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Title: Einheimische Fische - Die Süßwasserfische unsrer Heimat
Author: Floericke, Kurt
Language: German
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produced from scanned images of public domain material
from BioLib (www.biolib.de) and the edocs server of
University Frankfurt/Main Germany / Biology collection
(ViFaBio))



[Transcriber's Note: =Bold= text is shown by =equal= signs, _letter
spacing_ by _underscores_. Original spelling variations have not been
been standardized.]

[Zur Transkription: =Gleichheitszeichen= bedeuten =fett= gedruckten
Text, _gesperrt_ gedruckter Text wird mit _Unterstrichen_ dargestellt.
Originalschreibweisen wurden soweit möglich beibehalten.]



Einheimische Fische

Die Süßwasserfische unsrer Heimat

Von

Dr. Kurt Floericke

Mit zahlreichen Abbildungen nach Originalaufnahmen u. Zeichnungen von
Dr. E. Bade, Oberlehrer W. Koehler, R. Oeffinger u. a. und einem
Umschlagbild von R. Oeffinger

Stuttgart

Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde Geschäftsstelle: Franckh'sche
Verlagshandlung Copyright 1913 by Franckh'sche Verlagshandlung
Stuttgart

Stuttgarter Setzmaschinen-Druckerei Holzinger & Co.



Einheimische Fische


      »Ach, wüßtest du, wie's Fischlein ist
      So wohlig auf dem Grund,
      Du stiegst herunter wie du bist
      Und würdest erst gesund!

Ob Altmeister Goethe, der ja bekanntlich auch einen recht tiefen
Einblick in das weite Reich der Natur getan hat, recht hat, wenn er in
einem seiner formvollendetsten Gedichte, in dem fast italienischen
Wohlklang atmenden »Fischer«, von dem Wohligsein der Fische spricht und
den Menschen sie darum beneiden läßt? Der Naturforscher wird entschieden
antworten, daß hier die Phantasie mit dem Dichter durchgegangen sei. Die
Natur ist ja durchaus nicht die allgütige und allsorgende Mutter, als
die eine sentimentale Weltauffassung sie hinzustellen beliebt, sondern
vielmehr eine recht rauhe Erzieherin, die eine gar strenge und
nachsichtslose, oft geradezu zu raffinierter Grausamkeit gesteigerte
Auslese unter ihren »Kindern« hält, der das Schicksal des Individuums
gleichgültig ist, wenn sich nur Aussicht bietet, den Bestand der Art zu
erhalten. Und wenn aus diesen Gründen schon auf dem Festlande ein
rücksichtsloser Kampf aller gegen alle tobt, so herrscht ein solcher in
tausendfach vergrößerter und verbitterter Form im scheinbar so
friedlichen Wasser, und besonders unter dessen höchst entwickelten
Bewohnern, den Fischen, unter denen ja ausschließliche Pflanzenfresser
eine Seltenheit sind, während grimmige Räuber in Unzahl das feuchte
Element bevölkern. Das ganze Dasein der »wohligen« Fische ist ein fast
ununterbrochenes Hetzen und Jagen, Verfolgen und Verfolgtwerden, alles
dreht sich bei ihnen ums Fressen oder Gefressenwerden, solange nicht für
mehr oder minder kurze Zeit der allmächtige Fortpflanzungsinstinkt alles
andere in den Hintergrund drängt, die sonst Unersättlichen zu wochen-
und monatelangem Fasten verurteilt und ganze Millionenheere zu weiten
Wanderungen veranlaßt, die in der rücksichtslosen, fast brutalen Art
ihrer Ausführung etwas geradezu Fanatisches und Hypnotisierendes an
sich haben. Da also der Kampf ums Dasein in den Gewässern noch
unerbittlicher tobt als auf dem Festlande, wird es ohne weiteres
begreiflich erscheinen, wenn die einzelnen Arten ihm nach dieser oder
jener Richtung hin in weitgehender Weise angepaßt wurden, und wir werden
ja im folgenden verschiedentlich Gelegenheit haben, solche
Anpassungserscheinungen und ihre tiefgehende Bedeutung und Wirksamkeit
für die Biologie der Fische kennen zu lernen.

Selbst dem Laien, der öfters vor einem Aquarium gestanden hat, wird bald
auffallen, daß er die Fische eigentlich jedesmal und zu jeder Tages-
oder Nachtzeit in mehr oder minder lebhafter Bewegung, jedenfalls fast
nie ganz ohne solche vorfindet. Bei einigem Nachdenken muß er sich
schließlich ganz von selbst fragen, ob denn diese unermüdlichen Tiere
eigentlich überhaupt nicht schlafen. Diese Frage ist keineswegs so naiv,
wie sie auf den ersten Anblick erscheinen mag, denn bis in die neueste
Zeit hinein haben auch angesehene Fachgelehrte der Meinung zugeneigt,
daß die Fische tatsächlich überhaupt keines Schlafes bedürfen. Daß diese
Anschauung so lange Zeit hindurch sich behaupten konnte, wird
erklärlicher, wenn wir bedenken, daß das Hauptzeichen echten Schlafes,
das geschlossene Auge, bei der Mehrzahl der Fische in Wegfall kommt,
indem sie keine Augenlider haben. Das sonst so bewegliche Fischauge
bleibt aber im Schlafe starr und ruhig, ohne jedoch seine Funktion
völlig auszusetzen. Und das ist auch nötig, denn da das Gehör bei der
großen Mehrzahl der Fische fast völlig versagt, muß das offene Auge
ihren Schlaf behüten, wohingegen bei dem schlafenden Menschen das Gehör
nicht gänzlich außer Funktion tritt und ihm eine herannahende Gefahr oft
noch rechtzeitig genug verrät. Doch gibt es auch Fische, die Augenlider
haben, wie z. B. die _Haie_ und _Rochen_, und diese schließen im Schlafe
auch das Auge fast völlig, während sich gleichzeitig die Pupille ganz
wie bei uns Menschen verengt. Nur die ungemein schwierige Beobachtung
solcher großen Meeresfische ist schuld daran, daß diese Tatsache so
lange übersehen wurde, die man erst neuerdings an dem kleinen
_Katzenhai_, der zu den gewöhnlichen Bewohnern der Schauaquarien gehört,
festgestellt hat. Wir müssen übrigens zweierlei Arten von Schlaf bei den
Fischen unterscheiden, nämlich einerseits den lethargischen
Erstarrungszustand, in den gewisse Fische während der Winterkälte oder
Sommerdürre für längere Zeit verfallen, der also ganz dem _Winter-_
oder _Sommerschlaf_ gewisser Säuger, Kriechtiere und Lurche entspricht,
und andrerseits den eigentlichen Nacht-, bezüglich Tagesschlaf. Der
erstere ist ja schon seit längerer Zeit bekannt. Wir wissen, daß alle
Fische, die bekanntlich zu den Kaltblütern gehören, nur innerhalb
bestimmter Temperaturgrenzen zu existieren und nur bei einem gewissen
Temperaturoptimum ihre volle Lebenstätigkeit zu entfalten vermögen.
Freilich sind diese Temperaturzonen bei den einzelnen Arten
außerordentlich verschieden, was ja nicht weiter Wunder nehmen kann,
wenn wir bedenken, daß manche Fische zwischen den Eisschollen der
Nordmeere sich tummeln, andere dagegen in den lauwarmen Wassern der
tropischen Riesenströme oder gar in heißen Quellen wohnen, die wie
diejenigen von Aix eine Wärme von 45 Grad Celsius aufweisen. Wenn auch
die widerstandsfähigeren Fische sich im Aquarium allmählich an eine
nicht unbeträchtlich kältere oder auch wärmere Temperatur gewöhnen
lassen, als sie im Freileben gewohnt sind, so weiß doch jeder
Aquarienbesitzer, wie überraschend empfindlich seine Pfleglinge sich
gegen plötzliche Temperaturschwankungen selbst geringfügiger Art zu
zeigen pflegen. So erklärt sich auch die merkwürdige Tatsache, daß
Aquarienfische sich sehr leicht erkälten, obwohl sie doch im Wasser
selbst leben, und vereinzelte Ausnahmefälle, wo Tropenfische bei einer
Temperatur von nur wenigen Graden völlig erstarrten und schon für tot
gehalten wurden, dann aber beim Erwärmen zu neuem Leben erwachten,
bestätigen nur die Regel. In freier Natur dagegen dürften
Erkältungserscheinungen bei Fischen nur äußerst selten vorkommen, da ja
die natürlichen Gewässer sich nur ganz langsam erwärmen oder abkühlen.
Wird aber dabei eine gewisse Grenze überschritten, so erleidet die
aktive Lebenstätigkeit der Fische eine immer weiter gehende
Herabminderung, die schließlich in unserem Klima zur Erscheinung des
lethargischen Winterschlafes führt. Unsere Weißfische und _Karpfen_ z.
B. fallen in einen solchen bei einer Wassertemperatur von + 4-6°_C_,
nachdem sie sich vorher scharenweise im Schlamm eingewühlt und sich hier
oft so dicht aneinander gedrängt haben, wie Pökelheringe in einer
vollgepfropften Tonne. Während dieses Winterschlafes wird ganz wie bei
Hamstern oder Fledermäusen die Tätigkeit des Herzens und sonstiger
Muskeln, sowie die der Atmungs- und Ausscheidungsorgane auf ein Minimum
herabgesetzt (bei _Weißfischen_ z. B. sinkt nach Haempel die Zahl der
Herzschläge von 20-30 auf 1-2 in der Minute), und der Körper zehrt
während dieser ganzen Zeit lediglich von seinem eigenen, vorher nach
Möglichkeit aufgespeicherten Fett, so daß er während des Winterschlafes
einen Gewichtsverlust von 5 v. H. und mehr erleidet. Die Wärme des
Frühjahrs erweckt dann die schlafenden Fische zu neuem Leben, falls
nicht die Temperatur zu tief unter den Gefrierpunkt gesunken war und
dadurch den zeitlichen Schlaf in einen ewigen verwandelt hat. Es ist
übrigens erstaunlich, was die Fische gerade in dieser Beziehung
auszuhalten vermögen. So sind verbürgte Fälle bekannt, daß Karpfen bei
einer Temperatur von -15 bis -20°_C_ vollständig in einen Eisblock
eingefroren waren und sich dann bei ganz allmählichem und genügend
vorsichtigem Auftauen doch völlig erholten. Während viele unserer
Fische, wie der _Hecht_, auch während der rauhen Jahreszeit in Tätigkeit
bleiben, bietet andrerseits unsre Fischwelt sogar manches bemerkenswerte
Gegenstück zu dem Sommerschlaf der Tropenfische, der bei den in
wissenschaftlicher Hinsicht so bemerkenswerten Lungenfischen seine
höchste Vollendung erreicht und den Zweck verfolgt, beim Austrocknen der
Wohngewässer die sommerliche Dürre ohne Schaden überdauern zu können. So
erzählt Antipa aus dem Donaugebiete, daß er den _Schlammpeitzker_
wiederholt in durchaus lebensfähigem Zustande tief im Schlamm vergraben
angetroffen habe, während seine Wohntümpel so scharf ausgetrocknet
waren, daß man mit beladenen Wagen darüber hinwegfahren konnte. Das wird
erklärlich, wenn wir an die später noch näher zu besprechende Darmatmung
dieses merkwürdigen Fisches denken.

Viel weniger zahlreich sind aus dem schon erwähnten Grunde sichere
Beobachtungen über den eigentlichen Schlaf der Fische, aber sie mehren
sich in neuerer Zeit auffallend, so daß wir wohl annehmen dürfen, daß
die Mehrzahl der Fische der süßen Wohltat des Schlafes nicht zu
entbehren braucht, was ja auch physiologisch kaum denkbar wäre. Doch
scheint soviel festzustehen, daß das Schlafbedürfnis der Fische ein
ungleich geringeres ist, als das der übrigen Wirbeltiere und daß es sich
noch am ehesten bei drückender Hitze und sauerstoffarmem Wasser geltend
macht, bei den einzelnen Arten sehr verschieden stark ausgeprägt ist und
auch individuelle Abweichungen nicht vermissen läßt. Insbesondere
scheinen bestimmte _Schlafstellungen_ für die einzelnen Arten
kennzeichnend zu sein. Viele Fische schlafen in der gewöhnlichen
Schwimmstellung freischwebend im Wasser, andere begeben sich zum Boden
herab, drehen hier den Kopf der Strömung entgegen und stützen sich auf
Brust- und Bauch-, sowie auf den unteren Rand der Schwanzflosse. Der
_Katzenhai_ steht senkrecht auf dieser, während er zugleich den Kopf an
einen Stein oder an die Glaswand des Aquariums anlehnt, die _Lippfische_
legen sich auf die Seite, nehmen also im Schlafen eine ähnliche Stellung
ein wie der Mensch, und die _Panzerwelse_ des Nil legen sich nach den
Beobachtungen Werners sogar auf den Rücken und treiben mit nach oben
gekehrtem Bauche an der Oberfläche einher, so daß man sie unbedingt für
abgestorbene Fische hält. Der von den Aquarienfreunden wegen seiner
interessanten Brutpflege hochgeschätzte _Maulbrüter_ (das Weibchen
schleppt den befruchteten Laich bis zu seiner völligen Entwicklung im
Maule mit sich, das auch den Jungen während ihrer ersten Lebenstage noch
als Zufluchtsstätte dient) schiebt sich zum Ausruhen flach auf ein
geeignetes, oft nur wenig vom Wasser überspültes Pflanzenblatt, und die
hübschen _Zwergwelse_ Nordamerikas hängen in halbmondförmig gekrümmter
Stellung, wie wir sie von den gekocht auf unsere Tafel kommenden
Schleien her kennen, dicht an der Wasseroberfläche. Eine ähnliche
Schlafstellung nimmt nicht selten auch unser _Schlammpeitzker_ ein,
indem er Kopf und Schwanz nach unten biegt, den schmiegsamen Leib aber
nach oben krümmt. Auch den nahe verwandten _Steinbeißer_ kann man
bisweilen in dieser merkwürdigen Lage überraschen. Vielleicht ist sie
auch auf das bei den Schlafstellungen der höheren Wirbeltiere so
deutlich ausgeprägte Bestreben des Organismus zurückzuführen, während
des wehrlosen Schlummers nach Möglichkeit zur primitiven, die geringste
Angriffsfläche bietenden Kugelform zurückzukehren, was den Fischen bei
ihrem meist starren Leibe allerdings nur andeutungsweise möglich ist.
Während des Schlafes erscheint die Reizempfänglichkeit der Fische stark
herabgemindert. Man muß ihnen schon ziemlich grob kommen, um sie
aufzustören. So reagieren sie auf Steinwürfe in der Regel erst dann,
wenn sie unmittelbar getroffen werden. Versuche Schmids haben gezeigt,
daß sich Fische durch Zusätze von Veronal oder Trional (beide Stoffe
gelten ja auch beim Menschen als Schlafmittel) zum Wasser auch künstlich
einschläfern lassen, wobei sie ihre Bewegungen ganz allmählich
verlangsamen und schließlich selbst gegen unmittelbare Berührungsreize
unempfindlich werden. Schleien nahmen dabei eine im Winkel von 45°
schräg nach unten gerichtete Stellung ein. Auch die Vorstufe des
Schlafes, das charakteristische Ermüdungszeichen des _Gähnens_, ist im
Fischreiche keine unbekannte Erscheinung, so sonderbar uns das auch
anmuten mag. Namentlich in warmem und sauerstoffarmem Wasser kann man
die Fische häufig gähnen sehen, gerade wie auch bei uns Menschen
weichliches Wetter leicht Ermüdungszustände hervorruft. Beim Gähnen
öffnet der Fisch sein Maul sehr weit, spreizt die Kiemen, hebt seine
Bauchflossen und stößt dann mit großer Geschwindigkeit das eingesogene
Wasser teils durchs Maul, teils durch die Kiemen wieder aus. Die
Stellung der Flossen während des Schlafes ist am eingehendsten beim
Schlammpeitzker beobachtet worden; gewöhnlich werden sie dem Körper
glatt angelegt, die Brustflossen nicht selten aber auch flach
ausgespreizt.

Bei dieser Gelegenheit sei gleich noch einiges über den
_Schlammpeitzker_ oder _Schlammbeißer_ (_Cobítis fossílis_) gesagt,
diesen wegen seiner leichten Erreichbarkeit bei der Jugend so beliebten,
wegen seiner vielen merkwürdigen Eigenarten aber auch für den Forscher
und Aquarienfreund hochinteressanten Bewohner unserer kleinen stehenden
Gewässer mit schlammigem Untergrunde. Er lebt hier als ein echter
Bodenfisch und als ein ausgesprochenes Nachttier, das tagsüber untätig
dem schlammigen Untergrunde aufliegt und erst mit Einbruch der Dämmerung
zu regerem Leben erwacht, um den Schlamm nach allerlei Gewürm, Schnecken
und jungen Muscheln zu durchwühlen, nebenbei wohl auch vermodernde
Pflanzenteile zu sich zu nehmen. Bekannt geworden ist der Schlammbeißer
in weiteren Kreisen namentlich als Wetterprophet, weshalb er auch im
Volksmunde vielfach den Namen Wetterfisch führt, und er verdient diesen
Ruf sicher in höherem Grade als der zu Unrecht gepriesene Laubfrosch. Es
ist Tatsache, daß der Schlammbeißer wenigstens gegen elektrische
Veränderungen in der Atmosphäre sich überaus empfindlich erweist und
namentlich das Herannahen von Gewitterbildungen viele Stunden vorher
(angeblich sogar 24 Stunden vorher) mit fast untrüglicher Sicherheit
anzeigt. Der sonst so träge Geselle gerät dann in lebhafte Unruhe und
schwimmt rastlos unter kräftig schlängelnden Bewegungen hin und her,
kommt auch mit sichtbarer Ängstlichkeit häufig an die Oberfläche, um
Luft zu schnappen. Es erscheint daher zweifellos, daß er für Fluida
elektrischer oder magnetischer oder vielleicht gar radioaktiver
Herkunft besonders empfänglich ist, ohne daß wir jedoch bisher diese
auffallende Erscheinung irgendwie befriedigend aufzuklären vermöchten.
Diese Eigenschaft des Schlammbeißers bringt es mit sich, daß man ihn in
manchen Gegenden als geschätzten Wetterpropheten in einfachen Fisch-
oder Einmachegläsern mit Sandbelag hält, was für den sonst sehr
widerstandsfähigen Fisch freilich nur einen langsamen und qualvollen Tod
bedeutet. Da er ebenso wie der Steinbeißer sich von einer geschickten
Hand im Wasser ohne allzu große Schwierigkeiten ergreifen läßt, muß er
ferner in der Regel für die ersten Aquarienversuche der lieben Jugend
herhalten. Das ist sehr zu bedauern, und es erscheint nachgerade
angezeigt, auch in bezug auf unsere Fischfauna den Naturschutz in
höherem Grade zu berücksichtigen, als es bisher geschah, denn auch die
Fauna unserer Binnengewässer und namentlich der kleinen Tümpel und
Teiche droht infolge rücksichtsloser Nachstellungen mehr und mehr zu
veröden und zu verarmen. Dagegen sei den modernen Aquarienfreunden,
deren praktische Kenntnisse in der Tierpflege groß genug sind, um jede
Tierquälerei auszuschließen, bei dieser Gelegenheit die sachgemäße
Haltung und Beobachtung unserer so anziehenden einheimischen Fische, die
über der Sucht nach ausländischen Neueinführungen und -züchtungen nur
allzu sehr vernachlässigt worden sind, wieder einmal dringend ans Herz
gelegt. Gibt es doch gerade an unseren so charakteristischen
einheimischen Formen, von denen nicht wenige ebenso schön und zierlich
sind, wie die berühmtesten Exoten, biologisch noch ungeheuer viel und
Hochinteressantes genug zu erforschen, wobei auch der bloße Liebhaber
tüchtig mithelfen kann. Übrigens ist der Schlammbeißer durchaus nicht
der einzige Wetterfisch, vielmehr scheint zahlreichen Arten eine mehr
oder minder große Empfindlichkeit gegenüber den elektrischen Zuständen
der Luft eigen zu sein, und sie zeigen sich deshalb beim Herannahen
eines Gewitters vielfach beängstigt und unruhig, wenn sie es auch nicht
auf so lange Zeit vorauszuempfinden vermögen wie der Schlammbeißer. Im
Zusammenhang damit mag es stehen, daß Fische bei Gewittern so leicht
absterben, was man auf die durch die starke Temperaturerhöhung bewirkte
Verminderung des Sauerstoffs im Wasser und auf die durch die plötzliche
Erniedrigung des Luftdrucks hervorgerufene Übersättigung des Wassers mit
schädlichen Gasen aus dem Untergrunde zurückgeführt hat, ohne jedoch
bisher völlig über diese rätselhafte Erscheinung und über die Rolle, die
die Elektrizität selbst dabei spielt, sich klar geworden zu sein. Als
sehr weitblickende Wetterpropheten gelten in gewissen Gegenden z. B.
auch die _Forellen_. So unwahrscheinlich es auch klingt, so schwören
doch viele alterfahrene Fischer darauf, daß man aus dem Verhalten dieser
Fische beim Laichgeschäft sichere Schlüsse auf die Gestaltung des
kommenden Winters ziehen könne. Wenn die Forellen ihre Eier an den
tiefsten, starker Abkühlung des Wassers weniger ausgesetzten Stellen
ablegen, soll ein harter und strenger Winter zu erwarten sein, der ja
immer auch einen beträchtlichen Rückgang des Wasserstandes mit sich
bringt. Laichen die Forellen aber an seichten Stellen nahe am Ufer, wo
die Strömung weniger stark ist, so soll ein milder und regenreicher
Winter bevorstehen.

  [Illustration: Steinbeißer (Naturaufnahme von Oberlehrer W.
  Koehler).]

Der etwa 30 _cm_ lang werdende _Schlammbeißer_, um auf diesen
zurückzukommen, kennzeichnet sich durch seinen langgestreckten
zylindrischen Leib mit kleiner und spärlicher Beschuppung, die gut
entwickelte, abgerundete Schwanzflosse, die zehn kurzen Bartfäden an dem
kleinen, aber sehr beweglichen Maul und durch die eigenartige Färbung:
oberseits schwärzlich mit fünf gelben und braunen Längsstreifen,
unterseits orangegelb mit schwarzen Tüpfeln. Der beträchtlich kleinere
_Steinbeißer_ (_Cobítis taénia_) hat nur sechs Bartfäden und auf
ledergelbem Grunde großfleckige braune Binden an den Seiten und auf der
Rückenmitte. Bei der dritten im Bunde, der zierlichen _Schmerle_ oder
_Bartgrundel_ (_Cobítis barbátula_), die ebenfalls mit sechs Barteln
ausgerüstet ist und nur wenig größer wird als der Steinbeißer, ist die
Färbung viel unbestimmter, meist aber oben dunkelbraungrün mit
regelloser Schwarzstreifung, unten hellgrau oder graugelblich. Während
der Schlammbeißer hinsichtlich des Wohnsitzes seinem Namen alle Ehre
macht, liebt der Steinbeißer klare Bäche und Wiesengräben mit sandigem
Untergrund, und die Schmerle ist ein Kind des reinen, flachen, schnell
über festen und steinigen Boden hinströmenden Wassers. Bei allen drei
Arten dient also die buntfarbige Beschuppung zugleich als Schutzfärbung.
Wenn die Frühjahrsregen Tümpel und Bäche neu aufgefüllt haben, schreiten
die Cobitis-Formen zur Fortpflanzung an ruhigen und geschützten Stellen
ihrer Wohngewässer, und zwar legt jedes Weibchen an Pflanzen oder
Steinen 100-150000 Eierchen ab, von denen aber nur ein geringer
Prozentsatz zur Entwicklung kommt. Die große Mehrzahl der Jungen fällt
überdies den Raubfischen zur Beute, denen die Bartgrundeln vermöge ihrer
mundgerechten Gestalt überhaupt ein besonders willkommener Bissen sind.
Deshalb bleibt ihre Zahl allenthalben eine ziemlich beschränkte. Von
einer Brutpflege durch das Männchen, die Leunis wahrgenommen haben will,
wissen spätere Beobachter nichts mehr zu berichten. Der Steinbeißer
besitzt wenigstens noch eine eigenartige Waffe gegen seine zahllosen
Feinde, die bei den beiden anderen Arten nur in rudimentärem Zustande
vorhanden ist. Es handelt sich um einen dem Suborbitalknochen
aufsitzenden, frei beweglichen und feststellbaren Augendorn. Ergreift
man den Fisch, so biegt er den Kopf nach der Hand herum und bohrt den
aufgerichteten Dorn mit beträchtlichem Kraftaufwand in deren Fleisch
ein. Giftig ist dieser Dorn aber nicht, wie man wohl gefabelt hat.
Wirtschaftlich sind die Cobitis-Arten schon wegen ihrer Kleinheit ohne
sonderliche Bedeutung, und das Fleisch des Steinbeißers ist überdies
mager und zähe. Dagegen wird die Schmerle von ausgepichten
Feinschmeckern als ein gar köstlicher Bissen hoch geschätzt, und schon
der alte Gesner singt begeistert ihr Lob. Doch stehen diese Fischchen
ungemein rasch ab und dürfen deshalb nur in ganz frischem Zustande
Verwendung finden, wenn sie ihren vollen Wohlgeschmack entfalten sollen.
Am besten behandelt man sie wie Neunaugen, brät sie also auf dem Rost
oder mariniert sie ein.

Auf gleiche Weise behandelte Schlammbeißer, die ein grätenarmes und
nicht sehr fettes Fleisch haben, schmecken auch nicht übel, wenn man nur
die Vorsicht gebraucht, sie erst einige Tage in klarem, fließendem
Wasser zu halten, damit der ihnen sonst anhaftende Modergeruch und
-geschmack sich verliert. Heutzutage führt man den vielen Fischen
anhaftenden und ihre Verwendung für die Küche erschwerenden
_Schlammgeschmack_ nicht mehr auf die Einwirkung der Armleuchtergewächse
zurück, sondern vielmehr auf gewisse niedere Algen, die Oszillarien. Wo
sie in großer Menge vorhanden sind, haftet dem Fischfleische auch mehr
oder minder der fatale Schlammgeschmack an, der schließlich selbst bei
Regenbogenforellen so stark werden kann, daß er sie fast ungenießbar
macht. Wo die Oszillarien völlig fehlen, gibt es auch keinen
Schlammgeschmack. Fische, deren Haut reichlich mit Schleimdrüsen
versehen ist, wie es z. B. bei Aalen und Schleien der Fall ist, nehmen
den Schlammgeschmack immer rascher und stärker an, aber völlig verschont
bleibt unter gegebenen Verhältnissen keiner, selbst nicht die delikate
Bachforelle.

Daß der Schlammbeißer in seinen oft kleinen Wohntümpeln bei heißem und
trockenem Wetter nicht massenhaft zugrunde geht, hat er der ihm eigenen
und wissenschaftlich hochinteressanten Fähigkeit der _Darmatmung_ zu
verdanken. Schon im Aquarium kann man häufig sehen, wie die
Schlammbeißer von Zeit zu Zeit fast nach Art der Molche zur Oberfläche
emporsteigen, hier einen tüchtigen Schluck voll Luft nehmen und dann
langsam wieder zum Boden herabsinken, wie sie ja überhaupt keine Freunde
überflüssiger Bewegung sind, sondern bei Gefahr immer nur rasch von
einem Versteck nach dem andern schießen. Die mit dem Maul aufgenommene
Luft preßt der Schlammbeißer unter krampfhaftem Schließen der
Kiemendeckel durch seinen kurzen und fast gerade verlaufenden
Verdauungsschlauch, wo der von feinsten Blutgefäßchen umsponnene
Mitteldarm gewissermaßen als Lunge wirkt und der Luft gut die Hälfte
ihres Sauerstoffes entzieht, um sie dann unter hörbar glucksendem
Geräusch verbraucht durch den After wieder auszustoßen. Ein völliger
Ersatz für die Kiemenatmung freilich ist mit alledem doch nicht gegeben,
da nur durch diese die Ausscheidung der giftigen Kohlensäure bewirkt
werden kann und deshalb ein lediglich auf die Darmatmung angewiesener
Fisch doch zugrunde gehen muß. Diese Darmatmung, die sich ja auch bei
der am tiefsten stehenden Fischform, bei dem Lanzettfischchen findet,
ist wohl die ursprüngliche im Reich der Fische gewesen, und man kann
deutlich eine Entwicklungsreihe verfolgen, die von da über die einfachen
Kiemen der Rundmäuler, Haie und Rochen bis zu dem verwickelten
_Kiemenapparat_ der Knochenfische hinführt.

Der Fähigkeit der Darmatmung verdankt nun aber der Schlammbeißer noch
eine weitere und in den Kreisen der heimischen Fischfauna höchst seltene
Eigenschaft, indem er nämlich auch imstande ist, deutlich wahrnehmbare
_Töne_ von sich zu geben. Nimmt man ihn nämlich aus dem Wasser heraus,
so hört man ein Geräusch, das nach Johannes Müller die Mitte hält
zwischen dem »Quieken einer Maus und dem Schall eines breiten Kusses.«
Verursacht wird es offenbar durch das plötzliche und krampfhafte
Ausstoßen der im Darm befindlichen Atemluft. Es ist also nicht eine
freiwillige Lautäußerung, sondern vom Willen des Tieres völlig
unabhängig, demnach nicht etwa ein Balz- oder Liebeslaut, sondern so
ziemlich das gerade Gegenteil und eher mit dem Angstschrei der Vögel und
Säuger zu vergleichen oder mit dem Vorgang, durch den sich nach einem
derbdeutschen Sprichwort die »bleiche Furcht« bei Feiglingen zu erkennen
gibt.

  [Illustration: Groppe (_Cottus gobio_). (Naturaufnahme von Dr. E.
  Bade.) (Aus: Bade, Die mitteleuropäischen Süßwasserfische.)]

Wesentlich stimmbegabter ist der Knurrhahn unserer Meere, und dieser hat
auch im Süßwasser eine allerdings stumme Verwandte in der allbekannten
_Groppe_ (_Cóttus góbio_), der gefräßigen und unerwünschten Begleiterin
der Forelle. Das sind zwei, die sich im wahrsten Sinne des Wortes »zum
Fressen gern haben«. Freilich nicht gerade zur Freude des
Forellenzüchters, der deshalb dem von ihm verfolgten buntschimmernden
Eisvogel dankbar sein sollte, der neben Schmerlen hauptsächlich junge
Groppen verzehrt, wenn sie sich mal aus ihrem Schlupfwinkel hervorwagen.
Namentlich zur Laichzeit der Forellen entwickelt die Groppe eine recht
fatale Tätigkeit. Durch das Plätschern der laichenden Forellen
aufmerksam gemacht, erscheint sie alsbald auf dem Schauplatze und hält
hier unbekümmert einen reichlichen Kaviarschmaus, weil Liebe auch die
sonst so vorsichtige und wehrhafte Forelle blind macht. »Senkrecht im
Wasser stehend, den Kopf zu unterst und den Schwanz nach oben, wirbelt
sie mit den Brustflossen die leicht flottierenden Eier auf, um eines
nach dem anderen zu verschlingen. Es ist keine Seltenheit, in dem Magen
einer fingerlangen Groppe bis zu 30 Stück der erbsengroßen Forelleneier
zu finden« (Jäger). Auch die ausgeschlüpften Jungforellen haben in der
tückisch unter Steinen auf sie lauernden Groppe, die auch sonst alles zu
überwältigende Getier und mit besonderer Vorliebe Libellenlarven gierig
verschlingt, ihren schlimmsten Feind. Der Spieß wird aber umgedreht, und
die Stunde der Rache erscheint, sobald die Groppe selbst im zeitigen
Frühjahr zur Fortpflanzung schreitet. Dann ist es die raublustige
Forelle, die hinter den jungen Groppen und dem Groppenlaich her ist und
unnachsichtlich Vergeltung übt. Die Begegnung mit der alten Forelle hat
auch die ausgewachsene Groppe zu scheuen, obwohl sie in solchen Fällen
eine besondere Schreckstellung annimmt und den Kopf durch Aufsperren der
Kiemenstrahlen drohend aufbläht. Von den in festen Klumpen von 100 bis
300 Stück abgesetzten rötlichgelben Groppeneiern würden wahrscheinlich
wenige übrig bleiben, wenn nicht das Männchen in der tapfersten Weise
Brutpflege ausübte. Es verteidigt den zur Laichablage zwischen den
Steinen ausgewählten Platz aufs heldenmütigste und ausdauerndste gegen
jeden nahenden Feind, namentlich aber auch gegen die eigenen
Geschlechtsgenossen, wobei es zu so erbitterten Kämpfen kommt, daß die
Gegner sich bisweilen vollständig ineinander verbeißen und in diesem
wehrlosen Zustande, der an den verkämpfter Hirsche erinnert, mit
Leichtigkeit gefangen werden. Ohne selbst Nahrung zu sich zu nehmen,
hält so das Männchen 4 bis 5 Wochen lang treulich Wacht. Um so
schutzloser sind aber dann die ausgeschwärmten jungen Groppen ihren
Feinden preisgegeben, zu denen außer den Eisvögeln und Forellen
namentlich auch die alten Groppen selbst zählen, die bei ihrer
unersättlichen Freßgier in ausgesprochenem Maße dem Kannibalismus
huldigen. Gleich der Forelle bevorzugt die Groppe klares, schnell
fließendes Wasser und einen mit Steinen und Kiesgeröll bedeckten
Untergrund. Deshalb ist sie auch in Gebirgsgegenden häufig, ja in
manchen hochgelegenen Gewässern der einzige vorkommende Fisch. Sie hält
sich hier tagsüber unter Steinen verborgen und schießt aufgescheucht mit
großer Schnelligkeit durchs Wasser, aber immer nur auf kurze Strecken
und geradlinig, da ihr die Schwimmblase fehlt. Zu verkennen ist sie
nicht, denn der spindelförmig zulaufende, platt gedrückte Leib, der
mächtige Dickkopf mit dem Riesenmaul, die auffallend großen Brustflossen
und die schuppenlose, schleimige Haut sind untrügliche Merkmale. Die im
allgemeinen dunkle, mit Braun und Grau schattierte Färbung wechselt nach
Wohnort, Untergrund und Individuum ganz außerordentlich, und es
erscheint sicher, daß auch der Groppe das bei den Schollen so
ausgeprägte und noch näher zu besprechende Farbwechselvermögen zukommt.
Bei ihrer Lebensweise muß das ein großer Vorteil für sie sein. In der
Tat gehört schon ein sehr gut geschultes Auge dazu, um eine auf kiesigem
Untergrund ruhende und sich dabei regungslos verhaltende Groppe aus
einiger Entfernung zu erkennen. Daß die Groppe trotz ihrer versteckten
Lebensweise ein recht volkstümlicher Fisch ist, beweist die große Zahl
ihrer Trivialnamen, deren manche recht drastisch anmuten. »Rotzkober«
nannten wir Thüringer Jungen sie, wenn wir stolz zum Fischfang auszogen;
Mühlkoppe, Breitschädel, Kaulquappe, Grotzfisch, Dick- und Kautzenkopf,
Kaulhäuptlein, Kulheet und sogar Papst heißt sie in anderen Gegenden.
Wirtschaftlich hat sie höchstens als Köderfisch einige Bedeutung,
obschon sie gar nicht übel mundet. Wendet man die Steine im Bach
vorsichtig um, so kann man bei einiger Übung den schlüpfrigen und
großmäuligen Burschen ganz gut mit der Hand ergreifen und hat sich dabei
nur vor Verletzungen durch die spitzen Flossenstrahlen zu hüten.

