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Title: Kleine Dichtungen
Author: Walser, Robert, 1878-1956
Language: German
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*** Start of this LibraryBlog Digital Book "Kleine Dichtungen" ***


  [ Anmerkungen zur Transkription:

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  Kleine Dichtungen
  von
  Robert Walser

  Erste Auflage hergestellt
  für den Frauenbund
  zur Ehrung rheinländischer
  Dichter

  Leipzig
  Kurt Wolff Verlag
  1914


  Copyright 1914 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig



Inhalt


  Brief eines Dichters an einen Herrn          9

  Mittagspause                                14

  Die Göttin                                  16

  Der Nachen                                  18

  Pierot                                      20

  Sommerfrische                               22

  Frau von Twann                              24

  Die Insel                                   27

  Meta                                        29

  Fußwanderung                                34

  Der Kuß                                     37

  Das Traumgesicht                            40

  Nächtliche Wanderung                        43

  Johanna                                     46

  Der Bursche                                 49

  Der Knabe                                   51

  Das Götzenbild                              54

  »Apollo und Diana«                          56

  Zwei Bilder meines Bruders

    »Die Frau am Fenster«                     59

    »Der Traum«                               61

  Die Gedichte                                65

  Rinaldini                                   67

  Lenau                                       70

  Tobold                                      73

  Helblings Geschichte                        86

  Brief eines Vaters an seinen Sohn          111

  Spazieren                                  116

  Der Schäfer                                119

  Die Einladung                              121

  Der nächtliche Aufstieg                    124

  Die Landschaft                             127

  Der Dichter                                129

  Das Liebespaar                             131

  Der Mond                                   134

  Ein Nachmittag                             136

  Die kleine Schneelandschaft                139

  Das Mädchen                                141

  Das Eisenbahnabenteuer                     143

  Die Stadt                                  146

  Das Veilchen                               149

  Die Kapelle                                152

  Der Tänzer                                 155

  Die Sonate                                 158

  Das Gebirge                                161

  Der Traum                                  165

  Der Jagdhund                               168

  Der Vater                                  171

  Der Träumer                                174

  Der Pole                                   177

  Der Doktor                                 181

  Der Liebesbrief                            184

  Der Hanswurst                              187

  Sonntagmorgen                              189

  Ausgang                                    191

  Die Millionärin                            193

  Erinnerung                                 196

  Die Schneiderin                            199

  Das Stellengesuch                          202

  »Geschwister Tanner«                       205

  Eine Stadt                                 208

  Spaziergang                                212

  Das Kätzchen                               216

  Tannenzweig, Taschentuch und Käppchen      218

  Der Mann                                   220

  Das Pferd und die Frau                     222

  Die Handharfe                              224

  Die Fee                                    226

  Kleine Wanderung                           228

  Wirtshäuselei                              230

  Der Morgen                                 232

  Der Ausflug                                234

  Schnee                                     236

  Der Blick                                  238

  Der Heidenstein                            240

  Der Waldberg                               242

  Zwei kleine Sachen                         246

  Herbstnachmittag                           248

  Der Felsen                                 252

  Die Eisenbahnfahrt                         255

  Das Lachen                                 258

  Der Berg                                   261

  Schwärmerei                                264

  Oskar                                      267

  Die Einfahrt                               271

  Die Vaterstadt                             274

  Das Grab der Mutter                        276

  Abend                                      278

  An den Bruder                              281



  Ich wanderte und wandre noch,
  doch war mein Geh'n nicht immer gleich.
  Bald trug ich Heiterkeit mit mir.
  Bald, wie es auch dem Himmel geht,
  verlor sich plötzlich meine Lust
  in einen langen Tag von Leid --



Brief eines Dichters an einen Herrn


Auf Ihren Brief, hochverehrter Herr, den ich heute abend auf dem Tisch
fand, und worin Sie mich ersuchen, Ihnen Zeit und Ort anzugeben, wo Sie
mich kennen lernen könnten, muß ich Ihnen antworten, daß ich nicht recht
weiß, was ich Ihnen sagen soll. Einiges und anderes Bedenken steigt in
mir auf, denn ich bin ein Mensch, müssen Sie wissen, der nicht lohnt,
kennen gelernt zu werden. Ich bin außerordentlich unhöflich, und an
Manieren besitze ich so gut wie nichts. Ihnen Gelegenheit geben, mich zu
sehen, hieße, Sie mit einem Menschen bekannt machen, der seinen
Filzhüten den Rand mit der Schere halb abschneidet, um ihnen ein
wüsteres Aussehen zu verleihen. Möchten Sie einen solchen Sonderling vor
Augen haben? Ihr liebenswürdiger Brief hat mich sehr gefreut. Doch Sie
irren sich in der Adresse. Ich bin Der nicht, der verdient, solcherlei
Höflichkeiten zu empfangen. Ich bitte Sie: Stehen Sie sogleich ab von
dem Wunsch, meine Bekanntschaft zu machen. Artigkeit steht mir schlecht
zu Gesicht. Ich müßte Ihnen gegenüber die notwendige Artigkeit
hervorkehren; und das eben möchte ich vermeiden, da ich weiß, daß
artiges und manierliches Betragen mich nicht kleidet. Auch bin ich nicht
gern artig; es langweilt mich. Ich vermute, daß Sie eine Frau haben, daß
Ihre Frau elegant ist, und daß bei Ihnen so etwas wie ein Salon ist. Wer
sich so feiner und schöner Ausdrücke bedient wie Sie, hat einen Salon.
Ich aber bin nur Mensch auf der Straße, in Wald und Feld, im Wirtshaus
und in meinem eigenen Zimmer; in irgend jemandes Salon stünde ich da wie
ein Erztölpel. Ich bin noch nie in einem Salon gewesen, ich fürchte mich
davor; und als Mann von gesunder Vernunft muß ich meiden, was mich
ängstigt. Sie sehen, ich bin offenherzig. Sie sind wahrscheinlich ein
wohlhabender Mann und lassen wohlhabende Worte fallen. Ich dagegen bin
arm, und alles, was ich spreche, klingt nach Ärmlichkeit. Entweder
würden Sie mich mit Ihrem Hergebrachten oder ich würde mit meinem
Hergebrachten Sie verstimmen. Sie machen sich keine Vorstellung davon,
wie aufrichtig ich den Stand, in welchem ich lebe, bevorzuge und liebe.
So arm ich bin, ist es mir doch bis heute noch nie eingefallen, mich zu
beklagen; im Gegenteil: ich schätze, was mich umgibt, so hoch, daß ich
stets eifrig bemüht bin, es zu hüten. Ich wohne in einem wüsten, alten
Haus, in einer Art von Ruine. Doch das macht mich glücklich. Der Anblick
armer Leute und armseliger Häuser macht mich glücklich; so sehr ich auch
denke, wie wenig Grund Sie haben, dies zu begreifen. Ein bestimmtes
Gewicht und eine gewisse Menge von Verwahrlosung, von Verlotterung und
von Zerrissenheit muß um mich sein: sonst ist mir das Atmen eine Pein.
Das Leben würde mir zur Qual, wenn ich fein, vortrefflich und elegant
sein sollte. Die Eleganz ist mein Feind, und ich will lieber versuchen,
drei Tage lang nichts zu essen als mich in die gewagte Unternehmung
verstricken, eine Verbeugung zu machen. Verehrter Herr, so spricht nicht
der Stolz, sondern der ausgesprochene Sinn für Harmonie und
Bequemlichkeit. Warum sollte ich sein, was ich nicht bin, und nicht
sein, was ich bin? Das wäre eine Dummheit. Wenn ich bin, was ich bin,
bin ich mit mir zufrieden; und dann tönt alles, ist alles gut um mich.
Sehen Sie, es ist so: schon ein neuer Anzug macht mich ganz unzufrieden
und unglücklich; woraus ich entnehme, wie ich alles, was schön, neu und
fein ist, hasse und wie ich alles, was alt, verschabt und verbraucht
ist, liebe. Ich liebe Ungeziefer nicht gerade; ich möchte Ungeziefer
nicht geradezu essen, aber Ungeziefer stört mich nicht. In dem Haus, in
welchem ich wohne, wimmelt es von Ungeziefer: und doch wohne ich gern in
dem Haus. Das Haus sieht aus wie ein Räuberhaus, zum ans Herz drücken.
Wenn alles neu und ordentlich ist in der Welt, dann will ich nicht mehr
leben, dann morde ich mich. Ich fürchte also quasi etwas, wenn ich
denken soll, ich solle mit einem vornehmen und gebildeten Menschen
bekannt werden. Wenn ich befürchte, daß ich Sie nur störe und keine
Förderlichkeit und Erquicklichkeit für Sie bedeute, so ist die andere
Befürchtung ebenso lebendig in mir, nämlich die (um ganz und gar offen
zu reden), daß auch Sie mich stören und mir nicht erquicklich und
erfreulich sein könnten. Es ist eine Seele in eines jeden Menschen
Zustand; und Sie müssen unbedingt erfahren, und ich muß Ihnen das
unbedingt mitteilen: ich schätze hoch, was ich bin, so karg und ärmlich
es ist. Ich halte allen Neid für eine Dummheit. Der Neid ist eine Art
Irrsinn. Respektiere jeder die Lage, in der er ist: so ist jedem
gedient. Ich fürchte auch den Einfluß, den Sie auf mich ausüben könnten;
das heißt: ich fürchte mich vor der überflüssigen innerlichen Arbeit,
die getan werden müßte, mich Ihres Einflusses zu erwehren. Und deshalb
renne ich nicht nach Bekanntschaften, kann nicht danach rennen. Jemand
Neues kennen lernen: Das ist zum mindesten stets ein Stück Arbeit, und
ich habe mir bereits erlaubt, Ihnen zu sagen, daß ich die Bequemlichkeit
liebe. Was werden Sie denken von mir? Doch das muß mir gleichgültig
sein. Ich will, daß mir das gleichgültig sei. Ich will Sie auch nicht um
Verzeihung wegen dieser Sprache bitten. Das wäre Phrase. Man ist immer
unartig, wenn man die Wahrheit sagt. Ich liebe die Sterne, und der Mond
ist mein heimlicher Freund. Über mir ist der Himmel. Solange ich lebe,
werde ich nie verlernen, zu ihm hinaufzuschauen. Ich stehe auf der Erde:
Dies ist mein Standpunkt. Die Stunden scherzen mit mir, und ich scherze
mit ihnen. Ich vermag mir keine köstlichere Unterhaltung zu denken. Tag
und Nacht sind meine Gesellschaft. Ich stehe auf vertrautem Fuß mit dem
Abend und mit dem Morgen. Und hiermit grüßt Sie freundlich

  der arme junge Dichter.



Mittagspause


Ich lag eines Tages, in der Mittagspause, im Gras, unter einem
Apfelbaum. Heiß war es, und es schwamm alles in einem leichten Hellgrün
vor meinen Augen. Durch den Baum und durch das liebe Gras strich der
Wind. Hinter mir lag der dunkle Waldrand mit seinen ernsten, treuen
Tannen. Wünsche gingen mir durch den Kopf. Ich wünschte mir eine
Geliebte, die zum süßen duftenden Wind paßte. Da ich nun die Augen
schloß und so dalag, mit gegen den Himmel gerichtetem Gesichte, bequem
und träg auf dem Rücken, umsummt vom sommerlichen Gesumm, erschienen
mir, aus all der sonnigen Meeres- und Himmelshelligkeit herab, zwei
Augen, die mich unendlich liebenswürdig anschauten. Auch die Wangen sah
ich deutlich, die sich den meinigen näherten, als wollten sie sie
berühren, und ein wunderbar schöner, wie aus lauter Sonne geformter,
feingeschweifter und üppiger Mund kam aus der rötlich-bläulichen Luft
nahe bis zu dem meinigen, ebenfalls so, als wolle er ihn berühren. Das
Firmament, das ich zugedrückten Auges sah, war ganz rosarot, umsäumt von
edlem Sammetschwarz. Es war eine Welt von lichter Seligkeit, in die ich
schaute. Doch da öffnete ich dummerweise plötzlich die Augen, und da
waren Mund und Wangen und Augen verschwunden, und des süßen
Himmelskusses war ich mit einmal beraubt. Auch war es ja Zeit, in die
Stadt hinunterzugehen, in das Geschäft, an die tägliche Arbeit. Soviel
ich mich erinnere, machte ich mich nur ungern auf die Beine, um die
Wiese, den Baum, den Wind und den schönen Traum zu verlassen. Doch in
der Welt hat alles, was das Gemüt bezaubert und die Seele beglückt,
seine Grenze, wie ja auch, was uns Angst und Unbehagen einflößt,
glücklicherweise begrenzt ist. So sprang ich denn hinunter in mein
trockenes Bureau und war hübsch fleißig bis an den Feierabend.



Die Göttin


Ich ging einst, ganz in Gedanken, die elegante Hauptstraße entlang.
Viele Menschen spazierten in derselben. Die Sonne schien so freundlich.
Die Bäume waren grün, der Himmel war blau. Ich weiß nicht mehr genau, ob
es Sonntag war. Ich erinnere mich nur, daß etwas Süßes, etwas
Freundliches um mich war. Doch etwas noch Schöneres sollte folgen, indem
sich nämlich vom ungewissen leichten Himmel herab eine schneeweiße Wolke
auf die Straße niedersenkte. Die Wolke glich einem großen und graziösen
Schwan, und auf dem weichen, weißen, flaumigen Rücken der Wolke saß, in
liegender Haltung, den Arm nachlässig ausgestreckt, voller freundlicher,
kindlicher Majestät, eine nackte Frau. So hatte ich mir stets die
Göttinnen aus Griechenland vorgestellt. Die Göttin lächelte, und alle
Menschen, die sie sahen, waren genötigt, mitzulächeln, bezaubert von der
holdseligen Schönheit. O wie ihr Haar in der Sonne schimmerte! Mit ihren
großen blauen gütigen Augen schaute sie die Welt an, die sie gleichsam
mit ihrem hohen kurzen Besuch beehrte. Die Wolke flog auf, gleich einem
Luftschiff, und nach kurzer Zeit war mir und allen andern der herrliche
Anblick wieder entschwunden. Da gingen die Leute ins nächstgelegene
Kaffeehaus und erzählten einander die wunderbare Neuigkeit. Noch schien
die Sonne freundlich, auch ohne Göttin.



Der Nachen


Ich glaube, ich habe diese Szene schon geschrieben, aber ich will sie
noch einmal schreiben. In einem Nachen, mitten auf dem See, sitzen ein
Mann und eine Frau. Hoch oben am dunklen Himmel steht der Mond. Die
Nacht ist still und warm, recht geeignet für das träumerische
Liebesabenteuer. Ist der Mann im Nachen ein Entführer? Ist die Frau die
glückliche, bezauberte Verführte? Das wissen wir nicht; wir sehen nur,
wie sie beide sich küssen. Der dunkle Berg liegt wie ein Riese im
glänzenden Wasser. Am Ufer liegt ein Schloß oder Landhaus mit einem
erhellten Fenster. Kein Laut, kein Ton. Alles ist in ein schwarzes,
süßes Schweigen gehüllt. Die Sterne zittern hoch oben am Himmel und auch
von tief unten aus dem Himmel herauf, der im Wasserspiegel liegt. Das
Wasser ist die Freundin des Mondes, es hat ihn zu sich herabgezogen, und
nun küssen sich das Wasser und der Mond wie Freund und Freundin. Der
schöne Mond ist in das Wasser gesunken wie ein junger kühner Fürst in
eine Flut von Gefahren. Er spiegelt sich im Wasser, wie ein schönes
liebevolles Herz sich in einem andern liebesdurstigen Herzen
widerspiegelt. Herrlich ist es, wie der Mond dem Liebenden gleicht,
ertrunken in Genüssen, und wie das Wasser der glücklichen Geliebten
gleicht, umhalsend und umarmend den königlichen Liebsten. Mann und Frau
im Boot sind ganz still. Ein langer Kuß hält sie gefangen. Die Ruder
liegen lässig auf dem Wasser. Werden sie glücklich, werden sie glücklich
werden, die zwei, die da im Nachen sind, die zwei, die sich küssen, die
zwei, die der Mond bescheint, die zwei, die sich lieben?



Pierot


Auf den Maskenball war auch ein langer, hochaufgeschossener,
ungelenkiger Gesell gekommen. Er nannte sich Pierot. Vielleicht wäre es
für ihn besser getan gewesen, hübsch ruhig zu Hause zu bleiben und
zwischen seinen eigenen vier Wänden Trübsal zu blasen, als hier im
schönen Vergnügungssaal durch Langeweile hervorzuragen. Er schlenkerte
und schleuderte die langen Arme hin und her. Es sah zum Verzweifeln aus,
wie er seinen Kopf zur Erde hängen ließ. Wo wollte er hinaus mit sich,
und was gedachte er auf dem lustigen Maskenball zu beginnen? Übermütig
tanzten die Liebespaare rund um ihn herum. O wie schön die Kerzen
strahlten, wie süß die Musik spielte! War es nicht, als wenn
Mondstrahlen in den Saal hineinfliegen? Pierot legte sich, wie ein
geschlagener Hund, in einen Winkel an den Boden und schlug die Hände
über dem Kopf zusammen. Unterdessen wirbelte und wedelte und hüpfte,
einem artigen, guterzogenen Hündchen gleich, die Tanzlust hin und her.
Gläser klirrten, Pfropfen knallten, Wein wurde getrunken, und Gelächter
ertönte. Ein glühender Verehrer hatte die Geliebte und abgöttisch
Verehrte aus den Augen verloren und suchte sie. Ein anderer, vom
Entzücken hingerissen, kniete vor der Dame seines Herzens nieder. Zwei
Glückliche küßten und liebkosten sich. Jedermann schien das Seinige zu
haben. Alles war bewegt; alles war in Bewegung. Nur er, der arme, arme
Pierot, war unbeweglich. Für ihn gab es keine Lust. Er begriff sich
selbst und die Welt nicht. Leblos, einer weißen Statue ähnlich, oder
einem Gemälde ähnlich, lag er da und schaute verständnislos vor sich
hin. Ein kaum merkliches trauervolles Lächeln spielte ihm um die blassen
Lippen. Sein Gesicht war ganz mehlern. Er hatte sich gepudert, der
Dummkopf. Armer Dummkopf, armer Bursche! Wo alles außer sich war, wo
alles lebte und lachte, wo alles, was Beine hatte, tanzte und
Luftsprünge machte, glich er dem tödlich getroffenen Verwundeten,
verblutend an den spitzfindigen, dolchähnlichen Melancholien. Ja, er
hätte zu Hause bleiben sollen. Derlei hoffnungslose Menschen sollen der
Lust, dem Glanz, dem Glück und der Freude fernbleiben. Sie sollen in der
Einsamkeit leben.



Sommerfrische


Was tut man in der Sommerfrische? Du mein Gott, was soll man viel tun?
Man erfrischt sich. Man steht ziemlich spät auf. Das Zimmer ist sehr
sauber. Das Haus, das du bewohnst, verdient nur den Namen Häuschen. Die
Dorfstraßen sind weich und grün. Das Gras bedeckt sie wie ein grüner
Teppich. Die Leute sind freundlich. Man braucht an nichts zu denken.
Gegessen wird ziemlich viel. Gefrühstückt wird in einer lauschigen,
sonnendurchstochenen Gartenlaube. Die appetitliche Wirtin trägt das
Frühstück auf, du brauchst nur zuzugreifen. Bienen summen um deinen Kopf
herum, der ein wahrer Sommerfrischenkopf ist. Schmetterlinge gaukeln von
Blume zu Blume, und ein Kätzchen springt durch das Gras. Ein wunderbarer
Wohlgeruch duftet dir in die Nase. Hiernach macht man einen Spaziergang
an den Rand eines Wäldchens, das Meer ist tiefblau, und muntere braune
Segelschiffe fahren auf dem schönen Wasser. Alles ist schön. Es hat
alles einen gewinnenden Anstrich. Dann kommt das reichliche Mittagessen,
und nach dem Mittagessen wird unter Kastanienbäumen ein Kartenspiel
gespielt. Nachmittags wird im Wellenbad gebadet. Die Wellen schlagen
dich mit Erfrischung und Erquickung an. Das Meer ist bald sanft, bald
stürmisch. Bei Regen und Sturm bietet es einen großartigen Anblick dar.
Nun kommen die schönen stillen Abende, wo in den Bauernstuben die Lampen
angezündet werden und wo der Mond am Himmel steht. Die Nacht ist ganz
schwarz, kaum durch ein Licht unterbrochen. Etwas so Tiefes sieht man
nirgends. So kommt ein Tag nach dem andern, eine Nacht nach der andern,
in friedlicher Abwechslung. Sonne, Mond und Sterne erklären dir ihre
Liebe, und du ihnen ebenfalls. Die Wiese ist deine Freundin, und du ihr
Freund, du schaust während des Tages öfters hinauf in den Himmel und
hinaus in die weite zarte weiche Ferne. Am Abend, zur bestimmten Stunde,
ziehen die Rinder und Kühe ins Dorf hinein, und du schaust zu, du
Faulenzer. Ja, in der Sommerfrische wird ganz gewaltig gefaulenzt, und
eben das ist ja das Schöne.



Frau von Twann


Waren Sie schon einmal bei Frau von Twann? Nicht? Dann beeilen Sie sich,
dieser Frau eine Artigkeit zu sagen, damit Sie eine Einladung bekommen,
bei ihr zum Essen zu erscheinen. Frau von Twann ist geistvoll, aber sie
ist noch mehr als das, sie ist schön. Sie ist in ihrer Art eine reife
Birne, weich, doch von ausnehmend schöner Form. Das Essen, das sie gibt,
ist vorzüglich; die Weine sind ausgezeichnet. Doch das ist das wenigste.
Wenn du Frau von Twann die Hand küßt, schwebst du schon im Himmel. Ein
Lächeln hat diese Frau. Geh hin zu ihr und sieh zu, daß sie dir ein
Lächeln schenkt. Ihr Lächeln ist wie ein Kuß. Sie weiß das, und daher
hütet sie sich, es zu verschwenden. Die Blumen, die Lichter, die Musik
bei Frau von Twann. Schon der bloße Gedanke macht mich schwelgen. B...,
dieser Kenner der Genüsse, lechzt danach, der seltenen Frau vorgestellt
zu werden, und sie wird sicherlich den ausgezeichneten Mann gern
empfangen. Sie besitzt Geschmack, doch sie besitzt mehr, sie besitzt
Größe. Sie ist von einer Munterkeit durchdrungen, die auf denjenigen
überspringt, der die Freude empfindet, sich an der Unterhaltung
beteiligen zu dürfen, deren Lenkerin und Leiterin sie ist. Sie ist die
Herrin und Gebieterin vieler reizender Einfälle, und zu wem sie ein Wort
spricht, der ist von ihr bezaubert. Ihr Eßzimmer ist schneeweiß, von
zartem Gold durchbrochen. Süße Malereien schmücken die Wände. Der
Empfangsraum ist grün, gleich der frohlockenden Hoffnung, die Gunst der
Herrin des Hauses zu gewinnen. Wer bei ihr im Hause ist, der muß
frohlocken, ob er will oder nicht. Die Bedienung ist tadellos. Die
Diener der Frau von Twann sind derart einexerziert, daß man gar nicht
merkt, daß sie überhaupt da sind. Kann man einer Dienerschaft ein
besseres Zeugnis ausstellen? Die unsichtbare Musik, die während des
Essens in die Ohren der Schmausenden niederträufelt, ist so schön, daß
man sich einbildet, Mozart selbst dirigiere sie. Poeten tragen gern bei
Frau von Twann ihre neuesten, noch ganz warmen und feuchten Gedichte
vor, und sie ernten meist reichen Beifall, den sie redlich verdienen.
Wen lädt die holde hohe Frau ein? Nun, alle, die von der Absicht beseelt
sind, sich ehrlich zu amüsieren. Sie liebt die Ausgelassenheit. O das
Mondlicht, das zarte, silberne, das dort in die heimlichen, duftenden
Gemächer hineinbricht. Eines ihrer Zimmer ist ganz blau, wie ein Himmel.
Dorthin verlieren sich die Liebenden, um sich zu küssen. Noch hat kein
Mensch sich bei Frau von Twann gelangweilt. Das müßte ein elender Mensch
sein, der sich bei der Liebenswürdigen, Anbetenswerten langweilen
könnte. Aber das ist ja unmöglich. Sie macht den, der sie kennen lernt,
zum guten, edlen und unterhaltenden Menschen.



Die Insel


Ein Hochzeitspaar aus Berlin ging auf die Reise. Die Fahrt war lang.
Endlich kamen die beiden jungen Vermählten in einer Stadt an, die war
ganz aus roten ernsten Steinen gebaut, und ein breiter blauer Strom floß
daran vorüber. Ein hoher majestätischer Dom spiegelte sich im Spiegel
des Wassers. Doch die Stadt schien ihnen nicht geschaffen, längeren
Aufenthalt zu nehmen, und sie zogen weiter, und da es regnete, spannten
sie einen großen Regenschirm auf und versteckten sich unter demselben.
Sie kamen vor ein altes, in einem weitläufigen Garten verborgenes Schloß
und gingen schüchtern hinein. Eine schöne steinerne Wendeltreppe,
geschaffen wie für einen regierenden Fürsten, führte hinauf ins erste
Stockwerk. Alte dunkle Gemälde hingen an den hohen, schneeweißen Wänden.
Sie klopften an einer schweren alten Türe. »Herein.« Und da saß, in eine
gelehrte geheimnisvolle Arbeit vertieft, ein uraltes Männchen am
Schreibtisch. Die Leute aus Berlin fragten, ob sie im Schloß wohnen
könnten, es gefiel ihnen. Doch es war nichts anzufangen mit dem alten
Mann, der nur schwerfällig den Kopf schüttelte. So zogen sie weiter. Sie
kamen in ein Schneegestöber hinein, arbeiteten sich aber wieder heraus,
und so ging es fort durch Wälder, Dörfer und Städte. Nirgends wollte
sich ein passendes Lustplätzchen ausfindig machen lassen, und in den
Hotels waren obendrein noch die Kellner frech, die Spitzbuben. Sie
übernachteten einmal in einem Hotel, wo es freilich die weichsten und
schönsten Roßhaarbetten gab und liebliche Gardinen vor den Fenstern,
aber die Preise, unverschämt teuer, drückten ihnen beinahe das Herz ab.
Bis nach Venedig kamen sie, zu den höhnischen Italienern. Die Schurken,
sie singen Serenaden, pressen aber dafür den Fremden das Geld mit Hebeln
und mit Schrauben ab. Schließlich hatten sie Glück. Sie erblickten aus
der Ferne, mitten in einen anmutigen See gelegt, eine liebliche,
hellgrün schimmernde Insel, auf diese steuerten sie zu, und dort fanden
sie es so schön, daß sie nicht mehr fort konnten. Sie blieben auf der
Insel wohnen. Die Insel glich an landschaftlicher Schönheit einem holden
süßen Mädchenlächeln. Dort logierten sie und waren glücklich.



Meta


Es trug sich zu, daß ich eines Nachts, nur noch dunkel erinnere ich mich
der kleinen aber rührenden Szene, von einer wilden Trinkwanderung
verstört und taumelnd heimkehrend, in einer der monotonen Straßen der
großen Stadt eine Frau antraf, die mich aufforderte, mit ihr nach Hause
zu gehen. Es war keine schöne und doch eine schöne Frau. Entsprechend
dem Zustand, in welchem ich mich befand, richtete ich allerhand mich
selber höchlich belustigende, törichte, wenngleich vielleicht witzige
Redensarten an das nächtliche Geschöpf, wobei ich mit der Gabe, die den
Leuten eigen ist, die einen Rausch haben, merkte, daß ich ihr sehr
amüsant erschien. Noch mehr: ich gefiel ihr, und ich gewann den
Eindruck, daß sie sich einer liebenswürdigen Schwäche in bezug auf mich
hinzugeben begann. Ich wollte sie verlassen, doch sie ließ mich nicht
los, und sie sagte: »O, geh nicht von mir weg. Komm mit mir, lieber
Freund. Willst du kaltherzig sein und nichts empfinden für mich? Nicht
doch. Du hast viel getrunken, du kleines Kerlchen. Trotzdem sieht man
dir an, daß du lieb bist. Willst du nun böse sein und mich so schmählich
abweisen, wo doch ich dich so rasch liebgewonnen habe? Nicht doch. O,
wenn du wüßtest -- -- doch man darf ja den Herren nicht mit Gefühlen
kommen, sonst verachten und verlachen sie unsereinen nur. Wenn du
wüßtest, was ich leide unter der Kälte, unter der Leere all dieser
Sinnlichkeiten, die mein trauerspielgleiches, schreckenerregendes
Gewerbe sind. Ich erschien mir bis heute nur immer wie ein Ungeheuer,
wert, mit Fußtritten behandelt zu werden. Ich habe jetzt eine milde,
süße, fromme Empfindung in mir, erweckt durch dich, mein Lieber, und du,
du willst mich jetzt wieder in den Scheusalabgrund zurückwerfen? Nicht
doch. Bleib, bleib, und komm mit mir. Wir wollen die ganze Nacht
verscherzen miteinander. O, ich werde dich zu unterhalten wissen, du
sollst sehen. Wer Freude hat, ist der nicht am ehesten zur Unterhaltung
geschaffen? Und ich, ich habe jetzt, nach langer, langer Zeit, wieder
einmal eine Freude. Weißt du, was das für mich, die Entmenschte,
bedeutet? Weißt du das? Du lächelst? Du lächelst hübsch, und ich liebe
dein Lächeln. Und willst du nun lieblos, und ganz entfernt von aller
schönen Freundschaft, treten auf die Freude, die ich bei deinem Anblick
empfinde? Willst du zerstören und zunichte machen, was mich glücklich,
was mich, nach so langer, langer Zeit, wieder einmal glücklich macht?
Süßer Freund! Soll ich, nachdem ich immer mit dem Grausen und mit dem
bleiernen Entsetzen mich habe einlassen müssen, nun mich nicht auch
einmal mit dem wahrhaftigen Vergnügen befassen dürfen? Sei nicht
grausam. Bitte, bitte. Nein, du wirst es nicht bereuen. Du wirst die
Stunden, mit der Verachteten und Entehrten zugebracht, willkommen heißen
und in deinem Innern segnen. Sei weich und komm mit mir. Sei sonst
meinetwegen nie weich, aber jetzt, jetzt sei es und knüpfe vertraulich
an mit der Geschmähten. Sieh, wie die Tränen mir in die Augen kommen,
und höre, wie ich flehe. Wenn du gehst, ohne freundlich zu mir zu sein,
ist mir alles schwarz vor den Augen; hingegen, wenn du lieb bist,
strahlt in der Nacht die helle Sonne. Sei du heute nacht der
glückversprechende, freundliche Stern an meinem Himmel. Du bist gerührt?
Du gibst mir die Hand? Du willst mit mir kommen? Du liebst mich?« -- --

                   *       *       *       *       *

Nachwort: Könnte dies nicht Kirke sein, die den seefahrenden
ritterlichen Griechen bittet, bei ihr zu bleiben? Er will heim, doch
sie, sie fleht ihn an, sie nicht zu verlassen. Sie ist eine böse
Zauberin, die diejenigen, die sie anschaut, in grunzende Schweine
verwandelt. Sie bestreitet es zwar; sie sagt, sie sei keine böse
Zauberin, sondern unterliege selber dem bösen Zauber. Das kann schon
möglich sein. Übrigens ist sie rührend schön. Sie besitzt eine weiche,
lispelnde Stimme, und aus ihren meergrünen und -blauen Augen, wie wir
sie oft bei ausländischen Katzen sehen, bricht ein wunderbarer, stolzer
und lieber Glanz. Sie ist nicht unglücklich und doch auch wieder nicht
glücklich. Bei dem Griechen sucht und findet sie ihr Glück, und nun will
er sie verlassen, um zur harrenden Gattin zurückzukehren. O zartes
Trauerspiel. Unter anderem sagt sie ihm, daß die Gefährten sich ja ganz
von selbst in Schweine verwandelt hätten. Nicht bei ihr, sondern bei
ihnen selber sei die Schande und die Schuld zu suchen. Weil sie wollen
Schweine sein, sind sie's. Sie lächelt, und in das Lächeln schleicht
sich eine Träne. Sie ist ironisch und zugleich tiefernst, frivol und
gleichzeitig schwermütig. »Siehst du denn nicht,« spricht sie, seine
Hand erfassend, »daß nicht ich die Zauberin jetzt bin, sondern daß du
der Zauberer bist? O, sei mein Freund, mein Schützer, mein lieber,
herrlicher Zauberer. Schütze mich vor der Kirke. Ich bin nicht die
Kirke, wenn du bei mir bist. Sie geht weg, wenn du nicht weggehst.« So
redet sie und überschüttet ihn mit süßen Liebkosungen, doch er, er -- --
geht. Er überläßt sie der Kirke, er überläßt sie sich selbst, er
überläßt sie der ihr innewohnenden Grausamkeit, er überläßt sie der
Schmach, deren Sklavin sie ist. Kann er gehen? Ist er so hart?



Fußwanderung


Wie war der Mond auf dieser Wanderung schön, und wie blitzten und
liebäugelten die guten, zarten Sterne aus dem hohen Himmel auf den
stürmischen ungeduldigen Fußgänger herab, der da fleißig weiter und
weiter marschierte. War er ein Dichter, der da von dem leuchtenden Tag
in den sanften blassen Abend hineinlief? Wie? Oder war es ein Vagabund?
Oder war er beides? Gleichviel, gleichviel: Glücklich war er und
bestürmt von beunruhigendem Sehnen. Das Sehnen und Suchen, das
Niebefriedigtsein und der Durst nach Schönheit trieben ihn vorwärts, und
hinter, weit hinter ihm schlummerten die bilderreichen Erinnerungen. Was
hinter ihm lag, ging ihm durch den Wanderkopf, und was Unbekanntes vor
ihm lag, zog wie Musik durch seine begierige Seele. Die Sonne brannte,
und der Himmel war blau, und der blaue weite große Himmel schien sich
immer mehr auszudehnen, als werde, was groß sei, immer größer, und was
schön sei, immer schöner, und was unaussprechlich sei, immer
unermeßlicher, unendlicher und unaussprechlicher. Aus golden-dunklen,
dämonisch blitzenden Abgründen duftete edle wilde Romantik herauf, und
Zaubergärten schienen rechts und links von der Landstraße zu liegen,
lockend mit reifen, süßen, schönfarbenen Früchten, lockend mit
geheimnisvollen unbeschreiblichen Genüssen, die die Seele schon
schmelzen und schwelgen machen im bloßen flüchtig-zuckenden Gedanken.
O was war das für ein lustiges, tanzendes Marschieren, und dazu
zwitscherten die Vögel, daß das Ohr am Gesang noch lange hing, wenn es
von dem Herrlichen schon nichts mehr hörte, daß das Herz meinte aus dem
Leib heraustreten und in den Himmel hinauffliegen zu müssen. Dörfer
wechselten mit weiten Wiesen, Wiesen mit Wäldern und Hügel mit Bergen
ab, und wenn der Abend kam, wie wurde da nach und nach alles leiser und
leiser. Schöne Frauen traten aus dem Düster, Geflüster und Dunkel groß
hervor und grüßten mit stiller, königinnen- und kaiserinnengleicher
Gebärde den Wanderer. Und wie war es doch erst in den stillen, von der
heißen mittäglichen Sonne beschienenen und verzauberten Dörfern, wo das
heimelige Pfarrhaus stand in der grünen rätselhaften Gasse, und die
Leute dastanden mit großgeöffneten, erstaunten und sorgsam forschenden
und fragenden Augen. Wunderbar war das Einkehren in das Gasthaus und das
Schlafen im sauberen, nach frischem Bettzeug duftenden Gasthausbett. Das
Zimmer roch zum Entzücken nach reifen Äpfeln, und am frühen Morgen
stellte sich der Wanderbursche an das offene Fenster und schaute in die
bläulich-goldene, grüne und weiße Morgenlandschaft hinaus und atmete die
süße Morgenluft in seine wildbewegte Brust hinein, von all der
Schönheit, die er sah, überwältigt. Wieder und wieder wanderte er
weiter, mit heiteren und mit düsteren Gedanken, unter dem Tag- und unter
dem Nachthimmel, unter der Sonne und unter dem Mond, unter schmerzenden
und unter glücklich lächelnden Gefühlen. Ach, und wie schmeckten ihm Käs
und Brot und die zwiebelbelegte köstliche, ländlich zubereitete
Bratwurst. Denn wenn dem rüstigen Wandersmann das Essen nicht schmeckt,
wem sonst soll es dann noch schmecken?



Der Kuß


Was habe ich Merkwürdiges geträumt? Was widerfuhr mir? Welch eine
seltsame Heimsuchung ist gestern nacht, als ich im Schlafe dalag,
urplötzlich, wie aus einem hohen Himmel herab, dem fürchterlichen Blitz
ähnlich, über mich gekommen? Ahnungslos und willenlos und gänzlich
bewußtlos, der Sklave des Schlafes, der mich fesselte und mich in seinen
Kerker schloß, lag ich da, ohne Wehr und ohne Waffen, ohne Voraussetzung
und ohne Verantwortung (denn im Schlaf ist man unverantwortlich), als
das Herrliche und Schreckliche, das Große und Süße, das Liebe und
Furchtbare, das Entzückende und Entsetzliche über mich herfuhr, als
wolle es mich mit seinem Druck und Kuß ersticken. Der Schlaf hat innere
Augen, und so muß ich denn gestehen, daß ich mit einer Art von zweiten
und anderen Augen dasjenige sah, was auf mich zustürzte. Ich sah es, wie
es mit Windes- und Blitzesgeschwindigkeit, den unendlichen Raum
zerschneidend, aus der unermeßlichen, gigantenartigen Höhe herabschoß
auf meinen Mund. Ich sah's, und ich war entsetzt, und ich war doch nicht
imstande, mich zu bewegen und mich zu wehren. Auch hörte ich sein Nahen.
Ich hörte es. Ich sah und hörte den niegesehenen, nieerlebten Kuß, der
mit Worten nicht zu beschreiben ist, ganz wie mit Worten, die die
Sprache enthält, nicht das Grausen und das Freuen zu beschreiben ist,
welches mich schüttelte. Der Kuß in Träumen hat nichts gemein mit dem
zarten, sanften, beidseitig gewollten und gewünschten Kuß in der
Wirklichkeit. Es war nicht ein Mund, der mich küßte, nein, es war ein
Kuß in der Alleinigkeit und Einzigkeit. Es war ein Kuß, der völlig und
einzig nur Kuß war und weiter nichts. Etwas Unabhängiges,
Seelenähnliches, Gespenstisches war's, und als ich getroffen worden war
von dem Verständlichen und wieder höchst Unverständlichen, zerfloß ich
auch schon in solchen gliederdurchstürmenden, ich möchte sagen,
grandiosen Wonnen, wie ich mir verbiete, es näher zu sagen. Ah, das war
ein Kuß, ein Kuß, das! Der Schmerz, den er mir bereitete, preßte mir
einen Schrei des Jammers ab, und gleichzeitig mit dem Empfang des Kusses
und mit seiner himmlischen und höllischen Wirkung erwachte ich und
vermochte mich lang nachher noch immer nicht zu fassen. Was ist der
Mann, der Mensch. Was ist der Kuß, den ich freundlich gebe, am hellen
Tag oder bei Mondschein, in der friedlich-glücklichen Liebesnacht, unter
einem Baum oder sonstwo, verglichen mit der Raserei des
eingebildet-aufgezwungenen Kusses, geküßt von den Dämonen.



Das Traumgesicht


Ich habe etwas Süßes gesehen, etwas Loses, Lustiges, Flatterhaftes, das
doch wieder auch nicht so flatterhaft war, daß es nicht tiefen Eindruck
auf mich und auf viele andere hätte machen können. Der Ernst des Lebens
klang wie eine Glocke in das liederliche Geflüster und Geklingel und
Gelispel hinein. Die Blätter flüsterten, süßer, leiser Nachtwind wehte,
Gelächter tönte, Tränen rannen aus großgeöffneten Augen, Herzen
erzitterten unter all den zaubervollen Eindrücken, und Musik umrahmte
und umfloß und umgoldete das Ganze. Wunderbar, gleich einem Märchen, an
dessen schönen Inhalt die Kinder gerne glauben, drangen mir die lieben,
holden, tausend Jahr alten Melodien zu Herzen. Indem ich sah, was ich
sah, wurde ich zum Kind, und die ganze Welt, so weit ich schauen konnte,
schien mir neu geboren, ganz wie ich selber und wie der, der es
ebenfalls mit ansah. Bänder, rote, grüne und blaue, schlangen sich wie
anmutreiche, harmlose Schlangen durch den milden Tumult des Lebens. Das
Leben war mild und wild zugleich und duftete, ach, so namenlos nach
Glück, und mit einem Mal lag auch schon das gutwillige, unschuldige
Liebesglück zerrissen am Boden. Es gab niemand, der nicht liebte und der
nicht begehrte. Alle waren in den schönen Silber- und Feuerstrom mit
hineingerissen, und alle wollten das ja auch. Weh und Freude, Schmerz
und Lust schauten allen, die das Spiel mitspielten, schimmernd und
lechzend aus den Augen. Einige Augen waren niedergeschlagen, und Lippen
waren da, die entfärbten sich und stammelten. Schwelgerische Rosen, die
in ihren eigenen Farben zerflossen, prangten aus dem üppigen Bild
lockend und bezaubernd hervor. Lichter züngelten und liebäugelten hinter
dunklem, traumhaftem Grün wie rätselhafte Augen hinter Augenbrauen, und
Wellen liefen über das glatte Gestein, und Hoffnungen und Sehnsuchten
gaben in dem Raum den Ton an. Bald war der Raum, was er war, bald wieder
war er ein Gedanke, so zart, daß der, der ihn dachte, fürchten mußte, er
verliere ihn. Ist nicht immer der verloren gegangene Gedanke der
schönste? Was man hat, schätzt man nicht, und was man besitzt, ist
entwertet. O wie schön war der See in der nahen Ferne, vom Mond
versilbert, der sich, indem er sich ins Wasser verliebte, in den See
glühend niederstürzte, sich nun in dem Leib, den er vergötterte, selig
widerspiegelnd. Das Wasser schauerte und lag ganz still, beglückt durch
die Vergötterung. Mond und Wasser waren wie Freund und Freundin,
gefesselt durch den Kuß, dem sie sich überließen. So zerfloß und zerrann
bald alles, und bald sah ich es von neuem, nur noch reicher
ausgestattet, aus der Undeutlichkeit hervortauchen. Schweigend, ganz nur
Auge, saß ich da und hatte alle Wirklichkeit vergessen.



Nächtliche Wanderung


Einmal machte ich eine Nachtwanderung, es war eine dunkle, wolkige,
warme Mainacht. Die Erde blühte und duftete. Aus den schweigenden
nächtlichen Gärten flüsterte und lispelte es mir zu, als sei alles
Geheime nun offen und als rede das Verschwiegene. Mein leichter,
behender, fleißiger Fuß trug mich leicht über die harte Landstraße. Das
Harte war weich wie Flaum, und das Mühselige machte mich nur lachen, als
sei es die Freundlichkeit selber. Ich hatte eine merkwürdige Freude an
dem eigenen fröhlichen Weiter- und Weitermarschieren. Taktgemäß ging es
von Dorf zu Dorf, und die Dörfer schlummerten so schön, so friedlich.
Nur aus den Gasthäusern drang manchmal noch einiger später Lärm, und
betrunkene Wirtshausgestalten taumelten mir hie und da entgegen. Ich
lief, als sei ich der behende Wind, oder als sei ich ein Bote, der mit
Windesgeschwindigkeit eine geheime Botschaft an einen weit entfernten
Ort trägt. Alsdann war es mir wieder ums Herz, als sei ich ein
flüchtiger Verbrecher, der die Nachtstunden benutzt, um auszureißen und
sich in Sicherheit zu bringen. Ich war wie ein Indianer, der über die
Ebene springt; doch bei mir ging es hin und wieder bergauf, um wieder in
die Tiefe zu sinken. Neugierig guckten oft die süßen Sterne blinzelnd
zwischen geheimnisvollem Gewölk auf den Fußgänger herab, und der Mond,
der wackere Freund aller derjenigen, die nächtlings wandern, trat groß
und majestätisch und freundlich aus der schwarzen Umhülltheit hervor, um
bald darauf wieder zu verschwinden. So kam es und verschwand es und
tauchte bald wieder auf, und ein unhörbares Rauschen war in allem, die
Nacht rauschte, als sei sie eine Quelle, und das ist wahr: sie ist die
Quelle alles Schönen, Lieben und Guten. So war mir dann wieder, als sei
ich ein Liebender, befindlich auf der Suche nach der lockenden
lieblichen Geliebten. Irgendwo im Land, das so schön dunkel war, wohnte
sie: ihr Fenster stand jetzt vielleicht offen, daß alle ihre
träumerischen Gedanken wie Vögel hinausflatterten, um sich in der
herrlichen Nacht zu verlieren. Sie lag im Bett, aber ohne schlafen zu
können und ohne einschlafen zu wollen, da sie an den fremden kühnen
lieben Burschen dachte, den sie liebte, und von dem sie wußte, daß er
sie liebte. Solchermaßen vertrieb ich mir die Zeit, die ich mit Laufen
zubrachte, mit krausen dunklen Einbildungen, indes die Brunnen neben der
Straße leise plätscherten. Einige Fenster hatten noch Licht, und das
einsame Licht nahm sich aus wie die Idee im Kopf eines seltsamen
Menschen. Auf solche Weise schritt ich vorwärts, fröhlich und voll
Bangen, mutig und voll Verzagen, ganz gedankenlos und wieder voll
Gedanken.



