Home
  By Author [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Title [ A  B  C  D  E  F  G  H  I  J  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  X  Y  Z |  Other Symbols ]
  By Language
all Classics books content using ISYS

Download this book: [ ASCII | HTML | PDF ]

Look for this book on Amazon


We have new books nearly every day.
If you would like a news letter once a week or once a month
fill out this form and we will give you a summary of the books for that week or month by email.

Title: Stehe von Lichtern gestreichelt - Gedichte
Author: Edschmid, Kasimir, 1890-1966
Language: German
As this book started as an ASCII text book there are no pictures available.


*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Stehe von Lichtern gestreichelt - Gedichte" ***


KASIMIR EDSCHMID


STEHE VON LICHTERN
GESTREICHELT


GEDICHTE



1919

PAUL STEEGEMANN VERLAG HANNOVER


Geschrieben zumeist etwa Neunzehnhundertdreizehn.
Gedichte eines, dem Verse Mißverständnis, Prosa Erfüllung
ist. Der, zu wenig eitel oder zu verliebt in diese Form des
Dichterischen aus ihm, sie weder verschweigt noch bejaht.


Alle Rechte vorbehalten
Umschlagzeichnung von Käthe Schmidt
Copyright 1919 by Paul Steegemann Verlag Hannover
Gedruckt als 10.-11. Band der Sammlung _Die Silbergäule_
bei Edler & Krische, Hannover



STEHE VON LICHTERN GESTREICHELT


   Nun glänzen orangen der Herbstsee und die Birken entflammt wo entfernt.
   Mit den silbernen Achsen der Scheiben nur ist unser Zimmer besternt.
   Nelken und Zimt deiner Kleider durchwellt in Gerüchen den Raum.
   Blind durch das Bleiche der Dämmrung glitzern die Spiegel kaum.
   Über dem Goldweiß der Wände schwemmt die Laterne draus nur
   Welle auf schimmernde Welle schweigend mit trübem Kontur.

   Nun liegt meine Hand, die noch gestern die Haut eines andern
      durchschnitt,
   an der ich am Haar dich emporzog am Sandbruch beim ersten Ritt;
   auf der alle Punkte ich zählte, wie sie deine Säure verbrannt,
   vor der du in Demut dich knietest, als ich die Pistole gespannt -- --
   Nun liegt meine Hand wie ein Kreisel, der torkelt und nicht mehr
      schrillt,
   an deines Leibes erglühtem und auf sich wölbendem Schild.

   Seh deine Augen brechen schräg aus der Kissen Granit:
   Gläsern geschliffene Teiche, an denen ich wandernd litt.
   Vage erschimmern die Hüften, wenn du im Wiegen sie hebst,
   der Schenkel geduckte Exstase, in die du mich sanft sonst verwebst.
   Ich fühle das Hämmern des Blutes, hinauf nicht heiß und nicht lau,
   wo unter den seidenen Decken mit Geiern in Gelb und aus Blau
   gleich gereckten Raubtieren lagert das elfenbeinerne Paar.
   O Tupfen des rosanen Marmor . . . . . Ihr Kränze von flaumigem Haar,

   Sieh, du willst höhnen nun: Starker, endlich nun bist du matt . . . . .
   Lachend laß ich das Lager, schaue hinab auf die Stadt.
   Seh, wie mit weißen Flammen die Nacht die Straßen durchstieß.
   Schnee deckt sprühend und schaumig Schorne und Gärten und Fries.
   O nun braust in die Helle der Frühe mein Wildsein voll neuem Erglühn,
   stehe von Lichtern gestreichelt, gerötet, Hochstapler und kühn,
   werfe den Arm hoch im Rausche -- höre den Sperberschrei.
   Purpur durchrast schon der Fenster flammendes Mondrund und Blei.



RUMÄNISCHE BALLERINA


   Nach des Elephanten großem Schreiten
   kam sie, die mit Pas den Zirkus reich durchstach.
   Ihre Arme, die die Pferdeluft im Schwung durchweiden.
   ziehn wie Violinsignale schwärmerisch und zag.

