und den Prinzen von Wales
fortschaffen zu können. Sie kennen die Stimmung meiner Truppen. Nur die
Irländer werden mir treu bleiben, und sie sind nicht stark genug, um dem
Feinde Widerstand zu leisten. Ein Parlament würde mir Bedingungen
vorschreiben, die ich nicht ertragen könnte. Ich würde Alles was ich für
die Katholiken gethan habe, wieder zurücknehmen, und mit dem Könige von
Frankreich brechen müssen. Sobald daher die Königin und mein Kind in
Sicherheit sind, werde ich England verlassen und mich nach Irland,
Schottland oder zu Ihrem Gebieter flüchten«.[140]

Jakob hatte bereits die nöthigen Anstalten zur Ausführung dieses Planes
getroffen. Dover war mit Instructionen, für den Prinzen von Wales zu
sorgen, nach Portsmouth geschickt worden, und Dartmouth, welcher die
dort liegende Flotte befehligte, hatte Ordre erhalten, allen Anordnungen
Dover's in Betreff des Kronprinzen Folge zu leisten und eine mit
zuverlässigen Matrosen bemannte Yacht bereit zu halten, damit sie jeden
Augenblick nach Frankreich unter Segel gehen könnte.[141] Jetzt sandte
der König den bestimmten Befehl ab, daß der Prinz augenblicklich nach
dem nächsten Hafen des Continentes gebracht werden solle.[142] Nächst
dem Prinzen von Wales war der Hauptgegenstand seiner Sorge das große
Staatssiegel. Diesem Symbole der königlichen Autorität haben unsere
Juristen jederzeit eine besondere, fast geheimnißvolle Wichtigkeit
beigelegt Man ist der Ansicht, daß, wenn der Siegelbewahrer es auch ohne
königliche Genehmigung einem Peerspatent oder einer Begnadigung
aufdrückt, er sich zwar eines schweren Vergehens schuldig macht, die
Gültigkeit des Instruments aber von keinem Gerichtshofe angefochten und
nur durch eine Parlamentsacte annullirt werden kann. Jakob fürchtete
wahrscheinlich, daß seine Feinde dieses Organ seines Willens in die
Hände bekommen und dadurch Maßregeln, die ihn nachtheilig berühren
könnten, gesetzliche Gültigkeit geben könnten. Seine Besorgnisse können
auch nicht unbegründet erscheinen, wenn man bedenkt, daß gerade hundert
Jahre später das große Siegel eines Königs mit Bewilligung der Lords und
der Gemeinen und unter Gutheißung von Seiten vieler großen Staatsmänner
und Juristen zu dem Zwecke benutzt wurde, um seine Hoheitsrechte auf
seinen Sohn zu übertragen. Damit der Talisman, der so furchtbare Kräfte
besaß, nicht in unrechte Hände komme, beschloß Jakob, ihn wenige
Schritte von seinem Kabinet aufzubewahren. Jeffrey's erhielt zu dem Ende
Befehl, sein erst kürzlich mit großem Kostenaufwande erbautes Haus in
Duke Street zu verlassen und ein kleines Apartement in Whitehall zu
beziehen.[143]

Der König hatte bereits alle Anstalten zur Flucht getroffen, als ein
unerwartetes Hinderniß ihn zwang, die Ausführung seines Vorhabens
aufzuschieben. Seine Agenten in Portsmouth fingen an Bedenklichkeiten zu
hegen. Selbst Dover ließ, obgleich er Mitglied der jesuitischen Cabale
war, Zeichen von Unschlüssigkeit merken. Noch weniger war Dartmouth
geneigt, den Wünschen des Königs zu willfahren. Er war bisher dem Throne
treu gewesen und hatte mit einer mißgestimmten Flotte und bei widrigem
Winde sein Möglichstes gethan, um die Landung der Holländer in England
zu verhindern; aber er war ein eifriges Mitglied der anglikanischen
Kirche und durchaus nicht befreundet mit der Politik der Regierung,
welche zu vertheidigen er für eine Pflicht und eine Ehrensache hielt.
Die meuterische Stimmung der unter seinem Befehle stehenden Offiziere
und Mannschaften hatte ihm viel zu schaffen gemacht und die Nachricht
von der Einberufung eines freien Parlaments und der Ernennung von
Commissaren, welche mit dem Prinzen von Oranien unterhandeln sollten,
hatte ihn sehr erfreut. Die ganze Flotte gab ihre Freude darüber laut zu
erkennen. An Bord des Admiralschiffs wurde eine Adresse entworfen,
welche dem Könige für diese der öffentlichen Meinung gemachten gnädigen
Zugeständnisse den wärmsten Dank aussprach. Der Admiral unterzeichnete
zuerst und achtunddreißig Kapitäne schrieben ihre Namen unter den
seinigen. Dieses Schriftstück kreuzte sich auf dem Wege nach Whitehall
mit dem Boten, der den Befehl nach Portsmouth brachte, daß der Prinz von
Wales unverzüglich nach Frankreich übergeführt werden sollte. Dartmouth
erkannte nun mit bitterem Schmerz und Unwillen, daß das freie Parlament,
die allgemeine Amnestie und die Unterhandlung nur Theile eines gegen die
Nation zu verübenden großartigen Betrugs waren und daß er bei diesem
Betruge eine Rolle spielen sollte.

    [Anmerkung 140: Barillon, 1.(11.) Dec. 1688.]

    [Anmerkung 141: Jakob an Dartmouth, 25. Nov. 1688. Die Briefe
    findet man in Dalrymple.]

    [Anmerkung 142: Jakob an Dartmouth, 1. Dec. 1688.]

    [Anmerkung 143: +Luttrell's Diary+.]


[_Dartmouth weigert sich, den Prinzen von Wales nach Frankreich zu
senden._] In einem ergreifenden und männlichen Schreiben erklärte er,
daß er in seinem Gehorsam schon so weit gegangen sei, als ein Protestant
und Engländer nur irgend gehen könne. Den muthmaßlichen Erben der
britischen Krone den Händen Ludwigs zu überliefern, würde nichts
Geringeres als ein Verrath gegen die Monarchie sein. Die dem Könige nur
zu sehr schon entfremdete Nation würde aufs Äußerste erbittert werden.
Der Prinz von Wales würde entweder gar nicht, oder in Begleitung einer
französischen Armee zurückkehren. Wenn Seine Königliche Hoheit auf der
Insel bliebe, so wäre das Schlimmste was zu befürchten stände, daß er
als Mitglied der Landeskirche erzogen würde, und jeder loyale Unterthan
müßte den Himmel bitten, daß dies geschehen möchte. Er schloß mit der
Erklärung, daß er bereitwillig sein Leben zur Vertheidigung des Thrones
opfern werde, sich aber nimmermehr an der Überführung des Prinzen nach
Frankreich betheiligen könne.[144]

Dieser Brief warf alle Pläne Jakob's über den Haufen. Zu gleicher Zeit
erfuhr er, daß er bei dieser Gelegenheit nicht einmal passiven Gehorsam
voll seinem Admiral erwarten durfte, denn Dartmouth war so weit
gegangen, daß er mehrere Sloops am Eingange des Hafens aufgestellt,
welche Befehl hatten, kein Schiff ununtersucht passiren zu lassen. Der
Plan mußte somit abgeändert werden. Das Kind mußte nach London
zurückgebracht und von hier aus nach Frankreich befördert werden. Dies
konnte aber erst nach Verlauf mehrerer Tage geschehen, und während
dieser Zwischenzeit mußte die öffentliche Meinung durch die Hoffnung auf
ein Parlament und durch eine Scheinunterhandlung hingehalten werden. Die
Ausschreiben zu den Wahlen wurden erlassen. Zwischen der Hauptstadt und
dem holländischen Hauptquartier gingen Trompeter hin und her. Endlich
kamen auch die Pässe für die königlichen Commissare und die drei Lords
traten ihre Gesandtschaftsreise an.

    [Anmerkung 144: +Second Collection of Papers+, 1688; Dartmouth's
    Brief, datirt vom 3. Dec. 1688 findet sich in Dalrymple; +Clarke's
    Life of James, II. 233. Orig. Mem.+ Jakob beschuldigt Dartmouth,
    die Flotte zu einer Adresse um Einberufung eines Parlaments
    bestimmt zu haben. Dies ist eine grundlose Verleumdung. Die
    Adresse ist eine Dankadresse an den König dafür, daß er ein
    Parlament einberufen, und war bereits abgefaßt, ehe Dartmouth die
    entfernteste Ahnung davon hatte, daß Seine Majestät die Nation
    hintergehen wollte.]


[_Aufregung in London._] Die Hauptstadt war bei ihrer Abreise in einem
Zustande furchtbarer Gährung. Die Leidenschaften, welche im Laufe dreier
unruhiger Jahre nach und nach immer heftiger geworden, zeigten sich
jetzt, wo sie von dem Zügel der Furcht befreit und durch Sieg und
Sympathie aufgestachelt waren, unverhohlen, selbst im Bereiche des
königlichen Schlosses. Die große Jury von Middlesex nahm eine Anklage
gegen den Earl von Salisbury, weil er Papist geworben war, an.[145] Der
Lordmayor ließ bei den Katholiken der City eine Haussuchung nach Waffen
halten. Der Pöbel stürmte das Haus eines dem verhaßten Glauben
anhängenden achtbaren Kaufmanns, um sich zu überzeugen, ob er nicht von
seinem Keller aus unter die benachbarte Pfarrkirche eine Mine angelegt
habe, um den Geistlichen mit der Gemeinde in die Luft zu sprengen.[146]
Die Ausrufer schrien in den Straßen einen Aufruf zur Festnehmung Pater
Petre's aus, der seine Gemächer im Palaste gerade noch zur rechten Zeit
verlassen hatte.[147] Wharton's berühmtes Lied wurde mit vielen neu
hinzugefügten Versen lauter als je in allen Straßen der Hauptstadt
gesungen. Selbst die Schildwachen des Palastes sangen auf ihrer Runde:

  »Der Engländer auf den Untergang des Papismus trinkt,
  Lillibullero bullen a la.«

    [Anmerkung 145: +Luttrell's Diary+.]

    [Anmerkung 146: Adda, 7.(17.) Dec. 1688.]

    [Anmerkung 147: Der Nuntius sagt: +»Se lo avesse fatto prima di
    ora, per il Rè ne sarebbe stato meglio.«+]


[_Falsche Proklamation._] Die geheimen Pressen von London waren
unausgesetzt in Thätigkeit. Tagtäglich kamen Flugschriften durch Mittel
und Wege in Circulation, welche die Behörden nicht entdecken konnten
oder nicht hindern wollten. Eine davon ist durch die Gewandtheit und
verwegene Rücksichtslosigkeit, mit der sie geschrieben war, sowie durch
den ungeheuren Eindruck, den sie machte, der Vergessenheit entrissen
worden. Sie gab sich für eine ergänzende Erklärung von der Hand und
unter dem Siegel des Prinzen von Oranien aus, war aber in einem ganz
andren Style gehalten als sein ächtes Manifest. Allen Papisten, die es
wagen sollten, sich der königlichen Sache anzuschließen, war mit einer
bei christlichen und civilisirten Nationen unbekannten Rache gedroht.
Sie sollten nicht als Soldaten oder Gentlemen, sondern wie Freibeuter
behandelt werden. Das bis jetzt durch eine starke Hand im Zaume
gehaltene Heer der Feinde sollte in seiner ganzen Wildheit und
Zügellosigkeit auf sie gehetzt werden. Die guten Protestanten,
namentlich diejenigen, welche die Hauptstadt bewohnten, wurden bei Allem
was ihnen theuer sei beschworen und bei Strafe des allerhöchsten
Mißfallens des Prinzen angewiesen, ihre katholischen Nachbarn
festzunehmen, zu entwaffnen und einzusperren. Das Manuscript dieser
Schrift war angeblich von einem whiggistischen Buchhändler eines Morgens
unter seiner Ladenthür gefunden worden. Er beeilte sich, es drucken zu
lassen. Viele Exemplare wurden mit der Post versandt und gingen rasch
von Hand zu Hand. Scharfsichtige Leute erkannten es jedoch ohne Mühe als
das falsche Machwerk irgend eines unruhigen und characterlosen
Abenteurers, wie sie in bewegten Zeiten stets bei den unreinsten und
schwärzesten Parteiumtrieben thätig sind. Der große Haufe aber ließ sich
vollkommen täuschen. Der nationale und religiöse Abscheu gegen die
irischen Papisten war in der That so stark erregt, daß die Mehrzahl von
Denen, welche die Proklamation für ächt hielten, sie als eine ganz
zeitgemäße Entfaltung von Energie mit Beifall begrüßten. Als es bekannt
wurde, daß ein solches Dokument von Wilhelm selbst nicht ausgegangen
war, fragte man neugierig, wer wohl der Betrüger sein möchte, der so
kühn und so glücklich die Rolle des Prinzen gespielt hatte. Einige
hatten Ferguson, Andere Johnson im Verdacht, bis endlich nach Verlauf
von siebenundzwanzig Jahren Hugo Speke sich zum Autor der Fälschung
bekannte und für diesen der protestantischen Religion geleisteten großen
Dienst vom Hause Braunschweig eine Belohnung verlangte. Er behauptete in
dem Tone eines Mannes, der etwas höchst Lobenswerthes und Ehrenvolles
gethan zu haben glaubt, er habe, als die holländische Invasion Whitehall
in Bestürzung versetzt, dem Hofe seine Dienste angeboten, habe
vorgegeben, mit den Whigs zerfallen zu sein und sich erboten, bei ihnen
den Spion zu spielen. So habe er Zutritt in das königliche Kabinet
erlangt, habe Treue gelobt, dafür das Versprechen großer Geldbelohnungen
erhalten und sich Geleitsbriefe verschafft, die ihn in den Stand
setzten, die feindlichen Linien zu passiren. Dies Alles versicherte er
nur in der Absicht gethan zu haben, damit er, ohne in Verdacht zu
kommen, der Regierung einen tödtlichen Streich versetzen und einen
heftigen Ausbruch des Nationalgefühls gegen die Katholiken herbeiführen
konnte. Die falsche Proklamation erklärte er für sein Werk; ob sie dies
aber wirklich war, dürfte in Zweifel zu ziehen sein. Er machte seinen
Anspruch so spät erst geltend, daß wir mit Recht vermuthen dürfen, er
habe auf den Tod Derer gewartet, die ihn widerlegen konnten; auch berief
er sich auf kein andres Zeugniß als sein eignes.[148]

    [Anmerkung 148: Siehe die +Secret History of the Revolution+, von
    Hugo Speke, 1715. In der Londoner Bibliothek befindet sich ein
    Exemplar dieses seltenen Werks mit einer handschriftlichen Note,
    welche von Speke selbst herzurühren scheint.]


[_Aufstände in verschiedenen Theilen des Landes._] Während dies in
London vorging, brachte jede Post aus jedem Theile des Landes die
Nachricht von einem neuen Aufstande. Lumley hatte sich Newcastle's
bemächtigt und die Bewohner hatten ihn freudig willkommen geheißen. Die
Statue des Königs, die auf einem hohen Piedestale von Marmor stand, war
umgerissen und in den Tyne gestürzt worden. In Hull erinnerte man sich
noch lange des 3. Decembers als des Jahrestages der Einnahme der Stadt.
In dieser Stadt lag eine Garnison unter den Befehlen Lord Langdale's,
eines Katholiken. Die protestantischen Offiziere entwarfen im
Einverständniß mit dem Magistrat den Plan zu einem Aufstande; Langdale
und seine Anhänger wurden festgenommen und Soldaten und Bürger erklärten
sich gemeinsam für die protestantische Religion und ein freies
Parlament.[149]

Inzwischen hatten sich auch die örtlichen Grafschaften erhoben. Der
Herzog von Norfolk erschien mit einem Gefolge von dreihundert
bewaffneten und berittenen Gentlemen auf dem stattlichen Marktplatze von
Norwich. Hier begrüßten ihn der Mayor und die Aldermen und
verpflichteten sich, ihm gegen Papismus und Willkürherrschaft
beizustehen.[150] Lord Herbert von Cherbury und Sir Eduard Harley
griffen in Worcestershire zu den Waffen.[151] Bristol, die zweite Stadt
des Reichs, öffnete Shrewsbury ihre Thore. Trelawney, der Bischof, der
im Tower das Prinzip des Nichtwiderstandes völlig verlernt hatte, war
der Erste, der die Truppen des Prinzen bewillkommnete. Die Stimmung der
Einwohner war so, daß man es für unnöthig hielt, eine Garnison unter
ihnen zurückzulassen.[152] Das Volk von Gloucester erhob sich ebenfalls
und befreite Lovelace aus dem Gefängniß. Es sammelte sich bald ein
irreguläres Truppencorps um ihn. Einige von seinen Reitern hatten nur
Stricke anstatt der Zügel und viele von seinen Fußsoldaten hatten keine
andre Waffe als einen Knotenstock. Aber diese Truppe marschirte
unangefochten durch Grafschaften, welche einst dem Hause Stuart ergeben
waren, und zog endlich triumphirend in Oxford ein. Die Behörden
bewillkommneten die Aufständischen mit feierlichem Gepränge. Selbst die
durch neuerliche Kränkungen noch erbitterte Universität war nicht
geneigt, den Aufstand zu tadeln. Schon hatten die Oberhäupter
angesehener Familien eines ihrer Mitglieder abgesandt, um den Prinzen
von Oranien zu versichern, daß sie aufrichtig für ihn seien und ihm gern
ihr Silbergeräth zum Einschmelzen überlassen würden. Der whiggistische
Anführer ritt daher unter allgemeinem Jubel durch die Hauptstadt des
Toryismus. Vor ihm her schlugen die Tambours den Lillibullero. Hinter
ihm folgte ein langer Zug von Reiterei und Fußvolk. Ganz High Street war
mit orangefarbenen Bändern freundlich geschmückt, denn das orangefarbene
Band hatte bereits die doppelte Bedeutung, die es noch jetzt, nach
Verlauf von hundertsechzig Jahren besitzt. Es war schon für den
protestantischen Engländer das Sinnbild der bürgerlichen und religiösen
Freiheit, für den katholischen Celten das Sinnbild der Unterjochung und
Verfolgung.[153]

Während sich so rings um den König Feinde erhoben, wichen die Freunde
mehr und mehr von seiner Seite. Jedermann hatte sich mit dem Gedanken
des Widerstandes vertraut gemacht. Viele, die mit Abscheu die Nachricht
von den ersten Abfällen vernommen, machten sich jetzt Vorwürfe, daß sie
die Zeichen der Zeit so spät erkannt hatten. Man konnte jetzt ohne
Schwierigkeit und Gefahr mit Wilhelm verkehren. Indem der König die
Nation zur Erwählung von Vertretern aufforderte, hatte er Jedermann
stillschweigend ermächtigt, sich an diejenigen Orte zu begeben, wo er
Stimmen oder Einfluß hatte, und viele von diesen Orten waren schon von
Truppen Wilhelm's oder von Insurgenten besetzt. Clarendon ergriff
begierig diese Gelegenheit, um sich von der verlornen Sache loszusagen.
Er wußte, daß er mit seiner Rede in der berathenden Versammlung der
Peers unverzeihlichen Anstoß gegeben hatte, und es verdroß ihn, daß er
nicht mit zum königlichen Commissar ernannt worden war. Er hatte
Besitzungen in Wiltshire. Er beschloß, daß sein Sohn, von dem er noch
unlängst mit tiefem Schmerz und Abscheu gesprochen, ein Wahlcandidat für
diese Grafschaft werden sollte und unter dem Vorwande, für diese Wahl
die nöthigen Veranstaltungen zu treffen, begab er sich nach dem Westen.
Seinem Beispiele folgte sehr bald der Earl von Oxford und Andere, welche
bisher jede Connection mit der Unternehmung des Prinzen von sich
gewiesen hatten.[154]

Inzwischen waren die Eingedrungenen, langsam aber unaufgehalten
vorrückend, der Hauptstadt bis auf siebzig Meilen nahe gekommen.
Obgleich die Mitte des Winters vor der Thür war, hatte man doch schönes
Wetter, der Weg war angenehm und die grünen Wiesen der Ebene von
Salisbury erschienen den Truppen, die sich durch die kothigen Gleise der
Landstraßen von Devonshire und Somersetshire hindurchgearbeitet hatten,
von üppiger Weichheit. Der Marsch der Armee ging über Stonehenge, wo ein
Regiment nach dem andren Halt machte, um diese geheimnißvolle Ruine
anzusehen, die auf dem ganzen Continent als das größte Wunder unsrer
Insel bekannt ist. Wilhelm zog mit demselben militairischen Pomp, den er
in Exeter entfaltet hatte, in Salisbury ein und stieg in dem Palaste ab,
den wenige Tage zuvor der König bewohnt hatte.[155]

    [Anmerkung 149: +Brand's History of Newcastle+; +Tickell's History
    of Hull.+]

    [Anmerkung 150: Ein Bericht über die Vorgänge in Norwich findet
    sich noch in mehreren Sammlungen in der Originalschrift. Siehe
    auch die +Fourth Collection of Papers, 1688+.]

    [Anmerkung 151: +Clarke's Life of James, II. 233+;
    Handschriftliches Memoir der Familie Harley in der
    Mackintosh-Sammlung.]

    [Anmerkung 152: Citters, 9.(19.) Dec. 1688; Brief des Bischofs von
    Bristol an den Prinzen von Oranien vom 5. Dec. 1688, in
    Dalrymple.]

    [Anmerkung 153: Citters, 27. Nov. (7. Dec.) 1688; +Clarendon's
    Diary, Dec. 11+; +Song on Lord Lovelace's entry into Oxford,
    1688+; +Burnet I. 793.+]

    [Anmerkung 154: +Clarendon's Diary, Dec. 2, 3, 4, 5. 1688.+]

    [Anmerkung 155: +Whittle's Exact Diary+; +Eachard's History of the
    Revolution.+]


[_Clarendon schließt sich in Salisbury dem Prinzen an._] Hier wurde sein
Gefolge durch die Earls von Clarendon und von Oxford und andere
hochgestellte Männer vermehrt, welche noch vor einigen Tagen als eifrige
Royalisten betrachtet worden waren. Auch Citters erschien im
holländischen Hauptquartier. Er war seit einigen Wochen in seinem Hause
bei Whitehall unter der beständigen Aufsicht einander ablösender Spione
fast ein Gefangener gewesen. Doch trotz dieser Spione und vielleicht mit
ihrer Beihülfe hatte er sich von Allem was im Palast vorging genaue
Kenntniß zu verschaffen gewußt und er kam nun mit werthvollen Notizen
über Menschen und Dinge reich versehen, um Wilhelm durch seinen Rath zu
unterstützen.[156]

    [Anmerkung 156: Citters, 20.(30.) Nov., 9.(19.) Dec. 1688.]


[_Spaltung im Lager des Prinzen._] Bis hieher hatte die Unternehmung des
Prinzen einen die sanguinischesten Hoffnungen übertreffenden glücklichen
Fortgang gehabt. Jetzt aber begann das Glück nach dem allgemeinen
Gesetz, das die irdischen Dinge regiert, Uneinigkeit zu erzeugen. Die in
Salisbury versammelten Engländer spalteten sich in zwei Parteien. Die
eine davon bestand aus Whigs, welche die Lehren vom passiven Gehorsam
und vom unveräußerlichen Erbrechte stets als knechtischen Aberglauben
betrachtet hatten. Viele von ihnen hatten Jahre lang im Exil zugebracht.
Alle waren lange von jedem Antheil an den Gunstbezeigungen der Krone
ausgeschlossen gewesen. Jetzt frohlockten sie über die nahe Aussicht auf
Größe und Rache. Von glühendem Zorne beseelt und von Sieg und Hoffnung
aufgebläht, wollten sie von keinem Vergleiche hören. Nur die Absetzung
ihres Todfeindes konnte sie zufriedenstellen, und es läßt sich nicht
leugnen, daß sie hierin durchaus consequent waren. Neun Jahre früher
hatten sie sich bemüht, ihn vom Throne auszuschließen, weil sie
fürchteten, daß er ein schlechter König werden möchte, und nachdem er
sich als ein viel schlechterer König erwiesen, als irgend ein
vernünftiger Mensch es hätte vermuthen können, durfte man wohl kaum
erwarten, daß sie ihn gutwillig auf dem Throne lassen würden.

Auf der andren Seite waren nicht wenige von Wilhelm's Anhängern eifrige
Tories, welche bis vor ganz Kurzem die Lehre vom Nichtwiderstande in der
absolutesten Form aufrechterhalten, deren Glaube an diese Lehre aber
einen Augenblick durch die heftigen Leidenschaften erschüttert worden
war, welche die Undankbarkeit des Königs und die Gefahr der Kirche in
ihnen geweckt hatten. Keine Lage konnte peinlicher und beängstigender
sein, als die des alten Kavaliers, der mit bewaffneter Hand dem Throne
gegenüberstand. Die Gewissensscrupel, die ihn nicht abgehalten hatten,
sich in das holländische Lager zu begeben, begannen ihn furchtbar zu
quälen, sobald er sich dort befand. Eine innere Stimme sagte ihm, daß er
ein Verbrechen begangen habe. Jedenfalls hatte er sich Vorwürfen
ausgesetzt, indem er im directen Widerspruch mit den erklärten
Prinzipien seines ganzen Lebens handelte. Er empfand einen
unüberwindlichen Widerwillen gegen seine neuen Verbündeten. Es waren
Leute, die er, so lange er denken konnte, geschmäht und verfolgt hatte:
Presbyterianer, Independenten, Anabaptisten, alte Soldaten Cromwell's,
kecke Burschen Shaftesbury's, Theilnehmer am Ryehousecomplot, gewesene
Anführer des Aufstandes im Westen. Natürlich wünschte er eine Ausflucht
zu finden, die sein Gewissen beruhigen, seine Consequenz rechtfertigen
und zwischen ihm und der großen Masse schismatischer Rebellen, die er
stets verachtet und verabscheut hatte, mit denen er aber jetzt in eine
Kategorie geworfen zu werden fürchten mußte, eine Scheidewand ziehen
konnte. Er verwahrte sich daher entschieden gegen den Gedanken, die
Krone von dem gesalbten Haupte nehmen zu wollen, das der Wille des
Himmels und die Grundgesetze des Reichs geheiligt hatten. Es war sein
sehnlichster Wunsch, auf Grundlagen, welche die königliche Würde nicht
herabsetzten, eine Versöhnung zu Stande kommen zu sehen. Er war ja kein
Verräther, er widersetzte sich eigentlich gar nicht der königlichen
Autorität; er stand nur deshalb unter Waffen, weil er überzeugt war, daß
man dem Throne keinen besseren Dienst leisten könne, als indem man Seine
Majestät durch ein wenig Zwang aus den Händen schlechter Rathgeber
befreite.

Die schlimmen Folgen, welche die gegenseitige Erbitterung dieser
Factionen herbeizuführen drohten, wurden zum großen Theile durch den
Einfluß und die Weisheit des Prinzen verhütet. Umgeben von
streitsüchtigen Disputanten, von zudringlichen Rathgebern, von
kriechenden Schmeichlern, von wachsamen Spionen und böswilligen
Verleumdern, bewahrte er stets seine heitere, undurchdringliche Ruhe. Er
schwieg so lange als Schweigen möglich war, und wenn er sprechen mußte,
brachte der ernste und gebieterische Ton, in welchem er seine reiflich
erwogenen Ansichten kund that, bald jeden Andren zum Schweigen. Was auch
einige seiner allzu eifrigen Anhänger sagen mochten, er äußerte kein
Wort, das die mindeste Absicht auf den Besitz der englischen Krone
verrieth. Er wußte sehr gut, daß zwischen ihm und dieser Krone noch
Hindernisse standen, die vielleicht keine menschliche Klugheit zu
beseitigen vermochte, die aber ein einziger falscher Schritt
unüberwindlich machen konnte. Er hatte nur dann Aussicht, den glänzenden
Preis zu erringen, wenn er sich desselben nicht mit rücksichtsloser Hand
bemächtigte, sondern es ruhig abwartete, bis sein geheimer Wunsch ohne
sichtbares Bemühen oder List von seiner Seite, durch den Drang der
Umstände, durch die Mißgriffe seiner Widersacher und durch die freie
Wahl der Stände des Reichs erfüllt werden würde. Diejenigen, die ihn
auszuforschen wagten, erfuhren nichts, konnten ihn aber doch nicht der
Winkelzüge beschuldigen. Er verwies sie ruhig auf seine Erklärung und
versicherte, daß seit der Abfassung dieses Dokuments in seinen Ansichten
keine Änderung eingetreten sei. Er behandelte seine Anhänger mit so
kluger Gewandtheit, daß ihre Uneinigkeit seine Hand eher gestärkt als
geschwächt zu haben scheint; aber sie brach mit Heftigkeit hervor,
sobald seine Aufsicht nachließ, störte die Eintracht geselliger
Zusammenkünfte und respectirte selbst die Heiligkeit des Gotteshauses
nicht. Clarendon, welcher durch sein Prahlen mit loyalen Gesinnungen die
unleugbare Thatsache, daß er ein Rebell war, bemänteln wollte, hörte mit
heftiger Entrüstung einige seiner neuen Verbündeten bei der Flasche über
die königliche Amnestie lachen, die ihnen so eben huldvoll angeboten
worden war. Sie brauchten keine Verzeihung, sagten sie; im Gegentheil,
der König müßte sie um Verzeihung bitten, ehe sie ihn laufen ließen.
Noch beunruhigender und kränkender für jeden guten Tory war ein Vorfall,
der sich in der Kathedrale von Salisbury ereignete. Sobald der
fungirende Geistliche das Gebet für den König zu lesen begann, erhob
sich Burnet, zu dessen vielen guten Eigenschaften Selbstbeherrschung und
feines Schicklichkeitsgefühl nicht gehörten, von den Knien, setzte sich
in seinen Stuhl und gab einige verächtliche Laute von sich, welche die
Andacht der Gemeinde störten.[157]

Bald hatten die Factionen, welche das Lager des Prinzen spalteten,
Gelegenheit, ihre Stärke zu messen. Die königlichen Commissare waren auf
dem Wege zu ihm. Schon mehrere Tage waren seit ihrer Ernennung
verstrichen, und eine solche Verspätigung in einer Angelegenheit von so
dringender Wichtigkeit war auffallend. In Wahrheit aber wünschte weder
Jakob noch Wilhelm die schleunige Anknüpfung von Unterhandlungen, denn
Jakob wollte nur Zeit gewinnen, um seine Gemahlin und seinen Sohn nach
Frankreich schicken zu können, und Wilhelm's Stellung wurde mit jedem
Tage gebietender. Endlich ließ der Prinz den Commissaren sagen, daß er
in Hungerford mit ihnen zusammentreffen wolle. Er wählte diese Stadt
wahrscheinlich deshalb, weil sie gerade auf halbem Wege zwischen
Salisbury und Oxford lag und sich daher zu einer Zusammenkunft seiner
bedeutendsten Anhänger am besten eignete. In Salisbury befanden sich
diejenigen Kavaliere und Gentlemen, die ihn von Holland aus begleitet
oder sich im Westen ihm angeschlossen hatten, und in Oxford waren viele
Häupter des Aufstandes im Norden.

    [Anmerkung 157: +Clarendon's Diary, Dec, 6, 7. 1688.+]


[_Ankunft des Prinzen in Hungerford._] Donnerstag Abend, den 6. December
traf er in Hungerford ein, und bald füllte sich die kleine Stadt mit
Männern von hohem Rang und Ansehen, welche von allen Seiten herbeikamen.
Der Prinz war von einer starken Truppenabtheilung begleitet, und die aus
dem Norden kommenden Lords brachten Hunderte von irregulären Reitern
mit, deren Armaturen und Reitkunst die Heiterkeit Derer erregte, welche
an den glänzenden Anblick und an die präcisen Bewegungen regulärer
Armeen gewöhnt waren.[158]

    [Anmerkung 158: +Clarendon's Diary. Dec. 7. 1688.+]


[_Gefecht bei Reading._] Während des Prinzen Anwesenheit in Hungerford
fand zwischen einem zweihundertfünfzig Mann starken Detaschement seiner
Truppen und sechshundert in Reading stehenden Irländern ein heißes
Gefecht statt. Bei dieser Gelegenheit bewährte sich die bessere
Disciplin der Eingedrungenen auf das Glänzendste. Obgleich von weit
geringerer Anzahl, trieben sie doch sogleich beim ersten Anlauf die
königlichen Truppen in wilder Flucht durch die Straßen der Stadt bis auf
den Marktplatz. Hier machten die Irländer einen Versuch, sich wieder zu
sammeln, da sie aber von vorn kräftig angegriffen wurden und zu gleicher
Zeit die Bewohner der umliegenden Häuser aus den Fenstern auf sie
feuerten, so entsank ihnen bald der Muth und sie flohen mit dem Verlust
ihrer Fahne und fünfzig Mann. Von den Siegern fielen nur fünf. Die
Nachricht von diesem Kampfe erfüllte die Lords und Gentlemen, die sich
Wilhelm angeschlossen hatten, mit ungetrübter Freude. Nichts an diesem
ganzen Vorfall konnte ihren Nationalstolz kränken. Die Holländer hatten
nicht die Engländer geschlagen, sondern hatten einer englischen Stadt
geholfen, sich von der unerträglichen Herrschaft der Irländer zu
befreien.[159]

    [Anmerkung 159: +History of the Desertion+; Citters, 9.(19.) Dec.
    1688; +Exact Diary+; +Oldmixon, 760.+]


[_Ankunft der königlichen Commissare in Hungerford._] Samstag Morgens,
den 8. December, kamen die königlichen Commissare in Hungerford an. Die
Leibgarde des Prinzen war in Parade aufgestellt, um sie mit
militairischen Ehrenbezeigungen zu empfangen. Bentinck bewillkommnete
sie und erbot sich, sie sofort zu seinem Gebieter zu geleiten. Sie
sprachen die Hoffnung aus, daß der Prinz ihnen eine Privataudienz
bewilligen werde; aber es wurde ihnen darauf erwiedert, daß er
beschlossen habe, sie öffentlich anzuhören und ihnen ebenso zu
antworten. Sie wurden in sein Schlafgemach eingeführt, wo sie ihn von
einer Menge Lords und Gentlemen umgeben fanden.


[_Unterhandlung._] Halifax, dem seine Stellung, sein Alter und seine
Fähigkeiten den Vorrang gaben, führte das Wort. Der Vorschlag, den die
Commissare zu machen beauftragt waren, bestand darin, daß die streitigen
Punkte der Entscheidung des Parlaments, für welches die Wahlen bereits
angeordnet seien, anheimgegeben werden und daß sich bis dahin die Armee
des Prinzen der Hauptstadt nicht weiter als bis auf dreißig oder vierzig
Meilen nähern sollte. Nachdem Halifax erklärt hatte, daß er und seine
Collegen bereit seien, auf dieser Grundlage zu unterhandeln, überreichte
er Wilhelm ein Schreiben vom Könige und entfernte sich dann. Wilhelm
erbrach den Brief und schien ungewöhnlich bewegt zu sein. Es war der
erste, den er von seinem Schwiegervater erhielt, seitdem sie erklärte
Feinde geworden waren. Sie hatten einst auf gutem Fuße gestanden und
einander vertraulich geschrieben; auch hatten sie selbst als sie schon
anfingen, einander mit Mißtrauen und Abneigung zu betrachten, die
freundschaftlichen Formen, welche nahe Verwandte zu gebrauchen pflegen,
noch nicht aus ihren Briefen verbannt. Das von den Commissaren
überbrachte Schreiben aber war von einem Sekretär in diplomatischer Form
und in französischer Sprache abgefaßt. »Ich habe viele Briefe vom Könige
erhalten,« sagte Wilhelm, »aber sie waren alle in englischer Sprache und
von ihm eigenhändig geschrieben.« Er sprach mit einer Gemüthsbewegung,
die er sonst nicht zu zeigen gewohnt war. Er dachte vielleicht in diesem
Augenblicke daran, welche Vorwürfe sein Unternehmen, so gerecht, so
wohlthätig und so nothwendig es auch sein mochte, ihm selbst und der ihm
ergebenen Frau zuziehen mußte. Vielleicht beklagte er das harte
Geschick, das ihn in eine Lage versetzt hatte, in der er seine
Staatspflichten nur dadurch erfüllen konnte, daß er Familienbande
zerriß, und beneidete die glücklichere Lage Derer, die für das Wohl von
Nationen und Kirchen nicht verantwortlich sind. Doch wenn solche
Gedanken wirklich in ihm aufstiegen, so wurden sie mit männlicher
Festigkeit unterdrückt. Er forderte die Lords und Gentlemen, die er in
Folge jenes Schreibens zusammenberief, auf, über die zu ertheilende
Antwort zu berathschlagen, ohne daß er sie durch seine Anwesenheit
irgendwie behindern wolle. Er selbst behielt sich nur das Recht vor,
nach Anhörung ihrer Meinungen in letzter Instanz zu entscheiden. Hierauf
verließ er sie und zog sich nach Littlecote Hall zurück, einem etwa zwei
Meilen entfernten Schlosse, das bis auf unsere Tage nicht allein durch
seine ehrwürdige Bauart und Einrichtung, sondern auch wegen eines
entsetzlichen und geheimnißvollen Verbrechens berühmt ist, das zu den
Zeiten der Tudors daselbst verübt wurde.[160]

Vor seiner Abreise von Hungerford erfuhr er, daß Halifax den dringenden
Wunsch geäußert habe, mit Burnet zu sprechen. In diesem Wunsche lag
nichts Auffallendes, denn Halifax und Burnet hatten lange auf
freundschaftlichem Fuße gestanden. Allerdings konnte es wohl kaum zwei
Männer geben, die einander so wenig glichen. Burnet fehlte es gänzlich
an Takt und Zartgefühl. Halifax besaß dagegen ein außerordentlich feines
Gefühl und sein Sinn für das Lächerliche war von krankhafter
Reizbarkeit. Burnet betrachtete jede Handlung und jeden Character durch
ein vom Parteigeist entstelltes und gefärbtes Medium. Halifax dagegen
war stets geneigt, die Fehler seiner Verbündeten mit schärferem Blicke
zu untersuchen als die Fehler seiner Gegner. Burnet war bei allen seinen
Mängeln und Schwächen und durch alle Wechselfälle seines in
Verhältnissen, welche der Frömmigkeit eben nicht günstig waren,
hingebrachten Lebens ein wahrhaft religiöser Mann. Der skeptische und
sarkastische Halifax wurde für einen Ungläubigen gehalten. Halifax zog
sich daher oft den unwilligen Tadel Burnet's zu, und Burnet war oft die
Zielscheibe von Halifax' scharfem und feinem Witze. Dennoch fühlten sie
sich zu einander hingezogen, fanden gegenseitig Gefallen an ihrer
Unterhaltung, schätzten ihre beiderseitigen Talente, tauschten
freimüthig ihre Ansichten aus und erwiesen einander auch in Zeiten der
Gefahr gute Dienste. Indessen wünschte Halifax seinen alten Bekannten
jetzt nicht aus rein persönlichen Rücksichten zu sprechen. Es mußte den
Commissaren daran gelegen sein, den eigentlichen Endzweck des Prinzen zu
erfahren. Er hatte sich geweigert, sie privatim zu empfangen, und aus
dem, was er ihnen bei einer förmlichen und öffentlichen Zusammenkunft
sagen konnte, war wenig zu ersehen. Fast Alle die sein Vertrauen
besaßen, waren eben so verschwiegen und unergründlich als er selbst.
Burnet bildete die einzige Ausnahme. Er war notorisch geschwätzig und
indiscret, die Umstände aber hatten es nöthig gemacht, ihn ins Vertrauen
zu ziehen, und es unterlag keinem Zweifel, daß es dem gewandten Halifax
gelingen würde, ihm eben so viele Geheimnisse als Worte zu entlocken.
Wilhelm wußte dies sehr gut, und als er erfuhr, daß Halifax mit dem
Doctor sprechen wollte, konnte er sich der Äußerung nicht enthalten:
»Wenn die Beiden zusammenkommen, wird es ein schönes Geschwätz geben.«
Es wurde Burnet nicht erlaubt, privatim mit den Commissaren zu sprechen,
ihm aber versichert, daß seine Treue in den Augen des Prinzen über jeden
Verdacht erhaben sei, und damit er keinen Grund haben konnte, sich zu
beklagen, wurde das Verbot allgemein gemacht.

An jenem Nachmittage versammelten sich die Lords und Gentlemen, welche
Wilhelm um ihren Rath ersucht hatte, in dem Hauptsaale des ersten
Gasthofes zu Hungerford. Oxford präsidirte und die Eröffnungen des
Königs wurden in Erwägung gezogen. Es zeigte sich bald, daß die
Versammlung in zwei Parteien gespalten war, deren eine sehnlichst einen
Vergleich mit dem Könige wünschte, während die andre seinen Sturz
wollte. Die letztere Partei hatte das numerische Übergewicht; aber es
wurde bemerkt, daß Shrewsbury, von dem man glaubte, daß er von allen
englischen Kavalieren den größten Antheil an Wilhelm's Vertrauen hatte,
bei dieser Gelegenheit auf Seiten der Tories stand. Nach langem Hin- und
Herreden wurde die Frage gestellt. Die Majorität war für die Verwerfung
des Vorschlags, den die Commissare zu machen beauftragt waren. Der
Beschluß der Versammlung wurde dem Prinzen nach Littlecote gemeldet. Bei
keinem Anlasse während seines ganzen ereignißvollen Lebens zeigte er
mehr Klugheit und Selbstbeherrschung. Er konnte unmöglich wünschen, daß
die Unterhandlung Erfolg habe; aber er war viel zu klug, um nicht
einzusehen, daß er die öffentliche Meinung nicht mehr für sich gehabt
haben würde, wenn die Unterhandlung an unbilligen Forderungen von seiner
Seite scheiterte. Er verwarf daher die Ansicht seiner allzueifrigen
Anhänger und erklärte, daß er entschlossen sei, auf der vom Könige
proponirten Grundlage zu unterhandeln. Viele von den in Hungerford
versammelten Lords und Gentlemen erhoben Einwendungen dagegen, und ein
ganzer Tag verging unter Hin- und Herstreiten; aber Wilhelm's Entschluß
stand unwiderruflich fest. Er erklärte sich bereit, die Entscheidung
aller streitigen Punkte dem eben einberufenen Parlamente zu überlassen
und sich London nur bis auf vierzig Meilen zu nähern. Er stellte
seinerseits einige Forderungen, welche selbst Diejenigen, die am
wenigsten für ihn eingenommen waren, als mäßig anerkannten. Er
verlangte, daß die bestehenden Gesetze so lange befolgt würden, bis sie
durch die competente Autorität abgeändert wären, und daß alle
Diejenigen, welche ohne gesetzliche Qualification Ämter bekleideten,
sofort entlassen werden sollten. Er war ferner der vollkommen
begründeten Meinung, daß die Berathungen des Parlaments nicht frei sein
könnten, wenn es von irischen Regimentern umgeben war, während er mit
seiner Armee mehrere Tagemärsche weit von demselben entfernt stand. Er
hielt es daher für recht und billig, daß, wenn seine Truppen sich im
Westen der Hauptstadt nur bis auf vierzig Meilen nähern sollten, auch
die königlichen Truppen im Osten sich auf gleiche Entfernung
zurückziehen müßten. So wäre um den Ort herum, wo die Häuser tagten, ein
großer Kreis neutralen Bodens gewesen. Allerdings befanden sich
innerhalb dieses Umkreises zwei für die Bewohner der Hauptstadt höchst
wichtige Festungen, der Tower, der ihre Häuser, und Tilbury Fort, das
ihren Seehandel beherrschte. Ohne Besatzung konnten diese Plätze
unmöglich bleiben, und Wilhelm schlug daher vor, sie einstweilen der
Obhut der City von London zu übergeben. Ferner konnte es der König
möglicherweise für angemessen erachten, sich zur Eröffnung des
Parlaments mit einer Abtheilung Leibgarden nach Westminster zu begeben.
Der Prinz kündigte an, daß er in diesem Falle das Recht beanspruchen
werde, sich ebenfalls mit einer gleichen Anzahl Soldaten dahin zu
begeben. Es schien ihm gerecht, daß, so lange die militairischen
Operationen eingestellt waren, beide Armeen gleichmäßig im Dienste der
Nation stehend betrachtet und gleichmäßig auf Kosten des englischen
Staatsschatzes unterhalten würden. Endlich verlangte er noch eine
Gewährschaft dafür, daß der König sich den Waffenstillstand nicht zu
Nutze machte, um französische Truppen nach England zu ziehen. Der
gefährlichste Punkt in dieser Beziehung war Portsmouth. Der Prinz
bestand jedoch nicht darauf, daß ihm diese wichtige Festung überliefert
werden sollte, sondern machte nur den Vorschlag, sie für die Dauer des
Waffenstillstandes unter das Commando eines Offiziers zu stellen, zu dem
er und Jakob Vertrauen habe.

Wilhelm's Vorschläge waren mit der gewissenhaftesten Ehrlichkeit und
Aufrichtigkeit entworfen, wie sie eher von einem unbeteiligten
Schiedsrichter, der sein Urtheil abgiebt, als von einem siegreichen
Fürsten, der einem hülflosen Feinde Bedingungen vorschreibt, zu erwarten
gewesen wären. Die Anhänger des Königs fanden nichts daran auszusetzen.
Unter den Whigs aber wurde viel darüber gemurrt. Sie wollten von einer
Versöhnung mit ihrem gewesenen Gebieter nichts wissen, sie glaubten sich
aller Unterthanenpflichten gegen ihn entbunden, sie wollten die
Autorität eines durch ihn einberufenen Parlaments nicht anerkennen,
waren einem Waffenstillstande entschieden abgeneigt und konnten nicht
einsehen, warum ein solcher, wenn er dennoch abgeschlossen werden
sollte, auf gleiche Bedingungen basirt sein müsse. Nach allen Regeln des
Kriegs habe die stärkere Partei das Recht, aus ihrer Starke Vortheil zu
ziehen, und sei Jakob's Character von der Art, um eine außerordentliche
Nachsicht zu rechtfertigen? Die, welche so raisonnirten, hatten keinen
Begriff, aus welchem erhabenen Gesichtspunkte und mit welchem scharfen
Blicke der von ihnen getadelte Führer die ganze Stellung Englands und
Europa's betrachtete. Sie wollten Jakob schlechterdings stürzen und
würden sich daher entweder geweigert haben, unter irgend welchen
Bedingungen mit ihm zu unterhandeln, oder sie würden ihm unerträglich
harte Bedingungen gestellt haben. Wenn Wilhelm's umfassender und tief
durchdachter politischer Plan gelingen sollte, mußte Jakob durch
Zurückweisung auffallend liberaler Bedingungen sich selbst ins Verderben
stürzen. Die kommenden Ereignisse bewiesen sprechend die Weisheit des
Verfahrens, welches die Mehrzahl der in Hungerford versammelten
Engländer zu verdammen geneigt war.