Johanna


Ich war, fällt mir ein, neunzehn Jahre alt, machte Gedichte, trug noch
keinen ordentlichen Kragen, lief in den Schnee und in den Regen, stand
des Morgens immer früh auf, las Lenau, fand, daß ein Überzieher etwas
Überflüssiges sei, bezog monatlich hundertfünfundzwanzig Franken Gehalt
und wußte nicht, was ich mit dem vielen Geld anfangen sollte. Kost und
Logis hatte ich beim Paketmann Senn. Senn ist mir unvergeßlich. Er
machte stets eine ebenso dumme wie finstere Miene, hatte einen
struppigen, rabenschwarzen Bart im Gesicht und spielte den ärgerlichen
Tyrannen, eine Rolle, in die er, so häßlich sie sein mochte, wie
vernarrt war. Seine beiden Söhne, Theodor und Emil Senn, prügelte er.
Die armen Jungen, sie bekamen Hiebe dafür, weil sie des Dummkopfes von
Vaters schlechtes Betragen nachahmten. Frau Senn war eine liebe arme
geplagte Frau, völlig des kleinlichen Gewalthabers Sklavin. Das Essen
war gut; lustige Pensionäre waren stets da, und der Weißwein des
Postpaketmenschen mundete vortrefflich. Doch was bedeutete aller
Weißwein gegen das Mädchen Johanna, die ebenfalls das Vergnügen hatte,
beim wilden Pöstler logieren und kostgängern zu dürfen. Sie war auf dem
Kontor beschäftigt, ähnlich wie ich, und jeden Morgen gingen wir
zusammen, sie die Dame, und ich ihr Ritter, nach unsern
Geschäftshäusern, um hübsch tätig zu sein. Sie diente bei der
Schreibmaschinenbranche, während ich mein bißchen Kraft und guten Willen
der Unfallversicherungs-Aktiengesellschaft freundlich zur Verfügung
stellte. Johanna war lieb über alle Begriffe und sanft wie Mondschein.
Ich schrieb ihr ein Gedicht ins Album, einen kühnen extravaganten
Erstling, sie zeigte es ihrer Mutter, und diese warnte ihr Töchterchen
vor mir, wir mußten beide herzlich lachen. O wie süß mutete mich der
anmutvolle Ritterdienst an. Wir wohnten vier Treppen. Hatte nun
vielleicht Johanna, schon unten an der Haustüre stehend, ihren Schirm
oder ihr Taschentuch oder sonst etwas vergessen, so erhielt ich den
Auftrag, hinaufzuspringen und das Liegengelassene zu holen. Wie machte
mich das glücklich, und wie süß, wie schön, wie zart lächelte sie
darüber. Ihre Hände waren üppig und weich und so weiß wie Schnee, und
der Kuß darauf, wie berauschte, wie bezauberte er mich. Senn war wütend
auf uns, weil wir bis in alle Nacht hinein auf Johannas Zimmer
miteinander Englisch lernten. Er hörte wohl durch die Wand, was das für
eine kosende, belustigende Art von Englisch war, das wir trieben. Holde,
unvergeßliche Sprachstunde, liebes unvergeßliches weibliches Wesen.



Der Bursche


Ein Bursche, der einem Bäckermeister als Laufbursche diente, stahl
demselben Mehl weg, um es, gleichsam als Zeichen von zärtlicher
Aufmerksamkeit, der Frau zu überreichen, die er verehrte. Reizende
Liebe, bestrickendes Verbrechen, sinnreicher Diebstahl. Der Bursche
wurde endlich bei seinem ritterlichen Bemühen ertappt und kam ins
Gefängnis. Die gestrengen Herren Richter hatten Mitleid mit ihm und
erteilten ihm eine obgleich immerhin angemessene, so doch
verhältnismäßig nur gelinde Strafe. Armer dummer Bursche. Ich kann nicht
verhehlen, daß ich Sympathie für ihn empfinde. Wie glücklich mögen seine
Augen geglänzt haben in den prickelnden Augenblicken, wo er das Mehl
stibitzte, und wie süß muß ihm der Kuß gemundet haben, den er geben und
empfangen durfte von der, in deren Interesse er Spitzbubenstreiche
verübte. Wenn je, so duftet hier, der schwelgerischen Rose ähnlich,
Romantik, und wenn je, so ist hier, wo Mehl gestohlen worden ist, süße
Liebe. Simpel ist die kleine mehlene Geschichte. Mich hat sie gerührt,
als ich sie las, und ich wage sie dem freundlichen, huldreichen Leser
aufzutischen, in der Hoffnung, daß sie auch ihn ein wenig rühren wird.
Wie mancher, der fein gekleidet geht und sich auf die feinste Differenz
versteht, und der sich einbildet, daß er verliebt sei, ist nicht
imstande und bringt nicht den Mut auf, gleich dem armen dummen
Bäckerburschen, Mehl für die Person zu stehlen, die er vergöttert. Was
ist Geliebtsein und Beliebtsein gegen dieses blühende holdselige Wunder:
selber lieben! Und was ist alle Bildung, alle Belesenheit, Weisheit und
Feinheit, gehalten gegen die duftende Blume: Aufrichtigkeit? Dieser
Bursche, der mit einem gestohlenen Paket Mehl dahersprang, um seiner
Geliebten eine Freude zu machen, war, als er das tat, groß, denn er war
aufrichtig; war, als er das tat, im höchsten Grad sympathisch, denn er
war tapfer; war, als er das tat, höchst liebenswürdig, denn er tat es
aus echter Zärtlichkeit und Liebe. Schenke, lieber Leser, dem armen
Burschen ein kleines gütiges Andenken, ich bitte dich darum. Nicht wahr,
du tust es?



Der Knabe


Ein Tierbändiger wurde eines Abends vor den Augen der Leute, die
gekommen waren, um sich die Vorstellung anzusehen, von seinem Löwen,
einem Prachtexemplar, angegriffen und so furchtbar zugerichtet, daß er,
nachdem man ihn aus den Tatzen des Ungetüms befreit hatte, nur noch
einen letzten überaus traurigen Blick auf seine Frau und auf seine
Kinder werfen konnte, woraus er, zerfleischt und zerrissen, wie er war,
den Geist aufgeben und sterben mußte. Die arme, derart ihres Gatten und
Ernährers beraubte Frau sah sich hohläugiger, erbarmungsloser
Verzweiflung gegenübergestellt; denn woher sollte nun das Geld kommen,
und wer, wer um Gottes willen sollte nun das gefährliche Geschäft der
Tierbändigung mit einigem Glück weitertreiben? Der Verstorbene schien
unersetzlich, und das Elend und der Jammer schienen allgewaltig; da
trat, blitzenden Auges und getrieben von einer höchst staunenswürdigen
Willenskraft, von Energie sprühend, gleich, als sei er eine
hochauflodernde Flamme und kein zarter Knabe, der Sohn des eben
Gestorbenen vor die unglückliche Mutter und sagte ihr mit einer Stimme,
die die Festigkeit und die eiserne Entschlossenheit durchzitterten, daß
er und kein anderer jetzt den Beruf seines Vaters übernehmen und
weiterführen werde. Ah, ein junger Held glühte, und nichts nutzten bei
dem stolzen Feuerkopf die Vorstellungen, die die tödlich erschrockene
Mutter dem Kinde machte. Er wartete den nächstfolgenden Schauspielabend
mit brennender Begierde ab, um seiner Mutter den Mut zu zeigen, der ihn
beseelte, und als die Stunde gekommen war, trat er mit gebieterischer
Miene, einem jugendlichen Fürsten ähnlich, die Peitsche und die Pistole
nachlässig in der Hand, so, als sei er meilenweit davon entfernt, zu
denken, sich irgendeiner andern Waffe als nur seiner Todesverachtung zu
bedienen, in den Käfig und errang schon mit dem bloßen Eintritt in
denselben stürmischen Beifall. Atemlos schaute das Publikum von seinen
Bänken dem herzbeklemmenden Schauspiel zu, und als der mächtige Löwe nun
dem zarten, lieben, tapferen, schönen Knaben gehorchte und alles
pünktlich ausführte, was von ihm verlangt wurde, sich dem Kind zu Füßen
legte, er, der am vorherigen Abend den Vater zerrissen hatte, erhob sich
ein Tücherwinken, ein Geschenkezuwerfen, ein Klatschen und eine so
gewaltige Begeisterung, wie die Menagerie sie nie zuvor erlebte. Der
Knabe verdiente den Jubel, er lächelte. Doch wo nehmen wir die Worte
her, die nötig wären, den mütterlichen Stolz und Jubel zu beschreiben,
der nun mit ungestümen wilden heißen Küssen auf die Wangen, auf das Haar
und auf die kleinen Hände des Knaben regnete, als er wohlbehalten zu der
Mutter zurückkehrte. Mit namenloser Liebe schaute sie dem Helden, den
sie geboren hatte, in die Augen, und immer wieder, immer wieder, ganz
überwältigt, mußte sie ihn küssen, ihn, der dastand, so bescheiden, als
verstehe er nicht, was er Großes und Schönes getan hatte.



Das Götzenbild


Ein junger Mann, an dessen Eleganz, Bildung und Herkunft niemand
zweifelte, und der das fraglose Glück genoß, zu den gesitteten Menschen
zu zählen, erlebte eines Tages, indem er das Völkermuseum besuchte,
um die Altertümer zu studieren, folgendes sonderbares, wenn nicht
furchtbares und grauenhaftes Abenteuer. Der junge Mann, nachdem er
sich mit vielem Interesse in den weitschweifigen Räumlichkeiten,
vollgepfropft mit allen nur erdenklichen Sehenswürdigkeiten, umgeschaut
hatte, stand plötzlich, er wußte nicht wie, vor einer uralten hölzernen
Figur, die, so abschreckend und plump sie auch war, einen mächtigen und
gleich darauf übermächtigen Eindruck auf ihn machte, derart, daß er sich
durch das rohe Götzenbild, denn ein solches war es, an Leib und Seele
verzaubert sah. Der Atem stockte ihm, das Herz klopfte laut, das Blut
strömte ihm, gleich einem angeschwollenen reißenden Bach, durch alle
Adern, das Haar stieg ihm zu Berg, die Glieder zitterten, und eine
ungeheuerliche, entsetzliche Lust packte ihn jählings an, sich an
den Boden zu werfen, in die Zerknirschung und Erniedrigung, um das
furchtbare Bild, das den Wüsten Afrikas entnommen worden war, aufs
lebhafteste anzubeten; Barbarenwonne rieselte ihm durch die geblendete
und der Vernunft beraubte Seele. Er stieß einen Schrei aus, der durch
die weite Halle gräßlich tönte, und nur eben so viel Fassungskraft blieb
ihm übrig, als nötig war, sich mit einem verzweifelten Ruck aus der
schreckenerregenden Umdunkelung an das lieblich helle Bewußtsein
einigermaßen emporzuraffen. Das tat er, und mit weitausholenden
stürmischen Schritten, so, als wenn hinter ihm Feuer ausgebrochen sei,
und allen eifrigen Interesses für die Wissenschaften mit einem Mal
verlustig, jagte und stürzte er gegen die Türe, und erst, als er sich in
freier Luft befand und sich wieder umgeben sah von lebendig-tätigen
Menschen, erholte er sich vom panikartigen Entsetzen, eine Geschichte,
die ihn, der sie erlebte, tief nachdenken machte, über die ich jedoch
den Leser bitte zu lächeln.



»Apollo und Diana«


Ich war, erinnere ich mich, bei der Aktienbrauerei in Thun tätig. Vor
ungefähr zehn Jahren war's, und ich hatte das Glück, in einem schönen,
geräumigen alten Haus dicht neben dem herrlichen Schloß auf dem
Schloßhügel wohnen zu dürfen. Ich trank viel Bier, wozu mich schon meine
bierbrauerliche Beschäftigung verleitete, badete in der reißenden Aare,
ging öfter in die Ebene, die sich um Thun ausbreitet, spazieren und
staunte zu den Kolossen empor, zu den Bergen, die, ungeheuerlichen
Burgen ähnlich, dort in den Himmel hinaufragen. Eines Tages hatte ich
mit meiner Wirtin, der Frau Amtschreiber, ein kleines reizendes
Erlebnis, und zwar wegen einem Bild, das an der Wand meines Zimmers
hing. Dieses Zimmer, es war die Wohnlichkeit, Traulichkeit und
Heimeligkeit selber. Ich vergesse nie diesen saftgrün angehauchten
bildhübschen Raum, ich vergesse aber auch die Sonnenstrahlen nie,
die dort so goldig und zugleich so listig ins versteckte Zimmer
hineinlächelten. Nun aber zur Frau Amtschreiber. Sie nahm mir das Bild,
eine Photographie des Gemäldes »Apollo und Diana« von Kranach (das
Original hängt im Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin), von der Wand, an
welcher es zu meiner Belustigung und Erquickung hing, weg und legte es,
schamhaft und vorwurfsvoll umgekehrt, auf meinen Tisch. Ich kam heim und
merkte sogleich mit meinen beiden stets aufmerksamen Augen das Werk der
falschen Sittlichkeitsbegriffe, und rasch entschlossen ergriff ich die
allezeit dienstfertige Feder und schrieb folgendes keckes Billett:
»Verehrte Frau, hat Ihnen das Bild, das mir lieb ist, weil es ganz aus
lauterer Schönheit besteht, vielleicht etwas zuleid getan, daß Sie es
von der Wand gemeint haben wegnehmen zu sollen? Finden Sie, daß das Bild
häßlich ist? Sind Sie der Meinung, daß es ein unanständiges Bild ist?
Dann bitte ich ergebenst, es einfach keines Blickes zu würdigen. Mir
aber wollen verehrte Frau in der Güte, in deren Besitz ich dieselbe
glaube, gestatten, das Bild wieder dorthin zu tun, wo es gewesen ist.
Ich werde es sogleich wieder an die Wand anheften und bin überzeugt, daß
niemand es mir nochmals fortnimmt.« Frau Amtschreiber las und nahm das
Billett. Ich Schurke! Einer so liebenswürdigen Frau so harte Worte zu
sagen. Doch die paar Worte, was hatten sie nicht für eine schöne
Wirkung. Wie lieb war Frau Amtschreiber von nun an zu mir. Reizend,
reizend benahm sie sich. Sogar meine zerrissenen Hosen erbat sie sich,
damit sie sie flicke, sie, die Frau Amtschreiber.



Zwei Bilder meines Bruders


»Die Frau am Fenster«

Warum steht diese Frau am Fenster? Steht sie nur da, um in die Gegend
hinauszuschauen? Oder hat ihr Gefühl sie ans Fenster geführt, damit
sie könne in die Weite hinausdenken? An was denkt die Dame? An etwas
Verlorenes, an etwas unwiederbringlich Verlorenes? So scheint es dem zu
sein, der mit aufmerksamen Augen das zarte Bild betrachtet. Weint die
Frau, oder ist sie nahe daran, zu weinen? Hat sie, kurz bevor sie
ans Fenster trat, geweint oder wird sie, wenn sie wird vom Fenster
weggetreten sein, in Tränen ausbrechen? Wer das Bild betrachtet, hält
dies nicht für unmöglich. Hat die Frau, die hier so einsam an dem
Fenster steht, einen Geliebten, und ist nun vielleicht dieser liebe
Freund für immer fortgegangen? Höchst wahrscheinlich. Also hatte -- --
sie einen Geliebten? Sie hat demnach also jetzt keinen holden Freund
mehr? Steht nicht die arme liebe Frau da, als sei, was ihr das Liebste
gewesen ist, von ihr weggegangen, und als bleibe ihr jetzt für immer
nichts mehr anderes übrig als an den zu denken, den sie verlor? Ihre
Haltung scheint zu sprechen: »Ich habe ihn, kaum daß er mir gestand, daß
er mich liebe, und kaum, daß ich ihn umhalst und an das Herz gedrückt
habe, schon verloren. Wie grausam ist das.« -- Was hat ihn denn bewogen,
sie zu verlassen, die er liebte und von der er sich geliebt fand? Hat
das Schicksal, haben die Wogen und Wellen des Lebens, die weder je nach
Liebe noch überhaupt je nach Zartheit fragen, sie getrennt, die sich
liebten? Das läßt sich denken. Alles Unschöne läßt sich ebenso leicht
denken wie alles Schöne. Vielleicht hat die Frau jetzt noch nicht alle
Hoffnung auf ein süßes Wiedersehen aufgegeben? Nein, sie hat keine
Hoffnung mehr außer der Hoffnung, weinen zu dürfen, stundenlang, und
sich im Schmerz, der die Seele erschüttert, zu baden. Für die Frau,
die ihren Freund verloren hat, ist der Schmerz der heimliche Freund,
und das ist die letzte Art von Freund, die ein Mensch besitzen kann.
Entsetzlicher Freund, bleich im Gesicht, mit dem furchtbaren Lächeln
unauslöschlicher Trauer auf den Lippen, sage zu der Frau etwas, liebkose
sie. Und in der Tat, er tut es: der Schmerz über die Trennung vom
Geliebten muß jetzt der Geliebte sein und sie liebkosen. Vielleicht ist
jetzt das Weh des Verlustes noch nicht so groß, wie es nach einem Jahr
oder erst nach zwei Jahren sein wird; denn das Weh kann in der Stille
wachsen. Erst ist es ein zartes Glöckchen mit leisem seufzendem Bim-Bim.
Doch es kann eine Glocke daraus werden mit rasendem, vernunftüberflutendem
Geläute, gemützerstörend, herzzerreißend. Entsteht nicht aus der simplen
Melodie das gewaltig brausende und schallende Konzert? Wenn dem so ist,
so hat die Frau, die da am Fenster steht, noch einen schweren Kampf zu
kämpfen.


»Der Traum«

Mir träumte, daß ich ein winzig kleiner, unschuldiger, junger Bursche
sei, so zart und jung, wie noch nie ein Mensch war, wie man nur in
dunklen, tiefen, schönen Träumen sein kann. Ich hatte weder Vater noch
Mutter, weder Vaterhaus noch Vaterland, weder ein Recht noch ein Glück,
weder eine Hoffnung noch auch nur die blasse Vorstellung einer solchen.
Ich war wie ein Traum mitten im Traum, wie ein Gedanke, gelegt in einen
anderen. Ich war weder ein Mann, der sich je nach dem Weibe sehnte, noch
ein Mensch, der sich jemals Mensch unter Menschen fühlte. Ich war wie
ein Duft, wie ein Gefühl; ich war wie das Gefühl im Herzen der Dame, die
an mich dachte. Ich hatte keinen Freund und wünschte mir auch keinen,
genoß keine Achtung und wünschte auch keine, besaß nichts und begehrte
auch nie irgend etwas zu haben. Was man hat, hat man schon wieder nicht
mehr, und was man besitzt, hat man schon wieder verloren. Nur das,
wonach man sich sehnt, besitzt und hat man; nur, was man noch nie
gewesen, ist man. Ich war weniger eine Erscheinung als ein Sehnen, ich
lebte nur im Sehnen und war, war nur ein Sehnen. Weil ich nichts
kostete, schwamm ich im Genuß, und weil ich klein war, hatte ich hübsch
Platz, in eines Menschen Brust zu wohnen. Entzückend war, wie ich es mir
in der Seele, die mich liebte, bequem machte. Da ging ich also. Ging
ich? Nein, ich ging nicht: ich spazierte in der leeren Luft, ich
brauchte, um zu gehen, keinen Boden; höchstens berührte ich den Boden
leise mit den Fußspitzen, als sei ich ein talentreicher, von den Göttern
mit allen Gaben der Tanzkunst begnadeter Tänzer. Mein Kleid war weiß
wie Schnee, und Ärmel und Hosen schleppte ich nach; sie waren mir
um ein Erkleckliches zu lang. Auf dem Kopf trug ich ein zierliches
Dummkopfkäppchen. Die Lippen waren rot wie Rosen, das Haar war goldgelb
und ringelte sich mir um die schmalen Schläfen in anmutigen Locken.
Einen Körper hatte ich nicht oder kaum. Aus meinen blauen Augen schaute
die Unschuld. Ein schönes Lächeln hätte ich gar zu gern gelächelt; doch
es war zu zart; es war so zart, daß ich es nicht zu lächeln, sondern nur
zu denken und zu fühlen vermochte. Eine große Frau führte mich an der
Hand. Jede Frau ist groß, wenn sie zärtlich ist, und der Mann, der
geliebt wird, ist immer klein. Liebe macht mich groß; und geliebt und
begehrt sein, macht mich klein. Da war ich dir, lieber huldreicher
Leser, so fein und klein, daß ich bequem in den weichen Muff meiner
hohen, lieben, süßen Frau hätte schlüpfen können. Die Hand, die mich
hielt, und an der ich tanzend schwebte, war mit einem schwarzen
Handschuh bedeckt, der hoch hinauf bis über die Ellbogen reichte. Wir
gingen über eine graziös geschweifte und gebogene Brücke und die
rötliche, dichterisch-phantastische Schleppe meiner holden Herrin
schlang sich der Länge nach über die ganze Brücke, unter welcher
schwarzes, warmes, duftendes Wasser träge floß, goldene Blätter mit sich
tragend. War es Herbst? Oder war es ein Frühling nicht mit grünen,
sondern mit goldenen Blättern? Ich kann es nicht mehr sagen. Unsagbar
zärtlich schaute mich die Frau an: ich war bald ihr Kind, bald ihr
Mäuschen, bald ihr Mann. Und immer war ich ihr alles. Sie war das
überragend gewaltige und große Wesen, ich das kleine. Kahle Äste stachen
hoch oben in die Luft. So wurde ich weiter, immer weiter weggeführt als
eine Art von niedlichem Besitz, den der Eigentümer ruhig mit sich nimmt.
Ich dachte nichts und wollte und durfte auch von Denken nichts wissen.
Alles war weich und wie verloren. Hatte mich die Macht des Weibes zum
Knirps gemacht? Die Macht des Weibes: wo, wann und wie regiert sie? In
der Männer Augen? Wenn wir träumen? Mit Gedanken?



Die Gedichte


Im Sommer schrieb ich nie ein Gedicht. Das Blühen und Prangen war mir zu
sinnlich. Ich war traurig im Sommer. Mit dem Herbst kam eine Melodie
über die Welt. Ich war in den Nebel, in die früh schon beginnende
Dunkelheit, in die Kälte verliebt. Den Schnee fand ich göttlich, aber
vielleicht noch schöner und göttlicher kamen mir die dunklen, wilden,
warmen Stürme des Vorfrühlings vor. Im kalten Winter glänzten und
schimmerten die Abende bezaubernd. Die Töne taten es mir an, die Farben
redeten mit mir. Ich brauche kaum zu sagen, daß ich unendlich einsam
lebte. Die Einsamkeit war die Braut, welcher ich huldigte, der Kamerad,
den ich bevorzugte, das Gespräch, das ich liebte, die Schönheit, die
ich genoß, die Gesellschaft, in welcher ich lebte. Es gab nichts
Natürlicheres und nichts Freundlicheres für mich. Ich war Kommis und
sehr oft ohne passende Stelle. Das paßte mir. O die reizende
träumerische Schwermut, das wonnige Verzagen, die himmlisch-schöne
Mutlosigkeit, die gesellige Trauer, die süße Härte. Ich liebte die
Vorstädte mit den vereinzelten Gestalten der Arbeiter. Die verschneiten
Felder sprachen mich vertraulich an, der Mond schien mir auf den
gespenstisch weißen Schnee niederzuweinen; die Sterne! Es war herrlich.
Ich war so fürstlich arm und so königlich frei. Ich stand in der
winterlichen Nacht, gegen den Morgen, am offenen Fenster und ließ mir
das Gesicht und die nur mit dem Nachthemd bedeckte Brust anhauchen vom
eisigen Atem. Und dabei hatte ich die sonderbare Einbildung, daß es
glühe rund um mich. Sehr oft warf ich mich, in dem entlegenen Zimmer,
das ich bewohnte, auf die Knie und bat Gott um einen hübschen Vers. Dann
ging ich zur Tür hinaus und verlor mich in die Natur.



Rinaldini


Über Paganini habe ich bereits geschrieben. So will ich mir denn heute
die Freiheit nehmen und einen geeigneten Aufsatz schreiben über
Rinaldini. Das Aufsatzschreiben und Essayieren ist gegenwärtig in großem
Schwang und erfreut sich einer weitverbreiteten Beliebtheit. Rinaldini,
dem vorliegender Essay gilt, war ein bedeutender Mann und ein großer
Räuber. Andere Leute waren groß als Künstler, er aber war ein Künstler
im Rauben und Morden, und groß war er als der prädestinierte Hauptmann
seiner Rotte oder Bande, die er zum Schrecken des friedlichen Teiles der
Einwohnerschaft befehligte. Groß von Gestalt, kühn von Charakter und
grausam von Sinnesart, schwang er sich gleichsam mit leichter Mühe zum
Herrn der Berge und der Wälder hinauf, und wer sein Feind war, lebte
keine vierundzwanzig Stunden länger. Rinaldini teilte mit andern
Mordbrennern und Mordbuben, von denen die Chronik berichtet, die edle
Eigenschaft, daß er das Kapital und den feigen Geldsack haßte, daß er
dagegen die armen Leute schonte. Wer irgendwie unterdrückt war, dem war
er ein Freund; wer dagegen auf den Vorteilen und auf den Wertpapieren
trotzte und protzte, dem spaltete er den Schädel, daß es eine Lust war.
Die Regierung setzte einen hohen Preis auf seinen Kopf; er jedoch, als
der freie Gewalt- und Renaissancemensch, der er war, trug ebendenselben
Kopf hoch und lachte über die Maßnahmen derer, die ihn fürchteten. Seine
Geliebte hieß Rosa, und sie war sein Alles. Wo Rosa war, war auch er,
und wo sie nicht mehr war, war auch er nicht mehr. Sie war sein Herz,
seine Seele. Sie war seine Mordlust. Ihr trug er, was er raubte, zu den
Füßen. Er stattete ihr das Felsengemach, in welchem sie wohnte, wahrhaft
fürstlich aus, bekleidete es mit den kostbarsten Teppichen und füllte es
an mit den zierlichsten und edelsten Gegenständen. Er war ihr Löwe, ihr
bis in den Tod treuer Löwe, und sie, sie liebkoste den Löwen, sie liebte
ihren Löwen. Der Jubel, die Freude und die Wonne durchzuckten sie, wenn
sie sah, wie er so grausam morden konnte, und wie er dann bei ihr so
sanft, so schüchtern war. Sie war möglicherweise eine kleine Sadistin,
diese Rosa. Doch zu Rinaldinis Zeiten nahm man dieses Kapitel noch nicht
so genau. Herrlich war sie, wenn sie, angetan mit den schönsten
Gewändern und mit schweren, goldenen Ohrringen in den Ohren, vor das
Zelt oder vor die Höhle trat, eine Zigarette zwischen den blendend
weißen Zähnen. Stolz wie eine Königin blickte sie in die Runde, und wer
sie so sah, verneigte sich vor ihr. Das taten die Herren Spitzbuben und
Räuber. Sie verehrten sie wie ihre Königin. Rinaldini, der sonst doch
ganz gewiß im höchsten Grade verunglückte Bursche, war glücklich durch
sie, dieser Galgenhalunke. Schließlich, und so wurde er doch aufs Rad
geflochten.



Lenau


Der Liebling des Grames, der Freund des Schmerzes war er. Seltsam war
er, und noch viel seltsamer ist es, daß man von ihm eigentlich gar
nichts kennt, und daß trotzdem sein Ruhm bis zu den Wolken hinaufragt.
Das macht sein Name. Sein Name ist so schön, so zigeunerhaft-romantisch.
Ich bin allein schon in den Namen Lenau verliebt, der nicht wie nach
realem Leben, sondern wie nach einem Roman, nach einer holdseligen
Liebesaffäre tönt. Lenau liebte den Herbst, das herbstliche Welken, das
Fallen der Blätter, das Entfärben, das Vergehen. Er liebte das
schneeweiße, kalte Schweigen des Winters. An den Tod und an das Ende zu
denken, war ihm ein sonderbarer Genuß. Sonderbar war Lenau. Er war
herrlich in seiner Art. Das Leben liebte er nicht, und dennoch liebte
er es, er liebte es um der darin enthaltenen Enttäuschungen willen.
Er war in die Enttäuschungen, in die Hoffnungslosigkeit, in die
Unergründlichkeit, in die harte Unentrinnbarkeit verliebt. Er liebte den
rauhen, kalten November, mithin also das sogenannte schlechte Wetter.
Schönes, mildes, sonniges Wetter irritierte ihn, machte ihn stutzen.
Dagegen, wenn die Stürme stürmten, wenn der Wind durch die Gegend
brauste, wenn der Schnee fiel, da erkannte er sein Wesen und lebte das
ihm angeborene Leben. Er fühlte sich wohl beim schauervollen Gedanken an
die Gräber, und auf den Genuß dessen, was nicht zu genießen ist,
verstand er sich vortrefflich. O, was für schöne, schmerzenbange,
wehmuttrunkene Herbstgedichte hat er gemacht. Sein Hauptausstattungsstück
bestand in einem schwarzen, flatternden Pellerinenmantel,
und Nummer zwei seiner Requisiten war ein Rinaldini-Schlapphut,
ebenfalls tiefernst und rabenschwarz von Farbe. Schwarz
war sein Haar, das sich gleich tiefen, schönen, anmutigen
Gedanken um seine ausdrucksvollen Schläfen ringelte. Voll schwarzen
Glanzes waren seine traurig-lieben Augen, mit denen er in die Welt
schaute, als verzweifle er, oder als sehne er sich nach einer
Verzweiflung. Augenbrauen schwarz und Bart schwarz, falls er einen
solchen hatte, was ich nicht geradezu behaupten möchte. Und in der
trüben, grauen, kalten Novemberluft flogen Raben, und Lenau stand am
Wege, unter einem entblätterten Baum, das Notizbuch in der Hand,
schreibend einen seiner schwermutvollen Verse. Seine Herbstlieder sind
weltberühmt. Ich selbst habe sie schon lange, lange nicht mehr gelesen.
Aus ferner, umflorter Erinnerung nur tauchen die Worte dieser Gedichte
vor mir auf, aber ich weiß, daß sie schön sind. Unverwelkliches Welken,
blühender, unsterblicher Gram, rosengleiches Verzagen und Klagen,
immergrüner Schmerz, ewig junger, ewig lebendiger Tod.



Tobold


  _Der Schurke_

  Glaubst du, ich sei ein Schurke? Ich
  bin keiner. Glaube mir, ich bin
  nicht solch ein Bösewicht. Das hat
  die Zunge so aus mir gemacht.
  Die Welt will gleich ein Bildnis sehn.
  's ist sonderbar. Man ist nicht das,
  was man in seinem Innern ist,
  nein, du bist Werk von ihnen, bist
  Abguß von dem Geflüster. Sie
  woll'n dich so handeln sehn, und so
  auch handelst du. Ich bin nicht schlecht;
  nur krank.

  _Tobold_

  Wie? Ja. 's ist sonderbar.
  Auch ich bin nicht der Meinung, du seist ein
  Halunke. Zwar bin ich
  ja nur ein dummer Junge, und
  ich kann mich irren, doch kann denn
  nicht auch die Welt im Irrtum sein?
  Könn'n sie nicht auch sich irr'n, die dich
  verdammen? Du hast Augen, die
  mir, wie doch soll ich sagen, sehr
  gefallen. Krank bist du? Ich glaub's.
  Doch warum gehst du nicht zum Arzt?

  _Schurke_

  Vielleicht bist du der Arzt. Du bist
  jed'falles gut.

  _Tobold_

  Hier kommt ja, wie ich sehe, der
  schlicht-ehrliche Bedrängte. Sein
  Gesicht ist falsch. Er hält sich für
  was Bess'res als er ist. Er ist
  mehr Schaf als fromm. Ich mag ihn nicht.
  Dich, Schurke, jedoch mag ich gern.

  _Der Bedrängte_

  Voll Bosheit, bild' ich stets mir ein,
  sei diese ungereimte Welt.
  Ich blicke stets nur selbst mich an
  und sehe immer mich verfolgt:
  Hier steht der Bös'wicht, der mich drängt.

  _Tobold_

  Das bildet sich ein Dummkopf ein.

  _Der Bedrängte_

  Wer bist du, der so keck sich mischt
  in dieses Spiel? Ich sah dich nie
  und achte deiner deshalb nicht.
  Du scheinst ein frecher Betteljung'!

  _Tobold_

  Tobold heiß' ich, und ich gab nie
  Schafsköpfen Anlaß, mich
  zu achten. 's ist ein mageres Geschäft
  und es kommt nichts dabei heraus.
  Ich bin mein selbst. Ich selbst
  hab Achtung vor mir. Wisse das. Und dann
  hab ich auch Freude an der Welt.
  Hier beispielsweis' am Schurken hab'
  ich Freude. An der Sonne hab'
  ich Freude. Doch an dir nicht. Du
  freust mich in keiner Art und Weis'.
  Nicht Art hast du. Was Art hat, das
  entzückt mich. Dieb' und Schelm'
  selbst sind erfreulich. Packt man sie,
  so sperrt man sie ins Zuchthaus ein
  und weiß auch, was getan man hat.
  Doch du bist ein Chamäleon.
  Nichtswürdig bist du. Teufel sind
  doch Teufel. -- Hier dem Schurken geb'
  die Hand ich. Dir kann man die Hand
  nicht reichen. Spinnen sind verständlicher,
  Mäus', Ratt' und Kröten, als
  ein Mensch, wie du, dem's nur auf das
  Verfolgtsein ankommt.

  _Schurke_

                        Ha ha ha!
  Recht so, mein Junge, schimpf ihn aus.

  _Bedrängter_

  Auch hier, auch hier bedrängt man mich.
  Die Welt ist voll von Hinterlist.
  Ich will nur gleich zur Fürstin gehn
  und ihr das melden.

  _Schurke_

                      Tritt nur ab.
  Komm, du mein wackrer Junge, komm.
  Ich will zu einer Tänzerin
  dich führen. Wein soll sprühn. Der Ort,
  wo sie sich aufhält, ist nicht fern.
  In dem Gebüsch, das du dort siehst,
  liegt sie im schwellend weichen Gras.
  Schön ist sie, göttergleich tanzt sie.
  Doch du wirst sehn. Sie soll dich an
  die Brüste drücken. Schlemmen ist
  nicht schlecht, wenn man's mit Grazie tut.

  _Tobold_

  Ich gehe gern an solchen Ort.

  Verwandlung

  _Tobold_

  Ich soll mich finden, sagt mir das
  Gestirn. Mich finden? Müßt' ich da
  mich nicht vorher verlieren? Kann
  ich mich denn finden, wenn's an mir
  nichts aufzufinden gibt? Wer nie
  verloren gehn will, kann sich auch
  nie finden. Also will ich mich
  verlieren. Hier nun tapp' ich ganz
  im Dunkeln. Nacht ist es, und ein
  Geräusch, so sieht's hier aus, läßt sich
  hier gar nicht denken. Wenn ein Schuß
  jetzt fiele, wär's mir, wie wenn ich
  ihn mir nur träumte. Was denn such'
  ich hier? Mich selbst? Nein, denn ich bin
  nicht gar so sehr erpicht auf mich.
  Es muß hier jemand sein, sonst wär'
  ich hier nicht auf der Suche. Pst.
  Sprach da nicht jemand? Ganz bestimmt
  ist irgend jemand hier, doch wer,
  ist mir ein Rätsel. Doch wenn auch
  der Glaube nur, es sei hier wer,
  hier ist, so ist schon viel hier. Mir
  sagt es der Glaube, daß es hier
  ein Leben gibt, und daß wer hier
  ist, schön ist. Horch. War das? Nein, es
  ist alles still. Nichts regt sich, als
  der Wunsch in mir, es möchte hier
  jemand sich regen.

  _Die Verlassene_

  Bös' bin ich? Nein, ich bin nicht bös'.
  Verfehmt bin ich und muß hier am
  entlegnen Ort verlassen sein.
  Um Liebe willen, die mich hat
  betrügen müssen, muß ich hier
  verstoßen und verlassen sein.
  Niemand kommt zu mir her, es fällt
  niemandem ein, bei mir zu sein.
  Niemand kommt bis zum düstern Ort
  der finstern Ausgestoßenheit.
  Es will mich niemand kennen, es
  will niemand mehr gerecht mir sein.
  Ich kann nicht klagen. Klagt' ich, so
  riß es mich bis zum Wahnsinn hin.
  Drum still, drum nur gelitten, nur
  allein gelitten. Ist nichts anderes
  übrig, so leidet man
  wie in dem Grund des Meers das Naß
  nur naß sein kann, wie, wer sich sticht,
  nur bluten kann. Verlassenheit,
  sei du mir Krone. Schmerz, sei du
  Palast mir, und ich Fürstin so.

  _Tobold_

  Horch, horch, es tönt. Wie süß das tönt.
  Ich habe stets Musik geliebt.
  Mir immer als ein Wunder kam
  sie vor.

  _Verlassene_

           Ist jemand hier?

  _Tobold_

                            Ich bin's.

  _Verlassene_

  Wer bist du?

  _Tobold_

               Eine Wenigkeit.
  Ein junger dummer Mensch bin ich.
  Sonst brav vielleicht, vielleicht auch nicht;
  arbeitsam, doch vielleicht auch nicht;
  fähig zum Guten, doch vielleicht
  auch zu was anderem fähig. Un-
  bekannt ist mir's. Ich habe mich
  da so, wie soll ich sagen, in
  der Finsternis verloren, doch
  hielt ich stets wacker mich gradauf.
  Es soll der Mensch auf Haltung sehn,
  als wenn er selbst sich immer ge-
  genüberstände. Fürstin nannt'st
  du dich. Ich habe es gehört. Ich hab'
  gelauscht. Verzeih. Ich bin
  solch einer, der das, was er hört,
  beiseite schiebt. Es scheint, daß du
  unglücklich bist. So paßt es; denn
  ich liebe und verehre, was
  nicht fröhlich ist. Ich selbst, mußt du
  erfahren, bin mir, glaub' mir, fast
  zu fröhlich. Ich verachte mich
  ja auch dafür. Sehr gerne dient'
  ich dir. Ich seh' dich nicht, denn es
  ist dunkel hier. Was macht's. Es sieht
  die Seele dich. Doch daß du's weißt:
  ich sterbe vor Verlangen, dich
  zu sehn, und wünscht', ich hätt' ein Licht
  zur Hand, damit ich Schönheit säh'
  und nicht nur fühle. Sag', was soll
  ich tun. Kann ich dir helfen? Ich
  bin einer, den's entzückt, zu Dienst
  zu stehn. Ich will für dich hinab
  in die Verdammnis gehn, um zu
  verdienen, dich zu küssen. So
  sprich doch. Ich rede hier, und du
  schweigst. Bist du bös'?

  _Verlassene_

                           Ich bin nicht bös'.
  Ich bin nur leid. Sprich weiter. Dein
  Gespräch hat was wie Trost für mich.
  Du sprichst zutraulich. Sage, bist
  du ein so armer Mensch, und als
  Person so niedrig, daß du mußt
  zu der Verfehmten reden, und
  noch in so gutem Ton? Es muß nicht viel
  Stand, Würde und Bedeutendheit
  am Menschen sein, der zu mir spricht
  und noch, wie's scheint, so gern.

  _Tobold_

  Es gibt mehr Armut als du träumst.

  _Verlassene_

  Kann jemand ärmer sein als ich?

  _Tobold_

  Wohl kann noch jemand ärmer sein.
  Sind denn nicht alle Menschen sehr,
  sehr arm? Wer brüstet sich und sagt:
  »Ich bin wahrhaftig reich«? Niemand
  ist reich. Geboren sein heißt in
  die Armut sinken. Leben heißt
  mit Nöten kämpfen. Es gab nie
  solch einen Lebensreichtum. Reich
  ist, wer nicht bös' ist. Wenn du kein
  Gelüst hast, dich zu rächen, kein
  Gefühl des Zorns hast, bist du nicht
  die Ärmste. Wer noch weint, ist reich.
  Wer unrecht hat, ist reich. Zu den
  Besitzenden gehört nicht der
  Besitzende, nicht der, der auf dem Recht beharrt,
  nicht der Starrköpfige, der
  recht haben will. Unrecht ist süß,
  wonnig und reich, und wenn du im
  Gefängnis sitz'st und büß'st, so bist
  du reich.

  _Verlassene_

            So bin ich reich im Leid?
  Welch eine Sprache führst du da?
  Bist du zu mir gekommen, mir
  zu sagen, daß ich reicher sei
  als die, die glauben, ich sei sehr
  elend, als die, die denken, ich
  müsse verzweifeln?

  _Tobold_

                     Ja, gewiß.

  _Verlassene_

  Bist du ein Engel?

  _Tobold_

                     I bewahr!
  Ein Häufchen Unzulänglichkeit,
  das bin ich. Schlecht bin ich. Seh's ein.

  _Verlassene_

  So ist es Kunst nur, was du sprichst?

  _Tobold_

  Nein, Seele. Wie auch könnt' es Kunst
  sein, da ich doch kein Künstler bin.

  _Verlassene_

  Was bist du?

  _Tobold_

               Weiß es selber nicht.
  Muß erst erfahren, was ich bin.

  _Verlassene_

  Du redest lieb. Und da ich von
  Stand und Geburt bin (worauf ich
  nicht stolz bin), nimm den Ring von mir
  und geh'. Du kannst nichts weiter für
  mich tun, als gehn. Verlaß den Ort. --

  Anderswo

  _Tobold_

  Ganz wie ein blauer Baldachin
  ist hier der Himmel ausgespannt.
  Welch eine Freiheit duftet hier,
  welch ein Gefühl geht durch die Luft.
  Die Luft ist frisch, man atmet sie
  in köstlich gierigen Zügen ein.
  Wenn man nur nicht verdrossen ist,
  so ist der Tag wie ein Kristall.
  Wie schön ist's hier. Dort fällt ein Blatt.
  Man möchte gehen und es an
  die Lippen drücken. Nebel streicht
  durch das Revier. Es blitzt. Es ist
  alles ganz feucht. Es schimmert, es
  ist Wonne für die Augen, und
  wie warm, wie gut die Bäume stehn,
  ganz voll noch von dem gelben Laub.
  Hier ist ein Stückchen grün noch vom
  versunknen üppigen Sommer her.
  Dort sieht man Tannen. Feierlich
  stehn sie an Teiches Rand, sich in
  dem Wasser spiegelnd. Horch. Ein Schrei.
  Das ist der Vogel in der Luft.
  Und schön und schön und schöner wird's.
  Man faßt es nicht. Das Gelb ist wie
  der Ruhm, das Blau, das zärtliche,
  wie Liebe, und das Braun dort gleicht
  der Ehre. Wege schlängeln sich
  durch das Gebüsch, und alles dies
  hängt wie ein süßes Farbenwerk
  zusammen. Glücklich ist's. Nicht ich
  bin glücklich. Es, das All, ist es.
  Doch ganz gewiß auch ich. Wenn das
  Gesamte, das Verbund'ne, das
  Zerfloss'ne und Umwobene
  so schön ist, bin auch ich so schön,
  schön durch Genuß. Denn das
  Umfassende faßt ja auch mich ein. So
  gehör' ich dir, Natur. So bin
  ich Ton im Chor, und im Gesang
  bin eine dünne Stimme ich.

  _Der Gebieter_

  Du Lümmel, sag', was tust du hier?
  Du schaffst wohl g'rad' am Tagwerk? Was?
  Natur begaffen, fauler Strick!
  Wart'. Mit der Peitsche will ich dich
  das All erfassen lehren. So. Und jetzt
  marsch an die Arbeit. Fort.