   Währenddem die Lichter sterbend sanft sich ihr verneigen,
   wächst der dunkle Raum hinauf zum eisigen Relief,
   bis das Starre der Gesichte und der Blicke Bleichen
   gurgelnd übersaust der zwei Kapellen Bluff.

   Und nun neu entschwebt aus den verhaltnen Hüften
   Rhythmus, der in der Manege alles gell erregt.
   Neben ihr der Hengst, der kreist in ihres Tanzes Düften,
   macht denselben Gang von ihrer Schenkel Zorn bewegt.

   O wie schwingen beide -- schwarzes Tier und Frau -- im Kreis wie über
      Meere.
   Sand wird Glas und blitzt. Musik versiegt.
   Nur des Auges ungeheurer Glanz hebt etwas auf von der Arena Luft und
      Schwere,
   dieweil der Körper schon halb transzendent die zehnte Runde überfliegt.



FISCHERBOOTE IN ETRETAT


   Von den Fäusten der Pflöcke gehalten, an zuckenden Seilen
   stehen die Boote von schweifenden Wolken bedroht . . . . . .
   Stehen wie Pfeile, wie Wale . . . . . . unregsam im Aufruhr von Meilen
   einsamer als Büffel vor einem Abendrot.

   Furchtsam wie Blumen bedrängen den Zaun, bricht sich an der Kiele
   stolzerer Phalanx der Fluß. Aus dem nahen Orkan
   quellen schon Dunkel und Pfeifen . . . . . . Doch, unverrückbare Ziele,
   liegen die Kähne beglänzt von des Himmels zerstäubtem Mangan.

   Sie liegen gefroren im Strom und des Sturmes Gebaren
   zerschellt an der Sicherheit ihrer starren Schicht . . .
   als hätten sie eine Sehnsucht nach größeren unendlicheren Gefahren,
   wirrer wie Mohn, süßer als Patcholi, Weiber und Maienlicht.



PERSEUS UND ANDROMEDA


   Da er in Erz umspiegelt sorgend seinen
   Arm, der noch qualmte von des Wurmes Blut,
   zu ihrer Fessel hob, kam ihm: ein Leinen
   sei nun viel mehr als alles andre gut.

   Denn sie stand nackend an der breiten Planke.
   Ihr Schatten schmal wie ein Olivenzweig
   zitternd geneigt dicht neben ihr aufs blanke
   Riff machte sie nur tiefer nackt und bleich.

   Nun nahm er ihr die Spangen von den Händen
   und eine Schwachheit stieg in ihm wie nie.
   Er staunte: Ist das Weinen? -- und dann enden
   sah er die Kette über ihrem Knie.

   Und doch: Das ist ja Weinen: -- Der genossen
   die dumpfen Wunder allesamt, er hing
   mit seinem Blick da, wo des Lichtes Sprossen
   fern heller wurden, lange. Und er fing

   die Glut des Meeres auf und wagte nicht
   zu lösen wie ein Blinder unentschlossen
   von ihrem Mädchenschenkel Schnur und Ring.



ABSCHIED


   Ich lege mein schluchzendes Antlitz auf meiner Hände Sichbeugen.
   Steigenden Lichtes ruhte es an deinem noch aus
   von einer Nacht, die erbrauste und schwoll in den Liebesgeräuschen.
   Eine Ampel quält nur mein kniendes Haus.

   Vor meiner Tränen Geneige hebt nun der freier
   verrinnende Abend seine durchleuchtete Glut.
   Meine zuckenden Lippen gleiten auf deinem grünlichen Schleier
   nach deinem duftigen Fleische, das nirgendwo ruht.

   Soll ich das Glück verschwiegenster Orte noch einmal schauen,
   welches die schmelzende Rast deiner Silben schon nicht mehr kennt
   und nicht mehr weiß, wie du schweigst, und den Turm und die blauen
   Portale und kreisenden Lichter am Maifirmament?

   Wenn ich den Blick auf die nun enteilenden Länder lehne,
   ist mir der Dächer Gegleite wie Fallen zum Meer.
   Irgendwo da reicht dir ein Stern das Maß meiner Lust, meiner Träne.
   Aber der Rhythmus der Ferne ist dumpf und verzweifelt und schwer.