Da oben von der vorzüglichen Schutzfärbung der Groppe und von ihrem
ausgeprägten Farbwechselvermögen die Rede war, seien hier gleich noch
einige allgemeine Betrachtungen über die _Färbung_ der Fische
eingeschaltet. Es liegt auf der Hand, daß bei dem schonungslosen und
ununterbrochenen Kampfe ums Dasein, der sich im Wasser abspielt,
Schutzfärbungen fast noch wichtiger erscheinen und daher noch häufiger
anzutreffen sein werden, als auf dem Festlande. Und in der Tat fehlen
sie kaum einem unserer heimischen Fische, wenn sie uns auch nicht immer
gleich als solche erscheinen wollen. Aber wir müssen bei der Beurteilung
solcher Erscheinungen eben immer die eigentümlichen Beleuchtungs- und
Färbungsverhältnisse im Wasser berücksichtigen. Dann werden wir es
sofort verstehen, warum alle unsere Oberflächenfische eine dunkle
Rückenfärbung und eine helle Bauchfärbung mit lebhaftem Silber- oder
auch Goldglanz haben, der an den Seiten besonders lebhaft hervortritt.
Beides ist eine ausgeprägte Schutzfärbung, die gerade diese Fische um so
nötiger haben, als sie sich für gewöhnlich ja nicht in Schlupfwinkeln
verstecken oder auf dem Boden liegen, sondern im freien Wasser nahe der
Oberfläche ihr anziehendes Spiel treiben. Die dunkle Rückenfärbung
schützt sie vor dem scharfen Auge solcher Feinde, die aus der Luft auf
sie herabspähen, also der fischfressenden Vögel. Ein jeder von uns weiß
ja aus eigener Erfahrung, wie schwer es hält, einen im Wasser stehenden
Fisch von oben her zu erkennen. Umgekehrt schützt der Silberglanz des
Bauches, der nach oberflächlicher Auffassung so leicht zum Verräter
werden könnte, in vortrefflicher Weise vor den lüsternen Blicken der
Raubfische, die ja gewöhnlich tiefer im Wasser stehen oder dem Boden
aufliegend auf Beute lauern, diese also schräg von unten zu Gesicht
bekommen werden. Von da aus erscheint aber der ganze Wasserspiegel
selbst bei bedecktem Himmel in lebhaft metallischem Lichtglanz, und wenn
gar funkelnde Sonnenstrahlen die Oberfläche treffen, zucken leuchtende
Lichtbündel, die sich von dem Aufblitzen der hin und her schwimmenden
Fische kaum unterscheiden lassen, allenthalben auf, wovon sich jeder
leicht beim Baden überzeugen kann. Schon vor mehr als 40 Jahren hat
Gustav Jäger diese Entdeckung gemacht, die dann aber in Vergessenheit
geraten war und erst neuerdings ohne Namensnennung wieder ausgegraben
wurde. Daß der nahe der Oberfläche befindliche Beutefisch auf silbrigem
Grunde silbern erscheint, somit nur sehr schwer sichtbar ist, wird nach
den Untersuchungen von Popoff und Kapelkin physikalisch dadurch erklärt,
daß die Fische infolge der eigentümlichen Lage ihrer Augen die
Wasseroberfläche höchstens unter einem Winkel von etwa 45° sehen, die
in einem solchen Winkel auf die Wasserfläche fallenden Lichtstrahlen
aber diese niemals durchdringen können, sondern völlig zurückgeworfen
werden. Etwas abweichender Ansicht ist in neuester Zeit Franz, indem er
glaubt, daß die silberne Bauchseite, wie sie bei Hering und Makrele
besonders schön ausgebildet ist, als Spiegel wirke, wenn auch mit dem
Unterschiede, daß sie das Licht meist nur sehr diffus (zerstreut)
zurückwirft. Demgemäß würde also ein solcher Silberspiegel lediglich die
Farbe des Wohngewässers selbst wiedergeben, gleichviel ob diese ins
Bläuliche, Grünliche oder Bräunliche fällt, und die Natur hätte mit
dieser automatischen Farbenanpassung durch Spiegelwirkung eine
verblüffend einfache und doch äußerst wirkungsvolle Leistung vollbracht.
Daß die uns Menschen so auffallende Silberfärbung aber zum mindesten als
Schutzfärbung aufzufassen ist, geht schon daraus hervor, daß sie allen
Bodenfischen, wie auch den Tiefseefischen als zwecklos völlig fehlt.
Denn im Ozean verschwinden schon bei 500 _m_ Tiefe die Silberbäuche
völlig, und Rot ist nun zur überwiegenden Schutzfarbe geworden, während
mit 1000 _m_ Meerestiefe ein mehr oder minder tiefes oder getrübtes
Schwarz diese Rolle fast ausschließlich übernimmt, da ja Schwarz in den
schauerlich finsteren Tiefen des Weltmeers naturgemäß den besten Schutz
gewährt, auch gegenüber den _Leuchtorganen_, mit denen viele Raubfische
zum Aufsuchen oder Anlocken ihrer Beute ausgerüstet sind.

Ganz besonders schön ausgeprägt ist die _Schutzfärbung_ bei den in
erwachsenem Zustande auf dem Meeresgrunde lebenden _Plattfischen_, zu
denen einige der schmackhaftesten Bewohner von Nord- und Ostsee zählen,
und von denen die _Flunder_ (_Pleuronéctes flésus_) gelegentlich auch im
Süßwasser vorkommt. Und sie wird hier noch in ganz großartiger Weise
unterstützt durch das diesen merkwürdigen Fischen eigene
_Farbwechselvermögen_, das in so überraschender Weise in Tätigkeit
tritt, daß darob selbst das in dieser Hinsicht doch weltberühmt
gewordene Chamäleon erröten müßte, wenn anders Rot auf seiner
Farbenskala verzeichnet wäre. Ganz wie beim Chamäleon wird auch bei den
Plattfischen die sich dem Untergrund anpassende Farbänderung
hervorgerufen durch die Tätigkeit der unter der Oberhaut liegenden und
mit verschiedenartigen Farbstoffen angefüllten Farbzellen oder
Chromatophoren, die leicht und rasch zusammengezogen oder ausgedehnt
werden können und dadurch eine Auflichtung oder ein Dunklerwerden der
Gesamtfärbung sowie eine Vergrößerung oder Verkleinerung, ein Verblassen
oder ein Hervortreten, wenn auch keine Verschiebung der Fleckung und
Zeichnung bewirken. Danach wird ein auf gelblichem Sande ruhender
Plattfisch ganz anders aussehen als ein auf dunklem Untergrunde
liegender, ein auf grobem Kiesgeröll befindlicher ganz anders als ein
auf feinem Gries gelagerter. So weit geht diese Anpassung, daß für das
menschliche Auge oft förmliche Vexierbilder entstehen und das
Herausfinden eines sich regungslos verhaltenden Plattfisches selbst im
beschränkten Raume des Aquariums seine nicht geringen Schwierigkeiten
hat. Besonders deutlich konnte Sumner in Neapel die Erscheinung dann
verfolgen, wenn er den Fischen einen künstlichen Untergrund aus
verschiedenartig karriertem oder geflecktem Papier gab, dem sie sich in
überraschend kurzer Frist in weitgehender Weise anzupassen suchten. Bei
alledem steht soviel unzweifelhaft fest, daß diese Farbanpassung vom
Willen des Tieres völlig unabhängig und als ein rein reflektorischer Akt
zu deuten ist, als dessen Ausgangspunkt wir die durch die Netzhaut des
Auges wahrgenommenen Lichteindrücke anzusehen haben. Sumner hat dies
auch durch Versuche nachgewiesen, indem die von ihm geblendeten
Plattfische andauernd dunkel blieben und unter keinen Umständen mehr
einen Farbwechsel vorzunehmen vermochten. Auf eine ungleich hübschere,
weniger grausame und dabei eigentlich noch viel überzeugendere Weise ist
Ward zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Er teilte einen Wasserbehälter in
zwei Hälften durch ein Stück Linoleum, in das er ein Loch hineinschnitt,
gerade groß genug, um einen kleinen Hecht darin festzuhalten. Die eine
Hälfte des Behälters war weiß und die andere schwarz austapeziert. Wurde
nun der Hecht so hineingesetzt, daß sein Kopf sich in der dunklen
Hälfte, Körper und Schwanz dagegen in der hellen Hälfte befanden, so
blieben die Pigmentstellen entspannt, der ganze Fisch somit dunkel.
Sobald man den Versuchsfisch aber herumdrehte und den Kopf in die helle
Hälfte versetzte, so war schon nach drei Minuten der ganze Fischkörper
bleich, weil sich die dunklen Pigmentzellen zusammengezogen hatten. Das
die Färbung beeinflussende Licht wirkt also nicht unmittelbar, sondern
durch die Vermittlung des Fischauges.

Häufiger als aktive Giftwaffen (Petermännchen) ist in unserer Fischfauna
eine oft nur zeitweise Giftigkeit gewisser Fischteile beim Genuß,
selbst wenn wir von dem Fleisch erkrankter oder bereits in Fäulnis
übergegangener Fische absehen. So entwickelt das Blut des _Aals_, sobald
es in fremde Blutbahnen gebracht wird, stark giftige Eigenschaften, die
allerdings schon durch gelindes Kochen völlig zum Verschwinden gebracht
werden. Bei der schmackhaften und sonst so bekömmlichen _Barbe_ hat zur
Laichzeit der Genuß des Rogens und (entgegen der Auffassung Blochs, nach
einem aus neuester Zeit stammenden Bericht der Pariser _Société
Zoologique_) auch des diesen umgebenden Fleisches bedenkliche
Vergiftungserscheinungen im Gefolge, die sich namentlich in heftigem
Durchfall und Erbrechen äußern. In noch verstärktem Maße finden wir die
gleiche Erscheinung bei den merkwürdigen _Kugelfischen_ (_Tétrodon_) der
japanischen Gewässer, weshalb auch deren Verkauf auf den Fischmärkten
streng verboten ist, während andrerseits Kugelfischkaviar eine beliebte
Delikatesse der dort aus den verschiedensten Gründen so häufigen
Selbstmordkandidaten sein soll. Unsere, eine Länge von 70 _cm_ und ein
Gewicht von 10 _kg_ und mehr erreichende _Flußbarbe_ (_Bárbus
fluviátilis_) -- der verwandte, in Siebenbürgen und Ungarn heimische,
aber auch schon im Oder- und Weichselgebiet vorkommende _Semling_
(_Bárbus petényi_) bleibt stets beträchtlich kleiner -- verdient ihren
Namen, denn sie fehlt den stehenden Gewässern ebenso wie dem Meere,
während sie zu den charakteristischsten und häufigsten Bewohnern unserer
Flüsse und Ströme zählt, soweit diese steinigen oder kiesigen oder
wenigstens sandigen Untergrund haben, dem sie sich in ihrer Färbung
ebenfalls in weitgehender Weise anzupassen vermag. Während die jungen,
erst im vierten Jahre fortpflanzungsfähig werdenden Barben, die sich
überhaupt durch eine reizvolle Beweglichkeit und große Spiellust
auszeichnen, beständig unter zuckenden Flossenbewegungen umherschwimmen,
werden die Alten mehr und mehr zu Nachttieren und Bodenfischen und
schließlich zu richtigen Faulpelzen. Erst nach Einbruch der Dunkelheit
ziehen sie auf Nahrung aus, indem sie ganz nach Schweineart mit ihrer
rüsselförmig verlängerten Schnauze den Boden nach allerlei Genießbarem
durchwühlen. Da der nach Karpfenart gebaute, nur wesentlich schlankere
Fisch dabei in der Aufnahme von Nahrung ebensowenig wählerisch und
ebenso vielseitig ist, wie der grunzende Borstenträger, wird er in
manchen Gegenden vom Volke gar nicht übel als »Sauchen« bezeichnet. Auch
an Aas und selbst an menschliche Leichname geht die Barbe recht gern,
und für Kot aller Art hat sie sogar eine ausgesprochene Vorliebe, mästet
sich deshalb am besten da, wo Aborte und Kanäle ihren Inhalt in die
Fluten entleeren, und wird aus ähnlichen Gründen auch in der Nähe von
Badeanstalten nicht leicht vermißt. Indessen hat diese wenig
appetitliche Ernährungsweise ebenso wenig wie der Grätenreichtum ihres
sonst vorzüglichen Fleisches oder die Giftigkeit ihres Rogens zu
verhindern vermocht, daß sie als Tafelfisch sich einer nicht geringen
Wertschätzung erfreut. Der Angler weiß, daß sie am sichersten auf ein
Stückchen Schweizerkäse anbeißt. Namentlich als »Bierfische« werden die
Barben in manchen Gegenden sehr geschätzt, so daß man sie wegen ihrer
verhältnismäßig geringen Vermehrungsfähigkeit sogar schon künstlich zu
züchten versucht, dabei aber wegen der großen Klebrigkeit der Eier, die
im Freien während der Frühlingsmonate an Steinen abgesetzt werden, keine
sonderlich ermutigenden Erfolge erzielt hat. Zur Laichzeit sieht man die
Barbenmännchen oft in langen Zügen wie im »Gänsemarsche« hinter den
laichfähigen alten Weibchen einherziehen. Gerade die Barben erkranken
sehr leicht an der Beulenpest, die durch einen einzelligen Schmarotzer
aus der Klasse der Sporentierchen (_Nyxobólus pfeífferi_) verursacht
wird und zu erbsen- bis nußgroßen Geschwülsten auf der Haut der
befallenen Tiere führt. Die aus den eiternden Beulen austretenden Keime
befallen auch Fische anderer Art, sind vielleicht auch für den badenden
Menschen nicht ungefährlich und vermögen so ganze Gewässer zu verpesten.
Die Barbenbestände selbst sterben dann fast völlig ab, wie es in den
Jahren 1885 und 1886 in der Maas und Mosel der Fall war, wo man allein
in Mézières täglich bis zu 2 Zentnern abgestandener Barben auffischen
konnte. Ebenso sind krankhafte Farbenabweichungen gerade bei Barben
keine besondere Seltenheit; selbst Stücke mit lebhaft goldgelben
Schuppen, die stark an Goldfische erinnern, kommen gelegentlich vor.

  [Illustration: Barsch (nach Naturaufnahmen von Fr. Ward [_Marvels
  of fish life_] gezeichnet von R. Oeffinger).]

Als ein gutes Beispiel für die Farbenanpassung an die Pflanzenwelt des
Süßwassers wollen wir hier endlich noch den _Flußbarsch_ (_Pérca
fluviátilis_) herausgreifen, dessen Name mit dem Begriff »Borste«
zusammenhängen soll, und ein recht borstiger Bursche ist ja dieser
stachelbewehrte Räuber tatsächlich in jeder Hinsicht, der im Fischreiche
biologisch etwa dieselbe Rolle spielt wie der Sperber in der Vogelwelt.
Von Schutzfärbung ist freilich bei ihm zunächst wenig zu merken, denn
der Oberkörper ist messingglänzend, und diese Farbe geht auf den Seiten
mehr ins Grünliche, auf dem Bauche ins Weißliche über, während quer über
den Leib 5-9 mehr oder minder dunkle Zebrabinden verlaufen. Wir müssen
aber berücksichtigen, daß der Barsch in der Regel unter einer
überhängenden Uferstelle im ruhigen Wasser zwischen Rohrhalmen auf Beute
lauert, und hier kommt ihm die den Rohr- und Pflanzenstengeln gleichende
Körperzeichnung doch sehr zustatten, zumal sie sich den Belichtungs- und
Schattierungsverhältnissen ebenfalls in wundersamer Weise anzupassen
vermag. Je klarer und durchsichtiger das Wasser, in desto lebhafterer
Färbung pflegt der Barsch zu prahlen. Nun kommt aber noch hinzu, daß
auch sein jeweiliger Gemütszustand die Färbung ganz erheblich zu
beeinflussen pflegt, wie ja die Fische trotz ihres kalten Bluts
überhaupt keineswegs die leidenschaftslosen und »kaltblütigen« Geschöpfe
sind, als die sie bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen. Ganz im
Gegenteil feiern glühende Liebe, brennender Haß und ungestümer
Wanderdrang, kurz, rücksichtslose Leidenschaften aller Art gerade im
Fischreiche wahre Orgien, und das kommt auch in der jeweiligen Färbung
oft deutlich genug zum Ausdruck. So beweisen die einwandfreien
Photographien des schon erwähnten englischen Forschers Ward, daß
namentlich der Barsch nicht nur ein durch die verschiedene
Flossenstellung vermitteltes, sehr ausdrucksvolles Mienen- und
Geberdenspiel hat, sondern daß er auch aus Angst und Furcht oder bei
plötzlichem Schreck die Farbe zu verändern, insbesondere bis zur
Leichenblässe zu erbleichen vermag. Eben noch liegt der Fisch in
behaglicher Ruhe auf dem Grunde, den Körper gestützt auf Schwanz- und
Beckenflossen, während die übrigen Flossen sich ihm anschmiegen und die
Zebrastreifen fast gar nicht sichtbar sind. Da -- eine leise
Erschütterung des Glasbehälters, und der Barsch richtet sofort als
Zeichen der Beunruhigung die zweite Rückenflosse steil auf. Eine zweite
und dritte stärkere Erschütterung -- und der nun vollends erschreckte
Barsch erhebt sich vom Boden, richtet auch die übrigen Flossen auf,
spreizt die Kiemendeckel und -- erbleicht plötzlich vor Furcht, so daß
die Zebrastreifen scharf und deutlich hervortreten. »Drei Minuten lang
verharrte er in dieser Stellung und schwamm dann fort, andauernd seine
großen Augen rollend, als ob er nach Gefahr ausschaute.« Gleichzeitig
mit dem Erbleichen wird eine besondere Verteidigungsstellung
eingenommen, und dabei werden namentlich die scharfen Stacheln der
Rückenflossen gespreizt, denn sie sind die natürlichen Abwehrwaffen des
Barsches. Doch stehen sie nicht wie beim Stichling in besonderen
Sperrgelenken, und deshalb gewähren sie auch nicht einen so weitgehenden
Schutz, obschon die größeren Raubfische in der Regel nur bei besonderem
Hunger sich an den stacheligen Gesellen machen. Der Hecht z. B. packt
den sich nach Kräften Sträubenden mit einer gewissen Vorsicht am Maul
und läßt ihn sich nun erst so weit abmatten, bis die dräuend erhobenen
Stacheln von selbst herabsinken und so das Opfer verschlungen werden
kann. Seinerseits ist aber auch der Barsch ein gar grimmer Räuber, der
blindgierig auf alles losschnappt, was er halbwegs bewältigen zu können
glaubt, und dabei nicht selten üble Erfahrungen machen muß. In der
Jugend zwar begnügt er sich mit Gewürm und Schnecken, im Alter aber wird
er zum fast ausschließlichen Fischfresser. Lauernd lugt er dann aus
seinem Versteck, und wie ein Sperber stößt er urplötzlich hervor unter
das harmlos spielende Proletenvolk der Weißfischchen, die erschreckt
auseinander stieben, wohl gar aus dem Wasser hervorschnellen, aber von
dem Raubritter in schnellen, ruckweisen Schwimmstößen so lange verfolgt
werden, bis einer erhascht ist, falls dies nicht schon auf den ersten
Anhieb geschah. Auch der Fischbrut und den kleineren Krebsen tut der
Barsch viel Schaden. So las ich erst unlängst, daß ein nur 16 _cm_
langer Barsch nicht weniger als 3 noch frische, weichhäutige Krebse von
5 bis 7-1/2 _cm_ Länge im Magen hatte, der dadurch ganz unförmlich
aufgetrieben war. Selbst an kleineren Sängern und Vögeln vergreift sich
dieser gierige Räuber, wenn sich ihm Gelegenheit dazu bietet. Da er
blind nach allem Genießbaren schnappt, bildet er die Freude des
angehenden Anglers, dessen Unerfahrenheit er oft mit einem unverhofften
und wegen seines wohlschmeckenden Fleisches hochwillkommenen Erfolge
krönt, der allerdings nicht selten mit einer schmerzhaften Verletzung
der Hand durch die spitzigen Rückenstacheln bezahlt werden muß. Das gilt
freilich nur von jungen und unerfahrenen Barschen, denn die alten sind
recht scheu und mißtrauisch, und der Angler darf sich solchen gegenüber
keineswegs unvorsichtig benehmen. Wer irgendwelche Barscharten längere
Zeit hindurch im Aquarium gepflegt hat, wird mir beipflichten, wenn ich
mich erkühne, diese Fische geradezu als nervöse Geschöpfe zu bezeichnen.
An Heißblütigkeit und Ungestüm des Temperaments geben sie ihrem
würdigen Vertreter in der Vogelwelt, dem Sperber, sicherlich nicht das
geringste nach. Ja, ihre Erregung vermag sich wie beim Vogel derart zu
steigern, daß sie in krampfhafte Zustände verfallen oder gar plötzlich
tot zu Boden sinken. Auch mancher Exotenzüchter vermag von dieser noch
wenig bekannten und erforschten Eigenschaft der als kaltblütig
verschrieenen Fische ein Lied zu singen. So sind Fälle bekannt, wo
Makropoden aus Erregung über die Zerstörung ihres Schaumnestes sofort
verendeten; der Pfauenaugenbarsch wechselt aus Angst oder Schreck alle
Farben, oder verfällt in Starrkrampf, der Diamantbarsch geberdet sich im
Ärger genau so sinnlos wie ein Habicht oder Sperber und sucht sich mit
weit abstehenden Kiemen in den Sand einzubohren. Unser Fluß- oder
Rohrbarsch, der gewöhnlich 35-40 _cm_ lang und 1 _kg_ schwer wird
(kürzlich wurde bei Zürich ein Exemplar von 2-1/4 _kg_ Gewicht
gefangen), bewohnt sowohl stehende wie fließende Gewässer, bevorzugt in
diesen jedoch die langsam fließenden Stellen mit sandigem, mergeligem
oder lehmigem Grunde und gibt immer einem möglichst klaren Wasser den
Vorzug. Die Laichzeit fällt in die Frühlingsmonate, und zwar werden die
mohnkorngroßen Eier in mehr als meterlangen, schlauchartigen Schnüren
netzartig um allerlei feste Gegenstände im Wasser geschlungen. Das
Weibchen kriecht bei der Laichabgabe förmlich wie eine Schnecke über die
Unterlage und unterstützt durch scharfes Anpressen des Bauches, also
durch eine Art Selbstmassage das Austreten der zwar kleinen, aber sehr
klebrigen und spezifisch auffallend schweren Eier. Künstliche
Besamungsversuche in der Biologischen Versuchsanstalt zu Wien haben
gezeigt, daß es sich bei einer bisher rätselhaften Barschform aus dem
Donaugebiet um Bastarde zwischen Rohr- und Kaulbarsch handelt, die
demgemäß auch in freier Natur vorkommen. Diese Mischlinge sind im
allgemeinen mehr kaulbarschähnlich, aber hochrückiger und seitlich
stärker zusammengedrückt, während die Zebrabinden nur dann hervortreten,
wenn der Rohrbarsch die Mutter war; sie sind träger, aber zählebiger und
schnellwüchsiger als beide Stammarten.

Größere wirtschaftliche Bedeutung als der Flußbarsch besitzt
sein äußerst wohlschmeckender und dabei grätenarmer größerer
Vetter, der _Zander_ oder _Schill_ (_Luciopérca sándra_), dessen
wisschenschaftlicher Name »Hechtbarsch« vortrefflich gewählt erscheint,
denn in der Tat vereinigt dieser Fisch äußerlich wie biologisch die
Eigenarten beider Familien in sich. Mehr noch als der Flußbarsch ist er
auf recht sauerstoffreiches Wasser angewiesen, worauf schon der ungemein
zarte Bau seiner Kiemen hindeutet. So findet er sich besonders zahlreich
in weiten, aber flachen Wasserbecken, die durch stürmische Winde ab und
zu gründlich aufgewühlt und dadurch mit dem Sauerstoff der Luft
gesättigt werden, wie dies z. B. beim Kurischen Haff der Fall ist, wo
deshalb auch ein sehr lohnender Zanderfang noch heute betrieben wird,
wenn auch die Zeiten, wo man die massenhaft erbeuteten wertvollen Zander
lediglich zum Trankochen benutzte, dort längst vorüber sind. Ebenso ist
der Zander als »Fogosch« ein Charakterfisch des Plattensees und bildet,
auf dem Rost gebraten, eine beliebte ungarische Nationalspeise. Die so
zahlreich in die Berliner Markthallen gelangenden Zander dagegen
entstammen größtenteils dem Wolgagebiet, wo eine besondere Art, der
_Berschik_ (_Luciopérca volgénsis_) auftritt, die neuerdings auch durch
das Schwarze Meer ins Donaugebiet einzuwandern beginnt. Auch der Zander
ist ein ausgesprochener, überaus freßgieriger Raubfisch, der aber seines
engen Schlundes und Magens wegen doch nur kleinere Fische zu bewältigen
vermag. Der Angler wird ihm gegenüber nur dann Erfolg haben, wenn er
einen lebenden Köder verwendet und auf die große Furchtsamkeit und
Leckerhaftigkeit dieses Fisches genügend Rücksicht nimmt. Dann aber
bietet gerade das Zanderangeln viel Anregung und hohen sportlichen
Genuß. Gleich dem Flußbarsch treibt sich der Zander gern in kleinen
Trupps umher, und es ist merkwürdig, wie diese im Wasser oft förmlich
exerzieren und wie auf Kommando gemeinsame Schwenkungen vollführen. Die
ganz jungen Zander fressen außer tierischen Substanzen auch massenhaft
schwebende Algen, und selbst die Alten scheinen Pflanzenkost nicht
völlig zu verschmähen. Jedenfalls ist es auffallend, daß die in
Zandermägen vorgefundenen Fische fast immer in allerlei Pflanzengrün
eingehüllt sind, wobei es einstweilen dahingestellt bleiben muß, ob
dieses etwa zur Beförderung der Verdauung mit verschluckt wurde. Von
anderweitigen Angehörigen der Barschfamilie, die sich durch das
Vorhandensein von zwei selbständigen, stacheligen Rückenflossen
kennzeichnet, seien hier noch kurz erwähnt der schlank gebaute _Streber_
(_Aspro stréber_), der bei uns gleich dem _Zingel_ (_Aspro zíngel_) auf
das Donaugebiet beschränkt ist, und der bisher nur in fließendem Wasser
gefundene _Schrätzer_ (_Acerína schráetser_). Alle diese Arten sind zu
klein und treten zu vereinzelt auf, als daß sie wirtschaftliche
Bedeutung gewinnen könnten, obschon ihr Fleisch recht gut mundet. Beim
Zingel hat Kammerer interessanterweise einen ganz verwickelten Nestbau
beobachtet, indem das Tier eine kreisförmige Grube im Sande auswirft, in
der Grubenmitte mit der Schnauze Steine zusammenschiebt, und zwischen
die Steine mühselig herbeigeholte Algenwatte einklemmt. Durch
Hineinarbeiten und Drehen des Körpers gewann diese Algenmasse
mützenförmige Gestalt, die durch quergesteckte Reiser klaffend erhalten
wurde. Der Schrätzerlaich erscheint zwar ebenfalls wie beim Flußbarsch
zu Schnüren angeordnet, aber die Eier liegen nicht in einem gemeinsamen
Schlauch, sondern sind nur reihenweise dicht nebeneinander auf dem Boden
festgeklebt. Dieser stachelige Fisch, der dem etwas Besseres erhoffenden
Angler manche Enttäuschung bereitet und ihm beim Auslösen manchen
blutigen Stich beibringt, gilt bei den Donaufischern als ein arger
Schädling der Fischbrut, während Streber und Zingel, die man in kleinen
Geschwadern ruckweise durchs Wasser schießen sieht, völlig harmlos sind
und sich lediglich von Mückenlarven, Wasserasseln, Flohkrebsen und
Erbsenmuscheln, namentlich aber von Würmern ernähren. Sie schaufeln
diese förmlich aus dem Boden hervor und drehen sich von großen
Exemplaren maulgerechte Stücke ab, indem sie sich wie die Molche hin und
her werfen und um die eigene Achse wälzen. Neuerdings sind auch zwei
nordamerikanische Barscharten ihrer Schnellwüchsigkeit halber mit Erfolg
in Deutschland eingebürgert worden, der _Schwarzbarsch_ und der
_Forellenbarsch_, die sich namentlich in kleinen Teichen mit festem
Untergrunde recht gut entwickeln und hier die Rolle des Hechts vertreten
können. Wichtiger aber als sie alle ist trotz seiner Kleinheit (er
bringt es höchstens auf 1/2 _kg_ Körpergewicht) der _Kaulbarsch_
(_Acerína cvernua_), ein gelbbrauner oder olivengrüner Bursche mit
feinen Pünktchen, die das Volk in Süddeutschland für Läuse hält und
deshalb den Fisch, der von jeher gern in den Klöstern verspeist wurde,
»Pfaffenlaus« getauft hat. Noch furchtbarer als andere Barscharten ist
diese mit Stacheln bewehrt, so daß die Fischer von ihr sagen, man dürfe
sie nur mit blechernen Handschuhen anfassen, und kenntlich wird der
gedrungen gebaute Kaulbarsch sofort daran, daß die beiden Rückenflossen
nicht scharf getrennt sind, sondern ineinander übergehen. Er führt eine
zigeunerartige und nomadenhafte Lebensweise, erscheint aber zu
bestimmten Jahreszeiten in gewissen Gegenden in ganz fabelhafter Menge.
Als ich vor einer Reihe von Jahren am Kurischen Haff wohnte, wurden dort
nicht selten solche Unmengen von Kaulbarschen gefangen, daß man mit dem
Überfluß bisweilen nichts anderes anzufangen wußte, als ihn als Dung auf
die Felder zu fahren. Heute wird das wohl auch anders geworden sein,
denn Kaulbarsch gibt die leckerste Fischsuppe, die sich nur denken läßt.
In den langen und harten Wintern lernte ich damals dort auch eine ganz
eigentümliche Fangweise kennen, die besonders dem Kaulbarsch galt. Wenn
das weite Kurische Haff zugefroren war, schoben die Fischer mit Stangen
nebeneinander 12-15 Stecknetze von je 30 bis 50 _m_ Länge und 1/2 bis
3/4 _m_ Höhe unter das Eis und ließen sie eine Weile stehen, unter
Umständen tagelang. Dann wurde in der Nähe eine lange, bis auf den Grund
reichende Stange, die an einem Gestelle mehrere eiserne Ringe trug,
durch das Eis gestoßen und mit ihr ein möglichst großer Lärm vollführt.
Die Folge war, daß sich die Netze dicht mit Kaulbarschen füllten, die
nach den Behauptungen der Fischer durch das erzeugte Geräusch angelockt,
richtiger vielleicht dadurch zu sinnloser Flucht aufgescheucht wurden.