Helblings Geschichte


Ich heiße Helbling und erzähle hier meine Geschichte selbst, da sie
sonst wahrscheinlich von niemandem aufgeschrieben würde. Heutzutage, wo
die Menschheit raffiniert geworden ist, kann es keine besonders kuriose
Sache mehr sein, wenn einer, wie ich, sich hinsetzt und anfängt, an
seiner eigenen Geschichte zu schreiben. Sie ist kurz, meine Geschichte,
denn ich bin noch jung, und sie wird nicht zu Ende geschrieben, denn ich
habe voraussichtlich noch lange zu leben. Das Hervorstechende an mir
ist, daß ich ein ganz, beinahe übertrieben gewöhnlicher Mensch bin. Ich
bin einer der Vielen, und das gerade finde ich so seltsam. Ich finde die
Vielen seltsam, und denke immer: »Was machen, was treiben sie nur alle?«
Ich verschwinde förmlich unter der Masse dieser Vielen. Wenn ich
mittags, wenn es zwölf Uhr schlägt, von der Bank, wo ich beschäftigt
bin, nach Hause eile, so eilen sie alle mit, einer sucht den andern zu
überholen, einer will längere Schritte nehmen als der andere, und doch
denkt man dabei: »Es kommen doch alle nach Hause.« In der Tat kommen sie
alle nach Hause, denn es ist kein ungewöhnlicher Mensch unter ihnen, dem
es arrivieren könnte, daß er den Weg nicht mehr fände nach Hause. Ich
bin mittelgroß von Gestalt und habe deshalb Gelegenheit, mich zu freuen,
darüber, daß ich weder hervorstechend klein, noch herausplatzend groß
bin. Ich habe so das Maß, wie man auf schriftdeutsch sagt. Wenn ich zu
Mittag esse, denke ich immer, ich könnte eigentlich anderswo, wo es
vielleicht fideler zuginge am Eßtisch, ebenso gut, oder noch feiner
essen, und denke dann darüber nach, wo das wohl sein könnte, wo die
lebhaftere Unterhaltung mit dem besseren Essen verbunden wäre. Ich lasse
alle Stadtteile und alle Häuser, die ich kenne, in meiner Erinnerung
vorübergehen, bis ich etwas ausfindig gemacht habe, das etwas für mich
sein könnte. Im allgemeinen halte ich sehr viel auf meine Person, ja,
ich denke eigentlich nur an mich, und bin immer darauf bedacht, es mir
so gut gehen zu lassen, wie nur irgend denkbar. Da ich ein Mensch aus
guter Familie bin, mein Vater ist ein angesehener Kaufmann in der
Provinz, so finde ich leicht an den Dingen, die sich mir nähern wollen,
und denen ich auf den Leib rücken soll, allerlei auszusetzen, zum
Beispiel: es ist mir alles zu wenig fein. Ich habe stets die Empfindung,
daß an mir etwas Kostbares, Empfindsames und Leichtzerbrechliches ist,
das geschont werden muß, und halte die andern für lange nicht so kostbar
und feinfühlig. Wieso das nur kommen mag! Es ist gerade, als wäre man zu
wenig grob geschnitzt für dieses Leben. Es ist jedenfalls ein Hemmnis,
das mich hindert, mich auszuzeichnen, denn wenn ich beispielsweise einen
Auftrag erledigen soll, so besinne ich mich immer erst eine halbe
Stunde, manchmal auch eine ganze! Ich überlege und träume so vor mich
hin: »Soll ich es anpacken, oder soll ich noch zögern, es anzupacken!«,
und unterdessen, ich fühle das, werden schon einige meiner Kollegen
bemerkt haben, daß ich ein träger Mensch bin, während ich doch nur als
zu empfindsam gelten kann. Ach, man wird so falsch beurteilt. Ein
Auftrag erschreckt mich immer, veranlaßt mich, mit meiner flachen Hand
strichweise über den Pultdeckel zu fahren, bis ich entdecke, daß ich
höhnisch beobachtet werde, oder ich tätschle mir mit der Hand die
Wangen, greife mich unter das Kinn, fahre mir über die Augen, reibe die
Nase und streiche die Haare von der Stirne weg, als ob dort meine
Aufgabe läge, und nicht auf dem Bogen Papier, der vor mir, auf dem Pult,
ausgebreitet liegt. Vielleicht habe ich meinen Beruf verfehlt, und
dennoch glaube ich zuversichtlich, daß ich es mit jedem Beruf so hätte,
so machen würde und verderben würde. Ich genieße, infolge meiner
vermeintlichen Trägheit, wenig Achtung. Man nennt mich einen Träumer und
Schlafpelz. O, die Menschen sind darin talentvoll, einem ungebührliche
Titel anzuhängen. Es ist allerdings wahr: die Arbeit liebe ich nicht
besonders, weil ich mir immer einbilde, sie beschäftige und locke zu
wenig meinen Geist. Das ist auch wieder so ein Punkt. Ich weiß nicht, ob
ich Geist besitze, und ich darf es kaum glauben, denn ich habe bereits
öfters die Überzeugung gewonnen, daß ich mich jedesmal dumm anstelle,
wenn man mir einen verstand- und scharfsinnfordernden Auftrag gibt. Das
macht mich in der Tat stutzig, und veranlaßt mich darüber nachzudenken,
ob ich zu den seltsamen Menschen gehöre, die nur klug sind, wenn sie es
sich einbilden, und aufhören, klug zu sein, sobald sie zeigen sollten,
daß sie es wirklich sind. Es fallen mir eine Menge intelligenter,
schöner, spitzfindiger Sachen ein, aber sobald ich sie in Anwendung
bringen soll, versagen sie mir und verlassen mich, und ich stehe dann da
wie ein ungelehriger Lehrjunge. Deshalb mag ich meine Arbeit nicht gern,
weil sie mir einesteils zu wenig geistvoll ist und mir andersteils
sogleich über den Kopf hinauswächst, sobald sie den Anstrich des
Geistvollen erhält. Wo ich nicht denken soll, da denke ich immer, und wo
ich verpflichtet wäre, es zu tun, kann ich es nicht. Aus diesem
zwiespältigen Grunde verlasse ich auch den Bureausaal immer einige
Minuten vor zwölf und komme immer erst einige Minuten später als die
andern an, was mir schon einen ziemlich schlechten Ruf eingetragen hat.
Aber es ist mir so gleichgültig, so unsäglich gleichgültig, was sie von
mir sagen. Ich weiß zum Beispiel sehr wohl, daß sie mich für einen
Schafskopf ansehen, aber ich fühle, daß wenn sie ein Recht zu dieser
Annahme haben, ich sie daran nicht verhindern kann. Ich sehe auch
wirklich etwas schafsköpfisch aus in meinem Gesicht, Betragen, Gang,
Sprechen und Wesen. Es ist kein Zweifel, daß ich, um ein Beispiel
herauszunehmen, in den Augen einen etwas blödsinnigen Ausdruck habe, der
die Menschen leicht irreführt und ihnen eine geringe Meinung von meinem
Verstand gibt. Mein Wesen hat viel Läppisches und dazu noch Eitles an
sich, meine Stimme klingt sonderbar, so als wüßte ich selber, der
Sprecher, nicht, daß ich rede, wenn ich rede. Etwas Verschlafenes,
Noch-nicht-ganz-Aufgewecktes haftet mir an, und daß es bemerkt wird,
habe ich bereits aufgezeichnet. Mein Haar streiche ich immer ganz glatt
auf dem Kopf, das erhöht vielleicht noch den Eindruck trotziger und
hilfloser Dummheit, den ich mache. Dann stehe ich so da, am Pult, und
kann halbstundenlang in den Saal, oder zum Fenster hinausglotzen. Die
Feder, mit der ich schreiben sollte, halte ich in der untätigen Hand.
Ich stehe und trete von einem Fuß auf den andern, da mir eine größere
Beweglichkeit nicht gestattet ist, sehe meine Kollegen an und begreife
gar nicht, daß ich in ihren Augen, die zu mir hinüberschielen, ein
erbärmlicher, gewissenloser Faulenzer bin, lächle, wenn mich einer
ansieht, und träume, ohne zu sinnen. Wenn ich das könnte: Träumen! Nein,
ich habe keine Vorstellung davon. Nicht die mindeste! Ich denke mir
immer, wenn ich einen Haufen Geld hätte, würde ich nicht mehr arbeiten,
und freue mich wie ein Kind darüber, daß ich dieses denken konnte, wenn
der Gedanke ausgedacht ist. Das Gehalt, das ich bekomme, erscheint mir
zu klein, und ich denke gar nicht daran, mir zu sagen, daß ich nicht
einmal so viel verdiene mit meinen Leistungen, trotzdem ich weiß, daß
ich so gut wie nichts leiste. Seltsam, ich habe gar nicht das Talent,
mich einigermaßen zu schämen. Wenn mich einer, zum Beispiel ein
Vorgesetzter, anschnauzt, so bin ich darüber im höchsten Grade empört,
denn es verletzt mich, angeschnauzt zu werden. Ich ertrage das nicht,
obgleich ich mir sage, daß ich eine Rüge verdient habe. Ich glaube, ich
widersetze mich dem Vorwurf des Vorgesetzten deshalb, damit ich das
Gespräch mit ihm ein wenig in die Länge ziehen kann, vielleicht eine
halbe Stunde, dann ist doch wiederum eine halbe Stunde verstrichen,
während deren Verlauf ich mich wenigstens nicht gelangweilt habe. Wenn
meine Kollegen glauben, ich langweile mich, so haben sie allerdings
recht, denn ich langweile mich zum Entsetzen. Nicht die geringste
Anregung! Mich langweilen, und darüber nachsinnen, wie ich die
Langeweile etwa unterbrechen könnte: darin besteht eigentlich meine
Beschäftigung. Ich vollbringe so wenig, daß ich selber von mir denke:
»Wirklich, du vollbringst nichts!« Oftmals kommt es über mich, daß ich
gähnen muß, ganz unabsichtlich, indem ich meinen Mund aufsperre, gegen
die Höhe der Zimmerdecke, und dann mit der Hand nachfahre, um langsam
die Mundöffnung zu verdecken. Alsdann finde ich es für angebracht, mit
den Fingerspitzen meinen Schnurrbart zu drehen und etwa auf das Pult zu
klopfen, mit der Innenfläche eines meiner Finger, ganz wie in einem
Traum. Manchmal erscheint mir das alles wie ein unverständlicher Traum.
Dann bemitleide ich mich und möchte über mich weinen. Aber, wenn das
Traumartige verfliegt, möchte ich mich, der Länge und Breite nach, auf
den Boden werfen, möchte umstürzen, mir an einer Kante des Pultes recht
weh tun, damit ich den zeitvertreibenden Genuß eines Schmerzes empfinden
könnte. Meine Seele ist nicht ganz schmerzlos über meinen Zustand, denn
ich vernehme manchmal, wenn ich recht das Ohr spitze, darin einen
leisen, klagenden Ton der Anklage, ähnlich der Stimme meiner noch
lebenden Mutter, die mich immer für etwas Rechtes gehalten hat, im
Gegensatz zum Vater, der da viel strengere Grundsätze besitzt, als sie.
Aber meine Seele ist mir ein zu dunkles und wertloses Ding, als daß ich
schätzte, was sie vernehmen läßt. Ich halte nichts von ihrem Ton. Ich
denke mir, daß man nur aus Langeweile auf das Gemurmel der Seele horcht.
Wenn ich im Bureau stehe, werden meine Glieder langsam zu Holz, das man
wünscht, anzünden zu können, damit es verbrenne: Pult und Mensch werden
Eines mit der Zeit. Die Zeit, das gibt mir immer zu denken. Sie vergeht
schnell, doch in all der Schnelligkeit scheint sie sich plötzlich zu
krümmen, scheint zu brechen, und dann ist es, als ob gar keine Zeit mehr
da wäre. Manchmal hört man sie rauschen wie eine Schar auffliegender
Vögel, oder zum Beispiel im Wald: da höre ich immer die Zeit rauschen,
und das tut einem recht wohl, denn dann braucht der Mensch nicht mehr zu
denken. Aber es ist meistens anders: so totenstill! Kann das ein
Menschenleben sein, das man nicht spürt, sich vorwärts, dem Ende
zudrängen! Mein Leben scheint mir bis zu diesem Augenblick ziemlich
inhaltlos gewesen zu sein, und die Gewißheit, daß es inhaltlos bleiben
wird, gibt etwas Endloses, etwas, das einem befiehlt, einzuschlafen und
nur noch das Unumgänglichste zu verrichten. So tue ich es denn auch: ich
tu nur so, als ob ich eifrig schaffe, wenn ich den übelriechenden Atem
meines Chefs hinter mir spüre, der heranschleicht, um mich bei der
Trägheit überraschen zu können. Seine Luft, die er ausströmt, ist sein
Verräter. Der gute Mann verschafft mir immer eine kleine Abwechslung,
deshalb mag ich ihn noch ganz wohl leiden. Aber was veranlaßt mich denn
eigentlich nur, so wenig meine Pflicht und meine Vorschriften zu
respektieren? Ich bin ein kleines, blasses, schüchternes, schwaches,
elegantes, zimperliches Kerlchen voll lebensuntüchtiger Empfindsamkeiten
und würde die Härte des Lebens, wenn es mir einmal schief gehen sollte,
nicht ertragen können. Kann mir der Gedanke, daß man mich aus meiner
Stellung entlassen wird, wenn ich so fortfahre, keine Furcht einjagen?
Wie es scheint, nicht, und wie es wiederum scheint: wohl! Ich fürchte
mich ein bißchen, und fürchte mich wieder ein bißchen nicht. Vielleicht
bin ich zur Furcht zu unintelligent, ja, es scheint mir beinahe, als ob
der kindliche Trotz, den ich anwende, um mir vor meinen Mitmenschen
Genugtuung zu verschaffen, ein Zeichen von Schwachköpfigkeit ist. Aber,
aber: es paßt wundervoll zu meinem Charakter, der mir stets vorschreibt,
mich ein wenig außergewöhnlich zu benehmen, wenn auch zu meinem
Nachteil. So zum Beispiel bringe ich, was auch nicht statthaft ist,
kleine Bücher ins Bureau, wo ich sie ausschneide und lese, ohne
eigentlich Genuß am Lesen zu haben. Aber es sieht wie die feine
Widerspenstigkeit eines gebildeten, mehr, als die andern sein wollenden
Menschen aus. Ich will eben immer mehr sein, und habe einen
Jagdhundeifer nach Auszeichnung. Wenn ich das Buch jetzt lese, und es
tritt ein Kollege zu mir heran mit der Frage, die vielleicht ganz am
Platz ist: »Was lesen Sie da, Helbling?«, so ärgert mich das, weil es in
diesem Fall anständig ist, ein ärgerliches Wesen zu zeigen, das den
zutulichen Fragenden wegtreibt. Ich tue ungemein wichtig, wenn ich lese,
blicke mich nach allen Seiten nach Menschen um, die mir zusehen, wie
klug da einer seinen Geist und Witz ausbilde, schneide mit prachtvoller
Langsamkeit Seite für Seite aus, lese nicht einmal mehr, sondern lasse
es mir genügen, die Haltung eines in eine Lektüre Versunkenen angenommen
zu haben. So bin ich: schwindelköpfig und auf den Effekt berechnet. Ich
bin eitel, aber von einer merkwürdig billigen Zufriedenheit in meiner
Eitelkeit. Meine Kleider sind von plumpem Ansehen, aber ich bin eifrig
im Wechseln von Anzügen, denn es macht mir ein Vergnügen, den Kollegen
zu zeigen, daß ich mehrere Anzüge besitze und daß ich einigen Geschmack
in der Wahl von Farben habe. Grün trage ich gern, weil es mich an den
Wald erinnert, und Gelb trage ich an windigen, luftigen Tagen, weil es
zum Wind und zum Tanzen paßt. Es kann sein, daß ich mich darin irre, ich
zweifle gar nicht daran, denn wie oft ich mich am Tag irre, wird mir
genugsam vorgehalten. Man glaubt schließlich selber, daß man ein
Einfaltspinsel ist. Aber was macht es aus, ob man ein Tropf oder ein
Mann von Achtung ist, da doch der Regen ebensogut auf einen Esel wie auf
eine respektable Erscheinung herabregnet. Und gar die Sonne! Ich bin
glücklich, in der Sonne, wenn es zwölf Uhr geschlagen hat, nach Hause
laufen zu dürfen, und wenn es regnet, spanne ich den üppigen, bauchigen
Regenschirm über mich, damit mein Hut, den ich sehr schätze, nicht naß
wird. Mit meinem Hut gehe ich sehr sanft um, und es scheint mir immer,
wenn ich meinen Hut noch berühren kann, in der zarten Weise, wie ich es
gewohnt bin, so sei ich immer noch ein ganz glücklicher Mensch.
Besondere Freude macht es mir, ihn, wenn es Feierabend geworden ist,
sorgsam auf die Scheitel zu setzen. Das ist mir immer der geliebte
Abschluß eines jeden Tages. Mein Leben besteht ja aus lauter
Kleinigkeiten, das wiederhole ich mir immer wieder, und das kommt mir so
wunderlich vor. Für große Ideale, die die Menschheit betreffen, habe ich
es nie passend gefunden, zu schwärmen, denn ich bin im Grunde mehr
kritisch als schwärmerisch veranlagt, wofür ich mir ein Kompliment
mache. Ich bin so einer, der es als herabsetzend empfindet, wenn er
einem idealen Menschen in langen Haaren, Sandalen an den nackten Beinen,
Schurzfell um die Lenden und Blumen im Haar begegnet. Ich lächle dann
verlegen in solchen Fällen. Laut lachen, was man doch am liebsten
möchte, kann man nicht, auch ist es eigentlich mehr zum
Ärgerlich-werden, als zum Lachen, unter Menschen zu leben, die an einer
glatten Scheitel, wie ich sie trage, keinen Geschmack finden. Ich ärgere
mich eben gerne, deshalb ärgere ich mich, wo sich mir nur immer eine
Gelegenheit bietet. Ich mache öfters hämische Bemerkungen, und habe es
doch sicherlich wenig nötig, meine Bosheit an andern auszulassen, da ich
doch genug weiß, was es heißt, unter der Spottsucht anderer zu leiden.
Aber das ist es ja: ich mache gar keine Beobachtungen, nehme keine
Lehren an und verfahre immer noch so, wie an dem Tage, da ich aus der
Schule entlassen wurde. Viel Schulknabenhaftes klebt an mir und wird
wahrscheinlich mein beständiger Begleiter durchs Leben bleiben. Es soll
solche Menschen geben, die gar keine Spur von Besserungsfähigkeit und
kein Talent besitzen, sich an der anderen Benehmen auszubilden. Nein,
ich bilde mich nicht, denn ich finde es unter meiner Würde, mich dem
Bildungsdrang hinzugeben. Außerdem bin ich schon gebildet genug, um
einen Stock mit einiger Manier in der Hand zu tragen und eine Schleife
um den Hemdkragen binden zu können und den Eßlöffel mit der rechten Hand
anzufassen und zu sagen, auf eine bezügliche Frage: »Danke, ja, es war
sehr hübsch gestern abend!« Was soll die Bildung viel aus mir machen?
Hand auf die Brust: ich glaube, da käme die Bildung ganz und gar an den
Unrichtigen. Ich strebe nach Geld und nach bequemen Würden, das ist mein
Bildungsdrang! Über einen Erdarbeiter komme ich mir furchtbar erhaben
vor, wenn er mich auch, wenn er wollte, mit dem Zeigefinger seiner
linken Hand in ein Erdloch, wo ich mich beschmutzen würde,
hinabschleudern könnte. Kraft und Schönheit an armen Menschen und in
bescheidenem Gewande machen auf mich keinen Eindruck. Ich denke immer,
wenn ich solch einen Menschen sehe, wie gut es unsereiner doch habe mit
der überlegenen Weltstellung, einem solch ausgearbeiteten Tropf
gegenüber, und kein Mitleid beschleicht mein Herz. Wo hätte ich ein
Herz? Ich habe vergessen, daß ich eines habe. Gewiß ist das traurig,
aber wo fände ich es für angebracht, Trauer zu empfinden. Trauer
empfindet man nur, wenn man einen Geldverlust aufzuweisen hat, oder wenn
einem der neue Hut nicht recht passen will, oder wenn plötzlich die
Werte auf der Börse sinken, und dann muß man sich noch fragen, ob das
Trauer ist oder nicht, und es ist bei näherem Zusehen keine, sondern nur
ein angeflogenes Bedauern, das verfliegt wie der Wind. Es ist, nein, wie
kann ich mich da ausdrücken: es ist wunderbar seltsam, so keine Gefühle
zu haben, so gar nicht zu wissen, was ein Empfinden ist. Gefühle, die
die eigene Person betreffen, hat jeder, und das sind im Grunde
verwerfliche, der Gesamtheit gegenüber anmaßliche Gefühle. Aber Gefühle
für einen jeden? Wohl hat man bisweilen Lust, sich darüber zu befragen,
spürt etwas wie eine leise Sehnsucht danach, ein guter, bereitwilliger
Mensch zu werden, aber, wann käme man dazu? Etwa um sieben Uhr des
Morgens, oder sonst wann? Schon am Freitag und dann während des darauf
folgenden ganzen Samstages besinne ich mich darauf, was ich am Sonntage
unternehmen könnte, weil doch immer am Sonntag etwas unternommen werden
muß. Allein gehe ich selten. Gewöhnlich schließe ich mich einer
Gesellschaft von jungen Leuten an, wie sich eben einer anschließt, es
geht ganz einfach, man geht einfach mit, obschon man weiß, daß man ein
ziemlich langweiliger Geselle ist. Ich fahre zum Beispiel mit einem
Dampfboot über den See, oder gehe zu Fuß in den Wald, oder fahre mit der
Eisenbahn an entferntere schöne Orte. Oft begleite ich junge Mädchen zum
Tanz, und ich habe die Erfahrung gemacht, daß mich die Mädchen gerne
leiden mögen. Ich habe ein weißes Gesicht, schöne Hände, einen
eleganten, flatternden Frack, Handschuhe, Ringe an den Fingern, einen
mit Silber beschlagenen Stock, sauber gewichste Schuhe und ein zartes,
sonntägliches Wesen, eine so merkwürdige Stimme und etwas leis
Verdrossenes um den Mund, etwas, wofür ich selber kein Wort habe, das
mich aber den jungen Mädchen zu empfehlen scheint. Wenn ich spreche,
klingt es, als ob ein Mann von Gewicht spräche. Das Wichtigtuerische
gefällt, da ist kein Zweifel zu hegen. Was den Tanz betrifft, so tanze
ich, wie einer, der eben erst Tanzunterricht genommen und genossen hat:
flott, zierlich, pünktlich, genau, aber zu schnell und zu saftlos. Es
ist Genauigkeit und Sprunghaftigkeit in meinem Tanz, aber nur keine
Grazie. Wie könnte ich der Grazie fähig sein! Aber ich tanze
leidenschaftlich gern. Wenn ich tanze, vergesse ich, daß ich Helbling
bin, denn ich bin dann nichts mehr als nur noch ein glückliches
Schweben. Das Bureau mit seinen mannigfaltigen Qualen würde mir keine
Erinnerung zu Gesicht bringen. Um mich herum sind gerötete Gesichter,
Duft und Glanz von Mädchenkleidern, Mädchenaugen blicken mich an, ich
fliege: kann man sich seliger denken? Nun habe ich es doch: einmal in
dem Kreise der Woche vermag ich selig zu sein. Eines der Mädchen, die
ich stets begleite, ist meine Braut, aber sie behandelt mich schlecht,
schlechter, als mich die andern behandeln. Sie ist mir, wie ich wohl
bemerke, auch keineswegs treu, liebt mich wohl kaum, und ich, liebe ich
sie etwa? Ich habe viele Fehler an mir, die ich freimütig ausgesprochen
habe, aber hier scheinen mir alle meine Fehler und Mängel vergeben zu
sein: ich liebe sie. Es ist mein Glück, daß ich sie lieben, und um
ihretwillen oft verzagen darf. Sie gibt mir ihre Handschuhe und ihren
rosaseidenen Schirm zu tragen, wenn es Sommer ist, und im Winter darf
ich ihr im tiefen Schnee nachtrotteln, um ihr die Schlittschuhe
nachzutragen. Ich begreife die Liebe nicht, aber spüre sie. Gut und böse
sind doch nichts gegen die Liebe, die gar nichts anderes und übriges
kennt, als Liebe. Wie soll ich das sagen: so nichtswürdig und leer ich
sonst immer bin, so ist doch noch nicht alles verloren, denn ich bin
wirklich der treuen Liebe fähig, obschon ich zur Treulosigkeit
Gelegenheit genug hätte. Ich fahre mit ihr im Sonnenschein, unter dem
blauen Himmel, in einem Nachen, den ich vorwärtsrudere, auf dem See, und
lächle sie immer an, während sie sich zu langweilen scheint. Ich bin ja
auch ein ganz langweiliger Kerl. Ihre Mutter hat eine kleine, armselige,
etwas verrufene Arbeiterkneipe, wo ich Sonntage lang zubringen kann mit
Sitzen, Schweigen und sie-Ansehen. Manchmal beugt sich auch ihr Gesicht
zu dem meinigen hinunter, um mich einen Kuß ihr auf den Mund drücken zu
lassen. Sie hat ein süßes, süßes Gesicht. An ihrer Wange befindet sich
eine alte, vernarbte Schramme, was ihren Mund ein wenig verzerrt, aber
ins Süße. Augen hat sie ganz kleine, mit denen sie einen so listig
anblinzelt, als wollte sie sagen: »Dir will ich es auch noch zeigen!«
Oft setzt sie sich zu mir auf das schäbige, harte Wirtshaussofa, und
flüstert mir ins Ohr, daß es doch schön sei, verlobt zu sein. Ich weiß
selten etwas zu ihr zu sagen, denn ich fürchte immer, daß es nicht
passend wäre, so schweige ich, und wünsche doch heftig, zu ihr etwas zu
sprechen. Einmal hat sie mir ihr kleines, duftendes Ohr an meine Lippen
gereicht: Ob ich ihr nichts zu sagen hätte, das man nur flüstern könne?
Ich sagte zitternd, daß ich nichts wüßte, und da hat sie mir eine
Ohrfeige gegeben und hat dazu gelacht, aber nicht freundlich, sondern
kalt. Mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester steht sie nicht gut
und will nicht haben, daß ich der Kleinen Freundlichkeiten erweise. Ihre
Mutter hat eine rote Nase vom Trinken, und ist ein lebhaftes, kleines
Weib, das sich gern zu den Männern an den Tisch setzt. Aber meine Braut
setzt sich auch zu den Männern. Sie hat mir einmal leise gesagt: »Ich
bin nicht mehr keusch,« in einem Ton der Natürlichkeit, und ich habe
nichts dagegen einzuwenden gehabt. Was wäre es gewesen, was ich ihr dazu
hätte sagen können. Andern Mädchen gegenüber habe ich einen gewissen
Schneid, sogar Wortwitz, aber bei ihr sitze ich stumm und sehe sie an
und verfolge jede ihrer Manieren mit meinen Augen. Ich sitze jedesmal so
lang, bis die Wirtschaft geschlossen werden muß, oder noch länger, bis
sie mich nach Hause schickt. Wenn die Tochter nicht da ist, setzt sich
ihre Mutter zu mir an den Tisch und versucht, die Abwesende in meinen
Augen schlecht zu machen. Ich wehre nur so mit der Hand ab und lächle
dazu. Die Mutter haßt ihre Tochter, und es liegt auf der Hand, daß sie
sich beide hassen, denn sie sind sich im Wege mit ihren Absichten. Beide
wollen einen Mann haben, und beide mißgönnen einander den Mann. Wenn ich
abends so auf dem Sofa sitze, merken es alle Leute, die in der Kneipe
verkehren, daß ich der Bräutigam bin, und jeder will an mich
wohlwollende Worte richten, was mir ziemlich gleichgültig ist. Das
kleine Mädchen, das noch in die Schule geht, liest neben mir in ihren
Büchern, oder sie schreibt große, lange Buchstaben in ihr Schreibheft
und reicht es mir immer dar, um mich das Geschriebene durchsehen zu
lassen. Sonst habe ich nie auf so kleine Geschöpfe geachtet, und nun mit
einem Male sehe ich ein, wie interessant jedes kleine, aufwachsende
Geschöpf ist. Daran ist meine Liebe zu der andern schuld. Man wird
besser und aufgeweckter durch eine ehrliche Liebe. Im Winter sagt sie zu
mir: »Du, es wird schön sein im Frühling, wenn wir zusammen durch die
Gartenwege spazieren werden,« und im Frühling sagt sie: »Es ist
langweilig mit dir.« Sie will in einer großen Stadt verheiratet sein,
denn sie will noch etwas haben vom Leben. Die Theater und Maskenbälle,
schöne Kostüme, Wein, lachende Unterhaltung, fröhliche, erhitzte
Menschen, das liebt sie, dafür schwärmt sie. Ich schwärme eigentlich
auch dafür, aber wie das sich alles machen soll, weiß ich nicht. Ich
habe ihr gesagt: »Vielleicht verliere ich auf nächsten Winter meine
Stellung!« Da hat sie mich groß angeschaut und mich gefragt: »Warum?«
Was hätte ich ihr für eine Antwort geben sollen? Ich kann ihr doch nicht
meine ganze Charakteranlage in einem Atem herunterschildern. Sie würde
mich verachten. Bis jetzt meint sie immer, daß ich ein Mann sei von
einiger Tüchtigkeit, ein Mann, allerdings ein etwas komischer und
langweiliger, aber doch ein Mann, der seine Stellung in der Welt habe.
Wenn ich ihr nun sage: »Du irrst dich, meine Stellung ist eine äußerst
schwankende,« so hat sie keinen Grund, weiter meinen Umgang zu wünschen,
da sie doch alle ihre Hoffnungen in bezug auf mich zerstört sieht. Ich
lasse es gehen, ich bin ein Meister darin, eine Sache schlitteln zu
lassen, wie man zu sagen pflegt. Vielleicht, wenn ich Tanzlehrer oder
Restaurateur oder Regisseur wäre, oder sonst irgendeinen Beruf hätte,
der mit dem Vergnügen der Menschen zusammenhängt, würde ich Glück haben,
denn ich bin so ein Mensch, so ein tänzelnder, schwebender,
beineherumwerfender, leichter, flotter, leiser, sich stets verbückender
und zartempfindender, der Glück hätte, wenn er Wirt, Tänzer,
Bühnenleiter oder so etwas wie Schneider wäre. Wenn ich Gelegenheit
habe, ein Kompliment zu machen, bin ich glücklich. Läßt das nicht tief
blicken? Ich bringe sogar da Verneigungen an, wo es gar nicht üblich
ist, oder wo nur Scharwenzler und Dummköpfe sich verbeugen, so sehr bin
ich in die Sache verliebt. Für eine ernste Mannesarbeit habe ich weder
einen Geist noch eine Vernunft, noch Ohr, noch Auge und Sinn. Es ist mir
das mir am fernsten Liegende, was es auf der Welt geben könnte. Ich will
Profit machen, aber es soll mich nur ein Zwinkern mit den Augen,
höchstens ein faules Handausstrecken kosten. Sonst ist Scheu vor der
Arbeit an Männern etwas nicht ganz Natürliches, aber mich kleidet es,
mir paßt es, wenn es auch ein trauriges Kleid ist, das mir da so
vorzüglich paßt, und wenn der Schnitt des Kleides auch ein erbärmlicher
ist: warum sollte ich nicht sagen: »Es sitzt mir,« wenn doch jedes
Menschenauge sieht, daß es mir faltenlos sitzt. Die Scheu vor der
Arbeit! Aber ich will nichts mehr darüber sagen. Ich meine übrigens
immer, das Klima, die feuchte Seeluft, sei schuld daran, daß ich nicht
zum Arbeiten komme, und suche jetzt, gedrängt von dieser Erkenntnis,
Stellung im Süden, oder in den Bergen. Ich könnte ein Hotel dirigieren,
oder eine Fabrik leiten, oder die Kasse einer kleineren Bank verwalten.
Eine sonnige, freie Landschaft müßte imstande sein, in mir Talente zu
entwickeln, die bis jetzt in mir geschlafen haben. Eine
Südfruchthandlung wäre auch nichts übles. Auf jeden Fall bin ich ein
Mensch, der immer meint, durch eine äußerliche Veränderung innerlich
ungeheuer zu gewinnen. Ein anderes Klima würde auch eine andere
Mittagstafel erzeugen, und das ist es vielleicht, was mir fehlt. Bin ich
eigentlich krank? Mir fehlt so viel, mir mangelt eigentlich alles.
Sollte ich ein unglücklicher Mensch sein? Sollte ich ungewöhnliche
Anlagen besitzen? Sollte es eine Art Krankheit sein, sich beständig, wie
ich es tue, mit solchen Fragen abzugeben? Jedenfalls ist es eine nicht
ganz normale Sache. Heute bin ich wieder zehn Minuten zu spät in die
Bank gekommen. Ich komme nicht mehr dazu, zur rechten Zeit anzutreten,
wie andere. Ich sollte eigentlich ganz allein auf der Welt sein, ich,
Helbling, und sonst kein anderes lebendes Wesen. Keine Sonne, keine
Kultur, ich nackt auf einem hohen Stein, kein Sturm, nicht einmal eine
Welle, kein Wasser, kein Wind, keine Straßen, keine Banken, kein Geld,
keine Zeit und kein Atem. Ich würde dann jedenfalls nicht mehr Angst
haben. Keine Angst mehr und keine Fragen, und ich würde auch nicht mehr
zu spät kommen. Ich könnte die Vorstellung haben, daß ich im Bett läge,
ewig im Bett. Das wäre vielleicht das Schönste!



Brief eines Vaters an seinen Sohn


Du beklagst dich, mein lieber Sohn, darüber, daß ich dich höchst
mangelhaft erziehe, daß ich dich z. B. nach Nidau hinausschicke, um eine
Kommission zu verrichten, und darüber, daß ich dir befehle, in den
Holzkeller hinunterzuspazieren, um Holz zu spalten. Sei nicht
unaufrichtig, sei nicht sentimental, Junge: weiß ich ja doch ganz genau,
daß dir das Laufen auf der heißen und staubbedeckten Landstraße, die
nach Nidau, dem altersgrauen Städtchen hinausführt, Vergnügen macht, und
daß du leidenschaftlich gern Holz spaltest. Du wirfst mir vor, daß im
Mülleimerheruntertragen und im Holzhacken keine Erziehung liege. Ich bin
aber anderer Ansicht. Es liegt sehr viel Erziehung von der besten Sorte
in der Verrichtung gewissermaßen schäbiger, schimmeliger und niedriger
Arbeiten. Wenn du z. B. mit dem Milchtopf in der Hand über die Gasse
gehen mußt, um Milch beim Milchhändler zu holen, eine Verrichtung, deren
du dich vielleicht ein wenig schämst, weil bekannte Leute dir begegnen,
von denen du weißt, daß sie sich sagen, »jetzt muß er sogar Milch über
die Gasse holen,« so ist das, wenn auch nicht scheinbar, doch aber in
Wirklichkeit eine ausgezeichnete Erziehung, denn da lernst du dich
demütigen, und im Genuß dessen, was demütigend ist, liegt eine köstliche
Bildung. So und ähnlich, lieber Sohn, bilde ich dich, und ich glaube, du
darfst mir dankbar sein dafür. Du scheinst es nicht zu sein: nun, ich
denke, du verstehst es eben noch nicht. Später wirst du es zu schätzen,
zu würdigen und zu verstehen wissen.

Ferner, mein Junge, glaubst du sollen dürfen herausgemerkt haben (eine
richtige Sohnes-Spitzfindigkeit), daß ich dich gerade dann an irgendeine
Beschäftigung anzuspannen liebe, wenn ich weiß oder du mir zu verstehen
gibst, daß du dich gern mit deinen bevorzugten Kameraden im Freien, sei
es im Wald oder sei es am See, herumtummeln möchtest. So boshaft, meinst
du, bin ich? Und wenn auch? Sollen denn arme, sorgengeplagte Väter,
stets angespannt an den kläglichen, elendiglichen Täglichen-Brot-Gedanken,
nicht auch, zur Erheiterung und Abwechslung, sich kleine,
feine, reizende Bosheiten leisten dürfen? Bedenke das. Bedenke,
wie viele Sorgen ich habe, und du wirst generös genug sein, mir
zu erlauben, dich von Zeit zu Zeit ein wenig zu necken mit: »Du spaltest
jetzt hübsch Holz, verstanden!«, sowie ich etwa merke, daß du das Baden
oder das Herumstreifen in den Gassen im Sinne hast. Väter haben auch
ihre Schwächen, merke dir das.

Etwas sehr Seltsames, in der Tat Frappierendes sagst du, indem du mir
den Vorwurf machst, daß ich ja selber Sonntagnachmittag, zum schwarzen
Kaffee, die Schundromane lese, die ich geruhe, dir, dem Sohn, wenn ich
dich beim heimlichen Lesen und Verschlingen ertappe, um den Kopf
herumzuschlagen. Doch du bist im Unrecht, und dein Vorwurf ist eine
Weinerlichkeit. Ich werde fortfahren, dir die Romanlektüre zu verbieten,
so gut, wie ich fortfahren zu dürfen meine, sie mir persönlich zu
gestatten. Sei taktvoll und mißgönne nicht ein Vergnügen einem Menschen,
der anfängt zu altern, deshalb, weil es Pflicht dieses Menschen ist, den
Genuß dieses Vergnügens seinem Sohne zu versagen.

Ich gebe nun im allgemeinen von Herzen gern zu, daß ich deine Erziehung
ziemlich vernachlässige, doch ich mache mir deswegen keine Sorgen. Sei
versichert: Deinen Weg durch das Leben wirst du schon finden, denn es
gibt Dutzende Lebenswege, und jeder Lebensweg führt ohne alle Frage vor
das eherne, erzene Tor der Unabänderlichkeit. Du wirst mir erlauben, ein
wenig mit dir zu philosophieren. Werde ein Philosoph, mein Junge, was
sagen will, bilde Tapferkeit in dir aus, und dann brauchst du gar nicht
so viel Erziehung, das Leben wird dich genügend erziehen, habe keine
Bange. Sieh, wenn ich dich ein bißchen wild und unerzogen lasse, so
taugst du um so viel besser für das Leben; ungebildet lasse, so wird
dich um so viel besser das spätere Leben bilden, striegeln, glätten und
plätten können; ungehobelt lasse, so wirst du dich um so besser eignen
für die Zurechthobelung und Polierung durch eben das Leben, welches mit
Vergnügen an den Menschen herumhobelt. Die Welt, in welche du wirst zu
sitzen und zu stehen kommen, wird Erzieher an dir sein und dich
gründlich erziehen. Auch dafür, also dafür, daß ich dich vernachlässigt
habe, wirst du mir einst danken. Bedenke, ich bitte dich, folgendes; und
alsdann lasse mich ausruhen vom Schreiben und diesen väterlichen Brief
beendigen.

Nimm an, ich hätte dich mustergültig erziehen lassen: mit was für
einer furchtbaren Verantwortungslast auf Kopf und auf Rücken würdest
du dann dastehen. Denn wisse: eine wirklich und in jeder Hinsicht
gute, eine sogenannte glänzende Erziehung verpflichtet, sie
verpflichtet den Empfänger zu ihr entsprechenden glänzenden Leistungen,
sie verpflichtet auch zu der glänzenden Karriere. Sei du glücklich,
mein Sohn, daß du wirst atmen dürfen, ohne immer nur an das Emporkommen
denken zu müssen. Deine mangelhafte Erziehung verpflichtet dich nicht
zu dem Gespenste, zu der Mustergültigkeit, zu dem fürchterlichen
Müssen-in-jeder-Hinsicht-hervorragen. Frei wirst du sein. Ein Sohn der
Natur, ein Sohn der Welt wirst du sein. Atmen und leben wirst du dürfen.
Die da musterhaft sind, die leben nicht, und hiermit grüßt dich überaus
herzlich, im Bewußtsein, daß er dir etwas Vernünftiges gesagt hat, dein

  Vater.



Spazieren


Es ging einer spazieren. Er hätte in die Eisenbahn steigen und in die
Ferne reisen können, doch er wollte nur in die Nähe wandern. Das Nahe
kam ihm bedeutender vor als das bedeutende und wichtige Ferne. Demnach
also kam ihm das Unbedeutende bedeutend vor. Das mag man ihm wohl
gönnen. Er hieß Tobold, doch ob er nun so hieß oder anders, so besaß er
jedenfalls wenig Geld in der Tasche und lustigen Mut im Herzen. So ging
er hübsch langsam vorwärts, er war kein Freund übergroßer Schnelligkeit.
Die Hast verachtete er; mit dem stürmischen Eilen wäre er nur in ein
Schwitzen gekommen. Wozu das, dachte er, und er marschierte bedächtig,
sorgfältig, artig und mäßig. Die Schritte, die er machte, waren gemessen
und wohlabgewogen, und das Tempo enthielt eine sehenswerte
Behaglichkeit, die Sonne brannte schön heiß, worüber sich Tobold
aufrichtig und ehrlich freute. Zwar hätte er auch Regen gerne
hingenommen. Er würde dann einen Regenschirm aufgespannt haben und
säuberlich unter dem Regen marschiert sein. Er sehnte sich sogar ein
bißchen nach Nässe, aber da Sonne schien, war er mit Sonne
einverstanden. Er war nämlich einer, der fast an nichts etwas
auszusetzen hatte. Nun nahm er seinen Hut vom Kopfe ab, um ihn in der
Hand zu tragen. Der Hut war alt. Eine gewisse handwerksburschenmäßige
Abgeschossenheit zeichnete den Hut sichtlich aus. Es war ein schäbiger
Hut, und dennoch behandelte ihn sein Träger mit Hochachtung, und zwar
deshalb, weil Erinnerungen am Hut hingen. Tobold vermochte sich stets
nur schwer von langgetragenen und abgeschabten Sachen zu trennen. So zum
Beispiel trug er jetzt zerrissene Schuhe. Er hätte ein neues Paar
Stiefel wohl kaufen können. So über und über arm war er denn doch nicht.
Als gänzlich bettelarm wollen wir ihn nicht hinstellen. Aber die Schuhe
waren alt, sie hingen voll Erinnerungen, mit ihnen war er schon viele
Wege gegangen, und wie hatten die Schuhe bis dahin so treu ausgehalten.
Tobold liebte alles Alte, alles Ge- und Verbrauchte, ja, er liebte sogar
bisweilen Verschimmeltes. So zum Beispiel liebte er alte Leute, hübsch
abgenutzte alte Menschen. Kann man daraus Tobold einen berechtigten
Vorwurf machen? Kaum! denn es ist ja ein hübscher Zug von Pietät. Nicht
wahr? Und so schrittwechselte er denn ins herrliche liebe Blaue hinaus
weiter. O wie blau war der Himmel, und wie schneeigweiß waren die
Wolken. Wolken und Himmel immer wieder anzuschauen war für Tobold ein
Glück. Deshalb reiste er ja so gern zu Fuß, weil der Fußgänger alles so
ruhig und reich und frei betrachten kann, während der Eisenbahnfahrer
nirgends stehenbleiben und anhalten kann als gerade exakt nur auf den
Bahnstationen, wo meistens elegant befrackte Kellner fragen, ob ein Glas
Bier gefällig sei. Tobold verzichtete gern auf einige acht Gläser Bier,
wenn er nur frei sein konnte und auf seinen Beinen gehen durfte, denn
seine eigenen Beine freuten ihn, und das Gehen machte ihm ein stilles
Vergnügen. Ein Kind sagte ihm jetzt guten Tag, und Tobold sagte ihm auch
guten Tag, und so ging er, und er dachte noch lang an das liebe kleine
Kind, das ihn so schön angeschaut, ihn so reizend angelächelt, und ihm
so freundlich guten Tag gesagt hatte.



Der Schäfer


Es liegt einer in der Sonne, nein, nicht ganz. Er liegt unter einem
hohen Baum, die Beine und faulenzenden Füße an der Sonne und den Kopf,
der ein träumerischer Kopf ist, im Schatten. Er ist ein Schäfer, der da
halb in der Sonne und halb im Schatten liegt; seine Tiere weiden nicht
fern von hier, er darf sie ruhig sich selber überlassen. So liegt er
denn da und weiß nicht recht, an was er denken soll. Er darf an alles
denken, und er braucht wieder an nichts zu denken. Bald denkt er an
dies, bald an das, bald an jenes, bald wieder an etwas anderes. Die
Gedanken kommen und gehen, tauchen vor dem Kopf auf und verschwinden
wieder; sie sammeln sich und zerstreuen sich wieder, verbinden sich zu
einem großen Ganzen und lösen sich wieder in kleine Teile auf. Der da
liegt, hat Zeit zu denken, hat Zeit, gedankenlos und arbeitslos zu sein.
Arbeit mag schön sein und nützlich, doch um wie viel, um wie viel
schöner ist es, nichts zu tun, den Tag zu verträumen und zu
verfaulenzen, wie er, der da schläft unter dem hohen Baum. Schläft er?
O, von Zeit zu Zeit, bilden wir uns ein, fallen ihm vor Trunkenheit und
Müdigkeit, vor lauter Daseinslust die Augen zu, die Sinne schwinden ihm,
und er schlummert ein in die süße Bewußtlosigkeit. Schlafen ist schön,
aber wie schön ist erst wieder das leise liebe Erwachen, und so schläft
er denn bald ein und bald erwacht er wieder, und so verfließt und
vergeht und verweht ihm, den Winden ähnlich, die über den grünen Plan
wegstreichen, die Zauberin Zeit, vier Uhr, fünf Uhr, sechs und sieben
Uhr, bis es allmählich Abend wird und goldenes angenehmes Dunkel vom
Himmel zur Erde herabschwebt. Schäfer, Schläfer, der du die Zeit
verträumst, bist du glücklich? Ja, ganz gewiß, du bist es, du bist
glücklich. Finstere Gedanken kennst du nicht, willst du nicht kennen.
Kommt dir je etwas Unholdes in den Sinn, so legst du dich auf die andere
Seite, oder du greifst nach dem Instrument, das du stets bei dir hast
und machst Musik, und bald umgibt dich wieder sonnenhelle Heiterkeit.
Nun, so lassen wir ihn denn liegen. Es braucht sich niemand um ihn zu
bekümmern. Macht er sich doch auch selbst keinen Kummer.



Die Einladung


Ich habe dir ein himmlisch schönes Plätzchen zu zeigen, Himmlische. Der
Ort liegt ganz im stillen, bescheidenen, grünen Wald verborgen, wie ein
Gedanke in einem Gedanken. Es ist eine weiche, milde Schlucht, die von
niemand besucht wird. Sie liegt in den Bäumen so warm begraben, o so süß
versteckt, dort, bilde ich mir ein, möchte ich dich küssen, mit innigen,
sanften, süßen und langen Küssen, mit Küssen, die alles Reden, selbst
das schönste und beste, verbieten. Der Ort, so zart und so abgelegen,
wie er ist, steht in keinem Reisebuch als Sehenswürdigkeit verzeichnet.
Ein kleiner, durch dichtes Gebüsch sich windender Fußpfad führt zu der
Schlucht, zu dem Wunderort, wo ich dir zeigen möchte, Wunderbare, wie
ich dich liebe, wo ich dir zeigen möchte, Engel, wie ich dich
vergöttere. Dort umschlingt und umhalst man sich wie von selber, und wie
von selber berühren sich die Lippen. Du weißt noch nicht, wie ich küssen
kann. So komm an den Ort, wo nichts ist als das liebliche Rauschen der
hohen Bäume, dort wirst du es erfahren. Ich werde kein Wort reden, und
auch du wirst kein Wort reden, wir werden beide schweigen, nur die
Blätter werden leise flüstern, und der süße Sonnenschein wird durch das
zierliche Geäste brechen. O wie still, wie still wird es sein, wenn wir
uns küssen, wie schön wird es sein, wenn unsere Lippen liebesdurstig und
-hungrig aneinanderhängen, wie süß wird es sein, wenn wir in der
stillen, lieben Schlucht uns lieben. Wir wollen uns liebkosen und küssen
in einem fort, bis der Abend kommt und mit ihm die silbern blitzenden
Sterne und der Mond, der göttliche. Zu sagen werden wir uns nichts
haben, denn es soll alles nur ein Kuß, ein unaufhörlicher,
ununterbrochener, stunden-stundenlanger entzückender Kuß sein. Wer
lieben will, will nicht mehr sprechen, denn wer sprechen will, will
nicht mehr lieben. O komm an den heilig entrückten Ort der Tat, an den
Ort der Ausübung, wo alles sich verliert in Erfüllung, und wo alles
ertrinkt und erstirbt in Liebe. Die Vögel werden uns mit ihrem
fröhlichen Gesang umzwitschern und in der Nacht wird eine himmlische
Stille um uns sein. Was man Welt nennt, wird hinter uns liegen, und
gefangen gehalten von dem Entzücken, werden wir beide Kinder der Erde
sein und fühlen, was Leben heißt, empfinden, was Dasein heißt. Wer nicht
liebt, hat kein Dasein, ist nicht da, ist gestorben. Wer Lust zu lieben
hat, steht von den Toten auf, und nur wer liebt, ist lebendig.