   Doch in den plastischen Bäumen der Nacht geht die Landschaft schlafen.
   Und ist die Nachttrauer der Parke nicht Rauschen vom Meer?
   Einmal goldet auch mir der wölbende Hafen,
   geht meine Stimme mit Kommandos, voll Ehrgeiz und hell übers Wehr.

   Einmal werden die Monde geballt den rasenden Tag übersteigen,
   wo ich die Süße deines Fleischs schon und dies Lächeln auch überwand.
   O daß, wenn grausamste Schmerzen mich reißen zu steileren Abendneigen.
   O daß ein Blaumond mir spiegelt diesen Tag, so Geringes, als zärtlich
      geläutertes Pfand.



TO


   Manchmal im harten Wind,
   der tierisch erbrüllen macht über die Ebene weit
   gewaltige Eschen, unter denen ich liege auf unserer Wiese in Rottach,
   fühle ich, dein Blut überfällt mich
   und ich weiß nicht, wo du bist, meine königliche Äffin.
   Wenn mein Leib, der dunkel und braun ist von Segel und Sonne,
   in den klirrenden Peitschen funkelnden Regens aufrauscht,
   manchmal, meine ich, du seist in meiner Haut,
   weil du meine Braunheit lieb hast.
   Wenn der Sturm aufgeht zwischen Wiessee und Egern
   und ich am Fock ihm entgegenstehe
   mit aller Tiefe und Kraft die Böen zerreiße, reffend die Hände hebe
   und im schmalen Zuck der Blitze
   mich bade,
   nicht wissend, ob ich verflucht bin oder geheiligt in meiner Jolle
   von kreisenden Kränzen der Glut,
   aber doch Hohn, Wimpel und Pinne fest in der Hand
   wildes Geschrei der zerschäumenden Dinge
   heiß überfunkle,
   da,
   wie aus aufdonnernden Munden von Kathedralen
   in großen Städten,
   singt etwas in mir
   gewaltig und leise:
   Meine Freundin.



ORPHEUS


   O das verworrene Rören der Hirsche ist leichtes Gelärme
   gegen die Brunst, die des Haines gebeugte Wipfel durchirrt.
   Glühend beflaggt trägt der Wald die Streifen von rostbrauner Wärme,
   die die gesunkene Sonne noch lange heut spenden wird.

   Auch auf dem tragischen Teiche wächst eine stille Exstase
   hin nach der Dünung, wo Orpheus der Sterbende kniet auf den Strand.
   Einmal noch hebt er die Laute in eine unsagbare Phase,
   während der blendenden Brust schon entblättert das schöne Gewand.

   Dann wächst entsetzlich und drohend wieder die grausame Stille,
   als des Mondes glühender Phallos den Zitterabend durchdringt
   und in der tonlosen Landschaft nur aus der erhellten Puppille
   weniger Blumen ein rosiger Regen am Boden erklingt.



ROSITTA MAURY


   Die Hüften beben eingesenkt wie ein Florett,
   Nur Schärfe und Kontur . . . . . . unmöglich auszudenken
   den Leib in Mousselin oder auf einem Bett.

   Er war mehr eines Jünglings, der nie den Gelenken
   Rausch gab . . . . . Der staunend sieht, wenn in der Raserei
   der Orgie Fraun im Tanz die heißen Brüste schwenken.

   Der scharfe Kopf kam aus des Halses Kelch ganz frei
   und kühl. Des Auges dunkel aufgewölbter Spiegel
   schmolz nach der Iris hin zu tötlichem Email.

   Doch was an ihr von Weib war, brach voll Hohn die Tür
   der Lippen und stand flammend, wo der breite Riegel
   des Munds aufglomm wie ein zerrissenes Geschwür.



SPRUCH


   Die Birken sind schon schwer umnachtet.
   Der Park reißt wild die Melodie
   der Wege weiter. Eh ihr dachtet
   seht Ihr das Tor vor ein Gesprüh

   mildesten Abends hingeschmiedet.
   Eine Rosette hebt die Scheibe
   über den Rand des Dunkels hoch.
   Fragt mich nicht, was sie tief umfriedet
   von weichem Glanz ins Kalte zog.
   Sagt, Freunde, nicht zum Abend: Bleibe
   Und hebet Eure Fäuste hoch.