Am Sonntag, den 9. December, wurden die Forderungen des Prinzen
niedergeschrieben und Halifax übergeben. Die Commissare speisten in
Littlecote mit einer glänzenden Gesellschaft, welche ihnen zu Ehren
eingeladen worden war. Die alte Halle, geschmückt mit Panzerhemden,
welche die Kriege der Rosen gesehen und mit den Bildnissen von
Kavalieren, die eine Zierde des Hofes Philipp's und Mariens gewesen
waren, war an jenem Tage mit Peers und Generälen angefüllt. In einem
solchen Gedränge konnte man leicht eine kurze Frage und Antwort
wechseln, ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Halifax benutzte
die Gelegenheit, die sich ihm darbot, um Burnet Alles was er wußte und
dachte zu entlocken. »Was wollt Ihr eigentlich?« fragte der gewandte
Diplomat; »wollt Ihr den König in Eure Gewalt haben?« -- »Durchaus
nicht,« antwortete Burnet, »wir würden seiner Person nicht das mindeste
Leid anthun.« -- »Wenn er aber flüchtete?« fuhr Halifax fort. »Dies wäre
uns das Erwünschteste.« Es kann nicht bezweifelt werden, daß Burnet die
allgemeine Ansicht der Whigs im Lager des Prinzen aussprach. Sie
wünschten Alle, daß Jakob das Land verlassen möchte, aber nur einige
wenige von den weisesten unter ihnen sahen ein, wie wichtig es war, daß
seine Flucht von der Nation seiner eignen Thorheit und Verblendung und
nicht harter Behandlung oder begründeter Furcht zugeschrieben wurde.
Wahrscheinlich wären selbst in der verzweifelten Lage, in die er
versetzt war, alle seine Feinde zusammengenommen noch immer nicht im
Stande gewesen, seinen völligen Sturz zu bewirken, wäre er selbst nicht
sein schlimmster Feind gewesen; aber während seine Commissare an seiner
Rettung arbeiteten, arbeitete er eben so eifrig daran, alle ihre
Bemühungen nutzlos zu machen.[161]

    [Anmerkung 160: Siehe eine höchst interessante Note zum fünften
    Gesange von Sir Walter Scotts Rokeby.]

    [Anmerkung 161: Die Quellen meiner Mittheilungen über die Vorgänge
    in Hungerford sind: +Clarendon's Diary, Dec. 8, 9. 1688+; +Burnet,
    I. 794+; das Schreiben, welches die Commissare dem Prinzen
    überbrachten, und dessen Antwort darauf; +Sir Patrick Hume's
    Diary+; Citters, 9.(19.) Dec.]


[_Die Königin und der Prinz von Wales werden nach Frankreich
geschickt._] Seine Pläne waren endlich reif zur Ausführung. Die
Scheinunterhandlung hatte ihren Zweck erfüllt. An dem nämlichen Tage, an
welchem die drei Lords in Hungerford eintrafen, kam der Prinz von Wales
in Westminster an. Man hatte die Absicht gehabt, ihn die London-Brücke
passiren zu lassen, und einige irländische Truppen waren ihm daher nach
Southwark entgegengesandt worden. Aber sie wurden von einer zahlreichen
Volksmenge mit solchem Geschrei und solchen Verwünschungen empfangen,
daß sie es für gerathen hielten, schleunigst wieder umzukehren. Das
unglückliche Kind passirte die Themse bei Kingston und wurde so in aller
Stille nach Whitehall gebracht, daß Viele glaubten, es sei noch in
Portsmouth.[162]

Den Prinzen und die Königin außer Landes zu schicken, war jetzt das
Hauptziel Jakob's. Aber wem konnte die Leitung der Flucht anvertraut
werden? Dartmouth war der loyalste aller protestantischen Tories, und er
hatte sich geweigert. Dover war eine Creatur der Jesuiten, und selbst er
hatte sich nicht entschließen können. Es war nicht sehr leicht, einen
Engländer von hohem Range und von Ehre zu finden, der es unternommen
hätte, den wahrscheinlichen Erben der englischen Krone den Händen des
Königs von Frankreich zu übergeben. Unter diesen Umständen dachte Jakob
an einen damals in London lebenden Franzosen, Namens Antonin Graf von
Lauzun.

    [Anmerkung 162: +Clarke's Life of James, II. 237.+ Burnet hat
    sonderbarerweise nichts davon gehört oder es vergessen, daß der
    Prinz nach London zurückgebracht wurde. (I. 796.)]


[_Lauzun._] Man hat von diesem Manne gesagt, sein Leben sei wunderbarer
gewesen, als die Träume anderer Leute. In seiner Jugend war er Ludwig's
intimer Gesellschafter gewesen und man hatte ihm Aussicht auf die
höchsten Ämter unter der französischen Krone gemacht. Dann hatte sein
Glücksstern sich plötzlich verdunkelt. Ludwig hatte seinen Jugendfreund
mit bitteren Vorwürfen von sich gestoßen und sollte sich angeblich kaum
haben enthalten können, ihn zu schlagen. Der gefallene Günstling war als
Gefangener auf eine Festung geschickt, aber wieder in Freiheit gesetzt
worden, hatte sich aufs neue der Gunst seines Gebieters erfreut und das
Herz einer der vornehmsten Damen in Europa, Anna Maria, Tochter des
Herzogs Gaston von Orleans, Enkelin König Heinrich's IV. und Erbin der
unermeßlichen Besitzungen des Hauses Montpensier, erobert. Die beiden
Liebenden wünschten sich zu vermählen, der König gab seine Einwilligung
und einige Stunden lang wurde Lauzun vom Hofe als ein Mitglied des
Hauses Bourbon betrachtet. Die Mitgift der Prinzessin wäre in der That
der Bewerbung souverainer Fürsten werth gewesen, denn sie bestand aus
drei großen Herzogthümern, einem unabhängigen Fürstenthume mit eigner
Münze und eigenen Tribunalen, und einem Einkommen, das die
Gesammteinkünfte des Königreichs Schottland weit überstieg. Aber diese
glänzende Aussicht trübte sich, die Verbindung wurde abgebrochen und der
Freier wurde viele Jahre in einem Alpenschlosse eingesperrt. Endlich
ließ sich Ludwig wieder erweichen. Lauzun durfte nicht vor dem Könige
erscheinen, aber es war ihm gestattet, fern vom Hofe seine Freiheit zu
genießen. Er ging nach England und wurde im Palaste Jakob's und in den
vornehmen Cirkeln London's wohl aufgenommen, denn damals galten die
französischen Edelleute in ganz Europa für Muster von Eleganz, und viele
Chevaliers und Vicomtes, welche in den Privatcirkeln zu Versailles nie
Zutritt gehabt hatten, sahen sich in Whitehall von allgemeiner Neugierde
und Bewunderung umgeben. Lauzun war der gegenwärtigen Anforderung in
jeder Hinsicht gewachsen. Er hatte Muth und Ehrgefühl, war an
excentrische Abenteuer gewöhnt und verband mit dem scharfen
Beobachtungssinn und dem sarkastischen Witze eines vollendeten Weltmanns
eine entschiedene Neigung zum irrenden Ritterthum. Alle seine nationalen
Gefühle und alle seine persönlichen Interessen trieben ihn an, das
Abenteuer zu wagen, vor dem die treuesten Unterthanen der englischen
Krone zurückzuschrecken schienen. Als Beschützer der Königin von
Großbritannien und des Prinzen von Wales in einer gefahrvollen Krisis,
konnte er mit Ehren in sein Vaterland zurückkehren, es konnte ihm wieder
gestattet werden, Ludwig ankleiden und speisen zu sehen und nach so
vielen Wechselfällen konnte er am Abende seines Lebens noch einmal die
so wunderbar bezaubernde Jagd nach der königlichen Gunst beginnen.

Von solchen Gefühlen beseelt, nahm Lauzun das ihm angebotene wichtige
Amt bereitwilligst an. Die Vorkehrungen zur Flucht wurden schleunigst
getroffen, ein Schiff erhielt Befehl, sich bei Gravesend bereit zu
halten; aber nach Gravesend zu gelangen, war nicht leicht. Die City war
in einer furchtbaren Aufregung. Die geringste Ursache war hinreichend,
um einen Auflauf zu veranlassen, kein Fremder durfte sich auf den
Straßen zeigen, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen wollte,
angehalten, ausgefragt und als verkappter Jesuit vor einen
Magistratsbeamten geführt zu werden. Man mußte sich daher auf der
Südseite der Themse halten. Es wurde keine Vorsichtsmaßregel versäumt,
um jeden Verdacht zu zerstreuen. Der König und die Königin begaben sich
wie gewöhnlich zur Ruhe. Jakob wartete, bis eine Zeit lang im Palaste
Alles still gewesen war, dann stand er auf und rief einen Diener, zu dem
er sagte: »Ihr werdet an der Thür des Vorzimmers einen Mann finden;
bringt ihn hierher.« Der Diener gehorchte und Lauzun wurde ins
königliche Schlafgemach eingeführt. »Ich vertraue Ihnen meine Gemahlin
und meinen Sohn an,« sagte der König zu ihm; »sie müssen auf jede Gefahr
hin nach Frankreich gebracht werden.« Lauzun sprach mit ächt
ritterlichem Sinne seinen Dank aus für die ihm zu Theil werdende
gefährliche Ehre und bat um die Erlaubniß, sich der Mithülfe seines
Freundes Saint-Victor, eines Edelmanns aus der Provence, dessen Muth und
Treue vielfach erprobt sei, bedienen zu dürfen. Die Dienste eines so
werthvollen Beistandes wurden bereitwillig angenommen. Lauzun reichte
Marien die Hand, und Saint-Victor hüllte den unglücklichen Erben so
vieler Könige in seinen warmen Mantel. Die Gesellschaft schlich leise
die Hintertreppe hinab und stieg in einen offenen Kahn. Es war eine
traurige Fahrt. Die Nacht war kalt, es regnete, der Wind heulte und der
Wellenschlag war heftig. Endlich erreichte der Kahn Lambeth und die
Flüchtlinge landeten in der Nähe eines Gasthofes, wo ein Wagen und
Pferde sie erwarteten. Es dauerte eine Weile, bis die Pferde angeschirrt
und angespannt waren. Marie wollte aus Furcht erkannt zu werden nicht in
das Haus treten. Sie blieb bei ihrem Kinde, zum Schutz vor dem Unwetter
unter dem Thurme der Lambethkirche kauernd und jedesmal vor Schreck
zusammenfahrend, wenn der Hausknecht sich ihr mit seiner Laterne
näherte. Sie hatte zwei von ihren Kammerfrauen bei sich; die eine nährte
den Prinzen, die andre hatte das Amt, ihn zu wiegen; ihrer Gebieterin
aber konnten Beide nur wenig nützen, denn sie waren Ausländerinnen,
welche kaum englisch sprachen und beständig über das rauhe Klima
Englands klagten. Der einzige tröstliche Umstand war, daß das Kind wohl
war und nicht ein einziges Mal schrie. Endlich war der Wagen bereit.
Saint-Victor begleitete denselben zu Pferde. Die Flüchtlinge kamen
wohlbehalten in Gravesend an und schifften sich auf der sie erwartenden
Yacht ein. Sie fanden auf derselben Lord Powis mit seiner Gattin und
drei irische Offiziere. Diese waren dahin geschickt worden, um Lauzun in
einem etwaigen verzweifelten Nothfalle beizustehen, denn es wurde nicht
für unmöglich gehalten, daß der Kapitain des Schiffes sich als treulos
erwies, und man hatte sich fest vorgenommen, ihn beim geringsten
Verdacht von Verrätherei sofort niederzustoßen. Man kam jedoch nicht in
die Nothwendigkeit, Gewalt zu brauchen. Die Yacht fuhr mit günstigem
Winde den Strom hinab und nachdem Saint-Victor sie hatte absegeln sehen,
sprengte er mit der guten Nachricht nach Whitehall zurück.[163]

Am Montag Morgen, den 10. December, erfuhr der König, daß seine Gemahlin
und sein Sohn ihre Reise unter günstigen Aussichten für die glückliche
Vollendung derselben angetreten hatten. Um die nämliche Zeit kam ein
Courier mit Depeschen von Hungerford im Palaste an. Wäre Jakob ein wenig
scharfsichtiger und etwas weniger halsstarrig gewesen, so würden diese
Depeschen ihn bestimmt haben, alle seine Pläne noch einmal zu erwägen.
Das Schreiben der Commissare berechtigte zu guten Hoffnungen. Die von
dem Sieger gestellten Bedingungen waren auffallend liberal. Der König
selbst konnte sich der Bemerkung nicht enthalten, daß sie günstiger
seien, als er es erwartet hätte. Zwar konnte er nicht ohne Grund
annehmen, daß sie in keiner freundlichen Absicht gestellt wurden; allein
dies kam hier nicht in Betracht; mochten sie ihm in der Hoffnung
angeboten werden, daß er durch Annahme derselben den Grund zu einer
gütlichen Ausgleichung legen werde, oder, und dies war wahrscheinlicher,
in der Hoffnung, daß er sich durch ihre Zurückweisung der Nation als
durchaus unvernünftig und unverbesserlich darstellen werde, jedenfalls
war der Weg, den er hatte einschlagen sollen, vollkommen klar. In beiden
Fallen würde es die Klugheit erfordert haben, sie ohne Besinnen
anzunehmen und treulich zu halten.

    [Anmerkung 163: +Clarke's Life of James, II. 246+; +Père
    d'Orléans, Revolutions d'Angleterre, XI.+; Frau von Sévigné,
    14.(24.) Dec. 1688; +Dangeau Mémoires, 13.(23.) Dec.+ Über Lauzun
    siehe die Memoiren Mademoiselle's und des Herzogs von St. Simon
    und die Characteristiken von Labruyère.]


[_Anstalten des Königs zur Flucht._] Es zeigte sich aber bald, daß
Wilhelm den Character, mit dem er es zu thun hatte, richtig beurtheilt
und durch das Anerbieten jener Bedingungen, welche die in Hungerford
anwesenden Whigs als zu nachsichtig getadelt, nichts gewagt hatte. Die
feierliche Komödie, mit der das Publikum seit dem Rückzuge der
königlichen Armee von Salisbury unterhalten worden war, wurde noch
einige Stunden fortgesetzt. Alle noch in der Hauptstadt anwesenden Lords
wurden in den Palast beschieden, um von den Fortschritten der auf ihren
Rath eingeleiteten Unterhandlungen unterrichtet zu werden. Eine zweite
Versammlung von Peers wurde auf den nächstfolgenden Tag festgesetzt. Der
Lordmayor und die Sheriffs von London wurden ebenfalls vor den König
geladen. Er ermahnte sie, ihre Pflichten mit ungeschwächtem Eifer zu
erfüllen und gestand ihnen, daß er es für zweckmäßig erachtet habe,
seine Gemahlin und seinen Sohn außer Landes zu schicken, versicherte
aber, daß er selbst auf seinem Posten ausharren werde. Als er diese
unkönigliche und unmännliche Lüge sagte, war es schon sein fester
Entschluß, noch vor Tagesanbruch abzureisen. Er hatte bereits sein
werthvollstes bewegliches Eigenthum mehreren fremden Gesandten zur
Aufbewahrung übergeben. Seine wichtigsten Papiere hatte er dem
toskanischen Gesandten anvertraut. Etwas aber mußte vor der Flucht noch
geschehen. Der Tyrann schmeichelte sich mit der Hoffnung, daß er sich an
dem Volke, welches seinen Despotismus nicht länger ertragen wollte,
werde rächen können, indem er es bei seinem Scheiden allem Unheile der
Anarchie preisgab. Er ließ das große Siegel und die Ausschreiben für das
neue Parlament in sein Zimmer bringen. Die noch vorhandenen Ausschreiben
warf er ins Feuer und die bereits abgesandten erklärte er durch eine in
gesetzlicher Form abgefaßte Urkunde für ungültig. An Feversham schrieb
er einen Brief, der nur als ein Befehl zur Auflösung der Armee
verstanden werden konnte. Gleichwohl verhehlte der König selbst seinen
ersten Ministern noch immer seine Absicht, zu entweichen. Ehe er sich
zur Ruhe begab, befahl er noch Jeffreys, am andren Morgen bei Zeiten im
Kabinet zu erscheinen, und als er ins Bett stieg, raunte er Mulgrave zu,
die aus Hungerford angelangten Nachrichten seien höchst befriedigend.
Jedermann entfernte sich hierauf, mit Ausnahme des Herzogs von
Northumberland. Dieser junge Mann, ein natürlicher Sohn Karl's II. und
der Herzogin von Cleveland, war Commandant einer Abtheilung der
Leibgarde und Kammerherr. Es scheint damals am Hofe Sitte gewesen zu
sein, daß in Abwesenheit der Königin ein Kammerherr im Zimmer des Königs
auf einem Feldbett schlafen mußte, und Northumberland war an der Reihe,
diesen Dienst zu versehen.


[_Seine Flucht._] Dienstag den 11. December um drei Uhr Morgens stand
Jakob auf, nahm das große Siegel an sich, befahl Northumberland, die
Thür des Schlafzimmers erst zur gewohnten Stunde zu öffnen und
verschwand durch einen verborgenen Ausgang, wahrscheinlich derselbe,
durch welchen Huddleston ans Bett des vorigen Königs gebracht worden
war. Sir Eduard Hales erwartete ihn mit einer Miethkutsche. Jakob fuhr
nach Millbank, wo er in einem kleinen Nachen über die Themse setzte. Als
er bei Lambeth vorüberfuhr, warf er das große Siegel mitten in den
Strom, wo es viele Monate darauf zufällig in ein Fischernetz gerieth und
herausgezogen wurde.

In Vauxhall stieg er an's Land. Hier erwartete ihn ein bekannter
Reisewagen und er schlug ohne Aufenthalt den Weg nach Sheerneß ein, wo
ein dem Zollhause gehörendes Boot für ihn in Bereitschaft gehalten
wurde.[164]

    [Anmerkung 164: +History of the Desertion+; +Clarke's Life of
    James, II. 251. Orig. Mem.+; +Mulgrave's Account of the
    Revolution+; +Burnet, I. 795+.]


       *       *       *       *       *
           *       *       *       *


  =Zehntes Kapitel.=

  _Das Interregnum._



  =Inhalt.=

                                                               Seite
  Die Flucht des Königs wird bekannt                               5
  Große Aufregung                                                  5
  Die Lords versammeln sich in Guildhall                           5
  Tumulte in London                                                8
  Das Haus des spanischen Gesandten geplündert                     9
  Verhaftung Jeffreys'                                            10
  Die irische Macht                                               11
  Der König wird unweit Sheerneß angehalten                       14
  Die Lords geben Befehl zu seiner Freilassung                    18
  Wilhelm's Verlegenheit                                          19
  Verhaftung Feversham's                                          19
  Ankunft Jakob's in London                                       20
  Berathung in Windsor                                            21
  Die holländischen Truppen besetzen Whitehall                    24
  Das Schreiben des Prinzen wird Jakob überbracht                 24
  Jakob's Aufbruch nach Rochester                                 25
  Wilhelm's Ankunft im St. Jamespalaste                           25
  Es wird ihm gerathen, sich die Krone kraft des
      Eroberungsrechtes aufzusetzen                               27
  Er beruft die Lords und die Mitglieder der Parlamente
      Karl's II. zusammen                                         28
  Jakob's Flucht von Rochester                                    30
  Berathungen und Beschlüsse der Lords                            31
  Verhandlungen und Beschlüsse der von dem Prinzen
    einberufenen Gemeinen                                         32
  Eine Convention berufen                                         33
  Bemühungen des Prinzen zur Herstellung der Ordnung              33
  Seine tolerante Politik                                         34
  Zufriedenheit der katholischen Mächte                           35
  Stimmung in Frankreich                                          35
  Empfang der Königin von England in Frankreich                   36
  Ankunft Jakob's in St.-Germain                                  37
  Stimmung in den Vereinigten Provinzen                           39
  Wahl der Mitglieder zur Convention                              39
  Die Angelegenheiten Schottlands                                 40
  Stand der Parteien in England                                   42
  Sherlock's Plan                                                 44
  Sancroft's Plan                                                 45
  Danby's Plan                                                    47
  Der Plan der Whigs                                              48
  Zusammentritt der Convention. Leitende Mitglieder des Hauses
      der Gemeinen                                                50
  Wahl eines Sprechers                                            51
  Debatte über die Lage der Nation                                52
  Beschluß, durch den der Thron für erledigt erklärt wird         54
  Der Beschluß wird den Lords vorgelegt                           55
  Debatte im Oberhause über den Regentschaftsplan                 55
  Spaltung zwischen den Whigs und den Anhängern Danby's           61
  Versammlung bei dem Earl von Devonshire                         62
  Debatte im Hause der Lords über die Frage der Thronerledigung   63
  Die Majorität für die Verneinung                                64
  Aufregung in London                                             64
  Brief von Jakob an die Convention                               65
  Debatte                                                         65
  Unterhandlungen                                                 65
  Schreiben der Prinzessin von Oranien an Danby                   65
  Die Prinzessin Anna erklärt sich mit dem Whigplane
      einverstanden                                               66
  Wilhelm spricht seine Absichten aus                             67
  Die Conferenz zwischen den beiden Häusern                       68
  Die Lords geben nach                                            69
  Es werden neue Gesetze zur Sicherung der Freiheit
      vorgeschlagen                                               70
  Streitigkeiten und Vergleich                                    71
  Die Rechtserklärung                                             73
  Ankunft Marien's                                                73
  Anbietung und Annahme der Krone                                 74
  Wilhelm und Marie werden ausgerufen                             75
  Eigenthümlicher Character der englischen Revolution             75



[_Die Flucht des Königs wird bekannt._] Northumberland gehorchte
pünktlich dem erhaltenen Befehle und öffnete den Eingang zu den
königlichen Apartements erst als es heller Tag geworden war. Das
Vorzimmer war mit Höflingen, welche ihre Morgenvisite machen wollten,
und mit den zu einer Berathung in den Palast beschiedenen Lords
angefüllt. In einem Augenblicke verbreitete sich die Nachricht von
Jakob's Flucht von den Gallerien in die Straßen und die ganze Stadt kam
in Aufruhr.


[_Große Aufregung._] Es war ein schrecklicher Augenblick. Der König war
fort, der Prinz noch nicht da und keine Regentschaft war ernannt. Das
zur Verwaltung der ordentlichen Rechtspflege unentbehrliche große Siegel
war verschwunden, und bald erfuhr man, daß Feversham bei Empfang des
königlichen Befehls seine Truppen auf der Stelle entlassen hatte. Welche
Achtung vor dem Gesetz und den Eigenthumsrechten konnte man von
bewaffneten und zusammenhaltenden Soldaten erwarten, welche aller
Beschränkungen der Disciplin entledigt waren und denen es an den
nothwendigsten Lebensbedürfnissen fehlte? Auf der andren Seite hatte
auch der Pöbel von London seit einigen Wochen eine starke Neigung zu
Tumulten und Räubereien gezeigt. Die dringende Gefahr des Augenblicks
vereinigte auf kurze Zeit alle Diejenigen mit einander, die ein
Interesse an der Ruhe und Sicherheit der Gesellschaft hatten. Rochester
hatte bis zu diesem Tage fest zur Sache des Königs gehalten. Jetzt sah
er nur noch ein Mittel, um einer allgemeinen Verwirrung vorzubeugen.
»Rufen Sie Ihre Abtheilung Garden zusammen,« sagte er zu Northumberland,
»und erklären Sie sich für den Prinzen von Oranien.« Der Rath wurde
sofort befolgt. Die zur Zeit in London anwesenden höheren Offiziere der
Armee hielten in Whitehall eine berathende Versammlung und beschlossen,
sich der Autorität Wilhelm's zu unterwerfen, ihre Truppen
zusammenzuhalten bis er seinen Willen kund thun würde, und die
Civilgewalt in der Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung zu
unterstützen.[1]

    [Anmerkung 1: +History of the Desertion+; +Mulgrave's Account of
    the Revolution+; +Eachard's History of the Revolution+.]


[_Die Lords versammeln sich in Guildhall._] Die Peers begaben sich nach
der Guildhall, wo sie von dem Magistrat der Stadt mit allen
Ehrenbezeigungen empfangen wurden. Streng gesetzlich waren sie so wenig
als irgend ein andrer Verein von Personen befugt, die ausübende Gewalt
zu übernehmen. Aber im Interesse der öffentlichen Sicherheit war eine
provisorische Regierung durchaus nöthig und zu dem Ende richtete sich
der Blick des Publikums natürlich auf die erblichen Magnaten des Reichs.
Die Größe der Gefahr trieb auch Sancroft aus seinem Palaste. Er nahm den
Präsidentenstuhl ein und unter seinem Vorsitze beschlossen der neue
Erzbischof von York, fünf Bischöfe und zweiundzwanzig weltliche Lords
eine Erklärung aufzusetzen, zu unterzeichnen und zu veröffentlichen. Sie
erklärten in diesem Aktenstücke, daß sie treu zur Religion und
Verfassung ihres Vaterlandes hielten, daß sie die Hoffnung gehegt
hätten, die öffentlichen Mißstände durch das vor kurzem vom Könige
einberufene Parlament abgestellt zu sehen, daß aber seine Flucht diese
Hoffnung zerstört habe. Sie hätten daher beschlossen, sich dem Prinzen
von Oranien anzuschließen, damit die Freiheit der Nation und die Rechte
der Kirche gesichert, den Dissenters gebührende Gewissensfreiheit
gewährt und der Protestantismus durch die ganze Welt befestigt werde.
Bis zur Ankunft Seiner Hoheit wollten sie die Verantwortlichkeit für die
zur Aufrechthaltung der Ordnung nöthigen Maßregeln übernehmen. Es wurde
sofort eine Deputation abgesandt, welche dem Prinzen diese Erklärung
vorlegen und ihm sagen sollte, daß er mit Ungeduld in London erwartet
werde.[2]

Die Lords schritten nun zur Berathung der Maßregeln, welche ergriffen
werden mußten, um Ruhestörungen vorzubeugen. Sie schickten nach den
beiden Staatssekretären. Middleton wollte sich einer Autorität, die er
für widerrechtlich angemaßt hielt, nicht unterwerfen; Preston aber, der
über die Flucht seines Gebieters ganz bestürzt war und nicht wußte, was
er zu erwarten hatte, noch wohin er sich wenden sollte, kam der
Aufforderung nach. Es wurde ein Bote an Skelton, den Gouverneur des
Tower gesandt, um ihn in die Guildhall zu berufen. Er kam und ward
bedeutet, daß man seiner Dienste nicht länger bedürfe und daß er
augenblicklich seine Schlüssel abzuliefern habe. Zu seinem Nachfolger
wurde Lord Lucas ernannt. Zu gleicher Zeit wurde auf Befehl der Peers an
Dartmouth ein Brief geschrieben, welcher die Weisung enthielt, daß er
sich jeder feindseligen Operation gegen die holländische Flotte
enthalten und alle unter ihm commandirenden papistischen Offiziere
entlassen solle.[3]

Die Rolle, welche Sancroft und einige andere Personen, die bis zu diesem
Tage das Prinzip des passiven Gehorsams streng festgehalten hatten, bei
diesen Maßnahmen spielten, verdient besondere Erwähnung. Den Oberbefehl
über die Land- und Seemacht des Staats eigenmächtig zu übernehmen, die
Offiziere zu entlassen, denen der König seine Schlösser und Schiffe
anvertraut, und seinem Admiral alle Operationen gegen seine Feinde zu
verbieten: dies war gewiß nichts Geringeres als offener Aufruhr.
Indessen redeten sich mehrere rechtschaffene und talentvolle Tories aus
Filmer's Schule dennoch ein, daß sie dies Alles thun könnten, ohne sich
des Widerstandes gegen ihren Souverain schuldig zu machen. Die
Unterscheidung, welche sie dabei machten, war wenigstens sinnreich. Die
Regierung, sagten sie, ist eine göttliche Anordnung. Die erbliche
monarchische Regierung ist vorzugsweise eine göttliche Anordnung. So
lange der König befiehlt was recht und gesetzlich ist, müssen wir ihm
bereitwillig gehorchen, und wenn er etwas Ungesetzliches befiehlt,
müssen wir ihm passiv gehorchen. Selbst im äußersten Falle sind wir
nicht berechtigt, ihm gewaltsamen Widerstand entgegenzusetzen. Legt er
aber freiwillig seine Functionen nieder, so erlöschen dadurch seine
Rechte über uns. So lange er uns, wenn auch schlecht, regiert, sind wir
ihm Gehorsam schuldig; will er uns aber gar nicht mehr regieren, so sind
wir nicht verbunden, für immer ohne Regierung zu bleiben. Anarchie ist
keine göttliche Anordnung und Gott wird es uns gewiß nicht als Sünde
anrechnen, wenn ein Fürst, den wir trotz der heftigsten Provokationen
niemals die Ehrerbietung und den Gehorsam verweigert haben, plötzlich
abreist, ohne daß wir wissen wohin und ohne daß er einen Stellvertreter
hinterlassen, und wir schlagen dann das einzige Verfahren ein, durch das
wir die völlige Auflösung der Gesellschaft verhindern können. Wäre unser
Monarch bei uns geblieben, so würden wir, so wenig er auch unsre Liebe
verdiente, mit Freuden zu seinen Füßen gestorben sein. Hätte er, als er
uns verließ, eine Regentschaft eingesetzt, die uns während seiner
Abwesenheit mit stellvertretender Autorität regieren sollte, so würden
wir dieser Regentschaft allein die Leitung der Geschäfte überlassen
haben. Aber er ist verschwunden, ohne für die Erhaltung der Ordnung oder
für die Verwaltung der Justiz Vorsorge getroffen zu haben. Mit ihm und
seinem großen Siegel ist auch das ganze Triebwerk verschwunden, durch
welches ein Mörder bestraft, das Recht auf einen Besitz entschieden und
das Vermögen eines Bankerotteurs vertheilt werden kann. Seine letzte
Handlung war, daß er viele Tausende bewaffneter Männer von den Zügeln
der militairischen Disciplin befreite und sie in die Lage versetzte,
entweder plündern oder darben zu müssen. Noch einige Stunden, und
Jedermann wird sich an seinem Nachbar vergreifen. Leben, Eigenthum und
Frauenehre werden allen Ungesetzlichkeiten preisgegeben sein. Wir
befinden uns diesen Augenblick thatsächlich in dem Naturzustande, über
den die Theoretiker soviel geschrieben haben, und in diesen Zustand sind
wir nicht durch unsre Schuld, sondern durch den freiwilligen Abfall des
Mannes versetzt worden, der unser Beschützer hätte sein sollen. Sein
Abfall darf mit Recht freiwillig genannt werden, denn weder sein Leben
noch seine Freiheit war gefährdet. Seine Feinde hatten sich eben bereit
erklärt, auf einer von ihm selbst vorgeschlagenen Grundlage mit ihm zu
unterhandeln und sich unter Bedingungen, deren Billigkeit er nicht
leugnen konnte, erboten, alle feindseligen Operationen sofort
einzustellen. Unter solchen Umständen hat er sein Amt niedergelegt. Wir
widerrufen nichts, wir sind in nichts inconsequent, wir halten noch
immer ohne Unterschied an unseren alten Prinzipien fest, wir sind noch
immer der Meinung, daß es in allen Fällen sündhaft ist, sich der
Obrigkeit zu widersetzen; aber wir sagen, es giebt keine Obrigkeit mehr,
der wir uns widersetzen könnten. Der Mann, der die Obrigkeit war, hat
seine Gewalt, nachdem er sie lange gemißbraucht, endlich niedergelegt.
Der Mißbrauch berechtigte uns nicht dazu ihn abzusetzen, die Abdankung
aber giebt uns das Recht, zu erwägen, wie wir seine Stelle am besten
wieder besetzen.

Aus diesen Gründen gewann die Partei des Prinzen viele neue Anhänger,
die sich bisher von ihm fern gehalten hatten. Seit Menschengedenken war
man der vollkommenen Einigkeit aller verständigen Engländer noch nie so
nahe gewesen, als bei dieser Gelegenheit; nie hatte man aber auch der
Einigkeit so sehr bedurft. Eine gesetzliche Autorität gab es nicht. Alle
die schlimmen Leidenschaften, welche eine Regierung zu zügeln
verpflichtet ist und welche auch die besten Regierungen nur unvollkommen
zu zügeln vermögen, waren plötzlich von jedem Zwange befreit: Habgier,
Sittenlosigkeit, Rachsucht, Seelenhaß und Nationalhaß. Bei solchen
Gelegenheiten wird man stets finden, daß das menschliche Ungeziefer,
das, von den Dienern des Staats und der Kirche vernachlässigt, inmitten
der Civilisation und des Christenthums in heidnischer Rohheit und mit
allen möglichen physischen und moralischen Lastern befleckt in den
Kellern und Dachkammern der großen Städte nistet, sich mit einem Male zu
furchtbarer Bedeutung erhebt. So war es damals auch in London.

    [Anmerkung 2: +London Gazette, Dec. 13. 1688.+]

    [Anmerkung 3: +Clarke's Life of James, II. 259+; +Mulgrave's
    Account of the Revolution+; Legge's Papiere in der
    Mackintosh-Sammlung.]


[_Tumulte in London._] Als die Nacht, zufällig die längste Nacht im
Jahre, hereinbrach, spieen alle Höhlen des Lasters, der Bärenzwinger von
Hockley und das Labyrinth von Kneipen und Bordellen in den Friars,
Tausende von Einbrechern und Straßenräubern, Taschendieben und Gaunern
aus. Zu ihnen gesellten sich Tausende von Lehrbuben und Gesellen, denen
lediglich nach der Aufregung eines Tumults gelüstete. Selbst
friedliebende und achtbare Leute wurden durch die religiöse Erbitterung
angetrieben, sich dem gesetzlosen Theile der Bevölkerung anzuschließen.
Denn der Ruf: »Kein Papismus!« ein Ausruf, der mehr als einmal die
Existenz Londons gefährdet hat, war das Signal zu Gewaltthätigkeiten und
Räubereien. Zuerst fiel der Pöbel über die katholischen Andachtshäuser
her. Die Gebäude wurden demolirt. Bänke, Kanzeln, Beichtstühle und
Breviarien wurden auf einen Haufen geworfen und verbrannt. Ein
ungeheurer Berg von Büchern und Geräthschaften brannte in der Gegend des
Klosters von Clerkenwell. Ein andrer Haufen wurde neben den Trümmern des
Franziskanerklosters in Lincoln's Inn Fields angezündet. Die beiden
Kapellen in Lime Street und in Bucklersbury wurden niedergerissen. Die
Gemälde, Bilder und Kruzifixe wurden beim Scheine der von den Altären
genommenen Wachskerzen im Triumph durch die Straßen getragen. Die
Prozession starrte von Schwertern und Stöcken, an welche Orangen
gespießt waren. Die Druckerei des Königs, aus der während der letzten
drei Jahre unzählige Schriften zur Vertheidigung der päpstlichen
Oberhoheit, des Bilderdienstes und der Klostergelübde hervorgegangen
waren, wurde, um uns eines Ausdrucks zu bedienen, welcher damals zum
ersten Male aufkam, vollständig ausgeweidet (+gutted+). Die großen
Papiervorräthe, welche zum Theil noch nicht bedruckt waren, lieferten
das Material zu einem ungeheuren Freudenfeuer. Von den Klöstern, Tempeln
und öffentlichen Anstalten wendete sich die Wuth der Menge auf
Privatwohnungen. Mehrere Häuser wurden ausgeplündert und zerstört; die
Geringfügigkeit der Beute aber befriedigte die Plünderer nicht, und bald
verbreitete sich das Gerücht, daß die werthvollsten Effecten der
Papisten den auswärtigen Gesandten zur Aufbewahrung übergeben worden
seien. Der rohe und unwissende Pöbel fragte nichts nach dem Völkerrechte
und nach der Gefahr, die gerechte Rache von ganz Europa auf das
Vaterland zu bringen. Die Häuser der Gesandten wurden belagert. Ein
großer Haufe sammelte sich vor Barillon's Palaste in St. James' Square.
Er kam jedoch leichteren Kaufes davon, als man hätte erwarten sollen,
denn obgleich die Regierung, welche er repräsentirte, allgemein verhaßt
war, so hatten doch sein gastfreier Haushalt und seine pünktlichen
Zahlungen ihn persönlich beliebt gemacht. Überdies hatte er die Vorsicht
gebraucht, um eine militairische Schutzwache zu bitten, und da mehrere
andere in seiner Nähe wohnende Männer von Rang das Nämliche gethan, so
war auf dem Platze eine ansehnliche Streitmacht versammelt. Die
Tumultuanten ließen ihn deshalb unbelästigt, nachdem er versichert
hatte, daß keine Waffen oder Priester in seinem Hause versteckt seien.
Auch der venetianische Gesandte war durch eine Truppenabtheilung
geschützt; die Häuser aber, welche die Gesandten des Kurfürsten von der
Pfalz und des Großherzogs von Toskana bewohnten, wurden zerstört. Einen
werthvollen Kasten konnte der toskanische Gesandte vor den Plünderern
retten. Derselbe enthielt neun Bände Memoiren, von Jakob eigenhändig
geschrieben. Diese Bände kamen unversehrt nach Frankreich, wo sie nach
Verlauf von mehr als einem Jahrhunderte in den Stürmen einer noch weit
furchtbareren Revolution als die, weicher sie glücklich entronnen waren,
zu Grunde gingen. Einige Bruchstücke davon sind indessen noch vorhanden,
und obgleich diese arg verstümmelt und in Massen lächerlicher
Erdichtungen gekleidet sind, so verdienen sie doch aufmerksam studirt zu
werden.


[_Das Haus des spanischen Gesandten geplündert._] Das kostbare
Silbergeräth der königlichen Kapelle war nach Wild House, unweit
Lincoln's Inn Fields, der Wohnung des spanischen Gesandten Ronquillo,
gebracht worden. Ronquillo, der sich bewußt war, daß er und sein Hof
keine üble Behandlung von Seiten der englischen Nation verdienten, hatte
es nicht für nöthig erachtet, um Soldaten zu bitten; aber der Pöbel war
nicht in der Stimmung, um feine Unterschiede zu machen. Der Name Spanien
wurde in der öffentlichen Meinung seit langer Zeit mit der Inquisition
und der Armada, mit den Grausamkeiten Mariens und den Anschlägen gegen
Elisabeth in Verbindung gebracht. Auch hatte sich Ronquillo selbst unter
dem Volke viele Feinde gemacht, indem er sich seines Vorrechts bediente,
um der Nothwendigkeit, seine Schulden zu bezahlen, überhoben zu sein.
Sein Haus wurde daher ohne Gnade geplündert und eine von ihm gesammelte
prächtige Bibliothek den Flammen überliefert. Sein einziger Trost war,
daß die Hostie in seiner Kapelle dem gleichen Schicksale entging.[4]

Die Morgensonne des 12. Decembers beleuchtete ein grauenvolles
Schauspiel. Die Hauptstadt bot an vielen Stellen den Anblick einer mit
Sturm genommenen Stadt dar. Die Lords versammelten sich in Whitehall und
bemühten sich, die Ruhe wieder herzustellen. Die Milizen wurden unter
die Waffen gerufen und ein Kavalleriedetaschement in Bereitschaft
gehalten, um tumultuarische Zusammenrottungen zu zerstreuen. Für die den
fremden Regierungen zugefügten Insulten wurde Genugthuung gewährt, so
weit es in jenem Augenblicke möglich war. Es wurde eine Belohnung auf
die Entdeckung der aus Wild House geraubten Effecten ausgesetzt, und
Ronquillo, der kein Bett und keine Unze Silbergeschirr mehr besaß, wurde
in dem verlassenen Palaste der Könige von England glänzend einquartirt.
Eine splendide Tafel wurde ihm gehalten und die königlichen Leibwachen
erhielten Befehl, ihn in seinem Vorzimmer mit der nämlichen
Aufmerksamkeit zu bewachen, die sie dem Souverain zu erzeigen gewohnt
waren. Diese Beweise von Achtung beschwichtigten selbst den
empfindlichen Stolz des spanischen Hofes und beugten jeder Gefahr eines
Bruches vor.[5]

    [Anmerkung 4: +London Gazette, Dec. 13. 1688+; Barillon, 14.(24.)
    Dec.; Citters, von demselben Datum; +Luttrell's Diary+; +Clarke's
    Life of James, II. 256. Orig. Mem.+; Ellis' Correspondenz, 13.
    Dec.; Berathung des spanischen Staatsraths vom 19.(29.) Jan. 1689.
    Ronquillo beklagte sich gegen seine Regierung bitter über die
    erlittenen Verluste: +»Sirviendole solo de consuelo el haber
    tenido prevencion de poder consumir El Santisimo.«+]

    [Anmerkung 5: +London Gazette, Dec. 13. 1688+; +Luttrell's Diary+;
    +Mulgrave's Account of the Revolution+; Berathung des spanischen
    Staatsraths vom 19.(29.) Jan. 1689. Es wurde von Repressalien
    gesprochen, aber der spanische Staatsrath wies den Vorschlag mit
    Verachtung zurück. +»Habiendo sido este hecho por un furor de
    pueblo, sin consentimiento del gobierno, y antes contra su
    voluntad, como lo ha mostrado la satisfaccion que le han dado y le
    han prometido, parece que no hay juicio humano que puede aconsejar
    que se pase à semejante remedio.«+]


[_Verhaftung Jeffreys'._] Trotz der wohlmeinenden Bemühungen der
provisorischen Regierung nahm jedoch die Aufregung stündlich in
erschreckendem Maße zu. Sie wurde noch vermehrt durch einen Vorfall, der
selbst nach so langer Zeit nicht ohne ein Gefühl von Schadenfreude
berichtet werden kann. Ein in Wapping wohnender Geldmäkler, dessen
Hauptgeschäft darin bestand, daß er den dortigen Seeleuten Geld auf hohe
Zinsen vorstreckte, hatte vor einiger Zeit eine Summe auf Bodmerei
ausgeliehen. Der Schuldner suchte bei dem Billigkeitsgericht um
Entbindung von seiner schriftlich eingegangenen Verpflichtung nach, und
der Fall kam vor Jeffreys. Da der Rechtsbeistand des Schuldners sonst
wenig zu sagen wußte, so sagte er, der Darleiher sei ein Trimmer. Der
Kanzler gerieth sogleich in Flammen. »Ein Trimmer?« rief er aus; »wo ist
er? ich will ihn sehen, ich habe von dieser Gattung Ungeheuer gehört.
Wie mögen sie aussehen?« Der unglückliche Gläubiger mußte vortreten. Der
Kanzler sah ihn mit einem durchbohrenden Blicke an, überhäufte ihn mit
einer Fluth von Schmähungen und schickte ihn dann halb todt vor Angst
wieder fort. »Dieses fürchterliche Gesicht,« sagte der arme Mann,
während er aus dem Gerichtssaale wankte, »werde ich zeitlebens nicht
vergessen.« Jetzt aber war der Tag der Vergeltung gekommen. Auf einem
Gange durch Wapping sah der Trimmer am Fenster eines Alehauses ein ihm
wohlbekanntes Gesicht. Er konnte sich nicht irren. Zwar waren die
Augenbrauen abrasirt und der von Kohlenstaub geschwärzte Anzug war der
eines gemeinen Matrosen; aber Jeffreys' wilder Blick und boshafter Mund
waren nicht zu verkennen. Es wurde Lärm gemacht, und in einem
Augenblicke war das Haus von mehreren hundert Leuten aus dem Volke, die
unter lauten Verwünschungen gewaltige Knittel schwangen, belagert. Eine
Compagnie Miliz rettete dem Flüchtling das Leben und führte ihn vor den
Lordmayor. Dieser war ein einfacher Mann, der sein ganzes Leben in
Dunkelheit zugebracht hatte und jetzt ganz bestürzt war, als er sah, daß
er in einer großen Revolution eine wichtige Rolle spielen sollte. Die
Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden und der gefahrdrohende
Zustand der seiner Obhut anvertrauten Stadt, hatte seine geistigen und
körperlichen Kräfte fast erschöpft. Als der große Mann, bei dessen
Zornesblicke noch vor wenigen Tagen das ganze Königreich gezittert
hatte, von Ruß geschwärzt, halb todt vor Angst und von einem tobenden
Pöbelhaufen verfolgt, in das Gerichtszimmer geschleppt wurde, stieg die
Aufregung des unglücklichen Mayors auf's Höchste. Er bekam Nervenzufälle
und wurde zu Bett gebracht, um nie wieder aufzustehen. Inzwischen wurde
die Volksmenge draußen immer zahlreicher und wüthender. Jeffreys bat
darum, daß man ihn ins Gefängniß führen solle. Man holte von den in
Whitehall tagenden Lords einen dazu nöthigen Verhaftbefehl herbei und
Jeffreys wurde in einem Wagen nach dem Tower gebracht. Zwei Regimenter
Miliz waren zur Eskorte aufgeboten worden, und sie hatten ein schweres
Stück Arbeit. Sie waren zu wiederholten Malen genöthigt, sich so zu
formiren, als ob sie einen Kavallerieangriff abzuwehren hätten, und dem
Pöbel einen Wald von Lanzen entgegenzuhalten. Die Tausende, die sich in
ihren rachsüchtigen Hoffnungen getäuscht sahen, verfolgten den Wagen
unter wüthendem Gebrüll bis zum Eingang in den Tower, dabei beständig
ihre Stöcke schwingend und dem Gefangenen Stricke vor die Augen haltend.
Der Unglückliche war vom Entsetzen und der Angst wie gelähmt. Er rang
die Hände, blickte bald aus diesem, bald aus jenem Fenster und man hörte
ihn trotz des betäubenden Lärms deutlich ausrufen: »Haltet sie zurück,
Gentlemen! um des Himmels willen, haltet sie zurück!« Endlich nachdem er
weit mehr als die Qualen des Todes gelitten, wurde er in dem
Staatsgefängnisse, in welchem einige von seinen erlauchtesten
Schlachtopfern ihr Leben beschlossen hatten und in welchem auch er seine
Tage in unsäglicher Schmach und Angst beschließen sollte, in Sicherheit
gebracht.[6]

Diese ganze Zeit über wurde eifrig auf katholische Priester gefahndet.
Viele wurden festgenommen und zwei Bischöfe, Ellis und Leyburne, wurden
nach Newgate abgeführt. Der Nuntius, welcher kaum erwarten durfte, daß
die Menge seinen geistlichen oder weltlichen Character respectiren
werde, entkam als Bedienter verkleidet, im Gefolge des Gesandten des
Herzogs von Savoyen.[7]

    [Anmerkung 6: +North's Life of Guildford, 220+; +Jeffreys' Elegy+;
    +Luttrell's Diary; Oldmixon, 762+. Oldmixon befand sich unter der
    Menge und war, wie ich nicht zweifle, einer der Wüthendsten. Er
    erzählt die Geschichte gut. Ellis' Correspondenz; Burnet I. 797,
    und Onslow's Note.]