Dies führt uns zu der interessanten und neuerdings viel erörterten
Frage, ob überhaupt und bis zu welchem Grade Fische zu _hören_ vermögen.
Um über diese vielumstrittene Frage ins klare zu kommen, soweit dies der
heutige Stand der Wissenschaft erlaubt, ist es nötig, daß wir uns
zunächst den Bau des _Gehörorgans_ der Fische vergegenwärtigen.
Bekanntlich besitzen diese kein äußeres Ohr, und auch von den inneren
Teilen fehlt ihnen die sogenannte Schnecke, der Träger des Cortischen
Organs, das wir seit Helmholtz als den eigentlichen Sitz des Gehörsinnes
kennen. Wohl ist das sogenannte Labyrinth vorhanden und in ihm ein
großer und zwei kleine Gehörknöchelchen oder Otolithen, die von kalkiger
Struktur sind und deutlich ein Jahreswachstum erkennen lassen, aber
diese Gebilde haben mit dem eigentlichen Gehörvermögen nichts mehr zu
tun, sondern unterrichten, eingebettet in eine gallertige Masse und in
Zusammenhang stehend mit seinen, in Nervenzellen endigenden Härchen, den
Fisch lediglich über seine Lage, dienen insbesondere auch zur Erhaltung
des so nötigen Gleichgewichts, sind also ein ausgesprochen statisches
Organ, weshalb man die Otolithen auch besser und richtiger _Statolithen_
nennen sollte. Fische, die dieses Organs beraubt sind, verlieren das
Gleichgewicht und das Orientierungsvermögen und schwimmen auf der Seite
oder auf dem Rücken sinnlos im Kreise herum. Um es kurz
zusammenzufassen: während das Ohr der höheren Wirbeltiere zugleich als
statisches und als Gehörorgan dient, kann seinem ganzen anatomischen und
histologischen Bau nach bei den Fischen ausschließlich nur die erstere
Funktion in Betracht kommen. Die Fische können also wegen des Fehlens
eines vermittelnden Organs nicht hören, d. h. sie sind für
Schallwirkungen an sich unempfänglich. Dem wird freilich der in der
Praxis geschulte Fischer mit überlegenem Lächeln entgegenhalten, daß die
meisten Fische doch sehr wohl auf starke Geräusche reagieren, der
Tierfreund wird uns erzählen, daß er bei diesem oder jenem alten
Klosterteiche gesehen habe, wie die fetten Mooskarpfen auf ein gegebenes
Glockenzeichen, an das sie seit vielen Jahren gewöhnt seien, zur
Fütterung herbeigeschwommen kamen, der Weltreisende wird uns versichern,
daß das in Japan jedes Kind wisse, weil man in den Gartenteichen die
Goldfische durch Pfeifen oder Glockensignale zur Fütterung herbeirufe.
Auch der erfahrene Aquarienliebhaber wird uns mit bedenklicher Miene
darauf aufmerksam machen, daß die trommelnden Laute der Guramis doch
offenbar die Rolle eines geschlechtlichen Reizmittels spielten und
demnach auch von dem anderen Teile vernommen werden müßten, wenn sie
überhaupt einen Zweck haben sollten. Das ist alles ganz richtig, und
doch liegen überall Trugschlüsse vor. Die hungrigen Karpfen hören nicht
das Glockenläuten, wohl aber empfinden sie die durch die Schritte des
nahenden Futterspenders der Erde mitgeteilte und sich im Wasser
fortpflanzende Erschütterung, sehen und kennen vielleicht sogar die
Gestalt ihres Wohltäters. Wartet dieser aber erst ruhig ein Stündchen
und stellt er sich dann so auf, daß er beim Glockenläuten nicht gesehen
werden kann, so kann er noch so lange und noch so schön bimmeln, keiner
der faulen Karpfen wird sich die Mühe nehmen, lediglich des Glockentones
wegen herbeizuschwimmen. Besonders bezeichnend ist es, daß Fische auf
schwache Geräusche außerhalb des Wassers niemals achten, daß sie aber
erschreckt zusammenfahren, wenn man unmittelbar neben einem Tümpel einen
Gewehrschuß abfeuert oder wenn man über dem Aquarium stark in die Hände
klatscht. Daraus dürfen wir ruhig schließen, daß sie nur für solche Töne
sich empfänglich zeigen, die stark genug sind, um sich im Wasser als
Erschütterungswellen fortzupflanzen, und damit haben wir zugleich des
Rätsels Lösung. Nicht die Schallwellen sind es, die der Fisch wahrnimmt,
sondern die durch sie im Wasser erzeugten Erschütterungswellen, und
nicht oder doch nicht ausschließlich mit dem Ohre nimmt er sie auf,
sondern mit seiner gesamten Körperoberfläche, in erster Linie mit der
sogenannten _Seitenlinie_, diesem noch so geheimnisvollen sechsten
Sinn. Wir dürfen also diese Art der Wahrnehmung nicht als Gehörsinn
bezeichnen, sondern könnten sie etwa Erzitterungs- oder
Erschütterungssinn nennen. Gewiß werden die umworbenen Weibchen
bestimmter Fischarten die balzenden Knurr- oder Trommeltöne ihrer
Verehrer zu würdigen wissen, aber mitgeteilt werden sie ihrem verliebten
Hirn nicht durch das lediglich als statisches Organ dienende Ohr,
sondern durch die hochempfindlichen Sinnesbecher, die durch die Löcher
der Seitenlinie mit der Außenwelt in Verbindung stehen. Im Wasser selbst
und bei ganz kurzer Entfernung, wie sie ja in allen solchen Fällen
allein in Betracht kommt, brauchen die Töne natürlich durchaus nicht
sonderlich laut zu sein, um verstanden zu werden. Nun gibt es allerdings
bekanntlich keine Regel ohne Ausnahme, und so will es in der Tat fast
scheinen, als ob doch einige wenige Fische den Anfang zu einem echten
Hörvermögen besäßen und wenigstens für ganz bestimmte Töne einigermaßen
empfänglich wären. So hat Maier von dem nordamerikanischen Zwergwels
neuerdings in einer anscheinend einwandfreien Weise festgestellt, daß er
recht lebhaft auf Pfiffe reagierte. Seine Versuche sind von zuständiger
Seite nachgeprüft und bestätigt worden. Und was dem Zwergwels recht ist,
das sollte auch unserem Weller billig sein. Vielleicht haben wir also in
der Gruppe der Welse den Beginn des Gehörvermögens bei den Fischen zu
suchen. Immerhin könnten bei dieser höchst auffallenden Beobachtung doch
Fehlerquellen mit unterlaufen sein, und völlige Gewißheit werden wir
über sie erst dann gewinnen, wenn das Gehörvermögen der Welse mit
Seziermesser und Mikroskop eingehend untersucht sein wird, was meines
Wissens bisher noch nicht geschehen ist. Im Einklang mit den
vorausgehenden Ausführungen stehen dagegen die Untersuchungen, die
Edinger über das Fischhirn gemacht hat, und aus denen wir wissen, daß
bei diesen Tieren das sogenannte Neenkephalon höchstens andeutungsweise
zur Entwicklung gelangen kann, während sie im übrigen auf das lediglich
Reflexe ermöglichende Paläenkephalon angewiesen sind. Sodann wollen wir
nicht vergessen, daß ein Hören von außerhalb des Wassers verursachten
Geräuschen für die Fische eigentlich wenig Sinn und Zweck hätte, und daß
die schaffende Natur überflüssige Einrichtungen nicht liebt, sondern
sich in weiser Sparsamkeit auf das Notwendige beschränkt, dieses aber
dafür um so vollkommener auszubilden sucht.

Es dürfte angebracht sein, bei dieser Gelegenheit auch noch der schon
erwähnten _Seitenlinie_ der Fische einige Worte zu widmen. Daß sie ein
Sinnesorgan ist und ihrem ganzen Bau nach nichts anderes sein kann,
wissen wir, aber über die Art und Weise ihrer Wirksamkeit können wir uns
eigentlich nur mehr oder minder gut begründeten Mutmaßungen hingeben.
Schon Leydig erkannte 1851 die Seitenlinie als Sitz eines sechsten
Sinnes, aber erst durch Hofers eingehende Untersuchungen sind wir über
dessen Funktion einigermaßen klar geworden. Bald glaubte man, daß die
Seitenlinie dem Fischkörper die Wellenbewegungen des Wassers mitteile,
bald sollte sie ihm den Wasserdruck angeben oder ihn über die jeweilige
Höhe und Tiefe orientieren, bald sah man in ihr ein Gleichgewichtsorgan,
bald einen Wahrnehmungsapparat für leichte Erschütterungen, bald
einen Regulator für die Gasproduktion, und sogar mit dem
Fortpflanzungsgeschäft hat man sie in Beziehungen bringen wollen.
Jedenfalls ist sie kein eigentlicher _Gefühls-_ oder Tastsinn, der beim
Fische vielmehr durch die ganze Hautoberfläche und insbesondere durch
die wulstigen Lippen sowie die oft vorhandenen Bartfäden oder sonstige
Anhängsel vermittelt wird, übrigens in sehr verschieden hohem Grade
ausgebildet ist. Soviel scheint jedoch festzustehen, daß die Fische eine
auffallend geringe Schmerzempfindung besitzen, was ja auch mit den beim
Angelsport gemachten Erfahrungen übereinstimmt, indem oft ein eben erst
auf das empfindlichste durch den Angelhaken verletzter Fisch sofort
wieder anbeißt, als ob nichts geschehen wäre. Die von tierschützerischer
Seite so oft gegen das Angeln erhobenen Vorwürfe entbehren daher der
physiologischen Begründung. Am wahrscheinlichsten und teilweise auch
schon auf experimentellem Wege erwiesen ist es wohl, daß der Seitenlinie
die Aufgabe zufällt, den Fisch über die jeweiligen Strömungen des
Wassers und damit indirekt auch über seinem Weg entgegenstehende
Hindernisse zu unterrichten. Diese Aufgabe ist wichtig genug, denn ohne
ein derartiges Organ würde namentlich der in dunkler Tiefe lebende Fisch
sich überhaupt nicht zurechtfinden können (deshalb ist auch die
Seitenlinie bei Tiefseefischen besonders gut entwickelt), der
Süßwasserfisch würde unweigerlich ins Meer geschwemmt werden, weil er
sich nicht über die Strömung unterrichten könnte, er vermöchte auch
nicht die einmündenden Bäche und Flüsse aufzufinden, auf seinen
Wanderungen nicht die zu überwindenden Hindernisse wahrzunehmen und
abzuschätzen. Gewöhnlich verläuft die Seitenlinie unter der
Hautoberfläche und steht nur durch die durchbohrten Schuppen mit der
Außenwelt in Verbindung, bisweilen (so bei den Seekatzen) liegt sie aber
auch frei in einem häutigen, tief eingesenkten Kanal. Die
knospenförmigen, eigentlichen Sinneszellen in ihr wechseln mit stark
entwickelten Schleimzellen ab, weshalb man vor dem Auftreten Leydigs die
ganze Anlage lediglich für ein Schleim absonderndes Organ hielt. Meist
ist die Seitenlinie schon äußerlich gut zu erkennen, und zwar verläuft
sie in der Regel in gerader oder sanft geschwungener Linie von den
Kiemen über die ganze Körperseite bis zur Schwanzflosse. Indessen
erleidet diese Regel viele Ausnahmen, und in solchen Fällen gibt
die abweichende Gestaltung der Seitenlinie oft ein gutes
Unterscheidungsmerkmal für nahestehende Arten ab. So ist das Organ nicht
selten nur teilweise ausgebildet, wie z. B. beim _Moderlieschen_
(_Leucáspius delineátus_), das von allen ähnlichen Fischchen sich sofort
dadurch unterscheidet, daß die Seitenlinie schon dicht hinter dem Kopfe
endigt.

  [Illustration: Moderlieschen. (Nach einer Naturaufnahme von Dr. E.
  Bade.) (Aus: Bade, Die mitteleuropäischen Süßwasserfische.)]

Das gestreckt gebaute, aber in der Gestalt sehr wandelbare niedliche
Tierchen mit dem steil nach oben gerichteten Mäulchen, der tief
ausgeschnittenen Schwanzflosse, den großen Augen und den stark
silberglänzenden Seiten, über dessen Verbreitungsbezirk wir noch
keineswegs hinreichend unterrichtet sind, das aber im Osten entschieden
häufiger ist, als im Westen, gehört zu unseren anspruchslosesten
Fischen. Es findet sich nicht nur in Flüssen aller Art, sondern gar
nicht selten in Torfausschachtungen und lehmigen Heidetümpeln.
Interessant ist die Brutpflege des Moderlieschens. Das Männchen bewacht
und verteidigt nämlich eifrig den Laich, der vom Weibchen
manschettenförmig um die Stengel des Froschlöffels herumgelegt wird.
Zugleich bemüht sich das wackere Männchen auch, die Eier dadurch vor
Verpilzung zu schützen, daß es durch fortwährende Schwanzschläge den sie
tragenden Pflanzenstengel in Bewegung erhält. Einen ganz eigenartigen,
in unserer Fischwelt einzig dastehenden Verlauf nimmt die Seitenlinie
bei dem durch stark zusammengedrückten Leibesbau, hervorgewölbten Bauch
und lebhaften Silberglanz ausgezeichneten _Sichling_ (_Pélecus
cultrátus_), auch Messerkarpfen, Zicke und Dünnbauch genannt. Sie biegt
bei ihm gleich am Kopfe in flachem Bogen nach unten, geht dann fast
senkrecht bis nahe zur Bauchkante, schwingt sich von hier in mäßigem
Bogen bis zum unteren Körperdrittel empor, senkt sich hierauf zwischen
Bauch- und Afterflosse wieder nach unten und steigt zuletzt in flachem
Bogen aufwärts, um am Schwanz in der Körpermitte zu endigen. Dieser
Fisch hat auch sonst mancherlei Merkwürdiges an sich. So ist schon seine
Verbreitung auffallend genug, denn er findet sich einerseits in der
Ostsee mit allen ihren Verzweigungen und Zuflüssen und andrerseits
ebenso im Gebiete des Schwarzen Meeres, ohne doch irgendwo sonderlich
häufig zu sein. Ja, im Donaugebiet erscheint er nach der Meinung der
Fischer nur alle sieben Jahre, weshalb sie ihn als Unglücksfisch und
Pestbringer betrachten, ähnlich wie die Vogelkundigen früherer Zeiten
den Seidenschwanz. Von seiner Lebensweise wissen wir eigentlich nicht
viel mehr, als daß er ein gesellig lebender Oberflächenfisch ist und
zwischen Salz-, Brack- und Süßwasser kaum irgendwelchen Unterschied
macht, sondern sich allenthalben gleich wohl zu fühlen scheint. Obgleich
man ihm hier und da (so im Kurischen Haff) mit Netzen nachstellt und er
immerhin bis zu 1 _kg_ schwer wird, hat er doch kaum irgendwelche
wirtschaftliche Bedeutung, da er nirgends in Massen auftritt und
überdies sein weichliches Fleisch sehr grätig ist.

Es dürfte angezeigt sein, im Anschluß an die Betrachtung der Seitenlinie
gleich auch noch den sonstigen Sinnesfähigkeiten der Fische einige Worte
zu widmen. Über Geschmacks- und _Geruchssinn_ war man insofern lange im
Unklaren, als man beide nicht recht auseinanderzuhalten vermochte. Lange
Zeit hat man fast allgemein geglaubt, daß die Fische überhaupt nicht zu
wittern vermögen, sondern daß bei ihnen der Geruch durch den stark
entwickelten Geschmack ersetzt werde, obschon das Witterungsvermögen
nicht von vornherein ausgeschlossen schien, da ja Gase bekanntlich auch
im Wasser löslich sind und die meisten Fische paarige Nasenlöcher haben
(nur das tiefstehende Lanzettfischchen und die Rundmäuler haben ein
einziges Nasenloch), die mit einer strahlenförmig gefalteten und durch
besondere Nerven mit dem Gehirn verbundenen Schleimhaut ausgekleidet
sind. Bei den Haien und Rochen liegen diese Geruchsorgane
merkwürdigerweise auf der Unterseite des Kopfes. Zur vorderen Öffnung
strömt das Wasser herein, zur hinteren heraus, nachdem es mit den in der
Schleimhaut enthaltenen Sinneszellen in Berührung gekommen ist, und es
liegt auf der Hand, daß diese Strömung beim schwimmenden Fisch ungleich
lebhafter sein muß, als beim ruhenden, daß demgemäß jener auch weit
besser wittert, falls er dazu überhaupt imstande ist. Und dies ist nach
den Untersuchungen des amerikanischen Zoologen Parker am Katzenwels wohl
unzweifelhaft der Fall. Hängte der Genannte undurchsichtige
Leinwandbeutel ins Aquarium, die teils leer, teils mit zerschnittenen
Regenwürmern gefüllt waren, so kamen die Fische schon aus ziemlicher
Entfernung auf letztere zugeschwommen, während erstere völlig unbeachtet
blieben. Wurde dann auf experimentellem Wege das Geruchsorgan
ausgeschaltet, so fanden auch die gefüllten Beutelchen keine Beachtung
mehr. Der Einwand, daß dieses Geruchsvermögen vielleicht nur auf den
Katzenwels oder auf die ja überhaupt manche Besonderheiten aufweisende
Gruppe der Welse beschränkt sei, ist auch schon zum Teil hinfällig
geworden, indem man bei Zahnkarpfen und anderen Fischen ganz dieselben
Versuche mit dem gleichen Erfolge wiederholt hat. Im Einklange damit
stehen ja auch die praktischen Erfahrungen der Seeleute, die
übereinstimmend versichern, daß Haie ins Wasser geworfene Fleischbrocken
auf große Entfernung hin zu wittern vermögen. Natürlich wird der
Geruchssinn bei den einzelnen Fischgruppen in sehr verschieden hohem
Maße entwickelt sein, worüber nähere Untersuchungen noch ausstehen, und
das gleiche gilt auch von dem _Geschmackssinn_. Raubfische, die ihre
Beute unzerkleinert verschlingen, werden einen weit geringeren
Geschmackssinn haben als pflanzenfressende Fische, die ihre Nahrung
ordentlich kauen. Wir können ja an jedem fressenden Karpfen sehen, wie
er ihm nicht Zusagendes sofort wieder ausspuckt. Bei diesen Fischen ist
der Geschmack anscheinend in einem am Gaumen sitzenden Paket von
Sinneszellen konzentriert, während die harte und gewöhnlich mit Zähnen
besetzte Zunge sich nur wenig zum Träger von Geschmacksempfindungen
eignet. Wohl aber finden wir recht empfindliche Geschmackszellen an den
wulstigen Lippen, an den Barteln und sonstigen Anhängseln, ja an
Flossenstrahlen und überhaupt am ganzen Körper, namentlich auch an
dessen Seiten. So erklärt es sich auch, daß ein Fisch begierig auch dann
nach dem Köder schnappt, wenn dieser nicht seinen Mund, sondern nur
seine seitliche Körperfläche berührt. Interessant ist es ferner, daß
Maulbrüter, denen ihr Pfleger einmal einen ihnen unbekannten Wurm
verfüttern wollte, zunächst freßlustig darauf zuschwammen, aber in 2
_cm_ Entfernung blitzschnell umdrehten und dem Bissen mit allen Zeichen
des Abscheus den Rücken kehrten, ohne daß genau festgestellt werden
konnte, ob hier der Geruch- oder der Geschmacksinn der maßgebende Faktor
war. Andere Versuche haben gezeigt, daß Fische gegen salzige, süße oder
saure Flüssigkeiten sehr deutlich mit der gesamten Körperfläche
reagierten.

Das mehr ellipsoid wie kugelig gestaltete _Fischauge_ ist in hohem Grade
kurzsichtig und etwa auf eine Entfernung von nur 1 _m_ eingestellt.
Durch die Akkommodation vermittels »Sichelfortsatz« und »Glöckchen« kann
aber die Linse derart verschoben werden, daß der Fisch noch auf
Entfernungen von 10-12 _m_ einigermaßen deutlich zu sehen vermag. Eine
noch weitergehende Fernsichtigkeit aber hätte für ihn keinen Zweck, da
ja auch das klarste und reinste Wasser durch treibende Organismen und
Stoffe immer derart getrübt ist, daß ein Sehen über 15 _m_ hinaus
überhaupt kaum möglich ist. Alles über einen solchen Umkreis
Hinausreichende wird also dem Fisch wie in tiefe Dunkelheit gehüllt
erscheinen. Dagegen ist nicht einzusehen, warum es dem nahe der
Oberfläche schwimmenden Fisch nicht möglich sein sollte, auch einen
Blick in die Welt jenseits der Wasserfläche zu werfen, obschon diese
Möglichkeit von guten Fischkennern oft bestritten worden ist. Freilich
wird diese Welt sich im Fischauge in einer uns recht ungewohnt und
seltsam anmutenden Weise widerspiegeln. Sehr hinderlich beim Sehen vom
Wasser in die Luft ist nämlich der Umstand, daß jeder Lichtstrahl, der
den Wasserspiegel in einem Winkel von mehr als etwa 48-1/2° trifft,
nicht in die Luft übergehen kann, sondern ins Wasser zurückgeworfen,
also »total reflektiert« wird. Infolgedessen wird der Fisch immer nur
einen beschränkten, kreisförmigen Ausschnitt aus der Luftwelt
überblicken können, dessen Grundfläche der eines Kegels von zweimal 48°
entspricht und an Größe zu-, aber an Deutlichkeit abnimmt mit der Tiefe,
in der sich das Fischauge befindet. Wood hat in sehr sinnreicher Weise
auf photographischem Wege zu zeigen versucht, wie sich so wohl die Welt
in einem Fischauge gestalten mag, wobei natürlich immer eine ruhige und
spiegelglatte Wasserfläche vorausgesetzt wird, da schon eine geringe
Wellenkräuselung die entstandenen Bilder bis zur Unkenntlichkeit zu
verzerren vermag. So erhielt Wood mit seiner »Wasserkamera« an der
Kreuzung von 3 Straßen, die sich in rechtem Winkel trafen, eine Ansicht
längs jeder der drei Straßen, und gleichzeitig hatten sich der Boden und
der Himmel vom Horizont bis zum Zenith abgebildet. In einem Zimmer wurde
ein Bild gewonnen, auf dem drei Wände, die ganze Decke und der Fußboden
sichtbar waren. Eine gerade Reihe von neun Männern auf einem geraden
Gartenweg erschien im Halbkreis gebogen. Solche wunderbare Bilder von
der Außenwelt muß also in ruhigem und klarem Wasser auch das Fischauge
auf seiner Netzhaut empfangen. Im allgemeinen dürfen wir wohl annehmen,
daß der Fisch von der Oberwelt den Eindruck hat, als ob die ganze
Wasserfläche oben mit einem undurchsichtigen Dach verdeckt wäre, in das
ein rundes Fenster eingeschnitten ist. Auch werden ihm die einzelnen
Gegenstände stets etwas höher erscheinen, ein auf dem Erdboden gehender
Mensch also etwa so, als ob er in der Luft schwebte. Es gibt sogar eine
Zahnkarpfenart (_Anableps tetrophthálmus_), die es zu richtigen
Doppelaugen gebracht hat, indem Hornhaut und Sehlöcher durch Zweiteilung
je ein Luft- und ein Wasserauge entwickelten. Der Fisch schwimmt
unmittelbar an der Oberfläche so, daß die Luftaugen aus dem Wasser
heraussehen und ihrer Aufgabe ebensogut gerecht werden können, wie die
tiefer liegenden Wasseraugen im feuchten Elemente selbst.

  [Illustration: Bitterling mit Malermuschel. (Nach einer Zeichnung
  von R. Oeffinger.)]

Besonders gut entwickelte Augen gehen in der Regel parallel mit wenig
entwickelten Tastorganen oder Seitenlinien, so daß wir bei den Fischen
ähnlich unterscheiden können wie bei den Säugern, wo wir mit einer
gewissen Berechtigung von Augen- und Nasentieren sprechen. Solche
Fische, die in größeren Tiefen leben, in denen nur mattes
Dämmerungslicht herrscht, haben oft ganz riesenhaft entwickelte Augen,
um die wenigen sich nach dort verirrenden Lichtstrahlen sicher auffangen
zu können. Dies ist auch die Region, in der man Fische mit Teleskop-
oder beweglichen Stielaugen antrifft, und überhaupt hat gerade hier die
Natur ihre ganze Erfindungsgabe und Schöpferkraft aufgeboten, um auch
unter den ungünstigsten Bedingungen noch ein gewisses Sehen zu
verschaffen, scheinbar Unmögliches möglich zu machen. So haben gewisse
Teleskopfische in dem über den Kopf hervorragenden Abschnitt der
Augenröhre ein Fenster in der Farbstoffschicht, das die Rolle eines
»Spion«-Spiegels spielt und das Gesichtsfeld des Tieres nicht
unwesentlich erweitert. Noch raffinierter ist die Art und Weise, wie bei
manchen Tiefseefischen Leuchtorgane und Augen zusammenwirken. So wirft
bei der Gattung _Argyropélecus_ ein neben dem Teleskopauge sitzendes
Leuchtorgan sein Licht unmittelbar ins Auge hinein, während es nach
außen durch eine Farbstoffschicht abgeblendet ist. In noch größerer
Tiefe, wo ewige Dunkelheit herrscht, werden die Augen schließlich
überflüssig und verkümmern deshalb mehr und mehr. Ähnliche Verhältnisse
treffen wir bei den Höhlenfischen an, und wir können sie in geringerem
Maße auch künstlich erzielen, wenn wir Fische jahrelang im Dunkeln
halten. Ebenso haben Fischlarven oft nur rudimentäre Augen. Viel
umstritten worden ist auch die Frage, ob die Fische farbenempfindlich
sind oder nicht. Heß ist bei seinen Untersuchungen mit dem Spektrum zu
der Überzeugung gelangt, daß die Fische vollständig _farbenblind_ sind,
daß sie also nicht verschiedene Farben, sondern lediglich verschiedene
Helligkeitsgrade ein und derselben grauen Grundfarbe zu unterscheiden
vermögen. Wenn sich das bewahrheiten würde, wäre es auch für die
Fischerei von der größten Bedeutung. Aber wie so oft, steht auch hier
wieder einmal die praktische Erfahrung den Ergebnissen des
Laboratoriumsversuches schnurstracks entgegen. Obwohl die Versuche des
berühmten Würzburger Ophtalmologen selbstverständlich in einer
Fehlerquellen nach menschlichem Ermessen ausschließenden Weise
ausgeführt sind, vermag ich mich mit dem Ergebnis doch nicht zu
befreunden, da es feststeht, daß beim Angeln mit der künstlichen Fliege
deren Färbung eine recht wesentliche Rolle spielt, und da sonst auch
das prächtig schimmernde Hochzeitskleid so vieler Fischarten, das doch
ersichtlich einen erregenden Reiz auf die Weibchen ausübt, gar keinen
Sinn und Zweck hätte. Und die Geschichte der Zoologie hat ja schon recht
häufig gezeigt, daß solche praktische Erfahrungen sich als zuverlässiger
erwiesen haben als das gekünstelte Experiment und früher oder später
auch in einer wissenschaftlich einwandfreien Weise begründet werden
konnten. Jedenfalls möchte ich keinem Sportangler raten, nun auf Grund
der Heßschen Untersuchungen etwa sein Petriheil lediglich mit hell- oder
dunkelgrauen Kunstfliegen versuchen zu wollen, obschon solche Fangarten
wissenschaftlich recht interessant wären. Auch ist der Heßschen
Hypothese gegenüber zu bedenken, daß ja dann die so überraschenden und
zahlreichen Fälle von Farbanpassung bei den Fischen jeder Erklärung
entbehren würden, und daß bei anderen Versuchen z. B. Raubfische sehr
wohl zu unterscheiden verstanden, wenn man ihre Beutetiere in
verschiedener Weise färbte. Mir scheint aus den Spektrumsversuchen
lediglich hervorzugehen, daß die verwendeten Fische sich am liebsten in
den am besten belichteten Wasserschichten aufhalten, nicht aber, daß sie
gänzlich farbenblind sind.

  [Illustration: Der Stichling und sein Nest. (Nach der Natur
  gezeichnet von R. Oeffinger.)]

Daß, wie eben erwähnt wurde, manche Fische zur Laichzeit ein
farbenschimmerndes _Hochzeitskleid_ anlegen, wird uns nicht weiter in
Erstaunen setzen, nachdem wir bereits am Rohrbarsch gesehen haben, wie
stark seelische Erregung die Färbung der Fische zu beeinflussen vermag,
und nachdem wir wissen, daß die Allgewalt der Liebe auch bei den
kaltblütigen Fischen nichts von ihrer Macht eingebüßt hat, sie vielmehr
zu gewissen Zeiten mit einer so rückhaltlosen Leidenschaft beherrscht,
daß ihr gegenüber selbst die Forderungen des ewig heißhungrigen Magens
wochenlang völlig in den Hintergrund treten. Es ist nicht poetische
Übertreibung, sondern es ist nackte Wahrheit, wenn man sagt: die Fische
erglühen während der Fortpflanzungsperiode unter dem heißen Hauch der
Liebe. Ein prächtiges Beispiel dafür bietet unser kleinster
Karpfenfisch, der nur 6-7 _cm_ (in der Nahe fand Geysenheimer eine
Riesenform von 10 _cm_ Länge) lang werdende, flinke und anmutige, ewig
spiel- und necklustige _Bitterling_ (_Rhodéus amárus_) oder
Schneiderkarpfen, der den Namen nach seinem bitteren und ungenießbaren
Fleische hat. Außerhalb der Laichzeit weicht das zierliche Fischlein,
das sich am liebsten scharenweise in toten, üppig bewachsenen Flußarmen
aufhält und hier schlecht und recht von Gewürm und Pflanzenkost allerlei
Art ernährt, nicht sonderlich von der üblichen Färbung anderer
Kleinfische ab: blaugrün auf dem Rücken, silberglänzend an den Seiten,
ein tiefgrüner Streif von der Körpermitte bis zur Schwanzwurzel. Aber
mit Beginn der Laichzeit erstrahlt das sich dann sehr aufgeregt
geberdende Männchen, das dann auch einen eigenartigen kreideweißen
Warzenwulst an der Oberlippe bekommt, in herrlich schimmernden
Regenbogenfarben. Prachtvoll smaragdgrün schillert dann der Streifen,
glühend orangerot die Bauchseite, wunderbar stahlblau und violett der
Rücken, während schwarze Säume das prächtige Rot der After- und
Rückenflosse noch schärfer hervorheben, so daß das Tierchen in seiner
feurigen Farbenglut der schönsten Goldfische und der buntesten Exoten
spotten kann. Namentlich in Augenblicken geschlechtlicher Erregung
scheint es förmlich aufzuleuchten, während unmittelbar nach der
Milchabgabe die schönen Farben wieder für einige Zeit verblassen. Das
Weibchen behält zwar seine schlichte Färbung bei, entwickelt aber dafür
am After eine mehrere Zentimeter lange Legeröhre von rotgelber Färbung,
die trotz ihrer Auffälligkeit erst 1857 durch Krauß beschrieben wurde,
während ihre Bedeutung und Funktion erst 1869 durch Noll richtig erkannt
wurde. Der Bitterling lebt nämlich in einer hochinteressanten
Symbiose[1] mit der Malermuschel und benötigt die Legeröhre dazu, seine
gelblichen Eierchen durch deren Ausfuhröffnung in das Innere der Muschel
einzuführen, worauf dann das vor Erregung zitternd im Wasser stehende
Männchen seine Milch über dem Atemschlitz der Muschel ergießt. Da die
Samenfäden eine starke Eigenbewegung besitzen, werden sie nicht wie
Nahrungspartikelchen zum Munde der Muschel fortgestrudelt, sondern
bohren sich zwischen ihren Flimmerhärchen hindurch, bis sie in den
inneren Kiemenfächern mit den inzwischen gleichfalls dorthin gelangten
Eiern zusammentreffen, um sie hier zu befruchten. Hat ein
Bitterlingspärchen erst einmal eine geeignete Muschel ausfindig gemacht,
so sucht es sie wiederholt heim, um ihr seine Liebesbürde anzuvertrauen,
da das Weibchen jedesmal nur 1-2 Eier austreten läßt, wobei sich die
Legeröhre gewaltig steift, um gleich danach wieder zusammenzufallen und
am Schluß der Laichperiode gänzlich einzuschrumpfen. Die Fischchen sind
in ihrem Fortpflanzungsgeschäft gänzlich auf die Muschel angewiesen,
denn die Jungen entschlüpfen den Eiern in einem so unreifen Zustande,
daß sie außerhalb der schützenden und stets einen frischen Wasserstrom
unterhaltenden Kiemen gar nicht zu leben vermöchten. Sie nähren sich
aber nicht etwa von den Körpersäften ihres Wirtstieres, sondern sind
vielmehr lediglich Raumparasiten, die der Muschel weiter keinen Schaden
zufügen. Trotzdem mögen die ungebetenen Gäste dieser unbequem genug
sein, und sie versucht auch, sich ihrer durch krampfhafte Bewegungen zu
entledigen, was aber in der Regel nur großen und alten Muscheln gelingt.
Erschwert wird das noch dadurch, daß sich bei den Jungfischen hinter dem
Kopfe ein Querwulst mit zwei kegelförmigen Fortsätzen entwickelt, der es
ihnen erlaubt, sich in der Kiemenkammer sehr solid zu verankern.
Übrigens sind die Fischchen schon nach 14 Tagen so weit, durch den
Kloakensipho ihrer Stiefmutter in ihr eigentliches Element auswandern zu
können. Und die Muschel vergilt später Gleiches mit Gleichem. Die von
ihr ausgestoßenen Larven sinken nämlich zu Boden, lassen aber ihren
langen klebrigen Byssusfaden nach oben spielen, bis sich Gelegenheit
bietet, ihn einem vorüberschwimmenden Fisch anzuheften (und das ist
meist wieder ein Bitterling), worauf die Jungmuschel ihre mit Haken
versehene Schale in die Haut des Fisches einschlägt. Dies gibt zu einer
starken Wucherung Veranlassung, innerhalb derer die Muschellarve
gemächlich und sicher 2-10 Wochen lang von den Säften des Fisches lebt,
um erst als ausgebildete, wenn auch kaum größer gewordene Muschel die
gastliche Stätte zu verlassen. Wahrlich, eine der wechselvollsten und
anziehendsten Symbiosen, die die einheimische Natur uns zu bieten vermag
und deren Beobachtung im Aquarium viel Freude bereitet.

  [1] So nennt man das engere »Zusammenleben« von Lebewesen
  verschiedener Art, die einander wechselseitig nützen.