Der nächtliche Aufstieg


Alles war mir so seltsam, so, als hätte ich es nie gesehen und sähe es
zum erstenmal im Leben. Ich fuhr mit der Eisenbahn durch ein Gebirge. Es
war Abend, und die Sonne war so schön. Die Berge kamen mir so groß vor,
so gewaltig, und sie waren es auch. Durch Höhe und Tiefe wird ein Land
reich und groß, es gewinnt an Raum. Verschwenderisch mutete mich die
Bergnatur an mit den hochaufragenden Felsgebilden und mit den
hochaufschießenden schönen dunklen Wäldern. Ich sah die schmalen Wege
sich um die Berge schlängeln, so anmutig, so poesiereich. Der Himmel war
klar und hoch, und auf den Wegen gingen Männer und Frauen. An den Halden
standen so schön, so still die Häuser. Ein Gedicht schien mir das Ganze,
ein altes herrliches Gedicht, ewig neu durch lebendiges Fortdauern. Dann
wurde es dunkler. Bald schimmerten die Sterne in die tiefe schwarze
Schlucht hinab, und ein glänzend weißer Mond trat an den Himmel.
Schneeweiß war die Straße, die durch die Schluchten lief. Eine tiefe
Freude bemächtigte sich meiner. Ich war glücklich, daß ich in den Bergen
war. Und die reine frische, kalte Luft. Wie herrlich war sie. Ich atmete
sie mit Leidenschaft ein. So fuhr der Zug langsam weiter, und endlich
stieg ich aus. Ich gab meine Sachen ab und schritt nun zu Fuß weiter,
hinaus in die Berge. Es war so hell und zugleich so schwarz. Die Nacht
war göttlich. Hohe Tannen ragten vor mir auf, Quellen hörte ich gurgeln
und murmeln, das war eine so köstliche Melodie, ein so geheimnisvolles
Sagen und Singen. Ich sang selber ein Lied in die Nacht hinein, während
ich auf der hellen Straße immer höher stieg. Es kam ein Dorf, und dann
ging es durch einen ganz finstern Wald. Ich stieß mit dem Fuß gegen
Wurzeln und Steine, und da ich den geraden Weg verloren hatte, stieß ich
oft auch den Wandererkopf an Bäume hart an. Ich mußte aber nur lachen
darüber. O wie prächtig war dieser erste nächtliche Aufstieg. Alles so
still. Es lag etwas Heiliges über allem. Der Anblick der schwarzen
Tannen freute mich tief. Mitternacht war es, als ich oben im Hochtale
vor dem kleinen dunklen Hause anlangte, im Fenster war Licht. Es wartete
jemand auf mich. Wie ist das doch schön, in stiller rauschender Nacht in
einer hochgelegenen Natureinöde anzulangen, zu Fuß, gleich einem wild
daherfahrenden Handwerksgesellen und zu wissen, daß man von jemand
Liebem erwartet wird. Ich klopfte. Ein Hund fing an zu bellen, daß es
weithin hallte. Ich hörte, daß jemand die Treppe eilig hinunter zu
laufen kam. Die Tür wurde geöffnet. Jemand hielt mir die Lampe oder
Laterne vor das Gesicht. Man erkannte mich, o das war schön, das war so
schön -- --



Die Landschaft


Alles war so schaurig. Nirgends ein Himmel, und die Erde war naß. Ich
ging, und indem ich ging, legte ich mir die Frage vor, ob es nicht
besser sei, mich umzudrehen und wieder heimzugehen. Aber ein
unbestimmtes Etwas zog mich an, und ich verfolgte meinen Weg durch all
die düstere Verhängtheit weiter. Ich fand an der unendlichen Trauer, die
hier ringsum herrschte, Gefallen. Herz und Phantasie gingen mir auf in
dem Nebel, in dem Grau. Es war alles so grau. Ich blieb stehen, gebannt
vom Schönen in diesem Unschönen, bezaubert von den Hoffnungen inmitten
dieser Hoffnungslosigkeiten. Es schien mir, als sei es mir fortan
unmöglich, noch irgend etwas zu hoffen. Dann schien es mir wieder, als
schlängle sich ein süßes, unsagbar reizendes Glück durch die trauervolle
Landschaft, und ich glaubte Töne zu hören, aber es war alles still.
Noch ein anderer Mensch schritt durch das Gehölz, durch all dieses
schwermütige Schwarz. Seine vermummte Gestalt war noch um etwas
schwärzer als das Schwarz der Landschaft. Wer war er, und was wollte er?
Und nun tauchten bald noch andere schwarze Gestalten auf, aber keine der
Gestalten kümmerte sich um die andere, jede schien genug mit sich selbst
zu tun zu haben. Auch ich kümmerte mich nicht mehr, was diese Leute
wollten und wohin sie gehen mochten in der Finsternis, sondern ich
kümmerte mich um mich selbst und zog hinaus in die eigene Unklarheit
hinein, die mich mit nassen, kalten Armen rasch umarmte und an sich riß.
O es kam mir vor, als sei ich einst ein König gewesen und müsse nun als
ein Bettler ziehen in die weite Welt, die da strotzt von Unkenntnis, die
da strotzt von dicken und finsteren Gedanken- und Gefühlslosigkeiten; es
kam mir vor, als sei es ewig nutzlos, gut zu sein, und ewig unmöglich,
redliche Absichten zu tragen, und als sei alles töricht und als seien
wir alle nur kleine Kinder, zum voraus den Torheiten und Unmöglichkeiten
überliefert. Dann gleich nachher war wieder alles, alles gut, und ich
ging mit unaussprechlich freudiger Seele weiter durch die schöne fromme
Dunkelheit.



Der Dichter


Der Morgentraum und der Abendtraum, das Licht und die Nacht; Mond, Sonne
und Sterne. Das rosige Licht des Tages und das bleiche Licht der Nacht.
Die Stunden und die Minuten; die Wochen und das ganze liebe Jahr.
Vielmals schaute ich zum Mond empor wie zum heimlichen Freund meiner
Seele. Die Sterne waren meine lieben Kameraden. Wenn in die blasse kalte
Nebelwelt hinab die Sonne goldig schien, wie freute ich mich da. Die
Natur war mein Garten, meine Leidenschaft, meine Liebste. Alles, was ich
sah, war mein eigen, der Wald und das Feld, die Bäume und die Wege. Wenn
ich in den Himmel sah, glich ich einem Prinzen. Aber das Schönste war
der Abend. Abende waren mir Märchen und die Nacht mit ihrer himmlischen
Finsternis war für mich ein Zauberschloß voll von süßen und
undurchdringlichen Geheimnissen. Oft durchdrang die Nacht der
seelenvolle Ton einer Handharfe, von irgendeinem armen Manne gespielt.
Da konnte ich lauschen, lauschen. Da war alles gut, gerecht und schön,
und die Welt war voll unaussprechlicher Herrlichkeit und Heiterkeit.
Aber ich war auch ohne Musik heiter. Ich fühlte mich umgarnt von den
Stunden. Ich redete mit ihnen, wie mit liebevollen Wesen und bildete mir
ein, daß auch sie mit mir sprächen, ich schaute sie an, wie wenn sie ein
Gesicht gehabt hätten, und hatte das Gefühl, als ob auch sie mich still
betrachteten, wie mit einer seltsamen Art von freundlichen Augen. Oft
kam ich mir wie im Meer ertrunken vor, so still und geräuschlos und
lautlos lebte ich dahin. Ich pflegte einen vertraulichen Umgang mit
allem, was kein Mensch merkt. Daran, an was zu denken kein Mensch sich
Mühe gibt, dachte ich tagelang. Doch war es ein süßes Denken, und nur
selten besuchte mich die Trauer. Mitunter sprang es wie ein unsichtbarer
übermütiger Tänzer zu mir in die abgelegene Stube hinein und reizte mich
zu einem Lachen. Ich tat niemand weh, und auch mir tat niemand weh. Ich
war so hübsch, so schön beiseit.



Das Liebespaar


Sie und er gingen zusammen spazieren. Allerlei reizende Gedanken kamen
ihnen in den Kopf, doch jedes behielt hübsch für sich, was es dachte.
Der Tag war schön, wie ein Kind, das in der Wiege oder im Arm seiner
Mutter liegt und lächelt. Die Welt war zusammengesetzt aus lauter
Hellgrün und Hellblau und Hellgelb. Grün waren die Wiesen, blau war der
Himmel, und gelb war das Kornfeld. Blau war wieder der Fluß, der sich in
der Ferne, zu des wohligen Hügels Füßen, durch die lichte, süße, warme
Gegend schlängelte, welche, wie wir bereits angedeutet haben, einem
Kinderlächeln an Schönheit und Lieblichkeit glich. Die beiden, die durch
die Landschaft gingen, schwiegen. Er hatte ihr etwas zu sagen, und sie,
sie fühlte es. Sie ging neben ihm her in der Erwartung dessen, was er
ihr sagen sollte. Längst schon hatte er ihr sagen wollen, was er jetzt
willens war zu sagen, und längst schon hatte sie gehofft, er werde ihr
endlich einmal sagen, was ihm, wie sie sah, auf den Lippen schwebte.
Eine Liebeserklärung, eine stotternde, lag ihm auf den Lippen, und sie
sah das. Seine Augen und der Ton seiner Stimme hatten ihr längst
gestanden, daß er sie liebe. Sie fühlte, daß sie reizend sei für ihn,
und indem sie dies fühlte, umstrickte sie ihn immer noch mehr mit ihren
Reizen, ohne es fast zu wollen. Gibst du einem Mädchen zu verstehen, daß
sie schön sei, so ist sie dadurch um so viel schöner, als du Verständnis
zeigst. Nie ist eine Frau so reizend als dann, wenn sie sieht, daß sie
reizt. Also wurde denn die, die hier ging, nur immer reizender, je
weniger sie mehr zu fürchten brauchte, es gebreche ihr an der Kunst und
an der Kraft, ihn, der dicht neben ihr herging, zu fesseln. Sie
betrachtete ihn im geheimen bereits als ihren Gefangenen, und sie
fühlte, daß sie für ihn der Zaubergarten sei voll von verführerischen
Düften, daß sie für ihn das Netz sei, in dessen Wunderfäden er sich
verstrickt hatte. Sie war sein Meer, in dessen Fluten er ertrunken war
-- sie war das Gesetz, dem er gehorchte. Er legte jetzt, statt irgend
etwas zu sagen, seinen Arm um ihren schlanken Leib, und damit war
bereits alles getan, um die beiden in gleich hohem Maß oder Unmaß zu
beglücken. Damit war alles gesagt, was er ihr schon so lange hatte sagen
wollen und hatte sagen sollen, und alles gestanden, was er Süßes um
ihretwillen fühlte. Sie kamen nun in einen kleinen, aber wunderbaren
Wald hinein, der ihnen wie ein Liebesort erschien. Es war so still, so
grün, so dunkel im Wald wie in einer uralten Kirche. Der Waldboden glich
einem grünen Teppich, einem grünen Bett. Kein Fürstensaal in alter und
neuer Welt war je so schön wie dieser liebe grüne Wald, der sie wie mit
weichen Märchenarmen umfing. Hier nun fing ein sanftes, überinniges und
über-übersüßes Küssen an, als schnäbelten und liebkosten sich zwei
Waldvögelchen in der Weltabgeschiedenheit, verloren und verborgen in
Verborgenheiten und Verlorenheiten. Bisher Stümper in der Liebe, war er
mit einmal ein Meister geworden. Er erdrückte und erstickte sein Mädchen
nicht mit Küssen; er setzte nur Lippe an Lippe und beharrte so in einem
langen, langen, himmlischen Brennen, die Hand ganz zart an ihr Haar
gedrückt. Es war nichts mehr da als der Wald und der Kuß, als die Stämme
im Wald und die beiden glücklichen Menschen, als die ununterbrochene
Stille und der ununterbrochene süße, herrliche Kuß.



Der Mond


Gestern war eine wunderbar schöne Mondnacht, so leise, so mild, so
still, als sei die ganze Welt in ein dunkeles süßes Entzücken gesunken.
Ich ging durch die Gassen und Gäßchen. Viele Menschen waren auf den
Beinen, als habe der Mondeszauber die Leute aus den Häusern ins Freie
hinausgezogen. Die Straßen ganz glatt und weich und hell im Mondlicht
und alles so still und so freundlich. Eine verhaltene Freude strahlte
durch alle Straßen, überdies war gerade in dieser schönen Nacht
Weihnachtsmarkt und darum viel Leben in der Stadt. Ich ging durch ein
enges Gartengäßchen, das sich den Berg entlang schmiegt. Dort war der
Zauber überwältigend. Es war wie ein Märchen, der felsige Boden klang
unter den Tritten und Schritten. Langsam ging ich weiter. Bei jedem
Schritt, den ich tat, blieb ich stehen, drehte mich um und schaute zum
göttlich schönen sanften Mond hinauf und zu den Tannen und uralten
Stadttürmen. -- Zwischen den aufwärts gebogenen, ärmelartigen
Tannenästen zitterten und schimmerten die Sterne, Liebesblicken ähnlich,
hindurch. Bald war ich oben am Berge, der sich über der traulichen Stadt
erhebt wie ein alter Riese. Eine in den weißen Felsen gehauene Treppe
führte mich hinauf, und oben angekommen, schaute ich hinunter in die
weiche, schleierhafte, milde Tiefe, die einer Traumerscheinung glich.
Ich ging noch weiter hinauf, durch den Wald, der ganz weiß war. Alles
war weiß vom Mond, so bleich, so süß. Ich dachte an Vater und Mutter,
und ein unnennbar zartes, weiblich-banges, zaghaftes Empfinden beschlich
mich. Ich wünschte, daß ich ewig so in der Mondnacht stehen und alten
lieben Gedanken mich überlassen könne, ewig so bleiben und in die
Vergangenheit zurückdenken könne. Der dunkelhelle Himmel mit seinen
weißlich-wolligen Wolken erschien mir wie eine schöne, liebe, üppige
Wiese. Der Mond glich dem träumerischen Schäfer, das weiche Gewölk den
Schäfchen, und die Sterne, die ab und zu daraus hervorblinzelten, waren
wie die Blumen. Aus der Stadt herauf drang Musik und Stimmenlärm.
Unsagbar feierlich war mir zumute. Es kam mir vor, als sei die ganze
weitausgedehnte stille Nacht ein körperartiges Wesen, und der Mond sei
seine Seele. Lange blieb ich noch stehen.



Ein Nachmittag


Ich ging den sonnigen Hang des langgestreckten, hohen Berges entlang auf
einem hübschen Weg unter niederhängenden Tannenzweigen, an vereinzelten
Bauernhöfen vorbei, bis ich zu einem Schlößchen kam, in welchem ehedem
ein adliger Sonderling wohnte. Oftmals schaute ich zu den hohen weißen
Felsen hinauf. Der Tag war so mild, es war Ende Dezember. Eine feine,
sozusagen sorgsame, zarte Kälte vereinigte sich mit der nachmittäglichen
Sonnenwärme. In der Luft lag es wie etwas Süßes, die ganze waldige
Gegend schien wie aus sich selber heraus schön und wie für sich selber
still-glücklich. Ich kam in das weite, breite, imposante und behagliche
Dorf. Die Häuser sahen aus, wie wenn sie stolz auf sich seien, so alt
und so schön waren sie. Frauen und spielende Kinder begegneten mir. Da
in dem Dorf die Uhrmacherkunst heimisch ist, so traf ich auch einen
Uhrmacher an. Ich stieg zu der alten, zierlich-ehrwürdigen Kirche
hinauf, die auf dicht mit dunkelgrünem Buchs besetzter kühner Anhöhe,
hart über dem Dorfe steht. Sinnend schaute ich mir die alten Gräber mit
ihren Inschriften an. Die Kirchuhr zeigte halb fünf, es fing an, Abend
zu werden. Da beeilte ich mich, den Berg hinaufzusteigen. Oben auf der
winterlichen Bergweide lag Schnee, der wunderbar glänzte, die
Schneefläche so silbern, und unten in der Tiefe so abendsonnig-dunkel
das weite, graugrüne Land, und in der Ferne das göttlich-schöne, kühne,
zarte Hochgebirge. Es war mir, als wolle meine Seele in die Seele der
Landschaft, die ich da so groß vor mir sah, hineintauchen. Ein Abendrot,
wie ich es so schön und so reich noch nie glaubte gesehen zu haben, kam
nun noch über die Welt und machte sie zur bezaubernden Rätselerscheinung.
Die Welt war ein Gedicht, und der Abend war ein Traum. Der
kalte, glänzendweiße Silberschnee und das glühende Rot befreundeten
sich miteinander, es war, als liebe der Abendhimmel den
bleichen Freund, den Schnee, und sinke in ein süßes, phantastisches und
überglückliches Erröten darüber. Schnee und Abendrot schienen sich
getraut zu haben, und es war, als küßten und liebkosten sie einander.
Herrlich standen auf der Winterweide die großen, kahlen Buchen, einst so
grün, so grün im vergangenen heißen Sommer. Ich kam ins Dorf, alles war
verschneit, es war schon dunkel geworden, eine Bauernfrau stand in der
Dorfstraße. Ich ging ins einsame Tal hinunter, es kam eine Kirche und
ein zweites Dorf. Es war Nacht, und ein prächtiger, wundersamer
Sternenhimmel schimmerte auf die dunkle, liebe, stille Welt herab.



Die kleine Schneelandschaft


Gestern haben wir Schnee bekommen, und heute in der Morgenfrühe ging ich
hinaus zur sorgsamen und ruhigen Besichtigung der Schneelandschaft.
Niedlich, wie ein artiges Kätzchen, das sich geputzt hat, liegt jetzt
das reiche, liebliche Land da. Jedes Kind, sollte ich meinen, kann die
Schönheit einer Schneelandschaft im Herzen verstehen, das feine saubere
Weiß ist so leicht verständlich, ist so kindlich. Etwas Engelhaftes
liegt jetzt über der Erde, und eine süße, reizvolle Unschuld liegt
weißlich und grünlich ausgebreitet da. Ich freute mich über meine
Aufgabe, über das Amt, über die angenehme Pflicht, die mir vorschrieb,
sorgfältig und aufmerksam Notiz vom Schnee und seinen Reizen zu nehmen.
Wunderbare Feinheit und Schönheit lag darin, daß das Gras so artig und
mit so zarten Spitzen aus der Schneefläche herausschaute. Ich ging
wieder zu meinem alten unverwüstlichen, gütigen Zauberer, zum Wald, und
zum Wald wie im Traum wieder hinaus, und da lag es da, das Kinderland in
seiner Kinderfarbe. Die Bäumchen und Bäume schienen einen graziösen Tanz
auf dem weißen Felde aufzuführen, und die Häuser hatten weiße Mützen,
Kappen, Kopfbedeckungen oder Dächer. Es sah so appetitlich, so lockig,
so lustig und so lieb aus, ganz wie das zarte, süße Kunstwerk eines
geschickten Zuckerbäckers. Noch ein Morgenlicht leuchtete in einem
Fenster, und ein anmutig Haus stand in einiger Entfernung, das hatte
Fenster wie Augen, welche fröhlich und listig blinzelten. Das Haus war
wie ein Gesicht, und die fünf grünen Fenster waren wie seine Augen. Geh
doch hin, lieber Leser, noch steht das zauberische Landbild da, mit
Schnee auf seinem lieblichen Antlitz. Man darf nur nie zu träge sein und
sich vor ein paar hundert Schritten nicht fürchten, zeitig aus dem
Faulenzerbett aufstehen, sich auf die Glieder stellen und nur ein wenig
hinauswandern, so sieht sich das Auge satt, und das freiheitsbedürftige
Herz kann aufatmen. Geh hin zu der artigen Schneelandschaft, welche dich
wie mit einem schönen freundschaftlichen Munde anlächelt. Lächle auch du
sie an und grüße sie von mir.



Das Mädchen


Vor einigen Tagen machte ich in einer anrüchigen Kneipe die
Bekanntschaft eines kühnen Professors der schönen Künste, der mich
huldvoll einlud, ihn in seiner Schaffenswerkstätte zu besuchen, um die
fertigen und werdenden Kunstwerke zu besichtigen. Doch was will das
bedeuten im Vergleich mit dem Schulkind, das ich vor noch nicht ganz
einer Stunde sah, als ich vom leisen, milden sauberen Morgenspaziergang
behaglich heimkehrte. Die süße Kleine, sie führte an ihrer Hand, gleich
einer überzarten und überjungen Mutter, eine noch Kleinere, die wohl ihr
Schwesterchen war. Göttlich mutete mich das lebendige, unschuldige,
liebe Menschenbildnis an, und ich wünschte allsogleich, daß ich doch ein
tapferer und meisterlicher Maler sei, damit ich das reizende Mädchen
abmalen könnte, frisch und wonnig nach der Natur. Still und unauffällig,
damit ihr meine Bewunderung und meine Rührung verborgen bleibe, und
damit sie ja nichts merke von dem Entzücken, in welches ihre Erscheinung
mich versetzte, ging ich hinter ihr her. Sie glich dem Wunder, das darum
so wunderbar ist, weil es sich selbst noch nie gelernt hat,
hochzuschätzen, und weil es lächelt in aller gütigen und kindlichen
Bescheidenheit. Zwei längliche zarte Zöpfchen hingen der Holden über
Nacken und Rücken, und an jeden lieben, lustigen Zopf war ein blaues
Band zierlich gebunden. Himmlisch weich ging sie dahin, und einmal
drehte sie das Köpfchen um, und da war es mir, als trete die Sonne aus
dem grauen kalten Gewölk hervor, um die Erde mit ihren süßen Strahlen zu
beglücken, so freundlich war das runde liebe Gesicht der kleinen
Schönen. -- Ihr Gang war wie eine herzumstrickende, jugendlich-fröhliche
Melodie. Mozartische Melodien können nicht schöner und frischer tönen.
Das Allersüßeste und -lieblichste war, wie von ihren Kinderhöschen der
schneeweiße Rand ein ganz klein wenig zum Vorschein trat. O, solch ein
Kind macht dich, wenn du es siehst, zum edleren, willigeren,
freundlicheren und besseren Menschen; du lernst wieder Gott für das
segenüberschüttete, bilderreiche Dasein danken; du bist wieder so recht
aus dem entzückten Herzen froh, darüber, daß du Mensch bist unter
Menschen. Eine Straßenecke kam, da bog ich links ab, um nach Hause zu
gehen.



Das Eisenbahn-Abenteuer


Einmal machte ich eine Eisenbahnfahrt, wobei ich ganz allein in einem
Wagenabteil saß wie der gedankenreiche Eremit in seiner schweigsamen,
weltabgelegenen Klause. Auf irgendeiner Station hielt der Zug an, die
Türe wurde mit beamtenhafter Schroffheit aufgerissen, und zu mir hinein
in das sonderbare, auf Rädern gestellte Zimmer stieg eine Frau. Es war
mir nicht anders, als wenn der Sonnenschein ins nächtlich-schwärzliche
Kupee einstiege, so hell mutete mich die liebe frauliche Erscheinung an,
die wie auf Besuch zu mir kam. Freundlich sagte sie guten Abend. Wer als
ich war glücklicher darüber? Der Zug setzte sich alsbald wieder in
Bewegung, und hinaus in die Nacht und ins unbekannte Land wurde die
Kammer getragen, in welcher nun zwei Personen saßen, die sich
gegenseitig freundlich anschauten. Ein Lächeln ergab ein Wort und indes
die Räder fleißig fort und fortrasselten, hatte ich wie ein Schelm und
Dieb die passende Gelegenheit wahrgenommen, saß schon an ihrer Seite und
legte den Arm um ihre reizende Figur. Emsig arbeiteten die Räder, und
Gegenden, die ich nicht kannte, flogen draußen in der stillen
Mitternacht an uns beiden glücklichen Leuten vorüber. Emsig arbeitete
ich mit meinen Lippen auf den ihrigen, die köstlich waren, wie Lippen
eines Kindes. Ein Kuß lockte den andern hervor, ein Kuß folgte auf den
andern. Ich ließ mir bei dem süßen Geschäft so recht Zeit, und da wurde
ich zum Künstler im Küssen, zum Künstler in der Liebkosung. O wie die
Liebe, die Süße lächelte mit dem schönen Mund und mit den schönen
dunklen Augen, welche, indem sie in die meinigen schauten, mich küßten.
Paradieseslüsternheit lag auf ihren Lippen, und Paradieseslust glänzte
ihr aus den Augen. Ich unterdessen hatte es so recht schön gelernt, wie
man es anstellen muß, um dem Kuß den höchsten Reiz abzugewinnen und ihm
die tiefste Wonne mitzugeben. Unter unserem lusterfüllten Liebesgemach
rasselten immerfort die Räder, und der Zug sauste durch die Länder, und
wir zwei hielten uns umschlungen wie die Seligen in den überirdischen
Gefilden, Wange an Wange gedrückt und Körper an Körper, als seien wir
vorher zwei verschiedene Gedanken gewesen, doch jetzt nur noch ein
einziger. Wie beglückte es mich, daß sich das süße Geschöpf durch das,
was ich tat, glücklich fühlte. Ihren wonnigen Liebesdurst zu stillen
machte mich zum Glücklichsten der Sterblichen, machte mich zum Gott.
Doch jetzt blieb der Eisenbahnzug wieder stehen, die reizendste der
Frauen stieg aus, während ich weiterfahren mußte.



Die Stadt


Es war an einem sonnigen Wintertag, als der Reisende mit der Eisenbahn
in der Stadt anlangte. Eine einzige zusammenhängende Freundlichkeit war
die ganze Welt. Die Häuser waren so hell, und der Himmel war so blau.
Zwar war das Essen im Bahnhofsrestaurant herzlich schlecht mit hartem
Schafsbraten und lieblosem Gemüse. Aber das Herz des Reisenden war mit
einer eigentümlichen Freude erfüllt. Er konnte es sich selber nicht
erklären. Die Bahnhofshalle war so groß, so licht, der arme alte
Dienstmann, der ihm den Koffer trug, war so dienstfertig mit seinen
alten Gliedmaßen und so artig mit seinem alten zerriebenen Gesicht.
Alles war schön, alles, alles. Selbst das Geldwechseln am Schalter des
Wechselbureaus hatte einen eigenen undefinierbaren Zauber. Der Reisende
mußte nur immer über alle die wehmütig-warmen Erscheinungen lächeln, und
weil er alles, was er sah, schön fand, fühlte er sich auch wieder von
allem angelächelt. Er hatte sein Mittagessen verzehrt, seinen schwarzen
Kaffee mit Kirschwasser ausgetrunken und ging jetzt mit eleganten,
leichten, scherzenden Schritten, so recht reisendenmäßig, in die
wundervolle uralte Stadt hinein, die da blendete im gelblich-hellen
Mittagssonnenlicht. Menschen jeglichen Schlages, Mädchen, Knaben und
erwachsene Leute gingen eilig an dem Gemächlichen und Vergnüglichen
vorüber. Der Reisende konnte sich so recht Zeit nehmen. Die Leute aber
mußten an ihre täglichen Arbeitsplätze eilen, daß es nur so an ihm
vorüberglitt, wie deutliche und doch wieder undeutliche und
unverständliche Geistererscheinungen. Wie kam dem schauenden und
denkenden Fremdling der Anblick des täglichen Lebens so rätselhaft und
fremdartig vor. Da kam er über eine hohe, breite, freie Brücke, unter
welcher ein großer blauer Strom herrlich-tiefsinnig vorüberfloß. Er
stand still, es überwältigte ihn. Zu beiden Seiten des Stromes war die
alte Stadt aufgebaut, graziös und kühn. Leichten, milden Schwunges
ragten die Dächer in die helle heitere Luft. Es glich einer romantischen
Musik, einem unvergänglichen, reizenden Gedicht. Er ging langsamen,
sorgfältigen Schrittes weiter. Mit jedem neuen Schritt ward er
aufmerksam auf eine neue Schönheit. Alles kam ihm wie altbekannt vor,
und doch war ihm alles neu. Alles überraschte ihn, und indem es das tat,
beglückte es ihn. Auf hoher Plattform stand ein uralter wunderbarer Dom,
der mit seinem dunkelroten Stein in der blauen Luft stand wie ein Held
aus undenklich alten Zeiten. In der Sonne, auf den Fensterbänken lagen
wohlig ausgestreckt die Katzen, und alte Mütterchen schauten zu den
Fenstern hinaus, als seien die alten schönen Zeiten wieder lebendig
geworden. O, es war so schön für den Reisenden, daß er in der
gassenreichen, halbdunklen, warmen Stadt so angenehm und leicht
umherspazieren konnte. Burgen und Kirchen und vornehme Patrizierhäuser
wechselten mit dem Marktplatz und mit dem Rathaus ab. Mit einmal stand
der Reisende wieder im Freien, dann stand er wieder in einer stillen,
feinen Vorstadtstraße, gelblich angehaucht vom süßen, lieben
Winterlichte, dann schaute er an einem Wohnhaus hinauf, dann ging er
wieder, dann fragte er einen Knaben nach dem Weg. Zuletzt stand er auf
einer kleinen anmutigen, von einer Mauer eingefaßten, luftigen Anhöhe,
und von hier aus konnte er die ganze Stadt so recht überblicken und aus
dem befriedigten Herzen grüßen.



Das Veilchen


Es war ein dunkler, warmer Märzabend, als ich durch das reizende,
gartenreiche Villenviertel ging. Vielerlei Menschenaugen hatten mich
schon gestreift. Es war mir, als schauten die Augen mich tiefer und
ernster an als sonst, und auch ich schaute den vorübergehenden Menschen
ernster und länger in die Augen. Vielleicht ist es der beginnende
Frühling mit der wohllüstigen warmen Luft, der in die Augen einen
höheren Glanz legt und in die Menschenseelen einen alten und neuen
Zauber. Frauen nehmen sich in der Frühlings- und Vorfrühlingsluft mit
den weichen Brüsten, die sie tragen, und von denen sie gehoben und
getragen werden, wunderbar aus. Die Gartenstraße war schwärzlich, aber
sehr sauber und weich. Es kam mir vor, und ich wollte mir einbilden, ich
gehe auf einem weichen, kostbaren Teppich. Voll Melodien schien die
Atmosphäre. Aus der dunklen geheimnisvollen Gartenerde streckten schon
die ersten Blumen ihre blauen und gelben und roten Köpfchen schüchtern
hervor. Es duftete, und ich wußte nicht recht nach was. Es schwebte ein
stilles, angenehmes Fragen durch die süße, dunkle, weiche Luft. Ich ging
so, und indem ich ging, schmeichelte sich ein zartes unbestimmtes
Glücksgefühl in mein Herz hinein. Mir war zumute, als gehe ich durch
einen herrlichen, lieben und uralten Park, da kam eine schöne, junge,
zarte Frau auf mich zu, violett gekleidet. Anmutig war ihr Gang
und edel ihre Haltung, und wie sie näher kam, schaute sie mich mit
rehartig-braunen Augen seltsam scheu an. Auch ich schaute sie an, und
als sie weiter gegangen war, drehte ich mich nach ihr um, denn ich
konnte der Lust und dem hinreißenden Verlangen, sie noch einmal,
wenn auch nur im Rücken, zu sehen, nicht widerstehen. Wie eine
Phantasieerscheinung glitt die reizende Gestalt mehr und mehr in die
Ferne. Ein Weh durchschnitt mir die Seele. »Warum muß sie davongehen?«
sagte ich mir. Ich schaute ihr nach, bis sie im zunehmenden Abenddunkel
verschwand und wie ein süßer, übersüßer Duft verduftete. Da träumte ich
vor mich hin, es sei mir ein großes, frauenförmiges Veilchen begegnet
mit braunen Augen, und das Veilchen sei nun verschwunden. Die Laternen
indessen waren schon angezündet und strahlten rötlich-gelb in den
blassen Abend. Ich ging in mein Zimmer, zündete die Lampe an, setzte
mich an meinen altertümlichen Schreibtisch und versank in Gedanken.



Die Kapelle


In der Großstadt, mitten in dem unabsehbaren Meer von gleichförmigen
Häusern findet sich in einem finsteren Hof eine Art von Kapelle, in
welcher allerlei Leute aus den niederen Ständen zum freundlichen
Gottesdienst zusammenkommen. Auch ich war einmal in der Versammlung.
Ein drolliges, munteres Dienstmädchen, dem ich gut war, hatte mich
eingeladen, mitzukommen, und ich bereute nicht, daß ich mit ihr gegangen
war. Ehrbare Bürger, die mehr an die Hoheit des Geldes als an die Hoheit
und Herrlichkeit Gottes glauben, hängen den armen, schlichten Leuten,
die in die bescheidenen Versammlungen gehen, gern diesen oder jenen
Spottnamen an, und versuchen lächerlich zu machen, was den gläubigen und
unschuldigen Seelen heilig ist. Auch ich also ging eines Abends, da
schon in den dunklen Straßen die Lichter brannten, zu den Kindern in die
Versammlung. Ich will gern die Leute, die noch an einen Gott glauben,
Kinder nennen. Kinder sind mitunter geistreicher als die Erwachsenen,
und die Unklugen sind mitunter klüger als die Klugen. Gewiß! es kam auch
mich ein Anflug spöttischen Lächelns an, als ich eintrat in das
kindlich-fromme Lokal, dessen Wände weiß waren wie die zierlose,
schmucklose Unschuld selber. Ich setzte mich jedoch still nieder, und
alsbald fingen die Leute, Männer wie Frauen, an zu singen wie aus einem
einzigen frohmütigen Munde zum Lobe Gottes. Engel schienen zu singen,
nicht schlichte, schlechte Menschen. Von dem süßen jungen, blühenden
Glauben getragen, hallte der Gesang, gleich einem feinen Duft, der die
Eigenschaft hat, zu tönen, hin und her und verhallte an den Wänden. Ich
schaute mit eigentümlichen Empfindungen, ganz bezaubert von den Tönen,
zur Decke des Saales hinauf, welche blau war, wie ein milder
träumerischer Himmel. Weiße Sterne waren in den hellblauen Grund
hineingezeichnet, und die Sterne schienen zu lächeln vom göttlichen
Himmel hinab auf die jubilierende Versammlung. Eine heitere Kraft lag in
dem Gesang, und der Gesang selber war ein sonderbares, leichtes, liebes
Wesen, welches auf geistergleiche Weise lebte. Die, die sangen, schienen
sich zu freuen über den Gesang, doch schienen sie nicht zu ahnen, wie
die Töne sich von ihnen sonderten und ihr eigenes Leben in der Luft des
Saales lebten. Es klang, als werde es geboren und lebe eine kurze Weile
und müsse alsdann sterben. Aber es fing von Neuem wieder an zu tönen und
sich am sterblich-schönen Dasein zu erfreuen. Ruhig und liebevoll
glitzerten und schimmerten die goldenhellen Kerzenlichter hinab in das
Singen, das einem Himmel glich an Keuschheit und Schönheit, und als sie
mit dem Gesang innehielten, mußten sie lächeln, die lieben guten Leute,
wie kleine Kinder, die ihre Aufgabe vollendet haben und sich nun darüber
freuen. Nach einer Weile war der Gottesdienst beendet, und ebenso still,
wie sie die Kapelle aufgesucht hatten, verließen die Leute sie wieder.



Der Tänzer


Ich sah einst im Theater einen Tänzer, der mir und vielen anderen
Leuten, die ihn ebenfalls sahen, einen tiefen Eindruck machte. Er
verspottete den Boden mit seinen Beinen, so wenig Schwere kannte er, und
so leicht schritt er dahin. Eine graziöse Musik spielte zu seinem Tanz,
und wir alle, die im Theater saßen, dachten darüber nach, was wohl
schöner und süßer könne genannt werden, die leichtfertigen lieblichen
Töne oder das Spiel von des lieben, schönen Tänzers Beinen. Er hüpfte
daher wie ein artiges sprungfertiges, wohlerzogenes Hündchen, welches,
indem es übermütig umherspringt, Rührung und Sympathie erweckt. Gleich
dem Wiesel im Walde lief er über die Bühne, und wie der ausgelassene
Wind tauchte er auf und verschwand er. -- Solcherlei Lustigkeit schien
keiner von allen denen, die im Theater saßen, je gesehen oder für
möglich gehalten zu haben. Der Tanz wirkte wie ein Märchen aus
unschuldigen, alten Zeiten, wo die Menschen, mit Kraft und Gesundheit
ausgestattet, Kinder waren, die miteinander in königlicher Freiheit
spielten. Der Tänzer selber wirkte wie ein Wunderkind aus wunderbaren
Sphären. Wie ein Engel flog er durch die Luft, die er mit seiner
Schönheit zu versilbern, zu vergolden und zu verherrlichen schien. Es
war, als liebe die Luft ihren Liebling, den göttlichen Tänzer. Wenn er
aus der Luft niederschwebte, so war es weniger ein Fallen als ein
Fliegen, ähnlich wie ein großer Vogel fliegt, der nicht fallen kann, und
wenn er den Boden wieder mit seinen leichten Füßen berührte, so setzte
er auch sogleich wieder zu neuen kühnen Schritten und Sprüngen an, als
sei es ihm unmöglich, je mit Tanzen und Schweben aufzuhören, als wolle,
als solle und als müsse er unaufhörlich weitertanzen. Indem er tanzte,
machte er den schönsten Eindruck, den ein junger Tänzer zu machen
vermag, nämlich den, daß er glücklich sei im Tanze. Er war selig durch
die Ausübung seines Berufes. Hier machte einmal die gewohnte tägliche
Arbeit einen Menschen selig -- aber es war ja nicht Arbeit, oder aber er
bewältigte sie spielend, gleich, als scherze und tändele er mit den
Schwierigkeiten, und so, als küsse er die Hindernisse, derart, daß sie
ihn lieb gewinnen und ihn wieder küssen mußten. Einem heiteren, über und
über in Anmut getauchten Königssohne aus dem goldenen Zeitalter glich
er, und alle Sorgen und Bekümmernisse, alle unschönen Gedanken schwanden
denen dahin, die ihn anschauten. Ihn anschauen hieß ihn gleich auch
schon lieben und verehren und bewundern. Ihn seine Kunst ausüben sehen,
hieß für ihn schwärmen. Wer ihn gesehen hatte, träumte und phantasierte
noch lang nachher von ihm.



Die Sonate


Angenehme Wehmut -- Schmerz, der den Stolz nicht kränkt. Freude über
solcherlei Schmerz. Ein leichter, gefälliger Gram. Selige Erinnerungen.
Die Erinnerungen üppig wie eine blühende Wiese. Leises, wehmutreiches
Andenken. Jetzt eine Schar von Vorwürfen, die er sich selber macht. Nur
die Vorwürfe, die man sich selber macht, sind schöne. Die andern soll
man und will man vergessen. Man hat zuletzt niemandem als nur sich
selbst Vorwürfe zu machen. O, daß doch alle, alle Menschen nur allein
sich selbst und sonst niemandem etwas vorwerfen wollten. Reue? Ja, Reue!
Reue ist süß und tönereich. Die Reue ist ein Weltreich, unendlich und
unermeßlich an Ausdehnung. Aber die Reue ist etwas Zartes. Kaum vernimmt
man sie. Freude über die Reue. Ein edles Herz freut sich über eine edle
Empfindung. Dann will ich auch etwas von Hoffnungslosigkeit dabei haben.
Engel sind ohne Hoffnung, haben Hoffnung nicht nötig. Hofft ein Engel?
Nein. Engel sind über alle, alle Hoffnungen erhaben. Etwas Engelgleiches
soll in der Sonate tönen, die ich im Sinne habe. Doch soll auch Hoffnung
wieder dazwischen klingen, wie wenn jemand ganz, ganz arm und verlassen
ist und dennoch immer, immer wieder hofft, gleichsam wie aus lieber,
alter kindlicher Gewohnheit. Jetzt wieder Freude, und zwar Freude über
jemandes andern Freude. Reine Kindlichkeit, reines glückliches
Mitempfinden. Selig sein im Gedanken, daß jemand anders es ist. Ist
nicht die Musik selber so? Ist nicht die Musik selber selig, darüber,
daß sie Herrlichkeit, Heiterkeit und Seligkeit verbreitet? Dann und so
kommt eine unsagbare perlende Verzagtheit. Stilles, süßes Weinen.
Auflösung in eine göttlich schöne Schwäche. Ein Weinen über sich selber
und über alles, was da ist und je da war. Nicht ein Entsetzen, nicht ein
Grauen. Die Sonate hier verbietet derlei Heftigkeiten. Sanft wie ein
leicht betrübter blauer Himmel will und soll sie tönen. Ihre Farbe ist
das matte Edelweiß der Perle, und ihr Ton ist das Entschuldigen. Es gibt
keine Schuld, weil es zu viel gibt, es gibt keinen Schmerz, weil er zu
groß, zu gewaltig ist für das Verständnis. Weil es zu viel
Enttäuschungen gibt, gibt es keine, soll es mit ein -- einmal keine
geben, keine mehr, keine mehr geben. Ah, dergleichen und ähnliches soll
sich in der Sonate, von welcher ich träume, widerspiegeln, und ein
junges schönes Mädchen, welches sich mit Leichtigkeit einzubilden
vermag, sie sei ein Engel, soll sie spielen. Ein Engel muß die
engelgleiche Sonate spielen, und es muß herniedertönen aus dem Himmel
des Spieles wie himmlischer Trost, wie himmelreichähnliches Behagen,
denn eine reizende Behaglichkeit, eine tiefsinnige Vergnügtheit denke
ich dem Werke einzugeben. Schmerz und Freude sind wie Freund und
Freundin, die sich umhalsen, umarmen und küssen. Lust und Weh sind wie
Bruder und Schwester, die sich geschwisterlich lieben. Das liebliche
sonnige Entzücken ist die Braut, und der Kummer, der sich ihr ins Herz
schleicht, ist der Bräutigam. Genugtuung und Enttäuschung sind
unzertrennlich.



Das Gebirge


Ich mußte mich an die Stille erst gewöhnen, auch an die rauhe Bergluft.
Alles atmete Einsamkeit und Reinheit, alles war Ruhe, Stille und Größe.
Im Anfang meines Aufenthaltes schneite es noch. Es schneite noch
manchmal auf die ausgedehnten Weiden und auf die vielen schönen Tannen
herab, aber nach und nach wurde es wärmer. Auch in die Berge kam der
süße Knabe Frühling und beglückte das Land mit seinem schönen,
glücklichen Lächeln. Die blauen und gelben Blumen sprossen aus der Erde
hervor, und der Felsen bekam ein milderes, weißeres, weicheres Aussehen.
Des Nachts hörte ich in all der wundersamen tiefen Stille nur das
ruhige, leise Plätschern eines Brunnens. Einsam stand im Schwarz der
Nacht als noch schwärzerer Fleck das Wirtshaus da. Ein einzelnes Fenster
etwa war erleuchtet. Ich las viel. Bei schlechtem Wetter saß ich in der
kleinen, heimeligen, reinlichen Stube und beschäftigte mich mit dem
Ordnen und Zerlegen von allerlei Gedanken. Ich war ein rechter
Müßiggänger. Eine alte ruinenhafte Klosterkirche war in der Nähe. Doch
ich schenkte dem Gebäude längst schon keine Aufmerksamkeit mehr. Ich war
in der Gegend kein Fremder mehr. Mich lockte es, immer wieder zu den
Tannen, diesen Königinnen, zu gehen und bewundernd an ihnen
emporzuschauen. Ich staunte immer wieder von neuem über ihre
Zierlichkeit, Pracht und Schönheit, über die Hoheit, deren Abbild sie
sind, und über den Edelsinn, den sie verkörpern. Wohin ich schaute,
überall waren Tannen; in der Ferne und in der Nähe, unten in der
Schlucht und oben aus dem Rücken der Berge. Die Berge wurden immer
grüner und schöner, und es war süß für mich, im hellen warmen
Sonnenschein über ihre weichen, milden und üppigen Weiden zu gehen, auf
denen jetzt die lieben treuen Tiere friedlich und wonnig weideten.
Pferde und Kühe standen oder lagen, zu schönen Gruppen vereinigt, unter
den prächtigen, langästigen Tannen. Die Blumen dufteten, alles war ein
Summen, ein Singen, ein Sinnen und ein Ruhen. Die ganze Bergnatur schien
ein glückliches, liebes, fröhliches Kind zu sein, und ich ging jeden
Tag, am Vor- oder am Nachmittag, zu diesem Kinde hin und schaute ihm in
die glänzend-unschuldigen Augen. Mir war, als werde ich selber dadurch
mit jedem Tag schöner. Muß mich nicht die Betrachtung und der
sorgfältige Genuß von etwas Edlem und Schönem schön und edel machen? Ich
bildete mir solcherlei jedenfalls ein und ging in der Gegend herum wie
ein Träumer und Dichter. Die holde Dichterin Natur dichtete immer
größere und schönere Gedichte; indem ich so stand oder still davonging,
war es mir, als spaziere und lustwandele ich in einem Gedicht, in einem
tiefen, sonnenhellen, grünen und goldenen Traum herum, und ich war
glücklich. Es war kein Geräusch, das nicht anmutig klang, alles war ein
Klingen, ein Tönen, bald ein nahes, bald wieder ein entferntes, ich
konnte nur horchen, es genießen und mit meinem Ohr es trinken. Ein
paarmal machte ich weitere Ausflüge, meistens aber blieb ich in inniger
sanfter Nähe warm daliegen, bezaubert vom blauen Himmel und gebannt von
der himmlisch-schönen, weißen Götterlandschaft, die mich wie mit großen
weichen Götterarmen zu sich zog. Alle Begierden, weiter in die lichte
Ferne zu wandern, starben an dem Entzücken und am Genuß, die die Nähe
mich empfinden ließ mit ihrem beseligenden Tönen. Von allen Weiden
tönten die Glocken, die die Tiere am Halse leise schüttelten beim
sanften Grasen. Tag und Nacht tönte es und duftete es. Ich habe einen
solchen Frieden nie gesehen, und ich werde ihn nie wieder so sehen.
Eines Tages reiste ich ab. O wie oft, wie oft drehte ich mich beim
Weggehen um, damit ich all das Schöne, das ich nun verließ, noch einmal
sähe, die heiteren Berge, die lieben roten Dächer zwischen den edlen
Tannen, den stolzen Felsen, das ganze reizende Gebirge.