DEM GEDÄCHTNIS DER TÄNZERIN
ANGELIQUE HOLOPAINEN


   Über der stahlgrellen Straffung von tausend entflammten Gelenken,
   o wie liegt im Tanz ihr zweckloser Bizeps da kühl wie ein sänftiger
      Hund.
   Und alle die andern, die Muskeln, entzündete Sehnen schwenken
   Lächeln hinauf nach der Demut, die verzuckt an dem slavischen Mund.

   Und da befällt mich die wütende Angst, in diesen verzückten Posen
   sei nicht mehr Angelique, die bebt, wenn der Metro schrillt,
   die wie ein Dolchstoß süß sich erhob und den Ansturm verfaulter
      Leprosen,
   den zischenden Geifer zurückschlug und als glänzenden Schild

   einzig den Ordinat trug der Pflegerin über den kindlichen Brüsten
      . . .
   Apachenpfiffe zerrissen, Türme durchschwammen das Wetter, wie ein
      Blinkfeuer schlug Sacré Coeur
   zerspiegelte Blitze hinein in die Stadt, und unter der Donner
      verdunkelten Lüstern
   hing ihre madonnige Demut geneigt im Dächermeer.

   Und nun ist mir die einzige Lösung, während in blinden Exstasen
   ihrer Schenkel Bogen, ihre Brust ins Unermeßliche rollt:
   Der silberne Brand dieser Lippen, in dessen verrauschenden Phasen
   ein Monat der Liebe sich schaukelt bei Passy in Abend und Gold.



DER FREIER


   Es war an ihm etwas wie Musizieren:
   Die Seide, die schon blutig ward und bunt,
   der schwanke Pfeil im Rücken, das Vibrieren
   der Hände und der feingeschweifte Mund.

   Er war noch wirr . . . . . . . . nun riß er von den Lenden
   das Kleid. Die Lippen formten einen Kreis,
   aus dem er aufschrie. Und von allen Wänden
   schlug sich der Schrei zurück verstellt und heiß.

   Da warf er seinen Arm wie eine helle
   Flaggstange auf und wuchs ihm nach vor Qual.
   Und stand vor seines Mantels blauer Welle
   geschnellt und grell wie ein gebogner Stahl.

   Und schrie . . . . und schrie . . . . Und seinen hingewandten
   Bogen ließ nun von ihm Odysseus auch.
   Sein Fleisch ward hell vor Tod. Drei Nelken brannten
   wie rote Augen stumm an seinem Bauch.



SCHLUSS


   Silberne Wunde deines Munds Maria, o und Biß und Helligkeit.
   westdeutscher Landschaft, als des Monds Rakete
   schräg steigend, duldsam, blau die Hügel überwehte . . . . .
   und alle Wiesen ganz von Kirschbaumständen überschneit.
   Die Lippen naß vom Mond. O Tau und Duft. Und endlos drehte
   um unsern Schlaf im Hummelschwung sich plötzlich riesenhafte Röte und
      die Morgenzeit.

   Wie süß dein Bein bei Nyon. Weiße Katzen drücken
   verliebt den Nabel dir und deine Lippen sind gespannt und voll
   von Röte wie die Segel, unter denen wir windlos im Kupferabend weiter
      rücken.
   O Abend, der Metall um alle Maste schlug und quoll,
   daß ich vor Blut aufflog; verrückt, und Bergesrücken
   und alle Bergesrücken das Geschrei von meiner Liebe überscholl.

   Wenn mir im Elend nun die Dinge neu um dich sich jetzt
      zusammenschweißen,
   fällt gar vielleicht der Mond (Rue d'Aboukir) durch Luken auf mein Bett
      in dem Hotel.
   Wie glänzt die Nacht. Wie alle Wände gleißen.
   Der Abend groß. Die Seine unerhört und wie mein Ehrgeiz hell.
   Kein Hornklang mehr. Nur wieder donnernd vor Verlassenheit zu kreisen
   beginnt um mich der Korridore ungeheuer stummes Karussell.



