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Title: Verkettung - Gedichte Author: Gumpert, Martin Language: German As this book started as an ASCII text book there are no pictures available. *** Start of this LibraryBlog Digital Book "Verkettung - Gedichte" *** Verkettung Gedichte von Martin Gumpert Leipzig Kurt Wolff Verlag 1917 Gedruckt bei E. Haberland in Leipzig-R. Januar 1917 als achtunddreißigster Band der Bücherei »Der jüngste Tag« Die Gedichte sind 1914--16 entstanden, sie gehören meinen toten Freunden Nicht mehr will ich den Tag vertrinken Unter allen der abseits Weinende sein, Wortlos und müde hinauszusinken Die Arme empor des Nachts zwischen Kissen zu schrein. Oder in Straßenbahnen voller Gesichter Plötzlich hochrot und in Tränen Erwachter zu stehn Um dann erfüllt, doch bezwungen vom Spruche der Richter Flackerndes Feuer geduckt zu vergehn. Heute begriff ich die jammernden Stunden des Knaben, Flehend, bei Spielen der andern mitjubeln zu können, Nicht immer nach Wildheit der Lechzende sein, erschüttert von Gaben, Die sich unzeigbar verschenken und selten zu nennen. Harte Schwielen wünscht ich mir in die Hände Oder auf Bäumen zu sitzen und Zweige zu brechen, Doch mir wuchsen die Tage in endlose schmerzende Brände Und ich verschloß mich stumm, meine Schlaffheit zu rächen. Ich trug die Gesichter der groben ungläubigen Lehrer In meine zitternden Träume, zaghaften Nächte hinein, Wurde mir selber aufhorchend und wundernd der Hörer, Ließ mich gleiten, wurde in Qualen gemein, Ließ mich verleiten von jedem, das mich bewegte, Der nicht mehr da war, dunkel und trunken den Blick, Was mich so maßlos erbitterte und erregte Von mir gebracht fiel dröhnend auf mich zurück. Jugend, Verrat, schwerträumend, bewußtlos verübt, Geschändet, verstoßen, verschlossen, wehrlosen Willens. Großes, hartherziges Grauen der höhnenden Stadt, Lachende, riesige Menschen, die mich in Händen gehabt, Die mir zerknickten die wachsenden Glieder zum Stoß: Ich blieb an den Wolken hängen Ich blieb an den himmlischen Winden hängen Ich sank in die Wiesen, Gras nickte mir zu, Den hohen Gesängen Der wissenden Wälder Gab ich mein brennendes brüderlich: Du. Aufgehender Tag, teilhaft des Sinns solcher Zeit, Mutter, Dein Schoß regt sich verkündungsvoll, Stolz Deines Sohnes will donnernd erwachen, Heiliger Stunde dröhnt das Geläute der Welt. Kirchen stürzen zerschmettert, Gott geht zu Gast, Der fromme Geist zeigt schluchzend sein Herz, Süß liegt die ruhende Kraft bereit, Unseliger Schlaf auftut die Augen Zu vollstrecken des Geistes Geheiß: _Denn Gott ist zornig, ist streng und zornig!