Der Traum


Ich habe einen traurigen, freudlosen Traum gehabt in der vergangenen
Nacht. Wohl sechsmal erwachte ich davon, aber immer wieder, so, als
sollte ich stets von neuem geprüft werden, fiel ich hinunter in die
Gewalt der düsteren Einbildungen, in die Macht des fieberartigen
Traumes. Mir träumte, daß ich in eine Art von Anstalt und Institut
hineingekommen sei, in einen Sonderbund, in eine verriegelte,
unnatürliche Absonderung, welche von höchst kalten und höchst
eigentümlichen Verordnungen regiert wurde. Elend war mir zumute, und
eiskalter Schauder rieselte mir durch die entsetzte, angsterfüllte
Seele, die sich vergeblich sehnte, ein Verständnis zu finden. Alles war
mir unverständlich, doch das Grausamste war, daß sie nur über die
Ratlosigkeit und Hilflosigkeit lächelten, in der sie mich sahen. Nach
allen Seiten schaute ich mich mit flehenden Augen um, damit ich ein
freundliches Auge sähe, doch ich sah nur den offenen mitleidlosen Hohn
mich mit seinen Blicken messen. Alle, die da waren, musterten mich auf
so sonderbare Weise, auf so rätselhafte Weise. Meine Angst vor der
ringsum herrschenden Ordnung, deren Wesen mich mit Grauen erfüllte,
wurde von Minute zu Minute größer, und mit ihr vergrößerte sich die
Unfähigkeit, die ich offenbarte, mich in die seltsamen, absonderlichen
Verhältnisse zu schicken. Deutlich erinnere ich mich, wie ich bald zu
diesem, bald zu jenem Beamten in kummervoller, bittender Tonart sagte,
daß ich »alles das«, so drückte ich mich in der höchsten Herzbeklemmung
aus, ja ganz und gar nicht verstehe, und daß man mich doch lieber hinaus
in die Welt ziehen lassen wolle, damit ich meinen Mut und meinen
angeborenen Geist wiederfände. Doch statt mir zu antworten, zuckten sie
nur die Achseln, liefen hin und her, zeigten sich sehr in Anspruch
genommen, gaben mir zu verstehen, daß sie keine Zeit hätten, sich näher
mit mir und mit meinem Unglück zu beschäftigen, und ließen mich in all
der unaussprechlichen, fürchterlichen Bestürzung stehen. Augenscheinlich
paßte, paßte ich gar nicht zu ihnen. Warum denn nun war ich zu ihnen
hineingekommen in diese enge und kalte Umgrenzung? Durch viele Zimmer
und Nebenzimmer tastete ich mich; ich schwankte hin und her wie ein
Verlorener. Mir war, als sei ich im Begriff, in dem Meer der Befremdung
zu ertrinken. Freundschaft, Liebe und Wärme waren verwandelt in Haß,
Verrat und Tücke, und das Mitempfinden schien gestorben seit tausend
Jahren oder schien in unendliche Entfernungen gestoßen. Eine Klage wagte
ich nicht zu äußern. Ich hatte zu keinem, zu keinem dieser
unverständlichen Menschen ein Vertrauen. Jeder hatte seine strenge,
enge, stumpfe, wohlabgemessene Beschäftigung, und darüber hinaus stierte
er wie in eine grenzenlose Leere. Ohne Erbarmen mit sich selber kannten
sie auch kein Erbarmen mit einem andern. Tot, wie sie waren, setzten sie
nur Tote voraus. Endlich erwachte ich aus all dem Hoffnungslosen. O wie
freute ich mich, daß es nur ein Traum war.



Der Jagdhund


Auf meinen kleinen, ich muß und darf sagen, winzig kleinen Wanderungen
sehe ich allerlei Hunde, und ich habe die drolligen vierfüßigen Burschen
schon ordentlich liebgewonnen. Da ist vornehmlich der Karrenhund, den
die Metzger und Milchhändler an ihre Handwagen spannen. Er ist ein
prächtiger, pflichtbewußter Kerl, und ich achte ihn ganz
außerordentlich. Längst schon hatte ich immer im Sinn, einmal ein Wort
über ihn zu sagen. Er verdient Anerkennung in jeder Hinsicht, und wer
sich die Mühe nimmt, ihn aufmerksam zu beobachten, wie er so ganz und
gar der Eifer und die Treue selber ist, wie er seinen Zweck und seine
Bestimmung so schön versteht und aufgeht in der Aufgabe, die er zu
erledigen hat, der wird nicht anders können als ihn loben. Freudig, ja
oft sogar feurig und stürmisch zieht er den Wagen vorwärts, und wenn er
so recht arbeiten, ziehen und seine Kraft anstrengen kann, läßt er ein
kräftiges, fröhliches Gebell vernehmen, daß man deutlich hört und sieht,
wie ihm der Dienst Vergnügen macht. Heute früh auf meinem Rundgang sah
ich einen Hund sich mit wahrer Wonne im frischen Schnee hin- und
herwälzen, was einen Anblick gewährte, der sich meinem Kopfe einprägte.
Reizend spielen oft große starke Hunde mit ganz kleinen Kindern, und
überaus sehenswert ist es, wie der kraftvolle Kerl sich da dem zarten
Kinde so hübsch, so gefällig anpaßt und auf die kleinste und feinste
Bewegung sorgfältig acht gibt, die das Kind beliebt auszuführen. An
Aufmerksamkeit ist der Hund ein König, und sein treues ehrliches
Verständnis leuchtet ihm überraschend schön aus den Augen. In unserer
Stadt gibt es viele Hunde, und daß sie gut gehalten und gut behandelt
werden, sieht man ihnen an. Beinahe schrecklich in ihrem wütenden Eifer
sind Jagdhunde. Ich saß einmal vergangenen Sommer im stillen tiefgrünen
Wald auf einem Stein. Ringsum wundersames, zartes, dichterisches
Schweigen. Mit einmal rast die klägliche, jämmerliche Jagd daher. Ein
armer Hase springt durch die Waldesstille, und hinter ihm her, mit
zornigem Geheul, welches die Stille jäh unterbricht, rennt der Hund mit
ungestümen Sätzen, der glühende, eingefleischte Verfolger, entsetzlich
hingegeben seiner grausamen Aufgabe. Er kriegte aber den Hasen nicht,
denn später sprang er wieder an mir vorbei, jetzt, so, wie wenn er
verwundet worden wäre, Jammerlaute ausstoßend. Er hatte sein Ziel nicht
erreicht, das leidenschaftlich ins Auge gefaßte Ziel, und gab sich jetzt
dem Schmerze hin. Er war ganz Trauer, ganz tödliche Enttäuschung.



Der Vater


Wenn ich durch das feine, elegante, französische Neuquartier spaziere,
dessen Häuser einen zierlichen Geschmack verraten, gelange ich, dicht
neben der Hauptpost vorbei, und manch ein altes, edles, gartenumsäumtes
Herrenhaus streifend, welches in seinem Parke liegt, wie das stille,
köstliche Kleinod in seiner Umfassung, langsam in die trauliche,
träumerische Altstadt, die mich jedesmal, wenn ich sie sehe, wie ein
reizendes und höchst nachdenkliches Denkmal aus der Vergangenheit
anmutet. Still und spitz und tiefsinnig, freundlich lächelnden
Greiseserscheinungen ähnlich, ragen dort die alten Türme in die Luft
empor, und wenn ich, den ehemaligen Festungsgraben entlang, noch ein
paar Schritte weitergehe, so stehe ich vor einem seltsamen, niedrigen,
großdachigen Haus, zu welchem, wie ich sehe, ein kleiner, hübscher,
tiefgelegener Garten gehört. In dem Hause wohnen eine alte Frau und zwei
alte Männer, und einer der beiden behaglichen Alten ist mein Vater, den
ich von Zeit zu Zeit, etwa nach dem Abendessen, besuche, um mit ihm zu
plaudern, der gerne ein Gespräch über die Stadt und ihre Bewohner führt.
Hier also, inmitten alter, phantastisch hoher Dächer und wunderbarer
Türme, im Bereiche dessen, was die Zeiten hartnäckig und standhaft
überdauert hat, wohnt er, der alte Mann mit seinen schneeweißen Haaren,
der noch jeden Morgen beizeiten aufsteht und seine kleinen idyllischen
Geschäfte immer noch besorgt mit fast jugendlichem Eifer. Alte Leute und
altertümliche Wohnungen passen vortrefflich zusammen, und es stimmt mich
fröhlich, zu wissen, daß er so gut haust und wohnt, der alte Mann, der
mir so nahe steht, dem ich so nahe stehe. Alles ist dort alt, die Gärten
und ihre hohen prächtigen Tannen, das steinerne Gewölbe und der liebe
stolze Berg mit seinem harten treuen Felsen. Gegenwärtig liegt Schnee
auf den Dächern, Türmen und Tannen, und auch in meines alten Vaters
Garten liegt er, wo im süßen, warmen, goldenen Sommer die heiße Sonne
ihre Gewalt entfaltete und die sanften Flammen, die Rosen, blühten.
Gerade sehr viel gehe ich nicht zum alten Manne. Es soll meinem Gefühl
nach eine zarte Scheu sein zwischen Sohn und Vater, und dann habe ich am
ersten Tage schon gemerkt, daß er der erklärte treue Freund gewisser
strikter wunderlicher Gewohnheiten ist, und in seinen lieben, guten,
eingesessenen Gewohnheiten mag, soll und will ich ihn nicht stören. Süße
zarte Rosen im kleinen grünen Garten und schneeiges Weiß auf dem alten
Kopfe. Welt, wie bist du wunderbar, wie bist du so leicht und doch so
schwer verständlich. Ewiges reizendes Geheimnis! Fast noch lieber als zu
ihm hineinzutreten und ihn zu sehen ist mir das bloße Draußenstehenbleiben
vor seinem schönen bescheidenen Haus und dann so das Denkendürfen,
daß er nun ruhig und behaglich drinnen sei, in der kleinen
Küche beim stillen friedlichen Abendbrot oder im lieblichen,
länglichen Wohn- und Schreibzimmer, seine Zeitung lesend. Das tut mir
wohl bis hinein in die Seele. Einmal stand ich auch so da und schaute zu
des Vaters rötlichem Fenster hinaus, sehend und wissend, daß er
wohlaufgehoben sei. Da war gerade der Mond am Himmel, und wundervoll
war's, wie er so mild, zart und freundlich, sanft und groß und gut auf
die schlafende dunkle Welt hinabblickte.



Der Träumer


Es lag einer im Grase auf einem kleinen Abhang am Waldesrande. Vor ihm
lag eine gemähte Wiese und hinter ihm standen ernste alte Tannen wie
treue Schützer und Wächter. Vormittag war's, und eine freundliche milde
Sonne schaute aus weißlichem Gewölk warm auf den Faulpelz herab, der die
trägen Glieder so lang als er konnte auf dem weichen Boden ausstreckte.
Über seine Beine, seinen Rücken und sein Gesicht krochen Ameisen, und
Mücken tanzten um ihn herum. Das plagte und ärgerte ihn aber nicht im
geringsten. Er lag da, als beabsichtige er, den ganzen lieben langen Tag
zu verfaulenzen, und in der Tat, er trug derlei Absichten. Die Welt sah
so leicht aus, so bläulich, so sorgenlos. Höchstens glich ein feiner
Dunst am Himmel einer Art von Kummer, aber der Kummer selber machte sich
nicht gar viel Gedanken. Eine Beigabe von Ernst macht die Fröhlichkeit
nur fröhlicher, und ein leiser Schmerz versüßt und verfeinert die
Freude, macht sie nur noch freudiger. Unserem Burschen und Tagedieb zu
Häupten hingen ein paar Tannenzapfen und ärmelartige Tannenzweige, und
noch weiter oben, nämlich am Himmel, schwebten weiße heiße Wolken. Er
träumte, der hier lag. Gab es keine Pflichten für den Lümmel? Ei was,
Pflichten! Braucht doch nicht jeder Mensch Pflichten zu haben. Ein Bach,
der zu des Träumers Füßen sich durch das Gras schlängelte, gab artige
glucksende Melodien zum besten. Einmal schaute ein Fuchs aus dem
gegenüberliegenden Waldrand heraus und floh, als der Mensch im Gras sich
regte, in weiten Sätzen hinweg. Das ging so, bis es Nachmittag und Abend
wurde, wo das Abendrot sich zeigte und die Singvögel anfingen wunderbar
wehmütig und süß zu singen. Der Bursche lauschte. Es wollte ihn ein
Bangen besuchen. Ein Weh wollte ihn beschleichen. Aber er war auf den
Besuch gefaßt, und da tat er, als merke er nichts davon. Der Abend mit
seinen Tönen und Farben und Düften sank einer Frau in die Arme. Die Frau
war die Nacht, und diese herrschte nun. Der Bursche blieb aber ganz
ruhig liegen. Das Gras war weich. Es kam ihm wie ein Bett vor, eben
recht zum Schlafen. Alles war finster geworden, und kein Sterbenslaut
regte sich mehr. Stille, Stille. Nichts war mehr zu unterscheiden. O, da
schlief der Waldmensch ein, und ungestörter hat nie ein junger oder
alter Mensch geschlafen. Schlief fleißig die ganze Nacht durch, und als
er erwachte, war es schöner, heller, gütiger, milder Morgen.



Der Pole


In einem Dorf, nahe an der Grenze von Galizien, in einer Gegend also, wo
deutsche, russische und polnische Elemente sich berühren, erlebte ich
eines Nachts, es war im Winter, und das flache Land war mit Schnee
bedeckt, eine Wirtshausszene, die mir lebhaft in Erinnerung geblieben
ist, und die ich darum gern aufzeichnen möchte. Ich und ein paar
Burschen hatten uns zu einem tapferen Gelage im miserablen, düsteren und
räuberhüttenähnlichen Gasthaus eingefunden. Das Bier, wenn ich so
zurückdenke, war entsetzlich schlecht, und das Gastzimmer, dortig
herrschender Volksarmut entsprechend, schrecklich unsauber; doch das
hinderte uns junge vergnügliche Leute nicht, wacker zu trinken und
lustig zu singen und zu johlen. Nach und nach kamen noch andere Kerle,
ein Schreiner, Maurer, und dann war ja vor allen Dingen ein Bursche da,
den sie August nannten, ein junger Stallbursche aus dem gräflichen
Schloß, welches mit seinen stolzen, herrischen Türmen unfern in der
Winternacht lag. Der junge Pole, das war er, fing, da er schon mehrere
Gläser von dem abscheulichen Zeug getrunken hatte, zu der Musik, die ein
anderer bereitwillig zum besten gab, zu tanzen an, und er tanzte auf
polnische Weise, wobei er über das ganze Gesicht lachte. Überaus anmutig
sah es aus, wie der junge Tänzer in dem wüsten, von aller Grazie und von
allem Edelsinn so weit entfernten Lokal die Grazie und das artige
Benehmen verkörperte, dadurch, daß er sich bald, wie vor einer
unsichtbaren Dame, verneigte und bald wieder sich stolz in die Brust
warf, als stehe er einem Gegner auf dem Kampfplatz gegenüber. Er
spreizte seine bestiefelten jungen Beine nach dem Takte der Musik, bog
wieder das Knie, und mit Arm und Hand führte er sehr manierliche
Bewegungen aus. Von Zeit zu Zeit wollte er, in dem Rausch, in dem er
sich befand, wild und ungebärdig werden, doch wie wenn er wieder seinen
strengen Herrn und Meister vor sich sehe, bändigte er die Wildheit und
beugte sich unter die guten und schönen Formen, derartig, daß es wie die
Selbstzucht aussah, und daß es duftete wie nach höherer Erkenntnis. Das
Bild, das der junge hübsche Mensch darbot, indem er solchermaßen mit der
Ausschweifung kämpfte, ist mir unvergeßlich geblieben. Gibt es auf Erden
doch nichts Besseres und Erquicklicheres zu sehen als den Kampf, den der
Mensch kämpft gegen die Untugenden, die in ihm schlummern, als den
stolzen Streit des Menschen mit sich selber. Der Bursche hatte nun
ausgetanzt und setzte sich wieder zu dem Volke der Johlenden,
Schreienden und Trinkenden. Der, der die Handharfe gespielt hatte,
spielte aber munter weiter, und da war es mir, als müßten die Töne von
dem Instrument in der dicken Rauchluft des Zimmers hängen und kleben
bleiben, so garstig voll von Dunst und Rauch war die jämmerliche Stube.
Immer mehr wurde getobt und getrunken. Da mit einem Male, wie ein Blitz
aus dem Himmel, war Streit unter den Leuten, und in eines Kerle Faust
zückte ein Messer. »Wollt ihr mir so kommen, ihr Bösewichte? Wartet
nur!« schrie voller sonderbarer Autorität die Wirtin. »Wenn ihr raufen
wollt, so macht das draußen auf der Straße miteinander ab!« Die ganze
Stube schien betrunken. Alles drehte sich. Es war eine höllische Szene.
Einige von uns gingen in die Nacht hinaus, ich mit ihnen. Wie schön war
die Nacht mit ihrem Schnee und mit ihrem silbernen, hohen, großen Mond
am Himmel. Es zwang mich hinaufzuschauen zum Mond und zu den süßen
Sternen.



Der Doktor


Eines Tages, in der heißen Mittagssonne, schon viele inhaltreiche Jahre
sind seither vergangen, sah ich, noch erinnere ich mich dessen deutlich,
auf dem menschenbelebten Platz, auf dem ich stand, aus der Masse von
vielerlei unbedeutenden Leuten, welche er gewissermaßen mit seiner
sonderbaren Erscheinung überragte, einen Mann auftauchen, der ganz in
edles, schönes, feierliches Schwarz gekleidet war, eine Art Doktorhut
auf dem Kopfe hatte, und einen eleganten Spazierstock beinahe
gravitätisch in der Hand trug. Ich nannte den Mann ohne weiteres für
mich im stillen einen Doktor der schönen Literatur, und ich darf sagen,
er faszinierte mich. Alle übrigen Menschen, verglichen mit ihm,
erschienen mir platt, unfein und gedankenlos, so, als habe sich kein
einziger von ihnen je bemüht, sich Rechenschaft darüber abzulegen, warum
und wozu er eigentlich lebe. Mit meinen Augen verfolgte ich den
seltsamen und in gewissem Sinne abenteuerlichen Mann, der einem
Geistlichen oder fast besser noch einem vermummten Fürsten glich in der
Lässigkeit, mit welcher er seines Weges ging. Ein Zauberer schien er zu
sein, denn er trug eine unzweideutige Verachtung gegenüber seiner
Umgebung zur Schau, und zwar so, als fühle er sich genötigt, sich selber
gering zu achten, deshalb, weil er unter keinen besseren Leuten lebe.
Eine Brille verunzierte nicht, sondern zierte und schmückte sein
bleiches, gedankenvolles Gesicht. Das Gesicht schien ohne die Brille
nicht sein Gesicht zu sein. Edel, gleich einem Gesandten, der gewöhnt
ist, an königlichen und kaiserlichen Höfen zu verkehren, schritt die
schlanke, leicht vornüber geneigte, feine Gestalt dahin, und indem der
Mann so ging, war es, als fühle er sich belästigt von einem
unabweisbaren Reichtum von Gedanken. Er schien etwas wegzuwerfen und
abzuweisen, und gleichzeitig schien er wiederum irgend etwas zu suchen,
etwas, das schöner sei als alles andere. Was dieser Mann sein eigen
nannte, betrachtete er als etwas, dessen er auch schon Grund hatte,
überdrüssig zu sein. Nur was er ersehnte, vermochte er zu achten, und
nur was er erstrebte, schien er zu besitzen. Auffallend war mir, wie er
sich so leicht durch die Menschen schlängelte, als befinde er sich auf
vergnüglich-liederlichen Wegen, als etwa auf dem Weg in die nächstbeste
elegante Konditorei, zum zierlichen Rendezvous mit einer Dame. Doch das
war die Maske, in die sich die Person zu hüllen liebt, die nicht mag und
nicht will merken lassen, wie ernsthaft sie denkt, damit sie es um so
besser tun kann. Ich wollte mir eingebildet haben, daß er mir wie der
privilegierte und berechtigte Vertreter alles dessen erscheine, was
geistvoll sei, und daß er auf mich den Eindruck mache, der mir sagte,
daß es zu des Mannes Leidenschaften gehöre, stets eine Leidenschaft zu
nähren. Jedenfalls gefiel er mir im höchsten Grade, und in dem
Augenblick, wo ich ihn sah, liebte und verehrte ich ihn auch schon. Bald
indessen verschwand er, und auch ich entfernte mich von dem Standort,
von wo aus ich ihn so aufmerksam betrachtet hatte.



Der Liebesbrief


Ich habe einen kleinen sorgfältigen Streifzug in die Gegend hinaus
gemacht, damit ich dir mitteilen könne, was ich Schönes gesehen habe.
Auf dem Weg hatte ich allerlei Einfälle, doch sie mußten sich alle
wieder auf und davon machen und mußten verschwinden neben dem Gedanken,
der sich nur mit dir beschäftigte, du liebes Mädchen, du süßes, liebes
Wesen. In meinen Gedanken gingest du neben mir und vor mir her. Ich war,
indem ich so ging, ganz nur Denken, ganz nur Sinnen, ganz nur Gedanke,
ganz nur treues, zartes Bei-dir-sein. Lächelst du? Bald sollst du noch
mehr über mich zu lächeln haben mit deinem lieben Mund. Es ist schön für
einen Mann, treu an seinem Mädchen zu hängen und sich zu sehnen mit
leiser immerwährender Sehnsucht nach der Gegenwart der Holden. Ich kam
in einen wunderhübschen kleinen Wald hinein, wo es still und weich und
artig war, und wo die goldenen Vormittagssonnenstrahlen zwischen den
Ästen und Stämmen ins grüne Heiligtum, ins grüne Waldesinnere
hereinbrachen. Da ich so bei deinem Bilde war, kams mich an, die
Sonnenstrahlen mit deinem hellen, wogenden Haar zu vergleichen, und als
ich hinauskam aus dem zarten, kühlen, schüchtern-stillen Waldesdunkel in
das helle, blaue, weite Freie, stand ich Wanderer wieder still. Der
Himmel mit seinem sanften, lieben Blau erinnerte mich an deine Augen.
Weiter ging ich, und da stand ich bald vor einem Haus mit Garten, und im
Garten standen die schönsten Blumen, die ihre leichten Köpfchen so
zierlich-schwankend trugen. Da stand dein Köpfchen vor mir mit seiner
Stirne, Wangen und Lippen, und indem ich das Haus betrachtete, das so
lieblich nach Behaglichkeit und Wohnlichkeit duftete, dachte ich, es
müsse süß sein, mit dir zusammen häuslich darin zu hausen. Bald nachher
traf ich Äpfel an, die an den Zweigen eines Apfelbaumes hingen und mich
mit ihren roten und gelben Backen freundlich anlachten. Ich bildete mir
ein, dein rundes Gesicht mit seinen roten, blaßroten Wangen lächele
zauberisch aus dem Blätterwerk zu mir herab. Reizende Illusionen. Ruhig,
wie es meine Art ist, und von Träumereien umfangen, ging ich meinen
bescheidenen Weg weiter, der mich hügelabwärts zu einem blauen, breiten,
sonnigen Strome führte. Mit sanfter, wohliger Gewalt floß das schöne
Wasser dahin zwischen grünen glücklichen Ländereien. Ich dachte, wie
dein sanftes, zartes Wesen mich mit Gewalt zu dir ziehe und wie ich
glücklich sei darüber. Bist du glücklich? Wenn du es bist, bin ich es
auch.



Der Hanswurst


Da ist einer, sie nennen ihn Hanswurst, weil er so ein dummer Mensch
ist, der zu nichts Rechtem zu gebrauchen ist. Ich kenne ihn wohl, den
liederlichen, unklugen Burschen. Es ist mir im Leben noch keiner
begegnet, zu dem ich rascher hätte sagen mögen: »Du bist ein Schelm«,
und keiner, der mich mehr nötigte, über ihn zu lachen. Wenn dumme und
ungesunde Einfälle Zinsen eintragen, so gehört er zu den reichen Leuten,
aber die Wahrheit ist: er ist arm wie eine Spitzmaus. Ein Sperling hat
nicht so wenig Aussicht, es in der Welt zu etwas zu bringen als er, und
dennoch kennt er nur Fröhlichkeit, und es ist mir noch nie gegönnt
gewesen, einen Zug von Unlust in seinem Spitzbubengesicht zu entdecken.
Einmal wollte ihn jemand befördern, Hanswurst aber ergriff die Flucht
vor der Beförderung, als wenn sie ein Unheil sei; so dumm benahm er sich
im wichtigsten Moment seines Lebens. Er ist und bleibt ein Kind, ein
Dummkopf, der das Bedeutende vom Unbedeutenden, das Schätzenswerte vom
Wertlosen nicht zu unterscheiden vermag. Oder sollte er am Ende klüger
sein, als er selber ahnt, sollte er mehr Witz haben, als er fähig ist zu
verantworten? Liebe Frage, ich bitte dich, bleibe hübsch unbeantwortet.
Hanswurst ist jedenfalls glücklich in seiner Haut. Eine Zukunft hat er
nicht, aber er begehrt auch gar nicht, etwas derartiges zu haben. Was
soll aus ihm werden? Bete doch einer für ihn! Er selber ist zu dumm
dazu.



Sonntagmorgen


Heute, am Sonntag, ging ich früh ins nahegelegene Land hinaus. In
unserer Gegend berühren sich Stadt und Land wie zwei gute wackere
Freunde. Ich machte nur hundert Schritte, oder vielleicht noch hundert
dazu, und da lag schon der ländliche, zarte Winter vor mir mit seinen
strubbligen Bäumen und seinem lieblichen Wiesengrün. Ich kam zum Wald,
der so schön, so still in der grauen, kalten Luft dastand mit graziösen
Tannenwipfeln. Aus einem entfernteren Pfarrdorf klangen die
Sonntagsglocken laut und doch leis und still daher über den Waldsaum
hinüber. Kälte und hartgefrorener Weg und ein schönes breites Bauernhaus
in dem Gewirr von schwärzlichen Winterbäumen. Ein zarter, friedlicher
Rauch stieg wie lächelnd aus dem Kamin, und ein kleiner, lustiger,
kecker Feldweg schlängelte sich quer durch den Acker in den Wald hinein.
Ich ging an sonntäglich gekleideten Menschen vorbei in meinen alten,
lieben Wunderwald hinein, später jenseits wieder hinaus, wo wieder Weg
und Feld, grauer Himmel, Baum und Haus und andre Leute mir begegneten.
Es lag in aller Winterkälte und -gestorbenheit so viel warmer Friede, so
viel uraltes und ewig wieder junges und frohes Leben. Eine grüne Anhöhe
guckte schelmisch zu mir hernieder. Ich liebe, liebe mein Land mit
seinen Pfaden, Ecken, Kreisen und Winkeln. Bald war ich zu Hause im
angenehm geheizten Zimmer. Ich setzte mich an den Tisch, ergriff die
Feder und schrieb dieses.



Ausgang


Ich ging hinaus in das kalte Morgengrauen. Bäume und Häuser schwarz und
Rauch in der Straße. Nach und nach hellte es sich auf. In den Stuben
brannten die Lampen. Wovon ich aber besonders sprechen will: ich ging
hinter drei Mädchen, die zur Schule liefen. Viele andere kleine Kinder
liefen ebenfalls zur Schule. Eines der drei Mädchen ging so schön. Ihre
kleinen, weichen und schon so vollen Beine machten die lieblichste
Musik. Ich konnte mich nicht satt daran schauen. Zwei winzige Zöpfe
hingen ihr den Nacken herab über den Rücken. Die Kleine war schon so
weiblich bei der Jugendlichkeit, schon so reif bei der unschuldigen
Unreife. Herrlich sah es aus, wie die Schuhe so weich, mild und voll
waren mit dem Fuß, und wie die ganze Figur so leicht und doch so
angenehm schwer vor mir hinlief, und wie das kleine zierliche
Stiefelabsätzchen sich so anmutig krümmte unter der schönen, leichten,
weichen Last. Die Formen an dem Kind waren so groß, redeten so weich.
Bald traten indessen die Mädchen in das Schulhaus, und ich ging meines
Weges durch den kalten, dunklen Wintermorgen weiter. Ein paar Häuser und
ein paar Bäume und wenige Menschen. Es tat mir alles so wohl. Der Weg
und die Wiese waren hartgefroren, und die Berge entlang lag eine graue
Wolkenschicht, so fest, als könne sie nicht mehr weggehen. Zierlich wie
Kinder standen kleine Bäume im Wiesengrün, und dann sah ich eine zarte,
liebe, feine, grüne Anhöhe und das altersgraue Dach von einem
Bauernhaus, zwei Hunde, noch einen anderen Hund, der mich mit seiner
warm-nassen Nase antupfte, als sei es ihm darum zu tun, mir guten Morgen
in aller frischen, kalten Frühe zu wünschen, Arbeiter, die Steine
abluden. Einmal sah ich zu einem niedrigen Fenster hinein. Eine schöne
junge Frau im schneeweißen, reizenden Morgengewand stand hinter den
Fensterscheiben und schaute mich an. Manches schaute auch ich an. Man
sieht immer etwas.



Die Millionärin


In ihrer fünfzimmerigen Wohnung wohnte ganz allein eine reiche Dame. Ich
sage da Dame, aber die Frau verdiente nicht, Dame genannt zu werden, die
Arme. Sie lief unordentlich daher, und die Nachbarsleute titulierten sie
Hexe und Zigeunerin. Ihre eigene Person erschien ihr wertlos, am Leben
hatte sie keine Freude. Sie kämmte und wusch sich oft nicht einmal, und
dazu trug sie alte und schlechte Kleider, so sehr gefiel sie sich in der
Vernachlässigung ihrer selber. Reich war sie, wie eine Fürstin hätte sie
leben können, aber sie hatte keinen Sinn für den Luxus und auch keine
Zeit dazu. Reich, wie sie war, war sie die Ärmste. Ganz allein mußte sie
ihre Tage und ihre Abende zubringen. Kein Mensch, außer etwa der Emma,
ihrem ehemaligen Dienstmädchen, leistete ihr Gesellschaft. Mit allen
ihren Verwandten war sie verfeindet. Etwa noch Frau Polizeirat Stumpfnas
besuchte sie zuweilen, sonst niemand. Die Leute hatten einen Abscheu vor
ihr, weil sie wie eine Bettlerin daherkam, sie nannten sie eine
Geizhalsin, und freilich war sie geizig. Der Geiz war ihr zur
Leidenschaft geworden. Sie hatte kein Kind. So war der Geiz ihr Kind.
Der Geiz ist kein schönes, kein liebes Kind. Wahrhaftig nicht. Aber
irgend etwas muß der Mensch haben zum Herzen und Liebkosen. Die arme
reiche Dame mußte oft in der stillen Nacht, wenn sie so allein saß im
freudelosen Zimmer, in ihr Taschentuch weinen. Die Tränen, die sie
weinte, meinten es noch am ehrlichsten mit ihr. Sonst wurde sie nur
gehaßt und betrogen. Der Schmerz, den sie in der Seele fühlte, war der
einzige aufrichtige Freund, den sie hatte. Sonst hatte sie weder Freund
noch Freundin, noch Sohn, noch Tochter. Sie sehnte sich umsonst nach
einem Sohne, der sie kindlich würde getröstet haben. Ihr Wohnzimmer war
kein Wohnzimmer, sondern ein Bureau, überladen mit Geschäftspapieren,
und in ihrem Schlafzimmer stand der gold- und juwelengefüllte eiserne
Kassenschrank. Wahrlich: ein unheimliches, ein trauriges Schlafzimmer
für eine Frau. Ich lernte diese Frau kennen, und sie interessierte mich
lebhaft. Ich erzählte ihr mein Leben, und sie erzählte mir das ihrige.
Bald darauf starb sie. Sie hinterließ mehrere Millionen. Die Erben kamen
und warfen sich über die Erbschaft. Arme Millionärin! In der Stadt, wo
sie lebte, sind viele, viele arme kleine Kinder, die nicht einmal
genügend zu essen haben. In was für einer sonderbaren Welt leben wir?



Erinnerung


So viel ich mich erinnere, war es so: er, der sonderbare ältere Mann und
ich, der ebenso seltsame, sonderbare, jedoch junge Mann, saßen einander
in seinem, des älteren Mannes, Zimmer gegenüber. Er schwieg nur immer,
und ich, ich redete nur immer. -- Was war es, was mich bewegen konnte,
so stürmisch zu reden, und was war es, was ihn, der mir gegenüber saß,
bewegen konnte, so beharrlich zu schweigen? Je ungeduldiger, feuriger
und offenherziger ich sprach, um so tiefer hüllte er sich in sein
geheimnisvolles, düsteres und trauriges Schweigen. Mit traurigen Augen
betrachtete er mich vom Kopf bis zu den Füßen, und von Zeit zu Zeit, und
das war mir das Allerunangenehmste, gähnte er, indem er die Hand wie
entschuldigend zum Munde führte. Seltsame Käuze, sonderbare Sonderlinge
waren wir sicherlich beide, er mit seinem Gähnen und beharrlichen
Stillschweigen und ich mit meinem fortgesetzten Bestürmen eines Ohres,
das offenbar auf alles, was ich sagte, gar nicht hörte, das ganz wo
anders hinhorchte, als auf mein herzliches Reden. Jedenfalls war es eine
bedeutungsvolle Stunde, und darum ist sie mir so lebhaft in der
Erinnerung geblieben. Auf der einen, d. h. auf seiner, des älteren,
gereiften Mannes Seite ein glanzloses Auge und ein Benehmen, welches
Gelangweiltheit verkündete, und auf der anderen, d. h. auf meiner Seite
idealisch loderndes Wesen und eine hingeworfene, hingegossene
Beredsamkeit, die, der leichten Welle ähnlich, am Felsen von des
mürrischen Mannes trockenem und hartem Betragen zerschellte. Sonderbar
bei der ganzen Sache war, daß ich wohl wußte, wie wenig Wert all mein
Reden und Sprechen habe, wie wenig Eindruck es machen müsse, und daß ich
vielleicht gerade darum mich nur um so inniger in das beseelte Sprechen
hineinsprach. Ich glich einem Brunnen, der nicht anders konnte als zu
sprudeln, einer Quelle, die hervorbrach mit all ihrem drängenden Inhalt,
ohne daß sie es wollte. Ich wollte und wollte wieder absolut nicht
reden. Es drang so heraus, und alles, was ich fühlte und dachte, sprang
mir als Wort und Satz über die Lippen, welche öfters in der Eile und in
der seltsamen Beklemmung anfingen zu stottern, wobei es mir war, als
sehe ich mein Gegenüber spöttisch lächeln, als habe er eine Art von
dunkler, stiller Freude, mich in der Bedrängnis zu sehen, welche mich
umflatterte.



Die Schneiderin


In einem alten, wenn nicht gar uralten Haus in der Obergasse wohnte,
wie man mir erzählte, eine junge hübsche Frau, Schneiderin ihres
Lebenszweckes und Berufes. Sie bewohnte ein großes, saalartiges Gemach,
welches nach unserer Meinung eher als Versammlungslokal für gelehrte
Häupter, Stadträte und mehr derlei Personen denn als Wohnzimmer für eine
lebenslustige und zierliche Frau gepaßt haben würde. Die jugendliche
Modekünstlerin vermochte des Nachts in ihrem Bett kaum einzuschlafen.
Leser, wie hättest du es? Möchtest du in solch einem schaurigen,
traurigen, alten Zimmer leben? Gewiß könntest auch du dort keinen
rechten Schlaf finden. Das Zimmer war so groß, die Stille, die in dem
Zimmer herrschte, war so sonderbar, und die Finsternis so dick,
geheimnisvoll und unergründlich. Du hättest deinen Finger können in die
Dunkelheit stecken wie in eine Art dicker schwarzer Milch, so
dickfinster war die unheimliche Stube. Wie von aller gesitteter und
gebildeter Welt verlassen, lag in den langen zweideutigen finsteren
Nächten die junge schöne Frau da, sie kam sich so hilflos und schutzlos
vor, und es war ihr stets zumute, als solle sich etwas Schreckliches,
Entsetzliches und Ungeheuerliches zutragen. Ihr Zimmer erschien ihr wie
eine Totengruft, und wenn sie ins Bett stieg, flüsterten ihr die
ängstlichen Einbildungen ins Ohr, daß sie in einen Sarg hineinsteige.
Eines Nachts, mitten in der totenstillen, unaussprechlich ruhigen
Mitternacht, erwachte die Schneiderin; ein Geräusch war in all der
Geräuschlosigkeit vernehmbar, deutlich, oh, nur zu deutlich hörte sie
es, und indem sie es hörte, meinte sie, ihren Verstand vor Schreck
verlieren zu müssen. Es blätterte jemand in der Finsternis in ihrem
Modejournal. Die Frau, die sich im Bett aufgerichtet hatte, wollte laut
aufschreien vor Angst, doch die Angst selber unterdrückte den
Angstschrei, das Entsetzen selber weigerte sich, den Schrei des
Entsetzens auszustoßen. Der Schrecken selber, wie ein entarteter Vater,
erstickte seinen Sohn, den Schreckensschrei. Stelle dir das vor, lieber
Leser, und jetzt stelle dir vor, wie es zu der Schneiderin in das Bett
hineinstieg. Es war der Tod, der in stiller Mitternacht die junge Frau
besuchte, um sie mit seinen eisigen Armen zu umfassen, um sie zu küssen
mit seinen fürchterlichen Küssen. Am anderen Morgen, da jemand zur
Schneiderin kam, fand er sie tot. Sie lag tot im Bett.



Das Stellengesuch


  Hochgeehrte Herren!

Ich bin ein armer, junger, stellenloser Handelsbeflissener, heiße
Wenzel, suche eine geeignete Stelle und erlaube mir hiermit, Sie höflich
und artig anzufragen, ob vielleicht in Ihren luftigen, hellen,
freundlichen Räumen eine solche frei sei. Ich weiß, daß Ihre werte Firma
groß, stolz, alt und reich ist, und ich darf mich daher wohl der
angenehmen Vermutung hingeben, daß bei Ihnen ein leichtes, nettes,
hübsches Plätzchen offen ist, in welches ich, wie in eine Art warmes
Versteck, hineinschlüpfen kann. Ich eigne mich, müssen Sie wissen,
vortrefflich für die Besetzung eines derartigen bescheidenen
Schlupfwinkels, denn meine ganze Natur ist zart, und mein Wesen ist ein
stilles, manierliches und träumerisches Kind, das man glücklich macht,
dadurch, daß man von ihm denkt, es fordere nicht viel, und dadurch, daß
man ihm erlaubt, von einem ganz, ganz geringen Stück Dasein Besitz zu
ergreifen, wo es sich auf seine Weise nützlich erweisen und sich dabei
wohlfühlen darf. Ein stilles, süßes, kleines Plätzchen im Schatten ist
von jeher der holde Inhalt aller meiner Träume gewesen, und wenn sich
jetzt die Illusionen, die ich mir von Ihnen mache, dazu versteigen, zu
hoffen, daß sich der junge und alte Traum in entzückende, lebendige
Wirklichkeit verwandle, so haben Sie an mir den eifrigsten und treuesten
Diener, dem es Gewissenssache sein wird, alle seine geringfügigen
Obliegenheiten exakt und pünktlich zu erfüllen. Große und schwierige
Aufgaben kann ich nicht lösen und Pflichten weitgehender Natur sind zu
schwer für meinen Kopf. Ich bin nicht sonderlich klug, und was die
Hauptsache ist, ich mag den Verstand nicht gern so sehr anstrengen, ich
bin eher ein Träumer als ein Denker, eher eine Null als eine Kraft, eher
dumm als scharfsinnig. Sicherlich gibt es in Ihrem weitverzweigten
Institut, das ich mir überreich an Ämtern und Nebenämtern vorstelle,
eine Art von Arbeit, die man wie träumend verrichten kann. -- Ich bin,
um es offen zu sagen, ein Chinese, will sagen, ein Mensch, den alles,
was klein und bescheiden ist, schön und lieblich anmutet, und dem alles
Große und Vielerforderische fürchterlich und entsetzlich ist. Ich kenne
nur das Bedürfnis, mich wohl zu fühlen, damit ich jeden Tag Gott für das
liebe, segensreiche Dasein danken kann. Die Leidenschaft, es weit in der
Welt zu bringen, ist mir unbekannt. Afrika mit seinen Wüsten ist mir
nicht fremder. So, nun wissen Sie, was ich für einer bin. -- Ich führe,
wie Sie sehen, eine zierliche und geläufige Feder, und ganz ohne
Intelligenz brauchen Sie sich mich nicht vorzustellen. Mein Verstand ist
klar; doch weigert er sich, Vieles und Allzuvieles zu fassen, wovor er
einen Abscheu hat. Ich bin redlich, und ich bin mir bewußt, daß das in
der Welt, in der wir leben, herzlich wenig bedeutet, und somit,
hochgeehrte Herren, warte ich, bis ich sehen werde, was Ihnen beliebt zu
antworten Ihrem in Hochachtung und vorzüglicher Ergebenheit ertrinkenden

  Wenzel.



»Geschwister Tanner«


Der hinreißende Glanz in den dunklen hauptstädtischen Straßen, die
Lichter, die Menschen, der Bruder. Ich in der Wohnung meines Bruders.
Ich werde diese schlichte Dreizimmerwohnung nie vergessen. Es war mir
immer, als sei ein Himmel in dieser Wohnung mit Sternen, Mond und
Wolken. Wunderbare Romantik, süßes Ahnen! Der Bruder bis in alle Nacht
im Theater, wo er die Dekorationen machte. Um drei und vier Uhr des
Morgens kam er heim, und dann saß ich noch da, bezaubert von all den
Gedanken, von all den schönen Bildern, die mir durch den Kopf gingen; es
war, als bedürfe ich keines Schlafes mehr, als sei das Denken, Dichten
und Wachen mein holder, kräftigender Schlaf, als sei das stundenlange
Schreiben am Schreibtisch meine Welt, mein Genuß, Erholung und Ruhe. Der
dunkelfarbige Schreibtisch so altertümlich, als sei er ein alter
Zauberer. Wenn ich seine feingearbeiteten, kleinen Schubladen aufzog,
sprangen, so bildete ich mir ein, Sätze, Worte und Sprüche daraus
hervor. Die schneeweißen Gardinen, das singende Gaslicht, die
länglich-dunkle Stube, die Katze und all die Meeresstille in den langen
gedankenreichen Nächten. Von Zeit zu Zeit ging ich zu den munteren
Mädchen in die Mädchenkneipe, das gehört auch mit dazu. Um nochmals die
Katze zu erwähnen: sie setzte sich immer auf die beiseite gelegten,
vollgeschriebenen Papiere und blinzelte mich mit ihren unergründlich-gelben
Augen so eigentümlich an, so fragend. Ihre Gegenwart glich
der Gegenwart einer seltsamen, schweigsamen Fee. Ich habe
vielleicht dem lieben stillen Tier viel zu verdanken. Was kann man
wissen? Ich kam mir überhaupt, je mehr ich vordrang mit Schreiben, wie
behütet und wie beschützt vor von einem gütigen Wesen. Ein sanfter,
zarter, großer Schleier wob um mich. Es sei hier allerdings auch der
Likör erwähnt, der auf der Kommode stand. Ich sprach ihm so viel zu, als
ich durfte und konnte. Alles, was mich umgab, wirkte labend und belebend
auf mich. Gewisse Zustände, Verhältnisse, Kreise sind einmal da, um
vielleicht nie mehr wieder zu erscheinen, oder dann erst wieder, wo man
es am allerwenigsten voraussetzt. Sind nicht Voraussetzungen und
Vermutungen unheilig, frech und unzart? Der Dichter muß schweifen, muß
sich mutig verlieren, muß immer alles, alles wieder wagen, muß hoffen,
darf, darf nur hoffen. -- Ich erinnere mich, daß ich die Niederschrift
des Buches mit einem hoffnungslosen Wortgetändel, mit allerlei
gedankenlosem Zeichnen und Krizzeln begann. -- Ich hoffte nie, daß ich
je etwas Ernstes, Schönes und Gutes fertigstellen könnte. -- Der bessere
Gedanke und damit verbunden der Schaffensmut tauchte nur langsam, dafür
aber eben nur um so geheimnisreicher, aus den Abgründen der
Selbstnichtachtung und des leichtsinnigen Unglaubens hervor. -- Es glich
der aufsteigenden Morgensonne. Abend und Morgen, Vergangenheit und
Zukunft und die reizende Gegenwart lagen wie zu meinen Füßen, das Land
wurde dicht vor mir lebendig, und mich dünkte, ich könne das menschliche
Treiben, das ganze Menschenleben mit Händen greifen, so lebhaft sah ich
es. -- Ein Bild löste das andere ab, und die Einfälle spielten
miteinander wie glückliche, anmutige, artige Kinder. Voller Entzücken
hing ich am fröhlichen Grundgedanken, und indem ich nur fleißig immer
weiter schrieb, fand sich der Zusammenhang.