SAPHO


   Die Überkönigliche . . . . . . . durch das dunkle Spülen
   des Wassers glitt sie überbauscht von losem Haar.
   Der Leib schien Nacht und Brandung klingend aufzuwühlen,
   der eh von Hymnen hell und überflogen war.

   Sie hielt die Lyra. Stumpf wand aus der Mondspirale
   sich kalter Schein und hielt mit Riff und Wogen Tausch.
   Manchmal erblitzten Wellen, wo den Arm die Fahle
   flocht durch das Instrument aus Elfenbein und Rausch.

   Die Vorgebirge ragten gleich von Schmetterlingen
   besucht vom Mond. Seemöven, Flügel voll von Reif
   brachen durch fernes Dunkel als gekreuzte Klingen

   und schossen plötzlich spitzen Flugs nach jenem Streif,
   da hingerissen trauernd stand mit Silberschwingen
   lautlos und träumend über ihr ein großer Greif.



GAM


   Wir haben diese Gebirgswochen mit unendlichen Himmeln und Segeljagden
      uns fabelhaft durchsüßt.
   Glanz von Sternen aus Herbststurm gesogen . . . . . . Frauenherzen auf
      die Laternenspitzen Rottachs gespießt.
   Sahen die wilde Dirne Ella nachts weinend und im Hemd im Wolkenbruch
      der Hauptstraße stehn . . . . .
   Aber waren Gams Hüften im seidenen Badeanzug nicht königlicher als die
      Linie des Ringsees anzusehn?
   Hat die ägyptische Königstochter, wenn sie fischend die Anmut der
      vierzehnjährigen Brüste über den Bootsrand hinüberhob
   mit dem bronzenen Glanz ihrer Haut nicht unsern Traum durchwühlt, um
      den das Fordern sovieler Weibernächte heiß und vergeblich stob?
   Licht der Blauberge zog uns magisch ins Irre, wenn Gam die Knie auf
      nickelnen Pedalen schräg und kindlich höher bog.
   Ach wie war ihr Lächeln reif und durchsichtig über allem süß gelagert,
      was unmerklich gegen sie zog:
   Barfuß stand im Lilapark sie heuend fern, als der Prinz von Aleppo
      träumte, aus dem Geraniengarten Slezak die ungeheuren Tenöre
      aufzwang.
   Schweigend ging sie vorüber, wenn der Ritter von Csala die Brust unter
      enormen kriegerischen Medaillen schwang.
   Als der große Skiläufer Fasolt beim Abschied wild vor Schmerz den Blick
      nach den Bergspitzen hieb,
   die Gaffel in Springbön spritzte, Bobbys Stirn sanft im Ruhm der
      famosen Schweizer Tennisturniere trieb . . . . . .
   da war Gams Schlankheit vierzehnjährig unendlicher darüber ins Uferlose
      hinein gespannt.
   Nichts von unserer Sehnsucht erreichte ihre Kindlichkeit. Unser Leben
      war in Tragödie nur gegen ihre stets unerreichbare Jugend gewandt.
   Wir haben verlassene Tage gewütet, in Demut und Bescheiden uns schwer
      und zum erstenmal geübt.
   Mit Schwüngen schoß die Ebene hin . . . . . . Rennen sinnlos gefahren,
      Forellenwasser getrübt.
   Geschaukelt vom Vollmond lag nachts unser Klüver in die Bucht heller
      als eine Frauenbrust hinein geblüht.
   Wir haben geschwiegen, gelitten, uns entzweit, den heiligen Bund
      unserer Kameradschaft in Intrigue und Gemeinheit zersprüht.
   Bebend der Sommer vor Blau -- die stäten Herbstwinde . . . . . . O
      Landschaft . . . . . . wie haben vom Wallberg Berauschte wir auf
      unsere Ebenensehnsucht gelacht.
   Mädchenbeine haben nach den Segelregatten zwischen unseren Armen
      herrlich gekracht.
   Aber dann haben wir tötlich in der irrsinnigen Beleuchtung der
      schwärmerischen Nachthügel vorm Tegernseer Sternmeer wie am
      unwiderruflich letzten Lebensabend gespürt:
   daß wir nicht oben sind, unsere Herzen nicht fliegen . . . . . . O wie
      hat unsere Ausschweifung uns entsetzlich und grausam verführt.
   Denn wir haben den glühenden Gott aus keiner Mondnacht, mit keinem
      Aufschrei, wir haben mit Flaggen und Sturmnacht nie die zitternde
      Sonne erreicht.
   Kalt hat von den steilsten Barrikaden der Sehnsucht unser klagendes
      Herz sich westwärts zu Melancholien und Entsagung wund hinunter
      geneigt.