_ Durch Jungsein leergebrannt Die eingekreiste Glut, Vielmals vergossen Weg abendlicher Qual. Denn da genügt kein Wort, Ist nirgends ein Wort, Das der Nacht Verhängnis Gerecht ermißt. Wir sehen uns an Wänden Verrunzelt winzig stehn, Zwischen weichen Fingern zermalmend Überschreitet uns riesig die Frau. Wir strecken um ein wenig Glück Die Hand, um enge Güte, Um einen Hof der Scham, uns stürzt Zärtlichkeit vom Angesicht. Aber Feindschaft ist so groß, Kein Schoß verheißt Empfang, Ekel überspannt den Leib Seiner Unzulänglichkeit. Blühte doch ein Tal der Ruhe, Käme Zeit des Morgens, Der ins Innen dringt Und Erlösung kennt. Auf dem Rücken der Stadt Hockt der häßliche Zwerg, Die kreischende Nacht, Das Tor voll Qual. Tränenlied Soll ich mein kleines Lustliedlein singen, Mein Herzlein bringen Vor Deinen Mund, Knie will ich falten, Hände hinhalten, Mach mich gesund! Hebe mir Schwere Vom Haupt, O ich ersticke, Aller Geschicke Steh ich beraubt. Laß mich die Leere Mit meinen bloßen Armen durchstoßen, Bin ich doch nackt Ausgegossen in Deine Hände, O so beende Was mich da packt. Zärtlichkeit hasse ich, Schwäche versehrt mich, Liebe zerstört mich, Ich bin gar unfähig. Im Fensterriß errötend rings von Tag Der Häusermauern eckiges Gesicht, Beglotzt den Traum, lang rasselndes Gewicht, Das mich die ganze starre Nacht umlag. Der Baum im Hof erhebt sich kraß und dicht Sirenenbrunst und kurzer Uhrenschlag; Das schon ganz tief im hellen Himmel stak: Erschrocken unterm Dach verlischt ein Licht. Hundegebell, es häufen sich die Zeichen, Ich werde bald mich aufrecht stehend wissen, Wind wird mich, zärtliches Gefühl, umschleichen, Ich fand mich nie zurecht in meinen Kissen, Ich will die Sonne sehn, sie soll Dir gleichen, Soll Mädchen sein und meine Augen küssen. Der Alternde 1 Mein Frauenhimmel zerstürzt, Mein Freundeswille erstickt, Unnatur ist der Kampf. Und war doch einst ein Fließen Und Händereichen Und Hingeben. Meine Tage verstreut, Mein Blut zu Ende, Meine Zärtlichkeit tot. Schwäche besteigt das Haupt, Darauf ruht keine Hand. 2 Die Nächte stehen leer von Tanz, Die höchsten Feste sind versäumt, Die Kette der Freundschaft ist einender Haß, Der macht unseliger noch verloren. Die Männer sind vor Scham verwüstet, Sie wagen nicht, sich zu erkennen, Überall sind Freunde einzeln Ohne Frau, Gewalt und Inbrunst. Der Mensch ist entzweigeteilt! Er will Erniedrigung, Aber ich lasse den Himmel nicht los. Ein hohes Feuer ist meine Not, Es hüllt die Erde ein In edle Trunkenheit! Hohler Spalt, offner Schlaf Hört den Wind der Reise, Wo er Traumeskreise traf Rauschen Ähren leise. Meine Hand führt Deine Hand Feuerfluß der Sterne, Rings ist still ein Wellenland Lockung in die Ferne. Stadtgesicht schwillt wüst empor Maul bis zu den Ohren, Fürchterlich erdröhnt ein Chor: Du auch bist verloren. In der schweren gelben Luft Hängt ein Meer von Armen, Steine fallen, Stimme ruft Gellend um Erbarmen. Welche Reise muß ich tun? Selig sei Du, weine, Traum zerreiße, Nacht will ruhn, Weiße Sonne, scheine! Beim Tode einer alten Frau Wir werden uns leise Um sie versammeln, Zu Häupten zwei graue Zu Füßen zwei weiße, Einer wird mitten zur Hülle gesunken In Händen halten Haut wie Laub. -- Schön sind Blumen Rings gelegt. Wir hörten Worte toll Sturm durch die Straßen rollen, Die sind auf einmal still geworden. Wir müssen uns ganz nah begeben, Sonst trägt, was kommen wird, uns weit. Kannst du laut lachen einmal, Zerteilen