Mit dem Bitterling wetteifert der _Stichling_ (_Gasterósteus aculeátus_)
in der Farbenpracht des Hochzeitskleides, und auch bei ihm kommt ein
eigenartiger und hochinteressanter Brutverlauf hinzu. Die gewöhnliche
Farbe ist olivgrünlich auf der Ober- und silberweiß auf der Unterseite.
Aber zur Laichzeit im Frühjahr wird das Männchen zu einem wahren
Prachtkerl, der mit den schönsten Exoten erfolgreich zu wetteifern
vermag. Vom satten Schiefergrau über Grün zum tiefsten Blau erstrahlt
sein Rücken, während die Bauchseite wie mit Blut übergossen aussieht und
das Auge im feurigsten Smaragdgrün schimmert. Mehr noch als bei Barsch
und Bitterling wirkt die jeweilige Erregung fördernd auf diese
Farbenpracht ein, die geradezu als ein Gradmesser für den Seelenzustand
des Fischchens angesehen werden kann. Namentlich bei Zorn und Kampflust
leuchtet das Tierchen auf im feurigsten Rot und erscheint in solchen
Augenblicken wie mit Röntgenstrahlen durchleuchtet. Denn unser
Stechbüttel, wie er vom Volke gewöhnlich genannt wird, ist ein gar
zornmütiger Gesell, dessen Raufsucht aller Beschreibung spottet. Die
metallisch glänzenden Stacheln, von denen er drei auf dem Rücken und je
einen an jeder Bauchseite trägt, bewähren sich selbst weit überlegenen
Feinden gegenüber als eine gefährliche Waffe, und das Fischchen ist sich
ihrer Furchtbarkeit auch wohl bewußt, scheut deshalb so leicht keinen
Gegner, sondern greift jeden, namentlich zur Paarungszeit, mit wahrer
Berserkerwut und bewundernswerter Tapferkeit an, wobei ihm seine große
Schwimmgewandtheit auch nicht wenig zustatten kommt. Selbst die größeren
Raubfische vergreifen sich nicht leicht an dem borstigen Gesellen,
dessen Stacheln mit besonderen Sperrgelenken versehen und durch diese
ebenso einfache wie sinnreiche und wirkungsvolle Einrichtung denen des
Barsches weit über sind. Der Fisch hat also keine Muskelkraft nötig, um
die Stacheln aufrecht zu erhalten, was ihn rasch ermüden müßte, sondern
er braucht nur die Sperrvorrichtung am Gelenkkopf des Stachels
einzuschalten, worauf dieser unverrückbar feststeht, so daß er selbst
von einem Menschen nur unter Anwendung erheblicher Kraft und durch
Zerbrechen des Sperrgelenkes niedergedrückt werden kann. Dagegen besorgt
der Stichling selbst dieses Niederlegen der Stacheln mit Leichtigkeit
durch einen einzigen Muskelzug, durch den der Gelenkkopf aus seiner Lage
herausgehoben wird. Der russische Fischkundige Thilo ist übrigens der
Ansicht, daß namentlich der Bauchstachel nicht nur als Waffe diene,
sondern daß sich der Stechbüttel mit ihm durch Einstoßen in den
Untergrund auch im reißenden Strome oder in der tosenden Brandung
verankern könne und dadurch gleichfalls viel Muskelkraft erspare.
Vielleicht halte das Tier auch in ähnlicher Stellung einen Winterschlaf.
Die dem Stechbüttel von Natur aus schon jederzeit eigene Unruhe,
Rastlosigkeit und Händelsucht steigert sich mit Beginn der Laichperiode
zu einer wahrhaft heillosen Nervosität, die sich nicht selten in
brutalen Mißhandlungen der schwächeren Weibchen durch ihre gestrengen
Eheherren Luft macht. Aber gerade jetzt wird die Beobachtung der
jähzornigen Zwerge (nur ausnahmsweise wird der Stichling über 8 _cm_
lang) doppelt unterhaltend, denn der Stichling gehört ja zu denjenigen
Fischen, die im Wasser richtige Nester bauen, wie die Vögel im grünen
Gezweig. Zunächst höhlt das Männchen in einem recht stillen und
traulichen Winkel und am liebsten in Anlehnung an einen stärkeren
Wasserpflanzenstengel eine Grube im sandigen Boden aus, die etwa Form
und Größe eines halben Hühnereies hat und durch eifriges Fächeln mit den
Flossen sauber gereinigt und geglättet wird. Dann geht es mit geradezu
rührendem Fleiße an das Herbeischleppen von allerlei Baumaterial, wie es
sich im Wasser treibend findet oder mit großer Kraftanstrengung von den
Pflanzen abgerissen wird. Hälmchen, Würzelchen, Blätter, Stengel aller
Art und selbst Steinchen müssen dazu dienen. Zuerst wird eine solide
Unterlage geschaffen und fest zusammengekittet, indem der darüber
stehende Fisch aus seiner Afteröffnung tropfenweise ein äußerst
klebriges Nierensekret austreten läßt, das ihm also als Mörtel dienen
muß. Dann führt der kleine Baukünstler die Seitenwände und schließlich
mit besonderer Sorgfalt die obere Wölbung auf, so daß das Ganze Form und
Größe einer mäßigen, länglichen Kartoffel erhält. Nach Schaffung der
Eingänge erinnert das Gebilde sehr an einen kleinen Muff. Zuletzt wird
durch wiederholtes Einbohren mit der Schnauze eine nett gerundete
Eingangsöffnung geschaffen. Gar nicht hübsch genug kann der um diese
Zeit selbst die Suche nach Nahrung vergessende Stechbüttel seine
Hochzeitskammer bekommen. Immer hat er noch daran zu bessern und zu
runden und zu glätten, hier ein widerspenstiges Hälmchen
zurechtzubiegen, dort noch ein besonders gefallendes Würzelchen
einzubauen. Während der ganzen, etwa 2-3 Tage umfassenden Bauzeit
befindet sich der kleine Kerl in der leidenschaftlichsten Erregung, vor
allem beim Erscheinen eines männlichen Artgenossen, mit dem sofort ein
ingrimmiges Duell ausgefochten wird. Auch die Weibchen, die sich etwa
neugierig und voreilig dem geheimnisvollen Wasserschloß nähern, werden
rücksichtslos weggebissen, solange dieses nicht völlig vollendet ist.
Sobald aber das fertige Werk endlich zu seiner Zufriedenheit ausgefallen
ist, wird aus dem unverträglichen Neidhammel mit einem Schlage ein
galanter, wenn auch sehr stürmischer und leidenschaftlicher Liebhaber.
Fast tänzelnd nähert sich das farbenglühende Männchen den verschüchtert
in irgendeinem Winkel des Wasserpflanzenwustes zusammengedrängten
Weibchen und sucht vor diesen seine Reize unter Aufbietung aller
Schwimmkünste zu entfalten, wodurch er ihr Wohlgefallen in solchem Maße
erregt, daß schließlich ein Exemplar mit reifem Laich seinen
liebenswürdigen Werbungen und Einladungen nicht widerstehen kann,
sondern ihm langsam und zögernd unter oftmaligem Ausreißen und
Wiedergeholtwerden zu der so schön und sorgsam bereiteten
Hochzeitskammer folgt. Zögert es, das kleine Heiligtum durch den engen
Eingang zu betreten, so wird von dem seine Herrennatur auch jetzt nicht
ganz verleugnenden Männchen durch Schläge mit der Schwanzflosse oder
Stoßen mit dem Maule, im Notfalle selbst durch einen scharfen
Sporenstich mit dem langen Mittelstachel gehörig nachgeholfen, und wenn
die spröde Schöne erst einmal den Kopf ins Innere des Nestes gesteckt
hat, legt sich das Männchen trotzig quer vor den Eingang und läßt seine
Auserkorene nicht wieder heraus. Sie legt daher einige Eier ab, die eine
Minute später von dem nachschwimmenden Männchen befruchtet werden, und
bahnt sich dann mit der Schnauze auf der entgegengesetzten Seite einen
Ausweg durch die Wandung, so daß also das Nest von diesem Augenblicke an
zwei Öffnungen aufzuweisen hat. Nach einer Erholungspause begibt sich
das Männchen abermals auf die Brautschau und wiederholt dieses Spiel so
lange, bis ihm die Zahl der im Neste aufgespeicherten glashellen und
mohnkorngroßen Eier genügend erscheint. Hat es so seinen Zweck erreicht,
so wird es sofort wieder zum brutalen Tyrannen und verfolgt jedes sich
nähernde Weibchen mit solcher Roheit, daß es nicht selten an den Folgen
der erlittenen Mißhandlungen eingeht. Freilich hat der kleine Bosnickel
dazu auch einen gewichtigen Grund, denn das Hochzeitsbett hat sich ja
jetzt zur Kinderwiege gewandelt, und nun heißt es, Vaterpflichten zu
erfüllen. Und die sind gerade im Stechbüttelleben wahrlich nicht leicht,
erfordern vielmehr eine beispiellose Aufopferung und Selbstverleugnung.
Fortwährend steht der Herr Papa vor seiner Kinderstube auf der Lauer und
schießt wie ein schimmernder Pfeil auf jedes Lebewesen los, dem nur
irgendwie Appetit auf Kaviar zuzutrauen wäre. Am meisten versessen auf
die Eier sind die kannibalischen Stichlingsweibchen selbst, und so
erklärt es sich wenigstens, daß der heißblütige Gemahl ihnen gegenüber
so rauhe Saiten aufziehen muß. Ist er nicht gerade im Kampfe mit einem
wirklichen oder vermeintlichen Feinde oder auf dessen Verfolgung
begriffen, so steht er steil über der Eingangsöffnung und erzeugt in
dieser durch beständiges Fächeln mit den Flossen und mit einer Ausdauer
und Unermüdlichkeit, die uns die größte Achtung abnötigen müssen, einen
frischen Wasserstrom kräftigster Art, so daß den Eiern immer genügend
Sauerstoff zugeführt wird und sie nicht der Verpilzung anheimfallen
können. Sind ihnen nach etwa 5-6 Tagen die winzigen Jungen entschlüpft,
so beginnt für den vielgeplagten Vater erst recht eine schwere Zeit,
denn er muß sich bemühen, dieses kribbelige hundertköpfige
Kindergewimmel in Ordnung zu halten und die unbeholfenen und wehrlosen
Kleinen vor einem vorzeitigen Verlassen des schützenden Nestes zu
bewahren. Aber das fällt schwer genug, denn schon in diesen Liliputanern
kreist das unruhige Stichlingsblut. Hier erwischt der Papa gerade noch
einen der leichtsinnigen Ausreißer, verschluckt ihn und speit ihn dann
behutsam wieder in das auch fortwährende Ausbesserungen nötig machende
Nest zurück, und dort sind dafür schon wieder zwei andere in die fremde
Welt hinausgestürmt. Erst wenn die Jungen nach etwa 14 Tagen
einigermaßen selbständig geworden sind, erkaltet allmählich die
treubesorgte Liebe des Stichlingsmännchens, und bald darauf kümmert es
sich gar nicht mehr um seine Nachkommenschaft. Aber seine aufopfernde
Brutpflege hat es doch fertig gebracht, daß die meisten Eier zu
lebensfähigen Jungen wurden, und so erklärt es sich auch, daß der
Stichling mit einer Eierzahl von nur 60-80 pro Jahr und Weibchen sein
Auslangen findet, die doch dem Eierreichtum anderer Fische gegenüber
verschwindend gering erscheint. Ja, die Vermehrung der Stichlinge ist
bisweilen so stark, daß in ihren Wohngewässern Übervölkerung eintritt
und dann ein großes Massensterben anhebt, so daß die verwesenden Kadaver
von Hunderttausenden von Stechbütteln weithin die Gewässer verpesten.
Auch unter Schmarotzern hat der Stichling vielfach zu leiden, und
namentlich finden sich in seinem Leibe oft Eingeweidewürmer
(_Schistocéphalus_) von solcher Größe und in solcher Zahl, daß sie ihm
den Bauch unförmlich auftreiben und schließlich zum Platzen bringen.
Wenn man den Stichling seinem Benehmen nach mit dem Kampfhahn unter den
Vögeln vergleichen könnte, so hinsichtlich seiner Ernährungsweise
sicherlich mit der Spitzmaus unter den Säugetieren. Mit unersättlicher
Raubgier stürzt sich der stachlige Heißsporn auf alles, was er
bewältigen zu können glaubt, und er hat ja von seinen eigenen Kräften
keine geringe Vorstellung. Besäße er die Größe und Kraft eines Wellers,
er würde in wenigen Jahren alle Gewässer der Erde entvölkern. Namentlich
in Nord- und Ostdeutschland fehlt er keinem pflanzenreichen Teich, toten
Flußarm oder auch nur Wassergraben, aber im ganzen Donaugebiet ist er
eine unbekannte Erscheinung. Er gewöhnt sich auch an das Leben im
Meerwasser und bildet dann die Panzerplatten an seinen Körperseiten noch
stärker aus. Die Systematiker haben aus solchen Abänderungen eigne Arten
machen wollen, sind aber dabei entschieden im Unrecht, wie die
biologischen Forschungen erwiesen haben, da sich in einem Neste oft
verschiedene dieser angeblichen Arten vereinigt finden. So hervorragend
interessant und intelligent unser Fischchen dem Auge des Naturfreundes
erscheint, so wenig will doch in der Regel der Berufsfischer von ihm
wissen, der ihm nachsagt, daß er ein böser Feind des Fischlaiches und
der Fischbrut, sowie ein arger und kaum aus dem Felde zu schlagender
Nahrungswettbewerber für die wertvollen Speisefische sei. Auch in
gesundheitlicher Beziehung bringe sein häufiges Massensterben nicht zu
unterschätzende Gefahren mit sich. Das mag alles bis zu einem gewissen
Grade seine Richtigkeit haben, aber wir wollen gerade in letzterer
Beziehung nicht vergessen, daß eben der Stichling einer der wirksamsten
Vertilger der Stechmückenlarven ist, also der Anópheles, die als
Trägerin und Verbreiterin der gefürchteten Malaria-Blutparasiten gilt.
Als Braten kann der Stechbüttel schon wegen seiner Kleinheit nicht in
Betracht kommen, aber er wird doch bisweilen so massenhaft gefangen, daß
man ihn als wertvollen Dung auf die Felder hinausfährt oder zum
Tranauskochen benutzt. So wird allein im Pillauer Tief und den
angrenzenden Gewässern aus Stichlingen alljährlich durchschnittlich für
22000 Mark Tran gewonnen, in manchen Jahren sogar mehr als das
Dreifache. Ein Vetter des Stechbüttels, der 7-11 Rückenstacheln führende
_Zwergstichling_ (_Gasterósteus pungítius_) ist unser kleinster Fisch,
da er 6 _cm_ Gesamtlänge kaum überschreitet (als winzigster Fisch der
Erde gilt der nur 1-1/2 _cm_ lang werdende Luzonfisch der Philippinen).
Sein Hochzeitsgewand ist nicht so farbenprächtig wie bei der größeren
Art, wirkt aber dafür vornehmer: ein tiefes, gesättigtes Sammetschwarz,
aus dem sich die smaragdgrün funkelnden Augen ganz wundersam
herausheben. In der Nestanlage unterscheidet er sich insofern, als er
seinen Bau stets schwebend an Wasserpflanzen frei befestigt.

Weitaus nicht von der bestechenden Farbenschönheit wie bei Stechbüttel
und Bitterling, aber dafür um so merkwürdiger und eigenartiger,
jedenfalls viel dauerhafter und nicht fortwährenden Schwankungen und
Gemütsaufwallungen unterworfen ist das hochzeitliche Gewand bei der
Karpfengruppe. Hier erhalten nämlich die Männchen zu Beginn der
Laichzeit am Vorderkörper einen weiß glänzenden Perlausschlag, der
später gelblich wird und schließlich von selbst wieder abfällt. Der uns
vertrauteste Fisch, der _Karpfen_ (_Cyprínus cárpio_), darf
gewissermaßen als das Urbild der Fischgestalt gelten, sozusagen als der
Fisch an sich, und doch ist es gar nicht so leicht, diese zur
Weihnachtstafel so hochwillkommene Erscheinung naturgeschichtlich
einigermaßen richtig zu kennzeichnen. Das hängt vor allem damit
zusammen, daß der Karpfen wie jedes vom Menschen gezüchtete Haustier --
und wenigstens als ein halbes Haustier muß er heute wohl bezeichnet
werden -- im Laufe der Jahrhunderte eine Menge Varietäten ausgebildet
hat, die ihrerseits wieder vielfach ineinander übergehen oder
miteinander verbastardiert werden. Da gibt es z. B. die hochrückigen und
schnellwüchsigen, durch delikates Fleisch ausgezeichneten, aber in der
Nahrung wählerischen und auch sonst ziemlich empfindlichen Galizier,
als Gegenstück zu ihnen die Lausitzer mit breitem und niedrigem
Rücken, geringerem Fleisch, aber besonders stark entwickelten
Geschlechtsprodukten, von langsamerem Wachstum, aber anspruchslos und
unempfindlich, wie es nur ein Fisch sein kann, und so hat fast jede
Karpfengegend ihre besonderen Eigenheiten aufzuweisen, die das geschulte
Auge des Kundigen sofort erkennt und danach die Herkunft des Fisches mit
erstaunlicher Sicherheit zu bestimmen vermag. In bezug auf die
Beschuppung seien als bekannte Rassen genannt der schuppenlose
Lederkarpfen und der hochgeschätzte Spiegelkarpfen, bei dem zwar auch
größere Teile des Leibes nackt sind, während sich über andere
streifenförmig angeordnete plattenförmige Schuppen von außerordentlicher
Größe hinziehen, die ersichtlich aus der Verschmelzung mehrerer kleiner
Einzelschuppen hervorgegangen sind. Diese Rassen lassen sich aber weder
bisher rein durchzüchten, noch sind sie besonderen Gegenden
eigentümlich. Auch an krankhaften Abnormitäten fehlt es gerade beim
Karpfen keineswegs. So gibt es Zwitter, Gistlinge, Mopsmäuler,
Albinismen mit Goldschuppen, schwanzlose Exemplare usw. Der behäbige
Karpfen, der so viel sattes Behagen und eine so spießbürgerliche
Selbstzufriedenheit zur Schau trägt, hat oft als der deutscheste Fisch
gegolten, und doch ist er wahrscheinlich ebensogut ein Fremdling in
unseren Gewässern, wie Fasan und Kaninchen in unseren Wäldern und
Fluren, wenn er sich auch das Bürgerrecht schon längere Zeit ersessen
hat. Zwar will Nehring in jungen, jedoch immerhin vormenschlichen
norddeutschen Erdablagerungen versteinerte Karpfenreste gefunden haben,
wonach also der Fisch von jeher bei uns ansässig gewesen sein müßte,
aber ich möchte doch Marshall beipflichten, wenn er meint, daß hier wohl
eine Verwechslung mit der Karausche vorliege, denn die Schuppen, Gräten
und Kopfknöchelchen dieser beiden so ähnlichen und sich oft fruchtbar
miteinander vermischenden Fische wird wohl auch der scharfsinnigste
Gelehrte kaum mit Sicherheit voneinander zu unterscheiden vermögen, noch
dazu in versteinertem Zustande. Wahrscheinlicher ist wohl, daß die
Urheimat des Karpfens im fernen Orient zu suchen ist, von wo er durch
die Römer, die übrigens gerade an diesem Fisch keinen besonderen
Geschmack fanden, so lüsterne Fischesser sie sonst auch waren, zuerst
nach Südeuropa und erst in karolingischer Zeit nach Deutschland gebracht
wurde, während er heute fast in der ganzen Kulturwelt zu finden ist.
Viererlei verlangt der Karpfen stets und überall von seinem
Aufenthaltsorte, wenn er gedeihen und sich ordentlich fortpflanzen soll:
schlammigen Untergrund, intensive Besonnung, weiches und ruhiges Wasser
mit genügender Vegetation und zum Laichen geschützte und seichte
Stellen. Rasch fließende Gebirgswasser mit sandigem oder kiesigem
Untergrund meidet dieser Fisch durchaus. Er gehört zu den sogenannten
Friedfischen, ist also kein grimmiger Räuber, sondern ein gemütlicher
Allesfresser, der namentlich allerlei kleines Gewürm, aber auch
Pflanzenteile verzehrt. Seinen endständigen, mit 4 Barteln versehenen,
dicklippigen und sehr beweglichen Mund benutzt der Karpfen zwar nicht
zum Küssen, wie Marshall launig bemerkt, obwohl er sich dazu wegen
seines großen Nervenreichtums ganz hervorragend eignen würde, wohl aber
zum fleißigen Durchwühlen des Bodenschlamms, dem er seine meiste und
zusagendste Nahrung entnimmt. Bei seiner faulen Lebensweise schlägt sie
ihm auch recht gut an, und so wird der Fisch als »bemoostes Haupt« ein
großer Phlegmatiker, dem so leicht nichts seine beschauliche Lebensweise
stört. Der Studentenausdruck »bemoostes Haupt« stammt übrigens gerade
vom Karpfen her und ist bis zu einem gewissen Grade sogar wörtlich zu
nehmen, wenn es auch nicht gerade Moos ist, das den ehrwürdigen Kopf
eines solchen Methusalem, dem oft vor Altersschwäche sämtliche Schuppen
ausgefallen sind, mit einem grünen Schleier überzieht, sondern lediglich
gewisse, an ihm schmarotzende Parasiten. Solche alte Karpfen haben,
obschon sie zuletzt kaum noch wachsen, natürlich auch eine entsprechende
Länge und ein recht ansehnliches Gewicht, obschon im allgemeinen bereits
40pfündige Karpfen zu den Seltenheiten gehören. Am schmackhaftesten sind
sie bei Eintritt der Geschlechtsreife, also im dritten Lebensjahr,
weshalb auch drei- und viersömmerige Karpfen im Gewicht von 1-1/2 bis 2
_kg_ die gesuchteste und am besten bezahlte Marktware bilden. In einer
Beziehung ist der gern gesellig lebende Karpfen den farbenschönen
Fischarten, die vorher geschildert wurden, entschieden über, nämlich in
bezug auf Fruchtbarkeit, worauf ja schon sein wissenschaftlicher Name
(auch der deutsche dürfte auf eine Verstümmelung desselben
zurückzuführen sein) hinweist, der an die zyprische Liebesgöttin als
Beschützerin der Fruchtbarkeit erinnert. Es ist in der Tat erstaunlich,
welche Unmenge von Eiern so ein Karpfenleib zu produzieren vermag.
Während man früher auf 3-600000 Eier beim Rogner schloß, haben
neuerdings genaue Schätzungen durch Staff ergeben, daß selbst diese
ungeheuerlichen Zahlen noch weitaus zu niedrig gegriffen waren. Es
kommen vielmehr auf jedes Kilo Fleischgewicht nahezu 400000 Eier, also
auf einen halbwegs erwachsenen Mutterfisch etwa 1,6 bis 1,7 Millionen!
Auf einer bayrischen Fischereiausstellung wurden kürzlich einem Karpfen,
bei dem infolge Laichverhaltung eine Verflüssigung der Eierstöcke
eingetreten war, nicht weniger als 1700 _ccm_ Flüssigkeit abgezapft. Es
können also ungezählte Massen davon als Eier oder Jungfischchen zugrunde
gehen, ohne den Bestand der Art im geringsten zu gefährden, denn es
genügt vollkommen, wenn nur je 10000 Eier einen Fisch liefern. Die
stecknadelkopfgroßen Eier werden an Wasserpflanzen angeklebt, und das
Laichgeschäft vollzieht sich unter vielem Geplätscher an ganz seichten
Stellen. Bei der Beliebtheit, deren sich das zarte Karpfenfleisch
heutzutage allenthalben erfreut, und bei der großen Lebenszähigkeit
dieses Fisches, die seine Versendung auf weite Entfernungen hin
gestattet, wird Karpfenzucht in allen dazu geeigneten Gegenden mit viel
Eifer und Erfolg betrieben, und der Karpfen ist der wichtigste Bewohner
unserer Fischteiche geworden. Hauptbedingung für eine erfolgreiche
Karpfenzucht im großen ist, daß man über verschiedene Arten von Teichen
verfügt: kleine, sonnige, pflanzenreiche, flache Zuchtteiche, die erst
unmittelbar vor der Laichperiode bespannt werden, um keine Parasiten
aufkommen zu lassen, größere Zuwachsteiche mit reichlichem Naturfutter,
die in der Mitte eine vertiefte, nie ausfrierende Mulde zum Überwintern
der Fische haben müssen, und endlich Kaufgutteiche, in denen die Karpfen
vollends die marktfähige Größe erreichen sollen. Um das zu
beschleunigen, wird auch noch besonders gefüttert, und es kommt darauf
an, Futtermittel zu wählen, die das in ihnen angelegte Geld möglichst
rasch in möglichst viel gutes und wertvolles Fischfleisch verwandeln.
Namentlich in Schlesien, Böhmen und Galizien befinden sich großartige
Karpfenzuchtanstalten dieser Art. Gewonnen wird der weitaus größte Teil
des auf den Markt gelangenden Karpfenfleisches durch Ablassen der
Teiche, da der träge und alles Verschluckbare vorher vorsichtig
betastende Fisch nur schlecht nach der Angel geht und auch seiner
bodenständigen Lebensweise halber nicht gut in größerer Menge mit dem
Netz zu fangen ist. Vor Weihnachten ist Hochsaison auf dem Karpfenmarkt.
Dann tragen ganze, besonders dazu eingerichtete Eisenbahnzüge die
schmackhaften Schuppenträger aus Galizien und Schlesien nach Norden,
oder eigens für diesen Zweck zusammengestellte Flöße mit eingebauten
Fischkästen bringen sie auf der Moldau und Elbe nach unserer
Reichshauptstadt. Blau gesotten, gebacken, als Bierfisch oder mit
Paprikatunke -- kurz, in jeder Form bildet dieser nützliche Fisch eine
gesunde und fast allgemein beliebte Speise. Nur ist zwischen Karpfen und
Karpfen ein großer Unterschied. Vor allem muß der Fisch ganz frisch
sein, was die Hausfrau an den blanken und klaren Augen und daran
erkennen kann, daß ein Fingerdruck auf das Rückenfleisch sofort wieder
verschwindet. »Frische Fische -- gute Fische« sagt sehr richtig das
Sprichwort. Leider hat sich bei uns die Karpfenzucht nachgerade fast zu
einem Privileg des Großgrundbesitzes herausgebildet. Und doch läßt sich
der Fisch selbst in den elendesten Dorfteichen mit großem Erfolg, wenn
auch nicht züchten, so doch mästen. In dieser Beziehung geschieht noch
viel zu wenig, denn so können sonst fast ertragslose Wasserflächen noch
eine schöne Rente abwerfen.

Gerade bei dem langsam durch die Fluten ziehenden Karpfen lassen sich
sehr gut die _Schwimmbewegungen_ des Fisches beobachten und studieren.
Bei aufmerksamer Betrachtung werden wir sehen, daß es nicht eigentlich
die Flossen, oder diese doch nur in geringem Grade sind, die den Fisch
fortbewegen. Das hauptsächliche Fortbewegungsorgan ist vielmehr der
Schwanz, überhaupt die ganze hintere Körperhälfte. Sie ist mit zwei
Reihen starker Muskelzüge ausgestattet, durch deren Zusammenziehen
kräftige Schläge gegen das Wasser geführt werden, und zwar in einer
derartigen Richtung, daß sie den Fisch vorwärts treiben müssen.
Abwechselnde Biegungen der Schwanzflossenzipfel können allerdings auch
nach Art einer Schiffsschraube wirken und den Fisch langsam vorwärts
bringen. Die paarigen Flossen aber wirken lediglich regulierend und
steuernd, während After- und Rückenflosse die Körperfläche vergrößern
und ein Hin- und Hergeworfenwerden des Fisches bei den heftigen und
wechselnden Schwanzschlägen verhindern. Experimentatoren haben
nachgewiesen, daß ein der Rückenflosse beraubter Fisch im Zickzack
schwimmt, daß er sich bei einseitiger Entfernung der das Gleichgewicht
haltenden Brust- und Bauchflossen auf die Seite legt, daß bei Entfernung
beider Brustflossen das Vorderende tief sinkt und daß nach Abschneiden
sämtlicher paariger Flossen der Fisch auf dem Rücken schwimmt. Ein
Vorwärtsschlagen der Brustflossen ermöglicht ein langsames
Rückwärtsschwimmen. Der französische Gelehrte Houssay hat übrigens durch
vergleichende Experimente mit einer großen Zahl künstlicher Modelle
festgestellt, daß der Fischkörper, der ja auch für die menschliche
Schiffstechnik vorbildlich und maßgebend gewesen ist, gerade in bezug
auf die leichte Überwindung des Wasserwiderstandes heute von unseren
Schiffsmodellen bereits überholt ist, daß er aber in bezug auf
Stabilität, also das Vermögen, die richtige Lage im Wasser
beizubehalten, noch unerreicht dasteht. In dieser Beziehung sind
namentlich die paarigen Fischflossen ein ganz unübertreffliches
Werkzeug. Weitere Versuche von Alliaud und Vles mit elektrisierten
Fischen haben gezeigt, daß die Fische eine stete Muskelanstrengung
aufwenden müssen, um sich in den Fluten ihre gewöhnliche Lage zu
erhalten. Setzt man diese Muskelkraft durch den elektrischen Strom außer
Tätigkeit, so dreht sich der Fisch sofort um und treibt hilflos auf dem
Rücken. Er gleicht also nicht einem Schiff, sondern einem Radfahrer, der
sich ja auch mit fortwährender Muskelarbeit im Gleichgewicht erhalten
muß. Ein anderer französischer Gelehrter, Regnard, hat auf sinnreiche
Weise Untersuchungen über die _Schnelligkeit_ der schwimmenden Fische
angestellt. Er ließ kreisförmige Wasserrinnen herstellen, die durch
einen elektrischen Motor gedreht wurden, worauf die eingesetzten
Versuchsfische gegen den Strom zu schwimmen suchten. Wenn sie dann trotz
aller Anstrengungen auf der gleichen Stelle stehen blieben, mußte ihre
Geschwindigkeit gleich der Drehungsgeschwindigkeit des Apparates sein.
Es ergab sich, daß die Schwimmgeschwindigkeit von Karpfen und
Weißfischen etwa das Zehnfache ihrer Körperlänge in der Sekunde beträgt,
daß aber ihre Ausdauer bei solch höchster Kraftanspannung nur gering
ist, und bald Ermüdung eintritt. Die Schwimmgeschwindigkeit verminderte
sich sofort auf ein Drittel, wenn man die Schwanzflosse abschnitt,
während die Entfernung von Brust- oder Bauchflossen nur dann einen
größeren Einfluß ausübte, wenn sie lediglich auf einer Seite geschah.
Von der so ermittelten Schnelligkeit ist natürlich diejenige
verschieden, die die Fische beim Rauben oder auf ihren Wanderungen
entwickeln. Den Rekord soll die Forelle mit 35 _km_ in der Stunde
halten; der Hecht soll 23-27, die Barbe 18, Karpfen, Schleie und Aal 12
_km_ in der Stunde zurücklegen können. In Siam veranstaltet man in
langen Aquarien sogar besondere Wettrennen zwischen verschiedenen
Fischarten, und der auch in Europa wohlbekannte verstorbene König
Chulalongkorn soll bei einem solchen Rennen einmal eine seiner Frauen
verwettet haben.

Im Zusammenhange mit diesen Betrachtungen seien auch gleich noch der für
die Fische vielfach so kennzeichnenden _Schwimmblase_ und ihrer
biologischen Bedeutung einige Worte gewidmet. Sie fehlt als zwecklos den
echten Grundfischen, die keinen Druckschwankungen ausgesetzt sind, aber
auch manchen guten Schwimmern, wie dem Hai und der Makrele, ohne daß wir
bisher wissen, warum, und wodurch sie ihnen ersetzt wird. Sie ist ein
aus luftdichten Häuten bestehender Sack zwischen Darm und Nieren, der
sich oft durch die ganze Leibeshöhle erstreckt, aber nach Form und
Ausdehnung sehr verschieden gestaltet ist. Beim Karpfen ist sie durch
eine Einschnürung in zwei Teile zerlegt, die Flughähne haben zwei
nebeneinander liegende Blasen, der Schlammbeißer eine in eine
Knochenkapsel eingehüllte.

  [Illustration: Karausche (_Carássius carássius_). (Naturaufnahme
  von Oberlehrer W. Koehler.)]

Im embryonalen Zustande hat die auf eine Darmausstülpung
zurückzuführende Schwimmblase stets einen zu ihrer Füllung dienenden
Luftgang, der z. B. den Ganoidfischen auch im Alter verbleibt, während
er bei der Mehrzahl der erwachsenen Fische verschwunden ist. Das Organ
dient einmal dazu, das spezifische Gewicht des Fisches durch Ausdehnung
oder Zusammenziehung zu regeln und ihm damit ein leichtes Auf- oder
Niedersteigen zu ermöglichen. Diese Zusammenziehungen geschehen in der
Hauptsache passiv durch den Wasserdruck und nur zum geringen Teile aktiv
durch die ziemlich schwach entwickelte Blasenmuskulatur, die mehr zur
Verlegung des Schwerpunktes dient und besonders bei plötzlichem
Höhenwechsel in Tätigkeit tritt. Die endgültige und für längere Zeit
wirksame Einstellung der Schwimmblase auf ein bestimmtes Höhenniveau
aber erfolgt unter Ersparung von Muskelkraft lediglich durch Abscheidung
von Sauerstoff in ihren leeren Raum oder durch das Einsaugen von solchem
aus ihm. Schon Moreau hat 1876 erkannt, daß das die Schwimmblase
füllende Gas in der Hauptsache reiner Sauerstoff ist, aber erst 1903 hat
uns Jäger-Gießen darüber aufgeklärt, wo und wie dessen Abscheidung
geschieht. Er entdeckte an der unteren Wand der Schwimmblase eine sehr
verschieden starke (bei Süßwasserfischen nur 2-4, bei Seewasserfischen
20 und mehr Schichten) Anhäufung eigentümlicher Drüsenzellen, die durch
eine vergiftende Tätigkeit die roten Blutkörperchen vernichten, wodurch
der Sauerstoff frei wird, sich verdichtet und in das Innere der
Schwimmblase strömt. Er nannte dieses Organ den »roten Körper«. Will der
Fisch sich in einem höheren Niveau aufhalten, so muß das Gegenteil
geschehen, der Sauerstoff muß wieder aus der Blase entweichen können.
Diese Zurückleitung des Sauerstoffes in das Blut besorgt das im oberen
Teile der Schwimmblase gelegene, durch Muskelwirkung zu öffnende oder zu
schließende »Oval«, das auffallenderweise allen denjenigen Fischen
fehlt, die einen Luftgang besitzen. Eingeleitet werden alle diese
Vorgänge durch Nervenreizungen, und Thilo hat nachgewiesen, daß ein
Druck auf die Schwimmblase Hebel in Bewegung setzt, die auf eine Platte
im Rückenmark wirken, so daß Druckschwankungen den Fischen unmittelbar
zum Bewußtsein gelangen. Man könnte also die Schwimmblase fast auch als
ein Sinnesorgan ansehen, und jedenfalls erspart sie dem Fische sehr viel
Muskelarbeit. -- Obwohl die Fische bei ihrem ständigen Aufenthalt in
einem flüssigen Medium ein wirkliches _Durstgefühl_ kaum kennen werden,
verschlucken sie doch schon rein zufällig eine Menge Wasser, und es ist
auch kaum anzunehmen, daß dieses für den Aufbau ihres Körpers entbehrt
werden könnte. Wenigstens haben Versuche mit gefärbtem Wasser, die die
biologische Anstalt in Friedrichshafen anstellte, unzweifelhaft ergeben,
daß die Fische Wasser auch in den Magen aufnehmen. Dadurch erklärt es
sich auch, daß man bisweilen sogar betrunkene Fische findet, die die
tollsten Kapriolen vollführen, nämlich da, wo Hefenfabriken den als
Nebenprodukt bei der Hefenfabrikation gewonnenen Spiritus der
Steuerersparnis halber einfach ins Wasser laufen lassen. Dann gibt es
billige Hefe, aber dafür betrunkene Fische.

  [Illustration: Gründling (_Góbio góbio_). (Nach einer Aufnahme von
  Oberlehrer W. Koehler.)]