Eine Stadt


Eines Tages, mitten im Sommer, langte ich in einer Stadt an, in welcher
ich einstmals gewohnt hatte, die ich aber nun schon seit manchem Jahr
nicht mehr wiedersah. Sie sah so bleich, so farblos aus, die Stadt, daß
ich mich vor ihr fürchtete. Ich ging durch die altbekannten Gassen, in
der Vermutung, daß mich ihr Anblick ergötzen und erquicken werde, doch
es war ganz anders, der Anblick schlug mich nieder, und ein seltsames,
unbeschreibliches Verzagen ging mir durch die enttäuschte Seele. Es kam
mir alles so tot vor, die Leute erschienen mir wie Gespenster. Unerfreut
starrten mich die bleichen Häuser an, und ich wiederum betrachtete sie
voller Mißtrauen. Die Frauen kamen mir wie keine Frauen, die Männer wie
keine Männer vor, und ich selber war zum unglücklichen Gespenst geworden
in der gespenstischen und unglücklichen Umgebung. Das elektrische Tram
erschien mir wie irrsinnig, die ganze Stadt machte mir den kummervollen
Eindruck eines traurigen, hoffnungslosen Traumes. Gebeugt von der Unruhe
und niedergeschlagen von den üblen Eindrücken, trat ich in ein
Wirtshaus, um mich ein wenig zu erfrischen, aber ich fand nur
neuerlichen Schrecken. »Warum bin ich nur hierher gekommen,« dachte ich,
und ich verließ die Halle. In der Gasse, durch die ich nun ging, roch es
wie nach dem Entsetzen. Ein altes geschminktes Weibsbild lächelte
gräßlich aus einem Fenster zu mir herunter. Mir schien, als wenn der
Mord hier herum zu Hause sei. Ich sehnte mich nach einer Tiefe, nach
einer Kühle, aber es war ringsum alles flach, schwül und leer. Staub in
den engen, fürchterlich kleinen Gassen, in denen Zwerge und
ungezieferartige Tiere zu leben und zu hausen schienen und nicht
Menschen. Die Fenster grinsten wie Grimassen mich an, und die offenen
Haustüren sahen aus, als seien sie sperrangelweit offen für jegliche Art
von Verrat, Laster und Verbrechen. Keine Tugend, keine Ehrlichkeit,
keine Ehrsamkeit schien mehr in dieser weltverlassenen Stadt möglich,
ich konnte kein Kindergesicht finden, die Kinder schienen gestorben zu
sein in dieser Stadt des starrenden und stierenden Entsetzens. Ich ging
wie wund umher, ich hätte mich am liebsten am Straßenboden niedersetzen
und heulen mögen, wie ein Tier, wie ein armer Hund, der seinen lieben
gütigen Herrn verloren. Ohne Stern war diese Stadt, ohne Sonne und ohne
Mond. Traurig ging ich weiter. Da zog es mich in ein Haus, o, in ein
Haus hinein, in das ich früher so oft gegangen. In dem Hause hatte ich
einstens gewohnt, und wie fröhlich war ich aus- und eingegangen. Jetzt
konnte ich das gar nicht mehr begreifen. Furchtsam stieg ich die Treppe
hinauf, die schlecht gehalten war. Eine Beklemmnis begleitete mich
hinauf, und da sah ich das dunkle Zimmer wieder, in welchem ich ehemals
logiert hatte, aber es war ein anderes Zimmer. Ich kannte es nicht mehr.
Es glich einem Sarg, und ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken.
Ich ging nun auf die Suche nach einer Frau, die ich geliebt hatte, aber
die Leute schauten mich fremd und verständnislos an, als habe ich mich
nach einer Frau erkundigt, die vor tausend Jahren lebte. Wie süß, wie
liebevoll war sie gewesen. Ich fühlte noch die sanften Liebkosungen
ihrer Hand auf meiner Stirn, und es war mir, wie ich nun so meines Weges
weiterging, als sollte sie auf mich hinzutreten und mich küssen. Aber es
begegnete mir niemand, der mich kannte. Alles, alles war fremd. Mir war
nichts wert, und ihnen allen, den fremden Leuten, war ich nichts wert.
Ich drehte der Stadt den Rücken und wanderte weiter.



Spaziergang


Ich habe einen wohligen, kleinen, appetitlichen Spaziergang gemacht,
leicht und angenehm wickelte er sich ab. Ich ging durch ein Dorf, dann
durch eine Art von Hohlweg, dann durch einen Wald, dann über ein Feld,
dann wieder durch ein Dorf, dann über eine eiserne Brücke, unter welcher
der breite, sonnige, grüne Strom vorüberfloß, dann den Strom langsam
entlang und so fort, bis es Abend wurde. Doch ich muß wieder zu dem Wald
zurückkehren. Übrigens werde ich sehr wahrscheinlich auch über die
Brücke noch etwas zu sagen haben. Im Wald war es so heilig-still, so
feierlich, und als ich aus dem feuchten, dunkelgrünen Tannenwald
herauskam, sah ich am Rand des Waldes zwei Kinder, die Holz
zusammengelesen hatten, und die so helle Gesichter und Arme hatten. Die
Wintersonne warf einen milden, goldenen Wunderglanz über den Feldhügel,
über grüne Wiesen und dunkelbraunes Ackerland. Kahle, schwarze Bäume
standen in der Sonne. Da sah ich, indem ich so ging, ein neues
Kindergesicht, ein süßes, welches mich anlächelte. Und dann kam ich, wie
gesagt, zu der Brücke, die ganz im Golde und im Silber der Sonne
schimmerte und zuckte. Wonnig und großartig floß das Wasser unter der
Brücke. Später, im Feldweg, begegnete mir eine Frau, deren ich mich
darum erinnere, weil sie mich so freundlich grüßte. Da dachte ich:
»Welch ein Vergnügen ist es doch, unter den Menschen sein zu dürfen.«
Die Häuser am anderen Ufer des Flusses standen so schön, so frei auf der
grünen Anhöhe, und die Fenster waren voll gelben Schimmers. Eine Schar
Vögel flog in den brennenden Abendschimmer hinein. Ich verfolgte mit
meinen Augen die Kette, bis sie verschwand. Eine Seite der Welt war
ruhig und warm und dunkel, die andere war kalt und goldig und
schimmernd-hell. Ruhig, Schritt für Schritt, ging ich weiter, bis ich
einbog ins Land. Alsdann sah ich einige Leute, eine Frau und ein Kind
unter abend-schwärzlichen Bäumen. Ihre Augen sahen mich so fragend an.
Dann ging ich neben einem Haus vorbei, das ganz allein auf freiem weiten
Felde stand, ein zierliches, wunderseltsames altes liebes Gärtchen davor
oder daneben. Das Gärtchen umzäunt von einer wunderlichen,
phantastischen Hecke. Nun wurde mir mit einem Mal alles zu Traum, Liebe
und Phantasie. Alles, was ich jetzt anschaute, nahm große und hohe Form
an. Die Gegend selber schien zu dichten, zu phantasieren. Sie schien
über ihrer eigenen Schönheit zu träumen. Das Land war wie versunken in
ein tiefes, musikalisches Denken. Ich blieb bezaubert von der Schönheit,
die mich umgab, stehen und schaute mich aufmerksam nach allen Seiten um.
Es war Abend geworden, das Grün sprach eine herrliche abendliche
Sprache. Farben sind wie Sprachen. Dem Haus, bei dem ich stand, hing das
Dach in die Fenster hinab wie eine Kopfbedeckung in die Augen. Sind
nicht die Fenster die Augen der Häuser? Ich mußte jetzt zum Halbmond
hinaufblicken, der hoch über dem Waldberg stand. Wundersam war es mir,
zu sehen, wie die dunkle Erde so warm, so gesellig, so wohlig-ruhig
dalag, und wie der Mond da oben in der schimmernd-blassen und kalten
Himmelseinsamkeit schwebte und glänzte. Seine Farbe war ein scharfes,
eisigkaltes Silbergrün. Göttlich schön und unaussprechlich dunkel stand
der Wald mit seinen reizenden Tannenspitzen unter dem graziösen
Herrscher, dem herrlichen Mond. Ich kam an einem anderen Haus vorüber,
eine Frau stand an der Tür, und ein Kätzchen kauerte neben ihr. Ich ging
mit meinen Gedanken in das Haus hinein und blieb mit ihnen darin wohnen.
»Wie sind Menschen und Häuser einander ähnlich,« sagte ich murmelnd zu
mir selber. Dunkler und dunkler wurde es. Abende sind Gottheiten, und im
Abend ist man wie in einer süßen, hohen, wehmutreichen Kirche. Am
blassen Himmel stand jetzt ein feuriges, süßes Rot. Es war, als sei der
Himmel eine Wange, die vor Glück und vor Seligkeit erglühe. Ein
Bauernbursche führte eine braune Kuh neben mir vorüber. Die kleinen
Dorfkinder sagten gar wunderschön aus dem zunehmenden Abenddunkel heraus
guten Abend. Alle Gesichter waren rötlich angeglüht vom rosig-glühenden
Abendrot. Schon zeigten sich die Sterne. Da war gerade das Wirtshaus am
Weg. Ich ging hinein.



Das Kätzchen


Ich kam nur eben vom Berg herab in eine kleine, nette, altertümliche
Vorstadt hinein. Ein Haus stand da, das war so zart, als blinzle es mit
seinen Augen, will sagen, mit seinen Fenstern. Eine alte Frau stand an
der Straße und streckte ihren Kopf in eines der Fenster, sie führte wohl
ein gehäkeltes Gespräch mit einer Nachbarin. Aber die Hauptsache ist:
ich sah vor dem Haus eine Katze, nein, keine Katze, sondern ein junges
Kätzchen, gelb und schneeweiß von Farbe. Durchs Fenster, welches
geschlossen war, sah ich eine gute alte Frau an der Nähmaschine sitzen
und fleißig nähen. Ganz entzückt von dem lieben kleinen Kätzchen blieb
ich stehen, um das Tier sorgfältig zu betrachten, welches da ganz still
saß, den Schwanz zwischen die Vorderpfoten geringelt. Die Frau sah, daß
da ein fremder Mann so still stand, sie trat ans andere Fenster, das
offen war, und schaute zu mir heraus mit freundlichen Augen. »Ach so,«
sagte sie, »Sie schauen sich wohl die Katze an.« »Ja,« sagte ich. Das
Kätzchen schaute zu der Frau hinauf und ließ ein kleines, feines, süßes
Miauen vernehmen, wobei es die Zähnchen zeigte. Ich grüßte die Frau und
ging weiter. Noch aber bog ich mich einmal zurück und sah, wie das
Kätzchen nach einem dürren Blatt haschte. Wie der Wind wirbelte das
liebe muntere Tier herum. Wirklich wehte auch gerade der Seewind. Ich
kam durch die Stadt, die nur eine einzige, dafür aber breite Straße
besitzt. Nun, und da kugelten zwei Jungen am Boden, zwei drollige
Jungen, noch nicht einmal für die Schule reif. Was vermag ich noch
beizufügen? Nicht sonderlich viel. Ein großes altersgraues Schloß war
da, und daneben floß ein Strom. Ich ging heim, und während ich so
heimwärts ging, hatte ich immer noch in Gedanken mit dem gelben und
weißen Kätzchen zu tun. Wie man doch nur achten mag auf so kleinliche
Dinge.



Tannenzweig, Taschentuch und Käppchen


An einem Vormittag stieg ich den waldbesetzten, steilen Berg hinauf. Es
war heißes Wetter, und der Aufstieg kostete mich manchen Schweißtropfen.
Der grüne Wald glich an Helligkeit und Schönheit einem Lied. Wie ich
oben auf der Höhe ankam, konnte ich so recht frei in die weiße
schimmernde Tiefe blicken. Das tat ich, und ich konnte mich an der
herrlichen Aussicht gar nicht satt schauen. Wie schön, wie wohltuend ist
eine Aussicht von einem hohen Berge. Der Blick schweift in die weite,
umflorte, helle Ferne und steigt nieder in die wohllüstige,
göttlich-schöne Tiefe. Wundersames Blau war am Himmel. Der Himmel
zerfloß in süßem Blau, war ganz getränkt von Blau. Blau und grün und die
goldene Sonne stimmen wunderbar zusammen, gleich einem süßen, milden,
dreistimmigen, freundlichen Lied, wo jede Stimme sich um die andere
schlängelt, wo jede Stimme die andere liebkost und küßt, wo alle drei
seligen, glücklichen Stimmen einander umwinden und umschlingen. Ich kam
nachher zu einer Bank mitten im kühlen, grünen, hohen Tannenwald
gelegen, und was sah ich darauf liegen? Einen Tannenzweig, ein
Taschentüchelchen und ein Puppenkäppchen. Wie stimmte mich nun wieder
dieser neue Anblick fröhlich, wo mich vorher der Anblick der Naturhöhe
und -tiefe beglückt, berauscht und erheitert hatte. »Ein Kind muß hier
gewesen sein und hat diese lieben Zaubersachen hier liegen lassen,«
sagte ich, indem mich ein Lächeln ankam, zu mir selber. Der grüne
Tannenzweig lag auf dem kindlich weißen, zarten und blassen Taschentuch
so weich, und das Käppchen, wie lächelte es den aufmerksamen Beschauer
so freundlich, so naiv an. »O Gott, o Gott,« rief es in mir, »wie ist
die Welt durch das Dasein süßer, lieber, unschuldiger Kinder schön und
ewig, ewig wieder gut. Daß man doch nie aufhöre und immer wieder von
neuem anfange, an die Güte, an die Schönheit, an das Glück, an die Größe
und an die Liebe der Welt zu glauben.« Noch warf ich auf Tannenzweig,
Taschentuch und Käppchen rasch einen Blick und eilte weiter, denn es
ging gegen Mittag, und ich wollte punkt zwölf beim Mittagessen sein.



Der Mann


Einmal saß ich in einem Restaurant am Viehmarktplatz. Es sitzen dort
mitunter sehr feine Herren, doch von den feinen Herren will ich nicht
reden. Feine Herren bieten gar wenig Interessantes dar. Wollen
unterhalten sein, sind selber absolut nicht unterhaltend. Ein Mann saß
in einer Ecke, der hatte einen heiteren, gütigen, freien Blick. Seine
Augen ruhten wie in unabsehbaren Fernen, in Ländern, die mit der Erde
nichts zu tun haben. Der spielte alsogleich auf einer Art von Flöte, daß
alle die, die im vornehmen Restaurant saßen, die Augen auf ihn richteten
und auf seine Musik lauschten. Wie ein großes, gut gelauntes, starkes
Kind saß der Mann da mit seinen sonnigen Augen. Nachdem das
Flötenkonzert vorbei war, kam ein Klarinett an die Reihe, welches er
nicht minder vortrefflich spielte und handhabte wie die Flöte. Er
spielte sehr einfache Weisen, aber er spielte sie vorzüglich. Hierauf
krähte er wie ein Hahn, bellte er wie ein Hund, miaute er wie eine Katze
und machte er mu! wie eine Kuh. Er hatte sichtlich seine eigene Freude
über die verschiedenen Töne, die er zum Besten gab, doch das Beste kam
hinterdrein, denn jetzt zog er aus einem Henkelkorb, den er unter dem
Tisch stehen hatte, eine Ratte hervor und spielte liebes Kindchen mit
ihr. Er gab der Ratte von seinem Bier zu trinken, und es zeigte sich
deutlich, daß Ratten sehr gerne Bier trinken. Ferner steckte er das
Tier, vor dem alle vernünftigen Menschen einen so entschiedenen Abscheu
haben, in die Rocktasche, und zu guter Letzt küßte er es auf sein
spitziges Maul, wobei er fröhlich vor sich hin lachte. Eigentümlich war
der Mann mit dem versonnenen, verlorenen Ausdruck in den glänzend-klaren
Augen. Ein Freund der Musik und ein Freund der Tiere war er. Sehr
sonderbar war er. Er machte auf mich einen tiefen, zum mindesten doch
nachhaltigen Eindruck. Überdies sprach er sehr gut französisch.



Das Pferd und die Frau


Daß ich zwei kleine Erinnerungen aus der Großstadt doch nicht vergesse
niederzuschreiben. Die eine betrifft einen Pferdekopf, die andere eine
alte arme Streichholzverkäuferin. Um beide Dinge, um das Pferd sowohl
wie um die Frau ist es Nacht. In einer Nacht, wie in so vielen anderen
Nächten, die bereits verbummelt und in das Vergessen hinabgeschüttet
waren, zog ich im eleganten, gleichwohl aber nur geliehenen Überzieher
durch die Straße, als ich an einer der belebtesten Stellen ein Pferd,
das vor ein schweres Fuhrwerk gespannt war, erblickte. Das Pferd stand
still da im undeutlichen Dunkel, und viele, viele Menschen eilten an dem
schönen Tier vorüber, ohne ihm eine Spur von Aufmerksamkeit zu schenken.
Auch ich eilte, ich hatte es sehr eilig. Ein Mensch, der bestrebt ist,
sich amüsieren zu gehen, hat es stets furchtbar eilig. Doch betroffen
durch den wunderbaren Anblick des weißen Pferdes in der schwarzen Nacht
blieb ich stehen. Die langen Strähnen hingen dem Tier herab bis zu den
großen Augen, aus denen eine unnennbare Trauer schaute. Unbeweglich, als
sei es eine weiße Geistererscheinung, aus dem Grab herausgestiegen,
stand das Pferd da, mit einer Ergebenheit und Duldung, die an Majestät
mahnte. Doch weiter riß es mich, denn ich wollte mich ja amüsieren. Auch
in einer anderen Nacht war ich auf dem Sprung in das nichtswürdige
Vergnügen. Allerlei Lokale hatte ich bereits durchstreift, da bog ich in
eine finstere Straße hinein, und da rief's mich aus dem Dunkel an:
»Streichhölzchen, mein junger Herr.« Eine alte arme Frau hatte dermaßen
gerufen. Ich blieb stehen, denn ich war gerade voll herzlich guter
Laune, griff in die Westentasche nach einem Geldstück und gab es der
Frau, ohne ihr von ihrer Ware etwas abzunehmen. Wie sie mir da dankte
und mir Glück in die dunkle Zukunft wünschte. Und wie sie mir ihre alte,
kalte, magere Hand darreichte! Ich ergriff die Hand und drückte sie, und
froh über das kleine Erlebnis lief ich meinen Weg weiter.



Die Handharfe


Ich stand in der finsteren, sternenlosen Nacht an einer Straße, die
hinauf ins Gebirge führt. Da kamen mit Musik und lustigem Gespräche drei
Knechte oder Burschen an mir vorüber und gingen im kecken Taktschritt
weiter. Bald umfing sie die Finsternis, und ich sah schon nichts mehr
von ihnen, aber die Handharfe, welche einer von den dreien kunstgerecht
spielte, drang zurück aus dem Dunkel und bezauberte mein Ohr. Im Spiel
der Handharfe sind bisweilen simple junge Leute große Meister. Dieses
Instrument bedarf einer starken, festen Faust, und hieran lassen es
Burschen aus den Bergen gewiß nicht fehlen. So stand ich denn und
lauschte. Der prächtige, königliche Ton, sanft, groß und warm, ging
mit den Burschen in immer weitere Ferne. Sie mochten jetzt im Walde
angelangt sein, der Ton wurde weicher und leiser, in Wellen stieg er
auf und nieder. Ich dachte über einen Vergleich nach und verglich
den Klang mit einem Schwane, der tönend durch die Finsternis gleite.
Bald war alles still. In den Berggegenden ziehen die Knechte gerne
handharfespielend vor die Häuser, in denen ihre Mädchen wohnen.
Auch die drei Burschen gingen zu einem Mädchen.



Die Fee


Ein armer, junger Wanderbursche, eine Art umherziehender Dichter, kam
auf einer seiner wilden Wanderungen vor ein artiges, graziöses
Schlößchen, das ganz im leichten, hellen, süßen Frühlingsgrün versteckt
war. Aus einem Fenster schaute eine Frau und weil der junge Mann so
still stand und zu ihr aufschaute, so gefiel es der Dame, die eine Fee
oder etwas Feeähnliches war, zu ihm zu sagen, er solle doch zu ihr
hineinkommen. Das tat der Bursche, und aufs Allerfreundlichste hieß ihn
die schöne Frau willkommen. »Bleibe doch bei mir«, sagte sie zu ihm,
»was willst du nur immer weiter und weiter wandern?« Eine Zeitlang blieb
der Bursche bei ihr, eine Zeitlang gefiel ihm das Leben bei der süßen,
lieben, hohen Fee. Doch bald stellte sich in seiner Brust die
Wandersehnsucht wieder ein. Er wurde traurig, und er kam sich wie
versteinert vor. Das Marschieren fehlte ihm. »Was hast du? Gefällt es
dir nicht mehr bei mir?« fragte die Frau den Veränderten. Er gab aber
keine Antwort, sondern schaute zum Fenster hinaus in die grünliche,
bläuliche Ferne, wo für ihn der ganze Genuß des Daseins lag. Die Fee
wollte ihn küssen, doch er wich dem Kusse aus. Sie ging aus dem Zimmer
und weinte. Das ging so eine Weile, bis endlich der Bursche eines frühen
Morgens reisefertig vor der lieben Dame stand, um Abschied von ihr zu
nehmen. Göttliches, bezauberndes Morgenrot brannte am Himmel, und die
Vögel auf den grünen Zweigen sangen so verführerisch. »Ich will, ich
muß gehen,« sagte er, »ich muß wieder hinauswandern in die weite Welt.
Ich sterbe hier, ich fühle es. Ich muß meine Beine brauchen. Ich muß
Landstraßenluft einatmen, und wenn auch das Essen noch so schlecht ist,
so will ich doch lieber wieder im dürftigen Speisehaus essen als hier im
reizenden Schloß, wo ich träge bin. Lassen Sie mich ziehen und haben Sie
Dank für die vielerlei Freundlichkeit, die Sie mir zu genießen gegeben
haben.« So sprach der unkluge Bursche, und ohne auf das zu achten, was
die Fee sagte, ging er weg, und indem er wegging, sang er mit lauter,
frischer, fröhlicher Stimme ein Burschenlied in die offene, schöne,
warme Welt hinein. Weg war er, und die Fee hat ihn nie mehr wieder
gesehen.



Kleine Wanderung


Ich lief heute durch das Gebirge. Das Wetter war naß, und die ganze
Gegend war grau. Aber die Straße war weich und stellenweise sehr sauber.
Zuerst hatte ich den Mantel an; bald aber zog ich ihn ab, faltete ihn
zusammen und legte ihn auf den Arm. Das Laufen auf der wundervollen
Straße bereitete mir mehr und immer mehr Vergnügen, bald ging es
aufwärts und bald stürzte es wieder nieder. Die Berge waren groß, sie
schienen sich zu drehen. Die ganze Gebirgswelt erschien mir wie ein
gewaltiges Theater. Herrlich schmiegte sich die Straße an die Bergwände
an. Da kam ich hinab in eine tiefe Schlucht, zu meinen Füßen rauschte
ein Fluß, die Eisenbahn flog mit prächtig weißem Dampf an mir vorüber.
Wie ein glatter, weißer Strom ging die Straße durch die Schlucht und wie
ich so lief, war's mir, als biege und winde sich das enge Tal um sich
selber. Graue Wolken lagen auf den Bergen, als ruhten sie dort aus. Mir
begegnete ein junger Handwerksbursche mit Rucksack auf dem Rücken, der
fragte mich, ob ich zwei andere junge Burschen gesehen habe. Nein, sagte
ich. Ob ich schon von weit her komme? Ja, sagte ich, und zog meines
Weges weiter. Nicht lange, und so sah und hörte ich die zwei jungen
Wanderburschen mit Musik daherziehen. Ein Dorf war besonders schön mit
niedrigen Häusern dicht unter den weißen Felswänden. Einige Fuhrwerke
begegneten mir, sonst nichts, und ein paar Kinder hatte ich auf der
Landstraße gesehen. Man braucht nicht viel Besonderes zu sehen. Man
sieht so schon viel.



Wirtshäuselei


Eines Tages, im heißen Sommer, geschah es, trug es sich zu und machte es
sich, daß ich mich ganz furchtbar für Gaststuben interessierte. Ich weiß
nicht, ob es ein Zauberspuk war, genug, es zog mich bald in dieses, bald
in jenes Wirtshaus hinein. Meistens sind ja die Wirtshäuser auch gerade
so schön bequem an der Straße gelegen. Und kurz und gut, ich kehrte dir,
lieber Leser, da und dort hübsch artig und solid ein. Ich bin sonst ein
sehr, ein sehr solider Mensch, doch an diesem Tag erreichte ich den
Gipfel alles dessen, was handwerksburschenhaft und unsolid ist. Wie eine
Leidenschaft war es über mich gekommen, daß ich alles, was einem
»Schwanen«, einem »Löwen«, einem »Bären«, einer »Krone« oder einem
»Rebstock« ähnelte, untersucht und erforscht haben mußte. Bald war es
ein Zweier, bald ein Dreier und bald ein halber Liter, was ich trank,
und ich trank mit dem größten Vergnügen beides, Rot- wie Weißwein.
Wollte ich ein Weinkenner werden? Lag eine dunkle Absicht in mir, mich
zum Weinhändler und -schmecker auszubilden? War das Ganze eine
Phantasie? Ein Traum? Nein, nein, es war Wirklichkeit. Die Sonne, o wie
lächelte sie so süß auf den heiter-blauen Tag herab, den ich vertrank.
Und so ging es von einer Einkehrsgelegenheit recht manierlich in die
nächstbeste andere. Es war ein Einkehren und draus wieder Herausfegen,
und als die Sonne untersank, hatte ich etwas so Schönes, etwas so
rätselhaft Schönes im Besitz. Etwas Herrliches hatte ich mir zu eigen
gemacht. Ich besaß Reichtümer, unerhörte Reichtümer, es flimmerte und
tanzte mir vor den Augen. Kaum vermochte ich noch zu gehen, so stark
drückte eine holde, reiche Last auf mich herab. Das Gehen kam mir wie
ein fremdartiges, unbegreifliches Etwas vor, und eine Lust war in mir,
umzufallen und friedfertig am Boden liegen zu bleiben. Was hatte, was
hatte ich denn nur jetzt? Was war's, was ich an mich gerissen, was ich
mir erobert hatte? Ich besann und besann mich, aber ich vermochte es mir
nicht zu erklären.



Der Morgen


Gestern bin ich früh aufgestanden. Ich schaute zum Fenster hinaus. In
der Ferne, über dem Waldrücken war der Himmel glühend rot. Es war noch
vor Sonnenaufgang, die Welt war kalt und dunkel. Das Hochgebirge
zeichnete sich mit seinen zackigen Gipfeln herrlich-groß und dunkel im
brennenden Morgenrot ab. Ich zog mich rasch an, und ging hinunter, um in
den wundervollen, frischen Wintermorgen hinauszugehen. Der ganze Himmel
war voll rötlichen Gewölkes. Im Dorf, das nur wenige Schritte von
unserer Stadt entfernt ist, war die glänzende, rosige Straße voll
Schulkinder, die eilig zur Schule liefen. Rührend erschienen mir die
zahlreichen jungen Gestalten in ihrer Emsigkeit in dem goldenen Morgen,
der silberig glänzte. Eine seltsame, jugendliche Klarheit wehte, gleich
einem frischen Wind, durch die Gasse. Auch wehte ja der Morgenwind und
einige welke Blätter fingen über die Straße an zu tanzen. Prächtig
schimmerte der Glanz des Göttermorgens durch die Äste der kahlen Bäume.
Ich atmete aus voller Brust die köstliche Luft ein, einige Häuser
schimmerten grünlich, andere strahlten in süßem, reinem Rosarot, und das
Grün der Wiesen war so frisch. Aus der Nacht und ihrem Dunkel war alles
hell und unsäglich freundlich aufgestanden. Die Gesichter der Menschen
leuchteten so morgendlich. Die Augen blitzten und glitzerten, und am
Himmel schimmerten noch die Sterne in überirdischer, verzehrender
Schönheit. Überall ein Glanz und ein Wind. Der Wind fegte daher wie
jugendliche Hoffnung, wie neue, nie empfundene Zuversicht. Alles bewegte
sich, die Wäsche flatterte und knatterte, der Eisenbahnrauch flog auf
und verlor sich. Auch ich verlor mich. Ich war wie verzaubert, wie neu
geboren, und voll Entzücken schaute ich zum Morgenrot hinauf, wo das
selige, goldene Gewölke schwamm. In Herrlichkeit und in Seligkeit
zerrinnend löste es sich auf, und da trat die Sonne hervor, der Tag war
da.



Der Ausflug


Ich ging aus der Stube auf die Straße. Es war zu schönes Wetter, ich
vermochte nicht das schöne Wetter zu betrachten und dabei zu Hause zu
bleiben. Mild wie ein kleines, artiges Kind sah die Welt aus, so still
und hell, so freundlich-grünlich. Gravitätisch und ernsthaft schritt ich
vorwärts wie einer, der einen wichtigen Gang zu machen hat, etwa wie ein
sanfter, gesetzter Steuereinnehmer oder fast wie ein Notar, der über das
Land läuft. Es ist mir zur Gewohnheit geworden, stets so aufzutreten,
wie wenn ich Wichtiges und Nützliches im Sinne hätte. Man sieht gut aus
so, und die Leute achten einen. Beim Bahnübergang mußte ich warten, aber
ich blieb ganz gern eine kleine, feine Weile stehen. Alsdann und so ging
es weiter, durch ein Dorf, das ganz in Lieblichkeit gebadet dastand,
durch einen Wald, zum Wald wieder hinaus über ein Feld durch ein anderes
Dorf. Stellenweise war der Weg recht pappig, breiig und schmutzig. Da
tat ich, als sei ich weiß wunder wie entsetzt über die Unreinlichkeit,
wie der feinste Herr der Welt. Das Dorf war groß und schön, und da stand
auf der grünen sanften Anhöhe ein Bauernhaus, eine rechte Pracht von
einem Haus. Spielende Kinder auf der Landstraße und alles so leise, so
dunkel, so hell und so weich. Es war, als erwarte die ganze Welt etwas
Liebes und Schönes, stehe darum so zart da, so still. Das Dorf hatte ein
so kluges, gescheites Aussehen, und das Wirtshaus stand so imposant an
der Straße, daß ich recht ordentlich Respekt vor ihm bekam und kaum an
ihm aufzuschauen wagte. Auch war die gestrenge Ortspolizei in nächster
Nähe, bei deren Anblick ich mir so eigentümlich vagabundenhaft vorkam. O
das Gehen in die weite, saubere, stille Welt hinein ist eine Königslust.
Ein zweites Dorf tauchte bald danach auf. Dann ging ich den Berg hinauf.
Auf dem Berg oben stand in der Waldlichtung ein wunderschönes, altes
Gehöfte, so stolz, still und einsam. Bald ging ich wieder bergabwärts,
durch den winterlich kahlen Wald. Abends war ich zu Hause, gerade schön
pünktlich zum Abendessen. Ich bin und bleibe halt ein sonderbarer Freund
der Pünktlichkeit.



Schnee


Wir haben hier Schnee, lieber Freund, soviel du begehrst und du Lust
hast. Das ganze Land ist dick mit Schnee bedeckt. Wohin man blickt:
Schnee; Schnee da und Schnee dort. Auf allen Gegenständen liegt er, und
die Leute unserer Stadt, groß und klein, werfen sich, um sich ein
Vergnügen zu machen, Schneebälle an. Die Kinder können soviel Schlitten
fahren als sie wollen, und das wollen sie gern. Gestern stieg ich im
Schnee den Berg hinauf, und je höher ich kam, um so tiefer watete ich im
tiefen, weichen Zeug. Nicht nur die Zweige und Äste der Bäume, sondern
auch die hohen Stämme waren mit der weißen Last bedeckt. Es war nämlich
Schneesturm gewesen, und da fegte aus Westen das tolle Schneewesen
daher, als wolle es von seitwärts die Welt mit Weiß überschütten. Nimmt
mich wunder, daß nicht Haus und alles zugedeckt worden ist. Immer höher
in den verschneiten Wald hinauf stieg ich. Es ging nicht ab ohne einiges
Ächzen, denn im frischen tiefen Schnee läuft sichs schwer. Ich zog den
Hut vom schwitzenden Kopf ab wie im Sommer, und mein Wintermantel wurde
mir lästig. Da hörte ich Axtschläge. Ein junger Bursche stand ganz
allein in der weißen, abendlichen Waldeinsamkeit und machte sich mit
einer Tanne zu schaffen. Weiterhin und so stieß ich auf ein sonderbares
unerwartetes Hindernis. Zwei große Tannen, vom Sturm zu Boden gerissen,
lagen ihrer stattlichen Länge nach mitten im engen Waldweg und
versperrten denselben mit ihren weitausgreifenden Ästen. Doch ich
arbeitete mich wacker durch und ging weiter. Schon wurde es finster im
weißen Zauberwald. Da ging ich bergabwärts, durch all den Schnee. Einmal
warf es mich um, daß ich im Schnee saß, als habe ich mich zu Tisch
setzen wollen, um zu soupieren. Ich raffte mich auf, mußte lachen und
beschleunigte den Heimweg.



Der Blick


Eines Tages, im Sommer, es war in der Mittagsstunde, und ich ging
langsam nach Hause, um zum Essen zu gehen, begegnete mir in der
Gartenstraße des Villenquartieres, durch welches ich meine Schritte
lenkte, in all der Hitze und in all der Stille, die auf der
menschenleeren, hellen, ja, man muß sagen, grellen Straße herrschte,
eine so sonderbare Frau, als je eine vor kürzerer oder längerer Zeit mir
konnte begegnet sein. Müde und matt, so, als sehne sie sich im tiefsten
Innern nach einer Befriedigung und Sättigung, schritt sie auf der andern
Seite der Straße daher und indem sie mir näher kam, entdeckte ich an der
edlen Haltung, die sie nachlässig und fast verächtlich zur Schau trug,
eingeborener Gewohnheit gehorchend, und an den kostbaren Kleidern, daß
sie von vornehmem Stande sein müsse. Sozusagen träge und eine halbe
Interessiertheit ins Auge legend, schaute ich die fremde Dame kühl und
ruhig an; sie jedoch strafte mich, den sie ebenfalls anschaute, mit
einem langen und tiefen Blick voll Stolz und Klage. Es wollte mir später
vorkommen, als sei der Blick der schönen, stolzen, unglücklichen Frau,
bevor er mich getroffen habe, in den Himmel gedrungen und von hoch oben
herab auf mich gefallen, und noch heute sehe ich ihn, dunkelbraun und
voll Glut, auf mich gerichtet, den Blick der Frau.



Der Heidenstein


In dem Wald, der, weil er so schön ist, mich immer wieder zu sich zieht,
steht unter den hohen, schlanken, ernsten Tannen ein Stein, den die
Leute den Heidenstein nennen, ein schwärzlicher, moosüberzogener
Granitblock, auf welchen oft die Schulknaben klettern, ein wundersamer
Zeuge aus uralten, wundersamen Zeiten, bei dessen sonderbarem Anblick
man unwillkürlich stillsteht, um über das Leben nachzudenken. Still und
hart und groß steht er inmitten des lieben grünen heimeligen Waldes da,
gewaschen von unzählbaren Regengüssen, versteckt im Bereiche der
schweigenden treuherzigen Tannen, Bild der Vergangenheit, Ausdruck der
schier ewigen Beständigkeit und als ein Beweis vom unausdenklichen Alter
der Erde. Oft schon bin ich vor dem schönen Stein stillgestanden, den
zwei alte wunderliche Tannenbäume zieren, die auf dem ehrwürdigen
Gestein Platz zum kräftigen Wachstum gefunden haben. Auch heute habe ich
ihn wieder gesehen, und indem ich ihn so sah, sprangen mir folgende
leise für mich hingemurmelte Worte über die Lippen: »Wie schwach und
weich und leichtverletzlich ist doch das Menschenleben, verglichen mit
deinem Leben, du alter, unzerstörbarer Stein, der du lebst vom Beginn
der Welt an bis heute, der du leben und stehen wirst bis an das
fragwürdige Ende alles Lebens. Dich scheint das Alter eher zu festigen
und zu kräftigen, als anzugreifen und zu schwächen. Rings in der Gegend
sterben die empfindlichen Menschen. Geschlechter folgen auf
Geschlechter, die, Träumen ähnlich, und dem bloßen, zarten Hauch
verwandt, auftauchen und verschwinden. Dir ist keine Schwäche bekannt.
Ungeduld ist dir fremd. Gedanken rühren dich nicht an und das Gefühl
tritt nicht bis zu dir. Und doch lebst du, bist lebendig, führst dein
steinern Dasein. Sage mir, lebst du?« -- Voller sonderbarer Fragen,
voller Ahnungen entfernte ich mich von dem merkwürdigen alten,
trotzigen, steinharten Gesellen, und ich hatte das Gefühl, als sei er
ein Zauberer, als sei der Wald durch ihn verzaubert.



Der Waldberg


Ich bin um den einen von den beiden länglichen Waldbergen, die unserer
Stadt naheliegen, herumgegangen, wobei ich drei bis vier freundliche,
kluge, stille und sehr, sehr liebe Dorfschaften zu streifen, zu berühren
und zu passieren hatte. Wie ich mich entsinne, war das Wetter ein
winterliches-freundliches. Indessen ließ die Landstraße da und dort an
Sauberkeit und schöner, feiner Glätte zu wünschen übrig, was als großes
Unglück nun auch nicht gerade bezeichnet werden kann. Gibt es ja doch
Schuhputzer, die einem später das stark in Anspruch genommene Schuhwerk
wieder reinigen und in Ordnung setzen können. Die Welt gewährte einen
grünen, hauchartigen Anblick. Die Farben waren sehr zart, und was die
Formen und Erscheinungen betrifft, so begegneten mir auf der Straße
einige Fuhrleute mit Fuhrwerken, sowie eine alte behäbige,
korbdahertragende Bauersfrau und ein städtischer mürrischer Händler. Zur
linken Seite hatte ich fortlaufend und mit mir, dem Fußgänger, gleichsam
weitermarschierend, den Waldberg, während zur Rechten sich eine zarte,
schöne Ebene erstreckte, mit Feldern und Äckern und Moorlandschaft. Ein
kleines Landstädtchen mit Kirchturm in der Ferne und ein Stück Fluß, und
in einiger Nähe drei Frauen, die im Feldweg arbeiteten. Sie lachten und
redeten miteinander, als sie den einzelnen Wanderer so wacker und
fleißig dahermarschieren sahen. Ich muß und will gerne gestehen, daß
ich, wenn ich schon einmal marschiere, es mit einem gewissen sichtlichen
Eifer und Ernst tue, daß mir jedermann anmerkt, wie ich dabei genieße,
eine Offenherzigkeit, für die ich mich nicht schelten möchte. Ich kam
nun in ein Dorf und trat ohne viel Besinnen ins heimelige, einladende
Dorfwirtshaus, wo ich mir ein Glas Bier geben ließ. Nicht lange, und so
traten zwei der schönsten Bauerntypen herein, der eine langnasig und
mittelalt, der andere so alt und dabei so fröhlich, wie nur ein alter,
steinalter Landmann sein kann, der auf ein Leben voller Arbeit und
Mühsal gütig und heiter zurückblickt und fast -- herabblickt. Der
Langnasige hatte eine Tabakspfeife im Munde so trefflich eingeklemmt,
daß es aussah, als sei die Pfeife ein Teil des Gesichtes. Sein Gesicht
war das schönste Tabakspfeifengesicht, das ich je sah, und es war
unmöglich, sich das Gesicht ohne Pfeife vorzustellen. Die beiden
wackeren kernigen Erscheinungen setzten sich, nicht ohne vorher ein
wenig sich zu besinnen, zu mir an den Wirtstisch und verlangten vom
Mädchen ein Bäzzi- oder sogenanntes Drusenwasser. Ich erkundigte mich
sogleich nach der Beschaffenheit ihres Schnapses oder Branntweines, und
beide Leute beeilten sich, mit mir zu konversieren, was eine gar
freundliche und erquickliche Unterhaltung abgab. O es ist so ernst, so
schön, mit Menschen zu reden, die es hart haben im Leben. Der alte Bauer
war niemand anders als der Dorfälteste. Wie rührend erschien er mir. Ihm
zu Ehren trank ich zwei Gläser über den eigentlichen Durst hinaus und
verweilte länger im Gasthaus als ich zuerst wollte. Dann ging ich. Ich
zog den Hut vor den beiden, und sie beide lüpften oder besser lüfteten
die Kappen, und so zog ich hinaus, gleich einem kecken, gutgelaunten
Wanderburschen, auf die Straße, auf welcher es bereits Abend war, und
nun ging es leise, still und schön in die Welt und nachher in die Nacht
hinein. Viele liebe, rötlich-blasse Dorfkindergesichter sah ich noch,
und immer war der gute, herzliche, waldige Berg so warm und so
heimatanmutig mir zur Seite. Endlich kam ich auf einer feinen runden
Straßenwindung um ihn herum. So hatte ich ihn denn umgangen und umlaufen
und voller Stolz langte ich rechtzeitig zu Hause an.



Zwei kleine Sachen


I.

Es muß jedes zuallererst für sich selber sorgen, damit es sich überall
leicht und sorglos kann sehen lassen. In dir ist eine Neigung, stets an
das andere zu denken und dich selbst zu vergessen. Sagt dir dafür das
andere Dank, und kann es das? Man ist nicht gern dankbar. Es will jedes
sich selbst das, was es ist, verdanken. »Das verdanke ich mir selbst,«
sagt eins gern. Indem du nun aber an jemanden bloß nur denkst, hast du
ihm noch zu nichts geholfen, dich aber hast du vielleicht schon
bedeutend dabei vernachlässigt. Weißt du, daß man die nicht liebt, die
sich vernachlässigen.


II.

Ich ging so, und indem ich so meines Weges zog, begegnete mir ein Hund,
und ich schenkte dem guten Tier alle sorgfältige Beachtung, indem ich es
ziemlich lange anschaute. Bin ich nicht ein törichter Mensch? Ist es
denn etwa nicht töricht, eines Hundes wegen sich auf der Straße
aufzuhalten und kostbare Zeit zu verlieren? Aber indem ich so ging,
hatte ich ganz und gar nicht das Gefühl, daß die Zeit kostbar sei, und
so ging ich denn nach einiger Zeit gemächlich weiter. Ich dachte: »Wie
ist es doch heute heiß,« und es war in der Tat recht warmes Wetter.