VERKÜNDIGUNG


   Er kam nicht die Allee mit sanften Büschen
   zu ihrer Halle hin. Denn die war ihm zu bang.
   Zu zart schon klangen seines Hemdes Rüschen
   und seine Locken bebten in Gesang.

   Die Dämmerung der Tür und vom Portale,
   das überm hellen Weg zum Himmel wies,
   formte aus seinen Händen eine Schale,
   die seine Bitte füllte: »Ich verhieß . . . .«

   So stand der Engel. Doch Marias strenge
   Haltung der Finger machte ihn ein wenig blaß.
   Er lauschte auf der Ferne fremde Klänge,
   die plötzlich voll Geräusch war, und sah, daß

   ihr überm Hügel wehrender Gebärde
   zahllos von Lächeln auf ein Horizont sich schlug.
   Nur ihre Handgelenke schienen Schwerte,
   weil sie die Gnade ihres Bauches kaum ertrug.



MONTAU DON: ENUEG


   Ein Mann, der sein Weib liebt, fuchst mich
   und sei sie die Liebe Frau von Toulouse.
   Das verachte ich: Kaplane, einen Mund, der
   in Lügen sich abschleift und bärtigen Mönch.
   Pest über Habichte, die schon das andere
   Ufer beschweben, Krüppel am Morgenweg
   und den Filou, der unsere Tirade hochhebt.
   O du Sau, die meinem Pferd Hafer frißt.
   Wie kann man,
   -- kotzt blau -- hartes Fleisch kauen und auf Pokern fluchen!
   Und schlimm wie ein Hof ohne Violinen
   ist Winters am Feuer liegen, wenn
   die Taverne gut riecht.
   O stürmischer Port
   und heut die unsaubere Hure.
   Haß auf sie. Mehr jedoch
   dem Jüngling, der seine Wade bespiegelt
   und fettem Weib, das dürre Lenden hat.
   Schlimm Freunde ist es, müde zu sein und nicht
   schlafen zu können.



MONTAU DON: PLAZER


   Wie liebe vor allem
   ich Musik, Radau und rauschvolle Sachen tun.
   Und eine Dame, die gute Glieder hat.
   Funkelschöne Gespräche, die aufzucken
   gleich Dolchen, niedersteigen und dies
   Seltene: Honnete Reiche und den, der dem Feind
   Herz ins Gesicht speit.
   Lob aus der Zunge irgendeines
   strömend gefällt mir, es ist Ruhm. Und Siesta,
   wenn es nicht hagelt.
   O fetter Lachs um die Stunde Neun.
   Und diese Wonne: ich liege
   im Sommer
   an Quellen, am Bach und
   die Ebenen sind grün, Bäume neu,
   Lerchensang rauscht immer hoch
   über mich
   und ich sehe heimlich im Duft wo die Freundin
   und beschlafe sie.



VERFOLGTER KRIEGER


   Sein Fuß lag wie ein Tier im Sand. Er spannte
   des Körpers Rasen an aufs Schwert geduckt.
   Er wölbte sich und stand von der Gewande
   leuchtendem Spiel und hellem Wind umzuckt.

   Er würde viele töten . . . . Doch wie Seide
   war seine Stirn. Sein Blick schien ganz erhellt
   von nahem Tod. Er sah wie nie die breite
   Schnur grüner Hügel vor sich hin gewellt . . . .

   Dann wuchs die Gegend wunderlich zusammen:
   Ein Turm bog sich an Fichten dünn vorbei.
   Der Himmel blich und hatte plötzlich Flammen
   von Schlaf und Traum und schöner Meeresbai.