mein' Angst, Ich glaube -- wir sind nicht mehr. Wir wandern alle schon im Herbst, Auch was so neu und kühn: ist Herbst; Wir werden bald uns wechseln müssen, Schon löst die Krone sich vom Haupt. Ich bin schon alt wie hundert Jahr, Mein Blut ist früh so schwer geworden, Alte Frau, ich bin Dir nah. Sind Deine Augen immer zu, Ich bin aus Dir ein Blätterbaum, Viel Zweige werden von mir gehn, Blitz fällt mich kaum. Ich bin geschehn Stark dazustehn, Doch Du brauchst Ruh. Abendgang Zu doppelt Teil zerfällt der Kern, Wenn die anschwellende Grauenfrucht Durchstieß die Narbe, verschlang die Hütten: Entsetzen -- Gelächter. Gegen die Augen Stoß der Dächer, Und die Erde will in den Mund, Musik und Ruf durchstechen das Ohr, In mich flüchtet der ganze Lärm Aber wenn ich ins Weite will Versagt ein jedes und ist am Ende. Verheißungslos in mein Fleisch zurück: In kahler Kammer bin ich da. Zuviel dies Land zerfurcht von Blut, Mord regungsloser Turm darin. Hier kann mir keine Heimat sein, Hilf suchen doch mein fernes Land. Wenn sich die Nacht nun an mich hängt, Die treibt durch Straße, Park, Café, Erst lachen wir, dann weinen wir, Dann schließt uns Wahn die Augen zu. 1 Ich liege wie ein Unheil auf der Stadt, Ich liege ganz berauscht von Stadt, Meine Worte sind Gift. Jetzt kommen alle, wollen kosten, Geschlagen sein, zu nichte sein, Von mir das Sterben erfahren. Die Schwachen wollen sich zügeln lassen, Ich kann ihre wunden Augen nicht sehn, Sie sind, Verachtete, feige im Licht. Kinderhände ringen um Führung, Hände auch verkrüppeln vor Angst, Hände können die Tränen nicht halten. Durch mich, in mich stürzt alles zurück, Ich singe hart, grausam laut: Ich liege wie ein Unheil auf der Stadt. 2 Ihr Gotterfüllten in der Zeit Von jeher Euer Erbe Inbrunst: Des Gottes Ehre ist mißbraucht. Sein Tempel ist ein offnes Haus, Sein heilig Blut tropft schwer dahin: Des Gottes Ehre ist mißbraucht. Schreit auf, da Euch Gebet versagt, Ihr wart die Hüter, Ihr das Tor: Des Gottes Ehre ist mißbraucht. Ihr seid der Welt Verderber, Des großen Sterbens seid Ihr schuld: Des Gottes Ehre ist mißbraucht. Sein hehrer Leib klagt krank und wund, Ein Grauenvolles starrt sein Mund, O, meines Gottes Ehre ist zerstört! 3 Tragt seinen Fluch in Euren Tod, Es soll ein neuer Glanz geschehn, Ein Fest wird sein, ein strahlend Rot Soll über Euren Häuptern stehn Und Wirklichkeit, die furchtbar droht, Aus leeren Augen auf Euch sehn. Uns komme Licht, uns sei das Wort, Ein Gang auf Wellen, Hand in Hand, Gesang, an dem die Kraft verdorrt, Die heute nicht Erlösung fand. O erster Morgen, letzter Mord, Rauchender Welt entsteigt _mein_ Land! Loslösung Während ich mit Euch bin, mit Euch teile Trennt sich schon tastend die suchende Saat, Einheit versagt sich zu jagender Meile, Heilige Forderung wird der Verrat. Sind wir mit waltenden Waffen Bescherte, Trifft uns vereinsamt gemeinsames Ziel, Nur wer den Geist seines Gottes versehrte, Bröckelt verlodernd am eignen Gefühl. Gestern im Tempel der treuste der Wächter, Heute der Schänder