Ein großer Teil unserer heimischen Fische gehört zur Verwandtschaft des
Karpfens. Da ist zunächst die kleinköpfige und dünnlippige, selten mehr
als 3/4 _kg_ schwer werdende _Karausche_ (_Carássius carássius_), die
oft von Aquarienfreunden, die schon Hunderte wertvoller Exoten gezüchtet
haben, mit dem Karpfen verwechselt wird, obschon bei aller Ähnlichkeit
des Körperbaus ein einziger Blick auf den kleinen Mund genügt zur
sofortigen Unterscheidung, indem der Karpfen stets Barteln besitzt, die
Karausche aber niemals. Sie vermischt sich auch fruchtbar mit dem
Karpfen und wird deshalb in Zuchtteichen nicht gern gesehen, da sie mit
ihrem minderwertigen, grätigen Fleisch die ganze Nachzucht zu verderben
vermag. Auch im schmutzigsten und modrigsten Wasser hält dieser zähe und
anspruchslose Fisch aus, denn überall findet er seine unreinliche
Nahrung. Die ältesten Tierzüchter der Welt, Chinesen und Japaner, haben
aus der Karausche schon vor uralten Zeiten einen farbenschönen
Sportfisch herangezüchtet, der fast eine ähnliche Rolle spielt, wie der
allverbreitete Kanarienvogel, und der als _Goldfisch_ einen einzig
dastehenden Siegeszug auch durch ganz Europa angetreten hat. Mancherlei
absonderliche Spielarten, wie Teleskopfische und Schleierschwänze, sind
dann weiter aus ihm hervorgegangen. Was den Goldfisch dem Laien so sehr
empfiehlt, ist außer seiner bestechenden Farbenschönheit namentlich
seine geradezu rührende Anspruchslosigkeit, die auch die ärgste
Vernachlässigung und die naturwidrigste Behandlung geduldig hinnimmt,
aber der echte Tierfreund wird an diesem Kunstprodukt doch nur wenig
Gefallen finden; dazu ist der Goldfisch zu langweilig und zu
stumpfsinnig. Ein ganz ausgesprochener Bodenfisch, der sich bei Gefahr
geradezu in den Schlamm einzuwühlen pflegt und dadurch vielen
Nachstellungen entgeht, ist die grünliche _Schleie_ (_Tínca tínca_).
Ihre unglaubliche Genügsamkeit und sehr geringes Sauerstoffbedürfnis
ermöglichen ihr das Dasein selbst in den verjauchtesten Tümpeln. Ihr
fettes und zartes Fleisch gereicht der vornehmsten Tafel zur Zierde,
wenn man nur die Vorsicht übte, den Fisch vor dem Schlachten einige
Wochen in fließendem Wasser zu halten, damit er den ihm meist
anhaftenden Modergeschmack verlieren konnte. Um die Teichwirtschaft
macht sich der träge Fisch durch fleißiges Vertilgen der schädlichen
Fischegel verdient, wenn er auch andrerseits als Wettbewerber um die
Nahrung der wertvolleren Karpfen von den Fischzüchtern nur widerwillig
in den Teichen geduldet wird. Auch von dieser Form ist eine prachtvolle
Spielart als Goldschleie bekannt. Interessanter als diese langweiligen
Gesellen ist der kleinere, gestreckter gebaute und mit zwei Bartfäden
versehene _Gründling_ oder Greßling (_Góbio góbio_). Dieser sehr
gesellige Fisch, dem man eine besondere Vorliebe für das Aas nachsagt,
bevorzugt klares, fließendes Wasser mit sandigem oder kiesigem
Untergrunde, findet sich aber auch an anderen Örtlichkeiten, selbst in
unterirdischen Gewässern, so in der berühmten Adelsberger Grotte. Die
bläulichen Eier werden im Kiesgeröll ganz seichter Bäche abgesetzt,
worauf dann die Greßlinge wieder in ihre tieferen Wohngewässer
zurückkehren. Beim Ablaichen reibt das vom Männchen an eine
entsprechende Stelle getriebene Weibchen seine Bauchfläche am Kiese,
wobei der Kopf und der ganze Rücken für 1/2-3/4 Minuten aus dem Wasser
hervorsehen. Die Jungen schlüpfen bei genügender Wärme schon nach drei
Tagen aus und hängen dann noch mehrere Tage wie kleine graue Kommas an
Steinen und Pflanzen umher, ehe sie die ersten unbeholfenen
Schwimmversuche beginnen. Auch im Aquarium, für das sich dieser
bescheidene Fisch überhaupt gut eignet, ist er schon gezüchtet worden,
und soll dabei, wie ein russischer Beobachter mitteilt, sich zum Laichen
eine besondere Grube hergerichtet haben. Trotz seiner geringen Größe
findet der Gründling auch für die Küche gern Verwendung, da sein zartes
Fleisch von hervorragendem Wohlgeschmack ist. Im Donaugebiet wird unsere
Art durch den _Steingreßling_ (_Góbio uranóscopus_) mit spitzerem Kopfe
und längeren Bartfäden vertreten. Beide Fische, die gewöhnlich am Boden
auf Beute lauern, bewegen sich zwar ruckweise, aber nicht mit
übermäßiger Schnelligkeit fort. Da ist die niedliche und anmutige, stets
zum Jagen und Spielen aufgelegte _Elritze_ (_Phoxínus laévis_) ein weit
flinker Ding. Sie ist äußerst beweglich, namentlich sehr springfähig,
aber dabei im Freien schüchtern und schreckhaft. Wenn sich im Sommer das
Wasser zu sehr erwärmt, wandern die Elritzen oft in dichtgedrängten
Scharen in die kühleren Gebirgswässer aus und überspringen dabei
Hindernisse, die in gar keinem Verhältnis zu ihrer winzigen Körpergröße
stehen. Bei solchen Gelegenheiten werden viele von ihnen gefangen und
mariniert als »Pfrillen« oder »Rümpchen« trotz ihres etwas bitterlichen
Geschmacks in manchen Gegenden sehr gern gegessen. Leider müssen bei
dieser Fangart auch zahlreiche Junge der wertvollsten Speisefische mit
dran glauben und sich als Rümpchen verzehren lassen. Der rundliche,
unverhältnismäßig großköpfige _Döbel_ (_Leucíscus céphalus_), mit dem
breiten Maule und dem blaßrot schimmernden Bauch hält sich in seiner
Jugend massenhaft in kleinen kiesigen Bächen auf, während er im Alter
mehr in die Flüsse und Seen der Ebene hinabzieht. Er ist pfeilschnell
und räuberischer veranlagt als andere Karpfenfische. Selbst Mäusen soll
er nachstellen und deshalb in manchen Gegenden geradezu »Mäusefresser«
genannt werden. Bei solch reichlicher Kost erreicht er denn auch ein
Gewicht von 4 _kg_ und darüber. Diesen Angaben stehen nun freilich die
Magenuntersuchungen Sustas schnurstracks gegenüber, der den Döbel für
einen echten und sich hauptsächlich an grobes Gras haltenden
Grünweidefisch erklärt. Dieser Widerspruch erscheint noch völlig
ungeklärt, denn es ist doch kaum denkbar, daß ein und dieselbe Art
vielleicht an verschiedenen Örtlichkeiten so grundverschiedene
Ernährungsweisen zeigen könnte. Eher möchte ich glauben, daß die
betreffenden Fische von diesem oder jenem Forscher falsch bestimmt
wurden. Auffallend ist die Vorliebe des Döbels für Stromschnellen,
Mühlwehre, Brückenpfeiler und ähnliche Örtlichkeiten. Seiner vielen
Gräten wegen ist er höchstens als Backfisch und auch dies nur in ganz
frischem Zustande zu verwerten. Angler versichern, daß der Döbel auch an
Beeren und süße Früchte geht, und im Aquarium sah man jüngere Exemplare
sowohl animalische wie vegetabilische Kost zu sich nehmen. Die Angler
haben von jeher eine gewisse Vorliebe für diesen jetzt sichtlich
seltener werdenden Fisch gehabt, weil er auf alles anbeißt, so daß die
Köderwahl geradezu zur Qual werden kann, und weil sich mit seiner
stattlichen Größe prahlen läßt. Die süd- und ostdeutschen Angler
bezeichnen den ziemlich proletenhaft anmutenden Fisch als Räuber, und
die Rhein- und Elbefischer erklären ihn für den friedfertigsten Gesellen
der Welt. Das Wahrscheinlichste ist wohl, daß Genosse Dickkopf
Allesfresser geworden ist und seine Speisekarte um eine Reihe von
Gerichten bereichert hat, die er früher nicht kannte und verschmähte.
Ein unzweifelhafter Grünweidefisch ist dagegen der durch die kleine und
schief aufwärts gerichtete Mundöffnung gekennzeichnete _Aland_
(_Leucíscus ídus_), auch Silberorfe genannt. Eine besonders schöne Abart
wird als _Goldorfe_ gern in warmen Teichen gezogen, und sie eignet sich
als Zierfisch namentlich auch insofern gut, als sie sich beim Schwimmen
beständig an der Oberfläche hält und so ihre Schönheit auch zur Geltung
zu bringen weiß. Die wilde Stammform beansprucht reines, kaltes, tiefes,
und schnellfließendes Wasser, ist auch selbst ein recht flinker
Schwimmer. Der etwas dickköpfig aussehende Fisch, der bis 3 _kg_ schwer
wird, hat ein zwar grätiges, aber doch recht wohlschmeckendes, rötlich
aussehendes Fleisch, und wird deshalb gern geangelt. Unter dem
Sammelnamen »Weißfisch« faßt der Naturfreund eine Anzahl
karpfenähnlicher Fische zusammen, deren Jugendformen oft selbst der
Fachmann nur schwer auseinanderhalten kann, und deren erwachsene Stücke
wenigstens der Laie sehr häufig verwechselt. Es sind die Proleten
unserer Fischwelt, die nach Handwerksburschenmanier in zahlreichen
Trupps alle Wasserstraßen bevölkern. Hierher gehören z. B. zwei durch
hübsch rote Flossenfarbe ausgezeichnete Fische, die _Plötze_
(_Leucíscus rútilus_) und das _Rotauge_. Will man sie mit voller
Sicherheit bestimmen, so muß man schon zu den ein untrügliches
Unterscheidungsmerkmal abgebenden Schlundzähnen seine Zuflucht nehmen,
die bei der Plötze in einfacher Reihe stehen, links 6 oder 5, rechts
stets 5, während sie beim Rotauge in zwei Reihen zu 3 und 5 angeordnet
sind. Die Plötze ist wohl der gemeinste deutsche Fisch und wird deshalb
auch vielfach gefangen, obwohl ihr stark mit Gräten durchsetztes Fleisch
eigentlich nicht viel wert ist. Immerhin gibt sie frisch noch einen
leidlichen Backfisch ab. Während sie bei uns kaum schwerer als 1-1/2
_kg_ wird, werden im Kaspischen Meere noch heute bisweilen wahre
Riesenplötzen gefangen. Beide Arten sind lebhafte und scheue, aber nicht
eben sonderlich kluge Grünweidefische und laichen unter vielem
Geplätscher gesellig, nachdem sie in dichtgedrängten Scharen hierzu
geeignete Plätze aufgesucht haben. Beim _Rotauge_ (_Leucíscus
erythrophthálmus_), auch Rotfeder genannt, fällt außer dem roten Auge
namentlich die ungewöhnlich harte und scharfe Beschuppung der
Bauchgegend auf. Der stark messingglänzende Fisch, der seine beiden
deutschen Namen vollauf rechtfertigt, ist eigentlich eine recht schöne
Erscheinung und verdiente es, daß ihm die Aquarianer größere Beachtung
als bisher zuwenden würden. Zwischen beiden Arten kommen auch Mischlinge
vor, wie ja überhaupt bei dem geselligen Laichgeschäft der Karpfenfische
oft genug ein zwar unbeabsichtigtes, aber fruchtbares Durcheinander
entsteht, das der systematischen Forschung schon manche Schwierigkeiten
in den Weg gestellt hat. Für die Küche taugt das Rotauge noch weniger
als sein Vetter, und man verwertet sie deshalb am besten als
Schweinefutter. Wichtiger für den menschlichen Haushalt ist der
hochgebaute _Blei_ oder Brassen (_Abramis bráma_), da er ein Gewicht bis
zu 6 _kg_ erreicht und sein Fleisch zwar auch ziemlich grätig, aber doch
recht wohlschmeckend ist. Zur Laichzeit, bei der es sehr lebhaft zugeht,
die großen Fische oft weit aus dem Wasser herausspringen und sich auch
durch Beobachtung in unmittelbarer Nähe nicht stören lassen, nimmt der
Blei eine fast hochgelbe Farbe an, und die Männchen sehen infolge des
starken Hautausschlages wie zerkratzt und blutig zerschunden aus. Der
stattliche Fisch mit dem schiefgestellten Mund bewohnt größere Ströme
und tiefere Seen mit lehmigem Grund, den er beim geselligen Grasen oft
derart aufwühlt, daß er weithin das Wasser trübt. Bei dieser
schweineartigen Tätigkeit kommt ihm seine rüsselförmig ausgebildete
Schnauze sehr zustatten. Die _Blikke_ oder der Güster (_Blícca björkna_)
hat einen ähnlich hochrückigen Leibesbau wie die Abramisarten, und ein
solcher darf in gewissem Sinne auch als eine Schutzmaßregel gelten, da
die Raubfische sich nur ungern an so unbequem zu verschluckende Beute
machen. Der Name dieses Fisches dürfte mit »blinken« zusammenhängen,
ebenso wie »Pleinzen«[2] mit »blinzeln«. Die höchstens 1 _kg_ schwer
werdende Blikke ist einer unserer gemeinsten Fische und bevorzugt
langsam fließendes Wasser mit sandigem Untergrund. Sonst scheu und
vorsichtig, gibt sie sich doch dem Laichgeschäft im Spätfrühling mit so
rückhaltloser Inbrunst hin, daß man sie dabei geradezu mit Händen
greifen kann. Auch sie ist ein ausgesprochener Friedfisch, aber dabei so
gefräßig, daß sie sich leicht angeln läßt, was allerdings ihres
schlechten und grätenreichen Fleisches halber kaum der Mühe verlohnt.
Als ein halber Raubfisch muß dagegen der schon durch sein großes Maul
gekennzeichnete _Rapfen_ (_Aspius áspius_) bezeichnet werden. Den
kleinen Weißfischen stellt er mit solcher Gier nach, daß er dabei
öfters versehentlich auf den Strand schießt und dann elend umkommen muß.
In stillen Nächten betreibt er seine Jagden mit weithin vernehmbarem
Geräusch, indem sowohl Verfolgte wie Verfolger dabei öfters hoch aus dem
Wasser herausspringen. Trotzdem verrät der Rapfen immer eine gewisse
Ungeschicklichkeit in der Ausübung seines räuberischen Handwerks und
stößt viel öfters fehl als die echten Raubfische. Er ist ein
Oberflächenfisch und bewohnt am liebsten langsam fließendes, aber reines
Wasser. Da er 6 _kg_ schwer wird, könnte er für die Küche eine Rolle
spielen, wenn sein an sich fettes und wohlschmeckendes Fleisch nicht so
grätig wäre und beim Kochen nicht so leicht zerfiele. Wenn auch das
Fleisch des niedlichen _Uckelei_ (_Albúrnus albúrnus_) ganz ähnliche
Eigenschaften aufweist und dieses glitzernde Fischchen schon wegen
seiner geringen Größe (es wird nur 15-20 _cm_ lang) noch weniger für die
Küche in Betracht kommen kann, so beschäftigt es doch in anderer
Beziehung eine ganze Industrie und wird deshalb in gewissen Gegenden
Norddeutschlands, so namentlich am Frischen Haff, während der
Wintermonate in großen Zugnetzen massenhaft gefangen. Aus seinen stark
silberglänzenden, gegen jede unsanfte Berührung sehr empfindlichen
Schuppen, gewinnt man nämlich die sogenannte Perlenessenz (_Essence de
l'Orient_, deren Zusammensetzung und Herkunft früher ängstlich geheim
gehalten wurde und die von einem französischen Rosenkranzfabrikanten
entdeckt worden sein soll) zur Herstellung künstlicher Perlen. Die
gefangenen und ans Land gebrachten Fische werden sofort geschuppt, und
die gereinigten Schuppen in Kisten nach Paris oder Wien, neuerdings aber
auch vielfach nach Thüringen verschickt. In der Fabrik werden die
Schuppen zunächst 24 Stunden lang in Salzwasser gewässert, mit leinenen
Lappen abgerieben, schwach gepreßt, für ein Stündchen in Alkohol gebadet
und wieder getrocknet. Hierauf kommen sie in Ammoniak, in dem sich die
anderen Bestandteile leicht lösen, während die den herrlichen
Silberschimmer bedingenden Plättchen als kleine Kristalle sich am Boden
niederschlagen. Nach einigen Stunden kann die wässerige Lösung behutsam
abgegossen werden, und es bleibt nur ein silberiges, dickes Öl übrig
-- die Perlenessenz. Sie wird in hohle und dann mit Wachs zu
verschließende Glasperlen gefüllt, die dadurch einen prachtvollen,
matten Perlenglanz erhalten. Die besten Sorten dieser künstlichen Perlen
sind den echten derart ähnlich, daß nur eine genaue Prüfung durch einen
Sachverständigen die Imitation nachzuweisen vermag. Übermäßig billig
sind sie freilich auch nicht gerade, was erklärlich wird, wenn wir uns
vergegenwärtigen, daß etwa 20000 Fischlein nötig sind, um nur 1/2 _kg_
Perlenessenz anzufertigen. Man gewinnt aus den Uckeleischuppen wie aus
denen verwandter Arten weiter auch noch die in der Malerei eine große
Rolle spielende und ebenfalls teuer bezahlte Silbertinktur. Aber auch im
Leben ist der sich hauptsächlich von Insekten und deren Larven
ernährende Uckelei ein höchst anziehender und unterhaltender Fisch, der
sich dem am Flußufer lustwandelnden Spaziergänger mehr bemerkbar macht,
als irgendein anderer, da er häufig seinen silberglitzernden Leib aus
dem Wasser herausschnellt, um eine über diesem tanzende Mücke oder
Eintagsfliege zu erhaschen, und da er sich überhaupt gewöhnlich
scharenweise dicht unter der Oberfläche herumtreibt und hier seine
lustigen Spiele vollführt, überhaupt viel Frohsinn und Lebenslust
bekundet, obgleich gerade er nicht nur den Raubfischen, sondern auch den
Wasservögeln besonders häufig zur Beute fällt. Ängstliche Schüchternheit
einerseits und eine unbezähmbare Neugier andrerseits sind seine
hervorstechendsten Charaktereigenschaften. Gleich dem Uckelei gehören
zur Gruppe der durch das schief nach oben gerichtete Maul
ausgezeichneten _Lauben_ noch die bei uns auf die klaren und tiefen
Gebirgsseen Oberbayerns beschränkte _Mairenke_ (_Albúrnus ménto_) und
die fließendes Wasser bevorzugende _Alandblecke_ (_Albúrnus
bipunctátus_). Letztere heißt im Volksmunde gewöhnlich »Schneider«, da
ein zu beiden Seiten der Seitenlinie verlaufender Streifen schwarzer
Pigmentpunkte wie eine Naht aussieht. Im Aquarium gemachten
Beobachtungen zufolge soll sie eine Art Brutpflege ausüben, indem eines
der Elterntiere den Laich bis kurz vor dem Ausschlüpfen bewacht und
verteidigt und durch beständiges Flossenfächeln mit frischem,
sauerstoffreichem Wasser umspült. An der sonderbar knorpeligen Schnauze,
dem überragenden Oberkiefer und den harten, schneidenden Lippen ist die
höchstens 1/2 _m_ lang werdende _Nase_ (_Chondóstroma násus_) sofort von
anderen Süßwasserfischen zu unterscheiden. Auch biologisch hat sie
mancherlei Eigentümlichkeiten aufzuweisen. Ihre scharfen Kiefernränder
dienen dazu, den Algenüberzug von Steinen und dergleichen abzuweiden.
Charakteristisch für sie ist, daß sie sich im seichten Wasser gern um
sich selbst wälzt, so daß für Augenblicke die lichte Unterseite zum
Vorschein kommt. Zur Laichzeit gewinnt ihr dunkler Rücken ein streifiges
Ansehen, und an den Mundwinkeln zeigt sich ein lebhaftes Orangerot.

  [2] Es ist dies der _Zobel_ (_Abramis sáha_) des Donaugebiets.

Außer der Verfärbung zum Hochzeitskleid tritt mit Beginn der
Laichfähigkeit bei vielen Fischen noch eine andere wunderbare
Erscheinung auf: ihre mehr oder minder mit dem Fortpflanzungsgeschäft in
Zusammenhang stehenden, durch rücksichtslose Kühnheit und erstaunliche
Zähigkeit ausgezeichneten _Wanderungen_, die an geheimnisvollen Rätseln
dem Vogelzug kaum nachstehen. Sehr oft sind ja die besten und sichersten
Nährgründe nicht auch zugleich zum Absetzen des Laiches geeignet, und
der Fisch ist deshalb gezwungen, eine weitgehende Ortsveränderung
vorzunehmen, wenn er sich seiner Bürde entledigen und den Weiterbestand
seiner Art sicher stellen will. Häufig kommt es vor, daß gewöhnlich im
Meer lebende Fische zum Laichen hoch in die Flüsse hinaufsteigen oder
umgekehrt das Süßwasser zum Laichen mit dem Meer vertauschen. Zu diesen
gehört beispielsweise der Aal, zu jenen der Lachs. Wenn wir diese echten
Wanderer etwa mit den Zugvögeln vergleichen können, so gibt es
andrerseits auch noch eine Reihe beschränkter Wanderer, die den
Strichvögeln entsprechen und nur im gleichen Stromsystem oder Meere hin
und her ziehen, wobei Wärme- und Ernährungsverhältnisse, Salzgehalt des
Wassers und Laichgelegenheiten als die maßgebenden Faktoren anzusehen
sind. Hierher gehören z. B. von Süßwasserfischen die Forelle und von
Seefischen die Flunder, die zwar Hunderte von Kilometern weit reist,
nicht aber aus der Nordsee in die Ostsee zieht oder umgekehrt. Während
man früher sich um die Fischwanderungen wenig gekümmert hat, ist ihnen
in neuerer Zeit eine sehr eingehende und sorgfältige Beachtung
zugewendet worden, und zwar nicht nur aus rein wissenschaftlichen,
sondern namentlich auch aus praktischen und volkswirtschaftlichen
Gründen. Nirgends und zu keiner Zeit drängen sich ja die Fische in
solchen Massen zusammen wie auf ihren Wanderungen von und zu den
Laichplätzen, und niemals sind sie so mühelos und in so lohnender Menge
zu fangen wie bei solchen Gelegenheiten. Mit Sehnsucht warten ganze
Dörfer und Städte auf das seit Jahrhunderten gewohnte Erscheinen der
riesigen Fischheere, die reichen Verdienst mit sich bringen, und die
Trauer und die Enttäuschung sind groß, wenn die geschuppten Geschwader
einmal aus irgendwelchen Gründen ausbleiben, denn das bedeutet Elend
und Verarmung. Da aber plötzliche Verlegungen der altbekannten
Heeresstraßen gerade in den letzten Jahrzehnten öfters vorgekommen sind
und dadurch mehrfach wirtschaftliche Katastrophen hervorgerufen wurden,
während andrerseits unvermutet unendliche Fischzüge an ungewohnten
Plätzen erschienen, wo sie nicht genügend verwertet werden konnten, und
oft genug als Dung auf die Felder gefahren werden mußten, so liegt es
auf der Hand, welch hohe praktische Bedeutung der Erforschung solcher
Erscheinungen und dem Studium der Fischwanderungen überhaupt zukommt. So
ist es zunächst sehr wichtig, zu wissen, was wohl die Fische auf ihren
Wanderungen leitet. Da man in wissenschaftlichen Kreisen dem
»stumpfsinnigen« Fisch irgendwelche an geistige Fähigkeiten anstreifende
Handlungsweise nicht zutraute, so sollte auch die Wanderung ein rein
reflektorischer Vorgang sein, der natürlich durch gewisse Reize
ausgelöst werden mußte. Man dachte da namentlich an die sogenannte
Phototaxis, d. h. an das Reagieren des Organismus gegen veränderte
Belichtungs- und Bestrahlungsverhältnisse. Nun hat aber jüngst erst
Franz in einer Reihe sehr eingehender Studien nachgewiesen, daß die
durch gekünstelte Experimente gewonnene Vorstellung von der Phototaxis
lediglich ein reiner Laboratoriumsbegriff ist, wenigstens soweit die
Fische in Betracht kommen. Sie ist in Wirklichkeit nichts als ein unter
ungünstigen Daseinsveränderungen und insbesondere bei anscheinender
Gefahr ausgelöster Fluchtreflex, der bei Oberflächenfischen sich als
»positiv«, bei Grundfischen dagegen als »negativ« erweisen wird, da
diese bei Bedrohung ja instinktmäßig ins Dunkel flüchten. Will man von
dem durch den Wechsel zwischen Tag und Nacht bedingten Aufsteigen und
Niedersinken gewisser Meeresfische und ihrer Larven absehen, so gibt es
eine Phototaxis bei erwachsenen Fischen in freier Natur überhaupt nicht,
bei ihren Larven nur in ganz beschränktem, kaum angedeutetem Umfang.
Deshalb kann die Phototaxis auch auf die Wanderungen der Fische nicht
den allergeringsten Einfluß ausüben, sondern es müssen andere Faktoren
zu ihrer Erklärung herangezogen werden. Einen solchen glaubt Franz
zunächst einmal in dem _Ortssinn_ und in dem _Ortsgedächtnis_ der Fische
gefunden zu haben, die er sorgsam auf ihre Leistungsfähigkeit hin
geprüft und weit höher entwickelt gefunden hat, als sich dies unsere
Schulweisheit bisher träumen ließ. Danach scheinen doch auch schon die
Fische teilweise wenigstens keine absoluten Reflexmaschinen mehr zu
sein, vielmehr bei ihnen schon wenigstens schüchterne Ansätze sich
geltend zu machen zum Verwerten erlebter Erfahrungen und zum Verknüpfen
von Assoziationen, so sehr man sich andrerseits vor Vermenschlichungen
bei dieser immerhin tiefstehenden Tierklasse hüten muß, deren
Lebensäußerungen zumeist durch mehr oder minder verwickelte und sich
kreuzende Instinkte und Reflexe unschwer sich werden erklären lassen.
Wie immer dem sei, jedenfalls beweisen schon die einfachsten
Experimente, daß die Fische tatsächlich einigermaßen gemachte
Erfahrungen zu ihrem Besten zu verwerten wissen. So stutzten Barsche,
denen man als Futterfische Sardinen gab, als man einige derselben rot
färbte, machten aber schließlich einen Versuch und verzehrten dann
gefärbte und ungefärbte ohne Unterschied. Ähnlich ging es, als man noch
einige blau gefärbte Sardinen dazu setzte. Als dann aber kleine Stücke
von Seenesseln an den blauen Sardinen befestigt wurden und die Barsche
sich beim Zugreifen tüchtig stachen, fuhren sie erschrocken zurück und
mieden von da ab die blauen Sardinen. Freilich hielt in diesem Falle ihr
Gedächtnis nur bis zum nächsten Tage vor; dann scheinen aber die
Barsche besonders vergeßliche Bursche zu sein, denn vom Karpfen
ist nachgewiesen, daß er mindestens vier Monate lang für
Örtlichkeitsverhältnisse Gedächtnis hat, und bei anderen Fischen verhält
es sich ähnlich. Dieser Auffassung steht nun allerdings die Tatsache
entgegen, daß geangelte und dabei entkommene oder wieder ausgesetzte
Fische oft schon nach kurzer Zeit sich zum zweiten oder dritten Male
fangen lassen, also die gemachte böse Erfahrung anscheinend sehr rasch
vergessen haben. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, daß einerseits die
dem Fische beim Angeln zugefügte Schmerzempfindung aller
Wahrscheinlichkeit nach eine nach menschlichem Maßstabe überraschend
geringe, und daß andrerseits der Zuschnappreflex, wenn der Ausdruck
statthaft ist, ein sehr stark entwickelter ist und eben in solchen
Fällen den Sieg über die geringe Lernfähigkeit davonträgt. Edinger kommt
auf Grund umfassender Untersuchungen geradezu zu dem Schlusse, daß der
Fisch nicht zubeißt, weil er zubeißen will, sondern weil er zubeißen
muß. Er schaltet also einen selbständigen Willen des Tieres dabei
vollständig aus, und die praktischen Erfahrungen der Angler, die in
England das Sprichwort haben »Wenn du der Forelle die rechte Fliege zur
rechten Zeit gibst, fängst du sie sicher«, scheinen ihm darin nicht
unrecht zu geben. Edinger glaubt demnach, daß infolge sich gegenseitig
auslösender Reflexe ein hungriger Fisch unter bestimmten Umständen
anbeißen _muß_, wenn die Nahrung ihm genau in der Weise zukommt, wie die
naturgemäße, und störende Nebenumstände (Sichtbarkeit der Schnur,
Schatten des Anglers usw.) vermieden werden. Die ganze Geschicklichkeit
des Anglers bestehe deshalb lediglich darin, diesen richtigen Augenblick
ausfindig zu machen. Übrigens gehen intelligentere Fische wie der Schill
doch nicht leicht zum zweiten Male an die Angel, wenn sie schwer gereizt
wurden. Wenn nun auch die Lernfähigkeit der Fische jedenfalls nur eine
geringe ist, so ist das Ortsgedächtnis doch in nicht unerheblichem, wenn
auch sehr verschieden hohem Grade vorhanden, und am besten ist es
jedenfalls bei den Wanderfischen entwickelt. So hat man festgestellt,
daß zwar Stichlinge ihr Nest nur auf 10 m Entfernung wieder fanden,
Forellen dagegen trotz zwischengelegter Hindernisse aus 6 km Entfernung
zu ihrem Standplatze zurückfanden. Ein derart gutes Ortsgedächtnis muß
den Fischen natürlich auch auf ihren Wanderungen in hohem Maße zustatten
kommen, und man könnte sich auch recht wohl vorstellen, daß die Kenntnis
bestimmter Heeresstraßen sich ähnlich wie bei den Vögeln durch Tausende
von Generationen vererbt habe, dadurch fixiert und zu einem bloßen
Instinkt geworden sei. Aber dann hat ja der Fisch auch noch eine
Seitenlinie, die ihn so genau über den jeweiligen Verlauf der Strömung
unterrichtet, und es muß deshalb für ihn eine Kleinigkeit sein, sich in
Strömen oder Flüssen zurechtzufinden, sei es nun, daß er abwärts ins
Meer oder aufwärts ins Quellgebiet zu gelangen wünscht. Diese Faktoren
reichen also wohl aus, um reine Süßwasserwanderungen zu erklären, aber
ganz anders und viel geheimnisvoller gestaltet sich das Bild, wenn wir
etwa an die Einwanderung der jungen Aale aus dem Meere in die Ströme
denken. Man denke sich diese Fischchen, die noch nie eine Reise gemacht
haben, in der unendlich einförmigen, in ewige Finsternis gehüllten
Wassermasse, wo das Fischauge keine festen Anhaltspunkte gewinnen kann,
sondern eine unbestimmte nebelige Ferne vor sich hat. Hier kann
natürlich von irgendwelchem Ortsgedächtnis keine Rede sein. Franz ist
der Meinung, daß es der abweichende Salzgehalt der verschiedenen
Wasserschichten und Meeresteile ist, der den Tieren als Führer aus
dieser Wüstenei dient. Wasserschichten verschiedenen Salzgehalts zeigen
ja auch abweichende Temperaturen, und diese wiederum zeitigen
Strömungserscheinungen. Freilich werden solche ganz gering sein und erst
nach Zurücklegung weiterer Strecken sich deutlich bemerkbar machen, aber
es ist wohl mit Recht anzunehmen, daß die gesteigerte nervöse
Erregbarkeit der Fische zur Brunst- oder Wanderungszeit auch die
Feinfühligkeit ihrer Sinnesorgane und namentlich der Seitenlinie erhöht.
Und so ließe sich auch hier schließlich folgern, daß die Wanderung der
Meeresfische mehr eine Art Zwangsbewegung darstellt. Vielleicht bringen
die Markierungsversuche, die seit einigen Jahren von zahlreichen
biologischen Stationen gemacht werden, allmählich mehr Licht in diese
einstweilen noch ziemlich dunkle Seite des Fischlebens.

  [Illustration: Aal. (Nach einer Aufnahme von Jacques Boyer.)]

  [Illustration: Die Entwicklung des Aales. (Nach Grassi u.
  Calandruiccio.)]