DIE NACHT DES ANGESCHOSSENEN


   Rauschdunkles Geschehen flackert grünlich im Abend aus dem Kamin.
   Halt! -- nein -- nur das eigene Auge, das durch den Rauch aus dem
      Spiegel schien.
   Immer den Kopf so halten . . . . . Arm auf den Divan gereckt.
   Germaine kommt bald . . . Kein Opium! . . . Alles ist grau verdeckt
   Gleich holländschen Ewern (o Tage von Nebel und Kühen, denen ich mich
      verrauschend gab,
   Delft, Vermeer, die Glocken . . .) gleich Ewern stampfen die Häuser zur
      Seine hinab
   des Boulevard, der aufbricht von Lichtern, von blitzenden Tramways
      zerschnürt.
   Das Wundfieber muß nun bald enden, das die Knochen mit Fiebern schürt.

   Famos wie den Alphonse sie warfen ins Auto, von Stichen und Schreien
      bunt.
   Schaum umdampfte den schmalen, wie mit einem Dolchschnitt aufgehauenen
      Mund . . . .
   Gott, nun die Seine durchschneiden Dampfer, gellend die Ventile,
      Herzpochen im dunklen Rohr.
   Fressendes Schwarz der Brücken wirft sich ihnen entgegen, dröhnt über
      sie empor.
   Lichter nun drunten . . . ein Auto zittert im Hof wie ein Mann vor
      erstem Weib.
   Ah . . . Frau des kleinen Capitaine! -- Wie wird sie fahren, blumenhaft
      und ohne Neid
   wie ein lächelnder Stern durch Straßen vom Leuchten der Läden
      beschneit,
   in den Rücksitz des Wagens gelagert, die Pleureuse wie Schaumstreif vom
      Wind
   über ihr Lächeln gekräuselt . . . . Verdammt, daß die Abende so zehrend
      und endlos langsam sind.

   Nun rasen wie Zündschnüre flammend die Straßen zum Etoile.
   Mählich nur rauscht aus dem Garten der großen Fontäne Fall,
   Die Faculté de droit demonstriert um acht Uhr präzis am Procope.
   Wie aus dem Schrei des Royalisten neulich ein Zünden stob,
   alle Puppillen und Gläserkanten im Saal erblitzten wie Degengeglänz.
   Germaine wird wieder nicht kommen . . . . Sacré . . . im Builler
      brennt's!
   Flammendes Aufgehn von Wellen, das das Graue vom Himmel abfrißt.
   Gut nur, daß Germaine sicher in der Olympia ist.
   Heute gleich einem brünstigen Strudel saugt die Revue tausend Männer in
      ihr Licht.
   Der ganze Saal ist ein brennender Strom, der aufglühend in dies helle
      Gelächter bricht.
   Germaine wird mit einem Hirtenstab tänzelnd durch die einzelnen Bilder
      hingehn.
   Wünsche aufdampfen im Parkett, wenn ihre Knie leicht wie Küsse
      ängstlich an das Enge der Robe angelehnt stehn.
   Germaines Knie sind zart wie junge Feigen und von seligem Arom.
   Ihre silbernen Brüste stehn zärtlich über des Leibes schmalhüftigem
      Dom.

   Nun steigt zur letzten Exstase in allen Bars der Zigeuner und Weiber
      Gekreisch.
   In der Source und dem d'Harcourt verrasen die Tänzerinnen unter dem
      Puder ihr blendendes Fleisch.
   Nun speien alle Lokale in einem beispiellos auffunkelnden Zug
   aufzuckendes Leben, Ströme, Lieder und Mädchen auf des Boulmichs
      nächtlichen Geruch.
   Schließen die Läden wie Lider . . . zwei Uhr . . Dunkel . . . Germaine
      kam nicht. Diese Nacht ist nicht leicht.
   O bald aus seinem Cabaret steigt Dunajec herauf (Maestro hongrois), der
      mich schweigend in den neuen prunkvollen Genesungsmorgen unendlich
      hinübergeigt.





*** End of this LibraryBlog Digital Book "Stehe von Lichtern gestreichelt - Gedichte" ***

Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.



Home