    [Anmerkung 7: Adda, 9.(19.) Dec.; Citters, 18.(28.) Dec.]


[_Die irische Nacht._] Ein zweiter Tag der Aufregung und des Schreckens
ging zu Ende und auf ihn folgte die seltsamste und grauenvollste Nacht,
welche England je gesehen. Gegen Abend machte der Pöbel einen Angriff
auf ein stattliches Haus, das vor wenigen Monaten für Lord Powis erbaut
worden war, unter Georg II. die Wohnung des Herzogs von Newcastle wurde
und sich noch jetzt unter den Gebäuden der nordwestlichen Seite von
Lincoln's Inn Fields auszeichnet. Es wurden einige Truppen hingeschickt,
welche den Pöbel zerstreuten; die Ruhe schien hergestellt zu sein und
die Bürger gingen sorglos zu Bett. In diesem Augenblicke tauchte ein
Gerücht auf, das rasch zu einem furchtbaren Geschrei anschwoll, in einer
Stunde von Piccadilly bis Whitechapel flog und sich durch alle Straßen
und Gassen der Hauptstadt verbreitete. Es hieß, die Irländer, welche
Feversham entlassen, marschirten nach London und machten unterwegs
Alles, Männer, Frauen und Kinder, nieder. Um ein Uhr Morgens schlugen
die Trommeln der Miliz Generalmarsch. Allenthalben weinten die
geängstigten Frauen und rangen die Hände, während ihre Väter und Gatten
sich zum Kampfe fertig machten. Noch vor zwei Uhr gewährte die Stadt das
Ansehen ernster Kampfbereitschaft, das einem wirklichen Feinde gewiß
Respect eingeflößt haben würde, wenn ein solcher im Anzuge gewesen wäre.
An allen Fenstern brannten Lichter. Auf den öffentlichen Plätzen war es
so hell wie am Tage. Alle Hauptzugänge waren verbarrikadirt. Mehr als
zwanzigtausend Piken und Musketen zogen sich die Straßen entlang. Die
späte Morgensonne des Wintersolstitiums fand die ganze City noch unter
den Waffen. Die Londoner erinnerten sich viele Jahre lang lebhaft dieser
Nacht, die sie die irische Nacht nannten. Als es sich zeigte, daß kein
Grund zu Besorgnissen vorhanden gewesen war, versuchte man den Ursprung
des Gerüchts zu entdecken, das eine so große Aufregung veranlaßt hatte.
Es stellte sich heraus, daß einige Personen, welche aussahen und
gekleidet waren wie eben vom Lande hereinkommende Bauern, kurz vor
Mitternacht das Gerücht zuerst in den Vorstädten ausgesprengt hatten;
woher diese Leute aber kamen und in wessen Dienste sie standen, blieb
ein Geheimniß. Bald kamen von vielen Seiten Nachrichten, welche das
Publikum noch bestürzter machten. Der Schrecken hatte sich nicht auf
London allein beschränkt. Das Gerücht, daß irische Soldaten im Anzuge
seien, um die Protestanten niederzumetzeln, war mit boshafter Arglist in
vielen weit von einander entfernten Städten zu gleicher Zeit verbreitet
worden. Eine große Anzahl Briefe, welche sehr geschickt abgefaßt waren,
um das unwissende Volk zu ängstigen, waren durch Diligencen,
Landkutschen und durch die Post nach verschiedenen Gegenden Englands
gesandt worden. Alle diese Briefe kamen fast gleichzeitig in ihre
Bestimmungsorte. In hundert Städten zugleich bemächtigte sich des
niederen Volkes der Wahn, daß bewaffnete Barbaren in der Nähe seien,
welche eben so empörende Verbrechen verüben wollten, wie die, welche den
Aufstand von Ulster geschändet hatten. Kein Protestant sollte verschont
bleiben, Kinder sollten durch die Folter gezwungen werden, ihre Eltern
zu ermorden, Säuglinge sollten auf Lanzen gespießt oder in die
brennenden Trümmern der vor einigen Stunden noch friedlichen Wohnungen
geworfen werden. Große Volksmassen traten unter die Waffen; an einigen
Orten fing man schon an, die Brücken abzubrechen und Barrikaden zu
errichten; bald aber legte sich die Aufregung wieder. In vielen
Districten erfuhren die so schändlich Betrogenen mit einer mit
Beschämung gemischten Freude, daß sich bis auf die Entfernung eines
Achttagemarsches nicht ein einziger papistischer Soldat befinde. In
einigen Orten erschienen zwar vereinzelte herumstreifende Banden von
Irländern und forderten Lebensmittel; aber man darf es ihnen kaum als
Verbrechen anrechnen, daß sie nicht Hungers sterben wollten, und es ist
durch nichts bewiesen, daß sie irgend einen muthwilligen Frevel
verübten. In der That waren sie auch bei weitem nicht so zahlreich, als
man allgemein glaubte, und es sank ihnen aller Muth, als sie sich
plötzlich, ohne Anführer und ohne Lebensmittel inmitten einer starken
Bevölkerung erblickten, von der sie mit Gefühlen betrachtet wurden, wie
man sie etwa gegen eine Heerde Wölfe empfindet. Von allen Unterthanen
Jakob's hatte Niemand mehr Ursache, ihm zu fluchen, als diese
unglücklichen Mitglieder seiner Kirche und Vertheidiger seines
Thrones.[8]

Es macht dem englischen Character Ehre, daß trotz des Widerwillens, mit
welchem die katholische Religion und das irische Volk damals betrachtet
wurden, trotz der Anarchie, welche Jakob's Flucht herbeiführte, und
trotz der kunstvollen Machinationen, welche angewendet wurden, um die
Menge durch die Furcht zur Grausamkeit aufzustacheln, bei dieser
Gelegenheit kein blutiges Verbrechen verübt ward. Allerdings wurde viel
Eigenthum zerstört und geraubt, die Häuser vieler Katholiken wurden
angegriffen, Parke wurden verwüstet und Wild geschossen und gestohlen.
Manch' ehrwürdiges Denkmal der häuslichen Baukunst des Mittelalters
zeigt noch heutigen Tages die Spuren der Gewaltthätigkeit des Volks. Die
Straßen waren an vielen Stellen durch eine selbst errichtete Polizei
gesperrt, welche jeden Reisenden anhielt, bis er bewies, daß er kein
Papist war. Die Themse war von einer Art von Piraten heimgesucht, welche
unter dem Vorwande, auf Waffen und Delinquenten zu fahnden, jedes
vorüberfahrende Boot durchstöberten. Mißliebige Personen wurden
insultirt und hin und her gestoßen. Andere gerade nicht mißliebige waren
froh, wenn sie sich selbst und ihre Effecten dadurch loskaufen durften,
daß sie den eifrigen Protestanten, die sich ohne gesetzliche Autorität
das Amt von Untersuchungsrichtern angemaßt hatten, einige Guineen gaben.
Aber inmitten dieser Verwirrung, welche mehrere Tage währte und sich
über viele Grafschaften erstreckte, kam nicht ein einziger Katholik ums
Leben. Der Pöbel zeigte kein Verlangen nach Blutvergießen, ausgenommen
bei Jeffreys, und der Haß, den dieser abscheuliche Mann erweckte, stand
der Menschlichkeit näher als der Grausamkeit.[9]

Viele Jahre später behauptete Hugo Speke, die irische Nacht sei sein
Werk gewesen; er habe die Bauern angestellt, welche London aufgeregt,
und er sei der Verfasser der Briefe, welche im ganzen Lande Schrecken
verbreitet hatten. Seine Behauptung an sich ist nicht unwahrscheinlich,
aber sie stützt sich auf kein andres Zeugniß als sein eignes Wort. Er
war wohl der Mann dazu, eine solche Schurkerei zu begehen, aber auch
eben so fähig, sich fälschlich einer solchen That zu rühmen.[10]

In London wurde Wilhelm mit Ungeduld erwartet; denn man zweifelte nicht,
daß seine Energie und Einsicht die Ordnung und Sicherheit bald wieder
herstellen werde. Seine Ankunft aber erlitt eine Verzögerung, wegen der
er billigerweise nicht getadelt werden kann. Es war ursprünglich seine
Absicht gewesen, sich von Hungerford nach Oxford zu begeben, wo ihm ein
ehrenvoller und warmer Empfang zugesichert war; die Ankunft der
Deputation von der Guildhall aber bewog ihn, seinen Plan zu ändern und
direct nach der Hauptstadt zu eilen. Unterwegs erfuhr er, daß Feversham
dem Befehle des Königs zufolge die royalistische Armee entlassen habe
und daß Tausende von Soldaten, des Zwanges der Disciplin enthoben und an
dem Nothwendigsten Mangel leidend, in den Grafschaften, durch welche der
Weg nach London führte, zerstreut umherirrten. Wilhelm hätte daher nicht
ohne große Gefahr, nicht allein für seine Person, um die er sich wenig
zu kümmern pflegte, sondern auch für die wichtigen Interessen, die er
wahrzunehmen hatte, unter schwacher Bedeckung weiter vordringen können.
Er mußte seine eigenen Bewegungen nach den Bewegungen seiner Truppen
regeln, und Truppen konnten sich damals im tiefsten Winter nur langsam
auf den Heerstraßen vorwärts bewegen. Er kam bei dieser Gelegenheit doch
ein wenig aus seiner gewohnten Ruhe. »So darf man mir nicht kommen,«
rief er mit Bitterkeit aus; »Mylord Feversham soll das bald erfahren.«
Es wurden sofort die geeigneten Maßregeln getroffen, um den durch Jakob
herbeigeführten Übeln abzuhelfen. Churchill und Grafton wurden
beauftragt, die zerstreute Armee wieder zu sammeln und zu ordnen. Die
englischen Soldaten wurden aufgefordert, ihren militairischen Character
wieder anzunehmen, und die Irländer erhielten Befehl, ihre Waffen
abzuliefern, widrigenfalls sie als Banditen betrachtet werden würden;
zugleich aber wurde ihnen versprochen, daß, wenn sie sich gutwillig
fügten, sie mit allem Nothwendigen versehen werden sollten.[11]

Die Befehle des Prinzen wurden fast ohne Widerstand, ausgenommen von
Seiten der irischen Soldaten, welche in Tilbury gelegen hatten,
ausgeführt. Einer von diesen drückte ein Pistol auf Grafton ab. Es
verfehlte, und der Mörder wurde von einem Engländer auf der Stelle
niedergeschossen. Ungefähr zweihundert der unglücklichen Fremden machten
einen tapferen Versuch zur Rückkehr in ihr Vaterland. Sie bemächtigten
sich eines reichbefrachteten Ostindienfahrers, der eben in die Themse
eingelaufen war und versuchten es, in Gravesend Lootsen zu pressen. Sie
fanden jedoch keinen und mußten sich daher ihrer eigenen
Geschicklichkeit in der Schifffahrtskunde anvertrauen. Sie liefen mit
ihrem Schiffe bald auf den Grund und wurden nach einigem Blutvergießen
gezwungen, die Waffen zu strecken.[12]

Wilhelm befand sich jetzt seit fünf Wochen auf englischem Boden und
während dieser ganzen Zeit war ihm das Glück nicht einen Augenblick
untreu geworden, seine Klugheit und Festigkeit hatten sich glänzend
bewährt; noch mehr aber hatte die Thorheit und der Kleinmuth Anderer für
ihn gethan. Und jetzt, in dem Augenblicke, wo es schien, als ob der
vollständigste Erfolg seine Pläne krönen sollte, wurden sie durch einen
jener unerwarteten Zwischenfälle zerstört, welche so oft die klügsten
Berechnungen des menschlichen Scharfsinns zu Schanden machen.

    [Anmerkung 8: Citters, 14.(24.) Dec. 1688. +Luttrell's Diary+;
    Ellis' Correspondenz; +Oldmixon, 761+; +Speke's Secret History of
    the Revolution+; +Clarke's Life of James, II. 257+; +Eachard's
    History of the Revolution+; +History of the Desertion.+]

    [Anmerkung 9: +Clarke's Life of James, II. 258.+]

    [Anmerkung 10: +Secret History of the Revolution.+]

    [Anmerkung 11: +Clarendon's Diary, Dec. 13. 1688+; Citters,
    14.(24.) Dec.; +Eachard's History of the Revolution+.]

    [Anmerkung 12: Citters, 14.(24.) Dec.; +Luttrell's Diary+.]


[_Der König wird unweit Sheerneß angehalten._] Am Morgen des 13.
Decembers wurde die Bevölkerung von London, die sich noch nicht ganz von
der Aufregung der irischen Nacht erholt hatte, durch das Gerücht
überrascht, der König sei angehalten worden und befinde sich noch auf
der Insel. Im Laufe des Tages gewann das Gerücht an Consistenz und
erhielt noch vor dem Abend die vollkommenste Bestätigung.

Jakob war mit untergelegten Pferden das südliche Ufer der Themse entlang
gereist und hatte am Morgen des 12. Decembers Emley Ferry, in der Nähe
der Insel Sheppey, erreicht. Hier lag das Fahrzeug, auf welchem er sich
einschiffen wollte. Er ging an Bord, aber der Wind blies frisch und der
Schiffer wollte es nicht wagen, ohne mehr Ballast in See zu gehen.
Darüber wurde die günstige Gelegenheit einer Ebbe verloren. Es war nahe
an Mitternacht, ehe das Boot flott zu werden begann. Inzwischen hatte
sich die Nachricht, daß der König verschwunden, daß das Land ohne
Regierung und London in der größten Bestürzung sei, rasch die Themse
stromabwärts verbreitet und überall Gewaltthätigkeiten und Unruhen
erzeugt. Die rauhen Fischer der Küste von Kent betrachteten das Boot mit
argwöhnischen und gierigen Blicken. Es hieß, einige vornehm gekleidete
Herren seien eiligst an Bord desselben gegangen. Vielleicht waren es
Jesuiten, und vielleicht waren sie reich! Fünfzig bis sechzig Schiffer,
vom Haß gegen den Papismus und vom Hang zum Plündern angetrieben,
hielten das Boot an, als es eben wieder abfahren wollte. Sie erklärten
den Passagieren, daß sie ans Land gehen und sich bei einem
Magistratsbeamten legitimiren müßten. Das Aussehen des Königs erregte
Verdacht. »Das ist Pater Petre!« rief Einer von der Horde; »ich erkenne
ihn an seinen hohlen Backen.« -- »Durchsucht den alten Jesuiten mit dem
Fratzengesicht!« erscholl es nun von allen Seiten. Er wurde sehr unsanft
hin und her gestoßen und man nahm ihm seine Börse und seine Uhr. Er
hatte seinen Krönungsring und einige andere werthvolle Kleinodien bei
sich; aber diese entgingen den Nachforschungen der Räuber, die sich
überhaupt so wenig auf Juwelen verstanden, daß sie die Diamanten auf
seinen Schuhschnallen für Glasstückchen hielten.

Endlich wurden die Gefangenen ans Land gebracht und in einen Gasthof
geführt. Hier hatte sich ein Volkshaufen versammelt, um sie zu sehen,
und obgleich sich Jakob durch eine Perrücke von andrer Form und Farbe,
als er sie gewöhnlich trug, entstellt hatte, wurde er doch sofort
erkannt. Einen Augenblick schien der Pöbel von ehrfurchtsvoller Scheu
ergriffen, aber die Zureden der Führer gaben ihm wieder Muth und der
Anblick Hales', den sie genau kannten und tödtlich haßten, entflammte
ihre Wuth. Sein Park lag in der Nähe und eine Horde Tumultuanten war
eben damit beschäftigt, sein Haus zu demoliren und sein Wild zu
schießen. Die Menge versicherte den König, daß sie ihm nichts zu Leibe
thun wolle, ihn aber nicht abreisen lassen werde. Der Earl von
Winchelsea, ein Protestant, aber eifriger Royalist, das Oberhaupt der
Familie Finch und ein naher Verwandter Nottingham's, befand sich damals
zufällig in Canterbury. Sobald er erfuhr was geschehen war, eilte er in
Begleitung einiger kentischen Gentlemen nach der Küste. Durch ihre
Verwendung erhielt der König eine anständigere Wohnung, aber er blieb
ein Gefangener. Der Pöbel bewachte fortwährend das Haus, in das er
gebracht worden war, und einige von den Rädelsführern lagen an der Thür
seines Schlafzimmers. Er benahm sich dabei wie ein Mann, den die Last
des Mißgeschicks völlig zu Boden drückt. Zuweilen sprach er in einem so
hochmüthigen Tone, daß die Bauern, die ihn bewachten, zu unehrerbietigen
Antworten gereizt wurden. Dann nahm er wieder zu Bitten seine Zuflucht.
»Laßt mich gehen,« sagte er, »verschafft mir ein Boot. Der Prinz von
Oranien trachtet mir nach dem Leben. Wenn Ihr mich jetzt nicht fliehen
laßt, so wird es zu spät sein. Mein Blut wird dann über Euch kommen. Wer
nicht für mich ist, der ist gegen mich.« Über diesen letzten Text
predigte er eine halbe Stunde lang. Er sprach über eine Menge
verschiedener Gegenstände: über den Ungehorsam der Collegiaten des
Magdalenenstiftes, über die durch den Brunnen der heiligen Winfrede
bewirkten Wunder, über die Illoyalität der Schwarzröcke und über die
Wunderkräfte eines Splitters vom wahrem Kreuze des Erlösers, den er
leider verloren habe. »Was habe ich gethan?« fragte er die anwesenden
kentischen Squires. »Sagen Sie mir die Wahrheit: welchen Fehler habe ich
begangen?« Diejenigen, an welche er diese Frage richtete, waren zu
human, als daß sie ihm die Antwort hätten geben sollen, die ihnen gewiß
auf den Lippen schwebte, und sie hörten daher sein verworrenes Geschwätz
mit mitleidigem Stillschweigen an.[13]

Als die Nachricht, daß er angehalten, insultirt, mit roher Härte
behandelt und ausgeplündert worden sei und daß er sich noch in der
Gewalt roher Bauern befinde, in der Hauptstadt ankam, äußerten sich
verschiedenartige Leidenschaften. Strenge Staatskirchenmänner, welche
wenige Stunden zuvor angefangen hatten zu glauben, daß sie ihrer
Unterthanenpflichten gegen ihn entbunden seien, wurden wieder
schwankend. Er hatte sein Reich nicht verlassen und also die Abdankung
nicht vollendet. Sollte er sein königliches Amt wieder übernehmen,
konnten sie ihm dann nach ihren Grundsätzen den Gehorsam verweigern?
Einsichtsvolle Staatsmänner sahen mit tiefer Betrübniß voraus, daß alle
Streitigkeiten, welche seine Flucht auf einen Augenblick beschwichtigt
hatte, durch seine Rückkehr wieder angeregt und mit vermehrter
Erbitterung fortgesetzt werden würden. Viele Leute aus dem Volke wurden,
obgleich sie noch den Schmerz der ihnen unlängst zugefügten Unbilden
fühlten, von Mitleid für einen von Räubern mißhandelten großen Fürsten
ergriffen und waren zu der Hoffnung geneigt, welche mehr ihrer
Gutherzigkeit als ihrem Verstande zur Ehre gereichte, daß er jetzt noch
die Fehler bereuen könnte, die eine so entsetzliche Strafe über ihn
gebracht hatten.

Von dem Augenblicke an, wo es bekannt wurde, daß der König sich noch in
England befand, erschien Sancroft, der bis dahin als Präsident der
provisorischen Regierung fungirt hatte, nicht mehr in den Sitzungen der
Peers. Halifax, der eben aus dem holländischen Hauptquartier angekommen
war, übernahm den Vorsitz. Seine Ansichten hatten sich in einigen
Stunden völlig verändert. Sowohl politische als religiöse Gefühle
bestimmten ihn jetzt, sich den Whigs anzuschließen. Wer die auf uns
gekommenen Beweisstücke unbefangen prüft, muß der Meinung sein, daß er
das Amt eines königlichen Commissars in der aufrichtigen Hoffnung
übernahm, er werde eine Verständigung zwischen dem Könige und dem
Prinzen unter billigen Bedingungen zu Stande bringen. Die Unterhandlung
hatte mit günstigen Aussichten begonnen; der Prinz hatte Bedingungen
gestellt, die der König selbst als billig anerkennen mußte und der
beredte und geniale Trimmer durfte sich mit der Hoffnung schmeicheln,
daß er im Stande sein werde, zwischen den erbitterten Parteien zu
vermitteln, zwischen extremen Meinungen einen Vergleich zu dictiren, die
Freiheiten und die Religion seines Vaterlandes zu sichern, ohne es den
von einem Dynastiewechsel und einer streitigen Thronfolge
unzertrennlichen Gefahren auszusetzen. Während er sich in derartigen,
seinem Character so wohl zusagenden Gedanken wiegte, erfuhr er, daß er
hintergangen worden war und daß man sich seiner als eines Werkzeugs
bedient hatte, um die Nation zu hintergehen. Seine Sendung nach
Hungerford war eine bloße Komödie gewesen. Der König hatte nicht daran
gedacht, an den Bedingungen festzuhalten, welche die Commissare auf
seinen Befehl vorschlagen hatten. Er hatte ihnen aufgetragen, zu
erklären, daß es sein Wille sei, alle streitigen Fragen dem von ihm
einberufenen Parlamente zur Entscheidung vorzulegen, und während sie
sich dieses Auftrags entledigten, hatte er die Wahlausschreiben
verbrannt, war mit dem Staatssiegel entflohen, hatte die Armee
entlassen, die Justizverwaltung suspendirt, die Regierung aufgelöst und
war aus der Hauptstadt entflohen. Halifax sah nun ein, daß eine gütliche
Verständigung nicht mehr möglich war. Wahrscheinlich empfand er wohl
auch den Verdruß, welcher bei einem durch seine Weisheit weltberühmten
Manne, der die Erfahrung macht, daß ein in jeder Beziehung tief unter
ihm stehender Geist ihn betrogen hat, und bei einem großen Meister der
Satire, der sich selbst in eine lächerliche Situation versetzt sieht,
sehr natürlich ist. Sein Verstand und sein Unwille bewogen ihn in
gleichem Maße, die Versöhnungspläne, auf welche er bisher hingearbeitet
hatte, aufzugeben und sich an die Spitze Derer zu stellen, welche den
Prinzen Wilhelm auf den Thron erheben wollten.[14]

Es existirt noch ein von ihm eigenhändig geschriebenes Tagebuch über die
Vorgänge in der Rathsversammlung der Lords während seiner
Präsidentschaft in derselben.[15] Es wurde keine Vorsichtsmaßregel,
welche zur Verhütung von Gewaltthätigkeiten und Räubereien nöthig
erschien, verabsäumt. Die Peers erließen auf ihre Verantwortung den
Befehl, daß, wenn der Pöbel noch einmal aufstände, die Soldaten scharf
schießen sollten. Jeffreys wurde nach Whitehall gebracht und über das
Schicksal des Staatssiegels und der Wahlausschreiben befragt. Auf seine
eigenen dringenden Bitten wurde er wieder in den Tower geschickt, als
den einzigen Ort, wo er seines Lebens sicher sei, und er entfernte sich
unter Dankesversicherungen und Segenswünschen gegen Diejenigen, die ihm
den Schutz eines Gefängnisses gewährt hatten. Ein whiggistischer
Edelmann trug darauf an, daß Oates in Freiheit gesetzt werden solle;
aber dieser Antrag wurde verworfen.[16]

Die Geschäfte des Tages waren so ziemlich erledigt und Halifax wollte
sich eben erheben, als ihm gemeldet wurde, daß ein Bote von Sheerneß
angekommen sei. Kein Vorfall konnte unangenehmer und störender sein. Man
lud eine große Verantwortlichkeit auf sich, mochte man etwas thun oder
nicht. Halifax, der wahrscheinlich Zeit zu gewinnen wünschte, um sich
mit dem Prinzen in Vernehmen zu setzen, hatte die Versammlung am
liebsten vertagt; Mulgrave aber ersuchte die Lords, auf ihren Plätzen zu
bleiben und führte den Boten ein. Der Mann erzählte seine Geschichte mit
Thränen in den Augen und überreichte einen Brief, der vom König selbst
geschrieben, aber an keine bestimmte Person gerichtet war, sondern nur
den Beistand aller guten Engländer anrief.[17]

    [Anmerkung 13: +Clarke's Life of James, II. 251. Orig. Mem.+; ein
    in Tindal's Fortsetzung zu Rapin abgedruckter Brief. Dieser
    interessante Brief befindet sich in den Harley'schen
    Handschriften, 6852.]

    [Anmerkung 14: Mulgrave erfuhr von einer Dame, die er nicht nennt,
    daß der König erst dann entfliehen wollte, als er einen Brief von
    Halifax erhielt, der sich damals in Hungerford befand. Dieser
    Brief, sagte sie, habe Seine Majestät darauf aufmerksam gemacht,
    daß sein Leben in Gefahr sei, wenn er bleibe. Dies ist sicherlich
    ein Roman. Vor der Abreise der Commissare von London hatte der
    König Barillon gesagt, ihre Sendung sei eine bloße Finte, und den
    festen Entschluß ausgesprochen, das Land zu verlassen. Aus
    Reresby's eigner Erzählung geht hervor, daß Halifax sich
    schändlich hintergangen glaubte.]

    [Anmerkung 15: +Harl. MS. 255.+]

    [Anmerkung 16: +Halifax MS.+; Citters, 18.(28.) Dec. 1688.]

    [Anmerkung 17: +Mulgrave's Account of the Revolution+.]


[_Die Lords geben Befehl zu seiner Freilassung._] Eine solche Bitte
konnte man kaum unbeachtet lassen. Die Lords gaben Feversham Befehl, mit
einer Abtheilung der Leibgarde an den Ort zu eilen, wo der König
zurückgehalten wurde, und Seine Majestät in Freiheit zu setzen.

Middleton und einige andere Anhänger des Königs waren bereits
aufgebrochen, um ihrem unglücklichen Gebieter beizustehen und ihn zu
trösten. Sie fanden ihn in strengem Gewahrsam und sie wurden nicht eher
zu ihm gelassen, als bis sie ihre Degen abgegeben hatten. Er war von
einer ungeheuren Menge Volks umgeben. Einige whiggistische Gentlemen aus
der Umgegend hatten eine starke Abtheilung Miliz zu seiner Bewachung
herbeigeführt. Sie waren der sehr irrigen Meinung gewesen, daß sie sich
durch seine Festhaltung bei seinen Feinden beliebt machen würden, und
waren nicht wenig erstaunt, als sie vernahmen, daß die dem Könige zu
Theil gewordene Behandlung von der provisorischen Regierung in London
gemißbilligt werde, und eine Kavallerieabtheilung unterwegs sei, um ihn
zu befreien. Feversham kam bald an. Er hatte seine Truppe in
Sittingbourne zurückgelassen; aber man hatte nicht nöthig, Gewalt
anzuwenden. Der König durfte ungehindert abreisen und wurde von seinen
Freunden nach Rochester gebracht, wo er sich einige Ruhe gönnte, deren
er dringend bedurfte. Er war in einem traurigen Zustande. Nicht nur sein
niemals sehr heller Verstand war völlig verwirrt, sondern auch der
persönliche Muth, den er in seinen jüngeren Jahren in mehreren
Schlachten, zur See wie zu Lande bewiesen, hatte ihn verlassen. Die
harte körperliche Behandlung, die er jetzt zum ersten Male erfahren,
scheint ihn mehr als irgend ein andres Ereigniß seines bewegten Lebens
niedergedrückt zu haben. Der Abfall seiner Armee, seiner Günstlinge und
seiner Familie erschütterte ihn weniger als die Rohheiten, die er beim
Anhalten seines Bootes ertragen hatte. Die Erinnerung an diese Rohheiten
nagte noch lange an seinem Herzen und äußerte sich einmal in einer
Weise, welche den verächtlichen Spott von ganz Europa erregte. Im
vierten Jahre seiner Verbannung versuchte er es seine Unterthanen durch
das Versprechen einer Amnestie wieder zu gewinnen. Dieser Amnestie war
jedoch eine lange Liste von Ausnahmen beigegeben, und auf dieser Liste
standen neben Churchill und Danby auch die armen Fischer, welche seine
Taschen so unsanft untersucht hatten. Aus diesem Umstande kann man
schließen, wie schmerzlich er die ihm widerfahrene rücksichtslose
Behandlung empfunden haben muß, als sie noch neu war.[18]

Hätte er indessen nur das gewöhnliche Maß von gesundem Verstande
besessen, so würde er eingesehen haben, daß Diejenigen, welche ihn
festnahmen, ihm unabsichtlich einen großen Dienst erzeigt hatten. Die
Ereignisse, welche seit seiner Abwesenheit von der Hauptstadt daselbst
eingetreten waren, hätten ihn überzeugen müssen, daß, wenn seine Flucht
gelungen wäre, er nie hätte zurückkehren dürfen. Er war wider seinen
Willen vom gänzlichen Untergange errettet worden. Jetzt hatte er noch
eine Aussicht, die letzte und einzige, die ihm noch blieb. So groß auch
seine Vergehen sein mochten, ihn zu entthronen, so lange er noch in
seinem Reiche war und sich den Bedingungen fügte, die ein freies
Parlament ihm vorschrieb, wäre fast unmöglich gewesen.

Eine Weile schien er geneigt, zu bleiben. Er sandte Feversham von
Rochester mit einem Briefe an Wilhelm. Der Inhalt dieses Briefes war,
daß Seine Majestät auf der Rückreise nach Whitehall begriffen sei, daß
er eine persönliche Unterredung mit dem Prinzen wünsche und daß der St.
Jamespalast zum Empfang Seiner Hoheit eingerichtet werden solle.[19]

    [Anmerkung 18: Siehe seine aus Saint-Germains datirte Proklamation
    vom 20. April 1692.]

    [Anmerkung 19: +Clarke's Life of James, II, 261. Orig. Mem.+]


[_Wilhelm's Verlegenheit._] Wilhelm befand sich jetzt in Windsor. Er
hatte mit schmerzlichem Bedauern die an der Küste von Kent stattgehabten
Vorfälle erfahren. Kurz vor dem Eintreffen der Nachricht hatten seine
Umgebungen bemerkt, daß er ungewöhnlich heiter war. Er hatte auch in der
That Ursache, sich zu freuen. Er stand am Fuße eines erledigten Thrones.
Es schien, als würden alle Parteien ihn einstimmig auffordern, denselben
zu besteigen. Doch plötzlich trübten sich seine Aussichten. Es ergab
sich, daß die Abdankung nicht vollständig gewesen war. Ein großer Theil
seiner Anhänger trug gewiß Bedenken, einen König abzusetzen, der noch
unter ihnen war, der sie aufforderte, ihre Beschwerden auf
parlamentarischem Wege anzubringen, und der vollständige Abstellung
derselben versprach. Der Prinz mußte seine neue Stellung erwägen und ein
neues Verfahren einschlagen. Kein Weg stand ihm offen, gegen den sich
nicht Einwendungen hätten machen lassen, kein Weg, der ihn in eine so
vortheilhafte Lage versetzen konnte, als die war, in der er sich vor
wenigen Stunden noch befand. Etwas konnte indessen gethan werden. Der
erste Fluchtversuch des Königs war gescheitert. Das Wünschenswertheste
war jetzt, daß er einen zweiten Versuch mit besserem Erfolge unternehmen
möchte. Er mußte zu gleicher Zeit geängstigt und geködert werden. Die
Liberalität, mit der man ihm bei der Unterhandlung zu Hungerford
entgegengekommen war, und die er mit einem Treubruche vergolten hatte,
war jetzt nicht mehr angewandt. Vergleichsvorschläge durften ihm nicht
mehr gemacht werden, und wenn er solche machte, so mußte man sie kalt
aufnehmen. Aber auch Gewalt durfte nicht gegen ihn angewendet, ja ihm
nicht einmal angedroht werden. Indessen war es vielleicht nicht
unmöglich, einen so schwachen Mann auch ohne Anwendung oder Androhung
von Gewalt um seine persönliche Sicherheit besorgt zu machen. Dann
dachte er gewiß bald wieder an die Flucht, und in diesem Falle mußte ihm
die Flucht auf jede Weise erleichtert und dafür gesorgt werden, daß er
nicht wieder durch einen diensteifrigen Tölpel zurückgehalten wurde.


[_Verhaftung Feversham's._] Dies war Wilhelm's Plan, und die
Geschicklichkeit und Entschlossenheit, womit er denselben ausführte,
contrastiren auffallend mit der ihm gegenüberstehenden Thorheit und
Feigheit. Bald bot sich ihm eine vortreffliche Gelegenheit dar, sein
Einschüchterungssystem zu beginnen. Feversham kam mit Jakob's Brief in
Windsor an. Die Wahl des Boten war eben keine glückliche. Er hatte die
königliche Armee entlassen und ihm gab man vorzugsweise die Verwirrung
und Angst der irischen Nacht Schuld. Sein Benehmen wurde von der
öffentlichen Meinung entschieden getadelt. Wilhelm hatte sich zu einigen
drohenden Worten reizen lassen, und einige drohende Worte aus Wilhelm's
Munde bedeuteten gewöhnlich etwas. Feversham wurde nach seinem
Geleitsbriefe gefragt. Er hatte keinen. Indem er ohne einen solchen in
einem feindlichen Lager erschien, hatte er sich nach den Kriegsgesetzen
der strengsten Behandlung ausgesetzt. Wilhelm weigerte sich ihn zu
empfangen und gab Befehl ihn festzunehmen.[20] Zulestein wurde sofort
abgesandt, um Jakob zu benachrichtigen, daß der Prinz die verlangte
Unterredung ablehne und wünsche, daß Seine Majestät in Rochester blieb.

    [Anmerkung 20: +Clarendon's Diary, Dec. 16. 1688+; +Burnet, I.
    800.+]


[_Ankunft Jakob's in London._] Aber es war zu spät. Jakob war bereits in
London. Er war anfangs unschlüssig gewesen und hatte sich schon einmal
wieder vorgenommen gehabt, einen neuen Versuch zur Flucht auf das
Festland zu machen. Endlich aber gab er dem Andringen von Freunden,
welche klüger waren als er, nach und reiste nach Whitehall ab. Am
Sonntag Nachmittag den 16. December kam er daselbst an. Er hatte
gefürchtet, das Volk, das während seiner Abwesenheit so viele Beweise
von Haß gegen den Papismus gegeben, werde ihm einen schimpflichen
Empfang bereiten. Aber gerade die Heftigkeit des neuerlichen Ausbruchs
hatte eine Erschlaffung zur Folge gehabt. Der Sturm hatte sich selbst
aufgezehrt. Heiterkeit und Mitleid waren auf die Wuth gefolgt. In keinem
Stadttheile Londons äußerte sich die mindeste Neigung, den König zu
beschimpfen; man hörte sogar einzelne Lebehochs, als er durch die City
fuhr. Auf einigen Kirchthürmen läuteten die Glocken und ein paar
Freudenfeuer wurden zu Ehren seiner Zurückkunft angezündet.[21] Sein
kurz zuvor von der Verzweiflung überwältigter schwacher Geist wurde
durch diese unerwarteten Zeichen der Gutherzigkeit und Theilnahme des
Volks mit übermäßiger Freude erfüllt. In der frohesten Stimmung betrat
er seine Wohnung, welche sehr bald ihr früheres Aussehen wieder annahm.
Katholische Priester, welche in der vergangenen Woche froh gewesen
waren, wenn sie sich in Kellern und Dachkammern vor der Wuth der Menge
hatten verbergen können, kamen aus ihren Schlupfwinkeln hervor und
machten Anspruch auf ihre früher innegehabten Gemächer im Palaste. Ein
Jesuit sprach das Tischgebet an der königlichen Tafel. Der irische
Jargon, damals jedem englischen Ohre der verhaßteste von allen
Dialecten, wurde wieder überall in den Höfen und Gallerien vernommen.
Der König selbst zeigte wieder seinen ganzen früheren Hochmuth. Er hielt
einen Staatsrath, den letzten, dem er präsidirte, und berief selbst in
dieser äußerst gefährlichen Lage Personen in denselben, welche
gesetzlich nicht berechtigt waren, einen Sitz darin einzunehmen. Er
sprach sein hohes Mißfallen über das Verfahren der Lords aus, die es
gewagt hatten, während seiner Abwesenheit die Regierungsgeschäfte zu
übernehmen. Er meinte, es sei ihre Pflicht gewesen, eher die
Gesellschaft sich auflösen, die Häuser der Gesandten niederreißen und
London in Brand stecken zu lassen, als sich die Functionen anzumaßen,
welche er niederzulegen für gut befunden hatte. Unter den so Getadelten
befanden sich einige Kavaliere und Prälaten, die ihm trotz aller seiner
Fehler stets treu geblieben waren und selbst nach dieser Provocation nie
weder durch die Hoffnung noch durch die Furcht bewogen werden konnten,
ihre Unterthanentreue von ihm auf einen andren Souverain zu
übertragen.[22]

Doch sein Muth ward bald gebrochen. Kaum war er in seinen Palast
eingezogen, so wurde ihm Zulestein gemeldet. Er überbrachte Wilhelm's
kalte und ernste Botschaft. Der König bestand noch immer auf einer
persönlichen Unterredung mit seinem Neffen. »Ich würde Rochester nicht
verlassen haben,« sagte er, »wenn ich gewußt hätte, daß er dies nicht
wünschte; da ich aber nun einmal hier bin, wird er hoffentlich in den
St. Jamespalast kommen.« -- »Ich muß Eurer Majestät offen sagen,«
entgegnete Zulestein, »daß Seine Hoheit nicht nach London kommen wird,
so lange Truppen hier sind, welche nicht unter seinen Befehlen stehen.«
Der König schwieg bestürzt über diese Antwort. Zulestein entfernte sich,
und bald darauf trat ein Gentleman in das Schlafzimmer mit der Meldung,
daß Feversham verhaftet worden sei.[23] Jakob erschrak nicht wenig
darüber. Doch die Erinnerung an den Beifall, mit dem er begrüßt worden
war, hielt seinen Muth noch immer aufrecht. Eine kühne Hoffnung stieg in
ihm auf. Er glaubte London, so lange das Bollwerk des Protestantismus
und des Whiggismus, werde bereitwilligst zu seinem Schutze die Waffen
ergreifen. Er ließ den Gemeinderath fragen, ob er sich verbindlich
machen wolle, ihn gegen den Prinzen zu vertheidigen, wenn er, der König,
seine Residenz in der City aufschlüge. Der Gemeinderath aber hatte die
Entziehung des Freibriefs und den Justizmord Cornish's nicht vergessen,
und weigerte sich das verlangte Versprechen zu geben. Da sank dem Könige
der Muth wieder. Wohin, fragte er, solle er sich um Schutz wenden? Es
sei ganz das Nämliche, ob er holländische Truppen um sich habe, oder
seine eigene Leibgarde. Was die Bürger betreffe, so wisse er jetzt, was
ihre Lebehochrufe und ihre Freudenfeuer werth seien. Es bleibe ihm
nichts Andres übrig als die Flucht, obgleich er recht wohl wisse, daß
seine Feinde nichts sehnlicher wünschten, als daß er wieder fliehen
möchte.[24]

    [Anmerkung 21: +Clarke's Life of James, II. 262. Orig. Mem.+;
    +Burnet, I. 799.+ In der +History of the Desertion (1689)+ wird
    behauptet, die Lebehochs seien bei dieser Gelegenheit nur von
    einigen jugendlichen Gaffern ausgerufen worden, die Hauptmasse des
    Volks aber habe schweigend zugesehen. Oldmixon, der sich unter der
    Menge befand, sagt das Nämliche, und Ralph, dessen vorgefaßte
    Meinungen von denen Oldmixon's durchaus verschieden waren, erzählt
    uns, daß ein achtbarer Augenzeuge ihm dasselbe mitgetheilt habe.
    Die Wahrheit ist ohne Zweifel die, daß die Freudenbezeigungen an
    sich unbedeutend waren, aber außerordentlich schienen, weil man
    einen heftigen Ausbruch des öffentlichen Unwillens erwartet hatte.
    Barillon erwähnt auch, daß einige Zurufe und Freudenfeuer
    vorgekommen seien, setzt aber hinzu: +»Le peuple dans le fond est
    pour le Prince d'Orange.«+ -- 17.(27.) Dec. 1688.]

    [Anmerkung 22: +London Gazette, Dec. 16. 1688+; +Mulgrave's
    Account of the Revolution; History of the Desertion+; +Burnet, I.
    799+; +Evelyn's Diary, Dec. 13, 17. 1688+.]

    [Anmerkung 23: +Clarke's Life of James, II. 262. Orig. Mem.+]

    [Anmerkung 24: Barillon, 17.(27.) Dec. 1681; +Clarke's Life of
    James, II. 271+.]