Betrachten wir nun zunächst einmal als Beispiel für die ersterwähnte Art
der Wanderung den _Aal_ (_Anguílla vulgáris_), bei dem ja gerade
seine ausgedehnten Reisen sein ganzes Leben mit einem schier
undurchdringlichen Schleier des Rätselhaften und Geheimnisvollen umhüllt
haben, den zu lüften emsiger Forschung erst in jüngster Zeit gelungen
ist. Fortpflanzung und Wanderung sind hier nicht nur in der innigsten,
sondern auch in der seltsamsten Weise miteinander verknüpft. Lange
tappte man diesbezüglich im dunkeln und erzählte sich mehr oder minder
unsinnige Märchen nach, und daß die Forschung das große Aalproblem jetzt
in seinen Hauptzügen, wenn freilich auch noch lange nicht erschöpfend
gelöst hat, darf als einer der glänzendsten Triumphe der biologischen
Wissenschaft angesehen werden. Viel hat zu der jahrhundertelangen
Verwirrung der Umstand beigetragen, daß es lange nicht gelingen wollte,
Geschlechtsorgane bei unseren Süßwasseraalen aufzufinden, so unzählige
man auch dieserhalb untersuchte. Da kann es nicht Wunder nehmen, daß das
uralte Märchen von der Urzeugung gerade beim Aal überraschend lange in
Geltung blieb, um später durch die ebenso falsche Auffassung abgelöst zu
werden, daß der Aal lebendige Junge gebäre. Wahrscheinlich wurde sie
hervorgerufen durch die Auffindung von massenhaft im Leibe des Aals
schmarotzenden Spulwürmern (Ascaris), die bei oberflächlicher
Betrachtung wohl als Jungaale gelten konnten. Noch in den 70er Jahren
ist ein strebsamer Naturgeschichtsprofessor auf eine ihm von einem
Fischer gebrachte »Aalmutter« hereingefallen (es ist dies ein ganz
anderer Fisch, _Zoarces vivipara_, der schon seit Jahrhunderten als
lebendig gebärend bekannt ist) und hat einen sehr langen, sehr
gelehrten und schön illustrierten Aufsatz darüber in der »Gartenlaube«
veröffentlicht, um dadurch das Lebendgebären beim Aale zu beweisen. Auch
über einen vermutlichen Generationswechsel bei diesem merkwürdigen
Fische hat man viel gefabelt. In Wirklichkeit verhält sich aber die
Sache so, daß alle in unseren Süßwassern lebenden Aale überhaupt noch
nicht geschlechtsreif sind. Denn als man endlich mit Hilfe der
gesteigerten Mikroskoptechnik die Geschlechtsorgane auffand, die in
Fettmassen verborgen liegen, da stellte es sich heraus, daß sie noch
völlig unentwickelt waren. Hatten doch die Eier in den weiblichen
Geschlechtsteilen kaum einen Durchmesser von 0,1 _mm_, waren also mit
bloßem Auge gar nicht sichtbar. Da man schon längst wußte, daß ein Teil
unserer Aale im Herbst ins Meer wandert, lag die Folgerung nahe, daß die
Tiere erst dort ihre volle Geschlechtsreife erlangen und zum Laichen
schreiten. Von da an befand sich die Forschung auf dem richtigen Weg,
und es ist namentlich das Verdienst des Italieners Grassi und des Dänen
Schmidt, daß heute das Aalproblem den Nimbus des Unerklärlichen verloren
hat. Weitere Untersuchungen haben gezeigt, daß fast alle die großen Aale
unserer Binnengewässer Weibchen, also Aaljungfern sind und sich durch
silbergrauen Bauch auszeichnen, während die viel kleineren, gelb- oder
braunbäuchigen Aale an den Strommündungen und Haffen fast nur aus
Männchen bestehen. Im Alter von 3-7 Jahren -- je nach dem
Ernährungszustand -- wird die Aaljungfrau, deren ganzes Dasein bis dahin
lediglich aus Fressen und Schlafen bestand, von einer unüberwindlichen
Sehnsucht nach dem fernen Meere gepackt, in dessen tiefsten Gründen
einst ihre Kinderwiege stand. Sie begibt sich auf die Reise und findet
unterwegs eine sich ständig vermehrende Zahl von Gefährtinnen, die die
gleiche Sehnsucht vorwärts treibt. Die Wanderung vollzieht sich
namentlich in recht dunklen, stürmischen und unfreundlichen Nächten, in
denen etwa je 15 _km_ zurückgelegt werden, wird aber öfters durch Rast-
und Erholungstage unterbrochen, so daß es geraume Zeit dauert, bis man
am Ziele angelangt ist. Unzählige gehen unterwegs an der Tücke des
Menschen oder an anderen Unbilden zugrunde, aber dafür treffen die
Überlebenden in den Strommündungen mit den Männchen zusammen, so daß nun
beide Geschlechter in traulichem Verein die Reise fortsetzen können, die
noch gar weit ins Innere des Weltenmeeres hineinführt. Inzwischen haben
die Eierchen, deren jedes Weibchen 1 bis 1-1/2 Millionen bergen soll,
schon um das 2 bis 2-1/2fache an Größe zugenommen, aber erst durch die
Berührung mit dem fruchtbringenden Meer entwickeln sich nun beider
Geschlechter Organe zu derjenigen Vollkommenheit, die zur Ausübung des
Laichaktes notwendig ist. Gleichzeitig wird der Aal zum Tiefseefisch,
von Farbe dunkler und metallglänzend, mit spitzerem Kopf und weit
größeren, 1 _cm_ im Durchmesser haltenden Augen. An seine Laichplätze
stellt er ganz besondere, sehr spezifizierte Forderungen. Sie sollen in
ungefähr 1000 _m_ Meerestiefe liegen, einen Salzgehalt von 3,52 Proz.
und eine Durchschnittstemperatur von etwa 9° haben, was bei solch
erheblicher Meerestiefe von vornherein nur in der Nähe des wärmenden
Golfstroms möglich ist. Der Aal findet derartige Plätze erst weit
draußen im offenen Atlantik, in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich
von den Faröern zur Küste Spaniens erstreckt. Hier wird also Hochzeit
gefeiert in für das menschliche Auge undurchdringlichen Tiefen: die
Binnengewässer sind des jungen Aales Tummelplatz, die Meerfahrt ist
seine Brautfahrt, die Tiefe des Atlantik sein Hochzeitsbette und
wahrscheinlich auch sein Grab. Wenigstens hat man keinen der so
stürmisch zu den Freuden der Minne nach dem Meere strebenden Aale jemals
wieder in die Ströme zurückkehren sehen. Vielleicht führen sie nach der
Laichzeit noch ein unbeachtetes Dasein im grenzenlosen Ozean,
wahrscheinlicher aber gehören sie zum Stamme jener Asra, »die da
sterben, wenn sie lieben,« ähnlich wie die Neunaugen, deren Lebenslauf
ja überhaupt manche Ähnlichkeit mit dem des Aales aufweist. Ihr Dasein
hat ja auch keinen rechten Zweck mehr, denn für die Erhaltung ihrer Art
haben sie überreichlich gesorgt. Die Myriaden kleiner Krebstierchen in
der Tiefsee werden sich gierig über die Leichname herstürzen und diese
nicht nur gründlich, sondern auch so rasch vertilgen, daß sie erst gar
keine Zeit haben, durch Leichengase aufzuschwellen und an die Oberfläche
emporzukommen. Da sich also die wichtigsten Lebensvorgänge des Aales im
Meere abspielen, muß er unbedingt als ein Meeresfisch bezeichnet werden,
der erst in zweiter Linie und nebenbei auch zum Süßwasserbewohner
geworden ist. Beim Lachs verhält es sich gerade umgekehrt. Auch die
abgelegten, auffällig kleinen Eier bleiben in der Tiefe, da ihnen ein
flottierendes Element in Gestalt von beigegebenen Öltröpfchen, wie es
viele andre Fischeier haben, fehlt, und dies ist ein Grund mehr dafür,
daß sie so schwer und so selten aufgefunden werden. Ihnen entschlüpfen
nun aber keineswegs fertige Jungaale, sondern gar seltsame Wesen, die
eine Larvenform darstellen und wenigstens äußerlich so stark vom
Aaltypus abweichen, daß man sie früher unter dem Namen Leptocéphalus
breviróstris als eine eigene Art beschrieb, ohne ihren nahen
Zusammenhang mit der heiß umstrittenen Fortpflanzungsgeschichte des
Aales zu ahnen. Diese Wesen sind 6-8 _cm_ lang, haben die flache Form
eines Weidenblatts, dazu einen winzigen Kopf und eine kleine
Schwanzflosse und bestehen im übrigen fast ganz aus mächtigen
Muskelzügen. Ihr Blut ist farblos, das ganze Geschöpf wasserhell und
durchsichtig wie Glas, so daß man durch seinen Leib hindurch sogar lesen
kann. Die Tierchen kommen später bei Nacht an die Oberfläche des Meeres,
während sie sich bei Tage in Tiefen von 100-150 _m_ aufhalten.
Allmählich wandeln sie sich zum Aal, wobei verschiedene Zwischenstadien
durchlaufen werden. Der Leib wird dicker und runder, die Flossen bilden
sich aus, und schließlich ist ein Geschöpf von echtem Aaltypus fertig,
das aber etwas kürzer erscheint als die Larve (da diese zuletzt keine
Nahrung zu sich nimmt) und zunächst auch noch glashell ist. Diese
»Glasaale« begeben sich nun auf die Wanderschaft und suchen in dicht
gedrängten Zügen Strommündungen zu erreichen. Zu Milliarden finden sie
sich an geeigneten Plätzen ein, eine Erscheinung, die die Franzosen als
»_montée_«, die Italiener als »_montada_« bezeichnen. Der Bristolkanal,
der Ärmelkanal und der Busen von Biskaya sind ihre bevorzugten
Einfallspforten. Wie riesenhafte Schlangen von 1-3 _m_ Breite und
entsprechender Dicke wälzen sich diese Züge dicht an den Ufern der
Ströme entlang, getreulich alle Windungen und Krümmungen des Flußbettes
mitmachend. Hier machen sie zum ersten Male unwillkommene Bekanntschaft
mit dem Menschen, der nur mit dem Kätscher aus diesem lebenden Strome zu
schöpfen braucht, um Millionen junger Fischleben zu vernichten und sich
selbst einen flüchtigen Gaumenkitzel zu bereiten, indem er die zarten
Dinger mit Eiern zu recht wohlschmeckenden Omeletten verbäckt. Von der
fabelhaften Menge, in der die Glasaale bei solchen Gelegenheiten
auftreten, kann man sich einen ungefähren Begriff machen, wenn man hört,
daß z. B. im Severnfluß pro Fischer und Nacht nicht selten 500 Pfund
und mehr gefangen werden, wobei man etwa 1000 Jungaale auf das Pfund
rechnen kann. Die Tierchen haben sich während der langen Reise auch
schon etwas weiter entwickelt und sind jetzt namentlich stärker
pigmentiert, und bald nach dem Eintritt in die Flüsse schwindet die
Glasfarbe ganz. Der Entwicklungszustand, in dem die ihren Namen jetzt
kaum noch verdienenden Glasaale in die Flüsse eintreten, ist naturgemäß
ein sehr verschiedener, je nach der Entfernung, die sie vom
Geburtsplatze aus bis dahin zurücklegen mußten und je nach der darüber
vergangenen Zeit. Die zur Ostsee und deren Zuflüssen wandernden Jungaale
sind naturgemäß schon sehr viel weiter in ihrer Entwicklung
vorgeschritten. Meist treffen die Jungaale im Frühjahr an den Küsten
ein, nachdem ihre Verwandlung aus dem _Leptocéphalus_ zum Glasaal etwa
ein Jahr beansprucht hat. Die große Mehrzahl der Männchen bleibt in den
Brackwässern und Strommündungen zurück, während die Weibchen weiter
ziehen. Vielleicht verhält sich die Sache aber auch so, daß die
Geschlechter bei den Glasaalen überhaupt noch nicht differenziert sind,
sondern sich erst infolge der verschiedenen Ernährungsverhältnisse
später herausbilden, wonach also die größeren Weibchen auf bessere
Nahrungsverhältnisse hindeuten würden. In den Flüssen strebt die ganze
Masse geschlossen vorwärts, aber bei jedem einmündenden Nebengewässer
zweigt sich ein Teil ab, so daß die Hauptschar immer geringer wird und
schließlich das ganze Heer sich verteilt wie der Blutstrom in den Adern
eines Körpers. Entgegenstehende Hindernisse in Form von Wasserfällen
oder Wehren überwinden die kaum bindfadendicken, schwächlichen Fischchen
mit staunenswerter Rücksichtslosigkeit und Tatkraft. Mögen Tausende und
Zehntausende dabei zugrunde gehen -- ihre feuchten und schlüpfrigen
Leiber bilden dafür die Brücke, die den andern den Übergang ermöglicht.
Selbst der gewaltige Rheinfall von Schaffhausen, den die muskelstarken
Lachse nicht zu nehmen vermögen, wird von diesen zähen Fischchen
überwunden, und so erklärt es sich, daß auch im Bodensee Aale vorkommen.
Da die Anwohner der Flüsse und Binnenseen die Einwanderung der
geschätzten Fische natürlich sehr gern sehen, bemüht man sich vielfach,
den Aalen entgegenzukommen und ihnen den Aufstieg über schwer zu
überwindende Hindernisse zu erleichtern, indem man sogenannte Aalleitern
anbringt. Es sind dies im Zickzack verlaufende, feucht zu haltende
Holzrinnen, die durch Moos- oder Sandbelag Halt gewähren, oft auch mit
Rippen und Querwänden versehen sind. Auf diese Weise hat man es den
Aalen z. B. neuerdings möglich gemacht, die großen schwedischen Gewässer
oberhalb der Trollhättafälle zu besiedeln, über die sie früher nicht
hinwegzukommen vermochten. In besonders raffinierter und geschickter
Weise aber haben schon seit alten Zeiten italienische Fischer in dem im
südlichen Podelta gelegenen Lagunenstädtchen Comacchio die eigenartige
Naturgeschichte des Aales praktisch zu nutzen verstanden, sozusagen
instinktiv, ohne doch jene zu kennen. Man hat dort in den ausgedehnten
Lagunen ein großartiges System von Schleusen und Kanälen angelegt,
derart, daß die eintretende »_montada_« durch Beeinflussung mit Licht
usw. in die Becken gelockt wird, worauf man den Rückweg absperrt. Die
jungen Aale entwickeln sich nun unter sorgfältiger Hege während der
nächsten Jahre, aber wenn sie dann der Wandertrieb ergreift und sie zum
Meere herabziehen wollen, geraten sie in die Sammelbecken, wo sie
herausgenommen und geschlachtet werden. 500 Beamte beansprucht die
Verwaltung dieses berühmten Aalstaates von Comacchio, liefert dafür aber
auch jahraus jahrein durchschnittlich 5 Millionen Pfund vorzüglichsten
Aalfleisches. Nicht nur die italienischen Großstädte werden von hier aus
versorgt, sondern ein guter Teil der gefangenen Aale wandert sogar in
die Räuchereien Norddeutschlands. Denn hier wird der schmackhafte Fisch
leider immer seltener, besonders im Ostseegebiet, was ja erklärlich
erscheint, wenn man berücksichtigt, welch unzählige Fährlichkeiten die
vielverfolgten Aale auf den weiten Reisen von und nach den entlegenen
Brutplätzen zu bestehen haben. Überdies ist man gerade in Westpreußen
vielfach so töricht gewesen, die Abflüsse der Seen durch Dämme zu
sperren und so den Aalen die Rückwanderung unmöglich zu machen, und sie
sind dann dort natürlich ausgestorben. Unter diesen Umständen ist es mit
großer Freude zu begrüßen, daß die preußische Regierung neuerdings
Millionen von Glasaalen aus dem Bristolkanal lebend nach norddeutschen
Gewässern überführen ließ, wobei freilich anfangs tüchtig Lehrgeld
gezählt werden mußte. Nach all dem Gesagten ist es wohl klar, daß
eingeborene Aale nur in solchen Gewässern vorkommen können, die in einer
wenn auch noch so weitläufigen und verzweigten Verbindung mit dem Meere
stehen. Der oft gehörte Einwand, daß auch in völlig abgeschlossenen
Teichen Aale gefunden wurden, läßt sich leicht entkräften durch die
Erfahrungstatsache, daß häufig junge Fischchen durch Wasservögel im
Gefieder oder an den Rudern in fremde Gewässer verschleppt werden. Sie
müssen dort aber ebenso wie künstlicher Einsatz wieder aussterben, falls
nicht rechtzeitig für frische Zufuhr gesorgt wird. Die in solchen
Gewässern eingesperrten oder auf der Reise verirrten Aale werden
schließlich zu alten Jungfern mit verkümmerten Geschlechtsorganen,
erreichen dafür aber eine riesenhafte Größe und ein Gewicht von 15 und
mehr Kilogramm, während es sonst bei 3/4-1-1/2 _m_ Körperlänge nicht
leicht über 5 _kg_ beträgt und die Männchen kaum länger als 45 _cm_
werden, also für Küchenzwecke wenig in Betracht kommen. Das weiße
Fleisch des Aals ist zwar nicht leicht verdaulich, aber sehr fett und
äußerst wohlschmeckend, und wird sowohl in frischem Zustande wie
geräuchert oder mariniert allenthalben hoch geschätzt. An seinen
Wohnplätzen im Binnenlande führt der Aal ein recht beschauliches Leben
und nimmt bei seiner Gefräßigkeit rasch zu. Am liebsten sind ihm etwas
tiefere Gewässer mit weichem Untergrund, in den er sich bei Tage tief
einwühlt. Doch kommt er auch an allen möglichen anderen Örtlichkeiten
vor. So fand ich ihn auf Teneriffa in ganz kleinen Rinnsalen zwischen
felsigem Gestein, wo man ihn mit der Hand greifen konnte, nachdem der
Hund sein Versteck gemeldet hatte. Auch am Bristolkanal jagt man bei
Ebbe die im Meeresschlick zurückbleibenden Aale mit Hilfe von besonders
darauf dressierten Terriers. Bei uns ist die üblichste und ergiebigste
Fangart für Aale diejenige mit Reusen. Der Aal ist ein ausgesprochenes
Nachttier, verläßt also erst mit Einbruch der Dunkelheit seinen
Schlupfwinkel, um Nahrung aufzusuchen. Wegen seines kleinen Maules kann
er zwar große Bissen nicht bewältigen, hält sich aber dafür durch die
Menge des Verzehrten schadlos. Auf Fischlaich ist er sehr erpicht und
pfropft sich damit, wenn er ihn haben kann, bis zum Platzen voll, ist
deshalb in Zuchtteichen ein sehr ungern gesehener Gast. Ebenso haben die
frisch gehäuteten, also weichen Krebse in ihm einen bösen Feind, und er
vermag die schmackhaften Kruster durch fortgesetzte Verfolgung noch
gründlicher auszurotten als die gefürchtete Krebspest, zumal er sich mit
seinem geschmeidigen Schlangenleib durch unglaublich enge Spalten und
Ritzen hindurchzuzwängen, ja gewissermaßen hindurchzubohren vermag.
Seine ungemein schlüpfrige und schleimige Haut, in der die kleinen
Schuppen ganz versteckt sitzen, und die ihm bei Gefahr manchmal das
Leben retten mag, kommt ihm dabei auch sehr zustatten. Daß er eine
erstaunliche Lebenszähigkeit besitzt, hat wohl schon jede Köchin zu
ihrem Leidwesen erfahren. Recht gern geht er auch an Aas. Immer und
immer wieder liest oder hört man, daß die Aale in feuchten Nächten
Spaziergänge auf die den Teichen benachbarten Felder unternehmen sollen,
um sich an den Erbsen gütlich zu tun. Die moderne Wissenschaft erklärt
das kurzweg für ein Märchen, aber es ist insofern etwas Richtiges daran,
als der Aal in der Tat infolge besonderer Schutzvorrichtungen an den
Kiemen (sie stehen nur durch 1-2 schmale Seitenspalten mit der Außenwelt
in Verbindung, sind also nicht so leicht dem Austrocknen preisgegeben)
ziemlich lange außerhalb des Wassers auszuhalten vermag, und dieses auch
manchmal freiwillig verläßt, wenn ihm der Aufenthalt in dem feuchten
Elemente aus irgendwelchen Gründen ungemütlich wird. Dies ist z. B. bei
elektrischen Entladungen der Fall, gegen die alle niedrig stehenden
Fische eine außerordentlich große Empfindlichkeit an den Tag legen.
Merkwürdig ist weiter die große Lichtscheu des Aales. Durch grelle
Beleuchtung kann man ihn an jeden beliebigen Platz scheuchen, und
hierauf beruht auch der Vorschlag des genannten dänischen Forschers
Schmidt, alle zum Meer wandernden Aale in den Ostseeländern mit Hilfe
von Scheinwerfern abzufangen und dafür alljährlich frische Glasaale
einzusetzen, ein Vorschlag, der glücklicherweise selbst der beteiligten
Fischereibevölkerung zu radikal erschienen ist. Interessant wie alles am
Aale ist endlich auch noch seine Verbreitung. Sie ist eine sehr große,
aber in allen zum Kaspi oder zum Schwarzen Meere abwälzenden
Stromsystemen (Donau!) fehlt er völlig. Es ist das auch ohne weiteres
erklärlich, da der isolierte Kaspi viel zu seicht ist, als daß er den
Aalen geeignete Laichplätze bieten könnte, und da das Schwarze Meer
schon in einer Tiefe von 2-300 _m_ derart mit Schwefelwasserstoffgas
gesättigt ist, daß die Larven darin gar nicht zu leben vermöchten.
Allerdings hat man Jungaale mit Erfolg in der Donau eingebürgert, und es
mögen auch einige durch die künstlichen Wasserstraßen vom Maingebiet her
einwandern oder vom Mittelländischen Meere aus durch den Bosporus in die
Donaumündung gelangen.

  [Illustration: Kopf eines Rheinlachses mit schwach ausgebildeten
  Haken. (Naturaufnahme von _Dr._ E. Bade.)]

Ein gutes Gegenstück zum Aale in bezug auf Wanderung und Laichgeschäft
ist der gleichfalls so hoch geschätzte _Lachs_ (_Sálmo sálar_). Wenn im
zeitigen Frühjahr unsere Küsten eisfrei werden, erscheinen daselbst aus
tieferen und mehr nördlich gelegenen Meeresteilen fortpflanzungsfähige
Lachse in Trupps zu 30-40 und halten sich zunächst noch längere Zeit an
den Strommündungen und in den Haffen, überhaupt möglichst im Brackwasser
auf, um sich an den Übergang aus dem Salz- ins Süßwasser allmählich zu
gewöhnen, da ein zu plötzlicher Wechsel ihrem Organismus nicht
zuträglich ist, vielmehr oft ihren Tod zur Folge hat, wie auch durch
Versuche nachgewiesen wurde. Nach dieser Übergangszeit aber steigen sie
in den Flüssen selbst aufwärts als wohlgenährte, kraftstrotzende und
lebensfrohe Tiere mit schiefergrauem Rücken, silberigen Seiten und weiß
schimmerndem Bauch. In diesem Zustande heißen sie bei den Fischern Salme
und werden besonders geschätzt, deshalb auch eifrig weggefangen. Manche
bleiben auch ein ganzes Jahr im unteren Teil der Ströme, überspringen
also eine Laichperiode und bekommen dann als sogenannte Winterlachse ein
besonders zartes, schön rot gefärbtes Fleisch. Die große Mehrzahl aber
wandert gleich weiter und legt nun unterwegs das Hochzeitskleid an, das
bei ganz alten Milchnern in den herrlichsten Farben prangt: der Rücken
wird tief schwarz mit Sammetglanz, die Flanken erscheinen übersät mit
lose hingetupften, brennendroten, bisweilen zu Zickzacklinien
verfließenden Flecken, der Bauch prangt in lebhaftem Orangerot, über die
Seiten huschen grünliche Lichter, und die Flossen werden teilweise
wunderbar chromgelb. Übrigens ändert die Gesamtfärbung bei allen
lachsartigen Fischen ganz außerordentlich ab, wodurch ihre genaue
Beschreibung sehr erschwert wird und dem Systematiker viele
Verdrießlichkeiten erwachsen, zumal auch schon in freier Natur
zahlreiche Verbastardierungen vorkommen, so daß bezüglich einer strengen
Scheidung der einzelnen Arten auch heute noch vielfach Unklarheiten
herrschen. Alter, Geschlecht, Jahreszeit, Ernährungsverhältnisse, Klima,
Beschaffenheit des Wassers und des Untergrundes scheinen die dabei
maßgebenden Faktoren zu sein. Selbst Skelett, Flossenstrahlen und
Bezahnung, also Körperteile, die bei anderen Fischen als unverrückbar
feststehend gelten, und deshalb sichere Artkennzeichen abgeben, sind
mannigfachen Veränderungen unterworfen. Gleichzeitig mit dem Auftreten
der prangenden Hochzeitsfarben verdickt sich beim männlichen Lachse die
Oberkopf- und Nackenhaut schwartenartig, so daß die kleinen Schuppen
völlig darin verschwinden, die Schnauze streckt sich, und der
Unterkiefer wächst sich zu einem eberzahnartig nach oben gebogenen Haken
aus, der 6 _cm_ lang werden und dann das Schließen des Maules unmöglich
machen kann (Hakenlachs). Die bedeutsamsten Veränderungen gehen aber im
Inneren des Körpers selbst vor, indem nach und nach die
Geschlechtsorgane zu einer fabelhaften Mächtigkeit entwickelt werden.
Machten sie vorher nur 1/2 Proz. des Körpergewichtes aus, so jetzt 25
Proz. und mehr! Diese einseitige Bereicherung erfolgt ganz auf Kosten
der feisten Rumpf- und namentlich Seitenmuskulatur, die förmlich
zusammenschrumpft, und so wird aus dem wohlgenährten Salm in kurzer Zeit
ein zwar bunter, aber klapperdürrer Geselle. Während bisher die Reise
nur langsam und zögernd, im gemächlichen Bummeltempo vor sich ging,
ergreift nun die von reifen Geschlechtsprodukten strotzenden Fische ein
schier unbändiger Wandertrieb, der sie alle Hindernisse überwinden und
rücksichtslos das Leben aufs Spiel setzen läßt, um das Ziel ihrer
Sehnsucht baldmöglichst zu erreichen. Zur leichteren Überwindung des
Wasserwiderstandes ordnen sie sich wie Kraniche oder Wildgänse zu
keilförmigem Zuge, wobei das älteste und stärkste Exemplar die Spitze
nimmt. Stellt sich ein Wehr oder Wasserfall entgegen, so schwimmen die
Fische bis unmittelbar an seinen Fuß heran, stützen sich mit der
Schwanzflosse auf einen Stein und schnellen sich dann durch einen
gewaltigen Muskeldruck mit halbmondförmig gekrümmtem Körper aus dem
Wasser heraus und über das Hindernis hinweg, wobei sie Sprünge von 3-4
_m_ Höhe und 5-6 _m_ Weite im Bogen vollführen. Mißlingt der erste, so
wird er unzählige Male wiederholt, bis das Wagnis endlich doch glückt
oder der Lachs mit zerschundenem Leibe sterbend auf dem trockenen Felsen
liegt. Nur sehr bedeutende Wasserfälle, wie der Schaffhausener, können
vom Lachse nicht überwunden werden, der deshalb auch dem Bodensee fehlt.
Das Allermerkwürdigste bei dieser harten und entbehrungsreichen
Brautfahrt ist aber der Umstand, daß die Lachse während ihrer ganzen,
sich über 4-6, ja selbst 10-12 Monate erstreckenden Dauer anscheinend
keinerlei Nahrung zu sich nehmen, sich also förmlich als Hungerkünstler
produzieren. Wenigstens hat man in ihrem Leibe noch niemals
Nahrungsreste irgendwelcher Art gefunden, vielmehr die Beobachtung
gemacht, daß Magen und Darm eintrocknen, keine Ausscheidungen mehr
liefern und selbst das Gebiß durch Nichtgebrauch verkümmert. Und daß
Lachse tatsächlich ein volles Jahr zu fasten vermögen, beweist ein von
Paton 12 Monate lang gefangen gehaltenes, nur 5pfündiges Exemplar, das
in dieser Zeit niemals gefüttert, wohl aber zweimal zum Befruchten von
Rogen abgestrichen wurde. Unser Wanderfisch ohnegleichen, der sich allen
Hindernissen zum Trotz im Kampf gegen Wehre, Schleusen und
Stromschnellen den Weg vom Meer zum Fels bahnt, ist also auch ein
Hungerkünstler, der Succi und Genossen weit übertrifft. Es handelt sich
hier um eines der größten und interessantesten Fastenexperimente, das
die Physiologie kennt. Bis in die kleinsten Gebirgsbäche hinauf wird die
Reise ausgedehnt, und nicht selten erreicht der Lachs dabei Meereshöhen
von 1000 _m_ und mehr. Wo reines, sauerstoffreiches Wasser flach über
kiesigen Untergrund strömt, da erscheint den weitgereisten Wanderern
endlich die Gelegenheit günstig, sich ihrer sie belastenden
Geschlechtsprodukte zu entledigen. In der Regel steht ein Rogner mit
einem alten und mehreren jungen Milchnern zusammen. Durch energisches
Fegen mit der Schwanzflosse schafft sich das Weibchen eine Laichgrube
und setzt in diese nach und nach seine 10-30000 rotbraunen Eier ab, die
von dem daneben liegenden oder etwas oberhalb im Wasser stehenden
Männchen sofort besamt und dann mit Sand oder Kies oberflächlich wieder
verdeckt werden. Die Tiere gehen in ihrer Buhlschaft, die sich 8-14 Tage
hinziehen kann, völlig auf, haben für nichts anderes mehr Sinn und
lassen sich an seichten Plätzen sogar mit Händen greifen. Das alte
Lachsmännchen ist während dieser Zeit eifersüchtig wie ein Türke, nimmt
jede Störung furchtbar übel und schießt wie ein böser Bullenbeißer auf
alles los, das seinen Unwillen erregt. Mit Geschlechtsgenossen der
eigenen Art setzt es dann erbitterte Kämpfe ab, bei denen das Blut
fließt und nicht selten einer der beiden Duellanten tot auf dem Platze
bleibt, während die jungen »Spetzker« die günstige Gelegenheit benutzen,
auch von den Freuden der Minne zu kosten, so daß wir hier ähnliche
Verhältnisse vor uns haben, wie zwischen Platzhirsch und Spießer. Bei
solchen Raufereien kommen dann Schwartenpanzer und Eberzahn zu ihrem
Recht. Das anstrengende Laichgeschäft erschöpft die letzten Kräfte der
vielgeprüften Fische. Zum Skelett abgemagert, todesmatt, mißfarbig
treten sie den Rückweg zum fernen Meere an, lassen sich vielmehr fast
ohne eigenes Zutun von der Strömung dorthin treiben, und nicht wenige
gehen dabei vor Erschöpfung zugrunde. Das Fleisch solcher Lachse ist fad
und weichlich geworden und durchaus kein Leckerbissen mehr, gilt
vielmehr als nahezu ungenießbar. Wieder im nahrungsreichen Meere
angekommen, erholen sie sich aber rasch, fressen nun tüchtig und nehmen
dadurch in einer Weise zu, die selbst im Reich der Fische einzig
dasteht. So wurde ein im Februar 1908 in England gefangener 8pfündiger
Lachs gezeichnet, und nach genau einem Jahre als fetter 20pfündiger
Bursche wieder gefangen. Der in den Gebirgswassern abgesetzte Laich
braucht geraume Zeit bis zum Ausschlüpfen, nämlich je nach den
Temperaturverhältnissen des Wassers 3-5 Monate. Die jungen Lachse leben
dann im allgemeinen etwa zwei Jahre an ihrem Geburtsorte oder in dessen
Nähe, bis sie gegen 40 _cm_ lang geworden sind und den schönen
Silberglanz bekommen, worauf sie langsam die Wanderung nach dem Meere
antreten, um sich hier tüchtig an Krebstieren, Gewürm, Muscheln und
kleinen Fischen zu mästen und die Geschlechtsreife zu erhalten, worauf
sie sich dann zum ersten Male auf die beschwerliche Brautfahrt begeben.
Unbedingt notwendig ist übrigens für die Lachse der hier geschilderte
fortwährende Wechsel zwischen Salz- und Süßwasser nicht, denn es gibt
auch Lachse in völlig abgeschlossenen Wasserbecken, wo sie dann
lediglich die seichte Uferzone zum Laichen aufsuchen. Über verschiedene
andere mit der Wanderung zusammenhängende Fragen gibt am besten der
Fisch selbst Auskunft, und zwar durch das Tagebuch, das er auf seine
Schuppen schreibt. Wir wissen ja, daß die Schuppen der Fische sogenannte
_Jahresringe_ aufweisen, nämlich regelmäßig abwechselnde Zonen
schnelleren und langsameren Wachstums, die reichlichen oder spärlichen
Ernährungsperioden entsprechen und sich mit den bekannteren Jahresringen
der Bäume vergleichen lassen, wie man auch nach ihnen gerade wie bei
diesen das Alter der Fische mit annähernder Sicherheit bestimmen kann.
Hutton hat nun herausgefunden, daß der frisch ins Meer eingewanderte
Junglachs auf der Schuppe deutlich zwei Zonen mit eng zusammengedrängten
konzentrischen Linien erkennen läßt. Sie entsprechen je einem
Winteraufenthalt im Süßwasser mit seiner knappen Ernährung. Später
schließt sich dann eine Zone an, in der die Linien ganz auffallend weit
auseinander stehen: der Fisch ist sehr rasch gewachsen, denn das Meer
bot ihm seinen Nahrungsreichtum dar. Aber auch dieser wird im Winter
spärlicher oder nicht in gleichem Maße ausgenutzt, und so markiert sich
jeder im Meer zugebrachte Winter wieder durch eine Zone eng beisammen
liegender Linien. Dadurch wird es ermöglicht, genau festzustellen, wie
viel Winter, bzw. Jahre der Lachs im Meere verbringt, ehe er erstmals
zum Laichen in die Flüsse emporsteigt, und es hat sich herausgestellt,
daß die in die Flußmündungen eintretenden kleinsten Lachse 1-3
Winterringe auf den Schuppen tragen. Die lange Fastenzeit im Süßwasser
wird dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die Schuppen sich auffasern und
aussehen, als seien sie schadhaft geworden. Diese abgeriebene Zone
bleibt stets erkennbar, auch wenn sich wieder neue Linien angesetzt
haben, und es hat sich so ergeben, daß der Lachs seine entbehrungsreiche
Brautfahrt nicht alljährlich unternimmt, sondern sich bisweilen ein Jahr
der Ruhe und Kräftigung im Meere vergönnt. Zu seinem Wohlbefinden
beansprucht der Lachs vor allem eins: reines, ungetrübtes Wasser, und er
ist deshalb aus unseren durch die Industrie verseuchten Gewässern leider
so leicht zu vertreiben wie kaum ein anderer Fisch. Fast wie eine Sage
mutet es uns an, daß einst in Hamburg, Pommern, West- und Ostpreußen die
Dienstboten sich verbaten, mehr als zweimal wöchentlich Lachsfleisch
vorgesetzt zu erhalten, denn inzwischen ist der Lachsfang bei uns ganz
gewaltig zurückgegangen und auch das Aussetzen künstlich erzielter Brut
hat das köstliche Lachsfleisch, das in nordischen Ländern noch heute
vielfach Volksnahrungsmittel ist, noch nicht wieder verbilligen können.
Immerhin liefert der Lachsfang an der ostpreußischen Küste und der
Salmfang am Niederrhein auch jetzt noch recht schöne Erträge. Im Norden
ist der wertvolle Fisch, dessen Verbreitungsgebiet auch nach der Neuen
Welt hinübergreift, weit zahlreicher als bei uns, fehlt dagegen südlich
der Alpen, kommt also in allen sich ins Mittelmeer ergießenden Strömen
nicht vor. Es ist wohl anzunehmen, daß die heutige Verbreitung der
lachsartigen Fische auf die Einflüsse der letzten Eiszeit zurückzuführen
ist. Ursprünglich im hohen Norden heimisch und an ein kaltes Klima
gewöhnt, wanderten die Salmoniden mit den vorrückenden Gletschern nach
Mitteleuropa, und als die Gletscher wieder wichen, blieb ein Teil der
Einwanderer in den kühleren Gewässern zurück, und die dadurch
entstehende Isolierung begünstigte die Entwicklung zahlreicher nahe
verwandter Formen, während andere zu Wanderfischen wurden. So ist der
Lachs und seine Sippschaft ein köstliches Geschenk, das uns die Eiszeit
beschert hat. Der Fang des Lachses wird auf die verschiedenste Weise
betrieben. Besonders aufregend und unterhaltend ist das Speeren bei
Fackelschein. In England hat sich das Lachsangeln zu einem
aristokratischen Sport herausgebildet, der geradezu fanatische, vor
keinem Opfer zurückschreckende Anhänger zählt. Allenthalben in der
nordischen Welt trifft man diese englischen Lachsangler an. »Hoch oben
in der Nähe des Nordkaps habe ich sie sitzen sehen, diese
unverwüstlichen Fischer, mit einem aus Mücken gebildeten Heiligenschein
umgeben, eingehüllt in dichte Schleier, um sich vor den blutgierigen
Kerfen wenigstens einigermaßen zu schützen. In der Nähe ansprechender
Stromschnellen hatten sie Zelte aufgeschlagen, inmitten der
Birkenwaldungen auf Wochen mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen sich
versehen, und standhaft wie Helden ertrugen sie Wind und Wetter,
Einsamkeit und Mücken, schmale Kost und Mangel an Gesellschaft, zahlten
auch ohne Widerrede den Besitzern eine Pacht von Tausenden von Mark für
das Recht, sechs Wochen lang hier fischen zu dürfen, und gaben außerdem
noch den größten Teil ihrer Beute unentgeltlich den Besitzern der
benachbarten Höfe ab.« (Brehm.)