am heiligsten Gut, Dennoch gewertet als Harter, Gerechter, Wehrlos gewappnet der Wut nur durch Blut, Das schon vom donnernden Schalle durchrauscht Keinen vermag der Gestürzten zu schonen, Entrückt dem rasenden Trommelklang lauscht Kommender Revolutionen. Eroberte Stadt Die ganze Stadt ist eine große Kirche Voll Andacht, Inbrunst, Reue und Gebet, Vom Gipfelsturm der Glocken überweht. Der Tag erbraust in Tätigkeit und Kraft, Doch nirgends ist ein emsig Herz am Werke, Die Seelen alle sind zu Gott erschlafft, Die Augen ruhn, in sich dahingerafft. Nur in den Glocken rast noch Sinn und Stärke. Da fällt ein Beben auf die Stadt herab Und ein Erzittern und ein Fliehenwollen, Die Mauern stöhnen qualvoll, und ein Grollen Hebt an und alle Tore spreizen sich Und aus den übervollen Jammergetränkten Wänden birst ein Schrei Und Schreien, Von Flammen, Steinen überschüttet Steigt das Grauen Steil in die Luft: »Wir taten nichts, Wir nahten Uns Dir in Blöße, Wir ahnten Deines Angesichts Endlose Größe, _Doch Du spiest Granaten_.« 1916 Zersprengte Jugend! Uns die Zeit Zerbiß die Stirn, Es schreit, schreit, Kann nicht ruhn, Lauert bereit Ohne zu tun. Abendgang, Nacht in Straßen, Zwang zu hassen Hilflos, krank, -- Verflucht solche Jugend, O Alter und Ende, Pack fort das Grauen, Zerhauen Sind unsere Hände, Die schaffen sollen! Durchlöchert, zerfressen Rinnen wir aus, Wir wollen Hinaus! Sonst Mord! Sonst Mord! Raserei Laßt uns frei! Laßt uns fort! Totes Europa Ist ohne Jugend, Ach erschlagen Ist die Jugend. Offnes Grab, Kalt und hart, Narren, Helden, Entflammte Juden, Überreste Erreichen die Wüste! Im dritten Jahr ist der Gruß Geschrei, Mattes Ächzen, gestöhnte Qual Hebt an, stimmt ein! Im Genick die modernde Faust verhöhnt. Meiner Freunde zerfressene Augen, Die zerbrachen im ersten Sturm, Sind gewandert in jedes Gesicht. Beinhaus Erde! Es wandeln die Toten. Du bist mir fremd, da Du noch bist, Es quillt noch Blut, wenn man Dich sticht, Wer lebt, ist Mörder, Euch liebe ich nicht. Du warst mein Freund? So stürze ein, Geschleift, gestoßen vor ein Gericht Wollen wir Feindschaft in uns schrein! Haß, den vereint wir schufen Als letzten Feind, Aus Nacht, aus Bett gerufen Krumm und verweint. Fremder, mit dem ich ging, Soll ich Dich schlagen, Qual, die Dich rings umhing, Muß _ich_ nun tragen. Alles liegt da zerdrückt Kraft, Weichheit, Wut, Haß, auf den Sinn gezückt, Haß, Du bist gut. Auge Was soll die Furcht vor diesen fremden Augen! Komisches Grauen wirft mich rücklings hin, Sie schleppen schwarzes Feuer in den Brauen, Asche wie Blut betropft das Kinn. Gehöhlt gezackte Landschaft, hoch zu schauen, Bergkreuz der Augen: der durchbohrte Sinn, Er will sich wütend in die Sonne bauen, Dort steht auf Mauern, brausend, der ich bin. Jed' Wesen ist nur Käfig für sein Leid, Gefüllt mit Tränen, ausgebrannte Kehle, Nur noch ein Wimmern, weinend, unbefreit. Faust, brich hernieder in die Augenhöhle, Spreize die Finger, zerreiße die Seele, Rasende Faust meiner »herrlichen« Zeit. Komme über alle Starre