[_Berathung in Windsor._] Während er sich in diesem Zustande von Angst
und Ungewißheit befand, war sein Schicksal in Windsor der Gegenstand
ernster Berathung. Wilhelm's Hof war jetzt mit ausgezeichneten Männern
alter Parteien angefüllt. Die meisten Führer des Aufstandes im Norden
hatten sich ihm zugesellt, und mehrere von den Lords, welche während der
Anarchie der vergangenen Woche die Functionen einer provisorischen
Regierung übernommen hatten, waren sogleich nach der Rückkehr des Königs
von London ins holländische Hauptquartier abgereist. Einer von diesen
war Halifax. Wilhelm hatte ihn mit großem Vergnügen willkommen geheißen,
hatte aber ein sarkastisches Lächeln nicht unterdrücken können, als er
diesen genialen und vollendeten Staatsmann, der so gern der
Schiedsrichter in diesem großen Kampfe geworden wäre, gezwungen sah, den
Mittelweg zu verlassen und auf eine Seite zu treten. Unter Denen, die
sich damals nach Windsor begaben, waren auch Einige, welche Jakob's
Gunst durch schmachvolle Dienstleistungen erkauft hatten und die jetzt
das Verbrechen, ihr Vaterland verrathen zu haben, durch Verrath an ihrem
Gebieter wieder gut machen wollten. Ein solcher Mann war Titus, der in
Widerspruch mit dem Gesetz im Geheimen Rath gesessen und sich bemüht
hatte, die Puritaner mit den Jesuiten zu einem Bunde gegen die
Verfassung zu vereinigen. Ein solcher Mann war auch Williams, ein
gewesener Demagog, der aus Eigennutz zum Vertheidiger der Prärogative
geworden und der jetzt zu einem abermaligen Abfalle bereit war. Diese
Männer ließ der Prinz mit gerechter Verachtung in seinem Vorzimmer
vergebens auf eine Audienz warten.[25]

Am Montag den 17. December wurden sämmtliche in Windsor anwesende Peers
zu einer feierlichen Berathung in das Schloß berufen. Der Gegenstand der
Besprechung war die Frage, wie es mit dem Könige gehalten werden sollte.
Wilhelm hielt es nicht für passend, der Discussion beizuwohnen. Er
entfernte sich daher und Halifax wurde aufgefordert, den
Präsidentenstuhl einzunehmen. Über einen Punkt waren die Lords einig,
daß nämlich der König da wo er war nicht bleiben dürfe. Jedermann
fühlte, daß es unpassend sein würde, wenn der eine Fürst sich in
Whitehall, der andre in St. James verschanzte und es auf einem
Flächenraume von hundert Acres zwei feindliche Besatzungen gab. Eine
solche Situation mußte fast unvermeidlich Argwohn, Beleidigungen und
Reibungen hervorrufen, welche einen blutigen Ausgang nehmen konnten. Die
versammelten Lords hielten es daher für zweckmäßig, daß Jakob aus London
entfernt wurde. Ham, das Lauderdale von dem geraubten Gelde Schottlands
und von den Geschenken Frankreichs am Ufer der Themse erbaut und
ausgeschmückt hatte und das für das prächtigste Lustschloß Englands
galt, wurde als ein geeigneter Aufenthaltsort vorgeschlagen. Sobald die
Lords diesen Beschluß gefaßt hatten, ließen sie den Prinzen bitten, daß
er zu ihnen kommen möchte, und Halifax theilte ihm ihre Meinung mit.
Wilhelm hörte sie an und billigte sie. Es wurde sogleich ein kurzes
Schreiben an den König aufgesetzt. »Durch wem sollen wir es ihm zu
senden?« fragte Wilhelm dann. -- »Sollte es nicht durch einen Offizier
Eurer Hoheit überbracht werden?« entgegnete Halifax. -- »Nein, Mylords,
mit Verlaub,« erwiederte der Prinz; »es wird auf Anrathen Eurer
Herrlichkeiten abgesandt, und daher müssen Einige von Ihnen es
überbringen.« Und ohne weitere Einwendungen abzuwarten, ernannte er
Halifax, Shrewsbury und Delamere zu Überbringern.[26]

Der Beschluß der Lords schien einhellig zu sein; aber es waren Einige
darunter, welche die Entscheidung, mit der sie einverstanden zu sein
vorgaben, keineswegs billigten und den König mit einer Strenge behandelt
zu sehen wünschten, die sie nicht offen anzuempfehlen wagten. Es ist
eine bemerkenswerthe Thatsache, daß das Oberhaupt dieser Partei ein Peer
war, der ein heftiger Tory gewesen und der nachher als Eidverweigerer
starb: Clarendon. Die Rapidität, mit der er in dieser Krisis von einem
Extrem zum andren übersprang, muß Leuten, die in friedlichen Zeiten
leben, unglaublich erscheinen, wird aber Diejenigen nicht Wunder nehmen,
welche Gelegenheit hatten, den Gang von Revolutionen zu beobachten. Er
wußte, daß die Rücksichtslosigkeit, mit der er in Anwesenheit des Königs
das ganze Regierungssystem getadelt, seinen ehemaligen Gebieter tief
gekränkt hatte. Auf der andren Seite durfte er als Oheim der
Prinzessinnen hoffen, bei der bevorstehenden neuen Ordnung der Dinge
groß und reich zu werden. Die englische Colonie in Irland betrachtete
ihn als ihren Freund und Beschützer, und er sah ein, daß von dem
Vertrauen und der Zuneigung dieser wichtigen Partei seine zukünftige
Bedeutung großentheils abhing. Diesen Rücksichten mußten jetzt die
Prinzipien weichen, zu denen er sich während seines ganzen Lebens mit
Ostentation bekannt hatte. Er begab sich ins Kabinet des Prinzen und
stellte ihm vor, wie gefährlich es sein würde, wenn man den König frei
ließe. Die irischen Protestanten seien dann in der größten Gefahr. Es
gebe keinen andren Weg, um ihr Eigenthum und ihr Leben zu sichern, als
die strenge Gefangenhaltung des Königs. Ihm ein englisches Schloß zu
seinem Aufenthalt anzuweisen, dürfte nicht klug gehandelt sein; aber man
könnte ihn über's Meer schicken und in die Festung Vreda einschließen,
bis die Angelegenheiten der britischen Inseln geordnet seien. Wenn der
Prinz in Besitz einer solchen Geißel sei, würde Tyrconnel wahrscheinlich
das Staatsschwert niederlegen und die Oberherrschaft Englands in Irland
würde ohne einen Schwertstreich wiederhergestellt werden. Wenn dagegen
Jakob nach Frankreich entkäme und an der Spitze einer fremden Armee in
Dublin erschiene, so müßte dies die verderblichsten Folgen nach sich
ziehen. Wilhelm gab zu, daß diese Gründe sehr gewichtig seien, erklärte
aber, daß er sich dadurch nicht bestimmen lassen könne. Er kenne den
Character seiner Gemahlin und wisse, daß sie nie in einen solchen
Schritt willigen werde. Auch würde es ihm selbst nicht zur Ehre
gereichen, wenn er seinen besiegten Verwandten so rücksichtslos
behandelte. Übrigens könne man gar nicht wissen, ob Großmuth in diesem
Falle nicht die beste Politik sei. Wer könne sagen, welchen Eindruck
eine solche Strenge, wie Clarendon sie anempfahl, auf die öffentliche
Meinung machen werde? Sei es unmöglich, daß die loyale Begeisterung,
welche das verkehrte Benehmen des Königs erstickt hatte, wieder
auflebte, sobald es bekannt würde, daß er sich innerhalb der Mauern
einer ausländischen Festung befinde? Aus diesen Gründen beschloß
Wilhelm, seinen Schwiegervater keinem persönlichen Zwange zu
unterwerfen, und es ist kaum daran zu zweifeln, daß dies ein weiser
Entschluß war.[27]

Jakob blieb, während über sein Schicksal deliberirt wurde, durch die
Größe und Nähe der Gefahr gleichsam wie festgebannt, in Whitehall, eben
so unfähig zu kämpfen, wie zu fliehen. Am Abend traf die Nachricht ein,
daß die Holländer Chelsea und Kensington in Besitz genommen hatten.
Dessenungeachtet schickte sich der König an, wie gewöhnlich zur Ruhe zu
gehen. Die Coldstreamgarden hatten im Palaste den Dienst. Sie standen
unter den Befehlen Wilhelm's, Earl von Craven, eines hochbetagten
Mannes, der sich fünfzig Jahre früher im Kriege und in der Liebe
ausgezeichnet, der bei Kreuznach seine hoffnungslose Stellung mit
solchem Muthe behauptet hatte, daß der große Gustav ihm auf die Schulter
klopfte, und von dem man glaubte, daß er unter tausend Mitbewerbern das
Herz der unglücklichen Königin von Böhmen erobert habe. Craven stand
jetzt in seinem achtzigsten Lebensjahre; aber die Zeit hatte seinen Muth
nicht gebrochen.[28]

    [Anmerkung 25: +Mulgrave's Account of the Revolution+;
    +Clarendon's Diary, Dec. 16. 1688.+]

    [Anmerkung 26: +Burnet, I. 800+; +Clarendon's Diary, Dec. 17.
    1688+; Citters, 18.(28.) Dec. 1688.]

    [Anmerkung 27: +Burnet, I, 800+; +Conduct of the Duchess of
    Marlborough+; +Mulgrave's Account of the Revolution.+ Clarendon
    sagt davon nichts unter dem richtigen Datum, aber man sehe sein
    Tagebuch vom 19. August 1689.]

    [Anmerkung 28: +Harte's Life of Gustavus Adolphus.+]


[_Die holländischen Truppen besetzen Whitehall._] Es war zehn Uhr
vorüber als ihm gemeldet wurde, daß drei Bataillone von der Infanterie
des Prinzen, nebst einigen Reitern, mit brennenden Lunten und vollkommen
kampffertig durch die lange Hauptallee des St. Jamesparks heranrückten.
Graf Solms, der die fremden Truppen befehligte, sagte, er habe Befehl,
die Posten in der Umgebung von Whitehall militairisch zu besetzen und
forderte Craven auf, sich gutwillig zurückzuziehen. Craven schwur, er
werde sich eher in Stücken hauen lassen; als aber der König, der sich
eben auskleidete, erfuhr was vorging, verbot er dem tapferen alten
Soldaten jeden Widerstandsversuch, der doch keinen Erfolg haben konnte.
Um elf Uhr waren die Coldstreamgarden abgezogen und holländische
Schildwachen machten auf allen Seiten des Palastes die Runde. Einige vom
Gefolge des Königs fragten ihn, ob er es wagen wolle, sich, von Feinden
umringt, niederzulegen. Er antwortete, daß sie ihn kaum schlechter
behandeln könnten, als seine eigenen Unterthanen ihn behandelt hätten,
und mit der gefühllosen Gleichgültigkeit eines durch das Unglück
abgestumpften Mannes legte er sich zu Bett.[29]

    [Anmerkung 29: +Clarke's Life of James, II, 264+, größtentheils
    aus den +Orig. Memoirs. Mulgrave's Account of the Revolution+;
    +Rapin de Thoyras+. Es muß bemerkt werden, daß Rapin an diesen
    Vorgängen thätigen Antheil hatte.]


[_Das Schreiben des Prinzen wird Jakob überbracht._] Es war kaum erst
wieder ruhig geworden im Palaste, so gerieth aufs neue Alles in
Bewegung. Kurz nach Mitternacht kamen die drei Lords von Windsor an.
Middleton wurde ersucht, sie zu empfangen. Sie erklärten ihm, daß sie
mit einer Sendung betraut seien, welche keinen Aufschub gestatte. Der
König ward aus seinem ersten Schlummer geweckt, und sie wurden in sein
Schlafzimmer eingeführt. Sie überreichten ihm das ihnen anvertraute
Schreiben und kündigten ihm an, daß der Prinz in einigen Stunden in
Westminster eintreffen und daß Seine Majestät wohl thun werde, vor zehn
Uhr nach Ham abzureisen. Jakob machte einige Einwendungen. Ham gefiel
ihm nicht. Im Sommer sei es ein ganz angenehmer Aufenthalt, um
Weihnachten aber sei es dort kalt und unbehaglich, und überdies sei auch
das Schloß nicht möblirt. Halifax antwortete, daß sofort Möbeln
hingeschickt werden sollten. Die drei Abgesandten entfernten sich;
Middleton aber eilte ihnen nach, um ihnen zu sagen, daß Rochester dem
Könige viel lieber sein werde als Ham. Sie erwiederten, daß sie keine
Vollmacht hätten, den Wunsch des Königs zu erfüllen, daß sie aber
augenblicklich einen Expressen an den Prinzen absenden wollten, der in
Sion House zu übernachten gedenke. Es ging unverzüglich ein Courier ab,
der noch vor Tagesanbruch mit Wilhelm's Einwilligung zurückkam. Wilhelm
gab seine Zustimmung in der That sehr gern, denn es unterlag keinem
Zweifel, daß Rochester deshalb gewählt worden war, weil es große
Erleichterungen für die Flucht darbot, und daß Jakob fliehen möchte, war
der sehnlichste Wunsch seines Neffen.[30]

    [Anmerkung 30: +Clarke's Life of James, II. 265+; +Mulgrave's
    Account of the Revolution; Burnet, I. 801+; Citters, 18.(28.) Dec.
    1688.]


[_Jakob's Aufbruch nach Rochester._] Am Morgen des 18. December, einem
regnerischen und stürmischen Morgen, hielt die königliche Barke
frühzeitig an der Treppe von Whitehall, umgeben von acht bis zehn mit
holländischen Soldaten gefüllten Böten. Mehrere Edelleute und Gentlemen
begleiteten den König bis ans Wasser. Es wird erzählt und läßt sich wohl
auch denken, daß viele Thränen vergossen wurden. Denn selbst der
eifrigste Freund der Freiheit konnte das traurige und schmachvolle Ende
einer Dynastie, welche so groß hätte sein können, nicht gleichgültig mit
ansehen. Shrewsbury that sein Möglichstes, um den gestürzten Monarchen
zu trösten. Selbst der erbitterte und heftige Delamere war ergriffen.
Man bemerkte aber, daß Halifax, der sich sonst durch seine
rücksichtsvolle Freundlichkeit gegen Besiegte auszeichnete, bei dieser
Gelegenheit weniger theilnehmend war als seine beiden Collegen.
Wahrscheinlich konnte er die Scheingesandtschaft nach Hungerford noch
immer nicht vergessen.[31]

Während die königliche Barke langsam über die hochgehenden Wellen den
Fluß hinabfuhr, zog eine Brigade von den Truppen des Prinzen nach der
andren in London ein. Man hatte die sehr weise Anordnung getroffen, daß
der Dienst in der Hauptstadt namentlich von den im Dienste der
Generalstaaten stehenden britischen Soldaten verrichtet werden sollte.
Die drei englischen Regimenter wurden in und um den Tower, die drei
schottischen in Southwark einquartirt.[32]

    [Anmerkung 31: Citters, 18.(28.) Dec. 1688; +Evelyn's Diary+ unter
    demselben Datum; +Clarke's Life of James, II. 266, 267. Orig.
    Mem.+]

    [Anmerkung 32: Citters, 18.(28.) Dec. 1688.]


[_Wilhelm's Ankunft im St. Jamespalaste._] Trotz des schlechten Wetters
sammelte sich eine große Volksmenge zwischen Albemarle House und dem St.
Jamespalaste, um den Prinzen zu bewillkommnen. Jeder Hut, jeder Stock
war mit einem orangefarbenen Bande geschmückt. Alle Glocken von ganz
London wurden geläutet, und an allen Fenstern standen Lichter zu einer
Illumination bereit, während in den Straßen Reißigbündel zu
Freudenfeuern aufgehäuft wurden. Wilhelm aber, der kein Freund vom
Gedränge und vom Jubelgeschrei war; nahm seinen Weg durch den Park. Vor
Einbruch der Nacht kam er, von Schomberg begleitet, in einem leichten
Wagen im St. Jamespalaste an. In kurzer Zeit waren alle Zimmer und
Treppen mit Leuten gefüllt, die ihm ihre Aufwartung machen wollten. Das
Gedränge war so arg, daß die hochgestelltesten Männer nicht im Stande
waren, sich bis in das Empfangszimmer hindurchzuarbeiten.[33] Während
sich Westminster in dieser Aufregung befand, entwarf der Gemeinderath in
der Guildhall eine Dank- und Beglückwünschungsadresse. Der Lordmayor war
nicht im Stande den Vorsitz zu führen. Er hatte das Bett noch nicht
wieder verlassen, seitdem der Kanzler in dem Anzuge eines
Kohlenschiffers in den Gerichtssaal geschleppt worden war. Die Aldermen
aber und die übrigen Beamten der Corporationen waren auf ihren Plätzen.
Am folgenden Tage kam der Magistrat der City in Gala, um dem Befreier zu
huldigen. Ihre Dankbarkeit wurde mit beredten Worten durch ihren
Syndikus, Sir Georg Treby ausgesprochen. Einige Prinzen aus dem Hause
Nassau, sagte er, seien die ersten Beamten einer großen Republik
gewesen. Andere hätten die Kaiserkrone getragen; der gegründetste
Anspruch dieses berühmten Geschlechts auf die öffentliche Verehrung
bestehe darin, daß Gott es zu dem hohen Amte auserwählt und geweiht
habe, von Generation zu Generation die Wahrheit und die Freiheit gegen
die Tyrannei zu vertheidigen. An dem nämlichen Tage machten auch alle in
der Hauptstadt anwesenden Prälaten, mit Ausnahme Sancroft's, dem Prinzen
+in corpore+ ihre Aufwartung. Dann kam, mit ihrem Bischof an der Spitze,
die londoner Geistlichkeit, an Gelehrsamkeit, Beredtsamkeit und Einfluß
die ersten Männer ihres Standes. Ihnen hatten sich einige hervorragende
Dissentergeistliche angeschlossen, welche Compton, was ihm zu großer
Ehre gereichte, mit ausgezeichneter Artigkeit behandelte. Einige
Monate vorher oder nachher würde diese Artigkeit von vielen
Staatskirchenmännern als ein Verrath an der Kirche betrachtet worden
sein, selbst damals konnte ein scharfes Auge nur zu deutlich erkennen,
daß der Waffenstillstand, zu welchen die protestantischen Secten
gezwungen worden waren, die Gefahr, aus der er entsprungen war, nicht
lange überdauern werde. Ungefähr hundert in der Hauptstadt wohnende
nonconformistische Geistliche überreichten eine Separatadresse. Sie
wurden durch Devonshire vorgestellt und mit allen Achtungs- und
Wohlwollensbezeigungen empfangen. Die Juristen brachten ihre Huldigung
unter Anführung Maynard's dar, der im Alter von neunzig Jahren noch so
rüstig und so hellen Geistes war als zu der Zeit, da er in
Westminsterhall als Ankläger Strafford's auftrat. »Mr. Serjeant,« sagte
der Prinz zu ihm, »Sie müssen alle Juristen, die mit Ihnen studirten,
überlebt haben.« -- »Ja, Sire,« erwiederte der Greis, »und wäre Eure
Hoheit nicht gekommen, so würde ich auch die Gesetze überlebt
haben«.[34]

Aber obgleich die Adressen zahlreich und voll von Lobeserhebungen,
obgleich die Jubelrufe laut und die Illumination glänzend, obgleich der
St. Jamespalast für die Masse der Höflinge zu klein und obgleich die
Theater jeden Abend vom Parterre bis zur letzten Gallerie von
orangefarbenen Bändern strotzten, so fühlte Wilhelm doch, daß die
Schwierigkeiten seines Unternehmens erst begonnen hatten. Er hatte eine
Regierung gestürzt: jetzt galt es die Lösung der weit schwierigeren
Aufgabe, eine neue zu errichten. Von dem Augenblicke seiner Landung bis
zu seiner Ankunft in London hatte er die Autorität ausgeübt, welche nach
den in der ganzen civilisirten Welt anerkannten Kriegsgesetzen dem
Oberbefehlshaber einer im Felde stehenden Armee zukommt. Jetzt mußte er
die Rolle eines Generals mit der eines Civilbeamten vertauschen, und
dies war keine leichte Aufgabe. Ein einziger falscher Schritt konnte
unheilbringend werden und es war unmöglich, irgend einen Schritt zu
thun, ohne Vorurtheile zu verletzen und heftige Leidenschaften zu
entzünden.

    [Anmerkung 33: +Luttrell's Diary+; +Evelyn's Diary+; +Clarendon's
    Diary, Dec. 18. 1688; Revolution Politics.+]

    [Anmerkung 34: +Fourth Collection of Papers relating to the
    present juncture of affairs in England, 1688+; +Burnet, I. 802,
    803+; +Calamy's Life and Times of Baxter, chap. XIV.+]


[_Es wird ihm gerathen, sich die Krone kraft des Eroberungsrechtes
aufzusetzen._] Einige von den Rathgebern des Prinzen drangen in ihn, daß
er sich die Krone ohne weiteres kraft des Eroberungsrechtes aufsetzen
und dann als König unter seinem großen Siegel Einberufungsschreiben zu
einem Parlamente erlassen solle. Dieses Verfahren wurde ihm von einigen
ausgezeichneten Juristen eifrig anempfohlen. Sie sagten, es sei der
kürzeste Weg zu dem Ziele, welches außerdem nur mit zahllosen
Schwierigkeiten und Streitigkeiten erreicht werden könne. Es stimme
genau mit dem glückverheißenden Beispiele überein, das vor ihm
Heinrich VII. nach der Schlacht von Bosworth gegeben. Auch werde es die
Bedenken vieler achtbarer Personen wegen Statthaftigkeit der Übertragung
des Unterthaneneides auf einen andren Regenten zerstreuen. Weder das
englische Recht noch die englische Kirche gestehe den Unterthanen die
Befugniß zu, ihren Landesherrn abzusetzen. Aber kein Jurist und kein
Theolog habe je geleugnet, daß eine im Kriege überwundene Nation sich
dem Beschlusse des Gottes der Schlachten unterwerfen dürfe, ohne eine
Sünde zu begehen. So hätten nach der chaldäischen Eroberung die
gottesfürchtigsten und patriotischesten Juden die Pflichten gegen ihren
angestammten König nicht zu verletzen geglaubt, indem sie dem neuen
Herrscher, den die Vorsehung ihnen gesandt, mit Treue dienten. Die drei
Bekenner, welche im feurigen Ofen so wunderbar erhalten worden waren,
hätten in der Provinz Babylon hohe Ämter begleitet. Daniel sei
nacheinander Minister des Assyrers, welcher Juda, und des Persers,
welcher Assyrien unterjochte, gewesen. Ja, Christus selbst, der seinem
Blute nach ein Prinz aus dem Geschlechte David's gewesen, habe dadurch,
daß er seinen Landsleuten befahl, dem Kaiser Tribut zu zahlen,
ausgesprochen, daß fremde Eroberung erbliche Rechte aufhebt und
wohlbegründeten Anspruch auf Herrschaft giebt. Es sei daher
wahrscheinlich, daß eine große Anzahl Tories, wenn sie auch nicht selbst
mit gutem Gewissen einen König wählen könnten, doch unbedenklich einen
durch den Ausgang des Kriegs ihnen gegebenen König annehmen würden.[35]

Auf der andren Seite standen jedoch Gründe, welche bei weitem
überwiegend waren. Der Prinz konnte die Krone als mit dem Schwerte
erobert nicht beanspruchen, ohne sich eines groben Wortbruches schuldig
zu machen. In seiner Erklärung hatte er versichert, daß es nicht seine
Absicht sei, England zu erobern, daß, wer ihn einer solchen Absicht
beschuldige, nicht nur ihn persönlich, sondern auch die patriotischen
Kavaliere und Gentlemen, die ihn herübergerufen, schändlich verleumde,
daß die Streitmacht, die er mitgebracht habe, zu einem so schwierigen
Unternehmen offenbar nicht genüge und daß es sein fester Entschluß sei,
alle öffentlichen Beschwerden, wie alle seine eigenen Ansprüche einem
freien Parlamente anheim zu geben. Um keines irdischen Zweckes willen
konnte es recht oder klug sein, das im Angesicht von ganz Europa
gegebene Wort zu brechen. Auch war es keineswegs ausgemacht, ob er, wenn
er sich als Eroberer gerirte, dadurch die Bedenken zerstreute, welche
die strengen Hochkirchenmänner ungeneigt machten, ihn als König
anzuerkennen. Denn er mochte sich nennen wie er wollte, Jedermann wußte,
daß er in Wirklichkeit kein Eroberer war. Es wäre notorisch eine bloße
Fiction gewesen, hatte man sagen wollen, daß dieses große Königreich,
mit einer mächtigen Flotte auf der See, einer regulären Armee von
vierzigtausend Mann und einer Miliz von hundertdreißigtausend Mann, ohne
eine einzige Belagerung oder Schlacht durch eine fünfzehntausend Mann
starke Invasionsarmee in eine abhängige Provinz verwandelt worden sei.
Es war nicht anzunehmen, daß eine solche Fiction wirklich empfindliche
Gewissen beruhigen würde, aber es war kaum zu bezweifeln, daß sie den
ohnehin schon gereizten Nationalstolz verwundete. Die englischen Truppen
waren in einer Stimmung, welche die zarteste Schonung erheischte. Sie
wußten, daß sie im letzten Feldzuge eben keine glänzende Rolle gespielt
hatten. Die Anführer wie die Soldaten sehnten sich danach zu beweisen,
daß sie nicht aus Mangel an Muth einer geringeren Streitmacht gewichen
waren. Einige holländische Offiziere waren so unbesonnen gewesen, sich
in einem Wirthshause beim Weine zu rühmen, daß sie die Armee des Königs
vor sich her getrieben hätten. Diese Beleidigung hatte unter den
englischen Truppen eine Gährung hervorgebracht, welche ohne das rasche
Einschreiten des Prinzen wahrscheinlich mit einem furchtbaren Gemetzel
geendet haben würde.[36] Welchen Eindruck mußte unter solchen Umständen
eine Proklamation machen, welche verkündete, daß der Oberbefehlshaber
der Fremden die ganze Insel als rechtmäßige Kriegsbeute betrachte?

Außerdem war zu berücksichtigen, daß der Prinz durch Erlassung einer
solchen Proklamation mit einem Male alle die Rechte vernichtet haben
würde, zu deren Vertheidiger er sich erklärt hatte. Denn die Autorität
eines fremden Eroberers wird nicht durch die Gebräuche und Gesetze der
besiegten Nation beschränkt, sondern sie ist ihrem Wesen nach
despotisch. Wilhelm war also entweder nicht berechtigt, sich zum Könige
zu erklären, oder er war auch berechtigt, die Magna Charta und die Bitte
um Recht für null und nichtig zu erklären, die Geschwornengerichte
abzuschaffen und ohne Zustimmung des Parlaments Steuern zu erheben.
Allerdings konnte er die alte Verfassung des Reichs wiederherstellen;
aber wenn er dies that, so that er es ebenfalls kraft eines
willkürlichen Beschlusses. Von diesem Augenblicke an würde die englische
Freiheit auf eine niedere Stufe herabgesunken sein. Sie wäre dann nicht
mehr ein uraltes Erbtheil gewesen, sondern ein neues Geschenk, welches
der großmüthige Gebieter, der es verliehen, auch wieder entziehen
konnte, wenn es ihm sonst beliebte.

    [Anmerkung 35: +Burnet, I. 803.+]

    [Anmerkung 36: +Gazette de France+ 26. Jan. (5. Febr.) 1689.]


[_Er beruft die Lords und die Mitglieder der Parlamente Karl's II.
zusammen._] Wilhelm beschloß daher rechtschaffener und kluger Weise, die
in seiner Erklärung gegebenen Versprechungen zu erfüllen und die Aufgabe
der Einsetzung der Regierung der gesetzgebenden Gewalt zu überlassen. Er
vermied Alles was für Usurpation hätte erklärt werden können, so
sorgfältig, daß er es ohne einen Schein von parlamentarischer Autorität
nicht über sich nehmen wollte, nur die Stände des Reichs einzuberufen
oder während der Wahlen die ausübende Gewalt zu handhaben. Eine
eigentlich parlamentarische Autorität gab es nicht im Staate; aber es
war möglich, in einigen Stunden eine Versammlung zusammenzubringen, der
die Nation wenigstens einen großen Theil der einem Parlamente
gebührenden Achtung zollte. Die eine Kammer konnte aus den vielen
geistlichen und weltlichen Lords, welche damals in London waren, die
andre aus ehemaligen Mitgliedern des Unterhauses und den
Magistratsbeamten der City gebildet werden. Dieser Plan war höchst
sinnreich und er wurde rasch ins Werk gesetzt. Die Peers wurden auf den
21. December in den St. Jamespalast beschieden. Es erschienen etwa
siebzig. Der Prinz forderte sie auf, die Lage des Landes in Erwägung zu
ziehen und ihm das Ergebniß ihrer Berathungen vorzulegen. Bald darauf
erschien eine Bekanntmachung, welche alle Gentlemen, die während der
Regierung Karl's II. einen Sitz im Unterhause gehabt hatten,
aufforderte, am Morgen des Sechsundzwanzigsten vor Seiner Hoheit zu
erscheinen. Die Aldermen von London wurden ebenfalls entboten und auch
der Gemeinderath ersucht, eine Deputation zu schicken.[37]

Man hat oft in tadelndem Tone gefragt, warum diese Einladung nicht auf
die Mitglieder des im vorhergehenden Jahre aufgelösten Parlaments
ausgedehnt worden sei. Die Antwort darauf liegt sehr nahe. Einer der
Hauptmißstände, über welche die Nation klagte, war die Art und Weise der
Erwählung jenes Parlaments. Die meisten Abgeordneten der Boroughs waren
durch Wahlkörper gewählt worden, welche in einer allgemein als
gesetzwidrig betrachteten und von dem Prinzen in seinem Manifeste für
verwerflich erklärten Weise reorganisirt worden waren. Jakob selbst
hatte unmittelbar vor seinem Sturze eingewilligt, die früheren
municipalen Freiheiten wieder herzustellen. Es würde gewiß von Seiten
Wilhelms die größte Inconsequenz gewesen sein, wenn er, nachdem er zur
Vertheidigung der angetasteten Freibriefe der Corporationen die Waffen
ergriffen, Personen, welche jenen Freibriefen zuwider gewählt worden
waren, als rechtmäßige Vertreter der Städte Englands anerkannt hätte.

Am Sonnabend den 22. versammelten sich die Lords in ihrem
Sitzungslokale. Dieser Tag wurde damit hingebracht, die Geschäftsordnung
festzusetzen. Es wurde ein Schriftführer ernannt, und da man keinem der
zwölf Richter Vertrauen schenken konnte, so wurden einige von den
angesehendsten Sergeants und Barristers[38] eingeladen, um über
juristische Punkte ihren Rath abgeben zu können. Es wurde hierauf
beschlossen, daß am nächsten Montag die Lage des Königreichs in Erwägung
gezogen werden sollte.[39]

Die Zwischenzeit bis zur Montagssitzung war erwartungs- und
ereignißvoll. Eine starke Partei unter den Peers nährte noch immer die
Hoffnung, daß die Verfassung und die Kirche Englands auch ohne die
Absetzung des Königs gesichert werden könnten. Diese Partei beschloß,
eine feierliche Adresse an ihn zu beantragen, durch die er beschworen
werden sollte, sich Bedingungen zu unterwerfen, welche die durch sein
früheres Verfahren hervorgerufene Unzufriedenheit und Besorgniß
beseitigen konnten. Sancroft, der seit der Rückkehr Jakob's von Kent
nach Whitehall keinen Theil an den öffentlichen Angelegenheiten genommen
hatte, beschloß jetzt, aus seiner Zurückgezogenheit wieder ans Licht zu
treten und sich an die Spitze der Royalisten zu stellen. Mehrere Boten
wurden mit Briefen an den König nach Rochester gesandt. Es wurde ihm
darin versichert, daß seine Interessen energisch in Schutz genommen
werden sollten, wenn er sich nur in diesem Augenblicke entschließen
könnte, Plänen zu entsagen, die sein Volk verabscheue. Einige angesehene
Katholiken begaben sich persönlich zu ihm, um ihn im Namen ihres
gemeinsamen Glaubens zu bitten, daß er den fruchtlosen Kampf nicht
weiter treiben möchte.[40]

Der Rath war gut; Jakob aber war nicht in der Stimmung, um ihn
anzunehmen. Sein Verstand war stets stumpf und schwach gewesen, jetzt
aber verhinderten ihn weibische Befürchtungen und kindische Einbildungen
an dem Gebrauche desselben. Er wußte, daß seine Flucht das war, was
seine Anhänger am meisten fürchteten und seine Feinde am sehnlichsten
wünschten. Selbst wenn sein Bleiben mit ernster persönlicher Gefahr
verknüpft gewesen wäre, so hätte er es doch unter den obwaltenden
Umständen für schimpflich halten müssen, das Feld zu räumen, denn es
handelte sich jetzt darum, ob er und seine Nachkommen auf dem Throne
seiner Ahnen regieren oder heimathlose Bettler werden sollten. Doch die
feige Angst um sein Leben hatte jedes andre Gefühl aus seiner Brust
verdrängt. Auf die eindringlichen Bitten und unverwerflichen Gründe der
Bevollmächtigten, die seine Freunde nach Rochester gesandt, hatte er nur
die eine Antwort: sein Kopf sei in Gefahr. Umsonst versicherte man ihm,
daß er durchaus keine Ursache zu einer solchen Besorgniß habe, daß der
Prinz von Oranien schon durch den gesunden Verstand, wenn nicht durch
seine Grundsätze abgehalten werden würde, die Schuld und Schande eines
Königsmordes und eines Verwandtenmordes auf sich zu laden, und daß
Viele, welche niemals in die Absetzung ihres Souverains willigen würden,
so lange er noch auf englischem Boden war, durch seine Flucht sich der
Unterthanentreue gegen ihn entbunden erachten würden. Die Furcht
unterdrückte jedes andre Gefühl. Er beschloß abzureisen, und die
Ausführung dieses Entschlusses war leicht. Er wurde sehr nachlässig
bewacht, Jedermann hatte Zutritt bei ihm, segelfertige Schiffe lagen in
geringer Entfernung bereit, und ihre Böte konnten bis dicht an den
Garten des Hauses herankommen, das er bewohnte. Wäre er klug gewesen, so
würde schon der Umstand, daß seine Wächter sich bemühten, ihm die Flucht
zu erleichtern, hingereicht haben, um ihn zu überzeugen, daß er bleiben
mußte, wo er war. In der That, die Schlinge lag so offen zu Tage, daß
nur ein durch die Angst geblendeter Thor sie nicht sehen konnte.

    [Anmerkung 37: +History of the Desertion+; +Clarendon's Diary,
    Dec. 21. 1688+; +Burnet I. 803+, und Onslow's Note.]

    [Anmerkung 38: Sachwalter ersten und zweiten Ranges. -- Der
    Übers.]

    [Anmerkung 39: +Clarendon's Diary, Dec. 21. 1688+; Citters unter
    dem nämlichen Datum.]

    [Anmerkung 40: +Clarendon's Diary. Dec. 21, 22, 1688+; +Clarke's
    Life of James, II. 268, 270. Orig. Mem.+]


[_Jakob's Flucht von Rochester._] Die Vorbereitungen wurden schleunigst
getroffen. Am Samstag Abend, den Zweiundzwanzigsten, versicherte der
König einigen von den Herren, welche von London aus mit Nachricht und
gutem Rathe zu ihm gesandt worden, daß er sie am folgenden Morgen
wiedersehen werde. Er legte sich zu Bett, stand mitten in der Nacht auf,
stahl sich in Begleitung Berwick's durch eine Hinterthür fort und ging
durch den Garten bis ans Ufer des Medway. Hier erwartete ihn ein kleines
Boot. Bald nach Tagesanbruch befanden sich die Flüchtlinge am Bord einer
Schmacke, welche die Themse hinab fuhr.[41]

Am Nachmittag gelangte die Nachricht von der Flucht nach London. Die
Anhänger des Königs waren ganz bestürzt, während die Whigs ihre Freude
nicht verhehlen konnten. Die gute Nachricht ermuthigte den Prinzen zu
einem kühnen und wichtigen Schritte. Er hatte erfahren, daß die
französische Gesandtschaft mit der ihm feindlich gesinnten Partei
fortwährende Communication unterhielt. Man wußte sehr wohl, daß diese
Gesandtschaft sich vortrefflich auf alle Verführungskünste verstand, und
es unterlag kaum einem Zweifel, daß bei einer solchen Gelegenheit weder
Ränke noch Goldstücke gespart werden würden. Barillon wollte gar zu gern
noch einige Tage in London bleiben, und zu dem Ende ließ er kein Mittel
unversucht, um die siegreiche Partei zu versöhnen. Auf den Straßen
beruhigte er den Pöbel, der zornige Blicke auf seine Equipage warf,
dadurch, daß er ihm Geld zuwarf. An seiner Tafel trank er öffentlich auf
das Wohl des Prinzen von Oranien. Wilhelm aber ließ sich dadurch nicht
bethören. Er hatte zwar die Ausübung der königlichen Autorität noch
nicht auf sich genommen, aber er war commandirender General und als
solcher nicht verbunden, einen Mann, den er als einen Spion betrachtete,
innerhalb des von ihm militairisch besetzten Gebietes zu dulden. Noch
vor dem Ende des Tages erhielt Barillon die Weisung, daß er England
binnen vierundzwanzig Stunden verlassen müsse. Er bat dringend um einen
kurzen Aufschub, aber die Minuten waren kostbar, der Befehl wurde in
noch bestimmteren Ausdrücken wiederholt und er reiste mit Widerstreben
nach Dover ab. Um kein Zeichen von Geringschätzung und Trotz zu
unterlassen, wurde er durch einen seiner protestantischen Landsleute,
den die Verfolgung ins Exil getrieben, bis an die Küste begleitet. Der
Ehrgeiz und die Anmaßung Frankreichs hatte so bitteren Groll erregt, daß
selbst diejenigen Engländer, welche im Allgemeinen nicht geneigt waren,
Wilhelm's Verhalten mit günstigem Auge zu betrachten, ihm lauten Beifall
dafür zollten, daß er dem Übermuth, mit dem Ludwig viele Jahre hindurch
alle europäischen Höfe behandelt hatte, so herzhaft entgegentrat.[42]

    [Anmerkung 41: Clarendon's Diary. Dec. 23. 1638; Clarke's Life of
    James, II. 271, 273, 274. Orig. Mem.]

    [Anmerkung 42: Citters, 1.(11.) Jan. 1689; Witsen's Handschr.
    angeführt von Wagenaar, Buch 60.]


[_Berathungen und Beschlüsse der Lords._] Am Montag versammelten sich
die Lords wieder. Halifax wurde zum Präsidenten gewählt. Der Primas war
abwesend, die Royalisten traurig und muthlos, die Whigs heiter und guter
Dinge. Es war bekannt, daß Jakob einen Brief zurückgelassen hatte.
Einige von seinen Freunden stellten in der schwachen Hoffnung, daß der
Brief vielleicht Vorschläge enthielt, welche als Grundlage zu einem
gütlichen Abkommen dienen konnten, den Antrag ihn vorzulegen. Über
diesen Antrag wurde abgestimmt und er wurde angenommen. Godolphin, der
keineswegs als ein Feind seines ehemaligen Gebieters bekannt war, sprach
einige Worte, welche den Ausschlag gaben. »Ich habe das Schreiben
gesehen,« sagte er, »und muß Ihnen zu meinem Bedauern bemerken, daß es
nichts enthält, was Eure Herrlichkeiten irgend zufriedenstellen könnte.«
Es enthielt in der That keine Äußerung von Bedauern über frühere Fehler;
es gab keiner Hoffnung Raum, daß diese Fehler in Zukunft vermieden
werden würden, und es wälzte die Schuld an allem Geschehenen auf die
Böswilligkeit Wilhelm's und auf die Blindheit des Volks, das sich durch
die schimmernden Worte Religion und Eigenthum habe bethören lassen.
Niemand wagte den Vorschlag zu machen, daß Unterhandlungen mit einem
Fürsten eingeleitet werden möchten, den die härteste Schule des Unglücks
nur hartnäckiger im Unrecht gemacht zu haben schien. Es war die Rede von
einer Untersuchung der Geburt des Prinzen von Wales; aber die
whiggistischen Peers behandelten diesen Vorschlag mit Geringschätzung.
»Ich hätte nicht erwartet, Mylords,« rief Philipp, Lord Wharton, ein
alter Rundkopf, der bei Edgehill gegen Karl I. ein Regiment commandirt
hatte, »daß unter den gegenwärtigen Umständen Jemand das Kind erwähnen
würde, das Prinz von Wales genannt worden ist, und ich hoffe, es wird
zum letzten Male von ihm die Rede gewesen sein.« Nach langer Berathung
wurden zwei Adressen an Wilhelm beschlossen. Die eine ersuchte ihn, die
Leitung der Regierung provisorisch zu übernehmen; die andre rieth ihm,
durch eigenhändig unterzeichnete Rundschreiben alle Wahlkörper des
Reichs zur Absendung von Vertretern nach Westminster aufzufordern. Zu
gleicher Zeit nahmen die Peers es auf sich, eine Verordnung zu erlassen,
welche alle Papisten, mit Ausnahme einiger weniger bevorzugter Personen,
aus London und dessen nächster Umgebung verwies.[43]

Die Lords überreichten ihre Adressen dem Prinzen am folgenden Tage, ohne
den Ausgang der Berathungen der von ihm einberufenen Gemeinen zu
erwarten. Es scheint in der That, als ob der erbliche Adel in diesem
Augenblicke um die Aufrechthaltung seines Ansehens sehr besorgt gewesen
wäre und keine Lust gehabt hätte, einer Versammlung, von der das Gesetz
nichts wußte, eine ebenbürtige Autorität zuzugestehen. Sie hielten sich
für ein ächtes Haus der Lords; die andre Kammer aber verachteten sie als
ein bloß nachgemachtes Haus der Gemeinen. Wilhelm lehnte es jedoch
wohlweislich ab einen Entschluß zu fassen, bevor er sich von der Ansicht
derjenigen Gentlemen überzeugt haben würde, welche früher mit den
Vertrauen der Grafschaften und Städte Englands beehrt worden waren.[44]

    [Anmerkung 43: +Halifax's notes+; +Landsdown MS. 255+;
    +Clarendon's Diary, Dec. 24. 1688+; +London Gazette, Dec. 31.+]

    [Anmerkung 44: Citters, 25. Dec. (4. Jan.) 1688/89.]


[_Verhandlungen und Beschlüsse der von dem Prinzen einberufenen
Gemeinen._] Die einberufenen Gemeinen kamen in der St. Stephanskapelle
zusammen und bildeten eine zahlreiche Versammlung. Sie ernannten zu
ihrem Präsidenten Heinrich Powle, welcher Cirencester in mehreren
Parlamenten vertreten und sich unter den Vertheidigern der
Ausschließungsbill hervorgethan hatte.

Es wurden ähnliche Adressen wie die von den Lords bereits überreichten
beantragt und angenommen. In keiner wichtigen Frage zeigte sich eine
Meinungsverschiedenheit und einige schwache Versuche, über formelle
Punkte eine Debatte zu eröffnen, wurden durch die allgemeine Verachtung
vereitelt. Sir Robert Sawyer erklärte, er könne nicht begreifen, wie der
Prinz ohne einen unterscheidenden Titel, wie Regent oder Protektor, die
Regierung verwalten könne. Der greise Maynard, der als Jurist seines
Gleichen nicht hatte und dabei ein mit der Taktik der Revolutionen wohl
vertrauter Staatsmann war, versuchte es gar nicht, seinen Unwillen über
einen so kindischen Einwand zu verhehlen, der in einem Augenblicke
erhoben wurde, wo einmüthiges und rasches Handeln von der größten
Wichtigkeit waren. »Wir werden sehr lange hier sitzen,« sagte er, »wenn
wir warten wollen, bis Sir Robert begreifen kann, wie so etwas möglich
ist.« Die Versammlung hielt diese Antwort der Krittelei ganz
entsprechend.[45]

    [Anmerkung 45: Der Urheber dieses Einwandes wurde in damaligen
    Büchern und Pamphlets nur mit den Anfangsbuchstaben seines Namens
    bezeichnet und diese wurden zuweilen mißverstanden. Eachard
    schrieb die Krittelei Sir Robert Southwell zu; ich bin aber fest
    überzeugt, daß Oldmixon ganz Recht hat, wenn er sie Sawyer in den
    Mund legt.]


[_Eine Convention berufen._] Die Beschlüsse der Versammlung wurden dem
Prinzen mitgetheilt. Er erklärte sogleich seinen Entschluß, dem
vereinten Ansuchen der von ihm einberufenen beiden Kammern zu
entsprechen, Ausschreiben zur Einberufung einer Convention der Stände
des Reichs zu erlassen und bis zum Zusammentritt dieser Convention die
ausübende Verwaltung selbst zu übernehmen.[46]

    [Anmerkung 46: +History of the Desertion+; +Life of William,
    1703+; Citters, 28. Dec. (7. Jan.) 1688/89.]


[_Bemühungen des Prinzen zur Herstellung der Ordnung._] Er hatte sich
keine leichte Aufgabe vorgenommen. Die ganze Regierungsmaschine war in
Unordnung. Die Friedensrichter hatten ihre Functionen eingestellt. Die
Finanzbeamten hatten aufgehört, Steuern zu erheben. Die von Feversham
aufgelöste Armee war noch immer in Verwirrung und zur Empörung bereit.
Die Flotte befand sich in einem kaum weniger beunruhigenden Zustande.
Die bürgerlichen und militairischen Diener der Krone hatten bedeutende
Soldrückstande zu fordern und im Staatsschatze befanden sich nur noch
vierzigtausend Pfund. Der Prinz ging mit Energie an die
Wiederherstellung der Ordnung. Er erließ eine Proklamation, durch welche
alle Magistratspersonen in ihren Ämtern bestätigt wurden, und eine
andre, welche Anordnungen zur Erhebung der Staatseinkünfte enthielt.[47]
Die Reorganisation der Armee wurde rasch betrieben. Viele von den
Kavalieren und Gentlemen, welche Jakob des Kommandos englischer
Regimenter enthoben hatte, wurden wieder angestellt. Auch wurden Mittel
und Wege gefunden, um die Tausende von irländischen Soldaten, welche
Jakob nach England hatte kommen lassen, zu verwenden. In einem Lande, wo
sie dem religiösen und nationalen Hasse preisgegeben waren, konnten sie
nicht bleiben. Eben so wenig durfte man sie in ihre Heimath
zurücksenden, wo sie Tyrconnel's Armee verstärkt haben würden. Man
beschloß daher, sie auf den Continent zu schicken, wo sie unter den
Fahnen des Hauses Österreich der englischen Verfassung und der
protestantischen Religion indirecte, aber wirksame Dienste leisten
konnten. Dartmouth wurde seines Commando's enthoben und die Seemacht
durch das bestimmte Versprechen gewonnen, daß jeder Matrose so bald als
möglich seinen rückständigen Sold erhalten solle. Die City von London
nahm es auf sich, den Prinzen aus seiner finanziellen Verlegenheit zu
reißen. Der Gemeinderath verpflichtete sich durch ein einstimmiges
Votum, ihm zweimalhunderttausend Pfund zu verschaffen. Es wurde als ein
großer Beweis von dem Reichthume und dem Gemeinsinne der londoner
Kaufmannschaft betrachtet, daß binnen achtundvierzig Stunden die ganze
Summe ohne ein andres Unterpfand als das Wort des Prinzen eingezahlt
wurde. Wenige Wochen zuvor war Jakob nicht im Stande gewesen, eine viel
kleinere Summe aufzubringen, obgleich er höhere Zinsen bot und
werthvolles Eigenthum verpfänden wollte.[48]

    [Anmerkung 47: +London Gazette, Jan. 3, 7. 1688/89.+]

    [Anmerkung 48: +London Gazette, Jan. 10, 17. 1688/89; Luttrell's
    Diary+; Legge-Papiere; Citters, 1.(11.), 4.(14.), 11.(21.) Jan.
    1689; Ronquillo, 15.(21.) Jan., 23. Febr. (5. März); Berathung des
    spanischen Staatsrathes vom 26. März (5. April).]


[_Seine tolerante Politik._] In sehr wenigen Tagen war die Unordnung,
welche die Invasion, die Aufstände, die Flucht Jakob's und das Aufhören
aller regelmäßigen Verwaltung herbeigeführt hatten, zu Ende und das
Königreich hatte wieder sein gewohntes Aussehen angenommen. Ein
allgemeines Gefühl von Sicherheit war zurückgekehrt. Selbst diejenigen
Stände, auf welche der öffentliche Haß vorzugsweise gerichtet war und
die am meisten Ursache hatten, eine Verfolgung zu befürchten, wurden
durch die weise Milde des Siegers beschützt. Leute, welche in die
gesetzwidrigen Handlungen der vorigen Regierung tief verwickelt gewesen
waren, gingen nicht nur unangefochten einher, sondern traten sogar als
Candidaten für Sitze in der Convention auf. Mulgrave wurde im St.
Jamespalaste nicht ungnädig empfangen. Feversham wurde seiner Haft
entlassen und ihm gestattet, das einzige Amt zu verwalten, dem er
gewachsen war: das eines Bankhalters am Bassettische der Königin Wittwe.
Doch Niemand hatte so viel Ursache, Wilhelm dankbar zu sein, als die
Katholiken. Es würde nicht rathsam gewesen sein, die strengen
Verordnungen, welche die Peers gegen die Bekenner eines von der ganzen
Nation verabscheuten Glaubens erlassen hatten, förmlich aufzuheben;
durch die Klugheit und Menschlichkeit des Prinzen aber wurden diese
Verordnungen praktisch nicht angewendet. Auf seinem Marsche von Torbay
nach London hatte er Befehl gegeben, daß an den Personen oder Wohnungen
von Papisten durchaus keine Gewaltthätigkeiten verübt werden sollten.
Diesen Befehl erneuerte er jetzt und wies Burnet an, auf strengste
Befolgung desselben zu sehen. Eine glücklichere Wahl hätte er nicht
treffen können, denn Burnet war ein so edelmüthiger und gutherziger
Mann, daß sein Herz stets in warmer Theilnahme für Unglückliche schlug,
und sein Haß gegen das Papstthum bot zugleich auch den eifrigsten
Protestanten hinreichende Gewähr dafür, daß die Interessen ihrer
Religion in seinen Händen wohl aufgehoben waren. Er hörte die Klagen der
Katholiken freundlich an, verschaffte Denen, die über das Meer gehen
wollten, Pässe und besuchte selbst in Newgate die dort gefangensitzenden
Prälaten. Er gab Befehl, daß sie in ein bequemeres Zimmer versetzt und
ihnen jede mögliche Erleichterung verschafft werden sollte. Er gab ihnen
die feierliche Versicherung, daß ihnen kein Haar gekrümmt werden und daß
der Prinz, sobald er es wagen könnte, nach seinen Wünschen zu handeln,
sie in Freiheit setzen würde. Der spanische Gesandte meldete seinem
Hofe, und durch seinen Hof dem Papste, daß kein Katholik wegen der
letzten englischen Revolution Gewissensscrupel zu hegen brauche, daß
Jakob allein für die Gefahren, denen die Mitglieder der wahren Kirche
ausgesetzt wären, verantwortlich sei und daß Wilhelm allein sie vor
einer blutigen Verfolgung gerettet habe.[49]

    [Anmerkung 49: +Burnet, I. 802+; Ronquillo, 2.(12.) Jan., 8.(18.)
    Febr. 1689. Die Originale dieser Depeschen wurden mir durch die
    Gefälligkeit der verstorbenen Lady Holland und des gegenwärtigen
    Lord Holland mitgetheilt. Aus der letzten will ich einige Worte
    anführen. +»La tema de S. M. Britanica à seguir imprudentes
    consejos perdió á los Catolicos aquella quietud en que les dexo
    Carlos segundo. V. E. asegure á su Santidad que mas sacaré del
    Principe para los Catolicos que pudiera sacra del Rey.«+]


[_Zufriedenheit der katholischen Mächte._] In Folge dessen war die
Befriedigung, mit der die Fürsten des Hauses Österreich und der Papst
erfuhren, daß die langjährige Abhängigkeit Englands zu Ende sei,
ziemlich ungetrübt. Als es in Madrid bekannt wurde, daß Wilhelm dem
glücklichen Erfolge seines Unternehmens entgegenging, sprach nur eine
einzige Stimme im spanischen Staatsrathe schüchtern sein Bedauern
darüber aus, daß ein vom politischen Standpunkte betrachtet höchst
erfreuliches Ereigniß den Interessen der wahren Kirche nachtheilig
werden müsse.[50] Aber die tolerante Politik des Prinzen zerstreute bald
alle Besorgnisse und die bigotten Granden Castiliens betrachteten seine
Erhebung fast mit eben so großer Befriedigung, als die englischen Whigs.