Herbstnachmittag


Ich erinnere mich, einen schönen Nachmittag gehabt zu haben. Ich ging
über das Land, einen gemütlichen Zigarrenstumpen im Munde. Sonne
strahlte über die grüne Gegend. Im Felde arbeiteten Männer, Kinder und
Frauen, der goldene Kanal floß mir zur linken Seite, und zur rechten
hatte ich die Äcker vor den Augen. Schlendrig ging ich weiter. Ein
Bäckerwagen sprengte an mir vorüber. Sonderbar ist es, daß ich mich auf
jede Einzelheit wie auf eine Kostbarkeit so deutlich besinne. Es muß
eine große Kraft in meinem Gedächtnisse sein, ich bin froh darüber.
Erinnerungen sind Leben. So kam ich denn an manchem stattlich-heiteren
und behäbigen Bauernhaus vorbei, die Bäuerin beschwichtigte wohl etwa
den Hund, der im Sinne hatte, den Fußgänger und fremden Mann anzubellen.
Reizend ist es, still und gemächlich übers Land zu gehen und von
ernsten, starken Bäuerinnen freundlich gegrüßt zu werden. Ein solcher
Gruß tut wohl wie der Gedanke an die Unvergänglichkeit. Es öffnet sich
ein Himmel, wenn Menschen freundlich miteinander sind. Die Nachmittags-
und jetzt bald Abendsonne streute flüssiges Liebes- und Phantasiegold
über die Straße und machte sie rötlich zünden. Es war auf allem ein
Hauch von Violett, aber eben nur ein zarter, kaum sichtbarer Hauch.
Hauch ist nichts Fingerdickes zum Greifen, sondern tastet und schwebt
nur über dem sichtbaren und unsichtbaren Ganzen als ahnungsvoller
Schimmer, als Ton, als Gefühl. Ich kam an einem Wirtshaus vorbei, ohne
einzukehren; ich dachte das später zu tun. Im Behaglichkeitstempo
schritt ich weiter, ähnlich etwa wie ein sanfter, milder Pfarrer oder
Lehrer oder Bote. Manch ein Menschenauge guckte mich neugierig an, um zu
enträtseln, wer ich sein könnte. Da wurde es im wunderbaren tönenden
Lande immer schöner. Jeder Schritt leitete in andere Schönheit hinein.
Mir war es, wie wenn ich dichtete, träumte, phantasierte. Ein blasses,
schönes, dunkeläugiges Bauernmädchen, dessen Gesicht von der süßen Sonne
überhaucht war, schaute mich mit dem glänzend-schwarzen Zauber ihrer
Augen fragend an und sagte mir guten Abend. Ich erwiderte den Gruß und
zog weiter, zu Bäumen hin, die voller roter, goldener Paradiesesfrüchte
hingen. Wundersam leuchteten die schönen Äpfel in der Abendsonne durch
das dunkele Grün der Blätter, und über alle grünen Wiesen tönte ein
warmes, heiteres Glockentönen. Prächtige Kühe von brauner, weißer und
schwarzer Farbe lagen und standen, zu anmutigen Gruppen vereinigt, über
die saftigen Wiesen verstreut, die sich bis zum silbernen Kanal hinab
erstreckten. Ich hatte nicht Augen genug, um anzuschauen, was es alles
anzuschauen gab, und nicht Ohr genug, um auf alles zu horchen. Schauen
und Horchen verbanden sich zu einem einzigen Genuß, die ganze weite
grüne und goldene Landschaft tönte, die Glocken, der Tannenwald, die
Tiere und die Menschen. Es war wie ein Gemälde, von einem Meister
hingezaubert. Der Buchenwald war braun und gelb; Grün und Gelb und Rot
und Blau musizierten. Die Farben ergossen sich in die Töne, und die Töne
spielten mit den göttlich schönen Farben wie Freunde mit süßen
Freundinnen, wie Götter mit Göttern. Nur langsam ging ich unter dem
Himmelblau und zwischen dem Grün und Braun vorwärts, und langsam wurde
es dunkel. Mehrere Hüterbuben kamen auf mich zu, sie wollten wissen, wie
spät es sei. Später, im Dorf, kam ich am alten, großen, ehrwürdigen
Pfarrhaus vorbei. Jemand sang und spielte drinnen im Haus. Es waren
herrliche Töne, wenigstens bildete ich es mir ein. Wie leicht ist es,
auf einem stillen Abendspaziergang sich Schönes einzubilden. Eine Stunde
später war es Nacht, der Himmel glänzte schwarz. Mond und Sterne traten
hervor.



Der Felsen


Sommerabend war's. Die Luft war mild. Ein lindes, leises Lüftchen wehte
über den Felsen, auf welchem der weiße Pavillon steht. Er gleicht einem
kleinen griechischen Tempel, und man kann ihn schon aus weiter Ferne
sehen, wie er so schlank aus dem grünen Gebüsch hervorragt. Der Felsen
erhebt sich steil über dem Rand unseres Sees. Nur schmale Fußpfade
führen über ihn, und daher muß man sorgsam auf die Schritte achtgeben.
Heute am schönen Sommerabend standen allerlei stille Leute, Männer wie
Frauen, am Geländer beim Pavillon und schauten in die farbige abendliche
Tiefe hinunter, wo der See in seinem Glanze lag, von der Wärme und von
den Abendwinden umstreichelt. Das Wasser glich einem süßen Spiegel an
sanfter schimmernder Unbeweglichkeit, und die da hinabschauten,
vermochten mit den Augen kaum aufmerksam und innig genug zu schauen und
sich in das schöne große Bild zu versenken. Das warme grüne Ufer hielt
den silbernen, goldenen Abendsee wie mit zarten, liebenden Mutterhänden
und -armen umschlossen, als sei das Ufer die zärtliche, wachsame Mutter
und der See, der einem Traum an Schönheit glich, das unschuldige Kind,
an Süße und an Liebreiz mit nichts als allein nur mit ihm selbst zu
vergleichen. Alles so weit, still und warm. Der leise Wind wehte aus
unbestimmbarer Ferne wie schüchtern daher; er schien sich leise zu
freuen über sich selber, er schien kaum recht zu wagen,
daherzustreichen, er war wie ein Kind, das sich die zarte, zaghafte
Frage vorlegt: »Darf ich wohl, oder darf ich nicht?« Ein Zagen, ein
Zittern, ein Schweben, ein Liebkosen, und zugleich alles so groß und so
klein, so fern und so nah. Unbeschreiblich und unfaßbar schön war es,
wie das Dunkel nach und nach zunahm und die Tageshelle sich in dem
dunklen Golde verlor. Wie ein Gedanke sich verliert in einen anderen,
schwand der reiche, stolze Sommertag dahin. Zweierlei Gemälde kämpften
miteinander. Ich schlug mich durch das dunkelgrüne Eichengebüsch, das im
Abendlichte goldig schwamm, und kam zu einer Gruppe anmutig lagernder
junger Burschen, von denen einer sagte: »Es ist ein milder Abend heute.«
Aus dem See heraus klangen Stimmen und Liedertöne, und dazwischen drang
der Ton einer Handharfe warm und wundersam zum Felsen hinauf, von
welchem aus man die Boote und Gondeln unten auf dem lieben Wasser hin
und her gleiten sehen konnte. Auf einem Felsvorsprung, der ein kühnes,
graziöses Lustplätzchen bildete, lagen ein Mädchen und ein Bursche eng
beieinander, die sich in der Sommerabendschönheit glücklich fühlten und
sich mit leisem, zweistimmigem, süßem Singen und mit Händedrücken und
mit fortwährendem Einander-Anschauen die Zeit vertrieben. Ich blieb
stehen, um zu lauschen, was sie sich zu sagen haben mochten. Doch sie
redeten kein Wort. Ganz in ein Schauen, in ein Sein und in ein Fühlen
versunken, lagen sie da, ganz nur Genuß, ganz nur Genügen und Vergnügen.
Jetzt küßten sie sich, und es sah aus, als wollten sie durch die ganze
liebe warme Sommernacht an dem Kusse hängen bleiben. Ich strich mich
weg, tiefer in das dunkele Gestrüpp, welches mir mit seinem Laub das
Gesicht berührte. Es war jetzt Nacht geworden.



Die Eisenbahnfahrt


Ich saß im Eisenbahnwagen. Es war so hell, appetitlich und still darin.
Gleichsam achtungsvoll und so säuberlich stiegen die lieben einfachen
Leute in den Wagen. Wer redete, der tat es ruhig und freundlich, wollte
nicht prunken und auffallen damit. Einige der Männer rauchten
Zigarrenstumpen. Auch ich rauchte. Ein paar junge Soldaten waren da, die
sich gar nicht lärmend benahmen, vielmehr dasaßen wie artige Kinder. Sie
machten aber einen durchaus soldatischen Eindruck. Die Kraft liebt zu
ruhen, und die erlittene starke Anstrengung verhält sich gern still. So
leis war es und ging es zu im Eisenbahnwagen. Alsbald setzte sich der
Zug ganz fein und vorsichtig in Bewegung, als sage er: »Nur hübsch
ruhig. Wir gelangen schon ans Ziel.« Wie schön war diese Fahrt; ich
werde sie nie vergessen. Warum vergißt man dieses nie und anderes so
bald? Das ist sonderbar und doch wieder leicht begreiflich. Sacht und
sanft also rollte unser Wagen nun hinaus ins grüne, freie Weite. Die
Welt sah so weit und doch zugleich so nah, klein und eng aus. So
wunderbar hell war's. Die höheren Bergketten hatten noch Schnee; die
Ebene aber duftete und grünte schon wie so recht mitten im lieblichen
Frühling. Etwas Frühlingshaftes rumorte mir im Herzen. Ich war glücklich
und wußte nicht warum. Am schönsten erschien's mir, zu sehen, wie
friedlich alle meine Reisegenossen im Wagen saßen. Heiterkeit und ein
gesunder warmer Zweck drückte sich auf ihren Gesichtern ab, und die
Gesichter, wie waren sie so hübsch verschieden. Wir fuhren über eine
Brücke. Manierlich baten die Bahnbeamten um die Fahrkarten. Ich hätte
schwören mögen, nie so honette, brave Leute gesehen zu haben. Ich
schaute immer aufmerksam aus dem Fenster, so recht der Welt, die da
draußen sich weit und breit erstreckte, ins große gute Auge.
Bauernhäuser und -gärten und weiße Landstraßen, Felder und grüne üppige
Hügel und die lieben dunklen Wälder. Es sah alles so sauber, so
wohnlich, so wohlhabend aus. Der Himmel zeigte ein schüchternes, feines
Blau, und weiße Wolken zogen aus der Nähe in die Ferne und aus der Ferne
in die Nähe. Es wechselte alles ab. Alles war Gleichheit, Ähnlichkeit
und doch auch Abwechslung. So ist es für mich am schönsten. Ich will
nicht verblüfft, sondern gern nur still immer wieder überrascht sein.
Auf einer ländlichen Station stiegen Bauersleute ein, stattlich
angezogen mit dem Sonntagskleid. Im Wesen und Benehmen des Bauern lag es
wie kluge, einfache Feierlichkeit, und die Bäuerin war geradezu schön zu
nennen durch einen Zug von Zurückhaltung, den sie höchst angenehm zur
Schau trug. Weiter ging's. Artig und gedämpft lief und dampfte es
vorwärts. Es war kein Rasen. Auch mit Gemächlichkeit wird ein Ziel
erreicht. Grad erst recht. Ah, das war eine recht, recht schöne
Eisenbahnfahrt, das! Ich will sie warm betten in die Erinnerung, daß sie
mir noch oft in Gedanken vor dem Gesicht erscheinen mag.



Das Lachen


Ich habe ein himmlisches Lachen gehört, ein Kinderlachen, ein
wunderbares Gelächter, ein ganz feines, silberreines. Ein göttliches
Kichern war's. Ich kam gestern, Sonntag, gegen sieben Uhr heim, da hörte
ich's, und ich muß hier unbedingt Bericht davon erstatten. Wie arm in
ihrem Ernst und mit ihren trocken-ernsthaften Mienen sind die
Erwachsenen, die Großen. Wie reich, wie groß, wie glücklich sind die
Kleinen, die Kinder. Ein so volles, reiches, süßes Glück lag im Lachen
der zwei Kinder, die neben einer Erwachsenen einhergingen, eine so
überschwengliche, reizende Freude. Sie waren ganz Seligkeit, indem sie
sich dem Lachen hingaben. Ich lief absichtlich langsam, damit ich sie
recht lange lachen hören könne. Ein Genuß war's für sie, sie genossen
die ganze Köstlichkeit, die in einem Lachen liegen kann. Sie konnten gar
nicht aufhören mit Lachen, und ich sah, wie es sie schüttelte. Sie
krümmten sich förmlich darunter. O, so rein war's, so ganz nur kindlich!
Worüber sie vielleicht am unbändigsten und am lieblichsten lachten, war
die strenge Miene, die das erwachsene Fräulein neben ihnen zu ziehen für
nötig erachtete. Des großen Mädchens Ernst gab ihnen am meisten zu
lachen. Doch endlich, von so viel liebreizender Lustigkeit hingerissen,
lachte auch die Gemessene, die Ernste und die Große. Sie war besiegt von
den Kindern und lachte nun wie ein Kind mit den Siegerinnen, den
Kleinen. Wie sind über die Grämlichen die Glücklichen Sieger! Die zwei
Kinder lachten in ihrer Unschuld über alles, über Heutiges und
Gestriges, über dieses und jenes, über sich selber. Sie mußten über ihr
eigenes Lachen lachen. Ihr Lachen kam ihnen immer lächerlicher, lustiger
vor. Ganz deutlich fühlte und hörte ich's. Ich pries mich glücklich, daß
ich das Glöckchenkonzert, das Lachkonzert anhören durfte. Die ganze
Straße entlang lachten sie. Sie wollten fast umfallen, sich fast
auflösen und zergehen vor Lachen. Alles an ihnen, den lieben glücklichen
Kindern, lachte mit, die Köpfe, die Glieder, die Hände, Füße und Beine.
Sie bestanden ganz nur noch aus Lachen. Wie schimmerte und glitzerte die
Lachlust in ihren Augen! Ich glaube fast, sie mußten so gräßlich, so
grausam, so anhaltend lachen über einen dummen, kleinen Jungen. So
schelmisch und wieder so schön war's, so rührend und so ausgelassen.
Wahrscheinlich war der Lachanlaß nur ganz geringfügig gewesen. Kinder
sind eben Künstler im Erfassen eines Grundes, recht selig zu sein. Ein
kleiner, leiser Vorfall mag es gewesen sein, und da machten sie eine
große Geschichte daraus, hingen solch ein langes, großes, breites,
üppiges Lachen daran. Kinder wissen, was sie glücklich macht.



Der Berg


Ohne dich einer Anstrengung zu unterziehen freilich gelangst du nicht
hinauf auf den schönen Berg. Doch ich bilde mir ein, daß du die Arbeit
des Besteigens nicht scheuen wirst. Heller, warmer, ja sogar heißer,
heiterer Sommermorgen, Sommervormittag ist es, und die Welt, soweit du
zu schauen vermagst, besteht aus einem Meer, aus einem Strom, aus einem
Hauch von Blau und Grün. Oftmals bleibst du eine kleine Weile stehen, um
Atem zu schöpfen, dir den Schweiß vom Kopf abzuwischen, und hinunter in
die Tiefe zu blicken. Nun wirst du mir erlauben, zu denken, du seist
oben auf dem grünen, weichen und breiten Bergrücken glücklich und
freudig angekommen, wo dich auch gleich kühle, reine Bergluft umweht,
die du mit Entzücken einatmest, daß dir die Brust und das Herz sich
ausweiten. Göttlich schön mutet dich, lieber Freund, das Stehen auf der
erstiegenen Höhe an, und du bildest dir ein, daß du im Genuß der süßen,
hohen Bergesfreiheit ertrinken müssest. Ganz wie ertrunken im Meer der
köstlichen Luft und im Meer des Bergsteigerglückes kommst du dir vor.
Selig bist du, daß du hinabschauen kannst auf die Welt, die dir wie ein
heiteres, reiches Gemälde zu Füßen liegt, die da unten liegt und tönt
und duftet wie ein Lied, wie ein Gedicht, wie eine Illusion. Langsam
gehst du unter Tannenästen und reizendem Buchengrün, welches dich mit
seiner frischen Götterfarbe wie mit einem Kinderlächeln anlächelt, auf
der Weide weiter, liegst vielleicht eine halbe oder ganze Stunde
glückselig und gedankenlos am Boden; erhebst dich wieder und schreitest
weiter durch all die ringsverbreitete süße, heiße Melodie von Blau und
Grün. Das Grün ist so üppig und saftig, daß du meinst, es sei eine Flut,
in welcher du watest, badest, schwelgst. Es ist ein Schwelgen, ein
lustumschlungenes Gehen und Lustwandeln in Arkadien. Griechenland ist
nicht edler und schöner, und Japan mit seinen Fürstengärten kann nicht
lust- und glücküberschütteter sein. Sanft, zart und fern dringt aus der
tiefen Menschenebene das Geräusch des tätigen, täglichen Lebens an dein
horchendes Ohr herauf, indes deine Augen das blendend schöne und liebe
Weiß der Wolke trinken, die wie ein Märchenschiff am blauen Himmel
schwimmt. Süßes Girren und Brausen, Summen und Lüftelispeln, und da
stehst du, unter all dem Licht, in all dem Licht, zwischen all den
Farben, und schaust hinüber zu den Nachbarbergen, welche, Traumfiguren
ähnlich, still und groß und gedämpft in die Luft hinaufragen, und du
grüßest sie wie Freunde, du bist ihnen Freund, sie sind es dir. Du bist
der Freund der ganzen Welt; ans Herz möchtest du ihr sinken, der
wunderbaren Freundin. Umschlungen hält sie dich und du sie. Du verstehst
sie, liebst sie und sie dich.



Schwärmerei


Ob ich mit ihr dann den Berg hinaufgehen werde? Nein, ich glaube, es
wird schöner sein, ins weiche niedere Land hineinzuspazieren mit ihr.
Bergsteigen und Anstrengungen überwinden kann ich, wenn ich allein bin.
Mit ihr soll es ein Lustwandeln sein wie in einem angenehmen, weichen,
leichten Garten. Zu überreden werde ich sie schon wissen. Sie wird schon
zu verführen sein. Will ich sie verführen? Ja! Aber ich will ihr treu
sein bis weit, weit hinaus. Treue und Liebe sollen kein Ende nehmen. Wie
ich schwärme! Also leise übers grüne Land soll es gehen, durch die
sanfte und offenherzige Gegend, an den Menschen, an den Tieren und an
den lieben, heimeligen Bauernhäusern vorbei, Bäume stehen links und
rechts neben dem Weg in den Wiesen, und weiße Wolken fliegen oder liegen
am hellblauen Himmel. Alles ist dort grün, weiß und blau, da und dort
das zarte, alte Rot eines Hausdaches, das bis an die Erde herabreicht.
Alles hell, alles freundlich, alles still. Nun und so kommen wir, denke
ich mir, in einen dunklen, grünen Wald, in ein rechtes Kircheninneres
von Wald, wo die hohen, schlanken, zarten Tannen wie Säulen stehen, und
wo es kühl ist, daß man leise schauert. Unsere Schritte sind nicht
hörbar auf dem tannenreisbelegten, weichen, braunen Boden. Wie ein
Sinnbild der Treue und des liebevollen Harrens ist der Wald; bald treten
wir aus dem Wald wieder heraus und sehen einen grünen Wiesenhügel mit
gelben, länglichen Kornplätzen. Der Wind streicht liebkosend über das
Korn und macht es wogen wie Wellen. Es ist so warm, und die Farben sind
so süß. Auf dem weißen Weg gehen wir langsam weiter. Jeder Schritt ist
ein Erleben, und in jedem Augenblick liegt es wie ein Ereignis.
Verständlich, als wenn es ein glückliches Lächeln sei, liegt das Leben
da und ist das treue, schöne Land vor unseren Augen ausgebreitet. Da
erkühne ich mich, bilde ich mir ein, des Mädchens zarte Hand leise,
leise anzufassen, und nun weiß sie auch schon alles, alles. Die
Herrliche, sie senkt die Augen, und indem sie das tut, bindet sie mich
für immer, schließt sie mich für immer ein in den weichen Kerker. -- Ich
bin ihr Gefangener. Ich will reden, doch alle Worte, die mir einfallen,
genügen mir nicht, und so schweige ich. Eine weiße und rote Rose geht
neben mir, das ist sie, sie, deren dunkler, wunderbarer Wunsch nun mein
Gesetz, Stern und Regierung ist. Still hat sie gewartet, bis ich käme
und sie bäte, Herrscherin zu sein -- -- --



Oskar


Sehr früh schon fing er dieses sonderbare Treiben an, daß er auf die
Seite ging und ein so ausdrückliches Gefallen am Alleinsein fand. Er
erinnerte sich in späteren Jahren deutlich, daß niemand ihn auf solche
Dinge aufmerksam machte. Ganz von allein kam es und war es da, das
seltsame Bedürfnis, einsam und abgelegen zu sein. Ganz allein aus sich
selber holte er den Gedanken, daß es schön sei, sich zu verschließen, um
so wieder frische Lust zu gewinnen, und neue Sehnsucht zu empfinden,
offen zu sein, und harmlos unter die Menschen zu treten. Es war eine Art
Rechnung, die er machte, eine Art Aufgabe, die er sich stellte. In ein
armseliges, halbzerstörtes Haus an der Bergstraße war er gezogen; hier
bewohnte er ein dürftiges, kleines Zimmer, welches ausgestattet und
ausstaffiert war mit einem bemerkenswerten Mangel an Mobiliar. Einheizen
ließ er nicht, obgleich es Winter war. Er wollte es nicht behaglich
haben. -- Rauh und unwirklich und schlecht sollte es rings um ihn sein.
Ausharren und etwas ertragen wollte er. Er befahl sich das. Und auch das
hatte ihm niemand gesagt. Er ganz allein war auf die Idee gekommen,
die ihm sagte, daß es für ihn gut sei, wenn er sich befehle,
Unannehmlichkeiten und Unholdheiten freundlich und gutmütig zu ertragen.
Er nahm sich wie in eine Art von hoher Schule. Er ging da, gleich einem
absonderlichen, wilden Studenten, in die Hochschule. Es galt für ihn,
die Beobachtung zu machen, wie weit er sich erkühnen dürfe, es zu
treiben, wie viel er imstande sei, zu wagen. Bisweilen kam das Bangen zu
ihm ins Zimmer und streifte ihn mit dem kalten Flor des Verzagens. Aber
er war einmal hineingetreten in das Wagnis, absonderlich zu sein, und es
mußte so weitergehen, fast ohne daß er es wollte. Wer in die
Seltsamkeiten hineingegangen ist, den nehmen sie und führen ihn mit
regierenden Händen weiter, reißen ihn fort, lassen ihn nicht wieder los.
Einsam verbrachte er die Tage und die Nächte. Zwei kleine Kinder lagen
im anderen Zimmer, hart an der Wand. Er hörte sie vielmal kläglich
weinen. Ganze lange dunkle Nächte lag er schlaflos da, als sei der
Schlaf sein Feind, fürchte und fliehe ihn, und als sei das Wachbleiben
sein guter Kamerad, der sich nicht von ihm zu trennen vermöge. Täglich
machte er denselben Gang durch die winterlich gefrorenen Wiesen, wobei
es ihm war, als befinde er sich auf tagelanger Wanderung durch fremde,
unbekannte Gegenden. Ein Tag glich dem andern. Kein junger Mensch würde
dieses Leben haben schön finden können. Er aber wollte es einmal so; er
befahl sich, daß er diese Lebensweise schön finde. Da er Reize sehen
wollte, sah er sie auch, da er die Tiefe suchte, fand er sie, da er Not
kennen lernen wollte, gab sie sich ihm zu erkennen. Freudig und stolz
ertrug er alle sogenannte Langeweile. Das Einerlei und die eine und
selbe Farbe waren ihm schön, und der eine Ton war sein Leben. Er wollte
nichts wissen von Langeweile. Es gab keine für ihn. So regierte er sich.
So lebte er. Er verkehrte wie mit sinnlich-körperlichen Wesen mit den
stillen Frauen, den Stunden. Sie kamen und gingen, und Oskar, so hieß
er, verlor nie die Geduld. Ungeduld bedeutete Tod für ihn. Ausdauer, in
die er sich mit freiem Willen wohllüstig senkte, war sein menschlich
Leben. Süß wie Rosenduft umstrickte und umduftete ihn der Gedanke, daß
er arm sei. Er gehörte mit Leib und Seele und mit allen seinen Gedanken
und Gefühlen und mit dem ganzen Herzen zu den Armen. Er liebte die
versteckten Wege zwischen den hohen Hecken, und die Abende waren seine
Freunde. Keinen höheren Genuß kannte er, als den Genuß von Tag und
Nacht.



Die Einfahrt


Lange Jahre war ich fern gewesen vom lieben alten Land, und nun saß ich
mit Landsleuten, mit stillen, bescheidenen Arbeitsleuten zusammen, im
Eisenbahnwagen, der mich schon als solcher in der Seele entzückte.
Langsam, als sei er die Beute einer tiefen Nachdenklichkeit und als sei
es ihm ein Bedürfnis, zögerlich vorzurücken, fuhr der Zug, es war ein
Arbeiterzug. Ich war recht froh, daß es ein so stiller Zug war und daß
ich jetzt zusammensaß mit den ärmlichen, ernsten Leuten aus dem Volk. Es
war mir, als lerne ich wieder mein Volk so recht aus dem Grunde kennen,
als fahre ich mit dem Eisenbahnzug in das Herz des Volkes hinein. Abend
wurde es. Auf jeder kleinen, dörflichen Station hielt der Wagen an, und
liebe, brave, arbeitsame Menschen stiegen ein und aus. Mich beschlich
eine wunderbare, angenehme Zärtlichkeit für das Land und für die Leute.
Land und Leute öffneten sich mir so still, so groß. Immer größer, immer
schöner wurde das abendliche Gebirgslandschaftsbild. Eine zarte, stille
Freundschaftsglut bemächtigte sich meines Innern, das mir zu blühen, zu
lachen, zu weinen schien. Ich fühlte, wie ein Glanz mir in die Augen
kam. Da schaute ich immer hinaus in die Landschaft mit ihren
phantastisch-steilen, grünen Höhen und immer fuhr der Zug zart und leise
weiter. Ich will die Fahrt nie, nie vergessen. Göttlich-schön war es,
wie ich und die andern Leute so still hineinfuhren, hineingleiteten in
die Berge, welche mir wie Lieder, wie alte großartige Melodien
entgegentönten. Unvergeßlich wird mir das goldig-dunkle Abendgebirge im
Sinne bleiben. Still redeten die Insassen des Wagens miteinander,
Männer, Jünglinge und Frauen. Die Nation trat mir nah; das Vaterland und
sein hoher, goldener Gedanke schwebten mir ums Herz. Lange Jahre war es
immer flach und glatt und öd vor meinem Auge gewesen, daß die weite,
hoffnungsarme Leere mir die Seele verdorren machen wollte. Jetzt
ging es wieder freundlich in die kühne Höhe und sank in reiche,
himmlisch-schöne, gedankenvolle Abgründe hinunter. Eine stille
Vaterlandeslust brannte in mir und eine alte, süße, wundervolle Liebe
wurde wieder wach zu meinem Entzücken. O das war ein schönes
Eisenbahnfahren mit mildgesinnten, klugen, ernsten Landsgenossen in die
Umschlungenheit hinein. Es umschlang uns mit Felsen und mit Bergen.
Liebe, grüne Täler lachten in der Tiefe und von der Höhe herab nickte
stolz die edle Tanne. Ich sah das Haus an der Halde stehen und Menschen
auf den Wegen gehen, die sich in die Wälder schlängelten. Das Land
öffnete die Arme, und ich, ich sank hinein in die Umarmung und war
wieder der Sohn des Landes und seiner Bürger einer. Allmählich wurde es
Nacht.



Die Vaterstadt


Der junge, rüstige Reisende langte mit der Bahn in der Stadt an, in der
er geboren war. Der Ort erschien ihm lieblich wie nie zuvor. Er trat in
einen Zigarrenladen und kaufte sich Tabak. Der Zigarrenhändler entpuppte
sich als ein Schulkamerad von ihm. Viele Jahre war der Reisende fort
gewesen, wie war er jetzt entzückt, daß in der Heimatstadt alles so
schön gleich geblieben. Wundersam, wie ein Kindheitstraum, wo
Engelsgestalten sich zu uns niederneigen, erschien ihm das altbekannte
Leben und Treiben in den schönen, stillen, feinen Straßen. Dunkle
Aprilfarben erfüllten die Luft und überraschend für des Fremdlings Augen
war der Glanz, der in der Sphäre und auf allen Gegenständen lag. Etwas
Niegesehen-Großes breitete sich deutlich vor ihm aus und ließ ihn
Erregungen gänzlich neuer Art empfinden. Er war erregt und beglückt
dabei, er zitterte und er hätte dazu lachen und spielen mögen. Es war
ihm um die Brust, als sei er, seit er die alte, liebe Stadt betreten,
wieder viel jünger und viel gütiger und viel freundlicher geworden.
Unbefangen und freundlich schauten die Leute ihn an, ohne ihn lang und
scharf und groß anzublicken. So behaglich und frei und warm und köstlich
kam ihm alles vor, die Häuser so zierlich, die Bäume so prächtig.
Grünliches Treiben und Knospen war schon an den weichen, kräftigen
Zweigen sichtbar, und dazu ließen die Singvögel aus allen Gassen und
Nebengassen ihren süßen, lieben, einschmeichelnden Gesang vernehmen. Der
Reisende schaute und horchte. Horchte, horchte! Er ging nur ganz langsam
weiter und blieb immer stehen. Seine Unbefangenheit kämpfte mit einer
Art von Bangen und Ahnen, welches sich seiner Seele bemeisterte. Er fand
zuletzt ein Häuschen, das am Felsen angeschmiegt lag. Die Bäume im
zierlichen Garten waren so klein. Alles schien zu lächeln, zu lispeln
und zu zwitschern. Tiefsinnig-grün schaute ihn ein Stück Wiese an. Er
besann sich auf alte längst vergessene Träumereien. Alte
Lieblings-Einbildungen erhoben ihr schelmisches, liebliches Geflüster,
und die Fenster des Häuschens schienen lustig zu blinzeln wie Augen
eines gescheiten Menschengesichtes. Da trat er hinein. In dem Hause
wohnte sein alter Vater.



Das Grab der Mutter


An einem Sonntag, gegen Abend, ging ich zum Friedhof, der nur wenige
Schritte von dem Ort entfernt liegt, wo ich wohne. Es hatte kurz vorher
geregnet, es war daher alles noch feucht, der Weg, die Bäume. Ich kam in
den Totenhof hinein zu den alten, stillen, heiligen Gräbern, und hier
empfing mich wie mit süßen, lieben, keuschen Armen ein so schönes,
frisches Grün, wie ich es nie gesehen. Leise schritt ich auf dem
kiesbelegten Wege vorwärts. Es war alles so still. Kein Blatt bewegte
sich, nichts regte und rührte sich. Es war, als lausche alles. Wie wenn
das Grün die ringsverbreitete Feierlichkeit empfinde und über das uralte
und immer wieder junge Rätsel vom Tod und vom Leben in ein langes und
tiefes Sinnen versunken sei, hing es und lag es da in seiner feuchten,
wunderbaren Schönheit. Ich habe nie so etwas gesehen. Gewaltig mußte es
mich ergreifen, zu sehen, wie der Ort des ernsten Todes und des
Schweigens für immer so süß, so grün, so warm war. Kein Mensch außer mir
ließ sich erblicken. Außer dem Grün und den Grabsteinen war nichts da.
Ich wagte kaum zu atmen in all dieser Lautlosigkeit, und mein Schritt
kam mir frech und unzart vor mitten in all dem heiligen, ernsten und
zarten Schweigen. Unendlich freundlich und lieblich hing das reiche Grün
eines Akazienbaumes über ein Grab herab, bei dem ich stehen blieb. Es
war das Grab meiner Mutter. Da schien alles nun zu flüstern und zu
lispeln, zu reden und zu deuten. Das lebendige Bild der Lieben und der
Verehrten stieg mit seinem Gesicht und mit des Gesichtes edlem Ausdruck
sanft und schleierhaft hinauf aus des grünen, stillen Grabes unfaßbarer
Tiefe. Lange stand ich da. Doch nicht traurig. Auch ich und du, wir, wir
alle kommen einst dahin, wo alles, alles still ist und beschlossen ist
und alles aufhört und alles sich auflösen muß zu einem Schweigen.



Abend


Ich saß in der Wirtsstube zu den drei Tannen still am Tisch wie ein
schweigender, denkender, nachrechnender Händler und stand jetzt auf und
ging hinaus auf die abendliche Straße, wo der Abendzauber mich mit
seinem Dunkel empfing. Das Wirtshaus liegt zart und nah am Waldberg,
über welchem jetzt der Halbmond herrlich leuchtete. Auf der Dorfstraße
war es unsäglich schön. Einige Helligkeit war am Verschwinden, war noch
da, hauchte und schwebte noch da und dort herum. Doch die Sterne
erschienen bereits, zwischen großen, warmen Wolken, am dunkleren und
dunkleren Himmel. Dunkelheit fing mehr und mehr an zu regieren. Die
Leute standen so schön undeutlich da und gingen im Dunkel so schön warm
und sanft dahin. Jemand sagte mir freundlich guten Abend. Es war ein
Mädchen. Ich vermochte in der zaubervollen Dunkelheit rote Wangen und
liebe, helle Augen noch zu unterscheiden. Kinder gingen und spielten
über den weichen Weg. Alles war so still, lautlos, freundlich-nachbarlich,
gut und groß. Ich wünschte, daß die Zeit zwischen Tag und
Nacht, die schöne Zwischenzeit, die liebe, schöne Abendzeit
ewig, ewig andauern möchte. Eine Ewigkeit lang Abend. Weiter
ging ich. Es war mir, als gehe und trete ich im Land der Poesie selber,
so hold und wunderbar kam mir die Welt vor in ihrem zarten Abendmantel.
Über allem lag der Schleier der Zartheit und der Verhaltenheit. Mildes,
dunkles, süßes Bangen hielt Schritt mit mir, ging neben und hinter und
vor mir. Da kam ich über die Brücke. Die großen Wolken sanken hinab in
das stille, fließende Wasser und die Sterne zitterten von unten aus dem
Fluß herauf, als sei die Natur verwandelt und die ganze Welt verzaubert.
Unten und oben, das Vordere und das Zurückgesunkene! Wie trunken von all
der Schönheit marschierte ich weiter, ein Glücklicher, ein Berauschter.
Ich trank am Bild und hing am Bild des Abends. Da war grad das Wirtshaus
zur Brücke, ich ging ohne zu denken hinein, es zog mich so, ich hatte so
das Bedürfnis, kaum wußte ich, was ich tat. Als ich wieder draus
heraustrat, war es völlige Nacht mit völlig-göttlich-schöner Finsternis.
Überall die Lichter nun in den Fenstern. Ich machte, daß ich nach Hause
kam, es war Zeit. Auf dem Heimweg sah ich noch eine Frau mit ihren zwei
kleinen Kindern. Die blonden Locken von dem einen Kind gaben einen
hellen, frohen Schein im dichten Dunkel, und süß war es für mich, wie
mich der Engel mit kindlich-lieber Stimme grüßte. O wie schön ist ein
Gruß aus Kindermund in dunkler Nacht.



An den Bruder


Fast mache ich mir einen Vorwurf, daß ich solch ein Schlenderer,
Herumfeger und Spaziergänger bin, aber es ist hier eine so schöne
Gegend, ein so heiteres, gut aufgeräumtes und ich möchte sagen
gesprächiges Land. Alles ist hell, schön, frei und warm. Land und Leute
scheinen sich gleich unbefangen zu geben. Das Land bietet sich dar wie
ein artiges, liebes, kleines Kind mit Unschuld-Augen und -Fragen, und
mit Unschuld-Farben. Die Farben, mein lieber Maler, sind ein
weitverbreitetes Blau und ein ebenso weit ausgebreitetes helles Grün,
und dazwischen sind Stellen, die blendend weiß sind, und dann kommt
wogendes, duftendes, herzerquickendes Gelb, und das ist das Kornfeld,
durch welches der Wind leise weht. Tag und Nacht, Morgen und Abend sind
unendlich schön, sind ein Schauspiel, so recht zum Satt-Anschauen. Man
wird nie müde, nie satt, nie matt; man ist immer wieder begierig, immer
wieder ungesättigt, immer wieder unbefriedigt. Und doch ist zugleich ein
wundersamer Frieden und ein so schönes, festes, leichtes Genügen in der
Luft. Wenn du spazieren gehst, so gehst du wie in der Luft spazieren und
meinst, du werdest zu einem Teil des blauen Hauches, der über allem
schwebt. Dann regnet es wieder, und alles Gegenständliche ist dann so
naß, feucht und voll süßen Glanzes. Die Leute hier fühlen die Süße und
die Liebe, die in der Natur ist, die in der ganzen lebendigen Welt ist.
Sie stehen angenehm herum, und ihren Bewegungen ist nachzuspüren, daß
sie freie Leute sind. Wenn sie zur täglichen Arbeit gehen, so sieht es
nicht aus wie mürrisches Müssen, sondern wie freisinniges Wollen. Sie
schlendern so, wenn sie gehen und wenn sie etwas verrichten, so brauchen
sie nicht zu hasten, und das bietet ein appetitliches, gesundes Bild
dar. Was macht die Hauptstadt mit ihren heftigen Energien? Meine Energie
ist hübsch schlafen gegangen einstweilen. Ich gehe sehr energisch baden
und träume voller Energie in die blaue Luft hinauf. Ich bin ungemein
energisch im Gehenlassen und Nichtstun. Sie rennen sich doch nur oft die
Köpfe an Mauern wund mit ihrem ewigen Großes-Verrichten-Wollen. Ich, ich
will mich hier wieder recht behaglich zurechtfinden. Ich will gedeihen,
ich will wachsen. Das heißt, Bester: ich will es nicht. So etwas darf
man nicht wollen, sondern man wünscht es, man hofft es bloß, man träumt
davon. Ich bin jetzt sehr oft ganz, ganz gedankenlos, und wie paßt das
zu all der Schönheit, zu all der Freude und zu all der Größe der Natur.
Eine himmelblaue Welle ist über mich gekommen und hat mich unter ihrem
flüssigen, liebevollen Leib begraben. Ich lebe wieder auf, weil ich viel
vergessen habe, ich führe wieder ein Leben, weil ich sehe, daß das Leben
schön ist. Zuweilen ist's mir, als möchte ich die Welt, die ganze Welt
umarmen und ans frohe Herz drücken. Ich schwärme! und ich bin von Herzen
froh, daß ich es noch kann. Ich möchte es nicht verlernen.



  Frauenbund
  zur Ehrung rheinländischer Dichter
  gegründet 3. Juli 1909
  zu Darmstadt

  1914



Einbandzeichnung
von Karl Walser



Der geschäftsführende Vorstand:

  Frau Guido Schoeller, Düren, 1. Vorsitzende
  Frau Geheimrat Prof. Litzmann, Bonn, 2. Vorsitzende
  Frau Prof. Trübner, Karlsruhe, 3. Vorsitzende
  Frau Kom.-Rat Rudolph Schoeller, Düren, Schatzmeisterin
  Frau Emma von Eynern, Düren, stellvertretende Schatzmeisterin
  Frau Elisabeth Schäfer, Vallendar, Schriftführerin


Der erweiterte Vorstand:

  Barmen: Frau Eduard Schulz
  Bensheim: Frau Kommerzienrat Euler
  Bielefeld: Frau Justizrat Ohly
  Bonn: Frau Geheimrat Schultze
  Coblenz: Frau Geh. Kommerzienrat von Oswald
  Coblenz: Frau Regierungsrat Snethlage
  Cöln: Frau Kommerzienrat Louis Hagen
  Cöln: Frau Dr. Richard Schnitzler
  Crefeld: Frau Emil von Beckerath
  Crefeld: Fräulein Margarethe Hermes
  Dortmund: Frau Konsul Robert Hoesch
  Düsseldorf: Fräulein Minna Blanckertz
  Düsseldorf: Frau Prof. Julius Buths
  Düsseldorf: Frau Reg.-Präs. a. D. zur Nedden
  Duisburg: Frau Oberbürgermeister Dr. Jarres
  Elberfeld: Frau Addy Graf
  Frankfurt a. M.: Fräulein Clara Roger
  Hagen: Frau Irma Graeve
  Hamm: Frau Christine Merkel
  Langerwehe: Frau Irma Hasenclever
  Mannheim: Frau Julie Bassermann
  Mannheim: Frau Kommerzienrat Röchling
  Mannheim: Frau Gerta Thorbecke
  Merzig a. d. Saar: Frau Landrat Haniel
  Minden: Frau Regierungsrat Moldehnke
  Mülheim a. d. Ruhr: Frau M. Niebel
  St. Johann-Saarbrücken: Frau Adolf Ehrhardt
  Trier: Frau Prof. Dr. Hermine Hettner
  Uerdingen: Frau Rudolf Wedekind
  Wiesbaden: Frau Dr. H. Stempel
  Worms: Fräulein Anna Reinhart
  Zürich: Frau Dr. Ernst Schwarzenbach


Lesekommission:

  Frau Geheimrat Prof. Litzmann, Bonn, Vorsitzende
  Frau Geheimrat Clemen, Bonn
  Frau Ida Dehmel, Blankenese bei Hamburg
  Ihre Exzellenz Baronin von Heycking, Crossen in Sachsen
  Frau Guido Schoeller, Düren
  Frau Kommerzienrat Rudolph Schoeller, Düren
  Frau Addy Graf, Elberfeld
  Frau Christine Merkel, Hamm i. W.
  Frau Dr. Eulenberg, Kaiserswerth
  Frau Alice Trübner, Karlsruhe
  Frau Elisabeth Schäfer, Vallendar
  Fräulein Thekla Rudorff, Wiesbaden


Rechnungsprüfer:

  Herr Gustav Renker, Düren


Mitgliederliste.


_Aachen_ (21)

  Fräulein Käte v. d. Bank
  Frau Konsul Paula Brockhoff-Hoesch
  Herr Konsul Alfred Brüls
  Frau Otto Croon
  Frau Geheimrat Delius
  Frau Max Erckens
  Frau Fr. v. Halfern
  Frau Polizeipräsident v. Hammacher
  Fräulein Bertha Herren
  Frau Ernst Hirtz
  Frau Honigmann-Kirdorf
  Frl. Anna Honigmann
  Frl. Lili Honigmann
  Frau Geheimrat Kirdorf
  Frau Max Kirdorf-Suermondt
  Frau A. von Luttitz
  Frau Prof. Marwedel
  Frau Berta Peltzer
  Frau Eugen Peltzer
  Frau Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Schmid
  Frau Marita Startz


_Alsfeld_

  Fräulein Elsa Bücking


_Alten-Plathow_ b. Genthin

  Frau Martha v. Treskow


_Altkirch_ (Ober-Elsaß)

  Frl. Elfriede Widemann


_Alzey_ (Rheinpfalz)

  Frau Kreisamtmann Reinhart


_Amöneburg_ b. Biebrich a. Rh.

  Frau Otto Dyckerhoff


_Antwerpen_ (4)

  Frau Anna Davidis
  Frau Paul Karcher
  Frau Richard Rhodius
  Frau Valentin Schoeller


_Baden-Baden_ (3)

  Frau Adele Borchard
  Frau A. Platz
  Frau Karina Scheitlin


_Baden_ (Schweiz) (3)

  Frau Victoire Boveri
  Frau Eric Brown-Moser
  Frau Direktor L. Dotzenheimer


_Bamberg_

  Freifrau Hertha v. Seefried auf Buttenheim


_Barmen_ (31)

  Frau Addy Schulz, M. d. e. V.
  Frau Eduard Braselmann
  Frau Emil Bremme
  Frau Richard Bredt-Schuell
  Frau H. Brüninghaus
  Frau Martha Conradi
  Frau Emil Dierichs
  Frau Alex Erbslöh
  Frau Geh. Kommerzienrat Julius Erbslöh
  Frl. Margreth Erbslöh
  Frau Walter Erbslöh
  Frl. Anna von Eynern
  Frau Gustav Adolf Grote
  Frau Kommerzienrat Theodor Hinsberg
  Frau Grete Jung
  Frau Dr. jur. v. Knapp
  Frau Eugenie Krenzler
  Frau Medizinalrat Dr. Kriege
  Frau C. A. Kruse
  Frau Ernst Molineus
  Frau Carl Neumann
  Frau Anna Platzhoff
  Frau Erna Reber
  Frau Fanny Schmahl
  Frl. Hedwig Schmahl
  Frau Auguste Tilgenkamp
  Frau Cecilie Vorwerk-Blank
  Frau Kommerzienrat Dr. E. Wittenstein
  Frau Dr. Wesenfeld
  Frau Ludwig Weerth
  Frau Albert Wever jun.


_Basel_ (Schweiz) (3)

  Frau Finy Doetsch-Benziger
  Fräulein Gretel Engler
  Frau Otto Röchling


_Benrath_ a. Rh.

  Frau Dr. Rudolf Esch, geb. von Beckerath


_Bensheim_ a. d. Bergstraße (3)

  Frau Kommerzienrat Euler, M. d. e. V.
  Frau Karl Euler
  Frau Marietta Euler


_Berg.-Gladbach_ (4)

  Frau Paula Gibelius
  Frau Auguste Leussen
  Frau Kommerzienrat Zanders
  Frau Hella Zweiffel-Weiler


_Berlin_ (40) Groß-Berlin

  Frau Melinka Luise Aschoff, geb. Krafft
  Frau Henrietta Bagel
  Frau Therese Balke
  Frau Leutnant v. Berghes
  Herr Stadtrat Hans Bergmann
  Fräulein Lili Beerli
  Frau Geheimrat Alice Dombois
  Frau Oberbürgermeister Dominicus
  Frau Dr. M. Dreger
  Frau Konsul P. Gaertner, geb. Knoop
  Frau Patentanwalt Goldberg
  Ihre Exzellenz Frau Martha von Hagens
  Frau Oberleutnant Haniel
  Frau Paul Hamm
  Frau Clara Harkort
  Frau Hauptmann von Heiligenstedt
  Frau Konsul Ernst Hengstenberg
  Frau Mathilde Hengstenberg
  Frau Erna Hergersberg-Storp
  Frau Baurat Herzberg
  Frau Elisabeth v. d. Heydt
  Frau Hela Hoeckner, geb. Miquel
  Frau Regierungsassessor a. D. Gennes
  Frau Elly Keetman
  Frau Ida Knobloch
  Frau M. Koehler
  Frau Baurat Krause
  Frau Helene Krauß
  Frau Elisabeth Lienau
  Frl. Julie Nedelmann
  Frau Dr. Osthoff
  Freifrau v. Palm, geb. v. d. Heydt
  Frau Marta von Pelken
  Frau Bankdirektor Schlitter
  Frau Dr. Schönenberger
  Frau Baronin Paula v. Schorlemer
  Fräulein Maria Storp
  Frau Anna Strauß
  Frau Prof. Uphues
  Frau Geheimrat Dr. Stübben


_Biebrich_ a. Rh.