Wut, Totes Auge Und der Glieder Besessenheit. Dumpf versunken In der Not Anblick, Stumm für Zuruf, Unfähig der Tat. Nicht sich verlieren Nur stierend sagen Hassend kalt sagen: Da -- ist -- Mord Da -- ist -- Schande Da -- ist -- Mord. Ich weiß nicht mehr Wie Morgen ist Und Tag beginnt. Sind noch die Wasser Und das Tal, Mond, dem die Nacht erliegt? Niemehr kommt Sommer, Ganz gefangen Starrt mein Gesicht, Lauert grausam Und erwürgt Die kleine Hoffnung. Schon tänzelt um mich Die Dirne Im Kreis, Heißer Atem, Ein Fetzen Zur Haut. Werft doch alle Euch hin Wo Ihr seid, Stoßt doch alle Heraus! Euer Leid Im Schrei Erdrosselt Die Zeit. Jungfrau 1 Unmut hängt von der Stirn, Ich schlage lang in Härte. Wölfe überfallen mich Und die drohend erstandene Nacht. Ich will mich niederwerfen, Den Kindern kommt Hilfe, Aber mein Wachstum erstickt, Ich habe schlecht getan. Grausamer Traum Nistet sich ein, Mit meiner Verhöhnung Bedeckt sich die Leere. Ich tat nichts, Doch trifft mich Schuld. Trotz und Demut Einen sich. 2 Das Mal der Gerecktheit, In die man verfällt Außer sich trunken, Ist kein Makel an mir. Mich zeichnet Erschlaffung Nach so viel Aufruhr. Käme der Herr jetzt, Mich tötete Scham. Ich verginge. Vor seiner Güte Ich müßte knieen. Ich könnte weinen. 3 Nun bin ich die Herrin der Tänze Im Kreis meiner Mühe. Mich durchschreiten die Paare Am Tag der Vermählung. Vor so viel Entzücken Erreicht meine Seele Einsamen Schmerz, Ich darf nicht teilen. Doch kommt das Feuer An meinen Brunnen, Ich stürze es in mich Ohne Abwehr. Mein Tag Ist der Tag Gottes, An dem Ich ohne Volk bin. Tahiti 1 In Tahiti kämmen am Meer die Mädchen schweres Haar mit schwankenden Händen, Zu dem nahen Ton der Muscheln neigen sie die braunen Nacken, Frucht verheißt des Landes Fülle, Sonnenfeuer folgt zur Frühe jeder Nacht voll fremder Kühle. In Tahiti weht der Meerwind weiße Vögel durch die Luft, Kleine Federn fallen wirbelnd in den flinken Tanz der Kinder, Zarte Finger, steif vor Vorsicht, fassen die verlornen Flocken, Weiße Zähne funkeln Freude, Flache Hände fordern mehr. Nicht am Tor fragt die Arbeit jeden Morgen, Aller Traum wird ausgeträumt, Reif verlangt das Weib zum Manne Und die Falter fliegen nie vergebens Und die Feinde fliehen nie einander. In das Spiel des Alltags klingt die Flöte, Doch zur Feier tönen weiche Harfen Von den Ufern Duft der Wasserblumen Und die leise Fahrt der bunten Kähne, In den dunklen Wäldern Sturm der Wipfel Und das Flüstern schlankgewachsner Gräser. Über Wiesen in Tahiti fließen rieselnd frische Bäche, Streifen leichte Weidenzweige hauchgebeugt die helle Nässe, Gelber Sand und grüner Halm fangen wechselnd schmale Füße, Jeder Blick ermahnt zu bleiben Jede Ferne treibt zu eilen. Karge Männer gehen nach einem nimmermüden Werke, Wenn ihr Steinbeil Stämme fällt Sehn sie stumm der Frauen Sorgfalt, Und die Liebe lichter Lieder mischt sich ihrem rauhen Sange. 