    [Anmerkung 50: Am 13.(23.) Dec. 1688 gab der Admiral von Castilien
    seine Meinung folgendermaßen ab: +»Esta materia es de calidad que
    no puede dexar de padecer nuestra sagrada religion ó el servicio
    de V. M.; porque, si el Principe de Orange tiene buenos succesos,
    nos aseguraremos de Franceses, pero peligrarà la religion.«+ Der
    Staatsrath wurde am 16.(26.) Februar sehr erfreut durch ein
    Schreiben des Prinzen, in welchem er versprach, +»que los
    Catolicos que se portaren con prudencia no sean molestados, y
    gocen libertad di conciencia, por ser contra su dictamen el forzar
    ni castigar por esta ràzon à nadie.«+]


[_Stimmung in Frankreich._] Mit ganz anderen Gefühlen war die Nachricht
von der großen Revolution in Frankreich aufgenommen worden. Die Politik
einer langen, ereignißreichen und ruhmvollen Regierung war in einem Tage
über den Haufen geworfen worden. England war wieder das England der
Elisabeth und Cromwell's und alle Beziehungen zu sämmtlichen Staaten der
Christenheit wurden durch die plötzliche Einführung dieser neuen Macht
in das System völlig verändert. Die Pariser sprachen von nichts als von
den Vorgängen in London. Nationale und religiöse Gefühle bewogen sie,
für Jakob Partei zu nehmen. Sie kannten die englische Verfassung nicht,
sie verabscheuten die englische Kirche und unsre Revolution erschien
ihnen nicht als der Sieg der öffentlichen Freiheit über den Despotismus,
sondern als eine grauenvolle Familientragödie, in der ein ehrwürdiger
und frommer Servius durch einen Tarquin vom Throne gestürzt und unter
den Wagenrädern einer Tullia zermalmt wurde. Sie schrien Zeter über die
treulosen Heerführer, verwünschten die unnatürlichen Töchter und
betrachteten Wilhelm mit einem heftigen Widerwillen, der jedoch durch
die Achtung, welche Tapferkeit, Genie und Erfolg fast immer erwecken,
gemildert wurde.[51] Die Königin, dem Nachtwind und Regen ausgesetzt,
den unmündigen Erben dreier Kronen an die Brust drückend und der von
rohen Buben angehaltene, beraubte und gemißhandelte König waren in ganz
Frankreich Gegenstände des Mitleids und der romanhaften Theilnahme.
Ludwig aber betrachtete das Unglück des Hauses Stuart mit ganz besonders
lebhaftem Mitgefühl. Alle egoistischen und alle edlen Seiten seines
Characters wurden gleichmäßig erregt. Nach langen Jahren des Glücks traf
ihn endlich ein großes Unglück. Er hatte auf die Unterstützung oder
Neutralität Englands gerechnet; jetzt hatte er von diesem Lande nichts
mehr als energische und beharrliche Feindseligkeit zu erwarten. Noch
wenige Wochen zuvor hätte er nicht mit Unrecht hoffen können, Flandern
zu unterjochen und Deutschland Gesetze zu geben. Jetzt konnte er froh
sein, wenn er im Stande war, seine eigenen Grenzen gegen einen
Staatenbund zu vertheidigen, wie ihn Europa seit vielen Menschenaltern
nicht mehr gesehen hatte. Nichts konnte ihn aus dieser ganz neuen
beunruhigenden Lage reißen, als eine Contrerevolution oder ein
Bürgerkrieg auf den britischen Inseln. Ehrgeiz und Furcht bestimmten ihn
daher, sich der gestürzten Dynastie anzunehmen. Man muß ihm jedoch die
Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß auch edlere Motive als Ehrgeiz und
Furcht ihn bei seinem Verfahren leiteten. Er besaß von Natur ein
mitfühlendes Herz und der vorliegende Fall mußte nothwendig sein ganzes
Mitgefühl erregen. Nur seine Stellung hatte die volle Entwickelung
seiner guten Charactereigenschaften verhindert. Bei großer Ungleichheit
der Standesverhältnisse wird selten ein starkes Mitgefühl aufkommen
können, und er stand so hoch über der großen Masse seiner Nebenmenschen,
daß ihre Drangsale nur geringe Theilnahme in ihm erweckten, ähnlich der,
mit der wir die Leiden niederer Geschöpfe, eines verhungerten Vogels
oder eines abgetriebenen Pferdes betrachten. So hatte die Verwüstung der
Pfalz und die Verfolgung der Hugenotten kein theilnehmendes Gefühl in
ihm erregt, das nicht durch Stolz und Bigotterie wirksam unterdrückt
worden wäre. Aber die ganze Sympathie, deren er fähig war, wurde durch
das Unglück eines großen Königs erweckt, der noch vor wenigen Wochen von
knieenden Lords bedient worden und der jetzt ein verlassener Verbannter
war. Mit dieser Rührung verband sich im Herzen Ludwig's eine nicht
unedle Eitelkeit. Er wollte der Welt ein Beispiel von Großmuth und
Artigkeit geben. Er wollte der Menschheit zeigen, wie sich ein
vollendeter Edelmann in der höchsten Stellung und bei der wichtigsten
Veranlassung benehmen müsse, und sein Benehmen zeichnete sich in der
That durch ritterliche Großmuth und Urbanität aus, wie sie die
Geschichtsbücher Europa's nicht wieder geziert hatten, seitdem der
schwarze Prinz beim Souper auf dem Schlachtfelde von Poitiers hinter dem
Stuhle König Johann's gestanden.

    [Anmerkung 51: In dem Kapitel von La Bruyère unter der
    Überschrift: +Sur les Jugemens+, kommt eine Stelle vor, welche
    gelesen zu werden verdient, weil sie zeigt, in welchem Lichte
    unsre Revolution einem Franzosen von ausgezeichneten Fähigkeiten
    erschien.]


[_Empfang der Königin von England in Frankreich._] Sobald die Nachricht
von der Landung der Königin von England an der französischen Küste nach
Versailles kam, wurde ein Palast für sie in Bereitschaft gebracht.
Equipagen und Garden wurden zu ihrer Verfügung abgesandt. Arbeiter
wurden angestellt, um die Straße von Calais auszubessern, damit ihr die
Reise möglichst erleichtert werde. Lauzun erhielt nicht nur die
Zusicherung, daß ihm seine früheren Vergehen um ihretwillen vergeben
sein sollten, sondern er wurde überdies mit einem eigenhändigen gnädigen
Schreiben von Ludwig beehrt. Marie war schon auf dem Wege nach dem
französischen Hofe, als sie die Nachricht erhielt, daß ihr Gemahl nach
einer stürmischen Überfahrt glücklich bei dem kleinen Dorfe Ambleteuse
gelandet war. Einige Personen von hohem Range wurden sogleich von
Versailles abgesandt, um ihn zu begrüßen und zu begleiten. Unterdessen
brach Ludwig selbst mit seiner Familie und seinem höchsten Adel auf, um
die verbannte Königin mit Gepränge zu empfangen. Vor seiner prachtvollen
Staatscarosse marschirten die schweizer Hellebardiere. Zu beiden Seiten
und hinter derselben ritt die Leibgarde mit klingendem Spiel. Der
glänzendste Adel von Europa folgte dem Könige mit hundert sechsspännigen
Equipagen; Alles strotzte von Federn, Bändern, Juwelen und Stickereien.
Der Zug war noch nicht weit gekommen, als die Annäherung Mariens
gemeldet wurde. Ludwig stieg aus und ging ihr zu Fuß entgegen. Sie brach
in leidenschaftliche Dankesversicherungen aus. »Madame,« sagte der
König, »es ist leider ein schmerzlicher Dienst, den ich Ihnen heute
erzeige. Ich hoffe später im Stande zu sein, Ihnen größere und
angenehmere Dienste zu erzeigen.« Er küßte den kleinen Prinzen von Wales
und ließ die Königin in seinem Staatswagen zur Rechten sitzen. Dann
setzte sich der Zug nach Saint-Germains in Bewegung.

In Saint-Germains hatte Franz I. am Saume eines von Jagdwild reich
bestandenen Forstes und auf dem Gipfel eines die Windungen der Seine
beherrschenden Hügels ein Schloß erbaut und Heinrich IV. eine prächtige
Terrasse angelegt. Keine von den Residenzen der Könige von Frankreich
hatte eine gesundere Lage und eine herrlichere Aussicht. Die gewaltige
Größe und das ehrwürdige Alter der Bäume, die Schönheit der Gärten und
der Überfluß an Quellen waren weit berühmt. Ludwig XIV. war hier
geboren, hatte hier als Jüngling sein Hoflager gehalten, hatte das
Schloß Franz' I. durch mehrere stattliche Pavillons erweitert und die
Terrasse Heinrich's vollendet. Bald aber bemächtigte sich des
prachtliebenden Königs ein unerklärlicher Widerwille gegen seine
Geburtsstätte. Er vertauschte Saint-Germains mit Versailles und
verwendete ungeheure Summen auf das vergebliche Bemühen, einen ganz
besonders unfruchtbaren und ungesunden Ort, dessen Boden nur aus Sand
oder Lehm bestand und der weder Wald, noch Wasser, noch Wild hatte, in
ein Paradies umzuschaffen. Saint-Germains war jetzt zum Wohnsitz für die
königliche Familie Englands erwählt worden. Prachtvolle Mobilien waren
in aller Eile dahin gesandt worden und die für den kleinen Prinzen von
Wales bestimmten Gemächer waren mit Allem versehen, was ein Kind
bedurfte. Einer von dem Gefolge überreichte der Königin den Schlüssel zu
einer kostbaren Chatulle, die in ihrem Zimmer stand. Sie öffnete
dieselbe und fand darin sechstausend Pistolen.


[_Ankunft Jakob's in St.-Germains._] Am folgenden Tage kam auch Jakob in
St.-Germains an. Ludwig war schon dort, um ihn zu bewillkommnen. Der
unglückliche Verbannte verbeugte sich so tief, als ob er die Knie seines
Beschützers hatte umfassen wollen. Ludwig hob ihn auf und umarmte ihn
mit brüderlicher Zärtlichkeit. Dann traten die beiden Könige ins Zimmer
der Königin. »Hier ist ein Herr,« sagte Ludwig zu ihr, »dessen Ankunft
Sie gewiß erfreuen wird.« Nachdem er hierauf seine Gäste eingeladen
hatte, ihn am folgenden Tage in Versailles zu besuchen und ihm das
Vergnügen zu verschaffen, ihnen seine Gebäude, seine Gemälde und seine
Anlagen zu zeigen, verabschiedete er sich ohne alle Ceremonien, wie ein
alter Freund.

Wenige Stunden darauf wurde dem königlichen Paare gemeldet, daß ihnen,
so lange sie dem Könige von Frankreich die Ehre erzeigen würden, seine
Gastfreundschaft anzunehmen, jährlich fünfundvierzigtausend Pfund
Sterling aus seinem Staatsschatze ausgezahlt werden sollten. Zehntausend
Pfund wurden zur ersten Einrichtung gesandt.

Viel rühmenswerther und bewundernswürdiger als Ludwig's Freigebigkeit
war jedoch die ausgezeichnete Delicatesse, mit der er sich bemühte, die
Gefühle seiner Gäste zu beruhigen und ihnen die fast unerträgliche Last
der Verbindlichkeiten, die er ihnen auflud, zu erleichtern. Er, der
bisher in allen Fragen des Vorrangs empfindlich, streitsüchtig und
anmaßend, der mehr als einmal bereit gewesen war, eher ganz Europa in
Krieg zu verwickeln, als in dem geringfügigsten Punkte der Etikette
nachzugeben, war jetzt übertrieben ängstlich, und zwar für seine Freunde
gegen sich selbst. Er gab Befehl, daß Marien alle Ehrfurchtsbezeigungen
zu Theil werden sollten, die seiner verstorbenen Gemahlin je erwiesen
worden waren. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob die Prinzen des Hauses
Bourbon berechtigt seien, sich in Anwesenheit der Königin
niederzusetzen. Derartige Kleinigkeiten waren an dem alten französischen
Hofe sehr wichtige Dinge. Es ließen sich auf beiden Seiten
Precedenzfälle nachweisen; aber Ludwig entschied die Frage gegen sein
eignes Blut. Einige vornehme Damen unterließen die Ceremonie, den Saum
von Mariens Kleide zu küssen. Ludwig bemerkte die Unterlassung und rügte
sie in einem Tone und mit einem Blicke, daß diese ganze Pairie von nun
an bereit gewesen wäre, ihr den Fuß zu küssen. Als das so eben von
Racine geschriebene Schauspiel »Esther« in Saint-Cyr aufgeführt wurde,
hatte Marie den Ehrenplatz. Jakob saß ihr zur Rechten, Ludwig nahm
bescheiden zu ihrer Linken Platz. Ja er wünschte sogar, daß ein von
seiner Freigebigkeit lebender Verbannter in seinem eigenen Palaste den
Titel König von Frankreich führen, als König von Frankreich die Lilien
mit dem englischen Löwen vereinigen und sich als König von Frankreich
bei vorkommender Hoftrauer violett kleiden sollte.

Das Benehmen des französischen Adels bei feierlichen Anlässen wurde
durchaus vom Souverain geregelt; aber es lag außer dem Bereiche seiner
Macht, sie am freien Denken zu hindern und in Privatzirkeln ihre
Gedanken mit dem ihrer Nation und ihrem Stande eigenen feinen und
beißenden Witze auszudrücken. Ihre Meinung von Marien war eine günstige.
Sie fanden ihre persönliche Erscheinung einnehmend und ihre Haltung
würdevoll. Sie achteten ihren Muth und ihre Mutterliebe und beklagten
ihr Mißgeschick. Jakob aber verachteten sie gründlich. Sein Stumpfsinn,
die kalte Gleichgültigkeit, mit der er gegen Jedermann von seinem Sturze
sprach, und das kindische Vergnügen, das er an dem Pomp und Luxus von
Versailles fand, waren ihnen widerlich. Sie schrieben diese sonderbare
Apathie nicht der Philosophie oder Religiosität, sondern einem
beschränkten und niedrig denkenden Geiste zu und äußerten, daß Niemand
der die Ehre gehabt habe, Seine Großbritannische Majestät seine
Geschichte erzählen zu hören, sich darüber wundern könne, daß er in
Saint-Germains und sein Schwiegersohn in Saint-James war.[52]

    [Anmerkung 52: Meine Mittheilungen über den Empfang Jakob's und
    seiner Gemahlin in Frankreich sind namentlich den Briefen der Frau
    von Sévigné und den Memoiren Dangeau's entnommen.]


[_Stimmung in den Vereinigten Provinzen._] In den Vereinigten Provinzen
war die durch die Nachrichten aus England verursachte Aufregung noch
größer als in Frankreich. Dies war der Zeitpunkt, wo der batavische Bund
den Höhepunkt seiner Macht und seines Ruhmes erreichte. Von dem Tage, an
welchem die Expedition absegelte, war die ganze holländische Nation in
ängstlicher Spannung. Nie waren die Kirchen so gefüllt, nie war die
Begeisterung der Prediger so glühend gewesen. Man konnte es nicht
verhindern, daß die Bewohner des Haag Albeville insultirten. Sein Haus
war Tag und Nacht von so dichten Volkshaufen belagert, daß fast Niemand
es wagte, ihn zu besuchen, und er fürchtete ernstlich, seine Kapelle
würde in Brand gesteckt werden.[53] Da jede Post Nachricht von dem immer
weiteren Vorschreiten des Prinzen brachte, stieg der Muth seiner
Landsleute mit jedem Augenblicke, und als es endlich bekannt wurde, daß
er auf Ansuchen der Lords und einer Versammlung ausgezeichneter Gemeinen
die ausübende Verwaltung übernommen hatte, brachen alle holländischen
Parteien in einen einstimmigen Ruf des Stolzes und der Freude aus. Es
wurde in aller Eil eine außerordentliche Gesandtschaft abgeschickt, um
ihn zu beglückwünschen. Dykvelt, dessen Beistand wegen seiner
diplomatischen Geschicklichkeit und seiner gründlichen Kenntniß des
englischen Staatswesens in diesem Augenblicke besonderen Werth hatte,
war einer der Abgesandten, und ihm war Nikolaus Witsen, ein
Bürgermeister von Amsterdam, beigegeben, welcher deshalb dazu auserwählt
worden zu sein scheint, um ganz Europa zu beweisen, daß die lange Fehde
zwischen dem Hause Oranien und der Hauptstadt Hollands zu Ende sei. Am
8. Januar erschienen Dykvelt und Witsen in Westminster. Wilhelm sprach
mit einer Offenheit und Herzlichkeit zu ihnen, die man in seinen
Unterredungen mit Engländern selten bemerkte. Seine ersten Worte waren:
»Nun, was sagen jetzt unsere Freunde in der Heimath?« In der That, der
einzige Beifall, der auf sein stoisches Gemüth einen tiefen Eindruck
machte, war der Beifall seines geliebten Vaterlandes. Von seiner großen
Popularität in England sprach er mit kalter Geringschätzung und
prophezeite nur zu wahr die wirklich eintretende Reaction. »Hier,« sagte
er, »ruft jetzt Alles Hosianna, und morgen wird man vielleicht rufen:
Kreuziget ihn!«[54]

    [Anmerkung 53: Albeville an Preston, 23. Nov. (3. Dec.) 1688 in
    der Mackintosh-Sammlung.]

    [Anmerkung 54: +»'Tis hier nu Hosanna: maar 't zal, veelligt,
    haast Kruist hem, kruist hem, zyn.«+ Witsen +MS.+ in Wagenaar,
    Buch 61. Es ist ein sonderbares Zusammentreffen, daß einige Jahre
    früher Richard Duke, ein ehedem wohlbekannter, jetzt aber fast
    ganz vergessener toryistischer Dichter, den man höchstens noch aus
    Johnson's biographischer Skizze kennt, ganz denselben Vergleich
    auf Jakob anwendete:

      »Ist's nicht der Judenpöbel, der einstmals geschrie'n
      Hosianna erst und nachher kreuzigt ihn?«
        +»The Review.«+

    Depesche der außerordentlichen holländischen Gesandten vom 8.(18.)
    Jan. 1689; Citters von dem nämlichen Datum.]


[_Wahl der Mitglieder zur Convention._] Am folgenden Tage wurden die
ersten Mitglieder der Convention gewählt. Die City von London machte den
Anfang und wählte ohne allen Widerstreit vier große Kaufleute, welche
eifrige Whigs waren. Der König und seine Anhänger hatten gehofft, daß
viele Wahlbeamten das Schreiben des Prinzen als ungültig betrachten
würden, aber seine Hoffnung wurde getäuscht. Die Wahlen gingen rasch und
ohne Hindernisse von Statten. Kaum an einem einzigen Orte gab es
Widerspruch. Denn die Nation war seit länger als einem Jahre in
beständiger Erwartung eines Parlaments gehalten worden. Es waren zweimal
Wahlschreiben erlassen und zweimal waren sie widerrufen worden. Einige
Wahlkörper waren in Folge dieser Ausschreiben schon zu der Wahl von
Abgeordneten geschritten. Es gab kaum eine Grafschaft, in der die Gentry
und die Freisassenschaft nicht schon vor vielen Monaten über Candidaten
einig gewesen wäre, lauter gute Protestanten, welche trotz König und
Lordlieutenant durchzubringen man keine Anstrengung gespart haben würde,
und diese Candidaten wurden ohne Opposition gewählt.

Der Prinz erließ strenge Befehle, daß kein Staatsdiener bei dieser
Gelegenheit jene Kunstgriffe anwenden solle, welche der vorigen
Regierung so viele Vorwürfe zugezogen hatten. Namentlich verfügte er,
daß in keiner Stadt, wo eine Wahl vor sich ging, Soldaten erscheinen
dürften.[55] Seine Bewunderer konnten rühmend behaupten und seine Feinde
scheinen nicht im Stande gewesen zu sein es zu leugnen, daß die
Gesinnung der Wahlkörper einen unverfälschten Ausdruck erhielt.
Allerdings wagte er auch nicht viel. Die ihm anhängende Partei war
siegreich, voll Begeisterung und energischer Lebenskraft, und die
Partei, von der allein er ernsten Widerstand zu fürchten gehabt hätte,
war uneinig und muthlos mit sich selbst und noch mehr mit ihrem
natürlichen Oberhaupte unzufrieden. Daher wählte ein großer Theil der
Grafschaften und Boroughs whiggistische Abgeordnete.

    [Anmerkung 55: +London Gazette, Jan. 7. 1688/89.+]


[_Die Angelegenheiten Schottlands._] Wilhelm's Regentenautorität
erstreckte sich nicht auf England allein. Auch Schottland hatte sich
gegen seine Tyrannen erhoben. Alle regulären Soldaten, durch die es so
lange niedergehalten worden, waren mit Ausnahme einer sehr kleinen
Truppe, welche unter dem Commando des Herzogs von Gordon, eines
angesehenen katholischen Lords, die Besatzung des Schlosses von Edinburg
bildete, von Jakob zum Beistande gegen das holländische Invasionsheer
aufgeboten worden. Jede während des ereignißvollen Monats November nach
dem Norden gegangene Post hatte Nachrichten gebracht, welche die
Leidenschaften der bedrückten Schotten aufstachelten. So lange der
Ausgang der militairischen Operationen noch zweifelhaft war, gab es in
Edinburg Tumulte und Demonstrationen, welche drohender wurden, nachdem
Jakob sich von Salisbury zurückgezogen hatte. Große Volksmassen
versammelten sich anfangs bei Nacht, dann selbst am hellen Tage. Päpste
wurden öffentlich verbrannt, man rief laut nach einem freien Parlamente,
und Plakate wurden angeschlagen, welche auf die Köpfe der Staatsminister
Preise setzten. Der am meisten verhaßte unter diesen Ministern war
Perth, der den hohen Posten des Staatskanzlers bekleidete, in der
königlichen Gunst sehr hoch stand, vom reformirten Glauben abgefallen
war und in dem Gerichtsverfahren seines Vaterlandes zuerst die
Daumenschraube eingeführt hatte. Er war ein Mann ohne Energie und von
niedriger Denkweise; der einzige Muth, den er besaß, war der entehrende
Muth, welcher der Schande trotzt und die Qualen Anderer gleichgültig mit
ansieht. Sein Posten war zu solchen Zeiten an der Spitze des
Staatsrathes; aber er hatte nicht das Herz dazu und beschloß daher, sich
der Gefahr, die nach den Blicken und Äußerungen des wilden und
unerschrockenen Pöbels von Edinburg nicht fern war, dadurch zu
entziehen, daß er sich auf seinen Landsitz flüchtete. Eine starke Wache
begleitete ihn nach Schloß Drummond; kaum aber war er abgereist, so
erhob sich die Stadt. Eine kleine Anzahl Truppen versuchten es, den
Aufstand zu unterdrücken, aber sie wurden überwältigt. Der Palast
Holyrood, der in ein katholisches Seminar und in eine Staatsdruckerei
verwandelt worden war, wurde erstürmt und demolirt. Ungeheure Haufen von
papistischen Büchern, Rosenkränzen, Kruzifixen und Bildern wurden in
High Street verbrannt. Mitten in der Aufregung kam die Nachricht von der
Flucht des Königs. Die Mitglieder der Regierung gaben jeden Gedanken an
eine Bekämpfung der Volkswuth auf und wechselten mit einer bei den
schottischen Staatsmännern damals sehr gewöhnlichen Schnelligkeit die
Farbe. Der Geheime Rath erließ eine Verordnung des Inhalts, daß alle
Papisten entwaffnet werden sollten, und durch eine andre Proklamation
forderte er die Protestanten auf, sich zur Vertheidigung des reinen
Glaubens zusammenzuschaaren. Die Nation hatte nicht erst auf diesen
Aufruf gewartet; Stadt und Land standen schon für den Prinzen von
Oranien unter den Waffen. Nithisdale und Clydesdale waren die einzigen
Bezirke, in denen eine schwache Aussicht war, daß die Katholiken sich
widersetzen würden; aber beide Bezirke waren bald von Schaaren
bewaffneter Presbyterianer besetzt. Unter den Insurgenten befanden sich
einige heftige und finstre Männer, welche früher Argyle verleugnet
hatten und die jetzt eben so wenig von Wilhelm etwas wissen wollten.
Seine Hoheit, sagten sie, habe offenbar Böses im Sinne. Er habe in
seiner Erklärung kein Wort von dem Covenant erwähnt. Die Holländer wären
ein Volk, mit dem kein wahrer Diener des Herrn gemeinschaftliche Sache
machen würde. Sie hielten es mit den Lutheranern und ein Lutheraner sei
eben so gut ein Kind der Verdammniß wie ein Jesuit. Die allgemeine
Stimme des Königreichs erstickte jedoch wirksam das Murren dieser
haßschnaubenden Faction.[56]

Die Bewegung verbreitete sich bald bis in die Gegend des Schlosses
Drummond. Perth sah, daß er unter seinen eigenen Dienern und Pächtern
nicht mehr sicher war. Er überließ sich daher einer eben so trostlosen
Verzweiflung, als in welche seine unbarmherzige Tyrannei oft viel
bessere Menschen als er war, gestürzt hatte. In seiner Todesangst suchte
er Trost in den Gebräuchen seiner neuen Kirche. Er quälte seine Priester
um geistlichen Zuspruch, betete, beichtete und communicirte; aber sein
Glaube war schwach und er gestand, daß trotz aller seiner
Andachtsübungen die Todesfurcht ihn überwältige. Um diese Zeit erfuhr
er, daß er Aussicht hatte, auf einem vor Brentisland liegenden Schiffe
zu entkommen. Er verkleidete sich so gut als möglich und nach einer
langen und beschwerlichen Reise über die ungangbaren Pfade des damals
mit tiefem Schnee bedeckten Ochillgebirges gelang es ihm sich
einzuschiffen; aber trotz aller beobachteten Vorsicht war er erkannt und
Lärm gemacht worden. Sobald es bekannt wurde, daß der blutdürstige
Renegat sich auf der See befinde, und daß er Gold bei sich habe, waren
ihm von Haß und Habgier erfüllte Verfolger auf den Fersen. Ein von einem
alten Freibeuter befehligtes Boot holte das fliehende Schiff ein und
enterte es. Perth, der Frauenkleider angelegt hatte, wurde aus dem
Kielraume aufs Verdeck geschleppt, ausgezogen, gemißhandelt und
geplündert. Man setzte ihm Bajonnette auf die Brust. Mit weibischem
Gejammer um Schonung seines Lebens flehend wurde er ans Land
zurückgebracht und in die Frohnfeste von Kirkaldy geworfen. Von dort
wurde er auf Befehl des Geheimen Raths, dem er kürzlich noch präsidirt
hatte und in welchem Männer saßen, die seine Schuld theilten, nach dem
Schlosse Stirling transportirt. Es war an einem Sonntage während des
öffentlichen Gottesdienstes, als er unter militairischer Eskorte in sein
Gefängniß abgeführt wurde; aber selbst strenge Puritaner vergaßen die
Heiligkeit des Tages und des Gottesdienstes. Die Andächtigen verließen
die Kirchen, als der Tyrann vorüberkam und laute Drohungen,
Verwünschungen und Ausbrüche des Hasses begleiteten ihn bis an den
Eingang seines Gefängnisses.[57]

Mehrere angesehene Schotten befanden sich in London, als der Prinz
daselbst ankam, und viele andere eilten jetzt dahin, um ihm ihre
Aufwartung zu machen. Am 7. Januar ersuchte er sie, sich ihm in
Whitehall vorzustellen. Die Versammlung war zahlreich und bestand aus
sehr achtbaren Männern. An der Spitze des Zuges erblickte man den Herzog
von Hamilton und seinen ältesten Sohn, den Earl von Arran, die
Oberhäupter eines Hauses von fast königlichem Ansehen. Sie waren
begleitet von dreißig Lords und ungefähr achtzig angesehenen Gentlemen.
Wilhelm sprach den Wunsch aus, daß sie sich mit einander berathen und
ihm dann sagen möchten, wie er das Wohl ihres Landes am besten fördern
könnte. Dann entfernte er sich, damit sie, durch seine Anwesenheit nicht
beengt, sich mit einander besprechen konnten. Sie gingen in das
Berathungszimmer und übertrugen dem Herzoge von Hamilton den Vorsitz.
Obgleich nur wenig Meinungsverschiedenheit stattgefunden zu haben
scheint, dauerten die Verhandlungen doch drei Tage, ein Umstand, der
sich durch Sir Patrick Hume's Betheiligung an der Debatte genügend
erklären läßt. Arran wagte es, eine Unterhandlung mit dem Könige
vorzuschlagen. Dieser Antrag aber wurde von seinem Vater und von der
ganzen Versammlung übel aufgenommen und fand gar keine Unterstützung.
Endlich wurden Beschlüsse gefaßt, ganz ähnlich denen, welche die
englischen Lords und Gemeinen einige Tage vorher dem Prinzen überreicht
hatten. Er wurde ersucht, eine Convention der schottischen Stände
einzuberufen, ihren Zusammentritt auf den 14. März zu bestimmen und bis
zu diesem Tage die Civil- und Militairverwaltung selbst zu übernehmen.
Er kam diesen Wünschen nach und die Regierung der ganzen Insel war von
nun an in seinen Händen.[58]

    [Anmerkung 56: +Sixth Collection of Papers, 1689+; +Wodrow, III.
    12. 4. App. 150, 151; Faithful Contendings Displayed+; +Burnet, I.
    804.+]

    [Anmerkung 57: Perth an Lady Errol, 29. Dec. 1688; an Melfort, 21.
    Dec. 1688: +Sixth Collection of Papers, 1689.+]

    [Anmerkung 58: +Burnet, I. 805+; +Sixth Collection of Papers,
    1689.+]


[_Stand der Parteien in England._] Der entscheidende Augenblick rückte
heran und die Aufregung der Gemüther stieg auf den Höhepunkt. Kleine
Clubs von Politikern steckten überall flüsternd und berathend die Köpfe
zusammen. Die Kaffeehäuser waren in heftiger Gährung, und die Pressen
der Hauptstadt standen keine Minute still. Von den damals erschienenen
Flugschriften könnte man noch jetzt mehrere Bände füllen und man kann
sich aus diesen Flugschriften unschwer eine richtige Vorstellung von dem
Stande der Parteien bilden.

Eine sehr kleine Faction wollte Jakob ohne irgend eine Bedingung
zurückrufen. Eine andre, ebenfalls sehr kleine Faction wünschte eine
Republik zu errichten und die Verwaltung einem Staatsrathe unter der
Präsidentschaft des Prinzen von Oranien zu übertragen. Diese extremen
Meinungen wurden jedoch allgemein mit Abscheu verworfen. Die Nation
bestand zu Neunzehn Zwanzigsteln aus Leuten, welche mit der Liebe zur
erblichen Monarchie die Liebe zur constitutionellen Freiheit verbanden,
wenn auch nicht alle in gleichem Verhältnisse, und die von der
gänzlichen Abschaffung des Königstitels eben so wenig etwas wissen
wollten, als von der unbedingten Wiedereinsetzung des Königs.

Doch in der weiten Entfernung, welche die noch den Lehren Filmer's
anhängenden Bigotten von den Schwärmern trennte, die noch an die
Verwirklichung der Träume Harrington's dachten, war Raum für viele
Meinungsschattirungen. Läßt man die unwichtigen Unterabtheilungen
unberücksichtigt, so wird man finden, daß die große Majorität der Nation
und der Convention in vier Abtheilungen zerfiel. Drei von diesen
Abtheilungen bestanden aus Tories und die vierte bildete die Whigpartei.

Die Freundschaft zwischen den Whigs und Tories hatte die Gefahr, welche
sie erzeugt, nicht überdauert. Während des Marsches des Prinzen aus dem
Westen hatten sich bei verschiedenen Gelegenheiten Spaltungen unter
seinen Anhängern gezeigt. So lange der Ausgang seines Unternehmens noch
zweifelhaft war, hatte seine geschickte Leitung diese Zerwürfnisse ohne
Mühe geschlichtet. Aber von dem Tage seines triumphirenden Einzugs in
den St. Jamespalast an war eine solche Leitung nicht mehr möglich. Indem
sein Sieg die Nation von der Furcht vor papistischer Tyrannei befreite,
hatte er ihm zugleich die Hälfte seines Einflusses entzogen. Alte
Antipathien, welche geschlummert hatten, so lange die Bischöfe im Tower
und die Jesuiten im Staatsrathe saßen, so lange loyale Geistliche zu
Dutzenden ihres Lebensunterhalts beraubt und loyale Gentlemen zu
Hunderten ihres Friedensrichteramtes entsetzt wurden, erwachten jetzt
mit erneuter Heftigkeit wieder. Der Royalist schauderte bei dem
Gedanken, daß er mit allen Denen verbündet sei, die er von Jugend auf am
meisten gehaßt habe: mit ehemaligen Anführern der Parlamentsarmee, die
sein Landhaus erstürmt, mit ehemaligen Parlamentscommissaren, die sein
Vermögen sequestrirt hatten, mit Männern, welche das Ryehouse-Gemetzel
angestiftet und an der Spitze der Insurrection im Westen gestanden
hatten. Auch die theure Kirche, der zu Liebe er nach einem qualvollen
Kampfe seine Unterthanentreue gegen den Thron gebrochen, war sie
wirklich in Sicherheit? Oder hatte er sie von einem Feinde befreit, nur
um sie einem andren preis zu geben? Allerdings waren die papistischen
Priester in der Verbannung, in Verstecken oder im Gefängniß. Kein Jesuit
oder Benedictiner, dem sein Leben lieb war, wagte es jetzt, sich in
seiner Ordenstracht zu zeigen. Aber die Presbyterianer- und
Independentenprediger zogen in langer Procession zu dem Oberhaupte der
Regierung, um ihm ihre Huldigung darzubringen und wurden eben so
freundlich empfangen, wie die wahren Nachfolger der Apostel. Einige
Schismatiker sprachen die Hoffnung aus, daß bald jede Schranke, die sie
von geistlichen Ämtern ausschlösse, fallen werde, daß die Artikel
gemildert, die Liturgie gesichtet, daß Weihnachten aufhören werde ein
Fest, der Charfreitag ein Fasttag zu sein, daß Canonici, deren Haupt nie
ein Bischof berührt, ohne das heilige Gewand von weißen Linnen in den
Chören der Kathedralen das Brot und den Wein des Abendmahls an auf
Bänken sitzende Communicanten austheilen werden. Der Prinz war zwar kein
fanatischer Presbyterianer, aber höchstens ein Latitudinarier. Er trug
kein Bedenken, nach anglikanischem Ritus zu communiciren, aber es war
ihm auch gleichgültig, nach welchem Ritus andere Leute communicirten. Es
stand zu befürchten, daß seine Gemahlin nur zuviel von seinem Geiste
eingesogen hatte. Burnet war ihr Gewissensrath; sie hörte Prediger von
verschiedenen protestantischen Secten, und hatte unlängst geäußert, daß
sie zwischen der Kirche Englands und den anderen reformirten Kirchen
keinen wesentlichen Unterschied erblicke.[59] Es war daher nothwendig,
daß die Kavaliere in diesem Augenblicke das von ihren Vätern im Jahre
1641 gegebene Beispiel befolgten, sich von den Rundköpfen und Sectirern
trennten und trotz aller Fehler des erblichen Monarchen die Sache der
erblichen Monarchie aufrecht erhielten.

Die von solchen Gesinnungen beseelte Partei war zahlreich und
achtungswerth. Sie schloß ungefähr die Hälfte des Hauses der Lords, etwa
ein Drittel des Hauses der Gemeinen, die Mehrheit der Landgentry und
mindestens neun Zehntel der Geistlichkeit in sich; aber sie war durch
Spaltungen zerrissen und auf allen Seiten von Schwierigkeiten umgeben.

    [Anmerkung 59: Albeville, 9.(19.) Nov. 1688.]


[_Sherlock's Plan._] Eine Section dieser großen Partei, die besonders
unter der Geistlichkeit stark vertreten und deren Hauptorgan Sherlock
war, wünschte, daß Unterhandlungen mit Jakob eröffnet und daß er unter
Bedingungen, welche die bürgerliche und kirchliche Verfassung des Reichs
vollkommen sicher stellten, zur Rückkehr nach Whitehall eingeladen
werden sollte.[60] Es springt in die Augen, daß dieser Plan, so
energisch er auch von der Geistlichkeit unterstützt wurde, doch in
directem Widerspruche mit den Doctrinen stand, welche der Klerus seit
vielen Jahren lehrte. Es war in der That ein Versuch, einen Mittelweg
einzuschlagen, wo kein Mittelweg möglich war, und einen Vergleich
zwischen zwei Dingen herbeizuführen, welche keinen Vergleich zulassen:
zwischen Widerstand und Nichtwiderstand. Die Tories hatten sich früher
zu dem Prinzipe des Nichtwiderstandes gehalten. Aber diesen Boden hatten
die meisten von ihnen jetzt verlassen und waren nicht geneigt, denselben
wieder einzunehmen. Die englischen Kavaliere in ihrer Gesammtheit waren
bei der letzten Erhebung gegen den König direct oder indirect so stark
betheiligt gewesen, daß sie in diesem Augenblicke nicht ohne die größte
Schande von der geheiligten Pflicht, einem Nero zu gehorchen, sprechen
konnten; auch hatten sie überhaupt keine Lust, den Fürsten, unter dessen
schlechter Regierung sie so viel hatten leiden müssen, zurückzurufen,
ohne ihm Bedingungen vorzuschreiben, die es ihm unmöglich machten, seine
Gewalt abermals zu mißbrauchen. Sie befanden sich deshalb in einer
schiefen Stellung. Ihre alte Theorie, mochte sie nun vernünftig oder
unvernünftig sein, war wenigstens vollständig und folgerichtig. War
diese Theorie zweckmäßig, so mußte der König unverweilt zur Rückkehr
aufgefordert und es ihm, wenn anders er wollte, gestattet werden,
Seymour und Danby, den Bischof von London und den Bischof von Bristol
wegen Hochverraths hinrichten zu lassen, die kirchliche Commission
wiederherzustellen, die Kirche mit papistischen Würdenträgern zu füllen
und die Armee unter das Commando papistischer Offiziere zu stellen. Wenn
aber, wie die Tories jetzt selbst zuzugeben schienen, die Theorie
unpraktisch war, warum dann mit dem Könige unterhandeln? Gestand man zu,
daß er rechtmäßigerweise vom Throne ausgeschlossen werden dürfe, bis er
befriedigende Garantien für die Sicherheit der kirchlichen und
staatlichen Verfassung gebe, so konnte man schwerlich leugnen, daß er
auch für immer rechtmäßigerweise ausgeschlossen werden durfte. Denn
welche befriedigenden Garantien konnte er geben? Konnte wohl eine
Parlamentsacte in klarerer Sprache gefaßt sein als die, welche
vorschrieben, daß der Dechant des Christchurch-Collegiums ein Protestant
sein müsse? Konnte ein Versprechen klarer und deutlicher sein als die,
in denen Jakob wiederholt erklärt hatte, daß er die gesetzlichen Rechte
der anglikanischen Geistlichkeit streng respectiren werde? Wenn Gesetz
oder Ehrgefühl etwas Bindendes für ihn gehabt hätten, so würde er nie
gezwungen gewesen sein, aus seinem Königreiche zu fliehen. Wenn aber
weder Gesetz noch Ehre in seinen Augen bindend für ihn waren, konnte es
dann wohl rathsam sein, ihn zurückzurufen?

Indessen würde trotz dieser Argumente wahrscheinlich ein Antrag auf
Eröffnung von Unterhandlungen mit Jakob in der Convention gestellt und
von der Hauptmasse der Tories unterstützt worden sein, wäre er nicht bei
dieser, wie bei jeder andren Gelegenheit sein eigner schlimmster Feind
gewesen. Jede von Saint-Germains kommende Post brachte Mittheilungen,
welche den Eifer seiner Anhänger abkühlten. Er hielt es nicht einmal der
Mühe werth, Reue über seine früheren Fehler zu heucheln oder Besserung
zu geloben. Er erließ ein Manifest, in welchem er seinem Volke sagte,
daß es stets sein eifriges Bestreben gewesen sei, mit Gerechtigkeit und
Mäßigung zu regieren und daß es sich durch eingebildete Beschwerden
selbst ins Verderben habe locken lassen.[61]

    [Anmerkung 60: Siehe die Flugschrift, betitelt: +Letter to a
    Member of the Convention+, und die Antwort darauf; +Burnet, I.
    809.+]

    [Anmerkung 61: Brief an die Lords des Geheimen Raths, 4.(14.) Jan.
    1688/89; +Clarendon's Diary, Jan. 9.(19.)+]


[_Sancroft's Plan._] Die Folge seiner Thorheit und seines Starrsinns
war, daß selbst Diejenigen, welche am meisten wünschten, ihn unter
billigen Bedingungen wieder auf den Thron zu setzen, erkannten, daß sie
der Sache, der sie dienen wollten, nur schaden würden, wenn sie in
diesem Augenblicke die Eröffnung von Unterhandlungen vorschlügen. Sie
beschlossen daher, sich mit einer andren Abtheilung der Tories zu
verbinden, deren Oberhaupt Sancroft war. Sancroft glaubte ein Mittel
gefunden zu haben, durch welches für die Regierung des Landes gesorgt
werden könnte, ohne Jakob zurückzurufen, aber auch ohne ihn deshalb
seiner Krone zu berauben. Dieses Mittel war eine Regentschaft. Die
unfügsamsten unter denjenigen Theologen, welche die Lehre vom passiven
Gehorsam eingeschärft, hatten doch nie behauptet, daß man diesen
Gehorsam einem Kinde oder einem Wahnsinnigen schuldig sei. Es war
allgemein anerkannt, daß, wenn der rechtmäßige Souverain zur Verwaltung
seines Amtes geistig unfähig sei, ein Stellvertreter für ihn erwählt
werden könne, und daß Jeder, der sich diesem Stellvertreter widersetzte
und sich zu seiner Entschuldigung auf den Befehl eines Fürsten berief,
der noch in der Wiege lag oder geistesschwach war, mit vollem Rechte den
auf Empörung gesetzten Strafen verfiele. Dummheit, Unverstand und
Aberglaube -- so raisonnirte der Primas -- hätten Jakob eben so unfähig
gemacht, sein Land zu regieren, wie nur ein in den Windeln liegendes
Kind oder ein auf dem Stroh von Bedlam grinsender und Unsinn
schwatzender Wahnsinniger es sein könnte. Es müsse daher der Weg
eingeschlagen werden, den man ergriffen habe, als Heinrich VI. noch ein
Kind war, und dann wieder, als er in Schlafsucht verfiel. Jakob könne
factisch nicht mehr König sein, aber er müsse es doch dem Anscheine nach
bleiben. Die Regierungsdecrete müßten noch unter seinem Namen erlassen,
und sein Bildniß und sein Namenszug müßten noch immer auf den Münzen und
im Staatssiegel figuriren. Die Parlamentsacten müßten nach wie vor mit
den Jahren seiner Regierung bezeichnet, die Verwaltung aber müsse ihm
entzogen und einem von den Ständen des Reichs ernannten Regenten
übertragen werden. Auf diese Weise, behauptete Sancroft allen Ernstes,
werde das Volk seiner Unterthanenpflicht treu bleiben, die Eide der
Treue, die es seinem Könige geschworen, würden streng beobachtet werden,
und die orthodoxesten Anglikaner könnten ohne die geringsten
Gewissensscrupel unter dem Regenten Ämter übernehmen.[62]

Sancroft's Meinung hatte bei der ganzen Torypartei und ganz besonders
bei der Geistlichkeit großes Gewicht. Eine Woche vor dem Tage, auf den
die Convention einberufen war, versammelte sich im Lambethpalaste eine
ehrwürdige Gesellschaft, hörte in der Kapelle eine Betübung an, speiste
bei dem Primas und berieth sich dann über den Stand der öffentlichen
Angelegenheiten. Fünf Suffraganen des Erzbischofs, die im vergangenen
Sommer seine Gefahren und seinen Ruhm getheilt hatten, waren anwesend.
Die Earls von Clarendon und von Ailesbury vertraten die toryistische
Laienschaft. Die ganze Versammlung schien einmüthig der Ansicht zu sein,
daß Diejenigen, welche Jakob den Unterthaneneid geleistet hatten, ihm
mit vollem Rechte den Gehorsam verweigern, aber nicht mit gutem Gewissen
den Königstitel einem Andren beilegen könnten.[63]

    [Anmerkung 62: Es scheint unglaublich, daß irgend Jemand sich
    durch solchen Unsinn hätte täuschen lassen sollen. Ich halte es
    daher für nöthig, Sancroft's Worte anzuführen, die noch in seiner
    eignen Handschrift existiren. »Die politische Capacität oder
    Autorität des Königs und sein Name in der Regentenreihe sind
    vollkommen und unleugbar. Da aber seine Person menschlich und
    sterblich und sonst gegen die übrigen Menschen nicht bevorzugt
    ist, so ist sie auch allen Mängeln und Fehlern derselben
    unterworfen. Er kann daher zur Leitung der Regierung, zur
    Verwaltung des Staatsschatzes etc. unfähig werden, sei es durch
    Abwesenheit, durch Unmündigkeit, durch Geistesschwäche, Wahnsinn
    oder Apathie, durch natürliche oder zufällige Krankheit, oder
    endlich durch gewisse, in Folge von Erziehung oder Gewohnheit
    entstandene und festgewurzelte, mit unabänderlichen
    Entschließungen verbundene Vorurtheile in mit den Gesetzen, der
    Religion, dem Landesfrieden und der wahren Politik des Reichs
    unvereinbaren Dingen. In allen diesen Fällen, sage ich, müssen
    eine oder mehrere Personen ernannt werden, um solchem Mängel
    abzuhelfen und die Regierungsgeschäfte statt seiner und im Namen
    seiner Gewalt und Autorität zu leiten. Ist dies geschehen, sage
    ich weiter, so sind alle wie früher stattfindenden Proceduren,
    Autoritäten, Ernennungen, Verleihungen etc. in jeder Hinsicht
    gesetzlich und rechtsgültig, die Unterthanenpflichten des Volkes
    bleiben die nämlichen, seine Eide und Verbindlichkeiten sind in
    keiner Weise verändert. So lange die Regierung kraft der Autorität
    und im Namen des Königs fortgeführt wird, bestehen auch alle die
    geheiligten Bande und eingeführten Proceduren fort und keines
    Menschen Gewissen wird mit irgend etwas beschwert, was zu
    übernehmen er Bedenken zu tragen braucht.« -- +Tanner MS.; Doyly's
    Life of Sancroft+. Die Creaturen Jakob's machten sich nicht ganz
    ohne Grund über das Englisch des guten Erzbischofs lustig.]