  Frau Reinhold Lynen


_Bielefeld_ (11)

  Frau Justizrat Ohly, M. d. e. V.
  Frau Margarete Bertelsmann
  Frau Justizrat Bock
  Frau Marta Bozi
  Frau Erich Delius
  Frau Rechtsanwalt Fasbender
  Frau Dr. Groneweg
  Frau Rechtsanwalt Heidsiek
  Fräulein Emilie v. Laer
  Frau Carl Lohmann
  Frau Landgerichtspräsident Waitz


_Bielstein_ (Rheinland) (2)

  Frau Carl Haas
  Frl. Helene Kattwinkel


_Blankenese_ b. Hamburg (2)

  Frau Ida Dehmel
  Frau Bankdirektor Haue


_Bocholt_ b. Remscheid

  Frau Adolf Reygers


_Bochum_ i. Westf. (4)

  Frau Erster Staatsanwalt Dr. Goedicke
  Frau Landrichter Dr. Grundig
  Frau Bankdirektor Mahnert
  Frau Justizrat Dr. Mummenhoff


_Bonn_ (65)

  Frau Geheimrat Prof. B. Litzmann, 2. Vorsitzende
  Frau Geheimrat Schultze, M. d. e. V.
  Frau Geheimrat Prof. Paul Clemen, M. d. L. A.
  Frau General v. Armin
  Frl. Veronika Bouvier
  Frau Brab-Thon
  Frau Prof. Bunge
  Frau Bullrich
  Frau Hedwig Cohen-Bouvier
  Frau Dr. Cords
  Frau Amtsgerichtsrat Daniel
  Frau Oberlandesgerichtsrat Eichacker
  Frau v. d. Elst
  Frau Dr. Enders
  Frau Prof. Dr. Finkelnburg
  Frau Th. Fleitmann
  Frau Dr. Freusberg
  Frau Sophie Gerhardt
  Frau Oberstleutnant v. Gilsa
  Frau Otto Glauert
  Frau Prof. Graff
  Frau Prof. Dr. Carl Grube
  Frau Prof. Grüters
  Frau Franz Guilleaume
  Fräulein Betty Günther
  Frau Geheimrat Hammerschmidt
  Frau Geheimrat Hövermann
  Frau Landgerichtspräsident Junkermann
  Fräulein Ellen Kalthoff
  Frau H. Klamroth
  Frau Geheimrat Krüger
  Frau Prof. A. Landsberg
  Herr Geheimrat Prof. Berthold Litzmann
  Frl. Elisabeth Litzmann
  Fräulein Johanna Marx
  Frau Maria Merckens
  Frau Dr. Möller
  Fräulein Dr. Annemarie Morisse
  Frau Geheimrat von Mosengeil
  Frl. Elisabeth Neubig
  Frau Bauinspektor Oehlmann
  Frau Prof. Pflüger
  Frau Dr. Poensgen
  Frau Liese Price, geb. Prym
  Frau Dr. Paul Prym
  Frau Johanna Poppe
  Frau Dr. Rick
  Frau Prof. Ruhland
  Frau Geheimrat Prof. Rumpf
  Frau Geheimrat Schede
  Frau Dr. Schiedermaier
  Freifrau Marie Schilling v. Cannstadt
  Frau Liese Schmidtbonn
  Frau Direktor Schumm-Walter
  Frau Geh. Kommerzienrat Selve
  Frau Bankdirektor Adele Steinberg
  Frau Geheimrat Steinmann
  Frau J. P. Tonger
  Frau E. Wasserfuhr
  Frau Kommerzienrat Louis Wessel
  Frl. Gudrun Wiedemann
  Frau Margarethe L. Windhorst
  Frau Rechtsanwalt Wassermeyer II.
  Frau Geheimrat Zitelmann
  Frau Konsul Zuntz


_Brebach_ a. d. Saar

  Frau Dr. Baentsch


_Bremen_ (2)

  Frau Erich Fabarius
  Frau E. Schröder


_Breslau_

  Frau Assessor Dr. Osterloh


_Büderich_, Kr. Neuß (2)

  Frau Ilse Oppenheimer
  Frau Dr. Maase


_Coblenz_ (34)

  Frau Geh. Kommerzienrat v. Oswald, M. d. e. V.
  Frau Regierungsrat Snethlage, M. d. e. V.
  Frau Oberregierungsrat Brückner
  Frau Gerichtsrat Devin
  Fräulein Therese Junckerstorff
  Frau Justizrat Gräff
  Frau Prof. Dr. Heidsiek
  Fräulein Maria Hessel
  Frau Generalmusikdirektor Prof. Kes
  Fräulein Auguste Kleist
  Frau Archivrat Knipping
  Frau Syndikus Gustav Köpper
  Frau Maria Kramer
  Frau Dr. Otto Landau
  Frau Sophie Lichtenhahn
  Frau Willy Mayer-Alberti
  Frau Dr. Michel
  Frau Forstmeister Mohr
  Frau Oberregierungsrat Momm
  Frau Regierungsrat Neff
  Frau Beigeordneter P. Prentzel
  Frau Geheimrat Rasch
  Frau Regierungspräsident Scherenberg
  Frau Oberbürgermeister Schueller
  Frau Heide Schröder
  Frau Georg Seligmann
  Frau Kommerzienrat Seligmann
  Frau Geh. Kommerzienrat Spaeter
  Frau Bertha Stock
  Frau Major Tondeur
  Frau Mathilde Voigt
  Fräulein M. Voß
  Frau Major Weckmann
  Frau Dr. Wolf


_Cöln_ (65)

  Frau Kommerzienrat Louis Hagen, M. d. e. V.
  Frau Dr. Richard Schnitzler, M. d. e. V.
  Frau Kommerzienrat Dr. jur. Albert Ahn
  Frau M. Bachem-Sieger
  Frau Carl Th. Deichmann
  Frau Justizrat Eltzbacher
  Fräulein H. Endemann
  Frau Erdensohn
  Frau Geheimrat Esser
  Frau Maria Eul
  Frau Leopold Frank
  Frl. Hella Freusberg
  Frau Oberleutnant Fusban
  Frau Faesy-Hartmann
  Frau Dr. Gaul
  Fräulein Martha Gaul
  Frau Friedrich Grüneberg
  Frau Senatspräsident Günther
  Frau Kommerzienrat Arnold v. Guilleaume
  Frau Hilla Gruenwald
  Frau W. C. Hartmann
  Frau Kommerzienrat Albert Heimann
  Frau Dr. Max Heimann
  Frau Geheimer Sanitätsrat Heimsoeth
  Frau Emil Hellmers
  Frau Hugo Herz
  Frau Kommerzienrat W. Heyer
  Frau Carl v. Joest
  Frau Elisabeth Kessel
  Frau Heinrich Kiel
  Frau Marie Krause
  Frau Kommerzienrat Fritz Langen
  Frau Adolf Leven
  Frau Margarethe Loehmer
  Frau Felix v. Mallinckrodt
  Frau Dr. E. v. Mallinckrodt
  Frau Marguerite Matthis
  Frau Dr. H. C. Merrill
  Fräulein Mathilde von Mevissen
  Fräulein Melanie von Mevissen
  Frau Geheimrat Neven-Du Mont
  Frau August C. W. Nolte
  Frau Dr. med. Nolden
  Frau Emil Oelbermann
  Frau Amtsrichter Dr. Oster
  Frau Carl Peters
  Frau Lina Piel-Weber
  Frau Oberstaatsanwalt Pult
  Frau Geheimrat A. Samelson
  Frau Alfred Schmidt
  Frau Oberregierungsrat Schuch
  Fräulein Mella von Schnitzler
  Frau Geheimrat Robert Schnitzler
  Frau Justizrat Victor Schnitzler
  Frau Carl Theodor Soelling
  Frau Konsul Hch. v. Stein
  Frau Eugenie Steinberg
  Frau Paula Stierstadt
  Frau W. Stühlen
  Frau Paul Stein
  Frau Leonhard Tietz
  Frau Maria Traine
  Frau Georg Friedrich Vowinkel
  Frau Dr. H. Weiler
  Frau Regierungsassessor Woltering


_Crefeld_ (25)

  Frau Emil v. Beckerath, M. d. e. V.
  Fräulein Margarethe Hermes, M. d. e. V.
  Frau Kommerzienrat Hedwig Bayerthal
  Frau Baronin von Boetzelaer
  Fräulein Martha Brüning
  Frau J. Clauß
  Frau Geheimrat Deussen
  Frau Dr. Deuß
  Frau Regierungsrat Dr. Jentges
  Frau Walter Hermes
  Frau Arthur Hertz
  Frau Bernh. Hertz
  Frl. Elisabeth Hoddick
  Frau Eugen Jacobs
  Frau Moritz Jörgens
  Frau Kommerzienrat Leendertz
  Frau Justizrat Mengelberg
  Frau Paul te Neues
  Frau Adele Oppenheimer
  Fräulein Else Peltzer
  Frau Kommerzienrat Scheibler
  Frau Rudolf Schelleckes
  Frau Sanitätsrat Dr. Schneider
  Frau Kommerzienrat Arthur Schroers
  Frl. Hedwig Vielhaber


_Crossen_

  Ihre Exzellenz Baronin von Heycking


_Darmstadt_ (43)

  Frau Justizrat Dr. Bender
  Frau Felix Boute
  Frau Emil Callmann
  Frau Prof. Dr. Dietz
  Ihre Exzellenz Frau Minister Dittmar
  Frl. Annuschka Dittmar
  Fräulein Anna Ethel
  Frau Rittmeister Helene Fenner
  Frau Carl Flinsch
  Frau Geheimrat Marie Haas
  Frau Marta Haniel
  Frau Dr. Maria Happel
  Frau Geh. Forstrat Heinemann
  Ihre Exzellenz Freifrau Max v. Heyl
  Frau Gertrud Hoehn
  Frau Geh. Oberbaurat Hofmann
  Frau Dr. Arthur Human
  Frau Prof. Kißner
  Fräulein Emilie Knorr
  Fräulein Anna Koch
  Frau von Kraemer-Elsterstein
  Frau Sanitätsrat von Maurer
  Frau Legationsrat Dr. Neidhard
  Fräulein Maria Rau
  Frau Kommerzienrat Roeder
  Ihre Exzellenz Frau Staatsminister Rothe
  Herr Buchhändler Ludwig Saeng
  Freifrau Emma Schenk zu Schweinberg
  Frau Dr. Anna Schlapp
  Frau Ferdinand Schmidt
  Frau Hofkonzertmeister Schmidt
  Frau Joseph Schneider
  Frau Major Eugenie Schoerke
  Fräulein Tilla Schröder
  Frau Gottfried Schwab
  Frau Major Selzam
  Frau Kommerzienrat Eugen Trier
  Frl. Maria Valckenberg
  Frau Kabinettssekretär Dr. Wehner
  Frau Baronin B. von Wedekind
  Frau Prof. Dr. Weller
  Freifrau Elsa Laura von Wolzogen
  Frau Landgerichtsdirektor Zimmermann


_Degerloch_ (Württemberg)

  Frau Gretel Pfennig-Eisenlohr


_Deidesheim_ (Pfalz)

  Frau Kommerzienrat Eckel


_Detmold_ (Lippe)

  Frau Franz Krohn


_Dippelshof_ b. Darmstadt

  Frau Oberstleutnant Bullrich


_Dortmund_ (15)

  Frau Robert Hoesch, M. d. e. V.
  Frau Dr. Brunck
  Frau Olga Brügmann
  Frau Dr. jur. Arnold Cremer
  Frau Oberbürgermeister Eichhoff
  Frau Johanna Fränkel
  Frau Konsul Hild
  Frau Konsul Albert Hoesch
  Frau Christel Kirchhoff
  Frau Dr. Overbeck
  Frau Bankdirektor Tegeler
  Frau Pastor Traub
  Frau Henny Tull
  Frau Dr. Wagenknecht
  Frau Ottilie Wortmann


_Dresden_ (3)

  Herr Graf Kuno Hardenberg
  Frau Kommerzienrat Ellen Hoesch
  Herr Dr. med. Eduard Krauß


_Düren_ (67)

  Frau Guido Schoeller, 1. Vorsitzende
  Frau Kommerzienrat Rudolph Schoeller, Schatzmeisterin
  Frau Rudolf v. Eynern, stellvertretende Schatzmeisterin
  Frl. Marthe Apffel
  Frau Felix Banning
  Frau Ernst Benrath
  Fräulein Ide Bernhardt, Oberin
  Frau Gustav Börstinghaus
  Frau Carl Bücklers
  Frau Fritz Busch
  Frau Walter Corty
  Frau Louis Draemann
  Frau Robert Emmel
  Frau Stadtbaurat Faensen
  Frl. Marie Fonrobert
  Frau Else von Gartzen
  Fräulein Helene Gieser
  Frau Chr. Ivo Heimbach
  Frau Bernhard Heyder
  Frau Arthur Hoesch
  Fräulein Laura Hoesch
  Fräulein Maria Hoesch
  Frau Max Hoesch
  Frau Robert Hoesch
  Frau Walter Hoesch
  Frl. Johanna Itzenplitz
  Frau Paul Kappler
  Frau Landrat Kesselkaul
  Frau Oberbürgermeister Klotz
  Frau Karl Krafft
  Frau Leopold Krafft
  Frau Dr. Toni Littaur
  Frau Carl Münch
  Frl. Hedwig Niemeyer
  Frau Leopold Peill jr.
  Frau Felix Peltzer
  Frau Gustav Renker
  Frau Richard Rhodius
  Frau Fritz Schleicher
  Frau Otto Schleicher
  Frau Albert Schoeller
  Frau Alfred Schoeller
  Frau Arno Schoeller
  Frau Geh. Kommerzienrat Arnold Schoeller
  Frau Caesar Schoeller
  Frau Carl Schoeller
  Frau Kommerzienrat Heinrich Schoeller
  Frl. Helene Schoeller
  Frau Hermann Schoeller
  Frau Leo Schoeller
  Frau Dr. Max Schoeller
  Frau Paul Schoeller
  Frau Philipp Schoeller
  Frau Viktor Schoeller
  Frau Oberlandesgerichtsrat Walter Schoeller
  Frau Sanitätsrat Dr. Schreiber
  Frau Cäsar Schüll
  Frau Felix Schüll
  Frau Gustav Schüll
  Frau Richard Schüll
  Frau Walter Schüll
  Frau Christel Schumacher
  Frl. Luise Schürmann
  Frau Notar Sendler
  Frau C. H. Seybold
  Frau Emil Wergifosse
  Frau Maria Wingerath


_Düsseldorf_ (66)

  Frl. Minna Blanckertz, M. d. e. V.
  Frau Prof. Julius Buths, M. d. e. V.
  Frau Präsident zur Nedden, M. d. e. V.
  Frau Geheimrat August Bagel
  Frau Fritz Bagel
  Fräulein Adele Baum
  Frau Bergrat Behrens
  Frau von Berghes
  Frau Elisabeth Blanckertz
  Frau Auguste Bölling
  Frau Direktor Callsen
  Frau Major Courth
  Frau Ellen Cramer
  Frau Ernst Cramer
  Frau Franz Dauter
  Frau Baronin v. Diergardt
  Frau Achille Dreher
  Frau Paul Eichwald
  Frau Alfred Flechtheim
  Frau Emil Flechtheim
  Frau Anka von Gahlen
  Frau Wwe. Hugo von Gahlen
  Frau Isabella Gilles
  Frau Paul Grolmann
  Frau August Günther
  Frl. Ottilie Günther
  Frau Geheimrat Franz Haniel
  Frau Dr. Höchst
  Frau Prof. Dr. A. Hoffmann
  Frau Richard Heimendahl
  Frau Geheimrat Dr. Josephson
  Frau Hedwig Kneist
  Frau Oberregierungsrat Koenigs
  Frau Ella Kohlschein
  Frau Albert Krauß
  Frau Carl Krauß
  Frau Prof. Dr. Kraeger
  Frau Regierungspräsident Kruse
  Frau Oberlandgerichtsrat Landau
  Frau Melinka v. Mauntz
  Fräulein Berta Niebel
  Frau Fritz Niebel
  Frau Elsa Nörrenberg
  Frau Prof. Georges Oeder
  Frau Johanne Pape
  Frau Dr. Albert Poensgen
  Frl. Marta Poensgen
  Frau Rechtsanwalt Presser
  Rheinischer Frauenklub
  Frau Henny Reusing
  Frau Friedrich Scheven
  Fräulein Ida Scheven
  Frau Prof. Schill
  Frl. Henriette Schmidt
  Frau Dr. M. Schmidt-Salzer
  Frau Valesca Schmitz
  Frau Kommerzienrat Schmitz-Scholl
  Frau Else Sohn
  Freifrau Else v. Steinaecker
  Fräulein Adele Stichweh
  Frau Alexander Thielen
  Fräulein Emmy Vollrath
  Frau Hella Werner
  Frau Toni Weygand
  Frau Regierungsrat Wilke
  Frau Hermann Wuppermann


_Duisburg_ (11)

  Frau Oberbürgermeister Dr. Jarres, M. d. e. V.
  Frau Dr. Altland
  Frau S. Epstein
  Frau M. Esch-Hoerle
  Frau Direktor Filius
  Frau Pfarrer Haun
  Frau Hermann Kahmen
  Frau Kommerzienrat Lehnkering
  Frau Richard Liebrecht
  Frau Regierungsrat Mally Meiweg
  Frau Amtsrichter Dr. Siebel


_Egmond-Hoef_ (N.-Holland)

  Frau Luise van den Arend


_Ehrenbreitstein_ b. Coblenz

  Fräulein Alice Warder-Gunning


_Elberfeld_ (59)

  Frau Addy Graf, geb. Keetman, M. d. e. V.
  Frau Gustav Baum
  Frau Geheimrat Fritz Bayer
  Frau Rechtsanwalt Beitzke
  Frau Eugen Blank
  Frau Adolf Boeddinghaus
  Frau Paul Boeddinghaus sen.
  Frau Konsul Paul Boeddinghaus
  Frau Wilhelm Boeddinghaus
  Frau Geh. Regierungsrat v. Boettinger
  Frau Carl Duncklenberg
  Frau Kommerzienrat Adolf Eisfeller
  Frau Konsul Werner Esser
  Frau Grete Feist
  Frau Kommerzienrat Adolf Friderichs
  Frau Dr. jur. Abraham Frowein
  Frl. Elisabeth Frowein
  Frau Eduard Gebhard
  Herr Klaus Gebhard
  Frau Max Gebhard
  Fräulein Grete Graf
  Frau Auguste Grafe
  Frau Dr. Grafe
  Frau Beigeordnete Holz
  Frau Kurt Isserstedt
  Frau Geh. Kommerzienrat August Jung
  Frau Alfred Keetman
  Frau Geheimrat August Keetman
  Frau Justizrat Else Köhler-Dieck
  Frau C. D. Kost
  Frau Paul Kost
  Frau Direktor M. Lipp
  Frau Paula Maurer
  Frau Dr. Merkel
  Frau Paul Meyer
  Fräulein Selma Möller
  Frau Carl Neuhaus-Wichelhaus
  Frau Alexander Neuhaus
  Frau Alma Petersen
  Frau Elisabeth Plange
  Frau Fritz Reimann
  Frau Anna Frieda Scheffner
  Frau Rudolf Schlieper
  Frau Dr. R. Schmidt
  Frl. Gerda Schniewind
  Frau Julius Schniewind
  Frl. Lili Schniewind
  Frau Willy Schniewind
  Frau Lili Seyd
  Frau Hermann Seyd
  Frau Adolf Simons
  Frau Anna Springmann
  Frau August de Weerth
  Frl. Johanna de Weerth
  Frau Margarete de Weerth
  Frau Dr. Robert Wichelhaus
  Frau Willy Wolff-Schniewind
  Frau Direktor Wollstein
  Frau Arthur Wolff


_Emmerich_

  Frau Max Ostermayer


_Ems_ (Bad) (4)

  Frau Dr. Baur
  Frau Dr. M. Koch
  Frau Sanitätsrat Helma Reuter
  Frau Franz Schmidt jr.


_Erbach_

  Frau Kreisrat Starck


_Erfurt_

  Fräulein Margarete Bach


_Esens_ (Ostfriesland)

  Frau Dr. Dietrich Johannsen


_Essen_ (Ruhr) (12)

  Freifrau von Bodenhausen-Degener
  Frau Anna Goldschmidt
  Fräulein A. Harbig
  Frau Finanzrat Haux
  Fräulein Sacha Homann
  Frau Baurat Hueter
  Frau Hanna Lechner
  Frau Anna Metzendorf
  Frau Direktor Rosendahl
  Frau Luise Reuter, geb. Schulz
  Frau Richard Seiffert
  Frau Eugen von Waldthausen


_Eßlingen_ a. Neckar (Württemb.) (2)

  Frau Prof. Dr. Pfleiderer
  Fräulein Paula Seitz


_Eupen_ (2)

  Frau Arthur Peters
  Fräulein Julie Tonnar


_Euskirchen_

  Frau Josef Lückerath


_Frankenthal_ (Pfalz)

  Frau Senatspräsident Baum


_Frankfurt_ a. M. (41)

  Fräulein Clara Roger, M. d. e. V.
  Fräulein Hedwig Banner
  Frau Pfarrer Basse
  Frau Baronin von Bethmann
  Frau Lise Davidis
  Frau Justizrat Dr. Alexander Dietz
  Frau Karl Dietze
  Fräulein Johanna Ficus
  Frau Otto Fiedler-Kalb
  Frau von Flotow
  Fräulein Martha Glück
  Frau Mally Goltermann
  Frau Dr. Goldschmidt
  Frl. Mathilde Heerdt
  Frau Olga Hirsch
  Fräulein Thesy Humser
  Fräulein Marie Jäger-Manskopf
  Frau Direktor Kalb
  Frl. Rose Livingston
  Frau Dr. Lübbecke
  Frau W. Merton, geb. Oswald
  Frau Moritz v. Metzler
  Frau Marie Paquet-Steinhausen
  Frau Dr. med. Karl Propping
  Frau Senatspräsident Quinke
  Frau Max vom Rath
  Frau Dr. Elsa Richarz
  Frau L. de Ridder
  Frau Dr. Roediger
  Frau Direktor Roger
  Frau Landrichter Carl Heinrich Roger
  Frl. Betty Salomon
  Frau Auguste Schiele
  Fräulein Anna Schiele
  Frau Clara Schiele
  Frau Prof. Schreyer
  Frau Dr. Steinbrenk
  Frau Direktor A. Ullmann
  Frau Arthur v. Weinberg
  Frau M. Wendt
  Fräulein Emma Wilhelmi


_Freiburg_ i. Breisgau (3)

  Frau Carola Bassermann
  Frau Dr. Markwalder
  Freiin von Wittenhorst-Sonsfeld


_Freudenstadt_ im Schwarzwald (Württemberg)

  Frau Amtsrichter Jetter


_Friedrichshafen_

  Frau Direktor Colsman


_Gaienhofen_ a. Bodensee (3)

  Herr cand. phil. Karl Aretz
  Frau Dr. Ludwig Finckh
  Herr Dr. Hans Limbach


_Gelsenkirchen_

  Frau Bertha Bischof-Binkelmann


_Gießen_ (3)

  Frau Geh. Kommerzienrat Heichelheim
  Frau Dr. Ploch
  Frau Prof. Zoeppritz


_Godesberg_ (4)

  Frau Bächer-Imhäusser
  Frl. Johanna Cappell
  Frau Johanna Kutter
  Frau Oberstleutnant Krause


_Göttingen_

  Frau Geheimrat Prof. Hirsch


_Groß-Marannen_ b. Wartenburg (Ostpr.)

  Frau v. d. Groeben, geb. von Carstanjen


_Grünberg_ (Schles.)

  Frau M. Junghan, geb. Haniel


_Grünwiese_ i. Ostpr.

  Frau Gina v. Simpson, geb. v. Fabrice


_Gummersbach_

  Frau Ingenieur Müller-Thiel


_Hagen_ (19)

  Frau Irma Graeve, M. d. e. V.
  Frau Wilh. Altenloh jr.
  Frau Assessor v. Basse
  Frau Ernst Bechem
  Frau Rudolf Bechem
  Frau L. Fischer-Eckert
  Frau Kurt Gerstein
  Fräulein Hedwig Graeve
  Frau Emil Hoesch
  Frau G. Ad. Kerckhoff
  Frau Regierungsassessor Killing
  Frau Margot Kinkel
  Frau H. J. Köppern
  Fräulein Luise Köppern
  Fräulein Grete Kuhbier
  Frau Anna Lohmann
  Frl. Frieda Lohmann
  Frl. Lotte Scheurmann
  Frau Rudolf Springmann


_Hamburg_ (6)

  Frau Adolf Bartning
  Frau Carl Günther
  Frau Adele Milan-Doré
  Frau Direktor Rosenstiel
  Frau Dr. Stubmann
  Frau Dr. Wentzel


_Hamm_ i. Westf. (6)

  Frau Christine Merkel, M. d. e. V.
  Frau Rechtsanwalt Dr. Reinhild Eick
  Frau Oberlandesgerichtsrat Freymuth
  Frau Oberlandesgerichtsrat Dr. Grünebaum
  Frau Dr. med. Loehnberg
  Fräulein Trudel Merkel


_Harburg_ a. Elbe

  Fräulein Ida Eger


_Heidelberg_ (5)

  Frau Generalleutnant Marie Bendemann
  Frau Dr. Deetjen
  Frau Sanitätsrat Lange
  Frau H. Merton
  Frau Mathilde Reis


_Heidersdorf_, Kr. Nimptsch (Schles.)

  Frau Rittergutsbesitzer von Reisner


_Hirschhorn_ a. Neckar

  Frau Lina Derscheidt


_Hockenheim_ (Baden)

  Frau Lina Piazolo


_Hofheim_ i. Taunus (2)

  Freifrau Blanche von Fabrice
  Frl. O. W. Roederstein


_Hof-Schwalbach_ (Taunus)

  Frl. Sophie Lindheimer


_Homburg_ v. d. Höhe

  Frau Dr. Miquel


_Horchheim_ b. Coblenz (2)

  Frl. Luise von Davidson
  Frl. Irmgard Raffauf


_Horchheim_ b. Worms

  Frl. Elisabeth Walter


_Hügel_ (Rheinprov.)

  Frau Krupp von Bohlen und Halbach


_Iserlohn_ (2)

  Frau Kommerzienrat Otto Auer
  Frau Artur Springorum


_Itzehoe_ i. Holstein

  Frau Felicitas König


_Jena_

  Frau Geh. Oberfinanzrat Fuchs


_Jülich_ (Rheinld.) (3)

  Frau Maria Brügman
  Frau Wilh. Voswinkel, geb. Schüll
  Frau Geh. Oberregierungsrat und Landrat Dr. Vüllers


_Kaiserslautern_ i. Pfalz (5)

  Frau Prof. Eduard Brill
  Frau Marianne Kieffer
  Fräulein Emma Merkel
  Frau Dr. E. Münch
  Fräulein Bertha Reinhart


_Kaiserswerth_ a. Rhein

  Frau Dr. Herbert Eulenberg


_Karlsruhe_ i. Baden (11)

  Frau Prof. Alice Trübner, 3. Vorsitzende
  Frl. Johanna Bartning
  Frau Blankenhorn
  Ihre Exzellenz Frau Minister Böhm
  Frau Baurat Else Fuchs
  Frau Geheimrat Lacher
  Freiin von Marschall
  Frau Generaloberarzt Oertel
  Frau Prof. Georg Schreyögg
  Fräulein Agathe Thoma
  Fräulein Anna Wacker, Hauptlehrerin


_Kassel_-Wilhelmshöhe

  Frau Anna Merkel


_Kilchberg_ b. Zürich (2)

  Frau Arnold Schwarzenbach-Fürst
  Frau Maria Steiger-Kirchhofer


_Kirchen_ a. d. Sieg (2)

  Frau Dr. Sonnenberg
  Frau Dr. Carl Sager


_Kirn_ a. d. Nahe

  Frau Philipp Andres


_Klockow_ b. Friedland (Mecklenburg)

  Fräulein von Enckevort


_Königsberg_

  Frau Generalleutnant Brodrück


_Königswinter_ a. Rh.

  Frau Dr. Ernst v. Eynern


_Konstanz_ a. Bodensee

  Frau Geh. Oberbergrat Honsell


_Kreuznach_

  Frau Dr. Bartenstein


_Lambrecht_ (Rheinpfalz)

  Fräulein Jula Obermaier


_Landau_ (Pfalz)

  Frau Hauptmann Buch


_Landonvillers_ i. Lothringen

  Frau Geheimrat von Haniel


_Landshut_ (Schlesien)

  Frau Landrat Else Moritz


_Langenberg_ (3)

  Fräulein Leni Colsman
  Frl. Thilde Colsman
  Frau G. Conze jr.


_Langerfeld_ (Kreis Schwelm)

  Frau Erna Reber


_Langerwehe_ b. Düren (2)

  Frau Irma Hasenclever, M. d. e. V.
  Frau Richard Schleicher


_Leipzig_ (7)

  Frau Else Dürr
  Frau Gertrud Dumstrey-Freytag
  Frau Cläre Kirstein
  Herr Geh. Hofrat Martersteig
  Frau Lucy Neugaß
  Frl. Marie Reinicke
  Frau Elisabeth Wolff


_Leverkusen_ b. Mülheim a. Rh.

  Frau Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Duisburg


_Liegnitz_ (Schlesien)

  Frl. Irmgard Negenborn


_Livorno_

  Frau Emilie Holler


_Lodz_ (Russ.-Polen) (5)

  Frau Margot Fuhrmann
  Frau Theodor Hüffer
  Frau Martha Schulz
  Frau Elfriede Schwartzschultz
  Frau Dr. Wörnle


_Ludwigsburg_ b. Stuttgart

  Frau Elisabeth Lichtenberg


_Magdeburg_

  Frau Irmgard von Gilsa, geb. von Daum


_Mainz_ (9)

  Frau Geheimrat Anna Bamberger
  Frau Dr. Robert Braden
  Frau Landgerichtsrat Eller
  Frau Oberbürgermeister Dr. Göttelmann
  Frau Dr. Knauer, geb. Ostmann
  Frau Justizrat Dr. Lichter-Northmann
  Frau Isabella Metzke
  Frau Geh. Medizinalrat Dr. Reisinger
  Fräulein A. Strauß


_Mannheim_ (36)

  Frau Julie Bassermann, M. d. e. V.
  Frau Kommerzienrat Bertha Röchling, M. d. e. V.
  Frau Gerta Thorbecke, geb. Schüll, M. d. e. V.
  Frau Dr. Elisabeth Altmann-Gottheiner
  Frl. Margarethe Bassermann
  Fräulein Luise Bender
  Frau Alice Bensheimer
  Frau Fanny Boehringer
  Frau Dr. Bohn
  Frau Prof. René Bohn
  Frau Julia Boveri-Lindley
  Frau Helene Clemm
  Frau Lili Clemm
  Frau Kommerzienrat Engelhorn
  Frau Otto Jörger
  Frau Dr. Haas
  Frau Wilhelmine Hirschhorn-Enthoven
  Frau Gustav Hohenemser
  Frl. Marie Kesselbach
  Frau Geheimrat Carl Ladenburg
  Frau Eduard Ladenburg
  Frau Dr. Richard Ladenburg
  Frau Rechtsanwalt A. Lindeck
  Frau Kommerzienrat Emil Mayer
  Frau Hermann Mayer
  Frau Dora Mohr
  Frau Helene Röchling
  Frau von Roon, geb. Bassermann
  Frau Prof. Schott
  Frau Dr. Otto Seiler
  Frau Dr. Simon
  Frau Konsul Simon
  Frau Kommerzienrat L. Stinnes
  Frau Julius Thorbecke
  Frau Maria Trumpp-Stahl
  Frau W. Vögele


_Mehlem_ a. Rhein

  Frau Direktor Leister


_Meiningen_ (Thür.)

  Frau Lisbeth Lücke


_Merseburg_

  Freifrau von Wilmowski, geb. Krupp


_Merzig_ (Saar)

  Frau Landrat Haniel, M. d. e. V.


_Mettlach_ (3)

  Frau von Boch
  Frau Luitwin von Boch
  Frau Roger von Boch


_Metz_ (Lothringen) (2)

  Frau Hauptmann Hethey
  Frau Elfriede v. Wurmb


_Mexico_ (D. F. mexicana)

  Frau Cornelie Iwersen


_Michelstadt_ im Odenwald (2)

  Frau Kommerzienrat Arzt
  Frau Mathilde Arzt


_Minden_ i. W. (4)

  Frau Regierungsrat Moldehnke, M. d. e. V.
  Frau Hauptmann Bunge
  Frau Kommerzienrat Robert Noll
  Frau Dr. C. Wolbrecht


_Montabaur_

  Freifrau Marschall von Bieberstein


_Montjoie_ (2)

  Fräulein Irma Scheibler
  Herr Siegfried Scheibler


_Müddersheim_ b. Düren

  Frau Carl Bessenich


_Mülheim_ a. Rhein (2)

  Frau Kommerzienrat Charlier
  Frau Gustav Martin


_Mülheim_ a. d. Ruhr (7)

  Frau M. Niebel, M. d. e. V.
  Frau Ernst Coupienne
  Frau Carl Itzenplitz
  Frau Dr. Neumann
  Frau Reichsbankdirektor Schmid
  Frau Kommerzienrat Desy Stinnes
  Frau Hugo Stinnes-Coupienne


_München_ (13)

  Fräulein Clara Baur
  Frau Architekt Otto Baur
  Frau Dr. Fritz Callmann
  Frau Julie Dressel
  Frau Elsa Frankl
  Frau Emmy Frommel
  Fräulein Jeffery
  Fräulein Maria Laumen
  Frau Hermann Lohse
  Frau Else Papp
  Frau Dr. Benno Rüttenauer
  Frau Oberstabsarzt Schoenwerth
  Frau Geh. Oberbaurat Schmick


_München-Gladbach_

  Frau Generaldirektor Haus


_Münster_ i. W. (4)

  Freifrau Dolores von Brockdorff
  Frau Olga Flechtheim-Faber
  Frau Hanna Lohmann
  Frau Justizrat Salzmann


_Nagelshausen_ b. Konstanz (Schweiz)

  Frau Rittmeister Meyer-Wolde


_Nauheim_ (Bad)

  Frau Medizinalrat Dr. Groedel


_Naumburg_ a. d. Saale

  Frl. Margarethe Bach


_Neuenahr_ (Bad)

  Frau B. Elsner


_Neumünster_

  Frau Oberst Annie von Rode


_Neustadt_ a. d. Haardt (4)

  Frau Justizrat Clundt
  Frau Anna Daqué, geb. Abresch
  Frau Katharina Knoeckel
  Frau Kommerzienrat Witter


_Neuwied_

  Frau Julius Remy


_Nordrach_ (Bad i. Schwarzwald)

  Frau Dr. Schmidt


_Oberhausen_ (Rhld.)

  Frau Dr. Ernst Holzrichter


_Oberlahnstein_ b. Coblenz (2)

  Frau Bankier Lydia Herz
  Fräulein Ida Lessing


_Offenbach_ a. Main

  Frau Kommerzienrat Adda Aßmann


_Opladen_ b. Cöln (2)

  Frau Direktor Metzen
  Frau Max Roemer


_Oppenheim_ a. Rh.

  Frau Oberbürgermeister Schmidt


_Osnabrück_ (5)

  Frau Hauptmann Barnstedt
  Frau Felix Schoeller sen.
  Frau Felix Schoeller jr.
  Frau Gerhard Schoeller
  Frau Lothar Schoeller


_Otjariva_ (Süd-West-Afrika)

  Frau Irmgard Gärtner


_Perleberg_

  Frau Maria von Hahn


_Petersburg_ (Rußland)

  Frau Gösta Nobel


_Pforzheim_

  Frau Amtmann Kohlmeier


_Potsdam_

  Frau Gräfin von Soden


_Poulheim_ b. Cöln

  Frau Werner Pagenstecher


_Pützchen_ (Kreis Bonn) (3)

  Fräulein Carla Gehrds
  Frau Berta Peipers
  Frau Dr. Else Wildenrath


_Rastenburg_ (Ostpreußen) (2)

  Frau Oberstleutnant Snethlage
  Frau Amela Unger


_Remscheid_ (13)

  Frau Lise von Berg
  Frau Heinrich Böker
  Frau Moritz Böker
  Frau Beigeordneter Dr. Eckert
  Frau Gustav Engels
  Frau Max Engels
  Frau Hugo Felde
  Frau Bernhard Hasenclever
  Frau Alfred Hilger
  Frau Gustav Hilger
  Frau Karl Krumm
  Frau Paul Mannesmann
  Frau Dr. Oertgen


_Reutlingen_ (2)

  Frau Hofrat Finckh
  Frau Cornelie Goltermann


_Rheydt_ (4)

  Frau Dr. Koch
  Fräulein Maria Lenssen
  Frau Dr. Carl Meyer
  Frau Niemöller, geb. Goeters


_Rhöndorf_ a. Rh.

  Frau Helene Klemme


_Rockenhausen_ (Pfalz)

  Fräulein Mathilde Lotz


_Rom_ (Italien)

  Frau Minna v. Fleischl-Schwarzenbach


_Saarbrücken_ und _St. Johann_ (15)

  Frau Adolf Ehrhardt, M. d. e. V.
  Frau Bankier Braun
  Frau Erster Staatsanwalt Daniels
  Frau Maria Deeß-Ott
  Frau Anna Ehrhardt
  Frl. Marie von Gustedt
  Fräulein Else Hahne
  Frau Ernst Heckel
  Frau Kommerzienrat Karcher
  Frau Sanitätsrat Keßler
  Frau Bankdirektor Lazard jr.
  Frau Rechtsanwalt Dr. Leibl
  Frau Chiara Röchling
  Frau Regierungsbaumeister Student
  Frau Kom.-Rat Generaldirektor Weisdorff


_Saarburg_ i. Lothr.

  Frau Rittmeister Auler


_St. Moritz-Dorf_ (Engadin)

  Frau Adolf G. H. Angst


_Schäßburg-Segesvar_ (Ungarn)

  Herr Rechtsanwalt Dr. Leicht


_Schlebusch_ b. Cöln

  Frau Aenne Merkel


_Schotten_, Kreisamt (Oberhessen)

  Frau Kreisrat Kranzbühler


Rittergut _Schwarzhof_ (Livland)

  Frau Baronin Alice von Brasch


_Groß-Schwarzlosen_ i. d. Altmark

  Frau Direktor Rigmor Meyer


_Siegen_ (7)

  Fräulein Emilie Ax
  Fräulein Elisabeth Gontermann
  Frau Walter Gontermann, geb. Henckels
  Frau Ludwig Koch
  Frau Ernst Reichwald
  Frl. Melly Seyberth
  Frau Frieda Spannagel, geb. Delius


_Singen_ a. Hohentwiel

  Frau Dr. Huck


_Sinn_ (Hessen-Nassau)

  Frl. Maria Treupel


_Sljetina_ b. Sarajevo

  Frau Forstverwalter Dr. Lotte Fröhlich


_Solingen_ (4)

  Frau Sophie Coppel
  Frau Ernst Henckels
  Frau Paul Kind
  Frau Berta Liesendahl


_Steinförde_ (Celle)

  Frau Bergwerksdirektor Käte Ficus


_Stettin_ (3)

  Frau Dr. Cläre Ackerknecht
  Frau Oberlandesgerichtsrat Dr. Hanau
  Frau Margarete Kuck


_Stolberg_ (4)

  Frau Adolf Bastin
  Frau Ida Brandt
  Frau Hermine Prym
  Frau Susanne Schippau


_Stralsund_

  Frau Regierungsassessor Dr. Banke


_Straßburg_ i. Els. (4)

  Frau Geheimrat Dr. Fehling
  Frau Martin Schoeller
  Frau Prof. Franz Schultz
  Frau Stabsarzt Dr. Todt


_Stuttgart_ (8)

  Frau Prof. Martin Elsaesser
  Frau Ingeborg Kes von der Marken
  Frau Dr. H. Kessel
  Frau Dr. phil. Gertrud Pfeilsticker
  Frau Käte Schaller-Haerlin
  Frau Max Th. Schaller
  Frau Medizinalrat Dr. Schleicher
  Frau Prof. Robert Weise


_Haus Tanneck_ b. Elsdorf

  Frau Komm.-Rat Fritz Langen


_Trier_ (6)

  Frau Professor Hettner, M. d. e. V.
  Frau Oberbürgermeister von Bruchhausen
  Frau Oberstleutnant Hartung
  Frau Kommerzienrat Wilh. Rautenstrauch
  Frau Oberförster Wenzel, geb. Hoesch
  Frau Präsident Wette


_Troisdorf_

  Frau Ludwig Mannstaedt


_Tübingen_ (2)

  Frau Elisabeth Lang
  Frau Prof. Scheel


_Uerdingen_ (Niederrh.) (4)

  Frau Rudolf Wedekind, M. d. e. V.
  Frau Leo Mauritz
  Frau Geheimrat Dr. E. ter Meer
  Frau Dr. H. Müller


_Ulm_ a. d. Donau

  Frau Dr. Friedrich E. Mouths


_Vallendar_ (Rheinland) (3)

  Frau Elisabeth Schäfer, Schriftführerin
  Frau Friedrich Arntz
  Herr Wilhelm Schäfer


_Vlotho_ i. W. (3)

  Frau Notar Adriani
  Frau Paul Saatmann
  Frau Paul Tintelnot


_Vohwinkel_ b. Elberfeld

  Frau Hermann Wülfing


_Wachenheim_ (Rheinpfalz)

  Frau Hildegard Kuhn


_Wahrburg_ b. Stendal

  Freifrau von Nordeck


_Schloß Walburg_ (Unterelsaß)

  Frau Richard Haniel, geb. von Levetzow


_Waldbroel_ b. Cöln

  Frau Landrat Gerdes


_Wallerfangen_ bei Saarlouis (2)

  Frau Hauptmann Bunge
  Frau René von Boch-Galhau


_Weilburg_ a. d. Lahn

  Frau Kommerzienrat Rudolf Herz


_Weimar_

  Freifrau Oberst v. Lepel


_Weinheim_ (2)

  Frau Henny von Arndt
  Frau Regierungsassessor Pfisterer


_Weinsheim_ b. Worms

  Frau Toni Rücker


_Werdohl_ i. Westf. (2)

  Frau Constanze Colsman
  Frau Adolf Schlesinger


_Wesel_

  Frau Major Castendyk


_Westerburg_

  Frau Landrat Abicht


_Wetter_ a. d. Ruhr

  Frau Hermann Harkort


_Wetzlar_

  Frau Staatsarchivrat Else Richter


_Wiesbaden_ (14)

  Frau Dr. Stempel, M. d. e. V.
  Frau Kommerzienrat Albert
  Frau von Auer-Herrenkirchen
  Frau Ida Haniel
  Frau Otto Henkell
  Frau Ernst Henckels
  Frau Martha Heymons
  Frau Elly Leykauff
  Fräulein Helene Mencke
  Frau Linnie Rappolt-Fischer
  Fräulein Ila Rudorff
  Fräulein Thekla Rudorff
  Frau Justizrat Siebert
  Frau Dr. Weise


_Winsen_ a. d. Luhe

  Frau Landrat Elly Ecker


_Woinowitz_ (Kreis Ratibor)

  Frau Anna von Banck, geb. Haniel


_Worms_ (25)

  Fräulein Anna Reinhart, M. d. e. V.
  Frau Dr. Armknecht
  Frau Joh. Bockmann
  Frau Ellen Enzinger
  Frau Franziska Doerr
  Frau Dr. med. Fritz Gernsheim
  Frau Emanuel Gernsheim
  Frau Sally Gernsheim
  Frau Julius Goldschmidt sen.
  Ihre Exzellenz Freifrau v. Heyl zu Herrnsheim
  Frau Elvira Hüttenbach
  Frau Henny Kahn
  Frau Max Levy
  Fräulein Grete Loesch
  Frau Ludwig Lohnstein
  Frau Lotta Losekamm
  Frau Marie Matthäi
  Frau Dr. Mäurer
  Frau Marie Michel
  Frau Paula Reinhart
  Frau Direktor Schaum
  Fräulein Anna Schulz
  Frau Theodor Stern
  Fräulein Elisabeth Valckenberg
  Frau A. Zemsch


_Zabrze_ (Schlesien)

  Frau Generaldirektor Kommerzienrat Hochgesand


_Zürich_ (14)

  Frau Dr. Ernst Schwarzenbach, M. d. e. V.
  Frau Carola Escher-Prince
  Frau Carl Fehr
  Frau Marie Frick
  Frau Koch-Jagenberg
  Frau Prof. v. Monakow
  Frau Kurt Schäffer
  Frau Dr. Cäsar Schoeller
  Frau Emma Sebes-Baumann
  Frau Prof. Sieveking
  Frau Therese Thomann
  Frau Gertrud Veraguth-Keyser
  Frau Oberst Ulrich
  Frau Zuppinger-Eisentraut


  Gedruckt im Herbst 1914 von
  Oscar Brandstetter, Leipzig



  [ Im folgenden werden alle geänderten Textzeilen angeführt, wobei
    jeweils zuerst die Zeile wie im Original, danach die geänderte Zeile
    steht.

  mir, aus all der sonnigen Meeres- und Himmelshelligheit herab, zwei
  mir, aus all der sonnigen Meeres- und Himmelshelligkeit herab, zwei

  Die Insel.
  Die Insel

  war tapfer, war, als er das tat, höchst liebenswürdig, denn er tat es
  war tapfer; war, als er das tat, höchst liebenswürdig, denn er tat es

  durch alle Straßen, überdies war gerade, in dieser schönen Nacht
  durch alle Straßen, überdies war gerade in dieser schönen Nacht

  ich mir, in einen dunklen, grünen Wald. in ein rechtes Kircheninneres
  ich mir, in einen dunklen, grünen Wald, in ein rechtes Kircheninneres

  _Coblenz_ (35)
  _Coblenz_ (34)

  _Düsseldorf_ (67)
  _Düsseldorf_ (66)

  _Gießen_ (4)
  _Gießen_ (3)

  _Lodz_ (Russ.-Polen) (4)
  _Lodz_ (Russ.-Polen) (5)

  _Trier_
  _Trier_ (6)

  ]





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