2 Spruch der Frauen Solln wir schaun zur Gruft der Fluten Und des Sturmes Gut ergründen? Hundert schlug sein Zorn zurück. Oder solln in weiter Wölbung Augen wandern, wundersuchend, Der Gestirne Gang zu folgen? Soll der Sprung die Glieder tragen Über Gräben und Gemäuer, Und der Schlag der Herzen fliegen Bis wir matt an Eure straffen Muskelschweren Kniee sinken? Oder Eure kleinen Söhne Mit uns nehmen, gehen lehren, Ihren guten Schlaf bewachen Und den ahnungslosen Augen Täglich Ding zu schauen geben? 3 Spruch der Mutter fürs Kind Sei nicht Führer vieler, Weiser sei am Weg Wachsend zwischen Wolken In den reinsten Himmel. Suche nicht nach Glück, Anderen vergönnt Sei dem Herz kein Sänger, Wecker sei der Seele. Sieh nicht ins Gesicht der Welt Wenn Du schweigst, sind andre stumm, Und Dein Wort durchstürzt das Fleisch Un--endlich. Weich von Elend Überstürmt von Tod Halten wir Güte In geschlossner Faust. Wir sind so Wie die Kinder, Bloß daß wir Schreiten müssen. Da steigen uns Schwere verworrene Heimlichkeiten Vor die Sinne. Die stürzen uns In Härte, Sonst frißt uns Fremde Lockung. Güte ist kein Weg, Helfen kann nur Weisung, Der Führer ist Geht einsam voran. Er kennt kein Opfer, Ihm sticht das Licht Der eigenen Augen Erinnerung aus, Nur im Schlafe Umrauscht ihn Eine Ahnung Kommender Liebe. »Fleisch hat die Augen geschlagen, Ich muß darein gehn, Wie soll ich nun sehn?« »Fleisch wird Dich aufwärts tragen.« »Da ist der Leib sehr wund, Verzehrt, schwach und heiß. Wie wird mein Leib nun weiß?« »Liebe macht ihn gesund.« »Doch wer gelangt zu mir Und reicht bis an ein Ende. Wer greift an meine Hände?« »_Gott_ ist genug in Dir.« »Wo find ich seine Zeichen Und weiß sie zu erfüllen? Wer kann so hohem Willen Mit seiner Armut gleichen?« »Feuer begehrt Dich schwer, Laß Dich erfassen Außer allen Maßen Ist der _Geist_ Dein Herr. Wachse an diesem Berg, Wie wirst Du glühend sehn, Wie wird Dir groß geschehn, Höchste Lust im _Werk_.« Zukunft 1 Der ich schon längst nicht schenke Aus kleinem Krug an Mensch und Welt, Wohin es mich auch lenke Bleibst Du mir immer beigesellt. Aussend ich wilde Mannheit Um Deinen milden Frauenleib, Eingehen mußt Du meiner Zeit, Zu geben großes Bild vom Weib. Ich will aus Dir herlesen Was in der Zeit noch grauend liegt, Einbrechen in Dein Wesen Wie man in glühend Eisen biegt. Gewiß verbirgt Dein guter Schoß Das Sterben und die ganze Not, Verschlossen hüpft und riesengroß In Dir schon unser aller Tod. Drum laß ich nieder, wo Du bist, Die müdgespannte Muskellast O sei Du heilig rein geküßt Da Du mich eingelassen hast. 2 Die Erde tat am Mond Verrat, Nun kann ihr keine Obhut sein, Rot Feuer fällt auf unsere Stadt, In Trümmern Du und ich allein. Zweifach durch schwarze Nacht gescheucht Scharlachentzündet Firmament, O mein zerschrienes Herz schrill keucht, Daß mein Gesicht Dich nicht mehr kennt. Da nimmst Du meinen Kopf an dich, Aus der unsagbar Edles spricht, Ins Auge ungeheuerlich Bricht überströmend neu das Licht. 