    [Anmerkung 63: +Evelyn, Jan. 15, 1688/89.+]


[_Danby's Plan._] So stimmten zwei Sectionen der Torypartei (diejenigen,
welche eine Verständigung mit Jakob wünschten, und die, welche von einer
solchen Verständigung nichts wissen wollten) in der Unterstützung der
Regentschaftsidee überein. Eine dritte Section jedoch, die zwar nicht
sehr zahlreich war, aber großes Gewicht und großen Einfluß hatte,
empfahl einen ganz andren Plan. Die Oberhäupter dieser kleinen Schaar
waren im Hause der Lords Danby und der Bischof von London, im Hause der
Gemeinen Sir Robert Sawyer. Sie meinten ein Mittel ausfindig gemacht zu
haben, um unter streng gesetzlichen Formen eine völlige Revolution zu
bewerkstelligen. Sie sagten, es widerstreite allem Prinzip, daß ein
König durch seine Unterthanen abgesetzt werden solle. Durch seine Flucht
habe er selbst seiner Macht und Stellung entsagt. Der Thron sei factisch
erledigt und könne nach der Ansicht aller verfassungskundigen Juristen
keinen Augenblick unbesetzt bleiben. Der nächste Erbe sei daher an seine
Stelle getreten. Aber wer sei der nächste Thronerbe? Was den nach
Frankreich übergeführten unmündigen Prinzen anlange, so sei dessen
Eintritt in die Welt von vielen verdächtigen Umständen begleitet
gewesen. Man sei es den anderen Mitgliedern des königlichen Hauses und
der Nation schuldig, jeden Zweifel hierüber zu heben. Der Gemahl der
Prinzessin von Oranien habe daher in ihrem Namen feierlich eine
Untersuchung verlangt, welche auch vorgenommen worden wäre, hätten nicht
die des Betrugs angeklagten Parteien einen Weg eingeschlagen, der in
jedem gewöhnlichen Falle als ein entscheidender Schuldbeweis gegolten
haben würde. Sie hätten sich nicht für bemüßigt gehalten, den Ausgang
einer feierlichen Parlamentsuntersuchung abzuwarten, sie hätten sich
heimlich in ein fremdes Land begeben und nicht allein das Kind, sondern
auch alle diejenigen französischen und italienischen Kammerfrauen mit
sich genommen, welche in den Betrug, falls ein solcher stattgefunden
haben sollte, eingeweiht sein müßten und daher einem strengen Verhör zu
unterwerfen gewesen wären. Die Ansprüche des Prinzen ohne Untersuchung
anzuerkennen, sei nicht möglich, und Diejenigen, die sich seine Eltern
nennten, hätten jede Untersuchung unmöglich gemacht. Das Urtheil müsse
daher +in contumaciam+ gegen ihn gefällt werden. Geschehe ihm dann
Unrecht, so geschehe ihm nicht von Seiten der Nation, sondern von Seiten
Derer Unrecht, deren auffallendes Benehmen bei seiner Geburt die Nation
berechtigt habe, eine Untersuchung zu verlangen, und die sich einer
solchen Untersuchung durch die Flucht entzogen hätten. Er könne daher
mit vollkommenem Rechte als ein Prätendent betrachtet werden. Und so sei
die Krone gesetzmäßig auf die Prinzessin von Oranien übergegangen. Sie
sei thatsächlich regierende Königin und die beiden Häuser hätten nichts
weiter zu thun, als sie zu proclamiren. Sie könne, wenn sie sonst wolle,
ihren Gemahl zu ihrem ersten Minister ernennen und ihm sogar mit
Bewilligung des Parlaments den Königstitel verleihen.

Nur wenige Personen zogen diesen Plan jedem andren vor und es war mit
Gewißheit zu erwarten, daß sich demselben sowohl Diejenigen, welche
Jakob noch zugethan waren, wie auch alle Anhänger Wilhelm's widersetzen
würden. Indessen gab Danby, der auf seine Kenntniß der parlamentarischen
Taktik vertraute und wohl wußte, was ein kleines Streifcorps
auszurichten vermag, wenn große Parteien einander ziemlich die Wage
halten, noch keineswegs die Hoffnung auf, daß er im Stande sein werde,
den Ausgang des Kampfes so lange in der Schwebe zu erhalten, bis Whigs
und Tories, an einem vollkommenen Siege verzweifelnd und die Folgen der
Verzögerung fürchtend, ihn als Schiedsrichter annehmen würden. Auch ist
es durchaus nicht unmöglich, daß er reussirt haben würde, wenn die Frau,
die er auf den höchsten Gipfel irdischer Größe erheben wollte,
unterstützt oder doch wenigstens nicht behindert worden wäre. So
scharfblickend und wohlerfahren er in Staatsgeschäften war, so kannte er
doch weder den Character Mariens noch die Gefühle, mit denen sie ihren
Gemahl betrachtete, und selbst ihr alter Lehrer Compton war nicht besser
unterrichtet. Wilhelm's Manieren waren trocken und kalt, seine
Constitution war schwächlich und kränklich und seine Gemüthsart
nichts weniger als sanft; er war daher nicht der Mann, der nach
gewöhnlichen Begriffen für geeignet gehalten werden konnte, einer
sechsundzwanzigjährigen schönen jungen Frau eine heftige Leidenschaft
einzuflößen. Es war bekannt, daß er seiner Gemahlin nicht immer ganz
treu geblieben war und der Leumund hatte ausgesprengt, daß sie nicht
glücklich mit ihm lebe. Die scharfsichtigsten Politiker ahneten daher
nicht, daß er bei allen seinen Fehlern eine solche Herrschaft über ihr
Herz erlangt hatte, als selbst Fürsten, die wegen ihres Glücks in der
Liebe am berühmtesten waren, wie Franz I. und Heinrich IV., Ludwig XIV.
und Karl II. sie niemals über ein weibliches Herz besessen hatten, und
daß die drei Königreiche ihrer Voreltern in ihren Augen hauptsächlich
deshalb einen Werth hatten, weil sie ihrem Gemahl durch die Verleihung
derselben die Innigkeit und Uneigennützigkeit ihrer Liebe beweisen
konnte. Danby versicherte ihr in seiner völligen Unkenntniß ihrer
Gesinnungen, daß er ihre Rechte vertheidigen und daß, wenn sie ihn
unterstütze, er sie allein auf den Thron setzen zu können hoffe.[64]

    [Anmerkung 64: +Clarendon's Diary, Dec. 24. 1688+; +Burnet, I.
    819+; +Proposals humbly offered in behalf of the Princess of
    Orange, Jan. 28. 1688/89.+]


[_Der Plan der Whigs._] Das Verfahren der Whigs war inzwischen einfach
und consequent. Nach ihrer Doctrin war die Grundlage unsrer Regierung
ein Vertrag, der auf der einen Seite durch den Unterthaneneid, auf der
andren durch den Krönungseid ausgedrückt sei, und die durch diesen
Vertrag auferlegten Pflichten waren gegenseitig. Sie hielten dafür, daß
einem Fürsten, der seine Macht gröblich mißbrauchte, von seinem Volke
mit vollem Rechte der Gehorsam verweigert und er des Thrones entsetzt
werden könne. Daß Jakob seine Macht gröblich gemißbraucht hatte, wurde
nicht bestritten, und die ganze Whigpartei war bereit, es offen
auszusprechen, daß er sie verwirkt habe. Ob der Prinz von Wales
untergeschoben war oder nicht, sei ein Punkt, der gar nicht der
Untersuchung werth sei. Es gebe jetzt viel gewichtigere Gründe, ihn vom
Throne auszuschließen als die, welche aus den Vorgängen bei seiner
Geburt hergeleitet werden könnten. Ein Kind, das in einer Wärmpfanne ins
Bett der Königin gelegt worden sei, könne möglicherweise auch ein guter
König von England werden. Dies sei aber nicht von einem Kinde zu
erwarten, das von seinem Vater, dem stupidesten und starrsinnigsten
Tyrannen von der Welt, in einem fremden Lande, dem Sitze des Despotismus
und des Aberglaubens erzogen werde, in einem Lande, wo jede Spur von
Freiheit verschwunden sei, wo die Stände des Reichs sich nicht
mehr versammelten, wo die Parlamente seit langer Zeit, ohne
Gegenvorstellungen zu machen, die drückendsten Erlasse des Landesherrn
zu Gesetzen erhoben hätten, wo Tapferkeit, Genie und Gelehrsamkeit nur
da zu sein schienen, um einen einzelnen Mann zu vergrößern, wo
kriechende Schmeichelei das Hauptstreben der Presse, der Kanzel und der
Bühne, und wo die grausamste Verfolgung der reformirten Kirche ein
Hauptgegenstand jener kriechenden Schmeichelei sei. Könne man wohl
erwarten, daß der Knabe unter solcher Leitung und in solcher Umgebung
die Institutionen seines Vaterlandes werde achten lernen? Könne man
daran zweifeln, daß er zu einem Sklaven der Jesuiten und der Bourbons
erzogen und ihm wo möglich noch heftigere Vorurtheile gegen die Gesetze
Englands eingeimpft werden würden als irgend einem der vorhergehenden
Stuarts?

Auch glaubten die Whigs nicht, daß bei der damaligen Lage des Landes
eine Abweichung von der gewöhnlichen Thronfolge an sich ein Übel sei.
Sie waren der Meinung, daß, wenn man diese Ordnung nicht unterbreche,
die Lehre von dem unveräußerlichen Erbrechte und dem passiven Gehorsam
dem Hofe stets gefallen, von Seiten der Geistlichkeit eingeschärft
werden und in der öffentlichen Meinung einen starken Anhang behalten
würde. Es würde die Ansicht vorherrschend bleiben, daß das Königthum
eine göttliche Anordnung in einem andren Sinne sei, als in welchem jede
Regierungsform eine solche Anordnung ist. Es liege auf der Hand, daß die
Verfassung niemals gesichert sein könne, so lange dieser Irrwahn nicht
zerstört sei. Denn eine wirklich beschränkte Monarchie könne in einer
Gesellschaft, welche die Monarchie als etwas Göttliches und die
Beschränkungen derselben als bloße menschliche Erfindungen betrachte,
nicht lange bestehen. Wenn das Königthum in vollkommenem Einklange mit
unseren Freiheiten bestehen solle, dürfe es sich auf keinen höheren oder
ehrwürdigeren Rechtstitel berufen können, als den, auf welchen sich
unsere Freiheiten gründeten. Der König müsse hinfüro als ein Beamter
betrachtet werden, allerdings als ein hoher und hochzuachtender Beamter,
der aber wie jeder andre Beamte dem Gesetze unterworfen sei und seine
Macht in keinem andren Sinne vom Himmel herleiten könne, als man von den
Lords oder den Gemeinen sagen dürfe, daß sie ihre Macht vom Himmel
herleiteten. Das beste Mittel, um diese heilsame Veränderung zu
bewirken, werde eine Unterbrechung der Erbfolge sein. Unter Souverainen,
die es kaum für etwas Geringeres als für Hochverrath ansähen, wenn die
Lehre vom Nichtwiderstande und die patriarchalische Regierungsform
gepredigt würde, unter Souverainen, deren auf Beschlüsse der beiden
Häuser sich gründende Autorität niemals höher steigen könne als die
Quelle, aus der sie entsprungen sei, würde man schwerlich solche
Bedrückungen zu fürchten haben, welche bereits zwei Generationen von
Engländern gezwungen hätten, sich mit bewaffneter Hand gegen zwei
Generationen von Stuarts zu erheben. Aus diesen Gründen waren die Whigs
bereit, den Thron für erledigt zu erklären, ihn durch Wahl wieder zu
besetzen und dem Fürsten ihrer Wahl Bedingungen vorzuschreiben, welche
das Land gegen schlechte Regierung sichern konnten.


[_Zusammentritt der Convention. Leitende Mitglieder des Hauses der
Gemeinen._] Die Zeit der Entscheidung dieser großen Fragen war jetzt
gekommen. Am 22. Januar mit Tagesanbruch füllte sich das Haus der
Gemeinen mit Rittern und Boroughvertretern. Auf den Bänken erblickte man
viele Gesichter, welche unter der Regierung Karl's II. hier wohlbekannt
gewesen, unter seinem Nachfolger aber nicht daselbst gesehen worden
waren. Die Mehrzahl der Torysquires und der mittellosen Anhänger des
Hofes, welche massenweise in das Parlament von 1685 gewählt worden
waren, hatten den Männern der ehemaligen Vaterlandspartei Platz gemacht,
welche die Cabale gestürzt, die Habeascorpusacte durchgesetzt und die
Ausschließungsbill vor die Lords gebracht hatten. Unter ihnen befand
sich Powle, gründlich bewandert in der Geschichte und dem Rechte der
Parlamente und ausgezeichnet durch die Beredtsamkeit, welche
erforderlich ist, wenn hochwichtige Fragen feierlich der Erwägung von
Senaten unterbreitet werden sollen, und Sir Thomas Littleton,
wohlerfahren in der europäischen Politik und mit einer heftigen,
scharfen Logik begabt, welche oftmals, wenn nach langer Sitzung die
Lichter angezündet worden waren, das erschöpfte Haus neu belebt und die
Debatte entschieden hatte. Hier saß auch Wilhelm Sacheverell, ein
Redner, dessen große parlamentarische Fähigkeiten viele Jahre später ein
Lieblingsthema alter Leute waren, welche die Kämpfe von Walpole und
Pulteney erlebten.[65] Diesen hervorragenden Männern zur Seite stand
Robert Clayton, der reichste Kaufmann von London, dessen Palast in der
alten Judenstadt die aristokratischen Gebäude in Lincoln's Inn Fields
und Conventgarden an Glanz übertraf, dessen Landgut zwischen den Hügeln
von Surrey als ein wahres Eden geschildert ward, dessen Gastmähler mit
denen der Könige wetteiferten und dessen einsichtsvolle Freigebigkeit,
von der noch heute zahlreiche öffentliche Denkmale Zeugniß ablegen, ihm
in den Annalen der City eine Stelle verschafft hat, welche nur der
Gresham's untergeordnet ist. In dem Parlamente, welches 1681 zu Oxford
tagte, hatte Clayton als Vertreter der Hauptstadt und auf Ersuchen
seiner Wähler um die Erlaubniß gebeten, die Ausschließungsbill
einzubringen und Lord Russel hatte ihn darin unterstützt. Im Jahre 1685
hatte die ihrer Privilegien beraubte und von Creaturen des Hofes
regierte Hauptstadt vier toryistische Vertreter gesandt. Jetzt aber war
der alte Freibrief wieder zurückgegeben und Clayton war durch
Acclamation wieder gewählt worden.[66] Auch Johann Birch darf nicht
unerwähnt bleiben. Er hatte seine Laufbahn als Fuhrmann begonnen, hatte
aber in den Bürgerkriegen sein Geschirr im Stich gelassen, war Soldat
geworden, hatte sich zum Range eines Obersten in der Armee der Republik
emporgeschwungen, hatte in hohen fiskalischen Ämtern großes
Geschäftstalent gezeigt, hatte viele Jahre im Parlament gesessen und
obgleich er bis zuletzt die derben Manieren und den plebejischen Dialect
seiner Jugend beibehielt, hatte er doch durch gesunden Verstand und
Mutterwitz das Ohr der Gemeinen gewonnen und wurde von den
ausgezeichnetsten Parlamentsrednern seiner Zeit als ein furchtbarer
Gegner betrachtet.[67] Dies waren die hervorragendsten unter den
Veteranen, welche jetzt nach langer Abgeschiedenheit ins öffentliche
Leben zurückkehrten. Sie wurden jedoch sehr bald durch zwei jüngere
Whigs in den Schatten gestellt, welche an jenem wichtigen Tage zum
ersten Male ihre Sitze einnahmen, bald zu den höchsten Ehrenstellen im
Staate emporstiegen, gemeinsam die heftigsten Parteistürme bestanden und
nachdem sie lange weit und breit als Staatsmänner, als Redner, als
freigebige Beschützer des Genies und der Gelehrsamkeit berühmt gewesen
waren, bald nach dem Regierungsantritte des Hauses Braunschweig wenige
Monate hintereinander starben. Diese waren Karl Montague und Johann
Somers.

Außerdem muß noch ein Name erwähnt werden, ein Name, welcher damals nur
einem kleinen Kreise von Philosophen bekannt war, der aber jetzt bis
über den Ganges und den Mississippi hinaus mit einer höheren Verehrung
genannt wird, als man sie dem Gedächtniß der größten Krieger und
Herrscher zollt. Unter der Menge der schweigenden Mitglieder erschien
auch die majestätische Stirn und das gedankenvolle Antlitz Isaak
Newton's. Die berühmte Universität, der sein Genie schon einen
eigenthümlichen noch nach Verlauf von hundertsechzig Jahren deutlich
erkennbaren Character aufzudrücken begonnen, hatte ihn in die Convention
gesandt, und hier saß er in seiner bescheidenen Größe als
anspruchsloser, aber unerschütterlicher Freund der bürgerlichen und
religiösen Freiheit.

    [Anmerkung 65: +Burnet, I. 389+ und Präsident Onslow's Note.]

    [Anmerkung 66: +Evelyn's Diary, Sept. 26. 1672, Oct. 12. 1679,
    Juli 13. 1700+; +Seymour's Survey of London.+]

    [Anmerkung 67: +Burnet, I. 388+ und Onslow's Note.]


[_Wahl eines Sprechers._] Die Gemeinen schritten vor Allem zur Wahl
eines Sprechers, und das Ergebniß dieser Wahl deutete schon unverkennbar
ihre Ansicht über die großen Fragen an, die sie entscheiden sollten. Bis
zum Vorabend der Versammlung hatte man geglaubt, daß Seymour zum
Präsidenten gewählt werden würde. Er hatte dieses Amt früher mehrere
Jahre bekleidet und hatte mehrfache gewichtige Ansprüche auf Beachtung:
Herkunft, Vermögen, Kenntnisse, Erfahrung und Beredtsamkeit. Er hatte
ferner lange an der Spitze eines einflußreichen Vereins von Mitgliedern
aus den westlichen Grafschaften gestanden. Obgleich ein Tory, hatte er
doch im letzten Parlament die Opposition gegen Papismus und
Willkürherrschaft mit ausgezeichnetem Geschick und Muth geleitet. Er war
einer der ersten Edelleute gewesen, der sich ins holländische
Hauptquartier nach Exeter begeben, und war der Urheber der Verbindung,
durch welche die Anhänger des Prinzen sich gegenseitig verpflichtet
hatten, zusammen zu siegen oder zu fallen. Aber einige Stunden vor dem
Zusammentritt der Häuser hatte sich das Gerücht verbreitet, Seymour sei
gegen die Erklärung, daß der Thron erledigt sei. Sobald sich daher die
Bänke gefüllt hatten, erhob sich der Earl von Wiltshire, welcher
Hampshire vertrat, und schlug Powle zum Sprecher vor. Sir Vere Fane,
Vertreter von Kent, unterstützte den Antrag. Es hätte allerdings ein
plausibler Einwurf dagegen erhoben werden können, denn es war bekannt,
daß eine Petition gegen Powle's Wahl zum Präsidenten dem Parlament
vorgelegt werden sollte; aber die allgemeine Stimme des Hauses berief
ihn auf den Präsidentenstuhl, und die Tories hielten es für gerathen,
sich damit einverstanden zu erklären.[68] Das Scepter wurde auf den
Tisch gelegt, die Liste der Mitglieder verlesen und die Namen der
fehlenden vorgemerkt.

Inzwischen hatten sich auch die Peers in einer Anzahl von etwa hundert
versammelt, hatten Halifax zum Sprecher gewählt und mehreren
ausgezeichneten Juristen diejenigen Functionen übertragen, welche in
ordentlichen Parlamenten den Richtern zukommen. Die beiden Häuser
setzten sich im Laufe des Tages häufig mit einander in Vernehmen. Sie
vereinigten sich zu dem Ersuchen, daß der Prinz die Zügel der Regierung
in der Hand behalten möchte, bis er Weiteres von ihnen hören würde, zum
Ausdrucke ihres Dankes für die Befreiung der Nation, die er mit Gottes
Hülfe bewerkstelligt, und zu der Bestimmung, daß der 31. Januar als
Dankfest für diese Befreiung gefeiert werden solle.[69]

Bis dahin hatte sich keine Meinungsverschiedenheit gezeigt; aber beide
Parteien rüsteten sich zum Kampfe. Die Tories waren im Oberhause stark,
im Unterhause schwach vertreten, und sie wußten, daß bei einer solchen
Gelegenheit dasjenige Haus, welches zuerst zu einem Entschlusse kam,
einen großen Vortheil über das andre haben mußte. Es war nicht die
geringste Aussicht vorhanden, daß die Gemeinen einen Beschluß zu Gunsten
des Regentschaftsplanes der Lords vorlegen würden, wenn aber ein solcher
Beschluß von den Lords den Gemeinen vorgelegt wurde, so war es nicht
ganz unmöglich, daß selbst viele von den whiggistischen Volksvertretern
geneigt sein würden, sich lieber damit einverstanden zu erklären, als
die große Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen, in einer Krisis, welche
Einmüthigkeit und rasches Handeln erforderte, Uneinigkeit und
Verzögerung verursacht zu haben. Die Gemeinen hatten beschlossen, am
Montag den 28. Januar die Lage der Nation in Erwägung zu ziehen. Daher
schlugen die toryistischen Lords am Freitag, den 25. vor, sofort an das
wichtige Geschäft zu gehen, um derentwillen sie sich versammelt hatten.
Ihre Beweggründe wurden jedoch von Halifax, der seit seiner Rückkehr von
Hungerford erkannt hatte, daß die Regierung nur nach whiggistischen
Prinzipien eingerichtet werden konnte und der sich daher für den
Augenblick eng an die Whigs angeschlossen hatte, klar durchschaut und
ihre Taktik vereitelt. Devonshire trug darauf an, daß Dienstag, der
neunundzwanzigste, der Tag sein solle. »Bis dahin,« sagte er mit mehr
Wahrheit als Überlegung, »können wir einige Aufklärungen von unten
erhalten, die uns zur Richtschnur dienen können.« Sein Antrag ging
durch, seine Sprache aber wurde von einigen seiner Mitpeers als ihres
Standes unwürdig streng getadelt.[70]

    [Anmerkung 68: Citters, 22. Jan. (1. Febr.) 1689; +Grey's
    Debates+.]

    [Anmerkung 69: +Lords' and Commons' Journals, Jan. 22. 1688+;
    Citters und Clarendon's Tagebuch von demselben Datum.]

    [Anmerkung 70: +Lords' Journals, Jan. 25. 1688/89; Clarendon's
    Diary, Jan. 23, 25.+]


[_Debatte über die Lage der Nation._] Am 28. erklärten sich die Gemeinen
zu einem Comité des ganzen Hauses. Ein Mitglied, das vor mehr als
dreißig Jahren einer von Cromwell's Lords gewesen war, Richard Hampden,
Sohn des berühmten Führers der Rundköpfe und Vater des Unglücklichen,
der nur durch große Bestechungen und erniedrigende Demüthigungen mit
genauer Noth der Rache Jakob's entgangen war, wurde zum Präsidenten
gewählt und die große Debatte begann.

Es zeigte sich sehr bald, daß eine überwiegende Majorität Jakob nicht
mehr als König betrachtete. Gilbert Dolben, der Sohn des verstorbenen
Erzbischofs von York, war der Erste, der sich zu dieser Ansicht
bekannte, und er wurde darin von vielen Mitgliedern unterstützt,
besonders von dem kühnen und heftigen Wharton, von Sawyer, dessen
beharrliches Opponiren gegen das Dispensationsrecht seine früheren
Vergehen einigermaßen wieder gut gemacht hatte, von Maynard, dessen
Stimme, obgleich vom Alter so geschwächt, daß sie auf den entfernteren
Bänken nicht vernommen werden konnte, doch noch immer die Achtung aller
Parteien genoß und von Somers, dessen glänzende Beredtsamkeit und
vielseitige Kenntnisse sich zum ersten Male in den Räumen des Parlaments
entfalteten. Auch die schamlose Stirn und die geläufige Zunge Sir
Wilhelm Williams' waren auf derselben Seite zu finden. Er war schon
stark betheiligt bei den Excessen der schlechtesten Opposition und der
schlechtesten Regierung. Er hatte unschuldige Papisten und unschuldige
Protestanten verfolgt, er war der Beschützer Oates' und das Werkzeug
Petre's gewesen, sein Name war mit aufrührerischen Gewaltthätigkeiten,
deren sich alle ehrenwerthen Whigs mit Bedauern und Beschämung
erinnerten, und mit Handlungen des Despotismus verknüpft, welche alle
ehrenwerthen Tories verabscheuten. Wie ein Mensch unter der Last solcher
Schande noch leben kann, ist schwer zu begreifen; aber selbst eine
solche Schande war für Williams noch nicht genug. Er schämte sich nicht,
den gefallenen Gebieter anzugreifen, dem er sich zu Dienstleistungen,
die kein rechtschaffener Mann irgend eines Justizcollegiums übernommen
haben würde, vermiethet, und von dem er erst vor einem halben Jahre als
Belohnung für seine Servilität eine Baronetschaft angenommen hatte.

Nur drei Mitglieder wagten es, sich der offenbar allgemeinen Ansicht der
Versammlung zu widersetzen. Sir Christoph Musgrave, ein Torygentleman
von großem Ansehen und Talent äußerte einige Zweifel. Heneage Finch ließ
ebenfalls einige Äußerungen fallen, welche so verstanden wurden, als ob
er die Eröffnung von Unterhandlungen mit dem Könige wünschte. Diese
Andeutung wurde so übel aufgenommen, daß er sich beeilte, sie weg zu
erklären. Er versicherte, daß er falsch verstanden worden sei. Er sei
überzeugt, daß unter einem solchen Fürsten keine Sicherheit für
Religion, Freiheit und Eigenthum denkbar sei. König Jakob zurückzurufen
oder mit ihm zu unterhandeln, würde ein verderblicher Schritt sein; aber
Viele, welche nie ihre Einwilligung dazu geben würden, daß er die
königliche Gewalt wieder ausübte, könnten es mit ihrem Gewissen nicht
vereinbaren, ihm auch den Königstitel zu nehmen. Es gebe jedoch einen
Ausweg, der alle Schwierigkeiten beseitigte: eine Regentschaft. Dieser
Vorschlag fand so wenig Beifall, daß Finch es nicht wagte, die
Abstimmung darüber zu verlangen. Richard Fanshaw, Viscount Fanshaw aus
Irland sprach einige Worte über Jakob und empfahl einen Aufschub; aber
sein Vorschlag erregte allgemeines Mißfallen. Ein Mitglied nach dem
andren stand auf, um die Wichtigkeit der Beschleunigung hervorzuheben.
Jeder Augenblick, wurde gesagt, sei kostbar, die Erwartung des Volks sei
aufs Höchste gespannt, so daß alle Geschäfte stockten. Die Minorität
fügte sich murrend und räumte der überwiegenden Partei das Feld.

Worin das Verfahren der Majorität bestehen würde, war noch nicht recht
klar, denn sie zerfiel in zwei Abtheilungen. Die eine bestand aus
eifrigen und heftigen Whigs, die, wenn sie ihren Weg hätten gehen
können, dem Verfahren der Convention einen entschieden revolutionären
Character gegeben haben würden. Die andre gab zu, daß eine Revolution
nothwendig sei, betrachtete sie aber als ein nothwendiges Übel und
wünschte sie soviel als möglich unter dem Scheine der Gesetzmäßigkeit zu
verhüllen. Die erstere Abtheilung verlangte die bestimmte Anerkennung
des Rechtes der Unterthanen, schlechte Fürsten des Thrones zu entsetzen.
Die andre Abtheilung wollte nur das Land von einem schlechten Fürsten
befreien, ohne ein Prinzip aufzustellen, das leicht zu den Zwecke
gemißbraucht werden könnte, die rechtmäßige und heilsame Autorität
zukünftiger Monarchen zu schwächen. Die erstere Abtheilung hob
namentlich die schlechte Regierung des Königs, die andre seine Flucht
hervor; jene war der Ansicht, daß er seine Krone verwirkt, diese, daß er
ihr freiwillig entsagt habe. Es war nicht leicht, eine Beschlußformel zu
entwerfen, welche Allen gefiel, deren Zustimmung zu erlangen von
Wichtigkeit war; endlich aber wurde aus den von verschiedenen Seiten
gemachten Vorschlägen ein Beschluß gebildet, der alle Theile
befriedigte.


[_Beschluß, durch den der Thron für erledigt erklärt wird._] Es wurde
beantragt, daß König Jakob II., indem er es versucht, durch einen Bruch
des ursprünglichen Vertrags zwischen König und Volk die Verfassung des
Reichs umzustürzen, und indem er auf den Rath der Jesuiten und anderer
übelgesinnter Personen die Grundgesetze verletzt und sich aus dem Lande
entfernt, die Regierung niedergelegt habe und daß der Thron dadurch
erledigt worden sei.

Dieser Beschluß ist häufig einer so genauen und strengen Kritik
unterworfen worden wie irgend eine von Menschenhand geschriebene
Sentenz, und doch giebt es vielleicht keine von Menschenhand
geschriebene Sentenz, die eine solche Kritik weniger vertrüge. Daß ein
König seine Macht durch groben Mißbrauch derselben verwirken kann, ist
wahr. Daß man von einem Könige, der auf und davon geht, ohne Vorsorge
für die Verwaltung der Regierungsgeschäfte zu treffen, und sein Volk in
einem Zustande von Anarchie zurückläßt, ohne gewaltsame Wortverdrehung
sagen kann, er habe seine Funktionen niedergelegt, ist ebenfalls wahr.
Aber kein gewissenhafter Schriftsteller wird behaupten, daß lange
fortgesetzte schlechte Regierung und Flucht zusammengenommen einen
Abdankungsact constituiren. Ebenso klar ist es, daß die Erwähnung der
Jesuiten und anderer schlechter Rathgeber Jakob's die Beschuldigung
gegen ihn schwächt, anstatt sie zu bekräftigen. Denn ein durch schlimme
Rathgeber irregeleiteter Mann verdient gewiß mehr Nachsicht als einer,
der lediglich aus eigenem Antriebe Unrecht thut. Es ist jedoch ein
eitles Beginnen, diese denkwürdigen Worte zu analysiren, wie wir ein
Kapitel von Aristoteles oder von Hobbes untersuchen. Derartige Worte
sind nicht als Worte, sondern als Thaten zu betrachten, und wenn sie das
bewirken, was sie bewirken sollen, so sind sie vernünftig, mögen sie
auch an sich widersinnig sein. Erreichen sie aber ihren Zweck nicht, so
sind sie absurd, wenn sie auch Beweiskraft in sich tragen. Die Logik
läßt keine Auslegung zu. Das Wesen der Politik aber ist die Auslegung.
Es ist daher nicht zu verwundern, daß einige der wichtigsten und
nützlichsten politischen Dokumente zu den unlogischesten Aufsätzen
gehören, welche je geschrieben wurden. Somers, Maynard und die anderen
ausgezeichneten Männer, welche den berühmten Antrag entwarfen, hatten
dabei nicht den Zweck, der Nachwelt ein Muster von Definition und
Eintheilung zu hinterlassen, sondern die Wiedereinsetzung eines Tyrannen
unmöglich zu machen und einen Fürsten auf den Thron zu erheben, unter
welchem Gesetz und Freiheit gesichert waren. Diesen Zweck erreichten sie
durch die Anwendung von Worten, welche in einer philosophischen
Abhandlung mit Recht als ungenau und unklar getadelt worden wären. Es
kümmerte sie wenig, ob der Vordersatz und der Schlußsatz zu einander
paßten, wenn nur der Vordersatz ihnen zweihundert Stimmen und der
Schlußsatz weitere zweihundert Stimmen verschaffte. Die einzige
Schönheit des Beschlusses ist in der That seine Inconsequenz. Sie
enthielt eine Phrase für jede Unterabtheilung der Majorität. Die
Erwähnung des ursprünglichen Vertrags befriedigte die Anhänger Sidney's.
Das Wort Abdankung beschwichtigte Politiker einer zurückhaltenderen
Schule. Vielen eifrigen Protestanten gefiel ohne Zweifel der gegen die
Jesuiten ausgesprochene Tadel. In den Augen des wirklichen Staatsmanns
war der einzige wichtige Satz der, welcher den Thron für erledigt
erklärte, und wenn nur dieser Satz angenommen wurde, so war es ihm
ziemlich gleichgültig, welche Einleitung demselben vorausging. Eine so
vereinigte Macht ließ keiner Hoffnung auf Widerstand Raum. Der Antrag
wurde vom Ausschusse ohne Abstimmung angenommen, und es wurde
unverzügliche Berichterstattung darüber beschlossen. Powle nahm den
Präsidentenstuhl wieder ein, das Scepter wurde auf den Tisch gelegt,
Hampden trug auf Erhebung zum Beschluß an, das Haus gab seine Zustimmung
und die sofortige Überreichung an die Lords wurde anbefohlen.[71]

    [Anmerkung 71: +Commons' Journals, Jan. 28. 1688/89; Grey's
    Debates+; Citters, 29. Jan. (8. Febr.). Wenn der Bericht in
    +Grey's Debates+ genau ist, so muß Citters in Betreff der Rede
    Sawyer's falsch unterrichtet gewesen sein.]


[_Der Beschluß wird den Lords vorgelegt._] Am folgenden Morgen
frühzeitig versammelten sich die Lords. Die Bänke der geistlichen wie
der weltlichen Lords waren dicht besetzt. Hampden erschien in der
Schranke und überreichte Halifax den Beschluß der Gemeinen. Das Oberhaus
constituirte sich hierauf zu einem Comité und Danby nahm den
Präsidentenstuhl ein.

Die Discussion wurde bald durch das nochmalige Erscheinen Hampden's
unterbrochen, der eine andre Botschaft überbrachte. Das Haus
constituirte sich wieder als solches und vernahm, daß die Gemeinen es so
eben als unvereinbar mit der Sicherheit und dem Wohle der
protestantischen Nation erklärt habe, von einem papistischen Könige
regiert zu werden. So wenig sich dieser Beschluß mit dem Prinzipe des
unveräußerlichen Erbrechts vertrug, so gaben die Peers doch auf der
Stelle und einmüthig ihre Zustimmung zu demselben. Der dadurch
aufgestellte Grundsatz ist bis auf unsre Zeit von allen protestantischen
Staatsmännern stets heilig gehalten worden und kein verständiger
Katholik hat ihn je als Einwendungen zulassend betrachtet. Wenn unsere
Souveraine, wie die Präsidenten der Vereinigten Staaten, bloße
bürgerliche Beamte wären, so würde es allerdings schwer sein, eine
solche Beschränkung zu rechtfertigen. Allein mit der englischen Krone
ist zugleich die Oberhauptswürde über die englische Kirche verbunden,
und es ist keine Intoleranz, wenn man sagt, daß eine Kirche nicht einem
Oberhaupte unterthan sein kann, das sie als schismatisch und ketzerisch
betrachtet.[72]

    [Anmerkung 72: +Lords' and Commons' Journals, Jan. 29, 1688/89.+]


[_Debatte im Oberhause über den Regentschaftsplan._] Nach dieser kurzen
Unterbrechung constituirten sich die Lords wieder zum Comité. Die Tories
drangen darauf, daß ihr Plan berathen werden sollte, ehe der Beschluß
der Gemeinen, welcher den Thron für erledigt erklärte, in Betracht
gezogen würde. Dies ward ihnen zugestanden und die Frage gestellt, ob
eine Regentschaft, die während Jakob's Lebzeiten in seinem Namen die
königliche Gewalt ausübe, das beste Mittel zur Aufrechthaltung der
Gesetze und der Freiheiten der Nation sein würde.

Der Kampf war lang und heftig. Die Hauptsprecher zu Gunsten einer
Regentschaft waren Rochester und Nottingham. Halifax und Danby waren die
leitenden Häupter der andren Seite. Der Primas trat sonderbarerweise
nicht auf, obgleich die toryistischen Peers ihn dringend ersucht hatten,
sich an ihre Spitze zu stellen. Seine Abwesenheit zog ihm vielfachen
bitteren Tadel zu, und selbst seine Lobredner waren nicht im Stande,
eine seinem Character zur Ehre gereichende Erklärung zu finden.[73] Der
Regentschaftsplan war von ihm ausgegangen und er hatte erst vor wenigen
Tagen in einem von ihm eigenhändig geschriebenen Aufsatze diesen Plan
für den unzweifelhaft besten erklärt, den man annehmen könnte. Die
Besprechungen der Lords, welche diesen Plan unterstützten, hatten unter
seinem eigenen Dache stattgefunden. Seine Stellung machte es ihm
unbestreitbar zur Pflicht, seine Ansicht öffentlich auszusprechen. Den
Verdacht persönlicher Feigheit oder niedriger Habsucht kann Niemand auf
ihn werfen. Wahrscheinlich that er aus einer krankhaften Besorgniß,
etwas Unrechtes zu thun, in diesem wichtigen Augenblicke nichts, aber er
hätte wissen sollen, daß bei einem Manne in seiner Stellung nichts thun
so viel hieß als Unrecht thun. Ein Mann, der zu scrupulös ist, um in
einer wichtigen Krisis eine große Verantwortlichkeit zu übernehmen,
sollte auch zu scrupulös sein, um die Stelle eines ersten Dieners der
Kirche und eines ersten Peers des Reichs anzunehmen.

Ein Wunder war es jedoch nicht, daß Sancroft nicht wohl zu Muthe war,
denn er konnte wohl kaum gegen die auf der Hand liegende Wahrheit blind
sein, daß der Plan, den er seinen Freunden empfohlen, durchaus
unverträglich war mit Allem, was er und seine Amtsbrüder seit vielen
Jahren gepredigt hatten. Die anglikanische Kirche hatte sich lange mit
der Lehre gebrüstet, daß der König ein göttliches und unveräußerliches
Recht auf die königliche Gewalt habe und daß man sich der königlichen
Gewalt, selbst wenn sie gröblich gemißbraucht würde, nicht widersetzen
dürfe, ohne eine Sünde zu begehen. Hatte denn diese Lehre wirklich nur
die Bedeutung, daß der König ein göttliches und unveräußerliches Recht
habe, sein Bildniß und seinen Namen in ein Petschaft stechen zu lassen,
welches täglich gegen seinen Willen dazu gebraucht werden konnte, seine
Feinde zum Krieg gegen ihn zu ermächtigen und seine Freunde an den
Galgen zu schicken, weil sie ihm gehorcht hatten? Bestand denn die ganze
Pflicht eines guten Unterthanen in der Anwendung des Wortes König? Dann
hatten Fairfax bei Naseby und Bradshaw im Hohen Gerichtshofe ihre ganze
Pflicht als gute Unterthanen erfüllt, denn Karl war von den gegen ihn
befehligenden Generälen und selbst von den ihn verurtheilenden Richtern
als König bezeichnet worden. Nichts hatte die Kirche in dem Verfahren
des langen Parlaments schärfer getadelt als den sinnreichen Einfall, den
Namen Karl's gegen ihn selbst zu gebrauchen. Alle ihre Diener waren
aufgefordert worden, eine Erklärung zu unterschreiben, welche die
Fiction, wodurch die Autorität des Souverains von seiner Person getrennt
worden war, als hochverrätherisch verdammte.[74] Gleichwohl würde diese
hochverrätherische Fiction jetzt von dem Primas und vielen seiner
Suffraganen als die einzige Grundlage betrachtet, auf der sie in
strenger Übereinstimmung mit christlichen Prinzipien eine Regierung
aufrichten konnten.

Die Unterscheidung, welche Sancroft von den Rundköpfen der
vorhergehenden Generation entlehnt hatte, stürzte von Grund aus das
ganze politische System um, das die Kirche und die Universitäten vom
Apostel Paulus gelernt zu haben behaupteten. Tausendmal war es
wiederholt worden, daß der heilige Geist den Römern befohlen habe, sich
Nero zu unterwerfen. Jetzt schien dieses Gebot nur den Sinn gehabt zu
haben, daß die Römer den Nero Augustus nennen sollten. Es stand ihnen
vollkommen frei, ihn über den Euphrat zu jagen, ihn von der
Freigebigkeit der Parther leben zu lassen, ihm gewaltsamen Widerstand zu
leisten, wenn er einen Versuch zur Rückkehr machen sollte, Alle die ihm
beistanden oder mit ihm verkehrten, zu bestrafen, und die tribunitische
und consulatorische Gewalt, den Vorsitz im Senat und den Oberbefehl über
die Legionen auf Galba oder Vespasian zu übertragen.

Die Analogie, welche der Erzbischof zwischen einem thörichten König und
einem wahnsinnigen König entdeckt zu haben glaubte, hält keinen
Augenblick gründlicher Prüfung aus. Es war klar, daß Jakob sich nicht in
einem solchen Geisteszustande befand, wo ihn, wäre er ein Landedelmann
oder ein Kaufmann gewesen, ein Gerichtshof für unfähig erklärt haben
würde, einen Vertrag abzuschließen, oder ein Testament zu machen. Er war
nur in so weit geistesschwach, als alle schlechten Könige geistesschwach
sind, wie Karl I. geistesschwach war, als er aufbrach, um die fünf
Parlamentsmitglieder festzunehmen, wie Karl II. geistesschwach war, als
er den Vertrag von Dover schloß. Wenn diese Art der Geisteskrankheit
Unterthanen nicht das Recht gab, ihren Fürsten den Gehorsam zu
verweigern, so war der Regentschaftsplan offenbar nicht zu vertheidigen.
Im entgegengesetzten Falle war das Prinzip des Nichtwiderstandes völlig
aufgegeben und Alles gutgeheißen, was ein gemäßigter Whig je behauptet
hatte.

Was den Unterthaneneid anlangt, um den Sancroft und seine Anhänger so
sehr besorgt waren, so ist wenigstens das klar, daß sie Unrecht hatten,
mochte übrigens Recht haben wer da wollte. Die Whigs waren der Ansicht,
daß der Unterthaneneid gewisse Bedingungen enthalte, das der König diese
Bedingungen verletzt und daß der Eid dadurch seine Kraft verloren habe.
War aber die whiggistische Meinung irrig, und der Eid noch bindend,
konnten dann verständige Männer wirklich glauben, daß sie sich keines
Eidbruches schuldig machten, wenn sie für eine Regentschaft stimmten?
Konnten sie behaupten, daß sie die Unterthanentreue gegen Jakob nicht
verletzten, wenn sie trotz seiner angesichts ganz Europa's erhobenen
Protestationen einen Andren ermächtigten, die königlichen Revenuen zu
beziehen, Parlamente einzuberufen und zu prorogiren, Herzöge und Earls
zu creiren, Bischöfe und Richter zu ernennen, Verbrecher zu begnadigen,
über die Streitkräfte des Staats zu verfügen und mit fremden Mächten
Verträge zu schließen? Hatte Pascal wohl in allen Folianten der
jesuitischen Casuistiker einen verachtungswertheren Sophismus finden
können als der war, welcher jetzt, wie es schien, hinreichte, um das
Gewissen der Väter der anglikanischen Kirche zu beruhigen?