Eine nahe Verwandte des Lachses ist das wertvollste Kleinod unserer
Gebirgswässer, die vielgerühmte _Forelle_ (_Trútta fário_). Sie ist aber
im Gegensatz zu ihm Standfisch oder wandert doch nur zur Laichzeit ein
wenig flußaufwärts, wobei sich beide Geschlechter getrennt halten, sich
schließlich aber doch wieder mit Sicherheit zusammenfinden. Erfahrene
Fischer wollen sogar eine gewisse Zuneigung der einzelnen Individuen zu
ganz bestimmten Artgenossen festgestellt haben und behaupten, daß die
Paare innig zusammenhalten und die Laichgrube gegen fremde Eindringlinge
gemeinsam auf das wütendste verteidigen. Bei diesen Eifersuchtskämpfen,
die mit dem scharfen Gebiß ausgefochten werden, gibt es Wunden und
Schrammen genug, und man findet deshalb nach Beendigung der Laichzeit
selten eine ganz unverletzte Forelle. Eingeleitet wird der Laichakt
durch reizende Schwimmspiele, wobei sich die Tiere in eleganten
Wendungen gegenseitig umschwimmen, zart aneinander reiben und durch die
gewagtesten Drehungen ihre schöne Färbung zur Geltung zu bringen suchen.
Der Laichakt selbst vollzieht sich in ganz ähnlicher Weise wie beim
Hecht. Das Weibchen bereitet das Laichbett, indem es sich rasch von
einer Seite auf die andere wirft, durch kräftige Schwanzbewegungen die
Kiesel beiseite fegt oder solche wohl auch mit dem Maule entfernt. Sind
die orangefarbenen Eier abgelegt und befruchtet, so werden von beiden
Gatten gemeinsam mit aller Kraft Kieselsteinchen auf das Laichbett
geschleudert, die sich oft zu einem kleinen Hügel auftürmen. Die
Gesamtzahl der Eier beträgt nur etwa 1000, und sie werden in größeren
Zwischenräumen abgelegt, so daß sich das Laichgeschäft, das meist in die
Wintermonate fällt, über eine volle Woche hinzieht. Erst nach frühestens
zwei Monaten entschlüpfen die anfangs recht unbehilflichen und durch den
großen Dottersack in ihren Bewegungen sehr behinderten Jungen. Da, wo
klares, sauerstoffreiches Wasser über Moos, Kiesel und Felstrümmer rasch
dahinströmt, dazwischen ruhigere Stellen mit tieferem Wasser sich
finden, überhängende Uferränder gute Schlupfwinkel abgeben und am Rande
stehende Bäume die Oberfläche beschatten, fühlt sich die Forelle am
wohlsten, und sie steigt an solchen Örtlichkeiten selbst bis zur
Schneegrenze aufwärts, bleibt dann allerdings wegen der knappen Nahrung
stets auffällig klein. Doch vermag sie sich auch allen möglichen anderen
Verhältnissen anzupassen, wenn nur durch lebhaften Wellenschlag für eine
genügende Anreicherung des Wassers mit Sauerstoff gesorgt ist. So
gedeiht sie recht gut in entsprechenden Teichen, die von kalten Quellen
gespeist werden. Unsere Forellenbestände sind durch schonungslose
Überfischerei und durch Vergiftung der Bäche mit Fabrikabwässern leider
schon so stark zurückgegangen, daß der wohlschmeckende Fisch, für den
namentlich in »modernen« Touristengegenden oft ganz märchenhafte Preise
bezahlt werden müssen, heute nur noch die Tafel der Reichen schmückt.
Ehemals war das ganz anders, und im östlichen Montenegro z. B. lernte
ich die Forelle auch jetzt noch als ein billiges Volksnahrungsmittel
kennen. Nebenbei gesagt, war in den betreffenden Gegenden auch die
Wasseramsel überaus häufig, die von unseren Fischzüchtern so vielfach
als die schlimmste Feindin der Forelle hingestellt wird. Wenige Fische
sind so menschenscheu und vorsichtig wie die Forelle. Nur wenn ringsum
alles ganz ruhig ist, kommt sie aus ihrem Versteck zwischen Baumwurzeln
oder Steinen heraus und stellt sich mit dem Kopfe gegen die Strömung,
indem sie sich durch richtig abgemessene Schläge der Brustflossen und
schraubenartige Bewegungen der Schwanzflosse stundenlang auf der
gleichen Stelle erhält und geduldig darauf lauert, ob nicht ein
günstiger Zufall ein Beutetier vorüberführen oder ein Insekt ins Wasser
wehen wird. Nach über dem Wasser tanzenden Mücken oder Eintagsfliegen
springt der Fisch auch aus seinem Elemente heraus und erhascht die
Ahnungslosen mit geschickter Wendung. Bei dem geringsten Anzeichen von
Gefahr aber schießt die Forelle pfeilschnell ihrem Schlupfwinkel zu,
tauscht diesen gleich darauf mit einem anderen und ist so gar nicht
leicht ausfindig zu machen, obgleich sie als ein überaus zäher
Standfisch bei Tage aus einem Gebiet von etwa 20 _m_ Bachlänge kaum
herausgeht. Bei Nacht schweift sie auf der Nahrungssuche weiter umher
und zeigt sich dann als ein tüchtiger Räuber, der selbst der eigenen
Nachkommenschaft nicht schont. Wie gefräßig die Forellen sind, geht
daraus hervor, daß man schon Stücke gefangen hat, denen noch das
Schwanzende einer erst halb verdauten Ringelnatter zum Maule heraushing,
da die verzehrte Schlange doppelt so lang war als der Fisch. Im
allgemeinen gelten bei uns mehr als halbmeterlange Forellen als eine
Seltenheit. Doch sind auch schon mehr als meterlange Exemplare mit
entsprechendem Gewicht vorgekommen. Der Feinschmecker wird ihnen stets
die kleinen Portionsforellen vorziehen. Die ansprechende Färbung mit der
hübschen Tüpfelzeichnung wechselt fast in noch höherem Maße als beim
Lachs, und diese Verschiedenheit erstreckt sich sogar auf das Aussehen
des Fleisches, das alle Zwischenstufen vom reinsten Weiß bis zum schönen
Lachsrot durchlaufen kann. Die englischen Sportfischer behaupten, daß
das Fleisch um so röter werde, je mehr phosphorhaltige Nahrungsmittel
der Fisch vertilge. Auch sollen die am schönsten gefärbten und am
lebhaftesten gefleckten Forellen das weißeste Fleisch haben und
umgekehrt, Teichforellen ein röteres als die in steinigen Bächen
lebenden. In Torfgewässern trifft man fast schwarze Forellen, in
unterirdischen Wasserläufen, so in von einem Bach durchströmten
Tunneldurchschlägen, nicht eben selten Albinos oder auch blinde
Exemplare, in kleinen Gebirgsbächen die am hübschesten gezeichneten. In
seiner Jugend hat unser Fisch, dessen Farbstoffe auch in die Flossen
eintreten, Bänderzeichnung aufzuweisen. Nach den Untersuchungen Wagners
unterscheiden sich diese Jugendbänder ihrer Pigmentierung nach nicht
quantitativ, sondern nur qualitativ von den übrigen Partien der
Oberhaut; sie sind also nicht aus einer größeren Anzahl von
Chromatophoren (Farbstoffzellen in der Haut) zusammengesetzt, sondern
diese befinden sich in einem anderen Zustande der Ausdehnung, können
unabhängig von denjenigen des übrigen Körpers tätig sein und werden auf
besondere Art mit Nervenfasern versorgt. Das Plasma der orangeroten
Zellen ist von einer ölartigen Masse erfüllt, die dem Dottersacköl der
Embryonen sehr nahe steht, vielleicht sogar mit ihm gleichbedeutend
ist. Sie bilden in ihrem Inneren die später außenzelligen
Liptochromtröpfchen, die die roten Tupfen der älteren Forellen
zusammensetzen. Zur Laichzeit werden diese auf dem Bauch mehr oder
minder schwärzlich und besitzen jederzeit ein ziemlich starkes
Farbanpassungsvermögen. Bei uns darf die Forelle (sie hieß früher
»Fohre«, im Bayrischen jetzt noch »Föhrchen«, und in Mitteldeutschland
wird ihr moderner Name vielfach noch auf der ersten Silbe betont) wohl
als der beliebteste Angelfisch gelten, da sie in ihrer Raubgier gut auf
den Insektenköder oder auf die künstliche Fliege geht. Ihr zartes, von
den Alten merkwürdigerweise nicht gewürdigtes, fein nußartig
schmeckendes Fleisch wird in Deutschland in der Regel blau gesotten, in
Oesterreich dagegen meist gebacken --in meinen Augen eine Barbarei. In
jüngster Zeit sind die Forellenbestände mancher Gegenden durch die
eigenartige Taumelkrankheit arg mitgenommen und gefährdet worden.
Verursacht wird diese Seuche durch einen in den inneren Geweben,
besonders aber im Gehirn schmarotzenden, winzigen Algenpilz, den
_Ichthyophonus hoferi_, wie er zu Ehren Hofers heißt, der die
Taumelkrankheit 1893 erstmalig beschrieb. Merkwürdig ist, daß die Fische
immer nur in einem gewissen Lebensalter von der sich zuerst durch
Dunkelfärbung des Schwanzendes kenntlich machenden Krankheit ergriffen
werden.

Glücklicherweise ist gerade die Forelle in hohem Maße für die
_künstliche Fischzucht_ geeignet. Hat diese auch nicht all die
überschwenglichen Hoffnungen erfüllt, die man in der ersten Begeisterung
auf sie gründete, so darf sie doch schon heute als ein
volkswirtschaftlich nicht unbedeutender Faktor und als ein geeignetes
und wirksames Mittel gelten, der drohenden Verödung unserer Gewässer
entgegenzuwirken. Obwohl bereits zur Zeit des 7jährigen Krieges der
Mathematiker, Landwirt und Landeshauptmann Jacobi im Lippeschen die
Grundzüge der künstlichen Fischzucht und ihre Bedeutung richtig
erkannte, geriet seine Entdeckung doch wieder in Vergessenheit, da die
Zeiten zu bewegt, eine Presse zur raschen und allgemeinen Verbreitung
gemeinnütziger Ideen kaum vorhanden war, und da es vor allem noch keinen
Mangel an Fischen gab. Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts kamen
zwei einfache französische Fischer, Remy und Gehin, erneut auf den guten
Gedanken, der nun in dem Pariser Professor Coste einen begeisterten
Propheten und in Napoleon _III._ einen verständnisvollen Förderer fand.
Sein etwas voreiliges Versprechen, in wenigen Jahren ganz Frankreich mit
Edelfischen zu bevölkern und jedem Franzosen eine stattliche Forelle auf
den Sonntagstisch zu zaubern, vermochte Coste freilich nicht einzulösen,
wie überhaupt die ganze Sache in Deutschland bald kräftiger und
praktischer entwickelt wurde. In sehr hoher Blüte steht sie heute in der
Schweiz, wo 180 Brutanstalten in Betrieb sind und jährlich einige 50
Millionen Jungfische verschiedener Art liefern. Früher brachte man Rogen
und Milch, die durch sanftes Streichen an der Bauchseite der Tiere
gewonnen werden, im Wasser zur Berührung, wobei sich eine Befruchtung
von etwa 50 Proz. ergab, immerhin ein großer Fortschritt gegen die
natürlichen Verhältnisse, wo nicht viel mehr als 10 Proz. der Eier
wirklich befruchtet werden. Seit man aber dazu übergegangen ist, die
Geschlechtsprodukte ohne Wasserzusatz trocken mit einer Gänsefeder zu
verrühren und die Eier zunächst in ein Sieb zu entleeren, aus dem der
mit ausfließende und sie schädigende Harn abfließen kann, hat man das
sehr befriedigende Ergebnis von 90 Proz. Befruchtung erzielt. Die Eier
quellen nämlich im Wasser rasch auf und sind dann für die Samenfäden
nicht mehr zugänglich. Bei der ganzen Manipulation muß man fix
verfahren, denn die Samenfäden der Fische haben nur eine sehr kurze
Lebensdauer und Bewegungsfähigkeit. Sie soll bei der Forelle nur 40,
beim Lachs nur 45 Sekunden betragen, beim Karpfen und Barsch größer sein
und beim Hecht sich gar über vier Minuten erstrecken. Nachdem die Eier
mit Wasser übergossen wurden (unbefruchtet gebliebene verraten sich bald
durch weiße Farbe), kommen sie in die Brutkästen, die fortwährend von
frischem, schlammfreiem und sauerstoffreichem Wasser durchspült werden,
das ständig auf gleicher Temperatur zu halten ist. Vor Erschütterungen
sind die Eier sorgsam zu bewahren, auch ab und zu abzubrausen, um eine
Verschleimung zu verhüten, und täglich müssen abgestorbene oder
verpilzte Eier ausgelesen und entfernt werden. Sobald dann erst die
Augenpunkte der Embryonen sichtbar werden, sind die Eier weniger
empfindlich. Die Milch eines Männchens genügt, um die Eier mehrerer
Rogner zu befruchten. Trotzdem scheinen in freier Natur, wie überhaupt
bei den meisten Fischen, mehr Männchen als Weibchen vorhanden zu sein,
und man hat daraus schließen wollen, daß die Fische in Polyandrie
(Vielmännerei) leben, soweit von einer solchen bei einer nur äußerlichen
Vereinigung der Geschlechtsprodukte überhaupt die Rede sein kann.
Bezüglich des Geschlechts der Nachzucht soll nach den Erfahrungen der
Aquarienfreunde an ausländischen Zierfischen die Temperatur maßgebend
sein, in der die Elterntiere gehalten wurden. Bei warmer Temperatur soll
der Laich mehr Weibchen liefern, bei kalter mehr Männchen. Von der
gerade bei Fischen leicht durchzuführenden Bastardzucht, von der man
sich vor einigen Jahrzehnten wahre Wunder versprach, ist man jetzt so
ziemlich wieder abgekommen. Sie hat im allgemeinen mehr geschadet als
genützt, und in der Regel hat die freie Natur die Produkte allzu
eifriger Züchter bald wieder fortgefegt. Ebenso sind die Gefahren der
Inzucht bei der Fischzucht nicht gering anzuschlagen. Mit dem Schwanze
voran, entschlüpfen die jungen Forellen nun endlich der Eihülle und
müssen nach Aufzehrung ihres umfangreichen Dottersackes mit Daphnien,
Mückenlarven, Eigelb, Quark, Kalbshirn und dergl. ernährt werden, worauf
sie in die Streckteiche kommen, wo sie bei Fütterung mit
Schellfischfleisch, Leber, mit Mehl oder Kleie verknetetem Blut rasch
wachsen. Einjährig werden sie endlich in die freien Teiche oder
Bachläufe eingesetzt und können dann schon nach 6-8 Monaten das
Marktgewicht erreichen, ohne noch viel von ihren natürlichen Feinden,
die ihnen ja im zarten Alter am gefährlichsten sind, leiden zu müssen.
Gerade in Forellenbrutanstalten kann man sehr gut die _Entwicklung_ des
Fisches im Ei beobachten. Die Furchung ist eine partielle, indem nur der
Bildungsdotter eine Teilung erfährt, und die von der Seite her
erfolgende Einstülpung bleibt unvollkommen: der dem Nahrungsdotter dann
scheibenförmig aufliegende Keim wird zur zweischichtigen
»Scheibengastrula«. Im weiteren Verlauf der Entwicklung bildet sich die
Körperform immer deutlicher aus, indem die Keimscheibe durch Einrollung
nach unten die Form eines umgekehrten Kahnes annimmt. Das Vorderende mit
den stark hervortretenden Augen charakterisiert sich durch seine Dicke
bald als Kopf, das Hinterende durch seine Schlankheit als Schwanz. Das
Ganze umwächst den Nahrungsdotter, streckt sich in die Länge und hebt
sich von seiner Unterlage ab. Augen und Schwanz vollführen zuckende
Bewegungen, und letzterer bereitet dadurch das Ausschlüpfen vor. Die
zwei ursprünglichen Keimhäute bilden nach unten offene Röhren, das Haut-
und das Darmrohr, und als drittes kommt das Nervenrohr hinzu, das durch
Einstülpung vom Rücken her mit nachfolgender Abschnürung entsteht und
das spätere Rückenmark vorstellt. Von der inneren Keimhaut aus bildet
sich die Grundlage der späteren Wirbelsäule, und ein sich neu
einschiebendes drittes Keimblatt liefert die Stoffe zum Aufbau der
Knochen und Muskeln. Sehr früh macht sich das mit roten Blutkörperchen
erfüllte Herz bemerkbar. Am Halse zeigen sich Kiemenspalten und
dazwischen Kiemenbögen, und außen setzen sich als einfache Stümpfe die
Flossen an.

  [Illustration: Embryonalentwicklung eines Knochenfisches. (Nach
  Kennel gez. von Dr. E. Bade.)

  _I._ Ei mit Keimscheibe, _k_ fixierte Randstelle derselben,
  Hinterende des Embryo. _II._ Ausbreitung der Keimscheibe mit
  Embryonal- oder Primitivwulst, _k_ fixierte Stelle. _III._ Stadium
  mit stark nach vorn verlängerter und vortretender Embryonalanlage
  der Rückenteile. _IV._ und _V._ Weitere Stadien, der Dotter ist
  ganz von den Keimscheiben umwachsen, Kopf und Schwanz heben sich
  ab, letzterer wächst nach hinten in die Länge. _VI._ Junger Fisch
  mit Dottersack, in diesem die Blutgefäße und Fetttropfen.]

Die Gruppe der lachsartigen Fische, die sich durch edlen Körperbau, das
Vorhandensein einer kleinen, strahlenlosen Fettflosse zwischen Schwanz-
und Rückenflosse, kleine Beschuppung und grätenarmes Fleisch
auszeichnet, umfaßt noch eine ganze Reihe wirtschaftlich wichtiger
Speisefische. Der _Huchen_ oder Donaulachs (_Sálmo húcho_) war früher
wohl auch Wanderer, ist aber notgedrungen zum Standfisch geworden, da
das Schwarze Meer, auf das er angewiesen wäre, wegen seines
Schwefelwasserstoffgehaltes keine geeigneten Tiefen bietet. Er bummelt
aber doch gerne -- schon der Ernährungsverhältnisse wegen -- ein wenig
in der Welt herum, indem er sich im Hauptstrome oder in den Nebenflüssen
sachte und allmählich nach aufwärts schiebt. Doch herrscht über die
Wanderungen dieses stattlichen, 2 _m_ lang und 25 _kg_ schwer werdenden
Fisches noch viel Unklarheit, was auch im wirtschaftlichen Interesse
sehr zu bedauern ist, da er ein besonders wohlschmeckendes weißes
Fleisch hat und die Ausübung des Angelsports auf ihn mancherlei
interessante Momente und Erlebnisse zu zeitigen pflegt. Seiner Größe
entsprechend ist der Huchen ein gewaltiger Räuber, der oft wie ein
Windhund hinter seiner Beute dreinjagt und sich dabei als ein sehr
gewandter Schwimmer zeigt, und der selbst Wasserratten und
Wassergeflügel nicht verschont. Gewöhnlich steht er im tiefen, stark
strömenden Wasser, und nur zur Laichzeit sucht er flache und kiesige
Stellen auf. Diese fällt übrigens bei ihm im Gegensatz zu anderen
Salmoniden in die Frühjahrsmonate. Ein Charaktertier der stillen und
kalten Gebirgsseen unserer Alpen ist der _Saibling_ (_Sálmo
salvelínus_), der von allen unsren Fischen das köstlichste Fleisch
liefern soll und deshalb sehr teuer bezahlt wird, obschon sein
durchschnittliches Gewicht nur 1/2 _kg_ beträgt. Da er willig
künstliches Futter annimmt und sich überhaupt recht widerstandsfähig
zeigt, eignet er sich auch gut zur Mast. Gewöhnlich hält sich dieser
ausgesprochene Standfisch scharenweise in größeren Tiefen seiner
Wohngewässer auf und steigt nur abends zum Mückenfang an die Oberfläche
empor. Den in den Seen des Salzkammergutes und namentlich im Gosausee
lebenden _Schwarzreiter_ möchte ich für eine Kümmerform des Saiblings
halten. Die _Meer-_ oder _Lachsforelle_ (_Sálmo trútta_) verbringt den
größten Teil ihres Daseins im Salzwasser unserer Küsten und vollführt
von da aus des Laichgeschäftes halber ähnliche Wanderungen wie der
Lachs, wird aber nicht so hoch geschätzt wie dieser. Als eine durch
ständigen Aufenthalt im Süßwasser seßhaft gewordene Abart von ihr ist
die _Schwebe-_ oder _Seeforelle_ (_Sálmo lacústris_) aufzufassen, die
eine ähnliche Verbreitung hat, wie der Saibling, aber in etwas
abgeänderter Form auch in den Seen Skandinaviens und Schottlands
vorkommt. Zum Laichen steigt der stattliche, sich sonst in
beträchtlicher Tiefe aufhaltende und hier fleißig auf Lauben und Renken
jagende Fisch in den einmündenden Flüssen während des Winters aufwärts.
Die von den alten Weibchen angelegten Laichgruben sind so umfangreich,
daß sie bequem einen liegenden Mann aufnehmen können. Interessant ist,
daß dieser wirtschaftlich wichtige Fisch in zwei verschiedenen Formen
auftritt, die namentlich im Bodensee scharf differenziert sind. Es ist
ja eine bekannte Tatsache, daß bei allen Salmoniden gewisse Individuen
sich geschlechtlich nicht zur Reife entwickeln und auch äußerlich
zeitlebens von den normalen Exemplaren verschieden bleiben. Wenigstens
ist der berühmte Fischforscher v. Siebold der Ansicht, daß diese
Unfruchtbarkeit für das ganze Leben anhalte und in den meisten Fällen
auf die Abgeschlossenheit in zuflußlosen Seen zurückzuführen sei,
während Widegren die Sterilität nur für eine vorübergehende Erscheinung
hält, da die Fische in einer späteren oder auch sehr viel späteren
Periode doch noch geschlechtlich vollreif würden. Vielleicht bringen die
seit 1907 angestellten Markierungsversuche Klarheit in diese einstweilen
noch recht dunkle Frage. Jedenfalls ist im Bodensee die behäbige,
stumpfschnauzige, dunkle, geschlechtsreif werdende Form als
»Grundforelle« ganz verschieden von der schlanken, spitzschnauzigen,
silberigen, nur sehr spärlich gefleckten und stets kleiner bleibenden
»Mai-«, »Silber-« oder »Schwebeforelle«, so daß der den ansässigen
Fischern längst bekannte Unterschied beider auch dem Laien sofort
auffällt. Ihrer Schnellwüchsigkeit und des dadurch bedingten
wirtschaftlichen Wertes halber sind aus Nordamerika der _Bachsaibling_
(_Sálmo fontinális_) und die _Regenbogenforelle_ (_Sálmo iridéus_) bei
uns eingebürgert worden. Ein nur 15-30 _cm_ lang werdendes, stark
silberglänzendes Fischchen mit tief gespaltenem Maul ist der sehr
variable _Stint_ (_Osmérus eperlánus_), seines üblen Geruches halber
auch »Stinkfisch« benannt. Namentlich in den Haffen der Ostsee tritt er
zu gewissen Jahreszeiten in wahren Unmassen auf, so daß ein sehr
lohnender Fang betrieben wird. Hat man sich einmal an den zum mindesten
recht eigenartigen Geruch gewöhnt, so wird man das Stintfleisch und
besonders die aus ihm bereitete delikate Suppe hoch zu schätzen wissen.
Gewöhnlich wissen die Fischer mit dem übergroßen Stintsegen allerdings
nichts anderes anzufangen, als ihn in die Schweinetröge zu schütten oder
als Dung auf die Felder zu fahren, bestenfalls ihn zur Tranbereitung
einzukochen. Die flüchtige, ungemein bewegliche, höchstens 1-1/2 _kg_
schwer werdende _Äsche_ (_Thymállus vulgáris_) mit der prachtvoll
purpurroten, durch schwarze Fleckenbinden noch gehobenen Rückenflosse
darf wohl als einer der schönsten und anmutigsten deutschen Fische
bezeichnet werden. Sie bevorzugt ähnliche Örtlichkeiten wie die
Forelle, siedelt sich jedoch in der Regel etwas unterhalb der
Forellenregion an. In bezug auf Reinheit und Sauerstoffgehalt des
Wassers ist die Äsche noch anspruchsvoller als die Forelle, schweift
auch mehr herum als diese und lebt geselliger. Neben Insekten verzehrt
sie hauptsächlich Schnecken und kleine Muscheln und produziert ein das
Entzücken aller Feinschmecker bildendes Fleisch, das angeblich nach
Thymian riechen soll, wovon ich allerdings noch nichts wahrzunehmen
vermochte. Die nur kleine oder mittelgroße Arten umfassende Gattung
Coregonus zeichnet sich durch größere Schuppen und mehr weißfischartigen
Körperbau vor den echten Lachsen aus. Zu ihr gehört die _große Maräne_
(_Coregónus lavarétus_), die gleich ihren Verwandten in beträchtlichen
Tiefen ein lichtscheues Dasein führt und nur zur Laichzeit in flacheres
Wasser kommt. Ihre teilweise Isolierung in abgeschlossenen Binnenseen
hat die Bildung zahlreicher Lokalformen begünstigt, von denen hier
Wander-, Madü- und Edelmaräne genannt seien, denen sich die in alpinen
Seen lebende Bodenrenke zugesellt. Alle Maränen, die für den Fang
allerdings fast nur zur Laichzeit zugänglich sind, gelten ebenso wie die
übrigen Angehörigen dieser Gruppe für äußerst wohlschmeckend. Besonders
wichtig sind alle verschiedenen Renkenformen für die Stromfischerei
Sibiriens, wo der Fang auf sie im großartigsten Maßstabe betrieben wird.
Die in den Seen Norddeutschlands heimische _Zwergmaräne_ (_Coregónus
álbula_), die nicht leicht über 35 _cm_ lang wird, nährt sich
hauptsächlich von kleinen Krustern und zeigt sich in warmen
Sommernächten unter vielem Geplätscher auch an der Oberfläche. In
geräuchertem Zustande bildet sie eine hochgeschätzte Delikatesse und
geht als solche in alle Welt hinaus. Das _Blaufelchen_ (_Coregónus
wartmánni_) ist der bekannteste Speisefisch des Bodensees und kommt in
etwas abgeänderter Form (Traunseemaräne, Pfäffikonmaräne usw.) auch in
anderen Alpenseen vor. In tiefen und kühlen Wasserschichten führen diese
sehr geselligen Fische ein unstetes Wanderleben, indem sie den frei im
Wasser schwebenden Kleintieren folgen. Zur Laichzeit drängen sie sich an
geeigneten Stellen derart zusammen, daß sie sich gegenseitig den das
Hochzeitskleid bildenden Körnerausschlag abreiben, der dann weithin den
Wasserspiegel bedeckt. Nach dem Zeugnisse Vogts sollen sie beim Laichakt
paarweise meterhoch aus dem Wasser herausspringen und dabei, Bauch gegen
Bauch gekehrt, gleichzeitig Milch und Rogen fahren lassen. Der sehr
lohnende Fang der Blaufelchen, die 1886 mit Erfolg auch im Laacher See
eingebürgert wurden und sich dort schon stark umgebildet haben, erfolgt
zur Laichzeit in großen Zugnetzen, sonst mit tiefgehenden Angelschnüren.
In der Hauptsache auf Boden- und Ammersee beschränkt ist das kleinere,
durch kurzen Leibesbau und deutlich gebogenen Rücken ausgezeichnete
_Kropffelchen_ (_Coregónus hiemális_) oder der _Kilch_. Von allen Renken
ist diese Art der ausgesprochenste Tiefenfisch, so daß er bei raschem
Heraufholen »trommelsüchtig« wird, indem die Schwimmblase sich infolge
des plötzlich verminderten Atmosphärendrucks jäh ausdehnt, dadurch den
Leib unförmlich auftreibt, die Eingeweide verschiebt und schließlich
wohl gar den Leib mit lautem Knall zum Platzen bringt. Da der Kilch nur
zur Laichzeit für wenige Tage in die Ufergewässer kommt, wissen wir über
seine Naturgeschichte noch recht wenig, und auch sein Fang ist aus dem
gleichen Grunde schwierig und wenig lohnend. Ganz das Gegenteil gilt vom
_Schnäpel_ (_Coregónus oxyrhynchus_), einem sehr wanderlustigen
Gesellen, der wie der Lachs zum Laichen aus der Nord- und Ostsee
truppweise in die Flüsse steigt, hier allerdings seine Wanderungen nicht
so weit ausdehnt, wie jener. Dafür beginnt die junge Schnäpelbrut schon
dem Meere zuzustreben, wenn sie kaum erst den Dottersack aufgezehrt hat.