3 Schwingt Anemonen trunken Der traumersehnte See, Die Zeiten sind gesunken, Aus Blumen bleicht der Schnee. Die Schädel vieler Leichen Sind in die Luft gepflanzt, Auf Feldern ohnegleichen Wird wundersam getanzt. Aus Klängen Bäche bluten, In Eins zuspitzt die Welt, Aus Lärm und Ruf und Gluten Wird Heiland neu bestellt. * * * * * Die jungen Juden haben Dräuend die Hand gestreckt, Was ihre Herzen gaben Hält süß ihn zugedeckt. Aus ihren Hungergassen Wächst Jubel langsam auf, Noch können sie nicht fassen. Starr geht ihr Blick hinauf. Doch dann sind sie unbändig Und Leid bricht rot heraus, Das schleudern tausendhändig Sie in die Zeiten aus. * * * * * Es ist nur ein Gesicht, Das auf der Erde geht, Nur einer ist, der spricht, Jed Wort wird zum Gebet. Den Schnitter in der Hitze Springt Grausen geltend an, Kein Zweiter bleibt, der stütze, Nicht kennt sich Weib noch Mann. Gott sind die Menschen alle Und Auge, das erlischt, Sie schrein, bereit zum Falle, Einander ins Gericht. * * * * * Hört Glockenrasen ragen, Hell aufgebäumt von Stoß, Die schuldig sind, sie sagen Sich voneinander los. Ein heulend Stürzen nieder Gepackt von aller Last Zerspringen ihre Glieder -- Gott hat sie angefaßt. Die Erde überwehen Kühler und schwarzer Wind. Dann bleibt die Erde stehen. Gott wurde trauernd blind. * * * * * Schwingt Anemonen trunken Der traumersehnte See, Die Zeiten sind versunken, Aus Blumen bleicht der Schnee. Still kommen hergefahren In Nachen singend Lied Unzählbar Seelenscharen, Aus denen Himmel blüht. Sie tragen ihre Helle An den verwünschten Ort. Aufnimmt sie Sonnenwelle, Sie leben herrlich fort! 4 Du gib die überhelle Kraft, Aus der der Stern der Güte stammt, Zerspreng die Haft, gib Wissenschaft Und unermeßlich machtvoll Amt. Was gab denn Haß, da ich vergaß Und Liebe, die in Qual verrann, Wenn ich mich alles des vermaß Sag an, was blieb mir dann! Mein Schlaf schwimmt in verzagten Tag Und ahnt die Ufer nicht, Wie leicht erlag dem starren Schlag Mein helles Traumgesicht. So gib, daß ich der Hüter einst Nah Deinem Atem bin, Wenn Gott Du weinst, Licht, wenn Du scheinst, _Wie stürzt da alles selig hin!_ Aus dem Dienst Die weiße Straße führt heraus ins Weite, Am Wege rasten Schnitter, rufen Grüße, Sanft steigen Berge nackt aus weichen Wiesen, Am Felsen hockt Kind Schnee, schwankt hin Gestrüpp, Mit aufgerissnen Augen blauer See Singt stille Fahrt und müde Gondellieder. Den heißen Hals küßt ferner Wind, Ein Wolkennacken überm Dorf sich stemmt, Beugt an den Mauern Blumen bunt zu Boden. Es läuten Glocken, Mittag träumend liegt, Heim kommen Herden, Kinder knien im Hof; Am Baum ein Mädchen: Mund und Haar und Erde. -- Schweigende Trauer am Himmel gelehnt Führe heran deine milden Hände, Gleite um Schulter kühler Hauch, In die Augen drücke die Schmerzenlast -- Einhalten die Glieder und ein Wirbel Stürzt durch dich. Da schreit dein Haupt. Die Sonne floh, um uns ist Nacht, Wir sinken eisig in schwarze Starre, Nur ein Krächzen noch laut, Dunkeljammernde hasten vorüber -- Drücke, Trauer, mir sanft die Kehle tot: _Atmen kann ich nicht mehr._ *** End of this LibraryBlog Digital Book "Verkettung - Gedichte" *** Copyright 2023 LibraryBlog. All rights reserved.