Es konnte nichts Augenfälligeres geben, als daß sich der
Regentschaftsplan nur vom whiggistischen Standpunkte vertheidigen ließ.
Über die Rechtsfrage konnte zwischen den vernünftigen Anhängern des
Planes und der Majorität des Hauses der Gemeinen kein Streit obwalten.
Es blieb nur eine Zweckmäßigkeitsfrage übrig. Und konnte wohl irgend ein
Staatsmann im Ernst behaupten, daß es zweckmäßig sei, eine Regierung mit
zwei Oberhäuptern einzusetzen und dem einen dieser beiden Oberhäupter
die königliche Macht ohne die königliche Würde, dem andren die
königliche Würde ohne die königliche Macht zu ertheilen? Es war
notorisch, daß eine solche Einrichtung, selbst wenn sie durch die
Unmündigkeit oder Geistesschwäche eines Fürsten geboten war, ernste
Nachtheile hatte. Daß Regentschaftsperioden Zeiten der Schwäche, der
Unruhen oder des Unheils sind, war eine durch die ganze Geschichte
Englands, Frankreichs und Schottlands bewiesene, fast sprichwörtlich
gewordene Wahrheit. Indessen war der König im Fall der Unmündigkeit oder
Geistesschwäche wenigstens passiv, und er konnte dem Regenten nicht
thätig entgegenwirken. Der gegenwärtige Vorschlag aber hieß so viel als
England zwei Staatsoberhäupter von reifem Alter und gesundem Verstande
geben, die einen unversöhnlichen Krieg gegeneinander führten. Es war
lächerlich, davon zu reden, daß man Jakob bloß den Königstitel lassen
und ihm alle königliche Macht entziehen wolle. Denn der Titel war ein
Theil der Macht. Das Wort König war ein Zauberwort, mit dem sich bei
vielen Engländern die Idee einer von oben stammenden geheimnißvollen
Eigenschaft und bei allen Engländern der Begriff einer rechtmäßigen und
ehrwürdigen Autorität verband. Wenn der Titel eine solche Macht in sich
trug, so konnten Diejenigen, welche behaupteten, daß Jakob _alle_ Macht
entzogen werden müsse, gewiß nicht leugnen, daß man ihm auch den Titel
nehmen mußte.

Und wie lange sollte die von Sancroft's Genie ersonnene anomale
Regierung dauern? Jeder Grund, der überhaupt für ihre Errichtung
angeführt werden konnte, konnte mit gleicher Beweiskraft für
Beibehaltung derselben bis ans Ende der Zeiten geltend gemacht werden.
War der nach Frankreich gebrachte Knabe wirklich von der Königin
geboren, so mußte er später das göttliche und unveräußerliche Recht
erben, König genannt zu werden, und das nämliche Recht ging dann sehr
wahrscheinlich durch das ganze achtzehnte und neunzehnte Jahrhundert von
Papist zu Papist über. Beide Häuser aber hatten einstimmig beschlossen,
daß England nicht von einem Papisten regiert werden sollte. Es konnte
daher leicht kommen, daß, von Geschlecht zu Geschlecht Regenten die
Regierung im Namen vacirender und bettelnder Könige verwalteten. Es
unterlag keinem Zweifel, daß die Regenten vom Parlament ernannt werden
mußten, und so würde diese Erfindung, welche das geheiligte Prinzip der
erblichen Monarchie ungeschwächt aufrechterhalten sollte, zur Folge
gehabt haben, daß die Monarchie factisch eine Wahlmonarchie geworden
wäre.

Außerdem wurde noch ein unverwerflicher Grund gegen Sancroft's Plan
geltend gemacht. Die Gesetzsammlung enthielt ein Gesetz, daß bald nach
Beendigung des langen und blutigen Kampfes zwischen den Häusern York und
Lancaster zu dem Zwecke erlassen worden war, das Unheil abzuwenden,
welches die abwechselnden Siege dieser beiden Häuser über den Adel und
die Gentry des Reichs gebracht hatten. Dieses Gesetz bestimmte, daß
Niemand deshalb, weil er es mit einem im Besitz der Macht befindlichen
König gehalten, den auf Hochverrath gesetzten Strafen verfallen sollte.
Als den Königsmördern nach der Restauration der Prozeß gemacht wurde,
behaupteten einige von ihnen, ihr Fall sei nach diesem Gesetze zu
richten. Sie sagten, sie hätten der Regierung gehorcht, die im Besitz
der Macht gewesen, und sie seien daher keine Hochverräther. Die Richter
gaben zu, daß dies eine gute Entschuldigung sein würde, wenn die
Gefangenen unter der Autorität eines Usurpators gehandelt hätten, der,
wie Heinrich IV. und Richard III. den Königstitel getragen, erklärten
aber, daß ein solcher Entschuldigungsgrund Leuten, welche einen in der
Anklageacte, im Todesurtheile und im Hinrichtungsbefehle als König
bezeichneten Mann angeklagt, verurtheilt und hingerichtet hatten, nicht
zu Gute kommen konnte. Daraus folgte sonach, daß Jeder, der einen
Regenten gegen Jakob unterstützte, große Gefahr lief, gehängt,
geschleift und geviertheilt zu werden, wenn Jakob einmal wieder zur
höchsten Macht gelangte, daß aber Niemand ohne eine solche Verletzung
des Gesetzes, wie selbst ein Jeffreys sie schwerlich zu begehen gewagt
haben würde, bestraft werden könnte, weil er einen wenn auch
unrechtmäßigerweise zu Whitehall regierenden Könige gegen einen zu
Saint-Germain im Exil lebenden rechtmäßigen Könige gehalten hatte.[75]

Man sollte meinen, daß diese Gründe keinen Einwand zuließen, und sie
wurden in der That von Danby, der die wundervolle Gabe besaß, jeden
Gegenstand, den er behandelte, auch dem beschränktesten Verstande klar
zu machen, und von Halifax, der in Gedankenreichthum und glänzender
Diction unter den Rednern der damaligen Zeit seines Gleichen nicht
hatte, mit Nachdruck hervorgehoben. Aber die Tories waren im Oberhause
so zahlreich und mächtig, daß sie trotz der Unhaltbarkeit ihrer Sache,
des Abfalls ihres Führers und der Geschicklichkeit ihrer Gegner bei
einem Haare den Sieg davongetragen hätten. Hundert Lords stimmten ab.
Neunundvierzig stimmten für eine Regentschaft, einundfünfzig dagegen.
Bei der Minorität befanden sich die natürlichen Söhne Karl's, die
Schwäger Jakob's, die Herzöge von Somerset und von Ormond, der
Erzbischof von York und elf Bischöfe. Mit der Majorität stimmte außer
Compton und Trelawney kein Prälat.[76]

Es war fast neun Uhr Abends, als das Haus auseinanderging. Der folgende
Tag war der dreißigste Januar, der Todestag Karl's I. Die große
Körperschaft des anglikanischen Clerus hatte es seit vielen Jahren für
eine heilige Pflicht gehalten, an diesem Tage die Lehren vom
Nichtwiderstande und vom passiven Gehorsam einzuschärfen. Ihre früheren
Predigten konnten sie jedoch jetzt nicht mehr brauchen und viele
Geistliche waren sogar in Zweifel, ob sie es wagen dürften, die ganze
Liturgie zu lesen. Das Unterhaus hatte erklärt, daß der Thron erledigt
sei, das Oberhaus hatte noch gar keine Ansicht ausgesprochen, und es war
daher nicht leicht zu entscheiden, ob die Gebete für den Souverain
angewendet werden konnten. Jeder Gottesdienst haltende Geistliche
handelte nach seinem persönlichen Ermessen. In den meisten Kirchen der
Hauptstadt wurden die Gebete für Jakob weggelassen; in der
Margarethenkirche aber las Sharp, Dechant von Norwich, welcher ersucht
worden war, vor den Mitgliedern des Unterhauses zu predigen, nicht
allein die ganzen Gebete, wie sie im Buche standen, sondern extemporirte
auch vor seiner Predigt einen Segen für den König und sprach am Schlusse
seines Vortrags gegen die jesuitische Lehre, daß Unterthanen berechtigt
seien, ihre Fürsten abzusetzen. Der Sprecher beschwerte sich noch
denselben Nachmittag vor dem Hause über diese Beleidigung. »Heute fassen
Sie einen Beschluß,« sagte er, »und morgen hören Sie denselben mit
eigenen Ohren auf der Kanzel widersprechen.« Sharp wurde von den Tories
kräftig in Schutz genommen und hatte selbst unter den Whigs Freunde;
denn es war noch nicht vergessen, daß er sich in schlimmen Zeiten durch
den Muth, mit dem er trotz des königlichen Befehls gegen den Papismus
gepredigt, ernsten Gefahren ausgesetzt hatte. Sir Christoph Musgrave
bemerkte sehr treffend, das Haus habe den Beschluß, welcher den Thron
für erledigt erklärte, noch nicht bekannt machen lassen. Sharp sei daher
nicht allein nicht verpflichtet gewesen, von diesem Beschlusse etwas zu
wissen, sondern er hätte sogar nicht Notiz davon nehmen können, ohne
sich eine Verletzung des Privilegiums des Hauses zu Schulden kommen zu
lassen, wofür er hätte vor die Schranken gefordert und kniend einen
Verweis erhalten können. Die Majorität sah ein, daß es nicht weise
gewesen wäre, in diesem Augenblicke mit der Geistlichkeit zu hadern und
man ließ den Gegenstand daher fallen.[77]

Während die Gemeinen über Sharp's Predigt discutirten, hatten sich die
Lords wieder zu einem Comité zur Erwägung der Lage der Nation
constituirt und hatten den Beschluß, der den Thron für erledigt
erklärte, Satz für Satz vorlesen lassen.

Der erste Ausdruck, über den sich eine Debatte entspann, war der,
welcher den ursprünglichen Vertrag zwischen König und Volk anerkannte.
Es war nicht zu erwarten, daß die toryistischen Peers eine die
Quintessenz des Whiggismus enthaltende Phrase ohne Einwendungen würden
durchgehen lassen. Es wurde abgestimmt und mit dreiundfünfzig gegen
sechsundvierzig Stimmen beschlossen, daß die Worte stehen bleiben
sollten.

Der strenge Tadel, den die Gemeinen über die Verwaltung Jakob's
ausgesprochen hatten, wurde nun zunächst in Betracht gezogen und ohne
eine einzige abweichende Stimme gebilligt. Nur gegen den Ausdruck, Jakob
habe die Regierung niedergelegt, wurden einige redactionelle
Einwendungen gemacht. Es wurde hervorgehoben, man könne richtiger sagen,
daß er sie verlassen habe. Dieses Amendement wurde, wie es scheint, fast
ohne alle Debatte, und ohne Abstimmung angenommen. Inzwischen war es
spät geworden, und die Lords hoben daher die Sitzung auf.[78]

    [Anmerkung 73: +Clarendon's Diary, Jan. 21. 1688/89; Burnet, I.
    810: Doyly's Life of Sancroft.+]

    [Anmerkung 74: Siehe die Uniformitätsacte.]

    [Anmerkung 75: +Stat. 2. Hen. 7. c. 1+; +Lord Coke's Institutes,
    III. 1.+ Cook's Hochverrathsprozeß in der +Collection of State
    Trials+; +Burnet, I. 813+, und Swift's Note.]

    [Anmerkung 76: +Lords' Journals, Jan. 29. 1688/89; Clarendon's
    Diary; Evelyn's Diary+; Citters; +Eachard's History of the
    Revolution+; +Burnet, I. 813+; +History of the Reestablishment of
    the Government, 1689.+ Die Anzahl der Stimmen für und wider sind
    in den Protokollen nicht angeführt und werden von verschiedenen
    Schriftstellern verschieden angegeben. Ich habe mich an Clarendon
    gehalten, der sich die Mühe genommen, Listen der Majorität und der
    Minorität zu entwerfen.]

    [Anmerkung 77: +Grey's Debates+; +Evelyn's Diary+; +Life of
    Archbishop Sharp, by his son+; +Apology for the New Separation, in
    a letter to Dr. John Sharp, Archbishop of York, 1691.+]

    [Anmerkung 78: +Lords' Journals, Jan. 30. 1688/89; Clarendon's
    Diary.+]


[_Spaltung zwischen den Whigs und den Anhängern Danby's._] Bis hieher
hatte die kleine Anzahl Peers, welche unter Danby's Leitung standen, in
festem Bunde mit Halifax und den Whigs gehandelt. Das Ergebniß dieser
Einigung war die Verwerfung des Regentschaftsplanes und die Bestätigung
des Grundsatzes vom ursprünglichen Vertrag. Der Satz, daß Jakob
aufgehört habe, König zu sein, war der Vereinigungspunkt der beiden
Parteien gewesen, welche zusammen die Majorität gebildet hatten. Von
diesem Punkte an aber gingen ihre Wege auseinander. Die nächste zu
entscheidende Frage war, ob der Thron erledigt sei, und dies war keine
bloße Formfrage, sondern eine Frage von ernster praktischer Bedeutung.
Wenn der Thron erledigt war, so konnten die Stände des Reichs Wilhelm
auf denselben erheben; war er nicht erledigt, so konnte er erst nach
seiner Gemahlin, nach der Prinzessin Anna und nach deren
Nachkommenschaft auf denselben gelangen.

Nach der Ansicht der Anhänger Danby's war es ein feststehender
Grundsatz, daß unser Land nicht einen Augenblick ohne einen rechtmäßigen
Fürsten sein konnte. Der Mensch konnte sterben, aber der Regent war
unsterblich; der Mensch konnte abdanken, der Regent aber war
unabsetzbar. Wenn wir, sagten diese Politiker, einmal zugeben, daß der
Thron erledigt ist, so geben wir auch zu, daß er durch Wahl besetzt
werden kann. Der Souverain, den wir auf denselben erheben, wird dann
nicht ein Souverain nach englischem, sondern einer nach polnischem Modus
sein. Selbst wenn wir die Person wählten, welche dem Geburtsrechte nach
zur Regierung kommen würde, so würde diese Person doch nicht kraft des
Geburtsrechtes, sondern kraft unsrer Wahl regieren und würde als
Geschenk erhalten was als Erbtheil betrachtet werden sollte. Die
heilsame Ehrfurcht, mit der das königliche Blut und das Erstgeburtsrecht
bisher betrachtet worden sind, würde bedeutend geschwächt werden. Noch
schlimmer würde das Übel sein, wenn wir den Thron nicht allein durch
Wahl, sondern mit einem Prinzen besetzten, der zwar unbestreitbar die
Eigenschaften eines großen und guten Regenten hat und uns eine
wunderbare Befreiung gebracht, der aber nicht der Erste, ja nicht einmal
der Zweite in der Thronfolgeordnung ist. Wenn wir einmal sagen, daß
Verdienste, so groß sie immer sein mögen, ein Anrecht auf die Krone
geben, so erschüttern wir die Grundpfeiler unsrer Verfassung und liefern
einen Precedenzfall, den jeder ehrgeizige Krieger oder Staatsmann,
welcher dem Lande einen großen Dienst geleistet haben mag, in seinem
Interesse zu benutzen sich versucht fühlen wird. Diese Gefahr vermeiden
wir, wenn wir die Prinzipien der Verfassung logisch bis zu ihren
Consequenzen festhalten. Es hat eine Niederlegung der Krone
stattgefunden. Im Augenblicke der Niederlegung wurde der nächste Erbe
unser rechtmäßiger Souverain. Wir betrachten die Prinzessin von Oranien
als nächste Erbin, und sind der Meinung, daß sie unverzüglich als das
was sie wirklich ist, als unsre Königin, proklamirt werden muß.

Die Whigs entgegneten hierauf, es sei nutzlos, die gewöhnlichen Regeln
auf ein im Zustande der Revolution befindliches Land anzuwenden, die
jetzt obschwebende große Frage dürfe nicht nach den Ansprüchen
pedantischer Templer entschieden werden, und wenn sie so entschieden
werden solle, so könnten derartige Aussprüche auf der einen Seite eben
so gut wie auf der andren angeführt werden. Wenn es ein Rechtsgrundsatz
sei, daß der Thron nie unbesetzt sein könne, so sei es auch ein
Rechtsgrundsatz, daß ein noch lebender Mensch keinen Erben haben könne.
Jakob lebte noch; wie könnte also die Prinzessin von Oranien seine Erbin
sein? Das englische Recht habe allerdings vollständige Vorsorge für die
Thronfolge getroffen, für den Fall, daß die Macht eines Souverains zu
gleicher Zeit mit seinem Leben endete, nicht aber für die seltenen
Fälle, in denen seine Macht vor dem Aufhören seines physischen Lebens
endete, und mit einem dieser höchst seltenen Fälle habe die Convention
es jetzt zu thun. Daß Jakob nicht mehr auf dem Throne sitze, hätten
beide Häuser erklärt. Weder das gemeine Recht, noch das in den Gesetzen
enthaltene Recht bezeichne irgend Jemanden als befugt, in der Zeit
zwischen seiner Abdankung und seinem Ableben den Thron einzunehmen.
Daraus folge, daß der Thron erledigt sei und daß die Häuser den Prinzen
von Oranien ersuchen könnten, denselben einzunehmen. In der
Geburtsordnung sei er allerdings nicht der Nächste, allein dies sei kein
Nachtheil, sondern vielmehr gerade eine positive Empfehlung. Die
erbliche Monarchie sei eine gute politische Institution, aber keineswegs
heiliger als andere gute politische Institutionen. Leider hätten bigotte
und servile Theologen es zu einem religiösen Mysterium gemacht, das fast
eine eben so heilige Scheu erwecke und eben so unbegreiflich sei, als
die Transsubstantiation selbst. Die Institution aufrecht zu erhalten,
aber die nachtheiligen abergläubischen Begriffe zu entfernen, die man
seit den letzten Jahren daran geknüpft, und die sie zu einem Fluche,
anstatt zu einem Segen für die Gesellschaft gemacht hätten, müsse das
Hauptbestreben der englischen Staatsmänner sein, und dieser Zweck werde
am besten erreicht werden, wenn man einmal von der allgemeinen
Erbfolgeordnung ein wenig abweiche und dann wieder zu derselben
zurückkehre.


[_Versammlung bei dem Earl von Devonshire._] Es wurden viele Versuche
gemacht, um einen offenen Bruch zwischen der Partei des Prinzen und der
Partei der Prinzessin zu verhüten. Eine große Versammlung wurde im Hause
des Earl von Devonshire gehalten und daselbst lebhaft debattirt. Halifax
war der Hauptsprecher für Wilhelm, Danby für Marien. Von Marien's
Gesinnungen wußte Danby nichts. Sie wurde seit einiger Zeit in London
erwartet, war aber zuerst durch die Eismassen, welche die Flußmündungen
versperrten, und nach eingetretenem Thauwetter durch heftige Westwinde
in Holland, zurückgehalten worden. Wäre sie früher gekommen, so würde
der Streit wahrscheinlich mit einem Male beigelegt worden sein. Auf der
andren Seite war Halifax nicht ermächtigt irgend etwas im Namen
Wilhelm's zu thun. Der Prinz hatte, getreu seinem Versprechen, daß er
die Einsetzung der Regierung der Convention überlassen werde, eine
undurchdringliche Zurückhaltung bewahrt und hatte sich kein Wort, keinen
Blick, keine Geberde entschlüpfen lassen, welche Zufriedenheit oder
Mißfallen hätte verrathen können. Einer seiner Landsleute, der sein
Vertrauen in hohem Maße genoß, war zu der Versammlung eingeladen und von
den Peers dringend ersucht worden, daß er ihnen einige Aufschlüsse geben
möchte. Er weigerte sich lange. Endlich aber gab er ihren Bitten
insoweit nach, daß er sagte: »Ich kann die Gesinnung Seiner Hoheit nur
muthmaßen. Wenn Sie es gern wissen wollen, was ich muthmaße, so will ich
es Ihnen sagen: ich vermuthe, daß er nicht gern der Ceremonienmeister
seiner Gemahlin werden möchte. Doch ich weiß nichts.« -- »Aber ich weiß
nun etwas,« erwiederte Danby. »Ich weiß genug, mehr als genug.« Dann
entfernte er sich und die Versammlung ging auseinander.[79]

Am 31. Januar wurde die so beendigte Privatdebatte im Hause der Peers
öffentlich wieder aufgenommen. Dieser Tag war zur Feier des
Nationaldankfestes bestimmt worden. Mehrere Bischöfe, darunter Ken und
Sprat, hatten für diese Gelegenheit ein besonderes Gebet abgefaßt. Es
ist vollkommen frei von Schmeicheleien wie von Gehässigkeiten, welche
derartige Erzeugnisse damals nur zu oft verunzierten und hält vielleicht
besser als irgend ein andres Gelegenheitsgebet, das seit zwei
Jahrhunderten verfaßt wurde, einen Vergleich mit jenem herrlichen Muster
reiner, erhabener und ergreifender Beredtsamkeit, mit dem allgemeinen
Gebetbuche aus. Die Lords gingen am Morgen in die Westminsterabtei. Die
Gemeinen hatten Burnet gebeten, in der Margarethenkirche vor ihnen zu
predigen. Von ihm hatte man nicht zu fürchten, daß er in den Fehler
verfallen werde, welcher den Tag vorher daselbst begangen worden war.
Sein kräftiger und lebendiger Vortrag fand gewiß lauten Beifall bei
seinen Zuhörern. Die Predigt wurde nicht allein auf Befehl des Hauses
gedruckt, sondern auch zur Erbauung fremder Protestanten ins
Französische übersetzt.[80] Der Tag wurde mit den bei solchen
Gelegenheiten üblichen Festlichkeiten beschlossen. Die ganze Stadt
strahlte von Feuerwerk und Freudenfeuern; der Kanonendonner und das
Glockengeläute dauerten bis tief in die Nacht hinein; aber ehe die
Lichter erloschen und die Straßen wieder still geworden waren, hatte ein
Ereigniß stattgefunden, das die Freude des Volks dämpfte.

    [Anmerkung 79: Dartmouth's Note zu Burnet, I. 393. Dartmouth sagt,
    die Lords hätten Fagel diese Andeutung abgedrungen. Dies war ein
    Schreibfehler, der in einer eilig hingeschriebenen Anmerkung wohl
    zu entschuldigen ist; aber Dalrymple und Andere hätten einen so
    auffallenden Fehler nicht abschreiben sollen. Fagel war am 5. Dec.
    1688, während sich Wilhelm in Salisbury und Jakob in Whitehall
    befand, in Holland gestorben. Die richtige Person war vermuthlich
    Dykvelt, Bentinck oder Zulestein, am wahrscheinlichsten Dykvelt.]

    [Anmerkung 80: Das Gebet sowohl als Burnet's Predigt sind noch in
    unseren großen Bibliotheken zu finden und verdienen gelesen zu
    werden.]


[_Debatte im Hause der Lords über die Frage der Thronerledigung._] Die
Peers hatten sich aus der Abtei in ihr Sitzungslokal begeben und die
Discussion über die Lage der Nation wieder aufgenommen. Die letzten
Worte des Beschlusses der Gemeinen wurden in Erwägung gezogen, und es
zeigte sich bald, daß die Majorität nicht gemeint war, diesen Worten
beizustimmen. Zu den nahe an fünfzig Lords, welche der Ansicht waren,
daß Jakob noch der Königstitel gebühre, kamen jetzt noch sieben bis
acht, welche behaupteten, daß derselbe schon auf Marien übergegangen
sei. Als die Whigs sahen, daß ihre Gegner ihnen an Zahl überlegen waren,
versuchten sie es, einen Vergleich zu Stande zu bringen. Sie schlugen
deshalb vor, die Worte, welche den Thron für erledigt erklärten,
wegzulassen und den Prinzen und die Prinzessin einfach zum König und zur
Königin zu proklamiren. Es war augenscheinlich, daß eine solche
Erklärung Alles was die Tories nicht zugestehen wollten, wenn nicht
ausdrücklich aussprach, doch in sich schloß. Denn Niemand konnte
behaupten, daß Wilhelm kraft des Geburtsrechts in das königliche Amt
eingetreten war. Ein Beschluß, der ihn als König anerkannte, wäre
demnach ein Wahlact gewesen, und wie konnte eine Wahl stattfinden ohne
Erledigung?


[_Die Majorität für die Verneinung._] Der Vorschlag der whiggistischen
Lords wurde mit zweiundfünfzig gegen siebenundvierzig Stimmen verworfen.
Dann wurde die Frage gestellt, ob der Thron erledigt sei. Hiermit waren
einverstanden einundvierzig, nicht einverstanden fünfundfünfzig.
Sechsunddreißig von der Minorität protestirten.[81]

    [Anmerkung 81: +Lords' Journals, Jan. 31. 1688/89+.]


[_Aufregung in London._] Während der beiden folgenden Tage war London in
einer unruhigen und angstvollen Stimmung. Die Tories begannen zu hoffen,
daß sie ihren Lieblingsplan einer Regentschaft mit besserem Erfolge
wieder zur Sprache würden bringen können. Vielleicht zog der Prinz
selbst, wenn er sah, daß er keine Aussicht hatte, die Krone zu tragen,
Sancroft's Plan, dem Plane Danby's vor. Es war allerdings besser, König
zu sein als Regent; aber Regent war immer noch besser als
Ceremonienmeister. Auf der andren Seite begann auch die niedere und
heftigere Klasse der Whigs, die ehemaligen Emissäre Shaftesbury's die
alten Bundesgenossen College's sich in der City zu regen. Volkshaufen
versammelten sich im Palasthofe und führten eine drohende Sprache. Lord
Lovelace, der im Verdacht stand, zu diesen Versammlungen aufgereizt zu
haben, kündigte den Peers an, daß er beauftragt sei, eine Petition zu
überreichen, in der sie aufgefordert würden, den Prinzen und die
Prinzessin von Oranien unverzüglich zum König und zur Königin zu
erklären. Auf die Frage, von wem die Petition unterzeichnet sei,
antwortete er: »Sie hat noch keine Unterschriften, wenn ich sie aber das
nächste Mal wieder mit hierher bringe, wird sie deren genug haben.«
Diese Drohung beunruhigte und verdroß seine eigne Partei. Die leitenden
Whigs waren in der That noch ängstlicher besorgt, als die Tories, daß
die Berathungen der Convention vollkommen frei seien und daß kein
Anhänger Jakob's behaupten könne, daß das eine oder das andre Haus unter
dem Einflusse eines Zwanges gehandelt habe. Eine ähnliche Petition wie
die von Lovelace überreichte, wurde auch im Hause der Gemeinen
vorgelegt, aber mit Verachtung zurückgewiesen. Maynard war der Erste,
der gegen den Versuch des Straßenpöbels, die Stände des Reichs
einzuschüchtern, protestirte. Wilhelm ließ Lovelace zu sich kommen,
setzte ihn sehr ernsthaft zur Rede und befahl den städtischen Behörden,
gegen alle ungesetzlichen Versammlungen kräftig einzuschreiten.[82]
Nichts in der Geschichte unsrer Revolution verdient mehr Bewunderung und
Nachahmung als die Art, wie sich die beiden Parteien der Convention
gerade in dem Augenblicke, wo ihr Streit am heftigsten war, wie ein Mann
zum Widerstand gegen die Vorschriften des Pöbels der Hauptstadt
verbanden.

    [Anmerkung 82: Citters, 5.(15.) Febr. 186 f.; +Diary, Feb. 2.+ In
    dem Werke, +Revolution Politics+, einem höchst abgeschmackten
    Buche, das aber als Sammlung der unsinnigen Tagesgerüchte einigen
    Werth hat, übertreibt die Geschichte maßlos. -- +Grey's Debates+.]


[_Brief von Jakob an die Convention._] Obgleich aber die Whigs fest
entschlossen waren, die Ordnung aufrecht zu erhalten und die Freiheit
der Debatte zu achten, so waren sie doch nicht minder fest entschlossen,
kein Zugeständniß zu machen. Am Samstag, den 2. Februar beschlossen die
Gemeinen ohne Abstimmung, die ursprüngliche Fassung ihres Beschlusses
beizubehalten. Jakob kam wie immer seinen Feinden zu Hülfe. Eben war ein
Schreiben von ihm an die Convention angelangt. Der Apostat Melfort, der
jetzt in St.-Germain in hoher Gunst stand, hatte es Preston überbracht.
Der Name Melfort war jedem Anhänger der Staatskirche verhaßt. Daß er
noch immer ein vertrauter Diener Jakob's war, genügte an sich schon um
zu beweisen, daß die Thorheit und Verkehrtheit seines Gebieters
unheilbar waren. Kein Mitglied eines der beiden Häuser wagte es, die
Vorlesung eines von solcher Seite kommenden Schreibens zu beantragen.
Der Inhalt war jedoch der ganzen Stadt bekannt. Seine Majestät ermahnte
die Lords und Gemeinen, an seiner Milde nicht zu verzweifeln und
versicherte gnädigst, daß er Denen, die ihn verrathen hätten, verzeihen
wolle, einige Wenige ausgenommen, die er nicht nannte. War es wohl
möglich etwas für einen Fürsten zu thun, der besiegt, verlassen,
verbannt und von Almosen lebend, Denjenigen, in deren Hand sein
Schicksal lag, sagte, daß er, wenn sie ihn wieder auf den Thron setzten,
nur einige wenige von ihnen hängen lassen würde?[83]

    [Anmerkung 83: Jakob's Brief, vom 24. Jan. (3. Febr.) 1689 datirt,
    findet sich bei Kennet. In Clarke's +Life of James+ ist er auf die
    unredlichste Weise entstellt. Siehe +Clarendon's Diary, Feb. 2,
    4+; +Grey's Debates+; +Lords' Journals, Feb. 2, 4, 1688/89+.]


[_Debatte._] Der Streit zwischen den beiden Parteien der gesetzgebenden
Gewalt dauerte noch einige Tage. Montag, den 4. Februar, beschlossen die
Lords auf ihren Amendements zu beharren; aber es wurde ein mit
neununddreißig Namen unterzeichneter Protest in die Protokolle
eingetragen.[84]

    [Anmerkung 84: Es ist von mehrern Schriftstellern, unter anderen
    von Ralph, und B. Mazure behauptet worden, Danby habe diesen
    Protest unterzeichnet. Dies ist ein Irrthum. Wahrscheinlich las
    Jemand, der die Protokolle vor dem Drucke durchsah, Danby für
    Derby. +Lords' Journals, Feb. 4. 1688/89+. Einige Tage vorher
    schrieb Evelyn fälschlich Derby anstatt Danby. Sein Tagebuch vom
    29. Jan. 1688/89.]


[_Unterhandlungen._] Am folgenden Tage beschlossen die Tories, ihre
Stärke im Unterhause zu versuchen. Sie erschienen in großer Anzahl und
es wurde der Antrag gestellt, den Amendements der Lords beizutreten.
Die, welche für Sancroft's Plan und die, welche für Danby's Plan waren,
stimmten miteinander; allein sie wurden mit zweihundertundachtzig gegen
hunderteinundfünfzig Stimmen geschlagen. Das Haus beschloß hierauf, um
eine freie Conferenz mit den Lords nachzusuchen.[85]

    [Anmerkung 85: +Commons' Journals, Feb. 5. 1688/89.+]


[_Schreiben der Prinzessin von Oranien an Danby._] Zu gleicher Zeit
wurden außerhalb der Mauern des Parlaments energische Anstrengungen
gemacht, um den Streit zwischen den beiden Zweigen der gesetzgebenden
Versammlung zu beendigen. Burnet glaubte es durch die Wichtigkeit der
Krisis gerechtfertigt, das ihm von der Prinzessin anvertraute große
Geheimniß zu veröffentlichen. Er wisse aus ihrem eigenen Munde, sagte
er, daß es schon längst ihr fester Entschluß sei, selbst wenn sie nach
der regelmäßigen Erbfolge auf den Thron gelangen sollte, mit Genehmigung
des Parlaments ihre Gewalt in die Hände ihres Gemahls niederzulegen.
Danby erhielt von ihr einen ernsten, fast harten Verweis. Sie sei die
Gattin des Prinzen, schrieb sie ihm, und hege keinen andren Wunsch als
ihm unterthan zu sein; man könne ihr keine schwerere Beleidigung
zufügen, als wenn man sie als seine Nebenbuhlerin darstelle und sie
könne Niemanden, der ein solches Verfahren einschlage, als ihren wahren
Freund betrachten.[86]

    [Anmerkung 86: +Burnet, I. 819.+]


[_Die Prinzessin Anna erklärt sich mit dem Whigplane einverstanden._]
Die Tories hatten noch eine Hoffnung. Anna konnte vielleicht auf ihren
eigenen und auf den Rechten ihrer Kinder bestehen. Es wurde keine Mühe
gespart, um ihren Ehrgeiz aufzustacheln und ihr Gewissen zu beunruhigen.
Ihr Oheim Clarendon war ganz besonders thätig. Erst wenige Wochen waren
vergangen, seitdem die Hoffnung auf Reichthum und Ansehen ihn bewogen
hatte, die pomphaft zur Schau getragenen Glaubensbekenntnisse seines
ganzen Lebens zu verleugnen, von dem Könige abzufallen, sich dem Wildman
und dem Ferguson anzuschließen und sogar vorzuschlagen, daß der König
als Gefangener in ein fremdes Land geschickt und in eine von ungesunden
Sümpfen umgebene Festung eingesperrt werden sollte. Der Köder, der diese
auffallende Sinnesveränderung bewirkt hatte, war das Vicekönigamt in
Irland. Bald zeigte es sich jedoch, daß der Proselyt wenig Aussicht
hatte, den glänzenden Preis, nach welchem sein Sinn strebte, zu
erringen. Er sah, daß Andere über die irländischen Angelegenheiten zu
Rathe gezogen wurden. Sein Rath wurde nie verlangt, und wenn er ihn
zudringlicherweise anbot, wurde er mit Kälte aufgenommen. Er begab sich
häufig in den St. Jamespalast, konnte aber kaum ein Wort oder einen
Blick erlangen. Das eine Mal schrieb der Prinz eben; ein ander Mal
sollte er frische Luft schöpfen und einen Spazierritt durch den Park
machen; das dritte Mal hatte er eine Conferenz mit Offizieren über
militairische Angelegenheiten und konnte Niemanden empfangen. Clarendon
sah nun, daß er keine Aussicht hatte, durch die Aufopferung seiner
Grundsätze etwas zu gewinnen, und er beschloß daher, zu denselben
zurückzukehren. Im December hatte der Ehrgeiz ihn zum Rebellen gemacht;
im Januar verwandelte Enttäuschung ihn wieder in einen Royalisten. Das
drückende Bewußtsein, daß er kein standhafter Tory gewesen war, verlieh
seinem Toryismus eine besondere Leidenschaftlichkeit.[87] Im Hause der
Lords hatte er Alles aufgeboten, um eine bestimmte Entscheidung zu
hintertreiben. Jetzt verwendete er seinen ganzen Einfluß zu demselben
Zwecke bei der Prinzessin Anna. Aber sein Einfluß auf sie war nur gering
im Vergleich mit dem der Churchill, welche wohlweislich zwei mächtige
Verbündete zu Hülfe nahmen: Tilletson, der als Gewissensrath damals ein
großes Ansehen genoß, und Lady Russel, deren edle und liebenswürdige
Tugenden, welche die schwerste aller Prüfungen bestanden, ihr den Ruf
einer Heiligen erworben hatten. Bald ward es bekannt, daß die Prinzessin
von Dänemark ihre Einwilligung zu Wilhelm's lebenslänglicher Regierung
zu geben geneigt war, und es lag auf der Hand, daß es ein vergebliches
Beginnen gewesen wäre, die Sache der Töchter Jakob's gegen sie selbst zu
vertheidigen.[88]

    [Anmerkung 87: +Clarendon's Diary, Jan. 1, 4, 8, 9, 10, 11, 12,
    13, 14, 1688/89; Burnet, I. 807.+]

    [Anmerkung 88: +Clarendon's Diary, Feb. 5. 1688/89; Duchess of
    Marlborough's Vindication; Mulgrave's Account of the Revolution.+]


[_Wilhelm spricht seine Absichten aus._] Jetzt glaubte Wilhelm, die Zeit
sei gekommen, wo er sich aussprechen müsse. Er berief daher Halifax,
Danby, Shrewsbury und einige andere politische Parteihäupter von hohem
Ansehen zu sich und richtete mit dem stoischen Gleichmuth, unter dem er
von Kindheit auf seine stärksten Gefühlsregungen zu verbergen pflegte,
einige tief durchdachte und gewichtige Worte an sie.

Er habe bis jetzt geschwiegen, sagte er, und weder Bitten noch Drohungen
angewendet, ja nicht einmal eine Andeutung über seine Ansichten oder
Wünsche laut werden lassen; jetzt aber sei der entscheidende Augenblick
gekommen, wo er seine Absichten offen erklären müsse. Er habe weder das
Recht, noch den Wunsch, der Convention Vorschriften zu machen. Er
beanspruche weiter nichts als das Vorrecht, jedes Amt, das er nach
seiner Überzeugung nicht mit Ehren für sich und zum Wohle des Staats
würde verwalten können, ablehnen zu dürfen.

Eine starke Partei sei für eine Regentschaft. Die beiden Häuser hätten
darüber zu entscheiden, ob eine solche Einrichtung dem Vaterlande zum
Heile gereichen könne. Seine Meinung über diesen Punkt stehe fest und er
halte es für nöthig, mit Bestimmtheit zu erklären, daß er für seine
Person nicht Regent werden möchte.

Eine andre Partei wünsche die Prinzessin auf den Thron zu erheben und
ihm auf Lebenszeit den Königstitel und denjenigen Antheil an der
Regierung zu gewähren, den sie ihm freiwillig zugestehen würde. Zu einer
solchen Stellung könne er sich nicht herablassen. Er achte die
Prinzessin so hoch, als nur irgend ein Mann ein Weib achten könne, aber
selbst aus ihren Händen werde er eine untergeordnete und unsichere
Stellung bei der Regierung nicht annehmen. Es liege einmal nicht in
seiner Natur, daß er sich an die Schürzenbänder auch der besten Frau
knüpfen lassen könne. Er dränge sich durchaus nicht danach, in der
englischen Geschichte eine Rolle zu spielen, wenn er aber einwillige,
eine solche Rolle zu übernehmen, so gebe es nur eine, die er mit Nutzen
oder mit Ehren übernehmen könne. Wenn die Stände ihm die Krone auf
Lebenszeit anböten, so würde er sie annehmen, wo nicht, würde er, ohne
sich zu grämen, in sein Vaterland zurückkehren. Er schloß mit den
Worten, er halte es für recht und billig, daß Lady Anna und ihre
Nachkommen allen Kindern, die ihm eine andre Frau als Lady etwa schenken
möchte, in der Thronfolge vorgezogen würden.[89]

Die Versammlung trennte sich und binnen wenigen Stunden war die Rede des
Prinzen in ganz London bekannt. Daß er König werden mußte, war jetzt
klar. Die einzige Frage war nur noch, ob er die königliche Würde allein
oder mit der Prinzessin gemeinschaftlich bekleiden sollte. Halifax und
einige andere Staatsmänner, welche die Gefahr einer Theilung der
höchsten Executivgewalt in grellem Lichte erblickten, hielten es für
wünschenswerth, daß Marie, so lange Wilhelm lebte, nur Königsgemahlin
und Unterthanin sein sollte. Obgleich sich viel zu Gunsten eines solchen
Arrangements sagen ließ, so beleidigte sie doch das Gefühl selbst
derjenigen Engländer, welche dem Prinzen am meisten ergeben waren. Seine
Gemahlin hatte ihm einen beispiellosen Beweis von ehelicher Unterwerfung
und Liebe gegeben, und die geringste Vergeltung dafür von seiner Seite
war die Verleihung der Würde einer regierenden Königin. Wilhelm Herbert,
einer der wärmsten Anhänger des Prinzen, war so entrüstet, daß er aus
dem Bette sprang, an das die Gicht ihn fesselte, und mit Heftigkeit
erklärte, daß er nie für Seine Hoheit das Schwert gezogen haben würde,
wenn er geahnet hätte, daß eine so schmachvolle Anordnung getroffen
werden solle. Niemand aber zeigte sich so gereizt über die Sache als
Burnet. Sein Blut kochte bei dem Gedanken an das seiner gütigen
Beschützerin zugefügte Unrecht. Er gerieth in einen heftigen Streit mit
Bentinck und bat um Enthebung von seinem Kaplanposten. »So lange ich ein
Diener Seiner Hoheit bin,« sagte der wackere, rechtschaffene Geistliche,
»würde es mir nicht geziemen, einen Plan zu bekämpfen, der vielleicht
seinen Beifall hat. Ich wünsche daher, meine Freiheit wieder zu
erhalten, um mit allen mir von Gott verliehenen Kräften für die
Prinzessin zu kämpfen.« Bentinck bewog ihn, eine offene Kriegserklärung
so lange aufzuschieben, bis Wilhelm's Entschließungen näher bekannt sein
würden. In wenigen Stunden war der Plan, der so viel böses Blut gemacht
hatte, völlig aufgegeben, und alle Diejenigen, welche Jakob nicht mehr
als König betrachteten, stimmten in der Art der Wiederbesetzung des
Thrones überein. Wilhelm und Marie mußten König und Königin werden; die
Münzen mußten beider Brustbilder zeigen, die Regierungsdecrete mußten in
beider Namen erlassen werden, beide mußten alle persönlichen Ehren und
Privilegien der Königswürde genießen; aber die Verwaltung, welche nicht
füglich getheilt werden konnte, mußte Wilhelm allein bleiben.[90]

    [Anmerkung 89: +Burnet, I. 820.+ Burnet sagt, er habe die
    Ereignisse dieser bewegten Zeit nicht in chronologischer Ordnung
    berichtet. Ich mußte sie daher nach meinen eigenen Muthmaßungen
    ordnen, glaube aber kaum mich zu irren, wenn ich annehme, daß das
    Schreiben der Prinzessin in der Zeit zwischen Donnerstag den 31.
    Jan. und Mittwoch den 6. Febr. ankam und auch der Prinz die
    Erklärung über seine Absichten kund gab.]

    [Anmerkung 90: +Mulgrave's Account of the Revolution.+ In den
    ersten drei Ausgaben habe ich diesen Vorgang unrichtig erzählt.
    Die Schuld lag größtentheils an mir selbst, zum Theil aber auch an
    Burnet, dessen nachlässiger Gebrauch des Fürworts »er« mich
    irreführte. +Burnet I. 858.+]


[_Die Conferenz zwischen den beiden Häusern._] Inzwischen war die zu der
freien Conferenz zwischen den Häusern festgesetzte Zeit herangekommen.
Die Wortführer der Lords nahmen in vollem Ornat ihre Sitze auf der einen
Seite der Tafel im sogenannten gemalten Saale (+painted chamber+) ein;
aber auf der andren Seite drängte sich eine so große Anzahl von
Mitgliedern des Hauses der Gemeinen, daß die Herren, welche die Frage
erörtern sollten, nicht hindurchkommen konnten. Nicht ohne große
Schwierigkeit und erst nach geraumer Zeit gelang es dem Stabträger,
ihnen einen Weg zu bahnen.[91]

Endlich begann die Verhandlung. Die bei dieser Gelegenheit gehaltenen
Reden sind vollständig auf uns gekommen. Es wird wenige
Geschichtsforscher geben, welche den Bericht darüber nicht mit
gespannter Neugierde zur Hand genommen und mit getäuschten Erwartungen
wieder bei Seite gelegt hätten. Die zwischen den beiden Häusern
obschwebende Streitfrage wurde von beiden Theilen als eine Rechtsfrage
behandelt. Die Einwürfe der Lords gegen den Beschluß der Gemeinen waren
formeller und technischer Art, ebenso auch die Entgegnungen. Somers
vertheidigte den Gebrauch des Wortes Abdication durch Citate aus Grotius
und Brissonius, Spigelius und Bartolus. Als er aufgefordert wurde, eine
Autorität für die Behauptung anzuführen, daß England ohne Souverain sein
könne, legte er die Parlamentsprotokolle vom Jahre 1399 vor, in denen
ausdrücklich gesagt war, daß der Thron in der Zeit zwischen der
Abdankung Richard's II. und der Thronbesteigung Heinrich's IV. vakant
gewesen sei. Die Lords führten zur Widerlegung die Parlamentsprotokolle
vom ersten Regierungsjahre Eduard's IV. an, aus denen hervorging, daß
die Urkunde von 1399 feierlich annullirt worden war. Sie behaupteten
daher, der Precedenzfall, auf den Somers sich stützte, habe keine
Gültigkeit mehr. Treby kam nun Somers zu Hülfe und legte die
Parlamentsacten vom ersten Regierungsjahre Heinrich's VII. vor, welche
die Acte Eduard's IV. aufhoben und demnach die Gültigkeit der Urkunde
vom Jahre 1399 wiederherstellten. Nach einer mehrstündigen Discussion
trennten sich die Disputanten.[92] Die Lords versammelten sich in ihrem
Sitzungslokale. Man wußte sehr wohl, daß sie auf dem Punkte standen,
nachzugeben und daß die Conferenz eine bloße Formalität gewesen war. Die
Freunde Mariens hatten eingesehen, daß sie sie tief gekränkt hatten,
indem sie sie als Nebenbuhlerin ihres Gemahls hingestellt. Einige von
den Peers, welche früher für eine Regentschaft gestimmt hatten, waren
entschlossen, wegzubleiben oder den Beschluß des Unterhauses zu
unterstützen. Sie sagten, ihre Ansicht habe sich nicht geändert, aber
eine Regierung sei immer besser als gar keine und die Nation könne eine
Verlängerung dieser qualvollen Ungewißheit nicht ertragen. Selbst
Nottingham, der im gemalten Saale die Discussion gegen die Gemeinen
geleitet hatte, erklärte, sein Gewissen erlaube ihm zwar nicht,
nachzugeben, es freue ihn aber, daß die Gewissen Anderer nicht so
ängstlich seien. Mehrere Lords, die in der Convention noch nicht mit
abgestimmt hatten, waren bewogen worden zu erscheinen; so Lord
Lexington, der eben in aller Eil vom Continent herübergekommen war, der
halb wahnsinnige Earl von Lincoln, der an Krücken gehende Earl von
Carlisle, und der Bischof von Durham, der sich verborgen gehalten, um
über das Meer zu flüchten, aber den Wink erhalten hatte, daß sein
Benehmen in der kirchlichen Commission nicht gegen ihn geltend gemacht
werden sollte, wenn er für die Feststellung der Regierung stimmen würde.
Danby, welcher die von ihm verursachte Spaltung zu heilen wünschte,
mahnte das Haus in einer Rede, die seine gewöhnlichen Vorträge an
Genialität noch übertraf, einen Kampf nicht länger fortzusetzen, der dem
Staate verderblich werden könne. Halifax unterstützte ihn kräftig. Der
Muth der Gegner war gebrochen.

    [Anmerkung 91: +Commons' Journals, Febr. 6. 1688/89.+]

    [Anmerkung 92: Siehe +Lords' and Commons' Journals, Feb. 6.
    1688/89+ und den Bericht über die Conferenz.]