Als den Wolf in unserer heimischen Fischwelt könnte man den _Hecht_
(_Esox lúcius_) bezeichnen. Wie jenes grimmige Säugetier ist auch er von
einer unbändigen Raublust beseelt, wie jener erscheint er beständig vom
Hunger geplagt und wagt sich dann an größere Geschöpfe, wie jener ist er
der Schrecken aller friedliebenden Tiere in seiner Umgebung. Der
langgestreckte, walzenförmige Leib mit der weit nach hinten gestellten,
der Afterflosse gerade gegenüber befindlichen Rückenflosse, der
charakteristische Alligatorkopf mit der entenschnabelähnlichen Schnauze
und den niederträchtig blickenden, starren Augen, das Überwiegen der
grünen Farbe auf dem Oberkörper, das ungewöhnlich scharf abgesetzte
Schwanzende mit der tief gegabelten Flosse machen den Hecht sofort
kenntlich. Während die große Mehrzahl der Hechte bei uns nur meterlang
wird, werden doch nicht allzu selten auch Stücke von doppelter Länge und
bis zu 35 _kg_ Gewicht gefangen. Ja, es scheinen gerade bei diesem
Fische wahre Goliaths vorzukommen. So berichteten die Tageszeitungen,
daß im Juni 1908 im Ammersee durch den Wellenschlag eines Dampfers ein
Hecht an den Strand geworfen worden sei, der nicht weniger als 60 _kg_
gewogen habe und ganz von Moos überzogen gewesen sei. Eine freilich
nicht genügend verbürgte Überlieferung erzählt, daß ein im Jahre 1250
von Kaiser Friedrich _II._ eigenhändig bei Kaiserslautern ausgesetzter
und gezeichneter Hecht im Alter von 267 Jahren wieder gefangen worden
sei und dann 175 _kg_ (?!) gewogen habe. Jedenfalls steht soviel fest,
daß Wachstum und Gewicht beim Hechte außerordentlich verschieden sind,
je nach der Ergiebigkeit seiner Jagdgründe. Erscheinen ihm diese nicht
reichhaltig genug, so entschließt er sich oft zur Auswanderung und
scheut sich dabei nicht, kleinere Hindernisse nach Lachsart zu
überspringen. Seine Raubgier ist unermeßlich, sein Heißhunger
unersättlich, seine Tollkühnheit verblüffend, seine Kraft und
Schnelligkeit bewundernswert, seinem ganzen Wesen haftet etwas von der
brutalen Gewalt verschollener Zeiten an. Man hat berechnet, daß er zu
seiner Erhaltung wöchentlich so viel Fischfleisch benötigt, als er
selbst wiegt, und daß er, um 1 _kg_ Gewichtszunahme zu erzielen, 25 _kg_
Fische verzehren muß. Wer selbst einmal Junghechte im Aquarium gehalten
hat, dem werden diese Zahlen eher noch zu niedrig gegriffen erscheinen.
So verzehrte ein nur 30 _cm_ langer Hecht im Aquarium täglich 15
Weißfischchen. Die Jagdweise des Hechtes ist ein heimliches
Heranschleichen und plötzliches Losschnellen. Oder er liegt stundenlang
fast bewegungslos auf der Lauer. Dabei gewährt sein gleichzeitig kühner
und hinterlistiger Gesichtsausdruck dem Beobachter einen hohen Reiz.
Jede Gemütsregung des Fisches verrät sich in seinen Stellungen, seinem
Augen- und Flossenspiel. Sehr hübsche Beobachtungen hierüber hat der
mehrfach erwähnte Ward gemacht. Bewegungslos liegt der Hecht im
Rohrbett, mit dem Körper gerade auf dem Boden, gestützt auf die Flossen,
alle Muskeln sind schlaff, nur die Rückenlinie zeigt schwache Bewegung,
aber die flach anliegende Rückenflosse offenbart die seelische Ruhe des
Tieres. Nur der gierige Blick des Auges verrät, daß der Hecht trotz
alledem ständig auf dem Posten ist. Plötzlich, als ein sicheres Zeichen
von Erregung, richtet sich die Rückenflosse auf und entfaltet sich, ohne
daß jedoch die übrigen Flossen und der Rumpf in Tätigkeit treten.
Augenscheinlich hat der Fisch in einiger Entfernung einen Lichtstreif
entdeckt, als ein Weißfisch sich zur Seite wandte und so seine Gegenwart
verriet. In dem Maße, wie er sich nähert, wächst die Erregung des
Hechtes, was sich deutlich an weiteren Bewegungen der Rückenflosse
erkennen läßt, die herüber und hinüber schwankt, sich öffnet und
schließt wie ein Fächer. Endlich entschließt sich der Hecht zum Angriff
und nimmt sogleich eine Haltung an, die deutlich seine Absicht erkennen
läßt: er erhebt sich auf den Flossen, alle Muskeln spannen sich, und die
Rückenlinie wird infolgedessen gerade wie ein Pfeil. Diese
Angriffsstellung ist im Augenblicke unveränderlich, kann aber nur einige
Sekunden oder höchstens Minuten beibehalten werden. Verschwindet nun der
Weißfisch wieder, so entspannen sich des Hechtes Muskeln, und die
Rückenflosse sinkt allmählich herab. Wenn aber das Opfer auch noch
weiterhin sich nähert, so schnellt der Hecht, durch eine schraubenartige
Bewegung seiner Schwanzflosse getrieben, hervor und gleitet nun langsam
vorwärts, indem er hinterlistig jeder Bewegung des Beutefisches folgt.
Schöpft der Weißfisch Argwohn, so hält der Hecht inne, und »hängt«
bewegungslos im Wasser, zitternd vor Unruhe. Ist aber endlich die
richtige Entfernung erreicht, so schnellt der Hecht plötzlich vor und
packt den Weißfisch in der Mitte des Körpers. Nur ein kleiner Wirbel auf
dem Wasserspiegel gibt der Außenwelt Kunde von dem Drama, das sich
soeben abgespielt hat. Mit einer ruckweisen Bewegung der Kinnbacken
wirft der Räuber sein Opfer herum und verspeist es mit dem Kopfe voran.
Manchmal sieht der Hecht beim Belauern oder Nachschleichen aber etwas,
das ihm mißfällt. Dann überkommt ihn der Zweifel: seine Muskeln werden
schlaff, der Rücken biegt sich, und der Fisch hängt bewegungslos im
Wasser, unausgesetzt den Gegenstand seines Argwohns betrachtend. Fühlt
er sich wieder sicher, so wird er abermals steif und schnellt zum
Angriff vor, will sich aber sein Argwohn nicht zerstreuen, so schleicht
er sich sachte fort. Ist der Angriff etwa fehlgeschlagen, so verändert
sich das Bild abermals völlig: mit gebogenem Rücken und zornig
schnappendem Rachen sinkt der Hecht enttäuscht zu Boden. Was er einmal
mit seinen nach hinten gerichteten Hechelzähnen (der aus Westdeutschland
stammende Name Hecht dürfte mit dem Zeitwort »hecheln« zusammenhängen)
gepackt hat, das läßt er so leicht nicht wieder aus. Manchmal kann ihm
aber gerade die Art seiner Bezahnung zum Verhängnis werden, indem er
einen in der Gier gefaßten, allzu großen Bissen nicht loszuwerden vermag
und nun elend ersticken muß. Raublustig ist er auch bei vollem Magen,
und selbst wenn ihm das Schwanzende des zuletzt verschluckten Fisches
noch unverdaut aus dem Maule ragt, schnappt er schon wieder nach neuer
Beute, wie die Erfahrungen der Angler sattsam beweisen. Alles ist ihm
recht, nur vor dem Stichling hat er einigen Respekt, aber sonst schont
er nicht einmal jüngere und kleinere Angehörige der eigenen Art, ist
vielmehr ein ausgesprochener Kannibale. Bilden auch Fische der
verschiedensten Art seine Hauptnahrung, so erjagt er doch auch im Wasser
sich tummelnde Säuger, Frösche, sich badende oder trinkende Vögel, junge
Enten und Wasserhühner, wo immer sich ihm Gelegenheit bietet. Nagender
Heißhunger verleitet ihn bisweilen zu den unglaublichsten Taten und zu
ganz zwecklosen Angriffen. So berichtet Wagener aus Irland, daß ein am
Flusse trinkendes Kalb plötzlich laut aufschrie, und als man hinzueilte,
fand sichs, daß ihm ein größerer Hecht an der Nase hing, den das
erschreckte Tier 50 Schritte weit mit forttrug, worauf ein wohlgezielter
Steinwurf den Räuber zur Strecke brachte. Verbürgte Fälle sind bekannt,
daß Schwäne von Hechten am Halse gepackt, unter Wasser gezogen und
ertränkt wurden. Am Badestrand zu Rossatz in der Wachau verspürte
unlängst ein junges Mädchen einen heftigen und schmerzhaften Anprall an
der Hüfte. Es zeigte sich, daß sie einen tief eindringenden Biß
davongetragen hatte, der aus einer ziemlichen Anzahl nadelstichartiger,
im Halbkreis angeordneter Wunden bestand, so daß kaum ein Zweifel
obwalten konnte, daß ein gewaltiger Donauhecht der Angreifer gewesen
war. Dieses Exemplar scheint also eine Vorliebe für »Backfische«
besessen zu haben. Über einen ganz unglaublichen Vorfall berichtete
kürzlich die Wiesbadener Zeitung: aus einem See bei Wollstein suchte ein
neunjähriger Knabe Hechte zu fangen, wozu er ein Loch in die Eisdecke
schlug. In demselben Augenblicke schnellte ein 16pfündiger Hecht empor
und verbiß sich in dem Arm des Knaben. Dieser wurde später samt dem
Hecht erfroren auf dem Eise aufgefunden (?). Fischzüchter pflegen Hechte
in die mit älteren Karpfen bevölkerten Teichen einzusetzen, damit
sie Leben in diese faule Gesellschaft bringen und die als
Nahrungsmitbewerber auftretenden Weißfische wegfangen sollen. Doch ist
dabei immer eine gewisse Vorsicht am Platze, und man darf die Hechte
keinesfalls zu groß werden lassen, damit sie sich nicht als »Wolf im
Schafstall« entpuppen. Seine schrankenlose Freßgier verurteilt den Hecht
zur Einsamkeit, und nur zur Laichzeit sucht er seinesgleichen auf. Schon
ganz zeitig im Frühjahr, wenn noch Eisstücke auf den Wassern schwimmen,
schreitet er zur Fortpflanzung und begibt sich dann an die seichtesten
Stellen, selbst in kleine Gräben und auf überschwemmte Wiesen, wobei er
nicht selten seine Lust mit dem Leben büßen muß. Hier kann er sogar mit
Pfeil und Bogen oder mit der Schrotflinte erlegt oder mit der Hechtgabel
gestochen werden, was namentlich nachts bei Fackelschein recht lohnend
ist, und wobei nicht selten beide Gatten gleichzeitig durchbohrt werden.
Eigentlich ist diese Fangart verpönt, wird aber doch in Norddeutschland
vielfach ausgeübt. Auch der Angler hat am Hecht seine Freude, da er in
seiner blinden Raubgier fast jeden Köder annimmt. Obgleich das
Hechtfleisch etwas trocken und ziemlich grätig ist, findet es doch viele
Liebhaber, ja begeisterte Lobredner. Aus eigener Erfahrung kann ich
versichern, daß die jungen »Grashechte«, wenn man sie oberflächlich in
der glimmenden Asche des Lagerfeuers röstet, eine treffliche Mahlzeit
abgeben, aber bezüglich der Riesenhechte halte ich es mit Marshall, der
den Genuß eines solchen mit demjenigen eines wohlgespickten Nadelkissens
vergleicht. Mittelgroße Hechte munden am besten, wenn sie wie
Hasenbraten gespickt und gebraten und mit saurer Sahnensauce begossen
werden.

Der Riese unter unseren Süßwasserfischen ist der massige, ungeschlachte,
dickköpfige, breitmäulige, mit zwei langen und zwei kurzen Barteln
versehene _Wels_ (_Silúrus glánis_) oder Waller, dessen Rückenflosse
auffallend kurz, dessen Afterflosse dagegen ungewöhnlich umfangreich ist
und dessen glatter und schlüpfriger Haut die Schuppen vollständig
fehlen. Während der Bauch weißlich ist, hat der Rücken eine düstere
Schlammfarbe, die in Anpassung an die Verstecke des mächtigen Tieres
zwischen dem Wurzelwerk überhängender Ufer öfters in eigentümlich
zerrissener Weise marmoriert erscheint. Hier liegt der Wels, der sich am
liebsten in langsam fließendem Wasser mit reichem Pflanzenwuchs und
morastigem Untergrunde aufhält, tagsüber in träger Ruhe und läßt
lediglich seine Bartfäden spielen, um nach den dadurch angelockten
Fischen zu schnappen. Er ist überwiegend Nachttier und ein ganz
gewaltiger Räuber dazu. Bei seiner Größe (er wird über 3 _m_ lang und
bis zu 250 _kg_ schwer) vermag er recht umfangreiche Bissen, wie Gänse,
hinunterzuwürgen, und es ist durchaus keine Fabel, wenn man behauptet,
daß sogar badende Kinder ernstlich durch ihn gefährdet werden können.
Bei uns in Deutschland sind so große Welse freilich eine Seltenheit,
zahlreich aber habe ich sie am Kaspi gesehen. Dort kamen die Fische
Anfang April (alle mir zugänglichen Lehrbücher geben fälschlich Mai und
Juni an) massenhaft zum Laichen in die flachen, rohrbewachsenen
Uferbuchten, wo die Rogner ihre verhältnismäßig sehr kleinen und auch
nicht übermäßig zahlreichen (etwa 20000) Eier, aus denen ein
minderwertiger Kaviar gewonnen wird, an den Rohrstengeln abstrichen. Die
fast wie Kaulquappen aussehenden Jungen schlüpfen schon nach acht Tagen
aus. Während ich von dem für den Kaspi überall angegebenen
Grundangelbetrieb nirgends etwas gesehen habe, sperrten die Fischer
solche Buchten und Flußmündungen nach dem Eintreten der Welse mit großen
und starken Netzen ab und trieben die Tiere durch Vorrücken derselben
schließlich in einem Winkel zusammen. Auf kleinem Raum waren dann viele
Tausende der mächtigen Fischleiber zusammengedrängt, und zwischen diesem
wallenden Gewimmel fuhren die Tataren wagehalsig auf kleinen, schwanken
Booten herum und harpunierten mit großen Stoßlanzen einen der
gewichtigen Fische nach dem anderen heraus, um ihn dann mit gewaltigem
Schwung an Bord des von Armeniern besetzten Fischkutters zu werfen. Oft
mußten zwei oder drei Mann zugreifen, um die schweren Fische zu heben,
und nicht selten geschah es dabei, daß sie trotzdem insgesamt das
Übergewicht bekamen und in das aufspritzende Wasser mitten zwischen die
geängstigten Fischriesen stürzten. Dazu der glührote Fackelschein, das
Geschrei der aufgeregten Männer, das betäubende Gekreisch der unzähligen
großen Möwen, die sich um die fortgeworfenen Eingeweide zankten, der
gespenstige Anblick, den die auf dem Meer schaukelnden, abgeschnittenen
und im unsicheren Mondeslicht wie Menschenhäupter aussehenden Welsköpfe
boten -- das alles vereinigte sich zu einem so eigenartigen Bilde, daß
ich es nie vergessen kann. Einmal habe ich auch selbst am lichten Tage
einen in der Nähe des Ufers schwimmenden Wels mit Vogeldunst erlegt, der
auf den Schuß hin sofort die weiße Bauchseite nach oben kehrte. Das
weiße, fette Welsfleisch, auf das ich dort vielfach zu meiner Ernährung
angewiesen war, habe ich besser befunden, als seinen Ruf, und nur bei
sehr alten Stücken schmeckt es etwas tranig, ist dann auch für einen
verwöhnten Gaumen zu zäh. Eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit dem Wels
besitzt die freilich nur 60 _cm_ lang und höchstens 8 _kg_ schwer
werdende, äußerst räuberisch veranlagte _Quappe_ (_Lóta lóta_), auch
Aalraupe oder Trüsche genannt. Walzenförmiger Leib, dicker Kopf, kleine
Beschuppung und kurze Kinnbarteln bilden ihre hervorstechendsten
Merkmale. Mit dem Wels hat sie an und für sich nichts zu tun, gehört
vielmehr in die Verwandtschaft der weichstrahligen Schellfische, hat
aber doch in der Lebensweise viel Gemeinsames mit dem Waller. Wie dieser
ist sie ein ausgesprochener Nacht- und Bodenfisch, hält auch ähnliche
Standorte ein, obschon sie mehr Wert auf reine Beschaffenheit des
Wassers legt und deshalb hoch in den Gebirgsflüssen emporsteigt, wo dann
Forellenbrut ihre Lieblingsnahrung bildet. Den geschmeidigen Leib
schiebt sie mehr kriechend als schwimmend über den Boden hin, schießt
aber blitzschnell durchs Wasser, wenn man sie durch Aufheben eines
Steines aus ihrem Schlupfwinkel aufstöberte. Sonst sehr ungeselliger
Natur vereinigt sie sich doch während der in die kälteste Jahreszeit
fallenden Laichperiode zu wahren Knäueln. Steinbuch will beobachtet
haben, daß während des Laichaktes eine innige Vereinigung beider
Geschlechter stattfinde, die dabei durch ein von ausgeschiedenem
Milchsaft gebildetes Band fest zusammengehalten würden, doch hat diese
höchst auffällige Entdeckung eine spätere und einwandsfreie Bestätigung
von anderer Seite meines Wissens bisher nicht erfahren. Die Quappenleber
fand früher in der Arzneikunde Verwendung, und aus der Haut der
zählebigen Tiere bereitet man in Sibirien nicht nur Kleidungsstücke,
sondern sogar -- Fensterscheiben. Das Fleisch wird sehr verschieden
beurteilt, im allgemeinen aber wenig gewürdigt. Mit Unrecht! Es ist
zart, fett, grätenarm und von eigenartigem Wohlgeschmack. Wer es richtig
schätzen lernen will, der lasse sich von seiner Eheliebsten einmal die
Nationalspeise der ostpreußischen Haffischer »bunte Fische«, bereiten.
Verschiedene Lagen zerschnittener Kartoffeln wechseln mit ebensoviel
Schichten Fischfleisch ab. Je mehr, desto besser! Wichtig ist, daß die
unterste Schicht durch einen recht fetten Fisch gebildet wird, und dazu
eignet sich die Quappe mehr als jeder andere, wenn sie auch im Notfall
durch Aal ersetzt werden kann. Nach Beigabe des nötigen Wassers und
unter Zufügung der üblichen Gewürze, schraubt man dann den Topf zu und
läßt das Ganze nach Art des Pichelsteiner Fleisches dünsten, wobei sich
der köstliche Fischgeschmack in die zerfallenden Kartoffeln zieht.
_Probatum est!_ Ab und zu wird in unseren Gewässern auch einmal ein
Angehöriger der zu den Schmelzschuppern gehörigen Familie der _Störe_
(_Acipénser_) gefangen, die durch ihren köstlichen Kaviar weltberühmt
geworden sind, indessen betrachten wir diese eigenartige, mehr im Osten
beheimatete Gruppe wohl besser erst im nächstjährigen Kosmosbändchen,
das von den ausländischen Fischen handeln soll.

  [Illustration: Mundscheibe des Neunauges.]

Sehr tiefstehende, aber in mehr als einer Beziehung hochinteressante
Fische -- wenn man sie überhaupt noch zu den Fischen zählen darf -- sind
die wurmförmig gestalteten, als »Rundmäuler« eine besondere Ordnung
bildenden _Neunaugen_. Ihren Namen haben sie davon, daß man die sieben
Kiemenspalten jederseits und das unpaare Nasenloch als »Augen«
mitgezählt hat. Das Auffallendste an diesen, der paarigen Flossen
entbehrenden Geschöpfen ist der rüsselförmig vorgestreckte Mund mit
seiner kreisrunden Saugscheibe, von deren Gestaltung unsere Abbildung
eine gute Vorstellung gibt. Will sich das Tier damit irgendwo ansaugen,
so braucht es bloß den Zungenstöpsel zu heben, dadurch einen luft-
bezgl. wasserleeren Raum zu schaffen und die Saugscheibe fest gegen den
erwählten Gegenstand zu drücken. Es haftet dann so fest, daß man z. B.
eine dreipfündige Makrele samt einem zehnpfündigen Stein, an den sie
sich angesogen hat, aus dem Wasser heben kann. Die Neunaugen machen von
dieser Fähigkeit namentlich auch während des Laichgeschäftes Gebrauch,
indem sie oberhalb der Laichstelle ziemlich große Steine ansaugen, sich
mühsam mit ihnen erheben und sich dann langsam und absatzweise von der
Strömung bis zu dem Hochzeitslager treiben lassen. Beide Geschlechter
beteiligen sich fleißig an dieser beschwerlichen Arbeit, und unsere
größte Art, die _Lamprete_ (_Petromyzon marínus_) schleppt dabei
mehrpfündige Steine mit der Geschicklichkeit eines Ingenieurs fort, um
sie schließlich zu einem Haufen von Armeslänge und 60 bis 80 _cm_ Höhe
aufzutürmen, in den dann das Weibchen seine Eier hineinlegt, während die
ausschlüpfenden Jungen in den engen Zwischenräumen zwischen den Steinen
und in deren Spalten selbst geeignete Schlupfwinkel finden. Beim
Bachneunauge oder der _Zwergbricke_ (_Petromyzon pláneri_) hat ein
Aquarienfreund auch gesehen, daß sie sich im Bodensand aus Steinen
förmliche Wohnröhren baute, in denen das lichtscheue Geschöpf tagsüber
verborgen lag. Weiter dient die Saugscheibe den Neunaugen aber auch noch
zum Nahrungserwerb. Bei der Lamprete und bei dem Flußneunauge oder der
_Pricke_ (_Petromyzon fluviátilis_) wenigstens ist es zweifellos
festgestellt, daß sie eine teilweise parasitäre Lebensweise führen,
indem sie größere Fische ansaugen, ihnen mit den Raspelzähnen ihrer
Zunge Haut und Fleisch durchsägen und sich den Nahrungsbrei einpumpen,
während bezüglich der kleineren und harmloseren Zwergbricke die
Untersuchungen über diesen Punkt noch nicht abgeschlossen sind. Man hat
schon Fische gefunden, die von Neunaugen buchstäblich in zwei Stücke
zersägt waren. So vermögen sie zu furchtbaren Quälern und Feinden
anderer Fische zu werden, zumal sie auch viel Fischlaich verzehren, der
neben allerlei Gewürm ihre bevorzugte Speise auszumachen scheint. Gar
nicht unwahrscheinlich ist es, daß sie sich von ihren beschuppten
Reitpferden auch auf ihren Wanderungen gern ein Stück Weges tragen
lassen, da sie selbst mit ihren schlängelnden Bewegungen nur mühsam
größere Strecken zurücklegen können. Auf diese Weise dürfte auch das
vereinzelte Vorkommen von Lampreten in Gegenden zu erklären sein, die
sie sonst nicht aufsuchen, so im Oberrhein, wohin sie wahrscheinlich
durch Lachse verschleppt wurden. Interessant ist die Entwicklung der
Neunaugen, die ein Gegenstück zu derjenigen des Aales darstellt. Denn
wie bei diesem entschlüpft dem Ei nicht das fertige Tier, sondern eine
unfertige Zwischenform, eine Art Larve, die unter dem Namen »Querder«
schon lange bekannt ist, aber früher für eine besondere Fischart
gehalten wurde. Zeitweise findet man nur solche Querder in den
Gewässern, da die alten Neunaugen bald nach Beendigung des
Laichgeschäftes absterben. Der wurmförmige Querder ist blind, von
schmutzig gelblicher Farbe, ohne Metallglanz, ohne getrennte Flossen,
ohne richtige Saugscheibe und ohne Geschlechtsorgane. Im Schlamm und
Moder, den er freiwillig kaum verläßt und von dessen verwesenden
Bestandteilen er sich nährt, führt er ein höchst stumpfsinniges Dasein.
Nur ganz allmählich und langsam geht die tiefgreifende, mehrere Jahre
beanspruchende Verwandlung zum geschlechtsreifen Neunauge vor sich.
Während die Zwergbricke das Süßwasser zeitlebens nicht verläßt, sucht es
die sonst im Meer hausende Lamprete nur zur Laichzeit auf, und die
Pricke pendelt zwischen beiden hin und her, scheint sich aber am
liebsten im Brackwasser aufzuhalten. Sicherlich sind alle drei Formen
aus einem gemeinsamen Grundtypus in Anpassung an diese verschiedenen
Wohnorte hervorgegangen. Am zahlreichsten treten die beiden größeren
Formen an unserem Ostseestrande und in den dort einmündenden Strömen
auf, so namentlich bei Elbing, bei Memel und in den sich ins Kurische
Haff ergießenden Strömen, und nur in diesen Gegenden hat ihr Fang in
besonderen Brickensäcken wirtschaftliche Bedeutung zu erlangen vermocht.
Die Feinschmecker in den genannten Städten warten aber mit großer
Sehnsucht auf das Eintreffen der ersten Brickenfänger im Frühherbst. Ich
erinnere mich, daß in Memel dieses frohe Ereignis durch einen
Böllerschuß und das Aufziehen einer roten Flagge auf einer kleinen
Strandkneipe _urbi et orbi_ verkündigt wurde. Dann eilten alle
Leckermäuler dorthin und ließen sich die im eigenen Fett frisch auf dem
Rost gebratenen Neunaugen trefflich schmecken. Man darf aber des Guten
nicht zu viel tun, da sie schwer verdaulich sind, und handelt weise,
wenn man einen Kümmel draufsetzt. Leider lassen sich so geröstete
Bricken nicht verschicken, und der Binnenländer, der sie nur als
marinierte Fische kennt, hat keine Ahnung von ihrem köstlichen
Wohlgeschmack. Leider nehmen diese Schmarotzerfische rasch ab, und ihre
ganze Organisation weist ja schon darauf hin, daß sie eigentlich in ein
früheres Zeitalter hineingehören. Gegenwärtig sollen jährlich nur noch
etwa 5-6000 Schock in Ost- und Westpreußen gefangen werden, und demgemäß
ist auch der Preis gestiegen. Leider ist es noch nicht gelungen,
Neunaugen zu züchten und uns so vielleicht einen Weg zu zeigen, auf dem
wir unseren Feinschmeckern diesen sonderbaren »Fisch«, dieses Wirbeltier
ohne Wirbelsäule, wenigstens künstlich erhalten könnten. Hier läge eine
ebenso lohnende wie wissenschaftlich interessante Aufgabe für
biologische Versuchsanstalten vor.

Der _Maifisch_ oder die Alse (_Clúpea alósa_) mit dem tief gespaltenen
Maul und den beiden merkwürdigen Flügelschuppen vor der Schwanzflosse
kann uns zu der wirtschaftlich so hochwichtigen Gruppe der Heringe
hinüberleiten, denn er läßt sich recht gut als der Hering des Süßwassers
charakterisieren, und auch seine kleinere und etwas später erscheinende
Abart, die Finte, verrät selbst dem Laien sofort ihre Zugehörigkeit zur
großen Heringsfamilie. Auch der Maifisch verbringt den größten Teil
seines Daseins im Meer und wandert nur zur Laichzeit in den Flüssen
aufwärts, indem er sich mit seltener Pünktlichkeit an ihren Mündungen
einstellt und dann in großen Scharen dicht unter der Oberfläche und mit
vielem Gelärm, das durch fortwährende Schwanzschläge verursacht wird,
sich aber wie Schweinegrunzen anhören soll, flußaufwärts zieht. So
werden seine Wanderungen sehr auffällig und sind denn auch von jeher von
den Fischern weidlich ausgenutzt worden. Zum Überspringen von
Hindernissen entschließt sich dieser behäbige und phlegmatische Fisch
aber nicht leicht, macht deshalb auch nur selten von den angelegten
Fischleitern Gebrauch und fehlt daher heute schon vielfach wegen der
vielen Wehre in Gewässern, wo er früher eine regelmäßige und gern
gesehene Erscheinung war, wie im Main. Man sagt auch ihm nach, daß er
während der ganzen Reise fasten soll, und jedenfalls sind die wenigen
Maifische, die den Zähnen der Raubfische und den Netzen der Menschen
entgingen und nach beendigtem Laichgeschäft wieder zum Meere
zurückkehren, jämmerlich abgemagert und völlig erschöpft, so daß auch
der sie mit Verachtung straft, dem im Frühjahr der feiste Fisch trotz
seiner vielen Gräten als ein köstlicher Leckerbissen erschien. Dagegen
soll der im Meere lebende Maifisch auch nichts wert sein, und es
scheint, daß er erst eine Zeitlang Süßwasser kneipen müsse, um der
menschlichen Tafel würdig zu werden. Bei der Rückkehr, die nach dem
stolzen und geräuschvollen Frühlingseinzug anmutet wie die Rückkehr der
großen Armee aus den Schneefeldern Rußlands, sterben viele vor
Ermattung, und man sieht dann ihre Leichname oft massenhaft stromabwärts
treiben. Leider wird auch dieser Fisch, der einst bei Speyer zu
Tausenden mit Schaufeln dem Rhein entnommen werden konnte, bei uns immer
seltener, wozu namentlich die Raubfischerei der Holländer beitragen mag,
die die Rheinarme mit einer mehrfachen Netzwand ihrer ganzen Breite nach
abzusperren pflegen, so daß der weitaus größte Teil der wandernden
Fische schon hier ein frühzeitiges Ende findet.

In richtiger Erkenntnis von der steigenden wirtschaftlichen Bedeutung
unserer Süßwasserfischerei, die durch die Verunreinigung der Gewässer
vielfach zurückgegangen war, sich neuerdings aber mit Hilfe der
künstlichen Fischzucht wieder gehoben hat, haben die Regierungen während
der letzten Jahre die gesetzlichen Vorschriften zu ihrer Erhaltung
beträchtlich ausgebaut und erweitert, die auf Fischfrevel gesetzten
Strafen bedeutend verschärft. So begrüßenswert das ist, muß doch der
Naturfreund bedauern, daß man dabei im Übereifer vielfach über das Ziel
hinausgeschossen ist und insbesondere der systematischen Vernichtung der
Fischfeinde eine ganz übertriebene Bedeutung beigelegt hat. Wohin soll
es z. B. führen, wenn, wie der neue preußische Fischereigesetzentwurf
vorsieht, künftig der Fischer das Recht haben soll, ohne Rücksicht auf
den Jagdinhaber fischfressende Vögel zu vertilgen und sogar ihre Nester
zu zerstören? Dann wären wir auch die letzten Reste von Reiherkolonien
u. dgl. bald los, für Eisvogel und Wasseramsel hätte die Todesstunde
geschlagen, und die traurige Verödung unserer einst so reichen Natur
wäre wieder um einen Riesenschritt weiter. Nein, gerade der Fischer, der
den unerschöpflichen Reichtum des Wassers kennt, wie kein anderer,
sollte auch die Wahrheit des alten Spruches erkennen: Raum für alle hat
die Erde!



Register


Die mit einem Sternchen (*) bezeichneten Ziffern verweisen auf eine
Abbildung im Text

      Aal 21, 67, *69
      Aalleiter 72
      Aalmutter 67
      Aalraupe 97
      _Abramis brama_ 60
      _Acerina cernua_ 28
      _Acerina schraetser_ 27
      _Acipenser_ 98
      Aland 59
      Alandblecke 62
      _Alburnus alburnus_ 61
      _Alburnus bipunctatus_ 62
      _Alburnus mento_ 62
      Alse 101
      _Anableps tetrophthalmus_ 37
      _Anguilla vulgaris_ 67
      Äsche 90
      _Aspius aspius_ 60
      _Aspro streber_ 27
      _Aspro zingel_ 27


      Bachneunauge 99
      Bachsaibling 90
      Barbe 21
      _Barbus fluviatilis_ 21
      _Barbus petenyl_ 21
      Barsch 65
      Bartgrundel 13
      Berschik 27
      Bitterling 39, 40
      Blaufelchen 91
      Blei 60
      _Blicca björkna_ 60
      Blikke 60
      Brassen 60
      Breitschädel 17


      _Carassius carassius_ *55
      _Chondostroma nasus_ 62
      _Clupea alosa_ 101
      _Cobitis barbatula_ 13
      _Cobitis fossilis_ 10
      _Cobitis taenia_ *12
      _Coregonus albula_ 91
      _Coregonus hiemalis_ 92
      _Coregonus lavaretus_ 91
      _Coregonus oxyrhynchus_ 92
      _Coregonus wartmanni_ 91
      _Cottus gobio_ 15, *16
      _Cyprinus carpio_ 48


      Darmatmung 14
      Dickkopf 17
      Döbel 58
      Donaulachs 88
      Dünnbauch 34
      Durstgefühl 54


      Elritze 57
      Entwicklung des Eis 86, *87
      _Esox lucius_ 92


      Farbenblindheit 38
      Färbung 17
      Farbwechselvermögen 19
      Finte 101
      Fischauge 36
      Fischzucht, künstliche 85
      Flußbarbe 21
      Flußbarsch 22, *23
      Föhrchen 84
      Forelle 12, 15, 66, 81
      Forellenbarsch 28


      Gähnen 10
      _Gasterosteus aculeatus_ 42
      _Gasterosteus pungitius_ 47
      Gefühlssinn 32
      Gehörorgan 29
      Geruchssinn 35
      Geschmackssinn 35, 36
      Giftwaffen 20
      Glasaal 71
      Glöckchen 36
      _Gobio gobio_ 56
      _Gobio uranoscopus_ 57
      Goldfisch 56
      Goldorfe 59
      Greßling 56
      Groppe 15, *16
      Grotzfisch 17
      Grundforelle 90
      Gründling 56, *57
      Güster 60


      Hai 6
      Hakenlachs *77
      Hecht 92
      Hochzeitskleid 39
      Huchen 88


      Jahresringe 80
      _Ichthyophonus hoferi_ 84


      Karausche *55
      Karpfen 7, 8, 48, 65
      Katzenhai 6, 9
      Katzenwels 35
      Kaulbarsch 28
      Kaulhäuptlein 17
      Kaulquappe 17
      Kautzenkopf 17
      Kiemenapparate 15
      Kiemenatmung 14
      Kilch 92
      Körper, »roter« 54
      Kropffelchen 92
      Kulheet 17


      Lachs 70, 75
      Lachsforelle 89
      Lamprete 99
      Lauben 62
      Lederkarpfen 48
      Legeröhre 40
      _Leptocephalus brevirostris_ 70
      Lernfähigkeit 66
      _Leucaspius delineatus_ 33
      Leuchtorgane 19
      _Leuciscus cephalus_ 58
      _Leuciscus erythrophthalmus_ 59
      _Leuciscus idus_ 59
      _Leuciscus rutilus_ 59
      Lippfisch 9
      _Lota lota_ 97
      _Lucioperca sandra_ 26
      _Lucioperca volgensis_ 27


      Maifisch 101
      Maiforelle 90
      Mairenke 62
      Makrele 99
      Malermuschel *40, 41
      Maräne, große 91
      Maulbrüter 9
      Mäusefresser 58
      Meerforelle 89
      Messerkarpfen 34
      Moderlieschen *33
      Mühlkoppe 17


      Nase 62
      Neunauge 99


      _Osmerus eperlanus_ 90
      Otolith 29
      Oval 54


      Panzerwels 9
      Papst 17
      _Pelecus cultratus_ 34
      _Perca fluviatilis_ 22
      _Petromyzon fluviatilis_ 100
      _Petromyzon marinus_ 99
      _Petromyzon planeri_ 99
      Pfaffenlaus 28
      Pfäffikonmaräne 91
      Pfrillen 58
      Phototaxis 64
      _Phoxinus laevis_ 57
      Plötze 59
      Pricke 100


      Quappe 97
      Querder 100


      Rapfen 60
      Regenbogenforelle 90
      _Rhodeus amarus_ 39
      Roche 6
      Rotauge 59
      Rotzkober 17
      Rümpchen 58


      Saibling 89
      Salm 76
      _Salmo fontinalis_ 90
      _Salmo hucho_ 88
      _Salmo irideus_ 90
      _Salmo lacustris_ 89
      _Salmo salar_ 75, 76
      _Salmo salvelinus_ 89
      _Salmo trutta_ 89
      Schill 26
      Schlafstellung 8
      Schlammbeißer 10, 12, 14
      Schlammgeschmack 14
      Schlammpeitzker 8, 9, 10, 12
      Schleie 56
      Schmerle 13
      Schnäpel 92
      Schneider 62
      Schneiderkarpfen 39
      Schnelligkeit 52
      Schrätzer 27
      Schutzfärbung 19
      Schwarzbarsch 28
      Schwarzreiter 89
      Schwebeforelle 89
      Schwimmbewegung 52
      Schwimmblase 53
      Seeforelle 89
      Seitenlinie 31, 32
      Semling 21
      Sichelfortsatz 36
      Sichling 34
      Silberforelle 90
      _Silurus glanis_ 96
      Sommerschlaf 7
      Spiegelkarpfen 48
      Statolith 29
      Stechbüttel 43
      Steinbeißer 9, *12
      Steingreßling 57
      Stichling 42, 66
      Stint 90
      Stör 98
      Streber 27
      Symbiose 41


      Taumelkrankheit 84
      Tastsinn 32
      _Thymallus vulgaris_ 90
      _Tinca tinca_ 56
      Töne 15
      Traunseemaräne 91
      Trüsche 97
      _Trutta fario_ 81


      Uckelei 61


      Waller 96
      Wanderung 63
      Weißfisch 7
      Wels 96
      Winterschlaf 7


      Zahnkarpfen 37
      Zander 26
      Zicke 34
      Zingel 27
      _Zoarces vivipara_ 67
      Zwergbricke 99
      Zwergmaräne 91
      Zwergstichling 47
      Zwergwels 9



Naturwissenschaftliche Bildung ist die Forderung des Tages!

  Zum Beitritt in den »Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde«, laden
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  I. Die Monatschrift Kosmos, Handweiser für Naturfreunde. _Reich
  illustr. Mit mehreren Beiblättern (siehe S. 3 des Prospektes)._

  Preis für Nichtmitglieder M 2.80.

  II. Die ordentlichen Veröffentlichungen.

  Nichtmitglieder zahlen den Einzelpreis von M 1.-- pro Band.

  Dr. H. Dekker, Vom sieghaften Zellenstaat.

  Dr. Ad. Koelsch, Der blühende See.

  W. Boelsche, Festländer und Meere.

  Dr. K. Floericke, Einheimische Fische.

  Dr. A. Zart, Atome, Moleküle und andere naturwissenschaftliche
  Hypothesen.

  Änderungen vorbehalten. (Näheres wird im Kosmos-Handweiser
  bekanntgegeben.)

  III. Vergünstigungen beim Bezuge von hervorragenden
  naturwissenschaftlichen Werken _(siehe Seite 6 des Prospektes)_.

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  entgegen und besorgt die Zusendung. Gegebenenfalls wende man sich
  an die Geschäftsstelle des Kosmos in Stuttgart.

  Jedermann kann jederzeit Mitglied werden.

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  § 1. Die Gesellschaft Kosmos (eine freie Vereinigung der
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  § 2. Dieses Ziel sucht die Gesellschaft zu erreichen: durch die
  Herausgabe eines den Mitgliedern kostenlos zur Verfügung
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  Herausgabe neuer, von hervorragenden Autoren verfaßter, im guten
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  § 5. Siehe vorige Seite.

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  =Mitteilungen über Naturbeobachtungen=, Vorschläge und Anfragen
  aus dem Leserkreise.

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