[_Die Lords geben nach._] Als die Frage gestellt wurde, ob König
Jakob die Regierung niedergelegt habe, sagten nur drei Lords
Nichteinverstanden. Über die Frage, ob der Thron erledigt sei, wurde die
Abstimmung verlangt, und es ergaben sich zweiundsechzig Einverstandene
und siebenundvierzig Nichteinverstandene. Unmittelbar darauf wurde der
Antrag gestellt und ohne Abstimmung angenommen, daß der Prinz und die
Prinzessin von Oranien zum König und zur Königin von England erklärt
werden sollten.[93]

Nottingham trug nun darauf an, daß die Fassung des Unterthaneneides und
des Supremateides dergestalt abgeändert werden möchte, daß auch
Diejenigen ihn mit gutem Gewissen leisten könnten, die, wie er selbst,
den Beschluß der Convention mißbilligten, sich aber dennoch vorgenommen
hätten, loyale und gehorsame Unterthanen der neuen Souveraine zu sein.
Gegen diesen Antrag wurde kein Einwurf erhoben. Es kann allerdings kaum
bezweifelt werden, daß die Whigführer und diejenigen toryistischen
Lords, deren Stimmen bei der letzten Abstimmung den Ausschlag gegeben,
sich vorher über diesen Punkt verständigt hatten. Die neuen Eidformeln
wurden den Gemeinen zu gleicher Zeit mit dem Beschlusse, daß der Prinz
und die Prinzessin von Oranien als König und Königin proklamirt werden
sollten, zugesandt.[94]

    [Anmerkung 93: +Lords' Journals, Feb. 6. 1688/89; Clarendon's
    Diary; Burnet, I. 822+, und Dartmouth's Note; Citters, 8.(18.)
    Febr. In Betreff der Zahlen habe ich mich an Clarendon gehalten.
    Einige Schriftsteller geben die Majorität kleiner, andere größer
    an.]

    [Anmerkung 94: +Lords' Journals, Feb. 6, 7. 1688/89; Clarendon's
    Diary.+]


[_Es werden neue Gesetze zur Sicherung der Freiheit vorgeschlagen._] Man
wußte nun, wem die Krone verliehen werden sollte. Jetzt waren noch die
Bedingungen der Verleihung zu bestimmen. Die Gemeinen hatten einen
Ausschuß ernannt, welcher die zweckmäßig erscheinenden Schritte zur
Sicherung des Gesetzes und der Freiheit gegen die Angriffe zukünftiger
Regenten erwägen sollte, und der Ausschuß hatte einen Bericht
erstattet.[95] Dieser Bericht empfahl erstens, daß die großen Prinzipien
der Verfassung, welche der entthronte König verletzt hatte, feierlich
bestätigt und daß zweitens verschiedene neue Gesetze zur Beschränkung
der Prärogative und zur Läuterung der Justizpflege erlassen werden
sollten. Die meisten Vorschläge des Ausschusses waren vortrefflich, aber
es war schlechterdings unmöglich, daß die Häuser in einem Monate, und
selbst in einem Jahre so zahlreiche, so mannichfaltige und so wichtige
Angelegenheiten erledigen konnten. Es war unter andrem vorgeschlagen,
daß die Miliz neu organisirt, das Recht des Souverains, die Parlamente
zu prorogiren und aufzulösen, beschränkt und die Dauer der Parlamente
begrenzt werden sollte; daß bei einer parlamentarischen Anklage keine
Berufung an die königliche Gnade mehr zulässig sein, daß den
protestantischen Dissenters Duldung gewährt, daß das Verbrechen des
Hochverraths genauer bestimmt, daß Hochverrathsprozesse in einer die
Unschuld mehr schützenden Weise geführt, daß die Richter auf Lebenszeit
angestellt, daß die Ernennungsart der Sheriffs abgeändert werden, daß
die Wahl der Geschwornen hinfüro in einer Weise stattfinden sollte,
welche Parteilichkeit und Bestechung ausschloß, daß der Gebrauch, bei
der Kings Bench Criminalklagen anhängig zu machen, abgeschafft, daß der
Kanzleigerichtshof reformirt, daß die Gebühren der öffentlichen Beamten
regulirt und daß die Quo-Warranto-Acte verbessert werden sollte. Es war
augenscheinlich, daß eine umsichtige und besonnene Gesetzgebung über
diese Gegenstände das Werk mehr als einer geschäftsreichen Session sein
mußte, und eben so augenscheinlich war es, daß eine übereilte und
unreife Gesetzgebung über so wichtige Dinge neue Mißstände erzeugen
würde, schlimmer als die, welche sie vielleicht beseitigen konnte. Wenn
der Ausschuß alle die Reformen aufzählen wollte, welche vor der
Wiederbesetzung des Thrones bewerkstelligt werden mußten, so war die
Liste unsinnig lang. Wollte er dagegen eine Liste aller Reformen geben,
welche die gesetzgebende Versammlung zur geeigneten Zeit durchführen
sollte, so war die Liste sehr unvollständig. Sobald der Bericht
vorgelesen war, erhob sich in der That ein Mitglied nach dem andren, um
einen Zusatz zu beantragen. Es wurde vorgeschlagen und angenommen, daß
der Stellenverkauf verboten, die Habeascorpusacte wirksamer gemacht und
das Gesetz über die +Mandamus+[96] revidirt werden sollte. Der eine
Gentleman griff die Herdgeldeinnehmer, ein andrer die Acciseeinnehmer
an, und das Haus beschloß, daß den Mißbräuchen dieser beiden
Beamtenklassen ein Ziel gesetzt werden sollte. Ein höchst merkwürdiger
Umstand ist es, daß, während das ganze militairische, gerichtliche und
fiskalische System so durchgemustert wurde, kein einziger Volksvertreter
die Aufhebung des Gesetzes beantragte, welches die Presse einer Censur
unterwarf. Selbst die aufgeklärtesten Männer begriffen damals noch
nicht, daß die Freiheit der Discussion die Hauptschutzwehr aller anderen
Freiheiten ist.[97]

    [Anmerkung 95: +Commons' Journals, Jan. 29., Feb. 2. 1688/89.+]

    [Anmerkung 96: Die Befehle der Kings Bench an untergeordnete
    Gerichte, so genannt nach dem Anfangsworte. Der Übersetzer.]

    [Anmerkung 97: +Commons' Journals, Feb. 2. 1688/89.+]


[_Streitigkeiten und Vergleich._] Das Haus war in großer Verlegenheit.
Einige Redner erklärten mit Heftigkeit, man habe schon zu viel Zeit
verloren und die Regierung müsse ohne noch einen einzigen Tag zu säumen,
festgestellt werden. Die Gesellschaft sei besorgt, der Verkehr stocke,
der englischen Colonie in Irland drohe die Gefahr des Untergangs, ein
auswärtiger Krieg stehe zu befürchten, der verbannte Tyrann könne binnen
wenigen Wochen mit einer französischen Armee in Dublin sein und von
Dublin aus könne er bald nach Chester übersetzen. Sei es nicht
wahnsinnig, in einer so kritischen Zeit den Thron unbesetzt zu lassen,
und während die ganze Existenz der Parlamente gefährdet sei, die Zeit
mit Debattirung über die Frage zu vergeuden, ob die Parlamente durch den
Souverain oder durch sich selbst prorogirt werden sollten? Auf der
andren Seite wurde gefragt, ob die Convention ihre Aufgabe damit gelöst
zu haben glaube, daß sie einen Fürsten vom Throne gestürzt und einen
andren auf denselben erhoben habe? Gewiß, jetzt oder nie sei es Zeit,
die öffentliche Freiheit durch Schutzwehren zu sichern, welche den
Übergriffen der Prärogative wirksam vorbeugen könnten.[98] Die auf
beiden Seiten geltend gemachten Gründe waren ohne Zweifel von großem
Gewicht. Die talentvollsten Führer der Whigpartei, unter denen Somers
rasch einen großen Einfluß erlangte, schlugen einen Mittelweg vor. Das
Haus, sagten sie, habe zwei Ziele im Auge, welche streng von einander
geschieden werden müßten. Das eine Ziel sei die Sicherung der alten
Verfassung des Reichs gegen ungesetzliche Angriffe, das andre die
Verbesserung dieser Verfassung durch gesetzliche Reformen. Das erstere
Ziel könne dadurch erreicht werden, daß man den Anspruch der englischen
Nation auf ihre alten Freiheiten durch Aufnahme in den Beschluß, welcher
die neuen Souveraine auf den Thron erhob, feierlich verbriefe, so daß
der König seine Krone und das Volk seine Rechte kraft einer und der
nämlichen Urkunde besitze. Der letztere Gegenstand werde einen ganzen
Band sorgfältig ausgearbeiteter Gesetze erfordern. Der erstere Zweck
könne in einem Tage, der zweite kaum in fünf Jahren erreicht werden.
Über jenen seien alle Parteien einig; über diesen herrsche große
Meinungsverschiedenheit. Kein Mitglied beider Häuser werde einen
Augenblick zögern dafür zu stimmen, daß der König die Steuern nicht ohne
Bewilligung des Parlaments erheben dürfe; aber es werde schwerlich ein
neues Gesetz über das Verfahren in Hochverrathsprozessen entworfen
werden können, das nicht lange Debatten hervorrufen und von dem Einen
als ungerecht gegen den Angeklagten, von dem Andren als ungerecht gegen
die Krone verworfen werden würde. Die Aufgabe einer außerordentlichen
Versammlung der Stände des Reiches sei nicht, die gewöhnlichen Arbeiten
eines Parlaments zu erledigen, die Gebühren des Kanzleigerichts zu
reguliren, und den ungesetzlichen Forderungen der Visitatoren
vorzubeugen, sondern vielmehr die große Regierungsmaschine wieder in
Gang zu bringen. Wenn dies geschehen sei, dann würde es an der Zeit sein
zu fragen, welcher Verbesserungen unsere Institutionen bedürften, auch
habe diese Verzögerung durchaus keine Gefahr, denn ein Souverain, der
lediglich durch die Wahl der Nation regiere, könne einer Verbesserung,
welche die Nation durch das Organ ihrer Vertreter verlange, seine
Zustimmung unmöglich lange verweigern.

Aus diesen Gründen beschlossen die Gemeinen mit weiser Vorsicht, alle
Reformen so lange aufzuschieben, bis die alte Verfassung des Reichs in
allen ihren Theilen wiederhergestellt sein würde und unverzüglich den
Thron zu besetzen, ohne Wilhelm und Marien eine andre Verpflichtung
aufzulegen, als daß sie den bestehenden Gesetzen Englands gemäß
regierten. Damit die zwischen den Stuarts und der Nation streitig
gewesenen Fragen nie wieder aufgeregt werden möchten, wurde beschlossen,
daß das Instrument, durch welches der Prinz und die Prinzessin von
Oranien auf den Thron berufen und die Thronfolgeordnung festgestellt
wurde, die Grundprinzipien der Verfassung auf das Bestimmteste und
Feierlichste darlegen sollte.

    [Anmerkung 98: +Grey's Debates+; +Burnet, I. 822.+]


[_Die Rechtserklärung._] Diese unter der Bezeichnung »Rechtserklärung«
bekannte Urkunde wurde durch einen Ausschuß, in welchem Somers den
Vorsitz führte, entworfen. Daß dieser junge Advokat von niederer
Herkunft schon zehn Tage, nachdem er zum ersten Male im Hause der
Gemeinen gesprochen, zu einem so ehrenvollen und wichtigen Posten in
einem mit geschickten und erfahrenen Männern gefüllten Parlamente
ernannt wurde, beweist zur Genüge die Überlegenheit seines Geistes. In
wenigen Stunden war die Erklärung entworfen und von den Gemeinen
gebilligt. Die Lords nahmen sie ebenfalls mit einigen unwesentlichen
Abänderungen an.[99]

Die Erklärung begann mit einer Aufzählung der Verbrechen und Fehler,
welche eine Revolution nothwendig gemacht hatten. Jakob habe in das
Gebiet der Gesetzgebung eingegriffen, er habe bescheidenes Petitioniren
als Verbrechen behandelt, habe die Kirche durch ein gesetzwidriges
Tribunal tyrannisirt, habe ohne Zustimmung des Parlaments Steuern
erhoben und in Friedenszeiten ein stehendes Heer unterhalten, habe die
Wahlfreiheit verletzt und den Gang der Rechtspflege willkürlich
abgeändert. Handlungen, welche nach dem Gesetz nur vom Parlament
untersucht werden könnten, wären zu Klagobjecten bei der Kings Bench
gemacht worden. Es seien parteiische und bestochene Geschworne ernannt,
von Gefangenen übermäßig hohe Kautionen verlangt, barbarische und
ungebräuchliche Strafen verhängt und das Vermögen von Angeklagten noch
vor ihrer Überführung anderweitig vergeben worden. Der Mann, unter
dessen Autorität dies Alles geschehen sei, habe die Regierung
niedergelegt. Der Prinz von Oranien, den Gott zum ruhmvollen Werkzeuge
der Befreiung der Nation von Aberglauben und Tyrannei berufen, habe die
Stände des Reichs aufgefordert, zusammenzutreten und sich über die
Sicherung der Religion, des Gesetzes und der Freiheit zu berathen. Nach
stattgefundener Berathung hatten die Lords und die Gemeinen beschlossen,
zuerst nach dem Beispiele ihrer Vorfahren die alten Rechte und
Freiheiten Englands zu bestätigen. Es werde demgemäß erklärt, daß die
neuerdings angemaßte und ausgeübte Dispensationsgewalt gesetzlich nicht
bestehe, daß der Souverain ohne Bewilligung des Parlaments von dem
Unterthan kein Geld erheben dürfe und daß ohne Zustimmung des Parlaments
in Friedenszeiten kein stehendes Heer gehalten werden könne. Das
Petitionsrecht der Unterthanen, das Recht der Wahlmänner, die
Volksvertreter nach ihrem freien Ermessen zu wählen, das Recht der
Parlamente auf Freiheit der Discussion und das Recht der Nation auf eine
reine und schonende, dem Geiste ihrer eigenen milden Gesetze
entsprechende Ausübung der Rechtspflege werde feierlich anerkannt und
bestätigt. Alle diese Dinge verlange die Convention im Namen der ganzen
Nation als das unbestreitbare Erbtheil der Engländer. Nachdem die Lords
und Gemeinen so die Grundprinzipien der Verfassung gewahrt, hätten sie
in dem festen Vertrauen, daß der Befreier die von ihm geretteten Gesetze
und Freiheiten heilig halten werde, beschlossen, daß Wilhelm und Marie,
Prinz und Prinzessin von Oranien, auf gemeinsame und einzelne Lebenszeit
zum König und zur Königin von England erklärt werden und daß während der
Dauer ihres gemeinsamen Lebens die Verwaltung der Regierung dem Prinzen
allein zustehen solle. Nach ihnen sollte die Krone der Nachkommenschaft
Mariens, dann der Prinzessin Anna und ihrer Nachkommenschaft, und dann
der Nachkommenschaft Wilhelm's zufallen.

    [Anmerkung 99: +Commons' Journals. Feb. 4, 8, 11, 12.: Lords'
    Journals. Feb. 9, 11, 12. 1688/89.+]


[_Ankunft Mariens._] Inzwischen hatte der Wind aufgehört, aus Westen zu
wehen. Das Schiff, an dessen Bord sich die Prinzessin von Oranien
befand, lag am 11. Februar auf der Höhe von Margate und am folgenden
Morgen ging es bei Greenwich vor Anker.[100] Marie wurde mit vielen
Äußerungen der Freude und Zuneigung empfangen; aber ihr Benehmen
verletzte die Tories und wurde selbst von den Whigs nicht für tadellos
gehalten. Eine junge Frau, welche durch ein so trauriges und
verhängnisvolles Geschick wie das, welches über den fabelhaften Häusern
des Labdacus und Pelops waltete, in eine solche Lage versetzt worden
war, daß sie, ohne ihre Pflichten gegen Gott, gegen ihren Gemahl und
gegen ihr Vaterland zu verletzen, sich nicht weigern konnte, den Thron
einzunehmen, von dem so eben ihr Vater herabgestürzt worden war, hatte
betrübt oder wenigstens ernst gestimmt sein sollen. Marie aber war nicht
blos heiter, sondern sogar ausgelassen lustig. Es wurde versichert, sie
habe Whitehall mit einer kindischen Freude darüber, daß sie nun die
Herrin eines so schönen Schlosses sein sollte, betreten, sei durch alle
Zimmer gelaufen, habe in alle Nebenkabinette geblickt und selbst die
Kissen des Staatsbettes untersucht, ohne, wie es schien, daran zu
denken, wer diese prachtvollen Gemächer zuletzt bewohnt hatte. Burnet,
der sie bis dahin als einen Engel in Menschengestalt betrachtet hatte,
konnte bei dieser Gelegenheit nicht umhin, sie zu tadeln. Er war um so
mehr erstaunt über ihr Benehmen, da sie an dem Tage, als er im Haag von
ihr Abschied nahm, wenn auch fest überzeugt, daß sie den Pfad der
Pflicht ging, doch sehr niedergeschlagen gewesen war. Später erklärte
sie ihm, als ihrem Gewissensrath, ihr damaliges Benehmen. Wilhelm hatte
ihr geschrieben, daß einige von Denen, welche ihr Interesse von dem
seinigen zu trennen versucht hatten, ihre Machinationen noch immer
fortsetzten; sie hätten ausgesprengt, daß sie sich für beeinträchtigt
halte, und wenn sie daher ein betrübtes Gesicht zeigte, so würde dies
dem Gerede Grund geben. Er bat sie daher, bei ihrem ersten Erscheinen
heiter und vergnügt auszusehen. Ihr Herz, sagte sie, sei allerdings von
der Heiterkeit weit entfernt gewesen; aber sie habe ihr Möglichstes
gethan und aus Besorgniß, daß sie eine ihren Gefühlen widerstreitende
Rolle nicht gut werde durchführen können, habe sie dieselbe übertrieben.
Ihr Benehmen rief ganze Riese von Spottschriften in Prosa und in Versen
hervor; sie verlor dadurch in der Meinung einiger Personen, auf deren
Achtung sie Werth legte, und die Welt erfuhr erst, nachdem sie dem
Bereiche des Lobes und des Tadels entrückt war, daß das Benehmen, das
ihr den Vorwurf des Leichtsinns und der Gefühllosigkeit zugezogen hatte,
in Wirklichkeit ein seltener Beweis von der vollkommenen
Uneigennützigkeit und Hingebung war, deren der Mann gar nicht fähig zu
sein scheint und die man nur zuweilen bei dem Weibe findet.[101]

    [Anmerkung 100: +London Gazette, Feb. 14. 1688/89+; Citters,
    12.(22.) Febr.]

    [Anmerkung 101: +Duchess of Marlborough's Vindication+; +Review of
    the Vindication; Burnet, I. 781, 825+, und Dartmouth's Note;
    +Evelyn's Diary, Feb. 21. 1688/89.+]


[_Anbietung und Annahme der Krone._] Am Mittwoch den 13. Februar Morgens
waren der Hof von Whitehall und alle benachbarten Straßen mit
Neugierigen angefüllt. Das prächtige Bankethaus, das Meisterstück
Inigo's und mit Meisterwerken von Rubens ausgeschmückt, war zu einer
großen Ceremonie hergerichtet. Die Wände entlang war die Leibgarde
aufgestellt. Zur Rechten unweit des nördlichen Eingangs hatte sich eine
große Anzahl Peers versammelt. Zur Linken standen die Gemeinen mit ihrem
Sprecher und dem Scepterträger. Die südliche Thür wurde geöffnet und der
Prinz und die Prinzessin von Oranien traten zusammen ein und nahmen
unter dem Thronhimmel Platz.

Beide Häuser kamen nun mit tiefen Verbeugungen näher. Wilhelm und Marie
gingen ihnen einige Schritte entgegen. Halifax und Powle, jener zur
Rechten, dieser zur Linken, traten vor und Halifax sprach. Die
Convention, sagte er, habe sich zu einem Beschlusse geeinigt, den er
Ihre Hoheiten anzuhören bitte. Sie gaben ihre Einwilligung und der
Schriftführer des Oberhauses las mit lauter Stimme die Rechtserklärung
vor. Als er geendet hatte, bat Halifax den Prinzen und die Prinzessin im
Namen aller Stände des Reichs, die Krone anzunehmen.

Wilhelm antwortete für sich und seine Gemahlin, daß die Krone in ihren
Augen einen um so höheren Werth habe, weil sie ihnen als ein Zeichen des
Vertrauens der Nation angeboten werde. »Wir nehmen das, was Sie uns
angeboten haben, dankend an,« sagte er, und versicherte dann für seine
Person, daß die Gesetze Englands, die er schon einmal vertheidigt, die
Richtschnur seines Verhaltens sein sollten, daß er sich bestreben werde,
das Wohl des Landes zu fördern, daß er über die Mittel und Wege dazu
stets den Rath der beiden Häuser einholen und auf ihr Urtheil mehr geben
werde, als auf sein eignes.[102] Diese Worte wurden mit einem
Beifallssturme aufgenommen, den man unten auf den Straßen hörte und auf
den alsbald ein tausendstimmiges Hurrah antwortete. Die Lords und
Gemeinen verließen hierauf unter den gebührenden Ehrfurchtsbezeigungen
das Bankethaus und begaben sich in feierlichem Zuge nach dem
Haupteingange von Whitehall, wo die Herolde und Staatsboten in ihren
prächtigen Wappenröcken warteten.

    [Anmerkung 102: +Lords' und Commons' Journals, Feb. 14. 1688/89+;
    Citters, 15.(25.) Febr. Citters legt Wilhelm noch stärkere
    Äußerungen von Achtung vor der Autorität des Parlaments in den
    Mund, als sie in den Protokollen stehen; aus Powle's Reden aber
    ergibt es sich, daß die Angabe in den Protokollen nicht ganz
    richtig war.]


[_Wilhelm und Marie werden ausgerufen._] Die ganze Strecke bis Charing
Croß war ein Meer von Köpfen. Die Pauken erdröhnten, die Trompeten
schmetterten und der Wappenkönig proklamirte mit lauter Stimme den
Prinzen und die Prinzessin von Oranien als König und Königin von
England, forderte alle Engländer auf, von diesem Augenblicke an den
neuen Souverainen Treue und Gehorsam zu schenken und bat den Himmel, der
schon eine so augenfällige Befreiung unsrer Kirche und unsrer Nation
herbeigeführt, daß er Wilhelm und Marien mit einer langen und
glücklichen Regierung segnen möchte.[103]

    [Anmerkung 103: +London Gazette, Feb. 14. 1688/89; Lords'+ und
    +Commons' Journals, Feb. 13+; Citters, 15.(25.) Febr.; +Evelyn's
    Diary, Feb. 21.+]


[_Eigenthümlicher Character der englischen Revolution._] Die englische
Revolution war somit vollendet. Wenn wir sie mit den Revolutionen
vergleichen, welche während der letzten sechzig Jahre so manche
Regierung gestürzt haben, so muß uns ihr eigenthümlicher Character
nothwendig auffallen. Warum dieser Character so eigenthümlich war, ist
leicht zu erklären, scheint aber doch von Lobrednern wie von Tadlern
nicht immer begriffen worden zu sein.

Die festländischen Revolutionen des achtzehnten und neunzehnten
Jahrhunderts fanden in Ländern statt, wo jede Spur der beschränkten
Monarchie des Mittelalters längst verwischt war. Das Recht des Fürsten,
Gesetze zu machen und Geld zu erheben, war seit vielen Generationen
nicht bestritten worden. Sein Thron wurde durch ein großes stehendes
Heer beschützt. Seine Verwaltung konnte ohne die größte Gefahr, selbst
in den wildesten Ausdrücken nicht getadelt werden. Die persönliche
Freiheit seiner Unterthanen hing lediglich von seinem Willen ab. Es gab
keine einzige Institution mehr, die, soweit die ältesten Leute
zurückdenken konnten, den Unterthan gegen die ärgsten Excesse der
Tyrannei wirksamen Schutz gewährt hätte. Die großen Rathsversammlungen,
welche ehemals die königliche Gewalt beschränkten, waren der
Vergessenheit anheimgefallen. Ihre Zusammensetzung und ihre Privilegien
waren nur noch Alterthumsforschern bekannt. Wir dürfen uns daher nicht
wundern, daß, wenn es Menschen, die so regiert worden waren, gelang,
einer im Stillen schon seit langer Zeit gehaßten Regierung die höchste
Gewalt zu entreißen, sie voll ungeduldigen Verlangens waren, zu
zerstören, und unfähig wieder aufzubauen, daß jede glänzende Neuerung
sie bezauberte, daß sie alle an das alte System erinnernden Titel,
Ceremonien und Ausdrücke verbannten, und daß sie, ihrer eigenen
nationalen Vergangenheit und Tradition überdrüssig, in den Schriften von
Theoretikern nach Regierungsprinzipien suchten, oder mit unwissender und
widerlicher Affectation die Patrioten von Athen und Rom nachäfften. Eben
so wenig dürfen wir uns wundern, daß auf den heftigen Ausbruch des
revolutionairen Geistes eine nicht minder heftige Reaction folgte und
die Unordnung sofort einen härteren Despotismus erzeugte als der, aus
dem sie entstanden war.

Wären wir in der nämlichen Lage gewesen, wäre Strafford sein
Lieblingsplan »Durch« gelungen, hätte er eine eben so zahlreiche und
wohl disciplinirte Armee gebildet, wie sie Cromwell einige Jahre später
bildete, hätte eine Reihe ähnlicher Richtersprüche, wie die, welche das
Schatzkammergericht in der Angelegenheit des Schiffsgeldes fällte, das
Recht der Besteuerung des Volks auf die Krone übertragen, hätten die
Sternkammer und die Hohe Commission nach wie vor einem Jeden, der seine
Stimme gegen die Regierung zu erheben wagte, mit Geldstrafen belegt,
verstümmelt und eingekerkert, wäre die Presse bei uns so vollständig
geknechtet worden, wie in Wien oder in Neapel, hätten unsere Könige
allmälig die ganze gesetzgebende Gewalt an sich gezogen, wären sechs
Generationen von Engländern ohne eine einzige Parlamentssession
vorübergegangen, und hätten wir uns dann endlich in einem Augenblicke
wilder Aufwallung gegen unsere Herren erhoben, welch' einen Ausbruch
würde dies gegeben haben! Mit welch' einem furchtbaren Krachen, das bis
an die entferntesten Enden der Welt gehört und gefühlt worden wäre,
würde das ganze gewaltige Gebäude der menschlichen Gesellschaft
zusammengestürzt sein! Wie viele Tausende von Verbannten, einst die
glücklichsten und gebildetsten Mitglieder dieses großen Volkes, würden
in den Städten des Festlandes ihr Brot erbettelt oder in den
ungelichteten Wäldern Amerika's in Hütten von Baumrinde ein Obdach
gesucht haben! Wie oft würden wir das Straßenpflaster von London zu
Barrikaden aufgethürmt, die Häuser von Kugeln zerrissen, die Gassen von
Blut schäumend gesehen haben! Wie oft würden wir selbst in wilder
Leidenschaft von einem Extrem zum andren übergesprungen sein, gegen die
Anarchie im Despotismus Hülfe gesucht haben und durch den Despotismus
wieder zur Anarchie getrieben worden sein! Wie viele Jahre des
Blutvergießens und der Verwirrung würde es uns gekostet haben, ehe wir
nur die Anfangsgründe der Staatswissenschaft gelernt hätten! Wie viele
kindische Theorien würden uns getäuscht haben! Wie viele rohe und
schlecht erwogene Verfassungen würden wir aufgerichtet haben, nur um sie
wieder umstürzen zu sehen! Glücklich hätten wir uns noch preisen können,
wenn eine harte Schule von einem halben Jahrhundert genügt hätte, uns
zum Genuß der wahren Freiheit tauglich zu machen.

Diesen Calamitäten beugte unsre Revolution vor. Sie war eine streng
defensive Revolution und hatte Verjährung und Legitimität auf ihrer
Seite. Bei uns, und bei uns allein hatte sich eine beschränkte Monarchie
des dreizehnten Jahrhunderts unverändert bis ins siebzehnte erhalten.
Unsere parlamentarischen Institutionen standen noch in voller Kraft. Die
Hauptprinzipien unsrer Verfassung waren vortrefflich. Sie waren zwar
nicht förmlich und genau in einer geschriebenen Urkunde festgestellt,
aber sie fanden sich zerstreut in unseren alten, trefflichen Gesetzen,
und, was noch viel wichtiger war, sie hatten seit vier Jahrhunderten in
den Herzen aller Engländer feste Wurzeln gefaßt. Daß ohne Bewilligung
der Vertreter der Nation kein Gesetz gegeben, keine Steuer erhoben,
keine regulaire Armee gehalten, Niemand nach Willkür des Souverains nur
einen Tag in Haft gesetzt und kein Werkzeug der Regierung sich zur
Rechtfertigung wegen der Verletzung eines Rechts auch des geringsten
Unterthanen auf einen königlichen Befehl berufen konnte: dies waren in
den Augen der Whigs wie der Tories Grundgesetze des Reichs. Ein Land,
das solche Grundgesetze hatte, bedurfte keiner neuen Verfassung.

Aber wenn es auch keiner neuen Verfassung bedurfte, so war es doch klar,
daß Veränderungen vorgenommen werden mußten. Die schlechte Regierung der
Stuarts und die dadurch erzeugten Unruhen bewiesen hinreichend, daß
unsre Verfassung an irgend einer Stelle mangelhaft war, und diesen
Mangel zu entdecken und ihm abzuhelfen, war die Aufgabe der Convention.

Mehrere wichtige Fragen waren noch immer streitig. Unsre Verfassung war
in einer Zeit entstanden, wo die Staatsmänner nicht gewohnt waren,
genaue Definitionen zu machen. Es hatten sich daher fast unmerklich mit
ihren Prinzipien unvereinbare und selbst ihrer Existenz gefährliche
Anomalien gebildet, welche nach und nach die Kraft der Verjährung
erworben hatten, weil sie viele Jahre lang keine ernsten Nachtheile
herbeigeführt. Das Abhülfsmittel für diese Übel bestand darin, daß man
die Rechte des Volks in solchen Ausdrücken feststellte, welche allem
Streite ein Ende machten, und daß man erklärte, kein Precedenzfall könne
irgend eine Verletzung dieser Rechte entschuldigen.

Wenn dies geschehen war, so konnten unsere Regenten unmöglich das Gesetz
noch mißverstehen; wenn aber nicht noch etwas Andres geschah, war es
durchaus nicht unwahrscheinlich, daß sie es dennoch verletzten. Leider
hatte die Kirche seit langer Zeit die Nation gelehrt, daß unter allen
unseren Institutionen die erbliche Monarchie allein göttlich und
unverletzbar sei, daß das Recht des Hauses der Gemeinen auf einen
Antheil an der gesetzgebenden Gewalt ein bloß menschliches Recht sei,
daß aber das Recht des Königs auf den Gehorsam seines Volks von oben
stamme, daß die Magna Charta ein Gesetz sei, das von denen, die es
gemacht hätten, wieder aufgehoben werden könne, daß aber die Regel,
welche die Prinzen von königlichem Geblüt nach der Erbfolgeordnung auf
den Thron beriefe, göttlichen Ursprungs und daß jede dieser Regel
widerstreitende Parlamentsacte null und nichtig sei. Es liegt auf der
Hand, daß in einem Staate, wo solche abergläubische Begriffe
vorherrschen, die verfassungsmäßige Freiheit stets gefährdet sein muß.
Eine Macht, welche blos als eine menschliche Anordnung betrachtet wird,
kann kein wirksamer Zügel für eine Macht sein, die für eine Verordnung
Gottes angesehen wird. Man wird vergebens hoffen, daß Gesetze, so
vortrefflich sie auch sein mögen, auf die Dauer einen König zügeln
werden, der nach seiner eigenen, wie nach der Meinung eines großen
Theils seines Volks eine ungleich höhere Autorität besitzt, als jene
Gesetze. Dem Königstitel diese geheimnißvollen Attribute zu nehmen und
das Prinzip festzustellen, daß die Könige auf Grund eines Rechtes
regieren, das sich in keiner Weise von dem Rechte unterscheidet, nach
welchem die Freisassen Grafschaftsvertreter wählen, oder die Richter
Verhaftsbefehle ausstellen, war zur Sicherung unserer Freiheiten
durchaus nothwendig.

So hatte die Convention zwei große Pflichten zu erfüllen: erstens die
Grundgesetze des Reichs von aller Zweideutigkeit zu reinigen, und
zweitens aus dem Geiste der Regierenden wie der Regierten die irrige und
verderbliche Meinung auszurotten, daß die königliche Prärogative etwas
Erhabeneres und Geheiligteres sei als jene Grundgesetze. Das erstere
Ziel wurde durch den feierlichen Eingang der Rechtserklärung erreicht,
das andre durch den Beschluß, welcher den Thron für erledigt erklärte
und Wilhelm und Marien einlud, denselben einzunehmen.

Die Veränderung scheint unbedeutend zu sein. Nicht ein einziges Kleinod
der Krone wurde angetastet, nicht ein einziges neues Recht wurde dem
Volke gegeben. Das ganze englische Recht im Allgemeinen wie im
Besonderen war nach der Ansicht der größten Juristen, wie Holt und
Treby, Maynard und Somers, nach der Revolution noch genau das nämliche
wie vor derselben. Einige streitige Punkte waren nach dem Ausspruche der
besten Juristen entschieden worden und es hatte eine kleine Abweichung
von dem regelmäßigen Gange der Thronfolge stattgefunden. Dies war Alles,
und es war genug.

Wie unsre Revolution eine Vertheidigung alter Rechte war, so wurde sie
auch mit strenger Beobachtung alter Formalitäten vollbracht. Fast in
jedem Worte und Schritte kann man eine tiefe Verehrung der Vergangenheit
erkennen. Die Stände des Reichs beriethen sich in den alten Hallen und
nach den alten parlamentarischen Regeln. Powle wurde nach der
althergebrachten Form von dem Antragsteller und dem Unterstützer zu
seinem Präsidentenstuhle geführt. Der Scepterträger führte die
Abgesandten der Lords an den Tisch der Gemeinen und es wurden die drei
pflichtmäßigen Verbeugungen gemacht. Die Conferenz wurde mit allen
alterthümlichen Formalitäten abgehalten. Auf der einen Seite der Tafel
im gemalten Saale saßen die Wortführer der Lords bedeckten Hauptes und
in ihren mit Hermelin und Gold besetzten Mänteln. Die Wortführer der
Gemeinen standen entblößten Hauptes auf der andren Seite. Die Reden
bilden einen fast komischen Contrast gegen die Revolutionsrhetorik jedes
andren Landes. Beide englische Parteien waren darüber einig, die alten
constitutionellen Überlieferungen des Reichs mit feierlicher
Ehrerbietung zu behandeln. Die Frage war nur, wie diese Überlieferungen
zu verstehen seien. Die Vertheidiger der Freiheit sprachen kein Wort von
der natürlichen Gleichheit der Menschen und der unveräußerlichen
Souverainetät des Volks, von Harmodius oder Timoleon, von Brutus dem
Älteren oder Brutus dem Jüngeren. Als man ihnen sagte, daß die Krone
nach englischem Recht im Augenblicke ihrer Erledigung auf den nächsten
Erben übergehen müsse, so erwiederten sie, daß nach englischem Rechte
ein lebender Mensch keinen Erben haben könne. Als man ihnen sagte, der
Fall sei noch nie vorgekommen, daß der Thron für erledigt erklärt worden
wäre, so legten sie aus den im Tower aufbewahrten Urkunden ein fast
dreihundert Jahr altes Pergament vor, auf welchem in wunderlicher
Schrift und in barbarischem Latein geschrieben stand, daß die Stände des
Reichs den Thron eines treulosen und tyrannischen Plantagenet für
erledigt erklärt hatten. Als endlich der Streit beigelegt war, wurden
die neuen Herrscher mit dem althergebrachten Gepränge ausgerufen. Der
ganze phantastische Pomp des Heroldwesens war dabei: Clarencieux und
Norroy, Portcullis und Rouge Dragon[104], die Trompeten, die Banner und
die mit Löwen und Lilien gestickten grotesken Wappenröcke. Auch der
Titel »König von Frankreich,« den der Sieger von Cressy sich beigelegt,
wurde von den königlichen Titulaturen nicht ausgeschlossen. Uns, die wir
das Jahr 1848 erlebt haben, muß es fast als ein Wortmißbrauch
erscheinen, daß man einer mit so reiflicher Überlegung, mit so ruhiger
Besonnenheit und so ängstlicher Beobachtung der herkömmlichen Etikette
bewerkstelligten Veränderung den schrecklichen Namen einer Revolution
giebt.

Und doch war diese Revolution, obgleich die mindest gewaltsame aller
Revolutionen, die wohlthätigste von allen. Sie entschied für immer die
große Frage, ob das volksthümliche Element, das sich seit den Zeiten der
Fitzwalter und de Monfort in der englischen Verfassung vorfand, durch
das monarchische Element zerstört werden, oder ob es sich frei sollte
entwickeln und das vorherrschende werden dürfen. Der Kampf zwischen den
beiden Prinzipien war lang, heftig und zweifelhaft gewesen. Er hatte
vier Regierungen hindurch gedauert und hatte Aufstände, Staatsprozesse,
Rebellionen, Schlachten, Belagerungen, Proscriptionen und Justizmorde
herbeigeführt. Bald hatte es den Anschein gehabt, als ob die Freiheit,
bald wieder, als ob die Monarchie auf dem Punkte stände unterzugehen.
Viele Jahre lang war die eine Hälfte der Kraft Englands beschäftigt
gewesen, die andre Hälfte zu bekämpfen. Die ausübende Gewalt und die
gesetzgebende Gewalt hatten einander in ihrer Thätigkeit so gehemmt, daß
der Staat in Europa fast keine Bedeutung gehabt hatte. Der Wappenkönig,
welcher Wilhelm und Marien vor dem Eingange von Whitehall proklamirte,
verkündete sehr wahr, daß dieser große Kampf nun vorüber sei, daß
vollkommene Einigkeit zwischen dem Throne und dem Parlamente obwalte,
daß das so lange abhängige und erniedrigte England wieder eine Macht
ersten Ranges geworden sei, daß die alten Gesetze, welche die
Prärogative beschränkten, hinfüro eben so heilig wie die Prärogative
selbst gehalten und bis zu allen ihren Consequenzen durchgeführt, daß
die ausübende Verwaltung in Übereinstimmung mit den Ansichten der
Vertreter des Volks geleitet und daß keine Reform, welche die beiden
Häuser nach reiflicher Erwägung vorschlagen würden, bei dem Souverain
beharrlichen Widerstand finden werde. Obwohl die Rechtserklärung nichts
zum Gesetz machte, was nicht vorher schon Gesetz gewesen wäre, so
enthielt sie doch den Keim des Gesetzes, das dem Dissenter
Religionsfreiheit gab, des Gesetzes, das die Unabhängigkeit der Richter
sicherte, des Gesetzes, das die Dauer der Parlamente beschränkte, des
Gesetzes, das die Preßfreiheit unter den Schutz von Geschwornen stellte,
des Gesetzes, das den Sklavenhandel verbot, des Gesetzes, das den
Religionseid abschaffte, des Gesetzes, das die Katholiken von den
Ausschließungen von Civilämtern befreite, des Gesetzes, welches das
System der Volksvertretung reformirte, kurz jedes guten Gesetzes, das
seit hundertsechzig Jahren eingeführt worden ist, wie jeden guten
Gesetzes, das auch fernerhin im Laufe der Seiten zur Förderung des
Gemeinwohls und zur Befriedigung der Wünsche der öffentlichen Meinung
für nöthig befunden werden wird.

Das beste Lob aber, das man der Revolution von 1688 geben kann, ist, das
sie unsre letzte Revolution war. Seit mehreren Generationen hat kein
verständiger und patriotischer Engländer mehr daran gedacht, sich gegen
die bestehende Regierung aufzulehnen. Alle rechtschaffenen und denkenden
Geister sind der Überzeugung, in der sie durch die tägliche Erfahrung
bestärkt werden, daß die Mittel, um jede der Verfassung nöthige
Verbesserung zu bewirken, von der Verfassung selbst geboten sind.

Unsre gegenwärtige Generation sollte besser als irgend eine die volle
Bedeutung des Widerstandes unserer Vorfahren gegen das Haus Stuart zu
würdigen vermögen. Rings um uns her wird die Welt von den
Verzweiflungskämpfen großer Nationen erschüttert. Regierungen, welche
noch vor Kurzem alle Aussicht auf ein jahrhundertelanges Fortbestehen zu
haben schienen, sind plötzlich erschüttert und gestürzt worden. In den
stolzesten Hauptstädten des westlichen Europa ist Bürgerblut geflossen.
Alle bösen Leidenschaften, die Gewinnsucht und der Rachedurst, die
Antipathie zwischen den Klassen und zwischen den Stämmen haben sich von
dem Zwange göttlicher und menschlicher Gesetze losgerissen. Furcht und
Angst haben die Stimmen von Millionen verdüstert und ihre Herzen
bekümmert. Der Handel ist ins Stocken gerathen und die Industrie gelähmt
worden. Die Reichen sind arm, die Armen noch ärmer geworden. Lehren,
welche allen Wissenschaften, allen Künsten und allem Gewerbfleiße feind
sind, Lehren, die, wenn sie praktisch angewendet würden, Alles was
dreißig Jahrhunderte für die Menschheit gethan haben, vernichten und die
schönsten Gauen Frankreichs und Deutschlands zu eben so wilden Ländern
als Congo oder Patagonien machen würden, sind auf der Tribüne gepredigt
und mit dem Schwerte vertheidigt worden. Europa hat die Unterjochung
durch Barbaren gedroht, im Vergleich mit denen die Barbaren Attila's und
Alboin's aufgeklärt und menschlich waren. Die aufrichtigsten Freunde des
Volks haben mit tiefem Schmerze gestanden, daß Interessen, welche
kostbarer als irgend welche politische Rechte sind, auf dem Spiele
stehen, und daß es nöthig werden könnte, selbst die Freiheit zu opfern,
um die Civilisation zu retten. Währenddem ist auf unsrer Insel der
regelmäßige Gang der Regierung nie auch nur einen Tag unterbrochen
worden. Die wenigen schlechten Menschen, denen nach Zügellosigkeit und
Plünderung gelüstete, haben nicht den Muth gehabt, nur einen Augenblick
der Kraft einer fest um den angestammten Thron geschaarten Nation zu
trotzen. Und fragt man nach dem Grunde dieses Unterschiedes zwischen uns
und Anderen, so ist die Antwort darauf: weil wir nie das verloren haben,
was Andere mit blinder Hast wieder zu gewinnen suchen. Weil wir im
siebzehnten Jahrhundert eine erhaltende Revolution gehabt haben, darum
haben wir im neunzehnten keine zerstörende Revolution gehabt. Weil wir
inmitten der Knechtschaft Freiheit hatten, darum haben wir inmitten der
Anarchie Ordnung. Für das Ansehen des Gesetzes, für die Sicherheit des
Eigenthums, für die Ruhe unserer Straßen und für das Glück unserer
Familien gebührt unser Dank nächst Dem, der nach seinem Willen die
Nationen erhebt und zu Boden wirft, dem Langen Parlamente, der
Convention und Wilhelm von Oranien.

    [Anmerkung 104: Bezeichnungen verschiedener Wappenherolde. -- Der
    Übers.]



Druck von Philipp Reclam jun. in Leipzig.


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Druckfehler und Unregelmässigkeiten

Rechtschreibungsformen wie »funfzig« : »fünfzig«, »Urtel« : »Urtheil«
und »Partein« : »Parteien« sind ungeändert. Die Namen »Russel« und
»Russell«, »Dyckvelt« und »Dykvelt« sind ebenso ungeändert (auch
wenn es um die selbe Person handelt). Weitere:

  Geschichtschreiber : Geschichtsschreiber
  Verhaft(s)befehl
  Geschicht(s)schreiber
  angesehen(d)ste


IX. Kapitel

  ihrer Ämter und Pfründen entsetzt zu werden  [Pfründer]
  [Anmerkung 4: ... edited by Blencowe  [Blecnowe]
  welche andere Municipalitäten beabchsichtigten  [beasichtigten]
  Er bemühte sich diesen Nachmittag  [be-/bemühte _am Seitenende_]
  um sich Verhaltungsbefehle zu erbitten
    [ungeändert, mögligens »Verhaftungsbefehle«]
  [Anmerkung 65: Witson's MS.  [ungeändert, anderswo Witsen]
  die ihm der spanische Stiefel und die Daumschraube bereitet
    [ungeändert, anderswo Daumenschraube]
  [Anmerkung 104: ... welche darüber zu entscheiden hat  [enscheiden]
  eine starke Abtheilung derselben nach Cirencester verlegt
    [Circencester]
  oder einen Ersatzmann zu stellen.  [Ersatzman]
  das Schwert an der Seite und Pistolen in den Holstern  [Holftern]
  den 27. November, im Speisesaale des Palastes  [Speisesale]
  ehe ich mich entscheide.«[137]  [« _fehlt_]
  hingebrachten Lebens ein wahrhaft religiöser Mann  [relegiöser]

X. Kapitel

  in der Gegend des Klosters von Clerkenwell.
    [Clarkenwell, mögligens auch in Macaulays Englisch]
  [Anmerkung 15: +Harl. MS. 255.+]  [Harl;]
  [Anmerkung 37: ... +Clarendon's Diary, Dec. 21. 1688+  [21.1688]
  eine prächtige Terrasse angelegt  [Terasse]
  Auch ist es durchaus nicht unmöglich, daß er reussirt haben würde
    [ungeändert, gewöhnliche Form ist reüssirt (Fr. réussir)]
  Lincoln's Inn Fields und Conventgarden
    [ungeändert, rechte Form ist Coventgarden = Covent Garden]
  [Anmerkung 79: Dartmouth's Note zu Burnet, I. 393.  [Darthmouth's]
  durch die Wichtigkeit der Krisis gerechtfertigt  [gerechfertigt]
  die er mit Nutzen oder mit Ehren übernehmen könne  [könnne]
  daß die Mittel um jede der Verfassung nöthige Verbesserung  [Mitttel]





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